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German Pages 272 [295] Year 2019
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 411 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann
Lukas Kämper
Forderungsbegriff und Zession Geschichte und Dogmatik der Abtretung in Frankreich und Deutschland
Mohr Siebeck
Lukas Kämper, geboren 1989, Studium der Rechtswissenschaften in Münster und Poitiers; 2014 Erste Juristische Prüfung; seit 2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtsgeschichte der Universität Münster; seit 2017 Rechtsreferendar am Landgericht Münster; 2018 Promotion. orcid.org/0000-0003-2829-1869
D6 Zugl.: Münster (Westf.), Univ., Diss. der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, 2018. ISBN 978-3-16-156177-1 / eISBN 978-3-16-156178-8 DOI 10.1628/978-3-16-156178-8 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen aus der Times gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit hat die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Münster im Wintersemester 2017/2018 als Dissertation angenommen. Sie ist während meiner Zeit am dortigen Institut für Rechtsgeschichte am Lehrstuhl von Herrn Professor Dr. Nils Jansen entstanden. Ihm als meinem Doktorvater gebührt mein herzlicher Dank für die Anregung des Themas und die ausgesprochen enge und konstruktive Betreuung. Die glückliche Zeit an seinem Lehrstuhl und die wohlwollende Förderung, die ich dort in Studium und Promotion erfahren durfte, habe ich als in jeder Hinsicht äußerst gewinnbringend erlebt. Für die Erstattung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Professor Dr. Stefan Arnold. Herzlich danken möchte ich auch meiner Schwester Franziska Kämper sowie meinen Freunden Jens Röther und Jonathan Maschmeier für ihre wertvolle Hilfe bei der Durchsicht des Manuskripts, für dessen Endfassung Rechtsprechung und Literatur bis August 2018 berücksichtigt werden konnten. Dem Verlag Mohr Siebeck danke ich für die angenehme Zusammenarbeit bei der Vorbereitung der Publikation und den Direktoren des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe. Der Studienstiftung des deutschen Volkes bin ich für die Förderung in Studium und Promotion ebenso dankbar wie der Johanna und Fritz Buch-Gedächtnisstiftung für die freundliche Unterstützung durch ein Druckkostenstipendium. Danken möchte ich aber auch meiner Familie, die mich während meiner gesamten Ausbildung in jeder Hinsicht unterstützt und mich in dem eingeschlagenen Weg stets bestärkt hat. Hervorheben möchte ich neben meiner Schwester Franziska vor allem Lucie Koch, Christa Kämper sowie Dr. Emil Kämper, der mir in vielerlei Hinsicht ein Vorbild war und ist. Ganz besonders danke ich meiner Freundin Vivi, die nicht nur die Arbeit vollständig zur Korrektur gelesen, sondern auch in der oft anstrengenden Zeit zuvor stets in allen Belangen hinter mir gestanden hat. Das hat mir die Motivation und Kraft gegeben, auch schwierige Phasen der Promotionszeit zu überstehen.
VIII
Vorwort
Zuletzt danke ich meinen Eltern Barbara und Fritz Kämper. Sie haben mir die Ausbildung ermöglicht und mich dabei immer weit über das selbstverständliche Maß hinaus gefördert, zuletzt durch die großzügige Übernahme der Druckkosten. Auf ihren Rückhalt und ihre Unterstützung konnte ich mich stets verlassen. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Münster, im August 2018
Lukas Kämper
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Erstes Kapitel: Forderung und Zession in Code civil und BGB und ihre theoretischen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 § 1 Rechtsband oder Vermögensgegenstand? Gegensätzliche Vorstellungen von Forderung und Zession . . . . . . . . . . . 8 § 2 Forderungs- und Zessionsbegriffe in Code civil und BGB . . . . . . . . . . . 43
Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 § 3 Die denuntiatio des römischen und gemeinen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . 88 § 4 Die Abtretungsanzeige (signification) im französischen Recht . . . . . . . . 95 § 5 Die Abtretungsanzeige im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 § 6 Vertragliche Abtretungsverbote im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 180 § 7 Vertragliche Abtretungsverbote im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . 204
Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Gegenstand und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Erstes Kapitel: Forderung und Zession in Code civil und BGB und ihre theoretischen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 § 1 Rechtsband oder Vermögensgegenstand? Gegensätzliche Vorstellungen von Forderung und Zession . . . . . . . . . . . 8
I. Die Forderung als Rechtsband: nomina ossibus inhaerent . . . . . . . . . . 8 1. Antikes römisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 a) Der Forderungsbegriff im antiken römischen Recht . . . . . . . . . . . 8 b) Die Zession im antiken römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Forderung und Zession bei den Glossatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 a) Nomina ossibus inhaerent: die Lehre von der Unübertragbarkeit . 11 b) Die actio utilis des Zessionars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 c) Bewertung der Zessionsmodelle der Glossatoren . . . . . . . . . . . . . 14 3. Die obligatio als Sachzuordnung: ius ad rem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4. Forderung und Zession im usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Die Forderung als Vermögensgegenstand: Wege zur Verkehrsfähigkeit der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Ein neuer Eigentumsbegriff: von Bartolus zur spanischen Spätscholastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 a) Die dominium-Definition des Bartolus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 b) Neukonzeption des dominium im Naturrechtsdiskurs der spanischen Spätscholastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Forderung und Zession bei Hugo Grotius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 a) Systematik des Vermögensrechts und Konsensprinzip . . . . . . . . . 25
XII
Inhaltsverzeichnis
b) Auswirkungen des Konsensprinzips auf den Forderungsbegriff . . 3. Forderung und Zession bei Pufendorf und Wolff . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Eigentumsbegriff bei Pufendorf und Wolff . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Übertragung des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Zession von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Relativierungen des naturrechtlichen Forderungs- und Zessionsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Doppelnatur der Forderung bei Wolff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die erneute Trennung von Schuld- und Sachenrecht bei Joachim Georg Darjes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Vermögensrechtssystem bei Darjes . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Zession als schuldrechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung: Ausprägungen zweier gegensätzlicher Vorstellungen von Forderung und Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 31 32 33 34 35 35 37 38 40 41
§ 2 Forderungs- und Zessionsbegriffe in Code civil und BGB . . . . . . . . . . . 43 I. Forderung und Zession im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forderung und Zession im Ancien droit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Übertragbarkeit der Forderung im Recht der Coutumes . . . . . aa) Die Zession im älteren Recht der Coutumes . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Pariser Coutumes von 1510 / 1570 . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zession im Juristenrecht des Ancien droit . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das droit commun coutumier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Domat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Pothier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forderung und Zession im Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Redaktion des Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Übertragbarkeit der Forderung in den Entwürfen zum Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Forderung als bien im vermögensrechtlichen System des Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis: die Zession der Coutumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Forderung und Zession im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forderungs- und Zessionsbegriffe in der wissenschaftlichen Diskussion des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Forderungsbegriff: Trennung von Schuld- und Sachenrecht bei Savigny . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zession: das Werk Mühlenbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Germanistische Forderungs- und Zessionsmodelle . . . . . . . . . . . . d) Überwindung der Ausübungslehre auf Basis der römischen Quellen durch Windscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Zessionsbegriff bei Windscheid: die actio utilis als selbstständiger Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 43 43 44 44 45 46 48 49 52 53 53 54 56 58 60
61 61 64 67 68 68
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bb) Der Forderungsbegriff bei Windscheid: Reichweite der Verbindung von Forderung und Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . e) Naturrechtliche Einflüsse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f ) Zwischenergebnis: wechselnde Vorstellungen von Forderung und Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Seitenblick: Entwicklung der Diskussion in Frankreich im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Forderung und Zession in der gemeinrechtlichen Rechtsprechung sowie in den Kodifikationen vor dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Forderung und Zession im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Entwurf von 1877 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die weitere Diskussion in den Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Entwicklung des Forderungsbegriffs im 20. Jahrhundert: Deliktsschutz und Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deliktsschutz der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Doppelstruktur der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis: der differenzierte Forderungsbegriff im BGB . . . III. Zusammenfassung: grundsätzliche Anerkennung der Forderung als übertragbarer Vermögensgegenstand in beiden Gesetzbüchern . . . . . . .
XIII
70 71 73 74 76 77 77 78 79 80 80 81 83 84
Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 § 3 Die denuntiatio des römischen und gemeinen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Die denuntiatio des antiken römischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die denuntiatio bei den Glossatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die denuntiatio im usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis: die denuntiatio des römischen Rechts – Aneignungsmittel oder Schuldnerschutzinstrument? . . . . . . . . . . . . . . .
88 92 93
94
§ 4 Die Abtretungsanzeige (signification) im französischen Recht . . . . . . . . 95 I. Die signification im Ancien droit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Abtretungsanzeige im älteren Recht der Coutumes . . . . . . . . . . . 2. Die konstitutive signification: un simple transport ne saisit point . . . a) Erwerb der saisine und Traditionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die saisine der Forderung durch appréhension . . . . . . . . . . . . . . . c) Von der appréhension zur signification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entwicklung der signification im Ancien droit . . . . . . . . . . . . . . a) Die signification als Übergabeäquivalent bei den Kommentatoren des droit coutumier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausbleibende Liberalisierung des Traditionsprinzips bei der Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Differenzierungen im 18. Jahrhundert: relative Wirksamkeit der Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96 96 97 98 100 101 104 104 105 107
XIV
Inhaltsverzeichnis
4. Zwischenergebnis: die signification des Ancien droit . . . . . . . . . . . . II. Die signification im Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entstehung des Konsensprinzips im Code civil . . . . . . . . . . . . . . a) Ancien droit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Konsensprinzip in den Entwürfen Combacérès’ . . . . . . . . . . c) Die Entscheidung für das Konsensprinzip in der Viererkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Relatives Eigentum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Motive der Entscheidung für das Konsensprinzip . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die signification im Gesetzgebungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die signification in den Entwürfen Combacérès’ . . . . . . . . . . . . . b) Der Entwurf der Viererkommission 1800 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vom Entwurf der Viererkommission zum Code civil . . . . . . . . . . aa) Die Diskussionsvorlage für den Conseil d’État von 1803 . . . . bb) Einfluss der Stellungnahmen (observations) der Obergerichte zum Entwurf von 1800 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis: zurück zum Ancien droit . . . . . . . . . . . . . . 3. Die signification im vermögensrechtlichen System des Code civil . . a) Kohärenz von Sachkauf und Zession im Code civil . . . . . . . . . . . b) Kritik an der konstitutiven signification nach Erlass des Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Funktionswandel: Publizität mittels signification? . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis: die signification als Fremdkörper im vermögensrechtlichen System des Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die signification in der Entwicklung nach 1804 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ersetzbarkeit der signification durch Kenntnis von der Zession . . . . a) Kenntnis des Schuldners von der Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kenntnis Dritter von der Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ansätze für die Ersetzbarkeit der signification durch Kenntnis im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Kerform-Urteil 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abgrenzung von Kenntnis und Arglist Dritter . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis: die Kenntnisdebatte als Folge der fehlenden systematischen und teleologischen Rechtfertigung der signification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mechanismen zur Umgehung der konstitutiven signification . . . . . . a) Die subrogation personnelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Loi Dailly . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Schuldrechtsreform 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die signification in den Reformentwürfen: Vereinfachung und Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108 110 111 111 112 114 114 116 118 119 119 121 123 123 124 127 127 127 129 131 133 134 135 136 138 139 140 141 143 145 145 148 149 149 149 150
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aa) Das Avant-projet Catala 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Entwurf des Justizministeriums 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Projet Terré 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Verordnungsentwurf 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die endgültige Fassung des neuen Zessionsrechts 2016 . . . . . . . . d) Zwischenergebnis: eine späte Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung: das lange Erbe der Coutumes . . . . . . . . . . . . . . . . .
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150 152 153 154 155 157 158
§ 5 Die Abtretungsanzeige im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Die denuntiatio bei Mühlenbruch und seinen Nachfolgern . . . . . . . . . . 1. Die denuntiatio als Mittel zur Aneignung der Forderungsausübung . 2. Verflechtung der denuntiatio mit der Unübertragbarkeit der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Windscheid und Bähr: Trennung der Problemkreise von denuntiatio und Unübertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Windscheid: Inbesitznahme der actio durch die denuntiatio . . . . . . . 2. Bähr: Schuldnerschutz durch die Abtretungsanzeige . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis: Durchsetzung einer schuldnerschützenden Konzeption der Anzeige; Schuldnerschutz als Grundgedanke des Zessionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Abtretungsanzeige in den Kodifikationen vor dem BGB: Verlagerung des Fokus auf die Anzeige durch den Zedenten . . . . . . . . IV. Die Abtretungsanzeige im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Entwurf von 1877 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die weitere Diskussion in den Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Entwurf Erster Lesung (E I, 1888) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die weiteren Diskussionen bis zum Erlass des BGB . . . . . . . . . . 3. Systematische Widersprüche im BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung: Schuldnerschutz ohne Anzeige . . . . . . . . . . . . . . .
160 160
161 162 162 164 165 167 169 169 170 170 171 172 174
Ergebnisse des zweiten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 § 6 Vertragliche Abtretungsverbote im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Das pactum de non alienando im usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 II. Zessionsverbote als pacta de non alienando in der frühen Pandektistik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Pandektistische Kontroversen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Wege zum pactum de non cedendo . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Diskussionen vor 1868: vertragliche Vereinbarung einer höchstpersönlichen Obligation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Schmid und Seuffert: Abtretungsverbote als pacta de non alienando 184
XVI
Inhaltsverzeichnis
3. Sintenis und Windscheid: das pactum de non cedendo als Teil der Inhaltsbestimmung der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis: dinglich wirkende vertragliche Abtretungsverbote als Folge des pandektistischen Forderungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vertragliche Abtretungsverbote im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vorentwürfe von 1877 und 1882 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Diskussion in den Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Entwurf Erster Lesung (E I, 1888) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die weiteren Beratungen des vertraglichen Abtretungsverbots . . . 3. Das Verhältnis von vertraglichen Abtretungsverboten zu vertraglichen Veräußerungsverboten im Gesetzgebungsprozess . . . . 4. Zwischenergebnis: Widersprüche zwischen § 399 Alt. 2 und § 137 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das dinglich wirkende vertragliche Abtretungsverbot im 20. und 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rezeption der Inhaltsbestimmungslehre im 20. Jahrhundert . . . . . . . 2. Teleologische Rechtsfolgenbestimmung in der Literatur: relative Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Legislative Intervention im Handelsverkehr: § 354a HGB . . . . . . . . VI. Zusammenfassung: differenzierungsfeindliche Begriffsjurisprudenz im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Absolute Wirksamkeit verbotswidriger Abtretungen bei Geldforderungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185 186 188 188 190 190 191 192 194 196 196 197 198 201 202
§ 7 Vertragliche Abtretungsverbote im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . 204 I. Vertragliche Abtretungsverbote im 19. und 20. Jahrhundert . . . . . . . . . 1. Vertragliche Veräußerungsverbote im französischen Recht . . . . . . . . a) Schrittweise Anerkennung vertraglicher Veräußerungsverbote bei unentgeltlichen Geschäften im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangspunkt: freie Verfügung über Vermögensgüter, die nur durch Gesetz beschränkbar ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Differenzierung ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts: Zulässigkeit vertraglicher Veräußerungsverbote bei unentgeltlichen Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausweitung auf entgeltliche Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen des Verstoßes gegen ein wirksames Veräußerungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Dogmatische Erklärung der nullité . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Berufung auf die Unwirksamkeit: nullité relative der verbotswidrigen Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gutglaubensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205 205 205
205 207 209 211 211 213 214
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XVII
dd) Der Ansatz Martys und Raynauds: Konstruktion der nullité aus der deliktischen Haftung für die Teilnahme am fremden Vertragsbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis: von der libre disposition des biens zum Eigentum ohne Dispositionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung auf vertragliche Abtretungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abtretungsverbote als Unterfall von Veräußerungsverboten . . . . . b) Diskussionen nach Einführung des Art. 900-1 CC? . . . . . . . . . . . . II. Das Dupont-Urteil und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt der Entscheidung: effet rélatif des contrats . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reaktionen der Literatur: neue Perspektiven auf das Abtretungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Inhaltsbestimmungslehre Licaris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Intervention des Gesetzgebers: Unwirksamkeit vertraglicher Abtretungsverbote im Handelsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis: vertragliche Abtretungsverbote im vermögensrechtlichen System des Code civil vor der Reform 2016 . III. Die Schuldrechtsreform 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das vertragliche Abtretungsverbot in den Vorentwürfen . . . . . . . . . . 2. Der Verordnungsentwurf 2015 und die endgültige Neuregelung 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reaktionen auf die Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung: vertragliche Abtretungsverbote als Randphänomen im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215 217 219 219 221 222 222 223 225 227 228 230 230 231 232 234
Ergebnisse des dritten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich Abs. Absatz, Absätze Abt. Abteilung AcP Archiv für die civilistische Praxis al. alinéa ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Alt. Alternative, Alternativen Anm. Anmerkung Art., art. Artikel, article, articles, articulus, articuli Aufl. Auflage Bayerischer Entwurf Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern Bd. Band, Bände BeckOGK beck-online.GROSSKOMMENTAR BeckRS Beck-Rechtsprechung Begr. Begründer BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BT‑Drucks. Bundestagsdrucksache Bull. civ. Bulletin des arrêts des chambres civiles de la Cour de cassation C. Codex Iustinianus Cap., cap. caput, capita CARIT United Nations Convention on the Assignment of Receivables (UN‑Abtretungskonvention) Cass. civ. Zivilkammer der Cour de cassation Cass. com. Handelskammer der Cour de cassation Cass. req. Chambre des requêtes (bis 1947) der Cour de cassation CC Code civil in der aktuell geltenden Fassung (nicht von der Schuldrechtsreform 2016 betroffen) CC1804 Code civil in der Fassung von 1804 CC2016 Code civil in der ab dem 01.10.2016 geltenden Fassung (im Zuge der Schuldrechtsreform neu gefasst oder im Anwendungsbereich verändert) Chap., chap. chapitre, chapitres CMBC Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis Code com. Code de commerce Code mon. et fin. Code monétaire et financier CPC Code de procédure civile D. Recueil Dalloz (1924–1955), Recueil Dalloz Sirey de doctrine, de jurisprudence et de législation (seit 1955), Digesten
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Abkürzungsverzeichnis
DCFR Draft Common Frame of Reference Dec., dec. decisio, decisiones dens. denselben ders. derselbe DH Recueil hebdomadaire de jurisprudence en matière civile, commerciale, criminelle, administrative et de droit public (Dalloz), 1924–1938 dies. dieselbe, dieselben disp. disputatio DJT Deutscher Juristentag D. Jur. Gen. Jurisprudence générale, recueil périodique et critique de jurisprudence, de législation et de doctrine (Dalloz, manchmal auch DP), 1825–1923 Dresdner Entwurf Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse Dub., dub. dubitatio, dubitationes, dubium E I Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Erste Lesung E II Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Zweite Lesung et al. et alii EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f., ff. folgende Fn. Fußnote, Fußnoten FÜ, FactÜ UNIDROIT Convention on International Factoring (UN-FactoringÜbereinkommen, auch Ottawa-Konvention) Gai Inst. Institutionen des Gaius Gl. Glosse, glossa Hessischer Entwurf Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Großherzogtum Hessen HGB Handelsgesetzbuch HKK Historisch-kritischer Kommentar zum BGB h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber, Herausgeberin, Herausgeberinnen Inst. Institutionen des Justinian insbes. insbesondere i. V. m. in Verbindung mit JCP Jurisclasseur périodique = La semaine juridique, Edition générale Jh. Jahrhundert JhJb Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts (1857–1892), Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts (1893–1919) Journ. Pal. Journal du Palais. Recueil le plus ancien et le plus complet de la jurisprudence française JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung lib. liber, libri Liv. Livre, Livres m. N. mit Nachweisen MüKo Münchener Kommentar m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. Chr. nach Christus NJW Neue Juristische Wochenschrift no. numéro, numéros
Abkürzungsverzeichnis
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Nr. Nummer, Nummern OAG Oberappellationsgericht OLG Oberlandesgericht OR Obligationenrecht (Schweiz) PECL Principles of European Contract Law PICC UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts pr. principium (Anfang eines Digestenfragments) qu. quaestio, quaestiones RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rec. Gaz. T. Recueil de la gazette des tribunaux RG Reichsgericht RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer, Randnummern Rspr. Rechtsprechung RTD civ. Revue trimestrielle de droit civil RTD com. Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique s. siehe S. Seite, Seiten, Satz S. Recueil Sirey (bis 1949) Sächsisches BGB Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen sc. scilicet Sch. scholium Sect., sect. section, sections, sectio, sectiones SeuffA J. A. Seuffert’s Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten SeuffBl Dr. J. A. Seuffert’s Blätter für Rechtsanwendung sog. sogenannte, sogenannter Sp. Spalte, Spalten st. Rspr. ständige Rechtsprechung T., Tom. Tome, Tomes, Tomus, Tomi Tit., tit. Titel, titre, titres, titulus, tituli tract. tractatus u. a. unter anderem Übers. d. Aut. Übersetzung des Autors unzutr. unzutreffend v. von, vom vgl. vergleiche WM Wertpapier-Mitteilungen, Wirtschafts- und Bankrecht w. N. weitere Nachweise z. B. zum Beispiel ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZHR Zeitschrift für das gesa(m)mte Handelsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZRG (germ.) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung ZRG (rom.) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
Einleitung „Eine Succession in eine Forderung, – kann man sich etwas Widersinnigeres denken?“1 Mit solch drastischen Worten ließ Rudolf von Jhering 1884 in seiner Spottschrift „Scherz und Ernst in der Jurisprudenz“ den Romanisten im „Begriffshimmel“ die Übertragbarkeit von Forderungen als denklogisch unmöglich ablehnen. Den Lesern war freilich klar, dass sie es mit der Karikatur einer überwundenen Rechtsauffassung zu tun hatten: Die Zession war mittlerweile in Wissenschaft und Praxis anerkannt – auch von Jhering selbst2, der die begrifflichen Argumentationen früherer Juristen jetzt spöttisch kritisierte. Doch hatten führende Juristen in Deutschland tatsächlich nur wenige Jahrzehnte zuvor mit kategorischer Rigorosität eine rechtsgeschäftliche Einzelrechtsnachfolge in Forderungen ausgeschlossen3. Offenbar hatte es in der wissenschaftlichen Diskussion eine dogmatische Kehrtwende4 gegeben – mit weitreichenden Folgen: Das BGB ließ schließlich 1896 ebenso wie der französische Code civil von 1804 die Forderungsübertragung zu. Heute bildet die Abtretbarkeit der Forderung als frei veräußerlicher Vermögensgegenstand einen völlig selbstverständlichen, gemeineuropäischen Konsens5. Im Wirtschafts- und Kreditverkehr spielt die Forderungszession eine immense Rolle6; Forderungen werden als von der persönlichen Beziehung zwischen Schuldner und Gläubiger weitgehend abstrahierte Wirtschaftsgüter insbesondere zur Waren- und Kreditsicherung, aber auch beim Factoring und im Rahmen von Inkassogeschäften gehandelt. Weil dieser Handel längst auch global stattfindet, bildet das Abtretungsrecht einen wichtigen Gegenstand europäischer und internationaler Rechtsvereinheitlichungsbemühungen. So existieren mittlerweile verschiedene völkerrechtliche Übereinkommen für internationa1
Jhering, Scherz und Ernst, S. 308.
2 Dazu unten S. 162, Fn. 387. 3 Ausführlich unten S. 61 ff.
4 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 24 spricht von einem „Umschwung“; Zimmermann, Law of Obligations, S. 64 vom „turning of the tide“. 5 Im Ergebnis kennen heute alle europäischen Rechtsordnungen eine Einzelrechtsnachfolge in Forderungen, vgl. dazu den rechtsvergleichenden Überblick bei Kötz, Rights of Third Parties, Bd. 7, Teil 2, Kapitel 13, Rn. 60 ff. 6 Eidenmüller, Dogmatik, S. 458–462; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 494 f.; Damler, Rechtsästhetik, S. 128 f. (mit Zahlen zur makroökonomischen Bedeutung der Zession im internationalen Vergleich).
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Einleitung
le Zessionsgeschäfte, darunter besonders das UN‑Factoring-Übereinkommen7 sowie die – noch nicht in Kraft getretene – UN‑Abtretungskonvention (CARIT)8. Darüber hinaus enthalten wichtige internationale Regelwerke wie die PICC sowie – auf europäischer Ebene – der DCFR und die PECL Vorschriften über die Forderungszession9. Bis zu einem Einheitsrecht für europäische oder internationale Zessionsgeschäfte ist es allerdings noch ein weiter Weg. Denn ein Blick in die internationalen Regelwerke und die nationalen Rechtsordnungen zeigt vor allem eins: Jenseits der grundsätzlichen Übertragbarkeit der Forderung enden die Selbstverständlichkeiten schnell. Die Einzelregelungen etwa zu Abtretungsverboten, Formvorschriften und Schuldnerschutz divergieren schon in den nationalen Rechtsordnungen Europas teils erheblich10 – und auch im 21. Jahrhundert vollziehen nationale Gesetzgeber hier bisweilen regelrechte Kehrtwenden11. Vor dem Hintergrund der europäischen und internationalen Harmonisierungsbemühungen ist es wichtig zu verstehen, warum verschiedene Rechtsordnungen solche auch praktisch immens wichtigen Fragen unterschiedlich beantworten und wie sie die unterschiedlichen Regelungen innerhalb ihres Zessionsrechts, aber auch innerhalb ihres Vermögensrechtssystems insgesamt begründen. Die Arbeit versucht daher, mit einer historisch-vergleichenden Analyse ausgewählter Probleme des Zessionsrechts einen Grundlagenbeitrag zu einem besseren Verständnis der unterschiedlichen Behandlung zessionsrechtlicher Einzelfragen im internationalen Vergleich zu leisten. Die angesprochenen Einzelprobleme stehen dabei schon auf den ersten Blick keineswegs unverbunden nebeneinander, sondern sind dogmatisch komplex miteinander und mit vermögensrechtlichen Grundentscheidungen des jeweiligen Rechts verwoben. 7 UNIDROIT-Übereinkommen
über internationales Factoring (auch Ottawa-Konvention) vom 28.05.1988; ratifiziert von Deutschland zum 01.12.1988; ratifiziert von Frankreich zum 01.05.1995. Zu diesem Abkommen vgl. Rudolf, Einheitsrecht sowie Schütze, Zession, S. 11– 27. 8 Übereinkommen über die Abtretung von Geldforderungen im internationalen Handel vom 12.12.2001; bislang weder von Deutschland noch von Frankreich ratifiziert. Für einen Überblick Kieninger, Vereinheitlichung; ausführlich zu Geschichte und Inhalt Rudolf, Einheitsrecht sowie Schütze, Zession, S. 63 ff. Aus der Sicht eines der Verfasser Bazinas, Policy Issues. 9 Für eine historisch-vergleichende und synthetisierende Kommentierung des Zessionsrechts im Konventionsrecht sowie in den internationalen und europäischen Regelwerken vgl. Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Kapitel „Assignment“. Eine Übersicht bieten ferner Sigman / Kieninger, Law of Assignment. 10 Für einen rechtsvergleichenden Überblick über die Divergenzen bei den – funktional überlappenden – Problemkreisen vertragliche Abtretungsverbote, Form und Schuldnerschutz z. B. Kötz, Rights of Third Parties, Bd. 7, Teil 2, Kapitel 13, Rn. 73 ff., 83 ff., 93 ff. und Sigman / Kieninger, Law of Assignment, S. 8–10, 28 f., 35 f. 11 So der französische Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform 2016, dazu näher unten S. 149 ff. (Abtretungsanzeige) und S. 230 ff. (vertragliches Abtretungsverbot).
Einleitung
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1. Gegenstand und Ziel der Untersuchung Gegenstand der Untersuchung sind zwei Einzelfragen des Abtretungsrechts, die sowohl aus dogmatischer als auch aus praktischer Perspektive besonders interessant und vielschichtig erscheinen: die Notwendigkeit einer Abtretungsanzeige an den Schuldner sowie die Zulässigkeit und Wirkung eines vertraglichen Abtretungsverbots (pactum de non cedendo). Als zu vergleichende Länder bieten sich dabei Deutschland und Frankreich an, denn das BGB und der Code civil regelten diese Fragen lange Zeit ganz unterschiedlich: Nach französischem Recht setzte die Wirksamkeit der Abtretung im Verhältnis zu Dritten traditionell eine förmliche Abtretungsanzeige an den Schuldner (signification) voraus (Art. 1690 CC1804) – das BGB kennt hingegen keine solche für den Zessionserfolg konstitutive Anzeige. Im deutschen Recht wiederum entfaltet ein vertragliches Abtretungsverbot gemäß § 399 Alt. 2 BGB dingliche Wirkung, das heißt, es verhindert die verbotswidrige Zession im Verhältnis zu Dritten. In Frankreich spielten vertragliche Abtretungsverbote dagegen vor dem 21. Jahrhundert nur eine sehr untergeordnete Rolle. Der Code civil enthielt hierzu keine Regelung und in der französischen Literatur fand die Thematik kaum Erwähnung; verbreitet nahm die Rechtsvergleichung an, dass vertragliche Zessionsverbote in Frankreich jedenfalls keine dingliche Wirkung haben könnten12. Ziel der Arbeit ist es zunächst, diese Unterschiede aus historischer Perspektive zu erklären und dabei die hauptsächlichen Wertungen herauszuarbeiten, die den jeweiligen Regelungen zugrunde liegen. Im Zuge dessen stellt sich bei beiden Problemkreisen zum einen die Frage, inwieweit ein prinzipiell ähnlicher Zessionsbegriff – beide Rechtsordnungen erlauben die Abtretung weitgehend analog zur Sachübereignung – mit den Einzelregelungen dogmatisch korreliert. Zum anderen und vor allem soll es aber auch darum gehen, die Regelungen innerhalb der jeweiligen Vermögensrechtssysteme insgesamt auf ihre systematische und normative Kohärenz hin zu untersuchen. Die Normen zum Anzeigeerfordernis und zum vertraglichen Abtretungsverbot werfen in dieser Hinsicht bereits auf den ersten Blick Fragen auf: So ist es zum Beispiel nicht unmittelbar einsichtig, warum unter dem Code civil das Eigentum an beweglichen Sachen grundsätzlich form- und publizitätsfrei übertragen werden kann (Art. 711, 1138, 1583 CC1804 bzw. Art. 711, 1196, 1583 CC2016), während für die Übertragung einer Forderung im Außenverhältnis bislang die umständliche signification erforderlich war (Art. 1690 CC1804) – und das, obwohl Art. 529 CC1804 Forderungen ausdrücklich den beweglichen Sachen gleichstellt. Unter dem BGB fragt sich dagegen, warum ein vertraglich vereinbartes Abtretungsverbot nach § 399 Alt. 2 BGB dingliche Wirkung entfaltet, während § 137 S. 1 BGB für „veräußer12 Kötz, Rights of Third Parties, Bd. 7, Teil 2, Kapitel 13, Rn. 74; Goergen, Pactum, S. 138–152.
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Einleitung
liche Rechte“ als fundamentales sachenrechtliches Prinzip das Gegenteil ausspricht. Schon diese Fragen zeigen, dass die zu untersuchenden Einzelprobleme nicht nur mit dem Zessionsbegriff, sondern viel grundlegender mit vermögensrechtlichen Grundentscheidungen der jeweiligen Rechtsordnung, insbesondere der Rechtsnatur der Forderung, korrelieren. Die Antwort auf die Frage, inwieweit Einzelfragen des Zessionsrechts dogmatisch mit bestimmten Forderungsbegriffen verbunden oder auch von ihnen entkoppelt waren und sind, bildet daher das hauptsächliche Erkenntnisinteresse der Arbeit. Auf dieser Grundlage soll die Arbeit auch jüngere legislative Entwicklungen im Zessionsrecht beider Länder einordnen und reflektieren, insbesondere die jüngste französische Schuldrechtsreform. Im Zuge dieser Reform hat der französische Gesetzgeber zum 1. Oktober 2016 weite Teile des allgemeinen Schuldrechts im Code civil tiefgreifend reformiert13 und dabei auch das Zessionsrecht erstmals grundlegend erneuert; in beiden zu untersuchenden Fragen des Abtretungsrechts gab es dabei fundamentale Paradigmenwechsel. Dies bietet Anlass, die Neuregelungen und ihre Begründungen vor dem Hintergrund der gewonnenen historischen Erkenntnisse auf Kohärenz und Plausibilität hin zu untersuchen.
2. Gang der Darstellung Der Aufbau der Arbeit folgt der These, dass die Fragen nach einem Anzeigeerfordernis und nach Zulässigkeit und Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote dogmatisch eng mit dem Zessionsbegriff und – noch grundlegender – mit dem Forderungsbegriff der jeweiligen Rechtsordnung in Verbindung stehen. Ein erstes Kapitel soll daher von der Diskussion um die allgemeinen Begriffe von Forderung und Zession in der französischen und der deutschen Tradition handeln. Selbstverständlich kann es dabei nicht um eine umfassende Dogmengeschichte gehen; vielmehr sollen die historischen Zusammenhänge nur insoweit deutlich gemacht werden, als es das Verhältnis zu den zessionsrechtlichen Regelungen erfordert. Den Beginn der Arbeit bildet daher eine Untersuchung der beiden gegensätzlichen Forderungsbegriffe, die sich in der europäischen Privatrechtsgeschichte gegenüberstanden: die römischrechtliche Sicht auf die Forderung als ein rein relatives, grundsätzlich unübertragbares „Rechtsband“ zwischen Gläubiger und Schuldner sowie die insbesondere im neuzeitlichen Naturrecht ausformulierte Konzeption der Forderung als frei übertragbarer, „versachenrechtlichter“14 Vermögensgegenstand. Im Anschluss daran geht die 13 Für eine Übersicht aus deutscher Sicht vgl. z. B. Witz / Babusiaux, Reform; ausführlich unten S. 149 ff. 14 Mit diesem Begriff kennzeichnete die Erste Kommission bei den Beratungen zum BGB den vom römischen Recht abweichenden Forderungsbegriff: Mugdan, Materialien, Bd. II, Motive, S. 67.
Einleitung
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Arbeit der Frage nach, auf welchen Grundvorstellungen insoweit der Code civil und das BGB aufbauen. Im Hauptteil der Arbeit geht es anschließend im zweiten Kapitel um die Notwendigkeit einer Abtretungsanzeige an den Schuldner und im dritten Kapitel um Zulässigkeit und Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote. Aufbauend auf den Erkenntnissen des ersten Kapitels sollen dabei die französische und die deutsche Diskussion bis zum Erlass der jeweiligen Kodifikation analysiert werden. Darüber hinaus wird jeweils auch der Blick auf den Umgang mit den Normen nach Erlass der Kodifikation sowie auf spätere legislative Eingriffe gelenkt, insbesondere auch auf die französische Schuldrechtsreform 201615. Der Fokus im zweiten und dritten Kapitel liegt neben der Darstellung der historischen Zusammenhänge auf der Frage nach der Widerspruchsfreiheit der Argumentationen vor und nach Erlass der Kodifikationen sowie nach der systematischen und normativen Kohärenz der Regelungen in Code civil und BGB seit 1804 bzw. 1896. Die Frage nach der Korrelation von Forderungsbegriff und Zessionsdogmatik steht bei alledem im Vordergrund. Wo möglich, sollen aus den gewonnenen Erkenntnissen Schlüsse für mögliche künftige Regelungen von Abtretungsanzeige und Abtretungsverboten gezogen werden.
15 Wo dies der Eindeutigkeit dient, bezeichnet CC1804 den Code civil in der Fassung von 1804 und CC2016 den Code civil in der seit dem 01.10.2016 (Inkrafttreten der Schuldrechtsreform) geltenden Fassung.
Erstes Kapitel
Forderung und Zession in Code civil und BGB und ihre theoretischen Grundlagen Wie eingangs angedeutet, war es – gerade in Deutschland – ein weiter Weg bis zur heute unbestrittenen Anerkennung der grundsätzlichen Übertragbarkeit von Forderungen. Im Rahmen des folgenden ersten Kapitels soll es nicht um eine allgemeine Dogmengeschichte der Abtretung und insbesondere nicht hauptsächlich um die gut erforschte deutsche Diskussion im 19. Jahrhundert gehen. Vielmehr zielt dieser Teil auf ein Verständnis für das grundsätzliche Spannungsverhältnis der verschiedenen Vorstellungen von der Rechtsnatur bzw. dem Begriff der Forderung und der Zession zwischen Schuldrecht und Sachenrecht. Insbesondere sollen die grundsätzlichen Wertungen herausgearbeitet werden, auf denen die jeweiligen Begriffe von Forderung und Zession im Code civil und im BGB beruhen. Insoweit legt dieses Kapitel die Grundlage für die folgenden Kapitel, in denen anschließend das Zusammenspiel dieser prinzipiellen Konzeptionen und Wertungen mit einzelnen Regelungen des Zessionsrechts untersucht werden soll. In einem ersten Teil (§ 1) soll der Fokus auf dem Gegensatz zwischen römischrechtlichen Forderungs- und Zessionsbegriffen und der innovativen naturrechtlichen Vorstellung von Forderung und Zession liegen. Aufbauend auf diesem Verständnis der beiden grundlegenden Strömungen und der dahinter stehenden Wertungen sollen in einem zweiten Teil (§ 2) die prinzipiellen Forderungs- und Zessionsbegriffe, die dem Code civil und dem BGB zugrunde liegen, in einer historischen Analyse der Diskussionen vor, bei und nach Erlass der Gesetzbücher untersucht werden. Insbesondere stellen sich folgende Fragen: Wie wurde die Rechtsnatur der Forderung im römischen Recht und, vermittelt durch die Glossatoren, im Mittelalter verstanden? Wie änderte sich diese Perspektive in der spanischen Spätscholastik im 16. Jahrhundert und im Naturrecht im 17. und 18. Jahrhundert? Mit welchen Argumenten begründeten Autoren dieser Strömungen ihre Konzeptionen? Welchen Einfluss hatten sie auf die juristischen Diskurse in Deutschland und Frankreich? Welche Forderungsbegriffe liegen dem Code civil und dem BGB zugrunde? Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Forderungsbegriff und dem Zessionsbegriff? Inwiefern lässt sich in den heute bestehenden Regelungssystemen von einem Eigentum an Forderungen sprechen?
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Erstes Kapitel: Forderung und Zession in Code civil und BGB
§ 1 Rechtsband oder Vermögensgegenstand? Gegensätzliche Vorstellungen von Forderung und Zession Der erste Teil des Kapitels setzt sich mit der Frage auseinander, welche grundlegenden Vorstellungen von Forderung und Zession im gelehrten Recht diskutiert wurden, bevor es in Deutschland und Frankreich Kodifikationen gab. Dazu wird zunächst (I.) die antike römische Vorstellung von der Forderung und der Zession sowie ihre Rezeption im Mittelalter und in der frühen Neuzeit in den Blick genommen. Hauptsächlich wird es anschließend (II.) um den Paradigmenwechsel gehen, mit dem naturrechtliche Autoren eine neue Perspektive auf die Forderung und, darauf aufbauend, auf die Zession gewannen.
I. Die Forderung als Rechtsband: nomina ossibus inhaerent 1. Antikes römisches Recht a) Der Forderungsbegriff im antiken römischen Recht Ausgangspunkt der Geschichte des Forderungsbegriffs bildet das antike römische Recht, das die Forderung als rein persönliche Verbindung zwischen Gläubiger und Schuldner ansah. Ursprünglich bezeichnete obligatio1 die persönliche Haftung („Bindung“) des Schuldners gegenüber dem Gläubiger aus Delikt und später aus Rechtsgeschäft2, die dem Gläubiger ein gerichtlich erteiltes Zugriffsrecht auf den Körper des Schuldners gewährte, sofern dieser sich nicht mit der Zahlung eines durch Urteil festgesetzten Sühnebetrags auslöste3. Schon in klassischer Zeit entstand sodann die Vorstellung, dass der Schuldner nicht nur zahlen kann, um gewissermaßen sich selbst als Pfand zu befreien, sondern zahlen soll 4. Neben die Haftung trat also die Schuld und damit die Leistungspflicht des Schuldners5. Auch wenn der Gedanke der Personalexekution und damit der persönlichen Bindung in der Entwicklung des römischen Rechts allmählich in den Hintergrund trat und zunehmend von einer Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners abgelöst wurde6, blieb die obligatio ein rein persönliches Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner7. In den Institutionen 1 Zur historischen Entwicklung des Obligationsbegriffs vgl. Dorn, in HKK, § 241 Rn. 6 ff. sowie Zimmermann, Law of Obligations, S. 1–31. 2 Kaser, Privatrecht, Bd. I, S. 146–154; Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 212–216. 3 Diese Personalexekution geschah prozessual mittels der legis actio per manus iniectionem, dazu ausführlich Kaser / Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 131–145. 4 Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 154. 5 Zimmermann, Law of Obligations, S. 4–6. 6 Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 482; Dorn, in HKK, § 241 Rn. 8. 7 Maier, Geschichte der Zession, S. 205 ff. bezweifelt allerdings schon für die klassische Zeit das Dogma von der streng persönlichen Natur der obligatio.
§ 1 Rechtsband oder Vermögensgegenstand?
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des Justinian wurde die obligatio metaphorisch als ein Rechtsband, iuris vinculum8, definiert. Nur vordergründig bedeutsam für die Frage der Abtretbarkeit war die Einteilung, die Gaius in seinen Institutionen vornahm: Innerhalb der Unterteilung des Rechts in personae, res, actiones9 ordnete Gaius die Forderung den res, und zwar den res incorporales, also den unkörperlichen Sachen zu10. Diese Einteilung, die Justinian übernahm11, war aus mehreren Gründen schon aus der Perspektive des römischen Rechts unschlüssig12. Für die Zessionsproblematik ist insbesondere von Belang, dass die Qualifizierung der Forderung als unkörperliche Sache eine zumindest ansatzweise rechtliche Gleichbehandlung mit körperlichen Sachen insinuiert, welche jedoch nicht erkennbar ist: Aus der Einteilung des Gaius folgten zunächst keine dogmatischen Konsequenzen für die Verfügung über res, und offenbar ist dies auch nicht der Zweck der Systematisierung gewesen13. Dennoch sollte die Einteilung prägend für die Schuldrechtsdogmatik späterer Epochen werden14.
b) Die Zession im antiken römischen Recht Aus diesem Forderungsbegriff folgte, dass das römische Recht zunächst keine identitätswahrende Einzelrechtsnachfolge in Forderungen kannte15. Gaius schrieb in seinen Institutionen ausdrücklich, dass es eine Forderungsübertragung als Parallele zur Eigentumsübertragung nicht gebe16. Schon die klassischen römischen Juristen entwickelten jedoch Konstruktionen, die dem praktischen wirtschaftlichen Bedürfnis für einen Gläubigerwechsel Rechnung tragen sollten: Neben der Novation, bei der der Schuldner allerdings mitwirken musste17, war dies vor allem die Prozessvertretung, bei der der Gläubiger (Zedent) einem Dritten (Zessionar) durch Bestellung zum cognitor oder procurator in 8 Inst. 3, 13 pr.: obligatio est iuris vinculum quo necessitate adstringimur alicuius solvendae rei secundum nostrae civitatis iura. 9 Gai Inst. I, 8, 1. 10 Gai Inst. II, 14. 11 Inst. 2,1 pr.; Inst. 2, 2 pr.; Gaius D. 1,8,1. 12 Rüfner, in HKK, §§ 90–103 Rn. 4. 13 Becker, Die „res“ bei Gaius, S. 44–48 m. w. N.; Kaser, Gaius und die Klassiker, S. 143 spricht dem weiten res-Begriff jeglichen praktischen Wert ab. Vgl. auch Damler, Rechtsästhetik, S. 141 f., der die „stabile Hintergrundmetapher“ des unübertragbaren Rechtsbandes bei Gaius für unangefochten hält. 14 Michaels, in HKK, vor § 241 Rn. 28. 15 Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 652–654; Zimmermann, Law of Obligations, S. 58–60. Ursprünglich war der Gedanke der Übertragung von Rechten dem römischen Recht ganz allgemein fremd, so dass auch das Eigentum stets beim Erwerber neu entstand (originärer Erwerb): Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 222 f.; Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 155. 16 Gai Inst. II, 38; für eine abweichende Deutung der Stelle Eisele, Actio utilis, S. 36 f. 17 Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 651, 653.
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rem suam das Recht einräumte, die – weiterhin fremde – Forderung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung einzuklagen18. Diese Vertretungskonstruktionen beließen die Forderung jedoch formell beim Gläubiger, so dass von einer Übertragung der Forderung (nach modernem Verständnis) nicht die Rede sein kann. Zudem war die Rechtsstellung eines solchen Zessionars unsicher: Die Prozessvertretung endete mit dem Tod des Zedenten und war bis zur Streitbefestigung (litis contestatio) zwischen Schuldner und Prozessvertreter widerruflich19. Außerdem konnte sich der Zessionar zunächst nicht gegen eine befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten, der ja Inhaber der Forderung blieb, sowie gegen Verfügungen des Zedenten über „seine“ Forderung zur Wehr setzen. Novation und Prozessvertretung können daher in ihrer ursprünglichen Form nicht als gleichwertiger Ersatz für die fehlende Möglichkeit der Forderungsübertragung gelten20. Unter dem Kaiserrecht wurde dem Zessionar schließlich ab der Mitte des 2. Jh. n. Chr. in bestimmten Fällen eine actio utilis (d. h. eine Klage, die den Anwendungsbereich einer Grundklage des Edikts erweiterte) gewährt, mit der er unabhängig von der Prozessvertretung erstmals aus eigenem Recht gegen den Schuldner vorgehen konnte21. Damit konnte die Zession nicht mehr durch den Widerruf der Prozessvertretung oder den Tod des Zedenten vereitelt werden. Der Zedent war zwar als Forderungsinhaber weiterhin mit der actio directa 18 Gai Inst. II, 39, 252; vgl. auch IV, 84; dazu Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 653; Gehrich, Kognitur; zur Prozessvertretung allgemein Kaser / Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 209 ff. 19 Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 653; Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 708; zweifelnd und für eine größere Praxistauglichkeit der Prozessvertretung Maier, Geschichte der Zession, S. 207 ff. 20 So auch die Einschätzung bei Maier, Geschichte der Zession, der von der allgemeinen Bewertung dieser Konstruktionen als „kümmerliche Behelfe“ spricht; von „Nothbehelf“ sprach auch Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 120 ff. 21 Die actio utilis geht wahrscheinlich auf Reskripte des Antoninus Pius (86–161) zum Erbschaftskauf zurück, Ulpian D. 2,14,16 pr. Später gewährten etwa auch Gordian C. 4,10,1 und Diocletian C. 4,39,8 die actio utilis. Dazu Kaser, Privatrecht, Bd. 1, S. 654 m. w. N.; Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 708; ausführlich zur actio utilis des Zessionars Kaser, Pignus nominis, S. 401–403; Drechsler, Actio utilis, S. 17 ff.; Eisele, Actio utilis; zur ursprünglich prätorischen actio utilis im Allgemeinen Kaser / Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 329 f. sowie Gröschler, Actiones in factum, S. 30–41. Nach Gröschler zeichneten sich actiones utiles zur Zeit des Formularprozesses zunächst durch eine vergleichsweise behutsame Erweiterung einer Grundklage des ius civile aus, etwa mittels Fiktion einer einzelnen Voraussetzung der Grundklage oder Erweiterung der Aktiv- oder Passivlegitimation. Actiones (utiles) in factum hätten dagegen weitergehende Klageerweiterungen bedeutet, weil sie typischerweise den von der Grundklage erfassten Sachverhalt durch einen anderen ersetzt hätten. Erst nach Ablösung des Formularprozesses sei diese terminologische Unterscheidung weggefallen und die Begriffe actio utilis und actio in factum seien unterschiedslos, das heißt ohne Rücksicht auf die Intensität der Klageerweiterung verwendet worden. Kaser / Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 329, Fn. 19 gehen insgesamt von einer unscharfen Abgrenzung aus. Vor diesem Hintergrund ist unklar, ob die actio utilis des Zessionars ursprünglich eigentlich eher eine actio (utilis) in factum war, dazu Kaser, Pignus nominis, S. 402. Jedenfalls verwenden die Quellen einheitlich die Bezeichnung actio utilis.
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neben dem Zessionar berechtigt22. Seit der Anerkennung der actio utilis verfestigten sich jedoch die Vorkehrungen gegen eine weiterhin befreiende Leistung an den Zedenten: Dem Schuldner stand gegen den klagenden Zedenten eine exceptio doli zu23, so dass er nicht mehr an ihn leisten musste; und schließlich konnte der Schuldner nach Kenntnis von der Zession bzw. einer Abtretungsanzeige nicht mehr befreiend an den Zedenten leisten24. Darüber hinaus wandelte sich die Bedeutung der actio utilis: Nach Ablösung des Formularprozesses im 3. Jh. bezeichnete actio vorrangig den materiellrechtlichen Anspruch selbst25; auch actio utilis drückte inhaltlich nichts anderes mehr aus. Aufgrund der so gewandelten Bedeutung der actio utilis erkennt die herrschende Lehre heute eine Einzelrechtsnachfolge in Forderungen, was die praktischen Auswirkungen betrifft, spätestens für die justinianische Zeit an26. Dies zeigt sich terminologisch auch daran, dass an verschiedenen Stellen Begriffe wie cessio und (actio) per cessionem transferre27 in den Quellen vorkommen. Obwohl sich der Begriff der Forderung als persönliches Rechtsband zwischen Schuldner und Gläubiger im römischen Recht nicht grundlegend gewandelt hat, ist also im 6. Jh. n. Chr. von einem absoluten und abstrakten Unübertragbarkeitsdogma nicht mehr auszugehen.
2. Forderung und Zession bei den Glossatoren a) Nomina ossibus inhaerent: die Lehre von der Unübertragbarkeit Erst während der Rezeption des römischen Rechts im Mittelalter wurde die Vorstellung von der Unübertragbarkeit der Forderung als ein abstraktes Prinzip for22
Luig, Zessionslehre, S. 6 m. w. N. Weiss, Institutionen des Römischen Privatrechts, S. 335 f.; belegt ist dies jedenfalls für den paradigmatischen Fall des Erbschaftskaufs in Ulpian D. 2,14,16. Näher dazu unten S. 89, Fn. 4. 24 Alexander C. 8,16,4; Gordian C. 8,41,3; dazu Kaser, Privatrecht, Bd. 2, S. 452 f. m. w. N.; Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 708. Ausführlich zur Bedeutung dieser Codexstellen und der Abtretungsanzeige unten S. 88 ff. 25 Kaser, Privatrecht, Bd. 2, S. 67 f., 332, 452; Zimmermann, Law of Obligations, S. 63 mit Verweis darauf, dass bereits Simon van Groenewegen diese Erkenntnis auf den Punkt gebracht hatte. 26 Kaser, Privatrecht, Bd. 2, 452 f.; Zimmermann, Law of Obligations, S. 63 und Luig, Zessionslehre, S. 8 m. w. N. Diese Lesart der römischen Quellen setzte sich im 19. Jahrhundert maßgeblich mit der Lehre Bernhard Windscheids durch, vgl. zum Beispiel Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 168; näher unten S. 68 ff. Für Frankreich z. B. Gide, Études, S. 235 ff., 334 ff. sowie Huc, Cession, Bd. 1, S. 208 f., Fn. 3, S. 226 f., die Ende des 19. Jahrhunderts ebenfalls davon ausgingen, dass Forderungen im römischen Recht übertragbar waren; vgl. näher unten S. 74 ff. 27 Becker, Die „res“ bei Gaius, S. 52 führt dazu unter anderem C. 4,35,22 (lex Anastasiana, vgl. dazu unten S. 180 mit Fn. 5) sowie C. 5,12,31 pr. an. Dazu auch Damler, Rechtsästhethik, S. 143, der konstatiert, dass die Rechtsbandmetapher in der Spätantike an Bedeutung verlor. 23 So
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muliert: Die Glossatoren prägten die bekannte, prägnante Formulierung nomina ossibus inhaerent und lehnten die Möglichkeit einer Forderungsübertragung gänzlich ab28. Das hatte vor allem einen Grund: Das Recht des Corpus Iuris Civilis fassten die Glossatoren als autoritatives, abgeschlossenes und widerspruchsfreies System und nicht als bruchstückhafte, notwendig widersprüchliche Sammlung aus verschiedenen Entwicklungsstadien des römischen Rechts auf. Dies führte zu einem insgesamt schematischen, logische und terminologische Kohärenz unterstellenden und insoweit ahistorischen Umgang mit den Quellen. Widersprüche erkannten die Glossatoren nicht als verschiedene Entwicklungsstadien im klassischen römischen Recht, sondern versuchten sie mittels distinctiones als Scheinwidersprüche in ein harmonisiertes System zu überführen29. In dieser auf Widerspruchsfreiheit zielenden Analyse des Corpus Iuris Civilis sahen die Glossatoren nun keinen Weg, die grundsätzliche Möglichkeit der befreienden Leistung des Schuldners an den Zedenten gemäß C. 8,41,3 anders zu erklären als mit der Annahme, dass die eigentliche Forderung durch die Zession nicht übergehen könne30. Außerdem argumentierten sie, dass das Institut der procuratio in rem suam nicht notwendig wäre, wenn die Forderung übertragbar wäre. Nur die Prozessvertretung wurde daher von den Legisten weitgehend unstreitig und als Regelfall der Zession anerkannt31. Der Zessionsakt wurde dabei als die Bestellung zum procurator in rem suam verstanden32 und als cedere oder mandare actionem bezeichnet33. Dem Zessionar stand die actio
28 Azo, Summa Codicis, De obligationibus et actionibus (C. 4,10), Nr. 19; Accursius, Glossa Ordinaria, Gl. e zu. D. 17,2,3 pr.: „[incorporalia] ossibus hominum inhaerent, ut nunquam separentur, nisi solutione vera vel ficta“; vgl. zur Herkunft der Metapher Genzmer, Nomina ossibus inhaerent, der eine Bezugnahme des Accursius auf Azo und eine solche des Azo auf eine unbekannte frühere Quelle vermutet. Fränkel, Zessionslehre der Glossatoren, S. 79 f., 83, 104, sieht in dieser Formulierung den Grund dafür, dass spätere Juristen fälschlich schon den römischen Quellen ein solches Prinzip zugeschrieben haben. Zur Inkompabilität der Metapher mit einem dinglichen Forderunsbegriff Damler, Rechtsästhetik, S. 141. 29 Vgl. dazu Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 16 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 58 f., 84 f. 30 Zimmermann, Law of Obligations, S. 63; Luig, Zessionslehre, S. 16. Dieses – aus heutiger Sicht nicht zwingende – Verständnis von C. 8,41,3 bestimmte auch die Diskussionen im späteren gemeinen Recht, vgl. dens., Zessionslehre, S. 29 und unten S. 17, Fn. 64 sowie S. 91 f. Eine Anerkennung der befreienden Leistung nur aus Billigkeitsgründen war für die Glossatoren, die ein logisches, rechtlich durchkonstruiertes System erklären wollten, nicht vorstellbar. 31 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 11; auch nach Luig, Zessionslehre, S. 12, 16 ist die Prozessvertretung für die Glossatoren die „eigentliche“ Form der Zession. 32 Azo, Summa Codicis, De hereditate, vel actione vendita (C. 4,39), Nr. 4; Accursius, Glossa Ordinaria, Gl. mandaveris zu C. 8,42,3. 33 Azo, Summa Codicis, De obligationibus, & actionibus (C. 4,10), Nr. 19: „inter cedere & mandare actionem nulla est differentia“; weitere Nachweise für die zunächst synonyme Verwendung der Begriffe bei Fränkel, Zessionslehre der Glossatoren, S. 112.
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mandata, also die Klage als Prozessvertreter zu, während der Zedent weiter mit der actio directa berechtigt war34.
b) Die actio utilis des Zessionars Problematisch war für die Glossatoren das Verständnis der actio utilis; die hierauf basierende Zession begriffen sie lediglich als Ausnahmefall35. Mit Prozessvertretung und actio utilis trennten die Glossatoren also zwei Zessionsmodi. Neben der angenommenen Widerspruchsfreiheit der Quellen trug insbesondere die fehlende Kenntnis von der Weiterentwicklung des römischen Zivilprozessrechts dazu bei, dass den Glossatoren die actio utilis als Fremdkörper im System der Prozessvertretung erschien36. Nach Ansicht der Glossatoren waren obligatio und actio kausal verknüpft: Jede obligatio „gebar“ für sie grundsätzlich eine actio37. Schwierig war es daher für die Glossatoren, die Entstehung und materiell-rechtliche Bedeutung der gerade nicht auf einer obligatio zwischen Zessionar und Schuldner basierenden actio utilis des Zessionars sowie darüber hinaus das Verhältnis zwischen actio utilis und actio directa gedanklich stringent aus den Quellen zu rekonstruieren. Um Phänomene wie actiones utiles oder sonstige honorarrechtliche Klagen, die nicht aus einer zivilrechtlichen obligatio hervorgingen, überhaupt erklären zu können, unterschieden die Glossatoren zunächst zwischen actiones nativae (aus einer obligatio oder dem dominium „geborene“ Klagen) und actiones dativae (vom Gesetz gegebene Klagen)38. Ihnen blieb aber weiterhin unklar, in welchen Fällen der Zessionar die actio utilis erhielt, ob sie immer eine actio dativa war und in welchem Verhältnis sie zur Prozessvertretung sowie zur actio directa des Zedenten stand. Solche Fragen versuchten die Glossatoren nun mit komplizierten Konstruktionen widerspruchsfrei zu beantworten. Über diese Zessionskonstruktionen und ‑theorien bildete sich schon früh eine unüberschaubare Vielzahl von Streitigkeiten39. 34 Die sich daraus ergebenden Konkurrenzprobleme zwischen der Klage des Zedenten und des Zessionars erkannte und diskutierte zum Beispiel Accursius, Glossa Ordinaria, Gl. exigere zu C. 8,42,3, ohne freilich eine klare Lösung präsentieren zu können; näher unten S. 92 f. 35 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 11; Luig, Zessionslehre, S. 16. 36 Grosskopf, Geskiedenis, S. 54; Luig, Zessionslehre, S. 16; Fränkel, Zessionslehre der Glossatoren, S. 331–333 (Teil 1), 83 (Teil 2) und passim. 37 Fränkel, Zessionslehre der Glossatoren, S. 337 ff. 38 Fränkel, Zessionslehre der Glossatoren, S. 344 ff. 39 Vgl. die umfangreichen Nachweise bei Fränkel, Zessionslehre der Glossatoren, S. 83 ff., 104 ff. sowie die Zusammenfassung bei Luig, Zessionslehre, S. 11–16. Bei Grosskopf, Geskiedenis, S. 75 und Zimmermann, Law of Obligations, S. 64, Fn. 215 findet sich auch der Hinweis, dass die Lage bereits für mittelalterliche Juristen so unübersichtlich war, dass bisweilen die letzte Hoffnung in göttlichem Beistand gesucht wurde: Cacheranus, Decisiones, dec. 62, n. 7: „Videtis igitur doctissimi lectores varias Doctorum opiniones & doctrinas, a quibus facile se extricare non est, nisi elevemus oculos ad Christum Iesum Dei veritatem & sapientiam, qui dirigat gressus meos in viam veritatis & iustitiae.“
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Die späteren Legisten ab dem 14. Jahrhundert hielten weiter am Unübertragbarkeitsdogma fest. Sie trennten nun terminologisch zwischen cedere und mandare: Im Fall des cedere erhalte der Erwerber die actio utilis, beim mandare lediglich das exercitium actionis directae als procurator in rem suam40. Auch die Juristen dieser Zeit trennten also weiter zwei Zessionsmodi; sie entwickelten auch weiterhin komplexe Theorien, um die actio utilis und ihr Verhältnis zur actio directa zu erklären. Die Widersprüche konnten auch sie nicht befriedigend lösen; sie näherten sich dem Problem aber, indem sie zunächst versuchten, nur das Verhältnis zwischen Zessionar und Schuldner widerspruchsfrei zu konstruieren41. Als Beispiel für die komplizierte Theorienbildung sei ein Gedankengang des bedeutenden mittelalterlichen Juristen Bartolus de Saxoferrato42 nachgezeichnet. Im Anschluss an Azo diskutierte er die Frage, ob die actio utilis des Zessionars eine actio nativa oder eine actio dativa sei43. Er lehrte, dass zwar die actio directa unübertragbar sei, die davon zu trennende obligatio directa des Zedenten jedoch in bestimmten gesetzlich angeordneten Fällen, die er im Einzelnen aus den römischen Quellen entnehmen wollte, ausnahmsweise als obligatio utilis auf den Zessionar übergehen könne44. Sodann entstehe unter Umständen beim Zessionar aus der obligatio utilis eine actio utilis nativa. In diesem Fall bestehe nun die obligatio begrifflich zwischen Zessionar und Schuldner; der Zessionar sei mit anderen Worten ausnahmsweise als wahrer Gläubiger des Schuldners zu betrachten. In allen anderen Fällen bestehe die obligatio aber nur zwischen Zedent und Schuldner und der Zessionar erhalte nur eine actio utilis dativa. Als wahrer Gläubiger des Schuldners könne der Zessionar in diesen Fällen nicht angesehen werden; die Verurteilung des Schuldners könne der Zessionar dann nur virtute illius (sc. des Zedenten) obligationis erreichen45.
c) Bewertung der Zessionsmodelle der Glossatoren Neu ist hierbei zwar die gedankliche Trennung von obligatio und actio beim Übertragungsvorgang46; im Übrigen erscheinen die Gedankengänge jedoch 40 Bartolus de Saxoferrato, Commentaria in Codicem, De obligationibus & actionibus (C. 4,10), Nr. 7 (S. 126); Grosskopf, Geskiedenis, S. 68 m. w. N. 41 Vgl. zum Folgenden Fränkel, Zessionslehre der Glossatoren, S. 94–98; Grosskopf, Geskiedenis, S. 59–61. 42 Ein Überblick über Leben, Werk und Bedeutung des Bartolus findet sich zum Beispiel bei Lepsius, Bartolus. 43 Bartolus de Saxoferrato, Commentaria in Digestum novum, De actionibus & obligationibus (D. 44,7), Nr. 4 ff.; ders., Commentaria in Codicem, De obligationibus & actionibus (C. 4,10), Nr. 11, 16, 19 (S. 126 f.). 44 Diese Fälle benennt Bartolus in seinen Commentaria in Codicem, De obligationibus & actionibus (C. 4,10), Nr. 8. 45 Bartolus de Saxoferrato, a. a. O., Nr. 16. 46 Fränkel, Zessionslehre der Glossatoren, S. 95.
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eher verworren (das gilt besonders für das Verhältnis von Zedent und Zessionar bzw. von actio directa und actio utilis47). Inhaltlich stehen sie für eine Wiederabkehr von der bei Justinian praktisch schon anerkannten Vollrechtsübertragung48. Interessant ist der Hinweis bei Bartolus, dass die theoretischen Unklarheiten dazu führten, dass Notare in der Praxis alle denkbaren Begriffe zugleich in die Zessionsurkunden einsetzten, um möglichst sicher die gewünschten rechtlichen Wirkungen zu erzielen49. Theoretisch ist der Zessionsbegriff bei den Glossatoren damit ausgesprochen unklar geblieben. Und beim Forderungsbegriff haben die legistischen Konstrukte über die metaphorische Beschreibung hinaus keine Veränderung gebracht. Vielmehr blieb es beim vermeintlich quellengetreuen Bild vom rein persönlichen Rechtsband50.
3. Die obligatio als Sachzuordnung: ius ad rem Mit den Kommentatoren51 kam für die obligatio ein neuer Begriff auf: das ius ad rem, wörtlich das „Recht zu einer Sache“. Bei Bartolus bezeichnete der Ausdruck speziell die Forderung des Käufers gegen den Verkäufer in Abgrenzung zum ius in re52. Dieses „Recht an einer Sache“, also vor allem Eigentum, erlangte der Käufer im gemeinen Recht erst nach erfolgter traditio53. Im gemeinen Recht und später im Naturrecht wurde das ius ad rem weithin mit der (nicht mehr notwendig auf Sachleistung gerichteten) Forderung schlechthin gleichgesetzt54. 47
Fränkel, Zessionslehre der Glossatoren, S. 104 ff. So auch Luig, Zessionslehre, S. 11, der auf Buch, Übertragbarkeit, S. 132 verweist. Bartolus de Saxoferrato, Commentaria in Codicem, De obligationibus & actionibus (C. 4,10), Nr. 10: Die Notare setzten in der Praxis sicherheitshalber alle möglichen Ausdrücke in die Urkunden ein, damit dem Erwerber sowohl actio utilis als auch actio directa zustanden. Demnach war die Vollrechtsübertragung in der Praxis der Sache nach bekannt und erwünscht. Nachweise für die Kanonistik, die sich den Zessionsmodellen der Glossatoren anschloss, finden sich bei Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413, Fn. 57. 50 Statt aller Bartolus de Saxoferrato, Commentaria in Codicem, De obligationibus & actionibus (C. 4,10), Nr. 7; vgl. auch Dorn, in HKK, § 241 Rn. 13 sowie Damler, Rechtsästhetik, S. 141. Die Ausdehnung des dominium-Begriffs auf unkörperliche Gegenstände klang dagegen – freilich ohne dogmatische Konsequenzen für die Zession – bereits bei Bartolus an, näher unten S. 18 ff. 51 Für eine Verwendung des Begriffs bereits bei den Glossatoren Meijers, Jus ad rem, S. 186; dagegen Landsberg, Glosse, S. 88 f. und diesem folgend Wesener, Sachenrechte, S. 197. 52 Vgl. zur Verwendung des Begriffspaares ius ad rem – ius in re den Überblick bei Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 175 f.; näher Villey, Ius in re; Feenstra, Real rights; ders., Ius in re; Wesener, Sachenrechte. 53 Wesener, Sachenrechte, S. 198–202; zum ursprünglich römischrechtlichen Traditionsprinzip bei den Legisten vgl. Michaels, Sachzuordnung, S. 81 ff., 115 ff.; Gordon, Transfer, S. 97–135; Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 303, 304 f., 455. Erst die veränderte Vertragslehre im Naturrecht sah vor, dass das Eigentum durch den bloßen (Kauf-)Vertrag übergehen konnte (Konsensprinzip), siehe dazu unten S. 27. 54 Vgl. z. B. das Schaubild bei Apel, Methodica, nach Caput VII, das ius ad rem und obligatio explizit gleichsetzte sowie Heineccius, Elementa, § 332. Siehe auch Wesener, Sachenrechte, S. 198–202; Michaels, Sachzuordnung, S. 120 ff., 133 ff.; ders., in HKK, vor § 241 Rn. 29 48 49
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Der Bezeichnung der Forderung als ius ad rem lag die Vorstellung zugrunde, dass die obligatio nicht lediglich die Verbindung zweier Personen bedeutet, sondern auch bereits eine gewisse Zuordnung des Gläubigers zum Objekt der Forderung, der Sache55. Wie weit diese Zuordnung reichte, ist freilich umstritten: Zum Teil wird vertreten, dass das ius ad rem im Zusammenhang mit der Entstehung subjektiver Rechtspositionen allgemein stand und dem Gläubiger eine Art drittwirkende Anwartschaftsposition verschaffte56. Möglicherweise konnte daher später mit dem ius ad rem im Falle des Doppelverkaufs erklärt werden, warum dem Erstkäufer in bestimmten Fällen der Vorrang gegenüber dem Zweitkäufer gebühren sollte: Der Erstkäufer hatte bereits durch den Kaufvertrag eine Rechtsposition erlangt, die zumindest eingeschränkt gegen Dritte durchsetzbar war57. Andererseits bot das ius ad rem auch die Möglichkeit, die Naturalexekution gegen das römische Recht dogmatisch zu begründen58. Neu war jedenfalls der Zuordnungsaspekt dieses Forderungsbegriffs: Die obligatio ist zwar selbst noch kein Sachenrecht (wie später im Naturrecht), aber immerhin die Zuordnung einer Sache. Die Forderung war also schon in der Terminologie nicht mehr nur Bindung aus Sicht des Schuldners, sondern als weiterer Aspekt auch Recht zu der Sache aus Sicht des Gläubigers. Die als ius ad rem verstandene Forderung steht damit kategorial gewissermaßen zwischen Sachenrecht und Schuldrecht59.
4. Forderung und Zession im usus modernus Der Sachzuordnungsaspekt des ius ad rem bedeutet auf den ersten Blick eine Annäherung der Forderung an die Vermögensgegenstandsperspektive60. Für m. w. N. auch zu abweichenden Ansichten. Erst Darjes differenzierte bei Forderungen wieder zwischen iura ad rem (auf Sachleistung, dare, gerichtete Forderungen) und iura personalia in specie (auf sonstige Leistungen, facere, gerichtete Forderungen); dazu unten S. 40. 55 Michaels, Sachzuordnung, S. 123; ders., in HKK, vor § 241 Rn. 29 ff. 56 Dafür vor allem Coing, Subjektives Recht, S. 248 ff.; differenzierend Michaels, Sachzuordnung, S. 119 ff.; Dubischar, Grundlagen, S. 29–58; dagegen Meijers, Jus ad rem. 57 Genauer Wesener, Sachenrechte, S. 203 ff.; Michaels, Sachzuordnung, S. 117 f., 121 ff. Insbesondere sollte der Erstkäufer aufgrund seines ius ad rem einen Herausgabeanspruch gegen den Zweitkäufer, dem die Sache schon tradiert worden war (und der damit schon das ius in re, das Eigentum, erworben hatte) haben, sofern der Zweitkäufer von dem ius ad rem des Erstkäufers gewusst hatte. Dieser Zusammenhang war jedoch nicht zwingend und wurde teilweise abgelehnt; vgl. Dubischar, Doppelverkauf, S. 10 f.; Michaels, in HKK, vor § 241 Rn. 13. Im Preußischen Allgemeinen Landrecht findet sich jedenfalls eine solche Kodifizierung des ius ad rem für den Doppelverkauf (§ 124, I, 2 ALR). 58 Michaels, Sachzuordnung, S. 116 f., 121 ff.; Rodríguez-Rosado, Abstraktionsprinzip, S. 43 f. In beiden Fällen (Doppelverkauf und Frage nach der Naturalexekution) scheinen Lösungen des germanischen Rechts mit dem ius ad rem im römischrechtlichen Gewande erklärbar geworden zu sein: Michaels, Sachzuordnung, S. 121 f. mit Verweis auf Brünneck, Ursprung, S. 63 ff. 59 Michaels, Sachzuordnung, S. 123; a. A. Meijers, Jus ad rem, S. 188 f. 60 In diese Richtung auch Meijers, Jus ad rem, S. 188 f.
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die gemeinrechtliche Zessionslehre wurden aus dem differenzierteren Forderungsbegriff jedoch keine unmittelbaren Konsequenzen gezogen; das ius ad rem wurde offenbar allenfalls für die beschriebenen kaufrechtlichen Probleme fruchtbar gemacht. Dabei hätte der Aspekt der Zuordnung Anlass gegeben, das Unübertragbarkeitsdogma zu überdenken: Wo die Forderung nicht mehr nur „Rechtsband“ ist, sondern auch eine (wenngleich entfernte) Beziehung zu einer Sache, wird sie von der rein persönlichen Verbindung abstrahiert und objektiviert und damit dem Vermögensverkehr tendenziell zugänglicher. Möglicherweise dachten die Juristen im 15. und 16. Jahrhundert aber noch nicht derart konsequent und systematisch. Eine andere Erklärung könnte sein, dass das ius ad rem eben doch kein absolutes Recht an der Sache vermittelte und über die neue Terminologie hinaus keinen Perspektivwechsel bedeutete, so dass die Rechtsbandmetapher weiterhin die Dogmatik bestimmte. Der legistische Forderungsbegriff und die Ablehnung der Forderungsübertragung bei der Zession blieben jedenfalls in der gemeinrechtlichen Theorie lange Zeit nahezu unverändert erhalten61. In der Praxis erkannte man die Vollrechtsübertragung in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland hingegen verbreitet an. Insbesondere wurde von niederländischen und deutschen Juristen vertreten, dass die römische Zession nicht rezipiert oder gewohnheitsrechtlich verdrängt sei62. Erst im 18. Jahrhundert hatte sich dann auch in der gemeinrechtlichen Wissenschaft die Auffassung durchgesetzt, dass die Vollrechtsübertragung möglich sei63. Die Begründungen divergierten dabei erheblich: Neben der Nichtrezeption bzw. gewohnheitsrechtlichen Verdrängung der römischen Zession wurde jetzt auch argumentiert, dass schon nach römischem Recht eine volle Rechtsübertragung möglich war64. Diese vielschichtigen Entwicklungen gingen jedoch nicht mit einer theoretischen Fundierung eines vom römischen Recht abweichenden Forderungsbegriffs einher und müssen für diese Arbeit nicht im Einzelnen nachgezeichnet zu werden65. Vielmehr soll im Folgenden der Fokus auf einem Diskussionsstrang liegen, der gegenüber dem römisch61 Luig, Zessionslehre, S. 16–29; Hattenhauer, 62 Für Frankreich z. B. Rebuffus, Tractatus de
in HKK, §§ 398–413 Rn. 14 m. w. N. cessionibus, Art. 2 und unten S. 43 ff. In den Niederlanden sah Groenewegen van der Made, De legibus abrogatis, ad C. 8,41,3, Nr. 3 f. keinen Unterschied mehr zwischen actio directa und actio utilis. Für Deutschland argumentierten Lauterbach, Collegii, ad D. 18,4, Nr. 44, 51 und Schilter, Praxis iuris Romani, Bd. 2, Exercitatio ad Pandectas XXX, §§ 63–66, dass die römische Zession nicht rezipiert oder gewohnheitsrechtlich verdrängt sei; dazu Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 15–17 m. w. N. 63 Luig, Zessionslehre, S. 32–40, 45 f. m. N. zu den Einzelheiten; vgl. auch den Überblick über die verschiedenen Ansichten bei Müller, Promtuarium, Vol. I, Stichwort „Cessio“, Nr. 64 ff. 64 Luig, Zessionslehre, S. 38–40. Dabei wurde insbesondere die seit den Glossatoren herrschende (s. oben S. 12, Fn. 30) Meinung überwunden, dass die Möglichkeit der befreienden Leistung an den Zedenten nach C. 8,41,3 ein zwingender Grund für die Unübertragbarkeit sei. 65 Für eine detaillierte Dogmengeschichte vgl. insbesondere Luig, Zessionslehre, S. 23– 46.
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gemeinrechtlichen Forderungsbegriff erstmals eine eigenständige, innovative Konzeption der Forderung im Vermögensrechtssystem bedeutete. Es entwickelte sich ein völlig neuer Forderungsbegriff, der im Naturrecht mit der Einordnung der Forderung als frei veräußerliche, unkörperliche Sache seinen Höhepunkt fand. Mit dieser Entwicklung soll sich der nächste Abschnitt beschäftigen.
II. Die Forderung als Vermögensgegenstand: Wege zur Verkehrsfähigkeit der Forderung 1. Ein neuer Eigentumsbegriff: von Bartolus zur spanischen Spätscholastik Dogmatischer Anknüpfungspunkt dieser im gelehrten Recht neuen Strömung war eine völlig neue Konzeption des Eigentumsbegriffs66. Während die Rolle des säkularen Naturrechts im 17. und 18. Jahrhundert in diesem Prozess bekannt ist und in den einschlägigen Abhandlungen zur Zessionsgeschichte zumindest am Rande angesprochen wird67, wird oft unterschätzt, dass die Anfänge dieser Neuausrichtung sich bereits im späten Mittelalter und anschließend insbesondere bei den Theologen-Juristen der spanischen Spätscholastik im 16. und 17. Jahrhundert finden. Diese Verbindungslinien sollen im Folgenden aufgezeigt werden.
a) Die dominium-Definition des Bartolus Die Begriffe dominium und proprietas bezeichneten weder in der römischen Antike noch im gemeinen Recht das Eigentum nach modernem Verständnis68. Verkürzt dargestellt meinte proprietas meist die bloße rechtliche Zuordnung einer Sache oder eines Rechts zu einem Menschen – ohne dass damit aus der Zuordnung folgende Befugnisse konnotiert waren69. Dominium hingegen bezeichnete Herrschaft eines Menschen im umfassenden Sinne und konnte im gemeinrechtlichen Diskurs auf Sachen oder Menschen, aber auch auf Persönlichkeitsgüter oder politische Herrschaft bezogen sein70. Für die Zession interessant ist in diesem Begriffspaar vor allem das dominium, und zwar deshalb, weil dieser Begriff spätestens71 seit Bartolus nach und nach auf alle subjektiven Rechte 66 Grundlegend
Auer, Diskurs, S. 100–104.
67 Ausführlich Huwiler, Begriff der Zession, S. 37 ff., der allerdings nicht mit Grotius, son-
dern erst später mit Pufendorf beginnt; ihm folgend Damler; Rechtsästhetik, S. 127, 144–147. Knappe Erwähnung findet der Einfluss des Naturrechts bei Luig, Zessionslehre, S. 40 ff. und Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 18 ff. 68 Zur Begriffsgeschichte insbesondere Willoweit, Dominium und Proprietas. 69 Willoweit, Dominium und Proprietas, S. 138 f. 70 Jansen, Restitution, S. 36 ff.; Auer, Diskurs, S. 103 f.; Schwab, Eigentum, S. 84–87. 71 Eine Ausweitung des dominium-Begriffs hat auch schon vor Bartolus stattgefunden; vgl. dazu Auer, Diskurs, S. 23, Fn. 52; Willoweit, Dominium und Proprietas, S. 141 ff. Gleichwohl beginnt die Darstellung mit der Definition des Bartolus, weil diese im gemeinen Recht
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erweitert wurde und weil seitdem auch eine gewisse Dispositionsbefugnis zum Konzept des dominium gehörte. Die Glossatoren hatten den Begriff des dominium bereits länger diskutiert72; aufgrund widersprüchlicher Digestenstellen war zum Beispiel umstritten gewesen, ob der Nießbrauch (ususfructus) zum dominium gehörte73. Bartolus unterschied nun eine weite und eine enge Definition des dominium: Seiner bekannten Definition „[Dominium] est ius de [re] corporali perfecte disponendi, nisi lege prohibeatur“ stellte er eine zweite, umfassendere Begriffsbestimmung voran: „[Dominium] potest appellari largissime pro omni iure incorporali, ut habeo dominium obligationis, ut puta ususfructus.“74 Wie das Verhältnis dieser beiden Definitionen zueinander zu verstehen sei, gab Bartolus selbst an75: Das dominium der weiten Definition sei als generischer Oberbegriff für alle (unkörperlichen) Rechte zu denken. Dazu sei das dominium an körperlichen Gegenständen im Sinne der engen Definition (das sog. dominium plenum) eine Unterart (species). Den ususfructus erklärte Bartolus nun aus zwei Perspektiven76: Zum einen sei der ususfructus eine bloße Komponente (pars) des dominium plenum – gemeint ist dabei der Normalfall, in dem der Sacheigentümer (selbstverständlich) auch das Gebrauchsrecht an der Sache hat. Zum anderen sei der ususfructus aber auch eine weitere Unterart (species) des generischen Oberbegriffs dominium neben dem dominium plenum. Das wird relevant, wenn Sacheigentümer und Nießbraucher auseinander fallen: In diesem Fall haben sowohl der dominus plenus (Sacheigentümer) als auch der dominus ususfructus (Nießbraucher) ein dominium im Sinne der weiten Definition. Auf diese Weise gelang es Bartolus, die widersprüchlichen Digestenstellen77 zu harmonisieren78. Für die Entwicklung des Zessionsbegriffs ist an alledem interessant, dass Bartolus nicht nur den ususfructus, sondern darüber hinaus auch die obligatio ausdrücklich als ius incorporale anführte. Während die Erstreckung des dominibesonders verbreitet rezipiert wurde und paradigmatisch für eine frühe, aber dogmatisch folgenlose Ausweitung des dominium-Begriffs steht. 72 Zum Begriff des dominium bei den Glossatoren vgl. Seelmann, Dominium, S. 38 ff.; Willoweit, Dominium und Proprietas, S. 141 ff.; Landsberg, Glosse, S. 92 ff. 73 Seelmann, Dominium, S. 40 f. m. N. zu den verschiedenen Theorien. Die beiden Digestenstellen lauten „Usus fructus in multis casibus pars dominii est […]“ (Paulus D. 7,1,4) und „Recte dicimus eum fundum totum nostrum esse, etiam cum usus fructus alienus est, quia usus fructus non dominii pars, sed servitutis sit ut via et iter […]“ (Paulus D. 50,16,25). 74 Bartolus de Saxoferrato, Commentaria in Digestum novum, De acquirenda possessione (D. 41,2,17), Nr. 4. Zu den beiden Definitionen und ihrem Verhältnis zueinander ausführlich Coing, Eigentumslehre des Bartolus; Seelmann, Dominium, S. 37 ff. 75 Dazu Bartolus an anderer Stelle: Bartolus de Saxoferrato, Commentaria in Digestum novum, De verborum obligationibus (D. 45,1,58), Nr. 2 f. 76 Zu den Einzelheiten Brett, Liberty, S. 21 f.; Seelmann, Dominium, S. 39 ff. 77 Paulus D. 7,1,4 und Paulus D. 50,16,25; Text oben Fn. 73. 78 Inhaltlich ging es Bartolus bei der Zuerkennung eines dominium an den Nießbraucher freilich womöglich weniger um die Harmonisierung von Digestenstellen als um die theoretische Nachzeichnung einer feudalen Lebenswirklichkeit.
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um auf den ususfructus aus der legistischen Diskussion heraus erklärlich ist, überrascht die Einordnung der obligatio als Gegenstand des dominium. Denn der ususfructus war ein ius in re, von dem die obligatio als ius ad rem schon bei den Postglossatoren unterschieden wurde; und zu einer Neuausrichtung des Forderungsbegriffs war es bei Bartolus wie gezeigt noch nicht gekommen79. Aus der Nennung der obligatio lässt sich zwar folgern, dass Bartolus das dominium im Sinne der weiten Definition bewusst über den Bereich der iura in re hinaus erstreckt hat80. Jedoch lassen Bartolus’ weitere Ausführungen den Schluss zu, dass es ihm dogmatisch vorrangig um das auf körperliche Sachen beschränkte dominium plenum ging81. Der Anlass für die weite Definition scheint vor dem Hintergrund der Diskussion bei früheren Glossatoren vor allem in der Erweiterung des generischen dominium-Begriffs auf iura in re wie den ususfructus zu liegen82. Über die begriffliche Neuorientierung hinaus hatte die Erstreckung des weiten dominium-Begriffs auf Forderungen bei Bartolus somit keine dogmatischen Konsequenzen83, insbesondere was die Verfügung über Gegenstände des dominium betrifft: Der Aspekt der Verfügungsfreiheit (ius disponendi) findet sich allenfalls in der engen, auf körperliche Gegenstände beschränkten Definition84. Diese Beobachtung gilt auch für Baldus de Ubaldis (1327–1400), der in seiner dominium-Definition zwar ausdrücklich von der alienandi potentia sprach85, dies aber ebenfalls ausschließlich auf körperliche Sachen bezog86. 79 S. oben S. 15, Fn. 50. Daher zweifelt Coing, Eigentumslehre des Bartolus, S. 349, Fn. 1 und S. 350, Fn. 5 auch an dieser Lesart der Bartolus-Stelle; wie hier Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 211, Fn. 10 mit Verweis auf Gai Inst. 2,2,2. 80 Seelmann, Dominium, S. 44, der auch überzeugend darauf hinweist, dass das „ut puta ususfructus“ als Beispiel für ius incorporale und nicht als Beispiel für obligatio verstanden werden muss. Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 211 mit Fn. 10 hält hingegen die in allen mir zugänglichen Editionen tradierte Fassung der Bartolus-Definitionen für korrupt. Insbesondere will er in der weiten Definition anstelle von „pro omni iure incorporali“ lesen: „pro omni iure in re incorporali“. Dies überzeugt aber wenig angesichts der Tatsache, dass die nachfolgend genannte obligatio eben kein ius in re war. Außerdem wäre der Zusatz incorporali dann überflüssig. 81 Bartolus de Saxoferrato, Commentaria in Digestum novum, De acquirenda possessione (D. 41,2,17), Nr. 4: „[…] in [incorporalibus] non cadit dominium proprie“. Brett, Liberty, S. 22 erkennt nur in der engen Definition eine „connotation to liberty and sovereignty“; vgl. ferner Seelmann, Dominium, S. 43 mit Fn. 29. 82 Dafür spricht insbesondere der zusammenfassende Ausspruch bei Anmerkung Nr. 3 zu D. 45,1,58: „omnis enim qui habet aliquod ius in re, potest recte dicere, ego habeo dominium illius iuris“. 83 Ähnlich Auer, Diskurs, S. 102 f. 84 Willoweit erkennt sogar in der engen Definition des dominium plenum keinen Hinweis auf die Verfügungsfreiheit des Eigentümers und will ius disponendi allenfalls mit Dispositionsbefugnis übersetzen: Willoweit, Dominium und Proprietas, S. 145 f. m. w. N. Wie hier dagegen Coing, Eigentumslehre des Bartolus, S. 353 f. 85 Jansen, Haftungsrecht, S. 316 mit Fn. 312. 86 So auch Seelmann, Dominium, S. 53. Alles andere wäre auch nicht mit Baldus’ Vorstel-
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Im Einklang damit steht Bartolus’ oben beschriebener Forderungs- und Zessionsbegriff 87, der sich nicht vom römischen Unübertragbarkeitsdogma gelöst hatte. Damit wird klar, dass Bartolus nicht von der Vorstellung ausging, Forderungen und sonstige Gegenstände des dominium im weiteren Sinne seien gleichermaßen als veräußerliche Vermögensgegenstände anzusehen. Auch dass Bartolus bereits ein umfassendes Konzept des subjektiven Rechts entwickelt hat, ist angesichts der dogmatisch folgenlosen Ausweitung des dominium zweifelhaft88. Und sicher ging es Bartolus nicht darum, eine differenzierte Dogmatik vom dominium an Forderungen zu entwickeln oder gar iura in re und iura ad rem hinsichtlich ihrer Übertragung gleich zu behandeln: Der Grundsatz nomina ossibus inhaerent galt für ihn uneingeschränkt. Es lässt sich also festhalten, dass das dominium bei Bartolus zwar in der weiten Definition als Oberbegriff für alle unkörperlichen Rechte diente, damit aber noch keine dogmatischen Folgen für die Gegenstände des dominium und damit für die Zession verbunden waren89.
lungen von Forderung und Zession zu vereinbaren, die sich noch nicht weiterentwickelt hatten: Fränkel, Zessionslehre der Glossatoren, S. 96–98. 87 Vgl. oben S. 14 f. und Fn. 50. 88 Vgl. auch oben S. 16, Fn. 56. Überhaupt ist kontrovers, wann sich eine Vorstellung von subjektiven Rechten im modernen Sinne herausgebildet hat, dazu Jansen, Haftungsrecht, S. 313, Fn. 294 mit umfangreichen Nachweisen: Während einige Autoren bereits im römischen Recht subjektive Rechte erkennen wollen, verortet Coing, Subjektives Recht, S. 250 sowie ders., Eigentumslehre des Bartolus, S. 361 die Entstehung eines Konzepts des subjektiven Rechts in der Tat bei den Postglossatoren, insbesondere Bartolus. Dagegen wendet sich Villey, Pensée juridique, S. 236–239. Auf dens. (Droit subjectif, S. 158 ff.; Pensée juridique, S. 240–262) geht die Ansicht zurück, der Gedanke des subjektiven Rechts sei im Voluntarismus der franziskanischen Philosophie Wilhelm von Ockhams begründet; ihm folgen Willoweit, Dominium und Proprietas, S. 148 ff.; Folgado, Derecho subjetivo, S. 94 ff. sowie Grossi, Proprietà, S. 121 ff., die argumentieren, dass insbesondere die Spätscholastiker von den franziskanischen Lehren beeinflusst wurden und auf dieser Grundlage erstmals ein Konzept des subjektiven Rechts ausformulierten; ebenfalls in diese Richtung Brett, Liberty, S. 21 f., 123 ff. Auch nach Jansen, Restitution, S. 36 ff., 89 und Seelmann, Dominium, S. 9 ff., 162 kommt den spätscholastischen Juristen bei dieser Entwicklung eine entscheidende Bedeutung zu. Seelmann will dabei gegen die genannten Autoren nachweisen, dass die Spätscholastiker nicht nur auf die franziskanische Philosophie, sondern bereits auf vielfältige legistische Diskussionen im Mittelalter zurückgreifen konnten. Die meisten Autoren sehen jedenfalls erst im Humanismus oder noch später bei Grotius das Konzept des subjektiven Rechts nach modernen Maßstäben als Grundlage des Privatrechtssystems vollständig entwickelt: Coing, Subjektives Recht, S. 251 ff.; Dubischar, Grundlagen, S. 60 ff.; Michaels, Sachzuordnung, S. 132. 89 Eine parallele Beobachtung findet sich bei Jansen, Haftungsrecht, S. 317. Er bemerkt, dass der veränderte dominium-Begriff bei Bartolus und Baldus keine Auswirkungen auf das Haftungsrecht hatte und führt dies auf fehlendes „systembezogenes Rechtsdenken“ bei den mittelalterlichen Juristen zurück.
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b) Neukonzeption des dominium im Naturrechtsdiskurs der spanischen Spätscholastik Die dominium-Definition des Bartolus blieb im gemeinrechtlichen Diskurs lange vorherrschend90. Aus den folgenden vielfältigen Diskussionen und Theorien zum Eigentumsbegriff ist für die Fragestellung dieser Arbeit von Interesse, an welcher Stelle entscheidende Weichen für die Einordnung der Forderung als frei veräußerlicher Vermögensgegenstand gestellt wurden. Um diesen Schritt weiter als Bartolus zu gehen, musste die Einordnung der obligatio als Gegenstand des dominium nicht nur terminologisch abgesichert werden, sondern vor allem der Begriff des dominium inhaltlich systematischer konzeptualisiert werden: Nur wenn die freie Verfügungsmöglichkeit zu den Wesensmerkmalen auch des dominium an Forderungen zählt, kann die Erstreckung des dominium auf Forderungen zu einer neuen Zessionsdogmatik führen. Eine herausgehobene Rolle in dieser Entwicklung spielten die Theologen-Juristen der Spanischen Spätscholastik91, die – weiterhin aufbauend auf der Definition des Bartolus – den Eigentumsbegriff im 16. und 17. Jahrhundert weiterentwickelten. Ihre Vorstellungen von Eigentum, Forderung und Zession sollen daher genauer analysiert werden. Ausgangspunkt des neuen dominium-Begriffs ist ein Aspekt, der sich bis zu Thomas von Aquin zurückverfolgen lässt und großen Einfluss auf die spätscholastischen Theologen hatte92: die Verbindung von dominium und menschlicher Handlungsfreiheit93. Grundlegend war dabei der von den Spätscholastikern formulierte philosophische Gedanke, dass die Herrschaft über das eigene Verhalten (dominium suarum actionum) die Grundlage für die Herrschaft über äußere Güter bilde94. Das dominium wurde also gedanklich verbunden mit der umfassenden, individuellen Möglichkeit, frei zu handeln (libera facultas)95. Folgerichtig betonten die Spätscholastiker in ihren dominium-Definitionen ganz besonders den Aspekt der freien Handlungsmöglichkeit96. Dominium bezeichnete 90
Vgl. nur Auer, Diskurs, S. 23, 102. Eine Einführung zu dieser Epoche gibt Bergfeld, Moraltheologie, S. 1016 ff. Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 214 f.; ausführlich, auch zum Folgenden, Jansen, Restitution, S. 36 ff., 89 f.; ders., Haftungsrecht, S. 313 ff. 93 Dies kennzeichnet Willoweit, Dominium und Proprietas, S. 148 ff. als entscheidende Korrektur gegenüber Bartolus; erkennt man aber entgegen Willoweit bereits bei Bartolus Ansätze einer Verfügungsfreiheit (s. oben S. 20, Fn. 84), erscheint die Entwicklung als – freilich innovativer – dynamischer Prozess; in diese Richtung auch Seelmann, Dominium, S. 162. Vgl. auch Schwab, Eigentum, S. 79–83. 94 Vitoria, Commentaria, qu. LXII, art. I, n. 11 und ausdrücklich Soto, De iustitia, lib. IV, qu. I, art. II: „Dominium exterarum rerum nemini nisi hac ratione convenit, quod sit ipse suarum actionum dominus; dominium enim quod quisque habet in suos actus, caussa [sic!] est et radix eius quod habet in alias res; est autem solus homo suarum actionum dominus.“; beide Autoren allegieren dafür Thomas von Aquin, Summa theologiae, prima secundae partis, qu. I, art. I. 95 Besonders deutlich Vázquez de Menchaca, Controversiae, lib. I, cap. XVII, n. 4. 96 Vitoria, Commentaria, qu. LXII, art. I, n. 8: „Tertio modo capitur dominium largius 91 92
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nun, und das war neu, eine dem Einzelnen ausschließlich zugewiesene Rechtsposition, die gegen Dritte geschützt war97; spätestens jetzt konvergierten die Begriffe ius und dominium im Sinne eines subjektiven Rechts98. Bekannt ist, dass das dominium damit zum Mittelpunkt des Rechtsgüterschutzes wurde: Als Ausgangspunkt insbesondere der ursprünglich beichtjuristischen Restitutionslehre wurde es zum Zentralbegriff im Deliktsrecht99; die Spätscholastiker behandelten das dominium daher meist auch in diesem Kontext. Diese Neuausrichtung war jedoch nicht nur für die Restitution fruchtbar; vielmehr wurde das dominium auch zum Grundbegriff des Vertragsrechts100. Begründet wurde dies mit dem Gedanken, dass Verträge Ausdruck des freien Willens eines dominus seien, Herrschaftsrechte (dominia) auf Andere zu übertragen101. Für die Zessionsdogmatik von Bedeutung ist dabei zum einen, dass zu dem neuen dominium-Konzept mit der freien Handlungsmöglichkeit insbesondere auch die freie Veräußerungsmöglichkeit gehörte102. Zum anderen lehrten einige Autoren nun ausdrücklich, dass Forderungen zum dominium gehören: Suárez bejahte die Zugehörigkeit zum dominium beispielsweise im Rahmen der Frage, ob mit der obligatio schon ein gegen Dritte geschütztes Recht entstehe103. Auch Vázquez erstreckte das dominium grundsätzlich auf prout dicit facultatem quamdam ad utendum re aliqua secundum iura […].“ Allerdings sieht Vitoria darin nur eine von drei Bedeutungen des dominium. Ausdrücklich Suárez, Quaestiones, qu. 12 (S. 34): „Quia natura dominii humani est illa, cuius usus omnis est in nostra potestate libera“ sowie Soto, De iustitia, lib. IV, qu. I, art. I: „Dominium autem non quocuncque ius & potestatem significat, sed certa illam, quae est in rem, qua uti pro libito nostro possumus in nostram propriam utilitatem. […] Dominium ergo […] est propria cuiusque facultas et ius in rem quamlibet, quam in suum ipsius commodum usurpare potest“; vgl. auch ders., Relectio de dominio, n. 2; Vázquez de Menchaca, Controversiae, lib. I, cap. XVII, n. 5.: „[…] dominium enim in rebus habere, quid obsecro aliud est, quam eam liberrimam ad libitumque facultatem habere circa illa re?“; dazu Seelmann, Dominium, S. 82 ff. und Brett, Liberty, S. 123 ff. 97 Jansen, Restitution, S. 36 f. m. w. N. zur im Einzelnen streitigen Entwicklung. 98 Vitoria, Commentaria, qu. LXII, art. I, n. 8; vgl. dazu Jansen, Haftungsrecht, S. 318 f.; Seelmann, Dominium, S. 46, 161; Brett, Liberty, S. 123 ff.; Folgado, Derecho subjetivo, S. 224 ff. Für eine frühere Gleichsetzung von ius und dominium bereits bei Bartolus plädiert Coing, Eigentumslehre des Bartolus, S. 350, Fn. 5; dies entspricht der Ansicht Coings zur Entstehung subjektiver Rechte (s. oben S. 21, Fn. 88). 99 Vitoria, Commentaria, qu. LXII, art. I, n. 6: „Omnis restitutio fundatur in dominio“; dazu Jansen, Restitution, S. 25 ff., 35 ff. 100 Statt aller Soto, De iustitia, lib. IV, prooemium: „Enimvero dominium huiusmodi rerum, earumque divisio, basis fundamentumque est omnium contractuum conventorumque et pactorum […].“ 101 Decock, Contract law, S. 163 ff. 102 Soto, Relectio de dominio, n. 4; Vázquez de Menchaca, Controversiae, lib. I, cap. XVII, n. 6; Lessius, Iustitia et iure, lib. II, cap. III, dub. II, n. 8; dazu Decock, Contract law, S. 358 ff. und passim. 103 Suárez, De Iustitia, sect. II, n. 3 (in der benutzten Sammelausgabe Mainz 1612 ist die Randnummer 3 fälschlich nicht abgedruckt): Eine Forderung stehe dem dominium hier gleich („ius aequivalens dominio“); Suárez bezog sich dabei in gleicher Weise auf Forderungen aus Delikt und aus Vertrag (z. B. mutuum). Vgl. auch Folgado, Derecho subjetivo, S. 315 m. w. N.
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alle Rechtspositionen des Menschen104 und damit ausdrücklich auch auf Forderungen105. Was bedeutete dies konkret für die Zessionsdogmatik? In den überlieferten Werken von Vitoria, Soto und Suárez finden sich keine ausdrücklichen Schlussfolgerungen für die freie Abtretbarkeit von Forderungen; die Zession wurde weder bei den Ausführungen zum dominium noch bei denen zum Kaufvertrag erörtert. Aufschlussreicher sind jedoch die Ausführungen der Jesuiten Molina und vor allem Lessius zum dominium. Die gemeinrechtliche Unterscheidung zwischen dem ius in re und dem ius ad rem war bei diesen späten, mehr an Bartolus und dem gemeinen Recht orientierten Vertretern der spanischen Spätscholastik zwar noch sehr wichtig106. Molina schien unter ius ad rem dabei nichts anderes als die Forderung, obligatio, zu verstehen107 und nannte in Abgrenzung dazu das dominium das wichtigste ius in re108. Lessius betonte gar ausdrücklich, dass iura ad rem nicht unter seine dominium-Definition fielen109. Im Widerspruch dazu steht jedoch, dass beide Autoren das dominium auch auf res incorporales erstreckten110. Für Molina waren dies beschränkt dingliche Rechte, aber ausdrücklich auch alle Rechte aus Forderungen111; ebenso ordnete auch Lessius Forderungsrechte explizit als res incorporales ein112. Den Widerspruch, Forderungen als iura ad rem vom dominium abzugrenzen, als res incorporales aber zum dominium zu zählen, lösten beide Autoren zwar nicht ausdrücklich auf. Einen deutlichen Hinweis für die Einordnung der Forderung als Gegenstand des dominium und ihre freie Übertragbarkeit gab jedoch Lessius: Er veranschaulichte die Zugehörigkeit von res incorporales zum dominium anhand des Beispiels, dass chirographa (Schuldverschreibungen) und actiones personales (aus einer obligatio entstehende Klagen) tagtäglich gekauft und verkauft würden113. Daraus lassen sich mehrere Schlüsse ziehen: Lessius hielt an 104
Seelmann, Dominium, S. 46, 153. Vázquez ging es dabei insbesondere um den Schutz aller vorstellbaren Rechtsgüter gegen obrigkeitliche Eingriffe. 105 Vázquez de Menchaca, Controversiae, lib. II, cap. LI, n. 22 (die benutzte Ausgabe Venedig 1567 druckt an der betreffenden Stelle fälschlich die Angaben lib. I, cap. LI, n. 21 ab). 106 Ausführlich Molina, Iustitia et iure, tract. II, disp. II. 107 Molina, Iustitia et iure, tract. II, disp. II, n. 2, 6 f. 108 Molina, Iustitia et iure, tract. II, disp. II, n. 3. 109 Lessius, Iustitia et iure, lib. II, cap. III, dub. II, n. 7. 110 Molina, Iustitia et iure, tract. II, disp. III, n. 3; Lessius, Iustitia et iure, lib. II, cap. III, dub. II, n. 8. Beide Autoren stellten dies als Neuerung gegenüber Bartolus dar, der bei res incorporales nur ein quasi dominium anerkenne, vgl. Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 221. Wie oben gesehen, hatte Bartolus allerdings in der weiten dominium-Definition der Sache nach auch bereits res incorporales zum dominium gezählt. Neu war aber, dass die Spätscholastiker nur noch eine (weite) Definition von dominium kannten und dogmatische Folgerungen aus der Zugehörigkeit zum dominium zogen. 111 Molina, Iustitia et iure, tract. II, disp. III, n. 4. 112 Lessius, Iustitia et iure, lib. II, cap. III, dub. II, n. 8. 113 Lessius, Iustitia et iure, lib. II, cap. III, dub. II, n. 8: „unde quotidie emuntur & venduntur etiam chirographa, & actiones personales, & servitutes“; in Übereinstimmung dazu zählt er
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der überkommenen Unterscheidung ius in re – ius ad rem und damit der gemeinrechtlichen Abgrenzung der Forderung vom dominium nur noch vordergründig fest; Forderungen waren für ihn der Sache nach Teile des dominium. Weiterhin zog Lessius – anders als die anderen hier untersuchten Autoren der spanischen Spätscholastik – daraus ausdrücklich die Konsequenz, dass Forderungen wie andere Vermögensgegenstände übertragbar seien. Und schließlich bezeugte Lessius, der mit den Gepflogenheiten an den damaligen Handelsplätzen, zum Beispiel in Antwerpen, vertraut war114, dass Forderungen in der Praxis bereits als Gegenstände des Handelsverkehrs etabliert waren. Dass er die Zession der Forderung als solche nicht näher erklärte, mag daran liegen, dass die für den Geschäftsverkehr relevanten Forderungen meistens in schriftlichen Urkunden verkörpert waren (chirographa) und die Veräußerung daher nach außen einem gewöhnlichen Sachkauf ähnelte115.
c) Zwischenergebnis Der dominium-Begriff erfuhr bei den Theologen-Juristen der spanischen Spätscholastik im Anschluss an Bartolus eine innovative Weiterentwicklung. Insbesondere wurde das dominium als Oberbegriff für alle subjektiven Rechte konsequent auf Forderungen ausgeweitet und die freie Möglichkeit der Veräußerung von Gegenständen des dominium betont. Ausdrücklich sprachen die meisten Autoren dieser Zeit zwar noch nicht von der freien Abtretbarkeit von Forderungen, obwohl das die logische Konsequenz dieser beiden Entwicklungen wäre. Wo die Sprache aber wie bei Lessius auf die Übertragbarkeit der Forderung kam, wurde diese bejaht. Ausführlicher beschäftigten sich die säkularen Naturrechtslehrer des 17. und 18. Jahrhunderts mit der Zession.
2. Forderung und Zession bei Hugo Grotius a) Systematik des Vermögensrechts und Konsensprinzip Hugo Grotius116 gilt weithin als Begründer der naturrechtlichen Vertragslehren und wird im Kontext der Geschichte des Zessionsrechts zumeist als derjenige genannt, der erstmals im Naturrecht ein Eigentum an Forderungen zugelassen habe117. Wie soeben gezeigt, war dieser Gedanke jedoch keineswegs in lib. II, cap. XXI, dub. I, n. 1 als Kaufsachen (merces) folgende Gegenstände auf: „res omnes mobiles & immobiles, actiones & iura, quae pecunia aestimari & comparari solent“. 114 Siehe nur die Bemerkungen bei Lessius, Iustitia et iure, lib. II, cap. XX, dub. XIV, n. 124, 126; cap. XXI, dub. XI, n. 82. 115 So Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Introduction before Art. 11:101 Rn. 10, Fn. 45. 116 Zu Leben und Werk vgl. die Einführung von Hofmann, Grotius m. w. N. 117 Luig, Zessionslehre, S. 40; Hoop, Abtretungsverbot, S. 32; auch Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 18 beginnt seine Darstellung des naturrechtlichen Einflusses auf die Entwick-
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neu, sondern fand seine Grundlage bereits in der spanischen Spätscholastik. In jüngerer Zeit wird nun auch vermehrt auf den starken Einfluss der Theologen des 16. Jahrhunderts auf Grotius hingewiesen118: In der Verbindung zwischen dem katholischen Naturrecht der spanischen Spätscholastik und dem säkularen Naturrecht des 17. und 18. Jahrhunderts gilt der Protestant Grotius insofern als Schlüsselfigur, als er die beichtjuristischen Lehren der spanischen Spätscholastik von ihrem theologischen Überbau loslöste und damit für das säkulare Naturrecht des 17. Jahrhunderts anschlussfähig machte119. Grotius’ Leistung bestand dabei darin, die theologischen Aussagen rein juristisch zu reformulieren, aber auch an entscheidenden Stellen weiterzudenken. Grotius bezeichnete das Eigentum in einem umfassenden Sinne als id, quod nostrum est – eine Bezeichnung, die stark den Zuordnungsaspekt betonte und für die Grotius auf die Lehren des Humanisten Donellus aufbauen konnte120. Das id, quod nostrum est unterteilte Grotius nun in Rechte an körperlichen Sachen und Rechte auf Handlungen Anderer121, womit er Forderungen meinte. Die bereits hier anklingende und bei Pufendorf später ausformulierte vollständige Abstraktion des Rechts von seinem Gegenstand122 ließ nun hinsichtlich der Übertragung eine einheitliche und geschlossene Behandlung aller Rechte des id, quod nostrum est zu. Das Sachenrecht war Zuordnung eines Rechts im weiten Sinne zu einer Person und umfasste damit auch iura ad rem, Forderungen. Da der Begriff res im Naturrecht nicht auf körperliche Sachen beschränkt war, sondern alle dem Menschen nützlichen Vermögensgüter umfasste123, gehörten zu den iura ad rem nicht nur Forderungen, die auf Verschaffung des Eigentums lung des Zessionsrechts mit Grotius. Überhaupt hat die ältere Forschung Grotius als „Vater“ des Naturrechts bezeichnet, zum Beispiel Stintzing / Landsberg, Geschichte, S. 1–9; vgl. auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 287, Fn. 26 m. w. N. 118 Zur Bedeutung der spanischen Spätscholastik für das säkulare Naturrecht des 17. und 18. Jahrhunderts sowie für die Europäische Rechtsgeschichte insgesamt Jansen, Verwicklungen; Thieme, Natürliches Privatrecht; speziell in Bezug auf die Restitutionslehre Jansen, Restitution, S. 143 ff. sowie Nufer, Restitutionslehre, S. 68 ff. Zum Einfluss speziell auf Grotius vor allem Decock, Contract law, aber auch Diesselhorst, Lehre, S. 1–19; Feenstra, Eigentumsbegriff, S. 234, Fn. 161 sowie ders., Influence, S. 343 ff. und passim. Sehr weitgehend Nufer, Restitutionslehre, S. 77, der Grotius bei der Restitutionslehre über eine Verknappung des Stoffes hinaus fast keine Unterschiede zu den Spätscholastikern zuerkennt. Zurückhaltender Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 284 (Fn. 14), 287 ff. m. w. N. 119 Jansen, Verwicklungen, S. 49 ff. m. w. N.; vgl. auch Hofmann, Grotius, S. 72–75. 120 Donellus, Commentarii de jure civili, lib. II, cap. VIII, § 1; vgl. dazu Michaels, Sachzuordnung, S. 126, der differenziert zu der Frage Stellung bezieht, ob in dieser Bezeichnung der Ursprung des subjektiven Rechts liegt. 121 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. II, § 1: „Hoc jus [sc. id, quod nostrum est] aut directe est in rem corporalem aut ad actus aliquos“. Auch Donellus, Commentarii de jure civili, lib. II, cap. VIII, § 2 sprach davon, dass „Quod proprie nostrum est, id consistit aut in persona cuiusque, aut in rebus externis“. 122 Dazu unten S. 32. 123 Michaels, Sachzuordnung, S. 133; explizit Pufendorf und Wolff, vgl. unten S. 32.
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gerichtet waren (obligationes dandi), sondern auch Forderungen auf sonstige Leistungen (obligationes faciendi)124. Was die vertragliche Übertragung all dieser Rechte betraf, baute das Vertragsrecht bei Grotius neben der freien Übertragbarkeit aller Rechte des id, quod nostrum est125 zunächst darauf auf, dass jedes ernsthafte Versprechen den Versprechenden bindet, also eine obligatio hervorbringt126. Für den Rechtsübergang war aber darüber hinaus auch für Grotius die Annahme des Versprechens erforderlich127. Das zweite wichtige Prinzip des Vertragsrechts bei Grotius war daneben das Konsensprinzip: Anders als nach dem Traditionsprinzip des ius civile war bei Grotius zur Übertragung eines dominium nach Naturrecht keine Übergabe mehr erforderlich128. Auch hier konnte Grotius in großem Umfang an die spätscholastischen Autoren anknüpfen: Insbesondere Vitoria129 und Lessius130 hatten bereits gelehrt, dass Gegenstände des dominium frei übertragbar seien und dazu nach Naturrecht – anders als nach ius civile – keine Übergabe nötig sei. Für die Übertragung eines Rechts forderte Grotius nun neben dem angenommenen Versprechen nur ein äußeres Zeichen dieses Konsenses (signum), wobei eine mündliche Äußerung genügte131. Mit dem so nach außen getretenen Konsens wurde nun das Recht unmittelbar auf den Erwerber übertragen. Was genau übertragen wurde, ist dabei nur für die promissa dandi unmittelbar einleuchtend: das Eigentum an der körperlichen Sache132. Innovativ ist dagegen nach verbreiteter Ansicht innerhalb der Lehre Grotius’, dass auch bei den promissa faciendi unmittelbar verfügt werde: Der Schuldner übertrage 124
Michaels, Sachzuordnung, S. 133; vgl. auch oben S. 15, Fn. 54. Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. VI, § 1, n. 1. Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XI, insbes. §§ 1–4. Zu Grotius’ Versprechenslehre näher Diesselhorst, Lehre, S. 34 ff., der an verschiedener Stelle auf die starke Beeinflussung durch Lessius und Molina hinweist; vgl. auch Nufer, Restitutionslehre, S. 74, Fn. 34. 127 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XI, §§ 14 ff.; dazu Diesselhorst, Lehre, S. 111 ff. mit Hinweisen auf den auch hier starken Einfluss Lessius’. Der also auch für Grotius gültige Grundsatz pacta sunt servanda entstammt nicht dem römischen Recht, sondern geht auf das kanonische Recht zurück und wurde insbesondere von den Theologen-Juristen der spanischen Spätscholastik ausformuliert, näher Gordley, Philosophical origins, S. 73 ff.; Decock, Contract law, S. 178 ff.; Zimmermann, Law of Obligations, S. 537 ff.; Jansen, Verwicklungen, S. 65 ff. m. w. N. 128 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. II, § 1, n. 2; cap. VIII, § 25; cap. XII, § 15, n. 1 mit der Begründung „atque id esse simplicissimum“. Freilich erkannte Grotius auch an, dass viele Gesetzgeber die Übergabe angeordnet hätten. 129 Vitoria, Commentaria, qu. LXII, art. I, n. 29 f.; dazu Decock, Contract law, S. 359; Wesener, Naturrechtliche Lehre, S. 437; Otte, Privatrecht bei Vitoria, S. 58 ff. 130 Lessius, Iustitia et iure, lib. II, cap. III, dub. III, n. 12: „Nam iure naturae non est necessaria traditio.“ Dazu Gordon, Transfer, S. 172 f., der darauf hinweist, dass Grotius das Werk Lessius’ zum Beispiel in De iure belli ac pacis, lib. II, cap. VI, § 1 ausdrücklich allegiert. 131 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. VI, § 1, n. 1: „[…] sed simul requiri aut verba, aut alia signa“; siehe auch lib. II, cap. XI, § 4, n. 1. 132 Ausdrücklich für den Kaufvertrag Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap XII, § 15, n. 1. 125 126
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bei Vertragsschluss den der Leistung entsprechenden Teil seiner Freiheit (ein „Freiheitspartikel“) auf den Gläubiger133. Decock weist freilich zu Recht darauf hin, dass auch diese Rechtsübertragungs- oder Translativwirkung des (angenommenen) Versprechens bereits bei Lessius angelegt war und hält es für wahrscheinlich, dass Grotius auch hier – ohne Lessius zu zitieren134 – auf den Spätscholastiker zurückgegriffen hat135. Konsequenz dieser einheitlichen Konstruktion war einerseits, dass sich nun erstmals ein Erfüllungsanspruch dogmatisch schlüssig erklären ließ: Der Gläubiger hatte ja mit Abschluss des Vertrages bereits ein Recht erworben136. Andererseits konnte man mit dem gleichen Argument begründen, warum im Fall des Doppelverkaufs dem Erstkäufer der Vorrang gebühren müsse, auch wenn dem Zweitkäufer die Sache zuerst übergeben worden sei. Die Ausführungen zum Doppelverkauf sind bei Grotius jedoch ausgesprochen missverständlich geraten, so dass offen bleiben muss, ob er diese Konsequenz gezogen hat137. Doch 133
Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. II, § 4, n. 1: „Quae perfecta promissio similem habet effectum qualem alienatio dominii. Est enim aut via ad alienationem rei aut alienatio particulae libertatis.“ Dazu auch Wieacker, Vertragliche Obligation, S. 12 f.; auch für Diesselhorst, Lehre, S. 35 ist die „zentrale Figur des Versprechens als Rechtsübertragung […] in dieser Form neu.“ 134 Feenstra, Influence, S. 343–346 kann an einer anderen Stelle anhand eines fehlerhaften Blindzitats sogar nachweisen, dass Grotius Aussagen und Nachweise aus Lessius’ Werk ohne Hinweis darauf genutzt hat. 135 Decock, Contract law, S. 210 f. mit Verweis auf Lessius, Iustitia et iure, lib. II, cap. XVIII, dub. VIII, n. 52: „Quia promittere, non tantum est affirmare se daturum vel facturum, sed ulterius est se obligare alteri, & consequenter ius illi tribuere ad exigendum. unde dici solet, promissionem parere debitum.“ 136 Michaels, Sachzuordnung, S. 134. 137 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XII, § 15, n. 2: „[…] si res bis sit vendita, ex duabus venditionibus eam valituram quae in se continuit praesentem dominii translationem, sive per traditionem, sive aliter. Per hanc enim facultas moralis in rem abiit a venditore: quod non fit per solam promissionem.“ Die Lesart dieser unklaren Stelle zum Doppelverkauf ist umstritten. Während Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 297 die Stelle entgegen allen mir zugänglichen Ausgaben und den Zitaten in der sonstigen Literatur falsch zitiert („continuo“ anstelle von „continuit“) und daher keine richtigen Schlüsse ziehen kann, nimmt Michaels, Sachzuordnung, S. 131 ohne nähere Begründung an, Grotius plädiere hier für eine Bevorzugung des Erstkäufers, der ja bereits Eigentümer sei. Luig, Heineccius als Kritiker, S. 39 f., Fn. 81 weist freilich zu Recht darauf hin, dass sich diese Lesart nicht eindeutig aus dem Text ergibt. Allerdings kann der zweite Satz des Zitats entgegen der Ansicht Luigs noch sinnvoll übersetzt werden: Zunächst hatte Grotius in § 15, n. 1 dargelegt, dass nach Naturrecht eine Übergabe nicht erforderlich sei. Deshalb kann hier mit per hanc nicht die traditio gemeint sein, sondern nur – sprachlich ebenso möglich und inhaltlich sinnvoller – die translatio dominii, was Luig a. a. O. entgeht. Auch nimmt Luig unzutreffend an, dass promissio im letzten Halbsatz den Vertrag bezeichne; konsequenterweise muss Grotius hier vielmehr das bloße, unangenommene Versprechen gemeint haben, das noch nicht zum Eigentumsübergang führt. Doch auch bei diesem Verständnis des letzten Satzes bleibt unklar, wie Grotius den Doppelverkaufsfall löste: Er sagt im ersten Satz nur recht nebulös, dass derjenige Kauf vorgehe, der gleichzeitig die Eigentumsübertragung enthalte, sei es durch Übergabe oder auf andere Weise. Das passt, wie Luig zu Recht feststellt, nicht recht zur zuvor angenommenen Geltung des Konsensprinzips; danach
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auch die Zession von Forderungen war in Grotius’ System problemlos möglich: Das Recht an der Handlung eines anderen Menschen war genauso durch bloßen Konsens übertragbar wie Rechte an körperlichen Sachen; Sonderregeln für die Zession erübrigten sich damit bei Grotius.
b) Auswirkungen des Konsensprinzips auf den Forderungsbegriff Bei näherer Betrachtung finden sich allerdings auch Unschärfen in Grotius’ vermögensrechtlichem System, worauf Michaels hinweist138. Die Probleme betreffen die auch für die Zession relevante Frage, ob eine isoliert übertragbare vertragliche Forderung in Grotius’ Konzept überhaupt vorstellbar ist und folgen insbesondere aus der strikten Anwendung des Konsensprinzips. Um die Auswirkungen dieses Prinzips auf den Forderungsbegriff zu erkennen, ist es sinnvoll, zwischen obligationes dandi und obligationes faciendi zu unterscheiden. Hinsichtlich der obligatio dandi folgt aus dem Konsensprinzip, dass mit Entstehung der Forderung das Recht an der körperlichen Sache, insbesondere also das Eigentum, sofort auf den Erwerber übertragen wird. Wenn aber gleichzeitig mit Begründung der Forderung bereits ihr Objekt übertragen wird, ist unklar, wozu die obligatio überhaupt noch dient. Anders gesagt: Wenn das ius ad rem sich sofort mit seiner Begründung zum ius in re verfestigt, erfüllt sich die Forderung im Moment ihrer Entstehung selbst und es bleibt kein Raum mehr für eine erfüllbare Forderung. Schuldrecht und Sachenrecht lassen sich in diesem Fall nicht mehr trennen139. Unter dem Code civil, der das naturrechtliche Konsensprinzip übernommen hat140 (Art. 711, 1138, 1583 CC1804 bzw. Art. 711, 1196, 1583 CC2016), führte dies bis zur Schuldrechtsreform 2016 zu heftigen Kontroversen über die Rechtsnatur und Existenz der obligation de donner141. müsste sich der Erstkäufer in jedem Fall, auch ohne Übergabe, durchsetzen. Was mit einem Eigentumsübergang auf andere Weise („aliter“) gemeint ist und wie diese Stelle zum Konsensprinzip in § 15, n. 1 passt, muss daher offen bleiben. Eine mögliche, wenngleich nicht unbedingt naheliegende Erklärung gab Jean Barbeyrac in seiner Ausgabe von Grotius, Droit de la Guerre et de la Paix, lib. II, cap. XII, § 15, n. 4, Anmerkung 6: Grotius meine hier den Fall, dass dem einen Käufer das Eigentum sofort übertragen worden sei (was durch Konsens geschehen könne), während dem anderen Käufer schon nach dem Vertrag zunächst kein Eigentum übertragen werden sollte. Jedenfalls war auch Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. V, cap. 5, § 5 von Grotius’ Ausführungen offensichtlich verwirrt. Keineswegs verlangte Pufendorf deshalb jedoch selbst – auch unabhängig von dieser Grotius-Stelle – nach Naturrecht eine Übergabe, wie Luig, Heineccius als Kritiker, S. 39, Fn. 76 annimmt; dazu auch unten S. 33, Fn. 165. Zuzustimmen ist Luig aber darin, dass Johann Gottlieb Heineccius das Konsensprinzip Grotius’ beim Doppelverkauf erheblich weniger missverständlich durchgeführt hat. 138 Michaels, Sachzuordnung, S. 135 f., auch zum Folgenden. 139 So auch Dorn, in HKK, § 241 Rn. 15. 140 Dazu näher unten S. 111 ff. 141 Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 267, 1111 argumentierten im Ergebnis, dass eine obligation de donner nie entstehen könne; besonders pointiert in diese Richtung auch Fabre-Magnan, Obligation de donner, S. 89 und passim. Ausführlich Chazal / Vicente, Transfert, S. 481 ff., die eine Mehrdeutigkeit des Eigentumsbegriffs im Code civil erkennen wollten.
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Auf die Zession bezogen kann daraus nur die Konsequenz gezogen werden, dass obligationes dandi bei Geltung des Konsensprinzips grundsätzlich142 nicht unerfüllt bestehen und daher von vornherein nie den Gegenstand einer Zession bilden können. Vielmehr kann beispielsweise der Käufer, dem die Sache durch Vertrag bereits übereignet, aber noch nicht übergeben wurde, die Sache direkt durch Vertrag weiter übereignen; eine Abtretung vertraglicher Ansprüche auf Eigentumsverschaffung ist nicht nötig und nicht denkbar. In Grotius’ Konzept betreffen die beschriebenen Schwierigkeiten darüber hinaus aber auch die obligatio faciendi: Denn bei ihrer vertraglichen Begründung verfügt der Schuldner nach Grotius bereits über den der Leistung korrespondierenden Teil seiner Freiheit143; dieser gehört sodann zum Vermögen des Gläubigers. Damit fällt auch hier theoretisch die Begründung einer Forderung mit einer Verfügung über das Geschuldete zusammen; überhaupt bedeutet damit jeder Vertrag bei Grotius eine Verfügung über einen Teil des id, quod nostrum est144. Auch die obligatio faciendi überträgt deshalb konstruktiv bereits mit ihrer Entstehung ihr Leistungsobjekt, nämlich einen Teil der Willensfreiheit des Schuldners auf den Gläubiger. Streng genommen kann also auch hier das übertragene Recht (an der Willensfreiheit des Schuldners) nicht mehr von der obligatio, dem ius ad rem, getrennt werden. Zugespitzt lässt sich formulieren, dass es in Grotius’ System gar keine (unerfüllten) Forderungen aus Verträgen In der neueren französischen Literatur wurden teilweise die hergebrachten Definitionen von obligation de faire und obligation de donner in Frage gestellt: Prybys Gavalda, Obligation de donner, S. 212 ff., insbesondere 247 ff. konstatierte, dass der Begriff obligation de donner nach der gängigen Definition als obligation de transférer la propriété juristisch irrelevant sei und wollte ihn daher ausweiten. Vicente, Réflexions, S. 87 ff., 99 ff., 256 ff. versuchte hingegen das Problem zu lösen, indem er die obligation de faire enger definierte und als Unterart der obligation de donner eine obligation de praestare zumindest beim Gattungskauf sowie beim Kauf noch herzustellender Ware einführte. Collart Dutilleul / Delebecque, Contrats civils, Rn. 200 erkannten dem Begriff der obligation de donner schließlich nur noch Relevanz für einige wenige Konstellationen zu (insbesondere für den Fall des Eigentumsvorbehalts). Zu den begrifflichen Vorverständnissen, die die Debatte prägten, treffend Courdier-Cuisinier, L’énigme de l’obligation de donner. Vgl. ferner Ferrari, Abstraktionsprinzip, S. 61 f. sowie Michaels, Sachzuordnung, S. 154 jeweils m. w. N. Für einen rechtsvergleichenden Überblick Chiavale, Obligazione di dare, S. 69 ff. Die Schuldrechtsreform 2016 verwies all diese Diskussionen in die Rechtsgeschichte, indem sie den Begriff aus dem Gesetz strich (Art. 1196 CC2016), ohne aber die Translativwirkung anzutasten, dazu (zum Projet Terré) Remy, Effet translatif. 142 Freilich ist hier theoretisch an Ausnahmen beim Gattungskauf sowie beim Kauf noch herzustellender Sachen zu denken; auch hier kann man aber konstruieren, dass die in diesen Fällen bestehenden Verpflichtungen (Aussonderung bzw. Herstellung) eigentlich obligationes faciendi sind und sich die obligatio dandi mit der Aussonderung bzw. Herstellung selbst erfüllt. Dies entspricht auch der Einsicht, dass Gattungskauf und Werklieferungsvertrag historisch als eigenständige, vom Kaufrecht abgekoppelte Verträge aufgefasst wurden, vgl. M ichaels, Sachzuordnung, S. 150. 143 S. oben S. 28, Fn. 133. 144 Michaels, Sachzuordnung, S. 130; zur Rechtsübertragungswirkung des (angenommenen) Versprechens oben S. 28, Fn. 133.
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mehr gibt. Jeder Vertrag überträgt vielmehr mit seiner Entstehung unmittelbar das Leistungsobjekt, ein dominium, auf den Gläubiger. In einem solchen System kann im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse nie eine Spannung zwischen Forderung und Erfüllung, zwischen Schuld- und Sachenrecht bestehen; damit wäre die vertragliche Forderung und mit ihr die Abtretung vertraglicher Forderungen in der Tat funktionslos145. Selbstverständlich ist dies überspitzt formuliert; Grotius selbst hat derartige Konsequenzen offenbar nicht gezogen. Vor allem waren Geldforderungen, um die es bei der Zession vorrangig ging und geht, wohl auch für Grotius unerfüllt vorstellbar, solange es sich noch um eine Gattungsschuld handelte. Der Gedankengang soll aber zeigen, dass die naturrechtliche Annahme, der Schuldner übertrage bei obligationes faciendi ein Freiheitspartikel auf den Gläubiger, eine letztlich irreführende Metapher darstellt: Denn tatsächlich ist in der Realität eben noch nicht absehbar, ob der Schuldner die Handlung vornehmen, also leisten wird. Es ist immer noch denkbar, dass er seinen Willen nicht in der geschuldeten Art und Weise ausübt146. Eine obligatio faciendi muss mit anderen Worten notwendig von ihrer Erfüllung abgrenzbar sein; die völlige Aufhebung des Gegensatzes zwischen Schuld- und Sachenrecht führt hier zu logischen Brüchen147. Für die Zession sollten jedenfalls aus diesen Unklarheiten keine Rückschlüsse gezogen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Grotius Forderungsrechte als Teile des id, quod nostrum est für frei übertragbar hielt. Ausformuliert haben dies in der Folgezeit die deutschen Naturrechtslehrer Pufendorf und Wolff.
3. Forderung und Zession bei Pufendorf und Wolff Während Grotius die Zession noch nicht ausdrücklich behandelte, formulierten die deutschen Naturrechtler Samuel Pufendorf und Christian Wolff148 im 17. und 18. Jahrhundert erstmals expressis verbis eine naturrechtliche Zessionstheorie149. Dabei äußerten sie sich deutlicher als die meisten anderen Na145 Denkbar wären selbstverständlich weiterhin Forderungen etwa aus dem Eigentum (insbesondere die Verpflichtung des Besitzers, die Sache dem Eigentümer zu übergeben) oder aus Delikt. 146 Im 19. Jahrhundert beschäftigte sich die Pandektenwissenschaft ähnlich mit der Frage, ob die obligatio ein Recht an einer Handlung oder auf eine Handlung vermittle. Die letztgenannte Auffassung setzte sich schließlich im Kern mit dem Argument Windscheids durch, eine Handlung existiere vor ihrer Ausführung noch nicht, dazu unten S. 63, Fn. 347. 147 Vgl. auch Michaels, Sachzuordnung, S. 136: Die Naturrechtslehre sei hier über das Ziel hinaus geschossen. Zur Kritik an dieser „Veräußerungstheorie“ aus gemeinrechtlicher Sicht Hofmann, Entstehungsgründe, S. 90 ff., besonders 99 ff. 148 Für eine Einführung in Leben und Werk Hammerstein, Pufendorf sowie Thomann, Wolff jeweils mit umfangreichen Nachweisen. 149 Huwiler, Begriff der Zession, S. 64, Fn. 479 nimmt deshalb zu Recht entgegen Wieacker, Vertragliche Obligation, S. 15 und ihm folgend Dorn, in HKK, § 241 Rn. 15, Fn. 69 eine eigenständige Leistung Wolffs gegenüber Grotius an. Er begründet dies mit dem hohen
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turrechtler dieser Zeit wie Christian Thomasius, Jean Barbeyrac oder JeanJacques Burlamaqui. Um ihre für das frühe Naturrecht150 exemplarischen Lehren von Forderung und Zession soll es daher im Folgenden gehen.
a) Der Eigentumsbegriff bei Pufendorf und Wolff Pufendorf und Wolff betonten in ihren dominium-Definitionen zunächst weiter den Aspekt der Verfügungsfreiheit151. Das Eigentum ist für sie in naturrechtlicher Ausdrucksweise eine qualitas moralis, das heißt eine dem menschlichen Denken entspringende, rein rechtliche Kategorie, die dazu dient, die Willenssphären von Menschen gegeneinander abzugrenzen152. Es bezweckt zwar inhaltlich die Zuordnung von Objekten zu einem Menschen, ist aber selbst vollständig von diesem äußeren Objekt zu trennen153. Das Eigentum ist damit nicht mehr „Recht an einer Sache“, sondern vielmehr wie jedes Recht ein Recht gegenüber anderen Menschen, ein rein zwischenmenschliches Verhältnis154. Dem Eigentum als qualitas moralis standen bei Pufendorf und Wolff die res gegenüber, auf die sich das Eigentum beziehen kann. Der Begriff war weit zu verstehen und umfasste alle Gegenstände, die für sich genommen oder gemeinsam mit anderen Gegenständen dem Menschen nützlich sein können155. Die Beschaffenheit dieser Gegenstände spielte dabei keine Rolle, solange sie nur einer Abgrenzung und damit Zuordnung zur Willenssphäre eines bestimmten Menschen zugänglich waren156. Das Eigentum umfasste damit jede denkbare Vermögensposition157; daher war für beide Autoren selbstverständlich, dass nicht nur körperliche, sondern auch unkörperliche Gegenstände eigentumsfähig waren158. Zu diesen res incorporales gehörten auch ForStellenwert der Übereignungslehre bei Wolff und der Ausformulierung eines lückenlosen Vermögensrechts. 150 Zur Einteilung des neuzeitlichen Naturrechtsdiskurses in ein älteres und ein jüngeres Naturrecht Klippel, Politische Freiheit, S. 14 f.; ders., Politische Theorie, insbes. S. 268–277; ders., Rechtsphilosophie und Naturrecht, Sp. 718. Als Wendepunkt betrachtet Klippel dabei die Auseinandersetzung mit der Aufklärung und der Philosophie Immanuel Kants um 1785, nach der sich der Naturrechtsdiskurs liberalisiert habe. 151 Wolff, Institutiones, § 195; ders., Ius naturae, pars II, cap. II, § 118; Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. I, cap. I, § 16 sowie lib. IV, cap. IV, § 4 zur von Gott gegebenen freien Herrschaft des Menschen über die Natur. 152 Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. I, cap. I, § 16; lib. IV, cap. IV, §§ 1, 4; auch Wolff, Institutiones, § 46, spricht vom subjektiven Recht als einer facultas moralis bzw. potentia moralis. 153 Michaels, Sachzuordnung, S. 132: Darin könne die erste Beschreibung des subjektiven Rechts im modernen Sinne gesehen werden. 154 Huwiler, Begriff der Zession, S. 42 f.; vgl. auch S. 57 zu Wolff. 155 Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. IV, cap. V, § 1; Wolff, Institutiones, § 121. 156 So ausdrücklich Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. IV, cap. V, § 1. 157 Huwiler, Begriff der Zession, S. 43. 158 Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. IV, cap. V, § 3; noch expliziter Wolff, Institutiones, § 121.
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derungen159, die Wolff als Verbindung einer fremden Handlung mit einer gebietenden oder verbietenden Klage definierte160. Der Sache nach ist das nichts anderes als die Herrschaft über Handlungen Anderer aus der Definition Grotius’161. Die Zugehörigkeit der Forderung zu den res incorporales begründete Wolff, indem er unter die Nützlichkeitsdefinition subsumierte: Die Forderung habe als res aestimabilis insbesondere einen schätzbaren Wert und sei daher ein nützlicher Gegenstand162. Die obligatio war damit als werthaltiger Vermögensgegenstand ausdrücklich Sache, und es gab bei ihrer rechtlichen Behandlung grundsätzlich keine Sonderregelungen gegenüber körperlichen Gegenständen. Eine Einteilung der Güter in schuld- und sachenrechtlich existiert nach dieser Vorstellung nicht mehr; vielmehr war das Vermögensrecht als umfassendes, einheitliches System mit einem weiten Sachbegriff konzipiert.
b) Die Übertragung des Eigentums Die Übertragung des Eigentums geschah bei Pufendorf und Wolff nach dem naturrechtlichen Konsensprinzip163; dabei nahmen beide wie Grotius eine Rechtsübertragung bei jedem angenommenen Versprechen an164. Pufendorf folgerte die Möglichkeit der Übertragung des Eigentums ohne Übergabe nicht zuletzt aus dem Eigentumsbegriff: Das Eigentum als qualitas moralis sei ein Konstrukt des menschlichen Willens, das sich nur auf das Verhältnis der Menschen untereinander beziehe und damit von der tatsächlichen Herrschaft über die Sache unabhängig sei. Soweit man also das Eigentum als rein rechtliche Kategorie auffasse, sei die Übertragung des Eigentums allein durch Willensübereinkunft möglich, ohne dass es auf eine Veränderung auf der Ebene der tatsächlichen Innehabung ankomme; die Besitzübertragung sei lediglich nötig, um das Eigentum vollumfänglich ausüben zu können165. Für Wolff folgte die Möglichkeit der 159 Wolff, Institutiones, § 121: „[…] [Res] incorporalis, quae sensu non percipitur, seu intellectu tantummodo concipitur, qualia sunt iura […]“. 160 Wolff, Institutiones, § 35: „Obligatio active sumta, quam activam appellare lubet, est connexio motivi cum actione sive positiva sive privativa.“ Das ius ad rem setzte er in § 335 mit der obligatio gleich. 161 S. oben S. 26. 162 Wolff, Institutiones, § 225. 163 Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. IV, cap. IX, §§ 2, 3, 5; Wolff, Institutiones, § 317; ders., Ius naturae, pars III, cap. I, §§ 1–13. 164 Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. III, cap. V, § 7; dazu Diesselhorst, Vermögensrechtssystem, S. 65 sowie Wolff, Institutiones, §§ 97, 379, 381. Vgl. auch Luig, Pflichtenlehre, S. 283 und Wieacker, Vertragliche Obligation, S. 14 f. 165 Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. IV, cap. IV, §§ 1, 4; vgl. zur strengen Unterscheidung von Eigentum und Besitz auch lib. IV, cap. IX, § 7. Pufendorf erläuterte zwar auch, dass eine Übergabe konsequenterweise dann notwendig sei, wenn man das Eigentum als facultas physica begrifflich mit dem Besitz verbinde: lib. IV, cap. IX, §§ 6, 8. Dies entspricht aber gerade nicht dem naturrechtlichen Eigentumsbegriff, dem sich Pufendorf ausdrücklich angeschlossen hatte (oben S. 32, Fn. 152; a. A. Bucher, Translativwirkung, S. 636). Daher
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Eigentumsübertragung ohne traditio ähnlich daraus, dass das Eigentum als facultas moralis auf der Willensfreiheit des Menschen gegründet sei, so dass auch das Ob und Wie seiner Übertragung nur vom Willen der Menschen abhänge166. Wie zuvor bei Grotius war zur Eigentumsübertragung zusätzlich nur ein nach außen sichtbares signum dieses Konsenses nötig; dazu genügten aber Worte oder konkludente Erklärungszeichen167. Die gemeinrechtliche Lehre vom Eigentumserwerb durch titulus (Schuldvertrag) und modus adquirendi (Übergabe)168 war damit im Bereich des Naturrechts vollständig überwunden169: Die Übergabe der Sache war für den Erwerb des als qualitas moralis verstandenen Eigentums ohne Belang170.
c) Die Zession von Forderungen Die Zession von Forderungen erklärten Pufendorf und Wolff nun konsequent als die Übertragung des Eigentums an einer res incorporalis, für die im Vergleich zur Übereignung einer res corporalis keine Sonderregeln galten. Pufendorf sprach demgemäß bei der Übereignung von einer translatio iurium atque rerum171, während Wolff die naturrechtliche Zession besonders explizit und klar auf den Punkt brachte172: „Translatio juris sui ad rem in alium Cessio dicitur, & transferens Cedens, is vero, in quem transfertur, Cessionarius appelatur. Fit kann Gordon, Transfer, S. 175 f.; Wesener, Naturrechtliche Lehre, S. 437 f. sowie Chazal / Vicente, Transfert, S. 488 ff. nicht gefolgt werden, soweit sie meinen, Pufendorf habe zwei Eigentumsbegriffe und damit auch zwei Übereignungsarten ohne eigene Präferenz anerkannt; in diese Richtung auch schon Brandt, Eigentumserwerb, S. 55 f.; wie hier Huwiler, Begriff der Zession, S. 44 sowie Diesselhorst, Vermögensrechtssystem, S. 30 und Michaels, Sachzuordnung, S. 128. 166 Wolff, Institutiones, §§ 314, 316, 317; dazu Luig, Pflichtenlehre, S. 280 f. 167 Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. IV, cap. IX, § 3: „Qualia signa sunt nutus, gestus, vox, scriptum“; Wolff, Ius naturae, pars III, cap. I, §§ 3 f.: Der Wille könne „verbis vel factis“ erklärt werden; ebenso ders., Institutiones, §§ 316, 346. 168 Zu Entwicklung dieser Lehre im gemeinen Recht ausführlich Hofmann, Lehre vom titulus und modus. 169 Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. IV, cap. IX, § 5 beschrieb diese zu seiner Zeit wohl vorherrschende Lehre mit „aliqui observant“. 170 Freilich ist die traditio in Wolffs Lehre auch nicht irrelevant; dazu ausführlich Huwiler, Begriff der Zession, S. 64 f.: Die Übergabe war für ihn nicht mehr nötig als modus des Eigentumserwerbs in der naturrechtlichen Möglichkeit, sondern lediglich Ausdruck dieser Möglichkeit in der Wirklichkeit. Dogmatisch äußerte sich das konsequent darin, das das Recht auf Einräumung des Besitzes bei Wolff schon aus dem (sofort übertragenen) Eigentum und nicht aus dem Kaufvertrag folgte: Wolff, Institutiones, §§ 198, 200, 320; ders., Ius naturae, pars III, cap. I, § 13. Daher nimmt Wacke, Besitzkonstitut, S. 21 fälschlich an, Wolff sei gegen Grotius zum Traditionsprinzip zurückgekehrt; ungenau auch Brandt, Eigentumserwerb, S. 56 ff. sowie Felgentraeger, Übereignungslehre, S. 17. Wie hier Schrage, Traditionibus, S. 946. 171 Pufendorf, De iure naturae et gentium, lib. IV, cap. IX, § 2. 172 Wolff, Institutiones, § 338; ausführlich bereits ders., Ius naturae, pars III, cap. I, §§ 81–94.
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itaque cessio mutuo consensu cedentis & cessionarii sufficienter declarato.“173 Wolff fuhr nun fort, indem er den Schuldner in den Blick nahm: „Cum ius ad rem sit res incorporalis, quae est in dominio cedentis, […] cessio fieri potest inscio, immo invito debitore, praesertim cum cessionario in locum cedentis succedente, nihil in ipsa obligatione debitoris mutetur.“174 Diese prägnanten Sätze stehen exemplarisch für die Vorstellung von Forderung und Zession im frühen Naturrecht. Eine Forderungsübertragung war ohne weiteres durch formlosen Vertrag möglich. Da die Übergabe nach Naturrecht nicht zur Übereignung gehörte, gab es keine Überlegungen zu der Frage, was die Übergabe bzw. der modus adquirendi bei der Zession sein könnte; überhaupt erübrigten sich Sonderregelungen für die Zession gegenüber der Übereignung körperlicher Sachen.
4. Relativierungen des naturrechtlichen Forderungs- und Zessionsbegriffs Die Lehren Pufendorfs und Wolffs, die in der Definition der Zession als Übereignung einer unkörperlichen Sache gipfelten, bildeten auch innerhalb des Naturrechts eine Extremposition; insbesondere die vollständige begriffliche und dogmatische Integration der Forderung ins Sachenrecht wurde im späteren Naturrecht175 sowie in den naturrechtlichen Kodifikationen176 relativiert. Und auch Wolff selbst hat bereits einige Bemerkungen gemacht, die darauf hinweisen, dass er die Forderung nicht ausschließlich als frei veräußerliche unkörperliche Sache begriffen hat, sondern differenzierte, indem er die Zession auch aus der Perspektive des Schuldners in den Blick nahm.
a) Die Doppelnatur der Forderung bei Wolff Wolff blieb in seinen Ausführungen nicht bei der Beschreibung der Zession als Übereignung einer res incorporalis stehen. Vielmehr zeigt der oben zitierte Satz „cessio fieri potest inscio, immo invito debitore, praesertim cum cessionario in locum cedentis succedente, nihil in ipsa obligatione debitoris mutetur“, dass 173 Übers. d. Aut.: „Die Übertragung einer Forderung auf einen anderen heißt Zession, und den Übertragenden nennt man Zedenten, den Empfänger Zessionar. Die Zession geschieht durch gegenseitigen und ausreichend deutlich erklärten Konsens von Zedent und Zessionar.“ 174 Übers. d. Aut.: „Weil die Forderung eine unkörperliche Sache ist, die im Eigentum des Zedenten steht, […] kann die Zession ohne das Wissen, ja sogar gegen den Willen des Schuldners geschehen, besonders weil die Verpflichtung des Schuldners selbst durch den Gläubigerwechsel keine Veränderung erfährt.“ 175 Zur Einteilung des Naturrechtsdiskurses in ein frühes und ein spätes Naturrecht s. oben S. 32, Fn. 150. 176 Huwiler, Begriff der Zession, S. 103 ff. Insbesondere die Zessionsregeln im Codex Maximilianeus Bavaricus (a. a. O., S. 113–118), im Preußischen Allgemeinen Landrecht (a. a. O., S. 129–131) sowie im ABGB (a. a. O., S. 141–146) folgten nicht mehr dem einheitlichen System Pufendorfs und Wolffs, sondern sind auf vielfältige Weise durch differenzierende Auffassungen der späten Naturrechtler wie Darjes (dazu unten S. 37 ff.) sowie das gemeine Recht beeinflusst worden.
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Wolff den Blick auch auf die Position des Schuldners lenkte, was verglichen mit den übrigen naturrechtlichen Werken seiner Zeit ungewöhnlich war. Typisch für das Naturrecht und seine subjektiv-rechtliche Ausrichtung waren vielmehr die ausschließliche Konzeptualisierung eines Rechts aus der Perspektive des Berechtigten und damit insbesondere die Betrachtung der Forderung aus Sicht des Gläubigers177. Auch an einer anderen Stelle seines Werks untersuchte Wolff ausführlich die Auswirkungen der Zession auf den Bestand der Forderung und die Folgen der Zession aus Sicht des Schuldners178. Dies zeigt, dass Wolff neben der Einordnung der Forderung als res incorporalis keineswegs bestritten hat, dass sie gegenüber körperlichen Sachen eben doch eine strukturelle Besonderheit aufweist: Neben Veräußerer und Erwerber ist bei der Forderungsübertragung immer noch eine dritte Person, der Schuldner, betroffen und damit die Willenssphäre eines weiteren Menschen potentiell tangiert. Wolff anerkannte mit anderen Worten, dass die Forderung ein nach außen vollständig „versachenrechtlichter“ Vermögensgegenstand des Gläubigers ist, berücksichtigte daneben aber auch, dass sie auch ein rechtliches Verhältnis zwischen dem Gläubiger und einer dritten Person darstellt179. Zwar lehrte er, dass dieses Verhältnis durch die Zession keinerlei Veränderung erfahre, so dass der Schuldner in keiner Weise an der Zession zu beteiligen sei („cessio fieri potest inscio, immo invito debitore“). Dennoch war es bereits ein ausgesprochen differenzierter Ansatz, die abgetretene Forderung überhaupt aus den verschiedenen Perspektiven zu betrachten: Auf der einen Seite war sie aus der Außensicht von Zedent und Zessionar eine geldwerte Sache und damit Gegenstand des Vermögensverkehrs, auf der anderen Seite aus der Innensicht von Gläubiger und Schuldner obligatio, Forderung. Dass Wolff in dieser Hinsicht recht modern erscheinende gedankliche Kategorien verwendete, zeigt sich auch darin, dass er zu dem Schluss kam, eine höchstpersönliche Forderung (d. h. eine solche, die aus einer promissio personalis entspringt) sei nicht abtretbar180; ebenso eine Forderung, die 177 Grundlegend zu dieser den Schuldner als bloßes Objekt eines Rechts betrachtenden „Strenge“ des Naturrechts Gisawi, Totalreparation, S. 106 ff., 152 ff. 178 Wolff, Ius naturae, pars III, cap. I, §§ 85–94. Wolff kam hier zu dem Ergebnis, dass die Befugnisse des Zessionars nach der Zession mit denen des Zedenten vor der Zession völlig identisch seien (§§ 86–88) und schloss daraus auch hier, dass die Zession nicht vom Wissen und Willen des Schuldners abhänge (§ 89). 179 Huwiler, Begriff der Zession, S. 60, Fn. 445 mit Verweis auf Wolff, Institutiones, §§ 379 f., 401: Wolff sei sich der „subjektiven Innenseite“ der Forderung bewusst gewesen. Bei Pufendorf ist eine solch differenzierte Sichtweise dagegen nicht erkennbar, wie Luig, Rezension zu Huwiler, S. 489 f. gegen Huwiler, Begriff der Zession, S. 43 präzisiert. Vgl. zur Anerkennung einer komplexen Doppelstruktur der Forderung in der deutschen Diskussion im 20. Jahrhundert unten S. 81 ff. 180 Wolff, Institutiones, §§ 400 f. Huwiler, Begriff der Zession, S. 66, Fn. 491 zieht hier gar Parallelen zu § 399 BGB (und meint dabei wohl Alt. 1) sowie Art. 164 Abs. 1 OR. Zu weitgehend Luig, Pflichtenlehre, S. 286 f., der meint, Wolff habe in §§ 400 f. die Abtretbarkeit prinzipiell auf Forderungen, die auf ein dare gerichtet sind, beschränken wollen, indem er alle anderen Forderungen als höchstpersönliche definiert habe. Dies würde, wie Luig selbst sagt, den
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Rechte Dritter berührt181. Auch hier blickte Wolff nicht nur auf die Außenseite der Forderung als Vermögensgegenstand, sondern daneben auf ihren Inhalt dem Schuldner gegenüber182. Freilich führte das Axiom nihil in ipsa obligatione debitoris mutetur dazu, dass für das Wie der Zession bei Wolff letztlich nur die Einordnung der Forderung als Sache, also ihre äußere Perspektive, maßgeblich war. Ein Schuldnerschutzregime fehlt damit wie im gesamten Naturrecht völlig; die Frage danach stellt sich naturgemäß nicht, soweit man wie Wolff meint, die Abtretung ändere nichts an der Verpflichtung des Schuldners. Aus moderner Sicht lässt sich dagegen einwenden, dass die Verpflichtung, nun an eine andere Person zu leisten, für den Schuldner eben doch eine Veränderung bedeutet. Die modernen Rechtsordnungen haben daher die Notwendigkeit von Schuldnerschutzvorschriften anerkannt. Auch wenn damit die Wolff’sche Zessionslehre aus heutiger Sicht schematisch und der Versuch, das gesamte Vermögensrecht in ein einheitliches sachenrechtliches System ohne Sonderregeln zu zwängen, undifferenziert erscheint, bleibt die angedeutete Doppelnatur der Forderung eine innovative Weiterentwicklung in der Dogmengeschichte der Zession. Denn schließlich sind es diese beiden Aspekte der Forderung, auf der die vermittelnden modernen Lösungen basieren, indem sie die Forderung als Vermögensgegenstand anerkennen, aber gleichzeitig die Auswirkungen im Innenverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner mittels spezieller Regelungen in den Blick nehmen.
b) Die erneute Trennung von Schuld- und Sachenrecht bei Joachim Georg Darjes Noch im Naturrecht wurde auch die vollständige Eingliederung der Forderung ins Sachenrecht von der Außenperspektive her wieder gelockert. Wolffs Schüler Joachim Georg Darjes, der für die naturrechtlichen Kodifikationen wie das Preußische Allgemeine Landrecht von 1792183 einflussreich war184, hat sich Grundsatz der Übertragbarkeit aller Forderungen (Wolff, Institutiones, §§ 338, 342) aufgeben. Luig übersieht vor allem, dass ius ad rem in den Ausführungen Wolffs zur Zession nicht nur obligationes dandi, sondern Forderungen aller Art bezeichnete, wie eindeutig aus § 335 hervorgeht; dazu schon oben S. 15, Fn. 54; S. 33, Fn. 160. 181 Wolff, Ius naturae, pars III, cap. I, § 90; freilich wird dabei nicht klar, welchen Fall Wolff vor Augen hatte. Der abgedruckte Verweis auf pars II, § 859 geht fehl, weil pars II nur bis § 788 reicht. Der wahrscheinlich gemeinte § 559 enthält einen Fall, in dem die Verletzung eines Aneignungsrechtes zu Strafansprüchen gegen den Verletzer führt. Möglicherweise hielt Wolff einen solchen Anspruch für unabtretbar. 182 Freilich lag es Wolff noch fern, systematisch zu erklären, ob diese Forderungen nach seiner Lehre keine Sachen seien oder ob ein sonstiges Abtretungshindernis bestehe; auch von vertraglichen Abtretungsverboten war noch nicht die Rede. 183 Zu den naturrechtlich beeinflussten Begriffen von Forderung und Zession im Codex Maximileaneus Bavaricus Civilis, im ALR sowie im ABGB vgl. insbesondere Huwiler, Begriff der Zession, S. 103–148. 184 Vgl. dazu sowie zu Leben und Werk Darjes’ allgemein die Untersuchungen von Gärt-
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von den Lehren Wolffs in vielerlei Hinsicht gelöst185. Forderung und Zession hat er in wesentlichen Punkten anders als sein Lehrer aufgefasst, wie Huwiler nachweist186.
aa) Das Vermögensrechtssystem bei Darjes Darjes’ Vermögenslehre war, obwohl sie weiter an naturrechtliche Überlegungen anknüpfte187, stärker als diejenige Pufendorfs und Wolffs von gemeinrechtlichen Positionen geprägt. So konnten zunächst Objekte des dominium nur körperliche Sachen sein188; insofern griff Darjes vermutlich die Lehre Johann Gottlieb Heineccius’ auf 189, den er häufig als Autorität anführte190. Das Vermögen, das Darjes als to meum bzw. to nostrum bezeichnete, umfasste aber in naturrechtlicher Tradition darüber hinaus auch alle anderen dem Einzelnen ausschließlich zugeordneten Güter191, mithin auch unkörperliche Sachen wie Forderungen192. Die Einheit von Vermögen und Eigentum, die die naturrechtliche Lehre bis Wolff charakterisiert hatte, war damit zwar beseitigt; das dominium bezeichnete nur noch einen Teil des Vermögens193. Dies änderte jenseits der Begrifflichkeit aber nichts daran, dass der Einzelne über alle Gegenstände des Vermögens frei verfügen konnte194. Die freie Übertragbarkeit von Forderungen wurde also durch ihre fehlende Eigentumsfähigkeit nicht tangiert. Hinsichtlich der Art und Weise der Übertragung von Eigentum und anderen Vermögensrechten wich Darjes nun vom naturrechtlichen Konsensprinzip ab und folgte der gemeinrechtlichen Lehre vom titulus und modus adquirendi195: Mit dem auf Übereignung einer Sache gerichteten schuldrechtlichen ner, Darjes und die preußische Gesetzesreform; Pennitz, Die Rolle von Darjes sowie Thieme, Preußische Kodifikation, S. 361 ff. Umstritten ist dabei jedoch, wie stark die Verbindung zwischen Darjes und seinem unmittelbar an der Redaktion des ALR beteiligten Schüler Carl Gottlieb Svarez war: Pennitz, Die Rolle von Darjes, S. 333, Fn. 5; Thieme, Preußische Kodifikation, S. 365, Fn. 2, 366. 185 Gärtner, Darjes und die preußische Gesetzesreform, S. 76 f. und passim. 186 Vgl. Huwiler, Begriff der Zession, S. 68 mit Fn. 503 und passim; zu undifferenziert daher Luig, Zessionslehre, S. 41. 187 Vgl. zum Beispiel Darjes, Institutiones, §§ 143 ff. zur lex naturalis. 188 So Darjes, Discours, S. 1173 unter Zurückweisung der Lehre vom quasi dominium an res incorporales als „künstlich“: „Objectum dominii est res corporalis, id est, talis, quae suam existentiam habere potest“; implizit auch ders., Institutiones, § 445. 189 Heineccius, Elementa, § 335. Nach Luig, Zessionslehre, S. 41 geht es auf Heineccius zurück, dass im gemeinen Recht nicht mehr vom Eigentum an Forderungen gesprochen wurde. 190 Heineccius selbst hat an etlichen Stellen beispielsweise die Lehren Grotius’ kritisiert und präzisiert; dazu Luig, Heineccius als Kritiker, S. 38 ff. und oben S. 28, Fn. 137. 191 Darjes, Institutiones, §§ 277 f. 192 Darjes, Institutiones, § 489: „Iura nostra ad to nostrum etiam pertinent.“ 193 Huwiler, Begriff der Zession, S. 70. 194 Darjes, Institutiones, § 444: „Quicquid ad to nostrum pertinet, de illo […] pro arbitrio proprio disponere possumus“. 195 Darjes, Institutiones, §§ 461 f.; ders., Discours, S. 664 ff.; Brandt, Eigentumserwerb,
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Vertrag (titulus) entstehe das ius ad rem, welches mit der Übergabe (modus) zum ius in re vervollständigt werde. Darjes kombinierte dabei gewissermaßen Konsens- und Traditionsprinzip dahingehend, dass mit dem Konsens nur die vires des Schuldners auf den Gläubiger übertragen werden196 und nicht, wie Grotius und Wolff lehrten, bereits der Versprechensgegenstand, das objectum promissionis selbst übergeht197. Vires bezeichnete dabei die für die Erfüllung der Forderung nötigen Handlungen, also zum Beispiel die Übergabe einer beweglichen Sache bei obligationes dandi oder sonstige Handlungen bei obligationes faciendi198. Mit der angenommenen Übertragung dieser vires durch den Konsens bekannte sich Darjes nun zwar formal weiterhin zu der Translativwirkung jedes schuldrechtlichen Vertrages199; hier zeigt sich, dass die naturrechtliche Metapher von der Übertragung eines Freiheitspartikels fortwirkte. Das paradoxe Zusammentreffen dieser Konzeption mit dem Traditionsprinzip machte Darjes aber durch eine Präzisierung verständlicher: Im Unterschied zu Grotius und Wolff stellte er klar, dass die Übertragung der vires auf den Gläubiger diesem lediglich das Recht verschaffe, den Schuldner zur Leistung zu zwingen200, die Erfüllung der Forderung also nicht mit der Übertragung der vires zusammenfalle. Damit räumte er die oben201 beschriebenen Unklarheiten hinsichtlich der Existenz einer erfüllbaren Forderung bei Geltung des reinen Konsensprinzips aus. Die „Übertragung“ der vires ist in der Sache nichts anderes als die Entstehung einer Leistungspflicht auf Seiten des Schuldners bzw. eines durchsetzbaren Rechts auf die Leistung auf Seiten des Gläubigers. Im Ergebnis entstand also bei Darjes mit dem Konsens eine erfüllbare Forderung. In konsequenter Weiterführung seiner allgemeinen Lehren zum Sachbegriff brach Darjes nun außerdem mit der bis dahin im gemeinen Recht und im Naturrecht herrschenden202 Bezeichnung aller Forderungen als ius ad rem. Derart bezeichnete er nur noch Forderungen, die die Übergabe einer körperlichen Sache
S. 52 und Hofmann, Lehre vom titulus und modus, S. 5 f. messen Darjes neben Johann Apel gar entscheidende Bedeutung bei der systematischen Ausformulierung und völligen Durchsetzung dieser Lehre in der gemeinrechtlichen Literatur des 18. Jahrhunderts bei; ähnlich („Höhepunkt und Abschluss“) Wesener, Naturrechtliche Lehre, S. 442. 196 Darjes, Discours, S. 573–582 und passim. 197 Huwiler, Begriff der Zession, S. 76 f. 198 Darjes, Discours, S. 573: „vires promittentis […], quibus objectum promissum debet & potest praestare“. Die Unterscheidung zwischen obligatio dandi und obligatio faciendi musste Darjes in seinem System freilich nicht mehr treffen, denn bei Geltung des Traditionsprinzips setzte ohnehin jede Erfüllung einer obligatio eine Handlung des Schuldners voraus. 199 So auch Huwiler, Begriff der Zession, S. 76, Fn. 564. 200 Darjes, Discours, S. 575. 201 Oben S. 29 ff. 202 Vgl. oben S. 15, Fn. 54 sowie S. 26; Darjes, Discours, S. 1137 verwies für diese Meinung selbst auf die Autoritäten Heineccius und Lauterbach.
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zum Gegenstand haben (obligationes dandi203). Alle anderen Forderungen, obligationes faciendi, nannte Darjes iura personalia in specie204. Damit war die umfassende Gleichsetzung von Schuld- und Sachenrecht, die Grotius begründet und Pufendorf und Wolff weitergeführt hatten, weitgehend relativiert. Die Forderung vermittelte dem Gläubiger nur noch eine Leistungspflicht des Schuldners und nicht mehr ein Recht an der Sache selbst. Und vor allem war die Forderung bei alledem für Darjes zwar noch ein Vermögensgegenstand, aber keine eigentumsfähige Sache mehr. Diese Herauslösung der Forderung aus dem Sachenrecht bildete eine für die spätere Gesetzgebung im Preußischen Allgemeinen Landrecht (ALR) entscheidende Harmonisierung der naturrechtlichen Lehren mit der gemeinrechtlichen Theorie und hatte auch Konsequenzen für die Zessionslehre Darjes’.
bb) Die Zession als schuldrechtlicher Vertrag Mit Zession bezeichnete Darjes im Gegensatz zum bis dahin üblichen Sprachgebrauch nicht den Akt der Forderungsübertragung (also den modus) selbst, sondern den schuldrechtlichen Vertrag (den titulus), der auf die entgeltliche Übertragung einer Forderung gerichtet ist205. Durch den Zessionsvertrag, der ein Kauf-, Tausch- oder Schenkungsvertrag sein konnte, erwarb der Gläubiger das Recht, vom Schuldner die Übertragung der Forderung – also nach Darjes’ Einteilung ein facere206 – zu verlangen; dieses Recht war, weil es nicht auf Übergabe einer körperlichen Sache gerichtet war, kein ius ad rem, sondern ein ius personale in specie. Anders als noch bei Grotius, Pufendorf und Wolff erwarb der Zessionar durch die Zession somit lediglich eine Forderung gegen den Zedenten, ihm die Forderung gegen den Drittschuldner (also den Versprechensgegenstand) zu verschaffen. Wie dies genau zu geschehen hat, was also der modus der Forderungsübertragung sein sollte, lässt sich den Ausführungen Darjes’ nicht entnehmen207; eine Übergabe kommt schließlich nicht in Betracht. Feststellen lässt sich lediglich, dass Darjes die vollständige Übertragung der Forderung als modus zuließ und die gemeinrechtliche Prozessvertretungskon203 Eine terminologische Besonderheit bei Darjes war dabei, dass dare jede Übergabe einer körperlichen Sache meint und nicht, wie überall sonst, nur die Übereignung einer körperlichen Sache; dazu Huwiler, Begriff der Zession, S. 80 mit Verweis auf die Einordnung des Mietvertrags unter die Formel do ut des. 204 Darjes, Institutiones, § 805; ders., Discours, S. 1137 mit ausdrücklicher Zurückweisung der gegenteiligen Lehren Heineccius’ und Lauterbachs. 205 Darjes, Institutiones, § 489. Diese Kategorisierung als titulus und nicht als modus findet sich ebenso im Preußischen Allgemeinen Landrecht (§ 376, I, 11 ALR) und auch im Code civil (Art. 1689 CC1804). 206 S. oben Fn. 203. 207 Huwiler, Begriff der Zession, S. 82 meint, dass nach der „Natur der Sache“ wohl nur „gegenseitige Erklärungen“ als Übertragungsmodus in Betracht kämen.
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struktion ablehnte208. Auch wenn Darjes also hinsichtlich des Übertragungsakts selbst ausgesprochen vage blieb, lehrte er doch eine differenzierende und zwischen Naturrecht und gemeinem Recht vermittelnde Zessionstheorie. Die Forderung wurde als Vermögensgegenstand anerkannt und war der Einzelrechtsnachfolge zugänglich; als Sache war sie jedoch nicht zu begreifen, weshalb für sie nicht dieselben Übertragungsregeln wie für körperliche Sachen gelten konnten. Darjes hatte damit zwar die Trennung von Schuld- und Sachenrecht wiederhergestellt, übernahm aber aus den Naturrechtssystemen seiner Vorgänger eine für die Entwicklung der naturrechtlichen Kodifikationen entscheidende Weichenstellung209. Die Modifikation naturrechtlicher Lehren in Richtung gemeinrechtlicher Theorie geschah also ohne Preisgabe der zentralen naturrechtlichen Wertung: der Einordnung der Forderung als frei übertragbarer Vermögensgegenstand210.
III. Zusammenfassung: Ausprägungen zweier gegensätzlicher Vorstellungen von Forderung und Zession In der historischen Entwicklung stehen die naturrechtlichen Zessionslehren Pufendorfs und Wolffs in einem radikalen Kontrast zum römisch-gemeinen Recht und dessen Vorstellung von Forderung und Zession. Die Glossatoren und nach ihnen die herrschende Meinung im usus modernus hielten die Forderung – expliziter und rigoroser als die antiken römischen Juristen – für ein nicht für den Rechtsverkehr objektivierbares und damit unübertragbares „Rechtsband“. Der späte usus modernus im 18. Jahrhundert nahm dagegen mit unterschiedlichen Begründungen eine echte Forderungsübertragung an, ohne jedoch den tradierten Forderungsbegriff grundlegend in Frage zu stellen. Ein solch fundamental neuer Forderungsbegriff entwickelte sich dagegen im frühneuzeitlichen Naturrecht. Hier entstand die Vorstellung von der Forderung als unkörperliche Sache, die zum frei veräußerlichen dominium des Menschen gehört. Dieser Forderungsbegriff fügte sich nahtlos ein in ein geschlossenes, einheitliches Vermögensrechtssystem, dessen Grundpfeiler die ausschließliche Zuordnung subjektiver Rechte, die freie Übertragbarkeit aller körperlichen und unkörperlichen Gegenstände des weit verstandenen dominium sowie das Konsensprinzip waren. Schuld- und Sachenrecht konvergierten dabei in einem einheitlichen Vermögensrecht, in dem sich die dogmatischen Grenzen zwischen 208 Darjes, Institutiones, § 489 Sch. I mit der schlichten Aussage „[…] natura objecti aliam suadet explicationem“. 209 Sowohl im Codex Maximileaneus Bavaricus (Teil II, Kap. 3, § 8, Nr. 8 CMBC) als auch im Preußischen Allgemeinen Landrecht (§ 376, I, 11 ALR) und im ABGB (§§ 1392 ff. ABGB) ist die Forderung übertragbar. 210 Ähnlich Huwiler, Begriff der Zession, S. 83 und passim; Luig, Abstraktionsprinzip, S. 117 sowie ders., Rezension zu Huwiler, S. 488 f., 491.
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ius ad rem und ius in re, zwischen Forderung und dinglichem Recht, auflösten. Innerhalb dieses Systems wurde die Zession konsequent als Übereignung der als Sache verstandenen Forderung aufgefasst. Das Naturrecht lieferte mit dieser dogmatisch vollständigen Analogie zur Fahrnisübereignung eine innovative Erklärung der Einzelrechtsnachfolge in Forderungen, die sich vor allem durch starke dogmatische Entdifferenzierung von Sachenrecht und Schuldrecht auszeichnete. Dabei war die grundlegende Wertung, dass Forderungen einen frei übertragbaren Vermögensgegenstand darstellen, keineswegs eine Erfindung der naturrechtlichen Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts, sondern vielmehr das Ergebnis einer organischen und zunehmend systematischen Entwicklung des Vermögensrechts und des subjektiven Rechts seit dem späten Mittelalter. In diesem Prozess spielten insbesondere die Theologen-Juristen der spanischen Spätscholastik eine entscheidende Rolle, weil sie die Forderung konsequent zum dominium rechneten und gleichzeitig die Verfügungsfreiheit über Gegenstände des dominium in den Mittelpunkt ihrer Vertragslehren stellten. In der beschriebenen Entwicklung war die Zession von Forderungen allerdings zunächst oft nur ein Randaspekt, der erst allmählich systematisierend in das Vermögensrecht integriert wurde: Fand die Zession in der spanischen Spätscholastik sowie bei Grotius noch eher beiläufige Erwähnung, so haben die säkularen Naturrechtler des 17. und 18. Jahrhunderts, als deren Exponenten hier Pufendorf und Wolff ausgewählt wurden, die geschilderte Entwicklung erstmals in einem geschlossenen System zusammengefasst und ausdrücklich auf die Zession angewandt. Freilich zeigen die Ausführungen Darjes’ exemplarisch, dass Autoren im späteren Naturrecht die völlige Aufhebung eines Gegensatzes zwischen Schuld- und Sachenrecht auch mit Auswirkungen auf den Zessionsbegriff wieder zurücknahmen. In den naturrechtlichen Kodifikationen findet sich – auch aufgrund gemeinrechtlicher Einflüsse – das radikale System der frühen Naturrechtler ebenfalls nicht wieder. Festzuhalten bleibt aber jedenfalls, dass sowohl bei Darjes als auch in den naturrechtlichen Kodifikationen die Einordnung der Forderung als grundsätzlich frei übertragbarer Vermögensgegenstand nicht mehr in Frage stand, womit sich die zentrale vermögensrechtliche Wertung des Naturrechts durchgesetzt hatte. Damit sind die beiden gegenläufigen Strömungen in der Geschichte des gelehrten Abtretungsrechts in ihren deutlichsten Ausprägungen skizziert: einerseits die Vorstellung von der Forderung als unübertragbares persönliches Verhältnis, andererseits ihre Einordnung als frei veräußerlicher Vermögensgegenstand. Für diese Arbeit soll die Beschreibung dieser beiden grundlegenden Vorstellungen von Forderung und Zession als Grundlage für das Verständnis der Forderungsund Zessionsbegriffe im Code civil sowie im BGB genügen. Der Entstehung dieser Begriffe in der französischen bzw. deutschen Kodifikation sowie der Frage nach dem Einfluss der naturrechtlichen Neuausrichtung auf diese Entstehung ist der folgende Abschnitt gewidmet.
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§ 2 Forderungs- und Zessionsbegriffe in Code civil und BGB Der zweite Teil dieses Kapitels ist der Frage gewidmet, welche Forderungsund Zessionsbegriffe dem Code civil sowie dem BGB zugrunde liegen und auf welchen vermögensrechtlichen Wertungen sie beruhen. Die Arbeit rekonstruiert dazu zunächst die Diskussionen über die Forderung und ihre Abtretbarkeit vor der Kodifikation in den jeweiligen Ländern und untersucht anschließend, mit welchen Begründungen die Gesetzgeber die Zession schließlich jeweils kodifiziert haben. Der Fokus soll dabei im Rahmen dieses ersten Kapitels lediglich auf der grundsätzlichen Frage nach der Abtretbarkeit von Forderungen und den dahinter stehenden vermögensrechtlichen Wertungen liegen. Auf dieser Grundlage versucht die Arbeit in den Folgekapiteln, Einzelregelungen des Zessionsrechts in Beziehung zu diesen prinzipiellen Wertungen zu setzen und auf Wertungswidersprüche hin zu untersuchen.
I. Forderung und Zession im französischen Recht Die Forderungsabtretung war im Code civil bis 2016 in einem Unterkapitel des Titels über den Kauf (vente) in den Art. 1689–1701 CC1804 geregelt. Sie wurde (und wird) als transport oder cession de créance bezeichnet. Wie alle modernen Kodifikationen erkannte der Code civil von 1804 die Vollrechtsübertragung an – allerdings mit einer augenfälligen Besonderheit: Gemäß Art. 1690 CC1804 war die Wirksamkeit der Zession im Außenverhältnis bis 2016211 an eine – insoweit konstitutive – Anzeige an den Schuldner (signification) gebunden. Im folgenden Abschnitt geht es um die Entstehung dieses Zessionsmodells im Code civil von 1804.
1. Forderung und Zession im Ancien droit a) Die Übertragbarkeit der Forderung im Recht der Coutumes Vor Inkrafttreten des Code civil war das Recht in Frankreich charakterisiert durch ein vielschichtiges Nebeneinander von römischem und kanonischem Recht, königlichen Edikten und Verordnungen sowie örtlichem Gewohnheitsrecht, den sogenannten Coutumes212. Bei vielen Unklarheiten in den Details der Entstehung der Zessionsvorschriften im Code civil ist unbestritten, dass
211
Zur Schuldrechtsreform 2016 s. unten S. 149 ff. und zum Folgenden z. B. Halpérin, Impossible code civil, S. 19 ff.; Ourliac / Gazzaniga, Histoire, S. 65 ff.; Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 6 ff.; Warnkönig / Warnkönig, Rechtsgeschichte, S. 28 ff., 76 ff.; Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 75 f., jeweils m. w. N.; speziell zur Geschichte der Coutumes von Paris Martin, Histoire, Bd. 1, S. 1–127. 212 Dazu
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das Zessionsrecht der Coutumes großen Einfluss auf die Redaktion dieser Vorschriften im Code civil hatte213.
aa) Die Zession im älteren Recht der Coutumes In einer frühen Periode im Mittelalter (vor Ende des 13. Jahrhunderts) war nach einigen Coutumes, möglicherweise unter Einfluss des römischen Rechts, keine echte Forderungsübertragung, sondern nur eine Prozessvertretung möglich214. Gesichert ist jedenfalls, dass spätestens seit dem 15. Jahrhundert die große Mehrzahl dieser Coutumes im Gegensatz zum römischen Recht die vollständige Übertragung von Forderungen ohne Zustimmung des Schuldners oder Einhaltung einer besonderen Form zuließ215; dabei waren die Forderungen offenbar häufig in Schuldtiteln mit Namens- oder Inhaberklauseln verkörpert216. Eine Anzeige der Zession an den Schuldner war zunächst nicht notwendig für die Wirksamkeit der Zession; ihr konnte aber die Wirkung zukommen, eine befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten zu verhindern217. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts lässt sich dann in etlichen Coutumes eine für die Wirksamkeit der Zession konstitutive Abtretungsanzeige, die im französischen Recht sogenannte signification, nachweisen, eine Neuerung, die später das Zessionsmodell des Code civil prägen sollte. Als Paradigma des coutumiären Zessionsrechts in der Neuzeit kann dabei eine Vorschrift in den Pariser Coutumes gelten.
bb) Die Pariser Coutumes von 1510 / 1570 In Art. 170 der 1510 abgefassten Coutumes de la Prévosté et Vicomté de Paris heißt es: Un simple transport ne saisit point218. Transport ist dabei der seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesene Begriff für die Zession219. Die Wendung lässt sich nun bei allen Schwierigkeiten, das Konzept der saisine220 in deut213 Huc, Cession, Bd. I, Nr. 302 f.; Graner, Forderungsabtretung, S. 17 ff.; Schumann, Forderungsabtretung, S. 68 ff.; Hoop, Abtretungsverbot, S. 104 ff. 214 Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 710. 215 Näher Glasson, Histoire, Bd. 7, S. 625–627; Martin, Histoire, Bd. 2, S. 538, 574 (für die Pariser Coutumes); Schumann, Forderungsabtretung, S. 26 ff. jeweils m. w. N. 216 Glasson, Histoire, Bd. 7, S. 626 sowie Brunner, Inhaberpapier, S. 34 ff. mit Verweis auf mittelalterliche Quellen (Philippe de Beaumanoir und Jean Boutillier). Brunner beschrieb auf S. 61 die Vorteile der Übertragung einer in einem Inhaberpapier verkörperten Forderung durch simple Übergabe, die vor allem darin bestanden, dass es bei diesen Forderungen auch später, als sich die konstitutive signification für die echte Forderungszession durchgesetzt hatte, keiner Anzeige an den Schuldner bedurfte. Möglicherweise geht auf dieses frühe Stadium der Zession auch das Erfordernis der remise du titre zurück, das in Art. 1689 CC1804 erhalten geblieben ist, obwohl längst nicht mehr alle Forderungen verbrieft sind. 217 Näher unten S. 96 f. 218 Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. III, S. 13. 219 Brunner, Inhaberpapier, S. 19 m. N. 220 Es handelt sich um ein der germanischen Gewere verwandtes Rechtsinstitut; näher dazu unten bei der genaueren Untersuchung der Entstehung der signification, S. 97 ff.
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sche Rechtsterminologie zu übertragen, übersetzen mit „Eine reine Zession führt nicht zum Rechtsübergang“. Was dazu vielmehr zusätzlich erforderlich war, präzisierte die Neufassung der Pariser Coutumes im Jahre 1570. Dort hieß es nunmehr in Art. 108: Un simple transport ne saisit point, et faut signifier le transport à la partie […]221. Die Zession bedurfte also zu ihrer Wirksamkeit einer signification, das heißt einer förmlichen222 Anzeige der Abtretung an den Schuldner. Die ausdrückliche Normierung einer konstitutiven signification, die etliche Coutumes übernahmen223, änderte hinsichtlich der prinzipiellen Frage der Abtretbarkeit nichts daran, dass die Pariser Coutumes die identitätswahrende Forderungsübertragung ohne Zustimmung des Schuldners kannten. Die Nähe zur Sachübereignung war dabei offenbar selbstverständlich: Exemplarisch kommentierte Julien Brodeau im 17. Jahrhundert in seinem Kommentar zu den Pariser Coutumes, dass die signification Eigentum und Besitz an der Forderung auf den Zessionar übergehen lasse224; ebenso sprach Claude de Ferrière in seiner Kompilation verschiedener Kommentare zu den Pariser Coutumes davon, dass der Zessionar nach der Abtretungsanzeige possesseur & maître du droit cedé225 werde. Die Zession der insoweit wie eine Sache aufgefassten Forderung war damit in den Pariser Coutumes analog zur Sachübereignung anerkannt.
b) Die Zession im Juristenrecht des Ancien droit Das Nebeneinander verschiedener Rechtsmassen in Frankreich führte ab dem 15. Jahrhundert zu einer juristischen Zweiteilung Frankreichs226: Nachdem das römische Recht im Süden Frankreichs spätestens jetzt an den Gerichten als vollständig rezipiert galt227, hatten die Coutumes dort nur noch Bedeutung als partikulare Sonderregeln, die das eigentliche droit commun, das römische Recht, nur im Einzelfall verdrängen konnten. Dagegen waren die Coutumes in den zwei nördlichen Dritteln Frankreichs weiterhin die hauptsächliche Rechtsquelle. Frankreich war damit aufgeteilt in die südlichen pays du droit écrit (sc. des Corpus Iuris Civilis) auf der einen sowie die nördlichen pays du droit cou221 222
Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. III, S. 39. Zu den Förmlichkeiten näher unten S. 102. 223 Nachweise bei Cros-Mayrevieille, Transport, S. 122 ff.; Schumann, Forderungsabtretung, S. 69; Brunner, Inhaberpapier, S. 24. 224 Brodeau, Coustume, Bd. 2, zu Art. 108, Nr. 1 (S. 133). 225 C. de Ferrière, Corps et compilation, Bd. 2, S. 125, Nr. 1. Sowohl Brodeau als auch Ferrière grenzten die echte Zession (transport) von der Novation ab (délégation), bei der der Schuldner mitwirken musste, aber keine signification notwendig war: Brodeau, Coustume, Bd. 2, zu Art. 108, Nr. 1 (S. 134); C. de Ferrière, Corps et compilation, Bd. 2, S. 125 f., Nr. 3 f. 226 Halpérin, Impossible code civil, S. 19 f.; 30 f., auch zum Folgenden. 227 Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 7.
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tumier auf der anderen Seite. Die große Rechtsvielfalt228 und das Fehlen eines einheitlichen Referenztextes führten dazu, dass den Juristen im Ancien droit sowohl im Norden als auch im Süden eine entscheidende Rolle zukam: Sie fanden das anwendbare Recht in einer Kombination aus lokalen Coutumes, römischem und kanonischem Recht sowie königlichen Verordnungen, wobei der hauptsächliche Unterschied des Nordens zum Süden der prinzipielle Vorrang der Coutumes vor dem römischen Recht war. Das Ancien droit war damit sowohl im Norden als auch im Süden je auf seine Weise ein Juristenrecht229.
aa) Das droit commun coutumier Im 16. Jahrhundert kamen Bemühungen auf, das besonders partikulare Recht der Coutumes zu vereinheitlichen. So versuchten verschiedene französische Juristen aus den diversen Coutumes ein droit commun coutumier zu entwickeln230. Diese Entwicklung nahm ihren Anfang bei Charles Dumoulin, der verschiedene Coutumes rechtsvergleichend untersuchte, um zu überregionalen Prinzipien zu gelangen und dabei insbesondere der Ansicht war, dass im Falle einer lückenhaften Coutume subsidiär nicht das römische Recht, sondern benachbarte Coutumes oder gar generelle coutumiäre Prinzipien anwendbar seien231. Die Coutumes de la Prévosté et Vicomté de Paris waren für die nun folgende Suche nach dem droit commun coutumier besonders wichtig, weil sie um die Zeit ihrer schriftlichen Abfassung im Jahre 1510 eine überregionale Bedeutung erlangten232. Dies verdankten sie nicht nur der Tatsache, dass Paris die Hauptstadt Frankreichs war, sondern vor allem der unter den damaligen Juristen anerkannten, qualitativ hochwertigen schriftlichen Abfassung, die auch zu zahlreichen Kommentierungen landesweit bedeutender Juristen führte. Die Kommentatoren berichteten dabei von der schon im 16. Jahrhundert geltenden Regel, dass die Pariser Coutumes zur Lückenfüllung subsidiär in anderen Regionen des droit coutumier anwendbar seien, weil sie von den kenntnisreichsten Juristen des droit coutumier verfasst worden seien233. Auch die naturgemäß von den Pariser Coutumes besonders beeinflusste Rechtsprechung des weit über Paris hinaus zuständigen Gerichtshofs von Paris (Parlement de Paris) trug maßgeblich zur
228 Bekannt ist das Bonmot Voltaires: „Un homme qui voyage dans ce pays change de loi presque autant de fois qu’il change de chevaux de poste“. 229 Halpérin, Impossible code civil, S. 24. 230 Halpérin, Impossible code civil, S. 30 ff.; Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 77. 231 Dumoulin, Commentarii, Vor Tit. I, Nr. 107: „deficiente vero vel dubia consuetudine […] non est recurrendum ad ius Romanum, sed vicinas & generales & promiscuas consuetudines Galliae. Ius autem Romanum nullo modo hic est, nec esse potest commune“. 232 Martin, Histoire, Bd. 1, S. 64–68 m. w. N. auch zum Folgenden. 233 Jean Le Camus in C. de Ferrière, Corps et compilation, Bd. 1, S. 34, Nr. 12; Brodeau, Coustume, Bd. 1, S. 3, Nr. 3 sprach von der „maistresse coustume“.
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Durchsetzung der Pariser Coutumes bei234; Mitglieder des Parlement wirkten auch an der Abfassung der Coutumes mit235. Die Neufassung der Coutumes im Jahre 1580 geschah dann geradezu mit der Intention, den Pariser Coutumes Modellcharakter zu verleihen236. Schließlich gingen auch Dumoulin und in der Folge etliche Juristen des droit commun coutumier bei der rechtsvergleichenden Gewinnung überregionaler Rechtsprinzipien von den Pariser Coutumes aus237. Im Zuge dieser Entwicklung verfestigte sich der Zessionsbegriff der Pariser Coutumes im droit commun coutumier238. Dieses verstand sich mit der Zeit nicht mehr als kleinster gemeinsamer Nenner verschiedener Coutumes, sondern als Formulierung genereller Prinzipien, zu deren Bildung teils auch das römische Recht herangezogen wurde239. Als exemplarisch für das späte droit commun coutumier können die Ausführungen François Bourjons gelten, der im 18. Jahrhundert wesentliche Vorarbeiten für die Redaktion des Code civil leistete, indem er ausgehend von den Pariser Coutumes gemeinsame Prinzipien eines droit commun de la France postulierte240. Er stellte die Zession explizit in die Nähe der Übereignung körperlicher Gegenstände, indem er die These aufstellte, dass „unkörperliche Rechte“ genau wie andere Güter veräußert werden könnten, weil sie ebenso „dans le commerce“241 seien. Weiter sprach er davon, dass der Zessionar durch die Abtretungsanzeige, die wie eine körperliche Inbesitznahme wirke242, „propriétaire de la créance cédée“243 werde. Die Zitate zeigen, dass die Zession im droit commun coutumier analog zur Sachübereignung konzipiert war: Auch wenn die Forderung nicht ausdrücklich als Sache bezeichnet wurde, konnten durch die Zession Eigentum und Besitz an ihr wie an einer Sache übertragen werden. Und jedenfalls stand die grundsätzliche Übertragbarkeit von Forderungen in der gesamten Diskussion der Coutumes außer Frage. Neben diesem so vereinheitlichten droit commun coutumier konnten die Redaktoren des Code civil aber auch auf Vorarbeiten weiterer bedeutender Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts zurückgreifen, die bei der Ent234 Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 77; Ferid / Sonnenberger, Französisches Zivilrecht, Rn. 1 A 213, 218. 235 Brodeau, Coustume, Bd. 1, S. 3, Nr. 4. 236 Martin, Histoire, Bd. 1, S. 65. 237 Halpérin, Impossible code civil, S. 31 f. 238 Vgl. zum Beispiel noch Coquille, Institution, S. 334 f., der allerdings auch die – nur in der Frage der signification abweichende – Coutume Bourbonnois anführt. 239 Halpérin, Impossible code civil, S. 33 f. 240 Vgl. den Titel seines Hauptwerkes Le droit commun de la France et la coutume de Paris réduits en principes; dazu auch Halpérin, Impossible code civil, S. 35 f. In diesem Werk orientierte sich Bourjon, anders als die vorgenannten Kommentatoren der Pariser Coutumes, nicht mehr an deren Legalordnung, sondern entwarf eine eigene Systematik. 241 Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. III, Tit. III, Nr. I. 242 Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. III, Tit. III, Nr. VIII. 243 Bourjon, Droit commun, Tom. II, Liv. VI, Tit. VII, Chap. II, Nr. III.
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wicklung eines droit français kein droit commun coutumier entwerfen wollten, sondern mehr vom römischen Recht beeinflusst waren.
bb) Domat Als einflussreicher Vordenker des Code civil im 17. Jahrhundert gilt Jean Domat244. In seinem Hauptwerk Les Loix civiles, dem er den Traité des Loix voranstellte, verfolgte er vor allem die Absicht, dem unübersichtlichen Nebeneinander der Rechtsmassen im Frankreich des 17. Jahrhunderts ein Ende zu setzen, indem er das geltende Recht in eine neue Ordnung brachte245. Anders jedoch als Dumoulin und später Bourjon nutzte er dazu als Ausgangs-Rechtsquelle und systematisches Gerüst nicht die Pariser Coutumes, sondern das römische Recht246. Dies begründete der von naturrechtlichem Gedankengut beeinflusste247 Domat damit, dass das römische Recht dasjenige Recht sei, das die Regeln der natürlichen Billigkeit als ratio scripta am besten ausdrücke248. Die Anpassung des römischen Rechts an die Bedürfnisse der Zeit und seine Harmonisierung mit den französischen Coutumes kennzeichnen Domats Werk und stellen eine wichtige Vorarbeit zum Code civil dar249. Diese Vorgehensweise macht nun Domats Haltung zur Zession deshalb so interessant, weil das römische und das coutumiäre Recht sich in der Frage der Abtretbarkeit von Forderungen wie gesehen recht eindeutig widersprachen. Domat entschied sich, wie an zwei Stellen seines Werkes deutlich wird, für das Zessionsmodell der Coutumes250: Er behandelte die Zession als Unterfall des Kaufvertrages; unkörperliche Sachen hielt er für ebenso verkäuflich wie körperliche. Die nicht mögliche körperliche Übergabe dieser Sachen sei durch die signification zu ersetzen. Weitere Sonderregeln sah Domat für die Zession nicht vor. Diese Beschreibung der Zession folgt inhaltlich vollständig der aus den Coutumes bekannten Zession, weshalb es erstaunt, dass Domat für seine Ansicht ausschließlich antike römische Quellen als Belege anführte. In den ersten beiden Stellen aus dem Corpus Iuris Civilis, die Domat zitierte251, geht es 244 Gilles, La doctrine comme source, S. 62 mit Fn. 10 und passim. Batiza, Domat, Pothier, and the Code Napoléon untersucht den direkten Einfluss der Ausführungen Domats und Pothiers auf die Vorschriften des Code civil. Zu Leben und Werk vgl. auch Voeltzel, Domat. 245 Domat, Loix civiles, Préface: „[…] on s’est engagé au dessein de mettre les Loix Civiles en ordre.“ 246 Domat, Loix civiles, Préface; Traité des Loix, chap. XIII, Nr. X; dazu Arnaud, Origines, S. 69 f. 247 Voeltzel, Domat, S. 180 ff.; Arnaud, Origines, S. 71; Thieme, Naturrecht und Privatrechtsgeschichte, S. 25 f. 248 Domat, Loix civiles, Préface: „[Les Livres du Droit Romain] sont le dépôt des regles [sic!] naturelles de l’équité“; und weiter „[Les Livres du Droit Romain] contiennent le droit naturel & la raison écrite“; dazu Arnaud, Origines, S. 70 f. 249 Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 78. 250 Domat, Loix civiles, Bd. I, livre I, titre II, section II, art. IX; section IV, art. II. 251 Domat, Loix civiles, Bd. I, livre I, titre II, section II, art. IX.
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darum, dass unkörperliche Sachen nicht übergeben252 und nicht berührt253 werden können. Das dritte Zitat verweist auf die Aussage des Iavolenus, dass bei der Bestellung eines Wegerechts oder einer sonstigen Grunddienstbarkeit die tatsächliche Nutzung wie die (nicht mögliche) Übergabe des Besitzes an diesem Recht wirke254. Domat folgerte daraus offenbar, dass die Möglichkeit, eine zedierte Forderung zu „nutzen“, wie eine Übergabe wirke – und diese Nutzungsmöglichkeit erhalte der Zessionar durch die signification des Schuldners, der nun nur noch den Zessionar als Gläubiger anerkennen könne. Dieser Beleg erscheint sehr weit hergeholt; und das vor allem, weil die Bestellung einer Dienstbarkeit (servitus) nach römischem Recht nicht mit der Übertragung einer Forderung vergleichbar war. Auch wenn es sich bei der Dienstbarkeit wie bei der Forderung um eine unkörperliche Sache handelte255, war im römischen Recht keine dogmatische Nähe erkennbar. Dienstbarkeiten wurden vielmehr als dingliche Rechte durch mancipatio oder in iure cessio, später dann durch formlosen Vertrag bestellt256. Und vor allem konnte Domat den entscheidenden Punkt nicht mit römischen Quellen belegen: die grundsätzliche Übertragbarkeit der Forderung. Festzuhalten bleibt damit, dass Domat, obwohl er nur römische Quellen allegierte, das Zessionsmodell der Coutumes vollständig übernahm. Dass er den Widerspruch dieses Modells zum römischen Recht nicht bemerkt hätte, ist dabei unplausibel. Denn an anderer Stelle wies Domat ausdrücklich darauf hin, dass die Zession im römischen Recht per Mandat geschah, von ihm aber unter dem Kaufvertrag behandelt werde257. Möglicherweise hat Domat das römische Recht in der Frage der Abtretbarkeit für nicht mehr zeitgemäß gehalten und wollte von ihm abweichen, ohne explizit auf den dogmatischen Bruch mit der eigentlich von ihm so genannten ratio scripta hinweisen zu wollen. Dieser Zwiespalt zwischen römischem Recht und den Bedürfnissen der Zeit kennzeichnet noch offensichtlicher das Werk eines weiteren Autoren, der im 18. Jahrhundert für die Redaktoren des Code civil sehr bedeutend war: RobertJoseph Pothier.
cc) Pothier Pothier258 gilt als Schlüsselfigur des Ancien droit, dessen Werk sehr großen Einfluss auf die Redaktion des Code civil hatte: Schon Pierre-Antoine Fenet, 252 253
Gaius D. 41,1,43,1. Inst. 2,2,2. 254 Iavolenus D. 8,1,20. 255 Dies zumindest im klassischen Recht: Gai Inst. II, 14 zählt die iura praediorum zu den res incorporales. 256 Kaser / Knütel / Lohsse, Römisches Privatrecht, § 28, Rn. 12–15. 257 Domat, Loix civiles, Bd I, livre I, titre XV, vor section I. 258 Zum Leben Pothiers vgl. Sourioux, La vie de Pothier.
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der kurz nach Inkrafttreten des Code civil eine Edition zu den Gesetzgebungsarbeiten veröffentlichte259, hat die Nähe der Ausführungen Pothiers zum Wortlaut jeder einzelnen Vorschrift des Code civil untersucht260. Seither verweisen etliche Autoren auf die Bedeutung Pothiers für den Code civil261. Im Zessionsrecht ist der Einfluss Pothiers allerdings zweifelhaft. Nachdem Pothier sich zunächst mit dem römischen Recht beschäftigt hatte262 und anschließend insbesondere die Coutumes seiner Heimatstadt Orléans kommentiert hatte, erschienen in der Folgezeit etliche Traités zu einzelnen Themen des Privat- und insbesondere des Schuldrechts263, in denen der Autor die Absicht verfolgte, ein vereinheitlichtes droit français zu beschreiben264. Dabei ging Pothier, der gleichermaßen im römischen Recht und im Recht der Coutumes ausgebildet war, eklektisch vor; er baute insbesondere auch auf den Arbeiten der Juristen des droit commun coutumier auf 265. Darüber hinaus war Pothier über seinen Lehrer, den französischen Kanzler Henri François d’Aguesseau, auch vom Naturrecht beeinflusst266: So begründete er in seinen Werken Abweichungen vom römischen Recht bisweilen mit Verweis auf die natürliche Vernunft267. Die Zession behandelte Pothier hauptsächlich im 1762 erschienenen Traité du contrat de vente – schon diese äußere Einordnung zeigt, dass Pothier die Forderung wie zuvor Domat als Kaufsache ansah und die Zession als Unterfall des Kaufvertrages begriff. Inhaltlich entfernte er sich jedoch zunächst von Domat und dem Recht der Coutumes, indem er in der Einleitung zu seinen Ausführungen über die Zession den Standpunkt des antiken römischen Rechts einnahm: Die Forderung sei als persönliches Recht an die Person des Gläubigers gebunden und daher nicht übertragbar268. Mithilfe der procuratio in rem suam hätten die Römer jedoch eine Möglichkeit gefunden, Forderungen der Sache 259
Fenet, Travaux préparatoires. Fenet, Pothier analysé, vgl. insbesondere das Vorwort (S. I–VII). Ebenso in neuerer Zeit Batiza, Domat, Pothier, and the Code Napoléon. 261 Vgl. nur Arnaud, Origines, S. 111 ff., 206 ff., 218 ff. (Pothier als père du Code civil); Gilles, La doctrine comme source, S. 62 mit Fn. 8 jeweils m. w. N. Zur Rezeptionsgeschichte vgl. den Sammelband Monéger / Sourioux / Terrasson de Fougères (Hrsg.), Pothier, d’hier à aujourd’hui. In jüngerer Zeit werden die Originalität und der Einfluss Pothiers allerdings zum Teil relativiert, vgl. Arnaud, Origines, S. 218 ff.; Halpérin, Impossible code civil, S. 36; Thireau, Pothier et la doctrine, S. 35 ff. 262 Mit den Pandectae Justinianeae in novum ordinem digestae von 1748–1752 legte Pothier einen Versuch vor, die Pandekten systematisch neu zu ordnen. 263 Insbesondere der Traité des obligations, der Traité du contrat de vente, der Traité du contrat de louage, der Traité du droit du domaine de propriété und viele weitere. 264 Thireau, Pothier et la doctrine, S. 39. 265 Thireau, Pothier et la doctrine, S. 43 ff.; Halpérin, Impossible code civil, S. 36; Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 79. 266 Arnaud, Origines, S. 111–114; Warnkönig, Rechtsphilosophie in Frankreich, S. 275 f. 267 S. unten S. 51, Fn. 276. 268 Pothier, Vente, Nr. 550. 260
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nach zu übertragen. Mittlerweile sei es daher in der Praxis möglich und üblich, Forderungen zu veräußern; dabei müsse die Konstruktion über das Mandat nicht mehr ausdrücklich erwähnt werden. Pothier beschrieb hier auf den ersten Blick einen römischrechtlichen, übertragungsfeindlichen Forderungs- und Zessionsbegriff, den die Zeit nur praktisch, nicht aber theoretisch überwunden habe. Bisweilen wurde daraus der Schluss gezogen, Pothier habe die römische Zession für das Frankreich des 18. Jahrhunderts vertreten269. In dieses Bild passt aber nicht, dass Pothier in den nun folgenden Ausführungen über die Wirkungen der Zession270 die Pariser Coutumes allegierte und deren Zessionsbegriff in seinen Wirkungen vollständig übernahm: Die signification ersetze bei Forderungen das, was die Übergabe bei körperlichen Sachen sei; durch sie werde der Zessionar Besitzer und Eigentümer der Forderung271. Diese Terminologie passt nicht zur römischen Zession; auf diese Widersprüchlichkeit in den Lehren Pothiers zur Zession ist auch verschiedentlich hingewiesen worden272. Klarer wird die Haltung Pothiers möglicherweise, wenn man seine Wortwahl genauer betrachtet. Die Unübertragbarkeit der Forderung nach römischem Recht nannte Pothier eine subtilité du droit (romain) bzw. subtilitas iuris273, wörtlich also eine Spitzfindigkeit des römischen Rechts. Antithetisch dazu steht meist der Ausdruck quant à l’effet bzw. iuris effectu, also „praktisch“, oder „in der Wirkung“. Pothier betonte stets, dass die Forderung zwar nicht subtilitate iuris, wohl aber iuris effectu vollständig übertragbar sei274, womit er unter anderem erklärte, warum der Schuldner nach erfolgter signification nicht mehr befreiend an den Zedenten leisten könne. Die Wendung subtilité du droit (romain) verwendete Pothier in ganz verschiedenen Kontexten an etlichen Stellen seines Werkes275. Er gebrauchte sie pejorativ, um Undifferenziertheit, Starre, Spitzfindigkeit oder Buchstäblichkeit im römischen Recht oder dessen Anwendung zu kritisieren276. Vor diesem Hintergrund lässt sich annehmen, dass Pothier die Unübertragbarkeit der Forderung 269 Schumann, Forderungsabtretung, S. 73 ff.; Warnkönig / Warnkönig, Rechtsgeschichte, S. 539; Graner, Forderungsabtretung, S. 17–19. 270 Pothier, Vente, Nr. 554 ff. 271 Pothier, Vente, Nr. 554, 558. 272 Schumann, Forderungsabtretung, S. 75; Graner, Forderungsabtretung, S. 18 f. 273 Pothier, Vente, Nr. 550, 552, 558; ders., Obligations, Nr. 630, 632. 274 Pothier, Vente, Nr. 552, 558; ders., Obligations, Nr. 630, 632. 275 Vgl. die Untersuchung von Jahn, Subtilité du droit romain, S. 50 ff. Schon Justinian hatte im Codex mit der subtilitas iuris auf die Finesse in Werken der Klassiker, aber auch auf einen starr ausgelegten Wortlaut, eine Formstrenge oder eine überholte Rechtslage hingewiesen, dazu Hausmaninger, Subtilitas als juristische Wertung sowie Jahn, Subtilité du droit romain, S. 28 ff. mit Beispielen. Und auch bei den antiken Klassikern selbst trat die subtilitas iuris (civilis) in vielschichtigen Bedeutungsnuancen, jedoch tendenziell mit vorsichtig kritischer Konnotation auf, dazu eingehend mit Beispielen und Nachweisen Hausmaninger, Subtilitas iuris. Eine ähnlich behutsame Kritik lässt sich auch in der subtilité du droit bei Pothier erkennen. 276 Dies hat Pothier häufig auch mit naturrechtlichen Wertungen begründet; so Jahn, Sub-
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im römischen Recht eher kritisch gesehen hat und in der Sache als unzeitgemäß ablehnte277. Allerdings bleibt im Dunkeln, warum er dies nicht – wie in anderen Kontexten – deutlicher formulierte und an einer Stelle sogar versuchte, die widerstreitenden Zessionsbegriffe dogmatisch zu kombinieren: So argumentierte Pothier – im Ergebnis überzeugend, in der dogmatischen Begründung aber unplausibel –, dass der Schuldner auch nach der Zession mit Forderungen gegen den Zedenten aufrechnen könne, weil dieser nach der subtilité du droit wahrer Forderungsinhaber bleibe. Gleichzeitig könne er aber auch mit Forderungen gegen den Zessionar aufrechnen, weil dieser ja iuris effectu der neue Gläubiger sei278. Dieser Harmonisierungsversuch kombiniert den römischen und den coutumiären Zessionsbegriff zu einem dogmatisch paradoxen Nebeneinander von Unübertragbarkeit und Übertragbarkeit. Auch leuchtet es aus dogmatischer Sicht nicht ein, dass für den aufrechnenden Schuldner je nach Belieben (und nicht je nach Kenntnis) der Zedent oder der Zessionar als Gläubiger gelten soll. Im Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass das Unübertragbarkeitsdogma für Pothier als subtilité du droit romain in den meisten Fragen keine dogmatischen Konsequenzen hatte. Für die Wirkungen der Zession und auch für Einzelfragen des Zessionsrechts schloss Pothier sich fast ausschließlich dem Zessionsbegriff der Coutumes an. Deutlich wird dies insbesondere an einzelnen Stellen anderer Traités, in denen Pothier die Zession beiläufig erwähnte und dabei keinerlei Anklänge an den römischen Zessionsbegriff erkennen ließ279. Die ausführliche Schilderung der Zession im Traité du contrat de vente schwankt hingegen zwischen dem römischem und dem coutumiärem Zessionsbegriff und erweckt an einer Stelle gar den Eindruck, die Begriffe könnten dogmatisch nebeneinander bestehen. Letztlich bleiben die Ausführungen Pothiers zur Zession damit zu erratisch, als dass sie als vehementes Plädoyer für einen römischen Zessionsbegriff gelten können280.
c) Zwischenergebnis Das Zessionsrecht war im Ancien droit maßgeblich von den Coutumes, insbesondere von den Pariser Coutumes, bestimmt. Die Forderung war darin vollständig übertragbar, die Zession als transport de créance anerkannt. Spätestens ab dem 16. Jahrhundert war für den Übergang der Forderung auf den Zessionar eine Anzeige der Abtretung an den Schuldner (signification) notwendig; diese tilité du droit romain, S. 77, 86 mit Verweis auf Pothiers naturrechtliche Kritik am römischen Aktionensystem. 277 So auch Jahn, Subtilité du droit romain, S. 64 f. 278 Pothier, Vente, Nr. 558. Dagegen erklärt er dieses Ergebnis im Traité des obligations, Nr. 632 überzeugender mit der sofortigen Verrechnung ipso iure bei erstmaligem Gegenüberstehen der Forderungen. 279 Vgl. z. B. Pothier, Obligations, Nr. 502 sowie ders., Propriété, Nr. 215 f. 280 Das widerlegt die Andeutungen der oben S. 51, Fn. 269 genannten Autoren.
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Regel aus den Pariser Coutumes setzte sich im droit commun coutumier durch. Forderung und Zession wurden im Recht der Coutumes sachenrechtlich verstanden: Durchgehend wurde die Zession mit der Übereignung und die signification mit der dazu im Ancien droit erforderlichen Übergabe einer körperlichen Sache verglichen. Forderungen als unkörperliche Rechte galten dabei wegen ihrer Verkehrszugehörigkeit wie körperliche Sachen als frei übertragbare Vermögensgegenstände. Im entstehenden droit commun français des 18. Jahrhunderts hat sich das vor allem im Süden Frankreichs rezipierte römische Recht im Zessionsrecht nicht entscheidend durchsetzen können. Den größten Einfluss hatte es auf Pothier, doch gibt auch er bei den Wirkungen der Zession fast durchgängig dem coutumiären Zessionsbegriff den Vorzug. Eine vertiefte wissenschaftliche Diskussion über die verschiedenen Zessionsbegriffe fand jedenfalls nicht statt, so dass die Zession der Coutumes am Vorabend der Revolution weitgehend unangefochten Teil des droit commun français war.
2. Forderung und Zession im Code civil a) Die Redaktion des Code civil Nach Ausbruch der französischen Revolution 1789 lagen bald die politischen Voraussetzungen für die Schaffung einer Zivilrechtskodifikation vor: Nicht nur wurden im sogenannten droit intermédiaire der Revolutionszeit einzelne Bereiche des Zivilrechts, insbesondere des Familienrechts, durch Einzelgesetze radikal neu geregelt281, sondern vor allem entstand die Forderung, ein einheitliches, nationales Zivilrecht zu schaffen282. Zwischen 1793 und 1796 legte dazu zunächst Jean-Jacques Régis de Combacérès drei Entwürfe eines Code civil vor, die jedoch von den jeweils zuständigen Revolutionsorganen abgelehnt oder nicht mehr zu Ende beraten wurden283. Nach der Machtübernahme Napoléons 1799 bildete dieser eine Kommission aus vier Redaktoren unter der Leitung Combacérès’. In dieser Viererkommission standen mit Jean-ÉtienneMarie Portalis sowie Jacques de Maleville zwei Vertreter des droit écrit aus dem Süden Frankreichs den beiden Vertretern des droit coutumier François Denis Tronchet und Félix-Julien-Jean Bigot de Préameneu gegenüber284. Die Kommission legte 1800285 ihr für die spätere Endfassung bereits sehr maßgebliches286 Projet de Code civil vor, welches nach Einholung von Stellungnahmen 281
Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 80 f. Halpérin, Code civil, S. 10. Vgl. auch die französische Verfassung von 1791 (Titre Premier): „Il sera fait un code de lois civiles communes à tout le royaume“. 283 Halpérin, Code civil, S. 11–13. 284 Halpérin, Code civil, S. 16–18; Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 81 f. 285 Nach Halpérin, Code civil, S. 18 wurde der Entwurf erst Anfang 1801 veröffentlicht; zur besseren Zugänglichkeit wird hier jedoch das in der Literatur (und auch im Recueil Fenet) ganz überwiegend genannte Jahr 1800 zugrunde gelegt. 286 Halpérin, Code civil, S. 17. 282
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der Obergerichte anschließend im Conseil d’État unter Vorsitz Napoléons selbst ausführlich beraten wurde287. Der Conseil d’État unterbreitete sodann die endgültige Fassung des projet in etlichen Einzelgesetzen den zuständigen Gesetzgebungsorganen. Diese verabschiedeten (nach anfänglichem Widerstand und darauf folgender personeller Neubesetzung durch Napoléon) die Vorschriften praktisch ohne Änderungen in den Jahren 1803 und 1804, bevor die Gesamtheit der Einzelgesetze am 31.03.1804 als Code civil des Français erlassen wurde288.
b) Die Übertragbarkeit der Forderung in den Entwürfen zum Code civil Während der erste Entwurf Combacérès’ von 1793 die Zession noch nicht explizit erwähnte, regelten alle folgenden Entwürfe des Code civil die Zession als Unterfall des Kaufs. Die Zession bezeichnete damit in den Entwürfen und auch später im Code civil keinen Übertragungsmodus, sondern einen schuldrechtlichen Vertrag; sie war nicht abstrakt, sondern kausal289. Freilich war von Anfang an unbestritten, dass analog zum Kauf auch andere causae zur Forderungsübertragung in Betracht kommen (Schenkung, Tausch, Vermächtnis)290. Sowohl in Art. 201 f. des zweiten Entwurfs von 1794291 als auch in Art. 855 f. des dritten Entwurfs von 1796292 entschied sich Combacérès für die vollständige Übertragbarkeit der als Kaufsache verstandenen Forderung; auch die konstitutive signification ist in den Entwürfen zum Teil enthalten293. Das gleiche Bild bot der Entwurf der Viererkommission von 1800: In Art. 110 ff. des XI. Titels (De la Vente) im III. Buch (Des différentes manières dont on acquiert la propriété)294 war die Zession innerhalb des Kaufrechts als Forderungskauf geregelt. Der Zessionsbegriff der Coutumes hat sich damit in den Entwürfen zum Code civil vollständig durchgesetzt – und das offenbar ohne größere Diskussion: Combacérès teilte in seinen Entwurfsbegründungen nicht mit, warum er die Zession nach dem droit coutumier übernahm; ebenso wenig Portalis im berühmten Discours préliminaire zum Entwurf der Viererkommission von 1800. 287 Halpérin, Code civil, S. 20 f. Zu Napoléons in vielen Fragen nicht unbedeutendem Einfluss auf konkrete Regelungsprobleme Theewen, Napoléons Anteil. 288 Halpérin, Code civil, S. 21–23; Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 82. 289 Dazu Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 124; Zachariae von Lingenthal / Crome, Handbuch, Bd. 2, § 294. 290 Z. B. Duranton, Droit français, Bd. 16, Nr. 486; Troplong, Privilèges, Nr. 340; Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 125; Zachariae von Lingenthal / Crome, Handbuch, Bd. 2, § 294; aus moderner Sicht auch Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1274, 1288; zu weiteren Funktionen (Zession als Bezahlung, Sicherungszession) vgl. nur Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1409. 291 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 129. 292 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 294. 293 Dazu näher unten S. 119 f. 294 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 2, S. 349 f.; nur in für die signification relevanten Details wich hiervon die Diskussionsvorlage für den Conseil d’État von 1803 ab: ders., Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 19 f.; näher unten S. 121 ff.
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Im Conseil d’État wurden die Vorschriften zur Zession 1803 offenbar nur kurz beraten und bis auf die Vorschrift über das Ablösungsrecht des Schuldners bei der Zession streitbefangener Forderungen (sog. retrait litigieux, später Art. 1699 CC), die auf die römische lex Anastasiana295 zurückgeht, nicht diskutiert296. In den Motiven, die Portalis anschließend (1804) im Gesetzgebungsverfahren vor den zuständigen Legislativorganen vortrug, nahm er immerhin kurz Stellung zu den Zessionsvorschriften297: Weil Forderungen ebenso wie körperliche Vermögensgegenstände dans le commerce seien, könnten sie auch genauso Objekt eines Kaufs sein. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, wie sehr Bourjon in dieser Frage eine Autorität für die Redaktoren war, denn dieser hatte sich mit demselben Wortlaut für die Eigenschaft der Forderung als verkäuflicher Vermögensgegenstand und damit ihre Übertragbarkeit nach dem droit commun coutumier ausgesprochen298. Näher ging Portalis darauf aber nicht ein; im Einzelnen habe man im Entwurf nur Prinzipien verankert, die zu bekannt seien, um sie näher zu erörtern299. Ausführlicher wurde Portalis auch hier nur beim retrait litigieux. Die Gesetzgebungsorgane selbst, die Napoléon in ihrer Eigenständigkeit bereits weitgehend entmachtet hatte300, berieten die Zession schlussendlich ebenfalls nicht kontrovers: Der Tribun Louis-Joseph Faure begnügte sich in seinem Bericht von 1804 mit einer Erklärung der vorgelegten Regeln301, während Jean Grenier, ein weiterer Tribun, in seiner Rede davon sprach, dass die Forderung neben beweglichen und unbeweglichen Sachen die dritte Art von propriété sei, die man verkaufen könne302. Die besonderen Regeln, die zur Übertragung notwendig seien, habe der Entwurf vollständig nach dem bekannten und geltenden Recht konzipiert. Es lässt sich somit konstatieren, dass der Zessionsbegriff der Coutumes hinsichtlich der Übertragbarkeit der Forderung während der verschiedenen Redaktionsphasen des Code civil niemals zur Disposition stand303. Dies überrascht wenig angesichts der Tatsache, dass die sachenrechtlich verstandene Zession der Coutumes schon vor der Revolution zum droit commun français gehörte. Selbst die Autorität Pothiers hat den Blick der Redaktoren in der Frage der Zession ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht auf das römische Recht lenken 295 Die spätantike lex Anastasiana (C. 4,35,22) des Kaisers Anastasius verbot dem Gläubiger, eine gekaufte Forderung über den Kaufpreis hinaus geltend zu machen. Näher dazu unten S. 180, Fn. 5. 296 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 44 f. 297 Portalis, in: Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 149 f. 298 S. oben S. 47. 299 Portalis, in: Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 149: „Il (sc. le projet) rappelle à cet égard des maximes trop connues pour que nous ayons besoin d’indiquer les motifs de sagesse et de justice sur lesquelles elles sont appuyées“. 300 Halpérin, Code civil, S. 21–23. 301 Faure, in: Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 177 ff. 302 Grenier, in: Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 205. 303 Anders aber die Funktion der signification, dazu unten S. 119 ff.
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können, so sehr hatte sich offenbar die Zession der Coutumes in Theorie und Praxis durchgesetzt. An diesem allseits bekannten und akzeptierten Zessionsbegriff haben die Redaktoren nichts ändern wollen, soviel lässt sich aus ihren wenigen Aussagen zur Übertragbarkeit der Forderung ablesen304.
c) Die Forderung als bien im vermögensrechtlichen System des Code civil Welchen Platz nahm die Zession nun schließlich im vermögensrechtlichen System des Code civil ein? Zu Beginn des Titels über den Kauf bestimmt Art. 1598 CC1804, dass alles dasjenige, was sich im Güterverkehr (dans le commerce) befindet, Gegenstand eines Kaufvertrages sein kann. Die Zession war anschließend bis 2016 als transport des créances in den Art. 1689– 1701 CC1804 als spezieller Kaufvertrag geregelt305. Damit wird deutlich, dass der Code civil die Forderung mit der seit dem droit commun coutumier hergebrachten Begründung, dass sie dans le commerce sei306, schon systematisch als Kaufsache und damit als frei veräußerlichen Gegenstand des Vermögensverkehrs anerkannt hat307. Ausdrücklich normiert dies zusätzlich bis heute Art. 529 CC, der Forderungen zu den Vermögensgegenständen (biens) und darunter zu den beweglichen Gütern kraft Gesetzes (meubles par la détermination de la loi) zählt. Ein wichtiges Charakteristikum des Vermögensrechts im Code civil ist bis heute die unbeschränkte und nur gesetzlich, nicht aber vertraglich beschränkbare Möglichkeit, über Vermögensgegenstände (biens) zu verfügen308; dieses Prinzip wird bis heute in Art. 537, 544 CC allgemein normiert und für den Kauf
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So auch Arndt, Zessionsrecht, S. 76. Zession ist also im Code civil kausal und nicht abstrakt; freilich war von Anfang an unbestritten, dass auch andere Verträge zur Forderungsübertragung in Betracht kommen (Schenkung, Tausch), dazu oben S. 54, Fn. 290. Die Schuldrechtsreform 2016 hat dies mit der Neuregelung der Zession im allgemeinen Schuldrecht klargestellt, ohne ihren kausalen Charakter anzutasten, dazu unten S. 151. 306 S. oben S. 55. 307 Aus der Literatur dazu insbesondere Ginossar, Droit réel, S. 39–86; ferner Raynaud, Contrats, S. 21 ff. 308 So für das 19. Jahrhundert besonders pointiert Laurent, Principes, Bd. 6, Nr. 103 sowie Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 27 ff., 234 ff., der die Veräußerlichkeit als wesentliches Merkmal jeder Individualberechtigung herausarbeitete (dazu kritisch Crome, Rezension zu Huc, S. 206 ff.); aus moderner Sicht vgl. nur die ausführliche Untersuchung von Berra, Principe; außerdem Terré / Simler, Les biens, Rn. 126, 129–139; Krampe, Obligation comme bien, S. 210 sowie Ferid / Sonnenberger, Französisches Zivilrecht, Rn. 1 C 50 mit Hinweisen auf die gesetzlichen Ausnahmen. Gaudemet, Obligations, S. 14, 449 f. betont freilich, dass das französische Recht der Rechtsbandperspektive des römischen Rechts mit der Einordnung als veräußerlicher Vermögensgegenstand nur eine weitere Perspektive hinzugefügt habe. Vgl. außerdem, auch zu Ausnahmen im Rahmen von vertraglichen Veräußerungs- und Abtretungsverboten, unten S. 205 ff. 305 Die
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(Art. 1594, 1598 CC) bekräftigt309. Die Übertragbarkeit der als bien verstandenen Forderung muss in einem solchen System als folgerichtig gelten. Während sich der Begriff des Besitzes (possession) an Forderungen auch bis 2016 im Gesetz fand (Art. 1240 CC1804)310, sprach der Code civil allerdings nie explizit vom Eigentum (propriété) an Forderungen311, jedoch in Art. 711 von der propriété des biens. Nach Erlass des Code civil war daher im 19. Jahrhundert teils unklar, ob man im französischen Vermögensrecht von einem Eigentum an Forderungen sprechen kann: Das Reichsgericht tat dies ebenso unbefangen312 wie einige französische Autoren313; dabei konnte man sich einerseits auf den Wortlaut der Art. 711, 1240 CC1804, andererseits auf die systematische Stellung der Zession als Sonderfall des Kaufs und die Einordnung der Forderung als bien stützen. Daneben fanden sich zwar auch ablehnende Stimmen, die jedoch nur terminologisch und nicht inhaltlich abwichen314. In modernen Darstellungen ist zwar meist nicht mehr die Rede davon, dass die Zession das Eigentum an Forderungen übertrage315. Allerdings weisen französische Autoren 309 Umstritten ist, ob in den genannten Vorschriften ein revolutionär beeinflusster Liberalismus zum Ausdruck kommt, oder ob die Redaktoren des Code civil vorhandene Eigentumsdefinitionen (Bartolus, Naturrecht) ohne vertiefte Diskussion übernommen haben, dazu Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 85 f. Traditionell wird angenommen, dass insbesondere die revolutionäre Forderung nach Abschaffung gebundenen Grundeigentums (Fideikomiss) zur Entwicklung der privatautonom nicht beschränkbaren Dispositionsfreiheit im Code civil beigetragen hat; so Berra, Principe, S. 17–23; dazu auch Goergen, Pactum, S. 144 f., die auf die paradigmatischen Äußerungen bei Laurent und weitere Autoren verweist. Dagegen argumentiert insbesondere Bürge, Französisches Privatrecht, S. 64 ff., 90 ff. sowie ders., Historische Rechtsschule in Frankreich, S. 643 ff. gegen die ältere Literatur, dass Vertragsfreiheit und liberale Eigentumskonzeption nicht der französischen Revolution entstammten, sondern als solche „liberalen Programmsätze“ (Zweigert / Kötz a. a. O.) erst im 19. Jahrhundert unter dem Idealismus der deutschen historischen Rechtsschule rezipiert worden seien. Dazu kritisch wiederum Auer, Diskurs, S. 105, Fn. 58. 310 Der neue Art. 1342-3 CC2016 vermeidet den Begriff der possession. 311 Vgl. Art. 544 CC, der propriété nur auf (körperliche) Sachen, choses, zu beziehen scheint. Indes zeigt sich an der Überschrift zum dritten, das gesamte Schuld- und Erbrecht umfassenden Buch (Des différentes manières dont on acquiert la propriété), dass propriété im Code civil durchaus auch in einem viel umfassenderen Sinne gebraucht wird. 312 RG 11.12.1883, RGZ 11, 339, 340. 313 Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 461 ff.; Bd. 17, Nr. 547 mit dezidierter Betonung der Parallelen zum Sachkauf; beiläufig Troplong, Vente, Nr. 884 und passim. Auf die Einordnung als bien und den Wortlaut des Art. 711 CC stellten ab Aubry / Rau, Droit civil, Bd. 4, S. 426 f., Fn. 1. 314 Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 235; Crome, Obligationenrecht, S. 248. Huc betont, dass die Forderung zwar ihrem relativen Inhalt nach kein absolutes dingliches Recht sei und daher die Begriffe Eigentum und Besitz nicht passten; betrachte man aber die Forderung selbst in der Außensicht, so sei sie ein Gegenstand des Vermögens (patrimoine) des Gläubigers und daher frei veräußerlich. Ähnlich aus moderner Sicht Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1288: Nötig seien aufgrund der Tatsache, dass die Forderung auch ein rechtliches Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner beschreibe, lediglich einige Anpassungen im Zessionsrecht. 315 Differenziert und mit ausführlicher dogmatischer Folgenanalyse dagegen noch im Jahre 1960 Ginossar, Droit réel, S. 39–86: Die absolute, äußere Seite der Forderung verdiene
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darauf hin, dass dies keine inhaltlichen Gründe habe, sondern auf die traditionelle Unterscheidung von dinglichem und persönlichem Recht (droit réel und droit personnel) in der französischen Lehre zurückgehe, nach der propriété begrifflich nur ein droit réel bezeichnen könne316.
3. Zwischenergebnis: die Zession der Coutumes All dies illustriert einen von römischrechtlichen Vorstellungen unberührten Forderungsbegriff. Die Forderung ist im Code civil ein frei veräußerlicher, zum persönlichen Vermögen zählender Gegenstand des Güterverkehrs und unterscheidet sich damit nicht kategorial von einer im Eigentum stehenden Sache. Die Nähe dieses Ansatzes zu den oben beschriebenen Vorstellungen der Autoren des Naturrechts ist augenfällig – dies wirft die Frage auf, inwiefern das französische Recht hier vom Naturrecht beeinflusst wurde. Unbestritten ist, dass das naturrechtliche Denken allgemein für die Entstehung des Code civil wichtig war: Die Kodifikation selbst wäre ohne den naturrechtlichen Glauben an ein autonomes Privatrechtssystem nicht möglich gewesen317. Und auch bei der konkreten Redaktion wirkten sich naturrechtliche Gedanken aus. Zwar haben die Redaktoren der Viererkommission das Gesetzbuch nach eigener Aussage als eine Harmonisierung von römischem Recht und gemeinfranzösischem Recht der Coutumes konzipiert318. Bei dieser Harmonisierung ließen sie sich aber an vielen Stellen ausdrücklich von der „natürlichen Vernunft“ leiten – für das Vertragsrecht erklärte Portalis beispielsweise explizit: „En traitant des contrats, nous avons développé les principes du droit naturel qui sont applicables à tous.“319 Arnaud spricht daher davon, dass die Vermittlung zwischen traditionellem Recht und moderner naturrechtlicher Vernunft die hauptsächliche Reim Gegensatz zur relativen, inneren Seite die Bezeichnung propriété. Angesichts des beschriebenen Meinungsspektrums im 19. Jahrhundert zu weitgehend Deckon, Notification, S. 657, der die Aussagen Ginossars als gänzlich innovativ ansieht. Zu Recht weist Deckon allerdings darauf hin, dass der Gesetzgeber in der Loi Dailly (dazu unten S. 148 f.) den Begriff propriété für Forderungen selbst verwendet. 316 So treffend Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1288 und Malinvaud / Fenouillet / Mekki, Droit des obligations, Rn. 856. Vgl. auch Hoop, Abtretungsverbot, S. 114–117. Zum Unterschied zwischen droit réel und droit personnel sowie modernen Ansätzen der französischen Lehre, diese Abgrenzung zu überwinden vgl. Terré / Simler, Les biens, Rn. 47–49; Hoop, Abtretungsverbot, S. 115 m. w. N. Krampe, Obligation comme bien, S. 207 nimmt an, dass man auch heute noch vom Eigentum an Forderungen sprechen könne. 317 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 339 ff.; Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 87 f. 318 Portalis, in: Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 481 sprach im Discours préliminaire zum Entwurf der Kommission von 1800 von einer transaction entre le Droit romain et les coutumes; dazu Halpérin, Impossible code civil, S. 275 ff. Anschauliche Beispiele finden sich bei Canivet / Ewald, Naissance du Code civil, S. 290 ff. 319 Portalis, in: Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 509 (Discours préliminaire zum Entwurf der Kommission von 1800); vgl. außerdem die Redaktorenäußerungen bei Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 87.
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daktionsleistung gewesen sei320; und nach Thieme führte naturrechtlicher Einfluss dazu, dass rationalen Argumenten gegenüber Traditionsargumenten im Zweifel der Vorzug gegeben wurde321. Autoren wie Hugo Grotius und Samuel Pufendorf waren in Frankreich bekannt322 und sowohl Domat als auch Pothier übernahmen in ihren Werken teilweise direkt Argumente und Wertungen dieser Autoren, die später in den Code civil einflossen, zum Beispiel im Deliktsrecht323. Die konkrete zessionsrechtliche Dogmengeschichte in Frankreich konnte hingegen keine solchen direkten Übernahmen aufzeigen. Vielmehr scheint sich die Zession der Coutumes bei den Vordenkern wie bei den Redaktoren des Code civil praktisch unwidersprochen durchgesetzt zu haben; direkte Allegationen oder offensichtliche Anleihen aus Werken naturrechtlicher Autoren finden sich nicht. Freilich bedurfte es solcher Übernahmen auch inhaltlich gar nicht: Das naturrechtliche Zessionsmodell wich auffällig wenig von dem in den Coutumes vorgefundenen Zessionsbegriff ab, insbesondere was die Verkehrsfähigkeit der insoweit „versachlichten“ Forderung und den strukturellen Gleichlauf der Übereignung körperlichen Sachen mit der Zession anbelangt. Das lässt die Vermutung zu, dass die naturrechtliche Beschreibung der Zession selbst die deutlich ältere gewohnheitsrechtliche Praxis reflektiert hat und nicht umgekehrt das französische Recht zessionsrechtliche Aussagen aus dem Naturrecht übernommen hat. Auch ganz allgemein war die Zession der Coutumes in Theorie und Praxis offenbar so weit etabliert, dass kaum eine tiefere theoretische Kontroverse über dieses Modell oder seine Begründung aufkam. Dazu passt auch die Beobachtung, dass die Beschäftigung einflussreicher Autoren wie Domat und Pothier mit dem römischen Zessionsrecht auf die Entwicklung des Zes sionsbegriffs in Frankreich keine Auswirkungen hatte324, sondern sich letztlich in einer dogmenhistorisch folgenlosen theoretischen Beschreibung eines Kontrastmodells erschöpfte325. Im Ergebnis wurden die Vorschriften zur Zession im Code civil damit – in einem allgemein vom Naturrecht beeinflussten geistesgeschichtlichen Klima – aus dem Recht der Coutumes übernommen, mit dem das Naturrecht in dieser Frage weitgehend auf einer Linie lag. 320 321
Arnaud, Origines, S. 217 und passim. Thieme, Naturrecht und Privatrechtsgeschichte, S. 27. 322 Von Jean Barbeyrac existieren z. B. kommentierte Übersetzungen von Pufendorf (1706) sowie Grotius (1724). 323 Descamps, Origines, S. 423, 434; Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 619; als Vermittler der naturrechtlichen Vorstellungen wird hier neben Barbeyrac noch der Niederländer Arnold Vinnius mit seinem Kommentar zum Schuldrecht genannt (vgl. Descamps, Origines, S. 421 ff.). 324 Römischrechtliche Gedanken finden sich hingegen freilich in Einzelregelungen des französischen Zessionsrechts, zum Beispiel beim retrait litigieux (Art. 1699 CC), dazu oben S. 55 mit Fn. 295. 325 Französischen Autoren im 19. Jahrhundert diente die römischrechtliche Zession oft als Inbegriff der subtilité, die der Code civil „überwunden“ habe, dazu unten S. 75, Fn. 405.
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Begründet wurde die Analogie zur Sachübereignung in Frankreich allerdings nicht wie später im Naturrecht rational-philosophisch, sondern – wenn überhaupt – empirisch: Forderungen seien in der Praxis ebenso wie körperliche Sachen Gegenstände des Handelsverkehrs (dans le commerce). Dies war für französische Juristen ein bis zur Redaktion des Code civil und darüber hinaus326 offenbar unmittelbar plausibles Argument für die Übertragbarkeit der Forderung, mit dem das römischrechtliche Zessionsmodell von vornherein unzeitgemäß erscheinen musste und ein sachenrechtlicher Forderungsbegriff vorgeschrieben war. Damit ist der Schluss von der wirtschaftlichen Verkehrszugehörigkeit der Forderung auf ihre rechtliche Übertragbarkeit analog zur Sachübereignung die hauptsächliche Wertung, die der Zession im Code civil zugrunde liegt: Wo überhaupt eine Diskussion oder auch nur eine Begründung des Zessionsbegriffs stattfand, war das praktische Bedürfnis an der Umlauffähigkeit der Forderung der für französische Autoren evidente Grund für ihre dogmatische Einordnung als frei veräußerliches bien.
II. Forderung und Zession im deutschen Recht Das BGB regelt die Zession in den §§ 398–413 im allgemeinen Teil des Schuldrechts. § 398 S. 2 BGB demonstriert den grundsätzlichen Zessionsbegriff des Gesetzes: Mit Abschluss des Zessionsvertrags tritt der Zessionar an die Stelle des Zedenten; mithin ist die Forderung durch Rechtsgeschäft unter Lebenden übertragbar. Der folgende Abschnitt geht der Frage nach, wie es zu diesem Zessionsbegriff im BGB kam und welcher Forderungsbegriff dem zugrunde liegt. Dabei wird das hauptsächliche Augenmerk nicht auf der wechselvollen und im Einzelnen komplizierten konkreten Dogmengeschichte liegen327. Für die Fragestellung dieser Arbeit genügt es vielmehr, die grundsätzlichen Vorstellungen von Forderung und Zession im 19. Jahrhundert zu überblicken und darauf aufbauend zu rekonstruieren, welche prinzipiellen Wertungen hinter dem Forderungs- und Zessionsbegriff im BGB stehen. Dazu soll es zunächst um die wissenschaftliche Diskussion im 19. Jahrhundert und ihre grundsätzlichen Positionen und Wertungen zu Forderung und Zession gehen.
326 Vgl. zum Beispiel Gide, Études, S. 234, der meint, dass römische Juristen, wenn sie tatsächlich der Unübertragbarkeit der Forderung das Wort geredet haben (was Gide im Übrigen zu widerlegen versucht, vgl. unten S. 75, Fn. 406), die Bedürfnisse des Handelsverkehrs (les besoins du commerce) entweder verkannt hätten oder sich diese Bedürfnisse fundamental gewandelt hätten. 327 Den Forschungsstand bildet insbesondere noch immer Luig, Zessionslehre, S. 47–129 ab; vgl. auch Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 20–37 mit umfangreichen Nachweisen.
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1. Forderungs- und Zessionsbegriffe in der wissenschaftlichen Diskussion des 19. Jahrhunderts Im 19. Jahrhundert fand, anders als in der Zeit vor Erlass des Code civil in Frankreich, in der deutschen Rechtswissenschaft eine vertiefte Diskussion über die grundsätzliche Frage der Übertragbarkeit von Forderungen statt. Diese war – bei allerdings unklarem Forderungsbegriff – zu Beginn des 19. Jahrhunderts im usus modernus anerkannt328. Innerhalb der bald in der Zivilrechtswissenschaft herrschenden historischen Rechtsschule entwickelten nun aber insbesondere die am römischen Recht orientierten Romanisten in ihrem Bestreben, das „wahre Wesen“ von Forderung und Zession zu beschreiben329, neue Vorstellungen von Forderung und Zession, die die Diskussion bis zum Erlass des BGB prägten.
a) Forderungsbegriff: Trennung von Schuld- und Sachenrecht bei Savigny In der historischen Rechtsschule waren zunächst die Stellung und der Begriff der res im gaianischen Institutionensystem umstritten. Wie oben erwähnt330, war die Klassifizierung der obligatio als res incorporalis nach Gaius schon für das antike römische Recht zweifelhaft und insbesondere dogmatisch folgenlos geblieben; in Auseinandersetzung mit dem weiten Sachbegriff des gemeinen Rechts und des Naturrechts entstand nun eine neue Kontroverse. Anton Friedrich Justus Thibaut entwarf in seiner Dissertation331 eine Einteilung der subjektiven Rechte in iura personarum und iura rerum, bei der die Obligation als unkörperliche Sache zum ius rerum und damit ins Sachenrecht gehörte332. Nicht nur das Ergebnis, sondern auch Teile seiner Argumentation erinnern an das Naturrecht: Objekt eines Rechts könnten nie Personen oder Sachen sein, sondern nur Handlungen333; Forderungen als unkörperliche Sachen hätten damit Handlungen anderer Menschen zum Objekt. Thibaut selbst begründete seine Ansicht jedoch vor allem aus den antiken römischen Quellen334; stieß damit jedoch auf 328
S. oben S. 17. Zur Methode dieser Epoche klassisch Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 430 ff.; allgemein zu historischer Rechtsschule und Pandektenwissenschaft vgl. nur dens., Privatrechtsgeschichte, S. 348 ff. sowie Koschaker, Europa, S. 254 ff., jeweils m. w. N. Zur differenzierten Unterscheidung der einzelnen Rechtsschulen und ihrer Beziehung zueinander Haferkamp, Historische Rechtsschule sowie ders., Pandektenwissenschaft. Das Bild von der Pandektenwissenschaft und ihrem angeblich geschlossenen Methodenprogramm wird freilich seit einigen Jahren in Frage gestellt, dazu statt aller Haferkamp / Repgen, Pandektistik, S. 3–7. 330 S. oben S. 9. 331 Vgl. dazu die Verteidigung dieser Dissertation: Thibaut, Begriffe über ius personarum und rerum, S. 7. 332 Thibaut, Begriffe über ius personarum und rerum, S. 7. 333 Thibaut, Begriffe über ius personarum und rerum, S. 3. 334 Insbesondere bezieht er sich auf Gaius D. 1,8,1. 329
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entschiedene Ablehnung insbesondere durch Gustav Hugo335. Der Versuch, die Forderung auch auf Basis der römischen Quellen als Sache zu etablieren, blieb vergeblich; durchgesetzt hat sich in der Pandektistik und im BGB schließlich vielmehr die Lehre Friedrich Carl von Savignys336. Savigny behandelte Sachenrecht und Obligationenrecht als zwei verschiedene Teile des Vermögensrechts337. Sachen waren dabei für Savigny ausdrücklich nur körperliche Sachen: „ein begränztes Stück [der unfreyen Natur] nennen wir Sache.“338 Diesen engen Sachbegriff wollte Savigny bewusst dem weiten Sachbegriff des gemeinen Rechts und des Naturrechts entgegensetzen, den er am Beispiel des ABGB kritisierte339: Wo der Sachbegriff uferlos sei, würden die Begriffe von Eigentum und Besitz an Sachen „unbrauchbar und gestaltlos“. Ausdrücklich am Beispiel der Forderung erklärte Savigny, dass die Rede von Eigentum und Besitz an Forderungen nicht zur Theorie von Eigentum und Besitz passe340. Auffällig ist hierbei, dass Savigny hauptsächlich argumentierte, ein weiter Sachbegriff führe zu einer unsachgemäßen dogmatischen Gleichbehandlung der unter den Sachbegriff gefassten Gegenstände. Dem einfachen und geschlossenen System, zu dem der weite Sachbegriff im Naturrecht tatsächlich geführt hatte, hielt Savigny damit vor, zu undifferenziert zu sein. Die Obligation kann demnach keine Sache mehr sein341; und trotz einiger abweichender Meinungen342 folgte die herrschende Lehre in Deutschland Savigny in diesem Punkt bis zum Erlass des BGB. Daran änderte auch Otto von Gierkes später Versuch343, den Begriff der unkörperlichen Sache zu reetablieren, nichts mehr.
335 Hugo, Obligationen. Affolter, Institutionen-System, S. 354–372 fasst die dort genannten und weitere Argumente Hugos zusammen; freilich, um sie zu widerlegen und sich der Ansicht Thibauts anzuschließen. 336 Rüfner, in HKK, §§ 90–103 Rn. 6. Zu Leben und Werk Savignys vgl. z. B. Rückert, Savigny. 337 Savigny, System I, S. 367. 338 Savigny, System I, S. 338. 339 Savigny, Gesetzgebung, S. 99. 340 Savigny, Gesetzgebung, S. 99 f. Zum engen Eigentumsbegriff Savignys und dessen Rolle bei der Entwicklung der Zentralstellung des modernen subjektiven Rechts Auer, Diskurs, S. 105. 341 Savigny, System I, S. 401–407 hielt die Frage der Klassifikation der obligatio im gaianischen System eigentlich selbst für nachrangig, solange der „Stoff selbst“ nicht „verdunkelt“ wird (S. 406); dies deckt sich mit der Erkenntnis, dass die Einordnung der obligatio als res incorporalis bei Gaius keinerlei dogmatische Auswirkungen hatte (s. oben S. 9). Nach solchen „inneren Gründen“ lehnte Savigny die Einteilung des Gaius freilich ab. 342 Nachweise bei Dorn, in HKK, § 241 Rn. 19. Zum Beispiel argumentierte Alois von Brinz in radikalem Kontrast zur herrschenden Meinung, dass die Obligation nur Haftung des Schuldners für die ausbleibende Leistung, nicht aber echte Pflicht zur Leistungserbringung sei; dies erinnert an das vorklassische römische Recht, dazu oben S. 8. 343 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S. 270 ff., dazu Rüfner, in HKK, §§ 90–103 Rn. 7.
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Die Obligation behandelte Savigny nun im Zusammenhang mit seiner Lehre vom Rechtsverhältnis. Dieses definierte er als „Beziehung zwischen Person und Person, durch eine Rechtsregel bestimmt“344. Das Rechtsverhältnis grenzt nach Savignys Verständnis Herrschaftssphären verschiedener Individuen mithilfe einer Rechtsregel voneinander ab und schafft damit subjektive Rechte345. Schuld- und Sachenrecht waren nun in der Lehre Savignys deshalb getrennt, weil sie Rechtsverhältnisse mit je unterschiedlichen Gegenständen betreffen: Das Schuldrecht regele die Rechtsverhältnisse, die Handlungen anderer Personen zum Gegenstand haben; das Sachenrecht hingegen diejenigen, deren Gegenstand die unfreie Natur (also eine Sache) ist346. Das Eigentum sei dabei das wichtigste sachenrechtliche Rechtsverhältnis; die Obligation sei ein spezielles schuldrechtliches Rechtsverhältnis und bezeichne die Herrschaft über eine einzelne Handlung einer fremden Person347. Diese Trennung von Schuld- und Sachenrecht formulierte Savigny auch und gerade als Kontrast zum vermögensrechtlichen System des Code civil, dessen Einordnung der Forderung als bien er bereits zuvor mit scharfen Worten kritisiert hatte348. Zwar fallen in der betont subjektiv-rechtlichen Definition der Forderung vom Gläubiger her Ähnlichkeiten der Lehre Savignys mit naturrechtlichen Ansätzen auf. Doch nicht nur waren Schuld- und Sachenrecht bei Savigny getrennt. Vor allem verstand Savigny die Forderung selbst in einem entscheidenden Punkt anders als die Autoren des Naturrechts. Sie war für ihn nämlich selbst vorwiegend ein Rechtverhältnis und stand damit kategorial auf einer Stufe mit dem 344
Savigny, System I, S. 333; dazu und zum Folgenden Dorn, in HKK, § 241 Rn. 16. Dorn, in HKK, § 241 Rn. 16. Savigny, System I, S. 338, 367, 369; dazu Michaels, in HKK, vor § 241 Rn. 34 mit umfangreichen Nachweisen zu Begründung dieser Trennung aus der römischrechtlichen Trennung zwischen actio in personam und actio in rem. Freilich lassen sich aus anderer Perspektive auch strukturelle Parallelen zwischen Schuld- und Sachenrecht in Savignys System aufzeigen, dazu Gisawi, Totalreparation, S. 220 ff.; Michaels, in HKK, vor § 241 Rn. 33. Für die hier relevante Frage nach der Abtretbarkeit ist jedoch die Trennung der Rechtsgebiete nach ihrem Gegenstand wichtig, weil damit unterschiedliche dogmatische Behandlungen dieser Gegenstände möglich werden. 347 Savigny, System I, S. 338 f. Die später herrschende Lehre ging hingegen davon aus, dass die Obligation lediglich das Recht auf eine fremde Handlung und nicht das Recht an einer fremden Handlung (bzw. nach Savigny über eine fremde Handlung) sei, weil diese Handlung vor ihrer Ausführung noch nicht existiere, dazu z. B. Windscheid, Pandektenrecht7, Bd. 2, S. 2, Fn. 2 mit Darstellung des Streitstandes sowie Dorn, in HKK, § 241 Rn. 17 mit zahlreichen Nachweisen. Für die Frage der Abtretung hat diese terminologische Fragestellung soweit ersichtlich nur Johannes Emil Kuntze begrifflich argumentierend herangezogen (Kuntze, Obligation, S. 60–63, 73–77 und passim), um seine Theorie von der Unübertragbarkeit zu begründen. Diese Herangehensweise ist jedoch vereinzelt geblieben und wurde maßgeblich von Windscheid detailliert verworfen, dazu unten S. 67, Fn. 366. Die pandektistische Diskussion um die genaue Forderungsdefinition und das Objekt der Forderung (dazu Dorn, in HKK, § 241 Rn. 17–19; Gisawi, Totalreparation, S. 220 f.) muss daher für die hier im Fokus stehenden Fragen nicht detailliert dargestellt werden. 348 Savigny, Gesetzgebung, S. 66 f., dazu Krampe, Obligation comme bien, S. 205. 345 346
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Erstes Kapitel: Forderung und Zession in Code civil und BGB
Eigentum, wie Savigny selbst betonte349. Aber sie war nicht mehr, wie noch im Naturrecht, selbst der Gegenstand eines solchen Rechtsverhältnisses. Die Forderung war aus dieser Perspektive nicht nur keine Sache, sondern genau genommen überhaupt kein Rechtsobjekt mehr; sie bezeichnete nurmehr ein durch eine rechtliche Regel bestimmtes Verhältnis zwischen zwei Personen. Mit anderen Worten betrachtete Savigny die Forderung in dieser Definition nur von ihrer inneren Seite als Rechtsverhältnis; der Gegenstandsaspekt und damit die äußere Seite der Forderung fehlten in dieser Perspektive. In dieser Hinsicht lag Savignys Forderungsbegriff auf einer Linie mit der Rechtsband-Definition des römischen Rechts. Zwar lassen Äußerungen Savignys an anderer Stelle darauf schließen, dass er der Forderung nicht völlig ihre Eigenschaft als Rechtsobjekt absprechen wollte350; dies würde schließlich auch die Zession von vornherein ausschließen. Jedenfalls aber ist die Perspektive auf die Forderung bei Savigny in erster Linie ganz auf ihre Eigenschaft als relatives Rechtsverhältnis gerichtet. Damit verlor die Perspektive auf die Forderung als Rechts- und Vermögensobjekt, die für die dogmatische Begründung der Übertragbarkeit im Naturrecht und im Code civil essentiell waren, mit Savignys Forderungsbegriff an Bedeutung.
b) Die Zession: das Werk Mühlenbruchs Neben einem neuen Forderungsbegriff entwickelten die Autoren der romanistischen historischen Rechtsschule auch einen neuen Zessionsbegriff. Dreh- und Angelpunkt dieser Entwicklung und der gesamten Diskussion um den Zessionsbegriff im 19. Jahrhundert war das 1817 erschienene Werk „Die Lehre von der Cession der Forderungsrechte“ Christian Friedrich Mühlenbruchs. Für die historische Rechtsschule programmatisch351 ging Mühlenbruch zunächst davon aus, dass für die Frage der Abtretbarkeit das in den römischen Quellen vorzufindende „wirkliche Wesen“ der Forderung zu beschreiben sei352. Dazu führte Mühlenbruch als Quintessenz seines Forderungsbegriffs aus: „Das Characteristische aller Forderungsrechte nun zeigt sich eben darin: sie existiren nur durch die wechselseitige Beziehung, worin bestimmte Personen zu einander stehen; fällt diese Beziehung weg, so hört auch das Recht selbst auf.“353 Für die Übertragbarkeit der Forderung folgerte Mühlenbruch: „Es läßt sich also der Grund, warum, genau genommen, die Veräußerung eines Forderungsrechts an Andere nicht geschehen kann, aus der Natur des Objects selbst ableiten: Denn hier 349
Savigny, System I, S. 339. Vgl. die Äußerungen zur Zession, die freilich auch bei Savigny auf der Unübertragbarkeit der Forderung fußen: Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 243–246. 351 Zur Frage, ob Mühlenbruch ein typischer Vertreter der Pandektenwissenschaft war, differenziert und anhand des Werkes zur Zession Sirks, Mühlenbruch, S. 197 ff. 352 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 21. 353 Mühlenbruch, Cession, S. 20. 350
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muß ein Aufgeben nothwendig ein Verschwinden des ganzen Rechtsobjects zur Folge haben, oder eine Forderung mit völliger Vernichtung seines Rechts an derselben veräußern, heißt im Grunde nichts Anderes, als: eine Sache zerstören, hinterher aber sie noch auf Andere übertragen wollen.“354 Mit diesen Aussagen, die Mühlenbruch im Einzelnen aus den römischen Quellen herleitete, vertrat er in pointierter Ausdrucksweise das nomina ossibus inhaerent, das bereits die Glossatoren gelehrt hatten. Neu war bei Mühlenbruch jedoch, dass er diesen Forderungsbegriff, nach dem Methodenprogramm der historischen Rechtsschule konsequent, für ein naturgegebenes „Wesen“ hielt, eine „Natur des Objects“, die der Gesetzgeber in keinem Falle ändern könne: „[…] in der That sind die Folgerungen aus dem Gesagten zum Theil von der Art, daß selbst der Wille des Gesetzgebers schlechterdings nicht im Stande seyn würde, etwas daran zu ändern.“355 In dieser Vorstellung leitete sich die Unübertragbarkeit der Forderung mit geradezu mathematischer Unumstößlichkeit aus dem Forderungsbegriff ab: Die Unübertragbarkeit der Forderung ist damit eine begriffliche Notwendigkeit, ein Phänomen, das der Rechtswissenschaftler beschreiben kann, wie ein Naturwissenschaftler physikalische Zusammenhänge beschreibt, das aber dem Zugriff des Gesetzgebers entzogen ist356. Aus diesem schlechthin unabänderlichen und von Natur aus vorgegebenen Forderungsbegriff ergab sich für Mühlenbruch auch die strenge Unanwendbarkeit sachenrechtlicher Begriffe auf Forderungen; ein „Eigentum an Forderungen“ lehnte Mühlenbruch also ausdrücklich ab357. Wie verstand nun Mühlenbruch die Zession? Nach dem Gesagten konnte es keine echte Forderungsübertragung geben; Mühlenbruchs „Ausübungslehre“ genannte Theorie ging deshalb in Anlehnung an die römischrechtlichen Zessionsmodelle davon aus, dass der Zedent lediglich die Ausübung der Forderung auf den Zessionar übertragen könne: „Cession ist die Uebertragung der Befugniß, ein fremdes Forderungsrecht als eigenes geltend zu machen.“358 Mühlenbruch hatte nun in seinem Bestreben, die Zession lückenlos aus den römischen Quellen zu konstruieren, die gleichen Schwierigkeiten wie die Glossatoren. Insbesondere war es für ihn problematisch, die Begriffe procurator in rem suam und actio utilis, die in den Quellen nebeneinander stehen, in ein logisch konsis354
Mühlenbruch, Cession, S. 21. Mühlenbruch, Cession, S. 21 f. 356 Mühlenbruch, Cession, S. 22, Fn. 37. 357 Mühlenbruch, Cession, S. 20 f. Jhering, Scherz und Ernst, S. 274 kritisierte diese konstruktivistische Methode später, nachdem er sich selbst von ihr abgewendet hatte, als ein „Rechnen mit Begriffen“. Vgl. auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 433 ff., der darauf hinweist (S. 434), dass der Ansatz, juristische Begriffe als real existierende Dinge zu verstehen, verkenne, dass Normen keine Aussagen über das gegenständliche Sein, sondern immer nur über das rechtliche Sollen beinhalten. 358 Mühlenbruch, Cession, S. 222. 355
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tentes Zessionssystem einzubetten359. Sein Lösungsansatz brach freilich mit der legistischen Tradition: Anders als die herrschende Interpretation der römischen Quellen seit den Glossatoren trennte Mühlenbruch in seiner Theorie nicht einen auf der Prozessvertretung beruhenden von einem auf der actio utilis beruhenden Zessionsmodus360. Vielmehr vertrat Mühlenbruch, dass es nur einen einheitlichen Zessionsmodus gebe, der sich aus der Prozessvertretung entwickelt habe. Die ursprüngliche Zessionskonstruktion der Römer habe auf einer Verbindung zweier Rechtsinstitute beruht: Einerseits stellte die litis contestatio den prozessführenden Zessionar in ein (Prozess‑)Rechtsverhältnis mit dem Schuldner; andererseits sorgte die Abrede zwischen Zedent und Zessionar, dass der Prokurator die actio mandata für eigene Rechnung (in rem suam) führen darf, für den wirtschaftlich gewollten Zessionserfolg361. Die actio utilis erklärte Mühlenbruch nun lediglich als Weiterentwicklung dieser Zessionskonstruktion362: Sie sei im Kaiserrecht anstelle der actio mandata gewährt worden, wo das Prozessmandat nicht ausdrücklich erteilt worden sei; die actio utilis habe das fehlende Mandat also fingiert363. Damit sei eine explizite Bestellung zum procurator in rem suam nicht mehr nötig gewesen; vielmehr habe die bloße Erklärung, die Forderung übertragen zu wollen, zur Gewährung der actio utilis und damit zur Fiktion des Mandats geführt. Die so verstandene actio utilis erklärte Mühlenbruch nun auch als die einheitliche Zessionsform des gemeinen Rechts; eine Trennung von actio mandata und actio utilis lehnte er ab364. 359
Luig, Zessionslehre, S. 48 ff., auch zum Folgenden. zweifachen Zessionsbegriff lehnte er ausdrücklich ab: Mühlenbruch, Cession,
360 Diesen
S. 39 f. 361 Mühlenbruch, Cession, S. 35–40. 362 Mühlenbruch, Cession, S. 177 ff. 363 Diese Konstruktion lässt sich den Quellen nirgends entnehmen, wie Mühlenbruch, Cession, S. 172 selbst zugab: Die Kaiser hätten die actio utilis unmittelbar gewährt, ohne die Mandatsfiktion zu erwähnen; dazu Luig, Zessionslehre, S. 53. Nach Zimmermann, Law of Obligations, S. 64 war die juristische Methode der Zeit so sehr auf die Konstruktion eines logisch-begrifflich konsistenten Systems ausgerichtet, dass fehlende Quellenbelege oft mit Fiktionen überwunden wurden. Luig, Zessionslehre, S. 40, Fn. 117, S. 53, Fn. 56 weist allerdings zu Recht darauf hin, dass Nicolaus Hieronymus Gundling in seinem kurzen Traktat mit dem programmatischen Titel „Persona, seu Larva Procuratori in rem suam detracta“ zu Beginn des 18. Jahrhunderts bei der Beschreibung des gemeinen Rechts bereits ähnlich argumentiert hatte. Nach Gundling hat Kaiser Antoninus Pius die actio utilis mit der Bestimmung eingeführt, dass das Zessionsgrundgeschäft das Mandat stillschweigend enthalte: „Antoninus [sc. Pius] venditionis instrumento tacite contineri mandatum voluit“ (Gundling, Persona, S. 33). Gundling selbst war freilich der Ansicht, dass der Titel zwischen Zedent und Zessionar zum vollständigen Übergang der Forderung führe, so a. a. O., S. 36 f.; dazu Luig, Zessionslehre, S. 39 f. Mühlenbruch nahm diese Zessionslehre Gundlings wahr und lehnte sie ab (Mühlenbruch, Cession, S. 205 f.), übernahm aber offenbar bei der historischen Erklärung der actio utilis die Konstruktion der Mandatsfiktion von Gundling, ohne diesen dafür zu zitieren; in diese Richtung auch Luig, Zessionslehre, S. 40, Fn. 117. 364 Mühlenbruch, Cession, S. 177; dazu Luig, Zessionslehre, S. 52 ff., 58.
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c) Germanistische Forderungs- und Zessionsmodelle Die Zessionslehre Mühlenbruchs blieb in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts innerhalb der Romanistik nicht in allen Details365, aber in ihren Grundaussagen insbesondere hinsichtlich der begrifflichen Unmöglichkeit der Forderungsübertragung herrschend366. Die Autoren der germanistischen Strömung der historischen Rechtsschule hielten die Forderung dagegen überwiegend für übertragbar. In Anlehnung an Schilter367 argumentierten sie, dass die römischrechtliche Zession nicht rezipiert oder jedenfalls durch eine deutsche Zession abgeändert worden sei; nach deutschem Recht sei eine vollständige Forderungsübertragung möglich gewesen. Die germanistischen Autoren orientierten sich dabei nach eigener Aussage einerseits stark an den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs368, gingen andererseits aber auch dogmatisch von einem anderen Obligations- und Vermögensbegriff aus als die Romanisten. Verbreitet war insbesondere die Sichtweise, die Obligation erzeuge einerseits eine Forderung im Vermögen des Gläubigers und andererseits eine Schuld im Vermögen des Schuldners. Sowohl die Forderung als auch die Schuld seien Vermögensbestandteile wie körperliche Sachen und als solche verkehrsfähig und vollständig veräußerlich369. Damit waren für die Germanisten grundsätzlich sowohl Forderungsabtretung als auch Schuldübernahme nach deutschem Recht ohne weiteres möglich370. 365 Insbesondere unterschieden Georg Friedrich Puchta und nach ihm weitere Autoren wieder zwischen actio mandata und actio utilis und hielten dabei die Bestellung zum procurator in rem suam für die eigentliche Zessionsform, dazu Luig, Zessionslehre, S. 60 ff. 366 Ausführlich Luig, Zessionslehre, S. 59 ff., der zum Beispiel auf Savigny, Obligationenrecht, Bd. 1, S. 244–246 hinweist. Vgl. auch Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 22 mit Verweis auf die noch extremer konstruktivistischen, gleichsam naturwissenschaftlich begründeten Ausführungen Kuntzes. Dieser argumentierte hauptsächlich, dass die Obligation ein Recht an einer bestimmten Handlung des Schuldners sei (vgl. oben S. 63, Fn. 347); dieses Objekt der Obligation existiere aber nur in der spezifischen Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner. Dies begründete er noch tiefergehend damit, dass eine einzelne Handlung nur durch eine konkrete Verknüpfung mit einer anderen Person aus der Willenssphäre des Schuldners herausgelöst werde; ende diese konkrete Verknüpfung, existiere auch die Handlung und damit das Objekt der Forderung nicht mehr. Der Übergang der Obligatio führe also zum Untergang ihres Objekts: Kuntze, Obligation, S. 60–63, 73–77 und passim. Diese Argumentation widerlegte später Windscheid mit dem Hinweis, dass jede Handlung vor ihrer Ausführung noch nicht existiere; der Gläubiger habe daher auch nicht das Recht an einer Handlung, sondern auf eine Handlung: Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 154–160; 178 sowie ders., Pandektenrecht7, Bd. 2, S. 2, Fn. 2. 367 Vgl. oben S. 17, Fn. 62. 368 Vgl. z. B. Delbrück, Übernahme, S. 7 f., der für den römischrechtlichen Zessionsbegriff von einem „Widerspruch mit dem Leben und mit der Volksansicht“ sprach. 369 Zu den Nachweisen im Einzelnen Luig, Zessionslehre, S. 85–87; Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 23. Im Ergebnis vertraten dies besonders klar Delbrück, Übernahme, S. 3–12; Beseler, System, S. 278–280 sowie Bluntschli, Deutsches Privatrecht, S. 2–7 und später vor allem Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, S. 59 f., 181 ff., insbes. 183 f. 370 Die Schuldübernahme beließ aber beispielsweise nach Delbrück auch den ursprünglichen Schuldner in der Pflicht, der nun nicht mehr aus der Schuld, aber weiterhin aus der Ob-
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Konsequent sprachen einige germanistische Autoren deshalb auch vom Eigentum an Forderungen371. Die bei Savigny und Mühlenbruch vernachlässigte Perspektive auf die Forderung als Vermögensgegenstand war somit bei den Germanisten klarer zu erkennen und insbesondere auch eine Begründungsressource für die dogmatische Konstruktion der Abtretung. Luig vermutet, dass der germanistische Zessionsbegriff in Opposition zur Lehre Mühlenbruchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch innerhalb der Romanistik zu einer Wende in der Zessionslehre führte372. Klar ist jedenfalls, dass die Autoren der germanistischen historischen Rechtsschule dazu neigten, die Übertragbarkeit der Forderung mit ihrer Eigenschaft als Vermögensgegenstand zu begründen und weniger das dogmatisch-begriffliche „Wesen“ der Forderung für ausschlaggebend in dieser Frage hielten. Die für das französische Recht maßgebliche Wertung, von der Zugehörigkeit der Forderung zum Vermögen auf ihre Übertragbarkeit zu schließen, fand sich also auch in der deutschen Diskussion.
d) Überwindung der Ausübungslehre auf Basis der römischen Quellen durch Windscheid Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bahnte sich freilich auch innerhalb der Romanistik ein Paradigmenwechsel hin zur Übertragbarkeit der Forderung an. Protagonist der Überwindung der Ausübungslehre innerhalb der Pandektenwissenschaft war Bernhard Windscheid373, der sich gegen die Absolutheit wendete, mit der die historische Rechtsschule Rechtsgedanken aus dem römischen Recht übernahm und für eine Modernisierung und Anpassung des römischen Rechts nach dem „Maße unseres nationalen Bewußtseins“374 plädierte. Seine Vorstellungen von Forderung und Zession sind exemplarisch für den Meinungsumschwung innerhalb der romanistischen Rechtswissenschaft, der bis zur Redaktion des BGB die Diskussion dominierte.
aa) Der Zessionsbegriff bei Windscheid: die actio utilis als selbstständiger Anspruch In diesem Sinne argumentierte Windscheid zunächst 1853 nah an den Germanisten, dass nach diesem modernen, deutschen Rechtsbewusstsein das römische ligation an den Gläubiger leisten müsse, dazu Luig, Zessionslehre, S. 86. Delbrück hat damit in der Sache nur einen den Gläubiger nicht benachteiligenden Schuldbeitritt und keine echte (befreiende) Schuldübernahme gegen den Willen des Gläubigers konstruiert. 371 Luig, Abstraktionsprinzip, S. 120; ders., Zessionslehre, S. 85–87 mit Verweis auf Delbrück, Übernahme, S. 3. Auch Bluntschli, Deutsches Privatrecht, S. 3 sprach vom „[Eigenthum] im weiteren Sinne“. 372 Luig, Abstraktionsprinzip, S. 120. 373 Einen Überblick über Leben und Werk gibt Schröder, Windscheid. 374 Windscheid, Singularsuccession, S. 27. Ausdrücklich im Zusammenhang mit der Zession ebenso ders., Actio des römischen Civilrechts, S. 165–172.
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Recht verdrängt worden und daher die Forderung übertragbar sei375. Wichtiger für die Entwicklung der Diskussion in Deutschland war jedoch, dass Windscheid 1856 in seinem Werk „Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts“ den Nachweis führte, dass die Forderung auch bereits nach römischem Recht übertragbar gewesen war. Ausgangspunkt seiner Zessionslehre war ein neues Verständnis des Begriffs der actio in den römischen Quellen, das bis heute maßgeblich ist376. Schon 1853 hatte Windscheid anlässlich einer Rezension zum Werk Delbrücks die missliche Folge der herrschenden Ausübungslehre für die fortbestehende actio directa des Zedenten auf den Punkt gebracht: „Der Kern der herrschenden Ansicht ist im Grunde kein anderer, als dieser: das Recht des Gläubigers muß fortbestehen und deswegen besteht es fort; aber eigentlich besteht es doch nicht fort.“377 Windscheid lehrte nun, dass die actio im späten römischen Recht nicht lediglich eine unselbstständige Rechtsschutzgewährung zur Durchsetzung eines bestehenden Rechts gewesen sei, sondern eine selbstständige, von einem zugrunde liegenden Recht unabhängige Befugnis, ein „rechtlich anerkannter Anspruch“. Anspruch, Recht und actio setzte Windscheid damit ausdrücklich gleich378. Gegen Mühlenbruch folgerte er, dass die actio utilis des Zessionars im römischen Recht nicht auf einem fingierten Mandat beruht habe, sondern ein selbstständiges (Forderungs-) Recht des Zessionars gewesen sei. Das gebiete es konsequent, den Zessionar als Inhaber der actio utilis als wahren Gläubiger des Schuldners anzusehen379. Nachdem das Kaiserrecht dem Zessionar also die actio utilis gewährt hatte, war die Forderung für Windscheid nach römischem Recht übertragbar380. Zwar gestand Windscheid später ein, dass das römische Recht die ursprüngliche obligatio noch beim Zedenten belassen habe381. Daran seien jedoch – nach der denuntiatio382 – keine materiellrechtlichen Folgen mehr geknüpft gewesen, so dass in Anbetracht der Identität von Recht und actio der Sache nach eine wahre Forderungsübertragung stattgefunden habe. 375
brück.
376 377
Windscheid, Singularsuccession, S. 27, 31, 41 f. mit ausdrücklicher Anlehnung an Del-
Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 24. Windscheid, Singularsuccession, S. 31. 378 Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 1–4, 147 f., 223. 379 Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 130–135; dazu mit einigen Details Luig, Zessionslehre, S. 91–95. 380 Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 168: „Das Forderungsrecht ist nach römischem Recht nicht unübertragbar.“ Später im „Lehrbuch des Pandektenrechts“ ließ Windscheid allerdings wieder offen, ob die Übertragbarkeit der Forderung mit dem abändernden Gewohnheitsrecht oder schon nach römischem Recht zu begründen sei, ders., Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 225, Fn. 9; dies lehrte Windscheid unverändert bis zur letzten zu Lebzeiten erschienenen 7. Aufl., S. 230, Fn. 9. 381 Windscheid, Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 225; unverändert die 7. Aufl., S. 229 f. 382 Dazu unten S. 162 f.
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bb) Der Forderungsbegriff bei Windscheid: Reichweite der Verbindung von Forderung und Gläubiger Diese Zessionslehre konfligierte offensichtlich mit dem tradierten römischrechtlichen Forderungsbegriff; mit dem neuen Zessionsbegriff musste Windscheid daher auch einen mit der Lehre Mühlenbruchs brechenden Forderungsbegriff entwickeln. Der Rechtsband-Metapher des römischen Forderungsbegriffs setzte Windscheid dazu eine neue Metapher entgegen: Bei der Zession werde das Rechtsband zwischen Schuldner und Gläubiger keineswegs zerstört, sondern nur von der Hand des einen Gläubigers in die eines anderen Gläubigers gegeben383. Vor allem untermauerte Windscheid diese bildliche Argumentation aber auch inhaltlich, indem er ausdrücklich die Prämisse der Ausübungslehre negierte, dass ein Gläubigerwechsel den Inhalt der Forderung verändere384. Zwar hätten die Römer ursprünglich angenommen, dass die Person des Gläubigers dergestalt zum Inhalt und Wesen der Forderung gehöre, dass sich der Schuldner eine Änderung dieses Teils der Forderung nicht gegen seinen Willen habe gefallen lassen müssen. Mit der Gewährung der actio utilis habe das römische Recht diese Wertung jedoch aufgegeben385. Somit entwickelte Windscheid den Zessionsbegriff nicht deduktiv aus dem Forderungsbegriff, sondern folgerte umgekehrt für das römische Recht aus der Anerkennung der identitätswahrenden Forderungsübertragung mittels der actio utilis auch einen veränderten Forderungsbegriff: Wo die Forderung übertragbar ist, kann die Person des Gläubigers nicht mehr zu ihrem notwendigen „Wesenskern“ gehören. Zwar konzedierte Windscheid, dass das positive Recht eine solch starke Verbindung von Gläubiger und Forderungsinhalt sehr wohl regeln und damit die Forderungsübertragung verbieten könne386. Keineswegs sei diese Verbindung jedoch begriffsnotwenig, wie Mühlenbruch annahm; und insbesondere hätten die Römer nach Anerkennung der actio utilis nicht mehr so gedacht387. Dieser neue Forderungsbegriff bedeutete die hauptsächliche Zurückweisung der Grundannahme Mühlenbruchs, die dessen Argumentation von vornherein den Boden entzog. Wo der Gläubiger einer Forderung wechseln kann, ohne dass 383 Windscheid, Singularsuccession, S. 40 f.; ebenso ders., Actio des römischen Civilrechts, S. 169. Kritisch zu Windscheids Umdeutung der Metapher Damler, Rechtsästhetik, S. 139 ff. 384 Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 151–153. Zwar gestand Windscheid später im „Lehrbuch des Pandektenrechts“ ein, dass der Gläubigerwechsel möglicherweise doch eine Inhaltsänderung bewirke (ders., Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 223, Fn. 2; unverändert ders., Pandektenrecht7, Bd. 2, S. 228, Fn. 2). Jedoch ändere sich durch eine solche Inhaltsänderung jedenfalls nicht die „Wesenheit“ der Forderung, so dass eine identitätswahrende Forderungsübertragung möglich bleibe. Dazu mit Darstellung des Streitstandes ders., Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 226, Fn. 10; unverändert die 7. Aufl., S. 230, Fn. 10. 385 Windscheid, Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 223–225; ebenso in der 7. Aufl., S. 227–230. 386 Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 152 f. 387 Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 160.
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dies die Forderung untergehen lässt, besteht kein Grund mehr, anzunehmen, dass eine Forderungsübertragung denklogisch und begrifflich unmöglich und damit auch der Regelung durch den Gesetzgeber unzugänglich sei. Windscheid widerlegte damit die auf die Spitze getriebene, gleichsam naturwissenschaftlich-starre Beschreibung des „Wesens“ der Forderung bei Mühlenbruch und seinen Nachfolgern388 als inhaltlichen, aber vor allem auch methodischen Irrweg: Die Bestimmung des Forderungsbegriffs legte er innerhalb eines gewissen Spielraums de facto in das Ermessen des Gesetzgebers und öffnete sie damit für Wertungen, auch wenn er für Deutschland selbstverständlich den – aus seiner Sicht ja zessionsfreundlichen – römischrechtlichen Forderungsbegriff zugrunde legte. Damit stand Windscheid, angeblich ein Fortführer der „Begriffsjurisprudenz“ oder des „rechtswissenschaftlichen Positivismus“ der historischen Schule389, in der Frage des Forderungsbegriffs in deutlichem Kontrast zu den konstruktivistischen und gesetzgebungsfeindlichen Ansichten der historischen Rechtsschule.
e) Naturrechtliche Einflüsse? Die Frage nach dem Einfluss des Naturrechts auf die deutsche Diskussion um die Übertragbarkeit der Forderung lässt sich nicht leicht beantworten: Die Germanisten argumentierten zwar wie naturrechtliche Autoren mit der Vermögenszugehörigkeit der Forderung und sprachen auch vom Eigentum an Forderungen. Auch in den Formulierungen finden sich Anklänge an das Naturrecht, so dass zum Teil von einer direkten Beeinflussung ausgegangen wurde390. In der Tat stützte beispielsweise Delbrück sich für seine Ansicht auch auf naturrechtliche Kodifikationen wie das ALR und das ABGB391. Gleichzeitig betonte er aber, dass die Rede vom Eigentum an Forderungen dem „deutschen Recht“ entspreche392. Auch wollte er nicht das Sachenrecht direkt auf Forderungen an388 Besonders pointiert wandte sich Windscheid gegen die Konstrukte Kuntzes, vgl. bereits oben S. 67, Fn. 366. 389 Zum überkommenen Windscheidbild vgl. die Nachweise bei Falk, Windscheid, S. 1–24; paradigmatisch etwa Schröder, Windscheid, S. 462 und Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 446 f. Differenziert dagegen insbesondere Falk, Windscheid, S. 215–222 und passim; ders., Pandektistik, S. 147 ff.; insgesamt kritisch zur Beschreibung der Pandektisten als „Begriffsjuristen“ grundlegend am Beispiel Georg Friedrich Puchtas Haferkamp, Puchta und die Begriffsjurisprudenz, S. 443 ff., 463 ff. und passim; vgl. außerdem Haferkamp / Repgen, Pandektistik, S. 3–7. Für differenzierte, moderne Perspektiven auf die Methodik der Pandektisten sind jüngst verschiedene Studien in einem Tagungsband erschienen: Haferkamp / Repgen (Hrsg.), Pandektistik. 390 Luig, Zessionslehre, S. 85 hält beispielsweise ohne nähere Begründung die Ansicht Delbrücks, Sachen und Forderungen seien Objekte des Eigentums, für eine Übernahme aus dem Naturrecht. 391 Delbrück, Übernahme, S. 3, Fn. 4. 392 Dafür zitierte er ältere Quellen bei Kraut, Grundriß, § 105 sowie Gerber, System, § 76. Hinweise auf das Naturrecht finden sich auch bei diesen Autoren nicht. Der Verweis auf Ger-
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wenden, wie dies im Naturrecht geschah, sondern vielmehr neben Sachenrecht und Obligationenrecht ein drittes „Recht der Forderungen und Schulden“ eta blieren, für das nicht zwangsläufig sachenrechtliche Begriffe gelten müssten393. Letztlich ist damit entgegen Luig nicht eindeutig rekonstruierbar, ob Delbrück sich unmittelbar Gedanken aus dem Naturrecht zu eigen machte. Noch fernliegender sind direkte naturrechtliche Einflüsse auf die romanistische Diskussion um die grundsätzliche Übertragbarkeit. Trotz der ausdrücklichen Zurückweisung bzw. Missachtung des Naturrechts durch Autoren der historischen Rechtsschule wird zwar immer wieder auf die teils bewusste, teils unbewusste Fortwirkung naturrechtlicher Wertungen in der Pandektistik hingewiesen394. Plausible Zusammenhänge lassen sich beispielsweise bei der zentralen Stellung des subjektiven Rechts im Privatrechtssystem sowie im Obligationenrecht beim Denken vom Gläubiger her erkennen395; neben naturrechtlichen Gedanken wird hier auch eine naturrechtliche Sprache und Begriffsbildung sichtbar. Konkrete Wertungen der Naturrechtler, die die Übertragbarkeit der Forderung betreffen, finden sich jedoch soweit ersichtlich nicht in der romanistischen Diskussion396. Ein Grund dafür wird darin liegen, dass der rein schuldrechtliche Forderungsbegriff seit Savigny nicht mehr ernsthaft umstritten war und die Überwindung der Unübertragbarkeit innerhalb der Pandektistik nur auf Basis dieser schuldrechtlichen Perspektive gelingen konnte. Die naturrechtliche Annahme, dass die Forderung schon als Vermögenswert übertragbar sei, war damit nicht mehr unmittelbar anschlussfähig397. Vor allem konnte man unter der Prämisse, dass die Forderung ihrem „Wesen“ nach keine Sache sei, die dogmatische Behandlung der Forderung aber von diesem „Wesen“ abhänge, die naturrechtliche Wertung, dass alle Gegenstände des umfassenden Vermögens, körperliche und unkörperliche Sachen, als subjektive Rechte auf ber geht außerdem fehl, da dieser das Eigentum an Rechten als „Irrthum“ und den Sprachgebrauch der älteren Quellen bei Kraut für einen „das Juristische gar nicht berührende[n], nicht zu billigende[n] Sprachgebrauch“ bezeichnete (S. 165, Fn. 3). 393 Delbrück, Übernahme, S. 36. Diese Auffassung ist vereinzelt geblieben; kritisch z. B. Windscheid, Singularsuccession, S. 37 f. 394 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 372–376; Koschaker, Europa, S. 275–283; Coing, Europäisches Privatrecht I, Bd. 2, S. 44; aus der neueren Forschung differenzierend Jansen, Naturrechtsfäden, passim; Schermaier, Auslegung, S. 261, 284–286; Haferkamp, Naturrecht und Historische Rechtsschule, S. 70–74, 93 f. sowie Gisawi, Totalreparation, S. 185 ff. 395 Jansen, Naturrechtsfäden, passim; Auer, Diskurs, S. 26–29, 105; Gisawi, Totalreparation, S. 211–224. Das zentrale Einfallstor für naturrechtliche Wertungen sieht Gisawi dabei vor allem im „Allgemeinen Teil“ der Pandektenlehrbücher: S. 222–224 m. w. N. Zurückhaltender Haferkamp, Naturrecht und Historische Rechtsschule, S. 79 f. 396 Vgl. aber Sirks, Mühlenbruch, S. 198 f., 202, der darauf hinweist, dass sich trotz völlig divergierender Zessionsbegriffe Parallelen zwischen den naturrechtlichen (insbesondere Kantischen) Definitionen von Sache und Forderung und denjenigen Savignys und Mühlenbruchs feststellen lassen. 397 So auch Huwiler, Begriff der Zession, S. 175 f., der vor allem das „Axiom“ der historischen Schule, den Sachbegriff auf körperliche Sachen zu beschränken, anführt.
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gleiche Weise übertragbar seien, nicht in die Diskussion übertragen. Letztlich unterschieden sich damit die Voraussetzungen der Diskussionen zu sehr, als dass naturrechtliche Wertungen in Bezug auf den Zessionsbegriff direkt hätten weiterleben können. Das schließt allerdings nicht aus, dass sich bei den Einzelregelungen des Zessionsrechts einzelne Wertungen aus dem Naturrecht behauptet haben, ohne dass der allgemeine Zessionsbegriff dem naturrechtlichen Zessionsbegriff entsprach398.
f) Zwischenergebnis: wechselnde Vorstellungen von Forderung und Zession In der historischen Rechtsschule bildete sich zunächst ein vollständig vom Sachenrecht losgelöster Forderungsbegriff. Diese rein schuldrechtliche Sicht auf die Forderung beherrschte die Debatte bei den Romanisten bis zur Redaktion des BGB und überdauerte auch die sich ändernden Vorstellungen von der Zession399. Andere Impulse kamen dagegen von den Germanisten; hier lag der Fokus ähnlich wie in Frankreich auf der Einordnung der Forderung als Vermögensobjekt und der Parallelisierung von Forderung und Sache. Die germanistischen Autoren vertraten unter Hinweis auf diese Eigenschaft der Forderung sowie mit Rücksicht auf das praktische Bedürfnis an ihrer Umlauffähigkeit die Übertragbarkeit der Forderung in weitgehender Analogie zur Eigentumsübertragung; auch sprachen sie bisweilen vom „Eigentum“ an Forderungen. Diese Herangehensweise ähnelt den naturrechtlichen Lehren; gleichwohl ist eine direkte Beeinflussung der Germanisten durch das Naturrecht nicht feststellbar. In der pandektistischen Diskussion schwankte der Zessionsbegriff dagegen im 19. Jahrhundert zwischen den Extremen. Während der ersten Hälfte des Jahrhunderts war die Ausübungslehre Mühlenbruchs, der die Unübertragbarkeit der Forderung begriffsnotwendig aus einem romanistischen Forderungsbegriff herleitete, allgemein akzeptiert. Die ab der Jahrhundertmitte aufkommende Kritik an der Ausübungslehre wurde hauptsächlich von Windscheid theoretisch fundiert, der eine Übertragbarkeit der Forderung bereits nach römischem Recht annahm400. Die Begründung der Übertragbarkeit der Forderung aus den römischen Quellen und vor allem die Widerlegung eines unveränderlichen, naturgegeben zessionsfeindlichen Forderungsbegriffes führten 398 Vgl. auch Gisawi, Totalreparation, S. 224: Die Tradierung naturrechtlicher Wertungen erfolgte allenfalls fragmentarisch; Wertungen wurden losgelöst voneinander und nicht als kohärentes System von einander ergänzenden Wertungen übernommen. Ähnlich Jansen, Naturrechtsfäden, S. 183. 399 So auch Huwiler, Begriff der Zession, S. 176, der vom „Erbgut der historischen Rechtsschule“ spricht. 400 Auch der gemeinrechtliche Richter Otto Bähr begründete die Übertragbarkeit der Forderung im Anschluss an Windscheid schon nach römischem Recht und sprach dabei sogar von der Übertragung des Eigentums an Forderungen. Sein Hauptaugenmerk galt allerdings der Abtretungsanzeige, dazu unten S. 164 ff. Zu seiner Zessionslehre eingehend Luig, Zessionslehre, S. 95–99.
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zu einem Paradigmenwechsel in der wissenschaftlichen Diskussion: Die herrschende pandektistische Lehre wandelte sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts maßgeblich im Sinne Windscheids401. Im Vergleich zur französischen Entwicklung sowie zu den germanistischen Ansichten fällt insbesondere auf, dass Windscheid die Forderungsübertragung unter vollständiger Beibehaltung des schuldrechtlichen Forderungsbegriffs zuließ, mit dem die Forderung lediglich als relatives Rechtsverhältnis zwischen Personen beschrieben wurde. Auf Basis eines neuen Verständnisses der actio utilis im römischen Recht löste er aber die bis dahin untrennbare Verbindung dieser rein schuldrechtlichen Perspektive auf die Forderung mit dem Unübertragbarkeitsdogma. Anders als im Code civil und in der Germanistik beruhte die Übertragbarkeit der Forderung damit bei Windscheid und den Pandektisten nicht auf einem tendenziell sachenrechtlichen Forderungsbegriff und wurde insbesondere auch nicht mit ihrer Eigenschaft als Vermögensgegenstand begründet402. Zwar leugnete Windscheid die Einordnung der Forderung als Vermögensgegenstand nicht, nur war sie aus seiner Sicht für die Frage der Übertragbarkeit irrelevant. Ausdrücklich verwarf er das Argument, dass schon die Vermögenszugehörigkeit der Forderung für ihre Übertragbarkeit spreche; dazu sei vielmehr das „Wesen“ der Forderung selbst zu bestimmen403. So wurde in der Pandektenwissenschaft offenbar von Gegnern und Befürwortern der Übertragbarkeit gedacht404. Die entscheidende Weichenstellung innerhalb dieser „begriffsjuristischen“ Prämisse war die aus dem römischen Recht begründete Ansicht Windscheids, die Person des Gläubigers sei nicht „wesensnotwendig“ mit der Forderung verknüpft. Damit kann insgesamt keine einheitliche Wertungsgrundlage für die Übertragbarkeit von Forderungen in der wissenschaftlichen Diskussion am Ende des 19. Jahrhunderts angegeben werden: Obwohl die ganz herrschende Meinung in der Wissenschaft die Übertragbarkeit anerkannte, divergierten die Begründungen und damit verbunden die Forderungsbegriffe.
2. Seitenblick: Entwicklung der Diskussion in Frankreich im 19. Jahrhundert Ein Seitenblick auf die französische Entwicklung im 19. Jahrhundert zeigt bei insgesamt deutlich weniger Diskussionen über Forderung und Zession eine Be401 Luig, Zessionslehre, S. 111–118 mit ausführlichen Nachweisen. Vgl. zum Beispiel Salpius, Novation, S. 414 ff. 402 Die diesbezügliche Argumentation Delbrücks wies Windscheid, Singularsuccession, S. 37 f. sowie ders., Actio des römischen Civilrechts, S. 171 f. ausdrücklich zurück. 403 Windscheid, Singularsuccession, S. 37 f. Aus der Einordnung der Forderung als Vermögensbestandteil ergebe sich für die Zession nichts, weil nur die „[concrete] Gestalt“ des Vermögensbestandteils für seine rechtliche Erfassung maßgeblich sei. Und als „Gestalten“ von Vermögensbestandteilen anerkannte Windscheid nur Rechte an einer Sache oder Rechtsverhältnisse zwischen Personen. 404 Luig, Zessionslehre, S. 68 m. w. N.
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einflussung durch die Pandektistik: Während die Zession im Code civil lange als Überwindung des als subtilité verstandenen römischen Zessionsbegriffs galt405, mehrten sich am Ende des Jahrhunderts auch in Frankreich die Stimmen, die eine Forderungsübertragung bereits nach antikem römischem Recht für möglich hielten. Insbesondere vertraten dies Paul Gide sowie Théophile Huc in ihren Monographien zur Zession. Gide argumentierte ähnlich wie Windscheid hauptsächlich, dass unter dem Kaiserrecht kein Unterschied mehr zwischen actio directa und actio utilis bestanden habe406. Ausdrücklich auf Windscheid berief Gide sich in dieser Frage nicht; da er aber an etlichen anderen Stellen für Fragen des römischen Rechts hauptsächlich deutsche Romanisten wie Mühlenbruch, Bähr, Vangerow und auch Windscheid407 zitierte, ist davon auszugehen, dass Gide die pandektistische Diskussion in Deutschland für maßgeblich hielt und mit ihr durchweg vertraut war. Auch Huc begründete die Übertragbarkeit der Forderung nach römischem Recht mit der Gleichwertigkeit von actio directa und actio utilis408. Offene Allegationen deutscher Pandektisten finden sich dagegen beispielsweise in der Monographie von Antonin Cros-Mayrevieille zur Übertragbarkeit der Forderung im römischen Recht409.
405 Troplong, Vente, Nr. 879; ders., Privilèges, Nr. 340; Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 61. Unklar Duranton, Droit français, Nr. 495, der erstaunlicherweise die Zession des Code civil als fingiertes Mandat erklärte; diese Konstruktion findet sich ansonsten soweit ersichtlich nirgends in der französischen Literatur. Möglicherweise hat Duranton für sein 1833 erschienenes Werk in dieser Frage auf Mühlenbruch zurückgegriffen, der mit dieser Theorie soeben in Deutschland reüssiert hatte. Die Übernahme wäre freilich inhaltlich äußerst zweifelhaft, da der Lehre Mühlenbruchs anders als dem Code civil, den Duranton erklären wollte, das Unübertragbarkeitsdogma zugrunde lag. Zur subtilité bei Pothier vgl. oben S. 51, Fn. 275. 406 Gide, Études, S. 368–371: „Sous Justinien […] le transport se réalise, la créance est acquise au cessionaire, dès le jour où il y a eu convention de transport entre le cessionaire et le cédant“; im Folgenden stellte Gide fest, dass die Römer damit bei der Forderungsübertragung anders als bei der Sachübereignung das Konsensprinzip gekannt hätten. Vgl. außerdem S. 35 ff., 335 ff. und passim. 407 Vgl. nur Gide, Études, S. 307, Fn. 3; S. 369, Fn. 1; S. 372, Fn. 2 und passim. 408 Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 148–152. Allerdings blieb Huc in den Details der Begründung erratisch und scheint Digestenstellen teils sehr eigenwillig interpretiert zu haben. Zum Beispiel argumentierte er, bereits die Römer hätten jedenfalls den Inhalt der Forderung als id, quod debetur für ein mittels Stipulation veräußerliches Vermögensobjekt gehalten; dabei weist er ausgerechnet die Ansicht des Germanisten Bluntschli zur Rechtsbandperspektive im römischen Recht zurück, obwohl dieser für das deutsche Recht gerade nicht an ihr festhalten wollte (dazu oben S. 67, Fn. 369 f.): ders., Cession, Bd. 1, Nr. 149, S. 212 f., Fn. 1. Entsprechend harsch fiel das Verdikt Cromes zum rechtshistorischen Teil in Hucs Werk aus: „Diese Ausführungen aus dem römischen Recht sind in ihrer kindlichen Naivetät [sic!] für uns Deutsche vollkommen ungenießbar“: Crome, Rezension zu Huc, S. 213. 409 Cros-Mayrevieille, Transport, S. 23; neben Windscheid wurden auch Brinz, Delbrück und Salpius genannt. Der Verweis auf Delbrück geht dabei fehl, weil dieser die Übertragbarkeit der Forderung gerade nicht nach römischem, sondern nur nach deutschem Recht begründete (vgl. nur Delbrück, Übernahme, S. 3 ff.).
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Für das geltende französische Recht waren diese Diskussionen allerdings nicht mehr unmittelbar relevant, da die Forderung seit Einführung des Code civil übertragbar war. Auch der Forderungsbegriff war mit der Einordnung der Forderung als sachengleiches bien vergleichsweise klar kodifiziert. Die teils offene Anlehnung an die deutschen Autoren illustriert jedoch exemplarisch anhand der Geschichte des Zessionsrechts die verbreitete Rezeption der Pandektenwissenschaft in Frankreich410.
3. Forderung und Zession in der gemeinrechtlichen Rechtsprechung sowie in den Kodifikationen vor dem BGB Die verschiedenen Kodifikationsentwürfe, die in Deutschland vor dem BGB entstanden und diesem zum Teil als Vorlage dienten411, folgten ausweislich ihrer Begründungen dem wirtschaftlichen Bedürfnis nach einer Forderungsübertragung, vor allem aber auch der wissenschaftlichen Konjunktur412. Während der hessische Entwurf eines BGB von 1853 noch die zu dieser Zeit ganz überwiegend anerkannte Ausübungslehre Mühlenbruchs normierte413 und dies in den Motiven vor allem mit der strengen Relativität der Forderung begründete414, wurde im bayerischen Entwurf eines BGB von 1861 die Übertragbarkeit der Forderung anerkannt415. Der bayerische Gesetzgeber verwies dabei neben dem praktischen Bedürfnis nach einer Forderungsübertragung auch auf die sich wandelnde Meinung in der Wissenschaft416. Im sächsischen BGB von 1865417 410
Dazu allgemein Bürge, Französisches Privatrecht, S. 150 ff.; ders., Historische Rechtsschule in Frankreich. 411 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 27. 412 So auch Luig, Rezension zu Huwiler, S. 493 f. Zum Folgenden ausführlich Huwiler, Begriff der Zession, S. 159–175. 413 Hessischer Entwurf, Abt. 4, Buch 1, Art. 261 ff., insbes. Art. 261 Abs. 3. 414 Dazu Huwiler, Begriff der Zession, S. 159 f. 415 Bayerischer Entwurf, 2. Theil, 3. Hauptstück, 1. Abtheilung, Art. 145. 416 Zu den Motiven Huwiler, Begriff der Zession, S. 171. Huwiler hält die Berufung auf die Befürworter der Übertragbarkeit aus dem pandektistischen Lager (Windscheid und Bähr) in der Entwurfsbegründung für ein „pandektistisches Alibi“, mit dem der Gesetzgeber das von ihm gewollte praxisgerechte Ergebnis erreichen konnte, ohne sich gegen pandektistische „Axiome“ zu stellen. Allerdings wird dabei nicht klar, warum die Berufung auf eine stärker werdende Strömung in der Wissenschaft ein „Alibi“ sein soll und nicht lediglich ein weiteres Argument neben den wirtschaftlichen Bedürfnissen. 417 Sächsisches BGB, §§ 953, 968. A. A. Huwiler, Begriff der Zession, S. 162 f. sowie Luig, Abstraktionsprinzip, S. 118, Fn. 18. Wie hier dagegen Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 27. Das Missverständnis rührt daher, dass in den Motiven zum sächsischen BGB ausdrücklich mit Verweis auf das römische Recht eine „Singularsukzession“ in Forderungen abgelehnt wurde. Hattenhauer weist aber überzeugend darauf hin, dass darin nur ein enges Begriffsverständnis des Wortes „Singularsukzession“ zum Ausdruck kam, die Übertragbarkeit an sich aber nicht mehr geleugnet wurde. Dafür spricht vor allem auch der eindeutige Wortlaut des § 968 Sächs. BGB: „Die Abtretung hat die Wirkung, dass der Abtretende aufhört, Gläubiger zu sein […]“.
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sowie im Dresdner (Schuldrechts-)Entwurf von 1866418 wurde die Zession ebenfalls ausdrücklich als vollständige Forderungsübertragung konzipiert. Die Kodifikationen entschieden sich damit zunehmend für die Übertragbarkeit der Forderung, indem sie neben den Anforderungen der Praxis vor allem auch der sich durchsetzenden Ansicht von der Übertragbarkeit innerhalb der Pandektenwissenschaft folgten. Schon bei Beginn der Redaktion des BGB war die Übertragbarkeit der Forderung damit in der deutschen Gesetzgebung anerkannt. Die Haltung der Gerichte zur Forderungsübertragung war im 19. Jahrhundert nicht einheitlich, folgte aber im Großen und Ganzen ebenfalls den Linien der wissenschaftlichen Diskussion419: Nachdem einige Gerichte wie insbesondere das OAG Lübeck zwischenzeitlich der Ausübungslehre gefolgt waren420, erkannte das Reichsgericht 1881 die volle Übertragbarkeit der Forderung und ausdrücklich auch eine „Sondernachfolge“ nach gemeinem Recht an421; dies entsprach mittlerweile auch der ganz herrschenden Meinung in der Wissenschaft. Gesetzgebung und Praxis standen damit vor Erlass des BGB insgesamt auf dem Boden der vollen Übertragbarkeit der Forderung.
4. Forderung und Zession im BGB a) Der Entwurf von 1877 Die sich durchsetzende Ansicht von der vollen Übertragbarkeit der Forderung im wissenschaftlichen Diskurs, in der Gesetzgebung sowie in der gerichtlichen Praxis war sodann Grundlage für die Redaktion des BGB. Der Redaktor des Schuldrechts, Franz Philipp von Kübel, ließ bereits im ersten, vorläufigen Entwurf des Zessionsrechts von 1877422 die vollständige Übertragung der Forderung zu. In den Motiven zu seinem Entwurf 423 verwies er dazu nicht nur auf die meisten jüngeren Gesetzesentwürfe und die herrschende Gerichtspraxis, sondern auch auf die in der Wissenschaft im Vordringen befindliche Meinung424, die entgegen der seiner Ansicht nach noch herrschenden Ausübungslehre Mühlenbruchs die Übertragung zuließ. Der pandektistischen Diskussion gestand er zu, dass die ursprüngliche obligatio nach römischem Recht möglicherweise 418 Dresdner Entwurf, Art. 322 Abs. 1, 2. Zur Gesetzesbegründung, deren Autoren hauptsächlich mit Windscheid argumentierten, vgl. Huwiler, Begriff der Zession, S. 173 f. 419 Dazu und zu den Einzelheiten zur insgesamt wenig erforschten Zessionsrechtsprechung im 19. Jahrhundert Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 25 f. 420 Vgl. zum Beispiel OAG Lübeck, SeuffA 15 (1861), Nr. 120. 421 RG 08.03.1881, RGZ 4, 111, 114 f. 422 Kübel, Entwurf 1877, S. 1087–1090. Der Entwurf von 1877 wird im Folgenden zugrunde gelegt. Einen etwas ausführlicheren, in der Sache aber unveränderten Entwurf zum Zessionsrecht legte Kübel 1882 vor (ders., Entwurf 1882, S. 927–928). 423 Kübel, Entwurf 1877, Motive, S. 1090–1094. 424 Kübel, Entwurf 1877, Motive, S. 1090–1092 mit Verweis auf Windscheid und Bähr, aber auch auf etliche Germanisten wie Delbrück, Bluntschli und andere.
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auch nach der Zession beim Zedenten verblieben sei. Da der Zedent die Forderung aber nach der Abtretungsanzeige nicht mehr geltend machen könne und auch sonst alle Gläubigerbefugnisse auf den Zessionar übergegangen seien, bestehe jedenfalls kein praktisches Interesse, das Fortbestehen der obligatio beim Zedenten im Gesetz anzuerkennen425. Inhaltlich schloss sich Kübel ausdrücklich der Argumentation Windscheids an, wonach die Person des Gläubigers nicht wesensnotwendig mit der Forderung verknüpft sei426. Folgerichtig sah der Entwurf vor, dass bei der Zession der Zessionar vollständig an die Stelle des Zedenten tritt. Während der Zessionsbegriff damit für Kübel feststand, vermied er eine Festlegung auf einen genauen Forderungsbegriff; dieser war, wie gesehen427, auch bis zuletzt in der Wissenschaft kontrovers geblieben. Die germanistische Ansicht ließ Kübel dahinstehen428 und die Rechtsbandperspektive des römischen Rechts war für ihn dogmatisch funktionslos geworden. Einigen Formulierungen lässt sich aber entnehmen, dass Kübel einem eher sachenrechtlichen Forderungsbegriff zugeneigt war: Die Forderung werde dem Zessionar „übereignet“429 und sei diesem ebenso zu eigen wie eine übereignete körperliche Sache430.
b) Die weitere Diskussion in den Kommissionen Hinsichtlich des grundsätzlichen Zessionsbegriffs gab es nach diesem ersten Entwurf im gesamten Redaktionsprozess keinerlei nennenswerte Kontroversen mehr: Die volle Übertragbarkeit der Forderung stand während der Arbeiten zum BGB außer Frage431. Einzig die Frage, ob man bei der Zession begrifflich von einer echten „Sondernachfolge“ sprechen könne, wurde als späte Auswirkung der pandektistischen Kontroversen sowie wohl auch der missverständlichen Begründung zum Sächsischen BGB432 diskutiert, konnte aber von der Ersten Kommission zunächst als rein terminologisches Problem offengelassen werden433. In den Motiven zum Entwurf Erster Lesung (E I, 1888) bekannte 425 426
Kübel, Entwurf 1877, Motive, S. 1094. Kübel, Entwurf 1877, Motive, S. 1093 f. 427 S. oben S. 74. 428 Kübel, Entwurf 1877, Motive, S. 1092. 429 Kübel, Entwurf 1877, Motive, S. 1094. 430 Kübel, Entwurf 1877, Motive, S. 1092. 431 Die Beratungen zu § 398 BGB in den verschiedenen Kommissionen zeigen lediglich vertiefte Diskussionen über Einzelfragen des Zessionsrechts, nicht über die grundsätzliche Übertragbarkeit: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 744 ff. Die Details wie Regelungen zu Schuldnerschutz oder Abtretungsverboten waren mit der Festlegung auf einen übertragungsfreundlichen Zessionsbegriff nämlich mitnichten determiniert. Siehe dazu die Folgekapitel. 432 S. oben S. 76, Fn. 417. 433 Erste Kommission, Protokoll der Sitzung vom 3.10.1877, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 745; vgl. auch Sitzung vom 1.11.1882, a. a. O., S. 758.
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sich die Erste Kommission schließlich zum „Prinzip der Sondernachfolge“434, obwohl es in der gemeinrechtlichen Wissenschaft noch Gegner dieser Ansicht gebe435. In den folgenden Kommissionen gab es an diesem Punkt, soweit ersichtlich, keine Diskussionen mehr. Unklar blieb hingegen weiterhin der Forderungsbegriff. Anders als Kübel sprach die Erste Kommission nicht mehr von einer „Übereignung“ der Forderung. Dass die genaue Einordnung der Forderung umstritten war, zeigt sich in der Begründung für die dingliche Unwirksamkeit vertraglicher Abtretungsverbote im E I: Die Erste Kommission ließ die „Berechtigung der Anschauung, daß eine […] Forderung nach der modernen Auffassung über die Verkehrsfähigkeit der Forderungen […] gleichsam versachenrechtlicht erscheine“436 ausdrücklich dahinstehen. Ebenso ließ sie aber offen, ob man sagen könne, dass das „obligatorische Rechtverhältniß nur zwischen Gläubiger und Schuldner bestehe und von deren Rechtswillen in allen Beziehungen abhänge“. Die damit verknüpfte Frage nach der dinglichen Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote wurde vielmehr allein aufgrund von „Rücksichten praktischer Natur“ diskutiert und entschieden437. Die Zweite Kommission stützte sich in ihren Ausführungen zu Einzelregelungen bei der Zession im Entwurf Zweiter Lesung (1894 / 1895, E II) schließlich nicht mehr systematisch auf einen bestimmten Forderungsbegriff, sondern argumentierte bei den offenen Fragen überwiegend unmittelbar wertend mit den Interessen der beteiligten Parteien438.
c) Zwischenergebnis Das Zessionsrecht im BGB übernahm damit den Zessionsbegriff aus dem Stand der Wissenschaft und Praxis am Ende des 19. Jahrhunderts: Die volle Übertragbarkeit der Forderung war für die Redaktoren und Kommissionsmitglieder selbstverständlich. Offenbar wirkten aber die erbitterten wissenschaftlichen Kontroversen während des 19. Jahrhunderts noch insofern nach, als man sich nicht auf einen eindeutigen Forderungsbegriff einigen konnte. Die Erste Kommission ließ unter Nennung der verschiedenen wissenschaftlichen Theorien insbesondere den Grad der „Versachenrechtlichung“ der Forderung offen. Die 434
Mugdan, Materialien, Bd. II, Motive, S. 65. Die Motive zitieren hier „Windscheid II § 329“, womit wohl keine Gegnerschaft Windscheids angeführt werden sollte, der die Sondernachfolge ja anerkannt hatte. Wahrscheinlich verweisen die Motive lediglich auf einige Gegenansichten, die Windscheid in seinem Lehrbuch noch in einer Fußnote zitierte: Windscheid, Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 226, Fn. 10. 436 Mugdan, Materialien, Bd. II, Motive, S. 67. 437 Zur Entwicklung der dinglichen Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote und zur Wende, die die Diskussion um das Abtretungsverbot im Redaktionsprozess noch nahm, vgl. unten S. 188 ff. 438 Vgl. die Erwägungen der Zweiten Kommission zu Abtretungsanzeige, Schuldnerschutz und Abtretungsverboten: Mugdan, Materialien, Bd. II, Protokolle, S. 569 ff., insbesondere S. 571–573. 435
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Zweite Kommission legte sich ebenfalls nicht fest; die prinzipielle Übertragbarkeit stand ohnehin außer Frage und für Einzelregelungen vermied man die Argumentation anhand bestimmter Forderungsbegriffe. Zwar zeigen die Mechanismen bei der Forderungsübertragung im BGB hinsichtlich Voraussetzungen und Wirkung Analogien zur Sachübereignung, die der Redaktor Kübel auch noch in seiner Entwurfsbegründung angedeutet hatte. Ein klarer, allgemein anerkannter Forderungsbegriff bildete sich anschließend aber nicht.
5. Entwicklung des Forderungsbegriffs im 20. Jahrhundert: Deliktsschutz und Differenzierung a) Deliktsschutz der Forderung Während die Frage nach dem Zessionsbegriff mit der Kodifikation erledigt war, wurden Einzelheiten des Forderungsbegriffs nach Erlass des BGB weiter kontrovers diskutiert. Eine Folge des unklaren Forderungsbegriffs im BGB war die bis heute lebendige Debatte um den Deliktsschutz der Forderung. Die Diskussion ist für diese Arbeit einerseits insofern von Interesse, als sie zu einem dogmatisch klareren Forderungsbegriff geführt hat. Andererseits wird die Problematik auch typischerweise an einem zessionsrechtlichen Fallbeispiel illustriert: Der Zedent zieht schuldhaft die zedierte Forderung vom gutgläubigen Schuldner ein, der dadurch gemäß § 407 Abs. 1 BGB gegenüber dem Zessionar frei wird. Haftet der Zedent dem Zessionar nach § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz? Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur verneinen den deliktischen Schutz mit Verweis auf die relative Ausrichtung des Forderungsrechts seit jeher439 und können sich dafür auch auf die Gesetzesmaterialien stützen440. Allerdings meinen auch etliche Autoren das Gegenteil und berufen sich dabei insbesondere auf eine Differenzierung des Forderungsbegriffs: Die Forderung sei zu unterteilen in die relative Berechtigung (nur) gegenüber dem Schuldner (auch „Innenseite“ der Forderung oder Recht aus der Forderung) und die gegen jedermann wirkende – also absolute – Zuordnung der Forderung selbst zum Gläubiger (das Recht an der Forderung). Nur um diese „Außenseite“ der Forderung kreist die Diskussion: Ganz allgemein ist nämlich anerkannt, dass die „Innenseite“ der Forderung, also das Recht aus der Forderung, vor Verletzungen beispielsweise durch Teilnahme am Vertragsbruch oder Zerstörung des 439 Ständige Rechtsprechung seit RG 29.02.1904, RGZ 57, 353, 355–358; bestätigt auch in BGH 24.02.1954, BGHZ 12, 308, 317 f. sowie BGH 09.12.1958, BGHZ 29, 65, 73 f. Die Rechtsprechung trennt dabei aber nicht zwischen dem (absoluten) Recht an der Forderung und dem (relativen) Recht aus der Forderung (dazu sogleich im Text); aus der Literatur ebenso zum Beispiel Heck, Schuldrecht, S. 458 f.; Medicus, Forderung, S. 338–345; Hammen, Forderung, S. 599 ff. Etliche weitere Nachweise für die noch immer zahlenmäßig herrschende Meinung bei Picker, Deliktischer Schutz der Forderung, S. 1001, Fn. 4. 440 Mugdan, Materialien, Bd. II, Motive, S. 406.
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Leistungsgegenstandes nicht absolut nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist441. Die umstrittene Frage ist dagegen die, inwiefern das Recht an der Forderung als sonstiges (absolutes) Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. Der Deliktsschutz wird unter der Voraussetzung dieser präzisen begrifflichen Trennung442 von zahlreichen Autoren bejaht443. Als zentrale Argumente gelten dabei vor allem die gleiche Reichweite des bereicherungsrechtlichen (§ 816 Abs. 2 BGB) und des deliktsrechtlichen Zuweisungsgehalts444 sowie, auf einer abstrakteren Ebene, das Erfordernis eines systematisch konsistenten Zusammenspiels von Rechtszuweisung und Rechtsschutz im System subjektiver Rechte445.
b) Die Doppelstruktur der Forderung Wichtiger als die einzelnen systematischen und wertenden Argumente in der Debatte ist im Rahmen dieser Arbeit, dass anhand der Frage nach dem Deliktsschutz der Forderungsbegriff deutlicher geworden ist. Für das Recht an der Forderung sind in der Diskussion verschiedene Bezeichnungen aufgekommen; es ist insbesondere auch als „Forderungseigentum“ bezeichnet worden446. Die Frage, ob man von einem „Eigentum an Forderungen“ unter dem BGB sprechen könne, wurde im 20. und 21. Jahrhundert überhaupt vor allem im Rahmen dieser Deliktsschutzdebatte diskutiert. Der Begriff „Eigentum“ selbst war 441 Vgl. nur Dörner, Relativität, S. 66–70; Picker, Deliktischer Schutz der Forderung, S. 1012–1016 jeweils m. w. N. Insbesondere kennt das BGB kein gegen Dritte wirkendes ius ad rem, das die Sachzuordnung schon vor der Erfüllung der Forderung mit absoluter Wirkung schützt; dazu und zu den dogmatischen Ausnahmen wie der Vormerkung oder § 826 BGB Michaels, in HKK, vor § 241 Rn. 75 f. sowie Wagner, in MüKo BGB, § 826 Rn. 71 ff. Vgl. auch unten S. 215 f. 442 Besonders klar Picker, Deliktischer Schutz der Forderung, S. 1005–1016. 443 Im 19. Jahrhundert formulierte bereits Neuner, Privatrechtsverhältnisse, S. 70–72, 148–152 mit Verweis unter anderem auf ähnliche Gedanken bei Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 19, dass auch obligatorische Rechtsverhältnisse in ihrem Bestand von jedermann anerkannt werden müssten; unter dem BGB dann zum Beispiel Enneccerus, Bürgerliches Recht, S. 764; Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, S. 892–895; Leonhard, Schuldrecht, S. 62 ff.; Dörner, Relativität, S. 61–66; Canaris, Schutz obligatorischer Forderungen, S. 90–97 (allerdings im Ergebnis ohne Differenzierung zwischen Recht aus und Recht an der Forderung); Michaels, in HKK, vor § 241 Rn. 66–74; Picker, Deliktischer Schutz der Forderung, S. 1016–1031 mit zahlreichen weiteren Nachweisen auf S. 1002, Fn. 5; Hoffmann, Zession, S. 104–106 (mit allerdings nicht überzeugender Ablehnung des Rechts an der Forderung auf S. 105, Fn. 149) sowie Jansen, Gesetzliche Schuldverhältnisse, S. 216 f. 444 Michaels, in HKK, vor § 241 Rn. 74; Jansen, Gesetzliche Schuldverhältnisse, S. 203 ff., insbes. S. 207 f., 216–221. 445 Dörner, Relativität, S. 61–70; Picker, Deliktischer Schutz der Forderung, S. 1027– 1035. 446 Bereits im 19. Jahrhundert Bähr, Cessionslehre, S. 401 f.; nach 1900 vor allem Leonhard, Schuldrecht, S. 60 ff., dazu kritisch Heck, Rezension zu Leonhard, S. 360 f. In neuerer Zeit spricht etwa auch Picker, Deliktischer Schutz der Forderung, S. 1016 von der „dem Eigentum gleiche[n] Inhaberschaft an der Forderung“; ähnlich auch Jansen, Gesetzliche Schuldverhältnisse, S. 216.
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Erstes Kapitel: Forderung und Zession in Code civil und BGB
und ist dabei freilich weniger wichtig; gebräuchlicher sind heute jedenfalls die Ausdrücke „Forderungszuständigkeit“ oder „Forderungsinhaberschaft“. Doch damit ist abseits der Terminologie inhaltlich immer dasselbe gemeint, wie heute verbreitet anerkannt ist: das absolute Recht an der Forderung, das dem Gläubiger ausschließlich zugeordnet ist447. Damit zeigt sich, dass der Forderungsbegriff nach Erlass des BGB anhand der Debatte um den Deliktsschutz der Forderungsinhaberschaft in der Wissenschaft klarere Konturen erhalten hat. Die bereits mehrfach erwähnte und bereits im Naturrecht448 und bei französischen Autoren449 angeklungene „Doppelnatur“ der Forderung wurde damit auch in der deutschen Diskussion anerkannt450. Neu war in der Debatte zunächst die Anwendung dieser Doppelperspektive auf alle subjektiven Rechte: So ließ sich insbesondere formulieren, dass im Grunde jedes subjektive Recht, auch das Eigentum, absolute und relative Aspekte kombiniere451. Die alleinige Beschreibung der Forderung als „Rechtsband“ oder „rein persönliches Rechtsverhältnis“, die die Pandektistik geprägt hatte und 447 Picker, Deliktischer Schutz der Forderung, S. 1004 f.; Michaels, in HKK, vor § 241 Rn. 74; Wagner, in MüKo BGB, § 823 Rn. 292 f. mit Verweis auf die inkonsequente Rechtsprechung des BGH zum Schutz von Domainnamen. Dagegen undifferenziert Busche, in Staudinger, BGB, Einl. zu §§ 398 ff. Rn. 9 m. w. N. Die Annahme eines eigenständigen Rechts an der Forderung war und ist indes nicht unbestritten; dagegen zum Beispiel Tuhr, AT, Bd. 2 / 1, S. 66; Löbl, Forderungsrechte, S. 297 f.; Koziol, Beeinträchtigung, S. 148–150; Larenz, Schuldrecht I, S. 572–574; Lieder, Sukzession, S. 45 f. mit Verweis auf Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 126. Die genannten Autoren halten die Konstruktion eines Rechts an der Forderung für eine unnötige Rechtsverdopplung; schon das Forderungsrecht selbst impliziere seine absolute Zuordnung zum Gläubiger. Letztlich zielt dieses Argument aber nur auf die begriffliche Frage, ob der absolute Zuordnungsaspekt des Forderungsrechts dem Begriff „Forderung“ immanent ist oder terminologisch eigenständig als „Forderungsinhaberschaft“ oder „Forderungseigentum“ etc. bezeichnet werden soll. Ganz unabhängig von dieser begrifflichen Frage lässt sich nämlich die – hier entschieden bejahte – Frage beantworten, ob der Aspekt der absoluten Zuordnung der Forderung zum Gläubiger dogmatisch vom nur relativ zugeordneten Forderungsinhalt getrennt werden muss: Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 140 und Lieder, in BeckOGK, § 398, Stand 15.04.2017, Rn. 10 ff. bejahen dies selbst ebenfalls und erkennen vor diesem Hintergrund auch den Deliktsschutz der Forderung an. Und ebenso kann man unabhängig von den Begrifflichkeiten die absolute Zuordnung der Forderung für die Frage der Sukzession strukturell auf eine Stufe mit der Übereignung stellen, wie es Lieder, Sukzession, S. 44–47 sowie ders., in BeckOGK, § 398, Stand 15.04.2017, Rn. 10.1, 10.3 selbst tut. Auch wenn demnach keine dogmatischen Unterschiede bleiben, ist es vor allem ein Gebot der Klarheit, die dogmatische Trennung des absoluten und des relativen Aspekts der Forderung auch terminologisch zum Ausdruck zu bringen (vgl. Picker, Deliktischer Schutz der Forderung, S. 1003–1007). Wilhelm selbst hält seine Ablehnung des Rechts an der Forderung auch selbst nicht ganz durch, wenn er von der inhaltlich nichts anderes beschreibenden „Forderungszuständigkeit“ spricht: Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 141. 448 S. oben S. 35 ff. 449 S. oben S. 56, Fn. 308; S. 57, Fn. 315. 450 Ausführlich Dörner, Relativität, S. 103 ff.; grundlegend und mit – eindeutig auch rechtspolitisch gefärbter – Kritik an der eher einseitigen Perspektive des BGB auf Forderungen bereits 1941 Wieacker, Forderung, S. 61–65. 451 Neuner, Privatrechtsverhältnisse, S. 15; J. Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 13–71;
§ 2 Forderungs- und Zessionsbegriffe in Code civil und BGB
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die in der BGB‑Gesetzgebung nicht völlig überwunden wurde, war damit aber, genau wie die undifferenzierte Unterteilung subjektiver Rechte in „absolute“ und „relative“ überhaupt, „nicht mehr und nicht weniger als ein zweihundertjähriger Irrweg rechtswissenschaftlicher Dogmatik“452 geworden. Dieser differenzierte Forderungsbegriff harmonisierte weiterhin auf eine gewisse Weise die widerstreitenden Forderungsbegriffe des 19. Jahrhunderts in einer einheitlichen Struktur: Die Forderung beinhaltet demnach sowohl ein relatives Recht gegenüber dem Schuldner als auch ein absolutes und damit dem Eigentum strukturell ähnliches Recht gegenüber jedermann. Die Vereinigung der Perspektiven erfolgte dabei aber so, dass beide Aspekte der Forderung, das relative Recht aus ihr sowie das absolute Recht an ihr, dogmatisch je unterschiedlich behandelt werden können; schließlich soll der Deliktsschutz nur für das Recht an der Forderung bestehen. Eine solche nicht nur begriffliche, sondern auch dogmatische Strukturierung stellt in dieser Klarheit eine in der Geschichte des Forderungsbegriffs neue Aussage dar. Soweit ersichtlich, ist die Differenzierung bislang allerdings nur für das Problem des Deliktsschutzes fruchtbar gemacht worden. Dabei böte ein derart differenzierter Forderungsbegriff auch eine neue Diskussionsgrundlage für Fragen des Zessionsrechts selbst: In der Frage der Rechtsnachfolge ist die Strukturgleichheit des Rechts an der Forderung und des Eigentumsrechts im BGB augenfällig. Auf dieser Basis ließe sich über Zulässigkeit und Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote womöglich neu diskutieren. Dies soll im dritten Kapitel dieser Arbeit näher untersucht werden453.
6. Zwischenergebnis: der differenzierte Forderungsbegriff im BGB Sowohl der Forderungs- als auch der Zessionsbegriff waren in der deutschen Diskussion im 19. Jahrhundert umstritten. Nach mehreren wissenschaftlichen Kehrtwenden in der Frage der Übertragbarkeit stand am Ende des Jahrhunderts zwar der prinzipielle Zessionsbegriff – die Einzelrechtsnachfolge durch Rechtsgeschäft unter Lebenden – sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis fest und wurde praktisch ohne Diskussion im BGB kodifiziert. Ein allgemein anerkannter Forderungsbegriff bildete sich jedoch weder in der Wissenschaft noch bei den Gesetzgebungsarbeiten. Damit liegt dem BGB ein unklarer Forderungsbegriff zugrunde, der zwischen dem rein schuldrechtlichen pandektistischen Verständnis und dem sachenrechtlichen Verständnis der Germanisten und der Praxis keine eindeutige Position einnimmt. Der Mechanismus der Abtretung, insbesondere ihre Abstraktheit, zeigt dabei allerdings eine Tendenz zu Dubischar, Grundlagen, S. 107; Dörner, Relativität, S. 46–57; Michaels, in HKK, vor § 241 Rn. 66, jeweils m. w. N. 452 Dörner, Relativität, S. 53. 453 S. unten S. 202 ff.
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Erstes Kapitel: Forderung und Zession in Code civil und BGB
einer auch in den Gesetzesmaterialien so genannten „Versachenrechtlichung“ der Forderung. Einen klarer konturierten Forderungsbegriff arbeitete die Wissenschaft erst im 20. Jahrhundert anhand der vieldiskutierten Frage nach dem Deliktsschutz der Forderung heraus. Demnach ist zu unterscheiden zwischen dem absoluten und damit strukturell eigentumsähnlichen Recht an der Forderung sowie dem relativen Recht aus der Forderung. Bislang ist diese Differenzierung jedoch noch nicht auf Einzelfragen des Zessionsrechts selbst angewendet worden.
III. Zusammenfassung: grundsätzliche Anerkennung der Forderung als übertragbarer Vermögensgegenstand in beiden Gesetzbüchern Sowohl im BGB als auch im Code civil ist die Forderung als übertragbarer Vermögensgegenstand anerkannt. Die ähnlichen Zessionsbegriffe beruhen dabei aber auf je unterschiedlichen Forderungsbegriffen: In Frankreich konzipiert das Gesetz die Forderung durchgehend als meuble und bien, das gleich beweglichen Sachen veräußerlich ist. Das französische Recht liegt damit auf einer Linie mit der naturrechtlichen Vorstellung von der „unkörperlichen Sache“. In der deutschen Diskussion im 19. Jahrhundert hat sich dagegen kein solcher sachenrechtlicher Forderungsbegriff durchgesetzt; naturrechtliche Wertungen waren in dieser Frage nicht unmittelbar anschlussfähig. Vielmehr erfolgte die maßgebliche Überwindung des römischen Unübertragbarkeitsdogmas in der Pandektistik auf Grundlage eines rein schuldrechtlichen, die relative Beziehung zwischen Schuldner und Gläubiger betonenden Forderungsbegriffs. Zwar behandelt das BGB die Forderung für die Frage der Übertragbarkeit konstruktiv als Rechtsobjekt und auch die Gesetzesmaterialien deuten eine gewisse „Versachenrechtlichung“ der Forderung an. Ein allgemein konsentierter Forderungsbegriff bildete sich jedoch bis zum Erlass des BGB nicht. Als Ergebnis lässt sich also zunächst festhalten, dass der übertragungsfreundliche Zessionsbegriff in beiden Gesetzbüchern auf unterschiedlichen vermögensrechtlichen Vorstellungen und insbesondere auf unterschiedlichen Forderungsbegriffen beruht; spätestens seit Windscheid besteht damit keine zwingende Korrelation mehr zwischen einem bestimmten Forderungsbegriff und der Zessionsdogmatik454. Die zentrale naturrechtliche Wertung, der Schluss von der Vermögenszugehörigkeit der Forde454
Damler, Rechtsästhethik, S. 137–151 weist zu Recht darauf hin, dass sowohl die römischrechtliche Vorstellung von der Forderung als einem Rechtsband als auch die moderne Einordnung der Forderung als Vermögensgegenstand „konzeptionelle Metaphern“ darstellen; den „Austausch der Binde- durch die Gegenstandsmetapher“ hält er für einen „wichtigen Wendepunkt der europäischen Rechts- und Wirtschaftsgeschichte“. Wie das Erste Kapitel gezeigt hat, lässt sich allerdings für die Rechtswissenschaft in Deutschland lange kein eindeutiger Wendepunkt bei den Forderungsbegriffen erkennen. Entscheidender für die Anerkennung der Übertragbarkeit der Forderung war hier vielmehr die Entkopplung von Forderungsbegriff und Zessionsdogmatik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, insbesondere durch Windscheid.
§ 2 Forderungs- und Zessionsbegriffe in Code civil und BGB
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rung auf ihre Übertragbarkeit, lässt sich damit nur im Code civil und bei einigen deutschen Autoren der Germanistik im 19. Jahrhundert wiederfinden, nicht jedoch im BGB von 1900. Im 20. und 21. Jahrhundert wurde die Forderung in Deutschland differenzierter betrachtet und von großen Teilen der Lehre eine Doppelstruktur der Forderung angenommen: Neben dem relativen Recht aus der Forderung wurde auch ein absolutes Recht an der Forderung anerkannt, das dem Eigentum strukturell gleichsteht. Der Forderungsbegriff ist damit heute in Deutschland in eine Innenperspektive und eine Außenperspektive auf das Forderungsrecht aufgegliedert. Hinsichtlich des Rechts an der Forderung liegt dieser differenzierte Forderungsbegriff praktisch auf einer Linie mit der französischen Lehre, in der die Einordnung als bien weiterhin dominiert. Die naturrechtliche Einordnung der Forderung als verkehrsfähige unkörperliche Sache trägt damit letztlich heute auch den deutschen Forderungsbegriff, obwohl eine direkte Verbindungslinie durch das 19. Jahrhundert nicht nachweisbar ist. In den folgenden Kapiteln sollen nun zwei Einzelfragen des Zessionsrechts in den Blick genommen werden, die in beiden Ländern – zumindest bislang – unterschiedlich geregelt waren: Die konstitutive Abtretungsanzeige sowie die Zulässigkeit und Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote. Nach einer historischen Analyse der Entstehung der Vorschriften und der jeweils zugrunde liegenden Wertungen soll insbesondere danach gefragt werden, wie solche Einzelregelungen zum prinzipiellen Forderungs- und Zessionsbegriff im jeweiligen Gesetz passen. Die dogmatische Nähe der Forderung zur Sache in Frankreich und, präziser, die strukturelle Identität von Forderungsinhaberschaft und Sacheigentum in Deutschland können dabei systematische Argumente für oder gegen bestimmte Regelungen liefern: Wo die Forderung bis zu einem gewissen Grad „versachenrechtlicht“ ist, ist es in einem dem Anspruch nach wertungskohärenten Gesetzbuch begründungsbedürftig, wenn einer Einzelregelung des Zessionsrechts ein anderer Mechanismus zugrunde liegt als die Sachübereignung. Die Plausibilität solcher Begründungen kann dabei anhand der aufgezeigten Doppelstruktur der Forderung, die bislang nur für die Frage nach einem Deliktsschutz fruchtbar gemacht wurde, untersucht werden.
Zweites Kapitel
Die Abtretungsanzeige Das zweite Kapitel dieser Arbeit ist der Frage nach dem Erfordernis einer Anzeige der Zession an den Schuldner gewidmet. Die Antworten auf diese Frage in der französischen bzw. deutschen Rechtsordnung bildeten bis zur französischen Schuldrechtsreform 2016 den hauptsächlichen Unterschied zwischen dem französischen und dem deutschen Zessionsrecht. Im BGB ist die „stille Zession“ der Normalfall; eine Abtretungsanzeige hat keinerlei konstitutive Wirkung für den Übergang der Forderung und auch nicht für die Möglichkeit der befreienden Leistung des Schuldners an den Zedenten (§§ 398 S. 2, 407 Abs. 1 BGB). Zwar begründet die (fakultative) Abtretungsanzeige des Zedenten bei fehlgeschlagener Zession einen Rechtsscheintatbestand zugunsten des Schuldners (§ 409 BGB) und außerdem die Pflicht des Schuldners, auch ohne Vorlage der Abtretungsurkunde an den Zessionar leisten zu müssen (§ 410 Abs. 1, 2 BGB). Diese eher nebensächlichen Wirkungen der Anzeige im BGB standen aber im deutlichen Kontrast zur überragenden Bedeutung der Anzeige im Code civil bis zur Reform 2016. Nach Art. 1690 CC1804 wurde die Zession außerhalb der Innenbeziehung zwischen Zedent und Zessionar erst wirksam, wenn sie dem Schuldner durch gerichtliche Zustellung der Zessionsurkunde angezeigt wurde (sog. signification) oder dieser die Abtretung in einer notariellen Urkunde annahm (acceptation). Diese im Außenverhältnis konstitutive signification hat das neue französische Zessionsrecht (Art. 1321 ff. CC2016) zwar nicht übernommen. Dennoch sollen in diesem Kapitel die historischen Hintergründe der lange unterschiedlichen Rechtslage untersucht werden. Auf der Grundlage der bisherigen Befunde soll insbesondere danach gefragt werden, wie die Diskussionen um ein Anzeigeerfordernis in Deutschland und Frankreich vor Erlass der Kodifikationen verlaufen sind und aus welchen Gründen die unterschiedlichen Regelungen zustande gekommen sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Geschichte der signification im französischen Recht. Im Einzelnen werden zunächst die historischen Grundlagen der Abtretungsanzeige im römischen Recht (denuntiatio) und dessen Rezeption im Mittelalter und im usus modernus skizziert (§ 3). Anschließend geht es um die Entstehung der Vorschriften zur signification im Code civil sowie insbesondere um ihr Verhältnis zum Sachkauf nach französischem Recht (§ 4). Dabei soll auch analysiert werden, wie mit dem Anzeigeerfordernis im Code civil zwischen 1804 und 2016 von Rechtsprechung, Lehre und Gesetzgebung umgegangen wurde
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
und mit welcher Begründung die Schuldrechtsreform 2016 die signification abgeschafft hat. Zuletzt wird die Diskussion um ein Anzeigeerfordernis in Deutschland im 19. Jahrhundert und vor Erlass des BGB untersucht (§ 5). Im gesamten Kapitel liegt neben der Darstellung der historischen Zusammenhänge ein Hauptaugenmerk auf der Frage nach der Widerspruchsfreiheit bzw. der plausiblen Begründung von Abweichungen zwischen den Regelungen zur Abtretungsanzeige und den allgemeinen vermögensrechtlichen Vorstellungen, die im ersten Kapitel für Deutschland und Frankreich herausgearbeitet wurden.
§ 3 Die denuntiatio des römischen und gemeinen Rechts I. Die denuntiatio des antiken römischen Rechts Die Wurzeln der Abtretungsanzeige liegen im antiken römischen Recht. Hauptsächlicher Bezugspunkt des Diskurses zur römischen denuntiatio, die die Abtretungsanzeige (nur) des Zessionars an den Schuldner bezeichnet, sind zwei kaiserliche Reskripte aus dem frühen 3. Jh. n. Chr. Alexander Severus bestimmte nach C. 8,16,4 (225 n. Chr.), dass der Drittschuldner bei einer Forderungsverpfändung nicht mehr befreiend an den Verpfänder leisten könne, wenn ihm die Verpfändung durch den Pfandgläubiger bekannt gemacht worden war1. Eine allgemeinere und ausdrücklichere Erwähnung der denuntiatio findet sich bei Gordian C. 8,41,3 (239 n. Chr.). Er reskribierte konkret zur Zession, dass die denuntiatio des Zessionars dem Zedenten die Möglichkeit nehme, die Leistung vom Schuldner zu fordern. Dieselbe Wirkung hatten nach der Quelle auch die Annahme einer Teilzahlung durch den Zessionar sowie die Streitbefestigung (litis contestatio) zwischen Zessionar und Schuldner 2. Die Bedeutung der denuntiatio in der römischen Zessionsdogmatik ist in vielerlei Hinsicht umstritten. Zunächst ist aufgrund der beiden Reskripte genau genommen unklar, ob die Anzeige tatsächlich die befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten unmöglich machte (in diese Richtung weist der Wortlaut von C. 8,16,4) oder ob sie lediglich die Wirkung hatte, dem Zedenten das Recht zu nehmen, die Leistung einzufordern (so der Wortlaut von C. 8,41,3: „non ve1 Alexander C. 8,16,4: […] Nomen quoque debitoris pignerari et generaliter et specialiter posse pridem placuit. quare si debitor is satis non facit, cui tu credidisti, ille, cuius nomen tibi pignori datum est, nisi ei cui debuit solvit nondum certior a te de obligatione tua factus, utilibus actionibus satis tibi facere usque ad id, quod tibi deberi a creditore eius probaveris, compelletur, quatenus tamen ipse debet […]. 2 Gordian C. 8,41,3: […] Si delegatio non est interposita debitoris tui ac propterea actiones apud te remanserunt, quamvis creditori tuo adversus eum solutionis causa mandaveris actiones, tamen, antequam lis contestetur vel aliquid ex debito accipiat vel debitori tuo denuntiaverit, exigere a debitore tuo debitam quantitatem non vetaris et eo modo tui creditoris exactionem contra eum inhibere […].
§ 3 Die denuntiatio des römischen und gemeinen Rechts
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taris“). Im letzteren Fall hätte die Anzeige lediglich zu einer exceptio des vom Zedenten verklagten Schuldners geführt; diese hätte der Schuldner aber keineswegs immer erheben müssen und eine befreiende Leistung des Schuldners wäre weiter möglich gewesen3. Eine exceptio doli stand dem Schuldner (freilich unter der tatsächlichen Voraussetzung, dass er irgendwie Kenntnis von der Zession erlangt hatte) seit Einführung der actio utilis allerdings immer, unabhängig von einer denuntiatio, gegen den klagenden Zedenten zu4. Ein einredefreies Einforderungsrecht des Zedenten bestand also nach der Zession ohnehin nicht mehr. Deshalb ist es eher unplausibel, dem Reskript Gordians nur die Aussage beimessen zu wollen, die denuntiatio gebe dem Schuldner eine exceptio gegen den Zedenten; dazu war sie schlicht nicht notwendig. Somit liegt es näher, auch C. 8,41,3 dahingehend zu verstehen, dass die Anzeige dem Schuldner die Möglichkeit nahm, mit befreiender Wirkung an den Zedenten zu leisten5. In der romanistischen Forschung ist weiterhin kontrovers, ob die denuntiatio tatsächlich schon am Ende der Spätklassik als ein solches selbstständiges Sicherungsmittel des Zessionars gegen eine befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten etabliert war. In der älteren romanistischen Literatur wurde seit Bähr ganz überwiegend eine Interpolation insbesondere von C. 8,41,3 angenommen; die denuntiatio habe sich erst in der nachklassischen, oströmischen Praxis herausgebildet6. Zwingend oder auch nur besonders plausibel ist diese Interpolationsvermutung allerdings nicht7. 3 Auf
diesen Unterschied weist z. B. Eisele, Actio utilis, S. 49 f. hin. So vor allem Weiss, Institutionen des Römischen Privatrechts, S. 335 f. Belegt ist dies für den Erbschaftskauf bei Ulpian D. 2,14,16: Macht der Erbschaftsverkäufer eine Forderung aus der Erbschaft geltend, kann der Schuldner dieser Forderung ihm eine exceptio doli entgegenhalten. Der Gedanke ist für jede Zession verallgemeinerungsfähig. Anders sahen dies freilich noch die Verfechter der Unübertragbarkeit der Forderung in der historischen Rechtsschule (dazu unten S. 160 f.) sowie später auch noch Windscheid, der aus den Worten „non vetaris“ in C. 8,41,3 folgerte, dass der Zedent bis zur denuntiatio sein Recht auch gegen den Willen des um die Zession wissenden Schuldners durchsetzen konnte; dazu unten S. 162 f. Anders aber die heute h. M.: Luig, Zessionslehre, S. 6 und Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 9 nehmen eine exceptio doli im klassischen Recht an. Kaser, Rezension zu Gehrich, S. 393 argumentierte zwar dagegen, dass eine solche exceptio vom Prätor nicht habe gewährt werden können, weil dazu dolus gegenüber dem Beklagten notwendig gewesen sei; der Zedent handele bei der Klage aber nur gegenüber dem Zessionar, nicht aber gegenüber dem beklagten Schuldner, der ja durch die Zahlung frei werden konnte, arglistig. Dies überzeugt allerdings nicht angesichts der genannten Quelle (Ulpian D. 2,14,16), in der dolus des klagenden Erbschaftsverkäufers gegenüber dem nichtbeklagten Erbschaftskäufer eindeutig für die Gewährung der exceptio doli ausreichte. 5 So auch die seit Bähr (dazu unten S. 164 f.) herrschende Interpretation; vgl. etwa Kaser, Privatrecht, Bd. 2, S. 453; Zimmermann, Law of Obligations, S. 63, Fn. 9 und Luig, Zessionslehre, S. 7. 6 Grundlegend Bähr, Cessionslehre, S. 378 ff., 391 ff., 499; ebenso dann Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 113, § 1, I (für Frankreich); Eisele, Actio utilis, S. 49 f.; Drechsler, Actio utilis, S. 33, 73, 78, Fn. 2; Levy, Obligationenrecht, S. 155 f., Fn. 111; Kaser, Privatrecht, Bd. 2, S. 453, Fn. 16; Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 279 sowie Zimmer4
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
Wichtiger als diese historische Einordnung ist aber die übergreifende Frage, ob sich ein allgemeines Kriterium für den Zeitpunkt aufstellen lässt, ab dem im antiken römischen Recht die befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten ausgeschlossen war. Auch dies ist umstritten. Mit anderen Worten ist unklar, ob die in C. 8,41,3 genannten Tatbestände (denuntiatio, Streitbefestigung und Abschlagszahlung) notwendige Bedingungen dafür waren, dass der Schuldner nicht mehr befreiend an den Zedenten leisten konnte, oder ob nicht vielmehr zumindest in nachklassischer Zeit jede Kenntnis des Schuldners von der Zession genügte und die denuntiatio nur eine sichere von vielen denkbaren Möglichkeiten war, diese Kenntnis herbeizuführen8. Die beiden Reskripte aus dem Codex scheinen für die Notwendigkeit der Anzeige zu sprechen. Dagegen lassen sich andere Stellen als Indiz für die gegenteilige Ansicht anführen, insbesondere Papinian D. 2,15,179: Demnach kann ein Erbschaftsschuldner einen mann, Law of Obligations, S. 63, Fn. 209. Interpoliert seien demnach die Fälle der Annahme einer Teilzahlung und der denuntiatio; klassisch sei nur die litis contestatio. Insbesondere Gehrich, Kognitur, S. 22 ff. nahm dagegen die Klassizität der denuntiatio an; kritisch dazu aber wieder Kaser, Rezension zu Gehrich, S. 393. Weitere Nachweise bei Rozwadowski, Trasferimento dei crediti, S. 91 f., Fn. 75 f. Keine Interpolationsvermutung findet sich mehr in der neueren Literatur, etwa bei Kaser / Knütel / Lohsse, Römisches Privatrecht, § 55, Rn. 7 und Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 708. 7 Zur Begründung für die Interpolationsvermutung argumentierte man hauptsächlich mit einem grammatischen Bruch innerhalb des Fragments C. 8,41,3 (Wortlaut oben S. 88, Fn. 2); dazu Bähr, Cessionslehre, S. 499: Nach der Passivkonstruktion lis contestetur folgten zwei Verben im Aktiv (accipiat und denuntiaverit), denen das Subjekt fehle. Eine abweichende Lesart der Codex-Stelle nach Haloander könnte dieses ohnehin nur sprachlich-formale Indiz jedoch entkräften, dazu Gehrich, Kognitur, S. 23: Demnach hieße es in C. 8,41,3 litem contestetur. Damit wäre der gesamte Satz aktivisch formuliert (contestetur wäre dann Deponens) und für alle drei Verben läge das gemeinsame Subjekt creditor aus dem vorangehenden Halbsatz nahe (= der Zessionar als Gläubiger des Zedenten bei der Delegation). Inhaltliche Gründe für eine Interpolation nannte ebenfalls hauptsächlich Bähr: Die Gleichstellung von Streitbefestigung und denuntiatio passe nicht zum „Wesen der Delegation“, um die es im Fragment gehe. Damit meinte Bähr offenbar, dass der Zessionar bei der Delegation mittels Mandat erst ab der Streitbefestigung (oder einer Novation) ein eigenes Klagerecht gehabt habe und diese Wirkung unmöglich auch der vom Prozess unabhängigen Abtretungsanzeige habe zukommen können. Diese Argumentation verkennt aber, dass bereits im 2. Jh. n. Chr. die actio utilis gewährt wurde (dazu oben S. 10), der Zessionar also bereits ohnehin aus eigenem Recht vorgehen konnte. Weder Streitbefestigung noch denuntiatio waren daher in der Spätklassik notwendig, um dem Zessionar ein eigenes Klagerecht zu verschaffen. Damit bleibt es inhaltlich weiter gut möglich, dass Streitbefestigung, Teilzahlung und denuntiatio in C. 8,41,3 gleichermaßen lediglich den Zweck haben sollten, eine befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten zu verhindern. An einer Interpolation daher auch zu Recht selbst zweifelnd Kaser, Pignus nominis, S. 407, Fn. 64. Starke Zweifel an Bährs Argumentation und an einer substanziellen Interpolation hatte auch Rozwadowski, Trasferimento dei crediti, S. 90–95. 8 Nachweise zu der Kontroverse bei Luig, Zessionslehre, S. 7 f. Luig selbst nimmt an, dass jede Kenntnis genügt habe. Dafür z. B. auch Bähr, Cessionslehre, S. 422–439 gegen die bis dahin herrschende Ansicht in der Pandektistik (näher unten S. 160 ff.); ihm folgend Gide, Études, S. 375. 9 Luig, Zessionslehre, S. 8; Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 113, § 1, I m. w. N.
§ 3 Die denuntiatio des römischen und gemeinen Rechts
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Vergleich, den er in Unkenntnis vom Verkauf der Erbschaft mit dem Erbschaftsverkäufer über eine zur Erbschaft gehörende Forderung geschlossen hat, dem Erbschaftskäufer entgegenhalten. Dies ist freilich genau genommen keine ganz klare Aussage darüber, ab wann ein Vergleich nicht mehr diese Wirkung hätte (ab Kenntnis oder ab Anzeige); und vor allem geht es um die Wirkung eines Vergleichs und nicht um die Wirkung einer Einziehung der Forderung. Sichere Auskunft geben die Quellen daher nicht. Jedenfalls war die denuntiatio im nachklassischen oströmischen Recht in der Praxis die Regel10. Entgegen der Annahme einiger Pandektisten im 19. Jahrhundert hatte sie keinesfalls die Bedeutung, dass erst durch sie das Recht des Zessionars entstand11 – dessen actio utilis bestand unabhängig von der Anzeige ab der Zession12. Schließlich ist noch kontrovers, welche Rückschlüsse von der in C. 8,41,3 grundsätzlich anerkannten Möglichkeit einer befreienden Leistung an den Zedenten auf den römischen Zessionsbegriff allgemein gezogen werden können. Für die Glossatoren war die befreiende Leistung die hauptsächliche Begründung dafür, dass die ursprüngliche obligatio durch die Zession nicht habe übergehen können13. Die späteren Autoren des usus modernus, die eine Übertragbarkeit der Forderung schon im römischen Recht annahmen14, argumentierten dagegen genau entgegengesetzt: Die befreiende Leistung an den tatsächlich nicht mehr berechtigten Zedenten werde nach der Zession – wie heute – nur aus Billigkeitsgründen bis zur Kenntniserlangung bzw. bis zur Anzeige anerkannt; der Schuldner werde also nicht befreit, weil der Zedent noch Gläubiger sei, sondern obwohl er es nicht mehr sei15. Keine der beiden Sichtweisen scheint nach den Quellen ausgeschlossen; letztlich bleiben damit zwingende Schlüsse aus den Quellen zur denuntiatio auf die Übertragbarkeit der Forderung im römischen Recht problematisch. 10 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 9 sowie Luig, 11 So Valckenberg, Denuntiation, S. 11 ff. m. w. N.
Zessionslehre, S. 7 m. N.
12 So auch die schon im 19. Jahrhundert herrschende Lehre, die Valckenberg, Denuntiation, S. 10 ff. selbst referierte. In der moderneren Literatur ist dies die einhellige Meinung, vgl. z. B. Luig, Zessionslehre, S. 7. 13 Dazu oben S. 12, Fn. 30. 14 S. oben S. 17, Fn. 62. 15 Näher unten S. 93 f. Zu weitgehend wohl Luig, Zessionslehre, S. 7, der argumentiert, dass im römischen Recht bereits die nach der Zession bestehende exceptio doli des Schuldners die „Unwirksamkeit“ des Anspruchs des Zedenten herbeigeführt habe und daher eine befreiende Leistung bis zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung (den Luig für maßgeblich hält) nur aus Billigkeitsgründen möglich gewesen sei. Selbst Windscheid als Begründer der Übertragbarkeit im römischem Recht war nicht soweit gegangen, den Anspruch des Zedenten nach römischem Recht als untergegangen zu kennzeichnen, sondern differenzierter als materiellrechtlich irrelevante, leere „Hülle“, s. oben S. 69, Fn. 381. Darüber hinaus scheint es nicht unmittelbar plausibel, aus dem Bestehen einer exceptio die „Unwirksamkeit“ eines Anspruchs herzuleiten. Die Glossatoren lehrten zwar auch zum Teil, dass die actio directa des Zedenten untergehe, allerdings nicht schon mit der Zession, sondern erst durch die denuntiatio, dazu sogleich S. 92.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
Sicher feststellen lässt sich damit zusammenfassend lediglich, dass die de nunutiatio im römischen Recht – spätestens in justinianischer, wahrscheinlicher aber schon in klassischer Zeit – ein Mittel des Zessionars war, um die befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten unmöglich zu machen. Ob auch anderweitige Kenntnis des Schuldners (zum Beispiel durch eine Mitteilung des Zedenten) ausreichte, ist unklar. Eine besondere Form der römischen denuntiatio ist schließlich nicht überliefert.
II. Die denuntiatio bei den Glossatoren Im legistischen Diskurs spiegelten sich die Unklarheiten der antiken Quellen zur denuntiatio. Das von den Glossatoren viel diskutierte Problem des Verhältnisses der actio directa (des Zedenten) zur actio utilis (des Zessionars)16 stellte sich auch im Zusammenhang mit der denuntiatio: Die Glossatoren erörterten, wie die Anzeige dieses Verhältnis beeinflusste. Allerdings gaben sie darauf insgesamt keine eindeutige Antwort. So formulierte Azo zunächst an einer Stelle seiner Kodexsumme, dass der Zessionar dem Zedenten in den in C. 8,41,3 genannten Fällen (denuntiatio, Streitbefestigung und Abschlagszahlung) mit seiner actio „vorgehe“17, ohne dies zu präzisieren. Im Widerspruch dazu standen aber die Ausführungen des Accursius in der Glosse. Demnach ging der Zessionar dem Zedenten unter Umständen schon vor der denuntiatio vor18; die Anzeige müsste hier also eine weniger technische Bedeutung als bei Azo gehabt haben. An anderer Stelle seines Werkes lehrte allerdings auch Azo etwas anderes, nämlich, dass die actio directa des Zedenten in den Fällen von C. 8,41,3, also auch durch die denuntiatio, ganz „untergehe“ (perire)19. Ein anderer Streitpunkt war für die weitere Entwicklung der denuntiatio bedeutender: Die Glossatoren diskutierten ausdrücklich die Frage, ob nur die Anzeige (durch den Zessionar) die befreiende Leistung des Schuldners ausschließe, oder auch jede anderweitig erlangte Kenntnis. Auch hier ergab sich für sie aus den Quellen allerdings kein einheitliches Bild, weshalb die Glossatoren in dieser Frage ebenfalls schwankten: Accursius gab beispielsweise bei der Glossierung der eher für die Notwendigkeit der denuntiatio sprechenden CodexStellen die eine, bei der Kommentierung der Papinianstelle (D. 2,15,17)20 die 16
Dazu oben S. 13 f. Azo, Summa Codicis, De hereditate, vel actione vendita (C. 4,39), Nr. 4: „[…] praeferetur venditor in agendo emptori, nisi in tribus casibus […]“. 18 Accursius, Glossa Ordinaria, Gl. exigere zu C. 8,41,3: „[…] videtur procuratorem in rem suam praeferendum […]“ und weiter zu dem Fall, dass Zedent und Zessionar gleichzeitig die Streitbefestigung vornähmen: „qui habet utilem, videtur praeferri“. 19 Luig, Zessionslehre, S. 15, Fn. 89 mit Verweis auf Azo, Summa Codicis, De novationibus & delegationibus (C. 8,41), Nr. 9: „[…] actio prima perit […].“ Später formulierte demnach auch Baldus, dass die actio directa „vernichtet“ (elidere) werde. 20 Dazu oben S. 90 f. 17
§ 3 Die denuntiatio des römischen und gemeinen Rechts
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andere Antwort21. Erst die späteren Juristen ab dem 14. Jahrhundert argumentierten zunehmend konsequent, dass jede Kenntnis ausreiche. Insbesondere lehrte dies der einflussreiche Bartolus22; er berief sich dafür ebenfalls vor allem auf Papinian D. 2,15,17. Für die legistischen Diskussionen bleibt damit festzuhalten, dass die Glossatoren wie beim Zessionsbegriff allgemein23 auch in der Frage der denuntiatio insgesamt zu keiner einheitlichen Konzeption gelangten. Ihre Theorien konnten sie nie sicher aus den Quellen belegen; und für das Problem des Verhältnisses der actio directa zur actio utilis konnten sie auch mit Hilfe der denuntiatio keine klarere Lösung finden. Sie stellten und diskutierten immerhin erstmals explizit die für die Zukunft wegweisende Frage, ob die befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten nur durch eine Anzeige des Zessionars oder auch durch sonstige Kenntnis des Schuldners ausgeschlossen sei. Das Zusammenspiel von denuntiatio und Schuldnerschutz bestimmte den Diskurs in Deutschland und Frankreich bis zum Erlass der Kodifikationen und darüber hinaus.
III. Die denuntiatio im usus modernus Vermittelt durch das Werk Donellus’ setzten sich die Diskussionen über die Notwendigkeit der denuntiatio im usus modernus fort. Donellus hatte die Problematik im 15. Jahrhundert im Anschluss an Bartolus ausführlich diskutiert. Er folgte der Ansicht des Bartolus mit dem Argument, dass man niemanden in Kenntnis setzen (certiorare; ähnlich certior facere in C. 8,16,4) müsse, der diese Kenntnis schon habe24. Diese Auffassung setzte sich durch und blieb anschließend im usus modernus bis zum Ende des 18. Jahrhunderts herrschend25. Für viele Autoren im usus modernus bestand dabei offenbar ein – logisch nicht vorgezeichneter – Zusammenhang zwischen der Frage nach der Übertragbarkeit der Forderung und der Frage nach der Notwendigkeit der Anzeige26: Die Anhänger des römischen Unübertragbarkeitsgedankens tendierten unter Verweis auf C. 8,41,3 dazu, die denuntiatio als ein notwendiges und nicht durch 21 Nach
Accursius, Glossa Ordinaria, Gl. utilibus zu C. 8,17,4 soll nur die denuntiatio durch den Zessionar zum Ausschluss der befreienden Leistung führen. Jede Kenntnis lässt Accursius dagegen in der Gl. ignorabat zu D. 2,15,17 explizit ausreichen. Weitere Nachweise zu den Ansichten der Glossatoren in dieser Frage finden sich bei Grosskopf, Geskiedenis, S. 71 ff. 22 Bartolus de Saxoferrato, Commentaria in Codicem, Quae res pignori obligari possunt […] (C. 8,17), Nr. 7: „[…] denunciatio non sit necessaria scienti“. 23 Dazu oben S. 11 ff. 24 Donellus, Commentarii de jure civili, lib. 15, cap. 44, n. 21: „Sed verius est, quod et Bartolus probat […] satis esse debitorem undecunque certo scire cessionem esse factam, ut invito eo cui actio cessa est, non sit illi integrum creditori qui cessit, solvere. […] Neque enim certiorari debet, qui non ignoravit“. 25 Detailliert Luig, Zessionslehre, S. 23–46. 26 Vgl. auch Luig, Zessionslehre, S. 121.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
sonstige Kenntnis ersetzbares Instrument zu verstehen, um den Schuldner an den Zessionar zu binden. Die zunehmend die Debatte beherrschenden27 Verfechter der Übertragbarkeit gingen dagegen eher davon aus, dass jede Kenntnis des Schuldners genüge und die denuntiatio nicht mehr obligatorisch sei28. Dieser Zusammenhang erscheint aus heutiger Sicht nicht zwingend29. Die Übertragbarkeit der Forderung und die Notwendigkeit der Abtretungsanzeige lassen sich isoliert voneinander betrachten und beurteilen. Der Grund für die Verbindung dieser beiden Problemkreise im usus modernus war offenbar das für viele Befürworter der Unübertragbarkeit plausible Argument der Glossatoren, dass die Forderung nach römischem Recht gerade deshalb unübertragbar sein müsse, weil der Schuldner bis zur denuntiatio befreiend an den Zedenten leisten konnte. Nach dieser Lesart der römischen Quellen ändert die Anzeige noch etwas Grundlegendes an der Rechtslage nach der Zession – sie ist gleichsam konstitutiv für die alleinige Berechtigung des Zessionars sowie für die Nichtbefreiung bei Leistung an den Zedenten, dessen Gläubigerstellung die Zession allein nicht tangiert. Ganz anders argumentierten dagegen die Anhänger der Übertragbarkeit. Die denuntiatio änderte für sie nichts am sofortigen Übergang der Forderung durch die Zession. Damit lag es für diese Autoren nahe, die Anzeige als Instrument des Schuldnerschutzes zu deuten: Bis zur denuntiatio erkannte man die befreiende Leistung an den eigentlich nicht mehr berechtigten Zedenten aus Billigkeitsgründen an, danach nicht mehr. Unter dieser Prämisse war es dann plausibel, in der Streitfrage nach der Notwendigkeit der Anzeige unmittelbar teleologisch mit dem Schuldnerschutz zu argumentieren und konsequent jede sichere Kenntnis genügen zu lassen30.
IV. Zwischenergebnis: die denuntiatio des römischen Rechts – Aneignungsmittel oder Schuldnerschutzinstrument? Das Verständnis der denuntiatio des römischen Rechts ist im privatrechtlichen Diskurs des Mittelalters und der Neuzeit immer umstritten gewesen. Noch heute ist vieles unklar; einigermaßen sicher lässt sich lediglich rekonstruieren, dass die Abtretungsanzeige des Zessionars im antiken römischen Recht dem Schuldner die Möglichkeit nahm, mit befreiender Wirkung an den Zedenten zu leisten. Insbesondere die Frage, ob dazu auch anderweitige Kenntnis genügte, 27 Im
späten usus modernus wurde die Ansicht, dass die Forderung voll überging, herrschend, s. oben S. 17. 28 Diesen Zusammenhang beobachten Luig, Zessionslehre, S. 29 sowie Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 34. 29 So auch Luig, Zessionslehre, S. 121 und Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 34. 30 Besonders deutlich tat dies Lauterbach, Collegii, ad D. 18,4, Nr. 50, 51, indem er den Zweck der denuntiatio nur in der Bekanntmachung der Zession sah und daher jede anderweitige Kenntnis genügen ließ. Ähnlich argumentierte auch Schilter, Praxis iuris Romani, Bd. 2, Exercitatio ad Pandectas XXX, § 65 unmittelbar mit der bona fides des Schuldners.
§ 4 Die Abtretungsanzeige (signification) im französischen Recht
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muss mangels eindeutiger Quellen unbeantwortet bleiben. Im usus modernus war die Beantwortung dieser Frage mit der Frage nach der Übertragbarkeit der Forderung verwoben. Für Anhänger der Unübertragbarkeit war die denuntiatio zumeist konstitutiv und daher notwendig, um bestimmte Wirkungen im Verhältnis Zessionar – Schuldner hervorzurufen, die der Zessionsakt selbst nicht bewirken konnte. Die Autoren, die sich für die Übertragbarkeit aussprachen, sahen dagegen in der Anzeige zunehmend ein Instrument des Schuldnerschutzes, das keineswegs obligatorisch war: Sichere Kenntnis von der Zession ließ den Schuldnerschutz ebenso enden wie die tradierte denuntiatio. Im klassischen naturrechtlichen Diskurs der frühen Neuzeit von Grotius bis Wolff spielte die Abtretungsanzeige schließlich keine Rolle. Forderungen waren im Naturrecht als unkörperliche Sachen genauso wie körperliche Sachen per Konsens frei übertragbar; Mittel zur Aneignung der Forderung waren damit ebenso undenkbar wie spezielle Regelungen zum Schuldnerschutz31. Die naturrechtlichen Kodifikationen gaben daher auch keine einheitliche Antwort auf die Frage nach einer Anzeige: Während das ABGB32 sowie der Codex Maximileaneus Bavaricus33 der herrschenden Meinung im gemeinen Recht folgten und einfache Kenntnis des Schuldners für die Unmöglichkeit der befreienden Leistung ausreichen ließen, entschied sich das ALR für einen Mittelweg. Zwar sollte grundsätzlich nur die Abtretungsanzeige eine befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten verhindern (§§ 414 f., I, 11 ALR)34, doch sollte der Schuldner bei erwiesener Bösgläubigkeit und Schädigungsabsicht auch bereits vorher nicht mehr wirksam an den Zedenten leisten können (§ 417, I, 11, ALR)35. Auf der Grundlage dieses Überblicks über die römische denuntiatio in Antike, Mittelalter und Neuzeit soll nun untersucht werden, wie die Diskussionen in Frankreich und Deutschland verlaufen sind und wie sich im Code civil und im BGB letztlich so unterschiedliche Vorstellungen von der Abtretungsanzeige durchsetzen konnten.
§ 4 Die Abtretungsanzeige (signification) im französischen Recht Im französischen Code civil war die Abtretungsanzeige als sogenannte signification von 1804 bis 2016 in Art. 1690 al. 1 CC1804 geregelt: Le cessionnaire n’est saisi à l’égard des tiers que par la signification du transport faite au dé31 32
S. oben S. 25 ff.; ebenso Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 34. § 1395 S. 2 ABGB. 33 Teil II, Kap. 3, § 8, Nr. 13 CMBC. 34 Das ALR hielt anders als die Autoren der romanistischen Tradition nicht nur eine Anzeige durch den Zessionar, sondern auch durch den Zedenten für statthaft; dazu unten S. 167 f. 35 Zu vergleichbaren Problemen im französischen Recht s. unten S. 135 ff.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
biteur 36. Dritten gegenüber wirkte die Zession also erst nach der signification durch den Zessionar oder den Zedenten37. Dabei war mit Dritten nicht nur der Schuldner gemeint, sondern auch jede andere Person außer Zedent und Zessionar, die in irgendeiner Weise vom Bestand oder Nichtbestand der Forderungsübertragung tangiert sein konnte; insbesondere also auch weitere Zessionare sowie Gläubiger des Zedenten und des Zessionars38. Als signification wirkte die Abtretungsanzeige darüber hinaus grundsätzlich nur bei Einhaltung einer besonderen Form: der förmlichen Zustellung durch den Gerichtsvollzieher39. Die Entstehung und Entwicklung dieser besonderen Form der Abtretungsanzeige soll im Folgenden näher untersucht werden.
I. Die signification im Ancien droit 1. Die Abtretungsanzeige im älteren Recht der Coutumes Das Zessionsrecht des Ancien droit war, wie oben dargelegt, hauptsächlich durch die Coutumes bestimmt; diese ließen bereits vor dem 15. Jahrhundert die Zession ohne Zustimmung und Kenntnis des Schuldners verbreitet zu40. Für diese Frühphase der Coutumes lässt sich zunächst nachweisen, dass die Abtretungsanzeige noch nicht mit konstitutiver Wirkung für den Forderungsübergang ausgestattet war41. Vielmehr fungierte die Anzeige als Instrument des Schuldnerschutzes; dabei bestanden die aus dem legistischen Diskurs zur römischen denuntiatio bekannten Unklarheiten. Das Livre des droiz et des commandemens d’office de justice, eine Kompilation für die Region Poitou aus dem 14. Jahrhundert, erwähnte ausdrücklich, dass man in der Frage der Notwendigkeit der Anzeige für die Unmöglichkeit der befreienden Leistung an den Zeden36 Übers.
d. Aut.: Der Zessionar erwirbt die Forderung Dritten gegenüber erst durch die signification der Abtretung gegenüber dem Schuldner. 37 Meist geschah die signification auf Veranlassung des Zessionars, der dadurch insbesondere die befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten verhindern konnte. Dass theoretisch auch der Zedent die signification in Gang setzen konnte, stellte Art. 1691 CC1804 klar, vgl. dazu nur für das 19. Jahrhundert Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 485; im 20. Jahrhundert dann Raynaud, Contrats, S. 167; zuletzt Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1281. 38 Für das 19. Jahrhundert z. B. Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 481 ff. und Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 299; aus der modernen Literatur zur Rechtslage bis 2016 Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1284. 39 Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 484; Huc, Cession, Bd. 2, Nr. 325; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1281. Explizit ist die Notwendigkeit des Tätigwerdens eines Gerichtsvollziehers (huissier) erst 1976 in der französischen Zivilprozessordnung geregelt worden: Art. 651, 653 ff. CPC. Seit 2012 konnte die Anzeige vom Gerichtsvollzieher auch elektronisch zugestellt werden, Art. 653 CPC. 40 S. oben S. 43 ff. 41 Brunner, Inhaberpapier, S. 15 ff.; Schumann, Forderungsabtretung, S. 33–35 jeweils mit einigen Nachweisen; undeutlich hingegen Glasson, Histoire, Bd. 7, S. 626 f. (siehe dazu die folgende Fußnote).
§ 4 Die Abtretungsanzeige (signification) im französischen Recht
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ten sowohl der einen als auch der anderen Meinung sein könne42. Auch sonstige Quellen aus der frühen Zeit der Coutumes lassen keine Rückschlüsse auf eine einheitliche Beantwortung dieser Frage zu. Bereits im 13. Jahrhundert argumentierte Pierre de Fontaines, möglicherweise schon unter dem Einfluss der einschlägigen Digestenstelle43, dass ein Erbschaftsschuldner in Unkenntnis des Erbschaftsverkaufs befreiend an den Verkäufer leisten könne; unklar blieb in seinen Ausführungen aber genau genommen, ab wann keine befreiende Leistung mehr möglich wäre (ab Kenntnis oder ab einer Anzeige)44. Klarer schrieb Jean Masuer im 15. Jahrhundert in seinem Werk Practica forensis zu den Coutumes d’Auvergne, dass der Zessionar durch eine „insinuation“ der Zession verhindern könne, dass der Schuldner an den Zedenten leiste; leiste der Schuldner danach gleichwohl, werde er nicht von der Schuld befreit45. Einfache Kenntnis von der Zession reichte nach dieser Quelle also nicht aus. Vor dem 16. Jahrhundert war eine besondere Form der Abtretungsanzeige offenbar nicht üblich. Für die spätere Gerichtsförmigkeit der Anzeige ist allerdings ein Hinweis in den Practica forensis Masuers interessant: Zwar ging dieser grundsätzlich von einer formlosen „insinuation“ aus; zur größeren Sicherheit („pro maiori securitate“) könne jedoch durch einen Gerichtsdiener ein strafbewehrtes Arrestatorium überbracht werden46.
2. Die konstitutive signification: un simple transport ne saisit point Ab dem 16. Jahrhundert lässt sich in den Coutumes der pays du droit coutumier47 eine neue Entwicklung beobachten. Etliche Coutumes kannten nun eine 42 Brunner, Inhaberpapier, S. 20 f. unter Verweis auf Beautemps-Beaupré (Hrsg.), Livre des droiz, Bd. 2, Nr. 760. Anders die missverständlichen Ausführungen von Glasson, Histoire, Bd. 7, S. 626 f., der dem Livre des droiz die Aussage entnehmen will, die Anzeige sei „notwendig“ gewesen. Dabei wird zunächst nicht klar, ob Glasson damit „notwendig für den Forderungsübergang“ oder „notwendig für die Unmöglichkeit der befreienden Leistung an den Zedenten“ meinte. Tatsächlich diskutierte die mittelalterliche Quelle überhaupt nur die Notwendigkeit für die Unmöglichkeit der befreienden Leistung; eine für den Forderungsübergang konstitutive Anzeige war zu dieser Zeit noch kein Thema. Zwar ist Glasson darin zuzustimmen, dass der Text zur Zession im Livre des droiz ausgesprochen unklar formuliert ist; dennoch ist seine Aussage, der Autor bejahe die Frage nach der Notwendigkeit, der Quelle nicht zu entnehmen. Plausibel ist vielmehr die Interpretation Brunners, der den Satz „Et bien puet l’en tenir le contraire […]“ als Beleg dafür ansieht, dass der Autor des Livre des droiz in der Frage selbst schwankte. Dazu passt auch, dass der Verfasser wie die Glossatoren und das römische Recht zwischen Delegation und Zession unterschied, also offenbar mit den in dieser Frage kontroversen legistischen Diskussionen vertraut war. 43 Dazu oben S. 90 f. 44 Fontaines, Conseil, S. 138 f. 45 Masuer, Practica, tit. 32 (de solutionibus, compensationibus, & liberationibus), n. 8. Es sei nützlich, wenn die „insinuation“ vor Zeugen geschehe und die Zessionsurkunde dabei vorgezeigt werde; notwendig sei das nach dem Gewohnheitsrecht aber nicht. 46 Masuer, Practica, tit. 32 (de solutionibus, compensationibus, & liberationibus), n. 8. 47 Zur juristischen Zweiteilung Frankreichs unter dem Ancien droit oben S. 45 f.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
für die Wirksamkeit des Zessionsaktes selbst erforderliche und damit konstitutive, förmliche Abtretungsanzeige, die signification. Wo diese Veränderung ihren Ursprung hatte, ist nicht unmittelbar ersichtlich; als wegweisend gelten aber die zu Beginn des 16. Jahrhunderts erstmals abgefassten Pariser Coutumes48. Dort fand sich in der Tat bereits in Art. 170 der ersten schriftlichen Fassung von 1510 der für die französische Zessionsdogmatik grundlegende Satz „Un simple transport ne saisit point“49. Von einer signification war hier aber noch nicht die Rede. Die Regel wurde, wie gesehen50, erst bei der Überarbeitung der Pariser Coutumes 1580 in Art. 108 klarstellend erweitert: „Un simple transport ne saisit point, et faut signifier le transport à la partie, et en bailler copie auparavant que d’exécuter.“51 Die Wirksamkeit der Zession setzte damit (so die Auslegung der damaligen Juristen52) sowohl inter partes als auch erga omnes eine gerichtliche Zustellung der Zessionsurkunde voraus. Wie konnte diese für das französische Zessionsrecht bis 2016 prägende Regel in den Pariser Coutumes entstehen?
a) Erwerb der saisine und Traditionsprinzip Zunächst ist der Wortlaut der vielzitierten Wendung ne saisit point aufschlussreich für die Entstehung der signification. Bei der saisine des mittelalterlichen französischen Rechts handelte es sich um ein der germanischen Gewere vergleichbares Rechtsinstitut, das Elemente einer tatsächlichen Herrschaft mit einer rechtlich geschützten Inhaberschaft vereinte53. Saisir bezeichnete dabei den Vorgang, der zum Erwerb saisine führte. Die saisine konnte im Gegensatz zum römischen Besitz (possessio) nicht nur an körperlichen Gegenständen erworben werden, sondern auch an allen erdenklichen Rechten sowie Rechtsund tatsächlichen Positionen; und damit auch an Forderungen54. Bedeutsam für das Verständnis der Regel zur Zession ist dabei, dass der abgeleitete Erwerb der saisine ursprünglich einen Akt der tatsächlichen (appréhension, bei Mobilien) oder symbolischen (investiture, bei Immobilien) Ergreifung voraussetzte55. Im feudalen Zeitalter wurde daraus für alle Sachen die investiture, eine symboli48
So statt aller Schumann, Forderungsabtretung, S. 69. Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. III, S. 13. Transport ist ein seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesener Begriff für die Zession, dazu Brunner, Inhaberpapier, S. 19. 50 S. oben S. 44 f. 51 Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. III, S. 39. 52 Dazu unten S. 104 ff. 53 Martin, Histoire, Bd. 2, S. 46 ff.; Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 358 ff.; vgl. auch Ourliac / Gazzaniga, Histoire, S. 207 ff. sowie Warnkönig / Warnkönig, Rechtsgeschichte, S. 295 ff. Ausführlich die ältere Darstellung von Klimrath, Saisine. Einzelheiten sind unklar und umstritten. 54 Martin, Histoire, Bd. 2, S. 47 m. w. N. 55 Glasson, Histoire, Bd. 7, S. 616; Martin, Coutume, S. 69; Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 360; Klimrath, Saisine, passim. 49
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sche Übergabe vor dem Lehnsherren, bei der die saisine vom Veräußerer auf den Lehnsherren und von diesem auf den Erwerber überging56. Im Zuge der Rezeption des römischen Rechts vermischte sich der Begriff der saisine ab dem 13. Jahrhundert mit dem des römischrechtlichen Besitzes (possessio); das Traditionsprinzip wurde vielfach rezipiert und die begrifflichen Trennlinien zwischen possessio, saisine und Eigentum (propriété) wurden unscharf 57. Details sind hier für das Verständnis der signification nicht weiterführend. Mit Sicherheit steht aber fest, dass im 15. Jahrhundert ganz allgemein die bloße Einigung bei Veräußerungsgeschäften nicht ohne weiteres für den Rechtserwerb ausreichte. Zwar wird in der rechtshistorischen Literatur verbreitet betont, dass sich in der Praxis sowohl die feudale investiture als auch die römischrechtliche traditio zurückbildeten: Insbesondere gewannen in der Veräußerungsurkunde fingierte Übergaben (traditio ficta bzw. tradition feinte) sowie Besitzkonstitute an Bedeutung58. Zunehmend wurden ebenso der Verlust und der Erwerb der saisine, die die feudale investiture gekennzeichnet hatten, durch eine clause de dessaisine-saisine fingiert59; diese wirkte nach dem Verständnis der damaligen Juristen wie eine tatsächliche Übergabe60. Etliche Autoren sehen daher das Traditionsprinzip in Frankreich schon ab dem 15. Jahrhundert im Niedergang61. Doch geht es zu weit, für diese Zeit bereits vom Konsensprinzip zu sprechen62. Denn einerseits war die Wirkung der beschriebenen Klauseln als Übergabesur-
56 Martin, Coutume, S. 62–66; Lévy / Castaldo, Histoire, S. 360, 393–395. Ausführlich auch Klimrath, Saisine, passim mit Quellennachweisen. 57 Glasson, Histoire, Bd. 7, S. 615–617 sowie Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 361 (S. 520) mit Verweis auf das Werk Philippe de Beaumanoirs, der bereits im 13. Jahrhundert unter römischrechtlichem Einfluss ein Rechtshandbuch zu den Coutumes der nordfranzösischen Region um Beauvais verfasste, sowie weitere Autoren des 14. Jahrhunderts (u. a. Jean Boutillier). Vom römischen Recht beeinflusste Ausführungen zum Besitzschutz finden sich beispielsweise bei Beaumanoir, Coutumes du Beauvoisis, chap. 32 (S. 465 ff.); dazu Klimrath, Saisine, S. 372 ff. 58 Ausführlich Kohler, Vertrag und Uebergabe, S. 13–49 sowie Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 396 (auch zum Folgenden). Zu je weiteren Aspekten Martin, Histoire, S. 65; Schefold, Zeitpunkt, S. 14–17; Schrage, Traditionibus, S. 948; Rodríguez-Rosado, Abstraktionsprinzip, S. 51; Michaels, Sachzuordnung, S. 152 m. w. N. Speziell zum Besitzkonstitut Wacke, Besitzkonstitut, S. 20 m. w. N. 59 Ursprünglich diente die clause de dessaisine-saisine wohl zur Fiktion der bei einer Schenkung nötigen tatsächlichen Übergabe. Ab dem 14. Jahrhundert fand sie auch bei Kaufverträgen Anwendung und ersetzte die feudale investiture: Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 396. 60 Im 16. Jahrhundert zum Beispiel Loysel, Institutes, Bd. 2, Nr. 746: „Dessaisine et saisine faite en présence de notaires et de témoins vaut et équipolle à tradition et délivrance de possession.“ Die Regel findet sich mit ähnlichem Wortlaut in Art. 218 der Coutume d’Orléans von 1509 (Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. III, S. 749) sowie Art. 278 der Coutume d’Orléans von 1583 (a. a. O., S. 795). 61 Schrage, Traditionibus, S. 948; Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 396; Martin, Coutume, S. 62–66. 62 So aber der Sache nach Martin, Coutume, S. 65 sowie Schrage, Traditionibus, S. 948.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
rogate nicht unbestritten63. Und andererseits zeigt die Beobachtung, dass solche Klauseln in Vertragsurkunden die Übergabe fingieren mussten, dass das Konsensprinzip dogmatisch gerade noch nicht galt; vielmehr war die traditio jedenfalls vor dem 18. Jahrhundert noch eine gedankliche und bei vielen damaligen Juristen in der Theorie selbstverständliche Voraussetzung des Rechtserwerbs64.
b) Die saisine der Forderung durch appréhension Erstmals im 16. Jahrhundert lässt sich nun das Erfordernis der signification für den Erwerb der saisine an Forderungen65 in den Coutumes de Paris (1580) nachweisen66. Die Details der Entstehung der signification und der genaue Zeitpunkt, ab dem die Zession zu ihrer Wirksamkeit der gerichtlichen Abtretungsanzeige bedurfte, lassen sich anhand der Quellen nicht ohne weiteres nachvollziehen. Naheliegend, aber in dieser Verkürzung zu undifferenziert ist die Annahme, mit der Einführung der signification sei die Zession der Sachübereignung, die nach dem eben Gesagten ein Traditionserfordernis grundsätzlich kannte, gleichgestellt worden67. Heinrich Brunner beschäftigte sich am Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Abhandlung über mittelalterliche Inhaberpapiere in Frankreich historisch genauer mit der Entstehung der signification. Er vermutete – allerdings auch ohne detaillierte Erläuterung der Zusammenhänge –, dass die signification konkret aus dem Schenkungsrecht der Coutumes entlehnt worden sei68. Denn verschiedene Coutumes kannten die Regel, dass eine Schenkung erst mit Erwerb des Besitzes an der Sache wirksam wurde; schon für das 13. Jahrhundert lassen sich die Rechtssprichwörter „Don ne vaut sans la saisine de la chose“ und „Donner et retenir ne vaut“ nachweisen69. Eine Formulierung in den Coutumes de Mantes vom Anfang des 16. Jahrhunderts spricht nun dafür, dass diese Regel zunächst bei Forderungsschenkungen auch auf die Zession angewendet wurde (Tit. IV, Art. 3): „Un simple don de cession ou transport ne saisit point le [donataire], s’il n’y a apprehension de fait.“70 Of63 Kohler, Dinglicher Vertrag, S. 10 f. m. N.; Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 397 mit Verweis auf Dumoulin. 64 So auch Roth, Abstraktions- und Konsensprinzip, S. 376. Näher zur späteren Entstehung des Konsensprinzips im späteren Ancien droit unten S. 111 f. 65 Hier und im Folgenden bezeichnet saisine im Bezug auf Forderungen offenbar immer die rechtliche Inhaberschaft bzw. das Eigentum an der Forderung. 66 S. oben S. 98. 67 So Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 113, § 1, II. 68 Brunner, Inhaberpapier, S. 26, Fn. 1; ihm folgt Graner, Forderungsabtretung, S. 22 f., der diese Theorie anschließend mit dem Erklärungsansatz Wahls (s. Fn. 67) kombiniert. 69 Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 1018. 70 Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 175. Die verwendete Ausgabe liest „Un simple don de cession ou transport ne saisit point le donateur […]“. Doch ist dies inhaltlich sinnlos, gemeint sein kann nur der Beschenkte (donataire) und nicht der Schenker (donateur). Dass ein Schreibfehler vorliegt, bestätigt der Vergleich mit der überarbeiteten Fassung der Coutumes de Mantes von 1550 (dazu sogleich im Text): In Art. 90 heißt es dort
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fenbar galt die Regelung aus dem Schenkungsrecht, die einen Besitzerwerb verlangte, also auch für die schenkweise Zession (don de cession); auch hier sollte eine appréhension nötig sein. Darüber hinaus weiteten diese Coutumes die Regel aber auch schon auf entgeltliche Abtretungsgeschäfte aus, wie sich aus der alternativen Formulierung ergibt: „Un simple don de cession ou transport […]“. Noch deutlicher wird dies in der überarbeiteten Fassung der Coutumes de Mantes von 1550 (Art. 90): „Simples dons, cessions, & transports, ne saisissent les donataires, s’il n’y a apprehension de fait, ou clause translative de possession, comme constitut, precaire, ou autre.“71 Hier wurden Schenkungen (dons) und – nicht notwendig unentgeltliche – Abtretungen (cessions und transports) auf Tatbestandsseite ausdrücklich gleich behandelt, der Erwerber allerdings in beiden Fällen als donataire bezeichnet. Auch diese sprachliche Gleichbehandlung von Beschenktem und Zessionar stützt die Annahme, der Ursprung des Ergreifungserfordernisses bei der Zession liege im Traditionserfordernis des Schenkungsrechts. Ein noch auffälligeres Indiz für seine Theorie führte Brunner jedoch selbst nicht an: Die sehr ähnlichen Formulierungen der Regelungen im Schenkungsrecht („Un simple don […] ne saisit point […]“) und im Zessionsrecht der Pariser Coutumes von 1510 / 1580 („Un simple transport ne saisit point“). Insgesamt sprechen daher gute Gründe für die Übernahme des älteren schenkungsrechtlichen Übergabeerfordernisses in das Zessionsrecht.
c) Von der appréhension zur signification Aus den angeführten Quellen ergibt sich freilich noch nicht, wie aus der Besitzergreifung bzw. der Übergabe („appréhension de fait“) der Forderung die signification wurde; schließlich liegt nicht ohne weiteres auf der Hand, was bei einer Forderungsübertragung mit einer Besitzergreifung oder Besitzübertragung gemeint ist. Mehrere Coutumes übernahmen zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch ohne nähere Erläuterung das Erfordernis der Besitzergreifung für die (nicht notwendig unentgeltliche) Zession72; auch die Pariser Coutumes von 1510 geben ihrem Wortlaut nach keinen Aufschluss darüber, was genau neben der Einigung noch zum Erwerb der saisine an der Forderung notwendig war73. Die eben zitierten Coutumes de Mantes von 1550 ließen für die Besitzübertra„Simples dons, cessions, & transports, ne saisissent les donataires […]“ (ders., Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 189); und aus dem Protokoll zu dieser Neufassung ergibt sich, dass an diesem Teil der Regel im Vergleich zu den alten Coutumes nichts geändert werden sollte: ders., Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 201, bei Art. 90. Auch Brunner, Inhaberpapier, S. 26, Fn. 1 zitierte die älteren Coutumes von Mantes mit „donatair“. 71 Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 189. 72 Schumann, Forderungsabtretung, S. 69, auch zu den folgenden Nachweisen. Vgl. z. B. Art. 42 der Coutumes der Saintonge von 1520 (Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. 4, S. 873): „Transport simple sans apprehension ne saisit.“ 73 Art. 170: „Un simple transport ne saisit point“ (Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 13).
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gung an der Forderung auch eine traditio ficta durch Klauseln in der Urkunde zu74; diese Regelung blieb jedoch – soweit ersichtlich – singulär. Erst im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts findet sich in den Coutumes zunehmend eine Anzeige an den Schuldner als Voraussetzung des Forderungserwerbs: zunächst in einigen Coutumes als formlose Information des Schuldners75 und später ausdrücklich als förmliche signification in den Coutumes de Paris von 1580: „[…] et faut signifier le transport à la partie, et en bailler copie auparavant que d’exécuter.“76 Die Form der signification bestand in der Zustellung einer Abschrift der Zessionsurkunde durch den Gerichtsdiener an den Schuldner auf Geheiß des Zessionars77. Brunner erklärte diese Wandlung damit, dass die aus dem römischen Recht bekannte denuntiatio auf das Erfordernis der Besitzergreifung angewandt worden sei78. Das ist jedoch ohne weitere Quellenbelege eine weit hergeholte Vermutung, da die denuntiatio im römischen Recht wie gesehen keine für den Rechtsübergang konstitutive Wirkung hatte79 und insbesondere auch keiner besonderen Form bedurfte. Gerald Hoop sieht den Ursprung der signification dagegen in der Anerkennung des Besitzkonstituts als Übertragungsmöglichkeit bei beweglichen Sachen: Die üblichen Besitzkonstitutsklauseln, die für den Eigentumserwerb bei beweglichen Sachen konstitutiv waren80, seien bei Forderungen in die signification umgedeutet worden81. Auch diese Herleitung der signification ist allerdings spekulativ82. Plausibler erscheint eine andere Erklärung. Verschiedene Coutumes sahen vor, dass eine zedierte Forderung nicht ohne weiteres vom Zessionar eingezogen werden konnte83: Die Coutumes de Blois von 1523 regelten, dass der Zes74
S. oben S. 101, Fn. 71. So Art. 263 der Coutumes de Blois von 1523 (Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 1067) und chap. 32, art. I der Coutumes de Nivernois (ders., Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 1155). 76 Art. 108 (Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 39). Gleichlautend dann Art. 224 der Coutumes de Calais von 1583 (ders., Nouveau Coutumier général, Bd. 1, S. 14). 77 Martin, Histoire, Bd. 2, S. 574; Warnkönig / Warnkönig, Rechtsgeschichte, S. 540. 78 Brunner, Inhaberpapier, S. 26, Fn. 1. Ein – freilich schwaches – Indiz in diese Richtung könnte die Beobachtung sein, dass die Formulierung in den Coutumes de Nivernois (s. oben Fn. 75) für die Abtretungsanzeige das sonst ungewöhnliche Verb certiorer verwendete und damit das certiorare aus C. 8,16,4 (s. oben S. 88, Fn. 1) übernommen haben könnte. 79 S. oben S. 91 mit Fn. 12; auch die Glossatoren sahen die denuntiatio nicht in dieser Weise als Wirksamkeitsvoraussetzung der Zession. 80 Dazu oben S. 99, Fn. 58. 81 Hoop, Abtretungsverbot, S. 111 f. 82 Der von Hoop angeführte Art. 90 der Coutumes de Mantes (s. oben S. 101, Fn. 71) beweist nichts, denn in ihm ist gerade noch von der appréhension, nicht aber von der signification die Rede. Auch das Argument, dass sowohl das Besitzkonstitut als auch die signification eine notarielle Urkunde voraussetzten (Hoop, Abtretungsverbot, S. 112), ist allenfalls ein sehr schwaches Indiz. 83 Cros-Mayrevieille, Transport, S. 122, mit Verweis auch auf die folgenden Quellen. 75
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sionar die bereits tituliert abgetretene Forderung nicht gegen den Schuldner vollstrecken konnte, sondern erneut einklagen musste84. Ähnlich bestimmten die Coutumes de Melun von 1560, dass der Zessionar in diesem Fall die Forderung gerichtlich für vollstreckbar erklären lassen musste85. Das Erfordernis einer gerichtlichen Vollstreckbarkeitserklärung könnte nun in den Coutumes de Paris von 1580 mit dem für den Zessionsakt selbst geltenden Besitzergreifungserfordernis vermengt worden und in einer schon für den Forderungsübergang konstitutiven, gerichtlichen signification der Zession aufgegangen sein. Dafür spricht zunächst der letzte, oft nicht mitzitierte Teil des Art. 108 der Coutumes de Paris von 1580: „[…] et faut signifier le transport à la partie, et en bailler copie auparavant que d’exécuter [Kursivierung L. K.].“86 Doch kann diese Herleitung nicht nur die Worte „auparavant que d’exécuter“ besser erklären, sondern insbesondere auch die besondere Form der signification. Die übrigen Ansätze lassen nämlich gänzlich im Unklaren, wie das spezielle Erfordernis einer gerichtlichen Zustellung für die Anzeige entstehen konnte. Diese Theorie zur Entstehung der signification ist zwar quellennäher begründet, aber ebenso wenig sicher belegbar wie die übrigen Ansätze. Zunächst steht keineswegs fest, dass die Regelungen zur fehlenden Vollstreckbarkeit tituliert abgetretener Forderungen Einfluss auf die Pariser Coutumes hatten. Allgemein akzeptiert waren sie nämlich nicht; insbesondere hatte Dumoulin die entsprechende Regel in den Coutumes de Blois scharf als unsinnig und ungebräuchlich kritisiert87. Doch selbst unter der Annahme, die signification sei aus der gerichtlichen Vollstreckbarkeitserklärung für zedierte Forderungen entstanden, bleibt der entscheidende Schritt im Dunkeln: Die Frage, wie die signification zu einer Voraussetzung nicht nur der Vollstreckung, sondern des Forderungserwerbs selbst werden konnte, als die sie nach der Redaktion der Pariser Coutumes 1580 allgemein verstanden wurde88. Letztlich fehlen damit für die Details der Entstehung der signification eindeutige Quellen. Aus welchen Gründen das – vermutlich ursprünglich schenkungsrechtliche – Übergabeerfordernis bei der Zession zur signification werden konnte, lässt sich damit nicht exakt rekonstruieren. Für das Verständnis der späteren Vorschrift im Code civil ist freilich ohnehin von größerer Bedeutung, wie die signification von den Juristen des Ancien droit verstanden und weiterentwickelt wurde. 84 85
Art. 263 (Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 1067). Art. 311 (Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 455). 86 Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 39. Übers. d. Aut.: „[Eine reine Zession führt nicht zum Rechtsübergang;] vielmehr bedarf es vor der Vollstreckung einer signification und der Zustellung einer Kopie der Zessionsurkunde an den Schuldner.“ 87 Dumoulin, in: Bourdot de Richebourg, Nouveau Coutumier général, Bd. 3, S. 167, Anmerkung zu Art. 263. 88 Dazu sogleich im folgenden Abschnitt.
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3. Die Entwicklung der signification im Ancien droit a) Die signification als Übergabeäquivalent bei den Kommentatoren des droit coutumier Das Erfordernis der signification wurde ausgehend von den Pariser Coutumes von einer Vielzahl von Coutumes übernommen89; durch die bald herausragende Bedeutung der Pariser Coutumes wurde es Teil des überregionalen droit commun coutumier90. Die Kommentatoren des droit coutumier erklärten die signification einhellig als Äquivalent zur Übergabe einer beweglichen Sache, das schon für die Wirksamkeit der Zession im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar nötig sein sollte. Pars pro toto kommentierte Julien Brodeau im 17. Jahrhundert Art. 108 der Pariser Coutumes von 1580 wie folgt: „Ne saisit, c’est à dire, n’attribue droict de proprieté, & ne transfere point la possession de la personne du cedant en celle du cessionnaire […] & la signification en ce Droict incorporel produit la mesme chose, que la tradition aux choses corporelles […].“91 Ebenso verstanden auch Claude de Ferrière92 und später im Grundsatz ausdrücklich auch der für die Entstehung eines gesamtfranzösischen droit coutumier einflussreiche93 François Bourjon94 die signification. Als konstitutive Voraussetzung des Forderungserwerbs war die als Übergabeäquivalent verstandene signification in ihrer Wirkung nicht durch den Schuldnerschutz begrenzt. Brodeau unterstrich vor dem Hintergrund der legistischen Debatte95, dass die signification nicht durch anderweitige Kenntnis des Schuldners von der Zession ersetzt werden könne96. Auch Ferrière gab dem Schuldner vor der signification das Recht, in Kenntnis von der Zession befreiend an den Zedenten zu leisten, weil der Zessionar noch nicht von der Forderung Besitz ergriffen habe97. Unstreitig wurde auf diese Weise auch bei 89
Nachweise bei Cros-Mayrevieille, Transport, S. 122 ff. Dazu näher oben S. 46 f. 91 Brodeau, Coustume, Bd. 2, zu Art. 108, Nr. 1 (S. 133). Übers. d. Aut.: „Ne saisit, das bedeutet, sie [sc. die Zession] lässt weder Eigentum noch Besitz vom Zedenten auf den Zessionar übergehen […]. Die signification bei diesem unkörperlichen Recht hat dieselbe Wirkung wie die Übergabe bei körperlichen Sachen“. Anschließend identifizierte Brodeau die signification mit der antiken römischen denuntiatio, deren spezielle Form erst durch die neuen Pariser Coutumes von 1580 eingeführt worden sei. Diese Erklärung erscheint nach dem oben zur Entstehung der signification Gesagten zweifelhaft. 92 C. de Ferrière, Corps et compilation, Bd. 2, S. 125, Nr. 1. 93 S. oben S. 46 f. 94 Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. III, Tit. III, Nr. VIII. Noch expliziter a. a. O., Tom. II, Liv. VI, Tit. VII, Chap. II, Nr. IV mit der Begründung, dass man den Besitz an einem droit incorporel nicht auf andere Weise erlangen könne. 95 Vgl. oben S. 92 ff. 96 Brodeau, Coustume, Bd. 2, zu Art. 108, Nr. 1 (S. 133): „laquelle signification […] est absolument necessaire pour saisir le cessionnaire & lier les mains au debiteur, encore que l’on justifie qu’il ait eu d’ailleurs bonne connoissance du transport […].“ 97 C. de Ferrière, Corps et compilation, Bd. 2, S. 127 f., Nr. 8 f. 90
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mehreren Zessionen derjenige Zessionar bevorzugt, der die Abtretung zuerst angezeigt hatte98; und für Gläubiger des Zedenten und des Zessionars befand sich die Forderung bis zur signification im Vermögen des Zedenten99.
b) Ausbleibende Liberalisierung des Traditionsprinzips bei der Zession Schon ab dem 16. Jahrhundert haben – wie gesehen100 – etliche Autoren bei der Übereignung körperlicher Sachen die in der Praxis verbreiteten Besitzkonstitute sowie in Urkunden fingierte Übergaben als Übergabesurrogate anerkannt. Das führt zu der Frage, ob auch die als Übergabeäquivalent verstandene signification in diesem Sinne weiterentwickelt wurde; immerhin wäre es auch bei der Zession denkbar, eine „Übergabe“ in der Zessionsurkunde zu fingieren. Indes haben, soweit ersichtlich, solche Entwicklungen nicht stattgefunden. Vielmehr waren die Notwendigkeit der signification und ihre Deutung als Übergabeäquivalent offenbar gänzlich unabhängig von der Weiterentwicklung des Traditionsprinzips bei körperlichen Sachen. Exemplarisch zeigen dies die Ausführungen Domats und Pothiers zur signification: Auch diese Autoren des 18. Jahrhunderts, die nicht das droit coutumier kommentierten, sondern ein eigenständiges, vom römischen Recht beeinflusstes französisches Recht entwarfen101, haben an der hergebrachten Erklärung der signification festgehalten. Naheliegend war dies zunächst für Domat, der schon beim Kauf körperlicher Sachen ohne Einschränkung weiter auf dem Übergabeerfordernis beharrt hatte102. Die Zession, 98 C. de Ferrière, Corps et compilation, Bd. 2, S. 128, Nr. 10; Bourjon, Droit commun, Tom. II, Liv. VI, Tit. VII, Chap. II, Nr. XIII. 99 C. de Ferrière, Corps et compilation, Bd. 2, S. 128, Nr. 11; Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. III, Tit. III, Nr. XI; Tom. II, Liv. VI, Tit. VII, Chap. II, Nr. VIII f. 100 Dazu oben S. 98 f. 101 Dazu oben S. 48 ff. 102 Domat, Loix civiles, Bd. I, livre I, titre II, section II, art. V–X. Zwar sprach Domat davon, dass der Kaufvertrag mit der Einigung zustande komme (a. a. O., art. II); nach art. X sollte aber erst mit der Übergabe das Eigentum übergehen. Fiktive Übergaben hat Domat dabei offenbar nicht anerkannt. Allerdings messen etliche Autoren der Aussage Domats, dass ein nicht vereinbartes Besitzkonstitut im Zweifel im Vertrag fingiert werde (ders., Loix civiles, Bd. I, livre I, titre II, section II, art. VIII) die Bedeutung zu, Domat habe ein im Vertrag vereinbartes oder fingiertes Besitzkonstitut zum Eigentumsübergang ausreichen lassen; in diesem Sinne insbesondere Planiol / Ripert, Droit civil, Bd. 1, Nr. 2594; ferner zum Beispiel Wacke, Eigentumserwerb, S. 258 (mit nicht nachvollziehbarem Verweis auf Domat, Loix civiles, Bd. I, livre I, titre II, section I, art. II), dem Michaels, Sachzuordnung, S. 152, Fn. 593 folgt. Bucher, Translativwirkung, S. 630–632 argumentiert dagegen allerdings zu Recht, dass Domat in art. VIII zwar das Besitzkonstitut fingierte (précaire; und auch dies ausdrücklich nur für Grundstücke), damit aber keineswegs die weitergehende Aussage verband, dass das Besitzkonstitut zum Eigentumsübergang ausreiche. Vielmehr erklärte er noch im selben Satz, dass das Besitzkonstitut nur dazu diene, dem Käufer die Besitzergreifung zu ermöglichen, sobald sich das Grundstück nicht mehr im Besitz des Verkäufers befindet. Weiter sieht Bucher den Marginaltext zu art. VII („tradition des immeubles“) zutreffend als Indiz dafür, dass das Besitzkonstitut für Domat nur eine Modalität der weiterhin notwendigen realen Besitzergreifung war. Auch wenn die Aussagen Domats zum Eigentumsübergang letztlich eher implizit blieben,
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die Domat – wie gesehen – trotz aller Verweise auf das römische Recht vollständig nach dem Zessionsrecht des Pariser Coutumes konzipierte103, war für ihn der Kauf einer unkörperlichen Sache; entsprechend sah er die signification im Rahmen seiner Ausführungen zur délivrance (Übergabe im weiteren Sinne) als den Weg, „eine Art von Besitz“104 auf den Erwerber zu übertragen. Pothier übernahm nun allerdings die Argumentation Domats vollständig105, obwohl er beim Kauf körperlicher Sachen Besitzkonstitute und fiktive Übergaben anerkannte106. Auch für ihn blieb die signification das einzig mögliche Äquivalent zur – weiterhin gedanklich notwendigen – traditio. Die Zession sei vor der signification im gleichen Stadium wie der Kauf einer körperlichen Sache vor der (realen oder fiktiven) Übergabe: Der Veräußerer sei weiterhin „Eigentümer und Besitzer“107. Auffällig ist also, dass Autoren, die wie Pothier bei körperlichen Sachen die in der Praxis verbreiteten Besitzkonstitute und sonstigen Übergabesurrogate (tradition feinte, clause de dessaisine-saisine) anerkannten108, das Traditionsprinzip bei der Zession nicht in analoger Weise liberalisiert haben109. Hier blieb es überall beim Erfordernis der als Übergabeäquivalent verstandenen signification. Angesichts der grundsätzlichen Gleichstellung von beweglichen Sachen und Forderungen beim Kauf ist dies ohne eine eigenständige Begründung der signification widersprüchlich. Die Gründe für diese Ungleichbehandlung lassen sich nicht eindeutig erkennen. Über die Ersetzung der signification durch Übergabesurrogate ist, soweit ersichtlich, nicht einmal diskutiert worden. Einer Aufweichung des Traditionsprinzips bei der Zession könnte möglicherweise entgegengestanden haben, dass die signification zwar konzeptionell als konstitutiv für den Forderungsübergang verstanden wurde, aber in teleologischer Hinsicht doch auch mit dem Schuldnerschutz in Verbindung gebracht wurde, der bei einer nur zwischen Zedent und Zessionar durch fiktive „Übergabe“ vollendeten Zession nicht gewährleistet zu sein schien. Entscheidender war aber vielleicht, dass sich das Erfordernis der signification in der Praxis so weit verselbstständigt hatte, dass ein dogmatischer Zusammenhang sprechen die Indizien dafür, dass Domat gedanklich im römischrechtlichen Traditionsprinzip (er allegierte überdies ausschließlich antike römische Quellen) verharrte, ohne Übergabesurrogate anzuerkennen. 103 Ausführlich oben S. 46 ff. 104 Domat, Loix civiles, Bd. I, livre I, titre II, section II, art. IX: „une espece de possession“. 105 Pothier, Vente, Nr. 316. Pothier gab das Werk Domats hier teils wortgleich wieder, ohne darauf zu verweisen. 106 Pothier, Vente, Nr. 313 ff.; ders., Propriété, Nr. 208 ff. 107 Pothier, Vente, Nr. 554. 108 Dazu oben S. 98 f. 109 Zu der vereinzelt gebliebenen und eher als frühes Stadium der Entwicklung der signification zu begreifenden Ausnahme in den Coutumes de Mantes von 1550 s. oben S. 101, Fn. 71.
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mit der Sachübergabe jedenfalls den Praktikern, die Besitzkonstitute und fiktive Übergaben bei körperlichen Sachen in die Urkunden einsetzten, nicht mehr bewusst war. Die bei den gelehrten Juristen in der Theorie weiter tradierte Erklärung als Übergabeäquivalent hatte jedenfalls den Anschluss an eine dynamische, das Übergabeerfordernis beim Sachkauf in der Praxis zurückdrängende Rechtsentwicklung verloren.
c) Differenzierungen im 18. Jahrhundert: relative Wirksamkeit der Zession Dennoch hat sich, unabhängig von der Liberalisierung des Übergabeerfordernisses beim Sachkauf, das Verständnis der signification im 18. Jahrhundert verändert. Einige Autoren differenzierten nun bei ihren Wirkungen und nahmen eine relative Wirksamkeit der Zession vor der signification an110. So erläuterte Claude Joseph de Ferrière in einem Praxiswörterbuch, dass die Zession im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar sofort, also schon vor der signification wirksam sei; nur gegenüber allen übrigen Dritten (also vor allem dem Schuldner, Gläubigern von Zedent und Zessionar sowie Zweitzessionaren) gehe die Forderung erst mit der signification über111. Im Kontrast dazu steht aber, dass Ferrière die signification weiterhin ausdrücklich als Übergabeäquivalent bezeichnete und bei der Übereignung körperlicher Sachen weiterhin eine Übergabe zum Eigentumserwerb schon inter partes voraussetzte112. Seine Ausführungen waren damit letztlich nicht völlig konsistent. Klarer und weitergehender argumentierte später Bourjon. Er hatte schon beim Kauf beweglicher Sachen das Traditionsprinzip aufgegeben und ließ das Eigentum bereits mit Abschluss des Kaufvertrages übergehen113. Der Besitz an der Sache erfüllte für ihn nur noch nachgeordnete Funktionen; er genügte insbesondere als Titelersatz zum Beweis des Kaufs114. Bei der als Kauf einer unkörperlichen Sache verstandenen Zession argumentierte Bourjon nun konsequent in analoger Weise: Die signification sei das Äquivalent zur bei Forderungen nicht möglichen Besitzübergabe115. Die Forderung gehe bereits durch die Einigung über; bis zur signification gelte aber eine Eigentumsvermutung 110 So 111 So
auch Graner, Forderungsabtretung, S. 25–28. Claude Joseph de Ferrière, der Sohn Claude de Ferrières, in einem Praxiswörterbuch, das er nach dem Tod seines Vaters 1715 in etlichen Auflagen weiterführte. Erstmals findet sich diese Differenzierung in seiner neu bearbeiteten, 2. Auflage (hier verwendet: Paris 1729): C. J. de Ferrière, Introduction, S. 738 f., unter dem Stichwort Transport. Ungenau insoweit Graner, Forderungsabtretung, S. 26, der diese Änderung erst 1771 ansetzt. 112 C. J. de Ferrière, Introduction, S. 736, unter dem Stichwort Tradition. 113 Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. III, Tit. II, insbesondere Chap. I, Nr. I; Chap. IV, Nr. IV, V. 114 Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. II, Tit. I, Chap. VI, Nr. I–IV; Liv. III, Tit. II, Chap. I, Nr. II. 115 Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. III, Tit. III, Nr. VII f.; Tom. II, Liv. VI, Tit. VII, Chap. II, Nr. IV.
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zugunsten des Zedenten für Schuldner und Drittgläubiger, nicht aber für den Zedenten selbst, der die Forderung bereits durch den Zessionsakt veräußert habe116. Damit ließ Bourjon den dogmatischen Gleichlauf von signification und Besitzübergabe intakt: Er reduzierte die Wirkung des Besitzes bzw. der signification sowohl bei körperlichen als auch bei unkörperlichen Sachen auf eine Eigentumsvermutung. Für den materiellrechtlichen Eigentumsübergang galt für ihn dagegen uneingeschränkt das Konsensprinzip. Allerdings schränkte Bourjon an einer anderen Stelle seines Werkes die Auswirkungen dieser innovativen Herangehensweise an die signification wieder ein, indem er die Eigentumsvermutung bei Forderungen in positiver wie in negativer Hinsicht als unwiderlegliche begriff 117. Der formale Akt der signification war für ihn offenbar nicht durch anderweitige Kenntnis der von der Vermutung Begünstigten ersetzbar118; und auch umgekehrt galt der Zedent für Dritte bis zur signification unwiderleglich als Forderungsinhaber119. Mit anderen Worten war die signification für Dritte in Bourjons System nicht nur eine unwiderlegliche Vermutung für den Forderungsübergang, sondern auch die fehlende signification eine unwiderlegliche Vermutung für den fehlenden Forderungsübergang. In den praktischen Auswirkungen blieb es damit auch bei Bourjon bei der konstitutiven Wirkung der signification; letztlich hatte sie damit noch immer weitreichendere Wirkungen als die Besitzübertragung beim Sachkauf. Damit hat Bourjon im Ergebnis nur, aber auch immerhin, einen zwischen Zedent und Zessionar relativ wirksamen Forderungsübergang vor der signification anerkannt.
4. Zwischenergebnis: die signification des Ancien droit Ursprünglich kannte das französische Recht der Coutumes kein Anzeigeerfordernis. Die Abtretungsanzeige des Zessionars an den Schuldner ist in einer speziellen Form – als gerichtliche Zustellung der Zessionsurkunde an den Schuldner (signification) – erstmals im 16. Jahrhundert, wahrscheinlich im Pariser Gewohnheitsrecht, zur konstitutiven Voraussetzung des Forderungserwerbs bei der Zession geworden. Die genauen Hintergründe dieser Rechtsänderung sind nicht rekonstruierbar; Verbindungslinien zur denuntiatio des antiken römischen Rechts lassen sich nicht nachweisen. Einiges spricht dafür, dass die signification ursprünglich aus einer gerichtlichen Vollstreckbarkeitserklärung für abgetretene Forderungen entstanden ist. Unklar bleibt aber, warum die nachweis116 Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. III, Tit. III, Nr. XI. 117 Anders aber bei beweglichen Sachen, wo die Vermutung
widerleglich war, vgl. unten S. 112, Fn. 131. 118 Bourjon, Droit commun, Tom. II, Liv. VI, Tit. VII, Chap. II, Sect. I, passim. 119 Das äußert sich zum Beispiel darin, dass die signification auch für Gläubiger des Zedenten und des Zessionars sowie für Zweitzessionare unwiderleglich den Zeitpunkt des Forderungsübergangs markieren sollte: Bourjon, Droit commun, Tom. II, Liv. VI, Tit. VII, Chap. II, Nr. V, IX, XIII.
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bar ab dem 15. Jahrhundert schon für den Erwerb der saisine an der Forderung selbst notwendige „Besitzergreifung“ an der Forderung (appréhension) in einer solchen signification aufging. Fest steht dagegen, dass die Juristen des Ancien droit die signification bis zur französischen Revolution einhellig als Pendant zur Übergabe einer beweglichen Sache im Rahmen eines Kaufs verstanden haben. Alle Abhandlungen erklärten die signification in metaphorischer Ausdrucksweise als Übertragung des Besitzes an einer Forderung. Das passt zunächst zum im Einleitungskapitel herausgearbeiteten Forderungsbegriff im Ancien droit: Die Forderung war nicht anders als eine körperliche Sache Gegenstand des Handelsverkehrs (dans le commerce) und damit Vermögensgegenstand und Kaufsache120; grundsätzlich galten damit die Übertragungsregeln aus dem Kaufrecht. Der durchgehenden Behandlung der signification als Übergabeäquivalent standen nun jedoch recht heterogene vermögensrechtliche Vorstellungen im übrigen Kaufrecht gegenüber, denn das Traditionsprinzip beim Kauf körperlicher Sachen stand im Ancien droit zur Debatte. Während einige Autoren (Claude de Ferrière, Domat) unter Verweis auf römische Quellen keine Ausnahmen zuließen, erkannten die meisten Juristen Besitzkonstitute und im Vertrag fingierte Übergaben (tradition feinte, clause de dessaisine-saisine) zunehmend als Übergabesurrogate an (insbesondere Pothier). Eine progressive Strömung verzichtete schließlich auch in der Theorie gänzlich auf die Übergabe und folgte dem Konsensprinzip, ließ das Eigentum also schon mit Abschluss des Kaufvertrages übergehen (Bourjon). Überraschend an dieser im Einzelnen vielschichtigen Entwicklung ist, dass das Erfordernis der als Übergabeäquivalent verstandenen signification nicht in gleicher Weise in Frage gestellt wurde. Vielmehr blieb es für alle Juristen, unabhängig davon, wie sie zum Traditionsprinzip beim Sachkauf standen, bei der konstitutiven signification. Die dogmatische Verbindung von Besitzübertragung und signification, obwohl von allen Autoren abstrakt weiter referiert, ging damit in Theorie und Praxis verloren. Dies führte bei Befürwortern einer Liberalisierung des Traditionsprinzips beim Sachkauf zu aus heutiger Sicht inkohärenten Annahmen121, die aber als solche nicht wahrgenommen werden konnten. Nur eingeschränkt kann hier die Lehre Bourjons als Ausnahme gelten, nach der sowohl beim Sachkauf als auch bei der Zession das Eigentum schon mit der Einigung übergehen sollte122: Zwar war der Kauf damit in kohärenter Weise als sofortiger Übergang des Eigentums an einer körperlichen oder unkörperlichen Sache konzipiert. Doch blieb die signification, anders als die Besitzübergabe beim Sachkauf, für Bourjon in den praktischen Auswirkungen für Dritte konstitutiv, so dass hier allenfalls von einem relativ 120 121
S. oben S. 53. Vgl. zum Beispiel die Ausführungen Pothiers (oben S. 106 f.). 122 Oben S. 107 f.
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wirksamen Forderungsübergang vor der signification die Rede sein kann. Letztlich entwickelte Bourjon die signification damit nur marginal weiter, und vor allem nicht in gleichem Maße wie die Übergabe beim Sachkauf. Das Traditionserfordernis entwickelte sich also beim Sachkauf dogmatisch unabhängig von der signification weiter. Die gedankliche Verbindung der Übergabe mit der signification wurde theoretisch nicht mehr reflektiert, obwohl die Zession seit der Abfassung der Coutumes als Kauf einer unkörperlichen Sache und die signification als Pendant zur Besitzübertragung konzeptualisiert worden war. Zu diesem Befund passt auch, dass die signification über die konstruktive Erklärung als Übergabeäquivalent hinaus kaum mit normativen Erwägungen begründet wurde123. Dass sie (zumindest auch) schuldnerschützende Auswirkungen hatte, lag für alle Juristen auf der Hand; doch konnte dieser Zweck nicht erklären, warum die Anzeige auch für Dritte konstitutive Wirkung entfaltete und warum Kenntnis des Schuldners die signification nicht überflüssig machte. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse soll es im Folgenden um die signification in der Gesetzgebungsgeschichte zum Code civil gehen.
II. Die signification im Code civil Die signification und ihre Wirkungen sind im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses zum Code civil124 insgesamt nur ein Randthema gewesen. Dennoch gab es im Verlauf dieses Prozesses bedeutsame Änderungen. Vor dem Hintergrund der im ersten Kapitel festgestellten weitgehend analogen dogmatischen Behandlung von Sache und Forderung als frei veräußerlicher Vermögensgegenstand, ist für die Fragestellung dieser Arbeit besonders von Interesse, wie das Erfordernis der signification bei der Zession mit den vermögensrechtlichen Grundentscheidungen bei der Sachübereignung harmonierte. Daher soll in einem ersten Schritt (1.) die Entstehung des Konsensprinzips beim Kauf körperlicher Sachen, das den Code civil als tragendes Prinzip prägt (Art. 711, 1138, 1583 CC1804 bzw. Art. 711, 1196, 1583 CC2016) untersucht werden. Anschließend soll dem die Entwicklung der signification bei der Zession in der Gesetzgebungsdebatte gegenübergestellt werden (2.). Darauf aufbauend soll zuletzt die Frage nach der dogmatischen Kohärenz von Sachkauf und Zession im vermögensrechtlichen System des Code civil gestellt werden (3.).
123 Die Aussage Martins, die signification habe dem Betrugsschutz gedient (Martin, Histoire, Bd. 2, S. 574), bleibt unbelegt. Zwar deutete zum Beispiel Bourjon diesen Schutzmechanismus beiläufig an (Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. III, Tit. III, Nr. XII: Der Schuldner wisse immer genau, an wen er leisten muss und könne hierüber nicht vom Zedenten getäuscht werden), doch war dies für ihn erkennbar mehr reflexhafte Auswirkung des Anzeigeerfordernisses als sein eigentlicher Zweck. 124 Allgemein zum Gesetzgebungsprozess oben S. 53 f.
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1. Die Entstehung des Konsensprinzips im Code civil a) Ancien droit Das Traditionsprinzip beim Kauf beweglicher Sachen war in Frankreich – wie gesehen – ab dem 13. Jahrhundert unter dem Einfluss der fränkischen appréhension bzw. investiture auf der einen und der römischrechtlichen traditio auf der anderen Seite vorherrschend geworden125. Durch die verbreitete Anerkennung von Besitzkonstituten und fiktiven Übergaben (tradition feinte, clause de dessaisine-saisine) in den Urkunden wurde die traditio zwar in der Folgezeit zunehmend praktisch obsolet; die Juristen des Ancien droit verwarfen das theoretische Übergabeerfordernis allerdings lange Zeit noch nicht126. Diesen Zwiespalt illustriert exemplarisch ein vieldiskutierter Streitfall zum Doppelverkauf: Welchem der beiden Erwerber ist der Vorrang zu geben, wenn der Veräußerer dem zeitlich ersten Erwerber die Sache nur mittels einer tradition feinte in der Urkunde, dem nachfolgenden Erwerber aber mittels einer tradition réelle übergeben hat127? Dass im Ancien droit solche Fragen diskutiert wurden, belegt, dass die Übergabe – ob real oder fingiert – für die meisten Juristen weiter eine gedankliche Voraussetzung für den Eigentumserwerb war. Mit Blick auf die Praxis, die fiktive Übergaben und Besitzkonstitute anerkannte, galt demnach zwar verbreitet ein faktisches, nicht aber ein theoretisches Konsensprinzip. Damit lassen sich im ganzen drei Theorien unterscheiden: (1) Das Traditionsprinzip ohne Ausnahmen von der realen Übergabe; (2) das Traditionsprinzip mit Anerkennung von Übergabesurrogaten; (3) das Konsensprinzip. Erst im 17. und 18. Jahrhundert legten Juristen die theoretischen Grundlagen für das konzeptionelle Konsensprinzip, indem sie ausgehend von der praktischen Zurückdrängung der Übergabe das Traditionserfordernis auch dogmatisch aufgaben. Ein früher Anhänger dieser Strömung war Antoine Loysel, der den Rechtssatz „L’on n’a pas plutôt vendu la chose, qu’on n’y a plus rien“128 aufstellte. Doch 125
S. oben S. 98 ff. war bereits die Anerkennung von Besitzkonstituten und fiktiven Übergaben umstritten: Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 397; näher oben S. 100, Fn. 63; S. 105 f. (zu Domat und Pothier); S. 108 f. Während am römischen Recht orientierte Juristen wie Dumoulin und später Domat fingierte Übergaben nicht zuließen, erblickte beispielsweise Pothier in ihr eine der realen Übergabe völlig gleichgestellte Spielart der traditio. 127 Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 397. 128 Loysel, Institutes, Bd. 1, Nr. 407; Übersetzung sinngemäß: „Man hat eine Sache erst dann verkauft, wenn man das Eigentum an ihr verloren hat“. Ausdrücklich benannte Eugène de Laurière, der das Werk Loysels 1710 kommentierte, die Folgen dieses bekannt gewordenen Satzes (Anmerkung zu Loysel, Bd. 1, Nr. 407): „Ainsi, parmi nous, dès que la vente est parfaite, le domaine de la chose vendue semble être transféré sans tradition contre la disposition de la loi 20, Cod., de Pactis […]“. Damit war erstmals der gedankliche Schritt von der Anerkennung der Übergabesurrogate zur gänzlichen Aufgabe des Traditionserfordernisses getan. Rigaud, Renaissance, S. 563 vermutet, dass Loysel dabei von naturrechtlichen Gedanken beeinflusst war. 126 Auch
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der bedeutendste Jurist des späten Ancien droit, der ausdrücklich das Konsensprinzip postulierte, war im 18. Jahrhundert – wie gesehen129 – Bourjon: In seinem Werk zum gemeinfranzösischen droit commun coutumier lehrte er, dass die Sache bereits nach Abschluss des Kaufvertrags im Eigentum des Käufers stehe130 und dem Besitz lediglich die Funktion einer – im Fall des Diebstahls widerleglichen – Eigentumsvermutung zukomme131. Im Ergebnis gab es damit durchaus bereits vor Inkrafttreten des Code civil Stimmen in der französischen Rechtswissenschaft, die das Konsensprinzip beim Kauf körperlicher Sachen anwendeten132. Dies kann aber angesichts der Autoren, die bis zuletzt am theoretischen Übergabeerfordernis festhielten (insbesondere Domat und Pothier), nicht als herrschende Ansicht im späten Ancien droit gelten133.
b) Das Konsensprinzip in den Entwürfen Combacérès’ Diese disparate Meinungslage im Ancien droit spiegelten zunächst noch die revolutionären Entwürfe Combacérès’ zum Code civil. Der erste Entwurf von 1793 ließ keine dogmatisch konsistente Regelung erkennen: Während Combacérès in Liv. III, Tit. II, Art. Ier allgemein ausdrücklich festlegte, dass die obligation zur Eigentumsübertragung nicht ausreiche und immer zusätzlich eine tradition notwendig sei134, bestimmte er anschließend im Kaufrecht, dass das Eigentum schon mit Abschluss des Kaufvertrages übergehen sollte (Liv. III, Tit. III, Art. 15135) – ein eklatanter Widerspruch136. 129
S. oben S. 107 ff. Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. III, Tit. II, Chap. IV, insbes. Nr. IV, V: Die Sache gehöre schon vor der Übergabe dem Käufer („C’est chez lui que réside la propriété“), so dass er das Risiko ihres Untergangs bzw. ihrer Verschlechterung trage (res perit domino). 131 Bourjon, Droit commun, Tom. I, Liv. II, Tit. I, Chap. VI, Nr. I–IV; Liv. III, Tit. II, Chap. I, Nr. II–VII. 132 Anders allerdings Bucher, Translativwirkung, S. 638–642, der annimmt, dass das Konsensprinzip im Ancien droit noch in keiner Weise angelegt war. Insbesondere versteht er die angeführte Stelle bei Loysel abweichend; wie hier aber neben Laurière (oben S. 111, Fn. 128) auch Planiol / Ripert, Droit civil, Bd. 1, Nr. 2594; Rigaud, Renaissance, S. 563; Michaels, Sachzuordnung, Fn. 599 sowie Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 397. Auch Buchers ablehnende Argumentation zum faktisch geltenden Konsensprinzip durch die Anerkennung fiktiver Übergaben und Besitzkonstitute verfängt nicht; s. dazu die Widerlegung bei Michaels, Sachzuordnung, Fn. 594 f. Und jedenfalls vermag Bucher das Konsensprinzip in den eindeutigen Ausführungen Bourjons nicht überzeugend zu entkräften. 133 Undifferenziert daher insoweit Martin, Coutume, S. 65 sowie Schrage, Traditionibus, S. 948. 134 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 74: „Les obligations peuvent servir de moyens pour arriver à la propriété; elles ne le transmettent pas de plein droit; la tradition seule peut opérer cet effet.“ 135 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 76: „Du moment que le contrat est formé, la propriété passe à l’acheteur […].“ 136 So auch Bucher, Translativwirkung, S. 643. 130
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Der zweite Entwurf von 1794 war insgesamt konsistenter. Zwar zählte er in Art. 88 die tradition, nicht aber die bloße Einigung oder die obligation als Mittel zum Eigentumserwerb auf 137; und im Kaufrecht (Art. 193–207138) fehlte die Vorschrift aus dem ersten Entwurf, nach der das Eigentum durch den Vertragsschluss auf den Käufer übergehe. Doch in Art. 91 f. bestimmte Combacérès, dass die tradition entweder durch eine Urkunde, die die Eigentumsübertragung zum Gegenstand hat, realisiert werden könne, oder durch eine tatsächliche Übergabe139. Dies lässt den Schluss zu, dass im zweiten Entwurf zwar die Eigentumsübertragung durch den schriftlichen Kaufvertrag anerkannt, das Traditionserfordernis in der Theorie aber aufrechterhalten werden sollte140. Widersprüchlich war dagegen anschließend wieder der dritte Entwurf von 1796: Obwohl Combacérès im Vorwort zum Entwurf den Bruch mit dem römischrechtlichen Traditionsprinzip angekündigt hatte141, blieb es im Entwurf konstruktiv weiterhin beim Übergabeerfordernis (Art. 506, 534–537142). Und anders als im zweiten Entwurf wurde die tradition per Urkunde nur bei Immobilien anerkannt, während bei Mobilien ausdrücklich immer eine reale Übergabe erforderlich sein sollte (Art. 534, 536143, 847144) – eine offensichtlich weiterhin nicht systematisch konsequente Regelung145. Die Entwürfe Combacérès blieben damit hinsichtlich des Konsensprinzips beim Sachkauf insgesamt erratisch; ein klarer Standpunkt innerhalb der Modelle Traditionsprinzip – Traditionsprinzip mit Anerkennung fiktiver Übergaben – Konsensprinzip lässt sich nicht erkennen. Angesichts dessen überrascht es nicht, dass die Viererkommission, deren Entwurf von 1800 den Code civil maßgeblich vorbereitete, nicht durchgehend an die drei Entwürfe Combacérès’ anknüpfte146.
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Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 118. Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 128 f. Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 119. 140 Undifferenziert insoweit Bucher, Translativwirkung, S. 643, nach dem im zweiten Entwurf allein das Traditionsprinzip zum Ausdruck komme – das übersieht die Regelung des Art. 91. 141 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 165: „C’est par la volonté seule que se fait la transmission de propriété […]“. 142 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 255 f., 258. 143 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 258. 144 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 293: Nicht mehr wie ausdrücklich im ersten Entwurf das Eigentum, sondern nur noch das Risiko des Untergangs bzw. der Verschlechterung der Kaufsache zwischen Vertragsschluss und Übergabe sollte beim Käufer liegen. 145 Vgl. auch Bucher, Translativwirkung, S. 644. 146 Differenziert zum Verhältnis der Viererkommission zu den revolutionären Entwürfen Halpérin, Impossible code civil, S. 278 ff., der im Schuldrecht insbesondere einen Präzisionsgewinn (S. 279) im Vergleich zu den Texten Combacérès’ erkennt. Konkret zum Konsensprinzip Bucher, Translativwirkung, S. 642. 138 139
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c) Die Entscheidung für das Konsensprinzip in der Viererkommission aa) Relatives Eigentum? Erst der Entwurf der Viererkommission von 1800147 brachte im Gesetzgebungsprozess die Entscheidung für eine konsequente Einführung des Konsensprinzips im Vermögensrecht des Code civil: „L’obligation de livrer la chose est parfaite par le seul consentement des parties contractantes. Elle rend le créancier propriétaire […]“148 (Liv. III, Tit. II, Art. 37; später Art. 1138 CC1804; heute Art. 1196 CC2016). Die Übergabe (délivrance) war demnach nur noch eine für den Eigentumsübergang unerhebliche Pflicht aus dem Kaufvertrag149 (vgl. später Art. 1603 f. CC). Diese klare Vorschrift im allgemeinen Schuldrecht wurde nicht mehr geändert und im Code civil 1804 verabschiedet – hinzu kam allerdings noch eine weniger eindeutige Norm im Kaufrecht: In der an sich nur leicht überarbeiteten Diskussionsvorlage des Kaufrechts für den Conseil d’État von 1803 wurde der Eigentumsübergang durch Kaufvertragsschluss noch einmal ausdrücklich festgeschrieben: „Elle [sc. la vente] est parfaite entre les parties, et la propriété est acquise de droit à l’acheteur vis-à-vis du vendeur, dès qu’on est convenu de la chose et du prix, quoique la chose n’ait pas encore été livrée ni le prix payé.“150 Auf den ersten Blick normiert diese später als Art. 1583 CC1804 verabschiedete Vorschrift allerdings nur eine relative Eigentumszuordnung zwischen den Parteien („vis-à-vis du vendeur“) durch die Einigung. Das wäre eine entscheidende Einschränkung des in der zuvor genannten Vorschrift unzweifelhaft zum Ausdruck kommenden Konsensprinzips, das den vollen, und damit absoluten Eigentumsübergang durch die Einigung anordnet. Diese redaktionelle Unklarheit hat in der französischen Rechtswissenschaft für Diskussionen gesorgt151. Überwiegend wurde und wird angenommen, dass die erstgenannte Vorschrift (später Art. 1138 CC1804 bzw. Art. 1196 CC2016) das Prinzip ausspreche: den vollständigen, absoluten Eigentumsübergang bereits durch die Einigung. Dagegen bedeute die Einschränkung „vis-à-vis du vendeur“ in Art. 1583 CC1804 keine Rücknahme dieses Grundsatzes, sondern die Anerkennung von Ausnah147 148
Zur Zusammensetzung der von Napoléon eingesetzten Kommission s. oben S. 53 f. Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 2, S. 164; Übersetzung: „Die Verpflichtung, eine Sache zu leisten, ist durch die bloße Einigung der Vertragsparteien erfüllt. Sie macht den Gläubiger zum Eigentümer […]“. Die Vorschrift wurde 1804 wortgleich als Art. 1138 CC1804 (bis 2016) verabschiedet; inhaltlich entspricht dem der neugefasste Art. 1196 CC2016. 149 Liv. III, Tit. XI, Art. 24 des Entwurfs von 1800 (Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 2, S. 337). 150 Liv. III, Tit. XI, Art. 2 der Diskussionsvorlage (Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 4); Übersetzung: „Der Kauf ist zwischen den Parteien vollendet und der Käufer erwirbt das Eigentum im Verhältnis zum Verkäufer von Rechts wegen, sobald die Parteien sich über die Sache und den Preis geeinigt haben, auch wenn die Sache noch nicht übergeben und der Preis noch nicht bezahlt worden ist.“ 151 Einen kritischen Überblick geben Chazal / Vicente, Transfert.
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men in Sondersituationen. Insbesondere würden gutgläubige Dritte durch die Titelfunktion des Besitzes (Art. 2279 CC1804; seit 2008 Art. 2276 CC) und die an die frühere Übergabe anknüpfende Vorrangsregelung beim Doppelverkauf (Art. 1141 CC1804; Art. 1196 CC2016) dahingehend geschützt, dass der Eigentümer ihnen im Einzelfall sein Eigentum nicht vor der Übergabe entgegenhalten könne (inopposabilité). Einen im Außenverhältnis insgesamt nur relativen Eigentumsübergang vor der Übergabe nahmen und nehmen hingegen abgesehen von Einzelstimmen weder die französischen Juristen des 19. Jahrhunderts, noch moderne Autoren an152. Das macht dogmatisch einen gewichtigen Unterschied: Während ein nur relativer Eigentumsübergang die Übereignungswirkung ganz 152 Die Frage ist im Einzelnen allerdings kontrovers. Zunächst sind die Aussagen in den Gesetzesmaterialien entgegen Michaels, Sachzuordnung, S. 150, Fn. 582 nicht eindeutig: Die Tribunen Faure (Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 152) und Grenier (a. a. O., S. 188 f.) erwähnten in ihren Erläuterungen zum neu eingefügten Art. 1583 CC1804 zwar in der Tat die gewollte relative Wirkung; insbesondere den Aussagen Greniers lässt sich aber entnehmen, dass dabei eher an das Fortbestehen dinglicher Rechte Dritter an der Sache gedacht war als an eine echte Einschränkung des Konsensprinzips oder gar ein „relatives Eigentum“. Die Gesetzesverfasser selbst (Bigot-Préameneu und Portalis) erwähnten dagegen in ihren Ausführungen zum Konsensprinzip mit keinem Wort eine bloß relative Wirkung (s. unten S. 116 f., Fn. 155 f.). Die Materialien sprechen daher eher für eine redaktionell missglückte Berücksichtigung des Gutglaubensschutzes Dritter. Nach Inkrafttreten des Code civil war die Frage zunächst umstritten, dazu mit etlichen Nachweisen Chazal / Vicente, Transfert, S. 482 f. Überwiegend nahmen die französischen Autoren jedoch einen (abgesehen von Sonderfällen wie dem Gattungskauf und dem Eigentumsvorbehalt) sofortigen und vor allem absolut wirksamen Eigentumsübergang an; z. B. Toullier / Duvergier, Droit civil, Bd. 9, Liv. III, Tit. VI, Chap. I, Nr. 20 ff. sowie Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 482: „[…] celui qui achète un meuble corporel devient, en général, propriétaire à l’égard de tous dès que la vente est parfaite […]“. Auch im 20. Jahrhundert blieb dies die herrschende Meinung; vgl. dazu Planiol / Ripert, Droit civil, Bd. 1, Nr. 2589– 2598; ausführlich auch Bufnoir, Propriété, S. 47–54 (= S. 57–67 der Originalausgabe) und Ginossar, Droit réel, S. 70–76 m. w. N., insbesondere mit dem Argument, dass es unmöglich sei, ein relatives Eigentum im System des Code civil zu konstruieren. Ebenso Schefold, Zeitpunkt, S. 40–45 m. w. N., insbesondere mit Hinweis auf ein Urteil der Cour de cassation, die sich ausdrücklich für einen gegen Dritte wirkenden Eigentumserwerb aussprach: Cass. req. 27.07.1909, S. 1916, I, S. 20–22. Für ein solches relatives Eigentum allerdings in der Tat Rigaud, Renaissance, S. 563. Differenzierend Michaels, Sachzuordnung, S. 150 f., 156–158, der überzeugend argumentiert, dass die Abschwächung der Übereignungswirkung aus allgemeinen Regeln zum Gutglaubensschutz und zur Titelfunktion des Besitzes (Art. 2279 CC1804; seit 2008 Art. 2276 CC) folge und nicht aus einer konzeptionellen Einschränkung des Konsensprinzips oder der Absolutheit des Eigentums. Insbesondere könne, auch wer als Käufer noch nicht Besitzer sei, bestimmten Dritten gegenüber als Eigentümer vindizieren, so ders., Sachzuordnung, S. 155, Fn. 613 mit Verweis auf Bufnoir, Propriété, S. 53 (= S. 65 f. der Originalausgabe). Weiterhin kodifiziere die Vorrangsregelung beim Doppelverkauf (Art. 1141 CC1804; Art. 1196 CC2016) lediglich eine historisch vom Konsensprinzip unabhängige Sonderregel (so auch bereits im 19. Jahrhundert Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 475; ebenso Cros-Mayrevieille, Transport, S. 185; ähnlich Eisfeld, Beiträge, S. 15 f., 18 f., der den konsensualen Eigentumserwerb im Code civil angesichts der Möglichkeit, das Recht noch an einen besitzenden Zweiterwerber zu verlieren, mit dem ius ad rem des älteren gemeinen Rechts verglich). Auch moderne Autoren nehmen demgemäß ganz überwiegend einen absoluten Eigentumsübergang an, der aber bestimmten Dritten gegenüber inopposable bleibe: Malaurie / Aynès / Gautier, Contrats, Rn. 251 f.; Bénabent, Contrats spéciaux10, Rn. 202 ff., 211 ff.; Collart Dutilleul / Delebecque,
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allgemein und gegenüber allen – möglicherweise gar nicht schutzwürdigen – Dritten abschwächen würde und die Übergabe damit letztlich im Außenverhältnis konstitutiv wäre, bleibt nach der herrschenden Lesart der absolut wirksame Eigentumsübergang durch die Einigung unangetastet. Das Eigentum geht mit Wirkung erga omnes über; und nur punktuell greifen Regelungen zum Schutz Dritter, denen gegenüber der Eigentümer sich nicht auf sein Eigentum berufen kann (inopposablité). Dogmatisch äußert sich dieser Unterschied vor allem darin, dass der Käufer bereits nach der Einigung Dritten gegenüber grundsätzlich, das heißt soweit nicht die Vorschrift zur Gutglaubensfunktion des Besitzes (Art. 2279 CC1804; seit 2008 Art. 2276 CC) oder zum Doppelverkauf (Art. 1141 CC1804; Art. 1198 CC2016) eingreift, vindizieren kann153. Damit bleibt es insgesamt konzeptionell bei der konsequenten Geltung des Konsensprinzips beim Kauf körperlicher Sachen im Code civil.
bb) Motive der Entscheidung für das Konsensprinzip Die Gründe für die letztlich bis heute gültige Entscheidung der Viererkommission für das Konsensprinzip sind Gegenstand einer Kontroverse154. Zunächst äußerte sich Portalis im Discours préliminaire zum Entwurf von 1800 selbst nicht zu den Motiven. In einer Rede vor dem gesetzgebenden Corps législatif 1804 behauptete er später lediglich recht lapidar, dass die Einigung anders als nach römischem Recht nach „den Prinzipien unseres französisches Rechts“ ausreiche155. Vor dem Hintergrund der beschriebenen, bis zur Revolution bestehenden Meinungsverschiedenheiten im Ancien droit ist dies aber zumindest eine sehr verkürzte Begründung; gemeint hat Portalis womöglich die in der Praxis etablierte Anerkennung des faktischen Konsensprinzips (fiktive Übergaben; Besitzkonstitute). Auch Bigot-Préameneu, ein weiteres Mitglied der Viererkommission, äußerte sich in einer ähnlichen Rede 1804 nicht zu den Motiven für das Konsensprinzip, unterstrich aber ausdrücklich die beabsichtigten Wirkungen der Neuregelung. Er erklärte, dass die obligation de donner künftig nicht mehr nur ein ius ad rem, sondern bereits ein ius in re gewähre und daher bereits nach Abschluss des Kaufvertrages das Zufallsrisiko nach der Regel res perit domino beim Käufer liege156. Contrats civils, Rn. 187 ff.; Ghestin / Desché, Vente, Rn. 522–542; Schrage, Traditionibus, S. 948 f.; kritisch hingegen Chazal / Vicente, Transfert, S. 481 ff. 153 Z. B. Bénabent, Contrats spéciaux10, Rn. 223; Michaels, Sachzuordnung, S. 155, Fn. 613 mit Verweis auf Bufnoir, Propriété, S. 53 (= S. 65 der Originalausgabe). 154 Vgl. nur Michaels, Sachzuordnung, S. 151–154; anders insbesondere Bucher, Translativwirkung, S. 651 ff. 155 Portalis, in: Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 112: „Dans les principes de notre droit français, le contrat suffit […]“; dies entspreche eher der Vernunft und sei für die Gesellschaft und den Handelsverkehr günstiger. Die Argumentation blieb insoweit an der Oberfläche. 156 Bigot-Préameneu, in: Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 13, S. 230.
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Was die Redaktoren in der Sache zur konsequenten Einführung des Konsensprinzips bewegt hat, wird aus ihren Äußerungen nicht klar. Einige Autoren nehmen einen Einfluss der naturrechtlichen Lehren insbesondere Grotius’ und Pufendorfs an157. Direkte Verbindungslinien lassen sich zwar kaum zeigen158, ein genereller Einfluss naturrechtlicher Gedanken auf den Code civil und auch auf dessen Schuldrecht lässt sich jedoch kaum bestreiten159 und wurde von Portalis selbst auch offen angesprochen160. Weiterhin sehen einige Autoren den Grund für die Anerkennung des Konsensprinzips in dem Bestreben, die erwünschte Gefahrtragung des Käufers bereits unmittelbar nach Vertragsschluss dogmatisch auf die allgemeine Regel res perit domino stützen zu können161: Wenn der Käufer bereits mit Abschluss des Kaufvertrages Eigentümer wird, ist ihm bereits ab diesem Zeitpunkt das Risiko der zufälligen Verschlechterung sowie des zufälligen Untergangs der Kaufsache zugewiesen, ohne dass für das Kaufrecht spezielle Gefahrtragungsregeln nötig wären. Dies Bestreben mag Einfluss gehabt haben162; zwingend ist die Argumentation aber nicht, da auch spezielle Regelungen im Kaufrecht denkbar gewesen wären. Eine konkretere und naheliegende Erklärung ist dagegen, dass die Redakteure der Viererkommission das Übergabeerfordernis nur in der Theorie aufgaben, weil es für die Praxis schon lange keine Rolle mehr spielte163. Besitzkonstitute
157 So insbesondere Planiol / Ripert, Droit civil, Bd. 1, Nr. 2594; Chazal / Vicente, Transfert, S. 488 ff.; Michaels, Sachzuordnung, S. 151 f. mit etlichen weiteren Nachweisen in Fn. 586. A. A. Bucher, Translativwirkung, S. 635–638. Zum Konsensprinzip im Naturrecht s. oben S. 25 ff., 33 ff. 158 So zu Recht Bucher, Translativwirkung, S. 637 f. Unzutreffend argumentiert Bucher jedoch weitergehend, dass Grotius und Pufendorf das Konsensprinzip nur für das Naturrecht, nicht aber für das Zivilrecht gerechtfertigt hätten (dazu ausführlich oben S. 25 ff., 33 ff.; treffend dagegen auch Michaels, Sachzuordnung, S. 151, Fn. 587). 159 Dazu oben S. 58 f. 160 „En traitant des contrats, nous avons développé les principes du droit naturel qui sont applicables à tous“: Portalis, in: Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 509 (Discours préliminaire zum Entwurf der Kommission von 1800). 161 So vor allem Bucher, Translativwirkung, S. 651–659. Seine Hauptthese, allein solche Gefahrtragungserwägungen seien für die Einführung des Konsensprinzips maßgeblich gewesen, kann sich allerdings nur auf Indizien stützen und scheint angesichts der zweifelhaften Prämisse, das Konsensprinzip für Mobilien sei im Code civil eine radikale Neuerung (dazu unten Fn. 163), wenig plausibel; so auch Rodríguez-Rosado, Abstraktionsprinzip, S. 52 f. 162 Dafür sprechen auch die oben erwähnten Äußerungen Bigot-Préameneus zu den Auswirkungen des Konsensprinzips, s. oben Fn. 156. 163 So insbesondere auch bereits Martin, Coutume, S. 66; aus moderner Sicht Lévy / Castaldo, Histoire, Rn. 396; Malaurie / Aynès / Gautier, Contrats, Rn. 251; ferner Bufnoir, Propriété, S. 37–39 (= S. 41–43 der Originalausgabe) sowie Rodríguez-Rosado, Abstraktionsprinzip,
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und fiktive Übergaben waren schließlich – wie beschrieben – weitgehend anerkannt164; und auch die erwähnte Bemerkung Portalis’165 spricht dafür, dass die Viererkommission die Übergabe bereits nach dem geltenden französischen Recht für entbehrlich hielt. Letztlich kann eine Diskussion der genauen Motive der Entscheidung für das Konsensprinzip im Code civil für die hier maßgebliche Fragestellung dahinstehen. Möglicherweise waren alle genannten Motive gemeinsam einflussreich166. Wichtig ist vor allem, dass die Redaktoren keine radikale Änderung der Rechtslage herbeiführen wollten und auch nicht herbeigeführt haben.
d) Zwischenergebnis Die Entscheidung zugunsten des Konsensprinzips im Code civil ist maßgeblich in der Viererkommission gefallen, die ihren Entwurf 1800 vorstellte. Die Motive für diese Entscheidung sind nicht ganz klar; die Redaktoren haben jedoch, soviel lässt sich ihren Äußerungen entnehmen, kein völlig neues Prinzip im Vermögensrecht aufstellen wollen, sondern an die Rechtslage im Ancien droit anknüpfen wollen. Dort war das Traditionserfordernis mit der Anerkennung von Übergabesurrogaten bereits praktisch obsolet geworden; zum Teil war auch bereits ein theoretisches Konsensprinzip postuliert worden. Die Mitglieder der Viererkommission haben damit das faktisch bereits weitgehend geltende Recht im Code civil zum dogmatischen Prinzip gemacht. Die oben beschriebenen Liberalisierungen des römischrechtlichen Traditionsprinzips im Ancien droit sind
S. 52 f. und insbesondere Michaels, Sachzuordnung, S. 152 f. m. w. N. Anders aber Bucher, Translativwirkung, S. 641 f., der argumentiert, die genannten Übergabesurrogate hätten nur für Immobilien gegolten, so dass ihre Übertragung auf das Mobiliarkaufrecht eine nicht organisch erklärbare, unzulässige Verallgemeinerung bedeutet habe. Die Prämisse trifft allerdings nicht zu; Besitzkonstitute und fiktive Übergaben waren im Gegenteil auch bereits im Ancien droit für bewegliche Sachen anerkannt; so auch Michaels, Sachzuordnung, S. 152. 164 Dazu oben S. 98 f., 105 f. 165 Die Aussage Portalis’, dass nach französischem Recht bereits die Einigung ausreiche, kann in diesem Sinne verstanden werden (s. oben S. 116, Fn. 155). Zu weitgehend daher selbst von seinem Standpunkt aus Bucher, Translativwirkung, S. 648 f., Fn. 95, der der Viererkommission ein vorsätzliches „Verschleiern[s] des Novitätscharakters“ mittels vorgeschobener Argumente unterstellt. 166 In diese Richtung Michaels, Sachzuordnung, S. 151–154, der freilich für entscheidend die Existenz der obligatio dandi hält (a. a. O., S. 154): Diese sei lediglich „in ihr Extrem weitergeführt“ worden, indem das für den Obligationenbegriff problematische dingliche Element der obligatio dandi bereits dogmatisch als Eigentum bezeichnet worden sei. Zwar treten in der Tat Widersprüche auf, wenn man den Begriff der obligatio dandi bei gleichzeitiger Geltung des Konsensprinzips konsequent weiter denkt (s. oben S. 29 f., Fn. 141). Doch diese ergeben sich erst im Zusammenspiel mit dem Konsensprinzip, setzen es also nicht voraus. Mit anderen Worten ist die Existenz der obligatio dandi dogmatisch auch bei Geltung des Traditionsprinzips denkbar; sie würde sich dann nur nicht mehr derart prinzipiell von einer obligatio faciendi unterscheiden.
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also im Zuge der Kodifikation konsequent weitergedacht worden; dieser Schritt musste den Redaktoren als wenig revolutionär erscheinen167. Unklar bleibt dagegen nach der Quellenlage, ob die Kommission eine nur relative Eigentumszuordnung durch die Einigung festschreiben wollte: Der Entwurf von 1800 enthält dafür keine Hinweise; eine neu eingefügte Vorschrift in der Diskussionsvorlage für den Conseil d’État von 1803 deutet dagegen in diese Richtung. Angesichts fehlender Erläuterungen der Gesetzesverfasser selbst kann nur auf das – plausible – Verständnis der meisten französischen Autoren sowie der Rechtsprechung nach Inkrafttreten des Code civil verwiesen werden, die einen auch im Außenverhältnis grundsätzlich sofort absolut wirkenden Eigentumsübergang annahmen und annehmen.
2. Die signification im Gesetzgebungsprozess Im Vergleich mit diesen Entwicklungen beim Kauf körperlicher Sachen soll nun die Entwicklung der signification im Gesetzgebungsprozess untersucht werden. Wie konnte die bis 2016 bestehende Regelung des Art. 1690 CC1804 entstehen?
a) Die signification in den Entwürfen Combacérès’ Der erste Entwurf Combacérès’ von 1793 behandelte die Zession noch nicht ausdrücklich168. Ein indirekter Hinweis zur Notwendigkeit einer Anzeige findet sich dagegen: Nachdem Combacérès in Liv. III, Tit. II, Art. Ier das – wie gesehen im Kaufrecht nicht konsequent verfolgte169 – Prinzip aufgestellt hatte, dass zur Übertragung der Eigentums immer eine Übergabe (tradition) notwendig sei170, behandelte er in Art. 4 desselben Titels die Übergabe von „unkörperlichen Rechten“ (droits incorporels)171. Diese sei, wie die Übergabe von Grundstücken, fiktiv und vollziehe sich durch die Übergabe des zugrunde liegenden Erwerbstitels172. Das hätte konsequent eine Zession ohne konstitutive Abtretungsanzeige bedeutet – allerdings ist sehr zweifelhaft, ob Combacérès bei dieser Vorschrift an die Zession gedacht hat und einen solchen Paradigmenwechsel herbeiführen wollte. Denn im Kaufrecht, wo die Zession im Ancien droit und in allen folgenden Entwürfen ihren dogmatischen Ort fand, erwähnte 167 So auch Michaels, Sachzuordnung, S. 152 sowie Rodríguez-Rosado, Abstraktionsprinzip, S. 52 f. 168 S. oben S. 55. 169 S. oben S. 112 f. 170 S. oben S. 112, Fn. 134. 171 Als „bewegliche“ unkörperliche Güter verstand der Entwurf laut Liv. II, Tit. Ier, Art. 19 f. auch Forderungen. 172 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 74: „La tradition des meubles corporels ne peut s’opérer que par la délivrance de la chose même; celle des immeubles et des droits incorporels, tant mobiliers qu’immobiliers, est fictive; elle s’opère par la délivrance du titre de l’obligation qui a pour objet d’en transférer la propriété.“
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der Entwurf die Zession nicht; und auch in den Erläuterungen zum Entwurf 173 wurde sie nicht behandelt. Spezifischer war in dieser Frage der zweite Entwurf von 1794, in dem Combacérès die Zession in Art. 201 f. explizit als Unterfall des Kaufs regelte174. Art. 201 des nur bruchstückhaft gebliebenen Entwurfs bestimmte, dass die Zession dem Schuldner gegenüber erst wirksam sei, nachdem sie ihm angezeigt wurde. Auch wenn unklar ist, wie tief durchdacht diese Vorschrift angesichts der unklaren Regelung des Konsensprinzip beim Sachkauf 175 war, wäre dies eine enorme Veränderung im Vergleich zum Ancien droit gewesen: Zum einen war keine förmliche signification mehr vorgesehen, sondern lediglich eine offenbar formlose Anzeige, wie das Verb notifier im Gegensatz zum signifier aus dem Recht der Coutumes zeigt. Und zum anderen sollte die Anzeige dem Wortlaut der Vorschrift nach nur dem Schuldner gegenüber Rechtswirkungen entfalten, was im Umkehrschluss eine ansonsten absolute Wirksamkeit der Zession schon vor der Anzeige bedeutet hätte. Die Vorschrift des Art. 201 übernahm Combacérès zwar in Art. 855 des dritten Entwurfes176, den er 1796 dem Rat der Fünfhundert vorlegte. Doch dieser Übernahme stand eine neue Regelung im selben Entwurf diametral gegenüber: Der neu formulierte Art. 537 führte erstmals die förmliche signification des Ancien droit in den Gesetzgebungsprozess ein. Die Vorschrift bestimmte ausdrücklich, dass die signification des Zessionars an die Stelle der Übergabe trete177, die im dritten Entwurf – wie gesehen178 – konstruktiv ganz allgemein zum Eigentumserwerb notwendig war. Ob Combacérès im dritten Entwurf damit für eine für den Forderungsübergang inter partes und erga omnes konstitutive signification plädierte, oder doch eine formlose und nur für den Schuldner bedeutsame notification ausreichen lassen wollte, muss wegen des offenen Widerspruchs zwischen Art. 537 und Art. 855 zwar offenbleiben. Die explizite Erklärung der signification als Übergabeäquivalent im Gesetzestext (Art. 537) beweist aber jedenfalls, dass dieses im Ancien droit ubiquitäre Verständnis auch im Gesetzgebungsprozess zum Code civil präsent war, obwohl spätere Fassungen und auch der Code civil letztlich auf eine derart ausdrückliche Gleichstellung der signification mit der Übergabe verzichteten.
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Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 1–16. Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 129. S. oben S. 112 f. 176 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 294. 177 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 1, S. 258: „La signification du transport, faite au débiteur d’une créance par celui qui l’a acquise, tient lieu de tradition.“ 178 S. oben S. 113. 174 175
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b) Der Entwurf der Viererkommission 1800 Die im Einzelnen teils wenig ausgearbeiteten Entwürfe Combacérès boten also ein disparates Bild. Der für den später verabschiedeten Code civil allgemein sehr maßgebliche Entwurf der Viererkommission von 1800 verhielt sich dagegen ausführlich, durchdacht und innovativ zur signification. Art. 110 des Kaufrechts im Entwurf 179 formulierte bereits die später als Art. 1689 CC1804 verabschiedete Regelung, nach der die Forderung zwischen Zedent und Zessionar schon mit der Einigung übergehe180. Diese sofortige relative Wirksamkeit der Zession inter partes, die wie gesehen bereits am Ende des Ancien droit Zustimmung fand181, stand seither im Gesetzgebungsverfahren nicht mehr zur Debatte. Das Problem der Wirksamkeit der Zession gegenüber Schuldner und Dritten, das im Ancien droit immer mit der konstitutiven signification gelöst wurde, beantwortete die Viererkommission demgegenüber im folgenden Art. 111182 innovativ. Dieser regelte lediglich, dass sich der Schuldner bis zur signification durch Zahlung an den Zedenten wirksam von seiner Schuld befreien könne (Art. 111 al. 1). Schon die Formulierung deutet einen Paradigmenwechsel an: Der Schuldner kann nicht mehr an den Zedenten leisten, weil dieser – ihm gegenüber – noch Forderungsinhaber ist, sondern obwohl er es nicht mehr ist. Andernfalls müsste der Gesetzestext nicht klarstellen, dass der Schuldner sich „wirksam“ (valablement), also mit Wirkung gegen den wahren Gläubiger, befreien kann. Diese im französischen Recht völlig neue Anerkennung der befreienden Leistung nur aus Billigkeitsgründen183 ging mit einer ebenso innovativen, massiven Abwertung der signification einher. Art. 111 al. 2 stellte klar, dass 179 Liv. III, Tit. XI, Art. 110, Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 2, S. 349: „Dans le transport d’une créance, droit ou action sur un tiers, la délivrance s’opère, entre le cédant et le cessionnaire, par le remise du titre.“ 180 Die im missverständlichen Wortlaut genannte Titelübergabe wurde von Anfang an nicht als echte Zessionsvoraussetzung verstanden, insbesondere weil viele Forderungen nicht verbrieft waren. Vielmehr sollte die Titelübergabe bei der Zession – ebenso wie nach dem Konsensprinzip im Code civil die Übergabe der Sache beim Sachkauf (Art. 1603 f. CC, dazu oben S. 114) – keine konstitutive Wirkung für den Eigentumsübergang haben, sondern nur als délivrance eine Pflicht des Verkäufers aus dem durch Einigung entstandenen Kaufvertrag darstellen. Die Aussage des Art. 1689 CC1804 erschöpfte sich damit nach einhelliger Ansicht darin, dass der Forderungsübergang zwischen Zedent und Zessionar bereits durch die Einigung stattfindet: Für das 19. Jahrhundert Troplong, Vente, Nr. 881; Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 483; ausführlich Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 286 ff. Aus moderner Sicht statt aller Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1289. 181 S. oben S. 107 f. 182 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 2, S. 349: „[1]Cependant, jusqu’à ce que le cessionnaire ait signifié le transport au débiteur, celui-ci peut valablement se libérer envers le cédant; [2]Mais la créance ne peut plus être saisie par les créanciers du cédant qui a été exproprié par le fait de son consentement.“ 183 Zur parallelen Argumentation bei einem Teil der Autoren des usus modernus s. oben S. 93 f.
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Gläubiger des Zedenten auch vor der signification keinen Zugriff mehr auf die Forderung hätten. Typisch für den lehrbuchartigen Gesetzgebungsstil des Entwurfs erklärte der Gesetzestext die Regelung selbst: Die Forderung sei bereits aufgrund der Einigung aus dem Vermögen des Zedenten ausgeschieden (exproprié). Die Verfasser des Entwurfs gingen also von einem absolut wirksamen Forderungsübergang durch die Einigung aus. Der Entwurf der Viererkommission von 1800 ging damit in der französischen Zessionsrechtsdogmatik einen neuen Weg. Er überwand insbesondere die Kernaussage Un simple transport ne saisit point der im Ancien droit vorherrschenden Coutumes de Paris. Dritten gegenüber, aber sogar auch dem Schuldner gegenüber sollte die Forderung sofort mit der Einigung in das Vermögen des Zessionars übergehen – das entspräche dem heute in Deutschland geltenden Einheitsprinzip bei der Zession. Mit der im Gesetzestext explizierten Geltung des Konsensprinzips war der Forderungsübergang erstmals von der signification abgekoppelt; die Abtretungsanzeige verlor insoweit ihre konstitutive Wirkung als Übergabeäquivalent gänzlich. Sie behielt lediglich eine nachgeordnete und punktuelle Bedeutung für die befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten. Die Formulierungen des Art. 111 deuten darauf hin, dass sich der Schuldner folgerichtig bereits vor der signification auf den Forderungsübergang berufen können sollte, wenn ihm das günstig erschien. Freilich ging die Viererkommission nicht noch einen Schritt weiter, indem sie die – weiter gerichtsförmige und damit schwerfällige – signification durch eine formlose Abtretungsanzeige oder gar ein kenntnisbasiertes Schuldnerschutzsystem ersetzte. Die Reichweite dieser dogmatischen Neuausrichtung war zwar in Anbetracht der Tatsache, dass Portalis sie im Discours préliminaire zum Entwurf nicht erwähnte oder erklärte, überraschend. Vor dem Hintergrund des im Entwurf ebenfalls kohärent durchgeführten Konsensprinzips beim Sachkauf 184 war die Neuerung aber folgerichtig: Der Kauf körperlicher und unkörperlicher Gegenstände war damit einheitlich innerhalb eines harmonisierten, auf dem Konsensprinzip basierenden Systems geregelt. Die signification konnte darin treffender als zuvor als eine durch den Schuldnerschutz begründete und begrenzte Informationsobliegenheit des Zessionars verstanden werden. Damit gelang es den Verfassern des Entwurfs, die systematischen Brüche, die sich im Ancien droit zwischen dem Kauf körperlicher Sachen und der Zession gebildet hatten185, mit der konsequenten Anwendung des Konsensprinzips auch auf die Zession zu vermeiden. Der Entwurf der Viererkommission von 1800 stellte damit eine systematisch durchdachte, beim Sachkauf nur dogmatisch, bei der Zession jedoch auch praktisch innovative Weiterentwicklung zur Rechtslage unter dem Ancien droit dar. 184 185
Dazu oben S. 114 ff. S. oben S. 105 ff.
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c) Vom Entwurf der Viererkommission zum Code civil aa) Die Diskussionsvorlage für den Conseil d’État von 1803 Während das Konsensprinzip beim Sachkauf später im Code civil verabschiedet wurde, ist das im Entwurf von 1800 vorgesehene erneuerte Zessionsrecht nie in Kraft getreten. Schon die Diskussionsvorlage für den Conseil d’État von 1803 nahm die fortschrittlichen Neuerungen des Entwurfs der Viererkommission in wesentlichen Punkten zurück. Zwar blieb es bei der sofortigen relativen Wirksamkeit der Zession zwischen Zedent und Zessionar186. Der neugefasste Art. 111 sah aber vor, dass die Forderung nun wieder wie im Ancien droit dem Schuldner und auch – damit gekoppelt – allen sonstigen Dritten gegenüber erst mit der signification (oder mit einer notariellen acceptation durch den Schuldner) übergehen sollte187. Damit hatte sich die hauptsächliche Neuerung des Entwurfs der Viererkommission von 1800, der prinzipielle Forderungsübergang erga omnes durch die Einigung, nicht durchgesetzt. Der Unterschied ließ sich auch terminologisch nachvollziehen: Die Diskussionsvorlage von 1803 verwendete wieder das Verb saisir aus den Pariser Coutumes, um deutlich zu machen, dass die fehlende signification nicht etwa nur dazu führt, dass der Zessionar seine Forderungsinhaberschaft bestimmten Dritten nicht entgegenhalten kann (so die inopposabilité des Eigentums beim Sachkauf 188), sondern dass er für alle außer den Zedenten erst mit der signification zum Inhaber der Forderung wird. Damit war die konstitutive Wirkung der signification aus dem Ancien droit wiederhergestellt. Der in den praktischen Auswirkungen bedeutendste Unterschied zum Entwurf von 1800 bestand darin, dass die signification nicht nur für den unmittelbar betroffenen Schuldner, sondern auch für sonstige Dritte (Gläubiger des Zedenten und des Zessionars sowie Zweitzessionare) den Zeitpunkt des Forderungsübergangs markierte. Art. 110 und 111 der Diskussionsvorlage von 1803 sind ein Jahr später kaum verändert als Art. 1689 und 1690 CC1804 verabschiedet worden. Wie es zu dieser substanziellen Änderung zwischen dem Entwurf der Viererkommission von 1800 und der für den Code civil schließlich maßgeblichen Diskussionsvorlage von 1803 kommen konnte, ist unklar. Im Allgemeinen sind in dieser Phase im Kaufrecht eher redaktionelle und kaum mehr inhaltliche Änderungen vorgenommen worden189, weshalb die dogmatische Kehrtwende zurück zum Ancien droit bei der Zession besonders überrascht. Weder ist bekannt, wer genau 186 Art. 110 des Kaufrechts nach der Diskussionsvorlage: Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 19. 187 Art. 111: „Le cessionnaire n’est saisi, à l’égard des tiers, que par la signification du transport faite au débiteur. […]“, Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 14, S. 19. 188 Dazu oben S. 114 ff. 189 Vgl. die – oft auch wortgleichen – Normen in Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 2, S. 334–350 (1800) sowie Bd. 14, S. 4–20 (1803).
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den Entwurf überarbeitete, noch sind in den Materialien die Motive dafür überliefert. Daher stellt sich die Frage, woher der – letztlich bis zum Jahr 2016 fortwirkende – Impuls für diese Rückkehr zur konstitutiven signification kam.
bb) Einfluss der Stellungnahmen (observations) der Obergerichte zum Entwurf von 1800 Die einzigen Hinweise, die sich den Gesetzesmaterialien für die Zeit zwischen 1800 und 1803 entnehmen lassen, finden sich im gerichtlichen Konsultationsverfahren, in dem alle französischen Obergerichte (die Tribunaux d’appel sowie das Tribunal de cassation) Stellungnahmen (observations) zum Entwurf der Viererkommission von 1800 abgeben konnten. Die in Ausführlichkeit und Tiefe erheblich divergierenden Anmerkungen sind in den Gesetzgebungskompendien überliefert190. Einige der Stellungnahmen beschäftigten sich nun auch mit den gänzlich neuartigen Vorschriften zur Zession und zur signification im Entwurf von 1800191; dabei standen sie den Neuerungen insgesamt eher ablehnend gegenüber. Das Tribunal de Caen kritisierte den in Art. 111 al. 2 des Entwurfs vorgesehenen sofortigen Übergang der Forderung gegenüber Dritten mit der Wirkung, dass Gläubiger des Zedenten ab dem Zeitpunkt der Einigung keinen Zugriff mehr auf die Forderung haben. Dies öffne Tür und Tor für betrügerische Akte zum Nachteil dieser Gläubiger, weil der Zedent durch rückdatierte privatschriftliche Zessionsurkunden den Zugriff der Gläubiger auf die Forderung missbräuchlich vereiteln könne192. Zur Wirksamkeit der Zession gegenüber diesen Gläubigern sei daher eine notarielle Zessionsurkunde oder eine gerichtliche signification zu fordern. Dieses praktische Bedenken war nicht ganz unplausibel, doch ließe sich aus heutiger Sicht erwidern, dass der Gefahr eines solchen Missbrauchs auch durch spezielle Vorschriften zur Anfechtung von Rechtsgeschäften, die Gläubiger benachteiligen, begegnet werden kann. Zudem geht es bei der Rückdatierung von Rechtsakten im Kern um ein beweisrechtliches Problem, das beweisrechtlich behandelt werden kann (z. B. dadurch, dass die Beweiskraft einer privatschriftlichen Zessionsurkunde als schwächer eingestuft wird) und nicht durch ein für alle Dritten konstitutives Anzeigeerfordernis gelöst werden muss. 190
Z. B. Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 2 (zur Hälfte) sowie Bd. 3–5; die observations reichen von wenigen Anmerkungen bis zu kompletten Vorschlägen für Neuformulierungen, insbesondere im besonders umstrittenen Personen- und Familienrecht. 191 Die ansonsten besonders ausführlichen Anmerkungen des Tribunal de cassation (Halpérin, Code civil, S. 20) enthalten allerdings praktisch keine Ausführungen zum Zessionsrecht (vgl. Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 2, S. 728). Zu den Zessionsvorschriften äußerten sich, soweit ersichtlich, die Tribunaux d’appel aus Agen, Caen, Colmar, Grenoble, Lyon, Orléans, Paris und Toulouse. 192 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 3, S. 454.
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Das zeigen auch die Ausführungen des Tribunal de Colmar. Es befürchtete genau dieselbe Missbrauchsgefahr durch rückdatierte Zessionsurkunden193. Doch anders als das Tribunal de Caen forderte es nicht die Rückkehr zur konstitutiven signification, sondern beließ es bei der Anregung, dass der Forderungsübergang gegenüber Gläubigern des Zedenten nur bei Errichtung einer notariellen oder wenigstens klar datierten Zessionsurkunde eintreten solle. Damit fing das Gericht den befürchteten Missbrauch treffend beweisrechtlich ein. Weniger spezifisch argumentierte das Tribunal d’Orléans gegen die neue Regelung: Im aktuellen Recht (also im Ancien droit) gehe die Forderung erst mit der signification auf den Zessionar über, und zwar sowohl Dritten als auch dem Schuldner gegenüber194. Und im Übrigen befinde sich die Neuregelung im Zessionsrecht im Widerspruch zur parallelen Vorschrift im Recht der Forderungsverpfändung (Liv. III, Tit. XVIII, Art. 4 des Entwurfs von 1800195), die weiterhin die signification an den Drittschuldner als konstitutiv für die Verpfändung ansah. Der Widerspruch war in der Tat nicht zu leugnen, doch gab das Tribunal über den Verweis auf die bisherige Rechtslage hinaus keine Begründung dafür, warum das Zessionsrecht hier wieder dem Pfandrecht angepasst werden sollte und nicht umgekehrt. Ganz anders kommentierte das Tribunal de Toulouse. Es schlug vor, die signification ganz abzuschaffen und dem Schuldner auch bereits bei einfacher Kenntnis von der Zession die befreiende Leistung an den Zedenten zu versagen196. Auf diese Weise könne auch der Zedent dafür sorgen, das von ihm oft übernommene Risiko einer befreienden Leistung des Schuldners auszuschließen (denn die signification konnte im Entwurf von 1800 nur durch den Zessionar erfolgen). Besonders einflussreich waren schließlich mit einiger Wahrscheinlichkeit die sehr ausführlichen Anmerkungen des besonders wichtigen197 Tribunal de Paris: Dieses plädierte dafür, zur Regelung der Coutumes de Paris zurück193 194
Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 3, S. 489 f. Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 5, S. 83. 195 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 2, S. 397 f.: „Les meubles incorporels, tels que les créances mobilières, peuvent être donnés en nantissement, pourvu qu’il soit fait par un acte devant notaires, avec minute, portant que le billet ou autre titre de la créance active a été transporté en nantissement, et remis à ce titre entre les mains de celui auquel le gage est donné, et que ce transport soit signifié au débiteur de la dette remise en nantissement.“ Eine ähnliche Vorschrift wurde 1804 als Art. 2075 CC1804 verabschiedet. Von 2006 an war der Code civil umgekehrt widersprüchlich: Die signification war bei der Zession konstitutiv, bei der Verpfändung nicht (Art. 2361 CC ab 2006), dazu Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1286 und unten S. 155, Fn. 363. 196 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 5, S. 617 f. Abgedruckt ist zwar der Vorschlag, dass es auf die Kenntnis des Zessionars ankommen solle, doch kann dies nur ein Schreibfehler sein: Sinnvoll ist allein, bei der befreienden Leistung auf die Kenntnis des Schuldners abzustellen. 197 Die Vorgängerinstitution, das Parlement de Paris, war im Ancien droit überregional zuständig und besonders einflussreich; dazu oben S. 47, Fn. 234.
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zukehren und der signification wieder konstitutive Wirkung zuzumessen, wie es dem gemeinfranzösischen Recht entspreche. Das sei die am wenigsten bedenkliche und unzweideutige Regelung; und an dieser Stelle solle man besser nichts erneuern, sondern sich an die hergebrachten Prinzipien halten198. Des Weiteren verstand das Tribunal de Paris den Entwurf so, dass er auch beim Sachkauf keineswegs ein allgemeines Konsensprinzip etabliere. Insbesondere interpretierte es die an die frühere Übergabe anknüpfende Vorrangsregelung zum Doppelverkauf (Liv. III, Tit. II, Art. 39 des Entwurfs199, später Art. 1141 CC1804; jetzt Art. 1196 CC2016) dahingehend, dass der Entwurf nur bei Immobilien, nicht aber bei Mobilien auf das Traditionserfordernis verzichte200. Das Tribunal de Paris forderte nun von seinem Standpunkt aus nachvollziehbar, sowohl bei Mobilien als auch bei Immobilien das Erfordernis einer realen Übergabe für das Außenverhältnis beizubehalten. Folgerichtig sollte auch die als Übergabeäquivalent verstandene signification bei der Zession im Außenverhältnis weiter konstitutiv sein. Insgesamt lässt sich beobachten, dass kein einziges der konsultierten Gerichte die Neuerungen ausdrücklich befürwortete. Vielmehr waren die Tribunaux, soweit sie sich in ihren Stellungnahmen überhaupt mit der signification befassten, gedanklich im Ancien droit verhaftet; lediglich das Tribunal de Toulouse dachte innovativ, indem es die Abschaffung der Abtretungsanzeige und ein rein kenntnisbasiertes Schuldnerschutzsystem vorschlug. Überwiegend plädierten die Gerichte dafür, an der alten Rechtslage und damit an der konstitutiven signification festzuhalten. Die Begründungen divergierten: Während einige Tribunaux Missbrauch der neuen Regelung durch den Zedenten zulasten seiner Gläubiger befürchteten201, argumentierte das Tribunal de Paris allgemeiner, indem es ein strenges Traditionsprinzip bei Mobilien, Immobilien und bei der Zession befürwortete. Dabei unterschätzte es allerdings, wie sehr sich der Entwurf bereits systematisch konsistent für das Konsensprinzip entschieden hatte. Es überging vor allem die klare Aussage des Liv. III, Tit. II, Art. 37 des Entwurfs (später Art. 1138 CC1804 bzw. Art. 1196 CC2016), der unzweideutig das Konsensprinzip auch für bewegliche Sachen vorsah202, und zwar nach der damals und heute herrschenden Lesart auch im Außenverhältnis203. Weiterhin argumentierte das Tribunal de Paris mit einer „Beibehaltung“ des Traditionserfordernisses bei 198 199
Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 5, S. 232. Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 2, S. 165. 200 Fenet, Travaux préparatoires, Bd. 5, S. 231 f. 201 Darauf weist auch Leplat, Transmission, Nr. 570 hin; freilich vermischt er dabei den dritten Entwurf Combacérès’ von 1796 und den Entwurf der Viererkommission von 1800. Die Kritik des Tribunal de Paris erwähnt Leplat außerdem nicht. 202 S. oben S. 114, Fn. 148. 203 S. oben S. 114 ff. Die vom Gericht angeführte Vorrangsregelung zum Doppelverkauf ließ sich als eine davon unabhängige Sonderregel für einen Spezialfall verstehen; dazu oben S. 115, Fn. 152.
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Mobilien und Immobilien – dabei kannte das Ancien droit wie gesehen ein derart striktes Erfordernis in der Praxis nicht mehr204. Inhaltliche Argumente für ein konzeptionelles Traditionsprinzip und vor allem für die erwünschte Beibehaltung des status quo bei der signification brachte das Gericht nicht vor 205.
cc) Zwischenergebnis: zurück zum Ancien droit Das innovative Zessionsrecht im Entwurf der Viererkommission von 1800 fand sich – ohne dass diese Änderung von den Gesetzesverfassern diskutiert wurde – nicht mehr in der für den Code civil schließlich maßgeblichen Diskussionsvorlage für den Conseil d’État von 1803; diese kehrte vielmehr zur Rechtslage unter dem Ancien droit zurück. Inwieweit die untersuchten gerichtlichen Stellungnahmen diese Entscheidung, für die kein Urheber bekannt ist, beeinflusst haben, lässt sich nicht beweisen. Angesichts der ansonsten fehlenden Quellen über Diskussionen zur signification zwischen 1800 und 1803 muss offenbleiben, was neben dem Widerspruch der Obergerichte gegen die vom bekannten Ancien droit abweichende Neuregelung noch von Einfluss gewesen sein könnte. Jedenfalls zeigen die vorhandenen Quellen nicht, dass diese für das französische Zessionsrecht entscheidende Weichenstellung das Ergebnis eines vertieften politischen oder wissenschaftlichen Diskurses war.
3. Die signification im vermögensrechtlichen System des Code civil a) Kohärenz von Sachkauf und Zession im Code civil Das im Diskussionsentwurf für den Conseil d’État von 1803 vorgesehene Zessionsrecht ist schließlich 1804 im Code civil verabschiedet worden, ohne dass über die Funktion und Wirkung der signification noch einmal debattiert worden war. Portalis stellte vielmehr in seiner kurzen Einlassung zum Zessionsrecht die völlige Kontinuität der zu verabschiedenden Regelungen zum Ancien droit dar – ohne freilich zu erwähnen, dass der Entwurf von 1800, an dem er maßgeblich beteiligt war, hier noch einen deutlichen Bruch vorgesehen hatte206. Art. 1690 CC1804 wurde mit dem bis 2016 gültigen Wortlaut verabschiedet: Le cessionnaire n’est saisi à l’égard des tiers que par la signification du transport faite au débiteur. Néanmoins, le cessionnaire peut être également saisi par l’acceptation du transport faite par le débiteur dans un acte authentique.207 204 205
S. oben S. 111 ff. Ähnlich im Ergebnis auch Bucher, Translativwirkung, S. 645 f. 206 Vgl. die oben auf S. 55, Fn. 299 zitierte Aussage Portalis’. 207 Übers. d. Aut.: Der Zessionar erwirbt die Forderung Dritten gegenüber erst durch die signification der Abtretung gegenüber dem Schuldner. Der Zessionar erwirbt die Forderung jedoch ebenso mit Anerkennung der Zession durch den Schuldner in einer notariellen Urkunde.
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Die signification ist damit im Code civil wie im Ancien droit konstitutiv für den Forderungsübergang im Außenverhältnis. Der Vergleich mit der Entstehung des Konsensprinzips beim Sachkauf wirft nun die Frage nach der systematischen Kohärenz des Kaufrechts im Code civil (bis 2016) auf. Während der Abschluss eines Kaufvertrages über eine körperliche Sache nach der herrschenden und auch hier für plausibel erachteten Lesart der Art. 1138, 1583 CC1804 bzw. Art. 1196, 1583 CC2016 das Eigentum auch im Außenverhältnis unmittelbar auf den Käufer übergehen lässt208, führte die als Unterfall des Kaufs geregelte Zession unmittelbar nur im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar zum Forderungserwerb (Art. 1689, 1690 CC1804)209. Der entscheidende Unterschied ist, dass es beim Sachkauf nur punktuelle Abschwächungen der Translativwirkung des Konsenses für bestimmte, besitzende und gutgläubige Dritte gibt (Art. 2279, 1141 CC1804)210, denen gegenüber sich der Käufer nicht auf sein Eigentum berufen kann (inopposabilité). Bei der Zession hängt dagegen der Forderungsübergang ganz pauschal für alle, auch völlig unbeteiligte und nicht schutzwürdige Dritte von der signification ab. Angesichts der im Code civil klar zum Ausdruck kommenden Gleichstellung von Sache und Forderung als frei veräußerliches bien211 ist es nun in einer auf systematische Kohärenz zielenden Kodifikation begründungsbedürftig, warum beim Sachkauf das Konsensprinzip gilt, bei der Zession dagegen die Einigung im Außenverhältnis nichts bewirkt. Doch ist es schwierig, eine plausible Begründung zu finden. Als Rechtfertigung für diese Abweichung trägt zunächst nicht mehr der Verweis auf das vor Erlass des Code civil geltende Recht. Denn das Erfordernis der signification ist zwar dem Ancien droit entnommen worden; die dort allgemein akzeptierte Rechtfertigung der förmlichen Abtretungsanzeige als Übergabeäquivalent verliert jedoch ihren Bezugspunkt und damit ihre Plausibilität, wo das Vermögensrecht den Rechtsübergang prinzipiell nicht mehr von der Übergabe abhängig macht (Art. 1138 CC1804; Art. 1196 CC2016). Darüber hinaus können auch Schuldnerschutzerwägungen keine neue Begründung liefern. Zwar liegt es auf der Hand, dass das Zessionsrecht die unmittelbaren Auswirkungen der Zession auf den Schuldner durch spezielle Regelungen einfangen kann und muss. Doch ist die Notwendigkeit der Anzeige im Code civil gerade nicht durch kon208
Dazu oben S. 114 ff. dies bestritt allerdings schon Arndt, Zessionsrecht, S. 76 ff., 80 f.: Erst mit der signification werde der Zessionar überhaupt, auch dem Zedenten gegenüber, Forderungsinhaber; vorher bestünden nur obligatorische Rechte. Das verkennt allerdings, dass schon im Ancien droit der relative Forderungsübergang anerkannt war (dazu oben S. 107 f.) und die Redaktoren des Code civil daran sicher nichts ändern wollten. Auch ist diese Lesart der Art. 1689 f. CC1804 im Vergleich zum Sachkauf kaum plausibel. 210 Seit 2008 Art. 2276, 1141 CC1804; seit 2016 Art. 2276, 1198 CC2016. 211 S. oben S. 56 ff. 209 Bereits
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krete Wertungen des Schuldnerschutzes begrenzt. Und vor allem betrifft die signification nicht nur den Schuldner, sondern auch unbeteiligte Dritte. Eine ausdrückliche Begründung lässt sich den Gesetzgebungsdebatten auch nicht entnehmen; vielmehr deutet alles darauf hin, dass der Widerspruch, den der Entwurf der Viererkommission von 1800 mit der Einführung des Konsensprinzips im Zessionsrecht noch vermieden hatte, unentdeckt blieb. Das überrascht wenig angesichts der Tatsache, dass der ursprüngliche dogmatische Konnex zwischen Traditionsprinzip und signification bereits im Ancien droit verlorengegangen war212; allerdings hätte die Kodifikation Anlass geboten, die systematische Kohärenz der Regelungen im Kaufrecht neu zu hinterfragen. Wie hat die französische Rechtswissenschaft die Frage nach der Rechtfertigung der signification nach 1804 beantwortet?
b) Kritik an der konstitutiven signification nach Erlass des Code civil Nach Erlass des Code civil haben französische Juristen den geschilderten Widerspruch zum Teil klar erkannt. Besonders pointiert kritisierte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Alexandre Duranton die Vorschrift des Art. 1690 CC1804. Zwar sei noch verständlich, dass der Schuldner durch die signification geschützt werde; die konstitutive Wirkung auch für sonstige Dritte wie insbesondere Gläubiger des Zedenten sei jedoch ein Relikt des Traditionsprinzips im Ancien droit, für das es unter Geltung des Konsensprinzips bei der Eigentumsübertragung im Code civil keine Rechtfertigung mehr gebe213. Angesichts einer solchen nicht begründeten Ausnahme von den allgemeinen Übereignungsprinzipien im Code civil214 wollte Duranton contra legem den Zessionar gegenüber allen Dritten außer dem Schuldner bereits durch den Zessionsakt selbst zum Forderungseigentümer werden lassen. Das Erfordernis einer notariellen oder wenigstens eindeutig datierten privatschriftlichen Urkunde stelle dabei einen hinreichenden Schutz vor missbräuchlich rückdatierten Zessionen dar215. Ebenso treffend kritisierte später auch Albert Wahl die Regelung zur signification vor dem Hintergrund der historischen Zusammenhänge als „Versehen oder übertriebenes Traditionsbewusstsein“216. Vereinzelt wurden die Regelungen auch in der rechtshistorischen französischen Literatur problematisiert217;
212 213
S. oben S. 108 ff. Duranton, Droit français, Bd. 16, Nr. 498 (S. 507 ff.). 214 So wörtlich Duranton, Droit français, Bd. 16, Nr. 498 (S. 509). 215 Duranton, Droit français, Bd. 16, Nr. 498 (S. 508). 216 Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 113 f., § 1; S. 116, § 4; ihm folgte später Vidal, Fraude, S. 297 f. 217 Im 19. Jahrhundert Gide, Études, S. 376; im 20. Jahrhundert näher z. B. Larroumet, Opérations, S. 66 f.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
und auch in historisch-rechtsvergleichenden Arbeiten aus deutscher Sicht ist der Widerspruch zumindest am Rande zur Sprache gekommenen218. Raymond-Théodore Troplong wies die Kritik Durantons an den neuen Zessionsregeln dagegen scharf zurück. Die signification sei wie im Ancien droit als Übergabeäquivalent anzusehen, weil auch beim Sachkauf nach der allgemeinen Regel des Art. 1141 CC1804 (Vorrang des Besitzers beim Doppelverkauf; Art. 1196 CC2016) weiterhin im Außenverhältnis das Traditionsprinzip gelte219. Dass diese Prämisse nicht zutrifft, ist oben erläutert und auch von Zeitgenossen Troplongs erkannt worden220. Troplong verteidigte die signification darüber hinaus mit dem Argument, dass sie zur Vorbeugung von Missbrauch geradezu eine gesetzgeberische Notwendigkeit darstelle221. Durantons Einwand, dass eine notarielle oder klar datierte privatschriftliche Zessionsurkunde einem Missbrauch der Zession ausreichend vorbeuge, wies er als „Illusion“ zurück, ohne freilich genau darzulegen, vor welchem weitergehenden Missbrauch die konstitutive signification besser schütze222. Crome hat dagegen in seiner deutschen Abhandlung zum französischen Obligationenrecht am Ende des 19. Jahrhunderts den Widerspruch dadurch abzumildern versucht, dass er die saisine nach Art. 1690 CC1804 nicht als Forderungsinhaberschaft, sondern als unbeschränkte Berechtigung, die Forderung nach außen geltend zu machen, aufgefasst hat223. Die Forderung gehe mit absoluter Wirkung durch den Vertragsschluss über; der Zedent bleibe aber bis zur signification nach außen gegenüber allen Dritten „legitimiert“. Diese eher begriffliche Distinktion umgeht womöglich formal den Widerspruch zum Konsensprinzip bei der Übereignung224, widerspricht aber der historischen Einsicht, dass die saisine seit den Pariser Coutumes, von denen die Gesetzesverfasser nicht abweichen wollten, die Inhaberschaft bzw. das Eigentum an der Forderung und nicht nur deren Ausübung betraf 225. 218
148.
219
Z. B. Graner, Forderungsabtretung, S. 28; Schumann, Forderungsabtretung, S. 145–
Troplong, Vente, Nr. 883. S. 114 ff. mit Fn. 152; ebenso auch Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 475. Laurent wies anschließend in Nr. 482 (S. 474 f.) auch ausdrücklich „für die jungen Leser“ auf die fehlerhaften Ausführungen Troplongs hin, vor denen man sich hüten solle. 221 Beiden Begründungsansätzen Troplongs folgte unkritisch Marcadé, Explication, S. 326 f. 222 Seine Ausführungen hierzu beendete Troplong eher diffus mit der rhetorischen Frage, ob man sich keine gravierenderen Missbrauchssituationen als rückdatierte Zessionsurkunden vorstellen könne: Troplong, Vente, Nr. 883 (S. 385). 223 Crome, Obligationenrecht, S. 246–252. 224 So auch selbst Crome, Obligationenrecht, S. 248 f., Fn. 24. 225 Vgl. oben S. 98 ff. Crome hat diese historischen Zusammenhänge zwar eingeräumt (Obligationenrecht, S. 248 f., Fn. 24), aber von der Geltung des Konsensprinzips beim Sachkauf auf ein verändertes Verständnis der saisine im Zessionsrecht geschlossen. An eine derartige Bedeutungsverschiebung hatten die Gesetzesverfasser aber gerade nicht gedacht; und auch die französischen Juristen nahmen weiterhin allgemein an, dass die saisine die Forde220 S. oben
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c) Funktionswandel: Publizität mittels signification? Andere Autoren versuchten das Erfordernis der signification mit einer neuen Erklärung zu rationalisieren. François Laurent226 und Théophile Huc227 erkannten im Ausgangspunkt ebenfalls, dass die Regeln zur signification im Widerspruch zu den allgemeinen Übereignungsprinzipien des Code civil standen. Da die alte Erklärung als Übergabeäquivalent unter Geltung des Code civil auch für sie offensichtlich versagte, versuchten sie, eine neue Rechtfertigung für die signification zu finden228. Dazu deuteten sie die signification von einem Übergabeäquivalent in ein Publizitätsmittel um229 – dies blieb die bis 2016 vorherrschende Erklärung der signification in der französischen Literatur230. Während diese Argumentation im Hinblick auf den Schuldner einleuchtet, lässt sich mit ihr freilich nicht erklären, warum die signification auch für Dritte, also insbesondere für Gläubiger des Zedenten und des Zessionars sowie für Zweitzessionare und deren Gläubiger den Zeitpunkt des Forderungserwerbs markiert. Ihnen gegenüber entfaltet die Abtretungsanzeige an den Schuldner keinerlei Publizität. Anders als beim Publizitätsmittel des Besitzes bei körperlichen Sachen ist nicht einmal theoretisch denkbar, dass die stattgefundene Abtretungsanzeige dem Rechtsverkehr den Forderungsübergang nach außen offenbar macht. Der Zeitpunkt, ab dem der Zedent betroffenen Dritten gegenüber nicht mehr als Gläubiger anzusehen ist, muss diesen Dritten daher zufällig erscheinen.
rungsinhaberschaft selbst betreffe (z. B. Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 481). Crome ist daher zu widersprechen, wenn er saisine mit „Besitz“ gleichsetzt und vom „Eigentum“ an der Forderung abgrenzt: Crome, Obligationenrecht, S. 247. Hinsichtlich der Trennung zwischen Forderungsinhaberschaft und -ausübung könnte Crome von der Ausübungslehre Mühlenbruchs (dazu oben S. 64 ff.) beeinflusst gewesen sein. 226 Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 475 f., 481: Die konstitutive signification sei eine Sonderregel nur für die Forderungsabtretung, die aufgrund ihres Ausnahmecharakters eng auszulegen und damit nicht auf den Kauf sonstiger unkörperlicher Rechte (z. B. den Erbschaftskauf ) anwendbar sei. 227 Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 303 f. 228 Anders allerdings Planiol, der in Kenntnis der Veränderungen beim Sachkauf zur Umgehung der Publizitätsproblematik weiterhin an der aus dem Ancien droit bekannten Konzeption festhielt, nach der der Zessionar die Forderung erst durch die signification überhaupt erwerben könne: Planiol / Ripert, Droit civil, Bd. 2, Nr. 1614 f. Das überzeugt wie gezeigt in einer auf Kohärenz zielenden Kodifikation, die Sachen und Forderungen beim Kauf gleichstellt, ohne nähere Begründung nicht. 229 Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 482; Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 303 f.; ebenso z. B. Crome, Obligationenrecht, S. 247. 230 Aus der moderneren Literatur z. B. Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1284; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1415; Malinvaud / Fenouillet / Mekki, Droit des obligations, Rn. 862; Raynaud, Contrats, S. 179 ff.; Carbonnier, Droit civil, Rn. 1232; weitere Nachweise für die ältere Literatur bei Larroumet, Opérations, S. 67, Fn. 1 sowie bei Ghestin, Transmission, Nr. 26, Fn. 46.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
Laurent und Huc haben diese offensichtlich fehlende Publizitätswirkung für Dritte selbst erkannt. Huc konzedierte daher, dass die beabsichtigte Publizität nur eine scheinbare sei und dass die Entwürfe zum deutschen BGB das Problem mit dem Verzicht auf ein Publizitätserfordernis prinzipiengerechter lösten231. Laurent versuchte dagegen, seine Erklärung gegen solche Einwände zu verteidigen. Er argumentierte, das Gesetz unterstelle, dass sorgfältige Dritte von der konstitutiven Wirkung der signification wüssten; sie müssten sich daher beim Schuldner erkundigen, ob eine signification stattgefunden habe232. Diese – tatsächlich bis zuletzt in der modernen französischen Literatur herrschende233 – Erklärung der Publizität durch die signification verliert indes die Realität aus dem Blick, in der insbesondere Gläubiger des Zedenten und des Zessionars typischerweise keine Kenntnis von einer Zession haben und sich daher nicht rein vorsorglich bei ihnen oft unbekannten Schuldnern nach einer Anzeige erkundigen werden. Anlasslose Erkundigungen beim Schuldner kann das Recht von solchen Dritten auch kaum erwarten234; umgekehrt gibt es keinen Grund, den Schuldner rechtlich zu verpflichten, ihm gänzlich unbekannten Dritten Auskunft zu erteilen235. Und schon rein praktisch versagt die geforderte Abstimmung zwischen Dritten und dem Schuldner, wo Forderungen, wie heute üblich, im Waren- und Kreditverkehr en bloc abgetreten und gepfändet werden236. All 231
Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 304 f. Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 482. Larroumet, Opérations, S. 99; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1284; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1415; an dieser bis zuletzt herrschenden Auffassung zweifelnd Carbonnier, Droit civil, Rn. 1236 und auch Raynaud, Contrats, S. 184. 234 In diese Richtung auch die kritische Besprechung des herrschenden Pubizitätsgedankens bei Ghestin, Transmission, Nr. 35 ff., der vom „caractère illusoire“ (Nr. 37 [S. 30]) der Formalitäten des Art. 1690 CC1804 spricht. 235 Eidenmüller, Dogmatik, S. 476 f.; Lubbe, Assignment, S. 325; unklar dagegen Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 514, der missverständlich davon spricht, dass der Zessionar sich nach dem französischen Publizitätsgedanken beim Schuldner erkundigen müsse. Dies ist aber unrichtig, da (allein!) der Zessionar mittels Abtretungsanzeige die Publizität selbst sicherstellen kann. Problematisch ist die Publizität vielmehr für an der Zession nicht beteiligte Dritte. Wenig aussagekräftig war daher auch der noch in der 1. Aufl. des Werkes (1996) genannte Verweis auf ein Urteil der Cour de cassation (Cass. com. 24.03.1992, JCP 1992, II, 21938 mit Anm. Legeais) zur Zession nach der Loi Dailly. Bei solchen Zessionen war die Anzeige ohnehin nicht mehr konstitutiv, sondern nur noch für die befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten relevant, dazu näher unten S. 148 f. In dem Urteil ging es daher um Auskunftspflichten des Schuldners gegenüber dem Zessionar zum Bestand der Forderung und nicht gegenüber Dritten zum Bestand der signification; das Gericht entschied, dass den Schuldner keine solchen Pflichten träfen. Allenfalls indirekt könnte man aus diesem Urteil schließen, dass der Schuldner erst recht nicht an der Zession unbeteiligten Dritten zur Auskunft verpflichtet sein kann. 236 Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:401 Rn. 1, der auf die vergleichende Literatur zum internationalen Zessionsrecht sowie zum Konventionsrecht verweist: Lubbe, Assignment, S. 325, mit weiterem Verweis auf Bazinas, UNCITRAL draft convention, S. 284 f.; ebenso Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 514. Aus diesem Grund kann auch die teils innovative (dazu Ghestin, Transmission, Nr. 36) Argumentation von Larroumet, Opérations, S. 67 ff. nicht verfangen: Dem Schuldner gegenüber sei die signification nur ein In232 233
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diese Einwände gegen den bis zuletzt in der französischen Literatur vorherrschenden Standpunkt zeigen, wie wenig überzeugend die Erklärung der signification als Publizitätsmittel bei der Abtretung letztlich ist237: Der Schuldner ist eben keine taugliche „Quasi-Registrierungsstelle“238 der Zession für Dritte239. Echte Publizität ließe sich allein mit einem öffentlichen Forderungsregister erreichen240, wie auch französische Stimmen in der Vergangenheit in Ansätzen erkannt haben241.
4. Zwischenergebnis: die signification als Fremdkörper im vermögensrechtlichen System des Code civil Die signification ist im Gesetzgebungsprozess zwar kaum offen diskutiert worden, hat aber in den verschiedenen Entwürfen zum Code civil erhebliche Bedeutungsverschiebungen erfahren. Während die revolutionären Entwürfe Combacérès’ weder beim Sachkauf, noch bei der Zession zu einer einheitlichen Linie fanden, legte die Viererkommission 1800 einen systematisch widerspruchsfreien Entwurf vor. Dieser sah ein konsequentes Konsensprinzip sowohl beim Kauf körperlicher Gegenstände als auch bei der Zession vor: Das Eigentum an der verkauften Sache bzw. Forderung ging mit Abschluss des Kaufvertrages mit Wirkung erga omnes auf den Käufer über. Die Rechtsübertragungswirkung der Einigung war beim Sachkauf lediglich für gutgläubige, besitzende Dritte eingeschränkt; bei der Zession nur für den gutgläubigen Schuldner. Diesen auch mit dem allgemeinen Forderungs- und Zessionsbegriff harmonieformationsvehikel, mit dem sicher bewiesene Kenntnis von der Zession herbeigeführt werde. Nur sonstigen Dritten gegenüber sei die signification ein echtes Publizitätsmittel, das – typisch für Publizität – eine unwiderleglich vermutete Kenntnis herbeiführe. Wenn aber, wie hier angenommen, selbst eine abstrakte Publizität für Dritte mittels Abtretungsanzeige nicht erreicht werden kann, lässt sich auch eine Kenntnisvermutung aufgrund der signification nicht plausibel begründen. 237 Ebenso (aus transnational-vergleichender Sicht) Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:303 Rn. 6; Art. 11:401 Rn. 1 sowie Eidenmüller, Dogmatik, S. 476 f.; in diese Richtung auch schon Ghestin, Transmission, Nr. 34 ff. 238 So aber in der Tat bis zuletzt Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1415, die den Schuldner als „centre des renseignements, un quasi-conservateur des hypothèques“ bezeichneten. 239 Bei den Vorarbeiten zur französischen Schuldrechtsreform 2016 hat dies die Gruppe um Terré schließlich mit klaren Worten konzediert: Andreu, Opérations translatives, S. 126. Näher unten S. 150 ff. 240 Ein solches Register ist bereits in den Niederlanden, Großbritannien und den USA etabliert; näher Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:104 Rn. 3, 5; Art. 11:303 Rn. 6; Eidenmüller, Dogmatik, S. 477–479; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 514. Allgemein zur Registerpublizität im europäischen Mobiliarkreditsicherungsrecht, auch mit Blick auf Reformbestrebungen im europäischen Privatrecht, Kieninger, Mobiliarkreditsicherungsrecht, insbes. S. 210 ff. 241 Ein öffentliches Register wie bei Grundstücken erwähnte schon Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 304; in Ansätzen auch Cros-Mayrevieille, Transport, S. 250 sowie später Ghestin, Transmission, Nr. 37.
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renden systematischen Gleichlauf nahm die Viererkommission jedoch in der Diskussionsvorlage für den Conseil d’État von 1803 zurück. Die signification sollte demnach im Außenverhältnis wieder konstitutive Wirkung für den Forderungsübergang haben; und zwar nicht nur gegenüber dem Schuldner, sondern auch gegenüber allen sonstigen Dritten wie Gläubigern des Zedenten oder des Zessionars sowie Zweitzessionaren. Dieser Schritt zurück zum Ancien droit wurde von den Gesetzesverfassern nicht begründet, doch hat möglicherweise die Kritik der konsultierten Obergerichte am Zessionsrecht im Entwurf von 1800 eine Rolle gespielt. Sicher hat die offenbar unbedachte Entscheidung für die konstitutive signification, die das französische Zessionsrecht bis 2016 bestimmte, einen dogmatischen Widerspruch im vermögensrechtlichen System des Code civil verursacht. Denn das Traditionsprinzip, auf dem die signification historisch beruhte, hatte der Code civil im übrigen Kaufrecht aufgegeben; die im Ancien droit allgemein akzeptierte Erklärung der signification als Übergabe äquivalent war damit funktionslos geworden. Auch schuldnerschützende Wertungen tragen die konstitutive signification nicht. Ohne Begründung läuft die konstitutive Abtretungsanzeige aber dem allgemeinen Konzept von Forderung und Zession im Code civil zuwider, das auf der dogmatischen Gleichbehandlung von Forderungen und Sachen im Kaufrecht fußt242. Einige französische Juristen erkannten und kritisierten diese Inkohärenz; eine Mehrheit schloss sich aber einer Umdeutung der signification zu einem Publizitätsmittel an. Während schuldnerschützende Publizität durch die signification in der Tat erreicht wird, kann dieser – bis 2016 vorherrschende – Publizitätsgedanke in Bezug auf an der Zession unbeteiligte Dritte nicht überzeugen. Denn die Abtretungsanzeige des Zessionars an den Schuldner erzeugt Dritten gegenüber keine Publizität; und von diesen Dritten kann aus rechtlichen wie aus praktischen Gründen nicht erwartet werden, sich beim Schuldner zu informieren, ob eine signification stattgefunden hat. Das im Außenverhältnis konstitutive Erfordernis einer signification der Zession stellte damit von 1804 bis 2016 eine Abweichung von den allgemeinen Prinzipien des Vermögensrechts im Code civil dar, für die es keine plausible Begründung mehr gab.
III. Die signification in der Entwicklung nach 1804 Nicht nur in systematischer, sondern auch in normativer Hinsicht geriet der schwerfällige Formalismus der signification seit Erlass des Code civil unter Begründungsdruck. Schon früh wurden von der französischen Rechtsprechung und Literatur Konstellationen diskutiert, in denen das Festhalten an den starren Formerfordernissen des Art. 1690 CC1804 (signification oder notarielle ac242
S. dazu oben das erste Kapitel, insbes. S. 56 ff.
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ceptation durch den Schuldner) inadäquat erschien. Die Rechtsprechung hatte daher zum Beispiel anerkannt, dass die Zustellung der Abtretungsanzeige durch den Gerichtsvollzieher bei der signification durch eine Verkündung der Abtretung in einer sonstigen dem Schuldner zugegangenen öffentlichen Urkunde (insbesondere einer Klageschrift des Zessionars, die die Zession erwähnt) ersetzt werden konnte243. Gegen den Wortlaut des Art. 1690 CC1804 sollte ferner eine nicht notarielle, sondern nur privatschriftliche acceptation durch den Schuldner immerhin dazu führen, dass der Schuldner sich nicht mehr auf den fehlenden Forderungsübergang berufen konnte; für Dritte blieb aber angesichts einer befürchteten Missbrauchsgefahr weiterhin die signification oder eine notarielle acceptation entscheidend244. Doch die wichtigste Debatte zur Abschwächung des Art. 1690 CC1804 betraf die Frage, die auch den Diskurs zur römischrechtlichen denuntiatio bis ins 19. Jahrhundert durchzog245: Inwieweit kann die Kenntnis des Schuldners oder eines sonstigen Dritten von der Abtretung die signification ersetzen? Im Folgenden soll zunächst dieses Problem als direkte Folge des auf der konstitutiven signification fußenden Zessionsmechanismus näher untersucht werden (1.), bevor es in einem zweiten Schritt um die Frage geht, mit welchen Rechtsinstituten sich das Anzeigeerfordernis bis 2016 umgehen ließ (2.). Zuletzt nimmt die Arbeit die Schuldrechtsreform 2016 in den Blick (3.).
1. Ersetzbarkeit der signification durch Kenntnis von der Zession Sowohl die Rechtsprechung als auch die Lehre haben die Frage, wie sich die Kenntnis von der Zession auf Schuldner und Dritte auswirkt, seit jeher schwankend beantwortet. Seit Erlass des Code civil warfen etliche Juristen die Frage auf 246 und auch die Rechtsprechung befasste sich in unterschiedlichen Konstellationen mit dem Problem247. Dabei wurde zumeist zwischen der Kenntnis des Schuldners und der Kenntnis sonstiger Dritter unterschieden. 243 Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1281, Fn. 4; Raynaud, Contrats, S. 167 mit Verweis auf etliche Urteile der Cour de cassation; erstmals Cass. civ. 13.11.1928, DH 1928, S. 605. 244 Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1282; Raynaud, Contrats, S. 171 mit Verweis auf die schon im 19. Jahrhundert in diesem Sinne urteilende Rechtsprechung. Und bereits Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 487 bezeichnete dies als herrschende Meinung in der Literatur. 245 S. oben S. 88 ff. 246 Im 19. Jahrhundert Troplong, Vente, Nr. 900 f.; Duranton, Droit français, Bd. 16, Nr. 499; Toullier / Duvergier, Droit civil, Bd. 9, Liv. III, Tit. VI, Chap. VIII, Nr. 208–210; Marcadé, Explication, S. 330; Aubry / Rau, Droit civil, Bd. 4, S. 428 f.; Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 488–491; Huc, Cession, Bd. 2, Nr. 348–360; Crome, Obligationenrecht, S. 248, Fn. 22; Zachariae von Lingenthal / Crome, Handbuch, Bd. 2, § 339, Fn. 13; Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897 m. w. N. auf S. 114, § 2. Im 20. Jahrhundert dann Campion, Connaissance, passim; Raynaud, Contrats, S. 171–175 sowie, grundlegender, Vidal, Fraude, S. 296 ff. und Ghestin, Transmission, Nr. 35–37; aus der modernen Literatur z. B. Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1282; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1414. 247 Erstmals zur Kenntnis des Schuldners Cass. civ. 13.07.1831, D. Jur. Gén. 1831, I,
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
a) Kenntnis des Schuldners von der Zession Dass Kenntnis des Schuldners von der Zession nach der ursprünglichen gesetzlichen Konzeption keine Auswirkungen auf den ihm gegenüber fehlenden Forderungsübergang hat, kann in mehrfacher Hinsicht zu fragwürdigen Ergebnissen führen. Auf der einen Seite folgt daraus nämlich, dass der Schuldner vor der signification nicht nur an den Zedenten leisten kann, sondern sogar muss. Er kann sich mit anderen Worten gegenüber einem Leistungsverlangen des Zedenten nicht mit seiner Kenntnis von der Abtretung und damit dem venire contra factum proprium des Zedenten verteidigen. Und auf der anderen Seite ist es ebenso denkbar, dass Zedent und Schuldner zum Nachteil des Zessionars zusammenwirken und der Schuldner dabei trotz seiner Kenntnis von der Abtretung befreiend an den Zedenten leisten kann. In solchen Fällen fragten französische Juristen nach Erlass des Code civil danach, ob sich ein bösgläubiger Schuldner auf die fehlende signification berufen können soll. Nachdem die Urteile der Cour de cassation zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch keine klare Linie hatten erkennen lassen248, setzte sich ab dem späten 19. Jahrhundert in Rechtsprechung und Lehre die Ansicht durch, dass die Kenntnis des Schuldners die Formalitäten des Art. 1690 CC1804 grundsätzlich nicht ersetzen könne249. Die Folge dieses Prinzips war hauptsächlich, dass der Schuldner auch noch in Kenntnis der Zession dem Zessionar gegenüber nicht leisten durfte, sondern weiter befreiend an den Zedenten leisten konnte und auf Verlangen auch musste250, soweit die signification noch nicht stattgefunden hatte. Zur Begründung haben französische Juristen – neben dem Wortlaut des Art. 1690 CC1804 – insbesondere die vom Gesetz mit der Abtretungsanzeige S. 242; zur Kenntnis von Dritten bereits Cass. civ. 14.05.1831, S. 1834, I, S. 718 f. Die zahlreichen weiteren Urteile im 19. Jahrhundert referierte Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 114 f., § 2; S. 115 f., § 3; auch das Reichsgericht befasste sich während der Geltung des Code civil im Rheinland mit der Frage: RG 18.11.1890, RGZ 27, 317, 320. Etliche weitere Nachweise zu neueren Urteilen nennen Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1282, Fn. 5 f. 248 Eine Rechtsprechungsanalyse findet sich bei Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 114 f., § 2 sowie, mit bezeichnenderweise abweichenden Ergebnissen, bei Campion, Connaissance, S. 46–57. 249 So Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 114, § 2; Vidal, Fraude, S. 299 f.; später dann Raynaud, Contrats, S. 171–175 und (selbst kritisch) Ghestin, Transmission, Nr. 34. Aus der modernen Literatur Malinvaud / Fenouillet / Mekki, Droit des obligations, Rn. 862; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1282; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1414, jeweils mit etlichen Nachweisen aus der „ständigen Rechtsprechung“ (so dies., Obligations7, Rn. 1414, Fn. 39). Exemplarisch der Leitsatz des Urteils Cass. civ. 22.03.2012, Bull. civ. 2012, I, Nr. 60.: „A défaut de respect des formalités exigées par l’article 1690 du code civil, la simple connaissance de la cession de créance par le débiteur cédé ne suffit pas à la lui rendre opposable“. A. A. hingegen vor allem Larroumet, Opérations, S. 83 ff., 100 ff., der von seinem Standpunkt aus (dazu oben S. 132, Fn. 236) konsequent argumentierte, dass jede nachgewiesene Kenntnis die nur als Kenntnisbeweis fungierende Abtretungsanzeige ersetzen könne. 250 Ausdrücklich Cass. civ. 20.06.1938, D. 1939, I, S. 26 mit krit. Anmerkung Weill, dazu Raynaud, Contrats, S. 172 mit Verweis auf weitere höchstrichterliche Urteile.
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angeblich251 angestrebte Publizität herangezogen252, die nicht von der Kenntnis eines Einzelnen determiniert sein könne. Nach Huc war der einzige Grund, warum das Gesetz abstrakte Publizitätsregeln festlege, gerade die Vermeidung von Prozessen über den Nachweis konkreter Kenntnis253. Darüber hinaus verwies man auch auf Art. 1071 CC1804, nach dem die vorgeschriebene Publizität einer Schenkung von Eltern an ihre Kinder nicht durch Kenntnis betroffener Dritter (Gläubiger und Dritterwerber) ersetzt werden konnte: Diese (bis 2007 gültige) Vorschrift enthalte für die Publizität einen verallgemeinerbaren Rechtsgedanken, so dass auch bei Art. 1690 CC1804 nichts anderes gelten könne254. Es dominierte mit anderen Worten die Ansicht, dass die negative Publizität einer nicht förmlich angezeigten Zession gegen den Beweis konkreter Kenntnis immun sein müsse. Dieses Prinzip fand seine Grenze aber nach allgemeiner Meinung in der Arglist des Schuldners: Handele der Schuldner arglistig (frauduleusement), könne er255 sich nicht auf das Fehlen der signification berufen256. Nachdem einige Autoren und vereinzelt auch die Rechtsprechung zeitweise davon ausgingen, dass jede Kenntnis der Zession den Schuldner arglistig und damit hinsichtlich der fehlenden signification schutzunwürdig mache257, galt zuletzt als gesichert, dass zwischen einfacher Kenntnis (connaissance) bzw. Bösgläubigkeit (mauvaise foi) einerseits und Arglist (fraude) andererseits zu differenzieren sei258. Nach der oft zitierten Wendung fraus omnia corrumpit sollte sich der Schuld251
S. oben S. 131 ff. Vidal, Fraude, S. 298. 253 Huc, Cession, Bd. 2, Nr. 349. 254 Huc, Cession, Bd. 2, Nr. 349; Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 114, § 2; a. A. Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 488. Ähnlich später auch – hinsichtlich der Kenntnis von Dritten – Larroumet, Opérations, S. 98 f. (s. dazu auch oben S. 132, Fn. 236). 255 Unstreitig bewirkte die Arglist des Schuldners nicht, dass die signification auch Dritten gegenüber als bestehend fingiert wurde, dazu Campion, Connaissance, S. 57–59; Larroumet, Opérations, S. 89 f.; Ghestin, Transmission, Nr. 34 mit Verweis auf Raynaud, Contrats, S. 172. 256 Grundlegend Cass. req. 18.02.1874, D. Jur. Gén. 1874, I, S. 281 (3. Leitsatz): „Le cessionnaire d’une créance peut être considéré comme saisi, sans notification ni acceptation dans un acte authentique, à l’égard du cédé qui a eu connaissance du transport d’une manière quelconque et qui a voulu frauduleusement en paralyser l’effet“. Das Reichsgericht entschied 1890 ebenso, dass Kenntnis des Schuldners die signification jedenfalls so lange nicht ersetzen könne, wie diesem keine fraus oder Kollusion vorzuwerfen sei: RG 18.11.1890, RGZ 27, 317, 320. Bereits das ALR kannte eine ähnliche Regel in § 417, I, 11 ALR (dazu oben S. 95). 257 So insbesondere Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 488; treffend dagegen Huc, Cession, Bd. 2, Nr. 349. Die Rechtsprechung hat ebenfalls vereinzelt im Zusammenhang mit Mietverträgen in diesem Sinne entschieden: Vidal, Fraude, S. 300, Fn. 5 sowie Raynaud, Contrats, S. 174. Aubry / Rau, Droit civil, Bd. 4, S. 428 f. wollten gar grobe Fahrlässigkeit (imprudence grave) ausreichen lassen. 258 So bereits dezidiert Huc, Cession, Bd. 2, Nr. 351–355 und Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 115, § 2; im 20. Jahrhundert Vidal, Fraude, S. 299–302; Ghestin, Transmission, Nr. 34; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1282; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1414. 252
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ner (nur) dann nicht auf die fehlende signification berufen können, wenn er damit den Zessionar (oder einen Dritten) bewusst schädigen wollte. Abgesehen davon, dass eine Arglistausnahme doch wieder zu Prozessen über die Kenntnis Einzelner führt und damit die von Huc genannte Begründung für die abstrakte Publizität der Anzeige konterkariert259, ließen die meisten Autoren und auch die Rechtsprechung die genaue Abgrenzung zwischen Kenntnis und Arglist oft im Unklaren. José Vidal präzisierte, dass der Schuldner nur im Zusammenspiel mit einem ebenfalls vorsätzlich handelnden Zedenten eine direkte Schädigungsabsicht verfolgen könne; die Arglistausnahme setze damit faktisch eine bewusste Kollusion (concert frauduleux) des Schuldners mit dem Zedenten zum Nachteil des Zessionars voraus260. Nach diesem auch in der modernen Literatur anerkannten Kriterium261 sollten also Fälle, in denen der Schuldner z. B. aus Unsicherheit über die Wirksamkeit oder Ersthaftigkeit der Zession oder ohne Schädigungsabsicht im Vertrauen auf seine gesetzliche Rechtsstellung vor der signification befreiend an den Zedenten leistete262, nicht von der Arglistausnahme erfasst sein. Wo genauer abgegrenzt wurde, lautete die herrschende Ansicht also bis zuletzt, dass der Schuldner sich auch in Kenntnis der Zession auf die fehlende signification berufen konnte, es sei denn, dass ihm eine Kollusion mit dem Zedenten zum Nachteil des Zessionars nachzuweisen war.
b) Kenntnis Dritter von der Zession Davon getrennt, aber inhaltlich ähnlich verlief die Debatte um die Frage, ob Kenntnis bestimmter Dritter von der Zession ebenfalls dazu führen könne, dass sie sich nicht auf die fehlende signification berufen können. In der Sache ging es hierbei um Prioritätsfragen: Diskutiert wurden zum einen Fälle, in denen eine Forderung zweimal abgetreten wurde. Der Prioritätskonflikt zwischen Erst- und Zweitzessionar wurde nach allgemeiner Meinung für denjenigen Zessionar entschieden, dessen Zession dem Schuldner zeitlich zuerst mittels signification angezeigt worden war263. Doch sollte man den Prioritätskonflikt an259 So schon die Mitglieder der Zweiten Kommission zum BGB, die argumentierten, dass eine in einem System abstrakter Publizität immer gebotene Arglistausnahme doch wieder dazu führe, dass konkrete Kenntnis im Prozess zu beweisen sei, dazu unten S. 172, Fn. 458. Nach Luig, Zessionslehre, S. 138, Fn. 52a stammt dieses Argument von Bähr. 260 Vidal, Fraude, S. 301 ff., der das Problem in eine allgemeine Theorie der fraude einbettete; vgl. dazu dens., Fraude, S. 139 f., 403 f. 261 Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1282. 262 Huc, Cession, Bd. 2, Nr. 351 nannte diesen Fall als Beispiel für eine Konstellation, in der der Schuldner Kenntnis von der Zession hat, aber nicht arglistig handelt. 263 Vgl. für das 19. Jahrhundert nur Duranton, Droit français, Bd. 16, Nr. 503; Marcadé, Explication, S. 332; Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 504; im 20. Jahrhundert dann ebenso Ghestin, Transmission, Nr. 31; aus der modernen Literatur Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1286; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1415.
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ders entscheiden, wenn der Zweitzessionar in Kenntnis von der ersten Zession die signification als Erster durchführte264? Und zum anderen ging es um Fälle, in denen Gläubiger des Zedenten zwar von der Zession wussten, aber dennoch zwischen Zession und signification die Forderung beim Zedenten pfändeten und damit dem Zessionar zuvorkamen.
aa) Ansätze für die Ersetzbarkeit der signification durch Kenntnis im 19. Jahrhundert Obwohl sich die Argumente gegen die Berücksichtigung der Bösgläubigkeit des Schuldners auf die Bösgläubigkeit Dritter übertragen ließen, hat insbesondere die Rechtsprechung im 19. Jahrhundert zwischen der Kenntnis des Schuldners und der Kenntnis sonstiger Dritter unterschieden. Anders als der Schuldner sollten sich sonstige Dritte prinzipiell schon dann nicht auf die fehlende signification berufen können, wenn sie von der Zession Kenntnis hatten265. Begründet hat die Rechtsprechung dieses Ergebnis oft unspezifisch mit der Bösgläubigkeit des Dritten266; insoweit leuchtet der Unterschied zur Kenntnis des Schuldners allerdings nicht ein. Teils sah die Rechtsprechung gar in der signification einer Zweitzession in Kenntnis einer vorangegangenen Erstzession ein deliktisches Fehlverhalten des Zweitzessionars (faute), für das dieser nach der deliktischen Generalklausel des Art. 1382 CC einzustehen habe. Im Zuge der geschuldeten Naturalrestitution könne der übergangene Erstzessionar daher die Aufhebung der Zweitzession verlangen267. Gegen diese Rechtsprechung hat die Literatur eingewandt, dass die Ausübung eines gesetzlich gewährten Rechts (signification) grundsätzlich kein zum Schadensersatz verpflichtendes Fehlverhalten darstellen könne268. Toullier und Duvergier stützten sich dagegen für dasselbe Ergebnis auf Art. 1141 CC1804 (Art. 1196 CC2016), die Vorrangsregel beim Doppelverkauf, nach der demjenigen Käufer der Vorrang zu geben ist, dem die Sache zuerst 264 Den Fall nannte zum Beispiel Huc, Cession, Bd. 2, Nr. 352. 265 Grundlegend Cass. req. 05.03.1838, S. 1838, I, S. 630 (zur
Prioritätsfrage bei einem Zweitzessionar, der die Zession in Kenntnis von der Erstzession zuerst angezeigt hatte): „La règle qui veut que le cessionnaire dont le transport a été le premier notifié ou accepté, soit saisi à l’égard de tous autres cessionnaires, n’est pas tellement absolue qu’elle ne puisse fléchir dans certaines circonstances, notamment au cas où le cessionnaire qui a le premier notifié son transport, a eu connaissance d’une cession antérieure à la sienne […]“ (Leitsatz der Redaktion); weitere Urteile bei Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 115, § 3, X. 266 Z. B. Cass. req. 04.01.1848, S. 1848, I, S. 101, 105. 267 Cass. civ. 05.03.1838, S. 1838, I, S. 630, 633. 268 Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 115, § 3; Vidal, Fraude, S. 303. Dagegen passte diese Konstruktion zur in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelten Rechtsprechung zur Teilnahme am Vertragsbruch Dritter (dazu näher unten S. 215 f.), doch haben französische Gerichte diese Grundsätze nicht konsequent auf die Kenntnis Dritter von der Zession angewandt: Wintgen, Étude, S. 171, Fn. 54; dazu näher unten S. 142, Fn. 285 sowie S. 215, Fn. 177.
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gutgläubig übergeben wurde269. Dies wurde vielfach mit dem Argument kritisiert, dass Art. 1141 CC1804 nur für körperliche Sachen und nicht für Forderungen gelte270. Nach dem oben zur systematischen Stellung der signification Gesagten271 ist dem zwar hinzuzufügen, dass Besitzübertragung und signification nach Erlass des Code civil keinesfalls weiter gleichgesetzt werden konnten. Doch in materieller Hinsicht wäre es diskussionswürdig gewesen, ob der Rechtsgedanke des Art. 1141 CC1804 verallgemeinerbar ist, nach dem sich nur ein gutgläubiger Zweiterwerber im Prioritätenkonflikt auf eine an äußere Tatsachen anknüpfende Vorrangsregelung stützen können soll. Erblickt man in Art. 1141 CC1804 eine vom Konsensprinzip und dem Übereignungsvorgang selbst unabhängige Sonderregelung für den Doppelverkauf 272 und in den Regeln zur signification ein System abstrakter Publizität273, sprechen allerdings gute Gründe gegen eine Analogie.
bb) Das Kerform-Urteil 1897 In einem viel besprochenen Urteil274 hat sich die Cour de cassation am Ende des 19. Jahrhunderts von ihrer früheren Rechtsprechung entfernt, nach der bei Dritten jede Kenntnis von der Zession schade, ohne jedoch auf die in der Literatur bereits vordringende Ansicht275 einzuschwenken, nach der sich Dritte ganz genauso wie der Schuldner bis zur Grenze der Arglist (fraude) auf die fehlende signification berufen können sollten. In dem zu entscheidenden Fall hatte der Zedent Brégante (A) die Forderung durch Abtretung in eine zu gründende Gesellschaft eingebracht. Der an dieser Gründung selbst beteiligte Mitgesellschafter Kerform (B), der gleichzeitig auch ein persönlicher Gläubiger des Zedenten A war, pfändete nun vor einer signification die Forderung bei A und berief sich dazu darauf, dass die Forderung ihm gegenüber nach Art. 1690 CC1804 noch nicht im Eigentum der Gesellschaft, sondern noch im Eigentum des A gestanden habe. Die Cour d’appel von Aix-en-Provence hatte zunächst – im Einklang mit der oben beschriebenen Rechtsprechung im 19. Jahrhundert – geur269
Toullier / Duvergier, Droit civil, Bd. 9, Liv. III, Tit. VI, Chap. VIII, Nr. 210. Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 489; Huc, Cession, Bd. 2, Nr. 358; Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 115, § 3, IX. 271 S. 127 ff. 272 S. dazu die Nachweise bei S. 115, Fn. 152. 273 So die Begründung dafür, dass konkrete Kenntnis des Schuldners bei Art. 1690 CC1804 grundsätzlich außer Betracht bleibt, s.oben S. 137. 274 Vgl. die ausführlichen Besprechungen von Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897 sowie bei Campion, Connaissance, S. 63 ff. und bei Vidal, Fraude, S. 304 ff. 275 Marcadé, Explication, S. 330; Huc, Cession, Bd. 2, Nr. 352 ff., 358; weitere Nachweise bei Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 115, § 3, IX. Anders insbesondere Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 488, der die Grenze abweichend bei jeder Kenntnis zog; nach Aubry / Rau, Droit civil, Bd. 4, S. 428 f. sollte gar bereits grobe Fahrlässigkeit (imprudence grave) ausreichen. 270
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teilt, dass B sich wegen seiner Kenntnis von der Zession nicht auf die fehlende signification berufen könne und die Pfändung daher für unwirksam erklärt. Die Cour de cassation hob diese Entscheidung auf und entschied unter Aufgabe der ständigen Rechtsprechung in einem ersten Urteil zu dem Fall, dass die Kenntnis des B von der Zession die signification nicht ersetzen könne, da keine Arglist nachgewiesen sei276. Dieser Standpunkt hätte die Maßstäbe für die Ersetzbarkeit der signification durch Kenntnis Dritter sowie durch Kenntnis des Schuldners vereinheitlicht277. Die nun zur erneuten Entscheidung berufene Cour d’appel von Nîmes insistierte jedoch und hob die Pfändung unter Verweis auf die „besondere und persönliche Kenntnis“ („connaissance spéciale et personelle“) des B erneut auf. Nach erneuter Revision schloss sich die Cour de cassation nunmehr überraschend dieser Ansicht des Appellationshofs an; die „besondere und persönliche Kenntnis“ des B verwehre es diesem im konkreten Fall, sich auf die fehlende signification zu berufen278. Diesem Urteil der Cour de cassation ist überzeugend vorgeworfen worden, dass ein Unterschied zwischen einfacher Kenntnis und „besonderer und persönlicher Kenntnis“ nicht bestehe: Ein Mehr oder Weniger an Kenntnis von einer Tatsache sei logisch ausgeschlossen279. Allenfalls könne man im Fall sagen, dass der B die Kenntnis unter besonderen Umständen erlangt habe, weil er bei der Gründung der Gesellschaft und damit bei der Abtretung selbst anwesend gewesen sei280. Überzeugen können solche wenig trennscharfen Distinktionen freilich nicht. Französische Juristen haben aus den Formulierungen des Urteils daher zum Teil gefolgert, dass die Cour de cassation von ihrer bisherigen Rechtsprechung gar nicht habe abrücken wollen, nach der jede Kenntnis genüge, sondern nur die Anforderungen an den Beweis der Kenntnis präzisiert habe. Die Kenntnis des Dritten müsse nur hinreichend sicher aus objektiven Umständen gefolgert werden können (im Kerform-Fall also der Anwesenheit des B bei der Zession), damit sie die signification ersetzen könne; nichts anderes meine die Formulierung „connaissance spéciale et personelle“281.
cc) Abgrenzung von Kenntnis und Arglist Dritter Kohärenter als eine kaum greifbare Abgrenzung nach dem Grad oder der Sicherheit der Kenntnis wäre freilich die im ersten Revisionsurteil zum Kerform-Fall angedeutete und von der Literatur am Ende des 19. Jahrhunderts favorisierte282 276 277
Cass. civ. 24.12.1894, S. 1895, I, S. 69, 70. Vidal, Fraude, S. 304. 278 Cass. civ. 07.07.1897, S. 1898, I, S. 113, 118. Diese Hauptaussage des zweiten Revi sionsurteils übersieht Ghestin, Transmission, Nr. 25, Fn. 59. 279 Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 115 f., § 3, XI; Vidal, Fraude, S. 305 f. 280 Vidal, Fraude, S. 307. 281 In diesem Sinne Campion, Connaissance, S. 66 f. 282 Vgl. die Nachweise auf S. 140, Fn. 275.
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Anwendung der Grundsätze zur Kenntnis des Schuldners auch auf die Kenntnis von Dritten gewesen: die Unerheblichkeit der Kenntnis bis zur Grenze der Arglist (fraude). Doch haben französische Juristen die genaue Unterscheidung von Kenntnis und Arglist von Dritten in diesem Zusammenhang kaum jemals näher thematisiert. Als Kriterium für Arglist ließe sich analog zur Arglist des Schuldners283 die Schädigungsabsicht des Dritten heranziehen. Eine Entscheidung der Cour de cassation aus dem Jahr 1980 scheint dazu wie bei der Kenntnis des Schuldners eine Kollusion des Dritten mit dem Zedenten vorauszusetzen284. Dagegen lässt sich aber einwenden, dass Dritte Schädigungsabsicht nicht nur bei Kollusion mit dem Zedenten haben können, denn anders als der Schuldner sind sie für ein gegenüber dem (Erst-)Zessionar wirksames Handeln (signification einer Zweitzession oder Pfändung der Forderung beim Zedenten) nicht auf die Mitwirkung des Zedenten angewiesen. Und gerade Gläubiger des Zedenten verfolgen bei einer Pfändung der Forderung oft andere Interessen als der Zedent. Schädigungsabsicht zulasten des (Erst-)Zessionars ließe sich deshalb besser schon bei jedem planmäßigen Wettlauf eines Dritten gegen die signification eines gutgläubigen (Erst-)Zessionars bejahen. Doch auch unter dieser Prämisse wäre die Entscheidung im Kerform-Fall unsicher gewesen: Der Nachweis konkreter Schädigungsabsicht war gerade nicht erbracht worden. Überhaupt ist, wo beweisbare Hilfskriterien wie eine Kollusion fehlen, der Nachweis von Absicht praktisch meist unmöglich. Weil die Kollusion mit dem Zedenten keine notwendige Voraussetzung der Arglist Dritter sein kann, fehlt damit noch stärker als beim Problem der Kenntnis des Schuldners ein klares Abgrenzungskriterium und damit die Gewähr für vorhersehbare Entscheidungen. Die französische Literatur hat ab der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, bei insgesamt deutlich weniger differenzierter Analyse der Problematik, zunehmend nicht mehr zwischen Kenntnis des Schuldners und Kenntnis sonstiger Dritter unterschieden. Meist wurde gar nur noch die Kenntnis des Schuldners problematisiert oder allenfalls darauf hingewiesen, dass Kenntnis Dritter ebenfalls bis zur Grenze der Arglist unerheblich bleibe285. Die schwierigen Abgrenzungspro283
Dazu oben S. 137 f. com. 19.03.1980, Bull. civ. 1980, IV, Nr. 137; dem bis zuletzt folgend Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1415. 285 Raynaud, Contrats, S. 175 mit nur sehr kurzer und ungenauer Wiedergabe des Kerform-Urteils; ebenso Ghestin, Transmission, Nr. 34. Ausführlicher allenfalls noch Larroumet, Opérations, S. 98 f., der von seinem Standpunkt aus (dazu oben S. 132, Fn. 236) konsequent schloss, dass die Publizität, die die signification für Dritte bewirke, gerade zum Ziel habe, konkrete Beweisschwierigkeiten zu vermeiden und daher bis zur Grenze der Arglist nicht durch Kenntnis ersetzt werden könne. Genauer definierte er die Arglist allerdings nicht. Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1286 stützten sich zuletzt immer noch auf die Abgrenzungsformel aus dem Kerform-Urteil; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1415 forderten dagegen unter Berufung auf das oben in Fn. 284 genannte Urteil ausdrücklich auch für Dritte eine Kollusion mit dem Zedenten. Wintgen, Étude, S. 171, Fn. 54 beobachtet zutreffend, dass die Rechtsprechung zur Kenntnis Dritter von der Zession nicht mit der in der 2. Hälfte des 284 Cass.
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bleme zwischen Kenntnis und Arglist Dritter, die das Kerform-Urteil aufgeworfen hatte, sind damit letztlich ungelöst geblieben.
c) Zwischenergebnis: die Kenntnisdebatte als Folge der fehlenden systematischen und teleologischen Rechtfertigung der signification Die untersuchten Debatten zur Kenntnis des Schuldners und sonstiger Dritter haben bis 2016 zu der einigermaßen gesicherten Ansicht geführt, dass Kenntnis von der Zession die von Art. 1690 CC1804 vorgeschriebenen Formalitäten grundsätzlich, das heißt bis zur – allerdings unklar gezogenen – Grenze der Arglist (fraude), nicht ersetzen könne. Das hatte zweifelhafte Ergebnisse zur Folge: Bis zum Beweis einer Kollusion konnten Zedent und Schuldner in Kenntnis der Zession mit Wirkung gegen den Zessionar über die Forderung disponieren; und Dritte wie Zweitzessionare und Gläubiger des Zedenten konnten sich bis zum Nachweis einer fraude ihr Sonderwissen über die Zession im Prioritätswettlauf mit dem gutgläubigen (Erst‑)Zessionar zunutze machen. Gerechtfertigt wurden solche Ergebnisse, wenn überhaupt, mit dem Argument, dass die Vorschriften des Art. 1690 CC1804 ein System abstrakter Publizität etablierten, das von der konkreten Kenntnis Einzelner gerade unabhängig sein müsse. In Bezug auf den Schuldner konnte die signification zwar in der Tat als Publizitätsmittel angesehen werden, auch wenn der revolutionäre Gesetzgeber so sicher noch nicht gedacht hatte286. Allerdings konnte man auch vor dem Hintergrund des Publizitätsarguments die Frage stellen, ob eine Rechtsordnung bis zur Einhaltung einer förmlichen Publizitätsregel Unkenntnis vermuten darf, die gegen den Nachweis konkreter Kenntnis immun ist, nur um Prozesse über schwer zu beweisende innere Tatsachen zu vermeiden: Die Einzelfallgerechtigkeit auch bei eindeutiger Kenntnis aus selbst nicht völlig zweifelsfreien287 prozessökonomischen Gründen derart in den Hintergrund zu drängen, kann zu schwer erträglichen Ergebnissen führen288. Die französische Rechtswissenschaft hat jedenfalls erst bei bewiesener Kollusion des Schuldners mit dem Zedenten die Grenze der negativen Publizität einer nicht angezeigten Zession gezogen. De facto wurden damit all diejenigen Zweifelsfälle zugunsten des Schuldners gelöst, in denen dieser in Kenntnis der Zession über die Forderung disponiert hatte, ohne den Zessionar erwiesenermaßen schädigen zu wollen. Hinsichtlich sonstiger Dritter wie insbesondere Gläubigern des Zedenten sowie Zweitzessionaren konnte die Annahme einer negativen Publizität der 20. Jahrhunderts entwickelten Rechtsprechung zur Teilnahme Dritter am Vertragsbruch harmoniert, dazu näher unten S. 215, Fn. 177. 286 S. oben S. 131 ff. 287 S. oben S. 138 mit Fn. 259. 288 Im deutschen Recht ist beispielsweise selbst die mit öffentlichem Glauben versehene negative Publizität des Handelsregisters offen für den Nachweis konkreter Kenntnis einer nicht eingetragenen Tatsache, § 15 Abs. 1 HGB.
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nicht angezeigten Zession hingegen von vornherein nicht überzeugen. Denn heute steht fest, dass durch die signification nicht einmal eine abstrakte Publizität der Abtretung für Dritte erreicht werden kann289. Zwar hat sich auch in dieser Frage die Ansicht durchgesetzt, dass Dritte sich im Falle von Arglist (fraude) nicht auf die fehlende signification berufen können. Doch die Unterscheidung zwischen Kenntnis und Arglist wurde hier nicht ausdifferenziert. Eine Kollusion des Dritten mit dem Zedenten kann keine notwendige Voraussetzung sein; und eine davon losgelöste Schädigungsabsicht lässt sich kaum je beweisen. Mangels klarer Kriterien blieb es damit grundsätzlich dabei, dass Dritten als Folge einer auf utopischer Publizität basierenden Fiktion ihrer Unkenntnis die Möglichkeit eröffnet war, den Abtretungserfolg im Außenverhältnis bösgläubig zu vereiteln. Das aber muss in einer Rechtsordnung, die Forderungen als frei veräußerliche Vermögensgüter ansieht290, als evident ungerecht gelten291. Erst recht liegt auf der Hand, dass ein so gestaltetes Zessionsrecht für massenhafte Sicherungszessionen im Handelsverkehr ungeeignet ist. Denn eine sicherungsgebende Bank, die schon rein praktisch kaum alle Zessionen immer gleich den jeweiligen Schuldnern anzeigen kann, wird nicht das Risiko eingehen, dass andere Gläubiger des Zedenten den Prioritätswettlauf für sich entscheiden. Die fehlende systematische und teleologische Rechtfertigung der Reichweite des Anzeigeerfordernisses hat sich damit zwischen 1804 und 2016 in praktisch und normativ schwer akzeptablen Ergebnissen niedergeschlagen. Innerhalb eines Zessionsrechts mit auch für Dritte konstitutiver signification würde nur die generelle Ersetzbarkeit der signification durch Kenntnis solche Ergebnisse verhindern292. Eine solch weitgehende Fortbildung des Zessionsrechts haben die französische Rechtswissenschaft und Rechtsprechung jedoch abgesehen von frühen Urteilen im 19. Jahrhundert nicht ernsthaft erwogen. Das verwundert nicht, denn eine generelle Ersetzbarkeit der signification durch Kenntnis führte den Gesetzeswortlaut ad absurdum, der signification und acceptation explizit als einzige Möglichkeiten aufführt, den Forderungsübergang im Außenverhältnis herbeizuführen. Zu einer normativ stimmigeren Lösung des Kenntnisproblems hätte aus heutiger Sicht die konsequente Anwendung des Konsensprinzips auch bei der Zession und damit die Abschaffung der für Dritte konstitutiven signification geführt, die die Viererkommission noch in ihrem Entwurf von 1800 vorgesehen hatte293. Wo die Forderung mit Vertragsschluss erga omnes übergeht, können die unter dem Code civil diskutierten Prioritätskonflikte bei Kenntnis Dritter 289
S. oben S. 131 ff. S. oben S. 56 ff. 291 So auch Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 116, § 4, XII: „évidentes injustices“. 292 In diese Richtung auch Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 116, § 4, XII. 293 S. oben S. 121 f. 290
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von der Zession von vornherein nicht entstehen: Prioritätsfragen lassen sich dann chronologisch lösen, ohne dass Sonderwissen eine Rolle spielte. Lediglich eine den Schuldner vor seiner Unkenntnis von der Zession schützende Sonderregel wäre dann notwendig gewesen. Das allgemeine Zessionsrecht des Code civil hat von 1804 bis 2016 keinerlei legislative Änderungen erfahren. Wie ließ sich das schwerfällige und systematisch wie teleologisch unpassende Erfordernis der signification in dieser Zeit umgehen?
2. Mechanismen zur Umgehung der konstitutiven signification Es liegt aus heutiger Sicht auf der Hand, dass ein Abtretungsrecht mit konstitutiver Abtretungsanzeige für viele Anwendungsbereiche der Zession im modernen Handelsverkehr ungeeignet ist. Sowohl die verschiedenen Arten des Factoring als auch die Verwendung von Forderungsgesamtheiten als Kreditsicherungsmittel setzen einen schnellen und unkomplizierten Umlauf von Forderungen im Wirtschaftsverkehr voraus294. Die Sicherungszession von Forderungsgesamtheiten ist zum Beispiel mit kaum zu überblickenden Risiken behaftet, wenn der geldgebende Zessionar jederzeit damit rechnen muss, dass ihm andere Gläubiger des Zedenten oder Zweitzessionare mit einer signification zuvorkommen. Solche Erwägungen waren ausschlaggebend für die Reform des Abtretungsrechts 2016295. Doch außerhalb des allgemeinen Zessionsrechts (Art. 1689 ff. CC1804) kannte das französische Recht auch bereits vor der Schuldrechtsreform 2016 Mechanismen für den Gläubigerwechsel, die keine signification voraussetzen und daher für die genannten Handelsgeschäfte in Frage kamen. Neben der Übertragung bestimmter börsengängiger Wertpapiere (sog. titres négociables)296 waren dies insbesondere die Erfüllung einer Forderung mittels subrogation personnelle sowie die Abtretung im Bankenverkehr nach der 1981 erlassenen Loi Dailly.
a) Die subrogation personnelle Die im Erfüllungsrecht geregelte subrogation personnelle297 (Art. 1249 ff. CC1804; Art. 1346 ff. CC2016) bezeichnet die Rechtsfolge einer Drittleistung 294 Dazu etwa Eidenmüller, Dogmatik, S. 476; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 513 und Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:303 Rn. 6; Art. 11:401 Rn. 1. Aus französischer Sicht z. B. Deckon, Notification, S. 649. 295 Dazu unten S. 149 ff. 296 Dazu bereits im 19. Jahrhundert Laurent, Principes, Bd. 24, Nr. 497 f.; Aubry / Rau, Droit civil, Bd. 4, S. 431, Fn. 24; zu den Inhaberpapieren des Mittelalters und ihrem Verhältnis zur Zession insbesondere Brunner, Inhaberpapier, passim. Aus der moderneren Literatur Ghestin, Transmission, Nr. 38–41; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1298 ff.; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1425; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 513. 297 Einen Überblick zum bis 2016 geltenden Recht geben Ghestin, Transmission, Nr. 43–
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(paiement avec subrogation) im französischen Recht: Die Nachfolge des Drittleistenden (subrogataire) in die Rechte des bezahlten Gläubigers (subrogeant) ohne die Beteiligung des Schuldners (subrogé). Dabei unterscheidet der Code civil zwei Arten. Zum einen greift in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen der Drittleistung, insbesondere im Falle der Leistung auf eine Gesamtschuld, die subrogation légale (Art. 1251 CC1804; Art. 1346 CC2016). Dabei handelt es sich um eine Legalzession ähnlich § 426 Abs. 2 BGB, die die Forderung nach Maßgabe des Gesamtschuldnerinnenausgleichs auf den Leistenden übergehen lässt298. Dieser nicht auf Rechtsgeschäft beruhende Forderungsübergang ist nicht mit der Abtretung verwandt und ermöglicht keine gewillkürte Rechtsnachfolge in Forderungen ohne Abtretungsanzeige. Dogmatisch näher steht der Zession dagegen die zweite Art der subrogation: die subrogation conventionnelle (Art. 1250 CC1804; Art. 1346-1 CC2016). Dabei handelt es sich um einen Vertrag zwischen Gläubiger299 und Drittleistendem im Zuge der Erfüllung, durch den der Leistende dem Gläubiger in seine Rechte nachfolgt. Der Übergang der Forderung samt Nebenrechten ist dabei im Unterschied zur Zession auch ohne signification des Schuldners sofort erga omnes wirksam300. Dieser praktisch bedeutende Unterschied gegenüber der Zession führte dazu, dass die subrogation conventionnelle bislang hauptsächlich als Instrument für Forderungsübertragungen in der Factoringindustrie diente301. Der Factor kann dabei unter Umgehung des Art. 1690 CC1804 zeitgleich mit Erfüllung der Forderung dem Unternehmer in die Gläubigerstellung nachfolgen, ohne dass der Schuldner an diesem Rechtsgeschäft beteiligt werden oder in Kenntnis gesetzt werden muss. 63; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1361 ff. sowie Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1395 ff., jeweils mit Nachweisen zur umfangreichen Rechtsprechung und Literatur. Die Schuldrechtsreform 2016 behielt die subrogation weitgehend unverändert bei, vgl. jetzt dies., Obligations, Rn. 1393 ff. 298 Näher Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1372 ff.; Malaurie / Aynès / StoffelMunck, Obligations7, Rn. 1399 f., je zum alten Recht; zum neuen Recht dies., Obligations, Rn. 1400. 299 Nach Art. 1250 al. 2 CC1804; Art. 1346-2 CC2016 kann die subrogation conventionnelle auch zwischen dem Schuldner und einem drittleistenden Darlehensgeber abgeschlossen werden. Diese hier nicht weiter interessante Möglichkeit ist im Zuge der Schuldrechtsreform 2016 auf die Kritik der Literatur (s. nur Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1370 m. w. N.) dahingehend präzisiert worden, dass die Schuld bereits erfüllbar sein muss (Art. 1346-2 al. 2 CC2016). 300 Näher zur subrogation conventionnelle des Code civil vor der Schuldrechtsreform 2016 Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1365 ff.; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1397 f., 1402 ff. Im Zuge der Schuldrechtsreform lief es lange auf eine Abschaffung der vom Gläubiger ausgehenden subrogation conventionnelle hinaus; so zum Beispiel noch der Reformentwurf des Justizministeriums vom 25.02.2015; dazu Dissaux / Jamin, Projet de réforme, S. 188. Letztlich ist jedoch auch diese Form der subrogation beibehalten worden; dazu jetzt Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1395 f., 1402 ff. 301 Bonneau, Droit bancaire, Rn. 760 ff.; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1368; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations7, Rn. 1406, jeweils m. w. N.
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Es ist jedoch nicht unproblematisch, Factoringgeschäfte auf diesem Wege abzuwickeln: Die als Regressinstrument im Erfüllungsrecht vorgesehene subrogation conventionnelle ist nicht als gewinnorientiertes Handelsgeschäft konzipiert302. Denn bei der subrogation geht die Forderung immer nur insoweit auf den Leistenden über, als er den Gläubiger bezahlt hat. Damit ist ausschließlich ein Nennwertkauf der Forderung möglich – das jedoch widerspricht den Interessen des Factors. Das Factoringgeschäft fußt schließlich darauf, dass der Factor die Forderung nach Abzug eines Abschlags für eigene Inkassoaufwendungen sowie (beim echten Factoring) eines Abschlages für das Ausfallrisiko, also jedenfalls regelmäßig deutlich unter ihrem Nennwert kaufen will. Dieses Hindernis hat die französische Lehre mit Billigung der Rechtsprechung zu umgehen versucht, indem konstruiert wurde, der Abschlag vom Nennwert werde im Rahmen einer von der subrogation conventionnelle zu trennenden, eigenständigen Entgeltabrede zwischen Unternehmer und Factor geschuldet. Das wirtschaftlich gewollte Ergebnis, der Kauf der Forderung unter Nennwert, könne dann mittels (automatischer, vgl. Art. 1290 CC1804; Art. 1347 CC2016) Aufrechnung realisiert werden303. Solche Konstruktionen stehen allerdings zu Recht als „Rechentrick“304 in der Kritik: Sie widersprechen der durch die systematische Stellung im Erfüllungsrecht ersichtlichen Funktion der subrogation als dem Handel unzugängliche Regressregel; und sie umgingen damit bis 2016 auch die Wertung des Art. 1690 CC1804, nach der spekulative Forderungsübertragungen nur nach allgemeinem Zessionsrecht, und das heißt mittels konstitutiver signification möglich sein sollten305. Zwar ermöglicht die subrogation conventionnelle damit auf Umwegen tatsächlich eine Factoring-Forderungsübertragung ohne signification. Doch kann das nicht den Blick darauf verstellen, dass die subrogation grundsätzlich nicht als vollwertiger Ersatz für die Zession taugt: Eine Forderungsübertragung im Rahmen einer Schenkung oder eines Tauschs ist im Grundsatz ebenso wenig möglich wie ein Kauf der Forderung unter oder über Nennwert.
302 Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1368, Fn. 5, 1383 sowie Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations6, Rn. 1406. Diese Hinweise sind ab der 7. Aufl. entfallen. 303 Ghestin, Transmission, Nr. 61; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1368, Fn. 5, 1383 m. w. N. aus Rechtsprechung und Literatur. Mouloungui entwickelte gar die vom Telos des Gesetzes kaum gedeckte These, schon die subrogation conventionnelle an sich erlaube gewinnorientierte Rechtsgeschäfte und sei daher eine vollwertige Alternative zur (überflüssigen) Zession: Mouloungui, Subrogation, S. 288–290 und passim. Konsequent sei die subrogation daher auch von einer vorherigen Zahlung abzukoppeln: ders., Recul, Nr. 13. Das lässt sich de lege lata allerdings kaum begründen. 304 Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1368, Fn. 5: „artifice comptable“. 305 In diese Richtung auch Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations6, Rn. 1406.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
b) Die Loi Dailly In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts reagierte auch der französische Gesetzgeber auf die Schwerfälligkeit und Praxisuntauglichkeit der Zession nach dem Code civil. Er schuf dazu eine nebengesetzliche Möglichkeit der Forderungsübertragung ohne signification im unternehmerischen Kreditsicherungsverkehr. Nach dem nach seinem Initiator auch Loi Dailly genannten Gesetz von 1981 (heute Art. L313-23 ff. Code mon. et fin.) können Unternehmer zur Sicherung eines Kredits einer Bank solche Forderungen abtreten oder verpfänden, die aus ihrer unternehmerischen Tätigkeit stammen306. Die Zession ist dabei schon absolut wirksam, sobald der Unternehmer der Bank eine Liste der betroffenen Forderungen (borderau) schriftlich ausstellt (Art. L313-27 Code mon. et fin.). Eine Anzeige an den Schuldner ist für den Forderungsübergang nicht erforderlich307, sondern verhindert nur – wie jede sonst erlangte Kenntnis von der Zession auch – die befreiende Leistung an den Zedenten (Art. L313-28 Code mon. et fin. i. V. m. Art. 1240 CC1804; Art. 1243-3 CC2016)308. Im Unterschied zur signification unterliegt diese Anzeige als bloße notification keiner besonderen Form309. Die Zession nach der Loi Dailly ermöglicht damit – soweit eine Bank beteiligt ist – seit 1981 auch unter französischem Recht einen einfachen und unkomplizierten Umlauf geschäftlicher Forderungen als Kreditunterlage. Sicherungsabtretungen310 im Handelsverkehr sind damit ebenso möglich wie Factoringgeschäfte, soweit eine Bank als Factor auftritt311. Die Zession nach der Loi Dailly führt zwar im Zweifel zu einer Gewährleistung des Zedenten für die Bonität der Forderung (Art. L313-24 Code mon. et fin.312), doch ist diese
306 Zur
Zession nach der Loi Dailly insbes. Bonneau, Droit bancaire, Rn. 768 ff.; Chopard / Galzy / Hemmele, Loi Dailly, S. 23–105; ferner François, Obligations, Rn. 508 ff.; Deckon, Notification, S. 649–651; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1302; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1427. 307 Ausführlich Deckon, Notification, S. 651 ff.; ebenso Bonneau, Droit bancaire, Rn. 768, 777, 781 und François, Obligations, Rn. 525. 308 Bonneau, Droit bancaire, Rn. 781; Chopard / Galzy / Hemmele, Loi Dailly, S. 68; Deckon, Notification, S. 665–668; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1302; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1427. 309 Bonneau, Droit bancaire, Rn. 752; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1427. 310 Zu den verschiedenen Arten der Sicherungsabtretung nach der Loi Dailly vgl. Bonneau, Droit bancaire, Rn. 768 ff.; Chopard / Galzy / Hemmele, Loi Dailly, S. 24–26; Deckon, Notification, S. 656; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1302. 311 Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1406, 1427 weisen auf die Möglichkeit hin, Factoringgeschäfte nach der Loi Dailly abzuwickeln, ohne allerdings zu erwähnen, dass der Factor ein Kreditinstitut sein muss, um nach der Loi Dailly vorgehen zu können; vgl. ferner Bonneau, Droit bancaire, Rn. 760. 312 Vgl. dazu Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1302.
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nach dem Gesetzeswortlaut abdingbar, so dass auch ein echtes Factoring möglich ist.
c) Zwischenergebnis Das französische Recht kannte bis 2016 hauptsächlich zwei Mechanismen, um eine Forderungsübertragung ohne konstitutive signification außerhalb der Regeln der Art. 1689 ff. CC1804 zu ermöglichen. Während die im Kern erfüllungsrechtliche subrogation personnelle dabei wegen ihrer Gewinnfeindlichkeit kaum als vollwertiger Ersatz für die rechtsgeschäftliche Zession taugte, ist mit der Loi Dailly 1981 eine Möglichkeit für den unkomplizierten Forderungsumlauf im Kreditsicherungsverkehr geschaffen worden. Für einen Teilbereich hat der französische Gesetzgeber damit eine praxistaugliche Alternative zur Zession nach dem Code civil geschaffen313. Doch blieben Abtretungen, an denen keine Bank beteiligt ist, auch nach Erlass der Loi Dailly weiterhin dem Formalismus des Art. 1690 CC1804 unterworfen. Das wirft die Frage auf, warum nur eine punktuelle Alternative zur allgemeinen Zession geschaffen wurde, anstatt die rechtspolitisch längst auch außerhalb des Kreditsicherungsverkehrs obsolete Zession nach dem Code civil selbst zu reformieren314. Diesen Schritt hat der französische Gesetzgeber erst mit der Schuldrechtsreform 2016 getan.
3. Die Schuldrechtsreform 2016 a) Gesetzgebungsgeschichte Angeregt nicht zuletzt durch die deutsche Schuldrechtsreform 2002 sowie fundamentale Revisionen auch anderer europäischer Kodifikationen315 entwickelte sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts in der französischen Zivilrechtswissenschaft eine Debatte über eine groß angelegte Schuldrechtsreform316. Im Jahr 2005 legte eine Gruppe von Wissenschaftlern um Pierre Catala dazu dem Justizministerium einen ersten Entwurf für eine Reform des Schuldrechts und des Verjährungsrechts vor, das Avant-projet Catala317. Das Ministerium erarbeitete daraufhin eigene Reformentwürfe, die es in zwei Teilen 2008 (Reform des 313 So auch Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1427 und Deckon, Notification, S. 650. Zu den gleichwohl existierenden Prioritätsrisiken für den Zessionar vgl. z. B. Crocq, Efficacité, passim, der aber zu weitgehend die Effizienz der cession Dailly insgesamt bezweifelt und die Vorteile der stillen Zession kaum berücksichtigt. Kritisiert wurde andererseits aber auch die Tendenz der Rechtsprechung, den Einwendungsdurchgriff des Schuldners in bestimmten Fällen zu limitieren; dazu Deckon, Notification, S. 658–662. 314 Ähnliche Fragen stellen sich bei vertraglichen Abtretungsverboten; dazu unten S. 198 ff., 227 f. 315 Catala (Hrsg.), Avant-projet, S. 11; Witz / Babusiaux, Reform, S. 496 f. 316 Catala (Hrsg.), Avant-projet, S. 11 ff. 317 Für die einzelnen Normvorschläge vgl. Catala (Hrsg.), Avant-projet, S. 81–208.
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Vertragsrechts318) und 2011 (Reform des allgemeinen Schuldrechts und der quasivertraglichen gesetzlichen Schuldverhältnisse319) zur Debatte stellte. Als Gegenprojekt zum Avant-projet Catala erarbeitete sodann eine zweite Gruppe von Professoren um François Terré einen eigenen Reformvorschlag, der in drei Teilen 2009 (Reform des Vertragsrechts320), 2011 (Reform der vertraglichen Haftung bzw. der responsabilité civile321) und 2013 (Reform des allgemeinen Schuldrechts322) veröffentlicht wurde. Es folgten weiteren Diskussionen und die politische Entscheidung, die Gesetzesänderung (ausgenommen blieb aber zunächst das politisch brisante Deliktsrecht) im Wege einer durch die Exekutive zu erlassenden Verordnung umzusetzen323. Daraufhin publizierte das Justizministerium am 25.02.2015 einen offiziellen Verordnungsentwurf zur Reform des Vertragsrechts und des allgemeinen Schuldrechts324. Nach einer öffentlichen Konsultation dieses Vorschlags erließ die Regierung schließlich am 10.02.2016 die noch einmal veränderte Verordnung325, die mit Wirkung vom 01.10.2016 weite Teile des Schuldrechts im dritten Buch des Code civil reformierte. Mit der Verordnung wurde eine Verordnungsbegründung, der Rapport au président326, publiziert. Demnach verfolgte die französische Regierung mit der Reform hauptsächlich zwei Ziele: Mit der Kodifizierung von Richterrecht und der Modernisierung überkommener schuldrechtlicher Institute wollte sie einerseits die Rechtssicherheit erhöhen und das französische Recht damit andererseits im europäischen und internationalen Vergleich attraktiver machen327.
b) Die signification in den Reformentwürfen: Vereinfachung und Modernisierung aa) Das Avant-projet Catala 2005 Schon das Avant-projet Catala 2005 schlug eine tiefgreifende Neuregelung des Zessionsrechts vor328. Nach den von Hervé Synvet und (an anderer Stelle) 318
Ministère de la Justice, Projet de réforme 2008. Ministère de la Justice, Projet de réforme 2011. Terré (Hrsg.), Réforme du droit des contrats. 321 Terré (Hrsg.), Réforme du droit de la responsabilité civile. 322 Terré (Hrsg.), Réforme du régime général des obligations. 323 Dazu erließ das Parlament 2015 eine weitgehende Verordnungsermächtigung: Art. 8, 27 Loi n° 2015–177 du 16 février 2015 relative à la modernisation et à la simplification du droit et des procédures dans les domaines de la justice et des affaires intérieures. 324 Ministère de la Justice, Projet d’ordonnance; vgl. dazu die Synopse von Dissaux / Jamin, Projet de réforme. 325 Ordonnance n° 2016–131 du 10 février 2016 portant réforme du droit des contrats, du régime général et de la preuve des obligations. 326 Ministère de la Justice, Rapport au président. 327 Ministère de la Justice, Rapport au président, bei Objectifs de la réforme. Dazu sowie zum Stil der neuen Vorschriften Witz / Babusiaux, Reform, S. 497 f. 328 Art. 1251 bis 1257-1 des Entwurfs: Catala (Hrsg.), Avant-projet, S. 131 f. 319 320
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Pierre Catala verfassten Motiven sollte das Zessionsrecht zunächst aus dem Kaufrecht gelöst und künftig im allgemeinen Schuldrecht geregelt werden329. Daraus folgte allerdings nicht, dass der Code civil die Abtretung künftig wie das deutsche Recht als abstraktes Rechtsgeschäft auffassen sollte. Vielmehr wurde die Zession weiterhin als Teil eines Kausalgeschäfts verstanden, wie aus den weiterhin vorgesehen Vorschriften zur Gewährleistung hervorging330. Doch machte der neue systematische Standort nun klarer, dass – wie von der Literatur seit jeher angenommen331 – als causa alle möglichen Verträge in Betracht kommen332. Die Verfasser des Entwurfs dachten dabei freilich weniger an Tausch und Schenkung als vor allem an die Sicherungszession, die das französische Recht fortan – mit einiger Verspätung im europäischen Vergleich – unproblematisch auch nach allgemeinem Zessionsrecht ermöglichen sollte333. Die größte materielle Neuerung betraf den Vorschlag, die konstitutive signification nach Art. 1690 CC1804 abzuschaffen. Die Zession sollte sofort gegenüber allen Dritten wirksam sein; zur Vorbeugung von Missbrauch sollte aber ein Schriftformerfordernis für jede Zession gelten334. Nur dem Schuldner gegenüber sollte der Forderungsübergang weiterhin erst nach einer Anzeige wirksam werden, die allerdings als schriftliche oder elektronische notification ausgestaltet war und dadurch einfacher werden sollte335. Der Vorschlag reagierte damit auf die Praxisuntauglichkeit der auch für Dritte konstitutiven Förmlichkeiten des Art. 1690 CC1804, die dazu geführt hatte, dass sich der wirtschaftlich relevante Teil der Zessionen mittlerweile außerhalb des Code civil (also nach der Loi Dailly) abspielte336. Ausdrücklich sollte die allgemeine Zession damit wieder ein zeitgemäßes Instrument des modernen Güterverkehrs werden337. Dogmatische oder rechtshistorische Erwägungen für den Reformvorschlag sind dagegen nicht ersichtlich. In systematischer Hinsicht war der Vorschlag zunächst ein großer Schritt in Richtung Kohärenz: Denn wie gezeigt338 stellte insbesondere die Tatsache, dass die Zession ganz allgemein und ohne Rücksicht auf konkrete Schutzwürdigkeit auch Dritten gegenüber erst durch die signification wirksam wurde, einen ungerechtfertigten Widerspruch zum Konsensprinzip beim Sachkauf dar. Eine punk329 Dazu die Motive bei Synvet, Opérations, S. 71. Ebenso die Erklärung von Catala, Cession de créance, S. 214. 330 Art. 1256 des Entwurfs: Catala (Hrsg.), Avant-projet, S. 132. 331 S. oben S. 54, Fn. 290. 332 So auch ausdrücklich Catala, Cession de créance, S. 214. 333 Synvet, Opérations, S. 71. Dazu sollte auch die Möglichkeit der Zession künftiger Forderungen ausdrücklich festgeschrieben werden; dazu auch Catala, Cession de créance, S. 215 f. 334 Art. 1254 des Entwurfs: Catala (Hrsg.), Avant-projet, S. 131. 335 Art. 1254-2 des Entwurfs: Catala (Hrsg.), Avant-projet, S. 131; dazu ders., Cession de créance, S. 216 f. 336 So auch Synvet, Opérations, S. 71 f. 337 Catala, Cession de créance, S. 216. 338 S. oben S. 127 ff.
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tuelle, teleologisch durch den Schuldnerschutz gerechtfertigte Abschwächung der Translativwirkung zugunsten des Schuldners passt dagegen zum Konsens prinzip, das solche Ausnahmen auch beim Sachkauf für gutgläubige, besitzende Dritte zulässt. In rechtspolitischer Hinsicht war die Lockerung der starren Form der signification – auch aus Sicht der Entwurfsverfasser339 – ein überfälliger Schritt. Insbesondere konnten Prioritätsprobleme, die eine für Dritte konstitutive Anzeige mit sich brachte340 und für den Handelsverkehr praktisch unbrauchbar machte341, nun chronologisch gelöst werden342. Doch hat sich der Entwurf nicht noch weitergehend zu einem gänzlich kenntnisbasierten Schuldnerschutzsystem bekannt und die Abtretungsanzeige weiterhin als einzige Möglichkeit beibehalten, den Schuldner an den Zessionar zu binden. Damit wären die oben beschriebenen Probleme bei Kenntnis des Schuldners von der noch nicht angezeigten Zession343 weiter ungelöst geblieben344.
bb) Der Entwurf des Justizministeriums 2011 Der Vorschlag zur Neuregelung des Zessionsrechts im Projet de la chancellerie von 2011345 orientierte sich in vielen Punkten am Avant-projet Catala. So sollte die Zession nach Art. 104 al. 2 des Entwurfs an eine Schriftform gebunden sein; und nach Art. 107 al. 1 des Entwurfs wurde die Form der signification dahingehend abgeschwächt, dass nurmehr eine schriftliche oder elektronische notification ausreichte. Doch in einem entscheidenden Punkt blieb der Entwurf hinter dem Avant-projet Catala zurück: Die notification sollte weiterhin nicht nur für den Schuldner, sondern auch für alle sonstigen Dritten konstitutiv sein (Art. 107 al. 1 des Entwurfs). Das hauptsächliche dogmatische und praktische Problem des alten Rechts wäre damit beibehalten worden; begründet oder erläutert hat das Ministerium dies nicht. 339 340
Synvet, Opérations, S. 71. S. oben S. 138 ff. 341 S. oben S. 144. 342 So explizit Art. 1254-3 des Entwurfs: Catala (Hrsg.), Avant-projet, S. 131; dazu ders., Cession de créance, S. 217. 343 S. oben S. 136 ff. 344 In dieselbe Richtung ging die Kritik Petits am Entwurf, der die Gefahr sah, dass bösgläubige Schuldner innerhalb des vorgeschlagenen Systems den Zessionar um seine Forderung betrügen könnten. Daher schlug er letztlich ein kenntnisbasiertes System wie bei der cession Dailly vor: Petit, Réflexions, S. 2824. Für ungelöst hielt er dagegen die Probleme, die eine sofortige Wirksamkeit der Zession erga omnes für den Wettlauf verschiedener Gläubiger und Zessionare bedeute: ders., Réflexions, S. 2820–2823. Doch solche Probleme sind bei einer auch für Dritte konstitutiven Abtretungsanzeige noch viel ausgeprägter, wie die obigen Analysen (S. 138 ff.) gezeigt haben. Insbesondere diesen Punkt verkannte auch Emy, der in seiner Besprechung des Entwurfs für die Beibehaltung einer auch für Dritte konstitutiven Anzeige plädierte: Emy, Opposabilité, S. 2892 f. 345 Ministère de la Justice, Projet de réforme 2011, Art. 104–112.
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cc) Das Projet Terré 2013 Die Gruppe um Terré schlug schließlich 2013 in ihrem Vorschlag zum neuen allgemeinen Schuldrecht ebenfalls eine weitreichende Reform des Zessionsrechts vor. Der Bearbeiter des Zessionsrechts Lionel Andreu stellte zunächst treffend fest, dass die Zession des Code civil längst anachronistisch sei und von der Praxis mittels subrogation personnelle und Loi Dailly vollständig ersetzt werde346. Mit Blick auf den Entwurf des Justizministeriums 2011 sprach Andreu auch klar aus, wie wenig überzeugend die dort fortbestehende Relevanz der Anzeige für die Drittwirksamkeit der Zession aus Sicht der Terré-Gruppe war. Insbesondere die – wie gezeigt in Frankreich bis zuletzt vorherrschende347 – Idee einer durch den Schuldner sichergestellten Publizität der Anzeige für Dritte lehnte er nun mit den im europäischen Diskurs vorgebrachten348 Argumenten ab: Der Schuldner sei Dritten nicht zur Auskunft verpflichtet und manchmal auch nicht in der Lage; und die Information beim Schuldner sei für Dritte kostspielig und hemme den freien Forderungsverkehr349. Im Ergebnis sah der Entwurf daher in Art. 137 f.350 ähnlich wie das Avant-projet Catala vor, dass die Zession sofort erga omnes wirksam ist, dem Schuldner gegenüber jedoch erst ab einer notification geltend gemacht werden kann. Anders als bisher sollte der Schuldner aber auch bereits vor der notification befreiend an den Zessionar leisten können (Art. 138 al. 1 des Entwurfs351), da dieser ja in Wahrheit schon sein Gläubiger sei352. Die Anzeige sollte keiner besonderen Form unterliegen; und auch die Zession selbst sollte anders als nach den übrigen Reformvorschlägen nicht an die Schriftform gebunden sein, da die allgemeinen Beweisregeln ausreichenden Schutz vor Missbrauch garantierten353. Das Projet Terré enthielt damit einen auch dogmatisch plausibel begründeten Vorschlag für die Abschaffung der konstitutiven signification, selbst wenn rechtshistorische oder systematische Überlegungen offenbar keine Rolle gespielt haben. Im Gegensatz zu den Verfassern des Avant-projet Catala begründete Andreu allerdings auch ausdrücklich, warum einfache Kenntnis des Schuldners von der Zession auch weiterhin nicht ausreichen solle, um diesen zu verpflichten, an den Zessionar zu leisten. Neben der ungewissen Verlässlichkeit bzw. Rechtssicherheit (fiabilité) eines kenntnisbasierten Schuldnerschutzsystems führte er dazu vor allem das Argument an, dass reine Kenntnis des Schuld346 347
Andreu, Opérations translatives, S. 126. Näher dazu oben S. 145 ff. S. oben S. 131 ff. 348 Dazu schon oben S. 132 f. 349 Andreu, Opérations translatives, S. 126. 350 Andreu, Opérations translatives, S. 124. 351 Andreu, Opérations translatives, S. 124. 352 Andreu, Opérations translatives, S. 127. 353 Andreu, Opérations translatives, S. 127.
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ners den Willen der Zessionsparteien, den Gläubigerwechsel gegen den Schuldner wirksam werden zu lassen, nicht ausreichend zum Ausdruck bringe354. Diese Begründung überrascht, weil sie nicht die üblichen Argumente des Schuldnerschutzes oder der abstrakten Publizität fortführt, sondern unterstellt, dass ein vom Forderungsübertragungswillen zu trennender gemeinsamer Parteiwille existiere, der auf das Wirksamwerden der Zession im Verhältnis zum Schuldner gerichtet ist und der erst durch die notification zum Ausdruck komme. Dagegen liegt der Einwand nahe, dass auch die notification nicht einen solchen gemeinsamen Parteiwillen zum Ausdruck bringt, sondern eine einseitige Bekanntgabe des bereits im Zessionsakt manifestierten Willens darstellt. Die vorgebrachte Begründung kann die Ablehnung eines rein kenntnisbasierten Schuldnerschutzsystems daher nicht tragen.
dd) Der Verordnungsentwurf 2015 Der Verordnungsentwurf (Projet d’ordonnance) des französischen Justizministeriums vom 25.02.2015 vereinigte im Zessionsrecht355 die Vorschläge der Gruppen um Catala und Terré356. Die Teilzession und die Zession künftiger Forderungen sollten ausdrücklich ermöglicht werden (Art. 1332 al. 2); und wie im Avant-projet Catala sollte die Zession künftig einer Schriftform unterliegen (Art. 1333). Die konstitutive signification sollte abgeschafft und durch eine nur noch für den Schuldner bedeutsame formfreie notification ersetzt werden. Wie im Projet Terré sollte sich der Schuldner in Kenntnis der Zession auf den Forderungsübergang berufen dürfen (Art. 1335 al. 1) und also befreiend an den Zessionar leisten können. Dagegen sollte die Zession dem Schuldner bis zur – nicht durch Kenntnis ersetzbaren – notification (oder einer acceptation) nicht entgegengehalten werden können (Art. 1335 al. 1). Eine Begründung – insbesondere für diesen letzten Punkt – wurde für den Entwurf nicht bekannt. Französische Autoren haben diese Änderungen im Wesentlichen begrüßt, es aber zum Teil als „restriktiv“ bezeichnet, dass einfache Kenntnis des Schuldners weiterhin nicht ausreichen solle, ihm die befreiende Leistung an den Zedenten zu versagen357. 354 355
Andreu, Opérations translatives, S. 127. Ministère de la Justice, Projet d’ordonnance, Art. 1332–1337. 356 Vgl. die Synopse bei Dissaux / Jamin, Projet de réforme, S. 205–211. 357 So Dissaux / Jamin, Projet de réforme, S. 210. Ebenfalls grundsätzlich positiv zu den Änderungen Julienne, Cession, S. 70 f., der allerdings die Möglichkeit des Schuldners, sich schon vor der notification auf den Forderungsübergang zu berufen, kritisiert. Die Argumentation von Aynès, auf die Julienne dazu verweist (a. a. O., Fn. 11), verfängt allerdings nicht: Demnach soll der Gläubiger mit der notification den Zeitpunkt bestimmen können, ab dem er sich mit dem Schuldner auseinander setzt. Das verkennt, dass bei aller Unklarheit über die Funktion der Anzeige unter dem Code civil immer feststand, dass sie keine Zwecke zugunsten des Zessionars verfolgt.
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c) Die endgültige Fassung des neuen Zessionsrechts 2016 Nach der Konsultationsphase erließ die französische Regierung am 12.02.2016 die endgültige Verordnung. Die zum 01.10.2016 in Kraft getretene Schuldrechtsreform bedeutet die umfassendste Änderung des Code civil seit 1804. Das neue Zessionsrecht ist nun in den Art. 1321–1326 CC2016 im allgemeinen Schuldrecht geregelt. Allerdings wird die Zession auch weiterhin – wie in allen Vorentwürfen vorgeschlagen – nicht als abstraktes Rechtsgeschäft aufgefasst, sondern weiterhin als Teil eines Kausalgeschäfts358. Inhaltlich sind die meisten Vorschriften aus dem Verordnungsentwurf 2015 und damit aus den akademischen Vorarbeiten der Gruppen um Catala und Terré übernommen worden. So erlaubt das neue Zessionsrecht ausdrücklich Teilzession und Zession künftiger Forderungen (Art. 1321 al. 2 CC2016) und schreibt ein allgemeines Schriftformerfordernis vor (Art. 1322 CC2016)359. Die wichtigste Neuerung betraf indes die auch von den Vorentwürfen geforderte Abschaffung der für Dritte konstitutiven signification360. Das Gesetz ordnet nun ausdrücklich an, dass die Zession Dritten gegenüber sofort mit Vertragsschluss wirksam ist (Art. 1323 al. 2 CC2016); Prioritätskonflikte sind künftig chronologisch zu lösen (Art. 1324 CC2016). Die Verordnungsbegründung nennt für diese Neuerungen vor allem Effizienzargumente: Die signification sei teuer und unnütz gewesen und habe den Bedürfnissen der ökonomischen Akteure widersprochen361. Mit der sofortigen Wirksamkeit der Zession im Verhältnis zu Dritten werde außerdem eine Harmonisierung des allgemeinen Zessionsrechts mit der Zession nach der Loi Dailly362 sowie mit der Forderungsverpfändung363 erreicht. Historische oder dogmatische Argumente finden sich dagegen nicht in der Begründung. 358 Das zeigt vor allem die das Kausalgeschäft betreffende Vorschrift zur Gewährleistung, Art. 1326 CC2016. 359 Der Verordnungsgeber hat den dadurch neu entstehenden Widerspruch zur formfreien Forderungsverpfändung erkannt, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen: Ministère de la Justice, Rapport au président, bei La cession de créance. 360 Regelungstechnisch hat der Verordnungsgeber dies erreicht, indem er die allgemeine Forderungsabtretung weitgehend aus dem Anwendungsbereich der – weiterhin gültigen – Art. 1689 ff. CC2016 herausgenommen und in den Art. 1321 ff. CC2016 neu geregelt hat. Das Vorrangverhältnis regelt der neue Art. 1701-1 CC2016; demnach bleiben insbesondere die Regeln zum Ablösungsrecht des Schuldners beim Kauf streitbefangener Forderungen (sog. retrait litigieux, Art. 1699 ff. CC2016) weiter auf die Zession anwendbar; dazu Ministère de la Justice, Rapport au président, bei La cession de créance. Die alten Art. 1689 ff. CC2016 und insbesondere Art. 1690 CC2016 sind künftig auch weiterhin auf die Übertragung „gewisser unkörperlicher Rechte“ (so die Überschrift des Kapitels) anwendbar. Dabei bleibt aber unklar, an welche Geschäfte genau der Gesetzgeber denkt (zur Übertragung sonstiger Rechte, insbesondere Gestaltungsrechte, nach deutschem Recht aus historisch-kritischer Sicht Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 60–64) und vor allem, wieso das Erfordernis der signification hier nicht genauso obsolet ist. 361 Ministère de la Justice, Rapport au président, bei La cession de créance. 362 Dazu oben S. 148 f. 363 Seit 2006 war eine Forderungsverpfändung Dritten gegenüber sofort, auch ohne signi-
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
Hinsichtlich der Wirksamkeit im Verhältnis zum Schuldner weicht die Endfassung der Verordnung dagegen von den Vorarbeiten ab. Zunächst wurde die Klarstellung, dass der Schuldner selbst sich bereits bei Kenntnis auf die Zession berufen dürfe, nicht explizit kodifiziert. Und die entscheidende Frage nach der Möglichkeit der befreienden Leistung an den Zedenten regelt das neue Recht ebenfalls abweichend zu den Vorentwürfen: Die Zession soll dem Schuldner, der der Zession nicht zugestimmt hat, entgegengehalten werden können, sobald sie ihm mittels (formfreier) notification angezeigt wurde oder er von ihr „Kenntnis genommen“ hat (a pris acte)364. Diese auch in der Entwurfsbegründung nicht näher erläuterte Formulierung wirft Fragen auf. Bei unbefangener Lektüre ist die notification nun nur noch ein Unterfall der Kenntnisnahme des Schuldners; das französische Recht hätte damit letztlich doch ein rein kenntnisbasiertes Schuldnerschutzsystem eingeführt. Indes ist zweifelhaft, ob der Verordnungsgeber einen solch weiten Schritt gehen wollte. Die Änderung ginge über alle im Vorfeld vorgeschlagenen Reformen der signification hinaus und wäre dafür erstaunlich karg begründet. Und vor allem drängte sich dann die Frage auf, warum der Gesetzestext die notification überhaupt noch aufzählt, wenn die Kenntnis auf jede Weise hergestellt werden kann. Erste Reaktionen erkennen und kritisieren diese Unklarheit bei der Kenntnisnahme-Variante teilweise, ohne allerdings eine konsistente Lesart der Norm vorschlagen zu können365. Wie die Rechtsprechung das neue Zessionsrecht an dieser Stelle auf Dauer verstehen wird, bleibt abzuwarten. fication wirksam gewesen, Art. 2361 CC. Das hatten französische Autoren als inkohärent kritisiert: Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:401 Rn. 1, Fn. 10 mit Verweis auf Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1286. Vgl. zum umgekehrten Widerspruch in der Gesetzgebung zum Code civil oben S. 125, Fn. 195 sowie im deutschen Recht unten S. 172 ff. 364 Art. 1324 al. 1 CC2016: La cession n’est opposable au débiteur, s’il n’y a déjà consenti, que si elle lui a été notifiée ou s’il en a pris acte. 365 Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1419 erläutern in den kurz nach der Schuldrechtsreform erschienenen Neuauflagen (8. / 9. Aufl. 2016 / 2017) nur knapp und ohne Beleg, die Kenntnisnahme-Variante setze voraus, dass der Schuldner den Zessionar als seinen Gläubiger anerkenne. Simler, Cession, Nr. 6 hält sich nicht an den Wortlaut der neuen Norm, wenn er von einer (offenbar am alten Recht angelehnten) Pflicht des Schuldners, die Zession per notarieller Urkunde anzuerkennen (donner acte), ausgeht; der Text spricht eindeutig nur von „zur Kenntnis nehmen“ (prendre acte). Dagegen erkennt Gijsbers, Cession, S. 52, Fn. 39 die Problematik der Formulierung des neuen Art. 1324 al. 1 CC2016. Er stellt allerdings nicht die hier für drängend und ungeklärt erachtete Frage, wie die Kenntnisnahme-Variante sich zur notification verhält. Vielmehr sieht er eine Inkonsistenz zum Verordnungsentwurf, in dem es dem Schuldner bei Kenntnis der Zession schon vor der Anzeige erlaubt war, sich auf den Forderungsübergang zu berufen (Art. 1335 al. 1 des Entwurfs, dazu oben S. 154). Unklar bleibt die Lesart auch bei Chantepie / Latina, Réforme, Rn. 867 f. und Salvat, Opérations, S. 332 f. Dagegen diskutieren François, Obligations, Rn. 474 und Julienne, Régime général, S. 115 f. das Problem im hier für relevant gehaltenen Sinne. Sie argumentieren, dass die prise d’acte zumindest ein Aktivwerden des Schuldners voraussetze, so dass einfache (passive) Kenntnisnahme nicht ausreiche. Dazu kann Julienne zwar plausibel auf eine Parallele zum neuen
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d) Zwischenergebnis: eine späte Modernisierung Die Schuldrechtsreform 2016 hat das französische Zessionsrecht umfassend modernisiert. Die Diskussionen im Vorfeld hatten insbesondere die Abschaffung der auch für Dritte konstitutiven signification für überfällig gehalten, die offensichtlich den Bedürfnissen des modernen Handelsverkehrs in keiner Weise mehr entsprach. Die Autoren des Projet Terré argumentierten dazu auch dogmatisch treffend, dass die bis zuletzt in der französischen Literatur angenommene Publizität der signification für Dritte mittels des Schuldners unplausibel sei. Rechtshistorische oder systematische Argumente wurden in der Debatte nicht vorgebracht, doch ist die Reform insoweit auch aus diesen Perspektiven zu begrüßen. Denn wie gezeigt war die fehlende Wirksamkeit der Zession gegenüber Dritten im Code civil ein Relikt aus dem Ancien droit, das die Regeln zur Forderungsabtretung in einen nicht begründbaren Widerspruch zum Konsensprinzip im Kaufrecht stellte366. Bei der Wirksamkeit der Zession im Verhältnis zum Schuldner verfolgte die Reform hingegen keine klare Linie. Es bleibt unklar, ob nunmehr – wie unter deutschem Recht – allein die Kenntnis des Schuldners entscheidend sein soll oder ob der Abtretungsanzeige weiterhin eigenständige Bedeutung zukommt. Die in der Begründung des Projet Terré vorgebrachten Argumente gegen ein rein kenntnisbasiertes Schuldnerschutzsystem sind wenig plausibel367; die amtliche Begründung für die Endfassung der Reform schweigt zu dem Problem. Offenbar stand sowohl bei den Vorentwürfen als auch bei der schließlich verabschiedeten Reform die offensichtlich dysfunktionale Unwirksamkeit der nicht angezeigten Zession gegenüber Dritten im Vordergrund. Eine vertiefte Diskussion über die Notwendigkeit der Anzeige im Verhältnis zum Schuldner ist dagegen nicht geführt worden. Damit hat der französische Gesetzgeber die Chance verpasst, auch insoweit die hergebrachten Vorschriften des Zessionsrechts einer kritischen Revision zu unterziehen und in konsistenter Weise neu zu regeln. Auch steht zu erwarten, dass Banken angesichts der bestehenden Unklarheiten gerade bei Bündelabtretungen weiter nach der etablierten Loi Dailly vorgehen werden, die den Schutz des Schuldners allein von dessen Kenntnis abhängig macht368. Art. 1347-5 CC2016 verweisen, der von einer „Kenntnisnahme ohne Vorbehalt“ (prise d’acte sans réserve) spricht. Was genau aber vom Schuldner zu verlangen sei, kann auch Julienne auf Basis des Textes nicht eindeutig klären. Ähnlich, aber letztlich ebenfalls ratlos und daher kritisch Chénedé, Cession, S. 94 (wortgleich ders., Nouveau droit, Rn. 42.111) sowie Mignot, Commentaire, S. 7. Fest steht damit nur, dass der neue Begriff der prise d’acte jedenfalls auch aus französischer Sicht nicht ohne weiteres verständlich ist und zu erheblichen Unsicherheiten führen wird; so auch Borghetti, Vertragsdritte, S. 204 f. sowie Kieninger, Forderungsabtretung, S. 223. 366 S. oben S. 127 ff. 367 S. oben S. 153 f. 368 S. oben S. 148 f.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
IV. Zusammenfassung: das lange Erbe der Coutumes Das französische Zessionsrecht basierte bis 2016 auf einer auch für Dritte konstitutiven, gerichtsförmigen Abtretungsanzeige, der signification. Die Regel, dass der Zessionsakt allein das Forderungseigentum nicht überträgt, entstand – offenbar ohne Bezug zur römischrechtlichen denuntiatio – im französischen Gewohnheitsrecht des 16. Jahrhunderts und setzte sich ausgehend von den Pariser Coutumes im Ancien droit durch. Begründet wurde sie mit einer Analogie zur Sachübereignung, die im Ancien droit ursprünglich die Ergreifung oder Übergabe der Sache voraussetzte. Die signification der Zession deuteten französische Juristen demnach bis zum Erlass des Code civil übereinstimmend als Äquivalent zur Übergabe einer Sache; die grundsätzliche Gleichbehandlung von Sachkauf und Abtretung passt zum sachenrechtlichen Forderungsbegriff im französischen Recht. Während nun das Traditionsprinzip beim Sachkauf bereits vor Erlass des Code civil zugunsten eines zunächst praktischen, später auch theoretischen Konsensprinzips zurückgedrängt wurde, blieben vergleichbare Weiterentwicklungen im Zessionsrecht aus: Die weiterhin als Übergabeäquivalent verstandene signification blieb bis zum Erlass des Code civil für den Forderungsübergang im Verhältnis zum Schuldner und zu Dritten konstitutiv; lediglich die relative Wirksamkeit der nicht angezeigten Zession zwischen Zedent und Zessionar war am Ende des 18. Jahrhunderts anerkannt. Die Quellen zur Gesetzgebungsgeschichte zum Code civil zeigen insgesamt kaum vertiefte Diskussionen zu den Details des Zessionsrechts. Jedenfalls schlug die Viererkommission in ihrem Entwurf von 1800 eine systematisch plausible Harmonisierung des Zessionsrechts mit dem Sachkauf vor. Das Konsensprinzip sollte für die Übereignung der als Vermögensgegenstände gleichgestellten Sachen und Forderungen gleichermaßen gelten. Die signification sollte demnach nur noch die aus Billigkeitsgründen anerkannte befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten verhindern, aber ansonsten nichts am sofortigen Forderungsübergang erga omnes ändern. In der anschließenden Diskussion und Verabschiedung des Code civil fand sich diese innovative Regelung der Abtretungsanzeige jedoch aus unklaren Gründen nicht mehr wieder. Vielmehr wurde die auch für Dritte konstitutive signification ohne Diskussion und offizielle Begründung aus dem Ancien droit in den Code civil übernommen. Möglicherweise haben bei dieser Kehrtwende im Gesetzgebungsprozess die einem neuen Zessionsrecht eher ablehnend gegenüberstehenden Obergerichte eine Rolle gespielt, doch muss angesichts fehlender Quellen letztlich offen bleiben, warum der Code civil 1804 nicht dem Entwurf der Viererkommission von 1800 folgte. Die Gesetzgebungsmaterialien enthalten insoweit keine Hinweise darauf, ob über die signification vertieft diskutiert wurde und wer schließlich für die entscheidende Weichenstellung verantwortlich war.
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Die damit kodifizierte konstitutive signification haben französische Autoren bereits kurz nach Erlass des Code civil zum Teil scharf als ungerechtfertigtes Überbleibsel aus dem Ancien droit kritisiert; und in der Tat war mit Einführung des Konsensprinzips beim Sachkauf eine Erklärung der signification als Übergabeäquivalent sinnlos geworden. Die bis 2016 herrschende Meinung deutete die signification daher in ein Publizitätsmittel um, um mit diesem neuen Normzweck die Abweichung vom Konsensprinzip und vom sachenrechtlichen Forderungsbegriff des Code civil zu rechtfertigen. Doch ist insbesondere die Annahme, die Anzeige erzeuge durch den Schuldner als eine Art „Quasi-Register“ Publizität für unbeteiligte Dritte, praktisch und dogmatisch ausgesprochen unplausibel. Eine Folge dieser fehlenden teleologischen Rechtfertigung der signification war die zeitweise kontrovers geführte Debatte, inwiefern Kenntnis des Schuldners oder Dritter von der Zession die signification ersetzen könne. Zu einer eindeutigen Antwort auf diese Frage haben Rechtsprechung und Lehre bis zuletzt nicht gefunden, so dass zum Beispiel bei praktisch bedeutsamen Prioritätskonflikten auf die Bösgläubigkeit eines Prätendenten nicht in konsistenter und vorhersehbarer Weise reagiert werden konnte. Doch nicht nur in systematischer und dogmatischer Hinsicht hat sich die signification als inadäquat erwiesen. Mehr noch war sie für den Handelsverkehr, in dem Factoring und die massenhafte Verwendung von Forderungen als Kreditsicherheit im 20. Jahrhundert immer wichtiger wurden, schlicht zu ineffizient, schwerfällig und teuer. In der Praxis ersetzten Juristen daher die allgemeine Zession durch andere Institute, um einen Forderungsübergang ohne signification herbeizuführen. Dies ließ sich insbesondere mit der subrogation personnelle und mit der 1981 gesetzlich eingeführten cession Dailly im Bankenkreditverkehr erreichen. Erst im Zuge der umfassenden Schuldrechtsreform 2016 hat der französische Gesetzgeber die konstitutive signification abgeschafft, um auch das allgemeine Zessionsrecht an moderne europäische Standards heranzuführen und für die Praxis wieder attraktiv zu machen. Ob dieses Ziel erreicht werden wird, ist allerdings zweifelhaft. Denn nach dem neuen Zessionsrecht ist zwar die Anzeige (als formlose notification) nicht mehr für den Forderungsübergang im Verhältnis zu Dritten konstitutiv, doch bleibt unklar, inwiefern sie im Verhältnis zum Schuldner notwendig bleibt. Eine klare Entscheidung für ein rein kenntnisbasiertes Schuldnerschutzsystem wie bei der cession Dailly hat die Reform vermieden; doch ob die notification auch künftig das – neben der acceptation – einzige Mittel bleibt, eine befreiende Leistung an den Zedenten zu verhindern, lässt sich der einschlägigen Vorschrift nicht mit Sicherheit entnehmen.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
§ 5 Die Abtretungsanzeige im deutschen Recht Im BGB hat die Abtretungsanzeige – anders als die längste Zeit im Code civil – nur eine untergeordnete Bedeutung. Die entscheidenden Weichenstellungen geschahen dabei in der wissenschaftlichen Diskussion des 19. Jahrhunderts um die römische denuntiatio369, die im Folgenden näher untersucht werden soll.
I. Die denuntiatio bei Mühlenbruch und seinen Nachfolgern 1. Die denuntiatio als Mittel zur Aneignung der Forderungsausübung Nachdem zu Beginn des 19. Jahrhunderts im usus modernus – wie beschrieben – sowohl die Übertragbarkeit der Forderung als auch die grundsätzliche Ersetzbarkeit der Anzeige durch Kenntnis überwiegend anerkannt waren370, bedeutete das Werk Mühlenbruchs in beiden Fragen einen Wendepunkt. Seine Annahme, dass die Forderung nicht übertragbar sei371, führte dazu, dass er die denuntiatio ähnlich wie die Verfechter der Unübertragbarkeit im usus modernus nicht als Instrument des Schuldnerschutzes ansah. Vielmehr war sie für ihn als konstitutive Rechtshandlung des Zessionars notwendig, um ein „bestimmtes Rechtsverhältnis“ zwischen Zessionar und Schuldner zu begründen, aufgrund dessen der Schuldner trotz der fortbestehenden Gläubigerschaft des Zedenten nur noch an den Zessionar leisten darf und dem klagenden Zedenten die exceptio doli entgegenhalten kann und muss372. Vor der Anzeige, so Mühlenbruch, könne der Zedent die Forderung dagegen weiter gegen den Schuldner durchsetzen373. Die Entstehung eines Rechtsverhältnisses durch die denuntiatio erklärte Mühlenbruch damit, dass diese sich im römischen Recht aus der ein Prozessrechtsverhältnis begründenden Streitbefestigung (litis contestatio) entwickelt habe374. Die Anzeige war damit für Mühlenbruch gewissermaßen das Mittel zur Aneignung der Forderung375, genauer zur Aneignung der alleinigen Forderungsausübung, das auf einer speziellen Rechtshandlung des Zessionars gegenüber dem Schuldner beruhte. Folgerichtig lehnte Mühlenbruch auch eine Ersetzbarkeit der denuntiatio durch Kenntnis entschieden ab376; die von den Anhängern der Gegenansicht angeführte Digestenstelle zum Erbschaftskauf 369 Dazu oben S. 88 ff. 370 S. oben S. 93 f. Zur
allerdings wieder zunehmenden Zahl abweichender Stimmen Ende des 18. Jahrhunderts vgl. Luig, Zessionslehre, S. 46. 371 Zur Ausübungslehre Mühlenbruchs s. oben S. 64 ff. 372 Mühlenbruch, Cession, S. 491 f. 373 Mühlenbruch, Cession, S. 501, der dies auch für das antike römische Recht annahm. Anders die heute h. M. in der Romanistik, die annimmt, dem Schuldner habe gegen den klagenden Zedenten eine exceptio doli zugestanden; dazu oben S. 89, Fn. 4. 374 Mühlenbruch, Cession, S. 77–85, dazu Luig, Zessionslehre, S. 51 f. 375 So Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 35. 376 Mühlenbruch, Cession, S. 492–495.
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(Papinian D. 2,15,17)377 sei als Ausnahmeregel für einen Spezialfall eng auszulegen378. In der historischen Rechtsschule wurde die Theorie Mühlenbruchs nicht nur hinsichtlich der Unübertragbarkeit der Forderung, sondern auch in der Frage der Abtretungsanzeige schnell herrschend379. Zwar waren nicht alle Details wie etwa die Herleitung der denuntiatio aus der Streitbefestigung unbestritten. Doch nahmen im Ergebnis alle maßgeblichen Romanisten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an, dass erst die Anzeige die rechtliche Bindung des Schuldners an den Zessionar begründe und das weiter bestehende Forderungsrecht des Zedenten zwar nicht formal, aber doch inhaltlich entwerte, indem sie eine befreiende Leistung an den Zedenten ausschloss. Als Aneignungsakt konnte die denuntiatio dabei nach überwiegender Auffassung nur vom Zessionar ausgehen380. Die (fehlende) Anzeige hatte in diesem System keinerlei schuldnerschützende Funktion mehr, war doch der Schuldner bereits dadurch ausreichend geschützt, dass der Zedent Forderungsinhaber bleibt. Die Möglichkeit der befreienden Leistung an den Zedenten war also wegen der Unübertragbarkeit der Forderung der Grundsatz, den erst die insoweit konstitutive denuntiatio modifizierte. Vor diesem Hintergrund ließ sich auch die Frage nach der Ersetzbarkeit der Anzeige durch Kenntnis des Schuldners leicht beantworten: Geht es bei der denuntiatio nicht um Schuldnerschutz, sondern um die Herstellung einer rechtlichen Beziehung zwischen Zessionar und Schuldner, liegt eine funktionale Gleichsetzung von Anzeige und Kenntnis fern. Ein Rechtsverhältnis, so argumentierte man, kann schwerlich allein durch einseitige Kenntnis begründet werden381.
2. Verflechtung der denuntiatio mit der Unübertragbarkeit der Forderung Auch bei den pandektistischen Verfechtern der Unübertragbarkeit im 19. Jahrhundert lässt sich also die bereits im usus modernus beobachtete382 Abhängigkeit der Diskussion um die Notwendigkeit der denuntiatio von der Frage nach der Übertragbarkeit feststellen383. Unübertragbarkeit der Forderung, Zahlungsmöglichkeit an den Zedenten und Notwendigkeit der Anzeige waren sich in dieser Argumentation gegenseitig Voraussetzung und zugleich Begründung; einen offenen Zirkelschluss vermied man nur mit im Einzelnen nie zwingenden Herleitungen aus den antiken Quellen384. Auch Mühlenbruch und seinen 377 378
Dazu oben S. 90, Fn. 9. Mühlenbruch, Cession, S. 494 f., Fn. 13. 379 Detailliert Luig, Zessionslehre, S. 71–74 m. N. 380 Mühlenbruch, Cession, S. 493 f.; w. N. bei Luig, Zessionslehre, S. 73 f. 381 Luig, Zessionslehre, S. 74 m. N. 382 S. oben S. 93 f. 383 So auch Luig, Zessionslehre, S. 121. 384 Zu nennen ist zum Beispiel Mühlenbruchs Annahme, die auf alleinige Kenntnis des
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Nachfolgern lässt sich damit entgegenhalten, dass sie voneinander unabhängige Fragen dogmatisch vermischten385. Darüber hinaus war diese Lehre auch nicht konsequent zu Ende gedacht, wie Luig treffend anmerkt386. Denn ihre Anhänger betrachteten die begrifflichen Folgen der Unübertragbarkeit stets nur bis zum Zeitpunkt der Anzeige, ohne zu erklären, wie das fortbestehende Forderungsrecht des Zedenten nach der denuntiatio dogmatisch zu behandeln sei. Zwar stand fest, dass der Schuldner nur noch an den Zessionar leisten können und verpflichtet sein sollte, dem klagenden Zedenten die exceptio doli entgegenzuhalten. Doch ließen diese Aussagen noch viele – auch praktisch bedeutsame – Fragen unbeantwortet. Exemplarisch problematisierte im Jahre 1857 Rudolf von Jhering diese Unklarheit: Wie sollte zum Beispiel entschieden werden, wenn der Schuldner den Zedenten nach der Anzeige beerbt? Streng genommen müssten die Vertreter der Mühlenbruch’schen Ausübungslehre trotz erfolgter denuntiatio eine Konfusion und damit den Untergang der Forderung annehmen387 – ein offensichtlich ungewolltes Ergebnis.
II. Windscheid und Bähr: Trennung der Problemkreise von denuntiatio und Unübertragbarkeit Erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Fragen nach der Übertragbarkeit der Forderung und nach der Notwendigkeit der denuntiatio in der wissenschaftlichen Diskussion zunehmend getrennt behandelt und beantwortet. Besonders zeigt sich dies in den Lehren Windscheids und Bährs, die beide auf Basis des römischen Rechts die Übertragbarkeit der Forderung postulierten, aber dennoch in der Frage der Anzeige ganz unterschiedliche Standpunkte einnahmen.
1. Windscheid: Inbesitznahme der actio durch die denuntiatio Windscheid hatte – wie beschrieben388 – seit seiner 1856 erschienenen Schrift Die Actio des römischen Civilrechts, vom Standpunkte des heutigen Rechts argumentiert, dass die Forderung im römischen Recht seit Anerkennung der actio utilis vollständig übertragbar gewesen sei. Dennoch entnahm er den Quellen, Schuldners abstellende Digestenstelle Papinian D. 2,15,17 enthalte eine Ausnahmeregel (s. oben S. 161, Fn. 378); nach Aufgabe der Ausübungslehre argumentierten Pandektisten genau entgegengesetzt, dass die Quelle einen verallgemeinerbaren Rechtsgedanken enthalte: Luig, Zessionslehre, S. 123. 385 Vgl. oben S. 94 zum usus modernus. 386 Luig, Zessionslehre, S. 121. 387 Jhering, Uebertragung, S. 111, Fn. 6; darauf verweist Luig, Zessionslehre, S. 121, Fn. 143. Jhering lehnte diese Rechtsfolge ab und folgerte daraus, dass der Zessionar nach der Anzeige ein eigenständiges Recht haben müsse, das von der ursprünglichen Forderung unabhängig sei: Jhering, Uebertragung, S. 109–111, dazu Luig, Zessionslehre, S. 89. 388 S. oben S. 68 ff.
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dass der Zedent nach der Zession zunächst weiter das Recht behalte, die Forderung beim Schuldner einzuziehen389. Dies begründete er mit der herrschenden Ansicht in der Pandektistik mit den Worten „non vetaris“ in C. 8,41,3390: Der Gesetzeswortlaut besage, dass es dem Zedenten bis zur Erfüllung einer der Tatbestände in C. 8,41,3 (denuntiatio, Streitbefestigung und Abschlagszahlung) „nicht verboten“ sei, die Forderung einzuziehen, also müsse es ihm rechtlich erlaubt sein391. Der Zessionar könne diesen Zustand der gemeinsamen Gläubigerschaft nun dadurch ändern, dass er mittels einer formlosen denuntiatio von seiner actio „Besitz“ ergreife392. An einer Stelle erwähnte Windscheid gar, dass diese Inbesitznahme der Übergabe bei der Sachübereignung entspreche393. Solche Aussagen standen strukturell offensichtlich der französischen Tradition nahe, die die konstitutive signification im Ancien droit wie gesehen394 als Übergabeäquivalent konzipiert hatte. Ob sich Windscheid aber – wie vermutet wird395 – bewusst an das teilweise auch in Deutschland geltende französische Recht angelehnt hat, ist zweifelhaft: Zum einen allegierte Windscheid keine französischen Quellen, zum anderen trug diese Äquivalenz auch im französischen Recht seit Erlass des Code civil nicht mehr396. Festzuhalten bleibt aber jedenfalls, dass Windscheid mit seiner Konzeption der denuntiatio inhaltlich der Ausübungslehre Mühlenbruchs folgte397, obwohl er dessen Unübertragbarkeitsdogma verworfen hatte. Möglich war dies, indem Windscheid den Problemkreis der (Un‑)Übertragbarkeit der Forderung nicht mehr mit dem der denuntiatio verband. Damit hatte Windscheid den pandektistischen Diskurs auch in der Frage der denuntiatio398 von einer gedanklichen Fessel befreit; in der Sache konnte sich seine Vorstellung von der Abtretungsanzeige freilich nicht durchsetzen. Einflussreicher war in dieser Hinsicht die Lehre des gemeinrechtlichen Richters Otto Bähr. 389 Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 140 ff.; später ebenso ders., Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 229–233 sowie unverändert ders., Pandektenrecht7, Bd. 2, S. 234–237. 390 Wortlaut oben S. 88, Fn. 2. 391 Ausführlich, auch mit Darstellung der Gegenansicht Windscheid, Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 230 f., Fn. 4, 8; unverändert ders., Pandektenrecht7, Bd. 2, S. 234–236, Fn. 4, 8. 392 Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 141; von einer „Ergreifung“ der Forderung sprach Windscheid ebenso später im Lehrbuch des Pandektenrechts: ders., Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 231 (unverändert in der 7. Aufl., S. 235). 393 Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 172, Fn. 7. 394 S. oben S. 104 ff. 395 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 35. Aus französischer Perspektive stellte auch Huc die Lehre Windscheids dar, wenn auch ungenau: Huc, Cession, Bd. 1 Nr. 301. 396 S. oben S. 127 ff. 397 Allerdings nur in den wichtigsten Ergebnissen; in den Details der Begründung kritisierte Windscheid dagegen die Lehre Mühlenbruchs: Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 141 zur Herleitung der denuntiatio aus der Streitbefestigung. 398 Zu Windscheids ebenfalls innovativen Lehren beim allgemeinen Zessionsbegriff vgl. oben S. 68 ff.
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2. Bähr: Schuldnerschutz durch die Abtretungsanzeige Bähr ging in seinem 1857 erschienenen Aufsatz Zur Cessionslehre ebenso wie Windscheid davon aus, dass die Forderung bereits nach römischem Recht übertragbar gewesen sei399. In der Frage der Abtretungsanzeige argumentierte er hingegen anders. Zwar orientierte sich Bähr als gemeinrechtlicher Praktiker am römischen Recht, doch anders als den Pandektisten ging es ihm nicht um eine lückenlose Konstruktion aus den römischen Quellen, sondern primär um seiner Ansicht nach praktisch bedeutsame Fragen des Schuldnerschutzes, die die pandektistische Lehre nicht klar genug stellte und beantwortete400: Hatte der Schuldner vor der denuntiatio nur das Recht, oder auch die Pflicht, an den Zedenten zu zahlen, wenn er von der Zession wusste? Wie sicher musste eine solche Kenntnis sein? Welche Rechte und Pflichten hatte der Schuldner im Falle einer Zweitzession und wie konnte er vor einer doppelten Inanspruchnahme geschützt werden? Bährs Antworten auf diese Fragen waren vor allem in der Frage der Rechtsnatur und der Notwendigkeit der Anzeige wegweisend401. Bähr widersprach zunächst der Theorie Windscheids und argumentierte, dass bereits die Zession allein die Forderung vollständig auf den Zessionar übergehen lasse, ohne dass es eines zusätzlichen Aneignungsakts bedürfe402. Auch die Römer hätten so gedacht, denn die denuntiatio sei in C. 8,41,3 interpoliert403 und also erst eingeführt worden, als die vollständige Übertragbarkeit der Forderung mittels actio utilis bereits anerkannt gewesen sei; damit könne sie nur als Sicherungs- und nicht als Aneignungsmittel gedient haben404. Aus dieser Annahme folgte für Bähr unmittelbar, dass der Schuldner nach der Zession grundsätzlich nur an den Zessionar leisten durfte. Eine befreiende Leistung an den Zedenten ließ Bähr dagegen nur noch aus Billigkeitsgründen zu, solange der Schuldner diesen im guten Glauben für seinen Gläubiger hielt: nicht weil der Zedent noch berechtigter Gläubiger war, sondern obwohl er es nicht mehr war405. Bähr anerkannte also die befreiende Leistung an den Zedenten nurmehr aus Gründen des Schuldnerschutzes und legte die Kenntnis von der Zession als allein maßgebliches Kriterium dieses Schuldnerschutzes im Sinne eines Gutglaubensschutzes fest. Dies führte Bähr sodann zu seiner Sichtweise auf die denuntiatio: Wie bereits Lauterbach im usus modernus406 hielt er die 399
S. oben S. 73, Fn. 400. Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 35 mit Verweis auf Bähr, Cessionslehre, S. 356 f. 401 Luig, Zessionslehre, S. 96. 402 Bähr, Cessionslehre, S. 425–427. 403 Zu dieser keineswegs zwingenden Annahme näher oben S. 89 f., Fn. 6 f. 404 Bähr, Cessionslehre, S. 392–414. 405 Bähr, Cessionslehre, S. 415. 406 S. oben S. 94, Fn. 30. 400
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Abtretungsanzeige für ein Instrument, das den guten Glauben des Schuldners an die Gläubigerschaft des Zedenten und damit die Anerkennung einer befreienden Leistung an diesen ausschloss. Konsequent lehrte Bähr aber, dass auch jede anderweitig erlangte Kenntnis von der Zession Bösgläubigkeit (und damit die Pflicht, nur noch an den Zessionar zu leisten) begründen könne, soweit sie auf einer ausreichend sicheren Grundlage beruhe. Die im französischen Recht mit konstitutiver signification hochproblematische Frage, ob sich der Schuldner in sicherer Kenntnis der Zession auf die fehlende Anzeige berufen könne407, konnte Bähr daher in seinem System ausdrücklich verneinen408. Um eine sichere Kenntnis von der Zession herbeizuführen, hielt Bähr allerdings nur eine Abtretungsanzeige durch den Zessionar für in jedem Falle hinreichend409. Diese verpflichte den Schuldner einerseits, nicht mehr an den Zedenten zu zahlen und diesem gegenüber die fehlende Gläubigerstellung einzuwenden; sie enthalte aber andererseits auch die Erklärung des Zessionars, dem Schuldner gegenüber für den Bestand der Zession einzustehen410 – damit war der Schuldner effektiv vor einer doppelten Inanspruchnahme bei Zweifeln an der Wirksamkeit der Zession geschützt.
3. Zwischenergebnis: Durchsetzung einer schuldnerschützenden Konzeption der Anzeige; Schuldnerschutz als Grundgedanke des Zessionsrechts Obwohl Bähr damit letztlich weiterhin die Abtretungsanzeige empfahl, konzipierte er sie dogmatisch völlig anders als Windscheid und die zuvor herrschende Ansicht in der Romanistik. Sie sollte nur noch ein für den Zessionar empfehlenswertes Mittel sein, um sichere Kenntnis des Schuldners von der Zession herbeizuführen, die es diesem verwehrt, sich weiterhin gutgläubig auf die vermeintliche Gläubigerschaft des Zedenten zu berufen. So sollte der Zessionar ausschließen können, dass der Schuldner – was Bähr nur aus Billigkeitsgründen für möglich hielt – befreiend an den Zedenten als Scheingläubiger leistet. Einfluss auf die wahre Rechtslage (Forderungsübergang sofort mit der Zession) hatte die Anzeige dagegen nicht mehr. Zwar versuchte Bähr, seine Aussagen im Einzelnen aus den römischen Quellen zu begründen; in diesen Begründungen erfuhr er Kritik von Windscheid, der weiter an seiner Lehre festhielt411. Doch 407
Dazu oben S. 136 ff. Bähr, Cessionslehre, S. 418. 409 Bähr, Cessionslehre, S. 417. 410 Bähr, Cessionslehre, S. 417 f. 411 Windscheid, Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 230 f., Fn. 4, 8; unverändert ders., Pandektenrecht7, Bd. 2, S. 234–236, Fn. 4, 8. Die Kontroverse kreiste hauptsächlich um die Worte „non vetaris“ in C. 8,41,3, mit denen Windscheid die bis zur denuntiatio fortbestehende Möglichkeit des Zedenten, die Forderung gegen den Willen des Schuldners einzuziehen, und damit dessen fortbestehende Gläubigerstellung begründete (dazu oben S. 162 f.). Bähr erklärt die Worte dagegen mit der nur faktischen Möglichkeit des Zedenten, die Forderung trotz der verlore408
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
der Sache nach ließ sich Bähr mehr von den praktischen Problemen der Zession als von der genauen Herleitung eines Details aus den Quellen leiten412. Sein System war – ausgehend von seinen eingangs gestellten Fragen – ganz vom Schuldnerschutz, genauer vom Schutz des Schuldners vor der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme her konzipiert. Die Lehre Bährs setzte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Pandektistik weitgehend durch, auch wenn insbesondere Dernburg bis zuletzt wegen praktischer Bedenken dafür plädierte, auch theoretisch nur die denuntiatio als Sicherungsmittel des Zessionars zuzulassen413. Ganz überwiegend war dagegen vor und während den Arbeiten zum BGB anerkannt, dass der Zedent die Forderungsinhaberschaft sowie die Befugnis, die Forderung geltend zu machen, mit dem Zessionsakt vollständig verliere. Wie Bähr nahmen die meisten Autoren an, dass die Kenntnis des Schuldners von der Zession den Zeitpunkt markiere, ab dem eine etwaige Zahlung an den Zedenten nicht mehr als befreiend anerkannt werde414. Die Hauptleistung Bährs war damit ein Perspektivenwechsel: Er lenkte den Blick weg vom Übertragungsakt und dessen konstruktiver Einordnung und fokussierte die Zessionsdogmatik auf den Schuldnerschutz. Dieser Schutz war für Bähr notwendiges Pendant zur grundsätzlichen Möglichkeit der Forderungsübertragung „hinter dem Rücken“ des Schuldners415. Der soweit ersichtlich von Bähr erstmals pointiert formulierte Schluss von der fehlenden Mitwirkung des Schuldners am Zessionsakt auf seine grundsätzliche Schutzbedürftigkeit ist bis heute fast allgemein akzeptiert416. Die Folge dieser Wertung, dass nämlich alle zessionsrechtlichen Regelungen, die nicht die Übertragung selbst regeln, den Schuldnerschutz zentral in den Blick nehmen und aus ihm ihre Begründungsressourcen schöpfen, dominierte bis zur Redaktion des BGB und bestimmt letztlich bis heute das deutsche417 und auch das europäische418 Zessionsrecht. nen Gläubigerstellung weiter vom gutgläubigen Schuldner einzuziehen (Bähr, Cessionslehre, S. 423); dies kritisierte Windscheid als „willkürlich“. 412 Bähr sprach selbst davon, dass exakte Quellennachweise im Zessionsrecht schwierig seien und er sich daher auf die „leitenden Ideen“ in den Quellen stütze: Bähr, Cessionslehre, S. 374, 433. Ähnlich auch Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 35. 413 Dernburg, Pandekten, Bd. 2, S. 136–138. 414 Detailliert Luig, Zessionslehre, S. 121–125; ferner Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 35. 415 So wörtlich Bähr, Cessionslehre, S. 415. 416 Dazu statt aller mit zahlreichen Nachweisen Quast, Titel des Zedenten, S. 95 f.; vgl. auch die Nachweise in der folgenden Fußnote. Quast selbst zieht freilich den Schluss von der fehlenden Mitwirkung des Schuldners an der Zession auf seine absolute Schutzbedürftigkeit in Zweifel: dies., Titel des Zedenten, S. 97 ff. Auch weist sie zu Recht darauf hin, dass schon Dörner diese Folgerung ablehnte und die Abtretung als gesetzlich zugelassenen Vertrag zulasten Dritter ansah: Dörner, Relativität, S. 123 ff., 147–149, 157. 417 Zur Zeit vor Erlass des BGB Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 40 (Schuldnerschutz als „Kernproblem“) mit Verweis auf Kübel, Entwurf 1877, S. 1117–1119 (zu § 11 II des Entwurfs, S. 1089); unter dem BGB dann Heck, Schuldrecht, S. 195 („Hauptproblem des
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III. Die Abtretungsanzeige in den Kodifikationen vor dem BGB: Verlagerung des Fokus auf die Anzeige durch den Zedenten Die deutschsprachigen Kodifikationsentwürfe vor dem BGB folgten in der grundsätzlichen Konzeption der Abtretungsanzeige den Lehren Bährs, regelten sie also nicht wie Windscheid als Teil des Übertragungsakts, sondern als Mittel des Schuldnerschutzes419. Jedoch sahen sowohl der Hessische Entwurf von 1853420 als auch der Bayerische Entwurf von 1861421 sowie das Sächsische BGB von 1865422 vor, dass die befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten nur durch eine Anzeige ausgeschlossen werden konnte und nicht auch durch sonstige Kenntnis des Schuldners von der Zession. Der Dresdner Schuldrechtsentwurf von 1866 legte dagegen – wie schon das ABGB von 1812423 – mit der nun herrschenden Ansicht in der Wissenschaft die „zuverlässige Kenntniß“ des Schuldners von der Abtretung als allgemeines Kriterium für die Unmöglichkeit der befreienden Leistung fest424. Er stellte ausdrücklich klar, dass die Anzeige nur ein Regelbeispiel für die Herbeiführung dieser Kenntnis sei425. Alle genannten Gesetze regelten auch erstmals ausdrücklich, dass die Abtretungsanzeige nicht nur vom Zessionar, sondern auch vom Zedenten ausgehen konnte426. Weil die antike römische Quelle (C. 8,41,3) ausschließlich von einer denuntiatio durch den Zessionar sprach, hatten Mühlenbruch und Windscheid die Anzeige durch den Zedenten nicht anerkannt – eine Ansicht, die die meisten Pandektisten teilten427. Bereits das ALR428 hatte dagegen die Anzeige durch den Zedenten für möglich gehalten und sogar weitergehende Rechtsfolgen an Zessionsrechts“) und später Olshausen, Gläubigerrecht, S. 33 und passim (Schuldnerschutz als „Gerechtigkeitsgebot“). Aus der neueren Literatur differenziert und ausführlich Quast, Titel des Zedenten, S. 94–115 m. w. N.; ferner Eidenmüller, Dogmatik, S. 462; aus der Kommentarliteratur z. B. Roth / Kieninger, in MüKo BGB, § 401 Rn. 1 mit Verweis u. a. auf Enneccerus / Lehmann, Schuldrecht, S. 316 (Schutz des Schuldners vor Nachteilen als „Grundgedanke“). 418 Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Introduction before Art. 11:101 Rn. 2; Art. 11:303 Rn. 1, 7, je m. w. N. 419 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 37. 420 Hessischer Entwurf, Abt. 4, Buch 1, Art. 268 f. Im Übrigen folgte der Entwurf noch der Ausübungslehre Mühlenbruchs, dazu oben S. 76. 421 Bayerischer Entwurf, 2. Theil, 3. Hauptstück, 1. Abtheilung, Art. 151. 422 Sächsisches BGB, § 972. Ausnahmsweise sollte es im Falle der Doppelzession nach § 973 ausnahmsweise schon auf die Kenntnis der früheren Zession ankommen. 423 Art. 1395 S. 2 ABGB. 424 Dresdner Entwurf, Art. 331 Abs. 1. 425 Dresdner Entwurf, Art. 331 Abs. 2. 426 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 36; vgl. dazu die in den vorigen Fußnoten genannten Normen. 427 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 36. Abweichende Ansichten zitiert Luig, Zessionslehre, S. 120. 428 Zur Abtretungsanzeige im ALR s. oben S. 95.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
die Herkunft der Anzeige geknüpft429: Nach § 414, I, 11 ALR sollte der Schuldner bei einer Mitteilung des Zedenten sofort verpflichtet sein, nur noch an den Zessionar zu zahlen, während eine Mitteilung des Zessionars nach § 415, I, 11 ALR diese Rechtsfolge nur hervorrief, soweit der Zessionar die Zession binnen drei Tagen durch Vorlage der Zessionsurkunde oder auf andere Weise nachwies. Dahinter stand das Argument, dass eine Anzeige des insoweit neutralen Zedenten dem Schuldner die Zession verlässlicher bekannt gibt als eine Anzeige des an der Leistung selbst interessierten Zessionars. Dieser Gedanke, obwohl in der gemeinrechtlichen Praxis umstritten430, setzte sich in den letzten deutschsprachigen Kodifikationen vor dem BGB durch und führte dazu, dass nun die Abtretungsanzeige durch den Zedenten in den Fokus rückte. So formulierte zunächst das Sächsische BGB (1865) aus der Perspektive der Ansprüche des Schuldners, dass dieser vom Zessionar einen Nachweis der Zession verlangen könne, soweit ihm die Zession nicht vom Zedenten (oder vom Gericht) angezeigt worden sei431. Das Sächsische BGB bildete dann die Grundlage der Beratungen zum Dresdner Schuldrechtsentwurf (1866)432, der die Vorschrift übernahm433. Noch weitergehend regelte der Dresdner Entwurf aber zusätzlich, dass der Schuldner nach einer Anzeige des Zedenten oder einer Nachweisung der Zession durch den Zessionar nicht nur verpflichtet sei, an den Zessionar zu leisten, sondern dann durch eine Leistung an den Zessionar auch in jedem Falle frei werde434. Die Anzeige des Zedenten und die Nachweisung der Zession durch den Zessionar stellten die Autoren des Entwurfs auf eine Stufe; beide sahen sie als derart verlässlich an, dass sie ihnen zugunsten des Schuldners Rechtsscheinwirkung zumaßen. Auch wenn die Zession fehlgeschlagen war, konnte sich der Schuldner folglich nach einer solchen Anzeige oder Nachweisung auf Kosten des in Wahrheit weiter berechtigten Zedenten durch Zahlung an den Zessionar befreien. Den Rechtsschein einer wirksamen Zession konnte der Zedent nur zerstören, indem er die Zession anfocht und den Schuldner davon in Kenntnis setzte435. Diese Regelungen sollten sich in den Beratungen zum BGB durchsetzen.
429
Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 36 f., auch zum Folgenden. Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 36 verweist auf Urteile der OAGe Kassel, Lübeck und Celle, die in der Frage der Zulässigkeit und Wirkung einer Anzeige durch den Zedenten unterschiedlich entschieden. 431 Sächsisches BGB, § 974. 432 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 37. 433 Dresdner Entwurf, Art. 332 Abs. 1. 434 Dresdner Entwurf, Art. 333 Abs. 2. 435 Dresdner Entwurf, Art. 333 Abs. 2. 430
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IV. Die Abtretungsanzeige im BGB 1. Der Entwurf von 1877 Der Redaktor der Vorentwürfe zum Schuldrecht, Kübel, folgte in seinem ersten Vorschlag zum BGB‑Schuldrecht von 1877436 der zu dem Zeitpunkt in der Wissenschaft sowie in allen deutschsprachigen Kodifikationen herrschenden Auffassung, dass die Abtretungsanzeige kein Teil des Übertragungsakts sei und daher den sofortigen Forderungsübergang erga omnes nicht berühre437. In der Frage der Notwendigkeit einer Anzeige für die Unmöglichkeit der befreienden Leistung an den Zedenten diskutierte Kübel die unterschiedlichen Lösungen in den Kodifikationen. Mit dem Dresdner Entwurf entschied er sich dafür, die Kenntnis des Schuldners von der Zession als alleiniges Kriterium festzulegen438. Die Maßgeblichkeit der bona fides sah Kübel als für den Schuldnerschutz notwendig, aber auch hinreichend an; eine „Beschränkung der Kenntnißberücksichtigung“ mittels eines Anzeigeerfordernisses lehnte er als „nicht zu rechtfertigende Begünstigung des Schuldners zum Nachtheile des Zessionars“ ab439. Auch sah er auch keinen Grund, wie zuvor der Dresdner Entwurf „zuverlässige“ Kenntnis fordern zu müssen, denn ob der Schuldner im konkreten Fall tatsächlich eine den guten Glauben ausschließende Kenntnis erlangt habe, sei ohnehin immer eine Tatfrage des Einzelfalls440. Für die zentrale Frage des Schuldnerschutzes, nämlich die Leistungsbefreiung durch Zahlung an den Zedenten, war die Anzeige damit in Kübels Entwurf irrelevant geworden. Die weitergehend schuldnerschützenden Wirkungen einer – freilich fakultativen – Anzeige des Zedenten übernahm Kübel hingegen mit nur kleinen Abweichungen441 aus dem Dresdner Entwurf: § 13 des Vorentwurfs regelte die Nachweispflicht des Zessionars bei fehlender Anzeige durch den Zedenten (oder das Gericht); nach § 14 Abs. 1 konnte der Schuldner kon436 Der erste Entwurf Kübels von 1877 wird im Folgenden zugrunde gelegt; sein überarbeiteter Entwurf von 1882 sah im Zessionsrecht keine für diese Arbeit interessanten Veränderungen vor (Kübel, Entwurf 1882, S. 927 ff.). 437 Kübel, Entwurf 1877, S. 1087 (§ 2) und S. 1094–1096 (Motive); vgl. auch oben S. 77 f. Kübel selbst war allerdings der Ansicht, dass die Ausübungslehre und damit die konstitutive Abtretungsanzeige noch herrschend seien. Er hielt diese Meinung jedoch zu Recht auch auf dem Boden des römischen Rechts für bestritten und führte die gegenteilige Auffassung in allen deutschsprachigen Kodifikationen an (ders., Entwurf 1877, Motive, S. 1094 f.). 438 Kübel, Entwurf 1877, S. 1089 (§ 11 Abs. 2) sowie Motive, S. 1117–1119. Kübel nannte für seine Ansicht außerdem noch das ABGB (1812, Art. 1395 S. 2) und das Privatrechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich (1853, §§ 1031 f.). Die vermittelnde Ansicht des ALR (dazu oben S. 95) nannte er ebenso wie die abweichenden Regelungen im Hessischen und Bayerischen Entwurf sowie im Sächsischen BGB (dazu oben S. 167 f.). 439 Kübel, Entwurf 1877, Motive, S. 1119. 440 Kübel, Entwurf 1877, Motive, S. 1118. 441 Dazu Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 41.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
sequent bis zur Anzeige des Zedenten oder der Nachweisung durch den Zessionar die Leistung verweigern und nicht in Verzug gesetzt werden442. Nach dem Vorbild des Dresdner Entwurfs ordnete schließlich § 14 Abs. 2 die Rechtsscheinwirkung einer Anzeige des Zedenten oder einer urkundlichen Nachweisung der Zession durch den Zessionar an443: Beide Tatbestände ermöglichten dem Schuldner, sich durch Zahlung an den Zessionar zu befreien, selbst wenn sich die Unwirksamkeit der Zession herausstellte444.
2. Die weitere Diskussion in den Kommissionen Anders als die grundsätzliche Abtretbarkeit der Forderung445 war die Frage nach der Notwendigkeit einer Abtretungsanzeige in den Gesetzgebungskommissionen kontrovers.
a) Der Entwurf Erster Lesung (E I, 1888) Die Erste Kommission folgte zunächst der herrschenden Ansicht in Literatur und Gesetzgebung, indem sie dezidiert eine für die Forderungsübertragung konstitutive Anzeige nach französischem Vorbild ablehnte. In den Motiven zum E I betonte die Kommission mehrfach, dass die denuntiatio kein Bestandteil der Zession sei und den sofortigen Übergang der Forderung auch gegenüber Dritten nicht tangiere, da der Entwurf das Prinzip der vollständigen rechtsgeschäftlichen Übertragbarkeit von Forderungen „streng“ durchführe446. Umstritten war dagegen, inwiefern die Anzeige zum Schuldnerschutz erforderlich sein sollte. Die Kommission beschloss gegen einen Teil ihrer Mitglieder, dem Entwurf Kübels zu folgen und für den Schuldnerschutz allein auf den guten Glauben des Schuldners abzustellen447. Diskutiert wurde vor allem der für die Kommission aus Verkehrsschutzgründen bedenkenswerte Vorschlag, die bloße Zustellung einer Abtretungsanzeige der Kenntnis des Schuldners von der Zession gleichzustellen. Im Ergebnis lehnte die Kommission den darauf zielenden Antrag jedoch mit dem Argument ab, dass eine Zustellung der Anzeige keine Kenntnisnahme garantiere und so der Gutglaubensschutz des Schuldners unterminiert zu 442
Kübel, Entwurf 1877, S. 1089.
443 Kübel, Entwurf 1877, S. 1089 f. 444 So Kübel, Entwurf 1877, Motive,
S. 1123. § 14 Abs. 3 enthielt für diesen Fall eine Spezialvorschrift für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung: Der Zedent sollte das vom Zessionar empfangene Geld bei „Ungiltigkeit“ der Zession herausverlangen können (ders., Entwurf 1877, S. 1090). 445 Dazu oben S. 77 ff. 446 Mugdan, Materialien, Bd. II, Motive, S. 65, 73; s. auch bereits Erste Kommission, Protokoll der Sitzung vom 6.10.1877, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 745 f. 447 Erste Kommission, Protokoll der Sitzung vom 8.10.1877, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 747 f.
§ 5 Die Abtretungsanzeige im deutschen Recht
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werden drohe448. Mit anderen Worten war die Mehrheit in der Kommission der Ansicht, dass fahrlässige Unkenntnis von der Zession der tatsächlichen Kenntnis nicht gleichzustellen sei. Der Entwurf Erster Lesung enthielt dagegen nach ausführlicher Diskussion der Details449 die Nachweispflicht des Zessionars bei fehlender Anzeige durch den Zedenten sowie die Rechtsscheinwirkung einer solchen Anzeige bzw. eines solchen Nachweises (§§ 306–308 E I)450.
b) Die weiteren Diskussionen bis zum Erlass des BGB Die Frage der Abtretungsanzeige war nach Veröffentlichung des Entwurfs Erster Lesung weiterhin kontrovers. Kritiker des Entwurfs plädierten teilweise dafür, ein für die Übertragung konstitutives Anzeigeerfordernis nach dem Vorbild des Art. 1690 CC1804 einzuführen451. Diese Kritik bildete die Grundlage der Diskussionen in der Zweiten Kommission, die etliche Anträge zur Einführung einer obligatorischen Anzeige ausführlich verhandelte452. Letztlich lehnte die Kommissionsmehrheit jedoch alle Anträge per Mehrheitsbeschluss ab453; dabei argumentierten die Kommissionsmitglieder eher praktisch als dogmatisch. Eine schon für den Zessionsakt selbst konstitutive Anzeige führe insbesondere im Fall der Doppelzession zu unbilligen Ergebnissen, wenn der Zweitzessionar dem Erstzessionar mit der Anzeige zuvorkomme. Denn die Anzeige unterbleibe oft aus redlichen, praktischen Gründen, zum Beispiel bei der Sicherungszession. Auch sei es unüblich, sich als Zessionar beim Schuldner zu erkundigen, ob die Forderung bereits abgetreten sei454. Solche Argumente stützen die oben geäußerte455 dogmatische und praktische Kritik an der konstitutiven signification des bis 2016 geltenden französischen Rechts und belegen mit dem Hinweis auf die im Reich „häufigen“ Sicherungsabtretungen, dass die Mitglieder der Zweiten Kommission die Realität, in der das BGB gelten sollte, nicht aus den Augen verlieren wollten. Umstrittener war die Frage nach der Notwendigkeit einer Anzeige im Verhältnis zum Schuldner. Mit nur knapper Mehrheit (9 zu 7 Stimmen) lehnte die Kommission es ab, die Unmöglichkeit der befreienden Leistung des Schuldners an den Zedenten an eine insoweit notwendige Anzeige zu binden. Dies hätte, wie die Kommission konzedierte, insbesondere den praktischen Vorteil gehabt, 448 Erste Kommission, Protokoll der Sitzung vom 8.11.1882, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 803 f. 449 Erste Kommission, Protokolle der Sitzungen vom 10.11.1882 sowie vom 13.11.1882, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 815–830. 450 Vgl. dazu die Motive bei Mugdan, Materialien, Bd. II, Motive, S. 74–76. 451 Dazu Luig, Zessionslehre, S. 134–136 m. N. 452 Mugdan, Materialien, Bd. II, Protokolle, S. 569 f. 453 Dazu Luig, Zessionslehre, S. 137 f. 454 Mugdan, Materialien, Bd. II, Protokolle, S. 571 f. 455 S. oben S. 131 ff., 138 ff.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
dass der Zessionar im Prozess eine objektive und nicht eine subjektive (Kenntnis) Tatsache zu beweisen gehabt hätte456. Doch schwerer wogen für die Mehrheit die dogmatischen Probleme, die eine solche Vorschrift zur Folge gehabt hätte – dieselben Probleme, die im alten französischen Recht bei der Frage der Ersetzbarkeit der signification durch Kenntnis des Schuldners entstanden und nicht zufriedenstellend gelöst wurden457: Die Kommission erkannte, dass man in einem System mit obligatorischer Anzeige – wie die französische Rechtsprechung – eine Ausnahme für den Fall der Arglist des Schuldners vorsehen müsse; dies führe aber doch wieder dazu, dass man als Benachteiligter einer Kollusion die Kenntnis des Schuldners im Prozess beweisen müsse458. Die daraufhin ohne jegliche Erwähnung der Abtretungsanzeige formulierten Vorschriften des Entwurfs Zweiter Lesung sind schließlich 1896 unverändert als §§ 398, 407 f. BGB erlassen worden. Lediglich die schuldnerschützenden Wirkungen einer Anzeige des Zedenten fanden ihren Weg in das Gesetz: Die Zweite Kommission billigte die Nachweispflicht des Zessionars bei fehlender Anzeige des Zedenten sowie die Rechtsscheinwirkung eines solchen Nachweises bzw. einer solchen Anzeige mit kleinen Änderungen in den Details459, vgl. §§ 409 f. BGB.
3. Systematische Widersprüche im BGB? Dass das BGB kein Anzeigeerfordernis im Zessionsrecht kennt, bildet zunächst keinen Widerspruch zu den vermögensrechtlichen Prinzipien im Sachenrecht: Wie gesehen, geht das BGB nicht wie der Code civil von einem dezidiert sachenrechtlichen Forderungsbegriff aus, der von vornherein eine Gleichbehandlung von Sachen und Forderungen erforderte460. Doch auch mit dem differenzierten Forderungsbegriff im 20. Jahrhundert, der zumindest das Recht an der Forderung strukturell dem Sacheigentum gleichstellt und dogmatisch gleich behandelt461, lässt sich das fehlende Anzeigeerfordernis vereinbaren. Denn das im Sachenrecht geltende Übergabeerfordernis (§ 929 S. 1 BGB) folgt – bei allen Einschränkungen, die es in den §§ 930–932 BGB erfährt – Publizitätszwecken; und als Publizitätsmittel kommt eine Anzeige nach dem oben Gesagten462 nicht in Betracht. Eine Inkohärenz zeigt sich aber bei einem Blick auf das Recht der Forderungsverpfändung (§§ 1279 ff. BGB). § 1280 BGB bindet die Wirksamkeit der Verpfändung einer Forderung an eine Anzeige der Verpfändung durch den Ver456
Mugdan, Materialien, Bd. II, Protokolle, S. 571.
457 S. 136 ff. 458 Mugdan,
Materialien, Bd. II, Protokolle, S. 572. HKK, §§ 398–413 Rn. 41, 65.
459 Dazu Hattenhauer, in 460 S. oben S. 73 f., 78 f. 461 462
S. oben S. 80–83. S. oben S. 131 ff.
§ 5 Die Abtretungsanzeige im deutschen Recht
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pfänder an den Drittschuldner. Der Grund für diese Abweichung vom sonst für den Verpfändungsvorgang maßgeblichen Abtretungsmechanismus liegt ausweislich der Gesetzesmaterialien im Faustpfandprinzip. Reinhold Johow, der Redaktor des Sachenrechts, schrieb zu seinem Entwurf von 1880, dass dieses Prinzip in der partikularen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts ebenso anerkannt sei wie in der bereits seit 1877 geltenden Reichskonkursordnung und daher im BGB ohne weiteres gelten müsse463. Für das Faustpfand, das besitzlose Pfandrechte verhindern soll464, sei mit Rücksicht auf die übrigen Gläubiger des Verpfänders eine gegenüber der Sachübereignung gesteigerte Publizität der Pfandrechtsbestellung zu fordern, weshalb insbesondere die Übergabe des Pfandes mittels Besitzkonstitut auszuschließen sei465 (vgl. bis heute §§ 1205 f. BGB). Für die Verpfändung von Forderungen folgerte Johow, dass aus denselben Gründen für die Verpfändung einer Forderung strengere Publizitätsanforderungen zu stellen seien als für ihre Abtretung466. Dies sei mit dem Erfordernis einer Anzeige an den Drittschuldner zu erreichen467, wobei nur eine – verlässlichere – Anzeige des Verpfänders, nicht aber eine des Pfandgläubigers ausreiche468. Das Anzeigeerfordernis harmoniere schließlich auch mit den Vorschriften zur Zwangsvollstreckung in der 1877 erlassenen ZPO, nach denen die Pfändung einer Geldforderung die Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner voraussetze (vgl. heute § 829 ZPO). Die Vorschrift des Entwurfs nahm die Erste Kommission mit den Argumenten Johows an; eine „gewisse Kundbarmachung“ des Pfandrechts sei der Anzeige nicht abzusprechen469. Und obwohl ein bei der Beratung des Zessionsrechts gestellter Antrag zur Einführung der Anzeigepflicht auf die Inkohärenz hingewiesen hatte470, wurde die Vorschrift auch von der Zweiten Kommission ohne große Diskussion gebilligt471 und als § 1280 BGB verabschiedet. Das zentrale Gegenargument hatte die Zweite Kommission freilich bei der Beratung des Abtretungsrechts selbst im Ansatz erkannt472: Die Anzeige an den Drittschuldner ist prinzipiell nicht geeignet, Dritten wie vor allem Drittgläubigern die Verpfändung nach außen kenntlich zu machen. Die fehlende Eignung der Abtretungsanzeige als Publizitätsmittel ist heute vielmehr anerkannt. Die Argumentation 463 Johow, Entwurf 1880, S. 778 f. Vgl. dazu auch den Überblick bei Wiegand, in Staudinger, BGB, Vorbemerkungen §§ 1204–1272, Rn. 3–11. 464 Johow, Entwurf 1880, S. 779: „Gefahr unerkennbarer Pfandrechte“. 465 Johow, Entwurf 1880, S. 778 ff., insbes. S. 782. 466 Johow, Entwurf 1880, S. 906 ff., insbes. S. 913. 467 Johow, Entwurf 1880, S. 915–917. 468 Johow, Entwurf 1880, S. 917 f. 469 Erste Kommission, Protokoll der Sitzung vom 16.3.1885, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 1055 f.; ebenso dann die Motive, Mugdan, Materialien, Bd. III, Motive, S. 477 f. 470 Mugdan, Materialien, Bd. II, Protokolle, S. 571. 471 Mugdan, Materialien, Bd. III, Protokolle, S. 950. 472 S. oben S. 171.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
Johows verfängt also nicht; § 1280 BGB steht damit in einem ungerechtfertigten Widerspruch zum Zessionsrecht. Praktisch relevant ist dies heute allerdings nicht mehr, denn das Faustpfandprinzip im Sinne Johows ist mit der Anerkennung von Sicherungsübereignung und Sicherungszession obsolet geworden473. Damit lässt sich festhalten, dass das Ziel des § 1280 BGB, nämlich die Gewährleistung gesteigerter Publizität bei der Forderungsverpfändung, normativ überholt, das Mittel zu Erreichung dieses Ziels aber bereits von Anfang an ungeeignet war und zu einem systematischen Widerspruch führte.
V. Zusammenfassung: Schuldnerschutz ohne Anzeige Im deutschen Diskurs um ein Anzeigeerfordernis, der sich hauptsächlich auf die römischrechtliche denuntiatio bezog, war seit dem usus modernus eine Zweiteilung erkennbar474: Anhänger der Unübertragbarkeit der Forderung sprachen sich regelmäßig für die Notwendigkeit der in den römischen Quellen vorgefundenen denuntiatio aus, während die Lösung vom Unübertragbarkeitsdogma meist auch mit einer Liberalisierung des Anzeigeerfordernisses einherging. Der Grund für diesen Zusammenhang liegt offenbar darin, dass Vertreter des Unübertragbarkeitsgedankens die fortbestehende actio directa des Zedenten anerkannten und die nach den Quellen (C. 8,41,3) bis zur denuntiatio mögliche Zahlung des Schuldners an den Zedenten als hauptsächliche Folge der Unübertragbarkeit ansahen. Wer dagegen vom sofortigen Übergang der Forderung ausging, musste die Möglichkeit der befreienden Leistung an den Zedenten ohnehin anders, nämlich mit wertenden Argumenten des Schuldnerschutzes begründen und konnte als Kriterium dieses Schuldnerschutzes ebenso gut die Kenntnis von der Zession festlegen; auch dafür ließen sich in den Quellen schließlich Anhaltspunkte (D. 2,15,17) finden. Ein schematischer Umgang mit den römischen Quellen mit auf Widerspruchsfreiheit zielenden, aber nie zwingenden Schlussfolgerungen hat damit zu unplausiblen Argumentationszusammenhängen geführt: Denklogisch und auch dogmatisch ist die Möglichkeit der befreienden Leistung an den Zedenten weder an eine bestimmte Vorstellung von der Übertragbarkeit der Forderung gebunden, noch bedingt sie ein Anzeigeerfordernis. Die Verknüpfung dieser Fragen hat jedenfalls die deutsche Debatte auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiter bestimmt475. Erst Windscheid und Bähr argumentierten bei beiden Problemkreisen unabhängig von der jeweils anderen Frage. Durchgesetzt hat sich im wissenschaftlichen Diskurs das System Bährs, der den Schuldnerschutz konsequent in den Mittelpunkt der Zessi473 Statt
aller Baur / Baur / Stürner, Sachenrecht, § 56, Rn. 1–4; § 57; § 58 sowie Wiegand, in Staudinger, BGB, Anhang zu §§ 929–931, Rn. 51–55, je m. w. N. 474 S. oben S. 93 f. 475 S. oben S. 161 f.
Ergebnisse des zweiten Kapitels
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onsdogmatik stellte und erstmals die Abtretungsanzeige von dieser normativen Prämisse ausgehend konzipierte. Als alleiniges Kriterium des Schuldnerschutzes legte Bähr die Kenntnis des Schuldners von der Zession fest; die Anzeige war nur noch das Hilfsmittel des Zessionars, um diese Kenntnis herbeizuführen. Dass die Anzeige nicht – wie noch von Windscheid postuliert – Teil des Übertragungsakts ist, stand am Ende des 19. Jahrhunderts in Wissenschaft und Gesetzgebung fest, auch wenn bei den Beratungen zum BGB zum Teil noch die Einführung einer konstitutiven Anzeige nach dem Vorbild der französischen signification gefordert wurde. Dass die Anzeige darüber hinaus aber auch kein Kriterium des Schuldnerschutzes sei, war dagegen bis zuletzt umstritten; die Zweite Kommission entschied sich nur sehr knapp für die von Bähr vorgeschlagene alleinige Maßgeblichkeit der Kenntnis. Lediglich einige Nebenvorschriften zur Wirkung einer fakultativen Abtretungsanzeige des Zedenten haben sich ausgehend vom Dresdner Schuldrechtsentwurf im BGB durchgesetzt: die Nachweispflicht des Zessionars bei fehlender Anzeige des Zedenten sowie die Rechtsscheinwirkung eines solchen Nachweises bzw. einer solchen Anzeige (§§ 409 f. BGB). Im Zessionssystem des BGB ist die Abtretungsanzeige damit letztlich weitgehend unbedeutend; die Frage nach einem Anzeigeerfordernis wurde im 20. Jahrhundert soweit ersichtlich nicht weiter diskutiert476. Zu den allgemeinen vermögensrechtlichen Prinzipien im Sachenrecht steht das Zessionsrecht damit nicht im Widerspruch, wohl aber zu dem heute unbedeutenden Anzeigeerfordernis bei der Forderungsverpfändung.
Ergebnisse des zweiten Kapitels Die Diskussionen um das Erfordernis einer Abtretungsanzeige sind in Deutschland und Frankreich sehr unterschiedlich verlaufen, insbesondere weil sie sich auf je andere Quellen bezogen. Während der deutsche Diskurs im usus modernus und im 19. Jahrhundert an die denuntiatio des antiken römischen Rechts anknüpfte, bezog sich die französische Diskussion auf die im 16. Jahrhundert in den Pariser Coutumes entstandene signification. Auch wenn französische Autoren die signification zum Teil mit der denuntiatio des römischen Rechts identifiziert haben477, lassen sich historisch keine Verbindungen zwischen diesen beiden Instituten erkennen. Die signification ist vielmehr ohne erkennbaren Rückgriff auf das römische Recht aus dem in den Coutumes geltenden Ergreifungserfordernis für den Erwerb der saisine 476 So 477 So
auch Luig, Zessionslehre, S. 141. zum Beispiel im 17. Jahrhundert Brodeau (s. oben S. 104, Fn. 91); später auch Wahl, Anm. zu Cass. civ. 07.07.1897, S. 113, § 1.
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
an Forderungen entstanden. Die spezielle Form der Anzeige erklärt sich mög licherweise damit, dass die gerichtliche signification sich aus einer gerichtlichen Vollstreckbarerklärung für zedierte Forderungen entwickelt hat; die genauen Hintergründe müssen jedoch ungeklärt bleiben. Jedenfalls wurde die signification im Ancien droit einhellig als Äquivalent zur Übergabe beim Sachkauf aufgefasst. Der dogmatische Gleichlauf von Sachübereignung und Zession harmonierte dabei mit dem Forderungsbegriff des französischen Rechts vor und nach 1804, das Forderungen und Sachen als Vermögensgegenstände gleich behandelt478. Obwohl der Code civil nun das bereits im Ancien droit praktisch geltende Konsensprinzip zur dogmatischen Maxime im Vermögensrecht machte, behielten die Gesetzesverfasser die signification im Zessionsrecht bei. Die Materialien zeigen, dass noch der Entwurf der Viererkommission 1800 die signification in kohärenter Weise abschaffen und das Konsensprinzip auch im Zessionsrecht übernehmen wollte. Dennoch fand die Anzeige ohne nähere Begründung und möglicherweise erst auf den Protest der Obergerichte hin ihren Weg ins Gesetz. Die für Schuldner und Dritte konstitutive signification war seitdem ein Fremdkörper im französischen Vermögensrecht; die nun versagende Begründung als Übergabeäquivalent führte – auch nach Ansicht einiger französischer Autoren – zu einem offenen systematischen Widerspruch. Die Mehrheit der Autoren versuchte freilich, die Abweichung von den vermögensrechtlichen Prinzipien mit neuen Zwecken zu rechtfertigen und deutete die signification dazu in ein Publizitätsmittel um. Doch kann dieser bis zuletzt in Frankreich vorgebrachte Gedanke nicht überzeugen, weil eine Publizität der Anzeige für außerhalb der Zession stehende Dritte rechtlich nicht begründbar und praktisch utopisch ist. Die signification bildete damit seit 1804 einen ungerechtfertigten Widerspruch zum Konsensprinzip und zum Forderungsbegriff des Code civil. Im deutschen Recht war die Diskussion um ein Anzeigeerfordernis bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts – aus heutiger Sicht unplausibel – mit der Diskussion um die Übertragbarkeit der Forderung verknüpft. Für Anhänger des römischen Unübertragbarkeitsgedankens war die denuntiatio konstitutiv, um eine rechtliche Beziehung zwischen Schuldner und Zessionar herzustellen; Verfechter der Übertragbarkeit sahen die Anzeige dagegen bereits im usus modernus als Mittel des Schuldnerschutzes, das – ebenso wie anderweitig erlangte Kenntnis von der Zession – den guten Glauben und damit die befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten ausschloss. Erst Windscheid und Bähr überwanden diesen weder logisch noch nach den Quellen zwingenden Gleichlauf; durchgesetzt hat sich schließlich im BGB das rein kenntnisbasierte Schuldnerschutzsystem Bährs. Einen systematischen Widerspruch zu dieser Lösung bildet allerdings das – heute freilich obsolete – Anzeigeerfordernis bei der Forderungsverpfändung. 478
S. oben das erste Kapitel, insbesondere S. 56 ff.
Ergebnisse des zweiten Kapitels
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Die französische signification hingegen blieb im 20. Jahrhundert nicht nur aus systematischer Sicht problematisch, mehr noch war sie ein Hindernis für die Praxis, die zunehmend auf den schnellen und unkomplizierten Forderungsumlauf angewiesen war. Dazu kam, dass gewichtige Streitfragen wie vor allem die Diskussion um die Ersetzbarkeit der signification durch Kenntnis bis zuletzt ungeklärt blieben. All dies führte dazu, dass der Forderungsverkehr in der Praxis mittels der eigentlich unpassenden subrogation personelle sowie ab 1981 mit der gesetzlich neu geschaffenen cession Dailly im Bankenkreditverkehr abgewickelt wurde. Erst im Zuge der umfassenden Schuldrechtsreform 2016 hat der französische Gesetzgeber das allgemeine Zessionsrecht im Code civil reformiert und die konstitutive signification abgeschafft. Im neuen Zessionsrecht bleibt aber zunächst unklar, ob die Anzeige im Verhältnis zum Schuldner weiter das einzige Mittel bleibt, um die befreiende Leistung zu verhindern, oder ob dazu jede Kenntnis ausreicht. Ein Blick auf das moderne europäische und internationale Zessionsrecht zeigt, dass das französische Recht jedenfalls mit der Aufgabe des Publizitätsgedankens und damit mit der für Dritte konstitutiven signification einen Sonderweg verlassen hat, der im transnationalen Diskurs unplausibel geworden war479. Jedoch divergieren die nationalen Regelungen und die internationalen Regelwerke bis heute stark in der Frage, ob im Verhältnis zum Schuldner eine Anzeige notwendig, oder einfache Kenntnis ausreichend sein soll, um die befreiende Leistung zu verhindern480. Moderne Regelwerke schlagen zum Teil ein rein objektives, von der Kenntnis des Schuldners strikt unabhängiges Anzeigesystem vor481. Solche Lösungen bieten offenkundige praktische Vorteile, doch bleiben auch in einem objektiven System Ausnahmen für den Fall der Arg479
Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:303 Rn. 6 m. w. N. Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:303 Rn. 8, 11–14 mit Verweis auf Kötz, Rights of Third Parties, Bd. 7, Teil 2, Kapitel 13, Rn. 93–95 sowie Sigman / Kieninger, Law of Assignment, S. 35–39. 481 Die auf der UN‑Abtretungskonvention (CARIT) basierende, rein objektive Konzeption misst dem Schuldnerschutz absoluten Vorrang vor der tatsächlichen Gläubigerschaft zu, indem sie dem Schuldner unabhängig von seiner Kenntnis bis zum Erhalt der Anzeige immer die befreiende Leistung an den Zedenten und nach Erhalt der Anzeige immer die befreiende Leistung an den Zessionar gewährt: Art. 17 CARIT; ebenso Art. 9. 1. 10 PICC und Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:303, synthesis (1) sowie Rn. 9 f. Zur Regel in den PICC Mazza, in Commentary on the PICC, Art. 9. 1. 10, Rn. 10–14, auch mit Kritik an der anderslautenden Vorschrift der PECL; die objektive Lösung dagegen ablehnend Eidenmüller, Dogmatik, S. 488–490. Der Schuldnerschutz soll demnach im Fall der Mehrfachabtretung so weit gehen, dass der Schuldner gänzlich unabhängig von seiner Kenntnis stets befreiend an denjenigen Zessionar leisten kann, dessen Anzeige er zuerst erhalten hat: Art. 17 Abs. 4 CARIT; Art. 9. 1. 11 PICC; Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:305, synthesis und Rn. 2, 6, 7. Doch auch nach dieser Konzeption hat die Anzeige keine konstitutive Wirkung für Dritte. Der Prioritätskonflikt zwischen Zessionar und Gläubigern des Zedenten etwa kann weiter nach der Chronologie gelöst werden: ders., in Commentaries on European Contract Laws, Introduction before Art. 11:101 Rn. 17; Art. 11:401 Rn. 1. 480
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Zweites Kapitel: Die Abtretungsanzeige
list des Schuldners oder Dritter zwingend482, will man nicht normative Grundvorstellungen der nationalen Verkehrsschutzregeln aufgeben483. Dabei können die praktischen Probleme bei der Berücksichtigung von Arglist den Gewinn an Rechtssicherheit wie gesehen aufwiegen484. Für die Zukunft plädiert diese Arbeit daher für ein öffentliches Forderungsregister, das die Probleme Schuldnerschutz, Publizität und Priorität kohärent lösen könnte, ohne sich schematisch zwischen prozessualer Sicherheit und materieller Gerechtigkeit für oder gegen die Notwendigkeit einer Anzeige entscheiden zu müssen485.
482 483
So auch Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:303 Rn. 10. Eidenmüller, Dogmatik, S. 490. 484 Dazu oben S. 135 ff., 138 (Fn. 259), 172. 485 Dazu oben S. 133, Fn. 240. Auch Jansen und Eidenmüller hielten dies für die beste Lösung: Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:303 Rn. 6; Art. 11:401 Rn. 2; Eidenmüller, Dogmatik, S. 477–479.
Drittes Kapitel
Vertragliche Abtretungsverbote Das dritte Kapitel dieser Arbeit befasst sich mit der Frage nach der Zulässigkeit und Wirkung vertraglicher1 Abtretungsverbote im deutschen und französischen Recht. Während der Code civil bis zur Schuldrechtsreform 2016 keine Vorschriften dazu enthielt, ordnet § 399 Alt. 2 BGB an, dass eine Forderung nicht abgetreten werden kann, „wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist“. Damit gilt im deutschen Recht, dass ein vertragliches Abtretungsverbot die Abtretbarkeit der Forderung erga omnes ausschließt; man spricht dabei auch von einem absolut oder dinglich wirkenden Abtretungsverbot2. Bereits auf den ersten Blick stellt sich die Frage, wie sich eine solche Norm zu § 137 BGB verhält, der rechtgeschäftlichen Verfügungsverboten eine dingliche Wirkung abspricht (S. 1) und sie lediglich auf schuldrechtlicher Ebene anerkennt (S. 2). Auch bei der Wirkung von Abtretungsverboten lässt sich also danach fragen, wie die zessionsrechtliche Einzelregel zu vermögensrechtlichen Prinzipien der jeweiligen Rechtsordnung passt. Die französische Schuldrechtsreform 2016 hat nun in der Frage des Abtretungsverbots ebenso wie in der Frage der Abtretungsanzeige eine Wende gebracht, die das französische Recht inhaltlich mit dem deutschen Recht konvergieren ließ. Nach Art. 1321 al. 4 CC2016 kennt nun auch der Code civil ein vertragliches Abtretungsverbot, das zur absoluten Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession führt. Regelungstechnisch hat der Gesetzgeber dieses Ziel erreicht, indem er die Wirksamkeit einer Zession, die gegen ein Abtretungsverbot verstößt, von einer Zustimmung durch den Schuldner abhängig machte. In diesem Kapitel soll es um die historischen Hintergründe der unterschiedlichen 1 Die daneben in beiden Rechtsordnungen seit jeher diskutierten gesetzlichen, d. h. nicht auf privatautonomer Anordnung zwischen Schuldner und Zedent basierenden Abtretungsverbote sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. Sie verfolgen typischerweise allgemeine Interessen und bilden insoweit keine systematische Besonderheit im Vergleich zu sonstigen gesetzlichen Geschäftsverboten. Für Beispiele s. unten S. 180. 2 St. Rspr. seit RG 14.06.1932, RGZ 136, 395, 399; aus der Literatur statt aller Roth / Kieninger, in MüKo BGB, § 399 Rn. 33 sowie Busche, in Staudinger, BGB, § 399 Rn. 51, je m. w. N. Eberhard Wagner präzisierte freilich, dass man besser von der absoluten Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession sprechen sollte, da auch eine nur relative Unwirksamkeit aus einem „dinglich“ wirkenden Abtretungsverbot folgen könne: Wagner, Absolute Wirkung, S. 228 f. Zur dort und auch sonst in der Literatur vorgebrachten, aber praktisch folgenlosen Ansicht, § 399 Alt. 2 ordne (unter Umständen) nur die relative Unwirksamkeit einer verbotswidrigen Zession an oder sei dahingehend zu reduzieren s. unten S. 197 f.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
Rechtslage in Deutschland und Frankreich vor 2016 sowie die Gründe für die Neuregelung in Frankreich 2016 gehen. Dabei steht weiterhin die Frage nach dem Verhältnis der Regelungen zum Abtretungsverbot zum Forderungsbegriff sowie zu sonstigen Grundentscheidungen des deutschen und französischen Vermögensrechts im Vordergrund. Die Diskussion um das – erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts so genannte3 – pactum de non cedendo kann anders als der Diskurs zur Abtretungsanzeige nicht auf ein Institut des antiken römischen Rechts zurückgreifen4. Für Deutschland und Frankreich bilden vielmehr die Diskussionen seit dem 19. Jahrhundert die Grundlage der Dogmatik vertraglicher Abtretungsverbote. Der schwächer ausgeprägte französische Diskurs nahm und nimmt dabei teilweise auf die deutsche Diskussion Bezug. Aus diesem Grund steht die Geschichte des Abtretungsverbots in der deutschen Diskussion des 19. Jahrhunderts sowie unter dem BGB am Anfang des Kapitels (§ 6). Anschließend geht es um die traditionelle Haltung des französischen Rechts zu vertraglichen Veräußerungs- und Abtretungsbeschränkungen sowie die Gründe und Auswirkungen der Neuregelung 2016 (§ 7).
§ 6 Vertragliche Abtretungsverbote im deutschen Recht I. Das pactum de non alienando im usus modernus Die im Vergleich zu allgemeinen Veräußerungsverboten selbstständige dogmatische Behandlung vertraglicher Abtretungsverbote ist in der deutschen Privatrechtsgeschichte eine vergleichsweise moderne Erscheinung. Zwar gab es im gemeinen Recht spezielle – auch dinglich wirkende – gesetzliche Abtretungsbeschränkungen, die meist aus dem römischen Recht entlehnt waren und rechtspolitische Hintergründe hatten. Zu nennen sind etwa das Verbot der cessio in potentiorem (Arcadius / Honorius C. 2,13), das die Abtretung an eine „mächtigere“ Person ausschloss sowie die spätantike lex Anastasiana (Anastasius C. 4,35,22), die dem Zessionar verbot, eine gekaufte Forderung über den Kaufpreis hinaus geltend zu machen5. Vertragliche Abtretungsverbote haben die 3 Dazu unten S. 186, Fn. 32. 4 Vgl. zur – in der Antike nicht
systematisch diskutierten – Frage nach der Zulässigkeit von Verfügungsbeschränkungen im römischen Recht Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 44 mit Verweis auf Kaser, Verfügungsbeschränkungen; ferner aus französischer Sicht auch Saignat, Clause, S. 5 ff. 5 Zur Überwindung solcher – normativ nicht mehr passenden – Abtretungsverbote im 19. Jahrhundert Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 38 sowie Lodigkeit, Abtretungsverbot, S. 116–120, je m. w. N. Eine Abwandlung der lex Anastasiana gilt allerdings bis heute in Frankreich nach Art. 1699 CC (sog. retrait litigieux), der dem Schuldner die Möglichkeit gibt, eine streitbefangene Forderung durch Zahlung der Kaufpreissumme an den Forderungskäufer abzulösen. Trotz offensichtlicher Inadäquanz im Angesicht der modernen Factoringindustrie
§ 6 Vertragliche Abtretungsverbote im deutschen Recht
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Autoren des usus modernus dagegen – soweit ersichtlich – nicht selbstständig diskutiert6. Auf den ersten Blick erscheint naheliegend, dass sie vertragliche Abtretungsverbote nicht als systematisch eigenständige Rechtsfigur ansahen und die – lebhafte geführte – Debatte über die Wirkungen vertraglicher Veräußerungsverbote (pacta de non alienando) ohne weiteres für die Frage fruchtbar gemacht hätten. Immerhin bezeichneten sie die Zession zum Teil explizit als „Art der Veräußerung“7. Die Wirkung solcher pacta de non alienando war im usus modernus sehr umstritten8. Wichtige Autoren sprachen sich im 17. und 18. Jahrhundert größtenteils für eine nur obligatorische Wirksamkeit des Verbots inter partes und die absolute Wirksamkeit verbotswidriger Veräußerungen aus9 – anders hingegen das ALR10. Bis heute ist unklar und kaum systematisch erforscht, wie sich die antiken römischen Quellen selbst zu vertraglichen Veräußerungsbeschränkungen verhalten11. Ob nun aber die Autoren des usus modernus Abtretungsverbote wirklich als dogmatischen Unterfall der pacta de non alienando aufgefasst hätten, lässt sich angesichts der fehlenden expliziten Erörterung der Frage nicht eindeutig hat die Schuldrechtsreform 2016 die Vorschrift – auch für die allgemeine Zession – beibehalten: Ministère de la Justice, Rapport au président, bei La cession de créance. 6 Vgl. dazu die Nachweise bei Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 3, Fn. 14. Ebenso auch Lodigkeit, Abtretungsverbot, S. 28, dessen Verweis auf Klemm, Eigentum, S. 91 ff. allerdings undeutlich bleibt. 7 Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 3 mit Verweis auf Huber, Jurisprudence, Buch 3, Kap. 13, § 8. 8 Eine Übersicht über den Meinungsstand im usus modernus gaben im 19. Jahrhundert Glück, Pandecten, Bd. 16, Abt. 1, S. 62 f. sowie Mühlenbruch, Cession, S. 325 ff. Undifferenziert dagegen im 20. Jahrhundert Schumann, Forderungsabtretung, S. 124; Raible, Beschränkung, S. 48 f.; Willoweit, Zessionsverbot, S. 552, Fn. 15 (mit Kritik an Schumann und Raible, aber ebenfalls ohne Thematisierung der Strittigkeit) sowie Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 39. 9 Besonders klar im späten 17. Jahrhundert Voet, Commentarius, ad D. 18,1, Nr. 15: „Secus, si ex solo pacto contractui adiecto descendat prohibitio alienationis; quippe quo casu subsistit ac rata manet venditio contra pactum facta, ac tantum venditori, qui contra pactus erat, personalis actio seu condictio datur ad id quod interest […].“ Ausführlich auch Sande, Commentarius, S. 160 ff., Nr. 4 ff., der sich gegen die seiner Ansicht nach herrschende Meinung ebenfalls für die Wirksamkeit der vertragswidrigen Veräußerung aussprach (a. a. O., Nr. 6). Später dann ebenso Stryk, De cautelis, sect. I, cap. III, §§ 32–34, der zur Begründung ausführte, dass Verträge nur auf Personen, nicht aber auf Sachen Einfluss haben könnten („[…] pacta non rem, sed personam afficiant“). Für die Gegenmeinung zum Beispiel im 17. Jahrhundert Lauterbach, Collegii, ad D. 2,14, Nr. 54 sowie im 18. Jahrhundert Hofacker, Principia, § 891, die für die Nichtigkeit der verbotswidrigen Verfügung argumentierten. 10 § 15, I, 4 ALR. 11 Die verschiedenen Stellen aus dem Codex und den Digesten behandeln die Streitfrage nicht explizit und eindeutig, sondern eher unsystematisch und kasuistisch: Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 44 mit Verweis auf Kaser, Verfügungsbeschränkungen, S. 11 ff. Kaser hielt die Rechtslage im antiken römischen Recht für unklar und erkannte jedenfalls keinen systematischen Gleichlauf in den Quellen zu vertraglichen Veräußerungsverboten: Teils seien Gegenstände tatsächlich dinglich vinkuliert worden, teils hätten die Verbote nur obligatorische Wirkungen gehabt.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
feststellen. Ausdrücklich ging es stets nur um die Sachübereignung12; und die Gleichbehandlung von Sachen und Forderungen bei der Veräußerung war – anders als in Frankreich unter dem Code civil – nicht immer selbstverständlich gewesen13. Letztlich muss daher offenbleiben, ob im usus modernus bei Befassung mit der Frage die Dogmatik der pacta de non alienando zum Tragen gekommen wäre.
II. Zessionsverbote als pacta de non alienando in der frühen Pandektistik? Auch im 19. Jahrhundert entwickelte sich zunächst keine eigenständige Diskussion über vertragliche Abtretungsverbote. Dietmar Willoweit nimmt zwar an, dass die frühen Vertreter der historischen Rechtsschule zu Beginn des 19. Jahrhunderts vertragliche Abtretungsverbote nun ausdrücklich als Unterfall von vertraglichen Veräußerungsverboten behandelten; dazu verweist er insbesondere auf das äußerst einflussreiche Werk Mühlenbruchs zur Zession14. Mühlenbruchs Ausführungen geben dies indes nicht her: Die Diskussion über pacta de non alienando behandelte er nicht im Zusammenhang mit der Zession oder Zessionsverboten15. Vertragliche Abtretungsverbote thematisierte Mühlenbruch – soweit ersichtlich – überhaupt nicht16. Auch in der Sache ist dies plausibel. Denn die pandektistische Lehre der Zeit zeichnete sich wie dargelegt17 durch 12 Zweifelnd daher Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 3, Fn. 16. 13 Dazu ausführlich oben S. 16 ff. und passim im ersten Kapitel. 14 Willoweit, Zessionsverbot, S. 552 f. mit Verweis auf Mühlenbruch, Cession, S. 325 ff. Zum Werk Mühlenbruchs näher oben S. 64 ff. 15 Mühlenbruch, Cession, S. 325–331 diskutierte zwar ausführlich die gemeinrechtliche Kontroverse zu den Wirkungen eines pactum de non alienando (dabei schloss er sich der Ansicht an, nach der die verbotswidrige Veräußerung wirksam bleibt); und zwar im Kapitel zu den absoluten Beschränkungsgründen der Zession. Allerdings stehen diese Ausführungen unter der übergeordneten Frage, ob ein Retraktrecht (im gemeinen Recht eine Art Vorkaufsrecht aufgrund eines besonderen Näheverhältnisses zu der Sache, z. B. wegen Verwandtschaft oder Nachbarschaft; vgl. dazu z. B. Klemm, Eigentum, S. 104–123) aufgrund seiner höchstpersönlichen Natur unabtretbar sei. Mühlenbruch bejahte dies mit der herrschenden Meinung (a. a. O., S. 323 f.), erörterte aber die im gemeinen Recht anerkannte Ausnahme vertraglich begründeter Retraktrechte. Nur im Zusammenhang mit der Frage, ob es nun durch Privatvertrag begründete Retraktrechte überhaupt geben könne, erläuterte Mühlenbruch sodann die aus seiner Sicht parallele Debatte zu den pacta de non alienando im gemeinen Recht. Es ist nicht erkennbar, dass er in dieser Passage an vertragliche Abtretungsverbote dachte; es ging ihm vielmehr allein um die parallelen Antworten auf die Fragen nach der Zulässigkeit vertraglicher Veräußerungsverbote und vertraglich begründeter Retraktrechte. 16 Unzutr. daher auch Lodigkeit, Abtretungsverbot, S. 54 f., der bei Mühlenbruch, Cession, S. 307 ein dinglich wirkendes vertragliches Abtretungsverbot erkennen will, dabei aber vertragliche Abtretungsverbote mit der bei Mühlenbruch anerkannten Unabtretbarkeit höchstpersönlicher bzw. aus speziellen Verträgen (Gesellschaft, Leibrente) resultierender Forderungen verwechselt. 17 S. oben S. 61 ff., 64 ff.
§ 6 Vertragliche Abtretungsverbote im deutschen Recht
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eine scharfe begriffliche Trennung von Sache und Forderung und – darauf aufbauend – eine ebenso scharfe dogmatische Trennung von Sachübereignung und Abtretung aus. Insbesondere gingen Mühlenbruch und seine Nachfolger, anders als einige Autoren des usus modernus, gerade nicht mehr davon aus, dass die Zession einfach eine „Unterart der Veräußerung“ sei. Denklogisch ist es zwar möglich, Sache und Forderung hinsichtlich des Übertragungsmechanismus unterschiedlich, hinsichtlich des vertraglichen Übertragungsverbots dagegen gleich zu behandeln. Doch basierte die frühe pandektistische Zessionslehre bekanntlich auf dem Axiom, dass Forderungen überhaupt nicht übertragen werden können18, so dass nicht auf den ersten Blick klar ist, wie ein vertragliches Übertragungsverbot innerhalb dieser Lehre zu verstehen gewesen wäre. Ohne nähere dogmatische Begründung wäre daher insbesondere bei Mühlenbruch die selbstverständliche Anwendung der Dogmatik des pactum de non alienando auf Abtretungsverbote bei gleichzeitiger strikter Argumentation gegen die (sachenrechtliche) Übertragbarkeit von Forderungen unwahrscheinlich. Letztlich bleibt also wie im usus modernus unklar, wie Mühlenbruch vertragliche Abtretungsverbote verstanden hätte. Auch die Gerichtspraxis beschäftigte sich im frühen 19. Jahrhundert allenfalls punktuell mit vertraglichen Abtretungsverboten. Immerhin entschied das OAG Lübeck 1834 explizit, dass ein solches Verbot die verbotswidrige Abtretung nicht verhindere. Zur Begründung zog es auf der einen Seite eine – nicht näher begründete – Parallele zur Dogmatik der vertraglichen Veräußerungsverbote. Auf der anderen Seite und in erster Linie argumentierte das Gericht aber, dass das Verbot keine Einrede des Schuldners gegen die Forderung selbst begründe; und nur solche Einreden blieben ihm nach der Zession erhalten19. In der Literatur hat die Entscheidung zunächst offenbar keine größere Aufmerksamkeit gefunden. Eine echte dogmatische Diskussion über vertragliche Abtretungsverbote ist damit weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur des frühen 19. Jahrhunderts erkennbar. Erst in den 1860er Jahren wurde die Frage ausdrücklich zum Gegenstand der pandektistischen Literatur.
18 S. oben S. 64 ff. 19 OAG Lübeck 19.11.1834,
SeuffA 5 (1862), Nr. 11. Dieses Argument spielt auch in der modernen französischen Dogmatik eine Rolle, dazu unten S. 224, Fn. 221.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
III. Pandektistische Kontroversen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Wege zum pactum de non cedendo 1. Diskussionen vor 1868: vertragliche Vereinbarung einer höchstpersönlichen Obligation Carl Friedrich Ferdinand Sintenis gilt als Begründer einer dogmatisch eigenständigen, letztlich bis heute im deutschen Recht fortwirkenden Lehre vom vertraglichen Abtretungsverbot20. Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass die Ausführungen Sintenis’ insoweit in der ersten (1847) und in der zweiten (1861) Auflage seines Werkes (Das practische gemeine Civilrecht) noch nicht klar in diese Richtung deuteten: Sintenis sprach hier vom absoluten Ausschluss der Zession, wenn „die Leistung […] durch Gewährung an einen Anderen ihre Identität verlöre“. Das sei unter anderem der Fall, wenn die Parteien dies „vertragsmässig festgesetzt“ hätten21. Als eigenständige dogmatische Kategorie erscheint das Abtretungsverbot hier noch nicht. Vielmehr stehen die Ausführungen explizit im Zusammenhang mit der bereits bei Mühlenbruch anerkannten Unabtretbarkeit höchstpersönlicher Forderungen aus speziellen Verträgen (Gesellschaft, Leibrente)22. Auch Windscheid schrieb – womöglich in Anlehnung an Sintenis23 – in der ersten Auflage seines Pandektenlehrbuchs (1865) nur knapp, dass die Abtretung „unzulässig“ sei, wenn „im Vertrage ausgemacht [ist], daß der Schuldner nur verpflichtet sein solle, diesem bestimmten Gläubiger zu leisten.“24 Auch bei Windscheid stehen diese Ausführungen im Zusammenhang mit der Erörterung der Unabtretbarkeit bestimmter höchstpersönlicher Forderungen, etwa „Forderungen auf Alimentation“. Weder Sintenis noch Windscheid dachten hier erkennbar an ein vom Vertragszweck abstraktes, funktional eigenständiges Verbot der Abtretung zwischen Schuldner und Gläubiger, bei dem die Unübertragbarkeit der Forderung allein auf dem Willen der Parteien beruhen sollte. Vor allem aber begründeten sie nicht näher, warum die vertragliche Vinkulierung der Forderung beim Gläubiger die Zession verhindern solle.
2. Schmid und Seuffert: Abtretungsverbote als pacta de non alienando Auf diese allenfalls knappen Ansätze einer eigenständigen Dogmatik vertraglicher Abtretungsverbote reagierten nun Albert Schmid (1866) sowie Lothar Seuffert (1868) mit je expliziten Erörterungen der Frage nach Zulässigkeit und 20 Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 39; Willoweit, Zessionsverbot, S. 553; ferner Lodigkeit, Abtretungsverbot, S. 85. 21 Sintenis, Civilrecht1, Bd. 2, S. 809; unverändert ders., Civilrecht2, Bd. 2, S. 799. 22 Mühlenbruch, Cession, S. 307 ff.; Sintenis allegierte diese Stelle. Vgl. auch oben S. 182, Fn. 16. 23 So die Vermutung bei Sintenis, Civilrecht3, Bd. 2, S. 810 f., Fn. 31. 24 Windscheid, Pandektenrecht1, Bd. 2, S. 244, Fn. 5.
§ 6 Vertragliche Abtretungsverbote im deutschen Recht
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Wirkung solcher Abreden. Sie beantworteten die Frage nun – soweit ersichtlich erstmals – mit einer ausdrücklichen Parallele zur Dogmatik vertraglicher Veräußerungsverbote. Schmid argumentierte insoweit, dass das pactum de non alienando sowohl bei der Übertragung von Sachen als auch bei der Abtretung von Forderungen nur zu persönlichen Ansprüchen gegen den Verpflichteten im Falle einer verbotswidrigen Veräußerung führe. Somit könne bei einem Abtretungsverbot „die Zession an sich wider den Willen des Schuldners vollzogen werden […].“25 Seuffert widmete der Frage 1868 einen ganzen Aufsatz. Nach Darstellung der noch jungen Ansichten Sintenis’ und Windscheids kritisierte er zunächst mit überraschend modern wirkenden Argumenten die Verkehrsfeindlichkeit dieser Auffassungen: Wenn es möglich sei, „einem Vermögenswerthe, der in Gestalt einer Forderung auftritt, durch einfachen Vertrag die Verkehrsfähigkeit zu nehmen“, entstehe ein „Mißtrauen gegen die Uebernahme von Forderungen, da diesen durch die ganz unsichtbare Fessel des Cessionsverbotes der materielle Gehalt und Vermögenswerth entzogen sein könnte.“26 Mit den Anforderungen des modernen Handelsverkehrs, insbesondere der erwünschten weitreichenden Umlauffähigkeit aller Vermögenswerte, sei dies „schlecht im Einklange“27. Seuffert erläuterte nun weiter, dass das römische Recht aus diesem Grunde vertraglichen Veräußerungsverboten eine absolute Wirkung versagt habe28. Ausdrücklich im Wege einer Analogie wollte Seuffert diese Grundsätze auf die in Rede stehenden vertraglichen Zessionsverbote anwenden, denn Forderungen hätten eine noch größere Beweglichkeit als Sachen, weshalb eine Vinkulierung hier noch „lästiger und unverträglicher mit dem allgemeinen Interesse“ sei29.
3. Sintenis und Windscheid: das pactum de non cedendo als Teil der Inhaltsbestimmung der Forderung Diese ausführlich begründete Ablehnung einer dinglichen Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote nahm sodann Sintenis in der dritten Auflage seines Werks (1868) zum Anlass für eine eingehendere Erörterung der Frage. In einer neu eingefügten Fußnote widersprach er jetzt den Ausführungen Seufferts und nahm das vertragliche Abtretungsverbot anders als zuvor als eigenständige, von sonstigen Zessionsbeschränkungen unabhängige Kategorie in den Blick. Seine Begründung für die absolute Unwirksamkeit einer verbotswidrigen Zession war dabei neu: „Ist aber eine Forderung an eine bestimmte Person als Gläubiger geknüpft, so kann sie dieselbe nicht willkührlich auf Andere übertragen, weil 25 26
Schmid, Grundlehren der Cession, Bd. 2, S. 394. Seuffert, Cessionsverbot, S. 106. 27 Seuffert, Cessionsverbot, S. 106. 28 Seuffert, Cessionsverbot, S. 106–108. Diese Ansicht war – wie beschrieben (oben S. 180 f.) – bestritten. 29 Seuffert, Cessionsverbot, S. 108.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
etwas Uebertragbares nicht existirt […].“30 Sintenis setzte damit erstmals und insoweit innovativ die Vereinbarung eines Abtretungsverbots mit der inhaltlichen Modifikation der Forderung selbst gleich. Die Analogie zum pactum de non alienando lehnte er ab, denn anders als ein Veräußerungsverbot bei Sachen determiniere ein Abtretungsverbot den Veräußerungsgegenstand selbst in der Weise, dass ihm die Übertragbarkeit schlechthin fehle31. Dazu passt, dass Sintenis nun in bewusster Abgrenzung zum pactum de non alienando für das vertragliche Abtretungsverbot den Begriff pactum de non cedendo verwendete32. Windscheid übernahm diese Argumentation ab der 4. Auflage seines Werkes (1875), ohne freilich das Werk Sintenis’ zu zitieren. Dazu formulierte er, dass bei einem vertraglichen Abtretungsverbot von vornherein kein veräußerliches Recht entstehe. Aus diesem Grund sei die von Seuffert befürwortete Analogie zum Veräußerungsverbot, das ja einen veräußerlichen Gegenstand voraussetze, abzulehnen33.
4. Zwischenergebnis: dinglich wirkende vertragliche Abtretungsverbote als Folge des pandektistischen Forderungsbegriffs Bis zu den Beratungen des BGB blieb die begriffliche Argumentation Sintenis’ und Windscheids weitgehend unwidersprochen; gemeinrechtliche Literatur und Rechtsprechung erkannten die dingliche Wirkung des Abtretungsverbots ganz überwiegend an34. Teils wurden die ökonomischen Überlegungen Seuf30 31
Sintenis, Civilrecht3, Bd. 2, S. 810 f., Fn. 31. Sintenis, Civilrecht3, Bd. 2, S. 810 f., Fn. 31. Sintenis verwies zu Begründung weiter auf seine Ausführungen zur Bestellung bestimmter beschränkt dinglicher Rechte (ders., Civilrecht3, Bd. 1, S. 407, Fn. 15): Würden diese mit einem Veräußerungsverbot bestellt, fehlte ihnen „die Befugniss zum Veräussern gänzlich, d. h. jene Rechte sind ohne diese entstanden“. Während diese Auffassung heute gegen den numerus clausus der Sachenrechte verstieße, gilt die Inhaltsbestimmungslehre Sintenis’ beim vertraglichen Abtretungsverbot ähnlich bis heute; dazu unten S. 196 ff. 32 Nach Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 39 sowie Willoweit, Zessionsverbot, S. 553 geht die Bezeichnung originär auf Sintenis zurück. Das ist aber zweifelhaft, denn der Begriff fand bereits im oben angeführten Urteil des OAG Lübeck von 1834 (s. oben S. 183, Fn. 19) Verwendung; jedenfalls in der von Seuffert später referierten Fassung: SeuffA 5 (1862), Nr. 11. Hattenhauer und Willoweit ist aber zuzugeben, dass die Bezeichnung in der Literatur und insbesondere bei Schmid und Seuffert zuvor ungebräuchlich war. 33 Windscheid, Pandektenrecht4, Bd. 2, S. 277, Fn. 5. 34 Aus der Literatur zum Beispiel Regelsberger, Cession, S. 161 f., Fn. 4; Dernburg, Preußisches Privatrecht, S. 188; Brunner, Werthpapiere, S. 179; Stegemann, Pactum, S. 317 und (im Jahre 1900) Brütt, Veräusserungsverbot, S. 30–34. Für Nachweise aus der Rechtsprechung vgl. Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 232 f.: Auf der Linie Sintenis’ und Windscheids zunächst OLG Celle 03.10.1883, SeuffA 39 (1884), Nr. 96 (a. A. aber noch OLG Celle 11.03.1881, SeuffA 36 (1881), Nr. 271) sowie RG 08.04.1885, SeuffA 40 (1885), Nr. 192. Später dann ausdrücklich mit den Argumenten Windscheids RG 10.05.1893, RGZ 31, 164 sowie RG 19.12.1896, RGZ 38, 308 (mit zustimmender Anm. Eck, Gemeines Recht, S. 303 f.). Unzutr. insoweit Willoweit, Zessionsverbot, S. 554, Fn. 25, der als Beispiel für eine seiner Ansicht nach schwankende Rechtsprechung ein Urteil des RG zum Abtretungsverbot unter dem
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ferts dabei ausdrücklich als für die juristische Perspektive unerheblich zurückgewiesen35. Die Deutung des pactum de non cedendo als Teil der privatautonomen Bestimmung des Forderungsinhalts erscheint aus moderner Sicht als fragwürdige begriffsjuristische Konstruktion36, denn sie steht gedanklich im Widerspruch zum numerus clausus der Sachenrechte sowie zur prinzipiellen Unmöglichkeit, Sachen privatvertraglich außerhalb des Vermögensverkehrs zu stellen37. Aus diesem Grund ist die Inhaltsbestimmungslehre in einem System wie dem französischen, das Forderungen strukturell und dogmatisch wie Sachen behandelt, ausgesprochen unplausibel38: Sie passt nicht zu einem Forderungsbegriff, der auf Forderungen sachenrechtliche Grundsätze anwendet. Auf Basis des rein schuldrechtlichen Forderungsbegriffs, der in der Pandektistik des 19. Jahrhunderts seit Savigny allgemein anerkannt war39, ist die Argumentation hingegen nicht von vornherein widersprüchlich. Der pandektistische Diskurs blendete die in der französischen sowie in der deutschen germanistischen Diskussion des 19. Jahrhunderts dominierende Perspektive auf Forderungen als frei verfügbare Vermögensgegenstände40 nämlich weitgehend aus. Forderungen betrachtete man vielmehr als rein relative Rechtsverhältnisse zwischen Gläubiger und Schuldner, die in jeder Hinsicht durch den Parteiwillen determiniert und aus deren Verkehrsfähigkeit keinerlei dogmatische Folgerungen zu ziehen seien41. Weiterhin erklärt die seit Savigny herrschende scharfe begriffliche und dogmatische Trennung von Sachen und Forderungen42, dass für Sintenis und Windscheid keine vorgezeichnete strukturelle Parallele zwischen Veräußerungsverboten und Abtretungsverboten bestand. Sie konnten daher ohne innere Widersprüche die privatvertragliche Schaffung einer res extra commercium im Sachenrecht ablehnen43, Abtretungsverbote aber abweichend als Begründung einer von vornherein unveräußerlichen Forderung konzipieren. Dass im Rheinland geltenden Code civil allegiert (zu diesem Urteil s. unten S. 219, Fn. 196). Als abweichende Ansichten zitierte Windscheid 1891 neben dem Urteil des OLG Celle von 1881 nur noch das Urteil des OAG Lübeck von 1834 (SeuffA 5 (1862), Nr. 11) sowie den Aufsatz Seufferts von 1868 (dazu oben S. 185). 35 Stegemann, Pactum, S. 317 (1884) bekämpfte ausführlich die Argumentation Seufferts, dessen „Deduktion eine gewisse ökonomische Berechtigung“ habe, juristisch betrachtet dagegen unhaltbar sei (a. a. O., S. 318 f.). 36 Vgl. z. B. Willoweit, Zessionsverbot, S. 556 f. 37 Vgl. dazu § 137 S. 1 BGB sowie die Ausführungen bei Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 41 sowie Rn. 48, insbes. Fn. 227 m. w. N.; ferner unten S. 192 ff. 38 Vgl. dazu unten S. 225 ff. 39 Oben S. 61 ff., 73 f. 40 Dazu oben S. 56 ff., 67 f. 41 S. oben S. 74, Fn. 404. 42 S. oben S. 61 ff. 43 Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 44 mit Verweis auf Windscheid, Pandektenrecht7, Bd. 1, S. 522 f. (mit ausführlicher Herleitung des Prinzips und seiner Ausnahmen aus den Quellen). Diese Auffassung war in der gemeinrechtlichen Diskussion im 19. Jahrhundert herrschend;
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
damit ebenfalls eine res extra commercium entstünde, wie man aus moderner Perspektive kritisieren könnte, hätten Sintenis und Windscheid schon mit dem Argument verneint, dass Forderungen begrifflich und dogmatisch keine res darstellten. Damit lässt sich festhalten, dass nicht nur die in der Pandektistik lange kontrovers diskutierte Frage nach der Übertragbarkeit der Forderung44, sondern auch das Verständnis vertraglicher Abtretungsverbote als Inhaltsbestimmung der Forderung Folge des seit Savigny rein schuldrechtlichen Forderungsbegriffs und einer Vernachlässigung des Vermögensaspekts der Forderung waren.
IV. Vertragliche Abtretungsverbote im BGB Zu diesem Befund passt, dass die Frage nach der dinglichen Wirksamkeit vertraglicher Abtretungsverbote bei der Redaktion des BGB wieder umstritten war: Denn wie oben beschrieben bildete sich bei den Beratungen zum BGB insgesamt kein klarer Forderungsbegriff 45.
1. Die Vorentwürfe von 1877 und 1882 Kübel folgte in seinem ersten Schuldrechtsentwurf von 1877 der zu dieser Zeit herrschenden Auffassung Sintenis’ und Windscheids und ließ dinglich wirkende Abtretungsverbote zu46. Zur Begründung verband er die Inhaltsbestimmungslehre mit der Rechtsband-Metapher des pandektistischen Forderungsbegriffs: „[…] in diesem Falle ist das Band, welches den Gläubiger und den Schuldner verknüpft, von Anfang an so eng geschlungen, daß ein anderer Gläubiger in das Band nicht eintreten kann.“47 Bemerkenswert ist, dass Kübel in seinem überarbeiteten Entwurf von 1882 ausdrücklich präzisierte, dass vertragliche Abtretungsverbote die Forderung nur bei ihrer Begründung als unübertragbar entstehen lassen könnten; nachträgliche Abtretungsverbote seien dagegen nicht in der Lage, der einmal als übertragbar entstandenen Forderung die Veräußerlichkeit zu nehmen48. Solche späteren Vereinbarungen seien vielmehr wie Veräußerungsverbote bei körperlichen Sachen, also nur obligatorisch inter partes wirksam. Entsprechend formulierte Kübel im Normtext von 1882, dass die
dazu auch unten S. 192 f. bei der Frage nach dem Verhältnis von § 399 Alt. 1 zu § 137 S. 1 BGB. 44 Dazu oben S. 61 ff. 45 S. oben S. 79. 46 Kübel, Entwurf 1877, S. 1087 (§ 3 Abs. 2). Die Formulierung ähnelte den Darstellungen bei Sintenis und Windscheid weitgehend und vermied den Begriff „Abtretungsverbot“. 47 Kübel, Entwurf 1877, Motive, S. 1103. 48 Kübel, Entwurf 1882, Motive, S. 950; erwähnt auch bei Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 46, Fn. 212.
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Übertragbarkeit einer bestehenden Forderung nicht durch Vertrag ausgeschlossen werden könne49. Die Regelung des vertraglichen Abtretungsverbots in den Vorentwürfen erscheint damit in mehrfacher Hinsicht inkohärent. Kübel legte in seinen Entwürfen keinen klaren Forderungsbegriff zugrunde; wie gesehen ließ er dahinstehen, ob die Forderung als unkörperliche Sache und Vermögensgegenstand oder als relatives Rechtsband zu verstehen sei50. Das äußerte sich nun zunächst darin, dass er an einigen Stellen der Motive die Nähe der Abtretung zur Sachübereignung terminologisch und dogmatisch erkennbar werden ließ51, in der Frage vertraglicher Abtretungsverbote aber die rein auf Basis des schuldrechtlichen Forderungsbegriffs begründete Inhaltsbestimmungslehre Sintenis’ und Windscheids übernahm. Noch deutlicher zeigt sich das Schwanken zwischen den Forderungsbegriffen aber in Kübels – soweit ersichtlich neuen – Gedanken zu nachträglichen Abtretungsverboten im Vorentwurf von 1882. Auf den ersten Blick ist nämlich nicht plausibel, wie die Vertragsfreiheit eine Forderung bei ihrer Begründung unveräußerlich entstehen lassen kann, während eine Vereinbarung über eine bestehende Forderung ihre Veräußerlichkeit nicht mehr berühren können soll. Offenbar dachte Kübel, eine einmal veräußerlich entstandene Forderung dogmatisch wie eine körperliche Sache behandeln zu müssen, deren Verkehrsfähigkeit nach der gemeinrechtlichen Regel der privatautonomen Abbedingung unzugänglich ist. Indem er nur anfängliche Abtretungsverbote als Inhaltsbestimmungen der Forderungen zuließ, blickte Kübel auf die entstehende Forderung in der Rechtsbandperspektive, behandelte die entstandene Forderung dagegen wie eine körperliche Sache als Vermögensgegenstand. Auch inhaltlich wirft Kübels Konzept Fragen auf. Denn wenn eine Forderung in jeder Hinsicht durch den Willen der Parteien determiniert wird und die Veräußerlichkeit der Forderung der privatvertraglichen Modifikation nicht prinzipiell entzogen ist, bedeutet die Differenzierung nach anfänglichem und nachträglichem Ausschluss der Übertragbarkeit ohne weitere Begründung eine willkürliche Grenzziehung. Kübel anerkannte das Prinzip, nach dem einem veräußerlichen Recht die Veräußerlichkeit nicht durch Vertrag genommen werden kann; bei der Rechtsbegründung gab er dagegen den Parteien die Möglichkeit, die Veräußerlichkeit vertraglich auszuschließen. Damit argumentiert Kübel aber letztlich nur noch begrifflich und gegen das Telos des später in § 137 S. 1 BGB kodifizierten Prinzips. Denn ob ein Gegenstand von Beginn an oder erst nachträglich unveräußerlich ist, macht für den Rechtsverkehr, der vor äußerlich nicht erkennbaren res extra commercium geschützt werden soll, keinen Unterschied. 49 50
Kübel, Entwurf 1882, S. 927 (§ 3 Abs. 3). S. oben S. 77 f. 51 S. oben S. 78, Fn. 429 f.
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2. Die Diskussion in den Kommissionen Die Frage nach der Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote blieb bei den Diskussionen der Kommissionen umstritten und wurde in den Entwürfen unterschiedlich beantwortet.
a) Der Entwurf Erster Lesung (E I, 1888) Die Erste Kommission brachte in den 1882 durchgeführten Beratungen zum Entwurf Kübels klar zum Ausdruck, wie sehr das Verständnis von vertraglichen Abtretungsverboten vom zugrunde liegenden Forderungsbegriff abhängt. Zur Beschlussfassung lagen ihr verschiedene Anträge vor52: Ein Antrag wollte die Lösung Kübels, also die dingliche Wirkung nur anfänglicher, nicht aber nachträglicher Veräußerungsverbote, übernehmen. Ein zweiter Antrag wollte Abtretungsverboten die dingliche Wirkung stets verwehren; und ein dritter Antrag – mutmaßlich aus der Feder Windscheids53 – sprach sich dafür aus, dass die Übertragbarkeit der Forderung zu jeder Zeit vertraglich ausgeschlossen werden könne. Die Kommission argumentierte nun, dass sich für die dingliche Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote gute theoretische Gründe nennen ließen. Insbesondere sei die Forderung „vom Rechtswillen [von Gläubiger und Schuldner] in allen Beziehungen abhängig […], demzufolge es auch zulässig sein müsse, durch Rechtsgeschäft nicht übertragbare Forderungen zu begründen oder nachträglich die Uebertragbarkeit auszuschließen.“54 Gegen diesen – römischrechtlichen – Forderungsbegriff lasse sich aber möglicherweise eine „moderne Auffassung über die Verkehrsfähigkeit der Forderungen“ in Stellung bringen: Demnach seien an sich übertragbare Forderungen „gleichsam versachenrechtlicht und […] daher hinsichtlich der Wirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen Dispositionsbeschränkung ähnlich wie eine Sache zu beurtheilen.“55 Damit anerkannte die Kommissionsmehrheit, dass der Forderungsbegriff die theoretische Grundlage für die Lösung des Regelungsproblems bot – und differenzierte dabei ausdrücklich nicht wie der Vorentwurf zwischen anfänglichen und nachträglichen Verboten. Doch offenbar konnte sich die Kommission letztlich nicht auf einen Forderungsbegriff einigen; die Berechtigung der beiden Auffassungen ließ sie ausdrücklich offen. In der Sache entschied sich die Mehrheit bei den Beratungen 1882 gegen eine dingliche und für eine nur obligatorische Wirkung 52 Erste Kommission, Protokoll der Sitzung vom 3.11.1882, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 771. 53 Diesen Schluss ziehen Jakobs und Schubert aufgrund von Notizen: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 771, Fn. 2. 54 Erste Kommission, Protokoll der Sitzung vom 3.11.1882, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 771. 55 Erste Kommission, Protokoll der Sitzung vom 3.11.1882, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 771 f.
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vertraglicher Abtretungsverbote; dies allerdings ausdrücklich nur aus praktischen und nicht aus theoretischen Gründen56: Man fürchtete, dass Schuldner in der Zwangsvollstreckung die Pfändung ihrer Forderungen durch Vereinbarung dinglich wirkender Abtretungsverbote böswillig vereiteln könnten57. Die Motive zur entsprechenden Vorschrift im Entwurf Erster Lesung von 1888 (§ 295 Abs. 2 E I) blieben schließlich bei dieser Haltung und verwiesen zur Begründung weiter hauptsächlich auf das genannte praktische Bedenken. Allerdings scheinen sie nunmehr auch in der Theorie eher dem sachenrechtlichen Forderungsbegriff zuzuneigen. So formulierte die Kommission ausdrücklich in den Motiven zum Abtretungsrecht, dass der Entwurf die Privatautonomie nur im Obligationenrecht, nicht aber bei der Begründung von dinglichen Rechten anerkenne58. Auch konzedierte man, dass die im Entwurf anerkannte Übertragbarkeit der Forderung eher gegen den pandektistischen Forderungsbegriff spreche. Eine klare Festlegung auf einen Forderungsbegriff vermieden die Verfasser der Motive allerdings weiterhin59. Weder die Sicht auf Forderungen als „versachenrechtlichte“ Vermögensgegenstände, noch Windscheid mit der – in der pandektistischen Literatur herrschenden – Inhaltsbestimmungslehre haben sich in der Ersten Kommission durchsetzen können.
b) Die weiteren Beratungen des vertraglichen Abtretungsverbots Indem die Erste Kommission ihren Standpunkt im Kern nur mit praktischen Bedenken, nicht aber mit einem klaren theoretischen Konzept begründete, ermöglichte sie den insgesamt weniger dogmatisch argumentierenden Folgekommissionen, die Lösung des Problems allein auf der praktischen Ebene zu suchen60. Bereits die Vorkommission des Reichsjustizamtes führte inhaltlich die entscheidende Wende herbei und optierte erneut für eine dingliche Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote61, weil sie ein schutzwürdiges Interesse des Schuldners 56 Erste Kommission, Protokoll der Sitzung vom 3.11.1882, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 772; dies unterstreichen auch Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 46 sowie Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 39. 57 Erste Kommission, Protokoll der Sitzung vom 3.11.1882, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 772. Den Gleichlauf von Unübertragbarkeit und Unpfändbarkeit wollte die Erste Kommission offenbar als selbstverständliches systematisches Prinzip nicht antasten: Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 46. 58 Mugdan, Materialien, Bd. II, Motive, S. 67. 59 Mugdan, Materialien, Bd. II, Motive, S. 67. Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 39, Fn. 251 ist also darin zuzustimmen, dass sich die Kommission entgegen Hoop, Abtretungsverbot, S. 78 nicht klar und eindeutig für oder gegen einen der Forderungsbegriffe aussprach. 60 In diese Richtung auch Willoweit, Zessionsverbot, S. 554. 61 So zu Recht Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 39; ungenau daher insoweit Hoop, Abtretungsverbot, S. 78; Willoweit, Zessionsverbot, S. 554 sowie Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 47.
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anerkannte, sich vor den „Gefahren“ einer Abtretung zu schützen62. Das von der Ersten Kommission befürchtete vollstreckungsrechtliche Problem empfahl sie durch eine Spezialregelung im Vollstreckungsrecht selbst zu beheben. Auf dieser Grundlage beriet schließlich auch die Zweite Kommission die Frage; eine prinzipielle Debatte über Forderungsbegriffe führte sie bei der Beratung des Zessionsrechts nicht. Die Kommission erklärte nur lapidar, es sei „keineswegs ein Gebot des Verkehrsinteresses, […] ein gegen Dritte wirksames pactum de non cedendo gänzlich auszuschließen.“63 Zwar werde auf die Person des Gläubigers „regelmäßig“ kein besonderes Gewicht gelegt, aber „was nicht regelmäßig geschehe, sei darum noch nicht unzulässig.“64 In manchen Fällen sei vielmehr ein berechtigtes Interesse des Schuldners daran anzuerkennen, nur an seinen Vertragspartner leisten zu müssen – als Beispiele nannte das Protokoll u. a. die übliche Vinkulierung von Forderungen aus Versicherungsverträgen in den Versicherungsbedingungen sowie die Unübertragbarkeit von Forderungen aus „Retour-, Rundreise- und Abonnementskarten der Eisenbahnen“65. Das praktische Bedenken der Ersten Kommission löste man durch eine Sonderregelung im Vollstreckungsrecht, die die Pfändung einer vertraglich vinkulierten Forderung ermöglicht (heute § 851 Abs. 2 ZPO). Zwischen anfänglichen und nachträglichen Abtretungsverboten differenzierte die Kommission nicht mehr. Ob letztlich eine Intervention von Versicherungs- und Eisenbahngesellschaften den Ausschlag für die in § 343 E II (heute § 399 BGB) kodifizierte dingliche Wirkung gab, wie in der Literatur spekuliert wurde66, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Fest steht aber, dass die Zweite Kommission vertragliche Abtretungsverbote für Ausnahmeerscheinungen in Sonderkonstellationen hielt67. In diesen Konstellationen, die Nicht-Geldforderungen betreffen, sah sie keinen Grund, den Parteien die Möglichkeit der privatvertraglichen Vereinbarung einer dinglichen Vinkulierung der Forderung zu verwehren68.
3. Das Verhältnis von vertraglichen Abtretungsverboten zu vertraglichen Veräußerungsverboten im Gesetzgebungsprozess Mit dieser dogmatisch wenig vertieften Begründung der dinglichen Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote hat die Zweite Kommission nicht nur die Relevanz solcher Abreden für die Praxis – jedenfalls der Zukunft – unterschätzt, sondern auch die systematischen Implikationen der dinglichen Wirkung im Sys62 Vorkommission des Reichsjustizamtes, Protokoll der Sitzung vom 14.9.1891, in: Jakobs / Schubert (Hrsg.), Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 774. 63 Mugdan, Materialien, Bd. II, Protokolle, S. 573. 64 Mugdan, Materialien, Bd. II, Protokolle, S. 573. 65 Mugdan, Materialien, Bd. II, Protokolle, S. 573. 66 So ohne nähere Erläuterung Blaurock, Factoring-Zession, S. 331. 67 So auch Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 39. 68 Ebenso Willoweit, Zessionsverbot, S. 555.
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tem des BGB ausgeblendet. Zum Verhältnis des § 399 Alt. 2 BGB zu Veräußerungsverboten über körperliche Sachen enthalten die Protokolle nämlich bei der Beratung des Zessionsrechts nichts. Die Erste Kommission hatte die im gemeinen Recht wie gesehen69 herrschende Regel, nach der private Veräußerungsverbote keine dingliche Wirkung entfalten können, als selbstverständlich angesehen70. Die Geltung dieses Prinzips folgte im Entwurf Erster Lesung bereits aus § 312 E I (heute § 413 BGB), der die Vorschrift zur fehlenden dinglichen Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote (§ 295 Abs. 2 E I) auf „sonstige Rechte“ erstreckte. Aus Klarstellungsgründen hatte die Erste Kommission das Prinzip für Veräußerungsverbote bei Sachen zusätzlich noch einmal im Sachenrecht kodifiziert (§ 796 E I)71. Nun hatte die Zweite Kommission wie beschrieben die Norm zum vertraglichen Abtretungsverbot geändert und hier eine dingliche Wirkung angeordnet. Erst bei der Beratung des Sachenrechts erkannte die Kommission, dass sie damit das System des Ersten Entwurfs durcheinandergebracht hatte, denn § 356 E II (zuvor § 312 E I; heute § 413 BGB) sollte weiterhin die entsprechende Anwendung der Norm zum vertraglichen Abtretungsverbot auf „sonstige Rechte“ anordnen. Dies stand nun aber im Widerspruch zum weiterhin anerkannten Prinzip, nach dem Veräußerungsverbote bei Sachen keine dingliche Wirkung entfalten können. Beschlossen wurde daher, allerdings ohne vertiefte Diskussion, die Vorschrift zur fehlenden dinglichen Wirksamkeit vertraglicher Veräußerungsbeschränkungen allgemeiner zu fassen und in den Allgemeinen Teil zu verschieben (§ 102a E II; heute § 137 BGB)72. Zum Verhältnis dieses Prinzips zur dinglichen Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote argumentierte die Kommission nunmehr auch theoretisch: Abtretungsverbote beträfen den Inhalt des Schuldverhältnisses und könnten Forderungen daher mit dinglicher Wirkung unübertragbar entstehen oder nachträglich werden lassen. Die „Befugniß [der Parteien] zu einer solchen Gestaltung ihres Rechtsverhältnisses zu 69
S. oben S. 187, Fn. 43. Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 46; anders war die Rechtslage allerdings in einigen Partikularrechten, hauptsächlich im ALR (vgl. dazu oben S. 181, Fn. 10). 71 Dazu auch Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 46. 72 Mugdan, Materialien, Bd. III, Protokolle, S. 500 f.; dazu auch Dorn, in HKK, §§ 134– 137 Rn. 47. Die Reichweite des (späteren) § 413 BGB blieb damit jedoch weiterhin teilweise unklar: Für das Eigentum an Sachen hatte die Kommission die Geltung des Prinzips der fehlenden dinglichen Wirkung zwar nun klar befürwortet. Doch sollte für „sonstige Rechte“ (also z. B. beschränkt dingliche Rechte oder Immaterialgüterrechte) § 399 Alt. 2 BGB oder § 137 S. 1 BGB gelten? Die Zweite Kommission streifte die Frage zwar, beantwortete sie jedoch nicht klar: Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 47. Zu der Frage im 20. Jahrhundert ausführlich Raible, Beschränkung, S. 98–169. Die heute herrschende Meinung nimmt an, dass § 413 BGB für „sonstige Rechte“ auch grundsätzlich auf § 399 Alt. 2 verweist, dass also, von Ausnahmen abgesehen, ein dinglich wirkendes vertragliches Übertragungsverbot vereinbart werden kann: Dorn, in HKK, §§ 134–137 Rn. 54 m. w. N. Einzelheiten sind freilich unklar, dazu Muthorst, in BeckOGK, § 137, Stand 01.07.2018, Rn. 35; Roth / Kieninger, in MüKo BGB, § 413 Rn. 4 sowie Armbrüster, in MüKo BGB, § 137 Rn. 20 ff. 70
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einander“ sei daher mit dem allgemeinen vermögensrechtlichen Prinzip (sc. § 137 S. 1 BGB), das nur Abreden über die „Verfügung über ein veräußerliches Recht“ betreffe, voll vereinbar73. Folgerichtig erläuterte die Kommission, dass nach dieser Ansicht vertragliche Abtretungsverbote des Gläubigers mit einem Dritten keine dingliche Wirkung haben könnten, sondern nur Abreden mit dem Schuldner selbst. Damit hat sich die Zweite Kommission letztlich doch der Inhaltsbestimmungslehre der Pandektistik angeschlossen74. Bemerkenswert ist aber, dass sie diese theoretische Begründung für die dingliche Wirkung des pactum de non cedendo nicht bei der Beratung der Vorschrift im Zessionsrecht gab, sondern erst – im Angesicht des Widerspruchs – bei der Beratung vertraglicher Veräußerungsbeschränkungen im Sachenrecht. Darüber hinaus fehlen Überlegungen zu den dogmatischen Auswirkungen dieser Entscheidung. Die Zweite Kommission übernahm zwar die Argumentation Sintenis’ und Windscheids, folgerte daraus aber nirgends, dass sie damit auch die von der Ersten Kommission offen gelassene Frage nach dem Forderungsbegriff entschieden und einen rein schuldrechtlichen Forderungsbegriff vorausgesetzt hatte75. Die Erste Kommission hatte sich wie dargelegt in dieser Hinsicht nicht festlegen wollen, aber doch die dogmatischen Zusammenhänge noch klarer benannt76.
4. Zwischenergebnis: Widersprüche zwischen § 399 Alt. 2 und § 137 S. 1 BGB Die dingliche Wirkung vertraglicher Abtretungsverbot hat sich bei den Beratungen zum BGB nur mühsam durchgesetzt77. Während die Erste Kommission die dogmatischen Verbindungen der Frage mit dem Forderungsbegriff klar vor Augen hatte, sich aber in der Sache nicht entscheiden konnte, argumentierte die Zweite Kommission oberflächlicher. Sie entschied sich letztlich mit der Vorkommission des Reichsjustizamtes für eine dingliche Wirkung, weil sie bei bestimmten Nicht-Geldforderungen (etwa Bahnabonnements) das Interesse des Schuldners an einer drittwirkenden Vinkulierung für schützenswert hielt. Erst bei der späteren Beratung des allgemeinen Prinzips, wonach private Veräußerungsbeschränkungen keine dingliche Wirkung haben können, hat die Zweite Kommission ihre Position näher begründet und sich für die pandektistische Inhaltsbestimmungslehre ausgesprochen. Demnach berühren sich die Tatbestände des § 137 S. 1 und des § 399 Alt. 2 BGB nicht: Abtretungsverbote 73 74
Mugdan, Materialien, Bd. III, Protokolle, S. 501. Das übersieht Willoweit, Zessionsverbot, S. 554 f.; auch Hattenhauer, in HKK, §§ 398– 413 Rn. 39 nimmt keinen Bezug auf die Protokolle der Zweiten Kommission zu § 796 E I. Wie hier dagegen Wagner, Abtretungsverbote, S. 143 f. 75 Wie gesehen lässt sich die Inhaltsbestimmungslehre nur auf Basis des schuldrechtlichen Forderungsbegriffs plausibel begründen: oben S. 186 ff. 76 S. oben S. 190 f. 77 Noch weitergehend spricht Willoweit, Zessionsverbot, S. 556 von „fast zufällig“.
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nehmen der Forderung durch Inhaltsbestimmung oder -änderung die Veräußerlichkeit; § 137 S. 1 BGB setzt aber die Veräußerlichkeit des Rechts voraus. Freilich hat die Kommission eine Inkohärenz im BGB damit nur begrifflich-konstruktiv vermieden. In der Sache liefern die Protokolle keine spezifische Begründung dafür, warum § 399 Alt. 2 anders als § 137 S. 1 BGB die Veräußerlichkeit eines Vermögensgegenstandes mit Wirkung gegen Dritte der Privatdisposition unterstellt. Ein Interesse an einer dinglichen Vinkulierung ist schließlich nicht nur bei Forderungen denkbar, sondern auch bei körperlichen Sachen78. Dabei sind die Motive zwar je verschieden: Abtretungsverbote vereinbaren Schuldner, um nur an ihren Vertragspartner leisten zu müssen, während Veräußerungsverbote regelmäßig den Verbleib eines Gegenstands im Vermögen des Vertragspartners sicherstellen sollen. Warum aber das eine Vinkulierungsinteresse absolut und mit dinglicher Wirkung zu schützen sei (§ 399 Alt. 1 BGB), das andere hingegen nicht (§ 137 S. 1 BGB), erklärte die Kommission nicht. Aus heutiger Sicht ist zwar nachvollziehbar, dass es bei den von der Kommission genannten speziellen Nicht-Geldforderungen ein besonderes Interesse des Schuldners an einer auch dinglichen Vinkulierung geben kann. Noch präziser lässt sich argumentieren, dass Nicht-Geldforderungen für gewöhnlich nicht am Vermögensverkehr teilnehmen und es daher kein allgemeines Interesse an ihrer Umlauffähigkeit gibt, das das BGB nach der Grundentscheidung des § 137 S. 1 über das private Vinkulierungsinteresse stellt79. Doch gilt dies nicht für Geldforderungen, deren Verkehrszugehörigkeit auch schon am Ende des 19. Jahrhunderts offensichtlich war80. Die Möglichkeit vertraglicher Abtretungsverbote in diesem gewöhnlichen Forderungsverkehr hat die Kommission – soweit ersichtlich – völlig unterschätzt: Die Protokolle lassen nicht erkennen, dass sie über Abtretungsverbote bei Geldforderungen aus Austauschverträgen nachdachte, obwohl auch hier eine dingliche Vinkulierung nach § 399 Alt. 2 BGB möglich sein sollte. Jedenfalls für solche Forderungen fehlt eine – über die begriffliche Inhaltsbestimmungslehre hinausgehende – materielle Rechtfertigung für den Vorrang des Vinkulierungsinteresses des Schuldners gegenüber den von § 137 S. 1 BGB geschützten Verkehrsinteressen.
78 Vgl. z. B. die Zwecke, die im französischen Recht der Veräußerungsverbote als intérêt sérieux et légitime anerkannt sind, dazu unten S. 207 ff. 79 Näher dazu unten S. 203 f. 80 Das zeigen nicht nur die Normen zur Forderungsverpfändung im BGB, sondern auch die Äußerungen der Ersten Kommission zum Forderungsbegriff (s. oben S. 190 f.) sowie die Betonung der Häufigkeit von Sicherungszessionen bei den Beratungen der Zweiten Kommission zur Abtretungsanzeige (dazu oben S. 171, Fn. 454).
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V. Das dinglich wirkende vertragliche Abtretungsverbot im 20. und 21. Jahrhundert 1. Rezeption der Inhaltsbestimmungslehre im 20. Jahrhundert Nach Inkrafttreten des BGB haben Rechtsprechung und Literatur die Dogmatik des vertraglichen Abtretungsverbots ganz überwiegend im Sinne der Auffassungen Sintenis’ und Windscheids weitergeführt. Das Reichsgericht schloss sich bereits 1915 explizit der Inhaltsbestimmungslehre an. Dabei verwies es auf die – wie gesehen eher unergiebigen81 – Materialien zu § 399 BGB; vor allem aber auf die herrschende gemeinrechtliche Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts82. Die Formulierung, dass ein vertragliches Abtretungsverbot der Forderung von vornherein die Veräußerlichkeit nehme und daher kein veräußerliches Recht im Sinne des § 137 S. 1 BGB vorliege, bildete seitdem die Grundlage der deutschen Rechtsprechung zum vertraglichen Abtretungsverbot, die der BGH bis heute praktisch ohne Unterbrechung weiterführt83. Auch die Literatur folgte nach Inkrafttreten des BGB überwiegend dieser begrifflichen Argumentation84. Zu Details der dogmatischen Konstruktion der dinglichen Wirkung gab es dagegen ausführliche Diskussionen85, die hier nicht weiter von Interesse sind. 81 Die Zweite Kommission hat sich wie beschrieben nicht bei der Diskussion des Zessionsrechts, sondern erst später bei der Beratung des Sachenrechts eindeutig zur Inhaltsbestimmungslehre bekannt: oben S. 192 ff. 82 RG 26.03.1915, RGZ 86, 350, 351 f. mit Verweis auf das Werk Windscheids, das Reichsgerichtsurteil von 1885 sowie die Aufsätze Regelsbergers und Stegemanns (dazu jeweils oben S. 186, Fn. 34). Wagner, Abtretungsverbote, S. 79, Fn. 9 weist zu Recht darauf hin, dass das Reichsgericht in einem früheren Urteil (RG 13.01.1911, RGZ 75, 142, 145) nichts zur Rechtsnatur des vertraglichen Abtretungsverbots sagte. 83 Weitergeführt z. B. in RG 14.06.1932, RGZ 136, 395, 399; übernommen dann in BGH 14.10.1963, BGHZ 40, 156, 160. Seitdem st. Rspr.; Nachweise bei Busche, in Staudinger, BGB, § 399 Rn. 65. Zuletzt BGH 31.10.1990, BGHZ 112, 387, 389 f. Zu Ausnahmen in der frühen Rechtsprechung des BGH, die Abtretungsverbote als relative Veräußerungsverbote nach § 135 BGB verstand, Wagner, Abtretungsverbote, S. 246 f. 84 Brückmann, Abtretungsverbot, S. 438 f. (1906) ist nach Wagner, Abtretungsverbote, S. 79, Fn. 8 Urheber der Formulierung, dass die Forderung von vornherein als unabtretbare entstehe. Für das 20. Jahrhundert etwa Tuhr, AT, Bd. 1, S. 223; Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, S. 201 f.; Serick, Eigentumsvorbehalt, Bd. 2, S. 289 f.; Bd. 4, S. 489 f. sowie Larenz, Schuldrecht I, S. 581. Zahlreiche weitere Nachweise bei Wagner, Abtretungsverbote, S. 78, Fn. 2 sowie bei Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 291, Fn. 17. Zu abweichenden Ansichten hinsichtlich der dogmatischen Konstruktion der dinglichen Wirkung vgl. die folgende Fn.; zu abweichenden Ansichten hinsichtlich der Rechtsfolgen einer verbotswidrigen Zession s. unten S. 197 f. 85 Vgl. dazu insbesondere das Werk Wagners, der die herrschende, von ihm sog. „Immanenztheorie“ aus dogmatischer Perspektive umfassend analysiert. Dabei weist er einerseits auf teleologische und systematische Defizite der h. M. hin (Wagner, Abtretungsverbote, S. 131–133, 145–153, 157–160) und erläutert andererseits die Details der Rechtsfolgen einer verbotswidrigen Zession (a. a. O., S. 181 ff.), insbesondere die Streitfrage nach der Möglichkeit und Reichweite einer Heilung der verbotswidrigen Zession (a. a. O., S. 200–228). Darü-
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Letztlich ist die Inhaltsbestimmungslehre damit seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der deutschen Diskussion führend. Der bis heute herrschenden Meinung lässt sich nach dem oben Gesagten immerhin bescheinigen, im Sinne des historischen Gesetzgebers, insbesondere der Zweiten Kommission, zu argumentieren86. Doch musste sich im 20. Jahrhundert angesichts einer zunehmenden Mobilisierung von Forderungen, insbesondere im Kreditsicherungsverkehr87, immer drängender die Frage stellen, wie die absolute Unwirksamkeit verbotswidriger Zessionen vor dem Hintergrund der Grundentscheidung des § 137 S. 1 BGB materiell zu rechtfertigen war. Für die Frage nach der normativen Kohärenz zwischen § 399 Alt. 2 BGB und sonstigen vermögensrechtlichen Regelungen, also insbesondere § 137 S. 1 BGB, ist das begriffliche Argument der Pandektisten wie gesehen unergiebig88. Der moderne Diskurs argumentiert daher anhand der von der Zweiten Kommission angeführten Interessen der Parteien, insbesondere dem besonderen Vinkulierungsinteresse des Schuldners.
2. Teleologische Rechtsfolgenbestimmung in der Literatur: relative Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession Eine beachtliche Mindermeinung in der Literatur will aus dieser teleologischen Perspektive heraus die de lege lata vorgegebene dingliche Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote abschwächen. Insbesondere könne eine stets eintretende absolute Unwirksamkeit verbotswidriger Zessionen über die von der Zweiten Kommission angeführten Interessen des Schuldners hinausgehen oder ihnen gar zuwiderlaufen89. Aus diesem Grund argumentieren etliche Autoren, dass eine nur relative Unwirksamkeit (vgl. § 135 Abs. 1 S. 1 BGB) der verbotswidrigen Zession das Vinkulierungsinteresse des Schuldners präziser abdecke und im Übrigen mit weniger dogmatischen Folgeproblemen, insbesondere in Zwangsvollstreckung und Insolvenz des Zessionars, einhergehe. Daher sei § 399 Alt. 2 ber hinaus nimmt Wagner zwei Mindermeinungen in der Literatur an, die die dingliche Wirkung dogmatisch anders konstruieren: die von ihm sog. „Verbotstheorie“ (a. a. O., S. 245 ff.), die Abtretungsverbote als Unterfall von (relativen) Veräußerungsverboten versteht, sowie die „Mitwirkungstheorie“ (a. a. O., S. 331 ff.), die davon ausgeht, dass ein Abtretungsverbot die Verfügungsmacht des Gläubigers einschränkt und die sonst von § 398 S. 1 BGB vermutete Zustimmung des Schuldners erforderlich macht. Wagner selbst entwickelt für alle dogmatischen Prämissen und Rechtsfolgen die „modifizierte Rechtsinhaltstheorie“ (a. a. O., S. 403 ff.), die grundsätzlich die Inhaltsbestimmungslehre der h. M. aufgreift, aber in den Details auf begriffliche Argumente verzichtet und differenziert. 86 So auch Wagner, Abtretungsverbote, S. 143 f.; unzutr. dagegen Willoweit, Zessionsverbot, S. 554–557, der übersieht, dass sich die Zweite Kommission letztlich auch der Inhaltsbestimmungslehre angeschlossen hat (dazu oben S. 193 f.). 87 Dazu Eidenmüller, Dogmatik, S. 458 f. und Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 42. 88 S. oben S. 195. 89 Canaris, Rechtsfolgen, S. 12, 16–18 (vom Schutzzweck nicht gedeckte „überschießende Tendenz“); Wagner, Abtretungsverbote, S. 191–195.
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BGB dahingehend auszulegen, dass eine verbotswidrige Zession nicht absolut nichtig, sondern nur dem Schuldner gegenüber unwirksam ist90. Noch präziser sprechen sich einige Autoren dafür aus, anhand des Parteiwillens zu differenzieren, ob relative oder absolute Unwirksamkeit gewollt war91, oder gar ein nur obligatorisch wirkendes Abtretungsverbot92. All dies sei mit Wortlaut und insbesondere Zweck des § 399 Alt. 2 BGB vereinbar; dieser enthalte insoweit nur eine Auslegungsregel. Diese Ansicht hat zwar bislang keine Relevanz für die Praxis gewinnen können93. Doch ist sie schon deshalb plausibler als das herrschende Dogma der absoluten Unwirksamkeit, weil sie den Bereich der Konstruktion verlässt und unmittelbar anhand der vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Wertungen argumentiert. Vor dem Hintergrund der Schuldnerschutzgedanken, die für die Zweite Kommission entscheidend waren, ist in der Tat nicht ersichtlich, wie man abseits der begrifflichen Inhaltsbestimmungslehre erklären soll, warum sich stets auch Dritte gegenüber Dritten auf die Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession berufen können sollen. Eine Einschränkung der Verkehrsfähigkeit der Forderung über das Verhältnis zwischen Schuldner und Dritten hinaus lässt sich nicht mit dem Interesse des Schuldners begründen. Die rechtspolitisch problematische Verkehrsfeindlichkeit dinglicher Forderungsvinkulierungen ist freilich auch mit dieser Ansicht nicht überwunden. Denn auch eine relative Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession führt dazu, dass der Schuldner jederzeit befreiend an den Zedenten leisten kann. Eine derartige Forderung wird ein Zessionar nicht als vollständig werthaltig akzeptieren. Damit hemmen vertragliche Abtretungsverbote auch dann den freien Forderungsverkehr, wenn sie nur zu einer relativen Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession führen.
3. Legislative Intervention im Handelsverkehr: § 354a HGB Die ökonomische Ineffizienz und die unerwünschten Auswirkungen (relativ oder absolut) dinglich wirkender vertraglicher Abtretungsverbote auf den unternehmerischen Kreditverkehr sind im 20. Jahrhundert immer wieder angesprochen worden94. Doch erst 1994 beschloss der deutsche Gesetzgeber 90 Fundiert hat diese Ansicht maßgeblich Canaris, Rechtsfolgen, S. 16–35. Bereits vorher für relative Unwirksamkeit Enneccerus / Lehmann, Schuldrecht, S. 314. Später dann z. B. Esser / Schmidt, Schuldrecht I / 2, S. 308 f.; Scheyhing / Nörr, in: Nörr / Scheyhing / Pöggeler, Sukzessionen, S. 31, Fn. 68; Bruns, Dogmatik, S. 505 f. und Armgardt, Wirkung, S. 319– 324. Weitere Nachweise bei Berger, Verfügungsbeschränkungen, S. 219, Fn. 18 f. 91 Wagner, Abtretungsverbote, insbes. S. 468–479; Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 55–57. 92 Willoweit, Zessionsverbot, S. 557–561. 93 Roth / Kieninger, in MüKo BGB, § 399 Rn. 40. 94 Für das 19. Jahrhundert bereits pointiert Seuffert (oben S. 185). Im 20. und 21. Jahrhundert dann z. B. Serick, Eigentumsvorbehalt, Bd. 2, S. 288 f.; Eidenmüller, Dogmatik,
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den Erlass einer Sondernorm zur Erleichterung des Forderungsumlaufs im Handelsverkehr. Der neu eingefügte § 354a HGB erklärt die verbotswidrige Abtretung einer Forderung aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft für wirksam (§ 354a Abs. 1 S. 1 HGB). Diese massive Abweichung von § 399 Alt. 2 BGB nimmt Abs. 1 S. 2 der Vorschrift jedoch weitgehend wieder zurück: Der Schuldner soll trotz Wirksamkeit der Zession weiterhin kenntnisunabhängig befreiend an den Zedenten leisten können. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Norm in erster Linie die „Förderung des Mittelstandes durch Erleichterung der Finanzierung aus dem Umlaufvermögen“95. Das zugrunde liegende Problem beschrieb der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in deutlichen Worten96: Die meisten deutschen Großunternehmen schlössen in ihren Einkaufsbedingungen die Abtretung von gegen sie gerichteten Geldforderungen wegen der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen aus. Die typischerweise mittelständischen Lieferanten dieser Unternehmen könnten sich dagegen wegen der Marktmacht der großen Konzerne nicht zur Wehr setzen und seien deshalb erheblichen Problemen ausgesetzt. So sei ihnen wegen § 399 Alt. 2 BGB insbesondere die Möglichkeit genommen, die Forderungen zur Geldkreditsicherung an Banken oder zur Warenkreditsicherung an Vorbehaltsverkäufer zu zedieren; und auch die Veräußerung an einen Factor sei unmöglich. Damit entstünden dem Mittelstand erhebliche Liquiditäts- und Finanzierungprobleme: Nach Schätzungen des deutschen Factoring-Verbandes sei 1992 für den Mittelstand Liquidität in Höhe von 200 Mrd. DM blockiert gewesen. Der deutsche Gesetzgeber hat damit zumindest für einen Teilbereich des Wirtschaftslebens die ökonomisch unerwünschten Folgen der dinglichen Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote anerkannt. Angesichts der beschriebenen rechtspolitischen Stoßrichtung der Neuregelung gibt es allerdings keine plausible Begründung dafür, den Anwendungsbereich der Norm auf beiderseitige Handelsgeschäfte zu begrenzen: Auf Schuldnerseite hätten auch marktmächtige Freiberufler erfasst werden sollen; und auf Zedentenseite wären mittelständische Freiberufler und Kleingewerbetreibende ebenso schützenswert gewesen97. Noch schwerer wiegt freilich, dass die Norm ihren Zweck auch innerhalb ihres Anwendungsbereichs weitgehend verfehlt, weil es dem Schuldner S. 467–470 (allerdings ohne spezifische Eingrenzung der Ineffizienz auf den Kreditverkehr) und Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 55. Für die europäische Debatte Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 509 f. sowie Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 1 f. mit Verweis auf Goode, Contractual prohibitions, S. 316–318. 95 BT‑Drucks. 12 / 7912, S. 19. Das Gesetz diente ausdrücklich auch der Umsetzung mehrerer EWG‑Richtlinien (a. a. O.). 96 BT‑Drucks. 12 / 7912, S. 24. 97 Dazu eingehend Canaris, Handelsrecht, § 26, Rn. 33–39. Zur 2008 eingeführten Ausnahme für Bankdarlehen (§ 354a Abs. 2 HGB) K. Schmidt, in MüKo HGB, § 354a Rn. 2; Koch, Schutz, S. 237; kritisch Stürner, Verkauf, S. 371.
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weiterhin möglich sein soll, sich kenntnisunabhängig (also weitergehend als nach § 407 BGB) durch Leistung an den Zedenten zu befreien. Dadurch bleiben die Umlauffähigkeit der Forderung und damit ihre Eignung für Sicherungszessionen entscheidend eingeschränkt. Zwar ergeben sich im Vergleich zur absoluten Unwirksamkeit nach § 399 Alt 2. BGB Verbesserungen, insbesondere in der Insolvenz des mittelständischen Zedenten. Denn aufgrund der Außenwirksamkeit der verbotswidrigen Zession erhält der Zessionar ein Aus- oder (bei der Sicherungszession) ein Absonderungsrecht an der Masse98. Dennoch ist die Forderung für den Zessionar mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und daher von fragwürdigem Wert: Er kann insbesondere nicht verhindern, dass der Schuldner gemäß § 354a Abs. 1 S. 2 HGB befreiend an den Zedenten leistet. Damit hat der Gesetzgeber mit § 354a HGB – wie einige Autoren nach Erlass der Regelung kritisierten – in der Sache immer noch eine relative Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession angeordnet99. Die hemmende Wirkung der erfassten vertraglichen Abtretungsverbote für die Unternehmensrefinanzierung hat die Neuregelung also weitgehend beibehalten100.
98 So
auch BT‑Drucks. 12 / 7912, S. 25. Näher dazu Bruns, Dogmatik, S. 510–512. Freilich kann der Schuldner gegen eine Forderung des insolventen Zedenten aufrechnen (auch die Aufrechnung stellt eine Leistung im Sinne des § 354 a Abs. 1 S. 2 HGB dar; dazu ausführlich Olshausen, Probleme, S. 1953–1955); und zwar ohne die Einschränkungen des § 406 BGB. In diesem Fall verbleibt dem Zessionar nur ein wertloser Bereicherungsanspruch: Kieninger, Abtretungsrecht, S. 734; Bruns, Dogmatik, S. 512; Wagner, Geschäftsverkehr, S. 87. 99 Die Mehrzahl der deutschen Autoren spricht wegen der speziellen Regelungstechnik allerdings nicht von relativer Unwirksamkeit. Vielmehr ordne Abs. 1 S. 1 die absolute Wirksamkeit der verbotswidrigen Zession an und S. 2 begründe lediglich ein besonderes Schuldnerschutzregime, ohne dass der Zedent im Verhältnis zum Schuldner der Gläubiger bleibe; so insbesondere K. Schmidt, in MüKo HGB, § 354a Rn. 18 ff. sowie Canaris, Handelsrecht, § 26, Rn. 18, 20, 40; ferner auch Armgardt, Wirkung, S. 316–319. Das ist aber weitgehend nur eine Formulierungsfrage; so treffend Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 8, Fn. 52. Wie hier Kieninger, Abtretungsrecht, S. 733–736 (mit Vergleich zu den ähnlichen Normen des DCFR) sowie Bruns, Dogmatik, S. 508–512. Unterschiede ergeben sich zwar in Spezialkonstellationen, etwa wenn der Schuldner mit dem Zedenten einen Vergleich über die Forderung schließen will (ablehnend BGH 13.11.2008, NJW 2009, 438, 439 f.) sowie bei der klageweisen Geltendmachung der Forderung (dazu Canaris, Handelsrecht, § 26, Rn. 20). Aber jedenfalls für die hier relevante dogmatische und ökonomische Bewertung der Norm stellt die Befreiungsmöglichkeit die Rechtsfolgen des § 354a Abs. 1 S. 2 HGB denen der relativen Unwirksamkeit gleich. 100 So auch – mit Nuancen im Detail – Canaris, Handelsrecht, § 26, Rn. 16, 41; Schütze, Zession, S. 182 f.; Eidenmüller, Dogmatik, S. 472; Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 57; Bruns, Dogmatik, S. 512 sowie (aus europäischer Perspektive) Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 8. Auch Wagner, Geschäftsverkehr, S. 84 konzediert diese Wirkung, bescheinigt der Regelung aber dennoch überwiegend positive Effekte auf den unternehmerischen Forderungsverkehr (a. a. O. S. 63 ff., 76 ff., insbesondere in der Insolvenz des Zedenten). Ebenfalls als größtenteils gelungen bewertet die Neuregelung K. Schmidt, in MüKo HGB, § 354a Rn. 4.
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VI. Zusammenfassung: differenzierungsfeindliche Begriffsjurisprudenz im 21. Jahrhundert Die absolute Unwirksamkeit verbotswidriger Abtretungen begründen Rechtsprechung und große Teile der Literatur bis heute mit der begrifflichen Argumentation Sintenis’ und Windscheids aus dem 19. Jahrhundert: Die Forderung entstehe bei einem vertraglichen Abtretungsverbot von vornherein als unabtretbare und damit als res extra commercium. Konstruktiv erscheint § 399 Alt. 2 BGB damit nicht als lex specialis zu § 137 S. 1 BGB, dessen Tatbestand ein „veräußerliches Recht“ voraussetzt. Eine Mindermeinung in der Literatur will dagegen die Rechtsfolgen vertraglicher Abtretungsverbote denen des § 135 BGB annähern und schlägt aus teleologischen Gründen plausibel vor, grundsätzlich nur von relativer (dinglicher) Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession auszugehen. Die (absolute oder relative) dingliche Wirkung des pactum de non cedendo ist jedoch spätestens seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts rechtspolitisch in der Kritik, weil sie die wirtschaftlichen Spielräume und die Refinanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen begrenzt. Der zur Lösung dieser Problematik 1994 neu eingeführte § 354a HGB erklärt verbotswidrige Abtretungen von Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften daher für wirksam. Der Anwendungsbereich der Norm ist jedoch zu eng; und vor allem ist der Schuldnerschutz bei dieser Sondernorm so weit geraten, dass im Ergebnis immer noch von einer relativen Unwirksamkeit der Zession gesprochen werden kann. Damit erscheint die Neuregelung nicht zu Ende gedacht und zur Erreichung ihres Zwecks wenig geeignet. Darüber hinaus fällt auf, dass sich weder die Autoren, die sich für eine nur relative Unwirksamkeit verbotswidriger Zessionen aussprechen, noch die Interpreten des § 354a HGB mit der begrifflichen Prämisse der herrschenden Meinung zu § 399 Alt. 2 BGB auseinandersetzen. Dabei lässt sich das vom BGH bis heute verteidigte Dogma der absoluten Unveräußerlichkeit jeder als unabtretbar begründeten Forderung mit einer nur relativen Unwirksamkeit bestimmter verbotswidriger Zessionen nicht vereinbaren. Wie verhält sich also § 354a Abs. 1 S. 1 HGB zu der seit Sintenis und Windscheid herrschenden Argumentation bei § 399 Alt. 2 BGB? Jedenfalls lässt sich der neuen Vorschrift die legislative Aussage entnehmen, dass die Rechtsfolgen verbotswidriger Abtretungen nicht begriffsjuristisch vorgezeichnet, sondern einer gesetzlichen Regelung zugänglich sind. Zumindest implizit hat der Gesetzgeber damit die Differenzierungsfeindlichkeit der herrschenden Doktrin in Frage gestellt. Damit müssen sich Rechtsprechung und weite Teile der Literatur in Deutschland spätestens seit 1994 vorhalten lassen, dass sich ein modernes Verständnis vertraglicher Abtretungsverbote nicht mehr lediglich auf die begriffliche Konstruktion einiger Pandektisten des 19. Jahrhunderts stützen kann.
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VII. Absolute Wirksamkeit verbotswidriger Abtretungen bei Geldforderungen de lege ferenda De lege ferenda sollte die Entwicklung nicht mit der Einführung des wenig geglückten § 354a HGB beendet sein. Vielmehr ist eine grundlegendere Reform des allgemeinen Zessionsrechts im BGB bedenkenswert. Schon der 51. Deutsche Juristentag 1976 hat sich, der ökonomischen Argumentation des Gutachters Ulrich Drobnig folgend, für eine ersatzlose Streichung des § 399 Alt. 2 BGB ausgesprochen101. Auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages erkannte 1994, dass die Abschaffung der dinglichen Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote im BGB eine Alternative zur Lösung des erkannten Regelungsproblems mittels § 354a HGB gewesen wäre102. Diese Lösung wäre dabei nicht nur aus rechtspolitscher Perspektive effektiver als die Regelung des § 354a HGB. Auch dogmatisch bildete sie eine konsequente Folgerung aus der im 20. und 21. Jahrhundert in Deutschland geführten Debatte zum Forderungsbegriff. Die Inhaltsbestimmungslehre, die die dingliche Wirkung des Zessionsverbots bis heute dogmatisch trägt, steht wie gezeigt auf der Grundlage des rein schuldrechtlichen Forderungsbegriffs der Pandektisten103. Eine solche Sicht auf Forderungen ist jedoch heute auch in Deutschland völlig überholt. Vielmehr hat sich – wie im ersten Kapitel beschrieben104 – in der Diskussion um den Deliktsschutz der Forderung nach Erlass des BGB ein differenzierter Forderungsbegriff gebildet, der zwischen dem absoluten Recht an der Forderung und dem relativen Recht aus der Forderung unterscheidet. Diese dogmatische Innovation beantwortet die von der Ersten Kommission noch ungelöst in den Raum gestellte Frage nach dem Grad der „Versachenrechtlichung“ der Forderung: Im Gegensatz zum Forderungsinhalt, dem Recht aus der Forderung, steht die Forderungsinhaberschaft, das Recht an der Forderung, strukturell dem Sacheigentum gleich. Soweit nicht spezielle Wertungen für eine Sonderregelung sprechen, ist diese „Außenseite“ der Forderung also dogmatisch wie das Eigentum zu behandeln. Dabei ist nicht ersichtlich, wieso diese bislang nur in der Frage des Deliktsschutzes fruchtbar gemachte Differenzierung105 nicht ebenso für die Dogmatik des vertraglichen Verfügungsverbots relevant sein sollte. Ceteris paribus muss also die Geltung des in § 137 S. 1 BGB kodifizierten Prinzips auch für Forderungen die Regel sein. Abweichungen von diesem Prinzip sind begründungsbedürftig; und die herrschende Inhaltsbestimmungslehre kann eine solche 101 Siehe dazu Drobnig, Gutachten F zum 51. DJT, S. F78–F80 sowie die spätere Beschlussfassung: Verhandlungen des 51. DJT, Sitzungsbericht O, S. 172 f. Drobnig berief sich insbesondere auch auf die vorherige ökonomische Kritik Sericks (dazu oben S. 198, Fn. 94). 102 BT‑Drucks. 12 / 7912, S. 3. 103 Dazu oben S. 186 ff. 104 S. oben S. 80 ff. 105 Dazu oben S. 80 f., Fn. 443.
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Begründung bei Zugrundelegung des differenzierten Forderungsbegriffs nicht mehr liefern: Die inhaltliche Ausgestaltung des Rechts an der Forderung unterliegt gerade nicht der Privatautonomie, sondern folgt als absolute Rechtszuordnung dem sachenrechtlichen Typenzwang. Damit blieben nur spezielle Wertungen des Schuldnerschutzes, um eine Sonderregelung wie § 399 Alt. 2 BGB zu rechtfertigen. Doch ist in der deutschen und europäischen Debatte mittlerweile überwiegend anerkannt, dass jedenfalls bei Geldforderungen das ökonomisch überragend wichtige Verkehrsinteresse dem Interesse des Schuldners an einer dinglichen Vinkulierung vorgehen sollte106: Die Schaffung einer res extra commercium muss bei ökonomisch relevanten Vermögensgegenständen außerhalb der Privatautonomie liegen. Eine dahingehende Gesetzesänderung in Deutschland folgte daher auch dem eindeutigen Trend der modernen europäischen und internationalen Regelwerke107. Anders liegen die Dinge dagegen bei Nicht-Geldforderungen. Im europäischen Diskurs wird überwiegend dahingehend differenziert, dass vertragliche Abtretungsverbote bei solchen Forderungen jedenfalls zur relativen Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession führen sollten108. Denn bei diesen Forde106 Vgl. dazu Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 1 f.; Sigman / Kieninger, Law of Assignment, S. 24 f.; Hattenhauer, in HKK, §§ 398–413 Rn. 72 sowie Eidenmüller, Dogmatik, S. 471 f. 107 Dazu ausführlich Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 4 ff.; Sigman / Kieninger, Law of Assignment, S. 25–28 und Hattenhauer, in HKK, §§ 398– 413 Rn. 72. Zunächst spricht sich das Konventionsrecht eindeutig für die absolute Wirksamkeit verbotswidriger Abtretungen aus: Art. 6 Abs. 1 FÜ; Art. 9 CARIT; dazu eingehend Rudolf, Einheitsrecht, S. 263–296 und Schütze, Zession, S. 183–201. Die europäischen Regelwerke folgen insgesamt dem internationalen Trend, divergieren aber im Detail erheblich. DCFR und PECL ordnen im Grundsatz relative Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession an (Art. III5:108 Abs. 2a DCFR und Art. 11:301 Abs. 1 PECL). Beide Regelwerke sehen aber Ausnahmen für wichtige Gruppen von Geldforderungen vor: Der DCFR nimmt absolute dingliche Wirksamkeit der verbotswidrigen Zession von Geldforderungen aus der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen an (Art. III-5:108 Abs. 3c DCFR). Die PECL machen die gleiche Ausnahme bei der verbotswidrigen Zession künftiger Geldforderungen (Art. 11:301 Abs. 1c PECL). Diese Eingrenzungen auf bestimmte Geldforderungen sind jeweils nicht nachvollziehbar; dazu Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 10. Die PICC gehen dagegen plausibel bei allen Arten von Geldforderungen stets von absoluter Wirksamkeit der verbotswidrigen Zession aus (Art. 9.1.9 Abs. 1 PICC). Die in allen Regelwerken enthaltenen Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb vinkulierter Forderungen sind rechtspolitisch und ‑praktisch fragwürdig, weil sich ein Fahrlässigkeitsmaßstab für Zessionare kaum bestimmen lässt; so insbesondere Eidenmüller, Dogmatik, S. 470 f. Überhaupt ist eine Pflicht des Zessionars, sich über die Vinkulierung einzelner Forderungen zu erkundigen, bei Globalzessionen unrealistisch und bei der Abtretung zukünftiger Forderungen gar sinnlos (so auch Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 14; ferner Rudolf, Einheitsrecht, S. 296). Jansen und Eidenmüller sprechen sich im Ergebnis, auch aus europäischer Perspektive, für die absolute und kenntnisunabhängige Wirksamkeit verbotswidriger Abtretungen bei allen Geldforderungen aus: Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 10, 14; Eidenmüller, Dogmatik, S. 471 f. 108 Art. III-5:108 Abs. 2a DCFR; Art. 11:301 Abs. 1 PECL; Art. 9.1.9 Abs. 2 PICC; zustim-
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rungen fällt der Hauptgrund für die Aufrechterhaltung der Zession im Außenverhältnis weg: Nicht-Geldforderungen sind gewöhnlich nicht im Umlauf; sie eignen sich insbesondere nicht für Factoring oder Kreditsicherung. Damit besteht an ihrer uneingeschränkten Verkehrsfähigkeit kein allgemeines, ökonomisches Interesse, das das Recht über das Vinkulierungsinteresse des Schuldners stellen könnte109. Gleichzeitig ist dieses Schuldnerinteresse bei Nicht-Geldforderungen oft besonders groß, weil die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger typischerweise zu mehr Zusatzaufwand führt als bei Geldforderungen110. Im Ergebnis sollten Geldforderungen daher künftig dem Prinzip des § 137 S. 1 BGB unterworfen werden. Vertragliche Abtretungsverbote sollten diese Forderungen also nicht mehr dinglich vinkulieren können. Auf schuldrechtlicher Ebene bliebe das Abtretungsverbot dabei selbstverständlich gemäß § 137 S. 2 BGB wirksam.
§ 7 Vertragliche Abtretungsverbote im französischen Recht Die französische Rechtswissenschaft hat Zulässigkeit und Wirkung eines vertraglichen Abtretungsverbots (clause d’incessibilité; pactum de non cedendo) zu keiner Zeit ausführlich diskutiert. Hein Kötz konstatierte 1992 aus rechtsvergleichender Sicht treffend, dass es zu dem Thema in Frankreich „little discussion and no recent case law“111 gebe. Dennoch lassen sich im 19. und 20. Jahrhundert verschiedene Grundhaltungen der französischen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung zu der Frage extrahieren (I.). Ein Urteil der Cour de cassation aus dem Jahr 2000 belebte zuletzt die Debatte; in der Folge diskutierten französische Autoren die Problematik ausführlicher (II.). Die Schuldrechtsreform 2016 bildet den Schlusspunkt dieser Diskussion; sie regelte die Rechtsfolgen vertraglicher Abtretungsverbote erstmals im Zessionsrecht des Code civil (III.).
mend Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 11–14; mit dem gleichen Konzept Eidenmüller, Dogmatik, S. 472 f. 109 Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 14. 110 Ein in der Praxis gängiges Beispiel ist die vertragliche Vinkulierung von Ansprüchen aus Eintrittskarten bei Großveranstaltungen. Rechtstechnisch werden die Eintrittskarten dazu als Namenspapiere ausgegeben, die gemäß § 399 Alt. 2 BGB vinkuliert werden. Grundsätzlich hält die Rechtsprechung dieses Modell für zulässig: OLG Hamburg 13.06.2013, MMR 2014, 595, 596. Eine andere Frage ist freilich, ob die Vereinbarung vertraglicher Abtretungsverbote in diesen Fällen auch in AGB möglich ist; dazu OLG Hamburg a. a. O., S. 596 ff. und Weller, Übertragungsverbot, S. 936 f. 111 Kötz, Rights of Third Parties, Bd. 7, Teil 2, Kapitel 13, Rn. 74; dem folgen Goergen, Pactum, S. 138 f.; Rosch, Pactum, S. 605 sowie Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 67–69.
§ 7 Vertragliche Abtretungsverbote im französischen Recht
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I. Vertragliche Abtretungsverbote im 19. und 20. Jahrhundert Wo französische Autoren nach Erlass des Code civil die Zulässigkeit und Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote erörtert haben, argumentierten sie in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung stets ausgehend von den allgemeinen vermögensrechtlichen Prinzipien des Code civil. Ausbuchstabiert haben Rechtsprechung und Literatur diese Diskussion freilich hauptsächlich anhand der allgemeineren Frage nach Zulässigkeit und Wirkung vertraglicher Veräußerungsverbote (auch pacta de non alienando). Angesichts der prinzipiellen dogmatischen Gleichbehandlung von Sachübereignung und Zession unter dem Code civil liegt eine analoge Behandlung von Veräußerungs- und Abtretungsverboten im französischen Recht sehr nahe. Die Debatte über vertragliche Veräußerungsverbote soll daher zunächst in ihren Grundzügen analysiert werden (1.), bevor es um die Übertragung der dort etablierten Grundsätze auf vertragliche Abtretungsverbote geht (2.).
1. Vertragliche Veräußerungsverbote im französischen Recht Anders als das BGB (§ 137) enthielt der Code civil auch zur Frage nach der Zulässigkeit und Wirkung vertraglicher Veräußerungsverbote zunächst keine ausdrückliche Vorschrift. Hauptsächlicher Anknüpfungspunkt für die zeitweise durchaus lebhafte112 Debatte war daher das Vermögenskonzept des Code civil.
a) Schrittweise Anerkennung vertraglicher Veräußerungsverbote bei unentgeltlichen Geschäften im 19. Jahrhundert aa) Ausgangspunkt: freie Verfügung über Vermögensgüter, die nur durch Gesetz beschränkbar ist Französische Juristen entnahmen diesem Konzept nach Erlass des Code civil nicht nur die Maxime der freien Verfügungsmöglichkeit über zum Vermögen gehörende Güter (biens)113, sondern darauf aufbauend insbesondere auch die Aussage, dass diese Verfügungsfreiheit grundsätzlich nur gesetzlich, nicht aber privatautonom beschränkbar sei. Rechtsprechung und Wissenschaft haben mit anderen Worten im 19. Jahrhundert zunächst überwiegend114 die Unwirksam-
112 Vgl. die Aufzählung der Urteile und Autoren, die sich um die Wende zum 20. Jahrhundert mit der Thematik beschäftigten bei Berra, Principe, S. 187, Fn. 1. 113 S. bereits oben S. 56 f., Fn. 308 f., auch zur umstrittenen Frage der Herkunft dieses Konzepts. 114 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es freilich auch – wenig spezifisch – begründete Gegenansichten, die das Veräußerungsverbot (meist im Kontext von Schenkungen) für wirksam hielten: Duranton, Droit français, Bd. 15, Nr. 360. Weitere Nachweise bei Berra, Principe, S. 191 f.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
keit vertraglich vereinbarter Veräußerungsverbote über ein zum Vermögen gehörendes bien propagiert115. Zur Begründung haben sie die Rechtsgedanken ganz verschiedener prinzipieller116 Normen des Code civil allein oder in ihrem Zusammenspiel allegiert. Einerseits ließ sich die in Art. 537 CC1804 festgeschriebene Verfügungsfreiheit über das eigene Vermögen (libre disposition des biens) heranziehen117, andererseits vor allem die Eigentumsdefinition des Art. 544 CC1804, die die freie und unbeschränkte Verfügungsmacht über das Eigentum ausdrücklich nur unter den Vorbehalt gesetzlicher Regelungen stellt118. Daneben argumentierte man mit vertragsrechtlichen Normen: so etwa mit Art. 1594 CC1804, der die Befugnis, Kaufverträge zu schließen, nur gesetzlichen Einschränkungen unterwirft119; oder mit Art. 1598 CC1804, nach dem alle Wirtschaftsgüter zulässige Kaufgegenstände sind120. Die Begründungen divergierten damit im Detail; gemein war allen Argumentationslinien jedoch, dass sie die Unwirksamkeit des Veräußerungsverbots nicht wertend mit Individualinteressen der betroffenen Parteien oder Verkehrsschutzinteressen möglicher Dritter begründeten. Vielmehr sahen sie eine schon nach der Eigentumsdefinition unbeschränkbare Verfügungsbefugnis sowie den freien Güterverkehr insgesamt (libre circulation des biens)121 als Gemeinwohlbelang122 an, den der Gesetzgeber besonders habe schützen wollen. Zur Begründung der Nichtigkeit des Veräußerungsverbots zogen Rechtsprechung und Wissenschaft demgemäß auch häufig zusätzlich zu den genannten Normen aus115 So Berra, Principe, S. 187–198; Corvest, Inaliénabilité, S. 1380 f.; Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 72 f. sowie Terré / Simler, Les biens, Rn. 129, je m. w. N. 116 Nur mit erbrechtlicher Argumentation und in erbrechtlichem Kontext (Unwirksamkeit der Auflage an den Erben, über bestimmte Gegenstände nicht zu verfügen) allerdings Toullier / Duvergier, Droit civil, Bd. 3, Liv. III, Tit. II, Chap. I, Nr. 51 sowie Liv. III, Tit. III, Chap. IV, Nr. 488 und Troplong, Donations et testaments, Nr. 136 f. 117 Crome, Obligationenrecht, S. 258; aus rechtsvergleichender Sicht später Schumann, Forderungsabtretung, S. 127; referiert auch bei Corvest, Inaliénabilité, S. 1380. 118 Besonders klar Cass. civ. 06.06.1853, D. Jur. Gén. 1853, I, S. 191 f. (im Fall ging es um ein Abtretungsverbot, das das Gericht aber selbstverständlich als einen Unterfall des Veräußerungsverbots behandelte; dazu unten S. 219 f. Weniger grundsätzlich schon vorher z. B. Cass. civ. 30.01.1821, Journ. Pal. 16, Juillet 1820–1821, S. 345, 348 f.); ebenso Laurent, Principes, Bd. 6, Nr. 103; Aubry / Rau, Droit civil, Bd. 2, S. 175 f. sowie Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 27–30. 119 Cass. civ. 06.06.1853, D. Jur. Gén. 1853, I, S. 191 f.; Aubry / Rau, Droit civil, Bd. 2, S. 175 f.; Josserand, Mobiles, S. 280. 120 Cass. civ. 06.06.1853, D. Jur. Gén. 1853, I, S. 191 f.; Laurent, Principes, Bd. 6, Nr. 103; Aubry / Rau, Droit civil, Bd. 2, S. 175 f.; Josserand, Mobiles, S. 280; referiert auch bei Corvest, Inaliénabilité, S. 1380. 121 Zu dieser liberalen ökonomischen Forderung z. B. Laurent, Principes, Bd. 11, Nr. 460; Wagner, Clause, S. 320 ff.; aus moderner Sicht Goergen, Pactum, S. 147 f. mit Verweis auf Chéron, Jurisprudence, S. 347 f.; differenziert auch Raynaud, Indisponibilité, S. 55 ff. 122 Den ordre-public-Charakter der Regel betonte – trotz mittlerweile anerkannter Ausnahmen – noch im 20. Jahrhundert Josserand, Mobiles, S. 277.
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drücklich Art. 6 CC1804 heran123, der ordre-public-widrigen Individualvereinbarungen die Wirksamkeit abspricht. Diese Sichtweise erklärt, warum vertragliche Veräußerungsverbote offenbar absolut, das heißt auch in schuldrechtlicher Hinsicht, nichtig gewesen sein sollten124: Wo eine Parteivereinbarung als ordre-public-widrig und damit als inhaltlich anstößig gilt, kommt selbst eine Aufrechterhaltung ihrer Wirkung inter partes (vgl. § 137 S. 2 BGB) nicht in Betracht. Moderne Autoren erklären diese radikal verfügungsfreundlichen Interpretationen des Vermögensrechts nach 1804 mit Nachwirkungen der französischen Revolution: Juristen seien nach Erlass des Code civil zunächst noch in hohem Maße geprägt gewesen von der revolutionären Forderung nach Abschaffung gebundenen (Feudal-)Eigentums125 und der darauf beruhenden Intention des Gesetzgebers, die freie und unbeschränkte Verfügungsmöglichkeit über Vermögensgegenstände als besonders wichtige liberté zu schützen126. In der Tat weisen insbesondere die Ausführungen Laurents sehr deutlich in diese Richtung127. Dennoch hat sich ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine differenzierende Sichtweise auf vertragliche Veräußerungsverbote durchgesetzt.
bb) Differenzierung ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts: Zulässigkeit vertraglicher Veräußerungsverbote bei unentgeltlichen Zuwendungen Die bisher genannten Autoren diskutierten Veräußerungsverbote abstrakt; in der Praxis kamen solche Verbote allerdings meist bei unentgeltlichen Zuwendungen vor. Es ging also um Schenkungen oder erbrechtliche Zuwendungen, die die Auflage enthielten, nicht über den unentgeltlich zugewendeten Gegenstand zu verfügen. Die Cour de cassation entschied 1858 in einem wegweisenden und vielzitierten Urteil, dass Veräußerungsverbotsklauseln bei solchen Geschäften 123 Cass. civ. 06.06.1853, D. Jur. Gén. 1853, I, S. 191 f.; Laurent, Principes, Bd. 11, Nr. 460; Demolombe, Donations, Nr. 291; Crome, Obligationenrecht, S. 258. 124 Ausdrücklich Crome, Obligationenrecht, S. 259, Fn. 57; für französische Autoren war dies lange selbstverständlich, so dass das Problem selten aufgeworfen wurde. Zur Diskussion der Rechtsfolgen verbotswidriger Veräußerungen nach der Anerkennung von Veräußerungsverboten s. unten S. 211 ff. 125 Dazu z. B. Corvest, Inaliénabilité, S. 1380, Fn. 11 mit Verweis auf eine prägnante Formulierung Carbonniers: „La société mourrait des propriétés qui ne mourraient pas“; näher Carbonnier, Flexible droit, S. 345–351. 126 Berra, Principe, S. 17 ff.; Corvest, Inaliénabilité, S. 1380 f.; Terré / Simler, Les biens, Rn. 129; Goergen, Pactum, S. 144 f. Dabei ist heute freilich umstritten, ob der revolutionäre Gesetzgeber so gedacht hat; dazu oben S. 57, Fn. 309. 127 Goergen, Pactum, S. 145 mit Verweis auf Laurent, Principes, Bd. 6, Nr. 103: „La propriété féodale a été abolie après la révolution de 89 […]. [L]a propriété féodale […] ne peut être rétablie ni par convention ni par testament […].“ Goergen verweist a. a. O. weiterhin auf ein in diesem Sinne argumentierendes Urteil der Cour d’appel von Lyon von 1835. Auch Saignat, Clause, S. 31–41 ging Ende des 19. Jahrhunderts von einem antithetischen Verhältnis zwischen Ancien droit und Code civil bei Veräußerungsverboten aus.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
unter zwei Bedingungen wirksam seien: Zum einen müsse das Verbot zeitlich begrenzt (temporaire) sein; zum anderen müsse ihm ein ernsthaftes und legitimes Interesse (intérêt sérieux et légitime)128 zugrunde liegen. Einige Autoren verteidigten das Prinzip der unbeschränkbaren Verfügungsfreiheit ausdrücklich auch im Kontext unentgeltlicher Zuwendungen und kritisierten daher diese Rechtsprechung129: Laurent argumentierte von seinem prinzipiellen Verständnis der Verfügungsfreiheit aus folgerichtig, dass die Cour de cassation nicht eigene Billigkeitserwägungen (Schutz berechtigter Interessen des Schenkers oder Erblassers) an die Stelle der klaren Wertungen des Gesetzgebers setzen dürfe130. Auch Huc wollte an den Prinzipien des Eigentumsrechts festhalten, die aus seiner Sicht von der zeitlichen Begrenzung eines Veräußerungsverbots unabhängig seien; er hielt die von der Rechtsprechung eingeführte Abgrenzung für „willkürlich und schwer zu rechtfertigen“131. Trotz dieser „reproche d’illégalité“132 setzte sich die Anerkennung von Veräußerungsverboten bei unentgeltlichen Zuwendungen mit den genannten Bedingungen in Rechtsprechung133 und Literatur134 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts durch. Der französische Gesetzgeber hat das von der Cour de cassation 1858 begründete Richterrecht im Jahr 1955 implizit anerkannt135 und schließlich 1971 128 Cass.
civ. 20.04.1858, D. Jur. Gén. 1858, I, S. 154, 155. Schon zuvor hatte Troplong ähnliche Kriterien genannt: Troplong, Donations et testaments, Nr. 271. 129 Goergen, Pactum, S. 154; Chéron, Jurisprudence, S. 339 mit Verweis auf Laurent, Principes, Bd. 6, Nr. 103 und ausführlich Bd. 11, Nr. 460–470 sowie Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 37 ff. Im 20. Jahrhundert ebenso noch Planiol / Ripert, Droit civil, Bd. 1, Nr. 2347. 130 Laurent, Principes, Bd. 11, Nr. 462. 131 Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 38, 40. 132 So Goergen, Pactum, S. 154 mit Verweis auf Chéron, Jurisprudence, S. 340, der die Debatte vor allem als Diskussion darüber auffasste, wie weit Rechtsprechung und Lehre das Recht praeter legem fortbilden dürften (a. a. O., S. 340 f.). In die gleiche Richtung bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Bretonneau, Étude, S. 145–150, der freilich selbst von der Wirksamkeit des Veräußerungsverbots ausging (s. unten Fn. 134). 133 Z. B. Cass. req. 12.07.1865, D. Jur. Gén. 1865, I, S. 475; für weitere Urteile, insbesondere zu den Kriterien für die Wirksamkeit im Einzelnen ausführlich Chéron, Jurisprudence, S. 351–360 sowie Berra, Principe, S. 200 ff.; abweichende Urteile nennt Goergen, Pactum, S. 155, Fn. 341. 134 Demolombe, Donations, Nr. 294; Bartin, Conditions, S. 164–195; Saignat, Clause, S. 96–114; Bretonneau, Étude, S. 67–225; zu den Theorien der beiden letztgenannten Autoren, die vertragliche Veräußerungsverbote teils noch weitgehender als die Rechtsprechung für wirksam hielten, ausführlich Chéron, Jurisprudence, S. 339 f., 346–351, der selbst ebenfalls von der grundsätzlichen Wirksamkeit vertraglicher Veräußerungsverbote ausging (a. a. O., S. 341, 365). Im Jahre 1923 dann ebenso Demogue, Obligations, Bd. 2, Nr. 827; für die Gegenansicht dagegen noch 1932 Planiol / Ripert, Droit civil, Bd. 1, Nr. 2347. Aus der neueren und neuesten Literatur Berra, Principe, S. 187–198; Corvest, Inaliénabilité, S. 1381 f.; Carbonnier, Droit civil, Rn. 746 f.; Raynaud, Indisponibilité, S. 15–169 sowie Terré / Simler, Les biens, Rn. 129 ff. (zum Teil nicht mehr begrenzt auf entgeltliche Geschäfte; dazu sogleich im Text). 135 Das Dekret zur Grundbuchpublizität vom 4. Januar 1955 (Décret n°55–22 du 4 janvier 1955 portant réforme de la publicité foncière) bestimmte in Art. 28, Nr. 2, dass Veräußerungsverbote der Publizität unterliegen.
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mit Einführung des Art. 900‑1 CC136 explizit kodifiziert. Die Lösung der Rechtsprechung galt mittlerweile als gerechter Ausgleich zwischen Vertrags- und Testierfreiheit einerseits und dem Prinzip der freien Verfügbarkeit über Vermögensgegenstände andererseits137. Vertragliche Veräußerungsverbote sind demnach bei unentgeltlichen Zuwendungen wirksam, soweit sie zeitlich begrenzt sind und einem schutzwürdigen Interesse (des Zuwendenden, des Empfängers oder eines Dritten138) dienen; die Konkretisierung dieser eher vagen Kriterien oblag freilich weiterhin der Rechtsprechung139. Darüber hinaus sah die gesetzliche Neuregelung – insoweit innovativ – die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung des Verbots vor140. Daraus ergibt sich, dass Rechtsprechung und Gesetzgeber vertragliche Veräußerungsverbote nicht als Ausdruck der Privatautonomie prinzipiell, sondern nur innerhalb einer gerichtlich überprüfbaren Billigkeitsklausel (intérêt sérieux et légitime) anerkannten.
b) Ausweitung auf entgeltliche Geschäfte Im 20. Jahrhundert diskutierten französische Gerichte und Autoren, ob diese Grundsätze auch auf vertragliche Veräußerungsverbote im Rahmen entgeltlicher Geschäfte Anwendung finden können. Solche Fälle sind freilich seltener, da beispielsweise ein Käufer – im Unterschied zu einem unentgeltlich Bedachten – ein Veräußerungsverbot hinsichtlich der Kaufsache nicht oder nur gegen einen Preisnachlass akzeptieren wird141. Bereits vor Einführung des Art. 900-1 CC im Jahr 1971 tendierten Gerichte in den wenigen zu entscheidenden Fällen dazu, die bekannten Grundsätze zu übertragen142; und auch in der Literatur gab es Befürworter dieser Herangehensweise143. 136 Art. 900-1 CC: Les clauses d’inaliénabilité affectant un bien donné ou légué ne sont valables que si elles sont temporaires et justifiées par un intérêt sérieux et légitime […]. 137 Terré / Simler, Les biens, Rn. 130; näher zu dem Gesetz Simler, Clauses. 138 So die Einteilung der Literatur; vgl. nur Josserand, Mobiles, S. 281–283 sowie Terré / Simler, Les biens, Rn. 131. 139 Zur Entwicklung der beiden Kriterien (zeitliche Begrenzung und legitimer Zweck) detailliert Berra, Principe, S. 200 ff., 221 ff.; aus moderner Sicht Raynaud, Indisponibilité, S. 89 ff.; Terré / Simler, Les biens, Rn. 131. 140 Dazu Simler, Clauses, S. 416-3. 141 S. auch Raynaud, Indisponibilité, S. 126 m. w. N. 142 Raynaud, Indisponibilité, S. 127 f.; Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 75, Fn. 65, je mit Verweis auf einige untergerichtliche Urteile. Die Cour de cassation ließ 1953 ebenfalls anklingen, dass sie temporäre Veräußerungsverbote bei entgeltlichen Verträgen anerkennen werde; da das Verbot im konkreten Fall aber zeitlich unbegrenzt und damit nach allen Ansichten unwirksam war, bedurfte die Frage keiner Entscheidung (Cass. civ. 16.02.1953, D. 1953, I, S. 282 f.; dazu Carbonnier, Anm. zu Cass. civ. 16.02.1953). 143 So bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts insbesondere Demogue, Obligations, Bd. 2, Nr. 827; bereits vorher offenbar dafür Bartin, Conditions, S. 164 f. Unentschieden dagegen noch im Jahr 1969 Berra, Principe, S. 227–229 mit Verweis auf vereinzelte Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
Seit 1971 lässt sich das Problem als Frage nach der Analogiefähigkeit des Art. 900-1 CC formulieren. In ersten Reaktionen auf die gesetzliche Neuregelung bedauerten einige Autoren, dass der Gesetzgeber nur unentgeltliche Verträge in den Blick genommen habe und wollten Veräußerungsverbote im Rahmen von entgeltlichen Verträgen unter den nun kodifizierten Voraussetzungen ebenso anerkennen144. In der Folgezeit diskutierte die Literatur die Frage allerdings kontrovers. Etliche Autoren argumentierten, dass die Vorschrift als Ausnahme von den allgemeinen vermögensrechtlichen Prinzipien des Code civil keiner Analogie zugänglich sei145. In der Sache hatten sie Bedenken, die bei unentgeltlichen Verträgen akzeptable Beschränkung des freien Güterverkehrs auch bei Kaufverträgen zuzulassen, weil der Verkäufer nicht eine mit einem Veräußerungsverbot belegte Sache geben, dafür aber einen frei verfügbaren Kaufpreis erhalten könne146. Solche Argumente überzeugen freilich kaum, denn sie betreffen ein Problem der Austauschgerechtigkeit, das die Parteien privatautonom lösen können – zum Beispiel durch Preisnachlässe beim Kauf unveräußerlicher Sachen. Andere Autoren wollten die kodifizierten Voraussetzungen daher auch grundsätzlich auf entgeltliche Verträge übertragen147. Erst 2007 entschied die Cour de cassation die Streitfrage bei ihrer ersten Befassung seit 1971 ohne nähere Begründung dahingehend, dass Veräußerungsverbote auch im Rahmen entgeltlicher Verträge unter den in Art. 900-1 CC genannten Voraussetzungen wirksam seien148. Damit steht heute fest, dass Veräußerungsverbote sowohl im Rahmen entgeltlicher als auch im Rahmen unentgeltlicher Verträge wirksam vereinbart werden können, soweit sie zeitlich begrenzt und mit berechtigten Interessen der Vertragsparteien oder eines Dritten begründet sind149. 144 Simler, Clauses, S. 416-4 sowie Corvest, Inaliénabilité, S. 1382, Fn. 18 unter Verweis auf weitere Autoren. 145 Laithier, Anm. zu Cass. civ. 31.10.2007, S. 129 mit Verweis unter anderem auf Bénabent, Contrats spéciaux7, Rn. 54 und Huet, Contrats spéciaux2, Nr. 11147; ebenso Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 75, Fn. 64. 146 Laithier, Anm. zu Cass. civ. 31.10.2007, S. 129; im Ansatz ähnlich Bénabent, Contrats spéciaux7, Rn. 54. 147 So Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 75, Fn. 64 mit Verweis auf Bourdeaux, Affacturage, Nr. 66 (der Verweis ist allerdings undeutlich, da sich im Werk Bourdeaux’ weder in der Version von 1998 noch in der Version von 2007 eine solche Aussage explizit findet); im Jahr 2000 dann Marty, Indisponibilité, Teil 1, S. 7 f. Differenziert bejahend auch Raynaud, Indisponibilité, S. 127–129. 148 Cass. civ. 31.10.2007, Bull. civ. 2007, I, Nr. 337 (dazu Laithier, Anm. zu Cass. civ. 31.10.2007); dem in den neueren Auflagen nunmehr folgend Bénabent, Contrats spéciaux10, Rn. 104, 267 sowie Terré / Simler, Les biens, Rn. 139. 149 Nicht bewahrheitet hat sich daher die Einschätzung von Goergen, Pactum, S. 157 f., die die Grundsätze zu Veräußerungsverboten bei unentgeltlichen Geschäften im Jahr 2000 noch für nicht verallgemeinerungsfähig hielt. Zur Möglichkeit, Veräußerungsverbote gänzlich außerhalb von Veräußerungsgeschäften zu vereinbaren, zum Beispiel zur Verstärkung bestehender Realsicherheiten, eingehend Raynaud, Indisponibilité, S. 130–141.
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c) Rechtsfolgen des Verstoßes gegen ein wirksames Veräußerungsverbot Mit der rechtlichen Anerkennung zeitlich begrenzter Veräußerungsverbote stellte sich die Frage nach den Folgen einer verbotswidrigen Veräußerung. Da der 1971 eingeführte Art. 900‑1 CC zu dieser Frage schweigt150, war es weiterhin Aufgabe von Rechtsprechung und Literatur, Antworten innerhalb der allgemeinen Prinzipien des Code civil zu suchen. Eine nur obligatorische Wirksamkeit des Veräußerungsverbots (mit der Folge, dass der Verwender des Verbots nur Schadensersatz vom vertragsbrüchigen Verbotsschuldner verlangen kann151) war zwar offenbar denkbar, wurde jedoch nur vereinzelt vertreten152. Zum Teil argumentierten französische Autoren, dass der Vertragsbruch des mit dem Verbot Belegten dazu führe, dass der Verwender das ursprüngliche Geschäft (Schenkung bzw. entgeltlicher Vertrag) rückabwickeln könne; dies sollte auch den automatischen Wegfall der nachfolgenden Weiterveräußerung und damit die direkte Vindikation des Verwenders beim Dritterwerber zur Folge haben153. Diese Lösung galt für sich genommen jedoch von Anfang an als wenig interessengerecht, bezweckte der Verwender mit dem Verbot doch in erster Linie den dauerhaften Verbleib der Sache beim Verbotsschuldner154. Als hauptsächliche Folge der verbotswidrigen Verfügung stand damit für Rechtsprechung und Literatur bald die Unwirksamkeit (nullité) der verbotswidrigen Veräußerung selbst fest155. Diese hat zur Folge, dass der verbotswidrig Veräußernde – wie mit dem Veräußerungsverbot intendiert – weiter Eigentümer bleibt.
aa) Dogmatische Erklärung der nullité Wie die Unwirksamkeit der verbotswidrigen Veräußerung dogmatisch zu konstruieren sei, war allerdings im Einzelnen unklar und umstritten. Seit dem Urteil 150 151
So auch Corvest, Inaliénabilité, S. 1382 f. Dass dies auch die Folge einer verbotswidrigen Verfügung sei, stand zu jeder Zeit fest; vgl. z. B. Saignat, Clause, S. 125 f. sowie aus moderner Sicht Terré / Simler, Les biens, Rn. 134. 152 Wahl, Anm. zu Cass. civ. 30.10.1911, S. 385 f., III; für den gegenteiligen Standpunkt der herrschenden Meinung forderte er wenigstens Gutglaubensschutz für Dritterwerber (a. a. O., IV). Ähnlich auch im 21. Jahrhundert Raynaud, Indisponibilité, S. 201–215, 270–301, der ebenfalls nur von obligatorischen Wirkungen des Verbots ausgeht, aber über eine deliktische Haftung Dritter für die Vereitelung des Veräußerungsverbots unter Umständen dennoch zur Unwirksamkeit der verbotswidrigen Veräußerung gelangt (näher unten S. 215 f.). 153 Demolombe, Donations, Nr. 305; Saignat, Clause, S. 126 f. unter Berufung auf Art. 953 f. CC; Bretonneau, Étude, S. 268–271; Bartin, Conditions, S. 184–191; Corvest, Inaliénabilité, S. 1405. 154 Bretonneau, Étude, S. 268 f.; Corvest, Inaliénabilité, S. 1405; Terré / Simler, Les biens, Rn. 134. Nur Bartin (Conditions, S. 184–191) sah die Rückabwicklung des Ursprungsgeschäfts als einzige Rechtsfolge der verbotswidrigen Veräußerung an. 155 Statt aller Terré / Simler, Les biens, Rn. 134 m. N. aus der Rechtsprechung. Ausführlich schon am Ende des 19. bzw. am Anfang des 20. Jahrhunderts Saignat, Clause, S. 113–139, besonders S. 125 ff., sowie Bretonneau, Étude, S. 270 ff.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
der Cour de cassation von 1858 diskutierten französische Autoren verschiedene Erklärungsansätze156. Die Überlegung, aus dem Veräußerungsverbot folge eine partielle Geschäftsunfähigkeit (incapacité personnelle) der mit dem Verbot belegten Person157 lehnte und lehnt die Rechtswissenschaft praktisch einhellig mit dem Argument ab, dass nach Art. 1123 CC1804 (jetzt Art. 1145 al. 1 CC2016) nur das Gesetz, nicht aber eine Individualvereinbarung die incapacité einer Person anordnen könne158. Nach einem anderen Ansatz soll das Veräußerungsverbot lediglich als obligation de ne pas faire auf der Person des Verbotsschuldners lasten, ohne die Sache selbst zu betreffen159; doch lässt sich daraus nach Ansicht der meisten Autoren zwar die Widerrufbarkeit des ursprünglichen Geschäfts, schwerlich aber die beabsichtigte Unwirksamkeit der verbotswidrigen Veräußerung im Außenverhältnis konstruieren160. Auch kritisierten französische Autoren, dass ein im Interesse des Verbotsschuldners vereinbartes Veräußerungsverbot dann als obligation gegen sich selbst aufgefasst werden müsste161. Durchgesetzt hat sich daher – bereits vor der Kodifikation des Veräußerungsverbots 1955 / 1971 – eine andere, freilich meist nicht näher begründete Erklärung: Das Veräußerungsverbot habe eine auf der betroffenen Sache mit Wirkung erga omnes lastende dingliche Unveräußerlichkeit (indisponibilité réelle) zur Folge. Dies führe einerseits zur Unpfändbarkeit der Sache sowie andererseits zur nullité von Veräußerungsgeschäften über die Sache162.
156 Goergen, Pactum, S. 155 f. 157 Dafür offenbar Wagner, Clause,
S. 355 mit Verweis auf ein Urteil der Cour d’appel von Paris. 158 Vgl. nur Saignat, Clause, S. 51 f.; Corvest, Inaliénabilité, S. 1408 sowie Terré / Simler, Les biens, Rn. 135. Anders nur Chéron, Jurisprudence, S. 345 f. 159 So insbesondere Bartin, Conditions, S. 164–168, 179–183; dem folgend Saignat, Clause, S. 52. 160 So aber insbesondere Saignat, Clause, S. 128 ff. Er begründete die Unwirksamkeit der Weiterveräußerung mit Art. 1143 CC1804 (jetzt ähnlich Art. 1222 CC2016), der die Folgenbeseitigung der Nichtbeachtung einer obligation de ne pas faire erlaubt. Herrschend wurde und wird die Vorschrift dagegen so interpretiert, dass nur Beseitigung von Realakten in natura, nicht aber eine auch Dritte betreffende Rücknahme von Rechtsgeschäften geschuldet sein kann (Bretonneau, Étude, S. 272 f.; Chéron, Jurisprudence, S. 346; Raynaud, Indisponibilité, S. 261 f.; Terré / Simler, Les biens, Rn. 135). Anders dagegen der moderne Ansatz Raynauds (dazu unten S. 215 f.). 161 Chéron, Jurisprudence, S. 346 f.; Corvest, Inaliénabilité, S. 1409 (mit teils wortgleicher Übernahme des Textes von Chéron). In der Sache scheint dieses formalistische Argument nicht zwingend, weil man auch ein im Interesse des Verbotsschuldners vereinbartes Veräußerungsverbot weiter als Verpflichtung gegen den Verwender auffassen kann. 162 Aus der Rechtsprechung, die allerdings sonst oft auf eine dogmatische Erklärung der nullité verzichtete, ausführlich Cour d’appel de Rouen 05.04.1905, S. 1906, II, S. 225, 227– 229; aus der Literatur z. B. Bretonneau, Étude, S. 245–249, 274–291; Chéron, Jurisprudence, S. 355 ff.; Corvest, Inaliénabilité, S. 1410 f. sowie Terré / Simler, Les biens, Rn. 135.
§ 7 Vertragliche Abtretungsverbote im französischen Recht
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bb) Berufung auf die Unwirksamkeit: nullité relative der verbotswidrigen Verfügung Das französische Recht unterscheidet zwei Arten der nullité von Rechtsakten: In Abgrenzung zur nullité absolue, die mit der (absoluten) Nichtigkeit des deutschen Rechts vergleichbar ist, meint nullité relative ein (gerichtliches163) Lösungsrecht, das nur bestimmten Personen zusteht164. Konstruktiv steht die nullité relative damit der relativen Unwirksamkeit des deutschen Rechts (vgl. §§ 135 Abs. 1 S. 1, 883 Abs. 2 BGB) nahe165. Zu welcher Art der nullité Wirksamkeitshindernisse führen, bestimmt sich nach deren Zweck. Die nullité absolue findet Anwendung bei Verstößen gegen Normen, die Interessen der Allgemeinheit schützen. Wirksamkeitshindernisse, die den Schutz individueller Interessen bezwecken, führen dagegen zu einer nullité relative. Auf eine nullité relative können sich dann nur die durch den Nichtigkeitsgrund geschützten Personen berufen, während die nullité absolue von jedermann mit einem berechtigten Interesse geltend gemacht werden kann166. Veräußerungsverbote sind, wie gesehen, nur zum Schutz individueller Interessen des Verwenders, des Verbotsschuldners oder eines Dritten zulässig; folgerichtig führt ein Verstoß nach allgemeiner Ansicht zu einer nullité relative zugunsten der konkret durch das Verbot geschützten Partei167. Die Geltendmachung der nullité hat im Grundsatz zur Folge, dass der Dritterwerber die Sache wieder an den Verbotsschuldner herausgeben muss.
163 Hauptsächlicher Unterschied zwischen der nullité (absolue oder relative) und der (relativen oder absoluten) Nichtigkeit nach deutschem Recht ist, dass grundsätzlich nur ein Gericht die nullité aussprechen kann, dazu Rodríguez-Rosado, Abstraktionsprinzip, S. 136 m. w. N. Auf die Kritik der Literatur gilt seit der Schuldrechtsreform 2016, dass ein außergerichtlicher Konsens der Parteien über die nullité die gerichtliche Geltendmachung ersetzt, Art. 1178 al. 1 CC2016. 164 Zu den Arten und Wirkungen der nullité im französischen Recht Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 84–89 (mit auch rechtshistorischer Analyse) sowie Malaurie / Aynès / StoffelMunck, Obligations, Rn. 696–728, je m. w. N. Die traditionelle Unterscheidung zwischen nullité absolue und nullité relative ist seit der Schuldrechtsreform 2016 in den Art. 1179–1185 CC2016 kodifiziert. 165 Instruktiv aus vergleichender Perspektive zu den Nichtigkeitsgraden des deutschen, französischen und spanischen Rechts Rodríguez-Rosado, Abstraktionsprinzip, S. 134 ff. 166 Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 87 f.; Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 701 f. 167 Josserand, Mobiles, S. 285 f.; Simler, Clauses, S. 416-6; Planiol / Ripert, Droit civil, Bd. 1, Nr. 2346; Corvest, Inaliénabilité, S. 1405 f. sowie Terré / Simler, Les biens, S. 135 f. Der Sache nach ebenso schon (aus dem Diskurs zu Beginn des 20. Jahrhunderts) Saignat, Clause, S. 127 ff.; Chéron, Jurisprudence, S. 361–365 (leicht abweichend) sowie Wagner, Clause, S. 354 f.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
cc) Gutglaubensschutz Dabei drängt sich jedoch die Frage auf, ob dies auch für gutgläubige Dritterwerber, das heißt solche, die nichts von dem Veräußerungsverbot wussten, gelten soll. Zum Teil haben französische Autoren einen Gutglaubensschutz bei wirksamen Veräußerungsverboten explizit abgelehnt und den Dritterwerber auf Schadensersatzansprüche verwiesen168; oft kam das Problem auch überhaupt nicht zur Sprache169. Im 20. Jahrhundert wurde die Frage dagegen vermehrt aufgeworfen; dabei trennten alle Autoren zwischen dem gutgläubigen Erwerb von Grundstücken und dem von beweglichen Sachen. Unproblematisch liegen jedenfalls seit 1955 die Fälle, die Grundstücke betreffen: Veräußerungsverbote unterliegen seitdem der Grundbuchpublizität170, so dass Grundstückserwerber sich nicht auf ihre Unkenntnis vom Veräußerungsverbot berufen können. Vor 1955 war dagegen unklar und kaum diskutiert, ob das Veräußerungsverbot auch gegen gutgläubige Grundstückserwerber wirkt171. Klarer war die Rechtslage dagegen von Anfang an bei der verbotswidrigen Veräußerung beweglicher Sachen. Überwiegend nahm und nimmt die Literatur an, dass gutgläubige, besitzende Dritterwerber nach Art. 2279 CC1804 (seit 2008: Art. 2276 CC) geschützt seien172. Die Vorschrift ordnet an, dass gutgläubiger (Eigen-)Besitz bei beweglichen Sachen einen Eigentumstitel begründet und schließt damit die Vindikation gegen den gutgläubigen Eigenbesitzer grundsätzlich aus173. Damit sind die praktischen Auswirkungen der Anerken168 169
Wagner, Clause, S. 354 f. Saignat, Clause, S. 132 f. und passim sowie Bartin, Conditions, S. 184–191 zogen offenbar keinen Gutglaubensschutz in Betracht; ebenso noch im 21. Jahrhundert Carbonnier, Droit civil, Rn. 747. 170 Art. 28, Nr. 2 des Décret n°55–22 du 4 janvier 1955 portant réforme de la publicité foncière, s. auch Corvest, Inaliénabilité, S. 1382, 1407 sowie Terré / Simler, Les biens, Rn. 136. 171 Bretonneau, Étude, S. 283–287 plädierte schon am Anfang des 20. Jahrhunderts für Publizität als Voraussetzung der Drittwirkung des Veräußerungsverbots. Einige Autoren behaupten dagegen, dass die Rechtsprechung vor 1955 den guten Glauben eines Grundstückserwerbers auch ohne Publizitätsregelungen außer Betracht ließ: Corvest, Inaliénabilité, S. 1407 sowie Terré / Simler, Les biens, Rn. 136, jeweils mit (allerdings sehr unpräzisem) Verweis auf Wagner, Clause, S. 355 sowie ein von diesem allegiertes Urteil der Cour d’appel von Paris (25.06.1902, Rec. Gaz. T. 1902, 2e semestre, II, S. 251–253). Das Urteil sowie zwei weitere von Wagner angegebene Urteile der Cour d’appel von Paris aus den Jahren 1901–1903 entschieden das Problem jedoch – wie Wagner offen konzedierte – gar nicht: Das Gericht konnte die Frage jeweils dahinstehen lassen, weil es im konkreten Fall von der Bösgläubigkeit des Dritterwerbers ausging (vgl. a. a. O., S. 252). 172 Wahl, Anm. zu Cass. civ. 30.10.1911, S. 386, IV; Chéron, Jurisprudence, S. 360; Corvest, Inaliénabilité, S. 1407; Marty, Indisponibilité, Teil 2, S. 11 sowie Terré / Simler, Les biens, Rn. 136. 173 Näher zum gutgläubigen Erwerb im französischen Recht z. B. Terré / Simler, Les biens, Rn. 425 ff. m. w. N. Eine Ausnahme existiert vor allem für abhanden gekommene Sachen, Art. 2276 al. 2 CC.
§ 7 Vertragliche Abtretungsverbote im französischen Recht
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nung einer dinglichen Wirkung vertraglicher Veräußerungsverbote erheblich abgemildert174.
dd) Der Ansatz Martys und Raynauds: Konstruktion der nullité aus der deliktischen Haftung für die Teilnahme am fremden Vertragsbruch Eine gegenüber der herrschenden Konstruktion eigenständige Begründung für die Unwirksamkeit verbotswidriger Veräußerungen stellten am Anfang des 21. Jahrhunderts Richard Marty (2000) sowie ausführlicher Benoît Raynaud (2003) zur Debatte. Sie argumentieren, dass der Dritterwerber, soweit er Kenntnis von der obligation de ne pas faire des Verbotsschuldners hat, wegen Vereitelung dieser obligation dem Verbotsverwender deliktsrechtlich auf Schadensersatz hafte. Daraus könne im Wege der Naturalrestitution auch die nullité der verbotswidrigen Weiterveräußerung folgen175. Dem Ansatz liegt die in Frankreich allgemein akzeptierte Annahme zugrunde, dass das Prinzip der Relativität der Schuldverhältnisse (effet rélatif, Art. 1165 CC1804; Art. 1199 CC2016) nicht ausschließt, dass Dritte das Vertragsverhältnis – soweit es ihnen bekannt ist – zu respektieren haben (sog. opposabilité des Vertrages; seit 2016 kodifiziert176 in Art. 1200 CC2016). Die bewusste Teilnahme am fremden Vertragsbruch ordnen Rechtsprechung und Literatur deshalb seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts als deliktisches Fehlverhalten (faute) ein, das mit einer Schadensersatzhaftung sanktioniert ist177. Eine – von der bloßen Kenntnis mangels klarer Kriterien kaum abgrenzbare178 – Arglist 174 175
So auch Corvest, Inaliénabilité, S. 1407. Marty, Indisponibilité, Teil 2, S. 12 f.; Raynaud, Indisponibilité, S. 271, 276–283. Bereits zuvor argumentierte auf diese Weise zum Spezialfall des Abtretungsverbots Cabrillac, Anm. zu Cass. com. 21.11.2000, S. 203 (dazu näher unten S. 223, Fn. 216). 176 Das Prinzip der opposabilité war in Rechtsprechung und Literatur weitgehend anerkannt, nur über die Reichweite herrschte, auch in den Vorentwürfen zur Schuldrechtsreform, zum Teil Unklarheit: Aubert / Leclercq, Effet (zum Projet Catala); Remy-Corlay, Effets, S. 291–295 (zum Projet Terré); Dissaux / Jamin, Projet de réforme, S. 101–103. Für eine differenzierte Kritik am Begriff sowie dessen Reichweite Wintgen, Étude, S. 83–153; diese Kritik führte dazu, dass die Gruppe um Terré (nicht aber die um Catala) und schließlich auch das Reformgesetz den Begriff vermieden (Remy-Corlay, Effets, S. 291, Fn. 3). 177 Besonders klar Cass. com. 11.10.1971, D. 1972, I, jur., S. 120 f. und Raynaud, Indisponibilité, S. 267–269, 272–278; aus der modernen Literatur ebenso Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 494, 871 und Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 793, je m. w. N. aus der umfangreichen Rspr. und Literatur. Für eine kritische Analyse sowie einen Vergleich mit dem deutschen Recht Wintgen, Étude, S. 159–259. Wintgen weist zu Recht darauf hin, dass die Rechtsprechung das Prinzip oft nicht konsequent angewandt hat (a. a. O., S. 171 ff.), zum Beispiel bei der bis 2016 unklaren Frage der Ersetzbarkeit der signification durch Kenntnis Dritter von der Zession (a. a. O., S. 171, Fn. 54; näher dazu oben S. 138 ff.; insbes. S. 139, Fn. 268 sowie S. 142, Fn. 285). Aus deutscher Sicht vergleichend Kraßer, Schutz vertraglicher Rechte, S. 47–69. 178 Raynaud, Indisponibilité, S. 276; zum parallelen Befund bei der Frage nach der Ersetzbarkeit der Abtretungsanzeige durch Kenntnis im alten französischen Recht s. oben S. 135 ff.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
(fraude) des Dritten bzw. ein kollusives Zusammenwirken des Dritten mit dem Verbotsschuldner (concert frauduleux) setzt die Unwirksamkeit der Weiterveräußerung als Folge der Naturalrestitution dabei nicht voraus179. Diese dogmatisch durch die Weite der deliktischen Generalklausel (Art. 1382 CC) ermöglichte Konstruktion steht im deutlichen Kontrast zum deutschen Recht, das das relative Recht aus der Forderung, also den Forderungsinhalt, grundsätzlich nicht absolut schützt180. Die Teilnahme am fremden Vertragsbruch ist unter dem BGB vielmehr bis zur – restriktiv gezogenen – Grenze des vorsätzlich-sittenwidrigen Verleitens zum Vertragsbruch (§ 826 BGB) sanktionslos181. Der Unterschied zwischen deutschem und französischem Recht verliert zwar an Schärfe, wenn man berücksichtigt, dass eine Beteiligung am Vertragsbruch im französischen Recht nur in wenigen Fällen denkbar ist. Schließlich führt das Konsensprinzip dazu, dass die im deutschen Recht meist in Rede stehenden unerfüllten Forderungen auf Eigentumsübertragung grundsätzlich nicht existieren182. Die von der französischen Rechtsprechung entschiedenen Fälle betreffen daher auch Sonderkonstellationen wie Kaufversprechen (promesse unilatérale de vente) oder Vorverträge183. Dennoch bleibt in solchen Fällen ein gravierender dogmatischer Unterschied. Martin und Raynaud haben – soweit ersichtlich erstmals – die anerkannten Grundsätze zur Haftung für die Teilnahme am fremden Vertragsbruch ausdrücklich auf die hier in Frage stehenden verbotswidrigen Veräußerungen angewendet184. Auch wenn diese Lösung offenbar bislang keinen größeren Widerhall in der französischen Literatur gefunden hat, scheint sie innerhalb der französischen Lehre zur Teilnahme am Vertragsbruch Dritter folgerichtig und erklärt die nullité der verbotswidrigen Veräußerung ohne den zweifelhaften185 Rekurs auf eine dingliche Wirkung des Veräußerungsverbots.
179 Raynaud, Indisponibilité, S. 273 ff., besonders S. 276–278 mit Verweis auf das in dieser Frage innovative Urteil Cass. civ. 10.04.1948, D. 1948, jur., S. 421. Auch moderne Autoren wie Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 494, 871 sowie Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 793 nennen neben der Kenntnis des Dritten keine weiteren Anforderungen. Abweichende Urteile finden sich dagegen bei Wintgen, Étude, S. 171 f. 180 S. auch oben S. 81, Fn. 441. Aus vergleichender Sicht Wintgen, Étude, S. 175 ff. 181 St. Rspr. seit RG 25.11.1911, RGZ 78, 14, 17 f.; aus der Literatur statt aller Wagner, in MüKo BGB, § 826 Rn. 71 ff. m. w. N. 182 Zum Konsensprinzip im Code civil ausführlich oben S. 111 ff. 183 Vgl. die Beispiele bei Raynaud, Indisponibilité, S. 277; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 495 sowie Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 793. 184 Bereits zuvor hatte allerdings Cabrillac bei der spezielleren Frage des Abtretungsverbots so argumentiert; dazu unten S. 223, Fn. 216. 185 So Raynaud, Indisponibilité, S. 15 f., der argumentiert, dass die private Vereinbarung, eine Sache vom Güterverkehr auszunehmen, unter dem Code civil wegen Art. 1598 CC1804 keine Wirkung haben könne. Vgl. auch sogleich im Text.
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d) Zwischenergebnis: von der libre disposition des biens zum Eigentum ohne Dispositionsrecht Die französische Rechtswissenschaft erkennt heute überwiegend eine dingliche Wirksamkeit vertraglicher Veräußerungsverbote an, soweit das Verbot zeitlich begrenzt ist und schutzwürdigen Interessen des Verwenders, des Verbotsschuldners oder eines Dritten dient. Damit besteht für die Parteien die Möglichkeit, durch privaten Vertrag eine res extra commercium (d. h. eine dem Güterverkehr entzogene Sache) zu schaffen186. Der punktuelle Schutz gutgläubiger, besitzender Dritter nach Art. 2279 CC1804 (seit 2008: Art. 2276 CC) bzw. nach den Regeln der Grundbuchpublizität mildert zwar die praktischen Auswirkungen der Verkehrsunfähigkeit ab, ändert aber in dogmatischer Hinsicht nichts an diesem Befund. Diese heute allgemein anerkannte Einordnung vertraglicher Veräußerungsverbote ist Folge einer Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur, die ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die bis dahin vorherrschenden prinzipiellen Bedenken gegen Veräußerungsverbote zurückdrängte. Zunächst gab die Rechtsprechung 1858 ihren zuvor teils kategorischen Widerstand gegen Veräußerungsverbote im Rahmen von unentgeltlichen Zuwendungen auf. Wirksamkeitsvoraussetzungen waren dabei von Anfang an die zeitliche Begrenzung des Verbots sowie seine – gerichtlich überprüfbare – Begründung mit schutzwürdigen Interessen des Verwenders, des Verbotsschuldners oder eines Dritten. Diese Voraussetzungen sowie die (relative) Unwirksamkeit (nullité) verbotswidriger Veräußerungen waren seit Beginn des 20. Jahrhunderts auch in der Literatur ganz überwiegend anerkannt. Erst nach langer Diskussion entschied die Cour de cassation 2007 schließlich, dass die hergebrachten Grundsätze auch auf vertragliche Veräußerungsverbote im Rahmen von entgeltlichen Geschäften anwendbar seien. Innerhalb dieser Entwicklung geriet die Vereinbarkeit der gefundenen Lösungen mit den vermögensrechtlichen Grundprinzipien des Code civil zunehmend aus dem Blick. Bei Lichte betrachtet bleiben Widersprüche, wenn man wie die meisten französischen Autoren bis heute dem gesetzlichen Eigentumsbegriff die Verfügungsfreiheit über das eigene Vermögen entnimmt, gleichzeitig aber auch prinzipiell die Unmöglichkeit von vertraglichen Eingriffen in die Eigentumsdefinition propagiert187. Vor allem aber leuchtet es nicht ein, unbefristete Veräußerungsverbote wegen Inkompatibilität mit dem Eigentumskon186 Anders nach seiner Konzeption (s. oben S. 215 f.) folgerichtig Raynaud, Indisponibilité, S. 76 ff., der den Unterschied zwischen einer dinglich dem Verkehr entzogenen und einer mit nur obligatorischer indisponibilité (Unveräußerlichkeit) belegten Sache als Begründung dafür heranzieht, dass eine vertraglich vereinbarte Unveräußerlichkeit nicht gegen das Prinzip des freien Vermögensverkehrs (libre circulation des biens) verstoße. 187 Z. B. Terré / Simler, Les biens, Rn. 81. Aus vergleichender Sicht ebenso Goergen, Pactum, S. 156, die die theoretische Untermauerung der nullité der verbotswidrigen Veräußerung
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
zept des Code civil als nichtig anzusehen, aus befristeten Veräußerungsverboten dagegen eine dinglich wirkende Unveräußerlichkeit (indisponibilité réelle) entstehen zu lassen: Damit anerkennt man, wie einige Autoren offen zugeben188, eben doch eine durch Vertrag geschaffene Sonderform des Eigentums, der das Dispositionsrecht zeitweise fehlt. Für die Unvereinbarkeit einer vertraglich begründeten dinglichen Unveräußerlichkeit mit der Eigentumsdefinition des Code civil ist es allerdings unerheblich, wie lange sie besteht. Mit anderen Worten sind die prinzipiellen Argumente, die gegen dinglich wirkende vertragliche Verfügungsbeschränkungen sprechen, von der zeitlichen Befristung des Verbots unabhängig189. Das aber macht die Differenzierung zwischen unbefristeten und befristeten Veräußerungsverboten ohne gesetzliche Grundlage willkürlich. Autoren, die diese Probleme erkannt haben, argumentierten, dass im Vergleich zu 1804 geänderte soziale und rechtliche Verhältnisse und Vorstellungen es der Rechtsprechung erlaubten, in gewissen Fällen ein vertraglich geformtes Eigentum ohne Dispositionsrecht neben dem Eigentum der Gesetzesväter zu etablieren190. Solche Argumentationen sind freilich methodisch fragwürdig, denn sie konzedieren eine klare gesetzgeberische Wertung mit ordre-publicCharakter bei Erlass der Kodifikation, die sie durch eigene Billigkeitserwägungen ersetzen. Zwar hat die gesetzgeberische Intervention von 1971 (Einführung des Art. 900-1 CC) die Differenzierung zwischen unbefristeten und befristeten Veräußerungsverboten – jedenfalls bei unentgeltlichen Zuwendungen – aus methodischer Sicht legitimiert. Doch blendet das Gesetz die Rechtsfolgen von Verstößen gegen Veräußerungsverbote aus. Daher lässt sich nicht sicher feststellen, ob der Gesetzgeber die in Rechtsprechung und Literatur angenommene nullité der verbotswidrigen Veräußerung und damit die Möglichkeit eines Eigentums ohne Dispositionsrecht legalisieren wollte. Letztlich steht die heutige dogmatische Behandlung temporärer Veräußerungsverbote also weiterhin in ungeklärtem Verhältnis zu den vermögensrechtlichen Grundentscheidungen des Code civil191. Eine gegenüber der herrschenden Konstruktion innovative Konzeption legten zu Beginn des 21. Jahrhunderts Marty (2000) und Raynaud (2003) vor. Sie lehnen eine dingliche Wirkung vertraglicher Veräußerungsverbote ab und interpretieren das Verbot lediglich als obligation de ne pas faire des Verbotsschuldners. Damit lassen sie den ursprünglichen, liberalen Eigentumsbegriff des Code für „dürftig“ hält. Anders allerdings z. B. Raynaud, Indisponibilité, S. 21–88, der das Dispositionsrecht für nicht notwendig mit dem Eigentum verknüpft hält. 188 Corvest, Inaliénabilité, S. 1380 f.; Terré / Simler, Les biens, Rn. 135: „forme exceptionnelle de propriété“. 189 Ähnlich auch Bartin, Conditions, S. 182 f. sowie Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 38. 190 Bartin, Conditions, S. 178 (Berufung auf die „équité“); Bretonneau, Étude, S. 177 ff.; Chéron, Jurisprudence, S. 339–341, 348, 365; Corvest, Inaliénabilité, S. 1381; ähnlich auch Raynaud, Indisponibilité, S. 22 ff. 191 So auch Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 74 f.
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civil und folglich auch die Immunität des Prinzips der Verkehrsfähigkeit aller Sachen gegen private Veräußerungsverbote unangetastet. Die im französischen Diskurs allgemein befürwortete nullité einer verbotswidrigen Veräußerung erreichen diese Autoren allerdings in gewissen Fällen ebenfalls, indem sie bei Bösgläubigkeit des Dritterwerbers eine deliktische Haftung auf Rückabwicklung der verbotswidrigen Weiterveräußerung in Betracht ziehen. Diese – vom Standpunkt der französischen Lehre zur Teilnahme am fremden Vertragsbruch folgerichtige – Konstruktion erscheint gegenüber der herrschenden Anerkennung dinglich wirkender Veräußerungsverbote systemgerechter.
2. Anwendung auf vertragliche Abtretungsverbote Dieser Überblick über die Dogmatik des Veräußerungsverbots im französischen Recht zeigt eine bis zuletzt lebendige Debatte in Rechtsprechung und Literatur. Daher verwundert es, dass über vertragliche Abtretungsverbote – wie eingangs konstatiert192 – in der französischen Rechtswissenschaft lange kaum diskutiert wurde. Dabei legten der sachenrechtliche Forderungsbegriff des Code civil sowie die vollständige Gleichbehandlung von körperlichen Sachen und Forderungen als frei veräußerliche Vermögensgegenstände und Kaufsachen193 prima vista eine weitgehende Übertragung der Dogmatik der Veräußerungsverbote auf die Dogmatik der Abtretungsverbote nahe.
a) Abtretungsverbote als Unterfall von Veräußerungsverboten Im 19. Jahrhundert haben Gerichte und Autoren diesen Schluss auch zum Teil gezogen. Das oben mehrfach angeführte Urteil der Cour de cassation von 1853, das vertraglichen Veräußerungsbeschränkungen vor dem Hintergrund der vermögensrechtlichen Prinzipien des Code civil (Art. 544, 1594, 1598 CC) jede Wirksamkeit absprach194, erging zu einem Abtretungsverbot. Das Gericht behandelte dieses selbstverständlich als einen Unterfall des Veräußerungsverbots; das Abtretungsverbot verletze das Prinzip der freien Verfügung über Vermögensgüter (libre disposition des biens)195. Auf derselben Linie argumentierte das Reichsgericht 1891 bei einem nach französischem Recht zu beurteilenden Fall196. Aus der Literatur folgten dem insbesondere Huc in seinen Ausführun192
S. oben S. 204, Fn. 111. S. oben S. 56 ff. S. oben S. 206 f., Fn. 118–123. 195 Cass. civ. 06.06.1853, D. Jur. Gén. 1853, I, S. 191 f. 196 Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 73 f. mit Verweis auf RG 10.03.1891, RGZ 27, 339, 341. Anders als die herrschende französische Lehre wollte das Reichsgericht aber die obligatorische Wirksamkeit des Zessionsverbots inter partes unberührt lassen und nur die Wirkung gegen Dritte versagen; es nahm damit den zum Zeitpunkt der Entscheidung in der deutschen Gesetzgebungsdebatte noch umstrittenen Standpunkt des späteren § 137 S. 2 BGB ein. 193 194
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
gen zum Abtretungsverbot am Ende des 19. Jahrhunderts197 sowie Crome in seiner deutschen Abhandlung zum französischen Obligationenrecht198. Auch sie sprachen Abtretungsverboten genauso wie Veräußerungsverboten unter Berufung auf die in Art. 544 CC geregelten Grundsätze die Wirksamkeit ab; Huc bemerkte dabei ausdrücklich die „vollständige Übereinstimmung“ der Fragen nach Veräußerungs- und Abtretungsverboten199. Damit hätte es aber auch für die ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts – wie beschrieben – dominierende Gegenansicht nahe gelegen, die Rechtsprechung zur Wirksamkeit temporärer Veräußerungsverbote200 auf Abtretungsverbote zu übertragen. Gegen eine völlige Identität der Probleme ließe sich zwar einwenden, dass Abtretungsverbote meist anderen Zwecken dienen als Veräußerungsverbote. Denn während bei Veräußerungsverboten der Verbleib des Vermögensgegenstandes beim Verbotsschuldner im Vordergrund steht, geht es bei Abtretungsverboten zumeist um das Interesse des Schuldners, nur an seinen Vertragspartner leisten zu müssen. Doch hätte die Rechtsprechung auch diesen Zweck vermutlich als intérêt sérieux et légitime im Sinne der oben beschriebenen Lehre anerkannt. Dass temporäre und schutzwürdigen Interessen dienende Abtretungsverbote nach dieser Rechtsprechung wirksam seien, hat jedoch – soweit ersichtlich – lange Zeit weder die Rechtsprechung noch die Literatur ausdrücklich gefolgert201. Abgesehen von der Monographie Hucs fehlen im 19. und 20. Jahrhun197 198
Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 234 ff. Crome, Obligationenrecht, S. 258 f. 199 Huc, Cession, Bd. 1, Nr. 30 und ebenso im Ergebnis Nr. 234–236. Zusätzlich zu dieser prinzipiellen Ablehnung argumentierte Huc außerdem, dass die Diskussion „übertrieben“ sei, da für Abtretungsverbote in der Praxis kaum ein Interesse bestehe. Denn Veräußerungsverbote führten zu dem (den Prinzipien des Code civil zuwider laufenden) Ergebnis, Vermögensgüter durch dauerhafte Herausnahme aus dem Vermögensverkehr bei Einzelnen zu akkumulieren. Bei Forderungen sei dies aber gar nicht möglich, da dieser Vermögenswert auch bei bestehendem Abtretungsverbot ohne Zustimmung des Gläubigers durch Erfüllung vernichtet werden könne (a. a. O., Bd. 1, Nr. 237). Diese Argumentation ist freilich in mehrfacher Hinsicht schief (anders Goergen, Pactum, S. 141 f., die nur von einem „für den deutschen Betrachter fremden Blickwinkel“ spricht): Zum einen führt die Erfüllung einer Forderung beim Gläubiger aus der für die Intention des Gesetzes maßgeblichen ökonomischen Sicht gerade nicht dazu, dass dieser einen Vermögenswert einbüßt. Und zum anderen verabredet man Abtretungsverbote – anders als Veräußerungsverbote – üblicherweise nicht zu dem Zweck, die Forderung als Vermögensgut beim Gläubiger zu vinkulieren, sondern viel eher zum Schutz des Interesses des Schuldners, nur an seinen Vertragspartner leisten zu müssen (dazu sogleich im Text). Damit bleibt ein erhebliches praktisches Interesse für die Vereinbarung von Abtretungsverboten. 200 S. oben S. 205 ff. 201 Eine Ausnahme bildet die 1932 erschienene vergleichende Darstellung aus deutscher Sicht von Arndt, Zessionsrecht, S. 14 f., demzufolge zeitlich beschränkte und im Interesse des Schuldners liegende Zessionsverbote in Frankreich wirksam gewesen seien. Die dafür von Arndt allegierte Stelle in einer Zusammenstellung französischer Rechtsprechung und Literatur aus dem 19. Jahrhundert (Weiss, Pandectes françaises, S. 427 f., Nr. 223) kann diese Ansicht allerdings nicht belegen. Offenbar hat Arndt die Grundsätze des Veräußerungsverbots auf Ab-
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dert vertiefte französische Abhandlungen zu vertraglichen Abtretungsverboten. Das mag einerseits daran liegen, dass Abtretungsverbote wegen des schwerfälligen Abtretungsrechts nach dem Code civil202 in der Praxis seltener waren als Veräußerungsverbote. Andererseits war der dogmatische Gleichlauf von Sachkauf und Abtretung203 und damit auch von Veräußerungsverboten und Abtretungsverboten möglicherweise für viele Autoren selbstverständlich204. Damit war die häufig in der deutschen vergleichenden Literatur des 20. Jahrhunderts vorgebrachte Ansicht, Abtretungsverbote seien nach französischem Recht offensichtlich unwirksam205, fragwürdig: Genauso gut erscheint es möglich, dass bei Befassung mit der Frage für die Gerichte und viele Autoren die Anwendung der liberaleren Rechtsprechung zu temporären Veräußerungsverboten selbstverständlich gewesen wäre. Angesichts der vom Gesetz vorgesehenen dogmatischen Gleichbehandlung von Sach- und Forderungsübertragung und der Anwendung der vermögensrechtlichen Grundentscheidungen (libre disposition des biens) auf Sachkauf und Abtretung gleichermaßen wäre eine solche Übertragung freilich nach dem oben Gesagten ebenfalls kritikwürdig gewesen: Ohne eine Sonderregel, die den klaren gesetzgeberischen Willen erkennen lässt, das Interesse des Schuldners an einer Vinkulierung der Forderung bei seinem Vertragspartner über diese Prinzipien zu stellen, wäre die dingliche Wirksamkeit von Abtretungsverboten unter dem Code civil denselben Bedenken ausgesetzt wie diejenige von Veräußerungsverboten206.
b) Diskussionen nach Einführung des Art. 900-1 CC? Die gesetzgeberische Anerkennung temporärer Veräußerungsverbote durch Einführung des Art. 900-1 CC im Jahr 1971207 hätte Anlass geboten, die Anwendbarkeit der nun gesetzlich geregelten Grundsätze für Veräußerungsverbote tretungsverbote angewandt, ohne dafür einen Nachweis in der französischen Diskussion zu finden. 202 Siehe zur bis 2016 vorgeschriebenen Abtretungsanzeige (Art. 1690 CC1804) oben S. 95 ff.; insbesondere S. 145 ff. 203 Dazu oben S. 56 ff. 204 So auch Goergen, Pactum, S. 139. Dagegen spricht allerdings, wie moderne Autoren nach 2000 mit dem Problem umgegangen sind, dazu unten S. 222 ff. 205 Im Jahr 1924 Schumann, Forderungsabtretung, S. 127 f.; aus der moderneren Literatur Goergen, Pactum, S. 138 ff. mit Verweis auf die jeweils nur oberflächlich argumentierenden Blaurock, Factoring-Zession, S. 331 (dessen Verweis auf Art. 1166 CC1804 unklar bleibt), Kaiser, Eigentumsvorbehalt, S. 31 sowie Hoop, Abtretungsverbot, S. 118. Ähnlich noch im Jahr 2015 Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 509, Fn. 39, der nur auf das Urteil der Cour de cassation von 1853 verweist und daraus die generelle „Skepsis“ des französischen Rechts zu Abtretungsverboten folgert. Dazu, dass dies spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts obsolet war, s. unten S. 222 ff. 206 Dazu oben S. 217 ff. 207 Dazu oben S. 209.
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auch auf Abtretungsverbote zu diskutieren. Soweit ersichtlich ist dies allerdings nicht geschehen. Licari zog im Jahr 2001 eine solche Analogie zwar rückblickend in Betracht208; eine ausführliche Debatte ist nach 1971 aber nicht erkennbar209. Zusammenfassend hat damit im 20. Jahrhundert insgesamt keine tiefergehende Diskussion über vertragliche Abtretungsverbote und ihr Verhältnis zu vertraglichen Veräußerungsverboten stattgefunden.
II. Das Dupont-Urteil und seine Folgen Erst eine Entscheidung der Cour de cassation im Jahr 2000 rückte die Frage nach der Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote in Frankreich in den Fokus von Literatur und Gesetzgebung; es handelte sich um die erste grundsätzliche, höchstrichterliche Entscheidung zum Abtretungsverbot seit dem genannten Urteil von 1853210.
1. Inhalt der Entscheidung: effet rélatif des contrats In dem zu entscheidenden Fall hatte die Gesellschaft Sepi eine ihr gegenüber der Gesellschaft Clemessy zustehende Forderung mittels einer cession Dailly 211 an die Bank Scalbert Dupont abgetreten, obwohl zwischen Sepi und Clemessy vertraglich ein Abtretungsverbot vereinbart war. Das Gericht entschied am 21.11.2000, dass dieses Verbot keine Wirkung gegenüber Dritten entfalte und der Zessionar, die Bank Scalbert Dupont, daher die abgetretene Forderung gegenüber dem Schuldner, dem Unternehmen Clemessy, geltend machen könne212. Zur Begründung argumentierten die Richter mit der Relativität von Schuldverhältnissen (effet rélatif des contrats, Art. 1165 CC1804; 1199 CC2016): Solange der Zessionar nicht Partei des Abtretungsverbots sei oder dieses nachträglich vertraglich akzeptiere, könne es ihm gegenüber keine Wirkung haben. Zwar ist ein Verdienst der Entscheidung, die obligatorische Wirksamkeit des Zessionsverbots inter partes klargestellt zu haben213. Vor dem Hintergrund der 208 Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 75, Fn. 64 mit Verweis auf Bourdeaux, Affacturage, Nr. 66, der die Frage allerdings weder in der Loseblatt-Version von 1998, noch in der von 2007 explizit anspricht. 209 Gestreift hat die Thematik 1968 (also bereits vor Erlass der gesetzlichen Regelung) allenfalls Larroumet, Opérations, S. 63–65; vgl. dazu unten S. 225, Fn. 224. 210 Oben S. 219. 211 Dazu oben S. 148 f. 212 Cass. com. 21.11.2000, Bull. civ. 2000, IV, Nr. 180. Das Urteil ist anschließend in verschiedenen Zeitschriften besprochen worden: Avena-Robardet, Anm. zu Cass. com. 21.11.2000; Billiau, Anm. zu Cass. com. 21.11.2000; Cabrillac, Anm. zu Cass. com. 21.11.2000; Crédot / Gérard, Opérations; aus vergleichender Sicht Rosch, Pactum. 213 So auch Rosch, Pactum, S. 608 f. Armgardt, Wirkung, S. 326, Fn. 49 entnimmt diese Aussage dem Urteil ebenfalls, wird aber von Selke, Optionales Zessionsrecht, S. 264, Rn. 920 missverstanden, der annimmt, dass Abtretungsverbote in Frankreich nicht nur obligatorisch inter partes wirkten, sondern auch zu einer relativen Unwirksamkeit verbotswidriger Zessio-
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dargestellten Dogmatik des Veräußerungsverbots einerseits und der dogmatischen Gleichbehandlung von Sache und Forderung im Code civil andererseits erscheint die Begründung für die fehlende Wirksamkeit gegenüber Dritten hingegen unbefriedigend. Es erschließt sich nicht, warum das Gericht die in der Diskussion um das Veräußerungsverbot herrschende Konstruktion, also eine indisponibilité réelle der mit einem Abtretungsverbot belegten Forderung, nicht einmal in Betracht zog. Auch greift der bloße Hinweis auf die Relativität der Schuldverhältnisse in Anbetracht der vom selben Gericht vertretenen Lehre zur opposabilité des Vertrages214 zu kurz. Und vor allem fehlt eine – das radikal zessionsfreundliche Ergebnis womöglich eher tragende – Auseinandersetzung mit den vermögensrechtlichen Grundprinzipien des Code civil (libre disposition des biens), die das Urteil von 1853 geprägt hatte.
2. Reaktionen der Literatur: neue Perspektiven auf das Abtretungsverbot Es verwundert daher nicht, dass die Entscheidung kontrovers besprochen wurde. Die Literatur lehnte die Argumentation der Cour de cassation einhellig ab und tendierte dazu, Abtretungsverboten Wirkung gegenüber Dritten zuzuerkennen. Einige Autoren wandten die oben beschriebenen Grundsätze zur opposabilité des Vertrages und zur Teilnahme Dritter am fremden Vertragsbruch215 nun konsequent auch auf Abtretungsverbote an. Insbesondere Michel Cabrillac argumentierte, dass der Zessionar deliktisch (auf Rückabwicklung der Zession) hafte, soweit er bei der Zession vom Abtretungsverbot Kenntnis habe216. Ebenso dachte auch Raynaud, der diese Lehre 2003 – wie beschrieben – auch allgemein für die Diskussion zu Veräußerungsverboten entwickelte217. Bei Anwendung dieser Grundsätze wäre das Gericht zum selben Ergebnis gekommen, wie Marc Billiau anmerkt218: Die Zessionarin Scalbert Dupont hatte im Fall keine Kenntnis von den Vertragsbedingungen im Verhältnis Zedent – Schuldner, in denen das Zessionsverbot vereinbart war. Andere Autoren schlugen dagegen eine – soweit ersichtlich – neue Konstruktion vor. Das Abtretungsverbot erzeuge zugunsten des Schuldners eine Einwendung, die dieser nach den Grundsätzen des Einwendungserhalts bei nen gegenüber dem Schuldner führten. Indes war dies unter dem Code civil nie der Fall und ergibt sich auch keinesfalls aus dem Dupont-Urteil; erst im Zuge der Schuldrechtsreform wurden in Frankreich Stimmen laut, die sich angesichts der europäischen Diskussion für eine nur relative Unwirksamkeit verbotswidriger Zessionen aussprachen, dazu unten S. 231, Fn. 268. 214 Dazu oben S. 215, Fn. 176. 215 Dazu oben S. 215, Fn. 177. 216 Cabrillac, Anm. zu Cass. com. 21.11.2000, S. 203. Ähnlich argumentierte auch Billiau, Anm. zu Cass. com. 21.11.2000, S. 640–642, dass die Dogmatik der opposabilité anwendbar und daher auf die Kenntnis des Zessionars abzustellen sei. 217 Raynaud, Indisponibilité, S. 156 f.; zur Anwendung dieser Lehre auf die Dogmatik des Veräußerungsverbots oben S. 215 f. 218 Billiau, Anm. zu Cass. com. 21.11.2000, S. 642.
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der Zession (exceptions inhérentes à la dette)219 auch dem Zessionar gegenüber geltend machen könne. Daher könne das Verbot dem Zessionar kenntnisunabhängig entgegengehalten und die Zahlung ihm gegenüber verweigert werden220. Theoretisch muss man diese Ansicht so verstehen, dass der Zessionar zwar Forderungsinhaber wird, die Forderung aber für ihn (und seine Vertragspartner oder Gläubiger) wertlos, weil dauerhaft einwendungsbehaftet ist. Diesem Ansatz lässt sich allerdings überzeugend entgegengehalten, dass das pactum de non cedendo bereits im Verhältnis Schuldner – Zedent keine Einwendung gewährt, die es dem Schuldner erlaubt, die Zahlung zu verweigern221. Daher kann dem Schuldner eine solche Einwendung auch nicht nach der Zession „erhalten“ bleiben. Dennoch hat sich auch die Cour de cassation selbst in einem weiteren Urteil 2002 überraschend dieser Ansicht angeschlossen und entschieden, dass ein Abtretungsverbot als persönliche Einwendung des Schuldners gegen den Zedenten auch dem Zessionar (kenntnisunabhängig) entgegengehalten werden könne222. Warum das Gericht damit bereits nach kurzer Zeit seine zessionsfreundliche Rechtsprechung aus dem Dupont-Urteil wieder aufgab, geht aus der kurzen Entscheidung nicht hervor. All diese als Urteil oder Urteilsanmerkungen erschienenen Ansichten zum vertraglichen Abtretungsverbot argumentieren freilich aus dogmatischer und historischer Sicht eher oberflächlich. Soweit ersichtlich hat sich lediglich François-Xavier Licari eigenständig mit der Thematik auseinandergesetzt. Sein Aufsatz „L’incessibilité conventionnelle de la créance“ von 2002 bildete die erste vertiefte und prinzipielle Abhandlung zum vertraglichen Abtretungsverbot in Frankreich seit der Monographie Hucs von 1891223.
219 Vgl. dazu nur Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1291; Malaurie / Aynès / StoffelMunck, Obligations7, Rn. 1418 und Raynaud, Indisponibilité, S. 156. Für die cession Dailly setzt dies Art. L313-29 Code mon. et fin. indirekt voraus; seit 2016 ist der Grundsatz auch für die allgemeine Zession positiv geregelt: Art. 1324 al. 2 CC2016 (dazu nun in der neuesten Auflage Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1422). 220 So insbesondere, und insoweit noch weitergehend als innerhalb seiner Lehre zu Veräußerungsverboten (vgl. dazu die vorige Fn.), Raynaud, Indisponibilité, S. 155 f.; außerdem Bourdeaux, Affacturage, Nr. 66. In dieselbe Richtung auch Rosch, Pactum, S. 609. 221 Ähnlich Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 101 f. Daher kann auch die von Rosch, Pactum, S. 608 angeführte Parallele zu dem Fall einer noch vom Zedenten erlaubten Schuldübernahme (substitution) nicht überzeugen: Aus dem Schuldnerwechsel (durch die Schuldübernahme) folgt im Gegensatz zum Gläubigerwechsel (durch die Zession) für den (Alt-) Schuldner das Recht, die Zahlung zu verweigern. 222 Cass. com. 22.10.2002, Az. 99-14.793 (unveröffentlicht); dazu Crocq, Anm. zu Cass. com. 22.10.2002, der darauf hinweist, dass die Rechtsprechung angesichts der gesetzlichen Neuregelung des Abtretungsverbots im Handelsverkehr 2001 (dazu unten S. 227 f.) nur noch zu einem Altfall ergehen konnte und künftig obsolet sein dürfte. 223 So auch Licari selbst: Incessibilité conventionnelle, S. 67.
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3. Die Inhaltsbestimmungslehre Licaris Licari argumentiert, dass Privatautonomie (autonomie de la volonté) und Vertragsfreiheit (liberté contractuelle) es Schuldner und Zedent ermöglichten, den Inhalt der Forderung bei ihrer Begründung in jeder Hinsicht nach ihrem Willen zu determinieren. Auch die Person des Gläubigers und die Möglichkeit ihrer Auswechslung durch Zession seien als Teil des Forderungsinhalts der privatautonomen Disposition der Parteien zugänglich. Abtretungsverbote verstießen nicht gegen das Prinzip der Verfügungsfreiheit über alle Vermögensgegenstände (libre disposition des biens), weil Art. 537 CC insoweit die Veräußerlichkeit des Vermögensgegenstandes voraussetze, das Abtretungsverbot als Bestimmung des Inhalts des Vermögensgutes aber bereits davor ansetze224. Darin sieht Licari den wesentlichen Unterschied zu Veräußerungsverboten über körperliche Vermögensgüter, die er offenbar wegen Verstoßes gegen Art. 537 CC für unwirksam hält225. Dagegen liegt nun der Einwand der seit Huc herrschenden Meinung226 nahe, die Abtretbarkeit einer Forderung gehöre zum nicht privatautonom modifizierbaren Forderungsbegriff des Code civil. Dem hält Licari entgegen, dass die Forderung nicht nur ein Vermögensgegenstand, sondern auch ein persönliches Band zwischen Schuldner und Zedent sei. Weil eine Zession nicht nur den Vermögensgegenstand auf den Zessionar übertrage, sondern auch das Rechtsband zwischen Schuldner und Zedent modifiziere, sei die Abtretung konstruktiv ein Vertrag zulasten Dritter227. Daher sei eine Zession grundsätzlich nur wirksam, soweit der Schuldner dem Zedenten rechtsgeschäftlich erlaubt habe, die Forderung zu übertragen. Das Abtretungsrecht des Code civil gehe entgegen der herrschenden Auslegung nicht von der prinzipiellen Abtretbarkeit von Forderungen aus, sondern vermute nur widerleglich, dass der Schuldner den Zedenten zur Abtretung ermächtigt habe228; theoretisch könne der Schuldner die Abtretbarkeit aber stets vertraglich ausschließen. Weil dann eine von vornherein unveräußerliche Forderung entstehe, seien verbotswidrige Zessionen gegenstandslos und daher absolut unwirksam229. Das ist folgerichtig: Für Licari scheitert die Abtretung nicht an der obligation de ne pas faire des Zedenten gegenüber dem Schuldner aus dem pactum de non cedendo, sondern an dem Inhalt der vinkulierten Forderung, die es dem Zedenten gänzlich unmöglich macht, die 224
Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 76 f. Licari verweist dafür auf ähnliche Gedanken bei Larroumet, Opérations, S. 63–65 (1968). 225 Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 74–76; das Urteil der Cour de cassation von 1853 (dazu oben S. 206 f., Fn. 118–123) spiegele das positive Recht exakt wider. 226 Huc arbeitete 1893 insbesondere die Abtretbarkeit als Wesensmerkmal jeder Obligation heraus, dazu bereits oben S. 56, Fn. 308. 227 Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 78. 228 Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 79. 229 Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 102.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
Forderung zu übertragen. Eine nur relative Unwirksamkeit (nullité relative) der verbotswidrigen Verfügung – wie von der herrschenden Meinung bei Veräußerungsverboten befürwortet230 – kommt für Licari also nicht in Betracht. Die Argumentation Licaris zum Forderungsbegriff erinnert in vielen Punkten an die pandektistischen Diskussionen im Deutschland des 19. Jahrhunderts231: In der Überschrift kündigt Licari die Ermittlung der „wahren Natur“ („nature véritable“) des pactum de non cedendo an232; und für die Rechtsbandperspektive auf die Forderung allegiert er gar Mühlenbruch233. Auch inhaltlich entspricht seine Sicht auf das Zessionsverbot fast vollständig der seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der deutschen Pandektistik und später unter dem BGB vorherrschenden Perspektive234. Unter dem geltenden französischen Recht ist seine Theorie freilich gravierenden Bedenken ausgesetzt. Insbesondere die Ansicht, der Code civil gehe nicht von der grundsätzlichen Abtretbarkeit aller Forderungen aus, lässt sich aus historischer Sicht nicht halten. Vielmehr gehörte es zu den vermögensrechtlichen Grundentscheidungen der Gesetzesverfasser, Forderungen als prinzipiell umlauffähige Vermögensgegenstände (biens) anzusehen; die römischrechtliche Rechtsbandperspektive war dagegen gerade kein Bestandteil der französischen Rechtstradition im Ancien droit und unter dem Code civil235. Die Annahme Licaris, die Zession sei ein Vertrag zulasten Dritter, lässt sich zwar konstruktiv rechtfertigen; doch muss man insbesondere unter dem Code civil davon ausgehen, dass dieser spezielle Vertrag zulasten Dritter vom Gesetz prinzipiell ohne Zustimmung des Dritten erlaubt ist236. Das dagegen von Licari vorgebrachte Argument, dass nach Art. 1717 CC auch die Abtretbarkeit eines Mietvertrages vertraglich ausgeschlossen werden könne237, trägt für die allgemeine Frage nach der Abtretbarkeit von Forderungen offensichtlich nicht, weil hier lediglich mietrechtliche Spezialwertungen kodifiziert sind. Näher läge vielmehr ein Gegenschluss aus der genannten Norm für die allgemeine Frage der Abtretbarkeit. Letztlich kann damit die Inhaltsbestimmungslehre Licaris in Anbetracht des Forderungsbegriffs des Code civil nicht überzeugen; die privatautonome Schaffung einer res extra commercium widerspricht vielmehr auch im Zessionsrecht den vermögensrechtlichen Grundprinzipien (Art. 537, 544 CC; libre disposition des biens). 230
S. oben S. 213. Dazu oben S. 61 ff. 232 Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 76. 233 Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 79, Fn. 86. Zum Werk Mühlenbruchs s. oben S. 64 ff. 234 Dazu oben S. 185 ff. (Sintenis und Windscheid) sowie S. 188 ff. (BGB). 235 Näher oben S. 56 ff., 58 ff. und passim im ersten Kapitel. 236 So für das deutsche Recht insbesondere Dörner, Relativität, S. 147–149; dazu schon oben S. 166, Fn. 416. 237 Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 79 f. 231
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4. Intervention des Gesetzgebers: Unwirksamkeit vertraglicher Abtretungsverbote im Handelsverkehr Damit war die Meinungslage zum Abtretungsverbot im französischen Recht zu Beginn des 21. Jahrhunderts disparat. Die rechtspolitisch eigentlich drängende Frage nach den ökonomischen Auswirkungen von Abtretungsverboten wurde dabei selten gestellt. Wo Autoren ihr nachgingen, tendierten sie dazu, Abtretungsverbote als Hindernis im Kreditsicherungsverkehr anzusehen238. Seit der Loi Dailly waren Sicherungsabtretungen in der Kreditsicherungswirtschaft praktisch möglich239; und die ökonomische Ineffizienz von dinglich wirkenden Zessionsverboten im Warenkreditverkehr ist in der deutschen und europäischen Debatte immer wieder zur Sprache gekommen240. Eine vertiefte Debatte darüber entwickelte sich jedoch in Frankreich nicht. Dennoch hat das Zessionsverbot in einem Teilbereich des Wirtschaftsrechts eine legislative Regelung erfahren. Kurz nach dem Dupont-Urteil der Cour de cassation hat der französische Gesetzgeber innerhalb eines größeren Gesetzespakets (Loi no. 2001–420 relative aux nouvelles régulations économiques vom 15.05.2001) vertragliche Abtretungsverbote bei Forderungen gegen Unternehmer für nichtig erklärt (Art. L442-6 II c) Code com.). Welchen Zweck der Gesetzgeber damit genau verfolgt hat, ist nicht sicher feststellbar241. Die Überschriften innerhalb des Gesetzes lassen erkennen, dass er das Abtretungsverbot offenbar für eine wettbewerbsrechtlich unlautere Geschäftspraktik des Unternehmers gegenüber seinem Vertragspartner hielt242. Allerdings leuchtet der Anwendungsbereich des Gesetzes nicht ganz ein, wenn es unlauter sein soll, Forderungen für den unternehmerischen Kreditsicherungsverkehr zu vinkulieren. Denn die Möglichkeit, eine Forderung als Kreditsicherheit im unternehmerischen Wirtschaftsverkehr einzusetzen, setzt voraus, dass (zumindest auch) der Gläubiger der Forderung ein Unternehmer ist – das erfordert die Norm jedoch gerade nicht243. Vielmehr muss nur der Schuldner Unternehmer sein. Der Normzweck bleibt damit weitgehend unklar.
238
Raynaud, Indisponibilité, S. 157. S. 148 f.; vgl. auch Armgardt, Wirkung, S. 326. Auch das Dupont-Urteil erging zu einer Sicherungszession nach der Loi Dailly. 240 Dazu näher oben S. 198, Fn. 94. 241 Die Gesetzesmaterialien zu der in Rede stehenden Vorschrift sind unergiebig: Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 81. 242 So Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 80 unter Verweis auf die Überschrift des 1. Titels des 2. Teils („Régulation de la concurrence“) der Loi sur les nouvelles régulations économiques: „Moralisation des pratiques commerciales“. 243 Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 81 f. Anders dagegen die deutsche Parallelnorm, § 354a HGB, die ein beiderseitiges Handelsgeschäft voraussetzt (dazu oben S. 199, Fn. 97). 239 S. oben
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
Ob das Gesetz eine Reaktion auf das Dupont-Urteil der Cour de cassation war244, lässt sich ebenso wenig feststellen. Zwar war auch das Urteil im Ergebnis von der Unwirksamkeit von Abtretungsverboten im Außenverhältnis ausgegangen; doch möglicherweise wollte der Gesetzgeber Abtretungsverbote im unternehmerischen Handelsverkehr weitergehend als das Urteil auch inter partes für nichtig erklären245. Ebenso ist es aber denkbar, dass der einige Jahre zuvor vom deutschen Gesetzgeber neu eingeführte § 354a HGB246 als Vorbild gedient hat. Einigermaßen sicher festhalten lässt sich lediglich, dass der französische Gesetzgeber mit der im Gesetzgebungsverfahren kaum diskutierten247 und als untergeordnete Vorschrift innerhalb eines größeren Gesetzespaketes erlassenen Regelung für einen Teilbereich von Forderungen erkennbar keine allgemeine Aussage über die Wirksamkeit vertraglicher Abtretungsverbote treffen wollte. Daher ist der von einigen französischen Autoren nach 2001 angeführte Gegenschluss, der Gesetzgeber habe mit der Regelung implizit anerkannt, dass Zessionsverbote außerhalb des Unternehmensverkehrs (dinglich) wirksam seien248, unplausibel249.
5. Zwischenergebnis: vertragliche Abtretungsverbote im vermögensrechtlichen System des Code civil vor der Reform 2016 Nachdem die französische Rechtswissenschaft Zessionsverbote abgesehen von der Monographie Hucs seit Erlass des Code civil kaum vertieft diskutiert hatte, entwickelten Gerichte und Autoren zu Beginn des 21. Jahrhunderts neue Perspektiven auf das Abtretungsverbot. Ausgelöst hat diese Renaissance250 ein Urteil der Cour de cassation im Jahr 2000, das Abtretungsverboten mit Verweis auf die Relativität der Schuldverhältnisse pauschal die Drittwirksamkeit absprach und nur inter partes anerkannte. Die Literatur sowie ein weiteres Urteil desselben Gerichts 2002 folgten dem Urteil zwar hinsichtlich der Wirksamkeit des Verbots inter partes; im Übrigen verwarfen sie den Ansatz des Gerichts aber einstimmig und entwickelten neue Theorien. Einige Stimmen in der Literatur wollen die bekannten Lehren zur Teilnahme am fremden Vertragsbruch anwenden und den Zessionar daher bei Kenntnis des Abtretungsverbots deliktisch auf Rückabwicklung der Zession haften lassen. Andere Autoren und seit 2002 auch die Cour de cassation betrachteten Abtretungsverbote dagegen – eher un244 In
Rn. 4.
245 So
diese Richtung Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301
Rosch, Pactum, S. 609. Dazu näher oben S. 198 ff. Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 81, Fn. 99. 248 Raynaud, Indisponibilité, S. 157; Terré / Simler / Lequette, Obligations, Rn. 1278. 249 So im Ergebnis auch Armgardt, Wirkung, S. 326; an der Sicherheit eines Umkehrschlusses zweifelnd auch Rosch, Pactum, S. 609 f. 250 Vgl. den Untertitel des Aufsatzes von Rosch: „Totgesagte leben länger!“. 246 247
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plausibel – als Einwendungen des Schuldners gegen den Gläubiger: Nach den Grundsätzen des Einwendungserhalts könne der Schuldner das Verbot auch gegenüber dem Zessionar einwenden, so dass Abtretungsverbote im Ergebnis wie im deutschen Recht den Zessionserfolg im Außenverhältnis verhindern. Licari argumentierte hingegen nicht nur im Ergebnis, sondern auch in der Begründung nah am deutschen Recht, aber eher fern vom französischen Recht: Er versteht Abtretungsverbote im Einklang mit der deutschen Pandektistik des 19. Jahrhunderts und der bis heute herrschenden Meinung in Deutschland251 als Inhaltsbestimmung der Forderung. Daher entstehe von vornherein eine res extra commercium; verbotswidrige Abtretungen seien also stets unwirksam. Auffällig ist, dass die Cour de cassation sowie die meisten Autoren die vom Forderungsbegriff des Code civil eigentlich vorgezeichnete Parallele zu Veräußerungsverboten kaum in ihre Überlegungen einbezogen. Licari und Raynaud stellten immerhin die Frage nach dem dogmatischen Gleichlauf von Veräußerungs- und Abtretungsverbot252, nahmen aber aus unterschiedlichen Gründen abweichende Lösungen für das Abtretungsverbot an. Soweit ersichtlich, plädierte niemand ausdrücklich dafür, die in Art. 900-1 CC kodifizierten Voraussetzungen für Veräußerungsverbote auch auf Abtretungsverbote anzuwenden; und niemand nahm ausdrücklich eine indisponibilité réelle der vinkulierten Forderung an – wie gesehen die herrschende Erklärung für die Unwirksamkeit verbotswidriger Veräußerungen abseits der Abtretung253. Angesichts der (bis 2016) vollständigen dogmatischen Eingliederung der Zession ins Kaufrecht sowie der Gleichbehandlung von Sachen und Forderungen als Vermögensgüter und Kaufgegenstände254 sind solche Inkohärenzen begründungsbedürftig. Doch sind die Argumentationen über Einwendungserhalt oder Inhaltsbestimmung wie gesehen unter dem französischen Recht wenig überzeugend. Systematisch und dogmatisch ist lediglich die Anwendung der Lehre zur Teilnahme am fremden Vertragsbruch gleichermaßen auf Veräußerungs- und Zessionsverbote folgerichtig. Offenbar war aber für Rechtsprechung und Teile der Literatur der systematische und normative Gleichlauf von Abtretung und Kauf und damit von Veräußerungsverboten und Abtretungsverboten irrelevant oder unbekannt geworden. Schließlich hat auch der französische Gesetzgeber – ebenso wie beim Veräußerungsverbot – die Materie nicht umfassend in den Blick genommen. Der teleologisch undeutlichen, punktuellen legislativen Regelung des Abtretungsverbots im Handelsverkehr von 2001 ist keine allgemeine Aussage über die Wirksamkeit von Abtretungsverboten zu entnehmen. Damit war die Rechtslage vor der Schuldrechtsreform 2016 insgesamt völlig unklar. Erst im Zuge dieser 251 252
Dazu oben S. 196 ff. Raynaud, Indisponibilité, S. 154; Licari, Incessibilité conventionnelle, S. 72–75. 253 S. oben S. 211 f. 254 S. oben S. 56 ff.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
Reform regelte der Gesetzgeber das vertragliche Abtretungsverbot im allgemeinen Zessionsrecht des Code civil.
III. Die Schuldrechtsreform 2016 Mit der Schuldrechtsreform hat der französische Gesetzgeber – wie beschrieben255 – auch das allgemeine Abtretungsrecht im Code civil umfassend erneuert. Die Regelungen zum vertraglichen Abtretungsverbot waren allerdings im Gegensatz zur rechtspolitisch drängenden Abschaffung der signification256 sowohl in den Vorentwürfen als auch in der endgültigen Reform allenfalls ein Randaspekt.
1. Das vertragliche Abtretungsverbot in den Vorentwürfen Das Avant-projet Catala von 2005 sah keine expliziten Vorschriften zum vertraglichen Abtretungsverbot vor257. Allerdings kannte es eine Regelung, nach der der Schuldner dem Zessionar die der Forderung „anhaftenden“ Einwendungen entgegenhalten könne, darunter auch die Unübertragbarkeit („intransmissibilité“) der Forderung258. Ob damit auch vertragliche Abtretungsverbote gemeint waren, ist unklar; die Autoren des Vorschlags äußerten sich in den Motiven nicht näher zu der Vorschrift259. Falls auch vertragliche Abtretungsverbote vom Einwendungserhalt umfasst gewesen sein sollten, wären die Autoren des Entwurfs einer in der Literatur vertretenen Ansicht gefolgt260, die allerdings – wie dargelegt261 – nicht überzeugen kann. Der Vorentwurf des Justizministeriums von 2008, der sich ansonsten größtenteils an den Arbeiten der Gruppe um Catala orientierte, übernahm die Einordnung der „intransmissibilité“ einer Forderung als Einwendung jedenfalls nicht262 und enthielt überhaupt keine Regelungen zum Abtretungsverbot. Erst die Gruppe um Terré schlug 2013 explizit eine Vorschrift zum vertraglichen Abtretungsverbot vor. Nach Art. 136 des Projet Terré263 sollte ein solches Verbot dazu führen, dass für die Wirksamkeit der Zession die Zustimmung des Schuldners erforderlich wird. Funktionell entspräche das dem erga omnes oder 255 Ausführlich,
auch zur Gesetzgebungsgeschichte, oben S. 149 f.
256 Dazu oben S. 150 ff. 257 Art. 1251 bis 1257-1
des Entwurfs: Catala (Hrsg.), Avant-projet, S. 131 f.
258 Art. 1257 al. 2 des Entwurfs: Catala (Hrsg.), Avant-projet, S. 132. 259 Keine nähere Erklärung bei Synvet, Opérations, S. 71 f. sowie bei
Catala, Cession de créance, S. 217 f. 260 S. oben S. 224, Fn. 220. 261 S. oben S. 224, Fn. 221. 262 Ministère de la Justice, Projet de réforme 2008, Art. 111. 263 Andreu, Opérations translatives, S. 124. Der Wortlaut der Vorschrift lautete: „Le consentement du débiteur n’est pas requis, à moins que la personne du créancier soit déterminante ou que la créance ait été stipulée incessible.“
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„dinglich“ wirkenden Abtretungsverbot des deutschen Rechts. Angesichts der wie gesehen völlig unklaren Rechtslage vor der Reform erstaunt die äußerst knappe Begründung für die Neuregelung in den Motiven: Der Bearbeiter des Zessionsrechts im Projet Terré, Lionel Andreu, stellte lapidar fest, dass man die Zession in bestimmten Fällen dem Beispiel gewisser Regelwerke und ausländischer Rechtsordnungen folgend für unmöglich habe erklären müssen. Das sei der Fall, wenn die Person des Gläubigers „entscheidend“ („déterminant“) oder die Forderung „unabtretbar“ („incessible“) sei264. Aus dieser eher unspezifischen Begründung geht lediglich hervor, dass ein vereinbartes Abtretungsverbot im Projet Terré offenbar selbstverständlich als Unterfall einer von vornherein unabtretbaren Forderung gelten sollte; es stand schon nach dem Wortlaut der Norm auf einer Stufe mit der Unabtretbarkeit höchstpersönlicher Forderungen. Damit erscheint ein starker Einfluss nicht nur transnationaler Regelwerke, sondern vor allem des deutschen Rechts auf den Reformvorschlag plausibel, denn § 399 BGB nennt ebenfalls die Unabtretbarkeit höchstpersönlicher Forderungen (Alt. 1)265 und das vertragliche Abtretungsverbot (Alt. 2) im selben Satz. Von den zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Frankreich diskutierten Ansichten zum Abtretungsverbot lässt sich dieser Ansatz am ehesten der Inhaltsbestimmungslehre Licaris266 zuordnen, die jedoch wie gesehen unter dem Code civil kaum überzeugen kann. Insgesamt wird vor allem eine eher oberflächliche Befassung mit der Problematik im Projet Terré deutlich.
2. Der Verordnungsentwurf 2015 und die endgültige Neuregelung 2016 Der Verordnungsentwurf (Projet d’ordonnance) des französischen Justizministeriums vom 25.02.2015 folgte dem Vorschlag der Gruppe um Terré gleichwohl: Art. 1332 al. 4 des Entwurfs267 entsprach fast wörtlich Art. 136 des Projet Terré. Dissaux und Jamin erkannten bei der Kommentierung des Verordnungsentwurfs die Neuheit der Vorschrift zum Abtretungsverbot und kritisierten, dass der Vorschlag das Schicksal einer verbotswidrigen Abtretung im Unklaren lasse; sie sprachen sich im Einklang mit den PECL für eine nur relative Unwirksamkeit zwischen Schuldner und Zessionar aus268. Der Wortlaut des 264
Andreu, Opérations translatives, S. 127. der hauptsächliche Regelungsgehalt von § 399 Alt. 1 BGB, vgl. nur Roth / Kieninger, in MüKo BGB, § 399 Rn. 2, 7 ff. sowie Busche, in Staudinger, BGB, § 399 Rn. 5 ff. 266 Dazu näher oben S. 225 f. 267 Ministère de la Justice, Projet d’ordonnance, Art. 1332–1337. 268 Dissaux / Jamin, Projet de réforme, S. 209, 211. Zur Frage nach der absoluten oder relativen Unwirksamkeit verbotswidriger Abtretungen in der europäischen Diskussion Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301 Rn. 7–9 mit Hinweis auf Goode, Inalienable Rights, S. 554–556, der bereits 1979 aus Sicht des englischen Rechts für eine nur relative Unwirksamkeit argumentierte und später der Berichterstatter des Zessionsrechts in 265 So
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Normvorschlags war insoweit in der Tat nicht ganz klar; angesichts der Entwurfsbegründung war jedoch eine absolute Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession plausibler269. Maxime Julienne legte bei seiner Besprechung des Verordnungsentwurfs ebenfalls den Fokus auf die Rechtsfolgen einer verbotswidrigen Abtretung. Er plädierte für eine Wirksamkeit der Zession nur zwischen Zedent und Zessionar bei sonstiger absoluter Unwirksamkeit. Dies solle dazu führen, dass der Zessionar geleistete Zahlungen des Schuldners vom Zedenten herausverlangen könne; den Normtext wollte er insoweit präzisieren270. Immerhin kurz thematisierte er die prinzipielle Frage, ob Abtretungsverbote im Vermögensrechtssystem des Code civil anzuerkennen seien; dabei schloss er sich der bejahenden Argumentation Licaris an271. Nach der Konsultationsphase erließ die Regierung schließlich die endgültige Verordnung am 12.02.2016. Die seit dem 01.10.2016 geltende Neuregelung, Art. 1321 al. 4 CC2016, verzichtet auf eine Nennung der Unabtretbarkeit höchstpersönlicher Forderungen, übernimmt jedoch die Norm zum vertraglichen Abtretungsverbot wortgleich aus dem Projet Terré und dem Verordnungsentwurf. Demnach setzt die Abtretung einer Forderung bei vereinbartem Abtretungsverbot nach dem neuen Recht die Zustimmung des Schuldners voraus.
3. Reaktionen auf die Reform Die Kodifikation der dinglichen Wirkung eines vertraglichen Abtretungsverbots im allgemeinen Zessionsrecht des Code civil stellt die Dogmatik des französischen Zessionsrechts auf eine neue Grundlage. Daher muss es überraschen, dass in der Konsultationsphase und sonst bei der Erarbeitung der Schuldrechtsreform über die genannten Kurzbesprechungen des Verordnungsentwurfs hinaus offenbar nicht vertieft über die geplante Änderung diskutiert wurde. Die offizielle Kurzbegründung zur Schuldrechtsreform, der Rapport au président, verzichtet sogar gänzlich auf eine Erläuterung der Neuregelung zum Abtretungsverbot272. Die Autoren der Reform verkannten oder blendeten also offensichtlich aus, dass den PECL war. Näher zu den PECL und den übrigen europäischen Regelwerken oben S. 203, Fn. 107. 269 Zum Schicksal verbotswidriger Abtretungen in der Theorie Licaris s. oben S. 225 f. 270 Julienne, Cession, S. 72. Dieses Modell wird – soweit ersichtlich – sonst nirgends vertreten; und in der Tat erschließt sich ohne weitere Begründung nicht, warum das Abtretungsverbot für alle Dritten (wie Gläubiger des Zedenten und des Zessionars) dingliche Wirkung entfalten soll, für den Zessionar aber nicht. 271 Julienne, Cession, S. 72; zur Theorie Licaris ausführlich oben S. 225 f. Unzutreffend ist dabei der Hinweis auf das Werk Hucs, dem Julienne lediglich entnehmen will, dass Abtretungsverbote abzulehnen seien, weil an ihrer Vereinbarung kein Interesse bestehe. In der Tat war dies eine (unplausible) Hilfserwägung Hucs (dazu oben S. 220, Fn. 199), doch lehnte Huc Abtretungsverbote in erster Linie aus prinzipiellen Gründen ab (s. oben S. 220). 272 Ministère de la Justice, Rapport au président, bei La cession de créance.
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die Neuerung aus der Perspektive der Prinzipien von 1804 einen fundamentalen Paradigmenwechsel, jedenfalls aber vor dem Hintergrund des zuletzt unklaren dogmatischen Verständnisses von Abtretungsverboten einen erheblichen und weitreichenden legislativen Einschnitt bedeutete273. Nach der Reform haben französische Autoren die Neuregelung des vertraglichen Abtretungsverbots bislang nur vereinzelt systematisch in den Blick genommen274 und sich dabei allenfalls mit den Rechtsfolgen einer verbotswidrigen Zession befasst, die das Gesetz nicht ausdrücklich regelt. Charles Gijsbers weist darauf hin, dass Abtretungsverbote bei einem Großteil der wirtschaftlich bedeutenden Zessionen ohnehin auch künftig wegen der Spezialregelung im Handelsrecht275 wirkungslos blieben276. Zudem plädiert er – mit weiteren Autoren – auf der Rechtsfolgenseite dafür, verbotswidrige Abtretungen im Verhältnis zum Zessionar nur dann scheitern zu lassen, wenn dieser das Abtretungsverbot kannte277. Dieser Ansatz ähnelt im Ergebnis der kenntnisbasierten deliktischen Haftung für die Beteiligung am fremden Vertragsbruch, die französische Autoren vor der Schuldrechtsreform bei Veräußerungsverboten und zum Teil bei Abtretungsverboten befürwortet haben278. Doch eine solche Eingrenzung der Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote auf bösgläubige Zessionare gibt der neue Wortlaut – wie Gijsbers konzediert – nicht her. Vielmehr muss ohne legislative Präzisierung zunächst von einer kenntnisunabhängigen und – entsprechend der Inhaltsbestimmungslehre Licaris – absoluten Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession ausgegangen werden279. Wie Rechtsprechung und 273
In diese Richtung Julienne, Régime général, S. 107 f.: „L’incessibilité conventionnelle semble donc échapper à la logique et au régime des clauses d’inaliénabilité […]“. Die Neuregelung aus diesem Grunde ohne vertiefte Begründung rechtfertigend Chantepie / Latina, Nouveau droit, Rn. 858. 274 Malaurie / Aynès / Stoffel-Munck, Obligations, Rn. 1410 nehmen in den kurz nach der Schuldrechtsreform erschienenen Neuauflagen (8. / 9. Aufl. 2016 / 2017) die neue Norm (Art. 1332 al. 4 CC2016) selbst nicht wahr und zitieren für die Zulässigkeit vertraglicher Abtretungsverbote stattdessen das Urteil der Cour de cassation von 2002 sowie den völlig anders argumentierenden (s. oben S. 224, Fn. 222; S. 225 f.) Aufsatz Licaris. Simler, Cession, Nr. 6 stellt lediglich fest, dass die Regelung „nicht neu“ sei. Ausführlicher dagegen Julienne, Régime général, S. 106–108 sowie Chénedé, Nouveau droit, Rn. 42.62. 275 Dazu oben S. 227 f. 276 Gijsbers, Cession, S. 54; ähnlich auch François, Obligations, Rn. 464 und Julienne, Régime général, S. 107. 277 Gijsbers, Cession, S. 55 mit Verweis auf die Konzeption bei François, Obligations3, Rn. 350.1. Auch Chénedé, Cession, S. 91 sieht eine kenntnisunabhängige Wirkung kritisch, weil sie Zessionare dazu animiere, stets den ursprünglichen Vertrag zwischen Schuldner und Gläubiger einsehen zu wollen. Ähnlich und m. w. N. zur Debatte ders., Nouveau droit, Rn. 42.62. Für ebenso unklar hält Chénedé die neue Rechtslage bei der Frage, ob ein vertragliches Abtretungsverbot die Pfändung der Forderung beim Gläubiger verhindere. 278 Dazu oben S. 215 f., 223 f. 279 So auch François, Obligations, Rn. 464; Julienne, Régime général, S. 107 sowie Mignot, Commentaire, S. 6. Für eine nur relative Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession Chantepie / Latina, Nouveau droit, Rn. 858.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
Literatur die Neuregelung künftig im Einzelnen interpretieren werden, bleibt abzuwarten.
IV. Zusammenfassung: vertragliche Abtretungsverbote als Randphänomen im französischen Recht Vertragliche Abtretungsverbote und ihre Rechtsfolgen hat die französische Rechtswissenschaft lange nicht vertieft diskutiert. Nach der Monographie Hucs 1891, der als typischer Vertreter des liberalen Vermögensrechtsverständnisses des 19. Jahrhunderts für die prinzipielle Ablehnung vertraglicher Veräußerungs- und insbesondere auch Abtretungsbeschränkungen stand, befassten sich französische Autoren und Gerichte lange Zeit nicht mehr mit Zessionsverboten. Anders als die – eigentlich dogmatisch eng verwandte – Debatte über Veräußerungsverbote, die bis zuletzt kontrovers geführt wurde, war die Problematik offenbar unter dem Code civil im 20. Jahrhundert nur ein Randphänomen. Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts löste ein Urteil der Cour de cassation eine – wenngleich selten vertiefte – Neubefassung mit dem Thema unter französischen Autoren aus. Neue dogmatische Impulse brachte vor allem der Aufsatz Licaris 2002, der Abtretungsverbote wie die herrschende Meinung in Deutschland als Inhaltsbestimmung der Forderung deutete und vor diesem Hintergrund für die absolute Unabtretbarkeit vertraglich vinkulierter Forderungen eintrat. Vor dem Hintergrund der vermögensrechtlichen Grundentscheidungen des Code civil war dagegen die Lehre Raynauds und Martys plausibler, nach der nur ein bösgläubiger Zessionar deliktisch für die Beteiligung am fremden Vertragsbruch haftet. Dogmatisch bedeutete dies zunächst eine absolute Wirksamkeit der Zession und eine lediglich obligatorische Haftung des bösgläubigen Zessionars auf Rückabtretung wegen Verletzung der obligation de ne pas faire des Zedenten. Eine größere Diskussion, die insbesondere auch die im 21. Jahrhundert drängenden Fragen nach den ökonomischen Auswirkungen von Abtretungsverboten und der europäischen und internationalen Dimension des Problems gestellt hätte, entwickelte sich in den Folgejahren gleichwohl nicht. Daran änderte auch die punktuelle legislative Regelung, die vertragliche Abtretungsverbote bei Forderungen gegen Unternehmer 2001 verbot, nichts. Erst im Zuge der Schuldrechtsreform 2016 regelte der Gesetzgeber das vertragliche Abtretungsverbot erstmals im Code civil: Nach Art. 1321 al. 4 CC2016 sind verbotswidrige Abtretungen künftig – wohl angelehnt an die Lehre Licaris absolut und kenntnisunabhängig – unwirksam. Systematische oder historische Reflexionen über diese weitreichende Neuregelung sind dabei im gesamten Reformprozess nicht erkennbar; den bis zuletzt unwidersprochenen Autoren des Projet Terré genügte der unspezifische Hinweis auf transnationale Regelwerke und ausländische Rechtsordnungen, um die Neuregelung zu begründen. Dabei war das Verhältnis
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von Veräußerungs- und Abtretungsverboten zu den weiter gültigen Prinzipien des Vermögensrechts des Code civil bis zuletzt ungeklärt und eine begründungsbedürftige Abweichung insbesondere vom sachenrechtlichen Forderungsbegriff und der liberalen Eigentumsdefinition (libre disposition des biens) naheliegend. Die kaum begründete Reform kann damit weder innerhalb des französischen Rechts, noch vor dem Hintergrund der komplexeren europäischen Debatte über das Problem280 überzeugend und kohärent erklären, warum verbotswidrige Abtretungen in Frankreich künftig absolut unwirksam sein sollen. De lege ferenda sollte der französische Gesetzgeber vertragliche Veräußerungs- und Abtretungsverbote erstmals prinzipiell und einheitlich in den Blick nehmen. Denn die kaum durchdachte Neuregelung des Abtretungsverbots lässt keine Rückschlüsse auf die allgemeinere und – wie beschrieben – weiterhin unklare Dogmatik vertraglicher Veräußerungsbeschränkungen zu. Der sachenrechtliche Forderungsbegriff des Code civil spricht mangels abweichender Spezialwertungen für eine einheitliche Regelung dieser Probleme.
Ergebnisse des dritten Kapitels Zulässigkeit und Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote sind in Deutschland und Frankreich in ganz unterschiedlichem Ausmaß Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Debatte gewesen. Die – lebhaftere – deutsche Debatte um vertragliche Abtretungsverbote unterscheidet sich von der französischen hauptsächlich durch das Fehlen eines klar vorgegebenen Forderungsbegriffs. Die Parallele von Sacheigentum und Forderungsinhaberschaft, die für das französische Recht vor und nach Erlass des Code civil selbstverständlich war, ist der deutschen Tradition zunächst fremd gewesen. In der Pandektistik des 19. Jahrhunderts, die die Dogmatik vertraglicher Abtretungsverbote erstmals als eigenständige in den Blick nahm, war vielmehr seit Savigny ein römischrechtlicher, rein schuldrechtlicher Forderungsbegriff vorherrschend. Auf dieser Grundlage war die Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote zeitweise umstritten; durchgesetzt hat sich jedoch die 280 Dazu Jansen, in Commentaries on European Contract Laws, Art. 11:301. Diskutiert werden insbesondere die Frage nach der relativen oder absoluten Unwirksamkeit verbotswidriger Abtretungen (a. a. O., Rn. 7–9), die unterschiedliche Behandlung von Geldforderungen und sonstigen Forderungen (a. a. O., Rn. 10–14) und die Frage, inwiefern Kenntnis des Zessionars vom Abtretungsverbot relevant ist (a. a. O., Rn. 14). Die verschiedenen Regelwerke und Rechtsordnungen divergieren, auch systematisch, teils erheblich in diesen Fragen. Jansen schlägt jedenfalls für die hier in Frage stehenden Geldforderungen in Übereinstimmung mit den PICC (Art. 9.1.9), der UN‑Abtretungskonvention (CARIT, Art. 9) und dem UN‑FactoringÜbereinkommen (Art. 6 FÜ) als europäische Regel die absolute, kenntnisunabhängige Wirksamkeit verbotswidriger Zessionen bei nur obligatorischer Haftung des Zedenten vor; dazu bereits oben S. 203, Fn. 107.
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
verbotsfreundliche Lehre Sintenis’ und Windscheids. Ausgehend von der starken Betonung der Relativität des „Rechtsbands“ zwischen Schuldner und Gläubiger, das diese in jeder Hinsicht durch ihren Willen determinieren könnten, argumentierten Sintenis und Windscheid, dass eine Forderung bei einem vertraglichen Zessionsverbot als von vornherein unübertragbares Recht entstehe. Verbotswidrige Abtretungen seien deshalb gegenstandslos und daher absolut unwirksam. Bei den Beratungen zum BGB wollte sich die Erste Kommission zunächst weder dem römischrechtlichen Forderungsbegriff, noch der Inhaltsbestimmungslehre anschließen. Erst die Zweite Kommission entschied sich – ohne vertiefte Argumentation – für den letztgenannten Weg. Ausweislich der Materialien dachte die Kommission dabei hauptsächlich an Abtretungsverbote bei speziellen Nicht-Geldforderungen; und das Interesse an einer auch gegen Dritte wirkenden Vinkulierung solcher Forderungen hielten die Kommissionsmitglieder für schützenswert. Das BGB kennt daher ein dinglich wirkendes vertragliches Abtretungsverbot (§ 399 Alt. 2 BGB), das freilich auch auf Geldforderungen Anwendung findet. Rechtsprechung und Lehre haben sich im 20. Jahrhundert überwiegend der Inhaltsbestimmungslehre der Pandektisten angeschlossen; erst ab der 2. Hälfte des Jahrhunderts argumentierten einige Autoren, dass eine nur relative Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession systemgerechter sei und das Interesse des Schuldners präziser abdecke. Die von der Zweiten Kommission nicht vor ausgesehene und bedachte häufige Vereinbarung vertraglicher Abtretungsverbote bei gewöhnlichen Geldforderungen im Wirtschaftsverkehr lenkte schließlich am Ende des Jahrhunderts den Blick von Gesetzgebung und Literatur auf die ökonomisch unerwünschten Auswirkungen der dinglichen Wirkung im unternehmerischen Handels- und Kreditverkehr. Der Gesetzgeber entschloss sich daher, die Umlauffähigkeit von Geldforderungen, die insbesondere mittelständische Unternehmen zur Waren- und Kreditsicherung massenweise zedieren müssen, zu erhöhen. Dazu sollten vertragliche Abtretungsverbote, die marktmächtige Großunternehmen gegenüber diesen mittelständischen Lieferanten verbreitet durchsetzten, die Zession der Forderung im Außenverhältnis nicht mehr hindern können. Die im Zuge dessen eingeführte handelsrechtliche Spezialregelung (§ 354a HGB) ist jedoch nicht nur in ihrem Anwendungsbereich zu eng, sondern verfehlt ihren Zweck weitgehend dadurch, dass sie einen zu weiten und kenntnisunabhängigen Schuldnerschutz vorsieht. Damit sind die von Abtretungsverboten erfassten Forderungen weiterhin in ihrer Eignung für Factoring und Sicherungszession erheblich eingeschränkt. Im französischen Diskurs hat das Problem im 19. und 20. Jahrhundert insgesamt deutlich weniger Aufmerksamkeit erfahren als in Deutschland. Der dezidiert sachenrechtliche Forderungsbegriff und die dogmatische Einordnung der Zession als Veräußerung einer unkörperlichen Sache im Code civil machten zunächst für viele Gerichte und Autoren im 19. Jahrhundert eine Anwendung
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der Dogmatik vertraglicher Veräußerungsverbote selbstverständlich, die in Frankreich ausführlicher diskutiert wurde. Nach Erlass des Code civil überwog hier zunächst eine radikale Betonung der Verfügungsfreiheit, so dass vertragliche Veräußerungs- und Abtretungsverbote mehrheitlich für gänzlich unwirksam erklärt wurden. Ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten Rechtsprechung und Literatur jedoch Ausnahmen für temporäre Veräußerungsverbote; überwiegend nahmen sie dabei an, dass solche Abreden die verbotswidrige Veräußerung auch im Außenverhältnis verhindern könnten. Über die Übertragung dieser – später auch kodifizierten – Grundsätze auf vertragliche Abtretungsverbote haben französische Juristen aber kaum je nachgedacht. Möglicherweise war es eine Konsequenz des schwerfälligen und praxisfernen Abtretungsrechts im Code civil, dass im 20. Jahrhundert nicht vertieft über vertragliche Abtretungsverbote diskutiert wurde. Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts geriet das Thema in den Fokus der französischen Rechtswissenschaft. Im Anschluss an zwei divergierende höchstrichterliche Urteile behandelte die Literatur vertragliche Abtretungsverbote jetzt erstmals als dogmatisch eigenständiges Phänomen; viele Lösungsvorschläge blieben aber sowohl aus Sicht des französischen Rechts als auch vor dem Hintergrund der längst komplexeren europäischen Debatte oberflächlich. Die einzige vertiefte Abhandlung bildet der Aufsatz Licaris, der die vorherrschende Rechtsunsicherheit zutreffend diagnostizierte, aber selbst eher unplausibel die im deutschen Recht seit Ende des 19. Jahrhunderts herrschende Inhaltsbestimmungslehre und damit die absolute Unwirksamkeit der verbotswidrigen Zession für das französische Recht vorschlug: eine Lehre, die zum Forderungs- und Zessionsbegriff des Code civil schlicht nicht passt. Systemgerechter war ein anderer Ansatz aus der französischen Literatur, der die im französischen Recht anerkannte deliktische Haftung für die Teilnahme am fremden Vertragsbruch auf die Debatte überträgt. Demnach kann der Verbotsverwender nur bösgläubige Zessionare deliktisch auf Rückabwicklung der Zession in Anspruch nehmen. Im Zuge der Schuldrechtsreform 2016 hat der französische Gesetzgeber das Problem erstmals im allgemeinen Zessionsrecht geregelt; vertiefte Diskussionen fanden dazu allerdings nicht statt. Durchgesetzt hat sich – letztlich ohne nähere Begründung – das von Licari vorgeschlagene Ergebnis. Vertragliche Abtretungsverbote führen nun auch im französischen Recht zur absoluten und kenntnisunabhängigen Unwirksamkeit der Zession (Art. 1321 al. 4 CC2016). Eine spezifische Wertung, die die Neuregelung vor dem Hintergrund der gegenläufigen vermögensrechtlichen Prinzipien des Code civil rechtfertigen würde, haben weder Gesetzgeber noch Literatur angeführt. Diese Arbeit plädiert dafür, die ökonomisch erwünschte Umlauffähigkeit von Geldforderungen im deutschen Recht dadurch zu gewährleisten, dass vertragliche Abtretungsverbote de lege ferenda dem Anwendungsbereich des § 137 BGB unterstellt werden. Damit wären verbotswidrige Abtretungen stets absolut wirksam (§ 137 S. 1 BGB), führten aber im Innenverhältnis ggf. zu einer ob-
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Drittes Kapitel: Vertragliche Abtretungsverbote
ligatorischen Haftung des Zedenten (§ 137 S. 2 BGB). Diese Lösung entspräche nicht nur dem Trend des Konventionsrechts und der europäischen Regelwerke. Sie wäre auch vor dem Hintergrund des in Deutschland mittlerweile anerkannten differenzierten Forderungsbegriffs plausibel, der das Recht an der Forderung prinzipiell dem Sacheigentum gleichstellt. Im französischen Recht sollte der Gesetzgeber zunächst vor dem Hintergrund der europäischen Debatte und der ökonomischen Entwicklung eine Grundentscheidung zu den Rechtsfolgen vertraglicher Veräußerungsbeschränkungen treffen. Die Dogmatik vertraglicher Zessionsverbote sollte diesem Prinzip ceteris paribus folgen.
Gesamtergebnis Die Arbeit hat gezeigt, dass die Dogmatik von Abtretungsanzeige und vertraglichen Abtretungsverboten mit den jeweiligen Grundentscheidungen für einen Zessions- und insbesondere auch für einen Forderungsbegriff systematisch und normativ in vielfältiger Weise verknüpft war und ist. Die Antwort auf die Kernfrage der Arbeit nach den Zusammenhängen zwischen Forderungsbegriff und Zessionsdogmatik lässt sich dabei wie folgt zusammenfassen: Das französische Recht basiert seit dem Ancien droit auf einem sachenrechtlichen Forderungsbegriff, der in einem normativ kohärenten Vermögensrecht im Ausgangspunkt eine dogmatische Gleichbehandlung von Sachkauf und Zession erfordert, soweit nicht spezielle Wertungen, etwa des Schuldnerschutzes, für eine Sonderregelung sprechen. Die Dogmengeschichten von Abtretungsanzeige und Abtretungsverboten haben gezeigt, dass französische Gesetzgebung und Rechtswissenschaft diesen Zusammenhang nicht immer reflektiert haben. Daraus erklärt sich zunächst die Entstehung des aus rechtspraktischer Sicht größten Defizits des französischen Zessionsrechts zwischen 1804 und 2016: der auch für Dritte konstitutiven Abtretungsanzeige. Diese sogenannte signification war ein Fremdkörper im französischen Zessionsrecht, weil sich die Dogmatik des Sachkaufs bei der Redaktion des Code civil ohne spezifische Begründung von der Zessionsdogmatik entkoppelt hatte. Die daraus resultierenden normativen und systematischen Widersprüche bekam die französische Rechtswissenschaft anschließend nie in den Griff, was in der Praxis bis zur Reform 2016 zur weitgehenden Bedeutungslosigkeit der Abtretung nach dem Code civil führte. Noch deutlicher zeigt sich eine unbegründete Entkopplung von Forderungsbegriff und Zessionsdogmatik bei der in Frankreich lange kaum diskutierten Frage nach der Zulässigkeit und Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote: Obwohl die Einordnung der Forderung als frei veräußerliches bien bis heute zu den Prinzipien des Code civil gehört, hat die Schuldrechtsreform 2016 die aus dem deutschen Recht bekannte dingliche Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote eingeführt – ohne plausible Begründung bildet dies in einem dem Anspruch nach wertungskohärenten Gesetzbuch einen ungerechtfertigten Widerspruch. Das deutsche Recht unterscheidet sich vom französischen Recht für die hier in Rede stehenden Fragen hauptsächlich dadurch, dass es lange Zeit nicht auf einem eindeutigen Forderungsbegriff basierte. Die römischrechtliche Sicht auf die Forderung als rein relatives „Rechtsband“ dominierte vor allem den pandek-
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tistischen Diskurs im 19. Jahrhundert. Für die Zessionsdogmatik folgerte insbesondere Mühlenbruch aus diesem Forderungsbegriff die Unübertragbarkeit der Forderung. Windscheid entkoppelte jedoch in der Folgezeit die Möglichkeit einer Zession in dieser Frage mit plausibler Begründung vom Forderungsbegriff, so dass die Übertragbarkeit der Forderung am Ende des 19. Jahrhunderts unabhängig vom Forderungsbegriff feststand. Besonders deutlich ließ sich schließlich im 19. Jahrhundert auch der dogmatische Konnex zwischen dem Forderungsbegriff und der Dogmatik vertraglicher Abtretungsverbote beobachten: Auf Grundlage des rein schuldrechtlichen Forderungsbegriffs argumentierte die pandektistische Inhaltsbestimmungslehre nachvollziehbar, dass die Veräußerlichkeit einer Forderung zum privatautonom bestimmbaren Forderungsinhalt gehöre. Ein sachenrechtlicher Forderungsbegriff, wie ihn einige Germanisten befürworteten, ließe die Veräußerlichkeit der Forderung dagegen ebenso wie die Veräußerlichkeit von Sachen aus dem Bereich der Privatautonomie herausfallen. Bei den Gesetzgebungsarbeiten zum BGB war dieser Zusammenhang bekannt; der schuldrechtliche Forderungsbegriff und die dingliche Wirkung vertraglicher Abtretungsverbote setzten sich am Ende – eher mühsam und ohne vertiefte Diskussion – durch. Erst in den vergangenen Jahrzehnten etablierte sich im deutschen Recht ein differenzierter Forderungsbegriff, der das Recht an der Forderung dogmatisch dem Sacheigentum gleichstellt. Die bis heute das deutsche Recht tragende Inhaltsbestimmungslehre steht zu diesem modernen Forderungsbegriff mittlerweile im Widerspruch; es gibt heute keine plausible Begründung mehr dafür, das Recht an der Forderung hinsichtlich des vertraglichen Verfügungsverbots anders als das Sacheigentum zu behandeln. Im Einzelnen lassen sich die Ergebnisse der Untersuchung in folgenden Thesen zusammenfassen: I. Sowohl dem Code civil als auch dem BGB liegt ein Zessionsbegriff zugrunde, der die Forderungsübertragung im Grundsatz weitgehend analog zur Sachübereignung ermöglicht. Im Ergebnis liegen damit beide Rechtsordnungen auf einer Linie mit der vor allem im säkularen Naturrecht ausformulierten Konzeption der Zession als Übereignung einer unkörperlichen Sache. Direkte dogmenhistorische Verbindungen zum neuzeitlichen Naturrecht ließen sich zwar für beide Kodifikationen nicht zeigen. Doch die zentrale Wertung des Naturrechts prägte seit dem Recht der Coutumes jedenfalls das französische Zessionsrecht: der Schluss von der Verkehrszugehörigkeit der obligation auf ihre Übertragbarkeit. Dogmatisch äußert sich diese Wertung im französischen Recht bis heute in einem dezidiert sachenrechtlichen Forderungsbegriff, der die Übertragbarkeit der Forderung von vornherein außer Frage stellte. II. In Deutschland konnte sich die Übertragbarkeit der Forderung dagegen erst spät durchsetzen, nämlich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dies lässt
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sich vor allem mit dem vom Naturrecht und vom französischen Recht stark abweichenden, römischrechtlichen Forderungsbegriff erklären. Mit diesem konnten erst die Glossatoren, später aber besonders die Pandektisten Forderungen als rein relatives „Rechtsband“ zwischen Schuldner und Gläubiger scharf von Sachenrechten und deren Dogmatik abgrenzen. Bei den Gesetzgebungsarbeiten zum BGB konnte sich weder ein schuldrechtlicher, noch ein sachenrechtlicher Forderungsbegriff theoretisch durchsetzen. Die Kommissionen konnten die Streitfrage aber offenlassen, weil die Übertragbarkeit der Forderung ohnehin mittlerweile auf Basis beider Forderungsbegriffe begründbar und darüber hinaus rechtspraktisch etabliert war. III. Die für die Zessionsparteien und für Dritte konstitutive, gerichtliche Abtretungsanzeige des französischen Rechts (signification) haben die Juristen des Ancien droit dem Recht der Coutumes entnommen und als Äquivalent zur für die Sachübereignung notwendigen Besitzübergabe konzipiert; der sachenrechtliche Forderungsbegriff harmonierte hier mit dem theoretischen Gleichlauf von Sachübereignung und Zession. IV. Diese dogmatische Verbindung von signification und Sachübergabe löste sich jedoch, als das Konsensprinzip bei der Sachübereignung das Traditionsprinzip nach und nach verdrängte, die signification aber dennoch weiterhin konstitutiv für den Zessionsakt blieb. Die Redaktoren des Code civil erwogen zwar eine Abschaffung der auch für Dritte konstitutiven signification, verpassten diese Möglichkeit zur Harmonisierung von Sachübereignung und Zession jedoch aus unklaren Gründen. V. Die Zession des Code civil basierte demnach von 1804 bis 2016 auf einer auch im Verhältnis zu Dritten konstitutiven, förmlichen Abtretungsanzeige, für die es unter Geltung des Konsensprinzips allerdings keine dogmatische Rechtfertigung mehr gab. Der Schuldnerschutz allein kann offensichtlich nicht erklären, warum die Anzeige auch im Verhältnis zu Dritten konstitutiv sein soll. Französische Juristen haben daher versucht, das Anzeigeerfordernis unter dem Code civil als Publizitätsmittel zu rationalisieren. Doch ist die bis zuletzt vorgebrachte Auffassung, die signification entfalte für Dritte zumindest normativ Publizität, ausgesprochen unplausibel. Damit bestand angesichts des sachenrechtlichen Forderungsbegriffs ein ungerechtfertigter Widerspruch zwischen Sachübereignung und Zession im Code civil. VI. Im 20. Jahrhundert ist die signification auch rechtspolitisch unter Druck geraten, weil sie die Zession zu einem schwerfälligen und damit für Sicherungsgeschäfte untauglichen Instrument machte. Mit der Loi Dailly von 1981 ermöglichte der französische Gesetzgeber daher nebengesetzlich Sicherungszessionen im Kreditverkehr, ohne die Problematik jedoch umfassend in den Blick zu nehmen. Erst im Zuge der Schuldrechtsreform 2016 ist die signification abgeschafft worden. Die Abtretung nach dem Code civil ist Dritten gegenüber nun mit Vertragsschluss wirksam. Die neue Vorschrift zum Schuldnerschutz ist je-
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doch missverständlich geraten: Es bleibt unklar, ob die Zession dem Schuldner künftig erst nach einer formlosen Anzeige oder bereits nach Kenntniserlangung entgegengehalten werden kann. VII. Die deutsche Diskussion um ein Anzeigeerfordernis stützte sich im Gegensatz zur französischen hauptsächlich auf die denuntiatio des römischen Rechts. Im usus modernus und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestand ein logisch nicht vorgegebener Gleichlauf in den Fragen der Übertragbarkeit der Forderung und des Anzeigeerfordernisses: Verteidiger des römischen Unübertragbarkeitsdogmas hielten die denuntiatio nach den Quellen für konstitutiv, um eine befreiende Leistung des Schuldners an den weiterhin berechtigten Zedenten auszuschließen. Anhänger der Übertragbarkeit sahen in der Anzeige dagegen nur eine von vielen Möglichkeiten, den Schuldner bösgläubig und damit in der Frage der befreienden Leistung schutzunwürdig zu machen. VIII. Erst Windscheid und Bähr trennten diese Fragenkreise in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts voneinander. Durchgesetzt hat sich im BGB schließlich das System Bährs, der den Schuldnerschutz in den Mittelpunkt der gesamten Zessionsdogmatik rückte und als alleiniges Kriterium dieses Schutzes die Kenntnis von der Zession festlegte. Das BGB kennt damit keine für den Zessionserfolg oder die Unmöglichkeit der befreienden Leistung konstitutive Abtretungsanzeige. IX. De lege ferenda sollte die Einrichtung eines Forderungsregisters in beiden Rechtsordnungen erwogen werden. Damit könnten Fragen des Schuldnerschutzes, der Publizität und der Priorität kohärenter und differenzierter gelöst werden als mit einer Abtretungsanzeige. X. Vertragliche Abtretungsverbote wurden in beiden Ländern erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als eigenständiges dogmatisches Problem diskutiert. Der jeweilige Forderungsbegriff war und ist für diese Diskussion besonders wichtig, weil er determiniert, inwiefern die allgemeineren Regeln über vertragliche Veräußerungsverbote prinzipiell Anwendung finden. XI. In der deutschen Diskussion des 19. Jahrhunderts war zunächst die Übertragung der Dogmatik der vertraglichen Veräußerungsverbote (pacta de non alienando) auf Zessionsverbote im Gespräch; die herrschende Meinung hielt solche Abreden seit dem usus modernus für lediglich schuldrechtlich, nicht aber dinglich wirksam. Durchgesetzt hat sich jedoch die innovative Inhaltsbestimmungslehre der Pandektisten Sintenis und Windscheid, die das nun sogenannte pactum de non cedendo im Gegensatz zu einem Veräußerungsverbot für Sachen als Inhaltsbestimmung des entstehenden Forderungsrechts begriffen. Auf Grundlage des rein schuldrechtlichen Forderungsbegriffs der Pandektistik argumentierten die Anhänger dieser Lehre, dass der Forderung bei einem vertraglichen Abtretungsverbot von vornherein die Übertragbarkeit fehle, so dass verbotswidrige Abtretungen stets erga omnes unwirksam seien.
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XII. Die Erste Kommission erkannte bei den Beratungen zum BGB, wie sehr die Plausibilität der Inhaltsbestimmungslehre vom zugrunde liegenden Forderungsbegriff abhing: Ein sachenrechtlicher Forderungsbegriff ließe die Übertragbarkeit der Forderung aus dem Bereich des privatautonom Bestimmbaren herausfallen. Die Zweite Kommission entschied sich schließlich eher beiläufig für die Inhaltsbestimmungslehre der Pandektisten, ohne aber die Zusammenhänge mit dem Forderungsbegriff zu bedenken. Vertragliche Abtretungsverbote hielt sie für seltene Ausnahmeerscheinungen insbesondere bei speziellen NichtGeldforderungen; hier sah sie das Interesse des Schuldners an einer auch dinglichen Vinkulierung als schützenswert an. XIII. Das BGB lässt damit eine vertragliche Forderungsvinkulierung zu, die die Forderung als absolut unveräußerliches Recht entstehen lässt. Ein Widerspruch zur Dogmatik vertraglicher Veräußerungsverbote über veräußerliche Gegenstände, die im BGB prinzipiell keine dingliche Wirkung entfalten können, war damit konstruktiv, nicht aber in der Sache vermieden. Bis heute sind die pandektistische Inhaltsbestimmungslehre und damit die Möglichkeit, die Forderung privatautonom als res extra commercium auszugestalten, in der deutschen Rechtsprechung und Literatur herrschend. Eine Mindermeinung nimmt dagegen aus teleologischen Gründen plausibel eine nur relative (dingliche) Unwirksamkeit der verbotswidrigen Abtretung an. XIV. Die ökonomisch unerwünschten Auswirkungen der massenhaften Vinkulierung von Geldforderungen auf den Banken- und Warenkreditverkehr mittelständischer Unternehmen veranlassten den deutschen Gesetzgeber 1994 zum Erlass einer Spezialnorm im Handelsrecht. Ziel der Neuregelung war die Wiederherstellung der Umlauffähigkeit von Geldforderungen im Wirtschaftsverkehr. Die Norm verfehlt diesen Zweck jedoch weitgehend, weil sie dem Schuldner einer verbotswidrig abgetretenen Forderung weiterhin das Recht gewährt, kenntnisunabhängig mit befreiender Wirkung an den Zedenten zu leisten. XV. Für die französische Rechtsprechung und Literatur war im 19. Jahrhundert zunächst angesichts des sachenrechtlichen Forderungsbegriffs selbstverständlich, dass die Dogmatik der vertraglichen Veräußerungsverbote ohne Unterschied auch für Abtretungsverbote zu gelten habe. Vielfach argumentierten Juristen in dieser Frage, dass vertragliche Veräußerungsbeschränkungen wegen der überragenden Stellung der vertraglich nicht disponiblen Verfügungsfreiheit über das eigene Vermögen im Code civil gänzlich – auch schuldrechtlich – unwirksam seien. XVI. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich im französischen Diskurs eine verbotsfreundlichere Sichtweise durch; temporäre Veräußerungsverbote erachtete die herrschende Meinung seitdem unter gewissen Umständen für wirksam und imstande, die verbotswidrige Veräußerung im Außenverhältnis zu verhindern. Über die naheliegende Übertragung dieser Grundsätze auf vertragliche Abtretungsverbote haben französische Autoren jedoch
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in der Folgezeit nicht nachgedacht. Ganz allgemein waren vertragliche Abtretungsverbote im 20. Jahrhundert im französischen Recht praktisch kein Thema der wissenschaftlichen Debatte – vermutlich, weil auch die Zession des Code civil wegen der schwerfälligen signification für die Praxis kaum relevant war. XVII. Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts gerieten vertragliche Abtretungsverbote im Anschluss an zwei höchstrichterliche Entscheidungen wieder in den Fokus französischer Juristen. Überraschenderweise knüpften diese kaum an die etablierten und teilweise kodifizierten Grundsätze zu vertraglichen Veräußerungsverboten an, sondern betrachteten vertragliche Abtretungsverbote aus neuen dogmatischen Perspektiven. Plausibel war dabei lediglich die Ansicht, nach der die Grundsätze für die Teilnahme am fremden Vertragsbruch auf verbotswidrige Zessionen zu übertragen seien. Bösgläubige Zessionare sollten demnach unter gewissen Umständen deliktisch auf Rückabwicklung der Zession haften können. Einflussreicher war dagegen die Lehre Licaris, der unter Berufung auf die Inhaltsbestimmungslehre der deutschen Pandektisten des 19. Jahrhunderts (oben XI.) die absolute Unwirksamkeit jeder verbotswidrigen Zession propagierte. Unter dem Code civil, der Forderungen wie das Sacheigentum als grundsätzlich übertragbare Rechte behandelt, ist diese Lehre jedoch unplausibel. XVIII. Mit einer teleologisch und im Anwendungsbereich undeutlichen Spezialregelung verbot der französische Gesetzgeber zu Beginn des 21. Jahrhunderts Abtretungsverbote im unternehmerischen Verkehr, ohne jedoch die Dogmatik des Zessionsverbots allgemein in den Blick zu nehmen. Erst die Schuldrechtsreform 2016 hat die herrschende Rechtsunsicherheit beendet und die Lösung Licaris übernommen – vertragliche Abtretungsverbote verhindern damit künftig nach französischem Recht die Zession im Außenverhältnis. Diese inhaltlich weitreichende Reform wurde kaum vertieft begründet; ihre ökonomischen Folgen nahmen die Gesetzesverfasser nicht in den Blick. XIX. De lege ferenda sollten Geldforderungen im deutschen Recht künftig hinsichtlich des vertraglichen Übertragungsverbots wie Sachen behandelt werden, also nicht mehr dinglich vinkuliert werden können. Dies harmonierte mit dem in der modernen Literatur entwickelten, differenzierten Forderungsbegriff, der das Recht an der Forderung dogmatisch wie das Eigentumsrecht behandelt. Die absolute Wirksamkeit verbotswidriger Abtretungen bei Geldforderungen könnte die rechtspolitisch erwünschte Umlauffähigkeit von Forderungen im Unternehmensverkehr umfassend sicherstellen und entspräche auch dem Trend im Konventionsrecht sowie den transnationalen europäischen Regelwerken. XX. Im französischen Recht sollte der Gesetzgeber zunächst die bis heute recht unklare Dogmatik der vertraglichen Veräußerungsverbote allgemein umfassend in den Blick nehmen. Die Übertragung dieser Dogmatik auf Zessionsverbote sollte auch künftig angesichts des sachenrechtlichen Forderungsbegriffs die Regel sein.
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Personenverzeichnis Accursius 12 f., 92 f. Azo 12 f., 14, 92 Bähr, Otto 73, 81, 89, 164 ff., 174 f. Baldus de Ubaldis 20 f., 92 Bartolus de Saxoferrato 14, 18 ff., 93 Bourjon, François 47, 55, 104, 107 f., 112 Brunner, Heinrich 100 ff. Catala, Pierre 149 ff., 230 Combacérès, Jean-Jacques Régis de 53 ff., 112 f., 119 ff. Crome, Carl 54, 56 f., 75, 130 f., 220 Darjes, Joachim Georg 38 ff. Domat, Jean 48 f., 105 f., 109, 112 Donellus, Hugo 26, 93 Duranton, Alexandre 54, 75, 129 f., 138 Gaius 9 Gierke, Otto von 62, 67, 81 Gijsbers, Charles 156, 233 Grotius, Hugo 25 ff. Heineccius, Johann Gottlieb 15, 29, 38 ff. Huc, Théophile 11, 44, 54, 56 f., 75, 96, 121, 131 ff., 135, 137 f., 140, 206, 208, 219 f., 225, 232 Huwiler, Bruno 38 Johow, Reinhold 173 f. Julienne, Maxime 154, 156 f., 232 f. Kübel, Franz Philipp von 77 f., 169 f., 188 f. Laurent, François 56 f., 75, 96, 115, 121, 130, 131 f., 135, 137 f., 140, 145, 206 ff.
Lauterbach, Wolfgang Adam 17, 94, 164, 181 Lessius, Leonardus 24, 27 f. Licari, François-Xavier 210, 222, 225 f., 231 f. Marty, Richard 215 ff. Molina, Luis de 24 Mühlenbruch, Christian Friedrich 64 ff., 75 ff., 131, 160 ff., 167, 182 f., 184, 226 Napoléon Bonaparte 53 f. Portalis, Jean-Étienne-Marie 53, 55, 58, 116 ff., 122, 127 Pothier, Robert-Joseph 49 ff., 105 f., 109, 112 Pufendorf, Samuel 31 ff. Raynaud, Benoît 209 ff., 215 ff., 223, 227 f. Savigny, Friedrich Carl von 61 ff., 187 f. Schilter, Johann 17, 67, 94 Schmid, Albert 184 f. Seuffert, Lothar 184 f. Sintenis, Carl Friedrich Ferdinand 184 ff. Terré, François 150, 153 f., 157, 230 ff. Thibaut, Anton Friedrich Justus 61 f. Troplong, Raymond-Théodore 54, 57, 75, 121, 130, 135 Vidal, José 129, 135 ff., 138 ff. Windscheid, Bernhard 68 ff., 91, 162 ff., 174 f., 184 ff., 190 Wolff, Christian 31 ff., 35 ff.
Sachverzeichnis ABGB 62, 71, 95, 167 Abstraktheit der Zession 54, 56, 83, 151, 155 Abtretungsanzeige 87 ff. – BGB 78, 169 ff. – Code civil 110 ff., 134 ff. – Coutumes 43 ff., 47, 49, 96 ff. – des Zedenten 167 f., 170 ff. – Ersetzbarkeit der signification 135 ff. – Forderungsverpfändung 125, 172 ff. – Glossatoren 92 f. – Kodifikationen des 19. Jahrhunderts 167 f. – Naturrecht 95 – notification 120, 148, 151 ff., 156 – Pandektenwissenschaft 160 ff. – römisches Recht 88 ff. – Schuldrechtsreform (Frankreich) 150 ff. – Umgehung der signification 145 ff. – usus modernus 93 f. Abtretungsverbot 179 ff. – BGB 188 ff., 196 ff. – Code civil 204 ff. – de lege ferenda 202 ff., 235 – im Handelsverkehr 198 ff., 227 f. – nachträgliches 188 ff. – Pandektenwissenschaft 182 ff. – römisches Recht 180 f. – Schuldrechtsreform (Frankreich) 179, 230 ff. – usus modernus 180 ff. – Verhältnis zum Veräußerungsverbot 181 ff., 184 ff., 192 ff., 219 ff., 225, 235 acceptation 87, 123, 135, 144, 154, 159 actio directa 10, 13 ff., 17, 69, 75, 92 f., 174 actio utilis 9 f., 13 f., 65 f., 68 f., 89, 91, 92, 162, 164
ALR 37, 71, 95, 167 f., 181 Ancien droit 43 ff. appréhension 98 ff. Aufrechnung 147, 200 Ausübungslehre 65 f., 70, 130 f., 160 f., 163 Bayerischer Entwurf 76, 167 befreiende Leistung des Schuldners 10, 12, 88 ff., 96, 121 f., 125, 154, 156, 161, 164 f., 168, 169, 171, 198 ff. Besitzkonstitut 99, 102, 105 ff., 111, 116 f., 173 bien siehe Vermögensgegenstand Billigkeit 12, 48, 91, 94, 121, 158, 164 f., 208 f., 218 Bösgläubigkeit siehe Kenntnis von der Zession, siehe Kollusion CARIT 2, 177, 203 clause d’incessibilité siehe Abtretungsverbot Code civil 29, 53 ff., 63 Codex Iustinianus 11, 51, 90, 92, 181 Corpus Iuris Civilis 12, 19, 45, 48, 97, 160, 162, 181 Coutume de Paris 44 f., 46 f., 98, 101 ff., 104 DCFR 2, 200, 203 Delegation siehe Novation Deliktsschutz der Forderung 80 f., 202, 215 f. denuntiatio siehe Abtretungsanzeige, römisches Recht dingliche Wirkung 79, 179 ff., 185 f., 188, 190 ff., 196 ff., 202 ff., 215 f., 217 ff., 221, 227 f., 231 f. dominium 18 ff., 32 f.
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Sachverzeichnis
Doppelnatur der Forderung siehe Forderungsbegriff Doppelverkauf 16, 28, 111, 115 f., 126, 130, 139 f. Doppelzession siehe Zweitzession Dresdner Entwurf 77, 167, 169 f. Dupont-Urteil 222 ff., 227 f. Eigentum an Forderungen 23 f., 25 ff., 32 f., 38, 45, 57 f., 62, 65, 67 f., 71, 81, 106, 130, 206 Einwendungserhalt 149, 223 f., 230 Erbschaftskauf 10, 89, 91, 97, 160 Erfüllung 28, 31, 39, 81, 145 ff., 220 exceptio doli 11, 89, 160, 162 Factoring 1, 145 ff., 148 f., 159, 180, 199, 204 faute 139, 215 Forderungsbegriff – BGB 77 ff., 80 ff., 188 ff. – Code civil 56 ff., 187 – Doppelnatur der Forderung 35 ff., 82 f., 202 ff. – Germanistik 67 f. – Glossatoren 11 f. – Kodifikationen des 19. Jahrhunderts 76 f. – Naturrecht 25 ff., 32 f. – Pandektenwissenschaft 61 ff., 64 f., 70 f., 73 f., 187 f., 190 f. – Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts 77 – römisches Recht 8 f. – spanische Spätscholastik 22 ff. – usus modernus 15 f., 16 ff., 37 ff. – Verkehrsfähigkeit 59, 67, 79, 185, 187, 189 ff., 198, 204, 218 Forderungsregister 133, 178 Forderungsverpfändung 88, 125, 155, 172 ff. Französische Revolution 53, 55, 57, 207 Gattungsschuld 30, 31 Gewährleistung 148, 151, 155 Gläubiger des Zedenten / des Zessionars 96, 105, 107 f., 122 ff., 129, 131 f., 134, 139 ff., 143, 145, 173, 232
Handelsverkehr 25, 60, 109, 144, 145, 148, 152, 157, 159, 185, 195, 198 f., 210, 227 f., 233 Hessischer Entwurf 76, 167 höchstpersönliche Forderung 36, 182, 184, 231 f. Inhaltsbestimmungslehre 185 ff., 194 f., 196 ff., 201, 225 f., 229, 231 ff. ius ad rem, ius in re 15 f., 20, 24 f., 26, 29, 39, 81, 116 Kenntnis – vom Abtretungsverbot 203, 214, 215 f., 223 f., 233 – von der Zession 11, 52, 89 ff., 92 f., 95 ff., 104 f., 108, 122, 135 ff., 138 ff., 146, 148, 152 f., 154, 156, 160 f., 164 f., 167, 169 ff. Kerform-Urteil 140 f. Kollusion 124 ff., 129 f., 135 ff., 142 ff., 151, 153, 172, 177 f., 216 Konsensprinzip 27, 29 ff., 33, 38, 99 f., 108, 111 ff., 114 ff., 121 f., 126, 129, 151 f., 216 Kreditsicherung siehe Sicherungs abtretung lex Anastasiana 11, 55, 180 libre disposition des biens siehe Verfügungsfreiheit litis contestatio siehe Streitbefestigung Loi Dailly 148 f., 153, 155, 157, 224, 227 Mandat siehe Prozessvertretung Missbrauch siehe Kollusion Naturrecht 25 ff., 58 f., 71 ff., 117 Nicht-Geldforderung 192, 194 f., 203 f. nomina ossibus inhaerent siehe Zessionsbegriff, Glossatoren notification siehe Abtretungsanzeige Novation 9 f., 45 nullité 211 ff., 215 f., 217 ff., 226 numerus clausus der Sachenrechte 187, 203
Sachverzeichnis
obligatio 8 f., 13, 15, 27, 29, 61 ff., 69, 77 f., 91 obligatio dandi/faciendi 27, 29 ff., 39 obligation de donner 29, 116 obligation de ne pas faire 212, 215, 218, 225, 234 ökonomische Auswirkungen 155, 185, 186 f., 198 ff., 202 ff., 220, 227, 234 opposabilité 115 f., 123, 128, 215, 223 ordre public 206 f., 218 pactum de non alienando siehe Veräußerungsverbot pactum de non cedendo siehe Abtretungsverbot, 186 PECL 2, 177, 203, 231 PICC 2, 177, 203 Priorität 138 ff., 149, 152, 155, 159, 171, 177 f. Privatautonomie 57, 187, 189, 191, 203, 205, 209 f., 225 f. procurator in rem suam siehe Prozessvertretung Prozessvertretung 9 f., 12, 44 f., 50, 65 f. Publizität 131 ff., 136 ff., 140, 143 ff., 153 f., 157, 159, 172 ff., 178, 214, 217 Rapport au président 150, 155, 181, 232 Rechtsband 9, 15, 64, 70, 78, 82, 188 f., 225 f. Rechtsübertragungswirkung des Versprechens 27 f., 29 ff., 33, 39 relative (Un-)Wirksamkeit – Übereignung 114 ff., 119, 213 – Zession 98, 107 f., 120 ff., 128, 158, 197 f., 200, 203 f., 222 f., 226, 231, 233 Relativität der Schuldverhältnisse 215, 222 f. res extra commercium 187 ff., 201, 203, 217, 226, 229 res incorporalis siehe unkörperliche Sache Sächsisches BGB 76, 167 saisine 44, 98 ff., 130 Schadensersatz 80, 139, 211, 214 f., 223 Schädigungsabsicht siehe Kollusion Schenkung 99 ff., 137, 147, 205, 207, 211
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Schuldnerschutz 37, 93 ff., 96, 104, 106, 110, 122, 128 f., 134, 152 f., 156, 160 f., 164 ff., 169 ff., 198, 200 f., 203 Schuldrechtsreform (Frankreich) 29, 145, 149 ff., 230 ff. Sicherungsabtretung 1, 54, 132, 144, 145, 148 f., 151, 159, 171, 174, 197, 199 f., 204, 227 signification siehe Abtretungsanzeige Streitbefestigung 10, 66, 88, 160 f., 163 subjektives Recht 16, 18 f., 21, 23, 72, 81, 82 f. subrogation personnelle 145 ff., 153, 159, 177 traditio, Traditionsprinzip 15, 33 f., 39, 98 ff., 104 ff., 111 ff., 126, 129 unentgeltliche Zuwendung siehe Schenkung, 207 ff. unkörperliche Sache 9, 19, 24 f., 33, 45, 47, 48, 61 f., 78, 84, 106 f., 122, 187 f. Übergabe siehe traditio Übergabesurrogat siehe Besitzkonstitut UN‑Factoring-Übereinkommen 2, 203, 235 (Un-)Übertragbarkeit der Forderung 11, 12, 17, 38, 41, 43 ff., 64 f., 69, 71, 74, 93 f., 161 f., 162 ff., 183, 230 Veräußerungsverbot 180 ff., 192 ff., 205 ff., 225 verbotswidrige Veräußerung / Verfügung / Zession 181, 183, 185, 196 ff., 202 f., 207, 211 ff., 216, 222, 225 f., 229, 231 ff. Verfügungsfreiheit 20, 22, 32, 42, 205 ff., 217 f., 219, 221, 223, 225 Verkehrsschutz 170, 178, 206 Vermögensgegenstand 16, 18 ff., 53, 55, 56 f., 68, 74, 84, 109, 128, 158, 176, 187, 189, 195, 203, 205 ff., 220, 225 f. Vertragsbruch 80, 211, 215 f., 219, 223, 228 f., 233 Vindikation 115 f., 211, 214 Zessionsbegriff – BGB 77 ff.
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Sachverzeichnis
– Code civil 53 ff. – Coutumes 43 ff. – Germanistik 67 f. – Glossatoren 11 ff., 21 – Naturrecht 28 f., 34 f. – Pandektenwissenschaft 64 ff., 68 f., 73 f.
– römisches Recht 9 ff. – spanische Spätscholastik 24 f. – usus modernus 16 f., 40 f. Zweitzession 96, 107 f., 123, 131, 134, 138 f., 142 f., 145, 164, 171