Spezielle Chirurgie: [1] Chirurgie des Kopfes 9783111410777, 9783111047041


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German Pages 317 [324] Year 1953

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Table of contents :
Geleitwort
Vorwort
Inhalt
Chirurgie des Kopfes
I. Schädel
II. Weiche Schädeldecken
III. Schädelknochen
IV. Gehirn
V. Gehirnnerven
VI. Chirurgie des Gesichtes
VII. Chirurgie der Speicheldrüsen
VIII. Chirurgie des Auges
IX. Chirurgie des Ohres
X. Chirurgie der Nase und Nebenhöhlen
XI. Chirurgie der Mundhöhle und Zunge
XII. Chirurgie der Kiefer
XIII. Gesichtsplastiken
Sachverzeichnis
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Spezielle Chirurgie: [1] Chirurgie des Kopfes
 9783111410777, 9783111047041

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DER Klose /

KLINIKER

Spezielle

Chirurgie

Grundmann / Chirurgie des Kopfes

DER

KLINIKER

E i n S a m m e l w e r k f ü r S t u d i e r e n d e und A r z t e Herausgegeben von Professor D r . I . Z a d e k

SPEZIELLE

CHIRURGIE VON

PROF. DR. HEINRICH KLOSE DIREKTOR DBS STÄDT. KRANKENHAUSES BERLIN-FRIEDRICHSHAIN

19 5 3

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp. B e r l i n W 35

CHIRURGIE DES KOPFES VON

DOZENT DR. MED. HABIL. GERHARD GRUNDMANN

OBERARZT AN DER CHIRURGISCHEN UNIVERSITÄTSKLINIK, TÜBINGEN

Mit 238 Abbildungen

19 5 3

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.

B e r l i n W 35

Alle R e c h t e , insbesondere das der Übersetzung und der Herstellung von Mikrofilmen, vorbehalten Copyright 1953 by W a l t e r de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, K a r l J . Trübner, Veit & Comp. Berlin W 35, Genthiner Str. 13, Archiv-Nr. 5 1 5 3 53 Printed in Germany Satz und Druck: Buchdruckerei Richard H a h n , Leipzig (111/18/12) 722/54/50

Geleitwort Die deutsche akademische Jugend hat es wahrlich nicht leicht. Das Kriegs- und Nachkriegselend hat sie aus der eingefahrenen Bahn geworfen und jegliches Studium außerordentlich erschwert. Die Mehrzahl der Studenten muß die Mittel zum Studium selbst aufbringen; viele stehen bei zermürbender Tages- und Nachtarbeit in schwerem Existenzkampf, manch einer ist nach Jahr und Tag zum Aufgeben des Studiums gezwungen. Fehlschlage entmutigten sie indessen nicht, es gibt kaum Klagen, keinerlei Resignation. Imponierend ist die klare, nüchterne Erkenntnis der eigenen Situation und die realistische Einstellung zu den Problemen der Umwelt, prachtvoll die Aufgeschlossenheit der Studenten, ihr Fleiß und Wissensdurst, die sich in den Vorlesungen und Kursen offenbaren, erhebend der Mut und Stolz, mit denen sie das Leben anpacken und in die Zukunft schauen. Die finanzielle Not wirkt sich auch auf die Beschaffung des Unterrichtsmaterials aus. Namentlich die Mediziner können ihren Bedarf an wichtigen Büchern aus eigner Kraft nicht decken. Im akademischen Unterricht stößt man bei den Studenten der höheren klinischen Semester auf Lücken ihres Wissens, die durch Mangel an Lernstoff entstanden sind. Um diesem Übel zu steuern, habe ich schon im Jahre 1946 den Plan gefaßt, sämtliche klinische Disziplinen zusammenfassend zur Darstellung zu bringen. Erfahrene Kliniker und hervorragende Theoretiker sollten den Kandidaten der Medizin in kurzen, aber erschöpfenden Abhandlungen die Grundlagen ihrer Spezialgebiete vermitteln. Ausführliche Literaturangaben wurden beiseite gelassen, verwirrende Auseinandersetzungen über Streitfragen und ungelöste Probleme übergangen oder höchstens gestreift, die m o d e r n e n F o r s c h u n g s r e s u l t a t e dagegen g e b ü h r e n d b e r ü c k s i c h t i g t . Damit dürften die einzelnen Kapitel auch für den P r a k t i k e r von Bedeutung sein, der sich über dieses oder jenes Fachgebiet einen Überblick verschaffen will. Selbstverständlich legten die Mitarbeiter bei der Abfassung ihrer wissenschaftlichen Beiträge den größten Wert darauf, den Charakter von Kompendien strikt zu vermeiden. Die Ungunst der Zeiten hat der Verwirklichung des ursprünglichen Planes, das Gesamtwerk in regelmäßig erscheinenden Einzelheften herauszubringen, entgegengearbeitet und die Drucklegung der Lieferungen verzögert. Um so mehr freuen sich mit allen Autoren Herausgeber und Verlag über die bevorstehende Veröffentlichung des Sammelwerkes, das an aktuellem Interesse nicht verloren hat. Allen beteiligten Kollegen möchte ich für ihre mühe- und verständnisvolle Mitarbeit verbindlichst danken. Möge „Der Kliniker" einen erfolgreichen Weg nehmen und dem medizinischen Nachwuchs wie den praktischen Ärzten in ganz Deutschland Nutzen bringen! B e r l i n , Frühjahr 1953.

I. Z A D E K

Vorwort Die letzte zusammenfassende Darstellung der „Chirurgie des K o p f e s " ist 1926 von EDUARD BORCHERS erschienen. Sie wendet sich an den fertigen Chirurgen und vermittelt in ausgezeichneten Bildern die Spezialerfahrungen operativer Kunst und ihrer Erfolge. Das vorliegende Buch meines ehemaligen Schülers, des jetzigen Dozenten und Oberarztes der Chirurgischen Universitätsklinik in T ü b i n g e n , D r . m e d . h a b i l . GERHARD GRUNDMANN, soll eine Lücke ausfüllen, die sich in unserem Fachgebiete aus der dauernden Bewegung der chirurgischen Wissenschaft in einer sich wandelnden Zeit ergeben hat. E s soll den Studenten der Medizin und Zahnheilkunde, dem Praktiker sowie dem angehenden Chirurgen als Leitfaden dienen. Begründete Grundsätze zweier Schulen bringen in systematischer Folge die Fortschritte der Diagnostik und Therapie. Kurze Abrisse der Entwicklungsgeschichte, Anatomie und Physiologie wurden den einzelnen Kapiteln zum besseren Verständnis des Krankheitsbildes vorangesetzt. Die beigefügten Schrifttumsangaben erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sie umfassen nur die für dieses Buch maßgebenden Arbeiten. Die Frakturen wurden nicht berücksichtigt, da sie von meinem Oberarzt, Dozent Dr. med. habil. BERNHARD JANIK, in einem im selben Verlage herausgegebenen Sonderbüchlein bereits erschienen sind. Gemäß seiner Entstehung ist es ein Anliegen dieses Buches, an dem geistigen B a n d zu wirken, das unser zerrissenes Vaterland zusammenhält: „Denn die Wissenschaften sind es allein, die uns mit den anderen Nationen verbinden. Sie sind's, die aus den entferntesten Geistern Freunde machen, und die angenehmste Vereinigung unter denen selbst erhalten, die leider durch Staatsverhältnisse getrennt sind." (Goethe) Großes L o b gebührt unserem wissenschaftlichen Zeichner, Herrn S c h ö n , für die eindrucksvollen, das Verständnis fördernden Zeichnungen. Besonderen Dank sagen wir auch dem Verlag W a l t e r de G r u y t e r & Co. für die Sorgfalt und Liebe, mit der er sich der Drucklegung und den Ausführungen der zahlreichen Bilder gewidmet hat. B e r l i n , Krankenhaus im Friedrichshain, im Oktober 1953. HEINRICH

KLOSE

Inhalt Seite

Geleitwort

V

Vorwort

VII

I. Schädel

1

A. E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e B. A n a t o m i e und T o p o g r a p h i e 1. Gehirnschädel 2. Schädelweichteile und Gefäße 3. Lymphgefäße und Nerven

1 1 1 5 6

II. Weiche Schädeldecten A. E n t z ü n d u n g e n 1. Erysipel 2. Furunkel und Karbunkel 3. Phlegmone und Abszeß 4. Spezifische Geschwüre B. G e s c h w ü l s t e 1. Atherom 2. Dermoide und Epidermoide 3. Lymph- und Hämangiom 4. Cornu cutaneum (Hauthorn) 5. Fibrome, Neurofibrome 6. Lipome 7. Aneurysma 8. Sinus pericranii (Varix spurius venae diploeticae) 9. Karzinome 10. Sarkome III. Schädelknochen A. S c h ä d e l d e f o r m i t ä t e n 1. Turmschädel 2. Mikrozephalus B. E n t z ü n d u n g e n 1. Syphilis 2. Tuberkulose 3. Osteomyelitis C. G e s c h w ü l s t e 1. Hyperostosen 2. Osteome 3. Hämangiome 4. Chordome und Chondrome 5. Sarkome 6. Metastasen 7. Geschwülste und Stoffwechselstörungen des Knochenmarks

6

:

6 6 6 6 7 7 7 8 9 9 9 10 10 11 11 11 12 12 13 14 1414 15 16 18 18 19 19 19 20 21 21

X

Inhalt Seite

IV. Gehirn

22

A. E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e

22

B. A n a t o m i e u n d P h y s i o l o g i e 1. Endhirn a) Motorische Region b) Körperfühlsphäre c) Sehzentrum d) Gehörzentren ". e) Geruchs- und Geschmackszentren f) Sprachregion g) Frontalwindungen h) Parietalwindungen i) Balken k) Capsula interna 2. Zwischenhirn 3. Mittelhirn 4. Hinterhirn . 5. Medulla oblongata 6. Rautenhirn 7. Gehirnhäute 8. Gehirngefäße 9. Gehirnventrikel 10. Liquor cerebrospinalis

22 23 24 24 26 26 26 26 27 27 27 27 28 29 30 30 30 32 32 33 34

C. D i a g n o s t i s c h e u n d t h e r a p e u t i s c h e E i n g r i f f e 1. Lumbalpunktion 2. Subokzipitalpunktion (Zisternenpunktion) 3. Subokzipitalstich 4. Balkenstich 5. Ventrikelpunktion 6. Enzephalographie 7. Hirnpunktion 8. Artériographie (Angiographie) D. Der g e s t e i g e r t e H i r n d r u c k 1. Die akute Hirndrucksteigerung 2. Die chronische Hirndrucksteigerung

34 34 37 38 38 38 39 39 39 41 41 42

E. Commotio c e r e b r i

43

F. Contusio c e r e b r i

45

G. Das i n t r a k r a n i e l l e H ä m a t o m 1. Intra ventrikuläre Blutungen 2. Intrazerebrale Blutungen 3. Subarachnoideale Blutungen 4. Das epidurale Hämatom 5. Das subdurale Hämatom a) Das akute subdurale Hämatom b) Das chronische subdurale Hämatom (Pachymeningitis haemorrhagica interna) c) Das sub durale Hämatom des Kindes H. E n t z ü n d u n g e n der D u r a ( P a c h y m e n i n g i t i s ) 1. Pachymeningitis externa (Extraduraler Abszeß) 2. Pachymeningites interna (Subduralei Abszeß)

48 49 49 50 50 51 53 53 55 56 56 57

Inhalt

XI Seite

I. M e n i n g i t i s 1. Die Leptomeningitis serosa sympathica (Hydrocephalus acutus int. et ext.) 2. Die Leptomeningitis purulenta a) Die traumatische Meningitis u n d Ventrikulitis b) Die oto- und rhinogene Meningitis c) Die hämatogene eitrige Meningitis

57 58 58 58 59 59

K. G e h i r n a b s z e ß 1. Posttraumatischer Hirnabszeß 2. Otogener Hirnabszeß 3. Rbinogener Hirnabszeß 4. Metastatische Hirnabszesse 5. Differentialdiagnose 6. Die Therapie der Hirnabszesse

61 61 63 64 64 65 65

L. E n z e p h a l i t i s

66

M. H i r n v o r f a l l ( P r o l a p s u s c e r e b r i )

67

N. S i n u s t h r o m b o s e 1. Thrombose des Sinus transversus 2. Thrombose des Sinus cavernosus 3. Thrombose des Sinus sagittalis superior

68 69 69 70

0. H y d r o z e p h a l u s 1. Hydrocephalus congenitus 2. Hydrocephalus acquisitus

71 72 74

P. H i r n b r u c h 1. Angeborener Hirnbruch (Enzephalozele) 2. Erworbener Hirnbruch (Hirnvorfall, Einzelheiten s. da)

75 75 77

Q. S y m p t o m a t o l o g i e d e r G e h i r n t u m o r e n 1. Symptome 2. Lokalisation 3. Artdiagnose 4. Differentialdiagnose 5. Therapie

78 78 78 80 81 81

R. T u m o r e n d e r H i r n h ä u t e

85

S. G e h i r n g e s c h w ü l s t e 1. Gliome a) Glioblastoma multiforme b) Astrozytome c) Medulloblastome d) Spongioblastoma polare e) Oligodendrogliome f) E p e n d y m o m e g) Pinealome h) Plexuspapillome 2. Dysembryome a) Teratome b) Dermoide und Epidermoide 3. Kolloidzysten 4. Fibrome und Sarkome 5. Metastasen

88 88 88 89 90 91 91 92 92 93 93 93 93 93 94 94

XII

Inhalt Seite

6. Parasiten 7. Granulome a) Konglomerat- oder Solitärtuberkel b) Gummata T. G e s c h w ü l s t e , A n o m a l i e n u n d E n t z ü n d u n g e n d e r G e h i r n g e f ä ß e 1. Hämangioblastome 2. Hämangiome 3. Aneurysmen 4. Thrombangitis obliterans U. C h i r u r g i e d e r H y p o p h y s e 1. Pathologie 2. Röntgenuntersuchung 3. Hypophysenadenome a) Chromophobes Adenom b) Eosinophiles Adenom c) Basophiles Adenom 4. Hypophysengangsgeschwülste (Kraniopharyngeome)

94 95 95 95 . .

95 95 96 96 99 100 100 101 102 102 103 104 104

V. C h i r u r g i e d e r E p i l e p s i e

106

W. D i e D e c k u n g d e r S c h ä d e l - , D u r a - u n d H i r n d e f e k t e

109

X. P s y c h o c h i r u r g i e

112

V. Gehirnnerven

115

A. A n a t o m i e u n d P h y s i o l o g i e

115

B. D e g e n e r a t i v e u n d e n t z ü n d l i c h e E r k r a n k u n g e n 1. N. opticus 2. N. trigeminus 3. N. facialis a) Fazialisschädigungen b) Fazialiskrampf 4. N. intermedius 5. N. glossopharyngicus 6. Ménièrscher Symptomenkomplex 7. Anhang: Okzipitalneuralgie

122 122 122 126 127 128 129 129 130 130

C. T u m o r e n d e r G e h i r n n e r v e n 1. N.opticus 2. N. trigeminus 3. N. statoacusticus

131 131 132 132

Schrifttum

135

VI. Chirurgie des Gesichts

136

A. E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e 1. Knöcherner Gesichtsschädel 2. Weichteile des Gesichts

136 136 136

B. A n a t o m i e u n d T o p o g r a p h i e

137

C. M i ß b i l d u n g e n 1. Angeborene Gesichtsspalten 2. Wachstumsstörungen des Gesichts

141 141 148

Inhalt

XIII Seite

D. E n t z ü n d u n g e n 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Gesichtsrose (Erysipel) Furunkel, Karbunkel und Furunkelabszeß Gesichtsphlegmone Osteomyelitis Hauttuberkulose Tuberculosis cutis colliquativa (Skrofuloderm) Lymphdrüsentuberkulose und Knochentuberkulose Aktinomykose Syphilis Milzbrand (Anthrax) Rotz Schweinerotlauf (Erysipeloid)

E. G e s c h w ü l s t e 1. Naevi (Muttermäler) 2. Angiome (Gefäßgeschwülste) a) Hämangiom b) Lymphangiom 3. Cornu cutaneum (Hauthorn) 4. Warzen 5. Karzinome a) Carcinoma spinocellulare b) Carcinoma basocellulare c) Karzinome der Hautanhangsgebilde 6. Fibrome 7. Lipome 8. Osteome 9. Sarkome 10. Dermoide 11. Atherome (Grützbeutel) und Epidermoide 12. Rhinophym (Knollen-, Kartoffel-, Schnapsnase) 13. Adenome der Haut a) Basalzellenepitheliom b) Talgdrüsenadenom c) Schweißdrüsenadenom 14. Xanthelasma VII. Chirurgie der SpeicheldrSsen

149 149 149 151 152 152 153 153 153 154 155 156 156 156 156 158 158 160 161 161 162 162 164 164 164 165 166 166 166 167 168 169 169 170 170 171 171

A. E n t w i c k l u n g s - u n d A b f l u ß s t ö r u n g e n 1. Angeborene Mißbildungen 2. Speichelfisteln 3. Fremdkörper und Speichelsteine

171 171 171 173

B. E n t z ü n d u n g e n d e r S p e i c h e l d r ü s e n u n d i h r e r G ä n g e 1. Sialodochitis 2. Sialadenitis a) Parotitis epidemica (Mumps) b) Parotitis purulenta c) Sialadenitis chronica d) Mikuliczsche Krankheit

174 174 174 174 175 177 178

XIY

Inhalt Seite

C. S p e i c h e l d r ü s e n z y s t e n u n d G e s c h w ü l s t e 1. Zysten 2. Speicheldrüsengeschwülste a) b) c) d)

Gutartige Tumoren Mischtumoren (Sialoblastome) Karzinome Sarkome

VIII. Chirurgie des Auges

179 179 181 181 181 181 182 183

A. A n a t o m i e

183

B. E r k r a n k u n g e n der L i d e r

184

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Erkrankungen der Lidhaut Ektropium Entropium Lagophthalmus Ptosis Fremdkörper

184 185 185 186 186 186

C. E r k r a n k u n g e n d e r T r ä n e n o r g a n e

186

D. E r k r a n k u n g e n d e r O r b i t a

187

1. Entzündungen

2. 3. 4. 5. 6.

187 187 188

Tumoren der Orbita Exophthalmus Enophthalmus Schielen Pupillenreaktion

188 189 191 192 193

I X . Chirurgie des Ohres A. A n a t o m i e u n d P h y s i o l o g i e B. E r k r a n k u n g e n d e s ä u ß e r e n O h r e s 1. 2. 3. 4. 5. 6.

187

a) Panophthalmitis b) Orbitalphlegmone und Orbitalabszeß c) Periostitis und Osteomyelitis

193 193 196

Mißbildungen Othaematom (Ohrblutgeschwulst) Erfrierungen Verbrennungen Fremdkörper und Zerumen im Gehörgang Entzündungen des äußeren Ohres

196 196 197 198 198 199

a) b) c) d)

199 199 199 200

Impetigo contagiosa Erysipel Furunkel Perichondritis

7. Otomykosis 8. Ekzem 9. Geschwülste . a) Gutartige Tumoren b) Bösartige Tumoren X . Chirurgie der Nase und Nebenhöhlen A. A n a t o m i e u n d P h y s i o l o g i e

200 201 201 201 202 203 203

Inhalt

XV Seite

B. E r k r a n k u n g e n d e r H a u t u n d S c h l e i m h a u t 1. Ekzem 2. Furunkel

208 208 208

C. S p e z i f i s c h e E n t z ü n d u n g e n 1. Tuberkulose 2. Syphilis

208 208 209

D. R h i n i t i s 1. Akute Rhinitis 2. Chronische Rhinitis a) Hyperplastische Rhinitis b) Chronisch atrophische Rhinitis (Ozaena)

210 210 210 210 210

E. E r k r a n k u n g e n d e s N a s e n s e p t u m s 1. Septumdeviation 2. Nasenbluten (Epistaxis) 3. Perforation der Nasenscheidewand 4. Hämatom der Nasenscheidewand 5. Abszeß der Nasenscheidewand 6. Choanenstenose und Atresie 7. Fremdkörper und Nasensteine

211 211 212 213 214 214 214 215

F. E n t z ü n d u n g e n d e r N a s e n n e b e n h ö h l e n 1.. Akute Entzündungen a) Kieferhöhlenentzündung b) Entzündung der Siebbeinzellen c) Entzündung der Stirnhöhle d) Entzündung der Keilbeinhöhle e) Differentialdiagnose f) Konservative Behandlung 2. Chronische Nebenhöhlenentzündungen a) Chronische Kieferhöhlenentzündung b) Chronische Stirnhöhleneiterung c) Chronische Eiterung der Siebbeinzellen d) Chronische Entzündung der Keilbeinhöhle

215 216 216 217 217 217 217 218 218 218 220 221 221

G. G e s c h w ü l s t e d e r N a s e u n d d e r N e b e n h ö h l e n 1. Gutartige Geschwülste a) Papillome b) Polypen c) Haemangiome d) Osteome e) Adenome, Lipome, Fibrome und Myxome 2. Bösartige Geschwülste

222 222 223 223 224 224 225 225

XI. Chirurgie der Mundhöhle und Zunge

227

A. A n a t o m i e

227

B. E n t w i c k l u n g s s t ö r u n g e n

228

C. A k u t e E n t z ü n d u n g e n 1. Stomatitis catarrhalis 2. Stomatitis vesiculosa 3. Stomatitis aphthosa 4. Stomatitis ulcerosa 5. Stomatitis gangraenosa 6. Stomatitis phlegmonosa

229 229 230 231 231 231 232

XVI

Inhalt Seite

D. C h r o n i s c h e E n t z ü n d u n g e n 1. Leukoplakie 2. Haarzunge (Nigrities linguae)

233 233 233

E. S p e z i f i s c h e E n t z ü n d u n g e n 1. Tuberkulose 2. Aktinomykose 3. Syphilis

233 233 234 234

F. Z y s t e n u n d g u t a r t i g e G e s c h w ü l s t e 1. Dermoide 2. Schleimzysten 3. Angiome 4. Teratoide Tumoren (Epignathie) 5. Fibrome und Neurofibrome 6. Lipome 7. Papillome 8. Adenome 9. Mischtumoren und Zylindrome 10. Zungenstruma 11. Seltene Geschwülste 12. Teleangiektatisches Granulom 13. Amyloidtumor

235 236 236 237 237 238 238 239 239 240 240 241 241 241

G. B ö s a r t i g e G e s c h w ü l s t e 1. Karzinome 2. Sarkome

241 241 244

XII. Chirurgie der Kieler

245

A. K i e f e r d e f o r m i t ä t e n 1. Prognathie 2. Mikrognathie (Opisthogenie) . 3. Progenie (Makrognathie) 4. Offener Biß 5. Kiefer-Gaumenspalten 6. Sekundäre Deformitäten durch Krankheiten 7. Die Behandlung der Fehlstellungen

245 245 246 247 247 248 248 249

B. E n t z ü n d u n g e n d e r K i e f e r 1. Wurzelhaut und Kieferknochenentzündung (Peridontitis und Periostitis alveolaris) Parulis 2. Osteomyelitis 3. Syphilis 4. Tuberkulose

249 249 252 253 254

C. G e s c h w ü l s t e d e r Z ä h n e 1. Adamantinome (Schmelzgeschwülste) 2. Odontome (Zahnkeimgeschwülste) 3. Follikulärzysten 4. Zahnwurzelzyste und Wurzelgranulom 5. Epulis

255 255 256 257 257 259

D. G u t a r t i g e G e s c h w ü l s t e d e r K i e f e r k n o c h e n 1. Fibrome 2. Chondrom, Chondroosteom und Exostosis cartilaginea 3. Osteome und Hyperostosen 4. Riesenzellgeschwulst

260 260 260 261 261

Inhalt

XVII Seite

E. B ö s a r t i g e G e s c h w ü l s t e 1. Sarkome 2. Karzinome 3. Metastasen 4. Multiples Myelom

262 262 264 264 265

F. S y s t e m e r k r a n k u n g e n 1. Osteopathia deformans (Paget) 2. Osteodystrophia deformans (v. Recklinghausen) 3. Hand-Schüller-Christiansche Krankheit 4. Marmorknochenkrankheit

265 265 266 266 266

G. E r k r a n k u n g e n d e s K i e f e r g e l e n k s 1. Akute Kiefergelenkentzündung 2. Discitis mandibularis 3. Chronische Kiefergelenkentzündung 4. Kieferklemme und Ankylose 5. Arthrosis deformans 6. Kieferknacken

267 267 267 267 268 269 270

XIII. Gesichtsplastiken A. N a s e n p l a s t i k ( R h i n o p l a s t i k ) 1. Vollständige Nasenplastik (totale Rhinoplastik) 2. Ersatz einzelner Nasenabschnitte (partielle Rhinoplastik) B. L i p p e n p l a s t i k ( C h e i l o p l a s t i k )

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C. W a n g e n p l a s t i k ( M e l o p l a s t i k )

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D. L i d p l a s t i k ( B l e p h a r o p l a s t i k )

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E. O h r b i l d u n g ( O t o p l a s t i k ) Schrifttum

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Chirurgie des Kopfes I.

Schädel

A. Entwicklungsgeschichte Die G r u n d l a g e des S c h ä d e l s ist das Knorpelkranium (Primordialkranium). Zu diesem treten die nur b i n d e g e w e b i g vorgebildeten Deck- oder Belegknochen hinzu. Das Primordialkranium besteht aus einem n e u r a l e n und v i s z e r a l e n Teil, dem späteren H i r n - und G e s i c h t s schädel. Der Neuralschädel bildet den Hirnschädel und die Umhüllung der drei großen Sinnesorgane: Nase, Ohr, Auge. Der Viszeralschädel bildet den Gesichtsschädel. E r geht aus dem Kieferapparat und den Kiemenbögen hervor. Im Verlaufe der Entwicklung wird dieser Schädelbau für den Menschen charakteristisch umgewandelt. Geruchsorgan und Auge lösen sich, vom Hirnschädel und werden in den Gesichtsbereich einbezogen. Die Augen werden parallel gestellt, Kieferapparat und Nasenkapsel bilden sich zurück, und schließlich wird das für den Menschen charakteristische Gesicht ausgebildet. Der Neuralschädel zerfällt infolge Beteiligung der Chorda dorsalis an der Schädelbildung in einen p r ä c h o r d a l e n und einen c h o r d a l e n Abschnitt. Die Grenze zwischen beiden befindet sich im Gebiet der H y p o p h y s e n t a s c h e , die durch ein primäres Loch der Schädelbasis, den späteren Canalis craniopharyngeus, dem Gehirn entgegenwächst. E pi t heli ale Ü b e r r e s t e des Hypophysenganges neigen später zur T u m o r b i l d u n g (ERDHEIMscAe Tumoren). An dem prächordalen Abschnitt des Neuralschädels wird die Regio ethmoidea und orbitalis, am chordalen Abschnitt die Regio otica und occipitalis unterschieden. Diese vier Regionen liegen hintereinander und rücken an die S c h ä d e l b a s i s , da infolge der starken Vergrößerung des menschlichen Gehirns die aus diesen Regionen bestehende primitive Gehirnkapsel an der Dorsalseite gesprengt wird. Zur Deckung der dorsalen Schädellücke entstehen B e l e g k n o c h e n . Sie bilden die S c h ä d e l w ö l b u n g . Die Verknöcherung des Knorpelkraniums beginnt in der 8. Woche mit dem Auftreten von Knochenkernen. Im N a s e n s k e l e t t bleibt der K n o r p e l dauernd erhalten. B . A n a t o m i e u n d Topographie 1.

Gehirnschädel

Der Gehirnschädel b e s t e h t aus S c h ä d e l w ö l b u n g u n d S c h ä d e l b a s i s . D i e Wölb u n g setzt sich aus p l a t t e n K n o c h e n zusammen, i s t der P a l p a t i o n g u t zugänglich und operativ l e i c h t zu erreichen. D i e B a s i s des S c h ä d e l s dagegen entzieht sich der direkten U n t e r s u c h u n g . D i e Verbindung der einzelnen Teile des S c h ä d e l s wird d u r c h S u t u r e n hergestellt. D i e p l a t t e n K n o c h e n des S c h ä d e l s setzen sich aus der ä u ß e r e n und i n n e r e n k o m p a k t e n S c h i c h t , welche die D i p l o e einschließen, zusammen. Auf der I n n e n s e i t e der Schädelwölbung zieht der Sulcus s a g i t t a l i s in der Medianebene v o m F o r a m e n c a e c u m bis zur P r o t u b e r a n t i a occipitalis i n t e r n a . B e i d e r s e i t s v o m Sulcus sagittalis liegen Vertiefungen ( G r a n u l a meningica). I m B e r e i c h dieser Der K l i n i k e r : K l o s e - G r u n d m a n n , Chirurgie des Kopfes

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Schädel

Granulationen kann die Schädeldecke p a p i e r d ü n n sein. Die Innenfläche des Schädeldaches weist ferner Furchen auf, in denen die Zweige der Arteria meningica media verlaufen. Die B a s i s c r a n i i i n t e r n a bildet 3 S c h ä d e l g r u b e n , Fossa cranii frontalis, media und occipitalis (Abb. 1). Die vordere Schädelgrube (Partes orbitales der Stirnbeine, Lamina cribriformis des Os ethmoidale und die kleinen Keilbeinflügel) liegt höher als die mittlere Schädelgrube. Die hintere Schädelgrube wieder liegt tiefer als die mittlere. Unter dem Boden der vorderen Schädelgrube liegt die Augenund Nasenhöhle. Es ergeben sich dadurch wichtige Beziehungen für den E i n t r i t t

Abb. 1. Schädelbasis und Schädelgrube mit Nerven und Gefäßen

von I n f e k t i o n s e r r e g e r n . Unter dem Boden der mittleren Schädelgrube befindet sich die Regio infratemporalis. Die hintere Schädelgrube geht durch das Foramen occipitale magnum in den Wirbelkanal über. Am Schädel wechseln Abschnitte verschiedener Festigkeit miteinander ab (Abb. 2a und b). Es lassen sich bei der seitlichen Ansicht des Schädels f e s t e r e S t r e b e p f e i l e r nachweisen. An der Schädelbasis zieht eine m ä c h t i g e m i t t l e r e Zone von der Sella turcica um das Foramen occipitale magnum herum zur Protuberantiaoccipitalisinterna. Die w e n i g e r r e s i s t e n t e n S c h ä d e l b a s i s t e i l e befinden sich besonders im Gebiet der O f f n u n g e n für die Nerven und Gefäße. S c h ä d e l b a s i s f r a k t u r e n vermeiden die festeren Teile und verbinden die Öffnungen meist in t y p i s c h e r Weise (Abb. 2 b ) :

Anatomie und Topographie

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Abb. 2a. Strebepfeiler des Schädels von der Seite. Die schraffierten Bezirke stellen die bruchfesten Teile dar (nach CORNING)

Abb. 2b. Schädelbasis mit Strebepfeilern und typischen Frakturlinien 1*

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Schädel

1. Frakturlinie vom Canalis rotundus einer Seite quer durch den Türkensattel, dessen Resistenz von der Größe des Sinus gphenoideus abhängt, zum Foramen laceritm, und Foramen Spinae der anderen Seite. 2. Frakturlinie vom Foramen spinae über das Foramen ovale zum Canalis rotundus und zum Canalis fasciculi optici. Sie trennt den Processus alae Foramen parlet

parvae von dem kleinen Keilbeinflügel ab. ( G e f ä h r d u n g der A u g e n m u s k e l n e r v e n und des F a s c i c u l u s o p t i c u s durch den abgetrennten Processus alae parvae, G e f a h r der E r ö f f n u n g des S i n u s c a v e r n o s u s . ) Nach vorn setzt sich diese Frakturlinie entweder durch die Lamina cribriformis unter Eröffnung der Nasennebenhöhle fort ( I n f e k t i o n s g e f a h r , L i q u o r a b f l u ß aus der Nase) (Abb. 2b) oder durchsetzt die Pars orbitalis des Stirnbeins.

Anatomie und Topographie

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3. Längsjrakturlinie der Pyramide vom Foramen ovale über das Dach der Paukenhöhle seitlich umbiegend in das Gebiet des Schläfenbeins. Bei dieser Fraktur ist das M i t t e l o h r g e f ä h r d e t . ( L i q u o r a b f l i i ß aus dem Ohr.) 4. Querfrakturlinie durch die Spitze der Schläfenbeinpyramide. Sie beginnt am Canalis hypoglossi und erreicht über das Foramen jugulare und den Porus acugticus internus das Foramen Spinae um von hier aus die Schuppe des Schläfenbeines zu durchsetzen. Sie eröffnet das I n n e n o h r . (Gefahr der Innenohr Schwerhörigkeit.)

2. S c h ä d e l w e i c h t e i l e u n d G e f ä ß e Die Weichteile des Gehirnschädels bestehen aus 3 Schichten: Haut, Muskulatur mit Galea aponeurotica, Periost. Galea und Haut sind innig miteinander verwachsen. Die Gefäße der K o p f s c h w a r t e liegen oberflächlich zur Galea, treten durch sie hindurch und anastomosieren mit den Gefäßen der Diploe. Von ganz besonderer Bedeutung sind die Verbindungen der Venen der Kopfschwarte mit den Venen der Diploe und mit dem Sinus durae matris durch die Emissaria parietalia und mastoidea (Abb. 3). Diese venösen Verbindungen sind Wege, auf denen I n f e k t i o n s e r r e g e r den Schädelknochen und weiterhin die Schädelhöhle erreichen können.

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Weiche Schädeldecken

Die A r t e r i e n der K o p f s c h w a r t e stammen aus den Aa. carotis interna und externa. Sie sind reichverzweigt. 3. L y m p h g e f ä ß e u n d N e r v e n Die Lymphgefäße bilden vier große Gebiete mit verschiedenen Abflußwegen. E s sind die fazialen, temporalen, parietalen und okzipitalen Lymphgefäßbezirke (Abb. 4). Wichtig ist die L a g e der r e g i o n ä r e n L y m p h k n o t e n am Hinterkopf und hinter dem Ohr, die bei E n t z ü n d u n g e n g u t zu p a l p i e r e n sind. Die Nerven der Schädelweichteile stammen aus dem Nervus trigeminus, Nervus facialis, Nervus auricularis, Nervus temporalis und den Nervi occipitalis minor und major.

II. Weiche Schädeldecken A. Entzündungen 1. E r y s i p e l ( K o p f r o s e ) E s entsteht primär von eiternden Wunden, Ekzemen, Kratzeffekten oder häufiger sekundär übergreifend auf die behaarte Kopfhaut vom Gesicht, Hals und äußerem Gehörgang. Kopferysipele sind im Gegensatz zu den Gesichtserysipelen blaßrot. Das scharf umrandete R o t ist an den unbehaarten Kopfteilen, z. B . der Stirn und den Ohren, die stark anschwellen, zu sehen. Blasenbildung ist an der behaarten Kopfhaut s e l t e n , an Stirn und Ohrmuschel häufig. Die Wanderung der Kopferysipele hört am Nacken und am Halse auf. Auf das Gesicht (Einzelheiten s. da) kann es übergreifen. Die K r a n k h e i t b e g i n n t mit plötzlichem hohem Fieberanstieg, Kopfschmerzen, Delirien, Halbschlummer, evtl. Muskelzuckungen, ohne daß eine Meningitis vorzuliegen braucht. Diese kann jedoch als K o m p l i k a t i o n , besonders bei gleichzeitigen Frakturen, Ostitis und Thrombosen entstehen. Als weitere Folge findet sich vorübergehender Haarschwund, Fasziennekrosen, Abszesse und Orbitalphlegmonen. Die Phlegmonen der Orbita sind gefährlich, weil von ihnen aus die Eiterung, auch eine T h r o m b o s e in das S c h ä d e l i n n e r e gelangt und das Auge gefährdet ist. Weitere Komplikationen können von Seiten des H e r z e n s und der N i e r e auftreten. Die Therapie besteht in der Stützung des Herzens und Kreislaufes, indifferenten Salbenverbänden, Antibiotica, besonders Penicillin, evtl. kombiniert mit Sulfonamiden 6mal täglich 2 Tabletten zu 0,5, mit viel Flüssigkeit. Bei Kopfschmerzen, Fieber und Delirien wird Pyramidon in kleinen Dosen bis 15mal 0,1 täglich verordnet. Bei schwersten Fällen ist eine B l u t t r a n s f u s i o n zu machen. Vor der Entlassung des Patienten muß der Urin kontrolliert werden. 2. F u r u n k e l u n d K a r b u n k e l Sie sind am Kopf relativ selten. Meist greifen sie vom Nacken über oder treten an der Schläfe infolge der Reibung der Kopfbedeckung auf. E s besteht die Gefahr von Phlegmonen, Erysipelen, Phlebitis, Meningitis (s. auch Gesichtsfurunkel). 3. P h l e g m o n e , A b s z e ß Die Kopfphlegmone und der Abszeß werden verursacht durch infizierte Wunden, Erysipele, Furunkel, infizierte Atherome, bei Ekzemen (Abb. 5), Osteomyelitis des Schädelknochens und fortgeleitet von tiefen Gesichtsphlegmonen (s. da) aus der Parotisregion und der Fossa pterygopalatina.

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Entzündung

Die Phlegmone entsteht häufiger durch Strepto- als durch Staphylokokken. Manchmal findet sich gleichzeitig ein Erysipel. Die Phlegmone kann s u b k u t a n , s u b a p o n e u r o t i s c h oder s u b p e r i o s t a l liegen. Es können sich Haut, Faszien und Knochennekrosen mit Osteomyelitis entwickeln. Außerdem kann sich die Eiterung durch Thrombosierung der Venensinus in das S c h ä d e l i n n e r e ausbreiten. Die Krankheit beginnt mit einem Infiltrat besonders in der Umgebung oft kleiner Wunden, hohem Fieber und starken Schmerzen. Die regionären Lymphdrüsen hinter dem Ohr und in der Nackengegend sind geschwollen (Abb. 4). Die Therapie der A b s z e s s e besteht in der Inzision und Dränage am tiefsten Punkt mit Lasche oder Gummirohr. P h l e g m o n e n sind rechtzeitig zu spalten. Die Anwendung von Chemotherapeutika, evtl. kombiniert mit Sulfonamiden, lokal und allgemein, bringt die Infektion rasch zum erliegen. Konservative Behandlung allein ist wegen des hohen Druckes, unter dem das entzündete Gewebe steht, und der Gefahr des Uber^Killrf greifensauf das Schädelinneregefährlich.

Abb. 5. Abszeß am Hinterhaupt bei einem Kopfekzem

Abb. 6. Ulkus und Knochennekrose bei Lues der Schädeldeeke

4. S p e z i f i s c h e G e s c h w ü r e (Abb. 6) Sie sind meist tuberkulös oder syphilitisch. In der Regel treten sie bei einer entsprechenden Erkrankung des Schädelknochens auf (s. dort).

B. Geschwülste 1. A t h e r o m a ( G r ü t z b e u t e l , B a l g g e s c h w u l s t (Abb. 7a und b) Es ist eine R e t e n t i o n s z y s t e der T a l g - oder H a a r b a l g d r ü s e n (Einzelheiten s. Gesicht). Der Kopf ist der L i e b l i n g s s i t z dieser Geschwülste infolge der zahlreichen Haarbälge mit ihren Talgdrüsen. Bei Frauen treten sie häufiger auf als bei Männern. Meist sind sie multipel. Sie finden sich im allgemeinen nicht vor dem 15.—20. Lebensjahr. Die Atherome sind am Kopf manchmal platt, manchmal kugelig oder treten in Form des Atheroma pendulum (Abb. 7b) auf. Haarverlust über größeren Atheromen ist häufig. Die Größe schwankt von Hirsekorn bis Mannsfaust. Die kleinen Geschwülste sind hart, die großen weich. Manchmal sind die Atherome gehöckert. Die Haut ist über ihnen verdünnt, häufig livide verfärbt. Vom Dermoid

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Weiche Schädeldecken

unterscheidet es sich durch den beliebigen Sitz, vom Lipom durch seine k u t a n e Lage. Wegen der Entstellung, evtl . V e r e i t e r u n g mit Fistelbildung und karzinomatöser Entartung ist die Entfernung angebracht. Sie besteht in der sorgfältigen Ausschälung des ganzen Balges in Lokalanästhesie, da sonst Rezidive auftreten. 2. Dermoide und Epidermoide sind wegen ihrer Anlage in der Embryonalzeit stets angeboren. Sie sind Zysten, besonders an den Vereinigungsstellen embryonaler Spalten, und zwar am oberen Orbitalrande, inneren Augenwinkel, der Glabella, Nasenwurzel, der großen und kleinen Fontanelle, dem Warzenfortsatz, in der Augenhöhle usw.

Abb. 7 a. Atherom des Kopfes

Abb. 7b. Atheroma pendulum am Hinterkopf

Die E p i d e r m o i d e werden auf die Einstülpung eines h a a r - und drüsenlosen H a u t k e i m s zurückgeführt. Ihr Epithel ist abgeflacht, der Inhalt setzt sich aus einem Brei von Hautschuppen, Cholesterin und Fett zusammen. Zum Unterschied dazu ist die Wand der Dermoide aus E k t o d e r m mit Anhangsgebilden zusammengesetzt. Der Inhalt des Balges enthält daher B r e i mit Haaren. Dermoide und Epidermoide finden sich fast nur solitär, sind halbkugelig. Die Haut über ihnen ist verschieblich. Häufig sind sie mit dem Periost des Schädels fest verbunden. Manchmal liegen sie in einer Knochendelle, oder es fehlt unter ihnen der Schädelknochen völlig. Die T i e f e n l a g e und die K o n s t a n z ihres S i t z e s sind charakteristisch. Dermoide der Orbita können sichzwerchsack förmig bis in die Schläfengrube erstrecken. Von den Zephalozelen unterscheiden sich die Dermoide dadurch, daß sie sich auf Druck nicht verkleinern und nicht pulsieren. Das Atherom liegt intrakutan, tritt meist multipel auf, ist nicht typisch lokalisiert und findet sich bei älteren Menschen. Die Therapie der Dermoide und Epidermoide besteht in der Exstirpation evtl. mit Schädelresektion, besonders bei Zwerchsackdermoiden der Orbita. Bei Kindern kann sich erst nach Entfernung des Dermoides der Knochen unter demselben zu normaler Dicke und Festigkeit entwickeln.

Geschwülste

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3. L y m p h - u n d H ä m a n g i o m (Einzelheiten s. Chirurgie des Gesichts) Das Angiom findet sich bevorzugt am Schädel und im Gesicht. E.s tritt k a p i l l ä r oder k a v e r n ö s (Abb. 8) auf. Die Lymphangiome bilden außerdem Z y s t e n . Angiome können Hervorragungen und Wülste bilden. Hämangiome sind blaßrot, manchmal blaurot. Auf Fingerdruck verkleinert sich die Geschwulst, da das Blut aus den erweiterten Kapillaren verdrängt wird: S y m p t o m der „ K o m p r e s s i b i l i t ä t " . Die Angiome sind angeboren oder treten unmittelbar nach der Geburt auf. Sie Wachsen in die Fläche und in die Tiefe, meistens rascher in früher Kindheit. Die Behandlung der Angiome besteht in der möglichst f r ü h z e i t i g e n Exzision. Kosmetisch gute Resultate werden bei nicht zu umfangreichen Angiomen mit der Röntgennahbestrahlung erzielt. Auch Vereisung durch Auflegen von Kohlensäureschnee für 20-—30 Sekunden in Abständen von 8 Tagen, Sticheln mit dem nadeiförmigen Thermokauter und Radiumspickung können angewendet Werden. Das Rankenaneurysma (s. auch Gesicht), welches eine angeborene E r w e i t e r u n g und Schlängelung eines Arterienbezirks darstellt, findet sich am häufigsten im Gebiet der Arteria frontalis und temporalis. Selten treten v e n ö s e Rankenaneurysmen auf. Das a r t e r i e l l e Rankenaneurysma fühlt sich wie ein Gewirr von Regenwürmern an. Die Geschwulst sitzt flach auf und pulsiert. Bei Ruptur kann es zu tödlichen Blutungen kommen. Differentialdiagnostisch muß ein A n e u r y s m a a r t e r i o v e n o s u m berücksichtigt werden. Die Behandlung des Rankenaneurysma besteht in der Unterbindung der zuführenden Gefäßstämme und evtl. der Arteria carotis ext. Das wirksamste Mittel ist die Exstirpation der Geschwulst. Es handelt sich meist um große Eingriffe. 4. C o r u m c u t a n e u m ( H a u t h o r n ) (Abb. 9) Es findet sich besonders auf der behaarten Kopfhaut und in der Stirn- itnd Schläfengegend. Nach Abbrechen oder Abschneiden wachsen Hauthörner erneut. Ihre Basis kann karzinomatös entarten. Sie müssen daher g r ü n d l i c h exstirpiert werden unter elliptischer Umschneidung der Basis. 5. F i b r o m e , N e u r o f i b r o m e Das Fibroma durum ist selten. Häufiger findet sich das Fibroma molle in Form von weichen, manchmal ulzerierenden Warzen. Oft stellt es ein gerunzeltes Anhängsel dar mit dünnem Stiel (Fibroma pendulum). Die Neurofibrome gehen von den Scheiden der Hautnerven aus. Die Körperoberfläche kann von zahlreichen dieser Neurofibrome in den verschiedensten Größen, systemartig den Hautnerven entsprechend, übersät sein (V. RECKLiNGHAUSENsche Krankheit). Diese Neurofibromatosis ist eine kongentiale Gewebsmißbildung. Einzelne Neurofibrome können zu lappigen Gewächsen auswachsen und als kappenartig aufsitzende Elephantiasis

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Weiche Schädeldecken

neuromatodes der Kopfschwarte (Abb. 10) in Erscheinung treten. Sämtliche Formen können einzeln vorkommen, untereinander kombiniert sowie Teilerscheinungen einer Allgemeinerkrankung sein. Die operative Entfernung der Fibrome ist aus kosmetischen Gründen, die der Elephantiasis neuromatodes wegen des fortdauernden Wachstums angezeigt. 6. Lipome Sie kommen am behaarten Kopf und auf der Stirn ziemlich gelten vor. Sie sind halbkugelig, gut verschieblich oder sitzen mit breiter Basis unverschieblich auf. Die Geschwulst wächst langsam. Die Haut über dem Lipom ist unverändert, ver-

Abb. 9. Groteske Wachstumsbildung eines Hauthorns der Kopfschwarte

Abb. 10. Kappenartig aufsitzende Elephantiasis neuromatodes der Kopfschwarte

schiebbar. Die Oberfläche ist glatt, die Konsistenz meist weich. Eine Verwechslung mit dem Atherom ist möglich. Dieses ist jedoch mit der H a u t v e r s c h i e b bar, das Lipom nicht. Kalte Abszesse können mit einem Lipom verwechselt werden, jedoch sind die Abszesse selten solitär und meist von unregelmäßiger Gestalt. Außerdem ist der Allgemeinzustand des Patienten zu beachten. Die Diagnose kann evtl. durch P r o b e p u n k t i o n geklärt werden. Die Dermoide sitzen zum Unterschied von Lipomen an ganz b e s t i m m t e n Stellen des Schädels und treten schon in jugendlichem Alter auf, da sie angeboren sind. Das Lipom findet sich meist in höherem Alter. Die Behandlung der Lipome besteht in der operativen Entfernung. 7. A n e u r y s m a Es entwickelt sich als a r t e r i e l l e s oder a r t e r i o v e n ö s e s Aneurysma nach Verwundung durch Stich, Schnitt, Schuß oder stumpfes Trauma oder ist k o n g e n i t a l angelegt. Es findet sich besonders im Gebiet der Aa. f r o n t a l i s und t e m p o r a l i s und sitzt dementsprechend im Bereich der Kopfschwarte. Aber auch am Ohr, Kinn und an der Lippe wird es gefunden. Meist ist es klein, bohnen-, selten bis hühnereigroß.

Geschwülste

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Eine besondere Form stellen die Aneurysmen dar, die sich primär im B e r e i c h der Dura befinden. Der extrakraniale Teil steht dann durch Anastomosenbildung mit dem duralen mittels zahlreicher Knochenperforationen in Verbindung. Bei diesen Kopfhautaneurysmen erfolgt die arterielle Versorgung aus der A. meningica med., ist also i n t r a k r a n i a l e n Ursprungs (s. S. 96). Die Behandlung der Aneurysmen ist operativ und besteht in der Unterbindung der zuführenden Gefäße mit Exstirpation des Aneurysmasackes. Sklerosierende Injektionen in das Aneurysma, deren Wirkung auf einer Thrombosierung des venösen Anteils beruht, die auf den arteriellen Teil fortschreitet, sind gefährlich und unsicher. 8. Sinus pericranii (Varix spurius venae diploeticae) Er igt eine zirkulierende, B l u t enthaltende Zyste unter oder im Periost des Schädels, welche mit einem Sinus durch eine Schädellücke in Verbindung steht. Er entsteht t r a u m a t i s c h infolge Anspießung des Sinus und findet sich daher im Gebiet der Blutleiter. Die „Geschwülste" sind von normaler Haut überzogen und nicht über Walnußgroß. Sie fluktuieren, sind Weich, elastisch und lassen sich in den S c h ä d e l zurückdrängen. Bei Beugung oder Zurückneigen des Kopfes und Husten fühlt sich die Geschwulst prall an. Es besteht die Gefahr der B l u t u n g , L u f t e m b o l i e und I n f e k t i o n des Schädelinnern. Es ist daher die Operation angezeigt. 9. K a r z i n o m e (Einzelheiten s. Chirurgie des Gesichts) Sie treten auf als flache, langsam wachsende Geschwülste (Ulcus rodens). Meist geht dieser Hautkrebs von den B a s a l z e l l e n aus. Nach längerer Dauer kann ein Stadium schneller Ausbreitung auftreten. Dabei kann der Knochen und die Dura zerstört werden. Zum Teil werden Basalzellkarzinome auch von den Hautdrüsen abgeleitet. Sie treten dann (primär) in Form umschriebener und kugeliger, glasig schimmernder Tumoren auf (s. Adenome der Haut). Die Neigung des Ulcus rodens zur Metastasierung ist gering. Als weitere Form findet sich das spinozelluläre Karzinom, der verhornende Plattenepithelkrebs. Er wächst schnell, neigt zu Metastasenbildung und raschem Ü b e r greifen auf K n o c h e n und Dura. Besonders bösartig sind die Melanokarzinome, da sie rasch Metastasen bilden (s. Gesichtsnaevi). Die Drüsenmetastasen sitzen hinter den Kiefern, den Ohren oder in der Nackengegend (s. Abb. 4). Auch aus Atheromen, Dermoiden, Geschwüren, Warzen, Hauthörnern, Ekzemen, Seborrhöe und bei Lupus kann sich ein Karzinom entwickeln. Therapeutisch ist die frühzeitige Exstirpation des Hautkrebses im Gesunden notwendig. Die regionären Lymphdrüsen müssen mit ausgeräumt werden. R ö n t g e n oder R a d i u m b e s t r a h l u n g kommt bei allen Karzinomen in Betracht. Sie gibt gute kosmetische Erfolge. Malanokarzinome dürfan n i c h t mit dem Messer angegangen werden, da sie sonst schrankenlos metastasieren. 10. Sarkome Es sind H a u t - oder Fasziensarkome. Sie finden sich in jedem, Lebensalter, sind jedoch selten. Sie unterscheiden sich anatomisch und klinisch nicht von den am übrigen Körper vorkommenden Sarkomen. Sie können knollig auftreten oder warzenartig, sind blutreich und neigen zum Zerfall (Diagnose und Behandlung s. Sarkome des Gesichts).

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Schädelknochen

III. Schädelknochen A. Schädeldeformitäten Eine bedeutende Anzahl von Systemerkrankungen des Skeletts rufen am Schädel auffallende Veränderungen hervor. Zu ihnen gehört die Osteopathia deformans (PAGET) und die Osteodystrophia fibrosa generalisata (s. Kiefer). Bei der Rachitis (englische Krankheit) liegt eine Störung des Knochenwachstums mit Verminderung der Verkalkung und Bildung eines minderwertigen Knochengewebes vor. Diese Stoffwechselstörung beruht auf einem Mangel an V i t a m i n D. An den platten Knochen des Schädels ist genau wie an den lanlälöiSiit!®'^ gen Röhrenknochen die Knorpelverknöcherung gestört. An Stelle einer normalen Diploe entstehen IliliPPf kalklose homogene Abscheidungen, i f l ^ ^ H

das O s t e o i d . Infolge Wachstumshemmung blei1' j ben am Schädel die F o n t a n e l l e n B y • Sr l a n g e o f f e n , die Pfeilnaht klafft. HpsS^V' y--;.*,-. V Die vorn liegenden nicht belasteten • Vy"' - v» ^ • Schädelteile sind verstärkt, beson1 S ^ a * : • ders die Stirn- und Scheitelhöcker -»'^¡¡^v • wölben sich vor. Das H i n t e r h a u p t ist dagegen abgeflacht und dünn jfl ( C r a n i o t a b e s r a c h i t i c a ) . Es läßt B. '.-••' M sich auf Druck leicht e i n d e l l e n . Der ganze Schädel bekommt das .ISB^, ^ ^ k Aussehen eines C a p u t q u a d r a t u m ( Q u a d r a t s c h ä d e l ) . Die Behandlung der E r k r a n k u n g h a t durch den _ Pädiater zu erfolgen und besteht in ^ f l k t a b a M t f r i f l ^ ^ H i H H i ausreichender Zufuhr von Vitamin D. Eine wichtige Rolle spielt die ProphyAbb. 11. Schädelkaries nach sequestrierender laxe, die durch eine allgemeine VerSyphilis der Scheitelbeine abfolgung von Vitamin D an Säuglinge große Erfolge aufzuweisen h a t . Bei der Chrondrodystrophie wölbt sich die Stirn mächtig vor. Die Nasenwurzel ist tief eingezogen. Dieses Mißverhältnis ist bedingt durch mangelhafte Bildung des Nasengerüstes und vor allem durch Verwachsung der Knorpelfugen zwischen Keilbein und Hinterhauptbeinkörper. Dadurch wird die gesamte Schädelbasis verkürzt. Durch Einengung des Hinterhauptloches entsteht gleichzeitig ein Hydrozephalus. Die Krankheit beruht auf einer Entwicklungsstörung mit H e m m u n g d e r K n o r p e l b i l d u n g u n d V e r k n ö c h e r u n g . Die Knorpelverknöcherungsstörung ist das hervorspringendste Merkmal einer minderwertigen Konstitution des gesamten Mesenchyms. Charakteristisch ist der gleichzeitige Z w e r g w u c h s . G e s c h w ü l s t e des Schädels wie Lipome, Hämangiome, Dermoide und E n t z ü n d u n g e n (Karies bei Syphilis (Abb. 11) und Tuberkulose) können zu einer Atrophie der Schädelknochen führen. Diese ist auch am senilen Schädel nachweisbar.

Schädeldeformitäten

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Hypertrophie der Schädelknochen findet sich in Form von zirkumskripten O s t e o p h y t e n bei der Tuberkulose, mit gleichzeitiger S k l e r o s e bei der Syphilis. Hormonal kann der Schädel während der S c h w a n g e r s c h a f t und bei Akr omega lie hypertrophieren. Der Wasserkopf (s. da) ruft eine sekundäre Schädelvergrößerung infolge Erkrankung des Gehirns hervor. Beim Schiefhals (s. da) findet sich eine Asymmetrie des Schädels, die durch einseitigen Muskelzug bedingt ist. Eine Anzahl von Krankheiten zeigen Deformitäten, die nur den Schädel betreffen. Zu ihnen gehören: 1. T u r m s c h ä d e l Er entsteht infolge f r ü h z e i t i g e r S y n o s t o s e der Schädelknochen. Meist ist die K r a n z n a h t zu früh verknöchert, vielleicht unvollkommen oder gar nicht angelegt. Die dann vorhandene knöcherne Vereinigung des Stirn- mit dem Scheitelbein wird Synostosis frontoparietalis bezeichnet. Nächst der Kranznaht ist die P f e i l n a h t betroffen, die Lambdanaht bleibt fast stets offen. Nur in schwersten Fällen besteht eine Nahtverknöcherung aller Schädelknochen. Die Wachstumsfugen der B a s i s des Schädels sind normal angelegt und weisen eine normale Wachstumsleistung auf. Beim männlichen Geschlecht ist der Turmschädel häufiger. Die Mißbildung ist a n g e b o r e n , zumeist nicht vererbbar. Der Schädel ist abnorm hoch. Die Schädelbasis ist verkürzt, Stirn- und Scheitelbeine fallen steil ab (Abb. 12). Die Augenhöhlen sind hoch und verkürzt. Dadurch werden die Augäpfel vorgetrieben. Der Gaumen ist hoch und eng. Hirndrucksymptome in Form von Kopfschmerzen, epileptischen Anfällen, Stauungspapille, Sehnervenatrophie und Abnahme des Sehvermögens sind vorhanden. Die Ä t i o l o g i e des Abb. 12. Turmschädel. Verkürzung der Schädelbasis, Vertiefung der Sella, steile Turmschädels ist nicht bekannt. Entwicklung der Stirnbeine, tiefe ImpresDie k a u s a l e Therapie des Turmsiones digitatae schädels besteht in der Resektion der verknöcherten Nähte. Meist genügt die K r a n z n a h t r e s e k t i o n . Evtl. kann in mehreren Sitzungen bei schweren Fällen die Resektion der Pfeil- und Lambdanaht nachgeholt werden. Liegt eine vorzeitige Verknöcherung aller Schädelnähte vor, so ist die h o r i z o n t a l e , z i r k u l ä r e K r a n i o t o m i e angezeigt. Dabei wird die Schädelkalotte von der Basis in zwei Sitzungen abgetrennt, wobei nacheinander erst die eine, später die andere Seite angegangen wird. Meist gelingt es durch diese Operation den Augenbefund zu bessern, zumindest ein Stationärbleiben zu erreichen. Chirurgisches Eingreifen kann ferner wegen Deviation des Nasenseptums und dadurch bedingter Wucherung der Rachenmandeln notwendig sein. Bei Verengerung des Optikuskanals muß dieser operativ erweitert werden durch Entfernung der oberen Wand des Canalis opticus.

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S chädelkno chen

2. M i k r o c e p h a l u s E r ist ein abnorm kleiner Kopf, besonders im Bereich des Hirnschädels. E s findet sich ein kleines Gehirn bei i d i o t i s c h e m G e i s t e s z u s t a n d . Die Ursache igt das Zurückbleiben des Gehirns, dessen Wachstum Größe und Gestalt des knöchernen Schädels bestimmt. E s handelt sich dabei um eine reine E n t w i c k l u n g s h e m m u n g oder um eine i n t r a u t e r i n abgelaufene e n t z ü n d l i c h e E r k r a n k u n g des Gehirns. Auch nach R ö n t g e n b e s t r a h l u n g des g r a v i d e n U t e r u s kann gelegentlich eine fetale Schädigung des Gehirns auftreten. Auffallend ist der kleine Schädelumfang (normal im ersten Lebensmonat: 35,5 cm) und das „Vogelgesicht" infolge der niedrigen und fliehenden Stirn. In seltenen Fällen, bei denen ausnahmsweise die Kleinheit des Gehirns durch zu frühe Synostose der Schädelknochen bedingt ist, kann die E x z i s i o n v o n K n o c h e n s t r e i f e n zur operativen Erweiterung Versuchtwerden.Die P r o g n o s e i s t ungünstig. Weitere S c h ä d e l k n o c h e n d e f e k t e finden sich in Form der Cranioschisis totalis mit v ö l l i g e m Schädeldachdefekt oder t e i l w e i s e m Fehlen des Schädeldaches (Hemilcranie, Krötenkopf). Das Hirn ist defekt, die Augen gut entwickelt. Lebensfähig sind solche Mißgeburten nicht. B . Entzündungen 1. S y p h i l i s Die angeborene Syphilis (Lues congenita) tritt infolge d i a p l a z e n t a r e r I n f e k t i o n durch die Mutter auf (s. Allgemeine Chirurgie). Am Schädel führt die syphilitische Periostitis zu Auflagerungen an den Stirn- und Scheitelbeinen. E s entsteht die Olympierstim (Caput natiforme). Durch Fortleitung des periostitischen Prozesses an der Innenseite des Schädelknochens kann es zu Meningitis, Hydrozephalie und enzephalitischen Erscheinungen kommen. I d i o t i e ist häufig. Haarausfall (Alopecia syphilitica), der besonders im Gegensatz zur Rachitis die vordere Scheitelpartie, einschließlich der Augenbrauen, betrifft, tritt infolge Krusten- und Borkenbildung auf. Bei der erworbenen Syphilis finden sich makulo-pa pulöse Hautsyphilide, besonders an der Haargrenze (Corona veneria) und der Schleimhaut. Am Schädelknochen befällt sie als o s s i f i z i e r e n d e oder g u m m ö s e Entzündung das Periost oder die Diploe. Die Entzündung kann e i t e r l o s oder mit einer E i t e r u n g verlaufen. Bei der syphilitischen Periostitis des T e r t i ä r s t a d i u m s findet sich eine h y p e r o s t i t i s c h e V e r d i c k u n g des erkrankten Schädelteils, die uhrglasförmig aufliegt. Bei schwerer entwickelten Formen der Periostitis treten G u m m a t a auf, die als Nodi aus dem Niveau hervorragen. Kommt es zur Eiterung, so brechen die gummösen Massen durch die Haut über den Nodi hindurch. Dadurch entstehen U l z e r a t i o n e n (Abb. 6). Die Geschwüre sind scharf umrandet, rund, auf dem Grunde liegt der entblößte Knochen frei. E r wird nekrotisch und stößt sich in Form zernagter S e q u e s t e r ab. Außer der Erkrankung des Periostes können sich Gummata in den Markräumen der Diploe befinden. Die Gummata rufen an ihren Grenzen einen ossifizierenden Prozeß hervor. E s kommt zu Hyperostosen des Knochens. I m Innern der Gummata schwindet die Spongiosa. Dadureh entstehen E i n s c h m e l z u n g s h e r d e (Karies), Infolge Hyperostose und Karies wird der Schädelknochen kraterförmig mit wallartigen Erhebungen und Verdickungen umgeformt (Abb. I I und 13). Dadurch wird die O b e r f l ä c h e h ö c k r i g . Bei Ausheilung finden sich fest am Knochen haftende

Entzündungen

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s t r a h l i g e N a r b e n . Verbindet sich die Ostitis gummosa mit einer E i t e r u n g , so kann diese unter der Haut und in die Tiefe bis zu den Hirnhäuten vordringen ( Pachymeningitis syphilitica). Durch die Eiterung kommt es zu syphilitischen Nekrosen. Die S e q u e s t e r sind schwer infolge Eburnisation und an der Oberfläohe zernagt. Die Diagnose ergibt sich aus den geschilderten Knochenveiänderungen, der A n a m n e s e und dem langsamen Verlauf der Erkrankung. Häufig findet sich n ä c h t l i c h e r Kopfschmerz. Die sonstigen Allgemeinerscheinungen der Syphilis sind zu beachten. Die WASSERMAHNsche R e a k t i o n ist positiv. Im R ö n t g e n b i l d sieht man Verdickungen der Diploe und periostitische Auflagerung (Osteosklerose) neben Aufhellungsherden (Osteoporose). Ist keine Eiterung vorhanden, so besteht die Therapie in der Durchführung einer antisyphilitischen Kur. Bei Eiterung der chirurgischen G u m m a t a mit Nekrosen muß eine Sequestrotomie mit Exkochleation der Granulationen und Fistelgänge durchgeführt werden. 2. T u b e r k u l o s e Man unterscheidet die Tuberkulose des flachen Schädelknochens und des Processus mastoideus. Die Tuberkulose des Warzenfortsatzes tritt meist sekundär im Anschluß an tuberkulöse Mittelohrentzündung auf. Bei der Tuberkulose des flachen Schädelknochens finden sich zwei Formen: Die Tuberkulose größerer Schädeldachabschnitte und umschriebener Knochenherde. B e i der umschriebenen F o r m bilden

Abb. 13. Schädelsyphilis mit Knochengeschwür des Stirnbeins (Kainszeichen), Defekt der Gla-

b e l l a u n d Zerstörung des Nasenskeletts sich Sequester, die charakteristischerweise durch die ganze Dicke des Schädels reichen. Sie sind meist k r e i s r u n d . Kalte Abszesse, besonders der Stirnund Scheitelbeingegend, finden sich im Anfangsstadium. Die Haut über ihnen ist dünn und straff, meist blaurot. Brechen sie auf, so entstehen Fisteln und blaurot umrandete und unterminierte Geschwüre. Manchmal entsteht eine feine, mit pulsierendem Eiter gefüllte Öffnung des Schädelknochens, die bis auf die Hirnhaut reicht. Die diffuse progressive Schädeltuberkulose befällt größere Abschnitte des Schädeldaches. Die Diploe ist mit käsigen Massen erfüllt. Der Knochen igt weithin krümelig umgewandelt. Es bilden sich ausgedehnte kalte Abszesse, die schmerzlos sind. Der Verlauf der Krankheit ist chronisch. Langdauernde Ulzerationen, Meningitis und Abszeßbildung im Gehirn können auftreten. Im Gegensatz zur Syphilis ist die Tuberkulose n i c h t knochenbildend. Sie findet sich meist im kindlichen Alter.

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Schädelknochen

Häufig sind dabei auch andere Knochen, ebenso die Haut, Lymphdrüsen und Lungen befallen. Die Prognose der Schädeltuberkulose hängt vom Allgemeinzustand ab. Spontanausheilung kann bei geeigneter Allgemeinbehandlung auftreten. Kalte Abszesse Werden punktiert und S t r e p t o m y c i n eingespritzt. Bei Sequestrierung ist die Sequestrotomie mit Spaltung der Fistelgänge und Exkochleation des Knochens angezeigt. Außerdemläßt sich durch lokale und allgemeine Anwendung von S t r e p t o m y c i n , N e o t e b e n und PAS (Paraaminosalizylsäure) eine wirksame a n t i b i o t i s c h e Behandlung durchführen. 3. O s t e o m y e l i t i s Sie kommt an den platten Knochen des Schädels selten vor und ist eine heimtückische und gefährliche Erkrankung. Sie entsteht entweder hämatogen oder fortgeleitet von Furunkeln, Phlegmonen, Wunden, Erysipelen, Knochenverletzungen sowie Nebenhöhleneiterungen. Im, Eiter finden sich meist S t a p h y l o c o c c u s pyogenes aureus oder albus, seltener hämolytische Streptokokken oder Streptococcus viridans. In sehr seltenen Fällen wurden Pneumokokken oder Typhusbazillen nachgewiesen. Außerordentlich wichtig für das Entstehen einer Osteomyelitis der flachen Schädelknochen ist die Beschaffenheit der Spongiosa und ihrer Markräume einschließlich der arteriellen und venösen Gefäßversorgungen, sowie ihre a n a t o m i s c h e N a c h b a r s c h a f t zu d e n N e b e n h ö h l e n , insbesondere zur Stirnhöhle. Aber nicht nur von den Nebenhöhlen der Nase, sondern auch von den M i t t e l o h r r ä u m e n ist ein Übergreifen der Entzündung auf die Marksubstanz der Schädelknochen möglich. Die Mehrzahl der Osteomyelitisfälle kann als fortgeleitet von der S t i r n h ö h l e durch Übergreifen der Entzündung auf die Markräume angesehen werden. Die hämatogen-metastatisch entstandene Form (Primärherd z. B. in den Röhrenknochen, Furunkel) tritt an Häufigkeit der ersteren gegenüber zurück. Auch die sog. genuine Osteomyelitis, bei der die Eintrittsstelle der Entzündungserreger in den Körper nicht oder n i c h t m e h r f e s t s t e l l b a r ist, wird nicht so häufig angetroffen wie die von den Nebenhöhlen ausgehende Knochenerkrankung. Selten ist auch die Osteomyelitis, der ein T r a u m a eines Schädelknochens mit oder ohne Eröffnung der Markräume vorangeht. Besondere Erwähnung verdient, daß gerade nach N e b e n h ö h l e n o p e r a t i o n e n , besonders der Stirnhöhle, bei denen fast immer das Gewebe des Operationsgebietes entzündet ist, Osteomyelitiden der Schädelknochen beobachtet werden. Selbst bei kleinen endonasalen Eingriffen kommt in seltenen Fällen eine Infektion der Markräume der Schädelknochen vor. Die Symptome der Krankheit Werden bedingt durch die eitrige Entzündung der Diploe, die sich auf das Periost fortsetzt und durch die e n d o k r a n i e l l e n K o m p l i k a t i o n e n bei Einbruch in das Schädelinnere. Klinisch gesehen läßt sich eine träge Form, die sich gelegentlich über Monate und Jahre hinziehen kann, somit einen c h r o n i s c h e n Charakter annimmt, von der stürmisch verlaufenden a k u t e n Osteomyelitis abgrenzen. Bei der akuten Osteomyelitis bestehen schwere Krankheitserscheinungen. Das Bewußtsein ist getrübt, Schwindel, Übelkeit, Somnolenz und Delirien treten auf. Die Zunge ist trocken und belegt. Die Temperatur beträgt zwischen 38—39°. Der Puls ist frequent und unregelmäßig. I m Blutbild findet sich eine Hyperleukozytose. Die Schädelweichteile sind entzündlich gerötet und geschwollen. Fluktuation ist fühlbar, die Lider schwellen an. Der Eiter kann unter dem Temporalmuskel und in die Orbita vordringen.

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Entzündungen

Gelangt die I n f e k t i o n in das S e h ä d e l i n n e r e (s. Abb. 3), so sammelt sich der Eiter zuerst zwischen der Tabula interna und der Dura (epiduraler Abszeß). E r kann dann die weichen Hirnhäute erreichen und zur Meningitis, Sinusthrombose, Enzephalitis oder zum Hirnabszeß führen. Die Diagnose der akuten Osteomyelitis bereitet oft Schwierigkeiten. Manchmal muß als einzig sichtbares Symptom, das fast regelmäßig auftritt, eine p o l s t e r a r t i g e W e i c h t e i l s c h w e l l u n g über dem erkrankten Knochengebiet angesehen werden. Fast unmöglich erscheint die differentialdiagnostische Abgrenzung gegen-

Abb. 14. Sequestrierende Osteomyelitis des linken Scheitelbeins nach. Starkstromverbrennung

über einer akuten Stimhöhlenvereiterung. Druckschmerzhaftigkeit über der Stirn Lidödem, Kopfschmerzen, Übelkeit und Fieber können bei beiden vorhanden sein Geht jedoch die Weichteilschwellung erheblich über die Gegend der Stirnhöhlen hinaus, so muß immer an eine Osteomyelitis gedacht werden. Eine Röntgendiagnose ist in den ersten Tagen der Erkrankung im allgemeinen nicht möglich, da sich exsudative Veränderungen am Knochen röntgenologisch nicht darstellen. Erst Knocheneinschmelzungen oder Knochenneubildungen im weiteren Verlauf der Erkrankungen geben positive Röntgenbilder (Abb. 14). Die chronische Osteomyelitis zeichnet sich durch einen l a n g s a m e n Sequestrierungsprozeß nach Überstehung der akuten Erkrankung aus. Nachdem die meist ausgedehnte Knochennekrose entstanden ist (Abb. 14), löst sich der Sequester, und es bildet sich eine Totenlade aus sklerosiertem Knochen. In diesem Stadium treten Der K l i n i k e r : K l o s e - G r u n d m a n n ,

Chirurgie des Kopfes

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Schädelknochen

kaum endokranielle Komplikationen auf. Dagegen bilden sich F i s t e l n und Ulzerationen (Abb. 15), die keine Neigung zum Abheilen zeigen. Obwohl die stürmisch verlaufende Osteomyelitis ein schweres Krankheitsbild bietet, ist deren Prognose nicht immer ungünstig. Ebensowenig kann die träge Verlauf sform als harmlos angesehen werden. Für beide Formen erscheint vielmehr von Wichtigkeit, ob eine K o m p l i k a t i o n auftritt oder nicht. Therapeutisch kann bei der a k u t e n Osteomyelitis versucht werden, mit der Punktion oder Inzision eines subperiostalen Abszesses auszukommen. Hohe Dosen von Autibiotica und Sulfonamiden sind lokal und allgemein anzuwenden. Bei der c h r o n i s c h e n Form, seltener im akuten Stadium, besteht die Behandlung in der operativen Ausräumung des Krankheitsherdes. Sie erstreckt sich auf die Entfernung des erkrankten Knochens bis ins Gesunde, einschließlich der Tabula interna, um eine mögliche Ausbreitung der Entzündung entlang der Dura aufzuhalten und Extraduralabszesse und andere Überleitungen zu endoAbb. 15. Breit freiliegender osteomyelitischer Prozeß des Stirnbeins k r a n i e l l e n K o m p l i k a t i o n e n rechtzeitig zu mit abgestoßenem Knochenerkennen. Bei der chronischen Osteomyelitis sequester soll die Sequestrotomie erst nach vollkommener Demarkation durchgeführt werden. Sulfonamid- und Penicillinbehandlung ist zur Unterstützung der chirurgischen Maßnahmen einzuleiten. C. Geschwülste 1. Hyperostosen und E x o s t o s e n Hyperostosen (Osteophyten) sind einfache K n o c h e n a n l a g e r u n g e n (Abb. 16), Exostosen sind Knochenauswüchse. In der Schwangerschaft bildet sich an der

Abb. 16. Hyperostose der Scheitelbeine

Innenfläche des Schädels, besonders des Stirnbeins, der puerperale Osteophyt infolge gestörten Kalkstoffwechsels. Hyperostosen können spontan entstehen oder bei einem darunterliegenden Gehirntumor (Meningeom). Dann befinden sie sich hauptsächlich an der Tabula interna. Hyperostosen des Stirnbeines, welche an der Tabula interna sitzen, sind manchmal mit psychischen Abnormalitäten vergesellschaftet. Sie kommen bei der Frau häufiger vor als beim Manne.

Geschwülste

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2. O s t e o m e Osteome sind selbständige K n o c h e n g e s c h w ü l s t e . Man unterscheidet je nach dem A u f b a u : Osteoma spongiosum und Osteoma eburneum. Sie können dem Schädel pilzförmig oder flach aufsitzen. Befinden sie sich an der Schädelinnen- u n d -außenseite, so haben sie die Form eines Hemdenknopfes. Sie Wachsen meist unregelmäßig und stachelig, selten glatt. Man unterscheidet zwei Typen: Die O s t e o m e d e r N a s e n n e b e n h ö h l e n (s. da), besonders der Stirnhöhle und der Siebbeinhöhle und die Osteome, welche sich an der S c h ä d e l w ö l b u n g selbst befinden. Die Osteome der Nebenhöhlen erreichen manchmal außergewöhnliche Größen. Sie wuchern besonders in die Augenhöhle, in das Schädelinnere oder in beide Regionen. Die Verbindung mit der Nasennebenhöhle bedingt, daß sie i n f i z i e r t sind u n d daher bei Operationen K o m p l i k a t i o n e n hervorrufen können. Außerdem können Liquorrhoe und intrakranielle Pneumatozelen auftreten. Die Osteome können durch die vordere Stirnbeinplatte nach außen durchbrechen. Die Stirnhöhlenosteome rufen infolge Infektion N e b e n h ö h l e n e i t e r u n g e n hervor. Durch die Osteome der Augenhöhle wird der Bulbus nach vorn unten und außen verlagert. Das Sehvermögen wird beeinträchtigt. Als weitere K o m p l i k a t i o n e n treten Erscheinungen von Seiten des G e h i r n s auf, wenn die Osteome dort einbrechen. Neurologische Herderscheinungen sind selten. Manchmal t r i t t eine Epilepsie auf. Infolge Infektion findet sich häufig M e n i n g i t i s oder G e h i r n a b s z e ß . Die Osteome der Schädelwölbung gehen von der inneren oder äußeren Tabula aus. An der äußeren Tafel finden sie sich häufiger. Sie werden selten groß, aber manchmal rufen sie doch beträchtliche D r u c k e r s c h e i n u n g e n d e s G e h i r n s hervor, so daß eine Epilepsie auftreten kann. Die Osteome der äußeren Schädeltafel entstehen auch infolge Trauma. Die Diagnose der Osteome ergibt sich aus dem Röntgenbild und dem langsamen u n d schmerzlosen Wachstum. Sie heben sich im Gegensatz zu den Sarkomen scharf vom Knochen ab. Die Therapie besteht in operativer Entfernung. 3. H ä m a n g i o m e (Einzelheiten s. Chirurgie des Gesichts) Die Hämangiome sind angeborene G e f ä ß g e s c h w ü l s t e , die oft infolge ihrer Wachstumstendenz klinisch bösartig zu bewerten sind. Bei größerer Ausdehnung rufen sie Druckerscheinungen hervor. Es gibt kleine Hämangiome, die stationär bleiben, und solche, die mit großer Wachstumskraft in das Gehirn vordringen. Im Röntgenbild verursachen sie charakteristische! weise einen scharf begrenzten Schatten, in dem man manchmal feine netzartige Linien erkennt. Sie wachsen langsam und befinden sich an der inneren und äußeren Tafel. Manchmal Werden sie nur bei Blutungen infolge Unfall erkannt. 4. C h o r d o m e u n d C h o n d r o m e Sie sind eine seltene Gruppe von Geschwülsten der Schädelbasis. Während sich die C h o n d r o m e vom K n o r p e l g e w e b e ableiten, entstehen die C h o r d o m e aus e m b r y o n a l e n F e h l b i l d u n g e n d e r C o r d a d o r s a l i s . Chordome können im ganzen Bereich der Wirbelsäule entstehen. Am Schädel befinden sie sich besonders im Bereich des C l i v u s . E s sind glasige knorpelartige Knötchen, die aus großblasigen Zellen bestehen. Sie liegen e x t r a d u r a l . E n t a r t e n sie bösartig, so wuchern sie durch das große Hinterhauptloch hindurch auf die Halswirbelsäule zu. Manch2*

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Schädelknochen

mal brechen sie bis in das Gesicht ein. Die Ursache, welche die schlummernde Wucherungsfähigkeit der Chordazellkomplexe weckt, ist unbekannt. Klinisch treten durch Chordome und Chondrome verursachte H i r n n e r v e ne r s c h e i n u n g e n infolge des l a n g s a m e n W a c h s t u m s der Geschwülste, im Gegensatz zu den intrasellären Tumoren, nur a l l m ä h l i c h auf. O p h t h a l m o p l e g i e und Störungen im T r i g e m i n u s b e r e i c h , besonders mit Sensibilitätsverlust und Gefährdung des Auges, sind späterhin vorhanden. Daneben bestehen allgemeine Erscheinungen des erhöhten H i r n d r u c k s (s. da) mit S t a u u n g s p a p i l l e . Cha-

Abb. 17a und b. Osteosarkom der linken Schläfe, Bulbus nach unten verdrängt

rakteristisch ist das R ö n t g e n b i l d . Stets ist die betreffende Felsenbeinspitze zerstört. Bei Geschwülsten der mittleren Schädelgrube sieht man auf der Schädelbasisaufnahme einen umschriebenen Destruktionsprozeß, der die Foramina lacerum, ovale und spinosum ziemlich regelmäßig verschwinden läßt. Typisch sind Verkalkungen im Tumorbereich. Für die Operation der Chondrome und Chordome ist ihre extradurale Lage von Bedeutung. Die Exstirpation gelingt meist nur nach Entfernung des Schläfenlappens. Die Operation der b ö s a r t i g e n Chordome ist wenig erfolgreich. Bei Kombination mit Röntgentiefenbestrahlung wurden Erfolge gesehen. 5. S a r k o m e (Einzelheiten s. Kiefer und Nase) Es finden sich am Schädel beide Formen der Sarkome, nämlich das Diploesarkom und das Sarkom des Periostes. Von den Sarkomen der Schädelknochen müssen die perforierenden Meningeome unterschieden werden (s. da). Jedoch ist diese Unterscheidung klinisch oft nicht möglich. Die Sarkome des Schädels

Geschwülste

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wachsen schnell und neigen zu Metastasenbildung. Die Geschwülste sitzen dem Knochen breit auf. Anfangs ist die Haut über ihnen verschieblich. Sie sind sehr blutreich. Brechen sie durch die Haut durch, so bilden sie jauchende, ulzerierte Tumoren. Wachsen die Sarkome gegen das Schädelinnere vor, so rufen sie H i r n d r u c k und H e r d e r s c h e i n u n g e n hervor (s. da). Treten diese Erscheinungen erst spät auf, so sind sie für die Schädelsarkome charakteristisch. M e n i n g e o m e , die nach außen durchbrechen, erzeugen meist primär Hirndruckerscheinungen, die bei ihrem Durchbruch nachlassen. Die Meningeome zeigen den Hirnbewegungen entsprechende P u l s a t i o n , wenn sie nicht mit dem Schädelknochen verwachsen sind. Sie lassen sich dann auch unter Hirndruckerscheinungen (Pulsverlangsamung, Kopfschmerzen, Bewußtseinsverlust) in die Schädelhöhle z u r ü c k d r ä n g e n . Auch an der Schädelbasis finden sich Sarkome, ebenso wachsen sie aus der Orbita und dem Nasen-Rachenraum (s. da) dort ein. Umgekehrt können Sarkome aus dem Bereich der Stirn und Schläfe in die Orbita unter Verdrängung des Bulbus einbrechen (Abb. 17a und b). Schließlich können Sarkome m e t a s t a t i s c h am Schädelskelett auftreten bei Primärtumoren in anderen erkrankten Knochen, in der Niere, Schilddrüse usw. Die Prognose ist meist infaust. Wenn möglich, sind die Sarkome radikal zu operieren. Postoperativ und bei inoperablen Sarkomen wird die Röntgen- oder Radiumbestrahlung angewendet. 6. M e t a s t a s e n Metastasen finden sich am Schädelknochen von allen bösartigen Geschwülsten. Die Metastasen können s o l i t ä r und m u l t i p e l auftreten. Sie wachsen entweder nach außen oder in das Schädelinnere und rufen dann Hirndruckerscheinungen hervor. Ihre Oberfläche ist meist ulzeriert. Am häufigsten sind Metastasen von Karzinomen der Brustdrüse, Schilddrüse, der Bronchien und anderer Organe. Auch Hypernephrome (Abb. 18) metastasieren in den Schädelknochen.

Abb. 18. Hypernephrommetastase hintcr

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7. G e s c h w ü l s t e u n d S t o f f w e c h s e l s t ö r u n g e n des K n o c h e n m a r k s Sie finden sich als multiple Erkrankungen des Knochenmarks des gesamten Skelettsystems. Am Schädel ruft das Myelom (s. Kiefer) und das Chlorom Herde hervor. Das Myelom zeichnet sich durch scharf abgegrenzte rundliche Herde aus (Abb. 19), die sich besonders bei alten Leuten finden. Selten ist ein infiltrierendes Wachstum über den Knochen hinaus vorhanden. Beim C h l o r o m finden sich graugrüne Markwucherungen polsterartig am Schädel, Gesicht, dem Felsenbein und der Orbita. Exophthalmus, Schwerhörigkeit und häufige Kopfschmerzen werden durch die gar komatösen Wucherungen des Chloroms hervorgerufen. Die Zellformen sind meist atypisch, vorwiegend vom Bau eosinophiler und basophiler Myelozyten. Das Chlorom ist eine Allgemeinerkrankung und kommt außer am Schädel auch an anderen Knochen und den inneren Organen vor. Die Behandlung der Knochenmarksgeschwülste ist chirurgisch erfolglos. Durch Radiumtherapie oder Röntgenbestrahlung kann der meist tödliche Verlauf des

Gehirn

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Leidens hinausgezögert werden. Das multiple Myelom (Plasmozytom) ist vorübergehend auch durch S t i l b a m i d i n zu beeinflussen. Die HAND-SCHÜLLER-CHRISTIAN sehe Krankheit (cholesterinige Lipoidose) ist eine S t o f f Wechselerkrankung mit granulomartiger Umwandlung des Knochenmarkes und Anhäufung doppeltbrechender Lipoide sowie Knochenschwund. Der C h o l e s t e r i n s t o f f W e c h s e l ist gestört. Diese Allgemeinerkrankung * findet sich häufig bei Kindern. Besonders der Schädel wird betroffen (s. auch Kieferknochen). Der Knochen zeigt unregelmäßig ausgestanzte Herj



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sche Krankheit ruft infolge ihres häufigen Sitzes in der Gegend der Knochen des Infundibulums Diabetes insipidus und Optikusatrophie hervorTherapie besteht in Röntgenbestrahlung.

IV. Gehirn A. Entwicklungsgeschichte

Das Gehirn stammt vom E k t o d e r m ab. Die erste Anlage ist die Neuraiplatte, die sich zum Neurairohr zusammenfaltet. Aus dem kranialen Teil, welcher sich stark entwickelt, entsteht das Gehirn. Dabei bilden sich anfangs drei Hirnbläschen, das primäre Vorderhirn, das Mittelhirn und das Rautenhirn. Durch intenAbb. 19. Scharf ausgestanzte, runde Knochensives Wachstum kommt es zu Knickungen defekte der Schädelwölbung als Folgeeines multides Hirnrohres. Diese treten i m Gebiet plen Myeloms der Brücke und im Gebiet des Bautenhirns auf. Das Bautenhirn zerfällt durch die Knickung in einen k r a n i a l e n Abschnitt, das Metencephalon, und in einen k a u d a l e n Abschnitt, das Myelencephalon. Auch das Vorderhirn wird nach Abgliederung der Äugenden unterteilt in Telencephalon und Diencephalon. Die Hirnhäute entstehen aus dem Mesenchym in der Umgebung der Hirnanlage.

B . Anatomie und Physiologie Das Encephalon besteht aus 5 Abteilungen (Abb. 20): 1. 2. 3. 4. 5.

Endhirn oder Hemisphärenhirn, Telencephalon-, Zwischenhirn oder Sehhügelhirn, Diencephalon-, Mittelhirn oder Vierhügelhirn, Mesencephalon-, Hinterhirn oder Brücke und Kleinhirn, Metencephalon-, Nachhirn, Medulla oblongata, Myelencephalon. 1. und 2. machen zusammen das Vorderhirn, Prosencephalon aus; 4. und 5. bilden zusammen das Rhombencephalon-, 1., 2. und 3. stellen das Cerebrum, Großhirn, dar.

Anatomie und Physiologie

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Abb. 20. Abteilungen des Gehirns, Medianschnitt

1. E n d h i r n Es besteht aus den Hemisphären und ihren Verbindungen miteinander: Lamina terminalis, Corpus callosum und Commissura rostralis. Vier Furchen, Fissura cerebri lat. (Sylvii), Sulcus parieto-occipitalis, Sulcus centralis (Rolando) und Sulcus occipitalis transv. grenzen die vier großen Lappen jeder Großhirnhemisphäre, den S t i r n - , S c h e i t e l - , H i n t e r h a u p t - und S c h l ä f e n l a p p e n , voneinander ab. F ü r die H i r n c h i r u r g i e sind die F u r c h e n und W i n d u n g e n des Endhirns sowie die F u n k t i o n s z e n t r e n zur L o k a l i s a t i o n k r a n k h a f t e r V e r ä n d e r u n g e n von großer k l i n i s c h e r B e d e u t u n g . Die kraniozerebrale Topographie setzt die Hirnoberfläche in topographische Beziehung zur Schädelkapsel. Dieses Lageverhältnis variiert. KRÖNLEIN hat eine Methode für die F e s t s t e l l u n g von P u n k t e n an der G r o ß h i r n o b e r f l ä c h e ausgearbeitet, die innerhalb geringer Fehlergrenzen die Hauptfurchen angibt. Die Lage der großen Zentren zu den festgelegten Linien ist aus der Abb. 21 ersichtlich. Die Zusammengehörigkeit bestimmter Hirnzentren der Rinde mit bestimmten Muskelgruppen läßt sich durch Reizversuche und durch die Beobachtung von Ausfallserscheinungen bei krankhafter Degeneration bestimmter Gebiete nachweisen (Abb. 22a und b). Die wichtigsten Zentren sind:

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Gehirn

Abb. 21. Kraniozerebrale Topographie 1. Die Grundlinie: Deutsehe Horizontale, Ohrorbitallinie, Linea horicontalis auriculoorbitalis. 2. Die obere Horizontale, Linea horicontalis supraorbitalis. 3. Die vordere Vertikale, Linea verticalis cygomatica. 4. Die mittlere Vertikale, Linea verticalis articularis. 5. Die hintere Vertikale, Linea verticalis retromastoidea. 6. Die Linea Rolandi (obliqua). 7. Die Linea Sylvii (obliqua)

a) M o t o r i s c h e R e g i o n : Sie umfaßt das Rindengebiet der v o r d e r e n Z e n t r a l w i n d u n g , des L o b u l u s p a r a c e n t r a l i s , des O p e r c u l u m und des F u ß e s der 3. S t i r n w i n d u n g (Abb. 22a). Motorisch ist auch ein T e i l des S t i r n h i r n s vor der vorderen Zentralwindung, ferner A b s c h n i t t e des O k z i p i t a l l a p p e n s (Augenbewegung). Die Zusammengehörigkeit von Rindenabschnitten der vorderen Zentralwindung und zugehörigen Bahnen ist so geordnet, daß eine Projektion der gesamten motorischen Körperperipherie in die Rinde der vorderen Zentralwindung hinein erfolgt (Abb. 22a). S c h w a c h e Reize der vorderen Zentralwindung ergeben geordnete Bewegungen auf der gegenüberliegenden Körperseite. Bei s t a r k e n Reizen treten klonische Krampfzustände des gesamten Körpers auf (Rinden-Epilepsie). Als Folge von Verletzungen ist sie als t r a u m a t i s c h e E p i l e p s i e (s. da) bekannt. Ausfallserscheinungen durch Zerstörungen im Gebiet der vorderen Zentralwindung ergeben bei einseitiger Totalzerstörung Halbseitenlähmujig (Hemiplegie) der g e g e n ü b e r liegendem Körperhälfte. b) K ö r p e r f ü h l s p h ä r e (Abb. 22a): Sie erhält ihre Fasern aus der letzten subkortikalen Hauptschaltstelle aller sensiblen Bahnen, dem T h a l a m u s . Sie liegt im Gebiet der hinteren Zentralwindung und

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Anatomie und Physiologie

[Astasie

(Sens.^griphiej

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(Astasie,,faasiejm

WrscAP /Ifgxie

a

Abb. 22 a und b. Die Zentren der Gehirnrinde (von ECONOMO)

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Gehirn

stellt das p r i m ä r e Rindenfeld der gesamten Haut- und Muskelsensibilität dar. Ausfälle der sensiblen Rindengebiete gehen mit lokalisierter Anästhesie einher. Dabei brauchen nicht alle Empfindungsqualitäten in gleicher Weise betroffen zu sein. Reizversuche ergeben unsichere Resultate, bisweilen taktile Empfindungen oder Temperaturempfindung an bestimmter Stelle der Körperperipherie. An die primäre Körperfühlsphäre der hinteren Zentralwindung schließen sich s e k u n d ä r e Felder für die übrigen Sinne an. Wenn sie ausfallen, ist die Möglichkeit des Tasterkennens entschwunden (Astereognosie, s. Parietallappen). c) S e h z e n t r u m (Abb. 22b): I n Betracht kommt der ganze Okzipitallappen mit seiner lateralen und seiner medialen Seite, also das Gebiet des Gyrus occipitalis superior, medius und inferior, des Cuneus, des Gyrus lingualis und des Sulcus calcarinus (Fissura calcarina). Das Sehfeld erhält seine Fasern über den Thalamus. Zerstörung des Sehfeldes führt zur Rindenblindheit. Ist der Rindenausfall e i n s e i t i g , so ergibt sich entsprechend der p a r t i e l l e n Kreuzung der Optikusfasem im Chiasma ein Ausfall des h a l b e n Gesichtsfeldes für b e i d e Augen auf der dem Defekt e n t g e g e n g e s e t z t e n Seite (homonyme Hemianopsie) (Abb. 65, 66). Bei Rindenblindheit ist die N e t z h a u t voll l i c h t e m p f i n d l i c h . P u p i l l e n - u n d B l e n d u n g s r e f l e x s i n d d a h e r a u s l ö s b a r (weitere Einzelheiten s. Anatomie des Fasciculus opticus). Das k o r t i k a l e S e h z e n t r u m , das stammesgeschichtlich eine Neuerwerbung ist, unterscheidet sich zyto-myeloarchitektonisch vom p r i m ä r e n S e h z e n t r u m (Pulvinar des Thalamus, Corpus geniculatum lat., rostrale Vierhügel). Das kortikale Sehfeld steht mit dem primären Feld in direkter Verbindung (Gratioletsche Sehstrahlung Abb. 65) und ist ihm übergeordnet. B e i d e r s e i t i g e Verletzung des Hinterhauptlappens f ü h r t zur Seelenblindheit (optische Agnosie). Das Gesehene wird nicht mehr erkannt. Erinnerungsbilder werden nicht mehr festgehalten. d) G e h ö r z e n t r e n : Das k o r t i k a l e H ö r z e n t r u m befindet sich im Bereich des Temporallappens. Jeder Kochleariskern hat Verbindungen (s. Anatomie des N. statoacusticus) nach b e i d e n Hirnhälften. E i n s e i t i g e r Totalausfall dieser Verbindungen ergibt Hörstörungen auf b e i d e n Ohren ( d o p p e l s e i t i g e V e r t r e t u n g j e d e s O h r e s a u f einer Seite). Ausfall des kortikalen Hörzentrums f ü h r t zur sensorischen Aphasie ( S e e l e n t a u b h e i t ) . Sprechen ist möglich, eine Frage wird gehört, aber nicht verstanden. Das Z e n t r u m für sensorische Aphasie (WERNICKE) befindet sich im Gebiet des Gyrus temporalis sup., besonders des Gyrus temporalis transversus (HESCHLsche Windung). Es ist beim Rechtshänder links, beim Linkshänder rechts angelegt. e) G e r u c h s - u n d G e s c h m a c k s z e n t r e n : Das R i e c h z e n t r u m befindet sich im Rindengebiet des Uncus und Gyrus hippocampi. I n unmittelbarem Zusammenhang damit steht das Rindengebiet des G e schmacks. K r a n k h a f t e Geruchswahrnehmungen ( G e r u c h s h a l l u z i n a t i o n e n ) kommen manchmal a n f a l l s w e i s e bei S c h l ä f e n l a p p e n t u m o r e n vor, wenn die Geschwülste nach der B a s i s zu wachsen und den Gyrus hippocampi bzw. Uncus reizen (Uncinatusanfälle). f) S p r a c h r e g i o n (Abb. 22a): Sie umfaßt das Rindengebiet der an die F i s s u r a c e r e b r i l a t e r a l i s grenzenden Windungen: Die hintere H ä l f t e des Gyrus frontalis sup. (BROCA), die Insel, die obere temporale Windung einschließlich der ganzen Fissur. Läsionen in diesem Gebiet (Aphasien) führen zur U n m ö g l i c h k e i t d e s S p r e c h e n s . Beide Hemi-

Anatomie und Physiologie

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Sphären sind nicht gleichwertig. Beim R e c h t s h ä n d e r befindet sich die motorische Sprachregion (BROCAsche Windung) in der l i n k e n Hemisphäre, beim Linkshänder umgekehrt. Es ist dabei m ö g l i c h , e i n e F r a g e zu v e r s t e h e n , jedoch können für die gewöhnlichsten Dinge und Zustände k e i n e s p r a c h l i c h e B e z e i c h n u n g g e f u n d e n werden (motorische Aphasie). Manchmal ist mit der motorischen Aphasie die Agraphie verbunden, d. h. das Unvermögen richtig zu schreiben. Von der motorischen Aphasie (Wortstummheit) muß die sensorische Aphasie (Worttaubheit) unterschieden werden (s. Gehörzentren). Häufig ist mit sensorischer Aphasie die Alexie, d. h. das Unvermögen geschriebene und gedruckte Worte zu verstehen, verbunden. Größere Läsionen der Insel rufen aphasische Störungen hervor. Sie sind bei nach vorne gelegenen Läsionen m o t o r i s c h , bei mehr nach hinten gelegenen s e n s o r i s c h . g) F r o n t a l w i n d u n g e n : Zu ihnen wird das umfangreiche Windungsgebiet gerechnet, das sich von der Fissura praecentralis bis zum Frontalpol erstreckt, einschließlich der Rinde der Basis bis zur Fissura cerebri lateralis. Ausgedehnte Zerstörungen des Frontallappens können völlig s y m p t o m l o s verlaufen. Besonders bei linksgelegenen Herden findet sieh eine A b n o r m i t ä t des C h a r a k t e r s mit Änderungen im Gemüts- und Willensleben. Witzelsucht, unbegründeter Stimmungswechsel aber auch seelische Abstumpfung können auftreten. h) P a r i e t a l w i n d u n g e n : Sie umfassen das Windungsgebiet hinter dem Sulcus postcentralis: Lobus parietalis superior und inferior (Abb 22 a). Dem Scheitellappen kommt damit die Funktion zu, die Regelmäßigkeit, das Maß, die Genauigkeit und die Richtung der Bewegungen zu überwachen. Herde im Parietallappen gehen häufig mit Astereognosie, einer Tastlähmung, einher. E s besteht eine Unfähigkeit, Gegenstände bei Betastung mit g e s c h l o s s e n e n A u g e n zu erkennen. Dabei sind die einzelnen Empfindungsqualitäten n i c h t gestört. Außerdem können bei Läsionen des Parietallappens motorische Apraxien auftreten. E s besteht die Unmöglichkeit, z w e c k m ä ß i g zu handeln, o h n e daß eine Lähmung vorliegt. Bestimmte, im Verlauf des Lebens erworbene zweckgerichtete Handlungen, wie z. B . schreiben, grüßen, werden unmöglich, Weil die Erinnerung an die dazu erforderlichen Muskelaktionen verlorengegangen ist. i) B a l k e n : E r ist die wichtigste der G r o ß h i r n k o m m i s s u r e n . Größere Ausfallserscheinungen nach Balkenstich (s. da) treten nicht auf. E r dient der Fixierung höherer Perzepte, der Beschleunigung des Sprachmechanismus und der eupraktischen Ausführung der Mimik und der Handlungen, k) C a p s u l a i n t e r n a : Sie liegt zwischen dem K o p f d e s N u c l e u s c a u d a t u s und dem T h a l a m u s einerseits und dem L i n s e n k e r n andererseits. Sie besteht aus einem vorderen und hinteren Schenkel. Die von den Rindenzentren kommenden motorischen P y r a m i d e n b a h n e n passieren die Capsula interna eng zusammengedrängt. Der hinterste Teil der inneren Kapsel enthält die sensiblen S c h l e i f e n b a h n e n . Infolge des Verlaufs dieser wichtigen Bahnen durch die innere Kapsel können schon relativ k l e i n e Schädigungen an dieser Stelle zu a u s g e d e h n t e n Ausfallserscheinungen im Gebiet der kontralateralen Körperseite führen. Die innere Kapsel ist der häufigste Sitz von G e h i r n b l u t u n g e n .

Gehirn

28 2.

Zwischenhirn

E s b e s t e h t a u s d e m T h a l a m u s u n d d e m H y p o t h a l a m u s m i t der Z i r b e l d r ü s e u n d der H y p o p h y s e . D i e s e s G e b i e t ü b t w i c h t i g e R e g u l a t i o n e n v e g e t a t i v e r u n d h o r m o n a l e r A r t aus (Abb. 23). D i e Hypophyse (s. a u c h C h i r u r g i e der H y p o p h y s e ) l i e g t i n der z u g e h ö r i g e n F o s g a ( A b b . 1). S i e b e s t e h t a u s e i n e m v o r d e r e n d r ü s i g e n u n d e i n e m h i n t e r e n n e r v ö s e n

ÓMafèfej/eru/>g_

/Vuc/J>jip_othaL _ VasomotHität. Schweißsekn

__ _ Epiphyse (Hemmung derGenitalentw.)

Nuc/.supraobtic._ Wasser-Salzhaushalt jDurst)

- _ NucleusM_ ~(Pupillen)

Nud._tuberìs_ Wärmeregulation

/

/

_

Kreislauf

/ Substantia reticularis^ fAtmung]

i M o j ì m A - ^ ' l ^ ! / (Hintèrlappen / /

Corgus_ mamillare / ßenitalfunktlon, Fetttrophik

-

[Übelkeit NudeusX l Erbrechen Ws(verlangsamung

Abb. 23. Vegetative Zentren des Gehirnstammes L a p p e n , der d u r c h d a s I n f u n d i b u h t m m i t d e m B o d e n des d r i t t e n V e n t r i k e l s in V e r b i n d u n g s t e h t . N a c h o b e n g r e n z t die H y p o p h y s e a n d a s C h i a s m a f a s c i c u l o r u m o p t i c o r u m u n d den T r a c t u s o p t i c u s . D a s D i a p h r a g m a sellae t r e n n t sie d a v o n a b . T r o t z d e m k a n n die H y p o p h y s e b e i G e s c h w u l s t b i l d u n g einen D r u c k a u f d i e G e g e n d des C h i a s m a o p t i c u m a u s ü b e n , der zu S e h s t ö r u n g e n u n d E r b l i n d u n g f ü h r e n k a n n ( A b b . 5 8 , E i n z e l h e i t e n s. H y p o p h y s e n t u m o r e n ) . D i e P h y s i o l o g i e der H y p o p h y s e e r g i b t s i c h a u s d e m f o l g e n d e n

Schema:

Vorderlappen: 1. Somatotropes Hormon (STH, W achstumhormon): Förderung des Gewebsaufbaus (Riesenwuchs, Zwergwuchs, Akromegalie), Vermehrung der Granulombildung und der allergischen Reaktion, gesteigerter Widerstand gegen.Infektionen (Stress). 2. Adreno-kortikotropes Hormon (ACTH): Anregung der Nebennierenrinde (Ausschüttung, von Glucocorticoid), Hemmung der Entzündungsfähigkeit des Bindegewebes, Herabsetzung des Widerstandes gegen Infektion und allergische Reaktion (Stress). 3. Gonadotrope Hormone (Prolane): Anregung der Sexualdrüsen (Follikelreifung und Luteinisierung, Anregung der Spermiogenese und des Deszensus der Hoden).

Anatomie und Physiologie

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4. Thyreotropes Hormon: Anregung und Regulierung der Schilddrüsentätigkeit. 5. Qalaktotropes Hormon (Prolaktin): Brustdrüsenentwicklung, Milchsekretion.

Hinterlappen:

1. Regulierung des Wasserhaushaltes (Adiuretin): Diabetes insipidus. 2. Beeinflussung der Blutgefäße (Vasopressin): Verengerung der Kapillaren, Arterien und Koronarien (Blutdrucksteigerung). 3. Peristaltikanregung der Hohlorgane (Oxytocin): Uterus, Darm, Gallenblase, Ureteren.

Das Zwischenhirn erfüllt im, Kähmen des Extrapyramidalen Systems wichtige Aufgaben. Zu diesem System rechnen: Der Thalamus (Hauptschaltstelle), Kerne des Endhirns (Nucleus caudatus und lentiformis) und des Mittelhirns (Nucleus ruber, Nucleus niger). Im Gegensatz zur Pyramidenbahn hat es keine Beziehung zu den bewußt gewollten Zweckbewegungen. Tonisierende, bewegungs- und kraftregulierende Aufgaben, unter Ausnutzung von Impulsen aus der Körperperipherie über den Thalamus sind die Leistungen dieses Systems. Es überwacht damit unbewußt das harmonische Zusammenwirken der Muskeln und ihrer Antagonisten bei Bewegungen. Krankhafter Ausfall kann eine abnorme Steifigkeit der Muskeln (Rigidität), eine maskenhafte Starre des Gesichts (Amimie) und Bewegungsarmut der Körpermuskulatur (Akinese) hervorrufen. Andererseits treten bei Erkrankung einzelner Teile des Extrapyramidalen Systems, besonders des Corpus striatum, automatische Hyperkinesen (Überbeweglichkeit) auf. Sie werden als Chorea und Athetose bezeichnet. Der Thalamus opticus hat wichtige Beziehungen zur Sensibilität. Er ist die H a u p t s c h a l t s t e l l e der s e n s i b l e n Bahnen, die vom Rückenmark zur Rinde laufen. Bei Erkrankungen des Thalamus finden sich halbseitige gekreuzte Sensibilitätsstörungen, besonders der Tiefensensibilität. T h a l a m u s s c h m e r z e n gehören zu den heftigsten und am schwersten zii beeinflussenden. Neuerdings wird bei der 'präfrontalen Leukotomie die operative Unterbrechung der Stirnhirnthalamusverbindungen ausgeführt. Dadurch werden p s y c h o t i s c h e P r o z e s s e oder s c h w e r s t e S c h m e r z z u s t ä n d e ohne Psychosen beeinflußt (Einzelheiten s. Psychochirurgie). Die Eegio hypothalamica und das Gebiet um den 3. Ventrikel enthält wichtige Zentren, die sich anatomisch nicht genau umreißen lassen. Es handelt sich um Zentralstellen, die offenbar ganz bestimmte v e g e t a t i v e Leistungen (Einzelheiten s. Abb. 23) steuern. Chirurgisch bedeutsam ist es, daß bei Operationen im Gebiet des 3. Ventrikels, dessen Wand nicht verletzt werden darf, da sonst eine lebensbedrohende Hyperthermie auftritt. 3. M i t t e l h i r n Es ist die kleinste der 5 Hirnabteilungen und umfaßt die L a m i n a q u a d r i g e m i n a , H a u b e n , G r o ß h i r n s c h e n k e l , V i e r h ü g e l a r m e und den A q u a e d u c t u s mesencephali. Im zentralen Höhlengrau befinden sich die Ursprungskerne des Nervus oculomotorius und Nervus trochlearis (Abb. 24). Der Okulomotoriuskern besteht aus den doppelseitig lateral angeordneten äußeren Augenmuskelkernen, zwischen denen medial die Binnenmuskelkerne (Sphincter pupillae und Akkomodationsmuskel) und der Konvergenzkern gelagert sind. Bei L ä s i o n e n des V i e r h ü g e l d a c h e s finden sich daher Störungen der Pupillenreaktion (Pupillendilatation, Starrheit) und Störungen der Augenbewegungen, z . B . der Akkomodation oder Konvergenz (Schielen, Strabismus) (s. Seite 119).

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Gehirn,

4. H i n t e r h i r n Es besteht aus K l e i n h i r n und B r ü c k e . Beide sind durch die Brückenarme miteinander verbunden. Die Bindearme verbinden das Kleinhirn mit dem Großhirn und die Corpora regtiforme mit der Medulla oblongata. Diese wichtigen Faser verbindungen lassen dem Kleinhirn Erregungen von der gesamten Körperperipherie zukommen. Totalausfall des Kleinhirns bedingt bei a l l m ä h l i c h e r Entwicklung kaum Störungen. Bei p l ö t z l i c h e m Ausfall liegen sämtliche Störungen im Gebiet der Körpermotorik. Als Zentrum, der Koordination der Bewegungen hat das Kleinhirn klinisch eine große Bedeutung. Das normale Zusammenarbeiten der verschiedenen Muskelgruppen bei komplizierten Bewegungen wie Stehen und Gehen, die Synergie, wird besonders vom W u r m reguliert, (s. auch Seite 121) Kleinhirnkrankheiten machen charakteristische Erscheinungen (Abb. 74), die im Gegensatz zum Großhirn auf der g l e i c h e n Seite wie die Läsion auftreten. Es finden sich Kleinhirnatonie mit Muskelschlafüheit und Kraftlosigkeit, zerebellare Ataxie mit Unsicherheit bei der Durchführung zweckgerichteter Willkürbewegungen, Kleinhirnnystagmus mit der Unmöglichkeit, den Blick fest zu fixieren und Adiadochokinese, d. h. rasch aufeinanderfolgende Bewegungen können nicht durchgeführt werden. Neben der W i l l k ü r m o t o r i k hat das Kleinhirn Einfluß auf die R e f l e x m o t o r i k , die der Erhaltung oder Wiederherstellung der normalen Körperstellung dient. Die Brücke wird vom N. trigeminus (V) durchsetzt, nahe ihrem hinteren Rande vom N. facialis (VII). Das von dem Kleinhirn, der Olive und dem hinteren Rande der Brücke begrenzte Dreieck wird Kleinhirnbrückenwinkel bezeichnet. Aus ihm kommt lateral vom N. facialis (VII) der N. statoacusticus (VIII) hervor. I n dieser Gegend befinden sich charakteristischerweise die Akustikusneurinome (Einzelheiten s. da). H e r d e der B r ü c k e zeigen zusammengesetzte Lähmungen, Störungen in der Innervation des Nervus hypoglossus oder konjugierte Lähmungen der Seitwärtswender der Augen. Über Hirnnervenkerne s- Rautenhirn. 5. M e d u l l a o b l o n g a t a Sie erstreckt sich vom Clivus bis zum kranialen Rand des Atlas und ist die Verbindung zwischen Brücke und Rückenmark. Funktionell stellt die Medulla oblongata mit dem Boden der Rautengrube und der Brücke eine Einheit dar (Rautenhirn, s. da). Auf der Ventralseite hebt sich beiderseits der Fissura ventralis der verbreiterte und erhöhte Wulst der Pyramidenfasern als sog. Pyramide ab. Durch die Wurzelbündel des N. h y p o g l o s s u s ( X I I ) ist die Pyramide von der Olive abgesetzt. Lateral der Olive liegen die Wurzeln der Nn. a c c e s s o r i u s (XI), v a g u s (X) und g l o s s o p h a r y n g e u s (IX). 6. R a u t e n h i r n Es besteht aus dem Mesencephalon und Myelencephalon und enthält wichtige a u t o m a t i s c h e Z e n t r e n (Abb. 23). Zellgruppen der Sübstantia reticularis bilden das Atemzentrum. Der adäquate Reiz ist der chemische Zustand des Blutes. Bei Kohlensäureanreicherung im Blut wird die Atemtätigkeit automatisch intensiviert (Dyspnoe). Bei Lähmung des Atemzentrums in der Narkose gelingt es daher, mit Kohlensäurebeatmung einen starken Reiz auszuüben. Bei Abnahme der Kohlen-

Anatomie und Physiologie

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säurespannung tritt Atemlosigkeit (Apnoe) ein. Bei exzessiver chemischer Reizung (Er.stickung) wirkt das Atemzentrum außer auf die direkten Atemmuskeln (Zwerch-, feil und Interkostalmuskeln) auch auf die auxilliären Atemmuskeln (Mund-, Nagenflügel-Hals-, Schultergürtel- und Bauchmuskeln). Neben der c h e m i s c h e n Erregung des Atemzentrums ist eine r e f l e k t o r i s c h e Beeinflussung möglich durch die sensiblen Vagüsfasern aus der Lunge (hemmende Impulse bei Lungenblähung) und sensible Trigeminusfasern der Nasenschleimhaut. Als weitere wichtige Region findet sich im Rautenhirn das Vasomotorenzentrum, Seine Impulse Werden wie die des Atemzentrums durch die Kohlensäurespannung des Blutes gesteigert. Außerdem lösen zentripetale V a g ü s f a s e r n des A r c u s a o r t a e und des N e r v u s g l o s s o p h a r y n g e u s aus dem G e b i e t e des K a r o t i s s i nus depressorische Reflexe über das Vasomotorenzentrum aus.

Weiterhin ist das Rautenhirn das M ü n d u n g s g e b i e t der m e i s t e n H i r n n e r v e n (Abb. 24) und der Sitz l e b e n s w i c h t i g e r R e f l e x e . Nervus vagus, glossopharyngeus, statoacüsticus, intermedius und trigeminus sind die afferenten Anteile von Reflexbogen, deren efferente Bahnen über die Nervi hypoglossus, accesgorius, glossopharyngeus, facialis und vagus laufen: a) S c h u t z r e f l e x e : Hustenreflex, Niesreflex, Kornealreflex und Tränensekretionsr eflex. b) R e f l e x e im D i e n s t e der N a h r u n g s a u f n a h m e : Schluckreflex, Saugreflex, Speichel- und Magensaftsekretionsreflex sowie der Reflexmechanijsmus des Erbrechens. Angemerkt sei, daß bei d i r e k t e r Einwirkung (mechanisch oder chemisch) auf das bulbäre Brechzentrum im Rautenhirn, zerebrales Erbrechen ausgelöst werden kann, z. B. bei der Kommotio, bei Hirntumoren (s. da). c) R e f l e x e zur A u f r e c h t e r h a l t u n g n o r m a l e r K ö r p e r h a l t u n g . Der Ve3tibularapparat vermittelt den Lage- und Stellungssinn. Reflektorisch werden die Augenmuskeln und die gesamte Skelettmuskulatur betätigt. Bei Rotation des Körpers, kalorischer oder galvanischer Reizung tritt Nystagmus auf. Dieser wird nach der Richtung der raschen Komponente als Rechts- oder Linksnystagmus bezeichnet.

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Gehirn

7. G e h i r n h ä u t e (Abb. 37) Dura: Sie bildet eine Schicht, welche als Periost die Schädelinnenfläche überzieht und andererseits das Gehirn bedeckt. Fortsätze (Fatx cerebri, Tentorium cerebelli) lagern sich lamellenartig zwischen die einzelnen Gehirnabschnitte und dienen dem Gehirn als Stütze. Die großen venösen Blutleiter (Abb. 3) werden von ihr begrenzt. Schließlich befindet sich in ihr eingeschlossen die Arteria meningica med. Verletzungen der Arterie oder ihrer Aste durch Schädelfrakturen mit Abhebung der Dura sind relativ häufig. Es kommt dadurch zum Blutaustritt zwischen Dura mater und Schädelwandung (epidurales Hämatom, s- da). Trepanation und Unterbindung der verletzten Arterie ist dann notwendig. Verlaufsrichtung der Arterie und ihrer Äste, A u s b r e i t u n g der H ä m a t o m e und Trepanationsöffnungen ergeben sich aus der Abb. 36. Das Cavum subdurale zwischen Dura und Arachnoidea ist ein schmaler Spalt, der keinen Liquor enthält (Einzelheiten s. subdurales Hämatom). Arachnoidea und Pia: Sie sind durch Bindegewebsbalken miteinander verbunden und werden bei pathologischen Prozessen gleichzeitig befallen. Beide zusammen werden als Leptorneninx bezeichnet. Sie begrenzen das Cavum leptomeningicum, das mit lymphatischer Flüssigkeit, dem Liquor cerebrospinalis (s. da), angefüllt ist. Die Pia ist sehr gefäßreich und schmiegt sich dem Gehirn eng an. Wo große Unebenheiten des Gehirns, besonders an der Basis, von der gefäßarmen Arachnoidea überbrückt w'erden, ist der Subarachnoidealraum entsprechend weiter und bildet die Zisternen. 8. G e h i r n g e f ä ß e Arterien und Venen laufen n i c h t zusammen wie an anderen Stellen des Körpers. Die großen Sammelvenen lagern sich als Sinus unmittelbar der Schädelkapsel an (Abb. 3 u. 26). Infolgedessen können sie auf sie einwirkende Gewalten nicht ausweichen. Da sie in einer Duraduplikatur ausgespannt sind, kollabieren sie bei Verletzung nicht und bluten stark und anhaltend. Die Arterien (Abb. 25) treten von der Schädelbasis in das Cavum. leptomeningicum ein. Sie stammen aus der Arteria carotis int., die durch den Canalis caroticus in die Schädelhöhle gelangt, und aus den beiden Arteriae vertebrales, die durch das Foramen occipitale magnum die Schädelhöhle erreichen. Die Arteriae vertebrales vereinigen sich im Schädel durch die Arteria basialis. Diese versorgt mit den Arteriae cerebelli inf., media und superior das Kleinhirn, mit der mächtigen Arteria cerebri post. das Mittelhirn, Hirnstamm und Okzipitalhirn. Die Ernährung des übrigen Hirng geht von der Arteria carotis int. aus. Die großen zuführenden Gefäße bilden an der Unterfläche des Gehirns den Circulus arteriosus (Abb. 25). Er ermöglicht einen Druckausgleich zwischen den Hauptgefäßen. Die Rindenarterien verlaufen in der Tiefe der Furchen. Das Arteriogramm (s. Arteriographie) der Gehirngefäße wird durch Einspritzung von Kontrastmitteln in die Arteria carotis angefertigt, um Verlauf, Lagerung, Form und Füllungsgrad der Gehirnarterien darzustellen. Bei Hirntumoren, subduralen Hämatom usw. finden sich charakteristische Abweichungen der Gefäße. Arteriographisch sind nur die Arteria carotis int. und ihre Abgangsgefäße darstellbar.

Anatomie und. Physiologie

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cerebri ant com. ant med. A.vertebral.

com. post, cerebri post.

basialis

vertebralis Abb. 25. Arterielle Blutversorgung des Gehirns mit Circulus arteriosus cerebri

9. Gehirn Ventrikel (Abb. 3, 26a und b) Sie bilden ein zusammenhängendes System im Innern des Gehirns. Die Seitenventrikel bestehen aus vier Abschnitten, die den vier Hirnlappen entsprechen (Cornu

Abb. 26a und b. Gehirnventrikel von vorn und hinten Der Kliniker: K l o s e - G r u n d m a n n

,Chirurgie des Kopfes

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Gehirn

occipitale, Cornu frontale, Pars parietalis und Pars tem/porälis). Durch das Foramen interventriculare stehen sie mit dem I I I . Ventrikel in Verbindung. Dieser ist ein schmaler Raum zwischen den Wänden des Zwischenhirns. Er geht in den Aquaeductus mesencephali über, der in den Ventriculus IV des Rhombenzephalons mündet. Das Dach des XV. Ventrikels hat eine m e d i a l e und z w e i s e i t l i c h e Ö f f n u n g e n , so daß der Ventrikel mit dem C a v u m l e p t o m e n i n g i c u m i n V e r b i n d u n g steht (s. Arachnoidea und Pia). 10. L i q u o r c e r e b r o s p i n a l i s Die H i r n v e n t r i k e l und das mit ihnen in Verbindung stehende C a v u m l e p t o m e n i n g i c u m sind mit lymphatischer Flüssigkeit, dem Liquor cerebrospinalis angefüllt (Wasserkissen des Gehirns). Dadurch ist das Gehirn vor mechanischen Reizen und Temperaturschwankungen geschützt. Der Flüssigkeitsaustausch kann in den S p i n a l r a u m und die G r a n u l a e m e n i n g i c a e erfolgen. Da, wo die Pia den Unebenheiten des Gehirns nicht folgt, ist der Subarachnoidealraum entsprechend weiter und bildet die mit Liquor gefüllten Z i s t e r n e n . Der Liquor wird durch den P l e x u s c h o r i o i d e u s beiderseits gebildet. Es besteht eine Z i r k u l a t i o n des Liquors von den Ventrikeln in die Zisternen und den Spinalraum. Die R e s o r p t i o n des Liquors erfolgt durch die Venen und das Lymphsystem. Besonders die Granulae meningicae sind daran beteiligt. I m allgemeinen wird der L i q u o r d r u c k konstant erhalten. Er ist jedoch abhängig vom venösen, hydrostatischen und Sekretionsdruck. Der durchschnittliche Liquordruck beträgt 100—120 mm Wasser und pulsiert mit den Wellen des Blutdruckes. Die Abhängigkeit des Liquors vom venösen Druck spielt insofern eine wichtige Rolle, als bei Kompression der Venae jugulares ein Druckanstieg im ganzen Liquor system auftritt. Ist die Liquorpassage n i c h t frei, so bleibt die Druckerhöhung in dem peripher von dem Stop liegendem Abschnitten der Liquorsystems aus. Dieses QUECKENSTEDT sehe Phänomen ist für die Diagnose besonders der spinalen Geschwülste von Bedeutung.

C. Diagnostische und therapeutische Eingriffe 1. L u m b a l p u n k t i o n (Abb. 27) Sie dient der diagnostischen und therapeutischen Entnahme von Liquor, dem Einfüllen von Medikamenten, Narkosemitteln und von Luft oder anderen Gasen. Die Punktion wird bei möglichst g e k r ü m m t e m Bücken vorgenommen, da durch die kyphötische Krümmung der Wirbelsäule die Dornfortsätze auseinanderklaffen. Die Punktion kann l i e g e n d öder s i t z e n d durchgeführt werden. Der Lumbaisack wird meist zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbel angestochen. In dieser Höhe hat sich das Rückenmark in die Cauda equina aufgesplittert, so daß keine Gefahr der Verletzung besteht (Abb. 30). Der Z w i s c h e n w i r b e l r a u m für die P u n k t i o n befindet sieh in der Höhe einer V e r b i n d u n g s linie der o b e r e n R ä n d e r beider D a r m b e i n s c h a u f e l n (Abb. 27 und 29). Die Nadel wird schräg köpfwärts in einem Winkel von 75°, 5—7 cm tief vorgeschoben. Der Liquor muß in l a n g s a m e r Tropfenfolge abgelassen werden. Nach der Punktion wird die Einstichstelle steril verbunden. Der Patient muß für 24 Stunden f l a c h g e l a g e r t werden, da sonst Kopfschmerzen und Erbrechen auftreten können.

Bei gesteigertem Schädelinnendruck mit Vorliegen einer S t a u u n g s p a p i l l e , die durch Untersuchung des Augenhintergrundes festgestellt werden muß, darf die Lumbalpunktion n i c h t ausgeführt werden. Es besteht sonst die Gefahr, daß die

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Diagnostische und therapeutische Eingriffe

lebenswichtigen Zentren der Medulla oblongata (Abb. 23), infolge der Druckverminderung durch Ablassen des Liquors, in das Foramen occipitale magmim hineingepreßt werden. Das Bild des postpunktionellen Meningismus wird fast nur nach Lumbalpunktionen beobachtet. Es ist die Folge der Stichlochdränage und des durch den Punkm m tionskanal nachfließenden Liquors, wodurch ein L i q u o r u n t e r d r u c k hervorgerufen wird. Das Krankheitsbild ähnelt sehr echten meningitischen Erscheinungen. BBMKt-1 M Kopfschmerzen, Erbrechen bei Lagewechsel und Nackensteifigkeit treten bei afebrilem Verlauf auf. Nach Zisternenpunktion kommt dieses Krankheitsbild prak||| tisch n i c h t vor. Außerdem spielt auch die T e c h n i k d e r P u n k t i o n eine wichtige Rolle. Die Spitze der Nadel muß mit gl der Konvexität bei der Punktion seit• wärts gehalten werden (Abb. 28). Auf diese Art und Weise werden die längsverlaufenden Fasern der Wirbelsäulenbänder bei der Punktion nur auseinandergedrängt und legen sich nach dem Herausziehen der Kanüle gut aneinander an. Wird die Konvexität der Kanülenspitze quer eingestochen, so werden die r-, JBp||£ Längsfasern durchtrennt (Abb. 28) und jKNms der Stichkanal bleibt nach der Punktion JflB offen. Die Therapie des 'postpunktionellen Meningismus besteht in Kopftieflage- Abb. 27. Liquorentnahme beim sitzenden Patienten durch Lumbalpunktion rung, Hochstellen des Fußendes des Bettes, Verabfolgung von Ephetonin. In schweren Fällen muß evtl. der Liquor durch physiologische Kochsalzlösung aufgefüllt werden. Bei der Untersuchung des Liquors ist folgendes zu beachten : a) Die Druckmessung erfolgt mit einem 2 % m m weiten Glasrohr, dem Steigrohr. . Dieses wird mit der Punktionskanüle durch einen v U r T n d . GAbbli2ClllaDih ver un en ( • Die Druckmessung muji am l i e g e n d e n Patienten vorgenommen werden. Der normale Druck beträgt

Abb. 28. Lumbalpunktion richtig: Die seitwärts gestellte Kanülenspitze drängt d i e i ä n gsverlaufenden Fasern der Zwischenwirbelbänder auseinander. B falsch: Die quergestellte Kanülenspitze durchschneidetdielängsverlaufendenFasernderZwischenwirbelbänder (Stichlochdränage) 3*

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Gehirn 100—120 mm Wasser. Bei erhöhtem Schädelinnendruck kann der Druck im Lumbalsack normale Höhen haben, wenn die Liquorpassage zwischen Schädel und Lumbalsack versperrt ist. Ist die Liquorpassage frei, so ist das Queckenstedtsche Phänomen positiv. Dieses besteht darin, daß bei Kompression der Jugularvenen durch Fingerdruck das Abtropfen in schnellerer Folge erfolgt, da ein Druckanstieg im ganzen Liquorsystem auftritt. b) Der Liquor ist farblos und wasserklar. Eiter und Blut trüben den Liquor. Infolge artefizieller B l u t u n g d u r c h d e n E i n s t i c h kann eine Blutbeimengung vorhanden sein. Der Liquor wird dann während der E n t n a h m e a l l m ä h l i c h k l a r e r . Ältere Blutungen, z. B . nach Schädeltrauma, färben den Liquor gelb: Xanthochromie. c) Normalerweise enthält der Liquor 0—2 Zellen in einem Kubikmillimeter. Liegt ein entzündlicher Prozeß der Meningen vor, so findet sich eine hohe Zellzahl. Bei a k u t e n Meningitiden treten Leukozyten, bei subakuten und chronischen Meningitiden, z. B . Tuberkulose, Lymphozyten auf. Bei T u m o r e n ist k e i n e Zellerhöhung vorhanden. Dagegen können manchmal Tumorzellen gefunden werden.

— Abb. 29. Druckmessung mit dem Steigrohr bei Lumbalpunktion am liegenden Patienten

d) Der Eiweißgehalt des Liquors beträgt 24—30 m g % . Bei P a s s a g e h i n d e r n i s sind die Eiweißwerte stark v e r m e h r t . Ebenso ist eine Vermehrung des Eiweiß bei Enzephalitis, Hirnabszeß, Sinusthrombose und allen akut entzündlichen Prozessen des Bückenmarks und seiner Hüllen vorhanden. Das Verhältnis zwischen Globulin u n d Albumin beträgt normalerweise 0 ,25. Dieser Quotient ist bei Lues

und häufig bei Tunloren erhöht. Die Vermehrung der Globuline wird mit der Nonne-Apeltschen Reaktion nachgewiesen. Gleiche Mengen Liquor und kaltgesättigte Ammoniumsulfatlösung werden gemischt. Bei Globulinvermehrung tritt Trübung, evtl. Ausflockung ein. e) Der Liquor ist steril. Bei Meningitiden lassen sich im Sediment Meningo-, Strepto-, Staphylo-, Pneumokokken, Tuberkulosebazillen usw. nachweisen. f) Wichtig ist die serologische Untersuchung des Liquors. Die Kolloidreaktionen des Liquors nüt Hilfe von G o l d s o l und M a s t i x zeigen krankheitsspezifische F ä l l u n g s k u r v e n . Eine Linksverschiebung, d. h. eine Ausfällung der ersten Röhrchen, ist für Lues charakteristisch. Eine Rechtsverschiebung mit einer Ausfällung der späteren Röhrchen findet sich bei Meningitis. g) Der normale Traubenzuckergehalt des Liquors beträgt 45—75 mg%. litischen Prozessen ist er erhöht, bei Meningitis vermindert.

Bei enzepha-

Diagnostische und therapeutische Eingriffe Der Kochsalzgehalt beträgt 720—750 mg%. mindert.

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Er ist bei Meningitis tuberculosa ver-

Das spezifische Gewicht des Liquors ist 1006—1007.

2. S u b o k z i p i t a l p u n k t i o n (Zisternenpunktion) (Abb. 30) Arn1 l i e g e n d e n oder s i t z e n d e n Patienten wird bei vornübergeneigtem Kopf in der Mitte zwischen Hinterhaupthöcker und 3. Halswirbeldornfortsatz in Richtung auf die Hinterhauptschuppe eingestochen. Führt man die Subokzipitalpunktion am liegenden Patienten aus, so empfiehlt sich die Rückenlage bei angehobenem Kopf. Der Patient läßt sich durch Aufdrücken der Schultern gut fixieren. Eine Anästhesie ist nicht notwendig, evtl. kann vor der Punktion eine Ampulle SEE. schwach gespritzt werden. Die Haut wird mit Benzin oder Alkohol desinfiziert. Jod verursacht einen Reizzustand des Stichkanals. Die Haare müssen vor der Punktion ausrasiert werden. Eine genaue Einstellung des Kopfes in der Mittellinie erleichtert die Punktion wesentlich. Bei der indirekten Methode tastet man sich mit der Nadelspitze den Rand des Hinterhauptloches ab, hebt dann unter leichtem Zurückziehen das Nadelende und stößt durch die Membrana atlanto-occipitalis hindurch. Der Nachteil liegt darin, daß man dabei den Sinus marginalis am Rande des Foramen magnum anstechen kann. Die direkte Methode der Subokzipitalpunktion vermeidet diese Nachteile, indem ein wenig oberhalb des Epistropheusdornes eingestochen wird und die Berührung von Knochenteilen vermieden wird. Es besteht aber dabei die Gefahr, daß eine flachere Stelle der Zisterne erwischt und die Medulla oblongata v e r l e t z t wird. Schwere Schädigungen, ja sogar der Tod des Patienten, können dadurch herbeigeführt werden. Die Subokzipitalpunktion ist für den Patienten bedeutend a n g e n e h m e r als die Lumbalpunktion. Nachbeschwerden sind kaum vorhanden. Starke, bald nach dem Einstechen der Nadel auftretende K o p f s c h m e r z e n und leichte K o l l a p s z u s t ä n d e können durch eine zu s c h n e l l e E n t l e e r u n g des Liquors verursacht werden. Sie muß stets durch Abstoppen des heraussprudelnden Liquors mit dem Mandrin vermieden werden. B l u t u n g e n nach Zisternenpunktion sind s e l t e n e Zwischenfälle, jedoch nicht immer vermeidbar, da es G e f ä ß a n o m a l i e n gibt. Erst wenn bedrohliche Zeichen der Hirndrucksteigerung (s.da) vorliegen, muß operativ eingegriffen werden. Bei U n w e g s a m k e i t der L i q u o r W e g e zwischen Subduralraum und Spinalkanal muß die Abb. 30. Liquorentnahme Zisternenpunktion zur Gewinnung von Liquor A Ventrikelpunktion. B Subdurchgeführt Werden. Ebenso ist sie angezeigt, okzipitalpunktion. C Lumbalpunktion wenn die Lumbalpunktion wegen D e k u b i t u g , starker R ü c k g r a t s V e r k r ü m m u n g oder aus anderen Gründen nicht möglich ist. Ein V e r g l e i c h des L u m b a l l i q u o r s m i t d e m Z i s t e r n e n l i q u o r kann evtl. diagnostische Bedeutung haben.

Gehirn

38 3.

S u b o k z i p i t a l s t i c h (ANTON und SCHMIEDEN)

Dabei wird die Membrana atlanto-occipitalis operativ gespalten und evtl. gefenstert. Der Subokzipitalstisch dient der E i t e r e n t l e e r u n g und A u s s p ü l u n g bei eitriger Meningitis und dem A b l e i t e n d e s L i q u o r s bei Drucksteigerung, z. B. bei Wasserkopf und Hirntumor. Der Liquor wird gewissermaßen dadurch in einen „5. Ventrikel" entleert. 4. B a l k e n s t i c h (Abb.31) // E r dient der Schaffung einer i Verbindung zwischen dem er// sten u n d zweiten Ventrikel mit .-••- ^ • dem Subduralraum. Zu diesem ^^^¿^^^^^¿¿¿.fi^ Zweck wird nach Anlegen einer Öffnung im Schädel unter Schonung der Gehirnhemisphären und des Sinus sagittalis durch den Balken punktiert. Bei v e n trikulärer Druckerhöhung infolge Verlegung der Abfluß wege, z . B . bei Wasserkopf und Tumor, wird der Balkenstich angewendet. Der unter Druck stehende Liquor hält die Punktionsstelle zeitweilig geöffnet, so d a ß eine vorübergehende E n t Abb. 31. Balkenstich lastung eintreten kann. 5. V e n t r i k e l p u n k t i o n (Abb. 3 2 a und b) Sie wird bei k r a n k h a f t g e s t e i g e r t e r P r o d u k t i o n d e r V e n t r i k e l f l ü s s i g k e i t mit V e r l e g u n g d e r A b f l u ß w e g e und zum Einbringen von M e d i k a m e n t e n

Abb. 32. Ventrikelpunktion,

a Von der Seite,

b Von oben

in" die Ventrikel vorgenommen. Außerdem dient sie der D i a g n o s t i k . Die D u r ch g ä n g i g k e i t d e r L i q u o r w e g e kann durch Einspritzen von Methylenblaulösung und nachfolgender Lumbalpunktion bei Blaufärbung des Liquors angenommen werden.

Diagnostische und therapeutische Eingriffe

39

Wird die Ventrikelpunktion zum Einfüllen von Gas oder L u f t benutzt, so gelingt es, das Ventrikelsystem röntgenologisch darzustellen (Yentrikulographie). Veränderungen der Form, L a g e und W e i t e der Ventrikel haben diagnostische Bedeutung zur Feststellung von Tumoren, Hydrozephalus Usw. (Abb. 56). Die Technik gestaltet sich so, daß bei Rechtshändern auf der rechten Seite eingegangen wird. Die Kopfschwarte wird mit Lokalanästhesie infiltriert und eine senkrechte Inzision gemacht. Der Knochen wird durchbohrt und die Dura eingeschnitten. Eine Punktionsnadel wird in Richtung auf die Ventrikel eingeführt. Der Seitenventrikel wird erreicht, wenn man 3 cm hinter und 3 cm über den! äußeren Gehörgang, etwa 4 cm tief in schräger Richtung gegen die Spitze der anderseitigen Ohrmuschel einsticht. Das Vorderhorn erreicht nlan durch Einstich 2 cm seitlich des Bregma (Vereinigungspunkt der Sutura sagittalis und coronaria) in 4—6 cm Tiefe. Sobald das Ependym durchstochen wird, läßt der Widerstand nach. Der Hirndruck wird mit dem Steigrohr gemessen. Ist er hoch, so soll der Liquor nur sehr langsam abgelassen werden. Bei zu schnellem Liquorverlust kommt es sonst zu petechialen Blutungen im Bereich der Ventrikelwände. Luft oder Sauerstoff werden sodann langsam in den Ventrikel eingelassen. Sauerstoff hat den Vorteil, daß er schneller resorbiert wird. Ist es anfänglich nicht möglich, mehr als 1 oder 2 ccm Liquor infolge Kollapses des Ventrikels abzulassen, so können vorher einige Kubikzentimeter Gas eingelassen werden. Der Patient liegt in Hinterhauptslage, das Gesicht nach oben. Läßt sich kein Gas mehr einfüllen, so wird das Hinterhaupt erhoben und der Kopf zeitweilig nach rechts und nach links gewendet. Dadurch gelangt das Gas durch den dritten in die gegenüberliegenden Seiten Ventrikel. Eine gute Füllung ist wichtig, da bei unvollkommener Füllung Fehldiagnosen vorkommen können.

6. E n z e p h a l o g r a p h i e Sie dient der röntgenologischen Untersuchung der Hirninnenräume und der Hirnoberfläche bei D u r c h g ä n g i g k e i t der Liquor wege. Mit Hilfe der Lumbaloder Subokzipitalpunktion Wird der Liquor beim s i t z e n d e n Patienten in fortlaufenden Portionen unter Nachströmen von Luft abgelassen. Die Luft sammelt sich an der Hirnoberfläche und in den Ventrikeln. Dadurch heben sich im Röntgenbild ihre Lage und Gestalt gut ab (Abb. 33a—c). In der Regel sind die Ventrikel nicht so gut gefüllt, wie bei der Ventrikulographie. Außerdem kann die Enzephalographie bei s t a r k e m i n t r a k r a n i e l l e m Druck n i c h t aitsgeführt werden. Besonders dann, wenn eine S t a u u n g s p a p i l l e vorliegt, muß davon abgesehen werden. Bei der Diagnose und Lokalisation kleiner Tumoren, insbesondere der R i n d e und dem Nachweis von Narben an der Hirnoberfläche bei Epilepsie leistet die Enzephalographie gute Dienste. 7. H i r n p u n k t i o n Sie dient der diagnostischen Probeentnahme von Hirnsubstanz, z. B, bei Hirntumoren. Komplikationen können dabei in Form von Blutungen auftreten. 8. A r t e r i o g r a p h i e (Angiographie) Das A r t e r i o g r a m m der Gehirngefäße wird durch Einspritzen von K o n t r a s t m i t t e l n (Per-Abrodil usw.) gewonnen. Abweichungen der Arterien und der Venen von Verlauf* L a g e r u n g , Form und F ü l l u n g s g r a d lassen bestimmte pathologische Prozesse erkennen. Das Kontrastmittel wird entweder p e r k u t a n in die

40

Gehirn

A. carotis com. oder nach o p e r a t i v e r F r e i l e g u n g in die A."carotis i n t . injiziert. Von hieraus gelangt es in Kürze in die Hirngefäße. Es läßt sich mit dieser Methode nur die A. carotis int., ihre Abgangsgefäße sowie die zugehörigen Abflußvenen ^ d a r s t e l l e n . Unmittelbar nach der InI .iSlSSb^i jektion werden Röntgenaufnahmen des Schädels von der Seite und von vorn V;.:: H k angefertigt. Die Arteriographie des Gehirns liefert bei allen f r o n t a l e n , p a r i e t a l e n und p a r a s e l l a r e n raumbeengenden Prozessen des Gehirns wichtigste Hinweise. Oft kann mittels der Angiographie auch die A r t d i a g n o s e eines Hirnprozesses erkannt werden. Meningeome, Glioblastome, Astrozytome, Oligodendrogliome, Sar^•BinMHB'' f kome, Hirnmetastasen, Hirnabszesse, subdurale Hämatome, Gefäßerkran¡1 kungen, Gefäßmißbildungen und Gefäßgeschwülste (s. die einschlägigen Kapitel) werden in der bei weitem überwiegenden Mehrzahl der Fälle heute durch die Angiographie sicher erkannt und lokalisiert. a Vorderhörner und 3. Ventrikel

b Hinter- und Unterhorn Abb. 33a—c.

c Seitenventrikel Normales Enzephalogramm

Der gesteigerte Hirndruck

41

D. Der gesteigerte Hirndruck Der gesteigerte Hirndruck ist ein häufig vorkommendes wichtiges S y m p t o m bei Erkrankungen des Gehirns. E r kann a k u t oder c h r o n i s c h auftreten. Die intrakranielle Druckerhöhung beruht auf der mangelhaften Ausdehnungsmöglichkeit des Gehirns in seiner knöchernen Schädelkapsel. Bis zu einem gewissen Grade hat der Organismus die Möglichkeit, eine Drucksteigerung zu k o m p e n s i e r e n , indem der Liquor über das Foramen magmim in die Rückenmarkshöhle gedrängt wird. Fernerhin weichen die elastischen Membranen aus und die weiten, kompressiblen Venenräume machen einer Vergrößerung des Gehirns Platz. Der Inhalt der Schädelhöhle ist im wesentlichen flüssig und praktisch n i c h t zus a m m e n d r ü c k b a r . E r besteht aus Blut, Gewebsflüssigkeit mit Zellinhalt und Liquor. Wenn das Volumen einer dieser Komponenten vermehrt wird, müssen die anderen ihr Volumen verringern. Daher ist z. B . bei einem H i r n ö d e m zu w e n i g B l u t in der Schädelhöhle und es muß für vermehrte Blutzufuhr gesorgt werden. Der L i q u o r ist eine relativ unwichtige Komponente des Schädelinhaltes und kann deshalb ohne Schaden für den Körper entfernt werden. Nimmt die Volumenzunahme des Gehirns weiterhin zu, so ist sie nur dadurch möglich, daß einzelne Hirnteile in benachbarte Schädelabschnitte g e p r e ß t werden. Diese e i n g e p r e ß t e n T e i l e des Gehirns verursachen wiederum eine L i q u o r a b f l u ß b e h i n d e r u n g und V e n e n s t a u u n g . So entsteht ein Circulus vitiosus. Die Hirnsubstanz wird je nach dem Sitz der auslösenden Ursache in ihrer Gesamtheit oder nur in einzelnen Teilen komprimiert. I m letzteren Falle treten bestimmte H e r d s y m p t o m e auf mit charakteristischen n e u r o l o g i s c h e n A u s f a l l s e r s c h e i n u n g e n . Im Reizstadium äußert sich die intrakranielle Druckerhöhung durch eine zunehmende U n r u h e und sich steigernde K o p f s c h m e r z e n mit Ü b e l k e i t und E r b r e c h e n . Das zerebrale Erbrechen ist expulsiv, das Erbrochene entleert sich in Brechsalven. Infolge Vagusreizung ist die Pulsfrequenz verlangsamt. Der Puls wird voller und gespannter, man spricht vom D r u c k p u l s . Durch Kompression des N. oculomotorius sind die P u p i l l e n v e r e n g t . Der B l u t d r u c k ist e r h ö h t , die Atmung unregelmäßig und beschleunigt, eine T a c h y p n o e stellt sich ein. Im Lähmungsstadium vertieft sich die Bewußtlosigkeit. Infolge Vaguslähmung überwiegen die Nn. accelerantes, der P u l s w i r d s c h n e l l e r , w e c h s e l t in der Frequenz, ein bedrohliches Zeichen! Die Tachypnoe wandelt sich in eine v e r l a n g s a m t e A t m u n g , d i e schließlich in das prognostisch ungünstige C h e y n e - S t o k e s e h e A t m e n übergeht. Wichtig ist das Verhalten der P u p i l l e n . Waren sie anfänglich verengert, so werden sie allmählich w e i t und r e a k t i o n s l o s . Der B l u t d r u c k s i n k t . U r i n und K o t gehen u n w i l l k ü r l i c h ab, was prognostisch besonders ungünstig zu bewerten ist. 1. D i e a k u t e H i r n d r u c k s t e i g e r u n g verlangt rasches chirurgisches Eingreifen, um das Leben des Kranken zu retten. Sie rechtzeitig zu erkennen ist daher von großer Bedeutung. Bei akuter Hirndrucksteigerung nach Schädeltrauma ergibt sich die Indikation zum Eingriff aus dem Zeitpunkt, zu dem sich der gesteigerte Hirndruck einstellt. Wichtig ist es zu wissen, ob eine s o f o r t i g e B e w u ß t l o s i g k e i t nach dem Trauma vorhanden war wie bei der Commotio cerebri (s. da) und ob ein f r e i e s I n t e r v a l l mit allmählichem Übergang in Bewußtlosigkeit vorlag (Abb. 34). Bei arterieller Blutung infolge Trauma stellen sich die Symptome der Hirndrucksteigerung zwischen 2 u n d e t w a 2 4 S t u n d e n nach der Verletzung ein (Einzel-

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Gehirn

heiten s. intrakranielles Hämatom). Eine progressive Drucksteigerung in den ersten 48 Stunden macht zur Beseitigung der Blutung einen baldigen chirurgischen Eingriff notwendig. Bei B l u t u n g e n n a c h Z i s t e r n e n p u n k t i o n ' , die auch trotz guter Technik bei vorliegenden Gefäßanomalien nicht immer vermeidbar sind, wird im allgemeinen abgewartet. Erst wenn bedrohliche Erscheinungen des gesteigerten Hirndrucks auftreten, ist ein operatives Eingreifen indiziert. Glücklicherweise sind diese Zwischenfälle selten. Die Hirnsehwellung bzw. das Hirnödem zeichnen sich durch meist vom 2. b i s 3. T a g ab auftretende Drucksymptome aus. Wie jede andere V e r l e t z u n g geht auch die Hirnsubstanzverletzung mit Blutung und Ödembildung einher. Auch nach chirurgischen Eingriffen am Gehirn, z . B . Tumorentfernung usw., m u ß mit einem p o s t o p e r a t i v e n H i r n ö d e m gerechnet werden. Übersteigen die Ödembildung und die Hirnschwellung die erträglichen Grenzen und ist eine Kompensation nicht mehr möglich, so ist die Osmotherapie einzuleiten (Einzelheiten s. Contusio cerebri). Das subdurale Hämatom verursacht etwa vom dritten T a g e an und noch geraume Zeit später die Symptome des gesteigerten Hirndruckes. Manchmal liegt das Trauma bereits Wochen und Monate zurück (s. subdurales Hämatom). Von den entzündlichen Erkrankungen m u ß an die eitrige Meningitis am 5. b i s 6. T a g nach einem penetrierenden Trauma gedacht werden, wenn zu dieser Zeit eine Hirndrucksteigerung a u f t r i t t . Selbstverständlich treten auch Drucksteigerungen bei M e n i n g i t i d e n a n d e r e r G e n e s e auf (Einzelheiten s. Meningitis). Auch die Sinusthrombose (s. da) kann eine durch Entzündung bedingte Drucksteigerung erzeugen. Von der zweiten W o c h e ab nach einem Trauma und noch später ist der Hirnabszeß (s. da) zu berücksichtigen. Die Behandlung der entzündlich bedingten intrakraniellen Drucksteigerung besteht in der O s m o t h e r a p i e (s. Contusio cerebri). Nicht immer gelangt m a n jedoch allein mit der Entwässerung zum Ziel. Bei schweren offenen Hirnverletzungen, bei Meningitis, nach Abszeßdränage usw. spielt in der Nachbehandlung die L i q u o r p u n k t i o n eine wichtige Rolle. Besonders die Eigenart der anatomischen Verhältnisse der Hirnwunde f ü h r t zu raumfordernden Prozessen wie Ödem, Hirnschwellung und Enzephalitis. Bei fast allen infizierten Hirnwunden t r i t t in den ersten Wochen eine Liquorüberproduktion ein, ohne daß der Liquor einen abnormen Befund aufweist. Gegen diese Liquorvermehrung wirkt die Punktion. Allerdings ist der Effekt der Entlastung n u r v o r ü b e r g e h e n d , denn der Liquor bildet sich bei fortbestehender Ursache neu. E s kann aber eine Punktion den Prozeß soweit e n t l a s t e n , daß er schließlich zum A b k l i n g e n kommt. Das Hirn braucht außerdem sehr viel Sauerstoff. Die B e h e b u n g d e r A n ä m i e durch Druckentlastung sorgt f ü r vermehrte Blutzufuhr mit verbessertem Stoffwechsel. Die M e n g e und die H ä u f i g k e i t der Punktionen richtet sich nach den klinischen Erscheinungen und den einzelnen Krankheitsursachen (s. da). I m allgemeinen bewirkt ein Ablassen k l e i n e r Liquormengen eher eine L i q u o r ü b e r p r o d u k t i o n , Ablassen, g r o ß e r Mengen eine gewisse E r s c h ö p f u n g des Produktionsvermögens ( P l e x u s s t a r r e ) und ein A b s i n k e n des Liquordruckes. 2. D i e c h r o n i s c h e H i r n d r u c k s t e i g e r u n g Tritt die Hirndrucksteigerung a l l m ä h l i c h auf, so besteht genügend Zeit zur Ausbildung von Erscheinungen c h r o n i s c h e r Art. Sie äußern sich vor allem in

Commotio cerebri

43

Störungen der Sehkraft, besonders im Auftreten einer S t a u u n g s p a p i l l e (s. Symptomatologie der Gehirntumoren). K o p f s c h m e r z e n und E r b r e c h e n stellen sich anfallsweise ein. Als Folge eines ö r t l i c h e n und allgemeinen Hirndrucks werden gleichzeitig Herdsymptome beobachtet. Bestimmte neurologische Ausfallserscheinungen in Form von P a r e s e n der Gliedmaßen, Lähmung des N. abducens und bei subakuter Drucksteigerung besonders des kontralateralen JSI. facialis können vorhanden sein. Bei Reizung der motorischen Region treten e p i l e p t i s c h e K r ä m p f e auf (s. Lokalisation der Gehirntumoren). Beim Hirntumor hängt der Zeitpunkt und die Ausprägung der Hirndrucksymptome in weitem Umfange von der L o k a l i s a t i o n des Tumors, der Art und dem L e b e n s a l t e r des Kranken ab. Es gibt auch Hirntumoren, bei denen die Symptome einer Druckerhöhung fehlen. Sind sie vorhanden, so bedeuten sie einen lebensgefährdenden Zustand, auch wenn die Krankheit protrahiert verläuft. Das Drucksymptom macht ärztliches Handeln notwendig, besonders dann, wenn dieGefahr der Dekompensation besteht oder sich eine krisenhafte Steigerung einstellt, wie z. B. vielfach bei Kleinhirntumoren (s. Symptomatologie der Gehirntumoren). Chronische Hirndrucksteigerungen sind auch beim angeborenen oder erworbenen

Wasserkopf bei chronischem subduralem Hämatom und beim Turmschädel vor-

handen (Einzelheiten s. da).

E . Commotio cerebri Die Commotio cerebri (Himer seh iitterung) ist ein klinischer Begriff, der eine mehr oder weniger f l ü c h t i g e , s c h l a g a r t i g einsetzende Reaktion vor allem des Hirnstammes auf eine akute traumatische Schädigung ohne bisher sicher bekannte anatomische Grundlage umfaßt. Unter H i r n s t a m m verstehen wir den Teil des Gehirns, der übrig bleibt, wenn das Groß- und Kleinhirn abgetragen werden, d. h. das Urhirn und die ihm basal angelagerten Neuhirnanteile, insbesondere die Pyramidenbahn und die Brücke. Bei der Commotio werden b3sonders die am Boden des 3. und 4. Ventrikels, des Aquädukts und der Vierhügelgegend befindlichen v e g e t a t i v e n Zentren betroffen (Abb. 23). Eine befriedigende hirnphysiologische Erklärung für das Zustandekommen der Commotio ist bis heute nicht gefunden. Die Schlagartigkeit, mit der die Bewußtlosigkeit auftritt, die Flüchtigkeit der Erscheinungen und die Unmöglichkeit, eine wirklich reine Commotio cerebri experimentell zu erzeugen, lassen daran denken, daß es sich um eine G e f ä ß r e f l e x r e a k t i o n handelt (zentraler Schock). In der Regel fehlen Blutungen in der Rinde, kommen aber besonders in der Brücke und dem verlängerten Mark vor. Wesentlich für das Zustandekommen einer Commotio ist wohl der fortgeleitete Reiz auf das empfindliche Gefäßnervensystem, wodurch reversible oder irreversible Durchblutungsstörungen ausgelöst werden. Klinisch äußert sich die Commotio in einer B e w u ß t l o s i g k e i t , die unmittelbar im Anschluß an ein den Schädel meist breit treffendes Trauma auftritt. Ohne sofortigen Bewußtseinsverlust darf die Diagnose Commotio cerebri nicht gestellt werden. Er ist das erste und wichtigste Zeichen. Die Bewußtlosigkeit kann verschieden t i e f sein, von der Benommenheit bis zum tiefenKoma. DieZeitdauer beträgt wenige Augenblicke bis zu Stunden. Eine Schreckreaktion oder eine Ohnmacht darf mit Bewußtlosigkeit nicht verwechselt werden. Bei der Bewußtlosigkeit infolge Commotio besteht eine Amnesie, was forensisch von Wichtigkeit sein kann. Die Erinnerung an den Verletzungsvorgang ist geschwunden. Der Kranke

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Gehirn

ist nicht in der Lage zu beantworten, wann und wie es zu dem Unfall kam. Oft ist die A m n e s i e r e t r o g r a d . Die Kranken können sich an Dinge, die Minuten oder Stunden vor dem Unfall vor sich gegangen sind, nicht mehr erinnern. E r b r e c h e n ist ein häufiges Symptom der Commotio. Da es zerebral infolge traumatischer Irritation des Brechzentrums in der Medulla oblongata (Abb. 23) bedingt ist, tritt es eruptiv und leicht, meist mehrmals hintereinander auf. Manchmal entlädt es sich in richtigen Brechsalven. E s bestehen v a s o m o t o r i s c h e E r s c h e i n u n g e n wie Blässe, später aber Rötung des Gesichtes und Senkung des Blutdruckes. Weitere v e g e t a t i v e S t ö r u n g e n treten auf in Form von Schweißausbruch, kalten klebrigen Gliedmaßen, Störungen des Wasserhaushaltes, des Kohlehydratstoffwechsels und der zentralen Regulation der Blutmorphologie. Der Kranke klagt über K o p f s c h m e r z e n , Ü b e l s e i n und S c h w i n d e l g e f ü h l sowie S c h l a f s t ö r u n g e n . Untertemperatur, später leichte Temperatursteigerungen werden beobachtet. Der Puls ist meist langsam und gespannt ( V a g u s d r u c k p u l s ) . Selten besteht eine Tachykardie und Tachypnoe. Schneller Wechsel in der Pulsfrequenz und gröbere Störungen der Atmung sind immer Zeichen einer gleichzeitig vorhandenen Hirnschädigung und Abb. 34. Verlauf der KrankheitssymHirndrucksteigerung (s. da). ptome bei den stumpfen HirnverletzunDifferentialdiagnostisch müssen einige gen (Commotio, Contusio und Compressio cerebri) Erkrankungen in Erwägung gezogen werden, bei denen gleichfalls ein Bewußtseinsverlust besteht. Zum Bild der Commotio cerebri gehört die F l ü c h t i g k e i t aller Symptome, das rasche und restlose Schwinden der Krankheitserscheinungen (Abb. 34). I m Gegensatz hierzu zeigen traumatische Hirnschäden bei der C o n t u s i o c e r e b r i bedeutend schwerere Symptome und neurologische Ausfallserscheinungen (s. da). Die C o m p r e s s i o c e r e b r i läßt sich durch das freie Intervall (Abb. 34) nach dem Trauma abgrenzen. Jedoch muß betont werden, daß Erscheinungen einer Commotio o h n e A u f h e l l u n g d e s B e w u ß t s e i n s u n m i t t e l b a r in eine Compressio cerebri übergehen können. Die A p o p l e x i e spielt differentialdiagnostisch dann eine Rolle, wenn der Insult den Kranken überrascht hat und gleichzeitig Verletzungen infolge Hinfallens oder Herunterfallens vorhanden sind. Bei vielen t o x i s c h e n S c h ä d i g u n g e n besteht ein Bewußtseinsverlust. Die Differentialdiagnose dieser komatösen Zustände läßt sich meist leicht durch die Anamnese klären, da ihnen kein Unfall vorauszugehen pflegt. Bewußtloseinfolge S t a r k s t r o m v e r b r e n n u n g haben lokale Zeichen der Stromeinwirkung. Die Therapie der Commotio cerebri besteht in strenger B e t t r u h e . Eine E i s b l a s e auf den Kopf wird verabfolgt, der Kranke f l a c h gelagert. I n den ersten 24 Stunden soll keine Nahrung gegeben werden. Für leichten S t u h l g a n g ist zu sorgen, evtl. muß k a t h e t e r i s i e r t werden. Verletzte, die bewußtlos oder benommen sind, werden entsprechend überwacht. P u l s - und A t m u n g s k o n t r o l l e sind notwendig. Ist der Kranke psychomotorisch unruhig, so achte man stets darauf, ob

Contusio cerebri

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die Blase überfüllt ist. Manchmal führt eine einfache Blasenentleerung zur Ruhe. Eine, Fesselung des Kranken in irgendeiner Form ist unzulässig. Sie steigert die Unruhe durch das ständige Sichwehren und führt zur Überlastung des Kreislaufs. Um den Kranken zu beruhigen, darf k e i n Morphium gegeben werden. Es ist kein Beruhigungsmittel, schädigt das Atemzentrum und steigert bei schweren Hirnverletzungen den Hirndruck. Jedes Sedativum nimmt bei zu früher Anwendung die Möglichkeit zur Beurteilung des Zustandes. Die beste A r t d e r Ü b e r w a c h u n g ist die dauernde Beaufsichtigung durch eine geschulte Pflegeperson, die in den meist schubweise auftretenden Zuständen psychomotorischer Unruhe den K r a n k e n sanft anfaßt, seine Bewegungen vorsichtig abbremst und ihn vor Selbstverletzung schützt. Ist kein zunehmender Hirndruck (s. da) vorhanden, so kann die psychomotorische Unruhe gedämpft werden. Zu diesem, Zweck wird S c o p o l a m i n 0,0005 subkutan verabfolgt. Nach Abklingen der akuten Erscheinungen, im allgemeinen nach 24 Stunden, kann mit C o m m o t i o n a l eine D u r c h b l u t u , n g s v e r b e s s e r u n g d e s G e h i r n s und eine v e g e t a t i v e D ä m p f u n g erreicht werden. Die Bettruhe wird je nach der Schwere des überstandenen Zustandes auf 10 Tage bis 3 Wochen festgesetzt. Der Kranke darf dann aufstehen, wenn nach dem Aufsitzen im Bett keine subjektiven Beschwerden mehr vorhanden sind, keine vasomotorischen Störungen, insbesondere keine Puls- und Blutdruckschwankungen (Schellong-Test), keine Blutzuckererhähung, keine Störung der Wasserausscheidung (Völhard- Versuch), auch, nicht nach körperlicher Belastung, mehr auftreten. Eine einfache Commotio cerebri heilt fast immer aus. Postcommotionelle Beschwerden sind selten. Sie können dann auftreten, wenn die erforderliche R u h e nach dem Trauma nicht lange und streng genug eingehalten worden ist. Sie beruhen auf einer K r e i s l a u f s c h ä d i g u n g analog einer peripheren Durchblutungsstörung. Die Kranken sind orthostatisch, d. h. bei bestimmten Kreislaufprüfungsmethoden, empfindlich und klagen am häufigsten über K o p f s c h m e r z e n und S c h w i n d e l g e f ü h l . E s bleiben, über längere Zeit v e g e t a t i v e S t ö r u n g e n vorhanden, die sich als „Neurasthenie" manifestieren und objektiv schwer zu erfassen sind. Genaue n e u r o l o g i s c h ' e U n t e r s u c h u n g ist bei diesen Kranken angezeigt, d a nicht selten eine H y p o c h o n d r i e und R e n t e n s u c h t vorliegt. Andererseits m u ß ausgeschlossen werden, ob das Trauma nicht eine über die Commotio hinausgehende Hirnschädigung (Contusio, s. da) gesetzt h a t . Auf H e r d s y m p t o m e ist dabei zu achten. G e r u c h s und G e s c h m a c k s s t ö r u n g e n sollen erkannt werden. Eine differenzierte V e s t i b u l a r i s p r ü f u n g läßt man vom Otologen ausführen. Eine umfassende p s y c h i s c h e U n t e r s u c h u n g durch den Neurologen ist äußerst wichtig. Therapeutisch bewähren sich H a l s g r e n z s t r a n g a n ä s t h e s i e n u n d intravenöse U n o p h y l l i n - I n j e k t i o n e n .

F. Contusio cerebri Die Contusio cerebri (Hirnquetschung) entsteht im Gefolge von Schädelhirnverletzungen. Das klinische Krankheitsbild ist abhängig von der M e n g e , G r ö ß e und dem S i t z der Yerletzungsherde. Bei den gedeckten Schädelverletzungen, d. h. den Spalt-, Stück-, Loch- und Splitterbrüchen des Schädels o h n e Vorhandensein einer Wunde der Dura kommt es häufig gleichzeitig zu einer Hirnschädigung. Die Verletzungen des Schädels durch stumpfe Gewalt (Hufschlag, Anprall des Schädels bei Verkehrsunfällen usw.) verlaufen m i t oder o h n e Eröffnung der Dura, Bei beiden Formen kann es gleichzeitig zu einer Contusio cerebri kommen. Sie wird im allgemeinen durch f o r t g e l e i t e t e S t o ß w e l l e n verursacht. Andersartig ist die Hirnschädigung durch scharfe Gewalteinwirkung (Stich, Hieb, Schlag, Schuß). Bei diesen Traumen wird das Gehirn d i r e k t

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verwundet. Infolge des Vorhandenseins einer H i r n w u n d e (s. Seite 61) mit E r ö f f n u n g d e r L i q u o r r ä u m e besteht daher die große Gefahr der I n f e k t i o n . Dadurch wird das Bild der Contusio wesentlich kompliziert. Bei leichten Graden der Contusio cerebri sind oberflächliche Blutungen nachweisbar. Sie liegen in der Leptomeninx und der Rinde. Gewöhnlich sind b l u t d u r c h t r ä n k t e Z e r f a l l s h e r d e , häufig größere Blutungen in die Gehirnsubstanz durch Gefäßzerreißung vorhanden. Die Verletzungsherde können bisweilen im ganzen Gehirn verteilt sitzen. Sie sind an der Stoßstelle manchmal weniger ausgesprochen oder fehlen sogar, während an der genau gegenüberliegenden Gegenstoßstelle durch Summation der Stoß wellen beträchtliche Gehirnschäden (Contre-coup) vorhanden sind. Die anatomische Ausheilung der Contusio cerebri erfolgt unter gliöser N a r b e n und Z y s t e n b i l d u n g . Meningeale Verwachsungen treten gleichzeitig nicht allzuselten auf. Einseitige Ventrikelerweiterungen oder Verziehung des Ventrikels infolge Narbenzugs sind oft nachweisbar. Klinisch stellt die Contusio cerebri den schwereren Grad einer traumatischen Hirnschädigung dar. Die Symptomatik ist r e i c h h a l t i g e r als bei der Commotio cerebri und abhängig von der Stelle der einwirkenden Gewalt. I n den meisten Fällen ist gleichzeitig eine Commotio (s. da) vorhanden (Abb. 34). E s gibt aber Kranke, die das klinische Bild der Commotio vermissen lassen. Eine traumatische Hirnschädigung liegt dann vor, wenn H e r d s y m p t o m e beobachtet werden. Sie müssen s o f o r t n a c h d e m U n f a l l auftreten. Werden „stumme H i r n p a r t i e n " betroffen, so fehlen die Herdsymptome und die Beurteilung ist schwieriger. Vielfach können „stumme H e r d e " elektroenzephalographisch gefunden werden. J e nach dem Sitz des Verletzungsherdes sind L ä h m u n g s e r s c h e i n u n g e n , R e f l e x s t ö r u n g e n , W o r t f i n d u n g s s t ö r u n g e n , G e s i c h t s f e l d a u s f ä l l e usw. nachzuweisen (s. Anatomie und Physiologie). Sehr häufig treten S c h ä d i g u n g e n d e r H i r n n e r v e n auf. Durch Prellung der Bulbi olfactorii stellen sich ein- oder beidseitige aromatische R i e c h s t ö r u n g e n ein. Auch die übrigen Hirnnerven können bei einer Contusio in ihren K e r n g e b i e t e n im Hirnstamm und in ihrem V e r l a u f i n n e r h a l b d e s S c h ä d e l s verletzt werden. Ihr Ausfall gibt wichtige Hinweise f ü r die L o k a l i s a t i o n des Hirnschadens. Das S e h v e r m ö g e n m u ß aus diesem Grunde zumindest groborientierend ü b e r p r ü f t werden. Häufig sind Störungen der A u g e n m u s k e l b e w e g u n g e n und P u p i l l e n d i f f e r e n z e n sowie Störungen der P u p i l l e n r e a k t i o n . Der N. t r i g e m i n u s wird bei Frakturen gelegentlich irritiert. F a z i a l i s v e r l e t z u n g e n reversibler und irreversibler Art, zentraler und peripherer Genese (s. N. facialis) sind zu beachten. H ö r s t ö r u n g e n und N y s t a g m u s deuten auf Cochlearis- und Vestibularisschäden. Verletzungen der Gehirnnerven 9—12 sind im allgemeinen von geringerer Bedeutung. Infolge Contre coup-Wirlcung wird bei Fall auf den H i n t e r k o p f manchmal ein S t i r n h i r n s c h a d e n beobachtet. Er t r i t t entweder frühzeitig oder auch später in Form von p s y c h i s c h e n V e r ä n d e r u n g e n mit Gleichgültigkeit, Interesselosigkeit und läppischem Wesen auf. Eine Charakter- und Persönlichkeitsveränderung kann damit verbunden sein. Bei Scheitelverletzungen finden sich Gegenstoßherde an der Basis des Schläfenlappens. Die anatdmisch bedingten Funktionsausfälle sind irreversibel (Abb. 34). Die v e g e t a t i v bedingten Zustände, die wie bei der C o m m o t i o vorhanden sind, sind bedeutend schwerer. Die B e w u ß t l o s i g k e i t dauert oft tagelang an, ebenso das E r b r e c h e n . Die T e m p e r a t u r ist infolge Reizung des Corpus striatum oft e r h ö h t . Die psychomotorische U n r u h e ist bei der Contusio sehr stark. Häufig stellen sich

Contusio cerebri

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S c h l a f s t ö r u n g e n ein. Trotz großer Müdigkeit können die Verletzten besonders nachts keinen Schlaf finden. Diese Störung ist sehr hartnäckig. Gröbere psychische Störungen äußern sich in langanhaltenden U m d ä m m e r u n g e n , traumatisch bedingten K O R S A K O F F - P s y c h o s e n mit zeitlicher und örtlicher Desorientiertheit, erheblicher Merkschwäche und ausgesprochener Wesensveränderung. Der spontane A b g a n g v o n S t u h l und U r i n deutet auf s c h w e r e zerebrale Schäden und hat fast immer i n f a u s t e Bedeutung. Wie bei jeder Verletzung, so geht auch die Verletzung des Gehirns mit B l u t u n g und Ö d e m um den Verletzungsherd herum einher. D a im Schädelinnern nur eine beschränkte Ausdehnungsmöglichkeit vorhanden ist, kommt es zu einer intrakraniellen Raumbeengung mit Behinderung des Liquorabflusses, Vermehrung des Ödems und schließlieh zur S t e i g e r u n g d e s a l l g e m e i n e n H i r n d r u c k s (s. da). Der Ort der Verletzung spielt bei diesen Vorgängen eine Rolle, da verschiedene Hirnabschnitte v e r s c h i e d e n e Ödembereitschaft zeigen. Solange der Druckausgleich den natürlichen Kräften gelingt, sind nur K o p f s c h m e r z , E r b r e c h e n , evtl. eine P u l s v e r l a n g s a m u n g infolge Vaguslähmung vorhanden. Sie haben keine ernste Bedeutung und lassen bald nach. Wird die Ödembildung und Hirnschwellung so stark, daß ein spontaner Ausgleich nicht mehr möglich ist, so tritt tiefe B e w u ß t l o s i g k e i t ein. Eine zunehmende U n r u h e ist ein bedrohliches Zeichen von Hirndrucksteigerung. Häufig geht sie dem Bewußtseinsverlust voraus. Infolge V a g u s l ä h m u n g kommt es zu einem Überwiegen der sympathischen Nn. accelerantes mit S c h n e l l e r w e r d e n d e s P u l s e s . E r wird dünn und fadenförmig und wechselt in der Frequenz. Häufiges P u l s z ä h l e n und die Anlage einer Puls- und Blutdruckkurve ist daher wichtig. Daneben verdient die Atmung große Beachtung. Einer anfänglichen Frequenzsteigerung folgt eine Verlangsamung der Atmung. Die Atemzüge werden mit Beginn der Dekompensation tiefer, der Atemrhythmus unregelmäßig. Unter zunehmendem Hirndruck tritt im Endstadium C H E Y N E S T O K E S s c h e s A t m e n auf. E s ist ein ungünstiges Zeichen für die Prognose. , Übersteht der Verletzte das Trauma, so bleiben mehr oder weniger starke n e u r o l o g i s c h e A u s f ä l l e zurück. Außerdem besteht die Gefahr einer t r a u m a t i s c h e n E p i l e p s i e (s. da). Die N a c h b e s c h wer d e n sind a n h a l t e n d e r und a u s g e p r ä g t e r nach einer Contusio als bei der Com'motio cerebri. Oft bedürfen die Verletzten noch einer längeren fachneurologischen Nachbehandlung. Die Behandlung der Contusio cerebri ist die gleiche wie die der Commotio (s. da). Möglichst k o n s e r v a t i v e s Verhalten ist angebracht. Sind die Kranken nicht bewußtlos, so haben sie häufig kein Verständnis für die Schwere ihres Leidens. E s f e h l t d i e E i n s i c h t für die Notwendigkeit der angeordneten Therapie. Besonders die lange Dauer der Bettruhe von durchschnittlich 3 W o c h e n wird manchmal ungern befolgt. Bei Verletzungen der Stirnhirnbasis, auch durch Contre coup, kann die Einsichtslosigkeit o r g a n i s c h bedingt sein. Vielfach setzt bei der Contusio am Tage des Unfalls, mehr noch am zweiten Tage und später nach der Verletzung, infolge des Hirnödems eine Verschlechterung des Zustandes ein. Durch therapeutische L u m b a l p u n k t i o n e n wird eine momentane Besserung herbeigeführt. E s besteht aber dabei auch die Gefahr einer Einklemmung des Gehirns in das große H i n t e r h a u p t s l o c h oder in den K l e i n h i r n z e l t s c h l i t z , wodurch der Tod augenblicklich herbeigeführt wird. Außerdem wird die Liquorneubildung angereizt. Morphium darf n i e gegeben werden. Die Verabfolgung von L u m i n a l , mehrmals täglich eine Tablette zu 0,1, ist angebracht. E s kann auch zu 0,2 injiziert werden. 50 ccm große Klysmen von C h l o r a l h y d r a t 20,0Mucilag. Salep. ad 250 führen meist zur Ruhigstellung. In schweren Fällen

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Gehirn

kann Scopolamin 0,0005 subkutan gegeben werden. Klagen die Kranken über stärkere Kopfschmerzen und werden sie unruhig, so beginnt man mit der D e h y d r i e r u n g (Osmotherapie). Die Flüssigkeit wird auf 600—800 ccm täglich eingeschränkt. S a l z f r e i e „Nierendiät" wird verordnet. Durch K o f f e i n , mehrmals täglich eine Ampulle subkutan, wird die Urinausscheidung gefördert und der Liquor druck gesenkt. Verstärken sich die Hirndruckerscheinungen, so wird mehrmals täglich 60—100 ccm 50%ige T r a u b e n z u c k e r l ö s u n g intravenös gespritzt. Durch Beigabe von E u p h y l l i n und S a l y r g a n kann die Flüssigkeitsausscheidung wesentlich gefördert werden. Gleichzeitig wird täglich rektal 100 ccm einer 25%igen M a g n e s i u m s u l f a t l ö s u n g zugeführt, im allgemeinen nicht häufiger als ßechsmal. Die Magnesiumsulfatlösung hat dehydrierende und sedative Wirkung. Sie darf daher nicht mit Chloralhydrat zusammen verabfolgt werden. Eine Senkung des Liquordruckes wird weiterhin durch P y r a m i d o n , z. B. als Zäpfchen zu 3,0 erreicht. Hierdurch werden auch hartnäckig vorhandene Kopfschmerzen beeinflußt. Hat bei einem Verletzten stärkeres Erbrechen bestanden, so ist eine K o c h s a l z z u f u h r angebracht. Wird sie als 10%ige intravenöse Lösung verabfolgt, so wirkt sie gleichzeitig entwässernd. Selten kann auch einmal ein Liquorunterdruclc die Ursache der Beschwerden sein. Läßt der Verletzte in großen Mengen Urin unter sich, so besteht nicht nur eine Störung der Blaseninnervation, sondern es muß auch an eine v e g e t a t i v h o r m o n a l e Störung des W a s s e r h a u s h a l t e s gedacht werden. In diesen Fällen ist die Zufuhr reichlicher Flüssigkeit erwünscht und. die Verabfolgung von Hypophysenhormon evtl. angebracht. G. Das intrakranielle Hämatom Blutungen in die Schädelhöhle verursachen verschiedenartige Krankheitsbilder. Diese werden weniger von der Art der betroffenen Gefäße (Arterie, Vene, Sinus) bestimmt, wie von ihrer Ausbreitung und ihrem Sitz. Die Erscheinungen des allgemeinen H i r n d r u c k s (s. gesteigerter Hirndruck), stehen im Vordergrund. Bei umschriebenen Blutungsherden, wie bei Blutungen aus den Vasa meningica media und bei Apoplexie lassen sich außerdem meist charakteristische Lokalsymptome feststellen. Kleine Blutungen, die aus Zerreißungen der Kapillaren und kleiner Gefäßäste stammen, sind eine fast regelmäßige Begleiterscheinung leichterer Schädeltraumen. Sie brauchen keine besonderen Erscheinungen zu verursachen. Andererseits findet man bei der Hirnerschütterung und Hirnprellung punktförmige Blutungen, besonders in der Brücke und der Medulla oblongata. Größere Blutungen, die zu lebensbedrohlicher mechanischer Beeinträchtigung des Gehirns führen und operatives Eingreifen verlangen, sind oft sehr schwierig zu diagnostizieren. Die durch die Verletzung hervorgerufenen sonstigen Hirnsymptome, wie eine Commotio, Contusio usw. v e r w i s c h e n den eindeutigen neurologischen Befund. Außer durch Traumen treten Massenblutungen in die Schädelhöhle bei Apoplexien im Verlauf von Gefäßerkrankungen auf. Atherosklerose, Lues, selten Eklampsie oder Urämie bilden die Ursache der Gefäßveränderungen. Die durch st.umpfe Hirnverletzungen verursachten Blutungen werden unter dem Begriff der Compressio cerebri zusammengefaßt. Ihre Auswirkung ist die der i n t r a k r a n i e l l e n D r u c k s t e i g e r u n g (Einzelheiten s. da). Das Leitsymptom dieser Gruppe ist das f r e i e I n t e r v a l l . Die Compressio cerebri kann sich aus scheinbar ganz harmlosen Verletzungen entwickeln. Manchmal fehlt im Anfang jede

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Das intrakranielle Hämatom

Bewußtseinsstörung. Häufiger tritt nach dem Erwachen aus einer Commotio cerebri e r n e u t B e w u ß t s e i n s v e r l u s t auf (Abb. 34). J e nach dem Sitz der Blutung und ihrer Ausbreitung unterscheidet man epidurale, subdurale, subarachnoideale, intrazerebrale und intraventrikuläre Blutungen. Bei schweren Verletzungen läßt sich eine scharfe Abtrennung dieser Blutungsarten nicht immer durchführen, weil die trennenden Schichten (Abb. 37) zerrissen sein können, und sich die Blutung durch die Risse in die verschiedenen Räume zwischen den Höhlen des Gehirns ausbreitet. 1. I n t r a v e n t r i k u l ä r e Blutungen sind meist arteriellen Ursprungs und treten besonders bei A n e u r y s m e n und schweren Verletzungen auf. Ihr Hauptsymptom ist b l u t i g e r L i q u o r . Das Vorhandensein von Blut in den Liquorräumen bedeutet deswegen eine Gefahr, weil Blutgerinnsel die Liquorabflußwege v e r l e g e n und so die U r s a c h e f ü r h o h e n H i r n d r u c k werden können. 2. I n t r a z e r e b r a l e Blutungen Massive akute Blutungen werden im allgemeinen durch A p o p l e x i e verursacht und sind chirurgisch nicht behandlungsfähig. Nach T r a u m e n können petechiale Blu-

tungen in das Gehirn auft r e t e n , ohne d a ß sie beson-

V\?i\\\V Abb. 35.

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C

A Epidurales Hämatom. B Subdurales Hämatom, G Subarachnoideale Blutung

dere Symptome verursachen. Beträchtliche Blutungsherde werden bei der Contusio cerebri gefunden (s. da). Befinden sich Blutungsherde im Hypothalamus oder im Gehirnstamm, so ist die Prognose ernst. Ältere subkortikale Blutungen verursachen, im Gegensatz zu den akuten Blutungen, H e r d - und H i r n d r u c k s y m p t o m e . Diese s u b k o r t i k a l e n H ä m a t o m e müssen vom Hirninfarkt unterschieden werden. Häufig ist die Pathogenese einer älteren intrazerebralen Blutung unklar. Fast immer verläuft die Erkrankung unter dem Bilde einer Hirngeschwulst. Meist wird die Diagnose erst bei der Operation oder durch Autopsie gestellt. Der Kliniker : K l o s e - G r u n d m a n n ,

Chirurgie des Kopfes

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Gehirn

Die Behandlung ist die gleiche wie bei den Hirntumoren (s. da). Die Punktion einer intrazerebralen Blutung bringt die Gefahr einer N a c h b l u t u n g oder der N a r b e n e p i l e p s i e mit sich. Außerdem wird durch die Punktion die Diagnose nicht sicher geklärt. Die Prognose der Behandlung älterer Blutungsherde ist weit günstiger als die der akuten. 3. S u b a r a c h n o i d e a l e B l u t u n g e n (Abb. 35C) sind meist arteriell. Ihr Hauptsymptom ist b l u t i g e r L i q u o r . Verlegung der Liquorabflußwege wie bei den intraventrikulären Blutungen (s. da) durch Blutgerinnsel ist möglich. Nach S c h ä d e l t r a u m e n , besonders Schädelbasisfrakturen im Bereich der hinteren und mittleren Schädelgrube, findet sich häufig im Subarachnoidealraum eine Blutung. Auch infolge Tumoren und A n e u r y s m e n kann es zu Blu.taustritt in den Subarachnoidealraum kommen (Einzelheiten s. die einschlägigen Kapitel). Sofern Subarachnoidealblutungen mit einem Bewußtseinsverlust einhergehen, ist deren Prognose im allgemeinen s c h l e c h t , da es sich in diesen Fällen um große Blutungen handelt. Charakteristisch ist bei diesen Fällen die Nackensteifigkeit bei a f e b r i l e m Verlauf und der häufig a k u t e Beginn mit starken Kopfschmerzen. In seltenen, prognostisch besonders ungünstigen Fällen kann es auch s c h l a g a r t i g , gewissermaßen aus heiterem Himmel, zu einer sofortigen Bewußtlosigkeit kommen. 4. Das e p i d u r a l e H ä m a t o m (Abb. 35A) Große epidurale Blutungen werden gewöhnlich über der K o n v e x i t ä t oder in der h i n t e r e n S c h ä d e l g r u b e gesehen. Treten sie in der m i t t l e r e n S c h ä d e l g r u b e auf, so haben sie ihren Ursprung meist aus der A r t e r i a m e n i n g e a m e d i a (Abb. 36). Die Arterie wird gewöhnlich durch eine Fraktur zerrissen, die die Schuppe des Felsenbeins trifft. Da die Blutungen im Gebiet der Temporalregion beginnen, finden sich hier die ersten H e r d e r s c h e i n u n g e n . Langsam breitet sich die Blutung aus und kann schließlich den größten Teil einer Schädelhälfte einnehmen. Die Dura wird dadurch vom Schädelknochen abgehoben. Die Erkennung und Behandlung der epiduralen Blutung hat große chirurgische Bedeutung. Klinisch äußert sich das epidurale Hämatom in der Entwicklung einer bedrohlichen H i r n d r u c k s t e i g e r u n g . Sie nimmt zwischen 2 und 24 Stunden in Anspruch. Es ist der Zeitraum, in dem oft die Störungen infolge einer gleichzeitig vorhandenen Commotio bzw. Contusio cerebri noch n i c h t abgeklungen sind. Infolgedessen werden die klassischen Zeichen der Meningea media-Blutung nicht gleich erkannt. Insbesondere fehlt dann das f r e i e I n t e r v a l l , das Leitsymptom einer Compressio cerebri (Abb. 34). Nur selten kann man die fortschreitende Entwicklung einer epiduralen Blutung an der zunehmenden Parese des gegenseitigen Fazialisgebietes, über die Lähmung des Armes, zur meist weniger ausgesprochenen Lähmung des Beines, beobachten. Häufig ist das Bild verwischt von gleichzeitig durch andere Faktoren bedingte Zunähme der Hirndrucksteigerung, besonders eines evtl. auftretenden H i r n ö d e m s (s. Contusio cerebri). Die Hirndrucksteigerung wird erkannt an einer V e r t i e f u n g der B e w u ß t l o s i g k e i t , besonders wenn das Bewußtsein anfänglich vorhanden war oder sich zwischendurch aufgehellt hat. Eine zunehmende Unruhe ist immer ein alarmierendes Zeichen zunehmenden Hirndrucks. Ist der Kranke bei Bewußtsein, so klagt er über zunehmende Kopfschmerzen. Infolge Vagusreizung ist eine Pulsverlangsamung vorhanden. Der Puls wird voller und gespannter, man spricht vom V a g u s d r u c k p u l s . Nimmt

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der Hirndruck weiter zu, so wird der Vagus gelähmt, die sympathischen Nn. accelerantes überwiegen, der Puls wird schneller. Er wechselt stark in der Frequenz, ein b e d r o h l i c h e s Zeichen. Nach anfänglicher T a c h y p n o e kommt es zu einer V e r l a n g s a m u n g der A t m u n g , die schließlich in das prognostisch äußerst ungünstige Che y n e - S t o k e s sche Atmen übergeht. Sehr aufschlußreich ist die Beobachtung der P u p i l l e n . Waren sie anfänglich mittelweit, seitengleich und reagierten sie ausreichend auf Licht und Konvergenz, so tritt im Stadium der Hirndrucksteigerung eine Anisokorie mit s c h w a c h e r bis f e h l e n d e r L i c h t r e a k t i o n auf. Sind beide Pupillen weit und reaktionslos, so ist das ein für die Prognose ungünstiges Zeichen. Eine e i n s e i t i g weite reaktionslose Pupille ist für die Diagnose von großem Wert, da sie fast immer die H e r d s e i t e des Hämatoms anzeigt. Jedoch ist sie nicht spezifisch für ein Hämatom u,nd kann auch Ausdruck einer homolateralen Hirndrucksteigerung infolge Ödems um einen größeren Contusionsherd herum sein. Einfache Anisokorie bei erhaltener Lichtreaktion ist für die Seitendiagnose allein ohne Bedeutung. Auch L ä h m u n g s e r s c h e i n u n g e n der Gegenseite in typischer Folge (Mund, Arm, Bein) können für die Seitendiagnose mit herangezogen werden. Als Hilfsuntersuchungsmethode spielt das R ö n t g e n b i l d eine Rolle. Bei länger bewußtlos bleibenden Kranken mit Hirnverletzung kann eine F r a k t u r möglicherweise den Sitz einer Blutung vermuten lassen. Die A r t e r i o g r a p h i e gibt eindeutige Befunde. Die Arterien sind durch einen linsenförmigen gefäßfreien Raum, dem Hämatom, von der Schädelwand abgedrängt. Ein epidurales Hämatom ist nicht immer durch eine Blutung aus der A. menigea med. bedingt. Auch S i n u s v e r l e t z u n g e n , die meist subdurale Hämatome verursachen, können in seltenen Fällen epidurale Blutungen hervorrufen. Die d i a g n o s t i s c h e P r o b e b o h r u n g des Hämatoms ist bereits schon der Beginn eines therapeutischen Handelns. Ist die Diagnose einer Meningea mediaBlutung sicher, der Allgemeinzustand noch gut, so wird mit einem o s t e o p l a s t i s c h e n WAGNEKschen L a p p e n (s. Schädeltrepanation) die Dura freigelegt, das Hämatom ausgeräumt und die A. meningea med. an dieser Stelle umstochen oder mit einem Klip abgeklemmt. Sind die Erscheinungen bedrohlich, so muß man von einem Bohrloch aus versuchen, die Arterie zu erreichen. Das Aufsuchen des Hämatoms zeigt die Abb. 36. Ist die Seite des Hämatoms klinisch nicht festzustellen, so müssen auf beiden Seiten Probebohrungen angelegt werden. Geht eine epidurale Blutung einmal von einer S i n u s v e r l e t z u n g aus, so muß man versuchen, sie auf Grund des Röntgenbildes oder der klinischen Erscheinungen zu lokalisieren. Es wird dann über dem blutenden Sinus eingegangen. Die zu ihm führenden Brückenvenen werden mit Diathermie koaguliert. Der Sinus selbst wird durch Auflegen und Ansaugen eines Muskelstückchens verschlossen. 5. Das s u b d u r a l e H ä m a t o m (Abb. 35 B) Der Subduralraum (s. Anatomie und Physiologie des Gehirns) enthält nur wenig klare Flüssigkeit. Er steht mit den Liquorräumen n i c h t in Verbindung. Die schmale Spalte des Subduralraums wird nur von Venen der Rinde und den Granulae meningicae durchkreuzt (Abb. 37). Die blutgefäßarme Arachnoidea ist die,Barriere zum liquorhaltigen subarachnoidealen Raum. Dieser wird durch die Granulae meningicae abgeleitet. Die von der Dura begrenzte Seite des Subduralraums ist mit einer einzigen Schicht von Epithelzellen bedeckt. Es gibt keine Einrichtung, die den Subduralraum mit den Venen verbindet. Infolgedessen resorbiert er außerordentlich l a n g s a m . Außerdem ist der Subduralraum nicht unterteilt, so daß 4*

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Ergüsse und Blutungen sich in seinem Inneren über die ganzen Hirnhemisphären ausbreiten. Blutungen in den Subduralraum entstehen gewöhnlich aus den V e n e n der Kortikalis, die durch den Subduralraum hindurchziehen und in die großen venösen

Abb. 36. Trepanationsöffnungen zum Aufsuchen der typischen Hämatome bei Meningeablutung. A Fronto-temporales Hämatom. B Tempero-parietales Hämatom. C Parietookzipitales Hämatom. D Vordere Trepanationsöffnung. F Hintere Trepanationsöffnung

Abb. 37. Hirnsinus mit Arachnoidealzotte und einmündender Vene. 1 Kutis. 2 Subkutis und Periost. 3 Schädelknochen. 4 Dura. 5 Subduralraum. 6 Arachnoidea. 7 Subarachnoidealraum (Liquorraum). 8 Pia. 9 Hirnrinde. 10 Hirnmark

Blutleiter münden (Abb. 37). Die Venen sind dünnwandig und leicht zerreißlich. Ihre typische Verletzungsstelle liegt vor dem Eintritt in den Sinus, der Grenzzone zwischen dem fixierten und beweglichen Venenabschnitt. Am häufigsten finden

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sich, die Blutungen entlang dem Sinus sagittalis. Sie müssen in zwei große Gruppen eingeteilt werden, die akuten und chronischen subduralen Blutungen. Beide Gruppen sind in ihrer Ätiologie und ihrer Symptomatologie verschieden. Alle subduralen Hämatome, welches auch ihr Ursprung und klinischer Verlauf sei, führen zum Tode des Erkrankten, wenn nicht rechtzeitig ein chirurgischer Eingriff, d. h. die Evakuation des Hämatoms erfolgt. a) Das akute subdurale Hämatom. Es entsteht bei Kopftraumen und ist infolgedessen häufig von einer Commotio oderContusio begleitet. I m allgemeinen stammt die Blutung aus den Venen. Es kann aber auch arteriell oder aus Venen und Arterien bluten. Da eine venöse Blutung sich in der Regel selbst tamponiert, tritt sie als selbständig drucksteigernder Faktor nicht auf, sondern macht sich klinisch erst durch ein b e g l e i t e n d e s Ö d e m bemerkbar. Aus diesem Grunde ist meist ein f r e i e s I n t e r v a l l nach dem Trauma vorhanden. Im allgemeinen sind Erscheinungen von Seiten der Blutung nicht vor dem Ende der ersten Woche vorhanden. Dagegen kann die Blutung nach Wochen oder Monaten durch Aufnahme weiterer Flüssigkeit sehr wohl drucksteigernd in Erscheinung treten (s. chronisches subdurales Hämatom). Als Folge des begleitenden Ödems ist die Blutung nur selten solide. Die stärkste Blutung ist an der Stelle vorhanden, wo das Trauma eingewirkt hat. Sie kann sich aber über die ganze Hemisphäre verbreiten. J a nach der Lage des Hämatoms läßt sich ein p e r i b u l b ä r e s , m e d i a n i n t e r z e r e b r a l e s und K o n v e x i t ä t s h ä m a t o m abgrenzen. Die klinischen Zeichen des akuten subduralen Hämatoms wechseln mit der Lokalisation. Das p e r i b u l b ä r e Hämatom übt einen Druck auf die Medulla ablongata aus. Primäre Bewußtlosigkeit und Tod infolge Drucks auf die lebenswichtigen Zentren (s. Abb. 23) tritt ein. Bei dem m e d i a n i n t e r z e r e b r a l e n Hämatom sammelt sich das Blut zwischen der Falx cerebri und einer Hemisphäre, drückt gegen den Balken und sinkt zur Basis ab. Es stellt sich bei schweren, rasch tödlich endenden Verletzungen ein. K o n v e x i t ä t s h ä m a t o m e , die f r o n t a l liegen, zeichnen sich bei linksseitigem Sitz durch Aphasie aus. Befinden sie sich p a r i e t a l , so ist eine Hemiplegie vorhanden. Bei t e m p e r o - o k z i p i t a l e m Sitz tritt Hemianopsie mit oder ohne Hemiplegie auf. Die allgemeinen Symptome des akuten subduralen Hämatoms hängen von der Schwere des Traumas ab. Die Patienten können benommen oder bewußtlos sein. Der einzige Unterschied zwischen einer unkomplizierten Commotio und Contusio ist der, daß der i n t r a k r a n i e l l e D r u c k a n s t e i g t (Abb. 34). Infolgedessen werden die Patienten zunehmend tief b e w u ß t l o s . Die A t m u n g ist v e r t i e f t und v e r l a n g s a m t . Ein D r u c k p u l s tritt auf. Der B l u t - und L i q u o r d r u c k ist e r h ö h t . E i n s e i t i g e E r w e i t e r u n g und S t a r r e d e r P u p i l l e n sind vorhanden (s. gesteigerter Hirndruck). Die Behandlung des akuten subduralen Hämatoms ist oft unbefriedigend. Es ist nicht immer einfach, eine genaue Lokaldiagnose zu stellen. I m allgemeinen genügt die Ausräumung der Blutung von einem erweiterten Bohrloch aus. Die T r e p a n a t i o n soll an der Stelle der stärksten Einwirkung des Traumas vorgenommen werden (s. auch epidurales Hämatom). b) Das chronische subdurale Hämatom (Pachymeningitis haemorrhagica interna). Es entsteht infolge einer Blutung unter die harte Hirnhaut. Die Blutung wird durch ein G r a n u l a t i o n s g e w e b e organisiert. Eine eigentliche Entzündung als Ursache der Blutung fehlt. Die entstandenen Granulationen haben eine besondere Neigung zu e r n e u t e r s c h u b w e i s e r B l u t u n g . Dadurch entsteht eine immer dicker werdende Membran an der Innenfläche der Dura. Sie ist durch Blutfarbstoff

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rot bis rotbraun gefärbt. Durch stärkere Blutungen wird sie von der harten Hirnhaut abgehoben, so daß ein B l u t s a c k entsteht. Er kann epithelartige Wandungen in einzelnen Spalträumen enthalten. Vom Rande her löst er weitere Organisationen aus. Durch V e r k a l k u n g und Verknöcherung entsteht zwischen harter und weicher Hirnhaut manchmal eine Knochenplatte. Infolge Zerfalls des Blutfarbstoffs im Hämatom entstehen aus dem Hämoglobin kleinere Moleküle (Hämatoidin, Bilirubin). Sie führen zu einer E r h ö h u n g des osmotischen Druckes im Innern des subduralen Hämatoms, wobei die Hämatomkapsel als semipermeable Membran wirkt. Dadurch kommt es zu einem Einströmen von Flüssigkeit aus dem Blut. Infolgedessen wird das Gehirn zunehmend, oft erst nach Wochen oder Monaten, komprimiert. Ursache der Erkrankung ist in einer großen Anzahl von Fällen ein K o p f t r a u m a . Oft war es nur geringfügig und liegt mehrere Tage, bisweilen Monate zurück, so daß es leicht übersehen wird. Das subdurale Hämatom findet sich besonders im höheren Alter, bei Männern häufiger als bei Frauen. Begünstigend wirken Kreislaufstörungen, Alkoholismus, Nierenleiden, Lues besonders progressive Paralyse, Avitaminosen, Blutkrankheiten wie Perniziosa und Leukämie und chronische Infektionen. Das Krankheitsbild wird beherrscht durch die Kompression des Gehirns und die dadurch entstehenden allgemeinen H i r n d r u c k s y m p t o m e , die allmählich immer stärker zunehmen. Sie bestehen in K o p f w e h a t t a c k e n bei objektiver Symptomenarmut. Sie sind fast immer vorhanden. Bei einer ganzen Anzahl von Patienten treten sie vom Augenblick des Traumas an auf. P s y c h i s c h e S t ö r u n g e n im Sinne eines psychoorganischen Syndroms sind ein häufiges Symptom für ein chronisches subdurales Hämatom. Die Patienten werden unaufmerksam und vergessen leicht. Dieses Nachlassen der Aufmerksamkeit kann sich so weit steigern, daß zunächst Schläfrigkeit, später Somnolenz, schließlich ein Koma eintritt. Bisweilen findet sich eine progrediente Verblödung. Hauptsächlich bei Rechtshändern, die ein linksseitiges Hämatom haben, ist dieses Nachlassen der psychischen Aktivität zu bemerken. Übelkeit und Erbrechen sind gleichfalls als Folge des gesteigerten Hirndrucks häufig vorhanden, treten aber erst spät auf. Schwindel, besonders beim Gehen, ist oft zu beobachten. Wenn der Kranke den Kopf bewegt, hat er das Gefühl, vorwärts zu fallen. Nachlassen der Sehkraft kann ein Zeichen der intrakraniellen Blutung sein. Die Venen des Augenhintergrundes sind gestaut. Im Spätstadium ist eine Stauungspapille nachweisbar, ebenso wie L i c h t s t a r r e und E r w e i t e r u n g einer Pupille. Herdsymptome wie Krämpfe und Sprachstörungen sind selten. Es besteht eine Diskrepanz zwischen Schwere der allgemeinen H i r n d r u c k s y m p t o m e und G e r i n g s f ü g i g k e i t der Herdsymptome. Der Puls ist wegen der intrakraniellen Druckerhöhung langsam. Unter den F e r n s y m p t o m e n beobachtet man Hemiparesen und Pyramidenbahnzeichen auf der kontralateralen Seite sowie Hirnnervenau.sfälle und aphasische Störungen. Im L u m b a l p u n k t a t findet sich oft eine geringe B l u t b e i m e n g u n g oder X a n t o c h r o m a t i e bei fehlender oder mäßiger Druckerhöhung. Der chronische Verlauf der Krankheit ist durch S c h ü b e charakterisiert. Das klinische Bild und die Schwere der Symptome schwankt. Die Tendenz zum Fortschreiten, die von Perioden relativer Beschwerdefreiheit unterbrochen wird, ist charakteristisch. Schließlich tritt bei größeren Blutungen der Exitus ein. Differentialdiagnostisch müssen eine ganze Reihe von Krankheiten, besonders

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bei Kranken mit weniger typischen Merkmalen berücksichtigt werden. Die Abgrenzung einer A p o p l e x i e kann schwierig sein, wenn ein plötzlich beginnendes subdurales Hämatom unter dem Bilde eines apoplektischen Insultes verläuft. Lähmungserscheinungen nach Apoplexie neigen zur Rückbildung, bei der chronischen subduralen Blutung verlaufen sie hingegen progredient. Ein H i r n t u m o r , H i r n a b s z e ß , a k u t e E n z e p h a l i t i s , M e n i n g i t i s , S i n u s t h r o m b o s e , P a r a l y s e und S u b a r a c h n o i d e a l b l u t u n g e n sind zu berücksichtigen (s. die einschlägigen Kapitel). Immer muß nach einem vorangegangenen T r a u m a gefahndet werden. Ebenso sollen G r u n d l e i d e n , die die Blutung begünstigen, durch internistische Untersuchung geklärt werden. Wenn durch klinisch-neurologische Untersuchung der Sitz des Hämatoms nicht eindeutig bestimmt werden kann, bringen V e n t r i k u l o - bzw. E n z e p h a l o g r a p h i e und A r t é r i o g r a p h i e Klärung. In allen Fällen, bei denen der Verdacht auf ein subdurales Hämatom besteht und die Diagnose durch diese Untersuchungen nicht gesichert werden kann, ist eine P r o b e b o h r u n g des Schädels in der Temporalgegend notwendig. Halbseitensyndrome erlauben nicht immer eine sichere Seitendiagnose, da der auf die gesunde Seite von dem Hämatom übertragene Hirndruck eine Kompression der g e g e n ü b e r l i e g e n d e n Hirnteile bewirken kann. In 2 0 % der Fälle ist das subdurale Hämatom b e i d e r s e i t i g vorhanden. Die Behandlung besteht in der osteoplastischen Trepanation und Ausräumung des Hämatoms. Die Hämatomkapsel wird n i c h t entfernt. Bevor der Duralappen zurückgeschlagen wird, soll nach Möglichkeit für eine W i e d e r a u s d e h n u n g des komprimierten Gehirns gesorgt werden. Kopf tief Lagerung und intravenöse Verabfolgung isotonischer Kochsalzlösung bewirken eine Expansion des Gehirns. Ist ein beiderseitiges subdurales Hämatom vorhanden, so soll nach einer Woche bis zehn Tagen nach der ersten Operation der zweite Eingriff auf der anderen Seite ausgeführt werden. Neben dem operativen Eingriff darf die i n t e r n e B e h a n d l u n g des G r u n d l e i d e n s nicht übersehen werden. Sie ist für die Operationsprognose von ausschlaggebender Bedeutung. c) Das subdurale Hämatom des Kindes. Es entsteht a k u t infolge Geburtstrauma z. B. bei einer Zange, Wendung, Sturzgeburt usw. Ein c h r o n i s c h e s Hämatom kann bei Fehlernährung, besonders Skorbut auftreten. Pathologischanatomisch unterscheidet sich die Krankheit nicht von der des Erwachsenen. Blutig-seröse Zystenbildung mit dünnwandigen Membranen wird besonders beim chronischen Hämatom des Kindes angetroffen. Die Ursache der geburtstraumatischen Blutungen sind T e n t o r i u m r i s s e mit Verletzung der Sinus und Venen. Die Blutung kann s u p r a - oder i n f r a t e n t o r i e l l liegen. Die supratentoriellen Blutungen finden sich häufiger. Das Krankheitsbild beim akuten subduralen Hämatom des Neugeborenen ist charakterisiert durch allgemeine Hirndrucksymptome. Asphyxie ist zu beobachten. Untertemperatur und Reflexsteigerungen sind nachweisbar. S u p r a t e n t o r i e l l e B l u t u n g e n breiten sich über die Konvexität aus und führen zu einer Spannung der großen Fontanelle. Einseitige Hirnnervenlähmung, Unruhe, Aufschreien der Kinder und Blässe der Haut treten auf. I n f r a t e n t o r i e l l e B l u t u n g e n breiten sich im Bereich des Kleinhirns und der Medulla oblongata aus. Sie zeichnen sich aus durch Respirationsstörungen, Nackenstarre, doppelseitige klonische Krämpfe und blutige Verfärbung des Liquors. Die Kinder sind auffallend ruhig.

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Das Krankheitsbild des chronischen subduralen Hämatom des Kindes verläuft mit einer schubweisen Vergrößerung des Schädels^ Diese wird im allgemeinen im 3. Lebensmonat bemerkt. Die Fontanellen werden weit, die Nähte sperren, wie beim Hydrozephalus (s. da). Hirndruckerscheinungen treten auf. Die Kinder essen schlecht und erbrechen. Die klinische Diagnose der chronischen Erkrankung ist schwierig. Besonders die Differentialdiagnose zum Hydrozephalus kann häufig nicht gestellt werden. Bei Kindern, bei denen der Schädel schnell wächst, muß immer neben dem Hydro cephalus congenitus an ein subdurales Hämatom gedacht werden. Durch Punktion der großen Fontanelle läßt sich die Diagnose klären. Wenn die Nadel in den subduralen Raum eindringt, entleert sich gelbe oder blutige Flüssigkeit. Immer soll beiderseitig punktiert werden, da sehr häufig auf beiden Seiten Hämatome vorhanden sind. Die Prognose der Erkrankung ist bei den l e i c h t e n Formen der a k u t e n Blutung gut. Sie machen oft überhaupt keine Symptome außer einer Saugschwäche und Trinkscheu. Die schweren a k u t e n Blutungen führen meist schon kurz nach der Geburt zum Tode. Die asphyktischen Kinder verfallen bald in einen somnolenten Zustand. Bei langsamer Blutung zeigen sich manchmal die Hirnsymptome erst am dritten Tag, während der Exitus um den sechsten Tag post partum eintritt. Als S p ä t f o l g e findet sich im weiteren Verlauf ein LiTTLEscher Symptomenkomplex, Hemiplegien, Hydrozephalus, Epilepsie, Imbezellität und Idiotie. Die konservative Therapie der akuten Blutung besteht in der Verabreichung von Chloralhydratklysmen 0,2—0,5 g zur Beseitigung von Übererregbarkeit und Krämpfen und damit zur Verhütung von Nachblutungen. Auf den Kopf wird eine Eisblase gelegt, der übrige Körper warmgehalten. Die Ernährung ist evtl. mit der Schlundsonde sicherzustellen. Bei zunehmenden Hirndrucksymptomen muß lumbalpunktiert oder die Punktion der großen Fontanelle durchgeführt werden. Läßt sich die Blutungsquelle lokalisieren, so ist die osteoplastische Trepanation mit Ausräumung der Blutkoagula angezeigt. Beim chronischen Hämatom, können wiederholte Punktionen, wenn das Hämatom flüssig ist, die Krankheit zur Ausheilung bringen. Hindert die innere Membran des Blutsackes das sehr weiche und flüssigkeitshaltige kindliche Gehirn an der Ausdehnung, so ist die osteoplastische Trepanation und Ausräumung des Hämatoms wie beim Erwachsenen angezeigt. H. Entzündungen der Dura (Pachymeningitis) Die chronische P a c h y m e n i n g i t i s wird unter dem c h r o n i s c h e n subduralen H ä m a t o m abgehandelt (s. da). Spezifische E n t z ü n d u n g e n der Dura (Pachymeningitis tuberculosa usw.) spielen chirurgisch keine Rolle, ebensowenig die akuten E n t z ü n d u n g e n der harten Hirnhaut im Gefolge von I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n . Von den e i t r i g e n E n t z ü n d u n g e n sind die extra- und die subduralen Abszesse von Bedeutung. 1. P a c h y m e n i n g i t i s e x t e r n a ( E x t r a d u r a l e r Abszeß) Sie ist eine Entzündung die sich an der Außenseite der Dura ausbreitet. Die eitrige Entzündung entsteht entweder direkt nach Verletzungen oder Operationen infolge Infektion oder aber weit häufiger f o r t g e l e i t e t . Unter den fortgeleiteten Infektion entstehen diejenigen, die vom Ohr oder den N a s e n n e b e n h ö h l e n ausgehen, an erster Stelle (Abb. 38A.). Seltener entsteht die fortgeleitetePachymenin-

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gitis einmal im Gefolge einer Schädelosteomyelitis, bei infiltrierenden und zerfallenen Karzinomen oder auch bei Erysipelen.. Die Diagnose ergibt sich, wenn bei entsprechender G r u n d k r a n k h e i t auf diese K o m p l i k a t i o n geachtet wird. Örtliche Schmerzen, abendliche Temperatursteigerungen, die für einen Abszeß besonders charakteristisch sind, müssen beachtet werden. Der Liquor zeigt keine Veränderungen. 2. P a c h y m e n i n g i t i s i n t e r n a ( S u b d u r a l e r A b s z e ß ) Die eitrigen subduralen Entzündungen werden wie die extraduralen Eiterungen durch F o r t l e i t u n g o t o - r h i n o l o g i s c h e r P r o z e s s e verursacht (Abb.38B). Durch p e n e t r i e r e n d e s T r a u m a entstehen als Folge einer gleichzeitigen Infektion die subduralen Empyeme. Meist handelt es sich um s u b d u r a l e H ä m a t o m e (s. da), d i e v e r e i t e r n . Daher spielt in der Prophylaxe die r e c h t z e i t i g e E n t l e e r u n g des subduralen Hämatoms nach Trauma eine wichtige Rolle. Die Prognose des traumatischen Empyems ist schlechter als die der subduralen Eiterung bei Erkrankungen des Ohres und der Nasennebenhöhlen, was bei der Schwere der offenen Schädelverletzungen verständlich ist. Die Therapie der extra- und subduralen Abszesse besteht in der chirurA B gischen Freilegung. Vor allem muß Abb. 38. Otogene Abszesse die Grundkrankheit angegangen werA Epiduraler Abszeß, ausgehend von dem den. Bei Traumen ist eine sachgemäße Warzenfortsatz, a Durchbruch des Eiters in Erst Versorgung in der Lage, diese Komdie tiefen Halsweichteile ( B E Z O L D s c h e Mastoiditis); b Einbruch des Eiters in den Epiplikationen weitgehend zu verhüten. duralraum im Bereich des Parietallappens; c Durchbruch des Eiters nach außen unter I. Meningitis die Kopfschwarte B Subduraler Abszeß, ausgehend von dem Die Entzündungen der weichen Mittelohr mit Einbruch in den Schläfenlappen Hirnhäute zeichnen sich durch ein Exsudat aus, das sich in den Maschenräumen der Arachnoidea bildet, sich aber auch zwischen Weicher und harter Hirnhaut sammeln kann. Die Entzündung setzt sich auf die Hirnplexus fort. Infolgedessen kommt es zu Exsudatbildung in den Ventrikeln. Die Meningitis wird durch eine ganze Anzahl von Erregern ausgelöst, die auch klinisch verschiedene Krankheitsformen verursachen. Bei der epidemischen Meningitis sind die Meningokokken die charakteristischen Erreger, bei der tuberkulösen Meningitis die Tuberkelbazillen. Die luetische Meningitis wird durch Infektion mit der Spirochaeta pallida ausgelöst. Ferner treten Meningitiden auf bei Virusinfektionen nach Grippe, Herpes, Varizellen, Pocken und Masern. Schließlich gibt es auch allergisch ausgelöste Entzündungen der Hirnhäute. Chirurgisch von Bedeutung ist die eitrige Hirnhautentzündung, die durch Staphylokokken, Streptokokken, Bacterium coli oder Pneumokokken verursacht wird.

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Pathologisch-anatomisch werden zwei Formen der Leptomeningitis unterschieden, die Leptomeningitis serosa und purulenta. 1. Die

Leptomeningitis serosa s y m p a t h i c a (Hydrocephalus a c u t u s i n t e r n u s et e x t e r n u s ) zeichnet sich aus durch eine V e r m e h r u n g der Z e r e b r o s p i n a l f l ü s s i g k e i t . Sie tritt auf als Begleiterscheinungen akuter I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n , I n t o x i k a t i o n e n und als Reaktion auf einen traumatischen H i r n i n s u l t . Besonders bei infizierten Knochen wunden, nach Verletzungen, bei Kopferysipelen, Gesichtsfurunkeln, Sinusthrombose, Geschwülsten und Hirnabszeß kann eine sympathische seröse Meningitis vorgefunden werden. Klinisch zeichnet sich die Krankheit aus durch Kopfschmerzen, zerebrales Erbrechen, Nackenstarre, positives KERNiGsches Zeichen und eine Hyperästhesie der Haut. Der Hirndruck ist durch die Vermehrung des Liquors erhöht. Im Gegensatz zur eitrigen Meningitis ist aber k e i n e stärkere Steigerung des Eiweiß- und Zellgehaltes vorhanden. Bakterien sind nicht nachweisbar. Meist bildet sich die Leptomeningitis serosa spontan zurück. Die Therapie besteht in der V e r s o r g u n g des P r i m ä r h e r d e s . Lassen die Hirndruckerscheinungen nicht nach, so muß die O s m o t h e r a p i e und L u m b a l p u n k t i o n eingeleitet werden (s. gesteigerter Hirndruck). Bei Meningitis serosa traumatica infolge Hirnabszeß ist V o r s i c h t mit der Liquorpunktion geboten. Treten stärkere Beschwerden danach auf und sinkt der Liquordruck schnell ab, so kann bei schematisch weitergeführter Punktion ein E i n b r u c h des Abszesses in den V e n t r i k e l provoziert werden. Bei Vorliegen eines S u b o k z i p i t a l b l o c k e s kann die Punktion lebensgefährliche Folgen durch Einklemmung der Medulla oblongata in das Foramen occipitale nach sich ziehen. 2. Die L e p t o m e n i n g i t i s p u r u l e n t a ist mit Ausnahme der epidemischen Meningitis cerebrospinalis in der Regel eine s e k u n d ä r e Erkrankung. Im wesentlichen ist sie auf die w e i c h e n Hirnhäute beschränkt. Manchmal findet sich aber auch eine Pachymenijigitis (s. da). Häufig ist die eitrige Leptomeningitis d i f f u s . Sie kann aber auch z i r k u m s k r i p t auftreten, z. B. wenn durch Verklebungen die weitere Ausbreitung verhütet wird. Manche Formen der Meningitis, besonders bei der Tuberkulose sind an der Unterfläche des Gehirns als Basalmeningitis lokalisiert, andere treten mehr in Form einer Konvexitätsmeningitis auf. Greift die Entzündung innerhalb der Piascheiden der Gefäße auf die Hirnrinde über, so entsteht die Meningoenzephalitis. Das Exsudat kann serös-eitrig, eitrig-fibrinös oder rein eitrig sein und erfüllt den Subarachnoidealraum. Das entzündliche Exsudat übt einen erheblichen D r u c k auf das Gehirn aus, dessen Windungen abgeplattet werden. In wechselndem Maß sind auch die Meningen des Rückenmarks beteiligt. Als Folge dieser Veränderungen ist eine beträchtliche E r h ö h u n g des L i q u o r d r u c k e s vorhanden (s. Seite 42). Der Entstehung nach werden bei der eitrigen Meningitis drei Formen unterschieden : a) Die traumatische Meningitis und Yentrikulitis. Die Meningitis traumatica entsteht infolge penetrierender Hirnverletzung durch Stich, Hieb, Schuß usw. Je nach dem Zeitpunkt der Entstehung muß eine Früh- und eine Spätmeningitis unterschieden werden. Bei schweren Verwundungen entsteht die Frühmeningitis infolge der frischen Verletzung in den ersten Krankheitstagen. Ihre Erkennung kann durch gleichzeitig vorhandene Hirnschädigung und Verletzung der Gefäße

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sehr erschwert sein. Eine Commotio, Compressio und Contusio verwischen das Krankheitsbild. Die Spätmeningitis kommt oft erst Monate oder Jahre nach der Schädelverletzung zum Ausdruck. Sie wird verursacht durch Knochennekrosen, Hiinprolaps, Sinusthrombose, Erysipel, Hirnabszeß usw. wenn sich die Entzündung auf die Meningen fortsetzt. Die Erreger der traumatischen Meningitis sind meist Staphylo- und Streptokokken, seltener Bacterium coli, Pneumokokken, Meningokokken oder andere Kokken. Als ätiologische Momente für die Entstehung einer Yentrikulitis kommen in Betracht penetrierende Geschoßverletzungen, ferner Ventrikelfisteln, die durch Absaugen eines ausgedehnten Zerstörungsherdes entstanden sind. Die Spätventrikulitis wird häufig durch Abszeßdurchbruch in den Ventrikel verursacht. b) Die oto- und rhinogene Meningitis. Sie wird fortgeleitet von Mittelohreiterungen, falls Verklebungen am Dach der Paukenhöhle oder an der Innenfläche des Warzenfortsatzes ausbleiben. Sie kann als F r ü h m e n i n g i t i s bereits innerhalb der ersten zwei Tage des Bestehens einer Mittelohrentzündung auftreten. Oder sie findet sich als S p ä t m e n i n g i t i s bei chronischer Otitis, Mastoiditis, Pyramidenspitzeneiterung und Labyrinthitis. Vom Labyrinth aus kann sie entlang dem Nervus statoacusticus in das Hirninnere gelangen. Eiterungen der Stirn- und der Siebbeinhöhlen können gleichfalls eine Meningitis verursachen. Vom Siebbein oder der Orbita gelangen die Infektionen häufig über eine Thrombophlebitis des Sinus cavernosus zu den Meningen. Basisfrakturen, die Verbindungen zum Ohr, zur Nase und zu den Nebenhöhlen haben, führen leicht zu Meningitiden, da die Nase und ihre Nebenhöhlen als i n f i z i e r t zu gelten haben. Die Meningitis ist die häufigste T o d e s u r s a c h e bei Komplikationen infolge Mittelohreiterung und Erkrankungen der Nase und ihrer Nebenhöhlen (s. auch otogener Hirnabszeß). c) Die hämatogene eitrige Meningitis. Sie tritt im Gefolge von Infektionskrank-

heiten auf. M e t a s t a t i s c h e V e r s c h l e p p u n g von infektiösem Material aus entfernten Krankheitsherden in die Meningen ist die Ursache. Nach Lungenentzündung entsteht die Pneumokokkenmeningitis. Bei Influenza kann als Komplikation eine meist ausgesprochene Konvexitätsmeningitis auftreten. Ein Pleuraempyem, Typhus, Milzbrand, Scharlach und Pocken können gleichfalls eine eitrige metastasierende Meningitis verursachen. Bei der Miliartuberkulose entscheidet die besonders häufig auftretende tuberkulöse Meningitis meist über das Schicksal des Kranken. Die Krankheitszeichen der eitrigen Meningitis richten sich nach der Grundkrankheit. Oft v e r b e r g e n sich die A n f a n g s s y m p t o m e h i n t e r denen des Grundleidens. Die allgemeinen Symptome bestehen in h o h e m und anhaltendem Fieber mit Schüttelfrost. Kopfschmerzen sind außerordentlich stark. Bewußtseinsstörungen sind vorhanden. Die Patienten verziehen das Gesicht vor Schmerz, schreien auf — Cr i h y d r o c é p h a l i q u e —Und knirschen mit den Zähnen. Schwindel und Brechreiz können auftreten. Der Puls ist im Verhältnis zur Temperatur häufig nur wenig gesteigert, da eine Vagusreizung vorhanden ist. Die lokalen Symptome lassen sich durch Reizung der Rückenmarkswurzeln, die die entzündeten Meningen passieren, erklären. N a c k e n s t a r r e , die sich im Widerstand bei passiven Kopfbewegungen nach vorn und seitlich äußert, ist nachweisbar. Opisthotonus, ein Krampf der Rückenmuskeln und das KERNiGsche S y m p t o m , d. h. Schmerzen bei passiver Streckung des Beines im Kniegelenk und Beugung im Hüftgelenk sind deutlich ausgeprägt. Hyperästhesien mit Reflexsteigerungen

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Gehirn

werden beobachtet. Der Leib ist kahnförmig eingezogen. Harn und Stuhl sind häufig verhalten. Hirnnervenstörungen infolge Reizung können auftreten. Am häufigsten stellt sich zuerst eine Abduzenslähmung ein. Nystagmus und Anomalien der Pupillenreaktion sind manchmal gleichfalls nachzuweisen. Bei Konvexitätsmeningitiden finden sich Reizerscheinungen wie Krämpfe oder späterhin Halbseitenlähmungen, Aphasien und Hemianopsie. Manchmal lassen sich zwei S t a d i e n der Krankheit unterscheiden. Nach einem uncharakteristischen Prodromalstadium stellt sich anfänglich das Beizstadium ein. Delirium, Unruhe, Kopfschmerzen, Pupillenverengerung, Pulsverlangsamung und Krämpfe stehen im Vordergrund. Späterhin tritt das Stadium der Lähmung mit Benommenheit, Pupillenerweiterung und Pulsbeschleunigung infolge Vaguslähmung auf. In seltenen Fällen ist ein mehr chronischer V e r l a u f der Meningitis vorhanden. Nackensteifigkeit kann dann fehlen. Die Temperatur ist intermittierend und perioden weise normal. Im Liquor sind aber auch bei diesen Kranken die charakteristischen Veränderungen nachweisbar. Die Diagnose der Erkrankung ergibt sich aus dem Grundleiden und den geschilderten charakteristischen Symptomen. Der Liquor ist meist vermehrt und steht unter Druck. Er ist getrübt, oft eitrig. Eiweiß und Zellen sind vermehrt, Bakterien nachweisbar. Die V e n t r i k u l i t i s nach Abszeßdurchbruch zeichnet sich durch ein dramatisch und plötzlich einsetzendes Erscheinungsbild aus. Koma, Schweißausbruch, Hyperthermie bis 40°, erhöhte Pulsfrequenz bis 140, Tachypnoe und hömolaterale Miosis werden beobachtet. Ihre Prognose ist äußerst ungünstig. Auch die Prognose der Meningitis ist schlecht. Meist ist sie nur E n d a u s g a n g schwerer anderer Leiden. Eine zirkumskripte Meningitis kann leichter zur Ausheilung kommen. Finden sich Streptokokken im Liquor, so ist die Prognose besonders ungünstig. Die Krankheitsdauer kann bei Frühmeningitiden oft nur wenige Tage betragen. Heilt die Meningitis aus, so treten häufig D a u e r s c h ä d i g u n gen mit Blindheit, Taubheit und psychischen Veränderungen auf. Durch Blockbildung kann es zum H'ydrozephalus (s. da) kommen. Differentialdiagnostisch werden „meningitische Symptome" nicht nur bei entzündlichen Erkrankungen der Meningen, sondern auch bei nichtentzündlichen Prozessen beobachtet. In Frage kommen dabei die Subarachnoidealblutung, Tumoren der hinteren Schädelgrube, bei Einklemmungserscheinungen auch Tumoren anderer Lokalisation und der akute Stauungshydrozephalus. Eine möglichst rasche Diagnosestellung und Einleitung der Therapie ist für das Schicksal des Kranken ausschlaggebend. Die Therapie besteht in einer sachgemäßen Behandlung des Primärleidens. Zwecks Druckentlastung wird täglich oder jeden zweiten Tag l ü m b a l p u n k t i e r t und der Liquor bis zur normalen Druckhöhe von 100—120 mm Wassersteighöhe abgelassen (s. Abb. 29). Liquorausblasungen werden empfohlen. Sulfonamide 8—10g per os werden verordnet. Eine Kombination mit A n t i b i o t i k a ist nötig. Die Lokalanwendung des Penicillins ist wegen der Undurchlässigkeit der Meningen für das Penicillin vorzuziehen. Aus diesem Grunde werden täglich 20000—30000 Einheiten in zwei Portionen subokzipital verabfolgt. Um Reizungen der Hirnhäute zu verhindern, muß die Lösung auf 1000 Einheiten pro Kubikzentimeter verdünnt werden. Außerdem werden zur Unterstützung 100000—200000 Einheiten Penicillin täglich intramuskulär gegeben. Bei tuberkulöser Meningitis ist eine Neoteben- und S t r e p t o m y c i n b e h a n d l u n g einzuleiten."

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Gehirnabszeß

Die V e n t r i k u l i t i s , bei der Eiter in die Ventrikel durchgebrochen ist, erfordert schnellstes Eingreifen. Liegt ein Hirnabszeß vor, so genügt die Abszeßöffnung allein nicht. Die Ventrikel müssen punktiert und mit 10000—20000 Einheiten Penicillin täglich gefüllt werden. In den ersten Tagen empfiehlt es sich, nur den Ventrikel der Abszeßseite zu behandeln, um keine Keime in den evtl. noch aseptischen anderen Ventrikel einzubringen. Gleichzeitig wird die allgemeine Anwendung von Penicillin, Streptomycin und Sulfonamiden eingeleitet. Die s y m p t o m a t i s c h e B e h a n d l u n g besteht in der Regulierung von Stuhl und Urin, Eisblase auf den Kopf und Antineuralgika, die bei Schmerzen gegeben werden müssen. Bei Aufregungszuständen kann Brom oder Chloralhydrat verabfolgt werden. K . Gehirnabszeß Der Gehirnabszeß entsteht durch umschriebene Entzündung mit eitriger Erweichung und Einschmelzung der Hirnsubstanz. U m den Einschmelzungsherd bildet sich ein von Leukozyten durchsetzter Hof. Vom 4. bis 6. Tage ab findet sich ein Wall von verfetteten Resorptionszellen gliöser und mesenchymaler Herkunft. Daraus entsteht am 10.—14. Tage eine Granulationsgewebsschicht, die eine Abszeßmembran (Abb. 39) bildet. J e ä l t e r der Abszeß wird, um so d i c k e r wird die Abszeßmembran. Da sich die Hirnabszesse v o n d e r R i n d e g e g e n d i e V e n t r i k e l ausbreiten, ist die Abszeßmembran rindenwärts besonders gut ausgebildet. Hirnabszesse mit dicker Abszeßmembran können jahrelang ruhen. Häufig werden sie bakteriologisch steril. J e besser ein Abszeß eingekapselt ist, um so leichter und erfolgreicher ist seine Behandlung. Der Hirnabszeß verursacht, bedingt durch die lokale Gehirnzerstörung, bestimmte neurologische H e r d s y m p t o m e . In „stummen Regionen" können Herdsymptome aber gänzlich fehlen. Gleichzeitig ist beim akuten Hirnabszeß eine intrakranielle D r u c k e r h ö h u n g (s. da) als Folge eines Hirnödems vorhanden. J e geringer das Ödem ist und je ausgebildeter die Abszeßmembran, um so besser ist das Befinden des Patienten. Eine E i n k a p s e l u n g des Abszesses kann dann angenommen werden, wenn die Temperatur absinkt, die Leukozyten fallen und sich der Allgemeinzustand des Patienten hebt. Die gut eingekapselten Abszesse bestehen oft jahrelang, bevor sie entdeckt werden. Solche Abszesse können manchmal T u m o r e n vortäuschen. Die Hirnabszesse haben gemäß ihrer Entstehung einen ganz bestimmten Sitz. Eine sorgfältige n e u r o l o g i s c h e P r ü f u n g ist nötig. V e n t r i k u l o g r a p h i e und K o n t r a s t d a r s t e l l u n g können zur Bestimmung der Lokalisation herangezogen werden. Dadurch werden gleichzeitig wichtige Hinweise für die Art der einzuschlagenden Operationsmethode, für den Weg des Eingriffs, schließlich auch für die Nachbehandlung und die Prognose gewonnen. E s werden unterschieden : Der kortikale Abszeß (Abb. 39a) und der subkortikale Abszeß. J e nach dem Sitz des subkortikalen Abszesses unter der Schädelöffnung ist dieser konzentrisch (Abb. 39b) oder exzentrisch (Abb. 39c) gelegen. Nach der Art ihrer Entstehung werden folgende Abszesse beobachtet: 1. P o s t t r a u m a t i s c h e r

Hirnabszeß

E s muß ein Unterschied gemacht werden zwischen dem eingekapselten c h r o n i s c h e n traumatischen Hirnabszeß ( S p ä t a b s z e ß ) und dem a k u t e n traumatischen Hirnabszeß ( F r ü h a b s z e ß ) . Infolge penetrierenden Traumas durch Hieb, Stich oder Schuß entsteht die offene Hirnwunde. Die Symptome sind die gleichen wie bei der geschlossenen Hirn-

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quetschung (s. Contusio cerebri). Die Grundzüge der B e h a n d l u n g der offenen H i r n v e r l e t z u n g bestehen in der O p e r a t i o n i n j e d e m S t a d i u m . D a b e i wird die H i r n w u n d e peinlichst chirurgisch g e s ä u b e r t , F r e m d k ö r p e r n a c h Möglichkeit e n t f e r n t u n d infizierte H i r n m a s s e n abgesaugt. Die weitere B e h a n d l u n g richtet sich d a n a c h , ob eine p r i m ä r e Wundrevision erfolgte oder die Verletzung bereits längere Zeit zurücklag. Bei d e r frischen H i r n v e r l e t z u n g wird die W u n d e , meist n a c h Transp l a n t a t i o n . eines G a i e a Periost-Lappens oder E r s a t z der D u r a d u r c h F a s z i e , auch A m n i o n h a u t , geschlossen. Die Ursache der eitrigen E n t z ü n d u n g der W u n d e liegt in der I n f e k t i o n . Bei mangelhaften Abfluß der eitrigen W u n d s e k r e t e e n t s t e h t der Frühabszeß. E r s t e l l t a l s o e i n e E i t e rv e r h a l t u n g d a r . Meist h a n d e l t es sich u m einen Abszeß, der sich e n t l a n g dem Kanal ausbreitet, den ein F r e m d k ö r p e r verursacht h a t . R é t e n t i o n v o n metallischen Fremdkörpern, K n o c h e n f r a g m e n t e n , Haaren, Kleidungsstücken, welche in d a s H i r n m i t hineingerissen worden sind, i n f i z i e r e n das g e s t a u t e W u n d s e k r e t . H ä u f i g ist eine subdurale E i t e r u n g (s. da) gleichzeitig vorhanden. 6

c

Abb. 39a—c. a Kortikaler Hirnabszeß. 6 Subkortikaler konzentrischer Hirnabszeß, c Subkortikaler exzentrischer Hirnabszeß

Vielfach bildet sich infolge

Verklebung der Hirnh ä u t e ein fester A b s c h l u ß . F r a k t u r e n , besonders im Gebiet der N e b e n h ö h l e n (s. A n a t o m i e des Gehirnchädels) sind besonders i n f e k t i o n s g e f ä h r d e t . Die Diagnose des akuten traumatischen Hirnabszesses ist r e l a t i v leicht. H i r n vorfall, Röntgennachweis des F r e m d k ö r p e r s , Hirndruckerscheinungen, meningitische Reizung, entzündliche L i q u o r v e r ä n d e r u n g e n , H e r d s y m p t o m e , besonders w e n n diese schon n a c h der V e r w u n d u n g abgeklungen w a r e n u n d erneut a u f t r e t e n , sind charakteristische S y m p t o m e . M a n c h m a l fehlen Temperatursteigerungen. B a k t e r i e n sind im Liquor s e l t e n nachweisbar. Der traumatische Spätabszeß ist die Folge einer eitrigen E i n s c h m e l z u n g d u r c h E n z e p h a l i t i s . E r weist i m Gegensatz zum F r ü h a b s z e ß eine Abszeßmembran

Gehirnabszeß

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auf, die das benachbarte Gehirngewebe vor der weiteren Ausbreitung schützt. Allerdings ist die Abszeßmembran nicht so stark, daß der Abszeß sich nicht von Zeit zu Zeit s c h u b w e i s e unter Einschmelzung gesunden Gewebes v e n t r i k e l w ä r t s vorschiebt. Der Spätabszeß entsteht aus dem Frühabszeß, wenn die Virulenz der Erreger nachläßt. Bei Steckschüssen kann er auftreten, wenn sich der Fremdkörper schon jahrelang im Gehirn befunden hat. Das Wiedererwachen einer bisher ruhenden Infektion ist dann die Ursache. Bei chronischen Osteomyelitiden infolge Trauma kann sich die Infektion durch die Venenverbindungen zum Gehirn ausbreiten (Abb. 3). Die Diagnose des chronischen Gehirnabszesses ergibt sich aus der A n a m n e s e und den neurologischen H e r d s y m p t o m e n . Häufig waren unmittelbar nach dem Trauma Hirnerscheinungen vorhanden. Meist folgt darauf eine P e r i o d e des r e l a t i v e n W o h l b e f i n d e n s . Schließlich folgt das tödliche Ende infolge der schubweisen Ausbreitung der Abszesse mit D u r c h b r u c h i n den V e n t r i k e l und Entstehung einer von den Ventrikeln fortgeleiteten M e n i n g i t i s (s. da). Manchmal kann der Tod ganz plötzlich eintreten, auch wenn der Verletzte vorher keine Zeichen eines Hirnleidens aufwies. Die Allgemeinerscheinungen äußern sich in der L a t e n z p e r i o d e als Verstimmungen, Reizbarkeit und Kopfschmerzen. Zeitweilig kann Fieber, hauptsächlich am Abend, vorhanden sein. Treten ausgeprägte H i r n d r u c k s y m p t o m e auf, so leiden die Kranken an Schwindel, Erbrechen, Pulsverlangsamung und Stauungspapille. Bei neuen Ausbreitungsschüben sind diese Symptome häufig nachweisbar. Die Lokalsymptome hängen von dem Sitz des Abszesses ab. I n s t u m m e n H i r n r e g i o n e n können H e r d s y m p t o m e gänzlich f e h l e n . Als Symptom der Rindenreizung treten jACKSONsche epileptische Anfälle (s.Epilepsie) auf. Selten sind einseitige auf der entgegengesetzten Körperhälfte befindliche Lähmungen und Sprachstörungen vorhanden. Im Röntgenbild lassen sich chronische Hirnabszesse oft gut nachweisen und können mit Kontrastmitteln gefüllt werden. Bei der Enzephalographie findet sich eine Verdrängung der Ventrikel. 2. O t o g e n e r H i r n a b s z e ß (Abb. 38). Die Mehrheit der Hirnabszesse entsteht infolge Fortleitens der Infektion aus d e m M i t t e l o h r , W a r zenf o r t s a t z und den N a s e n n e b e n h ö h l e n . D i e T e m p o r a l g e g e n d und das K l e i n h i r n sind bevorzugte Gebiete, wo die vom Ohr ausgehenden Abszesse gefunden worden. Die Abszesse des Warzenfortsatzes, die infolge eines osteomyelitischen Prozesses im Dach der Paukenhöhle oder der Warzenfortsatzzellen entstehen, brechen hauptsächlich in den Temporallappen ein. Erfolgt die Infektion vom Labyrinth aus, oder entsteht der Abszeß infolge einer lateralen Sinusthrombose, so ist sein bevorzugter Sitz im K l e i n h i r n . Die Kleinhirnabszesse sind gewöhnlich k l e i n und haben eine d ü n n e K a p s e l . Sie sitzen mit großer Konstanz an der Hinterfläche des Felsenbeins und medial vom Meatus acusticus int. Ihre Entwicklung erfolgt nach h i n t e n , wo sie den vorderen oberen Teil des Kleinhirnseitenlappens einnehmen. Breitet sich der Abszeß in die Brücke aus, ist die P r o g n o s e b e d e u t e n d s c h l e c h t e r , als wenn er sich im Gebiet der K l e i n h i r n h e m i s p h ä r e allein befindet. Bei b e i d e r s e i t i g e n Prozessen im Ohr lokalisiert sich der Abszeß gewöhnlich auf der Seite der röntgenologisch nachweisbaren s t ä r k s t e n D e s t r u k t i o n des W a r z e n f o r t s a t z e s .

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Der otogene Hirnabszeß entstehtäüioh fortgeleitete Entzündung. Der Knochen wird durch Usur zerstört. Die Infektion gelangt dadurch in das Schädelinnere. Durch Portleitung über das v e n ö s e P i a n e t z , und zwar entweder über die p e r i v a s k u l ä r e L y m p h g e f ä ß s c h e i d e oder durch die G e f ä ß e selbst, gelangt die Eiterung in das Mark. Chronische Ohreiterungen mit Cholesteatombildung, Knochennekrosen, polypenähnliche Granulationen mit fötider Absonderung und Perforation des Trommelfells führen am häufigsten zum otogenen Hirnabszeß. Die Diagnose des otitischen Hirnabszesses ergibt sich aus den ö r t l i c h e n E r s c h e i n u n g e n der Otitis media, den Zeichen der i n t r a k r a n i e l l e n Druckerhöhung (s. da) und den H e r d e r s c h e i n u n g e n . Fieber f e h l t bei diesen Abszessen häufig. Kopfschmerz, Erbrechen, Pulsverlangsamung sind nachweisbar. Eine Stauungspapille fehlt entweder ganz oder ist nur gering ausgeprägt. Der Liquordruck kann trotz kritischer Erhöhung, durch entzündlich bedingte Blockbildung, beider Lumbalpunktion normal sein. Bei S c h l ä f e n a b s z e s s e n findet sich manchmal eine sensorische Aphasie, K l e i n h i r n a b s z e s s e bedingen Ataxie, besonders der Glieder der kranken Seite, am Arm stärker als am Bein. Schwindel, Nackensteifigkeit und Nystagmus sind bei Kleinhirnabszessen immer vorhanden. Der Nystagmus verläuft langsam und grobschlägig nach dem Herd, schneller und feiner nach der anderen Seite. Häufig ist die Diagnose des otogenen Hirnabszesses sehr schwierig zu stellen, so daß nur durch Hirnpunktion oder Inzision der Abszeß festgestellt werden kann. Dann muß die sofortige operative Behandlung angeschlossen werden. 3. R h i n o g e n e r H i r n a b s z e ß Als Komplikation einer virulenten S t i r n h ö h l e n i n f e k t i o n entsteht der akute Stirnhirnabszeß. Meist treten wenige Tage nach der Entstehung einer akuten Stirnhöhleneiterung die Zeichen einer i n t r a k r a n i e l l e n D r u c k e r h ö h u n g auf. Etwa eine Woche später findet sich dann ein fortschreitender Prozeß auf die Hemisphäre. Im Röntgenbild, ist eine Osteomyelitis des Stirnbeins bei den akuten Erscheinungen noch nicht nachweisbar. Die Leukozyten sind stark erhöht, ebenso die Temperatur. Bei der L u m b a l p u n k t i o n findet sich eine bedeutende Druckerhöhung, ebenso eine Vermehrung der Zellen, jedoch keine Erreger. Diese sind nur dann nachweisbar, wenn die Infektion durch die Barriere der arachnoidealen Verklebungen durchgebrochen ist. Bei einer P a n s i n u s i t i s (s. da), die von einem Gehirnabszeß gefolgt ist, kann dessen Lokalisation oft sehr schwierig sein. Der Hirnabszeß, welcher von den Nasennebenhöhlen ausgeht, kombiniert sich häufig mit M e n i n g i t i s und T h r o m b o s e des S i n u s c a v e r n o s u s . Eine besonders gefährliche Komplikation ist die M i t b e t e i l i g u n g der O r b i t a . Ein Ödem des Augenlides, das sich auf der Seite befindet, wo der Abszeß liegt, kann wegweisend sein. Da das Stirnhirn der Sitz der rhinogenen Abszesse ist, f e h l e n s e h r h ä u f i g H e r d s y m p t o m e . Diese treten erst bei außergewöhnlicher Größe der Abszesse auf. H i r n d r u c k s y m p t o m e wie Kopfschmerz, Stauungspapille und Pulsverlangsamung sind für Stirnlappenabszesse besonders charakteristisch. 4. M e t a s t a t i s c h e A b s z e s s e Sie entstehen h ä m a t o g e n und sind relativ selten. Meist sind sie m u l t i p e l im Gegensatz zu den traumatischen und den von den Nasennebenhöhlen fortgeleiteten Abszessen. Sie finden sich bei chronisch-rezidivierender Pyämie. Lungenabszesse, Empyeme, Bronchiektasen, überhaupt jeder Infektionsherd kann infolge m a s s i v e r Bakterienembolien Gehirnabszesse verursachen. Oft handelt es sich um

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Gehirnabszeß

A n ä r o b i e r . Diese Abszesse bilden k e i n e A b s z e ß k a p s e l . Ihre Prognose ist au,s diesem Grunde und wegen des multiplen Auftretens sehr s c h l e c h t . Die Bakterienembolie tritt meist im G e b i e t d e r A r t e r i a c e r e b r i m e d . sin. (Abb. 25) auf, da die Carotis sin. die gerade Verlängerung der Aorta bildet. 5. D i f f e r e n t i a l d i a g n o s e (s. die entsprechenden Kapitel) Bei der Differentialdiagnose des Hirnabszesses muß eine Meningitis ausgeschlossen werden. Bei ihr findet sich meist ein rascher Verlauf mit anhaltendem Fieber. Der Puls ist i'm Gegensatz zum Abszeß beschleunigt. Nackenstarre, Erscheinungen von Seiten der Hirnnerven treten auf. Der Liquor ist bei der Meningitis bakterienhaltig und trübe. Die Lumbalpunktion ist jedoch bei Verdacht auf Abszeß im Okzipitallappen n i c h t erlaubt. Schwierig kann die Unterscheidung von seröser Meningitis sein, bei der gleichzeitig erhöhter Druck, klarer Liquor und mitunter eine geringgradige Lymphozytose vorhanden, ist. Bei Hirntumor ist die Stauungspapille häufig, bei Hirnabszeß die Ausnahme. Erhöhung des Lumbaldruckes wird öfter bei Tumoren beobachtet. Chronische Abszesse führen manchmal zu Verwechselung mit Hirntumoren. Bei Tumoren tritt kein Fieber auf. Ein primärer Eiterherd ist nicht vorhanden. Die Stauungs- und Herdsymptöme nehmen langsam und regelmäßig zu. Die Sinusthrombose äußert sich durch Fehlen von Hirndruck. Das Fieber ist intermittierend. Vielfach findet sich eine fortgeleitete Thrombose der Jugularvenen. I n manchen Fällen kann der Hirnabszeß mit Meningitis und Sinusthrombose kombiniert sein. Weiterhin muß das subdurale Hämatom der Alkoholiker bzw. bei Lues differential-diagnostisch in Erwägung gezogen werden. Dabei ist der Liquor hämorrhagisch. B e i O t i t i d e n kann eine subdurale Eiteransammlung einen Hirnabszeß vortäuschen. 6. D i e T h e r a p i e d e r H i r n a b s z e s s e erfordert zunächst, daß der Abszeß durch Punktion oder Ventrikulographie und evtl. Kontrastdarstellung festgestellt wird. Sodann wird die Hirnschicht gespalten, der Abszeß entleert, Fremdkörper werden entfernt. Um einen dauernden Abfluß sicherzustellen, wird der Abszeß tamponiert oder dräniert. Eine gute Kombination von Dränage und Tamponade wird durch passend geschnittene G u m m i s c h w ä m m e erreicht, die mit MP.-Puder bestreut werden können. Die subkortikalen traumatischen Hirnabszesse werden am besten von der Schädelöffnung aus verfolgt. Der exzentrische Abszeß erfordert meist die Anlegung einer neuen Trepanationsöffnung oder die Erweiterung der vorhandenen Schädellücke. Spätabszesse, die gut eingekapselt sind, können in t o t o e x s t i r p i e r t werden. Selbst bei bestehender. Fistelöffnung und Verbindung der Abszeßhöhle mit dem Ventrikel kann eine erfolgreiche T o t a l e x s t i r p a t i o n möglich sein. Läßt sich eine Totalexstirpation technisch durchführen, so ist sie immer die Methode der Wahl bei der Behandlung der Hirnabszesse. Bei K l e i n h i r n a b s z e s s e n ist die Operation ähnlich der bei Akustikustumoren (s. da). Auch hier wird ein Teil der Kleinhirnhemisphären entfernt, um an den Abszeß heranzukommen. Der Nucleus dentatus ist zu schonen. Das Absaugen des Abszesses erleichtert die Entfernung. Manchmal läßt sich ein Abszeß durch einfache P u n k t i o n beseitigen. Werden im Eiter penicillinempfindliche Keime nachgewiesen, so wird die Abszeßhöhle nach dem Absaugen mit dem halben Volumen einer Penicillinlösung (1000 E. pro ccm) Der Kliniker: K l o s e - G r u n d r a a n n , Chirurgie des Kopfes

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aufgefüllt. Bei penicillinunempfindlichen Erregern wird evtl. ein Sulfonamid oder Streptomycin gegeben. Bei Osteomyelitis des Schädels mit darunter liegendem Abszeß muß der I n f e k t i o n s h e r d entfernt werden. Postoperativ ist die Entstehung eines Hirnödems besonders wichtig. Die Nachbehandlung hat daher auf Hirndruckerscheinungen zu achten, eine rechtzeitige „ E n t w ä s s e r u n g " ist einzuleiten (s. der gesteigerte Hirndruck). Eine wichtige Rolle spielt weiterhin die entlastende L i q u o r p u n k t i o n . Beim normalen Heilungsverlauf einer operierten infizierten Hirnwunde sind daher anfangs häufige Punktionen notwendig, um so mehr, als sich die geschädigte Hirnsubstanz infolge Verbesserung der Durchblutung erholt. Durch die Punktion wird weiterhin eine übersichtliche Wundhöhle und ein ungestörter Sekretabfluß erreicht. Sulfonamide und A n t i b i o t i k a dringen, wenn sie nicht lokal angewendet werden, in den Abszeß kaum ein. In den frühen Stadien, bei Portschreiten der Infektion und bei Ubergreifen auf die Meningen sind sie wertvoll. Bei allen offenen Schädelwunden müssen sie angewendet werden. Die Operation selbst soll unter ihrem Schutz vorgenommen werden, da dadurch das Operationsrisiko bedeutend herabgesetzt wird. L. Enzephalitis Die Enzephalitis (Gehirnentzündung) wird durch eine ganze Anzahl von Ursachen hervorgerufen. I n f e k t i ö s t o x i s c h e E r k r a n k u n g e n wie Scharlach, Typhus, Masern, Grippe, Tollwut, Fleckfieber usw. verursachen eine Entzündung des Gehirns mit disseminierten entzündlichen Herden. Die E n c e p h a l i t i s l e t h a r g i c a zeichnet sich durch epidemisches Auftreten aus. Von chirurgischer Bedeutung ist die eitrige Gehirnentzündung. Die eitrige Enzephalitis ist eine progrediente Phlegmone des Gehirns. Im allgemeinen entsteht sie durch direkte Infektion bei Verletzungen, besonders Schußverwundungen. Wird die Wunde nicht primär versorgt oder schreitet die Infektion fort, so entsteht im günstigsten Falle der traumatische Frühabszeß (s. Hirnabszeß), bei Fortschreiten des Prozesses die Enzephalitis. Die Heilutig i n f i z i e r t e r Hirnwunden ist auch bei frühzeitiger Versorgung nicht immer komplikationslos möglich. Außer den faßbaren und im Röntgenbild sichtbaren K n o c h e n s p l i t t e r n kann auch in kleinsten, stäubchenartigen Splitterchen der Fokus einer E n z e p h a l i t i s gegeben sein. Auch kann die geschädigte H i r n s u b s t a n z den Boden für eine sekundäre Infektion abgeben, besonders dann, wenn es sich um Prellungsherde handelt, die außerhalb der Hauptverletzung liegen und durch chirurgische Maßnahmen nur schwer zu erfassen sind. S t e c k s p l i t t e r , die während der Operation nicht entfernt werden konnten, bilden häufig genug die Ursache eines üblen Ausganges mit Enzephalitis. Die fortgeleitete eitrige Enzephalitis entsteht durch Eiterungen infolge Schädel osteomyelitis, Meningitis, Sinusthrombose, Hirnabszeß usw. Bei stumpfen Trauma (s. Contusio cerebri) kann in seltenen Fällen eine metastatische Infektion des Hirnquetschungsherdes erfolgen, die zu einer Enzephalitis führt. Die Krankheitserscheinungen der Hirnentzündung sind bedingt durch die S t e i gerung des H i r n d r u c k e s (s. da), Herdsymptome infolge der Zerstörung der Hirnsubstanz und die fast stets vorhandene begleitende Meningitis (s. da). Die Anfangserscheinungen der Enzephalitis sind oft geringfügig. Subjektive Veränderungen des Patienten können einen wichtigen Hinweis geben. Er fühlt sich nicht wohl, klagt über Kopfschmerzen, ist apathischer als bisher und auch überempfindlicher. Die Wendung zum Schlechten kann man schon beim Verbandwechsel beobachten. Die früher anstandslos vertragene Manipulation löst Schmerz-

Hirnvorfall

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äußerungen aus. Diese W e h l e i d i g k e i t ist ein Ausdruck einer allgemeinen gesteigerten Reizempfindlichkeit. D r u c k g e f ü h l im Kopf, E r b r e c h e n , Ü b e l k e i t und S c h l a f b e d ü r f n i s machen auf die einsetzende Enzephalitis aufmerksam. Die Wunde sieht s c h m i e r i g aus, das Gehirn p r o l a b i e r t (s. Hirnprolaps). Allerdings können Hirndruckerscheinungen auch fehlen. Die Prognose der Erkrankung ist schlecht. Kommt es nicht zu einer eitrigen Einschmelzung mit Hirnabszeß, so schreitet die Markenzephalitis fort. Über den V e n t r i k e l e i n b r u c h führt sie zur B a s a l m e n i n g i t i s (s. Meningitis) und damit zum meist tödlichen Ende. Die Therapie der Enzephalitis besteht in der operativen E r ö f f n u n g des P r i m ä r herdes, vor allem der Versorgung infizierter Hirnwunden und des Hirnabszesses (s. da). Meist findet man dann schmierige, unregelmäßig begrenzte Zerfallshöhlen mit eitrigem Inhalt, die noch Knochensplitter, nekrotische Hirnfetzen und ähnliches enthalten. Durch S u b o k z i p i t a l p u n k t i o n können enzephalitische Fistelgänge dargestellt und a b g e s a u g t werden. Das ganze Wundgebiet wird d r ä n i e r t und reichlich mit S u l f o n a m i d p u d e r beschickt (Einzelheiten s. Hirnabszeß). In der N a c h b e h a n d l u n g spielen die O s m o t h e r a p i e sowie L i q u o r p u n k t i o n eine wichtige Rolle (s. der gesteigerte Hirndruck). Die Liquorpunktion vermindert den .Hirndruck und ermöglicht eine Entfaltung der Nischen und Buchten. Bei Stirnhirnprozessen kann man durch Aufsetzen des Patienten auch ohne Punktion oft eine gute Eröffnung aller Taschen erreichen. Einen maßgebenden Einfluß auf die Begrenzung des enzephalitischen Prozesses üben die Abwehrkräfte des Organismus aus. Sie werden durch B l u t t r a n s f u s i o n e n von 100 bis 300 ccm wirksam gestärkt. A n t i b i o t i k a und S u l f o n a m i d e werden in Form der Stoßtherapie verabfolgt. M. Hirnvorfall Unter Hirnvorfall (Prolapsus cerebri) versteht man den Austritt von Hirnsubstanz durch eine Dura-KnochenweichteilöfFnung, wenn ein raumfordernder Prozeß im Schädelinnern. bzw. eine Erhöhung des intrakraniellen Druckes vorliegt. Es werden zwei Formen dieses S y m p t o m s unterschieden: Der benigne (aseptische) Hirnprolaps wird durch ödem und Liquorvermehrung verursacht. Er tritt auf nach aseptischen Operationen am Gehirn, z . B . nach Tumorentfernung, ferner bei Entlastungstrepanation (s. da), wenn der raumbeengende Prozeß fortschreitet. Auch penetrierende Verletzungen ohne Infektion führen infolge Hirnödem und Liquorvermehrung zum benignen Prolaps. Der benigne Hirnvorfall ist relativ gutartig, tritt rasch ein und verschwindet schnell. Er zeigt im allgemeinen eine P u l s a t i o n , bleibt meist klein und läßt sich häufig zurückdrängen. Es kann aber auch durch I n k a r z e r a t i o n und N e k r o s e der vorgefallenen Hirnsubstanz eine sekundäre Infektion angehen, wodurch der benigne Prolaps in einen malignen Prolaps übergeht. Der maligne (infizierte) Hirnprolaps entsteht häufig nach i n f i z i e r t e n penetrierenden Schädel- und H i r n v e r l e t z u n g e n . Bisweilen erfolgt der Übergang der Infektion auf das Gehirn auch von O s t e o m y e l i t i d e n des Schädeldaches. Durch Sequesterbildung wird die Schädelkapsel eröffnet. Bei E n z e p h a l i t i s , Eiterungen um F r e m d k ö r p e r mit Früh- und Spätabszessen ist der Austritt der infizierten, erweichten und ödematösen Hirnsubstanz aus der Schädelöffnung ein charakteristisches Symptom. Beim Hirnprolaps bildet sich am Rand der Schädelöffnung durch Verklebung der Hirnhäute ein fester Abschluß, so daß in der Regel keine Meningitis entsteht. Der infektiöse Prozeß verläuft in der Tiefe. Im allgemeinen ist der bös5*

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artige Prolaps groß und schreitet rasch fort. Aber auch unter kleinen Hirn vorfallen können sich manchmal große Abszesse verbergen. Eine Pulsation ist beim malignen Prolaps n i c h t vorhanden. A n z e i c h e n der I n f e k t i o n in Form von Temperatursteigerung, Leukozytose, Pulsbeschleunigung usw. treten auf. Daneben bestehen die Symptome des e r h ö h t e n H i r n d r u c k s (Einzelheiten s. da) mit Erbrechen, Kopfschmerzen, Pulsveränderungen, Erhöhung des Liquordruckes usw. Die Prognose des Prolapsus cerebri ist abhängig vom Grundleiden. Komplikationen drohen in der V e r w a c h s u n g m i t d e n H a u t w u n d r ä n d e r n , in der E i n k l e m m u n g in die Schädellücke, N e k r o s e der inkarzerierten Hirnteile und der I n f e k t i o n . Vorbeugende Maßnahmen müssen daher ergriffen werden. Eine schlechte Prognose hat der r i n g f ö r m i g e , übergranulierte Prolaps mit tiefem zerebralen Trichter und der breite, w a l l a r t i g e Prolaps, der mit seiner hochroten Granulationsdecke und den schmierigen Belegen bei tiefer zentraler Einziehung an das Bild eines Mastdarm Vorfalles erinnert. Die Therapie des Prolapsus cerebri besteht vor. allem in der L i q u o r p u n k t i o n und in d e h y d r i e r e n d e n Maßnahmen (s. der gesteigerte Hirndruck). Bildet sich ein scheinbar aseptischer Prolaps in zwei Wochen nicht zurück, so ist der Mißerfolg der konservativen Behandlung auf das Vorhandensein eines besonderen Prozesses in der Tiefe zurückzuführen. E r muß entsprechend angegangen werden. R ö n t g e n b i l d und E n z e p h a l o g r a m m geben dazu wichtige Hinweise. Geht der Prolaps von selbst zurück, so entstehen Granulationen. Ein R e l a p s bildet sich schließlich aus, der meist keine besonderen Störungen verursacht und auf Schrumpfung und Atrophie des Gehirns nach Ablauf der Entzündung zurückzuführen ist. Um die Oberfläche des Prolapses beim Verbandwechsel nicht zu lädieren, ist ein milder S a l b e n v e r b a n d , z . B . mit Borsalbe oder Sulfonamidsalbe nützlich. Verwachsungen des Prolapses mit den Hautwundrändern lassen sich durch E i n l e g e n v o n G a z e s t r e i f e n leicht vermeiden. Z e l l s t o f f r i n g e , die um die äußere Wunde herumgelegt werden, schützen den Prolaps vor Druck. Durch L a g e r u n g d e s K o p f e s auf die gesunde Seite und durch Hochlagerung des Kopfes und Oberkörpers wird nicht unwesentlich zum Rückgang des Prolapses beigetragen. I n k a r z e r i e r t e , n e k r o t i s c h z e r f a l l e n d e P r o l a p s e werden a b g e t r a g e n oder a b g e s a u g t . Meist kommt es danach nur zu vorübergehenden Besserungen. Der tödliche Ausgang wird selten aufgehalten. Eine A u s z i e h u n g d e r H i r n k a m m e r in den Prolaps kann durch Punktionen vermindert werden. Meist gelingt es aber nicht, den V e n t r i k e l d u r c h b r u c h und damit das tödliche Ende zu verhindern. N. Sinusthrombose E s muß zwischen infektiöser und nichtinfektiöser Thrombose der intrakraniellen Blutleiter unterschieden werden. Die nichtinfektiöse, marantische, autochthone Thrombose (Phlebothrombose) entbehrt der chirurgischen Bedeutung. Sie entsteht bei Kachexie infolge konsumierender Krankheiten. Besonders in Frage kommen Karzinose, Tuberkulose und Typhus. Störungen der Blutzusammensetzung, Erkrankungen des Herzens und der Zirkulation sind die auslösenden Ursachen. Die infektiöse Sinusthrombose (Thrombophlebitis) entsteht infolge eitriger Entzündung der Hirnblutleiter. Sie ist eine g e f ü r c h t e t e K o m p l i k a t i o n innerhalb des Grundleidens und von besonderer prognostischer und therapeutischer Bedeutung. Die Sinusthrombose kann d i r e k t nach penetrierenden Verletzungen des Schädels entstehen. Meist wird sie i n d i r e k t verursacht durch P o r t l e i t u n g v o n v i r u l e n t e n E i t e r u n g e n aus der Nachbarschaft oder durch V o r w a c h s e n e i n e s

Sinusthrombose

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V e n e n t h r o m b u s in den Blutleiter. J e nach dem Sitz und dem Ausgangspunkt der Thrombose werden unterschieden: 1. T h r o m b o s e d e s S i n u s t r a n s v e r s u s (Abb. 1 und 3) Sie geht von den Eiterungen des Ohres und des Schläfenbeines aus. Dementsprechend befällt sie den Sinus transversus und Sinus sigmoideus. Die otogene Sinusthrombose kommt unter den Thrombosen der intrakraniellen Blutleiter am häufigsten vor. Sie macht % aller Sinusthrombosen aus. Jedes Alter kann befallen werden. I m 2. bis 3. Jahrzehnt ist sie am häufigsten. Bei Männern findet sich die Komplikation doppelt so häufig wie bei Frauen. Der rechtsseitige Sinus transversus wird mehr als der linke betroffen, d a er tiefer in den Warzenfortsatz und die Felsenbeinpyramide hineinreicht. Die otogene Sinusthrombose wird durch Kontaktinfektion bei Otitis des Schläfenbeins oder seltener durch fortgeleitete Phlebitis verursacht. Bei Thrombose des Sinus transversus findet sich manchmal eine D r u c k e m p f i n d l i c h k e i t a m H i n t e r k o p f , häufiger ein Ö d e m a m W a r z e n f o r t s a t z , wenn die Yenae emissariae mitergriffen sind. Setzt-sich die Thrombophlebitis bis in die Yena jugularis (Abb. 3) fort, so ist diese als derber druckempfindlicher Strang am inneren Rande des Kopfnickermuskels palpabel. Der Kopf wird dann, u m den Musculus sternocleidomastoideus zu entspannen, nach der kranken Seite gebeugt gehalten. Infolge Reizung des N e r v u s v a g u s kann Heiserkeit, Pulsverlangsamung, evtl. Atemnot auftreten. Bei Irritation des N e r v u s a c c e s s o r i u s finden sich krampfartige Zuckungen des Musculus sternocleidomastoideus und trapecius. Schluckstörungen mit Lähmung des Gaumensegels werden auf Druckerscheinungen des N e r v u s g l o s s o p h a r y n g e u s zurückgeführt. 2. T h r o m b o s e d e s S i n u s c a v e r n o s u s (Abb. 1 und 3) Sie ist die am meisten gefürchtete Komplikation fortschreitender entzündlicher Vorgänge im Gesicht. Die Thrombose wird meist bei Furunkel, Phlegmone, Erysipel und bei Eiterungen im Gebiet der Mund-, Augenhöhle und Nase fortgeleitet. Bei Oberlippenfurunkeln und Karbunkeln geht der Infektionsweg über die V e n a a n g u l a r i s und V e n a o p h t h a l m i c a s u p e r i o r . Die Infektion kann aber auch von der V e n a f a c i a l i s a n t e r i o r über die V e n a o p h t h a l m i c a i n f e r i o r oder auf noch größerem Umweg über die V e n a f a c i a l i s p o s t e r i o r und den P l e x u s p t e r y g o i d e u s in das Schädelinnere führen (Abb. 3). Diese besonderen venösen Abflußbedingungen werden f ü r den häufigen Einbruch von Entzündungen des Gesichts in die Tiefe und den Blutkreislauf verantwortlich gemacht. Begünstigend in dem Sinne wirken ferner die Sonderstellung der mimischen Muskulatur, die unmittelbar an die H a u t herankommt und die Eitererreger a n s a u g t , sowie der t i e f e Sitz der Talgdrüsen. Hinzu kommt, daß die Staphylokokken den Menschen in „geballten H a u f e n " angreifen und eine besondere Neigung haben, in das Venensystem einzubrechen. Infolge der k l a p p e n l o s e n Venen des Gesichts ist weiterhin ein Aufsteigen der Erreger in das Schädelinnere leicht möglich. Das klinische Bild äußert sich im Ansteigen von Puls und Temperaturkurve. Ein zunehmendes Ö d e m d e r A u g e n l i d e r mit C h e m o s i s und P r o t r u s i o b u l b i ist sichtbar. Durch Verdrängung des Bulbus nach nasal unten treten häufig Doppelbilder auf. Die Pupillen sind starr und entrundet. Am Augenhintergrund findet sich eine Stauungspapille, manchmal Blutungen. Nackensteifigkeit, Benommenheit und unerträgliche K o p f s c h m e r z e n treten auf. Häufig ist der Prozeß doppelseitig.

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3. Thrombose des S i n u s s a g i t t a l i s s u p e r i o r (Abb. 3) Sie ist selten. Am häufigsten entsteht sie nach infizierten Konvexitätsfrakturen des Schädels, bei Osteomyelitis der Schädelknochen, Phlegmonen und Erysipelen der Kopfschwarte. Bei otogenen Prozessen kann durch direkte Portleitung über den Conflu.ens sinuum eine Thrombose in den Sinus sagittalis superior gelangen. Auch Hirnabszesse und eitrige Meningitiden können eine Thrombophlebitis des Längsblutleiters verursachen. Bei Thrombose des Sinus sagittalis superior findet sich im Bereich der K o p f h a u t häufig eine V e n e n s t a u u n g , manchmal eine ö d e m a t ö s e S c h w e l l u n g der Weichteile. Gelegentlich kann, wie bei der Thrombose des Sinus cavernosus, ein Lidödem beobachtet werden. Manchmal treten infolge von Stauung der Venen der Hirnoberfläche Krampfanfälle auf. Die Symptome der Sinusthrombose werden oft verdeckt durch die G r u n d k r a n k h e i t , z. B. eine gleichzeitig vorhandene Meningitis, Hirnabszeß oder metastasierende Allgemeininfektion. Charakteristisch sind die Allgemeinerscheinungen mit hohem Puls und schwerem Krankheitsgefühl. I n t e r m i t t i e r e n d e s F i e b e r mit S c h ü t t e l f r o s t wird durch Verschleppung von Thrombusteilchen in den Kreislauf hervorgerufen. Häufig sind embolische M e t a s t a s e n . Sie treten besonders in der Lunge auf, sind meist klein und liegen unter der Pleura. Sie können einen Pyopneumothorax hervorrufen. Gelenkmetastasen sitzen bevorzugt im Schultergelenk Manchmal ist dabei ein sympathischer Gelenkerguß vorhanden, der nicht vereitert ist, aber purulent werden kann. Weitere Embolien gelangen in den Herzmuskel, die Nieren, die Milz und in das Gehirn. Infolge der pyoger en Allgemeinerkrankung kommt es zu einer Leb erp a r e n c h y m s c h ä d i g u n g mit Ikterus. Eine H y p e r l e u k o z y t o s e mit Linksverschiebungist nachzuweisen. Die b a k t e r i o l o g i s c h e U n t e r s u c h u n g des Blutes ergibt häufig einen positiven Befund. Als Erreger finden sich hämolysierende Streptokokken und Staphylokokken, seltener Pneumokokken und Proteusbazillen. Neben diesen Allgemeinsymptomen finden sich typische Lokalsymptome. Sie werden mechanisch infolge B e h i n d e r u n g des B l u t a b f l u s s e s verursacht. Es kommt zu i n t r a k r a n i e l l e r D r u c k s t e i g e r u n g mit heftigsten Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Bewußtseinsstörungen, Stauungspapille und Nackensteifigkeit. Die Differentialdiagnose der Sinusthrombose macht kaum Schwierigkeiten. Meningitis, Enzephalitis, der Gehirnabszeß, evtl. eine Pneumonie müssen differentialdiagnostisch berücksichtigt werden. Wichtig für die Diagnose sind entzündliche Veränderungen im Bereich des Kopfes, besonders des Mittelohres und Warzenfortsatzes. Wenn im Verlauf einer Mittelohrentzündung nach Abklingen der akuten Erscheinungen erneut Fieber auftritt, muß mit dem Ausbreiten des Prozesses auf den Sinus gerechnet werden. Die Prognose der Sinusthrombose ist schlecht. Wird sie nicht behandelt, so führt sie über eine eitrige Meningitis zum Tode. Die Therapie der Thrombose des S i n u s t r a n s v e r s u s und des S i n u s s a g i t t a l i s superior besteht in der operativen Freilegung und Eröffnung des Blutleiters. Um die Verschleppung infizierter Thromben in die übrige Blutbahn und damit Metastasen zu vermeiden, wird die Vena jugularis externa am Halse unterbunden. Die operative Eröffnung des Sinus sagittalis superior macht keine Schwierigkeiten, da er oberflächlich liegt (Abb. 3). Die Thrombophlebitis des S i n u s c a v e r n o s u s kann im allgemeinen operativ nicht mit Erfolg angegangen werden. Sie hat eine besonders ungünstige Prognose.

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Hydrozephalie

A n t i b i o t i k a und S u l f o n a m i d e in hohen Dosen, die gezielt nach T e s t u n g und R e s i s t e n z b e s t i m m u n g der Keime gegeben werden, bieten bei Thrombophlebitis eine Möglichkeit der Rettung des Patienten. In jedem Falle ist eine zusätzliche Therapie mit H e p a r i n , H e p a r i n o i d e n (Thrombocid, Tromexan) und D i c u m a r o l zur Heraufsetzung der Blutgerinnungszeit durchzuführen. 0 . Hydrozephalus Man unterscheidet einen „originären" angeborenen Hydrozephalus im Gegensatz zum „symptomatischen" •nach Meningitis, bei neoplastischen oder entzündlichen Ursachen. Immer besteht beim Wasserkopf ein Mißverhältnis zwischen Produktion und Resorption des Liquors mit vermehrter Flüssigkeitsansammlung im Schädel (s. Gehirnventrikel). Dabei kann es zu einer akuten Vermehrung der Hirnflüssigkeit, zum Hydrocephalus acutus internus et externus (s. Meningitis serosa) und zu einer chronischen Flüssigkeitsansammlung kommen. Tritt die Vermehrung der Hirnflüssigkeit infolge A t r o phie des G e h i r n s auf, so spricht man vom Hydrocephalus ex vacuo. Er entsteht bei Arteriosklerose, Epilepsie, progressiver Paralyse usw. Bei Erweiterung und vermehrter Fiüssigkeitsansammlung zwischen weicher und harter Hirnhaut besteht ein Hydrocephalus externus. Er findet sich häufig als Restzustand eines subduralen H ä m a t o m s . Meist ist im Liquor dann eine Vermehrung des Eiweiß vorhanden. Starke Erweiterung und Füllung der Ventrikel werden als Hydroce-

Abb. 40 a

phalus internus (Abb. 4 0 a u. b)

bezeichnet. Er wird akut bei entzündlichen Erkrankungen des Gehirns und der Hirnhaut hervorgerufen. Beim chronischen Hydrocephalus internus

Abb. 40 b Abb. 40 a und b. Enzephalogramm bei Hydrocephalus internus. Maximale Erweiterung der Ventrikel

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müssen zwei Formen unterschieden werden: Der Hydrocephalus congenitus und der Hydrocephalus acquisitum. 1. H y d r o c e p h a l u s c o n g e n i t u s Der angeborene „originäre" Wasserkopf wird durch verschiedenste Anlässe hervorgerufen, deren Ätiologie noch nicht völlig geklärt ist. Als Ursache werden angegeben: Entwicklungsstörungen, Geburtstraumen und Entzündungen, besonders Syphilis. Blutsverwandtschaft oder Degeneration der Eltern disponiert gleichfalls zum Wasserkopf. Auf 100 Geburten rechnet man 0,07 lebende Kinder m i t Hydrozephalus.

Abb. 41. ARNOLü-CHiARlsche Deformation. Kleinhirn u n d verlängertes Mark in den Spinalkanal hineingedrängt. Der Liquorabfluß ist behindert

Ist eine vermehrte Liquorabsonderung bei normalen Abflußwegen vorhanden, so besteht der Hydrocephalus hypersecretorius. Meist sind jedoch die Liquorabflußwege (s. Gehirnventrikel) blockiert infolge entzündlicher Verwachsungen u n d Obliterationen. Es entwickelt sich d a n n der Hydrocephalus obstructivus. Je nach der Abflußbehinderung unterscheidet man verschiedene Formen des Blockes. Liegt er im Gehirn selbst durch Verschluß des Foramen interventriculare, z. B. infolge Verwachsungen des k r a n k h a f t veränderten Plexus chorioideus oder durch Verwachsungen des Ependyms im Bereich des Aquaeductus cerebri, so spricht man vom einem zerebralen Block (Abb. 40). Zisternenblock liegt dann vor, wenn das Foramen mediale und die seitlichen Öffnungen des 4. Ventrikels verschlossen sind. Der 4. Ventrikel wölbt sich dann tief in das Kleinhirn vor. Beim spinalen Block bestehen Verwachsungen der harten u n d weichen Hirnhäute am Foramen occipitale magnum. Die Cisterna cerebellomedullaris wird Weit ausgedehnt. Als weitere Mißbildungen finden sich bei Hydrozephalus: Hasenscharte, Klumpfuß, Syndaktylie, Zwergwuchs u n d Enzephalozele (Abb. 48). Häufig ist Hydrocephalus congenitus mit einer Spaltbildung des Wirbelkanals und Rückenmarksvorfall (Myelomeningozele) verbunden. Wird dadurch das Kleinhirn und verlängerte Mark in den Spinalkanal hineingezogen, so spricht man von einer ArnoldChiarischen Deformation (Abb. 41). Dadurch ist die Zirkulation des Liquors ge-

Hydrozephalus

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hindert. E s entsteht eine intrakranielle Druckerhöhung mit Hydrozephalus. Dieser wiederum führt zu einem Hinabrücken der Kleinhirntonsille und der Medulla oblongata in den oberen Zervikalkanal, so daß ein C i r c u l u s v i t i o s u s vorhanden ist. Bei allen Formen von Myelo- und Meningozele der oberen Halswirbelsäule muß an diese Komplikation gedacht werden. Der Hydrozephalus bildet sich beim Fötus meist in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft aus. I s t der Schädel schon im Uterus vergrößert, so geht ein großer Teil der Kinder w ä h r e n d der G e b u r t z u g r u n d e . Häufig entsteht der Hydrozephalus erst im sechsten Monat nach der Geburt oder nach der O p e r a t i o n e i n e r M e n i n g o z e l e . Viele Kinder sind i d i o t i s c h , in wenigen Fällen findet sich jedoch eine normale Intelligenz. Geringgradiger Hydrozephalus wird sogar als Ursache von besonderen geistigen Leistungen angesehen. Helmholtz, Gauß, Menzel, Beethoven und Wagner hatten einen geringgradigen Wasserkopf. Die Diagnose ergibt sich aus der Vergrößerung des Schädels. E r istpapierdünn. Die F o n t a n e l l e n sind breit, prall gefülltund o f f e n , die N ä h t e a u s e i n a n d e r g e d r ä n g t (Abb. 42). Die Hirnrinde zeigt Aplasie mit Verstrichensein der Windungen. Der Balken wird zu einer dünnen Platte. Der Plexus chorioideus ist Abb. 42. Hydroccphalus internus Monströse Auseinander, .. n . .. n i . , .. . , draneung der Nahte bei einem 15 Monate alten baugline 6 e häufig entzündlich verdickt. Das Kind ißt schlecht und erbricht. Psychisch machen die Säuglinge einen müden Eindruck, nehmen kein Interesse an ihrer Umgebung und schreien nicht. Sie zeigen I n t e l l i g e n z d e f e k t e , die mit Hilfe von Intelligenzprüfungen, welche die normalen Äußerungen der Säuglinge in den verschiedenen Lebenswochen feststellen, erkannt werden können. Das G e s i c h t i s t k l e i n i m Verhältnis zu dem m ä c h t i g e n S c h ä d e l . D i e n o r m a l e n U m f a n g m a ß e d e s S c h ä d e l s beim Neugeborenen betragen 35—40 cm. Der Kopf ist spärlich behaart, zeigt erweiterte Venen. Altere Kinder sprechen schlecht, sehen greisenhaft und müde aus. Manchmal leiden sie an Krämpfen. Die Orbita wird durch den Druck des erweiterten Gehirns verengt. Die Augen stehen infolge der Abplattung des Augenhöhlendaches nach unten. Dadurch Wird ein g r o ß e r T e i l der S k l e r e n oberhalb der Hornhaut s i c h t b a r . Stauungspapillen und Sehnervenatrophie sind manchmal vorhanden. E s findet sich in fortgeschrittenen Fällen Strabismus und NystagmusBei der Punktion der vorderen Fontanelle ist eine bedeutende D r u c k e r h ö h u n g vorhanden. Der normale Druck beim Kleinkind beträgt 50—80 mm Wasserdruck.

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Manchmal ist er bis auf 400 mm erhöht. Wichtig ist, in welcher Tiefe man auf den Hydrozephalus stößt. Schädel und Rinde sind oft dünner als ^ c m . Die Ventrikulographie des Hydrozephalus hat eine hohe Mortalität, so daß auf sie im allgemeinen v e r z i c h t e t werden soll. Differentialdiagnostisch zeigen Eiweiß, Zucker und Goldsolreaktion keine Abweichung von der Norm im Gegensatz zur kindlichen Meningitis. Blut, Xanthochromatie und Eiweiß über 100 mg sprechen gegen Hydrozephalus und für ein subdurales Hygrom. Dieses entsteht infolge Austretens von Liquor durch einen schmalen Riß der Arachnoidea zwischen die Dura und Weiche Hirnhaut. Bei intrakranieller Druckerhöhung (Husten, Niesen usw.) gelangt Liquor unter die Dura, kann aber durch den ventilartigen Riß der Arachnoidea nicht zurückfließen. Der Liquor ist klar, gelb, manchmal blutig tingiert. Hervorgerufen wird das subdurale Hygrom durch leichte Traumen. Bei einer Atresie des Aquaeductus cerebri ist der Hydrozephalus bereits bei der Geburt mit hohem Druck vorhanden. Ein Verschluß deg 4. Ventrikels durch Tumor ruft einen a k u t e n Hydrozephalus hervor. Dieser tritt meist in der s p ä t e r e n Kindheit auf. Die Prognose des Hydrozephalus ist schlecht. Heilt er spontan aus, so sind die Kinder oft schwachsinnig, manchmal gelähmt. Die Therapie kann k o n s e r v a t i v Abb. 43. Endoskopische Elektrokoagulation sein mit Diuretika und Röntgenbedes Plexus chorioideus bei Wasserkopf strahlung. Bei Syphilis ist eine spezifische Kur einzuleiten. Durch den Balkenstich (s. da) kann die Druckerhöhung bei zerebralem Block behoben werden. Bei spinalem Block kann der Subokzipitalstich (s.da) druckentlastend wirken. Die konservative Therapie darf nicht länger als 2—3 Wochen durchgeführt werden. Bei Druckerhöhung über 300 mg Wasser soll sofort operiert werden. Bei der o p e r a t i v e n B e h a n d l u n g hat die endoskopische Elektrokoagulation des Plexus chorioideus gute Erfolge (Abb. 43). Für die Dauerdränage der Ventrikel existieren eine ganze Anzahl komplizierter Operationen, welche durch Einlegung von Kalbsarterien, Metallröhrchen, Seiden- oder Katgutfäden eine Ableitung des Hydrozephalus in das Unterhautfettgewebe, die Lymph- und Blutbahn, die Pleuraund Bauchhöhle hervorrufen sollen. Bei A t r e s i e des A q u a e d u c t u s cerebri kann dieser k a t h e t e r i s i e r t Werden und dadurch die Liquorzirkulation wieder in Gang kommen. 2. H y d r o c e p h a l u s acquisitum Diese „ s y m p t o m a t i s c h e " Form des Hydrozephalus wird hervorgerufen durch Prozesse, die den Abfluß des Liquors verlegen. Es sind V e r w a c h s u n g e n nach Meningitis (s. da) und Traumen (Contusio cerebri, intrakranielle Blutung, s. da) sowie Tumoren (Abb. 55). Bei G e b u r t s t r a u m e n läßt sich der Hydrocephalus acquisitus häüfig nicht von einem kongenitalen unterscheiden. Eine Vermehrung der Liquorsekretion kann durch P a r a s i t e n , I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n oder Fremd -

Himbruch

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körper hervorgerufen werden. P a p i l l o m e des P l e x u s c h o r i o i d e u s oder H ä m a n g i o m e führen in seltenen Fällen gleichfalls zu einer Störung der Liquorsekretion. Außerdem können T h r o m b o s e n der Venendes Gehirns eine LiquorStauung verursachen (s. Sinusthrombose). Die Symptome des Hydrocephalus acquisitum decken sich mit denen des kongenitalen weitgehend. Es findet sich eine Druckatrophie des Gehirns. Bei akutem Verlauf (Einzelheiten s.Meningitis serosa sympathica) kommt es zu Kopfschmerzen, Erbrechen, Nackensteifigkeit, Pulsverlangsamung, Benommenheit, Fieber. Epileptische Krämpfe werden hervorgerufen. Stauungspapillen und Sehnervenatrophie treten auf. Im weiteren Verlauf finden sich Erblindung und Verminderung der Intelligenz. Bei chronischem Verlauf sind die Hirndruckerscheinungen geringgradiger. Augenstörungen und epileptische Krämpfe finden sich aber auch hier. Differentialdiagnostisch müssen die Meningitis, Enzephalitis und der Hirntumor ausgeschlossen werden. Spontanheilungen der Krankheit sind sehr selten. Manchmal treten sie bei Durchbruch in den Subarachnoidealraum, in die Subkutis oder in die Nasen- oder Nebenhöhlen auf. Die Therapie muß sich nach der Ä t i o l o g i e richten. Bei Syphilis ist sie spezifisch, bei Tumoren, Narben, Parasiten ist die Operation angezeigt. Ist keine Ursache zu finden, so können dieselben ableitenden Operationen angewendet werden, wie beim Hydrocephalus congenitus. P. Ilirnbruch (HirnVorfall) 1. A n g e b o r e n e r H i r n b r u c h ( E n z e p h a l o z e l e ) Er entsteht dadurch, daß sich die Knochen des S c h ä d e l s in der E m b r y o n a l z e i t n i c h t oder nur u n v o l l k o m m e n v e r e i n e n . Diese Verschlußstörungen sind Hemmungsmißbildungen bei bestimmter Konstitution (Status dysraphicus). Als Folge der ausbleibenden knöchernen Vereinigung tritt ein Cranium bifidum auf. Das Gehirn wird unvollkommen bedeckt. Es gibt alle Übergänge von den ausgesprochenen S p a l t b i l d u n g e n bis zu geringgradigen Andeutungen. Die Mißbildung kann sich auch auf die Wirbelsäule miterstrecken (Cranium bifidum mit Spina bifida). Sie reicht manchmal vom Schädeldach bis zum Kreuzbein. Bei schweren Formen ist das Gehirn mangelhaft ausgebildet (s. Schädeldeformitäten). Es findet sich A n e n z e p h a l i e oder H e m i z e p h a l i e . Bleiben schließlich nur Lücken am Scheitel oder am Hinterkopf übrig, so fällt das Gehrin bruchartig vor, und es entsteht die Enzephalozele. Auf 1000 Geburten rechnet man 0,1—0,5 Hirnbrüche. Prädestinierend für die Entstehung wird eine D e g e n e r a t i o n der E l t e r n angesehen. Die Spalten, bei denen das mißgebildete Hirn frei zutage liegt, sind so schwere Entwicklungsstörungen, daß bei ihnen ein Eingriff nicht möglich ist. Dagegen haben Operationen bei Enzephalozelen Erfolg. Infolge ihrer entwicklungsgeschichtlichen Entstehung sitzen die Enzephalozelen an ganz bestimmten Stellen des Schädels. Diese sind die M i t t e l l i n i e des H i n t e r k o p f e s und die Nasenwurzel. Man unterscheidet die Cephalocele occipitalis superior und inferior, je nachdem sie oberhalb oder unterhalb der Protuberantia occipitalis major auftritt. Die am Nasenansatz befindlichen Enzephalozelen werden als sinzipitale Zephalozelen (Abb. 44) bezeichnet. Ferner gibt es noch seltene Hirnbrüche bei Lücken im Siebbein oder Keilbein, die basalen Enzephalozelen. Sie treten in die Nasen- oder Augenhöhle aus und Werden als nasofrontale, nasoorbitale und nasoethmoidale Enzephalozelen bezeichnet.

Gehirn

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Als häufigste u n d t y p i s c h s t e F o r m der Enzephalozele findet sich die Enzephalozystozele (Abb. 45). Sie ist eine A u s s t ü l p u n g eines Seitenventrikels. I m Bereich ihrer Austrittsstelle f e h l t der K n o c h e n m i t P e r i o s t u n d D u r a . Die E n z e p h a l o z y s t o zelen b e s t e h e n a u s ä u ß e r e r H a u t , v e r d i c k t e r A r a c h n o i d e a u n d H i r n m a s s e . Sie e n t -

Abb. 44.

Sinzipitale Zephalozele

Abb. 45. Enzephalozystozele. Ihr Inhalt besteht aus Hirnhaut, Hirnsubstanz und einer Ausstülpung eines Seitenventrikels

h a l t e n i m I n n e r n eine Liquorhöhle, die m i t d e m Seitenventrikel in V e r b i n d u n g s t e h t . Je k l e i n e r d i e K n o c h e n l ü c k e ist,desto g r ö ß e r w i r d d i e Z i r k u l a t i o n s s t ö r u n g u n d u m so s t ä r k e r ist e n t s p r e c h e n d die L i q u o r a b s o n d e r u n g in den B r u c h s a c k .

Abb. 46. Enzephalozystomeningozele. Ihr Inhalt besteht aus Hirnhaut, Hirnsubstanz und der zystisch veränderten Arachnoidea

Abb. 47. Hydromeningozele, bestehend aus einem Haut-Hirnhautsack, der Liquor enthält

E s lassen sich alle F o r m e n der Zephalozele v o n der Enzephalozystozele ableiten. S i n k t noch w ä h r e n d der E m b r y o n a l z e i t der I n h a l t der Enzephalozele z u r ü c k , so d a ß n u r n o c h einige H i r n w i n d u n g e n v o r h a n d e n sind, so bezeichnet m a n sie als Kenenzephalozele. Sie befindet sich n u r über der Glabella als kleiner B r u c h . H a b e n sich bei einem H i r n b r u c h Z y s t e n in der A r a c h n o i d e a gebildet, so w i r d er als Enzephalozystomeningozele bezeichnet (Abb. 46). Schließlich k a n n die Gehirns c h i c h t völlig schwinden, so d a ß der B r u c h n u r n o c h a u s H a u t , A r a c h n o i d e a u n d evtl. E p e n d y m b e s t e h t . Diese F o r m h e i ß t Meningozele. Meist e n t h ä l t die Meningozele Liquor u n d wird d a n n Hydromeningozele (Abb. 47) g e n a n n t .

Hirnbruch

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Die Diagnose der Zephalozcle ergibt sich aus der Vorwölbung des Schädelinhaltes unter der geschlossenen Hautdecke im Bereich der Mittellinie. Sie k a n n f l a c h aufsitzen oder g e s t i e l t sein. Die Geschwulst ist a n g e b o r e n , selten mehrfach. Sie ist meist unter Hirndrucksymptomen r e p o n i e r b a r . Dann treten Bewußtlosigkeit, Erbrechen und Druckpuls auf. Die Meningozelen, die k e i n e H i r n m a s s e e n t h a l t e n , sind d u r c h s c h e i n e n d . I s t H i r n s u b s t a n z i n d e m B r u c h vorhanden, so hebt sich diese als d u n k l e r S c h a t t e n bei der Durchleuchtung ab. Röntgenologisch findet sich eine K n o c h e n l ü c k e . Der Tumor ist an den Seiten meist behaart, an der Oberfläche kahl. Differentialdiagnostisch m u ß ein Kephalhämatom infolge Geburtstrauma ausgeschlossen werden. Dieses verschwindet spontan. Dermoide sind nicht reponibel und finden sich meist nicht in der Mittellinie. Atherome sind nicht kompressibel und mit der H a u t verschieblich (s. da). Die Prognose der Hirnbrüche ist ungünstig. Infolge B e r s t u n g u n d I n f e k t i o n erfolgt der Exitus. Für die Behandlung ist es wichtig, Enzephalozelen mit reichem Gehalt an Hirnmasse von solchen ohne Gehirnanteil zu unterscheiden. Durch kleine Knochenlücken treten im allgemeinen keine Gehirnmassen aus. Die Meningozelen haben daher eine gute operative Prognose. Die g r o ß e n H i r n b r ü c h e s t e l l e n eine K o n t r a i n d i k a t i o n für die Operat i o n dar. I s t wenig Gehirn ausgetreten, so k a n n dies bei der Operation mit abgetragen werden, d a es k e i n e F u n k t i o n mehr ausOkzipitale Enzephalozele zuüben vermag. Der Kräftezüständ des Kindes Abb. 48. mit Hydrozephalus ist für die Operationsprognose wichtig. Meist findet sich ein s c h l e c h t e r A l l g e m e i n z u s t a n d . Dann kann der Bruchsack evtl. vorläufig p u n k t i e r t werden, u m eine Perforation zu vermeiden. I s t der Bruchsack perforiert, so soll, ganz gleich in Welchem Zustand das Kind sich befindet, Wegen der Infektionsgefahr operiert Werden. Sind gleichzeitig ein W a s s e r k o p f (Abb. 48) o d e r a n d e r e M i ß b i l d u n g e n vorhanden, go ist die O p e r a t i o n a b z u l e h n e n . Abgesehen davon e n t s t e h t e i n W a s s e r k o p f (s. da) leider häufig nach der Operation. Dadurch wird die v i t a l e Prognose ganz erheblich getrübt. 2. E r w o r b e n e r H i r n b r u c h ( H i r n v o r f a l l , Einzelheiten s. da) E r entsteht nach T r a u m e n oder E n t z ü n d u n g e n des Schädelknochens (Tuberkulose, Syphilis, Osteomyelitis, s. da), die einen Knochendefekt hervorrufen. I m Gegensatz zu den angeborenen Gehirnbrüchen zeigen sie k e i n e b e s o n d e r e L o k a l i s a t i o n . Häufig sind sie im Bereich des Stirn-, Scheitel- oder Schläfenbeins. Ist gleichzeitig eine Infektion des vorgefallenen Gehirns vorhanden, so spricht m a n von einem b ö s a r t i g e n H i r n v o r f a l l (Einzelheiten s. da). Die Therapie des erworbenen Hirnbruches richtet sich nach dem Grundleiden (s. Hirnvorfall). Ist dieses ausgeheilt, so kommt evtl. eine operative Deckung der Knochenlücke (s. Deckung der Schädeldefekte) in Frage.

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Gehirn

Q. Symptomatologie der Gehirntumoren Die moderne Neurochirurgie ist bei der Operation der Hirntumoren genau so erfolgreich, wie die Chirurgie der Tumoren des übrigen Körpers. Bei früher Diagnose und rechtzeitiger Operation läßt sich ein großer Prozentsatz der Kranken heilen. 1.

Symptome

Die Erscheinungen der Krankheit werden durch Allgemein- und Herdsymptome bedingt. Sie sind abhängig von der L o k a l i s a t i o n , G r ö ß e und A r t des Tumors. Die klassische S y m p t o m e n t r i a s der Hirntumoren wird durch i n t r a k r a n i e l l e D r u c k e r h ö h u n g hervorgerufen. Diese verursacht Kopfschmerz, Erbrechen und Stauungspapille. Kopfschmerzen sind von geringer lokalistischer Bedeutung für einen Gehirntumor. Kleinliirntumoren machen davon eine Ausnahme. Bei ihnen finden sich häufig Kopfschmerzen in der Okzipitalgegend. Tumoren in der Gegend des Tentoriums erzeugen manchmal beiderseitigen Stirnkopfschmerz. Ein Scheitel- oder Schläfenlappentumor ruft auf der Seite der Erkrankung meist heftigere Kopfschmerzen hervor. Die Kopfschmerzen treten a n f a l l s w e i s e auf oder sind a n d a u e r n d vorhanden. Sie können auch anhaltend sein und dabei in ihrer I n t e n s i t ä t w e c h s e l n . Übelkeit und Erbrechen treten gewöhnlich im Spätstadium der Erkrankung auf. Diese Symptome sind ilnmer für einen Hirntumor verdächtig, wenn am Magen nichts gefunden wird. Besonders bei Kindern, die mehr als 2—3 Tage erbrechen, muß an einen Hirntumor gedacht werden. In frühen Fällen der Erkrankung findet sich im Gefolge der Übelkeit kein Erbrechen. Wenn der Hirndruck steigt, ist dagegen häufig Erbrechen ohne Übelkeit vorhanden. Das Erbrechen ist expulsiv und heftig. Das Erbrochene wird häufig im hohen Bogen herausgebracht. Sehstörungen zeigen verschiedene Formen. Sie können direkt verursacht sein (Abb. 59) durch G e s c h w ü l s t e d e s S e h n e r v e n (s. da), durch Druck von T u m o r e n in der N a c h b a r s c h a f t des F a s c i c u l u s o p t i c u s und C h i a s m a o p t i c u m (Hypophysentumoren usw.) und schließlich durch Geschwülste, die zu L ä s i o n e n d e r R i n d e n z e n t r e n (s. Anatomie des Gehirns und der Gehirnnerven) führen (Abb. 52). Indirekt erzeugt aber auch der g e s t e i g e r t e H i r n d r u c k (s. da), der als Folge des raumbeengenden Prozesses auftritt, eine Sehnervenatrophie. Schon sehr früh findet sich, besonders bei Tumoren an der Hirnbasis und im Kleinhirn, ein Ö d e m d e r S e h n e r v e n p a p i l l e infolge venöser S t a u u n g durch den Hirndruck. Die venöse Rückstauung erzeugt häufig B l u t u n g e n d e r R e t i n a . Ist die Stauung andauernd vorhanden, so tritt allmählich eine Verminderung des Odems auf. E s findet sich dann eine gelbweiße Papille, die eine A t r o p h i e des Nervus opticus anzeigt. Dann ist keine Hoffnung mehr auf eine Restitution der Sehkraft vorhanden. Eine sorgfältige o p h t h a l m o l o g i s c h e U n t e r s u c h u n g muß daher bei jedem Kranken mit Verdacht auf Hirntumor ausgeführt werden. Sie muß r e c h t z e i t i g durchgeführt werden, da bei f r ü h e r Entlastung, auch wenn die Lokalisation der Geschwulst noch nicht feststeht, die S e h k r a f t e r h a l t e n bleibt. 2. L o k a l i s a t i o n Die V e n t r i k u l o g r a p h i e (s. da) ist ein gebräuchliches Mittel zur Lokalisation eines Hirntumors. Nicht in jedem Fall soll sie angewendet werden, da eine, wenn auch geringgradige, Mortalität vorhanden ist. Aber immer dann, wenn eine exakte

Symptomatologie der Gehirntumoren

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Lokalisation auf Grund einer n e u r o l o g i s c h e n U n t e r s u c h u n g und R ö n t g e n l e e r a u f n a h m e nicht gemacht werden kann, muß die Ventrikulögraphie ausgeführt werden (Abb. 49). Besonderheiten des Gefäßverlaufs der Gehirngefäße können durch die A r t é r i o g r a p h i e zur Darstellung gebracht werden (s. da). Infolge des Tumors pathologisch verlagerte Arterien sind mit dieser Methode röntgenologisch darstellbar. Für die Diagnose der T u m o r e n der G r o ß h i r n h e m i s p h ä r e n spielt die Artériographie die Hauptrolle. Neben den r ö n t g e n o l o g i s c h e n Methoden stützt sich die Lokalisationsdiagnose auf die Peststellung von neurologischen Ausfallerscheinungen (s. Anatomie und Physiologie des Gehirns, Abb. 22a und b). Bei ihrer Untersuchung ist die Aufnahme einer genauen A n a m n e s e von Bedeutung, da die z u e r s t aufgetretenen Ausfälle, die L o k a l s y m p t o m e , am w i c h t i g s t e n sind. Sie werden durch den p r i m ä r e n S i t z des Hirntumors hervorgerufen. Die später auftretenden Krankheitszeichen entstehen infolge des Wachstums des Tumors. Sie rufen N a c h b a r s c h a f t s s y m p t ô m e hervor. F e r n s ^ m p t o m e treten bei intrakranieller Druckerhöhung, durch Abdrücken des Aquaeductus cerebri usw. auf. Tumoren im Gebiet der vorderen Schädelgrube rufen meist s p ä t Erscheinungen hervor, da sie sich in einer relativ s t u m m e n Zone ausbreiten. Durch Druck auf den Bulbus olfactorius können Geruchsstörungen auftreten. C h a r a k t e r v e r ä n d e r u n g e n sind häufige SymptoAbb. 49. Gehirntumor mit Verdrängung des me sämtlicher Gehirntumoren. Bei Seitenventrikels den Tumoren des Stirnhirns stehen sie während der ganzen Zeit der Erkrankung im Vordergrund. Es finden sich Vergeßlichkeit, Erregbarkeit und Schwierigkeit bei der Konzentration. Manchmal werden die Kranken völlig initiativelos. Andere Patienten sind gefühlsmäßig unausgeglichen. Sie schreien oder lachen laut bei den geringsten Anlässen auf. Tumoren im Gebiet der mittleren Schädelgrube erzeugen häufig generalisierte e p i l e p t i s c h e A n f ä l l e infolge Druckes auf die vordere Zentralwindung (s. da). Findet sich der Tumor im Gebiet des linken Schläfenlappens, so ruft er bei Rechtshändern eine s e n s o r i s c h e A p h a s i e hervor (s. Gehirnanatomie und Physiologie). Tumoren der Schädelbasis verursachen H i r n n e r v e n s t ö r u n g e n der g l e i c h e n Seite. Teilweiser Ausfall des Gesichtsfeldes findet sich bei Tumoren des Temporal- und Okzipitallappens infolge Schädigung der Rindenregion. Schläfenoder Scheitellappentumoren, welche die Sehstrahlung berühren, rufen H e m i a n o p s i e n hervor (Abb. 66). Bei H i n t e r h a u p t s t u m o r e n sind h o m o n y m e Hemianopsien der g e g e n ü b e r l i e g e n d e n Seite vorhanden. Durch direkten Druck auf den Tractus opticus und das Chiasma opticüm treten gleichfalls Hemianopsien auf (s. Tumoren der Gehirnneryen und Abb. 58 und 59). Schläfenlappentumoren können auch G e r u c h s h a l l u z i n a t i o n e n erzeugen (s. Uncinatusanfälle). Bei Scheitellappen-

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Gehirn

tumoren sind häufig Störungen des T a s t e r k e n n e n s vorhanden (s. Gehirnanatomie und Physiologie). Tumoren im Gebiet der hinteren Schädelgrube finden sich besonders im, Bereich des Kleinhirns. Während sich beim Erwachsenen die meisten primären Hirntumoren im Großhirn befinden, liegen sie beim K i n d e besonders häufig i n f r a t e n t o r i e l l , d.h. im Kleinhirn, in der Brücke und im Mittelhirn. K l e i n h i r n a t a x i e und A d i a d o c h o k i n e s e können auftreten (s. Anatomie und Physiologie des Hinterhirns). Das RoMBERGsche P h ä n o m e n ist positiv, da eine Fallneigung nach der erkrankten Seite vorhanden ist. Im P o s i t i o n s v e r s u c h findet sich ein Absinken und eine Pronationstendenz des gleichseitigen Armes bei Vorstrecken der Arme unter Augenschluß (s. Abb. 74). 3. A r t d i a g n o s e Die Gehirntumoren werden eingeteilt in solche, die von den Hirnhäuten ausgehen, z . B . die Meningeome, ferner in Tumoren, die von den Scheiden der Gehirnnerven ausgehen, z. B. die Akustikusneurinome, Tumoren des Nervus opticus usw. und schließlich in solche, die in der Gehirnsubstanz selbst entstehen. Sie gehen vom N e r v e n s t ü t z g e w e b e aus und heißen Gliome (Einzelheiten s.da). Eine besondere Gruppe bilden die Geschwülste der Hypophyse (s. da) und die Tumoren des Gefäßsystems, sowie die Gefäßanomalien. Schließlich können auch die Erscheinungen eines Hirntumors von den sog. Pseudotumoren ( H i r n a b s z e ß , G u m m a , T u b e r k e l , P a r a s i t e n ) und den zerebralen Metastasen verursacht werden. I . Eigentliche Hirngeschwülste: a) Gliome 1. Glioblastoma multiforme 2. Spongioblastoma polare 3. Ependymom 4. Astrozytom 5. Astroblastom

6. 7. 8. 9. 10.

Oligodendrogliom Medulloblastom Neuroepitheliom Plexuspapillom Pinealom

b) Tumoren der Nervenscheiden Neurinome I I . Mesodermale Geschwülste: 1. Meningeom I I I . Hypophysentumoren: a) Adenome 1. Chromophob b) Kraniopharyngeom

2. Fibrom

3. Sarkom

2. Eosinophil

3. Basophil

IV. Dysembryome (organismoide Mischgeschwülste): 1. Teratom 2. Dermoid

3. Epidermoid

V. Tumoren und Mißbildungen des Gefäßsystems: 1. Hämangioblastom

2. Hämangiome

3. Aneurysmen

VI. Metastasen VII. Parasiten V I I I . Granulome.

Alle Geschwülste, die aus u n r e i f e n Zellen entstehen, wachsen s c h n e l l und sind b ö s a r t i g . Meist sind sie schlecht abgrenzbar und schwer zu entfernen. Rönt-

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Symptomatologie der Gehirntumoren

genbehandlung ist häufig wirksam. Trotzdem ist die R e z i d i v n e i g u n g groß. Die l a n g s a m wachsenden Tumoren sind im allgemeinen gut a b g r e n z b a r und ent halten oft Zysten. Sie lassen sich relativ leicht entfernen. Die prognostisch gün stigsten Geschwülste sind die Meningeome und Kleinhirnbrückenwinkeltumoren Sie wachsen expansiv und sind gut abgegrenzt. Gummata treten selten auf. Meta stasen finden sich am häufigsten bei Lungen-, Mamma-, Portio- und Prostata karzinomen sowie bei Hypernephrom. Der Häufigkeit nach gibt Cushing folgende Aufstellung: Gliome Hypophysengeschwülste Meningeome Neurinome

42,6% . . 17,8% 13,4% 8,7%

Metastatische Tumoren . . . . Kongenitale Tumoren . . . . Sarkome Rest

4,2% 3,6% 0,7% 9,0%

4. D i f f e r e n t i a l d i a g n o s e Zur Peststellung, ob ein Tumor vorliegt,ist die Untersuchung des A u g e n h i n t e r g r u n d e s von ganz besonderer Wichtigkeit (s. Symptome). Stauungspapille und Stauungsblutungen müssen festgestellt werden. Der Liquor cerebrospinalis ist bei Tumoren meist e i w e i ß r e i c h . Die Zellzahl ist nur unbedeutend vermehrt. Manchmal finden sich Tumorzellen im Sediment. Die Röntgenaufnahme des Schädels zeigt häufig infolge des verstärkten Innendruckes v e r t i e f t e und v e r m e h r t e Impressiones digitatae. Allerdings können auch bei anderen mit Schädelinnendruckerhöhung verbundenen Krankheiten deutlich sichtbare Impressiones digitatae vorhanden sein (Abb. 12). Z e r s t ö r u n g e n und E r w e i t e r u n g e n der Sella (s. Abb. 60) und des P o r u s a c u s t i c u s i n t e r n u s sind zu beachten. E x o s t o s e n und intrazerebrale K a l k s c h a t t e n sind auf einen Tumor verdächtig. Besonders Meningeome, Kraniopharyngeome und bestimmte Gliome (Medulloblastome und Obligodendrogliome des Großhirns sowie Astrozytome des Kleinhirns) neigen zu Verkalkung. Von den selteneren Geschwülsten werden Verkalkungen bei den Angiomen, parasitären Zysten und Tuberkulomen gesehen. Die Enzephalographie (s. da) kann nur unter Vorbehalten angewendet werden. Ventrikulographie und Arteriographie sind oft für die Differentialdiagnose unerläßlich. 5. T h e r a p i e Die kausale Behandlung besteht in der Eröffnung der Schädelhöhle, der Freilegung und möglichst radikalen Entfernung des Tumors. Die SchädeleröfEnung wird Trepanation genannt (Abb. 50). Sie wird als freie Trepanation unter Opferung des Knochens oder osteoplastisch durch Bildung eines WAGNERschen Hautperiostknochenlappens, der nach beendeter Operation wieder zurückgeklappt wird, ausgeführt ,(s. Technik). Die Vorbereitung der Patienten für die Operation ist für den Erfolg des Eingriffes besonders wichtig. Viele Patienten haben habituelles Erbrechen und sind dadurch heruntergekommen. Sie leiden an K o c h s a l z v e r a r m u n g und sind a n ä m i s c h . Eine Bluttransfusion wirkt daher oft lebensrettend. S c h l a f l o s i g k e i t tritt häufig infolge der anhaltenden Kopfschmerzen auf. Sie wird am besten mit Barbitursäurepräparaten bekämpft. Niemals soll Morphium gegeben werden, da es l a h m e n d auf das Atemzentrum wirkt, das oft schon durch die intrazerebrale Druckerhöhung geschädigt ist. Der K l i n i k e r : K l o s e - G r u n d m a n n ,

Chirurgie des Kopfes

6

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Gehim

Die meisten Operationen dauern lange. Es wird deshalb die ö r t l i c h e B e t ä u b u n g bevorzugt. Auch Avertin wird als Basisnarkotikum angewendet. Zur Bekämpfung des Schocks soll während der Operation eine intravenöse Dauertropfinfusion mit 5%iger Traubenzuckerlösung eingebaut oder eine Blutinfusion vorgenommen werden. Wenn dadurch keine Besserung des Schockzustandes eintritt, so kann der Kopf des Patienten gesenkt werden. Jedoch ist dann eine verstärkte venöse Blutung vorhanden. Viele Hirnchirurgen operieren am s i t z e n d e n Patienten,

Abb. 50. Schädeltrepanation. A Zugang bei Tumoren des Scheitellappens, Kleinhirntumoren, C Zugang bei Kleinhirnbrückenwinkeltumoren, D und Stirnlappen-, Hypophysen- und suprasellären Geschwülsten von vorn und Die ausgezogene Linie zeigt den Hautschnitt, die durchbrochene Linie lappen mit Bohrlöchern an

B Zugang bei E Zugang bei von der Seite. den Knochen-

um soweit wie möglich die venöse Blutung auszuschalten. Wenn bei der Eröffnung der Dura der Hirndruck groß ist, das Gehirn vorfällt und ein Gewebsschaden eintreten könnte, so muß K o f f e i n zur Senkung des Hirndrucks gegeben werden. Es wirkt außerdem als Stimulanz. Noch wirksamer als Koffein ist die Verabfolgung von 50 bis 100 ccm 50%iger Traubenzuckerlösung. Technik. I m allgemeinen wird der Hautschnitt b o g e n f ö r m i g bis auf den Knochen angelegt. Gewöhnlich ist die Basis des Lappens schmaler als der Oberteil (Abb. 52). Sie muß jedoch breit genug sein, unl die Ernährung des Lappens zu sichern. Meist enthält die Basis eine großes Gefäß, z. B . die Arteria temporalis.

Symptomatologie der Gehirntumoren

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Die Blutung ist infolge von Adrenalin, das dem Lokalanästhetikum zugesetzt worden ist, gering. Durch die HElDENHAINsche fortlaufende, rückgreifende Umstechung (Hinterstiehnaht) kann sie weiterhin verringert werden. Meist wird die Blutung durch „ D i g i t a l k o m p r e s s i o n " zum Stehen gebracht. Klemmen sollen an die Haut nach Möglichkeit nicht angelegt werden, da sie die primäre Heilung durch Entstehung von Randnekrosen gefährden. An die Galea angelegt, ziehen sie diese über den blutenden Schnittränd der Haut. Größere Gefäße des Schnittrandes werden mit dem Thermokauter verschorft. Der Knochen wird da eröffnet, wo er relativ dünn ist. E r wird mit der K u g e l f r ä s e angebohrt, nachdem das Periost sorgfältig zurückgeschoben worden ist. Der Bohrer kann elektrisch oder mit der Hand betrieben werden. Knochenblutungen werden mit sterilem B i e n e n w a c h s gestillt, das in die blutenden Stellen hineingestrichen wird. Die Bohrlöcher werden an den Ecken des Lappens angelegt. Bei der freien Trepanation wird der Knochen von dem Bohrloch aus mit einer Hohlmeißelzange entfernt und am Schluß der Operation n i c h t wieder eingesetzt. Sie wird bei Operationen der h i n t e r e n Schädelgrube angewendet, da die dicke Muskelplatte des Nackens genügenden Schutz gewährt (Abb. 50 B und C). Bei der osteoplastischen Trepanation wird der Knochen zwischen den Bohrlöchern durchsägt, durehfräst oder durchschnitten. Während des Sägens ist er mit physiologischer Kochsalzlösung abzukühlen. Blutungen an der Innenseite können erst gestillt werden, nachdem der Knochenlappen zurückgeschlagen worden ist. Aus diesem Grunde werden die Knochenteile an den Stellen, wo bekannte Gefäße entlangziehen, zum Schluß durchtrennt. An der Basis wird der Knochen nicht durchsägt, sondern abgebrochen. Zu diesem Zweck werden Elevatoren unter den Periostknochenlappen geschoben und der Knochen emporgehoben, bis er an der Basis einbricht. Befindet sich die Arteria meningica med. im Bereich der Trepanationsstelle, so wird sie nach Umklappen des Knochenlappens unterbunden. Blutungen aus dem Sinus werden durch Ligatur und Umstechung gestillt. Muskelläppchen, sog. „lebende Tampons", können zur Blutstillung aufgelegt werden. Es besteht bei Unterbindungen der Sinus immer die Gefahr größerer Thrombosen. Die Dura wird mit einem scharfen Schnitt eröffnet, während sie von dem darunterliegenden Gehirn abgehoben wird. Sodann wird der Schnitt mit einer Duraschere vervollständigt. Der Duralappen wird in einer a n d e r e n Richtung angelegt wie der Haut- und Knochenlappen. Die Hirnrinde muß mit größter Sorgfalt behandelt werden. Gazetupfer sollen möglichst nicht benutzt werden. Das Gehirn ist gegenüber Zirkulationsstörungen, Veränderungen der Lage während der Operation, mechanischen und chemischen Einflüssen überaus empfindlich. S i l b e r k l a m m e r n , sog. K l i p s , werden für die Abklemmung großer, in der Tiefe liegender Gefäße angewendet. Das Gehirn muß häufig mit physiologischer Kochsalzlösung a n g e f e u c h t e t werden. Inzisionen sollen so angelegt werden, daß sie keine großen Gefäße treffen. Läßt sich das nicht vermeiden, so müssen die Gefäße vorher ligiert oder mit Klips abgeklemmt werden. Während der Operation muß das Blut ununterbrochen a b g e s a u g t werden. Zu diesem Zweck wird ein kleiner Sauger benutzt. Inzisionen werden mit dem Skalpell oder besser mit dem e l e k t r i s c h e n M e s s e r ausgeführt. Das elektrische Messer wird bevorzugt, da dadurch Blutungen weitgehend verhindert werden. Tiefliegende Tumoren werden durch V o r b a u c h u n g des Gehirns, A b f l a c h u n g der Windungen und V e r s t r e i c h u n g der Furchen erkannt. Vorsichtiges Palpieren, evtl. diagnostische Punktion oder Inzision ist manchmal erforderlich. Es gibt zwei Möglichkeiten, einen tiefliegenden Tumor zu entfernen: Einmal wird die Rinde und Hirnsubstanz bis auf den Tumor eingeschnitten und die Geschwulst herausgeschält. Oder sie wird zusammen mit der umliegenden Hirnmasse umschnitten und entfernt. Die letztere Methode ist besonders einfach und bei Stirnlappen- und Hinterhauptslappentumoren anwendbar. Bei diesen kann der ganze Lappen mit dem Tumor reseziert werden (Lobektomie). Sehr s a f t r e i c h e Tumoren lassen sich durch A b s a u g e n entfernen. Große, tiefliegende Geschwülste kann man so operieren, daß der Tumor zuerst freigelegt wird. Unter der intrakraniellen Druckerhöhung entwickelt er sich und kann dann entfernt werden. Bei inoperablen Tumoren kann durch t e i l w e i s e Entfernung des Tumors eine „innere Entlastung" erzielt werden. Zum Schluß der Operation muß die Dura sorgfältig mit Katgutnähten verschlossen werden. Mußte sie wegen eines infiltrierend wachsenden Tumors entfernt werden, so kann sie durch 6*

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Gehirn

Oberschenkelfaszie ersetzt werden, oder die umgebende Dura wird g e s p a l t e n und in den Defekt eingesetzt. Einige Hirnchirurgen decken den Defekt überhaupt nicht. Bei der osteoplastischen Trepanation wird sodann der Knochenlappen in die Lücke eingefügt. Er wird nicht genäht. Nur bei den sehr dünnen Schädelknochen des Kindes muß er manchmal durch Stahlklammern fixiert werden. Nach einer Gehirnoperation besteht die Gefahr eines Hirnödems (s. gesteigerter Hirndruck). Es wird durch wiederholte Lumbalpunktionen, hochprozentige Traubenzuckerlösungen sowie Euphyllin und salzarme Kost bekämpft. Aus diesem Grunde ist eine genaue B l u t s t i l l u n g bei jeder Hirnoperation notwendig. Ebenso müssen deswegen. Puls, Atmung, Blutdruck, Pupillen und Temperatur sorgfältig überwacht werden.

Nach einer gelungenen Radikaloperation und der Überstellung des postoperativen Gehirnödems bilden sich die intrakraniellen Drucksymptome zurück. Stauungspapille,Kopfschmerzen und Erbrechen verschwinden. Neben der Gefahr des Hirnödems sind Komp l i k a t i o n e n durch Infektion, und von seiten des Herzens, Kreislaufs und der Lunge zu erwarten. Zysten, Neurinome, Meningeome und Fibrome haben eine g ü n s t i g e Operationsprognose. Bei Gliomen und metastatischen Tumoren ist die Prognose im allgemeinen s c h l e c h t . Die Tumoren der Konvexität sind der Operation am zugänglichsten. Geschwülste in der Brücke, im verlängerten Mark, der inneren Kapsel, den Stammganglien und an der Hirnbasis sind häufig überhaupt n i c h t operativ angreifbar. Ist eine kausale Therapie durch Radikaloperation des Tumors nicht möglich, so ist die symptomatische Behandlung anzuwenden. Dabei Abb. 51. Subtemporale Entlastungstrepanation. darf kein Morphium gegeben werDie Skizze zeigt den Hautschnitt den, wenigstens, nicht solange Aussicht auf eine Rettung des Patienten besteht. Morphium kann, bei der an sich schon bestehenden Schädigung wichtiger zerebraler Zentren infolge der Druckerhöhung, durch seine lähmenden Eigenschaften einen p l ö t z l i c h e n Tod herbeiführen. Lumbal- oder Zisternenpunktionen, die beim gesteigerten Hirndruck, z. B. infolge Meningitis, therapeutisch von großer Bedeutung sind, sind beim H i r n t u m o r k o n t r a i n d i z i e r t . Insbesondere bei Tumoren der hinteren Schädelgrube, aber auch bei Geschwülsten anderer Lokalisation besteht die Gefahr der E i n k l e m m u n g der M e d u l l a o b l o n g a t a in das Hinterhauptsloch, wodurch ein s o f o r t i g e r Tod heraufbeschworen wird. Die konservative Therapie beim Hirntumor beschränkt sich auf die D e h y d r i e r u n g (s. Contusio cerebri). Die Entlastungstrepanation (Abb. 51) bei intrakranieller Druckerhöhung infolge Hirntumors (z. B. diffusem Gliom) wird angewendet, wenn durch längeres Abwarten i r r e p a r a b l e S t ö r u n g e n auftreten. Stauungspapillen mit der Gefahr der Erb l i n d u n g und unerträgliche Kopfschmerzen zwingen zu diesem Eingriff. Die

Tumoren der Hirnhäute

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Entlastungstrepanation wird bei inoperablen Tumoren vorgenommen als sog. dekompressive subtemporale Trepanation nach CUSHING. Nach Entfernung eines Knochenfensters von 5 bis 6 cm Durchmesser und Ausschneidung der Dura muß der Schläfenmuskel sorgfältig genäht werden, um einen Vorfall des Gehirns zu verhindern. Die subtemporale Trepanation wird beim Rechtshänder auf der r e c h t e n Seite bevorzugt, da sich auf der linken Seite das Sprachzentrum befindet (s. Anatomie und Physiologie des Gehirns). Wird durch das rechtsseitige Knochenfenster keine genügende Entlastung erzielt, so kann auf der linken S e i t e zusätzlich die Entlastungstrepanation durchgeführt werden. Auf diese Weise wird eine ausgiebige Druckentlastung erzielt, die längere Zeit vorhält. Besonders bei Tumoren in der Mitte der Hirnbasis ist die beiderseitige Entlastungstrepanation erfolgreich. Bei fortgeschrittenen Tumoren des K l e i n h i r n s (z. B. Medulloblastom, s. da) wird die Entlastungstrepanation im Bereich des H i n t e r h a u p t s ausgeführt (Abb. 50B). Bei Tumoren, deren Lokaldiagnose nicht gestellt werden kann, schwinden manchmal nach einer Entlastungstrepanation die im Vordergrund der Erkrankung stehenden Allgemeinsymptome, wie Kopfschmerzen, Erbrechen, Stauungspapille usw. und die L o k a l s y m p t o m e t r e t e n deutlich hervor. Oft ist dann doch noch eine genaue Lokalisation der Geschwulst und damit ihre o p e r a t i v e E n t f e r n u n g möglich. Langsam wachsende Geschwülste, bei denen eine operative Entfernung aus technischen Gründen nicht mehr durchgeführt werden kann, machen oft nach der Entlastungstrepanation jahrelang kaum Beschwerden. R. Tumoren der Hirnhäute Die Meningeome sind die häufigsten Geschwülste der Hirnhäute. Sie machen 13% aller intrakraniellen Tumoren aus. Tumormetastasen von Karzinomen, Melanomen und Sarkomen (s. da), die in den Meningen isoliert auftreten, sind selten. Meist finden sie sich bei generalisierter Aussaat über den Schädel und das Gehirn. Der Ursprung der Meningeome ist noch nicht völlig geklärt. Sie stammen wahrscheinlich von Zellnestern der Arachnoidea ab. Sie können überall iln Gebiet der Dura, Falx cerebri oder des Tentoriums sitzen. Am häufigsten finden sie sich an der K o n v e x i t ä t des Gehirns (Abb. 52). Etwas weniger häufig sind sie an der H i r n b a s i s im Gebiet des Nervus olfactorius, der suprasellären Region und der hinteren Schädelgrube vorhanden. Selten findet man sie im S e i t e n v e n t r i k e l , wo sie gewöhnlich mit Ausnahme ihrer Ursprungsstelle am Plexus chorioideus völlig frei liegen. Charakteristisch für die Meningeome ist, daß sie meistens eine K a p s e l haben. Sie sind g u t a r t i g , entarten aber auch s a r k o m a t ö s und neigen zu Rezidiven. Sie können kleine Knötchen sein und große Geschwülste bilden, die sich in den Hirnhemisphären e x p a n s i v ausbreiten. Hirndruckerscheinungen treten auf. Selten wird das Gehirn infiltrativ durchwachsen. Die Pia mater bleibt intakt und wird bei dem meist langsamen Wachstum der Geschwulst vorgeschoben. Die Dura und der Knochen werden von Meningeomen durchdrungen (Abb. 52). Sie müssen dann bei Operationen mitentfernt werden. Oft finden sich im Gebiet von Meningeomen Hyperostosen (s. da) infolge reaktiver Wucherung des Knochens (Abb. 16). Sie können geringgradige Verdickungen der Tabula interna, aber auch große Auswüchse des knöchernen Schädels bilden. Andererseits werden durch Meningeome Druckerosionen des Schädels hervorgerufen. Die Meningeome sind meist sehr stark d u r c h b l u t e t . Die Arterien stammen aus der Dura und Pia. Die Venen verlaufen in die Dura oder direkt in die großen

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venösen Blutleiter. Die Vaskularisierung beschränkt sich nicht allein auf den Tumor, sondern ergreift auch die weichen und harten Hirnhäute. Große Venen sind manchmal sichtbar. Manche Meningeome sind kugelig, andere, besonders solche im Gebiet der Falx cerebri, bilden flache Geschwülste. Die Oberfläche kann gelappt sein. Meistens sieht die Geschwulst rötlich aus, weil sie in der Kapsel große Gefäße enthält. Die Schnittfläche ist gewöhnlich granuliert. Schnell wachsende Meningeome sind weich, manchmal gelatinös. Sie können Zysten mit gelber, eiweißhaltiger Flüssigkeit enthalten. Die Meningeome bestehen histologisch aus langen, platten Geschwulstzellen mit länglichem Kern. Die Zellen sind teils in Zügen, teils in zwiebelschalenartigen Nestern

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b a s i s und sind mit den Meningen nur durch eine s c h m a e I l B r ü c k e verbunden, was ihre Aufsuchung bei der Operation manchmal sehr erschwe,../ ~ * ren kann. Sie können sehr \ // ^ groß werden. Ihre Oberfläche Y 'v \vl ist höckrig. Bei diesen harten Vi \ \ \\\ Tumoren handelt es sich immer Vis. |\ um g u t a r t i g e Geschwülste Jj S ' im pathologischen Sinne, d.h. sie infiltrieren nicht das umm gebende Gewebe, sondern verdrängen es nur. Sie wachsen langsam. Allerdings läßt Abb. 52. Trepanation bei einem parietalen Meningeom s ich zwischen der Dauer des mit Einbruch in die Dura Bestehens eines Tumors und dessen Größe keine Relation aufstellen. Wegen ihres langsamen Wachstums und der so möglich gewordenen Anpassungsfähigkeit des Gehirns an die Raumbeengung ist es erklärlich, daß meistens erst verhältnismäßig g r o ß e Geschwülste subjektive und klinisch e r f a ß b a r e E r s c h e i n u n g e n machen. Dieses gilt besonders für Tumoren über den sog. s t u m m e n R e g i o n e n des Gehirns. Die weichen Meningeome sitzen meist b r e i t b a s i g den Meningen auf und haben eine unregelmäßige Form. Nicht selten sind die Neubildungen so weich, daß die Tumormassen ohne Schwierigkeit mit dem S a u g e r a u f g e s o g e n werden können, was ihre Entfernung erleichtert, indem sie auf diese Weise ohne erheblichen Blutverlust verkleinert werden. Sie w a c h s e n bedeutend s c h n e l l e r und neigen zu I m p l a n t a t i o n s r e z i d i v e n , wenn sie nicht mit unverletzter Kapsel entfernt werden können, was bei ihrer unregelmäßigen Form manchmal schwierig ist. Die zystischen Meningeome sind als Folge von Gefäßwandveränderungen und so bedingter ischämischer Nekrose mit Blutaustritt aufzufassen. Sie gehören n i c h t zu den unbedingt gutartigen Formen, stellen aber nur einen g e r i n g e n Prozentsatz

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der Meningeome dar. Meist sind sie nicht scharf begrenzt und oft schwer ausschälbar. Die Zysten enthalten eine gelbe, eiweißhaltige Flüssigkeit. Meningeome, die durch Z e l l r e i c h t u m und A u s b l e i b e n von V e r k a l k u n g gekennzeichnet sind, heißen Endotheliome. Die Zellen sind einförmig, rund oder polyedrisch. Die Psammome (Sandgeschwülste) sind gekennzeichnet durch hyaline Umwandlung der zentral gelegenen Zellen und Verkalkung. Es bilden sich dadurch konzentrisch geschichtete S a n d k ö r n e r . Die fibroblastischen Meningeome bilden eine große Gruppe von teils langsam wachsenden, relativ gutartigen Tumoren. Andererseits finden sich unter ihnen bösartige Geschwülste, die schnell wachsen und aus gleichartigen Zellen aufgebaut sind. Diese Zellen sind elliptisch und Sarkomzellen ähnlich. Außer den genannten, häufig vorkommenden Meningeomen, gibt es noch eine Gruppe von selteneren angioblastischen, chondroblastischen, osteoblastischen u n d lipoblastischen Meningeomen.

Die Diagnose der Meningeome stützt sich auf die Zeichen der intrakraniellen Tumoren (s. Symptomatologie der Gehirntumoren). Sie sind Geschwülste des m i t t l e r e n Lebensalters. Da die Mehrzahl der Meningeome langsam wächst, treten die klinischen Zeichen a l l m ä h l i c h in Erscheinung. Manchmal sind schon jahrelang Symptome vorhanden, bevor die Patienten in ärztliche Behandlung kommen. Besonders häufig treten epileptiforme Krämpfe auf. Die Krämpfe beginnen meist im B e i n , da diese Rindenzentren dem Gebiet des häufigsten Tumorsitzes, der Konvexität des Gehirns, am n ä c h s t e n liegen (Abb. 22). Bitemporale Hemianopsie und Sehnervenatrophie (Abb. 59) ohne Zeichen von Störungen der Hypophyse sprechen für ein Meningeom im Gebiet der s u p r a s e l l ä r e n Region. Meningeome im Gebiet des Nervus olfactorius erzeugen durch Druck Anosmie. Häufig findet sich eine Exostose der L a m i n a c r i b r i f o r m i s . E i n s e i t i g e r E x o p h t h a l m u s ohne Pulsation wird durch eine Hyperostose der Augenhöhle hervorgerufen. Diese kann ihrerseits wieder verursacht sein durch ein Meningeom im Gebiet des Temp o r a l l a p p e n s . Stirnhirnmeningeome werden häufig sehr groß bevor, sie Symptome hervorrufen, da sie im Gebiet „stummer Regionen" (s. Anatomie und Physiologie des Gehirns) liegen. Im Gegensatz dazu rufen schon kleinere Tumoren im Gebiet der motorischen Rindenzentren Reizerscheinungen hervor. Für die Differentialdiagnose ist die Röntgenuntersuchung wichtig. Hyperostosen, Vaskularisierung, Kalkherde, die nicht mit der Rinde in Verbindung stehen, sowie Erosionen des Schädels sind für ein Meningeom verdächtig. Aus einer vorhandenen Kalkablagerung kann nicht auf die Gutartigkeit des Tumors geschlossen werden. Die Kalkimprägnierung findet sich in Form der Psammonkörper. Die röntgenologische Sichtbarkeit hängt natürlich von der Menge der eingelagerten Sandkörner ab. Charakteristisch ist eine gewisse Scharfrandigkeit bei körniger Struktur des Kalkschattens. Mit Hilfe der Ventrikulographie ist eine Lokalisation des Tumors möglich. Die Operationsprognose ist günstig, da die Meningeome meist gut abgegrenzt sind. Schwierigkeiten machen die starke Durchblutung der Tumoren und die häufige Nachbarschaft der großen Sinus, die von den Meningeomen durchwachsen werden können. Die Resektion des Knochens und der Dura ist bei Einbruch der Tumormassen notwendig. Die entstandene Schädellücke wird plastisch gedeckt (s. Seite 109). Manchmal ist die Amputation eines frontalen oder temporalen Lappens nötig, um große subfrontale oder subtemporale Meningeome zu entfernen. Bei basalen Meningeomen besteht die Gefahr von Blutung des Sinus cavernosus und der Schädigung der Arteria carotis interna sowie des Chiasma opticum. Meningeome der hinteren Schädelgrube sind wegen der Nachbarschaft der Gehirnnerven oft schwierig zu entfernen. Intraventrikuläre Meningeome müssen transkortikal angegangen werden.

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S. Gehirngeschwülste 1. Gliome Das Gliom ist eine Geschwulst des Zentralnervensystems, die aus der Neuroglia hervorgeht. Vorwiegend finden sich die Gliome im Gehirn. Sie lassen sich makroskopisch oft nur schwer von der eigentlichen Hirnsubstanz unterscheiden, da sie diffus infiltrierend wachsen und eine ähnliche Farbe und Konsistenz wie das Gehirn haben. Es gibt h a r t e , weiche und zystische Gliome. Die harten Gliome bestehen aus einer faserreichen GliaWucherung mit langsamer Wachstumstendenz. Die weichen Gliome sind zellreich und wachsen rasch. Mitosen und mehrkernige Zellen sind oft nachweisbar. In der umgebenden Hirnsubstanz rufen die Gliome Ödem und Erweichung hervor. Sie neigen zu Degenerationen. Blutungen, Nekrosen, Verfettung und schleimiger Zerfall können auftreten. Es bilden sich dadurch Zysten, die mit hellgelber oder sanguinolenter Flüssigkeit gefüllt sind. Durch Hämorrhagien kann das Tumorgewebe rot gesprenkelt werden. Bei Massenblutungen entstehen apoplektische Erscheinungen (apoplelctisches Gliom). Die Gliome neigen im allgemeinen nicht zur Metastasierung. Einige, die Medulloblastome und Spongioblastome metastasieren in den Liquor und können sich dadurch über das gesamte Zentralnervensystem ausbreiten. Die Größe der Gliome schwankt zwischen Haselnuß- und Faustgröße. Manchmal ist ein ganzer Hirnlappen von einem Gliom eingenommen. Die Ganglienzellisn und Nervenfasern bleiben bei dem infiltrierenden Wachstum der Geschwulst häufig noch lange innerhalb des Tumorbereiches erhalten. Es entsprechen daher die neurologischen Ausfallserscheinungen nicht immer der Ausdehnung und dem S i t z der Geschwulst. Infolge ihrer schlechten Begrenzung lassen sich die Gliome nicht ausschälen. Die günstigste Operationsprognose, haben die Astrozytome und Oligodendrogliome. Die Prognose der Glioblastome und Medulloblastome ist infaust. Neben der Art des Tumors ist sein S i t z von ausschlaggebender Bedeutung. So sind z. B. Tumoren der Brücke und Medulla sowohl ihres Sitzes wegen, als auch infolge ihres raschen Wachstums und der Neigung zur Metastasierung in die Liquorräume, besonders bösartig. Im einzelnen werden die Gliome nach ihrer vorherrschenden Z e l l a r t unterschieden. Es besteht eine Gesetzmäßigkeit im Formbild und Sitz der Gliome. Sie ist für die Prognose und Behandlung ausschlaggebend. Die häufigsten Gliome sind: a) (ilioblastoma multiforme. Es ist das b ö s a r t i g s t e Gliom und wächst sehr schnell. Etwa 25% aller im Schädelinneren befindlichen Gliome sind multiforme Glioblastome. Sie treten im mittleren und späteren Lebensalter auf. Ihr Lieblingssitz ist in den Hemisphären (Abb. 53). Besonders die T e m p e r o f r o n t a l g e g e n d wird befallen. Daher sind S p r a c h s t ö r u n g e n und psychische Veränderungen häufig vorhanden. Daneben finden sich allgemeine H i r n d r u c k s y m p t o m e , wie Kopfschmerzen und Erbrechen. Stauungspapillen können fehlen. Verschiedene Pupillenweite ist ein Frühsymptom. Sie zeigt einen Einbruch des Tumors in den Balken an. Nekrosen und kleine Blutungen in und um den Tumor können H e m i p l e g i e n hervorrufen und dadurch die Differentialdiagnose erschweren. Die Dura wird nicht von dem Tumor durchwachsen. Er liegt s u b k o r t i k a l . Im Subarachnoidealraum ist über dem Tumor meist kein Liquor vorhanden. Die Rinde zeigt bei der Palpation eine abnorme K o n s i s t e n z und sieht a n ä m i s c h aus. Oft kann der Tumor nur durch H i r n p u n k t i o n festgestellt werden. Beim Ein-

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tritt in den Tumor läßt sich die Kanüle leichter vorschieben als in normaler Hirnsubstanz. Nach Inzision über dem Tumor findet sich eine v a s k u l a r i s i e r t e Masse von wechselnder Konsistenz. Sie kann gelatinös sein und Nekrosen von gelber oder graugrüner Farbe enthalten. B l u t u n g e n in den Tumor sind häufig vorhanden (apoplektiformes Olioblastom) und führen zu einer braunroten Verfärbung. In der Gesch wulst peripherie treten sinusartige Gefäßer Weiterungen auf, die sich auch a r t e r i o g r a p h i s c h darstellen lassen. Wächst der Tumor in die Tiefe, so b r i c h t er in die V e n t r i k e l ein. Dadurch stellen sich oft erst klinische Erscheinungen ein. Mikroskopisch besteht der Tumor aus kleinen spindelförmigen Zellen mit ovalen Kernen. Vielkernige Riesenzellen sind oft nachweisbar. Mitosen sind zahlreich vorhanden. Außerdem finden sich alle embryonalen Formen der Gliazellen. Die Behandlung ist symptomatisch. Eine Radikaloperation des Tumors ist unmöglich. Durch Entfernung möglichst großer Tumorteile kann eine „innere Entlastung" angestrebt werden. Auch die subtemporale Entlastungstrepanation (Abb. 51) wird ausgeführt. Der Zugang zum Tumor muß durch stumme Zonen gewählt werden. Vom Stirnhirn, Scheitel- und Hinterhirn darf nur soviel entfernt werden, daß kein neuer Schaden entsteht. Manchmal läßt sich der Tumor durch Lobektomie entfernen. b) Astrozytome. Es ist die größte Gruppe der Gliome, etwa 30%. Häufig treten sie im Kleinhirn auf. Es sind relativ g u t a r t i g e Geschwülste. Eine Ausnahme davon machen die infiltrativ und schnell wachsenden Astrozytome beider Hemisphären, die bei Kindern und Erwachsenen auftreten können. Sie haben eine hoffnungslose Prognose, da sie in die großen Kerne, häufig auch der anderen Seite, eindringen. Eine Radikaloperation ist bei ihnen daher nicht möglich. Auch durch Röntgenbestrahlung sind sie nicht zu beeinflussen. Die Astrozytome bestehen aus einem Netzwerk von Astrozyten. Mitosen sind selten vorhanden. Die Astrozytome wachsen langsam und sind wenig d u r c h b l u t e t . Sie sind je nach Unterart relativ scharf abgegrenzt. Ihre Farbe ist weißlich-speckig. Sie sind von fester, selten weicher Konsistenz. Manchmal finden sich im Tumor kleine Kalkherde. Häufig sind die Astrozytome z y s t i s c h (Abb. 54). Die Zysten enthalten eine gelbe xanthochromatische, manchmal schleimige Flüssigkeit. Die Zysten können oberflächlich oder tief liegen. Die Astrozytome der Großhirnhemisphären (Abb. 54) finden sich besonders im T e m p o r a l l a p p e n iin Gebiet des Gyrus prae- und postcentralis (Abb. 22a). Rindenepilepsie wird daher häufig durch Astrozytome verursacht. Selten breiten sich die Astrozytome weit in das Gehirn aus. Liegt der Tumor unter der Oberfläche,

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so sind d ü n n e G e f ä ß e bei einem v e r g r ö ß e r t e n H i r n l a p p e n auf ein Astrozytom verdächtig. Die Grenze zwischen Tümor und normalem Gewebe ist bei den Astrozytomen des Großhirns oft schwer festzustellen. Die Astrozytome des Kleinhirns können von der W a n d des 4. V e n t r i k e l s ausgehen und sich in ihm ausbreiten, oder sie liegen im W u r m oder am häufigsten in einer K l e i n h i r n h e m i s p h ä r e . Sie sind scharf begrenzt, haben aber keine Kapsel. Selten greift der Tumor au/ die andere Seite über. Der Wurm kann jedoch verdrängt werden. Im Röntgenbild können, sie Verkalkungen aufweisen. Kleinhirnastrozytome verursachen Ataxie mit zerebellarem Gang, Fallen nach der Seite der Erkrankung usw. (s. Gehirnanatomie und Physiologie und Abb. 74). Bei Kleinhirnastrozytomen (Vorzugsalter 5.—15. Lebensjahr) sind die Nähte des Schädels breit, die Windungen atrophisch. Hydrocephalus obstructivus (s. da) ist häufig vorhanden. ^ — I n f o l g e des langsamen s ^ l \I Wachstums der Astrozytome \ ' A U ^v treten die klinischen ErscheiX r MK A nungen allmählich auf. X i Hirndrucksymptome, wie f* V" • \ Stauungspapille und Opti/ ^ ^ \ kusatrophie stellen sich erst v^^k " r^aafr^ ~ ^ \ der Zeit ein. Manchmal '; X V \—•( \ ,

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Abb. 54. Zystisches Astrozytom mit Kompression des Seiten Ventrikels

gnose erschwert werden kann. Meist findet sich eine Anamnese von vielen Jahren, bevor der Tumor entdeckt wird. Aus diesem Grunde ist er häufig. schon sehr groß und darum schwierig zu entfernen.

D i e Therapiehestehtiu der Operation, die die .Patienten meist gut vertragen. Die P r o g n o s e i s t g u t , wenn der Tumor nicht zu spät entdeckt wird. Allerdings können Astrozytome rezidivieren. Die Entfernung des Tumors ruft wegen der geringen Vaskularisierung kaum Blutungen hervor. Große Zysten, die oft geringe Symptome machen, werden punktiert und eröffnet. Da die oberflächlichen Gefäße über tiefliegenden Astrozytomen verengt sind, sieht die Rinde blaß aus. Außerdem ist häufig infolge der darunterliegenden Zyste eine Fluktuation palpabel. Gelatinöse Tumorteile können abgesaugt werden. Die soliden Tumorteile müssen im ganzen herausgeschält oder stückweise entfernt werden. Eine ausgedehnte Entfernung der Geschwulst ist nötig. In der Sprachund motorischen Region muß man jedoch konservativer vorgehen. Astrozytome des Kleinhirns werden doppelseitig von der hinteren Schädelgrube aus angegangen (Abb. 50B), da oft die Seitendiagnose nicht sicher ist. Befindet sich der Tumor am Boden des 3. Ventrikels, und ist eine Liquorblockade vorhanden, so kann der Zugang zur Geschwulst durch Entfernung des Stirnhirns gewählt werden. c) Medulloblastome. Sie treten in der K i n d h e i t auf und finden sich bei K n a b e n h ä u f i g e r als bei Mädchen. Selten leiden Erwachsenen an einem Medulloblastom. Der charakteristische Sitz der Geschwulst ist das D a c h des 4. V e n t r i k e l s (etwa

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5 % der Gliome). Das Metulloblastom im Dach des 4. Ventrikels breitet sich in den Wurm aus. E s w ä c h s t s e h r s c h n e l l und v e r l e g t f r ü h z e i t i g d e n V e n t r i k e l a b f l u ß . Der Tumor sieht grau aus, ist weich, nicht gut durchblutet. E r ist zellreich und enthält zahlreiche Mitosen. Die Zellen ähneln denen eines Lymphosarkoms. Die Kerne sind dunkel, wenig Protoplasma ist vorhanden. Der Tumor neigt zur M e t a s t a s i e r u n g i n d e n s u b a r a c h n o i d e a l e n R a u m und breitet sich dadurch über das ganze Zentralnervensystem aus. Klinisch treten infolge des raschen Tumorwachstums s c h n e l l Erscheinungen auf. Schwierigkeiten beim Gehen, Stolpern, Fallen und schließlich Taumeln sind vorhanden. Die A t a x i e t r i t t hauptsächlich in den Beinen, weniger in den Armen auf. D r u c k s y m p t o m e , wie Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Stauungspapille und Hämorrhagien in die Netzhaut sind frühzeitig vorhanden. I m Endstadium findet sich Erblindung. Herdsymptome gibt es selten. Bei Metastasierung werden s p i n a l e Z e i c h e n (Wurzelschmerzen der Cauda equina usw.) beobachtet. Die Therapie beschränkt sich auf die Entlastungstrepanation (Abb. 51). Bei den Medulloblastomen des Wurmes wird sie beiderseitig im Bereich der hinteren Schädelgrube ausgeführt (Abb. 50B). Eventuell kann soviel von dem Tumor entfernt werden, daß die Liquorwege wieder durchgängig werden. Der Tumor ist sehr s t r a h l e n e m p f i n d l i c h . Die Röntgentiefenbestrahlung m u ß wegen der ausgedehnten Metastasierung über das ganze Zentralnervensystem ausgedehnt werden. Trotzdem ist die P r o g n o s e s o h l e c h t . Meist t r i t t spätestens nach zwei J a h r e n der Tod ein. d) Spongioblastoma polare. Diese Geschwülste machen 2—4% aller Gehirntumoren der K i n d h e i t aus und finden sich in der B r ü c k e , dem N e r v u s o p t i c u s , dem C h i a s m a und K l e i n h i r n . Sie sehen grau aus, w a c h s e n l a n g s a m und sind wenig durchblutet. Mikroskopisch besteht der Tumor aus uni- oder bipolaren S p o n g i o b l a s t e n . Spongioblastome der Brücke breiten sich häufig in die Medulla oblongata und das Mittelhirn aus. Sie wachsen in die B a h n e n d e s G e h i r n s t a m m e s , zerstören oder drücken sie. Meist brechen sie an der Unterseite der Brücke nach außen durch. V e r s c h l e i m u n g u n d Z y s t e n b i l d u n g ist häufig. Manchmal verkalkt das anliegende Hirngewebe. Komprimieren sie den 4. Ventrikel, so verursachen sie einen H y d r o c e p h a l u s o b s t r u c t i v u s . Im Großhirn wachsen sie von der seitlichen Wand des 3. Ventrikels gegen die mittlere Wand des Unterhorns. Eine h o h e i n t r a k r a n i e l l e D r u c k e r h ö h u n g ist oft vorhanden. Die Diagnose der am häufigsten im Hirnstamm vorkommenden Spongioblastome ergibt sich aus ihrem Sitz. Meist findet sich als frühestes Sympton die L ä h m u n g e i n e s H i r n n e r v e n . Infolge des gesteigerten Hirndrucks tritt besonders E r b r e c h e n auf. Später findet sich eine S t a u u n g s p a p i l l e und röntgenologisch ist ein K l a f f e n d e r N ä h t e am kindlichen Schädel nachweisbar. Schließlich zeigen sich Störungen von Seiten der P y r a m i d e n b a h n e n infolge des auf sie ausgeübten Druckes. Die Prognose der Spongioblastome ist h o f f n u n g s l o s , obwohl der Tumor relativ gutartig ist. Jedoch ist er meist operativ nicht angreifbar. Befindet er sich im Sehnerven, so ist eine radikale Operation möglich, allerdings unter I n k a u f n a h m e einer Erblindung. Manchmal ist durch eine Entlastungstrepanation eine vorübergehende Besserung der Beschwerden möglich. e) Oligodendrogliom. Es ist eine kleine Gruppe von etwa 5 % der Gliome, die vor allen Dingen im G r o ß h i r n wächst. Sie sind oft sehr groß und befinden sich im Stirnlappen und im Schläfenlappen im Gebiet der motorischen Region. Sie

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w a c h s e n l a n g s a m . Die H i r n r i n d e zeigt ü b e r d e m T u m o r eine r ö t l i c h b r a u n e V e r f ä r b u n g . Die Geschwülste sitzen n a h e der O b e r f l ä c h e . H ä u f i g e n t h a l t e n sie Z y s t e n u n d K a l k h e r d e . D a n e b e n finden sich a u c h m a n c h m a l verschleimende Abschnitte. M i k r o s k o p i s c h bestehen die Oligodendrogliome a u s r u n d e n Zellen mit rundem Kern u n d massigem Protoplasma. Die Oligodendrogliome t r e t e n im m i t t l e r e n Lebensalter auf, selten in der K i n d heit. H i r n d r u c k s y m p t o m e sind o f t die ersten Anzeichen. Sie finden sich s p ä t , w e n n der T u m o r m a n c h m a l schon sehr groß ist. Die K a l k e i n l a g e r u n g e n sind röntgenologisch nachweisbar. P a t i e n t e n m i t t l e r e n Alters m i t K r ä m p f e n u n d ohne i n t r a kranielle D r u c k e r h ö h u n g sind auf ein Oligodendrogliom v e r d ä c h t i g . f) Ependymome. Sie bilden eine kleine G r u p p e v o n e t w a 5 % d e r Gliome. A m häufigsten k o m m e n sie in den V e n t r i k e l n vor. A b e r sie k ö n n e n a u c h in d e n Großh i r n h e m i s p h ä r e n a u f t r e t e n . D a n n befinden sie sich in der Gegend der Ventrikel w ä n d e . M a n c h m a l liegen sie i m Gebiet des B a l k e n s , zwischen d e n H e m i s p h ä r e n . Sie sind scharf a b g e g r e n z t u n d gehen v o n d e n E p e n d y m z e l l e n aus. I h r e Oberfläche ist k n ö t chenförmig. Sie sind h a r t , sehen i m S c h n i t t s c h e c k i g aus, d a u m die G e f ä ß e tumorzellfreie Z o n e n e r h a l t e n bleiben. Z y s t e n s i n d häufig. Die E p e n d y m o m e d e r S e i t e n v e n ventrikel d e h n e n diese d u r c h i h r W a c h s t u m \ m i / u n d d u r c h Blockade der Liquorabfiußwege a u s (Abb. 55). D a s S e p t u m i n t e r v e n t r i c u l a r e Vy f wird n a c h der gegenüberliegenden Seite verd r ä n g t . E i n H y d r o z e p h a l u s (s. d a ) ist d a h e r eines der f r ü h e s t e n Zeichen dieses T u m o r s . Befindet er sich i m 3. Ventrikel, so t r e t e n frühzeitig H i r n d r u c k s y m p t o m e Abb. 55. Blockade der Liquorwege mit auf. Diese sind sonst n i c h t besonders ausErweiterung eines Seitenventrikels durch g e p r ä g t . Sitzt der T u m o r in d e n H e m i einen intraventrikulären Tumor sphären, so finden sich epileptische Anfälle oder Ausfälle i m Gesichtsfeld. E p e n d y m o m e im 4. Ventrikel gehen häufig v o n dessen B o d e n a u s u n d komprimieren den H i r n s t a m m . E p e n d y m o m e finden sich bei Jugendlichen, seltener bei E r w a c h s e n e n Sie sind relativ g u t a r t i g u n d lassen sich meist völlig e n t f e r n e n . Die Operation g e s t a l t e t sich so, d a ß die H i r n s u b s t a n z inzidiert wird. Liegt d e r T u m o r i m 4. Ventrikel, so ist die N a c h b a r s c h a f t des G e h i r n s t a m m e s wegen der lebenswichtigen Z e n t r e n gef ü r c h t e t . Bei T u m o r e n i m Gebiet des 3. Ventrikels d ü r f e n dessen W ä n d e n i c h t verletzt werden, d a sonst die G e f a h r einer 'postoperativen Hyperthermie besteht (s. A b b . 23). Die G r o ß h i r n e p e n d y m o m e , die o f t Biesenzysten bilden, h a b e n eine schlechtere p o s t o p e r a t i v e Prognose wegen i h r e r B e z i d i v n e i g u n g u n d der G e f a h r d e r Verschleppung von Geschwulstteilen in die L i q u o r r ä u m e . g) Pinealome. Sie gehen von der Z i r b e l d r ü s e aus, sind selten u n d t r e t e n i n der V i e r h ü g e l g e g e n d , i m W u r m u n d Vorderteil des 4. Ventrikels auf. M a n c h m a l befinden sie sich n e b e n d e m Balken i m h i n t e r e n Teil des 3. Ventrikels. Sie sind d e r b , selten weich u n d wachsen infiltrierend.

Gehirngeschwülste

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Sie finden sich bei j u n g e n Menschen. Ausgeprägter H i r n d r u c k und häufig frühzeitiger H y d r o z e p h a l u s sind vorhanden. Infolge ihres Sitzes in der Vierhügelgegend, dem Ursprungsgebiet des Nervus oculomotorius (s. Abb. 24), wird ein V e r l u s t d e r A u g e n b e w e g u n g n a c h a u f w ä r t s hervorgerufen. Oft ist beiderseitige T a u b h e i t vorhanden. Bei Knaben verursachen sie häufig die Symptome der Pubertas praecox. Wenn der Tumor auf Röntgentiefenbestrahlung nicht anspricht, muß er chirurgisch angegangen werden. Er ist schwer entfernbar. h) Plexuspapillome gehen vom Plexus chorioideus aus und finden sich daher i n t r a v e n t r i k u l ä r . Am häufigsten treten sie im 4. Ventrikel auf oder sie liegen im Kleinhirnbrückenwinkel, in den sie von dem lateralen Rezessus des 4. Ventrikels aus gelangen. Sie sind zottig, äußerst blutreich, rötlich. Im Großhirn können sie sich von den Seitenventrikeln in den dritten Ventrikel ausbreiten. 2. D y s e m b r y o m e a) Teratome finden sich selten. Sie haben einen e x t r a z e r e b r a l e n Sitz, können aber auch i n t r a v e n t r i k u l ä r , in der Z i r b e l d r ü s e und H y p o p h y s e vorkommen. An dem Aufbau des Tumors sind m e h r e r e Keimblätter beteiligt. b) Dermoide und Epidermoide ( P e r l g e s c h w ü l s t e , C h o l e s t e a t o m e ) stammen von versprengten und abgeschnürten Keimen des E k t o d e r m s ab. Die Unterscheidung zwischen einem Epidermoid und Dermoid ist von der Art des epithelialen Einschlusses abhängig (s. Geschwülste der weichen Schädeldecken). Die Geschwülste entwickeln sich an der S c h ä d e l b a s i s und entstehen e x t r a z e r e b r a l . Sie gehen von der Dura oder vereinzelt vom Plexus chorioideus aus. Von den Cholesteatomen des O h r e s müssen sie anatomisch und klinisch u n t e r s c h i e d e n werden. Sie finden sich in der Gegend des B u l b u s o l f a c t o r i u s , K l e i n h i r n b r ü c k e n w i n k e l s und seltener am Balken. Treten sie in der suprasellären Region auf, so kann durch sie eine bitemporale Hemianopsie und eine langsam zunehmende Optikusatrophie verursacht werden. Die Sella turcica ist im Röntgenbild normal. Verkalkungen der Geschwulst in Form massiver, unregelmäßiger Ablagerungen sind röntgenologisch häufig nachweisbar. Die Oberfläche der Dermoide und Epidermoide ist knötchenförmig. Sie haben eine dünne bindegewebige Kapsel mit Plattenepithel und sind gekammert. I m Inneren enthalten sie Cholesterintafeln und Fettnadeln sowie abgestoßene verhornte Schuppen, die geschichtet übereinanderliegen. Aus diesem Grunde haben sie einen p e r l m u t t e r a r t i g e n G l a n z , Blutgefäße sind n i c h t vorhanden. Die Patienten befinden sich in g u t e m Allgemeinzustand und werden daher häufig erst operiert, wenn die Optikusatrophie schon w e i t fortgeschritten ist. Die Geschwülste lassen sich relativ leicht entfernen. Nur bei t o t a l e r E n t f e r n u n g d e r K a p s e l ist eine Dauerheilung ohne Rezidivgefahr zu erwarten. 3. K o l l o i d z y s t e n Sie entspringen vom Plexus chorioideus und finden sich in dem vorderen Teil des 3. Ventrikels. Gewöhnlich blockieren sie das Foramen interventriculare (Abb. 55). Sie sind meist klein, rufen aber f r ü h z e i t i g D r u c k s y m p t o m e infolge Blockade der Liquorwege hervor. Eine frühe chirurgische Behandlung wird deswegen im allgemeinen eingeleitet.

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Gehirn

4. F i b r o m e und S a r k o m e sind p r i m ä r in der Schädelhöhle n i c h t häufig im Vergleich zu anderen Geschwülsten des Gehirns und der Hirnhäute. Meist brechen Sarkome s e k u n d ä r von den Nasennebenhöhlen in die Schädelhöhle ein (s. Kiefersarkome). Es gibt aber auch Sarkome, die primär von der A d v e n t i t i a der Hirngefäße ausgehen und diffus auf dem L i q u o r w e g e m e t a s t a s i e r e n . Die dadurch entstehende S a r k o m a t o s e d e r M e n i n g e n muß von der Metastasierung der Medulloblastome (s. da) differentialdiagnostisch unterschieden werden. Selten treten Sarkome im Kleinhirn auf. 5. M e t a s t a s e n treten meist m u l t i p e l auf. Am häufigsten gehen sie von Bronchialkarzinomen aus. Eine sorgfältige Röntgenuntersuchung der Lunge ist daher bei Verdacht auf Hirnmetastasen erforderlich. Auch Mamma-, seltener Magen-, Prostata- und Hypernephrome können Metastasen im Gehirn absiedeln. Karzinommetastasen sind fest. Ihr Zentrum ist oft nekrotisch oder zystisch. Durch Zerfall und Blutung können die Erscheinungen einer A p o p l e x i e hervorgerufen werden. Auch epileptische Anfälle werden ausgelöst, wenn sich die Metastase im Bereich der motorischen Region befindet. Die Metastasen sehen grau aus und sind gut abgegrenzt. Sie lassen sich leicht enukleieren. M e l a n o m m e t a s t a s e n treten multipel im Gehirn auf. Sie rufen eine starke intrakranielle D r u c k e r h ö h u n g hervor. Sie sind scharf abgegrenzt, stark vaskularisiert und bluten leicht. Sie sind charakteristisch gefärbt. Melanome werden im Gehirn oft früher entdeckt als ihr Primärherd. Die neurologischen Herderscheinungen sind unbestimmt. Hirndrucksymptome sind immer vorhanden. Einzelabsiedlungen sind bei allen Metastasen eine Seltenheit. Außer in der Hirnsubstanz breiten sie sich oft in den Meningen flächenhaft aus. Infolgedessen wird ein operativer Eingriff nur selten zum Erfolg führen. 6. P a r a s i t e n Gelangen die Eier des B a n d w u r m s in den Darm des Menschen, so wandert der Embryo nach Auflösung seiner Kapsel unter Einwirkung des Magensaftes durch die Darm wand auf den Blut- oder Lymph wegen in die verschiedensten Organe. In etwa 9 Wochen entwickelt sich dort der Embryo zur Jugendform der Taenia solium, dem Cysticercus cellulosae. Der Cysticercus cellulosae siedelt sich außer in der M u s k u l a t u r besonders gern im G e h i r n an. Vom umgebenden Gewebe wird unter Entzündungserscheinungen um ihn eine K a p s e l gebildet, die aber i m G e h i r n oft wenig ausgeprägt ist. J e nach dem Ort der Ansiedlung des Parasiten im Gehirn treten die Krankheitssymptome auf. R i n d e n e p i l e p s i e , Verlegung des Aquaeductus cerebri im vierten Ventrikel mit Blockbildung und H y d r o z e p h a l u s , B a s a l m e n i n g i t i s und häufig Erscheinungen wie beim H i r n t u m o r können durch Zystizerken verursacht werden. Die gleichen Erscheinungen, jedoch viel s e l t e n e r , werden durch die Embryonen des Hundebandwurms (Taenia echinococcus) hervorgerufen. Auch sie werden auf dem Blutwege in das Gehirn verschleppt und entwickeln sich dort zu den charakteristischen E c h i n o k o k k u s z y s t e n . Die Therapie der Hirnparasiten besteht nach Möglichkeit in der E x t i r p a t i o n d e r B l a s e n . Meist sind jedoch m u l t i p l e Parasiten vorhanden, die eine erfolgreiche operative Behandlung unmöglich machen.

Geschwülste, Anomalien und Entzündungen der Gehirngefäße

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7. Granulome a) Konglomerat- oder Solitärtuberkel machen einen Teil aller zerebralen „Geschwülste", besonders im Kindesalter aus. K l e i n e Tuberkel sind häufig m u l t i p e l und befinden sich an der Oberfläche des Gehirns. Größere Tuberkel liegen meist i n t r a z e r e b r a l . Die Tuberkel haben eine kugelige oder ovaläre Gestalt und sind gut gegen die umgebende Hirnsubstanz abgegrenzt. Sie gehen meist von den Gefäßscheiden aus. Auf dem Durchschnitt findet sich ein Zentrum verkäster Massen, seltener eine Erweichung. Tuberkelbazillen sind oft nachweisbar. Ruhende Knoten können verkalken. Als Komplikation tritt häufig eine meist tödlich endende t u b e r k u l ö s e Meningitis auf. Sie wird durch Fortschreiten der Tuberkel in die Pia hervorgerufen, wodurch eine Kontaktinfektion erfolgen kann. Am häufigsten werden die Tuberkel im Kleinhirn, der Brücke, den Stammkernen, seltener in der Hirnrinde gefunden. Da der großknotige Hirntuberkel die Metastase einer anderweitigen, oft geringfügigen Tuberkulose darstellt, ist meist gleichzeitig ein weiterer tuberkulöser Herd im Körper nachweisbar. Die Diagnose ergibt sich daher aus demBefallensein des K ö r p e r s an anderen S t e l l e n , besonders den zervikalen Drüsen, Lungen, Pleura, Knochen und Gelenken. Tuberkel wirken wie Hirntumoren durch Verdrängung und E a u m beengung. Sitzen sie in der hinteren Schädelgrube, so findet sich häufig ein Hydrozephalus. Tuberkel lassen sich leicht ausschälen, da die angrenzende Hirnsubstanz erweicht oder ödematös ist. Die Operation einzelner Tuberkel unter Streptomycinschutz ist daher aussichtsvoll. b) Gummata. Sie waren früher häufige Tumoren und machen jetzt weniger als 2% der Hirngeschwülste aus. Sie sind ein Zeichen tertiärer Syphilis und gehen von den weichen Hirnhäuten in der Tiefe der Hirnfurchen aus. Ihr Lieblingssitz ist an der Basis der Stirn- und Schläfenlappen und an der Brücke. Sie zeigen unregelmäßige Buckel und eine zentrale gummiartige Nekrose. Hirndrucksymptome sind vorhanden. Die serologischen Untersuchungen des Blutes können negativ sein. Die Diagnose ergibt sich aus der Anamnese oder bei serologischer Untersuchung nach P r o v o k a t i o n . Spezifische Behandlung ist nicht immer aussichtsvoll. Dann ist die chirurgische Entfernung des Gummas angezeigt. Rezidive treten nicht auf. T. Geschwülste, Anomalien und Entzündungen der Gehirngefäße 1. H ä m a n g i o b l a s t o m e (LiNDAUsche Tumoren) Sie gehen aus von den Blutgefäßen der Leptomeninx des K l e i n h i r n s und befinden sich besonders häufig im Gebiet der Hemisphären. Auch auf der Hinterseite der Medulla oblongata können sie auftreten. Sie bestehen aus kleinen Knötchen an der Oberfläche des Kleinhirns. Es sind echte Neubildungen, die aus endothelialen Elementen zusammengesetzt sind. Der eigentlichen Geschwulst ist eine große Zyste, die mit gelber Flüssigkeit gefüllt ist, angelagert. An den Randzonen wächst die Geschwulst kapillär in das Gehirn vor. Die Hämangioblastome wachsen verdrängend. Zeichen von Kleinhirnschädigung sind nur geringgradig vorhanden. Häufig sind Hämangioblastome mit H ä m a n giomen der Retina, Zysten der Leber und Nieren sowie vaskulären Neoplasmen irgendwo in Zentralnervensystem verbunden. In vielen Fällen spielt die Vererbung eine Rolle. Für die Diagnose sind die Veränderungen der R e t i n a sowie zerebellare Störungen von ausschlaggebender Bedeutung.

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Gehirn

2. H ä m a n g i o m e müssen von den H ä m a n g i o b l a s t o m e n des Kleinhirns unterschieden werden. Sie sind Gefäßveränderungen in Geschwulstform. Zusammengesetzt sind sie aus normalen Gefäßen, bei denen manchmal nur eine mikroskopisch sichtbare Irregularität des Aufbaues der Intima oder Adventitia vorhanden ist. Das Verhältnis von venösen und arteriellen Anteil ist bei jedem Hämangiom verschieden. Es finden sich Hämangiome, die fast völlig aus erweiterten Venen zusammengesetzt sind (Hämangioms cavernosum); oder die Hämangiome bestehen aus Gefäßen, die sich wurmartig und pulsierend ineinander verschlingen (Angioma racem'osum). Zwischen diesen beiden Extremen finden sich zahlreiche Ü b e r g ä n g e (Einzelheiten s. Angiome des Gesichts). Hämangiome haben die Tendenz zu v e r k a l k e n . Die Verkalkung tritt sowohl in den Arterien als auch in den Venen auf und ist r ö n t g e n o l o g i s c h nachweisbar. Die Hämangiome wachsen langsam. Spontanrupturen kommen daher nicht vor. Im Liquor findet sich deshalb im Gegensatz zu den Aneurysmen (s. da) kein Blut. Sehr häufig sitzen die Hämangiome im Bereich der Hirnrinde und rufen als Fernsymptome K r ä m p f e , seltener andere Herdsymptome hervor. Die Krämpfe können lokalisiert oder generalisiert sein. Bei a n g e b o r e n e n Hämangiomen finden sich die Krämpfe schon sehr f r ü h z e i t i g . Häufig wird dann die Fehldiagnose einer ideopathischen Epilepsie gestellt. Eine intrakranielle Druckerhöhung ist selten vorhanden, da das Wachstum der Geschwulst langsam ist und kompensiert wird. Befindet sich ein Hämangiom r e t r o b u l b ä r , so ist ein einseitiger, häufig „ p u l s i e r e n d e r E x o p h t h a l m u s " (s. Aneurysmen) vorhanden. G e r ä u s c h e sind nur dann hörbar, wenn große arterio-venöse Verbindungen bestehen. Es ist das charakteristische Gurgeln mit systolischer Betonung. Aber selbst große arterio-venöse Verbindungen brauchen keine Geräusche hervorzurufen. Für die Diagnose wichtig sind Hämangiome an a n d e r e n Stellen des Körpers, besonders der K o p f - und G e s i c h t s h a u t . Diese angeborenen Gefäßanomalien müssen bei Patienten mit Krämpfen den Verdacht auf ein intrakranielles Hämangiom hervorrufen. Die V e n t r i k u l o g r a p h i e und A r t é r i o g r a p h i e können die Diagnose weiterhin klären. Die chirurgische Behandlung der Hämangiome ist schwierig. Verursachen sie häufig Krämpfe oder andere neurologische Herderscheinungen, so sollten sie radikal entfernt werden, obwohl die Operation r i s k a n t ist. Liegen sie im Bereich der Brücke oder der Dorsalseite der Medulla oblongata, besonders im Gebiet des Bodens des 4. Ventrikels, so ist ihre Entfernung äußerst gefahrvoll und kaum durchführbar. Manchmal ist eine Entfernung der Geschwulst durch Lobektomie möglich. Die Entlastungstrepanation ist nicht erfolgreich, mit Ausnahme sehr ausgedehnter Hämangiome, bei denen eine Erhöhung dés Hirndruckes auftreten kann. Vor der Operation kann die A r t e r i a c a r o t i s i n t e r n a p r ä l i m i n a r u n t e r b u n d e n werden. Dann muß vorher geprüft werden, ob die Hirndurchblutung durch einen ausreichenden K o l l a t e r a l k r e i s l a u f gesichert ist. Treten bei Kompression der Arteria carotis interna während 10 Minuten keine sensorischen oder motorischen Phänomene auf, so kann die Ligatur gewagt werden. Andernfalls muß der Patient durch zeitweiligen Druck auf die Arterie vor der Operation einen ausreichenden Kollateralkreislauf herstellen. 3. A n e u r y s m e n Sie treten im Gebiet des Circulus arteriosus cerebri (Abb. 25), besonders der Arteria carotis interna, cerebri media und basialis auf. Ferner finden sie sich an der Arteria ophthalmica interna. Häufig liegt das Aneurysma an der Teilungsstelle der Arterien. Vielfach sind die Aneurysmen m u l t i p e l .

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Geschwülste, Anomalien u n d E n t z ü n d u n g e n der Gehirngefäße

Die Ursache der Gehirnaneurysmen ist nicht völlig geklärt. Bei jungen Menschen können sie durch S y p h i l i s verursacht sein. Am häufigsten findet sich ein k o n g e n i t a l e r D e f e k t im Bereich der Muskularis. Bei älteren Patienten spielt die A t h e r o s k l e r o s e eine wichtige Rolle. Ferner können Aneurysmen hervorgerufen werden durch E m b o l i e n undPrakturenderSchär delbasis. *-*—aDie klinischen Erscheinungen bestehen in allgemeinen und lokalen Hirnsymptomen. Die meisten intrakraniellen Aneurysmen verursachen m i g r ä n e a r t i ge Zustände mit Kopfschmerzen, Schwindel und } MIgt | | J i k a H Erbrechen. Die Anfälle treten p e r i o d i s c h mit mehrwöchigen oder monatlichen iJkjfl Unterbrechungen auf. Man • . ' . , unterscheidet einen apoplektiformen und einen paralytischen Typ der Erkran. kung. Der apoplektiforme • Typ r u f t seine Erscheinungen durch die auftretende Subarachnoidealblut u n g (Einzelheiten s. da), der paralytische durch die L ä h m u n g einzelner dem Aneurysma benachbarte Hirnnerven hervor. Die Symptome der Aneurysmen bei dem paralytischen Typ der Erkrankung variieren je nach dem Sitz. Aneurysmen der Arteria carotis interna bei ihrem E i n t r i t t in den Schädel verursachen Läsionen der Nervi trochlearis, trigeminus und abducens und rufen daher in deren Ausbreib tungsgebieten Lähmungen, Abb. 56 a u n d 6. Ventrikulogramm bei einem kongenitalen bzw. Parästhesien hervor. arteriovenösen Aneurysma. Auf der seitlichen A u f n a h m e (6) charakteristische ringförmige Verkalkung Aneurysmen der Arteria carotis interna an der A b g a n g s s t e i l e d e r A r t e r i a o p h t h a l m i c a i n t e r n a zeigen dieselben Symptome wie Tumoren im Gebiet der Hypophysenregion (s. da). Ausfälle im Gesichtsfeld können auftreten. Jedoch kommen bei Patienten mit Tumor keine Zeichen einer Blutung in den Liquor vor. Aneurysmen der Arteria carotis interna im G e b i e t Der Kliniker: K l o s e - G r u n d m a n n ,

Chirurgie des Kopfes

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Gehirn

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d e r h i n t e r e n K o m m u n i k a t i o n verursachen Lähmungen des Nervus oculomotorius. Gehirnaneurysmen, die den apoplektiformen Typ der klinischen Erscheinungen verursachen, b l u t e n infolge Ruptur oder Diapedese in den S u b a r a c h n o i d e a l r a u m . Die Blutung braucht nicht tödlich zu sein. Spontaner Verschluß der Blutungsquelle und Rückgang der klinischen Erscheinungen können eintreten. Nach mehreren S c h ü b e n kommt es meist zu einer tödlichen Blutung. K l e i n e r e B l u t u n g e n verursachen plötzliche, heftige Kopfschmerzen sowie Schmerzen in den Schultern, Armen, Rücken und Beinen. Das KERNiGsche Zeichen ist positiv, der Liquor blutig. M a s s i v e B l u t u n g e n sind von den Erscheinungen einer Apoplexie begleitet, mit Koma, Halbseitenlähmung, Delirium und Bewußtlosigkeit. Die Diagnose der Gehirnaneurysmen ergibt sich aus den L o k a l s y m p t o m e n , dem evtl. Nachweis von B l u t i m L i q u o r und dem charakteristischen r e m i t t i e r e n d e n

a

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Abb. 57 a und b. Pulsierender Exophthalmus (Chirurgische Universitätsklinik Danzig)

V e r l a u f der Erkrankung. Daneben kann die A r t e r i o g r a p h i e wesentlich zur Klärung der Diagnose beitragen. I m Röntgenbild sind manchmal einseitge E r o s i o n e n d e r S e l l a t u r c i c a oder des Processus clinoideus und meist ring- oder bogenförmige V e r k a l k u n g e n im Gebiet der Hirnbasis (Abb. 56) sichtbar. Ein arteriovenöses Aneurysma der Arteria carotis interna im Sinus cavernosus erzeugt das Krankheitsbild des pulsierenden Exophthalmus (Abb. 57). E s ist traumatisch bedingt, wenn splitternde Knochenteile in den Sinus cavernosus eindringen und gleichzeitig die Wand der Arteria carotis durchbrechen. E s handelt sich um umschriebene Läsionen, die nicht durch Verblutung zum sofortigen Tode führen. Manchmal sind sie doppelseitig und infolgedessen ist der pulsierende Exophthalmus an beiden Augen vorhanden. Außer durch T r a u m e n kann der pulsierende E x o phthalmus aber auch durch A n e u r y s m e n a n d e r e r G e n e s e und durch g e f ä ß r e i c h e r e t r o o r b i t a l e T u m o r e n (s.Hämangiome) hervorgerufen werden (s. S. 190). Die Diagnose des pulsierenden Exophthalmus stützt sich auf die P r o t r u s i o b u l b i (Abb. 57) mit deutlich sichtbarer expansiver P u l s a t i o n . Schwirren ist fühlbar.

Geschwülste, Anomalien und Entzündungen der Gehirngefäße

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Infolge der venösen Stauung sind die L i d e r ö d e m a t ö s geschwollen, die V e n e n in der Umgebung des Auges e r w e i t e r t . Es besteht eine C h e m o s i s . Auch am A u g e n h i n t e r g r u n d ist eine Stauung der Venen sichtbar mit Ö d e m d e r P a p i l l e , die zur späteren Atrophie des Sehnerven f ü h r t . Die S e h k r a f t ist infolgedessen meist h e r a b g e s e t z t , in späteren Stadien t r i t t Erblindung ein. Als Folge des gesteigerten Augeninnendrucks kann außerdem ein G l a u k o m auftreten. Der A u g a p f e l ist meist nach außen und unten durch arterialisierte Varixknoten, die sich an der inneren und oberen Seite des Bulbus befinden, v e r d r ä n g t . Häufig sind die motorischen A u g e n n e r v e n durch Druck des Aneurysma g e l ä h m t . Ist auch der 1. Trigeminusast an der Lähmung beteiligt, so findet sich eine K e r a t i t i s n e u r o p a r a l y t i c a . Das aneurysmatische G e r ä u s c h wird als Brausen und Rauschen deutlich von den Patienten wahrgenommen und als außerordentlich lästig und schlafstörend empfunden. Auf Kompression der Arteria carotis communis verschwindet es, ebenso die sichtbaren Pulsationen. Dieses Geräusch stellt das f r ü h e s t e S y m p t o m des pulsierenden Exophthalmus dar. Die Behandlung der intrakraniellen Aneurysmen besteht in der operativen Freilegung, wenn eine g e n a u e L o k a l d i a g n o s e gestellt werden kann. Die zuführenden Gefäße des Aneurysmas werden unterbunden oder das Aneurysma kann in Faszie oder Muskulatur eingehüllt werden. Diese ä u ß e r e Muskeltamponade f ü h r t dürch Reizung der Gefäßwand zu einer Obliteration des Gefäßlumens. Bei großen Aneurysmen genügt dieser Reiz nicht. Es muß bei ihnen eine i n n e r e Tamponade mit Eröffnung des Aneurysmasackes oder durch embolische Einschleppung von Muskelstückchen von der A. carotis int. aus durchgeführt werden. Läßt sich die L o k a l d i a g n o s e n i c h t s t e l l e n oder handelt es sich um einen p u l s i e r e n d e n E x o p h t h a l m u s , so wird die Unterbindung der Arteria carotis interna durchgeführt. Sie kann gewagt werden, wenn vorher geprüft worden ist, ob ein ausreichender Kollateralkreislauf im Circulus arteriosus cerebri vorhanden ist (s. Hämangiome). Bei Patienten über 50 Jahren ist die Unterbindung der Arteria carotis interna riskant wegen einer etwa schon vorhandenen Atherosklerose. Die primäre Mortalität der Operation liegt bei 25%. 4. T h r o m b a n g i t i s o b l i t e r a n s ( E n d a r t e r i i t i s o b l i t e r a n s , v. W i n n i w a r t e r BÜRGERsche K r a n k h e i t ) . Sie ist eine p r o l i f e r a t i v - e n t z ü n d l i c h e Erkrankung der Intima der Gefäße, besonders der Arterien. Fortschreitende O b l i t e r a t i o n der Gefäße und T h r o m b e n b i l d u n g zeichnen die Erkrankung aus. An den Hirngefäßen wird sie nicht allzu selten gefunden. I n Abhängigkeit von den Gefäßveränderungen t r i t t eine diskontinuierliche Erweichung des Hirngewebes auf, bei der zwischen kleinen Erweichungsherdchen und gliösen Narben nichtgeschädigte Teile bestehen bleiben. Durch die Narbenbildung werden an der Hirnoberfläche Einziehungen hervorgerufen, die das Bild der „ g r a n u l ä r e n A t r o p h i e d e r G r o ß h i r n r i n d e " ergeben. Größere Herde setzen sich aus kleineren zusammen und haben ganz verschiedenes Alter — entsprechend dem c h r o n i s c h - p r o g r e d i e n t e n , s c h u b w e i s e n Verlauf, der f ü r das klinische Bild charakteristisch ist. Klinisch zeichnet sich die Thrombangitis obliterans aus durch eine sich langsam entwickelnde H a l b s e i t e n l ä h m u n g mit H e m i a n o p s i e und H e r d s t ö r u n g e n . In seltenen Fällen kann das Gehirn beiderseitig befallen werden. E p i l e p t i f o r m e K r ä m p f e können sich einstellen. Meist befällt die Erkrankung das mittlere bis höhere Alter, Männer häufiger als Frauen. Die Anfälle sind charakterisiert durch langsame progressive Erscheinungen, Fehlen einer Ohnmacht, Vergänglichkeit der 7*

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Symptome, Wiederholung der Anfälle, die schließlich zu einem endgültigen Zustand führen und durch Abwechslung der Paresen mit lokalisierten epileptischen Krämpfen. P s y c h i s c h e Veränderungen mit Demenz stehen manchmal im Vordergrund. Häufig sind Veränderungen der Gefäße des Augenhintergrundes. Augenflimmern und Sehstörungen werden dabei beobachtet. Die Veränderungen des Augenhintergrundes sind diagnostisch von besonderer Bedeutung, ebenso eine gleichzeitige Erkrankung peripherer Gefäße mit den charakteristischen Durchblutungsbeschwerden ( i n t e r m i t t i e r e n d e s Hinken usw.). Im Enzephalogramm stellt sich in fortgeschrittenen Stadien die Hirnatrophie durch eine E r w e i t e r u n g des V e n t r i k e l s und eine v e r m e h r t e periphere L u f t f ü l l u n g über den befallenen Hirnabschnitten dar (Hydrocephalus ex vacuo, s. da). Das Arteriogramm zeigt an den Gefäßen der Hirnkonvexität Gefäßverschlüsse, F ü l l u n g s d e f e k t e und K a l i b e r s c h w a n k u n g e n . Bei fortgeschrittenen Erkrankungen kann die A. carotis interna teilweise oder völlig verschlossen sein. Bei völligem Verschluß ist der Puls am Hals nicht fühlbar. Differentialdiagnostisch müssen der Hirntumor und die multiple Sklerose ausgeschlossen werden. Eine genaue a u g e n ä r z t l i c h e und i n t e r n i s t i s c h e Untersuchung ist von großem Wert. Die Therapie versucht die Hirndurchblutung durch Eingriffe am s y m p a t h i schen nervösen System zu verbessern. Zur Verfügung steht die Ganglions t e l l a t u m - B l o c k a d e mittels Novocain, die p e r i a r t e r i e l l e S y m p a t h e k t o m i e , bei der die Adventitia der A. carotis communis und interna entfernt wird, sowie die G r e n z s t r a n g r e s e k t i o n im Halsabschnitt. Bei Thrombosierung der A. carotis interna empfiehlt sich die R e s e k t i o n , manchmal unter Wegnahme der ganzen Karotisgabel, da von den erkrankten Gefäßen v a s o k o n s t r i k t o r i s c h e R e f l e x e an den übrigen Arterien ausgelöst werden, so daß ein Circulus entsteht: GefäßprozeßSpasmus, Fortschreiten des Gefäßprozesses — weitere Ausdehnung der Spasmen usw. Aus diesem Grunde wird auch die Entfernung der erkrankten Gefäße im Bereich der Hirnkonvexität empfohlen. Auch durch Einpflanzung des M. temporalis beiderseits auf das Gehirn, nach Entfernung der Schläfenschuppen, läßt sich die Hirndurchblutung steigern, da sich Kollateralen zwischen dem stark durchbluteten Muskel und der A. cerebri media bilden. U. Chirurgie der Hypophyse 1. P a t h o l o g i e Die Anatomie der Hypophyse wurde bereits geschildert (s.. Anatomie und Physiologie Seite 28). Nachzutragen ist hier, daß die Hirnanhangdrüse aus der Neural- und Adenohypophyse besteht. Zwischen beiden Teilen befinden sich Überreste des Ductus craniopharyngicus (s. Entwicklungsgeschichte des Schädels), aus dem der vordere adenomatöse Teil der Hypophyse hervorgeht. Mikroskopisch werden im Vorderlappen der Hypophyse drei verschiedene Zellformen unterschieden. Die chromophoben Zellen kommen am zahlreichsten vor und machen etwa 50% aus. Die eosinophilen Zellen machen etwa 40% und die basophilen Zellen etwa 10% aus. Tumoren der Hypophyse zeichnen sich dadurch aus, daß sie den S e h n e r v und das Chiasma opticum komprimieren können (Abb. 58). Das Chiasma opticum und ein kurzer Teil der Sehnerven liegen oberhalb der Hypophyse. Ferner befindet sich das Chiasma opticum vor dem Hypophysenstiel und zwischen den beiden Arteriae carotis interna. Der Circulus arteriosus cerebri und der Sinus cavernosus umgeben

Chirurgie der Hypophyse

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den Hypophysenstiel kreisförmig. Aus ihnen stammt die Blutversorgung der Drüse. Da die vorderen Kommunikationen der Arteriae cerebri anteriores sich über den Sehnerven befinden, werden diese bei Vergrößerung der Hypophyse gegen die A r t e r i e n gedrückt und dadurch geschädigt. B l i n d h e i t auf einem Auge kann eintreten, wenn durch Aufwärtsdrücken des Sehnerven durch den Tumor der S e h n e r v am E i n g a n g in den Canalis opticus a b g e d r ü c k t wird. Bei großen Tumoren werden beide Sehnerven und das Chiasma opticum völlig p l a t t gedrückt (Abb. 58). Infolgedessen wird bei Hypophysentumoren eine Optikusatrophie oder eine Einschränkung im Gesichtsfeld (Abb. 59) oder beides hervorgerufen. Das Sehfeld muß daher frühzeitig bestimmt werden, um eine r e c h t z e i t i g e Diagnose, bevor der Patient e r b l i n d e t , zu stellen. Des weiteren verursachen die Hypophysentumoren Störungen im endokrinen System (s. Hirnanatomie und Physiologie). Hypophysenstörungen mit Ausfall des gesamten Vorderlappens in der K i n d h e i t bedingen Zwergwuchs und Infantilismus. Nekrosen und Atrophien desgesamten Vorderlappens beim E r w a c h s e n e n rufen das Krankheitsbild der hypophysären (Simondschen) Kachexie her-

vor. Es zeichnet sich durch schweren Marasmus mit Abmagerung, vorzeitiges Altern, Apathie, Verlust von Haaren und Zähnen und Atrophie der Keimdrüsen mit Verlust der Potenz aus. Erkrankungen des H i n t e r l a p p e n s (Neurohypophyse) haben das Krankheitsbild des Diabetes insipidus zur Folge, das durch vermehrte Wasserausscheidung charakterisiert ist. Die Erkrankungen des Vorderlappens werden später unter den Hypophysenadenomen abgehandelt. Störungen der Hypophyse können durch Abb. 58. Knickung und Abflachung E m b o l i e , T h r o m b e n , Aneurysmen, Tumo- beider Sehnerven und des Chiasma ren, Z y s t e n , T u b e r k u l o s e und S y p h i l i s opticum durch einen Hypophysentumor hervorgerufen werden. Am häufigsten finden sich Adenome der Hypophyse und Tumoren, die von den Überresten des Ductus craniopharyngicus ausgehen. Supraselläre Men i n g e o m e , G l i o m e des N. opticus, D e r m o i d e und Chordome (s. unter den einschlägigen Kapiteln) können gleichfalls Hypophysenstörungen verursachen. 2. R ö n t g e n u n t e r s u c h u n g Die Röntgenuntersuchung ist bei Störungen der Hypophyse äußerst wichtig. Die normale Sella variiert in ihrer Größe. Der transversale Durchmesser beträgt etwa 13 mm, der sagittale etwa 10 mm. Bei der Frau ist die Hypophyse größer als beim Manne. Bei Erkrankungen der Hypophyse finden sich häufig E r o s i o n e n des vorderen oder hinteren P r o c e s s u s clinoideus. Die S e l l a kann im ganzen e r w e i t e r t sein. Ihr Boden wölbt sich dann in die Keilbeinhöhle vor (Abb. 60). V e r k a l k u n g e n zeigen besonders ein Kraniopharyngeom an. Bösartige Tumoren der Hypophyse rufen eine Zerstörung der Sella hervor. Erhöhung des intrakraniellen Drucks, besonders bei Erkrankungen des Kleinhirns und bei Turmschädel (s.Abb. 12), können gleichfalls eine Erweiterung der Sella verursachen. Bei Aneurysmen finden sich im allgemeinen keine Erosionen des Knochens. Außerdem sind Aneurysmen an ihrem

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charakteristischen Kalkschatten zu erkennen (s. Abb. 56). Supraselläre Meningeome (s. da) rufen häufig eine Verdickung des Knochens im Bereich des Processus clinoideus anterior hervor. 3. H y p o p h y s e n a d e n o m e Geschwulstmäßige Wucherung der Hypophyse findet sich vor allem im V o r d e r l a p p e n in Form der Hypophysenadenome. D r e i T y p e n werden unterschieden, das chromophobe, eosinophile und basophile Adenom, je nachdem, welche ä fi.: •2.2 a Zellform vorwiegend betroffen ist. Nur 2 2® die chromophoben und eosinophilen Adenome haben chirurgisches Interesse. HO I Die basophilen Adenome werden am ö s* besten mit Röntgenstrahlen behandelt. '8 's '-3 a) Chromophobes Adenom. Die norPt § ° male Punktion der chromophoben Zellen ist nicht bekannt. Die chromophoben Adenome zeichnen sich durch ihre G r ö ß e aus. Sie verursachen einen •«H D r u c k auf die übrige Hypophyse so• « S wie auf die benachbarten Teile des §63 Schädels, besonders auf das Chiasma .2-S E Affl 3 opticum. I m Gegensatz zu den baso° I philen und eosinophilen Adenomen sind n ' ° ausgesprochene H i r n d r u c k s y m p t o %S d m e vorhanden. Infolge des langsamen I I a » Wachstums des Adenoms in der Sella ä-M § § turcica drückt es auf das übrige HypoS °o I physengewebe und erzeugt eine langri Ä ® n ° fi ® samzunehmende H y p o p h y s e n u n t e r 0) 00 ^ H FQ -fi P2 -P -fl funktion. Bei Tumoren, die v o r d e r P u b e r 2 B^ t ä t auftreten, findet sich eine Dyö ®• g2 .20 o strophia adiposogenitalis mit charakteristischer Pettverteilung besonders am Gesäß, den Oberschenkeln und der co . ö Brust, mit Entwicklungshemmung der -g bbg 3O)fi ¡3hj Genitalien und sekundären Geschlechtsmerkmale und mit Wachstumshem"So "9 2 B mung. Tritt der Tumor n a c h d e r P u b e r t ä t auf, so finden sich bei F r a u e n SH I ö ,S Unregelmäßigkeiten der Menstruation ® hS oder Amenorrhoe. Sie sind das häufigste ~ tn . Anfangssymptom. BeimManneist 45-43 23 2 a< sehr früh ein Verlust der Potenz und 5 o .2 Libido vorhanden. Die Körperbehaat n ft fe) ^ O rung ist kärglich, Rasieren daher selI1 a fi2 ten oder gar nicht notwendig. O! 3 K o p f s c h m e r z e n stellen sich meist IC r2« «fspäter ein. Sie werden in die Stirn 5