Handbuch der plastischen Chirurgie: Band 1 Allgemeine plastische Chirurgie [Reprint 2011 ed.] 9783111578439, 9783110043655


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German Pages 1354 [1400] Year 1972

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Handbuch der plastischen Chirurgie: Band 1 Allgemeine plastische Chirurgie [Reprint 2011 ed.]
 9783111578439, 9783110043655

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HANDBUCH DER PLASTISCHEN

CHIRURGIE

HANDBUCH DER PLASTISCHEN CHIRURGIE HERAUSGEGEBEN VON E R W I N G O H R B A N D T f J O A C H I M GABKA ALFRED B E R N D O R F E Κ

BAND I · 1. TEIL A LEG Ε Μ Ε Τ Ν Ε Ρ L Λ S ΤI S C Η Ε C Η Γ Η U R G I Ε

W G DE

WALTER DE GRUYTER BERLIN NEW YORK 1972

PROF. DR. M E D . Ε. G O H R B A N D T ο. ö. Prof. emer. und ehem. Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses Moabit, Berlin PROF. D R . D R . M E D . J. GAB Κ A Kiefer- und Gesichtschirurgische Abteilung des Städtischen Rudolf-Virchow-Krankenhauses, Berlin DR. M E D . A. B E R N D O R F E R Chefarzt der Abteilung f ü r angeborene Mißbildungen im Paul-Heim-Hospital, Budapest

ISBN 3 11 004365 3 © Copyright by Walter de Gruyter & Co.. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp., D - l Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner F o r m reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Satz u n d D r u c k : Walter de Gruyter & Co. Printed in Germany 1972

INHALTSANGABE

Die Beiträge sind mit ihren N u m m e r n (fett) sowie den Seitenzahlen in der Seitenüberschrift aufzusuchen. Vor jedem Beitrag befindet sich ein gelbes Vorschaltblatt mit genauem Inhaltsverzeichnis. Das Sachregister f ü r Band 1 und 2 des Handbuches erscheint nach Abschluß des zweiten Bandes.

Band 1,1. Teil: In Memoriam Beitrag 1:

E R W I N G O H R H A N DT

Vorbemerkung (GOHRBANDT, GABKA, BERNDORFER)

Beitrag 2:

Zur Indikation der plastisch-chirurgischen Eingriffe (GOHRBANDT)

Beitrag 3:

Desinfektion u n d Sterilisation (LAMMERS)

Beitrag 4:

Lokalanästhesie (GABKA, HARNISCH)

Beitrag 5:

Allgemeine Anästhesie (FREY, KOLB,

Beitrag 6:

HENNEBERG)

Die posttraumatische E n t z ü n d u n g u n d Wundheilung (LINDNER)

Beitrag 7:

Nahtchirurgie (GOHRBANDT)

Beitrag 8 :

Verbandlehre (JAEGER)

Beitrag 9:

Mißbildungsätiologie (GREBE)

Beitrag 10: Mißbildungsembryologie (CSABA)

Beitrag 11: Chirurgisch-Klinische Embryopathologie (Grundsätze chirurgisch-klinischer Embryopathologie und ihre Bedeutung bei den Operationen angeborener Mißbildungen) (BERNDORFER)

Band I, 2. Teil: Beitrag 12: Transplantationslehre (ZOLTAN)

Beitrag 13: Auto-Homoio-Hetero- u n d Alloplastiken (GOHRBANDT)

Beitrag 14: Biologische Grundlagen der Alloplastik (CONTZEN)

Beitrag 15: Alloplastischer Hautersatz (Tierexperimentelle Untersuchung und Klinische Erfahrungen mit Hautprothesen) (OTT, SCHMITTINGER)

Beitrag 16: Biomechanische Prinzipien bei der Metall Verwendung am Knochen (ALLGÖWEB, SEGMÜLLER)

Beitrag 17: Die Pathologische Anatomie der Transplantate (STEIN)

Beitrag 18—20: Allgemeine Prinzipien zur operativen und aktinischen Therapie im Rahmen der plastischen Chirurgie ( D E N E C K E , G A B K A , SCHUMACHER)

Beitrag 19: Fräsen und Schleifen (SCHREUS, P E T E R )

Beitrag 21: Das Keloid (MAURER, HÄRTEL)

Beitrag 22: Gutartige und bösartige Geschwülste im Gesichtsbereich aus plastisch-chirurgischer Sicht (GABKA, SCHLEGEL, STEIN)

Beitrag 23: entfällt Beitrag 24: Die Nachbehandlung im Rahmen der plastischen Chirurgie (BURIAN)

INHALTSANGABE

Die Beiträge sind mit ihren N u m m e r n (fett) sowie den Seitenzahlen in der Seitenüberschrift aufzusuchen. Vor jedem Beitrag befindet sich ein gelbes Vorschaltblatt mit genauem Inhaltsverzeichnis. Das Sachregister f ü r Band 1 und 2 des Handbuches erscheint nach Abschluß des zweiten Bandes.

Band 1,1. Teil: In Memoriam Beitrag 1:

ERWIN

GOHRBANDT

Vorbemerkung (GOHRBANDT, GABKA, BERNDORFER)

Beitrag 2:

Zur Indikation der plastisch-chirurgischen Eingriffe (GOHRBANDT)

Beitrag 3:

Desinfektion u n d Sterilisation (LAMMERS)

Beitrag 4 :

Lokalanästhesie (GABKA, HARNISCH)

Beitrag 5:

Allgemeine Anästhesie (FREY, KOLB,

Beitrag 6:

HENNEBERG)

Die posttraumatische E n t z ü n d u n g u n d Wundheilung (LINDNER)

Beitrag 7:

Nahtchirurgie (GOHRBANDT)

Beitrag 8:

Verbandlehre (JAEGER)

Beitrag 9:

Mißbildungsätiologie (GREBE)

Beitrag 10: Mißbildungsembryologie (CSABA)

Beitrag 11: Chirurgisch-Klinische Embryopathologie (Grundsätze chirurgisch-klinischer Embryopathologie und ihre Bedeutung bei den Operationen angeborener Mißbildungen) (BERNDORFER)

Band I, 2. Teil: Beitrag 12: Transplantationslehre (ZOLTÄN)

Beitrag 13: A u t o - H o m o i o - H e t e r o - u n d Alloplastiken (GOHRBANDT)

Beitrag 14: Biologische Grundlagen der Alloplastik (CONTZEN)

Beitrag 15: Alloplastischer Hautersatz (Tierexperimentelle Untersuchung und Klinische Erfahrungen Hautprothesen) (OTT,

mit

SCHMITTINGER)

Beitrag 16: Biomechanische Prinzipien bei der Metall Verwendung am Knochen (ALLGÖWER,

SEGMÜLLER)

Beitrag 17: Die Pathologische Anatomie der Transplantate (STEIN)

Beitrag 18—20: Allgemeine Prinzipien Zur operativen und aktinischen Therapie im Rahmen der plastischen Chirurgie (DENECKE, GABKA,

SCHUMACHER)

Beitrag 19: Fräsen und Schleifen (SCHREUS,

PETER)

Beitrag 2 1 : Das Keloid (MAURER,

HÄRTEL)

Beitrag 2 2 : Gutartige und bösartige Geschwülste im Gesichtsbereich aus plastisch-chirurgischer Sicht (GABKA, SCHLEGEL,

STEIN)

Beitrag 2 3 : entfällt Beitrag 2 4 : Die Nachbehandlung im Rahmen der plastischen Chirurgie (BURIAN)

In Memoriam Erwin Gohrbandt

A m 3. 1. 1965 wurde der Initiator u n d Mitherausgeber dieses Handbuchs. Professor Dr. med. E R W I N G O H R B A N D T , nach einem arbeitsreichen u n d mit Erfolg gesegneten Leben abberufen. Zwei Tage vorher h a t t e er noch seine letzten Beiträge f ü r das , , H a n d b u c h der plastischen Chirurgie" druckfertig abgeliefert. I h r Erscheinen sollte er nicht mehr erleben. Mitherausgeber und Mitarbeiter des H a n d b u c h s gedenken E R W I N G O H R B A N D T S in D a n k b a r k e i t und Verehrung. E R W I N G O H R B A N D T wurde am 20. 8. 1890 in Schlawe/Pommern geboren. Nach einer harmonischen Kindheit und Jugend, die er vor allem seiner Mutter verdankte, k a m er 1910 nach Berlin, der Stadt, die seine Wahlheimat wurde. Das hier zunächst begonnene Studium der Theologie gab er bald zugunsten der Medizin auf. E r absolvierte die Militärärztliche Akademie, die ,Pepiniere £ , aus der Generationen ber ü h m t e r Mediziner hervorgegangen sind. 1914 beendete er als U n t e r a r z t das Staatsexamen u n d promovierte 1915 zum Doktor der Medizin. I m Februar 1965 h ä t t e E R W I N G O H R B A N D T die 50. Wiederkehr seines Promotionstages, das .Goldene Doktorjubiläum', begangen, wovon er wiederholt in Vorfreude sprach. Der 1. Weltkrieg brachte dem jungen Arzt u n d Chirurgen, speziell durch die Primärversorgung von Bauch- u n d Gesichtsverletzungen, ein großes und vielseitiges Arbeitsgebiet. Nach dem Kriege ging E R W I N G O H R B A N D T an die Chirurgische Universitätsklinik der Charite, Berlin, wo sein Lehrer u n d väterlicher F r e u n d O T T O H I L D E B R A N D arbeitete, unter dessen Ägide er sich 1924 habilitierte. 1928 ernannte m a n den gerade 38jährigen zum ao. Professor u n d trug ihm die Leitung des Krankenhauses a m U r b a n in Berlin an. Hier entfaltete der junge Chef nun sein ganzes K ö n n e n u n d errang bald über die Grenzen Berlins hinaus Beachtung im In- u n d Ausland. Neben seinen hervorragenden chirurgischen Leistungen, die von Studenten und Kollegen gleichermaßen bewundert wurden, fanden seine wissenschaftlichen Studien aus jener Zeit große Anerkennung. Wir erinnern nur an die Parabiose-Arbeiten und an die historisch gewordene „Modifikation der T H I E R S C H schen Transplantation", die Geburtsstunde der Spalthautlappenplastik, die fälschlich oft amerikanischen Autoren zugeschrieben wird. Aufbauend auf den großen Leistungen des Begründers der Wiederherstellungschirurgie, E. L E X E R (1867—1937), u n d auf den eigenen E r f a h r u n g e n aus dem 1. Weltkrieg, wandte sich E R W I N G O H R B A N D T immer intensiver der plastischen u n d wiederherstellenden Chirurgie zu. Meisterhaft waren die Sicherheit, Schnelligkeit und Eleganz seiner Operationstechnik, u n d geradezu bestechend war die Nahtchirurgie, die er betrieb. Unter E R W I N G O H R B A N D T ging aus dem K r a n k e n h a u s a m U r b a n eine Chirurgengeneration hervor, die noch heute in führenden Positionen tätig ist.

Trotz dieser Erfolge vergaß E R W I N G O H R B A N D T nie „seine Charite", wie er sie nannte, und es verwundert uns nicht, daß ihn schon bald eine herzliche Freundschaft mit F E R D I N A N D S A U E R B R U C H — dem Nachfolger O T T O H I L D E B R A N D S an Charite und Friedrich Wilhelm-Universität — verband, mit dem zusammen er auch eine Reihe von Arbeiten veröffentlichte. 1940 wurde E R W I N G O H R B A N D T als Ordinarius und Direktor der I I I . Chirurgischen Universitätsklinik an das Krankenhaus Moabit, Berlin, berufen. Sein großes chirurgisches Können und seine Sicherheit im plastisch-chirurgischen Vorgehen konnte er an den vielen Schwerverletzten des 2. Weltkrieges, in dem er als Beratender Chirurg der Luftwaffe tätig war, unter Beweis stellen. Die konstruktive, rekonstruktive und aesthetische Chirurgie lag E R W I N G O H R B A N D T besonders am Herzen, und es ist bezeichnend, daß er auf diesem Gebiet auch nach dem Kriege weiterarbeitete. Am 8. 5. 1945, dem Tage des Kriegsendes und Zusammenbruchs Deutschlands, fand man G O H R B A N D T in seinem zu großen Teilen zerstörten Krankenhaus, dessen Wiederaufbau er sofort in die H a n d nahm. Gemeinsam mit F E R D I N A N D S A U E R B R U C H stellte er sich dem neugewählten Magistrat von Groß-Berlin als Gesundheitsdezernent zur Verfügung. Es ist nicht zuletzt E R W I N G O H R B A N D T S Verdienst, daß in dieser durch Kriegseinwirkungen so zerstörten S t a d t keine nennenswerten Seuchen oder Epidemien auf getreten sind. schied E R W I N G O H R B A N D T als Chef der Chirurgischen Abteilung und Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Moabit aus, nachdem er 1957 einen schweren Unfall erlitten hatte. Zur R u h e aber hat dieser vitale Mann sich damals nicht gesetzt. Bis zu seinem Tode begann der passionierte Frühaufsteher sein Tagewerk bereits um 5 Uhr, um in den Morgenstunden seine wissenschaftlichen Arbeiten zu verfassen und seine umfangreiche Korrespondenz zu erledigen. Vormittags arbeitete er in seinem Moabiter Unfallambulatorium. Am frühen Nachmittag traf man ihn bereits in seiner im Zentrum der Stadt gelegenen Praxis. Nach Beendigung der Sprechstunde las er die Korrekturen seiner Arbeiten und war abends noch häufig bei wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Veranstaltungen zu finden. 1958

Unermüdlich tätig, obgleich seit seinem Unfall körperlich oft behindert, war er auch in seiner Eigenschaft als Vizepräsident des DRK-Landesverbandes Berlin, als Mitglied der Deutschen Olympischen Gesellschaft und als Herausgeber seines letzten Werkes, des „Handbuches der plastischen Chirurgie". E s ist hier nicht der Ort, alle Veröffentlichungen E R W I N G O H R B A N D T S aufzuzählen. E r h a t sich praktisch mit allen Gebieten der Chirurgie beschäftigt und h a t auf allen Gebieten richtunggebend wissenschaftlich gearbeitet. Jahrelang war er Herausgeber des „Zentralblattes für Chirurgie"; seine Kenntnis des in- und ausländischen chirurgischen Schrifttums war beispielhaft. Auf Kongressen sprach E R W I N G O H R B A N D T in den meisten Ländern der westlichen Welt. Als praktisch tätigen Chirurgen und Konsiliarius sahen ihn die Großen seiner Zeit, und es ist bezeichnend, daß eine amerikanische Zeitschrift ihn ein J a h r vor seinem Tode „einen der größten zur Zeit lebenden Chirurgen" nannte. Sein Lebenswerk wollte E R W I N G O H R B A N D T mit dem vorliegenden H a n d b u c h krönen, galt doch der plastischen Chirurgie und der Wiederherstellungschirurgie seine aktive Vorliebe. In seiner letzten Arbeit „Plastische Chirurgie — gestern — heute — morgen", die er gemeinsam mit G A B K A verfaßte, sagt er selbst:

,,Schon heute steht fest, daß die plastische Chirurgie immer ein Team-work bleiben wird. Bei der Zusammenstellung unseres Handbuches der plastischen Chirurgie stellte sich heraus, daß auch im Rahmen der plastischen Chirurgie schon wieder ein Spezialistentum herrscht. So sehr man das auch bedauern muß, diesen Fortschritt werden wir nicht aufzuhalten imstande sein. Denken wir nur an die k o n s t r u k t i v e C h i r u r g i e , die Chirurgie der angeborenen Mißbildungen; hier muß der Plastikchirurg engen Kontakt zum Humangenetiker und Embryologen haben, um die oft sehr schweren Geburtsfehler funktionell und aesthetische zu versorgen. Aber gerade die Vielzahl der angeborenen Mißbildungen, die bekanntlich noch heute, trotz des Absinkens der Dysmeliesyndrome, wohl im Ansteigen sind, erfordern die verschiedenartigsten Spezialisten. Ebenso ist es bei der r e k o n s t r u k t i v e n C h i r u r g i e . Hier haben wir es in erster Linie mit Fällen zu tun, bei denen es infolge eines Unfalles bzw. im Verlauf von Erkrankungen zu Entstellungen der äußeren Form gekommen ist, so daß auch hier wieder eine Vielzahl von Disziplinen ineinandergreifen. So finden wir in den größeren Kliniken für plastische Chirurgie eigene Verbrennungszentren bzw. Abteilungen zur plastischen Versorgung nach Karzinom-Operationen, ebenso wie wir große Abteilungen für Handchirurgie kennen. Wenn man also ein Zukunftsbild einer Klinik für plastische Chirurgie entwerfen will, muß man sich mit diesen Tatsachen vertraut machen und ihnen Rechnung tragen. Der Altmeister der Tschechischen plastischen Chirurgie, F R A N C I S B U R I A X , hat beispielsweise in Prag eine solche Klinik gegründet, und man kann dieses Institut zumindest für die gegenwärtige Zeit als beispielgebend nennen. So ist dieser Klinik, neben der allgemeinen plastisch-chirurgischen Klinik, ein Verbrennungszentrum, eine Abteilung für Kiefer-Gesichtschirurgie und eine Abteilung für Extremitätenchirurgie angegliedert. Die jungen Plastikchirurgen müssen also, nachdem sie 3 Jahre allgemeine Chirurgie betrieben haben, die verschiedenen Abteilungen durchlaufen und werden erst, nachdem sie sämtliche Stationen absolviert haben, je nach ihren Fähigkeiten der allgemeinen oder einer speziellen Abteilung zugeteilt. In ähnlicher Weise hat sich B L O C K E R in Galveston/Texas eingerichtet, wobei hervorzuheben ist, daß gerade diese Kliniken auch über große wissenschaftliche Laboratorien verfügen. Daher können diese Kliniken auch grundlegende Arbeiten über den Transplantationsmechanismus, insbesondere den Einbau homoio-, hetero-und alloplastischen Materials herausgeben. Betrachten wir die Entwicklung der plastischen Chirurgie, so müssen wir heute zugeben, daß es langsam Zeit wird, das Fachgebiet der plastischen Chirurgie als ein Spezialgebiet anzuerkennen und entsprechende Kliniken, zumindest in den größeren Städten, zu errichten." Diesen letzten veröffentlichten Ausführungen von E R W I N G O H R B A N D T können wir nur zustimmen und der Hoffnung Ausdruck geben, daß sie bald ihre Früchte tragen werden. Als Mitarbeiter an diesem seinem letzten — unserem gemeinsamen — Werk verneigen wir uns in Dankbarkeit und Ehrfurcht vor E R W I N G O H R B A N D T , dem großen Meister der Chirurgie und Wegbereiter der Plastischen Chirurgie in Deutschland. Berlin, Frühjahr 1965

FELIX JAEGER JOACHIM GABKA

HANDBUCH DER PLASTISCHEN C H I R U R G I E Herausgegeben von E . GOHRBANDT • J . GABKA · A . BERNDORFER

BAND I ALLGEMEINE PLASTISCHE CHIRURGIE

1. Vorbemerkung

1. Vorbemerkung I n unserem Zeitalter, in dem von J a h r zu J a h r die Unfallziffer emporschnellt und die Frequenz der angeborenen Mißbildungen zunimmt, hat die Plastische Chirurgie zur Wiederherstellung von Form und Funktion des menschlichen Körpers große Bedeutung erlangt. Das Fachgebiet der Plastischen Chirurgie hat wesentliche Impulse durch die beiden Weltkriege erhalten. Als Folge der vielfältigen Kriegsverletzungen, die besonders im Gesichtsbereich zu verheerenden Folgen führten, sind der Plastischen Chirurgie große Aufgaben erwachsen. Ziel der chirurgischen Maßnahmen ist es, die erworbenen Knochen- und Weichteilverletzungen so zu versorgen, daß eine weitgehende Wiederherstellung der Form und Funktion des Patienten erreicht wird. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, durch die operativen Maßnahmen nicht nur die körperlichen Entstellungen zu beseitigen, sondern auch das durch diese zweifellos bedingte schwere psychische Trauma günstig zu beeinflussen. Aber nicht nur die durch Krieg oder Unfall bedingten Verletzungen sind es, die der Plastischen Chirurgie einen Auftrieb geben. Eine wesentlich größere Rolle insbesondere in Friedenszeiten spielt die Versorgung angeborener Mißbildungen und die Korrektur morphologischer Varianten. Gerade hier wird uns deutlich, daß die plastischen Eingriffe nicht allein die somatischen Schäden ausgleichen, sondern vielmehr auch die psychogenen Irritationen weitgehend normalisieren. Es zeigt sich immer wieder, daß solche Entstellungen schon im Kindesalter zu Einsamkeit, Verbitterung und ungünstiger charakterlicher Entwicklung führen. J e älter der Mensch wird, desto mehr kommen ihm seine körperlichen Abweichungen zum Bewußtsein. E r empfindet sie in übersteigertem Maße als eine Ungerechtigkeit des Schicksals, und gönnt dem Gesunden nicht das Ebenmaß seiner Gestalt. Aus diesen mißgünstigen Gefühlen kommt es zum Haß gegen sich selbst und die Umwelt, die den „Gezeichneten" oftmals von der Gesellschaft ausschließen. Eine treffende Beschreibung dieser Minderwertigkeitskomplexe und Haßgefühle findet sich schon in SHAKESPEARES Drama „Richard I I I " . Hier sagt· GLOSTER: „Nur ich, zu Scherz und Possen nicht geformt, geschaffen nicht, dem buhlerischen Spiegel zu schmeicheln — ich zu roh, der Liebe Hoheit nicht anerkennend, nicht dazu geeignet,, vor einer stolzen Xymphe zu stolzieren; Ich, dem das Ebenmaß des Körpers fehlt, Ilamlb. Plast. Chir., Bd I

1

Vorbemerkung den die Natur um jeden Reiz betrog, den sie verbildet, halb vollendet nur hinausgesandt in diese Welt des Atmens, so lahm und unbeholfen, daß der Hunde Gebell mir folgt, wenn ich vorüberhinke — nur ich weiß in der schwachen Friedenszeit durch keine Lust die Zeit mir zu verkürzen; falls ich im Sonnenschein nicht meinen Schatten betracht', und meine Mißgestalt bekrittle. Nun, da ich mich zu dieser schönen Tage Ergötzlichkeit nicht zeigen kann als Buhler; Will ich als Bösewicht, als einen Feind der eitlen Lustbarkeiten dieser Zeit mich zeigen. Manche Schlinge legt sich schon, hab', manche Pläne voll Gefahr ersonnen, durch trunk'ne Prophezeiung, Schriften, Träume, um meinen Bruder Clarence und den König zu gegenseit'gem Hasse zu entflammen."

Um einer solchen Entwicklung vorzubeugen, haben sich Vertreter verschiedener medizinischer Fachrichtungen aus zahlreichen Ländern zusammengefunden, um dieses spezielle Aufgabengebiet abzugrenzen und zu einer selbständigen Disziplin zu entwickeln. Männer wie B U R I A N , F I L A T O W , G A N Z E R , G I L L I E S , I V Y , K A N Z A N J I A N , R O S E N T H A L , V E A U und W E B S T E R und viele andere haben in dieser Richtung Pionierarbeit geleistet. Sie machten sich die Erfahrungen der großen Chirurgen des 19. Jahrhunderts zunutze und bauten auf den Arbeiten von D I E F F E N B A C H , D U P U Y T R E N , G R A E F E , L A N G E N B E C K , L A R R E Y , P A N C O A S T , R O U X U. a . a u f .

Die Schwierigkeiten und die spezielle Physiologie der Plastischen Chirurgie fordern jedoch neue Methoden und Wege. I n mühseliger Kleinarbeit schafften sie die Voraussetzung für einen neuen selbständigen Zweig der Chirurgie, der in den meisten Ländern seine Daseinsberechtigung bereits unter Beweis gestellt hat. Die moderne Aufgabenstellung der Plastischen Chirurgie u m f a ß t drei Hauptgebiete: Die konstruktive Chirurgie die rekonstruktive Chirurgie und die ästhetische Chirurgie. Die konstruktive Chirurgie befaßt sich vor allem mit der Chirurgie der Mißbildungen. Hier handelt es sich meist um typische Mißbildungen, die in den verschiedensten Variationen auftreten können und durch ganz bestimmte, oft individuelle Operationsmethoden versorgt werden.

1 I3

Vorbemerkung

Die rekonstruktive Chirurgie h a t die Aufgabe kriegs- oder unfallbedingte Defekte zu versorgen sowie durch krankhafte destruierende Prozesse verursachte Entstellungen zu beseitigen. Zur ästhetischen Chirurgie zählen wir die Beseitigung der Anomalien und Formfehler der Nase, Ohren, Brüste u. ä. Wenn auch dieses Kapitel noch bis in jüngste Zeit sehr umstritten war und eine medizinische Indikation abgelehnt wurde, so wissen wir heute, daß es meistens nicht darum geht, die subjektive Eitelkeit des einzelnen zu befriedigen, sondern seine soziale Rehabilitation zu erreichen. Während bei den Chirurgen die Operation oftmals „ultima ratio" ist, stellt der plastisch operative Eingriff erst den Beginn einer Rehabilitation dar. Eine Reihe weiterer Maßnahmen ist oftmals erforderlich, um ein möglichst günstiges Endergebnis zu erzielen. So ist gewissermaßen die Tätigkeit der plastischen Chirurgen ein teamwork, an dem eine Reihe anderer medizinischer Disziplinen beteiligt sind. Aus diesem Grunde wurden für dieses Werk u. a. Chirurgen, Gynäkologen, Kiefer-Gesichtschirurgen, Ophthalmologen, Orthopäden, Oto-Rhino-Laryngologen, Traumatologen und Urologen zur Mitarbeit herangezogen. I m einzelnen wird die Allgemeine Plastische Chirurgie abgehandelt. Neben Fragen der Anästhesie, des Instrumentariums finden insbesondere die Transplantationsprobleme, sowie die Narbenbehandlung und die Nachgehende Fürsorge Berücksichtigung. Die Spezielle Plastische Chirurgie wird nach topographischen Gesichtspunkten dargestellt, wobei versucht wird, jeden Abschnitt in die Mißbildungs- — also konstruktive Chirurgie, in die wiederherstellende — also rekonstruktive Chirurgie und in die ästhetische Chirurgie aufzugliedern. Aber nicht nur das Wissen um das technische Vorgehen in der Wiederherstellungschirurgie genügt ; vielmehr müssen Grundlagen und Geschichte der Plastischen Chirurgie dem in diesem Fache tätigen Arzt nahe gebracht werden. So müssen u. a. Formschönheit des menschlichen Körpers, Proportionslehre, Kephalometrie und Psychologie der Entstellungen besondere Berücksichtigung finden. Den Abschluß des Werkes bildet ein Atlasband, der sowohl die Geschichte der Plastischen Chirurgie, wie auch die Originalmethoden der großen plastischen Chirurgen vergangener Jahrhunderte darstellen soll. Diese Aufteilung umreißt deutlich das große Aufgabengebiet der Plastischen Chirurgie. Dem hat auch die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie Rechnung getragen, indem sie innerhalb ihrer Vereinigung eine „Arbeitsgemeinschaft für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie" gründete. 1962 erfolgte die Umwandlung dieser Arbeitsgemeinschaft in die ,,Deutsche Gesellschaft für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie", die ihre Stimme in der „International Confederation of Plastic Surgery" hat. Diese internationale Dachorganisation tritt alle vier Jahre zu einem Kongreß zusammen, bei dem die Erfahrungen der Plastiker vieler Länder ausgetauscht werden. Um einen Gesamtüberblick über den gegenwärtigen Stand, die Grundlagen und die Geschichte der Plastischen Chirurgie zu geben, haben sich die Herausgeber und der Verlag entschlossen das „Handbuch der Plastischen Chirurgie" herauszugeben. 1*

Vorbemerkung

U m der Vielseitigkeit der Probleme gerecht werden zu können, die von einem unmöglich gemeistert werden können, war es unser Bestreben, möglichst viele Spezialisten als Autoren zu gewinnen. Hierdurch soll das H a n d b u c h in der Lage sein, über aktuelle Probleme aller Gebiete der Plastischen Chirurgie von kompetenter Seite zu unterrichten. Die Herausgeber danken allen Autoren für ihre Mitarbeit.

E R W I N GOHRBANDT

JOACHIM G A B K A

BERLIN UND BUDAPEST,

ALFRED

HERBST

1964

BERNDORFER

HANDBUCH D E R P L A S T I S C H E N

CHIRURGIE

Herausgegeben von E . GOHRBANDT · J . GABKA · A . BERND ORFER

BAND I ALLGEMEINE PLASTISCHE CHIRURGIE

12. Transplantationslehre JINOS ZOLTIN, Budapest Inhaltsübersicht I. Die Grundlagen der Gewebstransplantationen A. Die Klassifizierung der Transplantationen 1. Die biologische Aufteilung . . 2. Die technische Aufteilung. . .

1 2 3 3

B. Die Biologie der Transplantationen 1. Die Einteilung der frei verpflanz ten Gewebe 2. Die Bedingungen für eine erfolg reiche Transplantation . . . . a) Der allgemeine und lokale Zu stand des empfangenden Orga nismus b) Die Bedeutung der Operations technik c) Die Behandlung der Gewebe Literatur

12 13 15

I I . Die Hauttransplantation

20

A. Die Biologie der Hauttransplantatio nen 1. Die Einteilung der transplantier ten Haut a) Die Blutversorgung . . . . b) Die Widerstandsfähigkeit der transplantierten Haut . . . c) Die Reinnervation . . . . d) Das aesthetische Ergebnis . 2. Die Wahl der Operationsmethode 3. Die Hautdefekte a) Die kongenitalen Hautdefekte b) Die traumatischen Hautdefekte c) Die durch Operation verursachten Hautdefekte . . . . d) Die Granulationsflächen . . . B. Die gestielten Transplantationen der Haut

21 21 23 26 28 30 31 32 32 32 33 34 36

1. Die Klassifizierung der Lappen plastiken 2. Die Nahlappenplastiken . . . a) Die Verschiebelappen . . , b) Der Schwenklappen . . . c) Der Rotationslappen . . . d) Der Insellappen e) Der Brückenlappen . . . . 3. Die direkten Fernlappenplastiken a) Der Rumpfstiellappen . . . b) Der Armlappen c) Der Beinlappen d) Der Umkipplappen . . . . 4. Die Wanderlappenplastiken . . a) Die Rundstiellappenplastik.

36 43 48 51 53 56 61 63 66 70 73 76 78 79 C. Die freien Transplantationen der Haut 97 1. Hautersatz verfahren 99 a) Die Vollhauttransplantation 104 b) Die Spalthautlappenplastik 105 c) Die Operationstechnik . . . 106 d) Zusätzliche Entnahmestellen 108 e) Die Entnahme des Transplan tates 109 f) Die Einpflanzung des Haut transplantates 112 g) Verband- und Immobilisie rungstechnik 118 h) Die Versorgung der Entnahme stelle 121 i) Die Nachbehandlung . . . 124 2. Epithelersatzverfahren . . . . 125 a) Insuläre Epithelersatzverfahren 126 b) Lamelläre Epithelersatzver fahren 130 3. Die Konservierung der Hauttrans plantate 133 D. Die Anwendung der Hauttransplan 135 tation zum Schleimhautersatz . .

Inhaltsübersicht 1. Freie Transplantation von Haut 2. Verwendung eines Stiellappens . 3. Verwendung eines doppelt epithelisierten Lappens Literatur

135 135 138 143

III. Andere Transplantationen 156 A. Transplantation der Schleimhaut . . 156 Literatur 158 B. Kutistransplantation 1. Die Biologie der Kutistransplantation 2. Die Indikationen der Kutistransplantation 3. Die Operationstechnik Literatur C. Fettgewebstransplantation . . . . 1. Die Biologie der Fettgewebstransplantation 2. Die Indikationen der Fettgewebstransplantation 3. Die Operationstechnik 4. Die Stiellappenplastiken des Fettgewebes Literatur D. Faszientransplantation 1. Die Biologie der Faszientransplantation 2. Die Verwendung der konservierten Faszie 3. Die Indikationen der Faszientransplantation a) Sehnenersatz b) Gelenkoperationen c) Muskeloperationen d) Operationen am Nervensystem e) Verschiedene Verwendungsformen

Anschrift des Verfassers: Doz. Dr. Jdnos Zoltdn Budapest

II/Ungarn

Lepke Utca 16

159 159 161 164 166 168 169 171 174 178 179 180 181 182 183 184 184 184 186 187

4. Die Operationstechnik Literatur E. Sehnentransplantation 1. Die Biologie der Sehnentransplantation 2. Die Indikation der Sehnentransplantation 3. Die Operationstechnik Literatur F. Knorpeltransplantation 1. Die Biologie der Knorpeltransplantation a) Homoiotransplantation des Knorpelgewebes b) Heterotransplantation des Knorpelgewebes 2. Die Indikationen der Knorpeltransplantation 3. Die Operationstechnik Literatur G. Knochentransplantation 1. Die Biologie der Knochentransplantationen 2. Periost und Knochentransplantation 3. Die Konservierung der Knochentransplantate 4. Die Indikation der Knochentransplantation 5. Die Operationstechnik a) Die gebräuchlichsten Entnahmestellen b) Die Formen der Knochentransplantate 6. Die Knochentransplantate mit Stiellappen Literatur

188 190 192 194 196 197 201 203 204 208 211 212 213 217 220 221 224 227 229 233 234 235 237 238

12. Transplantationslehre JÄNOS

ZOLTÄN,

Budapest

I. Die Grundlagen der Gewebstransplantationen Eine Hauptaufgabe der plastischen Chirurgie ist es, Ersatz für ein Gewebe zu finden, das infolge kongenitaler Fehlentwicklung nur teilweise oder gar nicht ausgebildet wurde, oder das später durch irgendeine Schädigung teilweise oder ganz zugrunde gegangen ist. Von dem verpflanzten Gewebe erwartet man die Wiederherstellung einer Funktion bzw. will einen kosmetischen Erfolg erzielen. Häufig können beide Resultate mit demselben Transplantat erreicht werden. Wenn nur die Formgestaltung erreicht werden soll, ist es prinzipiell gleichgültig, ob das Transplantat als lebendiges Gewebe im Gastgeber-Organismus weiterlebt, oder nur einen neutralen, geduldeten Fremdkörper darstellt, der die gewünschte Form abgibt. In diesem Fall ist das aesthetische Ziel der Operation erreicht. Auch vom klinischen Standpunkt kann die Operation als erfolgreich bezeichnet werden, obwohl sie biologisch gesehen einen Mißerfolg darstellt. Vom biologischen Standpunkt kann eine Transplantation nur dann erfolgreich genannt werden, wenn das verpflanzte Gewebe das Trauma der Operation überlebt und in seinem neuen Bett zeitgerecht, d. h. vor dem Absterben seiner eigenen Zellen ernährt wird. Das Transplantat muß sich eine eigene und unabhängige Stoff Wechsel Versorgung geschaffen haben. Seine spezifischen Zellen müssen die physiologischen und biologischen Eigenschaften beibehalten, und es muß funktionsfähig bleiben. Wenn man von dem Transplantat die Erfüllung einer funktionellen Aufgabe erwartet, kann das nur geschehen, wenn die Einheilung biologisch einwandfrei ist. Eine Möglichkeit, bei der das verpflanzte Gewebe resorbiert wird, und die Transplantation trotzdem biologisch und klinisch ein gutes Resultat erzielt, ist ζ. B. die Einpflanzung von Knochen unter funktioneller Beanspruchung in ein Knochenbett. Von „Verpflanzung", d. h. Transplantation in engem Sinne kann man eigentlich nur im Falle der biologischen Einheilung sprechen und dieses verwendete Gewebe darf man als „Transplantat" bezeichnen. Das vom Körper nur geduldete, eingekapselte, isoliert gehaltene, abgestorbene Gewebsstiick muß als Fremdkörper betrachtet werden, das sich von den organischen oder anorganischen alloplastischen Materialien nicht wesentlich unterscheidet. Diese letzteren werden Implantate genannt und ihre Verwendung Implantation.

A. Die Klassifizierung der Transplantationen Die Methoden der Gewebstransplantationen können nach verschiedenen Gesichtspunkten aufgeteilt werden. Davon sind die biologische und die technische Einteilung die wesentlichsten. Handb. plast. Chir., Bd. I

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1. Die biologische Aufteilung Die erste und auch heute noch bestehende, klassische Klassifizierung der Gewebs-Ersatzmethoden wurde von M A R C H A N D ( 1 9 0 1 ) angegeben. E r unterscheidet entsprechend dem Verhältnis in der Entnahme- und Empfangsstelle stets nach: Auto-, Homoio-, Heterotransplantation und Alloplastik. 1. Allotransplantation ist ein Gewebsersatz, bei welchem das zum Ersatz verwendete Gewebe vom gleichen Individuum (Organismus) genommen wird, in welches es eingepflanzt werden soll. Diese Methode gibt in der Mehrzahl der Fälle die einwandfreiesten und besten Erfolge, sowohl in biologischer als auch in klinischer Sicht. 2. Homoiotransplantation ist eine Gewebsverpflanzung, bei der das verpflanzte Gewebe von einem fremden, aber zu derselben Art gehörigen Individuum entnommen wird: ζ. B . Transplantation von Mensch zu Mensch, von Hund auf Hund usw. Diese Methode kann nur bei einzelnen Geweben mit Erfolg angewandt werden, während die meisten homoioplastisch verpflanzten Gewebe zugrunde gehen. Sie scheitern, wie auch das heteroplastische Transplantat an der Ungleichheit der Eiweißstoffe, an dem Verlust ihrer Spezifität und an dem Auftreten von Giftstoffen, die nach der Transplantation entstehen. Die Homoiotransplantation wird — hauptsächlich in der angelsächsischen Literatur — auch Isotransplantation genannt. T H E N und H A R D Y sind der Meinung, daß der Name Isotransplantation jedoch nur bei eineiigen Zwillingen durchgeführten Verpflanzungen gebraucht werden dürfte. 3. Heterotransplantation ist eine Überpflanzung von Gewebe in einen artfremden Organismus, ζ. B . von Tier auf Mensch. Obwohl die Versuche der Verpflanzung heteroplastischer Transplantate noch nicht völlig abgeschlossen sind, bringt diese Methode keine Erfolge. Das heteroplastische Transplantat kann wohl für eine kurze Zeit in seinem neuen Wirte Nährstoffe übernehmen, geht aber unter mehr oder weniger starken Reaktionen in seinem neuen Wirt zugrunde. Das heteroplastische Transplantat stirbt mehr oder weniger spät ab und wird vom neuen Wirte abgestoßen, wenn es nicht operativ entfernt wird. Die Homoio- und Heterotransplantationen führen zu einer Auseinandersetzung mit körperfremden Eiweiß, das durch seine antigene Wirkung schädigende Prozesse im empfangenden Organismus auslösen kann (vgl. G O H R B A N D T , Auto-Homoiound Heteroplastik). Diese Reaktion ist durch eine Ansammlung von polymorphzelligen Leukozyten, Eosinophilen, Lymphozyten, Plasmazellen, Riesenzellen, in den späteren Phasen von Lymphozyten und fibrösen Bindegewebszellen gekennzeichnet. Die Heftigkeit dieser Reaktion wird in erster Linie durch die verschiedenartigen Eiweißstoffe hervorgerufen, bei denen feingeweblich Struktur, Zellreichheit, Differenzierung usw. die größte Rolle spielen. E s ist richtiger, diese Giftstoffe als Noxine zu bezeichnen ( G O H R B A N D T U. H A B E L M A N N ) , während man unter Toxinen nur die durch Bakterien hervorgerufenen Giftstoffe versteht. Die aber aus dem körpereigenen zugrunde gehenden Eiweiß entstehenden Giftstoffe sollte man als Noxine bezeichnen. Die Wirkung dieser Noxine ist weitgehendst erforscht und geklärt (GOHRBANDT).

I n der Antigenreaktion muß mit einer individuellen Differenz, einer Gewebs- und Organdifferenz gerechnet werden und schließlich mit einer Differenz, die mit den metabolischen Eigenschaften des Gewebes im Zusammenhang steht. Der durch diese heftige Antigen-Antikörper-Reaktion bedingte giftige Prozeß gefährdet das Transplantat und verursacht dessen stürmischen Abbau an der Empfangsstelle. 4. Die Alloplastik unterscheidet sich von den vorherigen Methoden wesentlich dadurch, daß hier kein lebendes Gewebe, sondern totes organisches oder anorganisches Material in lebendes Gewebe verpflanzt wird.

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Diese Methode hat den Vorteil, daß man stets genügendes alloplastisches Material zur Verfügung hat und gleich die gewünschte Form vorbereitet werden kann. Man muß sich aber bewußt sein, daß es sich nur um ein Einheilen eines toten Gewebes in einen lebenden Wirt handelt. Die Nachteile sind aber wesentlich größer, denn das alloplastische Material bleibt für den Organismus stets ein Fremdkörper, der nur in seinem neuen Wirte geduldet wird. Neuere Arbeiten haben gezeigt, daß die Kunststoffe infolge ihrer Neutralität bedingt als alloplastisches Material geeignet sind. (Vgl. O E T T E L , Biologie der Alloplastik und S T E I N , Die Pathologische Anatomie der Transplantate). 2. Die technische Aufteilung Die technische Durchführung der Operation teilt man bei den Transplantationen in zwei große Gruppen: die Lappenplastiken und die freien Transplantationen. 1. Lappenplastik (Steleoplastik) ist die Verpflanzung von Gewebe, das an seiner Entnahmestelle nicht völlig von der Umgebung getrennt wird, sondern mit dieser durch einen Teil in Zusammenhang bleibt. Durch diesen — Stiel genannten — Teil erhält das verpflanzte Gewebsteil (der Lappen) seine neurovaskuläre Versorgung. Diese Verbindung kann endgültig erhalten bleiben oder kann später, wenn der Lappen in seiner neuen Umgebung eingeheilt ist und von dort ernährt wird, durchtrennt werden. Die dazu notwendige Zeit kann je nach Größe und Art des Lappens zwei bis vier Wochen betragen. Diese Methode gestattet die Verpflanzung von Stiellappen auch aus Gebieten, die von der Empfangsstelle weit entfernt liegen (Wanderlappenverfahren). 2. Bei der freien Transplantation (Asteleoplastik) wird das Gewebe völlig von seiner Umgebung gelöst und an einer entfernten Stelle in ein vorbereitetes Wundbett (Empfangsstelle) verpflanzt. In der deutschen Sprache gibt es für die Bezeichnung der freien und gestielten Transplantationen keine ähnlichen Bezeichnungen wie in der englischen Sprache (..graft"' und ..flap"), oder in der französischen Terminologie (,,greife" und „lambeau"). Das Wort ..Lappen" sollte eigentlich nur zur Bezeichnung der mit Stiel verpflanzten Transplantate benutzt werden (gestielter Lappen). Zur Bezeichnung frei transplantierter Gewebsteile ist lediglich der ursprüngliche Ausdruck „Transplantat" gebräuchlich. Gelegentlich ist auch das Wort „Pflänzling" üblich.

B. Die Biologie der Transplantationen 1. Die Einteilung der frei verpflanzten Gewebe Sowohl bei der gestielten Plastik als auch bei den freien Transplantationen ist es von ausschlaggebender Bedeutung, ob wir auto-, homoio-, hetero- oder alloplastisches Material verwenden. Von einem Erfolg kann man eigentlich nur bei einer Autoplastik sprechen, wenn ihre Gesetze richtig angewandt und durchgeführt werden. Bei der Transplantation eines Gewebes ist die Frage wesentlich, ob das verpflanzte Gewebe unverändert erhalten bleibt, seine ursprüngliche Struktur, seinen Aufbau und seine Funktion behält, oder ob das Transplantat resorbiert wird und statt dessen Zellen aus den umgebenden Geweben hineinwachsen. Die Antwort auf diese Frage kann noch nicht ganz eindeutig gegeben werden. Einige Autoren vertreten auch heute noch die Meinung, daß die transplantierten menschlichen Gewebe resorbiert werden, und an ihre Stelle aus der Umgebung wachsende Zellen treten, die die charakteristische Struktur und auch die Funktion des Transplantates übernehmen. Das wird mit geringen Unterschieden im allgemeinen von allen Gewebsarten behauptet. 24*

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Der größte Teil der Autoren ist der Meinung, daß die Gewebe die Transplantationen überleben. Die Zellen des verpflanzten Gewebes bleiben wenigstens in der Mehrzahl der Fälle am Leben, behalten ihre spezifische Struktur und Funktion und ersetzen in klinischer und biologischer Sicht das fehlende Gewebe, an dessen Platz sie verpflanzt wurden. Diese Ansicht wird besonders von MC ARTHUB, REHN, LEXER, AXHAUSEN und eine große Anzahl moderner Autoren vertreten. Von besonderer Bedeutung ist die Arbeit von L . A . PEER, der in einer Versuchsreihe nachgewiesen hat, daß die Auffassung der „Substitution der verpflanzten Gewebe" nicht zutrifft. Nach seinen Feststellungen bleiben beim Menschen die Zellen des frei überpflanzten Transplantates erhalten und bewahren ihre normale Gewebsstruktur, wenn sie als komplette Zellen in eine günstige Umgebung implantiert werden. PEER hat sich somit entschieden für die Theorie des Überlebens der Zellen im Gegensatz zur früheren Substitutionstheorie eingesetzt ("cell survival theory versus replacement theory"). Die Zellen der Haut-, Knorpel-, Faszien-, Sehnengewebe usw. überleben also die Transplantation und das verpflanzte Gewebe behält seine spezifische Struktur. Wenn ein von Menschen stammendes Gewebsteil in derselben Umgebung frei transplantiert wird, besteht die Möglichkeit, daß die an der Empfangsstelle wachsenden Zellen in das Transplantat eindringen und seine teils abgestorbenen und resorbierten Zellen ersetzen. Diese Tatsache begegnet uns auch bei Knochentransplantaten und bei verpflanzten Nerven. Die Axonen des proximalen Nervenstumpfes dringen in das mit ihm in Berührung gebrachte Nerven-Transplantat ein und nehmen den Platz seiner eigenen, zerfallenen Zellen ein. Wenn es zur Nekrose der Zellen des frei transplantierten Transplantates kommt, nimmt den Platz des Transplantates Bindegewebe ein, das jedoch das Transplantat weder in anatomischer, noch in funktioneller Beziehung ersetzen kann. Dieser Prozeß verläuft sehr verschieden, er richtet sich ja nach dem Aufbau und der Zellreichheit des transplantierten Gewebes. Er kann relativ langsam ablaufen, so ζ. B. bei Knorpelgewebe, aber auch sehr rasch, wie bei der Verpflanzung von Muskeln oder Fett. Die mehr interzelluläre Grundsubstanz enthaltenden Gewebe werden im allgemeinen langsamer abgebaut, im Gegensatz zu den hauptsächlich aus zellulären Elementen zusammengesetzten Geweben. Bei dem verpflanzten Gewebe gibt es einen sicheren Hinweis für das Überleben des Transplantates, nämlich das Vorhandensein elastischer Fasern im Transplantat. Die elastischen Fasern — im Gegensatz zu den kollagenen Fasern, die nach WOHLBACH, STEARNS und CLARK von den Fibroblasten gebildet werden — entstehen nicht bei dem Wundheilungsprozeß, sondern sind wahrscheinlich für die ganze Lebensdauer vorhanden. Wenn man also mehrere Monate nach der Transplantation elastische Fasern in dem Transplantat findet, so können diese nur durch das verpflanzte Gewebsstück eingebracht worden sein. Dasselbe gilt natürlich auch für die Transplantation der Kutis. Es gelang PEER mit einer speziellen Färbungsmethode elastische Fasern in der Kutis eines vor 40 Jahren frei autotransplantierten menschlichen Hauttransplantates darzustellen. Das beweist, daß die elastischen Fasern die freie Transplantation überleben und wahrscheinlich für die ganze Lebensdauer des Individuums am Leben bleiben. Das Überleben der Zellen des Transplantates hängt nach der Verpflanzung von folgenden drei Faktoren ab: a) Die Zellen des Transplantates müssen in eine isotonische Lösung gelegt werden, um die Exsikka tion zu verhüten. b) Ein Flüssigkeitsaustausch muß bald nach der Transplantation Zustandekommen, damit die Zellen ernährt und die angesammelten Abbauprodukte abtransportiert werden können.

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c) Es muß eine Blutzirkulation Zustandekommen, die die endgültigen Metabolismen der Zellen sichert, bevor ein Schaden infolge Mangel geeigneter Ernährung entsteht.

ad a) Der Zeitraum, in welchem die Zellen des Transplantates ohne Ernährung nur vor der Exsikkation bewahrt leben können, ist je nach Art des Gewebes verschieden und hängt von der Struktur, Zellreichheit und Differenzierung ab. Ein H a u t t r a n s p l a n t a t kann 4—20 Tage in einem mit einer Kochsalzlösung befeuchtetem Tuch oder Schwamm eingehüllt, bei Körpertemperatur aufbewahrt werden. P E E R und W A L K E R geben 4 Tage an, bis zu der das Transplantat unter diesen Umständen ohne Schaden aufbewahrt und nachher mit vollem Erfolg verpflanzt werden kann. Wird die Temperatur, bei der das Transplantat aufbewahrt wird, bis zu 4°C gesenkt, kann es noch länger aufbewahrt werden. Das Gewebsstück darf keinen Augenblick der Austrocknung ausgesetzt werden. Es ist daher empfehlenswert, die Operation in folgender Reihenfolge durchzuführen: Zuerst Vorbereitung der Empfangsstelle, einschließlich Blutstillung, und erst dann wird die E n t n a h m e des Transplantates durchgeführt. Das exzidierte Gewebsstück kann dann sofort in oder auf die Empfangsstelle verpflanzt werden. Wenn das nicht sofort gelingt, muß das Transplantat sofort in ein mit physiologischer Kochsalzlösung getränktes Tuch gewickelt werden und bis zur Einpflanzung dort verbleiben. ad b) Das von seiner Umgebung völlig gelöste und an einen fremden Ort verpflanzte Gewebsstück liegt in „ t o t e m " Zustand da, seine Gefäße sind leer (HYNES), der Stoffwechsel der Zellen hat sich auf ein Mindestmaß verringert. In den ersten Stunden nach der Verpflanzung beginnt an der Empfangsstelle ein entzündlicher Prozeß ( M A R C H A N D ) : die Kapillaren des Wundbodens (Empfangsstelle) erweitern sich und eine verstärkte Exsudation setzt ein — wahrscheinlich unter Wirkung einer aus dem Transplantat heraustretenden histaminartigen Substanz (HYNES). Die ausströmende Flüssigkeit enthält Erythrozyten, Lymphozyten und Fibroblasten. Diese zellreiche Lymphe gelangt in die Gefäße des Transplantates und sorgt für die Aufrechterhaltung des Zellstoffwechsel-Minimums. Den Gewebssaft von der Empfangsstelle können die Transplantate, die überwiegend interzelluläre Substanz und wenig Zellen enthalten, sogleich verwerten. Die Mehrzahl ist an eine ..parasitäre" Lebensweise, d. h. an die durch Diffusion erfolgende Ernährung gewöhnt. Zahlreiche Forscher, zuerst H U E B S C H N E R (1888) und G O L D M A N (1890), dann L E X E R und in neuerer Zeit D A V I S und C O N V E R S E sowie B A L L A N T Y N E , R O G E R S und R A I S B E C K hielten den Plasmakreislauf für den wichtigsten Faktor zur Erhaltung des Transplantates. Das trifft zweifellos zu, weil dem Plasmakreislauf die Aufgabe zufällt, das Überleben der Zellen des Transplantates zu gewährleisten, bis die Gefäße einwachsen. ad c) Die endgültige Einheilung des Transplantates wird durch die Revaskularisation gewährleistet, eine bis heute noch sehr umstrittene und noch nicht völlig gelöste Frage. Über den Zeitpunkt des Einsetzens der Revaskularisation werden mehrere Beobachtungen mitgeteilt. Als Beginn einer Revaskularisation geben D A V I S und T R A U T 2 2 Stunden an, S A N V E N E R O - R O S E L L I 2 Tage, C O N V E R S E und R A P A P O R T 3 — 4 Tage und E N D E R L E N 5 Tage. Die Zirkulation in den Blutgefäßen des Transplantates geht anfangs in wechselnder und erst später, etwa am 7.—8. Tage, nur in einer Richtung vonstatten. Über das Zustandekommen der Revaskularisation nahm man früher an, daß sie durch Einwachsen der aus der Empfangsstelle stammenden Gewebssprossen zu erklären ist. Die eigenen Gefäße der Transplantate degenerieren, so daß schließlich das Transplantat ein ganz neues Gefäßsystem bekommt. Diese Auffassung stammt von G O L D M A N , G A R R E . und E N D E R L E N und wird von den modernen Autoren wie C O N V E R S E , R A P A P O R T , B R A I T H W A I T E , C O N W A Y , D A V I S und T R A U T sowie C A S T E R M A N S unterstützt. Letztere Autoren sind jedoch der Meinung, daß die frühzeitige Blutfüllung der Gefäße zwar für eine direkte Anastomose zwischen den Gefäßen des Transplantates und der Emp-

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fangssteile spricht, aber zur völligen Einheilung dem Hineinwachsen der Gefäße die größere Bedeutung zukommt. Das Hineinwachsen der Gefäße wird wahrscheinlich von der Chemotaxis geregelt, die von einer aus dem Transplantat zur Empfangsstelle strömenden, vermutlich mit den Stoffwechselzersetzungsprodukten zusammenhängenden Substanz ausgelöst wird. Diese Substanz, die vom normalen Lymph- und Blutkreislauf nicht abtransportiert wird, wirkt durch die plasmatische Zirkulation auf die Zellen des Wundbodens und stimuliert ihre Regenerationsbereitschaft, fördert aber zugleich das Wachstum des Gefäßsprossen. M A R C H A N D und E N D E R L E N setzen voraus, daß in den degenerierenden eigenen Gefäßen überlebende Epithelinselchen zurückbleiben, die an der Vaskularisation teilnehmen. Die neuere Theorie spricht für kleine Kapillaranastomosen zwischen den Gefäßen der Empfangsstelle und der überlebenden Gefäße des Transplantates. J U N G E N G E L , B E R T und T H I E R S C H waren die ersten Verteidiger dieser Auffassung. B E R T , der erste Beobachter der Revaskularisation, benutzte zur Bezeichnung des Prozesses das Wort „abouchement", womit er die direkte zustandekommende Verbindung zwischen den Gefäßen veranschaulichen wollte. T H I E R S C H verwendete für diese Erscheinung das Wort „inosculation". Später kamen die Versuche von Z E L , sowie von P E E R und W A L K E R hinzu, die an verpflanztem Fett, H a u t , Muskeln, Sehnen und Knochentransplantaten beweisen konnten, daß die Zirkulation hauptsächlich als direkte Anastomose zwischen den durchschnittenen Gefäßlumina der Empfangsstelle und dem Transplantat Zustandekommen. Ebenso wie die Wundheilung geht auch der Degenerations- und Regenerationsprozeß in den freien Transplantaten gleichzeitig und im wechselnden Ausmaß vor sich. Die Dauer der Degenerationsprozesse hängt von der Dicke des Transplantates und von der Geschwindigkeit der endgültigen Revaskularisation ab. Wenn die Möglichkeit bestände, die Revaskularisation in irgendeiner Form zu beschleunigen und dadurch den Degenerationsprozeß einzuschränken, könnte das Anhaften des Transplantates nicht nur gefördert, sondern auch sicherer gestaltet werden. Diese Möglichkeit suchten mehrere Autoren durch verschiedene Techniken zu verwirklichen. Beeinflußt von den Mitteilungen über die Abkühlung zur Verringerung des Operationstraumas in der allgemeinen Chirurgie, hat man diese auch bei Transplantationen erprobt. E N T I N und Mitarbeiter teilten 1 9 4 8 ihre tierexperimentell und klinisch gewonnenen Erfahrungen mit, wonach die Epithelisierung durch Abkühlung verlangsamt wurde. Diese Hemmungswirkung stand im Verhältnis zur Temperatur und Dauer der angewandten Abkühlung. Ebenfalls hat man Versuche mit Erwärmung des Operationsgebietes unternommen. Die Einstellung der Temperatur spielt bei den periodischen Veränderungen in den Ernährungsverhältnissen der frei transplantierten Gewebe nur eine geringe Rolle. Zutreffend schreibt MIR Υ MIR, ^eigentlich wäre es ideal, wenn man die Kälte- und Wärmewirkung gleichzeitig und auf verschiedene AVeise anwenden könnte: Durch Abkühlung den Stoffwechsel und damit die Degenerationsprozesse im Transplantat herabsetzen, aber durch Erwärmung der Entnahmestelle die Entstehung und das Hineinwachsen der Gefäßsprossen zu beschleunigen und zugleich die Regenerationsprozesse im Transplantat zu stimulieren." Nach den bisherigen Erfahrungen lassen sich Anhaften und Revaskularisation der Transplantate durch direkte „mechanische" Wärmeeinwirkung bzw. Abkühlung nach der Transplantation nicht wesentlich günstig beeinflussen. Die physikotherapeutischen Maßnahmen bewirken nur dann eine Verbesserung der Durchblutung an der Empfangsstelle und tragen so zum besseren Erfolg der Transplantation bei, wenn sie längere Zeit vor der Operation angewandt werden. R E I C H E R T berichtet dagegen, daß durch routinemäßig angelegte Kühlverbände neuerdings auch größere zusammengesetzte Transplantate vollständig zur Einheilung gebracht worden sind, bei denen

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f r ü h e r wahrscheinlich mit ,,einer zumindest zentralen Nekrose" h ä t t e gerechnet werden müssen. Verschiedene Autoren versuchten den Revaskularisationsprozeß durch Steigerung der zur Empfangsstelle strömenden Blutmenge zu beschleunigen. Ziel der Bemühungen war es dabei, auf das Vasomotorium einzuwirken. Zu diesem Zweck wurden teils geeignete Medikamente angewandt. GALLI und Mitarbeiter benutzen die Ädenosintriphosphorsäure. BATTAGLIOLI und COGNI sich des bedienten Somatot ropens. ACTH und Cortison verwandten BAXTER und E N T I N , WEISMANN, ALRICH und Mitarbeiter, ZWICKER U. a. IVY empfahl sogar eine Sympothektomie. Alle diese Bemühungen blieben jedoch ohne Erfolg. Das A n h a f t e n des Transplantates u n d die Revaskularisation sind im wesentlichen vom allgemeinen Zustand des Operierten abhängig. Entsprechende roborierende Maßnahmen sind daher unerläßlich. I n letzter Zeit berichtete GAHKA über die Anwendung des Actihaemyls, das in tierexperimentellen und klinischen Untersuchungen geprüft wurde. Bei Anwendung dieses eiweißfreien E x t r a k t e s aus dem Blut von Kälbern mit hoher RES-Aktivität zeigte sich, daß die Wundheilungsdauer, insbesondere bei Transplantationen verkürzt ist.

2. Die Bedingungen für eine erfolgreiche Transplantation Bei der Transplantation sind drei F a k t o r e n wichtig: 1. Das (Jewebsstück, (las verpflanzt werden soll, 2. die Enipfangsstelle, deren Eigenschaften von dem Vllgemeinzustand des ganzen Körpers abhängt und schließlich, 3. der Chirurg mit seiner Operationstechnik.

Der erste F a k t o r , die Eigenschaften des zu verpflanzenden Gewebes, seine S t r u k t u r , das Verhältnis der Zellen zu der interzellulären Substanz, die Differenzierung und Funktion der Zellen, die Qualität und Quantität ihres Stoffwechsels, ist — ob bekannt oder unbek a n n t — gegeben und nicht zu ändern. Der Chirurg kann nur auf die beiden anderen Faktoren, nämlich auf die allgemeinen und lokalen Eigenschaften des empfangenden Organismus und auf die Operationstechnik einwirken und hier durch geeignete Maßnahmen seine Resultate verbessern. a) Der allgemeine und lokale Zustand des empfangenden Organismus

Die Gewebstransplantation gibt nur d a n n ein günstiges Resultat, wenn der Organismus sein Regenerationsvermögen bewahrt hat. Diese Voraussetzung ist so selbstverständlich, d a ß ihre E r w ä h n u n g fast überflüssig erscheint. Dennoch stellt MOWLEM berechtigterweise fest, d a ß m a n sich in letzter Zeit mit den technischen Einzelheiten der Operation so eingehend beschäftigt hat, d a ß der K r a n k e selbst und die Operationsvorbereitung des ganzen erkrankten Organismus fast in Vergessenheit geriet. Die Vorbereitung des K r a n k e n zur Transplantation unterscheidet sich im wesentlichen nicht von einer üblichen Operationsvorbereitung. Hierzu gehören Anamnese, Feststellung des Status praesens, Operationsindikation und Operationsplanung, Vorbereitung des K r a n k e n u n d des Operationsbereiches. Es gibt jedoch einige Gesichtspunkte in bezug auf den Allgemeinzustand der Verletzten und den Lokalbefund, die im Hinblick auf den Charakter der Operation besonders erwähnt werden müssen. So ist vor allem die hohe Empfindlichkeit der, in scheinbar ,.totem Z u s t a n d " verpflanzten Gewebe, deren Leben von der Geschwindigkeit der Revaskularisation abhängt, herauszustellen.

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Aus diesem Grunde sind Anfertigung eines Blutbildes, Feststellung des Eiweißstoffwechsels und des Vitaminhaushaltes am wichtigsten, weil Wundheilung und Anhaften der Transplantate, sowie Resistenz des Organismus Infekten gegenüber eng mit dem Ernährungszustand, dem Wasser-, Stickstoff- u. Vitamingleichgewicht, sowie dem Hämoglobin-, Erythrozyten- und Eiweißgehalt des Blutes zusammenhängen. Das Lebensalter hat praktisch keine klinische Bedeutung bei der Einheilung der Transplantate, ausgenommen des Kindesalters, wo die Heilungstendenz beschleunigt ist. E s gibt nur wenige Autoren, die eine Heilungsverzögerung im Greisenalter annehmen (DAVIDSON 1 9 4 5 , E V E N S O N 1 9 5 0 , H E G E M A N N 1 9 5 2 , F R I C K 1 9 5 4 u . a . ) .

Interessant sind die Beobachtungen von C A R R E L L und E B E L I N G ( 1 9 2 1 ) , nach denen Fibroblasten in Zellkulturen um so langsamer wachsen, je älter ihr Spender war. Ferner konnten T A N G K A O und Mitarbeiter ( 1 9 6 1 ) mit Hilfe von mit C 1 4 bezeichnetem Lysin bei R a t t e n nachweisen, daß der Umbau zu Kollagen um so langsamer erfolgt, je älter das Tier ist. Der Ernährungszustand des Körpers, als Einheit, und die spezifischen ErnährungsVerhältnisse der Wunde an sich bestimmen den Ablauf der Einheilung. Zur idealen Heilung muß der Körper normale Funktion, sowie alle Stoffe haben, die zur Aufrechterhaltung der Energie nötig sind. Die dazu dienenden Reservoire sind Muskel- und Leberproteine, das Leberglykogen und Depotfette. Die Wunde stellt eine große Belastung der Körperdepots dar. Bei dystrophischen Patienten, ζ. B . in Gefangenenlagern, konnte dementsprechend eine stark verzögerte Wundheilung beobachtet werden ( G Ö B E L 1 9 5 5 u. a.). Auch S A U N D E R S und S I S S O N S haben derartiges an Rattenversuchen demonstriert. Sie denervierten den Gastrocnemius-Muskel. An dem nunmehr atrophischen Muskel legten sie Inzisionswunden und beobachteten die Heilung. Sie fanden, daß Regeneration und Degenerationsvorgänge simultan verlaufen. Die heftige metabolische Aktivität des Heilungsprozesses erfordert viel Energie. Die dazu nötigen Kalorien stammen aus endogenen und exogenen Quellen. Die endogene Quelle ist die Oxydation von F e t t , Eiweiß und Kohlenhydrat. Die exogenen Quellen sind die oral oder parenteral eingeführten Kalorien enthaltenden Materialien. Das Kohlenhydrat spielt eine sehr wichtige Rolle. Der Stoffwechsel des frisch operierten Kranken ist nicht wesentlich höher als in normaler Ruhelage. Daher ist auch der Bedarf an Kalorien und Proteinen nicht wesentlich gesteigert. Um aber das neutrale oder positive Nitrogen-Gleichgewicht zu erhalten, bedarf der operierte Kranke doch größerer Mengen von Kalorien, hauptsächlich Proteine ( K I N N E Y , H A L E Y , M O O R E , CRANDON U. Mitarb.), die als wichtigste Aufbauelemente des Körpers natürlich auch in der Wundheilung eine primäre Bedeutung haben. Die Wichtigkeit eines entsprechenden Bluteiweißspiegels ( 4 % ) für die Wundheilung wurde von mehreren Autoren hervorgehoben ( B L A I R - B R O W N , SALACHETDINOWA, C H I T R O W , CANNON, R A V D I N , H A R V E Y , H O W E S , P I E R C E - K L A B U N D E , C U T H B E R T S O N ) . R A V D I N U. M i t -

arb. wiesen nach, daß die Wundheilung durch die Hypoproteinämie ausgesprochen beeinträchtigt wird und letztere zu Infekten prädisponiert. Nach P A D G E T T wird das Anhaften des Transplantates durch Ödeme gehemmt, die auf der Hydrolabilität des Gewebsplasmas beruhen, indirekt also durch die Hypoproteinämie. Diese Ödeme lassen sich klinisch in der Regel nicht nachweisen. P I E R C E und K L A B U N D E wiesen darauf hin, daß nicht nur die absolute Menge der Blutproteine eine Rolle spielt, sondern auch das Albumin-Globulin-Verhältnis. Ihre Feststellungen wurden von L A G R O T , A N T O I N E und C E S A I R E bestätigt. Dem Albumin kommt bei der Wundheilung die größte Bedeutung zu; das Anhaften des Transplantates wird somit vor allem durch die Hypalbuminämie gehemmt.

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Die Aminosäure-Konstituenten der Proteine haben verschiedene Bedeutung in der Wundheilung ( L O C A L I O U. Mitarb.). Die Sulfuraminosäure, die Zystine und Methionine haben eine spezifische Bedeutung ( W I L L I A M S O N ) . Die Rolle des Methionine h a t man auch morphologisch demonstriert ( P E R E Z - T A M A Y O U. I H N E N ) . Doch fand man auch ( P R U D D E N U. Mitarb.), daß die Zugabe von Zystine oder Methionine zur normalen Proteindiät die Schnelligkeit und den Grad der Wundheilung scheinbar nicht heben. Die Nukleinsäure h a t in der biologischen Forschung eine große Bedeutung. Aber in der Wundheilung h a t man sich mit dieser Frage erst in neuerer Zeit beschäftigt ( H O S O D A , T S A N E V , W I L L I A M S O N U. G U S C H L B A U E R ) . Die frühe Wundheilung zeigt einen schnellen Aufbau der Nukleinsäuren, die mehr Ribonukleinsäure als Desoxyribonukleinsäure enthalten ( T S A N E V U. Mitarb.). Man darf auch den Vitaminbedarf des Organismus nicht übersehen. Folgende Vitamine haben spezifische Bedeutung in der Wundheilung: Vitamin-B-Komplex hat allgemeine Bedeutung zur Erhaltung der Integrität der zellulären und enzymatischen Funktion. Vitamin Α ist wichtig in der Erhaltung der epithelialen Struktur. Vitamin Κ wird zur Blutgerinnung benötigt. Vitamin C hat eine besonders große Bedeutung, die E D W A R D S und D U N P H Y hervorgehoben haben. Vitamin C spielt auch bei der Bindegewebs-Bildung, bei der Bildung von Kollagenen und in der Beziehung zwischen den neugeformten Kollagenen und der Blutgefäßwand eine besondere Rolle. ( G O U L D U. Mitarb.). Seit Jahrhunderten ist die schlechte Wundheilungstendenz beim Skorbut bekannt ( W O L B A C H 1 9 3 3 , W O L B A C H U. H O W E 1 9 3 6 ) . Das Fehlen einer Proliferationshemmung bei Vitamin-C-Mangel (im Gegensatz zu Glukokortikoidwirkung) wird von vielen Autoren bestätigt ( H U N T 1 9 5 1 , L E V E N S O N U. Mitarb. 1 9 5 7 , L E V A N D E R 1 9 5 1 , H O W E S 1 9 5 4 ) . Wird kein oder fast kein Kollagen gebildet, sind die Mukopolysaccharide außerordentlich zahlreich ( B U N T I N G U. W H I T E 1 9 5 0 ) und stark depolymerisiert ( G E R S H U. C A T C H P O L E 1 9 4 9 ) . Das präformierte Kollagen wird anscheinend wieder abgebaut ( S P A I N U. Mitarb. 1 9 5 0 ) . Die Faserreißfestigkeit beträgt weniger als 1 / 12 der Norm ( B O U R N E 1 9 4 4 ) . Auch beim Vitamin C handelt es sich anscheinend um einen konditionellen Faktor, mit dessen Überdosierung kein Resultat zu erzielen ist. C R A N D O N und Mitarbeiter halten die Zufuhr von 400 mg Vitamin C pro die für den operierten Kranken für ausreichend. Den Hormonen wurde früher — mit der einzigen wahrscheinlichen Ausnahme des pankreatischen Insulins — kein wesentlicher Einfluß auf die Wundheilung und auf die Einheilung der Transplantate zugeschrieben. Der Diabetes stört auf dreifache Weise die Wundheilung. Erstens, weil die bei dieser Erkrankung entstehenden kleinen Arterien-Verschlüsse die lokale Durchblutung stören, zweitens weil eine bestimmte Insuffizienz der Gewebe bei Diabetikern besteht, und drittens weil der Kranke gegenüber Infektionen anfälliger ist. Bekannt, aber ursächlich nicht geklärt ist die schlechte Infektresistenz der Wunde bei Diabetes mellitus. Nach M E N K I N ( 1 9 5 0 ) soll der in traumatisierten Geweben entstehende Wirkstoff Nekrosin den Blutzuckerspiegel an sich schon erhöhen, besonders deutlich aber beim Diabetiker. Hierdurch kommt es zur lokalen Eiweißzerfallerscheinung und zur Glukosebildung durch Desamination. Möglicherweise spielen aber auch hier hormonale Faktoren eine wesentliche Rolle. In neuerer Zeit befassen sich die Forscher intensiv mit den verschiedenen hormonalen Einflüssen. Dabei wurde beobachtet, daß therapeutische Hormongaben zu schweren Gleichgewichtsstörungen der Wundheilung führen können. In erster Linie gilt dies von den Glukokortikoiden, insbesondere dem Cortison, das zu einer starken Reduktion der Proliferation der mobilisierten Zellelemente f ü h r t . Das Granulationsgewebe, insbesondere die Blutgefäßsprossen, bleiben völlig rudimentär ( R A G A N U. Mitarb. 1 9 4 9 , P I N T A R 1 9 6 0 ) . Auch die

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Transplantationslehre

Faserbildung wird gestört ( E H L E R S U. H I E R O N Y M I 1 9 5 9 ) . Die Polymerisation der Grundsubstanz wird durch Cortison wesentlich verstärkt ( L E T T E R E R 1 9 5 9 ) , die Hyaluronsäurebildung und die Zahl der Mastzellen hochgradig reduziert ( C A V A L L E R O U. B R A C C I N I 1 9 5 1 ) . Ferner soll unter Cortisoneinfluß die im Granulationsgewebe vor sich gehende Histaminbildung ( W I L S O N U. Mitarb. 1 9 6 0 ) und die Bildung der Hyaluronidase ( R Ö S S L E R 1 9 5 5 ) gehemmt werden. L A G R O T und A N T O I N E schreiben, daß von den drei Etappen der tissulären Wiederherstellung die letzte, d. h. die Etappe der Regeneration besonders durch verschiedene Faktoren gesteuert wird. Von diesen scheint das hormonale System das Übergewicht zu haben. Dieses System enthält zwei entgegenwirkende Gruppen, einerseits das S T IiSystem (Androgen, Aldosteron) und andererseits das ACTH-System (Glukokortikoide). Die Wirkung von ACTH auf die Wundheilung ist von vielen Autoren untersucht worden (SPAIN,

MOLMUT,

HABER,

BAKER,

WHITAKER,

RAGAN,

P L Ö T Z , S T I N C H F I E L D , B E H R M A N , GOODMAN, V I D E B A E K ,

CREDITOR,

CRISPOÜX,

BAXTER,

WHITELAW).

Nach Auffassung mehrerer Autoren wird die Granulations- und Bindegewebsbildung durch ACTH verringert und die Epithelisierung gefördert. Seine Wirkung beruht darauf, daß es die Synthese der Aminosäuren einschränkt und dadurch die mesenchymalen Reaktionen in normale Grenzen zurückführt. Es hemmt die Vermehrung der Fibroblasten und damit auch die Bindegewebsbildung. Wahrscheinlich begünstigt es die Epithelisierung mittelbar durch Einschränkung der Granulationsgewebsbildung. Eine die Epithelbildung direkt anregende ACTH-Wirkung konnte nicht nachgewiesen werden. R A G A N beobachtete bei einer mit ACTH behandelten Kranken, daß die Episiotomiewunde nicht heilen wollte, aber nach Weglassen von ACTH sehr rasch granulierte. H O W E S stellte bei Versuchstieren fest, daß unter der Wirkung von ACTH die Granulation langsamer vor sich ging. C R E D I T O R untersuchte histologisch mit ACTH behandelte Wunden: das Bindegewebe zeigte keinerlei Heilungsneigung, die Wunden enthielten wenig Fibrin, die Epithelisierung wurde nicht gestört. G R E E N behauptet, ACTH wirke durch Hemmung der Zellkernteilung. B A K E R U. C O S T E R injizierten Versuchstieren ACTH intradermal und beobachteten eine Verminderung des Haarwachstums, das Dünnerwerden des Epithels, die Atrophie der Schweißdrüsen und das Dünnerwerden der Kutis durch Atrophie und Verminderung der kollagenen Fasern. Die elastischen Fasern der Kutis blieben unverändert. Verschiedene Hormone und Vitamine wirken in geringem Maße synergistisch zusammen. Eine schlechte Wundheilung geht meist mit einer hormonellen Gleichgewichtsstörung infolge eines Übergewichtes des STH-Systems oder mit einer Gleichgewichtsstörung des Eiweißhaushaltes einher. Bei einer granulierenden Wunde ermöglicht die KortikoidTherapie die Wiederherstellung des hormonellen Gleichgewichtes. In diesem Fall verhalten sich ACTH und Cortison wie anabole Faktoren und stellen das Gleichgewicht im Eiweißhaushalt wieder her. Von vielen Autoren wird die Cortisonwirkung derjenigen eines Vitamin-C-Mangels gleichgesetzt. Das dürfte kaum richtig sein, da die Vitamin-C-lnsuffizienz in erster Linie zu einer Kollagensynthcsestörung und nicht zur Proliferationshinderung führt. Bei entsprechenden Versuchen ist zu beachten, daß Meerschweinchen praktisch nicht cortisonempfindlich sind, während sich Ratten als sehr geeignete Versuchstiere erwiesen haben. Immer wieder gaben die sog. Wund- oder Nekrohormone Anlaß zur Forschung. (Vgl. G O H R B A N D T , Nahtchirurgie und Auto-Homoio- und Heteroplastiken). C A R R E L L ( 1 9 2 4 ) bezeichnete sie als Trephone und setzte sie den im Gewebspreßsaft enthaltenen, für Zellkulturen wesentlichen Stoffen gleich. Sehr wahrscheinlich handelt es sich in erster Linie um Desoxyribonukleinsäuren ( M E N K I N 1 9 5 0 , 1 9 6 0 , CAMERON 1 9 5 2 ) , wie sie aus zerfallendem Gewebe frei werden ( L E V A N D E R 1 9 4 9 , D A V I D S O N 1 9 4 5 , H E G E M A N N 1 9 5 2 , R O S T O C K 1 9 5 0 ) . Die Tatsache, daß eine zweite nachträglich gesetzte Wunde wesentlich schneller heilt als die erste ( S A V L O V und D U N P H Y ) wird auf die reichliche Bildung der sog. Wundhormone

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in der ersten Wunde zurückgeführt ( H E G E M A N N 1 9 5 2 , S A N D B L O M 1 9 4 4 . F I L A T O W ) . I m übrigen sind die Verhältnisse jedoch außerordentlich kompliziert; so hat M E N K I N ( 1 9 5 0 und 1960) eine ganze Reihe chemisch aktiver Stoffe als Entzündungsfaktoren in Wunden nachgewiesen. Z O L L I N G E R fand durch Plazentarhormone eine einwandfreie Beschleunigung der Wundheilung, wobei alle Phasen ungefähr gleichmäßig betroffen waren. Weiter wird dem Thyroxin heilungsfördernde Wirkung zugeschrieben ( E H L E R S U. H I E R O N Y M I 1 9 5 9 , D A V I D S O N 1 9 4 5 , B A R C L A Y U. Mitarb. 1 9 4 4 ) . Obwohl die Wirkung der Hormone bei Operationen bekannt ist, kann man sie bisher nicht zur Beschleunigung des Heilungsvorganges benutzen. E s ist im Gegenteil aus dem Gesagten verständlich, wenn heute noch vor allzu intensiver Hormonbehandlung bei frisch operierten Kranken gewarnt wird. Die allgemeine Blutzirkulation des Körpers hat eine sehr bedeutende Rolle bei der Einheilung des Transplantates. Ist die Blutzirkulation gestört, ist die Oxydation nicht adäquat, und die Zufuhr der zur Einheilung nötigen Stoffe (Nährmittel) reicht nicht aus, zumal der Bedarf in einer Wunde viel größer ist als bei einem normal funktionierenden Gewebe. Es kann endlich die Akkumulation der Gewebsflüssigkeit und desoxygenisierten venösen Blut in der Wunde, eine Stase, Zustandekommen, die sich ungünstig für das weitere Schicksal des Transplantates auswirkt. Das kann durch einen Herzfehler oder eine Störung des Gefäßsystems bedingt sein. Es kann aber auch bei normal funktionierendem Gefäßsystem Zustandekommen, wenn das Blut nicht eine ausreichende Menge von Nährstoffen, d. h. Oxygen mit sich führt. Die Mehrzahl der Autoren behauptet, daß Transplantationen bei einer Erythrozytenzahl von weniger als 3 , 5 Millionen und 7 5 % Hämoglobingehalt (nach P A D G E T T unter 5 5 % , nach C U T H B E R T SON unter 6 0 — 7 0 % ) nicht erfolgreich verlaufen. E s ist daher wichtig, vor einer umfangreicheren Transplantation die Erythrozytenzahl und den Hb-Gehalt zu bestimmen und den Kranken erforderlichenfalls mit Bluttransfusionen vorzubereiten. Austrocknung und Anämie reduzieren die Heilungstendenz ganz beträchtlich ( H E G E M A N N 1 9 5 2 , S A N D B L O M 1 9 4 4 , G I L L M A N 1 9 5 9 , L E V E N S O N U. Mitarb. 1 9 5 0 ) . Ferner muß die Blutgerinnungszeit bestimmt werden. Ist sie verlängert, muß der Kranke entsprechend medikamentös vorbehandelt werden. Bestehen Anzeichen einer Thrombosebereitschaft, ist möglichst von einer Operation abzusehen. Die an Hämophilie leidenden Kranken haben nach verschiedenen Beobachtungen eine gute Heilungstendenz. B O O N und H A N D L E Y und Mitarbeiter fanden in diesen Fällen, daß nur die sich bildenden Hämatome Schwierigkeiten bereiten. Diese können aber abgesaugt werden. Der Spalthautlappen kann in solchen Fällen gute Dienste zur Blutstillung tun. Schließlich kann man sagen, daß die das Anhaften und die Heilung der Transplantate regelnden allgemeinen Faktoren (Erythrozytenzahl, Hämoglobin wert. Eiweißspiegel und -Verhältnis, Salz- und Wasserhaushalt, Stoffwechsel, Vitamine) in enger und komplizierter Beziehung zueinander stehen. Sie sind auch von der die Regeneration des Organismus stimulierenden Hormontätigkeit abhängig. Selbstverständlich spielt die Funktion des Zentralnervensystems, das alle diese Funktionen koordiniert und steuert, eine Rolle. Eine Vorbereitung wäre somit unzweckmäßig, wenn man nur einen dieser Faktoren berücksichtigen würde. Man muß seine Aufmerksamkeit dem Gesamt Organismus zuwenden, einschließlich der psychischen Verfassung, und den Kranken durch Hebung des psychosomatischen Allgemeinzustandes zur O-peration vorbereiten. Diese Tatsache ist von erstrangiger Bedeutung, und ohne diese Maßnahme führt auch die sorgfältigste lokale Vorbereitung nicht zum gewünschten Erfolg. Der lokale Zustand der Empfangsstelle eines Transplantates ist dann günstig, wenn sie die rasche Vaskularisation des Transplantates sicherstellen kann. Eine einwandfreie neurovaskuläre Versorgung der Empfangsstelle ist die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg

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Transplantationslehre

einer Transplantation, die — wie schon erwähnt — natürlich in engem Zusammenhang mit dem Allgemeinzustand des Patienten steht. Die lokale Vaskularisation wird hauptsächlich von Narben gestört. Daher müssen vor der Transplantation sämtliche Narben an der Empfangsstelle entfernt werden. Wenn das in einer Sitzung nicht möglich ist, oder ein Hautdefekt entsteht, muß die gesamte Vorbereitung und auch der notwendige Hautersatz vor der Transplantation in einer getrennten Sitzung geschehen. In solchen Fällen wartet man wenigstens 5—6 Monate mit der Transplantation bis die frisch verpflanzte Haut eingeheilt ist und ideale Verhältnisse für das Transplantat geschaffen sind. b) Die Bedeutung der Operationstechnik

Die Technik selbst, mit der die Transplantation durchgeführt wird, spielt eine bedeutende Rolle bei der Frage des Überlebens der Zellen des verpflanzten Gewebes. Unter Operationstechnik sind hier nicht nur die Methoden der unmittelbar während der Operation durchgeführten Manipulationen, sondern sämtliche Maßnahmen zu verstehen, die nach der Indikationsstellung zur Operation vom Chirurgen zu treffen sind. Hierzu gehören die allgemeine und lokale Vorbereitung, die Durchführung der Operation, Verband und Fixierung nach der Operation, sowie Nachbehandlung bis zur vollständigen Heilung einschließlich Verbandwechsel und Nachbehandlungen. Die Operationstechnik entspricht nur dann den Anforderungen, wenn sie auf gründlicher Kenntnis aller physiologischen Fragen beruht. Die Transplantation kann nicht zum gewünschten Ergebnis führen — mit welcher atraumatischen Technik sie auch immer vorgenommen wird —, wenn ζ. B. der Mechanismus der Revaskularisation außer Betracht gelassen wird, und ein Gewebestück, ζ. B. ein Fett- oder Knochentransplantat, mit einem Stück Faszie bedeckt wird; ebenso führen technische Fehler — auch bei gründlichster theoretischer Ausbildung — zum Mißerfolg der Operation. Die Operationstechnik der Transplantationsverfahren läßt sich keineswegs als abgeschlossen bezeichnen. In bezug auf Einzelheiten finden wir in fast allen Büchern und Mitteilungen abweichende Ansichten, die sich weniger auf die Schnittechnik als vielmehr auf die Vorbereitung der Entnahme- und Empfangsstelle, auf die Entnahme und Behandlung des Transplantates sowie die Art der Einpflanzung und der Nachbehandlung beziehen. Die zwei wichtigsten Grundregeln der Operationstechnik sind: strengste Asepsis und maximale Gewebsschonung (atraumatische Technik). Die Asepsis soll sehr streng genommen werden, weil die Infektion in den Transplantationen nicht nur eine unerwünschte Komplikation darstellt, sondern den ganzen Erfolg der Operation in Frage stellt. Störungen der Wundheilung sind selbst bei sorgfältigster Asepsis nicht unbekannt. Zahlenmäßig handelte es sich früher in erster Linie um Infektionen, während heute iatrogene Schäden mehr im Vordergrund stehen. Interessant ist die Feststellung, daß etwa vom 4. Tage nach der Operation eine fast vollkommene Infektresistenz der Wunden zu bestehen scheint (HEGEMANN 1952, RAUCH 1950). Das soll nicht besagen, daß es zu keiner Infektion kommt, doch führt sie nie zu einer Generalisation. Die Asepsis kann nicht durch die Verabreichung von Antibiotika ersetzt werden. Die routinemäßige Anwendung der prophylaktischen Antibiotika — eigentlich eine Art moderner Antisepsis — schafft mehr Probleme als sie hilft (Hospitalismus!). Dabei muß auch in Erwägung gezogen werden, daß das Trauma der Operation selbst die Resistenz des Organismus herabsetzt. Die Verhütung der Wundinfektion hängt nicht nur von der Prevention der bakteriellen Infektion, sondern auch von der gewebsschonenden Operationstechnik ab. LOCALIO und Mitarbeiter haben im Jahre 1948 die Proteinkonzentration der Faszie an operierten Kranken festgestellt und gefunden, daß bei gequetschten

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Wunden die lokale Proteinkonzentration kleiner, aber das Serumprotein-Niveau trotzdem normal war. Von letzterem kann man also nicht auf die lokalen Verhältnisse schließen. und W A T K I N haben berichtet, daß Tiere, die traumasitiert wurden, und zwar so schwer, daß es zum Schock kam, eine bestimmte Zeit später gegenüber bestimmten bakteriellen Infektionen äußerst anfällig sind (verminderte Resistenz). LEVENSON

H A N D L E Γ und W I L L I A M S O N glauben, daß diese Tatsache mit der verminderten Menge der Plasma-Gamma-Globuline in Zusammenhang steht, die im Abwehrmechanismus des Körpers eine bedeutende Rolle spielen. Der Umfang des operativen Traumas kann objektiv festgestellt werden. D U M O N T hat in heilenden Wunden die Menge der sich extrazellulär sammelnden Desoxyribonukleinsäure gemessen. E r fand, daß sie sich in der Schnittwunde kurz nach der Inzision sammelt und größer oder kleiner ist, ob der Schnitt mit einem Skalpell oder mit einer Schere geführt wurde. E r beobachtete eine graduelle Steigerung mit der Erhöhung des Operationstraumas.

c ) D i e B e h a n d l u n g der

Gewebe

Die Operation muß mit der feinsten Technik, schonend — atraumatisch — durchgeführt werden. Eine Garantie für den Erfolg der Transplantation bietet die Durchführung der Verpflanzung. Das beginnt schon mit der Vorbereitung der Empfangsstelle. Es ist leicht begreiflich, daß alle Unebenheiten der Empfangsstelle — gequetschte oder unterbundene, die Lebensfähigkeit verlorene Gewebsteile — der Revaskularisation entgegen stehen. Die von ihrer Bluternährung vollkommen getrennten, abgestorbenen Gewebsteile werden sehr schnell infiziert und sind Ursache einer sich rasch ausbreitenden Infektion. Sehr sorgfältig muß man mit dem subkutanen Fettgewebe umgehen, das sich gegenüber Bakterien weniger resistent zeigt und eine erhöhte Neigung zur Infektion hat. Zerfällt Fett im Körper, so wird das freiwerdende F e t t zum schädigenden Fremdkörper. Diese Erkenntnis ist wichtig und soll zur vorsichtigen und schonenden Behandlung des Fettgewebes führen. Es können noch hochgradig gestörte WundheilungsVerhältnisse in der Subkutis bestehen, während die Wundoberfläche äußerlich schon völlig verheilt erscheint. Ein wichtiger Punkt bei der Vorbereitung der Empfangsstelle ist die Blutstillung. Bei freien Transplantationen muß der Chirurg einen \Veg zwischen zwei wichtigen Forderungen finden: Zwischen der vollkommenen Blutstillung und dem Prinzip der minimalen Fremdkörpereinführung. Wenn er die Blutung nicht ganz exakt stillt, wird das Transplantat durch Sickerblutungen isoliert und eine sichere Nekrose herbeigeführt. Wenn man mit zu vielen Unterbindungen und Umstechungen arbeitet, werden kleinere oder größere Teile des Transplantates von der Versorgung abgeschnitten, weil die abgeschnürten und abgebundenen Weichteile nekrotisieren und die Versorgung der anliegenden Transplantatabschnitte verhindern. Zur Stillung parenchymatöser Blutungen hat sich längeres Anpressen mit warmer physiologischer Kochsalzlösung getränkter Tupfer auf die blutende Wundfläche ausgezeichnet bewährt ( L E X E R ) . K I L N E R empfiehlt Eiswasser zur Blutstillung. Der Lösung kann auch Adrenalin im Verhältnis 1 : 5 0 0 0 zugesetzt werden ( B R O W N ) . F R A N K spritzt adrenalinhaltige Kochsalzlösung in die blutenden Gewebe. Auf diese Weise versucht er, den Verschluß der Gefäße sowohl durch mechanische Kompression als auch durch Adrenalinwirkung zu erreichen. Diathermie darf bei der freien Transplantation nicht zur Blutstillung benutzt werden, weil das Transplantat über den kleinen thermokoagulierten Stellen nekrotisiert. Die beste Blutstillung bei einer parenchymatösen Blutung erreicht man. wenn man einfach Muskelgewebe, auch von einem anderen Menschen, auf die blutende Stelle aufdrückt ( G O H R B A N D T ) .

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Transplantationslehre

Das Transplantat selbst muß auch so geschnitten werden, daß außer der dadurch bedingten Schädigung seine Zellen weitgehend geschont werden. Es müssen außerdem alle physikalischen und chemischen Reize (Wärme, Austrocknung, starke chemische Mittel usw.) vermieden werden. Aus diesem Grunde ist es empfehlenswert, das Transplantat immer unmittelbar vor dem Augenblick der Überpflanzung zu entnehmen und sofort zu pflanzen. Man muß auch daran denken, daß das Licht der stark wärmenden und somit austrocknenden Operationslampe abgeschirmt wird. Es können auch exogene Fremdkörper in die Wunde gelangen, welche entweder chemisch oder physisch reizen. Es muß auch vor dem Talkumpuder der Gummihandschuhe gewarnt werden, der die Einheilung auch stören kann. Der Verschluß der WTunde soll mit den sorgfältigsten plastischen Nahtmethoden und Materialien erfolgen, damit das Transplantat nicht durch Dehiszenz oder sekundäre Infektionen gefährdet wird. Der Verband und die Immobilisation beenden die Operation. Jede Wunde heilt besser, wenn sie in Ruhe ist und unter geringer Spannung steht. Der Verband hat mehrere Aufgaben zu erfüllen. Seine wichtigste Rolle ist die Immobilisierung. E r muß die Zug- und Druckwirkung der Umgebung auf das Operationsgebiet verhindern und die bei der Operation gebildete Form bis zur Organisierung erhalten. Jedes durchtrennte Gewebe neigt zur Dislokation, zur Verschiebung. Diese läßt sich an Weichteilen wesentlich schwerer verhindern als an Stützgeweben (ζ. B. bei Knochcntransplantationen). Die größten Schwierigkeiten ergeben sich beim Verbinden der in der Nähe von Körperöffnungen vorgenommenen Operationen, wo der Verband die grundlegenden physiologischen Funktionen ermöglichen muß. Der Verband muß fest sitzen, darf aber nicht straff, unelastisch sein, weil er leicht durch einen allzu festen Druck Störungen verursacht. E r darf die WTunde nicht zu sehr komprimieren, d. h. die Verdunstung und Drainage nicht ganz verhindern, weil sonst lokale Gewebsirritationen mit allen ihren Folgen verursacht werden. Die funktionelle Aufgabe des Verbandes ist ebenfalls wichtig: Er muß einen elastischen Druck von bestimmter Stärke auf das Transplantat ausüben. S O S K I X , S T A T E und S M I T H haben in Versuchen und in der Klinik bestätigt, daß der Verband keinen stärkeren Druck als 30 mm Hg ausüben darf, da er sonst von letaler Wirkung auf das Transplantat ist. Der Druck des Verbandes hat nämlich die Aufgabe, die Folgen des chirurgischen Traumas zu verhindern (Blutungen, Ödem, lokalen Gefäßkollaps, Distorsion, Weggleiten usw.), den toten Raum zu beseitigen und die gleichmäßige Lage des Transplantates zu gewährleisten. Der Druck ist entsprechend, wenn er die maximale Versorgung und Flüssigkeitszufuhr garantiert, aber eine Flüssigkeitsansammlung verhindert. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß der Austritt von Blutplasma durch die Kapillarwand — Quelle der Lymphe — von mechanischen Faktoren stark beeinflußt wird. Die Lymphmenge steht praktisch im Verhältnis zur Höhe des Kapillardrucks. Aus der Tatsache, daß der periphere Venendruck zwischen 5—15 mm Hg und der arterielle Druck zwischen 40—45 mm Hg liegt, kann man schließen, daß derjenige Druck am geeignetsten ist, der die Venulae komprimiert (d. h. höher ist als 15 mm Hg) aber nicht die Arteriolen. Diesem Zweck entspricht auch theoretisch am besten ein Druck von 30 mm Hg. WTenn ein Verband fester sitzt, d. h. sein Druck stärker ist, werden die Arteriolen komprimiert, die Lymphausströmung wird herabgesetzt. Dadurch wird die Versorgung des Transplantates gefährdet und eine Nekrose herbeigeführt. Die Verbandslage, die unmittelbar auf der Operationswunde liegt, wird am besten nicht mit irgendwelchen blutstillenden, bakteriziden, besonderen Pulverformen versehen. Es kommt bei den Transplantationen darauf an, einen möglichst geringen Reiz auf die Transplantationswunde auszuüben. Auch mit der Unterspritzung von Novokainlösungen soll man sehr vorsichtig sein, da es gar nicht selten vorkommt, daß Patienten das Novokain nicht vertragen.

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II. Die Hauttransplantation Es ist eine unbedingte Forderung in der Chirurgie, alle offenen Verletzungen der H a u t sofort, zum wenigsten möglichst schnell zu schließen. In jede offene Wunde dringen Infektionserreger ein. Durch die Anwesenheit von Erregern wird eine Infektion noch nicht bedingt, dieselbe hängt nicht nur ab von der Virulenz der Bakterien, sondern auch besonders von der Widerstandskraft des Gewebes, von der Art der Verletzung, von dem Allgemeinbefinden und vielen anderen Faktoren mehr. Heilt eine Wunde nicht primär, sondern kommt es zu einer Infektion, so spricht man von einer Sekundärheilung, deren Narbenbildung und Gewebe gewöhnlich funktionsstörender und aesthetisch unbefriedigender ist als eine Heilung per primam. Die chirurgisch einfachste Methode der Deckung von Hautdefekten ist die Naht. Eine direkte, einfache W u n d n a h t darf jedoch nur ausgeführt werden, wenn an den Wundrändern keine Spannung auftritt. Die Spannung verursacht eine Schwellung der Umgebung, die zu Störungen der Blutzirkulation führt, die nicht nur die Wunde selbst, sondern insbesondere die tieferen Gewebe gefährdet und die Ausbreitung einer Infektion fördert. Sobald bei der

Die Hauttransplantation

12 I 21

Naht einer Wunde eine deutliche Spannung auftritt, kann es zu ausgedehnten Nekrosen kommen, die nur mit einer der vielen Methoden der Hauttransplantation behandelt werden können. Ein bestimmtes Gesetz, wie lange eine offene Wunde noch nachträglich versorgt werden kann, gibt es nicht. Man nimmt im allgemeinen eine Zeitgrenze von 8—10 Stunden an, aber nur im allgemeinen, denn ausschlaggebend ist der Zustand der Wunde. Häufig kann man die Primärversorgung noch dadurch erreichen, daß man die Wundränder exzidiert und damit alles bereits infizierte und nekrotische Gewebe entfernt. E s ist daher für jeden Chirurgen und für jeden Arzt, der sich mit der Versorgung Verletzter beschäftigt, unerläßlich, sich mit den theoretischen und praktischen Fragen der Hauttransplantation vertraut zu machen. Wenn der Chirurg weiß, daß er jeden beliebig großen Hautdefekt sicher und endgültig decken kann, dann wird er die Wundnaht nicht forzieren, dann wird er bei der Wundexzision — und auch bei der Exstirpation einer Geschwulst — kühner vorgehen und alle gequetschten, verunreinigten, nicht lebensfähig erscheinenden, sowie onkologisch verdächtigen Weichteile exakt entfernen. Das darf er in dem Bewußtsein tun, daß ihm bestimmte Methoden zur Verfügung stehen, mit denen der Defekt rasch, sicher und definitiv ersetzt werden kann. Außerdem muß man bei der Exzision einer Wunde bedenken, daß wesentlich weniger Noxine in dem abgestorbenen Gebiet gebildet werden können. A. Die Biologie der Hauttransplantationen Um die praktische Anwendung der vielen, verschiedenen Verfahren der Hauttransplantation verstehen zu können, ist es zuerst erforderlich, einige Fragen aus der Biologie der Hauttransplantation zu beantworten: Wie die verpflanzte Haut einheilt, welche Resultate in funktioneller und aesthetischer Hinsicht zu erwarten sind, wie der neue Hautdefekt zu versorgen ist und welcher Zusammenhang zwischen Defekt und dem auszuwählenden Transplantationsverfahren besteht. Bei den nun folgenden Ausführungen über die Einheilung der transplantierten Haut, handelt es sich selbstverständlich nur um die Verwendung von Autotransplantaten. Homoio- und Heteroplastiken heilen nicht ein. Beim homoio- oder heteroplastischen Transplantat liegen so verschiedene Wundheilungen vor, daß von einer Einheit in den Wundverhältnissen überhaupt nicht gesprochen werden kann. 1. Die Einheilung der transplantierten Haut Von den zwei Grund verfahren der Hauttransplantation, der Stiellappenplastik und der freien Transplantation der Haut, kommt im Hinblick auf den Heilungsprozeß nur der letzteren eine besondere Wichtigkeit zu. Bei den Lappenplastiken erfolgt eine normale Wundheilung mit allen bekannten Erscheinungen. Bei der freien Transplantation dagegen müssen wir uns immer darüber im klaren sein — und das gilt als Hauptprinzip — , daß das Transplantat als funktionelle Einheit weiterlebt. I n seinen Hauttransplantationsversuchen wies P E E R nach, daß die ektodermalen Teile des Hauttransplantates von den Zellen der Empfangsstelle nicht substituiert werden können; die Haarzwiebeln und die in der Kutis befindlichen Drüsen bleiben am Leben. Auf gleiche Weise lassen sich ζ. B . auch Pigment-Naevi frei transplantieren. Die experimentell nachgewiesene Tatsache, daß in der transplantierten Haut auch Hämangiome erhalten bleiben, beweist, daß die Gefäße des Transplantates die Verpflanzung überleben. Ein weiterer Beweis für das Überleben des Transplantates ergibt sich daraus, daß die Haut anhaftet und unverändert am Leben bleibt, wenn sie nicht in die gleiche Umgebung,

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J.

ZOLTAN,

Transplantationslehrc

sondern ζ. Β. zwischen Flimmerhaarepithelien oder auf Knochen verpflanzt wird. Da es in dieser Umgebung keine Epithelelemente gibt, besteht auch keine Möglichkeit, daß die Umgebung die zugrunde gegangenen Zellen des Transplantates ersetzt. Nach übereinstimmenden Untersuchungsergebnissen von E N D E R L E N , B R A U N , H E N L E und M A R C H A N D kommt es am zweiten Tag nach der Transplantation zur Lockerung des Epithels der verpflanzten H a u t bis zu den Papillen und anschließend zu ihrer Abstoßung. Unter der abgestoßenen Schicht setzt aus den zwischen den Papillen verbliebenen Epithelinseln und aus den Ausführungsgängen der Drüsen eine stürmische Epithelisierung ein und bereits am 5. Tag bedeckt das frische Epithel die ganze Oberfläche des Transplantates. Am 10.—12. Tag wird die desquamierte Schicht in Form einer zusammenhängenden Lamelle oder lamellären Abschilferung abgestoßen, was naturgemäß nur bei guter Durchblutung und rascher Revaskularisation geschieht. Bei schlechter Durchblutung bildet sich subepithelial eine blutigseröse Flüssigkeitsansammlung, die das Epithel völlig bis zur Kutis hebt. I n diesem Fall kann sich die Epithelisierung wochenlang hinziehen, und das Transplantat zeigt eine fleckige Verfärbung. Nach Einsetzen der Vaskularisation, d. h. am 4.—5. Tag, werden die in Fibrin eingebetteten Leukozytenmassen von Fibroblasten, die mit den Fibroblastelementen des Transplantates in enge Verbindung treten, angegriffen und nach und nach ersetzt. Ungefähr am 10. Tage nach der Transplantation bewirken sie die enge und endgültige Vereinigung des Transplantates mit der Empfangsstelle. Diese bindegewebige Schicht f ü h r t die sekundäre, d. h. definitive Schrumpfung des Transplantates herbei. Bis zum Zustandekommen dieser engen bindegewebigen Verbindung kann man das an und für sich gut anhaftende Transplantat leicht von der Empfangsstelle entfernen. Dies läßt sich am besten in Fällen beobachten, bei denen ein Transplantatanteil an die Entnahmestelle — als die natürlichste „konservierende Umgebung" — zurückgesetzt und von dort einige Tage später zur Transplantation wieder entnommen wird. Durch diesen „Platzwechsel" wird das Transplantat überhaupt nicht geschädigt. Z W I C K E R untersuchte die „Retransplantation" des bereits eingeheilten Transplantates in Tierversuchen und stellte fest, daß die abgelösten und von neuem transplantierten Hautlappen beinahe ebenso sicher anhaften wie bei der ersten Verpflanzung. In der am Boden bleibenden basalen Zellschicht vergrößern sich die Zellen und weisen eine gesteigerte mitotische Tätigkeit auf. Die Vermehrung der Ribonukleinsäure weist auf die verstärkte Keratinproduktion der Zellen hin ( S C O T H O R N E ) . Z U gleicher Zeit nimmt der Glykogengehalt der Epithelzellen zu. Der vermehrte Glykogengehalt im Epithel der transplantierten H a u t wird auf verschiedene Weise erklärt. Eine Ursache könnte die auf Stoffwechselsenkung beruhende schwächere Kohlenhydrat Verwertung sein. Diese Annahme wird indessen dadurch widerlegt, daß die Zelltätigkeit zunimmt. Die Glykogenakkumulation kann auch als ein Degenerationsprozeß aufgefaßt werden, da eine ähnliche „Glykogendegeneration" auch in rasch wachsenden Tumorzellen beobachtet wurde (EWING). Hiergegen spricht, daß die Glykogenspeicherung in der transplantierten H a u t länger anhält als die Dauer der Durchblutungsstörung. Die Glykogenanhäufung kann auch ein Zeichen der Adaptation an die verminderte Sauerstoffversorgung sein. Im Anschluß an Autotransplantationen hat man ebenso wie nach Homoiotransplantationen gewisse ungünstige serologische Erscheinungen beobachtet. Nach wiederholten Transplantationen sowie bei gewissen Krankheiten waren die Autotransplantationen erfolglos, was man auf die Entstehung von „Auto-Antikörpern" zurückführte. C H Y T I L O V A gelang es, diese Auto-Antikörper nachzuweisen, und an Meerschweinchen mittels Transplantation von lyophilisierter autogener H a u t experimentelle „Auto-Agressivität" hervorzurufen. Besonders interessant sind auch die Transplantationsversuche homoioplastischer

Die H a u t t r a n s p l a n t a t i o n

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N a t u r , die m a n in der Parabiose durchzuführen versucht h a t t e . Man hat bei durch Parabiose verbundenen Tieren Hautlappenplastiken versucht. Es ist nicht ein einziges Mal gelungen, eine solche gestielte Plastik bei Parabiosetieren zum Anheilen zu bringen ( G O H R BANDT). J a m a n h a t sogar eines erfahren, daß eine Sym- u n d Parabiose ü b e r h a u p t nicht gelingt, obwohl jedes Tier seinen eigenen Stoffwechsel hatte. Aber hier k o m m t es zu so schweren Vergiftungserscheinungen durch das sog. Parabiosegift, d a ß ein Tier unweigerlich stirbt. Eine nicht gelungene Parabiose wird immer als Grund angegeben, daß eine einfache Homoioplastik nicht gelingen könnte, wenn es nicht gelingt, die ganzen Tiere zu vereinigen. a) Die Blutversorg:iiiij? Von besonderer Bedeutung ist die Entwicklung der Blutversorgung des Transplantates, weil der Erfolg der Transplantation nur durch eine ungestörte Blut Versorgung gewährleistet wird. Die Blutversorgung der frei transplantierten H a u t hat drei, zeitlich aufeinander folgende P h a s e n : das Anhaften, die E r n ä h r u n g durch Diffusion u n d die Revaskularisation. Die erste, sowohl klinisch wie histologisch nachgewiesene Voraussetzung f ü r die Einheilung der transplantierten H a u t ist das in den ersten Minuten der Transplantation eintretende Anhaften des Transplantates am W u n d b o d e n der Empfangsstelle ( M A R C H A N D , LEXER).

Das A n h a f t e n ist die Ausfällung des zwischen den beiden Wundflächen befindlichen Plasmas zu Fibrin, wodurch in wenigen Minuten das T r a n s p l a n t a t so eng an die Basis geklebt wird, daß es nur mit größerer K r a f t wegbewegt oder abgehoben werden kann. Angesichts der Wichtigkeit des ersten Anhaftens soll bereits an dieser Stelle folgendes vorausgeschickt werden: a) Bei der Operation m u ß verhindert werden, d a ß es zwischen Empfangsstelle u n d der Schnittfläche des T r a n s p l a n t a t e s zu einer Flüssigkeitsansammlung k o m m t , oder ein F r e m d k ö r p e r hingelangt. D a d u r c h werden die beiden W u n d f l ä c h e n voneinander isoliert und das A n h a f t e n wird verhindert. b) Das fibrinogenhaltige P l a s m a der W u n d f l ä c h e n darf weder abgewaschen noch abgerieben werden ; es ist daher verboten, die Basis mit trockenen T u p f e r n abzureiben oder das T r a n s p l a n t a t in Flüssigkeit zu legen. c) Ferner ist es gefährlich, d a s bereits h a f t e n d e T r a n s p l a n t a t vom W u n d b o d e n wieder abzuheben und zu verschieben oder zu versetzen, weil d a d u r c h der T r a n s p l a n t a t i o n dreifacher Schaden zugefügt wird. Wir zerstören die bereits e n t s t a n d e n e enge Verbindung des T r a n s p l a n t a t e s mit der Grundlage. Wir erschöpfen seine Fibrin-Präzipitationsfähigkeit bzw. seine Reserven und machen es unmöglich, d a ß nach Zurücklagerung wieder eine gleichwertige Fibrinausscheidung z u s t a n d e k o m m t . Die zurückbleibende Fibrinschicht isoliert mechanisch die beiden W u n d f l ä c h e n voneinander und verhindert eine neue Verklebung.

Das Transplantat wird in den ersten Stunden bzw. Tagen nach der Verpflanzung durch Diffusion ernährt. Sofort nach der Operation beginnt eine verstärkte Exsudation an tier Empfangsstelle. Die reichlich austretende, zellreiche Flüssigkeit gelangt in das Transplantat und sorgt f ü r die Aufrechterhaltung des Zellstoffwechsels. Die Gewebsflüssigkeit an der Empfangsstelle k a n n das T r a n s p l a n t a t sogleich verwerten, wenn es nur oder überwiegend Epithel enthält, das keine eigenen Gefäße besitzt u n d sich daher an die „parasitäre" Lebensweise, d. h. an die nur durch Diffusion erfolgende Ernährung gewöhnt hat. Diese T r a n s p l a n t a t e sind praktisch als gefäßfrei zu betrachten, weil sich selbst in den Kutisteilen zwischen den Papillen nur sehr wenige und primitive Kapillaren befinden. I n den dünnen Epithel-Transplantaten ist die Phase des plasmatischen oder interstitiellen Kreislaufes am wichtigsten, u n d zwar nicht nur am ersten Tage, sondern auch an den

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J . ZOLTÄN,

Transplantationslehre

folgenden, bis sich das Transplantat organisiert. Darauf beruht die Anspruchslosigkeit und das sichere Anhaften der Thiersch-Transplantate. Dieser Tatsache kommt neben der raschen Epithelisierung von Wundflächen mit im allgemeinen schlechter Blut Versorgung auch eine wichtige praktische Bedeutung zu (MIR Υ MIR). Das Kutis-haltige Transplantat wird nämlich seitens der von der Empfangsstelle ausströmenden Flüssigkeit nur dann ernährt, wenn diese in die eigenen Gefäße des Transplantates gelangt (DAVIS). Das beweist die Tatsache, daß SANVENERO-ROSSELLI bereits 24—36 Stunden nach der Überpflanzung rote Blutkörperchen in den alten Gefäßen des Transplantates festgestellt hat. Nach den stereomikroskopischen Beobachtungen von CONVERSE und RAPAPORT tritt zu diesem Zeitpunkt ein wahrnehmbarer Kreislauf noch nicht in Erscheinung. Die endgültige Einheilung des Transplantates wird durch die Revaskularisation gewährleistet, die nach den Angaben verschiedener Forscher am 2.—5. Tag nach der Transplantation eintritt. Die Gefäße wachsen auf verschiedene Weise in das Transplantat hinein: a) Zwischen den Gefäßen des Bodens u n d des T r a n s p l a n t a t e s e n t s t e h e n kleine K a p i l l a r a n a s t o m o s e n b) Die von der Empfangsstelle zum T r a n s p l a n t a t — wahrscheinlich infolge Chemotaxis — wachsenden Gefäßsprossen dringen in die Gefäße des T r a n s p l a n t a t e s ein. c) Die Kapillar-Gefäßsprossen der Empfangsstelle wachsen d i r e k t in d a s T r a n s p l a n t a t u n d bilden ein reichhaltigeres K a p i l l a r n e t z , als vorher v o r h a n d e n war (Abb. 1).

A b b . 1. Die drei verschiedenen F o r m e n der Revaskularisation des frei verpflanzten H a u t t r a n s p l a n t a t e s a) U n m i t t e l b a r e K a p i l l a r a n a s t o m o s e n ; c) u n m i t t e l b a r in das T r a n s p l a n t a t einwachsende b) in die überlebende Gefäße des T r a n s p l a n t a t e s Gefäßsprossen einwachsende Gefäßsprossen;

Diese drei Formen der Vaskularisation nehmen wahrscheinlich nicht immer in gleichem Ausmaß an der Revaskularisation des Transplantates teil, sondern je nach der Dicke und dem Heilungsmechanismus des Transplantates in verschiedenem Maße (ZOLTÄN). Das Hineinwachsen der Gefäße wird wahrscheinlich durch die Chemotaxis geregelt, die von einer aus dem Transplantat zur Empfangsstelle strömenden, vermutlich mit den Stoffwechselzersetzungsprodukten zusammenhängenden Substanz ausgelöst wird. Diese Substanz, die vom normalen Lymph- und Blutkreislauf nicht abtransportiert wird, wirkt durch die plasmatische Zirkulation auf die Zellen des W T undbodens und stimuliert ihre Regenerationsbereitschaft, fördert aber zugleich das Wachstum der Gefäßsprossen. Wenn der Kreislauf im Transplantat durch die direkten Anastomosen oder das Hineinwachsen der Gefäßsprossen der Empfangsstelle in die Gefäße des Transplantates nach kurzer Zeit geregelt ist, und nachdem der Reiz verschwindet, hört auch die Wucherung der Kapillaren auf. J e länger der Reiz einwirkt, desto mehr neue Kapillaren entstehen, die größtenteils — da sie mit den Geiäßen des Transplantates nicht mehr unmittelbar kommunizieren — in das Transplantat hineinwachsen.

Die H a u t t r a n s p l a n t a t i o n

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Dies läßt sich in direkte Beziehung zum späteren Verhalten des Transplantates bringen, was zugleich als Beweis obiger Hypothese dient. J e mehr die Einheilung des Transp l a n t a t e s gestört ist, u m so mehr gefäßreiches Granulationsgewebe entsteht unter dem T r a n s p l a n t a t . Infolgedessen t r i t t die sekundäre Schrumpfung, Faltenbildung des Transplantates ausgeprägter zutage. Diese zieht noch weitere Folgen nach sich, die zum Teil in F o r m der Innervation, u n d zwar darin p r ä g n a n t zum Ausdruck kommen, daß diejenigen Teile des Transplantates, deren Heilung sich infolge der Kreislaufstörung verzögert hat u n d unter denen deshalb mehr Narbengewebe entstanden ist, viel länger ohne sensorische Nerven, ja sogar endgültig hypästhetisch bleiben. I n den in das T r a n s p l a n t a t neu hineingewachsenen Kapillaren findet die Zirkulation anfangs in wechselnder u n d erst später, etwa am 7.—8. Tage, nur in einer Richtung s t a t t . L E W I S h a t in bezug auf den frühen Kreislauf des Transplantates eine interessante Feststellung gemacht. I n den sich dem subpapillären Plexus anschließenden Arteriolen u n d Kapillaren f a n d er die hineingelangten zelligen Blutbestandteile größer als den Gefäßdurchmesser, so d a ß diese die Gefäßwand im Verlauf ihrer Bewegungen erweitert haben. Die lymphatische Zirkulation der frei transplantierten H a u t h a t weniger Interesse ge weckt. CAVALLI ( 1 9 3 5 ) h a t an Hasenohren die lymphatische Zirkulation des H a u t t r a n s plantates mit Injektionstechnik untersucht. E r konnte sehen, d a ß die Lymphdrainage des Transplantates 4—5 Tage nach der Operation durch Einwachsen von neugeformten Lymphgefäßen aus dem W u n d b e t t wiederhergestellt war. M E D A W A K ( 1 9 4 4 ) hat beobachtet, daß an Hasen 4 Tage nach der Verpflanzung Lymphgefäße in den H a u t t r a n s p l a n t a t e n eingewachsen sind. M C G R E G O R u n d C O N W A Y ( 1 9 5 6 ) sowie SCOTHORNE ( 1 9 5 8 ) haben gefunden, d a ß die Lymphgefäße in der H a u t die Operation überleben, u n d daß die Lymphdrainage 5—6 Tage nach der Operation wiederhergestellt war. B O O D E N behauptet, d a ß er in seinen gründlichen u n d ausführlichen Tierexperimenten u n d klinischen Beobachtungen die neugeformte Verbindung durch das, das Transplantat umgebende Narbengewebe 9 Tage nach der Operation sehen konnte. I n dieser Zeit h a t t e die Verbindung einen Durchmesser von mehr als 30 Mikron. Sicher haben sich diese bereits eher gebildet, waren aber nicht mit Mikroradiogrammen darzustellen. Der Verfasser k o n n t e ferner beweisen, d a ß das lymphatische System die Transplantation überlebt und seine ursprüngliche S t r u k t u r und F u n k t i o n erhalten bleiben. C O N W A Y untersuchte die Schiveißdrüsenfunktion der transplantierten H a u t und stellte fest, d a ß die Tätigkeit der Schweißdrüsen in der frei transplantierten H a u t u n d im Stiellappen wiederhergestellt wird, im frei transplantierten Spalthaut läppen dagegen nicht. Dies läßt sich mit der Schichtdicke bei der E n t n a h m e des Transplantates erklären, da bei diesen die Mehrzahl der Schweißdrüsen an der Entnahmestelle bleibt, gerade weil damit gerechnet wird, daß die Epithelbildung hier aus der Epithelauskleidung der Schweißdrüsen erfolgt. Die endgültige Heilung n i m m t mindestens ein J a h r in Anspruch ( E N D E R L E N ) . Das Epithel des eingeheilten Transplantates stimmt völlig mit dem normalen überein. Mitunter sieht man, d a ß die Papillen geglättet sind u n d das Epithel flach mit der K u t i s im K o n t a k t steht. I n diesen Fällen ist wahrscheinlich, d a ß das Epithel bei der Transplantation bis zur Tiefe der Papillen zugrunde gegangen ist u n d nur unvollkommen regenerierte. I m Gegensatz zu diesen regressiven Prozessen sind bisweilen auch hyperplastische Erscheinungen zu beobachten, die sich in der Verdickung des S t r a t u m spinosum u n d granulosum sowie in der akanthotischen Verlängerung der Papillen manifestieren. I n diesem Fall sieht m a n leukozytäre Infiltrationen in der K u t i s und degenerative Veränderungen in den elastischen Fasern. Außerordentlich wichtig ist das Verhalten der elastischen Fasern, das als I n d i k a t o r f ü r die Einheilung des Transplantates angesehen werden muß. Nach E N D E R L E N u n d M A R C H A N D

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J. ZOLTÄN,

Transplantationslehre

degeneriert ein großer Teil der elastischen Fasern und an ihre Stelle treten aus der Basis stammende Fibrillen. Unter den Autoren der Gegenwart vertritt SMITH den gleichen Standpunkt. Im Gegensatz dazu sind die meisten Autoren der Ansicht, gerade der Fortbestand der elastischen Fasern beweist, daß das Transplantat am Leben bleibt. BRAUN hat die feinsten elastischen Fäserchen am 9. Tage nach der Transplantation bis zu den Papillen völlig intakt gefunden und ihren Fortbestand auch in älteren Transplantaten beobachtet. I m eingeheilten Transplantat ist das Netz der elastischen Fasern etwas dichter als in der normalen Haut, was wahrscheinlich auf die Schrumpfung des Transplantates nach der Entnahme zurückzuführen ist. An den Rändern sieht man als Zeichen der Retraktion eine Zusammenballung der elastischen Fasern. Wie auch aus der Anhäufung von Rundzellen hervorgeht, beruht die Destruktion der elastischen Fasern auf einer schweren Störung des Heilungsprozesses. Die Fasern verdicken sich, bilden ein dichtes Knäuel und verschwinden im zellreichen Gebiet. Die akzessorischen Hautelemente (Drüsen und Haarfollikel) überleben in ihrer Mehrheit die Transplantation. Das Überleben dieser Elemente, sowie der elastischen Fasern ist ein Beweis für die Erhaltung des Transplantates und seiner ungestörten Einheilung. Das Pigment verhält sich dagegen ganz verschieden, so daß seinem Vorhandensein oder seinem Fehlen keine besondere Bedeutung zukommt (DAMMIN U. MURRAY). Aus diesem Grunde kann man die Farbe des Transplantates nach der Einheilung nicht genau vorausbestimmen. Die transplantierte Haut muß in funktioneller und aesthetischer Beziehung den Anforderungen entsprechen, denen sie an der Empfangsstelle gerecht werden muß. Die Funktion ist zweifellos stets der wichtigste Gesichtspunkt, doch dürfen auch, besonders bei Transplantationen auf unbedeckte Körperflächen, die aesthetischen Anforderungen nicht vernachlässigt werden.

b) Die Widerstandsfähigkeit der transplantierten H a u t

Die Widerstandsfähigkeit der Haut ist eine wichtige Voraussetzung, die im allgemeinen auch erfüllt wird, wenn keine allzu große mechanische Beanspruchung auf das Transplantat ausgeübt wird. Die auf den Rumpf, sowie auf den mehr proximal gelegenen Teilen der Extremitäten überpflanzten Hauttransplantate, selbst in der Gegend der großen Gelenke widerstehen gut einer Beanspruchung. Sie sind weich, elastisch und bilden normale Falten. Auf mechanischer Beanspruchung besonders ausgesetzten Regionen der Körperoberfläche, hauptsächlich auf der Hohlhand und Sohlenfläche gesetzte Transplantate dulden die große Belastung nicht immer gleich gut. Die Mehrzahl der Autoren ist deshalb der Meinung, daß man auf diese Flächen besser einen Stiellappen transplantieren soll. Im Zusammenhang mit der Widerstandsfähigkeit muß man die Schrumpfung der frei transplantierten Haut bedenken. Die Schrumpfung des Transplantates ist ein wichtiger Punkt und muß bei der Planung der Operation berücksichtigt werden, wenn das Transplantat die freie Bewegung eines Gelenks oder Körperteils (Gesicht) gewährleisten muß. An diesen Stellen würde eine beträchtliche Schrumpfung des Transplantates eine erhebliche Funktionsstörung hervorrufen oder die Tätigkeit lebenswichtiger Organe (Augenlid, Lippe) gefährden. Die frei transplantierte Haut unterliegt zweierlei Schrumpfungsvorgängen. Primär schrumpft sie im Augenblick der Entnahme. Da diese Schrumpfung von den elastischen Fasern ausgeht, wird sie um so stärker sein, je dicker das Transplantat ist (DAVIS, K I T LOVVSKY). Die sekundäre Schrumpfung kommt im Verlauf der Heilung zustande und ist auf die Bildung narbigen Gewebes unter dem Transplantat zurückzuführen.

Die H a u t t r a n s p l a n t a t i o n

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Für die Schrumpfung der heilenden Wunde wird von den meisten Autoren die Verkürzung der in der granulierenden Wunde vorhandenen kollagenen Fasern als Ursache angegeben ( C A R R E L , L I N D Q U I S T , A B E R C R O M B I E U. Mitarb., GRTLLO u. Mitarb., B I L L I N G H A M U. Mitarb.). Diese weisen darauf hin, daß man eine frühe und späte Schrumpfung der Wunde unterscheiden muß, weil dabei verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Die neuesten Versuche von A B E R C R O M B I E haben indessen gezeigt, daß Schrumpfung auch in solchen Fällen eintrat, wo kein Kollagen gebildet wurde. Daraus schloß er, die Ursache der Schrumpfung sei in den Bindegewebszellen zu suchen. W A T T S , G R I L L O und G R O S S haben in Tierversuchen nachgewiesen, daß die Schrumpfung nicht direkt von der Zusammenziehung des die Wunde anfüllenden Granulationsgewebes verursacht wird, sondern von der Schrumpfung des unter der Nahtlinie liegenden Teils, was er als ,,Bildrahmen"-Schrumpfung bezeichnet. Dieser Teil des Wundbodens ist histologisch sehr zellreich, enthält wenig Kollagen, aber viele Fibroblasten. Die Schrumpfung hört auf, wenn dieser ,,Bildrahmen" im Verlauf der Heilung exzidiert und verhindert wird, daß die Hautwunde mit der Faszie in Kontakt kommt. Die sekundäre Schrumpfung tritt um so stärker in Erscheinung, je dünner das Transplantat ist. Die Kutisschicht eines dickeren Transplantates widersteht der Schrumpfung besser. Die Vollhaut schrumpft somit nach der E n t n a h m e stärker als der Spalthautlappen, weil sie mehr elastische Fasern enthält, widersteht indessen im Hinblick auf ihre Dicke besser der späten Schrumpfung. Nach allgemeinen Statistiken beträgt die endgültige Schrumpfung der Vollhaut 15—30%, die der Spalthautlappen 10—50% ihres Umfanges. Im eigenen Material haben wir keine Spätschrumpfung beobachtet, die größer war als 24—30% des transplantierten Hautlappens. Das Schrumpfungsverhältnis nach der definitiven Heilung hängt von mehreren Faktoren ab, unter denen der Charakter der Empfangsstelle, die Operationstechnik und die Form der Einheilung eine große Rolle spielen. Neben den Blutversorgungsverhältnissen der Empfangsstelle kommt es darauf an, inwieweit der Wundboden, auf den wir das Transplantat überpflanzen, immobil oder mobil ist. J e steifer er ist, um so schwächer ist die Schrumpfung. Die geringste Schrumpfung zeigt sich bei der Transplantation auf eine knöcherne Basis (Stirn, Vorderfläche des Unterschenkels), eine stärkere, wenn sich zwischen Knochen und Transplantat Muskulatur befindet und die stärkste an den Weichteilen, die ständig in Bewegung sind, ζ. B. am Hals. Die Operationstechnik beeinflußt das Ausmaß der Schrumpfung gleichfalls in verschiedener Weise. Wesentlich ist es, wie straff das Transplantat an die Empfangsstelle genäht wird. Es ist eine allgemeine Regel, daß das Transplantat nach der Verpflanzung derselben Spannung ausgesetzt sein muß, wie an der Entnahmestelle. Das bereitet besonders bei der freien Vollhauttransplantation Schwierigkeiten, weil die Vollhaut nach der Entnahme beträchtlich schrumpft. Wenn wir sie allzu locker in geschrumpftem Zustand einnähen, kommt es zur Kompression der Gefäßlumina, und es ist fraglich, ob die Haut anhaftet. Unzweckmäßig ist es aber auch, wenn die H a u t stärker als zulässig gespannt wird, weil die Fäden einschneiden und Randnekrosen entstehen. Am vorteilhaftesten scheint es, ein Muster der Empfangsstelle anzufertigen und die Größe des Transplantates danach zu bemessen. S C H U C H A R D T fügt hinzu, das Muster müßte naturgemäß nicht von der bereits vorbereiteten Empfangsstelle, d. h. nach der Exzision, angefertigt werden, sondern vorher, weil sich die Wundränder hinterher auseinanderziehen und der Defekt größer wird. Diese Feststellung bedarf indessen einer Ergänzung, weil man bei der Exzision einer Narbe anders vorgehen muß als ζ. B. bei der eines Naevus. Wenn nämlich nicht ein traumatischer, sondern ein pathologischer Hautbezirk (ζ. B. Naevus) herausgeschnitten werden soll, so ist das Muster in der Tat vor der Exzision anzufertigen, um das Transplantat den ursprünglichen Spannungsverhältnissen entsprechend entnehmen und in die Empfangsstelle implantieren zu können.

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Transplantationslehre

Wird eine N a r b e entfernt u n d an ihre Stelle H a u t transplantiert, so m u ß das Muster nach der H a u t e n t n a h m e hergestellt werden, weil es sich bei der N a r b e immer u m geschrumpftes Gewebe handelt, dessen F o r m a t nicht den Ausmaßen des durch die Verletzung verursachten H a u t d e f e k t e s entspricht, sondern immer kleiner ist. Nach der E n t n a h m e s t i m m t daher die R e t r a k t i o n der W u n d r ä n d e r nicht mit der durch die Zusammenziehung der elastischen Fasern hervorgerufenen Verkürzung überein, sondern wird viel größer sein. W ü r d e n wir das Muster nach den Ausmaßen der N a r b e vor der Exzision anfertigen, so m ü ß t e das T r a n s p l a n t a t bei viel stärkerer als der ursprünglichen Spannung eingenäht werden. Dadurch würden seine Gefäße einer allzu starken Strangulation ausgesetzt. Bei der Spalthautlappenplastik bestehen in dieser Hinsicht weniger Schwierigkeiten, weil der Spalthautlappen primär weniger schrumpft. D a m i t k a n n das T r a n s p l a n t a t locker auf den W u n d b o d e n gelegt u n d so eingenäht werden. Hierdurch erreichen wir zugleich, d a ß die sekundäre Schrumpfung das geringstmögliche Ausmaß a n n i m m t . Das T r a n s p l a n t a t soll hauptsächlich dann locker eingenäht werden, wenn wir es zum H a u t e r s a t z am Gesicht, an den Augenlidern, an den Lippen oder in ihrer Umgebung benutzen. c) Die Reinnervation

Die I n n e r v a t i o n des Transplantates ist f ü r sein weiteres Schicksal, seine F u n k t i o n u n d seine ästhetische Eigenschaften sehr wichtig. Man m u ß deshalb die Dauer der Reinnervation des Transplantates genau kennen, u m den K r a n k e n vor Empfindungsstörungen zu schützen. Der Chirurg m u ß daher den K r a n k e n rechtzeitig darauf a u f m e r k s a m machen, d a ß er das T r a n s p l a n t a t bis sich ein normales W ä r m e e m p f i n d e n entwickelt hat, vor Temperaturschwankungen schützen soll. Die auf hervorstehende Körperteile verpflanzten Transplant a t e leiden am stärksten unter extremen Temperatureinwirkungen u n d es können leicht Verbrennungs- oder Frostschäden entstehen. W e n n ein T r a n s p l a n t a t an eine Stelle verpflanzt wurde, die stärkerer physischer I n a n s p r u c h n a h m e ausgesetzt ist, soll m a n den P a t i e n t e n auf längere Zeit unter ständiger Beobachtung halten. Auch später sollte eine P r ü f u n g des Empfindungsvermögens durchgeführt werden. Sollte das Resultat nicht positiv sein, m ü ß t e das freie T r a n s p l a n t a t durch einen Stiellappen ersetzt werden. Die sensorische I n n e r v a t i o n der transplantierten H a u t setzt im allgemeinen im 3. bis 6. Monat ein u n d ist nach 1—\ λ/ ., J a h r e n abgeschlossen. W A G N E R erwähnt 6—8 Wochen; die K r a n k e n von M O N C R I E F empfanden eine Palpation bereits a m 14.—18. Tage, einen Stich schon am 30. Tage; L O F G R E N gibt als endgültigen Wiederherstellungstermin den 20. Monat an.

Die Geschwindigkeit der Reinnervation ist in hohem Maße von der Transplantationsstelle u n d der Qualität der Innervation der Empfangsstelle abhängig, d. h. sie geht beispielsweise a m Gesicht viel rascher v o n s t a t t e n als a m Rücken. Wesentlich ist dabei wie die Empfangsstelle (Wundfläche) vorbereitet wird. Bei einer durch scharfen Schnitt verursachten Wundfläche (Operationswunde) des verpflanzten Transplantates wachsen die sensorischen Nerven viel schneller ein, als in das auf die granulierende Wundfläche einer Quetschverletzung gesetzte. Das gleiche gilt f ü r Transplantationen auf durch Denudation oder Verbrennung verursachte W u n d f l ä c h e n : im ersten Fall geht die Reinnervation rascher vor sich ( Z O L T Ä N ) . Das E m p f i n d e n kehrt bei dem auf i n t a k t e Fettschicht bzw. auf subkutanes Bindegewebe verpflanzte T r a n s p l a n t a t am raschesten zurück. E s folgt die auf Muskel u n d granulierende Wundflächen transplantierte H a u t . Am ungünstigten gestaltet sich die Reinnervation des auf Faszie verpflanzten Transplantates. Daher k e h r t das E m p f i n d e n in die freien

Die Hauttransplantation

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Transplantate, die auf die Entnahmestelle von Stiellappen gesetzt wurden, am spätesten zurück. Nach Meinung der meisten Autoren kehrt das Schmerz-, dann das Tastempfinden und zuletzt das Wärme- und Diskriminationsgefühl im Transplantat wieder. Nach den Untersuchungen von K I R O W wird zuerst das Tastgefühl, dann das Schmerz- und zuletzt das Wärmeempfinden wiederhergestellt. Nach K R E D E L , P H E M I S T E R und D A V I S - K I T L O W S K Y wachsen die sensorischen Nerven am raschesten in den Stiellappen hinein, etwas später in Vollhauttransplantate, noch später in die Spalthautlappen. Am langsamsten vollzieht sich die Innervation im Thiersch-Lappen. M C C A R R O L L hat das Gegenteil beobachtet: seiner Ansicht nach wachsen die sensorischen Nerven am raschesten in den Spalthautlappen und am langsamsten in den Stiellappen. ist der Meinung, daß bei den beiden Transplantationsverfahren in der Reihenfolge der Reinnervation kaum ein Unterschied besteht. Es ist höchstens nur eine minimale Abweichung zugunsten des Spalthautlappens zu beobachten, in den die sensorischen Nerven etwas rascher hineinwachsen. Die genaue Unterscheidung ist außerordentlich schwierig, wenn wir in allen Fällen sämtliche Faktoren, die die Reinnervation beeinflussen, d. h. den Charakter der Empfangsstelle, die Verhältnisse und Lokalisation ihrer Umgebung, die Art der Transplantateinheilung usw., in Betracht ziehen wollen. Diese Gesichtspunkte sind derartig vielfältig, daß bei den mehr als 200 nachuntersuchten Kranken eine große Zahl von Variationen zutage trat, die kein zahlenmäßig bestimmbares Resultat ergaben und Schlußfolgerungen kaum gestatten. ZOLTÄN

Laut K E R N W E I N erscheinen zuerst sensorische Zonen an den Rändern des Transplantates. und diese vergrößern sich zum Zentrum hin. Dies beweist, daß die Nervenfasern von unten her hineinwachsen, und zwar zuerst dort, wo sie an die Oberfläche treten. All dies findet in den weichen, mobilen, von intakter Umgebung begrenzten Transplantaten statt. Nach A D E Y M O und W Y B U R N entwickelt sich die Innervation der frei transplantierten Haut sowohl marginal wie subdermal. Die Nerven wachsen ihrer Ansicht nach zwischen dem 21. und dem 98. Tag ein, und die durchschnittliche Wiederherstellungsdauer beträgt 112 Tage. Nach ihrer Auffassung entbehrt die Behauptung, wonach die ScHWANsche Scheiden auf die neuen Axone Anziehungskraft ausüben, jeder histologischen Grundlage. Erfolgt die Innervation subdermal, so füllen sich nach ihren Untersuchungen mehr ScHWANsche Scheiden als im Falle marginaler Innervation. Sie betonen, Art und Form des Zustandekommens der Hautempfindung wären nicht von den Eigentümlichkeiten der Entnahmestelle (d. h. des Transplantates) abhängig, sondern von denen der Empfangsstelle. Bezüglich der Richtung der Reinnervation ergaben die Untersuchungen von Z O L T Ä N . daß die Art der Transplantateinheilung von größter Wichtigkeit ist. Bei störungsfreier Heilung geht die Reinnervation zugleich vom Boden und vom Rand aus, wobei nach G O H R B A N D T die Reinnervation vom Rande aus schneller fortschreitet. Dementsprechend erscheint das Gefühl dem Nervenverlauf gemäß sowohl am proximalen Rand als auch im Zentrum des Transplantates in unregelmäßigen Zonen, die nach und nach konfluieren. Wenn aber die Heilung nicht glatt verläuft, so wird die Reinnervation durch die zwischen Transplantat und Wundboden entstandenen Narben behindert. Da Wundheilungsstörungen meist an den Transplantaträndern vorkommen — weil die Nähte einschneiden. oder der Rand des Transplantates beim Verbandwechsel aufgerissen wird usw. — ist das Transplantat längs der Nahtlinien in derartigen Fällen noch völlig unempfindlich, während an den zentraler gelegenen Teilen bereits empfindungsfähige Zonen anwesend sind.

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Transplantationslehre

(1) Das aestlietische Ergebnis

In aesthetischer Beziehung ist in erster Linie die Farbe der frei transplantierten H a u t von Bedeutung. Dieser Faktor muß hauptsächlich bei der Transplantation auf unbedeckte Körperflächen, vor allem am Gesicht, berücksichtigt werden. Die H a u t f ä r b u n g der Entnahmestelle muß vor der Operation bei Tageslicht sorgfältig mit der Färbung der intakten H a u t im Umkreis der Empfangsstelle verglichen und danach gewählt werden. Die frei transplantierte H a u t wird zuweilen etwas dunkler als sie ursprünglich war. Das Ausmaß der Verfärbung hängt von der Dicke des Transplantates ab: je dünner die H a u t , desto dunkler färbt sie sich, was am besten an den Thiersch-Lappen beobachtet werden kann ( C A R N O T U. D E F L A N D R E ) . Bei Heilungskomplikationen entstehen mitunter beträchtliche und vorher nicht bestimmbare Farbabweichungen, die wahrscheinlich durch die in den intrazellulären Spalten gespeicherte Pigmentmengen entstanden sind. Bei bullöser Heilung bleiben gewöhnlich stärker pigmentierte Flecke im Bereich der bullae zurück. MIR Υ MTR sucht die unsichere Verfärbung der frei transplantierten H a u t mit neutralen Faktoren zu erklären. Deshalb empfiehlt er, die zur Besserung der Färbung der Hauttransplantate notwendige Dermabrasion erst nach der vollkommenen Reinnervation auszuführen. Z O L T Ä N zieht die Schlußfolgerung, daß der Heilungsprozeß bei der Entwicklung der F a r b e des freien Transplantates von ausschlaggebender Bedeutung ist. Wenn das Transplantat ohne jede Störung einheilt und nicht zu dick gewählt wurde, ist die Färbung, besonders bei einer reichlichen Blutversorgung, stark von der Empfangsstelle abhängig. I m Zusammenhang mit der Behaarung ist zu berücksichtigen, daß in eine unbehaarte Region kein von einem behaarten Gebiet stammendes Transplantat verpflanzt werden darf. C O N W A Y und S E D A N untersuchten die Farbveränderungen der frei transplantierten autoplastischen Vollhaut an Mäusen und fanden, daß die Pigmentation der Behaarung nach der Transplantation schwächer wird. Die Erfahrungen am Menschen stehen dazu im Gegensatz. Hier liat man gerade die Erfahrung gemacht, daß die Behaarung nach Transplantation mit freien oder gestielten Lappen, in denen die Haarzwiebeln oberflächlich liegen, stark zu wachsen beginnt, und ihre Färbung dunkler wird. Dies läßt sich dadurch erklären, daß die zur Zeit der Verpflanzung vorhandene Hypoxämie bzw. Azotämie auf das Haarwachstum stimulierend wirkt. Außer der Farbe und Behaarung des Transplantates müssen zur Bewertung des ästhetischen Ergebnisses auch zwei weitere Faktoren berücksichtigt werden: die Faltenbildung der transplantierten H a u t und die Niveaudifferenz zwischen dem Transplantat und seiner Umgebung. Die Faltenbildung des Transplantates ist eine seltene, entstellende Heilungskomplikation, die von der Implantationsstelle, vor allem aber auch von der Operationstechnik abhängt. J e lockerer die H a u t der Empfangsstelle ist, um so eher kann man erwarten, daß sich Falten im Transplantat bilden. Am häufigsten bilden sich Runzeln am Hals. Noch wichtiger ist die Form der Implantation. Es kommt zu einer bleibenden Faltenbildung nach der Heilung, wenn das Transplantat zu locker oder von vornherein faltig auf den Wundboden gelegt wird, oder der Verband die H a u t nicht ganz gleichmäßig bedeckt. Bei der Niveaudif/erenz handelt es sich in der Regel um eine vorübergehende Erscheinung. Am Ende der Operation ist gewöhnlich eine sehr ausgeprägte, von der Hautdicke und Exzisionstiefe abhängige, zuweilen 10 m m betragende oder noch größere Niveaudifferenz zwischen der implantierten H a u t und ihrer Umgebung zu beobachten, die nach Entfernung des Druckverbandes noch stärker auffällt. Interessanterweise wird indessen die

Die H a u t t r a n s p l a n t a t i o n

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Niveaudifferenz schon nach einigen Wochen geringer, um nach einigen Monaten meist ganz zu verschwinden. Der Ausgleichprozeß besteht aus zwei ineinanderfließenden Phasen: zuerst wird die schwellenartige Nahtlinie zwischen der H a u t der Empfangsstelle und dem Transplantat glatter, danach folgt die Erhebung des Transplantates infolge Verdickung des darunter vorhandenen Bindegewebes und die Entstehung von Fettgewebe. K R A U S E hat bereits am 22. Tage nach der Operation eine dünne Fettschicht unter der frei transplantierten H a u t wahrgenommen. Gleichzeitig wird das Transplantat immer lockerer, es läßt sich von seiner Grundlage abheben, und man kann es in Falten legen. Dieser Prozeß ist sehr oft selbst dann zu beobachten, wenn das Transplantat auf das Periost der Tibia oder Stirn verpflanzt wird, obwohl es in diesen Fällen das Niveau der Umgebung in der Regel nicht erreicht. G I E L L I E S stellte einmal aus einem früher unmittelbar auf die abdominale Aponeurose verpflanzten Thiersch-Lappen einen Rundstiellappen her, unter dem sich eine beträchtliche Fettmenge bildete. 2. Die Wahl der Operationsmethode Der erste und wichtigste Schritt in der Hauttransplantation ist der Operationsplan. Dabei muß der Chirurg folgende Faktoren in Betracht ziehen : a) Die Ausdehnung, Größe, Tiefe und Form des Defektes. b) Mit welchen tiefen Gebilden ist der Defekt verbunden bzw. welche von diesen sind geschädigt und bedürfen einer operativen Korrektur. c) Die funktionelle und ästhetische Beanspruchung der H a u t am Ort des Defektes. d) Welche Transplantationsverfahren stehen zur Verfügung, um die gewünschte Menge der sich funktionell und aesthetisch anpassenden H a u t zu ersetzen. e) Welche Stelle des Körpers kann ohne jede funktionelle oder kosmetische Schädigung als Donorstelle verwendet werden.

Die Zeitdauer des Transplantationsverfahrens ist bei der Planung uninteressant. Wichtig ist die Frage, welche Methoden sichern den gewünschten funktionellen und aesthetischen Erfolg, und welche davon kommen in der kürzesten Zeit am einfachsten zum Ziel. Es ergibt sich daher folgende Reihenfolge: 1. Zuerst wird m a n versuchen, den Defekt mit einer der lokalen Stiellappen-Plastiken — mit oder ohne freie Transplantation — zu decken, sofern es die lokalen Verhältnisse erlauben. 2. Wenn die erste Möglichkeit nicht besteht, m u ß man entscheiden, ob der Defekt mit freier H a u t transplantation oder mit Stiellappenplastik ersetzt werden soll. a) Die freie H a u t t r a n s p l a n t a t i o n als Ersatz k o m m t in folgenden Fällen in B e t r a c h t : — Wenn nur die H a u t (Epidermis, Dermis) fehlt, und das s u b k u t a n e Fettgewebe erhalten ist. — Wenn zwar das s u b k u t a n e Fettgewebe fehlt, aber sein Ersatz weder aus funktionellen noch aus aesthetischen Gründen erforderlich ist. — Wenn tiefere Regionen im Bereich des H a u t d e f e k t e s nicht frei liegen. — Wenn an den tieferen Regionen unter der ersetzten H a u t keine Operation unter Eindringen durch das Transplantat erforderlich wird.

Wenn es möglich ist, verwendet man die einfachere und kürzere Form der freien Transplantation. Wenn das aber nicht der Fall ist, kommen b) die Stiellappenverfahren in Frage: zunächst die direkten einfachen Fernlappenplastiken und schließlich als letzte Möglichkeit „ultimum r e f u g i u m " die Wanderlappenplastiken.

Da bei der Wahl der Methode die Eigenschaften des Hautdefektes äußerst wichtig sind, müssen sie näher betrachtet werden.

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Transplantationsieh re

3. Die Hautdefekte Die Defekte der H a u t können angeboren (kongenital) oder erworben sein. Die letzteren können traumatisch bedingt, operativ hergestellt oder durch eine Krankheit, Infektion, Bestrahlung oder sonstige ärztliche Behandlungen verursacht sein. In bezug auf den Zeitpunkt des Entstehens kann man die Hautdefekte in frische (akute) oder veraltete (chronische) unterteilen. Letztere gestalten sich zu einer Granulationsfläche. Jede Form der Defekte verlangt individuelle Betrachtung und Behandlung bei der operativen Deckung. a) Die kongenitalen Hautdefekte

Eine der ersten Beschreibungen stammt von C A M P B E L L ( 1 8 2 6 ) . Mit dieser Frage hat sich dann eingehend K E H R E R beschäftigt und im Jahre 1 9 1 0 3 2 bisher publizierte Fälle gefunden. T E R R U H N fand 1 9 3 0 schon 7 6 Fälle am Kopf und 2 9 am Rumpf. Die Übersicht in der Literatur ist nicht ganz genau, weil zur Publikation eigener Fälle die folgenden Autoren ganz verschiedene Zahlen aus älteren Mitteilungen zusammengetragen haben. G R O S S , L I N D E M A Y R und P O S P I S T L ( 1 9 3 7 ) 1 8 3 Fälle, W A L K E R und Mitarbeiter ( 1 9 6 0 ) 2 8 + 2 eigene Fälle, F A R M E R und M A X M E N ( 1 9 6 0 ) 1 5 0 + 9 eigene Fälle. Es entgleiten wahrscheinlich viele Fälle der Beobachtung, und viele andere finden nicht den Weg in die Literatur. Sicherlich gibt es mehr solcher Defekte als publiziert werden. Der kongenitale Hautdefekt befindet sich hauptsächlich am Kopf und seltener an den Extremitäten und am Rumpf. Es sind verschieden große, umschriebene Hautdefekte, von Nadelkopf große bis zu einem Durchmesser von 10 cm. Die am Kopf befindlichen sind immer kleiner als am Rumpf oder an den Extremitäten ( I N G A L L S ) . Am Kopf erstrecken sie sich oft entlang der Suturen ( J O H N S O N ) . Der kongenitale Defekt sieht wie eine granulierende Wundfläche aus, die oft mit einer glänzenden, durchsichtigen pergamentartigen Membran bedeckt ist. In vielen Fällen scheint es eine einfache Erosion zu sein, aber oft findet man auch nur einen Defekt der Epidermis. Die Gefahr des kongenitalen Defektes besteht darin, daß er oft blutet und leicht infiziert werden kann. b) Die traumatischen Hautdefekte

Die traumatischen Wunden mit Hautdefekten sind oft stark verunreinigt und infiziert. Die Umgebung der Wunde ist destruiert, ihre Blutversorgung beeinträchtigt, und die Wunde nicht nur in ihrer Ausdehnung, sondern auch in ihrer Tiefe ungleich. Voraussetzung für den Erfolg der Hauttransplantation ist die sachgemäße Wundexzision. Alle sichtbar verunreinigten, geschädigten und vermutlich infizierten Gewebe müssen — möglichst in einem Stück — entfernt werden. Dies gilt naturgemäß nicht nur für die H a u t und die subkutanen, sondern auch für die tiefer liegenden Gewebe (Sehnen, Knochen, Muskeln). Bei der Exzision kommt es darauf an, die Wunde „chirurgisch steril" zu gestalten und für den Empfang des Transplantates eine möglichst gleichmäßige Grundlage mit guter Blutversorgung herzustellen. Die einwandfreie Blutversorgung bildet die wichtigste Garantie für das Anhaften der Transplantate. Deshalb muß man sich bei der Exzision davon überzeugen, ob die Blutversorgung der Wundränder und des Wundbodens zufriedenstellend ist. Dies zeigt sich in der Färbung der Hautoberfläche und in den Blutungsverhältnissen der Wundränder. Die livide, zyanotische oder die totenblasse, von der Umgebung abweichende, helle Verfärbung der Hautoberfläche zeigt eine Durchblutungsstörung an. Die Färbung der Hautoberfläche darf nur beurteilt werden, wenn vorher kein Jod oder dunkler Farbstoff zur Anwendung gekommen ist. Ebenfalls als schlechtes prognostisches Symptom sind Abschürfungen, Schrammen, gegebenenfalls imprägnierte, granulöspulverisierte Fremdkörper oder Suf-

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Die Hauttransplantation

fusionen in der Umgebung des Hautdefektes zu betrachten, weil diese Merkmale eine Traumatisierung der H a u t kennzeichnen. Wir beurteilen die Blutversorgung, d. h. die Lebensfähigkeit der Wundränder, nach diesen Symptomen und exzidieren solange alle Hautabschnitte, deren Blutkreislauf insuffizient erscheint, bis wir ganz einwandfreie, intakte Wundränder mit guter Blutversorgung gewinnen. Bei der Entfernung der schlecht durchbluteten Hautabschnitte müssen wir ebenso radikal vorgehen wie bei der Exzision der verunreinigten, wahrnehmbar destruierten Teile. In den lädierten, traumatisierten Weichteilen kommt es nämlich zur Thrombose, zum Verschluß der Gefäße mit verletzter Wand, und später infolge Venenstauung zu Nekrosen. Durch die Demarkation, Abstoßung nekrotischer Gewebsteile und die konsekutive Granulation wird die Heilungsdauer hinausgezögert. Auch durch die begleitende Infektion wird die Heilung des benachbarten Transplantates sowie der tieferen Regionen gefährdet. Es ist daher zweckmäßiger, besser etwas mehr als das unbedingt Erforderliche zu entfernen, als aus schlecht verstandener „Gewebseinsparung" die Gefahr einer späteren Nekrose zu riskieren. Befindet sich Fettgewebe am Wundboden, so exzidieren wir es gänzlich zusammen mit der darunter liegenden Muskelfaszie. Das Fettgewebe, das in einem makroskopisch noch nicht beurteilbaren Ausmaß lädiert ist, neigt zu Nekrose und Verflüssigung. Auch die Richtung der Wundränder darf bei der Versorgung der Verletzung nicht außer acht gelassen werden. Es lohnt sich, schon bei der primären Wundversorgung einige Minuten mehr für die vollkommene Beendigung der Operation aufzuwenden, um den Kranken mit dieser geringen Mehrarbeit vor späteren Kontrakturen und ihrer operativen Korrektur zu bewahren. Die ganze Wundfläche wird während der Vorbereitung der gewählten Hautentnahmestelle mit Tupfer bedeckt, die mit heißer Kochsalzlösung und einem Antibiotikum getränkt sind. Abschließend sei noch erwähnt, daß schon bei der Vorbereitung des Transplantates daran gedacht werden muß, daß bei der Gefahr einer Infektion oder Entzündung die Wundfläche nur so abgedeckt werden darf, daß das Sekret abfließen kann.

c) Die durch Operation verursachten Hautdefekte

Der operationsbedingte Hautdefekt entsteht entweder durch die Exzision eines pathologischen Gebildes (Naevus, Tumor) oder einer Narbe bzw. bei der Ausschneidung eines gestielten Lappens (sekundärer Defekt). I m ersteren Fall muß man sich vor allem die Richtlinien der Onkologie bzw. die der Narbenbildung vor Augen halten. Es bedarf keiner besonderen Maßnahmen, um die entstandene Operationswunde transplantationsbereit zu gestalten. Die Wundränder müssen aber nach den bekannten Richtlinien von B U R I A N , C O N W A Y , W E B S T E R . R U B I N sowie K R A I S S L geformt werden, d. h. man soll den Schnitt so führen, daß die Nahtlinie mit gutem kosmetischen Erfolg heilt. B U R T A N und später H Y N E S haben eine neue Methode der Vorbereitung des Wundbettes für Transplantationen angewandt. Sie haben die pathologische Oberfläche (Narbe. Naevus usw.) nicht exzidiert, sondern nur oberflächlich angefrischt, d. h. in Form eines Spalthautlappens die oberflächliche Schicht entfernt. Sie behaupten, daß dadurch der reiche kapilläre Plexus geöffnet wird, der für freie Transplantate sowie für den Stiellappen eine ideale Empfangsstelle bedeutet. H Y N E S betont, daß die Entstehung von epidermalen Zysten nach der Transplantation auch theoretisch unmöglich ist. Sie wurde auch in der Praxis niemals beobachtet.

Haiulb. Plast. C'hir., Bd. I

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J. ZOLTÄN, Transplantationsichre

d) Die Granulationsflächen Die Grundeinheit der Granulation bildet eine zentrale Arteriole mit embryonaler Wand, die von spongiös angeordneten Mesenchymzellen umgeben ist und sich in zahlreiche Kapillaren teilt. Das ganze Granulationsgewebe erweckt den Anschein, als ob es in permanenter Entzündung wäre (GOLDENBERG), und dementsprechend wurde es auch von HUECK als die morphologische Manifestation einer aus entzündlichen Elementen bestehenden Einheit definiert. Die Granulation ist naturgemäß eine sehr wichtige Station des Wundheilungsprozesses, aber nur dann, wenn sie — wie GABARIU) zutreffend feststellt — kurze Zeit währt. Sofern wir aber nicht alsbald auf operativem Wege für die Epithelbildung sorgen, entwickelt sie sich zu einem pathologischen Zustand. LAWSON hat bereits 1871 erklärt, daß große Granulationsflächen nicht durch das Hineinwachsen der umgebenden Haut heilen dürfen, sondern es muß Haut von Körperteilen, wo sie reichlich zur Verfügung steht, frei transplantiert werden. Granulationsflächen eignen sich zur Transplantation, wenn die nekrotischen Gewebsteile abgestoßen, die Granulationen makroskopisch rein, flach, rot, nicht hypertrophisch, nicht ödematös sind und bei Berührung bluten. Um diesen Zustand zu erreichen, muß man die bakterielle Besiedlung der immer infizierten Granulationsfläche schwächen, die Abstoßung der nekrotischen Teile erreichen und die Granulationen unmittelbar zur Operation vorbereiten. ALBERT KÖHLER brachte als erster den Beweis, daß man Transplantate auch auf Granulationsflächen übertragen könnte, und daß die Entfernung des Granulationsgewebes nicht notwendig sei. Die bakterielle Besiedlung. Früher war man bestrebt, sich von der bakteriellen Reinheit der Granulationen vor der Transplantation durch wiederholte Abstriche zu überzeugen. D i e Untersuchungen und Erfahrungen vieler Chirurgen (LAPTSCHINSKI, PETROW, MOWLEM,

RANK U. a.) zeigten, daß die wiederholten und ohnehin nicht beweiskräftigen bakteriologischen Untersuchungen durch die klinische Beobachtung zu ersetzen sind. Der Erfolg der Transplantation wird am häufigsten durch den Staphylococcus aureus beeinträchtigt, viel seltener durch den Streptococcus haemolyticus. B. proteus und Ps. pyocyaneus infizieren häufig die Granulationsfläche und gefährden das Anhaften der Transplantate aber nur durch die reichliche Sekretmenge (MOWLEM, FRANK). Zur Bekämpfung der bakteriellen Infektion von Granulationsflächen wurden und werden v o n vielen A u t o r e n entweder lokale (TAPPEINER, MILLS, PATTERSON U. HOUSE, W I L S O N , B A X T E R , K T L N E R U. M i t a r b . u s w . ) o d e r p a r e n t e r a l e (SCHUCIIARDT, K O S L O W S K I ,

LIEDBERG, ZOLTÄN) Behandlungen mit Antibiotika angewandt. Von den Antibiotika werden von Penicillin und Streptomycin angefangen Chloromycetin und Aureomycin (ALTEMEIER, SURACI u. V E R G A R A , COLE U. L O G A N ) , Bacitracin

( A L T E M E I E R ) , Tyrothricin

(KO-

ZOLL), Terramycin und Neomycin usw. verwendet. In der Frage der Antibiotika muß die Ansicht MOZERS als treffend bezeichnet werden, daß das Antibiotikum eine sehr wertvolle und wirksame Waffe in der Hand des Chirurgen sei. Aber je wirksamer eine Waffe ist, um so größere Genauigkeit und Überlegung erfordert ihr Gebrauch. Mit den Antibiotika wird sehr häufig Mißbrauch getrieben, weil man die vielfältigen unangenehmen, ja sogar gefährlichen Folgen nicht berücksichtigt, die sich aus ihrer unrichtigen Anwendung ergeben. Jedes Antibiotikum hat seine genauen Indikationen und Gegenindikationen; man darf sie niemals routinemäßig, automatisch anwenden, sondern stets nur wohlüberlegt und begründet. Die Granulationen müssen von allen daran haftenden nekrotischen Teilchen befreit werden. Dies geschieht am zweckmäßigsten durch abwechselnd angewandte feuchte Verbände und Streupulver (Borsäure- usw. Verbände). Die feuchte Behandlung wird von meh-

Die H a u t t r a n s p l a n t a t i o n

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reren Autoren ( K A R F I K , S A M O H Y L ) SO gehandhabt, daß sie die auf die Wundfläche gelegte dicke Gazelage mit Drains versehen und die Gazeschichten — ohne den Verband wechseln zu müssen — durch diese mehrmals täglich befeuchten. W A L L A C E wendet sich entschieden gegen die „Erweichung" der Granulationsflächen. Man benutzt aber noch verschiedene andere Mittel. So fanden A D L E R S B E R G und F O R G E S das Insulin sehr wirksam. J Ö R N S benutzt das von E I T E L empfohlene Azetylcholin (0,1 g), Digipuratum liqu. (10%) und Insulin, sowie Hydergin, Padutin und Kalium. Nach J Ö R N S scheint auch bei träge granulierenden Wunden die Umstimmung des Organismus notwendig. Es muß von der „ K a m p f p h a s e " mit sympathischer Einstellung auf die „Heilungsphase" mit parasympathischem Tonus umgestellt werden. Diesem Zweck dienen die Transfusionen, die Injektion von Eiweiß bzw. Eigenblut, sowie Sympathikolytika, wie II yder gin und Padutin. S C H Ü C K konnte träge Granulationen durch lokale Anwendung von 0,6 proz. Kaliumchloratlösung in 24 Stunden umstimmen. Die Versuche, auch AC Τ Η und Cortison zu benutzen, blieben ohne wesentlichen Erfolg. I n den letzten Jahren h a t sich die Beschleunigung der Nekroseabstoßung durch die Behandlung mit Enzymen sehr bewährt, die von G R E U E R , R E O S E R , R O E T T I N G , C U R T I S , C O N Ν KL u. a. eingeführt wurde. Das am meisten benutzte Ferment ist Trypsin (MORANI, C O O P E R , T H I E L E , R E I S E R U. F R A N K ,

MOWLEM).

Kristallines Trypsin löst sich am besten bei einem pH-Wert von 7. Es bleibt nur einige Tage stabil, und die Lösung muß kühl aufbewahrt werden. Durch Beigabe von Metallionen — wie beispielsweise Kalzium und Magnesium — wird die Stabilität erhöht. Bei Zimmertemperatur und einem pH-Wert von 8 verliert die Trypsinlösung binnen 3 Stunden 50 ° 0 ihrer Aktivität. Trypsin greift die nekrotischen oder geschädigten Gewebe an und zerstört sie, weil sie den natürlichen Inhibitor nicht enthalten. Es stimuliert die Phagozyten, zerstört Bakterientoxine und schwächt die Bakterienflora. Trypsinpulver kann man lokal in Form von Streupuder, als Lösung und in einer Gelatinekapsel applizieren. Auf lebende Gewebe übt Trypsin keine schädigende Wirkung aus, doch empfiehlt es sich, die intakte H a u t der Umgebung mit Zink- oder Lassar-Salbe zu schützen. Die Ausspülung von Höhlen und Taschen mit Trypsinlösung f ü h r t , wahrscheinlich infolge Histamimvirkung, mitunter zu Blutdrucksenkung und Temperaturerhöhung. Deshalb wird die Verabreichung von Antihistaminen vor der Behandlung empfohlen ( W I D M E R ) . Von anderen Enzymen wurden aktiviertes Pankreastolalenzym ( S H E L B Y U. Mitarb.), Pepsin ( F A R K A S ) , Streptokinase und Streptodornase ( C O N N E L L U. R O U S S E L E T ) , Varidase ( K R A M E R , G A B K A ) verwandt. Fermente pflanzlichen Ursprungs, wie Papain (COOPER, A L T E M E I E R ) werden heute nicht mehr angewandt. In letzter Zeit hat man das Filtrat von Clostridium hytolyticum ( D E B E L L I S , M A N D L U. Mitarb.) bzw. das daraus bereitete Ammoniumsulfat-Präzipitat ( H O W E S U. Mitarb.) in Tierversuchen mit ermutigenden Resultaten zur raschen Lösung nekrotischer Gewebsteile verwandt. Besondere fibrinolytische und resorptionsfördernde Wirkungen werden seit kurzem den Streptokokkenenzymen zugeschrieben. Die Streptokinase-Streptodornase zeigt folgende Wirkungen: 1. 2. 3. 4.

Zerstörung der Kerne degenerierender Zellen. Eliminierung extrazellulärer Desoxyribonukleinsäure. Auflösung viskoser eitriger oder fibrinöser Exsudate. Wesentliche Steigerung der Phagozytose.

Aus diesem Grunde empfiehlt G A B K A die Anwendung dieses Enzympräparates bei Gesichtsverletzungen und plastischen Eingriffen im Kiefer-Gesichtsbereich. Bei der Operation wird nach zwei verschiedenen Verfahren vorgegangen. Entweder werden die Granulationen vor der Transplantation exzidiert ( M C I N D O E , B R O W N , M C D O 26*

36 I 12

J . ZOLTAN, Transplantationslehre

WELL, BEZES, LAGROT), oder die Transplantate werden auf die unverändert belassene Wundfläche gesetzt (LERICHE, FOURRIER, MOREL-FATIO), wodurch die Operation zweifellos vereinfacht wird, zumal man alle Blutungen vermeidet. Außer den Toxinen, d. h. den von Bakterien abgesonderten Giftstoffen, die dem Anwachsen eines Transplantates, überhaupt dem Leben einer jeden Zelle im Wege stehen, muß man noch die Noxine beobachten (GOHRBANDT). Unter den Noxinen versteht man Giftstoffe, die aus dem körpereigenen zugrunde gehenden Eiweiß entstehen. Sie sind völlig verschieden von den Toxinen, den Bakteriengiften, sowohl in ihrer Entstehung als auch in ihrer Wirkung. Wie schon gesagt, entstehen die Noxine aus dem zugrunde gehenden körpereigenen Eiweiß. Ihre Wirkung besteht auf Lähmung der feinsten Gefäßkapillaren, daß es zum Austreten von flüssigen, aber auch von korpuskulären Elementen kommen kann, während die Toxine ja die Zelle selbst schädigen. Es ist also nicht nur unsere Aufgabe, bei Versorgung zerstörten Gewebes und bei Transplantationen auf die Entstehung von Toxinen zu achten und sie zu vermeiden, sondern auch auf die Entstehung von Noxinen.

B. Die gestielten Transplantationen der Haut Bei dieser Methode wird der Hautdefekt mit einer anderen Hautpartie so gedeckt, daß diese ihre neurovaskuläre Versorgung mit sich bringt, von der Empfangsstelle also nicht abhängig ist. Im weiteren Verlauf kann diese eigene Ernährung für immer beibehalten werden, oder sie kann später — wenn die organische Verbindung der transplantierten Hautteile mit der Empfangsstelle zustande gekommen ist — durchtrennt werden. 1. Die Klassifizierung der Lappenplastiken

Der Distanz nach, die zwischen dem Defekt und der lappengebenden Donorstelle ist, unterscheidet man folgende Gruppen der Lappenplastiken: Die Nahiappenplastiken (lokale Methoden). Hier wird die Haut von der unmittelbaren oder etwas entfernt liegenden Umgebung genommen und in einer Sitzung der ganze Defekt endgültig gedeckt. Gelegentlich ist bei diesen Verfahren eine Xachoperation — zur ästhetischen Korrektur — notwendig. In der anderen Gruppe gehört die zweite Operation zum Wesen der Methode und besteht in der Durchtrennung des Lappenstieles. Die direkten Fernlappenplastiken (Pseudowanderlappenplastik). Hier wird der Lappen von entfernteren Körperteilen genommen, welche aber den defekttragenden Körperteilen noch so nahe sind, daß der Lappen unmittelbar in den Defekt eingenäht werden kann. Diese Verfahren bestehen immer aus wenigstens zwei Operationsphasen: a) das Schneiden und Einnähen des Lappens in den Defekt, b) die Durchtrennung und Einnähung des Lappenstieles. Gegebenfalls kommt dazu noch eine dritte, korrigierende Operation. Bei den Wanderlappenplastiken wird der Lappen von einem entfernten Körperteil entnommen, kann aber nicht unmittelbar dem Defekt genähert werden. Der Lappen muß deshalb zuerst an einem — dazwischenliegenden — Körperteil anheilen und von diesem „Transport-Ort" zum Defekt gebracht werden. Diese Verfahren benötigen wenigstens 4 Operationen: a) die Lappenvorbereitung bzw. Schnitt, b) das Einnähen des einen Lappenendes an die „Transportoberfläche", c) die Durchtrennung des mit der Donorstelle in Verbindung stehenden anderen Lappenendes und das Einnähen in den Defekt, d) die Durchtrennung des Lappenstieles. In der Mehrzahl der Fälle sind außerdem noch weitere korrigierende Operationsphasen erforderlich. Gelegentlich kann es vorkommen, daß die 1. und 2. Operationsphase vereinigt werden können.

Die H a u t t r a n s p l a n t a t i o n

12 I 37

Die Durchsicht der Literatur zeigt, daß man im 19. Jahrhundert, in der „Heldenära" der chirurgischen Entwicklung, bereits sämtliche Stiellappenverfahren gekannt hat. Jedoch gab es, vor allem durch entzündliche Komplikationen, verhältnismäßig viel Mißerfolge. Die Entzündung ging in der Regel von der am Stielabschnitt des Lappens und an der Entnahmestelle zurückgebliebenen unbedeckten Wundfläche aus. Oft zeigte sich auch eine andere Folge der offenen Wundfläche: der Entnahmebereich des Lappens wurde durch Vernarbung und Schrumpfung geschädigt. Daher ist es verständlich, daß sich die Filatow-GanzerG i L L i E S s c h e Rundstiellappenplastik, als sie in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg allgemeine Verbreitung fand, in kurzer Zeit zur fast alleinherrschenden Methode für den Ersatz größerer Hautdefekte entwickelte, vor allem deshalb, weil die Sicherheit der Transplantation angesichts ihrer bekannten Vorteile beträchtlich zugenommen hat. Die Sicherheit erschien derart wichtig, daß die Chirurgen den Zeitfaktor außer acht ließen und vielfach auch den sehr wichtigen Gesichtspunkt vernachlässigten, daß sich die fehlende Haut mit dem günstigsten Resultat aus der Umgebung des Defektes ersetzen läßt, die wegen ihrer strukturellen und morphologischen Eigenschaften der ehemaligen Haut des Defektes am besten entspricht. Die plastisch-chirurgische Literatur der Jahre 1920—1950 enthält eine Vielfalt von Mitteilungen, die über Rundstiellappen verschiedenster Form und Länge berichten. Die durchschnittliche Heilungsdauer betrug viele Monate, und der Indikationsbereich hat sich derart erweitert, daß zwischen Hautdefektersatz und Rundstiellappenplastik sozusagen ein Gleichheitszeichen gesetzt werden kann. Gleichzeitig mit der Verbreitung der Spalthautlappenplastik hat man auch die ..lokalen" und die sog. „direkten" Stiellappenplastiken immer häufiger angewendet. Sie wurden durch die Benutzung von Spalthautlappen ermöglicht, weil dadurch die Gefahren der Methode, die Infektion und Schädigung der Entnahmestelle vermieden wurden. Damit hat das Problem der Operationssicherheit seine Lösung gefunden. Man brauchte nunmehr bei der Operationsplanung nichts anderes zu berücksichtigen als die Frage, auf welche Weise das beste funktionelle und ästhetische Ergebnis in möglichst kurzer Zeit erreicht werden kann. Dies ist vor allem dann zu erzielen, wenn man Haut einer dem Defekt möglichst nahe gelegenen Region zum Ersatz verwendet, weil deren Eigenschaften denen der zugrunde gegangenen Haut am ähnlichsten sind, und sie mit den wenigsten Operationen und am raschesten überpflanzt werden kann. In den letzten 1 1 / 2 bis 2 Jahrzehnten hat sich die Aufmerksamkeit somit wieder entschieden den Lokal verfahren und direkten Stiellappenplastiken zugewandt. Die Fragen der Blutversorgung. Die wichtigste Aufgabe des Chirurgen bei einer Stiellappenplastik ist die Bestimmung und Sicherung der Blutversorgung des Lappens. Diesbezüglich wurden früher Verhältniszahlen angegeben. Man findet in den Lehrbüchern und Mitteilungen oft Abbildungen, die den weniger erfahrenen Chirurgen leicht irreführen können. Die Ausmaße des Lappens werden ganz falsch angegeben, und man versteift sich geradezu dogmatisch auf ein bestimmtes Verhältnis zwischen Länge und Breite als eine Regel, welche die Lebensfähigkeit des Lappens in erster Linie sichert. Damit wird der Operateur, der diese Vorschriften — in Ermangelung eigener Erfahrungen — befolgt, irregeführt und zum sicheren Mißerfolg verurteilt. Es ist besser, zwischen den Körperoberflächen mit guter und verhältnismäßig schlechter Blutversorgung einen Unterschied zu machen. Zu den Regionen mit guter Blutversorgung rechnen der Kopf und die Gegend der Gelenke an den Extremitäten. Die anderen Bezirke (Rumpf, Diaphysengegend der Extremitäten und die Akren) müssen aus Sicherheitsgründen als Gebiete mit schlechter Blutversorgung betrachtet werden. In bezug auf die erstgenannten Stellen kann man die allgemein bekannten Regeln für das Format der Lappen akzeptieren; in den zuletzt erwähnten, sog „kritischen" Gegenden sind jedoch die Ausmaße der Lappen ganz anders zu bestimmen. Hier soll nicht das relative Verhältnis zwischen Länge und

38 I 12

J . ZOLTÄN,

Transplantationslehre

Breite des Lappens in erster Linie berücksichtigt werden, sondern die Proportion zwischen dem H a u t d e f e k t und den Oberflächen der zu Ersatzzwecken bewegten Hautregion. I m „kritischen" Gebiet ist nämlich auch die absolute Größe des Lappens nicht gleichgültig. E s unterliegt keinem Zweifel, d a ß die Blutzirkulation eines in Lappenform hochgehobenen H a u t bezirks u m so besser ist, je größer diese Region ist. U n t e r Berücksichtigung des traditionellen Verhältnisses 2 : 1 bestätigt die praktische E r f a h r u n g , d a ß der Kreislauf eines 5 X 2,5 ein großen Lappens weniger sicher ist als unter denselben Bedingungen der Kreislauf eines 10 X 5 cm großen Hautlappens. E s ist auch zu beachten, d a ß der Lappen immer einen größeren Bereich als nur den des Defektes bedecken m u ß , d. h. sein zur i n t a k t e n Seite gelegener R a n d m u ß immer über den zum L a p p e n fallenden W u n d r a n d des Defektes hinausreichen. Dies ist bei t r a u m a t i s c h bedingten Defekten im Interesse einer Sicherung der Asepsis u n d Wundheilung sowie im allgemeinen zwecks Verringerung der auf die Wundheilung folgenden S c h r u m p f u n g wichtig. Auch die Beweglichkeit des Lappens bildet einen wesentlichen F a k t o r . I n den „kritischen" Regionen ist es nicht gleichgültig, welcher Belastung die im Lappenstiel verlaufenden Gefäße durch R o t a t i o n oder Ziehen des Lappens ausgesetzt werden. J e mehr wir den Lappenstiel ziehen oder drehen, u m so mehr sind die Gefäße teils von direkter Strangulation,, teils durch die Gefahr der durch das Ödem des Stiels verursachten Obstruktion bedroht. Auch dieser U m s t a n d erfordert, d a ß der L a p p e n möglichst groß bemessen wird. K o m m t es zu einer Durchblutungsstörung, wird der L a p p e n blau u n d schwillt an. Das läßt mehr auf den mangelhaften venösen Blutabfluß schließen, so wie es D I E F F E N B A C H u n d L A N G E N B E C K glaubten, als auf die Verminderung der arteriellen Blutversorgung ( E S S E R ) . Die venösen Stauungen können so groß werden, d a ß es zu einem Absterben der L a p p e n k o m m t . Diese venöse S t a u u n g k a n n m a n am besten durch feine Skarifikationen beseitigen. Die Lage des Lappens — also die Frage, ob der Stiel in proximaler oder distaler Richt u n g schaut —, h a t fast keine Bedeutung. B U F F h a t recht, wenn er schreibt, m a n sollte den L a p p e n immer so legen, d a ß der venöse Abfluß der Schwere nach s t a t t f i n d e n k a n n . Die Dicke des Lappens ist schon wichtiger. Der Verlauf der Blutgefäße bestimmt die Schicht des Präparierens: diese soll immer auf der Oberfläche der tiefen Muskelfaszie verlaufen, so d a ß der Lappen immer die ganze s u b k u t a n e Bindegewebs- u n d Fettschicht mit sich n i m m t . Wenn die Fettschicht zu dick f ü r unsere Zwecke ist, ist es viel besser, den Überschuß d u r c h eine spätere K o r r e k t u r zu entfernen, als das Leben des Lappens durch Verdünnerung zu gefährden. Die JDurchtrennung des Lappenstieles. Der Stiel des Lappens darf erst d u r c h t r e n n t werden, wenn feststeht, d a ß der L a p p e n schon von der Empfangsstelle her ernährt wird. F ü r diese Feststellung wurde eine Reihe von Untersuchungsmethoden ausgearbeitet. Diese Tests sind im allgemeinen in zwei Gruppen zu teilen: I n die erste Gruppe gehören solche, die den durch den L a p p e n strömenden Blutstrom von verschiedenen mit der Blutzirkulation in Zusammenhang stehenden Erscheinungen zu bestimmen versuchen. Die älteste Methode ist die Beobachtung der Farbe und Temperatur des Lappens während der Kompression des einen Lappenendes. Diese Methode, die zuerst D O U G L A S u n d B U C H O L Z ( 1 9 4 3 ) angewendet haben, wurde mit verschiedenen Meßapparaten durchgeführt ( D O U G L A S , H Y N E S U. M A C G R E G O R , C O N W A Y U. Mitarb., B A R R O N U. Mitarb., F L E T C H E R U. Mitarb., H A R R I S U. Mitarb., S T O L L U. H A R D Y , W I N S T E N U. Mitarb.). Die von B A R R O N u n d Mitarbeiter ausgearbeitete Oxymetrie benutzt eine f ü r die F a r b e des Hämoglobins empfindliche Photozelle und mißt somit den eigentlichen Blutstrom. Demgegenüber h a t der Fluoreszenz-Test ( L A N G E , D T N G W A L L U. L O R D ) den großen Nachteil, d a ß bei der Messung die I n j e k t i o n des Materials erforderlich ist. I n der anderen Gruppe handelt es sich u m Methoden, die die Absorption verschiedener eingespritzter Flüssigkeiten beobachten und daraus auf die Zirkulation schließen.

Die Hauttransplantation

12

I 39

Die früher benutzten Tests, Kochsalzlösung-, Histamin- und, Atropin-Test (HYNES) haben den Nachteil, daß das Resultat gewissermaßen von der menschlichen Beobachtung abhängig ist. Quantitativ meßbar sind die Resultate bei den Methoden, die die Absorption verschiedener radioaktiver Substanzen benutzen, wodurch Fehlerquellen auf ein Minimum reduziert sind. S M I T H und M O R A L E S sowie S M I T H und Q U I M B Y haben zuerst solche Substanzen zur Bestimmung der peripheren Blut Strömung verwandt. K E T Y hat Radiosodium intramuskulär injiziert und mit einem Geiger-Müller-Apparat die lokale Clearence im M. gastrocnemius gemessen, C O O P E R , E L K I N und Mitarbeiter haben diese Methode zur Auswertung der Behandlung bei verschiedenen Gefäßkrankheiten verwendet. B L O C K E R hat neuestens intrakutan injiziertes AVi24 zur Untersuchung der Extremitäten bei Exulzerationen verwendet. CONWAY, R O S W I T , S T A R K und Y A L O W haben 1 9 5 1 das Radiosodium zuerst zur Untersuchung von Steillappen verwendet. B A R R O N und Mitarbeiter haben Na2i, H O F F M E I S T E R Na22, DOUGLAS undMoNEELY 7 1 3 1 verwendet . B R A I T H W A I T E und Mitarbeiter bemerken, daß die Resultate, die mit Na24-Clearence mit Geiger-Miiller-Meßapparat bestimmt wurden, nicht gleich sind mit den durch Plethysmographie erhaltenen Angaben der Zirkulation. Die Versuche zur Verbesserung der Blutversorgung. Man versuchte den Kreislauf der

Stiellappen durch verschiedene Verfahren zu verbessern, um so Störungen der Blutversorgung vorzubeugen bzw. zu bekämpfen. Hierzu wurden Temperatur-Einwirkungen — hauptsächlich das Abkühlen — oft verwendet. und K L E I N sowie GORDON und W A R R E N haben bei verschiedenen Versuchen festgestellt, daß die lokale Hypothermie am Stiellappen die Lebensfähigkeit des Lappens stärkt und Nekrosen auf kleinere Gebiete beschränkt. Sie behaupten in Zusammenhang mit den Beobachtungen von D O U P E , daß die so erzeugte Hyperämie überhaupt nicht in Zusammenhang mit irgendeinem nervösen Mechanismus steht. L E W I S und G R A N T bestätigen auch in eigenen Versuchen diese Meinung. DES PREZ

L A N D I S hat demgegenüber durch lokalen Wärmeeinfluß die Dilatation der Kapillaren hervorgerufen. Man hat durch die Denervation der Donorstelle bzw. Sympathektomie eine Dilatation der Gefäße zu erreichen versucht. A N D I N A empfiehlt zur Verbesserung der arteriellen Durchblutung bei Hals- und Brustkorblappen die Stellatumblockade, bei Oberschenkellappen Novokainblockade in die lumbalen Grenzstränge. Einzelne Verfasser führen schon vor der Operation eine Novokainblockade durch oder sogar auch eine periarterielle Sympathektomie. B R A I T H W A I T E ist demgegenüber der Meinung, daß Ausschaltung der sj^mpathischen Reflexe die hämodynamischen Verhältnisse sehr wenig beeinflußt. H Y N E S behauptet sogar, daß die Sympathektomie die Blutgefäße aus aktiv kontraktilen Rohren, welche auf verschiedene Reize reagieren können, inkontraktionsmangelnde, erweiterte Kanäle umwandelt, was zu einem Blutdruck-Abfall und zu einem Stagnieren des Blutstromes führt, mit Zyanose und schließlich zu einer Thrombose. D E H A A N und S T A R K haben die Zirkulation im Rundstiellappen durch Histamin-Iontophorese zu verbessern versucht. Sie konnten die afferente, ausführende Zirkulation verbessern, die efferente, einführende aber nicht. Eine Vorbehandlung mit dieser Methode hat keinen Einfluß auf die spätere Lebensfähigkeit des Lappens. Auch kann mit dieser Behandlung die Durchtrennung des Lappenstieles nicht früher durchgeführt werden.

Die Retardation. Es gibt eine Methode, bei welcher die Blut Versorgung umschriebener Hautteile durch operative Eingriffe künstlich verbessert werden kann. Es ist die sog. ,,Retardation" (englisch „delay" genannt), welche wegen der ,,in situ Lappenbildung" von P E R T H E S ausgearbeitet wurde.

40 I 12

J . ZOLTÄN, Transplantationslehre

Wenn man Lappen verwenden soll, die von einer relativ ungünstigen Donorstelle genommen werden müssen oder deren Länge bedeutend die Breite überschreitet, kann mit vorher durchgeführten Eingriffen die Blutversorgung umgebaut werden. Das geschieht, indem man an der vorgezeichneten Grenze des Lappens Schnitte anlegt und die von der Seite ein-

Abb. 2. Die Wirkung der Retardation" auf die Blutversorgung eines umschriebenen Hautteiles a) Wenn auf einen, von allen Seiten gleich versorgten Hautteil zwei parallele Schnitte angelegt werden, dann b) entwickeln sich die in der Längsachse der Hautbrücke verlaufenden Gefäße stärker, während die von der Seite kommenden ihre Wichtigkeit verlieren. Wenn jetzt an einer Seite die Enden der parallel verlaufenden Schnitte miteinander verbunden werden, dann e) wird das von der anderen Seite eintretende Gefäßbündel noch mehr erweitert (d)

tretenden Gefäße durchtrennt. So werden die durch den Stiel in den Lappen eintretenden Gefäße gezwungen, sich zu verstärken und eine größere Blutmenge in den Lappen zu liefern. G E R M A N , F I N E S I L V E R und D A V I S haben experimentell bewiesen, daß die so erzeugten Änderungen der Gefäße dreifacher Art sind (Abb. 2). a) der Durchmesser der Gefäße wird größer, b) die Zahl der funktionierenden Gefäße wird größer, c) die Hauptäste der Gefäße orientieren sich nach der longitudinalen Achse des Lappens.

Die Methode der Retardation wurde von B R A I T H W A I T E und Mitarbeiter, K E T Y , E L K I N und Mitarbeiter, C U L L E N und Mitarbeiter, S T O N E und M I L L E R , F R A N K E und Mitarbeiter, B O A T M A N und Mitarbeiter, W I S H A M und Mitarbeiter experimentell erforscht und in der Wiederherstellungschirurgie von B A R R O N und Mitarbeiter, B R A I T H W A I T E und Mitarbeiter, C O N W A Y und Mitarbeiter verwendet. Die Retardation des Lappens kann nach zwei verschiedenen Methoden erfolgen. Bei der einen Methode werden in der ersten Sitzung die zwei längeren Seiten des Lappens durchschnitten und sofort, oder in der nächsten Sitzung, von hier eindringend der ganze Lappen unterminiert. Später folgt die Durchtrennung der der Stielseite entgegengesetzten Seite und das Aufpräparieren von hier (Abb. 3 u. 4).

12 I 41

Die Hauttransplantation

A b b . 4 . Die an A b b i l d u n g ίί v o r g e f ü h r t e F o r m der R e t a r d a t i o n in der P r a x i s a) D i e e r s t e n S c h n i t t e ;

h) l'nterrninierun

Material vorhanden ist. das auf

der U n t e r l a g e gut λ-erschieblich ist und eine ausreichende Blut Versorgung h a t . Die lokalen L a p p e n v e r f a h r e n verlangen eine sehr e x a k t e Planung.

Dabei

müssen

n i c h t nur die drei Dimensionen des D e f e k t e s , L ä n g e . Breite und Tiefe, sondern auch die E l a s t i z i t ä t der H a u t berücksichtigt werden. Γη dieser R i c h t u n g muB eine Methode erwähnt werden, die eigentlich keine T r a n s ist. aber doch zur

Beseitigung

solcher ..biologischen D e f e k t e "

plantation

anwendbar

ist. Es handelt sich hier um die sog. ..multiple sukzessive Ivxzision". Diese

Methode

DENONVILLIERS MORESTIX.

wurde

zuerst

von

später

von

beschrieben,

DAVIS.

SMITH.

MILLS

und

PATTERSON angewendet und v e r b r e i t e t . Man kann diese M e t h o d e auch mit den verschiedenen N a h l a p p e n v e r f a h r e n

und auch

mit

der· freien T r a n s p l a n t a t i o n kombinieren. Zunächst hat diese Methode C große Anerkennung ? Ο gefunden, erst s p ä t e r k a m e n die N a c h t e i l e zu T a gΟe . Dabei ist die Dislokation wichtiger Ο F o r m a t i o n e n der u n a n g e n e h m s t e Nachteil, weil sie schwer zu beseitigen ist. Auch kann die über einer knöchernen

Basis zu

stark

g e s p a n n t e H a u t eine W a c h s t u m s h e m n i u n g v e r u r s a c h e n . STEKFENSEN u n d WORTHEN tei-

Ahl). 11.

D i e Deekun0 I 1 2

-Ι. Ζ ο ι . Τ Λ Ν .

Transplantationslchre

A b b . :{>S. D i e A n w e n d u n g des S t i r n l a p p e n s / u m p r i m ä r e n ft) D o r D e f e k t des r e c h t e n N a s e n f l ü g e l s n a c h K n t t e r m i n g eines K a r z i n o m s :

h) e i n T ü r f l ü g e l l a p p e n

v o m N a s e n r ü c k e n z u r i n n e r e n B e k l e i d n n u des n e u zn e r s e t z e n d e n

Nasenflügels geschnitten;

c) d e r

Stirnlappen

Xasenfliigelersatz

in d e n D e f e k t g e n ä h t , d e r s e k u n d ä r e

D e f e k t m it e i n e m S p a l t h a u t kippen g e d e c k t ; il) d i e P a t i e n t i n nach der

Heilung

Die Hauttransplantation

12 I Gl

Autoren den Lappen daher so geschnitten, da Β er nur durch die frei präparierten Gefäße mit der Umgebung in Verbindung blieb. Diese Methoden haben zuerst M O N K S (nach den Angaben von A U K R I C H T ) , I ' O L Y A . E S S E R und K I R S C H N E R ausgearbeitet, später wurden sie v o n B A R D E N H E U E R . SCHIMMELISUSCH, L E X E R .

u. a. weiterentwickelt. Der Lappen (auch ..Arterienlappen" genannt) konnte nach Belieben leicht gedreht werden und h a t t e überdies noch den Vorteil, daß zwischen dem Defekt und der Donorstelle kein Schnitt notwendig war. weil der Lappen unter der unterminierten H a u t hindurchgezogen werden konnte. Dadurch konnten in bestimmten Fällen bessere kosmetische Ergebnisse erreicht werden. Diespäteren Erfahrungen haben gezeigt, daß in den hin- und hauptsächlich in den wegführenden Gefäßen (Venen) oft eine Obliteration entstand, weil die freipräparierten Gefäße sehr leicht verletzlich waren. Aus diesem Grunde hat man später die Gefäße in einer subkutanen Bindegewebshülle belassen. FERRISSMITH. PESKOVÄ

Solche Insellappen werden am häufigsten unter Verwendung der Arteria und Vena temporalis, frontalis, angularis und occipitalis gebildet. Xeuerdings wurde diese Methode zur Verpflanzung insularer Hautteile verwendet, die nicht nur eine eigene B l u t Versorgung, sondern Abb. 39. Insellappen mit neurovaskulärem Stiel auch Xervenversorgung mit sich bringen. als Ersatz der Tastempfindung Diese Methode wurde zuerst zur Wiederherstellung der Empfindung bestimmter Handoberflächen verwendet. Dadurch wurde die volle F u n k t i o n der verletzten H a n d erreicht. Diese in der Anglosächsisehen L i t e r a t u r „neurovascular island pedicle"' genannte Methode wurde zuerst von B U N N E L L , L I T T L E R und T U B I A N A publiziert (Abb. 39). F R A C K E L T O N und T E A S LEY halten diese Methode nicht nur bei den späteren, wiederherstellenden Operationen für günstig, sondern auch bei der primären Versorgung, anstelle der heute noch sehr populären gekreuzten-Finger-Lappenplastik. Dasselbe Prinzip verwendet M C G R E G O R , als er die ABBEsche Operation so modifiziert hat. E r e n t n i m m t den aus der Unterlippe geschnittenen Haut-Muskel-Schleimhautlappen so, daß dieser nur mit einem dünnen, die Arterie enthaltenden Schleimhautstiel mit der Donorstelle in Verbindung bleibt. E i n e der in der P r a x i s a m häufigsten angewandte Möglichkeit der Insellappen ist der E r s a t z der Augenbraue (Abb. 40). E r s t kürzlich h a t M I L L A R D eine neue Island-flap Methode zur Versorgung von Gaumenspalten beschrieben. e) Der Brückenlappen

B e i den bisher beschriebenen Lappen h a t die zur Transplantation umschnittene Hautregion immer nur von einer Seite, von einem Stiel eine Blut Versorgung erhalten. U m die Er-

62 I 12

J . ZOLTÄN. Transplantationslehre

Abb. 40. Augenbrauenersatz mit einem a) Schnittlinie zur Freilegung des Gefäßstieles und Umrisse des Insellappens; b) der mit dem Gefäßstiel freipräparierte Insellappen; c) der Insellappen wird unter der tunnellisierten Haut in die Em-

nsellappen von der behaarten Kopfhaut pfangsstelle gezogen; d) der Lappen in die Empfangsstelle eingenäht und die Wunde an der Entnahmestelle geschlossen

nährung der Lappen besser zu sichern, hauptsächlich im Falle von langen und schmalen Lappen, schneidet man Lappen mit zwei Stielen. Der Lappen ist an zwei Seiten mit der Umgebung in Verbindung, bildet also eine Brücke — daher auch die Bezeichnung „Brückenlappen" (Abb. 41). Die älteste Form der Brückenlappen ist der von S E N N beschriebene Visierlappen. Hier wird von der Stirn ein Lappen geschnitten, der an beiden Temporalregionen gestielt ist und zum Ersatz von Defekten der Nase oder der Lider verwandt wurde (Abb. 42). Derartige Stiele sind besonders gut ernäht. Gewöhnlich enthalten sie den Hauptast der Arteria temporalis, zum wenigsten aber einen sehr wichtigen Nebenast der Temporalis. Vom Hals geschnittene Brückenlappen verwendete M O R G A N und später B E R G O N Z E L L I für Defekte der Unterlippe, der Kinnregion und sogar der Nase (Abb. 43). P E R T H E S und M I R Υ M I R benutzten Brückenlappen an den unteren Extremitäten, K Ü S T E R an den männlichen äußeren Genitalien. Abbildung 44 zeigt die Verwendung eines Brückenlappens bei dem letzten Akt der antethorakalen Ösophagusbildung: bei der Verbindung des Ösophagostomas und der oberen Öffnung des antethorakalen Hautschlauches. Abbildung 45 erläutert die Verwendung eines modifizierten Visierlappens zum Nasenersatz.

Die Hauttransplantation

Abb. 41. Zwei Brückenlappen zur Schließung eines an der Schienbeinkante entlang verlaufenden Defektes

12 I 63

Abb. 42. Der Visierlappen nach SENX in einen Gesichtshautdefekt unter dem Auge eingenäht. Der Teil der Entnahmestelle, der nach dem Zurücksetzen der Lappenstiele nicht gedeckt werden kann, ist mit einem frei transplantierten Hautstüc-k bedeckt

3. Die direkten Fernlappenplastiken

Diese Methode der Hauttransplantation kommt dann zur Anwendung, wenn von der näheren oder entfernteren Umgebung (in der Form einer Nahlappenplastik) keine geeignete Entnahmestelle zu finden ist, und doch ein Unterhautfettgewebelappen zur Deckung benötigt wird. Man wählt in solchen Fällen einen Körperteil, der es durch geeignete Stellung der Gelenke ermöglicht, Entnahme- und Empfangsstelle nebeneinander zu legen, so daß der abgehobene Lappen sofort in den Defekt eingenäht werden kann. Man nennt diese Methode — wegen der sofortigen Einpflanzung von einem entfernten Körperteil — ,,direkte Lappenplastik", „einzeitige Stiellappenbildung — K A R F I K " sowie „Pseudowanderlappenplastik — E R C Z Y und Z O L T Ä N " . Die letzte Bezeichnung stammt von der Bewegung dieser Lappen: sie kommen von einen Körperteil auf den anderen, ohne aber dabei zu „wandern". Unter ,,Wanderlappen" versteht man nämlich einen Lappen, der so

Abb. 43. Ein vom Hals geschnittener Brückenlappen als Xasenhautersatz verpflanzt

G4 I 12

J. ZOLTAN, Transplantationslehre

A b b . 44. D i e B e e n d i g u n g der antethorakalen Ösopl lagusplastik: die V e r b i n d u n g der kranialen S t o m a t a mit Y e n v o n d u n g ei ties Brückenlappens α) D i e N a h t l i n i e zur V e r b i n d u n g des Osophagosto-

liegende Hautanteil w u r d e zu einem Sehlauch zu-

mas u n d der oberen

antethorakal

s a m m e n g e n ä h t ; d) zur Bedeckung des R o h r e s w i r d

g e b i l d e t e n Hautschlauehes; b) die L a g e nach A u f -

ein Brüekenlappen geschnitten; e) Beginn der N a h t ;

präparieren der W u n d r ä n d e r ;

/) die N a h t l i n i e nach B e e n d i g u n g der

Öffnung

des

r) der in der M i t t e

Operation

verpflanzt wird, daß man ihn erst an einer dritten nur dem Transport dienenden Körperfläche einheilen läßt. Die Vorteile des Verfahrens sind einleuchtend. Gesunde und mit genügend UnterhautFettgewebe ausgestattete Haut wird in relativ kurzer Zeizt verpflanzt. Es ist später jederzeit möglich. Knochen-, Sehnen-, oder Nervenplastiken unter solchen Lappen auszuführen. Weiter ist es möglich, diese Haut in derselben Lagerung des lymphatischen Stromes zu über-

12 | 65

Die Hauttransplantation

Abb. 45. Eine Stirnlappen-Brückenlappen-Kombination

zum Xasenersatz

a) Die innere Bekleidung der neu zu formenden

Schnittlinie des Hautlappens:

Nase aus zwei Xasolabiallappen geformt mit der

Durchtrennung des Lappenstieles

h) die Lage vor

tragen, wie sie im Spendergebiet lag, und damit periphere oder Lappenödeme einzuschränB e i dieser Methode muß der. an der Entnahmestelle durch Ablieben des Lappens entstandene, sog. ..sekundäre" Defekt sofort gedeckt werden. Das kann durch eine Lappenverschiebung oder durch freie Hauttransplantation erfolgen. Es ist dabei wichtig, daß nicht nur der sekundäre Defekt, sondern auch die untere Wundfläche des Stieles, welche den R a u m zwischen der Entnahmestelle und der Empfangsstelle überbrückt, gedeckt werden soll, um eine, die Lebensfähigkeit des Lappens gefährdende Infektion zu verhüten. E s ist empfehlenswert, einen Spalthautlappen zu diesem Zweck zu verwenden, als die Deckung mit einem Xahlappen zu forzieren (wie bei der ,,Pattern flap method" von B L O K KER u. Mitarb.). E s kann dann nämlich zu Spannungen bzw. zu einer Abschniirung des Lappenstieles kommen, die die Durchblutung des Lappens gefährden. Nach Einnähung des Lappens müssen die nebeneinander liegenden Körperteile immobilisiert werden, um die feste Position zu sichern und Verschiebungen und Zerren des Lappens zu verhüten. Zu diesem Zweck verwendet man am besten gut gepolsterte Gips- oder Zellonaverbände. E s werden aber auch vorgefertigte Apparate zur Fixierung konstruiert (aus Plexiglas: L E T T E R M A X , Metallschiene: M C C A S H ) . Letztere haben den Nachteil, daß sie keine Abweichung von dem ursprünglichen Operationsplan, bzw. keine Änderung der Stellung der Extremitäten gegenüber der vor der Operation eingestellten Position gestatten. Das probeweise Anlegen der Fixationsverbände am Tag vor der Übertragungsoperation und sie eine Nacht tragen zu lassen, damit etwaige Druckstellen nachgepolstert oder der Verband entsprechend geändert werden kann, um dem Patienten die Stellung möglichst erträglich zu machen, hat sieh sehr bewährt und sollte immer angewendet werden. Gelegentlieh gibt auch eine flexible Leukoplastfixation den nötigen Halt, die auch für den Patienten viel angenehmer ist (vgl. JAEGER. Verbandslehre). Handb. Plast, t'liir., lfd. I

28

ϋϋ Ι 1 2

J . ZoLTÄx, T r a n s p l a n t a t i o n s l e h r e

D e r Lappenstiel wird 1 0 — 2 1 T a g e nach der Einpflanzung d u r c h t r e n n t . Der Z e i t p u n k t dieser zweiten Operation hängt von der R e l a t i o n a b . die zwischen dem der W u n d f l ä c h e aufliegenden L a p p e n t e i l und der Oberfläche des überbrückenden Stielanteiles besteht. J e größer die e i n g e n ä h t e L a p p e n o b e r f l ä c h e , und je kleiner die Stieloberfläche, desto früher k a n n m a n den Stiel durchschneiden. Bei breiten Lappen wird der Stiel in zwei oder auch m e h r Sitzungen teilweise d u r c h t r e n n t . D e r D u r c h t r e n n u n g kann das E i n n ä h e n der durchschnittenen Teile sofort folgen, oder aber — wenn die Asepsis durch Mazerationen gefährdet scheint — 1 bis 2 W o c h e n hinausgezögert werden. Die aus entfernteren Körperteilen geschnittenen und sofort in den D e f e k t eingenähten L a p p e n können — wie alle anderen L a p p e n — an einer Seite oder an beiden E n d e n mit der U m g e b u n g in Verbindung stehen (einfache Stiellappen und .Brücken-Lappen). Die zur E n t n a h m e benutzten K ö r p e r t e i l e kann man in folgende F o r m e n u n t e r t e i l e n : a) Der Kumpfstiollappon Die vom R u m p f . B r u s t w a n d . Flanken. B a u c h , R ü c k e n oder Glutaealgegend e n t n o m menen L a p p e n ermöglichen die Deckung der H a u t d e f e k t e der oberen E x t r e m i t ä t . Es gibt keine Region der oberen E x t r e m i t ä t e n , die nicht eine geeignete Donorstelle a m R u m p f findet. B e i der Planung der Operation soll nicht nur die H a u t m e n g e und die zurückbleibende N a r b e in B e t r a c h t gezogen werden, sondern auch die Lagerung der E x t r e m i t ä t , die j a 2 bis 3 W o c h e n lang in unbequem fixierter Lage unbeweglich sein muß. Man soll deshalb eine L a g e für die E x t r e m i t ä t aussuchen, in der sämtliche Gelenke möglichst b e q u e m , in funktioneller R u h e l a g e (Mittelstellung der Gelenke) fixiert werden können. Die Möglichkeiten der R u m p f s t i e l l a p p e n p l a s t i k sind in den Abbildungen 4 6 bis 5 5 dargestellt.

A b b . 4(i. R u m p f s t i e l l a p p e n z u m E r s a t z eines H a u t d e f e k t e s a m O b e r a r m v e r w e n d e t ( ) N a c h E x z i s i o n eines d u r c h R ö n t g e n b e s t r a h l u n g verursachten

(ieschwürs

eingepflanzter

s t i e l l a p p e n vor d e r X a h t e n t f e r n u n g ;

Rumpf-

b) d e r

Rumpfstiellappen

und

der

mit

einem

Spalthautlappen gedeckte sekundäre Defekt nach der Heilung

12 Ι 07

Die H a u t t r a n s p l a n t a t i o n

a

b

A b b . 47. M e d i a l g e s t i e l t e r K u m p f s t i e l l a p p e n z u m B e d e c k e n e i n e s k u r z e n α) D e r e i n g e h e i l t e

Lappen

vor

der

Durchtren-

nung;

Unterarmstumpfes

b) d e r d e n s e k u n d ä r e n D e f e k t b e d e c k e n d e

Spalt-

h a u t l a p p e n ist g u t s i c h t b a r

A b b . 4S. O r o ß e r B a u c h w a n d l a p p e n a l s H a u t e r s a t z e i n e r S e i t e d e s g a n z e n

Unterarmes

a) D i e zu exzit d i e r e n d e X a r b e a m U n t e r a r m m i t d e n

Defekt eingenäht;

Umrissen des großen

der d u r c h S p a l t h a u t l a p p e n gedeckten Donorstelle

B a u c h w a n d l a p p e n s ; b) d e r

L a p p e n vor dem E i n n ä h e n ;

c) d e r L a p p e n in d e n

d) d e r e i n g e h e i l t e L a p p e n m i t

68 I 12

J. Zoltan, Transplantationslehre

a b Abb. 49. Ein mit einem großen Bauchwandlappen gedeckter Handrückendefekt a) Der nach Exzision der verbrennungsbedingten deckt; nach der Heilung; b) nach Durchtrennung Narben entstandene ausgedehnte Handrückendes Stieles ist der mit .Spalthautlappen gedeckte defekt mit dem großen Bauchwandlappen geBauchwand-Sekundärdefekt gut sichtbar

a b Abb. 50. Kaudal gestielter Bauchwandlappen bei einer Narbenplastik der H a n d a) Umrisse der Exzision der Xarbe sowie die des des sekundären Defektes dienenden VerschiebeLappens und der Schnittlinien eines die Deckung lappens; b) der eingeheilte Lappen

Abb. 51. Kranial gestielter Lappen nach Exzision eines Karzinoms auf den Handrücken eingenäht

Die Hauttransplantation

12 I 69

Abb. 52. Ein von der Glutealgegend geschnittener Lappen zur Bedeckung der schwer verletzten H a n d verwendet

Abb. 53. Das Einnähen eines zirkulär denudierten Fingers in eine Hauttasche

Abb. 54. Einfacher Bauehwandstiellappen als primäre Deckung eines verletzten Daumens verwendet

Abb. 55. Die Fingerkuppenplastik nach B u n n e l l , a) Die Schnitt- und Xahtlinien der Lappenbildung; b) der Lappen in den Defekt eingenäht

70 I 12

J.

ZOLTÄN,

Transplantationslehre

Wenn der Hautdefekt am Oberarm ist, schneidet man den Lappen meist von der seitlichen Thoraxwand, wie in dem in Abbildung 46 gezeigten Fall. Es handelt sich hierbei um ein durch Röntgenbestrahlung verursachtes großes Ulkus. Der gut eingeheilte Lappen und der an der Donorstelle sich befindende Spalthautlappen sind in Abbildung 46 b gut zu erkennen. Abbildung 47 zeigt einen Fall, bei welchem ein empfindlicher, narbiger Armstumpf mit einem Brustwandlappen bedeckt wurde. In Abbildung 47 b sieht man den Spalthautlappen, der den „sekundären Defekt" bedeckt und sich auch auf den Stielanteil des Lappens erstreckt. Wird ein sehr großer Lappen benötigt, kann er von beiden Seiten der Mittellinie genommen werden. Der Lappen muß in solchen Fällen genau quer auf der Längsachse des Körpers geschnitten werden, damit beide Lappenhälften von der eigenen Seite mit Blut versorgt werden (Abb. 48). Bei den Rumpfstiellappenplastiken ist die Retardation mit Ausnahme komplizierter, schmaler, aber langer Lappen nie erforderlich. Auch die größten Lappen können in einer Sitzung abgehoben und nach Deckung der Donorstelle eingenäht werden (Abb. 49). Zur Deckung von Defekten an der Hand hat man verschiedenste Möglichkeiten. Man kann dem Operationsplan gemäß den Lappen mit kaudal (Abb. 50) oder kranial verlaufendem Stiel (Abb. 51) schneiden, oder sogar den Lappen von der Glutaealgegend nehmen, wenn es erforderlich ist (Abb. 52). Zum Ersatz von Hautdefekten an den Fingern verwendet man Rumpfstiellappen relativ selten, weil die Empfindungsverhältnisse der Haut in dieser Gegend die zum Tasten notwendigen Bedürfnisse nicht erfüllen. Diese Methode der Hauttransplantation wird bei den Fingern hauptsächlich bei primärer Versorgung traumatischer Defekte verwandt. In solchen Fällen stehen drei verschiedene Grundverfahren zur Verfügung: a) das Einbetten des zirkulär denudierten Fingers in eine unter der Haut vorbereiteten Tasche (Abb. 53); b) das Einnähen des Fingers in die untere Fläche eines Brückenlappens (sog.,,Muffplastik"); und endlich c) die Verwendung einfacher Stiellappen (Abb. 54). B U N N E L L hat eine einfache und geistreiche Methode zur Verfertigung eines zum Ersatz der Fingerbeeren verwendbaren Lappens ausgearbeitet (Abb. 55). b) Der Armlappcn

Abb. r>. Ein Oberarmlappen zur λνΐοάβΛοΓstellunsi der Ohrmuschel verwendet

Armlappen, vom Ober- oder Unterarm geschnitten, können zum Ersatz von Hautdefekten der gegenseitigen oberen Extremität und des Gesichtes verwendet werden. Die von TAGLTACOZZI und B R A N C A zuerst beschriebenen Oberarmlappen (italienische Methode) waren die Zweitälteste Methode des Nasenersatzes. In der modernen Literatur ist diese Methode in den letzten Jahrzehnten sehr selten zu finden, was durch die relativ unbequeme Lagerung bei dieser Operation erklärbar ist (Abb. 56).

Die Hauttransplantation

12 I TL

Abb. 57. Brüekenlappen vom Oberarm zur Deckung des Hautdefektes an der Yolarfliiehe eines Fingers a) D e r F i n g e r unter dem B r ü e k e n l a p p e n ;

b) die nach der Immobilisation noch ermöglichten Bewegungen des Patienten

A b b . öS. J)ie gekreuzte a) Die Yolarfläehe

des Zeigefingers

mit

einem.

von der dorsalen Seite des mittleren Fingers hei'

Fingerlappenplastik Ii) die Hntnahmestelle des Lappens ist mit einem Spalthautlappen bedeckt

entnommenen Stiellappen b e d e c k t ;

Armlappen zur Deckung von Defekten der gegenseitigen H a n d und der Finger werden von vielen Autoren in verschiedenen Formen (McCasu. M i r υ M i r u . a . ) angewandt (Abb. 57). C o a k l k y und Mitarbeiter verpflanzten die U n t e r a r m h a u t auf den Unterschenkel und setzten S p a l t h a u t l a p p c n auf die F n t n a h m e s t e l l e . Diese Methode benötigt zweifellos weniger Zeit, erfordert abei 1 eine sehr feste Immobilisation in einer außerordentlich unangenehmen Zwangslage. c~> Ο Die gekreuzte Fingerlappenplastik ist eine häufig angewandte Methode bei Hautdefekten der Finger. Man erzielt mit ihr sowohl bei primären oder auch späteren Hautersatzplastiken funktionell und kosmetisch sehr befriedigende Ergebnisse.

72 Ι 12

J.

ZOLTÄN,

Transplantationslehre

Abb. 59. Variationen der gekreuzten Extremitätenlappen

Dieses Verfahren hat die früher angewandte plastische Deckung der Fingerkuppe mit einem gestielten Lappen aus der Hohlhand ( M O R E S T I N , I S E L I N ) fast völlig verdrängt. Letztere h a t mehrere Nachteile: Es konnten damit nur kleinere Kuppendefekte, nicht aber größere Defekte der Greifseite versorgt werden, außerdem war diese Methode technisch nicht

Die Hauttransplantation

12 I 73

ganz einfach, und oft entstanden nach der Lappenabtragung in der Hohlhand schmerzhafte, zu schwieliger Entartung neigende Narben. Die meisten modernen Handchirurgen halten die gekreuzte Fingerlappenplastik (cross finger flap plasty) nicht nur der Hohlhandlappenplastik, sondern auch den lokalen Plastiken (Brückenlappen nach K L A P P ) überlegen ( L I T T L E B , MOBERG, ZRUBECZKY, B E R V A R u. a.). Die Methodik des Verfahrens ist in Abbildung 58 gut zu erkennen. c ) Der Beinlappen

Die Anwendung eines Hautlappens von den unteren Extremitäten zum Ersatz eines Defektes am anderen Bein bezeichnet man als gekreuzte Extremitätenlappenplastik (cross leg flap plasty). Sie ist eine der am häufigsten benutzten Methoden zum Ersatz von Hautdefekten an den unteren Extremitäten (Abb. 59). Die Vorteile des Verfahrens sind einleuchtend : eine relativ kurze Zeitdauer, zwei oder höchstens drei Operationen in ungefähr 5 Wochen, gut gepolsterte, widerstandsfähige Haut, relativ bequeme Zwangshaltung und gute Dauerresultate. Bei der Wahl der Entnahmestelle ist zu berücksichtigen, daß die Beine nicht wirklich gekreuzt werden (in unrichtiger Auslegung des englischen Namens), weil dadurch die sehr verletzliche und empfindliche Achillessehne des geschädigten Fußes auf die Strecksehnen

Abb. ßO—03. Eingeheilte gekreuzte Extremitätenlappen zur Deckung von Hautdefekten an den verschiedenen Teilen der unteren Extremitäten

74 I 12

J.

ZOLTÄN,

Transplantationslehre

c Abb. (54. Vorbereitung eines Oberschenkellappens zur Stumpfplastik a) Der sieh nach der Aufhebung bedeutend verkleinernde Lappen; b) die Wundfläche des Lappens sowie die der Entnahmestelle wird c) mit einem Spalthautlappen bedeckt, sodann d) werden die zwei Ecken des Lappens — nach Einlegung eines (lazepolsters — am Rand der Donorstelle befestigt; e) wenn der Spalthautlappen geheilt ist, wird er von der Unterfläche des Lappens entfernt und der Lappen in die Empfangsstelle eingenäht

bzw. die Tibiavorderkante des Spenderfußes zu liegen käme. Das kann zu einer unangenehmen Komplikation, nämlich zur Entstehung von Druckgeschwüren führen. Das ist bedeutend gefährlicher als der Druck des Gipsverbandes und wird auch oft übersehen. Zweckmäßigerweise wird der benötigte Lappen aus gleicher Höhe der Spenderextremität gewählt, da so die Immobilisation wesentlich erleichtert wird. Am besten bewährt sich als Spendergebiet die Wade über dem Bauch der großen Wadenmuskel (Abb. 60—63). B R U C K ist der Meinung, falls sich hier kein geeigneter Lappen finden läßt, ist die Entnahme

Die H a u t t r a n s p l a n t a t i o n

Abb. 65. Die Deckung der E n t n a h m e s t e l l e sowie des Stielabschnittes bei der gekreuzten E x t r e m i tätenplastik ohne Vorbereitung

12 I 7δ

Abb. 66. Die langbelassenen F ä d e n des S p a l t h a u t lappens werden zur Befestigung des Verbandes vor wendet

Abb. 67. Die zweckmäßige N a h t zur Vereinigung der an der Entnahmestelle nach D u r c h t r e n n u n g des Lappenstieles e n t s t a n d e n e n W u n d e , wobei das frisch eingeheilte freie T r a n s p l a n t a t noch nicht belastet werden darf

vom Oberschenkel trotz der hier relativ schwierigeren Zwangslagerung mit einer stark gebeugten Extremität vorzuziehen. Wenn der Lappen von der relativ schlechter durchbluteten unteren Extremität genommen wird, halten es mehrere Autoren ( B R U C K , M Ä Ü A Y ) für empfehlenswert, den Lappen in zwei oder mehreren Sitzungen vorzubereiten. Es wird in diesen Retardierungen bereits auch die Spenderstelle sowie der Stielanteil des Lappens mit einem frei verpflanzten Spalt hautlappen bedeckt. Dadurch können Eiterungen oder sonstige Heilungsstörungen während des Fixationsstadiums vermieden werden (Abb. 64). Es bewährt sich nicht, den „retardierten" Lappen — statt ihn mit einem Spalt hautlappen zu bedecken — in sich zusammengefaltet einzunähen (,,pin-cushion"-Methode von PICK). Der dicke Lappen reagiert auf dieses Trauma oft mit großen Ödemen und es entstehen dadurch häufig Randnekrosen. Man kann aber auch so vorgehen, daß man den „sekundären Defekt" der Spenderstelle sowie den Stielanteil erst beim Schneiden und Einpflanzen des Lappens deckt (Abb. 65). In solchen Fällen wird der eingenähte Spalthautlappen unter Benutzung der langgelassenen Nahtfäden verbunden (tie-over-method) (Abb. 66). Das Durchtrennen des Lappenstieles erfolgt je nach Größe und Heilungstendenz des Lappens am 16.—21. Tag. Die Durchtrennung kann auch in zwei Etappen mit einem Intervall von einer Woche geschehen. Bei der Versorgung der Spenderstelle darf man den frisch eingeheilten Spalthautlappen nicht durch Nähte belästigen, weil hierdurch Nekrosen und Infektionen entstehen können. Man darf nur den herausragenden Wundrand am Boden des Spalthautlappens befestigen, wozu die Naht von Z O L T A N gute Dienste leistet (Abb. 6 7 ) .

J. ZOLTAN, Transplantationslehre

76 Ι 12

Außer dem Druckulkus muß noch eine Gefahr dieser Methode erwähnt werden und zwar die Thrombose, die durch infolge der Lagerung und Fixation bedingte arterielle oder venöse Durchblutungsstörung entstehen kann. Diese läßt sich relativ leicht vermeiden, wenn man von einer zu scharfen Beugung, insbesondere des Kniegelenkes, von vornherein Abstand nimmt. Gegen etwaige venöse Stauungen ist das Hochlagern der Beine und früh angefangenes systematisches Turnen des Patienten zu empfehlen. (Näheres vgl. L A N G , Spätergebnisse nach Stumpf- und Fersenplastiken).

d) Der Umkipplappen

Eine spezielle Form der direkten Lappenplastiken soll schließlich erwähnt werden: der Umkipplappen. Diese Methode wurde in ursprünglicher Form von L E X E R als „Rolllappen" beschrieben. Ein Lappen wurde in mehreren Sitzungen aufbereitet und auf einer Bindenrolle befestigt, dann gegen den Defekt „umgekippt", an dessen Rand eingenäht und nach Einheilung ausgebreitet.

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Abb. 68.

Der Umkipplappen

nach

STENSTRÖM

a) Der Defekt ;

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. D i e A u s b r e i t u n g u n d d a s E i n n ä h e n d e s L a p p e n s in zwei S i t z u n g e n u) E i n Teil d e s L a p p e n s w i r d in o d e r n e b e n d e m

b) d e r l i e s t d e s L a p p e n s w i r d d e r h r ü ß e u n d d e r F o r m

Defekt eingenäht (nach der Einheilung);

des D e f e k t e s n a c h a u s g e b r e i t e t u n d e i n g e n ä h t

Ahl». !)N. Die p a r t i e l l e N e k r o s e des L a p p e n e n d e s während der W a n d e r u n g

Ahl). 97. D a s E i n n ä h e n d e s K u n d s t i e l l a p p e n s in d r e i S i t z u n g e n : es w e r d e n

z u e r s t die b e i d e n

Enden

des

L a p p e n s a n d e n zwei Polen d e s D e f e k t e s e i n g e p f l a n z t u n d der' L a p p e n e r s t d a n n a u s g e h r e i t e t u n d e i n g e n ä h t

D a s E i n n ä h e n des Lappens in den Defekt. Den R u n d s t i e l l a p p e n k ö n n e n wir c h e n d seiner (irölie auf drei v e r s c h i e d e n e A r t e n in d e n D e f e k t e i n n ä h e n .

entspre-

1. In k l e i n e r e D e f e k t e ( v o l a r e F l ä c h e d e r H a n d u n d d e r F i n g e r , auf k l e i n e A m p u t a t i o n s s t ü m p f e ) n ä h e n wir d e n R u n d s t i e l l a p p e n von e n t s p r e c h e n d e r Gröl.ie u n d F o r m a u s g e b r e i t e t so ein. daM er d e n D e f e k t v o l l k o m m e n d e c k t . Der ü b r i g e Teil d e s R u n d s t i e l l a p p e n s h a t j e t z t n u r die e r n ä h r e n d e Rolle, u n d n a c h E i n h e i l u n g d e s a u s g e b r e i t e t e n Teiles k ö n n e n w i r ihn e n t f e r n e n ( A b b . !)•">). 2. I m Falle m i t t e l g r o ß e r D e f e k t e v e r p f l a n z e n wir die eine H ä l f t e d e s L a p p e n s u n d in d e r f o l g e n d e n S i t z u n g d e n r e s t l i e h e n Teil ( A b b . {)(>).

96 I 12

J.

ZOLTÄN,

Transplantationslehre

3. Bei größeren Defekten führen wir die Einnähung in drei Sitzungen durch. In der ersten Sitzung verpflanzen wir das eine Ende des Lappens neben den Defekt in das gesunde Gebiet. Dann nähen wir das andere Ende des Lappens in den dem eingenähten Stiel gegenüberliegenden Punkt ein, ebenfalls in das gesunde Gebiet. Wir stellen also wieder die Brückenform her (Abb. 97). Drei bis vier Wochen nach der Heilung breiten wir den Lappen mit einem Schnitt in der Nahtlinie des Rundstiellappens aus, und dann erst nähen wir ihn in den Defekt ein. Die Ausbreitung des ßundstiellappens wird wie folgt ausgeführt. Wie legen einen Längsschnitt entsprechend der Nahtlinie des Lappens bis zu dem Punkt, wo sich Lappen und Spendestelle berühren. In der entstandenen „Ecke" geht der Schnitt halbkreuzförmig so um den Stiel, daß die äußere Oberfläche des Stieles unverletzt bleibt. Unter Kontrolle werden Schnitte in Längsrichtung in das Bindegewebe des Lappens gelegt, wodurch sich der Lappen besser ausbreiten läßt. In dem durch Längsschnitte aufgedeckten Bindegewebe werden die in den Lappen ziehenden Narben mit der Schere entfernt. Die Operation muß sehr vorsichtig durchgeführt werden, damit nicht zuviel Fett entfernt und die Durchblutung des Lappens gefährdet wird. Deshalb dürfen die abzuschneidenden Narbenstränge niemals mit der Pinzette gezogen werden, sondern müssen nur gehalten werden. Die Längsschnitte und die Entfernung der Narbenteile werden soweit fortgesetzt, bis sich der Lappen fast voll ausbreiten läßt. Fettgewebe darf bei der Ausbreitung nicht entfernt werden. CHITROW hat sich diese Forderung nicht zu eigen gemacht und danach eine erfolgreiche Nasenplastik mittels Rundstielausbreitung entwickelt. Er entrollt den an der Nasenwurzel eingeheilten Rundstiel fast in seiner ganzen Länge, befreit ihn von der Fettschicht und ersetzt mit dem relativ dünnen und großflächigen Epithelblatt den Nasendefekt mit einem Epithelduplikat. Andere sowjetische Autoren haben diese Methoden etwas abgewandelt, aber die völlige Entfernung des Fettgewebes beibehalten. Vielleicht spielen hierbei die speziellen Durchblutungsverhältnisse des Rundstiellappens eine gewisse Rolle. Wenn der Lappen voll ausgebreitet ist, legen wir ihn auf die Unterlage, und entlang seinen zwei Seiten legen wir auf der Unterlage Schnitte, damit der Defekt an der zu bedeckenden Stelle nicht größer wird als die Breite des Lappens. Vorher entfernen wir von den Rändern des Lappens die gezackten Narben. Dann schneiden wir von der Unterlage das durch Schnitte umgrenzte Gebiet aus, wobei wir darauf achten, daß jedes Narbengewebe entfernt wird. Es folgt eine sorgfältige Blutstillung, sowohl auf der Unterlage als auch am Lappen. Wenn der Untergrund trocken und sauber ist, nähen wir die Ränder des Lappens an die Wundränder der Unterlage mit horizontalen Matratzenstichen. Nach Ausbreitung des Lappens benötigen wir einen leichten Druckverband. An ebenen Flächen oder an den Extremitäten genügt ein Gummischwamm, der mit elastischen Binden fixiert wird. Am Kinn oder Hals wird auf den Lappen in entsprechender Form und Größe Stents gelegt und unter mäßigem Druck fixiert. Komplikationen bei der Itundstiellappenplastik. Im Verlauf einer Rundstiellappenplastik können sich trotz größter Vorsicht verschiedene Komplikationen einstellen, deren häufigste Ursache Durchblutungsstörungen oder Infektionen sind (Abb. 98). Im Falle einer reflektorischen Gefäßkontraktion sind gefäßerweiternde Mittel indiziert. Die Art der Medikation ist sehr wichtig. Niemals dürfen die Medikamente stoßweise verabreicht werden, sondern in langsam steigender und absteigender Dosierung, damit eine Dauerwirkung erreicht wird. Bei venösen Kreislaufstörungen sieht man zyanotische Gebiete mit Blasenbildung und einem Ödem. Zunächst muß der Lappen beobachtet werden, weil häufig seine Abknickung oder Abschnürung die Störungen verursachen. Als äußere Umstände kommen leicht Durchblutungsstörungen im Rundstiellappen in Frage, ζ. B. durch zu fest angelegte Verbände (das quere Verbinden des Lappens oder der Gebrauch von Leukoplast in Querrichtung),

Die Hauttransplantation

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durch schlechte Lagerung der Extremität oder ungünstige Anlage des Gipsverbandes, d. h. solche mechanischen Momente begünstigen Druck, Abschnürung, Ziehen oder Abknickung des Lappens. Deshalb muß in jedem Fall einer Durchblutungsstörung in erster Linie untersucht werden, ob nicht einfache mechanische Schädigungen vorhanden sind und wie sie beseitigt werden können. Sind andere Gründe für die Komplikation verantwortlich, benötigen wir beispielsweise Blutegel oder entfernen einschneidende Fäden, wodurch die Spannung vermindert wird. Wir verwenden kalte Umschläge und lagern die Extremität höher. Es kann gelingen, auf diese Weise den Lappen zu erhalten. Das vollkommene Absterben des Lappens ist an sich selten, wenn die Plastik gut geplant und der Lappen sorgfältig gebildet wurde. Das teilweise Absterben des Lappens wird häufig durch Thrombose oder Infarkt verursacht. In der Regel kommt es in der Lappenmitte zuerst zu einer Anämie mit Blaßfärbung. Es kann eine livide Verfärbung folgen mit Abkühlung und Austrocknung, schließlich kommt es zu kleineren Nekrosen bis zum vollkommenen Absterben des mittleren Lappenteiles. In solchen Fällen müssen wir die vollkommene Demarkation des abgestorbenen Gewebes abwarten. Bleibt ein entsprechend langer Stumpf, dann wird dessen Ende bis zum gesunden Teil abgeschnitten, und in eine neu gebildete Wunde nähen wir den Lappen ein. wodurch die Brückenform des Lappens wiederhergestellt wird. Nach vollkommener Einheilung verlängern wir den Lappen am entgegengesetzten Ende und setzen die Reihenfolge der Operation fort. Die beste Möglichkeit venöse Stauungen zu vermeiden ist die Skarifikation. die natürlich so zart ausgeführt werden muß, daß sie keine Narben hinterläßt. Man muß diese Skarifikationen möglichst frühzeitig anlegen, um dem gestauten Blut Abfluß zu verschaffen. Eine vorübergehende Blaufärbung des transplantierten Lappens erhält man auch dann, wenn man ihn nicht gleich gänzlich einnäht, sondern nur mit 2 oder 3 Nähten fixiert. H Y N E S beschreibt eine Methode, mit der die größte Komplikation, ein .,blauer Lappen" erfolgreich behandelt werden kann. Bei dieser Komplikation wird das durchtrennte Lappenende plötzlich blaß, langsam aber livide. In wenigen Stunden thrombosieren die Venen, und es kommt schließlich zur Stase. Diese Zirkulationsstörung kann man nur als Fehlen des „Vis a tergo" betrachten. Der arterielle Blutdruck hat nicht genügend Kraft, um die sich stauenden venösen Blutmassen aus dem Lappen abzuführen. Aus dieser Erkenntnis folgert die Therapie: das stagnierende Blut muß zum Zirkulieren gezwungen werden. Es wird daher auf den Lappen ein Gummikissen gelegt, das durch einen Motor rhythmisch aufgeblasen und wieder entleert wird. Es wirkt also auf die Zirkulation des Lappens wie ein „peripheres Herz". Im Falle eitriger Entzündungen kommt es zu schweren Deformationen, Verkürzungen und Schrumpfungen des Lappens. Es lohnt sich in solchen Fällen nicht, die Operationsserien weiter zu führen, um nachher festzustellen, daß der Lappen unzureichend geworden ist (vgl. B U R I A N , Nachbehandlung). C. Die freien Transplantationen der Haut Die verschiedenen Methoden der freien Hauttransplantation sind von mehreren Autoren nach unterschiedlichen Gesichtspunkten geordnet- worden. L E X E R unterscheidet in seinem großen Werk zwei Gruppen: Epithel- und Hauttransplantation. D A V I S bemerkt treffend, daß auch die dünnsten Transplantate eine gewisse Kutismenge enthalten. Von reiner Epitheltransplantation könne man daher nicht sprechen. Er gründete seine Einteilung auf die Lappengröße und unterschied dementsprechend dünne und dicke Transplantate. Laut W I T T M O S E R ist es am zweckmäßigsten, die Verfahren, bei denen zahlreiche kleine Handb. Plast. Chir., Bd. I I

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J . ZOLTÄN, T r a n s p l a n t a t i o n s l e h r e

Läppchen überpflanzt werden, von denen zu unterscheiden, wo der Defekt möglichst mit, einem einzigen großen Transplantat gedeckt werden kann. Diese Aufteilungen stützen sich auf eine physische Eigenschaft der Transplantate. Man muß bei der Klassifizierung der freien Hauttransplantationen als wichtigsten Gesichtspunkt das zu erreichende Ziel beachten. Soll mit der Transplantation die fehlende H a u t mit allen ihren mechanischen, physikalischen und physiologischen Funktionen ersetzt werden, oder soll nur die Gefahr abgewehrt werden, die dem Kranken (Verletzten) durch einen mehr oder minder großen Defekt der Hautdecke droht. I m ersten Fall kommt demnach ein endgültiges Behandlungsverfahren zur Anwendung, im letzten nur ein provisorisches, dem ein späteres, endgültiges folgen muß. Nach diesem Gesichtspunkt lassen sich die Hauttransplantationen in zwei Gruppen einteilen: a) Hautersatz- und b) Epithelersatz-Verfahren. B e i den Hautersatz-Verfahren handelt es sich um Methoden, die ein endgültiges E r gebnis liefern. Die zerstörte Haut wird durch eine vollwertige, allen Anforderungen entsprechende neue Haut ersetzt. Hierzu gehören die freien Transplantationen der Vollhaut, die freie Transplantation von Spalthautlappen und in gewissen Fällen auch die Mosaikplastik. Die einzige Aufgabe der Epithelersatz-Verfahren ist die Abdeckung offener Wundflächen, d. h. die Elimination der Infektionspforte, die Abkürzung der Heilungsdauer, die Verhinderung funktionsstörender Vernarbungen, kurz die Prävention der durch die sekundäre Wundheilung verursachten Folgen. Die freie Transplantation der Haut zum endgültigen Hautersatz darf nur zur Anwendung kommen, trenn das subkutane Bindegewebe nicht fehlt, oder sich ein Ersatz erübrigt. Diese Bedingung gilt für die freie Hauttransplantation ganz allgemein und daher für alle ihre Methoden. E s kann vorkommen, daß auch das subkutane Fettgewebe fehlt, jedoch weder aus funktionellen noch ästhetischen Gründen ersetzt zu werden braucht. So verhält es sich gewöhnlich am Diaphysenabschnitt der E x t r e m i t ä t e n und am Rumpf, wo Haut auch unmittelbar auf Faszie oder selbst auf die Muskulatur transplantiert werden kann, ohne eine Bewegungsstörung zu verursachen. Wie bereits erwähnt, bildet sich im Laufe der J a h r e unter der transplantierten H a u t Fettgewebe, das nicht nur die Beweglichkeit und Faltenbildung der überpflanzten Haut gewährleistet, sondern die anfangs tief eingesunkene Haut nahezu bis zum Niveau der Umgebung hebt. I n solchen Fällen besteht noch eine weitere Indikation für die freie Hauttransplantation, nämlich dann, wenn das subkutane Binde- und Fettgewebe entfernt werden muß. Die vorher herausgeschnittene Haut wird auf die Muskulatur überpflanzt, wie bei der irreversiblen Elephantiasis. Eine freie Hauttransplantation kommt dann nicht in B e t r a c h t , wenn Teile des Bewegungsapparates (Sehne, Knochen, Gelenke) im Bereich des Hautdefektes frei liegen, weil hier ein Anhaften nicht sicher ist. Auch das fest an der Basis haftende Transplantat (wenn es sich um eine Sehne oder ein Gelenk handelt) ist funktionshindernd und (über dem Knochen) schützt nicht genügend gegen mechanische Reize und Temperaturein Wirkungen. Muskelwunden können, wie erwähnt, mit einer freien Hauttransplantation abgedeckt werden. Ebenso verhält es sich, wenn bereits bei der Überpflanzung bekannt ist, daß spätere Operationen an den Geweben unter dem Hautdefekt (Tendinoraphia, Synosthosis) erforderlich werden. Die Deckung der Entnahmestelle des Stiellappens ist eine wesentliche Indikation für eine freie Hauttransplantation. Durch Kombination der freien Hauttransplantation und des

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Stiellappens wird der E r s a t z b e s t i m m t e r H a u t d e f e k t e wesentlich beschleunigt. E s h a n d e l t sich dabei u m Fälle, wo der ursprüngliche p r i m ä r e H a u t d e f e k t d u r c h eine Stiellappenplastik ersetzt werden m u ß , weil die freie T r a n s p l a n t a t i o n nicht angewendet werden k a n n . Der E r s a t z ist jedoch dringlich, entweder weil eine Verletzung versorgt werden m u ß , oder weil Sehnen, K n o c h e n oder Gelenke frei liegen. I n solchen Fällen erreichen wir mit der Stiellappenplastik ein doppeltes Ziel: der ursprüngliche Defekt wird zuverlässig gedeckt und der sekundäre Defekt auf ein indifferentes Gebiet übertragen, wo er durch eine freie Transp l a n t a t i o n gedeckt werden k a n n . So erzielen wir schnell, mit ein oder zwei Operationen, ein in jeder Hinsieht befriedigendes Ergebnis. 1. Die Hautersatzverfahren Zu dieser Gruppe gehören zwei V e r f a h r e n : die V o l l h a u t t r a n s p l a n t a t i o n u n d die Spalth a u t l a p p e n p l a s t i k (Abb. 99). Das Yollhaut-Transplantat enthält u n t e r der E p i d e r m i s die ganze K u t i s (Dermis), ersetzt also voll die fehlende H a u t . Die Dicke des T r a n s p l a n t a t e s g e s t a t t e t eine Verpflanzung nur, wenn die Empfangsstelle eine einwandfreie Blut Versorgung h a t . u n d keine I n f e k t i o n die Heilung gefährdet. Die V o l l h a u t t r a n s p l a n t a t i o n k a n n deswegen nur zur D e c k u n g kleinerer, operativ bedingter H a u t d e f e k t e an b e s t i m m t e n Körperteilen verwendet werden. Sie wird meist am Gesicht (Augenlider) und an der H a n d angewandt (Abb. 100).

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a

b

Abb. 100. liine typische Amvendungsform der Yollhauttransplantation: Ersatz der Haut des Unterlids a) Xarbenverursachendes Ektropium am rechten b) nach der Xarbenexzision und Vollhauttransl'nterlid; plantation

Als Spalthautlappcn bezeichnet man den das Epithel nnd einen Teil der lvutis enthaltenden. frei transplantierten Hautbezirk. Der Kutisgehalt ist verschieden, je nachdem, mit welcher Indikation und wohin der Lappen verpflanzt wird. Das Transplantat enthält niemals mehr als 2 / 3 der Kutis. Am treffendsten ist die Bezeichnung von B L A I R ..split skin g r a f t " (gespaltenes l i a u t transplantat), weil sie die Schnittführung zum Ausdruck bringt und durch die Worte ,,dünn" und ..dick" sofort eine Unterscheidung in bezug auf den Kutisgehalt des Transplantates ermöglicht. Gebräuchlich sind noch die Ausdrücke ..thick razor g r a f t " ( G I L L I E S ) und ,.graft of intermediate thickness" (PADUKTT). Eine andere, in fast jeder Sprache anzutreffende Bezeichnung des Transplantates ist der Ausdruck ..Dermatomlappen". Er beruht darauf, daß zur E n t n a h m e des Transplantates fast immer das D e n n a t o m benutzt wird. Auch der Ausdruck ..dermo-epidermaler L a p p e n " wird verwendet·, hauptsächlich in der französischen (greife dermo-epidermique) und deutschen Sprache (Epidermis-Kutis-Lappen). Diese Bezeichnung bezieht sieh nicht nur auf den Spalthautlappen. Sie bringt lediglich zum Ausdruck, daß das Transplantat Epithel und K u t i s enthält, sagt aber nichts Genaues über die Stärke der Kutissehicht aus. Sie ist auch für einen Vollhautlappen anzuwenden ( W O L F E - K R A U S E ) . I n der neueren deutsehen Literatur wird der der englischen Bezeichnung entsprechende Ausdruck ..Spalthautlappen" verwandt. Der Spalthautlappen hat gegenüber dein Vollhautlappen wesentliche Vorteile. Bei gleicher Ausdehnung beträgt sein Volumen die Hälfte oder ein Drittel des Vollhautlappens, wodurch schon seine Ernährung durch Osmose viel besser gesichert wird, und damit das Transplantat anspruchsloser ist. Im Vaskularisationsstadium sichert ein weiterer Umstand dem Spalthautlappen große Vorteile. Die Zahl der auf die gegebene Fläche entfallenden Ge-

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f ä ß l u m i n a ist größer, da der S c h n i t t in der S c h i c h t des Plexus subpapillaris erfolgt. Die S c h n i t t f l ä c h e des S p a l t h a u t l a p p e n s e n t h ä l t viel mehr offene K a p i l l a r e n als die des Vollh a u t t r a n s p l a n t a t e s . so d a ß die Gefäße rascher und sicherer hineinwachsen. D e r S p a l t h a u t lappen hat aber gegenüber dem V o l l h a u t t r a n s p l a n t a t

noch einen weiteren Vorzug. Die

S c h n i t t f l ä c h e ist g l a t t , die d u r c h t r e n n t e n Gefäßlumina sind nicht mazeriert und stehen mit der Empfangsstelle überall in K o n t a k t . D a s \ T ollhauttransplantat wird dagegen in der R e g e l mit dem Skalpell geschnitten, und das noch vorhandene F e t t wird mit der Schere entfernt. D a d u r c h ist die S c h n i t t f l ä c h e uneben, sie weist unregelmäßige E r h e b u n g e n und Vertiefungen auf. es kann auch eine mehrfach eingeschnittene Schicht zurückbleiben. Dieses T r a n s p l a n t a t schmiegt sich verständlicherweise nicht an allen Stellen gleichmäßig dem W u n d b o d e n an. was angesichts der D i c k e des T r a n s p l a n t a t e s und der eigentümlichen F o r m der Vaskularisation unvorteilhaft ist. Deshalb stellt BYARS fest, daß ein kleines Vollhautt r a n s p l a n t a t besser a n h a f t e t als ein großes. Es ist somit richtiger, die Operation in mehreren Sitzungen durchzuführen, falls ein größerer D e f e k t ersetzt werden m u ß . .Bei der S p a l t h a u t lappenplastik sind nur die Eigenschaften der .Empfangsstelle zu berücksichtigen, die Größe des T r a n s p l a n t a t e s ist u n b e s c h r ä n k t . D a s bedeutet gegenüber der Vollhaut den Vorteil, daß der S p a l t h a u t l a p p e n transplantiert werdeil k a n n , auch wenn die T r a n s p l a n t a t i o n der Vollhaut nicht in F r a g e k o m m t , weil

A b b . 101. D i e Anwendung des S p a l t h a u t l a p p e n s in der primären Versorgung großer Ablederung des Fußes.

« — b ) D e n u d a t i o n a m F u ß infolge eines V e r k e h r s u n f a l l s ; c—d) drei M o n a t e d a n a c h ; primärer sofortiger H a u t e r s a t z mit S p a l t h a u t l a p p e n

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Transplantationslehre

die Eigenschaften der Empfangsstelle ungünstig sind. Die Anspruchslosigkeit und das sichere Anhaften ermöglichen die Anwendung des Spalthautlappens bei der primären Versorgung jeden Kontinuitätsdefektes der Hautoberfläche. Die am meisten charakteristische Indikation für eine sofortige Anwendung der Verfahren ist die Versorgung ausgedehnter Denudationen, wodurch der schwer verletzte Körperteil gerettet werden kann (Abb. 101). Ebenso sicher und in unbeschränkter Größe kann das Transplantat auch bei der Versorgung von Verbrennungen (Abb. 102) sowie zur Deckung großer granulierender Wundflächen, und zwar nicht nur als provisorische Maßnahme, sondern auch als definitiver Hautersatz verwendet werden (Abb. 103). Der Spalthautlappen gibt völlig befriedigende Ergebnisse sowohl in funktioneller als auch in kosmetischer Hinsicht bei Narbenplastiken, Naevusoperationen usw., also zum

a

b

c

Abb. 102. Die Anwendung des Spalthautlappens bei der modernen Behandlung umschriebener Verbrennungen a) Tiefe Verbrennung der rechten Gesichtshälfte; hautlappen am 6. Tag nach der Verbrennung; b) Exzision und sofortige Einpflanzung von Spaltc) der Patient nach endgültigem Ersatz der Haut mit Stiellappen

Zwecke eines definitiven Hautersatzes an allen Körperteilen, wo eine freie Hauttransplantation überhaupt indiziert ist (Abb. 104). Nach der Entnahme von Vollhaut entsteht ein Hautdefekt, der nach den Grundsätzen der modernen plastischen Chirurgie sogleich gedeckt werden muß. Wenn ein kleines Transplantat entnommen wird, kann das durch Präparation der Wundränder oder mit Hilfsschnitten und Hautverschiebungen leicht geschehen. Bei Entnahme größerer Transplantate müßte jedoch die Entnahmestelle durch einen weiteren Eingriff (THIERSCH- oder Spalthautlappenplastik) gedeckt werden. Dadurch wird die Operation verlängert und eine neue Wundfläche geschaffen. Wenn sich die Notwendigkeit der Transplantation von mehreren hundert Quadratzentimeter Haut ergibt, ist an die freie Überpflanzung von Vollhaut ohne Gefährdung des Gesamtorganismus und der Entnahmestelle nicht zu denken. Nach Entnahme des Spalthautlappens wandert von der Epithelauskleidung der Ausführungsgänge der an der Entnahmestelle zurückbleibenden Talgdrüsen und Haarfollikel innerhalb von 2 bis 3 Wochen Epithel auf die Wundfläche, die daher spontan, fein, mit zarter Narbe und ohne jegliche Schädigung der Entnahmestelle heilt.

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Diese T a t s a c h e bedeutet nicht nur, d a ß die Operation wesentlich kürzere Zeit in Anspruch n i m m t , sondern zugleich auch — u n d das ist das wichtigste —, d a ß eine E n t n a h m e stelle von fast u n b e s c h r ä n k t e r A u s d e h n u n g zur Verfügung steht. W e n n keine K o m p l i k a t i o n e n eintreten, heilt die Kntnahmestelle mit weicher mobiler Epithelnarbe, u n t e r der die Kutisschicht i n t a k t ist. Es wird daher niemals zu Funktionsstörungen k o m m e n . Bei Personen mit dunklerer H a u t ist ihre F ä r b u n g etwas heller als die der Umgebung, bei Weißhäutigen bleibt sie als ein rosa-hellbrauner Fleck zurück, der innerhalb von ein bis a n d e r t h a l b J a h r e n verblaßt. Zusammenfassend darf festgestellt werden, d a ß die freie T r a n s p l a n t a t i o n von Spalth a u t l a p p e n deshalb vorteilhafter ist als die der Vollhaut, weil die Operationstechnik einfacher ist, die Operation weniger Zeit in Anspruch n i m m t , das T r a n s p l a n t a t sicherer an-

A b b . 103. D e c k u n g v o n G r a n u l a t i o n s f l ä c h e n a m F u ß mit S p a l t h a u t l a p p e n mit endgültigem R e s u l t a t a) ( i r a n u l a t i o n s f l ä c h e n a n beiden F ü ß e n n a c h einer b) n a c h Heilung der S p a l t h a u t l a p p e n p l a s t i k Verbrennung;

A b b . 104. Eine t y p i s c h e I n d i k a t i o n der S p a l t h a u t l a p p e n p l a s t i k : E r s a t z der H a n d r ü c k e n h a u t n a c h E n t f e r n u n g von v e r b r e n n u n g s b e d i n g t e n X a r b e n «) H y p e r t r o p h i s c h e X a r b e n an beiden H a n d r ü c k e n b) (lie H ä n d e ein J a h r n a c h E n t f e r n u n g der X a r b e n n a c h tiefer V e r b r e n n u n g , die s ä m t l i c h e Finger in und Spalthautlappenplastik Kontraktur halten;

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ZOLTÄN,

Transplantationslehre

haftet, die Entnahmestelle spontan heilt, und der Spalthautlappen — von gewissen Ausnahmen abgesehen — ein ebenso gutes funktionelles wie ästhetisches Ergebnis gewährleistet. a) Vollhauttransplantation

Den ersten glaubwürdigen und erfolgreichen klinischen Versuch, bei dem Haut in ganzer Dicke tranplantiert wurde, teilte B Ü N G E R ( 1 8 2 3 ) mit, der eine fehlende Nase auf diese Weise ersetzte. Stirn und beide Arme des Kranken waren narbig, daher zur Lappenbildung ungeeignet. „Nichts blieb für mich jetzt also übrig, als an die indische Methode zu denken, nach der ein völlig getrenntes Hautstück aus dem Gesäß genommen und nach dem Nasenstumpf transplantiert wird, das der Sage nach wirklich anheilen soll", schrieb B Ü N G E R . E r wollte den Kranken keinen Unannehmlichkeiten aussetzen, deshalb entnahm er das Transplantat nicht von der Hüfte, sondern von der äußeren vorderen Oberschenkelfläche. Da der Nasenstumpf — nach Auffrischung — stark blutete, wurde mit der Transplantation etwa anderthalb Stunden gewartet. Unterdessen hielt der Marburger Chirurgieprofessor U L L M A N — wie Z E I S in seinen Erinnerungen schreibt — das Transplantat in der Hand. D Z O N D I und B L A S I U S vermochten die BÜNGERsche Operation in je einem Fall erfolgreich zu wiederholen. Aber die Mehrzahl weiterer Versuche blieb ohne Erfolge. Deshalb fand das Verfahren lange Zeit keine Anhänger. Z E I S ( 1 8 6 3 ) schrieb: , , . . . so dient dieser Fall doch dazu, zu beweisen, daß dieses Verfahren möglicherweise gelingen kann, aber auch, daß es nicht nachahmenswert ist."

Später erschienen zustimmende Mitteilungen über das neue Verfahren, z . B . von D I E F F E N B A C H ( 1 8 2 4 ) , von W A L T H E R ( 1 8 2 5 ) und P O L L O C K ( 1 8 7 0 ) . Die Indikationsgebiete wurden immer größer. W A R R E N ( 1 8 4 0 ) benutzte die Vollhaut zum Ersatz partieller Nasendefekte, PANCOAST ( 1 8 4 4 ) zum Ohrmuschelersatz, H A M I L T O N ( 1 8 7 4 ) zur Behandlung von Unterschenkelgeschwüren, L E F O R T ( 1 8 7 0 ) zum Ersatz der Augenlidhaut. geht in seiner Mitteilung schon auf die Voraussetzungen für den Erfolg der Transplantation ein. Es müsse mit besonderer Sorgfalt darauf geachtet werden, daß kein Fett am Transplantat hafte. Man muß es kräftig auf den Wundboden drücken und ununterbrochen dort belassen. Erwünscht wäre auch, daß die auf diese Weise transplantierte Haut nicht nur vaskularisiert, sondern auch empfindungsfähig wird. LAWSON

Laut K R A U S E hat J A Z E N K O zuerst darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, das Fett vom Transplantat vollständig zu entfernen. Die endgültige Einführung der Methode in der täglichen klinischen Praxis ist an den Namen von W O L F E geknüpft. W O L F E dehnte das Indikationsgebiet aus und arbeitete die Technik der Transplantation aus. F . VON K R A U S E beschrieb die „Transplantation großer ungestielter Hautlappen" und teilte drei Jahre später die mit seinem Verfahren erzielten neuen Resultate mit. Der Erfolg seiner Operationen beruhte vor allem auf der bereits eingeführten aseptischen Operationstechnik, deren Wichtigkeit er betonte. E r hob hervor, daß die Transplantate nicht mit Kochsalzlösung behandelt oder darin aufbewahrt, sondern möglichst auf frischen Operationsflächen implantiert werden sollen. In seiner Mitteilung behauptet er, das Transplantat bleibe so an Muskeln, Faszien, Bindegewebe, Periost, Hirnhaut, ja sogar am Knochen haften. Die weitere Verbreitung der Methode ging sehr rasch. Nach den Mitteilungen von ZEHENDER ( 1 8 7 7 ) , ESMARCH ( 1 8 7 7 ) , v . LANGENBECK ( 1 8 5 5 ) , CECI ( 1 8 9 2 ) , KUZNEZOW ( 1 8 9 4 )

folgte die lange Reihe der neuesten Veröffentlichungen von S H E E H A N , D U P E R T U I S , D S H A N E L I D Z E , G R E E L E Y U. a .

BLOCKER,

BROWN,

BLAIR,

Die Hauttransplantation

12 Ι 105

b) Die Spalthautlappenplastik

Die meisten Autoren geben an, daß B L A I R und B R O W N dieses neue Verfahren zuerst beschrieben haben. Sie publizierten 1929 eine Mitteilung, in der sie mitteilten, daß sie schon lange ein Hautersatzverfahren suchten, das die beiden Hauptnachteile der Vollhauttransplantation vermeidet, die hochgradige Empfindlichkeit des Transplantates und die Frage der Deckung der an der Entnahmestelle zustande gekommenen sekundären Defektes. Bei der Ausarbeitung des neuen Verfahrens gingen sie von der Arbeit der in der Lederindustrie gebräuchlichen Hautspaltinstrumente aus. Diese Mitteilung wurde hauptsächlich in der anglosächsischen Literatur weitgehend bekannt. Der Begründer des Verfahrens ist E . G O H R B A N D T , der auf der 1 5 2 . Tagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in München 1928 schon über 30 erfolgreich operierte Fälle berichtet hat. Seine aus dem J a h r e 1 9 3 0 stammende Mitteilung, die auch Z O L T Ä N in seiner Monografie an zweiter Stelle erwähnt, ist aber schon seine zweite Publikation nach dem ersten, weniger bekannten Bericht, der die Priorität ohne Zweifel sichert. G O H R B A N D T suchte bei der Behandlung von Keloiden ein neuartiges Hauttransplantat, welches funktionell und kosmetisch ebenso erfolgreich ist wie dies von K R A U S E , doch ebenso sicher einheilt wie das Transplantat von T H I E R S C H . Er arbeitete ein neues Verfahren aus, welches ,,die Vorzüge dieser beiden Transplantationsarten in sich schließt, das uns eine vollwertige Haut unter günstigen Anheilungsbedingungen liefert".

Das Neuartige dieses Verfahrens liegt in der Entdeckung der Tatsache, daß das Blutund Lymphgefäßsystem der H a u t bei dem KRAUSEschen Lappen nicht geöffnet wird, die Ernährung des Transplantates also unsicher ist und deshalb Nekrosen oft zustande kommen. ,,Deshalb darf man den Lappen nicht aus der ganzen Haut bilden, sondern muß mit dem Schnitt in die untersten Schichten des Corium gehen, in die Schicht der Gefäßspaltung, und bekommt so ein Transplantat, dem bei fast völliger Dicke der Haut günstige Ernährungsbedingungen und -möglichkeiten geboten sind" — schreibt G O H R B A N D T . Dazu kommt noch der große Vorteil des Verfahrens, daß die Entnahmestelle spontan, mit einer weichen, nur durch ihre Farbe von der Umgebung abweichenden, Narbe heilt, die von derselben Stelle nach einigen Monaten eine erneute Entnahme ermöglicht. Die Einführung des neuen Verfahrens änderte die ganze Problematik des Hautersatzes: die Chirurgen beschäftigten sich von nun an nicht mit der Frage wie die Wundfläche sicher geheilt werden kann, sondern wie bessere Endresultate erzielt werden können. Die Ausmaße der dazu bewegten Hautfläche spielten dabei keine Rolle mehr. G O H R B A N D T beschrieb auch die Technik des Schnittes in der gewünschten Tiefe, was sonst „bei gewöhnlicher, unvorbereiteter Haut so gut wie unmöglich ist" — man soll deshalb die H a u t mit einer Novokain-Adrenalinlösung „aufquaddehi".

Das Schneiden umfangreicher Transplantate mit einem Skalpell, wie es G O H R B A N D T sowie später ( 1 9 4 2 ) der dritte Beschreiber des Verfahrens, K E T T E S Y . übt, ist schwierig. Einen großen Fortschritt brachte deshalb die Einführung des neuen Schneideapparates von P A D G E T T , der seit 1 9 3 0 gemeinsam mit Ingenieur H O O D an der Konstruktion eines zum Abziehen von Spalthautlappen geeigneten Apparates arbeitete, der fast in seiner heutigen Form schon in 1936 fertiggestellt wurde. Der dazu nötige Klebstoff wurde erst zwei Jahre später ausgearbeitet. Das neue Verfahren wurde sehr schnell verbreitet und es erschienen eine Reihe von Mitteilungen, aus welchen die wichtigsten Arbeiten von B A I L E Y , B A R K E R , B A X T E R , B L A I R , BLOCKER, BROWN,

CANNON, CONWAY, DSHANELIDZE,

GÖSSET,

GABARRO, H O W E S ,

M I R , MOREL-FATIO, MOWLEM, KOLOKOLJZEV, KOROWINA, SMITH, SCHUCHARDT,

und

Z O L T Ä N ZU

benennen sind.

MIRY

WEBSTER

106 I 12

J . ZOLTÄN, T r a n s p l a n t a t i o n s l e h r e

c) Operationstechnik Die Operationstechnik der zwei Hautersatzverfahren ist — mit Ausnahme kleiner Verschiedenheiten — gleich, so daß sie gemeinsam besprochen werden können. Die Wahl der Entnahmcstelle. B e i der freien Transplantation müssen in der W a h l der Entnahmestelle verschiedene Gesichtspunkte berücksichtigt werden: das Verhalten des Transplantates nach der Einheilung, seine funktionellen und morphologischen Veränderungen und die Wirkung der an der Entnahmestelle zurückbleibenden Wundfläche auf den Organismus, ihre Heilung und das Verhalten der entstehenden Narbe. Man verändert die Tiefe des Schnitts j e nachdem, mit welcher physischen Inanspruchnahme, Schrumpfung usw. gerechnet werden muß. Wenn ζ. B . eine H a u t mit stärkerer Belastungsfähigkeit benötigt wird (wie bei Transplantationen an Extremitäten), entnehmen wir ein dickeres bzw. ein Vollhaut-Transplantat. Benötigt man hingegen ein Transplantat mit besserer Faltenbildung (ζ. B . Ersatz der Augenlidhaut), so entnimmt man einen dünneren Hautlappen. Die Dicke der Haut und ihre Veränderungen sind mit Rücksicht auf diese Gesichtspunkte von vielen Autoren untersucht worden. Die Dicke der H a u t ist j e nach Alter, Geschlecht und Ernährungszustand des Individuums sowie der Art und Lokalisation der H a u t verschieden. Unter den beiden Bestandteilen der Haut ist das Epithel laut M A X I M O W durchschnittlich 2 0 — 1 4 0 0 μ dick. Bei der Geburt ist es am dünnsten. Bis zur Pubertät wird das Epithel dicker, nach dem 60. Lebensjahr allmählich wieder dünner. Sein Dünnerwerden im Alter beruht entweder auf verringerte Zellproduktion des S t r a t u m M A L P I G H I oder auf gesteigerter Abnutzung der Hornschicht. B e i Männern ist das Epithel dicker als bei Frauen. Die K u t i s ist durchschnittlich 4 0 0 — 2 5 0 0 μ dick, erreicht aber in Regionen mit sehr dicker Haut, ζ. B . an der Handinnenfläche, Fußsohle und am Rücken, mitunter auch eine Dicke von 3 mm. An der Streckseite der Gliedmaßen ist sie im allgemeinen dicker als an den Beugeflächen; bei Frauen ist sie dünner als bei Männern. Nach S O U T H W O U D erreicht sie zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr die maximale Dicke, danach wird sie wieder dünner. I n nachfolgender Tabelle sind Dicke des Epithels und der K u t i s verschiedener Körperflächen unter Berücksichtigung der Mittelwerte nach Angaben verschiedener Autoren zusammengefaßt. Körpergegend Stirn Wange Nasenrücken Augenlider Oberlippe Unterlippe Mentalgegend Hals .Brustwand Bauchwand Rücken Oberarm Unterarm Oberschenkel Unterschenkel Fußsohle

Epidermis

Dermis

μ

μ

200 150 150 130 150 120 150 120 25—60 30—50 45—90 30 - 7 0 35—70 30—80 40—80 600 1300

1000 400 400 250 1200 950 1400 350 800—1900 1000—2500 1100—2500 600—1900 800—1200 800—1800 500 —1600 800—1600

Die gebräuchlichsten Entnahmestellen bei der Yollhauttransplantation sind folgende: die retroaurikuläre Fläche, die supra- und subklavikuläre Region, die Innenfläche des Ober-

Die Hauttransplantation

1 2 I 107

a r m e s unci die l a t e r a l e B a u c h w a n d ( A b b . 105). N a c h der E n t n a h m e Spenderstelle entstandene

Defekt im allgemeinen

W e n n v o n der r e t r o a u r i k u l i i r e n wendet

man

mit

wird der a n

einfacher W u n d n a h t

der

geschlossen.

F l ä c h e ein g r ö ß e r e s T r a n s p l a n t a t g e n o m m e n wird, ver-

einen S p a l t h a u t l a p p e n , u m die D e f o r m i e r u n g der O h r m u s c h e l d u r c h

die

f o r z i e r t e W u n d n a h t zu v e r h i n d e r n ( A b b . 106). D i e beste u n d a m häufigsten b e n u t z t e E n t n a h m e s t e l l e für Spalthautlappen ist

der

Oberschenkel, besonders seine A u ß e n - u n d V o r d e r f l ä c h e . Die H a u t l ä ß t sich m i t j e d e m I n s t r u m e n t leicht h e r a u s s c h n e i d e n . Der S c h n i t t erfolgt aus der mit der H a n d oder e i n e m I n s t r u m e n t g e s p a n n t e n H a u t , im allgemeinen in L ä n g s r i c h t u n g . Bei F r a u e n wird neuerdings

A b b . 10").

Die g e b r ä u c h l i c h s t e n E n t n a h m e s t e l l e n des V o l l h a u t l a p p e n s

A b b . 10(5.

Die

Entnahmestelle

eines

Vollhaut-

t r a n s p l a n t a t e s an der r e t r o a u r i k u l a r e n G e g e n d mit einem dünnen Spalthautlappen

bedeckt

d a s T r a n s p l a n t a t von der (iluteal»egend g e n o m m e n , die den V o r t e i l h a t . d a ß die z u r ü c k b l e i b e n d e V e r f ä r b u n g~ v o m B a d e a n z u gΟ v e r d e c k t wird. Die K ü c k e n h a u t v e r w e n d e t m a n a m h ä u f i g s t e n , w e n n es sich u m die T r a n s p l a n t a t i o n eines u m f a n g r e i c h e r e n , m e h r e r e h u n d e r t Q u a d r a t z e n t i m e t c r g r o ß e n I l a u t l a p p e n s h a n d e l t . V o m R ü c k e n g e w i n n t m a n sehr lange und n a h e z u beliebig breite T r a n s p l a n t a t e . .Die L a g e r u n g auf der E n t n a h m e s t e l l e bereitet d e m K r a n k e n keine U n a n n e h m l i c h k e i t e n . I m V e r g l e i c h zu a n d e r e n E n t n a h m e b e z i r k e n heilt die W u n d e r e c h t r a s c h , was durch die D i c k e der z u r ü c k b l e i b e n d e n K u t i s s e h i c h t erklärlich ist. D i e t r a n s p l a n t i e r t e H a u t wird k r ä f t i g , b e l a s t u n g s f ä h i g und wenig m o b i l . Oberarm und U n t e r a r m sind gut zugänglich und zur H a u t e n t n a h m e sehr g e e i g n e t . Man k a n n sowohl die l a t e r a l e u n d m e d i a l e F l ä c h e des O b e r a r m s als a u c h die volare u n d dorsale des U n t e r a r m s v e r w e n d e n . Die H a u t ist. b e s o n d e r s an den B e u g e f l ä c h e n , v e r h ä l t n i s m ä ß i g d ü n n u n d e l a s t i s c h . Sie wird v o r allem für T r a n s p l a n t a t i o n e n auf die Augenlider, ins Ges i c h t und auf F i n g e r b e n u t z t . Da sich die H a u t leicht s p a n n e n l ä ß t . k a n n m a n kleinere T r a n s p l a n t a t e mit d e m S k a l p e l l g l e i c h m ä ß i g a u s s c h n e i d e n . N a c h der Hinheilung wird d a s T r a n s p l a n t a t weich, mobil u n d zeigt g u t e F a l t c n b i l d u n g . V o n der seitlichen B r u s t w a n d l ä ß t sich ein T r a n s p l a n t a t leicht e n t n e h m e n . D e r S c h n i t t b e r e i t e t n u r bei m a g e r e n I n d i v i d u e n , deren R i p p e n s t a r k h e r v o r s t e h e n u n d die O b e r f l ä c h e

108 I 12

J . ZOLTÄN, Transplantationslehre

Abb. 107. Die Häufigkeit der Inanspruchnahme typischer Entnahmestellen der plastik

Spalthautlappen-

uneben gestalten, Schwierigkeiten. In solchen Fällen erleichtert man sich — nach B A R K E R S und G O H R B A N D T S Methode — den Schnitt, indem man durch eine subkutane Infusion mit physiologischer Kochsalzlösung unter Druck die H a u t strafft und glättet (Abb. 107).

d) Zusätzliche Entnahmestellen

Bei sehr großen Defekten, ζ. B. Verbrennungen, fragt es sich, woher die H a u t genommen werden soll. Wenn die typischen Entnahmestellen aus traumatischen Gründen nicht in Betracht kommen, müssen Gebiete zur Transplantatenentnahme herangezogen werden, die sonst nicht genommen werden. Das folgende Verfahren stammt von B A R K E R . E S besteht darin, daß die H a u t an den zur Transplantatentnahme ungeeigneten Regionen des Rumpfes (vor allem an den seitlichen Brustwänden, Schultergegend, über der Skapula, über dem Becken, an der seitlichen Bauchwand) mit subkutan verabreichter physiologischer Kochsalzlösung derart aufgeschwemmt wird, daß sie hervorragen, und ihre Oberfläche glatt und prall wird. Von diesem Gebiet kann mit jedem Dermatom ein Transplantat entnommen werden. Die Methode bewährt sich auch bei Personen, deren H a u t am Oberschenkel schlaff ist und sich nicht spannen läßt. Wenn auch das nicht möglich ist, entnimmt man von derselben Spendergegend mehrere Transplantate. Die Exzision kann wiederholt werden, wenn von der Entnahmestelle nur ein sehr dünnes Transplantat geschnitten wurde, das rasch und mit kaum wahrnehmbarer Epithelnarbe einheilte. In diesem Fall kann 3 bis 5 Wochen nach der ersten Exzision vom selben Bereich wieder ein Transplantat entnommen werden. Die zweite Methode ist die mehrschichtige Exzision von Z T N T E L (1945) (split-split grafting). I m wesentlichen besteht das Verfahren darin, daß das an der Trommel des Dermatome haftende, geschnittene Transplantat dem Blatt gemäß halbiert wird. F R A N K hat dicke Transplantate in einigen Fällen mit dem Mikrotom in mehrere (6—10) Schichten ge-

Die Hauttransplantation

12 I 109

schnitten. Nach seinen Erfahrungen hafteten die ersten 3 bis 4 Schichten an und epithelisierten die Wundfläche, während die tieferen Schichten abgestoßen wurden. H O L U B E C und K A R F I ' K wenden halbierte Transplantate bei der Behandlung torpider Geschwüre an. e) Die Entnahme des Transplantates

Der Vollhautlappen wird mit dem Skalpell, der Spalthautlappen mit einem der zahlreichen Hautschneidegeräte entnommen. Mit dem Skalpell wird der Vollhautlappen so geschnitten, daß unter Sicht das mit der Hand oder mit einer Gazerolle, Holzzylinder usw. gespannte Hautstück von der darunter-

Abb. 108. Die Entnahme des Vollhautlappens u) Umschneiden des Transplantates mit einem nur bis zur Subkutis eindringenden Schnitt; b) nach Schneidebeginn werden Trakt ionsnähte in die Ränder des Transplantates eingelegt; c) das weitere .Schneiden geschieht so, daß das Transplantat mit den Traktionsnähten an den Finger gespannt wird

liegenden Subkutis so abpräpariert wird, daß dabei kein Fett entnommen wird. Das gewonnene Hautstück wird vor dem Einpflanzen noch einmal gründlich überprüft und mit einer gekrümmten Schere von noch daran haftenden Fettresten befreit (Abb. 108). Bei Exzision aus freier Hand wird das Transplantat zweckmäßig in Dreiecke getrennt. So umfaßt das Messer nur kleinere Gebiete. Da die Ecken erst nach vollständigem Herauspräparieren durchtrennt werden, bleibt die Haut bis zuletzt straff gespannt. Zwei Gruppen von Instrumenten dienen der Entnahme von Spalthautlappen: Dermatome und einfache Hautschneide-Instrumente. Die Dermatome sind mehr oder weniger komplizierte Apparate mit Hand- oder elektrischem Antrieb, die die auf verschiedene Weise gespannte Haut in Form einheitlicher, zusammenhängender Lappen von unterschiedlicher Größe herausschneiden. Das erste moderne, den Anforderungen entsprechende Dermatom wurde von P A D G E T T und H O O D konstruiert. Das PADGETT-HooDsche Dermatom besteht aus einer an einem Gestell befestigten Trommel, vor der sich ein in der Trommelachse verschiebbares und mit Mikrometerschraube einstellbares Messer mit sehr dünner Schneide bewegt (Abb. 109).

110 ι 12

J . Zoltan, Transplantationslohre

Apparat

Schneidebeginn

Abb. 109. Das Denriatom von Paixsktt-Hood

Abi). 110. Das Elektrodermatom und sein Gebrauch

A i t f k i c h t und D o w i ) brachten am D e r m a t o m einen Spiegel an. in d e m w ä h r e n d des S c h n i t t s Sehichtdicke und Form des T r a n s p l a n t a t e s kontrolliert werden können. R o u r x s o N hat den Griff des Dermatoms verbessert und die Trommel a u s Aluminium hergestellt. Dadurch soll der Klebstoff bei der Entnahme angeblich besser wirken und d a n a c h d a s Transp l a n t a t leichter zu entfernen sein, weil der ganze Klebstoff an der Trommel haften bleibt. L i t t o n hat in Zusammenarbeit mit Hood ein ..gigantisches" Dermatom mit größerer Trommel konstruiert, d a s sich zur E n t n a h m e von 2 0 X 6 0 cm großen T r a n s p l a n t a t e n eignet. Die Trommel ist nicht nur größer, sondern völlig zylindrisch. Die e r w ä h n t e n D e r m a t o m e arbeiten mit einem Klebstoff, der nach dem Schneiden und Abziehen des T r a n s p l a n t a t e s von der Trommel des D e r m a t o m s neutralisiert werden m u ß . Die meisten Chirurgen so vor. d a ß sie beim Abziehen sterilisierten Putler oder T a l k u m Ο gehen ο auf die R ü c k s e i t e des T r a n s p l a n t a t e s streuen. Das ist jedoch nicht empfehlenswert, weil ein Teil davon oder auch nur einige Körnchen leicht zwischen T r a n s p l a n t a t u n d W u n d b o d e n g e r a t e n können, und d a d u r c h die Heilung beeinträchtigt wird. Nach den Untersuchungen von G l t c k s m a x und M o w l e m k a n n es sogar zu hypertrophischen Narben oder zur Keloidbildung führen. Eine technische V e r v o l l k o m m n u n g ist d a s elektrische Dermatom von B r o w n , M k l o y und Gosskt (Abb. 110), d a s die Exzision erleichtert. Die K l i n g e wird von einem elektrischen

Die Hauttransplantation

12 I 111

Mot-or bzw. von einem E x z e n t e r mit sehr kurzen und raschen Amplituden ( 8 0 0 0 — 1 0 0 0 0 / s e k ) b e t ä t i g t . U n t e r der K l i n g e befindet sieh eine schwere M e t a l l p l a t t e , die die H a u t glatt hält und während des S c h n i t t e s gleichmäßig spannt. Der A p p a r a t hat den Nachteil, d a ß er nur einen v e r h ä l t n i s m ä ß i g schmalen Streifen, allerdings in beliebiger Länge, herausschneidet. Bei dem V a k u t o m von BARK ER wird kein K l e b s t o f f benötigt. Die H a u t wird von einer der K l i n g e gegenüber befindlichen Saugvorrichtung' fixiert. SCIIUCHARDT konstruierte 1953 ein neues l l a u t s c h n e i d e i n s t r u m e n t . das die Vorteile der verschiedenen D e r m a t o m e mit der E i n f a c h h e i t der gewöhnlichen H a u t s c h n e i d e i n s t r u m e n t e vereinigt. Der Apparat gleicht dem V a k u t o m . beansprucht aber weder Klebstoff, noch eine S a u g v o r r i c h t u n g oder elektrischen A n t r i e b , sondern spannt die H a u t einfach nur durch ihr Gewicht. Der H a u p t v o r t e i l besteht

Abb. I I I . -Hautsehneideinstniinente nach HIWIBY darin, daß durch auswechselbare Metallplatten T r a n s p l a n t a t e von verschiedener B r e i t e (4. 7, 10 c m ) e n t n o m m e n werden können. I n entsprechender Weise h a t GRIMMER ein E l e k t r o d c r m a t o m entwickelt, das gegenüber den E l e k t r o d e r m a t o m e n von BROWN U. A. den Vorteil h a t , mit langsamen Amplituden zu arbeiten (GABKA). Bei den einfachen Hautsehneideinstruineiiten handelt es sich im Grunde um K o m b i n a tionen der zur E n t n a h m e des T h i e r s e h - L a p p e n s dienenden Messer (THIERSCH, BLAIR. WEBSTER. BKTTMAN U. a.). die mit einem Mechanismus zur B e s t i m m u n g der S c h n i t t i e f e vorsehen sind. Diese K o n s t r u k t i o n e n zeigen die I n s t r u m e n t e von ΗΓΜΒΥ. SCHEPELMAXX, LAUROT,

BLDA.T u n d B A R R O X

(Abb. 111). D a s

Dermatom

v o n KOLOKOLZEW s t e l l t

einen

Übergang vom D e r m a t o m zu den einfachen I n s t r u m e n t e n dar. Beim G e b r a u c h von einfachen H a u t s c h n e i d e i n s t r u m e n t e n m u ß die H a u t der E n t n a h mestelle in S c h n i t t r i c h t u n g gespannt und aus der Umgebung hervorgehoben werden, damit die K l i n g e in die entsprechende Schicht vordringen kann. D a s e r s t e H a u t s p a n n g e r ä t w u r d e v o n MCINDOE. B A I L E Y u n d K I L X E R k o n s t r u i e r t (ein

einfaches H o l z b r e t t ) , das auch heute noch vielfach angewendet wird. D a s mit S c h r a u b e n versehene Metallgerät von D.IAKONOW ist schwerfällig und k a n n nur in Narkose b e n u t z t werden. BLAIRS S a u g k a m m e r entspricht a m besten den gestellten Forderungen. GABARRO stellte aus Metall ein ziegeiförmiges S p a n n g e r ä t her, an dessen Seiten in verschiedenen B r e i t e n (5, 6, 25. 8, 75, 11. 2 5 cm) E i n s c h n i t t e a n g e b r a c h t waren. WILFIXCSEDER und VILLIX Procaine Derivatives - > Aloxy-Aminobenzoates > Xylocaine -> Re-Introduction of Aloxy-Aminobenzoates -> Xylocaine." H O P P E gibt ebenfalls als das Geburtsdatum der modernen Lokalanästhetika das J a h r 1 9 4 3 mit der Entwicklung des Lidocains durch L O E F G R E N und L U N D Q T J I S T an. E r betont, daß in der Folge immer wieder Varianten dieser als gut wirksam erkannten Verbindung synthetisiert und getestet wurden. So erlangten zunächst die dem Lidocain strukturell verwandten Substanzen, die unter der Spezialbezeichnung Tolycain B P (Baycain) und Butanilicain (Hostacain) bekannt sind, klinische Bedeutung. Tolycain Β. P. (Baycain). Bei der Prüfung einer größeren Reihe von substituierten Aniliden auf ihre lokalanästhetische Wirksamkeit haben W I R T H und G Ö S S W A L D das 3-Methyl-2-diaethylaminoacetylaminobenzoesäure-methylester-Hydrochlorid, das Tolycain Β. P. (Baycain) untersucht. Nach Ansicht der Autoren steht das Tolycain (Baycain) chemisch sowohl dem rasch stark und lang anhaltend wirkenden Lidocain als auch dem Procain nahe, das für eine relativ geringe Giftigkeit infolge raschen Abbaus im Organismus bekannt ist. Das Tolycain Β. P. (Baycain) ist in drei Formen (gelb, grün, blau) mit unterschiedlichem Vasokonstriktionszusatz im Handel. Dies bietet den Vorteil einer individuellen Anwendung ( H A R N I S C H ) . Chemisch ist das Tolycain B.P. (Baycain) ein 3-Methyl-2-diaethylamino-acetylaminobenzoesäure-methylesterhydrochlorid.

3

>—NH-C0-CH2-N(C2H5)2HC1 COOCH

3

H A U N F E L D E R und K Ö D E L haben das Tolycain (Baycain) an 1375 Patienten kritisch überprüft. Ihre klinischen Erfahrungen sprachen für ein Höchstmaß an allgemeiner und örtlicher Verträglichkeit. Bis auf wenige Fälle primärer Blutungsneigung konnte die Anämie allenthalben befriedigen. Auch S T E I N H Ä U S E R erprobte an 600 Patienten das Tolycain {Baycain). Es kam in jedem Fall zu einer guten Anästhesie. Bei 30 Patienten wurde ein ,,Quaddelversuch" mit Baycain und Xylocain gemacht. Die Anästhesiedauer und die Ausbreitung ist gleichwertig, jedoch erwies sich Baycain im Tierversuch deutlich besser verträglich als Xylocain. I n der klinischen Verträglichkeit schneidet Baycain durch seinen relativ höheren Adrenalin- bzw. Noradrenalingehalt etwas günstiger ab als Xylocain. G I N S h a t sich mit dem Baycain mehr vom zahnärztlichen Standpunkt aus beschäftigt. Dagegen haben G O N Z A L E S M A R T I N E Z und G A L L A S T E G U I I T U R B E sowie als Internist C O N E J O C O N E J O eine umfangreiche Arbeit über die Lokalanästhesie mit Tolycain Β. P. (Baycain) in der Kiefer-Gesichtschirurgie publiziert. Die Auswertung von Lokalanästhesien an 200 Patienten, die gemeinsam mit einem Internisten durchgeführt wurde, zeigt, daß die generelle Verträglichkeit weitgehend von der präoperativen Vorbereitung beeinflußt wird. I n 98% der Fälle erhöhte sich die Zahl der Pulsschläge in den ersten 3 Minuten nach dem Anästhesieren nicht u m mehr als 8 Schläge in der Minute. I n 9 7 % der Fälle stieg der arterielle Blutdruck nicht über 15 m m Quecksilber. Die Autoren heben auch den antiallergischen Effekt des Präparates hervor.

Allgemeiner Teil

U | 13

Auch wir haben die klinische Brauchbarkeit des Baycain nachgewiesen. Das Tolycain ist vor allem wegen seines breiten Indikationsfeldes und der entsprechenden Vaskonstringenszusätze (Baycain gelb, grün, blau) gut verwendbar ( H A R N I S C H ) . Butanilicain (Hostacain) leitet sich aus dem bereits von E I N H O R N entwickelten Nirvanin ab, weist also Amidstruktur auf, und bildet im Gegensatz zum Novocain, das zur Gruppe der Paraaminobenzoesäurester gehört eine bessere chemische Beständigkeit. Seine Erprobung ist vor allem T H E R und H A R N I S C H ZU verdanken. CH3 —NH—C 0 — C H 2 — X / H —CL \CH 2 —CH 2 —CH 2 —ch 3 · H3PO4 Das Butanilicain (Hostacain) ist ein 2-Chlor-6-methyl-N-butylamino-acetanilidhydrochlorid, das in seiner Wirkung nach H A R N I S C H zehnmal stärker als Procain ist. Es zeigt nach T H E R im Tierexperiment bei subkutaner Verabreichung eine günstigere Entgiftung als Procain, so daß sich gegenüber diesem eine bessere Verträglichkeit ergibt. Butanilicain (Hostacain) wird fermentativ in der Leber gespalten und entgiftet. Schon kurz nachdem das Butanilicain (Hostacain) in den Handel kam erschien eine erhebliche Anzahl von Publikationen, die über die Vorteile des neuen Lokalanästhetikums berichteten. So konnte T H O R B A N über 570 Fälle berichten, bei denen die Hostacain-Lokalanästhesie hinsichtlich des Wirkungseintritts, der Wirkungsdauer und der Wirkungstiefe befriedigte. Auch S T U B E N stellte gegenüber den handelsüblichen Novocain-SuprareninLösungen, auch wenn sie 4%iges Novocain enthalten, fest, daß das Hostacain-Spezial in Tierversuchen einen schnelleren Wirkungseintritt und trotz seines geringeren SuprareninGehaltes eine größere Wirkungstiefe auf weist. Anfänglich selten aufgetretene Gewebsunverträglichkeiten (Gaumennekrosen s. S. 43) führten dann zur Herstellung des Hostacain Spezial (Butanilicain4-Procainphosphat). Wie die folgenden Autoren berichteten, bewirkt das Hostacain Spezial eine schnell einsetzende und tief wirkende Lokalanästhesie. Toxische Allgemeinstörungen konnten nicht beobachtet werden, die Gewebsverträglichkeit war gut ( M Ö S L , K L A P P und K I R C H H O F F ) . P R E U S S und R O H R konnten auch nur günstiges über das Butanilicain (Hostacain) berichten, sie stellten fest, daß auch bei einer kombinierten Anwendung von Hyaluronidase mit Butanilicain (Hostacain) in jedem Fall schmerzlos operiert werden konnte. Gegenüber dem 5 Jahrzehnte die Lokalanästhesie beherrschenden Procain, das durch Esterasen im Gewebe rasch hydrolytisch gespalten wird, ist bei den Anilinderivaten durch die sie charakterisierende Säureamidbindung die Stabilität der Lösungen gewährleistet. Eine gleiche stabile Verknüpfung der lipoid- und w asserlöslichen Molekülanteile findet sich in dem von E K E N S T A M , E O N E R und P E T T E R S O N 1956 als weitere Variante entwickelten, jetzt unter dem Freinamen Mepivacain (Scandicain, Carbocain) bekannten Lokalanästhetikum, das sich strukturell durch zwei Ringsysteme aviszeichnet. CHn

|

ι, I—C—H X — S · HCL \V II V x I 0 s CH;j ch3 Mepivacain, unter dem Warenzeichen Carbocain, in Deutschland als Scandicain bekannt, ist ein N-methylhexahydropicolinyl-2,6-dimethylanilid-hydrochlorid. Die grundlegenden Arbeiten über das Mepivacain (Carbocain, Scandicain) sind von den Skandinaviern durchgeführt worden ( E K E N S T A M , E G N E R , U L F E N D A H L , D H U N E R , O L J E L U N D , A A G E S E N ) . Hierbei zeigte sich, daß das Mepivacain eine starke Affinität im Nervengewebe

14 I k

J . OABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

besitzt und daher schon bei geringer Dosierung eine tiefe Anästhesie auslöst. Infolge seines guten Diffusionsvermögens ist die Latenzzeit außerordentlich kurz. Nebenwirkungen, insbesondere auch allergischer N a t u r treten außerordentlich selten auf. G R I E S S E R berichtet schon 1957 über das Mepicavain (Scandicain). Bei annähernd 2500 Patienten h a t sich das Mepivacain (Carbocain, Scandicain) gut bewährt. Nebenerscheinungen und lokale Gewebsreaktionen konnte er nicht beobachten. Gegenüber dem Procain zeichnet sich das Mepivacain durch schnellen Wirkungseintritt, durch tiefere und längere Wirkungsdauer aus. Da eine sichtbare Vasodilatation bei Anwendung von Scandicain nicht eintrat, wurde auf einen Zusatz eines vasokonstriktorischen Stoffes zur 0,5, 1,0 und 2,0%igen Anästhesielösung verzichtet. F E L D M A N N und N O R D E N R A M veröffentlichten 1959 die Ergebnisse einer experimentellen vergleichenden Untersuchung über den anästhetischen Effekt von Mepivacain (Carbocain, Scandicain) und Lidocain [Xylocain). Verschiedene Konzentrationen dieser beiden Betäubungsmittel, mit und ohne Zusatz von Adrenalin wurden nach der von B J Ö R N und H U L D T ausgearbeiteten Methode getestet. Anästhesiebeginn sowie Frequenz, Dauer, Totalanästhesie, Anästhesieumfang und Ausbreitung wurden registriert und statistisch bearbeitet. Bei der Verwendung von Mepivacain (Carbocain, Scandicain) in verschiedenen Konzentrationen wurden längere Dauer und Totalanästhesie sowie auch ein größerer Anästhesieumfang registriert. Die Anästhesiefrequenz war bei Mepivacain (Carbocain) 3 % signifikant größer als bei der entsprechenden Lidocaindosis [Xylocain). Die Weichteilanästhesie war bei allen adrenalinfreien Mepivacainlösungen länger als bei den entsprechenden Lidocainmengen. Der vasokonstriktorische Effekt des Mepivacain [Scandicain), auf den besonders HARN I S C H hinweist, h a t in der Zahnheilkunde eine große Bedeutung. D u M E S N I L D E R O O H E MONT und H E N S E L haben auf Anregung von H A R N I S C H in exakter Weise den gefäßverengenden E f f e k t verschiedener Lokalanästhetika durch Messung der Hautdurchblutung am Menschen getestet. Ein von H E N S E L , B E N D E R und D Ö R R konstruierter Wärmeleitmesser zeigte bei Anwendung des 2%igen Scandicain den besten vasokonstriktorischen Effekt. Wenn auch nach den Angaben von F R A H M im Tierexperiment subkutan verabreichtes Mepivacain 1,3 bis 1,5 mal giftiger als Procain ist, so ist, wie H O L L E R betonte, für die klinische Anwendung lediglich die relative Toxizität von ausschlaggebender Bedeutung, also das Verhältnis zwischen Toxizität und der zur Erzielung des therapeutischen Effektes notwendigen Menge. Hier ergaben die zahlreichen klinischen Untersuchungen und Erfahrungen eine eindeutige Überlegenheit des Lidocains [Xylocain, Xylestesin) und des Mepivacians [Carbocain, Scandicain). Weitere Erfahrungen liegen von S I N G E R , H E R F E R T , L O C K , V E R N I N O , S A D O V E und von C O W A N vor. Letzterer vergleicht mittels der Minimaldosentechnik am Menschen das Mepivacain [Carbocain) mit dem Prilocain [Citanest) einem noch moderneren Lokalanästhetikum (in Deutschland Xylonest genannt). Hierbei zeigt sich, daß das Prilocain [Xylonest) in 4%iger Lösung dem Mepivacain [Carbocain, Scandicain) in 3%iger Lösung (beide ohne Vasokonstriktoren) eindeutig überlegen ist. Die Anästhesie tritt in etwa 2,5 Minuten ein und dauert in den Weichteilen etwa 60 Minuten. Gegebenenfalls kann die injizierte Menge auf 0,5 ml verringert werden, womit die Anästhesiedauer auf 45 Minuten verkürzt wird. F ü r das Anwendungsgebiet der plastischen Chirurgie untersuchten B E Z Z E M B E R G E R und S T E L L M A C H die klinische Brauchbarkeit des Mepivacain [Scandicain). Während B E Z Z E M B E R G E R über Erfahrungen mit Scandicain aus dem odontologischem Sektor publiziert, gibt S T E L L M A C H Auskunft über Wirkung des Scandicains bei 158 plastischen und kieferchirurgischen Eingriffen. So wendete er die Mepivacain-Lokalanästhesie bei Lippenplastiken, Gaumenplastiken, Korrekturoperationen an Nase und Lippen an sowie bei freien Hauttransplantationen, Gesichtsersatz durch Rundstiel- und andere Lappen-, Pharyngound Mundvorhofplastiken und bei gutartigen Tumoren des Kiefers und der Weichteile u. ä.

Allgemeiner Teil

k | 15

Die Anästhesie t r a t meist schon während der I n j e k t i o n , spätestens jedoch nach 3 Minuten ein. Als Höchstdosen wurden 31 ml 2% Scandicain bzw. 55 ml 1 % Scandicainlösung injiziert. Nebenwirkungen wurden trotz dieser relativ hohen Dosierung nicht beobachtet. W e n n m a n die Entwicklung der modernen Lokalanästhetika überblickt, m u ß man feststellen: I n wenigen Arzneimittelgruppen sind so viele Verbindungen synthetisiert worden wie bei den Lokalanästhetika. Die Pionierarbeiten liegen lange zurück. W I L L S T E T T E R eröffnete 1 8 9 8 den Weg zur Synthese durch die Aufklärung der S t r u k t u r des Kokains. Die erste SAmthetische Verbindung, die allgemeine Anwendung fand, war das Procain (Novocain) E I N H O R N S ( 1 9 0 5 ) . Seitdem sind viele andere synthetische Verbindungen hergestellt worden, hauptsächlich Variationen der p-aminobenzoesäure, aber auch andere Benzoesäurederivate. Die Synthese des Lidocains (Xylocain) durch L O E F G R E N 1 9 4 3 bedeutete einen grundsätzlichen Fortschritt. Xylocain scheint die optimalen Eigenschaften seiner Klasse zu besitzen. Die verschiedenen früheren Modifikationen seines Moleküls f ü h r t e n nicht zu einer grundsätzlich überlegenen Verbindung. Eine Verbesserung bestimmter anästhetischer Eigenschaften war mit einer Verschlechterung anderer verbunden. Überdies zeigte sich die Tentenz einer allgemeinen Z u n a h m e der Gewebstoxizität u n d der allgemeinen Toxizität ( E K L U N D , W I E D L I N G , F R A H M , G O L D B E R G , P E R S S O N - T R U A N T - W I E D L I N G ) . I n den letzten 1 0 J a h r e n wurden u n t e r der Leitung von L O E F G R E N u n d seinen Mitarbeitern weitere Untersuchungen über Lokalanästhetika durchgeführt. Hierbei wurde besonders eine Verbindung studiert, die offensichtlich interessante Eigenschaften aufwies. Diese Substanz, zunächst als L 67 (Citanest, Xylonest, Freiname: Prilocain) bezeichnet, ist die chemische Verbindung des a-n-Propylamino-2-Methylpropionanilid. CH 3

F^

—Λ'Η—CO—CH—XH—CHCH,2CH3 CH3

Prilocain wurde 1 9 5 3 von L O E F G R E N u n d T E G N E R synthetisiert und a n Tieren zunächst von W I E D L I N G u n d später von A S T R Ö M u n d P E R S S O N geprüft. Über pharmakologische Untersuchungen a m Menschen haben E R I K S O N und G O R D H , E R I K S S O N , H A R N I S C H sowie B E R L I N G u n d B J Ö R N berichtet. Diese Autoren u n d andere haben parallel m i t diesen Untersuchungen klinische P r ü f u n g e n in der allgemeinen Chirurgie u n d in der Zahnmedizin durchgeführt. W I E D L I N G , der sich eingehend mit dem Prilocain {Xylonest, Citanest) beschäftigt hat stellt zusammenfassend f e s t : Folgende Merkmale h a b e n die gleiche Größenordnung wie beim Lidocain ( X y l o c a i n ) : Lokalanästhetische Wirkung, Blutdruckwirkung mit u n d ohne Adrenalinzusatz sowie Antagonismus gegen Azetylcholin-, Histamin- u n d Bariumspasmen. Prilocain (Xylonest) unterscheidet sich von Lidocain ( X y l o c a i n ) hauptsächlich durch die geringere Toxizität bei verschiedenen Applikationsformen. Xylonest besitzt praktisch keine Gewebstoxizität. V. B A H R u n d E R I K S S O N h a b e n erste große klinische P r ü f u n g e n durchgeführt. Insgesamt h a b e n sie 6116 Lokalanästhesien mit dem Prilocain durchgeführt. Das Xylonest (Prilocain) zeigte einen ebenso guten anästhetischen E f f e k t wie das Lidocain ( X y l o c a i n ) u n d darüberhinaus bei Leitungsanästhesien eine etwas längere Anästhesiedauer. Prilocain (Xylonest) wurde von den Autoren bei sämtlichen üblichen F o r m e n der Lokalanästhesie m i t Ausnahme der Oberflächenanästhesie in entsprechenden Mengen u n d Konzentrationen wie bisher bei Xylocain verwendet. Die Adrenalinkonzentration war jedoch wesentlich niedriger (1:250000—1:300000). I n den drei J a h r e n , in denen die Autoren diese Fälle sammelten, h a t sich das Prilocain (Xylonest) als ausgezeichnetes Lokalanästhetikum

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J . GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

bewährt. Toxische Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Die Resultate eines intravenösen Toleranztestes stehen im einzelnen mit den in Tierversuchen ermittelten Toxizitätswerten im Einklang. Prilocain (Xylonest) scheint doppelt so gut vertragen zu werden wie Lidocain {Xylocain). Der Sicherheitsbereich von Prilocain ist daher verhältnismäßig groß. Dieser Umstand ist von besonderer Bedeutung bei der Verwendung adrenalin- oder nor-adrenalinfreier Lösungen. Demgegenüber berichtet COWAN, wiederum mit seiner Minimaldosentechnik bei Vergleichen des Lidocains, Mepivacains und des Prilocains, daß sich von allen Lokalanästhetika das Lidocain am besten bewährt hat. Die Latenzzeit des Prilocains ist im Durchschnitt nicht kürzer, die Wirkungsdauer jedoch eindeutig kürzer als die des Standard-Lidocains. Über weitere Erfahrungen berichten C R A W F O R D , H O L L I S und COVINO. Neben günstigen Ergebnissen berichten sie erstmalig darüber, daß in einigen Fällen eine Methämoglobinbildung stattgefunden hat. Wir selbst haben das Prilocain (Xylonest) sowohl experimentell, wie auch klinisch überprüft ( H A R N I S C H U. M O R H A R E M sowie G A B K A U. K R A M E R ) . Die zahnärztliche Lokalanästhesie mit Prilocain wurde an 1017 Patienten getestet. Gleichzeitig wurde die Toxizität, die lokalanästhetische, die anämische Wirkung und die mögliche Methämoglobinbildung des Prilocains in Tierversuchen und Quaddelversuchen untersucht. Bei der Bestimmung der Toxizität des Xylonest im Tierversuch wurde festgestellt, daß die Toxizität der Lokalanästhetika im Bereich des Halses und Kopfes größer ist als am übrigen Körper. Diese Beobachtung wurde von H A R N I S C H bestätigt. H O R N konnte ebenfalls durch Tierversuche beweisen, daß die Toxizität vom Applikationsort abhängig ist. Wir haben deshalb die Toxizität der Xylonestlösxmgen durch Injektionen in die Umschlagfalte der Oberlippe von Kaninchen geprüft. Nach der von uns ( H A R N I S C H ) angegebenen Methode, erbrachte die Untersuchung folgende Ergebnisse : 1. 2. 3. 4.

2% 3% 3% 2%

Prilocainlösung Prilocainlösung Prilocainlösung Lidocainlösung

mit mit mit mit

1:450000 Adrenalin Effektdosis (E. D.) = 6,5 ml/3 kg Körpergewicht 1:300000 Adrenalin Effektdosis (E. D.) = 5,5 ml/3 kg Körpergewicht 1:80000 Adrenalin Effektdosis (E. D.) = 5 ml/3 kg Körpergewicht 1:80000 Adrenalin Effektdosis 3,5 ml/3 kg Körpergewicht.

Die Ergebnisse zeigen, daß eine 3% ige Xylonestlösung, auch bei gleich hohem Adrenalingehalt, weniger Toxizität aufweist, als die Standard.ri/Zocawilösung. Diese Ergebnisse entsprechen den Werten von W I E D L I N G , der die Toxizität des Xylonest mit 60% der Toxizität des Xylocain angibt. Gleichzeitig werden dadurch die Angaben von H A R N I S C H bestätigt, der nach Prüfungen am Kaninchen, die Toxizität des Prilocain (Xylonest) dem des Procain (Novocain) gleichstellt. Im Quaddelversuch wurden Latenzzeit, Ausdehnung und Dauer der Anästhesie, sowie Eintritt, Ausdehnung und Dauer der Anämie untersucht. In dieser Untersuchungsreihe haben wir eine Konzentration von Xyonest mit zwei verschieden hohen Zusätzen von Adrenalin untersucht, d. h. 1. 3%ige Xylonestlösung mit 1:300000 Adrenalin 2. 3%ige Xylonestlösung mit 1: 80000 Adrenalin 3. 2%ige Xylocain\ösuTig m i t l : 80000 Adrenalin. Ein Unterschied in der Latenzzeit ließ sich nicht nachweisen. Hinsichtlich der Ausdehnung der Anästhesie zeigte sich keine signifikante Differenz. Wesentliche Unterschiede ergaben sich in bezug auf die Dauer der Anästhesie. Bei der 3%igen Xylonestlösxmg mit 1:300000 Adrenalin war die Anästhesiedauer etwa halb so kurz wie bei der untersuchten Xylocain\ösnng. Die Xylonest\ösung mit 1:80000 Adrenalin zeigte auch eine kürzere Anästhesiedauer als das Xylocain mit gleicher Adrenalinkonzentration. E R I K S O N konnte im Quaddelversuch mit adrenalinfreien Lösungen feststellen, daß das Prilocain (Xylnest) eine längere Anästhesiedauer als das Lidocain (Xylocain) hat. Wir haben seine Ergebnisse mit unseren Ergebnissen verglichen. Daraus ergab sich, daß Adrenalin die Anästhesiedauer des Xylonest wie des Xylocain verlängert. Diese Wirkung des Adrenalins ist bei Lidocain stärker als bei Prilocain, so daß Lidocain (Xylocain) eine längere Betäubungsdauer als Prilocain (Xylonest) hat, wenn diese Anästhesielösungen mit Adrenalin kombiniert werden. Ohne Adrenalin tritt das Gegenteil ein, d. h. Prilocain hat

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Allgemeiner Teil eine längere Anästhesiedauer. Dieser Antiadrenalin-Effekt BERLING und BJÖRX bestätigt.

des Prilocain (Xylonest) wurde auch von

Die klinische Prüfung des X y l o n e s t an 1017 Patienten ergab hinsichtlich der Latenzzeit keinen signifikanten Unterschied zwischen den 3 Lösungen. Die Anästhesie t r a t bei allen 3 Lösungen rasch ein. Die Testung verschiedener Lokalanästhetika durch Untersuchung der Anästhesiedauer bei Schienungen der F r a k t u r e n des Unterkiefers erwies sich als eine zuverlässige Methode, da die unterschiedlichen Lösungen bei demselben Patienten zur Anwendung kamen und dadurch individuelle Unterschiede ausgeschlossen wurden. (So wurden hier Prilocain (Xylonest) beispielsweise rechts und Lidocain (Xylocain) links injiziert und der E f f e k t verglichen.) Alle Lösungen zeigten gute Verträglichkeit. Nur bei 2 — 4 % der Patienten traten geringfügige Nebenerscheinungen auf. E r n s t e Komplikationen wurden nicht beobachtet. Der Vergleich zu den Ergebnissen von GOLDMAX zeigt, daß er bei 1 1 , 4 ° 0 der untersuchten Patienten Nebenerscheinungen beobachtet hat. Der Unterschied in den Ergebnissen ist durch folgende P u n k t e zu erklären: Bei unseren Untersuchungen wurden die Patienten im Liegen operiert, bei allen Patienten wurde vor der Deponierung der Lösung mit der Spritze aspiriert. Die gute Verträglichkeit des Xylonest zeigte sich auch bei der Erprobung der Aj/fowes/lösung mit 1 : 3 0 0 0 0 0 Adrenalinzusatz bei herzkranken und labilen Patienten. Wegen der niedrigen Adrenalinkonzentration kann man diese Lösung bei Fällen anwenden, bei denen sonst die adrenalinfreie Lidocainlösung gewählt wird. Das geht aus Tabelle 3 hervor (Ergebnisse nach BERLINU und BJÖRN): Tab. 3

Lösung

3 % Xylonest + 1 : 3 0 0 0 0 0 Adrenalin 2 % Xylocain ohne Adrenalin

Latenzzeit bis 2 Min.

Mindestanästhesiedauer Erfolgsquote

in % der Fälle

in %

in %

bis 3 Min.

90,7 87,5

100 63

100 59

bis 25 Min. (50 0

Die klinische Anwendung des Prilocain (Xylonest) ist aufgrund unserer Untersuchungen durch die kurzdauernde Weichteilanästhesie (30 Min.) eingeschränkt. Bei diffizilen Operationen — insbesondere bei Eingriffen am Knochen — ist die Blutleere ungenügend. Aus diesem Grunde wird das „Xylonest 3 0 " (3% Prilocainlösung mit Adrenalinzusatz 1:300000) von der Herstellerfirma vor allem für die konservierende Zahnheilkunde empfohlen. SCOTT, O W E N und RICHMOND berichten über eine Methämoglobinämie nach PrilocainXylonest-Anwendung. Die Autoren beobachteten während der klinischen Prüfung des Präparates, daß einige Patienten zyanotisch wurden. Eine Zyanose wurde regelmäßig festgestellt, wenn mehr als 900 mg Prilocain verabreicht wurden. Die spektroskopische Untersuchung des Blutes ergab, daß die Zyanose durch Methämoglobin verursacht war. Sulfhämoglobin und Methämalbumin konnten nicht nachgewiesen werden. Bei 10 Patienten, die 1000—1800 mg Prilocain (Xylonest) als kontinuierliche Epiduralanästhesie erhalten hatten, wurde nach 4—8 Stunden eine maximale Methämoglobinmenge von 0,9—3,4% (durchschnittlich 1,9%) festgestellt. Geringere Methämoglobinmengen wrurden nach Anwendung von 400—800 mg Prilocain beobachtet, doch wurden die Patienten hierbei nicht zyanotisch. Eine Zerstörung von Erythrozyten war bei den Blutuntersuchungen nicht nachweisbar und die Zyanose war am nächsten Tage verschwunden. Eine durch Methämoglobin bedingte Zyanose kann das klinische Bild des postoperativen Verlaufs in irreführender Weise überlagern. Hierin kann man vielleicht einen Nachteil der Lokalanästhesie mit Prilocain (Xylonest) erblicken, dem jedoch der Vorteil einer sehr geringen Toxizität gegenübersteht. Außerdem wurde eine Zyanose nur nach Prilocain-Dosen über 900 mg beobachtet, und Hiiiulb. Plast. Chir., B d . I

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und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

diese Menge übersteigt erheblich die für die Mehrzahl der Lokalanästhesien normalerweise benötigten Dosis. Unsere Untersuchungen zur Frage der Methämoglobinbildung unter Anwendung des Prilocain (Xylonest) erstreckten sich auf einen tierexperimentellen und einen klinischen Teil ( G A B K A U . KRAMER). Bekanntlich tritt Methämoglobinämie nach Anwendung eines Lokalanästhetikums ziemlich selten auf. W O L F , G A B U L O F F , S T E I N B E R G und Z E P E R N I C K berichteten darüber nach Anwendung von Benzocain. Zur Erklärung dieses Phänomens nahmen sie jedoch eine individuelle Idiosynkrasie an. In diesem Zusammenhang waren keine Mitteilungen über Lidocain (Xylocain) in der Literatur zu finden. Methämoglobinämie bedeutet, daß in den zirkulierenden Erythrozyten die Methämoglobinkonzentration über den Normalwert erhöht ist. Normalerweise wird in den intakten Erythrozyten Methämoglobin gebildet und auch wieder reduziert, so daß eine Methämoglobinkonzentration im Blut von etwa 1,7% als physiologisch angesehen werden kann. Eine sekundäre Methämoglobinämie kann durch aromatische Nitro- und Aminoverbindungen, wie Aniline, Sulfonamide und Acetanilide, hervorgerufen werden. Zu diesen chemisch verwandten Verbindungen gehört auch Prilocain (Xylonest), das wahrscheinlich durch sein Abbauprodukt o-Toluidin eine Methämoglobinämie verursacht. Wenn eine Zyanose ohne Zeichen einer kardiovaskulären oder respiratorischen Funktionsstörung besteht, d. h. bei einer Zyanose mit normalem Puls und Blutdruck, sollte immer an eine Methämoglobinämie gedacht werden. Oft reicht es dann schon, die auslösende Substanz zu entfernen, sonst kann man hier mit gutem Erfolg Methylenblau injizieren. Unsere Tierversuche ergaben, ebenso wie die klinischen Untersuchungen von SCOTT, L U N D und C R A W F O R D , daß Methämoglobinbildung bei Dosierungen bis zu 9 0 0 mg Prilocain (Xylonest) äußerst selten zu beobachten ist. Zyanose und Erhöhung des Mcthämoglobingehaltes wurden erst ab Dosen von 1000 mg Prilocain (Xylonest) festgestellt; bei injizierten Mengen bis zu 10 mg Prilocain (Xylonest) pro kg Körpergewicht stellte sich niemals eine Zyanose ein. Auch bei unseren Tierversuchen konnten wir erst ab Dosen von 1000 mg Prilocain (Xylonest) eine Erhöhung des Methämoglobingehaltes im Blut nachweisen. Dies entspricht etwa einer Zufuhr von 38 mg Prilocain (Xylonest) pro kg Körpergewicht bei Hunden. Bei Katzen hat O N J I schon nach Dosen von 7,5 mg Prilocain (Xylonest) pro kg Körpergewicht Methämoglobinämie beobachtet. Schreibt man sich diese drei Werte der spezifischen Pri lo r:ai η - ( X y l o nest) - mengen, nach denen 7,5 mg Methämoglobinämie auftritt einmal nebeneinderan: Methämoglobinbildung bei Hunden etwa ab 38 mg/kg bei Katzen etwa ab 7,5 mg/kg und beim Menschen bei mehr als 10 mg/kg so entdeckt man eine überraschende Ähnlichkeit mit den Resultaten von L E S T E R . Er wies 1943 durch Versuche an Männern, Hunden, Katzen und Ratten nach, daß sie artspezifisch auf Injektion von Azetanilid mit unterschiedlicher Methämoglobinbildung reagierten. Er stellte eine Reihenfolge des Empfindlichkeitsgrades von Katzen = 100, Männern = 56, Hunden = 29 und Ratten = 5 auf. Dies deckt sich ungefähr mit den hier ermittelten spezifischen Prilocain-(Jff/Zo?ie.si)-mengen, nach denen es zum Ansteigen des Methämoglobingehaltes kam. Die Verträglichkeit des Hundes gegenüber Prilocain (Xylonest) ist mehr als doppelt so hoch wie die des Menschen und ungefähr dreimal so groß wie die der Katze. Diese Unterschiede sind sicherlich auf Spezieseigentümlichkeiten zurückzuführen. Neben diesen artspezifischen Unterschieden konnten wir zahlreiche individuelle Schwankungen während unserer Tierversuche beobachten. Es zeigte sich eine große Bandbreite der gemessenen Methämoglobinwerte, auch dann, wenn die Tiere gleiche Dosen des Medikamentes erhalten hatten. Diese Differenzen könnten durch die Verschiedenheit des Redoxsystems in der Umgebung des Hämoglobins zum Zeitpunkt der Injektion hervorgerufen worden sein. Das körpereigene Redoxsystem bestimmt nämlich, wie schnell ein Mensch oder ein Tier Ferri- zu Ferro-Hämoglobin reduzieren kann. Als zweite Ursache kann man den individuellen Unterschied der Leberfunktion ansehen, die Amidverbindungen zu sprengen und o-Toluidin herzustellen. Dieser Metabolit des Prilocain (Xylonest) ist für die Methämoglobinbildung verantwortlich. Außerdem könnte der unterschiedliche Methämoglobingehalt abhängen vom Ort der Injektion und der Geschwindigkeit, mit der Prilocain (Xylonest) in das zirkulierende Blut eintritt. Bei langsamerer Absorption kann das Medikament vollständiger in der Leber umgebaut und durch den länger

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währenden Kontakt des o-Toluidins mit dem Blut ein höherer Grad der Methämoglobinämie hervorgerufen werden. Unsere experimentellen Untersuchungen zusammenfassend, kann festgestellt werden, daß die aus der allgemeinen Toxikologie der Lokalanästhetika bekannten klinischen Symptome, wie Nackensteife, Ataxie erst nach Injektion von über 1000 mg Xylonest auftreten. Bedrohliche Erscheinungen wie Kollaps, Erbrechen u. ä. kamen nur bei zweimaliger Injektion von einmal 1500 mg und 20 Min. später zum anderen von 1000 mg Xylonest zustande. Unsere klinischen Untersuchungen wurden in folgender Weise durchgeführt: Xylonest wurde zu den anderen Lokalanästhetika im Operationssaal gestellt und wurde bei Eingriffen, die 10 ml oder mehr eines Lokalanästhetikums erforderten, verwendet. In ein besonderes Formular wurden Art der Anästhesie, Menge des Lokalanästhetikums, Konzentrationen und so weiter eingetragen. Die Blutproben wurden anschließend im Labor auf ihren Methämoglobingehalt untersucht. Tab. 4 Versuchsergebnisse bei klinischen Untersuchungen zur Methämoglobinbestimmung von Prilocain(Xi/iowes% und 4 % ; für Propoxycain zwischen 1 / 4 % und 2 % ) . Daraus ist ersichtlich, daß es bei den üblichen Handelspräparaten weniger auf den Gehalt des Anästhetikums als vielmehr auf den Zusatz von Vasokonstringens a n k o m m t , was die Anästhesiedauer betrifft.

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J . GABKA und Η . HARNISCH, Lokalanästhesie

Zusammenfassend kann man jedoch zum Corbasil folgendes sagen: Die Toxizitätsverhältnisse beim Corbasil sind praktisch die gleichen wie beim Adrenalin. Corbasil h a t zwar nachgewiesenermaßen eine 5—7fach geringere Toxizität als das Adrenalin ( H A R N I S C H , L U D T I E N A ) , wird aber wegen seines wesentlich schwächeren vasokonstriktorischen Effektes höher dosiert. Nach einer vorübergehenden Blüte- und Untersuchungszeit ist das Corbasil heute aus dem Arzneischatz verschwunden. Es war keine entscheidende Bereicherung des Arzneischatzes der örtlichen Betäubung. Die modernen Bestrebungen von Wissenschaft und Industrie, den Adrenalin-Zusatz zu reduzieren, haben jedoch nicht nachgelassen. Wir haben schon immer dafür plädiert, das Adrenalin zu reduzieren, zu ersetzen oder zu vermeider. Wir ( H A R N I S C H ) berichteten 1957 über die Lokalanästhesie ohne gefäßkontrahierenden Zusatz mit Scandicain (damals noch unter dem Namen Carbocain). Die Ergebnisse waren gut, so daß das Mepivacain (Scandicain) ohne Zusatz empfohlen werden konnte. Bei Operationen allerdings, die eine besonders gute Übersicht (gute Blutleere wegen der Kleinheit des Objektes) erfordern, war die relativ starke Blutung störend. I n letzter Zeit h a t sich H A A S ( 1 9 6 8 ) eingehender mit dem Adrenalin-Zusatz bei der Lokalanästhesie befaßt. E r schreibt: „Adrenalin wird geradezu als Notfallhornion bezeichnet, das für den gesamten Reaktionsablauf bei der Abwehr eines Stress von eminenter Bedeutung ist. Eine Ausschüttung des Adrenalins in das strömende Blut, wie sie durch starke seelische Erregungen und schwere körperliche Belastungen ausgelöst wird, führt in kurzer Zeit zur Stimulation des Herzens und zu einer Zentralisation des Kreislaufs. Die mit der peripheren Vasokonstriktion einhergehende Blutverschiebung in den Körperkern und die damit zusammenhängende Blutdrucksteigerung haben eine erhöhte Belastung und Leistung des Herzens bei gleichzeitiger Verminderung der strömenden Blutmenge zur Folge und entsprechen dem sogenannten Spannungskollaps. Eine Störung des Vasomotorenzentrums, ein Blutvolumenverlust oder ein vagaler Reflex können diesen Zentralisationszustand in einen Entspannungskollaps überführen, und in diesem Mechanismus müssen wir die Hauptursache von Zwischenfällen erblicken. Hinzu kommt die dem Adrenalin eigene Neigung zu heterotoper Reizbildung, die im Extremfall zu Kammerflimmern und Sekundenherztod führt. Auch die Dissoziation von rechtem und linkem Herzen gehört zu den Adrenalineffekten und kann bereits durch Anwendung einer gewöhnlichen therapeutischen Dosis ausgelöst werden. Es versteht sich fast von selbst, daß ein geschädigtes, erschöpftes oder auch digitalisiertes Herz diesen Gefahren in wesentlich größeren Maße ausgesetzt ist als ein gesundes, kräftiges Organ" (HAAS).

h a t am Menschen geprüft, welche Adrenalinmenge noch ausreicht, eine operationsgerechte Vasokonstriktion bei der Lokalanästhesie zu erzeugen. Mittels thermoelektrischer Messungen h a t er die Vasokonstriktorenwirkung bestimmter Lösungen geprüft und festgestellt, daß noch Adrenalinkonzentrationen von 1:400 000 eine statistisch signifikante Temperaturerniedrigung an der unteren Nasenmuschel bewirkten als Ausdruck einer Vasokonstriktion am Injektionsort. Er hält eine Adrenalinkonzentration von 1:200000 als Zusatz zur Lokalanästhesie für vertretbar. Die Adrenalinhöchstdosis von 0,25 mg soll auf keinen Fall überschritten werden. Das Bestreben von H A A S , das Adrenalin zu reduzieren, deckt sich ganz mit unseren Bemühungen. Wir ( H A R N I S C H , 1 9 6 7 ) prüfen gerade in größerem Umfang das Octapressin als Vasokonstriktor. Dieser Wirkstoff, der weitgehend ungiftig ist und keine Allgemeinerscheinungen hervorruft, könnte das Suprarenin ebenso wie das Arterenol ablösen. H Ü G I N h a t nachweisen können, daß im Gegensatz zu Adrenalin, das unter der Narkose mit Zyklopropan, Trichloräthylen bzw. Halothan Arrhythmien (Kammertachykardie und Kammerflimmern) auslöst, bei Anwendung von Octapressin keine Rhythmusstörungen auftreten. Da wir häufig bei unseren Operationen auch bei den endotrachealen Narkosen in Kombination mit einer Lokalanästhesie arbeiten, um eine bessere Blutleere im Operationsgebiet zu erreichen, kommt dem Octapressin schon heute eine große Bedeutung zu. HAAS

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Nach MISSUKA und W E D E R h a t ein Vergleich zwischen Suprarenin und Odapressin als Zusatz bei der Lokalanästhesie folgende Ergebnisse gezeigt: Die lokale Blutleere ist bei Adrenalinzusatz deutlich überlegen, die Nachblutungsgefahr ist bei Ocirapres^manwendung geringer. Die Belastung des Kreislaufes ist bei Adrenalin eindeutig größer als bei Odapressinzus&tz. Der Odapressinzusatz h a t sich als wertvoll erwiesen bei adrenalinempfindlichen Patienten. Als routinemäßigen Lokalanästhesiezusatz geben MISSURA und W E D E R noch immer dem Suprarenin mit seiner besseren ischämischen Wirkung, insbesondere bei Tonsillektomien den Vorzug. Das Odapressin halten sie bei ausgesprochener Vasolabilität, Kollapsneigung, vegetativer Dystönie und bei anamnestisch bekannter Adrenalin-Überempfindlichkeit für angezeigt. I n ähnlicher Weise hat DE G R E N U S berichtet. BOLLOBAS beschreibt die gute Wirkung des Odapressin in folgenden Fällen: „Beim Umspritzen von postoperativen Blutungen, bei Oberflächenanästhesien, bei Nasenblutungen, bei parenchymatösen Blutungen nach dem Detamponieren, beim Stillen von Blutungen aus dem Epipharynx, in der Mikrochirurgie zur Verbesserung der Sichtverhältnisse (einige Tropfen konzentrierter Lösung; bei potenzierten Lokalanästhesien, wo die blutdruckstabilisierende Wirkung von Odapressin erwünscht ist." Unsere bisherigen Untersuchungen (Prüfung seit etwa 2 Jahren) sind günstig verlaufen. Die Vasopressine aus der Gruppe der neurohypophysären Hormone zeichnen sich durch eine antidiuretische lind vasokonstriktorische Aktivität aus. Durch Änderung der chemischen Struktur des Vasopressins (das wir [HARNISCH] in früheren Jahren auch geprüft haben) gelang es, die antidiuretische Wirksamkeit zu dämpfen und die pressorische Aktivität wesentlich zu steigern, so daß gegen eine Anwendung als Vasokonstriktor zur Lokalanästhesie keine Bedenken mehr bestehen. Lediglich bei Angina pectoris ist Vorsicht geboten, weil der Wirkstoff auch die Herzkranzgefäße verengt.

Dieses von BOISSONNAS und GUTTMANN dargestellte Vasopressin (Odapressin) — ein 2-Phenylalanin-8-Lysin — ist inzwischen weiterentwickelt worden. K Ö L E und HOLDZIEWICZ berichteten kürzlich über den neuen Vasokonstriktor POR 8, ein Ornithin 8 -Vasopressin, das im Vergleich zum Odepressin einen „aus 8mal stärkeren" Effekt besitzt. Bei 458 größeren Kiefer- und Gesichtsoperationen sowie bei über 1000 kleineren, vorwiegend ambulanten kieferchirurgischen Eingriffen wurde ein neues vasokonstriktorisch wirkendes Polypeptid mit der Bezeichnung POR 8 (Sandoz AG) verwendet. Der beste anämisierende Effekt war zu erzielen, wenn 5 I.E. P O R 8 (1 Ampulle) mit 50 ml phys. NaCl-Lösung, bzw. Xylocain verdünnt wurden, vorausgesetzt, daß eine Latenzzeit von 10 bis 15 Minuten nach Applikation eingehalten wurde. Die Intensität der Vasokonstriktion haben KÖLEU. Mitarb. bei den 458 Patienten mit größeren Eingriffen beurteilt und fanden in 81,4% eine sehr gute bis gute, in 17,6% eine befriedigende und lediglich in 1% der Fälle eine unbefriedigende Wirkung. Einen ähnlichen positiven Eindruck gewannen sie bei den über 1000 kleineren, an ambulanten Patienten durchgeführten Eingriffen. Die Dauer der Blutleere betrug durchschnittlich 120 Minuten. Die Verträglichkeit von POR 8 m u ß als außerordentlich gut bezeichnet werden, da leichte Nebenwirkungen nur bei zirka 1 % der Gesamtfallzahl beobachtet wurden. ( K Ö L E und HOLDZIEWICZ) Wir verwenden seit 2 J a h r e n das Odapressin, auch bei der normalen Anästhesie im Kiefergebiet in Kombination mit Xylocain und Xylonest, wenn auch der vasokonstriktorische Effekt gegenüber dem Adrenalin wesentlich geringer ist. Das Odapressin als vasokonstriktorischer Wirkstoff verursacht keinerlei Allgemeinerscheinungen und ist gegenüber Suprarenin zweifellos ein Fortschritt. Seit 1968 ist auch eine Odapressin-Xylonestlösung im Handel. Viele iatrogene Fehler werden der Lokalanästhesie und den gefäßverengenden Zusätzen zur Last gelegt. So ist von vielen Klinikern der Übergang vom Novocain zu den

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Lokalanästhesie

modernen, aber wesentlich toxischeren Lokalanästhetika ohne Änderung ihrer Technik bzw. ihrer Anweisungen an das Hilfspersonal vonstatten gegangen. In dem Kapitel Komplikationen haben wir uns mit den schweren Zwischenfällen beschäftigt, die in vielen Fällen letal ausgegangen sind. In letzter Zeit wurden Versuche durchgeführt, die durch die Vasokonstringentien hervorgerufenen Komplikationen durch beta-Rezeptorenblocker zu verhindern ( S C H I L L I , B Ü C H N E R und G E B H A R D T ; M A C H T E N S und O P I T Z ; M A C H T E N S und T E T S C H ) . Mit R e c h t bemerken die letzteren: „Die vielfach als Ursache von Zwischenfällen ausschließlich angeschuldigten vasokonstringierenden Zusätze der applizierten Lokalanästhetika sind aber nur einer der Faktoren, die für unerwünschte Kreislaufreaktionen, einen Kollaps oder sogar für Todesfälle verantwortlich gemacht werden können. Die Umstände des Eingriffes, die seelische Erregung und die Angst, ganz allgemein die Stressituation schaffen für diese ernsten Folgen die entscheidende Voraussetzung. Die endogene Ausschüttung der Katechinamine bei der Lokalanästhesie bedeutet einen unkontrollierbaren F a k t o r mit gefürchteten Kreislaufauswirkungen. Darüber hinaus verstärkt die exogene Zufuhr von Adrenalin und Noradrenalin zum Lokalanästhetikum diese exzessive Stimulation und bewirkt auch die entsprechende Gegenregulation." M A C H T E N S und T E T S C H glauben, daß für das Zustandekommen von abnormen Herz- und Kreislaufregulationen die endogene und exogene Überflutung des Organismus mit Katechinaminen entscheidend sind. Über bestimmte Rezeptoren an Organen werden Adrenalin und Noradrenalin wirksam. Die Hypothese von AHLQUIST, der adrenerge alpha- und beta-Rezeptoren annahm, fand nicht nur ihre Bestätigung durch entsprechende Reaktionen verschiedener Organe auf sympathiekomimetische Amine. Durch Synthese und Einsatz von Hemmstoffen, die ihrerseits kompetitiv eine Hemmung der Rezeptoren hervorrufen, wurde diese Theorie ebenfalls untermauert, ohne daß bis heute ein morphologisches Substrat dieser Rezeptoren bekannt ist. Die sogenannten beta-Rezeptoren am Herzen übermitteln die Stimulation durch die Katechinamine. Das bedeutet eine positiv inotrope und chronotrope Wirkung. Die beta-Rezeptorenblocker wurden vorwiegend in der inneren Medizin therapeutisch eingesetzt, und zwar namentlich bei Herzrhythmusstörungen, bei der Hyperthyreose, beim Phäochromozytom und bei der Digitalisüberdosierung. Nach vorausgegangenen Veröffentlichungen über die Gabe von beta-Rezeptorenblockern per os zur Vermeidung der Gefahren in der Lokalanästhesie ( S C H I L L I und Mitarb., M A C H T E N S und Mitarb.) berichten M A C H T E N S und T E T S C H erstmalig über vergleichende Kreislaufuntersuchungen mit einer injizierbaren Kombination eines Lokalanästhetikums mit einem beta-Rezeptorenblocker (Ciba3 9'089-Ba). Durch Puls- und Blutdruckmessungen sowie durch EKG-Kontrollen wird der eindrucksvoll günstige Effekt dieser Medikamentenverbindung belegt. Wörtlich sagen M A C H T E N S und T E T S C H : „Die Komplikationsrate bei der örtlichen Betäubung konnte erheblich herabgesetzt werden. Die Ergebnisse bringen eine wesentliche Verbesserung der auch heute noch mit Gefahren verbundenen Lokalanästhesie.''

C. Wirkungsweise Die Frage des Wirkungsmechanismus eines Lokalanästhetikums ist eng mit der Frage des eigentlichen Wesens der Erregung verbunden. Im Ruhezustand sind die Membranen der Nerven und Muskelfasern gedichtet; mittels feinster intrazellulär eingeführter Elektroden konnten Potentialdifferenzen von 70—90 mV nachgewiesen werden. Die Außenfläche der Membranen ist in Ruhelage stets positiv, die Innenfläche negativ geladen. Bei Erregung kommt es zur Auflockerung der Grenzflächen, die Membran wird depolarisiert. Na + Ionen dringen ein, äquivalente K + Ionen treten aus der Nerven- bzw. Muskelfaser aus. Dem Ablauf einer Erregungswelle entlang einer Faser entspricht also ein elektrischer Entladungsvorgang mit Austausch von K + und N a + Ionen durch die Grenzmembran hindurch. Die Lokalanästhetika greifen nun in diesen Erregungszustand ein, indem sie die Permeabilität der Grenzmembranen herabsetzen, so den Austausch von K + und N a + Ionen

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je nach Konzentration des Anästhetikums partiell oder total verhindern, so d a ß auch eine Erregung der Nerven- bzw. Muskelfasern vereitelt wird (FLECKENSTEIN [ 1 9 5 4 ] ) . F ü r die Auslösung der Anästhesie spielt der Konzentrationsfaktor in den einzelnen Lokalanästhesielösungen eine sehr große Rolle. CHERASKIN u n d BRUNSON (1960) haben sich mit diesem Thema eingehend beschäftigt u n d kommen zu folgendem Ergebnis: J e höher die Konzentration der Anästhesielösung ist, umso schneller t r i t t die Anästhesie ein, umso größer ist die Tiefe der Anästhesie u n d ihr Ausmaß u n d umso länger dauert die Anästhesie. Die Menge der Anästhesielösung k a n n jedoch auch geringer sein, die E r h ö h u n g der Konzentration des Vasokonstriktor ergibt d a n n die gleichen Resultate. Wenn dem Lokala n ä s t h e t i k u m Suprarenin hinzugesetzt wird, sind die Nebenwirkungen allerdings größer. I n der plastischen Chirurgie wird m a n bemüht sein, möglichst niederprozentige Anästhesielösungen mit mäßigem Suprareninzusatz, (1:300000) bzw. mit 1-Nor-Adrenalin zu verwenden. Dadurch m ü ß t e theoretisch die Dauer der Anästhesie abgekürzt u n d eine geringere Anästhesietiefe vorhanden sein. Es interessieren daher besonders alle Untersuchungen, die Dauer der Anästhesie zu verlängern bzw. zu verkürzen und die Tiefe der Anästhesiewirkung zu beeinflussen. MESSINA h a t experimentelle Untersuchungen über die Kombination von Lokalanästhesie mit einigen Vitaminen durchgeführt. I m Kornealversueh am Kaninchen bewirkten Thiamin, Kokarboxylase u n d Adenosintriphosphor-Säure eine starke Verminderung der Anästhesie, Vitamin B 2 und B 6 h a t t e n geringen Einfluß, hingegen zeigte Vitamin B 1 2 eine deutliche Verlängerung der Novocainwirkung. GABKA h a t erst kürzlich folgenden interessanten B e f u n d über Anästhesietiefe und -dauer erheben können. Die Lokalanästhesie t r i t t rascher ein, ist intensiver und dauert wesentlich kürzere Zeit, wenn dem Anästhetikum Actihaemyl zugesetzt wird. Actihaemyl ist ein eiweißfreier E x t r a k t a u s h ä m o l v s i e r t e m B l u t v o n K ä l b e r n m i t h o h e r R E S A k t i v i t ä t . W e g e n d e r W i r k l i n g d e s Actihaemyls auf die e n d o g e n e A t m u n g lind auf die W u n d h e i l u n g u n t e r s u c h t e n wir (GABKA) dieses P r ä p a r a t auf E i n f l u ß u n d A u s w i r k u n g auf L a t e n z z e i t u n d D a u e r d e r A n ä s t h e s i e . N a c h I n j e k t i o n v o n 5 ml L ö s u n g (1 ml Actihaemyl + 4 ml 2 % Xylocain m i t 1 : 8 0 0 0 0 A d r e n a l i n z u s a t z ) w a r e n sowohl L a t e n z z e i t als a u c h die D a u e r d e r A n ä s t h e s i e w e s e n t l i c h k ü r z e r . Die E r g e b n i s s e dieser U n t e r s u c h u n g e n v o n G A B K A zeigt T a b e l l e δ. Sie g i b t die A u s k u n f t ü b e r die L a t e n z z e i t u n d D a u e r d e r L o k a l a n ä s t h e s i e b e i m Anlegen i n t r a o r a l e r K i e f e r b r u c h s c h i e n e n bei ein u n d demselben Patienten. Tab. 5: Beeinflussung der Lokalanästhesie durch

F ä l l e 12 Linke Kieferhälfte mit Rechte Kieferhälfte ohne

Actihaemyl Actihaemyl

Actihaemyl

Latenzzeit

D a u e r d. Anästhesie

42.04 sek. 103,22 sek.

134 m i n .

55 m i n .

Eine Förderung der S a u e r s t o f f a u f n a h m e u n d des gesamten Zellstoffwechsels durch diesen B l u t e x t r a k t wurde nachgewiesen. Die Befunde deuten darauf hin, d a ß diese Wirkungen über eine E r h ö h u n g der Membranpermeabilität durch Actyhaemyl Zustandekommen (SCHÄFER u n d LAMPRECHT).

Die unterschiedlichen Ergebnisse zur Frage des Kaliumsulfatzusatzes zur Lokalanästhesie veranlaßten uns (HARNISCH und STIEMKE, 1 9 5 7 ) zur erneuten P r ü f u n g . Die experimentellen Untersuchungen nach der von ENGELTER, HARNISCH und MARTIN angegebenen Methode der elektrischen Reizschwellenmessung a m menschlichen Zahn, ergaben, d a ß der Zusatz von Kaliumsulfat zur Anästhesielösung nicht als Vorteil gewertet werden k a n n .

BO I k

J . GABKA und Η . HARNISCH, L o k a l a n ä s t h e s i e

Wie T S C H E R N I A K ( 1 9 6 7 ) feststellte, konnte durch die sogenannte L-Isohydrie, also die Neutralisation anästhetischer Lösungen durch alkalische Lösungsmittel, die Wirkung des Anästhetikums um ein Vielfaches gesteigert werden. Die Forderung nach der Isohydrie der Lösungen für die örtliche Betäubung wird immer wieder erhoben. Wir ( H A R N I S C H , 1 9 5 6 ) haben die Bedeutung des pH-Wertes für die Wirksamkeit lokalanästhetischer Lösungen in experimentellen Prüfungen untersucht. Die Ergebnisse zeigten, daß durch die Einstellung des pH-Wertes der Anästhesielösung etwa auf den Neutralpunkt eine bessere Verträglichkeit der Lösung erzielt wird, zugleich läßt sich auch die Wirksamkeit der Novocain-Lösung durch die pH-Wert-Änderung deutlich erhöhen. S A U E R W E I N ( 1 9 5 5 ) hat sich mit der Frage von pH-Wert-Veränderungen bei alternden Anästhesielösungen beschäftigt und hat bei 69 handelsüblichen Anästhesie-Zubereitungen vergleichende Untersuchungen über osmotisches Verhalten und H-Ionenkonzentration durchgeführt. Die Resultate zeigten, daß der während der Lagerung der Präparate ablaufende Zersetzungsprozeß, dem das Lokalanästhetikum in verschiedenem Grade unterliegt, ein Absinken der pH-Werte zur Folge hat. Wie aus der Arbeit von C H E R A S K I N und B R U N S O N hervorgeht — diese Tatsache wird von jedem Kliniker einfach als selbstverständlich hingenommen — ist die Tiefe der Anästhesie und auch ihre Dauer abhängig von der Konzentration der Anästhesielösung. Es war daher besonders wichtig, eine ausreichende Tiefe und eine für jeden Eingriff entsprechende Dauer der Anästhesie zu erhalten. Gewöhnlich wirkt das Lokalanästhetikum lange Zeit nach und ist noch längere Zeit nach dem operativen Eingriff nachweisbar. Aus diesem Grunde ist die Aufhebung der Wirkung von Lokalanästhetika von großem Interesse. L E N D L E (1956), der sich mit diesem Thema beschäftigt hat, stellt fest, daß es bis jetzt kein Pharmakon gibt, das die Wirkung eines Lokalanästhetikums nach der Injektion sofort aufzuheben vermag. Bis heute ist die Beschleunigung der Spaltung weder des Novocains noch des die Resorption verzögernden Adrenalins im Gewebe mit Hilfe eines Stoffes möglich. Auch bei den modernen, nichtesterasespaltenden Lokalanästhetika ist eine sofortige Aufhebung der Wirkung bisher nicht durchführbar. Demgegenüber stehen die Untersuchungen von G A B K A ( 1 9 6 6 ) die nachgewiesen haben, daß durch Beimischung des Actihaemyls, eine wesentlich größere Tiefenwirkung des Anästhetikums erzielt wird, bei dem jedoch durch die sauerstoffaktivierende Wirkung eine wesentlich kürzere Anästhesie nachweisbar ist. In ähnlicher Weise wirkt zweifellos die Hyaluronidase (Kinetin, Apertase), ein die Hyaluronsäure spaltendes Ferment, das aus Stierhoden gewonnen wird. Bei Zusatz von Hyaluronidase zur iVouocarälösung ist die Anästhesie schneller und ausgedehnter (Spreading-factor — Ausbreitungsfaktor) (ROSENTHAL, 1952). H E C T O R ( 1 9 5 6 ) berichtet über die schnelle Beendigung der Anästhesie durch Kinetin nach chirurgischen Maßnahmen und gibt genaue Auskunft über die Anwendung der Hyaluronidase. Die Anwendung bzw. Beimischung der Hyaluronidase (Kinetin, Apertase) empfiehlt sich in der plastischen Chirurgie insbesondere bei Reoperationen, also bei Korrekturoperationen im Bereich der Lippen und des Gaumens, ζ. B . bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Weiterhin haben wir sehr günstige Erfahrungen mit dem Kinetinzusatz bei Lappenverpflanzungen, beim Fräsen und Schleifen der Haut sowie bei Narbenkorrekturen beobachtet. Infolge der herabgesetzten Durchblutung im Narbenbereich kommt es bei Verwendung normaler Anästhesielösungen — also ohne Zusätze — nicht zu einer ausreichenden Anästhesie tiefe. Aus diesem Grunde sollte man sich des Spreading-Effektcs bedienen und bei solchen Wiederholungsoperationen, insbesondere bei Injektionen in größere Narbenplatten Hvaluronidase-Zusätze benutzen.

Allgemeiner Teil

U | 31

L U D U E N A ( 1 9 5 7 ) h a t die Wirkungen verschiedener Zusätze auf die Dauer der Infiltrationsanästhesie untersucht. Während früher die Dauer und die Tiefe des Wirkungseffektes eines Lokalanästhetikums tierexperimentell geprüft werden mußten, ist in den letzten J a h r e n auf diesem Gebiet ein Wandel eingetreten. Bereits 1 9 2 6 reizte H E I N R O T H gesunde Zähne von Menschen unipolar durch Induktionsströme. Dieses Verfahren zeigte recht gute Ergebnisse, obwohl die von ihm verwendete angefeuchtete Platinschlinge als differente Elektrode wegen der Inkonstanz des Übergangswiderstandes nicht geeignet erscheint. E N G E L T E R , H A R N I S C H und M A R T I N haben die elektrische Reizschwellenmessung am menschlichen Zahn zur Prüfung der Wirksamkeit von Lokalanästhetika eingeführt. Die gewonnenen Werte wurden in Abhängigkeit von der Zeit in einem Diagramm aufgetragen,, aus dem der einzelne Wirkungseffekt abzulesen ist. Inzwischen haben wir die Methodik der Reizschwellenmessung weiter entwickelt (GABKA, 1 9 6 4 ) ; ebenso hat M A R T I N sein Meßgerät zu dem ,,Senso-Test" umgearbeitet. Erst kürzlich bemerkte er sehr richtig:

„Durch elektrische Reizschwellenmessungen ermittelte Verlaufskurven moderner Lokalanästhetika zeigen, daß der Höhepunkt der Knochenanästhesie bisher allgemein für den Beginn eines chirurgischen Eingriffes nicht genutzt wurde. M a i l wartet im allgemeinen ab, bis der Patient aufgrund seiner subjektiven Wahrnehmungen an Schleimhaut und Weichteilen nach konventioneller Befragung durch den Arzt den Zeitpunkt des Eingriffbeginns billigt. Das Anästhesiegeschehen im Kieferknochen läßt sich durch elektrische Beizschwellenmessungen am menschlichen Zahn zeitlich-qualitativ erfassen, so daß man von Rückschlüssen, die von dem Grad der Oberflächenbetäubung abgeleitet werden, unabhängig ist. Dieses bisher geübte Vorgehen kann so manchen Anästhesieversager nach Einsatz moderner Lokalanäs thetika erklären, weil der Zeitpunkt der Intervention falsch gewählt wurde (MARTIN, 1966)".

Xeuerdings benutzen wir ein elektronisch gesteuertes Pulpen-Vitalitätsgerät zur Reizschwellenbestimmung (Bofors AG). Docli nicht allein die Tiefe und Dauer des Anästhetikums sind von entscheidender Bedeutung. Besonders interessant sind die Untersuchungen über die anatomische Ausbreitung, über die Diffusion der Anästhesielösungen und über anatomische Varianten als mögliche Ursachen für Fehlschläge bei lege artis durchgeführten Anästhesien. S T E I X H O F F ( 1 9 6 4 ) h a t M e p i v a c a i n - ( $ c a « ( / i c a i H ) - L ö s u n g e n benutzt und Untersuchungen über die Diffusionsfähigkeit und über die vasokonstriktorische Wirkung des Mepivacain (,Scandicain) durchgeführt. In seiner Arbeit, in der er über 282 Fälle berichtet, gibt er eine

Abb. 1. Ausbreitungsfeld nach 2,3 \'2 und ö Minuten nach Injektion von 2 ml einer l%igen Sca ndi cain] ö s u ng

nach 2 Min

MM

32 I U

J . GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

genaue Darstellung über die Dauer des Wirkungseintritts und die anatomische Ausbreitung. Nach Injektion der l%igen Lösung unter die Haut wurde nach 2, 3 1 /, und 5 Minuten durch Stiche mittels der Injektionsnadel festgestellt, wie weit die Anästhesie zu genannter Zeit fortgeschritten ist. Abbildung 1 veranschaulicht diese Methode und die Tabelle 6 gibt die Resultate wieder. Auch B R A N C H E T T I und C I A N I (1965) haben sich mit der Diffusion der Lokalanästhesie beschäftigt. Die Untersuchungen —sie setzten dem Lokalanästhetikum ein Kontrastmittel zu — zeigten ζ. B. bei Plexusanästhesien des N. mandibularis in 15 Fällen: Bei Verwendung von nur 1 ml ist zur Erzielung einer ausreichenden Anästhesie die genaue Lokalisierung der Nadel nötig, nicht aber bei Verwendung von 1,8—2 ml. Die Diffusion ist direkt proportional der Menge des Anästhetikums. Der Zusatz von Vasokonstriktoren hemmt die Ausbreitung des Anästhetikums wenigstens für die ersten 15 Minuten. Tab. 6 Anästhesiertes Areal nach der Injektion von jeweils 2 ml Scandicain Injektionsort 1. 2. 3. 4. 5.

Fall Fall Fall Fall Fall

Oberschenkel Unterschenkel Unterschenkel trophisch gestört Oberschenkel Unterschenkel trophisch gestört

2 Min. etwa etwa etwa etwa etwa

23 19 8 27 14

qcm qcm qcm qcm qcm

3,5 Min . etwa etwa etwa etwa etwa

39 26 19 38 20

qcm qcm qcm qcm qcm

1% 5 Min. etwa etwa etwa etwa etwa

51 55 34 58 24

qcm qcm qcm qcm qcm

In ähnlicherWeise hat I S A A K (1935) röntgenologische und klinische Untersuchungen über die Ausbreitung der Lokalanästhesie durchgeführt. Die Ausbreitung des Anästhetikums wurde auf zweierlei Weise festgestellt. Erstens durch Injektion von Neo-JodipinPanthesin-Adrenalin und darauf folgende Röntgenaufnahmen. Zweitens durch Feststellung der Grenzen der betäubten Zonen. Dabei ergab sich: 1. Leitungsanästhesie am Foramen infraorbitale: Am vollständigsten b e t ä u b t ist in der Regel die Gegend des Eckzahns und der distalen Hälfte des 2. Schneidezahns. Nach distal n i m m t die Betäubung ab (bei 4 beträgt sie noch 80%, bei 5 40—32%, bei (5 18—8%). Wichtig ist, daß die Mittellinie nur in 14% erreicht wird. 2. Tuberanästhesie: Vollständige oder fast vollständige Betäubung ist zu erwarten auf der bukkalen H ä l f t e des Tubers hinter dem Weisheitszahn und in der Gegend von 8 und 7, auch noch auf der distalen Seite von ö. Nach v o m n i m m t die Betäubung ab bis in die Gegend von 4 (4%). Am Gaumen entsteht, wenn auch nur in einem Drittel der Fälle und auch nur am Weisheitszahn, eine Betäubung. 3. Anästhesie am Foramen palatinum rnajus: Sie ergibt mit restloser Sicherheit eine Betäubung vom weichen Gaumen bis zum ersten Prämolaren. Nach den Schneidezähnen zu wird die Betäubung geringer, dazu k o m m t vielfach eine Betäubung der Wangenseite des Tuber und Weisheitszahnes. 4. Mandibularanästhesie, Lingualseite: Bis in die Gegend von 4 ist die Betäubung absolut sicher, die Gegend des Eckzahns wird in 90%. die des seitlichen Schneidezahns in 71%, die des mittleren in 48% mit b e t ä u b t . Auf der Wangenseite ist die Weisheitszahngegend meist (83%) betäubt. W'eiter nach vorn nehmen infolge der Wirkung des N. buccinatorius die W'ahrscheinlichkeitszahlen bis zum ersten Prämolaren ab, dann bis zur mesialen Hälfte des Eckzahns wieder zu. Dann nehmen sie wegen der Anastomosen mit der Gegenseite wieder ab. •5. Leitungsanästhesie des N. buccinatorius (in der Wange an der Kreuzung zwischen oberer Kauebene und dem vorderen R a n d des Processus muscularis mandibulae): Hierbei entsteht ü b e r h a u p t keine absolut sichere Betäubung auf der Wangenseite des unteren Alveolarfortsatzes. Am stärksten ist sie in der

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6 I 33

Oberkiefergegend von 6, der distalen H ä l f t e von 5 u n d der mesialen von 7. I n ihren letzten Ausläufern k a n n diese B e t ä u b u n g bis zum ersten Prämolaren und hinter den Weisheitszahn reichen.

Aus Röntgenbildern ist zu ersehen, d a ß sich selbst die ölige Injektionsflüssigkeit sehr weit ausbreitet. So entstehen bei Leitungsbetäubungen durch weites Vordringen der Lösung noch zusätzliche terminale Anästhesien. Sehr interessante Ergebnisse zeitigt die Arbeit von I N K E u n d E R N S T ( 1 9 6 3 ) , die über anatomische Variationen als mögliche Ursachen f ü r Fehlschläge bei lege artis durchgef ü h r t e r Leitungsanästhesie am N. mandibularis berichtet. An der Innenfläche des aufsteigenden Unterkiefer-Astes sind in einem hohen Prozentsatz in der Umgebung der Lingula akzessorische Foramina zu beobachten. Bei Kindern u n d Jugendlichen treten sie beinahe in 100% auf, bei Erwachsenen in 70%, u n d bei Greisen (im zahnlosen Zustand) sind sie in 40% vorhanden. I n diese Foramina können, wenn auch relativ selten, Nerven eintreten. An der vorderen Fläche des aufsteigenden Unterkieferastes findet m a n in der Fossa retromolaris zwischen Linea obliqua u n d Christa buccinatoria) bei Kindern in 0,4%, bei Jugendlichen in 5,3%, bei Erwachsenen weißer H a u t f a r b e in 6,9% der untersuchten Seiten ein Foramen, retromolare. Von diesen Foramina können drei verschiedene Arten akzessorischer Kanäle ihren Ursprung nehmen. Es handelt sich hier entweder u m einen canalis retromolaris medialis, der zum Mandibularkanal zieht, einen Canalis retromolaris lateralis, der bukkal von den Zähnen verläuft oder u m einen Canalis retromolaris intermedius, der Anschluß an die Wurzeln der unteren Molaren gewinnt. An den untersuchten 36 halben menschlichen Köpfen wurde zwölfmal eine Anastomose zwischen N. mandibularis u n d dem N. auriculotemporalis, viermal zwischen ihm u n d dem N. lingualis, u n d je einmal zwischen N. mandibularis u n d der Chorda t y m p a n i bzw. dem N. buccalis festgestellt. Außerdem war siebenmal eine Inselbildung a m N. mandibularis u n d dreimal ein mehrwurzeliger Ursprung dieses Nerven zu beobachten.

A n h a n d dieser anatomischen Befunde wird von I N K E u n d E R N S T empfohlen, bei Mißerfolgen der Leitungsanästhesie am N. mandibularis je ein Anästhesiedepot in der Fossa retromolaris sowie hinter u n d vor der Lingula anzulegen. W e n n wir uns bisher nur mit dem Wirkungsmechanismus, der Tiefe und der Dauer der Anästhesie beschäftigt haben, wollen wir uns jetzt einem Kapitel zuwenden, das gerade in der plastischen Chirurgie von besonderer Bedeutung ist. Die Wirkung der Lokalanästhetika auf die Wundheilung wird außerordentlich verschieden beurteilt. Wir selbst haben nur sehr gute E r f a h r u n g e n machen können und auch am narkotisierten Patienten verwenden wir routinemäßig Lokalanästhetika. Wegen der vasokonstriktorischen Eigenschaften bevorzugen wir das Mepivacain (Scandicain ohne), das Prilocain (Xylonest) oder das Lidocain (Xylocain) mit einem Zusatz von Octapressin oder Suprarenin 1:300000. Wie wir diese Mittel jetzt routinemäßig verwenden, haben wir vor J a h r e n die Novocain-SwprareninLösung verwendet u n d k o n n t e n in langen J a h r e n unserer Tätigkeit keine wesentlichen Wundheilungsstörungen feststellen, wenn der Suprarenin&nteil der Anästhesielösung genügend gering gehalten wurde. Unsere in der plastischen Chirurgie gemachten E r f a h r u n g e n scheinen die Untersuchungen von S T E I N H O F F zu bestätigen, der die H a u t t e m p e r a t u r e n nach I n j e k t i o n von Scandicain gemessen h a t : , . ΐ η allen vorliegenden Fällen wurde die Streckseite des Oberschenkels, u n d zwar das mittlere Drittel, als Injektionsort gewählt. Nachdem es sich u m bettlägerige P a t i e n t e n handelte, wurde zunächst 3 Minuten gewartet, bis sich die Temperatur, durch die B e t t w ä r m e erhöht, normalisierte. Danach wurden die H a u t t e m p e r a t u r w e r t e an drei Stellen, etwa in einer Ausdehnung von 10—11 cm gemessen, wobei besonders der Mittelwert genau in dem Bereiche der nachfolgenden Applikationsstelle gewählt wurde. W ä h r e n d der gesamten Versuchsdauer blieb die E x t r e m i t ä t aufgedeckt. Auf diese Art u n d Weise ergeben sich gemessen in Abständen \ r on 5 Minuten, folgende H a u t t e m p e r a t u r e n über der Injektionsstelle (s. Tab, 7—9). Beim Vergleich der sowohl oberhalb wie unterhalb u n d über der Injektionsstelle gemessenen Werte wurde festgestellt, daß zunächst der größte temperatursenkende E f f e k t über der Injektionsstelle zu verI l a n d b . P l a s t . C'liir., 13(1. I

02

34 I k

J . GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

Tab. 7 Hauttemperaturen nach Injektion von 2 ml Scandicain 0,5% in °C

Leerwert nach 5 Min. nach 10 Min. nach 15 Min. nach 20 Min. nach 25 Min. nach 30 Min. nach 35 Min. nach 40 Min.

Fall 1

Fall 2

Fall 3

Fall 4

Fall 4

Fall 6

32,6 31,0 32,2 32,7 33,0 32,9 32,6 32,7 32,6

33,1 31,6 32,4 32,9 33,2 33,1 32,8 33,0 33,0

32,5 30,4 31,2 31,9 32,1 31,7 32,0 32,2 32,4

33,1 31,5 31,8 32,6 32,6 32,5 32,5 32,4 32,5

33,8 33,4 33,4 33,6 33,7 33,7 33,7 33,5 33,6

32,9 32,5 32,7 33,1 33,1 33,1 32.8 32,8 32,6

Tab. 8 Hauttemperaturen nach Injektion von 2 ml Scandicain 1 % in °C

Leerwert nach 5 Min. nach 10 Min. nach 15 Min. nach 20 Min. nach 25 Min. nach 30 Min. nach 35 Min. nach 40 Min.

Fall 1

Fall 2

Fall 3

Fall 4

Fall 5

Fall 6

32,6 31,0 32,0 32,6 32,7 32,8 33,1 33,0 32,8

32,2 29,4 30,7 30,9 31,2 31,3 31,6 31,7 32,1

32,8 30,2 31,1 31,4 31,8 31,9 32,1 32,1 32,3

33,1 31,3 31,7 32,1 32,1 32,4 32,3 32,4 32,6

33,0 29,5 31.1 31,5 31,6 31,6 31,9 32,0 32,5

32,9 30,1 30,8 31,4 31,6 32,0 32,7 32,8 32,9

Tab. 9 Hauttemperatur nach Injektion von 2 ml Scandicain 2% in °C

Leerwert nach 5 Min. nach 10 Min. nach 15 Min. nach 20 Min. nach 25 Min. nach 30 Min. nach 35 Min. nach 40 Min

Fall 1

Fall 2

Fall 3

Fall 4

Fall 5

Fall 6

32,7 30,0 31,5 31,8 31,8 32,0 32,0 32,1 32,4

33,3 31,7 31,9 32,0 32,7 32,6 33,1 33,0 33,1

31,6 29,2 30,0 31,1 31,2 31,5 31,6 31,5 31,9

32,4 30,2 30,2 31,4 32,0 32,2 32,4 32,4 32,9

31,9 30,1 30,5 30,5 30,9 31,6 31,9 31,7 31,9

33,1 31,2 31,9 32,2 32,6 32,6 32,8 33,0 33,3

zeichnen ist. Oberhalb und unterhalb der Applikationsstelle sinken die Werte später und deutlich geringer ab. Durchschnittlich gesehen normalisiert sich die Hauttemperatur etwa nach 20—25 Minuten, um nach 40 Minuten zumindest den Ausgangswert erreicht zu haben. In einigen Fällen blieb dies nicht der Endwert, sondern die Temperatur stieg darüber hinaus an."

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Allgemeiner Teil

In ähnlicher Weise sind die experimentellen Untersuchungen über die bakteriziden und bakteriostatischen Eigenschafte?i einiger Lokalanästhetika von STÜBEN (1954) zu bewerten. STÜBEN untersuchte verschiedene Lokalanästhetika mit ihren vasokonstriktorischen Zusätzen auf ihre bakterizide und bakteriostatische Wirkung mittels der Suspensions- und Keimträgermethode. Als Testkeime dienten Stämme von Staph, aur. haem., Bacterium pyocyaneum und Bacterium coli commune. Einige Lokalanästhetika töteten den Staph, aur. haem. innerhalb von 60 Minuten. Sie übertreffen damit das 0 , 1 % i g e Sublimat, das 120 Minuten benötigte. Bei allen anderen Mitteln erfolgte die Abtötung der Staphylokokken erst nach einer Einwirkungszeit von 3 Tagen, mit Ausnahme der Procain-Präparate, die auch nach dieser Zeit keine bakterizide Wirkung auf Staphylokokken ausübten. Am widerstandsfähigsten gegen die geprüften Lokalanästhetika war der Staph, aur. haem.-Stamm, am leichtesten anzugreifen waren die Pyocyaneus-Bakterien. Die Messung der Bakteriostase erfolgte durch Bestimmung der Hemmzonengröße auf Bouillon- und Serumagarplatten und durch Trübungsmessung im PULFRICH-Photometer.

Die bakteriostatische Wirkung aller heute gebräuchlichen Lokalanästhetika gegen die verwendeten Testkeime ist u. E . jedoch so gering, daß dieser Effekt nicht von ausschlaggebender klinischer Bedeutung sein kann (HARNISCH U. LAMMERS, 1 9 5 3 ) . Demgegenüber haben ZINNER, JABLON, SANDERS und SASLAW Untersuchungen über zytotoxische Effekte von Lokalanästhetika in der Gewebskultur angestellt. Es wurden sieben gebrauchsfertige lokalanästhetische Gemische geprüft, eines von diesen ζ. T. ohne Adrenalin, ζ. T. mit zwei verschiedenen Adrenalinzugaben; als Vergleich diente eine physiologische Kochsalzlösung bzw. die 2%ige Procainlösung. Bei diesen tierexperimentellen Untersuchungen wurden Färbungen mit Trypanblau vorgenommen, um lebende von toten Zellen zu unterscheiden. Alle Anästhetika wirken zytotoxisch, das eine Präparat stärker, das andere schwächer, bei ein- bis zweistündiger Einwirkung wirken aber alle zelltötend, behaupten die Verfasser. Die ZiNNERsche Arbeit ist zweifellos von experimentellem Interesse, hat aber klinisch keine Bedeutung. Es ist verständlich, daß Lokalanästhesielösungen auf isolierte Zellen toxisch wirken, deshalb muß eine solche Lösung aber nicht eine schädigende Wirkung auf Zellverbände im lebenden Organismus haben, bzw. der Effekt ist so gering, daß er in der Praxis nicht berücksichtigt werden muß. BJÖRLIN (1956) beschreibt einige Versuche über die gewebsschädigende Wirkung eines Kombinationsanästhetikums vom Typ Procain-Tetracain-Corbadrin. Als Versuchsobjekte dienten ihm weiße Ratten. Unter Lokalanästhesie mit dem zu prüfenden Lokalanästhetikum wurden ihnen Wunden gesetzt, deren Verhalten, vor allem gegen Beanspruchung durch Zugkräfte, im Verlauf der Heilung kontrolliert wurden. Es zeigte sich eine „außerordentlich deletäre Wirkung des Präparates", ob es mit oder ohne Zusatz eines Vasokonstringens angewandt war, auf die Gewebe, wobei eine Herabsetzung der Wundfestigkeit besonders auffiel. Die makroskopischen und mikroskopischen Untersuchungen ließen ausgedehnte Blutungen und andere, hauptsächlich auf die Gefäße lokalisierte Schäden erkennen. Eine Herabsetzung der Zugfestigkeit nach Wundsetzung, wie sie BJÖRLIN beobachtet hat, konnten wir — wahrscheinlich weil wir das toxische Tetracain (Pantocain) lediglich zur Oberflächenanästhesie benutzen — nicht feststellen. Wir haben in den letzten 15 Jahren allein etwa 2000 Operationen zum Verschluß von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten durchgeführt. Bei all diesen Operationen, die unter zusätzlicher Lokalanästhesie an narkotisierten Patienten durchgeführt wurden, konnte trotz sehr breiter Lippenspalten beispielsweise — und das ist ein typischer Prüfstein — keine einzige Dehiszenz der zusammengefügten Lippenstümpfe festgestellt werden. Wir wollen demgegenüber natürlich zugeben, daß mit Sicherheit Wundheilungsstörungen auftreten, wenn eine hochprozentige Anästhesielösung oder ein sehr hoher Zusatz von Vasokonstringentien benutzt wird. 62·

36 I k

J . GABKA und Η . HARNISCH, Lokalanästhesie

Wir ( H A R N I S C H ) haben uns eingehend mit der Toxizität der Lokalanästhetika auseinandergesetzt. Diese Untersuchungen finden ihren Niederschlag in einer Reihe von Arbeiten, aus denen im folgenden ein Absatz kurz zitiert werden soll: „ U m festzustellen, ob zwischen den 2- und 4%igen Ν ovomι «1 ös u η ge η bei submuköser Injektion Toxizitätsunterschiede vorhanden sind, wurden experimentelle Versuche an Kaninchen durchgeführt. Es konnte festgestellt werden, daß die 2%ige Novocainlösung ohne Ruprareninzus&tz bei gleicher Novocainmenge eine größere Toxizität aufweist als die 4%ige Lösung mit Suprareninzusatz, was offenbar auf die Resorptionsfläche zurückzuführen ist; denn bei 2%iger Lösung wird ja entsprechend die doppelte Menge Flüssigkeit injiziert" (1954).

Abschließend ist festzustellen, daß die Wirksamkeit der Lokalanästhetika in den letzten 25 J a h r e n wesentlich verbessert werden konnte. Vor allem die skandinavischen Präparate Lidocain (Xylocain), Mepivacain (Scandicain) sind dem Procain (Novocain) überlegen, wobei allerdings zu bedenken ist, daß besonders beim Lidocain auch eine höhere Toxizität in Kauf genommen werden muß. Es ist die Pflicht des Arztes, sich mit den Eigenschaften der lokalanästhetischen Mittel zu beschäftigen, wenn er erfolgreich und ohne Komplikationen Operationen in Lokalanästhesie durchführen will. Die Dosierungsfragen sind mit der Operationsschwester durchzusprechen, die Toxizität muß bedacht werden, der Vasokonstriktorzusatz soll bei den verschiedensten Operationen individuell gehandhabt werden. Jedenfalls sind die lokalanästhetischen Wirkstoffe und die vasostriktorischen Zusätze so verbessert worden, daß eine gefahrlose Lokalanästhesie bei den verschiedensten Indikationen heute erfolgreich und zweckmäßig für Patienten und Arzt vorgenommen werden kann. D. Komplikationen Da alle Lokalanästhetika mehr oder weniger toxisch sind, ist von der Deutschen Arzneimittelkommission für jedes Lokalanästhetikum eine zusätzliche Grenzdosis festgelegt worden. Es ist jedoch verständlich, daß es sich hier nicht um eine absolute Sicherheitsgrenze handelt, bei deren Einhaltung keine Nebenwirkungen auftreten könnten ( A U B E R G E R ) . Die Toxizität richtet sich, wie wir schon im vorigen Kapitel ausgeführt haben, nach den Zusätzen, also insbesondere nach den Vasokonstringentien, und hier spielt wiederum die Konzentration eine große Rolle. Weiterhin kommen physische und psychische Momente in Frage, also schlechthin die Ausgangslage, die zu Komplikationen führen können. Wenn nach S C H U C H A R D T und S C H Ö N folgende Dosen nicht überschritten werden sollen: 250 100 40 20

ml %%ige Lösung ( = ml l%ige Lösung ( = ml 2%ige Lösung ( = ml 4%ige Lösung ( =

1,25 1,0 0,8 0,8

g g g g

Procain) Procain) Procain) Procain),

so wären diese Werte als Maximaldosen zu betrachten. A U B E R G E R hat kürzlich die Toxizität und die analgetische Potenz bezogen auf Procain und die zulässige Grenzdosis der gebräuchlichen Lokalanästhetika zusammengestellt. Diese Werte sind aus Tabelle 10 zu entnehmen. Die pharmakologischen Grundlagen der Entstehung von Komplikationen durch Lokalanästhetika wurden besonders von L E N D L E und S E N T I S , V O G E L S Ä N G E R und R U E D I erarbeitet. Sie sind im führenden ,,Handbuch über Lokalanästhesie und Lokalanästhetika" von K I L L I A N nachzulesen. Hier soll lediglich ein Überblick der möglichen Komplikationen gegeben werden und erläutert werden, welchen Einfluß die Lokalanästhesie auf die plastische Chirurgie hat. Wir unterscheiden zwei große Gruppen von Komplikationen 1. Lebensbedrohliche Komplikationen 2. Lokale Komplikationen.

Allgemeiner Teil

4 | 37

Tab. 10 Toxizität und Grenzdosis der heute gebräuchlichen Lokalanästhetika

Procain Novocain Toxizität

Tetracain Pantocain

Lidocain Xylocain

Prilocain Xylonest

Mepivacain Scandicain

1

10

2

1,5

2

1

10

4

4

4

500 100

20 20

200 500

400 600

300 500

Butanilicain Hostacain

Tolycain B P Baycain

2

1

(Procain = 1) Analgetische Potenz (Procain = 1) Zulässige Grenzdosis in mg ohne Adrenalin mit Adrenalin

~4

2—3

300 200

250 600

1. Lebensbedrohliche Komplikationen G O R D H h a t 1 9 6 3 eine umfangreiche Arbeit über lebensbedrohliche Komplikationen in der Lokalanästhesie veröffentlicht. Dieser Arbeit entnehmen wir Tabelle 11.

Tab.11 Toxische Reaktionen bei der Lokalanästhesie Art der Anästhesie

Anzahl der Fälle

Kokain

Luftwege

7

1

Stellatumblockade

4

Procain

Tetracain

Xupercain

Lidocain

Anzahl Mepivader cain Todesfälle

Infiltration im Berreich des Gesichts, der Mundhöhle, des Rachens und der 1

5

7 3

1

3

Lokalanästhesie-Infiltration in anderen Körperbereichen

8 19

1 1

2

1

1 6

5 1

7 8

1

17

In der Mehrzahl der Fälle entstehen tödliche Zwischenfälle durch Überdosierungen. Der Anästhesierende nimmt nicht genügend Rücksicht auf die regionalen Bedingungen der Anästhesie und im Bestreben die Schmerzbetäubung so vollkommen wie möglich zu machen, injiziert er überhöhte Mengen der Lokalanästhesielösungen. H A R N I S C H h a t besonders darauf aufmerksam gemacht, daß beim Übergang vom Procain ( N o v o c a i n ) zum Lidocain {Xylocain), das erheblich toxischer ist, eine große Anzahl von Zwischenfällen zutage trat. Eine absolute Überdosierung kann jedoch auch versehentlich erfolgen. So ist häufig eine Verwechslung zwischen Procain und Percain vorgekommen. Das Percain wurde daher in Xupercain umbenannt. Wir selbst (GABKA)

38 ι k

J . GABKA

und Η . HARNISCH, Lokalanästhesie

waren einmal Zeuge einer solchen Überdosierung bei Verwechselung v o n P r o c a i n u n d P e r c a i n (Nupercain). Infolge der Knappheit von Medikamenten kurz nach dem Kriege wurde gelegentlich Percain statt Procain dem Operationssaal zur Verfügung gestellt. Bei der Herstellung der Lokalanästhesielösung bemerkte die verantwortliche Operationsschwester, die bis dahin immer gewöhnt war, iVoTOCfu'/i-Lösungen herzustellen, nicht den Unterschied in der Ausgangslösung. So wurde eine Percain-Lösung als NovocainLösung dem behandelnden Arzt übergeben. Das abschließende Programm dieses denkwürdigen Tages sah noch die Operation zweier rechtsseitiger Leistenbrüche vor. Es erfolgte die Lokalanästhesie mit der für eine Novocain- Lösung gehaltene Percainlösung. Die Operation verlief ohne Komplikationen. Erst am Ende des Eingriffes traten Benommenheit, Unruhe, jedoch keine Krämpfe auf, so daß die Komplikation noch gar nicht richtig diagnostiziert wurde. Aus diesem Grunde erfolgte bereits die Lokalanästhesie des neuen Patienten, der ebenfalls an einer Hernie operiert werden sollte. Auch hier wurde wiederum die verhängnisvolle Percain-Lösung benutzt. Noch auf dem Transport zur Station kam es bei dem ersten Patienten zu Krampfanfällen, zu einer erheblichen Steigerung der Atemfrequenz, also zu einem lebensbedrohlichen Krankheitsbild. Diese Nachricht erreichte uns gerade vor Beginn der zweiten Operation. Der aufliegende Patient war in einem stark reduzierten Allgemeinzustand und nur so ist es zu erklären, daß hier im Gegensatz zum ersten Patienten die Percain-Wirkung relativ schnell einsetzte. Noch bevor wir den Eingriff beginnen konnten, wurde der Mann benommen, es kam zu einem Exitationszustand, so daß der operierende Oberarzt, der den ersten Patienten sofort wieder zum Operationssaal zurückbeordert hatte, den furchtbaren Verdacht aussprach, daß die Lokalanästhesielösung verwechselt sein könnte. Das Vorweisen der Stammlösung bestätigte diesen Verdacht und es muß als besonders tragisch angesehen werden, daß es trotz aller Maßnahmen, bei beiden Patienten nicht gelang, die Lokalanästhesielösung zu neutralisieren. Beide Patienten verstarben an der Überdosierung des Percain. W ä h r e n d K I L L I A N zwischen r e l a t i v e r u n d a b s o l u t e r "Überdosierung

unterscheidet,

h a b e n wir bereits darauf hingewiesen, d a ß die K o m p l i k a t i o n e n h a u t s p ä c h l i c h v o m Applikationsort abhängen. I n tierexperimentellen Untersuchungen

(HARNISCH) k o n n t e n wir

zeigen, d a ß q u a n t i t a t i v gleiche Mengen eines L o k a l a n ä s t h e t i k u m s —

im Bereich

des

K o p f e s u n d des S t a m m e s appliziert — völlig verschiedene Auswirkungen auf weisen. I n folge der g u t e n D u r c h b l u t u n g i m K i e f e r - G e s i c h t s - S c h ä d e l b e r e i c h ist die T o x i z i t ä t

hier

doppelt so h o c h wie i m S t a m m b e r e i c h . Viele der t o x i s c h e n R e a k t i o n e n t r e t e n auf, wenn L o k a l a n ä s t h e t i k a in blut- und gefäßreiche P l e x u s injiziert werden, so d a ß die A b s o r p t i o n des L o k a l a n ä s t h e t i k u m s a u ß e r o r d e n t lich rasch oder sogar auf arteriellem W e g erfolgen k a n n . ROST

b e r i c h t e t über die H ä u f i g k e i t i n t r a v a s a l e r I n j e k t i o n e n und deren V e r m e i d u n g

bei der L e i t u n g s - und L o k a l a n ä s t h e s i e . B e i i n s g e s a m t 5 8 9 6 I n j e k t i o n e n wurde 2 8 4 m a l ein G e f ä ß getroffen, also in 4 , 8 % aller F ä l l e . Die wird hiermit

eindringlich

Wichtigkeit

der Aspiration

vor der

Injektion

unterstrichen!

K o m m t es zu einer solchen versehentlichen i n t r a v a s a l e n I n j e k t i o n , t r i t t die K o m p l i k a t i o n n a c h der I n j e k t i o n sofort auf. I m Gegensatz zu den o b e n beschriebenen F ä l l e n einer P e r c a i n - Ü b c r d o s i e r u n g , bei der es zu einer R e s o r p t i o n s i n t o x i k a t i o n k a m , f ü h r e n die versehentlich i n t r a v a s a l e n I n j e k t i o n e n in seltenen F ä l l e n sehr schnell z u m T o d e . I n diesem Z u s a m m e n h a n g sei a n einen Todesfall erinnert, über den

ROSENTHAL

berichtet h a t : Bei einem lßjähr. jungen Mann sollte eine der ersten ScHÖNBORN-RoSENTHALschen Pharyngoplastiken demonstriert worden. Vor einem geladenen Chirurgen-Publikum wurde eine typische Lokalanästhesie durchgeführt. Dabei wurden — nach ROSENTHAL — insgesamt nicht mehr als 1 0 ml einer l%igen Suprarenin-Novocain-l^ösnng verwendet. Sofort nach der Injektion im Bereich der Pharynxhinterwand begann der Patient über unerträgliche Kopfschmerzen zu klagen. Trotz einer sofort durchgeführten intravenösen Traubenzucker-Injektion kam der Patient trotz aller Gegenmaßnahmen nach etwa 5 Minuten unter Krämpfen und den Zeichen eines Kreislaufkollapses ad exitum. GORDH

b e r i c h t e t über folgenden T o d e s f a l l :

Allgemeiner Teil

4 | 39

Bei einem 41 jähr. Mann war eine Laryngoskopie vorgesehen. Die Schleimhaut der Luftwege wurde dazu mit 3 ml einer 2%igen Tetracain-Suprarenin-Lösung (1:1000) anästhesiert. 10 Minuten nach der Anästhesie — der Patient stand die ganze Zeit unter ärztlicher Kontrolle — begann sich der Patient schlecht zu fühlen, klagte über Brechgefühl und verkrampfte seine Hand vor dem Herzen. Zur gleichen Zeit wurde der Patient zyanotisch und entwickelte einen schnellen vibrierenden Puls. Künstliche Sauerstoffbeatmung wurde eingesetzt und trotz Zuführung von 5 ml Narkotral i. v. und 1,5 mg Adrenalin intrakardial kam es zum Exitus.

Wir selbst (GABKA) haben noch einen Lokalanästhesie-Todesfall erlebt: Bei einer 36 jähr. Frau kam es kurz nach der Infiltrationsanästhesie im Bereich des Halses zur Operation einer Struma — es wurden insgesamt 40 ml einer l%igen Supranenin-Novocain-Lösung verwendet — zu zentralen, nicht auszuhaltenden Kopfschmerzen, zu Benommenheit und Unruhe, jedoch nicht zu Krämpfen. Das Allgemeinbefinden verschlechterte sich innerhalb der nächsten 10 Minuten trotz aller Gegenmaßnahmen, so daß die Patientin etwa 25 Minuten nach der Injektion, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, ad exitum kam.

Unseres Erachtens sind die zentralen Kopfschmerzen ein Leitsymptom aller Lokalanästhesiekomplikationen. K I L L I A N erwähnt diese Kopfschmerzen zwar auch, jedoch nur bei Überdosierungen von Nor-Adrenalin. Wir dagegen sahen diese Kopfschmerzen sowohl bei Novocain-Suprarenin, wie auch bei Xylocain- und Scandicain-Lösungen. Gerade dieses Leitsymptom — zentraler Kopfschmerz —• macht auf die relative bzw. absolute Überdosierung aufmerksam, so daß in den meisten Fällen noch genügend Zeit zu Gegenmaßnahmen bleibt. Diese unerklärlichen Todesfälle sind es vor allem, die uns immer wieder beunruhigen. K o m m t es zu einer einfachen Überdosierung — in der Nachkriegszeit kam es, wie gesagt, häufig zu Verwechslungen zwischen Novocain und dem entschieden toxischeren Percain — so sind die Todesfälle zwar außerordentlich bedauernswert, jedoch durchaus erklärlich. Die forensische Seite dieses Kapitels h a t P E R R E T in ausgezeichneter Art dargestellt und es ist verständlich, daß solche Verwechslungen als Kunstfehler gelten. Ganz anders sieht es jedoch mit den relativ seltenen Lokalanästhesie-Todesfällen aus, die meist völlig unmotiviert bei regelrechter Einhaltung der Technik und Dosis auftreten. Zu diesen Fällen gehören neben der intravasalen Injektion auch die Fälle von Adrenalin-Schock. G O R D H berichtet ausführlich über einen solchen Fall: Eine 22jähr. Patientin in ausgezeichnetem Allgemeinzustand erhielt 1. 10 ml einer 2 o 0 i g e n Tetracain-Adrenalin-Lösung (1:1000) 2. 4 Kompressen, die mit 3 ml 10%iger Kokain-Adrenalin-Lösung (1:1000) getränkt waren 3. 1 Injektion von 4 ml 4%igem Xylocain-Adrenalin (1:1000) im Bereich des Isthmus faucium_ Unmittelbar nach diesen Maßnahmen trat Kopfschmerz, Krampf in der Brust und eine überstarke Hyperventilation auf. Trotz einer durchgeführten Intubation und Zuführung entsprechender Xarkotika kam die Patientin ad exitum. (Die Gesamtdosis erscheint uns dabei sehr hoch! Kopfgebiet!!)

Auch H O H L F E L D berichtet über 3 7 schwerwiegende Komplikationen, die auf die verschiedenen Derivate des Procains zurückzuführen sind. Bei diesen Fällen handelt es sich in der überwiegenden Anzahl um Überdosierungen. So traten ο ο 23 12 1 1

Vergiftungsfälle Vergiftungsfälle Vergiftungsfall Vergiftungsfall

(13 letal) bei Tetracain (Pantocain) (6 letal) bei Percain (letal) bei Panthesin (letal) bei einer Mischlösung von Percain und Panthesin auf.

Eine kurze ZusammenfassungΟ mit tabellarischer Darstellung zeigt © 142C VergiftungsO © und Todesfälle nach Lokalanästhesie mit Novocain und seinen Derivaten in den J a h r e n 1939—1950

(HOHLFELD).

K N O B L A U C H berichtet über Spättodesfälle nach iVowcaminjektionen. Bei einer ungewöhnlich raschen Resorption des Novocain, insbesondere bei forcierten Injektionen — also intravasaler Punktion —, bei Zahnextraktionen und Tonsillektomien kann es

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J.

GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

gelegentlich einmal zu einem Frühtodesfall kommen. Von ausschlaggebender Bedeutung sind Menge und Konzentration des Anästhetikums sowie die Beigaben von Adrenalin, das die Toxizität des Procain (Novocain) erhöht. Leichtere Nebenwirkungen sind ζ. T. auf eine Überempfindlichkeit gegenüber dem Novocain zurückzuführen. Eine Testung vor Anwendung des Novocain ist jedoch nicht erforderlich, da allergische Erscheinungen das Leben selten bedrohen. Obwohl echte Idiosynkrasien gegen Lokalanästhetika mit tödlichem Ausgang beschrieben worden sind (GOODMAN u. GILLMANN) weisen die üblichen iVowocam-Überempfindlichkeiten, also die allergischen Reaktionen auf Procain-Derivate bzw. auf die neueren Lokalanästhetika lediglich allergische Symptome mit Ausbildung von Ekzemen, Dermatitiden u. a. auf. Wie aus der Literatur zu ersehen ist, sind jedoch Lokalanästhesie-Todesfälle auch durch anaphylaktische Reaktionen zustande gekommen ( K I L L I A N , S I E B E N , K R O L L , DIAMANT). Wir möchten uns jedoch nach unseren Erfahrungen der Meinung von S C H U C H A R D T und SCHÖN anschließen. Diese Autoren zitieren GORDONEFF, nach dessen Meinung viele der an sich sehr seltenen Todesfälle durch allergische Reaktionen erklärt werden sollen. Unter Berücksichtigung der Angaben in der Literatur weist er darauf hin, „daß der letale Ausgang meistens im Anschluß an die Zweitinjektion einzusetzen pflegt". Diese Erklärungsversuche auf allergischer Grundlage sind meist völlig frustan. SCHUCHARDT und SCHÖN erscheint es wissenschaftlich nicht begründet, allergische Erscheinungen hinzuzuziehen, insbesondere da das Wesen der Allergie heute schon so weitgehende Klärung erfahren hat. Diese sog. allergischen Todesfälle sind meistens doch auf Unachtsamkeit und auf zu großes Vertrauen auf das Lokalanästhetikum zurückzuführen. Bei genauen Untersuchungen stellt man nämlich fest, daß die überwiegende Anzahl solcher letal endenden Zwischenfälle anamnestisch genauere Hinweise auf Herz- und Kreislaufschäden gaben, die jedoch von ärztlicher Seite bagatellisiert wurden. Wir wissen aber genau, daß endo- und myokardial geschädigte Herzen außerordentlich empfindlich auf das Adrenalin reagieren. Betrachtet man abschließend dieses Kapitel, ist man als Kliniker erstaunt, wie selten es zu einem echten Zwischenfall kommt. Gerade diese Tatsache verleitet den Arzt, leichtsinnig zu sein.

Spättodesfälle nach TVovocaräinjektionen sind selten. Sie werden meistens durch Komplikationen, wie Kreislauf- oder Lungenerkrankungen bei einem entsprechenden Krankheitsbild und Alter hervorgerufen ( K N O B L A U C H ) . G O R D H kommt nach eingehender Prüfung seines vorliegenden Materials zu der Überzeugung, daß die Todesfälle vorwiegend nach der Lokalanästhesie im Bereich des Gesichts und Halses auftreten. Auch· Z Ü R N gelangt in seiner Arbeit über die Beziehungen zwischen Novocain i nj e k ti on ο η im Halsgebiet und dem Karotissinus (tierexperimentelle Untersuchungen) zu einem ähnlichen Schluß. Die von ihm gemachten Versuche haben eindeutig gezeigt, daß es bei Tieren mit erhöhter zentraler Erregbarkeit in den meisten Fällen möglich ist, durch Reizung des Karotisnerven (Stich der Kanüle, Gewebsdruck u. ä.) Krampfanfälle auszulösen. Damit werden unsere tierexperimentellen Untersuchungen (HARNISCH) bestätigt, die verdeutlichen, daß Injektionen von gleichen Mengen von Lokalanästhesielösungen in topographisch verschiedenen Regionen unterschiedliche Toxizitätserscheinungen zeigen können. Obwohl die Frage der Lokalanästhesie im entzündeten Gebiet in der plastischen Chirurgie keine große Rolle spielt (plastische Operationen — von Verbrennungen abgesehen, für die besondere Gesetze gelten — sind in der Regel nicht eilig) ist im Hinblick auf die Komplikationen jedoch eine kurze Erörterung dieses Problems erforderlich. Die Frage der örtlichen Betäubung im entzündeten Gewebe hat sich früher besonders am Procain (Novocain) erhitzt. In früheren Abschnitten haben wir schon kurz gestreift, daß der Einfluß der Lokalanästhesie auf die Wundheilung sehr unterschiedlich beurteilt wird. Wir können im Kopf-Halsgebiet feststellen, daß Eingriffe in Narkose günstigere Heilungsergebnisse zeigen als Wunden nach Operationen in örtlicher Betäubung. Dabei scheint aber nicht das Anästhetikum, sondern vor allem der gefäßkontrahierende Zusatz von Bedeutung zu sein.

Allgemeiner Teil

k | 41

W ä h r e n d in zahlreichen Arbeiten die Lokalanästhesie im entzündeten Gewebe abgelehnt wird, gibt es auch eine Reihe von Autoren, die betonen, daß die Heilungsvorgänge im novocainisierten Gewebe günstiger und schneller ablaufen. So versuchte R O S E N T H A L , die strittige F r a g e über die Zweckmäßigkeit der Anwendung der örtlichen B e t ä u b u n g bei Entzündungen weiterhin zu klären. Bei der Durchsicht des Schrifttums hat sich ergeben, daß ein Teil der Chirurgen die Anwendung der örtlichen Betäubung bei Entzündungen aus theoretischen Erwägungen heraus grundsätzlich ablehnt. Ein kleiner Teil ist unter bestimmten Voraussetzungen für ihre Anwendung. Eine dritte Gruppe hält die Anwendung bei jeder Entzündung grundsätzlich für unbedenklich, und eine vierte Gruppe sieht in ihr sogar eine Förderung des Heilverlaufes. Nach einer kritischen Würdigung der bisher zur Entscheidung dieser Frage angestellten Versuche wird von einer eigenen Versuchsanordnung berichtet, die den Beweis erbringt, daß nach Anwendung der örtlichen Betäubung in der Umgebung des Entzündungsherdes gelegentlich Keime gefunden werden. Dies ist aber nicht häufiger der Fall, wenn keine Einspritzung vorausgegangen ist. Bakteriologische Untersuchungen haben weiterhin den Beweis erbracht, daß die im allgemeinen gebräuchlichen A 7 owcamchlorid-Lösungen nicht, wie in einem Teil des Schrifttums angenommen wird, einen günstigen Nährboden für die Keime darstellen, sondern eher ihr Wachstum hemmen,

Aufgrund des Schrifttums und der eigenen klinischen Erfahrungen empfiehlt R O S E N die örtliche B e t ä u b u n g bei allen Entzündungen a m S t a m m und an den Gliedmaßen, sofern das Entzündungsgebiet nicht so ausgedehnt ist, daß die Ausführung der örtlichen B e t ä u b u n g an sich schon einen übermäßig großen Eingriff darstellt. Dagegen wird zur Spaltung von Entzündungsherden im Nasen-Rachenraum, bei Gesichtsfurunkeln usw. aus anatomischen Erwägungen heraus der Allgemein betau bung der Vorzug gegeben. A L T H O F F schreibt zu R O S E N T H A L S Versuchen: ,,Damit entfallen wesentliche Bedenken gegen die therapeutische Anwendung der Infiltration im entzündlichen Geivebe.'' Nach W I S C I I N E W S K Y soll das Procain einen rückbildenden Einfluß auf die Ödementwicklung haben. Die Erfolge der Novocainisierung bei entzündlichen Prozessen wird im wesentlichen auf diese Wirkung zurückgeführt. B U D Z K I erzielte Erfolge bei der Ulcus cruris-Behandlung durch Umspritzung mit Novocain, F E N Z berichtet über ausgezeichnete Erfolge durch örtliche Novocaiηi η fil t r a t io η e η bei rheumatischen Entzündungen. Dies bestätigte auch S C H A A R mit ausgedehnten Versuchen. THAL

Bei 68 Mäusen und 22 Meerschweinchen wurden entzündliche Infiltrate und Abszesse erzeugt durch Injektion von Staphylokokken- und Bakterium Coli-Reinkulturen. Nach etwa 3 Tagen erfolgte Injektion von 0,3—0,8 ml einer y2°0igen A'orocamlösung, danach Inzision in den Herd, Exstirpation und mikroskopische Untersuchung mit Zeitintervallen von 1—10 Tagen, wobei Vergleiche mit Infektionsherden anderer, nicht mit Novocain injizierter Tiere erfolgten. Die Heilung nach Norocaiiiinjektion verlief in keinem Fall schlechter, bei einzelnen sogar besser. S C H A A R b e t o n t , daß keine Keimverschleppung oder Heilungsverschlechterung zu beobachten war. A L T H O F F konnte die Entwicklung von drohenden Pharyngitiden, Anginen und Rhinitiden verhindern, wenn rechtzeitig die Schleimhaut mit 2 % i g c m Novocain gepinselt wurde.

E r injizierte bei 20 Meerschweinchen eine Staphylokokkenaufschwemmung von 100 Millionen Keimen im Kubikzentimeter in die rechte Lendengegend subkutan. Bei der Hälfte der Tiere wurde 1 / 4 %iges Novocain im Verhältnis zwei Teile Novocain, ein Teil Aufschwemmung hinzugegeben und eine ausschließliche Novocaininjektion am 2., 4. und 6. Tag angeschlossen. In allen Fällen kam es zu einer Einschmelzung, die bei den mit Novocain behandelten Tieren deutlich leichter und kurzfristig ablief.

Diese Mitteilungen zeigen, daß zahlreiche Arbeiten dem Novocain einen günstigen Einfluß zusprechen. E s wird dann auch verständlich, daß die Lokalanästhesie bei Operationen im entzündlichen Gebiet zahlreiche Anhänger hat. Auch im Gesichtsbereich ist die Lokalanästhesie bei Entzündungen oft notwendig.

42 I k

J . GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

Tab.12 Klinisches Vergiftungsbild nach Lokalanästhetika (nach Region

PITKIN,

SOUTHWOETH-HINGSON)

I. Phase (Erregungsphase)

I I . Phase (Lähmungsphase)

Zentralnervensystem

Benommenheit, Unruhe, Wärmesensation, Nervosität, Angst, Pupillenerweiterung, Desorientierung, Zittern, Schwindel, Krämpfe, Ohrensausen, Taubheit

Bewußtlosigkeit, Koma, komplette motorische u n d sensible L ä h m u n g evtl. E x i t u s

Vegetatives System (Autonome Regulation)

Exzitationen, Blässe, Schweißausbruch, Salivation oder Trockenheit des Mundes und Halses, Nausea, Erbrechen

Lähmung der Antriebe, profuser Schweiß, Sphinkterlähmung, P a t i e n t läßt unter sich

Kardiovaskuläres System

Blutdruckanstieg durch Konvulsionen, Bradykardie oder auch Pulsbeschleunigung

Atmung

Steigerung der Atemfrequenz Hyperpnoe, H e t z a t m u n g

Blutdrucksturz zu Schockwerten. Tachykardie, d a n n Versagen des Herzens, des Myokards und der Reizleitung Zyanose, zunehmende Atemlähmung bis zum Stillstand (zentral und peripher bedingt).

Tab.13 Klinisches Vergiftungsbild durch Vasokonstringentien (nach

KILLIAN)

Zentral ner vensystem

Keine direkte Wirkung auf das Gehirn, sondern nur indirekte Beeinflussung

Vegetative und autonome Regulationen, vorwiegend sympathische

Plötzliche wachsartige Blässe mit kaltem Schweiß, eventuell profuse Schweißbildung Heftige Kopfschmerzen, Unruhe, Erregung, Angst, Pupillenerweiterung, Ohrensausen, leichte Benommenheit Steigerung der Frequenz bis zu bedrohlicher Tachykardie. Gefahr heterotoper Reizbildung, Salven von Extrasystolen, Kammerflimmern, bis zum Herzstillstand (Synkope)

Kardiovaskuläres System, Herz

Vehementer Blutdruckanstieg (besondere Gefahr bei Hypertonie). Sofortreaktion der Pressorezeptoren des Sinus caroticus, der Aortengabel und des Herzens Maximale Stimulation der Herztätigkeit, vermehrtes Schlagvolumen, stark erhöhter Sauerstoffbedarf des Herzmuskels, der trotz Koronarerweiterung oft nicht befriedigt werden kann. Hypoxie des Herzens Entspeicherung des Blutdepots. Nach Passage der Hypertoniephase tiefer Blutdrucksturz, Kollaps, der eventuell tödlich endet. Bei erkranktem Herzmuskel plötzlicher Herzstillstand unter maximaler Dilatation des Herzens durch Versagen des Herzmuskels (Überdehnung) Atmung

I m Zuge des Blutdruckanstieges( Pressorezeptoren-Begleiterscheinung) manchmal vorübergehende Atempause oder auch Atemstillstand durch zentrale hypoxämische Schädigung des Atemzentrums, Hypoventilation. Bei Versagen des Herzens sekundärer Atemstillstand

Allgemeiner Teil

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Wenn auch G O R D H und Z Ü R N der Ansicht sind, daß die Todesfälle nach Lokalanästhesie vorwiegend im Bereich des Gesichts und des Halses auftreten, so ist das richtig; doch wenn Z Ü R N die erhöhte zentrale Erregbarkeit durch Reizung des Karotissinus dafür verantwortlich macht, stimmen wir nicht mit ihm überein. Daß die Todesfälle besonders im Bereich des Kopfes auftreten, liegt, wie wir schon mehrfach erklärt haben, daran, daß die Resorptionsverhältnisse und insbesondere die absolute Toxizität im Schädel-Gesichtsbereich erheblich höher sind als am Stamm (HARNISCH). Wenn auch in seltenen Fällen die Applikation von Lokalanästhetika im entzündlichen Gewebe zu Zwischenfällen führen kann —• zweifellos besteht die Möglichkeit einer erhöhten Resorptionsgeschwindigkeit — so sind diese Komplikationen im Gegensatz zu den Überdosierungen bzw. vasokonstriktorischen Zusätzen gering. Als typische Zeichen einer Lokalanästhesie-Überdosierung treten häufig Krampfanfälle auf. Alle Lokalanästhetika reagieren pharmakologisch in ähnlicher Weise wie das Strychnin. Diese Streckkrämpfe werden in manchen Fällen auch als Xarkosekrämpfe bezeichnet. A I G N E R f ü h r t 8 Fälle von Narkosekrämpfen an, von denen 5 bei Äthernarkose, eine bei A^wcam-Infiltrationsanästhesie und eine im Vinydan-Rausch auftraten. Es handelt sich um tonisch-klonische Krämpfe. Bevorzugt traten diese Narkosekrämpfe bei Kindern und Jugendlichen auf. Wie wir bei den von uns beobachteten Todesfällen jedoch gesehen haben, können diese Krämpfe auch fehlen. In Anlehnung an K I L L I A N und P I T K I N , S O U T H W O R T H - H I N G S O N soll in den Tabellen 12 und 13 das klinische Vergiftungsbild durch Lokalanästhetika und Vasokonstringentien gezeigt werden. Als Therapie wird die gründliche Prämedikation mit Barbituraten oder mit Benzodiazepidin-Derivaten (Valium) empfohlen. Beim Aufkommen von Streckkrämpfen ist es nicht nur empfehlenswert, sondern ärztliche Pflicht, eine sofortige intravenöse Zuführung kurzwirkender Barbiturate bzw. des neuartigen Propanidids ,,ΕροηίοΓ' einzuleiten bzw. eine endotracheale Intubationsnarkose mit künstlicher Beatmung durchzuführen. Eine intravenöse Dauertropfinfusion ist anzulegen, damit je nach dem Zustandsbild entsprechende P h a r m a k a sofort zugeführt werden können. 2. Lokale K o m p l i k a t i o n e n

Es gibt eine Vielzahl von lokalen Komplikationen bei der Lokalanästhesie. Doch sind zweifellos am unangenehmsten die Lokalanästhesiefolgeerscheinungen in Form von Ο E^ Ο Nekrosen. H A M M E R berichtet über Nekrosen im Anschluß an die örtliche Betäubung und beschreibt zunächst das pathologisch-anatomische Bild von Nekrosen, die er im Anschluß an örtliche Betäubungen beobachten konnte. Er erwähnt die verschiedenen Ansichten über die Entstehungsursachen, " um schließlich aufgrund seiner eigenen Beobachtungen zur Ο Ο C? Ätiologie dieser Gewebszerstörungen Stellung zu nehmen. H A M M E R sieht die Nekrosen als das Ergebnis der mechanisch-traumatischen Einwirkung der Injektion an, die selbst noch eine schädliche chemisch-toxische Wirkung ausüben kann. Zur Vermeidung dieser Vorkommnisse empfiehlt er, die Injektionsnadel so zu führen, daß eine intramuskuläre Infiltration des Gewebes vermieden wird. B A C C I und M A S I stellen 6 Fälle sekundärer Knochenulzera des Gaumens nach Lokalanästhesie vor und gehen auf die Ätiopathogenese dieser Gewebsverletzungen ein. Sie machen dafür eine besondere anatomische Gaumenstruktur, eine mechanische Wirkung durch den Druck der eingespritzten Flüssigkeit, die Toxizität der in den anästhetischen Lösungen enthaltenen gefäßverengenden Substanzen und eine lokale oder allgemeine Schwäche verantwortlich. Mit der Entwicklung des Butanilicains (Hostacain) in den Jahren 1955—1957 war es zu verschiedenen Berichten über angebliche Gaumennekrosen nach Lokalanästhesie ge-

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J . GABKA und Η . HARNISCH, L o k a l a n ä s t h e s i e

kommen. Butanilicain (Hostacain) wies — wie wir heute wissen — zweifellos eine geringe gewebereizende Wirkung auf, die durch den Zusatz von Procain (Novocain) aufgehoben werden konnte (Hostacain-Spezial). Genaue Nachprüfungen dieser Erscheinungen, ( H A M M E R , H A R N I S C H ) zeigten jedoch, daß in der Mehrzahl der Fälle zuviel Hostacain injiziert wurde und die Kollegen zu große Gewalt bei der Injektionstechnik anwendeten. Ganz anders sehen die außerordentlich seltenen Fälle von Gaumennekrosen aus, die als Folge eines Tumorwachstums bei gleichzeitiger Lokalanästhesie zustande kommen. Auf Grund der Seltenheit des Falles sei ein entsprechendes Krankheitsbild dargestellt, das wir beobachten konnten: Bei dem Patienten K . F. handelte es sich um einen Zustand nach Zahnextraktion 54|, die zu einer Mund-Antrum-Fistel führte. Auf Grund dieses Befundes wurde der Patient klinisch eingewiesen. Eine vorgesehene Kieferhöhlenradikaloperation mit plastischer Deckung der Kieferhöhlenfistel mußte abgebrochen werden, da es sofort nach der Lokalanästhesie zu einer ungewöhnlichen Ischämie der rechten Gaumenschleimhaut und im weiteren Verlauf zu einer umfangreichen Gaumennekrose kam. Der Allgemeinzustand des Patienten verschlechterte sich foudroyant, so daß mit Ausnahme einer Probeexzision, die als Ergebnis ein Adenokarzinom erbrachte, keine weiteren Eingriffe mehr vorgenommen wurden. Der Patient kam innerhalb von 4 Tagen ad exitum. Bei der Obduktion zeigte sich, daß es sich bei dem Oberkieferprozeß um die stark entdifferenzierte Metastase eines wandinfiltrierend-wachsenden Adenokarzinoms des Magens handelte, die den Oberkieferund das Keilbein destruiert hatte. Auch die basalen Anteile der Nasennebenhöhle waren betroffen, ferner war die Dura mater karzinomatös infiltriert. Erstaunlich war, daß die umfangreichen abdominalen Metastasen sowie das Magenkarzinom selbst dem Patienten keinerlei Beschwerden gemacht hatten.

Interessant ist bei diesem Fall besonders das plötzliche Auftreten der Gaumennekrose, die infolge der Lokalanästhesie als auslösender Anlaß zustande kam. Hierbei wird die schon von Karzinomnestern wandinfiltrierte A. palatina infolge des Vasokonstringens soweit kontrahiert worden sein, daß eine Versorgung der Gaumenschleimhaut nicht mehr möglich war, so daß es zu der umfangreichen einseitigen Nekrose kam. K I L L I A N berichtet ausführlich über örtliche Schäden durch Vasokonstringentien. Auch er steht auf dem Standpunkt, daß es bei den durch Lokalanästhetika zustande gekommenen Nekrosen nur in seltenen Fällen zu einer Kompressionsischämie gekommen ist. E r glaubt vielmehr, daß es meist auf dem zu hohen Zusatz von Vasokonstringentien beruht. Bei den sogenannten //osiacam-Gaumennekrosen kam zur Kompressionsischämie ein geringer gewebsschädigender Effekt der Anästhesielösung. Auch die uns im Rahmen der plastischen Chirurgie interessierenden lokalen Schäden werden zweifellos durch vasokonstriktorische Substanzen hervorgerufen. So weist schon B R A U N auf die Gefährdung von Verschiebe- und Rotationslappen hin, wenn in diese oder in ihre Basis Suprarenin haltige Betäubungsmittel eingespritzt werden. „Die Ernährung eines Hautlappens beruht auf den wenigen noch erhaltenen Basis in ihn eintreten. Diese Gefäße sind nicht nur unter Wirkung des Suprarenins, lich auch durch Gewebserstickungsprozesse im Bereich des frisch umschnittenen Die Zerstörung des Suprarenins in der Gefäßwand oder seine Wiedergabe an die langsam, so daß der Lappen teilweise oder ganz dem Gewebstod verfallen kann"

Gefäßen, die an seiner sondern wahrscheinLappens kontrahiert. Zirkulation erfolgt zu (BBAUN/LXWBN).

SCHUCHARDT führt die Bildung eines Rundstiellappens in der Thorax- und Bauchregion in örtlicher Betäubung aus. E r umspritzt sorgfältig die Umgebung der Plastik, infiltrierte das Gewebe des Lappens selbst jedoch nicht. S C H U C H A R D T hat 1955 noch einmal davor gewarnt, bei gestielten Lappenplastiken und Rundstielplastiken an der Basis zu pralle Infiltrationen anästhetischer Lösungen oder zu starken Adrenalinzusatz zu verwenden. Weitere Komplikationen sollen nur kurz gestreift werden. So spielen Blutungen, Hämatome und Thrombosen im Rahmen der plastischen Chirurgie keine so große Rolle, da in unserem Fachgebiet vorwiegend mit Infiltrations- und Leitungsanästhesien gearbeitet

Allgemeiner Teil

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wird. Lebensbedrohliche Nachblutungen, Hämatome u. ä. sind eigentlich nur bei Nervenblockaden, Spinal-, Epidural- und Paravertebralanästhesien zu befürchten. Auch das Anstechen der Pleura bzw. der Lungen, das bei Stellatum-Blockaden durchaus vorkommen kann, soll hier nur kurz erwähnt werden. Ebenso wie bei den H ä m a t o m e n ist hier natürlich darauf zu achten, daß die Patienten nicht unter Antikoagulantien stehen. In solchen Fällen kann das an sich harmlose Anstechen eines Gefäßes folgenschwere Komplikationen nach sich ziehen. Nervenläsionen und -Schädigungen, so zum Beispiel Fazialisparesen nach Lokalanästhesien kommen vor ( D E C H A U M E , GABKA). In der überwiegenden Anzahl der Fälle sind sie aber nur vorübergehender Natur, d. h. mit Abklingen der Anästhesiewirkung verschwendet die Störung. Nur in seltenen Fällen, wenn der Nerv direkt durch die Kanüle lädiert wurde, kann ein bleibender Schaden zurückbleiben. Auch Schmerzsensationen treten nach der Lokalanästhesie häufig auf. Plötzlich auftretende Kopfschmerzen nach Injektionen größerer Mengen Lokalanästhetika sind immer ein Zeichen einer zerebralen Schädigung. Nach der klinischen Vorstellung kommt es dabei zu einem Hirnödem, das sofort therapeutisch beeinflußt werden sollte. Hier empfiehlt sich die intravenöse Injektion hochprozentiger Traubenzuckerlösungen. Wir haben sehr günstige Erfahrungen mit der Injektion von 40 ml 50%iger Traubenzuckerlösung erzielt. In vielen Fällen gehen die Kopfschmerzen dann schlagartig zurück, die Lokalanästhesie wird anstandslos vertragen. Über interessante Schmerzphänomene nach der Leitungsanästhesie des N. mandibularis berichtet RICK. Diese Schmerzsensationen traten in einem Zeitraum von S 1 ^ Jahren bei 14 Patienten mit entzündlich vorgeschädigten Unterkieferverhältnissen nach erfolgter intraoraler Leitungsanästhesie des N. mandibularis auf. R I C K teilte die Patienten wegen der unterschiedlichen Lokalisation und Qualität des Schmerzens in zwei Gruppen ein und versuchte, das Schmerzphänomen zu klären. Bei der Gruppe 1 handelte es sich um 3 P a t i e n t e n mit Oberflächenschmerzen der K o p f h a u t a m Ubergang des Os parietale zum Os occipitale bei Hypersekretion der Stirn- u n d W a n g e n h a u t . Als Erklärung dieser Schmerzphänomene wurden Hyperalgesien über sensible Anastomosen, überspringende Reflexschmerzen (Triggerzonen) bei enger N a c h b a r s c h a f t der Trigeminuskerne zu den Wurzeln C 2 und C 3 sowie Sympathalgien angenommen. Bei der Gruppe 2 handelte es sich um 11 P a t i e n t e n , die einen bedrohlichen ..Tiefenkopfschmerz" im gesamten Bereich des Os parietale und occipitale mit begleitender Nausea a n f ü h r t e n . Als Ursache wurde hier eine spastische Reaktion der A. meningica media angenommen. Horizontallagerung Minuten vero ο des Patienten milderte die Schmerzkrisen, bis sie nach einigen G schwanden. I n 2 Fällen wurden sofort Spasmolytika intravenös gegeben, womit der Anfall kupiert werden konnte. MASZTALERZ beschreibt eine vorübergehende Erblindung nach Lokalanästhesie im Oberkiefer. Nach der erfolgten Lokalanästhesie mit 2 % Novocain-Corbasil-hösurig zur Extraktion des oberen linken zweiten Prämolaren, traten bei der Injektion starke Schmerzen im linken Auge auf. Nach Beendigung der Anästhesie sah die Patientin auf beiden Augen nicht mehr. Es trat eine Pupillenerweiterung ein. 5 Minuten nach Beendigung der Anästhesie erlangte die Patientin ihre volle Sehkraft wieder. Auch D E C H A U M E berichtet bereits 1 9 3 6 über eine ähnliche Komplikation anläßlich einer Leitungsanästhesie des N. maxillaris nach M A T A S . Hier klagte der Patient, der anläßlich einer Oberkieferzystenoperation eine Novocnin-Suprarenin-hömng erhalten hatte, über rasch zunehmende Schmerzen in der Orbita. Es traten dann ein Exophthalmus, Lidödem und im weiteren Verlauf Blindheit mit Pupillenerweiterung auf. D E C H A U M E führte die Zystenoperation trotzdem durch und kurz nach dem Eingriff verschwanden die Störungen wieder. K R A R U P berichtet über 3 Fälle von halbseitig verringertem bzw. aufgehobenem Geschmackssinn, die nach Mandibularanästhesie mit zufälliger Läsion der Chorda tympani auftreten.

46 I k

J . GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

Bekannt ist in diesem Zusammenhang die iatrogene Fazialisparese nach Leitungsanästhesie des N. mandibularis. Infolge Fehlhaltung bei der Injektionstechnik wird das Anästhesiedepot nicht im Bereich der Lingula mandibularis gesetzt, sondern in der Nähe des Proc. styloideus. Dadurch kann der N. facialis total ausgeschaltet werden bzw. einzelne Aste werden paralysiert. Doch ist ein Abklingen der iatrogenen Fazialisparese innerhalb von 12 Stunden zu erwarten. In einem Fall war jedoch der Geschmackssinn erst nach einem y2 J a h r wieder hergestellt. Die Untersuchungen des Geschmackssinns wurden mit einem extra hierfür entwickelten Apparat vorgenommen (KRARUP).

beschäftigt der Fall einer Gehirnblutung nach einer Lokalanästhesie. Zwischen einer um 10 Uhr erfolgten Betäubung zur Durchführung einer Zahnextraktion und einer um 14 Uhr erfolgten Apoplexie dürften infolge Fehlens von Brückenerscheinungen keine Beziehungen bestehen, da die blutdrucksteigernde Wirkung des Adrenalins keine 4 Stunden anhält. Der Zusatz eines Vasokonstringens zur Anästhesielösung ist auch bei Hochdruck und Koronarsklerose gestattet, wenn als Anästhetikum Lidocain (Xylocain) verwendet wird, dem ein adrenolytischer Effekt zugeschrieben wird. Auch S A R R E spricht von einer Gehirnblutung als Folge von Lokalanästhesie. Bei einem Hypertoniker kann die Anwendung eines Anästhesiemittels mit Suprarenin Anlaß geben zu einer Blutdrucksteigerung. Es kann dann eine Gehirnblutung oder bei einer Koronarsklerose ein I n f a r k t auftreten. Bei Hochdruck, Herzleiden usw. h a t der Zusatz von Suprarenin oder ähnlichen vasoaktiven Substanzen zur Anästhesie nach Ansicht von S A R R E zu unterbleiben. Erst kürzlich h a t P F A R S C H N E R wieder auf die Gasbrandinfektion durch fehlerhafte Lokalanästhesie hingewiesen. I n seiner interessanten Arbeit berichtet er über das Auftreten von anaeroben Infektionen als ärztlicher Kunstfehler. Fast jede f ü n f t e Gasbrandoder Gasödeminfektion im Frieden ist die Folge einer artifiziellen Keimverschleppung. Gasbrandinfektionen nach therapeutischen Injektionen sind häufiger als allgemein angenommen wird. MEYER-ROTHLING

Die ersten Veröffentlichungen stammen von B R I E G E R und E H R L I C H aus dem J a h r e 1 8 8 2 . Sie beobachteten des Auftreten einer Gasphlegmone nach Injektion von Moschustinktur. F R E N K E L beschreibt in einer grundlegenden Arbeit über die Gasphlegmone zwei Fälle, die nach Injektion von Kampferöl und einem Schwefelsäure-Morphingemisch aufgetreten waren. 1 9 3 3 stellte J U N G H A N N S einen Bericht über 6 0 Gasbrandinfektionen nach Arzneimittelinjektionen erkrankter Patienten zusammen. C O E N E N berichtet 1940 über 93 Patienten mit Gasbranderkrankungen nach Injektionen. Nur 10 der 93 Erkrankten blieben am Leben. 5 weitere Fälle teilt H Ü B N E R 1 9 4 1 mit, bei denen die anaerobe Infektion nach Novocaiwinjektion zur Lokalanästhesie aufgetreten war. In einem dieser Fälle konnten die Bazillen im zur Hautdesinfektion verwendeten Alkohol nachgewiesen werden. Z E I S S L E R berichtet über 3 Todesfälle an Gasbrand, die nach Novocawinjektion zur Durchführung kleinerer Eingriffe in der Sprechstunde eines Fachkollegen aufgetreten waren. Gasödembazillen gehen in der Blutbahn im allgemeinen rasch zugrunde. Sie finden aber die Möglichkeit zur Vermehrung an Stellen mit Vasokonstriktion und Hypoxie bei negativer Chemotaxis und einer H e m m u n g der Phagozytose. Alle Medikamente, die örtliche Gefäßkontraktionen und damit örtliche Störungen der Blutzirkulationen hervorrufen, können eine anaerobe Infektion begünstigen, beispielsweise. Adrenalin. Die Gefahr einer iatrogenen Infektion mit anaeroben Elementen liegt vor in der Verwendung nicht keimfreien Alkohols. Seine bakterizide Wirkung ist sehr gering, auf Sporen wirkt er geradezu konservierend. Iatrogene Gasbrandinfektionen lassen sich nur dann sicher vermeiden, wenn man zur Sterilisation Geräte mit sicherer Sterilisierleistung verwendet, die sich exakt bedienen und überprüfen lassen. I n seltenen Fällen k a n n auch Nahtmaterial die Infektionsquelle sein. Anaerobe Bazillen wurden wiederholt im K a t gut nachgewiesen. P F A R S C H N E R beschreibt in seiner Arbeit den Fall eines 25jähr. Maschinenschlossers, bei dem nach elektrochirurgischer Abtragung einiger Naevi verrucoses an der rechten H a n d in Lokalanästhesie mit 4%iger Novocain-Suprarenin-Lösung sich ein Gasödem ausbildete, das zur Gebrauchsunfähigkeit der H a n d führte. Abschließend soll auf die im J a h r e 1 9 6 1 erschienene Arbeit K I L L I A N S : ,,Komplikationen der Lokalanästhesie" aufmerksam gemacht werden. Hier werden die Nebenwirkungen der

Spezieller Teil

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Lokalanästhetika sowie die Symptomatik ihrer toxischen Reaktionen und ihre Behandlung dargestellt. Besonders interessant sind die Tabellen, die die Steigerung der Toxizität durch andere Medikamente aufzeigen und diejenigen über die verschiedenen Vergiftungssymptome. A u c h A U B E R G E R ( 1 9 6 7 ) u n d NOLTE ( 1 9 6 8 ) h a b e n s i c h m i t d e n K o m p l i k a t i o n e n

der

Lokalanästhesie beschäftigt. Während der erstere auch unserer Meinung ist, daß toxische Allgemeinreaktionen fast ausschließlich durch eine Überdosierung der verwendeten Lokalanästhetika ausgelöst werden, zählt XOLTE zwei Ursachen auf: den zu hohen Lokalanästhetika-Blutspiegel oder allergische Reaktionen. Mit R e c h t bemerken jedoch beide Autoren, daß es völlig uninteressant ist, wodurch eine lebensbedrohliche Lokalanästhesiekomplikation ausgelöst wird, entscheidend sind die Maßnahmen bei diesen Zivischenfällen: Atemhilfe und Kreislaufstützung sind die entscheidenden Maßnahmen. Auf keinen Fall Zeit verlieren. Die Atemhilfe hat durch Sauerstoffbeatmung zu erfolgen. I m Notfall ist die Mund-Nase bzw. Mund-Mund-Beatmung erforderlich. Zur Kreislaufstützung wird ein intravenöser Dauertropf angelegt. Die Behandlung der allergischen Reaktionen besteht in intravenösen Gaben von Antihistaminika und Kortikosteroiden. K o m m t es bei schweren Zwischenfällen zum Bronchospasmus, dann empfiehlt sich die intermittierende Überdruckbeatmung mit Sauerstoff über eine Maske. Bei gleichzeitigem Schockzustand sollten sofort 0 , 5 — 1 mg Adrenalin intravenös injiziert werden (NOLTE). Zwischenfälle bei der Lokalanästhesie lassen sich nach IMMENKAMP auf ein Minimum reduzieren, wenn seitens des Arztes 1. alle technischen Voraussetzungen erfüllt werden, und wenn 2. eine Wertung des ganzen Menschen, eine Beurteilung seiner physischen Verfassung unter besonderer Beachtung von Herz- und Kreislaufschäden und eine Berücksichtigung seiner vegetativen Ausgangslage

erfolgt. So kann man im Hinblick auf die Vielzahl von Lokalanästhesien, die täglich in aller Welt durchgeführt werden, mit den Worten ROSENTHALS sagen: „Glauben sie mir, meine Herren, die Lokalanästhesie ist besser als ihr R u f . "

I V . Spezieller Teil Die modernen Anästhesieverfahren — also insbesondere der Ausbau der endotrachealen Intubationsnarkose — brachten so viele Vorteile, daß es vorübergehend zu einer Vernachlässigung der Lokalanästhesie kam. — Inzwischen zeigen die Veröffentlichungen führ e n d e r A n ä s t h e s i o l o g e n ( F R E Y , HORATZ, K R E U S C H E R , NOLTE, v . LUTZKI, A U B E R G E R U. a . ) ,

daß auch für die Anästhesiologie die Lokalanästhesie wieder interessant geworden ist. Gerade im R a h m e n der plastischen und wiederherstellenden Chirurgie ist die Schmerzbekämpfung mit Hilfe der Lokalanästhesie immer aktuell geblieben. Abgesehen von großen Eingriffen, sind doch alle kleineren Operationen, ζ. B . Lappenverschiebungen, viele kleinere korrektive Maßnahmen u. v. m. immer eine Domäne der Lokalanästhesie geblieben. Auch viele der kosmetischen Operationen, kleine Tumorexzisionen werden im Hinblick auf das geringe Risiko lieber in Lokalanästhesie als in Narkose durchgeführt ( v . ONDARZA, R E T T I G , W A L S E R , W A L T E R ) . SO w a r e n u n d s i n d die M e t h o d e n d e r

Lokal-

anästhesie in unserem F a c h aktuell und werden infolge der einfachen Durchführung immer wieder gern angewendet. Da es sich bei der plastischen Chirurgie um eine Chirurgie der Oberfläche handelt, sind im Grunde genommen nur zwei Anästhesiearten indiziert, nämlich die Infiltrations- und

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J. GABKA u n d Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

Leitungsanästhesie. Diese beiden Anwendungsmöglichkeiten sind in der Einfachheit ihrer Durchführung bestechend und führen, wenn eine Lokalanästhesie indiziert ist, zu einer sicheren operativen Schmerzausschaltung. Wenn auch vorübergehend von den Anästhesiologen die Lokalanästhesie „vergessen wurde", so verdanken wir heute den Narkosespezialisten wesentliche Impulse für die Prämedikation der Lokalanästhesie. Während wir uns früher meistens mit dem SEE begnügten (HARNISCH, WALSER), stehen uns heute verschiedene Prämedikationstabellen führender Anästhesisten zur Verfügung (vgl. FREY, KOLB, HENNEBERG, Allgemeine Anästhesie, Bd. I). Hier sei im einzelnen die heutige Prämedikation für die Lokalanästhesie nach FREY, v . L U T Z K I , NOLTE u n d PFEIFFER w i e d e r g e g e b e n :

Tab.14 Prämedikation mit Methyl-Phenobarbital (Nembutal) Alter

per os

i. m.

16—20

200

125

20—40 40—55

200 150

150

55—70

100 75

50

über 70

in mg

100 25

Prämedikation mit Dolantin und Morphin (in mg) Alter

Morphin

Pethidin (Dolantin)

Pethidin

s. c. Dosis maxima

Morphin

(Dolantin) 1. V.

10—20

150 100

15

20—40

100

10 10

40—55 55—70 über 70

100 50 25

10 5 2,5

75 50

7,5 5

50

5

50 25 12,5

5 2,5 1,25

Größeren plastischen Operationen sollte prinzipiell eine Prämedikation vorangehen. Mit dieser Prämedikation sollen drei Wirkungskomponenten erzielt werden: Die Analgesie, die Sedierung bzw. Amnesie ouid dieDämpfung der vegetativen Reagibilität. Je nach der Größe des Eingriffs werden bestimmte Pharmaka kombiniert, und die Patienten mittels einer sogenannten Mischspritze zur Operation vorbereitet. Entscheidend ist die Frage der Schmerzausschaltung. Bei einer Lokalanästhesie bzw. einer Kurznarkose wird eine andere Prämedikation angewandt als zur Vorbereitung einer Intubationsnarkose. Bei Eingriffen in Lokalanästhesie wird zumeist von dem Dolantin bzw. von dem Fortrai Gebrauch gemacht. Das Dolantin sollte 45 bis 60 Minuten vor dem Eingriff subkutan injiziert werden. Zur Prämedikation eines größeren Eingriffs in Lokalanästhesie eignet sich ausgezeichnet auch das Benzodiazepinderivat Valium 10. Das gleiche gilt für das Dominal forte. Neuerdings wird der Dolantinabkömmling Phentanyl zur Prämedikation herangezogen.

Spezieller Teil

K I 49

Das Phentanyl ist ein sehr starkes Analgetikum von geringer Wirkungsdauer. Es kommt besonders bei der sogenannten Neuroleptanalgesie zur Anwendung. Bei Lachgasanalgesien ist die Prämedikation mit dem Fortrai (Pentazocin) zu empfehlen. H A R N I S C H bevorzugt die Kombination der Lachgasanalgesie mit einer intravenösen SEE-Applikation (Scopolamin-Eukodal-Ephetonin). Es erfordert jedoch eine längere Ausschlafzeit. Wir kennen heute eine erhebliche Anzahl von Neuroleptika, also Pharmaka, die den zentralnervösen Grundtonus herabsetzten und durch Minderung psychischer Spannungen eine direkte Beeinflussung depressiver Phasen bewirken. Die folgende Übersicht zeigt eine Einteilung in Τransquilizer (transquillitas = Ruhe und Gelassenheit) und Ataraktika (ataractos = ungestört, unerschrocken) sowie eine solche in Benzodiazepinderivate und eine Aufzählung der Phenothiazine. Tab. 15 1. Tranquilizer und Ataraktika: a) Meprobamatgruppe Aneural Cyrpon Μ iltaun Restenil b) Bizyklische Verbindungen Atarax Covatix Mephena m in (Orphenadrine) c) Benactycingruppe Svavitis 2. Benzodiazepinderivate Libriu in Valium

3. Neuroplegika (Phenothiazinkörper) a) Chlorpromazingruppe Megaphen Verophen b) Promethazingruppe Atosil c) Piperidylgruppe Pacatal d) Perphenazingruppe Decentan e) Triflupromazingruppe Psyquil

Wir selbst bevorzugen sogenannte Mischspritzen, also einen Cocktail lytique, bestehend aus Α tropin, Fortrai und Atosil. J e nach der Größe des Eingriffes und je nach dem Alter des Patienten verordnen wir die Medikation einer halben bzw. einer ganzen Mischspritze. B E R N A D S K I J berichtet 1 9 5 7 über 3 0 5 chirurgische Eingriffe in örtlicher Xovocainanästhesie ohne Vorbereitung durch irgendwelche Sedativa. Es wurde besonders auf das Verhalten der Patienten unmittelbar vor dem Eingriff und im Verlauf des Operationsprozesses. auf Puls und Blutdruck, auf die Blutzirkulationsgeschwindigkeit, die Atmung, den Gefäßzonus. die Hauttemperatur, die morphologische Zusammensetzung des Blutes, Blutgerinnungstempo und auf die Veränderungen der bedingten und unbedingten Gefäßreaktionen geachtet. Alle Veränderungen trugen reflektorischen Charakter. Zu den bedingtreflektorischen Reizen des präoperativen Stadiums gesellten sich die unbedingten Reflexe durch den Eingriff selbst. Die Xivellierung der Schwankungen beim Puls, Blutdruck usw. erfolgt meistens in den ersten 2 4 — 7 2 Stunden. Es kann also, nach Ansicht B E R N A R D S K I J S gesagt werden, daß operative Eingriffe ohne vorbereitende Heil- und Schutzmaßnahmen beim Patienten ziemlich schwere emotionale und vegetative Reaktionen hervorrufen können. B I S I G ( 1 9 6 2 ) dagegen warnt vor der Prämedikation mit Psychopharmaka beim Gesunden wegen der evtl. auftretenden Nebenwirkungen. C A T A N I A und K R I N G S T E I N ( 1 9 6 2 ) kommen bei ihren Untersuchungen der parenteralen Verwendung des Meperidin-Prometha-

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J . GABKA und Η . HARNISCH, Lokalanästhesie

zins als pränarkotische Medikation zu dem Ergebnis, daß die Sedierung in 89% aller Fälle tief und mäßig in 11 % der Fälle war. Die Sedierung trat im Durchschnitt nach 20 Minuten auf. L A N G E hat in 575 Fällen von Gesichts- und Kiefertumoren, Nasenplastiken, Lippenplastiken usw. die Prämedikation mit einem Scophedal-Lorfan-Gemisch vorgenommen. Mit dieser Medikation läßt sich ein vorzüglicher analgetischer Effekt erzielen. Die Patienten sind entspannt und ruhig und in den meisten Fällen nehmen sie die lokale Betäubung nicht mehr wahr. Die Sedierung ist stärker als nach An wen d u ng von Ataraktika und Neuroleptika. Bei größeren chirurgischen Eingriffen in der Mund-, Kiefer- und Gesichtsgegend, bei denen die Inhalationsnarkose wegen der technischen Schwierigkeiten geringere Anwendungsmöglichkeiten bietet, die Lokalanästhesie hingegen nicht immer eine vollständige Beseitigung des Schmerzes und keine vollständige Unbeweglichkeit während der Operation gewährleistet, empfehlen POPESCTT, F I L I P E S C U und F O D O R die Anwendung der potenzierten Xarkose. Folgende Methode wird von ihnen angewendet: a) Zwei Stunden vor dem Eingriff wird eine intravenöse Tropfinfusion von 50 mg Largactil und einer Ampulle Mecodin in 250 ml 5% Traubenzuckerlösung, sowie eine intramuskuläre Injektion von 50 mg Phenergan und 0,5 mg Atropin verabreicht. Die Infusion geht langsam vor sich, 20—25 Tropfen in der Minute. Zur Tropfinfusion werden noch 25 mg Vitamin B x und 5—10 Ε Insulin hinzugesetzt. b) Am Operationstisch wird bei Beginn des Eingriffs eine Ampulle Mecodin (langsam 2—3 Min.) gespritzt. c) Lokalanästhesie mit 1% Novocain ohne Adrenalinzusatz. Die Verf. haben diese Methode bei 35 Fällen angewandt und das Verhalten vor und während der Operation sowie den postoperativen Verlauf beobachtet. Sie stellten fest, daß die erzielte Narkose die Durchführung eines langdauernden, traumatisierenden Eingriffs unter optimalen Verhältnissen gestattet. Die Blutdruck-, Herzrhythmus- und Atemveränderungen sind unbedeutend. W I L D wies erst kürzlich darauf hin, daß sich zur Zeit etwa 2500 markengeschützte Lokalanästhetika im Handel befinden. Dieser Vielzahl von Präparaten entsprechen selbstverständlich nur wenige Ausgangslösungen. Dennoch muß man L I S C H K A zustimmen, der feststellt, daß selbst anspruchsvolle Chirurgen mit höchstens 3—4 Präparaten auskommen. L I S C H K A empfiehlt beispielsweise eine 0,5%ige Ν ovocain\ösxmg mit sehr geringem Adrenalinzusatz zur Infiltrationsanästhesie größerer Gebiete, ein PaMiocainpräparat und ein X?/?ocampräparat. Auch wir stehen auf dem Standpunkt, daß man mit einer gewissen Anzahl von Präparaten auskommen sollte. So stehen uns für plastisch-chirurgische Eingriffe niederprozentige Procain- (Novocain) und Prilocainlösungen (Xylonest), für im Umfang begrenzte Maßnahmen Lidocain- (Xylocain) und Mepivacainpräparate (Scandicain) zur Verfügung. Wenn man dann der Anästhesielösung noch evtl. Hyaluronidase (Kinetin) oder Actihaemyl hinzufügt, wird es in fast allen Fällen möglich sein, die gewünschte Anästhesietiefe zu erzielen und die Dauer entsprechend zu variieren. W I L D empfiehlt die sog. Zweistufeninjektion mit Hyaluronidase. Sicherlich auch ein Weg zur Verbesserung der Anästhesie Wirkung. Das neue Prinzip dieser zweizeitigen Lokalanästhesie beruht auf einem physiologisch-chemischen Prozeß, der sich in der Grundsubstanz des Bindegewebes abspielt. Durch die Hyaluronidase wird die natürliche Schranke, die die Mucosaccharide gegenüber eindringenden Flüssigkeiten darstellen, durch Depolymerisation überwunden und der Weg zur Verbesserung der Anästhesie freigemacht. Die Injektion muß deshalb zweizeitig erfolgen, weil eine größere Flüssigkeitsmenge die Hyaluronidase zerstören würde. In einer Stellungnahme zu den Ausführungen von W I L D weist S C H M U Z I G E R darauf hin, daß die Hyaluronidase die Anästhesie vertieft und die Dauer verkürzt, daß es aber irrelevant sei, ob ein- oder zweistufig die Mischung Anästhetikum-Hyaluronidase-Vasokon-

Spezieller T e i l

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stringens gegeben wird, und daß Nachinjektionen nur mit einer hyaluronidasefreien Lösung ausgeführt werden dürfen. Die durch die größere Resorpitonsfläche erhöhte toxische Wirkung bei Hyaluronidasezugabe muß durch eine möglichst niedrige Konzentration des Anästhetikums und ein möglichst kleines Flüssigkeitsvolumen kompensiert werden, wobei Injektionen hyaluronidasehaltiger Lokalanästhetika nicht in entzündetes Gewebe oder in die Nähe von Tumoren wegen der erhöhten Streuwirkung und Durchdringungsmöglichkeit erfolgen dürfen. Ein ähnliches Vorgehen finden wir bei V I A N D E N , der eine Dreiphasenmethode zur Anwendung der Lokalanästhesie beschreibt. So finden sich viele Variationen bei der Anwendung einer örtlichen Betäubung. Wir selbst sind, wie schon aus dem allgemeinen Teil zu ersehen ist, Anhänger der Infiltrationsanästhesie. So nimmt es nicht Wunder, daß wir mit K Ö R N E R übereinstimmen, der auch bei der Anwendung einer Narkose die Lokalanästhesie nicht fehlen läßt. Die Vorteile einer zusätzlichen Lokalanästhesie in Narkose hegen darin, daß die Narkose auf Grund der Verhinderung von Schmerzreaktionen im Operationsfeld flacher gehalten werden kann, und daß der vasokonstriktorische Effekt blutsparendes und übersichtliches Operieren gestattet. Die gegenseitige Wechselwirkung von Narkotikum und Lokalanästhesie und Vasokonstringens verdienen jedoch strenge Beachtung. So bevorzugen wir bei Narkosen statt der Suprarenin-Zusätze prinzipiell das Octapressin. Um eine Verminderung der Blutungsneigung unter dem Einfluß zusätzlicher Lokalanästhesie auch in tieferen Schichten zu erzielen, führte K Ö R N E R seitengleiche Untersuchungen bei Tonsillektomien in Narkose durch. Danach war — auch statistisch gesichert — auf der mit Lokalanästhesie behandelten Seite die Operationsblutung deutlich geringer. Auch K R I E G E R betont mit Recht, daß es in der plastisch-kosmetischen Chirurgie keinen Eingriff gibt, bei dem nicht eine weitgehende Blutleere des Operationsgebietes wünschenswert wäre. Auch er betont, daß man bei Operationen in Vollnarkose aus diesem Grunde nicht auf eine Unterlegung des Operationsfeldes mit einem Lokalanästhetikum verzichten sollte. Der spezielle Teil dieses Handbuchartikels ist der Lokalanästhesie bestimmter plastischer Maßnahmen vorbehalten. Wir verzichten daher auf eine allgemeine Beschreibung zur Anästhesietechnik, wie wir sie speziell in den führenden Handbüchern der Lokalanästhesie B R A U N - L Ä W E N , K I L L I A N , H Ä R T E L und neuerdings in der praktischen Lokalanästhesie von A U B E R G E R finden. Der spezielle Teil soll vielmehr eine Ergänzung der im zweiten Band unseres Handbuches beschriebenen operativen Techniken der plastischen und rekonstruktiven Chirurgie sein. Im folgenden werden also die wichtigsten plastischen Eingriffe und ihre Sehmerzbekämpfung speziell von lokalanästhetischer Seite diskutiert.

A. Lokalanästhesie im Bereich des Hirnschädels einschließlich der Galea S T R E L I beschreibt im speziellen Teil dieses Handbuchs die konstruktive, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie im Bereich des gesamten Hirnschädels einschließlich seiner Weichteile (vgl. S T R E L I , Konstruktive und rekonstruktive Chirurgie des knöchernen Hirnschädels bzw. der Galea; Plastische Versorgung der ausgedehnten elektrischen Verbrennungen im Bereich des Schädels; Ästhetische Chirurgie im Bereich des Schädels, Band II). Auch er betont, daß gerade bei Eingriffen im Bereich der Schädeldecke die Lokalanästhesie indiziert ist. Auch bei größeren Lappenplastiken, die bekanntlich auch mit einem großen Blutverlust einhergehen können, ist allein zur prophylaktischen Blutstillung eine Lokalanästhesie angebracht. 63*

52 Ι 4

J.

GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

Abb. 2 : Sensible Versorgung der äußeren Gesichts· und Galea-Haut. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

X. X. X. X. X. X. X.

frontalis supraorbital!« c y g o m a t i c o - t e m p o r a l i s (Tri·.;. I I ) auriculo-tcmporalis (Trig. I l l ) auricularis magmis occipitalis minor occipitalis major

Die im gereich der Schädeldecke\durchzuführenden konstruktiven und rekonstruktiven Maßnahmen werden lediglich mit Hilfe der Infiltrationsanästhesie ausgeführt. Zusätzlich können Leitungsanästhesien gemacht werden; sie sind jedoch relativ selten notwendig. Das Gebiet der Schädeldecke wird von den folgenden Nerven versorgt (Abb. 2): 1. 2. 3. 4.

N. frontalis = Stirn und Scheitelhöhe N. supraorbitalis = Stirn und Scheitelhöhe N. cygomatico-temporalis = Schläfe N. auriculo-temporalis = Ohrmuschel und Schläfe

Abb. Ii. Abriegelnde Blockaden zur Infiltrationsanästhesie der Galea. Gleichzeitig werden die günstigsten Injektionspunkte für die oberflächliche Leitungsanästhesie (roter Punkt) angegeben.

5. N. auricularis magnus = Ohrmuschel und Schläfe 6. X . occipitalis minor = Retroaurikulargegend und Hinterhaupt7. N. occipitalis major = Hinterhaupt.

Spezieller Teil

k I 53

Aus der Abbildung 3 sind die Injektionspunkte für die Leitungsanästhesie im Schädelbereich zu erkennen. Gleichzeitig soll jedoch diese Abbildung die abriegelnde Blockade zeigen, also eine Lokalanästhesie, die einen Distrikt der Galea bzw. der knöchernen Schädeldecke schmerzfrei macht. Diese infiltrative, subkutane bzw. subgaleale Umspritzung, der sich bei den dicken Muskellagen der Schläfen und Hinterhauptgegend eine tiefe Infiltration der Weichteile zugesellt, ist die Methode der Wahl bei sämtlichen Operationen im Bereich der Galea. Da die Dura mater von dieser Lokalanästhesietechnik nicht ganz erfaßt wird, sie behält teilweise ihre sensible Versorgung, ist es bei Freilegung der äußeren Hirnhaut empfehlenswert, unter der Operation noch eine weitere lokalanästhetische Maßnahmen durchzuführen. Abbildung 4 zeigt die sensible Versorgung und den jeweiligen Ausfall der Schmerzempfindung nach einer Lokalanästhesie im Schädel-Gesichtsbereich. Hier ist jedoch darauf zu achten, daß bestimmte Überschneidungen vorkommen können, daß die Grenzen also nicht so exakt zu bestimmen sind, wie sie auf der Abbildung dargestellt sind.

A b b . 4.

Verteilung

der

Tnnerva-

ticmsfelder auf die A s t e des Trigeminus

und

die o b e r e n

Zervikal-

nerven. 1. 2. 3. 4. ">. »>. 7. 5. 9.

X. supramliitalis X . cy des X . nasociliaris und des Ganglion sphenopalatinum mit seinen Zweigen (nach SCHUCHARDT)

U | 59

Abb. 13b. Innervation der lateralen Innenfläche der Xase. 1. 2. 3.

Kndiistc X. Kndiiste X. Kndäste X.

olfaotorius opthalniicus niaxillaris

Abb. 15. Ausbreitungsgebiet der Anästhesie der inneren Xase

Aus diesen beiden Schemata ist deutlich zu ersehen, daß der kraniale Teil der Nasenhöhle von dem X . olfactorius, hier mit 1 bezeichnet, versorgt wird. Die uns zumeist interessierenden Teile und Abschnitte des endonasalen Vorgehens werden wiederum vom X . trigeminus, also von den Asten des fünften Hirnnerven versorgt. 2 bedeutet hier X . ethmoidalis anterior und 3 bezieht sich auf den 2. Ast des Trigeminus, den X . maxillaris. Vor dem eigentlichen endonasalen Eingriff erfogt die Schleimhautanästhesie mit Hilfe von PaHiocai'w-Tupfern, die das Innervationsgebiet des. X . nasociliaris und nach Möglichkeit sogar das Ganglion sphenopalatinum mit seinen Zweigen ausschalten soll (Abb. 14). F ü r die Schleimhautanästhesie bevorzugt WALTER eine 10%ige Kokainlösung (2 ml). I n die Lösung werden zwei Gazestreifen von etwa 10 cm Länge und vier Watteträger getaucht und damit benetzt. Die Watteträger werden erst nach Abschluß der lokalen Infiltrationsanästhesie entlang dem Xasenrücken auf jeder Seite eingelegt, die anderen zwei Watteträger hegen am hinteren Ende der mittleren Muschel. Mit dem Gazestreifen wird jedes Nasenvolumen austamponiert.

60 I k

J . GABKA und Η . HARNISCH. Lokalanästhesie

Die Abbildung 15 zeigt die Ausbreitung des Anästhesiedepots. Nach der Oberflächenanästhesie mitTetracain (Pantocain) erfolgt nun die eigentliche endonasale Lokalanästhesie. Wir bedienen uns hierbei des \^orgehens von L E N Z . L E N Z operierte prinzipiell nur in Lokalanästhesie und hat durch seine umfangreichen Erfahrungen auf dem Gebiete der ästhetischen Nasenchirurgie eine eigene Methodik der Lokalanästhesie entwickelt. Gerade bei kosmetischen Eingriffen kommt es darauf an, daß die Form der Nase nicht verändert wird. B e i umfangreicheren Infiltrationen muß es zwangsläufig zu einer Konturänderung kommen, da die infiltrierte Anästhesielösung Teile der äußeren Haut auftreibt. Um eine Lokalanästhesie ohne diese Nachteil zu erhalten, arbeitete L E N Z mit sehr dünnen Injektionskanülen und geringen Anästhesiemengen. E r nahm sich für die Lokalanästhesie vor einer Nasenplastik etwa 15 Minuten Zeit und injizierte jeweils an den angegebenen, auf Abbildung 16 dargestellten Punkten, also im Bereich der LENZschen Grube, des Nasenseptums, der Nasenspitze und der Kolumella höchstens 0,3—0,5 ml einer 1 %igen Anästhesielösung. Infolge der Zeit, die L E N Z sieh nahm, kam es tatsächlich zu einer ausgezeichneten,

Abb. IG. Injektionspunkte zur Lokalanästhesie nach Lrcxz. Injektion im Bereich der Lrcxzschen Grube, des Xasenseptums, der Nasenspitze und der Kolumella

die gesamte Nase umfassenden Lokalan äst Ii esie, bei der trotz der Infiltration jede Konturund jede Formveränderung zu erkennen war. Bei Nasenplastiken gehen wir in dieser Weise vor und benutzen außer der Leitungsanästhesie im Bereich beider Nn. infraorbitales die Infiltrationsanästhesie und können dabei den N. cygomatico-temporalis und den N. supra- und infratrochlearis, den N. nasalis und den N. cthmoidalis anterior ausschalten. W A L T E R hat in seinem Handbuchbeitrag ,,Ästhetische Chirurgie der Nase" ausführlich zur Lokalanästhesie Stellung genommen. E r ist der gleichen Meinung wie B E R S O N , H A A S , H U T T E R , K A Z A N J I A N , M A L B E C , S E R C E R , die mehrmals betont hatten, daß die Lokalanästhesie nach entsprechender medikamentöser Vorbereitung für eine Rhinoplasik gut geeignet ist. Sie erleichtert die Operation durch die herabgesetzte Blutungsneigung auf Grund der vasokonstriktorischen Zusätze, bringt für den Patienten keine unangenehmen Begleitbeschwerden und ist wenig aufwendig im Hinblick auf das notwendige Personal. Dem Operateur wird sie — durch das Fehlen des orotrachealen Tubus — das Abschätzen der Gesichtsproportionen, sowie das Einsetzen von Spänen oder die Entfernung von Knochenvorsprüngen am Kinn erleichtern. I m Gegensatz zu dem von uns geübten Anästhesievor-

Spezieller T e i l

it I G l

gehen (Abb. 16) empfiehlt WALTER die Lokalanästhesie der Xervenaustrittspunkte des 1. und 2. Trigemimisastes durch Umspritzen nacli CONVERSE und FOMOX. Interessant ist. daß WALTER neuerdings in einer /ipo«/o/-Kurznarkose die Lokalanästhesie vornimmt. E r benutzt 5 ml einer 2 ° 0 i g e n ! Xylocainlösung

und gellt folgendermaßen v o r :

K l e i n e A n ä s t h e s i e d e p o t s w e r d e n in den Bereich der T r o c h l e a im Tnneraugenwinkel g e s e t z t . schließend e r f o l g t ein e t w a

An-

}.(, ml Depot an d e m Xasion. Z w i s c h e n Triangularis- und F l ü g e l k n o r p e l in-

jiziert er ebenfalls eine kleine M e n g e Xylocain.

W e i t e r e D e p o t s w e r d e n in das S e p t u m

membranatium

eingespritzt. Die B e t ä u b u n g der N a s e n s p i t z e e r f o l g t durch g e r i n g e M e n g e n in die C e g e n d des K n o r p e l doms. und je ein kleines Depot an die M i t t e des Nasenflügels. Schließlich w e r d e n noch kleine A n ä s t h e s i e m e n g e n an die Basis der Spina nasalis anterior auf beiden Seiten, v o m Y e s t i b u l u m oris aus in die N a s o l a b i a l f a l t c und an die A u s t r i t t s p u n k t e des X . infraorbitalis g e s p r i t z t ( A b b . 17).

Erst vor Beginn der lateralen Osteotomie injiziert WALTER auf jeder »Seite noch einmal etwa

3/4

ml der A/y/offmdösung. Diese Maßnahmen decken sieh in ungefähr mit unserer

Technik — es muß jedoch WALTERS Lokalanästhesie in Propanidid-Xarkose —

hervor-

gehoben werden, die psychisch zweifellos von größter Bedeutung ist.

A b b . 17.

Anästhesie

der X e r v e n a u s t r i t t s p u n k t e

des

I. und

II. Trigeminusastes

dureh U m s p r i t z e n mit dem L o k a l a n ä s t h e t i k u m (nach ('ONYERSI·: und FOMON) ( H b . ])last. Chirur. WALTKR II 34)

A b b . IS. K o r r e k t u r der k n o r p e l i g e n Sehiefnase durch Sept u m r e k o n s t r u k t i o n nach GOLDMAN" prae- und p o s t o p e r a t i v — ( H b . P l a s t . Chir. W A L T K R II 34)

62 I 4

J . (ΤΑΒΚΛ u n d Η . HARXISLIT, L o k a l a n ä s t h e s i e

Mittels der Leitungsanästhesie der beiden Nn. infraorbitales ist es ohne weiteres möglich, in Lokalanästhesie umfangreichere Osteotomien, beispielsweise zur Korrektur einer knöchernen Schiefnase (Abb. 18) durchzuführen. Auch die blutreiche Operation eines Rhinophyms (Abb. 19) wird am günstigsten in ausgiebiger Lokalanästhesie erfolgen. Auch für die von Χ Κ Γ Χ Ε Κ angegebene Defektdeckung durch Fxzision von Xasenrückentumoren reicht unsere in Abbildung 12 beschriebene Lokalanästhesietechnik aus. Gerade au der XiouNEKschcn Schnittführung (Abb. 20) erkennt man, daß nur eine kombinierte Leitungsanästhesie im Bereich der Foramina infraorbitales und eine umfangreiche Infiltration hier ausreichen dürfte, um eine genügende Schmerzstillung herbeizuführen. Aus diesem Grunde sei in Abbildung 21 unsere extraorale Technik zur Infraorbitalanästhesie dargestellt. Hierbei liegt dei Zeigefinger der linken Hand auf dem Orbitalboden, in demjenigen Distrikt, in dem das Foramen infraorbitales palpiert, zumindest aber vermutet wird. Die Haut wird am besten 7—10 mm neben dem jeweiligen Nasenflügel punktiert. Dann wird die Kanüle in Richtung des linken Zeigefingers langsam aufwärts geschoben, bis Knochenkontakt erreicht wird und die Nadel durch leichtes Innensehwcnken in das Foramen infraorbitalis gleitet. Nach Aspiration (hier soll Blut aus den Yasae infraorbitales aspiriert

Abb. 19. Entfernung des Rhinophyms durch Abschälen und Aufrichten des Xasensteges durch Knorpeliinplantation bei Verlängerung der Nase ( H b . P l a s t , Chir. WALTER 11/34)

Spezieller Teil

4 | G:J>

Abb. 20. Malignomoperation an der Nasenspitze mit primärer Deckung, a) Basaliomrezidiv auf röntgengeschädigter H a u t ; b) liegende N a h t ; c) Zustand ö Monate postoperativ. (Hb. Plast. Chir. N E U N E R II/23)

zur Infraorbitalanästhesie

werden) wird das Anästhesiedepot vollständig entleert. Da die bisher beschriebenen, insbesondere auch die folgenden plastischen Eingriffe weitgehend im Sensibilitätsbereich des N. trigeminus liegen, seien hier kurz einige Hinweise zur Ausschaltung der einzelnen Trigeminusäste geschildert. Es ist nicht die Aufgabe dieses Handbuchartikels, erschöpfend alle Leitungs- und Stammanästhesien zu beschreiben, wir wollen vielmehr nur diejenigen Techniken zeigen, die für die Bewältigung unserer Aufgaben erforderlich sind. Jeder Operateur wird sich im Laufe der Zeit eigene lokalanästhetische Methoden aneignen, jeder wird seine Lieblingsmethode haben, doch sind die gängigen Methoden von so großem Nutzen, daß ihr Beherrschen in der heutigen Zeit, die unsere jungen Mitarbeiter nicht mehr zwingt, die Schmerzausschaltung selbst vornehmen zu müssen, zweifellos gewinnbringend ist.

64 I 4

J . GABKA u n d Η . HARNISCH, L o k a l a n ä s t h e s i e

C. Leitungsanästhesien der einzelnen Trigeminusäste H Ä R T E L hat in einer Tabelle die historische Entwicklung der einzelnen Leitungsanästhesien im Sensibilitätsbereich des N. trigeminus veröffentlicht.

Tab.14 Jahr

Autor

Nerv

Ort der Injektion

1885

HALSTEDT

Lingula mandibulae

1900

MATAS

1904

PAYR

1907

SCHLÖSSER

XT. alveolaris inf. u. lingual is X. maxillaris X. maxillaris X. mandibularis X. mandibularis Aste des X. ophthalmicus Ganglion GASSERI

1910

OFFERHAUS

1911

BRAUN

1912

HÄRTEL

Fossa pterygopalatina Orbita Foramen ovale, Weg durch die Wange Foramen ovale, querer Weg Orbita intrakranial durch das Foramen ovale

Das Innervationsgebiet des ISJ. trigeminus zerfällt in ein Hautgebiet (Abb. 22) und ein Schleimhautgebiet (Abb. 23).

Abb. 22. Xerven Versorgung des Gesichts mit besonderer Darstellung der terminalen Hauptäste des X. trigeminus

Abb. 23. Sehleimhautinnervation im Bereich des Halses und Kopfes

1. Trigcininusasi = X. ophthalmicus Die proximale extrakraniellc Leitungsunterbrechung ist nach A U B E R G E R wegen des schwierigen Zugangsweges und der großen Komplikationshäufigkeit grundsätzlich zu widerraten.

Spezieller Teil

4 | 65

I m Prinzip schließen wir uns A U B E R G E R an, doch ist eine proximale Leitungsunterbrechung des N. ophthalmicus ohne praktischen Nutzen, da die Endäste dieses Nervenastes ohne weiteres durch Infiltrationsanästhesie örtlich betäubt werden können. Nach H Ä R T E L wird der 1 . Trigeminusast in Hautnerven, Bulbusnerven und Nasennerven eingeteilt. Die uns in der plastischen Chirurgie interessierenden Hautnerven sind der N. lacrimalis N. supraorbital Ν. frontalis

X. nasociliaris

R. X. X. X.

frontalis supratrochlearis infratrochlearis ethmoidalis ant. R. nasalis externa.

I m vorhergehenden haben wir bereits schon beschrieben, wie wir im einzelnen diese Hautäste anästhesieren. 2. Trigeminusast = N. maxillaris Die Hautnerven des 2. Quintusastes, des N. maxillaris sind folgende: X. cygomatico-temporalis X. cygomaticus X. infraorbitalis

X. cygomatico-facialis Rr. palpebrales Rr. nasales Rr. labiales

Diese Xerven innervieren das untere Lid nebst Konjunktiva, die Xasenflügel, die Oberlippe und Schleimhaut des \ T estibulums sowie Teile der Wange und der Jochbeingegend. Die Xerven der Schleimhaut versorgen einen Teil der Xasenhöhle und deren Xebenhöhlen, die obere Hälfte der Mundhöhle, die Zähne des Oberkiefers sowie Teile des Rachens. Es sind die Xn. sphenopalatini und die Xn. alveolares superiores.

Wie wir bereits festgestellt haben, ist ein großer Teil des Innervationsgebietes des N. maxillaris allein schon durch die Infraorbitalanästhesie zu blockieren. In vielen Fällen, also bei Nasenplastiken, Weichteileingriffen im Gebiet des 2. Trigeminusastes und der Oberlippenchirurgie, reicht die Infraorbitalblockade mit zusätzlicher Infiltration völlig aus. Sind jedoch umfangreichere Osteotomien erforderlich, empfiehlt es sich doch, eine proximale Leitungsunterbrechung des N. maxillaris durchzuführen. Die Abbildung 24 zeigt die wichtigsten Trigeminusblockaden und Stammanästhesien des 2 . und 3 . Trigeminusastes sowie die Blockade des Ganglion G A S S E R I . Während P A Y R , L I N D E M A N N und I M M E N K A M P oberhalb des Jochbeinbogens die sogenannte obere zygomatikale Blockade des N. maxillaris herbeiführen, benützt P A Y R auch den transorbitalen Weg, f ü h r t also eine orbitale Blockade des N.maxillaris vor dem Foramen rotundum durch. Unterhalb des Jochbeinbogens geht M A T A S ein, der dadurch die sogenannte untere zygomatikale Blockade des 2. Trigeminusastes eingeführt hat. Sinn aller dieser Maßnahmen ist es, den N. maxillaris in der Fossa pterygopalatina, also jener lateralwärts offenen Knochennische, die zwischen dem medialsten Teil des Tuber maxillae und dem Flügelfortsatz des Keilbeins gelegen ist, und von dem senkrechten Teil des Gaumenbeins nach innen abgeschlossen wird, zu punktieren. Der 2. Trigeminusast nimmt in der Fossa pterygopalatina den oberen Teil dieser Nische ein und ist an ihrem Dach bindegewebig fixiert. Er tritt durch das Foramen rotundum und gibt kurz nach seinem Austritt Zweige zu dem in der Fossa gelegenen Ganghon sphenopalatinum ab, die die Sensibilität der Nasen- und Gaumenhöhle steuert. U m ihn wirksam zu anästhesieren, müssen Λvir ihn daher im hinteren oberen Winkel der Fossa, also im Bereich des Foramen Handb. Plast. Chir., Bd. I

64

66 Ι 4

J.

GABKA u n d Η . HARNISCH,

1

Lokalanästhesie

5

Abb. 24. Schema der Blockaden des X . trigeminus und des Ganglion GASSERI. 1. O b e r e zygomat.ikalc B l o c k a d e des T r i g . Π naclil'AYK, LINNEMANN, IMMENKAJH·. 2. L a t e r a l e o r l i i t a l e B l o c k a d e des T r i g . I I , vor d e m F o r a m e n r o t u n d u i n und des G a n g l i o n Gasseri ( n a c h I'AYR). 3. U n t e r e z y g o m a t i k a l c B l o c k a d e des Trig. I I n a c h MATAS

4. K l a s s i s c h e B l o c k a d e des T r i g . I I I und des Ganglion Gasseri n a c h HÄRTEL 5. K l a s s i s c h e l a t e r a l e B l o c k a d e des T r i g . I I I und des G a n g l i o n Gasseri durch das F o r m e n a o v a l e n a c h BRAUN".

Spezieller Teil

4 | 67

rotundum zu treffen suchen. H Ä R T E L macht mit Recht auf bestimmte Gefahren bei diesen nasalen Anästhesien aufmerksam: „ D a die Fossa pterygopalatina keine geschlossene Höhle darstellt, sondern nach innen durch das Foramen sphenopalatinum mit der Nasenhöhle nach oben mit der Orbita in Verbindung steht, ist eine genaue Berücksichtigung der Tiefenangaben unerläßlich. Wir dürfen, nachdem wir den Eingang der Fossa erreicht haben, nicht weiter als 1 cm die Nadel vorschieben, da wir sonst entweder in der Orbita landen und Hämatome oder vorübergehende Augenmuskellähmungen erzeugen oder aber das Novocain dem Patienten in die Nasenhöhle spritzen würden."

Bei dem transorbitalen Vorgehen nach P A Y R ist es nicht nur möglich, den N. maxillaris zu blockieren, sondern das Ganglion G A S S E R I durch das Foramen rotundum zu erreichen. Aus diesem Grunde sei hier kurz Abb. 26. Orbitale Punktion des Foradie Richtungsbestimmung bei der Orbitalen Punktion men rotundum des Foramen rotundum aufgezeigt (Abb. 25): Wie die Abbildung zeigt, wird die Kanüle am unteren äußeren Rand der Orbita eingestochen. Als exakten Punkt könnte man denjenigen bezeichnen, der einen Fingerbreit unterhalb des äußeren Lidwinkels liegt. Die Kanüle wird nun in folgender Richtung eingeführt : Sie muß bei en-face-Aufsicht auf den inneren oberen Winkel der Orbita zeigen und bei der Profilkontrolle muß sie sich nach dem oberen Rand der Ohrmuschel orientieren. Nach H Ä R T E L ist die anatomische Möglichkeit auf diesem Wege das Foramen rotundum zu punktieren viel größer als bei den anderen Methoden. Sie beträgt 8 9 % und ist abhängig von der Weite und Krümmung der unteren Orbitalfissur (Abb. 25 und 26).

3. Trigeminusast = X. mandibularis Der 3. Trigeminusast ist ein gemischter Nerv, insofern, als ihm der motorische N. masticatorius beigegeben ist, der die Kaumuskeln innerviert. Der sensible Anteil hat folgende Verzweigungen:

N. mandibularis
ΚΓ,ι.κ)

Nach

diesem l o k a l a n ä s t h e t i s c h e n

.Maßnahmen können

E i n g r i f f e . wie s o l c h e

scliiebunLien (los O b e r k i e f e r s , oder A u f b a u t e n des O b e r k i e f e r s transplantaten

u. ä. d u r c h g e f ü h r t

werden.

A x i i a i skn

mit

besehrieb

L-förmigen die

intraorale

YorverKnorpelTuber-

i n j e k t i o n so. d a ß die X a d e l o b e r h a l b des R a u m e s z w i s c h e n 1. und 2 . M o l a r e n in die l ' m s e h l a g f a l t e e i n g e s t o c h e n und a m A u ß e n r a n d e d e r C h r i s t a m a x i l l a r i s v o r b e i u n t e r K n o c h e n f ü h l u n g d e r S p i t z e in R i c h t u n g a u f die A u ß e n f l ä c h e des O b e r k i e f e r s v o r g e s c h o b e n wird, wo die b e t ä u b e n d e F l ü s s i g k e i t v e r t e i l t wird.

J . (Ί.ΛΒΚΛ und Η . HARXXSCII, L o k a l a n ä s t h e s i e

72 I 4

c

d

A b b . 32. S a g i t t a t e S p a l t u n g des a u f s t e i g e n d e n U n t e r k i e f e r a s t e s n a e h OBWKCKSIOK. T r o f i l b i l d v o r u n d n a c h der B e h a n d l u n g ( H b . P l a s t , Chir. I Γ/2 KÖI.K)

S p e z i e l l e r Teil

Alii). ;s:;d Abb.

Λ111). :!:ic·

Z w e i z e i t i g e V e r s c h i e b u n g d e s O b e r k i e f e r s n a c h Κ ("IM·:. P r o f i l b i l d v o r u n d n a c h o p e r a t i v e r K o r r e k t u r d u r c h e i n e z w e i / . e i t i g e O s t e o t o m i e im O b e r k i e f e r (Hl). P l a s t . Oliir. 11 :> K(">u·:)

A b b . 34. T u b e r a n i i s t h e s i e .

1. V o r s c h i e b e n d e r I n j e k t i o n s n a d e l b i s in d i e O e g e n d d e s W e i s -

h e i t s z a h n e s , a l s o d e s T u b e r m a x i l l a e . 2. D r e h u n g in e i n e k r a n i a l e R i c h t u n g z u m K i n s t i e h in die F o s s a p t e r v g o p a l a t i n a

Z u r e x t r a o r a l e n T u b e r i n j e k t i o n wird d u r c h Betastung' die k a u d a l c K a n t e des J o c h b e i n s a u f g e s u c h t u n d g e n a u u n t e r ihr die N a d e l s e n k r e c h t in die Tiefe auf die A u ß e n f l ä c h e des Oberkiefers e i n g e f ü h r t , auf der die Flüssigkeit verteilt wird. W ir selbst sind jedoch mit der \ 7 on u n s beschriebenen M e t h o d e , also der i n t r a o r a l e n T u b e r a n ä s t h e s i e völlig a u s g e k o m m e n . Bei b e s t i m m t e n () ρ e r a t i ο η s ν e rf a h r e η im Kiefergebiet ist eine Lokalanästhesie im Bereich des Ober- und Unterkiefers erforderlich. So wird beispielsweise zur Beseitigung der bialveolären P r o t r u s i o n n a c h K Ö L E eine R ü c k v e r s e t z u n g sowohl des oberen wie des u n t e r e n Alveolarfortsatzes durchgeführt.

A b b . 3(>. O p e r a t i o n s v e r f a h r e n zur Beseitigung der bialveolären P r o t r u s i o n (KÖIJC). Profilbild vor u n d n a c h o p e r a t i v e r K o r r e k t u r n a c h d e m V o r f a h r e n von K Ö M · : ( H b . phist. Cliir. 11/20 K Ö M · ; )

Spezieller Teil

U | 75

Nach E x t r a k t i o n der ersten beiden Molaren wird der K n o c h e n von einem S c h n i t t in der l'mschlagfalte und zwei vertikalen S c h n i t t e n im Prämolarenbereich freigelegt. Im Bereich der extrahierten P r ä molaren wird ein rechteckiges K n o c h e n s t ü c k in der entsprechenden B r e i t e entnommen, so daß das mobilisierte F r a g m e n t durch eine vorbereitete Scharnierschiene m i t den seitlichen Zahnreihenabschnitten verbunden werden kann. Die Rückverlagerung des Oberkiefers wird dementsprechend sofort angeschlossen (Abb. 3(5).

Abb. 37. I n j e k t i o n s p u n k t e zur örtlichen .Betäubung im Bereich beider Lippen, der Kolumella und der beiden

Infraorbital-

punkte

Abb. 38. Bogenförmige Osteotomie des aufsteigenden L'nterkieferastes mit Einlagerung eines Knochentransplantates nach I.M.MKNKAMi'

(Hb. Plast. Cliir. II i'li K o l k )

Abb. 39.

Profilbild vor und nach

der operativen

Korrektur

des

l'ntcrkicfers

bogenförmige Osteotomie mit Einlagerlingeines K n o c h e n t r a n s p l a n t a t e s nach (Hb. P l a s t . Chir.

I !/:>(> Kölk)

durch

I mm ionkaml·

76 I 4

J. GABKA

und Η .

HARNISCH,

Lokalanästhesie

Bei solchen Eingriffen ist neben der beschriebenen Mandibular- und Mentalisleitungsanästhesie eine periphere Lokalanästhesie im Bereich des Oberkiefers erforderlich. So wird neben der Tuberanästhesie, die aus Abbildung 34 ζ α ersehen ist, eine örtliche Betäubung im Bereich beider Lippen, der Kolumella und im Bereich der beiden Infraorbitalpunkte durchgeführt (Abb. 37). Durch diese kombinierte Leitungs- und Infiltrationsanästhesie ist es uns möglich, Eingriffe durchzuführen, die sowohl den Ober- wie auch den Unterkiefer betreffen. Beispielsweise bei der bogenförmigen Osteotomie des aufsteigenden Astes mit Einlagerung eines Knochentransplantates nach I M M E N K A M P (Abb. 38) kann es, wie die K Ö L E sche Serie (Abb. 39) zeigt, erforderlich sein, eine operative Korrektur des Unterkiefers mittels bogenförmiger Osteotomie im aufsteigenden Ast mit einer Knochenimplantation nach I M M E N K A M P durchzuführen, wie gleichzeitig die Höckernase zu operieren. I n solchen Fällen kommen wir mit der Anästhesietechnik, die wir in Abbildung 12 und 37 beschrieben haben, sowie der entsprechenden Stammanästhesie im Bereich des Foramen mandibulare aus. Hier ist also sowohl Nase mit Oberlippe, Oberkiefer und Unterkiefer örtlich betäubt. Zusammenfassend kann also für die plastischen Eingriffe im Kieferbereich gesagt werden, daß im Grunde genommen nur Stammanästhesien im Bereich des N. mandibularis, des N. mentalis, des N. palatinus, eine sorgfältige Tuberanästhesie und entsprechende Infiltrationen mit Lokalanästhesielösungen vonnöten sind, um eine absolute Schmerzausschaltung während dieser Eingriffe zu erzielen.

E. Lokalanästhesie bei der Versorgung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten Obwohl die operative Schmerzbekämpfung in der Spaltchirurgie heute weitgehend den modernen Narkoseverfahren vorbehalten ist, k o m m t es immer wieder vor, — insbesondere bei Nachoperationen oder bei späten Erstoperationen, — daß die Durchführung eines Eingriffes in Lokalanästhesie erfolgt. Während schon früher, vor dem modernen Narkosezeitalter, die Lokalanästhesie bei den Spaltoperationen verschiedentlich gehandhabt wurde —• A X H A U S E N , E R N S T , L I N D E M A N N , W A S S M U N D U. a. operierten streng in Lokalanästhesie, wohingegen eine zweite Gruppe K I R S C H N E R , R O S E N T H A L , H E R F E R T U. a. eine Kombination zwischen allgemeiner Betäubung und Lokalanästhesie bevorzugten — sind die Anästhesieverfahren im Säuglings- und Kleinkindesalter heute im wesentlichen einheitlich. Die modernen Verfahren zum Verschluß der Lippe und des Kiefers mit der primären Osteoplastik ( S C H R U D D E und STELLMACH, S C H U C H A R D T und P F E I F F E R , G A B K A U. a.) sowie die verschiedenen Methoden der Gaumenplastik ( S C H W E K E N D I E C K , W I D M A Y E R U. a.) erfordern eine allgemeine Anästhesie ( E C K A R T , W E S T H U E S ) . F I S C H E R untersuchte erst kürzlich die Komplikationen bei Spaltoperationen nach Anwendung von Lokalanästhesie, der Rektalanästhesie und den Intubationsnarkosen. Er gibt der endotrachealen Narkose den Vorzug, weil diese für den Operateur am angenehmsten, für den Säugling am schonendsten und sichersten ist, und postoperative Komplikationen besonders des Atemtrakts fast vollkommen fehlen. Auch B E R G M A N N steht auf dem Standpunkt, daß die Intubationsnarkose die Methode der Wahl ist. P F L Ü G E R berichtet über seine in sieben J a h r e n an 700 Patienten gemachten Erfahrungen, die wegen bestehender Lippen-Kiefer-Gaumenspalte in Intubationsnarkose operiert würden. P F L Ü G E R bevorzugt zur Lippen-Naseneingangsplastik die orotracheale, zum Verschluß einseitiger

Spezieller Teil

k I 77

Gaumenspalten die n a s o t r a c h e a l , zum Verschluß doppelseitiger durchgehender Gaumenspalten und der Pharyngoplastik nach H Y N E S die orotracheale Intubation. Die Anwendung der Lokalanästhesie bei diesen Operationen bezeichnet er als unzweckmäßig, weil es durch Gewebeauf quellung zu einem Verwischen der Konturen, Formund Größenverhältnissen kommt. Wenn wir auch im wesentlichen mit P F L Ü G E R übereinstimmen, so ist doch die letztere Schlußfolgerung abzulehnen. K o m m t es bei einer Lokalanästhesie zu einer derartigen Gewebeaufquellung, so daß Konturen, Form- oder Größenverhältnisse verwischen, so liegt das immer an dem Anästhesierenden, an der Menge und an der Schnelligkeit der Durchführung der lokalen Betäubung. Wir benutzen in der überwiegenden Zahl unserer Fälle ebenfalls die Intubationsnarkose, doch machen wir bei jeder Spaltoperation von der Lokalanästhesie Gebrauch. Besonders bei Gaumen- und Veloplastiken benutzen wir den konturändernden

Abb. 40. Injektionspunkte zur Lokalanästhesie zum Verschluß einer einseitigen Lippenspalte. Leitungsanästhesie im Bereich beider Foramina infraorbitales, Infiltrationsanästhesie im Bereich der Lippen, lind der Xase zur Ausschaltung des Endäste des X. maxillaris

Abb. 41. Kombinationsanästhesie zum Verschluß der doppelseitigen Lippenspalte

Effekt der lokalen Betäubung zur guten Darstellung und der damit verbundenen Konstruktion der Uvula. Die Technik der Lokalanästhesie für den Verschluß einer einseitigen Lippenspalte ist aus Abbildung 40 zu ersehen. Auch hier steht wieder die Kombination von Infiltrationsund Leitungsanästhesie im Bereich beider σ ο im Vordergrund. Xach der Leitungsanästhesie Ο Foramina i n f r a o r b i t a l s , kommt eine Infiltration im Bereich der Lippen und der Nase — und hier im Bereich des Nasenrückens, des Nasensteges und insbesondere des durch die Spalte in Mitleidenschaft gezogenen Nasenflügels — in Betracht. Durch diese Kombinationsanästhesie sind die Endäste des N. maxillaris ausgeschaltet und der Eingriff kann ohne Schwierigkeiten vorgenommen werden. Aus der Abbildung 41 sind die Anästhesiepunkte für die Kombinationslokalanästhesie bei der doppelseitigen Lippenspalte zu ersehen. Bei ein- und doppelseitigen Lippenkorrekturen wird in dieser Weise eine lokale Betäubung vorgenommen. Hier ist jedoch zu bemerken, daß es günstig ist, bei Reoperationen den Spreading-Effekt auszunutzen, und wie schon R O S E N T H A L und später W I L D festgelegt haben, eine sogenannte Zweiphaseninjektion durchzuführen. Gerade ältere Spaltträger, die bereits im Säuglings- und Kleinkindesalter in Lokalanästhesie voroperiert worden sind, reagieren sehr empfindlich auf die Lokal-

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J . GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

anästhesie. Wir benutzen daher grundsätzlich Zusätze wie Hyaluronidase (Kinetin) und Actihaemyl, um den lokalanästhetischen Effekt zu vertiefen und die Latenzzeit zu verkürzen. B E Z Z E N B E R G E K und S T E L L M A C H haben, wie schon im allgemeinen Teil berichtet, über ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der Spaltchirurgie berichtet. Sie konnten besonders gute Erfahrungen mit dem Mepivacain (Scandicain) sammeln. Die Lokalanästhesie bei der einseitig durchgehenden Spalte ob nun ein- oder zweizeitig operiert wird, ersieht man aus der Abbildung 42. Wir beginnen zumeist mit der Leitungs-

Abb. 42. Lokalanästhesie zur Operation einer einseitigen durchgehenden Gaumenspalte. Leitungsanästhesie im Bereich beider Tuber. Ausschaltung der Nn. palatini an den Foraminae palatinae maj. Unterbrechung des X. nasopalatinum im Bereich des For. incisivum. Infiltrationsanästhesie der Velum weichteile

wie bei der einseitigen Gaumenspalte mit besonderer Infiltration des Vomer

besonders die Infiltration im Lippenbereich deutlieh zu erkennen

anästhesie im Bereich beider Tuber, betäuben dann die Nn. palatini an den Foraminae palatinae maj., um dann im Bereich des häufig anormal liegenden Foramen incisivum den N. nasopalatinus zu unterbrechen. Abschließend erfolgt dann eine Aufspritzung der Velumweichteile, also eine Infiltrationsanästhesie, die unter einem gewissen Druck vorgenommen wird. Dadurch stellen sich beide Velum- und Uvulahälften gut auf, verengen sich und sind dem Messer besonders gut zugänglich.

4 I 79

Spezieller Teil

Das gleiche gilt auch für die doppelseitige Gaumenspalte. Hier wird lediglich noch der Vomer besonders infiltriert, da hier beide Nasengänge konstruiert werden müssen. Was jedoch auf der Abbildung 42 und 43 nicht zu ersehen ist, ist bei den lokalanästhetischen Maßnahmen zur Versorgung der medianen Gaumenspalte (Abb. 44) sehr gut zu ersehen. In

Abb. 45. örtliche Betäubung zur Pharyngoplastik nach S C H Ö N B O R N - R O S E > " T H A L , modifiziert nach HERFERT

d

e

Abb. 46. Schema der Pharyngoplastik n a c h S c H Ö N b o R N - R o s E N T H A L , modifiziert nach (Hb. Plast. Chir. I I / 9 H E R F E R T )

HERFERT

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J . GABKA und Η . H A R N I S C H , Lokalanästhesie

allen Fällen wird nämlich eine Infiltrationsanästhesie im Lippenbereich vorgenommen. Es ist bei den ein- und doppelseitigen Gaumenspalten noch wichtiger als bei der medianen Gaumenspalte, da ja hier, gerade bei schlecht voroperierten Fällen, häufig noch Vorhof- und Nasendefekte vorhanden sind, die eine Deckung mit Lippenschleimhaut verlangen. Unabhängig von diesen zusätzlichen Eingriffen jedoch, ist die labiale bzw. vestibuläre Lokalanästhesieinfiltration schon durch die abschließenden Maßnahmen einer Gaumenplastik, die darin bestehen, daß durch Fixierung von Schutzverbänden die palatinalen Wundlefzen adaptiert werden, unbedingt erforderlich. Es ergibt sich heute zwangsläufig, daß schwierige Eingriffe auch in der Spaltchirurgie in endotrachealer Intubationsnarkose durchgeführt werden. Das bezieht sich auf die primären und sekundären Osteoplastiken, auf die Wieder herstellungs- und Aufbauplastiken und Pseudoprogenien, Kieferverkrüppelungen, insgesamt gesehen auf alle schwierigen Rehabilitationsmaßnahmen bei Spaltträgern. Auch die sogenannten sprachverbessernden Operationen, die Pharyngoplastiken, die früher in Lokalanästhesie operiert wurden, werden heute fast überwiegend in Intubationsnarkose durchgeführt. H E R F E R T bemerkt mit Recht, daß der Trachealtubus stören kann, doch ist u. E. dies das geringere Übel. Da jedoch in seltenen Fällen auch diese Plastiken noch in Lokalanästhesie operiert werden müssen, sei an der Abbildung 45 gezeigt, wie durch eine Kombination von Lcitungs- und Infiltrationsanästhesie auch dieses Gebiet völlig auszuschalten ist. Es spielt keine Rolle, ob es sich hier um eine kaudal oder kranial gestielte Pharynxlappenplastik handelt, entscheidend ist, daß der gesamte Gaumenbereich und die gesamte Rachenhinterwand einschließlich des Meso- und Hypopharynx lokal bet ä u b t sind. Aus der Abbildung 23 ist ersichtlich, daß die Rachenhinterwand vom N. glossopharyngicus versorgt wird, dessen Innervationsgebiet, wie aus der Abbildung 46 zu ersehen ist, mittels Infiltration örtlich betäubt wird. Die Sensibilität des Gaumens selbst wird, wie weiter oben stehend ausführlich beschrieben, durch eine Kombination von Infiltration- und Leitungsanästhesie blockiert.

F. Lokalanästhesie bei plastischen Eingriffen im Bereich der Orbita W A L S E R , der die plastische Chirurgie im Bereich der Orbita im speziellen Teil unseres Handbuches behandelt, meint, für die Betäubung genügt bei Jugendlichen und Erwachsenen in den allermeisten Fällen die Lokalanästhesie, wobei der Infiltrationsanästhesie gegenüber der Leitungsanästhesie der Vorzug zu geben ist. Es empfiehlt die Allgemeinnarkose nur bei Kindern unter 1 0 Jahren. W A L S E R schreibt:

„Die Technik der Lokalanästhesie unterscheidet sich nicht von anderen Methoden, indem wir bei der Akinesie, d. h. der Ausschaltung des Lidschlusses, oder bei der Ziliar-Ganglion-anästhesie (Betäubung des hinter dem Augapfel gelegenen Ganglion ciliare) eine Leitungsanästhesie durchführen. Soweit die Betäubung nur die Augenoberfläche u n d die Bindehaut betrifft verwenden wir die Tropfanästhesie mit

Cornecain, Kokain usw." Als beruhigendes und gut schmerzstillendes Mittel leistet das SEE bei Erwachsenen gute Dienste doch müssen wir feststellen, daß gerade die Anästhesisten uns zur Zeit moderne Mittel empfohlen haben (s. Prämedikation, Tab. 12 u. 13, S. 48). Zur örtlichen Betäubung empfiehlt W A L S E R das 2%ige Novocain mit Stiprareninzusatz, daneben kommt eine Anästhesierang des Bindehautsackes durch Einträufeln von 3%iger Cornccainlösung in Frage. Wenn auch heute noch Procainlösungen verwendet werden, so empfehlen wir doch die modernen esterasespaltenden Lokalanästhetika. I m Orbitabereich haben wir bei einem Minimum von Anästhesielösung ein Maximum von schmerzstillender Wirkung.

Spezieller Teil

c

d

Abb. 47. Ausgedehntes Hautkarzinom im Bereich des inneren Lidwinkels. Zustand 3 Wochen postoperativ Schematische Darstellung der Schnittfiihrung, Lage der Nähte (Hb. Plast. Chir. 11/36 WALMKR)

Wir schließen uns der Meinung W A L S E E S an, wenn er sagt, daß die Infiltrationsanästhesie die Methode der Wahl sei. So kann beispielsweise bei einem so ausgedehnten Hautkarzinom im Bereich des inneren Lidwinkels, wie es W A L S E R beschrieben hat (Abb. 4 7 ) die folgende Anästhesietechnik angewendet werden (Abb. 48). Auch hier bewährt sich wieder die Kombination von Leitungs- und Infiltrationsanästhesie: Leitungsanästhesie im Bereich des N. infraorbitalis, Infiltrationsanästhesie im inneren und äußeren Augenwinkel H a i u l b . P l a s t . C'hir., l i d . I

05

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J . (ΤΑΒΚΑ u n d Η . H A R N I S C H , Lokalanästhesie

Abb. 48. Darstellung der Lokalanästhesie zur Operation Abb. 47. Leitungsanästhesie im Bereich des N. infraorbitalis. Infiltrationsanästhesie im inneren und äußeren Augenwinkel sowie im Bereich des Oberlides

sowie im Bereich des Oberlides. Durch diese örtliche Betäubung ist es ohne weiteres möglich, Defektplastiken mit weitausladenden Bogenschnitten mit Unterminierung der gesamten Wangenweichteile durchzuführen. J e nach Belieben läßt sich das Anästhesiefeld durch Infiltration von Anästhesielösungen im Bereich der Wange und der Stirn verbreitern. So reicht diese einseitige kombinierte Infiltrations- und Leitungsanästhesie auch für plastische Operationen im Bereich der Weichteilorbita, aber auch im Bereich der knöchernen Orbita aus. Lediglich bei der plastischen Stumpfbildung nach länger zurückliegender Enukleation nach S C H U C H A R D T , bei der eine Knorpelscheibe durch einen schläfenseitig angelegten Hautschnitt transplantiert wird, muß zusätzlich durch subgaleale Infiltration bzw. durch Blockade des N. cygomaticotemporalis das Schläfengebiet ausgeschaltet werden.

G. Lokalanästhesie bei plastischen Operationen im Gesichtsbereich Der übrige Gesichtsbereich interessiert den Plastikchirurgen vor allem wegen der kosmetischen Eingriffe, also beispielsweise bei einer Gesichts-Halsspannung, bei Exzisionen von Tumoren und der primärplastischen Deckung, bei Narbenkorrekturen nach Verkehrsunfällen und vielem anderen mehr. Die Lokalanästhesie ist bei diesen Eingriffen eigentlich immer die gleiche, die Ausdehnung ist nur bei dem einen Eingriff größer als bei dem anderen. So zeigen zwei Beispiele von Z O L T A N sehr deutlich, wie verschieden plastischchirurgische Operationen zu bewerten sind, wie einheitlich jedoch das lokalanästhetische Vorgehen ist. I n der Abbildung 49 sehen wir beispielsweise die Operation eines im linken Mittelgesicht gelegenen großen Nävus. Durch Exzision des Nävus und eine sehr umfangreiche Wangenrotation war es Z O L T A N möglich, diesen Defekt mit Wangen- und Halshaut zu decken, ohne freie H a u t in Anspruch nehmen zu müssen. Die viel harmlosere Entfernung eines kleinen Stirnschläfennävus, dessen Defekt nach radikaler Exzision mittels einer Doppelrotation gedeckt wurde (Abb. 50), zeigt ebenfalls den Umfang des Operationsfeldes, zumindest aber das relativ große Anästhesiefeld. Aus diesem Grunde haben wir in Abbildung 51 das Standardverfahren für große Lokalanästhesien im Gesichtsbereich dargestellt. Mit dieser Anästhesie, die ebenfalls wieder als eine Kombination zwischen Leitungs- und Infiltrationsanästhesie gilt, lassen sich sowohl große Naevi, kleine Tumoren mit schwierigen Defektdeckungcn wie auch Gesichts- und Halsspannungen schmerzlos ausführen. Die Abbildungen 2 und 3 unseres Handbuchartikels zeigen deutlich, daß an den angegebenen Anästhesiepunkten wichtige sensible Nerven zu erreichen sind. So wird mit der In-

S p e z i e l l e r Teil

it | S 3

a

d

b

e

Abb. 4 9 .

Die p r a k t i s c h e A n w e n d u n g der m o d i f i z i e r t e n W a n g e n r o t a t i o n bei den P l a s t i k e n

der

t r a l e n ( l e s i e h t s p a r t i e n befindliehen X a e v i (ΧΟΙ,ΤΛΝ) ( H b . P l a s t , Chir. 1 1 2 Z O L T A N )

filtration von Anästhesiolösungen in diesem Bereich gleichzeitig eine folgender Nerven durchgeführt·:

Leitungsanästhesie

1. X . i n f r a o r b i t a l i s 2. X . f r o n t a l i s J}. X . a u r i c u l o t e m p o r a l i s 4. X . auricularis niagnus 5. X'. o c c i p i t a l i s m i n o r .

Dieses umfangreiche Anästhesiefeld verbürgt d i e S c h m e r z a u s s c h a l t u n g bei allen größeren plastischen Eingriffen imGJesichtsbereich. Als Beispiel und als Vergleich sollen einige S c h n i t t -

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J.

GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

Abb. 50. Die Doppelrotation am Gesicht zur Deckung eines nach Entfernung eines Xaevus entstandenen Defektes

(ZOLTAN)

(Hb. Plast. Chir.

1/12

ZOLTAN)

Abb. 51. Standardverfahren einer umfangreichen Lokalanästhesie im Gesichtsbereich. Kombination von Leitungs- und Infiltrationsanästhesie. Ausschaltung der 1. 2. ;!. 4. 5.

X. X. X. X. X.

infraorliitnlis frontalis auriculotemporalis aurieularis magnns occipitalis minor

U | 85

Spezieller Teil

führungen zur Wangen-Halsraffung nach W E G E N E K , M C I N D O E und A U F E I C H T gezeigt werden. Trotz des umfangreichen Aufklappens und Unterminierens ist durch die kombinierte Leitungs- und Infiltrationsanästhesie der Eingriff schmerzlos durchzuführen (Abb. 52—54). Auch bei den einfacheren Halsraffungen — die Schnittführung ist aus Abbildung 55 zu ersehen — genügt dieses Anästhesiefeld, wobei individuell zu entscheiden ist, ob es im ganzen Umfang zu anästhesieren ist oder nicht.

Abb. 52. Hautschnittführung bei einer Wangen-Halsraffung. Mobilisierung des Fett-Kutislappens im Wangenbereich sowie Präparation im Bereich der Helix ( W E G E N E R ) (Hb. plast. Chir. 11/28 W E G E N E R )

MCINDOE (WEGENER)

(Hb. Plast. Chir.

11/43 WEGENER)

AUFRICHT

(Hb. Plast. Chir.

(WEGENER) 11/43 WEGENER)

86 I k

J.

GABKA

und Η.

HARNISCH,

Lokalanästhesie

Abb. 55. Einleitung der Lokalanästhesie bei Halsraffung. Stumpfe Ablösung des Fett-Kutislappens im Kinn-Halsbereich. Grundlegende Fixation des verschobenen Fett-Kutislappens im Kinn-Halsbereich (Hb. Plast. Chir. 11/43

WEGENER)

Im Gegensatz zu G O N Z A L E S - U L L O A und W A L T E R , die das 2%ige Lidocain (Xylocain) bevorzugen, arbeiten wir bei so umfangreichen Lokalanästhesien mit l%igem Lidocain (Xylocain) oder 2%igem Prilocain (Xylonest). Im allgemeinen wird das 2%ige Lidocain (Xylocain) von den Operateuren bevorzugt, deren Hauptarbeitsgebiet die konstruktive, rekonstruktive und ästhetische Nasenplastik ist. Bei so großen Operationen, wie bei einer kosmetischen Gesichtsspannung oder einer Exzision größerer kavernöser Hämangiome im Gesichtsbereich (Abb. 56) ist zu bedenken, daß das gesamte Anästhesiedepot relativ groß sein muß. Aus diesem Grunde wird von vielen Operateuren in zwei Sitzungen anästhesiert. So wird auch von uns bei einer Gesichtsspannung erst die eine Seite örtlich betäubt und nach Abschluß des Eingriffes in diesem Bereich wird die andere Seite anästhesiert. Bei solchen — nach Möglichkeit „unblutigen" Operationen — benutzen wir Lidocain-Adrenalin-Lösungen (1% Xylocain mit Suprarenin 1:80000 maximal 40 m/). Ob es also solche von Z O L T A N beschriebenen großen Hämangiome sind, die in einer Sitzung entfernt und plastisch versorgt werden, ob es kosmetische Operationen wie Ge-

a

b

Abb. .56. Ausgedehntes kavernöses Haemangiom der rechten (iesichtshälfte. Zustand vor und nach Entfernung des Haemangioms und Deckung des Defektes mit Spalthautlappen (Hb. Plast, Chir. Τ1/20

ZOLTAN)

88 I 4

J . GABKA und Η . HARNISCH, Lokalanästhesie

sichtsspannungen oder ästhetische Korrekturen von größeren Unfallverletzungen oder ob es sich letztlich um Eingriffe in der Parotischirurgie, also muskuläre Neurotisationen oder Faszienaufhängungen handelt, immer wird die Kombination von Infiltrations- und Leitungsanästhesie, wie sie in Abbildung 51 dargestellt ist, ausreichen. Mit M I E H L K E , der sich ausgiebig mit den Nerventransplantationen und den Fazialisersatzverfahren im Bereich der Parotis beschäftigt hat, stimmen wir dahingehend überein, daß diese Eingriffe der allgemeinen Anästhesie überlassen bleiben sollten. Gerade bei Tumoroperationen, auch bei den en-bloc-Resektionen würde die Infiltration mit Lokalanästhesielösungen das Aufsuchen der Nervenendigungen wesentlich erschweren. So bleiben für die Lokalanästhesie jene veralteten Fazialisparesen, die von uns durch Kombinationstechniken zwischen muskulärer Neurotisation nach R O S E N T H A L und der Faszienaufhängung beispielsweise nach M C L A U G H L I N bzw. nach A S C H A N und R A G N E L L versorgt werden (Abb. 57). Für diese von uns geübte ,,neurotisierende Faszienzügelplastik" reicht das in Abbildung 51 dargestellte Anästhesieareal völlig aus. Lediglich die Entnahme der Faszienstreifen aus der Fascia lata, die unter Infiltrationsanästhesie im Oberschenkelbereich vorgenommen wird, kommt als zweiter Eingriff bzw. als zweite Anästhesie hinzu. Wegen der relativ großen benötigten Anästhesiemenge ist hier ebenfalls immer eine Procain- (Novocain)- bzw. Prilocain-(Xi/Zo«esi)-Lösung zu verwenden. Während wir also bei den kosmetischen Gesichtsoperationen X?/Zocainlösungen bevorzugen, verwenden wir bei diesen umfangreichen Zügelplastiken sehr gern Prilocain (Xylonest). H. Lokalanästhesie bei plastischen Operationen im Halsbereich Eine genaue Abgrenzung zwischen Kopf- und Halsgebiet ist in der plastischen Chirurgie kaum möglich, da zuviel Eingriffe des Gesichtsbereiches auf den Hals ausgedehnt werden müssen. Sei es die EssERsche Wangenrotation oder eine einfache Verschiebeplastik, sei es eine ästhetische Gesichtsspannung', sei es die Exzision eines großen Radioulltus im Halsbereich, immer müssen Hals und Teile des Gesichtes lokal betäubt werden, um eine genügende Schmerzstillung unter der Operation zu erzielen. Bei oberflächlichen Lappenverschiebungen reicht eine einfache Infiltrationsanästhesie aus. Es werden jedoch je nach Größe des Eingriffes Anästhesien des Plexus cervicalis superficialis bzw. des Plexus cervicalis profundus erforderlich. Während die in Abb. 58 dargestellte Kombination zwischen Infiltrationsanästhesie und Blockade des Plexus cervicalis superficialis ausreicht, um Lappenverschiebungen und -rotatlonen durchzuführen, oder um branchiogene Tumoren ebenso wie Kiemengangsoder Halsfisteln zu beseitigen, so ist bei größeren Eingriffen, beispielsweise bei einer Neck dissection die Anästhesie des Abb. 58. Kombination von Infiltrationsanästhesie und Blockade des Plexus cervicalis superficialis

P l e x u s cervicalis erforderlich.

profundus

Spezieller Teil

k I 89

Die Abbildung 58 verdeutlicht die Anästhesie des Plexus cervicalis superficialis. Hierbei wird nach Markierung des Proc. mastoideus und des lateralen Ansatzes des M. sternocleidomastoideus am Schlüsselbein der Injektionspunkt in der Mitte der Verbindungslinie dieser beiden P u n k t e aufgesucht. Mit einer etwa 5 cm langen Kanüle wird die H a u t senkrecht durchstochen und bis zur Knochenberührung mit dem dritten Halswirbelkörperquerfortsatz eingeführt. Nach Knochenkontakt wird die Kanüle zurückgezogen und eine flächenförmige Tiefeninfiltration eines Gebietes von etwa 2—3 cm Ausdehnung vorgenommen ( A U B E R G E R ) . Während zur Ausschaltung des Plexus cervicalis profundus nach A U B E R G E R jeweils Injektionen im Bereich des 2., 3. und 4. Zervikalnerven — also eine dreimalige Punktion — erforderlich ist, weist schon H A Y M darauf hin, daß man mit einer etwa 8 cm langen Kanüle ein Depot in Höhe des 3. Halswirbels setzen kann. H Ä R T E L h a t durch anatomische Untersuchungen und durch zahlreiche praktische Erfahrungen zeigen können, daß die Unterbrechung der zervikalen Sensibilität relativ einfach ist. Folgender Schlüssel nach anatomischer Präparation und in Übereinstimmung mit E I S L E R S Schema hergestellt, zeigt, daß es auch im Plexus cervicalis isthmische Stellen gibt, und daß eine Leitungsanästhesie des ganzen Gebietes von wenigen Punkten aus möglich ist.

aur cu

'

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^ a r ' s magnus

obere Gruppe

X. cutaneus colli

\ \

/ X n . supraclaviciilares ant. / ; — X n . supraclaviciilares medii

untere Gruppe

^ X n . supraclaviciilares post.

Um die Zweige des Plexus cervicalis zu anästhesieren, ist demnach nur eine Unterbrechung der Leitung an höchstens 2 Punkten erforderlich. Wörtlich sagt H Ä R T E L : ,,Die Lage des Operationsgebietes macht f ü r gewöhnlich nur die Anästhesierung an einem dieser P u n k t e notwendig, insofern als das ganze vordere Halsgebiet einschließlich Kropfgegend und Kopfnicker vom 3. Zervikalsegment versorgt wird, dessen Anastomose zu C4 zu den vorderen Supraklavikularnerven geht, während vom 4. Segment das seitliche Halsdreieck und die Schultergegend innerviert werden. G E I G E B und B R A U N gehen so vor, daß sie von einem Hauteinstich die Austrittsstellen des 3 . und 4 . Xerven nacheinander aufsuchen. I m übrigen zeigt die Praxis, daß man stets mit der Injektion an einem P u n k t auskommt, und daß mit einer im Gebiet der Plexusanastomosen erfolgenden Injektion auf C 3 das ganze Gebiet des Plexus cervicalis gefühllos wird" (HÄRTEL).

Die Ausschaltung des Plexus cervicalis profundus wird also folgendermaßen vorgenommen : Der P a t i e n t liegt wie zu einer Xeck dissection in erhöhter Rückenlage mit Rolle im Bereich der Schultern. Der Kopf ist nach der Gegenseite gedreht, so daß der i L sternocleidomastoideus auf der Seite der Injektion deutlich sichtbar ist. Mit den Fingern der linken H a n d drängt man den Muskel nach vorn u n d fühlt die hinteren Höcker der Querfortsätze. Xach Wegdrängen des M. sternocleidomastoideus nach vorn sticht man in Höhe des Kieferwinkels ein und k o m m t nun bereits schon in einer Tiefe von höchstens 1 cm sofort auf den Knochen, und zwar auf das hintere Höckerchen des 3. Querfortsatzes. N u n f ü h r t man die Spitze der Xadel, ohne tiefer zu stechen, einige Millimeter nach hinten unten und erhält regelmäßig Parästhesien. Diese Parästhesien strahlen in den Hinterkopf, den Hals und in die Schulter aus. Ohne die Stellung der Xadel zu verändern, also im Gegensatz zu den Ansichten von B R A U N und K U H L E N K A M P F , wird das Depot, also 8—10 ml einer l % i g e n Anästhesielösung injiziert. B R A U N und K U H L E N K A M P F haben demgegenüber empfohlen, nach Knochenkontakt noch y 2 —1 cm nach vorn u n d tiefer zu gehen und dann erst zu injizieren. H Ä R T E L konnte jedoch durch Untersuchungen an Leichen nachweisen, daß m a n bei diesem Vorgehen sehr leicht intravenös injizieren kann. Das liegt einfach daran,

A b b . 59. Leitungsanästhesie des Plexus cervicalis u n d Plexus brachialis

Abb. 60. A u s d e h n u n g des Anästhesiefeldes n a c h Plexusanästhesie

Abb. 61. Umfangreiche Strahlennekrose vor u n d n a c h r a d i k a l e r Exzision u n d primär-plastischer D e c k u n g m i t einem Brustrotationslappen

,,daß das F o r a m e n i n t r a v e r t e b r a l e n i c h t wie bei der übrigen Wirbelsäule n a c h der Seite, sondern n a c h vorn a u s m ü n d e t u n d somit eine Verletzung der D u r a u n d das H a l s m a r k s bei einer genau seitlichen P u n k t i o n auf die Halswirbelsäule im Gebiet der Querfortsätze ausgeschlossen ist. Dagegen m u ß die Nadel, wenn sie die schmalen Höckerchen der Querfortsätze verfehlt, m i t Sicherheit in die e r w ä h n t e n Nischen geraten u n d l ä u f t Gefahr, die Vena odeT Arteria vertebralis a n z u s t e c h e n " (HÄRTEL).

Die Technik dieser Anästhesierung ist aus der Abbildung 59 zu ersehen, wobei die Abbildung 60 die Ausdehnung des Anästhesiefeldes nach der Plexusanästhesie wiedergibt. Dieses Anästhesiefeld reicht zweifellos aus, größere Eingriffe im Halsbereich durchzuführen. Bei der auf Abbildung 61 dargestellten, über J a h r e bestehenden St-rahlennekrose im oberen Halsbereich ist jedoch die Anästhesie im Bereich des Zervikalplexus allein nicht ausreichend. Hier müssen Infiltrationen im Bereich der angrenzenden Wangen- und Gesichtspartien sowie des den großen Defekt deckenden Brustlappens vorgenommen werden. Demgegenüber kann die alleinige Neck dissection in dieser Lokalanästhesieform vorgenommen werden. Da wir jedoch in der überwiegenden Mehrzahl unserer Tumoroperati-

Spezieller Teil

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Glandula submondibu/aris

Abb. 62. Schematische Darstellung einer Neck-dissection

onen en-bloc-Resektionen vornehmen, also die Tumoroperationen des Kiefer-Gesichtsbereichs mit einer Halsdrüsenausräumung kombinieren, ist bei einer solchen, in Abb. 62 gezeigten Zungen-Unterkieferresektion mit Neck dissection eine Kombination der eben beschriebenen lokalen Betäubung mit weiter oben dargestellten Leitungs- und Infiltrationsanästhesien erforderlich. Prinzipiell ist jedoch dazu zu sagen, daß diese großen Eingriffe nach Möglichkeit in endotrachealer Intubationsnarkose durchzuführen sind. Wenn AuB E R G E R , im Hinblick auf die Strumektomie, sagt: „Eine gute Lokalanästhesie ist einer schlechten Allgemeinnarkose vorzuziehen"', so gilt das unseres Erachtens für alle Eingriffe. Die Lokalanästhesie des Halsbereiches abschließend, soll kurz noch auf die Tracheotomie eingegangen werden. A U B E R G E R h a t kürzlich festgestellt: „Eine geplante Tracheo-

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J . GABKA u n d Η . HARNISCH, L o k a l a n ä s t h e s i e

tomie muß in Endotrachealnarkose durchgeführt werden; die Nottracheotomie (Koniotomie) erfordert keine Anästhesie", so können wir dem nicht zustimmen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Tracheotomie nach Möglichkeit immer in Endotrachealnarkose durchgeführt werden sollte. Doch ist das oft nicht möglich. Auch nach schweren Operationen, wenn also prophylaktische Tracheotomien versäumt wurden, und eine Tracheotomie nachgeholt wird, also bei Patienten mit liegendem Intubationstubus, sollte nach Möglichkeit immer von der Lokalanästhesie Gebrauch gemacht werden, da sie wesentlich risikoloser und blutsparender ist als jede Narkose. Die Lokalanästhesie bei einer Tracheotomie ist denkbar einfach. Es handelt sich hier lediglich um ein rhombenförmiges Umspritzen der Halsweichteile mit einer 1 %igen Lidocain-Adrenalin-Anästhesielösung (Xylocain 1 % mit Suprarenin-Zusatz 1:80000). Ein höherer Suprareninzusatz ist hier empfehlenswert, da man gerade bei der Tracheotomie auf übersichtliches Operieren Wert legt, also Blutungen allein schon wegen der später erschwerten Bronchial toilette nicht erwünscht sind.

I. Lokalanästhesie bei plastischen Eingriffen im Stammbereich Im Gegensatz zu anderen Körperteilen überwiegt im Stammbereich der Anteil der Eingriffe der ästhetisch-plastischen Chirurgie. So steht an erster Stelle aller plastischchirurgischen Eingriffe im Stammbereich die Mammaplastik. v. O N D A R Z A , der sich im speziellen Teil unseres Handbuches mit den Brustplastiken beschäftigt, hält die Durchführung einer Brustplastik in Lokalanästhesie nicht für empfehlenswert und lehnt diese Methode ab. Eine Brustplastik sollte in jedem Fall in Allgemeinnarkose vorgenommen werden, da die Lokalanästhesie durch die Infiltration das Gewebe deformiert, v. O N D A R Z A meint, daß das mit einer Lokalanästhesielösung aufgequaddelte Gewebe einer Brust schlecht zu formen sei. Andererseits betont er, daß zu große Mengen von Anästhetika erforderlich sind, um eine sichere Schmerzausschaltung zu gewährleisten, so daß diese relativ hohen Dosen mit Sicherheit für den Patienten toxisch sein würden. Demgegenüber ist auch v. O N D A R Z A der Meinung, daß bei kleineren Eingriffen oder Korrekturen, die manchmal nach einer Operation notwendig sind, die Lokalanästhesie indiziert ist. Hier sollte man durchaus, insbesondere wenn die Patienten prämediziert sind, die Lokalanästhesie durchführen. v. O N D A R Z A legt Wert darauf, daß bei Haut- bzw. Hautfaltenkorrekturen die Lokalanästhesie angewandt wird. So benutzt er eine 0 , 5 % Lidocain- (Xylocain) oder Mepi vacain- (Scandicain) - Lösung, jedoch niemals eine stärkere Konzentration als 2 % . Bauchplastiken sollte man nicht in Lokalanästhesie durchführen. Hier ist ebenfalls die Allgemeinnarkose mit oder ohne Intubation der Weg der Wahl. Kleinere postoperative Korrekturen können möglicherweise in Lokalanästhesie operiert werden (v. O N D A R Z A ) . Im Prinzip schließen wir uns der Meinung v. O N D A R Z A S an. Bei der Durchsicht des Schrifttums über die Mammaplastik stellt man jedoch fest, daß noch ein großer Teil von Chirurgen in Lokalanästhesie operiert. Wenn die Mammaplastiken, besonders zur Korrektur der Hypertrophie der Mammae, auch immer weniger in örtlicher Betäubung durchgeführt werden, so ist es die Einführung der alloplastischen Implantate, insbesondere die Verwendung der C R O N Ι eschen Silastic-Prothese, die viele Plastikchirurgen wiederum bewogen hat, diese relativ einfachen Eingriffe in Lokalanästhesie durchzuführen. Die Brustdrüse untersteht der Innervation der vorderen und seitlichen Aste des 2.—5. thorakalen Segments. An der Innervation der oberen Partien beteiligen sich die Ausläufer der Supraklavikularnerven C 3 und C 4. Die Mamma bietet somit den Typ der divergierenden Innervation.

Alle aseptischen Eingriffe an der Mamma selbst können daher sehr wohl durch Umspritzung, also durch Infiltration anästhesiert werden. Das gleiche gilt auch für den übrigen

Spezieller Teil

4 I 93

Stammbereich, so d a ß die Abbildung 63 uns eine gewisse Übersicht geben soll, wo u n d in welcher F o r m Infiltrationsanästhesien im Stammbereich indiziert sind. Vergleicht m a n die Abibldung 63 mit der Abbildung 64, die die schematische Darstellung der Mammaplastik nach B E R S O N zeigt, so erkennt m a n , d a ß eine Mammaplastik durch einfache Infiltration durchaus durchzuführen ist. D e m Einwand v. O N D A R Z A S , d a ß m a n zu viel Anästhesielösung benötigt, k a n n entgegnet werden, d a ß durch zweiphasige I n j e k t i o n unter Verwendung von wenig toxischen Anästhesielösungen wie Procain (Novocain) bzw. Prilocain ( X y l o n e s t ) das Risiko gering gehalten wird. Prinzipiell ist jedoch festzulegen, d a ß diese Eingriffe, also im überwiegenden Maße Verkleinerungsplastiken bei hypertrophen Mammae ebenso wie Bauchplastiken infolge von Schürzenbauch in Intubationsnarkose durchzuführen sind. Auch die Bauchdeckenplastik nach D U F O U R M E N T E L - M O U L Y (Abb. 65) sollte in Allgemeinnarkose d u r c h g e f ü h r t werden. Bei der W a h l der Lokalanästhesie als operative Schmerzausschaltung k o m m t auch hier wiederum n u r die Infiltration von wenig toxiAbb. 63. Ubersicht der Infiltrationsschen Anästhesielösungen in Betracht. K I L L I A N , anästhesien im Stammbereich der sich mit der Lokalanästhesie f ü r abdominelle Eingriffe beschäftigt hat, steht im Hinblick auf die Anwendung der Lokalanästhesie nicht auf unserem S t a n d p u n k t . E r zitiert beispielsweise die hervorragenden Resultate von F I N S T E R E R , V. H A B E R E R u n d von anderen n a m h a f t e n Chirurgen, die ausgezeichnete Statistiken vorlegen. Ein Zeugnis hierfür gibt die außerordentlich günstige Statistik F I N S T E R E R S aus dem J a h r e 1949, die über die Anwendung der Lokal- u n d Splanchnikusanästhesie in der großen abdominellen Chirurgie bei 6000 Fällen ohne Zwischenfall u n d 4000 Fällen in Privatkliniken mit nur 2 Todesfällen durch irrtümliche Überdosierung des Tetracain [Pantocain) A u s k u n f t gibt. W e n n wir also als Plastikchirurgen auf dem S t a n d p u n k t stehen, d a ß die Allgemeinnarkose f ü r größere Eingriffe im Bereich des Abdomens günstiger ist, so sind doch die kleineren Operationen, also die Bildung eines Rundstiellappen, die Verlängerung eines solchen, Verpflanzungen, Transpositionen u. a. durchaus eine Domäne der Lokalanästhesie. Auch H Ä R T E L weist schon darauf hin, d a ß die B a u c h w a n d auf Grund ihres anatomischen Baues wie ihrer Xervenversorgung die gegebenen Bedingungen f ü r die Umspritzung bzw. Infiltration darbietet. Demgegenüber soll die B r u s t w a n d wegen der Stärke der in ihr verlaufenden X e r v e n s t ä m m e besser mit Hilfe von Leitungsanästhesien blockiert werden ( H Ä R T E L ) . F ü r die Oberflächenchirurgie, wie wir sie betreiben, reicht jedoch die Infiltration im gesamten Stammbereich aus. So genügt beispielsweise bei der in Abbildung 66 dargestellten Gewinnung eines Rundstiellappens im Flankenbereich die örtliche Betäubung. Auch zur E n t n a h m e eines Vollhauttransplantates (Abb. 67) reicht eine einfache Umspritzung aus. Die Sensibilität des Stammes u n d der E x t r e m i t ä t e n hängt weitgehend zusammen. Aus diesem Grunde soll hier, dieses Kapitel abschließend, in Anlehnung an H Ä R T E L , L Ä W E N und K I L L I A N kurz noch über die Innervation des Stammes berichtet werden. Ο

Ο

94 I k

J . GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

Abb. 6 4 . Mammaplastik nach B E R S O N — Schnittführung und Ergebnis. Exzision eines großen Keils von Fettgewebe. Keilexzisionen aus dem oberen Drüsenkörper und Vernähung desselben. Zusätzliche Exzisionen aus dem unteren und lateralen Teil des Drüsenkörpers (v. O N D A R Z A ) (Hb. Plast. Chir. 1 1 / 4 5 v. ONDARZA)

b

c

4 | 95

Spezieller Teil

d

e

f

Abb. 65. Bauchdeckenplastik nach DUFOTJRJIENTEL-MOULY (WEGENER)

(Hb. Plast. Chir. 11/50 WEGENER)

Abb. 66. Bestimmung der Schnittlinien des Rundstiellappens vor der Operation (Hb. Plast. Chir. 1/12 ZOLTAN)

96 I U

J.

(iabka

und Η .

Harnisch,

Lokalanästhesie

Die Innervation des Stammes, die die ursprüngliche Architektur des Wirbelkörpers in ihrer metameren Gliederung klar beibehalten hat, zeigt einen ausgesprochen segmentalen Charakter, so daß folglich eine Reihe von Nervensegmenten mit ihren Nervenverzweigungen für die Lokalanästhesie ausschlaggebend sind. Jedes Segment gibt ab: einen Ramus dorsalis zur dorsalen Innervation des Rückens, einen Ramus ventralis, den N. intercostalis, zur ventralen Innervationszone, der vorderen Brustund Bauchwand und einen Ramus communicans, der die Verbindung mit dem System des N. sympathicus herstellt und zum größten Teil den Träger der Sensibilität der viszeralen Innervation darstellt. Die Anordnung der Innervationsbezirke der einzelnen spinalen Segmente zeigt eine nach unten 2/unehmende Kaudalverschiebung. So kommt es, daß einem Interkostalnerv stets ein Hautbezirk entspricht, der um einige Segmente kaudaler gelegen ist. Die Innervationsbezirke decken sich gleichsam dachziegelförmig. Den oberen Teil des Brustkorbes überragt bis etwa zur Höhe der 2. Rippe der Hautbezirk des 4. Zervikalsegmentes. Die segmentale Innervation der Thorakalnerven reicht vorn etwa von der 2. Rippe ab nach abwärts bis zur unteren Bauchgegend. Die Gegend des Schwertfortsatzes entspricht dem 6., die des Nabels dem 10. Thorakalnerven. Von den Lumbalnerven beteiligt sich nur der 1. noch an der Innervation der Bauchwand, während die übrigen Lumbaisegmente zur unteren Extremität absteigen. Am Rücken entspricht der untere Winkel des Schulterblattes etwa dem 6. oder 7. Dorsalnerven, außerdem beteiligen sich an der Innervation des Rückens auch die lumbalen und sakralen Segmente. Die Nierengegend entspricht ungefähr dem 9. Dorsal- bis 2. Lumbaisegment. Die Grenze der einzelnen Hautbezirke sind, wie anderswo, so auch hier, unscharf, so daß die Leitungsunterbrechung eines einzelnen Segmentes meist keine merkliche Anästhesie der H a u t hervorruft (Abb. G8 u. 69). Die obere Extremität ist derart innerviert, daß der freie Stiel der Extremität nahezu vollständig vom Plexus brachialis versorgt wird (C 5 bis D 1), während das Gebiet des Schultergürtels von den sensiblen Nerven des Stammes überragt wird.

k | 97

Spezieller Teil

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J . GABKA

und

Η . HARNISCH,

Lokalanästhesie

F ü r alle umfangreichen Eingriffe, insbesondere Knochenoperationen wie die schwierigen Verkürzungs- und Verlängerungsosteotomien (Abb. 96) am Ober- und Unterschenkel ist dringend eine Narkose anzuraten. I n seltenen Fällen müssen diese Osteotomien in Lokalanästhesie operiert werden und dann wird zur Ausschaltung der Schmerzempfindung eine epidurale Anästhesie vorgenommen. Die Räume, die das Rückenmark und den Wirbelkanal umgeben, sind der Subduralund der Epiduralraum. Der Subdural- bzw. Subarachnoidalraum ist mit Liquor gefüllt und setzt sich nach oben in den Subduralraum des Schädels fort. Dagegen endet der Epiduralraum am Foramen magnum occipitale, er ist also nur im Bereich des Wirbelkanals vorhanden (Abb. 97). Um eine ausreichende Anästhesie zu bewirken, sind im Gegensatz zur Lumbalanästhesie bei der epiduralen Anästhesie viel größere Mengen anästhesierender Flüssigkeiten erforderlich, da die epidurale Anästhesie eine perineurale Leitungsanästhesie ist. Die Epiduralanästhesie ivird in folgender Weise durchgeführt: Patient liegt auf dem Operationstisch in Seitenlage mit maximal angezogenen Knien und nach vorn gebeugtem Kopf. Nach Anlegen einer Hautquaddel zwischen den für die gewünschte Anästhesiehöhe entsprechenden Wirbelkörpern wird eine dünne, stumpf geschliffene Lumbalnadel senkrecht bis vor das Lig. flavum geschoben. Unter leichtem Druck wird dasselbe dann durchstochen. Die Spitze der Nadel befindet sich jetzt im Periduralraum. Hier kann das Anästhesiedepot entleert werden. Da A U B E R G E R erst kürzlich eine ausgezeichnete Darstellung der Technik der Epiduralanästhesie publiziert hat, wollen wir dieser selbst folgen: „Eine mit einem Mandrin armierte nicht zu dünne Spinalnadel wird durch die Hautquaddel und das infiltrierte Gewebe in typischer Weise eingeführt. Nach Durchdringen des Widerstandes des Lig. interspinale wird das Stilett entfernt und eine mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllte Spritze auf die Nadel gesetzt. Weiterführen der Kanüle, nächster Widerstand: Lig. flavum = Grenze zum epiduralen Raum. Nun wird bei typischer Handhaltung durch die Vis-a-tergo-Hand und Fixation der Nadelrichtung durch die Führungshand langsam die Nadel durch alleinigen Druck auf den Spritzenkolben durch das Ligamentum flavum geschoben (Abb. 98). Nach Durchdringen desselben, also nach Eindringen der Nadelspitze in den epiduralen Raum, gibt der Spritzenkolben nach und der Spritzeninhalt entleert sich unter Druck der Vis-a-tergo-Hand „ins Freie". Sofortige Fixation der Nadel durch die Führungshand, kein weiteres Vorschieben mehr! (Bis zur Dura sind es nur Millimeter.) Die Aspirationsprobe muß bei dieser Technik besonders sorgfältig durchgeführt werden. Wenn sich bei Aspiration Blut ergibt, muß der Zwischenwirbelraum gewechselt werden und das Verfahren kann wiederholt werden. Wenn sich bei der Aspiration Liquor zeigt, muß das geplante Narkoseverfahren abgebrochen werden. Es empfiehlt sich dann Übergang, wenn indikationsmäßig möglich, auf das intradurale Verfahren. Die Injektion von Lokalanästhesielösung erfolgt nun zügig in entsprechender Dosierung und Lösungsmenge bei Berücksichtigung der entsprechenden Lagerungsbedingungen."

E s ist hier noch einmal hervorzuheben: Bei der Epiduralanästhesie wird, um, eine operative Schmerzausschaltung zu gewährleisten, eine so hohe Anästhesiedosis benötigt, daß diese bei subduraler Injektion in den meisten Füllen tödliche Komplikationen auslösen. Mit diesen Techniken, Infiltrationsanästhesie, Leitungsanästhesie und Periduralanästhesie ist es uns möglieh, jeden plastisch-chirurgischen Eingriff im Bereich der unteren Extremitäten in örtlicher Betäubung durchzuführen. Im Hinblick auf die heute vielseitigen Hüftgelenksoperationen einschließlich der Endoprotheseneingriffe soll noch abschließend die MosERsche Lokalanästhesie gezeigt werden, die er speziell für die medialen und lateralen Schenkelhalsbrüche und ihre operative Versorgung mit Schenkelhalsnagelung angegeben hat (Abb. 99).

Spezieller Teil

4 | H7

Abb. 97. Scliematische Darstellung des Subdural- und Epiduralraumes CJ(

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Abb. 98. Technik der Periduralanästhesie

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Abb. 99. Lokalanästhesie speziell für die operative Versorgung medialer und lateraler Schenkelhalsbriiche nach MOSER

Die oben beschriebenen Verfahren reichen u. E. völlig aus, um in genügender Anästhesietiefe zu operieren. Auch die von W E G E N E R beschriebene Reithosenplastik kann — wenn eine Narkose nicht möglich ist — mit diesen Methoden in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Hier muß aber in zwei Zeitintervallen injiziert werden, wobei sich die wenig toxischen Prilocain-(Xi/Zone2

34 I

6

J· Lindxer, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

bereits in die verschiedenen (im folgenden genauer geschilderten) Zellformen des Wundfeldes umgewandelt sind, erschwert bzw. verunmöglicht dann die genaue Bestimmung ihrer Herkunft wegen ihrer morphologischen Gleichheit mit primär histiogenen Zellen, die ebenfalls weiterer Proliferation und gegebenenfalls auch Transformation unterliegen können. Bereits MAXIMOW (1926/1927) postulierte, daß kleine auswandernde Lymphozyten im Entzündungs- und Wundgranulationsgewebe sich zu größeren Zellformen mit verschiedenen Differenzierungsmöglichkeiten entwickeln können. BLOOM (1928) bestätigte diese Ansicht. Seitdem sind mit modernen morphologischen Methoden zahlreiche Befunde für und gegen diese Ansicht erhoben worden. Daraus ergibt sich, daß nicht nur hämatogene Monozyten, sondern auch lymphoide Elemente multipotente Transformations- und Differenzierungsfähigkeiten in die einzelnen Zellformen des Wundgranulationsgewebes besitzen, einschließlich der Perizyten bzw. Adventitialzellen. Dabei können lymphoide Elemente nach Passage lymphatischer Organe und Proliferation rezirkulieren und das Wundfeld betreten. Durch entsprechende Vormarkierung lymphoider Zellen von Lymphknoten, Milz und Thymus haben wir zusammen mit DVORAK (1970) gezeigt, daß auch diese Zellen im Granulationsgewebe zu Fibroblasten differenziert werden können. Hämatogene rundkernige Elemente, vor allem also lymphoide Zellen, können bereits vor Betreten des Wundfeldes Teilungen unterliegen, ebenso danach, wie durch entsprechende Reduktion der 3 HThymidinmenge im Zellkern (bei autoradiographischer Silberkornzählung) festzustellen ist. Die weitere Teilung und Transformation hämatogener rundkerniger Elemente im Wundfeld im Rahmen seiner Zellproliferation sind erwiesen. Die besonders von REBUCK (1947) postulierte Prävalenz kleiner Lymphozyten an diesem Proliferationspool hämatogener Zellen des Wundgebietes ist jedoch aus den bereits genannten Gründen der zytologischen Beurteilung im Gewebsschnitt (wie aus weiteren methodischen Gründen) nicht abzusichern. Das bedeutet nicht den Ausschluß der Lymphozyten-Makrophagen-Transformation, sondern nur die Feststellung, daß die verschiedenen Zellen des Wundgranulationsgewebes (wie des Entzündungsfeldes überhaupt) verschiedener Herkunft sind. Auch die Tatsache, daß kleine Lymphozyten offenbar zu jedem Zeitpunkt ohne ein bestimmtes Maximum im Entzündungsfeld auftreten und mononukleäre, also rundzellige Elemente verschiedener Größe in den ersten Stunden nach Wundsetzung bzw. Entzündungsstart zunehmend bis zur 24. Stunde auftreten (polymorphkernige Leukozyten als erste, s. Abschnitt 3.3), erschwert die Entscheidung dieser Frage zusätzlich: Die lymphozytogene und die monozytogene Herkunft hämatogener Zellen des Entzündungsfeldes sind nicht ausreichend voneinander trennbar. Erst die Auswertung von 3 H-Thymidinmarkierungen in der DNS-Sjmthesephase vor der Zellteilung hat gezeigt , daß lymphozytogene und monozytogene Zellen sich nicht nur vor Eintritt in das Wundgebiet teilen können, sondern auch rasch nach ihrer Emigration. Mit Verbesserung der morphologischen und der parallel durchgeführten biochemischen Methoden ist die früher geforderte ,,Lag-Zeit" für das Angehen anaboler Prozesse zunehmend eingeschränkt bzw. völlig aufgehoben. Denn Zellteilungen wie Synthesevorgänge einschließlich von Proteoglykanen und Kollagen starten ebenfalls bereits in den ersten Stunden nach Wundsetzung. Analogieschlüsse auf den Beginn dieser Syntheseprozesse aus morphologischen Befunden über den Anteil entsprechender Zellformen (in diesem Falle von Fibroblasten) an der Zellpopulation des Wundgebietes haben sich als unzureichend erwiesen. Bestimmte Maximalgehalte der einzelnen Zellformen am Zellpool (polymorphkernige Leukozyten bis zum 3. Tag nach Wundsetzung, Lymphozyten am 4. Tag usw.) oder morphologische Feststellungen über den ersten Zeitpunkt des Auftretens von Fibroblasten (zwischen dem 1. und 3. T a g ) u nd \^on Kapillarsprossungen (in den ersten 48 Stunden) usw. sind insgesamt methodisch bedingt als vorläufig anzusehen. Mit zunehmender Verbesserung der Methoden zeigt sich, daß die bisher postulierten Zeiten immer weiter nach vorn in die ersten Stunden

6 I 35

A n a b o l e P h a s e der p o s t t r a u m a t i s c h e n E n t z ü n d u n g und W u n d h e i l u n g

nach Wundsetzung zu verlegen sind. Umwandlungen hämatogener Monozyten sowie perizytärer bzw. adventitieller Elemente zu aktiven Fibroblasten können demnach bereits in den ersten Stunden nach Wundsetzung festgestellt werden ( C A R R E L und E B E L I N G 1926; M A X I M O W 1926/1927; B L O O M 1928; E B E R T und F L O R E Y 1929; H A L L und F U R T H 1938; R E B U C K 1 9 4 7 : ALLGÖWER 1 9 5 6 ; EHRICH 1 9 5 6 ; MCDONALD u n d WHALEN 1 9 5 9 ;

1957b,

1959d, und

ALLGÖWER

1960a—e, HULLIGER

1962d, 1963a, 1964a, b, 1965, 1966a, c. d, 1967b. c; 1960; C R O N K I T E et al. 1960; H U R L E Y und S P E C T O R 1961; Ross

u n d B E N D I T T 1 9 6 1 ; CHAPMAN 1 9 6 2 ; RICHTER

et

al.

1964;

LINDNER

VOLKMAN u n d

GUSEK

1962;

GOWANS

HULLIGER et al.

1965;

GIESEKING

1 9 6 3 ; GRILLO

1966;

GILLMANN

1964; und

1966; L E D E R 1967; Ross und ÖDLAND 1968; Ross 1968; B Ü C H N E R et al. 1970; D V O R A K und L I N D N E R 1970). Die folgenden Beispiele autoradiografischer Untersuchungen zur Herkunft und Proliferation der Zellen des Wundgebietes bei Beginn der anabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung veranschaulichen deutlich das geschilderte Problem: Lymphozytogene und monozytogene Zellen passieren bei ihrem Eintritt in das Wundgebiet die Gefäßwand und können nicht nur zuvor bereits Teilungen unterliegen, sondern auch bei ihrem Gefäßwand-Durchtritt und -Aufenthalt, der keineswegs bisher zeitlich bestimmbar ist. Andererseits sind die Gefäßwandzellen, speziell die Perizyten bei Entzündungs- und Wundheilungsbeginn Hauptquellen der histiogenen Zellen des Wundgranulationsgewebes und teilen sich daher äußerst aktiv im Bereich ihrer Ausgangslage vor ihrer Weiterwanderung in die Gefäßumgebung, wo sie wie die hämatogenen Zellen den vorgenannten Differenzierungen bis zu Endformen unterliegen oder zuvor sich weiterteilen können. Durch die modernen morphologischen Verfahren speziell der Autoradiografie ist die außerordentlich starke Proliferationstendenz des Gefäßwandbindegewebes bei Entzündung und Wundheilung erfaßbar, aber die Teilung gefäßwandeigener Zellen also von Perizyten bzw. Adventitialzellen ist von Teilungen emigrierender hämatogener lymphoider und monozytoider Elemente nicht unterscheidbar. Da speziell die hämatogenen Monozyten sehr rasch bei ihrem Gefäßwanddurchtritt ihre morphologischen Charakteristika verlieren (wie bereits von E B E R T und F L O R E Y 1929 betont wurde), und da bereits unter physiologischen Bedingungen Gefäßwandperizyten monozytoiden, also hämatogenen Ursprungs sein können, ist mit den vorliegenden Methoden eine weitere Abklärung, speziell eine Unterscheidung teilungsbereiter hämatogener und histiogener Elemente im Bereich des Gefäßwandbindegewebes nicht möglich. Daß aus diesem Proliferationspool des Wundgranulationsgewebes nicht nur Makrophagen, sondern vor allem Fibroblasten stammen, ist bereits von G R I L L O (1964) überzeugend nachgewiesen und wird anhand der folgenden Abbildungen an Beispielen belegt. Die Befunde entsprechen weitgehend den mit vergleichbarer Methodik dargestellten Ergebnissen von GILLMANN und W R I G H T (1966) (auch hinsichtlich der Markierungsraten). Nur ist aus diesen wie aus unseren Befunden nach wie vor keine Abgrenzung des Anteiles hämatogener und histiogener Zellen am Gesamtpool der Fibroblasten (wie der Makrophagen) des Wundgranulationsgewebes möglich. Zum Verständnis der in Abb. 21 und 22 gezeigten autoradiografischen Beispiele zur besprochenen Frage der Herkunft und Proliferation von Zellen in der anabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung ist festzustellen, daß nach Applikation (in vivo wie in vitro) des radioaktiv markierten Kernbaustein-Vorläufers 3 H-Thymidin die Zellen im Autoradiogramm markiert (d. h. durch Entwicklung von Silberkörnern in der über dem Schnitt gelegenen Emulsion oder autoradiografisehen Filmbeschichtung erkennbar) sind, die sich zum Zeitpunkt der radioaktiven Thymidin-Applikation in der DXSSynthesephase (S-Phase) vor der Zellteilung befanden. Als Beleg und Zusammenfassung der zuvor gemachten Ausführungen zur Herkunft und Proliferation der Zellen des Wundgebietes ergibt sich aus Abb. 21, daß die markierten (mit Silberkörnern über dem Zellkern WRIGHT

36 I 6

J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

m *

%

..

9

Λ

-'Mm

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Ψ a

υ

Abb. 21. 3 H-Thymidin-Autoradiogrammc tcilungsberciter Zellen des Wundgranulationsgewebes a) Zum Teil bereits bei Abwanderung in das perivaskuläre Bindegewebe; b) Bei stärkerer Vergrößerung noeh innerhalb desselben (weiteres dazus. Text)

beladenen) Zellen teilungsbereite hämatogene Elemente ebenso wie teilungsbereite histiogene Elemente des proliferationsfreudigen Gefäßwandbindegewebes sein können. Aus den in Abb. 21 und 22 an Beispielen dargestellten Befunden ergibt sieli folgendes: Das Maximum des sog. 3 H-Thymidin-Markierungsindex liegt im Wundgranulationsgewebe der Haut später und ist niedriger als das Markierungsmaximum bei der experimentellen Knoehenbruehheilung. Ursächlich dafür ist der in Abschnitt 3.3 beschriebene große Anteil an Granulozyten des Wundgranulationsgewebes in den ersten 3 Tagen nach Wundsetzung. Denn dabei handelt es sich um postmitotische Zellen, die einer weiteren Teilung nicht mehr unterliegen. Bei der periostalen Zellproliferation der Knochenbruchheilung handelt es sich um eine reine Zellpopulation ohne Mitbeteiligung postmitotischer Zellen. Diese sind jedoch im bindegewebigen Kallus des organisierten Knochenbruchhämatomes ebenfalls enthalten, neben hämatogenen monozytoiden Makrophagen, wie am Beispiel der Abb. 22 c gezeigt wird. Dabei ist jedoch der Anteil an Granulozyten am 4. Tag nach Bruchsetzung, wie davor und danach geringer als bei der Hautwundheilung. Das erklärt die Unterschiede der 3 H-Thymidin-Markierungsmaxima bei beiden Wundheilungsformen. Dagegen gibt aber die Knochenbruchheilung in Abb. 22 b und c ein gutes Beispiel für die erhebliche Mitbeteiligung histiogener Elemente an der Proliferation des Wundgranulationsgewebes. Dies gilt nicht nur für die Knoehenbruehheilung, sondern auch für die Hautwundheilung usw. Insgesamt ergibt sich somit zur Herkunft und Proliferation der Zellen in der anabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung, daß hämatogene und histiogene Elemente beteiligt sind. Mit diesen Einschränkungen ist festzustellen, daß das Maximum des 3 H-Thymidin-Markierungsindex bereits am 2. Tag nach Fraktursetzung liegt: Über 50°' 0 der proliferierten Periostzellen befinden sich in der DNS-Synthesephase ( 3 H-Thymidin-markiert) vor der Zellteilung. In den folgenden 48 Stunden sinkt der Prozentsatz 3 H-Thymidin-markierter Zellkerne bereits um die Hälfte des Wertes vom 2. Tag nach Fraktursetzung ab. Das Maximum der Grundsubstanzbildung bei Frakturheilung liegt zwischen dem 10.—12. Tag (weiteres dazu s. Abschnitt 5.2) bei Vergleich der Proteoglykansynthese des Wundgranulationsgewebes der Knochenbruch- und der Hautwundheilung: Zu diesem Zeitpunkt beträgt der 3 HThymidin-Markierungsindex im Knochenbruch-Wundgranulationsgewebe nur noch 5°/0. Der 3 H-Thvmidin-Markierungsindex im Haut-Wundgranulationsgewebe ist aufgrund der vorgenannten Zell-

Anabolc Phase der posttraumatischen E n t z ü n d u n g und Wundheilung

a A b b . 22.

3

b

6 I 37

c

H-Thyinidin-Autoradiogramme des Wundgranulationsgewebes:

a) Mit m a x i m a l e r Markierung der in der D X S - S y n t h e s e p h a s e befindlichen Zellen vor der Zellteilung im Höhepunkt der Proliferation des Wundgranulationsgewebes; b) bei periostaler Zellproliferation, 4 8 Std. nach F r a k t u r s e t z u n g als Beispiel der Knochenbruch-Wundheilung, desgleichen; c) 4 T a g e nach Fraktursetzung in proliferierendem Wundgranulations-Kallusgewebe mit E i n s c h l u ß markierter Riesenzellen (s. auch Abschnitt 4.5.3 sowie folgenden T e x t ) Populationsunterschiede gegenüber dem Wundgranulationsgewebe der Knochenbruehheilung zu allen Zeitpunkten geringer. Proliferationsvorgänge sind mit Hilfe der 3 H-Thymidin-Markierung von den in der D X S - S y n t h e s e p h a s e befindlichen Zellen vor ihrer Teilung bereits innerhalb der ersten 24 Stunden nach Wundsetzung nachweisbar. D a s Markierungsmaximum liegt in diesem F a l l e um den 4. T a g (unter Berücksichtigung der zuvor genannten Einschränkungen). Bestimmungen von Markierungs-Tndizes und von Silberkornzahlen (ζ. B . zur F r a g e der weiteren Teilung und Proliferation markierter Zellen, s. o.) gehören zur quantitativen Aufarbeitung der mit modernen morphologischen Methoden gewonnenen Befunde. Diese quantitativen Auswertungen sind neben paralleler biochemischer Analyse größerer Gewebsanteile gerade in der Größenordnung histologischer S c h n i t t p r ä p a r a t e für die gleichzeitige Möglichkeit der histotopologisehen Lokalisation von Stoffwechselprozessen anzustreben. Verschiedene Verfahren wurden in diesem Zusammenhang entwickelt, von unserer Arbeitsgruppe ζ. B . die chromatografische und elektrophoretische Analyse nativer Gewebsschnitte (LINDNER 1956, 1957) mit dem Nachweis der stationären Konzentrationserhöhung

von

Zwischensubstanz-Abbauprodukten im Entzündungs- und Wundgranulationsgewebe (Einzelheiten dazu s. Abschnitt 4.1). ferner der q u a n t i t a t i v e immunologische Serumnachweis an nativen Gewebssclmitten, der optimal für die qualitative und q u a n t i t a t i v e Analyse der Serurnbestandteile im Wundgebiet ist, besonders u n m i t t e l b a r nach Wundsetzung (s. Abschnitt 3.2) (LINDNER et al. 19(>2. 19(57).

F ü r die quantitative Auswertung der Zellproliferation im Wundgranulationsgewebe wurde eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, entweder am gleichen Schnitt nacheinander oder parallel zueinander an Folgeschnitten histologischer Größenordnung 3 HThymidin-Markierungsraten zu bestimmen und Silberkornziihlungen durchzuführen sowie Impulsratenmessungen im Flüssigkeitsszintillationsspektrometer (Tricarb) an histologischen Schnitten mit oder ohne Hyamin-Auflösung vorzunehmen. Für die Validisierung dieses Verfahrens ist Abb. 23 als Beispiel vorgewiesen: An gut ausschneidbaren Gewebsteilen wurden 200, 400 usw. 3 H-Thymidin-markierte Kerne ausgezählt, eventuell diese Areale überragende Film- oder Emulsionsteile abgegrenzt, die autoradiografisch ausgewerteten

38 I

6

J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

Areale mit dem Glasschneider aus dem Objektträger herausgeschnitten und vom Objektträgerteil (mit der bedeckenden Film- oder Emulsionsschicht) ab- und aufgelöst (mit organischen Lösungsmitteln ζ. B. Hyamin) und anschließend im Tricarb gemessen. Wie aus Abb. 23 hervorgeht, sind lineare Korrelationen der Impulsraten zur zuvor bestimmten Zahl markierter Zellkerne nachweisbar:

Zahl 3 H-Thymidinmarkierter Zellen

Ipm

Ipm/markierte Zelle

Abb. 23. Beispiel für die Quantifizierung morphologischer \ r erfahren zur Absicherung durch parallele Impulsratenmessung (s. vorangehenden T e x t ) : Die in der linken Spalte der Abb. 23 aufgeführte Zahl

2QQ

JQ £

Q 25

zuvor ausgezählter 3 H-Thymidin-markierter Zellkerne ergibt jeweils die in der Mittelspalte eingetragenen Meßwerte (Ipm = Impulse/Minute) bei

°·29

4 0 0

600

142,4-

0,24

800

178,1

0,22

1000

266,0

0,26

dem beschriebenen Vorgehen im Flüssigkeitsszmtillationsspektrometer. Die rechte Spalte der Abb. 23 zeigt die geringe Schwankungsbreite der errechneten, durchschnittlichen Impulsrate pro markierten Zellkern

Daraus ergibt sich, daß die mittlere Schwankungsbreite gering und somit auch diese Anwendung zur Sicherung der Befunde der Zellproliferation bei der Wundheilung geeignet ist (weiteres dazu s. LINDNER et al. 1967, 1968).

Dieses Verfahren wurde dann zur Klärung der Frage benutzt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Zellproliferation vom Wundzentrum zur Wundperipherie ab- oder zunimmt (entsprechend den zonalen Unterschieden histochemischer Enzymnachweise). Diese Methode erwies sich als optimal zur Erfassung von Stoffwechselunterschieden in einer räumlichen Distanz, die so klein ist, daß die Anwendung der üblichen biochemischen Analyse nicht durchführbar ist. Zur Feststellung der Empfindlichkeitsgrenze des vorgewiesenen Verfahrens wurden Serienschnitte von Wundblöcken in zentrifugaler Richtung vom Wundrand zur Peripherie hergestellt und in steigender Zahl (mit oder ohne Erhaltung der Struktur, s. LINDNER et al. 1967, 1968) im Flüssigkeitsszintillationsspektrometer gemessen (s. Abb. 24). c p m / m g TG



§§

Wunde

§

m

% %

$

1

1

1

2



Abb. 24. a) Abnahme der 3 H-Thymidin-Inkorporation vom Wundschnitt zur Peripherie der 7 Tage alten Hautwunde der R a t t e , an histologischen Schnitten im Flüssigkeitsszintillationsspektrometer (Tricarb) gemessen (mit autoradiografischem Vergleich, weiteres s. Text)

3mm

6 I 39

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung Inkorporation

in W u n d e

Υ / / Λ

und

Wundperiph

[ 7 Tage ö l t e H a u t w u n d e ; R a t t e ) c p m / 1 0 0 m g TG

c p m / 1 0 0 m g TG 12 0 0 0

3 ODO ι—

10 000

Abb. 24. b) Vergleichende Untersuchung der 3 H-Thymidin-Inkorporation zur Proliferation der Zellen des Wundgranulationsgewebes gegenüber der 3 5 S-Sulfat-Inkorporation als Indikatormethode für die Proteoglykansynthese im Wundgebiet (weiteres s. T e x t sowie Abschnitt 5. 2.)



8000

2 000

6000 i.000 2000

S - Sulfat

Η -Thymidin

S-Sulfat

Aus Abb. 24a ergibt sich, daß die 3 H-Thymidin-Inkorporation in der DNS-Synthesephase teilungsbereiter Zellen des Wundgranulationsgewebes am 7. Tag nach Wundsetzung vom Wundzentrum bis zu 1 mm Abstand ansteigt, um dann in einer Distanz von 3 mm vom Wundschnitt entfernt erheblich abzufallen: Zu diesem Zeitpunkt ist also die Zellproliferation im Wundzentrum größer als in der Wundperipherie. Die Aktivitätsmessung im Tricarb entspricht den (schematisch zur Orientierung dargestellten) Ergebnissen derail dieser Schnittzahl wesentlich aufwendigeren, üblichen autoradiografischen Auswertung der 3 H-Thymidin-Markierungsindizes (s. unterer Teil der Abb. 24a). Zu den «eiteren Validisierungen derartiger Schnittmessungen gehört die in Abb. 2 4 b vorgewiesene Ubereinstimmung der quantitativen Schnittanalysen mit den Ergebnissen üblicher Inkorporationsraten-Meßmethoden: Nach Hyamin-Auflösung kleinster Gewebsstiicke ergibt die Messung im Tricarb (wie zuvor mit üblicher Quench-Bestimmung und Quench-Korrektur durch die interne Standardbestimmung) das prinzipiell gleiche Bild: einen zentrifugalen Abfall der 3 H-Thymidin-Inkorporation (und im Vergleich dazu der 3 5 S-Sulfat-Inkorporation als Indikatormethode für die Proteoglykansynthese im Wundgebiet, weiteres dazu s. Abschnitt 5.2) vom Wundzentrum zur Peripherie. Im Gegensatz zur Messung in der Größenordnung histologischer Schnitte ist hierbei (als Nachteil) nicht der Verlauf in 5, 10 oder 20 μ Abständen erfaßbar und morphologisch lokalisierbar, sowie mit den quantitativen Meßergebnissen (im Tricarb) vergleichbar. Bei Beachtung der gleichen räumliehen Dimensionen ist bei der Stückauflösung und -messung aber der Unterschied der in Abb. 2 4 b (im Vergleich zu Abb. 24a) dargestellten Syntheseraten zwischen Wundzentrum und Wundperipherie deutlich. Die Meßwerte der Wundperipherie liegen natürlich höher als die Werte der von der Wunde weit entfernten, also nicht an der Wundheilung unmittelbar beteiligten Haut des gleichen Tieres (Details dazu, besonders zu den lokalisationsabhängigen Unterschieden der Hautinkorporationsraten sowie zur sog. unspezifischen Mesenchymreaktion s.: J U N G E - H Ü L S I N G 1963/1965; L I N D N E R 1962, 1965—1969; G R A S E D Y C K 1965; B E S T E 1965 u. a.). Wichtig ist schließlich, daß die übliche Inkorporationsraten-Aufarbeitungsmethode zum gleichen Ergebnis führt (rechte Seite in Abb. 24 b): Eintragung eines Beispiels früher von uns, also nicht in dieser Serie gewonnener, aber identischer Ergebnisse (LINDNER 1962), die noch im Methandurchflußzähler bestimmt wurden (nach Nassveraschung des in vivo 24 Stunden inkorporierten, anschließend entnommenen Granulationsgewebes, das zur Entfernung des nicht-inkorporierten anorganischen Sulfates dialysiert und dann zur Konstanz getrocknet wurde (Trockengewichtsbestimmung) (weiteres dazu s. Abschnitt 5.2). An diesem Beispiel ist zugleich gezeigt, daß die bei in vivo-Inkorporation gewonnenen Befunde demnach den bei in vitro-Inkorporation erhobenen Befunden entsprechen, und zwar bei Benutzung verschiedener markierter Vorläufer und der unterschiedlichen, hier verwendeten Methoden. Deswegen können derartige Untersuchungen auch an menschlichem Biopsie- und Operationsmaterial vorgenommen werden (wie systema-

40 I 6

J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

tisch von uns routinemäßig durchgeführt). Das am Wundbeispiel gezeigte Verfahren ist auch in anderen Fällen mit entsprechender zentrifugaler Änderung von Stoffwechselprozessen ausnutzbar, ζ. B . zur K l ä rung schichtenabhängiger Unterschiede von Syntheseprozessen an der Gefäßwand, dem Gelenkknorpel sowie im parablastomatösen Bindegewebe: je schmaler die Gewebszone mit räumlichen Aktivitätsunterschieden ist, um so günstiger ist die Anwendung dieser Schnittanalysen. Diese Beispiele geben zugleich einen Einblick in die modernen morphologischen Verfahren, mit welchen Herkunft und Proliferation der Zellen in der anabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung analysiert werden können, ebenso wie die in dieser Phase maximal erfaßbaren Syntheseprozesse der Zwischensubstanzbestandteile des Wundgranulationsgewebes (weiteres dazu s. Abschnitt 5.2 und 5.3).

2. Granulozyten (5.1.2) Zu Beginn der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung sind von den Granulozyten gelapptkernige neutrophile Leukozyten der Hauptanteil kernhaltiger Zellen im Wundgebiet (Maximum in den ersten 3 Tagen nach Wundsetzung). Diese nicht mehr teilungsfähigen Endformen (postmitotische Zellen) sind also hochdifferenziert, besitzen wenig Mitochondrien, in den Lysosomen eine reichliche Ausstattung an Hydrolasen für ihre Hauptaufgabe als Mikrophagen im Wundgebiet, einschließlich spezifischer Kollagenproteasen (LAZARUS et al. 1968) neben Kollagenpeptidasen (weiteres dazu s. S. Abschnitt 4.4.2). Mit ihren hydrolytischen Enzymaktivitäten führen diese Granulozyten nach Pinound Phagozytose vorwiegend intrazelluläre Abbauprozesse aufgenommener Materialien des posttraumatischen Entzündungsfeldes durch. Bei der reichlichen Auflösung gelapptkerniger Leukozyten im Wundheilungsbeginn kommt es zu den in Abschnitt 4.3 sowie 4.5.1 besprochenen autophagolysosomalen Prozessen sowie zur Mitbeteiligung der Granulozytenhydrolasen am extrazellulären Katabolismus (s. Abschnitt 4.4). Die Enzymmuster dieser Zellen des Wundgranulationsgewebes sind in Abb. 2 0 a dargestellt (vgl. auch Abb. 15 sowie Abschnitt 4.5.3). Bausteinhistochemisch sind in Granulozyten des Wundfeldes die unterschiedlichsten Lipoid-, Protein- und Kohlenhydratkomponenten der phagozytierten Einschlüsse neben den in Abhängigkeit davon adaptiv oder induktiv aktivierten bzw. synthetisierten Enzyme nachweisbar. Den klassischen Zytochromoxydase- und Peroxydase-Gehalt zeigen die immigrierten Leukozyten im WTundgebiet wie im Blut selbst, daneben wreisen sie einen unterschiedlichen Gehalt an Dehydrogenasen und Diaphorasen auf. Der Oxydo-ReduktasenEnzymgehalt ist in den reifen Granulozyten niedriger als in ihren unreifen Formen. Auch elektronenoptisch sind die in Abb. 7 schematisch zusammengefaßten intrazellulären Stoffaufnahmen vereinzelt nachgewiesen worden, vor allem beim reichlichen GranulozytenAbbau des posttraumatischen entzündlichen Exsudates, speziell des Fibringerüstes (mit noch erhaltener Periodik phagozytierter Fibrinfasern: R o s s und Ö D L A N D 1968). Seit MARCHAND (1901, 1924) ist neben der hämatogenen Herkunft der Granulozyten ihre histiogene diskutiert worden, bis heute ohne ausreichende Beweise. Das gilt auch für die eosinophilen polymorphkernigen Granulozyten, trotz mancher elektronenoptischer Hinweise ( G U S E K 1962). Die Lebensdauer der Granulozyten-Endformen ist kurz, die histiogene Herkunftsfrage für die Granulozyten des Wundgebietes daher unerheblich. I m nicht-entzündeten Bindegewebe sind von den Granulozyterjformen die eosinophilen am häufigsten nachweisbar (und deswegen hinsichtlich ihrer histiogenen Entstehungsmöglichkeit unter Berücksichtigung der ubiquitären, multipotenten mesenchymalen retikulären Stammzellen noch weiter zu prüfen). Im Wundgranulationsgewebe ist der Gehalt an eosinophilen Granulozyten gering, deswegen ist ihr Histamingehalt für dessen Mediator-Wirkung (im Gegensatz zu den Gewebsmastzellen: s. Abschnitt 4.2 sowie 5.1.2) unbedeutend. Bei im wesentlichen entsprechender feinstruktureller Zusammensetzung unterscheiden sich eosino-

A n a b o l e P h a s e der p o s t t r a u m a t i s c h e n E n t z ü n d u n g und W u n d h e i l u n g

6

I 4J

pliile von neutrophilen polymorphkernigen Granulozyten durch geringere Enzymgehalte und die charakteristischen Granula, deren chemische Zusammensetzung vor allem bausteinh i s t o c h e m i s c h e i n g e h e n d u n t e r s u c h t ist (LINDNER 1 9 6 0 — 1 9 6 5 ; G U S E K 1 9 6 2 u. a.).

Auch die basophilen polymorphkernigen Granulozyten spielen im Gegensatz zu den neutrophilen bei der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung keine wesentliche Rolle. Sie ähneln feinstrukturell den Gewebsmastzellen, sowohl hinsichtlich ihres Gehaltes an Heparin-Histaminaten in den Granula als auch hinsichtlich ihrer Enzymmuster.

3. Lymphozyten (5.1.3) Im Gegensatz zu den polymorphkernigen Granulozyten sind die Lymphozyten des Wundgranulationsgewebes keine postmitotischen Endformen. Speziell die kleinen Lymphozyten gelangen schon unter physiologischen Bedingungen nach ihrer Bildung im lymphatischen Gewebe in die verschiedenen Bindegewebe des Organismus, können dort bei Bedarf offenbar nicht nur in Plasmazellen und Histioz3 r ten, sondern auch in Fibroblasten transf o r m i e r t w e r d e n (s. A b s c h n i t t 5 . 1 . 1 s o w i e M A X I M O W 1 9 2 6 / 1 9 2 7 ; B L O O M 1 9 2 8 : R E B U C K 1 9 4 7 : ALLGÖWER 1 9 5 6 ; EHRICH 1 9 5 6 ; CRONKITE e t al. 1 9 6 0 ; R o s s u n d B E N D I T 1 9 6 1 ;

HURLEY

u n d SPECTOR 1 9 6 1 ; GRILLO 1 9 6 4 ; VOLKMAN u n d GOWANS 1 9 6 5 ; L E D E R 1 9 6 7 ; BÜCHNER et al. 1970;

DVORAK

und

LINDNER

1970).

Nach

der

Differenzierung

dieser

offenbar

multi-

potenten kleinen Lymphozyten haben die genannten Differenzierungsformen die im einzelnen an entsprechenden Stellen beschriebenen Aufgaben im Katabolismus und Anabolismus des Wundgranulationsgewebes. Der normalerweise etwa 2 0 % betragende Anteil der kleinen Lymphozyten am Gesamtlymphozytengehalt des Blutes kann posttraumatisch erhöht sein. Fermenthistochemisch ist ihr Enzymgehalt gering. Die zytoplasmareicheren großen Lymphozyten sind elektronenoptisch nur ζ. T. von Monozyten unterscheidbar und gehen deswegen in der Bewertung oft in den monozytoiden Zellpool des Wundgranulationsgewebes ein, zumal die lymphozytogenen und monozytogenen hämatogenen Zellen des Wundgranulationsgewebes entsprechende Aufgaben beim Katabolismus nach Wundsetzung haben. Dann ist eine entspi echende Zytoplasmadifferenzierung mit Vermehrung der von vornherein reichlich vorhandenen freien Ribosomen sowie der an das rauhe endoplasmatische Retikulum gebundene Ribosomen nachweisbar, wodurch schließlich die lichtoptisch ausgeprägte Basophilie bedingt ist. Diese Befunde bedeuten aber bereits Übergänge der lymphozytären Elemente zu plasmozytoiden und makrophagozytären Zellen des Wundfeldes. In diesem Falle werden auch die weiteren feinstrukturellen und fermenthistochemischen Befunde entsprechend ausgebildet (weiteres s. Abschnitt 4.5).

4. Monozyten (5.1.4) Die Monozyten, die den vorgenannten großen Lymphozyten vor allem lichtoptisch ähnlich sind, gleichen sich diesen auch elektronenoptisch bei ihrer Stoffwechselsteigerung im Rahmen des primären Katabolismus des Wundfeldes nach Emigration in das Wundgebiet zunehmend an. Vor ihrer weiteren Differenzierung, besonders in Histlozyten, Makrophagen und Fibroblasten, besitzen Monozyten bereits ein ausgeprägtes endoplasmatisches Retikulum und Golgifeld, aber noch wenig Mitochondrien, während das Enzymmuster bereits beträchtlich ist. Fermenthistochemische Untersuchungen erlauben gewisse Unterscheidungen der hämatogenen Monozyten von den großen Lymphozyten (LEDER 1967). Diese Unterschiede verwaschen sich zunehmend beim Eingang dieser Zellformen in den © Ο Makrophagenpool

des

Wundgranulationsgewebes

(LINDNER

1957—1965;

GEDIGK

und

B O N T K E 1 9 5 7 ; G E D I G K u n d F I S C H E R 1 9 6 0 ; L E D E R u n d X I K L A S 1 9 6 3 ) ( w e i t e r e s s. A b s c h n i t t

5.1.1 sowie 5.1.5 und 6).

42 I 6



LINDNER,

Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung 5. Histiozyten (5.1.5)

Hämatogene Monozyten werden nach ihrem Austritt aus der Blutbahn zu den Histiozyten des Bindegewebes (gegebenenfalls auch große Lymphozyten). Ihre Stammzellen, die Retikulumzellen, werden in diesem Zusammenhang nicht näher besprochen; ihr ubiquitäres Vorkommen im Bindegewebe ermöglicht ihre ortsständige Umwandlung in Histiozyten und nach Wundsetzung auch direkt in histiogene Makrophagen und Fibroblasten. In ihrer Ruheform sind Histiozyten Lage- und dadurch Form-bedingt vor allem lichtoptisch nicht immer von ruhenden Fibrozyten untersclieidbar, ζ. T. jedoch durch bestimmte Färbemethoden, so bereits durch klassische Vitalfärbungen (elektive Darstellung mit elektronegativen sauren Anilinfarbstoffen). Damit ist auch die entscheidende Charakteristik der Histiozyten getroffen: Sie besitzen eine latente Bereitschaft zur Phagozytose, die elektronenoptisch bereits an der Kernstruktur, dem deutlichen Nukleolus und der stärkeren Organisation des Zytoplasma erkennbar wird. Der Übergang des ruhenden zum aktivierten Histiozyten und schließlich zum Makrophagen ist natürlich fließend. I m ruhenden Histiozyten sind wie in anderen ruhenden mesenchymalen Zellformen mit fermenthistochemischen Methoden nur spärliche Fermentaktivitäten nachweisbar (Hydrolasen und Dehydrogenasen, weiteres s. Abschnitt 4.5.3 sowie Abb. 20a). Somit ist das entscheidende und verbindende Merkmal der histiozytären Zellen ihre hervorragende latente Endozytosebereitschaft, die fermentzytochemisch durch einen gegenüber anderen ruhenden Zellformen noch deutlich erfaßbaren, latenten Gehalt an Enzymen bestimmbar ist, mit Vitalfärbungen durch eine wiederum anderen ruhenden Zellformen gegenüber rasche Farbstoffaufnahme usw. Die große (vielfach verzweigte) Oberfläche der Histiozyten kennzeichnet diese Phagozytosebereitschaft. Bei posttraumatischer Entzündung werden die fingerförmigen Zytoplasmafortsätze ausgeglichen, die Zellen nehmen eine rund-ovale Form an, werden beweglich, chemotaktisch anziehbar und bei fast explosionsartigem Start der Endozytose zu Makrophagen mit entsprechender Zytoplasma- und Enzymmuster-Differenzierung. Dann ist auch die Zytoplasmaoberfläche wieder für die Endozytose im Wundgebiet unregelmäßig (für die im Abschnitt 4.5.1 beschriebenen Details der Stoffanlagerung, Plasmalemm-Vesikulation, Abschnürung und Stoffaufnahme mit Ausbildung von Phagolysosomen für den intrazellulären Katabolismus der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung). Wie in Abschnitt 5.1.1 angegeben, stammen die Histiozyten des Wundfeldes auch von proliferierten Elementen des Gefäßwandbindegewebes (s. Abb. 21). Dabei ist die entsprechende feinstrukturelle Differenzierung mit Zunahme der Mitochondrienzahl, des Ergastoplasma und schließlich bei Phagozytosebeginn der Enzymdifferenzierung einschließlich lysosomaler Strukturen nachweisbar. Nach dem Übergang in Makrophagen sind auch diesehistiogenen Histiozyten postmitotische Zellen, also nicht mehr teilungsfähig, im Gegensatz zu den aus dem proliferierten Gefäßwandbindegewebe stammenden Fibroblasten (speziell aus Perizyten, s. unten). Bei deren Teilung sind von G I E S E K I N G (1966) Reduplikationen der Membranen des endoplasmatischen Retikulum und eine direkte Übertragung der feinstrukturellen Differenzierung der Fibroblasten bei der Mitose auf die Tochterzellen beschrieben worden. Diese verschiedenen Fähigkeiten der Gewebshistiozytcn im Zusammenhang mit ihrer Entstehung aus dem Gefäßwandbindegewebe hat bereits M A R C H A N D (1901, 1924) mit der Benennung: Adventitialzellen charakterisiert (weiteres dazu s. Abschnitt 5.1.1 sowie M A X I M O W 1926/1927; B L O O M 1928; E H R I C H 1956; L E T T E R E R 1956; A L L G Ö W E R 1956; L I N D N E R 1957—1965; G U S E K 1962; G I E S E K I N G 1966; L E D E R 1967 u. a.). 6. Makrophagen (5.1.6) Die Makrophagen des Wundgranulationsgewebes sind nach den vorstehenden Ausführungen hämatogenen und histiogenen Ursprunges.

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | 43

Der Makrophage besitzt feinstrukturell ein ungewöhnlich reichliches glattes endoplasmatisches Retikulum im Gegensatz zum Fibroblasten, der für seine Synthese von Differenzierungsprodukten des Bindegewebes das für Proteinsynthesen erforderliche rauhe endoplasmatische Retikulum enthält. Bei der verstärkten Endozytose der Makrophagen im Wundfeld entstehen Erweiterungen des glatten endoplasmatischen Retikulum, bei Überphagozytose auch Strukturschädigungen besonders der Mitochondrien (mit blasenartigen Umwandlungen usw.). Im Rahmen der gesteigerten Enzymsynthesen können entsprechende Zellorganellen ausgebildet werden, mit elektronenoptisch und bausteinhistochemiseh nachweisbarer Zunahme der für die Enzymeiweißsynthese erforderlichen RNSKonzentrationserhöhung der Makrophagen. Alter und Ausmaß der Makrophagen-Aktivität sind durch ihren Lysosomengehalt bestimmbar (s. auch Abb. 16). Bei der genannten Überphagozytose können Makrophagen mit zusätzlicher Bildung von Autophagolysosomen untergehen, die Zellbestandteile einschließlich der Heterophagolysosomen erneut phagozytiert werden usw. Bausteinhistochemisch lassen sich die verschiedensten Protein-Lipoidund Kohlenhydratbestandteile neben anorganischen Materialien in den Makrophagen des Wundgebietes nachweisen. Ihre extrem ausgebildeten Enzymaktivitäten und -muster sind in Abb. 20a zusammengefaßt. Das gilt besonders auch für die Beteiligung der Makrophagen am Abbau der Proteoglykane und Kollagenfasereiweiße bei der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung. Beispiele entsprechender Glykosidasen-, Proteasen- und Peptidasen-Nachweise sind in Abb. 19 vorgewiesen. Der Oxj'doreduktasengehalt der Makrophagen steht im Zusammenhang mit ihrem für den Katabolismus erheblichen Energieverbrauch (bei der mangelnden Sauerstoffversorgung im Wundheilungsbeginn auch der fermenthistochemisch nachweisbare Gehalt der Makrophagen an anaeroben Dehydrogenasen — s. dazu besonders Abschnitt 4.1 sowie 4.4.4). Es ergibt sich daraus, daß bei der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung zu den Makrophagen des Wundfeldes alle Zellen gerechnet werden, die licht- und elektronenoptisch erkennbare massive Endozytosen im Rahmen des gesteigerten Katabolismus bei der Reinigung

des Wundfeldes besitzen, gleichgültig, ob die Makrophagen aus ruhenden Histiozyten oder Adventitialzellen, speziell Perizyten, hervorgegangen sind, aus retikulären Elementen (sicher nicht aus ausdifferenzierten Fibroblasten) oder aus lymphzytogenen und monozytogenen. in das Wundfeld emigrierten Blutzellen (MARCHAND 1901, 1 9 2 4 ; MAXIMOW 1 9 2 6 / 1 9 2 7 ; EHRICH 1 9 5 6 : LETTERER 1 9 5 6 : LINDNER 1 9 5 3 — 1 9 6 9 ; FRENCH und BENDITT 1954; GEDIGK und BONTKE 1 9 5 7 ; GEDIGK und FISCHER 1960; SCHALLOCK 1960; RAEKALLIO 1960, 1961, 1 9 6 4 : GUSEK 1962; LEDER 1967; BÜCHNER et al. 1 9 7 0 ; DVORAK und LINDNER 1970). 7. Plasmazellen (5.1.7)

Plasmazellen werden bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung unterschiedlich reichlich im Wundgranulationsgewebe gefunden, abhängig von der Wundart (s. Abschnitt 2) sowie von der Dauer der Wundheilung. Über die Herkunft der Plasmazellen im Wundgebiet ist zusammenfassend nach dem heutigen Stand der Kenntnisse festzustellen, daß Plasmazellen hämatogenen und histiogenen Ursprungs sein können. Vor allem lymphozytogene Plasmazellen und solche aus undifferenzierten Adventitialzellen sind erwiesen (und damit die bereits von MARCHAND 1901, 1924 vertretene Ansicht bewiesen). Da in jedem Bindegewebe undifferenzierte multipotente Retikulumzellen vorkommen, ist die alte Auffassung der Differenzierungsmöglichkeiten in lymphoide, phagozytierende, plasmazelluläre und schließlich fibroblastische (bzw. zementoplastische) Retikulumzellen auch für die weitere histiogene Genese der Plasmazellen einschlägig (also für die Plasmazellenentstehung aus lokalen undifferenzierten Mesenchymzellen des Wundgebietes). Offenbar sind aber die meisten Plasmazellen lympho-

44 I 6

J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

zytogener Herkunft. Sie ähneln licht- und elektronenoptisch auch zunächst den großen Lymphozyten. Bei ihrer weiteren Differenzierung zu reifen Plasmazellen sind diese nicht mehr teilungsfähig, sondern eine postmitotische Endform. Dann zeigt der Kern in der Regel (aber nicht immer) die typische Radspeichenform und das Zytoplasma die starke Basophilie, bedingt durch das reichlich ausgebildete rauhe (also ribosomenbesetzte) endoplasmatische Retikulum. Dieser Befund ist das Zeichen einer erheblich gesteigerten Proteinsynthese der Zelle. E r ist deswegen nicht isoliert als Plasmazellen-spezifisch anzusehen und kann im Wundgranulationsgewebe zumindest ausschnittsweise und phasenhaft auch im Rahmen der unter Abschnitt 4.5.2 beschriebenen Syntheseprozesse anderer Zellen des Wundgranulationsgewebes auftreten. Erst bei völliger Ausdifferenzierung spricht man dann nicht mehr von plasmozytoiden Zellformen, sondern von reifen Plasmazellen (s. aucli Abb. 25):

Abb. 25. Zunahme des rauhen endoplasmatischen Retikulum mit zunehmender Anordnung paralleler, abgeflachter, ribosomenreicher Membranen bei entsprechender Abnahme anderer Zellorganellen (a) — bis zur Ausbildung typischer reifer Plasmazellen (b) (weiteres s. Text)

Bei dieser Ausreifung der Plasmazellen wird auch das Golgifeld reduziert. In den im Abb. 25 beispielhaft dargestellten Strukturen des rauhen endoplasmatischen Retikulum finden die Antikörper-Proteinsynthesen statt, wozu neben Plasmazellen auch die verschiedenen Lymphozytenformcn fähig sind, aus denen wiederum die Plasmazellen entstehen können (über die sog. basophilen Stammzellen selbst). Gerade die Ausdifferenzierung der Plasmazellen spricht gegen die früher vertretene Faltungstheorie der Antikörperbildung in enger räumlicher Beziehung zum Antigenmolekül an den Ergastoplasmastrukturen (weiteres dazu s. E H E I C I I 1956). Moderne histochemische Verfahren, speziell immunhist-ochemische, licht- und elektronenoptische Methoden haben die Antikörpersynthese in Plasmazellen bewiesen. Im Gegensatz zu allen bisher besprochenen Zellformen kann die Plasmazelle nicht phagozytieren, sondern nur ihre Eiweißprodukte sezernieren. Dementsprechend sind auch die fermenthistochemischen Befunde an reifen Plasmazellen mit den verfügbaren Methoden spärlich (s. Abb. 20a sowie Text dazu im Abschnitt 4.5.3). Dabei besitzen Plasmazellen Eiweißsynthese- und -umsatzraten wie hochaktive, proteinsynthetisierende und -sezernierende Epithelzellen (ζ. B. des Pankreas oder des Magens — mit Protein-Halbwertszeiten von 6—9 Stunden). Die in Abb. 25 gezeigte und dazu besprochene plasmazelluläre Transformation vor allem histiogener Elemente ist die Ursache dafür, daß auch im Wundgranulationsgewebe

Anabolo P h a s e der p o s t t r a u m a t i s c h e n E n t z ü n d u n g und W u n d h e i l u n g

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(bereits von MARCHAND 1 9 0 1 , 1 9 2 8 , sowie von E H R I C H : 1 9 5 6 ; L E T T E R E R 1 9 5 6 usw.) wie im entzündlichen Granulationsgewebe eine bestimmte Variationsbreite plasmozytoider Zellformen angegeben wurde. Moderne baustein- und enzymhistochemische Befunde bestätigen die Existenz dieser Bandbreite plasmazellulärer Transformationen und Modulationen mit der Möglichkeit, aber noch nicht ausreichenden Sicherheit, von Abgrenzungen der hämatogenen und vor allem der histiogenen Ursprungszellen dieser plasmozytoiden Umwandlungs- und Übergangsformen. Sie sind, wie einleitend zu diesem Abschnitt angegeben. umso reichlicher, je länger und ausgedehnter die Wundheilung ist, besonders bei sog. sekundärer Wundheilung und bei Wundheilungskomplikationen (MARCHAND 1 9 0 1 , 1 9 2 8 ; R E B U C K 1 9 4 7 ; LINDNER 1 9 5 7 — 1 9 6 7 ; EHRICH 1 9 5 6 ; L E T T E R E R 1 9 5 6 ; SLOME 1 9 6 1 ; H U R L E Y u n d SPECTOR 1 9 6 1 ; G U S E K 1 9 6 2 ; VOLKMAX u n d GOWAXS 1 9 6 5 ; GIESEKING 1 9 6 6 ; L E D E R 1967).

8. Gowobsmastzellon (5.1.8) Wie im Abschnitt 5.1.2 angegeben, sind zwei Arten von Mastzellen zu unterscheiden. Im Knochenmark entstehen über multipotente retikuläre Mesenchymzellen, Mastmyelozyten und die basophilen Granulozyten des Blutes. Die Gewebsmastzellen entstehen überall im retikulohistiozytären Gewebe, besonders aus dem Gefäßwandbindegewebe, also aus Adventitialzellen, Perizyten, Histiozyten und retikulären Elementen. Der zur Bildung von Gewebsmastzellen beitragende monohistiozytäre Zellpool des Bindegewebes ist in der im Abschnitt 5.1.1 angegebenen Weise mit der hämatogenen Herkunft von Bindegewebszellen verbunden, damit also auch die Gewebsmastzellen. Ihre zusätzliche Entstehung aus emigrierten Blutmastzellen bzw. basophilen Granulozyten, ist unwahrscheinlich. Bei Beginn der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung tritt wie bei jeder anderen Entzündung ein Prozeß ein, der als Mastzellendegranulierung zu bezeichnen ist. Dadurch ist das allgemein beobachtete, sog. „Verschwinden" der Gewebsmastzellen unmittelbar nach Wundsetzung bzw. Entzündungsbeginn bedingt. Diese Mastzellendegranulierung ist eine sehr allgemeine, rasche und reizunspezifische Reaktionsform der Granula-überladenen Gewebsmastzellen, wie die Zusammenstellung der zahlreichen sog. ,,Mastzellendegranulierer" zeigt ( L I N D N E R 1961a). Dabei ergibt sich (auch bei weiteren Zusammenstellungen) keine Übereinstimmung elf:s Heparin- und Histamin-Gehaltes der einzelnen Gewebe, speziell der Kutis und Subkutis der verschiedenen Spezies mit dem jeweiligen Mastzellengehalt. Erst recht besteht keine Parallele zwischen dem Serotonin- und dem Mastzellengehalt. Die Mastzellengranula des Menschen und zahlreicher weiterer Spezies, enthalten im Gegensatz zu den Mastzellen der am häufigsten für Wundheilungsuntersuchungen benutzten kleinen Xager kein Serotonin. Die Konzentrationszunahme vor allem an Histamin zu Beginn der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung ist also nicht durch die Mastzellendegranulierung allein bedingt. Die starke Erhöhung der Histidindekarboxylase im Wundgebiet zeigt, daß hier aus Histidin größere Histaminmengen gebildet werden können, die wiederum unterschiedliche Einflüsse auf den Entzündungsbeginn nicht nur im Sinne der im Abschnitt 4.2 beschriebenen Mediatorwirkung haben, sondern auch (wahrscheinlich indirekt) auf anabole Prozesse im Entzündungsbeginn einwirken (einschließlich der Fibroblastenfunktion. speziell der Kollagenfaserbildung) ( M E I E R 1959; L I N D N E R 1961a; S A N D B E R G 1964a. b: X O R N 1965 u. a.). Histamin kann wie andere Entzündungsmediatoren (einschließlich Bradykinin) auch zur Abgabe von Katecholaminen aus der Nebenniere führen, die ebenso wie andere Entzündungsmediatoren zur Proteasenaktivierung und deren Funktion im Entzündungsfeld beitragen. Durch die Mastzellendegranulierung selbst werden auch Proteasen und Peptidasen neben weiteren Hydrolasen in das Wundgebiet freigesetzt. Der Enzymgehalt der Gewebsmastzellen ist erheblich, ihr Enzymmuster breit, es enthält neben Enzymen für den Aufbau der Mastzellengranula auch solche für ihren Abbau im Rahmen ihres Um-

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J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

satzes, ζ. Β. Glykosidasen, aber auch Diaphorasen und Dehydrogenasen, entsprechend des hohen Energiestoffwechsels der Mastzellen ( L I N D N E R 1961a, 1964a, b). Dabei sind durch bausteinhistochemische Untersuchungen neben den vorgenannten Substanzen der Mastzellengranula auch weitere Protein-, Lipid- und Polysaccharidkomponenten in den Gewebsmastzellen lokalisiert worden. Ultrastrukturell sind Formen und Gestalt ihrer Kerne ebenso wie des Zelleibes sehr verschieden, in Abhängigkeit von Lokalisat ion und Funktionszustand der Gewebsmastzelle. J e reichlicher bei ihrer Reifung der Granulagehalt ist, um so mehr tritt die Zahl anderer Zellorganellen einschließlich den Mitochondrien zurück. Über Stoffaufnahmen in Mastzellen und ihre einzelnen Zellorganellen einschließlich der Mitochondrien liegen unterschiedliche Befunde vor. Sie interessieren im Falle der Wundheilung weniger, da zu deren Beginn, wie einleitend angegeben, eine weitgehende Degranulierung erfolgt. Freigesetzte Mastzellengranula können sich auflösen, aber auch von anderen Zellen phagozvtiert werden. Degranulierte Mastzellen können untergehen, aber auch regranulieren. In diesem Verlauf sind vor allem mit lichtoptischen Methoden Bestimmungen der Gewebsmastzell-Zahl schwierig. Denn abgesehen von den zuvor genannten Vorgängen der teilweisen oder vollständigen Degranulierung, der Granulaphagozytose und der Regranulierung können histologisch und färberisch ähnliche Zellen durch Phagozytose chemisch verwandter Substanzen im Wundfeld wie bei jeder anderen Entzündung entstehen, vor allem bei der Aufnahme von hochmolekularen sauren Polysacchariden der Grundsubstanz bei deren posttraumatischen Abbau (LINDNER 1053—1965). Das gilt vor allem für den Fall, bei dem an Mastzellen intrazelluläre Granulaauflösungen eintreten und dadurch nicht mehr granuläre, sondern diffuse Farbreaktionen an diesen Zellen erfaßt werden — im Vergleich zu entsprechenden diffus im Zytoplasma verteilten Reaktionen spezifischer histochemischer Färbeverfahren. Das ist besonders durch experimentelle Untersuchungen mit lokaler Applikation von Heparin (im Vergleich zu lokalen Applikationen anderer Glykosaminoglykane und von Kontrollsubstanzen) festgestellt worden (LINDNEB 1963b). Zur Granulasynthese (auch im Rahmen der Degranulierung) ist ein entsprechendes rauhes endoplasmatisches Retikulum und Golgifeld erforderlich, das erst bei Ausreifung der Mastzellen weitgehend verschwindet. In Abhängigkeit vom Reifegrad ist auch die Feinstruktur der Mastzellengranula verschieden (GUSEK 1962). Trotz der außerordentlich umfangreichen Untersuchungen der Gewebsmastzellcn ist deren Funktion im ruhenden wie im verletzten und entzündeten Bindegewebe noch keineswegs geklärt. Sicher erscheint nur, daß Gewebsmastzellcn an der Synthese der Bindegewebsgrundsubstanz direkt nicht teilhaben, auch nicht an der Synthese von Hyaluronsäure (ASBOE-HANSEN 1950b, 1963, 1966). Mit autoradiografischen Methoden ist nicht nur der hohe Stoffumsatz der Mastzellen bei ihrer Differenzierung und Reifung nachweisbar, sondern auch eine Unterscheidung echter Gewebsmastzellen von granulaphagozytierenden bzw. abgebaute Proteoglykan-Anteile aufnehmenden Zellen möglich, da diese bei Applikation von 3 5 S-Sulfat diesen radioaktiv markierten Indikator für die Synthese von sulfatiertan Glykosaminoglykanen riicht inkorporieren ( L I N D N E R 1961—1969) (s. Abschnitt 4.4.1 sowie 5.2). Xacli der Degranulierung der bei Wundsetzung im betroffenen Bindegewebe vorhandenen Gewebsmastzellen ist deren „Wiederauftreten" in Abhängigkeit von Lokalisation, Ausmaß und Dauer der Wundsetzung und anschließenden Heilung verschieden. In der Regel wird 14 Tage nach Wundsetzung in der Wundumgebung ein Mastzellengehalt wie vor Wundsetzung angetroffen, während in sich ausbildenden Narben zumeist nur sehr wenig Gewebsmastzellen nachweisbar sind ( M A R C I I A N D 1901, 1928; M A X I M O W 1 9 2 6 1 9 2 7 , 1927; S Y L V E N 1941; A L L G Ö W E R 1956; E H R I C H 1956; L E T T E R E R 1956; G I H I A N 1959; S L O M E 1961; G U S E K 1962; G A N S und S T E I G L E D E R 1964; G I E S E K I N G 1966; L E D E R 1967; S Z I R M A I 1970).

9. Fibroblasten (δ. 1.9)

Der Fibroblast ist die wichtigste Zelle in der anabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung für die Bindegewebsregeneration. Seine Entstehung aus hämatogenen, speziell aus monozytoiden Zellen sowie aus histiogenen Elementen, also monohistiozytären Zellen speziell des Gefäßwandbindegewebes ist im Abschnitt 5.1.1 angegeben. Dabei kommen in erster Linie Perizyten in Betracht, deren Ultrastruktur und Histochemie derjenigen von Fibroblasten bereits ähnelt, und zwar dem wenig aktiven oder inakti-

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | 47

ven Fibroblastentyp ( = Fibrozyt). Perizyten sind also weniger differenziert als Fibroblasten und können in Fibroblasten wie in Chondroblasten oder Osteoblasten differenziert werden, besitzen also eine erhebliche Differenzierungspotenz. Perizyten sind von einem dünnen Basalmembranlager umgeben. In dieser Hinsicht ähneln sie glatten Muskelzellen der Gefäßwand, die bekanntlich bei der Gefäßivavdicundheihing in sog. modifizierte glatte Muskelzellen umgewandelt werden, die wiederum hochaktiven Fibroblasten entsprechen, vor allem, wenn bei dieser Umwandlung bestimmte ultrastrukturelle Charakteristika der glatten Muskelzelle verlorengehen (die genannte perizelluläre Basalmembran, Myofibrillen, dichte Körper und Pinozytosebläschen) mit entsprechender Zunahme der für die Kollagenfaserbildung im Rahmen der gesteigerten Proteinsynthese erforderlichen feinstrukturellen Charakteristika (Ribosomen, rauhes endoplasmatisches Retikulum, Golgiapparat und Mitochondrien). Glatte Gefäßwandmuskelzellen sind also wie Perizyten multipotente bzw. multifunktionelle Mesenchymzellen, die bevorzugt zu Fibroblasten werden können (dies zugleich als Hinweis auf die Gefäßwand-Wundheilung, die in diesem Rahmen nicht weiter behandelt wird (MURRAY et al. 1966; W I S S L E E 1968; LINDNER 1968a, c, 1969a, b). Fibroblasten des Wundgranulationsgewebes sind teilungsfähig. Fibroblasten können wie Chondroblasten und Osteoblasten Funktionsphasen durchlaufen. In der Ruhephase sind die feinstrukturellen und histochemischen Äquivalente für die Zwischensubstanzsynthese stark reduziert oder (wie bei Fibrozyten am Ende ihrer Lebensdauer) verschwunden, während hochaktive Fibroblasten, wie bei der Ausbildung des Wundgranulationsgewebes, eine hochdifferenzierte Feinstruktur aufweisen. Dazwischen liegen die unterschiedlichsten Übergangsformen. Unmittelbar nach Wundsetzung beginnt die Aktivierung der Fibroblasten mit Zunahme ihrer Zytoplasmabasophilie sowie der histochemisch erkennbaren Fermentaktivität. Der erstgenannte Befund ist durch die erforderliche Zunahme von Ribonulcleoproteiden mit Vermehrung des rauhen endoplasmatischen Retikulum bedingt. Die histochemisch nachweisbaren Enzyme für die Proteinsynthesen sind an das rauhe Ergastoplasma gebunden. In hochaktiven Fibroblasten ist auch das Golgifeld entsprechend ausgeprägt, das vor allem an der Polymerisation der Zwischensubstanz-Syntheseprodukte, speziell der Proteoglykane, beteiligt ist. Der intrazelluläre Ablauf der Proteoglykan- und der Kollagenfasersynthese, die extrazelluläre Ausschleusung der Syntheseprodukte und folgende Aggregation sind in den Abschnitten 4.4.2 und 5.3 im Zusammenhang mit den biochemischen Befunden der Zwischensubstanzsynthese dargestellt. Das gilt auch für die licht und elektronenoptischen autoradiografischen Befunde der intrazellulären Syntheseprozesse in Fibroblasten. Denn mit lichtoptisch-histochemischen Verfahren ist die Zwischensubstanz — speziell die Proteoglykansynthese, nicht ausreichend erfaßbar und von der intrazellulären Aufnahme von Proteoglykan-Abbauprodukten im Rahmen des primären (aber bereits in den ersten Stunden nach Wundheilungsbeginn mit den Syntheseprozessen parallellaufenden) Katabolismus nicht unterscheidbar. Das gilt auch für die klassische Elektronenmikroskopie ohne Verwendung markierter Synthesevorläufer. Der intrazelluläre Nachweis von Kollagenfaserbruchstücken mit typischer Periodik ist nur ein Beweis für die intrazelluläre Fortsetzung des extrazellulär begonnenen Kollagen-Abbaues, nicht für dessen Synthese, s. auch Abb. 7 sowie Abschnitt 4.4.2 und 5.3. Der Mitochondriengehalt der Fibroblasten ist von ihrem Energiestoffwechsel und damit von ihrer Funktionslage abhängig. Dementsprechend werden histochemisch Oxydoreduktasen, speziell Dehydrogenasen und Diaphorasen in Fibroblasten bei Funktions- und Leistungssteigerung zunehmend aktivitätsvermehrt darstellbar, während die fibrozytären Ruheformen sich histochemisch weitgehend negativ verhalten. Das gilt auch für Hydrolasen. Ihr Nachweis (einschließlich von Glykosidasen, Proteasen und Peptidasen) muß als Hinweis dafür gewertet werden, daß in Fibroblasten Abbauprozesse stattfinden können, ob nur nach Phagozytose oder im Rahmen eines möglichen intrazellulären Umsatzes von Zwischensubstanzbestandteilen im

48 I 6

J · LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

Rahmen der Regulierung ihrer Abgabe in den Extrazellularraum, ist noch offen ( L I N D N E R 1971). Da alle zu Fibroblasten sich differenzierenden hämatogenen und histiogenen Zellen multipotente und multifunktionelle Mesenchymzellen sind, die sich auch zu Makrophagen differenzieren können, ist auf ihrem Differenzierungsweg zur Zwischensubstanzsynthese eine Stoffendozytose noch möglich, offenbar auch noch zu einem Zeitpunkt, wo Fibroblasten bereits Grundsubstanz und/oder Fasereiweiße bilden. (Zum Enzymmuster der Fibroblasten s. Abb. 2 0 a und T e x t dazu im Abschnitt 4.5.3.) Offenbar können in Fibroblasten wie in Chondroblasten und Osteoblasten zur gleichen Zeit Grundsubstanz-Proteoglykane und Kollagen gebildet werden. Der klassische Unterscheidungsversuch in Zementoblasten und Fibrilloblasten erseheint hinfällig. Die in vitro beobachtete Kontakthemmung der Fibroblasten im Rahmen ihrer Migration und Proliferation scheint auch in vivo zu bestehen. Der Regelmechanismus zwischen Zwischensubstanzsynthese und -abbau ist aber in vivo wie in vitro nicht allein von den Fibroblasten, sondern zugleich von der umgebenden, von ihnen synthetisierten Zwischensubstanz abhängig. Daran sind offenbar auch die zuvor genannten Proteoglykan-abbauenden Glykosidasen und Kollagenproteasen sowie -peptidasen der Fibroblasten beteiligt. Somit bestimmen die hämatogenen und histiogenen Fibroblasten den unmittelbar nach Wundsetzung beginnenden Aufbau der Zwischensubstanz des Wundgranulationsgewebes sowie dessen Ausmaß im Rahmen der Wundheilung. Die besonders in Abschnitt 5.1.1 beschriebene quantitative Verteilung der Fibroblasten im Wundheilungsverlauf führt in Abhängigkeit von Wundgröße sowie von Art und Dauer der Wundheilung zu einem unterschiedlichen Maximum der Fibroblasten und zu einem Abfall desselben, bis in der entstehenden Narbe der Gehalt an Fibrozyten in Relation zur Zwischensubstanz, besonders zum Fasergehalt wesentlich geringer als vor Wundsetzung im betroffenen Bindegewebe sein kann ( M A R C H A N D 1901, 1928; M A X I M O W 1926/1927; C A R R E L und E B E L I N G 1926; BLOOM

1928;

ALLGÖWER LINDNER

HALL

1956;

1957;

und

EHRICH LINDNER

FURTH 1956;

1938;

HUZELLA

LETTERER

1957—1969;

1956;

MCDONALD

1941;

GERSH

und

CATCHPOLE

1949;

WASSERMANN

1956;

SCIIALLOCK

und

und

1959;

ALLGÖWER

und

WHALEN

H U L L I G E R 1 9 6 0 ; G E R S I I u n d CATCHPOLE 1 9 6 0 ; R O H D E e t a l . 1 9 6 1 ; CHAPMAN 1 9 6 2 ;

GUSEK

1962; S C H W A R Z et al. 1962; Z E L I C K S O N 1963; G R I L L O 1964; R I C H T E R et al. 1964a; R o s s und B E N D I T T 1964; v. S C H L I E B E N et al. 1964; R o s s 1965; R o s s und B E N D I T T 1965; H A U S T und M O R E 1966; G I E S E K I N G 1966; R o s s und K L E B A N O F F 1967; R o s s und Ö D L A N D 1968).

B . Grundsubstanz ( 5 . 2 ) 1. Synthese (5.2.1) Die Grundsubstanzsynthese startet bereits innerhalb der ersten 60 Minuten nach Wundsetzung durch die ortsständigen Fibroblasten des Wundfeldes. Durch moderne Methoden der biochemischen Morphologie ist somit erwiesen, daß parallel zu den unmittelbar nach Verletzung im betroffenen Bindegewebe eintretenden katabolen Prozessen auch die anabolen Vorgänge zur Reparation anlaufen. Sie sind abhängig von der verfügbaren Zahl der Zwischensubstanz-synthetisierenden Fibroblasten, die zunächst in geringerer Menge in den ersten Tagen nach Wundsetzung zunehmen und sich fortlaufend vermehren, bis schließlich am 4. bis 7. Tag nach Verletzung der Anabolismus den Katabolismus des verletzten Bindegewebes übertrifft. Die Synthese der Proteoglykane der Grundsubstanz (deren Gliederung und Zusammensetzung in Abschnitt 4.4.1 angegeben ist) wurde mit radioaktiv markierten Vorläufern untersucht ( 3 5 S-Sulfat, 1 4 C-Azetat, 14 C-Glukose und 14 C-Serin — sowie mit weiteren markierten Aminosäuren). Dabei ergab sich, daß die Proteoglykane als einheitliches Makromolekül synthetisiert werden.

6 I 49

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

Die Kettenverlängerung der Polysaccharidkomponente ist mit ihrer Sulfatierung im Falle der am meisten untersuchten sulfatierten Glykosaminoglykane gekoppelt. Die als Indikatormethode für die Synthese sulfatierter Glykosaminoglykane benützte 3 5 S-Sulfat-Inkorporation ist zumindest beim Chondroitin-4-Sulfat von dessen Molekulargewicht und Sulfatierungsgrad abhängig (BOSTRÖM 1954; B O S T R Ö M

und J O R P E S

1954;

S C H I L L E R

et al. 1956,

1965; L I P M A N N

1958;

A D A M S

1959,

1960;

D O R F M A N

1964; H I L Z et al. 1966). Die funktionell wesentlichen Bindungen zwischen Glykosaminoglykanen und ihrem Proteinanteil im Proteoglykan-Makromolekularkomplex sind in letzter Zeit näher untersucht worden, wobei zum Teil unterschiedliche Bindungsmöglichkeiten des ChondiOitin-4-Sulfates, ζ. T. eine Verknüpfung des Chondroitin-4-Sulfatpeptids in einer Bindung des Serin und Threonin mit dem Galaktosyl-Xylosvlrest nachgewiesen wurde ( A N D E R S O N et al. 1964; B U D Ü E C K E und G O T T S C H A L K 1965; R H O D K N

und

L I N D A H L

1965;

GREILING

und

STUHLSATZ

1966;

L I P M A N N

1966;

M U I R

1969;

GREILING

et al. 1971). Bei der Glykosaminoglykansyn these erfolgt nach Bereitstellung der UDP-Polysaccharide ihre Polymerisation sowie die Übertragung von Estersulfat bei gleichzeitiger Verknüpfung mit dem Proteinkern. I m Rahmen der elektronenoptisch-autoradiografischen Lokalisation des Syntheseablaufes

Morphologie der Schleimsynthese in Colon-Becherzellen Elekfr.-mikr. A u t o r a d i o g r a p h i c : 35

S-Sulfat = sulf.MPS

H-Glukose x r i u i,„ nr „» 3H-Ga!aktose^= Glykoprot. 3

H-Leucin = Protein

3

Abb. 26. Zusammenfassung der Ergebnisse der wichtigsten elektronenoptisch-autoradiografischen Befunde zur Morphologie der Proteoglykan- und Glykoproteid-Synthese der epithelialen Schleimbildung im Vergleich zur mesenchymalen Glykosaminoglykan-Proteinsynthese (im zeitlichen Ablauf) (weiteres s. Text)

{ L A N E et A I M ) (ÜEBERBERG et a,. 1969) (PETERSON

et a i m / ; : )

( N E J T R A et a,. 1965)

et ai.1968) etai.i966) al. 1967)

(WEINSTOCK (NEUTRA

60- 120'< >

120 2/.0'

haben Go DM AN und L A N E (1964) an den dazu am besten geeigneten Knorpelzellen die gleichen Befunde erhoben wie bei der entsprechenden Synthese sulfatierter Glykosaminoglykane epithelialer Schleime an Becherzellen, die in diesem Zusammenhang wegen ihrer Größe morphologisch eingehender untersucht ist und deswegen in Abb. 26 als Beispiel für unsere heutigen Kenntnisse zum zeitlichen Syntheseablauf und seiner Lokalisation zusammengefaßt wird: Innerhalb der ersten 5 Minuten nach Gabe des markierten Vorläufers wird das Ergastoplasma nur vereinzelt markiert gefunden, nach den ersten 5—30 Minuten durchgängig das Golgifeld als besonderer Synthese- und Polymerisationsort. Bei dieser maximalen Syntheseaktivität werden die Golgistapel mit einer solchen Geschwindigkeit gebildet, daß jeder aus 7—12 Bläschen bestehende Stapel etwa alle 20—40 Minuten vollständig erneuert wird und etwa alle 2 Minuten ein Golgibläschen in eine sogenannte Vorschleimblase mit nach 30 Minuten zunehmender Markierung übergeht. Handb. Plast. Cliir.. Bd.I

93

50 I 6

J.

LINDNER,

Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

Abb. 27. Beispiel zur Lokalisation der sulfatierten Glykosaminoglykan-Synthese (nach Applikation von 35 N-Sulfat als markierten Vorläufer) in elektronenoptischen Autoradiogrammen (aus gemeinsamen Untersuchungen mit U U B E R B E R G U. Mitarb.): a) Darstellung der U-förmigen Lage der Golgi-Stapel um die ζ. T. markierten Vorschlei m- und Schleimblasen; b) Proliferation der Golgi-Stapel mit Lichtungserweiterung und Zunahme elektronendichten Inhaltes sowie Übergang in Vor- und Endschleimblasen (bei stärkerer Vergrößerung) zur Lokalisation der sulfatierten Glvkosaminoglvkan-Synthese am Beispiel der Becherzelle, jeweils 120 Min. nach 35 S-Sulfat-in vivo-Inkorporation bei der Ratte (weiteres s. Text; a) Originalvergrößerung 7000:1, Endvergrößerung 23000:1; b) Originalvergrößerung 19000:1, Endvergrößerung (iö000:1) Schema des zeitlichen Ablaufes kataboler

und

anaboler Prozesse in Bdq-Zellen

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | 51

In Abb. 27 werden elektronenoptische Autoradiogramme nach Applikation des für die Synthese sulfatierter Glykosaminoglykane am besten geeigneten radioaktiven Vorläufers 3 ä S-Sulfat beispielhaft vorgewiesen (s. dazu Literaturangaben in Abb. 26 sowie zusammenfassend: LINDNER 1969D; UEBERISERU et al. 1969 — einschließlich der Angaben zur quantitativen elektronenoptischen Autoradiografie: s. a u c h

BACIIMANN u n d S A L P E T E R

1907;

LINDNER

1969d;

UKBEBBERÜ et al.

1969;

UEBERBERG

und

LINDNER 1 9 7 1 ) .

Unsere Kenntnisse über die morphologische Lokalisation und den zeitlichen Ablauf der entsprechenden Proteoglykansynthese (sowie zugleich der Kollagensynthese) in Bindegewebszellen sind in Abb. 28 schematisch zusammengefaßt (unter Eintragung einer Bindegewebszelle in das Zifferblatt einer Uhr), um zugleich darzustellen, wie schnell kntabole und anabole Prozesse in Bindegewebszellen ablaufen können. Zusammenfassend ergibt sich aus Abb. 28, daß auch in Bindegewebszellen ei?ischließlich der Fibroblasten des Wnnclgranulationsgewebes die Proteoglykansynthese in einein Zeitraum von etwa 120 min abläuft, desgleichen die Kollagensynthese, wenn man als Startzeit die Gabe des jeweiligen •markierten Vorläufers wählt. Auch in den Fibroblasten starten die Syntheseprozesse im rauhen endoplasmatischen Retikulum und werden im Golgifeld fortgesetzt, im Falle der Proteoglykane mit Polymerisierung, im Falle der Kollagensynthese mit Packung der Polypeptidketten und Entwicklung der Sekundär- und Tertiärstruktur (s. Abb. 8 sowie Text dazu im Abschnitt 4.4.2 sowie 5.3). Daß die DXS-Synthese vor Beginn der Zellteilung durch Verwendung des markierten Vorläufers 3 H-Thymidin morphologisch lokalisierbar und in der in Abb. 28 angegebenen kurzen Zeit nachweisbar sowie quantitativ radiochemisch erfaßbar ist, wurde im einzelnen in Abschnitt δ. 1.1 angegeben. Die Ausschleusung markierter, de novo-synthetisierter Makoromoleküle der Zwischensubstanz findet bei der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung bereits innerhalb der ersten 2 Stunden nach Angebot der markierten Vorläufer in vivo und in vitro statt (s. Abb. 28 sowie Abb. 29 und Text dazu). Dadurch sieht man in 35S-Sulfat-Autoradiogrammen im Gegensatz zu 3HThymidin-Autoradiografien mit isolierter Kernmarkierung (vgl. Abb. 21 und 22) nicht nur das Zytoplasma der Fibroblasten, sondern auch ihre unmittelbare Umgebung markiert. Diese und die folgenden Beispiele morphologischer Untersuchungen sind zugleich die Grundlage für die anschließend geschilderten Inkorporationsratenmessungen und weiteren radiochemischen sowie biochemischen Analysen der Zwischensubstanzsynthese in der anabolen Phase der Wundheilung und ihrer Beeinflussung (weiteres dazu s. Abschnitt 7). Die Möglichkeiten quantitativer morphologischer Untersuchungen anhand von Autoradiogrammen nach in vivo-Applikation von 35 S-Sulfat sind beispielhaft in Abb. 29 und b dargestellt. Parallel zu diesen morphologischen Untersuchungen wurden 35 S-Sulfat-Inkorporationsratenmessungen als validisierte Indikatormethode für die Grundsubstanzsynthese bei der Wundheilung durchgeführt (zu den methodischen Details und theoretischen Vorauss e t z u n g e n s i e h e : ODEBLAD u n d BOSTRÖM 1 9 5 2 ; BOSTRÖM 1 9 6 4 ; BOSTRÖM u n d JORPES 1 9 5 4 ; DZIEWIATKOWSKI 1 9 5 4 , 1 9 6 2 ; SCHILLER e t al. 1 9 5 6 ; ADAMS 1 9 5 9 , 1 9 6 0 ; HILZ 1 9 6 0 ; LINDNER 1 9 6 0 — 6 9 ; v . SCHLIEBEN 1 9 6 4 ; B E S T E 1 9 6 5 ; GRASEDYCK 1 9 6 5 ; JUNGE-HÜLSING 1 9 6 5 ; KRÖGER 1 9 6 5 ; HILZ et al. 1 9 6 6 ; GREER e t al. 1 9 6 7 ; u. a.).

Der Proteogh'kankomplex wird auch im Wundgranulationsgewebe als Ganzes synthetisiert. Entsprechende Untersuchungen ergaben, daß bei Einhaltung standardisierter Bedingungen die Markierungen mit 35 S-Sulfat zu gleichen Ergebnissen wie die Benutzung anderer markierter Vorläufer der Proteoglykansynthese führt (ζ. B. die Verwendung von 14

C-Glukose,

14

C-Azetat,

14

C-Serin) (SCHILLER et al. 1960; LINDNER 1962—1964; JUNGE-

HÜLSING 1 9 6 3 / 1 9 6 5 ; 1 9 6 9 ; HILZ et al. 1 9 6 6 ; HAUSS e t al. 1 9 6 8 u. a.). F ü r die V a l i d i t ä t

der 35 S-Sulfat-Inkorporations-Indikatormethode für die Grundsubstanz-Proteoglykansynthese sprechen die Untersuchungen des für die Synthese zentralen Sulfat-aktivierenden E n z y m s y s t e m s v o n GERLACH ( 1 9 6 3 ) .

52 I 6

J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

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Abb. 29a) Übersichtsbeispiel des histologischen Bildes einer experimentell gesetzten Schnittwunde in der Rückenhaut der Maus, Schnittverletzung am linken Bildrand mit angrenzendem Granulationsgewebe (Autoradiogramm, Stripping-Film-Technik mit Kodak A R 10 — wie auch in Abb. 29b). In der unteren Bildhälfte von Abb. 2 9 a : Überblick über 3 Hautfelder, in denen die Zahl der 3 5 S-Sulfatmarkierten Fibroblasten ausgezählt wurde (Feld 1—3 = von links nach rechts): Feld 1 grenzt unmittelbar an den Wundrand, Feld 2 und 3 sind die daran angrenzenden Partien. Die Details werden in Abb. 2 9 b deutlicher dargestellt: Unterschiedlich stark markierte Fibroblasten bei verschiedenen Vergrößerungen; die Auswertung erfolgte nur an den Fibroblasten, die sich mit 20 oder mehr Silberkörnern pro Zelle vom Blindwert und von der unterschiedlichen Markierung der Interzellularsubstanz (24 Stunden nach in vivo-Inkorporation durch extrazelluläre Ausschleusung der de novo-synthetisierten markierten Proteoglykane) abhoben. (Rechts außen in Abb. 2 9 b in der Ölimmersion). (Weiteres s. G R A S E D Y C K 1965; L I N D NER und Mitarb. 19(»5—1969)

Unter dieser Voraussetzung werden die anschließenden (sowie in den weiteren Abschnitten speziell zur Regulation (s: 7) gezeigten) Abbildungen über Start, Verlauf, Regulation und Beeinflussung der Proteoglykansynthese bei der Wundheilung vorgewiesen. Als Beleg für die oben getroffene Feststellung wird in Abb. 30 gezeigt, daß bereits innerhalb von 30 Minuten nach Wundsetzung die Grundsubstanzsynthese startet (deutlich durch eine mehrfache Steigerung der 35 S-Sulfat-Inkorporation sowie parallel dazu des Sauerstoffverbrauches im verletzten Gewebe gegenüber der unverletzten Kontrollhaut). Dieser sog. Sojortreaktion folgen noch in der ersten Stunde nach Wundsetzung ein Abfall der Inkorporationsraten mit anschließendem Anstieg, ein erneuter geringer Abfall und dann der in Abb. 30 b dargestellte Verlauf der Maxima und Minima der Sulfat-Inkorporation sowie des Sauerstoffverbrauches: In Ergänzung zu Abb. 24 (speziell zu Abb. 24a wird in Abb. 31 a) das Ergebnis paralleler autoradiografischer Untersuchungen und der Inkorporationsratenmessungen in der Größenordnung histologischer Schnitte dargestellt: mit beiden Methoden wird ein Anstieg der Inkorporationsraten vom Wundschnitt bis zu 1 mm Abstand davon mit folgendem Abfall im weiteren Granulationsgewebe bis zur 3 mm vom Wundschnitt entfernten Schicht gefunden. E s ergibt sich somit, daß die Grundsubstanzsynthese bei Bestimmung des 3 5 S-SulfatZellmarkierungsindex sowie bei 35 S-Sulfat-Inkorporationsratenmessung in unmittelbarer Wundnähe am stärksten ist und daß die Grundsubstanzsynthese mit beiden Methoden, besonders aber mit der Inkorporationsratenmessung, quantitativ bereits in der ersten Stunde nach Wundsetzung festgestellt und gemessen werden kann. Bei Schnittwunden der Ratte liegt das erste Maximum der Proteoglykansynthese bei der Wundheilung am 4. Tag, das zweite Maximum am 12. Tag. Der Sauerstoffverbrauch im Wundgranulationsgewebe verläuft parallel mit entsprechenden Maxima (s. Abb. 30b).

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung c p m / m g TG

mmJ

E 2 2 3 5 S - E i n b a u und [^-Verbrauch I I nach i. S t d . W o r b u r g - Inkubation

30

2 60

120

90

6 I 53

cpm/mgTG 0, - V e r b r a u c h

20 Ige.

2t 0 min

a

t>

Abb. 30 a) Sofortreaktion des Bindegewebes nach Wundsetzung; b) Weiterer Verlauf der Sulfatinkorporation und des Sauerstoffverbrauches bei der Wundheilung (weiteres s. Text)

c p m / m g TD

1 0 D ü Γ— 800 600 too

200

$φy® Μ w

±

Wunde

1

%\)

Ey

3mm Abstond

20 Tage

Abb. 31 a) Verlauf der 3 5 S-Sulfat-Inkorporation vom Wundschnitt zur Peripherie (7 Tage alte Rattenhautwunde) in der Größenordnung histologischer Schnitte, im Tricarb gemessen, parallel zu Autoradiografien (mit schematischer Zusammenfassung der Befunde im unteren Bildteil); b) Beispiel für die Grundsubstanzsynthese bei der Knochenbruchheilung, mit Maximum am 12. Tag (weiteres s. Text)

Interessanterweise liegt das Maximum der Grundsubstanzsynthese bei der Knochenbruchheilung ebenfalls am 12. Tag (s. Abb. 31 b). Zu diesem Zeitpunkt ist bei experimentellen Rattenfemurfrakturen das Maximum des 3 H-Thymidin-Markierungsindex weit überschritten und beträgt für Faser- und Knorpelkallus nur noch % desselben, bei weiterer fortlaufender Abnahme (mit entsprechender Abhängigkeit der einzelnen Syntheseschritte voneinander auch bei dieser an einem weiteren Beispiel gezeigten Wundheilung: s. auch Abb. 22 und Text dazu in Abschnitt 5.1.1).

54 I 6

J · LINDNEB, Die p o s t t r a u m a t i s c h e E n t z ü n d u n g u n d W u n d h e i l u n g

I n Ergänzung dazu wird in Abb. 32 gezeigt, daß nicht nur bei traumatischer Schädigung und Wundheilung der Haut sowie bei der Knochenbruchheilung, sondern auch bei entsprechender Schädigung des Gefäßwandstoffwechsels größerer Arterien der Sauerstoffverbrauch als Maß des gesteigerten Energiebedarfes ansteigt und, wie zuvor vorgewiesen, im wesentlichen der 35 S-Sulfat-Inkorporation als Indikatormethode für die Grundsubstanzsynthese parallel verläuft (weiteres dazu s. L I N D N E R 1 9 6 2 — 1 9 6 9 ) : Vergleich zwischen 0 2 -Verbrauch und 35 S-Sulfat-lnkorporation bei hypererg. Arthritis

Κ.

K.

Hypererg. Arthritis

12 Hypererg. Tg. Arthritis

A b b . 32 a) Vergleich zwischen Sauerstoff verbrauch u n d 3 5 S - S u l f a t - I n k o r p o r a t i o n s r a t e n m e s s u n g in Synovialis u n d Gelenkknorpel bei hyperergischer A r t h r i t i s des K a n i n c h e n s (nach KLINGE) sowie im nicht geschädigten Gelenkknorpel u n d im knorpeligen Wnndheilungskallusge.webe (der 12 Tage alten R a t t e n f e m u r f r a k t u r )

Diese Befunde stehen in Übereinstimmung mit den Befunden anderer Autoren, besonders von PAUL et al. ( 1 9 4 8 ) , der ein Maximum des Sauerstoff Verbrauches zwischen dem 3. und 4. Tag nach Wundsetzung fand. Bei 35 S-Sulfat-Inkorporationsratenmessung und Bestimmung der spezifischen Aktivität sulfatierter Polysaccharide lag deren Maximum an einem anderen Wundheilungsmodell (innere Wundheilung s. unten) entsprechend den eigenen Befunden etwas früher als bei der äußeren Wundheilung, also am 10. Tag (JUNGEHÜLSING 1 9 5 9 ; L I N D N E R 1 9 6 2 — 1 9 6 8 ) . Bei Benutzung des DNS-Gehaltes als Parameter anstelle des Frisch- oder Trockengewichtes bzw. des Stickstoffgehaltes sind genauere Verlaufsbefunde der Grundsubstanzsynthese bei der Wundheilung zu erheben. Die an Beispielen gezeigte 35 S-Sulfat-Inkorporation als Indikatormethode für Start und Verlauf der Grundsubstanzsynthese bei der Wundheilung erfaßt nicht die Synthese der schwefelfreien Hyaluronsäure, deren Gesamtgehalt in der H a u t des Erwachsenen gering ist, aber im Wundgranulationsgewebe wie bei der Bindegewebsreifung anfangs ansteigt, um bei der weiteren Differenzierung des Granulationsgewebes wieder abzufallen. Im Gegensatz zu den vorgewiesenen Methoden erfassen liistologisch-histochemische Verfahren die Grundsubstanzsynthese bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung nicht aus-

6 | 55

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung CX-Verbrauchs-Steigerung bei E n t z ü n d u n g u n d R e g e n e r a t i o n v o n

Bindegeweben

b) Vergleichende Darstellung des gesteigerten Sauerstoffverbrauches traumatisch geschädigten und regenerierenden Bindegewebes gegenüber entsprechenden Vergleichsbindegeweben (die als ruhende Bindegewebe im Stoffwechselgleichgewicht stehen): Verglichen wird jeweils der Sauerstoffverbrauch innerhalb von 4 Stunden: links zwischen Knorpel und Knochen im Vergleich zum Frakturkallus, in der Mitte zwischen unverletzter Haut, posttraumatischer Entzündung (2 Stunden nach Wundsetzung) sowie im Wundgranulationsgewebe (am 4. Tag nach Wundsetzung), rechts: zwischen Kontrollaorta und kurzfristig nach Injektion mikro- oder makromolekularer Lösungen aktivierten Aortenbindegewebes

reichend, e b e n s o w e n i g i h r e n G e s a m t g e h a l t (s. u.). Dieser ist durch biochemische Bausteina n a l y s e n zu b e s t i m m e n ,

die Grundsubstanzs)/wiAese j e d o c h n i c h t zureichend

(HUZELLA

1941; WILLIAMSON und FROMM 1952; 1954; ROSEMAX et al. 1953; KODICEK u n d L O E W I 1955; BALAZS und SZIRMAI 1958; M U I R 1958; WILLIAMSON u n d H A L E Y 1960; L I N D N E R 1960—1969; K E N N E D Y CATCHPOLE

1960;

1960; ADAMS

KNESE

und

1960; COELHO u n d CHRISMAN

KNOOP

1961;

DZIEWIATKOWSKI

1960; GERSH und

1962;

JEANLOZ

1963;

DORFMAN 1964; PORTER 1964; FREYTAG et al. 1965/1967, 1966, 1968; GERLACH

1965;

SCHWARZ 1965; W I T T I G 1966; BUDDECKE et al. 1967; LINDNER et al. 1967, 1968; MATUKAS; et al. 1967; MEACHIM u n d R O Y 1967; M U I R 1969; JOHANNES u n d L I N D N E R 1969).

2. U m s a t z

(5.2.2)

B e i der p o s t t r a u m a t i s c h e n E n t z ü n d u n g und W u n d h e i l u n g ist durch die p r i m ä r e Steig e r u n g des K a t a b o l i s m u s u n d durch d e n bereits i n den ersten S t u n d e n nach W u n d h e i l u n g g e s t e i g e r t e n A n a b o l i s m u s der P r o t e o g l y k a n e , d e r e n U m s a t z i m W u n d g r a n u l a t i o n s g e w e b e e r h ö h t . Dieser U m s a t z s t e i g e r u n g k a n n eine V e r k ü r z u n g der biologischen H a l b w e r t s z e i t e n der G l y k o s a m i n o g l y k a n e i m W u n d g r a n u l a t i o n s g e w e b e parallel gehen. D i e biologische H a l b w e r t s z e i t der H y a l u r o n s ä u r e ist i m W u n d g r a n u l a t i o n s g e w e b e ähnlich λνΐβ i m e m b r y o n a l e n B i n d e g e w e b e ( 2 — 4 T a g e ) . D i e H a l b w e r t s z e i t v o n C h o n d r o i t i n s u l f a t ( 1 2 — 1 4 T a g e i n der I l a u t 2 J a h r e alter R a t t e n ) w i r d bei W u n d h e i l u n g v e r k ü r z t , ohne j e d o c h die W e r t e der H a u t n e u g e b o r e n e r R a t t e n ( 2 — 3 T a g e ) zu erreichen. D a die biologische

Halbwertszeit

der B l u t e i w e i ß k ö r p e r 6 — 7 T a g e b e t r ä g t , z e i g t sich,

d a ß der U m s a t z der G l y k o s a m i n o g l y k a n e des B i n d e g e w e b e s sehr h o c h u n d das B i n d e g e w e b e

56 Ι 6

J. L i x d x e r , Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

keineswegs inert oder bradytroph ist. I m Wundgranulationsgewebe sind also der Umsatz der Proteoglykane erhöht und ihre biologischen Halbwertszeiten verkürzt, bis nach Ende der Wundheilung allmählich die Werte erreicht werden, die dem jeweiligen Bindegewebe des betreffenden Organismus (und seines Lebensalters) entsprechen. Diese Verhältnisse sind jedoch noch nicht ausreichend untersucht, auch nicht für Kollagen. (Weiteres s. Abschnitt 7.1.) 3. Gesamtgehalt (5.2.3) Der Gesamtgehalt des Wundgebietes an Proteoglykanen (wie an Kollagen, s. Abschnitt 5.3.3) kann durch biochemische Bausteinanalysen quantitativ bestimmt werden, in der Regel mit Hilfe von Hexosamin- und Uronsäurenbestimmungen. Dabei ergeben sich zu Beginn der Wundheilung Differenzen in den Ergebnissen dieser beiden Bestimmungsmethoden. Diese sind dadurch bedingt, daß unmittelbar nach Wundsetzung im Rahmen der unter Abschnitt 3.2 beschriebenen Permeationssteigerung und Exsudation in das verletzte Bindegewebe reichlich hexosaminhaltige neutrale Glykoproteide des Serums austreten. Diese bestimmen den unmittelbar nach Wundsetzung erheblich angestiegenen Hexosamin-Gesamtgehalt des betroffenen Bindegewebes gegenüber seiner Ausgangslage vor Wundsetzung. Gesamtgehaltsbestimmungen der Zwischensubstanzbestandteile sind durch die in Abschnitt 4.4.1 sowie 4.4.2 beschriebenen isolierten Untersuchungen des Abbaues sowie durch die in Abschnitt 5.2.1 und 5.3.1 dargestellten isolierten Untersuchungen der Synthese der Zwischensubstanzbestandteile des Wundgranulationsgewebes zu ergänzen. Um die Beziehungen dieser Stoffwechselgrößen zueinander übersichtlich darzustellen und zugleich die Tatsache zu belegen, daß sehr unterschiedliche Befunde bei den einzelnen Bindegewebsveränderungen erhoben werden, wenn Synthese, Abbau oder Gesamtgehalt von Grundsubstanz oder Kollagen isoliert bestimmt wurden, sind in Abb. 33 die Ergebnisse verschiedener Arbeitsgruppen einschließlich der eigenen am Beispiel der Grundsubstanz zusammengefaßt. Wie aus Abb. 33 hervorgeht, ist der Gesamtgehalt des Bindegewebes an Zwischensubstanz (am Beispiel der Grundsubstanz dargestellt) abhängig von Synthese u n d Abbau. Hieraus ergibt sich der zuvor geschilderte Umsatz (ζ. B . von Zellen, Grundsubstanz und Fasern). I n Abb. 33 wurde der Grundsubstanz-Gesamtgehalt als Inhalt eines Wasserbeckens eingetragen, die Synthese als Zufluß, der Abbau als Abfluß. I n der obersten Reihe ist jeweils (von links nach rechts) der Abbau gleich groß und gegenüber der Norm (mittlere Bildreihe in Abb. 33 a) erhöht, wobei nur grobe Unterschiede bei dieser schematischen Zusammenfassung der Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen angegeben sind. I n der untersten Reihe (in Abb. 33 a) ist der Abbau gegenüber der Norm vermindert. In der linken Bildreihe (in Abb. 33a) ist jeweils (von oben nach unten) die Synthese erhöht, in der mittleren normal, in der rechten vermindert. Daraus ergeben sich klare Feststellungen, die im wesentlichen in Übereinstimmung mit den Befunden der verschiedenen Arbeitsgruppen stehen, allerdings nur dann, wenn wie zuvor angegeben, die benutzte Bestimmung (von Synthese, Abbau oder Gesamtkonzentration) berücksichtigt wird: Synthese und Abbau von Grundsubstanz (wie von Kollagen) sind beim Kind gegenüber dem Erwachsenen erhöht. Das Stoffwechselgleichgewieht des jugendlichen Erwachsenen ist in Bildmitte angegeben (und hervorgehoben). Der Gesamtgehalt der Bestandteile der Bindegewebe kann in beiden Fällen dann durchaus gleich sein. Daß demgegenüber in der embryonalen Entwicklung die Synthese den Abbau bei weitem überwiegt, ist selbstverständlich und in der mittleren Spalte, links außen, in Abb. 33 a eingetragen. Im Gegensatz dazu überwiegt bei Beginn der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung der Grundsubstanz- (wie der Kollagen-) Abbau die Synthese beider Zwischensubstanzbestandteile: Ihr Gesamtgehalt ist zunächst reduziert (weiteres dazu s. Abb. 33b). Bei der physiologischen Alterung können anabole und katabole Prozesse vermindert, aber ihr Gleichgewicht erhalten sein. Bei Abnahme der Zellzahl im alternden Bindegewebe ist nicht nur eine Enzymkonzentrationserhöhung pro Bindegewebszclle zumindest für Gefäßwand und Knorpel bereits festgestellt, sondern auch die Möglichkeit einer größeren

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

Schematische Darstellung der Beziehungen

6 I 57

Grundsubstanz (Umsatz u. Ges.-Menge) zwischen GrundsubstanzSynthese

^

|

'

^

Gesamtgehaltund - a b b a u

Entzündung 1

— Entzündung i*

Entzündung 3

Arthritis 3

— ν

Physio). Altern Cortison

Arheroskl. 3 lathyr. 1

a Abb. 33 a) Schematische Darstellung der Beziehungen zwischen Grundsubstanzsynthese, -abbau und -gesamtgehalt im Bindegewebe unter physiologischen Bedingungen und bei verschiedenen Bindegewebserkrankungen, einschließlich der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung, die in Abb. 33 bj isoliert hervorgehoben ist: Mit Darstellung der Relationenzwischen den anabolen und katabolen Prozessen, von Umsatz und Gesamtmenge der Grundsubstanz im Verlauf der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung (weiteres s. Text)

Syntheseleistung pro Einzelzelle. Bei der Wundheilung im Alter können Zellproliferation und Zwischensubstanzsynthesen gegenüber der Wundheilung im jugendlichen und erwachsenen Organismus zeitlich verzögert, die Zellproliferation und Fibroblastenzahl sogar vermindert, die Zwischensubstanzsynthese aber global gesehen durchaus derjenigen im Erwachsencnorganismus entsprechen. Anhand der Abb. 33a ergibt sich bereits, daß bei gesenktem Gesamtumsatz der Zwischensubstanz im Alter deren Gesamtgehalt gleichbleiben kann (wie beim Kind und beim Erwachsenen, in Abb. 33a von links oben nach rechts unten markiert). Für die an Beispielen aufgeführten Bindegewebserkrankungen ist in Abb. 33a gezeigt (und für Arthritis-Arthrose hervorgehoben), daß zu Beginn der Arthritis ( = 1) eine Steigerung des Katabolismus vorliegt, wie beim Beginn jeder Entzündung, also auch der posttraumatischen (s. Entzündungsbeginn = 1), möglicherweise auch in Beginn der Atherosklerose ( = 1). Im zweiten Stadium der ArthritisArthrose erfolgt eine Steigerung beider Prozesse, also des Anabolismus und Katabolismus. I m 3. Stadium wird kurzfristig bei wahrscheinlich normaler oder noch gering gesteigerter Synthese und normalem oder periodisch vermindertem Abbau die von verschiedenen Autoren im Knorpel beschriebene Zunahme des Gesamtgehaltes der Bindegewebsbestandteile beobachtet, die schließlich in die charakteristischen und am meisten bekannten Befunde der zunehmenden Reduktion des Gesamtgehaltes durch ständiges ÜberAviegen (oder Steigerung) des Abbaues gegenüber dem Aufbau einmünden (4. und .">. Stadium). ^Überwiegen" bedeutet zugleich, daß in die schematisch eingetragenen Zu- und Abflüsse auch die Relationen zwischen Auf- und Abbau eingehen und mit angegeben sind. Die Synthese- und Abbaugrößen sind also

58 Ι 6

J . LINDNER, Die posttraumatische E n t z ü n d u n g u n d Wundheilung

relativ u n d primär am jeweiligen Einzelbeispiel miteinander und nur unter dieser Einschränkung untereinander vergleichbar. I n Abb. 33b ist dann isoliert, unter entsprechender Schemaverwendung wie in Abb. 33a, hervorgehoben, in welcher Weise sicli Umsatz und Gesamtgehalt der Grundsubstanz im Entzündungsverlauf verhalten können. Die posttraumatische E n t z ü n d u n g und Wundheilung kann wie jede E n t z ü n d u n g als Störung des normalen Regler-Gleichgewichtes zwischen Katabolismus u n d Anabolismus angesehen werden (s. dazu auch Abschnitt 4). Der primären posttraumatischen Abbausteigerung u n d Gesamtmengena b n a h m e in der ersten Phase der posttraumatischen E n t z ü n d u n g gegenüber der Norm (darüber in Abb. 33b dargestellt) folgt rasch die sekundäre Synthesesteigerung (2. Stadium): Die Gesamtmenge an Grundsubstanz k a n n bei der posttraumatischen E n t z ü n d u n g und Wundheilung dann rasch den Ausgangswert der Norm erreichen. Die schematisch dargestellte Verbreiterung der Zu- u n d Abflüsse im Wasserbeckenschema (für den gesteigerten Katabolismus u n d Anabolismus) zeigt, daß nun der Gesamtumsatz erhöht ist. Im weiteren Verlauf der posttraumatischen E n t z ü n d u n g und Wundheilung überwiegen die Syntheseprozesse die Abbauvorgänge. Es k o m m t zur überschießenden Gesamtmenge des Granulationsgewebes u n d ihres Grundsubstanzgehaltes (3. Stadium). An 4. Stelle sind verschiedene Variationen möglich, in Abhängigkeit von Art und Verlauf der W u n d e und ihrer Heilung: ζ. B. k a n n die Synthese vermindert, der Abbau normal und damit die Gesamtmenge verringert sein, oder die normale Ausgangssituation des Umsatzes ist wiederhergestellt, der Grundsubstanzgesamtgehalt im Wundgebiet entspricht der Ausgangslage des betroffenen Bindegewebes. Oder es k a n n wie im Stadium 3 die Synthese den Abbau überwiegen, die Überschußbildung hält an, es resultiert das bekannte Bild des überschießenden W u n d granulationsgewebes, was gegebenenfalls zu den entsprechenden Behandlungsmaßnahmen gerade in der plastischen Chirurgie f ü h r t .

Gesamtgehaltsbestimmungen der Grundsubstanz (Hexosamin- und Uronsäurenanalysen) bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung ergaben somit, daß unmittelbar nach Wundsetzung, bedingt durch die Exsudation von Blutflüssigkeit in das AVundgebiet, ein erheblicher Anstieg des Hexosamingehaltes (durch neutrale Serumglykoproteide) erfolgt. Spätestens vom 3. Tag nach Wundsetzung an gehen in die Hexosaminwerte bei diesen Analysen auch die Hexosaminbausteine der neugebildeten Proteoglykane des Wundfeldes ein, die Zunahme des Serumeiweißgehaltes im Wundfeld ist auch durch den erhöhten Tyrosin- und Tryptophangehalt erkennbar (sowie durch die Zunahme des Gesamtstickstoffgehaltes). Abbaubedingte Veränderungen dieser Parameter sind in Abschnitt 4.1 angegeben. Das Hexosamin: Hydroxyprolinverhältnis ist demnach zu Beginn der Wundheilung noch stärker als das Uronsäuren: Hydroxyprolinverhältnis zugunsten der Proteoglykanbausteine verschoben (durch die primäre Exsudation und die bei embryonaler wie bei postembryonaler Bindegewebsbildung der Kollagensynthese vorausgehende Grundsubstanzsynthese). Bereits zum Zeitpunkt des Grundsubstanz-Synthesemaximum (zwischen 10. und 12. Tag bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung, s. Abschnitt 5.2.1) kann das Uronsäuren: Hydroxyprolinverhältnis zugunsten der kollagenspezifischen Aminosäure Hydroxyprolin verschoben sein. Die zunächst anteilmäßig stärkere Synthese der nichtsulfatierten Hyaluronsäure (gegenüber der Ausgangssituation des verletzten Bindegewebes) geht in die Hexosamin- und Uronsäuren-Analysen mit ein (s. Abschnitt 4.4.1). Ausreichende Fraktionierungen des Glykosaminoglykane des Wundgranulationsgewebes mit Bestimmungen wundspezifischer Proteoglykan-Musterverschiebungen sind bisher noch nicht genügend erfolgt, cbensowenig genauere Bestimmungen der Umsatzraten und biologischen Halbwertszeiten der einzelnen Glykosaminoglykane an den einzelnen Tagen nach Wundsetzung im Granulationsgewebe auch der H a u t ( R O S E M A N et al. 1953; S C H Ü L L E R 1956; MUIR 1 9 5 8 ; GIBIAN

1 9 5 9 : SIIETLAR e t al. 1 9 5 9 ; CLAUSEN

1962,

1963; GRIES et al.

1962;

und L I N D N E R 1963 b, c; L I N D N E R 1962—1969; J E A N L O Z 1963; J U N G E - H Ü L S I N G 1963/1965 ; G E R L A C H 1965; G R I E S 1965; G R I E S und L I N D N E R 1965; L I P M A N 1966; L I N D N E R et al. 1965—1967; G R I E S et al. 1966; B U D D E C K E 1967; M U I R 1969; J U N G E - H Ü L S I N G 1969). GRIES

Anabole Phase der posttraumatischen E n t z ü n d u n g und Wundheilung

6 | 59

C. Kollagen (5.3)

1. Synthese (δ.3.1) Bei der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung beginnt die Kollagensynthese wie bei jeder embryonalen und postembryonalen Bindegewebsneubildung nach der primären Grundsubstanzsynthese. Beide Prozesse können in ein und derselben Bindegewebszelle zur gleichen Zeit ablaufen (s. u.). Die Synthese der Bindegewebsfasereiweiße unterliegt den gleichen Kontrollmechanismen wie die Synthese globulärer Eiweiße. Die Kollagenbiosynthese verläuft ferner prinzipiell wie die Biosynthese anderer Proteine, mit den im einzelnen zu nennenden Besonderheiten: Zunächst wird in den kollagensynthetisierenden Fibroblasten des Wundgranulationsgewebes ein Hydroxyprolin-freies Tropokollagen gebildet, dessen Prolinreste durch die Protokollagenhydroxylase teilweise in Hydroxyprolin umgewandelt werden. Dieses Enzym benötigt Sauerstoff, Askorbat, Eisenionen und α-Ketoglutarsäure als Kofaktoren. Weshalb die Hydroxylierung im Tropokollagen auf bestimmte Prolinreste beschränkt und das Prolin-Hydroxyprolinverhältnis des Kollagen weitgehend konstant gehalten ist, bleibt bisher ungeklärt. Das gilt auch für die Hydroxylierung von Lysin zu Hydroxylysin. Die Aneinanderreihung der Aminosäuren zu Peptidketten erfolgt über die Kopplung aktivierter Aminosäuren an RNS des rauhen endoplasmatischen Retikulum der Fibroblasten. Die Aminosäuresequenz wird durch die Anordnung der Messenger-RNS bestimmt , die wiederum durch die DNS-Struktur des entsprechenden Chromosoms programmiert ist. Xormalerweise steht die ribosomale Synthese kollagener Eiweiße unter dem Einfluß eines bestimmten Gens oder einer Gengruppe. Ungeklärt bleibt bisher, ob das die Primärstruktur des Kollagenmoleküls bestimmende Gen auch die Sekundär- und Tertiärstruktur festlegt (Einzelheiten dazu s. Abb. 8 und Text dazu in Abschnitt 4.4.2). Offenbar werden die einzelnen Kollagenuntereinheiten durch ein einziges Gen determiniert. Das primäre Produkt der Kollagenbiosynthese sind die a-Ketten mit entsprechender Helixbildung. Nach ihrer Aminosäurenzusammensetzung werden 3 α-Ketten unterschieden, jeweils mit einem Molekulargewicht von 100000 und einer Zusammensetzung aus 5 Teilstücken, die zunächst getrennt synthetisiert werden. Die Assoziation der 3 α-Ketten führt zur Superhelix, in der die 3 Ketten zu einer rechtsdrehenden Spirale mit einer Ganghöhe von 28, 6 Α verdrillt sind. Wahrscheinlich ist die Protokollagen-Prolinhydroxylase nicht nur für die Hydroxy lierung und damit für einen entscheidenden Schritt der Kollagenbiosynthese \'erantwortlich. sondern auch für die Kollagenausschleusung in den Extrazellularraum sowie für die Glykolysierung. Daher ist es möglich, daß Veränderungen der Aktivität dieses Enzymes ursächlich für Zu- oder Abnahmen der Kollagensynthese unter pathologischen Bedingungen auch der Wundheilung sind. Jedoch bleibt bisher ungeklärt, inwieweit ,,fehlerhafte" Kollagensynthesen, mangelhafte Ausschleusungen fibrillärer Eiweiße und deren Anreicherung im Bindegewebe auch bei der Wundheilung speziell des alten Organismus mit aiternsabhängigen Aktivitätsreduktionen der Protokollagen-Prolinhydroxylase im Zusammenhang stehen. Das gilt auch für den Zusammenhang derartiger periodikfreier intrazytoplasmatischer fibrillärer Eiweiße mit dem sog. Kollastromin, das als „unreifer" Kollageneiweißkörper angesehen wird, bereits Hydroxyprolin enthält und eine vom Prokollagen abspaltbare lösliche Komponente sein soll. Auch der Kohlenhj'dratgehalt des Kollastromin ist noch nicht geklärt. Denn bei der Kollagenbiosynthese schließt sich die Anheftung einer prosthetischen Kohlenhydratgruppe an, wobei ein Teil der Hydroxylgruppendes Hydroxylysin in /?-glykosidischer Bindung mit einem Galaktoserest verknüpft wird, auf den anschließend ein α-glykosidisch gebundener Glukoserest übertragen wird. Der Kohlenhydratgehalt des Kollagen von Wirbeltieren und des Menschen beträgt etwa 2° 0 (Hörmaxx 1962; Heikkixen et al. 1964; Piez et al. 1966; Kühn 1967; Heikkinen und Kulonen 1968 u.a.).

60 I 6

J. LTNDXHK, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

In Abb. 28 wurde zusammen mit der Proteoglykansynthese gezeigt, daß die Kollagensynthese auch in Fibroblasten des Wundgranulationsgewebes intrazellulär nach Gabe radioaktiv markierten Prolins als entsprechendem Vorläufer innerhalb von 2 Stunden bis zur Ausschleusung in den Extrazellularraum ablaufen kann. Bei der morphologischen Lokalisation der Kollagenbiosynthese an entsprechenden elektronenoptischen Autoradiogrammen zeigt sich, daß der Beginn in den Zisternen des rauhen endoplasmatischen Retikulum liegt und im Golgikomplex mit Packung der Polypeptidketten sowie Entwicklung der Sekundär- und Tertiärstruktur fortgesetzt wird. Innerhalb von 2 Stunden nach Gabe des markierten Vorläufers kann bereits die Ausschleusung des de novo-synthetisierten, markierten Tropokollagens zur weiteren extrazellulären linearen Polymerisierung erfolgen, wobei nicht nur eine zeitliche, sondern wahrscheinlich auch eine kausale und lokale Beziehung zu und in Abhängigkeit von den Proteoglykan-Komplexen bei der weiteren extrazellulären lateralen Aggregation und Polymerisierung des Kollagen besteht fs. Abschnitt 4.4.2, Abb. 8 sowie Abb. 28, zu den feinstrukturellen Charakteristika Proteoglykan- und Kollagensynthetisierender Fibroblasten, s. Abschnitt 5 . 1 . 9 . ) Zu dieser alten Frage, ob die Proteoglykan- und die Kollagenfasersynthese in 2 verschiedenen Zellformen (sog. Zementoblasten und Fibrilloblasten) oder in einer Zelle stattfinden kann, haben wir durch spezielle autoradiografische und entsprechenden Vergleichsuntersuchungen gezeigt (LINDNER et al. 1 9 6 3 , 1 9 6 4 ) , daß zumindest im Knorpel in ein und derselben Zelle zur gleichen Zeit Proteoglykane und Kollagen synthetisiert werden können. Dazu wurden in vivo- und in vitro-Inkorporationen der markierten Vorläufer getrennt und mit beiden Vorläufern gleichzeitig Untersuchungen vorgenommen, mit Variationen der Inkorporationszeit und -dosis, der Expositionszeit und -art, mit Anwendung von Filtern, Mehrfach-Belegungen und weiteren technischen Hilfen zur Sicherung des autoradiografischen Nachweises sog. Doppelmarkierungen. Abb. 34 ist ein Beispiel dafür: Unsere bisherigen Untersuchungen sprechen dafür, daß auch in Fibroblasten beide Zwischensubstanz-Syntheseprozesse zur gleichen Zeit stattfinden können.

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Abb. 34. Autoradiografischer Nachweis der gleichzeitigen Grundsubstanz- und Kollagensynthese in ein und derselben Knorpelzelle anhand von Doppclmarkierungen: links: 35 S-Sulfat-Autoradiogramm, Mitte: 3 H-Prolin-Autoradiogramm, rechts: Autoradiogramm nach Inkorporation beider markierter Vorläufer (weiteres s. Text)

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | Gl

Elektronenoptisch ist in dem erw eiterten rauhen endoplasmatischen Retikulum ebensowenig wie im Golgifeld bei der Kollagenbiosynthese der Wundheilung bisher der Nachweis von Kollagenfibrillen mit typischer Feinperiodik gelungen. In üblichen elektronenoptischen Aufnahmen sieht man an diesen Syntheseorten nur ein dichtes amorpthes Material mit gelegentlicher fibrillärer Struktur ohne Periodik, in elektronenoptischen Autoradiogrammen jedoch die in Abb. 28 zusammengefaßten Markierungs-Befunde zur Lokalisation der Neusynthese des Kollagen. Seine Ausschleusung zur extrazellulären lateralen Aggregation und Differenzierung der typischen Fibrille mit entsprechender Feinperiodik (s. Abb. 8) kann durch Ergastoplasmabläschen oder durch kurzfristige Auflösung der angrenzenden Zellmembran erfolgen. Die laterale Aggregation der Protofibrillen zu den kollagenen Elementarfibrillen erfolgt extrazellulär im unmittelbaren Zusammenhang mit der Oberfläche der Fibroblasten, mit folgendem Einbau der Proteoglykan-Kittsubstanz für die weitere Ausbildung bis zu den lichtoptisch erkennbaren größeren Fasereinheiten. Auch die marginale Kondensation von Tropokollagen-Molekiilen ohne Querstreifung an der äußeren Zellmembran nach der Ausschleusung vor der weiteren Differenzierung und Ausreifung des Kollagen ist elektronenoptisch erfaßt worden. Bei der weiteren extrazellulären Reifung nehmen die intra- und intermolekularen Quervernetzungen zu. erreichen aber im Wundgewebe alter Menschen erst nach längerer Zeit das ..Kollagenalter" des betreffenden Organismus (weiteres dazu s. Abschnitt 7.1) ( P O R T E R 1951; W A S S E R M A N N 1956; P O R T E R und P A P P A S 1959; M E R K E R 19(51; V E R Z A R U. W I L L E N E G G E R 1961; R o s s und B E X D I T T 1962a, b, 1963, 1964; S C H W A R Z et al. 1962; R I C H T E R et al. 1964; P O R T E R 1964; R o s s 1965; R o s s und B E N I H T T 1965; G I E S E K I N G 19(56; R O H R und G E B E R T 19(57; R o s s und K L E B A X O F F 19(57; R o s s 1968).

2. Umsatz (5.3.2) Wie im betreffenden Kapitel des Proteoglykanu.msatzes (s. Abschnitt 5.2.2) angegeben, ist auch der Kollagenumsatz bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung erhöht, die biologische Halbwertszeit des Kollagen nach den bisherigen Kenntnissen verkürzt. Für das Verständnis des Kollagenstoffwechsels bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung ist wichtig, daß wir aus den bisher üblichen methodischen Gründen 3 Kollagenfraktionen unterscheiden, die unterschiedliche Umsatzraten besitzen: das neutralsalzlösliche, das säurelösliche und das unlösliche Kollagen. Dies ist in Abb. 35 dargestellt, einschließlich der in Abschnitt 5.3.1 getroffenen Feststellung (obere Bildhälfte), daß bei der Biosynthese des Kollagen Prolin exogener und endogener Herkunft über Aktivierung zur Hydroxvlierung in der Peptidkette der Primärstruktur verwendet wird. Der Nachweis der Kollagenabbauprodukte erfolgt routinemäßig durch die Bestimmung von gebundenem und freiem Hydroxyprolin im Urin. Hierbei stammt der größte Anteil aus der Fraktion, die die kürzeste biologische Halbwertszeit besitzt, nämlich aus der neutralsalzlöslichen Kollagenfraktion, der geringste Anteil vom löslichen Kollagen, das die längste biologische Halbwertszeit aufweist. Die biologische Halbwertszeit des Kollagen ist also für die einzelnen Fraktionen verschieden, zusätzlich in den einzelnen Organen und vor allem unter pathologischen Bedingungen. So kann die unlösliche Kollagenfraktion im partalen und besonders im postpartalen Uterus die bisher festgestellte kürzeste biologische Halbwertszeit von 2 Tagen aufweisen. Auch in der Haut sind Reifungs- und Altersabhängige Zunahmen der biologischen Halbwertszeit des Kollagen festgestellt: Die neutralsalzlösliche Kollagenfraktion der Haut 6 Tage alter Ratten hat eine biologische Halbwertszeit von 27 Stunden, bei 3 Monate alten Ratten erhöht sich diese auf 73 Stunden. Im säurelöslichen Kollagen nehmen bei in vitro-Untersuchungen mit radioaktiv markierten Vorläufern (s. o.) die spezifischen Aktivitäten der a-1- und α-2-Komponenten stärker als die spezifischen Aktivitäten der ß- und -/-Komponenten zu. Die spezifische Aktivität des unlöslichen Kollagen kann auf Kosten des neutralsalzlöslichen Kollagen ansteigen (bei unterschiedlichen Einflüssen, ζ. B . von Sauerstoff, Lathyrogenen, Zytostatika und auch anderen imRahmen der Wundheilung verwendeten Medikamenten—weiteres dazu s.Abschnitt 7). Insgesamt ist daraus abzuleiten, daß auch die ß- und ^-Komponente des Kollagen noch intrazellulär gebildet werden, aber extrazellulär auf Kosten der «-Komponenten zunehmen. Die Bildung der unlöslichen Kollagenfraktion wird demnach von verschiedenen Faktoren beeinflußt.

62 Ι 6

J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheiluni

Kollagen-Metabolism us Exogenous

Proline

Endogenous

Proline Pool

1

„Activated Proline (Transfer-RNA)

I

Peptides (Protocollagen) Neutr. salt s o l u b l e C.

Acid soluble Collagen

Insoluble Collagen

Collagen-fragments + Hydroxyproline

1

Abb. 35. Scliematischc Zusammenfassung des Kollagenstoffwechsels (weiteres s. Text)

Urine

Die frühere Annahme, daß der Kollagenumsatz beim Säuger jährlich nicht mehr als etwa 2 % beträgt, ist methodisch bedingt falsch, nachdem festgestellt wurde, daß der Kollagenumsatz der Ratte etwa 0,5% des exokrinen Pankreaseiweiß-Umsatzes beträgt. Daraus ist global auf eine mittlere Lebensdauer des Kollagen von 50 Tagen zu schließen. Somit liegt die biologische Halbwertszeit des Kollagen in der Größenordnung derjenigen des Muskeleiweißes. Bei der Wundheilung ist im Granulationsgewebe entsprechend dem in Abschnitt 5.3.1 beschriebenen Synthesemuster zunächst neutralsalzlösliches Kollagen nachweisbar, methodenabhängig mit beträchtlicher Zunahme am 5. Tag nach Wundsetzung bei folgendem parallelem Anstieg der säurelöslichen Kollagenfraktion sowie des unlöslichen Kollagen, besonders um den Zeitpunkt: 10.—12. Tag, an dem auch das Maximum der 3 5 S-Sulfat-Inkorporationsrate und damit der Grundsubstanzsynthese liegt (s. Abschnitt 5.2.1.) ( S A K A T A 1960; L I N D N E R 1962; G R I E S et al. 1962; G R I E S und L I N D N E R 1963a—c, G R I E S 1965; N I I N I K O S K I u n d KULONEN 1 9 6 9 u. a.).

Bei dem erhöhten Kollagenumsatz im Wundgranulationsgewebe können sich die biologischen Halbwertszeiten der Kollagenfraktionen, besonders der löslichen Fraktionen auf die Hälfte der biologischen Halbwertszeiten der betreffenden Kollagenfraktionen der nicht verletzten Haut reduzieren (Ζ. T. noch mehr) ( H A R K N E S S et al. 1954; G E R B E R et al. 1960a, b ; K A O et al. 1961; H A R K N E S S 1961; J U N G E - H Ü L S I N G 1963/1965; G R I E S 1965; G E R L A C H 1966; W O E S S N E R 1968). Dabei verhält sich das Kollagen im Wundgranulationsgewebe des alten Organismus wie im jungen Organismus — soweit insgesamt Umsatzraten und biologische Halbwertszeiten der Kollagenfraktionen bisher analysiert sind. (S. Abschnitt 7.1.) Die derzeitigen Kenntnisse zum Kollagen-Umsatz bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung sind in Abb. 38 zusammengefaßt, gegliedert in die genannten Kollagenfraktionen mit ihren unterschiedlichen Umsatzraten: neutralsalz]ösliche, säurelösliche und unlösliche Kollagenfraktion. In Anlehnung an Abb. 33 (aber unter Variation derselben) ist grob schematisch in Abb. 36 die Synthese als Zufluß, der Abbau als Abfluß und der Gefäßinhalt als Umsatz dargestellt. Daraus ergibt sich, daß Synthese, Abbau und Umsatz der neutralsalzlöslichen Kollagenfraktion am höchsten ist und nur ein kleinerer Teil derselben in die weiteren Fraktionen übergeht (seitlicher Ausfluß und Pfeilrichtung zur Mitte und zur rechten Bildseite). Für diese säurelösliche und für die unlösliche Kollagenfraktion sind in Abb. 36 Synthese und Abbau nicht als Zu- oder Abflüsse eingezeichnet. Zu Beginn der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung überwiegt, wie in Abb. 36 schematisch dargestellt, der Abbau die Synthese: Die Gesamtmenge (auch der

6 I 63

Anabolo Phase der posttraumatischen Entzündung und AYundheilung

übrigen Kollagenfraktionen) nimmt ab, wie dem Morphologe für das von ihm allein nachweisbare unlösliche Kollagen seit langem bekannt ist. E s folgt 2. die Umsatzsteigerung des löslichen Kollagen, besonders des neutralsalzlöslichen. Die anderen Kollagenfraktionen können bei noch nicht gestörtem Übergang (s. seitlicher Ausfluß und Pfeil im Bild) gleichbleiben: Bei Steigerung dieses Überganges — wie bei der Granulationsgewebsentwicklung der Entzündung und Wundheilung — bestehen Zunahmen auch der anderen Fraktionen. Verschiedene Variationen sind nun bei der Wundheilung, also bei der posttraumatischen Entzündung wie bei anderen Entzündungen und Bindegewebserkrankungen möglich, wovon in Abb. 36 nur Beispiele gezeigt werden: Die Synthese überwiegt den Abbau — wie bei der Wundgranulationsgewebsbildung bei Vorherrschen der anabolen Prozesse bis zur überschießenden Granulationsgewebsentwicklung — oder die anabolen und katabolen Prozesse sind fortlaufend und gleichmäßig weitergesteigert, aber der Übergang in das unlösliche Kollagen ist vermindert, wie z. 13. beim Lathyrismus und unter bestimmten Medikamenteinwirkungen, ζ. B . von Progesteron. Denn durch die Progesteronwirkung wird im Gegensatz zur Kortikosteroidwirkung die intermolekulare Vernetzung der Tropokollagenmolekiile behindert und damit ihr Abbau gefördert. Eine Steigerung des Aufbaues ist dann die Folge, um das Stoffwechselund Bestandsgleichgewicht einzuregulieren. Kortikosteroide hemmen zwar die Synthese, verringern aber zugleich auch den Abbau von Kollagen durch beschleunigte Bildung intermolekularer Bindungen und bedingen dadurch die Abnahme des rascher abbaubaren löslichen Kollagen, wobei die Kollagengesamtmenge gleichbleiben kann (s. Abschnitt 7.5). 3. Gesamtgehalt (5.3.3) Von den bisher genannten Stoffwechselgrößen des Kollagen ist sein Gesamtgehalt nach posttraumatischer Entzündung und im Verlauf der Wundheilung am besten unterK o l l a g e n und Entzündung

Norm

Entzündung Beginn ( 1 )

UmsatzSteigerg. (2)

(3)

Abb. 36. Schematische Darstellung der Beziehungen zwischen Auf- und Abbau sowie Gesamtumsatz des Kollagen bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung (weiteres s. Text)

Beispiele spezieller oder therapeut. Störungen

NeutralSalz-Iosl.

Saurelösl.

unlösl. Kollagen

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J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

sucht, in der Regel durch Bestimmung der Kollagen-spezifischen Aminosäure Hydroxyprolin. Als Bezugsgröße wurde nur selten der Zellgehalt benutzt. Das ist für das Wundgranulationsgewebe wegen seiner im Abschnitt 5.1 beschriebenen heterogenen Zellzusammensetzung auch nicht entscheidend, weil die allein Zwischensubstanz-synthetisierenden Fibroblasten einen zwar im Wundverlauf zunehmenden, aber nicht den alleinigen Anteil an der Zellpopulation des Granulationsgewebes ausmachen. Normalerweise beträgt der durch die Hydroxyprolinbestimmung gemessene Kollagenanteil am Frischgewicht der Haut zwischen 20—30%. Durch den im Abschnitt 4.4 beschriebenen primären Katabolismus nach Wundsetzung nimmt in der Wunde dieser Kollagenanteil am Frischgewicht ab. Abhängig von der unter Abschnitt 5.3.1 beschriebenen Kollagensynthese und deren Maxima nimmt der Kollagengehalt im Wundgewebe zwischen dem 5. und 10. Tag nach Wundsetzung steil zu und kann nach Abklingen der exsudativen Phase und damit des erhöhten Wassergehaltes im Granulationsgewebe den Ausgangswert des Kollagenanteiles von 20—30% am Hautfrischgewicht in der 2. und 3. Woche nach Wundsetzung deutlich übersteigen. Abhängig von der Art und Lokalisation der Wunde, von der Dauer der Wundheilung sowie ihrer Beeinflussung (einschließlich der Altersabhängigkeit), kann diese Erhöhung des Kollagenanteiles am Gesamtfrischgewicht, aber auch am Gesamteiweißgehalt der verletzten Haut noch über die 3. Woche nach Wundsetzung andauern, vor allem bei sogenannter überschießender Wundgranulationsbildung. Mit der Zunahme des Kollagengesamtgehaltes im Wundfeld steigt dessen Reißfestigkeit. Der in Abschnitt 4.4.2 beschriebene Kollagenabbau bestimmt die Ausscheidung gebundenen und freien Hydroxyprolins im Urin ebenso wie der ζ. T. dem Abbau unterliegende neutralsalzlösliche Anteil des im Wundfeld neugebildeten Kollagen (s. Abb. 35 und Text dazu). Aus den in Abschnitt 4.4.2 beschriebenen Gründen ist deshalb auch eine gegenüber der Norm vermehrte Gesamthydroxyprolinausscheidung im Urin in der Regel nur bis zum 4. Tag nach Wundsetzung festzustellen. Ähnliches gilt für die Knochenbruch-Wundheilung. Eine in die zweite Woche nach Wundsetzung hineinreichende Erhöhung der Gesamthydroxyprolinausscheidung im Urin (gegebenenfalls kombiniert mit einer Erhöhung des Serum-Hydroxyprolingehaltes) findet nur bei größeren Wundflächen und dadurch insgesamt größerem Anteil der wieder zum Abbau kommenden neutralsalzlöslichen Fraktion des neugebildeten Kollagen statt. J e größer die Wundflächen sind (besonders bei chemischen und thermischen Wundsetzungen: s. Abschnitt 2), um so stärker ist auch die generalisierte Mitbeteiligung aller übrigen nicht verletzten Bindegewebe des Organismus am erhöhten Kollagenumsatz (wie am erhöhten Proteoglykanumsatz) im Sinne der generalisierten unspezifischen Mesenchymreaktion ( H A U S S et al. 1960, 1963; H A U S S und J U N G E - H Ü L S I N G 1961a, b; LINDNER 1960—1969; J U N G E - H Ü L S I N G 1963/1965, 1969; GKIES 1965; GERLACH 1966; s. auch Abschnitt 7.2.4). Durch diese Umsatzsteigerung des nicht unmittelbar an der Wundheilung beteiligten Bindegewebes werden Hydroxyprolinhaltige Metaboliten frei und können zur Erhöhung des Gesamthydroxyprolingehaltes im Serum und im Urin beitragen. Die im Wundhei lungs verlauf entstehenden Verschiebungen des Hexosamin: Hydroxyprolin- bzw. des Uronsäuren: Hydroxyprolin-Verhältnisses sind in Abschnitt 5.3.2 erwähnt. Insgesamt gesehen sind die feineren Details des Kollagenstoffwechsels, von Synthese, Abbau, Umsatz, Halbwertszeiten und Gesamtgehalt der 3 Kollagenfraktionen im Verlauf der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung sowie ihrer Behandlung trotz der großen Zahl bereits vorliegender Daten noch in Zukunft genauer zu untersuchen, gerade auch hinsichtlich der Proteoglykan-Kollagen-Wechselbeziehungen in der Zwischensubstanz des Wundgranulationsgewebes sowie bei dessen Differenzierung, Reifung und Alterung (weiteres dazu s.: SCHWARZ 1953; H A R K N E S S 1954; JACKSON und SMITH 1957; W E S S E L 1959; G E R B E R et al. 1960a, b; SAKATA 1960; CHAPMAN 1961; H A R K N E S S 1961; K A O et al. 1961; LOWTHER et al. 1961; CLAUSEN 1962, 1963; PROCKOP 1962; LINDNER 1962—1966;

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | 65

GRIES 1 9 6 5 ; K L E I N u n d W E I S S 1 9 6 5 ; 1 9 6 6 ; BORNSTEIN 1 9 6 6 ; GERLACH 1 9 6 6 ; P I E Z e t a l . 1966).

4. Wundfestigkeit und Kontraktion (5.3.4)

Nach dem heutigen Stand der Kenntnisse sind die Wundfestigkeit, ihre Dehnungsstärke und Zerreißbarkeit im wesentlichen vom Kollagenfasergehalt abhängig und gehen daher dessen Zunahme zeitlich parallel. Zum Teil wurden Abhängigkeiten dieser mechanischen Eigenschaften des Wundgranulationsgewebes von seinem unterschiedlichen Gehalt an den zuvor genannten 3 Kollagenfraktionen im Verlauf der Wundheilung festgestellt. Dehnungsstärke und Reißfestigkeit des Wundgranulationsgewebes sind natürlich nicht nur von dessen Alter, sondern auch von Art und Lokalisation der Wundsetzung, von der Wundgröße und weiteren Faktoren abhängig (besonders bei Benutzung von Wundheilungsmodellen wie ζ. B. Pellet- und Schwammgranulomen als Modelle der sog. inneren Wundheilung). Regulations- und Behandlungs-abhängige Störungen der Wundheilung wirken sich auch auf die mechanischen Eigenschaften des Wundgranulationsgewebes aus. Bei der in Abschnitt 5.3.2 angegebenen Störung des Überganges zum unlöslichen Kollagen bzw. dessen Reifung durch entsprechende Zunahme intra- und intermolekularer Bindungen (ζ. B. durch Progesteron und Lathyrogene) ist die Dehnungsstärke des kollagenen Wundgewebes vermindert, während ζ. B. eine verminderte Kollagenbildung (bei stärkerer Behandlung mit nichthormonellen oder hormonellen Antiphlogistika während der Wundheilung) oder eine mangelhafte Kollagenbildung (ζ. B. bei Skorbut) aus anderen Gründen zum gleichen Result a t einer herabgesetzten Dehnungsstärke des Wundgewebes führen können. Auch andere vor, während und nach Wundsetzung verwendete Medikamente können die Dehnungsstärke beeinflussen und zum Teil auch dadurch die Wundheilung stören (weiteres dazu s. Abschnitt 7). Erkrankungen oder Medikamente, die den Wassergehalt des Wundgewebes verändern, scheinen allein dadurch keine Einflüsse auf die mechanischen Eigenschaften des Wundgranulationsgewebes zu haben, da nach den bisherigen Befunden dessen Wassergehalt der Entwicklung der Dehnungsstärke und Reißfestigkeit nicht parallel verläuft. Im wesentlichen geht die Dehnungsfestigkeit der Reißfestigkeit des Wundgranulationsgewebef parallel. Nach neueren Kenntnissen sind die mechanischen Eigenschaften der Kollagenfasern, die die Wundkontraktion und -festigkeit nach der primären Ersatzfunktion des Fibringerüstes garantieren, wesentlich von ihrem Kohlenhydratanteil abhängig. Wie zuvor angegeben, schließt sich der Biosynthese des Kollagenmonomers die Anheftung einer prosthetischen Kohlenhydratgruppe an, wobei ein Teil der Hydroxylgruppen des Hydroxylysins in /3-glykosidischer Bindung durch spezifische Glykosyltransferasen mit einem Galaktoserest verknüpft wird, auf den anschließend ein α-glykosidisch gebundener Glukoserest übertragen wird. Die Stabilität der Kollagenfasern ist also nicht allein durch die sterische Rigidität zyklischer Aminosäuren in der Struktur bedingt, durch Wasserstoffbrücken zwischen CO- und NH-Gruppen benachbarter Ketten, Kontakte zwischen nichtpolaren Ketten der Aminosäuren, kovalente und elektrostatische Kreuzbindungen sowie weiteren Einbau von Wassermolekülen, sondern auch durch die Verbindungen zwischen den Kollagen-Molekülen und ihrer interfibrillären Proteoglykanmatrix. Somit können die Hydratation, die submikroskopische Struktur sowie der Proteoglykangehalt des Kollagen seine Elastizität und Dehnungsstärke beeinflussen. Durch Entfernung der interfibrillären Proteoglykanmatrix wird die Kohäsion der Mikrofibrillen aufgehoben (ζ. B. durch Enzyme oder andere chemische Agentien). Der Wassergehalt der Kollagenfasern kann stark wechseln, wobei fest und lose gebundenes Wasser unterschieden wird. Bei zusätzlicher Flüssigkeitsaufnahme kommt es H a n d b . P l a s t . Cliir., B(l. I

04

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J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

zur Quellung und Verkürzung der Kollagenfasern mit Veränderung ihrer mechanischen Eigenschaften, speziell zum Verlust der Zugfestigkeit. Auch die Dehnungsstärke der Kollagenfasern ist dabei erniedrigt. J e stärker die der primären Wassereinlagerung folgende Entfernung der interfibrillären Kittsubstanz ist, um so intensiver ist die Auflösung der Kohäsion der Mikrofibrillen. Auch Erhöhungen der Dehnungsstärke von Kollagenfasern sind nach den heutigen Kenntnissen durch Einflüsse dehnungsstärkeerhöhender Substanzen auf die Proteoglykan-Anteile der Faserkittsubstanzen zu beziehen. Mögliche pathologische Vermehrungen bzw. Zunahmen der Faserkittsubstanzen können ebenfalls die mechanischen Eigenschaften der Kollagenfasern verändern und ihre Dehnungsstärke reduzieren. Die folgenden Abb. 37 und 38 sollen dies beispielhaft belegen. Es handelt sich dabei um Modelluntersuchungen an isolierten Kollagenfasern der Rattenschwanzsehne. Die gezeigten Effekte treten nicht nur im Wundmilieu der primären katabolen Phase, also bei der primären und sekundären Azidose des Wundgebietes auf und können den in Abschnitt 4.4.2 geschilderten Kollagenabbau einleiten; vielmehr sind sie auch von Bedeutung für die Wundfestigkeit und -kontraktion in der anabolen Phase der Wundheilung und stellen entscheidende Grundlagen der mit einfachen mechanischen Methoden gewonnenen Ergebnisse der Dehnung, Festigkeit und Zerreißbarkeit des Wundgranulationsgewebes dar. Abb. 37 a enthält Beispiele von Quellungsversuchen an isolierten Kollagenfasern. Dargestellt ist die Abhängigkeit ihrer Quellung von der Art des Inkubationsmedium in Prozentsätzen des Ausgangsgewichtes der verwendeten, jeweils gleichartigen Faserbündel. Diese wurden in Serien verschiedener Dicke untersucht. Die Kurven 1, 2 und 3 demonstrieren die unterschiedliche Quellung bei verschiedenen pHWerten des gleichen Theorell-Puffers. Danach ist die Kollagenfaserqucllung offenbar nicht nur pH-, sondern in besonderer Weise auch ionen- und stoffabhängig. Das zeigen weitere Beispiele in Abb. 3 7 a : die gleichartige Quellung in einem Theorell-Puffer bei pH 11,0 und einem Zitratpuffer: pH 5,0, ferner der Vergleich zwischen den Quellungskurven 1 und 4 (bei gleichem pH-Wert von 3,0 des Theorell- und des Zitratpuffers) sowie schließlich die 5. K u r v e : eine 2%ige Chondroitinsulfatlösung hat einen pH-Wert von 5,6. Die Quellung der Kollagenfaser ist darin beträchtlich. Das entspricht den histologisch-histochemischen Befunden einer Aufquellung kollagener Fasern bei Freisetzung von Chondroitinsulfat im Rahmen der primären katabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung. Die physiologische Aufgabe der Stabilisierung des normalen Quellungszustandcs kollagener Fasern wird also durch eine Anreicherung freier saurer Glykosaminoglykane im Gewebe gestört. Proteasen wie Pepsin, Trypsin und Papain führen kaum zu einer Quellung, sondern zu einer raschen Destruktion der belasteten Faser (s. Kurve 7 in Abb. 37 a : die Anfangsquellung wird durch den zunehmenden Substanz Verlust rasch aufgehoben). WTie zuvor angegeben, werden die faserstabilisierenden Grundsubstanzteile durch unspeziprofische Proteasen rascli entfernt und damit schließlich die Denaturierung mit folgendem unspezifischem teolytischem Abbau der Kollagenfasern selbst eingeleitet. Diese quellungsbedingten Veränderungen wirken sich entscheidend auf die mechanischen Eigenschaften der Kollagenfasern aus: In Abb. 3 7 b werden deswegen Beispiele aus der Prüfung der Zug- und Reißfestigkeit kollagener Faserbiindel in verschiedenen Lösungen, jeweils bei Zimmertemperatur, dargestellt. Auch die Zugfestigkeit kollagener Fasern ist nicht nur vom pH-Wert des umgebenden Milieus abhängig, sondern aucli von der Ionenart desselben und dessen Reaktion mit den Faserbausteinen (s. o.). Verwendet man ζ. B . eine pH-Lösung von 3,0, dann ist die Zugfestigkeit im Zitratpuffer größer als in Borax-Bernsteinsäure-Puffer. Auch bei einem pH-Wert des umgebenden Milieu von 5,0 reißt die Kollagenfaser in Theorell-Puffer eher als in Zitratpuffer. Die größte Zugfestigkeit besteht im Bereich neutraler pH-Werte (s. auch Normalisierung derselben nach der primären und sekundären Azidose des Wundgebietes: s. Abschnitt 4.6), während bei zunehmender Erhöhung der pH-Werte schon eine geringere Gewichtsbelastung zur Faserzerreißung führen kann. Die Zerreißgrenze wurde hier nach einstündiger Belastung bestimmt. Auf der rcchten Seite der Abb. 37 b sind Beispiele entsprechender Untersuchungen mit verschiedenen Säuren und Laugen enthalten, die nach biochemischen Erfahrungen einen besonderen Einfluß auf kollagene Fasern besitzen (verglichen wurden Lösungen gleicher Konzentration). Bemerkenswert sind die geringe Zugfestigkeit der Kollagenfascrn in reiner Askorbinsäure sowie die maximale Zugfestigkeit

Anabole P h a s e dor p o s t t r a u m a t i s c h e n E n t z ü n d u n g u n d W u n d h e i l u n g

6 Ι 67

in 40° o iger, s t a r k hypertonischer Kochsalzlösung. Bereits aus diesen Beispielen ist zu ersehen, d a ß die Zug- u n d Reißfestigkeit kollagener Fasern von verschiedenen physikalisch-chemischen Eigenschaften des u m g e b e n d e n Milieu im verletzten Bindegewebe u n d W u n d g r a n u l a t i o n s g e w e b e a b h ä n g e n .

2.800 Π Belostungsgewicht

K00 r 9 1300

1200 1100 1000 900 700 600 500

i.00 300

200 100

0 X I

Rh

α

U_Q

B o r - Citr The Citr Phos. B o r - The. n/1(JAscor- Oxals. H C l E s s i g s . N a O H KJ n B.-S. Phos. bins. n / 1 0 n /10 n / 1 0 /10 1.0% pH 3 0 50 7,0 9,0 11,0

M I 407.

Abb. 37. Beispiele von Modellversuchen a) der Quellung; b) der Zug- u n d Reißfestigkeit kollagener F a s e r n zur F r a g e ihrer mechanischen E i g e n s c h a f t e n im Wundgranulationsgewebe im Z u s a m m e n h a n g mit der W u n d f e s t i g k e i t u n d - k o n k t r a k t i o n (weiteres s. Text)

Die an Beispielen gezeigten Befunde leiten zu dem interessanten P h ä n o m e n der sog. chemischen Kontraktion kollagener Fasern über, die zusammen mit ihrer möglichen Aufhebung in Abb. 38a dargestellt wird (Angaben in % der Ausgangslänge, Registrierung am Kymographen):

68 I 6

J. LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung C h e m i s c h e Kontraktion ( — ) und V e r l ä n g e r u n g ( + ) k o l l a g e n e r Fasern in verschiedenen M e d i e n ( A n g a b e in Prozent d e r A u s g a n g s l ä n g e )

I

| b e n ö t i g t e s G e w i c h t für 1 0 % Dehnung , Υ//Λ Überdehnunq in Prozenten zur A u s g o n g s l ä n g e

b Abb. 38. Beispiele a) der sogenannten chemischen Kontraktion und deren Aufhebung; b) der Dehnung und Elastizität kollagener Fasern als Voraussetzungen ihrer mechanischen Eigenschaften und deren Veränderungen bei der Wundheilung (weiteres s. Text)

I m 1. Feld (links oben) sieht man, daß die chemische Kontraktion nach halbstündiger Behandlung der isolierten Kollagenfaser mit n/10 Oxalsäure erst durch eine Belastung mit 150 g aufgehoben wird. Die chemische Kontraktion der Kollagenfaser in 10% Oxalsäure ist nach 30 Minuten fast ebenso groß wie in 40% Kaliumjodid, wie in Feld 2 (links unten) dargestellt ist. In dieser Lösung findet nach der Kontraktion stets eine Relaxation der Kollagenfasern statt, weshalb dieses Phänomen als chemische

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

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Kontraktion-Relaxation bezeichnet wird. Im Dunkelfeld sieht man bei der chemischen wie bei der thermischen Kontraktion eine Aufhebung der sonst deutlichen Spiralstruktur u n b e h a n d e l t e oder nur kurz in physiologischer Kochsalzlösung gequollener Fasern (zum Vergleich s. Abb. 9 und 10). Die Fasern werden jetzt „gummielastisch". Bei Prüfung der Aufhebung der chemischen Kontraktion durch Milieuänderungen läßt sich nachweisen, daß diese anders als die einfache Relaxation verläuft und in deutlicher Abhängigkeit von den physikalisch-chemischen Eigenschaften des umgebenden Milieu auf die zuvor genannten Bausteine der Kollagenfaser stellt. Als Beispiel dafür sieht man in Feld 3 (rechts oben) in Abb. 38a, daß die chemische Kontraktion unter η 10 Oxalsäure durch eine anschließende Behandluug der Kollagenfaserbündel mit einer hypertonen 10%igen Kochsalzlösung nach über einer Stunde aufgehoben wird. Diese Lösung führte allein zu einer Verlängerung der Kollagenfasern, etwa im gleichen Maße wie η ΊΟ XaOH (im Feld 4 = rechts unten in Abb. 38 a), während physiologische Kochsalzlösung (s. Feld 3: rechts oben) eine geringere Zunahme der Ausgangslänge der zuvor unbehandelten Kollagenfaser zur Folge hat.

Die Säurekontraktion der Kollagenfaser könnte mit dem Phänomen des sog. ,,pHMuskels" verglichen werden, unter der gleichzeitigen Annahme, daß eine Neutralisierung der basischen Gruppen der Polypeptidketten des Kollagen (und eine Vernetzung der Kittsubstanzanteile) durch die Säureeinwirkung zur Faserkontraktion f ü h r t . Diese Vorstellung berücksichtigt jedoch nicht die komplizierten Verhältnisse der zuvor geschilderten und noch keineswegs völlig aufgeklärten Beziehungen zwischen den Kollagenfibrillen und ihren interfibrillären Kittsubstanzen. Die an Beispielen dargestellten Befunde der chemischen Kontraktion und deren Aufhebung an Kollagenfasern sind ebenfalls nicht durch einfache, mit Verkürzung einhergehende QuellungsVorgänge bzw. durch eine Beseitigung der dabei aufgetretenen, reversiblen Wassereinlagerung (s. o.) durch sog. entquellende Lösungen zu erklären. Die Befunde lassen vielmehr erkennen, daß Dehnung und Elastizität kollagener Fasern durch Einflüsse des umgebenden Milieu verändert werden können, ζ. T. so stark, daß eine an sich unelastische Kollagenfaser elastisch wird, in besonderen Fällen wie eine elastische Faser. Dazu werden in Abb. 38b Beispiele von Prüfungen der Dehnung und Elastizität kollagener Fasern in verschiedenen Inkubationslösungen (ebenfalls am Kymographen registriert) vorgewiesen: Der 1. (weiße) Balken gibt an, welches Gewicht jeweils notwendig ist, um gleichlange Kollagenfaserbündel in der einzelnen Lösung um 10% ihrer Ausgangslänge zu verlängern. Die dabei entstandene Überdehnung der Faser nach Gewichtsabnahme wird durch den jeweils rechts davon eingetragenen (gestrichelten) Balken in Prozentsätzen der konstanten Ausgangslänge vorgewiesen. Die Kollagenfasern sind also unterschiedlich länger als vor Belastung. Dargestellt ist somit nicht das Auftreten und Anwachsen elastischer Eigenschaften der Kollagenfasern unter zunehmender Belastung in den verschiedenen Medien in der Zeiteinheit, sondern nur ein Ausschnitt dieser Untersuchungen, nämlich die Verhältnisse bei 10%iger Dehnung der anfangs gleichlangen Fasern. Aus den in Abb. 38b an Beispielen vorgewiesenen Untersuchungen ergibt sich, daß die verschiedenen Stoffe den normalerweise hohen Elastizitätsmodul der Kollagenfasern verschieden verändern (was wiederum der Grund für die Abnahme der normalerweise hohen Zugfestigkeit bei bestimmten Milieuänderungen ist, wie oben vorgewiesen wurde).

Die Erklärung für die an Beispielen gezeigten Änderungen der mechanischen Eigenschaften der Kollagenfasern liegt in der Besonderheit ihres Aufbaues, einschließlich der Stabilisierung der Kollagenfaseruntereinheiten in ihrer hierarchischen spiraligen Baustruktur bis zu den mikro- und makroskopisch sichtbaren größeren Fasereinheiten. Somit wird verständlich, daß bei Belastungen der Kollagenfasern, ζ. B. bei zunehmender Dehnung, die graduelle Anordnung der Faseranteile gegen den veränderten Widerstand der umgebenden Kittsubstanz erfolgt. Das gilt für die Parallelisierung und Entknäuelung der Fibrillen wie für das folgende Gleiten und Fließen derselben, wodurch die gezeigte, nicht reversible Überdehnung der Fasern vor Erreichen der Zerreißgrenze zustande kommt. Da somit bei steigender Dehnung immer stärker fixierte Strukturen (Quartärstruktur der

70 Ι

6

J . LINDNER, Die p o s t t r a u m a t i s c h e E n t z ü n d u n g u n d W u n d h e i l u n g

Kollagenfaser) beansprucht werden, steigt mit zunehmender Deformierung der Elastizitätsmodul. Jedoch kommt es zu einer Dehnung der intermolekularen Bindungen der Polypeptidketten der Kollagenfibrillen (Η-Brücken und VAN DER WAAL'schen Kräfte) durch mechanische Belastungen praktisch nicht. E n t s p r e c h e n d e U n t e r s u c h u n g e n m i t vergleichender polarisationsmikroskopischer B e o b a c h t u n g der F a s e r n in den verschiedenen P r o t e o g l y k a n f r a k t i o n e n des W u n d g e w e b e s sowie in M e d i k a m e n t e n , die allgemein oder lokal bei der W u n d h e i l u n g a n g e w a n d t werden, h a b e n direkte Einflüsse derselben auf die mechanischen E i g e n s c h a f t e n u n d die S t r u k t u r der größeren Kollagenfasereinheiten gezeigt (LINDNER 1959—1962; B R A C K et al. 1962, 1963) (s. a u c h Abb. in A b s c h n i t t 4.4.2, ferner 7.5). Diese B e f u n d e sind von größerem Interesse f ü r die mechanischen E i g e n s c h a f t e n der W u n d e als die häufigen in diesem Z u s a m m e n h a n g besprochenen Verhältnisse der Q u a r t ä r s t r u k t u r der Kollagenfasern bzw. der Einflüsse der D e h n u n g s s t ä r k e auf molekularer E b e n e auf die kovalente Kreuzbind u n g des Kollagen, die auch die S c h r u m p f u n g s t e m p e r a t u r , also die T e m p e r a t u r beeinflußt, bei der Kollagenfasern denaturieren. J e reifer eine Kollagenfaser ist, desto höher ist ihre K r e u z b i n d u n g s z a h l , die zugleich f ü r die m a x i m a l e D e h n u n g s s t ä r k e der Kollagenfasern in dieser Größenordnung u n d f ü r die F u n k t i o n des reifen Kollagen erforderlich ist. V e r m e h r u n g e n der intra- u n d intermolekularen Kreuzb i n d u n g e n können auch im Kollagen des Wundfeldes erfolgen, speziell bei Alterung desselben, d u r c h im Stoffwechsel gebildete Aldehyde sowie freie R a d i k a l e m i t U m w a n d l u n g von SH- zu SS-Gruppen, wie bei ionisierender S t r a h l u n g , bei V e r ä n d e r u n g e n des Zystin-Zysteinverhältnisses usw.

Zusammenfassend ergibt sich, daß auf molekularer Ebene sowie in den mikro- und makroskopischen Dimensionen der Kollagenfasereinheiten nach posttraumatischer Entzündung und im Verlauf der Wundheilung unterschiedlichste Faktoren zur Veränderung der mechanischen Eigenschaften der Kollagenfasern beitragen können, die bisher noch keineswegs ausreichend erfaßt sind (weiteres dazu s. P I N K U S und P E R R Y 1 9 5 3 ; A B E R CROMBIE 1 9 5 6 ; L I N D N E R 1 9 5 7 — 1 9 6 5 ; PEACOCK 1 9 6 1 ; BRACK e t a l . 1 9 6 2 , 1 9 6 3 u . a . ) .

Selbstverständlich sind bei dieser Betrachtung nur die gewebseigenen Faktoren berücksichtigt·, nicht die Bedeutung des Nahtmateriales für die Wundfestigkeit selbst. Die Wundkontraktion ist für Ausmaß und Verlauf der Wundheilung wesentlich, weil sie besonders in den oberflächlichen Anteilen der Wunde die erforderliche Menge an regenerierendem Bindegewebe reduziert, ζ. T. auch in den tieferen Wundschichten selbst. D. Retikulin (5.4) I m Gegensatz zu den kollagenen F a s e r n fehlen aus methodischen G r ü n d e n A n g a b e n über Synthese, A b b a u , U m s a t z u n d Halbwertszeiten des Retikulin weitgehend. N a c h wie vor werden R e t i k u l i n f a s e r n als „ V o r s t u f e n " des Kollagen angesehen, ohne d a ß morphologische B e f u n d e , einschließlich elektronenoptischer Angaben über Unterschiede des sog. Versilberungsmodus, oder biochemische Analysen bisher weitere K l ä r u n g e n e r b r a c h t e n . ( L I N D N E R 1957, 1960a, b, c, 1962; B U D D E C K E 1960a; S C H A L L O C K 1960, 1965;

DAHMEN

1966;

GIESEKING

1966;

ANDREW

1968;

BJORKSTEN

1968;

JACKSON

und

BENTLEY

1968 u. a.). Die von S C H W A R Z (1953) als Differenzierung bezeichnete U m k e h r der Außenversilberung zur Innenversilberung retikulärer F a s e r n ist ebenso wie der entsprechende Versilberungsmodus bei der Differenzierung kollagener F a s e r n im wesentlichen von den unterschiedlichen Gehalts- u n d Bindungsverhältnissen von Polysacchariden a n die entsprechenden F a s e r n abhängig. R e t i k u l ä r e F a s e r n werden \vie kollagene von entsprechenden Zellen gebildet, im W u n d g r a n u l a t i o n s g e w e b e also von F i b r o b l a s t e n (ortsständig, n a c h Proliferation derselben, sowie n a c h U m f o r m u n g aus weiteren h ä m a t o g e n e n u n d histiogenen E l e m e n t e n : weiteres dazu s. A b s c h n i t t 5.1.1). Die B e d e u t u n g retikulärer F a s e r n im Verlauf der p o s t t r a u m a t i s c h e n E n t z ü n d u n g u n d W u n d h e i l u n g ist also unzureichend geklärt (SCHWARZ 1953, 1965; IRVING u n d

TOMLIN

1 9 5 4 ; SCHMIDT-MATTHIESEN

I960, 1962,1966, 1967;

JACKSON

et al. 1960;

1955; EHRICH

SCHALLOCK

1960, 1965;

1 9 5 6 ; WASSERMANN MERKER

1961;

1956;

SCHWARZ

LINDNER

et al. 1962).

E. Elastin (5.5) Elastin ist der Haupteiweißbestandteil des nach Kollagen wichtigsten Skieroproteins, der elastischen Faser, die auch elektronenoptisch im Gegensatz zur kollagenen Faser keine

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | 71

Querstreifung aufweist. Auch über Synthese, Abbau, Umsatz und Halbwertszeiten des Elastin liegen noch keine ausreichenden Daten vor. Die biochemischen Gesamtgehaltsanalysen des Elastin im Wundgranulationsgewebe beruhen auf den relativ groben Angaben zum Elastinstickstoff (nach Extraktion der anderen Skieroproteine und Eiweiße). Zur Elastinsynthe.se ist nur bekannt, daß ein lösliches Proelastin (ähnlich wie das lösliche Prokollagen: s. Abschnitt 4.4.2 sowie 5.3) zunächst intrazellulär gebildet und wahrscheinlich in dieser Form ausgeschleust wird. Erst extrazellulär findet die Oxydation der ε-Aminogruppe des Lysin und seine Kondensation zu den Elastin-typischen, in anderen Skleropioteinen nicht nachweisbaren Aminosäuren: Desmosin und Isodesmosin statt. Sie bilden Brücken zwischen den Polypeptidketten des Elastin. Diese Quervernetzungen sind ähnlich wie entsprechende Bindungen im Kollagen für die besonderen mechanischen Eigenschaften des Elastin verantwortlich. Wie im Kollagen existieren im Elastin unterschiedliche kovalente Bindungen, die auch bei Alterung zunehmen und dann den Elastinabbau erschweren (KEECH 1954; LINDNER 1957; HALL 1960; GRIES 1965 u. a.). Dieser Elastinabbau ist aber im Gegensatz z u m K o l l a g e n a b b a u (s. A b s c h n i t t 4.2.2) n o c h wenig g e k l ä r t (FLACK 1954; MANDL 1961; WOESSNER 1968). Bis-

her im Pankreas und ζ. T. auch im Serum nachgewiesene Elastaseaktivitäten werden in eine Elastoproteinase und eine Elastomukase eingeteilt, ohne daß ausreichende Spezifitätsanalysen usw. vorliegen. Da der Umsatz des Elastin der geringste von allen bisher bekannten Proteinen ist, fehlen auch Angaben über die biologischen Halbwertszeiten. Im Zusammenhang mit der Feststellung aiternsbedingter Änderungen der Aminosäurenzusammensetzung des Elastin sind erneut Fragen des Überganges kollagener und elastischer Fasern diskutiert worden, desgleichen die Annahme, daß ein Teil der elastischen Fasern aus kollagen e n e n t s t e h e n k ö n n t e (LINDNER 1957; LANSING 1959; SCHALLOCK 1960; HALL e t al. 1960). J e d o c h bieten

weder die bisherigen morphologischen Befunde (einschließlich moderner histochemischer Verfahren) noch die vorliegenden biochemischen Analysen eine ausreichende Beweiskraft für diese Annahme. Bis zur weiteren Klärung ist deshalb die oft vertretene Auffassung von Übergängen zwischen kollagenen und elastischen Fasern auch im alternden Bindegewebe spekulativ. (IRVING und TOMLIN 1954; EHRICH 195(5; LINDNER 1 9 5 7 — 1 9 6 5 ; v . SCHWEINITZ 1 9 5 9 ; SCHALLOCK 1 9 6 0 ; KAO e t a l . 1 9 6 1 ; PARTRIDGE 1 9 6 6 ) .

Bei entsprechenden Untersuchungen an isolierten elastischen Fasern (wie an kollagenen Faserns. Abb. 37 und 38 sowie Text dazu in Abschnitt 5.3.4) konnte gezeigt werden, daß elastische Fasern ebenfalls nicht nur in physiologischer Kochsalzlösung und in niedermolekularen organischen Säuren quellen, sondern auch in Glykosaminoglykan-Lösungen. Die lokale Konzentrationserhöhung dieser Grundsubstanzbestandteile zu Beginn der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung kann also auch an elastischen Fasern zu strukturellen und funktionellen Veränderungen führen und gegebenenfalls deren Abbau e i n l e i t e n (LINDNER 1 9 5 7 — 1 9 6 0 ; v .

SCHWEINITZ 1 9 5 9 ; MANDL 1 9 6 1 ; WOESSNER 1968). H i s t o l o g i s c h -

histochemische Befunde über folgende Aufsplitterungen, Auffaserungen, Fragmentierungen usw. der elastischen Fasern bei verstärkter Anfärbbarkeit freigesetzter Glykosaminoglykane um elastische Fasern in der katabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung sind die morphologischen Äquivalente. Im Gegensatz zur in Abb. 38a an Beispielen demonstrierten chemischen Kontraktion der kollagenen Fasern zeigen elastische Fasern unterschiedliche Längenzunahmen in den einzelnen Lösungen (der Beispiele in Abb. 39a). Dabei stellen jeweils die rechten Balken die entsprechenden Werte der Gewichtszunahme in Prozenten des jeweils konstanten Ausgangsgewichtes dar. Offenbar findet nicht nur eine einfache Quellung der elastischen Fasern, sondern auch eine zusätzliche chemische Reaktion derselben mit den Inkubationslösungen statt, was durch polarisationsmikroskopische Paralleluntersuchungen weitergeprüft wurde. Dabei ergeben sich gerade durch die Einwirkung niedriger Konzentrationen sulfatierter Mukopolysaccharide Struktur-Demaskierungen und -Veränderungen, die ζ. T. Quellungsvorgängen an kollagenen Fasern ähneln und deswegen die oben genannte Frage erneut aufgeworfen haben. Entsprechende Beispiele von Belastungsversuchen an elastischen Fasern in verschiedenen Medien am Kymographen werden in Abb. 39b vorgewiesen: die erste ansteigende Linie stellt jeweils die zunächst steiler, dann flacher verlaufende Dehnungskurve der elastischen Fasern bei zunehmender Gewichtsbelastung in den einzelnen Lösungen dar (in Prozenten der jeweils konstanten Ausgangslänge). Dabei ist erkennbar, daß ein unbehandeltes elastisches Faserbündel auf mehr als das doppelte seiner ursprünglichen Länge gedehnt werden kann. Die Dehnungsfähigkeit ist in anderen Medien geringer und wiederum (wie bei kollagenen Fasern) nicht allein vom pH-Wert, sondern offensichtlich auch von spezifischen Einwirkungen der Stoffe auf die Faserbestandteile abhängig. Das zeigen nicht nur die morphologischen

72

I

6

J· LINDNER,

p H 9,2

Die posttraumatische E n t z ü n d u n g u n d Wundheilung

Oxalsäure

Ascorb.-S.

Essigsäure

HCl

Na OH

a Abb. 39. Beispiele: a) f ü r Längen- und Gewichtszunahme bei Quellung und Dehnung elastischer Fasern

b b) f ü r den Elastizitätsverlust u n d die Zerreißgrenze bei Überdehnung elastischer Fasern (weiteres s. Text)

Paralleluntersuchungen an diesen Fasern, sondern auch die jeweils mit einem Pfeil in Abb. 39 b markierten Zerreißgrenzen der untersuchten elastischen Fasern. Die zweite Linie in Abb. 39b stellt den Elastizitätsverlust bei steigender Belastung dar. Die Faser wird nach Entlastung um den aufgezeigten Prozent-

Anabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | 73

satz der Ausgangslänge länger, sie ist in den verschiedenen Tnkubationslösungen von einer unterschiedlichen Belastung an nicht mehr völlig elastisch. Dieser Überdehnungsvorgang wird zunächst ähnlich wie der Dehnungseffekt an kollagencn Fasern erklärt. Insgesamt ergibt sich, daß elastische Fasern auf chemische und mechanische Schädigungen anders als kollagene Fasern reagieren, abhängig von der unterschiedlichen morphologischen und chemischen Zusammensetzung beider Faserarten. Bei diesen Versuchen lassen sich jedoch auch gewisse Gemeinsamkeiten ihrer Hcaktioiisfontieu erkennen. Wie bei kollagenen Fasern bewirken chemische und mechanische Schädigungen der elastischen Fasern keine uniformen Veränderungen, jedoch sind bestimmte Gmndvorgänge der Schädigunqsfohjen zu unterscheiden, die nicht nur pH-, sondern auch stoffabhängig sind. Gegenüber Veränderungen des Gewebs-pH im Wundgebiet sind elastische Fasern besonders empfindlich. Dabei ist die im Wundfeld verstärkte lokale Konzentration reaktionsfähiger freier Glykosaminoglykane von besonderer schädigender Bedeutung für elastische Fasern. Die gezeigten Veränderungen können den Abbau elastischer Fasern in der verletzten Haut einleiten. In der anabolen Phase der Wundheilung können elastische Fasern (durch Fibroblasten mit gleichen Strukturdetails, wie sie bei den Kollagenfaser-bildenden Zellen vorliegen: s. Abschnitte 5.1.9 und 5.3.1) synthetisiert « erden. Jedoch werden weder der biochemisch bestimmte Gehalt an Faserelastin noch die histologisch nachweisbare Struktur des elastischen Fasergerüstes der Haut vor Wundsetzung in der Regel wieder erreicht. Ausgeprägte Narben enthalten nur wenig elastische Faserelemente (MARCHAND 1 9 0 1 ; EHRICH 1 9 5 6 ; LINDNER 1 9 5 7 — 1 9 6 6 ; BLOCK 1 9 5 9 ; JACKSON e t al. 1 9 6 0 ; SLO.ME 1 9 6 1 ; GRIES u n d LINDNER 1 9 6 3 ; GANS u n d STEIGLEDER 1 9 6 3 ; GRIES 1 9 6 5 ; DAUMEN 1 9 6 6 ; CIIVAML 1 9 6 7 ; SZIRMAI 1970).

F. Kapillaren ( 5 . 6 ) Die u n m i t t e l b a r e n W u n d f o l g e n an K a p i l l a r e n u n d v o r g e s c h a l t e t e n G e f ä ß e n sind in d e n A b s c h n i t t e n 3 u n d 4 angegeben. I n der a n a b o l e n P h a s e der p o s t t r a u m a t i s c h e n E n t z ü n d u n g u n d W u n d h e i l u n g f i n d e t eine r a s c h e E i n s p r o s s u n g v o n K a p i l l a r e n in d a s W u n d f e l d s t a t t . O f f e n b a r ist d a s V e r l e t z u n g s a u s m a ß u n d die B e s c h a f f e n h e i t des W u n d f e l d e s d u r c h die W u n d a r t (s. A b s c h n i t t 2) e n t s c h e i d e n d f ü r d a s A u s m a ß der Kapillarsprossung. Physikochemische M e d i a t o r e n , S t i m u l i bzw. Anreize f ü r diesen P r o z e ß sind noch nicht ausreichend a n a l y s i e r t . Die K a p i l l a r s p r o s s u n g geht von d e n Zellen des G e f ä ß w a n d b i n d e g e w e b e s aus. Zun ä c h s t sind morphologische V e r ä n d e r u n g e n endothelialer Zellen m i t A k t i v i e r u n g derselben u n d Migration in d a s W u n d f e l d n a c h w e i s b a r . An dieser W a n d e r u n g beteiligen sich a u c h Perizyt e n . I m R a h m e n dieser P r o l i f e r a t i o n sind a n h a n d v o n 3 H - T h y m i d i n - A u t o r a d i o g r a m m e n

Abb. 40. Beispiele von Kapillarsprossungen im Wundgranulationsgewebe mit Erfassung der Zellproliferation im 3 H-Thymidin-Autoradiogramm (in der DXS-Synthesephase der Zellen vor ihrer Teilung), mit beginnender Liehtungs-

bildung in Abb. 40 a (daneben weitere 3 HThymidin-markierte Zellen des Wundgranulationsgewebes), in Abb. 40 b mit stärkerer Vergrößerung dieser Befunde an Knospen der Kapillarproliferation (weiteres s. Text)

74 I

6

J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

entsprechende Markierungen von Zellen zu sehen, die sich in der DNS-Synthesephase vor der Zellteilung befinden (s. auch Abb. 40): Die Regeneration von Blut- und Lymphgefäßen im Granulationsgewebe entsteht also aus präexistierenden Gefäßen des Wundrandes durch Sprossung, Zellteilung, Anastomosierung und schließliche Kanalisierung der Gefäßräume. Dazu ist die Ausbildung der kapillären Basalmembran erforderlich, ohne die weder die Kapillaren als Ganzes noch die Endothelien im besonderen ihre Funktion erfüllen können. Zur Basalmembranbildung ist offenbar der Synergismus von Endothelzellen und Perizyten erforderlich. Das gilt nur für Blutkapillaren, da Lymphkapillaren keine entsprechenden Basalmembranen haben, in der Regel auch keine Perizyten. Wie in Abschnitt 5.1.9 angegeben, sind reife Gefäßwandperizyten ähnlich wie glatte Muskelzellen der Gefäßwand (jeweils als Voraussetzung ihrer Funktion) von Basalmembranmaterial umgeben. Perizyten können Vorläufer der glatten Muskelzellen der Gefäßwand sein, bei deren Differenzierung dann noch weitere feinstrukturelle Charakteristika ausgebildet werden, speziell Myofibrillen. Andererseits können bei Gefäßwandverletzungen und -heilungen aus differenzierten glatten Muskelzellen sog. modifizierte glatte Muskelzellen werden, unter weitgehendem Verlust der Strukturcharakteristika reifer Zellen. Es handelt sich hierbei um Zellen, die funktionell den Fibroblasten entsprechen, die also Grundsubstanzmatrix sowie retikuläre vor allem aber kollagene und elastische Fasern bilden (für deren Umsatz unter physiologischen Bedingungen die glatten Muskelzellen der Gefäßwand ohnehin zuständig sind) (HAUST und MORE 1 9 6 6 ; W I S S L E E 1 9 6 8 ; LINDNER 1 9 6 8 — 1 9 7 1 ) . Bei der Kapillarsprossung im Wundgebiet werden proliferierende Perizyten und ihnen morphologisch entsprechende proliferierende Fibroblasten (wahrscheinlich ebenfalls) für die Gefäßwandneubildung herangezogen. Bei der Entstehung von Gefäßen mit glatten Muskelzellen im Wundgranulationsgewebe, speziell von Arteriolcn, können diese Zellen dann zu glatten Muskelzellen differenziert werden (s. besonders auch CLIFF 1 9 6 3 ) . Bei der weiteren Ausbildung des Kapillarnetzes im Wundgebiet entsteht eine gewisse Schichtung und Anordnung der zunächst gegenüber der Ausgangslage vermehrt neugebildeten Gefäße, mit vertikalem Verlauf in den oberen Wundschichten. Durch Störungen der Wundheilung kann diese Kapillarproliferation und -anordnung verändert und auch dadurch das Ausmaß der Wundheilung erheblich beeinflußt werden. Bei Skorbut haben CABRINI und CARRANZA ( 1 9 6 3 ) eine entsprechende netzartige Unordnung der im Wundgebiet neugebildeten Kapillaren festgestellt. Ihre Enzymmuster sind gegenüber Normaltieren nicht verändert. Besonders der Nachweis von ATPase-Aktivität ist für die rasche Beurteilung von Proliferation, Ausbildung und struktureller Anordnung der Kapillaren im Wundgranulationsgewebe geeignet und ermöglicht einen guten Überblick über Störungen dieser Prozesse. Eine mangelnde Blutversorgung ist die Folge (mit entsprechender Störung des Gewebsstoffwechseis und damit der Wundheilung als Ganzem: s. auch Ab schnitt 4.6). Denn die erforderliche Wiederher Stellung der normalen Sauerstoff Spannung und -Versorgung mit entsprechender Normalisierung der im Wundheilungsbeginn bei primärer und sekundärer Azidose bestehenden überhöhten C02-Spannung sind Voraussetzung für alle im Rahmen der anabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung stattfindenden R«generationsprozesse. Bei Abschluß der ebenfalls rasch nach Wundsetzung startenden Epithelisierung des Wundfeldes scheint ein regulatorischer, und zwar ein hemmender Einfluß auf die weitere Kapillarproliferation zu entstehen, dessen Mechanismus im einzelnen noch nicht aufgeklärt ist. In der Regel wird die überschießende Kapillarproliferation im Wundfeld etwa vom 10. Tag nach Wundsetzung an wieder normalisiert. Die Wiederherstellung der Ausgangslage des subepidermalen, kutanen und subkutanen Gefäßgeflechtes der Haut vor Wundsetzung benötigt jedoch eine längere Zeit, die von der Art der Wundursache ebenso wie vom Ausmaß der Wundsetzung (neben weiteren regulatorischen und beeinflussenden Faktoren: s. Abschnitt 7) abhängig ist. Das gilt für den gesamten Verlauf

Anabole Phase der posttraumatisclien Entzündung und Wundheilung

6 I 75

dor Kapillarsprossung und -regeneration, angefangen von ihrem Start in den ersten Tagen nach Wundsetzung von den Wundrändern, speziell vom Wundgrund (bei noch vorhandenen Resten des subkutanen Gewebes also vom subkutanen Gefäßplexus) — bis zum Ende der Wundheilung. In der Regel enthalten resultierende Hautnarben weniger Gefäße als die umgebende Haut. Die Permeabilität neugebildeter Gefäße wird wie die gesamte Gefäßfunktion im Wundgranulationsgewebe auch erst nach längerer Zeit normalisiert bzw. den Verhältnisse der Ausgangslage d. h. der umgebenden unverletzten Haut angeglichen. Prüfungen der Gefäßwand-permeabilität können heute mit modernen morphologischen Methoden erfolgen, sowohl mit autoradiographischen (s. besonders LINDNER 1963—1968; FREYTAG et al. 1965; 1967, 1968) sowie mit elektronenoptischen Verfahren unter Verwendung elektronendichter Partikel wie Kohlestaub, oder Gold, aber auch mit elektronenoptisch-autoradiografischen Verfahren. Dabei wird der vermehrte Substanzdurchtritt durch die Gefäßwandzellen, speziell die Endothelien. gezeigt, sowie durch die Basalmembran, die dann häufig verbreitert ist. Ein vergleichbares Beispiel ist in Abb. 41 enthalten, aus gemeinsamen Untersuchungen mit GUSEK (1960), ohne daß in diesem Zusammenhang zu den morphologischen Befunden regionärer Lymphknoten bei der Wundheiluno; wunschgemäß näher Stellung genommen wird: V

a

b

Abb. 41. Beispiele von Lymphknotenreaktionen für elektronenoptische Befunde der verstärkten Permeation nach Dextrangabe (s. auch Abschnitt 7. 5. 4.) a) Quergetroffeiler Lvmphknotensinus mit gesehwollenem, ζ. Ϊ . proliferierendem Sinusendothel. V . : Stärkere Yakuolisierung, unter Einbeziehung des perinukleären Anteiles des Ergastoplasma (S), mit spaltförmigen Erweiterungen von Interzellularräumen ( I ) ; b) Beispiele für Basalmembran-Befunde bei verstärkter Permeation, hier am Lymphknotensinus: P : mit Darstellung einer Basalmembran pore; V : folgende Yakuolenbildung: der Pfeil zeigt spaltförmige Abhebungen des Endothels von der Basalmembran (BM) an, Kernveränderungen am unteren Bildrand (X) (weiteres s. T e x t )

Die Bedeutung der Basalmembran für die gesteigerte Permeabilität bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung, also nicht nur unmittelbar nach Wundsetzung, sondern (wie zuvor ausgeführt) auch über den Wundschluß hinaus, wird durch die schematische Darstellung des Kapillarwandaufbaues in Abb. 42 deutlich. Unter der Endothelzelle (oberer Bildabschnitt) bzw. zwischen Endothel- und Perithelzelle liegt die im Synergismus

76 I 6

J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

zwischen beiden Zellen gebildete Basalmembran (mit licht- und elektronenoptischen Definitionsunterschieden). Neben Glykoproteiden und Proteoglykanen sind nicht nur nach biochemischen, sondern auch und vor allem nach polarisationsmikroskopischen Untersuchungen als Hauptbestandteil der Basalmembran Lipoproteidanteile zu unterscheiden. In die lichtoptische Definition der Basalmembran gehen Fasereiweiße und Nichtfasereiweiße ein (in die elektronenoptischen Basallamina nicht!). Hinsichtlich der Proteoglykan-Struktur sind die in Abschnitt 4.4.1 geschilderten Strukturverhältnisse für Chondroitinsulfatpeptide (Bindung von 60—62 Glykosaminoglykanmolekülen an einem Eiweißkern, der 2 0 — 3 0 % des Gesamtmolekülkomplexes ausmacht) in Abb. 42 schema tisch angegeben.

STRUCTURE of the CAPILLARY WALL

Endothelcell (Pericyt) yPBCV?« J>H

% jflj

Protein

Basal fiber

non fiber

X"1 —

ZXJP

Polysaccharides

||| III 3c

CH3
|r

(!)

i.

i * 1

>

Abb. 45. Zusammenfassung der bisherigen Befunde alterns-(= alterungs-)abhängiger Veränderungen von Synthese, Abbau, Gesamtgehalt, Umsatz und biologischen Halbwertszeiten der Glykosaminoglykanund Kollagenfraktionen des Bindegewebes (weiteres dazu s. Text)

84 I 6

J . LINDNER, Die posttraumatis che Entzündung und Wundheilung

Synthese löslicher und unlöslicher Kollagenfraktionen (s. Abschnitt 5.3) bei der Alterung festzustellen. In Abb. 45 sind die erst ζ. T. erfaßten Unterschiede der einzelnen Bindegewebe in Abhängigkeit von Lokalisation, Spezies und Geschlecht usw. nicht weiter aufgeschlüsselt, sondern nur die bisher erkennbare generelle Tendenz dieser Stoffwechselgrößcn der Proteoglykan- und Kollagenfraktionen bei der Alterung ( = beim Altern) schematisch dargestellt. Zu den Befunden isolierter A bbauuntersuchungen ergibt sich zusammenfassend, daß altcrnsabhängige Abnahmen des Proteoglykan- und Kollagenabbaues vorliegen, die offenbar der zuvor besprochenen altersabhängigen Syntlieseänderung in der Weise gleichgeschaltet sind, daß isolierte Untersuchungen des Gesamtgehaltes der Grundsubstanzbausteine in etwa dem Alterungsbefund der Synthese der einzelnen Proteoglykane entsprechen. Dagegen wurde bei isolierter Untersuchung des Gesamtgehaltes der Kollagenfraktionen eine Abnahme der löslichen und eine Zunahme der unlöslichen Kollagenfraktion im Alter festgestellt. t/ms«/zuntersuchungen ergaben eine Abnahme der Proteoglykan- und Kollagenumsätze mit fortschreitendem Alter, während die biologischen Halbwertszeiten beider Zwischensubstanzbausteine bei der Alterung zunehmen (vgl. auch Abb. 33a). Nicht nur für Entwicklung. Reifung und Alterung, sondern auch für die Wundheilung generell wichtig ist die in Abb. 4 6 a an einem Beispiel demonstrierte Feststellung, daß der Haut-BindegewebsstoffWechsel lokalisationsabhängige Unterschiede aufweist. Dadurch können Granulationsgewebsentwicklungen nach Wundsetzung der Haut an verschiedenen Körperstellen unterschiedlich verlaufen. Entsprechende Lokalisations-abhängige Stoffwechselunterschiede sind auch für andere Bindegewebe nachgewiesen und für Wundheilungsvorgänge am Knorpel-, Knochen- wie am Gefäßwandbindegewebe ebenfalls zu berücksichtigen. An einem Beispiel entsprechender Serienuntersuchungen wird in Abb. 4 6 a gezeigt, daß bei Benutzung des 3 5 S-Sulfat-Inkorporationsverfahrens als validisierte Routine-Indikatormethode für die Bestimmung der Grundsubstanzsynthese dieser auch für die Haut wesentliche Stoffwechselprozeß in den ersten 3 Lebensmonaten der R a t t e in der kranialen Rückenhaut signifikant höher als in der kaudalen Rückenhaut ist. Bei weiterer Reifung und Alterung gleichen sich aber diese Differenzen weitgehend einander an. Die besonders an Labortieren untersuchten Unterschiede der Inkorporations-, Svntheseund Umsatzraten der Proteoglykane zwischen Bauch- und Rückenhaut, sind bekannt (LINDNER 1962, 1963, 1966a, b; J U N G E - H Ü L S I N G 1963/1965; H O U C K et al. 1967; H E I K K I N E N und K U L O N E N 1968). In Abb. 46 b wird zusätzlich gezeigt, daß der Abfall der 3 5 S-SuIfat-Inkorporationsraten als Indikatormethode für die Grundsubstanzsynthese (in der Haut wie in anderen Bindegeweben) nicht nur während der Alterung, sondern auch, und zwar in viel stärkerem Maße während der Reifung abfallen. Dabei ist ein ζ. T. dreiphasiger Abfall der Inkorporations-Raten sulfatierter Glykosaminoglykane nachweisbar (entsprechend den Befunden eines parallelen Abfalles der Gesamt-Proteinsynthesc während der Reifung, einschließlich der Enzymeiweißsynthesen und Enzymaktivitäten auch der zur Glykosaminoglykansynthesc benötigten Sulfokinasen (GERLACII 1963). I m Zusammenhang mit den in Abb. 45 zusammengefaßten Befunden aiternsabhängiger Änderungen der Synthese, des Gesamtgehaltes, des Umsatzes und der biologischen Halbwertszeiten löslicher und cpm/mg

70

L

110

90 5.

130 7.

150

170 9.

190

210 g K.G. 12.Woche

Abb. 46. a) Lokalisationsabhängige Unterschiede der 3 ä S-Sulfat-Inkorporationsraten der Rückenhaut (Ratte) während der Reifung (weiteres s . T c x t )

Regulation und Beeinflussung der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | 85

c p m / 1 0 0 m g TG

Abb. 46. b) Beispiele der bei Entwicklung undAlterung bestehenden geschlechtsabhängigen Unterschiede der 3 5 S-Sulfat-Inkorporation und damit der Glykosaminoglykan-Proteinkomplex-Synthese der Grundsubstanz, am Beispiel der Haut und Aorta der R a t t e (mit dreiphasigem Abfall während der Reifung und nur geringem Abfall bei der weiteren Alterung — weiteres s. Text) Aktivitätsabfall von 3 H-Prolin

(Ratte)

Abb. 47. Aktivitätsabfall von 3 H-Prolin zwischen dem 6.—12. Lebensmonat (Ratte), 1, 3 und 7 Tage nach Applikation des markierten Vorläufers der Kollagensynthese (parallel zum Abfall der Gesamtaktivität der 3 Kollagenfraktionen) (weiteres s . T e x t ) unlöslicher Kollagenfraktionen ist der an einem Beispiel in Abb. 47 für aiternsabhängige Veränderungen des Kollagenstoffwechsels gezeigte Befund interessant. Dabei handelt es sich um die Darstellung der Möglichkeit sog. Pilot-Studien zur groben Orientierung von Verlaufsänderungen (und deren Beeinflussung) anstelle der zeitaufwendigen, systematischen Kollagen-Fraktionsuntersuchung. Die spezifischen Aktivitäten und Umsatzraten der 3 Kollagenfraktionen können dann an den sich hiermit ergebenden wichtigsten Zeitpunkten isoliert bestimmt werden. In Abb. 47 ist also nur der Verlauf der 3 H-Prolin-Aktivitätsmessung in den als Beispielen aufgeführten Organen 1, 3 und 7 Tage nach einmaliger Applikation von 3 H-Prolin als markiertem Vorläufer

8(3 I 6

J · LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

für die Kollagensynthese dargestellt. Dazu wurden die Gewebe (nach entsprechender Vorbereitung bis zur Hyaminauflösung und Tricarbmessung) benutzt, die für die Umsatzratenbestimmungen der 3 Kollagenfraktionen nicht in genügender Ausgangsmenge vorlagen. Das Ergebnis in Abb. 47 zeigt, daß der deutliche Abfall der Gesamtaktivität zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat bei der R a t t e durchaus den bekannten Abfällen der Gesamtaktivität der 3 isolierten Kollagenfraktionen parallel läuft.

Nach Kenntnis dieser zusammenfassenden Darstellung aiternsabhängiger Stoffwechselveränderungen des Bindegewebes, speziell der Haut, ist es um so überraschender, festzustellen, daß die Granulationsgewebs-Entwicklung nach Wundsetzung in der Haut alter Menschen keineswegs den Erwartungen folgt, die sich aus der vorherigen Darstellung ergeben. Denn die aus verschiedenen Befunden abgeleitete Annahme einer aiternsabhängigen Abnahme der Syntheseleistung von Fibroblasten auch im Wundgranulationsgewebe erwies sich als falsch. Ursächlich dafür war, daß als Parameter das Frisch- oder Trockengewicht bzw. der Gesamteiweiß- oder Gesamtstickstoffgehalt für die Zwischensubstanzsynthese benutzt wurden. Dabei war der maximale de novo-synthetisierte Kollagengehalt im Granulationsgewebe älterer Tiere niedriger als bei jüngeren ( H E I K K I N E N und K U L O N E N 1968). Bei Bestimmung des Zellgehaltes wurde aber gefunden, daß aufgrund der zuvor beschriebenen Aiternsveränderungen auch der Bindegewebszellen bei der Wundheilung weniger hämatogene und histiogene, Zwischensubstanz-produzierende Zellen als im Granulationsgewebe junger Tiere vorliegen. Durch entsprechende Umrechnungen fanden B E N E K E und S C H M I T T (1970) sowie B E N E K E (1971), daß die Fibroblasten im Wundgranulationsgewebe alter Tiere pro Zelle offenbar die gleiche Zwischensubstanz-, speziell die gleiche Kollagenmenge wie jüngere Tiere produzieren. Der Synthesebeginn ist aber ebenso verzögert wie es die Zellemigration, -modulation und -transformation sind. Daraus ergibt sich, daß vor allem die Regenerations- und Reparationsprozesse der anabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung im Alter langsamer als im jugendlichen Organismus verlaufen. Die im einzelnen in den vorausgehenden Abschnitten geschilderten Maxima der morphologischen und biochemischen Parameter des Wundgranulationsgewebes sind im Alter verzögert und können nur unter bestimmten Bedingungen ζ. T. auch vermindert sein. Entscheidend scheint, daß das Wundgranulationsgewebe beim alten Menschen ivesentlich jünger ist, als es das betroffene Hautbindegeiuebe vor Wundsetzung war. Das betrifft die im einzelnen in Abb. 45 zusammengefaßten Stoffwechselraten ebenso wie den Anteil jugendlicher Zellformen mit entsprechenden Syntheseleistungen gegenüber dem Überwiegen „alter Bindegeivebszellen" am Gesamtzellpool im umgebenden, nicht verletzten Hautbindegewebe. Da aber insgesamt gesehen der Gehalt Zwischensubstanz-produzierender Zellen im Wundgranulationsgewebe des alten Organismus geringer als beim jugendlichen ist, resultiert ein geringerer Grundsubstanz- und Fasergehalt in der Wunde des alten Menschen. Der von verschiedenen Autoren im Gegejisatz dazu angegebene größere Zellgehalt des Wundgranulationsgewebes alter Tiere geht auf Kosten nicht-Zwischensubstanz-synthetisierender Zellen desGranulationsgewebes. Routinehistologisch entspricht zum Beispiel das Wundheilungsbild vom 10. Tag nach Wundsetzung im Alter dem Bild des 5. Tages nach Wundsetzung im jugendlichen Organismus. Am 14. Tag nach Wundsetzung ist histologisch bereits eine deutliche Annäherung der histologischen Wundheilungs-Bilder des jugendlichen und des alten Organismus erkennbar, nach 21 Tagen sogar eine weitgehende Übereinstimmung. Demnach verläuft im alten Organismus die Wundheilung verzögert, aber letztlich — also am Ende der Wundheilung — ohne wesentlichen Unterschied gegenüber dem jugendlichen Organismus. Entsprechend den morphologischen Befunden ist auch bei biochemischen Analysen der Kollagenfraktionen der lösliche Anteil derselben am 14. Tag nach Wundsetzung im

Regulation und Beeinflussung der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

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Granulationsgewebe des alten Organismus geringer als im jugendlichen Organismus. Auch dieser aiternsabhängige Unterschied ist etwa 4 Wochen nach Wundsetzung ausgeglichen. Daraus ergibt sich insgesamt, daß die Wundheilung beim alten Menschen im Vergleich zum Jugendlichen verzögert und der Zwischensubstanzumsatz verringert ist, während die Umsatzraten im Vergleich zur Ausgangslage bzw. zum nichtverletzten Hautbindegewebe des alten Organismus im Wundgranulationsgewebe erhöht sind. Insgesamt ist auch die Reparation des Hautdefektes im alten Organismus unvollständiger als im jugendlichen (einschließlich der verzögerten Epithelisierung, Basalmembranbildung, Gefäßregeneration usw.). Es resultiert jedoch beim alten Menschen ein Narbengewebe, dessen Zwischensubstanz-Charakteristika jünger sind als die des übrigen Organismus bzw. in der unverletzten Haut der Wundumgebung. Dieser „lokale" Altersunterschied zu seiner Umgebung gleicht sich erst im Laufe mehrerer Jahre aus ( V E R Z Ä R und W I L L E N E G G E R 1 9 6 1 ; V E R Z A R 1 9 6 4 ) . Aus diesen Besonderheiten der Wundheilung beim alten Menschen (vor allem aus der Verzögerung der Wundheilung, dem häufigen Auftreten sekundärer Wundheilungen, der verminderten Wundfestigkeit usw.) ergeben sich entsprechende klinische Konsequenzen, bei größeren Defekten demnach auch häufiger die Indikation zu plastischen Operationen als beim Jugendlichen. Auch dabei sind dann die geschilderten Charakteristika der Wundheilung im Alter gegenüber dem Verlauf beim jüngeren Menschen zu berücksichtigen (BANF I E L D 1 9 5 4 ; B O U C E K e t a l . 1 9 5 8 ; S O B E L u n d MARMORSTON 1 9 5 8 ; C H V A P I L u n d H R U Z A

1959;

K O B L E T u n d F R I E D E N 1 9 6 0 ; MCGAVACK u n d K A O 1 9 6 0 ; K A O e t al. 1 9 6 1 ; SETNI e t al.

1961;

CLAUSEN 1 9 6 2 ; a, b ; DOBERAUER 1 9 6 2 ; HILZ e t al. 1 9 6 3 ; JUNGE-HÜLSING 1 9 6 3 / 1 9 6 5 ; GRIES 1 9 6 5 ; SCHALLOCK 1 9 6 5 ; SCHMITT u n d B E N E K E 1 9 7 0 ; B E N E K E u n d SCHMITT 1 9 7 1 ;

LINDNER

1971).

B. Erkrankungen (7.2) 1. Hunger und Eiweißmangel (7.2.1) Der negative Einfluß von Hunger und Eiweißmangel auf die Wundheilung ist lange bekannt, besonders durch klinische Beobachtungen einer verzögerten Wundheilung beim alten Menschen mit negativer Stickstoffbilanz, bei kachektischen Patienten und im Hungerzustand. Bei mangelnder Eiweißaufnahme mit der Xahrung sind die Proteinsynthesen generell reduziert und damit auch alle im Rahmen der anabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung besprochenen Synthesevorgänge einschließlich der Proteoglykan- und Kollagensynthese im Wundgranulationsgewebe. Über Veränderungen der katabolen Phase bei Eiweißmangel und Hunger liegen noch keine ausreichenden Befunde vor. Das gilt auch für den Einfluß der aus hämatologischen Untersuchungen bekannten Blut- und Knochenmark-Veränderungen auf die Emigration hämatogener Zellen und deren Anteil an der Zellpopulation des Wundfeldes. Eine Verringerung der Zellzahl desselben, besonders von Makrophagen und Fibroblasten, ist beschrieben. Die Reduktion der Kollagensynthese und damit des Kollagengesamtgehaltes des Wundgewebes führt zur Herabsetzung der Wundfestigkeit bei Eiweißmangel und Hunger. Besonders die Untersuchungen von WILLIAMSON und Mitarb. (1952, 1954, 1955, 1956) haben gezeigt, daß schwefelhaltige Aminosäuren wie Methionin und Zystin diese Folgen des Eiweißmangels auf die Wundheilung ζ. T. aufheben können, das gilt auch für die Zugabe von zyklischen Aminosäuren (Tryptophan und Tyrosin). Prinzipiell verbessert eine eiweißreiche Nahrung ebenso wie Infusionen mit Aminosäuren-Konzentraten usw. die Wundheilung bei Hunger- und Eiweißmangel. Aus experimentellen Untersuchungen sind unterschiedliche, ζ. T. sich widersprechende Befunde bekannt. In Modelluntersuchungen über den Einfluß einzelner Aminosäuren auf die 35S-Sulfat-Inkorporationsraten der embryonalen Bindegewebsbildung konnten Steigerungen der Proteoglykansynthese und (ζ. T. nur vorübergehende) Beschleunigungen der Bindegewebsentwicklung festgestellt werden (v. SCHLIEBEN 1 9 6 4 ; KRÖGER 1 9 6 5 ; W I T T I G 1 9 6 6 ; L I X D X E R 1 9 6 4 — 1 9 6 8 ) . D i e W u n d h e i l u n g i s t n a c h d e r v o r a u s g e h e n d e n

Beschreibung der Einzelprozesse ein sehr komplexer Prozeß, der durch enterale oder parenterale Eiweißzufuhr im normalen Stoffwechselgleichgewicht mit den bisherigen Methoden praktisch nicht meßbar beeinflußt \vird. Für klinische Belange ist wichtig, daß Wundheilungsverzögerungen und -Störungen

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J · LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

bei Hunger und Eiweißmangel durch therapeutische Maßnahmen verstärkt werden können, die von sich aus bereits bei Patienten im Stoffwechselgleichgewicht hemmend auf die Wundheilung wirken. Das gilt nicht nur für Analgetika, Antiphlogistika, Antibiotika usw., die vor, während und nach Operationen gegeben werden, sondern vor allem auch für den zusätzlichen wundheilungshemmenden Einfluß von Zytostatika und Bestrahlungen bei kachektischen Tumorpatienten. Da bei Hunger und Eiweißmangel Gefäßwandpermeabilitätsstörungen, ein vermehrter Flüssigkeitsgehalt in den Bindegeweben und ζ. T. typische Hungerödeme vorliegen, ist verständlich, daß in der katabolcn Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung bei Eiweißmangel und Hunger im Wundgebiet eine Verstärkung der posttraumatischen Exsudation und Odembildung festgestellt wurde (mit Vermehrung auch der Serumglykoproteide und damit des Hexosamingehaltes im Wundfeld, mit Verschiebungen des HexosaminUronsäurenverhältnisses zugunsten der Aminozucker über den Zeitpunkt hinaus, zu dem im Stoffwechselgleichgewicht bei der Wundheilung durch Ödemreduktion und rechtzeitig startende Proteoglykansynthese dieses Verhältnis bereits zugunsten des Uronsäurengehaltes verschoben ist: weiteres dazu s. Abschnitt 5.2). Verstärkung und längeres Andauern von Exsudation und Odem im Wundgranulationsgewebe begünstigen bekanntlich das Auftreten von Wundinfektionen. (Zu den entsprechenden Folgen der diabetogenen Ödemneigung s. Abschnitt 7 . 3 . 8 ) . Inwieweit ein Vitaminmangel im Hungerzustand an der Verzögerung und Störung der Wundheilung beteiligt ist, ist ebenso ungeklärt wie die gleiche Frage bei der zuvor besprochenen Störung der Wundheilung im Alter. Zwischen dem Einfluß von Hunger und Eiweißmangel einerseits sowie der Alterung andererseits auf die Wundheilung sind manche Parallelen gesehen worden (wie hinsichtlich ihrer Einflüsse auf die Grundprozesse des Bindegewebsstoffwechsels generell). Deswegen ist verständlich, daß für die Wundheilung bei Eiweißmangel und Hunger die verspätet einsetzende und quantitativ geringere Proliferationstendenz im Wundfeld wie bei der Alterung zu einer Reduktion von Bildung und Gesamtgehalt der Zwischensubstanz führt (u. a. auch mit Reduktion ihrer mechanischen Eigenschaften). Ob bei vermindertem Zellgehalt die Syntheseraten pro Zelle im Hungerzustand im wesentlichen wie bei der Alterung (im Vergleich zum Jugendlichen also) identisch sind, ist noch nicht ausreichend geprüft ( S C H M I T T und B E N E K E 1 9 7 0 ; B E N E K E und S C H M I T T 1 9 7 1 ) . Entsprechend dem geringeren Zellgehalt (und der geringeren Gefäßproliferation) im Granulationsgewebe bei Eiweißmangel und Hunger ist auch der Sauerstoffverbrauch geringer als im Normalzustand (also gleiche Verhältnisse hinsichtlich des Sauerstoffverbrauches und Energiebedarfes wie bei der Alterung im Gegensatz zum jugendlichen Organismus) ( W I L L I A M S O N und F R O M M 1952, 1955; WILLIAMSON

und

GUSCHLBAUER

1954;

WILLIAMSON

HAUSS e t al. 1 9 6 0 ; WILLIAMSON u n d H A L E Y SLOME

1961;

LINDNER

1962—1966;

STAHL

1956;

SISSON

1958;

CNVARIL u n d

1 9 6 0 ; HAIISS u n d JUNGE-HÜLSING

1962, 1963;

JUNGE-HÜLSING

HR£_ZA

1959;

1 9 6 1 ; PEACOCK

1961;

1963 1965;

WOESSNER

1968).

2. Lebererkrankungen (7.2.2) Über die Auswirkungen von Lebererkrankungen auf die Wundheilung liegen klinische Beobachtungen mit einer Reihe von Schlußfolgerungen (hergeleitet aus den Folgen von Leberfunktionsstörungen), aber wenig gesicherte Daten vor. Am meisten bekannt sind die Wundheilungsstörungen bei Leberzirrhose. Die dabei bestehende Dysproteinämie kann zu einer erhöhten Kapillarpermeabilität und zum Auftreten von hepatogenen Ödemen führen. Verstärkungen und Verlängerungen der exsudativen Phase der Wundheilung gegenüber dem normalen Ablauf und ihre Folgen hinsichtlich von Sekundärinfektionen, Wunddehiszenzen und Wundheilungsstörungen sind insgesamt im Abschnitt 7.2.1 unter Hinweis auf die Abhängigkeit dieser Einzelprozesse voneinander angegeben worden. Die besondere Abnahme des Albumin- und die relative (ζ. T. auch absolute) Zunahme des y-Globulingehaltes, vor allem aber die Abnahme des Fibrinogengehaltes führen bereits zu Störungen der unmittelbaren Folgen nach Wundsetzung (s. Abschnitt 3). Da bei Leberzirrhosen außerdem auch eine Erhöhung der fibrinolytischen Aktivität beobachtet wird, kann die Wundheilung bereits vom Beginn an gestört sein. Das ist um so verhängnisvoller, weil der normale Ablauf der ersten Phasen der Wundheilung Voraussetzung für den im einzelnen geschilderten normalen Ablauf der gesamten WTundheilung ist. Bei Leberzirrhose wie bei verschiedenen Ikterusformen gestörte Vitamin K-Resorptionen können im Zusammenhang mit den zuvor

Regulation und Beeinflussung der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

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genannten Folgen der Leberzirrhose außerdem die Blutungsneigung erhöhen und damit die Wundheilung stören. Inwieweit Leberzirrhose-bedingte weitere Stoffwechselstörungen direkte Einflüsse auf den Ablauf der Wundheilung haben, ist im einzelnen nicht ausreichend geklärt. Das gilt auch für den Einfluß vor, während und nach Operationen getroffener therapeutischer Maßnahmen auf Struktur und Funktion der Leber mit Folgen auf die Wundheilung ( L I N D N E R 1964). Narkoseeinflüsse werden in diesem Zusammenhang besonders diskutiert, sindaber hinsichtlich ihrer sekundären Folgen auf die Wundheilung nicht genügend analysiert. Vor, während und nach Operationen verwendete Medikamente sind besser hinsichtlich ihres direkten Einflusses auf den Wundverlauf geprüft, weniger zu der Frage, ob sie zusätzlich über ihre ζ. T. bekannten Einflüsse auf Struktur und Funktion der Leber die Wundheilung stören. Es ist auch nicht ausreichend bekannt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich die im einzelnen bekannten Schockfolgen an der Leber konsekutiv auf die Wundheilung austcirken. 3. Hämatologische Erkrankungen (7.2.3) Über den Einfluß von Bluterkrankungen auf die Wundheilung liegen klinische Beobachtungen, jedoch keine ausreichenden Analysen vor. Die verschiedenen Anämieformen können aufgrund ihrer unterschiedlichen Folgen die Wundheilung beeinflussen, Störungen der Granulozytopoese ebenfalls bereits die unmittelbaren Wundfolgen, speziell die Granulozytenemigration und ihre Mikrophagenfunktion in der katabolen Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung. Wundinfektionen und sekundäre Wundheilungen können folgen. Das gilt auch für den Ablauf der Wundheilung bei Leukämien. Bei Störungen der Thrombozytopoese sind wie bei anderen hämorrhagischen Diathesen ebenfalls Störungen bereits zu Beginn der Wundheilung, also der unmittelbaren Wundfolgen, möglich. Die Bedeutung einer ausreichenden Thrombozytenaggregation für die Gerinnung der posttraumatischen Blutung, der Ausbildung des primär das Wundfeld abdeckenden Blutschorfes usw., sind in Abschnitt 3.1 angegeben (zum speziellen Fall des Vitamin C-Mangels s. Abschnitt 7.4.3). Auch bei Verbrauchskoagulopathien können die Blutungen ebenso \vie bei den zuvor geschilderten Prothrombinmangelzuständen bei Lebererkrankungen, Vitamin KResorptionsstörungen bei Verschlußikterus usw., verstärkt sein. Nachblutungen mit Hämatombildungen im Wundgebiet (mit erhöhter Gefahr von Infektionen, Wunddehiszenzen usw.) können auftreten.

4. Bindegewebserkrankungen (7.2.4) In diesem Zusammenhang interessieren am meisten die Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises sowie die grob unter dem Begriff: „Kollagenosen" zusammengefaßten, verwandten Erkrankungen ζ. B . des Lupus erythematodes disseminatus, der Dermatomyositis, Poly- bzw. Periarteriitis nodosa usw. Ihnen gemeinsam ist das Konzept der Autoaggression, also der Bildung von Autoantikörpern gegen körpereigene Substanzen, speziell der Hauptbestandteile des Wundgranulations- wie jedes Bindegewebes: Zellen, Fasern und Grundsubstanz. Auch Basalmembranmaterial kann in diesem Zusammenhang zur Autoantikörperbildung führen. Fibrinoide Nekrosen sind die primären morphologischen Substrate. Inwieweit nun immunkompetente Zellen und vermehrt antikörperproduzierende Elemente (Lymphozyten und Plasmazellen: s. Abschnitte 5.1.3 sowie 5.1.9) im Rahmen von Wundheilungen bei diesen Erkrankungen qualitativ und quantitativ verändert sind, ist ebensowenig bekannt wie die Auswirkung der immunologischen Aktivität des einzelnen Krankheitsbildes auf in ihrem Verlauf eintretende Wundheilungen. Am meisten bekannt ist dagegen, daß alle diese Erkrankungen nicht nur zu einer Störung des Bindegewebsstoffwechsels in den für die jeweilige Erkrankung charakteristischen Geweben und Organen führen, sondern im gesamten Bindegewebe (im Sinne der generalisierten vnspezifischen Mesenchymreaktion: H A U S S et al. I 9 6 0 ; H A C S S und J U N G E - H Ü L S I N G 1961a, b; J U N G E - H Ü L S I N G 1963.1965; G E R L A C H 1966).

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J · LINDNER, Die posttraumatische E n t z ü n d u n g und Wundheilung

Das bedeutet, daß die Wundsetzung bei diesen E r k r a n k u n g e n Bindegewebe a n t r i f f t , die bereits eine Erhöhung ihrer Synthese- u n d Umsatzraten aufweisen. Zusätzliche Reizeinwirkungen können dann zu der von HAUSS und Mitarb. beschriebenen zusätzlichen Steigerung des Bindegewebsstoffwechseis, also zum sog. Additionsphänomen führen. Jedoch sind genauere Einzelheiten hinsichtlich der Anwendung dieser vorwiegend experimentell gewonnenen Befunde auf den konkreten Fall der Wundheilung bei den vorgenannten Bindegewebserkrankungen nicht bekannt. Da in ihrem Verlauf Bindegewebs-Überschußbildungen resultieren können, auch und besonders an den Gefäßen aller Größenordnungen, m u ß in den späteren Stadien dieser Erkrankungen mit einer ungünstigeren Ausgangssituation bei der Wundheilung im Vergleich zu Normalpersonen gerechnet werden. Gerade bei der Dermatomyositis und Sklerodermie ist in den späteren Stadien ein (wahrscheinlich auch strukturverändertes) vermehrtes unreifes Kollagen der H a u t nachweisbar, wodurch Störungen der Heilung von W u n d e n in diesem Bereich eintreten können. Da diese ζ. T. sich selbst unterhaltenden chronischen Autoaggressionserkrankungen mit verschiedenen Medikamenten behandelt werden, k o m m t deren Einfluß auf den Verlauf der Wundheilung bei solchen Patienten hinzu (s. Abschnitt 7.5). Als ein Beispiel f ü r die vorgenannte unspezifische, generalisierte Beteiligung der verschiedenen Bindegewebe an der Stoffwcchselsteigerung bei rheumatoider Arthritis wird in Abb. 48 ein Beispiel vorgewiesen :

Veränderung der sulfatierten Schleimsynthese des Magen-Darmtraktes (Kaninchen) bei Hyperergie

Abb. 48. Änderung der sulfatierten Schleimsynthese des Magen- u n d D a r m t r a k t e s bei hyperergischer Arthritis am postnatal-thymektomierten Kaninchen (obere Spalte) im Vergleich zu nicht-thymektiomierten Kaninchen (mittlere Spalte) und zu gesunden Kontrollkaninchen (untere Spalte) mit Beispielen hormoneller Einflüsse (weiteres s. Text)

Regulation und Beeinflussung der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

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I n Abb. 48 ist die Veränderung der sulfaticrten Schleimsyntliese des Magen- und Darmtraktes bei dieser chronisch hyperergischen Kniegelenksarthritis des Kaninchens (nach KLINGE) dargestellt (aus gemeinsamen vergleichenden Untersuchungen an diesem optimalen Modell der Imitation der rheumatoiden Arthritis des Menschen zusammen mit U E B E R B E R G und Mitarb.: G R A S E D Y C K et al. 1969, 1971; L I N D N E R 1969d, e ; U E B E R B E R G et al. 1 9 6 9 ; L I N D N E R et al. 1970; L I N D N E R und G R A S E D Y C K 1971; U E B E R B E R G und L I N D N E R 1971). Wie aus den 3 Spalten der Abb. 48 b hervorgeht, ist die Synthese sulfatierter Schleime des Magenund Darmtraktes bei chronisch-hyperergischer Kniegclenkssarthritis des Kaninchens gegenüber gesunden Tieren (unterer Bildabschnitt) erhöht — und zwar bei postnatal thymektomierten Tieren (obere Bildspalte) stärker als bei nichtthymektomierten Tieren (mittlere Bildspalte) mit hyperergischer Arthritis. Die postnatal thymektomierten Tiere zeigten außerdem gegenüber nicht-thymektomierten Kaninchen mit chronisch-hyperergischer Arthritis einen erheblichen Anstieg der »Synthese sulfatierter Schleime in Pylorus und Duodenum (zur Vergleichbarkeit der entsprechenden epithelialen und mesenchymalen Proteoglykan-Synthese s. auch Abb. 26, 27 und 28 sowie T e x t dazu im Abschnitt 5.2.1.) Die Cortisol- und Insulin-Einflüsse (s. unterbrochene Linie in Abb. 48 b) zeigen lokalisations-, spezies- und vorbehandlungsabhängige Unterschiede. Die einzelnen Magen- und Darmschleimhautabschnitte sind in Abb. 4 8 b enger zusammengefaßt, wurden aber anhand von Schleimhautkürettagen (bis zu 150 Proben pro Intestinaltrakt) schrittweise über den gesamten Verlauf des Magen- und Darmtraktes analysiert (weiteres dazu s. L I N D N E R 1969d). Zur besseren Lokalisation und Übersicht sind die Ergebnisse auf eine schematische Einzeichnung des Magen- und Darmtraktes des Kaninchens (unter der mittleren Spalte der Abb. 48 b) projiziert. Somit entspricht die in Abb. 4 8 b dargestellte Erhöhung der epithelialen Schleimsynthese bei hyperergischer Arthritis der zuvor genannten und an Beispielen in Abb. 4 8 a gezeigten unspezifischen generalisierten Beteiligung der verschiedenen Bindegewebe an der erhöhten Gtykosaminoglykan-Proteinkomplexsynthese bei hyperergischer Arthritis des Kaninchens. Somit ist an einem Beispiel in Abb. 48 deutlich gemacht, was im Zusammenhang mit den vorgenannten Bindegewebserkrankungen zur Frage der unspezifischen Stoffwechselerhöhung auch der nicht unmittelbar von der einzelnen E r k r a n k u n g betroffenen Bindegewebe gemeint ist (zugleich mit der Möglichkeit des sog. Additionsphänomenes einer zusätzlichen Reizsetzung, ζ. B . durch eine Verletzung mit anschließender posttraumatischer Entzündung und Wundheilung) ( K E E C I I 1954; H A U S S et al. 1960. 1963; H A U S S und J U N G E - H Ü L S I N G 1961 a. b ; J U N G E - H Ü L S I N G 1 9 6 3 , 1 9 6 5 , 1 9 6 9 ; L I N D N E R 1 9 6 5 , 1 9 6 6 a , c, d, 1967a. b. c, d, 1 9 6 8 b , c, 1 9 6 9 b . c, e ; J U N G E - H Ü L S I N G und W A G N E R 1968).

5. Atherosklerose (7.2.5) Auch über den Einfluß der Atherosklerose auf den Verlauf der Wundheilung liegen nur klinische Beobachtungen, jedoch keine ausreichenden morphologischen und biochemischen Daten vor. Zu Beginn und im Verlauf der Atherosklerose, vor allem bei frischen Schiiben durch die heterogenen, atherosklerogenen Xoxen, sind Stoffwechselsteigerungen des Gefäßwandbindegewebes und eine Mitbeteilung anderer Bindegewebe im Sinne der unspezifischen generalisierten Mesenchymreaktion beobachtet worden (HAUSS und J U N G E H Ü L S I N G 1961: L I N D N E R et al. 1965/1967; L I N D N E B 1969a). Die Verhältnisse liegen also in dieser Hinsicht ähnlich wie bei den zuvor geschilderten Bindegewebserkrankungen, so auch für die Frage, ob bei einer Mitbeteiligung der Haut an dieser generalisierten Mesenchymreaktion in dieser Phase gesetzte Wunden anders heilen als normalerweise. Am besten bekannt sind Wundheilungsstörungen bei vollausgeprägter Atherosklerose, besonders wenn auch der periphere Gefäßbaum an dieser Erkrankung beteiligt ist. Dann resultieren, wie im vorausgehenden Abschnitt angegeben, Gefäßwandverbreiterungen und -einengungen bis zur Mitbeteiligung präkapillärer Gefäßwandabschnitte und ζ. T. auch der kapillären Basalmembran. Die Folge kann eine Störung bereits der unmittelbaren Wundfolgen, aber auch der weiteren, davon abhängigen Phasen der Wundheilung sein. Besonders die Blutversorgung des Wundgebietes als entscheidender Faktor für den regelhaften Ablauf der katabolen und der anabolen Phase der posttrauma-

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J· Lindxer, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

tischen Entzündung und Wundheilung kann bei ausgeprägter Arterio-Arteriolosklerose erheblich gestört sein. Die dadurch bedingte Blut- und Sauerstoff-Minderversorgung des Wundgebietes wirkt sich also bereits nachhaltig auf die primäre und sekundäre Azidose durch noch stärkere Herabsetzung der Sauerstoffspannung und Erhöhung der C0 2 -Spannung im Wundfeld aus als im normalen Wundheilungsablauf. Die im Abschnitt 4.6 beschriebene Normalisierung der Verschiebung des Gewebs-pH und deren Folgen im Wundgebiet ist verzögert, der Zustand der anaeroben Glykolyse verlängert und damit der Übergang des erhöhten Wundheilungsstoffwechsels von dem primär gesteigerten Katabolismus in den sekundär überwiegenden Anabolismus des Wundgranulationsgewebes entscheidend beeinträchtigt. Hinzu kommt schließlich bei der Arterio-Arteriolosklerose eine erhebliche Störung der im Abschnitt 5. 6 beschriebenen Kapillarregeneration, also des Wundheilungsprozesses, der in den ersten 2 Tagen nach Wundsetzung beginnt und für die Reinigung des Wundfeldes ebenso wie für die Bindegewebsreaktion insgesamt entscheidende Voraussetzung ist. Es können schwerwiegende Wundheilungsstörungen resultieren.

6. Tumoren (7.2.6) Die klinischen Beobachtungen von Wundheilungsstörungen bei Tumorpatienten können unterschiedliche Ursachen haben. Bei älteren Tumorpatienten sind die im Abschnitt 7.1 beschriebenen Alterungs-Einflüsse auf die Wundheilung zu berücksichtigen. Sie können bei gleichzeitiger Tumorkachexie durch die Vorgänge verstärkt und kompliziert werden, die in Abschnitt 7.2.1 beschrieben wurden. Diese Einflüsse wirken sich auch auf die Wundheilung jugendlicher Tumorträger aus, wenn die Grundkrankheit zur Kachexie führte. Vom Tumorgewebe freigesetzte Stoffe können theoretisch die verschiedensten Phasen der Wundheilung stören, was jedoch im einzelnen noch nicht geklärt ist. Das gilt auch für die Wirkung der von Tumoren freigesetzten Plasminogenaktivatoren und anderer proteolytisch aktiver Enzyme einschließlich von Abbauprodukten, die den Entzündungsmediatoren ähneln, insgesamt also von Substanzen, die in die katabole Phase der Wundheilung eingreifen können. Es gilt ferner für paraneoplastische Substanzbildungen einschließlich von Hormonen, vor allem aber für indirekte Auswirkungen tumorabhängiger Beeinflussungen des Knochenmarkes und der bindegewebigen Organe hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Immunantwort, Entzündungsabwehr usw. Am besten bekannt sind Wundheilungsstörungen bei Tumorpatienten durch die Tumorbehandlungsmaßnahmen, speziell durch Zytostatika und Bestrahlungen (weiteres dazu s. Abschnitte 7.5.6 und 7.5.7).

7. Xiercnerkrankungen (7.2.7) Theoretisch besteht die Möglichkeit, daß auch bei der akuten diffusen Glomerulonephritis als Zweiterkrankung nach einem Streptokokkeninfekt durch dabei auftretende AntigenAntikörperkomplexe eine ähnliche Situation entsteht, wie sie im Zusammenhang mit den speziellen Bindegewebserkrankungen im Abschnitt 7.2.4 genannt wurde. Denn auch bei der menschlichen Immunoglomerulonephritis braucht keine absolute Spezifität bzw. immunologische Beziehung der Antikörper zu den antigenen Glomerulumstrukturen, speziell den Basalmembranen zu bestehen. Auch die kapillären Basalmembran-Anteile anderer Organe können nach immunhistochemischen Befunden Bindungsstellen sein. In jedem Falle aber tritt auch bei dieser Erkrankung wie bei anderen Autoaggressionserkrankungen eine unspezifische generalisierte Mesenchymreaktion ein, auf deren Boden ein zusätzlicher Reiz wie die

Regulation und Beeinflussung der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

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Wundsetzung zur additiven, also überschießenden Bindegewebsreaktion des betroffenen Hautgewebes führen könnte. Dafür sprechen Befunde von HATJSS und Mitarb. (1968). Im übrigen sind Wundheilungsstörungen bei Nierenerkrankungen klinisch häufig beobachtet, vor allem bei mit Ödemen einhergehenden Nephritiden und Nephrosen. Unabhängig von der Andersartigkeit des pathogenetischen Ödemmechanismus können gleiche Folgen eintreten, wie sie im Zusammenhang mit dem Eiweißmangel- und Hungerödem im Abschnitt 7.2.1 beschrieben wurden (speziell gesteigerte Infektionsgefahr, Wunddeliiszenzen und weitere Wundheilungsstörungen). Klinische und experimentelle Beobachtungen sprechen dafür, daß bei Niereninsuffizienz die Entzündungsantwort des Organismus verringert ist. Basierend auf entsprechenden Befunden hat HEILMEYER (1956) mit seinen Mitarbeitern nachgewiesen, daß bei ausgeprägter Urämie sogar Entzündungsantworten unterbleiben können. Einflüsse der Niereninsuffizienz auf den gesamten Ablauf der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung sind jedoch noch nicht ausreichend morphologisch und biochemisch analysiert. Die bisherigen Befunde von HIEMEYER und FEYEX (1969) sprechen jedoch dafür, daß bereits die katabole Phase der Entzündung und Wundheilung bei Niereninsuffizienz reduziert und gestört sein kann. Experimentell konnte im urämischen Koma eine Reduktion der Proteolyse und der Kollagenolyse in der katabolen Phase der Entzündung gezeigt werden. Bei experimenteller Erhöhung von Harnstoff und Kreatinin (zur Überprüfung des pathogentischen Mechanismus) war ebenfalls eine Reduktion der entzündlichen Exsudation. Proteolyse und Kollagenolyse nachzuweisen. Weitere Untersuchungen sind jedoch erforderlich, um die weiteren Einzelheiten des Einflusses der Niereninsuffizienz auf die verschiedenen Phasen der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung zu klären. Das gilt in gleichem Maße für die sekundären Folgen bekannter Symptome der verschiedenen Nierenerkrankungen auf die Wundheilung (renale und/oder infektiös bedingte Anämie, Osteopathie — speziell bei chronischer Pyelonephritis, Azidose, Blutdrucksteigcrung usw.). Hier gilt wie einleitend zum ersten Unterabschnitt dieses Kapitels ..Beeinflussung durch Erkrankungen" ausgeführt wurde: Den klinischen Beobachtungen von Wundheilungsstörungen bei Patienten mit den beispielhaft aufgeführten wichtigsten Erkrankungen stehen nur wenige morphologische und biochemische Analysen der diesen Wundheilungsstörungen zugrunde liegenden pathogenetischen Mechanismen gegenüber. Analogieschlüsse aus Einzelbefunden und von vergleichbaren experimentellen Beobachtungen reichen nicht aus, dem Kliniker eine befriedigende Antivort auf die Frage zu geben, iceshalb die einzelnen Erkrankungen die von ihm beobachteten Wundheilungsstörungen verursachen. Deswegen wurde in diesem Kapitel mit seinen Unterabschnitten vermieden, die icenigen Einzelbefunde morphologischer und biochemischer Analysen zur iceiteren Erklärung heranzuziehen. Sie reichen dafür nicht aus. Die reeitere Bearbeitung dieser Fragestellung ist die dringende Aufgabe des Grundlagenforschers in Zusammenarbeit mit dem Kliniker. Ergiebiger für beide Seiten sind die Befunde zur Regulation und Beeinflussung der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung, die in den folgenden Abschnitten 7.3, 7.4 und 7.5 zusammengefaßt sind.

C. Hormone ( 7 . 3 ) 1. Hypophyse

(7.3.1)

Von den Hypophysenhormonen ist am meisten der Einfluß von adrenokortikotropem Hormon (ACTH) auf die posttraumatische Entzündung und Wundheilung wie auf andere entzündete und nichtentzündete Bindegewebe untersucht (Übersichten s. SELYE 1947, 1950.

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J · LINDNER, D i e p o s t t r a u m a t i s c h e E n t z ü n d u n g u n d W u n d h e i l u n g

1955; I V E R S E N 1954; A S B O E - H A N S E N 1963, 1966; D Z I E W I A T K O W S K I 1964). ACTH hemmt die Bindegewebsentwicklung bei der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung durch seinen prinzipiell den BindegewebsstoffWechsel senkenden Effekt. Bei der Wundheilung hat ACTH hemmende Einflüsse bereits auf die katabole Phase mit Reduktion der Exsudation, ζ. T. auch der Emigration sowie des katabolen Abbaues. Auch die Kapiiiarisierung des Granulationsgewebes wird durch ACTH reduziert, wodurch eine zusätzliche Hemmwirkung neben der direkten Hemmung auf Proliferation und Synthese der zwischensubstanzproduzierenden Zellen des Wundgranulationsgewebes resultiert. Das ist verständlich, weil ACTH über die Glukokortikoidausschüttung wirkt. In vitro-Untersuchungen haben jedoch gezeigt, daß ACTH außerdem auch eine direkte Hemmwirkung auf den Bindegewebsstoffwechsel besitzt. Experimentelle Befunde ergaben geschlechtsabhängige Unterschiede der ACTH-Wirkung: besonders die Grundsubstanzsynthesehemmung ist bei weiblichen Tieren durch ACTH deutlicher als beim männlichen. In beiden Fällen kann der hemmende Einfluß von Cortison durch ACTH teilweise reduziert werden, in Abhängigkeit von Dosis und Dauer der ACTH-Gabe. Denn bei längerdauernder ACTH-Applikation sind auch Wirkungen wie durch Mineralokortikoide beobachtet: Aktivierung einzelner Stoffwechselparameter des Bindegewebes mit Erhöhung von Synthese- und Umsatzraten der Zwischensubstanzbestandteilc, speziell der Grundsubstanz. Da diese Befunde in der Regel nicht auf den ZeJlgehalt als Parameter bezogen wurden (weiteres dazu s. Abschnitt 5.2 und 5.3), ist noch nicht ausreichend analysiert, welchen Anteil an der ACTH-bedingten Synthesereduktion der Cortison-ähnliche Hemmeffekt des ACTH auf die Zellproliferation und den Zellumsatz bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung besitzt ( A L R I C H et al. 1951; B A X T E R et al. 1951;

IVERSEN

1954;

SELYE

1955;

TAUBENHAUS

und

AMROMIN

1956;

MENKIN

1957;

D O R F M A N u n d S C H I L L E R 1 9 5 8 ; S O B E L u n d MARMORSTON 1 9 5 8 ; R O H D E e t a l . 1 9 6 1 ; A S B O E -

1963, 1966; S C H I L L I N G et al. 1963b; D Z I E W I A T K O W S K I 1964; J U N G E - H Ü L S I N G 1963/1965; L I N D N E R 1963—1969; L I N D N E R und F R E Y T A G 1967; J O H A N N E S und L I N D N E R 1969). Bei CusHiNG-Patienten bekannte Hemmungen der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung wie anderer Entzündungen entsprechen den Befunden der ACTHWirkung. Von den weiteren Hypophysenhormonen ist besonders der Einfluß von somatotropem Hormon (STH) geprüft worden. E s führt zu einer Steigerung der Zellproliferation und des Zellumsatzes sowie zu einer Erhöhung der Synthese und des Umsatzes von Proteoglykanen und Kollagen des Wundgranulationsgewebes (und damit zu einer Steigerung dessen Bildung bis zum Granulationsgewebsüberschuß). Ob eine sinnvolle Beschleunigung der Wundheilung —bei Verzögerung ihres Ablaufes infolge anderer Ursachen — durch das somatotrope Hormon erreicht werden kann (wie bei Akromegalien beobachtet), ist noch nicht ausreichend überprüft. Durch die STH-bedingte Steigerung des Kollagenumsatzes ist vor allem der Anteil löslicher Kollagenfraktionen im Wundgebiet (wie in anderen Bindegeweben) erhöht. Durch diese generalisierte Wirkung auf die Bindegewebe des Organismus kann es zu einer Erhöhung des Serumhydroxyprolingehaltes sowie der Ausscheidung von freiem und gebundenem Hydroxyprolin im Urin kommen. Auch bei Wundheilungen anderer Gewebe als der Haut ist eine entsprechende wachstumsfördernde Wirkung von S T H festzustellen, ζ. B . an der Gefäßwand sowie bei der Knochenbruchheilung (ebenfalls mit vermehrter Zellproliferation, verstärkter Knochenneubildung und rascherer Ausreifung des Knochenbruch-Kallusgewebes). Bei experimentellen Untersuchungen sind Unterschiede dieser STHWirkungen in Abhängigkeit davon festzustellen, ob die Versuchstiere hypophysektomiert waren oder nicht. Zellproliferationen und Zwischensubstanz-Syntheseprozesse werden bei hypophysektomierten Tieren durch S T H weniger als bei nichthypophysektomierten Tieren beeinflußt. Dosisabhängige konträre Effekte können auch bei S T H wie bei anderen Hormonen anhand von in vivo- wie von in vitro-Prüfungen nachgewiesen werden (s. auch HANSEN

Regulation und Beeinflussung der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | 9θ

folgende Abbildungsbeispiele sowie: A S B O E - H A N S E N 1950a; S E L Y E 1955; H I L Z 1960; D E N K O und B E R G E N S T A L 1961; H I L Z et al. 1963, 1966; L I N D N E R 1962—1970; J U N G E H Ü L S I N G 1963/1965; U D U P A und G U P T A 1965; L I N D N E R und F R E Y T A G 1967; K O W A L E W S K I et al. 1968; J O H A N N E S und L I N D N E R 1969). Prophlogistische Hormonwirkungen haben neben STH auch Thyreotropin und DOC'A. Ihnen gemeinsam ist die Förderung der Zellproliferation und -differenzierung von Fibroblasten mit vermehrter Bildung von Grundsubstanz und Fasern, also des Wachstums des Granulationsgewebes. Auch die katabole Phase der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung kann durch diese prophlogistischen Hormone verstärkt werden, insbesondere die Exsudation sowie die Depolymerisierung der Proteoglykankomplexe, vor allem aber von Hyaluronsäure. Neben einer permeabilitätssteigernden Wirkung ist auch im Rahmen der Granulationsgewebsförderung an den Gefäßen eine vermehrte Proliferation und resultierende Vaskularisierung des Wundgranulationsgewebes durch diese prophlogistischen Hormone morphologisch nachweisbar. Ob die Förderung der Zellproliferation und der Synthese von Zwischensubstanzbestandteilen durch thyreotropes Hormon (TSH) auf einer vom Schilddrüsen-stimulierenden Faktor abgrenzbaren Bindegewebs-stimulierenden Komponente des T S H beruht, ist noch offen ( T A U B E N H A U S und A M R O M I N 1 9 5 6 ; A S B O E - H A N S E N 1 9 6 6 ) . Durch die TSH-Stimulierung des Bindegewebsumsatzes sind nicht nur die Synthese von Grundsubstanz-Proteoglykanen und von Kollagen erhöht, sondern auch ihr Abbau (einschließlich der unlöslichen Kollagenfraktion), entsprechend der STH-Wirkung. Über den Einfluß von Luteinisierungs- und von Follikel-stimulierendem Hormon (LH bzw. F S H ) auf das Bindegewebe liegen einige Befunde vor: Beide Hormone hemmen die 3 5 S-Sulfat-Inkorporationsraten und damit die Grundsubstanzsynthese in verschiedenen Bindegeweben, wie andere Hemmstoffe um so stärker, je höher die Syntheseraten in der Ausgangssituation waren. Der Einfluß von F S H ist stärker als derjenige von L H und soll in vivo im wesentlichen durch die vermehrte Östrogenausscheidung bedingt sein. Aber auch bei in vitro-Zusatz wirkt F S H gleichsinnig ( — hemmend) auf die 3a ,S-Sulfat-Inkorporation (weiteres s. folg. Abb. sowie Abschnitt 7.3.5).

Wie bereits oben angegeben, ist der Einfluß von Hypophysenhormonen auf die posttraumatische Entzündung und Wundheilung wie auf andere Bindegewebe verschieden in Abhängigkeit davon, ob eine Hypophysektomie vorliegt oder nicht. Hypophysektomie bzw. der völlige Ausfall der Hypophyse führen zu einer Senkung des Bindegewebsstoffwechsels und zu einer Verlangsamung und Störung der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung, speziell ihrer anabolen Phase. Bei hypophysektomierten Tieren werden (bei Vergleich morphologischer und biochemischer Befunde) fast alle zuvor in Unterabschnitten geschilderten Einzelprozesse der katabolen und anabolen Phase der Wundheilung gehemmt. I n Abb. 49 ist an Beispielen gezeigt, daß durch die Hypophysektomie auch der Stoffwechsel nicht verletzter Bindegewebe verändert wird, bei lokalisationsabhängigen Unterschieden ζ. Τ . mit einer entsprechenden Abnahme der gemessenen Stoffwechselgrößen, ζ. T . mit einer Zunahme derselben. Bei Benutzung der 3 5 S-Sulfat-Inkorporationsratenmessung als Indikatormethode für die Proteoglykan-(Grundsubstanz-)-Synthese zeigt sich, daß 21 Tage nach Hypophysektomie bei R a t t e n noch eine mäßige Erhöhung der Inkorporationsraten im Xiphoid- und Rippenknorpel, jedoch nicht in der Aorta vorliegt. Diese Werte der genannten Bindegewebe 21 Tage nach Hypophysektomie sind in Abb. 4 9 a mit Κ = Kontrolle bezeichnet. Dabei zeigt sich (wie in den weiteren Abb. zu den folgenden Unterabschnitten), daß geschlechtsabhängige Unterschiede zu beachten sind. In den in Abb. 4 9 a angegeber.en Dosierungen führen ACTH, L H und F S H sowie Cortisol zu unterschiedliehen, von der Lokalisation der betreffenden Bindegewebe und vom Geschlecht abhängigen Veränderungen der 3 5 S-Sulfat-Inkorporationsraten. In der Regel ist eine Reduktion derselben festzustellen. Das wird noch deutlicher bei isolierter Darstellung von Teilbefunden in Abb. 4 9 b : am Beispiel des Rippenknorpels wird gezeigt, daß seine 3 5 S-SulfatInkorporationsrate 21 Tage nach Hypophysektomie gegenüber dem Wert nicht operierter Kontrollen

96 I

6

J . LINDNER, Die p o s t t r a u m a t i s c h e E n t z ü n d u n g u n d W u n d h e i l u n g ΙρΜ/100 mg TG /.»104-

H y p o p h y s e k t o m i e (21 Tage post op." Κ = Kontrolle ACTH = 0 . ( M I.E. LH - 3,8 I.E. FSH = 5,0 I.E. C = Cortisol 0,25 mg (1 MC)

2χ104-

Κ

ACTH LH FSH C Proc. Xiph

fllJ

x J L ru ACTH LH FSH C Aorta

ACTH LH FSH C Rippenknorpel

35S-Sulfat-lnkorporation

(in v i t r o ) des R i p p e n k n o r p e l s 21 T a g e n a c h H y p o p h y s e k t o m i e

lpm/100 mg TG

104-

• ohne und mit

Κ nicht op.

Hypoph. Κ

Hormonzusätzen

0,00i I.E.

0,25mg

1 mg

1 mg

ACTH

Cort.

LH

FSH

Abb. 49. Beispiele des Einflusses der H y p o p h y s e k t o m i e sowie von H o r monzusätzen auf die 3 5 S-Sulfat-Inkorporationsraten einzelner Bindegewebe (weiteres s. T e x t sowie Abb. 59) noch e r h ö h t ist (Vergleich der 2. zur 1. Säule, bei Beschreibung von links n a c h rechts in Abb. 49b). 21 Tage n a c h Scheinoperation ist die d a d u r c h zuvor ebenfalls gesteigerte 3 5 S-Sulfat-Inkorporation des Rippenknorpels wieder im normalen Ausgangsbereich (und deswegen hier nicht g e t r e n n t a u f g e f ü h r t ) . Anseilließend (von links n a c h r e c h t s : 3.—(5. Säule) sind Beispiele der auch in diesem Falle bei in vitroZusatz nachweisbaren ACTH- u n d Cortisol-bedingten H e m m u n g der 3 5 S-Sulfat-Inkorporation sowie die entsprechende, noch stärkere H e m m w i r k u n g von L H (Luteinisierungshormon) u n d von F S H (Follikelstimulierendem H o r m o n ) zu sehen. 2. X e b e n n i e r e n r i n d e

(7.3.2)

Zur hormonellen Regulation des Bindegewebsstoffwechsels liegen die meisten B e f u n d e für Glukokortikoide, speziell für Cortison u n d Cortisol vor (Übersichten s.: SELVE 1 9 4 7 , 1 9 5 0 , 1 9 5 5 ; IVERSEK 1 9 5 4 ; ASBOE-HANSEN 1 9 6 3 , 1 9 6 6 ) . Dabei ergibt sich als wesentliche Feststellung, d a ß der Einfluß der Glukokortikoide auf den Bindegewebsstoffwechsel ins-

Regulation und Beeinflussung der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | 97

besondere auf die posttraumatische Entzündung und Wundheilung vielschichtig, also keineswegs einseitig bzw. nur auf einen Stoffwechselparameter zu beziehen ist. Die posttraumatischen Veränderungen aller 3 Bestandteile des Bindegewebes, von Zellen, Fasern und Grundsubstanz sind betroffen. Über den Einfluß von Glukokortikoiden auf die Zellen des Wundgranulationsgewebes ist zusammengefaßt folgendes bekannt: Durch eine Hemmung der unmittelbaren Wundfolgen sind Exsudation und Emigration der posttraumatischen Entzündung (wie bei jeder Entzündung) durch Glukokortikoide reduziert. Der histologisch feststellbare Gehalt des Wundfeldes an Granulozyten ist verringert, aber auch der Anteil emigrierter lymphomonozytoider Elemente. Durch den direkten Einfluß der Glukokortikoide auf die DNS-Synthese werden die in Abschnitt 5.1.1 beschriebenen 3 H-Thymidin-Markierungsindizes und Mitoseraten und damit die Teilung und der Umsatz der hämatogenen und histiogenen Zellen des Wundgranulationsgewebes reduziert. Bereits dabei sind in vivo wie in vitro dosisabhängig gegebenenfalls konträre Effekte der Kortikosteroide nachweisbar ( R O H D E et al. 1961; L I N D N E R 1966—1969). Die durch antiphlogistische Nebennierenrindenhormone bedingte Lymphozytolyse führt zur zusätzlichen Reduktion der verschiedenen Lymphozytenformen sowie von Plasmazellen im Entzündungsfeld auch des Wundgranulationsgewebes (EHRICH 1956). Kortikosteroidabhängige Befunde an eosinophilen Granulozyten und besonders an Gewebsmastzellen im Wundgranulationsgewebe sind unterschiedlich. Die hormonelle Proliferationshemmung reduziert auch die in den ersten 2 Tagen nach Wundsetzung bereits lichtoptisch nachweisbare Proliferation und ausreichende Ausbildung des Kapillarnetzes im Wundgebiet. Die hormonelle Zellproliferations- und -differenzierungshemmung kann die Zwischensubstanz-synthetisierenden Zellen stärker als die Makrophagen betreffen, so daß eine relative und absolute Verschiebung der Zellpopulation zugunsten des Makrophagengehaltes resultieren kann. Trotzdem kann die Reinigung des Wundfeldes unter Glukokortikoidbehandlung gestört und vermindert sein: Durch die Glukokortikoid-bedingte Hemmung der DNS- und RNS-Synthese wird prinzipiell die Proteinsynthese und damit auch die Enzymeiweißsynthese reduziert. Neben der hormonell bedingten Hemmung der unmittelbaren Wundfolgen, also der gesteigerten Permeation, Exsudation und Emigration kommt es somit zu einer Reduktion des in den Abschnitten 4.4 sowie 4.5 beschriebenen extrazellulären und intrazellulären Katabolismus bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung. Offenbar ist die Reduktion der Enzymeiweißsynthesen nicht nur auf Hydrolasen beschränkt, sondern betrifft auch Oxydoreduktasen. Die generelle Glukokortikoid-bedingte Proteinsynthesehemmung betrifft auch die Synthese von Antikörpereiweißen usw. (zur Synthesehemmung der ZwischensubstanzDifferenzierungsprodukte s. u.). Auch der Wirkungsablauf hydrolytischer Enzyme wird durch Glukokortikoide beeinflußt, ζ. T. durch Hemmung der Lysosomenausschleusung für den extrazellulär startenden Katabolismus, ζ. T. durch membranstabilisierende Einflüsse (auch der Lysosomenmembran), ζ. T. durch konsekutive Hemmung auch des intrazellulären Katabolismus. Die Membraneinflüsse hormoneller Antiphlogistika führen bereits durch eine Reduktion der Endozytose von Mikro- und Makrophagen zu einer Reduktion der Voraussetzungen für den weiteren intrazellulären Katabolismus im Wundgebiet. Schon S E L Y E (1950, 1955) fand, daß nach einer kurzfristigen Phagozytoseerhöhung durch Retikuloendothelien in der sog. Alarmreaktion auch diese Phagozytose Vorgänge wie an den Granulozyten reduziert sind, bedingt durch die Stress-abhängige Glukokortikoidausschüttung der Nebennierenrinde. Ihre Mitose- und Proliferationshemmung betrifft schließlich auch die normalerweise sofort nach Wundsetzung startende Epithelregeneration in allen Phasen (s. Abschnitt 6). Besonders eingehend ist der hemmende Einfluß von Glukokortikoiden auf die Synthese von Zwischensubstanzprodukten, also von Grundsubstanz und Fasern untersucht: Handb. Plast. Chir., Bd. I

90

98 I 6

J . LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

Der primären Hemmung des Abbaues von Grundsubstanz- und Fasereiweißen bei Wundheilung wie bei nichttraumatischer Entzündung folgt die Reduktion der Synthese dieser Zwischensubstanzprodukte und damit ihres Umsatzes unter dem Einfluß von Glukokortikoiden. Diese hemmen die 3 5 S-Sulfat-Inkorporation, also die Synthese sulfatierter Glykosaminoglykane, zu einem geringeren Ausmaß auch die Synthese nichtsulfatierter Glykosaminoglykane und bedingen dadurch eine Verschiebung der Glykosaminoglykanmuster im Wundgranulationsgewebe. Insgesamt verringern also Glukokortikoide den Umsatz der Proteoglykane und verlängern ihre biologischen Halbwertszeiten, wie bereits von B A X T E R et al.

(1951);

LAYTON

(1951);

BOSTRÖM

BOSTRÖM ( 1 9 5 4 ) ; BOSTRÖM u n d J O R T E S

(1954);

und

und

ZACHARIAE ( 1 9 5 5 ) :

sowie

SCHILLER

(1952);

BOSTRÖM u n d ODEBLAD

(1953);

ZACHARIAE u n d M O L T K E ( 1 9 5 4 ) ; M O L T K E

DORFMAN ( 1 9 5 7

b) gezeigt wurde.

Auch der 2. Zwischensubstanzanteil, das Kollagen wird in seinen Stoffwechselparametern durch Glukokortikoide nachweisbar beeinflußt: Am wichtigsten ist die Hemmung der Kollagen-Biosynthese durch Glukokortikoide, wodurch unter ihrem Einfluß auch die Gesamtmenge des Kollagen wie der Proteoglykane im Wundgranulationsgewebe vermindert wird. Wie bei der Grundsubstanz sind auch beim Kollagen zusätzliche Einflüsse auf die einzelnen Fraktionen zu unterscheiden. Ihre Synthese und Gesamtmenge werden unterschiedlich beeinflußt: am stärksten ist die Hemmung von Synthese, Gesamtmenge und Umsatz der neutralsalzlöslichen Kollagenfraktion. Die säurelösliche Kollagenfraktion kann relativ, gegebenenfalls auch absolut gegenüber der neutralsalzlöslichen Fraktion des unbeeinflußten Granulationsgewebes unter Glukokortikoidbehandlung zunehmen. Da diese Hormone den Übergang der säurelöslichen Kollagenfraktion in die unlösliche Kollagenfraktion durch Beschleunigung und Vermehrung der inter und intramolekularen Kreuzbindungen erhöhen, morphologisch im Sinne einer sog. beschleunigten Differenzierung (SCHWARZ 1953, 1965; SCHWARZ et al. 1962), kann unter Glukokortikoideinfluß die Relation zwischen den 3 Kollagenfraktionen zugunsten der unlöslichen Fraktion auch im Wundgranulationsgewebe verschoben sein. Der Gesamtgehalt unlöslichen Kollagens ist jedoch in Abhängigkeit von Dosishöhe und Dauer der Glukokortikoidgabe gegenüber unbehandeltem Granulationsgewebe ebenfalls vermindert. Insgesamt ist somit nach den bisherigen Befunden eine Hemmung auch von Abbau und Synthese des Kollagen und damit insgesamt des Kollagenumsatzes festzustellen, mit Verlängerung der biologischen Halbwertszeiten der 3 Kollagenfraktionen. Wahrscheinlich wird bei der klinisch üblichen Glukokortikoiddosierung kein wesentlicher Einfluß auf die Beziehungen zwischen Grundsubstanz und Kollagenfasern erreicht, so daß die Bindung der interfibrillären Kittsubstanz an die Kollagenfasermoleküle wie bei unbehandelten Granulationsgeweben abläuft (weiteres s. Abschnitt 5.3). Einflüsse von Glukokortikoiden auf retikuläre und elastische Fasern des Wundgranulationsgewebes und anderer Bindegewebe sind nicht ausreichend geprüft. Bei längerdauernder Kortikoidgabe kann die durch Kreuzbindungszunahme (s. o.) bedingte Verfestigung und Stabilisierung des Kollagen zu einer stärkeren Verfestigung des Wundgranulationsgewebes mit entsprechender Erhöhung seiner mechanischen Eigenschaften führen (s. dazu Abschnitt 5 . 3 . 4 sowie H E R N Ä N D E Z - R I C H T E R und S T R U C K 1 9 6 7 ) . Prinzipiell sind die Folgen des Glukokortikoideinflusses auf das Wundgranulationsgewebe in Abhängigkeit von der Ausgangslage, Dosis und Dauer der Behandlung usw. verschieden. Bei überschießenden Granulationen sind die besprochenen Hormoneinflüsse therapeutisch günstig im Sinne einer Reduktion der Granulationsgewebsbildung auszunutzen. Auch durch andere Ursachen bedingte Verstärkungen und Verlängerungen der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung können durch die vorgenannten Wirkungen der Glukokortikoide auf die einzelnen Stoffwechselparameter des Wundfeldes günstig beeinflußt werden. Andererseits führen Glukokortikoide bei normaler Granulations-

6 | 99

Regulation und Beeinflussung der posttraumatischen E n t z ü n d u n g u n d Wundheilung

gewebsent wicklung und üblicher Dosierung zu einer Verzögerung der Wundheilung und damit zu einer Hemmung der Wundfestigkeit und Wundelastizität. Die Gefahr sekundärer Wundinfektionen in diesem Zusammenhang ist bekannt (besonders bei Cushing-Patienten mit Kortikosteroidüberschuß). Es ergibt sich zusammenfassend, daß Kortikosteroide mannigfaltige Einflüsse auf die verschiedenen Einzelprozesse der Wundheilung haben, weshalb ihre Anwendung bei posttraumatischer Entzündung und Wundheilung genauer Indikationen bedarf. Besonders Langzeitbehandlungen mit Glukokortikoiden können durch die folgende Resistenzmindermig des Organismus gegenüber Infektionen zu folgenschweren Komplikationen der Wundheilung führen. Besonders wichtig ist aus den Ergebnissen der Grundlagenforschung zur Glukokortikoidwirkung auf den BindegewebsstoffWechsel, daß dosisabhängige konträre Wirkungen eintreten können. Das bedeutet, daß Dosiserhöhungen keineswegs zu einer Zunahme der Hemmwirkungen, sondern im Gegenteil zu einer Steigerung besonders der anabolen Phase der Wundheilung führen können (wie an Beispielen abschließend gezeigt wird). Besonders hohe oder langdauernde Kortikosteroiddosierungen wirken toxisch und führen zu einer Umkehr der bisher beschriebenen Effekte. Dabei sind die 3 5 S-Sulfat-Inkorporationsraten, die Synthese und auch der Gehalt sulfatierter Glykosaminoglykane erhöht (noch stärker Synthese und Gehalt der nichtsulfatierten Hyaluronsäure). Auch der Kollagenumsatz und der Kollagengesamtgehalt können durch diesen konträren Wirkungseffekt erhöht werden, durch die obengenannte Glukokortikoid-bedingte Kreuzbindungszunahme aber besonders der Gehalt der unlöslichen Kollagenfraktion. ( B A K E R und W H I T A K E R 1 9 5 0 ; A L R I C H et al. 1 9 5 1 ; B A X T E R 1 9 5 1 ; LAYTON 1 9 5 1 ; GANGHAM 1 9 5 1 ; BOSTRÖM u n d ODEBLAD 1 9 5 3 ; e t a l . 1 9 5 3 ; M E A D O W S u n d P R U D D E N 1 9 5 3 ; CIIASSIN e t a l . 1 9 5 4 ; ZACHARIAE u n d 1954;

MOLTKE u n d

SCHILLER

und

DORFMAN 1957 b ; DENKO 1958; WILHELMI 1958; KOBLET u n d FRIEDEN 1960; DENKO

und

BERGENSTAL

1961;

1 9 6 2 — 1 9 7 0 ; HAUSS HÜLSING

ZACHARIAE

SETNI

etal.

1963/1965;

et

GRIES

et

1963; J0RGENSEN 1963

b;

KRÖGER

al.

1955; TAUBENHAUS u n d

1961;

1965;

GRIES

1965;

al.

AMROMIN

1962;

KIVIRIKKO GERLACH

1956;

KIEF

MOLTKE

KEMIXGER

und

1962;

LINDNER

LAITINEN 1965; JUNGE-

1966;

HERNÄNDEZ-RICHTER

u n d STRUCK 1 9 6 7 ; J U N G E - H Ü L S I N G u n d W A G N E R 1 9 6 8 ; KOWALEWSKI et al. 1 9 6 8 ; L I N D N E R u n d BREITENECKER 1 9 6 8 ; SENDELBECK u n d YATES

1970.)

Der Glukokortikoidwirkung entgegengesetzt ist in der Regel die Mineralokortikoidwirkung auf die Wundheilung. Anstelle einer Hemmung tritt eine Steigerung der Zellproliferation und damit der Zellzahl, besonders der Zwischensubstanz-produzierenden Fibroblasten im Wundgranulationsgewebe mit einer entsprechenden Synthesezunahme von Grundsubstanz und Fasern ein. Mineralokortikoide können demnach auch den Umsatz der Zwischensubstanzbestandteile (wahrscheinlich auch der Zellen) des Granulationsgewebes erhöhen und die biologischen Halbwertszeiten der Zwischensubstanzfraktionen verkürzen. I m einzelnen sind jedoch diese Einflüsse der Mineralokortikoide auf die einzelnen Stoffwechselparameter der Zwischensubstanzfraktionen des Wundgranulationsgewebes noch nicht ausreichend geprüft. Zur Förderung der Zellproliferation gehört auch eine verbesserte Kapiiiarisierung des Granulationsgewebes durch den Einfluß von Mineralkortikoiden, während Einflüsse auf die Epithelisierung bisher noch nicht erfaßt wurden. Prinzipiell ist die Wirkung pro- wie antiphlogistischer Hormone (und entsprechender, nichthormoneller Entzündungs-fördernder oder -hemmender Substanzen) nicht nur abhängig von der Dosis und Dauer der Behandlung, sondern auch von deren Einsatz. Je früher der Behandlungsbeginn erfolgt, um so deutlicher ist die entsprechende Substanzwirkung, je später, um so weniger deutlich. Diese Feststellung hat dazu geführt, daß bei experimenteller Prüfung pro- und antiphlogistisch wirkender hormoneller und nichthormoneller Stoffe nicht nur Dosis- und Behandlungszeit-Abhängigkeiten geprüft wurden, sondern auch die Wirkungseffekte in Abhängigkeit vom Behandlungsbeginn.

100 I 6

J · LINDNER, Die posttraumatische Entzündung und Wundheilung

Dabei ergab sich, daß eine auch in der Humanmedizin mögliche Vorbehandlung (vor Wundsetzung, speziell also vor Operationen) die besten stoffspezifischen Effekte hatte. Dabei reicht es aus, 36 bzw. 24 Stunden vor Wundsetzung (speziell also vor Operationen) mit der Behandlung zu beginnen. Eine dreitägige Vorbehandlung zeigt keine besseren Effekte. Wenn der Behandlungsbeginn zum Zeitpunkt der Wundsetzung liegt, sind die stoffspezifischen Wirkungen nur wenig geringer als bei dem vorgenannten Behandlungsbeginn vor Wundsetzung. Dagegen unterscheiden sich deutlich die Wirkungen pro- und antiphlogistischer Substanzen, wenn ihre Applikation 24, 48 oder gar 72 Stunden nach Wundsetzung beginnt. Bei den üblichen klinischen Dosierungen haben vor allem hormonelle wie nichthormonelle Antiphlogistika bei Behandlungsbeginn vom 5. Tag nach Wundsetzung an kaum noch stoffspezifische Wirkungen auf den Wundheilungsverlauf. Das gilt insbesondere auch für Mineralokortikoide (weiteres dazu s. Abschnitt 7.5.1). Zur besonderen Prüfung des Einflusses pro- und antiphlogistisch wirksamer Nebennierenrinden hormone werden experimentelle Adrenalektomien (beiderseits) vorgenommen, mit und ohne folgende Substitutionsbehandlung bei in vivo- und in vitro-Untersuchungen einzelner Stoffwechselparameter. Routinemäßig wird die 3 5 S-Sulfat-Inkorporationsratenmessung als Indikatormethode für die Bindegewebsneubildung benutzt. Adrenalektomien führen zur Senkung der meisten Stoffwechselparameter des verletzten wie des unverletzten Bindegewebes (s. auch folgende Abbildungen). In Abhängigkeit vom Zeitpunkt ihrer postoperativen Überprüfung können aber auch nach Adrenalektomien Gesamtgehalterhöhungen einzelner Stoffgruppen, besonders im unverletzten Bindegewebe, speziell der Haut gefunden werden. Dabei handelt es sich jedoch mehr um neutrale, sialinsäurehaltige Glykoproteide als um sulfatierte Glykosaminoglykane. Deren Gehalt nimmt auch längere Zeit nach Adrenalektomie in der unverletzten Haut ab. In Abb. 50 wird an einem Beispiel gezeigt, daß die 3 5 S-Sulfat-Inkorporationsraten in den meisten Bindegeweben bereits 7 und 14 Tage postoperativ gegenüber ihren Ausgangswerten ( K = Kontrolle) abfallen. Das ist um so bemerkenswerter, weil bei scheinoperierten Tieren bis zu diesem Zeitpunkt noch im Rahmen der unspezifischen generalisierten Mesenchymreaktion Erhöhungen der Inkorporationsraten dieser Bindegewebe gegenüber nichtoperierten Kontrollen nachweisbar sind, die erst zwischen der 2. und 3. postoperativen Woche wieder den Ausgangswert erreichen (entsprechend des Verlaufs nach operativer Entfernung anderer Drüsen innerer Sekretion: s. dazu Abschnitt 7.3.1, 7.3.4 sowie 7.3.5). In Abb. 5 1 a und b werden Beispiele des Einflusses anti- und prophlogistisch wirkender Nebennierenrindenhormone auf die 3 5 S-Sulfat-lnkorporation des Wundgranulationsgewebes vorgewiesen. Hier

c p m / I O O m g TG

5

11— Proc.Xiph.

3 2 1 104 9 8 7 6 5 i. 3 2

Rippenknorpel

I |

Aorta

Rücken haut

Lunge

Nieren mork

Leber

1

1 o3 Κ

J _ L Ü I 7 U IΚ 7 U | Κ 7 Η IΚ 7 Η I Κ 7 U IΚ 7 U

Κ

i L 7U

Abb. 50. Beispiele des Einflusses der Adrenalektomie auf die 3 5 S-Sulfat-Inkorporationsraten verschiedener Bindegewebe (7 bzw. 14 Tage postoperativ im Vergleich zur Kontrolle, weiteres s. Text)

Regulation und Beeinflussung der posttraumatischen Entzündung und Wundheilung

6 | 101

ist wie in weiteren entsprechenden Abbildungen jeweils der Verlauf der 3 5 S-Sulf at-Einbaurate in der Wunde und in der unverletzten Kontrollhaut der mit den betreffenden Substanzen behandelten Tiere den Kontrollwerten gegenübergestellt. Diese wurden ebenfalls von der Wunde und von der unverletzten Kontrollhaut gleicher Tiere gewonnen, die nur mit physiologischer Kochsalzlösung behandelt wurden; denn darin sind die an Abbildungsbeispielen gezeigten Medikamente verdünnt worden. Die jeweilige Behandlung begann vom Tage der Wundsetzung an. B e i diesen Beispielen handelt es sich um Schnittwunden der R ü c k e n h a u t von Mäusen. Dargestellt sind jeweils die Werte vom 3. bis zum 7. Tag nach Wundsetzung. I n diesem Zeitraum ist nicht nur eine Hemmung der 3 5 S-Sulfat-Inkorporation als Indikatormethode für die Grundsubstanzsynthese im Wundgranulationsgewebe, sondern auch in der unverletzten Kontrollhaut der betreffenden Tiere nach Cortisol-Behandlung festzustellen. Auch das 1. Maximum der Sulfatinkorporation am 4. Tag nach Wundsetzung (s. oberste K u r v e in Abb. 5 1 a ) ist durch die Cortisolbehandlung unterdrückt (gegebenenfalls zeitlich verschoben am 6. postoperativen Tag gerade erkennbar). Interessant ist die (besonders in Abschnitt 7.2.4 besprochene) Mitreaktion der Kontrollhaut nichtCortisol-behandelter Tiere im R a h m e n der generalisierten unspezifischen Mesenchymreaktion (2. K u r v e von oben), mit Angleichung an die Variationsbreite der Ausgangslage vom E n d e der I . postoperativen Woche an. I m Gegensatz zu den Befunden in Abb. ö l a wird an einem Beispiel in Abb. ö l b gezeigt, daß Mineralokortikoide die 3 5 S-Sulfat-Inkorporation im Wundgranulationsgewebe und in der unverletzten cpm/IOOmg TG 9000

8000 Aldocorten Wundheilung

cpm/100mg TG 70001— physiol. NaCL Wundheilung

/

6000

5000

/V

7000

/

/ / X

6000

\\