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German Pages 352 [262] Year 2016
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 367 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Stefanie Seibold
Die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem, englischem und europäischem Recht
Mohr Siebeck
Stefanie Seibold, geboren 1986; Studium der Rechtswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; Rechtsreferendariat am Oberlandesgericht Nürnberg; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Rechtswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; 2015 Promotion; derzeit Juristin in der Bayerischen Finanzverwaltung.
ISBN 978-3-16-154562-7 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abr ufbar. © 2016 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwert ung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elekt ronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Rechtswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und wurde von diesem im Sommersemester 2015 als Dissertation angenommen. Literatur und Judikatur wurden bis Ende April/Mai 2015 berücksichtigt. An dieser Stelle möchte ich von ganzem Herzen meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Mathias Rohe, für die Betreuung der Arbeit, seine vielfältige Förderung und ständige Gesprächsbereitschaft danken. Des Weiteren möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Jochen Hoffmann für die Übernahme der Zweitbegutachtung und bei Herrn Prof. Dr. Klaus-Ulrich Schmolke für seine Mitwirkung in der Prüfungskommission bedanken. Für die Förderung meines Promotionsvorhabens mit dem Fakultätsfrauenpreis 2013 der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der FAU bin ich der Auswahlkommission zur Vergabe dieses Preises zu besonderem Dank verpflichtet. Mein herzlichster Dank gebührt darüber hinaus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg für die Möglichkeit zur Durchführung der Recherchen zu meiner rechtsvergleichenden Arbeit und die kompetente Betreuung der Gäste vor Ort. Zudem möchte ich mich bei den Direktoren des Instituts herzlich für die Aufnahme der Dissertation in die Schriftenreihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ bedanken. Diese Arbeit ist all denjenigen gewidmet, die mich auf diesem nicht immer einfachen Weg unterstützten, mich in schwierigen Phasen ermutigten und mir in fachlicher und persönlicher Hinsicht stets mit wertvollen Ratschlägen zur Seite standen. Insbesondere wären ohne die Unterstützung meiner Eltern, Großeltern und meines Partners sowohl meine juristische Ausbildung als auch diese Arbeit nicht möglich gewesen. Erlangen, im März 2016
Stefanie Seibold
Inhaltsübersicht Teil 1: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemstellung sowie Gegenstand, Ziel, Methode und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Grundlagen für die haftungsrechtliche Analyse . . . . . . . . . . . . . 5
Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen nach den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen und nach der harmonisierten Haftungsvorschrift des Art. 35a der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Überblick über die historische Entwicklung und den aktuellen Stand der Harmonisierung der Regulierung und Haftung von Ratingagenturen in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Rechtsvergleichende Analyse der Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem und englischem Recht ohne Berücksichtigung des Einflusses des Art. 35a RatingVO 2013 . . . 39 III. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013 auf die gefundenen Ergebnisse und Untersuchung des Bedarfs nach weiteren Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf die Haftung von Ratingagenturen . . . . . . . . . 187
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
Teil 1: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
I. Problemstellung sowie Gegenstand, Ziel, Methode und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3. Ziel, Methode und Gang der rechtsvergleichenden Untersuchung . . . . 3
II. Grundlagen für die haftungsrechtliche Analyse . . . . . . . . . . . . . 5 1. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 a) Begriff des Ratings nach der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 . . . . 5 b) Arten von Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 aa) Differenzierung nach dem Untersuchungsobjekt . . . . . . . . . . 7 bb) Differenzierung nach dem Verwendungszweck . . . . . . . . . . 7 cc) Differenzierung nach der Beauftragung . . . . . . . . . . . . . . 9 c) Funktionen von Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Überblick über in Betracht kommende Haftungsverhältnisse und Arten fehlerhafter Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. Beispielhafte Darstellung des Ablaufs des Ratingprozesses und Aufdeckung möglicher Fehlerquellen seitens der Ratingagenturen als Ansatzpunkte für eine Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 a) Ablauf des Ratingprozesses am Beispiel des Auftragsratings . . . . 14 b) Fehlerquellen seitens der Ratingagenturen als Ansatzpunkte für eine Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 aa) Potentielle Fehlerquellen innerhalb des Ratingverfahrens . . . . . 18 (1) Anknüpfung an explizit normierte Verstöße sowie Orientierung an aufsichtsrechtlichen Vorgaben und Empfehlungen zur Konkretisierung der Anforderungen an ein sorgfältig erstelltes Rating . . . . . . . . . . . . . . 18 (2) Sonstige Fehlerquellen: Von der Datenbasis bis zur Erstellung eines konkreten Ratings . . . . . . . . . . . 20
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bb) Potentielle Fehlerquellen außerhalb des Ratingprozesses im eigentlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen nach den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen und nach der harmonisierten Haftungsvorschrift des Art. 35a der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Überblick über die historische Entwicklung und den aktuellen Stand der Harmonisierung der Regulierung und Haftung von Ratingagenturen in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Die Ausgangssituation vor 2009: Vertrauen auf die Selbstregulierung der Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Der Einfluss der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 (RatingVO 2009) und (EU) Nr. 513/2011 (RatingVO 2011) auf die Regulierung und Haftung von Ratingagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Harmonisierung der Haftungsfrage durch Art. 35a der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 (RatingVO 2013) . . . . . . . . . . . . . 29 4. Auseinandersetzung mit den Inhalten des Art. 35a RatingVO 2013 mittels einer Gegenüberstellung bereits harmonisierter und (noch) nicht harmonisierter Bereiche der Haftung von Ratingagenturen . . . . 32 a) Bereits harmonisierte Bereiche der Haftung von Ratingagenturen . . 32 aa) Begrenzter Anwendungsbereich der Vorschrift . . . . . . . . . . 33 bb) Inhaltliche Charakterisierung der Haftungsvorschrift . . . . . . . 34 b) (Noch) nicht harmonisierte Bereiche der Haftung von Ratingagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Aufdeckung bestehender Spielräume für die 37 nationalen Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Englands Reaktion auf die bestehenden Spielräume . . . . . . . . 38
II. Rechtsvergleichende Analyse der Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem und englischem Recht ohne Berücksichtigung des Einflusses des Art. 35a RatingVO 2013 . . . 39 1. Mangel an Gerichtsentscheidungen zur Haftungsfrage in den untersuchten Ländern und Bedeutung dieses Umstandes für die weitere Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Sachberichte zur Haftung von Ratingagenturen in den einzelnen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Haftung von Ratingagenturen gegenüber Emittenten . . . . . . . . 42 aa) Beim Auftragsrating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (1) Nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 (a) Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 (aa) Typologische Einordnung des Ratingvertrags . . . . 44
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(bb) Haftungsrelevante Pflichtverletzungen . . . . . . . 46 (cc) Weitere Voraussetzungen der Haftung und ersatzfähige Schadensposten . . . . . . . . . . . . . . . 48 (dd) Zusammenfassung zur vertraglichen Haftung . . . . 48 (b) Verhältnis zur außervertraglichen Haftung . . . . . . . . 49 (2) Nach französischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (a) Rechtsnatur der Haftung nach Art. L544-5 CMF . . . . . 50 (b) Vertragliche Haftung nach den Vorschriften des droit commun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (aa) Voraussetzungen einer Haftung nach den Grundsätzen des droit commun . . . . . . . . . . . 53 (bb) Übertragung dieser Grundsätze auf die Situation beim Auftragsrating . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (cc) Zusammenfassung zur vertraglichen Haftung . . . . 57 (c) Verhältnis zur außervertraglichen Haftung . . . . . . . . 57 (3) Nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (a) Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (aa) Voraussetzungen einer Haftung für Vertragsbruch . 59 (bb) Übertragung dieser Grundsätze auf die Situation beim Auftragsrating . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (cc) Zusammenfassung zur vertraglichen Haftung . . . . 62 (b) Verhältnis zur außervertraglichen Haftung . . . . . . . . 62 bb) Beim auftragslosen Rating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (1) Nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (a) Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . 64 (b) Haftung nach § 824 Abs. 1 BGB und nach § 826 BGB . . 67 (c) Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 68 (2) Nach französischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (a) Haftung nach Art. 1382 f. C.civ. . . . . . . . . . . . . . . 69 (b) Haftung nach Art. L544-5 CMF . . . . . . . . . . . . . 72 (c) Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 74 (3) Nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (a) Haftung nach dem Generaltatbestand des tort of negligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (aa) Duty of care gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings . . . . . . . . . . . . . 76 (bb) Weitere Voraussetzungen für eine Haftung nach dem tort of negligence . . . . . . . . . . . . . 78 (b) Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 79 b) Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern . . . . . . . . . 80 aa) Bei Vorliegen eines Abonnementvertrages . . . . . . . . . . . . . 80 (1) Nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (a) Typologische Einordnung des Abonnementvertrages . . . 81 (b) Weitere Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung . . 84
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(c) Haftung nach allgemeinem Schuldrecht . . . . . . . . . 84 (d) Ergebnis zum deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . 85 (2) Nach französischem und englischem Recht . . . . . . . . . 85 (a) Gemeinsamkeiten zwischen beiden Rechtsordnungen . . 86 (b) Spezielle Aspekte beider Rechtsordnungen . . . . . . . . 86 (3) Zusammenfassung der Ergebnisse zur Haftung bei Vorliegen eines Abonnementvertrages . . . . . . . . . . 87 bb) Gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum . . . . . . . . . . 88 (1) Nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (a) Stillschweigender Abschluss eines Auskunftsvertrages . . 88 (b) Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (c) Dritthaftung der Ratingagenturen . . . . . . . . . . . . 92 (aa) Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (bb) Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 S. 1 bzw. S. 2, 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (cc) Zusammenfassung der Ergebnisse zur Dritthaftung . 98 (2) Nach französischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (a) Übertragbarkeit der zum auftragslosen Rating herausgearbeiteten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . 99 (b) Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (3) Nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (a) Voraussetzungen einer Haftung nach dem tort of negligence gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (b) Einfluss der australischen Entscheidung Bathurst v Local Government aus dem Jahre 2012 und der dazugehörigen Berufungsentscheidung aus dem Jahre 2014 auf die Situation in England . . . . . 103 c) Übergeordnete Fragestellungen bei der Haftung von Ratingagenturen 106 aa) Untersuchung des anwendbaren Rechts und der internationalen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (a) Bei Vorliegen eines vertraglichen Schuldverhältnisses . . 107 (b) Im Rahmen außervertraglicher Schuldverhältnisse . . . . 112 (2) Internationale Zuständigkeit (Gerichtsstand) . . . . . . . . . 117 (a) Bei Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . 117 (b) Bei Fehlen einer (wirksamen) Gerichtsstandsvereinbarung 122 bb) Untersuchung der Regelungen zur Beweislastverteilung bei der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Ratingagenturen in den einzelnen Ländern . . . . . . 127
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(1) Zusammenfassung bestehender Beweishürden für potentielle Kläger in den einzelnen untersuchten Ländern . . 127 (2) Untersuchung des Erfordernisses einer Änderung der Beweislastverteilung seitens der nationalen Gesetzgeber . . . 128 3. Analyse der im Rahmen der Sachberichte skizzierten Lösungsansätze zur Regelung der Haftungsfrage in den untersuchten Ländern . . . . . 132 a) Haftung von Ratingagenturen gegenüber ihren Vertragspartnern . . 132 aa) Einordnung der verschiedenen Vertragstypen beim Auftragsrating und beim Abonnementvertrag sowie Konsequenzen hieraus im Hinblick auf die Haftung . . . . . . . 133 (1) Bedeutung der Vertragstypeneinordnung in den untersuchten Ländern im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . 133 (2) Konsequenzen im Hinblick auf die vertragliche Haftung der Ratingagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Möglichkeiten und Grenzen der Haftungsfreizeichnung sowie Untersuchung der Rechtsfolgen bei Überschreitung der rechtlichen Grenzen am Beispiel des Ratingvertrages . . . . 136 (1) Die nationalen Regelungen zur Haftungsfreizeichnung in den untersuchten Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (a) Nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (b) Nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (c) Nach französischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (2) Besonderheiten bei Vorliegen eines Abonnementvertrages . . 152 cc) Untersuchung des Konkurrenzverhältnisses zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung in den jeweiligen Ländern im Hinblick auf die Bedeutung für die Haftungsfrage . . . . . . 157 b) Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten . . . . . . . . . . 159 aa) Möglichkeiten und Grenzen der Haftungsfreizeichnung gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (1) Gegenüber dem Emittenten im Rahmen eines auftragslosen Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (2) Gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum . . . . . . . 162 (a) Darstellung der Regelungen zur Haftungsfreizeichnung im Rahmen von außervertraglichen Bekanntmachungen und zur direkten vertraglichen Haftungsfreizeichnung . . 162 (b) Untersuchung einer möglichen Schlechterstellung deutscher Anleger gegenüber Anlegern in den anderen beiden Rechtsordnungen im Hinblick auf die Haftungsfreizeichnung als Folge der Einbeziehung in den Schutzbereich des Ratingvertrages . . . . . . . . 165 bb) Einfluss der Meinungs- und Pressefreiheit auf die Haftung in den untersuchten Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (1) Anwendbarkeit der Meinungs- und Pressefreiheit auf Veröffentlichungen von Ratingagenturen in den drei
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untersuchten Ländern und Konsequenzen hieraus in Bezug auf die Beurteilung der Haftungsfrage . . . . . . . . . . . . 168 (a) Nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (b) Nach französischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (c) Nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Auswirkungen der Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes auf die Bewertung des Einflusses der Meinungs- und Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . 177 cc) Bewertung des unterschiedlichen Schutzumfangs des Deliktsrechts in den einzelnen Ländern im Hinblick auf die Haftungssituation beim Rating . . . . . . . . . . . . . . 178 (1) Fehlen eines deliktischen Auffangtatbestandes für allgemeine Vermögensschäden in Deutschland im Vergleich zu den Regelungen in den anderen Ländern . . . . 179 (2) Untersuchung des Bedarfs nach einer umfassenden Generalklausel in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4. Zusammenfassung und Bewertung der gefundenen Ergebnisse . . . . . 181 a) Haftung von Ratingagenturen gegenüber Vertragspartnern . . . . . 181 b) Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten . . . . . . . . . . 183 c) Einfluss der Möglichkeiten zur Haftungsfreizeichnung auf die getroffene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 d) Länderübergreifende Hindernisse bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegenüber Ratingagenturen . . . . . . . . 186
III. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013 auf die gefundenen Ergebnisse und Untersuchung des Bedarfs nach weiteren Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf die Haftung von Ratingagenturen . . . . . . . . . 187 1. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013 auf die Ergebnisse der rechtsvergleichenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Gegenüberstellung der Regelungen der einzelnen Länder mit dem harmonisierten Haftungstatbestand der RatingVO 2013 . . . . . . . 188 aa) Nach französischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (1) Reichweite des harmonisierten Haftungstatbestandes im Vergleich zu den nationalen deliktsrechtlichen Regelungen Frankreichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (2) Bedeutung des harmonisierten Haftungstatbestandes für die Haftung nach französischem Recht . . . . . . . . . . 189 bb) Nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (1) Reichweite des harmonisierten Haftungstatbestandes im Vergleich zu den nationalen deliktsrechtlichen Regelungen Englands vor Einführung der UK Regulations . . . . 190 (2) Neuregelungen der UK Regulations und deren Zusammenspiel mit dem harmonisierten Haftungstatbestand . . . . . . 191
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(3) Bedeutung des harmonisierten Haftungstatbestandes und der UK Regulations für die Haftung nach englischem Recht . 194 cc) Nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (1) Reichweite des harmonisierten Haftungstatbestandes im Vergleich zu den nationalen deliktsrechtlichen Regelungen Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (2) Bedeutung des harmonisierten Haftungstatbestandes für die Haftung nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . 197 b) Einfluss der Harmonisierung durch Art. 35a RatingVO 2013 auf die nationalen Regelungen zur Haftungsfreizeichnung . . . . . . 198 aa) Untersuchung einer möglichen Ausstrahlungswirkung des Art. 35a Abs. 3 RatingVO 2013 auf die nationalen Regelungen zur Haftungsfreizeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Einfluss der UK Regulations auf die Haftungsfreizeichnung nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Das Zusammenspiel zwischen dem harmonisierten Haftungstatbestand der RatingVO 2013 und den nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten am Beispiel der deliktischen Haftung gegenüber dem Anlegerpublikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Untersuchung des Bedarfs nach weiteren Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf die Haftung von Ratingagenturen . . . . . . . . . . . . . 205 a) Vor- und Nachteile der bestehenden Regelungen zur Haftung von Ratingagenturen in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Vorteile der bestehenden Regelungen . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Nachteile der bestehenden Regelungen . . . . . . . . . . . . . 207 b) Frage des Erfordernisses weiterer Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf die Haftung von Ratingagenturen . . . . . . . . . . . 208 aa) Bedarf nach einer Harmonisierung der in Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 genannten Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Bedarf nach einer Harmonisierung außerhalb des bestehenden Katalogs an Verstößen, bezüglich nicht geregelter Rechtsinstitute und wichtiger Vorfragen einer Haftung . . . . . . . . . . . . . 211 cc) Bedarf nach einer harmonisierten Beweislastumkehr . . . . . . 213 dd) Bedarf nach einer Ausweitung des Haftungsmaßstabs des harmonisierten Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 ee) Bedarf nach einem harmonisierten Haftungstatbestand, von welchem auch außereuropäische Ratingagenturen umfasst sind . 219 ff) Bedarf nach der Schaffung einer europäischen Ratingagentur als Gegengewicht zu den „Großen Drei“ . . . . . . . . . . . . . 221 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht a. F. alte Fassung ABl. Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz AC Appeal Cases AcP Archiv für die civilistische Praxis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AG Aktiengesellschaft AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen All ER/All ER Rep All England Law Reports/All England Law Reports Reprint AMF Autorité des marchés financiers (französische Finanzaufsichtsbehörde) Art./Artt. Artikel (Singular/Plural) Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) BDI Bundesverband der Industrie BeckOK BGB Beck’scher Onlinekommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Begr. Begründer BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BJB Bulletin Joly Bourse (Zeitschrift) BKR Bank- und Kapitalmarktrecht (Zeitschrift) BörsG Börsengesetz BT-Drucks. Bundestagsdrucksache Bull. civ. I/II/IV/ Bulletin civil de la Cour de cassation, Première chambre A.P./MIXT. civile/Deuxième chambre civile/Chambre commerciale/ Assemblée plénière/Chambre mixte BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise C.civ. Code civil c.i.c. culpa in contrahendo (lat. = Verschulden bei Vertragsschluss) C.L.J. The Cambridge Law Journal (Zeitschrift) ca. circa
XVIII Cass. Ass. plén. Cass. Ch. mixte Cass. Civ. (1re/2e) Cass. Com. Cconsom. CE CESR
Abkürzungsverzeichnis
Cour de cassation Assemblée plénière Cour de cassation Chambre mixte Cour de cassation (Première/Deuxième) chambre civile Cour de cassation Chambre commerciale Code de la consommation Commission européenne Committee of European Securities Regulators (Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Wertpapierwesen) CMF Code monétaire et financier CPC Code de procédure civile CPR Civil Procedure Rules 1998 CRA Credit Rating Agency CRA 3 siehe RatingVO 2013 DAI Deutsches Aktieninstitut ders. derselbe DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DLR Dominion Law Reports (Kanadische Entscheidungssammlung) DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) ECAI External Credit Assessment Institution EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EJCL Electronic Journal of Comparative Law EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg. endgültig ESMA European Securities and Markets Authority (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) EU Europäische Union EUGH Europäischer Gerichtshof EuGVÜ Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27.9.1966 EuGVVO Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuGVVO 2015 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) EuR Europarecht (Zeitschrift) EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EVÜ Übereinkommen 80/934/EWG über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht EWCA Civ England and Wales Court of Appeal (Civil Division) EWHC (Comm)/KB High Court of England and Wales (Commercial Court)/ King’s Bench Division f./ff. folgende [Seite]/folgende [Seiten]
Abkürzungsverzeichnis
FCA/FCAFC
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Federal Court of Australia/Federal Court of Australia – Full Court Fitch Fitch Ratings (Ratingagentur) FSA Financial Services Authority FSMA Financial Services and Markets Act 2000 GD MARKT Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen der EU-Kommission GG Grundgesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GPR Zeitschrift für das Privatrecht in der Europäischen Union HGB Handelsgesetzbuch HGÜ Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen HRA 1998 Human Rights Act 1998 Hrsg. Herausgeber HS Halbsatz i. R. d. im Rahmen des/im Rahmen der i. S. d. im Sinne des/im Sinne der i. V. m. in Verbindung mit IOSCO International Organization of Securities Commissions (Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden) IOSCO-Kodex im Dezember 2004 durch die IOSCO verabschiedeter Verhaltenskodex für Ratingagenturen IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) JCP E Jurisclasseur périodique édition „Entreprise“ (Semaine Juridique Entreprise et Affaires, Zeitschrift) JETL Journal of Europeam Tort Law (Zeitschrift) JFE Journal of Financial Economics (Zeitschrift) JSE Jura Studium & Examen (Zeitschrift) JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) KCU KompetenzCentrum für Unternehmensführung & Corporate Governance KWG Gesetz über das Kreditwesen lat. lateinisch Law & Pol’y Int’l Bus Law and Policy in International Business (Zeitschrift) LFMR Law and Financial Markets Review (Zeitschrift) LGFS Local Government Financial Services lit. littera (lat. = Buchstabe) LMCLQ Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly (Zeitschrift) Ltd Limited m. w. N. mit weiteren Nachweisen Moody’s Moody’s Investors Services (Ratingagentur) MüKo Münchener Kommentar NJOZ Neue Juristische Online Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift)
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Abkürzungsverzeichnis
no numéro (entspricht Nummer) No. number (entspricht Nummer) Nr. Nummer NRSRO Nationally Recognised Statistical Rating Organisation NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) o. ä. oder ähnlich OLG Oberlandesgericht PA Petites affiches (Zeitschrift) para. paragraph (entspricht Randnummer) PD Practice Direction (Praxisanweisung) Pty Ltd Proprietary Limited Q.B. Law Reports, Queen’s Bench Division RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht – The Rabel Journal of Comparative and International Private Law RatingVO 2009 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen RatingVO 2011 Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen RatingVO 2013 Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen RD banc. fin. Revue de droit bancaire et financière (Zeitschrift) REF Revue d’économie financier (Zeitschrift) Reg. Regulation Rev. crit. DIP Revue critique de droit international privé (Zeitschrift) Rev. soc. Revue des sociétés (Zeitschrift) RIDC Revue internationale de droit comparé (Zeitschrift) RIW Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) RLDA Revue Lamy Droit des Affaires (Zeitschrift) RLDC Revue Lamy Droit Civil (Zeitschrift) Rn. Randnummer ROM II-VO Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ROM I-VO Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rs. Rechtssache S&P Standard & Poor’s (Ratingagentur) S. Satz bzw. Seite SEC United States (U.S.) Securities and Exchange Commission Sec. Section (entspricht Paragraph) SI Statutory Instrument (Rechtsverordnung) Slg. Sammlung sog. sogenannt/e/er/es
Abkürzungsverzeichnis
SolvV
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Verordnung zur angemessenen Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung) StGB Strafgesetzbuch u. a. unter anderem/und andere UCTA 1977 Unfair Contract Terms Act 1977 UK United Kingdom UK Regulations Credit Rating Agencies (Civil Liability) Regulations 2013 UKHL United Kingdom House of Lords UKlaG Unterlassungsklagengesetz Unterabs. Unterabsatz USA United States of America UTCCR 1999 Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 v versus v. vom/von VDT Verband Deutscher Treasurer vgl. vergleiche VO Verordnung VuR Verbraucher und Recht (Zeitschrift) WLR Weekly Law Reports WM Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) WpHG Gesetz über den Wertpapierhandel WpPG Wertpapierprospektgesetz z.B. zum Beispiel ZBB/JBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft/Journal of Banking Law and Banking ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfgK Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik
Teil 1
Einführung „Die US-Ratingagenturen sind die wirkungsvollsten Cruise Missiles1 der Wall Street.“2 „Rating-Agenturen sind nicht perfekt. Aber letztlich sind sie wie ein Fieberthermometer. Sie messen das Fieber, sie verursachen es nicht. Man zertrümmert nicht das Thermometer, um die Krankheit zu kurieren.“3
I. Problemstellung sowie Gegenstand, Ziel, Methode und Gang der Untersuchung 1. Problemstellung Die beiden oben aufgeführten Zitate zur Rolle von Ratingagenturen scheinen auf den ersten Blick gegensätzlich zu sein, weil Ratingagenturen hier einerseits als bloßes Messgerät zur Feststellung einer Erkrankung, andererseits als Marschflugkörper mit großer Sprengkraft dargestellt werden. Betrachtet man die Beschreibungen jedoch genauer, so erweisen sich beide hierin von Ratingagenturen gezeichneten Bilder als wahr und lassen sich sogar miteinander in Einklang bringen: Ratingagenturen sind von ihrer Grundidee und Funktion auf dem Kapitalmarkt her „nur“ dafür da, die bestehende Bonitätssituation eines Emittenten bzw. die Ausfallwahrscheinlichkeit einer konkreten Emission wahrheitsgemäß zu beurteilen. Sie fungieren daher als bloßes „Fieberthermometer“ und nicht als Verursacher finanzieller Probleme. Auf der anderen Seite jedoch verschafft dieses Mandat zur Bonitätsbeurteilung den Ratingagenturen eine potentiell sehr große Macht, was ein starkes Missbrauchspotential birgt. Ratingagenturen nehmen auf den weltweiten Finanzmärkten eine Schlüsselposition ein, da durch ihre Bonitätsur1 Vgl. zum Begriff des Marschflugkörpers (international „cruise missile“ genannt) Klußmann/Malik, Lexikon der Luftfahrt, S. 181. 2 So Michael Sommer, ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), anlässlich des Gewerkschaftstages im Jahr 2011. Das Zitat ist online abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 3 Zitat von Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank AG, am 14. Juli 2011 gegenüber der Passauer Neuen Presse. Dieses Zitat ist online abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016.
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Teil 1: Einführung
teile sowohl die Bedingungen für die Finanzierung des Emittenten als auch die Konditionen für Anleger4 auf dem Kapitalmarkt maßgeblich bestimmt werden. Ein fehlerhaftes Bonitätsurteil kann in kürzester Zeit den finanziellen Ruin eines am Kapitalmarkt Beteiligten bedeuten: zum einen für den bewerteten Emittenten, weil für diesen infolge des Ratings unter Umständen eine Finanzierung auf dem Kapitalmarkt nur noch zu schlechten Konditionen oder schlimmstenfalls gar nicht mehr möglich ist. Zum anderen droht auch Anlegern im ungünstigsten Fall ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Fehlerhafte Ratings können daher unter Umständen ohne weiteres Zutun der Beteiligten eine ähnlich zerstörerische Wirkung entfalten wie ein Marschflugkörper. Die soeben dargestellten Gefahren fehlerhafter Ratings für Anleger und Emittenten, aber auch das Risiko, dass solche Bonitätsbewertungen Kettenreaktionen nach sich ziehen und auf diese Weise Finanzkrisen (mit) auslösen können, wurden von der Politik lange Zeit unterschätzt. Vielmehr wurde gänzlich auf die Selbstregulierungskräfte der Märkte vertraut und ein Einschreiten nicht als notwendig erachtet5. Diese frühere Haltung der Politik wurde spätestens durch die weltweite Finanzkrise, welche sich im Jahr 2008 erstmalig zuspitzte6, in Frage gestellt, weil sich damals das von Fehlbeurteilungen der Ratingagenturen ausgehende Risiko erstmals realisierte7. Seitdem wird das Machtoligopol der größten drei Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s Investors Services und Fitch Ratings verstärkt kritisiert. Überdies wird eine energische Debatte um notwendige Maßnahmen zur Begrenzung der Macht von Ratingagenturen geführt, damit diese künftig ausschließlich ihre eigentliche Funktion als „Fieberthermometer“ am Kapitalmarkt erfüllen und Finanzkrisen hoffentlich verhindert werden können.
4 In der vorliegenden Arbeit findet zur sprachlichen Vereinfachung und leichteren Lesbarkeit nur die männliche Form Verwendung. Diese bezieht sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. 5 Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen auf S. 23 ff. 6 Deipenbrock, RIW 2010, 612, [613]; Blaurock, EuZW 2013, 608, [608]. 7 Ratingagenturen trugen entscheidend zum Entstehen der Finanzkrise bei, indem sie die Ausfallrisiken von Immobilienkrediten völlig falsch einschätzten. Ratingagenturen bewerteten Papiere, die auf grundpfandrechtlich gesicherten Immobiliendarlehen beruhten, auch zu einem Zeitpunkt, zu welchem sich der Kollaps des amerikanischen Immobilienmarktes bereits abzeichnete, viel zu positiv. Hierdurch erhöhte sich die Attraktivität dieser Papiere für potentielle Anleger, weil sich diese von einer solchen Anlage ein geringes Ausfallrisiko und eine hohe Rendite versprachen. Letztendlich erwiesen sich diese Papiere jedoch als „toxisch“, da sie mit einem hohen Ausfallrisiko behaftet waren. Vgl. hierzu und zu den Gründen dieser Fehleinschätzung seitens der Ratingagenturen bereits Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 469. Vgl. zur Rolle von Ratingagenturen in der Finanzkrise im Detail den offiziellen Bericht der vom amerikanischen Kongress eingesetzten Financial Crisis Inquiry Commission. Dieser Financial Crisis Inquiry Report aus dem Jahre 2011 ist im Internet abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016.
I. Problemstellung sowie Gegenstand, Ziel, Methode und Gang der Untersuchung
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2. Gegenstand der Untersuchung Im Rahmen der Diskussion um das erforderliche Maß an Regulierung auf dem Ratingmarkt zur Erreichung dieser Ziele stellt sich eine Reihe interessanter Rechtsfragen. Ein wichtiges Kernelement hierbei bildet die Frage der zivilrechtlichen Haftung von Ratingagenturen für fehlerhafte Ratings, welche in der folgenden Arbeit für den europäischen Rechtskreis im Einzelnen umfassend rechtsvergleichend beleuchtet werden soll. Die nachfolgende Untersuchung befasst sich mit der Haftung von Ratingagenturen für Ratings in drei wichtigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU): In einer rechtsvergleichenden Analyse wird die Haftungssituation in Deutschland, Frankreich und England dargestellt. Hierbei wird die Haftungsfrage gegenüber allen relevanten Adressatengruppen des Ratings analysiert, sodass sich im Ergebnis ein umfassendes Bild ergibt: Es wird sowohl die Haftung gegenüber dem Emittenten beim Auftragsrating (solicited rating) bzw. beim auftragslosen Rating (unsolicited rating) als auch die Haftung gegenüber sämtlichen Anlegergruppen in den jeweiligen Ländern beleuchtet. Im Anschluss daran wird der Einfluss der Harmonisierung der Haftung von Ratingagenturen auf die gefundenen Ergebnisse untersucht. Auf eine Betrachtung der Haftung von Banken für interne Ratings sowie auf eine Untersuchung von Staatenratings wird angesichts der Komplexität und des Umfanges des beschriebenen Vorhabens verzichtet. 3. Ziel, Methode und Gang der rechtsvergleichenden Untersuchung Die rechtsvergleichende Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen für ihre Ratings nach deutschem, englischem und französischem Recht dient dazu, Vorund Nachteile der bestehenden Systeme aufzudecken, um so mögliche Ansatzpunkte für eine Verbesserung der nationalen Regelungen und für eine Vereinheitlichung der Haftung innerhalb der EU zu skizzieren. Zwar ist im Jahre 2013 mit Art. 35a der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 (RatingVO 2013) bereits eine Regelung in Kraft getreten, welche die Haftung von Ratingagenturen in der EU harmonisiert; gleichwohl bleibt eine rechtsvergleichende Untersuchung der nationalen Haftungsregelungen hierzu sinnvoll. Zum einen können hierdurch die bisherigen nationalen Regelungen den Neuerungen des Art. 35a RatingVO 2013 gegenübergestellt und deren Verhältnis zueinander geklärt werden. Zum anderen erfolgte durch Art. 35a RatingVO 2013 nur eine teilweise Harmonisierung der Haftung von Ratingagenturen, sodass bezüglich der nicht vereinheitlichten Haftungsfragen die Vor- und Nachteile der bestehenden nationalen Systeme herausgearbeitet werden können und die Frage nach dem Erfordernis einer weiteren Harmonisierung gestellt werden kann. Um eine möglichst umfassende rechtliche Würdigung des Themas zu gewährleisten, erfolgt die rechtsvergleichende Untersuchung in methodischer Hinsicht
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Teil 1: Einführung
nach dem funktionalen Ansatz8. Ausgangspunkt dieser Methode bildet die Annahme, dass im rechtlichen Bereich nur solche Aspekte sinnvoll miteinander verglichen werden können, die dieselbe Aufgabe bzw. Funktion in der Gesellschaft erfüllen9. Da jede Rechtsordnung ähnliche Probleme lösen muss, die konkrete Lösung der Probleme einer bestimmten Lebenssituation in den jeweiligen Rechtsordnungen aber durchaus sehr unterschiedlich aussehen kann, führt eine rechtsvergleichende Analyse nur dann zu sinnvollen Ergebnissen, wenn sie losgelöst von der systematischen Eingliederung in der eigenen Rechtsordnung10 anhand geeigneter Schlüsselbegriffe (tertia comparationis) erfolgt11. Eine umfassende Rechtsvergleichung wäre jedoch nicht möglich, wenn sie sich darin erschöpfen würde, die Regelungen in den einzelnen Ländern isoliert voneinander darzustellen. Eine solche Beschränkung auf Sachberichte ist lediglich im Hinblick auf eine grobe Information über die Rechtslage in anderen Ländern zielführend. Im vorliegenden Fall könnten hierdurch insbesondere die Besonderheiten, die sich aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme in England und Deutschland ergeben, nicht umfassend gewürdigt werden. Aber auch im Hinblick auf Frankreich reicht eine solch oberflächliche Betrachtung nicht aus, weil trotz grundsätzlicher Übereinstimmung der Rechtssysteme in Frankreich und Deutschland begriffliche und methodische Unterschiede bestehen, die durch eine isolierte Betrachtung beider Länder nicht aufgezeigt werden könnten. Um dies zu vermeiden, werden im weiteren Verlauf der Arbeit Vergleichsparameter in Form von Schlüsselbegriffen herausgearbeitet, anhand derer die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den jeweiligen Systemen sichtbar werden. Im Einzelnen ist die rechtsvergleichende Untersuchung daher folgendermaßen aufgebaut: Zunächst werden die Grundlagen für die haftungsrechtliche Analyse gelegt (Teil 1, II.) und ein Überblick über die historische Entwicklung sowie den aktuellen Stand der Harmonisierung der Regulierung und Haftung von Ratingagenturen in der Europäischen Union gegeben (Teil 2, I.). Im Anschluss daran folgt der eigentliche Kern der Arbeit, namentlich die rechtsvergleichende Analyse der Haftungsfrage in den drei untersuchten Ländern (Teil 2, II.). Hierbei werden in einem 8 Als Alternativen zu diesem Ansatz kämen insbesondere die Methoden der Institutionenrechtsvergleichung und der Begriffsrechtsvergleichung in Betracht. Die Methode der Begriffsrechtsvergleichung erscheint jedoch im vorliegenden Fall bereits deshalb nur wenig geeignet, weil sie an den Gesetzeswortlaut anknüpft, was bei einer Rechtsvergleichung zwischen zwei civil law-Systemen (Deutschland und Frankreich) und einem case law-System (England) kaum zu sinnvollen Ergebnissen führt. Hinzu kommt, dass Begrifflichkeiten nicht in allen Rechtsordnungen einheitlich definiert werden. Da auch das Verständnis verschiedener Rechtsinstitute in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich ausgestaltet sein kann, wird für die vorliegende Arbeit der funktionale Ansatz gewählt. Vgl. zu den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Methoden der Rechtsvergleichung bereits Breidenstein, S. 9. 9 Zweigert/Kötz, S. 33; Coendet, S. 158 f. 10 Zweigert/Kötz, S. 33. 11 Breidenstein, S. 9 f.
II. Grundlagen für die haftungsrechtliche Analyse
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ersten Schritt die verschiedenen Lösungsansätze zur Frage der Haftung von Ratingagenturen in Deutschland, Frankreich und England umfassend und isoliert voneinander gegenüber allen möglichen Adressaten des Ratings in Sachberichten aufgezeigt. Der Aufbau der Sachberichte ist so gewählt worden, dass die jeweiligen methodischen Vorgehensweisen der einzelnen Länder, wie beispielsweise Prüfungsreihenfolgen, erhalten bleiben. In einem zweiten Schritt werden – ausgehend von den Ergebnissen der Rechtsanwendung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Lösungsansätze der untersuchten Länder herausgearbeitet und anhand geeigneter Vergleichsparameter in den einzelnen Sachverhaltsgruppen analysiert. In einem letzten Schritt werden die verschiedenen Erkenntnisse der Analyse basierend auf ihren Auswirkungen abschließend bewertet und zusammengefasst. Im Anschluss an die rechtsvergleichende Analyse werden schließlich sowohl der Einfluss der Harmonisierung durch Art. 35a RatingVO 2013 auf die gefundenen Ergebnisse als auch der Bedarf nach weiteren Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf die Haftung von Ratingagenturen geklärt (Teil 2, III.).
II. Grundlagen für die haftungsrechtliche Analyse Im Folgenden werden zunächst die Grundlagen für die spätere Analyse der verschiedenen Regelungen zur Haftung von Ratingagenturen gelegt. In einem ersten Schritt werden wichtige Begriffe geklärt (1.), bevor in einem weiteren Schritt ein Überblick über in Betracht kommende Haftungsverhältnisse und die Arten fehlerhafter Ratings gegeben wird (2.). Im Anschluss daran werden mögliche Fehlerquellen seitens der Ratingagenturen aufgedeckt, um potentielle Anknüpfungspunkte für eine Haftung zu erhalten (3.). 1. Begriffsbestimmungen Für die nachfolgende rechtsvergleichende Untersuchung sind insbesondere folgende Begrifflichkeiten von Relevanz: a) Begriff des Ratings nach der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 Seit die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 (RatingVO 2009) am 7.12.2009 in Kraft getreten ist, existiert in Europa ein einheitlicher Ratingbegriff12 für die Zwecke dieser Verordnung. Gemäß Art. 3 Abs. 1a RatingVO 2009 wird ein Rating definiert als ein Bonitätsurteil in Bezug auf ein Unternehmen, einen Schuldtitel oder 12 Für die vorliegende Arbeit ist die Bedeutung des Begriffs „Rating“ im finanzwissenschaftlichen Sinn entscheidend. Eine andere Bedeutung entfaltet der Begriff dagegen in sozialwissenschaftlicher Hinsicht, vgl. hierzu Eisen, S. 52.
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Teil 1: Einführung
eine finanzielle Verbindlichkeit, eine Schuldverschreibung, eine Vorzugsaktie oder ein anderes Finanzinstrument oder den Emittenten derartiger Schuldtitel, finanzieller Verbindlichkeiten, Schuldverschreibungen, Vorzugsaktien oder anderer Finanzinstrumente, das anhand eines festgelegten und definierten Einstufungsverfahrens für Ratingkategorien abgegeben wird. Daneben existieren zahlreiche weitere Definitionen des Begriffes „Rating“, unter anderem in den in dieser Arbeit untersuchten Staaten13 und im Selbstverständnis von Ratingagenturen14. Die verschiedenen Definitionen gehen jedoch inhaltlich im Wesentlichen von einem identischen Begriffsverständnis aus15. Da die hierbei bestehenden geringen Abweichungen für die Untersuchung der Haftungsregelungen in den einzelnen Ländern nicht von entscheidender Bedeutung sind, wird als einheitlicher Ausgangspunkt für die rechtsvergleichende Analyse im Folgenden die Definition der RatingVO 2009 gewählt. Bedeutsam für das Verständnis der vorliegenden Arbeit ist jedoch, dass das Rating als Bonitätsurteil zu einer einzigen Kennzahl16 verdichtet wird, wodurch Dritte in die Lage versetzt werden sollen, ohne detaillierte Unternehmensanalyse die Kreditwürdigkeit verschiedener beurteilter Objekte zu vergleichen17. b) Arten von Ratings In der Praxis unterscheidet man verschiedene Arten von Ratings nach prägenden Merkmalen18, wobei für die vorliegende Arbeit insbesondere die Differenzierung nach dem Untersuchungsobjekt, nach dem Verwendungszweck und nach der Beauftragung von Interesse sind, weshalb sich die Darstellung hierauf beschränkt. 13 Vgl. beispielsweise zum französischen Begriff Bonneau/Drummond, Droit des marchés financiers, Rn. 244. 14 Vgl. hierzu exemplarisch das Selbstverständnis der Agentur Fitch Ratings: „Fitch Ratings’ credit ratings provide an opinion on the relative ability of an entity to meet financial commitments, such as interest, preferred dividends, repayment of principal, insurance claims or counterparty obligations“, abrufbar unter: , S. 6, zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 15 Die Ansichten im Hinblick auf die rechtliche Bewertung von Ratings gehen hingegen weit auseinander, insbesondere bezüglich der Frage, ob sie tatsächlich als reine Meinungsäußerungen anzusehen sind, wie dies im Selbstverständnis von Fitch Ratings, welches in Fußnote 14 dargestellt wurde, zum Ausdruck kommt. Der Frage, ob Ratings rechtlich als reine Meinungsäußerungen zu qualifizieren sind, wird im weiteren Verlauf der Arbeit nachgegangen. Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 167 ff. 16 Die Ratingurteile werden komprimiert als eine Art Note zusammengefasst, welche aus einer Kombination von Buchstaben besteht und in der Regel von AAA bis D (Standard & Poor’s und Fitch Ratings) beziehungsweise Aaa bis C (Moody’s Investors Services) geht, wobei „triple A“ die Bestnote darstellt und die Note C bzw. D für Zahlungsausfall steht, vgl. Peters, S. 35; Eisen, S. 59 ff.; Oellinger, Die Haftung für Ratings, S. 56. 17 Lischek, S. 57. 18 Vgl. zu dieser Differenzierung und den verschiedenen Arten von Ratings im Detail Mühl, S. 26 ff.
II. Grundlagen für die haftungsrechtliche Analyse
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aa) Differenzierung nach dem Untersuchungsobjekt Ratings können verschiedene Untersuchungsobjekte zum Gegenstand haben. Insoweit ist zwischen Emissionsratings und Emittentenratings zu unterscheiden19. Emissionsratings beziehen sich auf die Begutachtung konkreter Finanztitel20, weshalb sie als standardisierte Einschätzungen der künftigen Fähigkeit und rechtlichen Verpflichtung eines Emittenten definiert werden, Zahlungen von Zins und Tilgung einer von ihm begebenen Schuldverschreibung oder anderer Kapitalmarkttitel21 versprechensgemäß, vollständig und termingerecht zu erfüllen 22. Die Einschätzungen können sich hierbei auf eine Vielzahl unterschiedlicher Wertpapiere mit fest vereinbarter Zins- und Tilgungsleistung beziehen, wobei zwischen längerfristigen Anleihen und kurzfristigen Geldmarktpapieren differenziert wird 23. Beim Emittentenrating wird im Gegensatz zum Emissionsrating nicht eine konkrete Emission, sondern die Zahlungsfähigkeit des Emittenten an sich 24 als „wirtschaftliche Einheit“ bewertet, was der Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz entspricht25. Im Regelfall wird ein Emissionsrating eines konkreten Finanztitels auf Grundlage eines vorher erstellten Emittentenratings durchgeführt26, da die Beurteilung des Emittenten auch Einfluss auf die Beurteilung der konkreten Emission hat. Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind sowohl Emissions- als auch Emittentenratings, weil Emittenten Haftungsansprüche aus beiden Arten von Ratings geltend machen können. Da Anleger als Wertpapiergläubiger mögliche Ansprüche vor allem auf die Fehlbewertung einer konkreten Emission stützen, sind Emissionsratings für sie eher von Interesse. Hinzu kommt, dass die Anlagebedingungen bei verschiedenen Emissionen desselben Emittenten durchaus erhebliche Unterschiede aufweisen können 27, weshalb Emittentenratings für Anleger in der Regel keine geeigneten Anknüpfungspunkte für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen darstellen. bb) Differenzierung nach dem Verwendungszweck Überdies wird zwischen internen 28 und externen Ratings differenziert. Interne Ratings werden von Kreditinstituten im Zuge der Bearbeitung eines KreditantraHennrichs, S. 875. Mühl, S. 26. 21 Mühl, S. 19. 22 Berblinger, Handbuch Rating, S. 31; Lemke, S. 6. 23 Lemke, S. 7. 24 Eisen, S. 55. 25 Lemke, S. 7. 26 Mühl, S. 26. 27 Peters, S. 29. 28 Vgl. zur Doppeldeutigkeit des Begriffs des internen Ratings Eisen, S. 58. 19
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Teil 1: Einführung
ges erstellt, um das eigene Risiko als potentielle Gläubiger dieses Kredites zu beurteilen 29. Externe Ratings dagegen bezeichnen Ratings, die von einer auf Bonitätsanalysen spezialisierten Ratingagentur erstellt werden30. Diese Arbeit beschränkt sich bei der weiteren Untersuchung auf externe Ratings. Auf die Frage der Haftung der Banken für interne Ratings wird nicht eingegangen, da dies im Rahmen dieser Arbeit zu weit führen würde31. Weltweit führende Ratingagenturen sind Moody’s Investors Services (kurz „Moody’s“, mit Sitz in New York), Standard & Poor’s (kurz „S&P“, mit Sitz ebenfalls in New York) und Fitch Ratings (kurz „Fitch“, mit Doppelsitz in New York und London). Da diese drei Agenturen den weltweiten Ratingmarkt mit einem Marktanteil von ca. 96 %32 nahezu unter sich aufteilen33, werden sie als „die Großen Drei“ (the Big Three) bezeichnet. In Europa findet seit einiger Zeit eine kontroverse Diskussion darüber statt, ob die Schaffung einer gemeinsamen, international marktstarken europäischen Ratingagentur zur Durchbrechung dieses Oligopols sinnvoll ist34. Jedoch ist die Europäische Kommission in letzter Zeit von dieser Idee abgerückt, weil eine Folgenabschätzung ergab, dass insoweit dieselben Bedenken in Bezug auf mögliche Interessenkonflikte und die Glaubwürdigkeit einer solchen Agentur bestehen wie im Hinblick auf etablierte Ratingagenturen35. Vielmehr soll ein Netz kleinerer Ratingagenturen geschaffen werden, um langfristig Ressourcen zu bündeln und Größenvorteile zu erzielen36: Eine vor kurzem eingerichtete europäische Ratingplattform37, die alle für die einzelnen Finanzinstrumente verfügbaren Ratings enthält, welche von in der EU registrierten oder zugelassenen Ratingagenturen erstellt wurden, soll unter anderem dazu 29 Mühl, S. 24. Die Kreditinstitute können bei der Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit zwischen dem Rückgriff auf eine Ratingagentur (sog. Standardansatz) und der Erstellung eines eigenen Ratings unter Verwendung besonderer bankinterner Verfahren, sog. IRB-Ansätze (Internal Rating Based Approach), wählen. Vgl. zu den möglichen Verfahren beim bankinternen Rating und zum bankinternen Rating im Allgemeinen Jungmichel, WM 2003, 1201, [1203 und 1208]; Eisen, S. 59. Der Vorteil bankinterner Ratingsysteme gegenüber externen Ratings liegt darin, dass Kreditinstitute häufig infolge jahrelanger Beziehungen zu ihren Kunden über Informationen verfügen, die externen Ratingagenturen fehlen, Jungmichel, WM 2003, 1201, [1203]. 30 Hennrichs, S. 875; Mühl, S. 27. 31 Vgl. zur Haftung für bankinterne Ratings beispielsweise Rohe/Lischek, WM 2006, 1933 ff. 32 Hiervon entfielen im Jahre 2012 ca. 83 % auf S&P und Moody’s und weitere 13 % auf Fitch, vgl. hierzu im Einzelnen die Marktanalyse der U.S. Securities and Exchange Commission, Annual Report on Nationally Recognized Statistical Rating Organisations, 2012, S. 6 ff., abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 33 Hennrichs, S. 875 f.; Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [107]. 34 Vgl. hierzu exemplarisch Blaurock, EuZW 2013, 608, [611]; Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [108]. 35 Vgl. hierzu Europäische Kommission, KOM(2011) 747 endg. v. 15.11.2013, S. 13. 36 Vgl. hierzu Europäische Kommission, KOM(2011) 747 endg. v. 15.11.2013, S. 13. 37 Diese Plattform kann über die Website abgerufen werden, zuletzt abgerufen am 18.03.2016.
II. Grundlagen für die haftungsrechtliche Analyse
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beitragen, dass kleinere und neue Ratingagenturen künftig an Bekanntheit gewinnen38. Des Weiteren werden seit einiger Zeit bereits Name und Sitz aller Ratingagenturen, die von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, kurz „ESMA“)39 gemäß den Anforderungen der Ratingverordnung registriert und teilweise bereits zertifiziert wurden, im Internet veröffentlicht 40. Jedoch ist fraglich, ob durch diese Maßnahmen die Marktmacht der großen Agenturen spürbar verringert werden kann: Zum einen handelt es sich derzeit bei ungefähr der Hälfte der von der ESMA registrierten Agenturen um Tochtergesellschaften der „Großen Drei“ mit Sitz in der EU41 – dies wird voraussichtlich dazu führen, dass europäische Emittenten, die nicht direkt mit einer amerikanischen Ratingagentur einen Vertrag schließen möchten, für eine Bewertung verstärkt auf deren europäische Ableger zurückgreifen, weil sie von der weltweiten Bekanntheit, Reputation, Vernetzung und enormen Datenbasis der Mutter profitieren wollen42. Zum anderen darf bezweifelt werden, ob die übrigen registrierten Agenturen tatsächlich dazu bereit sein werden, ihre Ressourcen zu bündeln – es besteht somit das Risiko, dass diese letztendlich doch als „Einzelkämpfer“ im Vergleich zu den großen Ratingagenturen nahezu machtlos bleiben werden. Immerhin wird die Kommission die Wirkung der getroffenen Maßnahmen auf dem Ratingmarkt prüfen und voraussichtlich bis 31.12.2016 dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht dazu vorlegen, ob es sinnvoll und durchführbar wäre, auf eine europäische Ratingstiftung hinzuwirken43. cc) Differenzierung nach der Beauftragung Überdies wird danach differenziert, auf wessen Veranlassung hin ein Rating erstellt wurde. Bei einem Auftragsrating (solicited rating) – welches in der Praxis die am häufigsten genutzte Art des Ratings darstellt 44 – beauftragt ein Emittent eine Ratingagentur mit der Erstellung einer Bonitätsanalyse45. Die Ratingagentur wird dem38 Überdies soll durch die Ratingplattform die Vergleichbarkeit und Sichtbarkeit vorhandener Ratings für Anleger erhöht werden. Vgl. zu den mit dieser Plattform verfolgten Zwecken im Einzelnen den Erwägungsgrund 31 der RatingVO 2013 und die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 18/06/2013, Reference: IP/13/555. 39 Vgl. zur Gründung dieser Behörde im Jahr 2010 sowie zu deren Vorgängerorganisation Fußnote 187. 40 Diese Liste ist im Internet abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 41 Vgl. hierzu auch Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [109]. 42 Vgl. zu diesem Aspekt bereits Blaurock, EJCL, S. 5 f.; Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [106], wobei in beiden Fällen die Argumentation jedoch auf die „Großen Drei“ und nicht auf deren Tochterunternehmen gestützt wird. 43 Vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 18/06/2013, Reference: IP/13/555. 44 Bonneau/Drummond, Droit des marchés financiers, Rn. 245. 45 Eisen, S. 97; Rosset, S. 7.
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Teil 1: Einführung
nach erst nach Erteilung eines Auftrags zur Durchführung eines Ratings tätig. Grundlage der Tätigkeit bildet ein Vertrag zwischen der Ratingagentur und dem Emittenten, der sog. Ratingvertrag46, durch welchen sich die Ratingagentur verpflichtet, gegen Zahlung einer entsprechenden Vergütung ein Rating zu erstellen47. Innerhalb des Auftragsratings kann weiter unterschieden werden zwischen Erstrating und der – häufig in Ratingverträgen daneben vereinbarten – regelmäßigen Verpflichtung zur Überwachung und Überprüfung des Ratings (sog. monitoring), in deren Rahmen die Agenturen zur Erstellung von Folgeratings verpflichtet sind48. Bei einem auftragslosen Rating (unsolicited rating) wird die Ratingagentur hingegen nicht durch den zu bewertenden Emittenten beauftragt, sodass zwischen diesem und der Ratingagentur kein Vertragsverhältnis besteht 49. Da die Agenturen hierbei unabhängig und ohne Mitwirkung des Emittenten tätig werden50, sind auftragslose Ratings dadurch gekennzeichnet, dass sie ausschließlich auf öffentlich zugänglichen Informationen basieren51. Problematisch ist, dass aufgrund dieser verminderten Informationsbasis die Aussagekraft solcher Ratings im Vergleich zu Auftragsratings potentiell geringer ist52. Da auftragslose Ratings für Anleger nicht ohne Weiteres als solche erkennbar waren, sind die Agenturen seit Inkrafttreten der RatingVO 2009 gemäß Art. 10 Abs. 5 der Verordnung verpflichtet, auf solche Ratings hinzuweisen, wodurch Transparenz bezüglich eines eventuell bestehenden geringeren Nutzens eines betreffenden Ratings hergestellt wird53. Die Ratingagenturen handeln bei der Erstellung von auftragslosen Ratings entweder auf Initiative eines Dritten54, beispielsweise eines Großanlegers, welcher ein Rating als Grundlage für seine Anlageentscheidung benötigt, oder aus eigenen Motiven55. Solch eine intrinsische Motivation, welche die Ratingagenturen zur Erstellung eines Ratings bewegt, obwohl der Emittent hierfür keine Vergütung bezahlt, kann beispielsweise die Überlegung sein, diesen über ein potentiell schlechteres auftragsloses Rating künftig zum Abschluss eines Ratingvertrages mit der Agentur zu bewegen56. In dem Aspekt der fehlenden Vergütung des Ratings durch den Emittenten liegt jedoch auch ein entscheidender Vorteil von auftragslosen Ratings gegenüber Auftragsratings: Anders als im Falle von AufHennrichs, S. 876. Mühl, S. 26. 48 Eisen, S. 220 f.; Vetter, WM 2004, 1701, [1702]. 49 Rosset, S. 8. 50 Eisen, S. 106 f.; Blaurock, EJCL, S. 4. 51 Eisen, S. 106 f.; Rosset, S. 8; Blaurock, EJCL, S. 4. 52 Vgl. Mühl, S. 27 m. w. N.; Rosset, S. 8. 53 Mühl, S. 27. 54 Rosset, S. 8; Blaurock, EJCL, S. 4; Vetter, WM 2004, 1701, [1703]. 55 Mühl, S. 27. 56 Eisen nennt neben dem dargestellten Grund das Erreichen von informationellen Netzwerkeffekten durch die Erstellung einer Vielzahl von Ratings durch dieselbe Agentur als weitere Motivation für das Tätigwerden, Eisen, S. 107 f. 46 47
II. Grundlagen für die haftungsrechtliche Analyse
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tragsratings besteht hier keine Gefahr von Interessenkonflikten seitens der Ratingagenturen, einerseits ein unabhängiges objektives Rating zu erstellen, andererseits aber auch den Interessen des hierfür zahlenden Auftraggebers gerecht zu werden57. Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind sowohl Auftragsratings als auch auftragslose Ratings, da sowohl Emittenten als auch Anleger mit beiden Arten von Ratings in Berührung kommen: Emittenten können im Grundsatz in beiden Fällen Nachteile aufgrund einer falschen Einschätzung der Bonität erleiden, wobei wegen der fehlenden Beteiligung des Emittenten im Ratingprozess ein Vorgehen gegen auftragslose Ratings wahrscheinlicher ist. Kapitalanleger werden zwar in der Regel mögliche Ansprüche aufgrund fehlerhafter Auftragsratings gegen die Ratingagentur stellen, weil die Erstellung eines Ratings häufig verpflichtend vor der Emission eines Wertpapiers zu erfolgen hat58 und die Emittenten daher ein solches im Eigeninteresse in Auftrag geben. Insbesondere in den Fällen, in denen kein verpflichtendes Rating zu erfolgen hat, kann es jedoch auch vorkommen, dass ein Anleger seine Investitionsentscheidung auf Basis eines auftragslosen Ratings trifft. c) Funktionen von Ratings Ratings werden vielfältig eingesetzt und erfüllen hierbei mehrere Funktionen, sowohl gegenüber dem bewerteten Emittenten, als auch gegenüber dem Anleger sowie – allgemein – auf den Kapitalmärkten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sind die Funktionen des Ratings gegenüber den bewerteten Emittenten und gegenüber den Anlegern von besonderer Bedeutung, weshalb diese im Folgenden näher beleuchtet werden59: Für den Auftraggeber erfüllt das Rating in erster Linie eine Finanzierungsfunktion. Ein Rating dient aus mehreren Gründen meist vorrangig dazu, (erstmalig) Zugang zum Geld- und Kapitalmarkt zu erhalten60, um sich auf diesem Wege mit Fremdkapital versorgen zu können61: Zum einen ist ein Rating aufgrund der 57 Rosset, S. 8; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, [199]. Vgl. zu dieser vielfach vorgebrachten Kritik am Modell des zahlenden Emittenten (issuer-pays-Modell) im Falle des Auftragsratings exemplarisch Amort, EuR 2013, 272, [273]; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, [195]; Haar, NZG 2010, 1281, [1282]; Schroeter, S. 705 ff. 58 Die Durchführung eines Ratings ist beispielsweise in Frankreich und in den USA in bestimmten Fällen zwingende Voraussetzung für die Platzierung von Finanztiteln auf dem Kapitalmarkt, Blaurock, ZGR 2007, 603, [612]; Chaput, RIDC 2-2006, 493, [499 f.]; Schuler, S. 47; Eisen, S. 70; Lemke, S. 18. Im deutschen Kapitalmarktrecht stellt dies hingegen keine rechtliche Voraussetzung der Kapitalmarktfähigkeit des Emittenten dar, Schuler, S. 47. 59 Vgl. zur Bedeutung von Ratings auf dem Kapitalmarkt als Mittel zur Herstellung von Vergleichbarkeit im Hinblick auf bestehende Investitionsalternativen Schuler, S. 51 f.; Peters, S. 27; Eisen, S. 73. 60 Mühl, S. 22; Schuler, S. 47 f. 61 Eisen, S. 222.
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Zunahme des Wettbewerbs auf diesen Märkten quasi notwendige Bedingung, um Kapital von den Anlegern zu erhalten62. Zum anderen schreiben die Gesetze einiger Länder für die Platzierung von Emissionen auf dem Kapitalmarkt die Durchführung eines Ratings vor63. Hinzu kommt, dass auch die Mehrzahl der Banken fast ausschließlich in Unternehmen bzw. Finanztitel investiert, die über ein Rating verfügen64. Darüber hinaus hat ein Rating auch Auswirkungen auf die Finanzierungskosten des Emittenten: Aufgrund der risikoabhängigen Vergabe von Zins- und Tilgungskonditionen durch die Kreditinstitute kann ein positives Erst- oder Folgerating zu einer Reduzierung der Kapitalbeschaffungskosten im Bereich der Finanzierung durch Bankkredite beitragen und diese damit erleichtern65. Demgegenüber müssen bei schlechten oder nicht vorhandenen Ratings teils hohe Risikoaufschläge in Kauf genommen werden, was eine erhebliche Kostenerhöhung zur Folge hat66. Des Weiteren erleichtert ein Rating die Steuerung des hiervon betroffenen Unternehmens, weil die Unternehmensführung durch das Rating aufgedeckte Stärken und Schwächen dazu nutzen kann, die bisher innerhalb des Unternehmens verfolgte Strategie kritisch zu hinterfragen67, positive Aspekte zu verstärken und Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Überdies kann ein positives Rating gezielt als Werbemittel eingesetzt werden68, da es als eine Art „Qualitätssiegel“69 genutzt werden und so positiv auf bestehende Geschäftsbeziehungen des bewerteten Unternehmens ausstrahlen kann70. Neben den dargestellten Wirkungen, die ein (gutes) Rating für den bewerteten Emittenten entfaltet, erfüllt es auch eine wichtige Funktion im Hinblick auf Anleger: Für diese bietet das Rating eine Möglichkeit, sich schnell und kostengünstig über die Bonität des Schuldners bzw. die Qualität von dessen Emission zu informieren71 und diese Informationen anschließend als Entscheidungsgrundlage für oder gegen eine Kapitalanlage zu nutzen72. Bestünde nicht die Möglichkeit des Rückgriffs auf externe Ratings, wären zur Abschätzung der mit einer bestimmten Kapitalanlage verbundenen Ausfallrisiken umfassende und kostspielige eigene Analysen der Anleger erforderlich, welche sowohl für Kleinanleger als auch für institutionelle Anleger oftmals nicht ohne Weiteres durchführbar sind, wenn auch Mühl, S. 23; Schuler, S. 47 f. Vgl. hierzu bereits die Ausführungen in Fußnote 58. 64 Mühl, S. 22. 65 Eisen, S. 222; Mühl, S. 22; Schuler, S. 48. 66 Schuler, S. 48. 67 Mühl, S. 24. 68 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2385]; Blaurock, EuZW 2013, 608, [608]. 69 Mühl, S. 24; Eisen, S. 71. 70 Mühl, S. 24. 71 Mühl, S. 24. 72 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2385]; Lemke, S. 22. 62
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aus unterschiedlichen Gründen: Den meisten Kleinanlegern fehlt es bereits an dem für eine solche umfassende Analyse erforderlichen Know-how73. Institutionellen Anlegern hingegen fehlt es zur Durchführung einer fundierten Analyse in der Regel an den erforderlichen Informationen zu dem jeweiligen Analyseobjekt74. Darüber hinaus sprechen meist auch der hiermit verbundene zeitliche Aufwand75 und die in den einzelnen Ländern bestehenden unterschiedlichen Bilanzierungs- und Rechnungslegungsvorschriften76 gegen die Durchführbarkeit einer eigenen Analyse der institutionellen Anleger. 2. Überblick über in Betracht kommende Haftungsverhältnisse und Arten fehlerhafter Ratings Ratings berühren – wie eben aufgezeigt – sowohl die Interessen des bewerteten Emittenten als auch die von Anlegern, da sie dazu beitragen, dass sich Erstere auf dem Kapitalmarkt mit Fremdkapital versorgen können, während Letztere das Risiko einer Anlageentscheidung abschätzen können. Als mögliche Anspruchsteller gegen Ratingagenturen wegen fehlerhafter Ratings kommen daher zum einen die bewerteten Emittenten und zum anderen das Anlegerpublikum in Betracht. Das Ratingergebnis77 kann in zweifacher Hinsicht die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Bewerteten unzutreffend darstellen und damit fehlerhaft sein78: Einerseits kann das Ergebnis der Bonitätsprüfung zu negativ ausfallen, indem eine zu schlechte Note vergeben wird, andererseits ist jedoch auch der umgekehrte Fall denkbar, bei dem Ratingobjekte im Vergleich zu einer reellen Einschätzung zu positiv bewertet werden. Wird von der Ratingagentur bei Abschluss des Ratingverfahrens eine zu schlechte Note festgesetzt, so sind in aller Regel die von dem Rating betroffenen Emittenten Kläger in einem möglichen Haftungsprozess, um zusätzliche Kosten, die auf das fehlerhafte Rating zurückzuführen sind, von der Ratingagentur erstattet zu bekommen: Da sich eine Unterbewertung negativ auf den Ruf, die bestehenden Verhandlungsmöglichkeiten des Betroffenen und dessen Kreditwürdigkeit auswirkt79, werden Kredite in diesem Fall nur zu ungünstigeren Konditionen vergeben80, wodurch sich die Kosten einer Kapitalbeschaffung erhöhen81. Eine Unterbewertung kommt in folgenden Konstellationen in Betracht: Zum einen ist denkbar, dass die Bonität von Anfang an zu niedrig eingestuft wurde, Eisen, S. 64. Mühl, S. 25; Eisen, S. 65; Schuler, S. 50. 75 Eisen, S. 65. 76 Mühl, S. 25; Eisen, S. 65; Schuler, S. 50. 77 Vgl. zur Notenskala, die zum Ausdruck des Ratingergebnisses Verwendung findet, bereits Fußnote 16. 78 Amort, EuR 2013, 272, [274]. 79 Amort, EuR 2013, 272, [274]. 80 Blaurock, ZGR 2007, 603, [629]. 81 Krimphove/Kruse, ZfgK 2005, 413, [414]. 73 74
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zum anderen ist auch möglich, dass das zunächst korrekte Ratingergebnis im Nachhinein bei einer turnusmäßigen Überprüfung ungerechtfertigt herabgestuft wird (sog. downgrade82) oder sich die Ratingagentur weigert, eine an sich angemessene erneute Heraufstufung vorzunehmen (sog. upgrade)83. Fällt das Rating dagegen zu positiv aus, so findet sich meist das Anlegerpublikum in der Rolle der Anspruchsteller wieder: Ein zu positives Rating führt dazu, dass potentielle Anleger das Ausfallrisiko anhand des Ratings nicht wahrheitsgemäß bestimmen und die Risiken der Investition nicht angemessen abschätzen können84. Investieren die Anleger im Vertrauen auf das Rating in die Emission und erleiden später als Folge des zu hohen Ratings Vermögensschäden85, so stellt sich die Frage, inwieweit die Schäden von der Ratingagentur, die das Rating erstellt hat, ersetzt werden. 3. Beispielhafte Darstellung des Ablaufs des Ratingprozesses und Aufdeckung möglicher Fehlerquellen seitens der Ratingagenturen als Ansatzpunkte für eine Haftung Aufgrund der Komplexität eines Ratingverfahrens und der Vielzahl von Faktoren, die in die endgültige Bonitätsbeurteilung mit eingeflossen sind, ist es nicht immer einfach, den genauen Aspekt, der zu einer falschen Einschätzung geführt hat, herauszuarbeiten. Dennoch soll im Folgenden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – versucht werden, mögliche Fehlerquellen der Ratingagenturen herauszufiltern, die als Grundlage für eine Haftung in Frage kommen könnten. Besonders naheliegend sind hierbei Fehler, die während des Ratingprozesses an sich entstehen können, weil diese häufig einen direkten Einfluss auf das Ratingergebnis haben. Es kommen jedoch auch diverse Fehlerquellen außerhalb des Ratingprozesses in Betracht. Um mögliche Fehlerquellen innerhalb des Ratingverfahrens herausarbeiten zu können, wird zunächst der Ablauf eines solchen Verfahrens am Beispiel des Auftragsratings in groben Zügen skizziert. a) Ablauf des Ratingprozesses am Beispiel des Auftragsratings Nimmt die Ratingagentur den Antrag des Emittenten zur Erstellung eines Ratings an, so wird der hieraus resultierende Auftrag zur Durchführung dieser Bonitätsbeurteilung zunächst intern an ein Analystenteam bestehend aus drei oder vier Personen vergeben86. Dieses Team trägt in einem ersten Schritt die InformatioRosset, S. 20. Rosset, S. 20; Blaurock, ZGR 2007, 603, [629]. 84 Amort, EuR 2013, 272, [274]. 85 Als möglicher Schadensposten kommt hierbei insbesondere ein realisierter Kursverlust in Betracht, der gegeben ist, wenn eine erworbene Anleihe nach Bekanntwerden des zu hohen Ratings von dem jeweiligen Anleger tatsächlich unter dem ursprünglichen Einstandspreis verkauft wird. Vgl. hierzu und zu den weiteren denkbaren Schadenspositionen Eisen, S. 337 f. 86 Fischer, S. 62; Eisen, S. 98. 82 83
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nen, welche die Grundlage der späteren Bewertung bilden, zusammen87, wobei zunächst der eigene Datenbestand und öffentlich zugängliche Informationen ausgewertet werden88. Da für eine umfassende Beurteilung auch viele interne, nicht öffentlich zugängliche Informationen erforderlich sind, übermitteln die Agenturen in einem weiteren Schritt einen Katalog mit noch benötigten Informationen an den Emittenten89. Letzterem kommt hierbei eine Mitwirkungspflicht zu, weil er die relevanten Informationen zur Verfügung stellen, gegebenenfalls bestehende Fragen der Analysten beantworten und eventuell erforderliche Betriebsbesichtigungen ermöglichen muss90. Im Gegenzug sind die Ratingagenturen (nach dem Ratingvertrag oder nationalen Vorschriften91) zur Geheimhaltung vertraulicher Informationen verpflichtet, die sie im Laufe des Ratingprozesses erhalten92. Im Anschluss an die Informationsbeschaffung erfolgt die eigentliche Bonitätsanalyse durch die Mitarbeiter der Ratingagentur, bei welcher die vorhandenen Dokumente gesichtet, geordnet, gewichtet und aufbereitet werden93. Zur Erstellung eines externen Ratings wird von den Ratingagenturen in der Regel der sog. top-downapproach als Methode gewählt, bei dem das jeweilige Länder-, Branchen- und Unternehmensrisiko anhand verschiedenster Parameter quantifiziert wird94. Bei einem Emissionsrating wird zusätzlich das auf den jeweiligen Finanztitel bezogene Emissionsrisiko ermittelt95. Beleuchtet man die verschiedenen Einflussfaktoren auf das Rating, so ist hierbei zwischen internen und externen Faktoren quantitativer Art, den sogenannten hard facts und solchen qualitativer Art, welche auch als soft facts bezeichnet werden, zu unterscheiden96. Quantitative Faktoren sind Informationen, die aus dem Zahlenmaterial eines Unternehmens, beispielsweise aus dem Jahresabschluss oder aus Finanzplänen, gewonnen werden. Qualitative Faktoren hingegen stellen Informationen über das Marktumfeld (beispielsweise die Qualität der Absatzmärkte), Personal, Controlling oder das Management des Unternehmens dar97. Die exakte Methode bei der Ergebnisfindung und damit die Gewichtung der unterschiedlichen qualitativen und quantitativen Aspekte wird von den Ratingagenturen streng geheim gehalten, sie stellt somit eine Art Betriebsgeheimnis dar98. Diese Geheimhaltung dient zum einen dazu, sich vor einer Übernahme eigener Peters, S. 31; Fischer, S. 62. Eisen, S. 98; Peters, S. 31. 89 Fischer, S. 66; Eisen, S. 98. 90 Mühl, S. 58. 91 Nach deutschem Recht beispielsweise folgt diese Pflicht aus § 242 BGB, Rosset, S. 20. 92 Oellinger, Juristische Konsequenzen, S. 366; Rosset, S. 7. 93 Fischer, S. 67. 94 Mühl, S. 31. 95 Mühl, S. 35. 96 Wand, WM 2005, 1969, [1972]; Mühl, S. 31; Lemke, S. 8. 97 Wand, WM 2005, 1969, [1972]; Jungmichel, WM 2003, 1201, [1205]. 98 Peters, S. 34. 87
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Produkte durch Konkurrenten zu schützen, und zum anderen dazu, zu vermeiden, dass vertrauliche Informationen über die Ratingobjekte publik werden99. Festgehalten werden kann jedoch, dass das vorläufige Analyseergebnis und später auch das Endergebnis eine Mischung aus Fakten und subjektiven Elementen100 darstellt und es sich letztendlich um eine Prognoseentscheidung auf Basis einer Vielzahl von Faktoren handelt101. Auf Grundlage dieser Analyse erstellt das Analystenteam schließlich eine vorläufige Bonitätsbeurteilung und einen Fragenkatalog an den Emittenten, der weitere offene Punkte enthält102. Im Anschluss daran besteht in einem gemeinsamen Ratinghauptgespräch zwischen der Geschäftsführung des Bewerteten und dem Analystenteam die Gelegenheit zur Diskussion der bisher gefundenen Ergebnisse und offener Fragen103. Die Ergebnisse dieses Gesprächs bilden dann wiederum die Grundlage eines Ratingvorschlages, welcher dem Rating-Komitee der Agentur vorgelegt wird104. Dieses entscheidet schließlich in verschiedenen Sitzungen durch Abstimmung über das endgültige Rating105. Das Ergebnis wird dem Emittenten daraufhin mitgeteilt, damit er Gelegenheit zur Stellungnahme erhält und möglicherweise weitere Informationen beibringen kann, die Einfluss auf das Ratingergebnis haben könnten106. Da die Veröffentlichung von in Auftrag gegebenen Erstratings, im Gegensatz zu Folgeratings107, in den meisten Fällen von der Zustimmung des Emittenten abhängig ist, kann dieser der Veröffentlichung von Erstratings im Regelfall widersprechen108. Im Gegensatz zu Auftragsratings werden auftragslose Ratings lediglich auf Basis öffentlich zugänglicher Informationen erstellt, da keine Zusammenarbeit mit dem Emittenten erfolgt109. Zwar unterscheidet sich die grundsätzliche methodische Vorgehensweise der Agenturen beim eigentlichen Beurteilungsprozess nicht von der angewandten Methode beim Auftragsrating, jedoch besteht beim auftragslosen Rating eine größere Unsicherheit bei der Bewertung, weil aufgrund fehlender interner Informationen keine dem Auftragsrating vergleichbare umfassende Würdigung sämtlicher Einflussfaktoren möglich ist110. Aus den genannten Gründen lässt sich zusammenfassend festhalten, dass bei Auftragsratings in Gestalt von Erstratings aufgrund der intensiven ZusammenarLemke, S. 8. Mühl, S. 31. 101 Blaurock, ZGR 2007, 603, [627]; Schuler, S. 178. 102 Eisen, S. 98. 103 Blaurock, EJCL, S. 3. 104 Eisen, S. 102; Peters, S. 33; Fischer, S. 67. 105 Eisen, S. 102. 106 Peters, S. 34; Eisen, S. 102. 107 Begründet wird diese Differenzierung damit, dass Emittenten sich ansonsten trotz nunmehr schlechterer Bonität mit einem vorher gerechtfertigten besseren Rating unberechtigterweise „schmücken“ können, vgl. Eisen, S. 106. 108 Rosset, S. 7; v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 88. 109 Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 28; Eisen, S. 106 . 110 Eisen, S. 106 f.; Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 28; Peters, S. 48. 99
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beit zwischen Emittent und Ratingagentur und des Widerspruchsrechts des Emittenten bezüglich der Veröffentlichung eher die Gefahr zu hoher Ratings besteht. Bei auftragslosen Ratings hingegen besteht eher die Gefahr zu niedriger Ratings, da aufgrund der bestehenden Unsicherheiten wegen möglicher fehlender Informationen Sicherheitsabschläge die Regel sind, was zu konservativeren Ratingergebnissen führt111. Im Hinblick auf Folgeratings lässt sich zunächst festhalten, dass Fälle von zu niedrigen Ratingergebnissen bei Auftragsratings fast ausschließlich nach Folgeratings bekannt werden, was letztendlich darauf zurückzuführen ist, dass die Emittenten hierbei einer Veröffentlichung des Ratingergebnisses nicht zustimmen müssen112. Betrachtet man jedoch die Ausgangsbasis von Folgeratings, so bestehen hierbei auch durchaus Chancen für eine Heraufstufung, weil insoweit eine objektive Neubeurteilung zu erfolgen hat und die Emittenten über die bevorstehende Überprüfung informiert werden113, somit Gelegenheit zur Beibringung von Informationen haben, die sich positiv auf das Rating auswirken. b) Fehlerquellen seitens der Ratingagenturen als Ansatzpunkte für eine Haftung Da es nach allen untersuchten Rechtsordnungen für eine Haftung der Ratingagenturen stets eines haftungsauslösenden Ereignisses in Form eines Verstoßes gegen eine Pflicht114 auf Seiten der Ratingagenturen bedarf, werden im Folgenden mögliche Fehlerquellen, die als Ansatzpunkte für eine Haftung in Betracht kommen, vor die Klammer gezogen. Im Rahmen der Sachberichte wird diesbezüglich dann lediglich auf die Spezifika der einzelnen Länder und Haftungsverhältnisse verwiesen, soweit solche existieren. Die Feststellung haftungsrelevanter Ansatzpunkte gestaltet sich insgesamt als relativ schwierig, weil die bestehenden Pflichten der Ratingagenturen zwar generalklauselartig mit Worten wie „ordnungsgemäß“ oder „gewissenhaft“ umschrieben werden können115, im Detail aber schwer zu fassen sind, weil es diesbezüglich weitgehend an einer Konkretisierung mangelt116. Dennoch soll im Folgenden versucht werden, solche Ansatzpunkte einer Haftung aufzuzeigen, wobei differenziert wird zwischen potentiellen Fehlerquellen, die im Rahmen des eigentlichen Ratingverfahrens angesiedelt sind (aa), und solchen, die zwar ihre Grundlage im Ratingverfahren haben, aber außerhalb der eigentlichen Bewertung liegen (bb).
Eisen, S. 107; Peters, S. 48. Eisen, S. 106. 113 Vgl. hierzu Eisen, S. 105, der jedoch lediglich die Informationsüberbringung beleuchtet. 114 Auch wenn in den einzelnen Ländern für den „Pflichtverstoß“ in rechtlicher Hinsicht im Detail unterschiedliche Begriffe Verwendung finden, so ist doch allen drei untersuchten Rechtsordnungen gemein, dass es sowohl im vertraglichen als auch im außervertraglichen Bereich eines solchen haftungsauslösenden Ereignisses bedarf. 115 Hennrichs, S. 880. 116 Schuler, S. 177. 111
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aa) Potentielle Fehlerquellen innerhalb des Ratingverfahrens Als potentielle Ansatzpunkte einer Haftung für Verstöße innerhalb des eigentlichen Ratingverfahrens bieten sich insbesondere die nachfolgend genannten Fehlerquellen an: (1) Anknüpfung an explizit normierte Verstöße sowie Orientierung an aufsichtsrechtlichen Vorgaben und Empfehlungen zur Konkretisierung der Anforderungen an ein sorgfältig erstelltes Rating Zunächst bietet es sich an, für eine Haftung an Verstöße anzuknüpfen, die durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung bereits konkretisiert sind. Seit Ende Mai 2011 existiert mit Anhang III zur Verordnung (EU) Nr. 513/2011 (RatingVO 2011) eine Liste, in welcher denkbare Verstöße von Ratingagenturen gegen die Vorgaben dieser Verordnung abschließend normiert werden117. Die möglichen Verstöße sind hierbei in drei Unterkategorien gegliedert: Es wird zwischen Verstößen im Zusammenhang mit Interessenkonflikten, organisatorischen oder operationellen Anforderungen, Verstößen im Zusammenhang mit Aufsichtstätigkeiten und Verstößen im Zusammenhang mit Vorschriften zur Offenlegung differenziert. Anfangs konnten solche Verstöße lediglich aufsichtsrechtliche Maßnahmen nach Art. 24 Abs. 1 RatingVO 2011 und die Verhängung eines Bußgeldes nach Art. 26a Abs. 1 RatingVO 2011 nach sich ziehen, weshalb sie nicht unmittelbar haftungsrelevant waren. Seit der letzten Änderung der Ratingverordnung im Jahr 2013 kann ein in Anhang III aufgeführter Verstoß jedoch auch eine zivilrechtliche Haftung der Ratingagenturen nach Art. 35a der aktuellen Fassung der Ratingverordnung (RatingVO 2013) begründen, sodass die genannten Pflichten nunmehr als potentielle Anknüpfungspunkte für eine Haftung in allen drei untersuchten Mitgliedstaaten geeignet sind. Da es in der Vergangenheit sowohl an staatlicher Regulierung als auch an individualvertraglichen Regelungen zwischen den jeweiligen Parteien in Bezug auf die Pflichten von Ratingagenturen mangelte118, wurde in der deutschen Literatur diskutiert, ob zur Festlegung des Maßstabes für eine sorgfältige Ratingerstellung an aufsichtsrechtliche Empfehlungen und Vorgaben angeknüpft werden könne119. Diesbezüglich wurde einerseits erwogen, die Kriterien zur Anerkennung als
117 Hierin werden die gesetzlichen Anforderungen der Ratingverordnung negativ, in Form von Verstößen, reformuliert und konkretisiert, Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 472. 118 Blaurock, ZGR 2007, 603, [628]. 119 Schuler, S. 180.
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NRSRO120 oder ECAI121 zu übertragen122 , andererseits wurde teilweise aber auch den im Wesentlichen mit diesen Inhalten übereinstimmenden123 Empfehlungen der IOSCO124 entscheidende Bedeutung zugemessen125. Da die wesentlichen Inhalte der IOSCO-Kriterien in den Katalog möglicher haftungsauslösender Verstöße gegen die Vorgaben der Ratingverordnung aufgenommen wurden126, ist diese Diskussion nunmehr lediglich in den wenigen Fällen von Relevanz, in denen die Vorgaben bzw. Empfehlungen nicht in die Anforderungen der aktuellen Ratingverordnung hineingelesen werden können. Deshalb wird in dieser Arbeit auf eine vertiefte Darstellung der einzelnen Ansichten hierzu verzichtet. Die soeben aufgezeigten Anknüpfungspunkte stellen bei Weitem nicht alle denkbaren Verstöße seitens der Ratingagenturen innerhalb und außerhalb des komplexen Ratingprozesses dar, welche geeignet sein könnten, eine Haftung zu begründen. Die NRSRO- und ECAI-Regelungen sowie die IOSCO-Kriterien sind als bloße Mindeststandards127 einer sorgfältigen Ratingerstellung anzusehen, welche überdies allenfalls mittelbare haftungsrechtliche Relevanz entfalten128. Der in Anhang III der RatingVO 2011 aufgeführte Katalog differenziert diese Kriterien zwar etwas stärker aus und schafft klare gesetzliche Vorgaben, die seit 2013 bei Nichteinhaltung unmittelbar haftungsrechtlich relevant sind, detaillierte 120 Um in den USA als Nationally Recognised Statistical Rating Organisation (NRSRO) für Kapitalmarktzwecke anerkannt zu werden, müssen Ratingagenturen bestimmte aufsichtsrechtliche Anforderungen erfüllen, die durch die SEC (U.S. Securities and Exchange Commission) vorgegeben werden, Hennrichs, S. 881. 121 Bei einer External Credit Assessment Institution (ECAI) handelt es sich um eine Ratingagentur, die innerhalb der EU zur Risikobewertung auf Finanzmärkten förmlich anerkannt wurde, Blaurock, ZGR 2007, 603, [619]. Es handelt sich somit um das für den europäischen Bereich parallele Verfahren zu dem in der vorherigen Fußnote aufgezeigten amerikanischen Verfahren. 122 Blaurock, ZGR 2007, 603, [628]; Hennrichs, S. 881. 123 Diese Regelungen beziehungsweise Empfehlungen unterscheiden sich insbesondere nicht in Bezug auf die Kernelemente eines sorgfältigen Ratingverfahrens, namentlich die Anforderungen an Neutralität, Objektivität und eine sachkundige sowie sorgfältige Erstellung von Ratings mithilfe ausreichender Ressourcen, Schuler, S. 180. Vgl. zu diesen Mindestanforderungen an ein ordnungsgemäßes Rating im Einzelnen Vetter, WM 2004, 1701, [1705]. 124 Im Dezember 2004 wurde durch die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) ein Verhaltenskodex (IOSCO-Kodex) für Ratingagenturen verabschiedet. Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen auf S. 23 f. 125 Schuler, S. 180 f. 126 Bauer, BB 2013, 363, [363]. 127 Blaurock, ZGR 2007, 603, [628]. 128 Da die NRSRO- und ECAI-Regelungen aufsichtsrechtliche Anforderungen betreffen und es sich bei den IOSCO-Vorgaben lediglich um bloße Empfehlungen ohne Rechtsverbindlichkeit im Außenverhältnis handelt, entfalten diese keine unmittelbare haftungsrechtliche Relevanz, weil die für Schadensersatzklagen zuständigen Zivilgerichte hieran nicht gebunden sind. Demgegenüber ist es jedoch möglich, dass diese Maßstäbe mittelbare Haftungsrelevanz entfalten, indem sie als Auslegungshilfe zur Konkretisierung der weder vertraglich noch gesetzlich näher definierten (Sorgfalts-)Pflichten herangezogen werden. Vgl. hierzu Hennrichs, S. 882; Schuler, S. 181 f.
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Kriterien einer sorgfältigen Ratingerstellung werden jedoch auch hierdurch nicht geschaffen. (2) Sonstige Fehlerquellen: Von der Datenbasis bis zur Erstellung eines konkreten Ratings Neben diesen explizit geregelten oder von aufsichtsrechtlichen Vorgaben abgeleiteten Fehlerquellen im Ratingverfahren kommt noch eine ganze Reihe weiterer Verstöße in Betracht, die während eines Ratingverfahrens begangen werden können. Zunächst kann festgehalten werden, dass sich die Anknüpfung einer Haftung an ein fehlerhaftes Ratingergebnis – so naheliegend dies auch sein mag – aus mehreren Gründen schwierig gestaltet. Zum einen ist für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit einzig der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Ratings und nicht der Eintritt des haftungsbegründenden Ereignisses maßgeblich, zum anderen stellen Ratings stets Prognoseentscheidungen über die künftige Entwicklung der Zahlungsfähigkeit des Ratingobjektes dar. Durch diese beiden Faktoren wird eine gerichtliche Feststellung der Fehlerhaftigkeit sehr komplex, weil Prognoseentscheidungen aufgrund der im Rahmen von Gewichtung und Bewertung der einzelnen Faktoren bestehenden Beurteilungsspielräume der einzelnen Analysten nur bedingt überprüfbar sind129, zugleich aber im Nachhinein die anfängliche Fehlerhaftigkeit dieser Prognose nachgewiesen werden muss130. Da Ratingagenturen verpflichtet sind, alle relevanten Informationen zu verwerten und diese angemessen zu gewichten131, können insbesondere die Nichtberücksichtigung wesentlicher bonitätsrelevanter Informationen132 sowie der Verstoß gegen gewöhnliche Bewertungsgrundsätze133 mögliche Fehler darstellen. Ein Verstoß gegen diese Pflichten hätte wiederum zur Folge, dass das Rating auf unfundierten oder unvollständigen Daten basieren würde134 oder die Prognose als solche nicht richtig durchgeführt worden wäre135. Überdies kommt ein Verstoß gegen die im Regelfall aus dem Ratingvertrag resultierende Pflicht, bei dem Ratingobjekt sämtliche für die Durchführung eines Ratings relevanten Informationen einzuholen, in Betracht136. Als weiterer möglicher Anknüpfungspunkt im 129 Schuler, S. 178 f.; Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 136. 130 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, [201]; Schuler, S. 178 f. 131 Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 136. 132 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, [201]. 133 Blaurock, EJCL, S. 17. 134 Schuler, S. 185; Blaurock, ZGR 2007, 603, [628]. Da Ratingagenturen – wie bereits erläutert – im Falle des Auftragsratings insbesondere auch Daten verwenden, die ihnen durch die Bewerteten übermittelt wurden, ist in der deutschen Literatur umstritten, ob die Agenturen zur Überprüfung dieser Daten verpflichtet sind. Vgl. zum diesbezüglichen Meinungsstand Schuler, S. 185 f. 135 Blaurock, EJCL, S. 17; ders., ZGR 2007, 603, [628]. 136 Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 136 f.
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Ratingverfahren sind Fehler bei der Zusammenstellung und Aufbereitung der relevanten Informationen zu nennen, wie beispielsweise Rechenfehler oder Fehler bei der Übertragung der relevanten Daten in Datenverarbeitungssysteme, weil auch diese prinzipiell geeignet sind, eine Haftung zu begründen137. bb) Potentielle Fehlerquellen außerhalb des Ratingprozesses im eigentlichen Sinne Des Weiteren kommen auch solche Fehlerquellen in Betracht, die außerhalb des eigentlichen Ratingprozesses anzusiedeln sind und die im Folgenden exemplarisch aufgezeigt werden. Zu denken ist hier insbesondere an Pflichten, die sich erst in der Phase nach der Erstellung des Ratings ergeben oder die Phase des Ratingverfahrens überdauern, weil diese Pflichten fortwirken. In die letztgenannte Kategorie fallen insbesondere Verstöße gegen Geheimhaltungsverpflichtungen bezüglich vertraulicher Informationen138. Unter die erstgenannte Kategorie kann zunächst das Unterlassen der Anpassung der Bewertung der Bonität des Ratingobjekts während der Laufzeit der Emission fallen, sofern potentielle Anleger im Einzelfall auf das Fortbestehen des jeweiligen Ratings vertrauen dürfen139. Darüber hinaus gehören auch Verstöße gegen die regelmäßig bei in Auftrag gegebenen Erstratings bestehende Pflicht zur Einholung einer Zustimmung zur Veröffentlichung140 und Verstöße gegen die Pflicht zur rechtzeitigen Veröffentlichung des Ratings141 dieser Kategorie an. Des Weiteren kann auch ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Information des Bewerteten im Falle der Änderung der Ratingmethode142 oder maßgeblicher Ratingkriterien gegebenenfalls haftungsrelevant sein, sofern er bedeutende Auswirkungen auf das Rating hat143. Schließlich ist in Ausnahmefällen ein vorsätzliches Fehlverhalten der Ratingagenturen dergestalt denkbar, dass sie die Erstellung eines unzutreffend zu schlechten auftragslosen Ratings androhen, um die hiervon betroffenen Emittenten zum Abschluss eines Ratingvertrages zu bewegen144. Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 137. Eisen, S. 223; Schuler, S. 196. 139 Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn die Ratingagentur durch ihr Verhalten – beispielsweise durch die Veröffentlichung spezieller Überwachungslisten – suggeriert, dass ihre Ratings ständig aktualisiert werden, und im konkreten Einzelfall nicht explizit etwas Gegenteiliges behauptet wird. Vgl. zu dieser Pflicht zur Aktualisierung ausführlich Schuler, S. 187 f.; Peters, S. 101 f. 140 Rosset, S. 7. 141 Peters, S. 78; Arntz, BKR 2012, 89, [92]. 142 Schuler, S. 197. 143 Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 17; Eisen, S. 223. Nach Anhang III, Unterkategorie I, Nr. 49 zur RatingVO 2011 verstoßen Ratingagenturen ferner gegen die Vorgaben, wenn sie für Ratings, die auf der Grundlage solcher, das Ergebnis entscheidend verändernden Methoden- oder Modelländerungen erstellt wurden, keine neuen Ratings durchführen. 144 Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 137. 137
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Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen nach den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen und nach der harmonisierten Haftungsvorschrift des Art. 35a der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 Haftungsfragen spielen im Gesamtsystem zur Kontrolle und Regulierung von Ratingagenturen eine zentrale Rolle: Im Idealfall werden Ratingagenturen bei fehlerhaftem Verhalten mittels Androhung effizienter Sanktionen zu rechtmäßigem Handeln veranlasst, was wiederum zu einem fairen Ratingverfahren und korrekten Ratingergebnissen führt145. Aus diesem Grund soll diese wichtige Frage im Folgenden eingehend rechtsvergleichend erörtert werden. Vor der eigentlichen rechtsvergleichenden Analyse wird ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung und den aktuellen Stand der Harmonisierung der Haftungsfrage in Bezug auf Ratingagenturen in der Europäischen Union gegeben (I.). Wie bereits im Rahmen der Einführung erläutert wurde, erfolgt die rechtsvergleichende Analyse (II.) auf Basis der funktionalen Methode, wobei die klassische Dreiteilung der Untersuchung in Sachberichte, Rechtsvergleich und Ergebnisbewertung als Rahmen dient146. Nach der Analyse im eigentlichen Sinne wird in einem abschließenden Schritt der Einfluss der Harmonisierung durch Art. 35a RatingVO 2013 auf die gefundenen Ergebnisse geklärt und der Frage nach dem Erfordernis einer weiteren Harmonisierung nachgegangen (III.).
I. Überblick über die historische Entwicklung und den aktuellen Stand der Harmonisierung der Regulierung und Haftung von Ratingagenturen in der Europäischen Union Wie soeben erläutert, spielen haftungsrechtliche Fragestellungen bei der staatlichen Kontrolle und Regulierung der Tätigkeit von Ratingagenturen zwar eine zentrale Rolle, sie stellen jedoch nur einen Teil des Gesamtsystems hierzu dar. Um Krimphove/Kruse, ZfgK 2005, 413, [414]. Da die einzelnen Schritte bereits detailliert vorgestellt wurden, erfolgt in diesem Zusammenhang lediglich eine Kurzzusammenfassung. Vgl. zum Aufbau der Analyse im Detail die Ausführungen auf S. 3 ff. 145
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die zwischen den verschiedenen Maßnahmen bestehenden Zusammenhänge aufzuzeigen, wird die historische Entwicklung nicht beschränkt auf die Haftungsfrage betrachtet, sondern in einen größeren Gesamtzusammenhang eingeordnet, indem – in der gebotenen Kürze – auch auf die wichtigsten Entwicklungen in der Harmonisierung der Regulierung von Ratingagenturen eingegangen wird. Im Anschluss an diesen Überblick erfolgt eine zusammenfassende Gegenüberstellung von bereits harmonisierten und (noch) nicht harmonisierten Haftungsfragen, die als Basis für die spätere Rechtsvergleichung dient. 1. Die Ausgangssituation vor 2009: Vertrauen auf die Selbstregulierung der Märkte In Europa existierte lange Zeit keine Regelung, welche die Regulierung des Ratingwesens zum Gegenstand hatte. Der Grund hierfür lag nicht etwa darin, dass sich die gesetzgebenden Organe nicht mit dieser Frage befasst hätten. Vielmehr war das Vertrauen auf die Selbstregulierung der Märkte so groß, dass die Meinung vorherrschte, es bestehe keine Notwendigkeit einer staatlichen Regulierung von Ratingagenturen und (erst recht) kein Bedarf nach einer einheitlichen Regelung zu ihrer Haftung147. Im Jahr 2004 wurden durch den sogenannten IOSCO-Kodex148 erstmals Verhaltensregeln149 für Ratingagenturen eingeführt. Aufgrund seiner Ausgestaltung nicht als Rechtsnorm, sondern lediglich als unverbindliches Rahmenwerk150 entfaltete der Kodex per se keine Bindungswirkung151. Vielmehr bestand die Zielsetzung darin, das Prinzip der Selbstregulierung zu verwirklichen152 und die Einhaltung der Verhaltensregeln im Wege einer freiwilligen Selbstverpflichtung153 der Ratingagenturen zu erreichen: In der Praxis haben sich zwar insbesondere die „Großen
147 Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [106]; Rosset, S. 12; Berger/Ryborz, WM 2014, 2241, [2244]. 148 Dieser weltweit gültige Verhaltenskodex für Ratingagenturen (Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016) wurde im Dezember 2004 von der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) verabschiedet. Für weiterführende Hinweise zu dieser freiwilligen Selbstverpflichtung für Ratingagenturen vgl. Krimphove/Kruse, ZfgK 2005, 413, [413 f.]; Stemper, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 148 ff. 149 Die Verhaltensregeln betreffen insbesondere die Qualität und Integrität des Ratingverfahrens, die Unabhängigkeit von Ratingagenturen, die Vermeidung von Interessenkonflikten sowie die Überwachung und Aktualisierung von Ratings. Vgl. zu den einzelnen Inhalten des Kodex in dieser ursprünglichen Fassung und auch in der überarbeiteten Fassung aus dem Jahr 2008 im Detail Stemper, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 152 ff. 150 Rosset, S. 9. 151 Blaurock, ZGR 2007, 603, [638]. 152 Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [106]. 153 Krimphove/Kruse, ZfgK 2005, 413, [414]; Tönningsen, ZBB/JBB 2011, 460, [463].
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
Drei“ dem Kodex unterworfen, ihn jedoch teilweise nicht ohne wesentliche Abweichungen in ihre Standards integriert154. Einen weiteren Ansatz zur Regulierung des Ratingwesens stellte die Implementierung der Eckpunkte eines staatlichen Anerkennungsverfahrens für Ratingagenturen im Bankenbereich dar, welche im Jahr 2006 im Rahmen der Umsetzung des Basel II-Akkords155 in europäisches und nationales Recht erfolgte156. Die Einführung dieser Vorschriften führte dazu, dass Ratingagenturen bei der Bonitätsbeurteilung von Schuldnern weiter an Bedeutung gewannen157. Damit Kreditinstitute nach Maßgabe der Basel II-Vorschriften ein externes Rating zur Ermittlung der Schuldnerbonität heranziehen dürfen, muss die jeweilige Agentur offiziell von den Aufsichtsbehörden hinsichtlich Qualität und Geeignetheit des Systems158 anerkannt sein159. Um diese Anerkennungsvoraussetzungen zu erfüllen, muss eine Ratingagentur objektiv, unabhängig und glaubwürdig sein, einen internationalen Zugang haben, ihre Beurteilungsmethoden veröffentlichen und über ausreichende Ressourcen zur Durchführung der Beurteilung verfügen160. 154 Ob und – sofern dies der Fall ist – inwieweit Ratingagenturen die Regeln in ihre Standards integrieren, liegt im Ermessen der jeweiligen Ratingagentur, Stemper, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 156. Vgl. zur Umsetzung des IOSCO-Kodex: Review of Implementation of the IOSCO-Fundamentals of a Code of Conduct für Credit Rating Agencies, Consultation Report, Februar 2007, S. 8 ff., abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016; Haar, NZG 2010, 1281, [1282]; Tönningsen, ZBB/JBB 2011, 460, [463]; Krimphove/Kruse, ZfgK 2005, 413, [414]. Eine beispielhafte Auflistung wesentlicher Abweichungen liefert die Übersicht Stempers, in: Stemper, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 158 ff. 155 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, Überarbeitete Rahmenvereinbarung, Juni 2004, als Download erhältlich unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. Speziell zum Anerkennungsverfahren für externe Ratings durch Ratingagenturen vgl. S. 26 f. des genannten Dokuments des Baseler Ausschusses. 156 Diese Aufsichtsstandards wurden durch die Änderungsrichtlinien zur EG-Bankrechtskoordinierungsrichtlinie (2006/48/EG, ABl. EU Nr. L 177 vom 30.06.2006) und der Kapitaladäquanzrichtlinie (2006/49/EG, ABl. EU Nr. L 177 vom 30.06.2006) in das europäische Recht inkorporiert, Mülbert, BKR 2006, 349, [351]; Deipenbrock, WM 2009, 1165, [1168]. Exemplarisch sei hinsichtlich der Einführung rechtlicher Vorgaben zur Anerkennung von Ratingagenturen die Umsetzung in das deutsche Recht erwähnt. Diese erfolgte auf Basis des neu gefassten § 10 Abs. 1 S. 9 KWG in §§ 52 ff. der neu erlassenen SolvV, Blaurock, ZGR 2007, 603, [620]. 157 Banken müssen nach diesen Vorschriften Kredite in Abhängigkeit von der individuellen Bonität des Schuldners mit Eigenkapital unterlegen, Jungmichel, WM 2003, 1201, [1202]; Rosset, S. 11. Um diese Eigenkapitalquote zu ermitteln, dürfen Banken entweder interne Ratings durchführen oder sich externer Ratings bedienen. Da externe Ratings regelmäßig günstiger und schneller verfügbar sind als interne Ratings, haben sie sich in der Praxis durchgesetzt, Rosset, S. 11 f.; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, [659]. 158 Jungmichel, WM 2003, 1201, [1203]. 159 Art. 81 Abs. 1, Art. 97 Abs. 1 der Richtlinie 2006/48/EG. 160 S. 26 f. des Basel II-Akkords (zur Abrufbarkeit dieses Dokuments des Baseler Ausschus-
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Diese Standards hielt die Europäische Kommission lange Zeit für ausreichend im Hinblick auf die Regulierung des Ratingwesens161. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass ein Zulassungsverfahren für Ratingagenturen den Markt abschotten würde162. Überdies erachtete die Europäische Kommission zu diesem Zeitpunkt die von den Ratingagenturen vorgebrachte Argumentation, dass die Selbstregulierung des Marktes funktioniere, weil Anleger und Emittenten auf Dauer nur zuverlässige und seriöse Geschäftspartner akzeptierten163 und Ratingagenturen nur von ihrem Ruf abhängig seien164, als zutreffend. Ernsthafte Überlegungen dahingehend, in Europa ein einheitliches Haftungssystem für fehlerhafte externe Ratings zu integrieren, bestanden zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Vielmehr beschränkten sich die Harmonisierungsbemühungen ausschließlich auf Fragen der Regulierung. Eine Haftung von Ratingagenturen war somit ausschließlich nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten möglich. 2. Der Einfluss der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 (RatingVO 2009) und (EU) Nr. 513/2011 (RatingVO 2011) auf die Regulierung und Haftung von Ratingagenturen Die Kommission hatte sich zwar bereits Ende des Jahres 2005 vorbehalten, ihre Einschätzung hinsichtlich des Regulierungsbedarfs des Ratinggeschäfts zu überdenken165, jedoch führten erst die Subprime-Krise in den USA, die folgende weltweite Finanzkrise, die sich im Herbst 2008 zum ersten Mal zuspitzte166, sowie die neue US-amerikanische Gesetzgebung167 der Kommission vor Augen, dass das Prinzip der Selbstregulierung kein wirksames Mittel zur Vermeidung solcher Krisen darstellt168. Eine Überprüfung ergab, dass die nationalen Aufsichtsbehörden und der Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Wertpapier-
ses im Internet siehe bereits Fußnote 155); Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, [659]; Rosset, S. 12. 161 Vgl. hierzu die Mitteilung der Kommission über Ratingagenturen vom 11.03.2006, ABl. EU Nr. C 59/02; Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [106]; Rosset, S. 12; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, [659]; Berger/Ryborz, WM 2014, 2241, [2244]. 162 Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [106]. 163 Blaurock, ZGR 2007, 603, [641]; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, [659]. 164 Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [106]. 165 Mitteilung der Kommission über Ratingagenturen vom 23.12.2005, DE 2005/11990, S. 10, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 166 Deipenbrock, RIW 2010, 612, [613]; Blaurock, EuZW 2013, 608, [608]. 167 Diesbezüglich ist insbesondere der Credit Rating Agency Reform Act of 2006 (CRA Reform Act) von Interesse. Dieser hat zum Ziel, die Ratingqualität zu verbessern, indem insbesondere Transparenz im Verfahren hergestellt wird und – was für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse ist – die Verantwortlichkeit von Ratingagenturen für ihre Bewertungen gewährleistet wird, vgl. hierzu Deipenbrock, WM 2009, 1165, [1167]. 168 Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [107]; Deipenbrock, WM 2009, 1165, [1168].
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wesen (Committee of European Securities Regulators, CESR)169 zu schwach waren, um auf Missstände effektiv zu reagieren und insbesondere die Ratingagenturen, die maßgeblich für die Ursachen und den Verlauf der Krise mitverantwortlich gemacht wurden170, zu regulieren und zu überwachen171. Nach einer umfassenden Analyse der Situation und der Abschätzung möglicher Folgen traf die Kommission schließlich die Entscheidung, legislative Maßnahmen zur Regulierung von Ratingagenturen durchzuführen, um das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen172. Die konkrete Umsetzung dieser Pläne erfolgte im November 2009 durch den Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 (RatingVO 2009)173. Die wichtigsten Inhalte dieser Verordnung bilden das Registrierungsverfahren nach Art. 14 und die damit einhergehende Registrierungspflicht für Ratingagenturen mit Sitz in der EU174. Aufgrund der genannten Inhalte stellt die RatingVO 2009 zwar einen entscheidenden ersten Beitrag zur Regulierung des Ratingsektors dar, indem sie auf dem Gebiet der EU einen neuen juristischen Rahmen für die Aktivitäten der Agenturen vorgibt175, ein europaweit einheitlicher zivilrechtlicher Haftungstatbestand für fehlerhafte Ratings von Ratingagenturen wurde hierdurch jedoch nicht eingeführt. Haftungsrechtliche Aspekte wurden lediglich in den Erwägungsgründen der Verordnung als wünschenswert erwähnt: Forderungen gegen Ratingagenturen aufgrund von Verstößen gegen die Verordnung „sollten“ demnach im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften über die zivilrechtliche Haftung erhoben werden176. Einige Mitgliedstaaten haben diese Formulierung in den Erwägungsgründen der RatingVO 2009 zum Anlass genommen, spezielle haftungsrechtliche Regelungen für Ratingagenturen in die nationalen Rechtsordnungen zu integrieren, 169 Dieser unabhängige Ausschuss, der im Jahr 2001 im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens seine Tätigkeit aufnahm, wurde auf Empfehlung eines „Ausschusses der Weisen“ durch die Europäische Kommission eingeführt. Seine Hauptaufgabe bestand darin, die harmonisierte und gemeinsame Umsetzung von Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet des Kapitalmarkts zu gewährleisten und die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden zu verbessern, vgl. von Rosen in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 2, Rn. 275. 170 Bremer, NZG 2012, 817, [818 f.]. Vgl. zur Rolle von Ratingagenturen im Rahmen der Finanzkrise auch bereits die Ausführungen oben in Fußnote 7. 171 Möllers, NZG 2010, 285, [286]. 172 Deipenbrock, WM 2009, 1165, [1169]. 173 Die RatingVO 2009 ist am 07.12.2010 vollends in Kraft getreten. Die Einführung dieser Verordnung wird in der Literatur zu Recht als „Paradigmenwechsel“ von der Selbstregulierung hin zur Regulierung des Ratingmarktes angesehen, weil hierdurch erstmals ein Registrierungsund Aufsichtsregime eingeführt wird, Deipenbrock, RIW 2010, 612, [613]. Darüber hinaus werden mit dieser Verordnung drei weitere Ziele verfolgt, namentlich die Verbesserung der Qualität von Ratings, ein angemessener Umgang mit Interessenkonflikten und die Transparenz des Ratingverfahrens. Vgl. hierzu den Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen v. 12.11.2008, KOM(2008) 704 endg., 2008/0217 (COD), S. 4; Deipenbrock, RIW 2010, 612, [613]. 174 Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [107]. 175 Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [586]. 176 Erwägungsgrund 69 der Ratingverordnung, Möllers, NZG 2010, 285, [287].
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andere sind hingegen untätig geblieben. Aufgrund dieser verschiedenen Entwicklungen lassen sich angelehnt an eine von der Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen (GD MARKT) der EU-Kommission vorgenommene Differenzierung folgende drei Kategorien von Mitgliedstaaten unterscheiden177: In die erste Kategorie fallen Mitgliedstaaten, die beschlossen haben, ein spezielles Haftungssystem für Ratingagenturen zu schaffen, welche gegen die Ratingverordnung verstoßen. Der zweiten Kategorie gehören Mitgliedstaaten an, in denen zwar auch nach der Umsetzung der Verordnung keine speziellen Haftungsvorschriften für Ratingagenturen existieren, in welchen sich jedoch die Haftung von Ratingagenturen nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen richtet. Neben diesen beiden Kategorien lässt sich noch eine dritte Kategorie bilden: In diese fallen diejenigen Mitgliedstaaten, in denen weder spezielle Haftungsvorschriften für Ratingagenturen existieren, noch die allgemeinen nationalen zivilrechtlichen Regelungen auf die Tätigkeit von Ratingagenturen Anwendung finden, sodass im Ergebnis in diesen Staaten keine Haftung von Ratingagenturen für fehlerhafte Ratings existiert178. Die in dieser Arbeit beleuchteten Mitgliedstaaten lassen sich wie folgt den genannten Kategorien zuordnen: Die Umsetzung der RatingVO 2009 erfolgte in Deutschland am 14.06.2010 durch das Ausführungsgesetz zu dieser Verordnung. Hierdurch wurden zwar wichtige Schritte zur Regulierung des Ratingsektors umgesetzt179, spezielle Regelungen zur Haftung von Ratingagenturen existierten jedoch weder bereits vor Erlass dieser Verordnung, noch wurden solche im Nachhinein erlassen180. Da andererseits aber die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften auf Ratingagenturen Anwendung finden, ist Deutschland im Ergebnis der zweiten Kategorie zuzuordnen181. Im Gegensatz zu Deutschland hat Frankreich die durch die RatingVO 2009 geschaffene Gelegenheit genutzt, um eine Haftung von Ratingagenturen für fehlerhafte Ratings auf Basis dieser Verordnung einzuführen: Nach Maßgabe der Artt. L544-5 und L544-6 des Code monétaire et financier (CMF) haften die in Art. L544-4 genannten Agenturen bei Verstößen gegen die Ratingverordnung ge177 Zu der von der GD MARKT vorgenommenen Differenzierung in englischer Sprache vgl. Public Consultation on Credit Rating Agencies, European Commission, Directorate General Internal Market and Services, 5. November 2010, Punkt 71, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03. 2016. 178 Vgl. zur Konkretisierung der oben genannten Unterteilung in diesem Sinne bereits Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [591 f.]. 179 Insbesondere wurde die BaFin zur zuständigen Behörde i. S. d. RatingVO 2009 erklärt (§ 17 WpHG) und ein Ordnungswidrigkeitenkatalog in § 39 WpHG eingeführt, Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [107]. 180 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2289]. 181 Vgl. zu dieser Zuordnung der deutschen Regelungen explizit auch Darbellay, S. 72.
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genüber ihren Kunden und gegenüber Dritten182. Aus diesem Grund ist Frankreich der ersten Kategorie von Mitgliedstaaten zuzuordnen183. Problematisch gestaltet sich dagegen die Zuordnung Englands zu den gebildeten Kategorien: Sicher ist zunächst, dass England nicht der ersten Kategorie von Mitgliedstaaten zugeordnet werden kann, da weder vor Erlass der RatingVO 2009 noch im Zuge ihrer Umsetzung ein spezielles Haftungssystem für Ratingagenturen geschaffen wurde184. Unklar ist dagegen, ob Regelungen oder Fälle existieren, die auf Ratingagenturen Anwendung finden bzw. übertragbar sind, weil dieser Aspekt in der englischen Literatur – soweit ersichtlich – kaum behandelt wird. Schenkt man der Äußerung des Staatssekretärs des Finanzministeriums, Mark Hoban, anlässlich einer Ausschusssitzung am 16.04.2012 Glauben, so wäre davon auszugehen, dass es solche Regelungen gibt185. Dies hätte zur Folge, dass England – wie Deutschland – der zweiten Kategorie von Mitgliedstaaten zuzuordnen wäre. Angesichts des Umstandes, dass auch Edwards die Haftung von Ratingagenturen nach englischem Recht unter bestimmten Umständen als unproblematisch gege182 Zu den Hintergründen zum Erlass der französischen Regelungen auf Basis der Ratingverordnung vgl. Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [586 f.]; Denis, RLDA 2011, Nr. 65, 73, [73 f.]. Die Artikel L544-4 bis 6 CMF haben folgenden Wortlaut: „Art. L544-4 CMF: L’Autorité des marchés financiers est l’autorité compétente au sens du règlement (CE) n° 1060/2009 du Parlement européen et du Conseil, du 16 septembre 2009, sur les agences de notation de crédit. Art. L544-5 CMF: (1): Les agences de notation de crédit mentionnées à l’article L.544-4 engagent leur responsabilité délictuelle et quasi délictuelle, tant à l’égard de leurs clients que des tiers, des conséquences dommageables des fautes et manquements par elles commis dans la mise en œuvre des obligations définies dans le règlement (CE) n° 1060 / 2009 du Parlement européen et du Conseil, du 16 septembre 2009, précité. (2): Tout accord ayant pour effet de soumettre, par avance et exclusivement, aux juridictions d’un Etat tiers à l’Union européenne un différend relatif aux dispositions du règlement (CE) n° 1060 / 2009 du Parlement européen et du Conseil, du 16 septembre 2009, précité, alors que les juridictions françaises auraient été compétentes pour en connaître à défaut d’un tel accord, est réputé nul et non écrit. Art. L544-6 CMF: Les clauses qui visent à exclure la responsabilité des agences de notation de crédit mentionnées à l’article L.544-4 sont interdites et réputées non écrites.“ 183 Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [591 f.]. 184 Vgl. zur Umsetzung der Vorgaben der RatingVO 2009 in England: The Credit Rating Agencies Regulations 2010 (Statutory Instrument (SI) Nr. 2010/906) und die zugehörige Begründung: Explanatory Memorandum to the Credit Rating Agencies Regulations 2010, Nr. 906, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 185 „The UK already has rules in place on the liability of credit rating agencies; they are sufficiently nuanced to be able to hold CRAs liable where appropriate.“, Zitat aus der Ausschusssitzung des House of Commons European Committee B vom 16.04.2012, Column Number 7, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016.
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ben ansieht186, kann davon ausgegangen werden, dass zumindest bestimmte englische Haftungsgrundsätze auf Ratingagenturen übertragbar sind, weshalb die getroffene Zuordnung stimmig erscheint. Die RatingVO 2009 wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 513/2011 (RatingVO 2011) vom 11.05.2011, welche am 01.06.2011 in Kraft getreten ist, erstmals geändert. Hierdurch wurde der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA)187 in Art. 40a die ausschließliche Zuständigkeit für die Registrierung und Beaufsichtigung der Ratingagenturen übertragen188. Überdies wurde als Anhang III zu dieser Verordnung ein Katalog eingefügt, der mögliche Zuwiderhandlungen von Ratingagenturen, welche Aufsichtsmaßnahmen der ESMA nach Art. 24 Abs. 1 RatingVO 2011 und Geldbußen nach Art. 36a Abs. 1 RatingVO 2011 auslösen, abschließend aufzählt189. Eine Regelung zur Vereinheitlichung der Haftungsfrage wurde auch durch diese Änderungsverordnung nicht in die Ratingverordnung eingefügt190, sodass eine Haftung der Ratingagenturen für fehlerhafte Ratings weiterhin nur nach den nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten möglich war. 3. Harmonisierung der Haftungsfrage durch Art. 35a der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 (RatingVO 2013) Die jüngste Entwicklung der Euro-Schuldenkrise führte der Europäischen Kommission vor Augen, dass der bis dato bestehende Regulierungsrahmen zur Vermeidung solcher Krisen nicht ausreichend war191. Neben der Frage nach der Notwendigkeit einer weitergehenden Regulierung standen bei der Diskussion um geeignete Maßnahmen zur Vermeidung zukünftiger Finanzkrisen nun erstmals auch Überlegungen dahingehend im Fokus, die Rechenschaftspflicht von RatingEdwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [190]. Durch Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 („ESMA-Verordnung“) vom 24.11.2010 wurde die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA) mit Wirkung zum 01.01.2011 als Nachfolgeorganisation des Committee of European Securities Regulators (CESR) gegründet. 188 Dadurch wurde für diese Aufgaben eine zentrale europäische Zuständigkeit anstelle des vorher bestehenden komplexen Koordinierungsregimes geschaffen, Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, [107]. 189 Bei den aufgeführten Zuwiderhandlungen handelt es sich vor allem um Verstöße gegen Offenlegungspflichten und organisatorische Pflichten wie beispielsweise die Nutzung einer Übernahme eines in einem Drittland abgegebenen Ratings mit der Absicht, die Anforderungen der Verordnung zu umgehen, Anhang III zur Verordnung Nr. 513/2011 vom 11.05.2011, Unterkategorie I, Verstoß Nr. 2. 190 In den USA wurde hingegen im Zuge der US-Finanzmarktreform im Jahre 2010 eine Haftungsregelung eingeführt: Seit Inkrafttreten dieses Dodd-Frank Wall Street and Consumer Protection Act können Ratingagenturen insbesondere bei Veröffentlichung eines Ratings im Prospekt für asset-backed securities unmittelbar für dieses haftbar gemacht werden, Haar, NZG 2010, 1281, [1284]; Rosset, S. 11. 191 Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 13. 186 187
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agenturen für ihr Handeln zu erhöhen. Als zentrale Maßnahme zur Begründung dieser Pflicht wurde von der Kommission die Einführung einer harmonisierten Regelung zur Haftung von Ratingagenturen für fehlerhafte Ratings diskutiert192. Im Jahre 2011 wurde daraufhin seitens der Kommission ein erster Entwurf zur Einführung eines harmonisierten Haftungstatbestandes vorgelegt, worin eine relativ strikte zivilrechtliche Haftung vorgesehen war193. Wie zu erwarten war, wurde der Änderungsvorschlag in der Folge kontrovers diskutiert: Der Widerstand gegen die Einführung eines solchen Haftungstatbestandes beschränkte sich hierbei nicht auf bestimmte Interessenverbände194 und England195. Auch zwischen 192 Eine entscheidende Überlegung bei der Ermittlung des Bedarfs nach einer einheitlichen Regelung zur Haftung von Ratingagenturen in Europa bildete folgende Praxis der Ratingagenturen zur Minimierung oder gänzlichen Vermeidung einer Haftung für fehlerhafte Ratings: Die bestehenden nationalen Unterschiede der zivilrechtlichen Haftungsregelungen hatten häufig zur Folge, dass die Ratingagenturen diejenigen Rechtsordnungen für die Bewertungen wählten, deren Haftungsregelungen am wenigsten streng waren (sog. shopping around). Vgl. hierzu insbesondere die Presseveröffentlichung der Europäischen Kommission vom 16.01.2013, New rules on credit rating agencies (CRAs) – frequently asked questions, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 14.04.2015. Diese Folge konnten die Ratingagenturen entweder durch geschickte Rechtswahlvereinbarungen oder dadurch erreichen, dass sie ihre Tochterunternehmen in der EU lediglich in den Staaten mit den für sie günstigen Haftungsregelungen gründeten, was zu einem Ungleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten führte, Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [592]. 193 KOM(2011) 747 endg., 2011/0361 (COD), v. 15.11.2013, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016; Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 13. 194 Durch das Deutsche Aktieninstitut (DAI), den Bundesverband der Industrie (BDI) und den Verband Deutscher Treasurer (VDT) wurde in einer gemeinsamen Stellungnahme unter anderem vorgebracht, dass bei Einführung einer harmonisierten Haftung die Gefahr tendenziell konservativerer Ratings bestehe, ein Anstieg der Preise für Ratings zu erwarten sei und eine solche Regelung eine spürbare Eintrittsschranke auf dem Ratingmarkt darstelle, was dem Anspruch widerspreche, den Wettbewerb zu fördern; vgl. dazu: Kommentar von DAI, BDI und VDT zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen“ vom 14. September 2012, S. 2 f., abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 195 Nicht zuletzt aufgrund der Angst vor einem Verlust der Attraktivität des Finanzplatzes London war seitens Englands Widerstand gegen die Einführung einer harmonisierten Haftungsvorschrift zu erwarten: In einer Stellungnahme des Finanzministeriums (HM Treasury), der nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörde (FSA) und der Bank of England wurde neben dem Aspekt der Schwächung des Wettbewerbs auch folgender Punkt gegen das Vorhaben vorgebracht: Die Einführung einer einheitlichen Haftung würde bei Anlegern den Eindruck erwecken, diese könnten ihre Anlageentscheidung ohne weitere Prüfung einzig auf die Ergebnisse der Ratings stützen, wodurch das Ziel unterlaufen werde, das blinde Vertrauen auf Ratings zu reduzieren; vgl. hierzu das Dokument „The United Kingdom Authorities Response to the European Commission Internal Market and Services Consultation Document on Credit Rating Agencies“ S. 2, 18, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016.
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dem Europäischen Rat, dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission bestand große Uneinigkeit196, wobei es hierbei weniger um das „Ob“ einer solchen Vorschrift ging, als vielmehr um das „Wie“, also um die Einzelheiten der Ausgestaltung einer solchen. Diskussionsbedarf bestand vor allem hinsichtlich zweier Punkte: Zum einen war fraglich, welcher Einfluss den nationalen Rechtsordnungen bezüglich der Regelung der Haftungsfrage eingeräumt werden bzw. verbleiben sollte – insbesondere die Regierung Englands hat sich diesbezüglich für eine größtmögliche Beibehaltung der Möglichkeiten zur Selbstbestimmung durch die Mitgliedstaaten ausgesprochen197. Zum anderen wurde die Frage, wie die Beweislast zwischen Klägern und Ratingagenturen verteilt sein sollte, intensiv diskutiert198. Nach mehreren Modifikationen des ursprünglichen Vorschlags199 waren Anfang Dezember 2012 die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission, dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament abgeschlossen. Am 16.01.2013 wurde schließlich durch das Europäische Parlament die endgültige Fassung der Änderung der Ratingverordnung angenommen 200, seit dem 20.06.2013 sind die neuen Vorschriften in Kraft201. Wie bereits Haar zutreffend herausarbeitet, stellt die Haftungsvorschrift des Art. 35a RatingVO 2013 einen politischen Kompromiss dar zwischen dem ursprünglichen Entwurf der Kommission, dem generellen Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 13. Die britische Regierung hat sich in den Verhandlungen zu den Reformvorschlägen sehr dafür eingesetzt, dass – im Fall der Unvermeidbarkeit der Umsetzung der Pläne zur Harmonisierung – zumindest den Mitgliedstaaten ein größtmöglicher Einfluss zur weiteren Anwendung der jeweils geltenden nationalen Vorschriften verbleibt, vgl. hierzu das Vorbringen des Staatssekretärs des Finanzministeriums, Mark Hoban, anlässlich einer Ausschusssitzung des House of Commons European Committee B vom 16.04.2012, Column Number 4, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. Zur Entwicklung des Finanzmarktes in England vgl. v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 117 f. 198 Der endgültige Vorschlag der Kommission sah in Art. 35a Abs. 4 eine Beweislastumkehr zugunsten der Anleger vor; vgl. KOM(2011) 747 endg. v. 15.11.2013, Art. 35a Abs. 4. Dieser Vorschlag stieß jedoch auf Widerstand: Insbesondere der Europäische Rat votierte gegen die Einführung einer Beweislastumkehr; vgl. hierzu den Entwurf des Rates vom 25.05.2012, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. Auch im Bericht des Committee on Economic and Monetary Affairs vom 05.10.2012 wird die Einführung einer Beweislastumkehr kritisch gesehen. Dieser Bericht ist abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 199 Vgl. zu den einzelnen Schritten und Modifikationen im Detail Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 13 ff. 200 Vgl. hierzu die Pressemitteilung des Europäischen Parlaments, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016; Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 16. 201 Vgl. hierzu die diesbezügliche Pressemitteilung, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 196
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Ansatz des Rates und den Änderungen, die durch das Europäische Parlament eingebracht wurden 202. Der Gesetzgeber bezweckt mit der Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes insbesondere, die nach nationalen Rechtsordnungen bestehenden Probleme bei der Haftbarmachung von Ratingagenturen zu beseitigen, welchen vor allem Kläger begegnen, die in keiner vertraglichen Beziehung zur jeweiligen Ratingagentur stehen 203. Mit der RatingVO 2013 im Ganzen wird jedoch andererseits auch bezweckt, den übermäßigen Rückgriff auf Ratings zu verringern 204. Das führt zu einem gewissen Spannungsverhältnis in Bezug auf die Einführung einer Haftungsvorschrift zu Gunsten des allgemeinen Anlegerpublikums205, weil gegenüber dieser Gruppe potentieller Kläger beiden – auf den ersten Blick gegenläufig erscheinenden – Zielen entsprechend Rechnung getragen werden muss. Die nachfolgenden Untersuchungen werden zeigen, ob das Spannungsverhältnis durch eine ausgewogene Regelung aufgelöst wurde, ob die soeben beschriebenen Schwierigkeiten bei der Geltendmachung eines Haftungsanspruches in Deutschland, England und Frankreich wirklich bestehen und ob die genannten Probleme durch die Einführung des neuen Haftungstatbestandes tatsächlich beseitigt wurden. 4. Auseinandersetzung mit den Inhalten des Art. 35a RatingVO 2013 mittels einer Gegenüberstellung bereits harmonisierter und (noch) nicht harmonisierter Bereiche Im Folgenden werden die Inhalte der neu geschaffenen harmonisierten Haftungsvorschrift dargestellt. Dies erfolgt in Gestalt einer Gegenüberstellung bereits harmonisierter Bereiche der zivilrechtlichen Haftung von Ratingagenturen (a) mit den (noch) nicht harmonisierten Haftungsfragen (b). Diese Gegenüberstellung bildet den Ausgangspunkt für die weitere rechtsvergleichende Analyse. a) Bereits harmonisierte Bereiche der Haftung von Ratingagenturen Seit Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 am 20.06.2013 ist die Haftung von Ratingagenturen in Art. 35a dieser Verordnung explizit geregelt. Die Haftungsfrage ist demnach nun in der EU vom Grundsatz her harmonisiert. Nach Abs. 1 dieser Norm haften Ratingagenturen gegenüber Anlegern und Emittenten für vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Zuwiderhandlungen, die in Anhang III der Verordnung aufgeführt sind, sich auf ein Rating ausgewirkt und zu einem Schaden beim jeweiligen Emittenten oder Anleger geführt haben. Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 17. Erwägungsgrund 32 der RatingVO 2013. Dies betrifft das allgemeine Anlegerpublikum und Emittenten im Falle eines auftragslosen Ratings. 204 Erwägungsgrund 49 der RatingVO 2013. 205 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2388]. 202 203
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aa) Begrenzter Anwendungsbereich der Vorschrift Betrachtet man den Wortlaut des Art. 35a RatingVO 2013 isoliert von dem Gesamtkontext dieser Verordnung, so ließe sich zunächst vermuten, dass sämtliche Ratingagenturen der Regelung unterfielen. Liest man diese Vorschrift jedoch zusammen mit Art. 2 Abs. 1 RatingVO 2013, so wird deutlich, dass von der RatingVO 2013 nur bestimmte Ratings erfasst werden. Damit ein Rating der Verordnung unterliegt, muss dieses zum einen von einer in der EU registrierten Ratingagentur abgegeben und zum anderen entweder der Öffentlichkeit bekannt gegeben oder an Abonnenten weitergegeben werden. Diese Begrenzung des Anwendungsbereiches der Vorschrift ist im Hinblick auf die Muttergesellschaften der „Großen Drei“ bedeutsam, weil diese Ratingagenturen mit Ausnahme von Fitch nicht in der EU registriert sind, mithin die Muttergesellschaften von S&P und Moody’s der Regelung nicht unterfallen 206. Infolgedessen entfaltet der harmonisierte Haftungstatbestand zwar nur eine eingeschränkte praktische Wirksamkeit207, ein weitgehendes Leerlaufen der Vorschrift ist dennoch nicht zu befürchten. Dies liegt darin begründet, dass sowohl S&P als auch Moody’s Tochtergesellschaften in der EU betreiben, welche wiederum in der EU registriert sind 208. Angesichts der mit der neuen Haftungsvorschrift für Ratingagenturen verbundenen Risiken stellt sich die Frage, warum diese den Schritt der Registrierung freiwillig gegangen sind. Die Erklärung hierzu liefert, wie Dutta zutreffend feststellt, Art. 4 Abs. 1 der RatingVO 2013. Hiernach besteht ein gewisser Druck zur Registrierung, weil nach dieser Vorschrift einige wichtige institutionelle Anleger wie beispielsweise Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen nur die Ratings von in der EU registrierten Agenturen zu aufsichtsrechtlichen Zwecken nutzen dürfen 209. Dennoch muss als Ergebnis hinsichtlich des Anwendungsbereiches der Haftungsvorschrift festgehalten werden, dass die US-amerikanischen Muttergesellschaften von Moody’s und S&P der Regelung nicht unterfallen, sodass insoweit lediglich eine Haftung der Tochtergesellschaften in Betracht kommt.
206 Die Nichtregistrierung der Muttergesellschaften von S&P und Moody’s ist rechtlich nicht zu beanstanden, da nach Art. 14 RatingVO 2013 nur solche Agenturen zur Registrierung verpflichtet sind, die eine Rechtspersönlichkeit mit (Satzungs-)Sitz in der EU darstellen, und dies im Falle der „Großen Drei“ nur bei Fitch gegeben ist, Dutta, WM 2013, 1729, [1731 f.]. 207 Halfmeier, VuR 2014, 327, [333]. 208 Vgl. hierzu im Einzelnen die Liste der in der EU registrierten Ratingagenturen: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. Überdies unterfallen Art. 35a RatingVO 2013 im Grundsatz auch solche Ratings, die seitens der europäischen Tochtergesellschaften von den US-amerikanischen Muttergesellschaften übernommen wurden, Art. 4 Abs. 3 –5 RatingVO 2013; Dutta, WM 2013, 1729, [1732]; Steinrötter, ZIP 2015, 110, [112]. 209 Dutta, WM 2013, 1729, [1732].
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bb) Inhaltliche Charakterisierung der Haftungsvorschrift Es handelt sich bei der Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 um eine der Höhe nach unbegrenzte Haftung gegenüber Anlegern und Emittenten auf Schadensersatz210, weshalb diese Vorschrift ein enormes Haftungspotential birgt211. Andererseits wird der Umfang der Haftung an anderer Stelle wieder eingeschränkt, da nur eine Haftung bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit vorgesehen ist, sodass leicht fahrlässiges Verhalten nicht ausreicht, um eine Haftung zu begründen. Indem auch Emittenten als mögliche Anspruchsteller aufgenommen wurden, geht die Haftung in diesem Punkt sogar weiter als im ursprünglichen Vorschlag der Kommission vorgesehen, weil darin nur eine Haftung gegenüber Anlegern enthalten war212. Die Voraussetzungen zur Geltendmachung von Haftungsansprüchen sind prinzipiell für beide Personengruppen identisch, eine Differenzierung existiert jedoch hinsichtlich der Nachweise, welche die verschiedenen anspruchsberechtigten Personenkreise gemäß Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 der Verordnung zur erfolgreichen Geltendmachung eines Anspruchs erbringen müssen 213. Objektiv knüpft der neu geschaffene Haftungstatbestand an die Begehung eines Verstoßes i. S. d. in Anhang III der RatingVO 2011 abschließend aufgeführten Kataloges an 214. Die Zuwiderhandlung muss sich darüber hinaus auch auf das Rating „ausgewirkt“, also das Ergebnis des Ratings verändert haben 215, weshalb eine bloße Auswirkung auf den Ratingprozess nicht ausreicht. Überdies verlangt die Vorschrift einen Kausalzusammenhang zwischen der Zuwiderhandlung und dem eingetretenen Schaden. Neben der dargelegten Kernvorschrift, welche die eigentliche Anspruchsgrundlage enthält, sind in dem neu eingefügten Art. 35a auch Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast enthalten. Gemäß Art. 35a Abs. 2 Unterabs. 1 Rating210
Vgl. hierzu auch Erwägungsgrund Nr. 33 zur RatingVO 2013. Wojcik, NJW 2013, 2385, [2387]. Vgl. zum Haftungsrisiko bei fehlerhaften Ratings Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 134. 212 Vgl. zu den unterschiedlichen Inhalten des ursprünglichen und endgültigen Änderungsvorschlages der Kommission bereits die Ausführungen oben, S. 30 ff. 213 Ein Anleger muss nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 RatingVO 2013 nachweisen, dass er sich bei seiner Entscheidung hinsichtlich eines Finanzinstruments, auf das sich das Rating bezieht, in vertretbarer Weise im Einklang mit Art. 5a Abs. 1 oder in sonstiger Weise mit gebührender Sorgfalt auf dieses Rating verlassen hat. Ein Emittent muss nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 RatingVO 2013 dagegen nachweisen, dass das Rating sich auf ihn oder seine Finanzinstrumente bezieht und die Zuwiderhandlung nicht darauf zurückzuführen ist, dass der Emittent die Ratingagentur irreführend oder falsch informiert hat. Vgl. hierzu im Einzelnen und zu den Regelungszielen, die hierbei verfolgt werden, Wojcik, NJW 2013, 2385, [2387 f.]. 214 Vgl. zu den in Anhang III aufgeführten Zuwiderhandlungen im Einzelnen bereits die Ausführungen oben, S. 18. 215 Zwar ist das Erfordernis der Ergebnisrelevanz der Zuwiderhandlung im endgültigen Text im Vergleich zum Kommissionsvorschlag nicht mehr enthalten. Da der Begriff „Rating“ im Sinne der Verordnung jedoch als „Bonitätsurteil“ zu verstehen ist – vgl. zu dieser Definition bereits die Ausführungen oben auf S. 5 f. –, bezieht sich der Begriff auf das Ergebnis des Ratingprozesses in Gestalt einer konkreten Note, vgl. Wojcik, NJW 2013, 2385, [2387]. 211
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VO 2013 liegt diese bei der Klagepartei, da es nach dem Wortlaut der Vorschrift in deren Verantwortung liegt, genaue und detaillierte Informationen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass die Ratingagentur gegen die Verordnung verstoßen und sich diese Zuwiderhandlung auf das abgegebene Rating ausgewirkt hat. Diese hohen Beweishürden werden jedoch durch die direkt darauffolgende Textpassage etwas abgeschwächt, weil das zuständige nationale Gericht gemäß Art. 35a Abs. 2 Unterabs. 2 bei der Frage, was als genaue und detaillierte Information anzusehen ist, berücksichtigen muss, dass der Anleger oder Emittent möglicherweise keinen Zugang zu Informationen hat, die allein in der Sphäre der Ratingagentur liegen. Liest man beide Unterabsätze des Absatzes 2 der Vorschrift zusammen, ist festzustellen, dass die bestehenden Beweisschwierigkeiten der möglichen Kläger aufgrund der erschwerten Informationsbeschaffung aus der Sphäre der Ratingagenturen im Gesetzgebungsverfahren offenkundig waren 216. Als Maßnahme zur Abhilfe dieses Problems war im ursprünglichen Änderungsvorschlag der Kommission keine bloße Absenkung des Maßstabes an den substantiierten Klägervortrag, sondern vielmehr die Einführung einer echten Beweislastumkehr bezüglich der Auswirkung einer Zuwiderhandlung gegen die Verordnung auf das Rating vorgesehen. Eine solch umfassende Beweislastumkehr wurde jedoch im Ergebnis nicht beschlossen 217. Unabhängig von der Frage, ob die Beweislastvorschriften in der bestehenden Form sinnvoll erscheinen, werden die Aspekte, die Kläger im Einzelnen nachweisen müssen, um einen Anspruch aus Art. 35a RatingVO 2013 erfolgreich geltend zu machen, durch den harmonisierten Haftungstatbestand erfreulich klar in den Absätzen 1 und 2 geregelt, sodass an dieser Stelle eine Einheitlichkeit innerhalb der Mitgliedstaaten der EU gewährleistet ist. In Art. 35a Abs. 3 Unterabs. 1 RatingVO 2013 sind die Modalitäten von Haftungsbeschränkungen geregelt. Demnach kann die zivilrechtliche Haftung von Ratingagenturen nach Art. 35a RatingVO 2013 im Voraus nur beschränkt werden, wenn die Beschränkung angemessen und verhältnismäßig (lit. a), und nach dem jeweils geltenden nationalen Recht im Einklang mit Absatz 4218 zulässig ist (lit. b). Der ursprüngliche Entwurf der Kommission war hinsichtlich der Wirksamkeit Vgl. hierzu bereits Wojcik, NJW 2013, 2385, [2388]. Vgl. zur ursprünglich geplanten Ausgestaltung der Beweislastumkehr im Detail sowie zu der Frage, ob der Verzicht auf die Einführung einer solchen seitens des Gesetzgebers sinnvoll war, die Ausführungen auf S. 213 ff. 218 Folgende Passagen des Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 sind in diesem Zusammenhang von Relevanz: „Begriffe wie ‚Schaden‘, ‚Vorsatz‘, ‚grobe Fahrlässigkeit‘, ‚in vertretbarer Weise verlassen‘, ‚gebührende Sorgfalt‘, ‚Auswirkung‘, ‚angemessen‘ und ‚verhältnismäßig‘, die in diesem Artikel genannt aber nicht definiert werden, werden im Einklang mit dem jeweils geltenden nationalen Recht gemäß den einschlägigen Bestimmungen des internationalen Privatrechts ausgelegt und angewandt. Fragen der zivilrechtlichen Haftung einer Ratingagentur, die nicht von dieser Verordnung geregelt werden, unterliegen dem jeweils geltenden nationalen Recht gemäß den einschlägigen Bestimmungen des internationalen Privatrechts. […]“ 216 217
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von Haftungsbeschränkungen weitaus restriktiver, weil darin ein Verbot von jeglichen im Voraus vereinbarten Haftungsausschlüssen oder Haftungsbeschränkungen vorgesehen war219. Für den Fall, dass eine Haftungsbeschränkung die in Unterabs. 1 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, hat diese gemäß Abs. 3 Unterabs. 2 keine rechtliche Wirkung, ist demnach nichtig, ohne dass es zur Anordnung dieser Rechtsfolge eines Rückgriffs auf eine nationale Vorschrift, wie beispielsweise § 134 BGB, bedarf220. Nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage der Wirksamkeit von Haftungsausschlüssen, welche die Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 betreffen. Nach Ansicht Mullers kann aus dem Wortlaut der Vorschrift im Umkehrschluss entnommen werden, dass solche Klauseln in jedem Fall nichtig sind 221. Eine solche Schlussfolgerung ist jedoch vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt: Zwar schwingt eine solche Vorstellung seitens des Gesetzgebers durchaus als Unterton mit, weil bereits für das mildere Mittel der Haftungsbeschränkung eine Angemessenheits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt wird, sodass es naheliegend wäre, Haftungsausschlüsse als generell unzulässig einzustufen. Explizit geregelt werden in Art. 35a Abs. 3 Unterabs. 1 RatingVO 2013 aber lediglich Haftungsbeschränkungen. Angesichts der Tatsache, dass Haftungsausschlüsse stets zugleich auch Haftungsbeschränkungen – namentlich solche auf Null – darstellen, ist es jedoch nicht gerechtfertigt, diesbezüglich eine Ausnahme hinsichtlich der Voraussetzungen anzunehmen, solange diese weder im Wortlaut der Vorschrift noch in deren Erwägungsgründen einen Niederschlag gefunden hat. Insgesamt wird dies jedoch nur in seltenen Fällen zur Wirksamkeit von Haftungsausschlüssen bezüglich der Haftung nach dem harmonisierten Haftungstatbestand führen: Eine Prüfung anhand der Maßstäbe von Haftungsbegrenzungen wird in den allermeisten Fällen dazu führen, dass die betreffende Klausel als unangemessen i. S. d. Art. 35a Abs. 3 RatingVO 2013 angesehen werden muss. Ausgeschlossen ist es jedoch nicht, dass im Einzelfall ein Gericht einen Haftungsausschluss als wirksam einstuft. b) (Noch) nicht harmonisierte Bereiche Im Folgenden werden die Bereiche herausgearbeitet, welche im Rahmen des Art. 35a RatingVO 2013 (noch) nicht harmonisiert wurden.
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Vgl. KOM(2011) 747 endg. v. 15.11.2013, § 35a Abs. 5. Wojcik, NJW 2013, 2385, [2389]. 221 Muller, RD banc. fin. 2013, S. 4 des Kommentars 116. 220
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aa) Aufdeckung bestehender Spielräume für die nationalen Gesetzgeber Als (noch) nicht harmonisierter Bereich sind zunächst solche Verstöße seitens der Ratingagenturen zu nennen, die außerhalb des Katalogs des Anhangs III der RatingVO 2011 begangen werden, weil Art. 35a RatingVO 2013 hierauf keine Anwendung findet. Art. 35a Abs. 5 RatingVO 2013 stellt jedoch klar, dass weitergehende Haftungsregelungen im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht durch diesen Artikel ausdrücklich nicht ausgeschlossen werden, weshalb solche Ansprüche außerhalb des Katalogs des Anhangs III nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten weiterhin möglich sind. In Art. 35a Abs. 4 S. 2 RatingVO 2013 ist normiert, dass Fragen der zivilrechtlichen Haftung einer Ratingagentur, die nicht von dieser Verordnung geregelt werden, dem jeweils geltenden nationalen Recht gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Internationalen Privatrechts unterliegen. Hierunter fällt insbesondere die Frage der Anwendbarkeit sonstiger zivilrechtlicher Rechtsinstitute, die in der Verordnung nicht genannt sind, wie beispielsweise die Frage der Verjährung von Ansprüchen 222. Des Weiteren werden einige Begriffe in Art. 35a RatingVO 2013 zwar genannt, hierin aber nicht einheitlich definiert. Dies betrifft insbesondere die Begriffe „Schaden“, „Vorsatz“, „grobe Fahrlässigkeit“, „in vertretbarer Weise verlassen“, „gebührende Sorgfalt“, „Auswirkung“, „angemessen“ und „verhältnismäßig“. Gemäß Art. 35a Abs. 4 S. 1 RatingVO 2013 bleibt deren Auslegung und Anwendung ausdrücklich dem einzelstaatlichen Recht gemäß den Bestimmungen des Internationalen Privatrechts vorbehalten. Festzuhalten bleibt daher insbesondere, dass zentrale Tatbestandsmerkmale der Kernvorschrift des Art. 35a Abs. 1 RatingVO 2013 nicht harmonisiert wurden, mithin Spielräume für unterschiedliche Auslegungen seitens der Mitgliedstaaten verbleiben 223. Besonders offensichtlich ist dies bei der Frage des Haftungsmaßstabes, weil zwar der Maßstab an sich geregelt ist – Haftung nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit –, nicht jedoch, wie diese Begriffe definiert werden. Der Vorschlag der Kommission hatte ursprünglich noch eine Definition des Begriffes der groben Fahrlässigkeit vorgesehen 224. Überdies wird in Art. 35a RatingVO 2013 kein zuständiges Gericht für einen von Anlegern oder Emittenten vorgebrachten Haftungsanspruch festgesetzt. Vielmehr verweist Art. 35a Abs. 4 S. 3 RatingVO 2013 diesbezüglich auf die ein222 Vgl. Wojcik, NJW 2013, 2385, [2389], welcher solche Fragen, die in der Verordnung überhaupt nicht genannt werden, anschaulich als externe Lücken, und Fragen, die zwar geregelt sind, deren konkrete Ausgestaltung jedoch dem nationalen Recht verbleibt, als interne Lücken bezeichnet. 223 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2389]. 224 Demnach handelte eine Ratingagentur dann grob fahrlässig, wenn sie die ihr mit dieser Verordnung auferlegten Pflichten gröblich vernachlässigt, vgl. KOM(2011) 747 endg. v. 15.11.2013, § 35a Abs. 3.
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schlägigen Bestimmungen des Internationalen Privatrechts. Angesichts des Umstandes, dass das Internationale Privatrecht die Gerichtszuständigkeit gerade nicht regelt, ist fraglich, wie dieser Verweis zu verstehen ist. Da diese Formulierung auch in der englischen und französischen Fassung der RatingVO 2013 enthalten ist, handelt es sich hierbei nicht lediglich um einen Übersetzungsfehler in der deutschen Version des Art. 35a. Wie Steinrötter bereits zutreffend herausarbeitet, kann davon ausgegangen werden, dass die Formulierung unglücklich gewählt wurde und im Ergebnis die allgemeinen internationalen Zuständigkeitsregelungen Anwendung finden 225. Dies führt dazu, dass innerhalb des Anwendungsbereichs der RatingVO 2013 im Regelfall die Vorschriften der EuGVVO maßgeblich sind 226. Insgesamt stellt der harmonisierte Haftungstatbestand des Art. 35a RatingVO 2013 in seiner bisherigen Ausgestaltung somit nur eine Teilharmonisierung dar, da wesentliche Definitionen und Rahmenbedingungen des Haftungstatbestandes den Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen werden, wodurch ein großer Spielraum für die nationalen Gesetzgeber zur Ausfüllung dieser Lücken verbleibt. bb) Englands Reaktion auf die bestehenden Spielräume In England wurden als Reaktion auf diese durch Art. 35a RatingVO 2013 geschaffenen gesetzgeberischen Spielräume bereits Vorschriften erlassen, welche die bestehenden Lücken schließen 227. Diese Credit Rating Agencies (Civil Liability) Regulations 2013 (UK Regulations)228 traten zeitnah zur RatingVO 2013 in Kraft229. Hierin werden insbesondere die in Art. 35a Abs. 4 S. 1 RatingVO 2013 genannten Begriffe definiert, Grundsätze zur Auslegung der Begriffe „angemessen“ und „verhältnismäßig“ in Bezug auf Haftungsbegrenzungen geregelt, Grundsätze zur Schadensbestimmung eingeführt und die Zuständigkeiten der Gerichte geklärt. Besonders hervorzuheben ist jedoch, dass neben diesen in der Verordnung angelegten, erforderlichen nationalen Konkretisierungen auch weitere Bestimmungen getroffen wurden, welche erkennen lassen, dass England die bestehenden Spielräume genutzt hat, um eine möglichst restriktive Haftung einzuführen, die potentiellen Klägern eine erfolgreiche Geltendmachung des Anspruchs Steinrötter, ZIP 2015, 110, [111]. Vgl. hierzu im Detail Steinrötter, ZIP 2015, 110, [111]. Zentrale Aspekte der internationalen Zuständigkeit im Rahmen der Haftung von Ratingagenturen werden auch auf S. 117 ff. dieser Arbeit beleuchtet. 227 Im Gegensatz hierzu haben Deutschland und Frankreich zumindest bisher noch keine solchen Vorschriften erlassen. 228 The Credit Rating Agencies (Civil Liability) Regulations 2013 (Statutory Instrument (SI) Nr. 2013/1637), abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 229 Die UK Regulations traten am 25.07.2013 in Kraft, die RatingVO 2013 am 20.06.2013, also nur etwas mehr als einen Monat vor den englischen Regelungen. 225 226
II. Rechtsvergleichende Analyse der Haftung von Ratingagenturen
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aus Art. 35a RatingVO 2013 erschwert: Zu nennen sind diesbezüglich insbesondere die Einführung einer Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Ansprüche von einem Jahr, die Begrenzung der ersatzfähigen Schäden, eine Schadensminderungspflicht der Anspruchsteller sowie eine Anspruchskürzung im Falle von deren Mitverschulden 230.
II. Rechtsvergleichende Analyse der Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem und englischem Recht ohne Berücksichtigung des Einflusses des Art. 35a RatingVO 2013 Im Folgenden wird die Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem und englischem Recht rechtsvergleichend analysiert. Im Rahmen dieser Untersuchung wird zwischen der Haftung von Ratingagenturen gegenüber Emittenten und ihrer Haftung gegenüber Anlegern unterschieden. Nach einer Vorüberlegung (1.) folgen zunächst die Sachberichte zu den einzelnen Ländern (2.), anschließend werden die verschiedenen Lösungsansätze rechtsvergleichend analysiert (3.). In einem letzten Schritt werden die gefundenen Ergebnisse zusammengefasst und bewertet (4.). Um auch auf die Haftungssituation vor Erlass des harmonisierten Tatbestands eingehen zu können, bleibt dieser im Rahmen der Untersuchung zunächst außer Betracht. Der Einfluss der Harmonisierung auf die nationalen Regelungen wird zu einem späteren Zeitpunkt gesondert beleuchtet (III.). 1. Mangel an Gerichtsentscheidungen zur Haftungsfrage in den untersuchten Ländern und Bedeutung dieses Umstandes für die weitere Darstellung Weltweit existieren bislang nur wenige Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Frage der Haftung von Ratingagenturen befassen. Die Anzahl bislang ergangener Urteile steht demnach in einem Missverhältnis zu der Bedeutung von Ratings auf dem Finanzmarkt und dem von Fehlbewertungen ausgehenden Haftungspotential. Erst in den letzten Jahren ist weltweit die Anzahl der Prozesse gegen Ratingagenturen als Reaktion auf die durch die Finanzkrise erlittenen Verluste und begünstigt durch gesetzgeberische Maßnahmen 231 etwas angestiegen 232. Die geringe 230 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Inhalten der UK Regulations erfolgt im Rahmen der Darstellung des Einflusses der Harmonisierung auf die nationalen Vorschriften. Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 191 ff. 231 In den USA ist diesbezüglich insbesondere der Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act of 2010 von Bedeutung, vgl. hierzu Dimitrov/Palia/Tang, JFE 2014, S. 1 und die Ausführungen oben, Fußnote 190. 232 Aber auch diese Erhöhung der Anzahl an Prozessen führt nicht zwingend dazu, dass auch die Anzahl an Urteilen steigt, die sich mit der Frage der Haftung von Ratingagenturen auseinandersetzen. Vielmehr ist in diesen Prozessen eine Tendenz dahingehend erkennbar, dass die Verfahren mit einer gütlichen Einigung enden. Gerade in „common law-Systemen“ favorisieren
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
Anzahl von Haftungsprozessen gegen Ratingagenturen in der Vergangenheit liegt vor allem darin begründet, dass die Hürden zur erfolgreichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen diese sehr hoch waren. In den USA war und ist zwar ein Gerichtsstand aufgrund der dort bestehenden Sitze der Muttergesellschaften der „Großen Drei“ relativ leicht zu begründen, jedoch war eine erfolgreiche Geltendmachung von Haftungsansprüchen nach US-amerikanischem Recht in der Vergangenheit sehr unwahrscheinlich 233, was andere potentielle Kläger von einer Klage abhielt. Aber nicht nur in den USA, sondern auch in der EU wurden in der Vergangenheit kaum Prozesse gegen Ratingagenturen geführt. Weder auf europäischer Ebene noch auf Ebene der Mitgliedstaaten existierten in den drei in der vorliegenden Arbeit untersuchten Ländern bis zur Einführung der Ratingverordnung im Jahre 2009 Gesetze, die sich konkret mit der Haftung von Ratingagenturen für ihre Ratings befassten, sodass eine Geltendmachung von Ansprüchen allenfalls über das allgemeine Zivilrecht möglich gewesen wäre. Hierbei waren die (Beweis-) Hürden und Unsicherheiten für potentielle Anspruchsteller jedoch so hoch, dass eine erfolgreiche Klage unwahrscheinlich war234. So verwundert es kaum, dass – soweit ersichtlich – bis zum jetzigen Zeitpunkt weltweit nur eine Haftungsklage von Anlegern gegen Ratingagenturen in Bezug auf fehlerhafte Ratings erfolgreich war:
die Ratingagenturen offenbar eine gütliche Einigung, um keine Präzedenzfälle zu schaffen. Vgl. hierzu exemplarisch eine Einigung zwischen S&P und der US-Regierung Anfang Februar 2015. Die Details dieser Einigung sind online abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 233 Ratings wurden vor Inkrafttreten des Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act of 2010 von den Gerichten als vom Schutz des First Amendment (Erster Zusatz zur US-Verfassung aus dem Jahr 1791) umfasste reine Meinungsäußerungen angesehen. Diese Einschätzung hat dazu geführt, dass Haftungsansprüche gegen Ratingagenturen nur in seltenen Ausnahmefällen erfolgreich geltend gemacht werden konnten. Hierfür mussten die Kläger den Nachweis der arglistigen bzw. betrügerischen Schädigung führen, was aufgrund des bestehenden Informationsungleichgewichts fast unmöglich schien. Überdies konnten sich die Ratingagenturen vor US-Gerichten zumeist erfolgreich auf ihre standardmäßig in den Verträgen vereinbarten Haftungsausschlüsse (disclaimer) berufen, sodass im Ergebnis eine erfolgreiche Klage aussichtslos erschien, Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, [664]; Dimitrov/Palia/ Tang, JFE 2014, S. 7; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2289]. 234 Problematisch war nicht nur die Erfüllung der Voraussetzungen der jeweiligen materiell-rechtlichen Haftungstatbestände der Mitgliedstaaten, sondern waren insbesondere auch prozessuale Fragen, die sich bereits im Vorfeld stellten: Diesbezüglich ist vor allem die Begründung des Gerichtsstandes in einem der Mitgliedstaaten der EU gegenüber denjenigen Agenturen mit Sitz in den USA und die Frage der Anwendbarkeit des europäischen Rechts zu nennen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesen Problemen erfolgt im weiteren Verlauf der Arbeit, S. 107 ff.
II. Rechtsvergleichende Analyse der Haftung von Ratingagenturen
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Diese Entscheidung, die sowohl in den Medien 235 als auch in der Fachliteratur236 als historische Grundsatzentscheidung (landmark ruling) angesehen wird, wurde am 5. November 2012 erstinstanzlich durch eine Einzelrichterin des australischen Federal Court in Sydney getroffen. Hierin wurde S&P wegen fehlerhafter „triple A-ratings“ komplexer Finanzprodukte zu Schadensersatzzahlungen in Millionenhöhe an australische Investoren verurteilt. Das Gericht stufte die Ratings in seinem Urteil als „irreführend und betrügerisch“ (misleading and deceptive) ein, die Finanzprodukte wurden als „absonderlich kompliziert“ (grotesquely complicated) bezeichnet237. Mittlerweile wurde diese Entscheidung am 6. Juni 2014 in der zweiten Instanz durch den Full Federal Court in Sydney bestätigt238. Der aufgezeigte weitgehende Mangel an Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Frage der Haftung von Ratingagenturen im Detail auseinandersetzen, erschwert eine Analyse dieser Frage vor allem im Hinblick auf England 239. Da in „common law-Systemen“ aufgrund des weitgehenden Mangels an geschriebenem Recht ergangene Präzedenzfälle als wichtigste Rechtsquelle dienen 240, kann im Rahmen dieser Arbeit nur versucht werden, Entscheidungen zu möglicherweise ähnlich gelagerten Fällen zu untersuchen und die Frage nach deren Übertragbarkeit auf die Situation des Ratings zu stellen. Hierbei werden auch die Argumente der oben genannten Entscheidung aus Australien mit einbezogen, weil hieraus aufgrund der Zugehörigkeit Australiens zum Staatenbund Commonwealth of Na-
235 Vgl. hierzu beispielsweise die Einschätzung auf den Webseiten der BBC News: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 236 Siehe hierzu exemplarisch Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 10; Karner, JETL 2013, 119, [121]. 237 Bathurst Regional Council v Local Government Financial Services Pty Ltd [No. 5] [2012] FCA 1200 (5 November 2012), im Internet abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. Eine genauere Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung erfolgt im weiteren Verlauf der Arbeit. Vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen auf S. 103 ff. 238 Das Gericht bezeichnete die Ratings hierbei als „unangemessen, unberechtigt und irreführend“ (unreasonable, unjustified and misleading). Das zweitinstanzliche Urteil ABN AMRO Bank NV v Bathurst Regional Council [2014] FCAFC 65 (6 June 2014) ist abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 239 Vgl. zu dieser Situation bereits v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 120 sowie MacNeil, S. 346. 240 Im Gegensatz zu Urteilen in „code-based-Systemen“ wie Deutschland oder Frankreich entfalten Präzedenzfälle in „common law-Systemen“ eine erga-omnes-Wirkung, sodass die Gerichte grundsätzlich an die rechtliche Beurteilung eines ranghöheren Gerichtes gebunden sind, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Dies ist nach der „stare-decisis-Doktrin“ dann der Fall, wenn die Vorentscheidung eine Äußerung zu einer rechtlichen Frage enthält, welche einen Teil der tragenden Gründe bildet, von einem Gericht stammt, dessen Entscheidungen das betreffende Gericht binden können, und beide Fälle weder hinsichtlich der Tatsachen noch in rechtlicher Hinsicht unterscheidbar sind, Blumenwitz, S. 39 f.; v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 119.
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
tions möglicherweise Parallelen für zukünftige englische Entscheidungen abgeleitet werden können 241. Im Gegensatz zu der bereits dargestellten Situation in England ist die Beurteilung der Frage der Haftung von Ratingagenturen in Deutschland und Frankreich eher vorhersehbar. In diesen Ländern hat der Mangel an Präzedenzfällen geringere Auswirkungen auf die Vorhersehbarkeit der Haftungssituation, da aufgrund des „code-based-Systems“ jeweils Gesetze vorhanden sind, welche die Voraussetzungen einer Haftung regeln. Der Unterschied zwischen beiden Ländern besteht diesbezüglich jedoch darin, dass Frankreich im Gegensatz zu Deutschland mit den Artt. L544-4 bis L544-6 CMF spezielle Regelungen geschaffen hat, welche die Haftung von Ratingagenturen betreffen, sodass für alle Haftungsfragen, die von diesen Normen des CMF erfasst werden 242 , die Frage nach der Übertragbarkeit auf die Situation des Ratings nicht gestellt werden muss. Trotz der aufgezeigten Schwierigkeiten insbesondere in Bezug auf fehlende Präzedenzfälle im englischen Recht versucht diese Arbeit, alle drei untersuchten Rechtsordnungen gleichermaßen in die folgende rechtsvergleichende Analyse einzubinden. 2. Sachberichte zur Haftung von Ratingagenturen in den einzelnen Ländern Im Folgenden werden die nationalen Lösungsansätze zur Frage der Haftung von Ratingagenturen nach deutschem, französischem und englischem Recht in Sachberichten dargestellt. Hierbei wird zunächst die Haftung gegenüber dem Emittenten beleuchtet (a). Im Anschluss daran folgen die Sachberichte zur Haftung gegenüber Anlegern (b), bevor in einem dritten Schritt übergeordnete Fragestellungen geklärt werden, die sich in allen untersuchten Haftungsverhältnissen stellen (c). a) Haftung von Ratingagenturen gegenüber Emittenten Die Sachberichte zur Haftung gegenüber dem Emittenten werden untergliedert in die Untersuchung zur Haftung bei Vorliegen eines Auftragsratings (aa) und die Darstellung der Haftung bei Vorliegen eines auftragslosen Ratings (bb). aa) Beim Auftragsrating Im Rahmen der folgenden Untersuchung der Haftungssituation im Falle des Auftragsratings wird davon ausgegangen, dass zwischen der Ratingagentur und dem Auftraggeber des Ratings nach den Vorschriften der jeweiligen Rechtsordnung 241 Insbesondere im Falle des Fehlens eigener einschlägiger Entscheidungen wird in der englischen Rechtsprechung vielfach auf Entscheidungen aus anderen Commonwealth-Staaten Bezug genommen, Blumenwitz, S. 48. 242 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen im Rahmen der Darstellung des Einflusses der RatingVO 2009 auf die Regulierung und Haftung von Ratingagenturen, S. 25 ff.
II. Rechtsvergleichende Analyse der Haftung von Ratingagenturen
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ein wirksamer Ratingvertrag zustande gekommen ist, weshalb auf die Voraussetzungen des Vertragsschlusses nach deutschem, französischem und englischem Recht nicht weiter eingegangen wird 243. (1) Nach deutschem Recht Wenn ein Vertrag zwischen einem Emittenten und einer Ratingagentur zur Erstellung eines Ratings geschlossen wurde, mithin ein Fall des Auftragsratings vorliegt244, kommt nach deutschem Recht sowohl eine vertragliche (a) als auch eine außervertragliche (b) Haftung in Betracht. Da in Deutschland kein Spezialtatbestand existiert, der explizit die Haftung von Ratingagenturen zum Gegenstand hat, richtet sich die Haftung nach den allgemeinen Vorschriften. (a) Vertragliche Haftung Die Voraussetzungen für eine vertragliche Haftung sind in § 280 Abs. 1 BGB geregelt. Nach dieser Norm müssen hierfür ein Schuldverhältnis, eine Pflichtverletzung, ein Vertretenmüssen des Schuldners und ein kausaler Schaden gegeben sein. Gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wird das Vorliegen des Vertretenmüssens grundsätzlich vermutet. § 280 Abs. 1 BGB wird als Vorschrift des allgemeinen Leistungsstörungsrechts durch die Normen des speziellen Leistungsstörungsrechts teilweise überlagert, sofern ein gesetzlich geregelter Vertragstypus vorliegt, der speziellen Regelungen unterliegt245. Eine solche Überlagerung ist auch im Falle des Ratingvertrages denkbar, weshalb zunächst die Frage der typologischen Einordnung dieses Vertrages zu klären ist (aa), um die anwendbaren Haftungsvorschriften bestimmen zu können und die haftungsrelevanten Pflichtverletzungen herauszuarbeiten (bb)246.
243 Die Voraussetzungen eines wirksamen Vertragsschlusses unterscheiden sich in den drei untersuchten Rechtsordnungen. Alle drei Rechtsordnungen verlangen zunächst eine Einigung zwischen den Parteien, hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen sind jedoch Unterschiede gegeben: Nach französischem Recht ist insbesondere die Voraussetzung des Vorliegens eines erlaubten Rechtsgrundes (sog. cause licite) nach Art. 1108 C.civ. als Besonderheit im Vergleich zum deutschen Recht zu nennen. Nach englischem Recht ist als Besonderheit zu beachten, dass zur Begründung einer bindenden vertraglichen Verpflichtung grundsätzlich auch eine sog. consideration (Gegenleistung) erforderlich ist, Treitel, The Law of Contract, Rn. 3-001; Furmston, Law of Contract, S. 93; v. Bernstorff, S. 48; v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 122; Hürten, S. 1, 113. Dies bedeutet, dass seitens des Vertragspartners ein „Gegenleistungsversprechen“ abgegeben werden muss, damit das „Leistungsversprechen“ wirksam wird, v. Bernstorff, S. 48. Da auch diese zusätzlichen Voraussetzungen im Falle des Ratings in aller Regel vorliegen, wird auf eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Problematik verzichtet. 244 Vgl. zu den verschiedenen Arten von Ratings bereits die Ausführungen oben, S. 6 ff. 245 Vgl. hierzu auch Schuler, S. 190. 246 Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 12.
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(aa) Typologische Einordnung des Ratingvertrags Aufgrund der Tatsache, dass es an einer Legaldefinition des Ratingvertrages mangelt und seine Rechtsnatur nicht offensichtlich ist, wird die rechtliche Zuordnung zu den bestehenden Vertragstypen im Schrifttum diskutiert: In Frage kommen eine Klassifizierung als Auftrag, Geschäftsbesorgungs-, Dienst-, Werk- oder atypischer Vertrag247. Eine Einordnung als Auftragsverhältnis nach § 662 BGB scheitert bereits daran, dass eine Unentgeltlichkeit der Gegenleistung nicht gegeben ist, weil der Emittent sich vertraglich zur Zahlung einer Ratinggebühr verpflichtet248. Einer möglichen Einordnung als entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. d. § 675 BGB steht der Umstand entgegen, dass Ratingagenturen keinen Weisungen seitens der Emittenten unterliegen, wie es für § 675 Abs. 1 i. V. m. § 655 BGB erforderlich wäre249: Die Ratingagenturen müssen sowohl hinsichtlich der angewandten Methoden und Modelle, als auch hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung der Kriterien bei der Erstellung des Ratings neutral, unabhängig und selbständig sein, um ihrer Funktion als Informationsintermediäre250 auf dem Kapitalmarkt gerecht zu werden 251 und um die Vorgaben der Ratingverordnung einzuhalten 252. Da weder ein Auftrag noch ein Geschäftsbesorgungsvertrag angenommen werden kann, verbleibt die Frage, ob der Ratingvertrag als Dienst-, Werk- oder atypischer Vertrag anzusehen ist. Die Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag erfolgt nach deutschem Recht danach, ob die Leistung im Schwerpunkt tätigkeitsoder erfolgsbezogen ist. Ist Ersteres der Fall, liegt ein Dienstvertrag vor, weist die Tätigkeit hingegen einen Erfolgsbezug auf, ist von einem Werkvertrag auszugehen 253. Im Falle des Ratingvertrages wäre grundsätzlich eine Einordnung als Dienstvertrag i. S. d. § 611 Abs. 1 BGB denkbar, da es sich um eine Dienstleistung gegen Zahlung der vereinbarten Vergütung handelt, bei welcher ein Tätigwerden geschuldet ist254. Hiergegen und für die Einordnung als Werkvertrag i. S. d. § 631 BGB spricht jedoch, dass als Vertragsziel nicht nur das Bemühen um eine sorgfältige Analyse auf Basis der zusammengetragenen Informationen als Tätigkeit geArntz, BKR 2012, 89, [90]; Lemke, Handbuch Rating, S. 614. Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 12; Schuler, S. 190; Lemke, Handbuch Rating, S. 614. 249 Eisen hält die Einordnung als Geschäftsbesorgungsvertrag trotz fehlender Weisungsunterworfenheit für denkbar und zieht insoweit eine Parallele zur Rechtslage bei der Erstellung von Wertgutachten durch unabhängige Sachverständige, Eisen, S. 222 f. 250 Informationsintermediäre sammeln das nur wenigen Experten zugängliche Wissen über Unternehmen und deren Finanzprodukte, um es zu ordnen und in einer für den Anleger verständlichen Form weiterzugeben, Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 468. 251 Arntz, BKR 2012, 89, [90]. 252 Insbesondere müssen Ratingagenturen gemäß Art. 6 RatingVO 2009 unabhängig sein. 253 BGHZ 54, 106, [107]; Busche, in: MüKo BGB, Band 4, § 631, Rn. 14. 254 Hennrichs, S. 879. 247
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schuldet ist. Vielmehr steht hierbei die erfolgreiche Erstellung eines Ratings, also die Erbringung einer konkreten Bewertungsleistung255 mit dem späteren Zweck der Veröffentlichung, im Vordergrund 256. Problematisch hinsichtlich einer möglichen Einstufung des Ratingvertrags als Werkvertrag erscheint auf den ersten Blick das Merkmal der Abnahme des Ratings gemäß § 640 Abs. 1 BGB. In der Literatur wird diesbezüglich der Einwand vorgebracht, es fehle teilweise an einer für einen Werkvertrag typischen Abnahme, weil der von den Ratingagenturen erstellte Ratingbericht dem Besteller in der Regel nicht körperlich übergeben, sondern sein Ergebnis direkt von der Ratingagentur veröffentlicht werde257. Letztendlich kann diese Argumentation jedoch nicht überzeugen. Das entscheidende Element der Abnahme stellt nicht die körperliche Entgegennahme des Werkes, sondern dessen Anerkennung als im Wesentlichen vertragsgemäß dar258. Da eine solche Billigung auch konkludent erfolgen kann, kann sie im vorliegenden Fall entweder in der Zahlung der Ratinggebühr259, in dem Unterlassen eines Widerspruches nach der Präsentation der Ratinganalyse260 oder in der Zustimmung des Bestellers zur Veröffentlichung des Ratings261 gesehen werden. Ein schwerwiegenderer Einwand gegen das Vorliegen eines Werkvertrages ist die häufig fehlende Möglichkeit des Bestellers zur freien Entscheidung über das auf seinen Antrag hin hergestellte Werk. Aufgrund entsprechender Vereinbarungen in den Ratingverträgen darf meist nicht der Emittent, sondern die jeweilige Ratingagentur frei über die Verwertung des Ratings – insbesondere über dessen Veröffentlichung – entscheiden 262. Liegt eine solche Vereinbarung vor, fehlt es an 255 Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 12; Plück/Kühn, S. 241 f.; Oellinger, Juristische Konsequenzen, S. 365. 256 Rosset, S. 19; Arntz, BKR 2012, 89, [90 f.]; Mühl, S. 58. Nach Ansicht Eisens ist hinsichtlich der vertraglichen Einordnung zwischen Erstrating und der – häufig in Ratingverträgen daneben vereinbarten – Verpflichtung zur Durchführung eines regelmäßigen monitoring (Überprüfung und Überwachung des Ratings) zu differenzieren, Eisen, S. 220. In Bezug auf das Erstrating befürwortet er die Einstufung als Werkvertrag, die Überwachung sei jedoch als Dienstvertrag zu qualifizieren: Diese Ansicht begründet er damit, dass im zweiten Fall nur die Tätigkeit der Überwachung, nicht aber ein bestimmter Leistungserfolg geschuldet sei, weil die Vergütung – anders als beim Erstrating – unabhängig vom Eintritt eines Erfolges in Form einer Änderung der „Ratingnote“ gezahlt werde. Doch selbst wenn die Vergütung unabhängig davon gezahlt wird, ob die Überprüfung tatsächlich ein downgrade oder upgrade zur Folge hat, so entscheidet die Ratingagentur dennoch bei jeder Überprüfung neu, ob das aktuelle Ratingergebnis so bestehen bleiben soll. Dies hat zur Folge, dass zwangsläufig ein aktuelles Resultat der Beurteilung als „Folgerating“ entstehen muss, welches die bisherige Einstufung bestätigt oder hiervon abweicht, Mühl, S. 58. Vgl. zum Begriff des „Folgeratings“ Lemke, S. 28. 257 Ebenroth/Daum, WM 1992, Sonderbeilage Nr. 5, 2, [7]. 258 BGHZ 48, 257, [262]; Peters, S. 77; Oechsler, Rn. 1140; Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 12; Hennrichs, S. 879. 259 Peters, S. 77; Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 12. 260 Peters, S. 77; Hennrichs, S. 879. 261 Arntz, BKR 2012, 89, [91, Fußnote 16]. 262 Dies hat zur Folge, dass die jeweilige Ratingagentur das Rating auch dann veröffentli-
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einer „Wertschöpfung“ für den Besteller, da er keine Verfügungsmacht über das Werk hat. Da diese Voraussetzung für einen Werkvertrag unabdingbar ist, verbleibt in solchen Fällen nur eine Einordnung als atypischer Vertrag i. S. d. § 311 BGB mit Schwerpunkt im Werkvertragsrecht263. Nach alledem ist der Ratingvertrag nach hier vertretener Auffassung als Werkvertrag einzuordnen, soweit die Entscheidung über die Veröffentlichung beim Emittenten verbleibt, und im gegenteiligen Fall als atypischer Vertrag i. S. d. § 311 BGB mit Schwerpunkt im Werkvertragsrecht. Da im Ergebnis jedenfalls Werkrecht zur Bestimmung der einschlägigen Haftungsvorschriften maßgeblich ist, ist diese Differenzierung zwischen beiden Vertragstypen für die weitere Prüfung nicht mehr relevant. Vertragliche Haftungsansprüche der Emittenten hinsichtlich der Mangelhaftigkeit des Werkes richten sich somit grundsätzlich nach §§ 633, 634 Nr. 4 BGB i. V. m. den Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts264. Bei Pflichtverletzungen, die außerhalb des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts liegen, gelten die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts hingegen unmittelbar. In beiden Fällen sind die Vorschriften der §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB für die Prüfung eines Haftungsanspruchs maßgeblich 265. (bb) Haftungsrelevante Pflichtverletzungen Zur Begründung eines vertraglichen Haftungsanspruchs gegen Ratingagenturen können sowohl Verstöße in Bezug auf ihre Hauptleistungspflicht zur sach- und rechtsmangelfreien Erstellung des Ratings nach § 633 Abs. 1 BGB als auch in Bezug auf vertragliche Nebenpflichten gemäß § 241 Abs. 2 i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB bedeutsam sein 266. Hinsichtlich einer möglichen Pflichtverletzung der Ratingagentur in Bezug auf ihre Hauptleistungspflicht ist in den meisten Fällen nur die Pflicht zur sachmangelfreien, nicht aber die Pflicht zur rechtsmangelfreien Erstellung des Ratings relevant267, weshalb sich die Erläuterung im Folgenden auf Sachmängel beschränkt. Gemäß § 633 Abs. 2 S. 1 BGB ist ein Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Ist keine Beschaffenheitsvereinbarung vorhanden, ist maßgeblich, ob es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 633 Abs. 2 Nr. 1 BGB) bzw. zur gewöhnlichen Verwendung eignet (§ 633
chen darf, wenn es eine schlechte Bonitätsbeurteilung enthält, mithin seine Veröffentlichung nicht im Interesse des Bestellers liegt, Peters, S. 78. 263 Arntz, BKR 2012, 89, [91]; Hennrichs, S. 879 f.; Peters, S. 78. 264 Schuler, S. 193 f. 265 Schuler, S. 194. 266 Schuler, S. 194. 267 Schuler, S. 194; Mühl, S. 61.
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Abs. 2 Nr. 2 BGB), wobei Letzteres nachrangig zu prüfen ist. Da eine Beschaffenheitsvereinbarung in Ratingverträgen meist nicht getroffen wird, ist regelmäßig auf die Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung abzustellen 268. Konkret einigen sich die Parteien eines Ratingvertrages diesbezüglich entweder ausdrücklich oder stillschweigend darauf, dass die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung des Ratings die Realisierung der Finanzierung des Emittenten am Kapitalmarkt darstellt269. Zur Konkretisierung der Sollbeschaffenheit eines Ratings kann im Wesentlichen auf die Ausführungen oben verwiesen werden, die im Rahmen der Aufdeckung möglicher Fehlerquellen als potentielle Ansatzpunkte einer Haftung getroffen wurden 270. Trotz der in aller Regel eher vagen generalklauselartigen Formulierung der bestehenden Pflichten in den Ratingverträgen müssen gewisse Kernpflichten 271, wie beispielsweise die Pflicht zur (rechtzeitigen) Veröffentlichung des Ratings272 , stets erfüllt werden. Besonders wichtig in diesem „Pflichtenbündel“273 erscheint die Pflicht, das Verfahren des Ratings anhand festgelegter, wissenschaftlich fundierter, objektiver und transparenter Maßstäbe hinsichtlich der Bewertung sachkundig durchzuführen, um eine relative Vergleichbarkeit der Ratings sicherzustellen 274. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB sind Ratingagenturen im Rahmen eines Auftragsratings als Vertragspartner außerdem zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Emittenten verpflichtet. Hieraus ergeben sich Nebenund Schutzpflichten, die im Falle der Verletzung eine Haftung begründen können 275. Hierzu zählen unter anderem die Pflicht zur Geheimhaltung vertraulicher Informationen 276 und die Pflicht zur Anpassung des Ratings im Falle einer Verbesserung der Schuldnerbonität277.
Eisen, S. 226. Nach überzeugender Ansicht Eisens ist diese Eignung nicht bereits dann gegeben, wenn das Rating dem Emittenten den Zugang zur Finanzierung auf dem Kapitalmarkt ermöglicht oder vereinfacht, sondern erst dann, wenn das Rating auch den Anforderungen der Anleger genügt und somit deren Vertrauen in ein Rating entsprechend Rechnung getragen wird. Sofern die Anleger im jeweiligen Einzelfall nicht auf die Aussagekraft des Ratings vertrauen, entfaltet dieses auch für den Emittenten keine Bedeutung. Vgl. hierzu im Detail Eisen, S. 226 ff. 270 Siehe hierzu im Einzelnen die Ausführungen auf S. 17 ff. 271 Arntz, BKR 2012, 89, [92]. 272 Lemke, S. 30; Peters, S. 78 f.; Arntz, BKR 2012, 89, [92]. In der deutschen Literatur wird in Bezug auf die Veröffentlichung des Ratings noch ein weiterer Gesichtspunkt diskutiert: Konkret geht es hierbei um die Frage, ob der bewertete Emittent seine werkvertraglichen Gewährleistungsrechte verliert, sobald er seine Zustimmung zu einer Veröffentlichung des Ratings durch die Agentur erteilt. Vgl. zu dieser Diskussion im Detail Schuler, S. 195. 273 Vgl. zu diesem Begriff und zum Umfang dieses Pflichtenbündels Eisen, S. 228. 274 Eisen, S. 228; Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 15; Schuler, S. 195. 275 Vgl. zu den Schutz- und Nebenpflichten im Einzelnen Schuler, S. 196 ff. 276 Eisen, S. 223; Schuler, S. 196; Peters, S. 78. 277 Schuler, S. 198. 268
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(cc) Weitere Voraussetzungen der Haftung und ersatzfähige Schadensposten Neben einer Pflichtverletzung ist nach deutschem Recht auch stets ein Vertretenmüssen zur Begründung eines Haftungsanspruches erforderlich. Gemäß § 276 BGB hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, sofern im jeweiligen Rechtsverhältnis kein strengerer oder milderer Haftungsmaßstab greift. Da Letzteres im Falle der Haftung von Ratingagenturen nicht der Fall ist, muss die Ratingagentur zumindest einfach fahrlässig gehandelt haben 278. Wie bereits kurz angedeutet, muss der Emittent im Rahmen der vertraglichen Haftung das Vertretenmüssen seitens der Ratingagentur jedoch nicht nachweisen, da insoweit die Regelung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB greift, mithin die Ratingagentur gegebenenfalls den Entlastungsbeweis hinsichtlich des Nichtvertretenmüssens erbringen muss279. Überdies ist zur erfolgreichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs280 ein kausaler Vermögensschaden auf Seiten des Emittenten erforderlich, welcher auf der Pflichtverletzung der Ratingagentur beruht281. Hinsichtlich der Ersatzfähigkeit der konkreten Schäden des Emittenten muss zwischen verschiedenen Schadensposten differenziert werden. Mögliche ersatzfähige Schadensposten im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 634 Nr. 4 BGB bilden unter anderem die gezahlte Ratinggebühr und die Kosten für ein erneutes Rating282. Als „Mangelfolgeschäden“ im Rahmen eines Schadensersatzanspruches neben der Leistung sind über §§ 280 Abs. 1, 634 Nr. 4 BGB die erhöhten Finanzierungskosten ersatzfähig, die sich ergeben, wenn ein fehlerhaftes Rating Auswirkungen auf Kunden- und Lieferantenbeziehungen oder den Kurs der Anleihe hat283. Wenn der Emittent aufgrund des zu niedrigen Ratings von einer geplanten Finanzierung mittels einer Emission von Wertpapieren gänzlich Abstand nehmen muss, ist dieser Schaden ebenfalls über §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB ersatzfähig284. (dd) Zusammenfassung zur vertraglichen Haftung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zwar die typologische Einordnung des Ratingvertrages und damit die auf diese Konstellation im Detail an278 Ein etwaiges Verschulden des einzelnen Analysten wird der Ratingagentur hierbei nach § 278 S. 1 Alt. 2 BGB zugerechnet, Schuler, S. 199. 279 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 280, Rn. 34. 280 Die daneben bestehenden werkvertraglichen Gewährleistungsrechte nach § 634 Nr. 1–3 BGB sind meist nicht zielführend, sodass ein Schadensersatzanspruch in den meisten Fällen die einzige in Betracht kommende Option darstellen dürfte. Vgl. zu den sonstigen in Betracht kommenden Rechten weiterführend Arntz, BKR 2012, 89, [92]. 281 Hennrichs, S. 882; Schuler, S. 200. 282 Schuler, S. 200; Arntz, BKR 2012, 89, [92]. 283 Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 20; Schuler, S. 200; Arntz, BKR 2012, 89, [92]; Berger/Ryborz, WM 2014, 2241, [2242]. 284 Vgl. zu den einzelnen Schadensposten weiterführend Arntz, BKR 2012, 89, [92] und Schuler, S. 200.
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wendbaren Haftungsvorschriften umstritten, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die erfolgreiche Geltendmachung eines vertraglichen Haftungsanspruchs des Emittenten jedoch im Wesentlichen klar geregelt sind. Letztendlich scheint insbesondere die Beweislastverteilung bei der Geltendmachung der bestehenden Ansprüche eine wichtige Rolle zu spielen. Generell trägt der Kläger die Beweislast hinsichtlich sämtlicher anspruchsbegründenden Voraussetzungen. Im vertraglichen Bereich wird diese Beweislast des Emittenten durch die Beweislastumkehr hinsichtlich des Vertretenmüssens zwar abgemildert, dennoch scheinen die übrigen Hürden hinsichtlich des Nachweises von Pflichtverletzung, Kausalität und Schaden nicht unerheblich zu sein, sodass abzuwarten bleibt, inwiefern in der Zukunft solche Ansprüche tatsächlich erfolgreich durchgesetzt werden können. (b) Verhältnis zur außervertraglichen Haftung Obwohl im Falle des Auftragsratings aufgrund der Vertragsbeziehung zwischen Emittent und Ratingagentur primär an einen vertraglichen Haftungsanspruch zu denken ist, kommen auch in diesem Rechtsverhältnis außervertragliche Haftungsansprüche zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches in Betracht. Von besonderer Relevanz sind hierbei die deliktischen Vorschriften der §§ 823 ff. BGB285, weshalb im Folgenden das Verhältnis der vertraglichen Ansprüche zu diesen Normen untersucht wird: Nach deutschem Recht stehen vertragliche und deliktische Ansprüche nach dem allgemeinen Grundsatz der Anspruchskonkurrenz im Regelfall selbständig nebeneinander, sofern sich aus dem Inhalt und Zweck der einzelnen Vorschrift nichts Abweichendes ergibt286. Die verschiedenen Ansprüche sind hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Rechtsfolgen eigenständig zu beurteilen 287. Sofern diese kumulativ gegeben sind, kommt es zu einer Anspruchshäufung. Da der Gläubiger dennoch die Leistung nur ein einziges Mal verlangen kann, führt die Kumulation von Ansprüchen im Ergebnis dazu, dass der Gläubiger die für ihn günstigere Anspruchsgrundlage wählen darf288. Im Ergebnis ist demnach nach deutschem Recht im Falle des Auftragsratings eine Haftung nach deliktsrechtlichen Vorschriften nicht ausgeschlossen. Da diese Art der Haftung jedoch vorwiegend in den Fällen von Relevanz ist, in denen keine vertragliche Verbindung zwischen den Parteien besteht289, wird sie erst im RahPeters, S. 81. Sprau, in: Palandt, BGB, vor § 823, Rn. 4 f. 287 Wagner, in: MüKo BGB, Band 5, vor § 823, Rn. 67; Sprau, in: Palandt, BGB, vor § 823, Rn. 4. 288 Wagner, in: MüKo BGB, Band 5, vor § 823, Rn. 67; Sprau, in: Palandt, BGB, vor § 823, Rn. 4. 289 Dies liegt vor allem daran, dass die vertragliche Haftung im Gegensatz zur deliktischen Haftung zwei entscheidende Vorteile mit sich bringt: Zum einen ist hier die Beweislastumkehr 285
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men des auftragslosen Ratings erläutert. Die Grundsätze, die im weiteren Verlauf der Arbeit für das auftragslose Rating entwickelt werden, sind jedoch im Wesentlichen auch auf die Situation beim Auftragsrating übertragbar290. (2) Nach französischem Recht Im Folgenden wird die Haftung von Ratingagenturen gegenüber Emittenten beim Auftragsrating nach französischem Recht beleuchtet. (a) Rechtsnatur der Haftung nach Art. L544-5 CMF Wie bereits dargestellt, existiert in Frankreich mit Art. L544-5 CMF seit Oktober 2010 eine spezialgesetzliche Regelung zur Haftung von Ratingagenturen 291. Nach dieser Vorschrift292 ist ihre Haftung délictuelle et quasi-délictuelle (deliktisch)293 sowohl gegenüber ihren clients (Kunden) als auch gegenüber tiers (Dritten) für Schäden, die durch fautes (hier in etwa: Sorgfaltspflichtverstöße im Ratingverfahren)294 und manquements (sonstige Zuwiderhandlungen gegen die RatingVO hinsichtlich des Vertretenmüssens zu nennen, zum anderen bietet das Vertragsrecht mit § 278 BGB im Gegensatz zum Deliktsrecht eine umfassende Möglichkeit zur Zurechnung eines Fehlverhaltens Dritter. Vgl. hierzu auch die Ausführungen auf S. 159. 290 Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 63 ff. 291 Vgl. zur Haftungssituation in Frankreich vor Erlass dieser Regelung Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [30]. 292 Art. L544-5 CMF hat folgenden Wortlaut: „(1): Les agences de notation de crédit mentionnées à l’article L.544-4 engagent leur responsabilité délictuelle et quasi délictuelle, tant à l’égard de leurs clients que des tiers, des conséquences dommageables des fautes et manquements par elles commis dans la mise en œuvre des obligations définies dans le règlement (CE) n° 1060 / 2009 du Parlement européen et du Conseil, du 16 septembre 2009, précité. (2): Tout accord ayant pour effet de soumettre, par avance et exclusivement, aux juridictions d’un Etat tiers à l’Union européenne un différend relatif aux dispositions du règlement (CE) n° 1060 / 2009 du Parlement européen et du Conseil, du 16 septembre 2009, précité, alors que les juridictions françaises auraient été compétentes pour en connaître à défaut d’un tel accord, est réputé nul et non écrit.“ 293 Die Begriffe délictuelle und quasi-délictuelle können nach deutschem Verständnis beide mit deliktisch übersetzt werden: Im französischen Recht bezeichnen beide Begriffe unerlaubte Handlungen, wobei vorsätzliche unerlaubte Handlungen als délictuelles bezeichnet werden und fahrlässig verursachte unerlaubte Handlungen als quasi-délictuelles, Guinchard/Debard, Lexique des termes juridiques, S. 309, 765; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rn. 726. 294 Der Begriff der faute ist im französischen Recht sehr vielschichtig. In diesem Zusammenhang wird der Begriff nach den Angaben des Berichterstatters der Assemblée nationale (Nationalversammlung) dahingehend charakterisiert, dass er Fehler im Ratingverfahren umfasst, die durch eine gewisse Unvorsichtigkeit gekennzeichnet sind, also einen Mangel an Sorgfalt bei der Erstellung der Ratingnote erkennen lassen, Assemblée nationale, n° 2550, Rapport fait au nom de la commission des finances, de l’économie générale et du contrôle budgétaire sur le projet de loi de régulation bancaire et financière (n° 2165) par J. Chartier, S. 74, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03. 2016. Eine genauere Auseinandersetzung mit den verschiedenen Bedeutungen des Begriffs faute erfolgt im weiteren Verlauf der Arbeit.
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2009)295 bei der Umsetzung der in der RatingVO 2009 definierten Pflichten entstehen. Umstritten ist, ob die Haftung gegenüber den clients eines Auftragsratings nach Art. L544-5 CMF vertraglicher oder deliktischer Natur ist, weil zwischen den Parteien zwar ein Vertragsverhältnis besteht, nach dem Wortlaut der Norm hierin jedoch nur die responsabilité délictuelle et quasi-délictuelle der Ratingagenturen geregelt wird, nicht aber die vertragliche Haftung (responsabilité contractuelle). Diese Formulierung des Gesetzes spricht dafür, dass die vertragliche Haftung der Ratingagenturen nicht von der Vorschrift umfasst wird und somit diesbezüglich – falls zulässig – ein Rückgriff auf andere Regelungen erforderlich wäre. In der französischen Literatur wird trotz dieses eindeutigen Wortlauts des Gesetzes zum Teil vertreten, dass die Vorschrift auch die vertragliche Haftung von Ratingagenturen umfasse, da die Bezeichnung der in Art. L544-5 CMF geregelten Haftung als délictuelle und quasi-délictuelle als bloßes Redaktionsversehen (des Gesetzgebers) anzusehen und der Wortlaut deshalb richtigerweise als responsabilité contractuelle et extracontractuelle (vertragliche und außervertragliche Haftung) auszulegen sei. Hierbei wird zum einen argumentiert, dass die Bezeichnung leurs clients die Existenz einer Vertragsbeziehung und die Umsetzung einer responsabilité contractuelle impliziere. Eine solche Umsetzung als vertragliche Haftung wäre nach dieser Ansicht zum anderen auch erforderlich, um die Anwendbarkeit dieser Vorschrift in allen Fällen zu gewährleisten. Nur eine solche Umsetzung wäre hiernach konform mit dem im französischen Recht bestehenden Kumulierungsverbot (règle du non-cumul des responsabilités), welches die Geltendmachung eines deliktischen Haftungsanspruchs zwischen Vertragspartnern in bestimmten Fällen verbiete296. Eine Auslegung der Vorschrift in diesem Sinne ist jedoch zum einen aufgrund des klar entgegenstehenden Wortlauts nicht möglich, zum anderen entspricht dies auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Zwar scheint es auf den ersten Blick 295 Der Begriff manquement umfasst in diesem Zusammenhang alle Verstöße gegen die RatingVO 2009, die nicht bereits eine faute darstellen. Der Umstand, dass hier zwischen fautes und manquements differenziert wird und kein einheitlicher Begriff wie beispielsweise infractions für sämtliche denkbare Zuwiderhandlungen Verwendung findet, liegt darin begründet, dass bei Erlass des Art. L544-5 CMF die Ratingverordnung lediglich in ihrer ursprünglichen Fassung existierte. In dieser Fassung der Ratingverordnung (RatingVO 2009) waren die in Betracht kommenden Verstöße noch nicht einzeln in einem geschriebenen Katalog aufgelistet, sodass die diesbezügliche Konkretisierung der Vorgaben der RatingVO 2009 den Mitgliedstaaten überlassen blieb. Mit Einführung des Anhangs III der RatingVO im Jahre 2011 wurden denkbare Verstöße von Ratingagenturen gegen die Verordnung durch den europäischen Gesetzgeber konkretisiert. Sämtliche in diesem Anhang genannten Verstöße – hier wurde im Französischen einheitlich der Begriff infraction gebraucht – werden auch von Art. L544-5 CMF umfasst: Da dieser Katalog lediglich die in der ursprünglichen Fassung der Ratingverordnung bereits angelegten Pflichten konkretisiert, fallen diese auch weiterhin unter die Begriffe faute beziehungsweise manquement. 296 Vgl. zu dieser Ansicht Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [28]; Denis, RLDA 2011, Nr. 65, 73, [77].
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verwunderlich, dass bezüglich der Haftung gegenüber den clients in der Norm trotz der bestehenden Vertragsbeziehung eine deliktische Haftung geregelt wird, jedoch lässt sich dies bei näherer Betrachtung auflösen 297. An der Verwendung des Begriffs clients im Wortlaut der Vorschrift zeigt sich, dass die Möglichkeit des Bestehens einer Vertragsbeziehung zwischen den Parteien seitens des Gesetzgebers gesehen wurde298. Angesichts dieser Tatsache stellt sich die Frage, warum dennoch eine Regelung zur vertraglichen Haftung unterblieben ist und die Haftung sowohl gegenüber Vertragspartnern als auch gegenüber Dritten einheitlich als außervertraglich geregelt wurde. In der französischen Literatur wird dieser Aspekt – soweit ersichtlich – bisher lediglich von Sotiropoulou beleuchtet. Die Autorin arbeitet zutreffend heraus, dass sowohl ein teleologischer als auch ein konzeptioneller Grund dieses gesetzgeberische Vorgehen rechtfertigen: Zum einen hat der Gesetzgeber dadurch in konzeptioneller Hinsicht den Gedanken der RatingVO 2009 konsequent weitergeführt, weil die Regelungen der RatingVO 2009 Dritte wie auch Vertragspartner gleichermaßen betreffen, sodass eine nachträgliche Differenzierung zwischen beiden Gruppen von Anspruchstellern nicht erforderlich ist299. Zum anderen wird durch eine Ausweitung derselben Haftungsvorschriften auf Dritte die Effektivität der Regelungen der RatingVO 2009 erhöht300, sodass man im Ergebnis daher – im Sinne Sotiropoulous – eher von einem durchdachten und konsequenten Gesamtkonzept als von einem Redaktionsversehen ausgehen kann301. Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [52]. Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [597]. 299 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [52]. 300 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [52 f.]. 301 Problematisch ist hierbei jedoch in der Tat das oben bereits beschriebene Verhältnis zu der von der Rechtsprechung entwickelten règle du non-cumul des responsabilités: Nach dieser Regel ist die Anwendung der Art. 1382 ff. C.civ. in den Fällen ausgeschlossen, in denen die faute in der Missachtung einer vertraglichen Verpflichtung besteht: „Les art. 1382 et suivants sont sans application lorsqu’il s’agit d’une faute commise dans l’exécution d’une obligation résultant d’un contrat“, Cass. Civ., 11 janvier 1922, abgedruckt in: Capitant/Terré/ Lequette, Rn. 181. In einer jüngeren Entscheidung hat der Kassationshof diese Regel bestätigt. Demnach findet Art. 1382 C.civ. bei Schadensersatzansprüchen, die in Verbindung mit der Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung stehen, keine Anwendung: „L’article 1382 du Code civil est inapplicable à la réparation d’un dommage se rattachant à l’exécution d’un engagement contractuel.“, Cass. Civ. 2e, 9 juin 1993, N° de pourvoi: 91-21650, Bull. civ. 1993 II, n° 204. Dieses Prinzip wird mit dem Umstand begründet, dass bei Vorliegen eines Vertragsverhältnisses die zugrunde liegende vertragliche Risikoordnung das speziellere Recht zwischen den Parteien darstelle, welches durch eine konkurrierende Deliktshaftung gestört würde, Schlechtriem, S. 64. Auch dieses Problem lässt sich im Ergebnis jedoch auflösen: Auffällig ist zunächst, dass sich die règle du non-cumul des responsabilités explizit nur auf die deliktsrechtliche Generalklausel des Art. 1382 C.civ. beziehungsweise auf Art. 1382 ff. C.civ. bezieht, sodass fraglich ist, ob andere deliktsrechtliche Vorschriften auch hiervon erfasst werden können. Doch selbst wenn man die grundsätzliche Übertragbarkeit auf andere deliktsrechtlichen Normen bejaht mit der Folge, dass die Vorschrift des Art. L544-5 CMF aufgrund ihrer deliktischen Rechtsnatur auch betrof297 298
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In Art. L544-5 CMF wird zwar nach alledem keine vertragliche Haftung geregelt, es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass eine solche Haftung trotz der genannten Vorschrift weiterhin möglich ist. Zum einen hat der Gesetzgeber die vertragliche Haftung nicht explizit ausgeschlossen, zum anderen ist kein Grund ersichtlich, weshalb durch diese Regelung die „normale“ vertragliche Haftung für Vertragsverstöße, wie beispielsweise Verzug hinsichtlich der Erstellung des Ratings, verdrängt werden sollte302. Der Emittent profitiert dadurch von einem höheren Schutzniveau, da er sich sowohl auf die neue Regelung als auch auf das Vertragsrecht berufen kann und durch Art. L544-6 CMF vor vertraglichen Haftungsausschlussklauseln geschützt wird 303. (b) Vertragliche Haftung nach den Vorschriften des droit commun Da es an einem spezialgesetzlichen Anknüpfungspunkt für eine vertragliche Haftung beim Auftragsrating mangelt, richten sich die Voraussetzungen dieser Haftung nach den Vorschriften des droit commun (allgemeine Rechtsvorschriften)304. Der französische Code civil (C.civ.) kennt, anders als das deutsche Recht, keine dem § 280 Abs. 1 BGB vergleichbare zentrale Anspruchsnorm für eine vertragliche Haftung305. Die Vorschriften zum Schadensersatz wegen Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung (dommages et intérêts résultant de l’inexécution de l’obligation) sind in den Artt. 1146 bis 1152 C.civ. normiert, wobei Art. 1147 C.civ. die Hauptvorschrift bildet. Da die Voraussetzungen in den genannten Normen nicht umfassend geregelt sind, muss ergänzend auf Grundsätze zurückgegriffen werden, die von der Rechtsprechung entwickelt wurden. (aa) Voraussetzungen einer Haftung nach den Grundsätzen des droit commun Damit eine vertragliche Haftung gegeben ist, müssen nach französischem Recht neben einem wirksamen Vertrag306 folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss ein haftungsbegründendes Ereignis (fait générateur de responsabilité) gegeben sein, dem Vertragspartner muss ein Schaden entstanden sein (survenance d’un préjudice/dommage causé au contractant) und es muss ein Kausalzusammenhang zwischen haftungsbegründendem Ereignis und Schaden vorliegen (lien de causalité entre le fait générateur et le dommage)307. fen wäre, so stünde die Festsetzung einer gesetzlichen Abweichung von diesem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz jedenfalls im Ermessen des Gesetzgebers. 302 Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [31]. 303 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [52 f.]. 304 Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [597 f.]. 305 Vgl. zur unterschiedlichen Ausgestaltung der vertraglichen Haftungstatbestände im deutschen und französischen Recht ausführlich Brieskorn, S. 3 ff. 306 Anders als im deutschen Recht ist die Einordnung des Vertragstyps hierbei zunächst nicht entscheidend. 307 Leclerc, S. 151; Brieskorn, S. 128.
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Hinsichtlich des fait générateur muss zwischen der Schlechterfüllung der Verpflichtung (mauvaise exécution de l’obligation) und der totalen oder teilweisen Nichterfüllung der Verpflichtung (l’inexécution totale ou partielle de l’obligation) unterschieden werden 308. Obwohl diese Begrifflichkeiten darauf hindeuten, dass es sich hierbei um rein objektive Tatbestandsmerkmale handeln könnte, mithin ein Verschulden nicht erforderlich wäre, kann nach ganz überwiegender Ansicht in Lehre und Rechtsprechung dennoch ein subjektiver Schuldvorwurf in den fait générateur hineingelesen werden, sodass nicht nur die Nicht- oder Schlechterfüllung als solche vorliegen, sondern diese parallel zur deliktsrechtlichen Vorschrift des Art. 1382 C.civ. auch fautive sein muss309. Hinsichtlich der faute gelten im französischen Recht je nach Art des Schuldverhältnisses unterschiedliche Beweislastvorschriften310. Hierbei muss zwischen einer obligation de moyens311 und einer obligation de résultat312 unterschieden werden. In dem Fall, in welchem eine obligation de moyens gegeben ist, trägt der Gläubiger die Beweislast hinsichtlich des Vorliegens der faute. Der Gläubiger muss hierbei nachweisen, dass der Schuldner nicht alles Mögliche getan hat, um seine Zufriedenstellung zu erreichen313. Liegt eine obligation de résultat vor, liegt die Beweislast hingegen beim Schuldner. Das Verschulden wird bei Nichteintritt des Erfolges vermutet, der Schuldner kann sich lediglich durch den Nachweis eines Ausschlusstatbestandes nach Art. 1147 f. C.civ. exkulpieren314. Die Hürden hierfür sind jedoch sehr hoch: Es muss eine force majeure (höhere Gewalt), eine cause étrangère (Umstand außerhalb des Machtbereichs des Schuldners) oder ein cas fortuit (zufällig eingetretener unvorhersehbarer und unberechenbarer Umstand) nachgewiesen werden, was nur in seltenen Ausnahmefällen gelingen dürfte. Für die Fälle, in denen der Vertrag die vorliegende Art der obligation nicht näher präzisiert und eine Abgrenzung schwierig ist, hat die Rechtsprechung das Kriterium der aléa entwickelt. Demnach kommt es in den genannten Grenzfällen darauf an, ob das Schuldverhältnis stark von außerhalb des Vertrages stehenden Risiken geprägt ist315. Ist dies der Fall, so wird eine obligation de moyens angeBrusorio-Aillaud, S. 262. Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rn. 715; Cass. Civ. 1re, 13 juin 2006, N° de pourvoi: 04-16193, Bull. civ. 2006 I, n° 304. Vgl. hierzu im Einzelnen: Brieskorn, S. 128. 310 Bénabent, Rn. 406 ff.; Brieskorn, S. 140. 311 Pflicht, auf das angestrebte Ergebnis (unter Einsatz aller Fähigkeiten) hinzuwirken. Vgl. zur Übersetzung in diesem Sinne: Fleck, Wörterbuch Recht, S. 151. 312 Verpflichtung zur Herbeiführung eines Erfolges (oder) Pflicht, das (vertraglich festgesetzte) Ergebnis zu erreichen. Vgl. zur Übersetzung in diesem Sinne: Fleck, Wörterbuch Recht, S. 151. 313 Poumarède, Rn. 18. 314 Cass. Civ. 1re, 21 novembre 2006, N° de pourvoi: 05-10783, Bull. civ. 2006 I, n° 511; Brieskorn, S. 140. 315 Poumarède, Rn. 17. 308
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nommen, weil dem Schuldner dann nicht das gänzliche Risiko des Scheiterns auferlegt werden soll. Ist das Gegenteil der Fall, so wird eine obligation de résultat bejaht316. Darüber hinaus muss auch nach französischem Recht ein Schaden vorliegen, wobei hierfür die Begriffe préjudice und dommage von der Mehrzahl der Autoren als Synonyme Verwendung finden317. Es werden drei Arten von Schäden unterschieden, namentlich materielle Schäden (préjudices matériels), immaterielle Schäden (préjudices moraux) sowie Personenschäden (préjudices corporels)318. Gemäß Art. 1150 C.civ. muss der Schaden bei einer vertraglichen Haftung bei Vertragsschluss vorhersehbar gewesen sein, weil der Vertragspartner zu diesem Zeitpunkt die Konsequenzen eines Vertragsschlusses abschätzen können soll319. Ausnahmen hiervon werden mangels Schutzwürdigkeit des Schädigers bei Vorliegen von faute dolosive und faute lourde320 gemacht, weshalb in diesen Fällen auch unvorhersehbare Schäden ersatzfähig sind 321. Als letzte Voraussetzung für eine vertragliche Haftung muss ein lien de causalité zwischen fait générateur und dommage vorliegen322. Gemäß Art. 1151 C.civ. muss hierbei der Schaden die sofortige und direkte Folge der Nicht- bzw. Schlechterfüllung darstellen323. (bb) Übertragung dieser Grundsätze auf die Situation beim Auftragsrating Bei der Untersuchung der französischen Literatur, welche die vertragliche Haftung von Ratingagenturen beleuchtet, fällt zunächst auf, dass die Einordnung des konkreten Vertragstyps beim Ratingvertrag nur am Rande diskutiert wird. Meist wird nur sehr knapp erwähnt, dass dieser unter die Kategorie der contrats d’entre-
Poumarède, Rn. 17. Dennoch bestehen im Detail gewisse Unterschiede zwischen den Begrifflichkeiten. Da diese für die vorliegende Arbeit nicht von erheblicher Bedeutung sind, wird auf eine Auseinandersetzung hiermit verzichtet. Vgl. zu den bestehenden Unterschieden der Begrifflichkeiten Brieskorn, S. 189 ff. 318 Malinvaud/Fenouillet/Mekki, Rn. 593 ff. 319 Art. 1150 C.civ. hat folgenden Wortlaut: „Le débiteur n’est tenu que des dommages et intérêts qui ont été prévus ou qu’on a pu prévoir lors du contrat, lorsque ce n’est point par son dol que l’obligation n’est point exécutée.“ 320 Faute dolosive entspricht in etwa dem deutschen Begriff des Vorsatzes und faute lourde entspricht in etwa dem deutschen Begriff der groben Fahrlässigkeit. Vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen in Fußnote 811. 321 Bénabent, Rn. 415. 322 Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Rn. 616. 323 Art. 1151 C.civ. hat folgenden Wortlaut: „Dans le cas même où l’inexécution de la convention résulte du dol du débiteur, les dommages et intérêts ne doivent comprendre à l’égard de la perte éprouvée par le créancier et du gain dont il a été privé, que ce qui est une suite immédiate et directe de l’inexécution de la convention.“ 316 317
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prise324 falle, weil die Ratingagentur eine unabhängige Dienstleistung erbringe325. Diese Einordnung hat zur Folge, dass insbesondere die Artt. 1787 ff. C.civ. Anwendung finden. Im Gegensatz hierzu wird die Frage, ob eine obligation de résultat oder eine obligation de moyens vorliegt, intensiv diskutiert. Dies ist vor dem Hintergrund der Konsequenzen, die eine entsprechende Einordnung nach sich zieht, auch nicht verwunderlich. Da für den Emittenten eine Beweisführung gegenüber der Ratingagentur im Rahmen eines Haftungsprozesses enorm schwierig wäre, wenn diesem die Beweislast für sämtliche Haftungsvoraussetzungen obläge, ist die Frage, welche Art der obligation gegeben ist, von großer Bedeutung. Überträgt man die oben genannten Abgrenzungskriterien auf die Konstellation des Auftragsratings, so kann festgehalten werden, dass eine eindeutige Zuordnung schwerfällt. Leclerc stellt im Rahmen seiner Ausführungen hierzu zunächst allgemein fest, dass contrats d’entreprise stets sowohl obligations de moyens als auch obligations de résultats enthalten, sodass auch innerhalb des Vertrages zwischen verschiedenartigen Pflichten unterschieden werden muss326. In der Literatur wird die Einordnung der Pflichten beim Auftragsrating größtenteils folgendermaßen vorgenommen: Die Verpflichtung, überhaupt eine Bonitätsbeurteilung in Form einer konkreten Note innerhalb der vorgesehenen Frist zu erstellen, sowie die Verpflichtung zur Einhaltung einer vertraglich vereinbarten Vertraulichkeitserklärung werden als obligations de résultats angesehen327, wohingegen die Verpflichtung zur Erstellung einer inhaltlich berechtigten Note als obligation de moyens eingestuft wird 328. Dies lässt sich hauptsächlich darauf zurückführen, dass die erstgenannten Pflichten für die Ratingagentur bei Abschluss des Vertrages klar ersichtlich sind, sodass es gerechtfertigt erscheint, die Nichterfüllung dieser Pflichten für die Bejahung eines fait générateur ausreichen zu lassen. Da jedoch die korrekte Erstellung eines Ratings einen sensiblen und – insbesondere aufgrund des Prognosecharakters der Entscheidung – schwierigen Prozess darstellt, wird der alleinige Verweis auf die unzutreffende Einschätzung der Bonität nicht als ausreichend angesehen. Vielmehr müsse in diesem Fall der Nachweis seitens des Emittenten oder Abonnenten hinzukommen, dass die Rating324 Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [30]; Leclerc, S. 152; Conac, S. 86 f.; Couret, Rev. soc. 2003, 765, [769]; Chaput, RIDC 2-2006, 493, [496]. Der contrat d’entreprise wird definiert als „Contrat par lequel une personne (l’entrepreneur) s’engage à réaliser un ouvrage, bien ou service pour une autre personne (le maître de l’ouvrage), moyennant une rémunération, en conservant son indépendance dans l’exécution du travail.“, Guinchard/Debard, Lexique des termes juridiques, S. 247. 325 Conac, S. 87; Bonneau/Drummond, Droit des marchés financiers, Rn. 245; Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [30]. Leclerc präzisiert diese Einordnung noch weiter, indem er eine komplexe Form des contrat de renseignement annimmt, vgl. Leclerc, S. 152. 326 Leclerc, S. 152. 327 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [50]; Leclerc, S. 152 f. 328 Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [30]; Leclerc, S. 152 ff.; Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [50].
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agentur ihren Pflichten im Ratingprozess nicht nachgekommen ist329. Diese Unterscheidung erscheint im Ergebnis auch sinnvoll, denn andernfalls wäre jeder noch so kleine Fehler innerhalb dieses komplexen Prozesses dazu geeignet, einen fait générateur zu begründen. (cc) Zusammenfassung zur vertraglichen Haftung Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass die vertragliche Haftung beim Auftragsrating nach französischem Recht bei Nichterfüllung der zeitlichen Vorgabe zur Erstellung des Ratings und bei Verstoß gegen vertraglich vereinbarte Geheimhaltungspflichten relativ leicht durchsetzbar ist, da insofern eine obligation de résultat angenommen werden kann, mithin eine Verschuldensvermutung greift. Diese beiden Fälle werden jedoch in der Praxis nur selten gegeben sein. Viel häufiger treten Fehler im Ratingprozess auf, die in einer falschen Bonitätsbeurteilung münden. Da diesbezüglich in der Literatur übereinstimmend eine obligation de moyens angenommen wird, muss der Emittent hierbei sämtliche Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung nachweisen, was nur in seltenen Fällen gelingen dürfte. (c) Verhältnis zur außervertraglichen Haftung Wie bereits herausgearbeitet wurde, ist im Falle des Auftragsratings das Verhältnis zwischen vertraglichen und außervertraglichen, insbesondere deliktischen, Haftungsansprüchen von Relevanz, weil in diesem Rechtsverhältnis prinzipiell beide Arten von Ansprüchen in Betracht kommen. Im französischen Recht wird dieses Verhältnis durch das von der Rechtsprechung entwickelte principe de non-cumul des responsabilités geregelt. Hiernach ist eine Haftung nach der deliktsrechtlichen Generalklausel des Art. 1382 C.civ. ausgeschlossen, sofern im konkreten Fall eine faute gegeben ist, die in der Missachtung einer vertraglichen Verpflichtung besteht330. Dies führt dazu, dass ein Rückgriff auf den deliktsrechtlichen Generaltatbestand nicht möglich ist, wenn der Gläubiger den Verschuldensnachweis für eine vertragliche Haftung nicht erbringen kann. Nähme man an, dass dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz prinzipiell nicht nur auf die deliktische Generalklausel Anwendung fände, sondern auch auf weitere deliktsrechtliche Vorschriften übertragbar wäre, so wäre grundsätzlich auch Art. L544-5 CMF hiervon erfasst. Doch selbst wenn man eine solche grundsätzliche Übertragbarkeit auf andere deliktsrechtliche Vorschriften bejaht – was durchaus naheliegend erscheint331 – ist eine Anwendbarkeit dieses Grundsatzes auf Art. L544-5 CMF Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [50]. zur règle du non-cumul des responsabilités im Detail bereits die Ausführungen in Fußnote 301. 331 Eine Übertragbarkeit ist im Ergebnis naheliegend, weil die Vorschrift des Art. L544-5 329
330 Vgl.
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im Ergebnis dennoch zu verneinen. Dies liegt darin begründet, dass der Gesetzgeber bereits durch den Wortlaut des Art. L544-5 CMF die Entscheidung getroffen hat, die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auch gegenüber Vertragspartnern zu bejahen332. Wurde im konkreten Fall keine Vertragspflicht verletzt, so ist ein Rückgriff auf das Deliktsrecht möglich, da hier das principe de non-cumul des responsabilités keine Anwendung findet. Soweit der Anwendungsbereich des Art. L544-5 CMF reicht, bildet dieser für die deliktische Haftung den rechtlichen Anknüpfungspunkt333. Für eine deliktische Haftung der Ratingagenturen in Bezug auf Verstöße, die außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. L544-5 CMF und damit außerhalb der Pflichten der RatingVO 2009 liegen, bildet Art. 1382 C.civ. die anwendbare Anspruchsgrundlage: Eine solche Haftung kommt insbesondere für einige Verstöße gegen die Bestimmungen des IOSCO-Verhaltenskodex in Betracht. Zwar wurden die meisten der dort genannten Punkte in die RatingVO 2009 übernommen, einzelne Bestimmungen wurden hierbei jedoch ausgespart. Dies trifft beispielsweise auf einen Teil des Punktes 1.9 des Kodex zu, worin festgelegt ist, dass die Analysten der Ratingagenturen nicht nur fachlich kompetent, sondern auch in ausreichender Personenzahl vorhanden sein müssen. Im Gegensatz zur Fachkompetenz, die in Art. 7 der RatingVO 2009 geregelt wird, wird die Anzahl der Analysten in der RatingVO 2009 nicht als Kriterium genannt334. Da den Artikeln L544-5 CMF und 1382 C.civ. im Rahmen eines Auftragsratings gegenüber Emittenten aufgrund der oben dargestellten Haftungskonstellation nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt, sie demgegenüber jedoch zur Begründung einer Haftung gegenüber Dritten enorm wichtig sind, werden die Voraussetzungen dieser Tatbestände erst später im Zusammenhang mit der Haftung gegenüber Emittenten eines auftragslosen Ratings erläutert. Die Grundsätze, die hierzu im weiteren Verlauf der Untersuchung entwickelt werden, sind jedoch in dem eben beschriebenen Umfang auf die Situation des Auftragsratings übertragbar.
CMF einen Haftungstatbestand auf Basis des Art. 1382 C.civ. darstellt, Tchotourian, BJB 2011, Nr. 2, 119, [123]. Vgl. hierzu auch bereits die Anmerkungen in Fußnote 301. 332 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [52]; Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [31]. 333 Angesichts des Umstandes, dass Art. L544-5 CMF keinen umfassenden Spezialtatbestand darstellt, sondern eine Haftung auf Basis der deliktsrechtlichen Generalklausel des Art. 1382 C.civ. normiert, wird Art. 1382 C.civ. durch Art. L544-5 CMF nicht gesperrt. Allerdings verschafft die Anknüpfung einer Haftung an Art. 1382 C.civ. innerhalb des Anwendungsbereichs des Art. L544-5 CMF potentiellen Klägern keinen Vorteil, da Art. 1382 C.civ. gegenüber Art. L544-5 CMF keine geringeren Anforderungen stellt. Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen auf S. 72 ff. 334 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [53].
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(3) Nach englischem Recht Nach englischem Recht gestaltet sich die Haftung von Ratingagenturen gegenüber den Emittenten in der Konstellation eines Auftragsratings folgendermaßen: (a) Vertragliche Haftung Auch nach englischem Recht ist beim Auftragsrating zunächst an eine vertragliche Haftung wegen einer Verletzung vertraglicher Pflichten („Vertragsbruch“ – breach of contract) zu denken. Im Folgenden wird daher untersucht, welche Voraussetzungen hierfür vorliegen müssen. (aa) Voraussetzungen einer Haftung für Vertragsbruch Im englischen Recht erfolgt keine so stark ausgeprägte Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Leistungsstörungen oder Vertragsbrüchen wie im deutschen Recht, weil im common law nicht die Leistung beziehungsweise Schuld als solche, sondern die Schuldverletzung in Gestalt eines Versprechensbruchs den Ausgangspunkt der Betrachtung darstellt335. Überdies handelt es sich bei der Haftung wegen breach of contract grundsätzlich um eine verschuldensunabhängige Haftung, weshalb es im vertraglichen Bereich nach englischem Recht auf ein Verschulden der Ratingagentur nicht ankommt. Dieser Umstand wird damit begründet, dass im englischen Recht davon ausgegangen wird, dass sich beide Vertragsparteien durch den Abschluss des Vertrages gegenseitig dessen ordnungsgemäße Erfüllung garantieren336 und für den Fall der Nichterbringung dieser „Garantieverpflichtung“ Schadensersatz versprechen337. Dieses Prinzip der vertraglichen „Garantiehaftung“ greift auch im Fall der Mängelhaftung. Anders als im deutschen Recht erfolgt keine Differenzierung nach kauf-, miet- oder werkvertraglicher Haftung für Mängel. Vielmehr sind auch diese Ansprüche nach englischem Recht wie Ansprüche aus Vertragsbruch zu behandeln, weil sie sich in ihrem Wesen nicht von den anderen obligatorischen Ansprüchen aus Ver-
335 Rheinstein, S. 148 f. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen eines Vertragsbruchs wird im englischen Recht zwischen breach of condition und breach of warranty unterschieden. Nur ein Vertragsbruch in Gestalt einer breach of condition kann auch zum Rücktritt führen. Da jede Form des Vertragsbruchs die schädigende Partei zum Schadensersatz verpflichtet, ist diese Unterscheidung für die vorliegende Arbeit nicht von zentraler Bedeutung. Vgl. zu dieser Differenzierung im Einzelnen v. Bernstorff, S. 72 f. 336 Dieser Grundsatz der „Garantiehaftung“ wurde in der berühmten historischen Entscheidung Paradine v Jane aus dem Jahr 1647 folgendermaßen umschrieben: „[…] But when the party by his own contract creates a duty or charge upon himself he is bound to make it good, if he may, notwithstanding any accident by inevitable necessity because he might have provided against it by his contract”, Paradine v Jane [1647] EWHC KB J5, [1558-1774] All ER Rep 172. Vgl. hierzu bereits v. Bernstorff, S. 72. 337 Rheinstein, S. 158; v. Bernstorff, S. 72.
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tragsbruch unterscheiden338. Sofern das „Garantieversprechen“ nicht eingehalten wird, steht der anderen Partei in jedem Fall des Vertragsbruches ein Anspruch auf Schadensersatz zu, sofern auch die übrigen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind 339; der Schadensersatzanspruch stellt den allgemeinen Rechtsbehelf aus breach of contract dar340. Damit ein Vertragsbruch gegeben ist, muss entweder ein Verstoß gegen eine ausdrücklich vereinbarte Vertragspflicht (express duty) oder gegen eine konkludente Vertragspflicht (implied duty) vorliegen341. Überdies ist auch nach englischem Recht grundsätzlich der Eintritt eines kausalen Schadens Voraussetzung für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches342. Zwar besteht vor englischen Gerichten auch die Möglichkeit der Zuerkennung eines Schadensersatzanspruches ohne Nachweis eines konkreten Schadens, der sogenannten nominal damages343, jedoch stellt dies im vorliegenden Fall nicht das eigentliche Ziel des Emittenten dar: Die Besonderheit von nominal damages besteht darin, dass der Beklagte hierbei lediglich zur Zahlung eines symbolischen Betrages von beispielsweise 1 £344 an den Kläger verurteilt wird. Hierdurch wird erreicht, dass die Verletzung der Rechte des Klägers durch den Beklagten offiziell anerkannt wird, eine Kompensation für erlittene Schäden kann hierüber jedoch nicht realisiert werden. Da in der vorliegenden Konstellation der Emittent eine Kompensation seiner erlittenen Schäden begehrt, erscheint diese Art des Schadensersatzes im vorliegenden Fall nur dann geeignet, wenn ein tatsächlicher Schaden nicht nachweisbar ist. Soweit der Nachweis eines tatsächlichen Schadens gelingt, ist der Kläger nach englischem Recht durch den Schadensersatz grundsätzlich so zu stellen, als ob der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre345.
Rheinstein, S. 155. Treitel, The Law of Contract, Rn. 20-002; Rheinstein, S. 149; v. Bernstorff, S. 72 f. Etwas anderes gilt jedoch, falls die Partei nicht (nur) Schadensersatz, sondern (auch) die Auflösung des Vertrags (termination for breach of contract) begehrt. Dies ist nur möglich, wenn ein substantial failure in performance vorliegt, also ein Verstoß gegen die Vertragspflichten von einem gewissen Gewicht gegeben ist, Treitel, The Law of Contract, Rn. 18-025. 340 Furmston, Law of Contract, S. 750; Rheinstein, S. 154. 341 Die Begriffe implied duty beziehungsweise implied term [konkludente (vertragliche) Bestimmung] umfassen neben den von den Parteien stillschweigend zugrunde gelegten Bestimmungen (terms implied in fact) auch kraft Gesetzes vorgegebene Bestimmungen (terms imported by operation of law) und Bedingungen, die infolge von Gewohnheiten/Gebräuchen Vertragsbestandteil wurden (terms implied by custom), Treitel, The Law of Contract, Rn. 6 -001, 6-031. 342 Andrews, English civil procedure, Rn. 31.06. 343 Beale, in: Beale, Chitty on Contracts, Rn. 26-001. 344 Manchmal werden darüber hinaus auch noch die Rechtsanwaltskosten des Klägers von dem zugesprochenen Betrag abgedeckt, Beale, in: Beale, Chitty on Contracts, Rn. 26-009. 345 Vgl. hierzu im Einzelnen und insbesondere zu den Erwägungen, die ein englisches Gericht in die Schadensberechnung einfließen lassen kann, Beale, in: Beale, Chitty on Contracts, Rn. 26-001. 338 339
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(bb) Übertragung dieser Grundsätze auf die Situation beim Auftragsrating Für die Frage der Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Emittenten beim Auftragsrating haben die soeben aufgezeigten Grundsätze folgende Auswirkungen: Zunächst bleibt festzuhalten, dass aufgrund der zwischen beiden Parteien bestehenden contractual relationship im Grundsatz ein möglicher Klagegrund für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen breach of contract gegeben ist346. Nach Ansicht Edwards′ ist es aus diesem Grund kaum vorstellbar, dass im Falle des Auftragsratings – abgesehen von einer möglicherweise wirksamen Haftungsfreizeichnung – spezielle Hindernisse bei der Durchsetzung von Haftungsansprüchen bestehen, sofern der Vertrag englischem Recht unterliegt347. Es darf jedoch bezweifelt werden, ob es für Emittenten eines Auftragsratings tatsächlich so leicht sein wird, erfolgreich Haftungsansprüche gegenüber Ratingagenturen geltend zu machen. Zwar bestehen im englischen Recht – wie gezeigt – gewisse Erleichterungen, vor allem vor dem Hintergrund, dass es sich um eine Art „Garantiehaftung“ handelt, jedoch trägt der Emittent trotz allem die Beweislast hinsichtlich der Geltendmachung der Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung: Im Einzelnen muss dieser, sofern er keine bloßen nominal damages begehrt, entsprechend der allgemeinen Beweislastregelung nachweisen, dass tatsächlich ein Vertragsbruch seitens der Ratingagentur gegeben ist, ihm ein Schaden entstanden ist und ein Kausalzusammenhang zwischen Vertragsbruch und Schaden vorliegt348. Zwar kann in den Vertragstext hinsichtlich der konkreten Vertragspflichten der Ratingagentur sicherlich im Sinne Edwards′ eine implied duty dergestalt hineingelesen werden, dass die Ratingagentur bei der Durchführung des Ratings verpflichtet ist, mit angemessener Sachkenntnis und Sorgfalt vorzugehen (duty to exercise reasonable skill and care)349, jedoch erleichtert dies nicht die Beweishürden seitens des Emittenten im Rahmen des Nachweises des tatsächlichen Verstoßes gegen diesen Sorgfaltsmaßstab und des entstandenen kausalen Schadens.
Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [190]. Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [190]. Der Autor geht auf diesen Aspekt so deutlich ein, weil er betonen will, dass im englischen Recht im Hinblick auf das Auftragsrating seiner Ansicht nach für Emittenten keine Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Ansprüchen existieren. Er weist damit eine in Erwägungsgrund 32 der RatingVO 2013 genannte Kritik an den nationalen Vorschriften zurück, nach welcher Probleme bei der Anspruchsdurchsetzung sowohl gegenüber Vertragspartnern der Ratingagenturen als auch gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum und dem Emittenten eines auftragslosen Ratings bestehen. 348 Andrews, English civil procedure, Rn. 31.06. 349 Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [190]; Ebenroth/Dillon, Law & Pol’y Int’l Bus, 1992, 783, [789 f.]. 346 347
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(cc) Zusammenfassung zur vertraglichen Haftung Nach alledem scheinen die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung nach englischem Recht auf dem Papier relativ leicht erfüllbar zu sein, da insbesondere kein Verschuldensnachweis geführt werden muss. Jedoch sind die übrigen Beweisanforderungen für den Emittenten noch immer so hoch, dass eine erfolgreiche Geltendmachung eines Haftungsanspruches im Ergebnis als relativ schwierig, aber nicht unmöglich erscheint. (b) Verhältnis zur außervertraglichen Haftung Da die Geltendmachung eines vertraglichen Haftungsanspruchs auch nach englischem Recht im Falle des Auftragsratings durchaus denkbar erscheint, stellt sich auch hier die Frage, ob in diesem Rechtsverhältnis daneben oder alternativ hierzu eine deliktische Haftung möglich ist. Im englischen Recht existiert keine dem französischen principe de non-cumul des responsabilités entsprechende strikte Regelung, die das Verhältnis von deliktischer und vertraglicher Haftung betrifft. Vielmehr ist das Konkurrenzverhältnis beider Haftungsarten nach modernem englischen Rechtsverständnis parallel zur Situation im deutschen Recht ausgestaltet. Seit der Entscheidung Henderson v Merrett Syndicates Ltd350 kann der Kläger im Grundsatz frei wählen, auf welcher Basis er Klage erheben möchte, und so die Alternative auswählen, die ihm hinsichtlich seines Begehrens am günstigsten erscheint351. Hierbei gilt jedoch die Einschränkung, dass dies nicht dazu führen darf, dass vertragliche Sonderregelungen, wie insbesondere Haftungsausschlüsse oder Haftungsbegrenzungen352 , unterlaufen werden. Da die deliktische Haftung auch im englischen Recht vorwiegend in den Fällen von Relevanz ist, in denen aufgrund mangelnder vertraglicher Verbindung zwischen den Parteien keine für die anspruchstellende Partei vorteilhafte vertragliche Haftung denkbar ist353, wird sie erst im Rahmen des auftragslosen Ratings 350
145.
Henderson v Merrett Syndicates Ltd [1994] UKHL 5, [1994] 3 All ER 506, [1995] 2 AC
351 Whittaker, in: Beale, Chitty on Contracts, Rn. 1-145; Furmston, Law of Contract, S. 30 f. Vor dieser Entscheidung existierten hinsichtlich dieses Aspekts große Unsicherheiten, weil keine einheitliche Linie erkennbar war und je nach Einzelfall unterschiedlich entschieden wurde. Einen Überblick über die Entwicklung in der Rechtsprechung hierzu in deutscher Sprache bietet das Werk Hürtens; vgl. hierzu Hürten, S. 116 ff. 352 Hinsichtlich Haftungsbegrenzungen und Haftungsausschlüssen ergibt sich dies explizit aus der genannten Entscheidung Henderson v Merritt Syndicates Ltd, da sich diese auf eine in der kanadischen Entscheidung Central Trust Co v Rafuse geäußerte Rechtsansicht bezieht, (1986), 31 DLR (4th) 481. Vgl. hierzu Furmston, Law of Contract, S. 30 f. und Hürten, S. 117. Hinsichtlich des Aspekts der Umgehung vertraglicher Sonderbestimmungen im Allgemeinen kann auf die Ausführungen Beales, in: Beale, Chitty on Contracts, Rn. 1-146 und auf den Fall D & F Estates Ltd v Church Commissioners for England [1988] UKHL 4, [1988] 2 All ER 992 verwiesen werden, Furmston, Law of Contract, S. 32. 353 Im Ergebnis wird die Wahl der Emittenten eines Auftragsratings zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen in den allermeisten Fällen auf das Vertragsrecht fallen, weil die
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näher erläutert. Die Grundzüge zur deliktischen Haftung, die in diesem Zusammenhang dargestellt werden, gelten jedoch gleichwohl auch für die Situation des Auftragsratings354. bb) Beim auftragslosen Rating Im Folgenden wird untersucht, wie die Haftung gegenüber Emittenten im Falle des auftragslosen Ratings in den drei untersuchten Ländern ausgestaltet ist. (1) Nach deutschem Recht In den Fällen, in denen kein Ratingvertrag zwischen Emittent und Ratingagentur geschlossen wurde, kommt lediglich eine außervertragliche Haftung in Betracht, weil es an einem geeigneten Anknüpfungspunkt für eine vertragliche Haftung fehlt. Auch bezüglich der außervertraglichen Haftung von Ratingagenturen existieren in Deutschland weder Spezialtatbestände noch umfassende Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Konkretisierung der allgemeinen Vorschriften hinsichtlich der Situation des Ratings auseinandersetzen 355, sodass auf die von der Rechtsprechung zu anderen Fallgruppen entwickelten Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden muss. Als mögliche Anspruchsgrundlagen für eine Haftung kommen insbesondere deliktische Ansprüche, namentlich vor allem356 § 823 Abs. 1, § 824 Abs. 1 und § 826 BGB in Betracht357.
Voraussetzungen hierfür aufgrund der „Garantiehaftung“ im vertraglichen Bereich für den anspruchstellenden Emittenten viel leichter nachzuweisen sind. 354 Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 74 ff. Im Vergleich zur Situation beim auftragslosen Rating besteht in der Konstellation des Auftragsratings ein großer Vorteil im deliktischen Bereich: Anders als Emittenten eines auftragslosen Ratings sind Emittenten eines Auftragsratings Vertragspartner der Ratingagenturen, wodurch sie nicht als Dritte anzusehen sind. Das hat zur Folge, dass die Anforderungen an eine Sorgfaltspflicht (duty of care) deutlich leichter zu erfüllen sind als gegenüber den Emittenten eines auftragslosen Ratings. 355 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2289]. 356 Darüber hinaus wird in der deutschen Literatur eine mögliche deliktsrechtliche Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz diskutiert. Als solches käme insbesondere § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG in Betracht. Jedoch ist im Ergebnis nach überwiegender Ansicht zumindest gegenüber Emittenten die Schutzgesetzeigenschaft des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu verneinen, weil die Vorschrift einer möglichst weitgehenden Publizität dient und gerade nicht dem Schutz des Emittenten vor der Veröffentlichung eines Ratings, Schuler, S. 220 f. Vgl. zu den weiteren denkbaren Schutzgesetzen Rosset, S. 23; Oellinger, Juristische Konsequenzen, S. 374. Da auch diese im Regelfall nicht erfüllt sein werden, wird auf eine weitere Auseinandersetzung hiermit verzichtet. 357 Daneben kämen noch lauterkeitsrechtliche und kartellrechtliche Ansprüche in Betracht. Auf eine nähere Untersuchung dieser Ansprüche wird jedoch verzichtet, da dies den Rahmen der Arbeit übersteigen würde. Vgl. zur Prüfung dieser Ansprüche im Einzelnen Eisen, S. 277 ff.
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(a) Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB Regelmäßig sind mit einem fehlerhaft zu niedrigen Rating zwar erhebliche Vermögenseinbußen des Emittenten verbunden358, jedoch schützt § 823 Abs. 1 BGB nicht das Vermögen als solches, vielmehr muss stets eine Verletzung eines absoluten Rechts im Sinne der Vorschrift vorliegen359. Gegenüber dem Emittenten kommen nur „sonstige Rechte“ des § 823 Abs. 1 BGB360, namentlich die sogenannten „offenen Tatbestände“361 des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, in Frage. Vom Schutz des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sind nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur das Unternehmen in seinem Bestand, sondern auch dessen gesamte wirtschaftliche Betätigung, wie beispielsweise dessen Finanzierungsmöglichkeiten, umfasst362 , sodass insbesondere auch der Zugang zum Kapitalmarkt geschützt ist363. Damit dieses Recht verletzt ist, muss nach der Rechtsprechung des BGH ein unmittelbarer Eingriff vorliegen. Unmittelbarkeit liegt vor, wenn der Eingriff betriebsbezogen ist, sich also gegen den Betrieb als solchen richtet und nicht nur Rechtsgüter betrifft, die von diesem ohne Weiteres getrennt werden können364. Ein zu niedriges auftragsloses Rating erhöht zum einen die Finanzierungskosten des Unternehmens, zum anderen ist es geeignet, den Ruf und das Gesamtansehen des Emittenten bei Abnehmern und Geschäftspartnern zu mindern. Hierdurch wird seine Stellung im Wettbewerb im Vergleich zu den Konkurrenzunternehmen nicht nur mittelbar beeinträchtigt, weshalb gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings ein betriebsbezogener Eingriff vorliegt365. Daneben kommt eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Emittenten in Betracht. Dieses Recht wird von der Rechtsprechung aus der grundgesetzlichen Betonung der Menschenwürde und des Rechtes auf eine freie Persönlichkeitsentfaltung (Art. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) abgeleitet366. Da Emittenten häufig als Personen- und Kapitalgesellschaften des Handelsrechts tätig werden, wird die Frage relevant, ob auch juristische Personen Träger dieses Rechts sein können. Dies wird von der Rechtsprechung bejaht, allerdings nur insoweit, als die juristische Person der genannten Schutzwirkung aus ihrem Wesen als 358 Siehe zu den konkreten vermögensrelevanten Auswirkungen auf Seiten des Emittenten Schuler, S. 201. 359 Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 2 , 11. 360 Unter den Begriff des sonstigen Rechts fallen nur absolute Rechte, die eine gegenüber jedermann wirkende Rechtsposition begründen, Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 11. 361 Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 25. 362 BGH NJW 1957, 630, [631]; BGH NJW 1983, 2195, [2196]. 363 Schuler, S. 213. 364 BGHZ 29, 65, [74]; BGH NJW 2003, 1040, [1041]. 365 Eisen, S. 310 f.; Schuler, S. 213 f. 366 BGHZ 13, 334, [338]; Peters, S. 58; Eisen, S. 311.
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Zweckschöpfung des Rechts und zur Wahrnehmung ihrer Funktionen bedarf367. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ihr sozialer Geltungsbereich in ihrer Funktion als Arbeitgeberin oder Wirtschaftsunternehmen betroffen ist368. Ein zu niedriges Rating, welches dem Emittenten aufgedrängt wird, stellt eine negative Bewertung seiner Kreditwürdigkeit dar, wodurch sowohl sein Ruf als auch sein „Kapitalmarkt-Standing“ geschädigt werden können369. Da er hiervon in seinem sozialen Geltungsbereich als Unternehmer betroffen wäre370, kann ein negatives aufgedrängtes Rating einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Emittenten darstellen. Die Frage, ob ein solcher Eingriff auch dann in Betracht kommt, wenn mit dem Rating die Aufmerksamkeit der Investoren gezielt auf kritische Wertungen bezüglich der finanziellen Situation des Emittenten gelenkt wird, wird in der Literatur unterschiedlich bewertet. Hintergrund dieser Diskussion ist die stark kritisierte Heberger-Bau-Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1994371. Einigkeit herrscht darüber, dass die Entscheidung zumindest nicht unmittelbar auf die Situation beim auftragslosen Rating übertragen werden kann372 , hinsichtlich der Frage der Übertragbarkeit grundsätzlicher Wertungen der Entscheidung auf die vorliegende Fallkonstellation besteht jedoch Uneinigkeit in der deutschen Literatur373. 367
BGH NJW 1975, 1882, [1884]; BGH NJW 1994, 1281, [1282]. BGH NJW 1998, 2045, [2046]; Schuler, S. 211; Eisen, S. 311. 369 Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 27. 370 Eisen, S. 311. 371 BGH NJW 1994, 1281 ff. In dieser Entscheidung bejahte der BGH einen Unterlassungsanspruch einer GmbH gegen einen Wirtschaftswissenschaftler, der wiederholt Jahresabschlüsse der GmbH in nicht anonymisierter Form öffentlich in einem Steuerseminar kritisch analysiert hatte. Aufgrund einer durch die öffentliche Analyse erzeugten „Prangerwirkung“, welche dadurch entstand, dass die Aufmerksamkeit gezielt auf die finanziellen Schwächen des Unternehmens gelenkt wurde, ging der BGH von einer rechtswidrigen Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Unternehmens aus, obwohl die Jahresabschlüsse bereits im Bundesanzeiger veröffentlicht, somit öffentlich zugänglich waren. Gegen das Urteil wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt, die jedoch vom BVerfG nicht angenommen wurde, BVerfG NJW 1994, 1784, [1785]. Vgl. ausführlich zu diesem Urteil Lemke, S. 59 f. 372 Zum einen sei im Gegensatz zu der genannten Entscheidung beim Rating die namentliche Bezeichnung des Emittenten zwingend notwendig, Schuler, S. 212. Zum anderen handle es sich beim Rating nicht um geschäftsbezogene Daten, die unmittelbar veröffentlicht werden, sondern um eine eigene Beurteilung der Agentur auf Basis dieser Daten, Lemke, S. 60; Peters, S. 60; Schuler, S. 212. 373 Eisen und Lemke gehen davon aus, dass die tragenden Erwägungen der Entscheidung mangels Vergleichbarkeit der Situationen nicht auf ein Rating übertragbar seien, Eisen, S. 312; Lemke, S. 60. Schuler und Arntz hingegen bejahen die Übertragbarkeit der grundsätzlichen Wertungen der Entscheidung, weil auch hier die Argumentation des BGH greife, dass Außenstehende nicht das Recht besäßen, das Interesse fachkundiger Kreise gezielt auf die Schwachpunkte eines Unternehmens zu lenken. Arntz geht von einem relativ engen Bereich der Übertragbarkeit aus, denn sie nimmt eine solche nur in den Fällen an, in denen die Ratingagentur auch die der Analyse zugrunde liegenden internen Unternehmensinformationen veröffentlicht, Arntz, BKR 2012, 89, [94]. Schuler hingegen bejaht dies im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch dann, wenn das Rating auf unvollständiger oder fehlerhafter 368
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Selbst für den Fall, dass eine Übertragbarkeit der grundsätzlichen Wertungen der Entscheidung bejaht würde, müsste als weitere Voraussetzung der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB die Rechtsverletzung auch rechtswidrig sein. Im Gegensatz zu den benannten absoluten Rechtsgütern, bei welchen die Rechtswidrigkeit indiziert wird, muss diese bei den offenen Tatbeständen, also auch beim eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie im Falle des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, stets positiv anhand einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung festgestellt werden374. Im Falle des auftragslosen Ratings müssten für eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit das Recht des Emittenten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht gegenüber den kollidierenden Rechten der Ratingagenturen überwiegen. Für das Ergebnis der Abwägung ist von entscheidender Bedeutung, ob das Rating dem Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG unterfällt375. Diese Frage wurde in der deutschen Literatur bereits umfassend beleuchtet376, überdies existiert auch bereits Rechtsprechung zu diesem Aspekt377. Im Ergebnis kann davon ausgegangen werden, dass ein Rating grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG umfasst wird, solange es sich nicht um eine bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung handelt, die zur Meinungsbildung nichts beitragen kann378. Im Hinblick auf die Gewichtung der verschiedenen Interessen wird hierbei überwiegend die Rechtsprechung des BGH zu Warentests379 aufgrund der im Wesentlichen vergleichbaren Situation380 als Referenz herangezogen381. Auch seitens der Rechtsprechung wurde in der Vergangenheit bereits eine entsprechende parallele Wertung vorgenommen382. Nach der Warentest-Rechtsprechung wird im Rahmen von Testveröffentlichungen, die objektiv, neutral und sachkundig durchDatengrundlage erstellt wird und infolgedessen ein falsches Bild von der wirtschaftlichen Lage des Emittenten erzeugt wird, Schuler, S. 212. 374 BGHZ 24, 72, [80]; Eisen, S. 313; Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 22; Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 25. 375 Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 143. 376 Vgl. hierzu exemplarisch Eisen, S. 313 ff.; Schuler, S. 214 ff.; Rosset, S. 4 f.; Peters, S. 51 ff.; Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 22 f. 377 KG NJOZ 2006, 3347 ff. 378 Schuler, S. 214 f. Vgl. zum Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG im Allgemeinen BVerfG NJW 1992, 1439, [1440]. 379 BGH NJW 1987, 2222 ff.; BGH NJW 1989, 1923 ff. 380 In beiden Fällen erfolgt eine Bewertung anhand objektiver und wissenschaftlich fundierter Kriterien, die vor allem der Information der Öffentlichkeit dient und nicht dem Bewerteten, Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 22. Überdies nehmen beide Institutionen das Vertrauen der Adressaten in Anspruch und üben erhebliche Marktmacht durch ihre Bewertungen aus, Eisen, S. 316. 381 U. a. Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 22 und Eisen, S. 313, jeweils m. w. N.; a. A. Schuler, der eine entsprechende Anwendung des für Warentests geltenden Prüfungsmaßstabs ablehnt, Schuler, S. 217 f. 382 KG NJOZ 2006, 3347, [3348].
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geführt wurden, eine Rechtswidrigkeit aufgrund des in diesem Fall nach Art. 5 Abs. 1 GG bestehenden Beurteilungsspielraums der Veranstalter des Tests erst dann bejaht, wenn die Wertung keinen Sachbezug mehr aufweist, diese mithin eine reine Schmähkritik darstellt383. Überträgt man diese Kriterien auf die Situation beim Rating, so ist ein solches erst dann rechtswidrig, wenn die zu Grunde liegenden Untersuchungen die Anforderungen an Objektivität, Neutralität und Sachkunde außer Acht lassen384, oder die Art des Vorgehens bei der Prüfung bzw. die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse als nicht mehr vertretbar erscheinen385. Über die zu den Warentests entwickelten Kriterien hinaus muss im Falle des Ratings auch ein Mindestmaß an Transparenz dergestalt gewährleistet sein, dass die wesentlichen Erwägungen im Hinblick auf das Ergebnis dargelegt werden müssen, um es für den Emittenten nachvollziehbar zu machen 386. Hält die Ratingagentur die genannten Kriterien ein387, fällt die Güter- und Interessenabwägung zu ihren Gunsten aus, mit der Folge, dass der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB nicht gegeben ist. Verstößt die Ratingagentur jedoch gegen die genannten Kriterien, so steht dem Emittenten ein solcher deliktsrechtlicher Anspruch zu, sofern auch die übrigen Voraussetzungen des Haftungstatbestandes im konkreten Fall vorliegen. (b) Haftung nach § 824 Abs. 1 BGB und nach § 826 BGB Überdies wird in der Literatur eine deliktsrechtliche Haftung der Ratingagenturen nach § 824 Abs. 1 BGB gegenüber Emittenten eines auftragslosen Ratings diskutiert. Damit der Tatbestand der Kreditgefährdung erfüllt ist, müsste ein falsches auftragsloses Rating die Behauptung oder Verbreitung einer potentiell kreditgefährdenden unwahren Tatsache darstellen. Eine Tatsache ist in Abgrenzung zur Meinungsäußerung als etwas Geschehenes oder Bestehendes anzusehen, was zur Überprüfung auf Richtigkeit dem Beweis zugänglich ist388. Das Rating als solches stellt nach überzeugender Ansicht in der Literatur im Schwerpunkt jedoch keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung dar389, weil eine 383 BGHZ 65, 325, [331 ff.]; Eisen, S. 314; Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 23. 384 Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 23; Eisen, S. 314; Peters, S. 73. 385 Arntz, BKR 2012, 89, [95]; Eisen, S. 314 f. Eine Schmähkritik wird beim Rating hingegen kaum anzunehmen sein, da der Begriff von der Rechtsprechung eng ausgelegt wird, sodass auch sehr negative Ratings nicht darunter fallen, solange die Diffamierung des Emittenten nicht im Vordergrund steht, Eisen, S. 316, Fußnote 1292. Zu den Anforderungen der Rechtsprechung an eine Schmähung vgl. BGH NJW 2002, 1192, [1193]. 386 Eisen, S. 319. 387 Vgl. zur Anwendung der Kriterien auf das Rating im Detail Eisen, S. 317 ff.; Peters, S. 73 ff. 388 BGHZ 3, 270, [273 f.]; Sprau, in: Palandt, BGB, § 824, Rn. 2; Eisen, S. 304; Arntz, BKR 2012, 89, [93]. 389 Eisen, S. 308; Peters, S. 53 f.; Lemke, Handbuch Rating, S. 618.
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dem Beweis nicht zugängliche subjektive Einschätzung der Analysten als wesentlicher Bestandteil in das Ratingergebnis mit einfließt390. Aus diesem Grund erfüllt ein fehlerhaftes Rating regelmäßig nicht den Tatbestand des § 824 Abs. 1 BGB391. Des Weiteren wird in der deutschen Literatur eine Haftung nach § 826 BGB diskutiert. Diese Norm erfordert tatbestandlich eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Aufgrund der hohen Anforderungen dieses Tatbestands und der damit verbundenen Beweisprobleme in der Praxis dürfte der Anwendungsbereich des § 826 BGB im Falle fehlerhafter Ratings jedoch auf seltene Ausnahmefälle beschränkt bleiben392. In der Literatur wird als klassisches Beispiel hierfür der Fall aufgeführt, in welchem ein auftragsloses Rating bewusst zum Nachteil des Emittenten verzerrt wird, um es als Druckmittel zu verwenden, um zukünftig gegen Bezahlung wohlwollendere Auftragsratings durchführen zu können393. (c) Zusammenfassung der Ergebnisse Fasst man die Haftungssituation beim auftragslosen Rating nach deutschem Recht zusammen, so kann zunächst festgestellt werden, dass eine Haftung zwar durchaus nach mehreren Vorschriften möglich erscheint, im Ergebnis jedoch wohl nur in Einzelfällen durchzusetzen wäre. Die Tatbestände, nach welchen auch reine Vermögensschäden ersatzfähig sind, bleiben wegen ihrer engen tatbestandlichen Anwendungsbereiche bzw. ihrer hohen Haftungsvoraussetzungen auf Ausnahmefälle beschränkt. Für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB fehlt es häufig an der Arntz, BKR 2012, 89, [93]; Eisen, S. 306; Amort, EuR 2013, 272, [275]. In Ausnahmefällen kann jedoch eine Tatsachenbehauptung i. S. d. § 824 Abs. 1 BGB gegeben sein. Zwar muss die Äußerung grundsätzlich in ihrem Gesamtzusammenhang gewürdigt werden, sodass einzelne Teile einer Äußerung, die tatsächlichen Charakter haben, nicht isoliert hiervon betrachtet werden dürfen, jedoch sind einzelne Fälle denkbar, in welchen den tatsächlichen Feststellungen jeglicher Wertungscharakter fehlt und gleichzeitig eine eigenständige Bedeutung vorliegt, Eisen, S. 307 f.; Peters, S. 55. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Ratingagentur über die Bewertung hinaus eigenständige Angaben zur Ausgestaltung eines Finanzinstruments macht, Arntz, BKR 2012, 89, [93]. Letztendlich wäre es jedoch auch in diesen Fällen für den Emittenten schwer, einen Anspruch aus § 824 Abs. 1 BGB erfolgreich geltend zu machen, weil er zum einen die Beweislast hinsichtlich der Unwahrheit der Tatsache trägt, zum anderen der Ratingagentur noch die Möglichkeit des Nachweises einer Wahrnehmung berechtigter Interessen i. S. d. § 824 Abs. 2 BGB verbleibt, Eisen, S. 309; Peters, S. 55 f.; Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 139. Zudem kann der Emittent in einem solchen Fall lediglich isoliert gegen die unwahre Tatsachenbehauptung, nicht aber gegen das Rating an sich nach § 824 BGB vorgehen, Eisen, S. 308. 392 Zwar muss der Schädiger nach der Rechtsprechung in subjektiver Hinsicht nicht die Absicht einer Schadenszufügung haben, es reicht vielmehr dolus eventualis zur Bejahung des Schädigungsvorsatzes, sofern die gesamten Schadensfolgen hiervon umfasst sind. In objektiver Hinsicht muss für die Annahme eines Sittenverstoßes zumindest leichtfertiges und gewissenloses Handeln vorliegen, BGHZ 10, 228, [233]; BGH NJW 1986, 180, [181]. Jedoch wird der Emittent in der Praxis sowohl hinsichtlich der objektiven Sorgfaltswidrigkeit als auch hinsichtlich des Eventualvorsatzes mit erheblichen Nachweisproblemen konfrontiert sein, Eisen, S. 303; Schuler, S. 209 f. 393 Eisen, S. 303; Arntz, BKR 2012, 89, [94]; Lemke, Handbuch Rating, S. 619. 390 391
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Rechtswidrigkeit der Verletzung der in Betracht kommenden sonstigen Rechte, namentlich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. (2) Nach französischem Recht Da beim auftragslosen Rating kein Vertragsverhältnis zwischen Ratingagentur und Emittent vorliegt, sind auch nach französischem Recht in diesem Rechtsverhältnis keine vertraglichen Haftungsansprüche denkbar. In Frage kommt zum einen eine deliktsrechtliche Haftung nach Art. 1382 f. C.civ. (a), zum anderen ist für Verstöße gegen die RatingVO 2009 eine Haftung nach Art. L544-5 CMF denkbar (b). (a) Haftung nach Art. 1382 f. C.civ. Mangels Vertragsverhältnisses zwischen Ratingagentur und Emittent ist bei Vorliegen eines auftragslosen Ratings – anders als im Falle des Auftragsratings – auch im Rahmen von Verstößen, die nicht von Art. L544-5 CMF erfasst werden, ein Rückgriff auf die deliktsrechtliche Generalklausel des Art. 1382 C.civ. möglich394. Art. 1383 C.civ. erweitert den Tatbestand des Art. 1382 C.civ., welcher lediglich die Vorsatzhaftung erfasst, auf fahrlässiges Handeln und Unterlassen 395. Nach diesen beiden Vorschriften ist für eine deliktische Haftung für eigenes Verschulden (fait personnel)396 der Nachweis von dommage (Schaden), lien de causalité (Kausalzusammenhang) und einer sogenannten faute erforderlich. Der Begriff der faute ist nach deutschem Verständnis nur schwer zu fassen, weil in diesem Pflichtwidrigkeit und Schuldvorwurf zusammenlaufen397. Es findet demnach keine strikte Trennung der Elemente Handlung, Verschulden und Rechtswidrigkeit statt, wie sie das deutsche Recht kennt. Der Code civil liefert keine Definition des Begriffes der faute, wodurch der Rechtsprechung ein weiter Spielraum zu seiner Konkretisierung eingeräumt wird. Eine abstrakte Definition des Begriffes der faute findet sich in den französischen Urteilen nicht, da die Ge394 Im Falle des Auftragsratings ist dies aufgrund des Kumulierungsverbots (principe de non-cumul des responsabilités) nicht möglich. Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen oben, S. 57 f. 395 Art. 1382 C.civ. und Art. 1382 C.civ. haben folgenden Wortlaut: „Art. 1382 C.civ.: Tout fait quelconque de l’homme, qui cause à autrui un dommage, oblige celui par la faute duquel il est arrivé, à le réparer. Art. 1383 C.civ.: Chacun est responsable du dommage qu’il a causé non seulement par son fait, mais encore par sa négligence ou par son imprudence.“ 396 Darüber hinaus kennt das französische Deliktsrecht noch die responsabilité du fait d´autrui (Haftung für fremdes Verhalten) und die responsabilité du fait des choses (Haftung für Sachen), Fabre-Magnan, S. 87. 397 Sonnenberger/Dammann, S. 473; Brieskorn, S. 128 f.
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richte jeweils am konkreten Einzelfall entscheiden398. In der Literatur ist jedoch anerkannt, dass die faute aus mehreren – meist drei399 – Elementen besteht, wobei die Ansichten hinsichtlich der Benennung und der genauen Beschaffenheit dieser Elemente wiederum sehr voneinander abweichen. Einigkeit besteht dahingehend, dass das sogenannte élément matériel zwingend vorliegen muss, um eine faute bejahen zu können. Dieses Element entspricht in etwa der deutschen Pflichtverletzung400. Wie im deutschen Recht kann eine solche auch im französischen Recht sowohl in einem Tun als auch in einem Unterlassen401 bestehen. Darüber hinaus muss das Element der illicéité402 (in etwa: Widerrechtlichkeit)403 hinzukommen. Eine widerrechtliche Verletzung bestehender Pflichten ist zunächst in den Fällen gegeben, in denen ein Verstoß seitens des Schädigers gegen eine gesetzliche Verhaltensnorm vorliegt 404. Es reicht jedoch auch aus, wenn gegen ungeschriebene Regelungen wie beispielsweise Bräuche oder gegen Regelungen privaten Ursprungs oder allgemein gegen Sorgfaltspflichten405 verstoßen wird406, wobei die Gerichte hierbei in jedem Einzelfall prüfen, ob ein pflichtwidriges Verhalten vorliegt, das eine faute begründet 407. Wie auch im deutschen Recht entfällt die Rechtswidrigkeit bei Vorliegen von Rechtfertigungsgründen (faits justificatifs)408 . Die letzte Komponente der drei Elemente stellt das subjektive élément moral dar. Hinsichtlich der Anforderungen dieses Elements herrscht in der französischen Literatur Uneinigkeit. Anerkannt ist jedoch, dass zur Begründung einer faute grundsätzlich ein Verschulden erforderlich ist 409. Wie im deutschen Recht ist soStegmann, S. 161 f. Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rn. 717 ff.; Légier/Tranchant/Egéa, S. 112; Buffelan-Lanore/Larribau-Terneyre, S. 730 ff. gehen jeweils von drei Elementen aus. Fabre-Magnan und Stegmann sprechen zwar von nur zwei Elementen, einem objektiven und einem unter Umständen darüber hinaus erforderlichen subjektiven Element (élément objectif et élément subjectif), diese beiden Elemente bilden jedoch lediglich Oberkategorien für eine weitere Zuordnung der einzelnen, auch von den anderen Autoren genannten drei Elemente, Stegmann, S. 162 f.; Fabre-Magnan, S. 92 ff. 400 Stegmann, S. 162. 401 Fabre-Magnan, S. 92. 402 Fabre-Magnan, S. 93; Légier/Tranchant/Egéa, S. 112; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rn. 718, sprechen insoweit nicht von illicéité bzw. acte illicite sondern von élément légal, der Inhalt der Begrifflichkeiten unterscheidet sich jedoch nicht. 403 Stegmann, S. 162. 404 Fabre-Magnan, S. 93; Stegmann, S. 162. 405 Die Prüfung von gesetzlich nicht geregelten Verhaltensvorschriften wird objektiv (in abstracto) vorgenommen. Das Verhalten des Schädigers wird in Bezug gesetzt zu einem abstrakten Soll-Verhalten in der konkreten Situation („comportement d’un homme raisonnable […] placé dans la même situation“), Légier/Tranchant/Egéa, S. 113. Als Referenzbegriff wird hierbei der Maßstab eines guten Familienvaters (bon père de famille) herangezogen, Fabre-Magnan, S. 93; Stegmann, S. 169 f. 406 Fabre-Magnan, S. 93; Légier/Tranchant/Egéa, S. 112. 407 Stegmann, S. 169 f. 408 Fabre-Magnan, S. 98; Stegmann, S. 163. 409 Zwischen den Vertretern des traditionellen und des modernen Verständnisses der faute herrscht Uneinigkeit dahingehend, ob das Verschulden im Falle fahrlässigen Handelns indivi398
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wohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Verhalten geeignet, um ein Verschulden zu begründen, sodass ein Anspruch prinzipiell unabhängig von der Intensität des Verschuldens besteht. Jedoch kann der Verschuldensgrad im französischen Recht die Höhe der tatsächlichen Schadensersatzzahlungen410 und die Anforderungen an den Kausalitätsnachweis411 beeinflussen. Hinsichtlich der Haftung beim auftragslosen Rating bedeutet dies zunächst, dass der Anwendungsbereich der deliktsrechtlichen Generalklausel bei fehlerhaften Ratings aufgrund des weiten Begriffes der faute eröffnet ist. Sämtliche mögliche Verstöße gegen bestehende Pflichten im Ratingverfahren sind demnach prinzipiell geeignet, eine faute auszulösen, solange sie nicht nur von untergeordnetem Gewicht sind und die Ratingagentur hierbei zumindest fahrlässig handelt. Als weitere Voraussetzung der deliktischen Haftung muss auch nach französischem Recht ein Schaden vorliegen (dommage). Zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs ist es erforderlich, dass der Schaden gewiss (certain) und direkt (direct) ist 412. Anders als in den meisten anderen europäischen Ländern werden ausufernde deliktische Schadensersatzklagen von der französischen Rechtsprechung nicht auch über den Prüfungspunkt des ersatzfähigen Schadens kontrolliert, sondern ausschließlich über die Merkmale faute und lien de causalité413. Im Hinblick auf Haftungsansprüche gegenüber Ratingagenturen ist insbesondere der Umstand bedeutsam, dass hinsichtlich der Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden keine besonderen Voraussetzungen erfüllt werden müssen, sodass praktisch sämtliche Schadensposten414, insbesondere die Kosten anderweitiger Kapitalbeschaffung seitens des Emittenten415, ersatzfähig sind. Darüber hinaus muss ein lien de causalité zwischen faute und dommage gegeben sein. Anders als im deutschen Recht existiert im französischen Recht keine einheitliche Definition, die von den Gerichten zur Bestimmung der Kausalität herangezogen wird, sodass dieser Aspekt stark von Kasuistik geprägt ist 416. Der Prüfungspunkt des Kausalzusammenhangs wird genutzt, um deliktische Ansprüduell oder objektiv beurteilt werden muss, Stegmann, S. 163 f. Zwar verneinen auch einige Vertreter die generelle Notwendigkeit eines subjektiven Elements, vgl. z.B. Fabre-Magnan, S. 92, hierbei wird jedoch lediglich die capacité de discernement, also die Fähigkeit, die Konsequenzen des eigenen Fehlverhaltens einschätzen zu können (Verschuldensfähigkeit), als élément moral angesehen und nicht das Verschulden an sich, Fabre-Magnan, S. 100 ff. 410 Malaurie/Aynès, Responsabilité délictuelle, S. 46; Fabre-Magnan, S. 92; Stegmann, S. 166. 411 Stegmann, S. 166. 412 Zweigert/Kötz, S. 631. Das Merkmal der „Gewissheit“ dient dazu, nur möglicherweise eintretende Schäden von der Ersatzpflicht auszuschließen. Das Erfordernis der „Direktheit“ umschreibt die Notwendigkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen haftungsbegründendem Verhalten und Schaden, ist mithin nach deutschem Verständnis keine Eigenschaft des Schadens, Stegmann, S. 440 f. 413 Fabre-Magnan, S. 121. 414 Stegmann, S. 4 41; Fabre-Magnan, S. 125. 415 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [57]. 416 Fabre-Magnan, S. 202.
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che zu begrenzen417. Es ist eine Tendenz dahingehend erkennbar, dass je nach Schwere der faute (hier: Verschuldensgrad) hinsichtlich der Anforderungen an den Kausalitätsnachweis folgendermaßen differenziert wird: Liegt ein vorsätzliches Fehlverhalten vor, so legen die Gerichte keine hohen Hürden an den Nachweis des Kausalzusammenhangs418. Liegt hingegen – wie im Falle fehlerhafter Ratings üblich – lediglich ein fahrlässiges Fehlverhalten vor, so prüfen die Gerichte genau, ob im jeweiligen Einzelfall eine Kausalität zu bejahen ist. Aufgrund der weiten deliktischen Generalklausel erscheinen die Chancen für eine erfolgreiche Geltendmachung deliktischer Ansprüche im französischen Recht deutlich höher zu sein als im deutschen Recht. Problematisch ist jedoch, dass ein solcher Haftungsanspruch in der Praxis dennoch kaum durchsetzbar sein wird, weil den Emittenten die Beweislast hinsichtlich der Haftungsvoraussetzungen obliegt. Zum einen wird der Nachweis der faute aufgrund des Prognosecharakters des Ratings kaum gelingen, zum anderen erscheint es für die Klagepartei auch extrem schwierig, die negativen Auswirkungen dieser faute auf das Ratingergebnis zu beweisen419. Aufgrund dieser enormen Beweisschwierigkeiten wird in Frankreich diskutiert, ob Behörden neben der zivilrechtlichen Haftung möglicherweise verwaltungsrechtliche Sanktionen verhängen sollten, um die Agenturen politisch in die Haftung zu nehmen420. (b) Haftung nach Art. L544-5 CMF Wie bereits erörtert, kommt beim auftragslosen Rating neben der Haftung nach der deliktsrechtlichen Generalklausel des Art. 1382 C.civ. auch eine Haftung nach Art. L544-5 CMF für Verstöße gegen die RatingVO 2009 in Betracht421. Beleuchtet man die Vorschrift des Art. L544-5 CMF näher, so kann zunächst festgestellt werden, dass ihr nur Ratingagenturen i. S. d. Art. L544-4 CMF unterfallen, was zur Folge hat, dass hiervon im Ergebnis nur Ratingagenturen erfasst werden, die in Frankreich registriert sind422. Art. L544-5 CMF stellt keine umfassende spezialgesetzliche Vorschrift dar423, sondern eine Haftungsnorm auf Basis der deliktsrechtlichen Generalklausel des Art. 1382 C.civ. Dies hat zur Folge, dass die Generalklausel und die mit dieser in Zusammenhang stehenden Vorschriften zur weiteren Ausfüllung des Tatbestandes und der aus dessen Verletzung resultieFabre-Magnan, S. 202. Stegmann, S. 166; Fabre-Magnan, S. 204 f. 419 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [53 f.]. 420 du Marais/Frouté, REF 2008, 265, [270]. 421 Wie bereits in Fußnote 333 erläutert, wird eine Haftung nach Art. 1382 C.civ. durch Art. L544-5 CMF nicht gesperrt. Gleichwohl erscheint es nicht sinnvoll, innerhalb des Anwendungsbereichs des Art. L544-5 CMF anstelle dieser Vorschrift auf Art. 1382 C.civ. zurückzugreifen, da Art. L544-5 CMF gewisse Nachweiserleichterungen hinsichtlich der faute vorsieht, die im folgenden Abschnitt näher erläutert werden. 422 Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [593]. 423 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [49]. 417
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renden Rechtsfolgen herangezogen werden müssen424. Art. L544-5 CMF enthält eine Modifikation der allgemeinen deliktischen Regelungen dahingehend, dass als haftungsauslösende Ereignisse lediglich Verstöße gegen die (Verhaltens-)Pflichten425 der RatingVO 2009426 in Betracht kommen. Da dieses Erfordernis des Pflichtverstoßes im Rahmen der regulären Haftung nach der deliktsrechtlichen Generalklausel durch das Merkmal der faute ausgefüllt wird, könnte man annehmen, dass bei Vorliegen eines Verstoßes gegen eine Pflicht der RatingVO 2009 der Nachweis einer deliktsrechtlichen faute entfiele. Angesichts des Umstandes, dass in diesem Begriff – wie gezeigt – Pflichtwidrigkeit und subjektiver Schuldvorwurf zusammenfallen, wäre logische Konsequenz hieraus, dass auch ein Verschuldensnachweis entfiele, mithin Art. L544-5 CMF einen verschuldensunabhängigen Haftungstatbestand darstellen würde. Bei der Auswertung der französischen Literatur zu Art. L544-5 CMF fällt zunächst auf, dass dieser Aspekt – soweit ersichtlich – nicht ausdrücklich diskutiert wird. Die Ausführungen Audits und Tchotourians lassen auf eine solche Tendenz schließen427, Thépot dagegen spricht nur von einer Präzisierung des Haftungsgrundes [fait générateur (de la responsabilité)] durch die Vorschrift428. Die letztgenannte Formulierung erscheint überzeugender, weil diese es zulässt, Art. L544-5 CMF dergestalt auszulegen, dass der Nachweis des Verschuldenselementes der faute auch bei Vorliegen eines Verstoßes gegen die Pflichten der RatingVO 2009 erforderlich ist, demnach nur ein Nachweis der objektiven Elemente der faute entbehrlich ist. Das Hineinlesen eines Verschuldenserfordernisses in Art. L544-5 CMF erscheint bereits deshalb gerechtfertigt, weil die Verschuldenshaftung auch im französischen Deliktsrecht den Regelfall darstellt und für den Wunsch des Gesetzgebers nach Integration einer verschuldensunabhängigen Haftung im Falle von Ratingagenturen keine eindeutigen Anzeichen 424 Tchotourian, BJB 2011, Nr. 2 , 119, [123]. Dies gilt insbesondere auch für die Verjährungsvorschriften, Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [594]. 425 Ein solcher Verstoß ist beispielsweise dann gegeben, wenn die Ratingagentur nicht die Anforderungen an Methoden und Modelle für Ratings i. S. d. Art. 8 RatingVO 2009 erfüllt. 426 Zwar bezieht sich der Anwendungsbereich der Vorschrift demnach zunächst nur auf die ursprüngliche RatingVO 2009, sodass fraglich erscheint, ob insbesondere auch der erst im Jahr 2011 durch die RatingVO 2011 eingefügte Anhang III zur Bestimmung der Pflichten der Ratingagenturen i. S. d. Art. L544-5 CMF herangezogen werden kann. Ein Rückgriff auf die in Anhang III genannten Verstöße ist jedoch bereits aufgrund des Aspektes, dass hierin lediglich die Verstöße konkretisiert werden, die sich bereits aus dem ursprünglichen Wortlaut der Verordnung ergaben, möglich. Vgl. hierzu auch bereits die Ausführungen oben, Fußnote 295. 427 Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [593 f.]; Tchotourian, BJB 2011, Nr. 2 , 119, [123]. 428 Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [30]. Die Bezeichnung fait générateur de la responsabilité (häufig wird auch nur die Kurzbezeichung fait générateur verwandt) findet im französischen Recht nicht nur für die Bezeichnung des haftungsauslösenden Ereignisses im vertraglichen Bereich Anwendung, sondern auch im Deliktsrecht. Diese Bezeichnung stellt im Deliktsrecht einen Oberbegriff für mehrere Haftungsgründe dar, welcher neben der hier diskutierten deliktsrechtlichen Haftung für fait personnel (eigenes Verschulden) auch weitere deliktische Haftungsgründe erfasst, Légier/Tranchant/Egéa, S. 111; Malaurie/Aynès, Responsabilité délictuelle, S. 41; Fabre-Magnan, S. 87.
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bestehen429. Dies muss umso mehr gelten, als es sich vorliegend um eine Haftung auf Basis der verschuldensabhängigen deliktischen Generalklausel handelt und eine Abweichung von diesem Maßstab nicht ausdrücklich geregelt wurde. Darüber hinaus spricht auch der Umstand, dass in der Literatur hierüber nicht explizit diskutiert wird, dafür, dass es als selbstverständlich angesehen wird, vom Regelfall einer verschuldensabhängigen Haftung auszugehen. Insgesamt beseitigt die Beweiserleichterung des Art. L544-5 CMF daher nur teilweise die bestehenden Nachweisprobleme auf Seiten des Emittenten: Zum einen muss er als beweisbelasteter Kläger trotz der bestehenden Beweiserleichterung hinsichtlich der faute zunächst nachweisen, dass überhaupt ein Verstoß gegen eine in der Ratingverordnung genannte Pflicht 430 und – sofern man eine verschuldensabhängige Haftung annimmt – Verschulden vorliegt. Zum anderen muss der Emittent das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Geltendmachung einer deliktsrechtlichen Haftung beweisen: Im Einzelnen ist hierfür der Nachweis eines Schadens sowie eines Kausalzusammenhanges zwischen dem haftungsauslösenden Ereignis und dem Schaden erforderlich. Diesbezüglich kann auf die Darstellungen im Rahmen der Untersuchung der Haftung nach Art. 1382 C.civ. verwiesen werden431. (c) Zusammenfassung der Ergebnisse Insgesamt lässt sich daher zur Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings im französischen Recht feststellen, dass sowohl eine Haftung nach Artt. 1382 f. C.civ. als auch nach Art. L544-5 CMF in Betracht kommt. Die Voraussetzungen für eine Haftung nach diesen Vorschriften sind insgesamt nicht so streng wie im deutschen Recht. Problematisch ist jedoch, dass – ähnlich wie im deutschen Recht – hohe Beweishürden für die Emittenten bei der Geltendmachung solcher Haftungsansprüche bestehen, sodass diese in der Praxis kaum durchsetzbar sein dürften. Zwar erleichtert Art. L544-5 CMF die Beweislast hinsichtlich der faute etwas, die übrigen Beweisprobleme bestehen jedoch auch hier. (3) Nach englischem Recht Nach englischem Recht können vertragliche Ansprüche aufgrund der doctrine of privity of contract grundsätzlich nur durch vertragliche Rechtsbeziehungen zwi-
429 Insbesondere finden sich in den Gesetzgebungsmaterialien keine Anhaltspunkte dafür, dass ein verschuldensunabhängiger Tatbestand eingeführt werden sollte. Diese Materialien sind abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 430 Tchotourian, BJB 2011, Nr. 2 , 119, [123]. 431 Vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen auf S. 69 ff.
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schen den unmittelbar Betroffenen begründet werden432 , sodass im Grundsatz auch nur die Parteien eines Vertrages die hieraus resultierenden Pflichten einklagen können433. Beim auftragslosen Rating kommt auch nach englischem Recht zwischen Emittent und Ratingagentur kein Vertragsverhältnis zustande, weil es hierfür unter anderem an einer consideration fehlt434. Aus diesem Grund kann der Emittent eines auftragslosen Ratings nicht auf Grundlage von breach of contract gegen fehlerhafte Ratings vorgehen435. Da vertragliche Ansprüche gegenüber den Ratingagenturen nicht geltend gemacht werden können, verbleibt nur ein Rückgriff auf das Deliktsrecht (tort law)436. (a) Haftung nach dem Generaltatbestand des tort of negligence Im englischen Recht geht der Begriff des tort über den deutschen Begriff der unerlaubten Handlung hinaus, denn hiervon werden beispielsweise auch Herausgabe-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche des Eigentümers erfasst 437. Eine Haftung der Ratingagenturen kommt hierbei fast ausschließlich nach dem deliktsrechtlichen Generaltatbestand des tort of negligence in Betracht438. Anders als im deutschen Recht bezeichnet der Begriff der negligence nicht nur die Fahrlässigkeit als Verschuldensform, sondern kann auch im Sinne von sorglosem Verhalten sowie als Sorgfaltspflichtverletzung verstanden werden439. Damit der Deliktstatbestand des modernen tort of negligence440 erfüllt ist, müssen stets drei Voraussetzungen gegeben sein: Es muss eine Sorgfaltspflicht (duty of care) vorlie-
v. Bernstorff, S. 49; v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 122. Furmston, Law of Contract, S. 575. 434 Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [190]. 435 Zwar werden die Grundsätze der privity of contract und des Erfordernisses einer consideration inzwischen verstärkt eingeschränkt, jedoch ist keine dieser Einschränkungen in der vorliegenden Fallkonstellation relevant. Eine Einschränkung der Lehre der privity of contract erfolgte beispielsweise durch den Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999, wonach nunmehr Verträge zugunsten Dritter möglich sind. Eine Einschränkung des Erfordernisses einer consideration ist insbesondere durch die doctrine of equitable estoppel gegeben, welche am ehesten mit dem deutschen Verwirkungseinwand vergleichbar ist, v. Bernstorff, S. 48 f. und S. 67 f. 436 v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 122. 437 v. Bernstorff, S. 92. 438 Grundsätzlich wäre auch an eine Haftung nach den Spezialtatbeständen libel und slander zu denken. Jedoch dürfte ihr Anwendungsbereich im Falle von Ratings allenfalls in extremen Ausnahmefällen eröffnet sein, weil die Ratingagentur hierfür mit dem Rating bezwecken müsste, das gesellschaftliche Ansehen des Emittenten als solches negativ zu beeinflussen. Der negative Effekt eines ungerechtfertigt zu niedrigen Ratings auf das „Kapitalmarkt-Standing“ des Emittenten reicht hierfür nicht aus, v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 123 f. 439 Charlesworth, Rn. 1-01 ff.; v. Bernstorff, S. 93. 440 Mittlerweile ist der Tatbestand des tort of negligence durch neue Fallgruppen zu einer Art „Generalklausel“ für deliktische Schadensersatzansprüche geworden, v. Bernstorff, S. 98. Vor dem Fall Donoghue v Stevenson ([1932] UKHL 100, [1932] All ER Rep 1) war das englische law 432 433
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gen, welche im konkreten Fall auch verletzt wurde (breach of the duty of care). Überdies muss dem Kläger ein Schaden entstanden sein (damage/injury)441. (aa) Duty of care gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings Gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings erscheint bereits die Erfüllung der ersten der genannten Voraussetzungen als sehr problematisch, was im Folgenden näher erläutert wird: Eine duty of care ist nach der neueren Rechtsprechung nicht nur gegenüber unmittelbaren Vertragspartnern, sondern auch gegenüber Dritten denkbar442. Eine solche kann sich grundsätzlich sowohl aus dem geschriebenen Recht als auch aus ungeschriebenen Prinzipien des common law ergeben443. Im Falle der Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten kommt ein Verstoß gegen geschriebene Sorgfaltspflichten ohne Berücksichtigung des Kataloges an Verstößen, die eine Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 begründen können444, allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht445, weshalb sich die Darstellung im Folgenden auf die ungeschriebenen Prinzipien beschränkt. Zwar gibt es keine Rechtsprechung dazu, gegenüber welchen Personenkreisen eine duty of care von Ratingagenturen zu bejahen ist, jedoch können aus ähnlich gelagerten Fällen gewisse Grundprinzipien abgeleitet werden, welche für die Ersatzfähigkeit von Vermögensschäden im Rahmen des tort of negligence von Relevanz sein können, die durch falsche Äußerungen (defective statements) verursacht
of negligence durch kasuistische Spezialtatbestände gekennzeichnet mit der Folge, dass fahrlässige Handlungen, die diese Tatbestände nicht erfüllten, nicht als tort angesehen wurden, Ferrari, ZEuP 1993, 354, [357 f.]. 441 Charlesworth, Rn. 1-34 und 6-103; Winfield and Jolowitz, Rn. 5 -002; Jansen/van der Lely, ZEuP 1999, 229, [236]. 442 Seit dem Fall Donoghue v Stevenson ist eine duty of care auch gegenüber Dritten denkbar, Donoghue v Stevenson [1932] UKHL 100, [1932] All ER Rep 1. Zwar galt dies ursprünglich nur für Körperschäden, was zur Folge hatte, dass Geschädigte eines Vermögensschadens oftmals weder einen vertraglichen noch einen deliktischen Anspruch geltend machen konnten, der Grundgedanke wurde jedoch später auch auf reine Vermögensschäden übertragen, v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 128; v. Bar, RabelsZ 1992, 411, [411]. 443 v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 124. 444 Der Einfluss des harmonisierten Haftungstatbestandes auf die zu den nationalen Rechtsordnungen gefundenen Ergebnisse wird im weiteren Verlauf der Arbeit gesondert betrachtet. Vgl. zum englischen Recht insbesondere die Ausführungen auf S. 194 ff. 445 Diesbezüglich ist beispielsweise an die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften des Financial Services and Markets Act 2000 (FSMA) zu denken. Insbesondere den hierin enthaltenen Vorschriften zu Insiderhandel und Marktmissbrauch kann im Rahmen der Haftung von Ratingagenturen im Einzelfall eine gewisse Bedeutung zukommen. Vgl. hierzu im Einzelnen v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 125 ff.
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wurden446. Die Autoren Ebenroth und Dillon447 sind bei der Untersuchung entsprechender Fälle zu dem Ergebnis gelangt, dass für eine duty of care einer Ratingagentur die folgenden drei Bedingungen erfüllt sein müssen: reasonable foreseeability of reliance (in etwa: ein Vertrauensverhältnis zwischen Ratingagentur und Emittent ist vernünftigerweise zu erwarten), proximity (Näheverhältnis) sowie fairness (Gerechtigkeit)448. Damit das Merkmal der foreseeability gegeben ist, muss es für die Ratingagentur vernünftigerweise zu erwarten sein, dass der Kläger auf das Rating bzw. auf dessen Richtigkeit vertraut449. Überdies muss ein relativ hohes Maß an proximity zwischen Kläger und Beklagtem bestehen, damit die Annahme einer Sorgfaltspflicht im Einzelfall gerechtfertigt ist 450. Es existiert seit dem Fall Donoghue v Stevenson eine grobe Definition, wie der Begriff der proximity zu verstehen ist 451. Diese beschränkt sich demnach nicht auf rein physische Nähe, sondern berücksichtigt, dass Nähe auch auf andere Weise entstehen kann452 , verlangt jedoch in jedem Fall eine direkte Betroffenheit des Klägers durch die Verletzungshandlung. Zwar ist dieser Begriff trotz der Definition nur schwer zu fassen, da in den Entscheidungen teilweise unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden453, für die Untersuchung in der vorliegenden Arbeit bildet die genannte Definition aber den Ausgangspunkt, weil es nicht vorhersehbar ist, auf welches andere Begriffsverständnis ein Gericht im konkreten Fall zurückgreifen würde. Die letzte Voraussetzung einer duty of care stellt das Merkmal der fairness dar. Zur Erfüllung dieser 446 Zwar ist die Rechtsprechung relativ frühzeitig dazu übergegangen, eine generelle duty of care gegenüber Dritten im Rahmen des tort of negligence bei reinen Vermögensschäden anzuerkennen, jedoch ist die Anerkennung einer solchen in dem speziellen Fall, in welchem Dritte auf defective statements vertrauen, weiterhin stark umstritten, v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 130. Aus diesem Grund kann eine Prognose für die Situation der Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten im Allgemeinen und für die Haftung gegenüber dem Emittenten beim auftragslosen Rating im Speziellen nur sehr zurückhaltend getroffen werden. 447 Ebenroth und Dillon sind – soweit ersichtlich – bislang die einzigen Autoren, die sich vertieft auch mit der Frage einer Haftung von Ratingagenturen beim auftragslosen Rating nach englischem Recht vor Erlass der RatingVO 2013 beschäftigt haben, weshalb im Folgenden im Wesentlichen die Prinzipien skizziert werden, die von den beiden Autoren herausgearbeitet wurden. Auf die Aspekte, die von Schweinitz in seinem Werk „Rating Agencies“ herausgearbeitet hat, wird im Rahmen der Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum näher eingegangen, weil er im Schwerpunkt die Haftung gegenüber dieser Gruppe potentieller Anspruchsteller beleuchtet. 448 Ebenroth/Dillon, Law & Pol’y Int’l Bus, 1992, 783, [791 und 799]. 449 Ebenroth/Dillon, Law & Pol’y Int’l Bus, 1992, 783, [791]. 450 v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 130 f. 451 Die Definition Lord Atkins im Fall Donoghue v Stevenson lautete folgendermaßen: „[The concept of] proximity [is] not confined to mere physical proximity, but […] extend[s] to such close and direct relations that the act complained of directly affects a person whom the person alleged to be bound to take care would know would be directly affected by his careless act“, Donoghue v Stevenson [1932] AC 562, 582; Winfield and Jolowitz, Rn. 5-028. 452 Zu denken wäre hier beispielsweise an eine langfristige Zusammenarbeit im gegenseitigen Vertrauen. 453 Vgl. hierzu im Detail Ebenroth/Dillon, Law & Pol’y Int’l Bus, 1992, 783, [791 f.].
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Voraussetzung muss es im jeweiligen Einzelfall gerecht und angemessen erscheinen (just and reasonable), der Ratingagentur eine solche Pflicht aufzuerlegen. Im Falle der Haftung gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings erweist sich insbesondere die Voraussetzung der proximity als problematisch, weil in den meisten Fällen keine vertragliche oder sonstige Beziehung gegeben sein wird, die nahe genug erscheint, um der Ratingagentur eine duty of care gegenüber dem Emittenten aufzuerlegen: Oftmals führen Ratingagenturen auftragslose Ratings nur durch, um das Angebot an Ratings gegenüber den Abonnenten zu komplettieren, ohne dadurch eine spezielle vertragliche Verpflichtung zu erfüllen454. Selbst in den Fällen, in denen ein spezieller Abonnementvertrag zwischen Anlegern und der jeweiligen Ratingagentur zum Bezug von Ratings des konkret geschädigten Emittenten besteht, erscheint die Beziehung der Ratingagentur zum Emittenten zu indirekt, um den Anforderungen an eine proximity zu genügen455. Das Vorliegen der anderen beiden Merkmale (foreseeability und fairness)456 kann eine fehlende bzw. schwache proximity allenfalls in Ausnahmefällen ausgleichen457. Angesichts der aufgezeigten Hürden bleibt die Annahme einer duty of care gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings auf Ausnahmefälle beschränkt. Wie bereits angedeutet, bildet die duty of care nur eine der Voraussetzungen zur Geltendmachung eines Haftungsanspruchs nach dem Generaltatbestand des tort of negligence. Auf die weiteren Voraussetzungen wird im Folgenden kurz eingegangen. (bb) Weitere Voraussetzungen für eine Haftung nach dem tort of negligence Wie bereits herausgearbeitet, sind neben dem Bestehen einer duty of care im konkreten Fall noch zwei weitere Voraussetzungen zu erfüllen um eine Haftung nach dem tort of negligence zu begründen458: Zum einen muss diese Sorgfaltspflicht auch tatsächlich verletzt worden sein (breach of the duty of care). Hierbei muss geprüft werden, ob die Ratingagentur 454 Vgl. zu den Motiven der Ratingagenturen im Hinblick auf die Durchführung auftragsloser Ratings bereits die Ausführungen oben, S. 10 f. 455 Ebenroth/Dillon, Law & Pol’y Int’l Bus, 1992, 783, [801]. 456 Diese beiden Merkmale dürften gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings erfüllt sein, da zum einen die Ratingagentur vernünftigerweise erwarten kann, dass er auf das Rating vertraut, schließlich beeinflusst es sein „Kapitalmarkt-Standing“. Zum anderen dürfte es angesichts der bestehenden Risiken und Folgen für den Emittenten auch in den meisten Fällen gerecht und angemessen erscheinen, der Ratingagentur eine Sorgfaltspflicht aufzuerlegen. 457 Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn ein Anleger erwägt, eine spezielle Anlage zu tätigen und hierfür zur Abklärung der Risiken eine Ratingagentur bittet, ein Rating der konkreten Emission durchzuführen. Vgl. zu diesem Ausnahmefall weiterführend Ebenroth/ Dillon, Law & Pol’y Int’l Bus, 1992, 783, [801 f.]. 458 Im Gegensatz zur Frage des Bestehens einer duty of care werden die beiden anderen Voraussetzungen in der englischen Literatur in Bezug auf die Haftung von Ratingagenturen – soweit ersichtlich – nicht näher diskutiert.
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die Bonitätsbeurteilung im konkreten Einzelfall mit angemessener Sachkunde, Sorgfalt und Vorsicht (reasonable skill, care and caution) durchgeführt hat 459. Eine Ratingagentur genügt diesen Sorgfaltsanforderungen insbesondere dann nicht, wenn ihren Analysten bei der Bonitätsbeurteilung erhebliche Fehler unterlaufen. Welche potentiellen Fehlerquellen hierbei für eine Haftung in Betracht kommen, wurde bereits herausgearbeitet, weshalb auf die obigen Ausführungen hierzu verwiesen werden kann460. Zum anderen muss dem Kläger ein Schaden (damage/injury) entstanden sein, welcher mit der Sorgfaltspflichtverletzung kausal verknüpft ist, von der Rechtsordnung anerkannt wird und nicht zu fernliegend erscheint461. Da die an diese Prüfung gestellten Anforderungen im vorliegenden Fall keine speziellen Hürden für potentielle Anspruchsteller darstellen, die auf Spezifika des englischen Rechts zurückzuführen wären, wird auf eine vertiefte Auseinandersetzung hiermit verzichtet462. (b) Zusammenfassung der Ergebnisse Wie gezeigt, ist es ohne Berücksichtigung des Einflusses des speziellen Haftungstatbestandes der RatingVO 2013 nach englischem Recht kaum denkbar, eine Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings zu etablieren, da Gerichte höchstwahrscheinlich in den meisten Fällen bereits das Vorliegen einer duty of care verneinen dürften. Selbst in den seltenen Fällen, in denen eine solche Sorgfaltspflicht angenommen werden könnte, wäre seitens des Emittenten noch der Nachweis ihrer Verletzung und eines eingetretenen kausalen Schadens erforderlich. Insbesondere der Nachweis einer Verletzung einer duty of care erscheint angesichts des Prognosecharakters von Ratings und der kaum vorhandenen Transparenz im Ratingverfahren allenfalls in Ausnahmefällen Erfolg versprechend. Dieses Nachweisproblem stellt jedoch – wie gezeigt – kein speziell 459 Vgl. zu den Anforderungen an eine solche Prüfung im Generellen Charlesworth, Rn. 7-01 ff. Vgl. hierzu konkret in Bezug auf den insoweit parallelen Anwendungsfall von Berichten von Abschlussprüfern Quick/Niemann, RIW 1992, 836, [840]. 460 Vgl. hierzu die Ausführungen oben auf S. 17 ff. 461 Charlesworth, Rn. 1-34 und 6-103; Jansen/van der Lely, ZEuP 1999, 229, [236]. Der Schaden muss sich hierbei als eine dem Schädiger vernünftigerweise zurechenbare Folge seines sorgfaltswidrigen Verhaltens darstellen, v. Bernstorff, S. 98. Vgl. zu den Anforderungen an die Kausalitätsprüfung im englischen Recht im Einzelnen Charlesworth, Rn. 6 -01 ff. Zur Ersatzfähigkeit verschiedener Schadensposten im englischen Recht im Generellen vgl. Charlesworth, Rn. 5-51 ff. 462 Anders als im deutschen Recht sind im englischen Recht im Rahmen der Haftung nach dem Generaltatbestand des tort of negligence grundsätzlich auch reine Vermögensschäden Dritter ersatzfähig; vgl. hierzu im Detail v. Bar, RabelsZ 1992, 411 ff. Dennoch sind in der Praxis erhebliche Hürden seitens der Emittenten eines auftragslosen Ratings auf dem Weg zu einer erfolgreichen Geltendmachung eines Haftungsanspruches gegen Ratingagenturen zu nehmen. Wie bereits zum deutschen und französischen Recht erläutert, ist diesbezüglich insbesondere das Nachweisproblem hinsichtlich derjenigen Voraussetzungen einer Haftung zu nennen, die in der Sphäre der Ratingagentur liegen.
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englisches Phänomen im Rahmen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Ratingagenturen dar, denn diese Beweishürden bestehen in allen drei untersuchten Rechtsordnungen gleichermaßen. b) Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern Bisher wurde die Haftung von Ratingagenturen gegenüber Emittenten untersucht. Haftungsfragen können jedoch nicht nur in diesem Rechtsverhältnis, sondern auch gegenüber Anlegern relevant werden, da diese auf die Richtigkeit von Ratings vertrauen und ihre Anlageentscheidung zumindest auch auf Basis von Ratings treffen463. Erweist sich ein Rating im Nachhinein als zu positiv, so drohen diesen Anlegern immense Schäden: Zum einen entspricht der Zins des gezeichneten Wertpapiers in diesem Fall meist nicht dem übernommenen Ausfallrisiko, weil er in der Regel im Verhältnis hierzu zu niedrig ist, zum anderen drohen mitunter hohe Kursverluste, sobald das tatsächliche Ausfallrisiko offenbar wird464. In rechtlicher Hinsicht ist – wie bereits bei der Haftung gegenüber Emittenten – auch in diesem Rechtsverhältnis danach zu differenzieren, ob zwischen den Parteien eine rechtsgeschäftliche Verbindung besteht, oder ob dies nicht der Fall ist. Im Gegensatz zu der bereits dargestellten Situation zwischen Ratingagenturen und Emittenten besteht zwischen Ratingagenturen und Anlegern in den meisten Fällen keine Vertragsbeziehung oder sonstige direkte geschäftliche Verbindung465 in Form eines „qualifizierten Näheverhältnisses“466. Etwas anderes gilt für einige – meist institutionelle – Anleger, die mit den Ratingagenturen einen sogenannten Abonnementvertrag über den Bezug periodisch erscheinender Ratingpublikationen in Form von Druckerzeugnissen oder elektronischen Medien geschlossen haben467. Der Großteil der Anleger nimmt Ratings jedoch über Prospekte zu den Emissionen, über die Wirtschaftspresse oder über allgemeine Medien wahr468, sodass sich insoweit die Frage nach einem rechtlichen Anknüpfungspunkt einer Haftung stellt. Im Folgenden wird die Haftung gegenüber beiden genannten „Anlegertypen“ untersucht. aa) Bei Vorliegen eines Abonnementvertrages In den Fällen, in denen zwischen Ratingagentur und dem jeweiligen (in der Regel institutionellen) Anleger ein wirksamer Abonnementvertrag geschlossen wurde, stellt sich die Haftungssituation in den untersuchten Ländern folgendermaßen dar: Plück/Kühn, S. 246. Eisen, S. 327. 465 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2289]. 466 Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 475. 467 Mühl, S. 97; Hennrichs, S. 885. 468 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2289]. 463
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(1) Nach deutschem Recht Nach deutschem Recht gestaltet sich die Haftung von Ratingagenturen gegenüber Abonnenten von Ratingpublikationen wie folgt: (a) Typologische Einordnung des Abonnementvertrages Auch in dieser Vertragsbeziehung stellt sich nach deutschem Recht zunächst die Frage nach der typologischen Einordnung des Vertrages, um die auf das Schuldverhältnis anwendbaren Vorschriften zu klären und die haftungsrelevanten Pflichtverletzungen herauszuarbeiten. Wie bereits beim Auftragsrating besteht auch in diesem Vertragsverhältnis hierüber weitestgehend Uneinigkeit. Die vertretenen Meinungen reichen von der Einordnung des Abonnementvertrages als reiner Kaufvertrag469 über die Annahme eines Dienstvertrages470 bis hin zur Qualifikation als typengemischter Vertrag471. Durch den Abonnementvertrag wird die Ratingagentur zur regelmäßigen Bereitstellung von Ratings in gedruckter oder elektronischer Form gegen Zahlung des vereinbarten (durchaus hohen)472 Entgelts verpflichtet. Diese Pflichten entsprechen – jedenfalls im Falle der Bereitstellung der Ratings in Form von Druckerzeugnissen – den Pflichten, die im Rahmen eines Zeitschriftenabonnements bestehen, sodass es naheliegend ist, den Abonnementvertrag parallel hierzu473 nach Kaufvertragsrecht zu beurteilen474. Die Tatsache, dass nicht in allen Fällen ein körperlicher Gegenstand in Form einer Publikation oder eines Datenträgers vorliegt, sondern auch ein Download der Dateien denkbar ist, steht der Anwendung der kaufvertraglichen Vorschriften nicht entgegen, weil auch Informationen als Immaterialgüter geeignete Kaufobjekte sein können475.
Mühl, S. 99 f.; Hennrichs, S. 885; Lemke, S. 66; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2289]. Eisen, S. 331 ff.; Kontogeorgou, DStR 2014, 1397, [1400 f.]. 471 Hierbei wird meist eine Mischung aus kauf- und dienstvertragsrechtlichen Elementen angenommen, Oellinger, Die Haftung für Ratings, S. 169 f.; Peters, S. 97; Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 32. 472 Moody’s verlangt für ein Abonnement zwischen 15.000 und 65.000 US-Dollar, abhängig von dem Umfang der Nutzung, Rosset, S. 25. 473 Beim Zeitschriftenabonnement handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis, das nach Kaufvertragsrecht zu beurteilen ist, RGZ 148, 154, [158]; Westermann, in: MüKo BGB, Band 3, vor § 433, Rn. 38 f.; Eisen, S. 331. 474 Eisen, S. 331 f.; Lemke, S. 66. 475 Hinsichtlich solcher unkörperlicher „Gegenstände“ kann das Vorliegen eines Rechtskaufs angenommen werden mit der Folge, dass die kaufrechtlichen Vorschriften gemäß § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB entsprechende Anwendung finden. Stellt man darauf ab, dass auch bei der Bereitstellung von Ratings in Form eines körperlichen Gegenstandes die darin enthaltene Information als solche und nicht der Informationsträger den wesentlichen Vertragsgegenstand bildet, so wäre jeder Fall des „Ratingkaufs“ nach § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB als Rechtskauf einzustufen, Schuler, S. 225; Hennrichs, S. 886 f. 469 470
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Fraglich ist jedoch, ob bei einem Abonnementvertrag weitere Aspekte zu berücksichtigen sind, die neben die genannten kaufvertraglichen Pflichten treten oder diese gar in den Hintergrund treten lassen und so eine andere Qualifizierung des Vertragstyps rechtfertigen. In der Literatur wird insbesondere die Frage diskutiert, ob die Börsendienst-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1978, in welcher die Anwendung des alten Kaufrechts auf einen inhaltlich falschen „Börseninformationsdienst“ abgelehnt und für die Haftung eine selbständige Beratungspflicht als Voraussetzung bejaht wurde476, auf den Ratingabonnementvertrag übertragbar ist 477. Zwar sind hinsichtlich beider Tätigkeiten durchaus Parallelen gegeben, eine analoge Anwendung dieser Rechtsprechung wird jedoch nach überzeugender und überwiegender Ansicht verneint, weil dem Rating der Charakter einer Anlageempfehlung fehlt478. Überdies wird in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, dass zum Teil bestehende Unterschiede zu einem klassischen Zeitschriftenabonnement – vor allem die vergleichsweise hohen Kosten eines Ratingabonnements – dazu führen müssten, eine kaufvertragliche Betrachtungsweise abzulehnen. Hierbei wird vorgebracht, dass ein Großteil der Kosten des Abonnements nicht auf die Lieferung der Publikation an sich, sondern auf eine fachkundig erstellte Bonitätsbeurteilung und das damit verbundene Expertenwissen entfielen479. Diese Ansicht verkennt jedoch, dass sich die kaufvertraglichen Pflichten nicht in der Übereignung eines äußerlich mangelfreien Druckerzeugnisses oder sonstigen Informationsträgers erschöpfen müssen, sondern vielmehr auch die inhaltliche Qualität und Solidität der Information als Sollbeschaffenheit geschuldet sein kann, weshalb eine andere Qualifizierung des Vertragstyps aus diesem Grund nicht gerechtfertigt ist 480: Eine solche weitergehende Sollbeschaffenheit ergibt sich im Falle eines Abonnementvertrages entweder aus einer zwischen Ratingagentur und Abonnent getroffenen (konkludenten) Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB, oder lässt sich jedenfalls als vertraglich vorausgesetzte Verwendung nach
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BGHZ 70, 356 ff. Hennrichs, S. 886. 478 Insbesondere liegt der für einen Vertragsschluss erforderliche Rechtsbindungswille der Agenturen für die Erbringung einer solchen Leistung nicht vor, weil es nicht in ihrem Interesse liegt, Beratungsleistungen zu erbringen, vgl. u. a. Oellinger, Die Haftung für Ratings, S. 163; Rosset, S. 25; Peters, S. 92; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2290]; Schroeter, S. 877. Die Ratingagenturen betonen in ihren standardmäßig verwendeten Vertragstexten ausdrücklich, dass es sich beim Rating um keine Anlageempfehlung handelt, Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 31. 479 Da der Schwerpunkt der Leistung somit auf der Informationsversorgung liege, und nicht auf den kaufvertraglichen Pflichten, sei der Abonnementvertrag nach dieser Ansicht als Dienstvertrag i. S. d. § 611 Abs. 1 BGB einzustufen, Rosset, S. 25; Eisen, S. 332 ff. 480 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, [205]; Schuler, S. 229. 477
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§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB ableiten481. Nach überzeugender Ansicht 482 kommt eine Sachmangelhaftung beim Abonnementvertrag daher nicht nur bei einem Mangel der körperlichen Beschaffenheit des Kaufgegenstandes483, sondern auch im Falle einer inhaltlichen Unrichtigkeit der Publikation in Betracht, sofern die inhaltlichen Fehler in der Zusammenschau ein Gewicht aufweisen, durch welches der Informationswert der Publikation insgesamt in Frage gestellt wird484. Der Annahme einer neben den Kaufvertrag tretenden vertraglichen Auskunftspflicht bedarf es – entgegen der Rechtslage nach altem Kaufrecht485 – aus den genannten Gründen nicht mehr486. Nach alledem bilden hinsichtlich des Abonnementvertrags die kaufvertraglichen Regelungen die maßgeblichen Vorschriften für eine Gewährleistung, wobei vor allem dem Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3 i. V. m. 280 Abs. 1 BGB für Mangelfolgeschäden und – in bestimmten Fällen487 – dem Anspruch auf Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB Praxisrelevanz zukommt.
481 Da der Begriff der Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 BGB weit ausgelegt werden kann, können die Parteien in eine Vereinbarung auch Umstände mit einbeziehen, die außerhalb der physischen Substanz der Sache liegen, Hennrichs, S. 885; Mühl, S. 201. Regelmäßig sprechen die hohe Wichtigkeit der inhaltlichen Richtigkeit der Bewertung für beide Parteien und der hohe Preis für ein Abonnement zum Bezug von Ratingpublikationen für eine jedenfalls konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der inhaltlichen Qualität. Für den Fall, dass eine diesbezügliche Beschaffenheitsvereinbarung nicht angenommen werden kann, eignet sich ein fehlerhaftes Rating jedenfalls nicht zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB, weil der Abonnent nur durch eine Bewertung mit hinreichender inhaltlicher Qualität die Risiken einer möglichen Anlage beziehungsweise die Schuldnerbonität zutreffend abschätzen kann und somit der Verwendungszweck der sachverständigen Information über das Ratingobjekt gewährleistet ist, Schuler, S. 229 f.; Hennrichs, S. 886. 482 Hennrichs, S. 885 f.; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, [205]; Schuler, S. 229 f.; Mühl, S. 104; a. A. Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2289 f.]. 483 Für diesen Fall (z.B. Verschmutzung der Publikation oder schlechte Qualität des Druckes) wäre ein Schadensersatzanspruch nach den Vorschriften der Sachmangelgewährleistung ohne Weiteres denkbar, Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2289]. 484 Vereinzelte, nicht schwerwiegende Fehler können hingegen die Tauglichkeit zur vertraglich vereinbarten oder vorausgesetzten Verwendung nicht grundlegend beeinträchtigen, Hennrichs, S. 885 f. 485 Vgl. zur alten Rechtslage Peters, S. 98; Schuler, S. 226 ff. 486 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, [205]; Schuler, S. 229. 487 Im Regelfall wird der Anleger einen Anspruch auf Nacherfüllung bei inhaltlicher Unrichtigkeit des Ratings nicht geltend machen (können), da das Ziel des Anlegers, namentlich der Ersatz des erlittenen Vermögensschadens, hierüber nicht erreicht werden kann. Bemerkt der Anleger hingegen die inhaltliche Unrichtigkeit des Ratings ausnahmsweise bereits bevor er seine Anlageentscheidung trifft, so kann die Geltendmachung eines Nacherfüllungsanspruchs durchaus eine Option darstellen, sofern sein Informationsinteresse und sein Vertrauen in die Ratingagentur fortbestehen. Überdies kommt ein Nacherfüllungsanspruch im Falle einer äußerlich mangelhaften Publikation in Betracht, Mühl, S. 104 f.
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(b) Weitere Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung Weist die Publikation die erforderliche äußerliche und inhaltliche Sollbeschaffenheit zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht auf488, so liegt ein Sachmangel vor, der eine Schadensersatzpflicht der Ratingagentur begründen kann, sofern sich diese nicht nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich des Vertretenmüssens entlasten kann489. Überdies darf die Gewährleistung nicht ausgeschlossen490 sein und es muss ein kausaler Schaden vorliegen, welcher der Ratingagentur zugerechnet werden kann. Als ersatzfähige Schäden kommen insbesondere Zins- und Rückzahlungsausfälle, die Erstattung von Erwerbsnebenkosten sowie der Ersatz von Kursverlusten, die bei nachträglicher Bekanntgabe eines schlechteren Ratings eingetreten sind, in Betracht 491. Zu denken ist überdies an eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens des Anlegers nach § 254 BGB. Angesichts des Umstandes, dass die Ratingagenturen in ihren Verträgen darauf hinweisen, dass das Rating eigene Untersuchungen zur Bonität des Emittenten durch den Anleger nicht obsolet macht 492 , kann insbesondere darüber nachgedacht werden, ob die Obliegenheit hierzu besteht. Das Bestehen einer solchen Obliegenheit kann im Ergebnis jedoch nur in Ausnahmefällen angenommen werden, in denen der Anleger eine Anlageentscheidung trifft, obwohl sich die Fehlerhaftigkeit des Ratings geradezu aufdrängt bzw. zumindest ernsthafte Zweifel an dessen Richtigkeit vorliegen493. Ist dies nicht der Fall, so darf ein Anleger, der das (überlegene) Spezialistenwissen der Ratingagenturen gerade käuflich erwirbt, auch auf die Richtigkeit des Ratings vertrauen494, mit der Folge, dass der Anspruch nicht wegen Mitverschuldens zu kürzen ist. (c) Haftung nach allgemeinem Schuldrecht Da die kaufvertraglichen Gewährleistungsrechte gegenüber den allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen abschließende Sonderregelungen darstellen, kommt 488 Vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen an ein Rating bereits oben die Ausführungen zu den potentiellen Fehlerquellen eines Ratings, S. 17 ff. 489 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben beim Auftragsrating, S. 46 ff. 490 Die Gewährleistung wäre ausgeschlossen, wenn der Anleger den Mangel kennt, § 4 42 BGB, bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft die Rügeobliegenheit nach § 377 HGB versäumt würde oder eine wirksame Haftungsfreizeichnung vorläge, wobei nur der zuletzt genannte Fall beim Rating praxisrelevant sein dürfte. Die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsausschlüssen und –beschränkungen wird unten im Rahmen der rechtsvergleichenden Analyse allgemein beleuchtet. Als kaufvertragliche Sondervorschrift hierzu käme bei Verbraucherverträgen § 475 BGB in Betracht. Allerdings greift diese Norm nach § 475 Abs. 3 BGB nicht bei Ausschlüssen und Beschränkungen des Anspruchs auf Schadensersatz. 491 Vgl. zu den in Betracht kommenden Schäden ausführlich Mühl, S. 105 f. 492 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2290]; Schuler, S. 234. 493 Solche Zweifel sollten insbesondere dann gegeben sein, wenn die Bewertungsmethoden der Ratingagenturen oder das einzelne Ratingergebnis in der Öffentlichkeit fundiert angezweifelt werden, Mühl, S. 106. 494 Mühl, S. 106.
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eine Haftung nach allgemeinem Schuldrecht nur außerhalb des Anwendungsbereichs des Gewährleistungsrechts in Betracht495. Eine solche Haftung ist insbesondere dann denkbar, wenn die Ratingagentur ihrer Pflicht zur laufenden Überprüfung der Bonität des Schuldners und – falls erforderlich – zur Anpassung des Ratings nicht nachkommt. Diese Pflicht besteht auch gegenüber Anlegern, weil die Ratingagentur aus dem Abonnementvertrag zur Wahrung ihrer Vermögensinteressen verpflichtet ist. Erleiden Anleger infolge einer solchen Pflichtverletzung der Ratingagentur – etwa durch eine verspätete Veräußerung von Wertpapieren – einen Vermögensschaden, so kann dieser nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ersatzfähig sein496. (d) Ergebnis zum deutschen Recht Zum deutschen Recht kann zusammenfassend festgehalten werden, dass im Falle eines Abonnementvertrages zwischen Ratingagentur und dem jeweiligen Anleger die kaufvertraglichen Regelungen für eine Gewährleistung maßgeblich sind. Letztendlich kommt dem jeweiligen Abonnenten bei der Geltendmachung eines vertraglichen Schadensersatzanspruches auch die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich des Vertretenmüssens zugute, was diese Gruppe von Anlegern von den Vertretern des allgemeinen Anlegerpublikums unterscheidet. Darüber hinaus ist ein weiterer Vorteil gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum zu nennen: Im Gegensatz zu dieser Gruppe können Abonnenten von Ratingpublikationen glaubhaft darlegen, dass sie die jeweilige Anlageentscheidung maßgeblich auf die Ratings, die Gegenstand des Abonnements sind, gestützt haben497. Dennoch erscheinen die Nachweispflichten hinsichtlich Pflichtverletzung, Kausalität und Schaden auch für Abonnenten nicht unerheblich zu sein, sodass fraglich bleibt, ob sich aus dem Abonnementvertrag in Bezug auf Haftungsansprüche tatsächlich eine Sonderstellung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum ergibt 498. (2) Nach französischem und englischem Recht Im Folgenden wird die Haftung bei Vorliegen eines Abonnementvertrages nach französischem und englischem Recht beleuchtet. Angesichts des Umstandes, dass bezüglich beider Rechtsordnungen in diesem Rechtsverhältnis ähnliche Aspekte Schuler, S. 230; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 437, Rn. 48. Da die aus dem Abonnementvertrag resultierende Pflicht zur Wahrung der Vermögensinteressen des Anlegers während der gesamten Laufzeit der Anleihe gegeben ist, kommt eine Haftung auch dann in Betracht, wenn der Abonnementvertrag nicht mehr fortbesteht. Vgl. zu dieser Pflicht im Einzelnen Schuler, S. 230 f. 497 Forschner, JSE 2012, 5, [17]. 498 Vgl. zu dem Aspekt einer potentiellen Sonderstellung der Abonnenten gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum bereits Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 476. 495
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problematisch erscheinen, werden zunächst diese Punkte für beide Rechtsordnungen zusammen herausgearbeitet (a). Im Anschluss hieran wird auf landesspezifische Aspekte eingegangen (b). (a) Gemeinsamkeiten zwischen beiden Rechtsordnungen Auch nach französischem und englischem Recht kommt bei Vorliegen eines Abonnementvertrages eine vertragliche Haftung der Ratingagenturen in Betracht. Auffällig ist, dass sowohl in der französischen als auch in der englischen Literatur die Haftung von Ratingagenturen gegenüber Abonnenten von Ratingpublikationen – soweit ersichtlich – kaum (im Falle Frankreichs) bzw. gar nicht (im Falle Englands) näher beleuchtet wird. In den wenigen Fällen, in denen dieses mögliche Haftungsverhältnis in der französischen Literatur überhaupt untersucht wird, wird darauf verwiesen, dass die Haftung gegenüber den Abonnenten wie die Haftung beim Auftragsrating vertraglicher Natur sei499. Dies lässt sich bei näherer Betrachtung jedoch dadurch erklären, dass – im Unterschied zum deutschen Recht – eine nähere Differenzierung der verschiedenen möglichen Vertragstypen für die Klärung der anwendbaren Vorschriften sowohl im französischen als auch im englischen Recht nicht erforderlich ist500. Vielmehr sind die oben für den Fall des Auftragsratings entwickelten Maßstäbe in beiden Ländern im Grundsatz auch auf die Situation des Abonnementvertrags übertragbar, sodass sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen für eine vertragliche Haftung501 als auch hinsichtlich des Verhältnisses zu einer Haftung nach den anderen in Betracht kommenden Tatbeständen auf die bereits dargestellten Grundsätze verwiesen werden kann502. (b) Spezielle Aspekte beider Rechtsordnungen Im französischen Recht ist auch im Haftungsverhältnis zwischen Abonnent und Ratingagentur insbesondere die Unterscheidung zwischen obligation de résultat und obligation de moyens von Bedeutung. Jedoch bestehen auch diesbezüglich Vgl. hierzu exemplarisch Leclerc, S. 150. Im englischen Recht ist eine solche Unterscheidung generell nicht nötig, da es hinsichtlich sämtlicher Merkmale der vertraglichen Haftung einzig auf das Vorliegen einer contractual relationship beziehungsweise eines breach of contract und nicht auf die konkrete Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses ankommt. Im französischen Recht hat dieser Aspekt demgegenüber zwar keine Auswirkung auf die Klärung der anwendbaren Vorschriften, jedoch wird die Unterscheidung im Hinblick auf die Festlegung der Maßstäbe an den Verschuldensnachweis relevant. Vgl. zur Bedeutung der typologischen Einordnung der beleuchteten Verträge und ihrer Konsequenzen für die Haftung von Ratingagenturen im Detail die Ausführungen im weiteren Verlauf dieser Arbeit, S. 133 ff. 501 Vgl. zu den Voraussetzungen im französischen Recht die Ausführungen auf S. 53 ff. Vgl. hierzu bezüglich des englischen Rechts S. 59 ff. 502 Vgl. zum Verhältnis zur deliktischen Haftung nach französischem Recht die Ausführungen auf S. 57 f. Vgl. hierzu bezüglich des englischen Rechts S. 62 f. 499
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keine Unterschiede zur Situation beim Auftragsrating: Gegenüber den Abonnementkunden stellt die Verpflichtung zur Lieferung sorgfältig erstellter, objektiver und fehlerfreier Bonitätsbeurteilungen aufgrund des Prognosecharakters von Ratings ebenfalls eine obligation de moyens dar. Dies hat zur Folge, dass die Beweislast hinsichtlich des Nachweises der faute beim jeweiligen Abonnenten liegt503. Angesichts des Umstandes, dass der Abonnent nicht in demselben Maße wie der bewertete Emittent über bonitätsrelevante Informationen des Ratingobjekts verfügt, dürfte dieser Nachweis jedoch im Vergleich zur Situation beim Auftragsrating deutlich erschwert sein. Liefert die Ratingagentur hingegen die Ratingpublikation nicht rechtzeitig, so liegt ein Verstoß gegen eine obligation de résultat vor mit der Folge, dass die Hürden hinsichtlich der Beweisführung bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches geringer sind. Im englischen Recht erscheint insbesondere die Frage problematisch, ob die inhaltliche Richtigkeit eines Ratings auch gegenüber den Abonnenten von Ratingpublikationen eine implied duty des Vertrages darstellt, oder ob nur die rechtzeitige und äußerlich mangelfreie Lieferung der Publikation an sich versprochen wird. Für den Fall, dass die erstgenannte Variante zutrifft, was vor allem angesichts des hohen Preises für das Abonnement sachgerecht erscheint, sind die oben für das Auftragsrating dargestellten Grundsätze vollständig auf das Abonnementverhältnis übertragbar. Wie bereits erwähnt, bestehen aufgrund des erschwerten Informationszugangs seitens der Abonnenten im Verhältnis zur Situation des Emittenten im Falle eines Auftragsratings sogar noch erhöhte Beweisschwierigkeiten. (3) Zusammenfassung der Ergebnisse zur Haftung bei Vorliegen eines Abonnementvertrages Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Haftung bei Vorliegen eines Abonnementvertrages in den untersuchten Ländern in sehr unterschiedlicher Intensität diskutiert wird. Im deutschen Recht wurde auch dieses Haftungsverhältnis bereits frühzeitig umfassend beleuchtet, in den anderen beiden Ländern hingegen kaum bzw. gar nicht. Letztendlich erscheinen in allen drei Ländern wesentliche Aspekte, die oben bereits zum Auftragsrating herausgearbeitet wurden, auf die Situation bei Vorliegen eines Abonnementvertrages übertragbar. In England und Frankreich ist dies allerdings in größerem Umfang der Fall als in Deutschland, weil nach deutschem Recht die typologische Einordnung des Ratingvertrags anders zu beurteilen ist als die Einordnung des Abonnementvertrages. Dies hat zur Folge, dass sich die anwendbaren Haftungsvorschriften in Deutschland bei den beiden genannten Vertragsverhältnissen unterscheiden, wohingegen in England und Frankreich sowohl beim Rating- als auch beim Abonnementvertrag dieselben Grundsätze gelten. Insgesamt sind die Hürden für eine erfolgreiche Geltendma503
Leclerc, S. 153.
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chung eines Haftungsanspruchs aber in allen drei Ländern auch in diesem Rechtsverhältnis als relativ hoch anzusehen, weshalb abzuwarten bleibt, ob den Abonnementkunden aufgrund ihres Vertragsverhältnisses zur Ratingagentur tatsächlich eine Sonderstellung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum zukommt. Das zuletzt genannte Haftungsverhältnis wird im Folgenden näher beleuchtet. bb) Gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum Gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum stellt sich die Haftungssituation von Ratingagenturen in den drei untersuchten Ländern folgendermaßen dar: (1) Nach deutschem Recht Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum gestaltet sich nach deutschem Recht wie folgt: (a) Stillschweigender Abschluss eines Auskunftsvertrages Zwischen dem allgemeinen Anlegerpublikum und den Ratingagenturen besteht keine direkte geschäftliche Beziehung, sodass ein ausdrücklicher Vertragsschluss in diesem Rechtsverhältnis nicht gegeben ist. In der Literatur wird jedoch eine mögliche Übertragung der Rechtsprechung des BGH zum Abschluss eines stillschweigenden Auskunftsvertrages auf die vorliegende Situation diskutiert, auf deren Grundlage eine vertragliche Haftung der Ratingagenturen denkbar wäre504. Im Ausgangspunkt ist die Annahme eines Auskunftsvertrages im Falle des Ratings durchaus naheliegend, weil Ratings sehr großflächig gegenüber jedermann über die Medien publiziert werden und so gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum durchaus als „Auskünfte“ über die Bonität des Emittenten angesehen werden können505. Mehrere Aspekte, die nach der Rechtsprechung für die Annahme eines solchen stillschweigenden Auskunftsvertrages sprechen506, sind vorliegend auch erfüllt, da Ratingagenturen als Experten für Bonitätsanalysen eine besondere Sachkunde aufweisen und sich der Tatsache bewusst sind, dass ihre Ratings Anlegern als wichtige Entscheidungshilfe für Schuler, S. 231 ff.; Eisen, S. 342 ff.; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2290]. Schuler, S. 231 f. Sofern die Voraussetzungen für eine Übertragbarkeit erfüllt wären, könnte die Publikation der Ratings ein Angebot zum Abschluss eines stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrages darstellen, § 145 BGB. Die Annahmeerklärung seitens der Anleger läge dann darin, dass der jeweilige Anleger das Rating seiner Investitionsentscheidung zu Grunde legt und so „von der Auskunft Gebrauch macht“, § 151 BGB, Eisen, S. 343. 506 Letztendlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung hinsichtlich der Frage erforderlich, ob beide Parteien nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung gemacht haben, BGH NJW 1992, 2080, [2082]; BGH NJW 1973, 321, [322 f.]; Eisen, S. 342; Schuler, S. 233. 504 505
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deren Kapitalanlage dienen507. Zudem verfolgen die Ratingagenturen mit der großflächigen medialen Publikation von Ratings auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse, weil sie hierdurch die Nachfrage nach ihren Bewertungen seitens der zahlenden Emittenten steigern können508. Es fehlt jedoch in der vorliegenden Konstellation an einer entscheidenden Voraussetzung für die Annahme eines stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrages, namentlich einer „(un)mittelbaren Fühlungnahme“ in Form eines wenigstens mittelbaren Auskunftskontaktes zwischen Ratingagentur und Anleger509. Diese Voraussetzung ist in der vorliegenden Konstellation auch nicht entbehrlich, da kein „Auskunftsvertrag für jeden, den es angeht“ angenommen werden kann. Zum einen ist hinsichtlich der Bejahung dieses Merkmals insgesamt Zurückhaltung geboten510. Zum anderen muss dies im vorliegenden Fall umso mehr gelten als Ratingagenturen stets darauf hinweisen, dass ihre Einschätzungen keinen Ersatz für eigene Untersuchungen seitens der Anleger darstellen, somit nicht die alleinige Grundlage der Investitionsentscheidung bilden (sollen)511. Hinzu kommt, dass eine solche Haftung ein enormes Haftungspotential512 für die Ratingagenturen birgt, für welches diese keine Gegenleistung erhalten. Aus den genannten Gründen kommt eine vertragliche Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum auch über die Annahme eines stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrages im Ergebnis nicht in Betracht. (b) Deliktische Haftung Da die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Ratingagenturen in dieser Konstellation nicht gegeben sind, ist auch gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum insbesondere eine deliktische Haftung der Ratingagenturen zu prüfen513. Hierbei kommen grundsätzlich eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB, eine 507 Voraussetzung für die Annahme eines stillschweigenden Auskunftsvertrages ist nach der Rechtsprechung zum einen, dass für den Auskunftgeber objektiv erkennbar ist, dass die in einer Auskunft enthaltenen Informationen für den Empfänger von erheblicher Bedeutung sind und zur Grundlage einer wesentlichen Vermögensverfügung gemacht werden sollen. Zum anderen spricht auch eine besondere Sachkunde des Auskunftgebers für die Annahme eines solchen Vertragsschlusses, BGHZ 7, 371, [374]; BGH NJW 1989, 2882, [2884]; Eisen, S. 343; Schuler, S. 233. 508 Schuler, S. 234. 509 Da die Anleger von dem Rating in der Regel aus den Medien erfahren, fehlt jedweder geschäftliche Kontakt zwischen Ratingagentur und dem allgemeinen Anlegerpublikum, sodass nicht einmal ein mittelbarer Auskunftskontakt gegeben ist, Eisen, S. 343 f.; Schuler, S. 234. 510 BGH NJW 1973, 321, [323]; Schuler, S. 233; Eisen, S. 344. 511 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2290]; Schuler, S. 234. 512 Eisen, S. 344. 513 Überdies wäre grundsätzlich im Falle eines fehlerhaften veröffentlichten Ratings an einen Anspruch aus Prospekthaftung nach § 21 WpPG zu denken. Die Voraussetzungen dieser Norm sind jedoch in der vorliegenden Konstellation nicht erfüllt. § 21 Abs. 1 Nr. 1 WpPG scheitert daran, dass die Agenturen nach außen keine Verantwortung für den jeweiligen Prospekt
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Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz und eine Haftung nach § 826 BGB in Betracht. In der Praxis greift jedoch auch gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum nur selten einer der genannten Haftungstatbestände. Eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB scheitert daran, dass keine Rechtsgutsverletzung im Sinne der Vorschrift vorliegt. Durch ein fehlerhaftes Rating wird keines der in der Vorschrift explizit genannten Rechtsgüter verletzt514, sodass allenfalls die Verletzung eines sonstigen Rechtes möglich erscheint. In Betracht käme diesbezüglich in der vorliegenden Konstellation nur die Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des jeweiligen Anlegers. Eine solche ist jedoch im Ergebnis ebenfalls zu verneinen: Gesetzt den Fall, dass ein eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb im konkreten Einzelfall auf Seiten des Anlegers überhaupt besteht, greift die Ratingagentur mit der Erstellung eines fehlerhaften Ratings jedenfalls nicht spezifisch und unmittelbar in diesen Betrieb ein515. Im Ergebnis unterscheidet sich somit die Bewertung in Bezug auf eine mögliche Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum im Vergleich zur Bewertung im Falle der Haftung gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings, da im zuletzt genannten Rechtsverhältnis – wie gezeigt – ein betriebsbezogener Eingriff angenommen werden kann516. Von einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz würden zwar auch reine Vermögensschäden umfasst, jedoch ist eine Haftung nach dieser Vorschrift vorliegend nur in Ausnahmefällen denkbar: Als Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB kämen zum einen die Betrugstatbestände der §§ 263, 264a StGB, zum anderen die Normen der Ratingverordnung in Betracht. Jedoch wird eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. den Betrugstatbeständen in aller Regel daran scheitern, dass sowohl § 263 StGB als auch § 264a StGB Vorsatz voraussetzen, weshalb diese Normen im Regelfall eines fahrlässig erstellten fehlerhaften Ratings nicht greifen517. Für eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. den Normen der Ratingverordnung wäre erforderlich, dass die Normen dieser Verordnung als Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden könnten. Damit dies übernehmen, mithin keine Stellung als „Prospektverantwortliche“ innehaben, weil sie lediglich das Material für die Prospekterstellung liefern, ohne den Prospekt zu unterschreiben, Lemke, S. 72 und Haar, NZG 2010, 1281, [1282], jeweils zu der mit § 21 WpPG wortgleichen Vorgängerregelung des ex. § 44 BörsG beziehungsweise zu ex. § 45 BörsG. Überdies ist auch § 21 Abs. 1 Nr. 2 WpPG im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die Herausgabe des Prospektes nicht von den Ratingagenturen ausgeht. Hierfür wäre erforderlich, dass die Ratingagenturen seine „tatsächlichen Urheber“ wären und ein „eigenes geschäftliches Interesse an der Emission“ hätten, was jedoch nicht der Fall ist, Lemke, S. 72 f.; Haar, NZG 2010, 1281, [1283]. 514 Insbesondere liegt keine Eigentumsverletzung vor, denn hierfür wäre eine Einwirkung auf die Sache in Gestalt einer Substanzverletzung, Sachentziehung, Gebrauchsbeeinträchtigung o. ä. erforderlich, Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 7. 515 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2386]. 516 Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen oben, S. 6 4 ff. Vgl. zu dieser Bewertung bereits Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 476. 517 Lemke, S. 76.
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der Fall ist, müssten diese Vorschriften dem einzelnen Anleger Drittschutz vermitteln und nicht nur dem allgemeinen Verbraucher- und Anlegerschutz dienen518. Um diese Frage beantworten zu können, müssen zwei Zeiträume unterschieden werden: die Zeit vor und nach dem Inkrafttreten der RatingVO 2013. Da es sich bei den Normen der RatingVO 2009 und 2011 primär um aufsichtsrechtliche Vorschriften handelte, war ein drittschützender Charakter zu dieser Zeit nur bei wenigen Normen wie beispielsweise Art. 10 Abs. 5 Unterabs. 2 RatingVO 2009519 anzunehmen520. Etwas anderes könnte jedoch gelten, seitdem in Art. 35a RatingVO 2013 für Verstöße i. S. d. Anhangs III der Verordnung ein Schadensersatzanspruch zugunsten von Anlegern normiert ist. Diese harmonisierte Haftungsvorschrift könnte zu einer Überlagerung der Wertungen des nationalen Zivilrechts und zu einer Begründung einer Schutzgesetzeigenschaft bestimmter Vorschriften der RatingVO 2013 führen. Eine genauere Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung erfolgt im Rahmen der Analyse des Zusammenspiels der nationalen Regelungen mit dem harmonisierten Haftungstatbestand des Art. 35a RatingVO 2013521, weshalb an dieser Stelle auf eine weitere Ausführung dieses Aspekts verzichtet wird. Für einen Haftungsanspruch nach § 826 BGB ist eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des jeweiligen Anlegers durch die Ratingagentur erforderlich. Aufgrund dieser hohen Anforderungen reicht ein fehlerhaftes Rating allein nicht aus, um eine Haftung nach der genannten Vorschrift zu bejahen. Vielmehr greift dieser Anspruch – wie bereits im Verhältnis zwischen Emittent und Ratingagentur – nur in den Ausnahmefällen, in denen zum fehlerhaften Rating an sich noch ein weiteres Fehlverhalten der Ratingagentur hinzutritt522. Dies wäre etwa bei einer missbräuchlichen Funktionalisierung des Ratings denkbar. Eine Funktionalisierung des Ratings liegt vor, wenn es primär der Schädigung der hierauf vertrauenden Anleger und nicht mehr der Meinungsbildung der Marktteilnehmer dient523. Ein sittenwidriges Verhalten der Ratingagentur wäre beispielsweise bei Vorliegen eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Emittent und Ratingagentur zu bejahen524: Ein solches könnte beispielsweise darin bestehen, dass in Absprache mit dem auftraggebenden Emittenten ein bewusst fehlerhaftes (in aller Regel zu posiBerger/Stemper, WM 2010, 2289, [2293]; Wojcik, NJW 2013, 2385, [2386]. In diesem Artikel ist die Pflicht der Ratingagenturen, auftragslose Ratings entsprechend zu kennzeichnen, geregelt. 520 Vgl. zu dieser Einschätzung bereits Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2293]. 521 Vgl. hierzu im Detail S. 202 ff. 522 Hinzu kommt, dass bei dieser Norm ein im Vergleich zum Normalfall der fahrlässigen Haftung nochmals erhöhtes Nachweisproblem besteht, da der Anleger auch die Sittenwidrigkeit des schädigenden Verhaltens und den erforderlichen Eventualvorsatz nachweisen muss, was zur Folge hat, dass ein solcher Beweis in der Praxis kaum erfolgreich geführt werden dürfte, Wojcik, NJW 2013, 2385, [2386]. 523 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2293]. 524 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2293]; Lemke, S. 77 f.; Berger/Ryborz, WM 2014, 2241, [2243]; Lemke, Handbuch Rating, S. 623. 518
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tives) Rating veröffentlicht wird, um die Anleger über die tatsächliche Bonität des Emittenten zu täuschen525. (c) Dritthaftung der Ratingagenturen Angesichts des Umstandes, dass für den Normalfall einer fahrlässigen Fehlbeurteilung der Ratingagenturen nach deutschem Recht gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum im Regelfall keiner der untersuchten Haftungstatbestände greift, wird in der Literatur diskutiert, ob eine Dritthaftung der Ratingagenturen denkbar ist. Konkret geht es hierbei um die Frage, ob eine Haftung der Ratingagenturen über die Einbeziehung der Anleger in den Schutzbereich des Ratingvertrages zwischen Ratingagentur und Emittent, oder eine Haftung aus culpa in contrahendo (c.i.c.) nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 S. 1 bzw. S. 2, 241 Abs. 2 BGB denkbar ist, was im Folgenden näher untersucht wird. (aa) Nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Damit ein Anleger in den Ratingvertrag zwischen Ratingagentur und Emittent einbezogen wird und ihm in der Folge ein eigener vertraglicher Schadensersatzanspruch526 gegenüber der Ratingagentur nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter527 zusteht, müssen folgende vier Voraussetzungen528 gegeben sein: Leistungsnähe, Gläubigernähe, Erkennbarkeit sowie Schutzbedürftigkeit des Anlegers529. Leistungsnähe liegt nach der Rechtsprechung des BGH dann vor, wenn der Dritte bestimmungsgemäß mit der vertraglichen Hauptleistung in Berührung kommt, sodass ihn die Verletzung von Vertragspflichten genauso treffen kann wie den Gläubiger – ein nur zufälliger Kontakt des Dritten mit der Hauptleistung Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2293]; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, [206]. Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 328, Rn. 19; BGHZ 49, 351, [353]; BGHZ 51, 91, [96]; Eisen, S. 346. 527 Das Institut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist dem Bereich zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung zuzuordnen, Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, [664]. Hinsichtlich der prinzipiellen Anerkennung dieses Rechtsinstituts und hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Einbeziehung herrscht weitgehend Einigkeit, die rechtsdogmatische Verortung ist hingegen umstritten. Da diese Frage für die weitergehende rechtsvergleichende Untersuchung von untergeordneter Bedeutung ist, wird hierauf nicht näher eingegangen. Vgl. zu den hierzu vertretenen Ansichten Schuler, S. 238 f. 528 Ziel dieser Kriterien ist es, den vom Schutzbereich umfassten Personenkreis eng zu halten, damit lediglich die bestehenden Unzulänglichkeiten der deliktischen Haftung nach deutschem Recht beseitigt werden, die Haftung für den Schuldner nicht unkalkulierbar wird und durch dieses Rechtsinstitut keine solch umfassende Haftung eingeführt wird, die einer deliktsrechtlichen Generalklausel gleichkäme, Eisen, S. 348; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 328, Rn. 13 und 16. 529 BGH NJW 1968, 885, [887]; BGH NJW 1996, 2927, [2929]; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 328, Rn. 13 und 16. 525
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reicht hierfür nicht aus530. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben, denn ein Rating wird maßgeblich auch für Anleger erstellt, damit sie die zukünftige Kreditwürdigkeit des Emittenten abschätzen können. Überdies dient das Rating auch der Finanzierung des Emittenten auf dem Kapitalmarkt: Ohne eine Nutzung des Ratings seitens der Anleger könnte diese Funktion, welche zumindest stillschweigend auch dem Ratingvertrag zugrunde liegt, nicht erfüllt werden531. Das Merkmal der Gläubigernähe ist dann zu bejahen, wenn der Emittent als Gläubiger ein besonderes Interesse an der Einbeziehung des Anlegers hat532. Hinsichtlich der Frage, ob diese Voraussetzung vorliegend gegeben ist, herrscht in der Literatur Uneinigkeit. Insbesondere wird hierbei diskutiert, ob die Gegenläufigkeit der Interessen von Anlegern und Emittent – Anleger sind an einem verlässlichen und konservativen Urteil über das Ausfallrisiko interessiert, wohingegen der Emittent Interesse an einer möglichst positiven Bewertung hat533 – zur Verneinung des Vorliegens dieser Voraussetzung führen534. Überwiegend wird hierbei jedoch entsprechend der Rechtsprechung zur Expertenhaftung bei beratenden Berufen535 vertreten, dass die Gegenläufigkeit der Interessen der Annahme des Merkmals der Gläubigernähe nicht entgegenstehe536. Dies erscheint auch überzeugend, weil das Rating von Personen erstellt wird, die über eine besondere Sachkunde verfügen und es als neutrale und Vertrauen erweckende Äußerung üblicherweise den Anlegern vorgelegt wird, damit sie das Rating als Grundlage für ihre Investitionsentscheidung nutzen können537. Hinzu kommt, dass Emittent und Anleger nur scheinbar divergierende Interessen haben, da letztendlich ein objektives, verlässliches und wirklichkeitsnahes Rating für beide Parteien von Interesse ist538. 530 BGH NJW 1968, 885, [887]; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 328, Rn. 17; Gottwald, in: MüKo BGB, Band 2, § 328 Rn. 178. 531 Eisen, S. 348 und 226; Rosset, S. 30. 532 Früher hat die Rechtsprechung hierbei gefordert, dass der Gläubiger für das „Wohl und Wehe“ des Dritten mitverantwortlich ist, ihn mithin eine Fürsorgepflicht trifft, BGHZ 51, 91, [96]. Eine Begrenzung auf solche Näheverhältnisse wird jedoch in der neueren Rechtsprechung als zu eng angesehen. Es reicht nunmehr auch aus, wenn der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich ein besonderes Interesse hat und der Vertrag dahingehend ausgelegt werden kann, dass die Schutzwirkungen des Vertrages in Anerkennung dieses Interesses auf den Dritten ausgedehnt werden sollen, BGH NJW 2012, 3165, [3167]; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 328, Rn. 17a; Gottwald, in: MüKo BGB, Band 2, § 328, Rn. 179 f. 533 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2291]. 534 Schuler und Kontogeorgou beispielsweise sind der Ansicht, dass es aufgrund der Gegenläufigkeit der Interessen von Emittent und Anlegern an einem zumindest hypothetischen Parteiwillen zur Einbeziehung der Anleger seitens des Emittenten fehle, Schuler, S. 244 f.; Kontogeorgou, DStR 2014, 1397, [1401]. 535 BGH NJW 2001, 3115, [3116]; Gottwald, in: MüKo BGB, Band 2, § 328, Rn. 182. 536 Eisen, S. 349; Rosset, S. 31; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2291]; Haar, NZG 2010, 1281, [1283]; Peters, S. 113. 537 Eisen, S. 349 f. 538 Das Interesse eines Emittenten an einem zu hohen Rating ist nur vordergründig vorhanden, weil ein solches mit dem Folgerisiko einer wegen Zahlungsstörungen notwendig werden-
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Eine weitere Voraussetzung für die Einbeziehung des Anlegers in den Vertrag zwischen Ratingagentur und Emittent stellt das Merkmal der Erkennbarkeit dar. Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Kreis der vom Schutzbereich eines Vertrages umfassten Dritten für den Schuldner erkennbar sein, damit er sein Haftungsrisiko kalkulieren und dieses versichern kann539. Ist dies nicht der Fall, so ist dem Schuldner die Einbeziehung des Dritten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des Vertragszwecks unzumutbar540. Die Frage, ob diese Voraussetzung für Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum gegeben ist, war – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung. In der Literatur ist dieser Punkt höchst umstritten: Problematisch gestaltet sich hierbei insbesondere der Aspekt, dass der Kreis potentieller Anspruchsteller im Falle des allgemeinen Anlegerpublikums für die Ratingagentur unüberschaubar erscheint: Da die Ratings von einer Vielzahl von Personen wahrgenommen werden541, die Anzahl potentieller Gläubiger grundsätzlich unbegrenzt ist542 und die Ratingagentur den Nutzer- und Anlegerkreis nicht kontrollieren kann543, sprechen gewichtige Argumente gegen eine Einbeziehung aller Anleger des allgemeinen Anlegerpublikums in den Schutzbereich des Ratingvertrags zwischen Ratingagentur und Emittent. Betrachtet man jedoch die bisherige Rechtsprechung des BGH zu vergleichbaren Fällen der Gutachterhaftung, so fällt – wie Eisen bereits zutreffend herausarbeitet – auf, dass diese Aspekte lediglich eine untergeordnete Rolle spielen544: Entscheidend ist vielmehr, ob durch die Einbeziehung des Dritten das Haftungsrisiko für die Ratingagentur unkalkulierbar wird, was dann der Fall ist, wenn eine nachträgliche summenmäßige Erhöhung der Haftung eintritt545. Angesichts dieses Maßstabes scheint es den Herabstufung behaftet ist, sodass nur durch ein objektives Rating ein nachhaltiger Markterfolg gewährleistet ist, Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2290 f.]; Rosset, S. 31. 539 BGHZ 49, 350, [354]; BGHZ 133, 168, [173]. 540 Schuler, S. 247; BGH NJW 2004, 3035, [3038]. 541 Die Ratingagentur kann nach der Veröffentlichung eines Ratings nicht mehr kontrollieren, wer hierauf Zugriff hat, denn Ratings werden gegenüber der Allgemeinheit publiziert (Charakter eines public good), Eisen, S. 356; Schuler, S. 248. 542 Zwar ist an eine selektive Weitergabe der Ratings zu denken, wodurch der Kreis potentieller Anleger begrenzt und überschaubar gehalten werden könnte, jedoch würde eine solche dem Interesse des Emittenten an einer möglichst weiten Verbreitung innerhalb des allgemeinen Anlegerpublikums zuwiderlaufen und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts beeinflussen, Schuler, S. 248 f. 543 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2386]. Eine zumindest objektive Abgrenzbarkeit des Personenkreises wäre zu erreichen, indem man den Drittschutz auf Ersterwerber der bewerteten Emission begrenzen würde, die Anzahl an Investoren bliebe jedoch trotz einer solchen Begrenzung weiterhin kaum überschaubar, Peters, S. 114; Schuler, S. 247. 544 Insbesondere steht die fehlende Individualisierbarkeit der einzelnen Anleger einer Einbeziehung nicht im Wege, da Anzahl oder Namen der zu schützenden Dritten nach der Rechtsprechung zu Wertgutachten nicht bekannt sein müssen und es genügt, dass die Ratingagentur weiß, dass das Rating auch für den einzubeziehenden Dritten bestimmt ist, Eisen, S. 351; Schuler, S. 247; Rosset, S. 32; BGH NJW 1984, 355, [355]. 545 BGHZ 159, 1, [10]; Eisen, S. 351 f.
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wahrscheinlich, dass die Rechtsprechung hinsichtlich der Bewertung des Merkmals der Erkennbarkeit im Falle des Ratings zwischen Emissions- und Emittentenratings unterscheiden würde: Bei Emissionsratings ist das Haftungsrisiko von Anfang an auf die beitragsmäßige Höhe der Emission begrenzt546, unbekannt ist lediglich, auf wie viele Anleger sich dieses Risiko verteilt. Dies ist jedoch nach den genannten Maßstäben unschädlich, weil die Ratingagentur aus der beitragsmäßigen Höhe das Haftungsrisiko kalkulieren kann547. Im Gegensatz hierzu wäre bei Emittentenratings demnach keine Erkennbarkeit gegeben: Da sich Emittentenratings auf die allgemeine Fähigkeit eines Emittenten beziehen, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, mithin kein Bezug zu einer konkreten Emission besteht, sind die Haftungsrisiken bei solchen Ratings für die Ratingagenturen nicht kalkulierbar548. Die Annahme einer derart weiten Haftung gegenüber sämtlichen Anlegern im Falle eines Emissionsratings wird von der Literatur zu Recht in mehrfacher Hinsicht kritisiert: Insbesondere führt dies im Ergebnis zur Schaffung einer Generalklausel für primäre reine Vermögensschäden, wodurch die Grenzen zwischen Vertrags- und Deliktshaftung verwischt werden549. Überdies wird hierdurch der Grundgedanke der oben genannten Kriterien des Instituts des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, namentlich den Kreis der von dem Schutzbereich umfassten Personen eng und abgrenzbar zu halten550, unterlaufen. Auch wenn es aufgrund der vorgebrachten Argumente vorzugswürdig erscheint, die Erkennbarkeit auch im Falle des Emissionsratings zu verneinen, scheint die Rechtsprechung des BGH diesbezüglich einen anderen Weg vorzuzeichnen. Wie bereits erläutert, stellt die vierte und letzte Voraussetzung für die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrages seine Schutzbedürftigkeit dar. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dieses Merkmal gegeben, wenn der Dritte über keine eigenen inhaltsgleichen vertraglichen Ansprüche551 – gleich gegen wen gerichtet – verfügt552. Im Falle des allgemeinen Anlegerpublikums ist dies grundsätzlich der Fall, da keine unmittelbare Vertragsbeziehung zur Ratingagentur besteht und im Regelfall auch gegenüber anderen Beteiligten keine solchen Ansprüche gegeben sind. Es kann jedoch im Einzelfall ein inhaltsgleicher vertraglicher Anspruch gegen den Emittenten bestehen, welcher die Schutzbedürftigkeit nach diesen Grundsätzen entfallen ließe553. 546 In den Fällen, in denen sich nach Vertragsschluss das Haftungsrisiko verändert, liegt jedoch konsequenterweise keine Erkennbarkeit vor: Eisen, S. 352 f.; Rosset, S. 32. 547 Eisen, S. 352 f.; Rosset, S. 32. 548 Eisen, S. 353. 549 Eisen, S. 355; Rosset, S. 32 f. 550 Eisen, S. 355; Rosset, S. 32 f. Siehe zum Grundgedanken der Haftung bereits Fußnote 528. 551 Aus diesem Grund kann eine Einbeziehung von Anlegern in den Schutzbereich des Ratingvertrags nur außerhalb eines Abonnementvertrages angenommen werden, Schuler, S. 241. 552 BGHZ 70, 327, [330]; BGHZ 133, 168, [173]; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 328, Rn. 18. 553 Vgl. hierzu auch Rosset, S. 33, der sich mit guten Gründen gegen ein Entfallen des
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Insgesamt sprechen – wie gezeigt – gute Gründe dafür, die Einbeziehung des allgemeinen Anlegerpublikums in den Schutzbereich des Ratingvertrages zwischen Ratingagentur und Emittent generell zu verneinen, die bisherige Rechtsprechung des BGH zu ähnlich gelagerten Fällen lässt jedoch eine Tendenz dahingehend erkennen, einen solchen Anspruch des allgemeinen Anlegerpublikums im Falle des Emissionsratings anzunehmen. (bb) Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 S. 1 bzw. S. 2, 241 Abs. 2 BGB Als weiterer potentieller Anknüpfungspunkt für eine Haftung der Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum wird im deutschen Schrifttum eine Haftung aus culpa in contrahendo (c.i.c.) nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 S. 1 bzw. S. 2, 241 Abs. 2 BGB diskutiert. Grundlage dieser Überlegung bildet die Annahme, dass die von Ratingagenturen durchgeführten Ratings eine wichtige Basis für die Investitionsentscheidung des Anlegers und damit für das Zustandekommen des Darlehensvertrages zwischen Emittent und Anleger darstellen554. Dogmatisch besteht zu der im vorherigen Abschnitt beleuchteten Haftung der Unterschied, dass hierbei nicht das Vertragsverhältnis zwischen Emittent und Ratingagentur den Anknüpfungspunkt der Haftung bildet, sondern das direkte gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem allgemeinen Anlegerpublikum und der Ratingagentur555. Gemäß § 311 Abs. 3 S. 1 BGB kann ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Dies ist nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB insbesondere dann zu bejahen, wenn der Dritte556 in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Diese sog. Sachwalterhaftung war von der Rechtsprechung entwickelt worden und ist im Zuge der Schuldrechtsreform in das BGB integriert worden557. Erfasst werden sollen hiervon nach der Gesetzesbegründung in erster Linie Sachverständige und andere „Auskunftspersonen“, die kein wirtschaftliches EigeninSchutzbedürfnisses im Falle des Bestehens eines inhaltsgleichen vertraglichen Anspruchs gegen den Emittenten ausspricht und stattdessen ein Wahlrecht des geschädigten Anlegers hinsichtlich der Geltendmachung des Anspruchs im Außenverhältnis gemäß § 421 BGB befürwortet. Schließlich kommt es für den Geschädigten häufig darauf an, gerade den Gefahrverursacher in die Haftung zu nehmen; vgl. hierzu entsprechend auch für den Fall der Gutachterhaftung Pinger/Behme, JuS 2008, 675, [677]. 554 Schuler, S. 250. 555 Haar, NZG 2010, 1281, [1283]; Eisen, S. 359; Pinger/Behme, JuS 2008, 675, [678]; Schuler, S. 250. 556 Der Begriff des „Dritten“ im Sinne dieser Vorschrift unterscheidet sich vom Verständnis des „Dritten“ im Rahmen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und vom verwendeten Begriff in dieser Arbeit, weil im Rahmen des § 311 Abs. 3 S. 1 BGB nicht die Geschädigten gemeint sind, sondern die Ratingagenturen, Schuler, S. 250. 557 BT-Drucks. 14/6040 v. 14.05.2001, S. 163; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 311, Rn. 60; Schuler, S. 252.
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teresse am Vertragsschluss haben558. Grundlage dieser Haftung bildet die Annahme, dass der Vertragspartner sich bei Vertretern des genannten Personenkreises aufgrund der besonderen Sachkunde auf ihre Neutralität und Objektivität verlässt, sofern sie den Vertragsschluss erheblich beeinflusst haben559. Nach der Rechtsprechung des BGH werden die Voraussetzungen dieser Norm restriktiv gehandhabt560: Der Dritte muss demnach durch sein Verhalten dem anderen Teil gegenüber eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität des Geschäftes, somit für das Zustandekommen und die Erfüllung des Vertrages, bieten561. In subjektiver Hinsicht muss der Dritte das ihm entgegengebrachte Vertrauen „in Anspruch nehmen“, mithin den Willen dazu haben, dass der Geschützte ihm die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt562. Hierbei ist es nicht entscheidend, ob der Dritte einen solchen Willen tatsächlich besitzt, sondern es kommt vielmehr darauf an, ob der Vertrauende dies nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB annehmen durfte563. Überträgt man diese Voraussetzungen auf die vorliegende Konstellation, so ist nach überzeugender Ansicht in der Literatur eine Haftung der Ratingagenturen auf dieser Basis denkbar564. Zum einen geht das Vertrauen, welches die Anleger den Ratingagenturen entgegenbringen, über das „normale“ Verhandlungsvertrauen hinaus, denn das Rating beeinflusst die Investitionsentscheidung des Anlegers in erheblichem Maße565: Der Umstand, dass nicht die Ratingagentur „persönlich“, sondern ihre besondere berufliche Sachkunde den Bezugspunkt des Vertrauens bildet, steht einer solchen Haftung nicht entgegen566. Zum anderen ist auch das Merkmal der Inanspruchnahme des Vertrauens gegeben, weil die Ratingagentur möchte, dass der jeweilige Anleger ihrer Bonitätsanalyse Glauben schenkt – schließlich hängt der eigene wirtschaftliche Erfolg der Agentur maßgeblich von ihrer Reputation und vom Vertrauen der Anleger in die Qualität ihrer Ratings ab567. BT-Drucks. 14/6040 v. 14.05.2001, S. 163; Schuler, S. 252. Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 311, Rn. 63; Emmerich, in: MüKo BGB, Band 2, § 311, Rn. 191; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2292]; Schuler, S. 250. 560 So beispielsweise gegenüber Insolvenzverwaltern BGH NJW-RR 2005, 1137 f.; Emmerich, in: MüKo BGB, Band 2, § 311, Rn. 191; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2292]. 561 BGH NJW 1997, 1233, [1234]; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2292]; Schuler, S. 252 f. 562 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2292]; Schuler, S. 253. 563 Schuler, S. 253; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2292]. 564 Schuler, S. 254; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2292]; a. A. Eisen, S. 360; Rosset, S. 34 f. 565 Schuler, S. 254; Peters, S. 119 f. 566 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2292]; Schuler, S. 254. 567 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2292]; Schuler, S. 256. Der Umstand, dass Ratingagenturen keine Anlageempfehlungen aussprechen (möchten), steht der Bildung eines Anlegervertrauens nicht entgegen, da die Bereitstellung subjektiver Empfehlungen nicht erforderlich ist, vielmehr reicht die Bereitstellung neutraler Informationen für eine Haftung nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB aus, Schuler, S. 255 f. 558 559
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Zwar kann eine Haftung, wie soeben gezeigt, dem Grunde nach durchaus gegeben sein, problematisch dürfte sich jedoch in der Praxis auch hier die Anspruchsdurchsetzung erweisen: Der Beweis, dass gerade das der Sachkunde der Ratingagentur entgegengebrachte besondere Vertrauen die Anlageentscheidung maßgeblich beeinflusst hat und das Rating hierbei nicht nur einen Einflussfaktor unter vielen dargestellt hat, ist sicherlich nicht leicht zu führen568. Neben dieser nunmehr in § 311 Abs. 3 S. 2 BGB kodifizierten Fallgruppe der Sachwalterhaftung ist in der vorliegenden Konstellation zusätzlich an die Fallgruppe des unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses zu denken, die unter § 311 Abs. 3 S. 1 BGB eingeordnet wird569. Im Ergebnis sind die Voraussetzungen einer solchen Haftung im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt, da die Ratingagenturen von dem individuellen Vertragsschluss zwischen Emittent und Anleger nicht unmittelbar profitieren. Ein nur mittelbares Eigeninteresse der Agenturen dergestalt, dass ein solcher Vertragsschluss dazu führt, dass die Emittenten die Leistung der Ratingagentur auch künftig in Anspruch nehmen, reicht hierfür nicht aus570. (cc) Zusammenfassung der Ergebnisse Da bisher zur Frage der Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum – soweit ersichtlich – weder Rechtsprechung existiert, noch eine herrschende Ansicht in der deutschen Literatur ausgemacht werden kann, besteht bezüglich dieses Rechtsverhältnisses insgesamt eine große Rechtsunsicherheit571. Nach hier vertretener Auffassung ist eine Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum für fahrlässige Falschbeurteilungen im Rahmen des Emittentenratings im Regelfall allenfalls nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 S. 2 BGB möglich, sofern die Beweisführung im Einzelfall gelingt. Im Falle des Emissionsratings hingegen scheint als Folge bisheriger Entscheidungen zu ähnlich gelagerten Fällen auch eine Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter denkbar, sodass sich die Frage nach dem Verhältnis beider Ansprüche stellt. Diese Frage wird in der Literatur – soweit ersichtlich – für den speziellen Fall der Haftung von Ratingagenturen nicht behandelt. Stimmig erscheint es, entsprechend der vergleichbaren Fallgruppe der Wojcik, NJW 2013, 2385, [2387]; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2292 f.]. Diese Fallgruppe ist trotz der im Gegensatz zur Sachwalterhaftung fehlenden positivgesetzlichen Regelung weiterhin anwendbar, weil § 311 Abs. 3 BGB weder nach dem Wortlaut noch nach der Entstehungsgeschichte der Norm eine abschließende Regelung darstellt, Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 311, Rn. 60; Schuler, Fußnote 1435 m.w.N. 570 BGH NJW-RR 2006, 993, [994]. Vgl. hierzu und zu den Voraussetzungen einer solchen Haftung im Detail Schuler, S. 251. Haar sieht ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse grundsätzlich darin begründet, dass mit der Zahl der Anleger, welche die Ratings nutzen, der Erfolg der Ratingagenturen unmittelbar steigt, Haar, NZG 2010, 1281, [1284]. 571 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2386]. 568
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Gutachterhaftung, eine Subsidiarität des Anspruchs aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anzunehmen. Hierfür spricht bereits der Grundsatz der Subsidiarität vertraglichen Drittschutzes, welcher auch in dem Erfordernis der Schutzbedürftigkeit des Dritten für eine Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages zum Ausdruck kommt572. (2) Nach französischem Recht Im Folgenden wird die Haftung der Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum nach französischem Recht untersucht. (a) Übertragbarkeit der zum auftragslosen Rating herausgearbeiteten Grundsätze Nach französischem Recht sind hinsichtlich der Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum im Wesentlichen die Grundsätze übertragbar, die oben für den Fall des auftragslosen Ratings herausgearbeitet wurden573. Auf eine nochmalige Darstellung dieser Grundsätze wird verzichtet, es werden vielmehr nur die Aspekte herausgegriffen, die gegebenenfalls zu einer anderen Bewertung der Rechtslage führen könnten. (b) Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum Insgesamt sind die Beweisschwierigkeiten, die sich für das allgemeine Anlegerpublikum ergeben, im Verhältnis zur Situation des Emittenten bei Vorliegen eines auftragslosen Ratings nochmals deutlich stärker ausgeprägt, weil Anleger keinen Zugang zu vertraulichen Daten des Emittenten haben, sodass sie das Vorliegen eines fehlerhaften Ratings schlecht nachweisen können574. Dieses Nachweisproblem besteht im Grundsatz sowohl hinsichtlich der Geltendmachung eines Haftungsanspruchs nach der deliktsrechtlichen Generalklausel des Art. 1382 C.civ. als auch bei der Haftung aufgrund von Verstößen gegen die RatingVO 2009, wobei infolge von Art. L544-5 CMF zumindest der Nachweis der objektiven Elemente einer faute im Falle des Vorliegens eines Verstoßes gegen die Vorschriften der RatingVO 2009 nicht mehr erforderlich ist575.
572 Pinger/Behme, JuS 2008, 675, [677 f.]. Sofern man annimmt, dass die Schutzbedürftigkeit eines Dritten für die Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages nicht nur bei Vorliegen eines eigenen vertraglichen Anspruches, sondern auch bei Vorliegen eines eigenen quasivertraglichen Anspruchs entfällt, so würde es in diesem Fall bereits an der Schutzbedürftigkeit des Anlegers für die Einbeziehung in den Ratingvertrag fehlen. Vgl. zu dieser Ansicht im Allgemeinen Zenner, NJW 2009, 1030, [1032]. 573 Vgl. zu diesen Grundsätzen S. 69 ff. 574 Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [29]. 575 Vgl. hierzu bereits ausführlich die Ausführungen oben, S. 72 ff.
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Aufgrund der soeben aufgezeigten hohen Beweishürden fordert Sotiropoulou, dass die Anforderungen an einen Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen dem fehlerhaften Rating und dem erlittenen Schaden gerade im Hinblick auf das allgemeine Anlegerpublikum nicht überspannt werden dürften576. Da die Forderung Sotiropoulous jedoch lediglich eine der Voraussetzungen im Rahmen der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches betrifft, würde auch dieser Umstand nur einen Teil der bestehenden Beweisprobleme beseitigen577. Betrachtet man die Gesamtheit der Hürden hinsichtlich der Beweisführung, die sich trotz der Regelung des CMF weiterhin ergeben, so erscheint das Fazit, welches der französische Senator Philippe Marini in Bezug auf die Haftung nach Art. L544-5 CMF gezogen hat, bestätigt zu werden578, da die Fälle, in welchen diesbezügliche Haftungsansprüche erfolgreich geltend gemacht werden können, in der Tat rar, aber auch nicht inexistent sein dürften579. (3) Nach englischem Recht Im Folgenden wird die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum nach englischem Recht beleuchtet. (a) Voraussetzungen einer Haftung nach dem tort of negligence gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum Zwischen dem allgemeinen Anlegerpublikum und der jeweiligen Ratingagentur kommt auch nach englischem Recht kein Vertragsverhältnis zustande. Wie sich 576 Sotiropoulou argumentiert hierbei folgendermaßen: Zum einen sei gegenüber Anlegern zu berücksichtigen, wie viele andere Informationsquellen ihnen neben dem Rating zur Verfügung stünden. Falls das Rating im Einzelfall die einzige verfügbare Informationsquelle darstelle, spiele dieser Aspekt eine große Rolle. Zum anderen müsse Berücksichtigung finden, dass einem Rating bei Anspruchstellern aus dem allgemeinen Anlegerpublikum häufig ein direkter Einfluss auf die jeweilige Anlageentscheidung zukomme, da gerade unerfahrene Anleger im Gegensatz zu den meist sehr erfahrenen institutionellen Abonnementkunden oftmals einzig auf das Rating als Informationsquelle vertrauten, Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [55]. 577 Insbesondere muss seitens des allgemeinen Anlegerpublikums auch weiterhin die Fehlerhaftigkeit des Ratings und der Schadenseintritt an sich, gegebenenfalls der Verstoß gegen eine Regelung der Ratingverordnung, sowie das Verschulden der Ratingagentur nachgewiesen werden, wobei bezüglich des letztgenannten Merkmals – wie gezeigt – zum Teil Beweiserleichterungen greifen. Vgl. zu den bestehenden Beweisproblemen des allgemeinen Anlegerpublikums im Detail Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [29]. 578 Senator Marini hatte im Rahmen eines Berichtes im Namen des Finanzausschusses folgende Bewertung zur Haftungssituation nach Art. L544-5 CMF geäußert: „[…] les cas dans lesquels le régime de responsabilité pour faute fondé sur l’article L.544-5 pourra être invoqué avec succès seront sans doute rares mais pas inexistants.“ Vgl. zu dieser Äußerung Rapport n° 703 (2009– 2010) de Philippe Marini fait au nom de la commission des finances: doc. Sénat, 14 septembre 2010, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016; Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [31]; Tchotourian, BJB 2011, Nr. 2, 119, [123]. 579 Vgl. hierzu bereits Tchotourian, BJB 2011, Nr. 2 , 119, [123]; Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [31].
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aus der privity of contract-Doktrin ergibt, wirken Verträge grundsätzlich nicht zu Gunsten Dritter580, weshalb auch hier nur ein Rückgriff auf das Deliktsrecht verbleibt. In Betracht kommt auch bei diesem Rechtsverhältnis eine Haftung nach dem tort of negligence. Zwar ist für eine solche Haftung im Gegensatz zum deutschen Recht keine Verletzung eines absoluten Rechts erforderlich, jedoch erfolgt – wie oben bei der Haftung gegenüber dem Emittenten im Falle des auftragslosen Ratings bereits gezeigt581 – eine Begrenzung der Haftung gegenüber Unbeteiligten über die Anforderungen an eine duty of care582. Wie ebenfalls bereits herausgearbeitet wurde, ist bei der Frage der Haftung für defective statements insbesondere umstritten, inwieweit eine solche Pflicht gegenüber Dritten hinsichtlich des Ersatzes reiner Vermögensschäden besteht583. Angesichts des Umstandes, dass englische Gerichte außerhalb bestimmter Fallgruppen traditionell eher zurückhaltend in der Annahme einer duty of care gegenüber Dritten bei Vorliegen reiner Vermögensschäden agieren584, wird es von Edwards als besonders schwierig (particularly difficult) angesehen, nach englischem Recht eine deliktische Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum durchzusetzen585. In der Literatur wurde trotz dieser restriktiven Grundtendenz586 untersucht, ob es denkbar wäre, bestimmte Haftungsfälle der englischen Rechtsprechung auf die Situation der Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum zu übertragen. Insbesondere bieten sich hierbei, aufgrund der sachlichen Nähe, Fälle zur Haftung von Auditoren, Bankberatern und Rechtsanwälten an. Da sich auch nach intensiven Untersuchungen zu diesem Thema – soweit ersichtlich – keine eindeutigen Linien hierzu herausarbeiten lassen, soll an dieser Stelle nur exemplarisch ein Beispiel herausgegriffen werden. Sowohl Ebenroth/ Dillon als auch von Schweinitz diskutieren die Übertragbarkeit der Entscheidung Caparo v Dickman587, welche die Haftung von Auditoren zum Gegenstand hatte. Wie bereits im Rahmen des auftragslosen Ratings kommt auch im Falle der Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum dem Kriterium der proximity besondere Bedeutung im Hinblick darauf zu, ob eine duty of care bejaht werden kann. Ebenroth/Dillon arbeiteten heraus, dass im Fall Caparo v Dickman ein entv. Schweinitz, WM 2008, 953, [955]. Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 74 ff. 582 v. Schweinitz, WM 2008, 953, [955]. 583 Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 75 ff. 584 Anerkannt ist eine duty of care zum einen in den sog. established categories of relationship (etwa: von der Rechtsprechung anerkannte Näheverhältnisse), zum anderen – in der neueren Rechtsprechung – bei Vorliegen der oben bereits im Rahmen des auftragslosen Ratings dargestellten Voraussetzungen, foreseeability, proximity und fairness; vgl. hierzu S. 76 ff. in diesem Dokument sowie Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [189]. 585 Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [189]. 586 Vgl. hierzu auch v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 142 f. 587 Caparo Industries plc v Dickman [1990] UKHL 2, [1990] 1 All ER 568. 580 581
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scheidender Faktor, der im Verfahren vor dem Court of Appeal zur Bejahung der proximity geführt hat, die geschriebene Pflicht der Auditoren zur Weitergabe der Prüfungsergebnisse (findings) an die Aktionäre darstellte588. Da eine solche Verpflichtung im Verhältnis zwischen Ratingagentur und allgemeinem Anlegerpublikum nicht existiert, könnte dies im vorliegenden Fall den entscheidenden Faktor darstellen, der gegen eine proximity spricht589. Andererseits könnte aber auch der Umstand, dass in den Fällen, in denen ein Auftragsrating zwischen Emittent und Ratingagentur zugrunde liegt, das allgemeine Anlegerpublikum als Zeichner der bewerteten Emission ein gewisses Näheverhältnis zu diesem Ratingvertrag einnimmt, möglicherweise zu einer anderen Bewertung und damit zur Bejahung der proximity führen590. Insgesamt bleibt die Prüfung der Autoren Ebenroth/Dillon damit ergebnisoffen. Zu dieser ohnehin bereits unklaren Rechtslage in Bezug auf das Merkmal der proximity kommt überdies noch ein weiterer Unsicherheitsfaktor hinzu: Es stellt sich die Frage, ob die Situation beider Berufsgruppen überhaupt vergleichbar ist. Zwar weisen diese Berufsgruppen durchaus eine sachliche Nähe auf, es bestehen jedoch auch gewisse Unterschiede zwischen Auditoren und Ratingagenturen. Hervorzuheben ist insbesondere der Unterschied, dass Auditoren in erster Linie der unternehmensinternen Kontrolle dienen, sodass das Unternehmen selbst von ihrer Tätigkeit profitiert, die Beurteilungen von Ratingagenturen dagegen vor allem zur Information von externen Investoren und weniger zur internen Kontrolle genutzt werden591. Von Schweinitz kommt aus diesem Grund zu dem Ergebnis, dass die verschiedenen Entscheidungen zu Auditoren von vornherein nicht auf die Situation des Ratings übertragbar seien592. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass sich in Bezug auf England kein klares Bild hinsichtlich der Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum zeichnen lässt593. Nach der Analyse bereits ergangener Entscheidungen steht lediglich fest, dass es sowohl Aspekte gibt, die für die Annahme einer duty of care in diesem Rechtsverhältnis sprechen, als auch Aspekte,
588 Caparo Industries plc v Dickman and others [1989] 1 Q.B., 653, [680]; Ebenroth/Dillon, Law & Pol’y Int’l Bus, 1992, 783, [799]. 589 Ebenroth/Dillon, Law & Pol’y Int’l Bus, 1992, 783, [800]. 590 Ebenroth/Dillon, Law & Pol’y Int’l Bus, 1992, 783, [800]. 591 Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [90]; v. Schweinitz spricht hierbei von Auditoren als internal gatekeepers und von Ratingagenturen als external gatekeepers, v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 143 f. 592 Angesichts dieses für ihn zentralen Unterschieds ist der Autor der Ansicht, dass eher andere Entscheidungen als Referenz dienen könnten. Im Ergebnis bevorzugt er die zur Bankhaftung getroffene Entscheidung Hedley Byrne v Heller [1963] UKHL 4, [1963] 2 All ER 575; v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 143 f. Jedoch bestehen auch hier gewisse Bedenken hinsichtlich der Übertragbarkeit auf Ratingagenturen, weil diese im Gegensatz zu Bankberatern keine Empfehlungen hinsichtlich einer konkreten Anlageentscheidung aussprechen, v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 135. 593 v. Schweinitz, WM 2008, 953, [956].
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welche gegen eine solche sprechen594. Angesichts der bereits beschriebenen Zurückhaltung englischer Gerichte im Hinblick auf die Bejahung einer duty of care scheint die Wahrscheinlichkeit der Ablehnung einer solchen relativ hoch zu sein. Hinzu kommt, dass diese Zurückhaltung im Hinblick auf das allgemeine Anlegerpublikum aufgrund zweier Aspekte noch verstärkt wird: Zum einen sprachen sich die Gerichte in letzter Zeit verstärkt dafür aus, die Eigenverantwortung von Anlegern hinsichtlich ihrer Anlageentscheidung zu stärken und bei der Abschätzung der hiermit verbundenen Risiken nicht blind auf die – für das allgemeine Anlegerpublikum kostenfreie – Einschätzung einer Ratingagentur zu vertrauen595. Zum anderen verneinen die Gerichte eine duty of care insbesondere in den Fällen, in denen die potentiellen Nutznießer einer solchen in der Position gewesen wären, sich selbst vor dem Eintritt des Schadens zu bewahren. Nach Ansicht Edwards′ befänden sich Anleger in einer solchen Position, weil sie sich eigenverantwortlich dazu entschließen, das Anlagerisiko einzugehen596. (b) Einfluss der australischen Entscheidung Bathurst v Local Government aus dem Jahre 2012 und der dazugehörigen Berufungsentscheidung aus dem Jahre 2014 auf die Situation in England Möglicherweise könnte jedoch die im November 2012 erstinstanzlich von dem Federal Court of Australia getroffene Entscheidung im Fall Bathurst Regional Council v Local Government Financial Services Pty Ltd (No 5), welche im Juni 2014 durch das Berufungsgericht (Full Federal Court) in Sydney bestätigt wurde597, Ausstrahlungswirkung auf die soeben skizzierten Grundsätze zur Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum entfalten und auf diesem Weg zu einer anderen Bewertung der Rechtslage nach englischem Recht führen: Wie bereits kurz angesprochen, wurde hierdurch erstmals eine Ratingagentur (S&P) durch ein Gericht eines Commonwealth-Staates wegen fehlerhafter Ratings strukturierter Kreditprodukte zur Zahlung von Schadensersatz in Millionenhöhe gegenüber Anlegern verurteilt598. Das Urteil betrifft Anleger, die in keiv. Schweinitz, Rating Agencies, S. 142 f. Cassa di Risparmio della Repubblica di San Marino v Barclays Bank [2011] EWHC 484 (Comm), para. 265; Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [189]. Vgl. zu diesem Ziel der Rechtsprechung, eine „laissez-faire-Haltung“ seitens der Anleger zu vermeiden, bereits v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 143. 596 Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [90]. 597 Vgl. zu diesem Fall bereits die Ausführungen oben, S. 41. Vgl. zu den Fundstellen beider Entscheidungen im Original bereits die Fußnoten 237 und 238. Die Entscheidung ist mit insgesamt 1.459 Seiten sehr lang. Eine Zusammenfassung der erstinstanzlichen Entscheidung [2012] FCA 1200 vom 5. November 2012 ist abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 598 Die Klage wurde von mehreren Gemeinderäten sowohl gegen den Finanzberater (Local Government Financial Services, LGFS) als auch gegen die Investmentbank ABN AMRO und 594 595
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ner vertraglichen Beziehung zur Ratingagentur stehen, weshalb insbesondere eine Übertragbarkeit dieser Entscheidung im Hinblick auf die Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum in Betracht kommt. Wie bereits erörtert, wird diese Entscheidung sowohl in den Medien als auch in der Literatur als Grundsatzentscheidung bezeichnet599, da darin erstmals durch ein common law-Gericht eine umfassende duty of care gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum bejaht wurde600. Angesichts des Umstandes, dass in Australien und England bezüglich der Deliktshaftung für pure economic losses bis zu dieser Entscheidung ähnliche Wege eingeschlagen wurden601, ist eine Ausstrahlungswirkung dieser australischen Entscheidung auf mögliche zukünftige englische Gerichtsurteile durchaus naheliegend602. In der Literatur wird die Frage des möglichen Einflusses dieser Entscheidung auf das englische Rechtssystem – soweit ersichtlich – bisher nur von Edwards beleuchtet. Zwar sieht dieser Autor es durchaus als gerecht, angemessen und vernünftig (fair, just and reasonable) an, eine duty of care gegenüber Dritten einer Partei aufzuerlegen, deren Ziel es ist, die Kreditwürdigkeit eines Vertragspartners zu beurteilen, um so die Unabhängigkeit der Ratingagenturen zu gewährleisten – dies sei insbesondere in den Fällen naheliegend, in denen bekannt sei, dass der Zweck des Ratings darin bestehe, die Produkte gegenüber dem Dritten, namentlich dem allgemeinen Anlegerpublikum, zu vermarkten603. Letztendlich stellt der Autor aber deutlich heraus, dass die anlegerfreundliche Entscheidung im Fall Bathurst seiner Ansicht nach vor allem das Ergebnis einiger spezieller Umstände des Falles sei und insbesondere auch auf Fehler der mit der Sache betrauten
S&P eingereicht. S&P hat die Produkte, konkret ging es hierbei um Constant Proportion Debt Obligations, die von ABN AMRO ausgestaltet wurden und die eine starke Volatilität aufwiesen, mit einem „AAA-Rating“ bewertet. Nachdem die Produkte durch LGFS teuer an die Kläger verkauft wurden, erlitten diese im Zuge der Finanzkrise einen katastrophalen Kursverlust. Vgl. hierzu auch Karner, JETL 2013, 119, [120 f.]. 599 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, insbesondere die Fußnoten 235 und 236. 600 Karner, JETL 2013, 119, [121]; Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [90]. 601 Insbesondere reicht auch nach australischem Recht die bloße Vorhersehbarkeit eines Schadens für die Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden nicht aus. Überdies werden im australischen Recht ähnliche Faktoren zur Prüfung herangezogen, ob eine duty of care gegeben ist, wie beispielsweise die Frage nach der Existenz einer Vertragsverbindung zwischen den für dieses Rechtsverhältnis relevanten Parteien oder der Aspekt der Unmittelbarkeit der Vertragsbeziehung, Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [90]. 602 In Australien besteht im Vergleich zum englischen Recht die Besonderheit der Existenz eines Verbots irreführenden oder täuschenden Verhaltens (misleading or deceptive conduct), Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [90]. Da die Ausführungen des Gerichts hierzu als solche keinesfalls auf die Situation in England übertragbar sind und für eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Frage der Übertragbarkeit einzelner Wertungen hieraus kein Raum bleibt, müssen diese Aspekte im Rahmen der vorliegenden Arbeit außer Betracht bleiben. 603 Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [90].
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Richterin zurückgeführt werden könne604, weshalb der Autor eine allgemeine Übertragbarkeit dieser Entscheidung auf das englische Rechtssystem ablehnt. Versucht man diese Einschätzung zu bewerten, so fällt zunächst auf, dass die Kritik an dem erstinstanzlichen australischen Urteil an einigen Stellen sehr hart ausfällt605. Dennoch scheint eine direkte Übertragbarkeit auf England aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls und der vielen vorgebrachten Gegenargumente im Ergebnis eher unwahrscheinlich zu sein. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass ein solches Urteil eines common law-Gerichts, welches komplett neue Wege beschreitet, immer eine gewisse Signalwirkung auf andere solche Gerichte entfalten kann. Dies gilt umso mehr, als diese erstinstanzliche Entscheidung nunmehr in der zweiten Instanz bestätigt wurde. Hierdurch wurde insbesondere der Einwand der anwaltlichen Fehlberatung als zentraler Hauptkritikpunkt Edwards′ an der erstinstanzlichen Entscheidung entkräftet606, weil die Anwälte der Ratingagentur im Berufungsverfahren die Fehlerhaftigkeit des Ratings an sich akzeptierten und sich auf die Widerlegung des Bestehens einer duty of care gegenüber den Anlegern konzentrierten. Dennoch gelang es den Anwälten nicht, das Berufungsgericht von einer anderweitigen rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts zu überzeugen, da Letzteres im Ergebnis ebenfalls eine Sorgfaltspflicht der Ratingagentur bejahte607. Hieran 604 Eine Besonderheit in diesem Fall liege seiner Meinung nach darin, dass aufgrund der Größe der Emission nur mit einer geringen Anzahl potentieller Kläger zu rechnen gewesen wäre und S&P eine Kompensationszahlung erhalten habe, welche nach Ansicht des Gerichts einen Ausgleich der erhöhten Haftungsrisiken darstellte. Des Weiteren macht der Autor deutlich, dass dieses Urteil seiner Ansicht nach teilweise auf fehlerhafte und widersprüchliche Schlüsse seitens der mit der Sache befassten Einzelrichterin sowie vor allem auch auf deren Naivität zurückzuführen sei. Im Kern kritisiert er hierbei, dass die Richterin die Frage der bestehenden Möglichkeiten einer eigenen Überprüfung des streitgegenständlichen Ratings seitens der Kläger nicht zutreffend eingeschätzt habe. Überdies sei das Urteil auch von anwaltlicher Fehlberatung seitens S&P geprägt, da hierbei der Fokus nicht auf das eigentliche Problem gelegt wurde, namentlich der Frage, ob im konkreten Fall eine duty of care bestehe. Vgl. zu alledem Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [90 f. und 95]. 605 Vgl. zu der Kritik im Einzelnen die Ausführungen in Fußnote 604. 606 Vgl. zu diesem Kritikpunkt die Ausführungen in Fußnote 604. 607 Im Kern wurden hierbei folgende Angriffspunkte seitens S&P vorgebracht und durch das Gericht wieder entkräftet: S&P argumentierte insbesondere mit der unüberschaubaren Zahl an Anlegern und damit an potentiellen Klägern sowie mit dem Umstand, dass die Annahme einer duty of care aufgrund der nicht vorhandenen Vertragsbeziehung zwischen den Parteien nicht gerechtfertigt erscheine. Den letztgenannten Einwand entkräftete das Gericht damit, dass in den Fällen, in denen Ratingagenturen durch den Emittenten beauftragt wurden, um das Rating an einen eingrenzbaren Investorenkreis zu kommunizieren, eine fehlende Vertragsbeziehung unschädlich sei. Gegen das erstgenannte Argument brachte das Gericht vor, dass die Haftungsrisiken aufgrund der von Anfang an bekannten beitragsmäßigen Höhe der Emission begrenzt und damit nicht unkalkulierbar gewesen wären, ABN AMRO Bank NV v Bathurst Regional Council [2014] FCAFC 65 (6 June 2014). Dieses Urteil ist abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. An der zuletzt dargestellten Argumentation wird eine Parallele zum deutschen Recht erkennbar, da auch im Rahmen der Erwägungen zum Vertrag mit Schutzwirkung zu
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wird zugleich deutlich, dass die erstinstanzliche Entscheidung entgegen der Kritik Edwards′ keinesfalls lediglich auf Fehleinschätzungen der Richterin beruhte, sondern durchaus einer gerichtlichen Überprüfung standhalten konnte. Gleichwohl bleibt trotz dieser weitgehenden Entkräftung der vorgebrachten Argumente Edwards′ im Ergebnis auch weiterhin zweifelhaft, ob englische Gerichte in ähnlich gelagerten Fällen nach diesem australischen Vorbild tatsächlich ebenfalls eine duty of care gegenüber dem Anlegerpublikum annähmen: Dies darf vor allem aufgrund der oben bereits beschriebenen Tendenz englischer Gerichte, die Eigenverantwortlichkeit der Anleger für ihre Investitionsentscheidungen zu stärken und ein blindes Vertrauen in (kostenlose) Ratings zu vermeiden, bezweifelt werden608. Sofern die Anleger im Einzelfall entweder nicht das Know-how oder die finanziellen Mittel zur Durchführung einer solchen Analyse haben, müssten sie demnach entweder selbst eine Analyse in Auftrag geben oder das Risiko eigenverantwortlich eingehen. Sind sie hierzu nicht bereit, so verbliebe nur der Verzicht auf die Investition609. Aufgrund dieser Tendenz zu mehr Eigenverantwortlichkeit besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass englische Gerichte in einem ähnlich gelagerten Fall diesen Aspekt in den Vordergrund gerückt und eine Haftung im Ergebnis verneint hätten. Das australische Urteil verweist in diesem Punkt lediglich darauf, dass die Ratings im konkreten Fall „die beste zur Verfügung stehende Information“ darstellten und eine Eigenanalyse „nicht möglich“ war610, was angesichts der vorgebrachten Tendenz im englischen Recht zu pauschal erscheint. Die von Edwards vorgebrachte Skepsis im Hinblick auf die Frage der Übertragbarkeit der australischen Entscheidung auf das englische Recht scheint vor diesem Hintergrund durchaus berechtigt zu sein. c) Übergeordnete Fragestellungen bei der Haftung von Ratingagenturen Neben den bisher untersuchten Fragestellungen, die in den verschiedenen Rechtsverhältnissen von unterschiedlicher Relevanz sind, existieren im Rahmen der Haftung von Ratingagenturen auch einige prozessuale Grundfragen, die in allen Haftungsverhältnissen gleichermaßen bedeutsam sind. Diese werden im Folgenden deshalb unabhängig vom jeweiligen Haftungsverhältnis als übergeordnete Fragestellungen dargestellt. Konkret betrifft dies sowohl Fragen des anwendbaren Rechts und der internationalen Zuständigkeit (aa) als auch den Aspekt der Beweislastverteilung bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen Ratingagenturen (bb). Gunsten Dritter der Aspekt der Kalkulierbarkeit des Haftungsrisikos eine zentrale Rolle spielt, vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 94 f. 608 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben in Fußnote 595 und dem entsprechenden Fließtext. 609 Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [91]. 610 Urteil Bathurst, Rn. 2580; Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [90 f.].
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aa) Untersuchung des anwendbaren Rechts und der internationalen Zuständigkeit Aus der Sicht in der EU ansässiger Emittenten und Anleger handelt es sich bei den Ratingagenturen häufig um ausländische Rechtssubjekte, da die Muttergesellschaften der „Großen Drei“ ihren Sitz in den USA haben611 und auch kleinere Ratingagenturen häufig nicht in demselben Land ansässig sind wie der potentielle Kläger. Angesichts dieses Umstandes stellt sich die Frage, welches Recht in diesen Konstellationen Anwendung findet sowie welche internationale Zuständigkeit gegeben ist. Im Hinblick auf Art. 35a RatingVO 2013 ist anzunehmen, dass dieser Tatbestand als Einheitsrecht innerhalb seines Anwendungsbereiches ohne Vorschaltung des Internationalen Privatrechts Anwendung findet612. Gleichwohl ist das Internationale Privatrecht jedoch auch im Rahmen des harmonisierten Haftungstatbestandes nicht bedeutungslos, weil es bei der Interpretation der in der Haftungsvorschrift nicht definierten Begrifflichkeiten und zur Lückenfüllung heranzuziehen ist613. (1) Anwendbares Recht In den Fällen, in denen sowohl die Ratingagentur als auch der jeweilige Kläger Rechtssubjekte desselben Staates darstellen, findet das nationale Recht dieses Staates Anwendung. Weist der Sachverhalt dagegen eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten auf, wird eine kollisionsrechtliche Beurteilung erforderlich. Im Rahmen dieser Beurteilung muss danach differenziert werden, ob zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis vorliegt (a), oder ob die Parteien in keiner rechtsgeschäftlichen Beziehung zueinander stehen (b). (a) Bei Vorliegen eines vertraglichen Schuldverhältnisses In den Fällen, in denen zwischen den Parteien ein vertragliches Schuldverhältnis vorliegt und Haftungsansprüche hieraus geltend gemacht werden, findet zur kollisionsrechtlichen Beurteilung die am 17.12.2009 in Kraft getretene Rom I-VO Anwendung614, sofern der Vertrag nach diesem Zeitpunkt geschlossen wurde, 611 Einzig Fitch hat neben dem Sitz in New York auch einen Sitz in London. Vgl. zu den Sitzen der „Großen Drei“ bereits die Ausführungen oben auf S. 8. 612 Dies ergibt sich aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Sekundärrechtsaktes in den Mitgliedstaaten, Art. 288 Abs. 2 AEUV. Vgl. hierzu auch Steinrötter, ZIP 2015, 110, [110]; Dutta, IPRax 2014, 33, [40]; Halfmeier, VuR 2014, 327, [333]. 613 Dutta, IPRax 2014, 33, [40]; Halfmeier, VuR 2014, 327, [333]. 614 Die Verordnung gilt räumlich für alle Staaten der EU mit Ausnahme von Dänemark, vgl. Erwägungsgrund 46 der Verordnung und Art. 1 und 2 des dort genannten Zusatzprotokolls, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. Das Vereinigte Königreich hatte sich bei Verabschiedung der Verordnung am 17.06.2008 zunächst vorbehalten, zu einem späteren Zeitpunkt
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Art. 28 Rom I-VO615. In örtlicher Hinsicht gilt diese Verordnung nicht nur für Sachverhalte mit Binnenmarktbezug, sondern für sämtliche vertragliche Schuldverhältnisse, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO. Gemäß Art. 2 Rom I-VO findet das durch die Verordnung berufene Recht auch dann Anwendung, wenn es dasjenige eines Drittstaates darstellt. Die Verordnung beansprucht damit universelle Geltung (loi uniforme) für sämtliche ihr unterfallende vertragliche Schuldverhältnisse616, mithin auch für Verträge zwischen in der EU ansässigen Klägern und Ratingagenturen mit Sitz in den USA. Im Hinblick auf die vorliegende Arbeit findet die Rom I-VO demnach Anwendung auf vertragliche Ansprüche, die im Rahmen eines Auftragsratings oder Abonnementvertrages geltend gemacht werden, soweit Ratingagentur und Kläger nicht Rechtssubjekte desselben Staates darstellen und der betreffende Vertrag nach dem 17.12.2009 geschlossen wurde. Gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO können die Parteien das auf den Vertrag anwendbare Recht im Grundsatz frei wählen. Eine Beziehung der Parteien zu der gewählten Rechtsordnung ist hierbei weder in sachlicher noch in räumlicher Hinsicht erforderlich617. Von dieser Möglichkeit der freien Rechtswahl wird im vorliegenden Fall vor allem in den Ratingverträgen zwischen US-amerikanischen Ratingagenturen und Emittenten häufig Gebrauch gemacht, da bei der Wahl des US-amerikanischen Rechts sogar sehr weitreichende Haftungsausschlüsse wirksam vereinbart werden können618. Gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO muss die Rechtswahl entweder ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben619. Fehlt es an einer (wirksamen) Rechtswahlbestimmung, richtet sich das anzuwendende Recht zunächst nach den vorrangigen Anknüpfungsregeln der Artt. 5 –8 über ihre Annahme zu entscheiden. Ein entsprechender Antrag des Vereinigten Königreichs auf Annahme der Verordnung wurde am 22.12.2008 von der Kommission gebilligt, vgl. Entscheidung der Kommission 2009/26/EG vom 22.12.2008 über den Antrag des Vereinigten Königreichs auf Annahme der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlamentes und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. EU 2009 L10/22 sowie , zuletzt abgerufen am 18.03.2016 615 Für Verträge, die vor dem 17.12.2009 geschlossen wurden, gelten das EVÜ beziehungsweise die hierauf aufbauenden nationalen Vorschriften weiter. In Deutschland sind dies die Artt. 27 bis 37 EGBGB, Schuler, S. 169. 616 Leible, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom I, Art. 2 , Rn. 2; Schuler, S. 169. 617 Leible, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom I, Art. 3, Rn. 21; Rosset, S. 15. Zur alten Rechtslage nach dem insoweit inhaltsgleichen Art. 27 Abs. 1 EGBGB vgl. Eisen, S. 181. 618 Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, [662]; v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 149 ff.; Dutta, IPRax 2014, 33, [37]. 619 Angesichts des Umstandes, dass Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO im Gegensatz zu Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. b Rom II-VO bei der ausdrücklichen vor Entstehung eines Rechtsstreits getroffenen Rechtswahl keine „frei ausgehandelte“ Vereinbarung verlangt, ist es ausreichend, wenn die Rechtswahl in AGB erfolgt, Von Hein, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 6.
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Rom I-VO für spezielle Vertragstypen. Sind auch die Anwendungsvoraussetzungen dieser Normen nicht erfüllt, ergibt sich das anzuwendende Recht aus Art. 4 Rom I-VO620. Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift muss vorrangig an die Auflistung der spezifischen Vertragstypen des Art. 4 Abs. 1 lit. a bis h Rom I-VO angeknüpft werden621. Bei der Zuordnung der im konkreten Fall vorliegenden Verträge zu den in dieser Norm genannten Vertragstypen muss generell eine Schwerpunktbetrachtung vorgenommen werden, durch welche diejenigen Vertragspflichten ausgesondert werden, die nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sind622. Im Hinblick auf den Rating- und den Abonnementvertrag gestaltet sich diese Zuordnung wie folgt: Da der Ratingvertrag keinem der in den Artt. 5 –8 Rom I-VO genannten speziellen Vertragstypen zuzuordnen ist623, stellt in diesem Fall Art. 4 Rom I-VO die maßgebliche Vorschrift zur Bestimmung des anwendbaren Rechts dar. Als explizit genannter Vertragstyp des Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO kommt der Dienstleistungsvertrag i. S. d. Art. 4 Abs. 1 lit. b in Frage. Da es sich bei der Rom I-VO um Unionsrecht handelt, ist grundsätzlich von einer einheitlichen autonomen Auslegung der Begrifflichkeiten auszugehen624. Dass dies im Detail zu Abweichungen von den in den jeweiligen Ländern gebräuchlichen Begrifflichkeiten führt625, zeigt ein Vergleich des Dienstleistungsbegriffs der Rom I-VO mit § 611 BGB: Anders als § 611 BGB erfasst der Begriff des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO sämtliche Verträge, durch welche sich eine Partei verpflichtet, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt zu erbringen626, also auch Verträge, die nach deutschem Recht als Werkverträge zu qualifizieren wären627. Für den Ratingvertrag bedeutet diese weite Definition des Dienstleistungsbegriffs der Rom I-VO, dass die im deutschen Recht erforderliche schwierige typologische Einordnung nicht auf den europäischen Begriff durchschlägt628. Da im Falle des Ratingvertrags im Schwerpunkt stets eine tätigkeitsbezogene Leistung gegen Entgelt erbracht werden muss, ist er als Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 1. Leible, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom I, Art. 4, Rn. 8. 622 Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 22. 623 Insbesondere liegt beim Ratingvertrag kein Verbrauchervertrag i. S. d. Art. 6 Rom I-VO vor, da der bewertete Emittent nicht als Verbraucher anzusehen ist. 624 Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 22. 625 Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 22. 626 Rosset, S. 15; Leible, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom I, Art. 4, Rn. 29; Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 35. Nach Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO ist der Dienstleistungsbegriff entsprechend Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO (Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO 2015) definiert. Vgl. hierzu im Detail Leible, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom I, Art. 4, Rn. 29; Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 35. 627 Schuler, S. 172 f.; Martiny, in: MüKo BGB, Band 10, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 36; Leible, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom I, Art. 4, Rn. 29. 628 Vgl. zu den im deutschen Recht vertretenen Auffassungen zur typologischen Einordnung des Ratingvertrags im Detail die Ausführungen oben, S. 44 ff. 620 621
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Dienstleistungsvertrag i. S. d. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO zu qualifizieren. Diese Zuordnung wird sowohl in der deutschen629 als auch in der französischen630 Literatur so bestätigt. Die englische Literatur schweigt – soweit ersichtlich – zwar zu diesem Punkt, aufgrund der einheitlichen autonomen Auslegung ist jedoch gleichwohl von einem Gleichlauf auszugehen. Die Einordnung des Ratingvertrags als Dienstleistungsvertrag i. S. d. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO hat zur Folge, dass das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes der Ratingagentur als Dienstleisterin zur Bestimmung des anwendbaren Rechts maßgeblich ist. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes wiederum ist in Art. 19 Abs. 1 Rom I-VO definiert. Demnach ist für juristische Personen grundsätzlich der Ort der Hauptverwaltung maßgeblich. Wird der Vertrag jedoch im Rahmen des Betriebs einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung geschlossen oder ist für seine Erfüllung eine Zweigniederlassung verantwortlich, so steht dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ort gleich, an welchem sich diese Niederlassung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befindet, Art. 19 Abs. 2 und 3 Rom I-VO. Im vorliegenden Fall ist meist der erste Halbsatz des Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO maßgeblich: Da die „Großen Drei“ in den untersuchten Ländern selbständige Tochterunternehmen betreiben und Ratingverträge in den meisten Fällen von diesen Gesellschaften und nicht von der Muttergesellschaft geschlossen und betreut werden, ist regelmäßig der Sitz dieser Niederlassungen als gewöhnlicher Aufenthalt entscheidend, sodass meist das Recht dieses Mitgliedstaates zur Anwendung kommt631. Nur in den seltenen Fällen, in denen der Vertrag nicht im Rahmen des Betriebs einer solchen Zweigniederlassung, sondern direkt mit der Muttergesellschaft geschlossen wurde, scheint die Anwendbarkeit US-amerikanischen bzw. englischen Rechts aufgrund des jeweiligen Sitzes der Muttergesellschaft vorgezeichnet zu sein632. Das nationale Recht der Mitgliedstaaten erscheint in dieser Konstellation allenfalls in Ausnahmefällen anwendbar: Gegebenenfalls könnte dies über die Konstruktion einer konkludenten Vereinbarung der Leistungserbringung durch die Niederlassung gelingen, wie sie von Eisen vorgeschlagen und vertreten wird633. Ob die Gerichte eine solch komplexe konkludente Vereinbarung tatsächlich annehmen würden, bleibt jedoch abzuwarten. Schwieriger als im Falle des Ratingvertrages gestaltet sich dagegen die Zuordnung des Abonnementvertrages zu den Vertragstypen der Rom I-VO. Hierbei Eisen, S. 209 f.; Rosset, S. 15 f.; Schuler, S. 172 f.; Dutta, IPRax 2014, 33, [37]. Denis, RLDA 2011, Nr. 65, 73, [76]; Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [599]. 631 Eisen, S. 210; Rosset, S. 15 f.; Schuler, S. 173. 632 Englisches Recht findet im Falle von Fitch Anwendung, wenn der Vertrag mit der Muttergesellschaft dieser Ratingagentur mit Sitz in London geschlossen wurde. Aufgrund des weiteren Sitzes dieser Gesellschaft in den USA ist aber auch die Anwendbarkeit US-amerikanischen Rechts denkbar. Die beiden anderen der „Großen Drei“ haben jeweils nur Sitze in den USA. Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 8. 633 Vgl. zu dieser Konstruktion im Detail Eisen S. 189 ff. 629
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muss zwischen Abonnements mit Kleinanlegern und solchen mit institutionellen Anlegern unterschieden werden. Ist der seltene Fall gegeben, dass ein Abonnementvertrag mit einem privaten Kleinanleger geschlossen wird, so ist Art. 6 Rom I-VO als vorrangige Norm maßgeblich, weil in dieser Konstellation ein Verbrauchervertrag vorliegt634. Auch die weiteren Anwendungsvoraussetzungen dieser Norm sind im vorliegenden Fall in aller Regel erfüllt635, sodass der gewöhnliche Aufenthalt des Verbrauchers maßgeblich ist, mithin meist das Recht eines der untersuchten EU-Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt. Von diesem Sonderfall des Verbrauchervertrages abgesehen, richtet sich jedoch auch beim Abonnementvertrag das anwendbare Recht nach Art. 4 Rom I-VO. Die typologische Zuordnung dieses Vertrages zu den spezifischen Verträgen des Art. 4 Abs. 1 lit. a bis h Rom I-VO gestaltet sich insbesondere deshalb schwierig, weil diese Frage sowohl im französischen als auch im englischen Recht nicht diskutiert wird. Nach hier vertretener Auffassung stellt der Abonnementvertrag nach deutschem Recht einen Kaufvertrag über eine bewegliche Sache dar. Da das Verständnis des Begriffs „Kaufvertrag über bewegliche Sachen“ i. S. d. Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO im Wesentlichen mit dem deutschen Begriff übereinstimmt636, ist die Annahme eines solchen Vertragstyps naheliegend637. Sofern Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO tatsächlich den Anknüpfungspunkt bildet, unterliegt der Vertrag dem Recht desjenigen Staates, in welchem die Ratingagentur als Verkäuferin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese rechtliche Einordnung des Abonnementvertrages gegenüber institutionellen Anlegern scheint jedoch keineswegs eindeutig. Aufgrund der Vielschichtigkeit dieses Vertragstyps ist es insbesondere durchaus denkbar, dass die Gerichte die Herausarbeitung eines klaren Schwerpunkts im Kaufrecht verneinen. Sofern auch kein anderer der explizit in Abs. 1 genannten Vertragstypen bejaht 634 Der Verbraucherbegriff i. S. d. Rom I-VO wird in Art. 6 Rom I-VO legaldefiniert. Demnach ist ein Verbraucher eine natürliche Person, die einen Vertrag zu einem Zweck schließt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Dies ist bei Kleinanlegern der Fall, weil ihre Anlagegeschäfte rein privater Natur sind. 635 Zum einen fallen Kaufverträge nicht unter die Ausnahmen des Art. 6 Abs. 4 Rom I-VO, zum anderen werden die meisten Ratingagenturen im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers tätig, da sie dort Niederlassungen betreiben. Des Weiteren fällt der Abonnementvertrag auch in den Bereich dieser Tätigkeit, sofern der Vertrag auf das Tätigwerden der Ratingagentur in diesem Staat zurückzuführen ist, Art. 6 Abs. 1 lit. a, Leible, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom I, Art. 6, Rn. 60. Schließt der Abonnent jedoch bewusst einen Vertrag direkt mit einer US-amerikanischen Muttergesellschaft und begibt sich so aus eigenem Antrieb auf den ausländischen Markt, so ist er als „dynamischer“ Verbraucher nicht schutzbedürftig i. S. d. Art. 6 Rom I-VO, weil insoweit kein Vertrauen auf die Geltung des „eigenen“ Rechts generiert wird, Leible, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom I, Art. 6, Rn. 51. 636 Gemäß Erwägungsgrund 17 ist auch insoweit Kongruenz zu Art. 5 Nr. 1 EuGVVO (Art. 7 Nr. 1 EuGVVO 2015) herzustellen. Vgl. hierzu Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 203. 637 Ebenso Schuler, S. 172; Dutta, IPRax 2014, 33, [37].
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würde638, hätte dies im Regelfall zur Folge, dass Art. 4 Abs. 2 Alt. 2 Rom I-VO zur Bestimmung des anwendbaren Rechts herangezogen würde639. Letztendlich hätte dies jedoch keine Auswirkung auf das Ergebnis, weil bei sämtlichen möglichen Einordnungen im vorliegenden Fall stets auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Ratingagentur abgestellt werden muss – sei es nun in ihrer Eigenschaft als Verkäuferin (Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO), oder als diejenige Vertragspartei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt (Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO). Eine gewisse Unsicherheit verbleibt bei der Anwendung des Art. 4 Rom I-VO jedoch trotzdem, weil im Einzelfall auch eine Abweichung aufgrund der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO denkbar ist. Ergibt sich demnach aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Art. 4 Absatz 1 oder 2 Rom I-VO bestimmten Staat aufweist, so würden die soeben beschriebenen Anknüpfungen nach Art. 4 Abs. 1 oder 2 Rom I-VO zugunsten dieser Regelung verdrängt640. Insgesamt kann daher zusammenfassend festgehalten werden, dass trotz der bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der typologischen Einordnung der einzelnen Verträge in den meisten Fällen eine klare Aussage bezüglich des anwendbaren Rechts bei Vorliegen eines Vertragsverhältnisses getroffen werden kann – sei es aufgrund einer wirksamen Rechtswahl oder aufgrund des Umstandes, dass meist der gewöhnliche Aufenthalt der Ratingagentur maßgeblich ist. Ist Letzteres der Fall, so findet in der Regel das Recht des Staates des Klägers Anwendung, da die Verträge in den meisten Fällen durch selbständige Tochtergesellschaften in diesen Ländern abgeschlossen werden. (b) Im Rahmen außervertraglicher Schuldverhältnisse Liegt hingegen ein außervertragliches Schuldverhältnis vor und ist zugleich ein Sachverhalt gegeben, der eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweist, so findet zu dessen kollisionsrechtlicher Beurteilung die Rom II-VO Anwendung, welche am 11.01.2009 in Kraft getreten ist641. In zeitlicher Hinsicht gilt diese Verordnung gemäß Art. 31 Rom II-VO für schadensbegründende Ereignisse, die nach ihrem Inkrafttreten eintreten. Wie bereits die Rom I-VO im Hinblick auf vertragliche Schuldverhältnisse, beansprucht auch die Rom II-VO universelle 638 Insbesondere erscheint die Annahme eines Dienstleistungsvertrages i. S. d. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO denkbar. Dies würde jedoch am Ergebnis nichts ändern, da auch nach dieser Vorschrift auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Ratingagentur abzustellen wäre. 639 Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 22. 640 Leible, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom I, Art. 4, Rn. 8. 641 Die Verordnung gilt räumlich für alle Staaten der EU mit Ausnahme von Dänemark, Art. 1 Abs. 4 der Rom II-VO. Gemäß Art. 25 Abs. 2 dieser Verordnung ist England als Mitgliedsstaat, in welchem verschiedene Gebietseinheiten eigene Rechtsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse haben, nicht verpflichtet, die Rom II-VO auf Kollisionen zwischen den Rechtsordnungen dieser Gebietseinheiten anzuwenden. Im Verhältnis zu anderen Staaten gilt dies jedoch nicht.
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Geltung für sämtliche ihr unterfallende außervertragliche Schuldverhältnisse, Art. 3 Rom II-VO. Die Rom II-VO ist im Hinblick auf die vorliegende Arbeit demnach insbesondere im Rahmen der Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Emittenten beim auftragslosen Rating und im Falle der Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum von Relevanz, weil die Kläger in diesen Konstellationen mangels Vertragsbeziehung zur Ratingagentur auf die Geltendmachung von außervertraglichen Ansprüchen angewiesen sind. Des Weiteren findet die Verordnung grundsätzlich auch dann Anwendung, wenn im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses außervertragliche Ansprüche geltend gemacht werden, weshalb die Rom II-VO auch im Rahmen des Auftragsratings oder bei Vorliegen eines Abonnementvertrages zur Anwendung kommen kann. In diesen Fällen ist jedoch auch an die Möglichkeit einer vertragsakzessorischen Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 3 S. 1 und S. 2 Rom II-VO zu denken: Liegt eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als in Art. 4 Abs. 1 oder 2 Rom II-VO bezeichneten Staat vor, was nach Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO insbesondere aufgrund eines bestehenden Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien denkbar ist, so sind nicht die in Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom II-VO genannten Grundanknüpfungen maßgeblich. Vielmehr ist nach Art. 4 Abs. 3 S. 1 Rom II-VO das Recht dieses anderen Staates anwendbar642. Da die Haftung nach dem harmonisierten Haftungstatbestand außervertraglicher Natur ist643, findet die Rom II-VO über die bereits geschilderten Fälle hinaus 642 Nach Art. 4 Abs. 3 S. 1 Rom II-VO ist das Recht eines anderen Staates anzuwenden, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in Abs. 1 und 2 bezeichneten Staat aufweist. Eine solche offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat könnte sich gemäß S. 2 dieser Norm insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einem Vertrag – ergeben, das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht. Übertragen auf die vorliegende Konstellation bedeutet dies, dass im Falle des Auftragsratings oder bei Vorliegen eines Abonnementvertrags über die vertragsakzessorische Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO unter Umständen das Recht anwendbar sein kann, das sich aus Art. 4 Rom I-VO ergibt. Darüber hinaus ist auch die „Fernwirkung“ einer von den Parteien (ggf. stillschweigend) im vertraglichen Zusammenhang getroffenen Rechtswahlvereinbarung auf deliktische Ansprüche denkbar, Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 14, Stand: 01.02.2013. Angesichts des Umstandes, dass Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO eine „enge Verbindung“ des Rechtsverhältnisses mit der unerlaubten Handlung verlangt und nicht eine beliebige Verbindung ausreicht, kommt eine solche Anknüpfung allerdings nicht bereits dann in Betracht, wenn ein Delikt nur bei Gelegenheit einer Vertragserfüllung begangen wird. Vielmehr ist ein sachlicher oder innerer Zusammenhang zwischen Delikt und dem bestehenden Rechtsverhältnis erforderlich. Ein solcher ist beispielsweise dann gegeben, wenn spezifische Pflichten aus dem Vertrag verletzt werden, die ihre Wurzel in diesem rechtlichen Verhältnis haben. Vgl. hierzu im Detail Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 15, Stand: 01.02.2013. 643 Zur Abgrenzung der Begrifflichkeiten „Vertrag“ und „Delikt“ können die Grundsätze des EuGH herangezogen werden, die auch zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 und Nr. 3 EuGVVO (Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO 2015) dienen, EuGH
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auch im Rahmen der Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 Anwendung644. Wie bereits erläutert, ist das Internationale Privatrecht hierbei jedoch nur für die Interpretation der in der RatingVO 2013 nicht definierten Begrifflichkeiten und im Hinblick auf eine Lückenfüllung bedeutsam, da der harmonisierte Haftungstatbestand an sich ohne Vorschaltung des Internationalen Privatrechts anwendbar ist645. Auch nach der Rom II-VO ist primär maßgeblich, ob im konkreten Fall eine wirksame parteiautonome Rechtswahl getroffen wurde, Art. 14 Abs. 1 Rom II-VO. Eine solche kann gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. a und b Rom II-VO sowohl vor als auch nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses erfolgen. Eine Rechtswahl vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses ist nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. b Rom II-VO nur dann möglich, wenn alle Parteien einer „kommerziellen Tätigkeit“ nachgehen, also in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handeln646, weshalb diese theoretisch bestehende Möglichkeit im Falle der Haftung von Ratingagenturen gegenüber privaten Kleinanlegern keine praktische Relevanz hat647. Aber auch gegenüber institutionellen Anlegern, die in keiner vertraglichen Verbindung zur Ratingagentur stehen, sowie gegenüber Emittenten eines auftragslosen Ratings, wird eine Rechtswahl vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses nur selten vorliegen, weil es in der Regel an einem Rechtsverhältnis fehlt, das eine solche begründen könnte648. Im Gegensatz hierzu ist eine Rechtswahl nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses im vorliegenden Fall in sämtlichen Konstellationen durchaus denkbar. Diese muss – ebenso wie eine vorherige Rechtswahl – gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben. Hierbei bedarf es in jedem Fall tatsächlicher Anhaltspunkte für einen Rechtswahlwillen, insbesondere eines entsprechenden Erklä-
RIW 1994, 680 ff. Entscheidend für die Einordnung des Art. 35a RatingVO 2013 als außervertraglichen Haftungstatbestand spricht demnach, dass die Norm keine rechtsgeschäftliche Verbindung im Sinne einer „freiwillig eingegangenen Verpflichtung“ zwischen Anspruchsteller und Ratingagentur voraussetzt, was in Erwägungsgrund 32 dieser Verordnung zum Ausdruck kommt. Vgl. hierzu im Detail Dutta, WM 2013, 1729, [1730 f.]. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Begriff der unerlaubten Handlung i. S. d. Art. 4 Rom II-VO erfolgt in Fußnote 651. 644 In Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 wird diesbezüglich pauschal auf die „einschlägigen Bestimmungen des Internationalen Privatrechts“ verwiesen. 645 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 107, sowie Dutta, WM 2013, 1729, [1730]; ders., IPRax 2014, 33, [40]. 646 Gebauer, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom II, Art. 14, Rn. 34. 647 Steinrötter, ZIP 2015, 110, [114]. 648 Schuler, S. 175 f. Allenfalls erscheint eine vorherige Rechtswahl über Rechtswahlklauseln denkbar, die in den AGB der Ratingagenturen Verwendung finden, Schuler, S. 175 f. Ob einseitig „gestellte“ Vertragsklauseln unter gewissen Umständen eine „frei ausgehandelte Vereinbarung“ i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. b Rom II-VO darstellen, ist jedoch sehr umstritten. Vgl. hierzu weiterführend Gebauer, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom II, Art. 14, Rn. 35. Zu den Anforderungen an ein „freies Aushandeln“ vgl. auch Rushworth/Scott, in: LMCLQ 2008, 274, [293].
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rungsbewusstseins beider Parteien649. Eine nachträgliche Rechtswahlvereinbarung bietet sich vor allem dann an, wenn hierdurch zeit- und kostenintensive Gutachten zu einem ausländischen Recht vermieden werden können650. Im Falle eines komplexen Themas wie der Haftung von Ratingagenturen kann dieser Aspekt in der Praxis durchaus eine entscheidende Rolle spielen. Liegt im konkreten Fall keine wirksame Rechtswahlvereinbarung vor, so findet in der vorliegenden Konstellation Art. 4 Rom II-VO als allgemeine Kollisionsnorm für unerlaubte Handlungen651 Anwendung652. Sofern Ratingagentur und Kläger ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes nicht ausnahmsweise in demselben Staat haben653, ist in der vorliegenden Konstellation im Regelfall654 Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO für die Ermittlung des anwendbaren Rechts maßgeblich655. Demnach ist insbesondere im RahJunker, in: MüKo BGB, Band 10, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 29; Schuler, S. 175. Die Einholung solcher Gutachten würde in den Fällen erforderlich, in denen ohne wirksame Rechtswahlvereinbarung der Parteien bei Anwendung der Regelungen der Rom II-VO vor inländischen Gerichten ausländisches Recht Anwendung fände, Schuler, S. 175. 651 Die Definition der „unerlaubten Handlung“ ist nach der Rechtsprechung des EuGH (zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) äußerst weit gefasst, da sich dieser Begriff „auf alle Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag i. S. d. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfen“, EuGH, Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565 – Kalfelis, Rn. 17. Demnach umfasst der daraus resultierende europäische Begriff insbesondere auch verschuldensunabhängige Tatbestände, Lehmann, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom II, Art. 4, Rn. 41 f. 652 Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [596]. Insbesondere handelt es sich bei einer Haftung wegen fehlerhafter Ratings in aller Regel nicht um eine Haftung wegen „der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verleumdung“, welche gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom II-VO nicht vom sachlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung umfasst wäre, weil ein Rating unternehmensbezogen und nicht personenbezogen ist. Vgl. hierzu und zu weiteren Argumenten, die diese Ansicht stützen Dutta, IPRax 2014, 33, [37]. 653 In diesen Fällen unterliegt die unerlaubte Handlung gemäß Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO dem Recht dieses Staates. Zur Bestimmung des „gewöhnlichen Aufenthalts“ bei natürlichen Personen enthält die Rom II-VO keine Legaldefinition. Nach überzeugender Ansicht ist hierbei jedoch auf den Staat abzustellen, in welchem die natürliche Person den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse innehat, Schulze, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom II, Art. 23, Rn. 15. Bei juristischen Personen, Gesellschaften und professionell handelnden natürlichen Personen greifen hingegen die Legaldefinitionen des Art. 23 Rom II-VO zur Bestimmung ihres „gewöhnlichen Aufenthalts“. Hierbei ist nach Abs. 1 S. 1 beziehungsweise Abs. 2 dieser Vorschrift grundsätzlich der Ort der Hauptverwaltung beziehungsweise – im Falle der professionell handelnden natürlichen Person – der Ort der Hauptniederlassung maßgeblich. Sofern das schadensbegründende Ereignis oder der Schaden aus dem Betrieb einer (Zweig-)Niederlassung oder Agentur herrührt, so steht dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts nach Abs. 1 S. 1 gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO der Ort gleich, an welchem sich diese Niederlassung beziehungsweise Agentur befindet. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass stets geprüft werden muss, welche konkrete Ratingagentur das streitgegenständliche fehlerhafte Rating erstellt hat. 654 In Ausnahmefällen ist an eine Anknüpfung an die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO zu denken, sofern die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in den Absätzen 1 oder 2 dieser Vorschrift bezeichneten Staat aufweist. Vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen in Fußnote 642 dieser Arbeit. 655 Dutta, IPRax 2014, 33, [38]. 649
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men der Haftung US-amerikanischer Muttergesellschaften gegenüber europäischen Klägern nicht der zunächst naheliegende Ort der Ratingerstellung als derjenige Ort, an welchem die schadensbegründende Handlung begangen wurde, entscheidend656. Vielmehr ist – zum Vorteil des Geschädigten657 – das Recht desjenigen Staates anwendbar, in welchem der Schaden eingetreten ist oder einzutreten droht (sog. lex loci damni)658. Die Bestimmung des Ortes des Schadenseintritts ist im Hinblick auf den vorliegenden Fall jedoch mitunter schwierig: Da es sich bei den in Betracht kommenden Schäden um allgemeine Vermögensschäden handelt, fehlt es an einer körperlichen Manifestation des Schadens. Dies hat zur Folge, dass die Lokalisierung des entscheidenden Primärschadens schwerfällt659. Die überwiegende Ansicht in der deutschen Literatur660 stellt zur Lösung dieses Problems auf den Wohn- oder Geschäftssitz des Geschädigten als dessen „Vermögenszentrale“ ab, weil sich dort in der Regel die Schädigung in der Bilanz auswirkt661. Legt man diese überzeugende Ansicht zugrunde, so stellt bei der Haftung im Rahmen auftragsloser Ratings der Geschäftssitz des bewerteten Emittenten den maßgeblichen Ort des Schadenseintritts dar. Betrachtet man die Rechtslage im Rahmen der Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum genauer, so wird deutlich, dass der Primärschaden in diesem Fall mit dem Erwerb der Emission, mithin zum Zeitpunkt der Bindung an dieses Rechtsgeschäft, eintritt. Obwohl es deshalb denkbar erscheint, an den Ort des Vertragsabschlusses anzuknüpfen662 , bleibt nach
Schuler, S. 176. Den Interessen des Geschädigten wird hierdurch Rechnung getragen, weil sich im Zweifel der Schädiger über das für ihn fremde Recht informieren muss, Rosset, S. 16. 658 Schuler, S. 176. In der deutschen Vorgängernorm des Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB stand dem Geschädigten dagegen ein Wahlrecht zwischen dem Recht des Erfolgs- und des Handlungsortes zu. 659 Unberath/Cziupka, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom II-VO, Rn 40; Lehmann, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom II, Art. 4, Rn. 115; Dutta, WM 2013, 1729, [1731]; Odendahl, S. 149 f. 660 Zwar ist auch der Begriff des Schadens i. S. d. Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO autonom zu bestimmen, um – unter anderem – den internationalen Entscheidungseinklang zu fördern und zu stark national beeinflusste Sichtweisen zu vermeiden, Odendahl, S. 169. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit sämtlichen Facetten dieses Problems würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit bei Weitem übersteigen, sodass hier lediglich die in der deutschen Literatur hierzu vertretene Ansicht exemplarisch zugrunde gelegt wird. Einen umfassenden Überblick über sämtliche denkbare Ansatzpunkte und über die in den Mitgliedstaaten zu diesem Problem ergangenen Entscheidungen der nationalen Gerichte bietet die Untersuchung Odendahls hierzu, vgl. Odendahl, S. 149 ff. 661 Unberath/Cziupka, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 42; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 9; Lehmann, in: Hüßtege/Mansel, Rom-Verordnungen, Rom II, Art. 4, Rn. 115. 662 Vgl. zu diesem Problem im Hinblick auf die insoweit vergleichbaren Fälle zur „Expertenhaftung“ für fehlerhafte Beratung Unberath/Cziupka, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 44. 656 657
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überzeugender Ansicht jedoch auch hier der Wohn- bzw. Geschäftssitz des Anlegers als Erfolgsort entscheidend663. (2) Internationale Zuständigkeit (Gerichtsstand) Gerichtsstände im Ausland können gerade für geschädigte (Klein-)Anleger ein Hemmnis bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche darstellen664, sodass insbesondere in solchen Fällen eine Klärung der internationalen Zuständigkeit notwendig erscheint, sofern ein internationaler Sachverhalt gegeben ist. Aber auch für andere durch ein fehlerhaftes Rating Geschädigte und für die Ratingagenturen als mögliche Beklagte in einem Verfahren ist es erforderlich zu wissen, welches Gericht für eine solche Klage international zuständig wäre, weshalb dieser Aspekt im Folgenden untersucht wird. Hierbei muss danach differenziert werden, ob zwischen den Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt (a) oder eine solche nicht bzw. nicht wirksam vereinbart wurde (b). Im Rahmen der weiteren Untersuchung wird davon ausgegangen, dass der jeweilige Kläger seinen (Wohn-)Sitz in einem der drei untersuchten Mitgliedstaaten der EU hat. (a) Bei Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung Liegt zwischen zwei Vertragsparteien ein internationaler Sachverhalt vor, richtet sich die internationale Zuständigkeit im konkreten Fall in erster Linie danach, ob die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung665 getroffen haben. In der Praxis sind in Ratingverträgen häufig Vereinbarungen enthalten, welche als Gerichtsstand Orte festlegen, die den Ratingagenturen einen „Heimvorteil“ bieten: Hierbei werden meist New York oder – im Falle von Fitch – auch London als Orte des
663 Vgl. zu dieser Einschätzung im Falle der Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum auch Halfmeier, VuR 2014, 327, [329 f.]. Eine Anknüpfung an den Ort des Vertragsschlusses zwischen Emittent und Anleger würde demgegenüber zufällig erscheinen. Vgl. zu den insoweit parallelen Fällen der „Expertenhaftung“ Unberath/Cziupka, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom II-VO, Rn. 44. Dutta bevorzugt es demgegenüber, auch im Hinblick auf die Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum am Sitz des Emittenten anzuknüpfen, weil hier die Vermögensinteressen des Anlegers zuerst betroffen seien, Dutta, WM 2013, 1729, [1731]; ders., IPRax 2014, 33, [38 f.]. Auch wenn eine solch einheitliche Lösung Rechtssicherheit für sämtliche Beteiligte mit sich brächte, erscheint diese Lösung problematisch, da allein durch die Erstellung des Ratings für den Anleger noch kein Schaden entsteht. 664 Rosset, S. 15. Insbesondere wird ein Verfahren in den USA oftmals bereits aus Kostengründen nicht durchführbar sein, Däubler, NJW 2013, 282, [282]. 665 Generell muss zwischen ausschließlichen und fakultativen Gerichtsstandsvereinbarungen unterschieden werden. Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen bewirken neben der Begründung der Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichts (Prorogation) auch den Ausschluss einer an sich bestehenden Zuständigkeit (Derogation), Bläsi, S. 34; Schack, Rn. 496. Durch fakultative Gerichtsstandsvereinbarungen werden dagegen Klagen an anderen Gerichtsständen nicht ausgeschlossen. Es wird hierdurch jedoch sichergestellt, dass der vereinbarte Gerichtsstand in jedem Fall zur Verfügung steht, Eichel, GPR 2014, 159, [161].
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Sitzes der Muttergesellschaft der Ratingagenturen666 gewählt. Aufgrund der hohen Relevanz dieses Sachverhalts für die vorliegende Fragestellung wird im Folgenden beleuchtet, inwieweit Gerichtsstandsvereinbarungen im Verhältnis zu Klägern aus den drei untersuchten EU-Mitgliedstaaten wirksam getroffen werden können. Als Rechtsquellen zur Beurteilung der Wirksamkeit solcher Vereinbarungen kommen grundsätzlich völkerrechtliche Übereinkommen, Verordnungen der EU, Staatsverträge und nachrangig das nationale Prozessrecht der untersuchten Mitgliedstaaten in Betracht667. Da das Zusammenspiel der Regelungen im Einzelnen sehr komplex ist, kann im Rahmen dieser Arbeit nur auf einige wesentliche Grundzüge eingegangen werden. In der vorliegenden Konstellation kommt seit 01.10.2015 in einigen Fällen vorrangig das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ) zur Anwendung, sofern eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt668. Aufgrund des Umstands, dass dieses Übereinkommen im Moment lediglich sehr eingeschränkt Anwendung findet – es wurde bisher nur von der EU und von Mexiko ratifiziert bzw. genehmigt669 –, wird auf eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Vorschriften des HGÜ im Rahmen dieser Arbeit verzichtet. Zukünftig könnte das HGÜ jedoch für die Fallkonstellation der Haftung von Ratingagenturen an Bedeutung gewinnen. Wie bereits herausgearbeitet wurde, wäre dieses insbesondere im Verhältnis der Mitgliedstaaten der EU zu den USA interessant: Zwar haben die USA das HGÜ vorangetrieben und bereits gezeichnet, die Ratifikation durch sie wird jedoch voraussichtlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen670. Des Weiteren kommt auch seit Inkrafttreten des HGÜ in der EU in vielen Fällen weiterhin die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 666 Vgl. zu diesem Bestreben der Ratingagenturen im französischen Recht Denis, RLDA 2011, Nr. 65, 73, [74]. Englische Emittenten oder Anleger, die mit Fitch einen Vertrag geschlossen haben, können demnach bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegebenenfalls einen Vorteil haben. 667 Eisen, S. 212 f. 668 Demgegenüber findet das HGÜ auf fakultative Gerichtsstandsvereinbarungen nur dann Anwendung, wenn beide betroffenen Vertragsstaaten eine entsprechende Erklärung hierzu nach Art. 22 HGÜ abgegeben haben, Eichel, GPR 2014, 159, [161]. 669 Da für das Inkrafttreten des HGÜ die Ratifikation oder Genehmigung durch zwei Signaturparteien erforderlich war und eine Ratifizierung lange Zeit nur von Mexiko erfolgte, ist das HGÜ erst nach Hinterlegung der Genehmigungsurkunde durch die EU zum 1.10.2015 in Kraft getreten. Das HGÜ hat als von der EU abgeschlossenes völkerrechtliches Übereinkommen am unionsrechtlichen Anwendungsvorrang nach Art. 216 Abs. 2 AEUV teil. Die Mitgliedstaaten der EU sind demgegenüber selbst nicht Vertragsstaaten des HGÜ, Eichel, GPR 2014, 159, [161 f.]. Der Status der einzelnen Staaten im Hinblick auf die Ratifikation des HGÜ kann auf der Website der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht abgerufen werden: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 670 Dies ist vor allem auf die komplexe Gerichtsorganisation und die föderale Kompetenzverteilung in den USA zurückzuführen, Eichel, GPR 2014, 159, [161 f.].
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(EuGVVO) zur Anwendung671. Seit dem 10.01.2015 ist eine Neufassung der EuGVVO in Kraft (EuGVVO 2015), durch welche die bis dahin gültige Verordnung aufgehoben und ersetzt wurde. Im Hinblick auf „Altfälle“, also solche Gerichtsstandsvereinbarungen, die bereits vor Inkrafttreten des HGÜ für den Staat des vereinbarten Gerichts getroffen wurden, gelten gemäß Art. 16 Abs. 1 HGÜ ohnehin weiterhin die bisherigen Regelungen, weshalb im Folgenden die Regelungen der EuGVVO näher untersucht werden. Hierbei werden grundsätzlich im Hinblick auf die „Altfälle“ die Regelungen der bis zum 09.01.2015 geltenden Fassung der EuGVVO zu Grunde gelegt. Sofern sich Änderungen durch die Neufassung ergeben, wird hierauf jedoch in einem Klammerzusatz oder in einer Fußnotenanmerkung verwiesen. Die EuGVVO findet gegenüber den nationalen Bestimmungen der Mitgliedstaaten vorrangig Anwendung672. Diese ist nach den Artt. 2–4 EuGVVO (Artt. 4 –6 EuGVVO 2015) in räumlich-persönlicher Hinsicht673 grundsätzlich nur dann anwendbar, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in der EU hat, was im Falle von juristischen Personen gemäß Art. 60 EuGVVO (Art. 63 EuGVVO 2015) dem satzungsmäßigen Sitz, der Hauptverwaltung oder der Hauptniederlassung entspricht. Da der Beklagtenwohnsitz als Kriterium im Hinblick auf die Anwendung der EuGVVO im Falle von Gerichtsstandsvereinbarungen untauglich ist674, macht Art. 23 EuGVVO hiervon eine Ausnahme. Im Rahmen dieser Vorschrift ist es nicht erforderlich, dass sich der Beklagtenwohnsitz bzw. der satzungsmäßige Sitz in einem Mitgliedstaat der EU befindet, vielmehr reicht es aus, wenn eine der Parteien – vorliegend ist dies beim Kläger der Fall675 – ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat676. Allerdings findet diese Norm nur in den Fällen Anwendung, in denen die Parteien ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaates für zu671 Das Verhältnis zwischen EuGVVO 2015 und HGÜ bestimmt sich nach Art. 26 Abs. 6 HGÜ. Diese Norm kommt jedoch nur in den Fällen zur Anwendung, in welchen die Anwendung der EuGVVO 2015 im konkreten Fall tatsächlich einen Verstoß gegen das HGÜ nach sich zieht, Eichel, GPR 2014, 159, [162]. Sofern ein solcher Verstoß tatsächlich vorliegt, setzt sich die EuGVVO 2015 nur in den Fällen durch, in welchen beide Parteien ihren Aufenthalt i. S. d. Art. 4 Abs. 2 HGÜ in der EU haben oder mindestens eine von ihnen in einem Drittstaat, der nicht Vertragsstaat des HGÜ ist, Eichel, GPR 2014, 159, [162]; Hartley, Choice-of-court agreements, Rn. 6.50, Bläsi, S. 153. 672 Schack, Rn. 526; Eisen, S. 212. 673 In zeitlicher Hinsicht findet die EuGVVO gemäß Art. 76 EuGVVO Anwendung, wenn die Klage nach dem 01.03.2002 erfolgt ist. Der sachliche Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 EuGVVO ist im vorliegenden Fall ebenfalls eröffnet, denn es liegt eine Zivilsache vor und es greift keine der Ausnahmen nach Abs. 2. 674 Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, EuGVVO, Art. 23, A. 1, Rn. 16. 675 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist dies der Fall, da davon ausgegangen wird, dass der jeweilige Anspruchsteller seinen (Wohn-)Sitz in einem der drei untersuchten Mitgliedstaaten hat. 676 Mit Wirkung zum 10.01.2015 wurde Art. 23 EuGVVO durch Art. 25 EuGVVO 2015 abgelöst. Die neue Vorschrift greift unabhängig vom Wohnsitz der Parteien.
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ständig erklärt haben. Aus diesem Grund muss im Folgenden differenziert werden, ob die Parteien ein Gericht/Gerichte eines Mitgliedstaates gewählt haben, oder ein Gericht/Gerichte eines anderen Staates, was in der vorliegenden Konstellation meist ein US-amerikanisches Gericht sein wird. Bezieht sich die Gerichtsstandsvereinbarung auf ein Gericht/Gerichte innerhalb der EU, gilt Folgendes: Um den Anforderungen des Art. 23 EuGVVO (Art. 25 EuGVVO 2015) zu genügen, ist es nicht nötig, dass es sich um eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit handelt. Vielmehr reicht es aus, wenn sich die Vereinbarung auf eine künftige, aus einem bestimmten Rechtsverhältnis heraus entspringende Rechtsstreitigkeit bezieht. Damit eine solche Vereinbarung wirksam zustande kommt, muss eine ausdrückliche oder konkludente Willenseinigung zwischen den Parteien vorliegen677. Darüber hinaus müssen die Formvorschriften des Art. 23 Abs. 1 S. 3 EuGVVO (Art. 25 Abs. 1 S. 3 EuGVVO 2015) gewahrt sein. In der Regel wird im vorliegenden Fall eine schriftliche Vereinbarung nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. a EuGVVO (Art. 25 Abs. 1 S. 3 lit. a EuGVVO 2015) gegeben sein678. Sofern eine Vereinbarung den in Art. 23 EuGVVO (Art. 25 EuGVVO 2015) genannten Voraussetzungen genügt, so sind das hierin vereinbarte Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaates gemäß Art. 23 Abs. 1 EuGVVO (Art. 25 Abs. 1 EuGVVO 2015) zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem materiellen Recht dieses Mitgliedstaates nichtig. Sofern nichts Abweichendes vereinbart wurde, ist eine ausschließliche Zuständigkeit dieses Gerichts bzw. der Gerichte dieses Mitgliedstaates nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 EuGVVO (Art. 25 Abs. 1 S. 2 EuGVVO 2015) anzunehmen. Bezieht sich die Gerichtsstandsvereinbarung hingegen auf ein Gericht/Gerichte außerhalb der EU, also beispielsweise in den USA, so findet Art. 23 EuGVVO (Art. 25 EuGVVO 2015) keine Anwendung. Liegt eine ausschließliche Prorogation der internationalen Zuständigkeit eines solchen Staates vor, richtet sich die Beurteilung der Frage, ob die Gerichte dieses Staates hieran gebunden sind, nach dem Prozessrecht dieses Staates (lex fori)679. Gleiches gilt für die Derogation der internationalen Zuständigkeit solcher Staaten680. 677 Interessant ist im Hinblick auf die vorliegende Konstellation vor allem die Möglichkeit der konkludenten Vereinbarung: Eine solche ist namentlich auch dann gegeben, wenn zwischen den Parteien laufende Geschäftsbeziehungen bestehen, welchen AGB zugrunde liegen, die wiederum Gerichtsstandsklauseln enthalten. Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist jedoch, dass sie nach dem Willen beider Parteien in den Vertrag einbezogen werden sollen, Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, EuGVVO, Art. 23, A. 1, Rn. 79. 678 Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform hierbei nach Art. 23 Abs. 2 EuGVVO (25 Abs. 2 EuGVVO 2015) gleichgestellt. 679 Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, EuGVVO, Art. 23, A. 1, Rn. 40. 680 Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, EuGVVO, Art. 23, A. 1, Rn. 44.
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Interessant ist in diesem Zusammenhang die Spezialvorschrift des Art. L544-5 Abs. 2 CMF im französischen Recht, welche die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen (clauses attributives de compétence) bezüglich der Haftung von Ratingagenturen nach Abs. 1 dieser Vorschrift des CMF regelt. Wie bereits Art. L544-5 Abs. 1 CMF betrifft auch diese Norm nur Ratingagenturen i. S. d. Art. L544-4 CMF, also solche, die in Frankreich registriert sind. Gerichtsstandsvereinbarungen sind nach dieser Vorschrift demnach nur dann als nichtig anzusehen, wenn als Gerichtsstand ausschließlich ein Gericht außerhalb der EU681 festgelegt wurde, die Vereinbarung vor Entstehen des Rechtsstreits getroffen wurde und französische Gerichte prinzipiell im konkreten Fall zuständig wären682. Diese Vorschrift hat im Ergebnis nur einen sehr engen Anwendungsbereich, da sie nur dann greift, wenn die Klagepartei – trotz abweichender ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung – in Frankreich an einem prinzipiell zuständigen Gericht Klage erhebt. Wird die Klage hingegen direkt am ausschließlich prorogierten Gericht des Drittstaates erhoben, so beurteilt sich die Wirksamkeit der ausschließlichen Zuständigkeitsvereinbarung – entsprechend der oben aufgezeigten Grundsätze – anhand des Prozessrechts dieses Drittstaates als lex fori683. Im Hinblick auf das englische Recht ist interessant, dass englische Gerichte Gerichtsstandsvereinbarungen häufig keine absolute Bindungswirkung zusprechen684, was gewisse Unsicherheiten für die Parteien nach sich zieht und im Hinblick auf die Privatautonomie problematisch erscheint. Durch den Grundsatz des sog. forum non conveniens kann ein an sich zuständiges Gericht die Ausübung seiner Zuständigkeit nach englischem Recht verweigern, wenn die Gerichte eines anderen Staates zur Verfahrensdurchführung besser geeignet sind685. Dieses 681 Wäre diese Einschränkung bezüglich der Mitgliedstaaten der EU nicht enthalten und würden durch die Norm sämtliche Gerichtsstandsvereinbarungen, die ein Gericht außerhalb Frankreichs für zuständig erklärten, als unzulässig eingestuft, läge nach den oben beschriebenen Grundsätzen ein Verstoß gegen Art. 23 EuGVVO (Art. 25 EUGVVO 2015) vor. Vgl. hierzu auch Denis, RLDA 2011, Nr. 65, 73, [75]. 682 Vgl. zu diesen Voraussetzungen im Einzelnen Denis, RLDA 2011, Nr. 65, 73, [75]. 683 Das Urteil eines solchen Gerichts eines Drittstaates wäre jedoch in Frankreich nicht vollstreckbar, weil dieses Gericht nach französischem Recht unzuständig wäre, Denis, RLDA 2011, Nr. 65, 73, [76]. 684 Es lässt sich im englischen common law eine restriktive Grundhaltung zur Frage der Bindung an Gerichtsstandsvereinbarungen erkennen. Zwar geht diese auf Zeiten des Kalten Krieges zurück, im Prinzip hat sich hieran jedoch bis heute nichts geändert, Hartley, Choice-ofcourt agreements, Rn. 1.14. 685 Vgl. zur Übersetzung der Kernaussage dieses Grundsatzes in diesem Sinne König, S. 23. Die Entscheidung darüber, ob im jeweiligen Fall tatsächlich ein anderes besser geeignetes zuständiges Gericht gegeben ist, stellt eine richterliche Ermessensentscheidung dar, weshalb es schwierig ist, allgemeingültige Grundsätze hierzu zu formulieren. Da es sich rechtstechnisch um eine Einrede des Beklagten handelt, muss diese im jeweiligen Einzelfall geltend gemacht werden. Vgl. hierzu, zu den einzelnen Faktoren, welche die Entscheidung beeinflussen können und insbesondere zu dem von der Rechtsprechung zur Beurteilung dieser Fragestellung entwickelten zweistufigen Test im Detail König, S. 39 ff.
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Prinzip greift jedoch jedenfalls dann nicht, wenn die englischen Gerichte über eine nach einer höherrangigen Rechtsquelle wirksame Gerichtsstandsvereinbarung bindend zur Entscheidung des Sachverhaltes berufen sind686. Da im vorliegenden Fall – wie bereits erörtert – für solche Gerichtsstandsvereinbarungen nach aktuellem Rechtsstand häufig Art. 23 EuGVVO (Art. 25 EuGVVO 2015) maßgeblich ist und in bestimmten Fällen das HGÜ Anwendung findet bzw. nach Ratifikation weiterer Staaten zukünftig Anwendung finden wird, kommt diesem Prinzip im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kaum Bedeutung zu, weshalb auf eine detaillierte Auseinandersetzung hiermit verzichtet wird687. (b) Bei Fehlen einer (wirksamen) Gerichtsstandsvereinbarung Liegt zwischen Ratingagentur und (potentiellem) Kläger im konkreten Fall keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vor oder wurde von vornherein keine solche Vereinbarung getroffen688, gilt im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit Folgendes: Wie bereits im Rahmen der Untersuchung bei Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung erörtert, richtet sich die internationale Zuständigkeit auch bei Fehlen einer solchen vorrangig nach den Regelungen der EuGVVO (EuGVVO 2015)689. Hiernach kommt es entscheidend darauf an, ob die jeweilige Ratingagentur als Beklagte ihren Wohnsitz in der EU hat, wobei im vorliegenden Fall gemäß Art. 60 Abs. 1 EuGVVO (Art. 63 EuGVVO 2015) auf den satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung abzustellen ist. Im Falle der Muttergesellschaften der „Großen Drei“ ist dies lediglich bei Fitch gegeben, weil ein satzungsmäßiger Sitz dieser Ratingagentur in London liegt690, im Hinblick auf ihre europäischen Tochtergesellschaften sind diese Voraussetzungen hingegen stets erfüllt691. Daneben existieren auch einige (kleinere) Ratingagenturen mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat692. Sofern die genannten Voraussetzungen im je686 Hartley, Choice-of-court agreements, Rn. 1.75 f.; Joseph, Jurisdiction and Arbitration Agreements, Rn. 10.04. Für das HGÜ folgt dies explizit aus Art. 5 Abs. 2: Hierin ist sinngemäß normiert, dass Lehren wie die des forum non conveniens im Anwendungsbereich des HGÜ keinen Ausschluss der Zuständigkeit begründen können. 687 Vgl. zur Frage der Anwendbarkeit dieser Lehre im europäischen Zivilprozess im Detail König, S. 131 ff. 688 Letzteres ist insbesondere bei Ansprüchen gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings und gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum der Fall, da es hierbei von vornherein an einem vertraglichen Anknüpfungspunkt für eine Gerichtsstandsvereinbarung fehlt. 689 Im Gegensatz zu der soeben beleuchteten Situation hatte das Inkrafttreten des HGÜ am 01.10.2015 auf diese Konstellation keine Auswirkung, weil das Übereinkommen nur bei Vorliegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zur Anwendung kommt. 690 Rosset, S. 18. 691 Dutta, IPRax 2014, 33, [36]. 692 Solche Ratingagenturen mit Sitz in der EU unterliegen auch der Registrierungspflicht nach Art. 14 Abs. 1 der Ratingverordnung, Dutta, WM 2013, 1729, [1736].
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weiligen Fall gegeben sind, ergibt sich nach den Vorschriften der EuGVVO (EuGVVO 2015) ein europäischer Gerichtsstand zumindest am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagtenwohnsitzes nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO (Art. 4 Abs. 1 EuGVVO 2015)693. Zudem können besondere europäische Gerichtsstände in einem anderen Mitgliedsstaat als dem des Beklagtenwohnsitzes relevant werden, namentlich der Deliktsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO 2015) oder – für vertragliche Ansprüche – der Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO (Art. 7 Nr. 1 EuGVVO 2015)694. Im Falle der Muttergesellschaften von S&P und Moody’s sowie sämtlicher anderer Ratingagenturen, welche die Voraussetzungen des Art. 60 Abs. 1 EuGVVO (Art. 63 EuGVVO 2015) nicht erfüllen, richtet sich die internationale Zuständigkeit grundsätzlich nach der lex fori des jeweiligen Mitgliedstaates695, Art. 4 Abs. 1 EuGVVO (Art. 6 Abs. 1 EuGVVO 2015696). Demnach sind die jeweiligen Gesetze des Mitgliedstaates, in dem das angerufene Gericht sitzt, maßgeblich, sofern nicht in einem Staatsvertrag etwas Abweichendes bestimmt ist. Da solche Staatsverträge – soweit ersichtlich – in den hier interessanten Konstellationen nicht vorliegen697, werden im Folgenden die nationalen Vorschriften der drei untersuchten Mitgliedstaaten beleuchtet: Im deutschen Recht kommt zunächst der allgemeine Gerichtsstand juristischer Personen in Betracht. Da dieser Gerichtsstand nach § 17 ZPO im Falle der US-amerikanischen Agenturen nicht zum gewünschten Ergebnis – namentlich zur Begründung der Zuständigkeit deutscher Gerichte – führt, stellt sich die Frage, ob gegebenenfalls besondere Gerichtsstände in Frage kommen, die eine solche begründen können698:
Dutta, IPRax 2014, 33, [36]. Dutta, IPRax 2014, 33, [36]; Rosset, S. 18. Sofern Ansprüche aus unerlaubter Handlung gerichtlich geltend gemacht werden, ist eine Klage nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO 2015) alternativ zum allgemeinen Gerichtsstand am Gericht des Ortes denkbar, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Sofern vertragliche Ansprüche den Verfahrensgegenstand bilden, ist nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO (Art. 7 Nr. 1 EuGVVO 2015) als Alternative zum allgemeinen Gerichtsstand eine Klage am Gericht des Ortes denkbar, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. 695 Dutta, IPRax 2014, 33, [36]. 696 Eine Ausnahme gilt seit Inkrafttreten der EuGVVO 2015 im Hinblick auf private Kleinanleger: Da mit Inkrafttreten der Neufassung der EuGVVO bei Klagen von Verbrauchern in Verbrauchersachen die Notwendigkeit des Wohnsitzes des beklagten Unternehmers in einem EU-Mitgliedsstaat entfallen ist, richtet sich die internationale Zuständigkeit für vertragliche Ansprüche von Kleinanlegern in diesen Fällen nicht gem. Art. 6 Abs. 1 EuGVVO 2015 nach der lex fori, sondern nach den Artt. 17 Abs. 1 lit. c und 18 Abs. 1 EuGVVO 2015. Nach diesen Normen ist wahlweise entweder der Wohnsitz der Ratingagentur als andere Vertragspartnerin oder der Wohnsitz des Kleinanlegers maßgeblich. Kleinanleger werden hierbei in aller Regel die Zuständigkeit an ihrem Wohnsitz wählen. Vgl. hierzu auch Dutta, IPRax 2014, 33, [36]. 697 Zum deutschen Recht vgl. hierzu bereits Eisen S. 213. 698 Rosset, S. 17. 693
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Zu dieser Fragestellung beziehungsweise, konkreter ausgedrückt, zur Frage der Zulässigkeit einer Schadensersatzklage deutscher privater Kleinanleger gegen ausländische Ratingagenturen, ist im Jahr 2012 eine Entscheidung des BGH699 ergangen. Diese wird in der Literatur als wegweisend für zukünftige Entscheidungen zur Haftung von Ratingagenturen eingestuft, weil hierdurch erstmals deutschen Gerichten die Möglichkeit eingeräumt wurde, materiell-rechtlich über solche Ansprüche gegen ausländische Agenturen zu entscheiden700. Der BGH hat hierbei in seinem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde der Ratingagentur S&P entschieden701, dass für Klagen deutscher Anleger gegen eine Ratingagentur der Wohnsitz des Klägers in Deutschland (und die deutsche Staatsangehörigkeit) einen hinreichenden Inlandsbezug für die Anwendung des Gerichtsstands des Vermögens nach § 23 ZPO bilden702. Mit dieser Entscheidung hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zu § 23 ZPO aufrechterhalten: In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung ist demnach für die Anwendbarkeit des § 23 ZPO zwar ein über die Vermögensbelegenheit und den Wortlaut der Norm hinausgehender Inlandsbezug erforderlich703, die Anforderungen an diesen Bezug sind jedoch nicht besonders hoch, da der Wohnsitz des Klägers hierfür 699
BGH NJW 2013, 386 ff. Amort, EuR 2013, 272, [280]. 701 Zum Sachverhalt, welcher der Entscheidung zu Grunde liegt: Ein Rentner hatte im Frühjahr 2008 Lehman-Zertifikate im Wert von 30.000 € gekauft, welche im Prospekt von S&P mit der Note A+ bewertet waren, worauf der Rentner explizit hingewiesen wurde. Das Rating wurde auf Basis eines Ratingvertrages zwischen der Ratingagentur und der Emittentin (einer Tochtergesellschaft der Lehmann Brothers Holding Inc.) erstellt, der dem Recht des Staates New York unterlag. Andere Ratingagenturen hatten die Bonität ebenso bewertet. S&P hielt diese Beurteilung bis zum Tage der Eröffnung des Gläubigerschutzverfahrens über die Lehman Brothers Holding Inc. am 15.09.2008 aufrecht. Die gekauften Zertifikate verloren ihren Wert infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Kläger verklagte daraufhin S&P vor dem LG Frankfurt am Main auf Schadensersatz in Höhe der Investitionssumme. Die Klage wurde der Standard & Poor’s Financial Services LLC, die das Rating erstellt hatte, in einem „Office“ in Frankfurt a. M. zugestellt. Das LG Frankfurt am Main verneinte die örtliche Zuständigkeit, eine Klage sei nur am Sitz der Gesellschaft in New York möglich. Das OLG Frankfurt am Main als Berufungsinstanz bejahte hingegen die örtliche Zuständigkeit nach § 23 ZPO, woraufhin die Ratingagentur gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil erfolgreich Nichtzulassungsbeschwerde einlegte. Vgl. hierzu bereits Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, [660]; Amort, EuR 2013, 272, [279]; Däubler, NJW 2013, 282, [282]. 702 Die anderen grundsätzlich noch denkbaren Gerichtsstände nach § 21 ZPO und § 29 ZPO kommen dagegen im vorliegenden Fall nicht in Betracht. § 21 ZPO scheitert daran, dass das Rating in den USA von der Muttergesellschaft erstellt wurde, sodass kein Zusammenhang mit einer deutschen Niederlassung gegeben war; auch die Voraussetzungen für den Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO lagen im konkreten Fall nicht vor. Die durchaus ebenfalls denkbare Variante des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO wurde von den Gerichten dagegen nicht geprüft. Dies könnte mit dem Vorbringen des Klägers zusammenhängen, sofern er seinen Anspruch ausschließlich auf die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter stützte. Überdies würde § 32 ZPO einem Rückgriff auf vertragliche Ansprüche entgegenstehen. Vgl. zu alledem bereits im Detail Däubler, NJW 2013, 282, [282]. 703 BGHZ 115, 90, [94]; BGH NJW 2013, 386, [387]. 700
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ausreicht704. Im konkreten Fall hat der BGH in der Sache an das OLG zurückverwiesen, weil es die richtige Klagezustellung nicht ausreichend geprüft habe. Das OLG Frankfurt am Main entschied daraufhin Ende 2013, dass die Klage zulässig sei und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung an das zuständige Landgericht zurück705. Eine endgültige Entscheidung hierüber steht noch aus706. Nach französischem Recht finden die Art. 42 ff. CPC zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit Anwendung707. Ebenso wie im deutschen Recht führt der allgemeine Gerichtsstand nach Art. 42 CPC nicht zur Begründung der von der Klagepartei gewünschten Zuständigkeit, weil diesbezüglich auch nach französischem Recht auf den Sitz der beklagten US-amerikanischen Ratingagentur abzustellen ist, Art. 43 CPC. Jedoch kommen auch hier – nach Wahl des Klägers – andere Gerichtsstände als Alternativen in Betracht. Hierbei muss gemäß Art. 46 CPC zwischen vertraglichen und deliktischen Angelegenheiten unterschieden werden: Im Falle von vertraglichen Ansprüchen liegt ein alternativer Gerichtsstand an dem Ort vor, an welchem die für den Vertrag charakteristische Leistung erbracht wurde. Dies ist für den Anspruchsteller dann von Vorteil, wenn der für das Rating verantwortliche Analyst in Frankreich arbeitet(e)708. Im Falle deliktischer Ansprüche kommt ein Gerichtsstand nach Art. 46 CPC am Ort des Schadenseintritts in Betracht. Nach englischem Recht finden im Verhältnis zu den US-amerikanischen Agenturen nach Maßgabe des Art. 4 EuGVVO (Art. 6 EuGVVO 2015) die „traditionellen englischen Regelungen“709 Anwendung, die seit 1998 in den Civil Procedure Rules (CPR) auch niedergeschrieben sind710. Die Begründung eines Gerichtsstandes gegenüber US-amerikanischen Agenturen in England erscheint nach diesen Regelungen nur selten direkt „von Rechts wegen“ möglich711. Hierfür wäre entweder die Anwesenheit des Beklagten in England (presence of the defendant) oder seine Unterwerfung unter die Zustän704
BGH NJW 1989, 1431, [1431]; BGH NJW 2013, 386, [387]. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.12.2013, Az. 21 U 23/11. Hinsichtlich der Klagezustellung entschied das Gericht, dass zwar ein Zustellungsmangel bestand, welcher jedoch durch den Zugang der Klage bei den Prozessbevollmächtigten der Beklagten geheilt wurde. 706 Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung auch auf institutionelle Anleger oder gar auf Emittenten als potentielle Anspruchsteller übertragen wird. Art. 23 ZPO findet jedenfalls auch gegenüber juristischen Personen Anwendung, ein ausreichender Inlandsbezug kann auch bei aktivem Mitwirken des Beklagten am Geschäftsleben in Deutschland gegeben sein, Rosset, S. 18. 707 Denis, RLDA 2011, Nr. 65, 73, [75]. 708 Denis, RLDA 2011, Nr. 65, 73, [75]. 709 Morris, The conflict of laws, Rn. 5 -001. 710 Die Civil Procedure Rules 1998 (SI 1998/3132) wurden am 10. Dezember 1998 verabschiedet und sind am 26. April 1999 in Kraft getreten. 711 Nach den traditionellen englischen Regelungen müssen zwei Fallkonstellationen unterschieden werden: In einer Fallgestaltung kann der Kläger „von Rechts wegen“ in England prozessieren, in einer anderen Fallgestaltung benötigt der Kläger hingegen die gerichtliche Erlaubnis hierfür, Morris, The conflict of laws, Rn. 5-012. 705
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digkeit des Gerichts erforderlich (submission of the defendant to the jurisdiction)712. Beide Alternativen werden jedoch vorliegend im Regelfall nicht gegeben sein713, weshalb für englische Gerichte meist nur die Möglichkeit verbleibt, einen inländischen Gerichtsstand über eine Erlaubnis im Einzelfall zu bejahen: In diese Ermessensentscheidung beziehen die Gerichte insbesondere die Erwägungen mit ein, die auch hinsichtlich des forum non conveniens gelten, also beispielsweise die Rechtsnatur der Streitigkeit und praktische Aspekte wie beispielsweise die Verfügbarkeit von Zeugen714. Diejenigen Fälle, in denen solche Ermessensentscheidungen nach den CPR im Einzelfall ausgesprochen werden können, werden in Praxisanweisungen (Practice Direction – im Folgenden PD) zu diesen Vorschriften erläutert. Hierbei wird zwischen deliktsrechtlichen und vertragsrechtlichen Klagen unterschieden: Für deliktsrechtliche Klagen ist PD 6B § 3.1 Abs. 9 CPR maßgeblich. Hiernach ist grundsätzlich der Ort des Schadenseintritts entscheidend (lit. a). Nach lit. b kann ein Gerichtsstand aber auch dann begründet werden, wenn der Schaden aus einer Handlung resultierte, die innerhalb dieser gerichtlichen Zuständigkeit begangen wurde. Für Klagen aufgrund von breach of contract greift hingegen PD 6B § 3.1 Abs. 7 CPR715. Nach dieser Vorschrift ist ein Gerichtsstand an dem Ort möglich, an welchem der Vertragsbruch begangen wurde. Im Regelfall ist hierfür erforderlich, dass der Teil des Vertrages, auf den sich der Vertragsbruch bezieht, in England ausgeführt wurde716. In der vorliegenden Konstellation kann diese Vorschrift somit in den Fällen greifen, in welchen das Rating in England erstellt wurde. Nach alledem verbleiben im englischen Recht gewisse Unsicherheitsfaktoren hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit im Einzelfall. Zum einen kann ein Gerichtsstand gegenüber US-amerikanischen Agenturen im Regelfall nur durch Morris, The conflict of laws, Rn. 5-012. die Bestimmung der Anwesenheit von juristischen Personen greifen die speziellen Regelungen des Art. 1139 Companies Act 2006 neben den Normen der CPR, jedoch werden diese Voraussetzungen im Falle der US-amerikanischen Ratingagenturen meist nicht erfüllt sein. Zu den bestehenden Alternativen zur Begründung einer Anwesenheit von juristischen Personen im Einzelnen vgl. Morris, The conflict of laws, Rn. 5-016 f. Die Unterwerfung einer Ratingagentur unter die Zuständigkeit eines englischen Gerichts, die beispielsweise durch eine rügelose Einlassung erfolgen kann, erscheint im Falle von Haftungsklagen gegen diese Agentur insbesondere in den Fällen interessant, in denen andernfalls ein für sie ungünstigeres Gericht international zuständig wäre. Angesichts des eher liberalen englischen Haftungsrechts scheint eine solche Konstellation in der Praxis auch im Verhältnis zu den US-amerikanischen Ratingagenturen durchaus erwägenswert, da die Haftungsregelungen in den USA in den letzten Jahren verschärft wurden. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Ratingagenturen hierfür bereit sein werden, ihren „Heimvorteil“ aufzugeben. Vgl. zu den Möglichkeiten, die hinsichtlich einer solchen Unterwerfung im Allgemeinen bestehen, Morris, The conflict of laws, Rn. 5-010. 714 Morris, The conflict of laws, Rn. 5 -011 ff. Vgl. hinsichtlich des forum non conveniens bereits die Ausführungen oben zum Punkt „Bei Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung“, S. 121 f. 715 Morris, The conflict of laws, Rn. 5 -025. 716 Rein v Stein [1892], 1 Q.B. 753, 758; Morris, The conflict of laws, Rn. 5 -025. 712
713 Für
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eine gerichtliche Ermessensentscheidung begründet werden. Zum anderen verbleibt auch im Anwendungsbereich der vermeintlich eindeutigen Regelungen der CPR eine gewisse Unsicherheit, ob diese Normen in der Praxis im Einzelfall auch Anwendung finden. Wie oben bei Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung bereits erörtert, besteht auch hier die Möglichkeit englischer Gerichte, die Zuständigkeit im Einzelfall über Ermessensentscheidungen abzulehnen. Hierbei kommt insbesondere dem Einwand des forum non conveniens Bedeutung zu, soweit diese Praxis nicht im konkreten Fall gegen europäisches Recht verstößt717. Aus diesem Grund ist auch hinsichtlich dieser Frage im englischen Recht eine klare Prognose der Rechtslage kaum möglich. Im deutschen und französischen Recht hingegen zeichnet sich ein zumindest etwas eindeutigeres Bild ab. bb) Untersuchung der Regelungen zur Beweislastverteilung bei der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Ratingagenturen in den einzelnen Ländern Im Folgenden werden die Regelungen zur Beweislastverteilung bei der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen Ratingagenturen in den einzelnen Ländern beleuchtet. Zunächst werden hierbei aktuell bestehende Beweishürden für potentielle Kläger herausgearbeitet (1), bevor in einem weiteren Schritt untersucht wird, ob der Bedarf nach einer Änderung der bestehenden Grundsätze seitens der nationalen Gesetzgeber besteht (2). (1) Zusammenfassung bestehender Beweishürden für potentielle Kläger in den einzelnen untersuchten Ländern Wie bereits im Rahmen der Sachberichte zu den einzelnen Haftungsverhältnissen dargestellt wurde, sind die Beweishürden für eine erfolgreiche Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen Ratingagenturen in den einzelnen Ländern teilweise sehr hoch. Die jeweiligen Kläger müssen in allen untersuchten Rechtsordnungen nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen im Regelfall sämtliche anspruchsbegründenden und anspruchserhaltenden Tatsachen nachweisen. In allen drei untersuchten Ländern greifen gewisse Beweiserleichterungen hinsichtlich des Verschuldenserfordernisses im Rahmen vertraglicher Ansprüche718. Hierdurch werden jedoch die Beweisprobleme der Kläger hinsichtlich der übrigen TatMorris, The conflict of laws, Rn. 5-036 ff. Im deutschen Recht greift hinsichtlich des Vertretenmüssens die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Nach französischem Recht findet im vertraglichen Bereich ebenfalls eine Verschuldensvermutung Anwendung, jedoch nur bei Vorliegen einer obligation de résultat: Bei Nichteintritt des Erfolges wird hierbei das Verschulden vermutet, der Schuldner kann sich lediglich durch den Nachweis eines Ausschlusstatbestandes nach Art. 1147 f. C.civ. exkulpieren. Auch nach englischem Recht besteht im vertraglichen Bereich eine Beweiserleichterung, weil es sich hierbei um eine Art „Garantiehaftung“ handelt, ein Verschuldensnachweis somit gar nicht erforderlich ist. 717
718
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bestandsvoraussetzungen nicht beseitigt. Im deliktischen Bereich sind die Beweishürden nochmals höher, da hierbei grundsätzlich sämtliche Voraussetzungen durch den jeweiligen Kläger dargelegt und bewiesen werden müssen. Eine gewisse Erleichterung greift lediglich im französischen Recht bei Vorliegen eines Verstoßes gegen die RatingVO 2009, denn insoweit entfällt nach Art. L544-5 CMF zumindest der Nachweis der objektiven Elemente einer faute719. Angesichts des Umstandes, dass insbesondere Anleger keinen Zugang zu detaillierten Informationen haben, welche die Bonität des Emittenten betreffen, stellen die aufgezeigten Beweisgrundsätze vor allem für diesen Kreis potentieller Kläger einen entscheidenden Aspekt dar, der einer erfolgreichen Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen Ratingagenturen entgegensteht. Aber auch für Emittenten ist der Nachweis der anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht leicht zu führen. Hier stehen häufig insbesondere die großen Spielräume der Ratingagenturen bei der jeweiligen Bewertung sowie der Mangel an transparenten und anerkannten Beurteilungskriterien einer erfolgreichen Geltendmachung von Ansprüchen entgegen720. (2) Untersuchung des Erfordernisses einer Änderung der Beweislastverteilung seitens der nationalen Gesetzgeber Aus den oben dargestellten Gründen wird in der deutschen Literatur erwogen, Änderungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Beweislastverteilung bis hin zu einer vollständigen Beweislastumkehr für Haftungsansprüche gegen Ratingagenturen herbeizuführen. In der englischen Literatur wird diese Frage – höchstwahrscheinlich aus Angst vor einem Verlust der Attraktivität des Finanzplatzes London – nicht diskutiert. Vielmehr wird versucht, Haftungsansprüche möglichst restriktiv zu gestalten und die Hürden für eine Haftung, vor allem gegenüber Dritten im deliktischen Bereich, hochzuhalten. Auch in der französischen Literatur wird diese Frage – soweit ersichtlich – bisher nicht diskutiert. Möglicherweise wird in Frankreich aufgrund des im Unterschied zu den anderen beiden Ländern bereits bestehenden speziellen Haftungstatbestandes nicht erwogen, die Regelungen für Ratingagenturen weiter zu verschärfen, um einen weiteren Attraktivitätsverlust des französischen Rechts für diese zu vermeiden. In der deutschen Literatur wird eine Beweislastumkehr sowohl hinsichtlich der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung der Ratingagentur721 für ein fehlerhaftes Ra719 Grundsätzlich wäre es sogar denkbar, dass im Falle eines Verstoßes i. S. d. Anhangs III der RatingVO 2011 der Nachweis aller Elemente der faute entfiele, mithin kein Verschuldensnachweis seitens der Anspruchsteller erbracht werden müsste. Eine Auslegung der Vorschrift in diesem Sinne erscheint jedoch – wie bereits gezeigt wurde – unwahrscheinlich. Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 73 f. 720 Vgl. hierzu exemplarisch Arntz, BKR 2012, 89, [94]. 721 Der Begriff der Pflichtverletzung bezieht sich hierbei auf sämtliche denkbare Fehler der
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ting (haftungsbegründende Kausalität)722 , als auch hinsichtlich der Kausalität zwischen fehlerhaftem Rating und Schaden (haftungsausfüllende Kausalität)723 erwogen. Überdies wäre eine gänzliche Beweislastumkehr denkbar, die neben den beiden genannten Aspekten auch das Vorliegen einer Pflichtverletzung umfasst724. Bei der Abwägung des Für und Wider einer solchen Änderung der Beweislastverteilung sind stets die Interessen beider Parteien sowie die Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu berücksichtigen. Im Moment können Ratingagenturen aufgrund der bestehenden Unsicherheiten und Hürden bei der Geltendmachung von Ansprüchen relativ zuversichtlich davon ausgehen, dass nur in seltenen Fällen überhaupt eine Klage gegen sie erhoben wird. Darüber hinaus wird – falls dieser Schritt im Einzelfall tatsächlich gewagt wird – eine solche aufgrund der aufgezeigten Aspekte nur in Ausnahmefällen erfolgreich sein. Dies birgt die Gefahr in sich, dass Ratingagenturen aufgrund der relativ geringen Haftungsrisiken und der damit verbundenen fehlenden Abschreckungswirkung der Haftungsvorschriften nicht in ausreichendem Umfang auf die Qualität ihrer Ratings achten. Um dieses Leerlaufen nationaler Haftungsregelungen zu vermeiden, eine gewisse Abschreckungswirkung dieser Vorschriften zu erreichen und die Ratingqualität zu verbessern725, erscheint eine gewisse Änderung der Beweislastvorschriften zugunsten der potentiellen Kläger notwendig. Dies ist auch im Hinblick darauf sinnvoll, dass auf diese Weise mögliche Kläger nicht bereits von vornherein von der Geltendmachung etwaiger Ansprüche allein durch deren potentielle Aussichtslosigkeit abgeschreckt werden. Überdies könnten hierdurch bestehende Beweishürden, die im Moment gar nicht bzw. nur sehr selten überwunden werden, abgemildert werden. Eine zu umfassende Beweislastumkehr, die auch das Vorliegen einer Pflichtverletzung umfasst, birgt jedoch andererseits auch die Gefahr in sich, dass die Ratingagenturen wiederum unverhältnismäßig großen Wettbewerbsnachteilen und Haftungsrisiken ausgesetzt wären, da die Kläger auf diese Weise sehr leicht erfolgreich klagen könnten. Letztere könnten durch die bloße Behauptung eines fehlerhaften Ratings die Ratingagentur dazu zwingen, die fehlerfreie Erstellung des Ratings nachzuweisen. Dies ist bereits deshalb problematisch, weil hierzu eine vollständige Transparenz der Ratingmethode und sämtlicher Einflussfaktoren, deren Gewichtung sowie Datengrundlage erforderlich wäre, was der Bekanntgabe eines Geschäftsgeheimnisses gleichkäme. Dies erscheint bereits aufgrund der damit verbundenen großen Wettbewerbsnachteile726 sowohl für bestehende als auch für neue Ratingagenturen auf dem Markt allenfalls unter Ratingagenturen innerhalb und außerhalb des eigentlichen Ratingprozesses. Vgl. zu den denkbaren Fehlerquellen im Einzelnen die Ausführungen oben, S. 17 ff. 722 Arntz, BKR 2012, 89, [95]. 723 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2294]. 724 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2294]. 725 Arntz, BKR 2012, 89, [95]. 726 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2294].
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bestimmten Voraussetzungen zumutbar: Zum einen würde hierdurch der bestehende Wettbewerb um die besten Ratingmethoden zerstört, zum anderen würde eine derart weitreichende Haftung aufgrund der damit verbundenen hohen Haftungsrisiken potentielle neue Ratingagenturen vom Zugang zum Ratingmarkt abschrecken727. Hinzu kommt, dass ein für Anleger fast gänzlich ohne Nachweispflicht geltend zu machender Haftungstatbestand ihre Eigenverantwortlichkeit für getroffene Anlageentscheidungen zu stark zurückdrängen und ihr Verlustrisiko auf dem Kapitalmarkt fast vollständig auf die Ratingagenturen verlagern würde: In den Fällen, in denen sich ein gutes Rating bewahrheitet und sich das jeweilige Wertpapier erfolgreich entwickelt, blieben die Gewinnmargen unverändert hoch und in den Fällen, in denen sich ein Rating als überbewertet erweist, könnten die erlittenen Verluste „einfach“ an die Ratingagentur weitergereicht werden, sofern es der jeweiligen Agentur nicht gelänge, die gegen sie vorgebrachten Vorwürfe zu entkräften. Da irgendein denkbarer Fehler in einem solch komplexen Verfahren wie dem Rating fast immer gefunden werden kann, wären Ratingagenturen stets gezwungen, den Gegenbeweis der fehlerfreien Ratingerstellung zu erbringen728. Um die aufgezeigten Effekte zu vermeiden, sollten durch den Gesetzgeber nur die größten Hindernisse bei der Geltendmachung von Ansprüchen beseitigt werden, damit einerseits ein Leerlaufen der nationalen Regelungen vermieden und andererseits eine gewisse Abschreckungswirkung für die Ratingagenturen dahingehend erzielt wird, dass ihre Haftung nicht nur auf dem Papier möglich erscheint. Gleichzeitig sollte aber kein Haftungstatbestand geschaffen werden, der sämtliche Risiken des Anspruchstellers auf die Ratingagenturen abwälzt. Dieses Ziel könnte durch die Einführung einer teilweisen Beweislastumkehr erreicht werden. Eine gänzliche Beweislastumkehr erscheint demgegenüber aufgrund der soeben beschriebenen negativen Effekte nicht geeignet, um die gewünschten Wirkungen zu erzielen. In Bezug auf eine teilweise Beweislastumkehr böten sich entsprechend der oben dargestellten Alternativen grundsätzlich zwei Varianten an: Die erste Möglichkeit besteht in der Einführung einer Beweislastumkehr nur hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität, also hinsichtlich der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung der jeweiligen Ratingagentur für ein fehlerhaftes Rating729. Zwar wäre mit dieser Maßnahme der Zwang von Ratingagenturen zur Offenlegung ihrer Ratingmethoden und Beurteilungskriterien verbunden, um den Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 14. Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 14. Überdies bestünde bei Einführung einer zu umfassenden Beweislastumkehr die Gefahr, dass eine Ratingagentur aufgrund des kaufmännischen Vorsichtsprinzips unter Umständen für jedes erstellte Rating direkt eine Rückstellung für etwaige Schadensersatzansprüche bilden müsste. Dies würde zum einen den finanziellen Handlungsspielraum der Agentur einschränken, zum anderen kann eine solche Folge auch nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. 729 Vgl. zu dieser Lösung auch Arntz, BKR 2012, 89, [95]. 727
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Gegenbeweis zu erbringen, was im Hinblick auf die oben dargestellten Folgen problematisch ist. Jedoch erscheint dies gerechtfertigt, sofern man das Vorliegen einer Pflichtverletzung als solche nicht von der Beweislastumkehr erfasst. Zum einen handelt es sich bei der haftungsbegründenden Kausalität um einen für den Kläger kaum zu erbringenden Nachweis, weil er vor allem aufgrund des Prognosecharakters von Ratings nur sehr schwer feststellen kann, ob ein einzelner Fehler im Ratingverfahren tatsächlich das Ratingergebnis beeinflusst hat730. Zum anderen würde die Beweislastumkehr bei einer Ausgestaltung in der soeben skizzierten Weise nicht auf die bloße Behauptung des Klägers hin, es liege ein fehlerhaftes Rating vor, erfolgen731, sondern nur in dem Fall, in welchem dem Kläger der Nachweis einer Pflichtverletzung der Ratingagentur in Form eines Fehlers in Bezug auf das Ratingverfahren im Vorfeld gelungen ist. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass sowohl den Interessen der Ratingagenturen als auch den Interessen potentieller Kläger entsprechend Rechnung getragen wird. Als alternative Variante hierzu könnte grundsätzlich eine Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen fehlerhaftem Rating und Schaden eingeführt werden. Zwar ist zutreffend, dass es vor allem für das allgemeine Anlegerpublikum als Kläger nicht einfach ist, nachzuweisen, dass gerade das streitgegenständliche Rating Beweggrund für die Anlageentscheidung war und dieses hierbei nicht nur einen Einflussfaktor unter vielen darstellte732. Im Ergebnis scheint ein solcher Schritt jedoch gegenüber der erstgenannten Möglichkeit nicht vorzugswürdig, da der Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität im Vergleich zum Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität für sämtliche potentielle Kläger das geringere Hindernis bei der Geltendmachung eines Anspruchs darstellt. Dies liegt in dem Umstand begründet, dass der Eintritt eines kausalen Schadens in der Sphäre des Klägers liegt, wohingegen das fehlerhafte Rating aus der Sphäre der Ratingagentur herrührt. Daher würde die Einführung einer solchen Beweislastumkehr seitens des Gesetzgebers (weit) über das hinausgehen, was zur Beseitigung der größten Hindernisse bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen Ratingagenturen erforderlich wäre. Angesichts der negativen Konsequenzen, die den Ratingagenturen durch ein zu starkes Entgegenkommen gegenüber potentiellen Klägern drohen würden, muss diese Hürde, die vor allem für das allgemeine Anlegerpublikum besteht, hingenommen werden. Zwar ist die zweite der aufgezeigten Varianten aus den soeben beschriebenen Gründen nicht zu empfehlen, die erste der beiden dargestellten Optionen stellt hingegen eine ausgewogene Möglichkeit dar, die dazu geeignet ist, die Interessen Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2294]. Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2294]. 732 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2294]. Im Gegensatz hierzu kann ein Abonnent glaubhaft darlegen, dass er die Anlageentscheidung maßgeblich auf die Ratings, die Gegenstand des Abonnements waren, gestützt hat, Forschner, JSE 2012, 5, [17]. 730 731
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sowohl von Ratingagenturen als auch von potentiellen Klägern in angemessener Weise miteinander in Einklang zu bringen. Die soeben für das deutsche Recht herausgearbeitete Lösung zur Modifikation der Beweislastverteilung würde auch in den anderen beiden untersuchten Ländern eine gerechte Alternative zu den bisherigen Regelungen darstellen. Da in diesen Ländern – wie gezeigt – im Grundsatz dieselben Beweisprobleme greifen, können die zum deutschen Recht vorgebrachten Argumente im Wesentlichen auch auf die Situation in den anderen beiden Ländern übertragen werden. Ob dies auch für den harmonisierten Haftungstatbestand der RatingVO 2013 gilt, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit geklärt werden733. 3. Analyse der im Rahmen der Sachberichte skizzierten Lösungsansätze zur Regelung der Haftungsfrage in den untersuchten Ländern Im Folgenden werden die im Rahmen der Sachberichte skizzierten verschiedenen Lösungsansätze zur Regelung der Haftungsfrage in den einzelnen Ländern rechtsvergleichend analysiert. Hierbei werden auf Basis der Sachberichte Vergleichsparameter herausgearbeitet, die eine solche lösungsorientierte Rechtsvergleichung ermöglichen. Die Struktur der Analyse weicht bewusst von dem Aufbau ab, der oben im Rahmen der Sachberichte gewählt wurde. Für die Sachberichte war es naheliegend, zwischen Emittenten und Anlegern zu differenzieren, um die bestehenden Unterschiede innerhalb der beiden Adressatengruppen von Ratings herauszuarbeiten. Für die eigentliche Analyse der Lösungsansätze hingegen erscheint es vorzugswürdig, diejenigen möglichen Kläger zusammen zu untersuchen, bei welchen die größte Ähnlichkeit hinsichtlich der in den Sachberichten herausgearbeiteten Lösungsansätze besteht, sodass im Folgenden zwischen der Haftung von Ratingagenturen gegenüber ihren Vertragspartnern (a) und der Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten differenziert wird (b). a) Haftung von Ratingagenturen gegenüber ihren Vertragspartnern Wie bereits herausgearbeitet wurde, können sowohl zwischen Ratingagenturen und Emittenten als auch zwischen Ratingagenturen und Anlegern vertragliche Beziehungen bestehen. Daher beziehen sich die folgenden Ausführungen sowohl auf die Haftung gegenüber dem Emittenten eines Auftragsratings als auch auf die Haftung gegenüber Anlegern bei Vorliegen eines Abonnementvertrages. Sofern wesentliche Besonderheiten bestehen, die nur im Rahmen einer der beiden potentiellen Gruppen von Klägern relevant werden, wird hierauf jeweils ausdrücklich hingewiesen.
733
Vgl. die Ausführungen auf S. 213 ff.
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aa) Einordnung der verschiedenen Vertragstypen beim Auftragsrating und beim Abonnementvertrag sowie Konsequenzen hieraus im Hinblick auf die Haftung Zunächst stellt sich die Frage, ob die in den Sachberichten bereits angedeuteten unterschiedlichen Vorgehensweisen der untersuchten Länder bei der Zuordnung von Verträgen zu bestimmten Vertragstypen Konsequenzen im Hinblick auf die Haftung nach sich ziehen. Hierbei werden sowohl die Bedeutung einer Zuordnung von Verträgen zu verschiedenen Vertragstypen in den untersuchten Ländern im Allgemeinen (1), als auch die Konsequenzen hieraus im Hinblick auf die Haftung beim Auftragsrating sowie bei Vorliegen eines Abonnementvertrages skizziert (2). (1) Bedeutung der Vertragstypeneinordnung in den untersuchten Ländern im Allgemeinen Anders als im deutschen Recht ist im französischen Recht für die Bestimmung der anwendbaren Haftungsvorschriften auf den jeweiligen Fall irrelevant, welcher Vertragstyp vorliegt, weil hinsichtlich der generellen Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung keine Sonderregelungen für die verschiedenen Vertragstypen existieren. Auf der Ebene des fait générateur wird jedoch eine Differenzierung zwischen obligation de moyens und obligation de résultat relevant, die inhaltlich eine Ähnlichkeit mit der deutschen Differenzierung zwischen tätigkeitsbezogenem Dienst- und erfolgsbezogenem Werkvertrag aufweist, im Ergebnis aber eine andere Wirkung zeigt734. Nach deutschem Recht entscheidet die Einordnung des Vertragstyps darüber, welche Vorschriften für die Gewährleistung im Allgemeinen und für die Haftung im Speziellen relevant werden. Die französische Unterscheidung hingegen beeinflusst die Beweislast für das Merkmal des Verschuldens. Für Pflichten, die unter die Kategorie obligation de résultat fallen, scheint die Situation auf den ersten Blick der Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu entsprechen, da das Vertretenmüssen des Schuldners hinsichtlich der Pflichtverletzung in beiden Fällen vermutet wird, die Beweislast zur Erbringung des Entlastungsbeweises also beim Schuldner liegt. Vergleicht man jedoch die Anforderungen an die Exkulpation des Schuldners in beiden Ländern, so ist ein Unterschied erkennbar. Nach deutschem Recht sind die Hürden, die an die Exkulpation gestellt werden, nicht besonders hoch, weil der Schuldner die Vermutung durch einen Gegenbeweis entkräften kann, an welchen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden735. In Frankreich hingegen kann sich der Schuldner nur sehr schwer exkulpieren: es muss entweder eine force majeure, eine cause étrangère oder ein cas fortuit ein734 Vgl. zur Situation im deutschen Recht im Einzelnen die Ausführungen oben auf S. 4 4 ff. Vgl. zum französischen Recht die Ausführungen auf S. 53 ff. 735 Konkret ist der Gegenbeweis dann erbracht, wenn die Ratingagentur die Schadensursache nachweist und darlegt, dass sie diese nicht zu vertreten hat, Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 280, Rn. 40.
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gewandt werden (können). Da dieser Nachweis nur in seltenen Ausnahmefällen gelingen kann, wird in der Literatur diskutiert, ob die Haftung im Falle einer obligation de résultat in Wahrheit eine responsabilité de plein droit, also eine verschuldensunabhängige Haftung darstellt736. Im englischen Rechtssystem wird im Rahmen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen weder zwischen verschiedenen Vertragstypen noch zwischen einzelnen Leistungsstörungen unterschieden, da jede Form des Vertragsbruchs den Schädiger zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet. Entscheidend ist einzig, dass ein wie auch immer gearteter breach of contract gegeben ist, weshalb nach englischem Recht die Art der Vertragsbeziehung für die vorliegende Untersuchung im Ergebnis keine Rolle spielt. Angesichts der im Vergleich zum tort law wesentlich geringeren Anforderungen, die das englische Recht an eine vertragliche Haftung stellt, ist es jedoch im Hinblick auf die Haftung umso entscheidender, ob zwischen Ratingagentur und Anspruchsteller eine Vertragsbeziehung vorliegt, oder ob lediglich eine deliktische Haftung in Betracht kommt. (2) Konsequenzen im Hinblick auf die vertragliche Haftung der Ratingagenturen Wie oben bereits herausgearbeitet wurde, beinhalten Rating- und Abonnementverträge verschiedenste Pflichten auf Seiten der Ratingagenturen. Diese Pflichten werden im französischen Recht teilweise als obligations de moyens und teilweise als obligations de résultats eingestuft. Dieser Zuordnung kommt eine enorme Bedeutung zu, weil sie darüber entscheidet, ob dem Gläubiger bei fehlerhaften Ratings die soeben beschriebene Haftung mit erschwerten Exkulpationsmöglichkeiten seitens des Schuldners zukommt, oder ob der Gläubiger die Beweislast dafür trägt, dass die Ratingagentur fautive handelte737. Aufgrund der Tatsache, dass der Gläubiger den Verschuldensnachweis zum einen wegen der Komplexität des Ratingprozesses und zum anderen wegen des fehlenden Wissens um möglicherweise in Betracht kommendes Fehlverhalten seitens der Ratingagentur im Einzelfall kaum führen könnte, stellt diese Einstufung in Frankreich eine entscheidende Weichenstellung für den Erfolg oder Misserfolg einer auf vertragliche Aspekte gestützten Klage dar. Im Regelfall scheint aufgrund der Einstufung der Verpflichtung zur Herstellung eines inhaltlich korrekten Ratings als obligation de moyens738 und der damit verbundenen Beweisbelastung des Klägers ein Misserfolg einer solchen Klage vorgezeichnet zu sein. Vgl. hierzu Brieskorn, S. 141 m. w. N. Bei Vorliegen einer obligation de moyens trägt der Gläubiger die Beweislast hinsichtlich des Verschuldens, wohingegen bei einer obligation de résultat der Schuldner sich hinsichtlich des fehlenden Verschuldens entlasten muss. Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen oben, S. 54 f. 738 Lediglich die für eine Haftung eher selten relevanten Verpflichtungen, überhaupt eine Bonitätsbeurteilung in Form einer konkreten Note innerhalb der vorgesehenen Frist zu erstellen, sowie die Verpflichtung zur Einhaltung einer vertraglich vereinbarten Vertraulichkeitser736 737
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Demgegenüber fällt die Bedeutung der typologischen Einordnung des Ratingvertrages und des Abonnementvertrages im deutschen Recht deutlich geringer aus, da sie zwar die anwendbare Normenkette739 für die vertragliche Haftung bestimmt, sich im Ergebnis hieraus jedoch für den Gläubiger kaum Konsequenzen ergeben. Dies liegt darin begründet, dass die in den einzelnen Gewährleistungsrechten enthaltenen Spezialvorschriften lediglich bestimmte Modalitäten der vertraglichen Haftung betreffen, wie beispielsweise Sondervorschriften zur Verjährung (z.B. § 438 BGB) oder zur Fristsetzung (z.B. § 440 BGB). Die Kernvoraussetzungen des § 280 BGB als Grundhaftungstatbestand des allgemeinen Leistungsstörungsrechts – insbesondere das generelle Erfordernis einer von der Ratingagentur zu vertretenden Pflichtverletzung740 – werden hierdurch nicht modifiziert. Vielmehr wird § 280 BGB über Verweisungsvorschriften wie beispielsweise § 634 Nr. 4 und § 437 Nr. 3 BGB explizit für anwendbar erklärt, sodass die Bedeutung der typologischen Einordnung für die Haftung im Ergebnis sehr gering erscheint. Dieses Ergebnis wird jedoch zu einem gewissen Grad wieder relativiert, weil diese Einordnung auch die Grenzen dafür vorgibt, welche Arten von Pflichtverletzungen im jeweiligen Vertragsverhältnis für eine Haftung in Betracht kommen. Zwar müssen die aus einem Vertragsverhältnis resultierenden Rechte und Pflichten in erster Linie anhand des Vertragsinhalts bestimmt werden und damit unabhängig von seiner typologischen Einordnung, jedoch sind diese Rechte und Pflichten bei Verträgen mit Ratingagenturen in den meisten Fällen nur sehr oberflächlich formuliert741, sodass der Vertragstext als alleiniger Anknüpfungspunkt nicht ausreicht. Insoweit kommt der typologischen Einordnung im deutschen Recht eine gewisse kanalisierende Funktion zu, da hierdurch unter Umständen Pflichtverletzungen bzw. in Frage kommende Mängel als Anknüpfungspunkte einer vertraglichen Haftung von vornherein ausgeschlossen werden können742. klärung, werden als obligations de résultats angesehen. Vgl. zu dieser Einordnung der verschiedenen Pflichten bereits die Ausführungen oben, S. 56 f. 739 Nach hier vertretener Auffassung sind dies im Falle des Auftragsratings die werkvertraglichen Regelungen der §§ 634 Nr. 4 i. V. m. 280 Abs. 1 S. 1 BGB und im Falle des Abonnementvertrags die kaufvertraglichen Regelungen der §§ 437 Nr. 3 i. V. m. 280 Abs. 1 BGB in Bezug auf Mangelfolgeschäden. Vgl. zu den Meinungsständen im Detail die Ausführungen zur typologischen Einordnung des Ratingvertrags, S. 44 ff., und die Ausführungen zur typologischen Einordnung des Abonnementvertrages, S. 81 ff. 740 Hennrichs, S. 880. 741 Vgl. zu diesem Aspekt bereits Scarso, JETL 2013, 163, [167]. 742 Im konkreten Fall ist diesbezüglich insbesondere an die Diskussion zu denken, ob bei kaufvertraglicher Einordnung des Ratingabonnements auch die inhaltliche Unrichtigkeit der Publikation einen Sachmangel der Kaufsache darstellt oder nur Mängel in ihrer körperlichen Beschaffenheit (z.B. Verschmutzung der Publikation) hiervon erfasst werden. Nach hier vertretener Auffassung ist eine Sachmangelhaftung auch bei inhaltlicher Unrichtigkeit des Ratings denkbar, sodass sich im konkreten Fall keine relevante Einschränkung der potentiellen Anknüpfungspunkte für eine vertragliche Haftung ergibt. Vgl. hierzu bereits die Ausführungen auf S. 83.
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Eine Gemeinsamkeit zwischen der französischen und der deutschen Rechtsordnung besteht darin, dass für den Fall des Ratings weder die typologische Einordnung der Verträge nach deutschem Recht noch die Zuordnung zu den verschiedenen Pflichten nach französischem Recht bisher (ober-)gerichtlich geklärt wurde. Dies führt dazu, dass sich in beiden Ländern für die Parteien Unsicherheiten hinsichtlich der Ausgangssituation zur Geltendmachung eines vertraglichen Haftungsanspruchs ergeben. Anders als im deutschen und im französischen Recht stellt im englischen Recht die vertragliche Haftung stets eine Art „Garantiehaftung“ dar. Dies hat zur Folge, dass Vertragspartner der Ratingagenturen nach englischem Recht keinen Verschuldensnachweis erbringen müssen, um einen vertraglichen Haftungsanspruch wegen breach of contract erfolgreich durchzusetzen. Nach deutschem Recht steht dem Vertragspartner der Ratingagenturen stets die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zur Seite, welche jedoch durch die Ratingagentur relativ leicht entkräftet werden kann. Die französischen Vorschriften umrahmen die deutschen Vorschriften zur Vertragshaftung hinsichtlich der Anforderungen an einen Verschuldensnachweis im Ergebnis an den Extrempositionen: Liegt eine obligation de moyens vor, so obliegt dem Gläubiger die Beweislast hierfür, was eine Realisation der Haftung in der Praxis extrem schwierig macht. Liegt hingegen eine obligation de résultat vor, so bewegt sich die Haftung nahe an der englischen verschuldensunabhängigen Haftung, da dem Schuldner hierbei eine Exkulpation nur im Ausnahmefall gelingen kann. bb) Möglichkeiten und Grenzen der Haftungsfreizeichnung sowie Untersuchung der Rechtsfolgen bei Überschreitung der rechtlichen Grenzen am Beispiel des Ratingvertrages In den zwischen Ratingagenturen und ihren jeweiligen Vertragspartnern vereinbarten Rating- bzw. Abonnementverträgen finden sich sehr häufig Freizeichnungsklauseln, durch welche die Haftung für die erstellten Ratings entweder gänzlich ausgeschlossen oder zumindest begrenzt wird743. Besonders oft sind in den Ver743 Haftungsausschlüsse betreffen den Anspruchsgrund und hindern die Entstehung des Anspruchs. Hierunter fallen insbesondere Ausschlüsse der Haftung für bestimmte Pflichten oder die Abbedingung bestimmter Ansprüche, Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 309, Rn. 41. Im Gegensatz hierzu betreffen Haftungsbegrenzungen lediglich den Haftungsumfang, haben demnach keinen Einfluss auf die Anspruchsentstehung, Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 309, Rn. 42. Eine Haftungsbegrenzung ist immer dann gegeben, wenn die gesetzlich normierten Schadensersatzansprüche inhaltlich eingeschränkt werden, beispielsweise durch summenmäßige Haftungshöchstgrenzen, Coester-Waltjen, in: Staudinger, BGB, Buch 2, § 309 Nr. 7, Rn. 23; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 309, Rn. 42. Vgl. zu dieser Differenzierung im französischen Recht zwischen clauses déliminant l′obligation du débiteur und clauses qui exclurent la réparation Bénabent, Rn. 422; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Rn. 979. Das englische Recht unterscheidet grundsätzlich auch zwischen clauses excluding liability und clauses limiting liability, in der Regel wird jedoch generell von exemption clauses gesprochen, weil die meisten Grundsätze des
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trägen von der Ratingagentur vorab ausgearbeitete und von ihr bei Vertragsschluss vorgegebene Klauseln zu finden744, welche die Haftung auf grobes Verschulden begrenzen oder summenmäßige Haftungshöchstgrenzen festlegen745. Im Folgenden wird daher am Beispiel des Ratingvertrags untersucht, in welchem Umfang diese in der gängigen Praxis verwendeten Haftungsfreizeichnungsklauseln in den einzelnen Ländern wirksam sind. Die AGB-rechtliche Untersuchung beschränkt sich dabei auf die Inhaltskontrolle und die Rechtsfolgen bei der Verwendung solcher Klauseln im Geschäftsverkehr zwischen Ratingagenturen und ihren jeweiligen Vertragspartnern. Auf die Frage der Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag wird nicht näher eingegangen, es wird vielmehr vorausgesetzt, dass eine wirksame Einbeziehung nach den nationalen Rechtsordnungen erfolgt ist746. Es wird zunächst analysiert, wie die drei untersuchten nationalen Rechtsordnungen die Frage der Haftungsfreizeichnung im Ratingvertrag zwischen Emittent und Ratingagentur lösen (1), bevor auf die Besonderheiten bei Vorliegen eines Abonnementvertrages eingegangen wird (2). Der Einfluss des harmonisierten Haftungstatbestandes auf die gefundenen Ergebnisse zur Haftungsfreizeichnungsproblematik wird erst zu einem späteren Zeitpunkt beleuchtet747. (1) Die nationalen Regelungen zur Haftungsfreizeichnung in den untersuchten Ländern Zunächst kann festgestellt werden, dass eine spezielle Regelung, welche konkret die Frage der Wirksamkeit solcher Haftungsfreizeichnungsklauseln im Falle eines Ratings zum Gegenstand hat, von den drei untersuchten Ländern vor Erlass des Art. 35a Abs. 3 RatingVO 2013 nur in Frankreich eingeführt wurde. Die betreffende Regelung findet sich in Art. L544-6 CMF und wurde – ebenso wie die Haftungsvorschrift nach Art. L544-5 CMF – im Zusammenhang mit der RatingVO 2009 erlassen. Im Gegensatz zum ursprünglichen Gesetzesentwurf findet die
englischen Rechts zur Beurteilung der Wirksamkeit solcher Klauseln auf beide Typen von Klauseln Anwendung finden. Vgl. hierzu exemplarisch Treitel, The Law of Contract, Rn. 7-003 ff.; Guest, in: Beale, Chitty on Contracts, Rn. 14-001. 744 Stemper, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 164. Die Häufigkeit solcher einseitig durch die Agenturen vorgegebenen Klauseln lässt sich auf das große Verhandlungsungleichgewicht zwischen den Ratingagenturen und dem jeweiligen Vertragspartner zurückführen, Thiele, S. 42; Stemper, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 164; Schuler, S. 276. 745 Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 140. 746 Vgl. zur Einbeziehung solcher Klauseln nach englischem Recht (incorporation of exemption clauses in a contract) Treitel, The Law of Contract, Rn. 7-004 ff.; Lawson, Rn. 1.01 ff.; v. Bernstorff, S. 86. Weiterführende rechtsvergleichende Aspekte der Einbeziehung von AGB in Deutschland und England finden sich bei Horler, S. 105 ff. Vgl. zur Einbeziehung solcher Klauseln nach französischem Recht Limbach, Rn. 121 ff. 747 Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 198 ff.
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Vorschrift in Frankreich nur auf Haftungsausschlussklauseln, nicht jedoch auch auf Haftungsbegrenzungsklauseln Anwendung748. Beleuchtet man die nationalen Vorschriften, die nach deutschem, französischem und englischem Recht auf die Konstellation der Haftungsfreizeichnung zwischen Ratingagenturen und ihren Vertragspartnern Anwendung finden, so ergibt sich folgendes Bild: In Deutschland und England muss bezüglich der Wirksamkeit solcher Klauseln auf die allgemeinen Regelungen und die entwickelten Rechtsgrundsätze in der jeweiligen nationalen Rechtsordnung zurückgegriffen werden. In Frankreich gilt dies innerhalb des Anwendungsbereiches des Art. L544-6 CMF nur in Bezug auf Haftungsbegrenzungsklauseln. Im Einzelnen stellt sich die Situation in den untersuchten Ländern wie folgt dar: (a) Nach deutschem Recht Nach deutschem Recht ist die Vereinbarung rechtsgeschäftlicher Haftungsausschluss- bzw. Haftungsbegrenzungsklauseln innerhalb der Grenzen der §§ 138, 242 BGB im Grundsatz zulässig749. Es existieren jedoch zum einen im allgemeinen und speziellen Leistungsstörungsrecht Regelungen, welche die Zulässigkeit solcher Vertragsklauseln betreffen, zum anderen unterliegen diese häufig auch der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Geht man entsprechend der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass der Ratingvertrag als Werkvertrag zu qualifizieren ist, so ist als spezialgesetzliche Regelung zunächst § 639 BGB zu beachten. Nach dieser Norm sind Haftungsausschlüsse bezüglich der Rechte des Bestellers bei Werkmängeln unwirksam, wenn der Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit des Werkes übernommen wurde. Bei einem Ratingvertrag ist in der Praxis jedoch weder die Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie noch ein arglistiges Verschweigen des Mangels seitens der Ratingagentur wahrscheinlich – zumal Letzteres für den Emittenten kaum nachzuweisen ist750. Gemäß § 276 Abs. 3 BGB kann dem Schuldner die Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus erlassen werden, weshalb ein solcher Haftungsausschluss nach deutschem Recht sowohl in Form einer Individualabrede als auch in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist751. 748 Hierauf wird im Laufe der Untersuchung zu den Möglichkeiten und Grenzen der Haftungsfreizeichnung nach französischem Recht noch im Detail eingegangen, vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 146 ff. 749 Die Grenze zur Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB wird bei Haftungsfreizeichnungsklauseln allenfalls im extremen Ausnahmefall überschritten sein. Denkbar wäre überdies eine ergänzende Vertragsauslegung nach § 242 BGB, jedoch ist eine solche subsidiär zu den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen, vgl. zu § 138 und § 242 BGB im Einzelnen Thiele, S. 42. 750 Vgl. zu diesem Aspekt bereits Thiele, S. 41, der die Ausführungen noch auf § 637 BGB a. F. stützt. 751 Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 140.
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Bei Haftungsausschluss- und Haftungsbegrenzungsklauseln in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gibt im unternehmerischen Geschäftsverkehr einzig § 307 BGB den Prüfungsmaßstab vor752. Nach dieser Norm ist entscheidend, ob der Emittent durch die jeweilige Klausel entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Haftungsausschlüsse, die sämtliche Gewährleistungsrechte des bewerteten Emittenten gegenüber der Ratingagentur betreffen, sind auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unwirksam, weil die Wertungen des § 309 Nr. 8 lit. b) aa) BGB über §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nach überwiegender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung übertragbar sind753. Bei einem Haftungsausschluss bezüglich grober Fahrlässigkeit der Ratingagentur bzw. für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen der Ratingagentur gilt nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur dasselbe hinsichtlich der Wertungen des § 309 Nr. 7 lit. b BGB, sodass auch eine solche Klausel im unternehmerischen Geschäftsverkehr gegenüber dem Emittenten unwirksam ist754. Da auch eine entsprechende summenmäßige Haftungsbegrenzung gegen die genannten Vorschriften verstößt755, wäre sowohl ein Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit in Form von AGB als auch eine entsprechende summenmäßige Begrenzung der Haftung unwirksam756. In Individualvereinbarungen wäre ein solcher Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit und eine entsprechende summenmäßige Begrenzung hingegen mangels entgegenstehender Norm grundsätzlich zulässig757. Bezweifelt werden kann aber, ob ein solcher Haftungsausschluss für grobes 752 Nach deutschem Recht ist bezüglich der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Verkehr zu beachten, dass die Klauselverbote mit und ohne Wertungsmöglichkeit der §§ 308 f. BGB auf solche Verträge gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 BGB keine Anwendung finden mit der Folge, dass nur die Generalklausel des § 307 BGB den Prüfungsmaßstab bildet. Dieser Unterschied im Vergleich zu Verbraucherverträgen wird jedoch dadurch relativiert, dass die Wertungen der §§ 308 f. BGB Ausstrahlungswirkung auf die Generalklausel entfalten: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt den Klauselverboten eine Indizwirkung zur Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung i. S. d. § 307 BGB zu, wobei die Gebräuche und Gewohnheiten des Handelsverkehrs nach § 310 Abs. 1 S. 2 BGB angemessen zu berücksichtigen sind, BGH NJW 2007, 3774, [3775]; BGH NJW 2008, 3772, [3772]; Schuler, S. 277. 753 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2293]; Arntz, BKR 2012, 89, [92 f.]; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 309, Rn. 67; BGH NJW 1981, 1510, [1511]. 754 BGH NJW-RR 2006, 267 ff.; Arntz, BKR 2012, 89, [93]; Schuler, S. 278. Die Schutzwürdigkeit besteht gerade im Falle des Ratings für Unternehmen ebenso wie für Privatpersonen, weil sie gleichermaßen auf die Sachkunde der Ratingagenturen vertrauen. Vgl. hierzu sowie zu weiteren Argumenten, die diese Wertung stützen, Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 140 f. 755 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 309 Rn. 42 und 51; Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 140. 756 Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 140. 757 Rosset, S. 22; Eisen, S. 259; Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 141.
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Verschulden in der Praxis gegenüber dem Vertragspartner in den Vertragsverhandlungen durchsetzbar wäre758. Zu klären bleibt im Folgenden noch die Frage, ob ein Haftungsausschluss für einfach fahrlässig verursachte Vermögensschäden in Form von AGB oder mittels Individualvereinbarung wirksam vorgenommen werden kann. Da in Individualvereinbarungen sogar ein Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit wirksam getroffen werden kann, muss dies erst Recht für Haftungsausschlüsse für leichte Fahrlässigkeit gelten. Angesichts der Komplexität des Ratings und der vielfältigen Ebenen möglicher Quellen für fahrlässiges Handeln dürfte eine solche Klausel auch gegenüber den Emittenten leichter durchzusetzen sein als ein Haftungsausschluss für grobes Verschulden. Bezüglich des formularmäßigen Ausschlusses der Haftung für einfache Fahrlässigkeit kann zunächst festgestellt werden, dass ein Klauselverbot nach dem Katalog der §§ 308 f. BGB hier nicht greift, sodass die Frage der Übertragbarkeit der Wertungen eines solchen Verbots auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr in diesem Fall nicht gestellt werden muss. Jedoch bedeutet dies nicht, dass eine solche Klausel in jedem Fall wirksam wäre, da § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB insoweit als Grenze fungiert759: Entsprechend der in dieser Norm getroffenen Wertungen ist nach der Rechtsprechung eine Haftungsfreizeichnung in Form von AGB im Hinblick auf wesentliche Vertragspflichten, die sog. „Kardinalpflichten“760, auch für einfach fahrlässig verursachte Schäden unwirksam, weil ansonsten die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet wäre761 und dem Vertragspartner das vertragstypische Schadensrisiko auferlegt würde762. Dasselbe gilt auch, wenn Erfüllungsgehilfen des Klauselverwenders leicht fahrlässig handeln763. Im Zusammenhang mit dem Rating können insbesondere die Vermeidung einer erkennbar ungeeigneten Ratingmethode764, die sorgfältige Festsetzung der Ausfallwahrscheinlichkeit765 als Folge einer sorgfältigen Ausübung der auserwählten Ratingmethode766 sowie die Gewährleistung von Neutralität, Sachkunde und Unabhängigkeit der Agenturen bei der Erstellung des RaRohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 141. Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 141. 760 Kardinalpflichten werden definiert als solche Pflichten, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner berechtigt vertraut, BGH NJW 1985, 3016, [3018]; BGH NJW 1993, 335, [335]; Hennrichs, S. 884; Schuler, S. 278 f.; Eisen, S. 261 f. 761 Krämer, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 33; Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 141; Schuler, S. 279; Peters, S. 86; Eisen, S. 261. 762 BGHZ 89, 363, [367]; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2293]; Arntz, BKR 2012, 89, [93]. 763 Eisen, S. 262. 764 Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 141. 765 v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 169; Rosset, S. 21. 766 Schuler, S. 279; Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 141. 758 759
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tings767 als solche Kardinalpflichten angesehen werden. Betrachtet man die Frage der Wirksamkeit von summenmäßigen Haftungsbegrenzungen bezüglich der Haftung für einfache Fahrlässigkeit, so kann festgestellt werden, dass solche Klauseln jedenfalls dann wirksam sind, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum vertragstypischen Schadensrisiko stehen768. Angesichts des Umstandes, dass die von den Ratingagenturen verwendeten Haftungsfreizeichnungsklauseln häufig sehr generell gefasst sind, halten diese in den meisten Fällen einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht stand769, sodass sich die Frage nach den Rechtsfolgen eines solchen Verstoßes stellt. Verstößt eine AGB-Klausel gegen die soeben aufgezeigten Grundsätze, so ist sie nach deutschem Recht stets im Ganzen unwirksam. Eine Aufrechterhaltung der unwirksamen Klausel durch eine Rückführung auf das gerade noch zumutbare Maß (sog. geltungserhaltende Reduktion) ist hierbei nicht zulässig770. Soweit im Einzelfall von einer wirksamen Haftungsfreizeichnung im Hinblick auf vertragliche Ansprüche gegenüber Ratingagenturen auszugehen ist, gilt dies auch für konkurrierende deliktsrechtliche Ansprüche771. Betrachtet man die gefundenen Ergebnisse, so kann festgestellt werden, dass die von den Ratingagenturen häufig verwendeten generell gefassten Freizeichnungsklauseln nach deutschem Recht in der Regel unwirksam sind, weshalb diese Klauseln allenfalls ein „stumpfes Schwert“ zur Haftungsminimierung darstellen. Solche Klauseln können lediglich in bestimmten Fällen durchgreifen: Hervorzuheben sind hierbei insbesondere die Option zur Freizeichnung bezüglich einer Haftung für einfache Fahrlässigkeit, sofern diese Pflichten betrifft, die keine Kardinalpflichten darstellen, sowie die Möglichkeit der Individualvereinbarung anstelle der Verwendung einer AGB-Klausel. (b) Nach englischem Recht Anders als im deutschen Recht existiert im englischen Recht keine Gesamtkodifikation des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, vielmehr gibt es – entsprechend der englischen Gesetzestechnik – nur Teilkodifizierungen in den jeweiBerger/Stemper, WM 2010, 2289, [2293]; Arntz, BKR 2012, 89, [93]. Schuler, S. 280; Peters, S. 87. 769 Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 142. 770 Hierbei wird argumentiert, dass der Klauselverwender andernfalls aufgrund des fehlenden Unwirksamkeitsrisikos dazu ermutigt würde, missbräuchliche Klauseln in seine AGB zu integrieren, Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 306, Rn. 6. Etwas anderes gilt jedoch für den Fall des Vorliegens einer sog. teilbaren Klausel. Lässt sich eine Klausel von Anfang an aus sich heraus sinnvoll und verständlich in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil aufteilen, so bleibt der zulässige Teil aufrechterhalten. Ein Schutzbedürfnis seitens des Vertragspartners hinsichtlich einer Gesamtnichtigkeit der Klausel besteht insoweit nicht, da es sich hierbei von Anfang an erkennbar um zwei inhaltlich selbständige und abtrennbare Regelungsinhalte handelt. Vgl. hierzu Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 306, Rn. 7. 771 Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 142. 767
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ligen Gesetzen772. Die Inhaltskontrolle von Haftungsfreizeichnungsklauseln im Rahmen von geschäftlichem Handeln (business liability) ist in dem am 01.02.1978 in Kraft getretenen Unfair Contract Terms Act 1977 (UCTA 1977) geregelt. Hierin wird eine offene Inhaltskontrolle773 aller Arten von Freizeichnungsklauseln vorgenommen774. Da sich die Regelungen auf Vertragsbedingungen im Allgemeinen (contract terms) und nicht speziell auf Allgemeine Geschäftsbedingungen beziehen, werden auch Individualabreden hiervon erfasst775. Bedeutsam für die vorliegende Konstellation ist insbesondere auch, dass die Regelungen des UCTA 1977 keine Anwendung finden auf internationale Handelsverträge, auf welche englisches Recht lediglich aufgrund einer Rechtswahl seitens der Parteien anwendbar ist, Sec. 27 UCTA 1977. Bis heute unterliegen im unternehmerischen Geschäftsverkehr geschlossene Verträge nach englischem Recht keiner allgemeinen AGB-Kontrolle776. Nicht alle Normen des UCTA 1977 sind bedeutsam im Hinblick auf Haftungsfreizeichnungsklauseln im Ratingvertrag. Eine wichtige Vorschrift bildet die Regelung zur negligence liability, welche in Sec. 2 UCTA 1977 zu finden ist777. Wie bereits erörtert, kommen dem Begriff der negligence im englischen Recht mehrere Bedeutungen zu778. Da in diesem Zusammenhang hiervon gemäß Sec. 1 UCTA 1977 sowohl die Verletzung vertraglicher Sorgfaltspflichten (lit. a) als auch die Verletzung deliktsrechtlicher duties of care des common law (lit. b) umfasst wer-
v. Bernstorff, S. 88; Horler, S. 162. Horler, S. 36. 774 v. Bernstorff, S. 89. 775 Horler, S. 36. Begründet werden kann die Ausdehnung auf Individualabreden im englischen Recht damit, dass Anknüpfungspunkt der Inhaltskontrolle nicht das Vorformuliertsein der AGB bildet, sondern das Ungleichgewicht der Verhandlungsstärken der Vertragsparteien, Horler, S. 38 f. Überdies wurden AGB durch den englischen Gesetzgeber in der Vergangenheit nicht als besonders gefährlich und kontrollbedürftig angesehen, Stomps, S. 213. 776 Eine allgemeine Inhaltskontrolle wurde zwar durch die Richtlinie 93/13/EWG eingeführt und in England durch die Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 (UTCCR 1999) umgesetzt, jedoch finden diese Regelungen gemäß Art. 4 Abs. 1 nur auf Verbraucherverträge Anwendung, sodass sie beim Auftragsrating keine Rolle spielen. Vgl. hierzu auch Horler, S. 36. Zu deren Bedeutung im Rahmen eines Abonnementvertrages gegenüber Kleinanlegern vgl. die Ausführungen auf S. 152 ff. dieser Arbeit. 777 v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 144 f. Sec. 2 UCTA 1977 hat folgenden Wortlaut: „(1) A person cannot by reference to any contract term or to a notice given to persons generally or to particular persons exclude or restrict his liability for death or personal injury resulting from negligence. (2) In the case of other loss or damage, a person cannot so exclude or restrict his liability for negligence except in so far as the term or notice satisfies the requirement of reasonableness. (3) Where a contract term or notice purports to exclude or restrict liability for negligence a person’s agreement to or awareness of it is not of itself to be taken as indicating his voluntary acceptance of any risk.” 778 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen auf S. 75. 772
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den779, ist die Norm beim Auftragsrating im Rahmen der vertraglichen und im Rahmen der deliktischen Haftung von Bedeutung. Ergänzt wird diese Norm im vertraglichen Bereich durch Sec. 3 UCTA 1977, weil hiervon Klauseln erfasst werden, welche die Haftung für breach of contract betreffen. Vertragliche Sorgfaltspflichten werden hierbei bereits von Sec. 2 UCTA 1977 erfasst, weshalb Sec. 3 UCTA 1977 nur hinsichtlich aller übrigen Vertragspflichten von Bedeutung ist. Sec. 3 UCTA 1977 findet allerdings in der Konstellation des Auftragsratings nur dann Anwendung, wenn es sich bei der jeweiligen Klausel um einen sog. written standard term of business handelt780. Zwar ist unklar, was unter diesem Begriff im Einzelnen zu verstehen ist, da er in den Vorschriften des UCTA 1977 nicht definiert wird, jedoch wird diese Voraussetzung bei den vorliegenden Klauseln in den meisten Fällen gegeben sein, soweit AGB im Sinne des deutschen Verständnisses vorliegen781. Gemäß Sec. 2 Abs. 2 und Sec. 3 Abs. 2 UCTA 1977 wird die Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungsklauseln sowohl im Rahmen der negligence liability als auch im Rahmen von breach of contract anhand eines reasonableness-Tests (Zumutbarkeitstest anhand des Kriteriums der Vernünftigkeit782) untersucht783. Was der reasonableness-Test im Einzelnen beinhaltet, regelt Sec. 11 UCTA 1977. Gemäß Sec. 11 Abs. 1 UCTA 1977 genügt eine Klausel den Anforderungen dieses Tests, wenn ihre Aufnahme in den Vertrag als gerecht und vernünftig (fair and reasonable) anzusehen ist784. Bei dieser Prüfung wird nach der Konzeption des 779 Vgl. zum Verständnis der Norm in diesem Sinne bereits Horler, S. 177. Sec. 1 Abs. 1 UCTA 1977 hat folgenden Wortlaut: „(1) For the purposes of this Part of this Act, “negligence” means the breach — (a) of any obligation, arising from the express or implied terms of a contract, to take reasonable care or exercise reasonable skill in the performance of the contract; (b) of any common law duty to take reasonable care or exercise reasonable skill (but not any stricter duty); (c) of the common duty of care imposed by the Occupiers’ Liability Act 1957 or the Occupiers’ Liability Act (Northern Ireland) 1957.” 780 Zur insoweit abweichenden Situation im Rahmen des Abonnementvertrages gegenüber Kleinanlegern vgl. die Ausführungen auf S. 153. 781 Die Bezeichnung written standard terms of business scheint zunächst die exakte englische Entsprechung des Begriffs der deutschen AGB darzustellen, jedoch sind die Begriffe nicht ganz gleichzusetzen. Einerseits ist der englische Begriff etwas weiter als der deutsche Begriff, da Art. 3 auch dann Anwendung findet, wenn die konkrete Klausel individuell ausgehandelt wurde, der Vertrag jedoch zum größten Teil auf den written standard terms des anderen Teils basiert, andererseits ist der Begriff teilweise auch enger als der deutsche Begriff, weil nur solche Klauseln erfasst werden, die zum konkreten Geschäftsbereich des Verwenders zählen, vgl. hierzu im Einzelnen Horler, S. 170 ff. 782 Stomps, S. 211. 783 Eine Ausnahme gilt für Klauseln, die gegen absolute Klauselverbote verstoßen, da diese stets unwirksam sind, Stomps, S. 211. Im Rahmen der negligence liability fallen hierunter Klauseln, welche die Haftung für Personenschäden (Tötung oder Körperverletzung) einschränken oder ausschließen, Sec. 2 Abs. 1 UCTA 1977. Da solche Ausnahmefälle im Falle des Ratings keine Relevanz haben, wird hierauf nicht näher eingegangen. 784 Sec. 11 Abs. 1 UCTA 1977 hat folgenden Wortlaut:
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UCTA 1977 eine Gesamtabwägung aller Umstände des jeweiligen Falles vorgenommen785, wobei die Gerichte über einen Wertungsspielraum verfügen786. Gemäß Sec. 11 Abs. 1 UCTA 1977 dürfen bei dieser Abwägung nur Umstände Berücksichtigung finden, die den Parteien zur Zeit des Vertragsschlusses bekannt waren oder vernünftigerweise hätten bekannt sein sollen. Da die Prüfung nicht objektiv-generell erfolgt, sondern subjektiv anhand des konkreten Einzelfalles geprüft wird787, wirkt eine ergangene Entscheidung nicht als verbindliches Präjudiz für weitere Entscheidungen, sodass es sehr schwierig ist, allgemeingültige Aussagen über die Wirksamkeit bestimmter Klauseln zu treffen788. Dennoch soll im Folgenden versucht werden, einige allgemeine Grundsätze herauszuarbeiten: Fünf Bewertungskriterien, die für die Prüfung der reasonableness von Haftungsfreizeichnungsklauseln relevant sein können, werden in Anhang (Schedule) 2 UCTA 1977 genannt789. Da diese Aufzählung nicht abschließend ist und die genannten Kriterien im jeweiligen Einzelfall auch nicht kumulativ Anwendung finden müssen790, bestehen für die Gerichte relativ große Spielräume im Hinblick auf die Wahl derjenigen Aspekte, die im konkreten Fall in die Beurteilung einbezogen werden sollen791. Bedeutsam für die Frage der Haftungsfreizeichnung im Ratingvertrag erscheinen insbesondere die in UCTA 1977 explizit genannten Aspekte der relativen Verhandlungsmacht zwischen den Parteien, der Branchenüblichkeit solcher Klauseln sowie die Frage der Versicherbarkeit des Risikos für den Klauselverwender. Zwar wird das letztgenannte Kriterium explizit nur in Sec. 11 Abs. 4 UCTA 1977 und nicht auch in Schedule 2 UCTA 1977 genannt, sodass es nach dem Wortlaut des Gesetzes nur im Spezialfall des Vorliegens einer summen„In relation to a contract term, the requirement of reasonableness for the purposes of this Part of this Act, […] is that the term shall have been a fair and reasonable one to be included having regard to the circumstances which were, or ought reasonably to have been, known to or in the contemplation of the parties when the contract was made.” 785 Stomps, S. 226; v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 145; Horler, S. 179. 786 Treitel, The Law of Contract, Rn. 7-084; Horler, S. 179. 787 Macdonald, Exemption Clauses, S. 144; Horler, S. 179; Phillips Products Ltd v Hyland [1984] EWCA Civ 5, [1987] 1 WLR 659, 668. Diese Methodik der Prüfung der reasonableness anhand des konkreten Einzelfalles stellt einen wesentlichen Unterschied zu der in Grundzügen hiermit vergleichbaren Prüfung der Angemessenheit in § 307 BGB dar, da im deutschen Recht ein abstrakt-genereller Ansatz verfolgt wird, Stomps, S. 208. 788 Horler, S. 179. 789 Im Detail sind dies der Aspekt der relativen Verhandlungsmacht der Parteien, die Frage, ob der Kunde einen Anreiz hatte, der Vertragsbedingung zuzustimmen, ob dieser von der Existenz und der Reichweite der Klausel wusste oder hätte wissen müssen, ob die Erfüllung einer Bedingung, die im Falle der Nichterfüllung eine Haftungsbegrenzung beziehungsweise einen Haftungsausschluss nach sich zieht, überhaupt möglich war, und ob die Güter auf besonderen Wunsch des Kunden angefertigt wurden. Vgl. zu den Aspekten im Einzelnen und deren Anwendung in der englischen Rechtsprechung in deutscher Sprache Horler, S. 180 ff.; Stomps, S. 234 ff. 790 Horler, S. 180; Stomps, S. 228. 791 Konkret kann das Gericht daher zum einen wählen, welche der explizit genannten Kriterien im jeweiligen Einzelfall relevant erscheinen, zum anderen können auch Kriterien mit einbezogen werden, die in Schedule 2 UCTA 1977 nicht enthalten sind.
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mäßigen Haftungsbegrenzung792 Anwendung findet. Jedoch wurde das Kriterium der Versicherbarkeit des Risikos von der Rechtsprechung vielfach bereits auch bei anderen Klauseln in die Wertung mit einbezogen, sodass dieser Aspekt im Ergebnis bei allen Haftungsfreizeichnungsklauseln eine Rolle spielt793. Angesichts des Umstandes, dass sowohl in der Rechtsprechung als auch in der englischen Literatur das Merkmal der relativen Verhandlungsmacht zwischen den Parteien als eines der maßgeblichsten Prüfungskriterien angesehen wird794, wird im Folgenden dieser Aspekt näher beleuchtet. Bezüglich dieses Merkmals ist in letzter Zeit in den Entscheidungen der Gerichte eine deutliche Tendenz zu erkennen: Bei Haftungsfreizeichnungsklauseln im unternehmerischen Geschäftsverkehr wird von der Rechtsprechung in den Fällen, in denen ein ähnliches Ausmaß an Erfahrung und Verhandlungsmacht auf Seiten beider Parteien anzunehmen ist, der Privatautonomie bei der Vertragsgestaltung Vorrang vor einer gerichtlichen Einmischung gewährt795. Dieser Umstand könnte auch im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung sein: Bei Emittent und Ratingagentur dürfte in der Regel ein ähnliches Ausmaß an Erfahrung vorliegen – im Falle des Emittenten hinsichtlich der Beauftragung eines Ratings und im Falle der Ratingagentur hinsichtlich der Durchführung eines solchen. Zudem dürfte zwischen beiden Parteien eine zumindest in etwa ausgeglichene Verhandlungsposition anzunehmen sein. Dieses Äquivalenzverhältnis hätte nach den soeben herausgearbeiteten Grundsätzen zur Folge, eine Tendenz der Rechtsprechung dergestalt anzunehmen, Haftungsfreizeichnungsklauseln im Ratingvertrag als wirksam anzusehen796. Überdies sprechen auch die anderen beiden genannten Kriterien im vorliegenden Fall 792 Neben dem Kriterium der Versicherbarkeit des Risikos kommt bei summenmäßigen Haftungsbegrenzungen auch einem Merkmal besondere Bedeutung zu, welches in Sec. 11 Abs. 4 lit. a UCTA 1977 genannt wird: Hiernach ist auf die Frage abzustellen, welche Mittel dem Klauselverwender zur Verfügung stehen, falls sich das Haftungsrisiko im konkreten Fall materialisiert. Da es hierbei entscheidend auf die wirtschaftliche Situation des jeweiligen Emittenten ankommt, lassen sich insofern keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Stomps bevorzugt zu Recht eine zurückhaltende Anwendung dieses Kriteriums, weil hierbei die Gefahr unbilliger Ergebnisse besteht. Dies ist in den Fällen gegeben, in denen Unternehmer aufgrund sorgfaltswidrigem Wirtschaftens in eine schlechte finanzielle Lage geraten, da sie auf diese Weise gegenüber ihren sorgfältig arbeitenden Konkurrenten bevorzugt würden, Stomps, S. 233. 793 Photo Production Ltd v Securicor Transport Ltd [1980] UKHL 2, [1980] AC 827, 851; Smith v Eric S. Bush [1990] UKHL 1, [1990] 1 AC 831, 858; Horler, S. 184. 794 Macdonald, Exemption Clauses, S. 153; Horler, S. 183; Stomps, S. 235 und 279, Smith v Eric S. Bush [1990] UKHL 1, [1990] 1 AC 831, 858; Watford Electronics Ltd v Sanderson Ltd [2001] EWCA Civ 317, [2001] 1 All ER (Comm) 696, 716. 795 Horler, S. 188; Ebenroth/Dillon, Law & Pol’y Int’l Bus, 1992, 783, [813, Fußnote 154]; Stomps, S. 235 und 278 f.; Watford Electronics Ltd v Sanderson Ltd [2001] EWCA Civ 317, [2001] 1 All ER (Comm) 696, 716. 796 Die oligopolistische Struktur des Ratingmarktes und die teilweise bestehende Verpflichtung zur Durchführung eines Ratings seitens des Emitttenten sprechen zunächst gegen eine Parität hinsichtlich der Verhandlungsmacht beider Parteien. Letztendlich hat jedoch zum einen auch die Ratingagentur ein Interesse daran, die Geschäftsverbindung zum Emittenten für zukünftige Ratings aufrechtzuerhalten, zum anderen besteht für den Emittenten auch die Mög-
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für die Wirksamkeit einer solchen Klausel gegenüber dem Emittenten eines Auftragsratings: Zum einen ist die Verwendung solcher Klauseln gängige Praxis in Ratingverträgen, sodass die Emittenten aufgrund der gegebenen Branchenüblichkeit von der Existenz und Wirkung solcher Klauseln wissen müssten. Zum anderen wäre der Abschluss einer Versicherung für Ratingagenturen angesichts der hohen Haftungsrisiken voraussichtlich mit erheblichen Mehrkosten verbunden797, sodass auch dieser Aspekt für die Wirksamkeit der Klauseln gegenüber dem Emittenten spricht. Zwar ist es keinesfalls als sicher anzusehen, dass ein englisches Gericht tatsächlich so entscheidet, weil letztendlich die Umstände des konkreten Einzelfalls maßgeblich sind. Insgesamt kann aber festgehalten werden, dass solche Klauseln nach englischem Recht im geschäftlichen Verkehr in weitaus größerem Umfang als im deutschen Recht als zulässig angesehen werden798. Im Gegensatz zu den soeben skizzierten, äußerst unterschiedlichen Anforderungen, die das deutsche und das englische Recht an eine Zulässigkeit solcher Klauseln stellen, unterscheiden sich beide Rechtsordnungen im Hinblick auf die Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes einer Klausel gegen diese Anforderungen kaum. Präziser ausgedrückt entsprechen die Rechtsfolgen, die sich nach englischem Recht bei Einstufung einer Klausel als unreasonable ergeben, im Wesentlichen den zum deutschen Recht herausgearbeiteten Grundsätzen im Falle eines Verstoßes gegen § 307 BGB: Wie im deutschen Recht führt eine solche Einordnung grundsätzlich zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel und nicht nur zur Unwirksamkeit des betroffenen Teils799. Insbesondere besteht auch nach englischem Recht nicht die Möglichkeit zur geltungserhaltenden Reduktion der jeweiligen Klausel800. (c) Nach französischem Recht Wie bereits erläutert, wurde in Frankreich mit Art. L544-6 CMF eine spezielle Norm geschaffen, welche die Wirksamkeit von Haftungsausschlussklauseln relichkeit, eine kleinere Ratingagentur außerhalb der „Großen Drei“ mit der Durchführung des Ratings zu beauftragen. 797 Vgl. zu dieser Wertung bei Verursachung erheblicher Mehrkosten durch den Abschluss einer Versicherung im Hinblick auf die reasonableness einer Klausel im Allgemeinen Macdonald, Exemption Clauses, S. 156; Stomps, S. 256. 798 Siehe zu dieser Einschätzung auch Ebenroth/Dillon, Law & Pol‘y Int‘l Bus, 1992, 783, [814, Fußnote 154]. 799 Guest, in: Beale, Chitty on Contracts, Rn. 14-100. 800 Guest, in: Beale, Chitty on Contracts, Rn. 14-101; Stomps, S. 225 f. Wie auch im deutschen Recht ist es jedoch unter bestimmten Umständen möglich, dass eine Klausel teilweise als wirksam und teilweise als unwirksam eingestuft wird. Im deutschen Recht wird dieser Aspekt unter dem Stichwort der teilbaren Klauseln diskutiert (siehe hierzu bereits Fußnote 770), im englischen Recht ergibt sich diese Möglichkeit bei Klauseln, die mehrere haftungseinschränkende Faktoren beinhalten, aus der Formulierung in Sec. 2 Abs. 2 und Sec. 3 Abs. 2 UCTA 1977, wonach als unreasonable eingestufte Klauseln wirksam sind, sofern die Anforderungen an die reasonableness erfüllt sind, Stomps, S. 226.
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gelt. Demnach sind Vertragsklauseln, welche die Haftung der in Art. L544-4 CMF genannten Ratingagenturen ausschließen, verboten und gelten als nicht geschrieben801. Diese Regelung bezieht sich somit – wie auch die Regelung des Art. L544-5 CMF – ausschließlich auf Ratingagenturen, die in Frankreich registriert sind und als solche der Überwachung durch die französische Finanzaufsichtsbehörde (Autorité des marchés financiers – AMF) unterliegen802. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht eindeutig erkennbar, auf welche Haftungstatbestände sie Anwendung findet. Im Einzelnen ist hierbei fraglich, ob sich die Regelung nur auf Haftungsausschlüsse bezieht, welche die Haftung nach Art. L544-5 CMF zum Gegenstand haben, oder ob auch Haftungsausschlüsse umfasst sind, die sich auf Normen außerhalb dieses speziellen Tatbestandes beziehen. Der Umstand, dass in der Norm nur auf Art. L544-4 CMF und nicht auf den konkreten Haftungstatbestand des Art. L544-5 CMF verwiesen wird, spricht einerseits dafür, dass jegliche Art der Haftung von Ratingagenturen, also auch die allgemeinen französischen Haftungstatbestände außerhalb des Art. L544-5 CMF – wie beispielsweise die Haftung nach der deliktsrechtlichen Generalklausel oder die vertragliche Haftung – hiervon umfasst sein könnten. Andererseits spricht der normative Gesamtzusammenhang zur Haftung für Verstöße gegen die RatingVO 2009 dafür, dass sich die Regelung nur auf Haftungsausschlüsse bezieht, welche die Haftung nach Art. L544-5 CMF betreffen. In der französischen Literatur wird dieser Aspekt der Festlegung des Anwendungsbereichs der Norm – soweit ersichtlich – bislang nur von Audit beleuchtet. Der Autor geht – allerdings ohne nähere Erläuterung der Gründe hierfür – davon aus, dass Art. L544-6 CMF nach dem Sinn und Zweck der Norm so interpretiert werden müsse, dass er nur auf bestimmte Arten von Haftungsausschlussklauseln Anwendung finde. Konkret sei Art. L544-6 CMF nach Ansicht Audits nur dann anwendbar, wenn der Wortlaut der jeweiligen Haftungsausschlussklausel es zulasse, dass auch die deliktische Haftung für Verstöße gegen die RatingVO 2009 hiervon umfasst sei803. Sobald ein solcher Wortlaut vorliege, strahle Art. L544-6 CMF jedoch auch auf Haftungsausschlüsse aus, die Normen außerhalb der RatingVO 2009 beträfen804. Eine Bejahung dieser Wirkung hätte zur Folge, dass bei 801 Art. L544-6 CMF hat folgenden Wortlaut: „Les clauses qui visent à exclure la responsabilité des agences de notation de crédit mentionnées à l’article L.544-4 sont interdites et réputées non écrites.“ 802 Audit, Rev. Crit. DIP 2011, 581, [599]. 803 Audit, Rev. Crit. DIP 2011, 581, [599]. Zugleich argumentiert Audit jedoch, dass es bei Betrachtung des reinen Wortlauts des Art. L544-6 CMF möglich sei, auch solche Klauseln als nichtig anzusehen, die lediglich vertragliche Haftungsansprüche gegenüber Ratingagenturen betreffen, weil sich dem Wortlaut der Norm das Erfordernis eines Bezuges zu der Haftung nach Art. L544-5 CMF nicht entnehmen lasse, Audit, Rev. Crit. DIP 2011, 581, [599]. 804 Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [599]. Der Autor nennt hierbei explizit nur die offensichtlichsten Normen, die außerhalb der RatingVO 2009 in Frage kommen, namentlich vertragliche Ansprüche des Emittenten beim Auftragsrating.
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
Vorliegen einer „gemischten Klausel“, die neben der Haftung nach Art. L544-5 CMF auch weitere Haftungstatbestände ausschließt, die gesamte Klausel – und nicht nur der Ausschluss der Haftung nach Art. L544-5 CMF – gemäß Art. L544-6 CMF unwirksam wäre. Die Ansicht des Autors, dass die Haftung nach Art. L544-5 CMF vom Anwendungsbereich der konkreten Klausel umfasst sein müsse, damit Art. L544-6 CMF zum Tragen komme, erscheint im Ergebnis zutreffend, weil andernfalls kein Zusammenhang der Klausel zu den Artt. L544-4 bis 6 CMF gegeben wäre. Die Wirksamkeit von Klauseln, die ausschließlich die Haftung nach anderen Vorschriften ausschließen, muss demnach unabhängig von Art. L544-6 CMF nach den allgemeinen Grundsätzen des droit commun beurteilt werden805. Ob bei Vorliegen dieses Zusammenhangs zu Art. L544-5 CMF tatsächlich stets eine Ausstrahlungswirkung des Art. L544-6 CMF auf andere Haftungsausschlüsse angenommen werden kann, lässt sich nicht eindeutig klären. Die folgende Untersuchung wird jedoch zeigen, dass es hierauf im Ergebnis nicht ankommt, weil gänzliche Haftungsausschlüsse auch unabhängig von dieser Vorschrift nach französischem Recht als unwirksam angesehen werden. Die soeben skizzierte endgültige Fassung des Art. L544-6 CMF, von der nur Haftungsausschlüsse und nicht auch Haftungsbegrenzungsklauseln erfasst werden, bleibt hinter dem ursprünglichen Gesetzesvorschlag zurück, nach welchem auch die letztgenannte Art von Klauseln von der Regelung erfasst werden sollte806. Die Frage der Wirksamkeit von Haftungsbegrenzungsklauseln bleibt – ebenso wie die Frage der Wirksamkeit von Haftungsausschlussklauseln, die nur die Haftung außerhalb des CMF betreffen, sowie andere von der Gesetzesreform nicht berücksichtigten Fragestellungen – dem droit commun unterworfen807. Anders als im deutschen Recht erfolgt die Kontrolle von Haftungsbegrenzungsklauseln im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern unabhängig von einer AGB-Kontrolle nach den generellen Regeln des Vertragsrechts808, sodass auch Individualvereinbarungen umfasst sind. Eine AGB-Kontrolle nach Art. L132-1 Cconsom. ist 805
Hierauf wird im weiteren Verlauf dieses Abschnitts noch im Einzelnen eingegangen. Senat bevorzugte die Begrenzung der Regelung auf Haftungsausschlussklauseln aufgrund der Befürchtung, dass andernfalls die Attraktivität des französischen Rechts für Ratingagenturen hätte sinken können. Da die Erstreckung der Regelung auf Haftungsbegrenzungsklauseln im Vergleich zu den liberalen Regelungen anderer Länder viel strikter gewesen wäre, hätte dies die Ratingagenturen dazu veranlassen können, sich statt in Frankreich in für sie attraktiveren Ländern zu registrieren, vgl. Rapport à l’Assemblée nationale, au nom de la commission des finances de l’économie générale et du contrôle budgétaire sur le projet de loi modifié par le Sénat de régulation bancaire et financière (n° 2833), par J. Chartier, S. 40, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016; Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [31]. Überdies bestand das Risiko, dass eine Regelung, die ein gänzliches Verbot von Haftungsbegrenzungsklauseln vorgesehen hätte, europarechtswidrig gewesen wäre, Denis, RLDA 2011, Nr. 65, 73, [74]. 807 Tchotourian, BJB 2011, Nr. 2 , 119, [123]. 808 Sonnenberger/Dammann, S. 473. 806 Der
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im Verhältnis zwischen Emittent und Ratingagentur nicht möglich, da hierfür Voraussetzung wäre, dass der Emittent als Verbraucher (consommateur) oder als sogenannter non-professionnel809 angesehen würde, was jedoch aufgrund seiner Eigenschaft als professionnel (Unternehmer beziehungsweise Gewerbetreibender) nicht der Fall ist810. Nach den Vorschriften des droit commun ist keine wirksame Haftungsbegrenzung für grobes Verschulden (faute dolosive ou faute lourde)811 möglich, weshalb hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs eine Parallele zur Situation im deutschen Recht gezogen werden kann. Die praktischen Anwendungsfälle, in welchen eine faute lourde oder eine faute dolosive im Falle des Ratings angenommen werden kann, sind – entsprechend der Situation hinsichtlich der Annahme groben Verschuldens im deutschen Recht – auf Ausnahmesituationen, wie beispielsweise der vorsätzlichen Nichtanpassung des Ratingergebnisses im Rahmen eines Folgeratings, beschränkt812. Im Übrigen sind Haftungsausschluss- und Haftungsbegrenzungsklauseln nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts generell zulässig, sie dürfen jedoch seit der berühmten Chronopost-Rechtsprechung des Kassationshofs (Cour de cassation) vom 22. Oktober 1996813 nicht im Widerspruch zu einer grundlegenden vertraglichen Verpflichtung (obligation essentielle du contrat) stehen, weil andernfalls dem Vertragspartner dadurch die Grundlage für die Eingehung des Ver809 Die genaue Definition des non-professionnel ist strittig. Teilweise werden die Begriffe non-professionnel und consommateur als Synonyme angesehen, teilweise werden den beiden Begrifflichkeiten aber auch unterschiedliche Bedeutungen zugemessen. Vgl. zu dieser Debatte im Einzelnen Piédelièvre, Rn. 23; Calais-Auloy/Temple, Rn. 178. 810 Conac, S. 87. 811 Tchotourian, BJB 2011, Nr. 2 , 119, [123]. Die genaue Bedeutung der Rechtsbegriffe faute dolosive und faute lourde entspricht im Wesentlichen der Bedeutung der im deutschen Recht gebräuchlichen Begriffe „Vorsatz“ und „grobe Fahrlässigkeit“. Die faute dolosive wird definiert als die vorsätzliche Nichterfüllung der Verpflichtungen seitens des Schuldners (l’inexécution délibérée par le débiteur de ses obligations), Cass. Civ. 1re, 4 février 1969, N° de pourvoi: 6711387, Bull. civ. I, n° 60. Die faute lourde stellt nach der Rechtsprechung einen Verstoß von extremer Schwere (manquement d’une extrême gravité) dar, Cass. Ch. mixte, 22 avril 2005, N° de pourvoi: 02-18326, Bull. civ. 2005 MIXT., n° 3. Vgl. zu diesen Definitionen auch Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [30]. 812 Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [30]. 813 Cass. Com., 22 octobre 1996, N° de pourvoi: 93-18632, Bull. civ. 1996 IV, n° 261. Das Unternehmen Chronopost, das auf den Schnelltransport spezialisiert ist und die Vertraulichkeit und Schnelligkeit seiner Dienstleistung garantiert, hatte sich verpflichtet, bestimmte Schreiben eines anderen Unternehmens innerhalb einer bestimmten Frist zu liefern. Die Lieferung traf jedoch verzögert ein. Der Vertragspartner verlangte daraufhin Ersatz des durch die Verspätung eingetretenen Schadens, Chronopost verwies seinerseits auf die in dem Vertrag enthaltene Haftungsbegrenzungsklausel, die den Haftungsumfang bei verspäteter Lieferung auf die gezahlten Transportkosten beschränkte. Die verspätete Lieferung wurde seitens des Kassationshofs in diesem Fall als Verletzung einer obligation essentielle bewertet. Die haftungsbeschränkende Vertragsklausel, die im Widerspruch zur Tragweite dieser Verpflichtung stand, wurde daraufhin als nicht geschrieben (non écrite) angesehen.
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trages (cause814) entzogen würde. Klauseln, welche die Haftung der Ratingagenturen gänzlich ausschließen, wären nach französischem Recht demnach höchstwahrscheinlich auch ohne die Sonderregelung des Art. L544-6 CMF aufgrund Verstoßes gegen grundlegende vertragliche Verpflichtungen als unzulässig eingestuft worden, da ein solch weitreichender Ausschluss dem Vertrag aus Sicht des Emittenten in aller Regel die Grundlage entzöge815. Aus diesem Grund stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Sonderregelung des CMF. Naheliegend ist zunächst das Argument, dass eine ausdrückliche Regelung Rechtssicherheit schafft, weil die Gerichte hiervon nicht abweichen können. Der eigentliche Zweck dieser Vorschrift erschließt sich jedoch erst auf den zweiten Blick: Indem das Verbot des Ausschlusses der Haftung zur Eingriffsnorm i. S. d. Art. 9 Rom I-VO816 (loi de police) erhoben wird, werden in Frankreich registrierte Ratingagenturen davon abgehalten, sich durch eine generell zulässige anderweitige Rechtswahl in ihren Verträgen den Wirkungen des französischen Rechts zu entziehen817. Im Einzelnen lässt sich jedoch nicht genau vorhersehen, welche Pflichten der Ratingagenturen von der Rechtsprechung als essentielle angesehen würden, da diese Frage von einer großen Kasuistik geprägt ist. Im Grundsatz kann hier eine Parallele zu den Kardinalpflichten im deutschen Recht gezogen werden, wobei bei der Frage der Übertragbarkeit einzelner Fälle berücksichtigt werden muss, dass 814 Nach französischen Recht ist die sog. cause (licite) zur Wirksamkeit einer Verpflichtung zwingend erforderlich, Art. 1131 C.civ. Im Rahmen synallagmatischer Verträge liegt die cause der einen Vertragspartei in der mit dieser im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Verpflichtung der jeweiligen anderen Vertragspartei. Dieser Basis für die Eingehung der vertraglichen Verpflichtung wird durch eine Haftungsbegrenzungsklausel die Grundlage entzogen, sofern sie im Widerspruch zu einer obligation essentielle steht, weshalb die Klausel in diesen Fällen als nichtig anzusehen ist; vgl. hierzu Sonnenberger/Dammann, S. 41. 815 Womöglich bildet dieser Umstand des Gleichlaufs mit den allgemeinen Regelungen des Vertragsrechts den Grund dafür, dass in der französischen Literatur die oben aufgeworfene Frage, auf welche konkreten Haftungstatbestände Art. L544-6 CMF Anwendung findet, nicht näher beleuchtet wird. 816 Art. 9 Rom I-VO definiert eine Eingriffsnorm als eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen. 817 Die Einordnung des Verbots des Ausschlusses der Haftung als loi de police ist in der französischen Literatur nicht ganz unumstritten. Jedoch wird diese These bereits durch die Materialien über die vorbereitenden Arbeiten zu diesem Gesetz gestützt, vgl. Chartier, Rapport No. 2848, fait sur le projet de loi, modifié par le Sénat, de régulation bancaire et financière, S. 41, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am: 18.03.2016. Vgl. hierzu auch Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [51]. Für eine solche Einordnung sprechen sich auch Audit und Tchotourian aus: Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [600]; Tchotourian, BJB 2011, Nr. 2, 119, [123]; a.A: Clédat, der eine Einstufung als Eingriffsnorm ablehnt, Clédat, RLDC 2012, Nr. 96, 59, [62]. Vgl. zu den Argumenten, die für und gegen eine Einordnung als Eingriffsnorm sprechen im Detail Audit, Rev. crit. DIP 2011, 581, [600 f.].
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die Ausführungen zu den Kardinalpflichten nach deutschem Recht im Falle von Individualvereinbarungen nicht greifen, solche Vereinbarungen jedoch nach französischem Recht der Kontrolle unterfallen. Verstößt eine Klausel gegen Art. L544-6 CMF, so gilt die gesamte betroffene Klausel nach dem Wortlaut der Norm als nicht geschrieben (reputée non écrite), und ist damit als nichtig anzusehen. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich auch bei Vorliegen eines Verstoßes gegen das droit commun, weil in diesem Falle die betroffene Klausel durch das Gericht für unanwendbar erklärt würde (écarter la clause)818. Da die Unwirksamkeit einer Haftungsfreizeichnungsklausel auch nach französischem Recht keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des restlichen Vertrages hat819, wird in der Literatur die Effizienz dieser Regelungen als Sanktion gegenüber den Ratingagenturen teilweise bezweifelt820. Dies sollte jedoch auch aus dem Blickwinkel heraus betrachtet werden, dass im Regelfall nicht nur die Ratingagentur, sondern auch der andere Vertragsteil ein Interesse an der Aufrechterhaltung des restlichen Vertrages haben dürfte. Dies hat zur Folge, dass allenfalls ein einseitiges Recht des anderen Vertragsteils zur Auflösung des Vertragsverhältnisses ein adäquates Sanktionsmittel darstellen würde, sofern ein weitergehender Sanktionscharakter der Regelung überhaupt gewünscht ist. Insgesamt bleibt daher festzustellen, dass die Lösungsansätze für das Problem der Haftungsfreizeichnung vom Ergebnis her gesehen im deutschen und französischen Recht weitgehend parallel laufen. Die Kontrollmechanismen, die zu diesem Ergebnis führen, sind jedoch sehr unterschiedlich – in Deutschland erfolgt dies im Wesentlichen durch die AGB-Kontrolle, in Frankreich mittels von der Rechtsprechung entwickelter Grundsätze des allgemeinen Vertragsrechts. Im englischen Recht sind sowohl hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes als auch in Bezug auf die Ergebnisse der Untersuchung deutliche Unterschiede zu den beiden anderen untersuchten Ländern erkennbar: Insbesondere erscheint nach englischem Recht die Integration einer zulässigen Haftungsfreizeichnungsklausel aufgrund der Besonderheiten der reasonableness-Prüfung im Ergebnis leichter möglich als in den beiden anderen Rechtsordnungen. Letztendlich lassen sich hier aufgrund des subjektiven Prüfungsmaßstabes aber keine allgemeingültigen Kriterien zur Beurteilung der Wirksamkeit solcher Klauseln herausarbeiten, sodass keine eindeutigen Aussagen hierzu möglich sind.
818 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [50 f.]. In der berühmten Chronopost-Entscheidung wurde die entsprechende Klausel ebenfalls als non écrite angesehen, Cass. Com., 22 octobre 1996, N° de pourvoi: 93-18632, Bull. civ. 1996 IV, n° 261. Vgl. zu dieser Entscheidung im Einzelnen bereits die Ausführungen in Fußnote 813. 819 Im deutschen Recht ergibt sich dies aus § 306 BGB. 820 Tchotourian, BJB 2011, Nr. 2 , 119, [123].
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(2) Besonderheiten bei Vorliegen eines Abonnementvertrages Die oben aufgezeigten Aspekte der Haftungsfreizeichnung, die zum Auftragsrating entwickelt wurden, sind im Grundsatz auch auf die Konstellation des Abonnementvertrages übertragbar. Da es sich – wie bereits dargestellt – bei den Abonnenten von Ratingpublikationen im Wesentlichen um institutionelle Anleger handelt, und nicht um private Kleinanleger, sind für die meisten Abonnenten die obigen Ausführungen zu den im unternehmerischen Geschäftsverkehr verwendeten Haftungsfreizeichnungsklauseln maßgeblich. Etwaige Differenzen könnten sich jedoch in dem eher seltenen Fall eines Abonnementvertrages mit einem Kleinanleger ergeben, da insoweit auch nach den nationalen Rechtsordnungen eine Einstufung als Verbrauchervertrag in Betracht kommt821. Ob sich hieraus in den einzelnen Ländern tatsächlich Unterschiede im Hinblick auf die Haftungsfreizeichnung ergeben, wird im Folgenden näher beleuchtet. Nach deutschem Recht fallen Kleinanleger unter den Verbraucherbegriff des § 13 BGB, weil ihre Anlagegeschäfte rein privater Natur sind, also weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Diese Einordnung führt dazu, dass die §§ 308 und 309 BGB auf Kleinanleger unmittelbar Anwendung finden. Dies wiederum hat zur Folge, dass – anders als bei Vorliegen eines Ratingvertrags und im Falle des Abonnements mit einem institutionellen Anleger – keine Unsicherheit dahingehend besteht, ob die in diesen Normen enthaltenen Klauselverbote greifen. Wie gezeigt, überträgt die Rechtsprechung zumindest bislang die Wertungen der für den vorliegenden Fall besonders relevanten Klauselverbote des § 309 BGB über die Generalklausel des § 307 BGB auch auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr822. Aus diesem Grund ist im Ergebnis außer einer höheren Rechtssicherheit aufgrund des unmittelbar geltenden geschriebenen Klauselverbotskatalogs kein Unterschied zu der Situation gegenüber Emittenten im Rahmen eines Auftragsratings gegeben. Eine Haftungsfreizeichnung ist somit auch gegenüber Verbrauchern nur in engen Grenzen wirksam möglich. Hervorzuheben ist diesbezüglich vor allem die Option zur Haftungsfreizeichnung für einfache Fahrlässigkeit außerhalb der Kardinalpflichten. Im Gegensatz zur Situation im deutschen Recht sind im englischen Recht durchaus Unterschiede bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungsklauseln gegenüber Kleinanlegern im Vergleich zur Situation beim Auftragsrating und bei Vorliegen eines Abonnementvertrags mit einem institutionellen Anleger denkbar. Zum einen können sich Unterschiede im Hinblick auf die Regelungen des UCTA 1977 ergeben, zum anderen ist gegenüber Kleinanlegern auch ein Schutz vor unangemessenen Klauseln über die Unfair Terms in 821
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Vgl. hierzu in Bezug auf Art. 6 Rom I-VO bereits die Ausführungen oben, Fußnote 634. Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen oben, S. 139.
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Consumer Contracts Regulations 1999 (UTCCR 1999) denkbar, da Kleinanleger dem Verbraucherbegriff beider Regelungen unterfallen823. Innerhalb der Regelungen des UCTA 1977 zeigen sich diese Unterschiede an folgenden Stellen: Insgesamt wird innerhalb dieser Vorschriften eine gewisse Abstufung zwischen Konsumenten und Nichtkonsumenten im Rahmen der Inhaltskontrolle vorgenommen824, die im konkreten Fall vor allem bei der Frage der Anwendbarkeit des Sec. 3 UCTA 1977 und bei der Beurteilung der reasonableness der jeweiligen Klausel bedeutsam wird. Sec. 3 UCTA 1977 findet gegenüber Verbrauchern unabhängig vom Vorliegen eines written standard term of business Anwendung, sodass gegenüber Kleinanlegern auch bei der Freizeichnung von der Haftung aus breach of contract stets eine reasonableness-Prüfung durchgeführt werden muss. Weitaus größere Praxisauswirkungen könnte die Einstufung der Kleinanleger als Verbraucher jedoch im Hinblick auf das Ergebnis der reasonableness-Prüfung der jeweiligen Haftungsfreizeichnungsklausel entfalten. Wie bereits am Beispiel des Auftragsratings herausgearbeitet wurde, stellt in England sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur die Verteilung der Verhandlungsmacht zwischen den Parteien einen entscheidenden Faktor im Hinblick auf das Ergebnis der reasonableness-Prüfung der konkreten Klausel dar. Angesichts der Tatsache, dass Kleinanleger im Gegensatz zu Emittenten und institutionellen Anlegern in aller Regel nicht über ein ähnliches Ausmaß an Erfahrung und Verhandlungsmacht wie eine Ratingagentur verfügen, könnte dieser Aspekt den entscheidenden Faktor darstellen, der zur Unwirksamkeit solcher Klauseln gegenüber Kleinanlegern führt825, auch wenn die anderen oben bereits herausgearbeiteten Kriterien der Branchenüblichkeit und der Versicherbarkeit des Risikos auch in diesem Rechtsverhältnis für eine Wirksamkeit sprechen. Ob die Gerichte in der Praxis tatsächlich eine solch starre Differenzierung zwischen institutionellen Anlegern und Verbraucherinvestoren im Hinblick auf die Wirksamkeit von Haftungsfrei823 Der Verbraucherbegriff der UTCCR 1999 ist in Reg. 3 Abs. 1 legaldefiniert. Maßgeblich ist demnach, dass es sich um eine natürliche Person handelt, die zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist, vgl. zu dieser Übersetzung ins Deutsche bereits Horler, S. 190. Der im Rahmen des UCTA 1977 relevante Begriff dealing as a consumer wird in Sec. 12 Abs. 1 UCTA 1977 legaldefiniert. Eine Partei muss demnach in the course of a business handeln und die andere Partei darf gerade nicht in the course of a business tätig werden. Zwar ist unklar, was unter dem Begriff in the course of a business im Detail zu verstehen ist, jedoch ist im vorliegenden Fall eindeutig, dass die Erstellung von Ratings in das wesentliche Geschäftsfeld der Ratingagentur fällt und Kleinanleger beim Bezug von Ratingpublikationen ihrerseits nicht in course of a business handeln. Vgl. zu dieser Definition, zu der hiergegen in der Literatur vorgebrachten Kritik und zur Übersetzung ins Deutsche Horler, S. 165 f. 824 v. Bernstorff, S. 90. 825 Eine solche Unterscheidung zwischen Kleinanlegern und institutionellen Anlegern aufgrund ihrer unterschiedlichen Verhandlungsmacht erscheint vor allem als Folge des Falles Smith v Bush denkbar, Smith v Eric S. Bush [1990] UKHL 1, [1990] 1 AC 831. Vgl. hierzu im Einzelnen bereits v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 145 f.
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zeichnungsklauseln durchführen würden, bleibt jedoch bereits aufgrund des subjektiven Prüfungsmaßstabs englischer Gerichte fraglich826. Angesichts des Umstandes, dass auf Kleinanleger auch die Regelungen der UTCCR 1999 Anwendung finden, sofern eine nicht im Einzelnen individuell verhandelte Vertragsbedingung nach Reg. 5 Abs. 1 UTCCR 1999 vorliegt, stellt sich die Frage, ob dies im vorliegenden Fall etwas an der Bewertung der Frage der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungsklauseln ändert. Im Anhang Schedule 2 der UTCCR 1999 ist ein nicht abschließender Katalog potentiell unfairer Vertragsklauseln enthalten, in welchem die in der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen enthaltenen Inhalte fast unverändert übernommen wurden827. Da dieser Katalog vor der Umsetzung nicht mit dem bereits bestehenden Recht abgestimmt wurde, sind hierin auch Inhalte aufgeführt, die bereits nach UCTA 1977 einer reasonableness-Prüfung unterworfen sind828. Für die Haftungsfreizeichnung von Ratingagenturen erscheint vor allem Schedule 2 Abs. 1 lit. b interessant, weil diese Regelung Freizeichnungsklauseln in den Fällen betrifft, in denen der Unternehmer eine oder mehrere seiner vertraglichen Verpflichtungen ganz oder teilweise nicht oder mangelhaft erfüllt. Da diese Regelungen neben den Bestimmungen des UCTA 1977 anwendbar sind, wird hinsichtlich solcher Klauseln sowohl eine reasonableness-Prüfung nach UCTA 1977 als auch eine Prüfung der unfairness der Klausel nach Reg. 5 Abs. 1 UTCCR 1999 durchgeführt829. Angesichts des begrenzten Anwendungsbereichs dieser unfairness-Prüfung im Rahmen der vorliegenden Haftungssituation und des Umstandes, dass sich auch hieraus keine eindeutigen Kriterien zur Beurteilung der Wirk-
826 Von Schweinitz hält ein solch starres Vorgehen bei Ratings aufgrund mehrerer Faktoren für nicht überzeugend: Zum einen könne keine klare Linie zwischen Verbraucherinvestoren und institutionellen Anlegern gezogen werden, weil Banken Verbraucher mit großem Privatvermögen meist wie professionelle Investoren behandelten. Zum anderen spreche der Umstand, dass Ratingagenturen ihre Ratings typischerweise gegenüber dem gesamten Publikum veröffentlichen und daher nicht vorhersehen könnten, welche „Art“ von Publikum jeweils Adressat sei, gegen die Annahme unterschiedlicher Maßstäbe in Bezug auf eine wirksame Haftungsfreizeichnung in diesen beiden Fällen, v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 146 f. 827 Horler, S. 204. 828 Horler, S. 204. 829 Treitel, The Law of Contract, Rn. 7-096; Horler, S. 189. Reg. 5 Abs. 1 UTCCR 1999 hat folgenden Wortlaut: „A contractual term which has not been individually negotiated shall be regarded as unfair if, contrary to the requirement of good faith, it causes a significant imbalance in the parties’ rights and obligations arising under the contract, to the detriment of the consumer.“ Auch in dieser Regelung wurde der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vollständig übernommen. Maßgeblich ist demnach, ob durch die Klausel ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner zum Nachteil des Verbrauchers verursacht wird.
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samkeit solcher Klauseln ableiten lassen, wird auf eine detaillierte Darstellung dieser Prüfung verzichtet830. Nach französischem Recht finden gegenüber Verbrauchern (consommateurs) und non-professionnels die Regelungen über missbräuchliche Vertragsklauseln (clauses abusives) Anwendung831. Diese stellen die französischen Parallelvorschriften zur deutschen AGB-Kontrolle dar, wobei Art. L132-1 Cconsom. die maßgebliche Schutzvorschrift bildet. Zwar werden vom Schutz der französischen Vorschriften auch non-professionnels umfasst832 , jedoch ist dies für die vor liegende Untersuchung nicht weiter von Bedeutung: Ein Kleinanleger ist auch nach französischem Recht als Verbraucher anzusehen, da sich insoweit die Begrifflichkeiten im deutschen und französischen Recht entsprechen833. Die Inhaltskontrolle solcher Vertragsklauseln wird hauptsächlich anhand der Generalklausel des Art. L132-1 Abs. 1 Cconsom. durchgeführt834. Präzisiert wird die Generalklausel durch die Klauselverbotslisten835 der Artt. R132-1 bis R132-2-1 Ccon830 Vgl. hierzu im Einzelnen Horler, S. 205 ff.; Whittaker, in: Beale, Chitty on Contracts, Rn. 15-050 ff. 831 An dieser Stelle wird ein Unterschied zum Anwendungsbereich der deutschen AGB-Vorschriften erkennbar, der sich dadurch erklären lässt, dass beide Rechtsordnungen mit den Regelungen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Da das deutsche Recht versucht, mithilfe der AGB-Vorschriften einen Ausgleich zu einer einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselsteller zu erzielen, sind sämtliche Vertragspartner des Klauselstellers vom Schutz der Regelungen umfasst. Die französischen Vorschriften hingegen haben zum Ziel, einem rollenspezifischen und wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu begegnen. Dies hat zur Folge, dass einerseits Unternehmer als gleichrangige Vertragspartner des Klauselstellers nicht geschützt werden, andererseits – im Gegensatz zum deutschen Recht – aber auch Individualvereinbarungen kontrollfähig sind, Gardette, S. 31 ff. 832 Die Definition des Begriffs des non-professionnel ist strittig. Vergleiche zu dieser Debatte bereits die Ausführungen in Fußnote 809. 833 Zum Begriff des consommateur im französischen Recht vgl. Calais-Auloy/Temple, Rn. 178. 834 Conac, S. 87. Art. L132-1 Abs. 1 Cconsom. hat folgenden Wortlaut: „Dans les contrats conclus entre professionnels et non-professionnels ou consommateurs, sont abusives les clauses qui ont pour objet ou pour effet de créer, au détriment du non-professionnel ou du consommateur, un déséquilibre significatif entre les droits et obligations des parties au contrat.“ Es ist demnach entscheidend, ob ein den Verbraucher benachteiligendes erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den sich aus dem Vertrag ergebenden Rechten und Pflichten der Vertragsparteien gegeben ist. Vergleicht man den Wortlaut dieser Norm mit dem Wortlaut der englischen Vorschrift des Reg. 5 Abs. 1 UTCCR 1999 (siehe hierzu Fußnote 829), so wird deutlich, dass sowohl im französischen als auch im englischen Recht bei der Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen das Hauptmerkmal des „erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses“ des Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie wortwörtlich übernommen wurde. § 307 Abs. 1 BGB stellt dagegen auf eine „unangemessene Benachteiligung“ des Vertragspartners des Klauselverwenders ab. 835 Diese wurden gemäß Art. L132-1 Abs. 2 und 3 Cconsom. durch ein Décret en Conseil d’Etat erlassen. Hierbei handelt es sich um einen Rechtsakt der Exekutive, vor dessen Erlass der Conseil d’Etat (Staatsrat) in seiner Funktion als Beratungsgremium der Regierung konsultiert
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som836. Hierbei beinhaltet Art. R132-1 die sogenannte liste noire (schwarze Liste) und Art. R132-2 die liste grise (graue Liste). Der Unterschied zwischen beiden Listen besteht darin, dass in der liste noire enthaltene Klauseln als unwiderlegbar missbräuchlich gelten, wohingegen in der liste grise enthaltene Klauseln nur als vermutet missbräuchlich gelten837. In Nr. 6 der liste noire des Art. R132-1 ist eine Regelung enthalten, die für die Beurteilung von Haftungsfreizeichnungsklauseln bedeutsam ist. Nach dieser Vorschrift ist eine Klausel verboten, die das Recht des consommateur oder non-professionnel auf Schadensersatz im Falle irgendeiner Verletzung der Pflichten des professionnel ausschließt oder einschränkt838. Gegenüber Kleinanlegern gilt demnach jegliche Art von Haftungsfreizeichnungsklausel als unwiderlegbar missbräuchlich. Gemäß der in Art. L132-1 Abs. 6 Cconsom. enthaltenen gesetzlichen Fiktion gelten missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen als nicht geschrieben. Nach Abs. 8 bleibt der restliche Vertrag grundsätzlich in Kraft, falls dieser auch ohne die missbräuchliche Klausel fortbestehen kann839. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sowohl im französischen als auch im englischen Recht gegenüber Kleinanlegern spezielle verbraucherschützende Normen greifen, wohingegen nach deutschem Recht weitgehend dieselben Regelungen wie im unternehmerischen Geschäftsverkehr Anwendung finden. Hieran wird deutlich, dass die drei untersuchten Länder unterschiedliche Wege bei der Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen gegangen sind: Im Gegensatz zu England und Frankreich hat Deutschland nicht nur die Vorgaben der Richtlinie zum besseren Schutz von Verbrauchern umgesetzt, sondern einen weitergehenden Lösungsansatz gewählt, der im Grundsatz auch den unternehmerischen Geschäftsverkehr mit einschließt. Beleuchtet man das Schutzniveau der Verbraucher im Vergleich zur Situation im unternehmerischen Geschäftsverkehr im konkreten Fall der Haftungsfreizeichnungsklauseln, so kann eine Parallele zwischen Deutschland und England gezogen werden: werden muss. Vgl. zur Entstehung eines solchen Décret en Conseil d’Etat die Ausführungen auf den Internetseiten der französischen Regierung: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 836 Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rn. 326. 837 Calais-Auloy/Temple, Rn. 183 f. 838 Nr. 6 der liste noire des Art. R132-1 hat folgenden Wortlaut: „Dans les contrats conclus entre des professionnels et des non-professionnels ou des consommateurs, sont de manière irréfragable présumées abusives, au sens des dispositions du premier et du troisième alinéas de l’article L.132-1 et dès lors interdites, les clauses ayant pour objet ou pour effet de: […] Nr. 6: Supprimer ou réduire le droit à réparation du préjudice subi par le non-professionnel ou le consommateur en cas de manquement par le professionnel à l’une quelconque de ses obligations“ 839 Ein Fortbestehen des Vertrages ist daher immer dann möglich, wenn die missbräuchliche Klausel nicht als wesentliche Vertragsbestimmung anzusehen ist, Gardette, S. 336 ff. m. w. N.
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Die bestehenden Sonderregelungen gegenüber Verbrauchern führen im englischen Recht nicht zu einem spürbar erhöhten Schutzniveau der Kleinanleger im Vergleich zu institutionellen Anlegern oder Emittenten eines Auftragsratings840. Im Endergebnis ergibt sich somit eine Situation, die der nach deutschem Recht von vornherein weitgehend parallelen Behandlung beider Adressatengruppen ähnlich ist. Im Gegensatz hierzu ist die Schutzintensität der Kleinanleger im französischen Recht deutlich höher, da gegenüber dieser Personengruppe auch Haftungsbegrenzungsklauseln vollumfänglich als missbräuchlich gelten. cc) Untersuchung des Konkurrenzverhältnisses zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung in den jeweiligen Ländern im Hinblick auf die Bedeutung für die Haftungsfrage Wie bereits im Rahmen der Sachberichte herausgearbeitet wurde, gestaltet sich das Konkurrenzverhältnis zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung in den untersuchten Ländern äußerst unterschiedlich. Relevant wird dies jedoch lediglich in den Rechtsverhältnissen, in denen eine Vertragsbeziehung zwischen Ratingagentur und potentiellem Kläger besteht, weil nur in diesen Fällen eine vertragliche Haftung denkbar ist. Dies ist zum einen beim Auftragsrating zwischen Ratingagentur und Emittent der Fall, zum anderen bei Vorliegen eines Abonnementvertrages zwischen Ratingagentur und Anleger. In Deutschland und England ist das Konkurrenzverhältnis zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen im Wesentlichen gleich ausgestaltet. Im Ergebnis sind hierbei jeweils beide Anspruchsarten nebeneinander möglich, der Kläger kann die für ihn günstigste Anspruchsgrundlage zur Geltendmachung seines Schadensersatzanspruches wählen841. Im Gegensatz hierzu gilt in Frankreich das gegenteilige Prinzip: Hier greift nicht ein Kumulationsprinzip, sondern ein Kumulationsverbot (principe de non-cumul des responsabilités)842 . Nach diesem allgemeinen Grundsatz des französischen Rechts ist eine Haftung nach der deliktsrechtlichen Generalklausel des Art. 1382 C.civ. ausgeschlossen, sofern im konkreten Fall eine faute gegeben ist, welche in der Missachtung einer vertraglichen Verpflichtung besteht843. Im Folgenden wird deshalb untersucht, ob diese unterschiedlichen Lösungen des Verhältnisses zwischen Vertrags- und Deliktsrecht in den einzelnen Ländern in Bezug auf die Haftungssituation von Ratingagenturen weitere Konsequenzen für potentielle Kläger nach sich ziehen. Zu erwarten wäre eine Schlechterstellung französischer Kläger gegenüber deutschen und englischen Klägern, da erstere 840 Dies ist auf die bestehenden Prognoseunsicherheiten und den im Wesentlichen mit den Regelungen des UCTA 1977 vergleichbaren Prüfungsmaßstab zurückzuführen. 841 Vgl. zur Situation nach deutschem Recht im Detail die Ausführungen auf S. 49 f., vgl. zur Situation nach englischem Recht im Einzelnen die Ausführungen auf S. 62 f. 842 Wagner, in: MüKo BGB, Band 5, vor § 823, Rn. 67. 843 Vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen auf S. 57 f.
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nicht die für sie günstigste Rechtsordnung wählen können, sondern auf die Geltendmachung eines vertraglichen Haftungsanspruchs angewiesen sind. Um beurteilen zu können, ob diese erwartete Schlechterstellung tatsächlich gegeben ist, wird zunächst die Reichweite des principe de non-cumul des responsabilités herausgearbeitet. Des Weiteren wird untersucht, ob eine Aufhebung des Kumulationsverbots zu einer Verbesserung der Situation potentieller Kläger nach französischem Recht führen würde. Um den Vergleich zu den anderen beiden Rechtsordnungen zu gewährleisten, wird in einem letzten Schritt beleuchtet, ob die Kumulation von Ansprüchen in England und Deutschland im Falle der Haftung von Ratingagenturen tatsächlich einen Vorteil bietet. Bezüglich des erstgenannten Punktes, namentlich der Reichweite des principe de non-cumul des responsabilités kann zunächst festgehalten werden, dass dieses Prinzip nur unter bestimmten Voraussetzungen greift: Damit dieses im vorliegenden Fall zur Anwendung kommt, muss zunächst eine faute vorliegen, die in der Missachtung einer vertraglichen Verpflichtung besteht. Darüber hinaus dürfen die Voraussetzungen des Art. L544-5 CMF nicht erfüllt sein, da das principe de non-cumul des responsabilités – wie gezeigt844 – im Rahmen dieses Anspruchs nicht greift. Letztendlich stellt sich somit die Frage, ob in dieser Konstellation eine Außerkraftsetzung des Kumulierungsverbotes mit der Folge der Zulassung einer Haftung nach Art. 1382 C.civ. für potentielle Kläger einen Mehrwert generieren würde. Dies darf im Ergebnis jedoch bezweifelt werden, weil die Hürden zur erfolgreichen Geltendmachung eines Haftungsanspruchs im Deliktsrecht nicht geringer sind als im Vertragsrecht. Teilweise ist sogar das Gegenteil der Fall: Sofern eine obligation de résultat gegeben ist, greift im vertraglichen Bereich eine Beweiserleichterung, da hier das Verschulden der Ratingagentur vermutet wird. Im Gegensatz hierzu muss im deliktsrechtlichen Bereich der Kläger sämtliche Voraussetzungen nachweisen. Zwar ist in der Konstellation des Ratings im Regelfall keine obligation de résultat, sondern nur eine obligation de moyens gegeben845, dies führt jedoch lediglich dazu, dass potentielle Kläger im vertraglichen Bereich ähnlichen Beweishürden ausgesetzt sind wie im deliktischen Bereich. Aus den genannten Gründen lässt sich somit kein wirklicher Mehrwert durch das Hinzutreten des deliktsrechtlichen Generaltatbestands erkennen. Wie bereits angedeutet, wird im Folgenden untersucht, ob die Anspruchshäufung im englischen und deutschen Recht im Hinblick auf die Haftung von Ratingagenturen tatsächlich zu einer Verbesserung der Situation potentieller Kläger führt. Wie bereits im Rahmen der Sachberichte herausgearbeitet wurde, ist im englischen Recht im vertraglichen Bereich von einer Art „Garantiehaftung“ auszugehen, weshalb ein vertraglicher Haftungsanspruch wesentlich leichter durchzusetzen ist als ein deliktsrechtlicher. Dies hat zur Folge, dass die Geltendma844 845
Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 57 f. Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 56 f.
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chung eines vertraglichen Haftungsanspruchs in der Regel für den Kläger günstiger ist846. In Deutschland ist aufgrund des Fehlens einer großen deliktsrechtlichen Generalklausel für sämtliche Vermögensschäden der Anwendungsbereich des Deliktsrechts im Rahmen der Haftung von Ratingagenturen auf Ausnahmefälle beschränkt. Darüber hinaus bietet das Vertragsrecht gegenüber dem Deliktsrecht insbesondere zwei wichtige Vorteile: Zum einen ist hier die Vermutung des § 280 Abs. 1 BGB hinsichtlich des Vertretenmüssens zu nennen847. Zum anderen bietet das Vertragsrecht mit § 278 BGB eine umfassende Möglichkeit zur Zurechnung eines Fehlverhaltens Dritter, die das Deliktsrecht nicht kennt: Die Ratingagentur muss sich ein etwaiges Verschulden des jeweiligen mit der Bonitätsanalyse betrauten Analysten nach § 278 S. 1 Alt. 2 BGB zurechnen lassen, eine Möglichkeit zur Exkulpation besteht hierbei nicht848. Sowohl im deutschen als auch im englischen Recht besteht somit zwar eine theoretische Wahlmöglichkeit dahingehend, anstelle eines vertraglichen Haftungsanspruches einen deliktischen Haftungsanspruch geltend zu machen. In aller Regel wird sich dieser Vorteil aber in der Konstellation des Ratings kaum auswirken, da deliktische Haftungsansprüche – sofern diese überhaupt gegeben sind – für potentielle Kläger ungünstiger sind als vertragliche Ansprüche. Alles in allem ist daher kein wesentlicher Nachteil seitens der französischen Kläger aufgrund des principe de non-cumul des responsabilités auszumachen: Das unterschiedliche Konkurrenzverhältnis zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen hat kaum Auswirkungen auf die Haftung von Ratingagenturen gegenüber ihren Vertragspartnern. b) Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten Im Folgenden wird die Haftung der Ratingagenturen gegenüber Dritten untersucht. Vom Begriff des Dritten werden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung diejenigen möglichen Kläger erfasst, die in keinem unmittelbaren Vertragsverhältnis zur Ratingagentur stehen, namentlich Emittenten bei Vorliegen eines auftragslosen Ratings sowie das allgemeine Anlegerpublikum. aa) Möglichkeiten und Grenzen der Haftungsfreizeichnung gegenüber Dritten Im Folgenden wird näher beleuchtet, ob auch gegenüber Dritten eine wirksame Haftungsbegrenzung bzw. sogar ein gänzlicher Haftungsausschluss denkbar ist. Das Interesse der Ratingagenturen an einer wirksamen Haftungsfreizeichnung ist gegenüber Dritten im Vergleich zur Situation gegenüber ihren Vertragspartnern deutlich erhöht, weil die Haftungsrisiken für Ratingagenturen im erstgenannten 846
Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 61. Schuler, S. 199; v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 173. 848 Schuler, S. 199; v. Schweinitz, Rating Agencies, S. 173. 847
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Fall kaum kalkulierbar sind849 und sie zur Kompensation dieses Risikos zumindest von den Dritten selbst kein Entgelt erhalten850. Das Risiko besteht hierbei jedoch nicht gegenüber allen potentiellen Dritten gleichermaßen: Gegenüber den Emittenten im Rahmen auftragsloser Ratings sind die Haftungsrisiken aufgrund des klar abgrenzbaren Personenkreises potentieller Anspruchsteller für die Ratingagenturen noch relativ gut vorhersehbar; die Masse des allgemeinen Anlegerpublikums stellt für diese hingegen ein kaum überschaubares Risiko dar. (1) Gegenüber dem Emittenten im Rahmen eines auftragslosen Ratings Wie bereits dargestellt, sind im Falle des auftragslosen Ratings mangels Vertragsbeziehung zwischen Ratingagentur und Emittent nach allen drei untersuchten Rechtsordnungen lediglich außervertragliche Anspruchsgrundlagen für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen wegen fehlerhafter Ratings denkbar. Daher ist insoweit kein Anknüpfungspunkt für die Integration einer vertraglichen Haftungsfreizeichnungsklausel gegeben, sodass ein direkter vertraglicher Ausschluss oder eine direkte vertragliche Beschränkung der Haftung gegenüber dieser Adressatengruppe nicht möglich ist851. Fraglich ist jedoch, ob Haftungsfreizeichnungsklauseln aus anderen Dokumenten, beispielsweise aus Ratingberichten, Drittwirkung gegenüber Emittenten eines auftragslosen Ratings entfalten können. Als englische Besonderheit im Vergleich zu den anderen beiden Rechtsordnungen kann zunächst festgehalten werden, dass die Regelungen des UCTA 1977 nicht nur Vertragsbedingungen (contract terms), sondern auch außervertragliche Bekanntmachungen umfassen, welche die deliktische Haftung ausschließen oder beschränken (non-contractual notices which exclude or restrict liability in tort)852. Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 143. in der Regel ein Auftragsrating vorliegt, erhalten die Ratingagenturen die entsprechende Entlohnung für die Bereitstellung des Ratings meist direkt von den Emittenten. Nur selten werden Ratingagenturen aus eigenen Motiven ohne direkte Bezahlung seitens eines Emittenten oder seitens eines Dritten tätig. Die Vornahme eines intrinsisch motivierten auftragslosen Ratings kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein Emittent durch ein potentiell schlechteres auftragsloses Rating zum Abschluss eines Ratingvertrages mit der Agentur bewegt werden soll. Vgl. hierzu ausführlich bereits die Ausführungen oben, S. 10. 851 Vgl. hierzu exemplarisch für das deutsche Recht: Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 143. 852 Guest, in: Beale, Chitty on Contracts, Rn. 14-059. In Sec. 14 UCTA 1977 ist eine Definition des Begriffs der notice enthalten. Diese hat folgenden Wortlaut: „In this Part of this Act […] “notice” includes an announcement, whether or not in writing, and any other communication or pretended communication.“ Generell wird die Frage der Zulässigkeit von außervertraglichen Bekanntmachungen im englischen Recht im Zusammenhang mit der doctrine of consent diskutiert. Vgl. zu diesen Grundsätzen im Detail Hedley, Rn. 11.2 ff. Angesichts des Umstands, dass die Regelungen des UCTA 1977 hinsichtlich der Zulässigkeit solcher Bekanntmachungen relativ strikt sind, liegt der Fokus der Darstellung im Folgenden auf diesen Regelungen. In Fußnote 856 wird versucht, den Ein849
850 Da
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Ebenso wie hinsichtlich der bereits untersuchten contract terms ist auch zur Beurteilung der Wirksamkeit von non-contractual notices eine reasonableness-Prüfung erforderlich. Die Anforderungen an diese Prüfung werden in Sec. 11 Abs. 3 UCTA 1977 geregelt853. Hierbei können die Gerichte eine viel größere Anzahl an Umständen in ihre Erwägungen einbeziehen als im Rahmen der Prüfung von Vertragsbedingungen, weil es für die Beurteilung der reasonableness von non-contractual notices nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf den Zeitpunkt der Entstehung des haftungsbegründenden Ereignisses ankommt854. Insbesondere können so auch das haftungsbegründende Verhalten der Ratingagentur als Beklagte und das Ausmaß des Schadens auf Seiten des Klägers in die Beurteilung der reasonableness mit einbezogen werden855. Angesichts der Vielzahl an Einflussfaktoren, die infolge der erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls einbezogen werden müssen, erscheint eine eindeutige Aussage im Hinblick auf die Wirksamkeit solcher Klauseln jedoch nicht möglich856. Insgesamt sind derartige Klauseln aber bereits aufgrund der bestehenden Regelung des UCTA 1977 nach englischem Recht in weitaus größerem Umfang wirksam als im deutschen oder französischen Recht: Sowohl die deutsche als auch die französische Rechtsordnung sind sehr restriktiv im Hinblick auf die Annahme der Wirksamkeit solcher Klauseln: Haftungsbeschränkungen oder gänzliche Haftungsausschlüsse, die ohne Beteiligung des Dritten geschlossen wurden und zu dessen Lasten wirken, sind nach deutschem Recht im Regelfall unwirksam857. Anders verhält es sich nur, wenn lediglich solfluss der allgemeinen Grundsätze der doctrine of consent auf die vorliegende Fallkonstellation zu klären. 853 Sec. 11 Abs. 3 UCTA 1977 hat folgenden Wortlaut: „In relation to a notice (not being a notice having contractual effect), the requirement of reasonableness under this Act is that it should be fair and reasonable to allow reliance on it, having regard to all the circumstances obtaining when the liability arose or (but for the notice) would have arisen.” 854 Sealy, C.L.J. 1988, 6, [8]. 855 Sealy, C.L.J. 1988, 6, [8]. 856 Bezieht man in die Überlegungen mit ein, dass die Frage der Zulässigkeit von außervertraglichen Bekanntmachungen generell im Zusammenhang mit der doctrine of consent diskutiert wird (vgl. hierzu bereits die Ausführungen in Fußnote 852), besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dahingehend, dass englische Gerichte solche Haftungsfreizeichnungen gegenüber Emittenten eines auftragslosen Ratings als unzulässig einstufen würden. Die doctrine of consent geht davon aus, dass derjenige, der sich freiwillig trotz eines klaren Warnhinweises bzw. Haftungsausschlusses des anderen Teils z.B. auf dessen Grundstück begibt, im Grundsatz nicht schutzbedürftig ist. Vgl. zu diesem Beispiel Hedley, Rn. 11.13. Überträgt man dies auf die Situation der Haftung von Ratingagenturen gegenüber Emittenten im Rahmen auftragsloser Ratings, so fällt auf, dass die Emittenten in diesem Fall den Wirkungen des Ratings nicht freiwillig ausgesetzt sind und sich diesen auch nicht entziehen können, da das Rating ohne ihre Zustimmung publiziert wird, was direkte Auswirkungen auf ihre Kreditwürdigkeit hat. 857 Dutta, WM 2013, 1729, [1735]. Dies folgt bereits aus dem Grundsatz der Unzulässigkeit von Verträgen zu Lasten Dritter. Die Parteien können im Rahmen der Privatautonomie nur über
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che Rechtspositionen des Dritten betroffen sind, die ihm erst infolge der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen erwachsen858. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da sich die Freizeichnungsklauseln, welche die Haftung gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings ausschließen, auf seine „originären“ deliktischen Schadensersatzansprüche beziehen859, weshalb solche Klauseln nach deutschem Recht in der vorliegenden Konstellation unwirksam sind. Ebenso verhält es sich im französischen Recht, weil eine wirksame Haftungsfreizeichnung für deliktische Ansprüche gegenüber Dritten auch hier nicht möglich ist860. Ein Unterschied besteht jedoch im Vergleich zum deutschen Recht, da Freizeichnungsklauseln, welche die Haftung gegenüber Dritten nach Art. L544-5 CMF ausschließen, direkt nach Art. L544-6 CMF unwirksam sind, es mithin im Anwendungsbereich dieser Vorschriften keines Rückgriffs auf den allgemeinen Grundsatz der Unzulässigkeit von Verträgen zu Lasten Dritter bedarf. (2) Gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum Beleuchtet man die Situation hinsichtlich der anderen Gruppe möglicherweise von einem Rating betroffener Dritter, namentlich des Personenkreises des allgemeinen Anlegerpublikums, so muss auch hier zwischen der potentiellen Drittwirkung außervertraglicher Bekanntmachungen und direkten vertraglichen Haftungsfreizeichnungsklauseln unterschieden werden (a). Überdies wird untersucht, ob sich als Folge der Einbeziehung der Anleger in den Schutzbereich des Ratingvertrages nach deutschem Recht Unterschiede bezüglich der Möglichkeiten zur Haftungsfreizeichnung im Vergleich zur Situation in den anderen beiden Ländern ergeben (b). (a) Darstellung der Regelungen zur Haftungsfreizeichnung im Rahmen von außervertraglichen Bekanntmachungen und zur direkten vertraglichen Haftungsfreizeichnung Hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungsklauseln gegenüber Dritten im Rahmen von außervertraglichen Bekanntmachungen (non-contractual notices) gilt grundsätzlich das soeben zur Haftung gegenüber dem Emittenten beim auftragslosen Rating Herausgearbeitete entsprechend. Eine eigene Rechte verfügen und sich selbst verpflichten. Die Privatautonomie endet mithin an der Stelle, an der Eingriffe in die Rechtssphäre eines Dritten drohen, Räcke, S. 152. 858 Da in diesen Fällen keine „originären“ Rechte des Dritten beeinträchtigt werden, sondern nur die vorher getroffene Begünstigung eingeschränkt wird, ist der Dritte diesbezüglich nicht schutzbedürftig, Räcke, S. 152. 859 Insbesondere ist gegenüber Emittenten eines auftragslosen Ratings keine wirksame Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages denkbar, was gegebenenfalls zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage führen könnte. Vgl. hierzu im Falle der Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum die Ausführungen im nächsten Abschnitt der Arbeit. 860 Le Tourneau, Rn. 1067.
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Haftungsfreizeichnung bezüglich deliktischer Schadensersatzansprüche des allgemeinen Anlegerpublikums kann demnach sowohl nach französischem als auch nach deutschem Recht nicht wirksam vereinbart werden861. Zum englischen Recht ist diesbezüglich ergänzend anzumerken, dass die Ratingagentur S&P in dem oben bereits geschilderten australischen Fall Bathurst sowohl in ihren Ratingberichten als auch in ihrem Schriftverkehr mit dem Emittenten ABN AMRO solche Haftungsausschlüsse verwendete, die gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum wirkten862. Diese wurden sowohl in der ersten Instanz als auch in der zweitinstanzlichen Entscheidung für unwirksam erklärt863. Wie bereits im Hinblick auf den oben beleuchteten Aspekt der duty of care gegenüber Dritten864, stellt sich auch diesbezüglich die Frage, ob eine solche Entscheidung auf das englische Recht übertragbar wäre. In der Literatur wird diese Frage – soweit ersichtlich – bisher lediglich von Edwards untersucht. Die von dem Autor hierbei vorgebrachten Argumente865 sprechen gegen die Übertragbarkeit der Grundsätze aus dem 861 Dies gilt im deutschen Recht nach überzeugender Ansicht auch in dem Fall, in welchem Vertreter des allgemeinen Anlegerpublikums wirksam in den Ratingvertrag zwischen Emittent und Ratingagentur einbezogen wurden und ihnen infolgedessen eigene vertragliche Ansprüche gegen die Ratingagenturen zustehen, Räcke, S. 178. 862 Die Klauseln hatten folgenden Wortlaut: „Any user of the information contained herein should not rely on any credit rating or other opinion contained herein in making an investment decision.”, erstinstanzliches Urteil Bathurst, Rn. 2532 (genaue Fundstelle des Urteils: Bathurst Regional Council v Local Government Financial Services Pty Ltd [No. 5] [2012] FCA 1200 (5 November 2012), abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016). „Because of the possibility of human or mechanical error by our sources, S&P’s or others, S&P’s does not guarantee the accuracy, adequacy or completeness of any information and is not responsible for any errors or omissions or the result obtained from use of such information.”, Urteil Bathurst, Rn. 2536. „The rating is not investment, financial, or other advice and you should not and cannot rely upon the rating as such.”, Urteil Bathurst, Rn. 2528. Vgl. zu den entsprechenden Passagen bereits Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [91 f.]. 863 Das Gericht hat in der ersten Instanz (entsprechend des Klägervorbringens) argumentiert, dass die Anleger auf das Rating als Basis ihrer Investitionsentscheidung vertraut hatten unter dem Umstand, dass – wenn auch nicht vom Anleger direkt – die Ratingagentur genau für die Bereitstellung einer verlässlichen Meinung über die Emission bezahlt wurde. Überdies wurde argumentiert, dass ein Durchgreifen der disclaimers das Rating meaningless (bedeutungslos) werden lassen würde. Vgl. hierzu das erstinstanzliche Urteil im Fall Bathurst (genaue Fundstelle siehe Fußnote 862), Rn. 2422; Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [92]. 864 Siehe hierzu die Ausführungen oben, S. 103 ff. 865 Edwards argumentiert zum einen damit, dass die Bezahlung durch den Emittenten (zumindest im Falle eines Auftragsratings) nicht für die Bereitstellung einer bestimmten verlässlichen Meinung für den Anleger, sondern für die Bereitstellung einer Dienstleistung – namentlich die Einschätzung der Kreditwürdigkeit der Emission in Relation zu den anderen Marktteilnehmern zum Zwecke der Vermarktung der Emission – erfolge. Zum anderen würde – anders als in dem australischen Urteil – ein Durchgreifen des Haftungsausschlusses in diesem Fall seiner Ansicht nach das Rating nach englischem Recht für den Anleger nicht bedeutungslos (meaningless) machen, weil es auf der Vermutung beruhe, dass es vernünftig (reasonable) für einen Anleger wäre, sich auf das Rating ohne eine eigene (oder selbst in Auftrag gegebene) Untersuchung zu verlassen. Zumindest müsse die Grundlage des Ratings untersucht werden,
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Fall Bathurst, mithin für die Wirksamkeit solcher Klauseln nach englischem Recht in Bezug auf das allgemeine Anlegerpublikum866 . Letztendlich stützt diese Argumentation des Autors auch die oben im Rahmen der Haftung gegenüber dem Emittenten bereits herausgearbeitete Tendenz des englischen Rechts, Haftungsfreizeichnungen gegenüber Dritten im Rahmen von non-contractual notices in relativ großem Umfang als wirksam anzusehen. Beleuchtet man nun die Möglichkeiten zur direkten vertraglichen Haftungsfreizeichnung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum, so lässt sich ein Unterschied zwischen der deutschen Rechtsordnung und der Lage in den beiden anderen untersuchten Rechtsordnungen erkennen. Sowohl nach französischem als auch nach englischem Recht kommen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum nur außervertragliche Ansprüche in Betracht, sodass auch gegenüber diesem Personenkreis aufgrund der oben skizzierten Gründe nicht an eine direkte vertragliche Haftungsfreizeichnung zu denken ist. Nach deutschem Recht ist die Situation gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum jedoch etwas anders, da Anlegern – wie bereits gezeigt – unter bestimmten Umständen als Folge der Einbeziehung in den Schutzbereich des Ratingvertrages eigene vertragliche Ansprüche gegen die Ratingagentur zustehen können. Soweit eine wirksame Schutzbereichserweiterung zugunsten der Anleger im Einzelfall zu bejahen ist867, kann die Ratingagentur die im Ratingvertrag gegenüber dem Gläubiger wirksam vereinbarten Haftungsfreizeichnungsklauseln nach überzeugender Ansicht auch den Anlegern erfolgreich entgegenhalten868. Der Grund dafür, dass eine solche Haftungsfreizeichnung auch gegenüber den in den Schutzbereich einbezogenen Dritten als wirksam anzusehen ist, liegt darin, dass diese durch die Einbeziehung nicht besser gestellt werden sollen als der eigentliche Vertragspartner der Ratingagentur869. Etwas anderes gilt jedoch, falls zwischen den Vertragsparteien eine Vereinbarung zur Haftungsfreizeichnung gewenn sogar der disclaimer dem Anleger nahegelegt habe, nicht unhinterfragt hierauf zu vertrauen, Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [92]. 866 Hinzu kommt, dass auch die allgemeinen Grundsätze der doctrine of consent, die in Fußnote 856 bereits herausgearbeitet wurden, für die Wirksamkeit solcher außervertraglichen Bekanntmachungen nach englischem Recht gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum sprechen. Im Gegensatz zu Emittenten im Rahmen auftragsloser Ratings setzt sich das allgemeine Anlegerpublikum den Wirkungen des jeweiligen Ratings freiwillig aus, da die Anleger die notice, durch welche sich die Ratingagentur von der Haftung freizeichnet, im Vorfeld lesen und sich auf dieser Basis für oder gegen die Heranziehung des Ratings als Basis ihrer Investitionsentscheidung entscheiden können. 867 Nach der Rechtsprechung des BGH zur insoweit vergleichbaren Gutachterhaftung kann dies unter Umständen im Falle von Emissionsratings angenommen werden, weil hierbei die Haftungsrisiken von Anfang an kalkulierbar erscheinen. Vgl. hierzu sowie zu den Voraussetzungen einer Einbeziehung der Anleger im Einzelnen die Ausführungen oben zur Dritthaftung von Ratingagenturen auf S. 92 ff. 868 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2293]; Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 143; Räcke, S. 177; a. A. Korth, S. 104 f. 869 BGHZ 56, 269, [272 ff.]; Räcke, S. 177 f.
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troffen wurde, die lediglich zu Lasten des geschützten Dritten und nicht auch zu Lasten des Gläubigers wirken soll. Solche Haftungsfreizeichnungen sind als unwirksam anzusehen, weil der aus der Einbeziehung in einen Vertrag resultierende vertragliche Schutz dem Dritten nach überzeugender Ansicht ohne Zutun der Parteien als eigene Rechtsposition zusteht870. (b) Untersuchung einer möglichen Schlechterstellung deutscher Anleger gegenüber Anlegern in den anderen beiden Rechtsordnungen im Hinblick auf die Haftungsfreizeichnung als Folge der Einbeziehung in den Schutzbereich des Ratingvertrages Beleuchtet man diesen Aspekt vertiefter mit Blick auf die Gesamtsituation der Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum, so stellt sich die Frage, ob hierdurch im Ergebnis deutsche Anleger gegenüber den Anlegern in den anderen beiden untersuchten Rechtsordnungen schlechtergestellt sind. Um diese Fragestellung beantworten zu können, ist eine differenzierte Betrachtung anhand der Gesamtsituation der Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum in den einzelnen Ländern notwendig. Zum einen kommt es hierbei entscheidend darauf an, welche Wichtigkeit der Konstellation der Einbeziehung von Anlegern in den Schutzbereich des Ratingvertrages zukommt und damit wie wahrscheinlich es ist, dass ihnen nach deutschem Recht auch andere Ansprüche zustehen. Zum anderen kommt es darauf an, ob die Möglichkeiten einer wirksamen Haftungsfreizeichnung im Ratingvertrag so signifikant sind, dass dies eine Schlechterstellung der deutschen Anleger im Vergleich zur Situation in England und Frankreich nach sich zieht. Hinsichtlich des erstgenannten Aspekts wurde oben bereits festgestellt, dass eine Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum nach hier vertretener Auffassung auch nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB (sog. Sachwalterhaftung) durchaus denkbar ist871. Eine endgültige Bewertung der Wichtigkeit der Einbeziehung von Anlegern in den Schutzbereich des Ratingvertrages erscheint mangels Rechtsprechung in Bezug auf die vorliegende Fallkonstellation und aufgrund der unterschiedlichen Meinungen, die hierzu in der Literatur vertreten werden, kaum möglich. Nach hier vertretener Auffassung ist eine Einbeziehung der Anleger im Regelfall mangels Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises für die Rating870 Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn man davon ausginge, dass der Schutz auf dem Vertrauensgedanken beruhe, da die Parteien dann unter Umständen das Entstehen eines berechtigten Vertrauens verhindern könnten. Vgl. hierzu und zu den zu diesem Problem vertretenen Ansichten im Einzelnen Räcke, S. 176 f. und Korth, S. 102 f. 871 Darüber hinaus kommt in Ausnahmefällen auch eine deliktische Haftung in Betracht. Für die Einschätzung der Wichtigkeit der Konstellation der Einbeziehung des allgemeinen Anlegerpublikums in den Ratingvertrag ist dies jedoch nur von untergeordneter Bedeutung, weil die deliktischen Haftungstatbestände im Regelfall der fahrlässigen Fehlbeurteilung durch die Ratingagenturen nicht greifen; vgl. hierzu die Ausführungen oben zur Dritthaftung der Ratingagenturen, S. 92 ff.
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agentur unzumutbar, sodass diese Konstellation allenfalls in den Einzelfällen bedeutsam werden könnte, in denen die Ratingagentur den Anlegerkreis kontrollieren kann. Sofern im Einzelfall dennoch eine Haftung sowohl nach den Grundsätzen der Sachwalterhaftung als auch über eine Einbeziehung der Anleger in den Schutzbereich des Ratingvertrages denkbar ist, wäre nach überzeugender Ansicht die Sachwalterhaftung im Ergebnis maßgeblich, sodass auch in diesen Fällen dem Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter letztendlich kaum Bedeutung zukommt872. Da die Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit der genannten Normen im Falle der Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum noch keine Entscheidung getroffen hat, verbleibt jedoch eine gewisse Unsicherheit, wie die Fälle in der Praxis tatsächlich zu behandeln sind. Im Hinblick darauf, dass die Rechtsprechung im Falle der insoweit vergleichbaren Gutachterhaftung in der Vergangenheit verstärkt auf die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zurückgegriffen hat, verbleibt insgesamt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass diese Grundsätze in der Praxis trotz der aufgezeigten Bedenken auch im Rahmen der Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum maßgeblich werden könnten873. Wäre dies der Fall, so käme dem Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter eine enorme Bedeutung zu. Aufgrund der soeben aufgezeigten möglichen unterschiedlichen Bewertungen kann eine endgültige Beurteilung dieses Aspekts jedoch erst dann vorgenommen werden, wenn ein solcher Fall in der Praxis tatsächlich entschieden wurde. Beleuchtet man den zweiten der genannten Aspekte, so kann festgehalten werden, dass Haftungsfreizeichnungsklauseln – wie bereits gezeigt874 – nach deutschem Recht lediglich ein „stumpfes Schwert“ zur Haftungsminimierung für die Ratingagenturen darstellen. Zwar können sie zum einen in Individualvereinbarungen wirksam ausgehandelt werden, zum anderen ist auch eine Freizeichnung hinsichtlich der Haftung für einfache Fahrlässigkeit möglich, sofern keine Kardinalpflichten betroffen sind. Da solche Klauseln somit aber insgesamt nur in wenigen Fällen wirksam vereinbart werden können, ist im Ergebnis von keiner relevanten Schlechterstellung deutscher Anleger auszugehen. Allenfalls ist eine leichte Benachteiligung gegenüber französischen Anlegern gegeben, weil nach französischem Recht im Allgemeinen sicherere Ansprüche des allgemeinen Anlegerpublikums bestehen als nach deutschem Recht. Im Vergleich zu englischen Anlegern sind deutsche Anleger trotz der beschriebenen Möglichkeiten zur Haftungsminimierung hingegen sogar etwas besser gestellt, da englischen Anlegern 872 Nach überzeugender Ansicht träte die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter jedenfalls aufgrund von Subsidiarität hinter der Sachwalterhaftung zurück. Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 98 f. 873 Vgl. hierzu die Ausführungen oben zur Dritthaftung der Ratingagenturen, S. 92 ff. 874 Vgl. zur Untersuchung der Wirksamkeit solcher Klauseln im Detail S. 138 ff.
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angesichts der hohen Anforderungen an eine duty of care nur selten Haftungsansprüche zustehen und die Möglichkeit der Haftungsfreizeichnung im Rahmen von non-contractual notices grundsätzlich auch gegenüber Dritten besteht. Insgesamt kann daher festgehalten werden, dass eine wirksame direkte vertragliche Haftungsfreizeichnung gegenüber Dritten grundsätzlich mangels Vertragsverhältnisses zwischen den Dritten und den Ratingagenturen nicht möglich ist. Der Umstand, dass solche Klauseln aus dem Ratingvertrag in bestimmten Konstellationen dem allgemeinen Anlegerpublikum entgegengehalten werden können, stellt eine Besonderheit des deutschen Rechts dar, welche der Möglichkeit der Einbeziehung Dritter in einen Vertrag geschuldet ist. Diese Besonderheit führt jedoch zu keiner signifikanten Schlechterstellung deutscher Anleger im Vergleich zu den Anlegern in den beiden anderen Ländern, sofern die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum von der Rechtsprechung in Zukunft nicht grundsätzlich über dieses Rechtsinstitut gelöst wird. Eine Haftungsfreizeichnung im Rahmen von non-contractual notices ist lediglich im englischen Recht wirksam möglich. bb) Einfluss der Meinungs- und Pressefreiheit auf die Haftung in den untersuchten Ländern Ratingagenturen haben sich in der Vergangenheit häufig darauf berufen, dass ihre Ratings keine Empfehlungen zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, sondern reine Meinungsäußerungen darstellten und aus diesem Grund eine Haftung für fehlerhafte Ratings nicht durchgreife875. Zwar ist die Fragestellung, ob Ratings dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfallen, primär öffentlich-rechtlicher Natur, jedoch ist es denkbar, dass das Ergebnis einer solchen Untersuchung auch auf die Prüfung zivilrechtlicher Haftungsansprüche ausstrahlt. Zur Beurteilung der Erfolgschancen potentieller Kläger in solchen Haftungsprozessen gegen Ratingagenturen ist gleichwohl nicht das soeben geschilderte subjektive Selbstverständnis der Ratingagenturen ausschlaggebend, sondern die objektive Beurteilung dieser Rechtsfrage durch die Gerichte876. Da die Muttergesellschaften der „Großen Drei“ allesamt ihren Sitz zumindest auch in den Vereinigten Staaten von Amerika haben, ist hierbei vor allem die Einschätzung US-amerikanischer Gerichte von enormer Wichtigkeit für potentielle Kläger: In der Zeit vor der letzten Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2009 teilten 875 Vgl. zu dieser Ansicht hinsichtlich der rechtlichen Qualifizierung von Ratings exemplarisch das Selbstverständnis der Ratingagentur Fitch, das in Fußnote 14 bereits dargestellt wurde: „Fitch Ratings’ credit ratings provide an opinion on the relative ability of an entity to meet financial commitments, such as interest, preferred dividends, repayment of principal, insurance claims or counterparty obligations“, abrufbar unter: , S. 6, zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 876 Dem Selbstverständnis der Ratingagenturen kommt im Rahmen der objektiven Untersuchung allenfalls indizierende Wirkung zu, Rosset, S. 4.
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US-amerikanische Gerichte die Ansicht der Ratingagenturen: Sie sahen Ratings in der Vergangenheit als reine Meinungsäußerungen an, welche vom Schutz des First Amendment (Erster Zusatz zur US-Verfassung aus dem Jahr 1791) umfasst waren, was dazu führte, dass Haftungsansprüche gegen Ratingagenturen in den USA nur in Ausnahmefällen erfolgreich geltend gemacht werden konnten877. Dieser pauschalen Sichtweise, wonach Ratings stets den Schutz der Meinungsfreiheit genießen, wurde im Jahre 2010 jedoch die Grundlage entzogen: Seit Inkrafttreten des Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act haften Ratingagenturen nach US-amerikanischem Recht in bestimmten Fällen als „Experten“ für ihre Ratings878. Es stellt sich jedoch die Frage, ob Ratings auch in den drei untersuchten Ländern dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfallen. Da sich das Ergebnis einer solchen Prüfung auch in diesen Rechtsordnungen auf die Beurteilung der zivilrechtlichen Haftung von Ratingagenturen auswirken könnte, wird dieser Aspekt im Folgenden näher beleuchtet. Denkbar ist hierbei lediglich eine Auswirkung auf deliktische Haftungstatbestände, eine Ausstrahlungswirkung dieser Fragestellung auch auf vertragliche Haftungsansprüche kommt demgegenüber nicht in Betracht879. Besondere Relevanz entfaltet dieser Aspekt in Bezug auf die Haftung gegenüber Dritten, denn diese sind – von Sonderkonstellationen im deutschen Recht abgesehen – mangels Vertragsbeziehung zur Ratingagentur auf deliktische Ansprüche angewiesen. Neben der Frage, ob Ratings dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfallen, wird auch untersucht, ob ein Schutz über die Pressefreiheit denkbar ist. (1) Anwendbarkeit der Meinungs- und Pressefreiheit auf Veröffentlichungen von Ratingagenturen in den drei untersuchten Ländern und Konsequenzen hieraus in Bezug auf die Beurteilung der Haftungsfrage Zunächst bleibt festzuhalten, dass – soweit ersichtlich – in keinem der drei untersuchten Länder eine gefestigte Rechtsprechung zu der Frage existiert, ob die genannten Freiheiten auf Veröffentlichungen von Ratingagenturen Anwendung fin877 Diese Einschätzung hatte zur Folge, dass der jeweilige Kläger für eine erfolgreiche Geltendmachung eines Haftungsanspruchs gegen Ratingagenturen den Nachweis einer arglistigen bzw. betrügerischen Schädigung führen musste, vgl. hierzu im Detail bereits die Ausführungen oben in Fußnote 233. 878 Diese Haftung wird durch Sec. 939G des Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act ermöglicht, Berger/Stemper, WM 2010, 2289, [2289]; Rosset, S. 11; Haar, NZG 2010, 1281, [1284]. Die Folge hiervon ist, dass sich Ratingagenturen innerhalb des Anwendungsbereichs der neuen Haftungsregelungen nicht mehr auf den Schutz des First Amendment berufen können, da dieser in Bezug auf Ratings durch den Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act wohl zulässigerweise eingeschränkt wurde. 879 Verpflichtet sich eine Ratingagentur vertraglich zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Ratings, so kann sie sich nicht durch den bloßen Verweis auf ihre Meinungsfreiheit von ihren freiwillig gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner übernommenen Pflichten lossagen.
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den880. Wie bereits im Falle der meisten anderen untersuchten Fragestellungen festgestellt, wird eine Diskussion in der Literatur hierüber vor allem in Deutschland und teilweise auch in Frankreich geführt. In England ist dies – soweit ersichtlich – zumindest bisher noch nicht der Fall. Die Meinungsfreiheit ist in den drei untersuchten Staaten grundsätzlich bereits über Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union881 und über Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt. Die Pressefreiheit wird zwar in Art. 10 EMRK nicht explizit genannt, vor dem Hintergrund, dass diese Norm sämtliche Kommunikationsformen schützt, wird hiervon aber auch die Presse erfasst882. Trotz dieses einheitlichen Ausgangspunktes883 ergeben sich in Deutschland, Frankreich und England Differenzen hinsichtlich der Schutzintensität dieser Freiheiten, da in den einzelnen Ländern sowohl die Rechtsnatur der EMRK unterschiedlich ausgestaltet ist als auch der Grundrechtsschutz nach den nationalen Rechtsordnungen erhebliche Unterschiede aufweist. (a) Nach deutschem Recht In Deutschland ist das Schutzniveau der Meinungs- und Pressefreiheit insgesamt als relativ hoch anzusehen, weil die EMRK nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen übergesetzlichen Rang genießt884 und beide Freiheiten Blaurock, EJCL, S. 20. Gemäß Art. 6 Abs. 1 des EU-Vertrages erkennt die Europäische Union die Grundrechtscharta als „gleichrangig mit den Verträgen“ an. Wegen einer Ausnahmeregelung in Art. 1 des Protokolls Nr. 30 zum Vertrag von Lissabon über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Polen und das Vereinigte Königreich (sog. Opt-out), entfaltet die Charta in Großbritannien jedoch allenfalls eine eingeschränkte Bindungswirkung. Aufgrund dieses Umstandes bleibt die EU-Grundrechtscharta bei der weiteren Untersuchung außer Betracht. Vgl. zur Frage, ob Ratingagenturen dem Schutz der EU-Grundrechtscharta unterfallen Schröter, S. 581 f. Das Protokoll Nr. 30 zum Lissaboner Vertrag ist abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. Vgl. zu den verschiedenen Interpretationen dieses Opt-out Barnard, S. 1 ff. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 882 Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 10, Rn. 5; Schroeter, S. 581 f. 883 Zwar schützen auch die Rechte der EMRK als klassische Freiheitsrechte in erster Linie vor staatlichen Eingriffen. Gleichwohl kommt zumindest dem Recht aus Art. 10 Abs. 1 EMRK jedoch auch in Zivilprozessen eine beschränkte „mittelbare Drittwirkung“ zu, da eine gerichtliche Verurteilung zu einer Schadensersatzzahlung ein Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit darstellt. Da anzunehmen ist, dass Ratingagenturen dem Schutz des Art. 10 Abs. 1 EMRK unterfallen, erscheint eine Ausstrahlungswirkung auf zivilrechtliche Schadensersatzklagen durchaus möglich. Vgl. zu alledem ausführlich bereits Schroeter, S. 581 ff. 884 Zwar kommt der EMRK in Deutschland grundsätzlich lediglich der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zu, weil diese gemäß Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG auf Grund eines Bundesgesetzes (BGBl II 2002, 1054 ff.) innerstaatliche Geltung hat, Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 1, Rn. 29. Die Wirkungen der EMRK gehen jedoch weit über die Wirkungen von Bundesgesetzen hinaus, da Art. 1 Abs. 2 i. V. m. Art. 59 Abs. 2 GG die Grundlage für die verfassungsrechtliche Pflicht bildet, die EMRK bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes heranzuzie880 881
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auch verfassungsrechtlich über den Grundrechtekatalog des Grundgesetzes geschützt sind: Die Meinungsfreiheit wird gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 1 GG, die Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG gewährleistet. Aufgrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte erfüllen diese nicht nur ihre ursprüngliche Funktion als „Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat“, sondern entfalten auch Bindungswirkung in Privatrechtsverhältnissen885. Die Frage, ob Ratings dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfallen, wird in der deutschen Literatur schon seit Langem diskutiert. Da dieser Aspekt oben im Rahmen der Sachberichte zum deutschen Recht bereits beleuchtet wurde, sollen hier – in der gebotenen Kürze – lediglich die wesentlichen Kernaspekte nochmals aufgegriffen werden, um diese mit den anderen beiden Rechtsordnungen vergleichen zu können. Wie bereits gezeigt, hat das Ergebnis der Beurteilung dieser Fragestellung direkte Auswirkung auf die deliktsrechtlichen Tatbestände des § 823 Abs. 1 BGB und des § 824 BGB gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings. Keine Auswirkungen hat das Ergebnis dieser Untersuchung hingegen im Hinblick auf die deliktsrechtlichen Ansprüche gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum, da sie bereits aus anderen Gründen nicht durchgreifen, sodass es auf einen unter Umständen bestehenden Schutz der Ratingagenturen durch die Meinungsfreiheit nicht mehr ankommt886. Generell müssen hinsichtlich potentieller Auswirkungen auf die deliktsrechtlichen Tatbestände zwei Ebenen auseinander gehalten werden: Im Rahmen des § 824 BGB wirkt das Ergebnis der Beurteilung bereits auf der Ebene der Tatbestandsvoraussetzungen, weil von dieser Norm lediglich unwahre Tatsachen erfasst werden. Innerhalb des Anwendungsbereichs des § 823 Abs. 1 BGB wirkt sich die Beurteilung hingegen erst auf der Rechtfertigungsebene887 – genauer gesagt bei der Interessenabwägung im Rahmen der Prüfung der Rechtswidrigkeit – aus888. Ein fehlerhaftes Rating erfüllt nach überwiegender Ansicht in aller Regel nicht den Tatbestand des § 824 Abs. 1 BGB. Da als wesentlicher Bestandteil eine dem Beweis nicht zugängliche subjektive Einschätzung der Analysten in das Ratingergebnis mit einfließt, stellt ein solches – aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsadressaten889 – im Schwerpunkt keine für § 824 Abs. 1 BGB erforderliche hen. Gesetze müssen im Einklang mit der EMRK ausgelegt werden, auch wenn sie zeitlich nach dem Zustimmungsgesetz zur EMRK ergangen sind, BVerfGE 74, 358, [370]. Vgl. zu alledem Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 1, Rn. 29. 885 BVerfGE 7, 198, [204 f.] – „Lüth“. Die Grundrechte strahlen vor allem durch Generalklauseln in das Privatrecht aus, Jarras, in: Jarass/Pieroth, Art. 1, Rn. 54 f. 886 Für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB beispielsweise fehlt es bereits an einer Rechtsgutsverletzung im Sinne der Vorschrift. Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen oben, S. 90. 887 Vgl. hierzu bereits Thiele, S. 2; Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, S. 143. 888 Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen oben, S. 6 4 ff. 889 Angesichts der Vielschichtigkeit der Adressaten eines Ratings ist die Bestimmung des
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Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung dar890. Sofern das Rating im Einzelfall objektiv, neutral, und sachkundig durchgeführt wurde, die Art des Vorgehens bei der Prüfung bzw. die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse vertretbar erscheinen und ein Mindestmaß an Transparenz gewährleistet ist, ist überdies – entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu Warentests – im Ergebnis davon auszugehen, dass die Interessen der Ratingagentur im Rahmen einer Güter- und Interessenabwägung gegenüber den Interessen des Emittenten überwiegen, mithin auch eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB nicht in Frage kommt891. Insgesamt bleibt daher festzuhalten, dass Ratings nach deutschem Recht nach überwiegender Ansicht grundsätzlich unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen, mithin im Regelfall eine Haftung nach § 824 Abs. 1 BGB gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings nicht durchgreift. Sofern das Rating die soeben aufgezeigten Kriterien erfüllt, führt dies dazu, dass auch eine deliktische Haftung der Ratingagenturen gegenüber Emittenten eines auftragslosen Ratings nach § 823 Abs. 1 BGB nicht gegeben ist. Aus diesem Grund ist der Einfluss der Meinungsfreiheit auf die Haftungsfrage im deutschen Recht als durchaus erheblich zu bezeichnen, soweit die Haftung gegenüber Emittenten eines auftragslosen Ratings betroffen ist. Zwar sind diese Grundsätze auch auf das Auftragsrating übertragbar, jedoch werden Emittenten eines Auftragsratings in aller Regel bereits aufgrund der Beweislastumkehr hinsichtlich des Vertretenmüssens vertragliche Ansprüche geltend machen, sodass sich die deliktsrechtlichen Folgen des Einflusses der Meinungsfreiheit nur selten in diesem Rechtsverhältnis auswirken. Gegenüber dem Anlegerpublikum entfaltet die Einordnung des Ratings als Meinungsäußerung hingegen von vornherein keine Bedeutung, da insoweit die erfolgreiche Geltendmachung deliktsrechtlicher Haftungsansprüche bereits an anderen Voraussetzungen scheitert. Im Gegensatz zur Meinungsfreiheit kommt der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG im Falle der Haftung von Ratingagenturen generell keine Bedeutung zu, obwohl die Tätigkeit einer Ratingagentur grundsätzlich dem Schutzbereich dieser Freiheit unterfällt. Dies liegt in dem Umstand begründet, dass Meinungsäußerungen, die in einem Presseerzeugnis enthalten sind, bereits durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt sind892. Die Pressefreiheit schützt demnach nur die über die einzel-
Durchschnittsadressaten, der durchschnittlich informiert und verständig ist, nicht einfach. Letztendlich wird jedoch auch ein im Vergleich zu einem institutionellen Anleger über geringeres Fachwissen verfügender Kleinanleger das Rating weder als reine Meinungsäußerung, noch als reine Tatsachenbehauptung werten, sondern als Mischäußerung. Da die Tatsachen hierbei lediglich der „Unterfütterung“ dienen, ist im Schwerpunkt eine Meinungsäußerung anzunehmen, Rosset, S. 5. 890 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 67 f. 891 Vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen oben, S. 66 f. 892 Eisen, S. 313; Peters, S. 61; Schuler, S. 214, Fußnote 1218.
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ne Meinungsäußerung hinausgehende institutionell-organisatorische Bedeutung der Presse zur Gewährleistung einer freien öffentlichen Meinungsbildung893. (b) Nach französischem Recht Zwar enthält die Französische Verfassung vom 04.10.1958 keinen dem deutschen Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtekatalog894. Jedoch verweist die Präambel der Verfassung auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 (Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen), durch die eine erstmalige positiv-rechtliche Verankerung des Rechts auf freie Meinungsäußerung als „Kommunikationsgrundrecht“ erfolgte895. Die Pressefreiheit (liberté de la presse) stellt hierbei einen Ausschnitt der Meinungsfreiheit dar, weil Veröffentlichungen in der Presse eine besondere Form zur Verbreitung von Gedanken und Meinungen sind896. Seit einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (Conseil constitutionnel) aus dem Jahr 1971 ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Präambel Teil der Verfassung ist, sodass diese Freiheiten nunmehr Verfassungsrang genießen897. In Frankreich kommt dem eigentlichen Verfassungsrecht im Vergleich zu dem einfachen Gesetz jedoch eine relativ geringe Bedeutung zu, da die Grundfreiheiten als lediglich programmatische Erklärungen verstanden werden, die durch den Gesetzgeber inhaltlich ausgestaltet werden müssen898. Die inhaltliche Ausfüllung der durch die Erklärung der Menschenund Bürgerrechte von 1789 garantierten Meinungsfreiheit erfolgte durch die Bildung einzelner spezieller Grundfreiheiten899. Die Pressefreiheit stellt eine solche spezielle Grundfreiheit dar, die durch das Gesetz vom 29. Juli 1881 über die Freiheit der Presse (Loi du 29 juillet 1881 sur la liberté de la presse)900 inhaltlich ausgestaltet wurde und bis heute Gültigkeit hat901. Die Freiheit zur Meinungsäußerung im allgemeinen Sinn hat demgegenüber heute in Frankreich kaum eigenständige Bedeutung902. Hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit der Meinungs- und/oder Pressefreiheit auf Ratings müssen nach französischem Recht zwei Zeiträume unterschieden 893 BVerfGE 20, 162, [175 f.]; BVerfGE 85, 1, [12]. Vgl. hierzu auch Eisen, S. 313, Fußnote 1280; Schuler, S. 214, Fußnote 1218. 894 Stegmann, S. 21 f.; Wiring, S. 120. 895 Stegmann, S. 22. 896 Stegmann, S. 22. 897 Conseil constitutionnel, 16 juillet 1971, décision n° 71-44 DC, Loi complétant les dispositions des articles 5 et 7 de la loi du 1er juillet 1901 relative au contrat d’association, abgedruckt in: Favoreu/Loïc, Entscheidung Nr. 19, S. 242 ff.; Stegmann, S. 23. 898 Stegmann, S. 24 f. 899 Stegmann, S. 27 f. 900 Loi No. 1881-0729. 901 Stegmann, S. 27 f. 902 Die Meinungsäußerungsfreiheit hat lediglich Bedeutung im Verhältnis zwischen Bürgern und Verwaltung sowie im Verhältnis zu Beamten, Stegmann, S. 28.
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werden: die Zeit vor und die Zeit nach Erlass des Gesetzes zur Regulierung des Bank- und Finanzmarkts (Loi de régulation bancaire et financière)903 im Jahre 2010, durch welches unter anderem die Haftungsvorschrift für Ratingagenturen in Art. L544-5 CMF eingeführt wurde. Vor Erlass dieses Gesetzes wurde auch in der französischen Literatur die Frage, ob Ratings dem Schutz der Meinungs- und/oder Pressefreiheit unterfallen, diskutiert904, allerdings meist ohne konkrete Begründungen für die jeweiligen Ansichten. Dennoch soll versucht werden, die verschiedenen Haltungen zu dieser Frage im Einzelnen darzustellen: Angesichts des Umstandes, dass ein einfachgesetzlicher Schutz der Freiheit zur Meinungsäußerung im allgemeinen Sinn im französischen Recht – wie dargestellt – nur in einzelnen Konstellationen ausgeprägt ist, welche vorliegend allesamt nicht greifen, käme ein Schutz von Ratings über die Meinungsfreiheit allenfalls über Art. 10 EMRK in Betracht. Dies wird in der französischen Literatur mit der Begründung abgelehnt, dass Art. 10 EMRK keine Derogation (dérogation) des Art. 1382 C.civ. anordne905, mithin die Geltung des Art. 1382 C.civ. nicht insoweit aufgehoben werde, als diese Norm mit Art. 10 EMRK unvereinbar sei906. Es erscheint jedoch stimmiger, aus der Systematik des Art. 10 EMRK heraus zu argumentieren und Art. 1382 C.civ. als eine zulässige Einschränkung dieser Norm anzusehen, die den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts in Art. 10 Abs. 2 EMRK genügt. Im Ergebnis erscheint ein Schutz von Ratings über die Meinungsfreiheit nach französischem Recht jedenfalls unwahrscheinlich, sodass lediglich eine Anwendbarkeit des Gesetzes vom 29. Juli 1881 über die Freiheit der Presse in Betracht kommt. Ein Teil der französischen Literatur nimmt an, dass Ratings vor dem Jahr 2010 nicht unter den Schutz des Gesetzes vom 29. Juli 1881 über die Freiheit der Presse fielen. Diese Ansicht wird damit begründet, dass Frankreich, im Gegensatz zum funktionellen Ansatz, der in den USA in Bezug auf die Meinungsfreiheit verfolgt werde, einen institutionellen Ansatz zum Schutz der Presse verfolge, weshalb Ratingagenturen nach französischem Verständnis nicht als Organ der Presse anzusehen seien907. Ein anderer Teil der Literatur vertritt jedoch die Ansicht, dass Ratingagenturen in dieser Zeit wohl unter den Schutz der Pressefreiheit fielen908. Problematisch erscheint diesbezüglich, dass – soweit ersichtlich – keiner der Autoren für diese Annahme eine stichhaltige Erklärung liefert, weshalb in der gebo903
Loi n° 2010-1249 du 22 octobre 2010 de régulation bancaire et financière. Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [29]; Maréchal/Razafindrakoto, JCP E, 2013, Nr. 37, 42, [44]; Conac, S. 87; Leclerc, S. 147 f. 905 Conac, S. 87. 906 Vgl. zum Begriff der dérogation im französischen Recht im Detail Guinchard/Debard, Lexique des termes juridiques, S. 321. 907 Conac, S. 87. 908 Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [29]; Maréchal/Razafindrakoto, JCP E, 2013, Nr. 37, 42, [44]. 904
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
tenen Kürze ein eigener Versuch der Erklärung anhand allgemeiner Literatur zum Thema erfolgt. Obwohl das Gesetz den Titel „Gesetz über die Freiheit der Presse“ trägt, wird die Presse909 hierin lediglich in einigen konkret benannten Teilbereichen geschützt, wie beispielsweise dem Druckereigewerbe (Art. 1) oder der periodischen Presse (Art. 5). Gleichwohl wird aus diesen Einzelgarantien die allgemeine Freiheit von jedermann abgeleitet, seine Meinung frei zu äußern910: Nach Ansicht Lécuyers umfasse das Gesetz in Wahrheit „alle Arten der mündlichen oder schriftlichen Meinungsäußerung, vorausgesetzt, sie sind öffentlich“911. Legt man diese weite Definition zu Grunde, so unterfielen Ratings vor dem Jahr 2010 grundsätzlich dem Schutz der Pressefreiheit, da sie in Frankreich zu dieser Zeit als Meinungsäußerungen angesehen wurden912. Der Schutz dieser Freiheit wird in Frankreich – ebenso wie in Deutschland – jedoch nicht schrankenlos gewährt. Den entscheidenden Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen bildet hierbei das Gesetz von 1881 selbst, indem es die Tatbestände der diffamation oder injure gegenüber Privatpersonen unter Strafe stellt913. Im Falle eines fehlerhaften Ratings ist ein solcher Tatbestand jedoch im Regelfall nicht erfüllt914.
909 Der Begriff der Presse wird ebenso wie im deutschen Recht weit ausgelegt, sodass jedes Druckerzeugnis inklusive sämtlicher Tätigkeiten, die zu seiner Herstellung erforderlich sind, davon umfasst ist, Stegmann, S. 32. 910 Stegmann, S. 34. 911 „Elle [la loi – Anmerkung der Verfasserin] concerne en réalité tous les modes d’expression oraux ou écrits, pourvu qu’ils soient publics“. Der Autor begründet diese weite Auslegung damit, dass die historischen Begebenheiten des Gesetzes aus dem Jahr 1881 dazu führten, dass das Gesetz – aus heutiger Sicht fehlerhaft – als reine Pressefreiheit betitelt wird, obwohl es inhaltlich schon immer auch die Meinungsfreiheit schützte: Da die Medienberichterstattung zu dieser Zeit hauptsächlich über das Verlags- und Druckwesen erfolgte, stellte die Pressefreiheit die Voraussetzung für die Gewährleistung der Meinungsfreiheit dar, Lécuyer, Liberté d’expression et responsabilité, S. 25. 912 Vgl. hierzu Maréchal/Razafindrakoto, JCP E, 2013, Nr. 37, 42, [44]. Auch Leclerc bejaht die grundsätzliche Anwendbarkeit des Gesetzes von 1881 auf Ratingagenturen, Leclerc, S. 137 f. Nach Ansicht des Autors findet dieser Schutz jedoch in den Fällen keine Anwendung, in denen der Fehler im Erstellungsprozess des Ratings liegt, weil hierbei nicht die Meinung an sich kritisiert werde, sondern die Missachtung der beruflichen Standards (normes professionnelles) im Rahmen der Ratingerstellung, Leclerc, S. 147 f. 913 Diese französischen Tatbestände sind mit den Tatbeständen der üblen Nachrede und Beleidigung im deutschen Recht vergleichbar, Stegmann, S. 29. 914 Leclerc, S. 139 f. Nach früherer Rechtsprechung begründete ein Verstoß gegen die Tatbestände der diffamation oder injure zugleich eine zivilrechtliche faute i. S. d. Art. 1382 C.civ., Stegmann, S. 438. Nach neuerer Rechtsprechung ist die deliktsrechtliche Generalklausel jedoch bei solchen Verstößen gesperrt, weshalb ein zivilrechtlicher Haftungsanspruch in diesen Fällen nur noch auf Grundlage spezialgesetzlicher Haftungstatbestände denkbar ist, „[…] les abus de la liberté d’expression prévus et réprimés par la loi du 29 juillet 1881 ne peuvent être réparés sur le fondement de l’article 1382 du Code civil“, Cass. Ass. plén., 12 juillet 2000, Nos de pourvoi: 98-10160 et 98-11155, Bull. civ. 2000 A.P., n° 8. Vgl. zu den Entwicklungen der Rechtsprechung hierzu im Detail Dupeux/Massis, Recueil Dalloz 2007, S. 1038 ff.
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Problematisch gestaltet sich in der Konsequenz das Verhältnis zwischen diesem Gesetz und Art. 1382 C.civ. im Hinblick auf Verstöße, die zwar in den Anwendungsbereich des Gesetzes aus dem Jahr 1881 fallen, hierin aber nicht unter Strafe gestellt werden. Nach neuerer Rechtsprechung des Kassationshofs aus dem Jahr 2005 ist ein Rückgriff auf die Vorschrift des Art. 1382 C.civ. in diesen Fällen gesperrt915, im Einzelnen ist das Verhältnis beider Vorschriften zueinander jedoch sehr umstritten916. Insgesamt bestand somit – wie gezeigt – vor dem Jahre 2010 in Ermangelung konkreter Rechtsprechung oder gesetzlicher Regelungen eine große Unsicherheit im Hinblick auf die Qualifikation von Ratings nach französischem Recht. Betrachtet man demgegenüber die Situation nach Erlass des Gesetzes zur Regulierung des Bank- und Finanzmarkts im Jahre 2010, so zeichnet sich ein eindeutigeres Bild. Aufgrund der Einführung des Haftungstatbestandes des Art. L544-5 CMF917 wird nach einhelliger Literaturmeinung918 einer Qualifikation des Ratings als reine Meinungsäußerung bzw. der Bejahung des Schutzes von Ratings durch das Gesetz über die Pressefreiheit vom 29.07.1881 nunmehr die Grundlage entzogen. Dies hat zur Folge, dass sich Ratingagenturen nach französischem Recht jedenfalls nicht mehr auf die Pressefreiheit berufen können, da diese durch Art. L544-5 CMF zulässigerweise eingeschränkt wird. Aus diesem Grund ist – zumindest seit 2010 – der Einfluss der Meinungs- und Pressefreiheit auf die Haftung von Ratingagenturen nach französischem Recht als gering zu bezeichnen. (c) Nach englischem Recht In England fand eine erstmalige positiv-rechtliche Verankerung des Rechts auf freie Meinungsäußerung erst durch die Ratifizierung der EMRK am 04.11.1950 statt919. Dennoch konnte auch nach der Ratifizierung mit Wirkung zum 08.03.1951 915 Cass. Civ. 1re, 27 septembre 2005, N° de pourvoi: 03-13622, Bull. civ. 2005 I, n° 348; Conac, S. 87; Malaurie/Aynès, Responsabilité délictuelle, S. 47; Stegmann, S. 179. Vgl. zum Verhältnis von Art. 1382 C.civ. und der Pressefreiheit im Detail: Lécuyer, Recueil Dalloz 2006, S. 768 ff. Vgl. zur historischen Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang Leclerc, S. 138 f. 916 Vgl. zum Meinungsstand hierzu im Detail Stegmann, S. 170 ff. 917 Aufgrund der wichtigen Position, welche die Ratings auf dem Markt einnehmen, stellen sie nach Einschätzung Maréchals und Razafindrakotos nunmehr echte Finanzinformationen (informations financières) dar. Nach ihrer Ansicht entspreche diese Einstufung überdies der Einschätzung des Gesetzgebers, der in Art. L321-2 Nr. 8 CMF das Rating nunmehr als „service connexe aux services d’investissement“ (mit Wertpapierdienstleistung im Zusammenhang stehendes Angebot) bezeichnet. Dieser Wandel in der Qualifikation lässt sich nach Ansicht Maréchals und Razafindrakotos maßgeblich darauf zurückführen, dass die Ratingagenturen am Markt als „Quasi-Gesetzgeber“ auftraten. Vgl. zu alledem Maréchal/Razafindrakoto, JCP E, 2013, Nr. 37, 42, [44]. 918 Vgl. hierzu exemplarisch Maréchal/Razafindrakoto, JCP E, 2013, Nr. 37, 42, [44]; Thépot, PA 2010, Nr. 250, 26, [29]. 919 Kölbl, S. 22.
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lange Zeit kein Individuum ein Recht aus der Konvention vor einem englischen Gericht geltend machen920, weil keine innerstaatliche Transformation der EMRK erfolgte921. Erst seit dem Inkrafttreten des Human Rights Act 1998 (HRA 1998) am 1. Oktober 2000 können die Rechte aus der Konvention nunmehr nicht nur vor dem EGMR in Straßburg, sondern auch vor den nationalen englischen Gerichten geltend gemacht werden922. Trotz dieser weitreichenderen Wirkung923, welche die Rechte der EMRK infolge des HRA 1998 entfalten, ist die Schutzintensität der Meinungs- und Pressefreiheit in England zumindest auf dem Papier nicht so hoch wie in Deutschland: Zum einen existiert in England kein dem deutschen Recht vergleichbarer Grundrechtekatalog zum Schutz der individuellen Freiheits- und Gleichheitsrechte vor dem Zugriff des Staates924. Zum anderen ist auch kein besonders hohes Maß an Rechtssicherheit bezüglich etwaiger Änderungen des HRA 1998 gegeben, da das Gesetz jederzeit durch die parlamentarische Mehrheit gänzlich aufgehoben oder geändert werden könnte925. Wie bereits erläutert, existiert in Bezug auf das englische Recht – soweit ersichtlich – keine Literatur, die sich ausführlich mit der Frage befasst, ob Ratings dem Schutz der Meinungs- und/oder Pressefreiheit unterfallen. Da in der englischen Literatur bereits die Frage der Haftung der Ratingagenturen im Allgemeinen kaum diskutiert wird, erscheint dies auch nicht weiter verwunderlich. Einzig in dem bereits mehrfach zitierten Aufsatz Edwards′ findet sich eine Andeutung dahingehend, dass – zumindest im Falle des Auftragsratings – die Bezahlung des Ratings durch den Emittenten nicht für die Bereitstellung einer bestimmten verlässlichen Meinung für den Anleger erfolge, sondern für die Bereitstellung einer Einschätzung der Kreditwürdigkeit der Emission in Relation zu den anderen Marktteilnehmern, zum Zwecke der Vermarktung der Emission926. Letztendlich hilft diese Einschätzung im Hinblick auf eine allgemeine Charakterisierung von Ratings nach englischem Recht jedoch nicht weiter, da hierin keine 920 Wiring, S. 117 f., Darbyshire, S. 100. Da die Konvention jedoch einen nicht zu unterschreitenden Menschenrechtsstandard beinhaltet, diente sie bereits zu dieser Zeit als Argumentationshilfe bei der Auslegung des innerstaatlichen Rechts, vgl. Kölbl, S. 30 f. 921 Kölbl, S. 22, Wiring, S. 117. 922 Darbyshire, S. 100. Art. 1 und Anhang 1 des HRA 1998 inkorporieren die Rechte aus der EMRK nicht als solche, vielmehr werden diese hierin neu formuliert, sodass sie Teil des englischen Rechts werden, Darbyshire, S. 101. 923 Darbyshire, S. 101. 924 Kölbl, S. 8. Da diese Rechte keinen verfassungsrechtlichen Schutz mit Vorrang gegenüber nationalen nicht verfassungsrechtlichen Gesetzen genießen, ist auch die Bedeutung der Rechte der EMRK gegenüber den nationalen Rechten in England auf dem Papier deutlich geringer als in Deutschland. Gleichwohl bildet die Meinungsfreiheit als Teil der bürgerlichen Freiheitsrechte die Grundlage der englischen Zivilisation, Kölbl, S. 9. 925 Dies hätte zwar nicht zur Folge, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gänzlich aufgehoben wäre – schließlich gelten die Mindeststandards der EMRK weiterhin –, jedoch würde dies einen Rückschritt auf die Situation vor dem Inkrafttreten des HRA 1998 bedeuten. 926 Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [92].
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konkrete Aussage darüber getroffen wird, ob Ratings an sich als Meinungen anzusehen sind, die unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen. Aufgrund dieser Situation gestaltet sich eine Prognose zur Frage des Einflusses der Meinungs- und Pressefreiheit auf die Haftung von Ratingagenturen nach englischem Recht schwierig: Einerseits besteht – wie gezeigt – in England kein wirklich ausgeprägter Schutz dieser Freiheiten, weil auch die EMRK insoweit nur ein Mindestmaß gewährleistet, sodass man vermuten könnte, dass auch der Einfluss dieser Freiheiten auf die Haftungsfrage eher als gering einzustufen wäre. Andererseits lässt sich in der englischen Literatur generell eine restriktive Grundhaltung im Hinblick auf die Bejahung einer Haftung für fehlerhafte Ratings erkennen. Dies könnte grundsätzlich auch darauf zurückzuführen sein, dass der Einfluss der EMRK eine solche Bewertung erforderlich macht. Obwohl ein solcher Rückschluss zumindest im Hinblick auf die Meinungsfreiheit angesichts der in den USA früher vertretenen Auffassung, dass Ratings den Schutz dieser Freiheit genießen, naheliegend wäre, erscheint eine solche Bewertung bezüglich des englischen Rechts im Ergebnis unwahrscheinlich: Wie bereits gezeigt, wird die zurückhaltende Bejahung einer Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten in England nicht mit dem starken Einfluss der Meinungsfreiheit begründet, sondern mit der restriktiven Annahme einer duty of care gegenüber Dritten. Überdies ist in den USA der Schutz der Meinungsfreiheit über das First Amendment viel umfassender ausgeprägt als im englischen Recht, sodass eine Übertragbarkeit US-amerikanischer Grundsätze im Bereich der Meinungsfreiheit auf das englische Recht allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Alles in allem scheint es demnach unwahrscheinlich, dass englische Gerichte die Haftung von Ratingagenturen vor der Einführung des Art. 35a RatingVO 2013 unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit verneint hätten. Der Einfluss der Meinungsfreiheit auf die Haftungssituation nach englischem Recht kann somit als tendenziell gering eingestuft werden, eine Abschätzung des Einflusses der Pressefreiheit scheint mangels einer Diskussion hierüber in der englischen Literatur nur schwer möglich927. (2) Auswirkungen der Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes auf die Bewertung des Einflusses der Meinungs- und Pressefreiheit Angesichts der Einführung des Art. 35a RatingVO 2013 seitens des europäischen Gesetzgebers im Jahre 2013 stellt sich die Frage, ob die hierin getroffene generelle rechtliche Bewertung Auswirkungen auf die in der vorliegenden Arbeit durchgeführte Analyse des Einflusses der Meinungs- und Pressefreiheit in den einzelnen Ländern hat. Im Zuge dieser Überprüfung kann festgehalten werden, dass Art. 35a RatingVO 2013 hierbei – zumindest hinsichtlich der Grundtendenz – eine 927 Tendenziell ist nicht von einem hohen Einfluss der Pressefreiheit auf die Haftung von Ratingagenturen nach englischem Recht auszugehen, denn diese Freiheit wird in England traditionell als besondere Ausprägung der Meinungsfreiheit angesehen, Wiring, S. 114 f.
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klare Sprache spricht: Die Schaffung eines solchen harmonisierten Haftungstatbestandes zeigt, dass eine Haftung von Ratingagenturen in der EU grundsätzlich gewollt ist und zumindest innerhalb des Anwendungsbereichs der Norm die Meinungs- und Pressefreiheit entweder gar keine Anwendung findet oder zumindest in einer Güterabwägung gegenüber den Interessen potentieller Anspruchsteller zurücktritt. Zwar ist ebenso offensichtlich, dass diesem Haftungstatbestand außerhalb seines Anwendungsbereichs kein unmittelbarer Einfluss auf die rein nationalen Haftungstatbestände zukommt, da diese weiterhin der Kompetenz der Mitgliedstaaten unterliegen. Eine gewisse Ausstrahlungswirkung dieses Tatbestands ist aber sicherlich anzunehmen: Zum einen wäre es nur mit einem großen argumentativen Aufwand plausibel zu begründen, innerhalb des Anwendungsbereichs der RatingVO 2013 eine andere rechtliche Wertung der Frage vorzunehmen, ob und gegebenenfalls inwiefern Ratings dem Schutz der genannten Rechte unterfallen als außerhalb. Zum anderen scheint im Moment weltweit, als Folge der Finanzkrise, ein gewisses Umdenken im Hinblick auf die Bewertung dieser Frage einzusetzen, wie die Gesetzgebung in den USA und die signalträchtige Gerichtsentscheidung in Australien zeigen928. Dies ist vor allem in Bezug auf die Haftung gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ratings in Deutschland relevant, da hier – wie gezeigt – überwiegend vertreten wurde, dass die Meinungsfreiheit bei der Güterabwägung im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB im Einzelfall überwiegen kann, sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. In Bezug auf Frankreich und England besteht ohnehin die starke Wahrscheinlichkeit, dass diese Länder die Situation auch ohne Art. 35a RatingVO 2013 entsprechend bewertet hätten. Gleichwohl bietet die soeben aufgezeigte Überlegung auch hinsichtlich dieser Länder ein weiteres Argument zur Unterstützung dieser Bewertung. cc) Bewertung des unterschiedlichen Schutzumfangs des Deliktsrechts in den einzelnen Ländern im Hinblick auf die Haftungssituation beim Rating Im Folgenden wird untersucht, inwiefern der unterschiedliche Schutzumfang der deliktischen Tatbestände in den untersuchten Ländern Einfluss auf die Frage der Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten entfaltet. Zunächst wird hierbei aufgezeigt, welche Unterschiede im Hinblick auf den deliktischen Schutzumfang konkret im Falle des Ratings in Deutschland im Vergleich zu den anderen beiden untersuchten Ländern bestehen (1), bevor geklärt wird, ob ein Bedarf danach vorhanden ist, die deutschen deliktsrechtlichen Regelungen zu reformieren (2).
928
Vgl. zu dieser Bewertung auch Maréchal/Razafindrakoto, JCP E, 2013, Nr. 37, 42, [44].
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(1) Fehlen eines deliktischen Auffangtatbestandes für allgemeine Vermögensschäden in Deutschland im Vergleich zu den Regelungen in den anderen Ländern Wie bereits oben im Rahmen der Sachberichte gezeigt wurde, existiert in Deutschland im Gegensatz zur Situation in England und Frankreich und in den meisten anderen Rechtsordnungen kein deliktischer Auffangtatbestand für reine Vermögensschäden. Vielmehr handelt es sich bei § 823 BGB um einen weitgehend erfolgsorientierten Tatbestand, der lediglich einen Katalog bestimmter, absoluter Rechtsgüter schützt929. Zwar lassen sich auch im deutschen Recht Haftungstatbestände finden, die reine Vermögensschäden abdecken (z.B. § 826 BGB), diese sind jedoch aufgrund ihres eng gehaltenen tatbestandlichen Anwendungsbereiches im Normalfall der fahrlässig fehlerhaften Ratingerstellung nur sehr selten bis gar nicht anwendbar930. Betrachtet man diesen Aspekt isoliert aus dem Blickwinkel des Deliktsrechts heraus, so wird eine scheinbare Haftungslücke in Deutschland erkennbar, da diese Fälle sowohl in Frankreich als auch in England prinzipiell einer deliktischen Haftung zugänglich sind, nicht aber nach deutschem Recht. Besonders deutlich würde sich dies im Rahmen der Haftung gegenüber Dritten auswirken, weil diese Gruppe von Anspruchstellern auf außervertragliche Ansprüche angewiesen ist, da kein Vertragsverhältnis zu den Ratingagenturen besteht. Im Hinblick auf die Analyse der gesamten Haftungsfrage würde eine solch isolierte Darstellung der Haftungssituation, die sich lediglich auf das Deliktsrecht bezieht, jedoch zu kurz greifen, weil letztendlich nicht entscheidend sein kann, auf welcher Basis eine Rechtsordnung Ansprüche gewährt, sondern es vielmehr darauf ankommen muss, inwieweit insgesamt im Hinblick auf sämtliche zivilrechtliche Ansprüche ein gerechtes Gefüge von Anspruchsgrundlagen zur Lösung eines rechtlichen Problems gegeben ist. Um den Bedarf nach einer umfassenden deliktsrechtlichen Generalklausel im Falle des Ratings im deutschen Recht zu klären, muss dieser Aspekt somit im Gesamtzusammenhang mit sämtlichen anderen denkbaren Anspruchsgrundlagen beleuchtet werden. (2) Untersuchung des Bedarfs nach einer umfassenden Generalklausel in Deutschland Anders als in den anderen beiden untersuchten Ländern, in denen die deliktsrechtlichen Generalklauseln sehr weit gefasst sind, besteht im deutschen Recht aufgrund des engen Anwendungsbereichs der deliktsrechtlichen Vorschriften die Tendenz dazu, die vertragliche Haftung zu erweitern, um Unbilligkeiten zu verRohe, AcP 201 (2001), 117, [123]. hierzu die Ausführungen oben zur Haftung gegenüber den Emittenten eines auftragslosen Ratings, S. 67 f., und zur Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum, S. 91 f. 929
930 Vgl.
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meiden. Wie gezeigt, wird in der deutschen Literatur im vorliegenden Fall eine Lösung über eine Dritthaftung von Ratingagenturen erwogen931. Letztendlich stellt sich die Frage, ob zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes des allgemeinen Anlegerpublikums und des Emittenten beim auftragslosen Rating die Lösung über weite deliktsrechtliche Generalklauseln vorzugswürdig ist, oder ob die Lösung über eine Dritthaftung zumindest ebenso stimmig erscheint. Grundsätzlich entfalten beide Systeme sowohl Vor- als auch Nachteile, welche sich sowohl allgemein als auch konkret in der Situation des Ratings zeigen: Ein sehr weites Deliktsrecht zeigt sich einerseits als sehr klägerfreundlich, was den Vorteil mit sich bringt, dass alle denkbaren Haftungskonstellationen abgedeckt werden können. Andererseits birgt eine solch weitreichende Haftung – zumindest, wenn diese kein Korrektiv bereithält, welches spätestens auf der Ebene der ersatzfähigen Schäden greift – die Gefahr einer ausufernden Haftung für sämtliche leicht fahrlässig verursachte Schäden, was für Anspruchsgegner mit einem sehr hohen Haftungsrisiko verbunden ist. Ein relativ restriktives deliktsrechtliches Haftungssystem wie das deutsche bietet demgegenüber einen geringeren Schutzumfang, da nicht sämtliche Vermögensschäden ersatzfähig sind. Überdies führt das deutsche System auch zu konstruiert wirkenden Lösungen wie den aufgezeigten Konstellationen der Dritthaftung: Diesbezüglich ist zum einen an eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages zu denken, mit dem sie auf den ersten Blick nicht unbedingt in einer Verbindung stehen. Zum anderen wird die Konstruktion einer Sachwalterhaftung erwogen, um diejenigen bestehenden Lücken des Deliktsrechts auszugleichen, die zu unbilligen Lösungen führen. Andererseits vermeidet ein solch restriktives System aber auch die Schaffung eines mitunter zu weitreichenden Haftungstatbestandes, wodurch die Haftungsrisiken in Grenzen gehalten und auch negative Auswirkungen auf die Kapitalmärkte vermieden werden932. Diese auf den ersten Blick konstruiert wirkenden Lösungen des deutschen Rechts sind somit durchaus geeignet, ein Korrektiv an den Stellen zu bieten, an welchen eine Haftung wirklich notwendig und sinnvoll erscheint, um das Haftungssystem insgesamt im Gleichgewicht zu halten. In Bezug auf die Haftungssituation beim Rating jedenfalls führt das Fehlen einer weiten deliktsrechtlichen Generalklausel in Deutschland nicht unbedingt zu einer Schlechterstellung derjenigen Anspruchsteller, die nicht in einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung zur Ratingagentur stehen, weil sie über andere Ansprüche ausreichend geschützt werden können. Problematisch ist jedoch, dass derzeit mangels Rechtsprechung und aufgrund einer fehlenden eindeutigen Lite931
Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 92 ff. Vgl. zu den Effekten einer zu weitreichenden Haftung auf den Kapitalmärkten die Untersuchung zum Bedarf nach Ausweitung des Haftungsmaßstabs des harmonisierten Tatbestands, S. 217 ff. 932
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raturmeinung zu der konkreten Fragestellung gewisse Unsicherheiten bestehen, über welche Norm und in welchen Fällen eine Haftung in der Praxis angenommen würde. Insgesamt kann damit festgehalten werden, dass in Deutschland im Hinblick auf die Situation beim Rating kein Bedarf nach einer solchen weiten Generalklausel für reine Vermögensschäden besteht, sofern die Voraussetzungen einer Dritthaftung für die Konstellation des Ratings baldmöglichst durch die Rechtsprechung konkretisiert und so die bestehenden Unsicherheiten beseitigt werden. Angesichts des Umstandes, dass derzeit bereits mindestens ein Verfahren vor deutschen Gerichten läuft, das die Haftung von Ratingagenturen für potentiell fehlerhafte Ratings zum Gegenstand hat, wird dies voraussichtlich bereits in naher Zukunft geschehen933. 4. Zusammenfassung und Bewertung der gefundenen Ergebnisse Im Folgenden werden die gefundenen Ergebnisse zusammengefasst und bewertet. Entsprechend der Herangehensweise, die im Rahmen der rechtsvergleichenden Analyse gewählt wurde, wird auch hier zunächst die Haftung gegenüber den Vertragspartnern der Ratingagenturen untersucht (a), bevor im Anschluss die Haftung gegenüber Dritten beleuchtet wird (b). In einem dritten Schritt wird der Einfluss der Möglichkeiten zur Haftungsfreizeichnung auf die gefundenen Ergebnisse untersucht (c), abschließend werden sodann länderübergreifende Hindernisse bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegenüber Ratingagenturen aufgezeigt (d). a) Haftung von Ratingagenturen gegenüber Vertragspartnern Eine vertragliche Haftung von Ratingagenturen für fehlerhafte Ratings kommt zum einen gegenüber Emittenten im Falle des Auftragsratings, zum anderen gegenüber Anlegern bei Vorliegen eines Abonnementvertrages in Betracht. Die Voraussetzungen zur Geltendmachung eines solchen vertraglichen Haftungsanspruchs stimmen in vielen wesentlichen Punkten in allen drei untersuchten Ländern überein: In allen Fällen sind hierfür ein Verstoß gegen eine vertragliche Pflicht, ein ersatzfähiger Schaden und ein Kausalzusammenhang zwischen den beiden erstgenannten Voraussetzungen erforderlich. Wesentliche Unterschiede zwischen den untersuchten Rechtsordnungen bestehen allerdings im Hinblick auf ein etwaiges Verschuldenserfordernis. In Deutschland greift auch im Falle des Ratings der allgemeine Grundsatz der Verschuldenshaftung, wonach stets ein Verschulden des Schädigers zur erfolgreichen Geltendmachung von Haftungsansprüchen erforderlich ist934. In England erfordert ein Haftungstatbestand wegen 933
934
Vgl. zu diesem Fall bereits die Ausführungen in Fußnote 701. Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 43 ff.
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breach of contract hingegen kein Verschulden, vielmehr stellt dieser eine Art „Garantiehaftung“ dar935. Dieser Unterschied zwischen deutschem Recht und englischem Recht wird sich in der Praxis allerdings selten auswirken, da in Deutschland gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Vertretenmüssens der Ratingagentur greift, die im Ergebnis ähnliche Wirkung zeigt wie ein verschuldensunabhängiger Tatbestand. In Frankreich kommt es im Hinblick auf die Frage, ob ein Verschulden erforderlich ist, darauf an, ob eine obligation de résultat oder eine obligation de moyens vorliegt. Dieser Zuordnung kommt im französischen Recht ein enormer Stellenwert zu, weil sie wesentlich mit darüber entscheidet, ob ein vertraglicher Haftungsanspruch erfolgreich geltend gemacht werden kann. Liegt eine obligation de moyens vor, trägt der Gläubiger die Beweislast hinsichtlich des Verschuldens, liegt dagegen eine obligation de résultat vor, muss der Schuldner den Nachweis des fehlenden Verschuldens führen, was in der Praxis nur in seltenen Fällen gelingen dürfte. Da die Verpflichtung zur Herstellung eines inhaltlich korrekten Ratings als obligation de moyens eingestuft wird, liegt die Beweislast in aller Regel beim Gläubiger. Die erfolgreiche Geltendmachung eines vertraglichen Haftungsanspruches nach französischem Recht gestaltet sich aus diesem Grund im Falle der Haftung von Ratingagenturen in aller Regel schwierig. In den Fällen, in denen ausnahmsweise eine obligation de résultat936 angenommen werden kann, stehen die Chancen für potentielle Kläger hingegen gut, weil insoweit eine Verschuldensvermutung greift, die im Vergleich zum deutschen Recht für den Schuldner schwieriger zu entkräften ist. Des Weiteren haben die Untersuchungen gezeigt, dass die Bedeutung der typologischen Einordnung des Rating- und des Abonnementvertrages im deutschen Recht deutlich geringer ausfällt, als dies auf den ersten Blick scheint, da sie zwar die anwendbare Normenkette im Rahmen der vertraglichen Haftung bestimmt, sich im Ergebnis hieraus jedoch für potentielle Anspruchsteller kaum Konsequenzen ergeben. Dies liegt im Wesentlichen darin begründet, dass die Kernvoraussetzungen des § 280 BGB als Grundtatbestand des allgemeinen Leistungsstörungsrechts hierdurch nicht modifiziert werden und die Spezialvorschriften im Regelfall nur bestimmte Modalitäten der Haftungsansprüche regeln. Das Konkurrenzverhältnis zwischen vertraglicher und außervertraglicher Haftung ist in den untersuchten Ländern unterschiedlich ausgestaltet. In Deutschland und England greift das Kumulationsprinzip, wohingegen in Frankreich genau das Gegenteil gilt, namentlich ein Kumulationsverbot zur Anwendung kommt. Trotz 935
Vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen oben, S. 59 f. Lediglich die für eine Haftung eher selten relevanten Verpflichtungen, überhaupt eine Bonitätsbeurteilung in Form einer konkreten Note innerhalb der vorgesehenen Frist zu erstellen, sowie die Verpflichtung zur Einhaltung einer vertraglich vereinbarten Vertraulichkeitserklärung werden als obligations de résultats angesehen. Vgl. zu diesen Einordnungen der verschiedenen Pflichten die Ausführungen oben, S. 56 f. 936
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dieses zunächst tiefgreifend erscheinenden Unterschieds führt dies im Falle der Haftung von Ratingagenturen gegenüber ihren Vertragspartnern im Ergebnis jedoch nicht zu einer Schlechterstellung potentieller Anspruchsteller in Frankreich gegenüber solchen in den beiden anderen untersuchten Ländern. b) Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten Eine Haftung gegenüber Dritten ist im Falle des Ratings zum einen in der Konstellation des auftragslosen Ratings, zum anderen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum denkbar, denn beide Gruppen potentieller Anspruchsteller stehen in keinem Vertragsverhältnis zu den Ratingagenturen. In England und Deutschland scheint die erfolgreiche Geltendmachung eines Haftungsanspruches gegen Ratingagenturen für diese Gruppen potentieller Kläger im Ergebnis schwieriger möglich zu sein als im vertraglichen Bereich. Dies liegt vor allem darin begründet, dass im Rahmen der vertraglichen Haftung entweder eine Beweislastumkehr bezüglich des Vertretenmüssens greift oder von vornherein eine verschuldensunabhängige Haftung gegeben ist. Im deliktischen Bereich müssen hingegen sämtliche Voraussetzungen einer Haftung durch den Kläger bewiesen werden. Im Falle Frankreichs gestaltet sich die Situation etwas anders, da im vertraglichen Bereich im Regelfall wegen der Einordnung der konkreten Vertragspflichten als obligations de moyens höhere Beweishürden hinsichtlich des Verschuldens überwunden werden müssen als in den beiden anderen Ländern. Aus diesem Grund besteht in Frankreich kein Vorteil von Vertragspartnern der Ratingagenturen gegenüber Dritten, die keinen vertraglichen Haftungsanspruch geltend machen können. Hinzu kommt, dass in Frankreich im Gegensatz zu den anderen beiden Rechtsordnungen ein spezieller deliktsrechtlicher Tatbestand existiert, der die Haftung von Ratingagenturen zum Gegenstand hat, sodass seitens des Gesetzgebers die Tendenz vorgegeben wurde, potentielle Haftungsfälle – sowohl gegenüber Dritten als auch gegenüber Vertragspartnern – über das Deliktsrecht zu lösen. Dies erscheint zunächst erstaunlich, wenn man diese Maßgabe mit dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz des non-cumul des responsabilités vergleicht937, der mittlerweile das gesamte französische Zivilrecht prägt und auch in der Literatur weitgehend Zustimmung erfährt. Wie gezeigt, stellt die Einbeziehung der Haftung gegenüber Vertragspartnern in Art. L544-5 CMF jedoch durchaus ein durchdachtes Konzept und keineswegs ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers dar, wie dies in der Literatur teilweise postuliert wird. Neben dieser generell unterschiedlichen Wertung der bestehenden Chancen zur erfolgreichen Geltendmachung eines Haftungsanspruchs für Vertragspartner und Dritte in den einzelnen Ländern, sind im deliktischen Bereich jedoch auch inhalt937 Hiernach ist ein Rückgriff auf das Deliktsrecht im Falle des Vorliegens einer faute contractuelle nicht möglich. Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen oben, S. 57 f.
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lich deutlichere Unterschiede zwischen den nationalen Haftungsvorschriften auszumachen als im vertraglichen Bereich. Im Einzelnen hat die Untersuchung insbesondere folgende Kernaspekte aufgedeckt: Im deutschen Recht greifen deliktische Vorschriften im Regelfall nicht ein, weil kein deliktischer Auffangtatbestand für reine Vermögensschäden existiert, mithin der Schutzumfang des Deliktsrechts geringer ist als in den beiden anderen untersuchten Ländern. Um dennoch eine Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten zu ermöglichen, wird in Deutschland eine auf den ersten Blick etwas umständlich und konstruiert wirkende Dritthaftung diskutiert. Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass im Falle des Ratings dennoch kein Bedarf nach einer großen deliktsrechtlichen Generalklausel in Deutschland besteht, die reine Vermögensschäden umfasst, da das geltende Recht ein ausgewogenes System bietet, durch welches eine ausufernde Haftung vermieden werden kann. Letztendlich wäre jedoch eine zeitnahe Konkretisierung der Voraussetzungen der verschiedenen Dritthaftungstatbestände durch die Rechtsprechung wünschenswert, um die bestehenden Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Im englischen Recht hingegen greift zwar der weite Generaltatbestand des tort of negligence, welcher grundsätzlich auch reine Vermögensschäden einschließt938, letztendlich bestehen aber große Unsicherheiten dahingehend, ob englische Gerichte tatsächlich seine Voraussetzungen bei der Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten bejahen würden: Die Rechtsprechung zu ähnlich gelagerten Fällen lässt in Bezug auf die Annahme einer duty of care gegenüber Dritten restriktive Tendenzen erkennen. Ob die Gerichte den Wertungen, die in einem australischen Urteil kürzlich vorgenommen wurden und im Ergebnis zur Bejahung einer solchen Sorgfaltspflicht von Ratingagenturen gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum geführt haben, folgen würden, ist nicht sicher vorherzusagen. In der englischen Literatur wird die Übertragbarkeit dieser Entscheidung bisher kaum diskutiert. Die wenigen verfügbaren Werke lassen jedoch eher auf eine restriktive Tendenz schließen. Diese Schlussfolgerung begründet sich insbesondere aus der Tatsache, dass englische Gerichte in letzter Zeit verstärkt die Eigenverantwortlichkeit von Anlegern für deren Investitionsentscheidungen in den Vordergrund rücken. Im französischen Recht scheinen die Anforderungen an eine deliktische Haftung im Vergleich zu den anderen beiden Ländern etwas niedriger zu sein, sodass sich ein gegensätzliches Bild zu der oben beleuchteten Haftung gegenüber Vertragspartnern ergibt. Zum einen bestehen diesbezüglich keine Rechtsunsicherheiten dahingehend, ob überhaupt ein Haftungstatbestand greift, weil es in Frankreich mit Art. L544-5 CMF einen Spezialtatbestand gibt, der die deliktische Haftung von Ratingagenturen zum Gegenstand hat. Zum anderen besteht im Bereich 938 Vgl. zur Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden im englischen Recht im Rahmen des tort of negligence im Allgemeinen v. Bar, RabelsZ 1992, 411 ff.
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des Art. L544-5 CMF eine gewisse Beweiserleichterung für potentielle Kläger, da der Nachweis des objektiven Elements der faute bei Vorliegen eines Verstoßes gegen die RatingVO 2009 entfällt. Sofern man – was unwahrscheinlich erscheint – das Vorliegen eines verschuldensunabhängigen Haftungstatbestandes bejaht, wären die Beweiserleichterungen sogar noch größer. Sofern ein Fehlverhalten der Ratingagentur vorliegt, welches außerhalb der RatingVO 2009 liegt, was sicherlich in der Praxis in der Mehrzahl der Fälle gegeben sein wird, ist auch nach französischem Recht gegenüber Dritten eine Haftung nach der deliktsrechtlichen Generalklausel denkbar. Gegenüber Vertragspartnern ist diesbezüglich die Sperrwirkung des Grundsatzes des non-cumul des responsabilités zu beachten. Darüber hinaus bestehen in den untersuchten Ländern prinzipiell große Unterschiede hinsichtlich des generellen Schutzes der Meinungs- und Pressefreiheit. Beleuchtet man die Situation konkret in Bezug auf Ratings, so fällt auf, dass in der Zeit vor Einführung spezieller Tatbestände, die explizit die Haftung von Ratingagenturen zum Gegenstand haben, eine gewisse Tendenz dahingehend bestand, Ratings – ganz im Sinne des Selbstverständnisses der Ratingagenturen – als reine Meinungsäußerungen anzusehen. Mittlerweile scheint diese Frage jedoch aufgrund der in den letzten Jahren verstärkt erfolgenden Einführung spezialgesetzlicher Haftungstatbestände – in der EU ist insbesondere Art. 35a RatingVO 2013 zu nennen – dahingehend geklärt, dass Ratingagenturen sich künftig einer Haftung zumindest nicht mehr so leicht durch einen schlichten Verweis auf ihre Meinungsfreiheit werden entziehen können. Des Weiteren hat die Untersuchung gezeigt, dass aus der Sicht potentieller Kläger in Deutschland und England die vertragliche Haftung insgesamt einer deliktsrechtlichen Haftung vorzugswürdig erscheint, weil im vertraglichen Bereich die Erfolgschancen einer potentiellen Haftungsklage höher sind. Aus diesem Grund stellt sich die Situation für Emittenten eines Auftragsratings und Abonnenten von Ratingpublikationen prinzipiell besser dar als für die anderen beiden denkbaren Anspruchstellergruppen, die mangels Vertragsverhältnis mit den Ratingagenturen weitestgehend auf deliktische Ansprüche angewiesen sind. Im Gegensatz hierzu lässt sich in Frankreich eine Tendenz dahingehend erkennen, die Haftungsfrage gegenüber sämtlichen Anspruchstellern über den Spezialtatbestand des Art. L544-5 CMF oder über die Generalklausel des Art. 1382 C.civ. deliktsrechtlich zu lösen, weshalb nach französischem Recht die Vertragspartner der Ratingagenturen nur in bestimmten Konstellationen bessergestellt sind als das allgemeine Anlegerpublikum bzw. die Emittenten eines auftragslosen Ratings. c) Einfluss der Möglichkeiten zur Haftungsfreizeichnung auf die getroffene Bewertung Bisher wurde die Bewertung bewusst ohne den potentiellen Einfluss der Möglichkeiten zur Haftungsfreizeichnung vorgenommen, um die grundsätzlichen Wer-
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
tungen aufzuzeigen, die ohne diesen Aspekt bestehen. Da Ratingagenturen in ihren Verträgen aber regelmäßig Klauseln verwenden, die eine Freizeichnung von ihrer Haftung vorsehen, ist eine Auseinandersetzung mit dieser wichtigen Fragestellung auch im Rahmen der Ergebnisbewertung notwendig. Die Möglichkeiten und Grenzen der Haftungsfreizeichnung wurden sowohl gegenüber Vertragspartnern als auch gegenüber Dritten beleuchtet. Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass sich Haftungsfreizeichnungsklauseln nur in Ausnahmefällen gegenüber Dritten auswirken, da zwischen diesen und den Ratingagenturen kein Vertragsverhältnis besteht939. Im Gegensatz hierzu existieren für die Ratingagenturen gegenüber ihren Vertragspartnern durchaus Möglichkeiten zur Haftungsfreizeichnung. Zwar können sich Ratingagenturen sowohl nach deutschem als auch nach französischem Recht nicht wirksam von ihrer Haftung für grobes Verschulden freizeichnen, jedoch bestehen im Rahmen der Haftung für einfache Fahrlässigkeit außerhalb wesentlicher Vertragspflichten durchaus gewisse Optionen hierzu. Im englischen Recht müssen solche Klauseln im jeweiligen Einzelfall einem sog. reasonableness-Test unterzogen werden, wodurch es sehr schwierig ist, allgemeingültige Aussagen zu ihrer Wirksamkeit zu treffen. Letztendlich kann aber davon ausgegangen werden, dass sie zumindest im geschäftlichen Verkehr in weitaus größerem Umfang als im deutschen und französischen Recht als wirksam angesehen werden. Nach alledem bestehen somit gegenüber Vertragspartnern weitaus größere Möglichkeiten zur Haftungsfreizeichnung als gegenüber Dritten. Da solche Klauseln in den Verträgen der Ratingagenturen standardmäßig enthalten sind, somit eine enorme Relevanz entfalten, ist dieser Aspekt dazu geeignet, die oben im Allgemeinen getroffene Bewertung zu den Erfolgsaussichten einer Klage gegenüber Vertragspartnern und gegenüber Dritten zumindest teilweise zu revidieren. Zwar bestehen nach dem Gesetz im vertraglichen Bereich grundsätzlich höhere Chancen zur erfolgreichen Geltendmachung eines Haftungsanspruchs, jedoch bietet die vertragliche Haftung andererseits auch ein größeres Handlungsspektrum zur wirksamen Haftungsfreizeichnung940. d) Länderübergreifende Hindernisse bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegenüber Ratingagenturen Die Untersuchung hat überdies gezeigt, dass gewisse länderübergreifende Hindernisse bei der gerichtlichen Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegenüber Ratingagenturen bestehen, die teilweise sogar schwerwiegender sind als die 939 Etwas anderes gilt im deutschen Recht im Hinblick auf das allgemeine Anlegerpublikum im Falle einer Einbeziehung in den Schutzbereich des Ratingvertrags. Denkbar erscheint auch eine wirksame Haftungsfreizeichnung im Rahmen außervertraglicher Bekanntmachungen im englischen Recht. Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen oben, S. 159 ff. 940 Vgl. zu dieser Wertung bereits Darbellay, S. 73.
III. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013
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Hürden, die sich nach dem materiellen Recht der einzelnen untersuchten Staaten ergeben. Als großes Problem bzw. Unsicherheitsfaktor bei der Anspruchsdurchsetzung hat sich der meist gegebene Auslandsbezug der Sachverhalte erwiesen. Da die Ratingagenturen im Regelfall global agieren, sind rein nationale Sachverhalte eine Seltenheit. Dies führt dazu, dass häufig zunächst die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Recht geklärt werden müssen, bevor ein Haftungsanspruch geltend gemacht werden kann. Dies mündet nicht selten darin, dass potentielle Kläger aufgrund der komplexen Regelungen hierzu von einer Geltendmachung ihrer Ansprüche absehen. Hinzu kommt, dass die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche anspruchsbegründenden Voraussetzungen – vom Ausnahmefall des Verschuldensnachweises im vertraglichen Bereich einmal abgesehen – nach allen untersuchten Rechtsordnungen beim Kläger liegt. Gerade den Anlegern, die kaum Zugang zu allen relevanten Informationen haben können, welche in die Bonitätsanalysen der Ratingagenturen einfließen müssen, wird so eine Anspruchsdurchsetzung erheblich erschwert bzw. teilweise sogar fast unmöglich gemacht. Im Ergebnis hat die Analyse der nationalen Regelungen in allen drei untersuchten Ländern große Hindernisse bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Ratingagenturen für fehlerhafte Ratings offenbart. Allerdings blieb bei dieser Betrachtung der harmonisierte Haftungstatbestand des Art. 35a RatingVO 2013 bewusst außer Betracht, sodass in einem weiteren Schritt nun geklärt werden muss, welchen Einfluss dieser auf die gefundenen Ergebnisse hat. Insbesondere ist in Anbetracht der gefundenen nationalen Ergebnisse interessant, ob sich hierdurch die Probleme bei der Geltendmachung von Ansprüchen – insbesondere für das allgemeine Anlegerpublikum – verringern.
III. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013 auf die gefundenen Ergebnisse und Untersuchung des Bedarfs nach weiteren Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf die Haftung von Ratingagenturen Da seit 2013 mit Art. 35a RatingVO 2013 ein (teil-)harmonisierter Tatbestand existiert, welcher die Haftung von Ratingagenturen zum Gegenstand hat941, bleibt die Frage zu klären, welchen Einfluss die harmonisierte Vorschrift auf die bezüglich der nationalen Rechtsordnungen gefundenen Ergebnisse hat (1.). Im Anschluss daran wird untersucht, ob der Bedarf nach weiteren Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf die Haftung von Ratingagenturen in der EU besteht (2.). 941
Vgl. zu den Inhalten des Art. 35a RatingVO 2013 bereits die Ausführungen oben, S. 32 ff.
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1. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013 auf die Ergebnisse der rechtsvergleichenden Analyse Um den Einfluss der harmonisierten Haftungsvorschrift auf die Ergebnisse der rechtsvergleichenden Analyse herauszuarbeiten, werden zunächst die nationalen Regelungen der einzelnen Länder der Regelung des Art. 35a RatingVO 2013 gegenübergestellt (a). Im Anschluss daran wird der Einfluss der Harmonisierung durch Art. 35a RatingVO 2013 auf die nationalen Regelungen zur Haftungsfreizeichnung beleuchtet (b). Abschließend wird das Zusammenspiel zwischen dem harmonisierten Haftungstatbestand und den nationalen Regelungen am Beispiel der deliktischen Haftung gegenüber dem Anlegerpublikum geklärt (c). Da der harmonisierte Haftungstatbestand deliktsrechtlicher Natur ist, stehen auch bei der Betrachtung der nationalen Regelungen die deliktsrechtlichen Vorschriften im Fokus. a) Gegenüberstellung der Regelungen der einzelnen Länder mit dem harmonisierten Haftungstatbestand der RatingVO 2013 Im Rahmen der Gegenüberstellung der bestehenden Vorschriften der einzelnen Länder mit den harmonisierten Regelungen wird zunächst generell herausgearbeitet, ob der harmonisierte Haftungstatbestand weitergeht als die jeweiligen nationalen Regelungen in den untersuchten Ländern. Im Anschluss wird die Bedeutung der harmonisierten Vorschrift für die Haftung in den einzelnen Ländern beleuchtet. Abweichend vom bisherigen Aufbau wird hierbei mit der Analyse der französischen Regelung begonnen: Da Frankreich als einziges der drei untersuchten Länder bereits vor Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes Spezialregelungen zur Haftung von Ratingagenturen erlassen hat, werden diese Vorschriften als Referenzrahmen für die Beurteilung der anderen beiden Länder dienen. aa) Nach französischem Recht Im Folgenden werden die nationalen französischen Regelungen dem harmonisierten Haftungstatbestand in der soeben beschriebenen Weise gegenübergestellt. (1) Reichweite des harmonisierten Haftungstatbestandes im Vergleich zu den nationalen deliktsrechtlichen Regelungen Frankreichs Wie bereits herausgearbeitet wurde, existiert mit Art. L544-5 CMF in Frankreich seit dem Jahr 2010 ein spezieller nationaler Haftungstatbestand für Verstöße gegen die RatingVO 2009, sodass der Mehrwert des Art. 35a RatingVO 2013 in Bezug auf das französische Recht fraglich erscheint942. 942 Darüber hinaus ist grundsätzlich erwägenswert, das Verhältnis zwischen der Haftung nach der deliktsrechtlichen Generalklausel des Art. 1382 C.civ. und dem harmonisierten Haftungstatbestand in die vergleichenden Überlegungen zur Reichweite der verschiedenen Vorschriften mit einzubeziehen. Da jedoch sämtliche Verstöße gegen die Ratingverordnung bereits
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Hinzu kommt, dass auch die sonstigen inhaltlichen Anforderungen an eine Haftung nach französischem Recht im Wesentlichen mit dem harmonisierten Haftungstatbestand übereinstimmen943. Im Bereich des für beide Tatbestände erforderlichen Verschuldensnachweises sind die Hürden für potentielle Anspruchsteller nach nationalem Recht im Falle Frankreichs sogar geringer als nach Art. 35a RatingVO 2013. Der Umstand, dass Art. L544-5 CMF im Gegensatz zu Art. 35a RatingVO 2013 nicht nur eine Haftung für grobes Verschulden vorsieht, sondern entsprechend der deliktsrechtlichen Generalklausel davon auszugehen ist, dass einfache Fahrlässigkeit genügt, lässt erkennen, dass der nationale Haftungstatbestand in diesem Bereich weitreichender ist. Dieser Effekt würde noch verstärkt, sofern man annähme, dass im Falle eines Verstoßes i. S. d. Anhangs III der RatingVO 2011 der Nachweis aller Elemente der faute entfiele, da dies zur Folge hätte, dass sogar ein verschuldensunabhängiger Tatbestand angenommen werden könnte. Wie bereits gezeigt wurde, ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die Vorschrift im letztgenannten Sinne auszulegen ist944. Letztendlich erweist sich somit – aus dem französischen Blickwinkel heraus betrachtet – die Reichweite des harmonisierten Haftungstatbestandes als äußerst gering, weil Art. 35a RatingVO 2013 keinen über die nationalen Regelungen hinausgehenden Anwendungsbereich bietet: Zum einen stellt der neue Tatbestand eine Norm für Verstöße dar, die nach nationalem Recht ohnehin bereits sanktioniert werden, zum anderen sind die Anforderungen an eine Haftung nach dem harmonisierten Haftungstatbestand im Bereich des Verschuldens sogar deutlich höher als nach Art. L544-5 CMF, sodass sich auch hier kein weitergehender Anwendungsbereich ergibt. (2) Bedeutung des harmonisierten Haftungstatbestandes für die Haftung nach französischem Recht Von dem soeben skizzierten Standpunkt aus betrachtet, stellt der harmonisierte Haftungstatbestand für den französischen Rechtskreis lediglich eine Minimallösung945 von untergeordneter Bedeutung dar, da dieser – rein national gesehen – zu keinerlei Verbesserungen für potentielle Anspruchsteller führt. Allerdings ist der Einfluss des europäischen Gesetzgebers auch in Bezug auf die nationalen französischen Vorschriften nicht zu unterschätzen, weil erst das Inkrafttreten der Ravom Spezialtatbestand des Art. L544-5 CMF umfasst werden, bietet eine Einbeziehung des Art. 1382 C.civ. keinen Mehrwert für einen solchen Vergleich, weshalb hierauf verzichtet wird. 943 Dies liegt vor allem darin begründet, dass der harmonisierte Tatbestand mit der nationalen Rechtsordnung übereinstimmende Begrifflichkeiten verwendet und die Definition dieser Begriffe den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. Da Frankreich hinsichtlich dieser Begriffe zumindest bislang noch keine speziellen Definitionen eingeführt hat, sind sie entsprechend des regulären Haftungsrechts zu verstehen. 944 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Art. L544-5 CMF, S. 72 ff. 945 Sotiropoulou, BJB 2013, Nr. 1, 47, [57].
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tingVO 2009 den französischen Gesetzgeber dazu veranlasst hat, den Haftungstatbestand des Art. L544-5 CMF zu erlassen946. Ohne diesen Schritt des Unionsgesetzgebers wäre demnach auch die französische Regelung nicht entstanden, sodass im Ergebnis in Frankreich zwar der harmonisierte Haftungstatbestand der RatingVO 2013 nur von untergeordneter Bedeutung ist, das Aktivwerden des europäischen Gesetzgebers in Bezug auf die Regulierung von Ratingagenturen im Allgemeinen durch die RatingVO 2009 aber sehr wohl Wirkung gezeigt hat. bb) Nach englischem Recht Anders als in Frankreich hat in England nicht bereits der Verweis auf nationale Haftungsvorschriften in der RatingVO 2009, sondern erst der harmonisierte Haftungstatbestand der RatingVO 2013 den nationalen Gesetzgeber dazu veranlasst, Vorschriften zu erlassen, welche die Haftung von Ratingagenturen zum Gegenstand haben. Da diese Vorschriften – namentlich die oben bereits vorgestellten UK Regulations947 – die Vorgaben des Art. 35a RatingVO 2013 für England konkretisieren, werden sie nicht isoliert als nationale Regelungen, sondern im Zusammenhang mit dem harmonisierten Haftungstatbestand erörtert. (1) Reichweite des harmonisierten Haftungstatbestandes im Vergleich zu den nationalen deliktsrechtlichen Regelungen Englands vor Einführung der UK Regulations Vergleicht man die Reichweite des harmonisierten Haftungstatbestandes mit den deliktsrechtlichen Regelungen des englischen Rechts, so lässt sich folgendes Bild zeichnen: Angesichts des Umstandes, dass eine Haftung nach dem tort of negligence im Gegensatz zu der Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 nicht primär organisatorische Anforderungen an ein Rating betrifft, sondern an Sorgfaltspflichtverstöße (duties of care) im Ratingverfahren anknüpft, ist zunächst anzunehmen, dass die Haftung nach dem tort of negligence generell weitreichender ist. Da eine solche duty of care gegenüber Dritten von englischen Gerichten jedoch nur sehr restriktiv bejaht wird, ist es auch im Falle der Haftung von Ratingagenturen wahrscheinlich, dass eine deliktische Haftung im Regelfall sowohl gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum als auch gegenüber Emittenten eines auftragslosen Ratings aus diesem Grund verneint würde948. Sofern sich diese Einschätzung in der Praxis 946 Dies ist bereits daran zu erkennen, dass der Wortlaut des Art. L544-5 CMF auf Verstöße gegen die Vorgaben der RatingVO 2009 abstellt. Zudem wird in Erwägungsgrund 69 der RatingVO 2009 explizit erwähnt, dass Forderungen gegen Ratingagenturen aufgrund von Verstößen gegen die Verordnung im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften über die zivilrechtliche Haftung erhoben werden sollten. 947 Vgl. zu diesen Vorschriften bereits die Ausführungen oben, S. 38 f. 948 Vgl. hierzu bezüglich der Haftung gegenüber dem Emittenten eines auftragslosen Ra-
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bestätigt, wäre der harmonisierte Haftungstatbestand trotz seines durch den abschließenden Katalog an Verstößen begrenzten Anwendungsbereichs gegenüber Dritten weitreichender als eine Haftung nach dem tort of negligence, weil das englische Recht für Dritte auch sonst keine denkbare Anspruchsgrundlage bereithält. Gegenüber Vertragspartnern lässt sich jedoch ein umgekehrtes Bild zeichnen: Da im Rahmen bestehender Verträge nach englischem Recht umfassendere Sorgfaltspflichten angenommen werden als gegenüber Dritten, bestätigt sich gegenüber Emittenten eines Auftragsratings und gegenüber Abonnenten von Ratingpublikationen die eingangs getroffene Annahme, da in diesen Fällen die Haftung nach dem tort of negligence weitreichender ist. Insgesamt lässt sich jedoch festhalten, dass das englische Deliktsrecht und der harmonisierte Haftungstatbestand aufgrund der unterschiedlichen Regelungsbereiche kaum Überschneidungspunkte aufweisen. (2) Neuregelungen der UK Regulations und deren Zusammenspiel mit dem harmonisierten Haftungstatbestand Bisher hat England mit den UK Regulations als einziges der drei untersuchten Länder Regelungen erlassen, welche die Begriffe und Haftungsfragen, die nach Art. 35a Abs. 4 und 5 RatingVO 2013 der Regelung durch die Mitgliedstaaten überlassen wurden, näher konkretisieren. Zunächst lässt sich zu den UK Regulations insgesamt anmerken, dass sich die englischen Regelungen hinsichtlich der Tragweite deutlich von den in Frankreich im Zuge der Umsetzung der RatingVO 2009 erlassenen Regelungen des CMF unterscheiden: Durch die französischen Regelungen wurde zu einer Zeit, als noch keine harmonisierten Haftungsregelungen existierten, auf freiwilliger Basis ein solcher Tatbestand geschaffen, wohingegen durch die englischen Neuregelungen nunmehr lediglich das Mindestmaß an Haftung konkretisiert wird, welches Art. 35a RatingVO 2013 zwingend vorgibt. Wie bereits dargestellt, böte Art. 35a Abs. 5 RatingVO 2013 insbesondere auch die Möglichkeit, eine weitergehende Haftung in den nationalen Rechtsordnungen zu implementieren. Diesen Schritt ist England jedoch nicht gegangen. Vielmehr ist – zumindest im Hinblick auf die Haftung gegenüber Anlegern – sogar das Gegenteil der Fall, da auch die eingeführten Begriffsdefinitionen im Hinblick auf die Umsetzung der durch Art. 35a RatingVO 2013 geschaffenen Spielräume eine restriktive Grundhaltung aufweisen. Diese Tendenz lässt sich insbesondere daran erkennen, wie die UK Regulations den Rechtsbegriff „sich in vertretbarer Weise verlassen“ (reasonably relied) i. S. d. Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 RatingVO 2013949 tings ausführlich die Ausführungen oben auf S. 76 ff. und bezüglich der Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum auf S. 100 ff. 949 Um Schadensersatz nach Art. 35a RatingVO 2013 zu erhalten, muss ein Anleger gemäß Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 RatingVO 2013 nachweisen, dass er sich bei seiner Investitionsentscheidung in vertretbarer Weise auf das konkrete Rating verlassen hat.
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definieren950. Art. 6 Abs. 2 der UK Regulations normiert diesbezüglich, dass dieselben Prüfungsmaßstäbe gelten wie hinsichtlich der Frage, ob eine duty of care im Rahmen des tort of negligence in den Fällen gegeben ist, in welchen sich eine Person auf ein defective statement verlässt951. Wie bereits oben aufgezeigt wurde, sind die Anforderungen an eine solche duty of care gegenüber Dritten sehr hoch. Da somit dieselben Grundsätze gelten, die ohnehin auch ohne diese Neuregelung gegolten hätten, wird die Durchsetzung eines Haftungsanspruchs von Anlegern952 , die in keiner vertraglichen Verbindung zur Ratingagentur stehen, im Vergleich zu den nationalen Vorschriften nicht erleichtert. Dieser Effekt wird überdies durch den weiteren Wortlaut des Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 RatingVO 2013 noch verstärkt: Darin ist auch geregelt, dass ein Anleger nachweisen muss, dass er sich „[…] im Einklang mit Artikel 5a Absatz 1 [Rating VO 2013953] oder in sonstiger Weise mit gebührender Sorgfalt auf das Rating verlassen hat“. Der unscheinbar wirkende Passus des „Einklangs mit Artikel 5a Absatz 1“ stellt für englische Gerichte unter Umständen ein weiteres Schlüsselelement954 dar, um die Haftung gegenüber Anlegern zu verneinen oder zumindest den Anspruch über ein Mitverschulden zu kürzen955. Angesichts des Umstandes, dass Art. 5a Abs. 1 RatingVO 2013 vorschreibt, dass bestimmte Anleger eigene Kreditrisikobewertungen vornehmen müssen und sich nicht ausschließlich auf Ratings als Basis ihrer Anlageentscheidung stützen dürfen, bietet auch dies ein breites Argumentationsfeld zur Vermeidung einer Haftung. Hierzu ist einschränkend anzumerken, dass Art. 5a Abs. 1 RatingVO 2013 nur für Anlegergruppen i. S. d. Art. 4 Abs. 1 RatingVO 2013 gilt, somit nur für institutionelle Anleger wie beispielsweise Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, also insbesondere nicht für Kleinanleger. Im Ergebnis werden jedoch voraussichtlich auch Kleinanleger angesichts der Begriffsbestimmung der „gebührenden Sorgfalt“ in den UK Regulations keine 950 Dieser Begriff zählt zu jenen, die gemäß Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 im Einklang mit dem jeweils geltenden nationalen Recht gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Internationalen Privatrechts ausgelegt und angewandt werden, sodass im Wesentlichen die eigenständigen Definitionen seitens der Mitgliedstaaten maßgeblich sind. 951 Art. 6 Abs. 2 der UK Regulations hat folgenden Wortlaut: „The test for whether the reliance is reasonable is the same as for whether it is reasonable for a person to rely on a statement for the purposes of determining whether the statement gives rise to a duty of care in negligence.” 952 Emittenten sind hiervon nicht betroffen, weil Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 RatingVO 2013 nur die Haftung gegenüber Anlegern regelt. 953 Anmerkung der Verfasserin. 954 Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [189]. 955 Art. 15 Abs. 2 der UK Regulations erklärt die Bestimmungen des Law Reform (Contributory Negligence) Act 1945 für anwendbar auf Schadensersatzklagen, die der RatingVO 2013 unterfallen, Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [189, Fußnote 20]. Die Bestimmungen des Law Reform (Contributory Negligence) Act 1945 erlauben es dem Gericht, Schadensersatzansprüche wegen Mitverschuldens der Klagepartei in dem Umfang zu kürzen, in welchem es dies im Hinblick auf den klägerischen Verschuldensanteil als recht und billig (just and equitable) ansieht.
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Nachweiserleichterung gegenüber den bisherigen Regelungen verspüren: Diese Voraussetzung einer Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 ist nach englischem Recht nur dann erfüllt, wenn ein Sorgfaltsmaßstab erfüllt wird, den ein vernünftig handelnder Anleger unter den gegebenen Umständen angewandt hätte956. Etwas anderes kann für die Emittenten eines auftragslosen Ratings gelten, da dieses Haftungsverhältnis nicht Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 RatingVO 2013 unterfällt, sondern in Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 3 RatingVO 2013 geregelt wird. Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 3 RatingVO 2013 erfordert diesbezüglich auf den ersten Blick lediglich einen Nachweis seitens des Emittenten darüber, dass sich das Rating auf ihn selbst oder auf seine Finanzinstrumente bezieht und dass die Zuwiderhandlung nicht darauf zurückzuführen ist, dass der Emittent die Ratingagentur direkt oder aufgrund öffentlich zugänglicher Informationen irreführend oder falsch informiert hat. Da nach dem Wortlaut des Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 3 RatingVO 2013 keine Begriffe der Definition der nationalen Rechtsordnungen überlassen wurden, ist insoweit tatsächlich keine negative Auswirkung durch die UK Regulations zu erkennen. Andererseits wird es jedoch trotz allem für den Emittenten schwierig, sämtliche Tatbestandsmerkmale, die Art. 35a RatingVO 2013 vorgibt, nachzuweisen. Insbesondere sei hier auf das Erfordernis des Nachweises eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoßes i. S. d. Anhangs III der RatingVO 2011 sowie des Nachweises eines Schadens hingewiesen. Zwar werden diese Begriffe ebenfalls in den UK Regulations definiert, hierbei sind jedoch keine größeren Auffälligkeiten gegenüber den Begrifflichkeiten zu erkennen, die üblicherweise im englischen Recht Verwendung finden. Auffällig ist jedoch ein anderer Punkt: Von den UK Regulations werden nur Handlungen der oberen Führungsebene (senior management)957 der Ratingagentur erfasst, weshalb Handlungen anderer Personen demnach nicht geeignet sind, eine Haftung zu begründen. Angesichts des Umstandes, dass die Bonitätsanalysen in aller Regel nicht von Mitarbeitern der oberen Führungsebene durchgeführt werden, führt dies zu einer enormen Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 35a RatingVO 2013, sofern die UK Regulations im konkreten Fall maßgeblich sind. Fraglich ist jedoch, ob eine solche Begrenzung der Reichweite des harmonisierten Haftungstatbestands durch einen nationalen Gesetzgeber überhaupt zulässig ist. Soweit ersichtlich wird dieser Aspekt in der Literatur bislang nicht diskutiert. Sowohl im Wortlaut des Art. 35a RatingVO 2013 als auch im Wortlaut des Katalogs des Anhangs III der RatingVO 2011 wird jeweils nur von der Ratingagentur als gesamtes Unternehmen gesprochen. Grundsätzlich ließe sich argumentieren, dass es sich hierbei um eine offene Frage handelt, welche die jeweiligen Mitgliedstaaten gemäß Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 regeln können. 956 Die Definition in Art. 7 lautet folgendermaßen: „In Article 35a, an investor shall be considered to have exercised due care if the investor took the care a reasonably prudent investor would have exercised in the circumstances.“ 957 Art. 3 und 4 der UK Regulations.
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Vorzugswürdig erscheint es jedoch, diesen Aspekt als durch den Wortlaut des harmonisierten Tatbestands dahingehend geklärt anzusehen, dass die Fehler sämtlicher Mitarbeiter der Ratingagentur potentiell haftungsrelevant sind. Andernfalls würde der Haftungstatbestand zum einen größtenteils leerlaufen, zum anderen hinge eine erfolgreiche Geltendmachung eines Haftungsanspruchs häufig vom Zufall ab, weil potentielle Anspruchsteller nur in äußerst seltenen Fällen wissen können, welcher Mitarbeiter der Ratingagentur den für das jeweilige fehlerhafte Rating entscheidenden Pflichtverstoß begangen hat. Insbesondere vor dem Hintergrund der nach Art. 4 Abs. 3 AEUV bestehenden mitgliedstaatlichen Loyalitätspflicht scheint eine solche weitgehende Einschränkung der Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 durch einen nationalen Gesetzgeber nicht wirksam möglich zu sein. (3) Bedeutung des harmonisierten Haftungstatbestandes und der UK Regulations für die Haftung nach englischem Recht Betrachtet man die Haftung vor Erlass des harmonisierten Haftungstatbestandes in England, so wird eine gewisse Divergenz zwischen der Haftung von Ratingagenturen gegenüber Vertragspartnern und ihrer Haftung gegenüber Dritten erkennbar. Die Erfolgsaussichten waren jedoch für beide Gruppen von Klägern im Ergebnis – allerdings aus unterschiedlichen Gründen – gering, sodass die Geltendmachung von Haftungsansprüchen mit großen Unsicherheiten behaftet war. Im vertraglichen Bereich erschien zwar ein klägerischer Erfolg im Grundsatz nicht ausgeschlossen, da insoweit eine Art „Garantiehaftung“ für Vertragsbrüche greift, mithin ein Verschuldensnachweis nicht geführt werden musste. Jedoch war es auch hier wahrscheinlich, dass potentielle Klagen an den Beweishürden hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen scheiterten958. Im außervertraglichen Bereich waren die Anforderungen an eine Haftung jedenfalls gegenüber Dritten von vornherein so hoch, dass die erfolgreiche Geltendmachung eines solchen Anspruches zumindest bis zum australischen Urteil im Fall Bathurst sehr unwahrscheinlich erschien959. Insgesamt lässt sich in England eine sehr restriktive Grundtendenz in Bezug auf die Einführung einer Haftung von Ratingagenturen erkennen, die auf Sorgen im Hinblick auf möglicherweise damit verbundene Auswirkungen auf das Verhalten der Marktteilnehmer960 und auf das grundsätzliche Bestreben nach einer Si958
Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 61. Wie gezeigt, ist insbesondere das Merkmal der duty of care im vorliegenden Fall schwierig zu erfüllen. Vgl. hierzu im Hinblick auf die Haftung gegenüber dem Emittenten beim auftragslosen Rating S. 76 ff. Zur Situation im Rahmen der Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum vgl. die Ausführungen auf S. 100 ff. 960 Konkret wird hierbei befürchtet, dass eine Haftung von Ratingagenturen dazu führen könnte, dass eigene Risikoprüfungen durch die Kapitalmarktteilnehmer seltener durchgeführt werden, Darbellay, S. 75. Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen in Fußnote 195. 959
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cherung des Finanzplatzes London zurückzuführen ist. Im Hinblick auf die verschiedenen generellen Haltungen zur Haftungsfrage in den drei untersuchten Ländern bildet England den Gegenpol zu Frankreich, weil dort die Tendenz zur Einführung einer möglichst weitgehenden Haftung besteht. Im Gegensatz zur oben beschriebenen geringen Bedeutung für Frankreich kommt dem harmonisierten Haftungstatbestand somit in England eine enorme Bedeutung zu. Zwar wurde auch in England bereits vor der Einführung des Art. 35a RatingVO 2013 der „Stein ins Rollen gebracht“, was letztendlich auf die bereits dargestellte Entscheidung im Fall Bathurst961 in Australien zurückzuführen ist. Jedoch wäre es ohne die Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes nach Einschätzung Edwards′ sehr wahrscheinlich gewesen, dass sich englische Gerichte bei ähnlich gelagerten Fällen auf den Ausnahmecharakter der australischen Entscheidung gestützt und so eine Haftung im Ergebnis verneint hätten962: Wie oben bereits ausführlich erörtert, weist der vor den australischen Gerichten verhandelte Fall zahlreiche Besonderheiten auf, die nicht zwingend auf andere Fälle übertragbar erscheinen, sodass genügend Raum für eine anderweitige Entscheidung englischer Gerichte verbleibt963. Eine solche anderslautende Entscheidung zu Ungunsten von Anlegern schien in der Praxis insbesondere vor Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes vor allem deshalb wahrscheinlicher, weil englische Gerichte im Hinblick auf die Annahme einer duty of care gegenüber Dritten traditionell einen konservativen Ansatz verfolgen964. Diese Bewertung zur Haftung von Ratingagenturen gegenüber Dritten nach englischem Recht könnte sich nun durch Art. 35a RatingVO 2013 grundlegend ändern: Mit dieser Vorschrift wurde nicht nur die Rechtsunsicherheit dahingehend beseitigt, ob in England überhaupt eine Haftung der Ratingagenturen außerhalb bestehender Vertragsverhältnisse in Betracht kommt. Viel entscheidender ist der Aspekt, dass sich die im Fall Bathurst herausgearbeiteten Feststellungen (findings) nach überzeugender Ansicht Edwards′ unter Umständen zu einem Verstoß gegen die Pflichten der Ratingverordnung aufsummieren und so künftig zur Begründung einer Haftung ausreichen könnten965. Konkret geht es hierbei insbesondere um Punkt 42 der ersten Gruppe an Verstößen des Katalogs des Anhangs III der RatingVO 2011 (Verstöße im Zusammenhang mit Interessenkonflikten, organisatorischen oder operationellen Anforderungen): Hiernach müssen von Ratingagenturen durchgeführte Ratings auf einer gründlichen Analyse aller verfügbaren Informationen basieren, die gemäß ihrer Ratingmethoden von Bedeutung 961
Vgl. zu dieser Entscheidung im Detail bereits die Ausführungen oben, S. 103 ff. Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [90 f.]. 963 Zwar wurden einige Kritikpunkte an dem erstinstanzlichen Urteil mittlerweile durch die Entscheidung in der Berufungsinstanz widerlegt, es bleiben jedoch trotzdem zahlreiche Anknüpfungspunkte, um eine Übertragbarkeit der Entscheidung auf England zu verneinen. Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen oben, S. 103 ff. 964 Edwards, Liability, LFMR 2013, 88, [90]. 965 Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [188]. 962
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
sind966. Speziell im bisher sehr restriktiven England könnte sich so durch das Zusammenspiel zwischen der Bathurst-Entscheidung und Art. 35a RatingVO 2013 als neue Anspruchsgrundlage eine Neubewertung der Haftungsfrage ergeben967, weil die Gerichte nunmehr nicht mehr durch die bloße Verneinung einer duty of care eine Haftung gegenüber Dritten ablehnen können968. Hierzu im Widerspruch scheint jedoch die bereits angesprochene Tendenz des common law zu stehen, die Eigenverantwortlichkeit von Anlegern für ihre Investitionsentscheidungen zu forcieren und ein blindes Vertrauen in Ratings zu vermeiden969. Es bleibt abzuwarten, wie beide Prinzipien – Haftung einerseits und Entgegenwirken gegen blindes Vertrauen auf Ratings andererseits – miteinander in Einklang zu bringen sind. Vor diesem Problem der gegenläufigen Prinzipien steht überdies nicht nur England: Da nunmehr auch in Art. 5a RatingVO 2013 für bestimmte Anleger die Verpflichtung zur Vornahme eigener Kreditrisikobewertungen normiert wurde, stehen sämtliche europäischen Staaten vor der Aufgabe, beide Prinzipien zu verwirklichen. Im Ergebnis kann dieses Spannungsfeld wohl lediglich durch das richtige Maß an Haftung aufgelöst werden. cc) Nach deutschem Recht Im Folgenden wird Art. 35a RatingVO 2013 den deutschen Regelungen gegenübergestellt: (1) Reichweite des harmonisierten Haftungstatbestandes im Vergleich zu den nationalen deliktsrechtlichen Regelungen Deutschlands Vergleicht man die Reichweite des Art. 35a RatingVO 2013 mit den nationalen deliktsrechtlichen Regelungen in Deutschland, so fällt auf, dass die nationalen Vorschriften den Regelungsbereich der harmonisierten Vorschrift kaum abdecken. Verstöße gegen die Vorgaben der Ratingverordnung werden nur in seltenen Fällen die Verletzung eines absoluten Rechts nach § 823 Abs. 1 BGB nach sich ziehen und zur Begründung einer für § 826 BGB erforderlichen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung führen. Die einzig denkbare großflächige Überschneidung zwischen dem nationalen Deliktsrecht und dem harmonisierten Haftungstatbestand könnte sich im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB ergeben, sofern die hin966
Im Wortlaut lautet dieser Verstoß folgendermaßen: „Die Ratingagentur verstößt gegen Artikel 8 Absatz 2, wenn sie keine geeigneten Verfahren annimmt, umsetzt und durchsetzt, damit sichergestellt wird, dass die von ihr abgegebenen Ratings auf einer gründlichen Analyse aller Informationen basieren, die ihr zur Verfügung stehen und für ihre Analyse gemäß ihren Ratingmethoden von Bedeutung sind.“ 967 Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [188]. 968 Wie die Gerichte diese Fragen in der Praxis tatsächlich bewerten, bleibt jedoch abzuwarten. 969 Edwards, CRA 3, LFMR 2013, 186, [189]. Vgl. zu dieser Tendenz auch bereits die Ausführungen oben, S. 106.
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ter den Verstößen des Anhangs III der RatingVO 2011 stehenden Pflichten als Schutzgesetze im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden. Ob dies denkbar erscheint, wird im Rahmen der Untersuchung des Zusammenspiels der nationalen Vorschriften mit dem harmonisierten Haftungstatbestand noch erörtert werden970. Dennoch kann bereits zum jetzigen Zeitpunkt festgehalten werden, dass der harmonisierte Haftungstatbestand in Deutschland weitgehend andere Kategorien von Verstößen seitens der Ratingagenturen abdeckt als die nationalen deliktsrechtlichen Tatbestände. (2) Bedeutung des harmonisierten Haftungstatbestandes für die Haftung nach deutschem Recht Bei der Untersuchung der Bedeutung, die der harmonisierte Haftungstatbestand nach deutschem Recht entfaltet, wird erkennbar, dass Deutschland im Vergleich zu den beiden bisher skizzierten Ländern eine Position einnimmt, die zwischen beiden Extremen liegt: Von Art. 35a RatingVO 2013 kann zwar eine gewisse Signalwirkung für potentielle gesetzgeberische Aktivitäten und die Auslegung bestehender Gesetze durch die Gerichte ausgehen, diese dürfte jedoch in Deutschland bei weitem geringer ausfallen als im Falle Englands: Zwar hat die Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes in Deutschland im Gegensatz zur Situation in England bisher zu keiner neuen Gesetzesinitiative hinsichtlich der Haftungsfrage geführt, jedoch ist in Deutschland auch keine mit England vergleichbare restriktive Tendenz im Hinblick auf die Bejahung einer Haftung von Ratingagenturen erkennbar. Zum einen ist bereits die Grundhaltung gegenüber einer Haftung von Ratingagenturen im Allgemeinen als offener zu bezeichnen. Zum anderen wurde die Frage der Haftung – zumindest in der deutschen Literatur – sogar einige Zeit vor Beginn der Debatten über die mögliche Einführung der RatingVO 2009 bereits ausführlich diskutiert971. Hierbei wurde schon frühzeitig aufgezeigt, durch welche Rechtsinstitute eine Haftung nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften in Deutschland durchgesetzt werden könnte. Nach alledem bildet in Deutschland Art. 35a RatingVO 2013 derzeit zwar den einzigen Haftungstatbestand, der sich konkret auf Ratingagenturen bezieht, das bestehende zivilrechtliche Anspruchssystem hätte jedoch wahrscheinlich auch ohne die neue harmonisierte Regelung einen Weg zugelassen, um eine Haftung zu begründen. Da in Deutschland – im Gegensatz zu Frankreich – auch nach Inkrafttreten der RatingVO 2009 kein spezieller Tatbestand für die Haftung von Ratingagenturen 970
Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 202 ff. In Bezug auf diese frühzeitige Auseinandersetzung mit der Frage der Haftung von Ratingagenturen in der Literatur war Deutschland sogar Frankreich einen Schritt voraus, da in Frankreich die vertiefte Diskussion der Themenstellung erst im Zuge der Auseinandersetzung mit den durch die RatingVO 2009 getätigten Vorgaben und der Einführung des Art. L544-5 CMF erfolgte. 971
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
geschaffen wurde und zur diesbezüglichen Auslegung bestehender Gesetze auch kaum Rechtsprechung bestand, war hierzulande die Rechtsunsicherheit bezüglich dieser Frage lange Zeit größer als in Frankreich. Mit Einführung des Art. 35a RatingVO 2013 wurde ein solcher Haftungstatbestand geschaffen, wodurch sich die Unterschiede zwischen beiden Ländern hinsichtlich der Rechtssicherheit etwas verringert haben. Angesichts der vielen Fragen, die der harmonisierte Haftungstatbestand (noch) ungeklärt lässt, bzw. den nationalen Regelungen zur Klärung überlässt, wurde die ungewisse Lage für potentielle Kläger im Ergebnis jedoch auch innerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschrift nur geringfügig verbessert. Diese kann nur durch konkretisierende nationale Vorschriften oder durch ein weiteres Tätigwerden des Gesetzgebers auf europäischer Ebene vollständig beseitigt werden. Dennoch kann der harmonisierte Haftungstatbestand auch hier in gewisser Weise als „Stein des Anstoßes“ interpretiert werden, weil er die Haftungsfrage verstärkt in den Fokus der öffentlichen Diskussion rückt: Zum einen könnten sich hierdurch potentielle Kläger ermutigt fühlen, eine Haftungsklage tatsächlich durchzuführen, wodurch die Gerichte gezwungen wären, offene Fragen hinsichtlich der Übertragbarkeit bestehender Mechanismen auf das Rating zu klären. Zum anderen könnte dies dazu führen, dass diese Fragestellungen auch in den Fokus des Gesetzgebers geraten, sodass möglicherweise auch in Deutschland in Zukunft Vorschriften erlassen werden, welche die offenen Punkte im Rahmen des Art. 35a RatingVO 2013 für das deutsche Recht konkretisieren und so zur Rechtssicherheit beitragen. b) Einfluss der Harmonisierung durch Art. 35a RatingVO 2013 auf die nationalen Regelungen zur Haftungsfreizeichnung Im Folgenden wird untersucht, welchen Einfluss der harmonisierte Haftungstatbestand auf die nationalen Regelungen zur Haftungsfreizeichnung ausübt. Da alle untersuchten Länder gleichermaßen von den Vorgaben des harmonisierten Haftungstatbestandes hinsichtlich der Anforderungen an eine Prüfung der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungsklauseln betroffen sind, wird die Frage nach der Ausstrahlungswirkung dieser Vorgaben auf die nationalen Grundsätze zur Haftungsfreizeichnung für alle drei Rechtsordnungen zusammen untersucht (aa). Gleichwohl nimmt auch in diesem Bereich England aufgrund der bereits erfolgten Konkretisierung dieser Voraussetzungen durch die UK Regulations eine gewisse Sonderstellung ein (bb).
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aa) Untersuchung einer möglichen Ausstrahlungswirkung des Art. 35a Abs. 3 RatingVO 2013 auf die nationalen Regelungen zur Haftungsfreizeichnung Wie oben bereits erläutert972 , sind in Art. 35a Abs. 3 RatingVO 2013 nunmehr auch die Modalitäten der rechtlichen Prüfung von Haftungsbeschränkungen teilweise harmonisiert. Fraglich ist, ob diese Regelungen auf die oben hierzu entwickelten Grundsätze der nationalen Rechtsordnungen ausstrahlen973. Da Art. 35a Abs. 3 RatingVO 2013 ausdrücklich nur auf Haftungsbeschränkungen Anwendung findet, welche die Haftung nach Abs. 1 dieser Vorschrift betreffen, hat diese Norm keine Auswirkung auf Haftungsbeschränkungen, die sich auf rein nationale Haftungstatbestände beziehen. Oftmals finden sich in den Verträgen jedoch Formulierungen, die sich nicht ausschließlich auf bestimmte Haftungstatbestände beziehen, sondern die Haftung für sämtliche denkbaren Haftungstatbestände einschließen. Aus diesem Grund sind sowohl die Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 als auch rein nationale Haftungstatbestände betroffen. Liegt in diesen Fällen eine Klausel vor, die gegen die in Art. 35a Abs. 3 Unterabs. 1 RatingVO 2013 genannten Voraussetzungen verstößt, so stellt sich die Frage, ob der harmonisierte Haftungstatbestand auf diese Weise die Wirksamkeit von Haftungsbegrenzungen bezüglich nationaler Haftungstatbestände beeinflussen könnte: Eine solche Ausstrahlungswirkung wäre dann gegeben, wenn in diesen Fällen die komplette Klausel nach Art. 35a Abs. 3 Unterabs. 2 RatingVO 2013 unabhängig vom Ergebnis einer Prüfung dieser Klausel nach nationalem Recht keine rechtliche Wirkung entfalten würde und nicht nur die Beschränkung der Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 unwirksam wäre. Gemäß Art. 35a Abs. 3 Unterabs. 2 RatingVO 2013 entfaltet die Haftungsbeschränkung keine Wirkung, soweit sie nicht die in Unterabs. 1 des harmonisierten Haftungstatbestandes genannten Voraussetzungen erfüllt. Die Verwendung des Wortes soweit spricht in diesen Fällen für die bloße Teilnichtigkeit der betroffenen Klausel und somit gegen die Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf die nationalen Haftungstatbestände. Es stellt sich jedoch die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass die Gerichte eine solche Teilnichtigkeit einer Haftungsbegrenzungsklausel in der Praxis auch tatsächlich annehmen. Gemäß Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 bleibt die Definition der Begriffe angemessen und verhältnismäßig wie auch die Festlegung der übrigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen dem jeweils geltenden nationalen Recht überlassen. Angesichts des Umstandes, dass diese unbestimmten Rechtsbegriffe den nationalen Rechtsordnungen einen großen Spielraum zu ihrer Auslegung lassen und die jeweiligen nationalen Regelungen bereits ähnliche Rechtsbegriffe zur
972 Vgl. hierzu die Ausführungen zu den bereits harmonisierten und nicht harmonisierten Bereichen, S. 32 ff. 973 Vgl. zu den Grundsätzen der nationalen Rechtsordnungen die Ausführungen oben, S. 137 ff.
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Bestimmung der Wirksamkeit solcher Haftungsbegrenzungen bereithalten974, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Begrifflichkeiten der RatingVO 2013 durch die Gerichte parallel zu bereits bestehenden nationalen Begriffen ausgelegt würden. Aus diesem Grund wird es höchstwahrscheinlich nur in ganz vereinzelten Fällen zur Annahme der Teilnichtigkeit einer Haftungsbeschränkungsklausel kommen: In den allermeisten Fällen werden die Beurteilung der Frage der Wirksamkeit der jeweiligen Haftungsbeschränkung bezüglich der nationalen Tatbestände und die auf Art. 35a Abs. 3 RatingVO 2013 gestützte Beurteilung von Haftungsbeschränkungen zu identischen Ergebnissen führen. Im Gegensatz zu Haftungsbeschränkungen werden in Art. 35a RatingVO 2013 Haftungsausschlüsse nicht explizit geregelt. Fraglich ist demnach, wie mit Klauseln zu verfahren ist, welche die Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 ausschließen. Wie bereits erläutert, vertritt Muller diesbezüglich die Ansicht, dass aus der Vorschrift im Umkehrschluss gefolgert werden könne, dass Haftungsausschlüsse per se unwirksam seien975. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, weil ohne Rückkoppelung im Wortlaut nicht ein anderer Maßstab an Haftungsausschlüsse angelegt werden kann als an sonstige Haftungsbegrenzungen – schließlich stellen erstere auch Haftungsbegrenzungen dar, namentlich solche auf Null. Am Ergebnis wird dies jedoch nur in seltenen Fällen etwas ändern, da Haftungsausschlüsse im Regelfall der Angemessenheits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 nicht standhalten werden. Auch im Rahmen der Beurteilung der Frage der Wirksamkeit von Haftungsausschlüssen wird das Ergebnis der Prüfung letztendlich stark durch die jeweilige „nationale Brille“ geprägt sein. Sofern die nationalen Rechtsordnungen einen Haftungsausschluss für wirksam erachten, besteht somit eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Gerichte auch dessen Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 bejahen. Gleiches ist auch im umgekehrten Fall anzunehmen.
974 Im deutschen Recht ist hierbei der Begriff der „unangemessenen Benachteiligung“ gemäß § 307 BGB zu nennen, im englischen Recht erlaubt der Begriff der reasonableness eine entsprechende parallele Wertung. Vgl. bezüglich des englischen Rechts auch die weiteren Ausführungen zum Einfluss der UK Regulations auf die reasonableness-Prüfung, S. 201 ff. Im französischen Recht hingegen existiert im unternehmerischen Geschäftsverkehr kein vergleichbarer unbestimmter Rechtsbegriff. Jedoch kann auch hier davon ausgegangen werden, dass bei Verstoß gegen eine obligation essentielle die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit nach Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 verneint würde. Gegenüber einem Verbraucher ist nach französischem Recht an den Begriff des déséquilibre significatif (den Verbraucher benachteiligendes signifikantes Ungleichgewicht) des Art. L132-1 Abs. 1 Cconsom. zu denken, der eine entsprechende Parallelwertung ermöglicht. 975 Vgl. zu dieser Ansicht Mullers, oben Fußnote 221 und die entsprechenden Ausführungen im Fließtext.
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bb) Einfluss der UK Regulations auf die Haftungsfreizeichnung nach englischem Recht Wie bereits erörtert, wurden in England durch die UK Regulations die Punkte und Begrifflichkeiten des Art. 35a RatingVO 2013, welche der Definition der nationalen Gesetzgeber überlassen blieben, für das englische Recht bereits konkretisiert. In den Sec. 9 ff. der UK Regulations finden sich Normen, welche die in Art. 35a Abs. 3 und 4 genannten Begrifflichkeiten zur Haftungsbegrenzung von Ratingagenturen zum Gegenstand haben. In Sec. 9a dieser Bestimmungen wird zunächst festgelegt, dass eine Haftungsbeschränkung i. S. d. Art. 35a Abs. 3 lit. b RatingVO 2013 nach englischem Recht generell zulässig ist. In den Sec. 10–12 der UK Regulations werden sodann Faktoren genannt, die durch das Gericht als Indikatoren für die Beurteilung herangezogen werden sollen, ob eine solche i. S. v. Art. 35a Abs. 3 RatingVO 2013 angemessen und verhältnismäßig (reasonable and proportionate) ist. Sofern das Gericht im konkreten Einzelfall einen der dort genannten Faktoren als relevant ansieht, kommt diesem Umstand eine Indizwirkung dahingehend zu, dass die Haftungsbeschränkung angemessen und verhältnismäßig ist976. Absatz 2 der jeweiligen Vorschrift der UK Regulations stellt klar, dass diese Wirkung nicht auch umgekehrt angenommen werden kann. Vom Fehlen eines oder mehrerer der aufgeführten Faktoren kann daher im Umkehrschluss nicht auf das Gegenteil, namentlich auf das Vorliegen einer unangemessenen oder unverhältnismäßigen Haftungsbeschränkung, geschlossen werden. Auffällig ist, dass die Liste der möglichen Indikatoren insgesamt relativ lang ist und dass die hierbei relevanten Faktoren für jede mögliche Gruppe von Anspruchstellern eines Haftungsanspruchs getrennt aufgeführt werden977. Alternativ hierzu wäre es möglich gewesen, alle Aspekte in einer Norm zu regeln und die Frage nach der jeweiligen Relevanz im Einzelfall komplett den Gerichten zu überlassen. Es existieren zum einen einige Faktoren, die gegenüber allen Anspruchstellern relevant werden können, wie beispielsweise die Fragen der Versicherbarkeit des Risikos sowie der Vorhersehbarkeit möglicher Schäden. Zum anderen sind aber auch Punkte enthalten, die lediglich bestimmte Anspruchstellergruppen betreffen. Zu nennen sind hierbei insbesondere der Aspekt eines möglichen Näheverhältnisses zwischen Anleger und Ratingagentur und die Frage, ob die Haftungsbeschränkung individuell vereinbart wurde. Fraglich ist jedoch, ob sich durch die Neuregelung Unterschiede gegenüber der Rechtslage vor Erlass dieser Vorschriften ergeben. Zunächst ist festzuhalten, dass ein gewisses Maß an Rechtssicherheit durch die Tatsache gewonnen wurde, dass Vgl. hierzu auch die Anmerkungen am Ende der UK Regulations in der explanatory note. Für Emittenten eines Auftragsratings stellt Art. 10 UK Regulations die relevante Vorschrift dar, für Emittenten eines auftragslosen Ratings ist hingegen Art. 11 UK Regulations maßgeblich. Die Faktoren, welche gegenüber Anlegern relevant sind, werden in Art. 12 UK Regulations geregelt. 976
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die Normen explizit und detailliert Möglichkeiten und Grenzen der Haftungsbegrenzung für Ratings regeln: Zur Beurteilung der Wirksamkeit solcher Klauseln, welche die Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 betreffen, muss nun nicht mehr auf die allgemeinen Grundsätze des UCTA 1977 zurückgegriffen werden. Da der Katalog der Faktoren, welche für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klauseln relevant sind, nicht abschließend ist, können im jeweiligen Einzelfall auch Faktoren mit einbezogen werden, die darin nicht genannt sind. Dies ließe grundsätzlich Raum für die Gerichte, diejenigen Faktoren des reasonableness-Test des UCTA 1977 mit einzubinden, die in den neuen Regelungen nicht explizit genannt sind. Hier wäre insbesondere an das nach UCTA 1977 besonders relevante Kriterium der relativen Verhandlungsmacht zu denken. Ob die Gerichte hiervon angesichts der detaillierten Liste der einzubeziehenden Faktoren in den Normen der UK Regulations in der Praxis Gebrauch machen, bleibt abzuwarten. Da einerseits in den UK Regulations Aspekte genannt sind, die auch bereits vorher nach UCTA 1977 in eine Abwägung der reasonableness von Haftungsfreizeichnungsklauseln eingeflossen sind978, andererseits aber die Rolle der darin nicht genannten Kriterien in der Rechtsprechungspraxis nicht sicher prognostiziert werden kann, lässt sich keine eindeutige Aussage darüber treffen, ob das Ergebnis einer gerichtlichen Überprüfung solcher Klauseln durch die Neuregelungen anders ausfallen würde. Jedenfalls scheint der weite Spielraum für die Gerichte auch durch die neuen detaillierten Regelungen nicht eingeschränkt zu werden. Diese Unsicherheit im Hinblick auf die Möglichkeit, konkrete Aussagen zur Frage der Wirksamkeit solcher Klauseln nach englischem Recht zu treffen, wird durch den subjektiven Prüfungsmaßstab der Gerichte noch verstärkt979. c) Das Zusammenspiel zwischen dem harmonisierten Haftungstatbestand der RatingVO 2013 und den nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten am Beispiel der deliktischen Haftung gegenüber dem Anlegerpublikum Um den Einfluss der harmonisierten Vorschrift auf die Ergebnisse der rechtsvergleichenden Analyse abschließend klären zu können, wird im Folgenden das Zusammenspiel zwischen dem harmonisierten Haftungstatbestand und den nationalen Regelungen, die in der vorliegenden Konstellation Anwendung finden, untersucht. Dies erfolgt – anders als im Rahmen der Gegenüberstellung der bestehenden Regelungen – anhand des konkreten Beispiels der deliktischen Haftung gegenüber dem Anlegerpublikum im deutschen Recht. Mangels Literatur zu dieser Fragestellung in den beiden anderen untersuchten Ländern wird ausgehend von den Ergebnissen zum deutschen Recht im Anschluss daran geklärt, ob sich diese Feststellungen auch auf die anderen Rechtsordnungen übertragen lassen. 978
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Zu denken ist hier insbesondere an den Aspekt der Versicherbarkeit des Risikos. Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 141 ff.
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Im Grundsatz sind die maßgeblichen Anknüpfungspunkte für eine Haftung aufgrund des Wortlauts des Art. 35a RatingVO 2013 klargestellt: Für Verstöße gegen die Vorgaben der RatingVO 2013 bildet Art. 35a RatingVO 2013 den Anknüpfungspunkt, im Einklang mit den nationalen Regelungen hinsichtlich der in Abs. 4 genannten Begriffe. Im Übrigen gelten für mögliche weitere Haftungsansprüche gemäß Abs. 5 die nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten. Unklar ist jedoch, wie sich Art. 35a RatingVO 2013 zum nationalen Deliktsrecht im Detail verhält. Wie gezeigt, käme nach deutschem Recht unter anderem eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Betracht. Zum Problem im Hinblick auf das Konkurrenzverhältnis beider Vorschriften würde sich dies dann entwickeln, wenn man die entsprechenden Normen der RatingVO 2013 als Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB ansehen könnte, mithin eine Überschneidung der Anwendungsbereiche beider Vorschriften gegeben wäre. Im Rahmen der Sachberichte zur Haftung gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum wurde bereits erläutert980, dass die meisten Normen früherer Fassungen der Ratingverordnung aufgrund ihres primär aufsichtsrechtlichen Charakters dem einzelnen Anleger keinen Drittschutz vermittelten. Dies führte dazu, dass diese Vorschriften vor Inkrafttreten der RatingVO 2013 nicht als Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden konnten. Diese Bewertung muss jedoch seit der Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes im Jahre 2013 hinterfragt werden. Angesichts des Umstandes, dass nunmehr das allgemeine Anlegerpublikum auf Basis des Art. 35a Abs. 1 RatingVO 2013 Schadensersatz bei Verstößen gegen alle im Anhang III der RatingVO 2011 aufgeführten Zuwiderhandlungen geltend machen kann, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass nunmehr eine andere Bewertung der Rechtslage notwendig ist. Es ist anzunehmen, dass durch den harmonisierten Haftungstatbestand die Wertungen des nationalen Zivilrechts dahingehend überlagert werden, dass die Vorschriften des Anhangs III der RatingVO 2011 nunmehr Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB darstellen981. Doch auch gesetzt den Fall, dass eine solche Ausstrahlungswirkung des Art. 35a RatingVO 2013 auf das deutsche Zivilrecht nicht angenommen werden kann, behielten jedenfalls die auch bislang bereits als drittschützend eingestuften Normen der RatingVO weiterhin diese Eigenschaft982 , sodass diesbezüglich eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Frage käme. 980
Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 90 f. Nach überzeugender Ansicht Forschners sprechen hierfür bereits die Erwägungsgründe 24 und 25 des Kommissionsentwurfs, KOM(2011) 747 endg., 2011/0361 (COD), v. 15.11.2013, Forschner, JSE 2012, 5, [19]. Der Entwurf ist abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. Diese Gründe wurden im Wesentlichen in den Wortlaut des Erwägungsgrundes 33 der endgültig verabschiedeten Fassung der RatingVO 2013 übernommen. 982 Dies ist beispielsweise bei Art. 10 Abs. 5 Unterabs. 2 RatingVO 2009 der Fall. Vgl. zum Aspekt des Drittschutzes gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum bereits die Ausführungen oben, S. 90 f. 981
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Dies hat wiederum zur Folge, dass sich die Anwendungsbereiche des Art. 35a RatingVO 2013 und des § 823 Abs. 2 BGB in bestimmten Konstellationen überschneiden. Problematisch wird dies im Hinblick auf den Verschuldensmaßstab: Da in dem seit 2011 bestehenden Katalog des Anhangs III der Ratingverordnung kein Verschuldenserfordernis normiert ist, findet zur Bestimmung der Verschuldensanforderungen § 823 Abs. 2 S. 2 BGB Anwendung. Der Verschuldensmaßstab richtet sich hierbei nach § 276 BGB983, weshalb zur Begründung einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. dem jeweiligen Verstoß des Anhangs III der RatingVO 2011 eine leicht fahrlässige Schutzgesetzverletzung ausreicht984. Da in Art. 35a RatingVO 2013 für solche Verstöße nur eine Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vorgesehen ist, stellt sich die Frage, ob Art. 35a RatingVO 2013 als lex specialis zu § 823 Abs. 2 BGB anzusehen ist und daher der harmonisierte Tatbestand einer Anwendung dieser nationalen Vorschrift entgegensteht. Forschner hat diese Frage aufgrund eines hierdurch entstehenden Wertungswiderspruchs bejaht985. Allerdings hat er hierbei nicht zur endgültigen Regelung des Art. 35a RatingVO 2013 Stellung genommen, sondern zum ursprünglichen Kommissionsentwurf986. In diesem Entwurf war Abs. 5 der endgültigen Fassung des Art. 35a RatingVO 2013 noch nicht enthalten, worin das Verhältnis zu den nationalen Vorschriften geregelt wird. Nach dem Wortlaut dieses Absatzes werden durch Art. 35a RatingVO 2013 weitere zivilrechtliche Haftungsansprüche im Einklang mit dem nationalen Recht nicht ausgeschlossen. Fraglich bleibt angesichts des Wortlauts dennoch, ob dies nur für Ansprüche gelten soll, die keine Haftung für Verstöße gegen die Vorgaben der RatingVO 2013 regeln, oder auch die Haftung für Verstöße gegen die RatingVO 2013 anderweitig zum Vorteil potentieller Kläger geregelt werden könnte, mit der Folge, dass der Haftungsmaßstab in Art. 35a RatingVO 2013 – aus Klägersicht – nur den Mindeststandard vorgeben würde. Liest man Abs. 5 zusammen mit der Passage in Abs. 4, wonach „Fragen der zivilrechtlichen Haftung einer Ratingagentur, die nicht von dieser Verordnung geregelt werden, dem jeweils geltenden nationalen Recht unterliegen“, so könnte man annehmen, dass ersteres der Fall sein sollte, weil der Haftungsmaßstab im harmonisierten Tatbestand geregelt ist und hierin eine Haftung nur im Falle groben Verschuldens vorgesehen ist. Betrachtet man die Regelungen jedoch zusammen mit Erwägungsgrund 35 der Verordnung, so wird deutlich, dass die zweite Alternative wahrscheinlicher ist, da hierin steht: „Den Mitgliedstaaten sollte es insbesondere gestattet sein, nationale Regelungen über die zivilrechtliche Haf-
Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 60. Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 60. 985 Forschner, JSE 2012, 5, [19]. 986 KOM(2011) 747 endg., 2011/0361 (COD), v. 15.11.2013, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. Vgl. zu diesem Vorschlag im Einzelnen bereits die Ausführungen oben, S. 29 ff. 983
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tung beizubehalten, die günstiger für Anleger oder Emittenten sind oder sich nicht auf Verstöße gegen die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 stützen.“ Überdies lautet Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 auch nicht, dass nur solche Haftungsfragen, die nicht von dieser Verordnung geregelt werden, dem nationalen Recht unterliegen, sodass anzunehmen ist, dass eine entsprechende Auslegungsmöglichkeit besteht. Im Ergebnis scheint daher auch bei Verstößen gegen die RatingVO 2013 eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit nach nationalem Recht zulässig987. Das soeben zum deutschen Recht geschilderte Problem und seine Lösung sind im Ergebnis auch auf die anderen beiden Rechtsordnungen übertragbar. Dies liegt darin begründet, dass sowohl nach französischem als auch nach englischem Recht eine deliktsrechtliche Haftung lediglich den Nachweis einfacher Fahrlässigkeit erfordert und nach beiden Rechtsordnungen eine solche Haftung auch in den Fällen denkbar ist, in denen ein Verstoß gegen die Vorgaben der RatingVO 2013 vorliegt, welcher zugleich ein haftungsauslösendes Ereignis i. S. d. Art. 35a RatingVO 2013 darstellt988. 2. Untersuchung des Bedarfs nach weiteren Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf die Haftung von Ratingagenturen Trotz der Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes im Jahre 2013, der die Haftung von Ratingagenturen zum Gegenstand hat, existiert weiterhin eine Vielzahl von Fragestellungen, für deren Beantwortung die nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten heranzuziehen sind: Nationale Ansätze kommen – wie gezeigt – zum einen immer dann zur Anwendung, wenn es sich um Haftungsfragen handelt, die nicht von der RatingVO 2013 geregelt werden. Zum anderen bleiben wichtige Haftungsfragen, die prinzipiell vom Anwendungsbereich des Art. 35a RatingVO 2013 umfasst sind, der Ausge-
987 Im Ergebnis ebenso Dutta, WM 2013, 1729, [1735]; a. A. Berger/Ryborz, WM 2014, 2241, [2247]; Wojcik, NJW 2013, 2385, [2389]. 988 Unterschiede zwischen den drei untersuchten Ländern ergeben sich jedoch im Hinblick auf die Relevanz dieser Kollisionsproblematik. Wie bereits herausgearbeitet wurde, wird im englischen Recht eine duty of care gegenüber Dritten im Rahmen des tort of negligence nur sehr restriktiv angenommen. Das hat zur Folge, dass es in der Praxis nur wenige Fälle geben wird, in denen tatsächlich eine Überschneidung der Anwendungsbereiche des harmonisierten Haftungstatbestandes und des tort of negligence im soeben zum deutschen Recht herausgearbeiteten Sinne vorliegt. Demgegenüber sind solche Kollisionsfälle sowohl im deutschen als auch im französischen Recht in der Praxis durchaus denkbar. In Bezug auf das deutsche Recht wurde dies bereits dargestellt. Da in Frankreich mit Art. L544-5 CMF ein spezieller deliktischer Tatbestand existiert, in welchem die Haftung für Verstöße gegen die Ratingverordnung explizit geregelt wird und in dessen Rahmen einfache Fahrlässigkeit für eine Haftung genügt, ist das Problem in Frankreich sogar noch offensichtlicher als im deutschen Recht, weil insoweit die Überlegung zur Schutzgesetzeigenschaft der Normen der Ratingverordnung nicht vorher angestellt werden muss.
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staltung durch die Mitgliedstaaten überlassen, weshalb sich die Haftung von Ratingagenturen insgesamt auch weiterhin zu einem großen Teil nach nationalen Regelungen richtet. Eine weitergehende Harmonisierung der Haftungsfrage scheiterte in der politischen Diskussion im Vorfeld der Einführung des Art. 35a RatingVO 2013 letzten Endes am Widerstand Englands, da das Land unter anderem aus Sorge um die Attraktivität des Finanzplatzes London an einem größtmöglichen Einfluss der einzelnen Mitgliedstaaten festhalten wollte989. Um beurteilen zu können, ob der harmonisierte Tatbestand in der aktuellen Form zur Gewährleistung einer für alle Parteien gerechten Lösung der Haftungsfrage ausreichend ist, werden zunächst – in der gebotenen Kürze – die wichtigsten Vor- und Nachteile der bestehenden Vorschriften in der EU herausgearbeitet (a). Anschließend wird anhand konkreter, bisher nicht harmonisierter Punkte die Frage des Erfordernisses einer weiteren Vereinheitlichung gestellt (b). a) Vor- und Nachteile der bestehenden Regelungen zur Haftung von Ratingagenturen in der EU Die bestehenden Regelungen in der EU, welche die Haftung von Ratingagenturen zum Gegenstand haben, namentlich der harmonisierte Haftungstatbestand des Art. 35a RatingVO 2013 mit den jeweiligen nationalen Vorschriften im Zusammenspiel, bieten insbesondere folgende Vor- und Nachteile: aa) Vorteile der bestehenden Regelungen Die in großen Teilen trotz Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes im Jahr 2013 bestehende Weitergeltung der nationalen Regelungen zur Haftung von Ratingagenturen hat zunächst den Vorteil, dass Kollisionsprobleme zwischen nationalen Regelungen und Art. 35a RatingVO 2013 weitgehend vermieden werden: Da insbesondere die Auslegung der wesentlichen Begrifflichkeiten des Art. 35a RatingVO 2013 den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, passt sich der bestehende Tatbestand in die nationalen Haftungsregelungen der einzelnen Mitgliedstaaten ein, sodass innerhalb des jeweiligen Mitgliedstaates eine einheitliche Auslegung der Begriffe gewährleistet ist. Eine weitergehende Harmonisierung dieser Begrifflichkeiten hätte dagegen ihre autonome Auslegung innerhalb der EU zur Folge, eine einheitliche Auslegung innerhalb des jeweiligen nationalen Haftungsrechts wäre dadurch wohl nicht mehr möglich. Zwar mögen einige bestehende Lösungsansätze der Mitgliedstaaten auf den ersten Blick konstruiert wirken, wie beispielsweise die Dritthaftung der Rating-
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Vgl. hierzu bereits die Ausführungen in Fußnote 195.
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agenturen im deutschen Recht, richtig angewandt bieten solche Konstrukte jedoch die Möglichkeit zur Berücksichtigung der Interessen beider Parteien, indem eine Haftung in den erforderlichen Fällen sichergestellt, gleichwohl aber die Gefahr einer ausufernden Haftung gebannt werden kann. Durch die Einführung eines weitergehenden harmonisierten Haftungstatbestandes würden solche ausdifferenzierten nationalen Lösungen verdrängt und die Souveränität der Mitgliedstaaten weiter eingeschränkt. bb) Nachteile der bestehenden Regelungen Den soeben beschriebenen Vorteilen der bestehenden Vorschriften stehen folgende Nachteile gegenüber: Wie oben festgestellt, bestehen im Moment trotz Einführung eines harmonisierten Haftungstatbestandes aufgrund der Lückenhaftigkeit dieser Norm in ihrer derzeitigen Ausgestaltung noch immer stark unterschiedliche Haftungsniveaus innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten der EU. Hierdurch wird für die Ratingagenturen weiterhin ein Anreiz dahingehend gesetzt, dass sie sich die für sie günstigste Rechtsordnung aussuchen (sog. shopping around), obwohl dieser Tendenz eigentlich durch die Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes entgegengewirkt werden sollte990. Dies führt dazu, dass bereits bestehende Marktungleichgewichte zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, die auf die unterschiedlichen Haftungsniveaus zurückzuführen sind, erhalten bleiben. Überdies könnten diese Ungleichgewichte in Zukunft sogar noch verstärkt werden, wenn die verschiedenen nationalen Ansätze sich aufgrund unterschiedlicher Gesetzgebung weiter voneinander entfernen, anstatt sich diesbezüglich anzunähern. Auf Seiten derjenigen Mitgliedstaaten, die eine striktere Haftung implementiert haben, sind Wettbewerbsnachteile in Form eines schlechteren Rufes am Kapitalmarkt zu befürchten991, andere Mitgliedstaaten hingegen könnten weiterhin von ihren weniger strikten bzw. teilweise kaum existenten Haftungsregelungen in Bezug auf Ratingagenturen profitieren. Des Weiteren bestehen bei vorwiegend nationalen Lösungen zu einem so international angelegten Sachverhalt wie dem Rating naturgemäß für sämtliche Beteiligten gewisse Rechtsunsicherheiten in Bezug auf die nationalen Haftungstatbe-
990 Vgl. zu dieser Zielsetzung bereits die Ausführungen oben, Fußnote 192, und die Presseveröffentlichung der Europäischen Kommission vom 16.01.2013, New rules on credit rating agencies (CRAs) – frequently asked questions, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 991 Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 18.
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
stände an sich992 und in Bezug auf prozessuale Vorfragen993, die durch einen umfassenden harmonisierten Haftungstatbestand zumindest minimiert werden könnten. Nach alledem kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die bestehenden Vorschriften zur Lösung des Problems der Haftung von Ratingagenturen zwar gewisse Vorzüge aufweisen, diesen jedoch auch gewichtige Nachteile gegenüberstehen, weshalb im Folgenden die Sinnhaftigkeit weiterer Harmonisierungsmaßnahmen geprüft wird. b) Frage des Erfordernisses weiterer Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf die Haftung von Ratingagenturen Die Frage des Bedarfes nach einer weitergehenden Harmonisierung bezüglich der Haftung von Ratingagenturen wird nachfolgend anhand konkreter, bisher noch nicht vereinheitlichter Punkte untersucht, die teilweise auch bereits im Gesetzgebungsverfahren zur aktuellen Fassung des Art. 35a RatingVO 2013 diskutiert wurden. aa) Bedarf nach einer Harmonisierung der in Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 genannten Begriffe Wie bereits dargestellt, bleibt die Auslegung und Anwendung wesentlicher Kernbegriffe der harmonisierten Haftungsnorm gemäß Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 dem einzelstaatlichen Recht gemäß den Bestimmungen des Internationalen Privatrechts vorbehalten. Besonders offensichtlich ist dies bei der Frage des Haf992 In den drei untersuchten Mitgliedstaaten der EU sind hierbei insbesondere die folgenden Aspekte von Relevanz: Im deutschen Recht ist eine große Rechtsunsicherheit des rein nationalen Ansatzes zur Haftung von Ratingagenturen gegeben, da weder ein spezielles Gesetz existiert, das diese Fragestellung löst, noch Rechtsprechung hierzu vorhanden ist, sodass es sich bisher um eine rein akademische Aufarbeitung der Problemstellung handelt. Gleiches gilt noch verstärkt für England, weil gerade das case law-System auf Präzedenzfälle angewiesen ist und solche für die Haftung von Ratingagenturen bislang nicht existieren, sodass eine noch größere Unsicherheit im Hinblick auf eine potentielle Übertragbarkeit möglicherweise ähnlich gelagerter Fälle besteht. Lediglich im Bereich der RatingVO 2013 existieren mittlerweile im englischen Recht Regelungen, die auf diesem Gebiet ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit herstellen, da darin sehr konkrete Regelungen enthalten sind, welche die Rechtslage relativ vorhersehbar machen. Insgesamt besteht in England jedoch eine hohe Diskrepanz hinsichtlich des Maßes an Rechtssicherheit zwischen Verstößen innerhalb und solchen außerhalb des Anwendungsbereiches der RatingVO 2013. Beleuchtet man die Situation in Frankreich, so ist aufgrund des Art. L544-5 CMF ein relativ hohes Maß an Rechtssicherheit feststellbar, das vor allem auch bereits vor Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes bestand. Dennoch sind auch im französischen Recht weiterhin einige Fragen unklar. Dies betrifft insbesondere die Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale und das Verhältnis der Tatbestände zueinander, weil auch in Frankreich zur Frage der Haftung von Ratingagenturen bislang noch keine Rechtsprechung vorhanden ist. 993 Dies betrifft insbesondere die Frage des zuständigen Gerichts sowie des anwendbaren Rechts. Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen oben, S. 107 ff.
III. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013
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tungsmaßstabes, weil in Art. 35a RatingVO 2013 zwar der Haftungsmaßstab an sich geregelt ist, nicht jedoch, wie die maßgeblichen Begriffe „Vorsatz“ und „grobe Fahrlässigkeit“ definiert werden. Der Vorschlag der EU-Kommission hatte im Gegensatz hierzu noch eine Definition des Begriffes der groben Fahrlässigkeit vorgesehen. Nach dieser Definition handelt eine Ratingagentur dann grob fahrlässig, wenn sie die Pflichten, welche ihr durch die Ratingverordnung auferlegt wurden, gröblich vernachlässigt994. Vergleicht man diesen Wortlaut mit dem Wortlaut der Definition in Art. 4 der UK Regulations995, so fällt auf, dass England auch diesbezüglich einen Weg gegangen ist, der zu einer möglichst restriktiven Haftung führen soll. Wie bereits erörtert, sind hierbei zwar keine wesentlichen Abweichungen gegenüber den üblicherweise im englischen Recht verwandten Begrifflichkeiten (insbesondere recklessness – Rücksichtslosigkeit – als Bezugspunkt) zu erkennen. Allerdings werden von Art. 4 der UK Regulations nur Handlungen der oberen Führungsebene (senior management) erfasst, sodass Verstöße gegen die Vorschriften der RatingVO 2013, die von anderen Personen begangen wurden, also insbesondere auch von Mitarbeitern der mittleren Führungsebene, nach englischem Recht nicht geeignet sind, eine Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 zu begründen. Bewertet man dies im Hinblick auf die Frage, ob eine einheitliche Definition der Begrifflichkeiten vorzugswürdig wäre, fällt zunächst auf, dass auch an dem soeben beschriebenen konkreten Beispiel die vorhin bereits abstrakt aufgezeigten Vor- und Nachteile einzelstaatlicher Regelungen deutlich werden. Einerseits wird hierdurch eine im Wesentlichen problemlose Einpassung der neuen Regelungen in die bestehenden Begrifflichkeiten und Definitionen des englischen Rechtssystems gewährleistet. Andererseits führt dies jedoch auch dazu, dass bestehende Unterschiede in den Haftungsniveaus der einzelnen Länder nicht reduziert, sondern teilweise sogar verstärkt werden: Vergleicht man die oben zum englischen Recht aufgezeigte Definition mit der im deutschen Rechtsverkehr üblichen Definition der groben Fahrlässigkeit als Außerachtlassung der im rechtlichen Verkehr erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße996, so wird erkennbar, dass die englischen Anforderungen für die Annahme grober Fahrlässigkeit strenger sind997. Hieran wird deutlich, dass England nicht nur in Bezug auf die nationalen deliktsrechtlichen Tatbestände, sondern auch im Rahmen des harmonisierten Haftungstatbestandes strengere Anforderungen an das Verschulden stellt als das
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KOM(2011) 747 endg. v. 15.11.2013, § 35a Abs. 3. Vgl. zu den UK Regulations im Detail die Ausführungen oben, S. 38 f. 996 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 277, Rn. 5. 997 Dies ergibt sich zum einen daraus, dass von der deutschen Definition nicht nur Handlungen der oberen Führungsebene erfasst werden, zum anderen ist auch der englische Begriff der Rücksichtslosigkeit an strengere Voraussetzungen geknüpft als der nach deutschem Recht erforderliche grobe Sorgfaltspflichtverstoß. 995
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
deutsche Recht, mithin die bereits bestehenden Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen noch verstärkt werden. Bezieht man in diese Überlegungen mit ein, dass der Begriff der „groben Fahrlässigkeit“ in der französischen Fassung der RatingVO 2013 mit négligence grave bezeichnet wird, dieser Begriff im französischen Rechtskreis jedoch eher unüblich ist998, so wird eine weitere Schwäche fehlender einheitlicher Definitionen erkennbar: Zumindest so lange, bis alle Länder ergänzende Vorschriften zu Art. 35a RatingVO 2013 erlassen haben, durch welche die maßgeblichen Begriffe definiert werden, besteht für sämtliche Beteiligte eine Rechtsunsicherheit hinsichtlich ihrer genauen Bedeutung in den einzelnen Ländern. Diese soeben aufgezeigte Rechtsunsicherheit besteht überdies nicht nur im Einzelfall des Begriffs der „groben Fahrlässigkeit“ im französischen Recht, vielmehr sind in Art. 35a RatingVO 2013 weitere, vergleichbar unklare Begrifflichkeiten enthalten. Im deutschen Recht ist dies beispielsweise hinsichtlich des Begriffes der „Verhältnismäßigkeit“ i. S. d. Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 der Fall. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist zwar auch in Deutschland gebräuchlich, jedoch nicht in Zusammenhang mit der Prüfung von Haftungsbegrenzungen, wie es im Rahmen des harmonisierten Haftungstatbestandes der Fall ist. Daher stellt sich die Frage, wie der Begriff der „Verhältnismäßigkeit“ in diesem Kontext nach deutschem Recht richtig auszulegen ist999. Nach alledem ist im Ergebnis eine einheitliche Definition der für die Haftung maßgeblichen Begriffe durch den europäischen Gesetzgeber zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und zur effektiven Durchsetzung des harmonisierten Haftungstatbestandes in allen Mitgliedstaaten dringend zu empfehlen. Auf diese Weise kann – wie Steinrötter zutreffend herausarbeitet – seitens des Unionsgesetzgebers in Zukunft die Chance genutzt werden, an dieser Stelle eine autonome Auslegung der Begrifflichkeiten über die Rechtsprechung des EuGH zu ermögli-
998 Wie bereits dargestellt, ist im französischen Recht eher der Begriff faute lourde gebräuchlich. Dieser entspricht in etwa dem deutschen Verständnis des Begriffs der groben Fahrlässigkeit. 999 Insbesondere ist hierbei fraglich, welche Bedeutung dem Begriff der „Verhältnismäßigkeit“ im Verhältnis zu dem Begriff der „Angemessenheit“ zukommt, welcher ebenfalls gemäß Art. 35a Abs. 4 RatingVO 2013 als Maßstab zur Prüfung der Wirksamkeit einer Haftungsbegrenzung heranzuziehen ist. Im Gegensatz zu dem erstgenannten Begriff kennt das deutsche Recht eine „Angemessenheitsprüfung“ auch im Rahmen der AGB-Kontrolle, da gemäß § 307 BGB zu prüfen ist, ob eine „unangemessene Benachteiligung“ vorliegt, weshalb es naheliegend erscheint, insoweit einen parallelen Maßstab anzunehmen. Vgl. hierzu bereits Berger/Ryborz, WM 2014, 2241, [2247]. Fraglich ist jedoch, ob dem Begriff der „Verhältnismäßigkeit“ im Rahmen dieser Prüfung eine eigenständige Bedeutung zukommt, welche die „Angemessenheitsprüfung“ überlagern und auf diese Weise im Einzelfall zu abweichenden Ergebnissen führen kann. Angesichts des Umstandes, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bereits ein anerkanntes Bewertungskriterium im Rahmen der „Angemessenheitsprüfung“ nach § 307 BGB darstellt, ist dies eher nicht zu erwarten, Coester, in: Staudinger, BGB, Buch 2, § 307, Rn. 98.
III. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013
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chen. Sollte dies nicht geschehen, ist eine „Renationalisierung“ der Haftungsvorschrift vorgezeichnet1000. bb) Bedarf nach einer Harmonisierung außerhalb des bestehenden Katalogs an Verstößen, bezüglich nicht geregelter Rechtsinstitute und wichtiger Vorfragen einer Haftung Wie bereits gezeigt, findet Art. 35a RatingVO 2013 zwar keine Anwendung auf Verstöße, die außerhalb der in Anhang III der RatingVO 2011 genannten denkbaren Zuwiderhandlungen begangen werden, weitergehende nationale Ansprüche werden hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen. Fraglich ist, ob dieser Umfang der Harmonisierung ausreichend ist, oder ob eine darüber hinausgehende Vereinheitlichung der Haftungsvorschrift vorzugswürdig wäre. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den in Anhang III der RatingVO 2011 aufgeführten Zuwiderhandlungen vor allem um Offenlegungs- und organisatorische Pflichten handelt1001, steht zu befürchten, dass Art. 35a RatingVO 2013 in der Praxis häufig leerlaufen wird1002: Bei solchen Verstößen dürfte eine erfolgreiche Geltendmachung eines Haftungsanspruches oftmals bereits daran scheitern, dass der in Art. 35a Abs. 1 RatingVO 2013 geforderte Kausalzusammenhang zwischen Zuwiderhandlung und Auswirkung auf das konkrete Ratingergebnis nicht besteht1003. Die Folge hiervon ist, dass Emittenten und Anleger in den allermeisten Fällen trotz der bestehenden harmonisierten Vorschrift wieder gänzlich auf nationale Regelungen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen Ratingagenturen zurückgreifen müssen. Um die damit verbundenen, bereits aufgezeigten negativen Konsequenzen zu vermeiden und um der harmonisierten Regelung einen breiteren praktischen Anwendungsbereich zu verschaffen, bedarf es zumindest einer Erweiterung des bestehenden Pflichtenkataloges um solche Pflichten, die zumindest potentiell eine Auswirkung auf das Ratingergebnis haben können. Idealerweise sollte die Haftung jedoch gänzlich von dem primär aufsichtsrechtlich geprägten Katalog des Anhangs III der RatingVO 2011 losgelöst werden. Vorzugswürdig erscheint – im
Steinrötter, ZIP 2015, 110, [113]. Forschner, JSE 2012, 5, [19]. Vgl. zu den in der Ratingverordnung genannten Pflichten im Einzelnen auch bereits die Ausführungen oben, S. 18 ff. 1002 Eine Ausnahme hiervon könnte Verstoß Nr. 42 des 1. Unterabschnitts des Anhangs III der RatingVO 2011 darstellen. In diesen Fällen, namentlich wenn die Ratingagentur keine geeigneten Verfahren annimmt, umsetzt oder durchsetzt, um sicherzustellen, dass die von ihr abgegebenen Ratings auf einer gründlichen Analyse aller Informationen basieren, die ihr zur Verfügung standen und die nach anerkannten Methoden für ihr Rating bedeutsam sind, ist eine Haftungsrelevanz durchaus denkbar. Vgl. hierzu Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 490; Halfmeier, VuR 2014, 327, [333]. 1003 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2387]. 1000 1001
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
Sinne Wagners und Duttas – die Anknüpfung der Haftung an ein objektiv fehlerhaftes Rating1004. Darüber hinaus wird in Art. 35a RatingVO 2013 die Anwendbarkeit einiger sonstiger zivilrechtlicher Rechtsinstitute und Fragestellungen nicht geregelt, wie beispielsweise die Frage der Verjährung des Haftungsanspruchs oder der Aspekt einer möglichen Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens des Anspruchstellers. Dies hat zur Folge, dass diese Fragen gemäß Art. 35a Abs. 4 S. 2 RatingVO 2013 über das Kollisionsrecht geklärt werden müssen. Welche Konsequenzen eine fehlende Regelung solch wichtiger Bereiche nach sich zieht, lässt sich am Beispiel Englands erkennen: Dort wurden die bestehenden gesetzlichen Spielräume der RatingVO 2013 genutzt, um die Haftungsregelungen durch die neu geschaffenen UK Regulations möglichst günstig für die Ratingagenturen und spiegelbildlich dazu möglichst ungünstig für potentielle Anspruchsteller auszugestalten. Wie bereits dargestellt, zeigen derartige Tendenzen sowohl die relativ kurze Verjährungsfrist von einem Jahr als auch die Ausdehnung der im common law üblichen Schadensminderungspflichten sowie die Regelungen zum Mitverschulden des Anspruchstellers1005. Um diese Möglichkeiten zur restriktiven Umsetzung der Vorgaben der RatingVO 2013 künftig zu vermeiden, sollte auch diesbezüglich durch den europäischen Gesetzgeber nachgebessert werden. Wie gezeigt, führen rein nationale Regelungen zu einer international angelegten Fragestellung wie der Haftung von Ratingagenturen dazu, dass sich komplexe Vorfragen bei der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs stellen, mithin die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Recht geklärt werden müssen. Gerade hinsichtlich solcher Fragen wäre eine harmonisierte Regelung eine gute Gelegenheit zur Vereinfachung der Situation für sämtliche Beteiligte. Diese Chance wird jedoch nach aktueller Sachlage nicht genutzt. Vielmehr ist genau das Gegenteil der Fall: Dadurch, dass mit Art. 35a RatingVO 2013 ein weiterer Haftungstatbestand geschaffen wurde, bei dem weder das Verhältnis zu den nationalen Regelungen genau geklärt, noch eine einheitliche Regelung hinsichtlich des anwendbaren Rechts und der internationalen Zuständigkeit getroffen wird, wird die Situation für die Beteiligten nur noch undurchsichtiger1006. In Zukunft sollte das mit der harmonisierten Regelung verbundene große Potential, diesbezüglich für mehr Klarheit zu sorgen, unbedingt genutzt werden.
1004 Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 494; Dutta, IPRax 2014, 33, [41]. 1005 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben zum Punkt „Englands Reaktion auf die bestehenden Spielräume“, S. 38 f. 1006 Vgl. zu den Problemen, die sich hierbei im Einzelnen stellen, im Detail Steinrötter, ZIP 2015, 110, [111 ff.].
III. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013
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cc) Bedarf nach einer harmonisierten Beweislastumkehr Wie auch nach den nationalen Rechtsordnungen in der Regel der Fall, trifft den jeweiligen Kläger eines Haftungsanspruchs auch bei der Geltendmachung eines solchen aus Art. 35a RatingVO 2013 die Beweislast hinsichtlich sämtlicher anspruchsbegründender Tatsachen, Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 2 und Abs. 2 RatingVO 2013. Im ursprünglichen Entwurf der RatingVO 2013 war zwar noch eine Beweislastumkehr bezüglich der Auswirkung des Verstoßes gegen diese Verordnung auf das Rating vorgesehen1007, in der endgültigen Fassung des harmonisierten Haftungstatbestandes wurde dieser Aspekt jedoch nicht umgesetzt. Die endgültige Fassung des Art. 35a Abs. 2 RatingVO 2013 sieht nur noch eine gewisse Beweiserleichterung für Kläger vor, indem hinsichtlich des Nachweises eines Verstoßes gegen die Ratingverordnung und der Auswirkung dieser Zuwiderhandlung auf das Rating der Maßstab an den substantiierten Klägervortrag abgesenkt wird1008. Im Folgenden wird untersucht, welche Nachweisprobleme für Kläger im Rahmen des harmonisierten Haftungstatbestandes im Einzelnen bestehen. Auf dieser Basis wird geklärt, ob die soeben beschriebene Entscheidung des Gesetzgebers in Bezug auf die Beweislast sinnvoll war. Darüber hinaus wird erläutert, wie die Beweislast im Rahmen des harmonisierten Haftungstatbestandes idealerweise verteilt sein sollte. Da es sich insbesondere für Anleger – wie gezeigt – tatsächlich sehr schwierig gestaltet, sämtliche für den Nachweis eines Verstoßes gegen Anhang III der RatingVO 2011 notwendigen Informationen, die sich in der Sphäre der Ratingagentur befinden, zu erhalten, stellt die eingeführte Beweiserleichterung ein wichtiges 1007 Art. 35a Abs. 2 dieses Vorschlages hatte folgenden Wortlaut: „Es wird davon ausgegangen, dass sich eine Zuwiderhandlung auf ein Rating ausgewirkt hat, wenn sich das von der Ratingagentur abgegebene Rating von dem Rating unterscheidet, das abgegeben worden wäre, wenn die Ratingagentur die Zuwiderhandlung nicht begangen hätte.“ Hinzu kommt, dass der Anleger (eine Haftung gegenüber Emittenten war nicht vorgesehen) gemäß Art. 35a Abs. 4 des ursprünglichen Entwurfs der RatingVO lediglich Tatsachen hätte vortragen müssen, die den Schluss auf einen Verstoß gegen die Pflichten der Verordnung zulassen. Es wäre demnach Sache der Ratingagentur gewesen, nachzuweisen, dass sie den konkreten Pflichtverstoß entweder nicht begangen hat oder dieser keinen Einfluss auf das Rating hatte, vgl. Europäische Kommission, KOM(2011) 747 endg. v. 15.11.2013, S. 37 f.; Forschner, JSE 2012, 5, [19]. 1008 Konkret muss nach Art. 35a Abs. 2 RatingVO 2013 bei der Frage, welche „genauen und detaillierten Informationen“ gegenüber dem jeweiligen Gericht zum Nachweis des Verstoßes gegen die RatingVO 2013 und der Auswirkung dieser Zuwiderhandlung auf das Rating erforderlich sind, seitens des Gerichts berücksichtigt werden, dass potentielle Anspruchsteller möglicherweise keinen Zugang zu Informationen haben, die sich ausschließlich in der Sphäre der Ratingagentur befinden. Deutsche Gerichte werden sich diesbezüglich voraussichtlich an den Grundsätzen zur „sekundären Behauptungslast“ orientieren, wie sie seitens des BGH entwickelt wurden, BGHZ 86, 23, [29]; BGHZ 100, 190, [196]; Berger/Ryborz, WM 2014, 2241, [2246]. Dies bedeutet umgekehrt, dass an das Bestreiten des Klägervortrages seitens der Ratingagentur entsprechend höhere Anforderungen gestellt werden müssen. Vgl. hierzu im Einzelnen Kontogeorgou, DStR 2014, 1397, [1403]; Wojcik, NJW 2013, 2385, [2388].
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
Mittel dar, um diesem Problem zu begegnen1009. Betrachtet man jedoch die Gesamtheit der bereits aufgezeigten Beweisschwierigkeiten potentieller Kläger, so stellt die Substantiierungserleichterung lediglich einen „Tropfen auf den heißen Stein“ dar, weil viele Nachweisprobleme weiterhin bestehen bleiben: Zum einen wird – wie Wojcik zutreffend feststellt – das eigentliche Problem möglicher Kläger hinsichtlich der Informationsbeschaffung, namentlich überhaupt Informationen von den Ratingagenturen zu erhalten, die auf einen Verstoß gemäß Anhang III der RatingVO 2011 schließen lassen, dadurch nicht gelöst1010. Zum anderen bestehen weiterhin Nachweisprobleme hinsichtlich des Verschuldens der Ratingagenturen sowie der Kausalität zwischen dem Verstoß gegen Anhang III der RatingVO 2011 und dem Schadenseintritt auf Seiten des jeweiligen Klägers1011. Vergleicht man diese Nachweisprobleme potentieller Kläger mit den oben im Rahmen der Untersuchung der nationalen Rechtsordnungen dargestellten Aspekten1012 , so fällt auf, dass die Probleme im Wesentlichen identisch sind. Ein bedeutender Unterschied darf hierbei jedoch nicht außer Acht gelassen werden: Im Gegensatz zu den oben aufgezeigten nationalen Regelungen werden von der harmonisierten Vorschrift nur Verstöße der Ratingagenturen gegen bestimmte Pflichten erfasst, und nicht sämtliche im Hinblick auf eine Haftungsbegründung denkbaren Verstöße. Der begrenzte Katalog an Verstößen, der für eine Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 in Frage kommt, führt zu einem weiteren Nachweisproblem für Kläger im Rahmen der Geltendmachung eines solchen Anspruchs: Aufgrund des überwiegend organisatorischen Charakters der im Anhang III der RatingVO 2011 aufgeführten Verstöße kann die Auswirkung eines solchen Verstoßes auf das Ratingergebnis nur in wenigen Fällen nachgewiesen werden. Diesbezüglich könnte die Einführung einer Beweislastumkehr, wie im ursprünglichen Entwurf des harmonisierten Haftungstatbestandes vorgesehen, grundsätzlich etwas Abhilfe schaffen, da insoweit die Ratingagentur in der Pflicht wäre, sich hinsichtlich des fehlenden Einflusses des Pflichtverstoßes auf die Bonitätsbeurteilung zu entlasten1013.
1009 Nur wenn dieser Umstand durch die Gerichte bei der Beweiswürdigung Berücksichtigung findet, kann ein erfolgreicher Nachweis in der Praxis überhaupt gelingen. Zwar ist anzunehmen, dass die Gerichte diesen Umstand ohnehin entsprechend gewürdigt hätten, durch eine gesetzliche Regelung wird dies jedoch flächendeckend sichergestellt. 1010 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2388]. 1011 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2388]; Forschner, JSE 2012, 5, [19]. 1012 Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 127 ff. 1013 Am Gesamtergebnis der Prüfung des Anspruchs aus Art. 35a RatingVO 2013 würde dies jedoch in den meisten Fällen voraussichtlich nichts ändern, weil ein diesbezüglicher Entlastungsbeweis seitens der Ratingagenturen aufgrund des Charakters der im Anhang III der Verordnung genannten Verstöße relativ leicht geführt werden könnte. Unter anderem dieser Umstand führt dazu, dass Forschner sogar den ursprünglichen Entwurf des Haftungstatbestandes eher als „zahnlosen Tiger“ bewertete denn als „scharfes Schwert“, Forschner, JSE 2012, 5, [19]. Dies muss umso mehr für den endgültig beschlossenen Wortlaut gelten, als dieser die Situation für potentielle Anspruchsteller im Verhältnis hierzu noch verschlechtert hat.
III. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013
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Obwohl auf der Seite des jeweiligen Klägers die soeben aufgezeigten erheblichen Nachweisprobleme bei der Geltendmachung eines Anspruchs aus Art. 35a RatingVO 2013 bestehen, weshalb die Einführung einer umfassenden Beweislastumkehr zu deren Abhilfe auf den ersten Blick erforderlich erscheint, sollten diesbezüglich keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Zur endgültigen Beurteilung dieser Frage ist vielmehr eine umfassende Abwägung der Interessen beider Parteien erforderlich. Da hinsichtlich der bei einer solchen Abwägung zu berücksichtigenden Interessen im Wesentlichen dieselben Aspekte von Relevanz sind, die oben im Rahmen der nationalen Regelungen bereits aufgezeigt wurden, kann diesbezüglich größtenteils auf oben verwiesen werden1014. Es sollen im Folgenden nur einige Aspekte herausgegriffen werden, die für den harmonisierten Tatbestand von besonderer Bedeutung sind: Auch im Rahmen des Art. 35a RatingVO 2013 sollte den Ratingagenturen die Pflicht zum Nachweis der fehlerfreien Erstellung des jeweiligen streitgegenständlichen Ratings aufgrund der damit verbundenen Verpflichtung zur Offenlegung der angewandten Ratingmethoden und sämtlicher Einflussfaktoren im Ratingverfahren nur in Ausnahmefällen abverlangt werden und auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen ein solches Vorgehen nach einer Interessenabwägung angemessen erscheint1015. Um dies zu gewährleisten1016, sollte trotz der aufgezeigten Probleme der Kläger in Bezug auf die Informationsbeschaffung aus der Sphäre der Ratingagenturen auch im Rahmen des harmonisierten Haftungstatbestandes auf die Einführung einer Beweislastumkehr in Bezug auf den Pflichtverstoß als solchen verzichtet werden. Um überdies zu vermeiden, dass durch die Einführung einer umfassenden harmonisierten Beweislastumkehr die Eigenverantwortlichkeit der Teilnehmer auf dem Kapitalmarkt zurückgedrängt und ihre strikte Ratinggläubigkeit potentiell noch verstärkt wird, was den eigentlichen Zielen der RatingVO 2013 zuwiderlaufen würde, erscheint eine nur maßvolle Beweiserleichterung für die Kläger entspre1014
Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 128 ff. Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 128 ff. Ein Zwang hierzu stünde überdies im Widerspruch zu den Anforderungen der RatingVO 2013, da in Erwägungsgrund 11 dieser Verordnung klar hervorgehoben wird, dass durch die Vorschriften der Wettbewerb auf dem Ratingmarkt gestärkt werden soll. Zu hohe Haftungsrisiken und die Gefahr der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen würden jedoch potentielle neue kleinere Agenturen vom Marktzugang abschrecken, sodass ihre potentiell innovativen Ratingmethoden keine Chance hätten, auf dem Markt zu bestehen. Vgl. zu diesem Aspekt in Bezug auf den ursprünglichen Änderungsentwurf der RatingVO 2013 bereits Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 14. 1016 Im Vergleich zu den nationalen Vorschriften bestünde dieses Problem im Falle der Einführung einer harmonisierten Beweislastumkehr bezüglich des Pflichtverstoßes im Rahmen des Art. 35a RatingVO 2013 jedoch in weitaus weniger Fällen: Auch insoweit spielt der im Wesentlichen organisatorische Charakter der Verstöße des Anhangs III der RatingVO 2011 eine Rolle, weil aus diesem Grund sowohl der Nachweis eines nicht gegebenen Verstoßes hiergegen als auch der Nachweis der fehlenden Kausalität zwischen Verstoß und Auswirkung auf das Ratingergebnis meist auch ohne die Offenlegung sämtlicher Einflussfaktoren des Ratings gelingen wird. 1015
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
chend des oben beschriebenen Kompromisses für die nationalen Regelungen auch im Rahmen des Art. 35a RatingVO 2013 angemessen: Zur Absenkung der zu hohen Beweishürden für potentielle Kläger ist eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität zwischen dem für eine Haftung erforderlichen Verstoß gegen die Pflichten der RatingVO 2011 und der ebenfalls erforderlichen Auswirkung auf das Ratingergebnis entsprechend des ursprünglichen Entwurfs des harmonisierten Haftungstatbestandes sinnvoll – Ratingagenturen können sich hiervon im Zweifelsfall relativ leicht entlasten. Eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität zwischen fehlerhaftem Rating und Schaden erscheint auch im Rahmen des Art. 35a RatingVO 2013 zu weitgehend, da dies über das hinausgehen würde, was zur Beseitigung der größten Hürden potentieller Anspruchsteller bei der Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegenüber Ratingagenturen erforderlich wäre1017. Wie bereits erläutert, wäre es insgesamt vorzugswürdig, den harmonisierten Haftungstatbestand komplett von der RatingVO 2013 loszulösen und stattdessen an ein objektiv fehlerhaftes Rating anzuknüpfen1018. Diesbezüglich wäre es aus den soeben dargestellten Gründen nach überzeugender Ansicht Wagners empfehlenswert, den Klägern den Nachweis eines objektiv fehlerhaften Ratings aufzuerlegen. Sofern ein solcher Nachweis im konkreten Fall gelingt, sollte angesichts der aufgezeigten Problematik in Bezug auf die Informationsbeschaffung aus der Sphäre der Ratingagenturen hinsichtlich der Pflichtverletzung eine Beweislastumkehr zu Lasten der Ratingagenturen greifen. Auf diese Weise wäre gewährleistet, dass die Ratingagenturen nur in den Fällen, in denen genügend Anhaltspunkte für eine tatsächliche Pflichtverletzung vorliegen, verpflichtet wären, ihre angewandten Methoden und sämtliche Einflussfaktoren im Ratingverfahren offenzulegen1019.
1017
Vgl. hierzu im Einzelnen bereits die Ausführungen oben, S. 131. Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 211 f. 1019 Vgl. zu alledem bereits Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 494. Im Gegensatz zur Situation bei Anknüpfung der Haftung an den Katalog des Anhangs III der RatingVO 2011 erscheint eine Beweislastumkehr in Bezug auf die Pflichtverletzung der Ratingagentur in Gestalt eines konkreten Fehlers innerhalb oder außerhalb des Ratingprozesses bei Anknüpfung der Haftung an ein objektiv fehlerhaftes Rating gerechtfertigt: Wie oben aufgezeigt, spricht gerade die auf eine bloße Behauptung des Klägers hin bestehende Verpflichtung zur Offenlegung sämtlicher Einflussfaktoren im Ratingverfahren gegen die Einführung einer Beweislastumkehr in Bezug auf den Pflichtverstoß. Im Falle der Anknüpfung der Haftung an ein objektiv fehlerhaftes Rating wäre eine solche Offenlegung aber nur in den Fällen erforderlich, in denen dem Kläger der Nachweis eines objektiv fehlerhaften Ratings gelingt. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass sowohl den Interessen der Ratingagenturen als auch den Interessen potentieller Kläger entsprechend Rechnung getragen wird. Insgesamt wäre die Situation damit genau umgekehrt wie im Falle der Einführung einer Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität, weil sich die Ratingagentur nicht hinsichtlich des fehlerhaften Ratings, sondern hinsichtlich des Pflichtverstoßes an sich entlasten müsste, da der Kläger im Vorfeld nicht den Nachweis des Pflichtverstoßes, sondern den des fehlerhaften Ratings erbringen müsste. 1018
III. Einfluss des Art. 35a RatingVO 2013
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dd) Bedarf nach einer Ausweitung des Haftungsmaßstabs des harmonisierten Tatbestands Wie bereits dargestellt, wurde mit Art. 35a RatingVO 2013 ein harmonisierter Haftungstatbestand geschaffen, der lediglich bei grobem Verschulden der Ratingagenturen greift. Eine weitergehende Haftung für einfache Fahrlässigkeit oder sogar eine verschuldensunabhängige Haftung bleibt jedoch nach den nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten weiterhin möglich. Dies ist für alle in dieser Arbeit untersuchten Mitgliedstaaten von Bedeutung, weil nach allen drei nationalen Rechtsordnungen eine Haftung von Ratingagenturen für einfaches Verschulden möglich erscheint, und in England und Frankreich teilweise sogar eine verschuldensunabhängige Haftung greifen kann1020. Da diese nationalen Haftungsansprüche für den Kläger in der Praxis jedoch aus verschiedensten Gründen häufig nicht erfolgversprechend sind1021, stellt sich die Frage, ob auf europäischer Ebene eine harmonisierte Haftung auch für einfache Fahrlässigkeit oder sogar ein verschuldensunabhängiger Haftungstatbestand sinnvoll erscheinen. Auf den ersten Blick scheint zumindest eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit auch in Bezug auf Ratingagenturen durchaus naheliegend, da eine solche Haftung in allen drei untersuchten Ländern als Haftungsmaßstab einer deliktischen Haftung die Regel und nicht die Ausnahme darstellt. Ein auf diese Weise abgesenkter Haftungsmaßstab, der auch in Bezug auf Ratingagenturen greift, würde für potentielle Kläger eine enorme Erleichterung bei der Geltendmachung eines Anspruchs bedeuten, weil einfach fahrlässiges Verhalten viel leichter nachzuweisen ist als ein grobes Verschulden. Allerdings sprechen auch gute Gründe dafür, die harmonisierte Haftung im Falle von Ratingagenturen nicht ausufern zu lassen. Eine zu weitgehende Haftung wäre jedenfalls bei Einführung eines verschuldensunabhängigen Tatbestands mit Wirkung gegenüber sämtlichen Drittbetroffenen gegeben, da eine solche Maßnahme zu große Haftungsrisiken auf Seiten der Ratingagenturen nach sich zöge. Aber auch die Einführung eines harmonisierten Haftungstatbestandes, der neben grobem Verschulden „nur“ auch einfach fahrlässiges Verhalten der Ratingagenturen umfasst, würde im Ergebnis aus mehreren Gründen bereits zu einer Über-
1020 Nach französischem Recht ist generell sowohl im vertraglichen als auch im deliktischen Bereich einfache Fahrlässigkeit ausreichend, um eine Haftung zu begründen, bei Vorliegen einer obligation de résultat ähnelt die vertragliche Haftung sogar einer verschuldensunabhängigen Haftung. In England ist im deliktischen Bereich eine Fahrlässigkeitshaftung nach dem Generaltatbestand des tort of negligence denkbar, im vertraglichen Bereich stellt die Haftung von Ratingagenturen sogar eine Art „Garantiehaftung“ dar. In Deutschland ist zwar keine Garantiehaftung denkbar, jedoch kommt sowohl im vertraglichen als auch im deliktischen Bereich grundsätzlich eine Haftung von Ratingagenturen auch für einfache Fahrlässigkeit in Betracht. 1021 Vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen oben im Rahmen der Sachberichte, S. 42 ff.
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Teil 2: Untersuchung der Haftung von Ratingagenturen
maßhaftung führen1022: Zum einen sollte nicht vergessen werden, dass das Ratingverfahren an Komplexität und erforderlicher Sensibilität kaum zu übertreffen ist: Die konkrete Ratingnote ist das Ergebnis einer Prognose, in die eine Vielzahl einzelner Faktoren und Informationen einfließen, welche entsprechend zusammengetragen, sortiert, analysiert und gewichtet werden müssen. Gerade dieser Prognosecharakter macht ein Rating extrem schwierig und fehleranfällig, weil sowohl die zukünftige Bedeutung einzelner Informationen als auch ihr Zusammenwirken oftmals nicht präzise vorhergesagt werden können, sodass die Analyse naturgemäß mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass die Tätigkeit am Finanzmarkt ein enormes Haftungspotential für die Ratingagenturen birgt1023. Vor allem für neue kleine Ratingagenturen könnte ein erhöhtes Risiko das vorzeitige Aus auf dem Kapitalmarkt bedeuten, da sie sich die hiermit verbundenen höheren Versicherungsprämien womöglich nicht leisten könnten1024. Die Einführung einer strikten Haftung auch für einfach(st)e Fahrlässigkeit und die damit verbundene Erhöhung des Haftungsrisikos für Ratingagenturen würde überdies mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mittelbare Folgen auf den Kapitalmärkten nach sich ziehen: Zum einen bestünde die Gefahr, dass Ratings zukünftig viel konservativer ausfallen würden als bislang1025, zum anderen würde sowohl die Beauftragung einer Ratingagentur durch die Emittenten als auch der Bezug von Ratingpublikationen durch potentielle Anleger aller Voraussicht nach teurer, weil eine Einpreisung des erhöhten Risikos zu erwarten ist1026. Hinzu kommt, dass eine entsprechende Ausweitung der Haftung auch nicht dem Willen der EU entspricht, weil die bestehenden Vorschriften der RatingVO 2013 gerade dem blinden Vertrauen in Ratings als einzige Quelle der Bonitätsbeurteilung entgegenwirken und entsprechend die Eigenverantwortlichkeit der Anleger am Kapitalmarkt fördern sollen. Eine entsprechende Ausweitung des Haftungsmaßstabs würde jedoch gerade das Gegenteil bewirken, da dies auf Seiten der Anleger den Anschein erwecken würde, sämtliche Risiken auf die Ratingagenturen abwälzen zu können. Aufgrund der aufgezeigten Vielzahl an Bedenken erscheint eine Ausweitung des Haftungsmaßstabes im Rahmen der harmonisierten Vorschrift mithin nicht empfehlenswert. Eine andere Bewertung dieser Situation wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die Ratingagenturen – wie von Haar und Wagner vorgeschla1022 Vgl. hierzu bereits Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 489. 1023 Wojcik, NJW 2013, 2385, [2387]. 1024 Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 14. 1025 Kontogeorgou, DStR 2014, 1397, [1403]; Berger/Ryborz, WM 2014, 2241, [2248]. Wie Wagner bereits zutreffend feststellt, würde die momentan aufgrund des „issuer-pays-Modells“ bestehende Tendenz eines zu emittentenfreundlichen Ratings in das Gegenteil, namentlich in die Tendenz zu defensiver Ratings, umschlagen, Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 488. 1026 Berger/Ryborz, WM 2014, 2241, [2248].
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gen – im Gegenzug eine Kompensation der mit einer Ausweitung des Haftungsmaßstabs einhergehenden negativen Konsequenzen dergestalt erhielten, dass beispielsweise Haftungshöchstgrenzen (sog. liability caps) festgesetzt würden1027. Eine solche Maßnahme würde nicht nur die Haftungsrisiken für Ratingagenturen überschaubar, kalkulierbar und versicherbar machen1028, es würde hierdurch auch die Gefahr zu konservativer Ratings minimiert1029. Andererseits könnten hierdurch aber nicht alle der genannten negativen Effekte einer Ausweitung des Haftungsmaßstabes beseitigt werden. Insbesondere würde hierdurch das Ziel der EU zur Förderung der Eigenverantwortlichkeit der Anleger am Kapitalmarkt nur bedingt erreicht1030. ee) Bedarf nach einem harmonisierten Haftungstatbestand, von welchem auch außereuropäische Ratingagenturen umfasst sind Wie bereits erläutert, findet der harmonisierte Haftungstatbestand, wie die gesamte RatingVO 2013, nur auf europäische Ratingagenturen Anwendung. Dies hat zur Folge, dass insbesondere die Muttergesellschaften von S&P und Moody’s weder von der RatingVO 2013 an sich, noch von Art. 35a RatingVO 2013 umfasst sind1031. Im Folgenden wird untersucht, ob dies seitens des Unionsgesetzgebers geändert werden sollte. Wie bereits herausgearbeitet wurde, steht trotz der mit dieser Beschränkung verbundenen eingeschränkten praktischen Wirksamkeit der Norm nicht zu befürchten, dass diese weitgehend leerläuft, da eine Haftung der beiden genannten großen Ratingagenturen über ihre Tochtergesellschaften in der EU denkbar ist1032. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass im Grundsatz bereits vom aktuellen Wortlaut der Vorschrift auch solche Ratings erfasst werden, die seitens der europäischen Tochtergesellschaften von ihren jeweiligen Muttergesellschaften übernommen wurden1033. Gemäß Art. 4 Abs. 5 RatingVO 2009 sind die europäischen Ratingagenturen für solche übernommenen Ratings „uneingeschränkt verantwortlich“, sodass es auf den ersten Blick nicht unbedingt erforderlich erscheint, den Anwendungsbereich der Norm zu erweitern.
1027 Haar, Civil Liability of Credit Rating Agencies after CRA 3, S. 20 ff.; Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 494. 1028 Vgl. zu diesen Vorzügen bereits Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 494; Blaurock, EuZW 2013, 608, [611]. 1029 Wagner, Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber dem Anlegerpublikum, S. 493. 1030 Zwar wären Anleger durch die Einführung von Haftungshöchstgrenzen dem Risiko ausgesetzt, nur einen Teil des Schadens ersetzt zu bekommen, jedoch könnten sie weiterhin sicher sein, zumindest diesen Teil durch eine Inanspruchnahme der Ratingagenturen kompensieren zu können. 1031 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 33. 1032 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 33. 1033 Dutta, WM 2013, 1729, [1732]; Steinrötter, ZIP 2015, 110, [112].
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Gleichwohl ist eine Erstreckung der Haftungsvorschrift auf außereuropäische Ratingagenturen aber im Ergebnis zu befürworten. Im Vordergrund steht hierbei die damit verbundene Möglichkeit der Gewährleistung eines umfassenden Schutzes sämtlicher Kläger vor allen Ratings, die gegen die Vorgaben der RatingVO 2013 verstoßen1034. Ein solch lückenloser Schutz könnte nur mit einer Erstreckung auf außereuropäische Ratingagenturen gewährleistet werden, was sich insbesondere im Rahmen der Haftung gegenüber Privatanlegern zeigt: Bereits im Hinblick darauf, dass vor allem diese Personengruppe auf Ratings von außereuropäischen Agenturen mindestens gleichermaßen vertraut wie auf solche, die von europäischen Agenturen erstellt wurden1035, ist eine Änderung der Haftungsvorschrift in dieser Hinsicht sinnvoll. Zudem kann es – wie Dutta zutreffend herausarbeitet – für potentielle Anspruchsteller aus haftungsrechtlicher Sicht oftmals sinnvoller sein, die Muttergesellschaft anstelle der europäischen Tochtergesellschaft haftbar zu machen, weil die Muttergesellschaften im Regelfall über die bessere Vermögensausstattung verfügen1036. Überdies bildete der Aspekt der Kompensation von Anspruchstellern für ihre durch fehlerhafte Ratings erlittenen Schäden zwar nicht unbedingt das Primärziel des Unionsgesetzgebers im Rahmen der Einführung des harmonisierten Haftungstatbestandes1037, jedoch wurde die Schaffung eines Entschädigungsanspruchs gerade auch für solche Anleger, die in keiner vertraglichen Beziehung zur Ratingagentur stehen1038, immerhin in Erwägungsgrund 32 zur RatingVO 2013 als wichtig erwähnt. Um dieses Ziel auch gegenüber Privatanlegern zu erreichen und die soeben beschriebenen negativen Effekte zu vermeiden, ist im Ergebnis der Bedarf nach einer Er-
1034 Der Umstand, dass eine solch umfassende Regelung bisher nicht erlassen wurde, zeigt eindrucksvoll, dass der Unionsgesetzgeber bei der Konzeption des harmonisierten Haftungstatbestandes primär nicht die Kompensation erlittener Schäden seitens der Anspruchsteller zum Ziel hatte. Vielmehr wurde hiermit in erster Linie bezweckt, eine Verhaltenssteuerung auf Seiten der europäischen Ratingagenturen zu erreichen, wie Dutta zutreffend feststellt. Konkret ging es hierbei darum, die Einhaltung der Vorschriften der Ratingverordnung zu gewährleisten, welchen eben lediglich die europäischen Agenturen unterliegen, Dutta, WM 2013, 1729, [1732]. 1035 Aufgrund der großen Bekanntheit und Reputation von S&P und Moody’s ist sogar davon auszugehen, dass viele Privatanleger verstärkt auf Ratings dieser Agenturen zurückgreifen, auch wenn die hierfür erforderliche Vertrauensbasis sicherlich infolge der Finanzkrise zum Teil zerstört wurde. Hinzu kommt, dass private Kleinanleger, anders als bestimmte institutionelle Anleger, nicht von den aufsichtsrechtlichen Vorgaben des Art. 4 RatingVO 2013 betroffen sind, weshalb Privatanleger durchaus auch auf Ratings außereuropäischer Agenturen zurückgreifen, die keine aufsichtsrechtliche Relevanz i. S. d. Art. 4 RatingVO 2013 haben, Dutta, WM 2013, 1729, [1732]; ders., IPRax 2014, 33, [34]. 1036 Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass in der Ratingverordnung weder eine Versicherungspflicht der Tochtergesellschaften noch eine bestimmte Kapitalausstattung für diese Gesellschaften normiert ist, Dutta, IPRax 2014, 33, [34]. 1037 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen in Fußnote 1034. 1038 Hiervon sind insbesondere Privatanleger betroffen, da sie bereits aus Kostengründen im Regelfall keinen Abonnementvertrag mit der Ratingagentur schließen.
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streckung des harmonisierten Haftungstatbestandes auf europäische und außereuropäische Ratingagenturen gegeben. Diese Forderung sollte in der Praxis – im Sinne Duttas – durch eine gänzliche Loslösung des harmonisierten Haftungstatbestandes von der Ratingverordnung umgesetzt werden. Im Gegensatz zur primär aufsichtsrechtlich geprägten Ratingverordnung, von der naturgemäß nur in der EU registrierte Ratingagenturen erfasst werden, könnte eine Haftung durch diese Maßnahme auf außereuropäische Agenturen erstreckt werden1039. Durch die Schaffung eines separaten Haftungstatbestandes außerhalb der Ratingverordnung würden somit gleich mehrere Probleme gelöst, die im Zusammenhang mit der aktuellen Fassung des Art. 35a RatingVO 2013 auftreten. Sofern hierin die Haftung sämtlicher Ratingagenturen geregelt würde, welche zudem an ein objektiv fehlerhaftes Rating und nicht an den für eine Haftung nur bedingt geeigneten Katalog der Ratingverordnung anknüpfte, könnten hierdurch zum einen die oben bereits beschriebenen Probleme gelöst werden, die sich aufgrund dieses Katalogs ergeben1040, zum anderen wäre hierdurch eine direkte Haftung der US-amerikanischen Muttergesellschaften der Ratingagenturen denkbar. ff) Bedarf nach der Schaffung einer europäischen Ratingagentur als Gegengewicht zu den „Großen Drei“ Angesichts des Umstandes, dass viele Probleme, die sich im Zusammenhang mit dem Ratingwesen ergeben, durch die oligopolistische Struktur und die damit verbundene Dominanz der „Großen Drei“ dieses Marktes bedingt sind, wird in Politik und Presse seit einiger Zeit diskutiert, ob eine europäische Ratingagentur geschaffen werden sollte, die als Gegengewicht zu den US-amerikanischen Agenturen fungiert1041. Für den Moment wurden diese Pläne jedoch wieder verworfen1042. Im Hinblick auf die vorliegende Arbeit kann bezüglich der genannten Fragestellung zunächst festgestellt werden, dass eine europäische Ratingagentur nicht sämtliche der bestehenden Haftungsprobleme lösen kann, weil diese zu einem großen Teil unabhängig von dem konkreten Standort der Ratingagentur existieren1043. Dennoch böte eine solche Lösung auch speziell im Hinblick auf die Haftungsfrage einige Vorzüge: Zunächst unterfiele eine europäische Ratingagentur Dutta, IPRax 2014, 33, [41]. Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 211 f. 1041 Vgl. zu der Frage, ob die Schaffung einer europäischen Ratingagentur neben der Tatsache, dass eine solche ein Gegengewicht zu den „Großen Drei“ darstellen würde, auch zur Verbesserung der Qualität der Ratings beitragen und den europäischen Ländern zu günstigeren Bonitätseinstufungen verhelfen würde, Gerke, BB, Die erste Seite 2012, Nr. 1. 1042 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, S. 8 f. 1043 Insbesondere sei diesbezüglich auf die bereits dargestellte Problematik der Beweislastverteilung und auf die bestehenden Rechtsunsicherheiten im Hinblick auf die fehlende Konkretisierung bestehender Haftungsvorschriften in Bezug auf die spezielle Situation des Ratings verwiesen. 1039
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im Gegensatz zu den US-amerikanischen Muttergesellschaften der „Großen Drei“ dem harmonisierten Haftungstatbestand, da sie faktisch eine Registrierung bei der ESMA nicht vermeiden könnte, ohne wesentliche Nachteile im Vergleich zu anderen registrierten Agenturen in Kauf zu nehmen1044; dies hätte den Vorteil, dass insoweit kein Umweg über die europäischen Tochtergesellschaften der US-amerikanischen Ratingagenturen zur Begründung einer Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 gegangen werden müsste, mithin die Möglichkeit der Gewährleistung eines umfassenden Schutzes sämtlicher potentieller Anspruchsteller bestünde. Zudem böte sich im Falle einer europäischen Ratingagentur die Chance, kollisionsrechtliche Probleme für sämtliche Beteiligten zumindest zu verringern: Zum einen bestünde hierdurch eine weitaus geringere Gefahr für Anspruchsteller, dass in den Verträgen außereuropäische Rechtsordnungen und außereuropäische Gerichtsstände für potentielle Haftungsklagen vereinbart würden. Zum anderen würden auch die Probleme bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts bei Fehlen von Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen etwas verringert, da insoweit die oben aufgezeigten Besonderheiten gegenüber US-amerikanischen Agenturen entfielen1045. Neben diesen haftungsrechtlichen Vorteilen brächte die Schaffung einer europäischen Ratingagentur aber auch weitere Vorzüge mit sich, von welchen an dieser Stelle ein Aspekt exemplarisch genannt werden soll, der im Hinblick auf die Beurteilung europäischer Emittenten besonders wichtig erscheint: Angesichts des Umstandes, dass die großen US-amerikanischen Ratingagenturen im Rahmen der Bewertung weltweit Maßstäbe anlegen, die durch eine US-amerikanische Sichtweise geprägt sind1046, besteht derzeit die Gefahr, dass europäische Unternehmen verhältnismäßig schlecht bewertet werden. Eine europäische Ratingagentur könnte hingegen europäische Besonderheiten, wie beispielsweise den Aspekt, dass solche Unternehmen häufig durch den Eigentümer selbst geführt werden, angemessen würdigen1047. Nach alledem ist es aus den aufgezeigten Gründen sinnvoll, über die Schaffung einer europäischen Ratingagentur nachzudenken. Problematisch wäre sicherlich, wie diese konkret ausgestaltet werden sollte1048. Überdies stellt sich die Frage, ob der Markt eine solche Agentur überhaupt akzeptieren würde, weil sie im Vergleich zu den etablierten Agenturen – zumindest in der Anfangszeit – über ein Vgl. hierzu Dutta, IPRax 2014, 33, [34]. Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 107 ff. 1046 Blaurock, EuZW 2013, 608, [611]. 1047 Vgl. hierzu den auf Spiegel Online veröffentlichten Artikel „Die Rating-Zwerge greifen an“ vom 23.12.2014, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 1048 Zu klären wäre insbesondere, ob eine solche Agentur staatlich errichtet werden sollte, so wie es die EU-Kommission ursprünglich erwogen hatte, oder ob auch eine Unterstützung privatwirtschaftlicher Ansätze denkbar wäre, um die beschriebenen positiven Effekte zu erzielen. 1044 1045
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wesentlich geringeres Maß an Reputation verfügen würde1049. Insgesamt sollte ein solches Projekt aber keinesfalls voreilig verworfen werden. Vielmehr sollte nochmals reiflich sein Für und Wider abgewogen und über eine potentielle Lösung zur Durchbrechung der Marktmacht der „Großen Drei“ nachgedacht werden1050. 3. Zusammenfassung Die Gegenüberstellung der bestehenden Regelungen in den untersuchten Ländern mit dem harmonisierten Haftungstatbestand hat deutliche Unterschiede im Hinblick auf die Bedeutung des Art. 35a RatingVO 2013 für die drei Rechtsordnungen offenbart. In Frankreich stellt der harmonisierte Haftungstatbestand lediglich eine Minimallösung dar, in England ist demgegenüber genau das Gegenteil der Fall, und Deutschland nimmt im Vergleich zu den beiden anderen Ländern eine Position ein, die zwischen beiden Extremen liegt. Die Untersuchung des Zusammenspiels zwischen dem harmonisierten Tatbestand und den nationalen Rechtsordnungen hat gezeigt, dass sich eine Verzahnung zwischen den verschiedenen Regelungen mitunter schwierig gestaltet, weil der ungenaue Wortlaut des harmonisierten Haftungstatbestandes Konkurrenzprobleme nach sich zieht. Die Ausstrahlungswirkung der in Art. 35a RatingVO 2013 enthaltenen Regelung zur Haftungsbegrenzung auf die nationalen Regelungen erscheint im Ergebnis sehr gering, da diese Norm eine wirksame Freizeichnung zum einen nur im Einklang mit den nationalen Rechtsordnungen vorsieht und zum anderen durch die unbestimmten Begriffe „angemessen“ und „verhältnismäßig“ einen sehr weiten Interpretationsspielraum für die nationalen Gerichte vorgibt. Dieser Spielraum wird in zukünftigen Entscheidungen höchstwahrscheinlich dazu führen, dass im Ergebnis in den jeweiligen Ländern die Grundsätze zur Anwendung kommen, die ohnehin bereits nach den nationalen Rechtsordnungen greifen. Insgesamt ist der harmonisierte Haftungstatbestand in seiner aktuellen Form lückenhaft ausgestaltet, sodass man hier im Sinne Steinrötters eher von einem „Grundgerüst“1051 als von einer umfassenden Vorschrift sprechen kann. Hier soll1049 In der Vergangenheit wurden seitens der Unternehmen fast ausschließlich die großen Ratingagenturen mandatiert, weil diese über ein hohes Maß an Reputation verfügen, Stemper, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 102. Das Defizit an Reputation könnte sich daher auch bei einer neu gegründeten europäischen Agentur als direktes Hindernis im Hinblick auf den Marktzugang auswirken, Blaurock, ZGR 2007, 603, [607]; Berger/Ryborz, WM 2014, 2241, [2241]. 1050 Hinzu kommt, dass im Jahre 2014 eine russisch-chinesische Ratingagentur neu gegründet wurde, sodass auch hierzu künftig möglicherweise ein Gegengewicht erforderlich werden könnte, sofern diese Agentur an Marktmacht gewinnt. Vgl. zu weiteren Informationen zu dieser Neugründung den auf den Internetseiten von Zeit Online veröffentlichten Artikel „Russland und China gründen gemeinsame Ratingagentur“ vom 03.06.2014, abrufbar unter: , zuletzt abgerufen am 18.03.2016. 1051 Steinrötter, ZIP 2015, 110, [113].
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te an einigen Stellen dringend durch den Unionsgesetzgeber nachgebessert werden. Gleichwohl haben sich weitere Harmonisierungsmaßnahmen nicht bezüglich aller untersuchten Fragen als sinnvoll erwiesen, da sie teilweise auch negative Effekte nach sich ziehen würden. Folgende Maßnahmen sind nach der durchgeführten Untersuchung für die Zukunft empfehlenswert: Insbesondere sollten die in Art. 35a RatingVO 2013 genannten Begriffe einheitlich für alle Mitgliedstaaten definiert werden. Überdies sollte die Haftung idealerweise gänzlich von dem primär aufsichtsrechtlich geprägten Katalog des Anhangs III der RatingVO 2011 losgelöst werden – vorzugswürdig erscheint hierbei die Anknüpfung der Haftung an ein objektiv fehlerhaftes Rating. Jedenfalls sollten zumindest weitere Verstöße in den Anhang III der RatingVO 2011 aufgenommen werden, die keinen rein organisatorischen Charakter haben, damit der Haftungstatbestand in der Praxis nicht weitgehend leerläuft. Des Weiteren sollten darin bisher nicht geregelte Rechtsinstitute, wie beispielsweise die Verjährung, einheitlich geregelt und das anwendbare Recht sowie die internationale Zuständigkeit geklärt werden. Die Einführung einer Beweislastumkehr und eines schärferen Haftungsmaßstabes haben sich in der Untersuchung hingegen nur zum Teil als sinnvoll erwiesen. Um zu gewährleisten, dass der Haftungstatbestand aufgrund der bestehenden hohen Beweishürden nicht in vielen Fällen wirkungslos bleibt, ist die Einführung einer gewissen Beweiserleichterung für mögliche Kläger in Gestalt einer partiellen Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität zwischen dem Verstoß gegen Anhang III der RatingVO 2011 und seiner Auswirkung auf das Ratingergebnis durchaus empfehlenswert. Der Haftungsmaßstab dagegen sollte sich weiterhin nur auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beziehen, um der Komplexität des Ratingprozesses Rechnung zu tragen, und um ein Ausufern der Haftung sowie die oben dargestellten negativen Effekte auf dem Kapitalmarkt zu vermeiden. Die Ausdehnung des Haftungsmaßstabes auf einfache Fahrlässigkeit wäre allenfalls in Kombination mit einer gleichzeitigen kompensatorischen Einführung von Haftungshöchstgrenzen sinnvoll. Die Schaffung einer europäischen Ratingagentur wäre dagegen durchaus zu empfehlen, um ein Gegengewicht zu den US-amerikanischen „Großen Drei“ zu bilden. Die schwierigen Haftungsfragen, die sich im Zusammenhang mit dem Rating stellen, könnten durch eine europäische Ratingagentur jedoch nur zum Teil geklärt werden. Der bereits angesprochene ungenaue Wortlaut dieser Vorschrift und die soeben nochmals skizzierten bestehenden Lücken des Art. 35a RatingVO 2013 führen dazu, dass sich die Probleme potentieller Anspruchsteller – insbesondere der Anleger – bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen nach dieser Norm im Vergleich zu den rein nationalen Lösungsansätzen nicht verringern. Teilweise ist sogar das Gegenteil der Fall: Da die Norm hinsichtlich des anwendbaren Rechts und der internationalen Zuständigkeit keine klaren Regelungen trifft, werden die Unsicherheiten der Anleger und Emittenten in diesem Bereich sogar noch verstärkt.
Fazit Vorschriften, die eine Haftung von Ratingagenturen für fehlerhafte Ratings vorsehen, stellen grundsätzlich einen wichtigen Baustein dar, um Ratingagenturen – wie eingangs zitiert – im Sinne des Commerzbank Chef-Volkswirts Jörg Krämer auf ihre eigentliche Funktion als „Fieberthermometer des Kapitalmarkts“ zurückzuführen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich das Haftungssystem insgesamt im Gleichgewicht befindet. Zur Herstellung dieser Balance müssen Haftungsvorschriften einerseits effiziente Sanktionen im Falle fehlerhafter Ratings androhen, damit Ratingagenturen zu rechtmäßigem Handeln veranlasst werden. Andererseits muss hierbei aber auch eine Übermaßhaftung der Ratingagenturen unbedingt vermieden werden, weil eine solche sowohl für die Agenturen selbst als auch für den Kapitalmarkt mit negativen Konsequenzen verbunden wäre. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass ein solches Gleichgewicht im Moment nicht gegeben ist, weil sowohl die drei untersuchten nationalen Rechtsordnungen als auch der harmonisierte Haftungstatbestand nach Art. 35a RatingVO 2013 in der bisherigen Ausgestaltung Schwächen aufweisen: Zum einen besteht derzeit ein starkes Ungleichgewicht zwischen den nationalen Rechtsordnungen hinsichtlich Umfang und Reichweite der Haftungsregelungen, wodurch es den Ratingagenturen ermöglicht wird, die jeweils für sie günstigste Rechtsordnung zu wählen, um sich einer Haftung so weit wie irgend möglich zu entziehen. Zum anderen stellt auch der harmonisierte Haftungstatbestand in seiner derzeitigen Ausgestaltung im Sinne Steinrötters lediglich ein „Grundgerüst“1052 und keine effiziente Norm dar, durch welche die angestrebte Situation erreicht werden könnte. In der vorliegenden Arbeit wurde aufgezeigt, dass beide soeben genannten Defizite durch eine maßvolle Verschärfung der Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 beseitigt werden könnten. Neben anderen Maßnahmen, die in der Arbeit im Detail herausgearbeitet wurden, könnten hierzu insbesondere die Einführung einer partiellen Beweislastumkehr und eine Anknüpfung der Haftung an ein objektiv fehlerhaftes Rating anstelle der bisherigen Lösung über den Anhang III der RatingVO 2011 beitragen. Auf eine Ausweitung des Haftungsmaßstabes durch die Einführung einer Haftung auch für einfach fahrlässiges Verhalten der Ratingagenturen sollte hingegen verzichtet werden, da dies zu einer Übermaßhaftung führen würde.
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Steinrötter, ZIP 2015, 110, [113].
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Fazit
Effiziente Haftungsvorschriften alleine reichen jedoch nicht aus, um Ratingagenturen auf ihre eigentliche Funktion auf dem Kapitalmarkt zurückzuführen. Vielmehr muss neben ein ausgewogenes Haftungssystem noch ein effizienter Regulierungsrahmen treten. Die aktuellen Regulierungsvorschriften der EU bilden zwar einen wichtigen Ansatz hierfür, dieser ist jedoch noch nicht ausreichend: Insbesondere bestehen trotz der bereits getroffenen Maßnahmen weiterhin Interessenkonflikte auf Seiten der Ratingagenturen, welche vor allem auf das Modell des zahlenden Emittenten zurückzuführen sind. Wenn es in Zukunft gelänge, das Gesamtgefüge aus Regulierung und Haftung stimmig auszugestalten, wäre überdies gewährleistet, dass Ratingagenturen künftig die eingangs von Michael Sommer kritisierte Sprengkraft im Sinne einer „cruise missile“ verlieren und somit keine Finanzkrisen mehr mit auslösen. Vielmehr bildeten Ratingagenturen in einem solch ausgewogenen System die richtigen Akteure, um die notwendige Funktion eines Experten zur Beurteilung der Bonität der Kapitalmarktteilnehmer zu erfüllen. Um in der bildhaften Sprache Jörg Krämers zu bleiben: Zur Heilung einer Krankheit ist die Zerstörung des Fieberthermometers tatsächlich unnötig, ja sogar kontraproduktiv. Übertragen auf die Ratingagenturen bedeutet dies, dass sie aufgrund ihrer Systemrelevanz nicht abgeschafft werden sollten. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass sie im Sinne aller Kapitalmarktteilnehmer – insbesondere von Emittenten und Anlegern – agieren. Diesbezüglich befindet sich die Gesetzgebung bereits auf einem guten Weg, es sind aber noch weitere Maßnahmen erforderlich, um dieses Ziel endgültig zu erreichen.
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Stichwortverzeichnis ABN AMRO Bank NV v Bathurst Regional Council 41, siehe auch Bathurst-Urteil Abonnementvertrag – bestehende nationale Haftungsregelungen 80–88 – Definition 80, siehe auch Anlegertypen – Haftungsfreizeichnung 152–157 – Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 32–36 – typologische Einordnung im deutschen Recht 81–83, siehe auch Vertragstypeneinordnung – typologische Einordnung zur Bestimmung des anwendbaren Rechts 109–112, siehe auch Vertragstypeneinordnung allgemeines Anlegerpublikum – bestehende nationale Haftungsregelungen 88–106 – Definition 80, siehe auch Anlegertypen – Haftungsfreizeichnung 162–167 – Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 32–36 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 64–66, 69 Allgemeines Schuldrecht 84 f. Anhang III zur Verordnung (EU) Nr. 513/2011 (RatingVO 2011) – Bedarf nach Harmonisierung außerhalb dieses Katalogs 211 f. – Bedeutung i. R. d. Art. L544–5 CMF 73 – Bedeutung i. R. d. harmonisierten Haftungstatbestands 34 – Charakter der in Anhang III genannten Verstöße 91 – Drittschutzproblematik 91, 202–205 – Inhalt 18 f. – Rolle i. R. d. Haftung nach englischem Recht 195 f. Anlegertypen 80 anwendbares Recht 107–117, siehe auch übergeordnete Fragestellungen
Art. 35a der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 (RatingVO 2013) – Ausstrahlungswirkung auf nationale Regelungen zur Haftungsfreizeichnung 199 f. – Bedarf weiterer Harmonisierungsmaßnahmen 205–223 – historische Entwicklung der Harmonisierung 22–32 – Inhalte 32–38 – Reichweite und Bedeutung in den untersuchten Ländern 188–198 – Zusammenspiel mit nationalen Regelungen 202–205 Art. L544–5 Code monétaire et financier (CMF) – Inhalte 72–74 – Rechtsnatur der Haftung 51 f. auftragsloses Rating – bestehende nationale Haftungsregelungen 42–63 – Definition 10 – Haftungsfreizeichnung 160–162 – Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 32–36 Auftragsrating – bestehende nationale Haftungsregelungen 63–80 – Definition 9 f. – Haftungsfreizeichnung 136–151 – Haftung nach Art. 35a RatingVO 2013 32–36 Auskunftsvertrag 88 f. Bathurst Regional Council v Local Government Financial Services Pty Ltd (No 5) 41, siehe auch Bathurst-Urteil Bathurst-Urteil – erstinstanzliches Urteil 41 – Übertragbarkeit auf die Haftung nach englischem Recht im Generellen 103–106
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Stichwortverzeichnis
– Übertragbarkeit der Grundsätze zur Haftungsfreizeichnung 163 f. – wesentliche Inhalte 41, 103 f. – Zusammenspiel mit Art. 35a RatingVO 2013 und UK Regulations 194–196 – zweitinstanzliches Urteil 41 Begriffsbestimmungen 5–13 Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis 15, 129, 215 Beweislastverteilung – bestehende Regelungen 35, 127 f. – Untersuchung des Änderungsbedarfs 128–132, 213–216 Börsendienst-Entscheidung 82 breach of contract – Gerichtsstand 126 – Haftung bei Vorliegen eines Abonnementvertrags 86 f. – Haftung im Rahmen eines Auftragsratings 61 f. – Haftungsfreizeichnung 143, 153 – Voraussetzungen einer Haftung 59–61 Caparo Industries plc v Dickman 101 f. Cassa di Risparmio della Repubblica di San Marino v Barclays Bank 103 Central Trust Co v Rafuse 62 Chronopost-Rechtsprechung 149, 151, siehe auch Haftungsfreizeichnung contrat d’entreprise 56 D & F Estates Ltd v Church Commissioners for England 62 deliktische Haftung – Bedarf nach Generalklausel für allgemeine Vermögensschäden in Deutschland 179–181 – gegenüber Emittenten beim auftragslosen Rating 63–79 – gegenüber dem allgemeinen Anlegerpublikum 89–92, 99–106 Dodd-Frank Wall Street and Consumer Protection Act 29, 39 f., 168 Donoghue v Stevenson 75 downgrade 14, 45 Dritthaftung der Ratingagenturen 92–98 droit commun 53, 98, 148–151 duty of care – Begriff 75 f. – gegenüber dem allgemeinen Anleger publikum 101–106
– gegenüber Emittenten beim auftragslosen Rating 76–78 – i. R. d. UK Regulations 192 Emissions- und Emittentenrating – Begriffe 7 – Differenzierung i. R. d. Dritthaftung von Ratingagenturen 95 f. Erst- und Folgerating 10, 16, 21, 45 europäische Ratingplattform 8 f. Expertenhaftung 93, 116 f. faute – Begriff i. R. d. Art. 1382 f. C.civ. 69–71 – Begriff i. R. d. Art. L544–5 CMF 50 f. – Beweislastvorschriften i. R. d. vertraglichen Haftung 54 f. – Elemente 70–71 – Erforderlichkeit einer deliktsrechtlichen faute i. R. d. Art. L544–5 CMF 73 f. Folgerating siehe Erst- und Folgerating funktionale Methode der Rechtsvergleichung 3 f., siehe auch Rechtsvergleichungs methode Funktion von Ratingagenturen auf dem Kapitalmarkt 44 Garantiehaftung aus breach of contract 59 f., siehe auch verschuldensunabhängige Haftung Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen siehe HGÜ Haftungsfreizeichnung – AGB-Kontrolle 138–142, 148 – Arten 136 f. – Art. L544–6 CMF 146–148 – Ausstrahlungswirkung des Art. 35a Abs. 3 RatingVO 2013 198–200 – Besonderheiten beim Abonnementvertrag 152–157 – Chronopost-Rechtsprechung 149, 151 – Einfluss der UK Regulations 201 f. – gegenüber Dritten 159–167 – gegenüber Vertragspartnern 136–157 – Kardinalpflichten 140 f., 152, 166 – non-contractual notices 160–167 – obligation essentielle du contrat 149 f. – resonableness-Test nach UCTA 1977 143–146, 153 f., 161 Haftungsmaßstab siehe auch verschuldensunabhängige Haftung – Bedarf nach Ausweitung i. R. d. harmonisierten Haftungstatbestands 217–219
Stichwortverzeichnis – Bedarf nach Generalklausel für allgemeine Vermögensschäden im deutschen Recht 179–181 haftungsrelevante Pflichtverletzungen 46 f. harmonisierter Haftungstatbestand siehe Art. 35a RatingVO 2013 Heberger-Bau-Entscheidung 65 Hedley Byrne v Heller 102 Henderson v Merrett Syndicates Ltd 62 HGÜ 118 f. institutionelle Anleger 80, siehe auch Anlegertypen internationale Zuständigkeit 117–127, siehe auch übergeordnete Fragestellungen IOSCO-Kodex 23 f., 58 Kardinalpflichten siehe Haftungsfreizeichnung Konkurrenzverhältnis zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung – Bedeutung für die Haftungsfrage 157–159 – bestehende nationale Regelungen 49 f., 57 f., 62 f. Kumulierungsverbot siehe principe de non-cumul des responsabilités länderübergreifende Hindernisse bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen 186 f. lex fori 120–123 Lüth-Urteil 170 Mangel an Gerichtsentscheidungen zur Haftungsfrage 39–42 Meinungs- und Pressefreiheit – Anwendbarkeit auf Ratings nach bestehenden nationalen Regelungen 66–68, 169–177 – Einfluss des harmonisierten Haftungstatbestands 177 f. negligence – Begriff 75, 142 – Tatbestand des tort of negligence siehe tort of negligence non-contractual notices siehe Haftungsfreizeichnung obligation de moyens 54–57, 86 f., 133–136, 158, 182 obligation de résultat 54–57, 86 f., 127, 133–136, 158, 182, 217
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obligation essentielle du contrat siehe Haftungsfreizeichnung Paradine v Jane 59 Phillips Products Ltd v Hyland 144 Photo Production Ltd v Securicor Transport Ltd 144 Pressefreiheit siehe Meinungs- und Pressefreiheit principe de non-cumul des responsabilités – Bedeutung für die Haftungsfrage 157–159 – Definition und Anwendung im konkreten Fall 51 f., 57 f., 185 privity of contract-Doktrin 74 f., 101 proximity 77 f., 101 f. pure economic losses 104 Rating – Ablauf Ratingprozess 14–17 – Arten fehlerhafter Ratings 13 f. – Arten von Ratings im Generellen 6–11 – Begriff 5 f. – Einflussfaktoren 15 f. – Fehlerquellen 19–24 – Funktionen 11–13 – Haftungsverhältnisse 13 f. Ratingagenturen – die „Großen Drei“ bzw. the Big Three – – anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit 107, 110, 122 – – Anwendbarkeit der Regelungen der RatingVO 2013 33 – – Begriff und generelle Problematik 8 f. – – europäische Ratingagentur als Gegengewicht 221–224 – kleinere Ratingagenturen – – anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit 107, 122 – – Aufbau eines Netzes solcher Agenturen 8 f. – – Gefahr zu hoher Haftungsrisiken 215, 218 Ratingvertrag – bestehende Haftungsregelungen 42–63 – Definition 10 – typologische Einordnung im deutschen Recht 44–46, siehe auch Vertragstypeneinordnung – typologische Einordnung zur Bestimmung des anwendbaren Rechts 109–112, siehe auch Vertragstypeneinordnung resonableness-Test nach UCTA 1977 siehe Haftungsfreizeichnung
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Stichwortverzeichnis
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 64–69, 90 Rechtsvergleichungsmethode – gewählter Ansatz 3 f. – Konsequenzen für den Aufbau der Arbeit 4 f. responsabilité contractuelle 53–57, 85–87 responsabilité délictuelle 69–74, 99 responsabilité quasi-délictuelle 50 f. Sachberichte zur Haftung von Ratingagenturen 42–132 Schutzumfang des Deliktsrechts 178–181, siehe auch deliktische Haftung Selbstregulierung der Märkte 2, 23–26 shopping around 30, 207 Smith v Eric S. Bush 145, 153 solicited rating siehe Auftragsrating stare-decisis-Doktrin 41 tort of negligence – Charakteristik 184 – gegenüber dem allgemeinen Anleger publikum 100 f. – gegenüber Emittenten beim auftragslosen Rating 75–79 – Reichweite 190 f. übergeordnete Fragestellungen – anwendbares Recht 107–117 – Beweislastverteilung 127–132 – internationale Zuständigkeit 117–127 UK Regulations – Bedeutung für die Haftung 194–196 – Einfluss auf Haftungsfreizeichnung 201 f. – Inhalte 38, 194–196 – Zusammenspiel mit harmonisiertem Haftungstatbestand 191–194
unsolicited rating siehe auftragsloses Rating upgrade 14, 45 verschuldensunabhängige Haftung – Charakter der Haftung bei Vorliegen einer obligation de résultat 134 – Garantiehaftung aus breach of contract im englischen Recht 59 f. – Lösung für den harmonisierten Haftungstatbestand? 217–219 – Verschuldenserfordernis i. R. d. Haftung nach Art. L544–5 CMF 73 f. – Wirkung der Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB 182 vertragliche Haftung – gegenüber Abonnenten 81–87 – gegenüber Emittenten beim Auftragsrating 43–48, 53–57, 59–62 – Verhältnis zur außervertraglichen Haftung siehe Konkurrenzverhältnis zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung Vertragsbruch siehe breach of contract Vertragstypeneinordnung – Bedeutung in den untersuchten Ländern 133 f. – bestehende nationale Regelungen 44–46, 59 f., 53–55, 81–83 – im Rahmen der Bestimmung des anwendbaren Rechts 109–112 – Konsequenzen für die vertragliche Haftung 134–136 Warentest-Rechtsprechung 76 f., 171 Watford Electronics Ltd v Sanderson Ltd 145