Spezifische und arbiträre leere Objekte 9783964567659

Die Untersuchung analysiert hauptsächlich das brasilianische Portugiesisch, aber auch andere Sprachen hinsichtlich des F

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German Pages 164 [162] Year 2019

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INHALT
Vorwort
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
3. Leere Kategorien in der Syntax
4. Leere Objekte
5. Schlußbemerkungen
6. Literatur
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Spezifische und arbiträre leere Objekte
 9783964567659

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María Goldbach Spezifische und arbiträre leere Objekte

Editionen der Iberoamericana Ediciones de Iberoamericana Serie A: Literaturgeschichte und -kritik / Historia y Critica de la Literatura Serie B: Sprachwissenschaft / Lingüistica Serie C: Geschichte und Gesellschaft / Historia y Sociedad Serie D: Bibliographien / Bibliografías Herausgegeben von / Editado por: Walther L. Bernecker, Frauke Gewecke, Jürgen M. Meisel, Klaus Meyer-Minnemann B: Sprachwissenschaft / Lingüistica, 2

Maria Goldbach

Spezifische und arbiträre leere Objekte

Vervuert Verlag • Frankfurt am Main 1999

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme [Iberoamericana / Editionen / B| Editionen der Iberoamericana=Ediciones de Iberoamericana. Serie B, Sprachwissenschaft = Lingüística. - Frankfurt am Main : Vervuert Reihe Editionen, Serie B zu: Iberoamericana. - Hervorgegangen aus: Iberoamericana / Editionen / 03 2. Goldbach, Maria: Spezifische und arbiträre leere Objekte. - 1 9 9 9 Goldbach, Maria: Spezifische und arbiträre leere Objekte / Maria Goldbach. - Frankfurt am Main : Vervuert, 1999 (Editionen der Iberoamericana : Serie B, Sprachwissenschaft ; 2) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-89354-874-2 © Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1999 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Michael Ackermann Gedruckt auf säure- und chlorfreiem, alterungsbeständigen Papier Printed in Germany

INHALT Vorwort

7

1.

Einleitung

9

2.

Theoretische Grundlagen

13

2.1

Die Rektions-und Bindungstheorie

13

2.1.1

2.2

Die Konstruktion des der Theorie zugrundeliegenden Modells 2.1.2 Komponenten der Syntax Das Modell der Zwei-Ebenen-Semantik

14 16 19

3.

Leere Kategorien in der Syntax

25

3.1

Motivation und Entstehung leerer Kategorien

27

3.2

Nullsubjektsprachen und der Pro-Drop-Parameter

30

3.3

3.2.1 Die klassische Version des Pro-Drop-Parameters 3.2.2 Eine neue leere Kategorie: pro 3.2.3 Die moderne Auffassung Funktionale versus kategoriale Definition leerer Kategorien

30 37 43 56

4.

Leere Objekte

59

4.1

Nullobjekte spezifischer Referenz

59

4.1.1

4.2

Leere Objekte aus sprachübergreifender Sicht: Überblick über die Forschungslage 4.1.1.1 Leere Objekte als Variablen 4.1.1.2 Leere Objekte als pro 4.1.1.3 Neue Kategorien für leere Objekte 4.1.2 Leere Objekte im brasilianischen Portugiesisch 4.1.2.1 Die frühesten Studien zum Nullobjektphänomen im Portugiesischen 4.1.2.2 Generative Analysen des Nullobjekts im brasilianischen Portugiesisch (BP) 4.1.3 Ungelöste Probleme Lösungsansätze 4.2.1 4.2.2

Leere Objekte in Komplementsätzen Nullobjektkonstruktionen im Zusammenhang mit Topikalisierung

59 60 80 86 92 92 94 104 107 107 117

6

Inhalt

4.2.3

4.3

Faktoren für die Entstehung von Nullobjektkonstruktionen 4.2.3.1 Inventar und Stellung der brasilianischen Objektklitika 4.2.3.2 Nullobjekte und das Verschwinden der Objektklitika der 3. Person in Zusammenhang mit der Proklise und dem Auftreten der volltonischen Personalpronomina der 3. Person 4.2.4 Fazit Leere Objekte arbiträrer Referenz

122 127 127

4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4

128 132 134 139

Arbiträre Nullobjekte als pro Arbiträre Nullobjekte als Variablen Arbiträre Nullobjekte als A'-gebundenes pro Ein Lösungsansatz

120 120

5.

Schlußbemerkungen

147

5.1

Gesamtschau

147

5.2

Ausblick

148

6.

Literatur

153

Vorwort

7

Vorwort In der vorliegenden Arbeit wird das Resultat meiner mehljährigen Beschäftigung mit einem kleinen Nichts, dem Nullobjekt, dokumentiert. Sie konnte vor allem deshalb entstehen, weil mir die Unterstützung meines Lehrers und meiner Freunde und Freundinnen zuteil wurde. Insbesondere und vor allen bin ich meinem Lehrer Jürgen M. Meisel dankbar, und zwar für seine Anregungen, seine Kritik und die Förderung, ohne die ich meine Studie nicht zuende gebracht haben könnte. Von ihm habe ich außerordentlich viel gelernt. Durch seine Lehre hat sich mir die Sprachwissenschaft als ein überaus spannender Krimi dargestellt. Christopher Habel hat meine Arbeit durch wertvolle Kommentare angereichert und mir an vielen Stellen wichtige Anregungen gegeben. Dafür spreche ich ihm meinen herzlichen Dank aus. Es hat mich zudem besonders gefreut, daß er die Zweitgutachterschaft der vorliegenden Arbeit übernommen hat, was für mich von besonderem Wert ist. Georg Kaiser hat mein Vorhaben von Beginn an mitverfolgt und für mich stets ein offenes Ohr gehabt. Dafür, daß er sich für meine Belange so oft eingesetzt hat und mich vor unerfreulichen Irrtümern bewahrt hat, möchte ich ihm von Herzen danken. Zu Dank verpflichtet bin ich meinen Muttersprachlern. Wegen ihrer besonderen Geduld und Ausdauer möchte ich ein großes Lob an Vänia Karsch, Eliana Maniero und Andrea Otersen aussprechen. Doch auch den hier nicht namentlich genannten Informanten spreche ich ausdrücklichen meinen Dank aus. Für die zahlreichen Diskussionen mit meinen Freundinnen und Kolleginnen Barbara Kaup, Christine Kossbiel und Heike Tappe bin ich sehr dankbar und hoffe, daß ich sie auch in Zukunft mit meinen quälenden Fragen bedrängen kann. Ich erkenne dankbar an, daß sie meine Neugierde stets ertragen haben und versucht haben, sie zu stillen. Meine Mutter hat mir vor allem im letzten Jahr ermöglicht, der Verschriftlichung meiner Arbeit ausreichend Zeit zu widmen. Das hat mir sehr geholfen, und ich hoffe, sie weiß, wie dankbar ich ihr dafür bin. Meine Freundin und mein Orakel Sabine Enger möchte ich an dieser Stelle lobpreisen, weil dies schon lange fällig ist und weil es keinen geeigneteren Rahmen dafür geben kann. Sie hat alle Stadien meiner Arbeit einfühlsam beobachtet und aufmerksam kommentiert und hat mich stets zu neuen Erkenntnissen geführt. Während der Arbeit an der vorliegenden Studie erhielt ich ein Stipendium gemäß dem Hamburgischen Gesetz zur Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses und im Anschluß daran ein Stipendium im Rahmen des Hochschulsonderprogramms II. Aufgrund dieser Förderung war ich dazu in der Lage, mein Promotionsvorhaben durchzufuhren. Ich möchte allen danken, die sich dafür eingesetzt haben, daß ich in den Genuß dieser Förderung kam. Ich widme diese Arbeit meinem Sohn Jeremias, der auf seine Mutter freundlicherweise bei Gelegenheit verzichtet hat, damit sie endlich fertig wurde.

Einleitung

1.

9

Einleitung

Das Phänomen des Sprachvermögens ist eine gattungsspezifische Fähigkeit. Kommunikationssysteme im Bereich der Tierwelt verfügen nicht über ein derart komplexes Repräsentationsformat (bestehend aus phonologischer, syntaktischer und semantischer Repräsentation). Weiterhin hält das menschliche Sprachsystem unendlich viele Ausdrucksmöglichkeiten bereit, welche im geeigneten Augenblick zum Einsatz kommen. Hierbei gilt, daß der Einsatz der Sprache nicht instinktgetrieben ist und nicht aus Reizeinwirkung resultiert, sondern auf einer intendierenden Entscheidung beruht (der sog. "kreative Aspekt der Sprache", vergl. Chomsky (1964:1)). Sollte die Forschung einer Klärung der entscheidenden Fragen, worin die menschliche Sprachfähigkeit besteht, wie Sprache erworben und wie sie verwendet wird in Perzeption und Produktion (vergl. Chomsky (1986b:3)), näherkommen, dann hätte sie wesentliche Erkenntnisse über den Menschen selbst und über die Funktionsweise seines Geistes/Gehirns gewonnen (vergl. auch Chomsky (1975:4f.)). In diesem Sinne könnte man Sprachwissenschaft als Inbegriff einer Geisteswissenschaft, und zwar als Wissenschaft eines charakteristischen Teilbereichs des menschlichen Geistes auffassen. Nun ist die kognitive Linguistik keine beobachtende Wissenschaft, vielmehr gewinnt sie ihre Daten aus Versuchen. Diese Methode hat sie mit den Naturwissenschaften gemein. Der Gegenstand der Untersuchung ist in indirekter Weise eine biologische Ausstattung des Menschen. Chomsky (1975:36, 1980a:4) faßt Linguistik als einen Unterbereich der Psychologie auf. Unter diesem Aspekt gliedert sich die kognitive Linguistik ebenfalls in die Naturwissenschaften ein. Mithin ist Kognitionswissenschaft insgesamt im Grenzbereich zwischen Geistesund Naturwissenschaften angesiedelt. Die kognitive Linguistik untersucht in ihren Teilbereichen, wie Sprache erworben, verarbeitet und produziert wird, wie sie sich neuronal manifestiert (welche physikalischen Mechanismen zugrundeliegen) und wie eine abstrakte Charakterisierung der mentalen Realität, auf der Spracherwerb und Sprachverwendung basieren, aussehen kann. Der letzteren Aufgabe widmet sich die theoretische Linguistik (vergl. Bierwisch (1987), Chomsky (1965, 1977)). Die Daten, die die theoretische Linguistik hauptsächlich verwendet, sind Grammatikalitätsurteile von Muttersprachlern. Auf Grundlage der Analyse dieser Daten strebt die theoretische Linguistik an, eine abstrakte Beschreibung der menschlichen Sprachfähigkeit zu geben. Sie sucht nach Prinzipien, denen die Repräsentationen und Berechnungen dieser mentalen Kapazität unterliegen (vergl. Bierwisch (1987:666)). Eine Grammatiktheorie, welche Aussagen über die angeborene Disposition und über den stabilen Zustand macht, den jedes "normale" Kind unter Kontakt mit Sprachdaten mit Abschluß des Spracherwerbs erreicht, wird zum einen gemessen an der Frage, ob sie die Kompetenz des Muttersprachlers angemessen beschreibt (deskriptive Adäquatheit), und zum anderen daran, ob die in ihr angenommenen Prinzipien und Primitiva erklären, wie ein Kind ausgehend von einer angeborenen Sprachfähigkeit bei angebotenem Sprachmaterial seine Sprache erwirbt (explanatorische Adäquatheit,

10

Einleitung

vergl. Chomsky (1965), Chomsky & Lasnik (1993)). Zusätzlich muß eine Grammatiktheorie überprüft werden anhand von Ergebnissen, die beispielsweise Sprachverarbeitungstest oder Aphasiestudien liefern. Die Urteile von Muttersprachlern sind für die theoretische Linguistik zwar relevante Evidenzen für oder gegen theoretische Annahmen, in weiteren Schritten sollen diese aber zusätzlich anhand von in Nachbardisziplinen gewonnenen Evidenzen überprüft werden (vergl. Chomsky (1975:37, 1986b:36ff.)). Die Theorie der mentalen Prädisposition (die Theorie der Universalgrammatik) ist demzufolge ein Forschungsprogramm, das verschiedene Arten von Evidenzen berücksichtigen muß, um den Charakter der menschlichen Sprachfahigkeit offenzu legen. Die vorliegende Arbeit untersucht im Rahmen der theoretischen Linguistik die syntaktische und semantische Repräsentation von Sätzen, in denen das direkte Objekt transitiver Verben fehlt, und die damit verknüpfte Frage, wie die Referenten der phonetisch nicht realisierten Objektkategorie auf einer konzeptuellen Ebene fixiert werden. Ich gehe dieser Aufgabe in zwei Abschnitten nach. In einem Abschnitt behandle ich referentielle Nullobjekte und in einem anderen Nullobjekte mit einer arbiträren Referenz. Meine Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, wie wir Elemente, die wir in einer sprachlichen Äußerung nicht hören, trotzdem mitverstehen können. Es ist die Analyse eines phonetisch nicht realisierten, syntaktisch und semantisch jedoch vorhandenen Elements. Die syntaktischen und semantischen Eigenschaften dieses Elements können oberflächlich nicht beobachtet werden. Sie müssen demzufolge aus einem verdeckten Mechanismus resultieren. Was nun referentielle Nullobjekte betrifft, zeigt das brasilianische Portugiesisch (BP) innerhalb der romanischen Sprachfamilie ein abweichendes Verhalten hinsichtlich dieses Phänomens, und ich gehe deshalb besonders auf die Nullobjekte in BP ein. Wie ich in den Abschnitten 3.2.1 und 4.1 ausfuhrlich illustrieren werde, ist es in vielen Sprachen möglich, das Subjekt und/oder das Objekt eines Satzes auszulassen, wenn aus dem Kontext hervorgeht, wer oder was gemeint ist. Kontext kann entweder der grammatische Kontext sein, wie beispielsweise im Baskischen, wo durch Flexionsendungen am Verb eindeutig markiert ist, was als Subjekt (oder Objekt) eines Verbs in Frage kommt. Oder es kann der diskursive oder der außersprachliche Kontext sein, der einen Referenten als möglichen Besetzer einer freien Subjekt- oder Objektposition eines Satzes auszeichnet. Spezifiziert der grammatische Kontext den Referenten eines leeren Subjektes oder Objektes, wird die Auslassung des Verbarguments durch die Personenkongruenz am Verb ermöglicht. Das Auffinden des Referenten für die Leerstelle ist somit morphologisch geregelt. Bei Auslassungen, die nicht morphologisch lizenziert sind, ist das Zusammenspiel von grammatischen Prinzipien, denen die grammatische Repräsentation dieser Strukturen unterliegt, oberflächlich nicht ableitbar. Bei den Nullobjektstrukturen in BP handelt es sich um letztere Art von Auslassungen. Folgende Beispielsätze weisen Objektauslassungen auf, wobei der Unterstrich das lautlich fehlende (und durch kein offen erkennbares morpho-

11

Einleitung

logisches Material wie Flexionsaffixe oder Klitika identifizierte), aber inhaltlich mitverstandene Objekt symbolisiert: (1) Eu conheci numa festa. Ich habe kennengelernt auf einem Fest. Ich habe (sie/ihn/es) auf einem Fest kennengelernt. (2) Eu comprei quando eu fui para o Rio. Ich habe gekauft ,als ich fuhr nach Rio. Ich habe (es) gekauft, als ich nach Rio fuhr. Die entsprechenden Übersetzungen der Sätze im Spanischen, Italienischen und Französischen sind ungrammatisch: (3) Frz.: *Pai rencontré Je l'ai rencontré(e)

à une fête. à une fête.

Kennzeichnend fur leere Objekte in BP ist, daß sie in den meisten Strukturen für die 3. Person spezifiziert sind. Sie sind spezifischer Referenz, die beiden Sätze oben werden so verstanden, daß der Sprecher etwas/jemand Bestimmtes kennengelernt bzw. gekauft hat. Vielfach tragen sie das Merkmal [-human], das bedeutet, sie beziehen sich meist nicht auf Menschen als ihre Referenten. Es gibt keine speziellen semantischen Verbklassen, deren transitive Vertreter bevorzugt ihr Objekt nullrealisieren. Objektauslassungen kommen bei allen transitiven Verben vor, und diese Verben können in allen morphologisch markierten Tempora und Aspekten auftreten. Ich habe die charakteristischen Eigenschaften des spezifischen leeren Objekts durch den Vergleich von Nullobjektstrukturen in unterschiedlichen Sprachen herausgestellt. In der Forschung wurde meist versucht, dieses Phänomen innerhalb der Rektions- und Bindungstheorie (GB, vergi. Chomsky (1981)) zu erklären. Wie ich zeigen werde, haben diese Versuche nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen gefuhrt. Aus diesem Grund habe ich diesen Rahmen verlassen und biete eine Lösung des Problems in dem Verarbeitungsmodell von Kehler (1994) an. In dem anderen Bereich meiner Arbeit untersuche ich arbiträre Nullobjektkonstruktionen, wie sie beispielsweise im Italienischen und Französischen vorkommen (vergi. Rizzi (1986), Authier (1989)): (4)

(5)

a. Il bel temo invoglia a restare. Das schöne Wetter veranlaßt zu bleiben. b. L'ambizione spesso spinge a commettere errori. Ehrgeiz treibt oft dazu, Fehler zu machen. a. L'ambition amène à commettre des erreurs. (Bedeutung wie in (4b)). b. Jouer au billard rend adroit. Billardspielen macht geschickt.

12

Einleitung

Die jeweils fehlende Objektkategorie erhält eine generische Lesart. Diese Lesart wird ausgelöst erstens von der semantischen Aspektklasse des beteiligten Verbs nur Resultatiwerben erlauben diese Art von Objektauslassung - und zweitens von der mit der Verbklasse verträglichen Kodierung des habituellen Aspekts durch das Tempusmorphem. Für beide Arten von Nullobjektkonstruktionen will diese Arbeit untersuchen, wie auf der Konzeptuellen Ebene einerseits die Spezifikation des Referenten wie in BP und andererseits die Abstraktion über den Referenten wie im Italienischen und Französischen zustande kommt. Weil bekanntlich Theorien, mit Hilfe derer wir (sprachliche oder auch physikalische) Erscheinungen erklären, zumindest genauso viel Auskunft über die zu erklärenden Phänomene wie über den Bewußtseinsstand desjenigen aussagen, der diese Theorien aufstellt oder mit ihnen zu Erklärungen gelangt, habe ich es mir zur Methode gemacht, die den Theorien zugrundeliegenden Ideen ausführlich darzustellen. Meine Arbeit ist der Aufgabe verpflichtet, die Vorstellung, die hinter der Annahme syntaktisch leerer Kategorien steht, nahe zu bringen. Meiner Ansicht nach ist es nicht möglich, das Nullobjektphänomen allein syntaktisch zu erklären. Ich möchte daher die Theorie der GB ob ihrer Erklärungskraft anhand des Nullobjektphänomens überprüfen. Meine Darstellung beginnt mit einer Einführung in die Axiomatik von GB, die den modernen Nullobjektuntersuchungen zugrundeliegt, und fuhrt in das ZweiEbenen-Modell ein, welches ich für die Analyse arbiträrer Nullobjekte heranziehe. Kapitel 3 schildert die Beweggründe für die Annahme leerer Kategorien in der Syntax. Kapitel 4 ist das Kernstück dieser Arbeit. In den beiden ersten Abschnitten dieses Kapitels bespreche ich leere Objekte spezifischer Referenz. Abschnitt 4.3 diskutiert leere Objekte arbiträrer Referenz. Die Aufgabe meiner Arbeit sehe ich darin, die Notwendigkeit der Annahme leerer syntaktischer Kategorien zu bekräftigen und Argumente dafür zu liefern, den Bestand leerer Kategorien nicht im Zuge von Ad-hoc-Lösungen zu erweitern. Weil die Nullobjektphänomene nicht allein ein Problem der syntaktischen Struktur sind, ziehe ich zu ihrer Erklärung an entsprechender Stelle ein Modell aus einem anderen Bereich des Sprachsystems heran.

Theoretische Grundlagen

2.

13

Theoretische Grundlagen

In diesem Kapitel stelle ich zum einen die Theorie vor, in der spezifische Nullobjekte in der Forschung untersucht wurden, und zwar die Rektions- und Bindungstheorie (im wesentlichen Chomsky (1981)). Zum anderen skizziere ich Grundannahmen der Zwei-Ebenen-Semantik (Bierwisch (1983), Bierwisch & Lang (1987)), innerhalb der ich Nullobjekte arbiträrer Referenz analysiere. Das Verarbeitungsmodell von Kehler (1993), welches ich für die Analyse leerer Objekte spezifischer Referenz gebrauche, referiere ich in Kapitel 4 an entsprechender Stelle. Im ersten Teil des folgenden Kapitels erläutere ich die für meine Analyse wichtigen Bereiche der Rektions- und Bindungstheorie (GB). Der zweite Teil stellt die Thesen des Zwei-Ebenen-Modells dar.

2.1

Die Rektions- und Bindungstheorie

Die Rektions- und Bindungstheorie ist der syntaktische Teil der Prinzipien- und Parametertheorie (PPT, vergl. Chomsky & Lasnik (1993)). Die PPT versucht im wesentlichen drei Fragen zu beantworten: Wie erwirbt ein Kind sprachliches Wissen? Was muß ein kompetenter Sprecher wissen, wenn er seine Sprache benutzt, d.h. wie ist sein sprachliches Wissen aufgebaut? Wie benutzt er dieses Wissen? Für die Beantwortung von Frage eins wird davon ausgegangen, daß der Mensch mit angeborenem sprachlichem Wissen zur Welt kommt und daß alle Menschen dieses Wissen in gleicher Weise besitzen. Mit anderen Worten, wir kommen mit einem Sprachorgan zur Welt. Die Theorie über das Ausgangsstadium unseres sprachlichen Wissens heißt Universalgrammatik (UG). Die PPT nimmt an, daß die UG zum einen aus sprachinvarianten Prinzipien besteht. Dazu gehört beispielsweise das Prinzip, daß jeder Satz ein Subjekt hat, auch wenn es nur aus dem Diskurs rekonstruiert werden kann oder wenn es nur mit Hilfe eines Flexionsmorphems am Verb identifiziert werden kann. Zum anderen besteht die UG aus sprachspezifischen Festsetzungen, den Parametern. Weil ein universales Prinzip besagt, daß jeder Satz ein Subjekt hat, ist ein Parameter dafür verantwortlich zu ermöglichen, daß im Englischen niemals die Subjektposition leer sein darf, dagegen im Italienischen die Subjektposition meist unbesetzt bleibt. Beim kindlichen Spracherwerb werden die Prinzipien nicht gelernt, sie sind Teil der Anfangsausrüstung. Das Kind muß jedoch die Werte für die Parameter festlegen. Man nimmt an, daß auf einem Parameter mehrere Eigenschaften gebündelt sind, so daß aus dem Erwerb eines einzigen Parameters die Beherrschung mehrerer struktureller Gegebenheiten folgt. Die UG erklärt also, warum es möglich ist, daß ein Kind in überaus kurzer Zeit auf der Grundlage von zum Teil fehlerhaftem sprachlichem Input seine Sprache vollständig erwirbt, und zwar in einem Alter, in dem es noch nicht fähig ist, vergleichbar komplexe intellektuelle Leistungen auf anderen Gebieten zu erbringen. Zur Beantwortung der zweiten Frage, wie sprachliches Wissen beschaffen ist, muß untersucht werden, welche (meist verdeckten) Prinzipien die Berechnung der sprachlichen Repräsentationen lenken. Auf dem Forschungsprogramm der PPT steht die Entwicklung einer Grammatiktheorie, die einerseits unter Berück-

14

Theoretische Grundlagen

sichtigung sämtlicher existierender Sprachen das sprachliche Wissen, das dem Sprachverstehen und der Sprachproduktion zugrunde liegt, beschreiben und die andererseits den kindlichen Spracherwerb erklären soll. Man geht davon aus, daß die Repräsentationen und Derivationen des Modells, welches ich im Folgenden wiedergebe, die abstrakten syntaktischen Fähigkeiten des menschlichen Sprachorgans erklären. In diesem Sinne ist die PPT eine mentalistische Sprachtheorie. Zu den Gnindannahmen gehört, daß unser sprachliches Wissen, d.h. die uns angeborene Grammatik aus einer Lexikonkomponente und einer Berechnungskomponente besteht (Chomsky & Lasnik (1993)). Im Lexikon werden Worte und Morpheme mit ihren phonologischen, syntaktischen und semantischen Eigenschaften gespeichert. In der Berechnungskomponente wird das lexikalische Material syntaktisch konfiguriert und in Repräsentationsformate gebracht, die von den Performanzsystemen, der konzeptuellen und der artikulatorischen Komponente, verarbeitet werden können. Aus dem Lexikon kommen vollständige Wörter in eine Art Basisstruktur der Syntax, welche die D(eep)-strukturelle Repräsentation eines Satzes darstellt. Der Lexikoneintrag eines Lexems besteht aus phonologischen, syntaktischen und semantischen Informationen. Mit Bierwisch (1983) gehe ich davon aus, daß der Lexikoneintrag eines Wortes wie beispielsweise geben vereinfacht folgendermaßen aussieht: (1) /geben/; [+V,-N;-AGR]; Az A.y Ax As [s INST [CAUSE (x, BECOME (POSS (y¿)))]] PF GF AS SF PF sind Angaben zur phonetischen Form (die ich hier nicht weiter spezifiziert habe), GF sind die für die syntaktische Berechnung relevanten Merkmale, die Kategorienzugehörigkeit, Finitheit etc. spezifizieren, AS ist die Argument struktur und SF ist die semantische Form eines lexikalischen Ausdrucks. Auf AS und SF gehe ich im Abschnitt 2.2 ein. 2.1.1

Die Konstruktion des der Theorie zugrundeliegenden Modells

Das Berechnungssystem ist die Syntax. Die Theorie der Berechnungskomponente ist die GB. Eine Theorie der Berechnungskomponente muß komplex sein, um den komplexen Aufbau unseres Sprachvermögens zu modellieren, der uns erlaubt, jede der vielen verschiedenen existierenden Sprachen (oder auch mehrere Sprachen gleichzeitig) zu erwerben. Außerdem muß die Theorie aber auch einfach sein, damit sie das Problem des Spracherwerbs erklären kann. Die GB löst diese Aufgabe, indem sie einen modularen Aufbau des Sprachsystems annimmt. Die Einfachheit des Systems (und zugleich seine Robustheit) wird somit durch die Modularität gesichert, seine Komplexität durch die Interaktion der Module erklärt. Lexikon, Berechnungssystem und Interpretationssysteme sind insofern voneinander unabhängig, als daß sie jeweils unterschiedlichen Regeln unterliegen. Die Elemente einer Funktionseinheit unterliegen nicht Prinzipien einer anderen Funktionseinheit, noch lassen sich

Theoretische Grundlagen

15

deren Prinzipien aufeinander zurückfuhren. Die Interaktion der Module miteinander besteht darin, daß das Berechnungssystem den Output des Lexikons berechnet, die Interpretationssysteme den des Berechnungssystems. Für die Syntax werden in der GB folgende Repräsentationsebenen angenommen: Lexikon

D-Struktur

S-Struktur

Die allgemeine Bewegungsregel Move-Alpha bildet die D-strukturellen Repräsentationen auf ihre jeweilige S(urface)-Struktur ab. Beispielsweise wird für die Sätze "Paul schlägt Johann" und "Johann wird von Paul geschlagen" angenommen, daß sie beide die gleiche D-strukturelle Repräsentation haben und sich lediglich in ihren S-Strukturen unterscheiden. S-Stmkturen erhalten dann eine Phonetische Form, welche dem Artikulationssystem zugeführt wird. Eine weitere Repräsentationsebene ist die Logische Form (LF). Die LF eines Satzes kommt durch die verdeckte Anwendung von Move-Alpha zustande, das heißt, diese Bewegung wirkt sich nicht auf die Phonetische Form eines Satzes aus. Beispielsweise hat die S-strukturelle Repräsentation des Satzes "Jeder Mann liebt eine Frau" zwei LF-Darstellungen: a) Entweder gibt es eine Frau, die jeder Mann liebt, ober b) es gibt für jeden Mann eine Frau, die er liebt. Die LF eines Satzes hat jedoch keinen Zugang zum Artikulationssystem, die beiden Repräsentationen in a) und b) sind Lesarten des zugrundeliegenden Satzes. LF-Repräsentationen werden der Ebene der Semantischen Form zugeführt.1 Für die oben dargestellten Repräsentationsebenen gelten Wohlgeformtheits bedingungen. Diese Überprüfungsmechanismen syntaktischer Strukturen sind wiederum modular organisiert. Die Module, welche die D-Struktur überprüfen, sind die X-Bar-Theorie, das Projektionsprinzip, das Subjektprinzip und die Thetatheorie. Die S-Struktur unterliegt der Kasustheorie, der Bindungstheorie, dem Prinzip für leere Kategorien und der Barrierentheorie. Die Bindungstheorie und das Leere-Kategorien-Prinzip (ECP) sind ebenfalls für LF die Überprüfungsmechanismen. Im folgenden Abschnitt stelle ich die für diese Arbeit benötigten Syntaxmodule vor.

Eine Begründung für die Existenz einer unabhängigen Repräsentationsebene zwischen LF und konzeptueller Ebene liefern Bierwisch & Lang (1987).

Theoretische Grundlagen

16

2.1.2

Komponenten der Syntax

Wir nehmen an, daß die in der Syntax zu verarbeitenden lexikalischen Elemente in einer spezifischen Form Eingang in das Berechnungssystem haben. Lexikalische Einheiten werden als syntaktische Konstruktionsköpfe aufgefaßt, die eine Komplementposition und eine Spezifiziererposition besitzen: (1) Das X-Bar-Schema XP=X" SPEC

x'

YP (Komplement) X ist in dieser Darstellung ein lexikalischer Kopf, z.B. Verb, Nomen, Präposition oder Adjektiv. Die X-Bar-Schemata der lexikalischen Kategorien werden auf der D-Struktur in der Weise zusammengefugt, daß die Lexikoneinträge der Köpfe abgearbeitet werden und zueinander passen. Ein Verb wie lesen braucht dann eine Nominalphrase als Subjekt, die einen Menschen bezeichnet, und eine weitere Nominalphrase als Objekt. Das Projektionsprinzip verlangt, daß sämtliche im Lexikoneintrag eines Wortes vorhandenenen Eigenschaften Eingang in die Syntax fmden und daß diese Eigenschaften das syntaktische und semantische Kombinationsverhalten eines lexikalischen Kopfes bestimmen. Lexikoneinträge dürfen daher beim Übergang von einer Repräsentationsebene zur anderen durch Derivationen (Move-Alpha) nicht verändert werden. Vor allem für Verben ist das sog. Thetakriterium von Bedeutung. Es besagt, daß die thematischen Eigenschaften von Verben (aber auch von anderen Kategorien) auf der D-Struktur dargestellt werden müssen. Die thematischen Eigenschaften eines Verbs legen die Anzahl der Argumente fest, die es braucht, um in der Syntax eine wohlgeformte Struktur zu bilden. So vergibt beispielsweise das Verb jagen die thematischen Rollen (Thetarollen) AGENS (=Jäger) und PATIENS (=Gejagter) und braucht dafür in der Syntax zwei Argumentnominalphrasen, die diese Rollen einnehmen können. Das Thetakriterium verlangt, daß zwischen Thetarollen und Argumentnominalphrasen eine Eins-zu-Eins-Beziehung besteht. Die D-Struktur eines Satzes ist folglich die Darstellung der thematischen Beziehungen zwischen den lexikalischen Einheiten. Sie stellt für alle erforderlichen Thetarollen Positionen zur Verfügung, die von Argumentnominalphrasen eingenommen werden müssen. Wird ein Argument unter Anwendimg von MoveAlpha in eine andere Position bewegt, hinterläßt die Bewegung Spuren: In der ursprünglichen Position befindet sich dann eine leere Kategorie, die bei der Interpretation des Satzes vermittelt, welches Argument sich in ihrer Position auf der D-Struktur befand. Viele Sätze haben eine gemeinsame D-Struktur. Abhängig davon, auf welches Element Move-Alpha angewendet wird, unter-

Theoretische Grundlagen

17

scheiden sie sich auf der S-Struktur. Die Konzeption der leeren Kategorien dient demnach der Informationsvermittlung, und zwar um anzugeben, in welcher thematischen Beziehung die Kategorien der S-Struktur zueinander stehen. Die Annahme leerer Kategorien folgt also aus dem Projektionsprinzip und dem Thetakriterium. Das Satzschema ist starr in dem Sinne, daß einmal auf der DStruktur geschaffene Positionen nicht getilgt werden dürfen. Für Sprachen, die Subjekt- und/oder Objektauslassung erlauben, nimmt GB an, daß auf der Ebene der Syntax leere Kategorien in Subjekt- bzw. Objektposition stehen. Es ist nun klar geworden, daß beispielsweise Nullobjekte in der Syntax nicht etwa einfache Auslassungen oder Tilgungen sind, sondern von einer leeren syntaktischen Kategorie in Objektposition des Verbs repräsentiert werden. Dieses Ergebnis folgt aus dem Projektionsprinzip und aus dem Thetakriterium. Die Bindungstheorie überprüft die S-strukturelle Repräsentationsebene. Sie unterteilt nominale Ausdrücke in drei Referenzklassen: R(eferentielle)-Ausdrücke, Pronomina und Anaphern. Zu den overten R-Ausdrücken gehören Namen und Substantive, zu den overten Anaphern gehören Reflexiv- und Reziprokpronomina, und unter Pronomina werden Personalpronomina gefaßt. Die Prinzipien der Bindungstheorie regeln die syntaktische Distribution dieser nominalen Ausdrücke: Ein R-Ausdruck darf innerhalb seines Satzes mit keinem ihm vorausgehenden anderen nominalen Ausdruck koreferent sein: (2)

a. *Erj sieht Felixj im Spiegel. b. *Erj hofft, daß Gustav; die Prüfung bestanden hat.

Satz (2a) kann nicht so verstanden werden, daß Felix sich selbst im Spiegel sieht, Satz (2b) kann nicht bedeuten, daß Gustav hofft, er hätte die Prüfung bestanden. Für Pronomina gilt, daß sie innerhalb ihres Satzes nicht mit einem anderen nominalen Ausdruck koreferieren dürfen: (3)

a. * Vanessa; spricht mit ihr;. b. Vanessa; hofft, daß die Kollegin mit ihrj spricht.

Wie (3b) zeigt, kann ein im Nebensatz eingebettetes Pronomen mit einem nominalen Ausdruck im Matrixsatz koreferieren. Anaphern müssen mit einem nominalen Ausdruck in ihrem Satz, der ihnen vorausgeht, koreferent sein: (4)

a. *Ich traue sich das nicht zu. b. Er; traut sich; das nicht zu. c. *Sichi traut ihm; das nicht zu.

Der Umstand, daß ein nominaler Ausdruck A einem anderen Ausdruck B vorausgeht und mit ihm koindiziert ist (d.h. den gleichen Index i trägt), wird in GB dadurch bezeichnet, daß B von A gebunden wird. Der Begriff des Vorausgehens

Theoretische Grundlagen

18

ist ein hierarchischer, kein linearer.2 Die drei Prinzipien der Bindungstheorie lauten in dieser Terminologie folgendermaßen: (5)

A. Anaphern müssen in ihrer Rektionskategorie gebunden sein. B. Pronomina müssen in ihrer Rektionskategorie frei sein. C. R-Ausdrücke müssen frei sein.

Dabei ist A die Rektionskategorie für B genau dann, wenn A die kleinste syntaktische Kategorie ist, die sowohl B als auch ein Regens für B enthält, wobei A=NP oder CP (vgl. Chomsky (1981:188)). Wir können darunter diejenige syntaktische Struktur verstehen, die den jeweiligen nominalen Ausdruck und sein Regens (Verb, Präposition) enthält. Auch für die leeren nominalen Ausdrücke gilt, daß ihre Distribution von der Bindungstheorie gesteuert wird. Zu den R-Ausdrücken gehören WH-Spuren, die die Bewegung des WH-Wortes in Fragesätzen hinterläßt. NP-Spuren in Passivoder Raisingstrukturen verhalten sich wie Anaphern und unterliegen damit Prinzip A der Bindungstheorie. PRO und pro sind leere Pronomina. Während für PRO eine Sonderregelung gilt (vergleiche Kapitel 3), unterliegt pro wie seine overten Gegenstücke Bindungsprinzip B. In GB werden demnach vier verschiedene leere syntaktische Kategorien unterschieden: [+anaph., -pron.] = NP-Spur; [-anaph., -pron.] = WH-Spur (Variable); [-anaph., +pron.] = pro; [+anaph., +pron.] = PRO. Die Unterscheidung findet auf der Grundlage der Bindungstheorie statt. Man überprüft auf der S-Struktur, welchen Bindungsprinzipien eine leere Kategorie unterliegt. Die Unterteilung der leeren Kategorien rechtfertigt sich also dadurch, daß sie jeweils unterschiedliches syntaktisches Verhalten hinsichtlich der Bindungstheorie aufweisen. Wie bei allen Elementen in der Syntax stellt sich auch bei leeren Kategorien die Frage, durch welche Konfiguration sie lizenziert sind. Zusätzlich muß für sie jedoch angegeben werden, wie sie identifiziert werden, d.h. welches Element ihre Referenz bestimmt. Die Spuren sind durch die Bindung an ihr Antezedenz, also an das aus ihrer Position herausbewegte Element, lizenziert. Sie werden von ihrem Antezedenz identifiziert (Antezedenzrektion), sofern nicht besondere syntaktische Verhältnisse dies verhindern. Bei PRO erfolgt die Lizenzierung und Identifizierung über die Kontrolle eines Der Begriff des C(onstituent)-Kommandos erfaßt das hierarchische Vorausgehen: Ein Knoten A c-kommandiert einen Knoten B mit A#B genau dann, wenn (i) jeder verzweigende Knoten C, der A dominiert, auch B dominiert, (ii) A B nicht dominiert und B A nicht dominiert. Vergl. Chomsky (1981:166), Haegeman (1991:134).

Theoretische Grundlagen

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Verbarguments im übergeordneten Satz. Auf dieses Thema und auf die Lizenzierung und Identifizierung komme ich in Kapitel 3 zurück. Wir können festhalten, daß die Berechnungskomponente, also die Syntax, lexikalische Elemente eines bestimmten Formats, dem X'-Format, in eine Dstrukturelle Repräsentation bringt. Dabei stellt die Thetatheorie sicher, daß die Thetaanforderungen auf dieser Repräsentationsebene gewahrt sind. Das Projektionsprinzip verlangt, daß die lexikalischen Fordeningen, damit auch die Thetaerfordernisse, auf allen Projektionsebenen erhalten bleiben. Hieraus folgt, daß eine Argumentstelle beispielsweise eines Verbs in der Syntax erfüllt werden muß. In der GB geschieht dies über overte oder leere nominale Ausdrücke. Die syntaktische Verteilung nominaler Ausdrücke unterliegt der Bindungstheorie. Weitere Annahmen der GB wie die Barrierentheorie oder die Relativierte Minimalität spielen in der Diskussion leerer Objekte keine Rolle und werden daher von mir nicht diskutiert. Kommen wir nun zu dem in Abschnitt 4.3 zugrundeliegenden Semantikmodell.

2.2

Das Modell der Zwei-Ebenen-Semantik

Das Zwei-Ebenen-Mödell, wie es in Bierwisch (1983) und Bierwisch & Lang (1987) entworfen ist, geht im Unterschied zu Jackendoff (1983) davon aus, daß das Interpretationssystem, welches LF-Repräsentationen verarbeitet, zweistufig aufgebaut ist. Das Motiv für die Annahme einer zur Grammatik gehörenden semantischen Ebene (SF) und einer nicht nur sprachliche Informationseinheiten verarbeitenden konzeptuellen Ebene (CS) liefert die lexikalische Bedeutungsindeterminiertheit sprachlicher Ausdrücke. Bierwisch (1983) verdeutlicht dies am Beispiel "Schule": (1)

a. b. c. d.

Die Die Die Die

Schule Schule Schule Schule

langweilt ihn nur gelegentlich. steht neben dem Sportplatz. wird von der Gemeinde unterstützt. ist aus der Geschichte Europas nicht wegzudenken.

In diesen Sätzen wird "Schule" jeweils unterschiedlich interpretiert, nämlich je nach dem jeweiligen Kontext in (la) als Unterrichtsform, in (lb) als Gebäude, in (lc) als Institution und in (ld) als Institutionsart. Woran liegt es, daß Schule in diesen vier Sätzen diese Bedeutungsvariationen aufweist? Eine Erklärung könnte man in der Annahme sehen, daß Schule ein unterdeterminiertes Objektschema besitzt. Im Zentrum steht die Unterrichtsform, die anderen Bedeutungen haben den Status von Randkonzepten. Bierwisch (1983:76f.) wendet gegen eine solche Erklärung ein, daß die verschiedenen Bedeutungen von Schule nicht in der Weise vage sind wie die Konzepte von Adjektiven wie schön, klein, rosa etc., über deren jeweilige Interpretationen man nicht systematisch Vorhersagen machen kann. Vielmehr ergibt sich die entsprechende Bedeutung des Wortes Schule rein kompositioneil aus dem jeweiligen Satzzusammenhang und ist somit in jedem Kontext eindeutig. Folglich ist in diesem Fall eine systematische

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Vorhersage darüber möglich, welcher Kontext welche Variante von Schule verlangt. Eine andere Lösung mag man darin suchen, Schule als polysem anzusehen. Das hieße, Schule wäre mit zumindest vier Lexikoneinträgen für die Semantische Form auszustatten und zusätzlich mit Angaben darüber, welche SF in welchem Kontext aktiviert ist. Eine solche Lösung würde auf die Generalisierung verzichten, daß bestimmte lexikalische Einheiten stets die gleichen Bedeutungsvariationen aufweisen, wie beispielsweise Museum, Theater, Universität, Gericht, Oper (vergl. Bierwisch (1983:82)), und dadurch eine Aufblähung des Lexikons in Kauf nehmen. 3 Daß ein derartiger Vorschlag darüber hinaus (und vor allem) auch kognitiver Adäquatheit entbehrt, hebt Maienbom (1990:7) hervor. Die innerhalb der Zwei-Ebenen-Semantik angebotene Erklärung basiert darauf, daß sich die Interpretation eines Lexems zweistufig ergibt. Und zwar enthält die semantische Repräsentation im Lexikoneintrag von Schule nur die kontextuell invarianten Bedeutungsanteile dieses Ausdrucks: (2)

Ä.x [ZWECK (X,W)], wobei W = LEHR- U N D LERNPROZESSE.

Die Spezifizierung dieses Bedeutungsanteils erfolgt auf der Konzeptuellen Ebene durch konzeptuelle Schemata unter Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes. Dazu wird kontextabhängig eine konzeptuelle Funktion (bzw. Schema), beispielsweise die Funktion INSTITUTION, auf die in (2) aufgelistete semantische Repräsentation angewendet, wodurch sich eine der möglichen Äußerungsbedeutungen von Schule manifestiert: (3)

[INSTITUTION (X) und ZWECK (X,W)]

INSTITUTION ist eine Abkürzung für ein komplexes Konzept der Konzeptuellen Ebene. Während die Ebene der Semantischen Form zum Sprachsystem gerechnet wird, stellt CS ein Repräsentationslevel dar, auf dem nicht nur Informationen des sprachverarbeitenden Systems, sondern auch Informationen aller anderen perzeptiven Systeme berechnet werden. Die Formate der CS-Repräsentationen und der Repräsentationen des Sprachsystems sind somit nicht gleichförmig. Ein komplexes Konzept wie im obigen Beispiel INSTITUTION ergibt sich demzufolge aus Informationen, die von unterschiedlichen Systemen beigesteuert werden. Dies Schema der CS kann nicht nur auf die SF von Schule applizieren, sondern tut dies ebenfalls auf die SFen der Lexikoneinträge von Museum, Theater, Universität, Gericht, Oper etc. Auf diese Weise genügt eine begrenzte Familie von Konzepten, um den systematischen Bedeutungsspielraum einer bestimmten Menge von Lexemen zu beschreiben.

Eine solche Lexikonkonzeption liegt offenbar dem Ansatz von Lakoff (1987) zugrunde.

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Als nächstes führe ich den einschlägigen formalen Apparat der Zwei-EbenenSemantik ein. Wir haben oben folgenden Lexikoneintrag für das Verb geben mit der Argumentstruktur AS und der Semantischen Form SF angenommen: (4)

Xz Xy Xx Xs [s INST [CAUSE (x, BECOME (POSS (y,z)))]] AS SF

Dieser Eintrag bezeichnet die Klasse aller Situationen, in denen instantiiert wird, daß x bewirkt, daß y in den Besitz von z gelangt. Für die Semantische Form SF geht die Zwei-Ebenen-Semantik davon aus, daß es sich um eine Dekompositionsstruktur handelt: Die Repräsentationen sind aus einem Grundbestand von Prädikaten und ihren Argumenten aufgebaut. Die SF wird durch in Großbuchstaben notierte Konstanten sowie Variablen (s,x,y,z) für die Argumente dargestellt. (4) enthält als Konstanten die komplexen Relationen INST und GIVE' mit GIVE' := CAUSE (x, BECOME (POSS (y,z))). INST instantiiert Sachverhaltstypen bzw. Propositionen (z.B GIVE' (x, y, z)); s ist die Situationsvariable, die auf der Konzeptuellen Ebene ersetzt wird, "s INST S" oder "INST (s, S)" bedeutet also "eine (zu spezifizierende) Situation s ist eine Instanz des Sachverhalts S". Die in der SF enthaltenen Variablen werden von ^-Operatoren in der AS abgebunden. 4 Die Reihenfolge der Abstraktoren ist geordnet. Die in der SF am tiefsten eingebettete Variable (im obigen Fall z) wird vom ersten Abstraktor gebunden. Die Abstraktoren in der AS stellen das Thetaraster eines Ausdrucks dar. Jeder Abstraktor (bis auf Xs) symbolisiert eine Thetarolle, die in der Syntax gesättigt werden muß. Durch funktionale Applikation des Prädikats (4) auf beispielsweise "das Buch" kann die interne Thetarolle Xz zugewiesen werden. Die semantische Komposition des Satzes "..., (daß) Arnd Kathrin das Buch gibt" sieht folgendermaßen aus: (5) Lexikoneintrag von Buch: iz [BUCH (z)] 5 Xz Xy Xx Xs [s INST [CAUSE (x, BECOME (POSS (y,z)))]] (iz [BUCH (z)]) (funktionale Applikation) Xy Xx Xs [s INST [CAUSE (x, BECOME (POSS (y, iz [BUCH (z)])))]] (Konversion) Xy Xx Xs [s INST [CAUSE (x, BECOME (POSS (y, iz [BUCH (z)])))I (KATHRIN') Xx Xs [s INST [CAUSE (x, BECOME (POSS (KATHRIN', tz [BUCH (z®))]] Xx Xs [s INST [CAUSE (x, BECOME (POSS (KATHRIN', iz [BUCH (z)D»H (ARND') Xs [s INST [CAUSE (ARND', BECOME (POSS (KATHRIN', iz [BUCH (z®))U

Die Konzeption der X-Operatoren implementiert das fregische Kompositionalitätsprinzip. Sie hat lediglich heuristischen Zweck. Der hier verwendete Jota-Operator beeinhaltet die Russellsche Existenz- und Einzigkeitsbedingung: 3x: p (x) & Vx Vy : [ p (x) & p (y)] = > x = y, vgl. Russell (1905).

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Die Zuweisung der Thetarollen erfolgt nach der Reihenfolge der Abstraktoren: Zuerst werden die internen Thetarollen (1z Xy) abgebunden, dann die externe Thetarolle (Xx). Xs bezeichnet die referentielle Thetarolle eines Ausdrucks. Die referentielle Thetarolle von Verben wird auf der Konzeptuellen Ebene erfüllt, wodurch der bezeichnete Sachverhaltstyp mit einer bestimmten Situation identifiziert wird. Die Semantische Form repräsentiert demnach Sachverhaltstypen, die möglicherweise mit verschiedenen konkreten Situationen kompatibel sind. Auf der Konzeptuellen Ebene wird auf der Grundlage der semantischen Repräsentation unter Berücksichtigung des Äußerungskontextes und des Weltwissens eine spezifische Situation repräsentiert. Die semantischen Einheiten sind nach dem Format der Kategorialgrammatik typisiert, wodurch festgelegt ist, mit welchen anderen Einheiten ein Element kombiniert werden kann. Bierwisch (1983) nimmt zwei Basiskategorien an, aus denen nach einer generellen Regel komplexere Kategorien gebildet werden, Dinge (N) und Sachverhalte (S)6. Die Konstruktion komplexer Kategorien ist rekursiv definiert: Sind A und B Kategorien, dann ist (A/B) wiederum eine Kategorie. Nehmen wir beispielsweise für die lexikalischen Elemente des Satzes "(..., daß) Amd Kathrin ein Buch gibt" folgende semantische Kategorien an: (6)

Arnd, Kathrin, Buch: N; gibt: ((S/N)/N)/N.

Damit ergibt sich folgende Kombinationsmöglichkeit: (7) (..„daß)

Amd Kathrin N

N

ein Buch N

gibt ((S/N)/N)/N

S Der semantische Funktor ((S/N)/N)/N kann nur mit einer bestimmten Art von Argument kombiniert werden, und zwar mit einem Argument der Kategorie N. Der aus der Kombination entstandene Funktor (S/N)/N kann wiederum nur mit einem Argument der Kategorie N zusammengehen, usw. Jeder semantischen Kategorie ist eine bestimmte Interpretation zugeordnet. Die Interpretation einer

Diese Konzeption geht auf Montagues Typisierung zuriick. Montagues (1974) semantische Basistypen sind von der Kategorie e für Entitäten (entspricht also der Kategorie N in Bierwischs System) und t für wahrheitswertfähige Ausdrücke (S bei Bierwisch).

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komplexen semantischen Kategorie ergibt sich aus der Komposition der Bedeutungen ihrer Bestandteile. Kommen wir zurück zur Argumentstruktur AS. Weil die AS eines Verbs auf der einen Seite diejenigen Thetarollen enthält, die in der Syntax zugewiesen werden müssen, auf der anderen Seite die Variablen in der SF abbindet, wird sie auch als Schnittstelle zwischen Syntax und Semantik bezeichnet. In der AS werden nicht immer alle in der SF enthaltenen Variablen gebunden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn bestimmte Elemente zwar mitverstanden werden, syntaktisch jedoch nicht erscheinen dürfen (d.h. kein syntaktisches Argument kann dort erscheinen, wo entsprechende Elemente verstanden werden). (8)

*Der Hund biß den Arm zu.

Der Lexikoneintrag von zubeißen besitzt demzufolge keine Argumentstelle (bzw. Thetarolle) für ein direktes Objekt, enthält aber in der SF eine Variable (y), die Gegenstand der Handlung des Zubeißens ist: (9)

Xx Xs [s INST [ZUBEISSEN (x,y)]]

Die Annahme einer solchen Variable y in der SF von zubeißen ist sicher nicht trivial. Legt man für die Repräsentation der Konzeptuellen Ebene die Theorie der Mentalen Modelle (vgl. Johnson-Laird (1983)) zugrunde, so muß man davon ausgehen, daß dort ein Sachverhalt unter Verrechnung propositionaler, visueller, diskursiver Information und von Weltwissen analog repräsentiert wird. Für die Situation des Zubeißens ist demzufolge anzunehmen, daß im Mentalen Modell der Gegenstand der Handlung, also das Gebissene repräsentiert wird, obwohl es im phonetischen Signal fehlt. Hier stellt sich die Frage, wie dieser Gegenstand in das Mentale Modell kommt. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wird er über sprachliche Mittel dort hergestellt. Das hieße, eine in der SF von zubeißen enthaltene Variable für den Handlungsgegenstand kann den Aufbau einer entsprechenden Repräsentation im Mentalen Modell auslösen. Oder der Handlungsgegenstand wird inferiert. Diese zweite Möglichkeit wird dem Phänomen allerdings nicht gerecht. Es ist unbestritten, daß Inferenzen beim Aufbau eines Mentalen Modells von einer Situation des Zubeißens beteiligt sind. Sie können aber nicht erklären, warum in einem Fall das interne Argument realisiert werden darf ("Frank schlug die Tür zu"), im anderen dagegen inferiert werden muß. Es handelt sich hier um morphologische Prozesse, die nicht über Gesetzmäßigkeiten im Mentalen Modell erklärt werden können. Zubeißen ist durch zu-Präfigierung von dem Verb beißen deriviert, das völlig problemlos ein direktes Objekt erlaubt. (10)

Unser Hund beißt gerade den Briefträger.

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Theoretische Grundlagen

Offenbar ist es eine Funktion des Präfix zu-, die interne Thetarolle seines Partners zu inhibieren. Wie kann man nun Sätze erklären, in denen das direkte Objekt des Verbs fehlt, ohne daß ein Affix die Thetarolle des Verbs unterdrückt? (11)

Vorsicht, unser Hund beißt

.

Aus der Untersuchung arbiträrer Nullobjekte in Kapitel 4 ergeben sich zwei Lösungsmöglichkeiten. Zum einen kann man annehmen, daß in der AS der entsprechenden Verben der Abstraktor für das interne Argument fehlt und dieses nur wie in dem Beispiel in (9) durch eine Variable in der SF repräsentiert wird. Zum anderen ist denkbar, daß die AS sehr wohl eine Thetarolle an das direkte Objekt vergibt und dieses in der Syntax aufgrund der Thetatheorie und des Projektionsprinzips von einer leeren Kategorie dargestellt wird. Ich entscheide mich für die letztere Möglichkeit und werde dafür Argumente liefern. Dieses Kapitel hat die Bereiche deijenigen Theorien dargestellt, die zur Untersuchung leerer Argumente und insbesondere zur Erklärung des Nullobjektphänomens herangezogen werden. Im nun folgenden Kapitel werde ich die Konzeption leerer syntaktischer Kategorien motivieren und deren Entstehung innerhalb der Sprachtheorie schildern.

Leere Kategorien in der Syntax

3.

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Leere Kategorien in der Syntax

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit dem Thema, welche Rolle leere Kategorien in der Syntax spielen. Wozu braucht die syntaktische Repräsentation leere Elemente? Für Chomsky resultiert der Beweggrund für die Einführung leerer Kategorien aus der Frage, was ein seine Muttersprache (z.B. Englisch) erwerbendes Kind an zugrundeliegendem Wissen haben muß, um einem Satz wie (1) eine semantische Interpretation zuweisen zu können (vergl. Chomsky (1986b: 102f.)): (1)

Who was John persuaded to visit?

Erstens muß das Kind die lexikalischen Eigenschaften der einzelnen Worte kennen: visit ist ein transitives Verb und selegiert eine NP als Objekt. Zweitens muß das Kind wissen, daß das Subjekt von visit unrealisiert sein muß, obwohl im Englischen finite Sätze stets Subjekte haben müssen. 7 Drittens muß das Kind wissen, daß in (1) das Objekt who von visit links vom Verb steht, obwohl Englisch den sog. Kopfparameter, der u.a. auch determiniert, in welcher Abfolge ein Verb und seine Objekte stehen, auf links festgelegt hat und dementsprechend im einfachen Matrixsatz eine Verb-Objekt-Reihenfolge aufweist: (2)

*Tim was John persuaded to visit.

Satz (2) zeigt, daß ein "normales" Objekt wie Tim anders als WH-Ausdrücke nicht links von ihrem Verb stehen darf. Ich breche hier die weitere Aufzählung einzelner Kenntnisse ab, die alle benötigt werden, um Satz (1) eine syntaktische Struktur zuzuweisen, auf der eine semantische Interpretation beruht. Wichtig ist jedoch festzuhalten, daß die generative Grammatik davon ausgeht, daß die menschliche Universalgrammatik das Wissen darum, daß who das Objekt von visit darstellt, über eine leere Kategorie vermittelt: (3)

WhOj was [ John [vp persuaded [ to [Vp visit ej]]]

Über eine Bewegungstransformation sind who und die leere Kategorie et miteinander verbunden. Genauso wird das Wissen, daß visit ein "logisches", im phonetischen Signal des Satzes nicht repräsentiertes Subjekt hat, welches mit John koreferent ist, über eine leere Kategorie vermittelt: (4)

WhOj was [ Johnj [Vp persuaded [ ej to [Vp visit ej]]]

Dieses Wissen beruht nach Annahme der generativen Grammatik auf dem sog. erweiterten Projektionsprinzip, welches besagt, daß jeder Satz ein Subjekt haben muß, vergl. Chomsky (1981:25,1982:10).

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Leere Kategorien in der Syntax

John und ej sind über eine Kontrollrelation miteinander verknüpft. Ließen sich diese Erscheinungen nicht auch anders erklären? Warum sollte eine Syntaxtheorie gerade leere Kategorien annehmen? Ein Modell, das, wie beispielsweise die Kategorialgrammatik, ohne leere Kategorien auskommen will, könnte einen Satz, in dem das Subjekt ausgelassen wird (wie beispielsweise im Italienischen, s.u.), als Sonderkategorie S\NPs„bj. beschreiben und dafür bestimmte grammatische Lizenzierungsmechanismen suchen. Erstens scheint mir, daß die Beschreibung mit leeren Kategorien zu dem eben gemachten Vorschlag lediglich eine Notationsvariante ist, so daß die Beschreibungen zueinander äquivalent sind. Nach dieser Auslegung könnte man, ohne sich dadurch Nachteile einzuhandeln, bei dem Modell bleiben, das leere Kategorien annimmt. Eventuell kommt ein Parser schlechter mit leeren Kategorien klar, was natürlich für alle postulierten leeren Kategorien empirisch zu überprüfen wäre.8 Betrachten wir nun zweitens die Aufgabe der Syntax als Mittlerin zwischen phonologischer Struktur und semantischer Form: Wenn der italienische Muttersprachler einen Satz ohne das phonetische Signal eines referentiellen Subjekts verarbeitet, so repräsentiert er auf der Sachverhaltsebene dennoch eine Entität, die dem syntaktischen Subjekt entspricht, wäre es lexikalisch vorhanden. Zumal für die Semantische Form weithin angenommen wird, daß sie dem Kompositionalitätsprinzip9 unterliegt, stellt sich die Frage, wie eine solche Entität in die Sachverhaltsrepäsentation kommt, wenn die Syntax ihr nicht eine Gestalt in Form einer leeren Kategorie liefert. Wenn die syntaktische Repräsentation eine leere Kategorie an entsprechender Stelle enthält, vermittelt sie auf diese Weise zwischen der phonetischen Form, in der das Subjekt fehlt, und der Semantischen bzw. Konzeptuellen Form, in der die dem Subjekt entsprechende Entität vorhanden ist. Deswegen bin ich der Meinung, daß eine Syntaxtheorie phonetisch fehlende Elemente modellieren sollte, die auf der Sachverhaltsebene repräsentiert werden. Das folgende Kapitel stellt die konzeptionelle Entwicklung der Diskussion leerer Kategorien im generativen Rahmen dar. Diese Diskussion ist die Basis, auf der sich die Forschung der leeren Objekte entwickelte. Ich habe der Darstellung der Es wird häufig angenommen, daß die Perzeption sog. Garden-Path-Sätze ein Hinweis darauf ist, daß der Parser mit leeren Kategorien Schwierigkeiten hat. (i) The boat [Oj fj foated down the river] sank. Beispielsweise bemerkt Fodor (1989:176) zu diesem Thema: [...] it is clear that empty category constructions do by their very nature create headaches for a processor. We have seen several examples now of temporary ambiguity concerning empty categories, with consequent garden paths in processing. Though the human sentence processor contends with these problems remarkably competently, it is utterly implausible to suppose that the processor is what encourages natural languages to make such widespread use of empty categories. We may conclude, therefore, that empty categories are favoured by the principles of Universal Grammar. Dieses Prinzip wird auf Frege (1879) zurückgeführt. Danach setzt sich die Bedeutung komplexerer Einheiten aus der Bedeutung seiner Bestandteile und den zwischen ihnen herrschenden syntaktischen Gesetzmäßigkeiten zusammen.

Leere Kategorien in der Syntax

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Nullsubjektproblematik einen relativ großen Raum gewidmet, weil einige Aufsätze zum Thema Nullobjekte an dieses Problemfeld anknüpfen und weil ich ebenfalls illustrieren will, wie geringe konzeptionelle Veränderungen größere Auswirkungen auf die Erklärungskraft der Datenlage haben können. Abschließend behandelt dieses Kapitel den inneren Charakter, also die Definition leerer Kategorien.

3.1

Motivation und Entstehung leerer Kategorien

In diesem Abschnitt gebe ich einen kleinen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der leeren Kategorien in der Generativen Grammatik. Im Rahmen der Standardtheorie (ST, Chomsky (1965)) 10 wurden syntaktische Leerstellen, wie sie in VP-Ellipsen (la), Koordinationsreduktionen (lb) oder in Gappingkonstruktionen (lc) vorkommen, durch Tilgungen oder Reduktionen auf der Oberflächenstruktur erzeugt: (1)

a. John didn't want to marry Sue, but eventually, he did [MARRY SUE], b. In Eimsbüttel [SIND DIE AMPELN AUSGEFALLEN] und in Eppendorf sind die Ampeln ausgefallen. c. Birgit besorgt das Bier und Frank [BESORGT] den Wein.

Ausgangspunkt dieser Analyse war die Beobachtung, daß die fehlenden Elemente zwar keine phonetische Realisierung haben, jedoch der semantischen Interpretation (Logische Form, LF) zugeführt werden. In ST wurde die Tiefenstruktur semantisch interpretiert. Daraus ergab sich die Folgerung, daß die oberflächlich fehlenden Elemente tiefenstrukturell vorhanden sein müssen und erst mittels einer Tilgungstransformation eliminiert werden, so daß die der phonetischen Interpretation (Phonetische Form, PF) zugeführte Oberflächenstruktur sie nicht mehr enthält (vergl. Ross (1967, 1970), Hankamer (1971, 1973), Sag (1976)). Weil die durch die Tilgungstransformation entstandenen Strukturen nicht ambig sind -man könnte z.B. (lc) nicht dahingehend interpretieren, daß B. das Bier besorgt und F. den Wein trinkt-, folgerte Chomsky, daß Tilgungen offenbar einer Wiederauffmdbarkeitsbedingung unterliegen: In other words, a transformation can delete an element only if this element is the designated representative of a category, or if the structural condition that defines this transformation states that the deleted element is structurally identical to another element of the transformed string. A deleted element is, therefore, always recoverable. (Chomsky (1964:41), vergl. auch Chomsky (1965:144, 222)).

Das Grammatikmodell der Standardtheorie hatte folgenden Aufbau: Phrasenstrukturregeln —> Tiefenstruktur —> semantische Interpretation (Logische Form) Transformationen —»

I

| Oberflächenstruktur —> phonetische Interpretation (Phonologische Form)

Leere Kategorien in der Syntax

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Tilgungen sind jedoch sehr mächtige Regeln und müssen stark beschränkt werden, um Übergenerierung zu verhindern. Die generative Forschung bemühte sich deshalb, mit stark eingeschränkten und mit so wenig Tilgungstransformationen wie möglich auszukommen. Beispielsweise wendet sich Jackendoff (1972) gegen die Equi-NP-Deletion Regel, wie sie von Rosenbaum (1967) für Sätze wie in (3) unten angenommen wurde.11 Statt dessen schlägt er vor, daß Gerundiv- und Infinitivkomplementsätze lexikalisch unbesetzte Subjekte haben, die ihre Bedeutung über eine Interpretationsregel erhalten. In den entsprechenden Knoten befinden sich pro-NPs (genannt DEL), d.h. Pronomina ohne phonetischen aber mit semantischem Gehalt, den sie über Kontrolle von ihrem Antezedenz erhalten (vergl. Jackendoff (1972:181)). Emonds (1970, 1972:22) fordert, die Klasse der zulässigen Transformationen auf die strukturerhaltenden (zyklischen) zu beschränken. Strukturerhaltende Transformationen haben stets eine Struktur zum Ergebnis, die auch in unabhängiger Weise von einer Basisregel erzeugt werden kann (im Grunde ist diese Idee bereits in Chomsky (1965: Kap.3, S.169) enthalten). Demzufolge will Emonds leere Knoten annehmen, in die strukturerhaltende Transformationen lexikalisches Material hineinbewegen. Gemäß dieser Konzeption dienen leere Knoten als Zielpositionen fiir Bewegung (vergl. Wasow (1975) für eine Annäherung von Jackendoffs und Emonds Vorschlägen). Vor allem angeregt durch Jackendoffs (1972) Arbeit setzt sich die Erkenntnis durch, daß nicht nur die Tiefenstruktur semantisch ausgedeutet wird, sondern daß auch die Oberflächenstruktur der semantischen Interpretation zugeführt wird. Sätze mit Oberflächenstrukturen, auf denen syntaktische Konstituenten nicht phonetisch interpretiert werden oder nicht in ihrer erwarteten Position stehen (wie bei Fragesätzen), müssen demgemäß Hinweise enthalten, wie die Leerstelle semantisch zu interpretieren ist. Chomsky (1975: Kap. III) führte daher für die Analyse von Fragesätzen (WH-Bewegung, (2a)) und Raisingstrukturen (NP-Bewegung, (2b)) syntaktische Spuren (t steht für engl, "trace") ein: (2) a. b.

[ s the police know [ s who the FBI discovered [ s that Bill shot /]]] | bindet | John seems [s t to be a nice fellow] | bindet |

Spuren werden von Bewegungen (WH oder NP-Bewegungen) auf der Oberflächenstruktur eingesetzt und gehen als Information in die Logische Form ein. 11

Bei Rosenbaum tilgt das kontrollierende Antezedenz die identische NP, und zwar wird der gesamte Knoten getilgt, vergl. Rosenbaums "Identity Erasure Transformation" (1967:10, 29). Jackendoffs Argument gegen diese Regel geht folgendermaßen: Equi-NP-Tilgung ist eine syntaktische Regel, die auf identische Referenzindizes Bezug nimmt. JackendofT plädiert jedoch dafür, daß Koreferenz eine semantische Eigenschaft ist und daß deshalb keine syntaktische Regel daran anknüpfen darf (vergl. Jackendoff (1972:178)).

Leere Kategorien in der Syntax

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Die von der entsprechenden Transformation bewegte Phrase bindet die in ihrer Ausgangsposition eingesetzte Spur. Es wird deutlich, daß dieser Entwurf eine technische Methode darstellt, das Strukturerhaltungsprinzip umzusetzen. Wie illustriert ermöglicht die Spurentheorie die Ermittlung der grammatischen Beziehungen in den eingebetteten Sätzen in (2) (Chomsky (1975:98)). Spuren sind dieser Konzeption zufolge reale Elemente der mentalen Repräsentation (Chomsky (1980a: 146)) in dem Sinne, daß sie für mentale Berechnungsoperationen "sichtbar" sind, getilgte Knoten jedoch nicht (vergl. Chomsky & Lasnik (1977:453)). In dieser revidierten und erweiterten Standardtheorie (REST) werden Tilgungstransformationen und Filter auf dem Weg von der Oberflächenstruktur, welche nun abgekürzt S-Struktur heißt, nach PF wirksam (und zwar nach allen anderen Transformationen), wodurch die semantische Interpretation nicht beeinflußt wird (vergl. Chomsky & Lasnik (1977:431)). Im REST-Modell wird die leere nominale Kategorie PRO (die im Grunde Jackendoffs Erfindung ist) Spuren gegenübergestellt (Chomsky & Lasnik (1977:432)), vergl. (3): (3)

a. John persuaded Bill to leave. b. [S[S[NP John] [ vp [ v persuaded] [ NP BillJ

[ S [ S [ N P