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German Pages 200 Year 1973
Andreas Lötscher Semantische Strukturen
Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker Begründet von
Bernhard Ten Brink und Wilhelm Scherer Neue Folge Herausgegeben von
Stefan Sonderegger und Thomas Finkenstaedt 53 (177)
w DE
G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1973
Semantische Strukturen im Bereich der alt- und mittelhochdeutschen Schallwörter
Andreas Lötscher
w DE
G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1973
ISBN 3 11003870 6 Library of Congress Catalog Card Number 73—75490 ©
1973 by Walter de Gruyter & Co.,
vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung
• J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung
• Georg Reimer •
Karl J . Trübner • Veit 8c Comp., 1 Berlin 30 • Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne
ausdrückliche Genehmigung des Verlages
ist es auch nicht gestattet,
dieses Budi oder Teile daraus auf photomechanisdiem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Satz und Drude: Walter Pieper, Würzburg Printed in Germany
Inhalt I. Einleitung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Bedeutung Sätze als Grundlage der Bedeutungsbeschreibung Möglichkeiten sprachimmanenter Bedeutungsbeschreibung Analyse der Bedeutungen Arten von Oppositionen Die Ordnung des Wortschatzes Begrenzung eines Ausschnittes aus dem Wortschatz Begrenzung des Bereichs der Schallwörter Sprachschichtung System und Vollständigkeit
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1 5 5 8 15 18 22 22 23 25
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I I . Schallwörter im Althochdeutschen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Vorbemerkungen zum Material Verben für den Schall allgemein „Kerran" und „gellan" Schallverben nichtstimmlicher Ursache „Brahten" und „singen" Verben zur Bezeichnung der Stimme Einzelwörter zum Stimmgebrauch Substantive zu Schallbezeichnung Adjektive im Bereich des Schalles
27 29 33 34 41 43 46 49 57
I I I . Schematische Übersicht über die ahd. Schallwörter 1. Vorbemerkungen 2. Verben 3. Substantive
61 61 69
IV. Schallwörter im klassischen Mittelhochdeutsch 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
Quellen Schallverben mit unbestimmter Herkunft des Schalles . Schallverben mit spezifischer Klangqualität Substantive mit unbestimmter Herkunft des Schalles „Don" und die Wörter in seinem Umkreis Einzelwörter mit nichtstimmlicher Herkunft des Schalles . Abgrenzungen im Bereich der Stimmbezeichnungen Verben zur Bezeichnung des Stimmgebrauchs Substantive zur Bezeichnung des Stimmgebrauchs Einzelwörter zur Bezeichnung des Stimmgebrauchs . Adjektive
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72 73 81 86 100 105 114 118 126 132 138
Inhalt
VI
V. Schematische Übersicht über die mhd. Schallwörter 1. Verben 2. Substantive
144 153
VI. Diachronische Entwicklung 1. 2. 3. 4. 5.
Grundsätzliche Vorüberlegungen Entwicklung der Adjektive Entwicklung der Verben Entwicklung der Substantive Zusammenfassung
158 163 163 172 176
Anhang Verzeichnis der den Untersuchungen zugrundegelegten Belegstellen Literaturverzeichnis Wortregister
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179 188 193
I. Einleitung 1. Bedeutung Die vorliegende Arbeit nimmt sich vor, die Bedeutungen einer beschränkten Gruppe von Wörtern mit ähnlichen Inhalten über eine gewisse Zeitspanne hin zu verfolgen und darzustellen. Eine solche Darstellung, die in die Diachronie ausgreift, kann aber natürlich nur von einer genauen Analyse der synchronischen Zustände ausgehen, denn nur in der Synchronie funktioniert ja die Sprache als aktuelles System. Wie de Saussure als erster festgestellt hat, kann daher eine Diachronie nur auf Grund verschiedener synchronischer Zustände dargestellt werden. Bevor aber diese Beschreibungen der synchronischen Zustände unternommen werden können, müssen zuerst wiederum die methodischen Voraussetzungen und Möglichkeiten einer solchen synchronischen Analyse geklärt werden. Es ist eine triviale Einsicht, daß gerade das, was man sich als Objekt einer Untersuchung vornimmt, das heißt im vorliegenden Fall, was man unter Bedeutung versteht, die Methodik des Vorgehens und die Darstellung bestimmt. Voraussetzung einer Darstellung von Bedeutungen ist somit die Bestimmung dessen, was darunter verstanden werden soll. Freilich muß hier gleich beigefügt werden, daß es bei dieser geforderten Bestimmung nicht darum gehen kann, den Inhalt herauszufinden, den das Wort „Bedeutung" in der Alltagssprache besitzt. Nicht um die Bedeutung des Wortes „Bedeutung" geht es bei der Erarbeitung der Voraussetzungen einer sprachwissenschaftlichen Arbeit, sondern vielmehr darum, den Gegenstand, der beschrieben werden soll, so zu definieren, daß er sprachwissenschaftlich erfaßbar und darstellbar ist, das heißt mit anderen Worten, daß die Ergebnisse auch an den Tatbeständen der Sprache selbst nachgeprüft werden können. Wollte man anders vorgehen, nämlich eben das in der Sprache erforschen, was man als den Inhalt des alltagssprachlichen Wortes „Bedeutung" (allenfalls ohne methodische Voraussetzungen) erkannt hat, käme man unter Umständen in die Situation, nach etwas zu forschen, was dieser Forderung nach innersprachlichen Verifikationsmöglichkeiten gar nicht entsprechen könnte und sich außerhalb des Arbeitsgebietes der Sprachwissenschaft befände. Allgemein könnte man wohl als Grundtatsache festhalten, daß die Bedeutung jenen Teil der Sprache darstellt, der die Verbindung zwischen der Sprache und der übrigen Realität herstellt. Damit hängen nun aber die Schwierigkeiten
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Einleitung
zusammen, die sich für die Bedeutungsbeschreibung immer wieder ergeben. Denn innerhalb des Systems einer Sprache besitzen wir nur den lautlichen Teil unmittelbar beschreibbar; im Rahmen einer streng innersprachlichen Beschreibung ergeben sich unmittelbar verifizierbare Daten primär nur in phonologischen und syntaktischen Untersuchungen. Der Zeicheninhalt hingegen kann nie als unmittelbares Phänomen zum Vorschein gebracht werden. Bedeutung scheint sich so als solche der sprachwissenschaftlichen Betrachtung zu entziehen. Dies gilt vor allem dann, wenn man Bedeutung als psychologisches Phänomen beschreibt. In einer solchen Definition würde Bedeutungsbeschreibung zu einer Angelegenheit der Psychologie. Einen Ausweg aus diesen Schwierigkeiten bietet jedoch das Vorgehen, Bedeutung nicht unmittelbar feststellen zu wollen, sondern mittelbar anhand solcher Daten, die sprachlich feststellbar und nachkontrollierbar sind, zu beschreiben. Auch wenn man Bedeutung als psychologische Gegebenheit definieren wollte, müßte sich diese Art von Bedeutung in der Verwendung eines Wortes manifestieren, da sie ja als Bestandteil eines solchen Wortes definiert ist. Wir können mit andern Worten hoffen, die wesentlichen Merkmale, die die Bedeutung irgendeines Wortes enthält, zu erfassen, wenn wir die Verwendung eines Wortes beschreiben. Umgekehrt können wir sagen, daß Elemente, die sich nicht in der Verwendung eines Wortes niederschlagen, auch nicht zur Bedeutung im sprachwissenschaftlichen Sinn gerechnet werden können, sondern allenfalls zum Beispiel individuelle psychologische Reaktionen im Zusammenhang mit der Verwendung eines Wortes darstellen mögen. Wenn wir aber die Bedingungen der Kenntnis von Bedeutungen betrachten, so ist es klar, daß die Bedeutungen objektiver, d. h. intersubjektiv gültiger Natur sind, da sie ja gerade der intersubjektiven Kommunikation dienen. Durch verschiedenartige individuelle Reaktionen auf ein Wort wie „Vater" wird dessen Verwendbarkeit in keiner Weise beeinträchtigt. Man kann dies so ausdrücken, daß ein Sprecher und ein Hörer ja nicht die individuellen Reaktionen eines Sprachbenützers kennen müssen, um die Bedeutung eines Wortes zu kennen, sondern die Verwendung des Wortes, die durch sprachliche Konvention festgelegt ist. Unter diesen Voraussetzungen könnte man „Kenntnis der Bedeutung eines Wortes" mit „Kenntnis der Verwendung eines Wortes" gleichsetzen. An dieser Stelle muß jedoch noch näher erläutert werden, was unter „Verwendung" konkret verstanden werden soll. Vorläufig kann darüber gesagt werden, daß darunter soviel verstanden wird, wie die Situationsbedingungen, die bei einer richtigen Verwendung eines Wortes feststellbar sind. Hierbei muß allerdings zweierlei näher bestimmt werden. Einmal wird in der obigen Definition vorausgesetzt, daß auch auf semantischem Gebiet ein Sprecher unmittelbar zwischen abweichender und nichtabweichender Verwendung eines Wortes unterscheiden kann (wenn er auch nicht unbedingt die Gründe für eine solche Beur-
Bedeutung
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teilung geben können muß, wobei aber die bewußte Kenntnis dieser Gründe für die Verwendung keine Rolle spielt). Dies ist eine Annahme, die empirisch ohne weiteres von jedem Sprachbenützer an sich selbst beobachtet werden kann. Es hat offensichtlich keinen Sinn, auch abweichende Äußerungen in die Untersuchungen des tatsächlichen Sprachgebrauches einzubeziehen, außer dies geschehe zu dem Zweck, sie gegenüber nichtabweichenden Äußerungen abzugrenzen und so die Verwendung besser zu profilieren. Die Unterscheidung selbst, was abweichend ist und was nicht, läßt sich nicht anders als durch das Urteil eines Sprechers, der die in Frage stehende Sprache beherrscht, begründen. Die sprachliche Kompetenz des normalen Sprechers einer Sprache ist die einzige Entscheidungsinstanz darüber, was als „gebräuchlich" und „verwendbar" zu gelten hat. 1 Allerdings gelten diese Ausführungen vornehmlich für den Fall, daß eine lebendige, aktuell gesprochene Sprache untersucht werden soll. Steht eine Sprache zur Diskussion, von der nur noch schriftliche Denkmäler als Zeugnis erhalten sind, so kann natürlich nicht auf einen Sprecher und seine Entscheidungen zurückgegriffen werden. Vielmehr haben wir dann den Fall vor uns, daß die Verwendungen der Wörter innerhalb eines fest umgrenzten und beschränkten Korpus untersucht werden müssen. Aber auch hier spielt die Sprachkompetenz letztlich eine entscheidende Rolle, indem wir unsere Untersuchungen in einem solchen Fall nur dann als sinnvol anschauen können, wenn wir voraussetzen, daß der Verfasser eines solchen Korpus bei dessen Niederschrift seine eigene Sprachkompetenz als bestimmendes Regulativ mitwirken ließ. Der Unterschied zur lebenden Sprache besteht lediglich darin, daß die Entscheidungen in einem solchen Text implizit vorhanden sind, während wir bei einem lebenden Sprecher solche Entscheidungen in actione verfolgen können. Indem wir solche Urteile der Sprachkompetenz in Bezug auf die Situationsbedingungen, die sie miteinschließen, zu umschreiben versuchen, können wir auch hoffen, daß wir die Gründe für solche Urteile finden. An dieser Stelle müssen wir aber auch den zweiten Begriff näher erläutern, der in der obigen Umschreibung von „Verwendung" vorkommt. Sollte nämlich Beschreibung der Situationsbedingungen die vollständige Beschreibung der Situation, in der ein Wort gebraucht wird, beinhalten, so wird diese Beschreibung ihrerseits wieder ziemlich fragwürdig, wenn auch die einzelnen Feststellungen in sich verifizierbar wären; denn eine vollständige Beschreibung einer Situation müßte sich ins unbegrenzte auswachsen und in der Beschreibung der ganzen Welt enden. Jedoch kann schon hier gesagt werden, daß auf keinen Fall alle Begleitumstände einer Situation für die Verwendung eines Wortes wesentlich sind. Man stellt als eine Tatsache fest, daß in diesem Sinne sich keine Situation als solche wiederholt, daß aber ein Wort trotzdem in einer theoretisch unbegrenzten Zahl von Situationen richtig gebraucht werden kann. Diese Tatsache setzt voraus, 1
cf. z.B. N. Chomsky, Aspects, § 1.
4
Einleitung
daß nicht die Gesamtheit der Umstände bei der Verwendung eines Wortes in Betracht gezogen werden muß, sondern nur einige wenige Bedingungen. Nur diese muß man kennen, um die Verwendung eines Wortes zu beherrschen. Wir müssen ferner annehmen, daß der Inhalt eines Wortes innerhalb eines gegebenen Systems konstant und unveränderlich ist, andernfalls sich mit dem Inhalt eines Zeichens auch das System ändern muß. Diese Annahme zwingt uns ja auch der Zeichencharakter eines Wortes auf: Wenn ein Zeichen ohne konstanten Inhalt wäre, wäre es als Zeichen unverwendbar, (außer der Wechsel würde durch andere Signale näher angegeben, wodurch aber die Information nicht mehr in einem Zeichen allein, sondern in mehreren enthalten wäre.) Daraus folgt, daß gewissen Situationsbedingungen bei der Verwendung eines Wortes konstant erfüllt sein müssen, wenn ein Wort richtig verwendet werden will. Die Beschreibung der Verwendung eines Wortes bezieht sich also auf die Beschreibung dieser Konstanten. Wenn wir uns an die Feststellung zurückerinnern, daß man zwischen „richtigen" und „abweichenden" Verwendungen unterscheiden kann, so könnten wir also „Bedeutung" im oben geforderten sprachwissenschaftlichen Sinn als eine „Regel" definieren, die die Verwendung eines Wortes 2 bezüglich der Verwendungsituation bestimmt, die mit andern Worten angibt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit das Wort in der richtigen Art und Weise gebraucht wird. Beschreibung der Bedeutung heißt in diesem Sinne Beschreibung der Regeln, die dem Gebrauch eines Wortes zugrundeliegen. Man könnte nebenbei diese Regeln durchaus vergleichbar sehen mit den phonologischen oder syntaktischen Regeln einer Sprache, wobei der Unterschied darin liegen würde, daß jede dieser Regeln einen andern Bereich betrifft: Während phonologische Regeln den unmittelbaren lautlichen Teil, syntaktische Regeln die Kombinationen der verschiedenen Elementenklassen ordnen, regelt die Bedeutung, wie schon erwähnt, die Herstellung der Beziehungen zu, den außersprachlichen Gegebenheiten.
2
Die hier skizzierten Auffassungen von der Bedeutung als Gebrauchsbedingungen gehen vor allem zurück auf Ch. Morris, Sign, Language and Behavior. Siehe auch H. St. Jorensen, Meaning; Ernst Leisi, Der Wortinhalt, vor allem S. 16 f.; vom selben Verfasser das Vorwort zu seiner Ausgabe von Shakespeare's .Measure for Measure' vor allem S. 23 ff. — Die Gebrauchsbedingungen können sehr verschiedener Natur sein und nicht auf einen einzigen Nenner gebracht werden. Neben Eigenschaften in einem bezeichneten Objekt können auch Umstände, die den Sprecher (Gefühlslage, Wertschätzungen, soziale Stellung usw.) oder den Sprechakt als solchen betreffen (deiktische und temporale Elemente), eine Rolle spielen. Siehe dazu etwa Ch. Morris' „Modes of Signifying" (Sign, Language and Behavior, Kap. III).
Sätze als Grundlage der Bedeutungsbeschreibung
2. Sätze als Grundlage der
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Bedeutungsbeschreibung
Wenn eben gefordert wurde, daß als Bedeutung die Verwendung der Wörter beschrieben werde, so beinhaltet das auch, daß die Beschreibung sich nur auf konkreten Sätzen einer Sprache aufbauen kann. Einmal besitzen wir die Verwendung einer Sprache lediglich in konkreten Äußerungen; die Regeln selbst werden also nie unmittelbar sichtbar, sondern sind nur in ihrer Anwendung erfaßbar. Für die Darstellung der Bedeutung eines Wortes ergeben sich im speziellen aber noch weitere Gesichtspunkte. So besitzen innerhalb der Sprache lediglich die Sätze das Merkmal, daß der Inhalt explizit zur Wirklichkeit in Beziehung gesetzt wird, indem nur Sätze als „Aussage", „Behauptung", „Frage", „Befehle" gekennzeichnet werden und so die Beziehung hergestellt wird zwischen dem Sprechakt und der Situation, zu der dieser erfolgt 3 . Anders ausgedrückt: Worte und andere Elemente, die nicht den Status von Sätzen besitzen, können für sich allein gar nicht in Beziehung zu einer Situation gesehen werden, anhand derer die Umstände, die ihren Gebrauch bedingen, analysiert werden könnten. Nur bei der Betrachtung von Sätzen können solche Bedingungen überhaupt in das Blickfeld gelangen. Andernfalls weiß man ja gar nicht, in welcher Beziehung ein Wort zur Wirklichkeit steht.
3. Möglichkeiten sprachimmanenter
Bedeutungsbeschreibung
Dazu kommt ein weiterer Punkt. Trotz den oben festgestellten Vereinfachungen der Beschreibung der Bedeutung mittels außersprachlicher Tatbestände infolge der Tatsache, daß nur einige wenige Bedingungen von Relevanz sind, bleibt doch dieser Rückgriff auf die außersprachliche Situation in mancher Hinsicht ein unbefriedigendes Moment in der Beschreibung. Man kann zwar sagen, daß, wenn die Verwendung eines Wortes beschrieben wird, diese Beschreibung auch anhand sprachlicher Daten verifiziert werden kann; dennoch ist eine solche Beschreibung, infolge ebendieses Rückgriffes auf Außersprachlichkeit, keine rein sprachliche Beschreibung. Zudem ist ja in vielen Fällen eine reale Situation als Entsprechung für einen Satz gar nicht vorhanden und greifbar, sie wird vielmehr oft nur imaginiert; man denke nur an weiteste Bereiche der Dichtung. 3
In der formalen Logik entsprechen diesen Merkmalen die sogenannten Operatoren. In logischen Werken werden gewöhnlich allerdings nur die Formen A („für jedes x gilt . . . " ) und V („es gibt ein x, sodaß . . . " ) benötigt. (Cf. z. B. G. Klaus, Formale Logik, S. 157 ff.) In einem allgemeinem Sinne werden sie als „pragmatic Operators" von U. Weinreich erwähnt (in: On the Semantic Structure of Language, S. 120 ff.)
6
Einleitung
Aber auch wenn wir den Inhalt eines Satzes gar nicht in Beziehung zu einer außersprachlichen Situation setzen können, begreifen wir doch einen Satz sehr wohl. Dies ist leicht verständlich, denn wir kennen die Gebrauchsbedingungen eines Wortes nicht nur, wenn wir dieses Wort auf eine Realität anwenden, sondern auch in solchen imaginativen Sätzen. Auch in solchen Sätzen können wir die Vorstellungen bestimmen, die den Bedingungen eines Satzes entsprechen. Bedeutung wirkt auch in einem solchen Falle als konventionelle Verknüpfung von Lautform und Inhalt, insofern wir in solchen Fällen jedenfalls genau angeben könnten, was von einer Situation gefordert werden müßte, auf die ein solcher Satz richtig angewendet werden wollte. Auch für solche Sätze sind aber Operatoren sinnvoll, denn es muß auch hier angegeben werden, welche Wirklichkeit Bedingungen in Bezug auf die wenn auch nur imaginierte Welt besitzen sollen. Auf Grund dieser Tatsachen läßt sich ein Weg finden, den Bezug auf die außersprachliche Wirklichkeit bei der Bedeutungsbeschreibung zu umgehen. Man kann davon ausgehen, daß auch die Gesamtheit eines Satzes, in dem die Wörter zu einer bedeutungsmäßigen Einheit vereinigt sind, ein geordnetes Bedingungsmuster ergibt, das, abgesehen von den zusätzlichen pragmatischen Operatoren, sich nicht grundsätzlich von dem Bedingungsmuster eines Einzelwortes unterscheidet. In einem Satz tragen jedes einzelne Wort und die verschiedenen grammatikalischen Elemente den ihnen spezifischen Teil zur Satzdeutung bei. Umgekehrt muß sich aber auch jedes Wort nach den von den übrigen Satzelementen gesetzten und vorausgesetzten Bedingungen richten, soll ein sinnvoller Satz entstehen. Innerhalb eines Satzganzen ergeben sich also gewisse Beziehungen zwischen den Inhalten der einzelnen Wörter, die durch die jeweilige Eigenart der in Beziehung tretenden Inhalte bedingt sind. Umgekehrt müssen andere Inhalte als nicht kombinierbar taxiert werden, da sie sich gegenseitig auf irgendeine Weise widersprechen. Solche Beziehungen können bezogen auf ein Satzmuster praktisch wohl am ehesten durch Kombinierbarkeit (syntagmatisch) und Ersetzbarkeit (paradigmatisch) ausgedrückt werden. Insofern wird die Darstellung der einzelnen Bedeutung zu einer Darstellung der gegenseitigen Beziehungen, die im Sprachgebrauch für Wörter innerhalb von Sätzen, also innerhalb der Sprache selbst, festgestellt werden können. Eine solche Beschreibung läuft im Grunde auf eine Klassifizierung hinaus: die Wörter werden nach ihren Gebrauchsbeziehungen gruppiert. Durch solche Klassifizierungen gebildete Gruppen von Wörtern müssen nun auch nach ihren Klassifizierungsmerkmalen beschrieben werden. Grundlage solcher Klassifizierungen ist, wie eben bemerkt, die durch die Entscheide der Sprachkompetenz sich ergebenden Gruppierungen nach eher formalen Gesichtspunkten. In vielen Fällen läßt sich aber eine solche formale Gliederung der durch inhaltliche Merkmale wiedergeben und interpretieren. Oft ergibt sich dadurch sogar eine Ver-
Sätze als Grundlage der Bedeutungsbeschreibung
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einfachung, indem mehrere formale Klassierungen des gleichen Wortes, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, durch eine solche inhaltliche Interpretation auf ein einziges Merkmal zurückgeführt werden können. Auf Grund unserer Ableitung dieser formalen Klassifizierungen aus den Gebrauchsbedingungen für die Realität können wir sogar sagen, daß inhaltliche Merkmale das eigentliche Ziel sind, welches die Analyse einer Bedeutung sich vornimmt, sofern diese Analyse wirklich erklären will, wie ein Sprecher ein Wort verwendet und nicht nur rein formale Zusammenhänge darstellen will. Im übrigen gehen auch Verfasser, deren Ziel eine strukturelle, also eher formale Beschreibung eines Worbereiches ist, inhaltliche Kennzeichnungen für die Klassifizierungen, die sie erhalten, so wenn z. B. K. Baumgärtner für die möglichen Objekte von „mähen" unter anderem das Merkmal ,stielig' angibt 4 . Die sprachliche Formulierung solcher inhaltlicher Merkmale ist jedoch nicht in jedem Falle leicht zu geben. Abgesehen von der Forderung, daß solche Formulierungen innerhalb des ganzen Systems konsistent sein sollten insofern, als auch in den Formulierungen übergreifende Zusammenhänge erkennbar sein sollten, muß auch die Tatsache beachtet werden, daß für ein inhaltlich durchaus als einfach zu erkennendes Merkmal sprachlich eine solche einfache Formulierung gar nicht existieren muß. Es ist also möglich, daß ein einfaches Merkmal nur in einer komplizierten Umschreibung zum Ausdruck gebracht werden kann. Oft kann es auch unklar bleiben, in welcher Hinsicht ein Merkmal am besten angegeben werden könnte, ob zum Beispiel ein bestimmter Klang durch die Klangfarbe oder durch das Medium, wodurch er hervorgebracht wird, charakterisiert werden soll. Da ja auch eine inhaltliche Charakterisierung nicht vereinzelte Inhalte, sondern, wie unten noch weiter auszuführen sein wird, die Inhalte in ihrer gegenseitigen Beziehung bestimmen soll, spielt aber diese Schwierigkeit insofern keine besondere Rolle, als diese Beziehungen ja die gleichen bleiben, in welcher stofflichen Form sie auch ausgedrückt werden. Von Wichtigkeit ist vor allem, daß diese Beziehung im Auge behalten wird. Dieses Problem stellt sich also etwa in ähnlicher Weise, wie die Frage, ob ein phonologisches Merkmal als akustisches oder artikulatorisches Merkmal beschrieben werden soll: Die Entscheidung darüber beeinflußt die Beziehungen des phonologischen Systems nicht. Die sprachimmanente Beschreibung kann jedoch nicht zu einer vollständigen Aufgliederung und Differenzierung des gesamten Wortschatzes einer Sprache gelangen. Man stößt nämlich, wie K. Baumgärtner feststellt, bei dem von ihm „sprachimmanente Synonymität" genannten Phänomen auf eine Grenze der Analysierbarkeit ausschließlich mit den Mitteln der in den Sätzen feststellbaren Bedeutungsbeziehungen5. Bei der Erarbeitung aller beobachtbaren Zusam4 5
K. Baumgartner, Die Struktur des Bedeutungsfeldes, S. 168. K. Baumgärtner, Die Struktur des Bedeutungsfeldes, S.171.
8
Einleitung
menhänge kann sich nämlich ergeben, daß für bedeutungsmäßig offensichtlich verschiedene Wörter identische Klassifizierungsmerkmale konstatiert werden müssen. Solche Wörter können also sprachimmanent voneinander nicht unterschieden werden. Als Beispiel könnte man etwa die Wörter für verschiedene Hunderassen wie „Pinscher", „Pudel", „Dackel" usw. nehmen. In solchen Fällen muß, will man die Verwendungen dieser Wörter wirklich voneinander trennen, notwendig auf die außersprachliche Realität Bezug genommen werden.
4. Analyse der
Bedeutungen
Bis jetzt wurden nur auf allgemeine Weise Ausgangspunkt und Rahmen erläutert, auf deren Basis es möglich ist, zu einer expliziten Darstellung von Bedeutung zu gelangen. Es wurde aber noch nicht beschrieben, wie die Analyse konkret im einzelnen vor sich zu gehen hat. Das Problem, das dabei gelöst werden muß, wurde aber schon erwähnt: Wie kann man sich wenigstens formal den Zusammenhang zwischen potentiell unendlich vielen, unter sich meist ziemlich verschiedenen Verwendungen und der Grundregel, die diesen Verwendungen zugrundeliegt, vorstellen? Für die praktische Arbeit formuliert sich die Frage folgendermaßen: Wie gelangt man von einer solchen Menge verschiedener Äußerungen zum Regelsystem, das diese Äußerungen bestimmt. Diese Frage stellt sich in gleicher Weise, ob es nun ein vorgegebenes Korpus oder den aktuellen Sprachgebrauch zu analysieren gilt. Sie stellt sich aber nicht nur für die Bedeutngsanalyse, sondern diese Problemstellung ergibt sich auch bei Analysen im Bereiche der Phonologie. Auch dort muß die Frage beantwortet werden, auf welche Weise anhand einer potentiell unendlichen Zahl von konkreten Lautrealisationen die Merkmale dieser Laute herauszuarbeiten sind, die für das Erzeugen und Verstehen dieser Laute eine Rolle spielen. Diese Ähnlichkeit ist natürlich keineswegs zufällig, sondern tiefer begründet. Sie beruht auf den seit de Saussure erforschten Regeln und Bedingungen eines semiotischen Systems im allgemeinen Sinne, das durch die arbiträre und konventionelle Beziehung zwischen Inhalt und Ausdruck eines Zeichens charakterisiert ist. Dem Verhältnis von abstrakter Regel und konkreter Realisation muß in einem solchen System notwendig das zugrundeliegen, was bei K. Bühler das „Prinzip der abstraktiven Relevanz" 6 genannt wird, was bei L. Hjelmslev in die Begriffe „Substanz" und „Form" 7 gefaßt wird, oder was neuerdings Luis Prieto mit den Begriffen der Klassenlogik beschrieben hat, wobei den Begriffen „konkrete Verwendung" und „Regel" in diesem Fall „Klasse von Verwendungen" und „Klassenmerkmal der Verwendungen" entsprechen8. 6 7 8
K. Bühler, Axiomatik der Sprachwissenschaften, S. 29. L. Hjelmslev, Prolegomena to a Theory of Language. L. Prieto, Principes de Noologie.
Analyse der Bedeutungen
9
Auf Grund dieser strukturellen Ähnlichkeit können wir folgern, daß Methoden und Elemente, die in der phonologischen Analyse entwickelt worden sind, analog sich auch in der Semantik anwenden lassen. Wenn wir uns im Folgenden auf die Formulierungen der Klassenlogik stützen wollen, so können wir folgendes sagen 9 : Eine Klasse kann beschrieben werden entweder durch Aufzählung aller Glieder oder durch Angabe des Klassifikationskriteriums. Durch reine Aufzählung der Elemente würde man im Falle einer sprachimmanenten Bedeutungsbeschreibung aber allenfalls zu einer distributioneilen Darstellung gelangen. W i e oben aber festgestellt wurde, kann ein Sprecher, der die Bedeutung eines Wortes kennt, dieses Wort in einer unbegrenzten Zahl von in sich verschiedenen Fällen richtig anwenden. Dies bedeutet in diesem Falle, daß eine Beschreibung mittels Aufzählung in keinem Falle erschöpfend sein kann; im Gegenteil ließe sich immer noch ein Beispiel finden, das darin noch nicht enthalten ist. Nur mittels Angaben des Klassifikationskriteriums, also einer Eigenschaft, die allen Gliedern einer Klasse zukommt, ist es möglich, alle möglichen Fälle, alle Glieder dieser Klasse, wenn auch nur intensional, zu erfassen. Einem solchen Klassifikationsmerkmal entsprechen aber genau die „Gebrauchsregeln", die wir als Bedeutung finden wollen. Für die Bedeutungsanalyse heißt das also, daß wir innerhalb der durch die Verwendung eines Wortes feststellbaren Situationsbedingungen (seien sie inneroder außersprachlicher Art) jene feststellen müssen, die bei jeder Verwendung des Wortes vorkommen. Innerhalb dieser stets wiederkehrenden Bedingungen müssen jene sich finden, die die für den Gebrauch entscheidenden Regeln darstellen. Alle andern Momente müssen wir aus dem Kreis der Betrachtungen ausschließen, da, wie die Möglichkeit ihres Fehlens zeigt, sie ja nicht notwendig vorhanden sein müssen und somit auch nicht als zu erfüllende Gebrauchsregel betrachtet werden können. Es ist jedoch nicht notwendig, daß sämtliche dieser so herauskristallisierten Momente, die stets wiederkehren, auch inhaltlich notwendig sind 10 . Wie lassen sich aber nun diejenigen Momente herausarbeiten, welche als die entscheidenden angesehen werden müssen? Hier kann die Anwendung der Methodik, wie sie für die Analyse der distinktiven Merkmale in der Phonologie entwickelt wurde, eingesetzt werden. Bekanntlich werden diese Merkmale hauptsächlich mittels der KommutationsEine kurze Zusammenfassung der Elemente der Klassenlogik wird gegeben in A. Juilland und H. H. Lieb, „Klasse" und „Klassifikation" in der Sprachwissenschaft. 10 „Notwendig" und „stets wiederkehrend" braucht sich nicht zu decken. Sorensen, Meaning, führt als Beispiel das englische Wort „ship" an: Im 17. Jh. wurden die Schiffe ausschließlich aus Holz gebaut; dennoch würde man wohl auch schon zu jener Zeit jedes andere Wasserfahrzeug mit der Form und der Zweckbestimmung eines Schiffes „ship" genannt haben, auch wenn es aus einem andern Material als aus Holz gebaut gewesen wäre.
9
10
Einleitung
methode ermittelt. Dabei stellt sich heraus, daß gewisse Veränderungen für die Information, die mit diesem Wort verknüpft ist, irrelevant sind, währenddem andere Veränderungen auch die Information beeinflussen. Mit andern Worten, diese Veränderungen vermögen zwei verschiedene Informationen voneinnader zu unterscheiden. Bei diesen Veränderugsmöglichkeiten ergeben sich schließlich minimale Unterschiede, die nicht mehr weiter in Oppositionen aufgelöst werden können. Man kann nebenbei bemerken, daß solche minimale Unterschiede sich immer im Hinblick auf eine bestimmte Definitionskategorie (z. B. ,Stimmhaftigkeit') ergeben. Ferner ergibt sich, daß ein Laut nicht mittels einer einzigen Opposition beschrieben werden kann, sondern, da er in der Beziehung einer minimalen Opposition zu mehreren andern Lauten steht, mehrfach klassiert werden muß, d. h. ein Bündel verschiedener distinktiver Merkmale darstellt. Worin besteht nun die analoge Anwendung dieses Vorgehens in der Analyse von Bedeutungen? Der Ausgangspunkt liegt im Gedanken der Kommutation. Es ist die Kommutation, welche die Möglichkeit, die strukturellen Zusammenhänge zu erkennen und auch explizit darzustellen, begründet. Während aber in der Phonologie der Inhalt eines Zeichens als gegeben und bekannt vorausgesetzt wird und durch die Kommutation der Elemente die Relevanz der einzelnen Lauteigenschaften mit Hilfe des Bezugs auf den Inhalt ermittelt wird, sind in der Bedeutungsanalyse die Verhältnisse gerade umgekehrt. Hier ist der Inhalt unbekannt, dagegen werden die Elemente der Lautebene, allerdings auf einer höheren Stufe, nämlich derjenigen ganzer Worteinheiten, als bekannt vorausgesetzt. Statt daß nun auf der Ebene der Lautgestalt Kommutationen vorgenommen werden, müssen diese also auf der Inhaltsebene bzw. im Bereich der Gebrauchsbedingungen durchgeführt werden. Dabei können die Auswirkungen dieser inhaltlichenVariationen auf der lautlichen Ebene darüber entscheiden lassen, ob eine Bedingung für den Gebrauch relevant ist oder nicht. Jene Gebrauchsbedingungen müßten entsprechend als relevant angesehen werden, deren Änderung eine Änderung auf der lautlichen Ebene zur Folge hat, soll nicht eine als abweichend zu betrachtende Äußerung entstehen. Mit andern Worten: Jene Bedingungen sind für den Gebrauch entscheidende Regeln, bei deren Veränderung nicht mehr dasselbe Wort gebraucht werden kann, wo nach der Veränderung eine andere Lautform eingesetzt werden muß. Es wurde oben ausgeführt, daß solche Bedingungen sich auch rein innersprachlich darstellen lassen, daß solche Kommutationen sich also oft als Ersatzproben von verschiedenen Satzelementen durchführen lassen, deren Art je von der Bedingung abhängt, die eine Rolle spielt. Die Entscheidung darüber, ob ein Satz abweichend ist oder nicht, muß, wie weiter oben ausgeführt, der Kompetenz des sprachkundigen Sprechers oder Hörers überlassen werden. Als Beispiel seien die Wörter „tropfen" und „rieseln" angeführt. Im folgenden Satz wird keine abweichende Äußerung entstehen, wenn an Stelle des Subjektes „Wasser" Wörter wie „Blut", „Öl", „Wein" gesetzt werden:
Analyse der Bedeutungen
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Aus der Öffnung tropfte Wasser Blut Öl Wein. Wenn man als Subjekt dagegen Wörter wie „Salz", „Mehl", „Sand" einfügt, müssen die daraus entstehenden Sätze als abweichend taxiert werden: * Aus der Öffnung tropfte Sah Mehl Sand. Offensichtlich spielt beim Verb „tropfen" der Umstand eine Rolle, ob das Wort, das damit als Subjekt erscheint, eine flüssige oder nichtflüssige Substanz bezeichnet. Wollte man den übrigen Inhalt des Verbes „tropfen" beibehalten, an Stelle des Merkmals .flüssig' aber .körnig'11 einführen, so daß Substantive mit diesem Merkmal als Subjekt zulässig werden, müßte man statt der Lautform „tropfen" eine solche wie „rieseln" o. ä. einsetzen. Die Aggregatsform der Substanzen, deren Bezeichnungen als Subjekt von „tropfen" und „rieseln" erscheinen, spielt offensichtlich beim Gebrauch dieser Wörter eine Rolle und muß demnach als relevantes Unterscheidungskriterium angesehen werden. Als minimale Bedeutungsunterschiede könnte man demnach in Analogie zur Phonologie jene inhaltlichen Merkmale verstehen, bei deren Änderung auch die Änderung der Lautform notwendig wird, dabei außer dieser einen Bedingung aber alle andern gleich bleiben. Nun ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, daß die Kommutationsmethode nur für eine Sprache anwendbar ist, welche konkret gesprochen wird, für die Sprecher mit Sprachkompetenz zur Verfügung stehen, die solche Entscheidungen wie „abweichend" — „nicht-abweichend" treffen können. Sobald es um die Darstellung einer historisch bezeugten Sprache, einer toten Sprache, allgemeiner, um die Darstellung der Verhältnisse in einem vorgegebenen Korpus geht, kann man sich aber nicht mehr auf die Urteile einer Sprachkompetenz stützen. Muß man also in einem solchen Fall auf die Erarbeitung von kleinsten inhaltlichen Merkmalen verzichten? Dies braucht nicht unbedingt der Fall zu sein. Zwar ist es klar, daß bei einem gegebenen und nicht manipulierbaren Korpus die Möglichkeiten, ein Ergebnis einer Analyse experimentell nachzuprüfen, wie dies mittels der Kommutation bei einer aktuell gesprochenen Sprache auch nach der Formulierung einer Regel möglich ist, ziemlich eingeschränkt sind; dennoch kann man hoffen, verhältnismäßig genau anzugeben, wie sich die minimalen Bedeutungsunterschiede ergeben müssen. Wenn wir nämlich vom Fall ausgehen, daß sich durch die Kommutation der Bedingungen, wie oben gezeigt worden ist, schließlich in einer 11
Hier wie im folgenden überhaupt stehen zwischen „ . . . " Lautformen, während Inhaltsmerkmale mit , ' unterschieden werden.
12
Einleitung
Hinsicht durch die Veränderung einer einzelnen relevanten Bedingung eine Opposition ergibt, dann kann man, wenn man die Blickrichtung umkehrt, sagen, daß in einem solchen Fall sich ein Wortpaar gegenübersteht, dessen Bedeutungen sich lediglich durch den erwähnten minimalen Bedeutungsunterschied differenzieren lassen. Die Wahl zwischen den beiden Wörtern wird durch diesen einen Unterschied bestimmt. Daraus können wir folgern, daß sich ein solcher minimaler Unterschied auch herausarbeiten läßt durch den Vergleich der mit den Lautformen zweier Wörter verbundenen immer wiederkehrenden Gebrauchsumstände. Für den Text eines Korpus kann somit theoretisch die Analyse in die zwei Stufen des Feststellens der unverändert wiederkehrenden Züge im Gebrauch eines Wortes und des Vergleiches dieser Invarianten von zwei Wörtern aufteilen. Dabei soll allerdings nicht verschwiegen werden, daß negative Feststellungen in Bezug auf Invarianten immer mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor verbunden sind. Denn da ein Korpus notwendigerweise ein beschränktes Bild von der Verwendung eines Wortes geben muß, kann nie mit aller Sicherheit gesagt werden, daß ein Merkmal, das im Material nicht gefunden wurde, für das betreffende Wort auch unmöglich ist. Und doch sind negative Charakterisierungen zuweilen wesentliche Bestandteile einer Bedeutungsbeschreibung. Es kann hier gleich auch beigefügt werden, daß auch rein praktisch oftmals ein Bild über die Verwendung eines Wortes erst über den Weg des Vergleichs mit andern Wörtern gewonnen werden kann; dies aus dem einfachen Grund, weil beim Betrachten eines Wortes noch gar nicht klar werden kann, welche Wahlmöglichkeiten der Verwendung gerade dieses Wortes zur Seite stehen, welche Kategorien überhaupt in der betreffenden Sprache ausdrückbar (und demzufolge negierbar) sind. Im Anschluß an diese Darstellung der Bedeutungsanalyse durch Konfrontation muß allerdings gleich erwähnt werden, daß Wörter nicht unbegrenzt miteinander vergleichbar sind. Einmal können ohnehin nur Wörter gleicher syntaktischer Struktur, mit dem gleichen syntaktischen Wert, zum Zweck des Bedeutungsvergleiches einander gegenübergestellt werden 12 . Da wir ja vom Gebrauch innerhalb eines Satzes ausgehen, ist dies gar nicht anders möglich. Es lassen sich für zwei Wörter mit verschiedener syntaktischer Funktion gar keine vergleichbaren Bedingungsstrukturen bestimmen, da der Platz innerhalb eines Abhängigkeitsgefüges, wie das ein Satz darstellt, für jede Wortart durchaus verschieden ist, und die Bedingungen, wie sie formulierbar sind, sich für jeden syntaktischen Platz auf andere Relationen beziehen. Das gleiche gilt aber auch für die syntaktische Struktur im logischen Sinne. Diese logische Struktur kann auch in der grammatikalisch-syntaktischent Sruktur zum Vorschein kommen, muß es aber nicht. Wörter der gleichen Wortart kön12
cf. auch K. Baumgärtner, Die Struktur des Bedeutungsfeldes, S. 169.
Analyse der Bedeutungen
13
nen sehr wohl verschiedene logische Strukturen implizieren 13 . So beinhalten zwar „Hund" und viele andere Wörter im logischen Sinne eine einfache Eigenschaftsaussage. Aber schon die Substantive „Sohn", „Präsident" implizieren Beziehungsausagen, im Falle von „Sohn" zu anderen Personen, im Falle von „Präsident" zu Institutionen. Solche Beziehungsaussagen besitzen eine andere logische Form als einfache Eigenschaftsaussagen, was auch bei der Beschreibung und der Definition des Inhaltes solcher Wörter berücksichtigt werden muß. Dasselbe gilt auch für Verben, wo sich allerdings die Verschiedenheit der logisdien Form auch grammatikalisch ausdrückt. Während ein Verb wie „glühen" eine Aussage mit nur einer unbesetzten Stelle vorstellt, muß bei jedem transitiven Verb auch ein Objekt als Variable erwähnt werden; für ein Verb wie „geben" müssen sogar drei Variablen angegeben werden, die durch das Verb in Beziehung zueinander gesetzt werden. Solchen Unterschieden entsprechen in der formalen Logik die verschiedenen Möglichkeiten ein- und mehrstelliger Prädikate 1 4 . Es ist klar, daß Wörter, die in ihrer Bedeutungsstruktur schon verschiedene logische Beziehungen voraussetzen, nicht im Hinblick auf die Bedeutung im einzelnen verglichen werden können. Sie könnten wie verschiedene Wortarten höchstens auf logisch-syntaktischer Ebene als Glieder verschiedener Beziehungen behandelt werden, wobei allenfalls die einzelnen Relationstypen und Funktionen miteinander verglichen werden können. Dies sind jedoch Vergleiche auf ganz anderer Ebene, nämlich auf logisch-syntaktischer Ebene, die nicht vermischt werden darf mit der Ebene der Vergleiche, wie sie hier intendiert ist. Unterschiede der Ebene müssen schließlich noch in einem weiteren Bereich beachtet werden, sollen nicht unvergleichbare Wörter nebeneinander gestellt werden. Auch Wörter, die in Prädikaten mit gleichviel Stellen stehen, müssen nicht unbedingt vergleichbar sein. W i r müssen die Tatsache beachten, daß es nicht nur Aussagen über Eigenschaften von Dingen gibt, sondern auch solche über Eigenschaften von Eigenschaften. Es gibt zum Beispiel nicht nur Substantive, deren Gebrauchsbedingungen als Eigenschaften im Bezeichneten beschrieben werden müssen, sondern auch solche, die auf einer höheren Ebene Eigenschaften von Eigenschaften oder Beziehungen bestimmen. Um in den Termini der Logik zu sprechen: Es muß auch mit Ausdrücken gerechnet werden, die ein Prädikat höherer Stufe voraussetzen 15 . Es ist natürlich auch in einem solchen Falle sinnlos, Eigenschaften mit Eigenschaften von Eigenschaften zu vergleichen. Auf Grund dieser Betrachtungen ergibt sich also die Einschränkung, daß zwei Wörter nur miteinander verglichen werden können, wenn sie sowohl grammatisch wie logisch den gleichen syntaktischen Stellenwert besitzen, wenn also 13 14 15
cf. zum folgenden auch Bendix, Componential analysis, S. 13. cf. G. Klaus, Moderne Logik, S. 258 ff. cf. U. Weinreich, On the Semantic Structure of Language, S. 131.
14
Einleitung
deren Bedingungen sich auf die gleiche Stufe der Abstraktion beziehen. Nur solche Wörter können direkt in Opposition zueinnader treten und sich durch ein minimales Merkmal unterscheiden. Damit soll natürlich nicht der Wert von Vergleichen gleichbedeutender oder ähnlicher Wörter, die verschiedenen Wortarten angehören, bestritten werden. Solche Vergleiche können durchaus legitim sein etwa im Falle eines grammatikalischen Wechsels von Wortarten, wenn z. B. die Beziehungen von Inhalten von Verben und Substantiven, die aus dem gleichen Stamm abgeleitet sind untersucht werden sollen. Eine solche Untersuchung setzt jedoch die Kenntnis der Inhalte bereits voraus; die Kenntnis selbst kann nur durch den Vergleich gleichartiger Wörter vermittelt werden. Oftmals ergeben sich aber, besonders in Sprachen mit besonders lebendigen Ableitungsmöglichkeit, wie dem Althochdeutschen, durch die Möglichkeiten der Wortbildung besondere Probleme. Wie wir etwa bei der Behandlung des Althochdeutschen sehenwerden, erscheinen dort einige Suffixe, (besonders -od und -unga), die zur Substantivierung von Verben dienen und ziemlich produktiv sind, mit andern Worten beinahe als grammatikalische Mittel in jedem beliebigen Fall eingesetzt werden können. Fast jedes Verb kann also substantiviert werden, wobei in den vorliegenden Fällen die Bedeutung hinsichtlich des konkreten Inhaltes unverändert bleibt. (Beide Behauptungen müßten natürlich an sich bewiesen werden, wozu jedoch eine spezielle Untersuchung notwendig wäre.) In einem solchen Fall stellt sich die Frage, ob die aus einer solchen Substantivierung entstehenden Substantive in die Gruppe der übrigen Substantive gestellt werden sollen. Könnte man aber nicht auch sagen, daß mit diesem produktiven Mittel der Substantivierungen praktisch das ganze System von Verben als System von Substantiven reproduziert werden könnte? Vor allem gilt dabei die Feststellung, daß, solange die Substantivierungsmittel wirklich produktiv sind und nicht eine Erstarrung der einzelnen Formen eintritt, die Bedeutung der Substantive von jener der Grundverben abhängig ist. Solche Substantive verhalten sich also in Bezug auf ihre Bedeutung eher als Verben denn als Substantive. Es wäre deshalb zweifelsohne eine Verfälschung des Systems der Substantive ohne verbalen Hintergrund, wollte man ihnen die aus Verben gebildeten Substanvive gleichberechtigt beigesellen. Diese Substantive wurden deshalb in der vorliegenden Arbeit bei der Behandlung der eigentlichen Substantive nicht in Berücksichtigung gezogen. Umgekehrt wurden sie bei dem oft spärlichen Belegmaterial im Althochdeutschen im Notfall für die Analyse der Verben zu Hilfe gezogen. Diese Gründe können, es sei wiederholt, nur für solche Fälle gelten, wo die Substantivierung wirklich auf Grund produktiver Wortbildungsmittel geschehen ist und somit keine Lexikalisierung der betreffenden Wörter erfolgt ist. In andern Fällen, etwa der Bildung von Substantiven aus Ablautstufen von Stämmen, wie wir sie in Paaren wie thd. „diozan" — „doz", „klingan" —
Arten von Oppositionen
15
„klang" vor uns haben, die ja nur für einige speziell gelagerte Fälle gelten, besteht diese gegenseitige enge Beziehung bzw. die Elastizität der Anwendung der Mittel der Wortbildung nicht. Das Verhältnis zwischen den beiden Gliedern bleibt deshalb ein vereinzeltes, das nur durch ebenso vereinzelte Gegenstücke gestützt wird, und muß deshalb bald erstarren. Wir werden denn auch feststellen, daß in solchen Fällen die Wörter sich sehr bald auseinander entwickeln. Für die Differenzierung der Bedeutungen der Wörter nach minimalen Unterschieden muß zuletzt aber noch auf eine Grenze der Analysierbarkeit hingewiesen werden. Besonders bei Wörtern, die sehr konkrete Tatbestände bezeichnen, kann es vorkommen, daß hier zwar unzweifelhaft ein minimales Paar von Wörtern vorhanden ist, daß es aber trotzdem unmöglich ist, zu sagen auf welches minimale Merkmal als Unterschied sich die Differenzierung stützt. So ist es z. B. im Falle des Gegensatzes „Heidelbeere" — „Preißelbeere" praktisch wohl unmöglich, zu entscheiden, ob die Differenzierungen dieser beiden Begriffe durch die Farbe, die Form, die Konsistenz oder den Geschmack vorgenommen werden muß. Wie Dell H. Hymes sich ausdrückt16, ist in solchen Fällen wohl das „Sortieren" („the sorting"), also die aufzählende Klassifizierung möglich, nicht aber die Begründung dieses Sortierens durch die Klassifikationsmerkmale, wodurch es legitimiert wird („the right assignment of semantic features to the element of sorting"). Zu sagen, es handle sich in diesem Falle um eine reinextensionale Klassifikation, würde wohl die unmittelbare Einsichtigkeit für jeden normalen Sprecher, auf die eine solche Klassifikation bauen kann, nicht berücksichtigen. Es steht zu vermuten, (obwohl im übrigen auf die Zusammenhänge hier nicht eingegangen werden kann), daß diese Schwierigkeit mit dem Problem der oben erwähnten „sprachimmanenten Synonymität" zusammenhängt. Der Grund liegt vielleicht darin, daß man bei den Bedeutungen der Sprache zuletzt auf Wörter stößt, die das Material zu sprachlichen Klassifikationen möglich macht. Ihre Inhalte selbst können aber nicht mehr sprachlich differenziert werden, sondern wären als sinnlich-konkrete Erfahrungskomplexe zu beschreiben. Insofern kann die Sprache letztlich nur auf solchen konkreten Erfahrungen aufbauen, da ja die Bedeutungen abstrakte Gegebenheiten sind, die notwendig zunächst auf konkreten Tatbeständen aufbauen müssen.
5. Arten von
Oppositionen
Im Anschluß an die Erörterungen über die Möglichkeiten der Analyse stellt sich natürlich die Frage, in welcher Form zwei Wörter, die durch ein minimales unterscheidendes Merkmal voneinander getrennt sind, zueinander in Opposition stehen können. >6 a. a. O. S. 117.
16
Einleitung
Dem muß allerdings die Darstellung der Möglichkeiten vorausgeschickt werden, wie ein einzelnes Wort durch ein Merkmal gekennzeichnet sein kann. Diese Tatsachen sind ihrerseits aus der Phonologie wohlbekannt. Von dort her wissen wir, daß ein Laut hinsichtlich eines distinktiven Lautmerkmals sich entweder unmarkiert, positiv markiert oder negativ markiert verhalten kann. (In der üblichen abgekürzten Notierung der Phonologie mit den Zeichen 0, + , — dargestellt.) Mit Bezug auf die Bedeutung eines Wortes heißt dies mit anderen Worten, daß An- oder Abwesenheit einer bestimmten Bedingung keine Rolle spielt; oder die Anwesenheit, das Erfülltsein einer Bedingung ist eine notwendige Voraussetzung bei der Verwendung; bei Vorhandensein der betreffenden Bedingung darf das Wort nicht verwendet werden. Neben dieser kontradiktorischen Opposition besteht für den Gegensatz positiv — negativ markiert bekanntlich jedoch auch noch die Möglichkeit einer konträren Umschreibung. Dahinter steht jedoch eine andere logische Form der Definition 17 . Kontradiktorische Aussagen sind solche, bei denen einer Bejahung einer zukommenden Eigenschaft eine Verneinung der selben Eigenschaft gegenübersteht. Diese Opposition kann erstellt werden auf Grund von einfachen Eigenschaftsaussagen. Konträre Aussagen dagegen beschreiben das Verhältnis zweier Ausdrücke zueinander auf Grund einer zwisch zwei Polen sich erstreckenden, kontinuierlichen Skala der selben Qualität, wobei sich die beiden Ausdrücke durch ihre Lage hinsichtlich dieser Skala voneinander unterscheiden. Die Definition von solchen Eigenschaften geschieht in einem solchen Falle nicht durch einfache Eigenschaftsaussagen, sndern durch Beziehungsaussagen (etwa der Form „A ist mehr x als B " ) . Als Extremfall solcher konträrer Beziehungen wäre wohl jener zu betrachten, wo sich lediglich zwei Pole gegenüberstehen, ohne daß dazwischen eine graduell verlaufende Skala existieren würde. Dies ist etwa in einem Paar wie ,männlich' — ,weiblich' der Fall. Eine solche Beziehung könnte man allerdings unter Umständen ebenso einfach als eine kontradiktorische ausdrücken. Dabei geht aber wohl die Eigenschaft einer konträren Beziehung verloren, daß beide sich gegenüberstehenden Tatbestände inhaltlich charakterisiert sind, und nicht, wie bei einem kontradiktorischen Gegensatz, lediglich der eine Partner, und der andere nur als Gegensatz oder mittels Abwesenheit einer gekennzeichnet wird. I n der Phonologie werden nichtsdestoweniger von den Vertretern einer binären Klassifizierung sämtliche konträren Oppositionen in kontradiktorische aufgelöst 18 . Ob dies für die semantische Analyse ebenfalls angebracht ist, soll hier nicht diskutiert werden. Immerhin kann festgehalten werden, daß auch in solchen Fällen die Notie17
18
cf. dazu auch G. Ungeheuer, Das logistische Fundament binärer Phonemklassifikationen, S. 72, 74 f. cf. G. Ungeheuer, a. a. O. S. 75.
Arten von Oppositionen
17
rung mittels der Kennzeichnung „positiv markiert" — „negativ markiert" möglich ist; nur handelt es sich bei konträren Gegensätzen statt um den Unterschied .bejaht' — .verneint' entweder um den Gegensatz .mehr' — .weniger' oder um inhaltliche Angaben, bei denen (so gut wie bei kontradiktorischen Gegensätzen) der positive und der negative Pol durch willkürliche Abmachung auf die beiden Gegensätze verteilt werden muß. Entsprechend den drei verschiedenen Markierungsmöglichkeiten können sich nun verschiedene Wörter in Bezug auf ein Merkmal in verschiedenen Arten von Opposition gegenüberstehen. Da es nur drei Markierungsmöglichkeiten gibt, sind allerdings selbstverständlich auch höchstens drei Ausdrücke in Bezug auf ein einziges Merkmal einander unmittelbar gegenüberstellbar. Schematisch ausgedrückt ergibt sich demnach folgendes Bild: („A", „B" und „C" bezeichnen dabei die in Frage stehenden Ausdrücke, ,m' das Merkmal, hinsichtlich dessen die Markierung besteht). m
A O
B
C +
—
Dieses Bild ergibt sich, wenn drei Ausdrücke in allen übrigen Merkmalen miteinander übereinstimmen, in einem Merkmal ,m' aber voneinander unterschieden sind. Klassenlogisch könnte man in einem solchen Falle sagen, daß ,.A" eine vorgegebene Klasse zusammenfaßt, „B" alle jene Elemente aus dieser Klasse herausgreift, die zusätzlich die Eigenschaft ,m' besitzen, und schließlich „C" innerhalb die restlichen, nicht durch ,m'charakterisierten Elemente bezeichnet. Ähnlich kann man sich für konträre Gegensätze ausdrücken. In jedem Fall stellt „A" in einer solchen Konstellation alltagssprachlich ausgedrückt den Oberbegriff von „B" und „C" dar. Praktisch ist es nun allerdings sehr wohl möglich, daß von den drei Möglichkeiten im obigen Schema nicht alle tatsächlich durch Lexeme ausgedrückt werden können. Das Feld ist dann lückenhaft ausgefüllt Wenn in der obigen schematischen Darstellung beispielsweise für „A" kein Wort vorhanden ist, dann können wir mit Baumgärtner (a. a. O) von einer Generalisierungslücke sprechen. Am häufigsten wird allerdings wohl der Fall vorkommen, daß nur „A" und „B", nicht aber „ C als Lexeme realisiert sind, da es oft nur nötig ist, ein spezielles Merkmal aus einer Gruppe von Erscheinungen herauszuheben, dagegen kein Grund besteht, diesem Merkmal auch die undifferenzierte Masse von Fällen gegenüberzustellen, wo dieses Merkmal nicht vorhanden ist. Ganz allgemein kann man von einer Spezifizierungslücke sprechen, wenn entweder „B" oder „C", nicht aber beide zugleich (aber mindestens eines, da ja sonst die Konstatierung eines Merkmals ,m' keinen Sinn hätte), durch ein Lexem wiedergegeben werden können. 19
cf. auch K. Baumgärtner, Die Struktur des Bedeutungsfeldes, z. B. S. 196 f.
Einleitung
18
Im Anschluß an diese Erwägung muß wohl nicht besonders hervorgehoben werden, daß für ein einzelnes Wort nicht nur ein einzelnes Merkmal als Gebrauchsbedingung zu beachten ist. Im Gegenteil kann wohl ein Wort mit mehreren andern in Opposition stehen, wenn naturgemäß die Oppositionen immer wieder andere Kriterien betreffen. Ein Wort kann so auf vielfache Weise klassifiziert werden, ja es erhält dabei erst die Prägnanz der Bedeutung. So steht, wie oben angedeutet wurde, „tropfen" in Opposition zu „rieseln" in Bezug auf den Aggregatszustand des „tropfenden" bzw. „rieselnden" Materials. Weiter besteht aber auch ein Gegensatz zwischen den Wörtern „tropfen" und „sprudeln" in Bezug auf die Menge des Wassers, zwischen „tropfen" und „spritzen" in Bezug auf die Bewegungscharakterisierung (wohl im Hinblick auf die ,Fallrichtung'), usw.
6. Die Ordnung des
Wortschatzes
Im Anschluß an die Darstellung der Oppositionsmöglichkeiten können wir uns die Frage stellen, ob und wie es möglich ist, einen analysierten Bereich des Wortschatzes auf Grund der bestehenden Oppositionen zu ordnen, mit andern Worten, ob und wie sich Strukturen innerhalb des Wortschatzes darstellen lassen. Wenn wir unter „Darstellung von Strukturen" die Darstellung von Beziehungen zwischen den einzelnen Wörtern entsprechend der Gleichheit und Verschiedenheit der einzelnen Gebrauchsbedingungen verstehen, so ergeben sich erste Feststellungen bereits aus dem, was sich in der Darstellung der einzelnen Möglichkeiten von Oppositionen, wie sie oben gegeben wurde, gezeigt hat. Jene Wörter, die nur in Bezug auf ein Merkmal verschieden sind, in Bezug auf alle andern aber gleich, stehen zueinander zweifellos am nächsten innerhalb des Wortschatzes, müssen in einer bildlichen Darstellung einer Struktur also am nächsten beieinander und am engsten verbunden sein. Aus dem oben gegebenen Dreierschema m
A O
B
C +
—
kann somit schon eine minimale Hierarchie zwischen den drei darin enthaltenen Begriffen konstruiert werden. Wie schon erwähnt wurde, bezeichnet in einem solchen Falle „A" die Gesamtheit einer Klasse, „B" und „C" zwei Untergruppen dieser Klasse. Die drei Glieder können somit in einer hierarchisch gegliederten Ordnung dargestellt werden, wobei „B" und „C" „A" untergeordnet werden müssen. In einer graphischen Darstellung ergäbe sich dafür folgendes Bild:
Die Ordnung des Wortschatzes
19
A (m)
+ B
C
Im Hinblick auf eine Definition könnte man von „B" und „C" sagen, daß beide in der traditionellen Form per genus ( = „A") et differentiam ( = + oder — ,m') bestimmt werden können. Diese Zusammenhänge lassen sich nun natürlich nach unten und nach oben beliebig fortsetzen, „A" kann seinerseits in einem untergeordneten Verhältnis zu einem weiteren Oberbegriff „X" stehen, von dem es durch ein zusätzliches Merkmal ,+1' getrennt ist, und an seiner Seite ein ihm hierarchisch gleichgestelltes, aber durch das Merkmal ,—1' unterschiedenes Glied „Y" besitzen. Umgekehrt kann seinerseits „B" den Oberbegriff zu einem „D" und „E" bilden, die von „B" durch Hinzufügung eines Differenzmerkmales , + n' bzw.,—n' abgeleitet sind. Es ergibt sich dann folgendes schematisches Bild: X (!)
+ A
Y
(m)
+
-
B
C
(n) 4D
-
E
Zu der Darstellung der Merkmale muß beigefügt werden, daß sie nur ein abgekürztes Bild ergibt. Entsprechend der Feststellung, die weiter oben gemacht worden ist, daß nämlich der Unterbegriff im Oberbegriff enthalten sei, müssen wir ergänzen, daß eine untere, abgeleitete Bedeutungseinheit, zusätzlich zum unterscheidenden Merkmal, auch alle Merkmale enthält, die den Oberbegriff bestimmen. So müßten im obigen Schema die Merkmale für das Element „D" mit ( + 1, + m , + n ) , diejenigen für „E" mit ( + 1, + m , —n) angegeben werden. Es kann freilich nicht erwartet werden, daß ein vorgegebenes Inhaltsgebiet einer konkreten Sprache auf eine solche ideale Weise in eine Bedeutungshierarchie aufgeteilt werden kann, abgesehen schon von der Tatsache, daß gemäß den
Einleitung
20
dargestellten Vorstellungen solche „Felder" 2 0 sich nur aus Inhalten gleicher syntaktischer Funktion aufbauen ließen. Auch für gleichartige Inhalte ergeben sich aber beim Aufbau eines solchen Schemas Schwierigkeiten. Diese bestehen vor allem darin, daß erfahrungsgemäß, wie oben schon am Wort „tropfen" gezeigt wurde, viele Wörter mehrfach klassifiziert werden müssen, oder, um bei der eben eingeführten Darstellungsweise zu bleiben, viele Wörter mehreren solchen sich hierarchisch verzweigenden Systemen angehört. Jedes Wort kann in unterschiedlichen Kriterien zu mehreren andern Wörtern in Opposition stehen, die ihrerseits wieder in eine Subklassifikation eingereiht werden müssen. Diese Tatsache ist ja auch von der Phonologie her bekannt, wo ja ein einzelnes Phonem gerade als Eigenschaftenbündel durch die verschiedenen Oppositionsmöglichkeiten definiert wird. Das Problem der Darstellung solcher komplizierter Strukturen wurde in der Phonologie durch die Anwendung des Matrizenschemas gelöst; im Bereich der Semantik würde aber auch dieses Schema unhandlich, da hier schon in einem kleinen Feld eine sehr viel größere Zahl von Komponenten eingeführt werden muß, als das die in der Phonologie verwendeten fünf bis zwölf Oppositionskriterien darstellen. Einen einfachen Fall von zweifacher Klassifikation könnte man in einer hierarchischen Verzweigungsstruktur folgendermaßen darstellen: A
F
(m)
+D
(o)
- E+
In einer solchen Struktur ließe sich in Bezug auf das Element „E" ausdrücken, daß dieses „E" die Merkmale (—n, + r ) aufweist, wobei im Merkmal ,n' auch (—m), im Merkmal ,p' auch ( + o) impliziert ist. Dieser Fall einer mehrfachen Klassifikation wird in unserer Arbeit ebenfalls des öfteren auftauchen. Nicht immer kann man dabei aber einfach zwei Hierarchien in einem Element als Berührungspunkt miteinander verbinden. Oft taucht vielmehr eine Unterscheidungsmöglichkeit an mehreren, durch Verzweigungen voneinander getrennten Elementen eines Systems zugleich auf. Die Zusammenhänge werden dann so darzustellen versucht, daß die Komponenten 20
Es wird hier keineswegs intendiert, mit dem Wort „Feld" außer den hier getroffenen Voraussetzungen andere als allgemeinste Vorstellungen über Zusammengehörigkeit von ähnlichen Wörtern vorauszusetzen. Insbesondere wird nicht an Begriffe angetönt, die etwa in der Sprachinhaltsforschung entwickelt worden sind.
21
Die Ordnung des Wortschatzes
nebeneinander gestellt werden, auch wenn ihnen konkret keine Realisation entspricht, und die Zusammenhänge durch Angabe der mehrfachen Abhängigkeit von verschiedenen dieser nebeneinandergestellten Merkmale angedeutet werden: (m)
(p)
Dieses Schema soll beispielsweise für E die Merkmale ( + m, +n, +p), für C (—m, —o, +p) angeben. Dieses Verfahren ist zwar bezüglich Klarheit der Darstellung ebenfalls eingeschränkt und entbehrt zudem der Konsequenz der Eingliederung der Komponenten in ihre Zusammenhänge. (Allerdings kann man hier beifügen, daß in einem begrenzten Ausschnitt aus einem Wortschatz bei mehrfacher Klassifikation fast notwendig Komponenten vorkommen müssen, die einer andern Hierarchie als der darzustellenden angehören und deshalb ohnehin nicht in den ihnen spezifischen Rahmen eingegliedert werden können.) Dafür besitzt diese Darstellungsweise den Vorteil, daß übergreifende Zusammenhänge auch in ihrer Zusammenordnung sichtbar gemacht werden können. Zum Schluß dieses Abschnitts muß noch beigefügt werden, daß aus den Ausführungen über „innersprachliche Synonyme" und Wörtern, deren Inhalt sich nicht vollständig in Komponenten wiedergeben läßt, natürlich folgt, daß solche Wörter unter sich nicht geordnet werden können. Denn wo keine in Komponenten ausdrückbare Oppositionen bestehen, sondern nur außersprachliche Erfahrungskomplexe als Unterscheidungsmerkmale angegeben werden können, und dabei nicht einmal sicher ist, welche dieser Tatbestände für die Verwendung dieser Wörter von Relevanz sind, da hat es selbstverständlich auch keinen Sinn und gibt es keine Möglichkeit, sprachliche Strukturen aufzuzeigen. Solche Strukturen, würden sie auf Grund der bekannten außersprachlichen Tatsachen zu konstruieren versucht, würden auch lediglich außersprachliche Tatsachen und nicht sprachimmanente Strukturen repräsentieren. Was bei solchen Wörtern an Zusammenordnung möglich ist, kann lediglich darin bestehen, diese Wörter als in sich ungeordnete Gruppe dem Begriff, der ihren Oberbegriff bildet, unterzuordnen.
Einleitung
22 7. Begrenzung
eines Ausschnittes aus dem
Wortschatz
Es kann hier noch die Frage gestellt werden, wie ein zu analysierender Wortschatzbereich abgegrenzt werden solle. Denn daß nicht der ganze Wortschatz einer Sprache in einem behandelt werden kann, bedarf keiner besonderen Erläuterung. Aus der Darstellung, die wir bisher gegeben haben, scheint es am sinnvollsten, solche enger verbundene, unter sich wenigstens teilweise hierarchisch geordnete Gruppierungen von Wörtern ähnlicher Bedeutung als Grundbezirke des Wortschatzes anzunehmen. Einen solchen Bereich kann man allerdings nicht als Ausgangspunkt der Analyse bestimmen, sondern er ergibt sich erst als Ergebnis der Untersuchungen. 'Sinnvoll sind aber wohl auch Darstellungen, die über solche unmittelbare Strukturen miteinander syntaktisch vergleichbarer Wörter hinaus Wörter verschiedener syntaktischer Valenz, die aber inhaltlich gleiche Merkmale aufweisen, zusammenfassen und überblicken. Hierbei könnte man als Begrenzungskriterien die An- und Abwesenheit bestimmter Bedingungen zugrundelegen. Eine solche Übersicht ergäbe wohl oft interessante Vergleichsmöglichkeiten, wie ein bestimmtes Merkmal in den verschiedenen syntaktischen Möglichkeiten realisiert wird. Aber auch in diesem Falle kann und muß die Begrenzung des Wortschatzbereiches, der zu behandeln beabsichtigt wird, nicht zum vorneherein getroffen werden, sondern sie ergibt sich erst als Ergebnis der Analyse. Man kann ja die Realisationsmöglichkeiten und Gesichtspunkte, die bei der Existenz eines solchen Wortschatzbereiches zu erwarten sind, noch gar nicht kennen, da sie ja gerade das Ziel einer solchen Untersuchung bilden. Praktisch muß man von einem beliebigen Ort des Wortschatzes ausgehen, den Ausgangspunkt bei einem beliebigen Wortpaar nehmen, bei dem sich die Anwesenheit eines Merkmals, das man zu untersuchen wünscht, findet, und in immer weiteren Vergleichen und Gegenüberstellungen verfolgen, wie sich dieses Merkmal nachweisen läßt. Daß dabei unter Umständen auch Wege eingeschlagen werden müssen, die aus dem zu untersuchenden Bereich hinausführen, ist selbstverständlich. Erst mit dem Fortschreiten der Untersuchung wird es auch möglich, den Bereich wie er sich ergibt in seinen Grenzen anzugeben.
8. Begrenzung
des Bereichs der
Schallwörter
Wenn im folgenden der Bereich abgesteckt wird, innerhalb dessen sich die vorliegenden Untersuchungen bewegen, so ist damit klar, daß diese Abgrenzung zum Teil schon das Ergebnis beinhaltet und die Analyse voraussetzt. Ebenso muß hier gesagt werden, daß bei weitem nicht alle Abgrenzungen und
Sprachschichtung
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Ausscheidungen, die im Laufe der Untersuchungen und schon bei der Auswahl der Wörter getroffen werden mußten, auch explizit angegeben werden können. Das Gebiet der Schallwörter, die in dieser Arbeit behandelt werden, wird also als jenes der Wörter unterschrieben, die die hörbaren Schwingungen der Luft bezeichnen; ferner jener Wörter, die zwar im streng physikalischen Sinn vor allem das Erzeugen von Schall durch Materialien und Lebewesen mittels Eigenschwingungen und nicht primär die Luftschwingungen selbst bezeichnen. In diesem Fall läßt sich eine solche Unterscheidung nicht treffen, sondern hiebei werden in der Sprache die Luftschwingungen von der Erzeugung nicht unterschieden, vielmehr als eine Einheit gesehen. Ausgeschlossen wurden aber jene Wörter, die eine zweckgerichtete Tätigkeit mit dem Ziel, mittels eines Gegenstandes Schall zu erzeugen, bezeichnen, wie etwa mhd. „bozen" (.klopfen') oder „klenken" (,zum Klingen bringen'). Solche Wörter bezeichnen nicht die Eigenschwingung eines Körpers, die den Luftschall erzeugt, sondern eine Tätigkeit, einen Gegenstand zu dieser Eigenschwingung zu bringen. Auf eine genauere Differenzierung wurde dort verzichtet, wo die Unterscheidungen sich nicht mehr auf den Bereich des Hörbaren, sondern auf andere Kategorien bezieht; dies ist insbesondere der Fall bei den verba dicendi, die nach dem Inhalt des Gesprochenen differieren, und bei den musikalischen Ausdrücken, die rein musiktheoretische Einteilungen betreffen. Für Einzelheiten zu solchen Abgrenzungen sei auf die Diskussionen bei den jeweiligen Abschnitten verwiesen. 9.
Sprachschichtung
Wenn auch nicht unbedingt angenommen werden kann, daß der Wortschatz alle Kriterien erfüllt, die von einer Struktur im strengen Sinne gefordert werden müssen, so bildet ein solcher Wortschatz einer Sprache im Rahmen des Gesamtsystems doch ein auf vielerlei Weisen geordnetes und in sich zusammenhängendes Ganzes. Damit diese Ordnungen und die sicherlich vorhandenen Teilsysteme aber auch richtig erkannt und beschrieben werden, ist es nötig, daß der Analyse ein homogenes Sprachganzes zugrundegelegt wird. Es hat nur einen Sinn, den Wortschatz in Strukturen zu beschreiben, wenn auch die Sprachschicht, aus der er belegt wird, eine Einheit bildet. Wenn sich die Untersuchungen auf eine Sprecherkompetenz berufen, besteht diese Gefahr, daß ein uneinheitliches Sprachmaterial zugrundegelegt wird, praktisch allerdings kaum (theoretisch überhaupt nicht). Wenn aber die Untersuchungen auf einem Korpus basieren müssen, dann kann die sprachliche Einheit auf verschiedene Weise verfehlt werden und die Auswahl dadurch die Darstellung verfälschen. So werden die Ergebnisse sicherlich verfälscht, wenn man den Gebrauch von Wörtern aus verschiedenen Sprachepochen in den gleichen Be-
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Einleitung
trachtungsgang einbezieht, wenn man insbesondere zeitlich allzuweit voneinander getrennte Vorkommen ein und derselben Wortform ohne weiteres als Vorkommen einer einzigen, einheitlich verwendeten Lautform betrachtet. Bei einem solchen Vorgehen würde man die Möglichkeit der Bedeutungsveränderung außer Acht lassen; praktisch würde man zwei verschiedene Bedeutungen zu einer einzigen vermengen. Aber auch wenn ein Vergleich nur des Vorkommens dieses einen Wortes noch eine Bedeutungseinheit ergeben würde, wäre doch eine Veränderung der Nebenworte als Möglichkeit einzuberechnen, wodurch sich doch wieder die Bedingungen für den Gebauch auch dieses Wortes verändern würden, indem ja die Oppositionsmöglichkeiten verändert würden. Eine zweite Gefahr, wenigstens für sprachlich noch wenig vereinheitlichte Epochen wie das Alt- und Mittelhochdeutsche, bildet das Nebeneinander von verschiedenen Dialekten. Auch hier muß beachtet werden, daß unter Umständen die Dialekte trotz Ähnlichkeiten im gesamten, was den Wortgebrauch im Einzelnen betrifft, durchaus Differenzen aufweisen können. In verschiedenen Dialekten können deshalb gleiche Wortsammlungen einen Bezirk unterschiedlich aufteilen, oder es kann auch die Möglichkeit auftreten, daß nicht alle Wörter in allen Dialekten gebräuchlich sind, sondern die verschiedenen Ausprägungsmöglichkeiten unterschiedlich realisiert werden. Auch in dieser Hinsicht muß eine Nichtbeachtung der Forderung der Homogenität zur Mischung von Unvergleichbarem und so zu einem verfälschten Bild führen. Als eine dritte Hinsicht, in der eine Sprache geschichtet sein kann und wo demzufolge die Gefahr unzulässiger Vermischung beachtet werden muß, wäre wohl zuletzt noch die vertikale Gliederung zu erwähnen, nämlich die Gliederung der Sprache in verschiedene Stil- und sonstige Verwendungsgeschichten innerhalb desselben Sprachganzen. Man muß mit der Notwendigkeit der Unterscheidung nach Gesichtspunkten wie „umgangssprachlich" („nur in gesprochener Sprache"), „schriftsprachlich" („nur in geschriebener Sprache"), „literatursprachlich" („nur in dichterischer Sprache"), „fachsprachlich" („nur in spezifischen Be rufen") usw. rechnen. Wenn beigefügt wurde, daß dies Schichtungen innerhalb des selben Sprachganzen seien, so heißt dies allerdings auch, daß diese verschiedenen Sprachschichten unter Umständen zugleich gegenwärtig und verfügbar sind. Dennoch müssen durch Schichtunterschiede voneinander getrennte Wörter, die wohl zuweilen für dasselbe Bezeichnete verwendet werden können, auch innerhalb einer Bedeutungsdarstellung voneinander unterschieden werden, da ja ihre Unterschiede so gut wie Unterschiede im bezeichneten Gegenstand als Unterschied der Gebrauchsbedingungen zu beachten sind, Unterschiede, die in diesem Fall die Bedingungen der Sprechsituation betreffen. Auch hier muß somit fesgehalten werden, daß eine Vernachlässigung einer Differenzierung zu einer inadäquaten Klassifizierung eines Wortschatzes führen würde. Bei dieser letzten Schichtungsmöglichkeit bleibt allerdings die Frage offen, mit was für Methoden Stilunterschiede beschrieben, definiert und verifiziert werden können. Insbeson-
System und Vollständigkeit
25
dere bei der Untersuchung eines vorgegebenen Korpus bleibt die Bestimmbarkeit solcher Komponenten ein schwieriges Unterfangen, da nirgends so stark wie in diesem Fall die momentane, konkrete außersprachliche Situation eines Sprechers oder Schreibers eine Rolle spielt.
10. System und Vollständigkeit Es sollte im Laufe der vorangegangenen Ausführungen klar geworden sein, daß diese Arbeit sich andere Ziele vornimmt, als sie ein Wörterbuch erfüllen will. Der Zweck eines Wörterbuches wird schon bei dessen Lektüre offensichtlich: Ein Wörterbuch will so lückenlos wie möglich alle Wörter einer bestimmten Sprache in einer möglichst einfachen, deshalb notgedrungenerweise auch schematischen Ordnung aufzählen und alle Verwendungsmöglichkeiten, soweit dies möglich ist, angeben. Bei dem Wörterbuch einer historischen Sprachepoche muß sich die Beschreibung mangels Belegen sich zuweilen auf die bloße Angabe des Vorkommens beschränken. Diese Arbeit nimmt sich hingegen vor, Zusammenhänge zwischen Wörtern zu erforschen und diese Zusammenhänge in die Ordnung zu bringen, die der Sprachbenützung zugrundeliegt. So kann einerseits erreicht werden, daß viele, ja die meisten Wörter in ihrer Grundbedeutung genauer erfaßt werden, als dies in den existierenden Wörterbüchern geschieht, die ja meist auf einen Vegleich zwischen den einzelnen Lexemen verzichten und deshalb in einer solchen isolierenden Darstellungsweise manche Gebrauchsregeln unbeachtet lassen müssen. Andererseits kann eine solche hinsichtlich der Bedeutungen mehr ungefähre Darstellungsweise in den Wörterbüchern auch dort angewendet werden, wo das Belegmaterial zu einer fundierten Analyse fehlt und wo somit eine Darstellung wie die folgende auf Sicherheit und Endgültigkeit der Aussagen verzichten muß. Ferner hat ein Wörterbuch nicht nur die Aufgabe, die Grundbedeutung eines Wortes darzustellen, sondern auch stilistische, idiomatische und mehr vereinzelte Eigentümlichkeiten anzugeben, welche von der Perspektive der Semantik aus eher als Abweichungen von den Regeln zu bewerten sind und deshalb auch hier unbeachtet bleiben. Wie schon angetönt, kann der Mangel an Belegen der Darstellung eines Systems Schranken auferlegen, die ein Wörterbuch nicht so stark zu spüren bekommt. Deshalb muß in der folgenden Arbeit, und dies macht einen weiteren Unterschied zu Wörterbüchern aus, oft auf Vollständigkeit der Analyse verzichtet werden. Es besteht jedoch die begründete Vermutung, daß im vorliegenden Fall dadurch die Darstellung eines Systems nicht allzusehr verfälscht wird, obwohl ja in einem zusammenhängenden System jedes Glied prinzipiell Einfluß auf das Ganze hat. Die Behauptung, daß dies nicht so stark in Erscheinung tritt, stützt sich auf folgenden Gedankengang:
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Einleitung
Die tragenden Elemente in einem semantischen System sind ohne Zweifel die Elemente mit der allgemeinsten Bedeutung. Die Elemente mit der geringsten Allgemeinheit des Inhalts, mit andern Worten, mit der konkretesten Bedeutung, befinden sich auch an den untersten Astspitzen der Bedeutungshierarchien, wo die Hierarchien ohnehin ein Ende nehmen; diese konkretesten Elemente beeinflussen deshalb auch ihre Existenz oder Nichtexistenz auch nur ihre nächstuntersten, ebenfalls relativ unwichtigen Nachbarn. Durch die Abwesenheit oder das Auslassen eines in der Hierarchie weit oben sich befindlichen, allgemeineren Elementes würden dagegen viel größere Änderungen oder Verfälschungen in der Darstellung eines Bedeutungssystems entstehen. Nun liegt aber eben in der Allgemeinheit solcher wichtiger Elemente auch die Chance, daß in einem vorgegebenen, beschränkten Korpus diese Elemente mit größerer Wahrscheinlichkeit zu finden sind. Denn je allgemeiner ein Wort in seiner Bedeutung ist, desto mehr Möglichkeiten und Anlässe bestehen, daß es verwendet wird, da es ja an wenige Gebraudisbedingungen gebunden ist. Umgekehrt besteht die Tendenz, daß, je konkreter die Bedeutung eines Wortes ist, je mehr Bedingungen zu einem Gebrauch also erfüllt sein müssen, desto seltener auch die Situation eintritt, wo es verwendet werden kann. Man kann also sagen, daß, je allgemeiner ein Wort in seiner Bedeutung ist, desto größer auch die Wahrscheinlichkeit seiner Verwendung ist. Natürlich gibt es Ausnahmen von dieser Feststellung, etwa Sprachgebrauch in besonders konkreten Situationen, in Fachliteratur usw. Eine in dieser Arbeit vorkommende Situation dieser Art finden wir in der Glossierung fremdsprachlicher, d. h. in diesem Falle lateinischer Literatur. In den Glossen trifft man tafc sächlich höchst selten die Glossierung allgemeiner Wörter, aus dem einfachen Grund, weil diese eben deshalb auch triviale und gutbekannte Wörter sind, welche keiner Erläuterung bedürfen. Man ist deshalb auch in einem solchen Falle auf ein Korpus fortlaufender, zusammenhängender Texte angewiesen, wo die oben dargestellte Beziehung Geltung hat. Im Ganzen kann man deshalb gleichwohl die Hoffnung begründeterweise aussprechen, daß aus der durch die Zugrundelegung eines Korpus unausweichlichen Lückenhaftigkeit des Materials Verfälschungen nur im Detail, nicht im strukturellen Aufbau der Ergebnisse folgen.
II. Schallwörter im Althochdeutschen 1. Vorbemerkungen
zum Material
Bekanntlich steht für die Erforschung des Althochdeutschen nur ein ziemlich beschränktes Quellenmaterial zur Verfügung. Fortlaufende ahd. Texte sind nur sehr wenige überliefert, dazu kommt noch, daß die meisten, besonders jene größern Umfanges, geistlichen Inhaltes sind. Zu diesen eigenständigen Texten kommen noch zahllose Glossen zu lateinischen Werken, deren Auswertung aber auf besondere Probleme stößt, und die übrige, mehr oder weniger selbständige Übersetzungsliteratur. Für unsere Untersuchungen bietet Notker in seinen Schriften erwartungsgemäß am meisten Material; die übrigen ahd. Schriften müssen daneben ziemlich zurücktreten. Dennoch wurde versucht, alle literarischen und zusammenhängenden übersetzerischen Texte auszuwerten. Auch Notker bietet aber offensichtlich in seinen Werken nicht den ganzen Wortschatz, der ihm zur Verfügung steht. Diese Lücken auszugleichen, erweisen sich die Glossen oft als hilfreich. Allerdings sind für semantische Interpretationen nur gewisse Arten von Glossen überhaupt brauchbar. Das Hauptproblem besteht ja darin, daß sich die Bedeutungen der lateinischen Wörter in den seltensten Fällen ganz mit denjenigen der deutschen, glossierenden Wörter deckt. Die Übersetzung ist also in jedem Falle nur eine ungenaue, annähernde. Deshalb sind Glossensammlungen in Vokabularienform, wo ein einzelnes lateinisches Lemma einem einzelnen deutschen Interpretamentum gegenübersteht, für Bedeutungsanalysen so gut wie nutzlos, da auch eine Analyse der Bedeutung der lateinischen Wörter über die meisten Gebrauchsbedingungen der deutschen Entsprechungen keinen Aufschluß geben kann. Solche Bedingungen können ja, wie in der Einleitung festgestellt wurde, nur anhand der Verwendung in konkreten Sätzen beobachtet werden. Dazu eignen sich hingegen verhältnismäßig gut deutsche Glossen zu zusammenhängenden lateinischen Texten. Denn in solchen Fällen kann man meist feststellen, daß gemäß dem Sinn des lateinischen Textes glossiert wird, also zwischen den lateinischen Lemmata und den deutschen Interpretamenten keine eindeutige Beziehung besteht. Vielmehr wird je nach dem im fremdsprachlichen Text gegebenen Kontext das passendste deutsche Wort eingesetzt. Das zeigt sich unter anderem darin, daß an verschiedenen Stellen dieselben lateinischen Wörter mit verschiedenen deutschen Wörtern glossiert werden. (Einen weiteren Hinweis können wir dafür im Umstand
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Schallwörter im Althochdeutschen
finden, daß in vielen Fällen die lateinische Form nicht grammatikalisch getreu nachgebildet wird, sondern im Hinblick auf eine, oft nur gedachte, fortlaufende deufsche Übersetzung abweichende Formen gebildet werden.) Im Hinblick auf die Bedeutungsanalyse können wir somit sagen, daß die Situationsbedingungen, die im lateinischen Kontext eine Rolle spielen, durch die Glossatoren auch beim Einsetzen der deutschen Interpretamente berücksichtigt werden. Durch Rückgriff auf den glossierten lateinischen Text lassen sich somit in sehr vielen Fällen die entscheidenden Gebraudisbedingungen für die deutschen Glossenwörter darstellen, wie wenn sich diese deutschen Wörter in einem deutschen Kontext befänden. Im Rahmen dieser Arbeit konnten natürlich nur Glossen, die in SteinmeyerSiever's Sammlungen abgedruckt sind, berücksichtigt werden, und auch die Benützung dieses Hilfsmittels gestaltet sich recht umständlich. Ohnehin konnte nicht die ganze Sammlung ausgezogen werden. Von den Glossen zu lateinischen Literaturdenkmälern erwiesen sich die Vergil- und Prudentiusglossen am ergiebigsten und wurden genauer durchgesehen. Auch die Bibelglossen ergaben zusätzliches Material. In andern Fällen erwiesen sich die Angaben in E. A. Graffs Althochdeutschem Sprachschatz sowie in F. Ravens Sammlungen der schwachen ahd. Verben als nützliche Hinweise auf in den Althochdeutschen Glossen abgedruckte Stellen. Schließlich wurde auch das Althochdeutsche Wörterbuch, soweit es schon erschienen ist, konsultiert. Beim Vergleich der einzelnen Wörter untereinander ergaben sich allerdings zuweilen in Details Interpredationsunterschiede zu dem die Bedeutungen isoliert darstellenden Ahd. Wörterbuch. Auch mit all diesen Hilfsmitteln wurde natürlich keineswegs Vollständigkeit in der Erfassung des Wortschatzes erreicht, ganz abgesehen davon, daß auch die vorhandenen Belege oft nicht für eine genügend sichere Bestimmung der Inhalte ausreichen. Um dennoch einigermaßen wirklichkeitsgetreue Aussagen zu erreichen, wurden oft auch Substantivableitungen mit den Suffixen „-od" und ,.-unga", die offensichtlich produktive Ableitungsmöglichkeiten darstellen, beigezogen. Die Begründung zu einem solchen Vorgehen ist in der Einleitung gegeben. Streng genommen entspricht das Material, das die Grundlage der folgenden Untersuchungen bildet, nicht den Anforderungen an Einheitlichkeit, wie sie in der Einleitung an die Sprache eines Korpus gestellt wurden. Die verschiedenen Quellen sind zeitlich und räumlich zum Teil ziemlich weit voneinander entfernt, wenn man im Ganzen auch festhalten kann, daß die Hauptmasse der Belege, die aus den Werken Notkers, den Vergil- und den Prudentiusglossen zusammengestellt sindn, aus dem alemannischen und bairischen Gebiet stammt und zeitlich in die zweite Hälfte der althochdeutschen Sprachperiode gelegt werden muß. Ferner gilt es immerhin zu beachten, daß gerade die Glossenarbeit von mannigfachen Querverbindungen zwischen den einzelnen Zentren beeinflußt wird, sodaß hier Dialektreinheit ohnehin nicht unbedingt erwartet werden kann. Die
Verben für den Schall allgemein
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Forderung verliert in diesem Falle an Gewicht. Im Ganzen ist aber auch das Material so karg, daß jeder verfügbare Beleg verwertet werden muß.
2. Verben für den Schall
allgemein
Zu den Schallverben, die bezüglich Erzeugung am allgemeinsten verwendet werden, gehört vor allem „lüten" (In den Schriften Notkers wird dafür durchwegs „liuten" geschrieben, entsprechend dem in spätahd. auch im Schriftbild bezeichneten Umlaut.) „Lüten" kann sehr verschiedenartige Lauterscheinungen bezeichnen. Es wird häufig für die Übersetzung eines lat. „sonare" gebraucht, insbesondere wenn es sich dabei um Bezeichnungen der Stimme handelt. So steht in Notkers Psalmenübersetzung : N. II, 287,11
Dannan ist diser psalmvers Asaph. daz chit synagogç. dero uox hier liûtet.
Ähnlich heißt es in den Murbacher Hymnen: Murb. Hymn. VII, 12
una voce desonamus
eineru stimnu kaluttemes
Allenfalls als ins Deutsche übersetzte Metapher könnte man es betrachten, wenn Notker schreibt: N. II, 310,13
Vocem dederunt nubes. Diû uuolchen lûtton.
Daß die Erzeugung mittels Stimme aber kein Verwendungskriterium darstellt, sieht man zum Beispiel an der in Gl. 1,463,24 angegebenen Stelle, wo mit „luttantiu" ein Instrumentenklang bezeichnendes „concrepantes" in 1 Paralip. 15,19 „Cantores Heman, Asaph et Ethan in cymbalis aeneis c o n c r e p a n t e s " glossiert. Abstrakter wird dagegen „lüten" oft in Notkers „De musica" verwendet. Als Beispiel für viele andere gelte der folgende Abschnitt: N. I, 856,6
note stîgen soi f6ne déro stéte dâr iz anagefangen uuirt. unz tara sin höhi gât. ih méino uuîlôn iöh ze demo âhtodên bûchstâbe. der zuiualt liutet. tanne der bûchstâb, ze démo iz ânafîeng.
„Buohstab" meint in diesem Zusammenhang soviel wie ,Ton', ,Note'. „Luten" wird also für eine eher abstrakte Größe verwendet, für ein Klingen, das nicht unbedingt hörbar sein muß. 1
Außer in Zitaten werden die Wörter in der Schreibweise des sog. „Normalahd." der Tatianübersetzung wiedergegeben.
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Um jedoch die Eigenart von „lüten" besser zu erkennen, erweist es sich als nützlich, seine Verwendung mit derjenigen von „skellan" zu kontrastieren. Auch „skellan" wird hinsichtlich der Klangerscheinungen, die es bezeichnet, ziemlich allgemein gebraucht. So kommt wie bei „lüten" die Verwendung für Stimmenklang vor: N. II, 89,21
Vox domini super aquas. sin stimme schillet über diu uuazzer.
Daneben erscheint häufig die Bezeichnung von Instrumentenklang durch „skellan": N. II, 597,9
Psalterium skillit also ein lira. aide ein harpha. aide ein Organum. Vnde uuanda daz lüto stillet, daz man darana singet, pe diu chit psalmus hohsang.
Aber auch allgemein für das Erklingen von Metall wird „skellan" eingesetzt. So glossiert Gl. 1,761,33 „skellente" die Stelle 1 Kor. 13,1 „Factus sum velut aes sonanns aut cymbalum t i n n i e n s . " Oder Notker schreibt: N. I, 804,3
Sed ecce universa dissultant magno crepitu. i. sonitu timpani. et tinnitu crotalorum. i. cymbalorum. 'Inin des uuard toz in allen steten, föne lüto skellenten timpanis ünde cymbalis.
Im gleichen Sinn erscheint „scullun" für „sonuere" in Gl. 2,715,41 für Verg. A. I X , 731 f. „arma/Horrendum s o n u e r e . " Etwas unbestimmter bleibt die Klangerscheinung, wenn ein Erschallen von Gottes Stimme durch „skellan" wiedergegeben wird, wenn auch in den folgenden Stellen offenbar das Klangbild des Donners vorschwebt: N. II. 310,16 Steinm. 39,302,6
Vox tonitrui tui in rota. In orbe terrarum scüllen diniu ¿geliehen uuerdi. Dominum formidabunt addrohtin eruortent uuedarversarii eius! Et super ipsos uuerdigi sin. über sie selbon in celis tonabit. in himilin erskillit.
Ob allerdings auch dem althochdeutschen Übersetzer in solchen Fällen Donner vor Augen stand, bleibt unsicher. Es stünde jedenfalls ein eigenes Wort für ,donnern' zur Verfügung. Aber vielleicht erschien dies einem althochdeutschen Ubersetzer in den vorliegenden Fällen zu konkret meteorologisch, um es für einen Stimmenschall zu verwenden, und so wählte er „skellan", um solche Probleme von Subjektbedingungen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Man könnte sich zunächst im Anschluß an diese Beispiele fragen, ob es für die Verwendung von „skellan" etwas zu besagen hat, daß als Klangerscheinungen, die im Zusammenhang mit ihm vorkommen, hauptsächlich stimmlicher und und Metallklang sowie das Ertönen von Musikinstrumenten erscheinen. Falls die Beispiele repräsentativ sind, müssten wir vorläufig vermuten, daß „skellan"
Verben für den Schall allgemein
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ein Erschallen bezeichnet, das vor allem Helligkeit und Lautstärke enthält und nicht geräuschhaft ist. Einen Unterschied in der Verwendung von Juten" und „skellan" finden wir nur darin, daß für .tönen' in einem abstrakten Sinn, wie es z. B. in „De musica" vorkommt, nur Juten", niemals „skellan" verwendet wird. Zwar finden wir auch für „skellan" eine weniger konkrete Verwendung, wie das folgende Beispiel zeigt: N. II, 216,9
Vnde über alla erda uuerde irbüret din guöllichi. daz überal din 16b skelle.
In solchen und ähnlichen Fällen steht aber im Falle von „skellan" die Betonung darauf, daß es, ähnlich, wie wir es für die konkreteren Verwendungen von „skellan" festgestellt haben, vor allem helles, lautstarkes und somit weit hörbares Erschallen meint. Für die Verwendung von Juten" sowohl im konkreten wie im abstrakten Sinn scheint es dagegen überhaupt nicht darauf anzukommen, wie laut, wie weit hörbar, wie hellklingend dieses Klangereignis sei. Wichtig ist nur die Hörbarkeit an und für sich. Wohl im Zusammenhang damit steht auch der Unterschied in Bezug auf die Adverbialphrasen, die zusammen mit Juten" und „skellan" verwendet werden. Mit „skellan" finden wir nur „lüto" und „uuola", also Eigenschaften, die durchaus in das Bild von „skellan" passen, das wir bisher erhalten haben. N. I, 804,5 N. II, 606,14
'Inin des uuard töz in allen steten, föne lüto skellenten timpanis ünde cymbalis. Laudate eum in cymbalis bene sonantibus. . . . Lobont in mit zymbon uuola skellenten.
Weit mannigfaltiger sind die Adverbialphrasen, die „lüten" ergänzen können. Meist handelt es sich dabei um inhaltlich viel bedeutsamere Ausdrücke als es „lüto" und „uuola" von „skellan" sind. So können Ausdrücke hinzutreten, die eine bestimmte Lautqualität mitgeben: N. 1,781,16 N. 1,704,30
Tonus liutet ticchor an demo sänge, dänne semitonium. Quicquid uero terr? confine ac propinquum ramis acclinibus fuerat. grauitas rauca quatiebat. Taz aber in nideren esten dero erdo sih nähta. daz lutta gerobo.
Im Falle einer abstrakten Verwendung von „lüten" kann auch das Adverbiale sich auf abstrakte Tatbestände beziehen: N. I, 855,27
Pe diu liutet tiu öberosta uuärba. duplum gagen dero niderostün.
Diese Beobachtungen bestätigen unsere früheren Feststellungen, „hüten" ist ein Verb, das Hörbarkeit ganz allgemein bezeichnet und darüber hinaus in-
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haltsleer bleibt. Es beinhaltet deshalb weder eine Entscheidung über Lautqualität noch Lautintensität. Deshalb ist es auch möglich, „liuten" zusammen mit inhaltlich sehr verschiedenartigen und bedeutungsgeprägten Adverbien zu verbinden. „Skellan" dagegen enthält, bei aller Allgemeinheit, gewisse Lautqualitäten, nämlich gute Hörbarkeit, Hauthelligkeit bzw. Abwesenheit von Geräuschhaftigkeit. Weil „skellan" im Vergleich zu „liuten" schon mit so starken inhaltlichen Komponenten gefüllt ist, ist es auch weniger gut möglich, aber auch gar nicht nötig, ein Adverb zur Konkretisierung des Inhalt beizufügen. Als drittes der Gruppe von Verben, welche durch ihre Allgemeinheit auffallen, bleibt noch „hellan" zu erwähnen. „Hellan" wird zunächst vor allem für den Klang von Musikinstrumenten und für die Stimme verwendet: N. I, 223,14 N. II, 155,6 O. V, 23,187
Unde dar rertende süozo hellentiu seitsäng. (Die stimmun) hellent mir so süozzo. daz mir iro lüta gouma ist. Thir al thar scono hillit thaz müsica gisingit.
Dies hat an und für sich „hellan" mit „skellan" gemeinsam. Im Unterschied zu „skellan" beschränkt sich aber „hellan" praktisch auf diesen Bereich. Doch scheint für „hellan" nicht unbedingt die Erzeugung des damit bezeichneten Schalles im Vordergrund zu stehen. Es fällt nämlich zusätzlich zur Beschränkung auf gewisse Schallerscheinungen auf, wie häufig Adverbien des Wohlklingens wie „scono", „suozzo" zu „hellan" beigefügt werden. Zusätzlich kann man bemerken, daß es sich, auch wo es sich um die menschliche Stimme handelt, fast stets um Musik handelt. Dies drängt den Schluß auf, daß „hellan" ein aesthetisch befriedigendes, wohllautendes Erklingen bezeichnet. Dies wird noch durch folgenden Beleg erhärtet: N. I, 705,11
Ita fiebat ut nemus illud armoniam totam . . . personaret. So geskah. taz der uuald älla gehellt.
Notker, der zuverlässige und einfühlsame Übersetzer, kann den lateinischen Ausdruck „harmoniam personare" durch ein einfaches „gehellen" wiedergeben, was sehr gut zeigt, daß das Element des aesthetisch befriedigenden, das in „armonia" enthalten ist, schon in „gehellan" ausgedrückt wird und nicht eigens übersetzt zu werden braucht. Es kann hier noch angemerkt werden, daß diese Verwendung nicht die einzige darstellt. Eine andere wichtige Gebrauchsweise besteht in der Bedeutung .passen', übereinstimmen'. Diese Verwendungsweise liegt aber außerhalb des Bereichs der Schallwörter und kann hier deshalb vernachläsigt bleiben.
.Kerran" und „gellan"
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3. „Kerran" und „gellan" Im folgenden sind zwei Verben zu behandeln, die, obwohl sie inhaltlich stark determiniert sind, also eine ziemlich konkrete Bedeutung haben, bezüglich Herkunft des Schalles nicht auf ,stimmlich' oder ,nichtstimmlich' festgelegt sind. Beim ersten handelt es sich um „gellan". Mit diesem Wort wird einmal „tinnire" in einigen ähnlichen Stellen der Bibel glossiert, wofür Jerem. 19,3 „Ecce ego inducam adflictionem supter locum istum, ita ut omnis qui audierit illam, t i n n i a n t aures eius." als Beispiel stehen möge, wo „tinniant" in Gl. 1,630,34 mit „gellent" übersetzt wird. Der Sinn der Stelle ist klar, gemeint ist ein grelles Erklingen in den Ohren. In einem verwandten Sinn wird „gellen" von Notker verwendet: N. I, 855,2
Tér óuh tia lírün uuérbe. dér uuérbe sia ze démo méze. daz si úberdénetiu nekélle. nöh si fóre sláchi ze únlütréiste nesi.
„Die Saiten sollen nicht zu stark gespannt sein, damit sie nicht zu grell tönen." könnte man diese Stelle wiedergeben. Auch hier bezeichnet „gellan" also ein grelles, gellendes Klingen. Auf eine weitere Verwendungsmöglichkeit führt uns noch Gl. 1,334,12, wo „gillit" als Glosse zu Exod. 11,7 angeführt wird: „Apud omnes autem filios Israel non mutiet canis ab homine usque ad pecus." Hier handelt es sich nicht um einen gellenden nichtstimmlichen Klang, sondern um ein gellendes Schreien. Dieses Verb hat offensichtlich eine gewisse Nähe zu „skellan". Beide bezeichnen vor allem lautstarke, klar tönende Schallereignisse, beide umfassen sowohl stimmliche wie nichtstimmliche Klänge. Wenn man aus den Belegen zu den beiden Verben sichere Schlüsse ziehen kann, so könnte man den Unterschied etwa darin sehen, daß „skellan" doch allgemeiner verwendbar ist, als „gellan", das seinerseits nur stark gellende Klänge, d. h. Klänge mit besonders großer Lautstärke im obersten Bereich des Klangspektrums bezeichnet. „Kerran" seinerseits wird wieder für eine andere Gruppe von Schallarten verwendet. Im Vordergrund stehen einmal die verschiedenen Arten von Knarren und Knirschen. So wird das Wort in den Vergilglossen einige Male für das Knirschen von eisernen Türangeln schwerer Portale gebraucht, man betrachte nur Gl. 2,657,57 „charrenta" zu Verg. A. VI, 573 „Tum demum horrísono s t r i d e n t e s dardine sacrae/Panduntur portes." oder Gl. 2,647,1 „char" zu Verg. A. I, 449 „foribus cardo s t r i d e b a t aenis". Daneben erscheint „kerran" auch mehrere Male für das Geräusch ächzenden Holzes. Als Beispiel möge Gl. 2,637,67 „cherrentes (rades)" dienen, was zu Verg. G. III, 182 ff. geschrieben steht: „primus equi labor est, ánimos atque arma videre/bellantum lituos pati tractuque g e m e n t e m/ferre rotam." Ein letztes Beispiel zeigt, daß „kerran" aber auch für stimmliche Schallerscheinungen verwendet werden kann. So wird zu Prud. P. Rom. 993
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Schallwörter im Althochdeutschen
„ . . . quem porca grunnitum s t r e p a t " dieses „strepat", welches zusammen mit „grunnitum" offensichtlich das quietschende Grunzen eines Schweines bezeichnet, mit „chirrit" glossiert (Gl. 2,454,16). Wenn wir alle diese Belegstellen zusammennehmen, ergibt sich als gemeinsames Element aller Beispiele ein geräuschhaftes, in sich unstetiges, in den hohen Bereichen des Klangspektrums liegendes Klangbild. Durch seine Geräuschhaftigkeit unterscheidet sich „kerran" sowohl von „skellan" wie von „gellan"; dagegen wird es mit „gellan" durch die Gemeinsamkeit der Betonung auf dem oberen Bereich des Klangspektrums verbunden.
4. Schallverben nichtstimmlicher
Ursache
In die Nähe von „gellan" zu bringen wäre eine Gruppe von Verben um „klingen". Es handelt sich neben „klingan" auch um Ableitungen wie „klingiIon", „klingison", „klengilon". Im einzelnen sind diese Wörter sämtlich schlecht belegt, meist nur als Glossenwörter in Glossarien, woraus, wie früher bemerkt, ja noch weniger sichere Schlüsse gezogen werden können als aus Glossierungen fortlaufender Texte. Belege in letzteren finden sich ebenfalls nur an vereinzelten Stellen, die jedenfalls für sich nicht genügende Aufschlüsse geben können. In dieser Situation soll versucht werden, aus den verschiedenen Verbalund Substantivableitungen, die wir besitzen, eine vermutliche Grundbedeutung des Grundwortes „klingan" als eines Vertreters für die ganze Gruppe herauszulösen. Denn die Ableitungssuffixe -is(on) und -il(on) sind in ihrer Bedeutung hauptsächlich Diminutivsuffixe 2 , die mit ihrer zusätzlichen Bedeutung leicht von jener der Grundform abgelöst werden können. Schwieriger ist der Stammvokal in „klengilon" zu erklären, der auf eine Ableitung über den Umweg von „klang? zurückgehen könnte, falls er nicht einfach ein Schreibfehler ist, zumal sich diese Schreibweise auch nur in einer Klasse von Glossenhs. und zu derselben Stelle in der Bibel findet (cf. Gl. 1,810,5 ff.). Am weitaus häufigsten finden wir „klingan" und seine Ableitungen als Glossierung von lat. „tinnire". So ist „klengilontaz" (Gl. 1,810,5) eine Glossierung von 1 Kor. 13,7 „Factum sum velut aes sonans aut cymbalum t i n n i e n s . " Gl. 1,409,25 „chlingant" selbst ist eine Glossierung von 1 Reg. 3,11 „Ecce ego facio verbum in Israel, quod quicumque audierint t i n n i e n t ambae aures eius." („Tinnient" in der betreffenden Hs. verschrieben zu „timent".) An dieser Stelle meint „tinnire" seinerseits einen gellenden Klang schlechthin. Eine weitere Belegstelle finden wir in einer Glosse „chlingilontiu" (Gl. 2,643,20) zu Verg. G. IV, 151 „canoros curetum sonitus c r e p i t a n t i a q u e aera secutae (apes)" (Die Bienen folgten... dem laut erklingenden Erz (der Cymbeln)). An 2 cf. W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 223, 225.
Schallverben nichtstimmlicher Ursadie
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dieser Stelle meint „crepitantia" das laute Klingen von angeschlagenen Cymbeln. Eine vergleichbare Verwendung finden wir für die Substantivierung „chlingelöd" bei Notker: N. 1,699,14
Tune crepitacula tinnitusque. quis infanti somnum induceret adhibebat quiescenti. Unde in résti ligentemo magetine téta si prunnôda. unde chlîngelôda. dânnân sî inslîefe.
Wir stellen fest, daß mit Ausnahme der Glosse zu 1 Reg. 3,11, die wahrscheinlich durch das lat. „tinniens" verursacht ist, „klingan" und die davon abgeleiteten Wörter stets das Erklingen von Material bezeichnet. Ob Metall das einzige Material ist, oder ob das Klangbild an und für sich eine vorwiegende Rolle spielt und somit auch etwa das Erklingen von Glas mit „klingen" bezeichnet werden könnte, jedenfalls ergibt sich grundsätzlich ein ziemlich klares Bild darüber, was für Schallerscheinungen damit bezeichnet werden können. Es handelt sich um ein helles, metallisches Klingen mit starken Obertönen, das im Unterschied zu „gellan" aber nicht von der Stimme, sondern nur von Materialien wie Metall herrühren kann. Mit den folgenden Wörtern betreten wir den Bereich der eigentlichen Geräuschwörter. Ein erstes Verb dieser Gruppe haben wir in „brastôn" vor uns, mit dem allerdings ziemlich heterogene Verwendungsweisen verknüpft sind. Einmal finden wir es im Zusammenhang mit dem Prasseln von Feuer, so in Gl. 2,444,41 „prastuntar", das zu Prud. P. Eulal. 156 „flamma c r e p a n s volat in faciem" zu finden ist. Daneben wird auch der Klang von schmetternden Posaunen mit „brastôn" wiedergegeben, wie in Exod. 19,16 „clangor bucinae vehementius p e r s t r e p e p a t " , wo „perstrepebat" mit „prastata" übersetzt wurde (Gl. 1,322,20). Schließlich finden wir in Prud. P. Hippol. 55 f. „Inde catenarum tractus, hinc lorea flagra/stridere, virgarum c o n c r e p i t a r e fragor." „concrepitare" mit „prastun" glossiert (Gl. 2,436,39), wobei man sich über den genauen Sinn dieses Verses streiten kann. Am ehesten könnte man vermuten, daß der Glossator, beeinflußt auch durch das nachfolgende „fragor", welches ja im übrigen ebenfalls durch „prastôd" glossiert worden ist (Gl. 2,437,40), an das Brechen und Prasseln der Ruten beim Peitschen gedacht hat. Der Beleg bleibt trotzdem schwierig einzureihen. Um ein besseres Gesamtbild zu erhalten, fehlen für „brastôn" selbst genügend Belege; wir können in diesem Falle aber noch die Substantivierung „brastod" beiziehen. Wir finden für „brastod" ebenfalls die Anwendung auf das Prasseln von Feuer:, so wenn Verg. A. VII, 462 „magno veluti cum flamma s o n o r e " mit „prastode" glossiert wird (Gl. 2,660,30). Eine andere Glosse, ebenfalls „prastôd", finden wir zu Verg. G. I, 356 fi. „continuo ventis surgentibus aut fréta ponit/Incipiunt agitate tumescere et aridus altis/Montis audiri f r a g o r " . Unter „aridus fragor" haben wir uns dabei zweifellos ein trockenes Knarren von dürrem Holz vorzustellen.
Schallwörter im Althochdeutschen
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Wenn wir einmal das fragliche Beispiel aus Prud. P. Hippol. 56 vernachlässigen, erhalten wir doch ein verhältnismäßig klares Bild von den wiederkehrenden Eigenschaften, die in den mit „braston" und „brastöd" bezeichneten Schallerscheinungen zu finden sind. Sowohl im Prasseln des Feuers wie im schmetternden Klang von Posaunen wie im Knarren von Holz finden wir einen anhaltenden, stark geräuschhaften, aus vielen einzelnen Krachlauten zusammengesetzten Schallvorgang. Ähnlich stark geräuschhafte Schallerscheinungen finden wir durch „klaffon" bezeichnet. So gebraucht Notker „klaffon" an einer Stelle, um das Geräusch des Donners zu bezeichnen: N. 1,796,13
Unte intonet resultans fragor. UUannan der chldfondo döner geskehe. So der uuint in dien uuolchenen betän uuirt. tannan i]7.peitendo chlafot er.
Recht häufig wird in den Vergilglossen „ k l a f f o n " gebraucht, um das Getöse von aneinanderschlagenden Steinen zu bezeichnen. So wird zum Beispiel Verg. A. VI, 551 „sonantia saxa" mit „chlafenta" glossiert (Gl. 2,657,35), ferner Verg. A. V I I , 565 ff. „densis hunc frontibus atrium/ Urguet utrimque latus nemoris, medioque f r a g o s i s / Dat sonitum saxis" mit „chlafonten" (Gl. 2,661,6). Endlich finden wir auch in der Glossierung von Verg. G. I, 76 „silva sonans" mittels „wald claffonde" (Gl. 2,683,76) die Anwendung auf krachendes Holz, wobei das Geräusch im einzelnen anhand dieser Stelle nicht besonders klar wird. Wenn wir zur Vervollständigung des Bildes schließlich noch die Substantivableitungen „klaffod" und „klaffunga" beiziehen, erhalten wir nur noch geringfügige Ergänzungen zum Bild, das wir bereits bekommen haben. Wir finden zunächst auch ,Zähneklappern' mit „klaffunga" bezeichnet: T. 77,4
Ibi erit fletus et Stridor dentium
thar uuirdit vvuoft inti clafunga zenio
Ferner wird in Prud. P. Hippol. 56 „catenarum t r a c t u s " , was an dieser Stelle etwa mit ,Kettenrasseln' zu übersetzen wäre, mit „chlaffoda" ( = PI.) glossiert (Gl. 2,436,39). Diese Beispiele zeigen vor allem, daß „klaffon" nicht nur so lautstarke Schallerscheinungen wie Donner bezeichnen kann, sondern auch solche, die weniger Lautvolumen besitzen. Zusammenfassend können wir für „klaffon" feststellen, daß es zur Bezeichnung von eher lautstarken, ziemlich geräuschhaften Schallerscheinungen verwendet wird, die in sich zusammengesetzt sind aus einzelnen Knall- oder Krachlauten. Es ist klar, daß innerhalb einer Hierarchie „braston" und „ k l a f f o n " zwei verhältnismäßig ähnliche Laute bezeichnen. Der Unterschied zwischen den Ver-
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wendungsweisen der beiden Wörter ist ebenfalls leicht zu verstehen, jedoch nicht so einfach zu beschreiben, vor allem, wenn man, wie man auf Grund der Nähe innerhalb einer Hierarchie geneigt sein kann, annimmt, daß dieser Unterschied sich auf ein einzelnes unterscheidendes Merkmal bezieht. Versuchsweise könnte man das Kriterium als Unterscheidbarkeit und Feinheit der einzelnen Knall- und Krachlaute, die zusammen den ganzen Schall bilden, beschreiben. Im Falle von „braston" wären diese einzelnen Knallaute von solcher Feinheit, daß man sie einzeln nicht mehr voneinander trennen kann, während umgekehrt im Falle von „klaffon" die einzelnen Krachlaute durchaus noch gehörmäßig voneinander getrennt werden können. Damit geht möglicherweise auch ein gewisser Unterschied in der Lautstärke Hand in Hand, wobei „braston" lautschwächere Schallereignisse bezeichnen würde. Unzweifelhaft ebenfalls in den Umkreis dieser Verben gehört auch „krach on", dessen wenige Belegstellen jedoch nicht ausreichen, um genügend Sicherheit über die Verwendung zu erhalten. Dazu kommt, daß die Belegstellen in sich selbst auch nicht in eine eindeutige Richtung weisen. Wir finden „krachon" zweimal in den Vergilglossen, allerdings im Zusammenhang mit ein- und derselben Stelle. Gl. 2,693,64 „chrachötd' steht als Glosse zu „congemuit" in Verg. A. II, 630 f. „Vulneribus donec paulatim evicta suprem u m / C o n g e m u i t , traxitque iugis avulsa ruinam." In diesem Falle beziehen sich sowohl „congemuit" wie „chrachota" auf das Ächzen und Stöhnen eines Baumes vor dem Stürzen. An der zweiten Stelle, „archrachot" in Gl. 2,650,53, bezieht sich auf „traxitque . . . ruinam" im selben Verse. „Archrachot" meint in diesem Falle wohl eher ein krachendes Zusammenstürzen, das aber ebenfalls von einem Baum ausgesagt wird. Die dritte und letzte Stelle finden wir in einer Glosse zu Prud. P. Vinc. 225 „Subter c r e p a n t e adspergine/Scintillat excussus salis", wo „crepante" mit „crahhuntero" übersetzt wird. Die Stelle wäre etwa zu übersetzen: Darunter prasselt ins Feuer gestreute Salz und sprüht in Funken. Es handelt also bei dem dargestellten Geräusch um Knallen oder Prasseln, entweder vom Werfen des Salzes oder vom Sprühen des Salzes im Feuer. Bei „krachon" finden wir also in den vorhandenen Belegen eine Verwendung, die sowohl Prasseln wie Knarren umfaßt. An und für sich besteht hierin kein großer Unterschied zu „braston", das ja die beinahe identischen Möglichkeiten hat. Wenn wir sagen, daß die Beispiele für „braston" ein Geräusch, dessen einzelne Knallaute weniger deutlich voneinander getrennt sind, daß diese Geräusche weniger knarrend als schmetternd oder zischend erscheinen, sodaß also „krachon" zwischen „braston" und „klaffon" zu liegen käme, dann bleibt dies eine bloße Vermutung, die leider, sofern nicht noch mehr Belegstellen zu Tage gefördert werden, weiter nicht unterbaut werden kann. Dabei muß auch das Verhältnis der drei Wörter untereinander unklar bleiben. In die Reihe der Wörter, die krachende Schallerscheinungen bezeichnen,
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gehört auch „doner6n". Es wird, wie noch heute „donnern", für das normalerweise dem Blitz folgende dumpfe Krachen bezeichnet. Es kommt allerdings häufig in leicht veränderten Umständen vor, so z. B. auch für die Stimme Gottes, die vom Himmel her immerhin donnerähnlich erschallt: N. II, 50,1 N. II, 367,25
Et intonuit de c^lo dominus. Vnde do irdónerota truhten fóne himele. uzzer sin selbis uuólchene tóneronde. Vnde er dar, uuas de nube propria intonans.
Wir finden aber auch für das Donnern als meteorologisches Ereignis Belegstellen: N. II, 310,19
Diniu miracula irschinen allero uuerlte. al umbe die uuerlt tonerondo unde blécchesindo. Vuanda sié fuóren in circuitu. tonando et coruscando.
Die besondere Eigenart dieses Wortes liegt darin, daß es neben seinen Klangeigenschaften eines dumpfen Krachens wenigstens im eigentlichen Sinn an ganz bestimmte meteorologische Umstände gebunden ist. Die im folgenden zu erwähnenden Verben führen uns wieder in eine andere Richtung von Geräuschhaftigkeit. Dies wird schon beim ersten Wort deutlich, das wir uns vornehmen wollen. Es handelt sich dabei um „diozan" ; seine Verwendung ist ziemlich einheitlich und dementsprechend auch recht einfach darzustellen. Eine erste charakteristische Verwendungsweise bildet jene für das Rauschen des Windes: N. 1,87,18
Quamuis tonet uentus. miscens ^quora ruinis. Toh óuh tér diezendo uuint. uuùlle den mère, unde üelle den uualt.
Dazu gehört auch die Glossierung von „sonantes" in Verg. G. IV, 364 f. „iamque domum mirans genetricis et humida regna/speluncisque lacus clausos lucosque s o n a n t e s ibat." mit „diozan ta" in Gl. 2,644,69, sowie von „ s t r i d u n t silvae" (Verg. A. I I , 418) durch „diozent" (Gl. 2,649,61). Der zweite wichtige Verwendungsbereich bezieht sich auf das Rauschen von Wasser: N. II, 263,8
uuazer heizent die mit réhte. die uuäzeren ieogeliche diezzent. in stürme unde strite.
I n Verg. A. I I I , 555 f. „Et gemitum ingentem pelagi, pulsataque saxa/Audimus longe, f r a c t a s q u e ad litora voces.", wo „fractasque voces" ausführlicher wiedergegeben werden könnte mit ,Schall der sich brechenden Wogen', wird dieses „fractas" ebenfalls mit „diozawtv" glossiert (Gl. 2,652,36). Als ein letztes Beispiel diene die Glosse „diozzenta" (Gl. 2,420,42) zu „ f r a g o s a s turbines" (Prud. H . ieiun. 94).
Schallverben niditstimmlicher Ursache
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Man vereinfacht wohl nicht unzulässig, wenn man diesen beiden im Material gut zu unterscheidenden Verwendungsweisen, in die faktisch alle Belege zusammengefaßt werden können, eine einzige Bedeutungsregel zugrundelegt, und nicht die beiden Gruppen auf zwei verschiedene Bedeutungen zurückführt. „Diozan" würde dann soviel wie ein stetiges Geräusch mit sehr breitem Klangspektrum bezeichnen, etwa das, was heute unter ,Rausdien' verstanden wird. Eine ziemlich ähnliche Verwendung müssen wir nun aber für „süsen" feststellen. Die Konfrontierung dieser beiden Wörter wird aber für die Verwendungsweise von jedem erhellend sein. Die Zusammenhänge, in denen „süsen" erscheint, sind etwas verschiedenartiger als jene von „diozan". Zunächst erscheint „süsen" als Glosse zu lat. „stridulus", „frigens" u. ä. vor allem in Fällen, wo diese Adjektive das Zischen und Knistern von Feuer bezeichnen; so in Gl. 2,457,63 „susenten" zu Prud. Apoth. 479 „Nonne vides, ut turibulis f r i g e n t i b u s ignis marceat." oder in Gl. 2,452,33 „susentiu." zu Prud. P. Rom. 757" . . . nec movebatur/laetata quotiens aut olivo s t r i d u l o /sartago frixum torruisset puberem." Um ein ähnliches Geräusch handelt es sich auch bei „susanten" (Gl. 2,428,11) zu Prud. P. Vinc. 62 „Haec fatur et s t r i d e n t i b u s /laniatur uncis denuo." („Er wird von zischenden Haken zerfleischt"), wo das Zischen glühender Eisen beim Foltern gemeint ist. Doch nicht nur Zischen und Knistern wird in den Glossen mit „süsen" wiedergegeben, sondern an einer Stelle auch das Summen von Bienen, nämlich in Gl. 2,645,55 „süsun" zu Verg. G. IV, 556 „ s t r i d e r e apes". Wenn wir den gemeinsamen Nenner dieser Geräusche suchen, so erkennen wir für „süsen" ähnlich wie für „diozan" ein stetiges, im Klangspektrum sehr gemischtes Geräusch, also etwa Zischen, Summen etc. Dennoch besteht ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Wörtern. „Diozan" bezeichnet ein Rauschen mit bedeutend mehr Lautstärke und Lautumfang als „süsen", welches vor allem für ein relativ schwaches Rauschen oder Zischen gebraucht wird, auch solche Geräusche, wie z. B. das Summen von Bienen. Im Zusammenhang mit diesen beiden Wörtern haben wir noch ein drittes zu erwähnen, nämlich „dösdn", das allerdings nur ein einziges Mal zu finden ist: N. 1 , 8 7 , 5
Nöh er neuuile nideruerstozen uuerden. föne dien uuinden.
dosonten
Soweit aus dem Einzelbeleg Schlüsse gezogen werden können, scheint dieses Wort ebenfalls ein Rauschen zu bezeichnen. Darauf kann auch das spätere Weiterleben des Wortes bis zu nhd. „tosen" hinweisen, obwohl es auch im Mittelhochdeutschen noch spärlich belegt ist. Für eine nähere Charakterisierung, insbesondere einen Vergleich mit „diozan", genügt aber diese einzelne Stelle nicht.
40
Schallwörter im Althochdeutschen
Es bleibt schließlich noch ein Verb zu behandeln, das zufolge einer gewissen Mittelstellung nicht ganz leicht einzuordnen ist. Es erscheint lediglich in Glossen. Es handelt sich um das Wort „rüzan". Sein Gebrauch erstreckt sich einerseits auf die Übersetzung lateinischer Ausdrücke, die oft auch mittels „süseti" wiedergegeben werden, wie z . B . „stridere". Dies kann in Prud. P. Vinc. 173 „Hoc fatur et s t r i d e n t i b u s /laniatur uncis denuo." beobachtet werden, wo für „stridentibus in Gl. 2,428,11, wie oben erwähnt, „susanten" steht, während demgegenüber in Gl. 2,428,12 „ruzunten" angegeben wird. Einen ähnlichen Fall haben wir in Gl. 2,661,1 „ruzuntero" vor uns, das Verg. A. V I I , 531 „ s t r i d e n t e sagitta" übersetzt, also das Sausen eines Pfeiles wiedergibt. Dazu fügt sich auch sehr gut Gl. 2,706,61 „ruzondi", das zu „stridens" in Verg. A. IV, 184 f. gehört: „(Fama:) Nocte volat coeli medio terraeque per umbram / s t r i d e n s , nec dulci declinat lumin somno." Hier ist mit „stridens" zweifelsohne das Rauschen der Federn der in der Nacht herumfliegenden Fama gemeint. Entsprechend heißt es auch in Gl. 2,706,6 „ruzzungen" zu Verg. A. I I I , 225 f. „at subito horrífico lapsu de montibus adsunt/Harpyae, et magnis quatiunt c l a n g o r i b u s alas." Vorderhand scheint also „rüzan" einen rauschenden, sausenden Klang wiederzugeben. Einen auf den ersten Blick davon anscheinend sehr verschiedenen Laut bezeichnet „ruzentaz" in Gl. 2,652,39 zu Verg. A . I I I , 561 „prismusque r ü d e n d e m I contorsit laevas proram Palinurus ad undas." („Als erster wandte P. den ächzenden Schiffssteven nach links." Das Ächzen eines Schiffskiels ist doch vom Sausen und Zischen, wie wir es bisher als von „rüzan" wiedergegeben angetroffen haben, ziemlich verschieden. Doch erscheint noch ein weiterer, nicht seltener Gebrauch von „rüzen", der sich für uns sowohl von Knarren wie von Sausen nicht wenig unterscheidet. Als Beispiel diene Prud. H. a. Galli cant. 25 ff.: „Hic sompnus ad tempus datus/Est forma mortis perpeti,/Peccata ceu nox horrida/Cogunt iacere ac S t e r t e r e." „Stertere" in V. 28 wird in Gl. 2,420,5 ebenfalls durch „rüzzan" glossiert. Dieser Gebrauch von „rüzen" für schnarchen' ist, wie gesagt, gar nicht ungebräuchlich. Wir haben also den Tatbestand vor uns, daß „rüzan" für unsere Vorstellungen so verschiedene Klangbilder bezeichnet wie ,Sausen', ,Ächzen' und Schnarchen'. Das einzige gemeinsame dieser drei Geräusche ist der nichtstimmliche Ursprung. Bevor wir aber Polysemie konstatieren, müssen wir uns doch fragen, ob diese verschiedenen Verwendungen uns nur deshalb so verschieden erscheinen, weil wir kein einzelnes, auf die selbe Weise verwendete Wort wie „ r ü z a n " haben. Wenn wir dennoch ein einheitliches Grundbild finden wollen, so können wir zusätzlich doch noch festhalten, daß Ähnlichkeiten zwischen Knarren und Schnarchen in der Geräuschhaftigkeit und der unstetigen Lautentwicklung eines sich über einige Zeit erstreckenden Geräusches gesehen werden können. Wenn wir annehmen, daß möglicherweise mit dem „Rauschen" von flügelschla-
.Brahten" und „singen"
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genden Wesen und dem „Sausen" von Pfeilen nicht stetige Geräusche bezeichnet werden, sondern unstetige, wie wir sie etwa mit „Schnarren" wiedergeben würden,so finden wir eine Gemeinsamkeit zwischen diesen Fällen und dem Schnarchen. Ein klareres Bild erhalten wir vielleicht noch, wenn wir dieses W o r t in Beziehung zu seinen Nachbarn stellen. Bei einer Durchsicht der bisher behandelten Verben stellen wir fest, daß „rüzan" in seiner Verwendung etwa zwischen „süsen" und „brastdn" oder „krachon" zu stellen wäre. Es bezeichnet ebenfalls unstetige Geräusche wie diese, besitzt jedoch viel weniger ausgeprägt das Element des ,Krachens', sondern nähert sich in seiner verhältnismäßigen Dumpfheit „süsen". Hier spielt auch ein Element des Rauschens hinein, das vielleicht im Zusammenhang mit dem vorbeirauschenden Wasser auch beim ächzenden Schiffskiel vorhanden sein mag. Möglicherweise haben wir so ein relativ kontinuierliches Geräuschspektrum zwischen „klaffon", dem ausgeprägtesten Krachen, und „süsen", dem ausgeglichensten Rauschen, vor uns, dessen Mittelwert, ein unstetiges, aber nicht scharfes Schnurren, ein Verb wie „rüzan" angibt.
5.
„Brahten"
und
„singen"
I n diesem Abschnitt gelangen wir zu den Verben, die ein neues Element des Veranlassens in sich enthalten. Das eine davon, „brahten", erscheint vor allem einmal f ü r den Gebrauch der Stimme, wobei im Hinblick auf die übrigen Verwendungsweisen zu beobachten ist, daß es sich hauptsächlich um lautes Rufen handelt. N. II, 103,17
Quoniam tacui inueterauerunt ossa mea dum clamarem tota die. Vuanda ih suiget. daz chit. uuanda ih minero sundan iehen neuuölta. danne ih aber brahti allen den tag. daz ih mih iro intsägeti.
Ebenso Gl. 2,647,33 „prahtun" m a b a n t/Dardanidae". Daneben erscheint „brahten" an wo man sich nicht entscheiden kann, delt, oder w o es sogar offensichtlich mein handelt: N. I, 844,13
zu Verg. A. I, 559 „cuncti simul ore f r e manchen Stellen in einem Zusammenhang, ob es sich lediglich um Stimmenschall hanist, daß es sich vielmehr um ,Lärm' allge-
Qui quidem omnes inter musarum carmina concinentium. nullo potuere audiri rabulatu .i. altercatione. licet perstreperent. Tero neheines reda nemahta man fernemen före demo sänge dero musarum doh sie brabtin.
Dies ist auch in den beiden Formen in Gl. 2,445,30 „prahtun" zu „perstrepunt" und 445,31 „prahtti" zu „fremit" in Prud. P . Fruct. 64 ff. der Fall: „Cum
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Schallwörter im Althochdeutschen
spectacula p e r s t r e p u n t c r u e n t a / A c villis gladiator ense duro/Percussus cadit et f r e m i t voluptas." I n Gl. 1,287,43 wird schließlich „brahten" als Glosse zu „perstrepebat" in Exod. 19,16 verwendet: „clangor bucinae vehementius p e r s t r e p e b a t . " , also an einer Stelle, w o es sich eindeutig um den Lärm von Blasinstrumenten handelt. W e n n wir den gemeinsamen Nenner all dieser Belege suchen, so können wir folgendes feststellen: Durchgehend liegt eine gewisse Betonung auf einem verhältnismäßig großen Schallvolumen. W i r können dagegen nicht beobachten, daß das W o r t f ü r Klänge aus einer bestimmten Ursache u n d H e r k u n f t verwendet würde. Dagegen scheint es sich im Gegensatz zu d e n bisher behandelten allgemeinen Verben wie „skellan", „kerran", „gellan" im Falle von „brahten" immer u m Schallereignisse zu handeln, die mit Absicht erzeugt worden sind. Es scheint hier also ein Element der Verursachung mit Willen hineinzuspielen u n d zum entscheidenden Kriterium zu werden, das an sich f ü r den Charakter des Schalles nicht von Bedeutung ist. Dennoch wird auch in diesem Bereich der Bezirk des menschlichen Handelns besonders uasgezeichnet. I n eine ähnliche Richtung f ü h r t u n s auch „singan". Dieses W o r t wird einmal als Übersetzung f ü r „cantare", also den musikalischen Stimmgebrauch, verwendet: N. II, 225,6 N. II, 107,2
Ego autem cantabo uirtutem tuam. Aber ih singo dina chraft fäter an minen liden. Cantate ei canticum nouum. Singent imo niüuuez frósang. Also daz ist daz angeli süngen in sinero incarnatione... Bene psallite
I n O t f r i e d erscheint „singan" auch f ü r den Laut des H u h n e s : O. IV, 13,35
Thu lougnis min zi wäre, er hinaht krähe hano in nótlichemo thinge, er thaz hüan singe.
H i n t e r dieser vereinzelten Stelle k ö n n t e n wir eine Verwendung vermuten, die im Deutschen bis heute gebräuchlich ist, nämlich mit „singen" auch die Stimmen der Vögel zu bezeichnen. Daneben erscheint aber im weiteren verhältnismäßig häufig der Gebrauch von „singan" f ü r das Erklingen von Musik allgemein: O. V, 23,187 N. I, 728,4 T. 33,2
N. I, 791,19
Thir al thar scono hillit, thaz musica gisingit. Deinde barbita aurataque cheli, ac doctis fidibus personare. Unde meisterlicho singen, an härfun ióh an lyrun. cum ergo facies elimosinam, Thanne thu tuos elimosinam, noli tuba canere ante te. ni tuo trumbun singan fora thir. Te dictante nouit fides et sacrum plectrum sonare treincinum Carmen. Dir indénchentero. chän der séito. unde daz ziterfin singen in traciskun.
Verben zur Bezeichnung der Stimme
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Wenn wir voraussetzen, daß die Stimmen der Vögel ebenfalls mit „singan" bezeichnet werden können, und dies in Anlehnung an ein aesthetisches Element geschieht, das für den menschlichen Zuhörer darin liegt, dann können wir zusammenfassend sagen, daß „singan" das aesthetische Erklingen von Stimmen und Musikinstrumenten bezeichnet. Eine ähnliche Feststellung haben wir allerdings bereits für „bellan" gemacht. In „singan" finden wir nun aber zusätzlich zum Merkmal ,aesthetisch befriedigend' noch die Eigenschaft, daß dieses Wort stets ganze musikalische Komplexe bezeichnet, die geplant hervorgebracht werden. Daß das Element des geplanten, absichtlichen Hervorbringens einen wesentlichen Unterschied zwischen „hellan" und „singan" bildet, kann man vor allem daraus ersehen, daß nur „singen" mit belebten Subjekten verwendet werden kann, „hellan" dagegen nur mit Sachbezeichnungen oder Abstrakta wie „stimma", „seitsang", „seito" usw. Wir finden also in „singan" das gleiche Element des absichtlichen Hervorbringens von Wichtigkeit wie in „brahten".
6. Verben zur Bezeichnung
der
Stimme
Ein spezielles Verb, das stimmerzeugte Laute an sich bezeichnen würde, finden wir in unserem Material nicht. Wir haben deshalb unmittelbar bei der Behandlung speziellerer Wörter zu beginnen. Dabei vernachlässigen wie die verba dicendi, weil in ihnen das lautliche Element sogut wie keine Rolle spielt. Für die nähere Diskussion dieses Problems sei auf Kap. IV, 7 verwiesen, wo aufschlußreicheres Material zur Verfügung steht. „Krademen" erscheint in vielen Bereichen ähnlich wie „brahten" verwendet zu werden. Tatsächlich gibt es einzelne Stellen, die sowohl mit „brahten" wie mit „krademen" glossiert wurden, so z. B. Prud. P. Fruct. 66 „ f r e m i t voluptas", wo in Gl. 2,445,31 „prahtti", 445,32 „chrademta" angegeben wird. Weitere Belegstellen finden wir in Gl. 2,252,24 „chradaman" zu Greg. Dial. 1,10 p. 193 „coepit ex hoc tot motibus agitari tot vocibus clamoribusque p e r s t r e p e r e, quot spiritus tenebatur." sowie in Notker: N. II, 24,10
Vnde ziü chrademdon gentes uuider truhtene.
Der Verwendungsbereich von „krademen" geht jedoch in den vorhandenen Belegstellt, anders als dies bei „brahten" der Fall ist, nicht über den stimmerzeugter Laute hinaus. „Krademen" scheint somit auf die Bezeichnung von Stimmenschall beschränkt zu sein. Zusätzlich kommt aber offenbar noch das Merkmal hinzu, daß dabei eine gewisse Lautintensität impliziert ist. Anders ausgedrückt könnten wir auch sagen, daß „krademen" eine Untergruppe der in „brahten" enthaltenen Schallerscheinungen bezeichnet. Speziellere Stimmverben finden wir in „ruohen", „ruofan", „hären" und
Schallwörter im Althochdeutschen
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„skrian". Alle diese Verben bezeichnen irgendeine Art von lautintensivem Stimmengebrauch, sind also offenbar in einer Hierarchie „krademen" unterzuordnen. „Ruoben",
das auch in den Schreibweisen „ruhen" u n d „rohen"
erscheint,
ohne daß allerdings Bedeutungsunterschiede festzustellen wären, wird zunächst an manchen Orten für das Gebrüll von Löwen verwendet: N. II, 68,13
sicut leo rapiens et rugiens. Si gineton gâgen mir. also der léuuo so er zucchet. unde fóre gîtegi ruhet.
An einer Stelle finden wir auch „rohunga" (Gl. 2,454,14) zur Glossierung von Prud. P. Rom 993 „quem porca g r u n n i t u m strepat" benützt, also zu Bezeichnung des Grunzens oder Quietschens eines Schweines. Schließlich kommt an relativ manchen Orten „ruohan" auch für das Schreien und Rufen von Menschen vor: N. II, 137,13 17
Rugiebam gemitu cordis mei. Ih irruôta fore démo sûftode mînes herzen. Er irruôta mit michelmo screige IRRVGIIT CLAMORE MAGNO
Vergleiche auch Gl. 1,757,6 „ruogit" zu Rom. 11,2 „An nescitis in Elia quid dicit scriptura, quemadmodum i n t e r p e l l â t adversum Israel." „Ruohen" bezeichnet also, aus diesen Stellen zu schließen, das laute Schreien eines Menschen oder Tieres. In ähnlicher Weise wird auch „scrîan" gebraucht. Es erscheint ebenfalls für lautes Schreien, sei es von Menschen oder von Tieren: N. II, 56,13 N. II, 611,13
Mìn irlósare fone irbolgenen fienden. scrienten. CRVCIFIGE. CRVCIFIGE. sicut pullus hyrundinis sie clamabo. . . . 22. aber ih serio umbe genist also suäleuuun iüngi.
Für „scrîan" stellen wir jedoch noch weitere Konstruktionsmöglichkeiten fest, die für „ruohen" den Belegen nach zu schließen nicht bestehen. Wir können sie in den beiden folgenden Beispielen beobachten: N. I, 65,5 N. II, 121,18
Sô nahtes prunst keskihet. sô scrìet ter dien anderen. Nals trügelicho. mibe, baldo zuôscrtendo. CRVCIFIGE.
Es handelt sich darum, daß in solchen Sätzen „Serien" mit einem indirekten Objejktiv verwendet wird oder in einem Adverbiale sonstwie ein Adressat des Schreiens angegeben wird. „Scrîan" braucht also nicht ein bloßer Stimmgebrauch zu sein, sondern kann mit einer Intention, sich an einen andern, einen Hörer zu wenden verbunden sein; dies im Unterschied zu „ruohen", wo wir solche Sätze mit Adressaten nicht finden.
Verben zur Bezeichnung der Stimme
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Im übrigen wäre in diesem Zusammenhang auch auf eine schwache Ableitung „screiön" hinzuweisen. Die zwei Belege, die davon vorhanden sind, geben jedoch keinen Hinweis darauf, daß das Wort anders als „scrian" verwendet wird: N. I, 40,23
H^c ubi delatraui continuato dolore. . . . so ih sus kescreiota ätehaftemo sere.
in
Für den lauten Gebrauch der Stimme finden wir ferner „baren". Audi dieses Verb findet sich in der Verwendung von lautem Rufen von Menschen und Tieren: O. I I I , 10,13 N. II, 8,5 N. II, 599,7
Thaz fuar si redinonti after imo harenti, klagota iogilicho thia dohter wenaglicho. Voce mea ad dominum clamaui. . . . 6. Mit minero stimmo. daz chit. mit des herzen stimmo häreta ih zu dir. Etpullis coruorum invocantibus eum. Vnde die iunginen dero rammo ze imo härentert.
Wie man aus den eben angeführten Beispielen ersehen kann, gibt es auch hier die Möglichkeit, einen Adressaten des Rufens anzugeben. Einen Unterschied zu den vorher erwähnten Verben kann man allerdings im folgenden Beispiel finden: N. I, 69,16
'Also cicero säget, täz pacubius poeta. sih ze imo chlägeti. der üneron. daz imo ein spiloman dar zu sinemo hüs ketorsta hären be nämen.
Wenn ich diesen Satz recht interpretiere, so müßte man „hären be namen" etwa übersetzen mit „mit dem Namen anrufen", wobei der Unterschied zu allen andern bisher angeführten Belegstellen und vor allem allen überhaupt vorkommenden Stellen mit „ruohen" und „scrian" darin bestehen würde, daß im zuletzt erwähnten Satz ein ziemlich affektloses Rufen gemeint ist, während in jenen Fällen stets der Ausdruck von Affekt notwendig mitenthalten wäre. Diese Belegstelle würde somit zeigen, daß in Bezug auf Ausdruck von Affekt „ruohen" und „scrian" positiv markiert sind, während demgegenüber „baren" in dieser Beziehung sich unmarkiert verhält. Zum Schluß haben wir noch „ruofan" zu erwähnen. Dieses Wort verhält sich allgemein beinahe wie „baren". Es kann ebenfalls für das laute Rufen mit oder ohne Affektausdrude verwendet werden: O. IV, 23,18 N. I, 739,11 N. II, 585,16
ioh riafen filu heizo: „cruzo les nan, cruzo." Ingressuros etiam cunctos. nominatim uocabat fama preconans. 'Alle die dar ingän solton. die uuista be namen dära in fama lüto rüofendiu. manige ruofent mit lefsen. nals mit herzen.
Schallwörter im Althochdeutschen
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Hingegen finden wir keine Belegstellen, wo „ruofan" mit einem Tier als Subjekt erscheint. Der einzige feststellbare Unterschied zwischen Joaren" und „ruofan" scheint also, wenn wir aus der Abwesenheit von Belegen darauf schließen dürfen, darin zu bestehen, daß „baren" sowohl für Tiere wie für Menschen, „ruofan" dagegen nur für Menschen als Subjekt verwendet werden kann. Fragen ließe sich zum Schluß, ob nicht auch „weinon" an diese Gruppe von Verben angeschlossen werden muß. Zu diesem Gedanken wird man geführt, wenn man Stellen wie die folgende betrachtet: O. IV, 26,7 0.1,20,27 T. 10,3
Sie weinoten tho lüto ioh scrirun filu thrato. £ r quad, man gih6rti weinon theso dati filu hohen stimmon wib mit iro kindon. Vox in Rama audita est, Stemma in hohi gihorit ploratus et ululatus multus uuard mihiles w u o f t e s inti uueinonnes.
Die häufige Betonung der Lautstärke deutet darauf hin, daß mit „weinon" ein lautes, klagendes Schreien gemeint ist. Wenn wir das Wort in einen Zusammenhang mit den eben behandelten Verben stellen, so wäre wohl „weinon" an die Wörter anzuschließen, die einen Ausdruck von Affekt beinhalten, wobei dieser Affekt in diesem Falle als Schmerz spezifiziert wäre. Mit dem Inhalt von Klage ist wohl unmittelbar auch die Beschränkung auf menschliche Äußerungen gegeben. 7. Einzelwörter
zum
Stimmgebrauch
Zum Abschluß der Behandlung der Verben, die stimmerzeugte Laute bezeichnen, sind noch eine Anzahl von Einzelwörtern zu erwähnen, für die die geringe Zahl von jeweiligen Belegen verbindliche Aussagen praktisch ausschließt. Der Bereich der Stimmverben zerfasert gewissermaßen in einer verhältnismäßig großen Zahl von ziemlich konkreten Wörtern. Neben im durchsuchten Material erscheinenden Wörtern wären gewiß im Glossenmaterial noch andere soldier Einzelbelege verschiedener hier nicht erwähnter Wörter zu finden. Da einerseits das Material für eine semantische Untersuchung noch nicht genügend erschlossen ist andererseits auch das Glossenmaterial über die tatsächliche Verwendung keine ausreichende Auskunft geben kann, muß auf Vollständigkeit der Behandlung verzichtet werden. Da es sich, wie gesagt, durchwegs um Wörter von recht konkreter Bedeutung handelt, entsteht daraus wohl auch nicht eine allzustarke Verfälschung des semantischen Systems als solches. Immerhin müssen wir so auf einen Teil der Darstellungsmöglichkeiten in der Sprache verzichten. Im ganzen gesehen handelt es sich bei den Wörtern, die hier erwähnt werden sollen, um die verschiedenen Laute von Tieren. Ein anscheinend relativ allgemeines Wort dafür haben wir in „luon" vor uns. Es wird für das laute
Einzelwörter zum Stimmgebrauch
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Brüllen verschiedener Tierarten verwendet. So erscheint es in Gl. 1,335,36 als Glossierung zu Exod. 11,7 „non mutiet canis": „ni kaluag& hunt". I n Gl. 2,245,17 zu Greg. Dial. 3,4 p. 285 „rugitus (ruditus) asinorum" wird mit „luon" hingegen das Brüllen eines Esels bezeichnet. Ferner glossiert Gl. 2,639,64 „luonta" Verg. G. III, 372 „rudentis", das von einem Hirsch gesagt wird. Schließlich finden wir in Grafis Althochdeutschem Sprachschatz IV, 1096 die Stelle angeführt: (D. III, 27,29) „Onager luot. autula luot. wildesil luot. der tiefei luote tag unde naht." Wir können also zusammenfassend sagen, daß „luon" das laute Brüllen von Tieren bezeichnet. Wir können uns fragen, ob die Liste der damit aufgezählten Tiere, wie wir sie in den Belegen vor uns haben, abschließend ist, ob von allen Tieren „luon" gebraucht werden kann, oder ob eine bestimmte, abstrakter definierte Gruppe von Tieren „luon" zu ihrem spezifischen Laut habe. Man könnte sich beispielsweise insbesondere fragen, ob es etwas zu besagen hat, daß unter den oben erwähnten Tieren keine Raubtiere zu finden sind. Tatsächlich finden wir nämlich in „bremen" ein Verb, das speziell mit Löwen als Subjekt erscheint. Allerdings besitzen wir davon nur zwei Belege, was vor allzuweittragenden Folgerungen zurückschrecken läßt. N. II, 215,22
N. II, 219,18
Eripuit animam meam de medio catulorum leonum. Losta mina sela üzzer mitten leuuön uuelferen. Principes uuären leones. populus catuli leonum. sie uuären gelicho t preminte frementes. des louuuen premen fremitus leonis.
Im Vergleich mit diesem Verb fällt uns auf, daß für „luon" in den vorhandenen Belegen ausschließlich Tiere als Subjekt vorkommen, die nicht Raubtiere sind. Eine gewisse Tendenz mindestens in der Ridhtung, daß ein Kriterium die Wildheit der Tiere darstellt, können wir aus diesen Verhältnissen doch wohl schließen. Wir finden jedoch in diesem Bereich auch noch „limtnen", das jedoch gleichfalls nur in zwei Belegen vorhanden ist. Der eine davon, „llmit" in Gl. 2,667,46, glossiert Verg. A. X, 711 „ i n f r e m u i t ferox (aper)", bezieht sich also auf ein gereiztes Wildschwein. Der andere Beleg, „limmenta" (Gl. 2,618,48), glossiert Sedulius' „Carmen paschale" IV, 294 „ f r e m e n t i s (equi)". Der eine dieser Belege wird also für das quietschende und grunzende Schreien eines Ebers, der andere für das Wiehern eines Pferdes gebraucht. Das gemeinsame dieser beiden Laute, besonders im Vergleich mit den unter „luon" erwähnte, könnte in einem besonders hohen, durchdringenden Charakter dieser Laute liegen. „Luon" liegt demgegenüber eher in der Mittellage. Wir finden aber noch weitere Verben zur Bezeichnung des lauten Brüllens
Schallwörter im Althochdeutschen
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von Tieren. Vor allem f ü r das Brüllen von Vieh wird „bullón" verwendet. Beispiele finden wir in Gl. 2,421,54 „pulloton" zu Prud. H . ieiun. 170 „vacuis querellae p e r s o n a n t praesepibus", wo „personant" von hungrigem Vieh ausgesagt wird. In Gl. 2,638,35 wird „pullot" zur Glossierung von Verg. G. I I I , 236 „ s i g n a m o v e t praecepsque oblitum fertur in hostem" gebraucht, wobei allerdings die Übersetzung eine ungenaue ist. Immerhin handelt es sich auch in diesem Fall um einen Stier. Die Verwendung der Ableitung „bullód" weist ebenfalls in diese Richtung, vgl. Gl. 2,671,4 „fona pullode" zu Verg. A. X I I , 722 „ g e m i t u nemus omne remugit." Diese Stelle handelt ebenfalls von kämpfenden Stieren. Im ganzen können wir also sagen, daß „bullón" das erregte Brüllen von Vieh bezeichnet. Es ist somit, anders als etwa „luon", auf eine einzige Tierart eingeschränkt. Ähnlich spezifisch für eine einzelne Tiergattung werden „bellön" und ,weiön" verwendet. Vor allem für das Schreien von Eseln erscheint einmal ,bellón". Eine bekannte Stelle findet sich im Physiologus: Steinm. 27,72
Ein tier heizzit onager, daz ist ein tanesil, der nerbellot nih, uuar über daz füter eischoie, unde an demo zuenzigostimo tage merciu sorbellot er zuelf stunt tages, zuelf stunt nähtes.
Diese Stelle wird bestätigt durch Gl. 2,18,9 „pellota" zu Adh. 137,37 „garrula (asella) quae pridem bombosa fauce r u d e b a t " und durch die Verwendung der Substantivierung „bellöd" („pellod") in Gl. 2,247,32 zu Greg. Dial. 3,4 p. 285 „ r u d i t u s asinorum". Wir müssen daraus folgern, daß „bellón" das spezielle Verb für das Schreien der Esel ist. Ähnlich spezifisch scheint „weiön" verwendbar zu sein. Dieses Wort wird in den erreichbaren Belegen stets mit Pferden als Subjekten oder zur Übersetzung von lat. „hinnire" gebraucht, so wenn Gl. 2,668,54 „uueigot" Verg. A. XI, 496 „ecus arrectis f r e m i t cervicibus alte luxurians" oder Gl. 1,562,10 „vueiiot" Eccl. 33,6 „Equus emissarius, sie et amicus subsannator; sub omni suprasedenti h i n n i t " glossieren. Während das erste Beispiel nicht so eindeutig ist, scheint es das zweite doch eher zu unterstützen, besonders wenn wir noch Gl. 1,605,41 „vueigont" zu Isai. 24,14 „cum glorificatus fuerit Dominus, h i n n i e n t de mari" hinzunehmen. Diese Belege zeigen genügend klar, daß „weiön" durchaus für .wiehern' gebraucht wird. Ebenfalls ziemlich eingeschränkt scheint „grinan" verwendbar zu sein, obwohl nicht besonders viele eindeutige Belegstellen zu finden sind. Am häufigsten wird „grinan" zur Glossierung von lat. „gannire" beigezogen, das ja den Naturlaut der Hunde bezeichnet. Zwar ist dies nicht unbedingt der Sinn von „gannire" in Isai. 10,14 „sie terram universam ego congregavi et non fuit qui moveret pennam et aperiret os et g a n n i r e t " , das gleichfalls mit „grini" glossiert wird (Gl. 1,600,41). Die Vermutung, daß es sich dennoch vor allem um den Laut von Hunden und ähnlichen Tieren handelt, wird dagegen eher bestä-
Substantive
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tigt durch Gl. 2,713,37 „grinit" zu Verg. A. I X , 59 f. „Veluto pleno lupus insidiatus ovili/Cum f r e m i t ad caulos", das für Wolfsgeheul verwendet wird. Wenn wir dem „bellan" gegenüber stellen, dann drängt sich die Vermutung noch mehr auf, daß mit „grtnan" ein ganz bestimmter Laut von Wölfen und Hunden bezeichnet wird, daß mit andern Worten eine Scheidung zwischen ,Heulen' und ,Bellen' vorgenommen werden muß. Jedenfalls gibt es weder im Althochdeutschen noch in der späteren Entwicklung von „bellan" Anzeichen dafür, daß „bellan" nicht nur das gewöhnliche Bellen des Hundes bezeichnet; im Gegenteil weisen auch die Belege im Althochdeutschen in diese Richtung: N. I, 549,11
uuanda canis pezeichenot pediu iöh ten bellenten hunt.
Zum Schluß dieses Kapitels seien noch zwei Verben für den individuellen Laut von Vögeln erwähnt. Beim ersten handelt es sich um „krden", das für das Krähen des Hahnes verwendet wird: O. IV, 13,35 O. IV, 18,33
Thu löugnis min zi wäre, er hinaht häno krähe. Warun tho thie ziti, thaz ther hano kräti.
Beim andern Verb handelt es sich um „zwizerött", welches das Zwitschern kleinerer Vögel bezeichnet; vergleiche Gl. 2,674,80 „ziäzerant" zu Verg. A. X I I , 476 f. „Et nunc porticibus vacuis, nunc humida circum/stagna s o n a t (hirundo)." N. 1.136,22
Siluas tantum mesta requirit. siluas dulci uoce susurrat. . . ./26 in uuälde uuile er echert uuonen. in uuälde uuile er zuizerön.
Sicher sind wir mit all diesen Wörtern an einer Grenze der Analysierbarkeit nach abstrakten Kriterien gelangt; es fällt schwer, irgendwelche Merkmale als unterscheidende anzugeben, obwohl das konkrete Klangbild hinter diesen Wörtern natürlich bei den einzelnen Wörtern verschieden ist. Die Schwierigkeit der abstrakten Beschreibung rührt aber offenbar gerade von der allzugroßen Konkretheit der betreffenden Wörter.
8. Substantive zur
Schallbezeichnung
Bei der Behandlung der Substantive beginnen wir wiederum bei jenem Wort, welches offensichtlich die allgemeinste Bedeutung besitzt. Es handelt sich um das besonders bei Notker gut belegte „lüta". Dieses Wort kann einmal für die Bezeichnung des Klanges von Stimme verwendet werden:
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Schallwörter im Althochdeutschen N. I,196,16
Gaudium gavdit propter vocem sponsi. Fóre mendi mendit ir umbe dié látun des priútegomen. uuanda er des gloriam erchennet. lütun 19 des uocem er inuuert kehoret.
D a ß auch sehr laute Stimmentwicklung mit Jüta" kann, zeigt eine Stelle aus dem älteren Physiologus:
wiedergegeben werden
Steinm. 27,21 Tene so stat ez uf unde furebringet unmezliche lutun. „Lüta"
erscheint des öftern auch für den Klang von Musikinstrumenten
und für Musik allgemein, auch für Sphärenmusik: N. I, 788,17
Dar negemángto suégelsánges. nóh séitsánges nóh tero fóllcglichi dero órgenlütun.
N. 1, 721,22
Urania diu celestis heizet, tíu skéllit tía óberustun himelsperam. diu drátost férit mit dhleinero lütun.
D a ß aber „lüta" auch für geräuschhafte Schallereignisse, nicht nur für Stimmen und Musik gebräuchlich ist, zeigen die folgenden Belegstellen: N. I, 722,9 N. I I , 120,7
Que quidem graues pulsus modis raucioribus personabat. Ter geróbe lüta. in héisa uuís ráhta. lüta dero naso Sanna ist sonus naris pertinens
Somit können wir feststellen, daß bezüglich Klangcharakter, aber auch Entstehung „lüta" in seinem Gebrauch nicht eingeschränkt zu sein scheint. Es kann für alles, was hörbar ist, eingesetzt werden. Ebenfalls ein ziemlich weites Verwendungsfeld beobachten wir für W i e Juta"
„skal".
kann auch „skal" für den Schall v o n Musikinstrumenten gebraucht
werden: N. I I , 179,7 N. I, 837,27
Ascendit deus in iubilatione. et dominus in uoce tub? Got fuór ze himele in liüdungo. unde in hórnscalle. Denique arpis bombisque perterrita. tarn intoleranda congressione .i. conuolutione. uirgo diffugit. Sí dö erchómeníu. fone sínén hárphön. únde anderen scállen. flóh si fóne sö únmézigemo suéibe sines circuli.
I n anderen Fällen läßt sich wiederum nicht so leicht angeben, was für ein Schallereignis mit „skal" gemeint ist: N. I I , 24,7 N. I I , 57,20
Periit memoria eorum cum sonitu. Dö zegiéng dero úbelon geuuaht. mit dem scálle contradictionis. I n omnem terram exiuit sonus eorum. . . . In álliü lant fuór íro scál.
Substantive
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Möglicherweise geben diese Stellen einen Zusammenhang mit Stimmenklang. Was wir dazu noch feststellen können, ist jedenfalls, daß auch in solchen Fällen der Akzent auf der großen Lautstärke der betreffenden Schallerscheinung liegt. Daß hierin ein wichtiges Element des Wortes liegen könnte, läßt sich auch aus der folgenden Stelle schließen: N. II, 252,15
In rottün lütun ist In psalmo est
seil sonoritas
Allerdings ist die Zahl der Belege nicht so zahlreich und sind die Hinweise nicht so eindeutig, daß dieser Schluß, daß „skal" sich von „lüta" durch die Beschränkung auf Schallereignisse mit großer Lautstärke unterscheidet, mit aller Sicherheit zu machen, umsomehr, als es sich dabei auch um einen Beweis e silentio handelt. Ähnlich müssen wir auch für „galrn" auf Sicherheit in unseren Schlüssen verzichten. Immerhin weisen hier die Belege in eine bestimmtere Richtung als bei „scal". Zunächst erscheint „galm" bei Otfried im Zusammenhang mit dem Klang von Blasinstrumenten: O. V. 19,25
Thaz ist ouch dag hornes thie blasent hiar in lante
joh engilliches gälmes, thaz worolt üfstande.
Im weiteren wird „galm" zweimal zur Wiedergabe von lat. „tinnitus" gebraucht, so zur Übersetzung einer lateinischen Glosse zu Verg. A. I I I , 111, wo „linnitu cymbalorum" mit „galtne skellono" verdeutscht wird (Gl. 2,694,49); ferner in einer Glosse „galm" (Gl. 2,463,11) zu Prud. Psych. 140 f. „Aerea sed cocto cassis formate metallo/T i n n i t u m percussa refert." Etwas verwirrend erscheint dabei das zweimalige Vorkommen von „echo", wovon der eine Beleg in den Salomonischen Glossen zu finden ist (Gl. 4,55,39), der andere in einer Glosse zu Sap. 17,18 „resonans de altissimus montis echo" (Gl. 1,556,23). Die ersten Beispiele wiesen für „galm" in die Richtung eines sehr hellen, nicht geräuschhaften Klingens; dies müßte für „edho" nicht widersprechen, das Gewicht liegt aber bei diesem Wort doch viel eher auf der Bedeutung von .Widerhall'. Es bleibt dabei andererseits fraglich, ob der althochdeutsche Übersetzer den Sinn dieses Wortes ganz verstanden hat, da wir ja sonst nirgends ein ahd. Wort finden, das eine Vorstellung von ,Widerhall' in sich enthielte. Und wenn er auch den Sinn verstanden hätte, so wäre es ihm aus dem gleichen Grund schwergefallen, dieses Wort adäquat zu übersetzen. Man ist deshalb geneigt, als grundsätzliche Bedeutung von „galm" .helles Klingen' anzunehmen. Dabei muß freilich die Frage anhand so weniger Belegstellen offenbleiben, ob hierin der Schall von Stimmen eingeschlossen ist oder nicht. Was die Übersetzung von lat. „echo" durch „galm" betrifft, so könnte dabei auf das Beispiel von mhd. „bellen" (s. u.) hingewiesen werden, wo eben-
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Schalhvörter im Althochdeutschen
falls eine gewisse Beziehung zwischen der Vorstellung des ,hellen Klingens' und des räumlichen Hallens festgestellt werden kann. Möglicherweise hat auch im Falle des ahd. „galm" diese Verbindung eine Rolle gespielt. I n die Nähe zu „galm" gehört wohl auch „klang", das aber nur in einem einzigen Beleg überliefert ist. Dieser weist aber darauf hin, daß das Wort nicht aus dem Rahmen des vom zugehörigen Verb „klingan" und dessen Ableitungen Bezirks ausbricht: N. II, 606,14
Laudate eum in cymbalis bene sonantibus. Laudate eum in cymbalis bene tinnientibus. Lobont in mit zymbon uu6Ia skellenten. unde guoten chlanch habenten.
Der vorliegende Beleg fügt sich gut in das Bild vom helltönenden Erklingen von Metall, wie wir es von den entsprechenden Verben festgestellt haben. In eine entgegengesetzte Richtung f ü h r t uns die Behandlung des Substantives „döz". Dieses Substantiv erscheint zunächst ziemlich häufig für das Rauschen des Wassers, wie wir es ja auch gar nicht anders erwarten f ü r ein so nahe mit „diozan" verwandtes W o r t : N. II, 244,7 N. II, 310,11
Sonum fluctuum (maris) quis suiferet? Vuer irlidet dero uuellono doz? Multitudo sonitus aquarum. Vuard michel doz dero uuazzero.
Daneben finden wir „doz" f ü r das Rausdien des Windes, wie in Gl. 2,638, 10 „doz" zu Verg. G . 199 „ . . . summaeque s o n o r e m / d a n t silvae." I m Unterschied zu „diozan" wird „döz" aber auch zur Bezeichnung anderer Geräusche verwendet: N. I, 804,5
Sed ecce universa dissultant magno crepitu .i. sonitu timpani. et tinnitu crotulorum .i. cymbalorum. Inin des uuärd töz in allen steten, föne lüto skellenten timpanis ünde cymbalis.
I n diesem Beispiel bezeichnet „doz", wie aus der Beschreibung der Situation hervorgeht, einfach einen lautstarken, vermischten Lärm aus vielen verschiedenen Einzelklängen, der aber im ganzen eher als unstetig zu bezeichnen wäre, also das Gegenteil von Rauschen darstellt. I n Prud. H a m . 917 „ m u g i t u s gravium mundi sub finde tubarum", wozu in Gl. 2,462,32 „doza" als Glosse angegeben wird, handelt es sich wiederum um einen recht verschiedenen Laut, nämlich um den Schall der Posaunen des letzten Gerichts. Wieder einen ganz andern Schall glossiert „doz" in Gl. 2,695,57 f ü r Verg. A. I I I , 582 ff. „Et fessum quoties mutet latus intremere o m n e n / m u r m u r e Trinacriam" („Sooft (Enkeladus im Ätna) ermattet die Seite wechselt, (soll) von dumpfem Rollen ganz Sizilien erbeben."). Hier haben wir bei dem fraglichen Schall uns zweifellos ein dumpf rollendes Donnern vorzustellen.
Substantive
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„Döz" umfaßt also einen ziemlich weiten Bereich von Schallerscheinungen. Wenn wir die Beispiele den übrigen bisher behandelten Substantiven gegenüberstellen, so finden wir unter Berücksichtigung der wiederkehrenden Eigenschaften gleichwohl einige charakteristische Unterschiede. „Döz" bezeichnet lediglich nichtstimmliche, stark geräuschhafte Schallarten, wobei die Eigenart dieser Geräuschhaftigkeit im einzelnen eine geringe Rolle spielt. Für Unterarten der von „doz" bezeichneten Geräusche werden offenbar die beiden Wörter „klafleih" und „krac" verwendet. Sie sind jedoch so spärlich belegt, daß sich nur ungefähres über ihren Inhalt feststellen läßt. „Klafleih" N. I, 743,22 N. I, 796,14
erscheint an zwei Stellen bei Notker: Si in dero zeseuuun den blig habende, ünde an dero uuinstern eina timpanun mit prütelichen chläfleichen. So der uuint in dien uuoldienen betän uuirt. tannan üzpeitendo chlafot er. der chldfleih heizet töner.
Es ist offensichtlich, daß „klafleih" sich in seiner Bedeutung nicht allzuweit vom verwandten Verb „klaffon" entfernt. Was in den Belegstellen vor allem hervortritt, das ist das dumpfe und sehr lautstarke rollende Geräusch, das in beiden Fällen enthalten ist, und in der Anspielung auf den Donner seinen Ausdruck findet. Ob das etwas weitere Feld, das für „klaffon" gilt, das ja auch schärfere, prasselnde Geräusche, wie solche aneinander stoßender Steine, miteinbezieht, sich mit dem von „klafleih" deckt, oder ob wir hier eine Bedeutungsverengung zu konstatieren haben, darüber läßt sich bei der Materiallage nichts aussagen. Auch für „krac" liegen nur zwei Belegstellen vor. Bei beiden handelt es sich um Glossen, bei der ersten (Gl. 2,748,28) um eine Übersetzung von „fragor" in der Vita Martini (a. a. O. S. 123,8) „at ille confisus in Domino intrepidus opperiens, cum iam f r a g o r e m sui pinus concidens edidisset, iam cadenti. . . signum salutis opponit". Bei der andern Stelle handelt es sich um eine Glossierung von „strepitus" (Gl. 2,256,76) in einer Stelle aus Gregors Dialogen (3,30, p. 344): „Adhuc nocte eadem magnus in eiusdem ecclesiae tectis s t r e p i t u s factus est, ac si in haec aliquis errando discurreret." In beiden Fällen, wohl auch im zweiten, wird mit „krac" das Krachen und Knarren von Holz wiedergegeben. Wir haben es uns also hier im Vergleich zu „klafleih" mit einem feinern, aus weniger dumpfen einzelnen Knackgeräuschen zusammengesetzten Schall zu tun. Audi hier können aber mangels weiterer Belegstellen allgemeinere Folgerungen nicht gezogen werden. Schließlich wäre an dieser Stelle auch noch „dotier" zu erwähnen. Wie noch heute bezeichnet auch das ahd. Wort das durch den Blitz verursachte dumpfe Krachen bei Gewittern, wobei aber viele übertragene Verwendungen zu finden sind:
Schallwörter im Althochdeutschen
54 N. II, 435,7 T. 139,7
Et a uoce tonitrui tui formidabunt. Vnde sie in furhtent fone dero stimmo dines toneris. Turba ergo quae stabat et Thiu menigi thiu thar stuont audiebat dicebant tonitruum inti gihorta quadun thaz thofactum esse. nar gitan uuari.
Wie wir bereits für das Verb „donarört" festgestellt haben, spielen für die ursprüngliche Bedeutung meteorologische Bedingungen eine wichtige Rolle bei der Verwendung dieses Wortes. Verschiedene Bedeutungskategorien müssen bei „braht" angewendet werden. Das Wort bezeichnet im allgemeinen gemischten ,Lärm', ohne daß man die genaue Beschaffenheit dieses Lärms angeben könnte; Beispiele finden wir in Gl. 2,649,40 „praht" zu Verg. A. II, 337 f. „in flammas et in arma feror, quo tristis Erinys,/Quo f r e m i t u s vocat et sublatus ad aethera clamor." — Gl. 2,654,37 „praht" zu Verg. A. V. 148 „Tum plausus f r e m i t u s q u e virum studiisque faventum/ consonat omne nemus." — Gl. 1,487,38 „mit prahte" zu Judith 14,7 „Egressi sunt cum grandi s t r e p i t u e t ululatu." Entscheidend für „braht" scheint somit einerseits die Vielfältigkeit und Gemischtheit des Schalles zu sein. Dazu kommt als Unterschied zu Wörtern wie „lüta",
„skall",
„galtn",
„doz",
daß
„braht"
auf von Menschen verursachte
Schallerscheinungen beschränkt ist. Wir haben also in dieser Beziehung das gleiche Kriterium vor uns wie beim Verb „brahten". Was an der Verwendung von „kradem" auffällt, ist die Tatsache, daß es oft an Stellen erscheint, wo auch „braht" verwendet wird. Solche Stellen sind Prud. H. ieiun. 26 ff. „Elia tali crevit observantia/Vetus sacerdos, ruris hospes aridi:/f r a g o r e ab omni quem remotum et segregem/sprevisse tradunt criminum frequentiam.", wozu Gl. 2,420,12 „chradama" gehört, sowie Judith 14,7 „Egressi sund cum grandi s t r e p i d u " gehört, sowie Judith 14,7 „Egressi sund cum grandi s t r e p i t u " das in Gl. 1,486,38 mit „chradame" glossiert wird. In den angeführten Stellen heißt somit „kradem" soviel wie ,Lärm'. Diese Verwendung scheint auch in Gl. 3,159,17 „tumultus — cradime" (in Heinrici Summarium, X. De bello) vorzuliegen, worunter, dem Kapitel des Glossariums entsprechend, offenbar Schlachtenlärm zu verstehen ist. Eine andere Stelle, die in Graffs Althochdeutschem Sprachschatz angeführt wird (IV, 596), nämlich „aller uogele gedirademe (D. III, 60)", erscheint das Wort im Zusammenhang mit Stimmenlärm. Im Material weist aber nichts auf das Merkmal von rein stimmlich hin, das wir in „krademen" zum Unterschied zu „brahten" gefunden haben. Tatsächlich lassen sich „braht" und „kradem" im vorhandenen Belegmaterial nicht differenzieren, obwohl eine völlige Synonymität sehr unwahrscheinlich sein dürfte. An „braht" und „kradem" sind wohl auch die zwei Substantive für lautes Schreien, „ruoft" und „skrei", anzuschließen. Neben dem gewöhnlichen „ruoft"
Substantive
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kommt an einer Stelle, Gl. 2,649,43, auch die einfache Form „ruof" vor, ohne daß aus diesem Beleg ein Unterschied zwischen den beiden Formen festzustellen wäre. Audi zwischen „ruoft" und „skrei" eine Differenzierung herauszuarbeiten fällt nicht leicht, obwohl gewisse Tendenzen in das Auge stechen. Zudem korrespondieren große Unterschiede in etwa jenen zwischen „ruofan" und „skrtan", obwohl dort die Verhältnisse etwas anders zu betrachten sind, da ja für die andern Verben keine Substantiventsprechungen wie für „ r u o f a n " und „skrtan" zu finden sind. Beim Vergleich der beiden Wörter fällt auf, daß „skrei" expressiven Zusammenhängen erscheint: N. II, 137,17 Steinm. 29,49
viel häufiger in
E r irrüota mit michelmo screige IRRVGIIT CLAMORE MAGNO aller weskreio meist
Dasselbe stellen wir für Gl. 1,485,11 zu Judith 14,7 „egressi sunt cum grandi strepitu e t u l u l a t u " fest. Meist handelt es sich, wie man sieht, bei dem Schreien um einen Ausdruck des Schmerzes. Dies ist jedoch nicht unbedingt nötig: N. II, 101,8
hügescrei Diz ist exclamatio
Im Rahmen des Kontextes, — der Inhalt des „hügescrei" lautet „quam magna mulititudo dulcedinis tue, domine" — , und bei der Parallele von „bugesang" enthält dieser Ausdruck sicher den Gehalt von Freude. Wenn man den Gebrauch von „ruoft" daneben hält, kann man, wie gesagt, nicht eigentlich einen scharfabgegrenzten Unterschied beobachten, sondern eher eine Tendenz zu weniger expressiven Ausdrucksweisen: N. II, 246,1 N. II, 536,27 T. 148,3
Clamabunt etenim ymnum dicent. Sie ruofent. Vuaz ist der ruoft? Löbesang singent sie Göte. Kehore mih truhten. uuanda mines rüoftes mir ernest ist. Media autem nocte clamor In mittern naht ruoft uuard factus est: ecce sponsus gitan: senu nu cumit brutivenit. gamo.
Man kann zugleich feststellen, daß der Inhalt von „ruoft" oft sprachnäher ist als derjenige von „skrei", wo oft mehr unsprachlicher Gebrauch von Stimme dargestellt wird. Daß wir nicht über so tastende Erklärungsversuche hinauskommen, liegt bestimmt nicht an einer innern Unklarheit des Verhältnisses dieser beiden Wörter zueinander, sondern daran, daß das Material nicht aufschlußreich genug ist. W i r können ja anhand der vorliegenden Belege auch nicht feststellen, ob, wie
Schallwörter im Althochdeutschen
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bei den Verben, auch Gebrauchsbedingungen darüber bestehen, ob das Subjekt ein Mensch oder ein Tier ist. Bei „sang" hingegen wird ziemlich deutlich, daß wir uns in der Verwendung nicht vom zugehörigen Verb „singan" entfernen. So bezeichnet das Wort zunächst den Gesang der menschlichen Stimme, also deren ästhetisch geordnetes Klingen: N. 1,12,25
Sirenes sint meretier. fone dero Sange intsläfent die uuerigen.
In noch ausgeprägterem Maße aber, als wir das für „singen" haben, wird „sang" auch für Musik ganz allgemein verwendet: N. 1,788,17 N. I, 843,16
festgestellt
Nam nec tibiarum mela deerant. nec ex fidibus sonitus. nec ydraularum armonica plenitudo. Dar negemangta suegelsanges. nöh seitsanges. Uuända die cytharist? uuären. be diu sahist tu sie dar mit iro seitsänge.
In diese Gruppe gehört auch Gl. 1,373,66 zu Eccli. 22,6 „ M u s i c a in luctu importuna narratio." „Sang" bezeichnet also das aesthetisch geordnete Erklingen überhaupt, gleichgültig, ob es sich um menschliche Stimmen oder um Musikinstrumente handelt. In die Nähe von „sang" gehört auch „rarta". In der Mehrzahl der Fälle erscheint zwar „rarta" in der abstrakten Verwendung als ,Verhältnis', .Harmonie'. Nicht selten erscheint das Wort daneben aber auch im Zusammenhang mit Vogelgesang: N. I, 702,21 N. I, 817,19
loh after dero uuiton lüfte suohten sie in gemeitun. dar er ana geuuön uuäs zeskepfenne. daz chit zeskeidenne die ferte dero fogelo. uuaz die bezeichenen. ünde dero singenton rärta. uocesque transmittunt auguratisque loquuntur omnibus. . . . 22 ünde ougent iro stimma. ünde sprechent üzer allen, fögelrärta sagenten.
Daneben wird „rarta" auch für menschlichen Gesang verwendet: N. I, 842,25
So er do gehorta dero brüote nahentero. die singenten musas. ünde die süozen rarta. föne uneben lütreisten sängen, so hiez er ze erest ch6men den brüotegömen.
Wir könnten diese doppelte Möglichkeit, den Gesang der Menschen und der Vögel mit der entsprechenden Möglichkeit von „singen" (und spätestens im Mittelhochdeutschen auch von „sang") in Parallele setzen. Auch hier wird der Stimmenschall der Vögel mit einem Wort bezeichnet, das zugleich den wohlklingenden, musikalisch geformten Stimmenschall der Menschen bedeuten kann.
Adjektive
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Der Laut der Vögel erscheint den Menschen ebenso musikalisch wie ihr eigenes Singen. Deshalb können wir als Gesamtbedeutung von „rarta" etwa musikalischen Stimmenschall' angeben. Das könnte auch die Entwicklung erklären, wie das Wort zur Bedeutung ,Harmonie' gelangte; im selben Zusammenhang kann man auch auf die doppelte Verwendungsmöglichkeit von „hellan" als ,wohltönend klingen' und ,übereinstimmen', harmonisieren' hinweisen. Eine besondere Stellung unter den schallbezeichnenden Substantiven nimmt „stemma" ein; ja man kann sich fragen, ob das Wort überhaupt in den Bereich der Schallwörter einzugliedern sei. O f t erscheint zwar „stemma" tatsächlich als Bezeichnung für ein aktuelles Schallereignis zu stehen, und zwar, wie noch im Neuhochdeutschen, für ein durch das Stimmorgan eines Lebewesens erzeugtes: O. I, 6,11 N. II, 48,8
so sliumo so ih gihorta thia stimmun thina: so blidta sih ingegin thir thaz min kind innan mir. Et exaudivit de templo sancto suo. uocem meam. Vnde gehorta er föne mlnemo herzen sinemo heiligen hüs. mina stimma.
Wenn wir genauer hinsehen, so ist aber auch in den erwähnten Fällen viel eher die Fähigkeit, das Organ zur Stimmerzeugung gemeint, als ein aktuelles Schallereignis. Daß diese Fähigkeit das wesentliche Element in „stemma" ist, zeigt sich im übrigen an den allermeisten übrigen Belegstellen, wofür die folgenden einige Beispiele sein sollen: O. IV, 12,94 T. 133,7 T. 111,1
er zálta in fon theru mínnu et oves illum sequuntur, quin sciunt vocem eius. Et levaverunt vocem dicentes: Ihesu preceptor, miserere nobis.
mit sínes selbes stímmu. inti scaf folgent imo, uuanta siu uuizzun sina stemma. Inti arhuoben stemma quedente: Thu heilant biboteri milti uns.
Da also „stemma" viel mehr die ausgeübte oder bloß potentielle Fähigkeit eines Lebewesens, sich mittels seines Organs hörbar zu machen, als ein aktuelles Schallereignis meint, gehört das Wort, wenn überhaupt, so auf eine besondere Weise zu den Schallwörtern. Auf jeden Fall paßt es nicht in eine aus den bisher behandelten Wörtern gebildete Hierarchie, die ja aktuelle Schallereignisse bedeuten. 9. Adjektive
im Bereich des Schalles
Die beiden Adjektive, die in den althochdeutschen Quellen am häufigsten vorkommen, sind „tut" und „Mitreiste". „Lüt" und das zugehörige Adverb „lüto" sind die gewöhnlichsten Mittel, große Lautstärke anzugeben:
Schallwörter im Althochdeutschen
58 O. III, 24,97 O. III, 8,25 N. I, 804,5
Er sprach tho worton litten thära zi themo döten. Sie tho lûto irharetun thuruh thia suâren förahtun. Inin dés uuàrd tôz in allen steten fone lûto skéllentên timpanis ünde cymbalis.
Daneben finden wir „lût" im Ausdruck „lût werdan" ren Sinn: N. I, 97,23 O. II, 9,39
in einem etwas ande-
Tune tacebant seua classica. Tô neuuûrtun lût tiu zâligen uuîghérn. Ward imo ouh thaz wüntar zi skonen éron gidan, theiz würti ubar wörolt lut, thaz er bi réhte was sin drüt.
„Lût" kann in einem solchen Zusammenhang nicht die verhältnismäßige Klangintensität eines an sich schon hörbaren Schallereignisses bezeichnen, sondern zusammen mit „werden" meint es gewöhnlich das Hörbarwerden an und für sich. Der Gegensatz ist in diesem Falle also nicht wie beim „lût" in der rein attributiven Verwendung in irgendeinem Begriff wie ,leise' zu suchen, sondern viel eher in ,Nicht-hörbar-werden'. Diese Tatsache kommt auch gut zum Ausdruck in der Übersetzung von lat. „tacere" mit „lût newerdan". Aber auch in Otfrieds Satz kommt diese Tatsache insofern zur Geltung, als „lût werdan über worolt" ja eine ziemlich abstrakte Wendung ist, wo man sich gar nicht ein einzelnes, konkretes Schallereignis vorstellen kann, was für „lût" als Adjektiv ja notwendig wäre. W i r haben also eine doppelte Möglichkeit der Verwendung von „lût" vor uns, einerseits in appositioneller Verwendung als Adjektiv und Adverb, andererseits zusammen mit „werdan" in der Funktion eines Vollverbes. „Lût werdan" muß denn auch in eine Hierarchie zusammen mit andern Schall verben wie „lûtan", „skellan" usw. gestellt werden. I n der ersten Verwendung gehört „lût" logisch gesprochen in ein durch konträre Begriffe gebildetes System, in der zweiten Verwendung konstituiert es eine kontradiktorische Struktur. Das selbe gilt auch für „lûtreiste". „Lûtreiste" in der Verwendung als Adjektiv wird in der Mehrzahl der Fälle für Musikinstrumente und die menschliche Stimme gebraucht: N. I, 803,20 N. II, 639,31
Sîe hîezen carites. nâh tîen lûtreisten suégelon. mit tîen alliu guöniu sang übersüngen uucrdent. Vzer dîen scullen sâr durch die höli. lutreisteren stimma.
Zuweilen wird „lûtreiste" auch zur Übersetzung von lat. „canorus" ,hellklingend' verwendet: N. I, 704,20
motusque nemorum . . . canora modulatio melico quodam crepitabat appulsu. scal dâr lûtreiste sang fone gchéllemo ânastôze des uuindes.
Adjektive
59
Die Konzentration auf Stimmen- und Musikklang sowie die Entsprechung zu lat. „canorus" lassen darauf schließen, daß „lütreiste" einen hellen Klangcharakter bezeichnet. Darauf weist auch das folgende Beispiel hin: N. I, 855,2
Ter 6uh tia lirun uuerbe. der uuerbe sia ze demo meze. daz si überdenetiu nekelle. nöh sie före slachi ze unlütreiste nesi.
In diesem Satz wird „unlütreiste" als Gegensatz zu „gellan" gesetzt, umgekehrt können wir daraus klanglich eine Verwandtschaft zwischen „gellan", das ja, wir oben gesehen haben, .gellendes Erklingen' bezeichnet, und „lütreiste" erschließen. Es paßt in dieses Bild und fügt ihm nur wenig hinzu, wenn wir darauf hinweisen, daß auch das Element des gut Verstehbaren und Hörbaren in „lütreiste" zuweilen erscheint. Helle Klänge sind ja viel durchdringender und besser zu verstehen als dumpfe: N. II, 420,2
min rüoft diome ze dir. So lütreiste uuerde min gebet, taz ih ze dir chöme.
Was dieses letzte Beispiel allerdings gerade nicht zeigt, das ist die Verwendung von „lütreiste werclan" als .hörbar werden', das wir in gleicher Weise wie bei Jüt werdan" antreffen: N. II, 262,7 N. II, 392,13
So er dannan chümet ad iudicandum. so öffenot er sina stimma. stimma dero crefte .i. uenite. uel. ite. So uuirt lütreiste. der iü er uuölta uuesen stille. So spiritus sanctus cham. so uuurden lütreiste apostoli in iro predicationibus.
Vor allem am ersten Beispiel erkennen wir deutlich, daß „lütreiste werdan" nicht in den Bereich des ,mehr oder weniger Hellklingens' gehört, sondern in jenen des ,Hörbaren oder nicht' überhaupt. Wenn wir auf den nicht sehr zahlreichen Belegstellen aufbauen können, dann erscheint der Unterschied zu Jüt werdan" deutlich. „Lüt werdan" wird, wie auch den angeführten Belegen zu entnehmen ist, lediglich für nichtstimmliche Klangerscheinungen verwendet, wozu auch eher abstrakte Umschreibungen, wie sie in O. I I , 9,40 erscheinen, gehören. „Lütreiste werdan" dagegen wird nur für Stimmenäußerungen verwendet. Wir haben hier also den Gegensatz ,nichtstimmlich — stimmlich' vor uns. Beide Ausdrücke sind in die Reihen der Verben zu stellen, wo sie die allgemeinsten Ausdrücke für .stimmlich' und ,nichtstimmlich' darstellen. Neben „lütreiste" liegen im gesammelten Material noch zwei Belege in Gl. 2,634,13 und 2,656,22 für „lütreisig" vor, das sich von „lütreiste", wenigstens was den appositioneilen Gebrauch angeht, nicht unterscheiden läßt, indem es beide Male zur Glossierung von „canorus" verwendet wird; ein Beispiel ist
Schallwörter im Althochdeutschen
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Gl. 2,656,22 zu Verg. A. VI, 119 f. „Si potuit Manes accesere coniugis Orpheus/ Threicia fretus cithara, fidibusque c a n o r i s." Es sind anschließend noch zwei Adjektive zu erwähnen, die weniger gut belegt sind. Beim ersten handelt es sich um „heis", wovon drei Belege zu finden sind: N. 1,722,9 N. I, 857,3 N. II, 264,1
Qu? quidem graues pulsus modis raucioribus personabat. Ter geröbe lüta. in heisa uuis rähta. uuända übe die eristün ze lang uuerdent. so sint sie selben unhelle. ünde häbent heisa lütün. döh ouh tie ändere sin lütreiste. Rauc? fact? sunt fauces me?. Des ruoftes uuurden heis mine giümen.
„Heis" wird zur Beschreibung von Lauten verwendet, die gewissermaßen als Gegenpol zu „lütreiste" gelten können; dies zeigt sich vor allem im zweiten Beispiel. Auch die Übersetzung von „raucus" durch „heis" und das Adverb „gerobo" im ersten Beleg weisen darauf hin. Das Adjektiv bezeichnet also die verhältnismäßige Geräuschhaftigkeit eines Lautes. Dabei ist noch anzumerken, daß es von Notker nicht, wie das beim späteren Gebrauch von „heiser" der Fall ist, nur für die Stimme verwendet wird, es kommt vielmehr für alle Arten von Schall in Frage. Beim zweiten Adjektiv handelt es sich um „unhelle", das allerdings nur an einer einzigen Stelle zu finden ist: N. I, 857,3
uuanda übe die eristün ze lang uuerdent. so sint sie selben ünhelle. ünde habent heisa lütün.
Auch dieses Adjektiv beschreibt einen Gegensatz zu „lütreiste", befindet sich somit im gleichen Bereich wie „heis". Weiteres läßt sich anhand dieses einen Belegs nicht sagen, besonders da ein Wort wie „hell", das doch durch „unhelle" vorausgesetzt wird, im Althochdeutschen nicht belegt ist. Das einzige Wort, das man dazu in Beziehung setzen kann, finden wir in „gihelle", das jedoch die abstraktere Bedeutung von ,passend', ,harmonisch' besitzt.
III. Schematische Übersicht über die ahd. Schallwörter 1.
Vorbemerkungen
In der folgenden Zusammenfassung soll versucht werden, die auf nicht sehr systematische, den Windungen eines notwendigerweise tastenden, heuristischen Vorgehens folgenden Weise erarbeiteten Ergebnisse in einer Zusammenstellung, welche die logischen Zusammenhänge offensichtlich und übersichtlich macht, darzustellen und zu ordnen. Es wird dabei versucht, die in der Einleitung erwähnten und demonstrierten Ordnungsmöglichkeiten praktisch anzuwenden. Allerdings wird dies nicht durchwegs auf eine völlig befriedigende Weise zu bewerkstelligen sein, denn abgesehen von Unsicherheiten der Analyse, die schon in der Unzulänglichkeit des Belegmaterials begründet sind, widersetzen sich speziell die innersprachlichen Synonyme und die allzukonkreten Bedeutungen einer Klassifikation in einem solchen nach abstrakten Merkmalenge ordneten Schema. Solche Wörter müssen oft, wie in der Einleitung schon bemerkt worden ist, als ungegliederte Menge am betreifenden Ort in eine Struktur eingefügt werden. Darstellerische Schwierigkeiten ergeben sich auch bei Wörtern oder Merkmalen, die mehreren Hierarchien angehören. Welche Merkmale aus den unmittelbaren Verzweigungen einer Hierarchie herausgenommen werden müssen und als die wichtigeren erscheinen können, bleibt vor allem in einer so eng umgrenzten, konkreten Gruppe von Wörtern zum großen Teil Ermessenssache. Nur in einem weiteren Bereich könnte man wohl erkennen, was für Merkmale gewissermaßen als rote Fäden durch den gesamten Wortschatz ziehen. Auf Grund eines begrenzten Korpus kann zudem die Bedeutungsstruktur meist nur in den gröbsten Zügen erkannt werden; manche Fragen müssen ungelöst, manche Beziehung unerkannt und manches Merkmal ungenau beschrieben bleiben. Die nachfolgenden Darstellungen können daher nur als bedingt vertretbar betrachtet werden, entweder solange, bis eine Erweiterung des Materials neue Fakten liefert oder bis eine neue Interpretation des bestehenden Materials zu befriedigenderen, im Rahmen des Gesamtwortschatzes einheitlicheren Vorstellungen gelangt. Im Sinne dieser Feststellungen müssen die folgenden Darstellungen als Versuche gewertet werden. 2. Verben Außer den in den Abschnitten II, 2—7 erwähnten Verben müssen wir, wie an den betreffenden Orten bereits angetönt worden ist, auch „lüt werdan" und
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Schematische Übersicht über die ahd. Schallwörter
Jütreiste werdati" in die Hierarchie der Verben aufnehmen, da sie in dieser Form als feste Wortverbindungen den Platz von Vollverben einnehmen. Wir haben somit folgende Liste von Verben zu berücksichtigen (in der Reihenfolge der Behandlung): lütan krademen skellan ruohen hellan skrian gellan harén ruofan kerran brastòn weinòn klaffón luon kradiòn breman doneròn limman diozan bullón süsen grinan bellan dósón kräen rüzan zwizerön brahten singan lüt werdan lutreiste werdan Die allgemeinen Verben mit den wenigsten spezifizierenden Merkmalen sind zuoberst zu plazieren. Zu ihnen gehört vor allem Juten", das überhaupt nur das Merkmal .hörbar' besitzt; die nächstfolgenden lassen sich jedoch nicht einfach nacheinander anfügen, da sie teilweise verschiedenen Untergruppierungen angehören, mit anderen Worten durch unvergleichbare Kriterien von Juten" unterschieden sind. So sind einerseits Jütreiste werdan" und Jüt werdan" durch das Merkmal ,stimmlich — nichtstimmlich' näher bestimmt und gehören, da sie außer diesem kein weiteres Gebrauchskriterium besitzen, direkt unter Juten". Auf der andern Seite ist diese Unterscheidung für „skellan", „hellan", „gellan", „kerran", „brahten" und „singan" irrelevant. Bei diesen Verben spielen andere Gesichtspunkte eine Rolle, nämlich zunächst solche der Lautqualität. So glauben wir für „skellan" das Merkmal der .Helligkeit' festgestellt zu haben; dazu könnten wir als Gegensatz etwas ,Geräuschhaftigkeit' stellen. Dieses Merkmal, das im Folgenden noch öfter erscheinen wird, soll in diesem Zusammenhang eine gewisse Einheitlichkeit, Reinheit und Ausgewogenheit der Klangerzeugung bezeichnen, und gilt etwa für die menschliche Stimme, Musik, metallisches Klingen. Als Ausdrücke für den Plusund Minuspol dieses Spektrums an Lautqualitäten werden .Helligkeit' und ,Geräuschhaftigkeit' mangels besserer Wörter gewählt, wobei durchaus klar ist, daß sie den gemeinten Gegensatz riur unvollkommen darstellen. „Gellan" seinerseits ist durch das Merkmal des ,grellen Ertönens' ausgezeichnet, was mit andern Worten besagen will, daß die Lautentwicklung in den
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Verben
hohen Tönen besonders stark ist. Durch dieses Merkmal scheint auch „kerran" geprägt zu sein, das aber zudem durch .Geräuschhaftigkeit' bestimmt ist. Eine weitere Kategorie von Merkmalen, die eher von einer spezifisch menschlichen Perspektive des Hörens bedingt ist, finden wir bei „hellan", „brahten" und „singan". „Hellan" ist durch steht das Moment der aesthetischen Empfindung beim Hören im Vordergrund, wobei wir wohl sagen können, daß diese nicht unabhängig vom Element des ,hellen Klingens' sein dürfte. In „brahten" hingegen haben wir die Bedingung feststellen können, daß das dadurch bezeichnete Schallereignis ,intentional erzeugt' sein muß. Dazu kommt als weiteres Element bei „brahten" noch jenes der ,Lautstärke', (die, ohne daß dies im folgenden immer ausdrücklich erwähnt würde, im Hinblick auf eine als gewöhnliche, normale Lautstärke empfundene Intensität definiert werden muß, also eine relative Größe ist.) „Singan" schließlich ist sowohl durch das ,aesthetische Erklingen' wie durch das ,bewußte Hervorbringen' ausgezeichnet, wobei diese beiden Kriterien zusammen genügen dürften, den Begriff des .Musikalischen' zu umschreiben. Angesichts der Tatsache, daß für soviele Verben der Gegensatz ,stimmlich' — ,nichtstimmlich' keine Rolle spielt, er aber im weiteren später, wie wir sehen werden, an andern Stellen der Hierarchie weiter von Wichtigkeit bleibt, empfiehlt es sich, dieses Merkmalspaar aus einer direkten Hierarchie hinauszunehmen und separat einzubauen. Ein Schema gewinnt ferner auch durch Übersichtlichkeit, wenn wir die Merkmale ,gellend' separat einführen. Wir erhalten dann für die bisher erwähnten Verben folgendes Bild:
(hörbar) + tüten
(gellend)
lütreiste
skei
(int. erzeugt)
(wohk fohk
f 'lan (laut
brahten
singan
gellan
kerran
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Schematische Übersicht über die ahd. Schallwörter
An dieses Schema haben wir nun noch die übrigen Verben anzufügen. In einer ersten Gruppe finden wir einmal die nichtstimmlichen Verben. Dabei ist Kklingan" mit seinen Ableitungen sicherlich an „skellan" mit dem Merkmal ,helltönend' anzuschließen; möglicherweise, ohne daß dafür ein Beweis mit letzter Sicherheit angetreten werden könnte, wäre auch noch ein Stoffmerkmal wie etwa ,metallisch' einzufügen. Die übrigen nichtstimmlichen Verben sind sämtlich als ,geräuschhaft', d. h. ,nicht hellklingend' zu betrachten. Diese letztere Gruppe können wir im weiteren unterteilen in .stetige' Geräusche und ,nichtstetige' Geräusche. .Stetige' Geräusche haben wir in „diozan", „süsen" und „döson" vor uns; mit .Stetigkeit' soll also die Eigenschaft dieser Geräusche bezeichnet werden, daß die Klangentwicklung für den Hörer ohne Schwankungen und Diskonuitäten, sozusagen in einem andauernden, stets gleichbleibenden Schallstrom vor sich geht. „Diozan" und „süsen" sind ihrerseits durch das geschieden, was man mit .Feinheit' des Geräusches umschreiben könnte, was soviel besagen will wie eine Klangqualität, die durch Lautintensität, Klangdumpfheit, Klanggleichmäßigkeit usw. bestimmt wird. Für „döson" schließlich sind zuwenig Fakten bekannt, als daß eine sinnvolle Eingliederung möglich wäre. Unter ,nichtstetigen' Geräuschen sollen hier solche verstanden werden, deren Schallentwicklung nicht in einem dauernden Strom, sondern, wenn überhaupt nicht nur in momentanem Ertönen, in einzelnen, kleinern, voneinander unterscheidbaren Geräuschen, in diskontinuierlicher Entwicklung vor sich geht. Zu solchen Geräuschen gehören in unserer Sammlung „brastön", „klaffon", „krachon", „doneron". „Brastön" und „klaffon" sind ebenfalls durch ein Merkmal von .Feinheit' unterscheidbar; dabei könnten wir dieses Merkmal .Feinheit' mit dem Gegensatz von „süsen" und „diozan" in Parallele setzen. Ob dieser Parallelität des Schemas eine solche der Wirklichkeit, d. h. des Hörens entspricht, kann in diesem Rahmen nicht bewiesen werden; diese Formulierungsweise führt aber ein Element der Symmetrie in das Schema ein, die in einem solchen Falle wohl ein Grund zu einer solchen Annahme sein darf. In „krachon" haben wir wiederum ein Wort vor uns, das wir mangels genauerer Kenntnis der Bedeutung nicht entsprechend eingliedern können. Wir haben festgestellt, daß möglicherweise das Stoffmerkmal ,Holz' eine Rolle spielen könnte. Wenn dieses Merkmal hier eingeführt wird, dann nicht zuletzt auch im Hinblick auf unsere Feststellungen für das mhd. „krachen". „Doneron" schließlich stellt eine durch metereologische Spezialbedingungen, nämlich .Gewitter' ausgezeichnete Art von „klaffon" dar. Bei der Einordnung von „rüzan" stoßen wir wieder auf andere Schwierigkeiten. Wie wir gesehen haben, stellt dieses Wort ein Mittelding zwischen .stetig' und .nichtstetig' dar. Wir könnten in diesem Falle somit sagen, daß dieser Gegensatz hier irrelevant ist. Zudem scheint aber das Merkmal .Feinheit' in diesem Wort enthalten zu sein. Im folgenden Schema wird nun eine besondere Schwierigkeit einer binären
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Verben
Klassifikation, wie sie hier mit .positiv' und .negativ' markierten Wörtern angewendet wird, sichtbar. Denn wir können nicht sagen, daß zwischen ,stetig' und ,nichtstetig' ein polarer Gegensatz bestehe. ,Stetigkeit' muß nicht eine akustisch streng feststellbare Größe sein, sondern kann darauf beruhen, daß die Diskontinuität in einem Schallvorgang wie etwa dem Rauschen des Wassers, das ja ebenfalls aus unzähligen kleinern Schallvorgängen zusammengesetzt ist, von einem menschlichen Hörer nicht gehört werden kann, sondern als Kontinuität vernommen wird. So gibt es einen fließenden Übergang von Diskontinuierlichkeit zu Kontinuierlichkeit. Ein Geräusch wie .Prasseln' etwa liegt ohne Zweifel an der Grenze der Diskontinuierlichkeit. Wir haben ja auch bei der Behandlung von „rAzan" einen kontinuierlichen Übergang innerhalb dieses Spektrums für den ahd. Wortschatz vermutet. Dennoch kann in einer binären Darstellung dieser Ubergang nicht adäquat wiedergegeben werden, sondern muß in eine Gruppe von Gegensätzen aufgelöst werden. Dies wirkt besonders unbefriedigend da, wo ein Spektrum durch mehr als zwei Begriffe aufgeteilt wird. Wollen wir aber nicht auf eine gewisse Konsistenz der Darstellung verzichten, müssen wir derartige darstellerische Schematisierungen in Kauf nehmen. (stimmlich)
(helltönend)
donerdn Es verbleiben bei den Verben noch diejenigen für die Stimme zusammenzuordnen. Für einen großen Teil der behandelten (die übrigen sind ja fast ausschließlich verba dicendi, die wir unberücksichtigt ließen) können wir das Merkmal .lautstark' geben, womit sie direkt an „brahten" angeschlossen werden können; denn daß das Merkmal ,intentional erzeugt', wenn es in dieser Formu-
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Schematische Übersicht über die ahd. Schallwörter
lierung recht verstanden wird, auf sämtliche Stimmverben zutrifft, scheint einleuchtend zu sein. Wir haben demnach zunächst „krademen" an „brahten" anzuschließen, das sich von diesem lediglich durch die Beschränkung auf den Bereich der Stimme unterscheidet. Danach folgen „hären", „ruofan", „skrian", „ruohen" und „weinon", die zusammen eine in schematischer Darstellung eher kompliziert darzustellende Gruppe von Wörtern bilden. Es sind dabei die drei Merkmale ,Expressivität', d. h. das Enthaltensein von seelischem Ausdruck im Stimmengebrauch, ,Kommunikativität', d. h. die Möglichkeit, mittels einer solchen Äußerung Kontakt mit einem Hörer aufzunehmen, einen Adressaten zu erreichen, und die Unterscheidung .menschlich' — ,nicht menschlich' zu beachten. In Matrizenform ergäbe sich mit den fünf erwähnten Verben folgendes Schema: harén ruofan skrian ruohen weinön
expressiv 0 0 + + +
kommunikativ + + + — —
menschlich 0 + 0 0 + (+Schmerz)
Hinzu kommen außerdem noch die Verben, die speziell Laute von Tieren bezeichnen. Hier können wir die Gruppe von Wörtern, die ein ,Brüllen' belûtreiste
werdan
(lauter als normal)
* bullón *• grînan * bellôn * weiôn
Verben
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zeichnet, also „luon", „breman", „limman", „bullon", „bellön", „weiott" und vielleicht auch „grinan" an „ruohan" anschließen. Innerhalb dieser Gruppe Unterscheidungen zu treffen, muß wegen der Konkretheit der Inhalte der betreffenden Wörter ein problematisches Unterfangen bleiben. Zudem kennen wir die Verwendungsweise dieser Wörter nur ungenau. — Die restlichen drei Wörter, „bellan", „kräen" und „zwizeron", sind dagegen wohl nicht unter „ruohen", sondern als normaler Stimmgebrauch einzuordnen. Alle Wörter müssen innerhalb ihrer Gruppe aber undifferenziert angeführt werden. (Abbildung auf S. 66) Wir können zum Schluß alle die Teilhierarchieen, die sich bisher ergeben haben, in eine Gesamtstruktur zusammenordnen, wobei sich das Bild auf S. 68 ergibt.
Schematische Ubersicht über die ahd. Schallwörter
Substantive 3.
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Substantive
Von den im Abschnitt I I , 8 erwähnten Substantiven kommen für eine schematische Darstellung folgende in Betracht: lüta doner skal braht galm kradem klang ruoft doz skrei krac sang kl afleih rarta In die Liste nicht aufgenommen wurde „stemma", das ja, wie wir festgestellt haben, nicht einen tatsächlichen Schallvorgang, sondern die Fähigkeit, einen solchen hervorzubringen, bezeichnet. Damit müßten wir, da in der obigen Liste alle Wörter mit dem Merkmal .hörbar' versammelt sind, für „stemma" eine spezielle Hierarchie errichten, was jedoch im vorliegenden Fall ohne Gegenstand bleibt, da ja im Bereich der Hörbarkeit „stemma" das einzige Wort für eine Fähigkeit darstellt und damit auch keine Hierarchie errichtet werden kann. An die Spitze eines Schemas müssen wir wiederum, wie bei den Verben, das allgemeinste Wort, das alle andern in sich enthält, stellen. Es ist in diesem Falle „lüta". Von ihm unterscheidet sich, wie wir feststellen zu können glaubten, „skal" durch die Beschränkung auf ausschließlich lautstarke Schallereignisse. „Galm" wiederum ist auf .hellklingende' Laute konzentriert. An „galm" sind wohl wiederum die Wörter mit dem Merkmal .wohlklingend, aesthetisch' anzuschließen, also „sang" als allgemeines Wort und „rarta" als speziell für die Stimme verwendbares. Dabei entsteht im Hinblick auf die Verben die Frage, ob hier ebenfalls das Merkmal .intentional erzeugt' eingeschaltet werden soll, eine Frage, die in diesem Fall nicht so leicht zu beantworten ist, da ja kein unmittelbar vergleichbares Wort mit negativer Markierung in diesem Merkmal daneben steht wie im System der Verben mit „hellan". Aus der ganzen Verwendung von „sang" können wir jedoch annehmen, daß dieses Wort diesbezüglich durchaus als positiv markiert betrachtet werden kann, während wir für Stimmwörter allgemein ,intentional erzeugt' als impliziert angenommen haben. Von „galm" mit dem Merkmal ,hell tönend' hängt aber auch „klang" ab, das zusätzlich auf nichtstimmliche Verursachung, möglicherweise auf .metallisches' Klingen beschränkt ist. Ebenfalls mit .Nichtstimmlichkeit' ist „doz" gekennzeichnet; daneben findet sich in diesem Wort aber zusätzlich das Merkmal ,Geräuschhaftigkeit'. Von diesem Wort sind auch „krac" und „klafleih" abhängig, ohne daß allerdings deren Bedeutungen in alle Einzelheiten bekannt sind. Immerhin läßt sich soviel sagen, daß „klafleih" eher ein dumpf rollendes, donnerndes Geräusch bezeichnet, „krac" dagegen eher ein feineres, schärferes Krachen. Die beiden könnten somit
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Schematische Übersicht über die ahd. Schallwörter
allenfalls durch die ,Feinheit' des Klangbildes unterschieden werden; ob bei ,,krac" auch das Material, nämlich Holz, eine Rolle spielt, läßt sich nur vermuten, dies besonders, wenn man die Verhältnisse im klassischen Mhd. berücksichtigt. Von „skal" lassen sich im weiteren wohl „braht" und „kradem" abzweigen, die außer dem mit „skal" gemeinsamen Merkmal der .Lautstärke' die Bedingung .intentional erzeugt' enthalten. Unter sich können bekanntlich die beiden Wörter auf Grund des Materials nicht unterschieden werden. Von ihnen sind im weiteren „skrei" und „ruoft" abzuleiten, die ebenfalls das Merkmal .lautstark' enthalten. Die Unterscheidung der beiden Wörter untereinander zu formulieren fällt nicht leicht. Wenn wir nicht annehmen wollen, daß die beiden identische Bedeutungsfiguren mit den entsprechenden Verben haben, weil sie zu diesen im Verhältnis von Ableitungen stehen, müssen wir etwas andere Kategorien annehmen als bei den Verben, da ja nicht für jedes Verb ein entsprechendes Substantiv existiert und das Feld deshalb anders aufgeteilt werden muß. Gerade die Tatsache, daß es z. B. für „hären" nicht einmal eine Ableitung anderer Art als der im Falle von „ruofan" und „skrian" gibt, daß also ohnehin nicht alle Beziehungen bei den Verben auch bei den Substantiven reproduziert werden, läßt davor zurückschrecken, in „ruoft" und „skrei" die gleichen Gebrauchsbedingungen wie bei den Verben anzunehmen. Wie oben festgestellt worden ist, zeigt „ruoft" eher eine Tendenz, sprachlich geformte Äußerungen zu bezeichnen, bezüglich Expressivität aber neutral zu sein. Dagegen wird „skrei" vor allem in expressivem, sprachfernem Kontext verwendet. Man kann sich fragen, ob hier zwei verschiedene Merkmale, .expressiv' und .sprachlich' angenommen werden sollen. Da aber die beiden Wörter am Ende einer Hierarchie, offenbar in einer minimalen Opposition zueinander stehen, scheint es mindestens von einem theoretischen Standpunkt her begründet, nur ein einziges Merkmal anzunehmen. Wenn wir dieses minimale Merkmal irgendwie verständlich ausdrücken wollen, müßten wir uns einen Gegensatz zwischen mehr inhaltlich-sprachlich geprägten Äußerungen, bei denen ein geformter Inhalt wichtiger ist als die emotionelle Ausdruckskraft, und mehr ausdrucksstarken Äußerungen, bei denen wegen ihrer Expressivität die sprachlichgedankliche Formung in den Hintergrund tritt, als Unterschied zwischen „ruoft" und „skrei" vorstellen. In der Zusammenfassung ergäbe sich schließlich das Bild auf S.71.
Substantive
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(hörbar) lúta
Adjektive finden sich viel zuwenige in unserem Material, als daß sich daraus sinnvollerweise ein repräsentatives Schema zusammensetzen ließe. Zudem sind die dabei in Erscheinung tretenden Kriterien so heterogener Art, daß schon aus diesem Grund keine zusammenhängenden Klassifikationen gefunden werden können.
IV. Schallwörter im klassischen Mittelhochdeutsch 1. Quellen Der nachfolgende Abschnitt beschäftigt sich mit den Schallwörtem in den Werken des Zeitabschnittes, während der die klassische mhd. Dichtung blühte. Im einzelnen wurde als Material den folgenden Untersuchungen das Nibelungenlied, „Erec" und „Iwein" von Hartmann von Aue, „Parzival" und „Willehalm" von Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Strassburgs „Tristan und Isolde" und Wirnt von Grafenbergs „Wigalois" zugrundegelegt und auf Schallwörter vollständig ausgezogen. Wie verhält sich nun diese Zusammenstellung in Bezug auf die Forderungen nach Homogenität, die in der Einleitung an ein Korpus gestellt wurden? Die erste Forderung, jene nach zeitlicher Einheitlichkeit, kann für die Praxis, wenn auch nicht streng theoretisch, als erfüllt betrachtet werden. Sämtliche Werke sind in einem Zeitraum von etwa vierzig Jahren niedergeschrieben worden, wobei der „Erec", entstanden um 11851, als das früheste, Wolframs „Willehalm", entstanden von 1215—1218 2 , als das späteste gelten kann. Obwohl sich die Sprache auch innerhalb von vierzig Jahren verändert haben wird, sind für diese Werke hinsichtlich eines mehr allgemeinen, also nicht aesthetischen oder gedanklichen Wortschatzes, solche Änderungen nicht spürbar. Es kommt noch dazu, daß die Dichter all dieser Werke sich in Bezug auf die Sprache eher konservativ verhielten. Auch die Frage nach der Einheit des Dialekts kann wohl positiv beantwortet werden. Bekanntlich stammen die fraglichen Dichter zwar aus räumlich verhältnismäßig weit voneinander getrennten Gebieten, man denke nur an die Herkunft Gottfrieds aus dem Gebiet des Oberrheins, der letzten Bearbeitung des Nibelungenliedes in der Gegend von Passau. Dennoch ist die sprachliche Einheit innerhalb der Gruppe der erwähnten Werke gewährleistet. Es besteht kein Zweifel, daß die Dichter aller dieser Werke sich an den wenigstens als Tendenzen formulierbaren Regeln der sogenannten Dichtersprache der klassischen mittelhochdeutschen Zeit orientieren 3 . Diese Sprache zeichnet sich bekanntlich durch bewußte Gepflegtheit und durch Vermeidung aller Elemente, die 1 2 3
Verfasserlexikon, Bd. V, Sp. 324. Verfasserlexikon, Bd. IV ,Sp. 1080. Im einzelnen anhand der Reimwörter gezeigt von A. Götze, Die mhd. Schriftsprache.
Verben mit unbestimmter Herkunft des Schalles
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nicht überdialektal gebräuchlich und verständlich sind, aus 4 . Alle jene sprachlichen Erscheinungen, die nur beschränkte, einzeldialektische Geltung haben und nicht auf dem gesamten hochdeutschen Gebiet geläufig sind, werden aufgegeben zugunsten allgemeiner üblicher Verwendungen, seien dies lautliche, grammatikalische oder lexikalische Erscheinungen. Schon durch die Umschreibung des Begriifes der klassischen mittelhochdeutschen Dichtersprache wird klar, daß für Werke, die sich nach dieser Norm richten und diese Norm erfüllen, keine entscheidenden Sprachdifferenzen zu erwarten sind, die sich auf Dialektunterschiede begründen würden und zu verschiedenen Ausprägungen beispielsweise eines lexikalischen Bezirkes führen würden. Im Gegenteil darf man sagen, daß sich durch diesen Vereinheitlichungswillen eine in sich homogene Sprachform entwickelt hat, die als Ganzes in die Betrachtungen einbezogen und dargestellt werden darf. Freilich muß man gleichzeitig festhalten, daß diese Sprachform nicht als das Deutsch jener Zeit schlechthin gelten kann. Vielmehr besitzt sie ihre besonderen Existenzbedingungen, nämlich der Gebrauch an den Ritterhöfen für die Dichtung. Es ist also nur ein ganz scharf umgrenzter Bezirk im Sprachleben jener Zeit, wo diese Sprache auch wirklich gängig ist. Für diese Werke löst sich dadurch weiterhin das Problem der durch stilistische Differenzen voneinander getrennten Sprachschichten. Sämtliche Werke gehören der gleichen Gattung an, sind also auch stilistisch der gleichen Ebene zuzurechnen. Auch der Begriff der mittelhochdeutschen Dichtersprache, die auch stilistisch eine sozusagen normierte Sprache darstellt, impliziert diese Einheitlichkeit. Man kann also wohl damit rechnen, daß nur solche Wörter verwendet werden, die als mit dem Stil eines Epos verträglich erachtet werden. Ausnahmen könnten sich höchstens etwa in den Werken Wolframs von Eschenbach finden, zu dessen „krumbem" Stil 5 es passen würde, durch den Einsatz des Mittels der Stilebenenverschiebung, durch die eingestreute Verwendung von spezifisch umgangssprachlichen Wörtern einen humorvollen Effekt zu erzielen. Vielleicht kann man tatsächlich hinter manchen der im folgenden erwähnten Wörter, die beinahe als hapax legomena zu bezeichnen sind (z.B. „gägen", „sungeln") solche Ausdrücke vermuten.
2. Schallverben mit unbestimmter Herkunft des Schalles Der Ausgangspunkt unserer Untersuchung der Verwendung der Verben soll bei der Betrachtung des Verbes „(er-)diezen" liegen6. Wenn wir die verschiede4 5 6
cf. A. Bach, Geschichte der dt. Spr. §§ 107 f. M. Wehrli, Wolfram von Eschenbach. Die Vorsilbe „er-" verwandelt bekanntlich ein damit präfigiertes Verb in ein Inchoativum (of. W. Henzen, Dt. Wortbildung, S. 115). Sie ist auf gewisse Strecken ein grammatikalisches Mittel, und der damit verbundene Bedeutungszuwachs läßt sich
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
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nen Schallerscheinungen zu gruppieren versuchen, für welche eine Bezeichnung durch „diezen" möglich ist, so stellen wir eine ziemliche Vielfalt von Möglichkeiten fest. Diese Mannigfaltigkeit macht es vorerst schwierig, eine durchgehende Grundlinie der Verwendung dieses Wortes zu finden; wie wir im Laufe der Einleitung aber bemerkt haben, läßt sich eine Verwendungsregel eigentlich erst finden, wenn wir die Wahlmöglichkeiten, die zur Verfügung stehen, kennen, also Vergleichsmöglichkeiten haben. Doch vorerst müssen wir die verschiedenen Verwendungsweisen an sich näher betrachten. Belegt ist einige Male die Verwendung von „diezen" zur Bezeichnung des Geräusches von fließendem Wasser: Tr. 4862
mine vlehe und mine bete die wil ich erste senden mit herzen und mit henden hin wider Elicone zuo dem niunvalten trone
von dem die brunnen diezent, uz den die gäbe vliezent der worte unde der sinne.
Aber auch das Geräusch brechender Speere wird häufig mit „diezen" wiedergegeben: N. 35,1
Von wisen und von tumben man horte manegen stoz, daz der scefte brechen gein den lüften döz.
Weiter wird „diezen" auch für den Klang von Pusinen 7 , aber in speziellen Fällen auch für menschliche Stimmen gebraucht: N. 808,1 Tr. 4046
Vil kreftecliche lüte manic pusün sin stimm • alsam ein horn doz, sin rede diu was vil wol besniten.
erdöz.
Es fällt auf, daß zusammen mit dem Wort „diezen" die Stimme immer als besonders stark dröhnend beschrieben wird. Im weiteren kommen aber davon so verschiedene Klänge wie jene zusammenprallender Schilde oder des Donners ebenfalls mit „diezen" vor:
1
von der Grundbedeutung des einfachen Verbs ohne weiteres trennen. Um die Darstellung nicht unnötig zu komplizieren, werden diese und ähnliche Vorsilben und ihr Bedeutungsgehalt vernachlässigt und die Formen mit und ohne Vorsüben unter dem Grundverb zusammengefaßt. „Pusine" kann nicht gleichgesetzt werden mit dem, was jetzt unter „Posaune" verstanden wird. Deshalb wird im Folgenden das Instrument, das im mhd. als „busüne", „busine", „pusün" usw. bezeichnet wird, durchgehend mit der einen Form „Pusine" angegeben, (cf. dazu H. Riedel, Die Darstellung von Musik, S. 155 ff.)
Verben mit unbestimmter Herkunft des Schalles N. 585,4 P. 567,20
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Hey waz richer bukelen vor gedrange lüte erdoz! swaz der doner ie gedoz und al die pusünaere, ob der erste waere bi dem jungesten dinne und bliesen nach gewinne, ez endorfte niht mer da krachen.
Ein einzelner Beleg, der aber dennoch das Bild notwendig ergänzt und abrundet, gibt die Verwendung von „diezen" zur Beschreibung des Brummens eines fliegenden Käfers: 1.209
der hornüz sol diezen
Um aus der Vielfalt der Gebrauchsmöglichkeiten, die sich in den angeführten Beispielen zeigt, die relevanten Merkmale ableiten zu können, ist ein Vergleich mit ähnlichen Wörtern notwendig. Zu einem solchen Vergleich bietet sich zunächst „(er-)hellen" an. Es fällt jedoch auch hier schwierig, auf den ersten Blick die Grundlinien der Verwendung von „hellen" in den Griff zu bekommen. I n vielem scheint sich sogar der Gebrauch von „hellen" mit jenem von „diezen" zu decken. So kann zum Beispiel auch „hellen" für die Bezeichnung eines Schalles, der beim Zusammenprall von harten Gegenständen, wie oben beispielsweise von Schilden, entsteht, verwendet werden: I. 299
nü hienc ein tavele vor dem tor an zwein ketenen enbor da sluoc er an daz ez erhal und daz ez in die burc erschal.
Im Gegensatz zu „diezen" finden wir für „hellen" allerdings eine größere Vielfalt von Musikinstrumenten, deren Klang von „hellen" bezeichnet werden kann: Wi. 447,1
Wig. 1667
Bernart von Brubant blies ein horn, daz Olifant an Ruolandes munde nie ze keiner stunde an deheiner stat so lüte erhal. floiten und tambüren vil die hüllen wider einander da.
Wie „diezen", allerdings weniger auf einen bestimmten Stimmcharakter eingeschränkt, erscheint auch „hellen" als Stimmbezeichnung: Wig. 2058
sus reit der riter nach der klage, als diu stimme vor im hal, den walt üf und ze tal.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
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Einen Schallbereich, den schließlich „hellen" ausschließlich für sich hat, und von dem „diezen" ausgeschlossen ist, finden wir in der Bezeichnung des Klingens von Schellen: P. 287,2
swem sin ze suodien waere gäch der vünde in bi den schellen, die künden lüte hellen.
Umgekehrt finden wir aber auch recht breite Bereiche, wo „diezen" seinerseits recht häufig verwendet wird, „hellen" dagegen konsequent vermieden zu werden scheint. Diese Bereiche umfassen vor allem das Rauschen des Wassers, das Geräusch beim Zerbrechen von Holz und das Ertönen des Donners. Auch die Verwendung zur Bezeichnung des Brummens von Hornissen kann dazu gerechnet werden. In Anbetracht des verhältnismäßig häufigen Vorkommens von Lauterscheinungen aus dieser Gruppe in den Belegen erscheint es immerhin nicht zufällig, daß dafür „hellen" nie erscheint, es ist vielmehr der Schluß wohl erlaubt, daß dahinter Gebrauchsbedingungen stehen, die wenigstens für „hellen" von Belang sind. Im gleichen Zusammenhang muß jedoch auch das Klingen von Schellen als Bereich in Erinnerung gebracht werden, der seinerseits nur der Bezeichnung durch „hellen", nicht durch „diezen" offensteht. Wenn wir die verschiedenen Möglichkeiten zusammenstellen, ergibt sich offenbar ein Klangfarbenspektrum: r
diezen
Schellen 1 Stimmen, Musikinstrumente > hellen harte Schläge ) Rauschen Zerbrechen von Holz
Im Falle der Klänge von Stimmen und Musikinstrumenten gilt es noch zu beachten, daß, wie wir gesehen haben, „diezen" auf besonders dröhnende, grobe Schallarten beschränkt ist. Wenn wir dies berücksichtigen, so können wir aus dem obigen Bild schließen, daß die Verteilung der beiden Verben „diezen" und „hellen" durch einen polaren Klangfarbengegensatz geregelt wird. Auf der einen Seite haben wir ,Rauschen', ,Krachen' und ,Brummen', auf der andern Seite finden wir feine und helle Klänge wie Musikinstrumente und Schellen. Den Gegensatz zwischen diesen Klanggruppen könnte man durch die verschieden große Gemischtheit, Dumpfheit oder umgekehrt Reinheit oder Helligkeit und Einheitlichkeit der Klangentwicklung sehen. Dabei müssen wir festhalten, daß diese Unterscheidung nichts mit der Erzeugung durch die Stimme zu tun hat. Daraus würde also folgen, daß, negativ ausgedrückt, „diezen" für sehr helle Klänge, wie es das Klingen von Schellen darstellt, nicht verwendet weiden kann, während „hellen" für geräuschhafte und dumpfe Schallerscheinungen nicht zulässig ist. Das Kriterium, in dem sich „diezen" und „hellen" unterscheiden, wäre je nachdem mit ,Geräuschhaftigkeit' oder .Helligkeit' anzugeben, wobei
Verben mit unbestimmter Herkunft des Schalles
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dahinter ein kontinuierliches Spektrum vorzustellen wäre. Daß oben die beiden Wörter oben negativ gekennzeichnet wurden, ergibt sich daraus, daß die Grenze auf einem solchen Spektrum sehr schwer eindeutig zu ziehen ist, daß es sogar, wie wir anhand des Materials gefunden haben, einen Bereich gibt, wo sich die beiden Wörter zu überschneiden scheinen. Allerdings müßte dies einer positiven Formulierung, etwa der Art, daß „diezen" eher dumpfe, geräuschhafte, „hellen" eher helle und klare Klänge bezeichnet, nicht unbedingt widersprechen. Denn beispielsweise Klänge von Metallblasinstrumenten können durchaus sowohl als dumpf- wie als hellklingend beschrieben werden; es liegt im Belieben eines Dichters, welche Klangvorsteilung er beim Leser evozieren möchte. Eine solche Deckungszone muß also nicht nur an der Unklarheit der Grenze liegen, sondern könnte auch als Vielfalt von Klangmöglichkeiten einer bestimmten Gruppe von Klangerzeugnissen interpretiert werden. Es paßt auch in diese Betrachtungsweise, wenn bei der Bezeichnung der Stimme durch „diezen" durch den Kontext diese Stimme nicht als hellklingend, sondern viel eher als dumpf brüllend dargestellt wird: Tr^4046
diu stimme alsatn ein horn doz.
N. 2234,2
als eines lewen stimme
der riche künec erdoz.
Es muß zwischen den beiden Verben noch ein weiterer Unterschied festgestellt werden, der wenigstens tendenzieller Art ist. Bei „hellen" wird mit auffallender Häufigkeit die Ausbreitungsrichtung des Schalles angegeben: N. 797,1 P. 63,2 Wig. 2058
Vil schilde hört' man hellen da ze dem bürgetor von Stichen und von stoezen. der galm über all die stat erhal sus reit der riter nach der klage, als die stimme vor im hal, den walt üf und ze tal.
Auffallend ist die Häufigkeit einer solchen Richtungsangabe jedenfalls im Vergleich zu deren Seltenheit bei „diezen": Gegenüber 14 von 33 Belegen, wo eine Richtungsangabe bei „hellen" festzustellen ist, findet sich eine solche bei „diezen" insgesamt nur zweimal (N. 35,3; Tr. 9100) bei einer Gesamtbelegszahl von 26. Wenn auch die Möglichkeit, daß der Schall als sich in eine bestimmte Richtung ausbreitendes Phänomen dargestellt wird, nicht ausgeschlossen ist, so ist im Gebrauch von „hellen" die Neigung dazu doch in weitaus größerem Maße festzustellen. Man kann sich fragen, ob dieser Unterschied als ein weiteres unterscheidendes Merkmal im Gebrauch von „hellen" zu betrachten ist. Eine solche Annahme hätte aber eine zweifache Differenzierung von „hellen" und „diezen" zur Folge, was dem Wesen von unterscheidenden Merkmalen widersprechen würde. Es würde hier eine doppelte Opposition angenommen, wo offenbar nur eine ein-
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
78
fache Wahlmöglichkeit besteht. Eine solche Koppelung von wesentlich verschiedenen Kriterien erscheint nicht sinnvoll. Wir können im gleichen Zusammenhang darauf hinweisen, daß beispielsweise auch für ahd. und mhd. „galm" eine solche Parallelität zwischen ,hellklingend' und ,räumlich dynamisch' festgestellt werden kann, ohne daß man dies auf relevante Gebrauchsbedingungen zurückführen müßte. Es erscheint deshalb sinnvoller, dieses Element der Räumlichkeit' im Zusammenhang mit dem Klangcharakter, der durch die betreffenden Wörter bezeichnet wird, zu sehen. Man könnte diesen Zusammenhang mit der bekannten akustischen Tatsache ausdrücken, daß dumpfe und geräuschhafte Klänge bei ihrer Ausbreitung viel weniger reflektiert werden und deshalb auch viel weniger als räumliche Ereignisse empfunden werden als helle und klare Klänge. Mit dem Unterschied ,geräuschhaft' — ,hellklingend' ist somit auch ein Unterschied ,stumpfklingend' — ,widerhallend' verbunden, ohne daß dies bedeutungsmäßig als Gebrauchsregel in Erscheinung treten müßte. Es sei hier noch eine Beobachtung angefügt, die vorderhand noch keine Rolle spielt, sondern erst später zu Bedeutung kommen wird. Sowohl für „diezen" wie für „bellen" wird häufig die Möglichkeit benutzt, mit diesen Wörtern nicht nur den Schall, der vom tönenden Gegenstand selbst ausgeht, (den „Körperschall", wie sich die Akustik ausdrückt 8 ) zu bezeichnen, sondern auch den Schall, der den Raum erfüllt (den „Luftschall"). Das räumliche Element, das bei der Beschreibung des Luftschalles impliziert wird, kommt dabei so zum Ausdruck, daß der Raum oder die Raumbegrenzung, innerhalb derer sich ein Schall entfaltet, als tönend beschrieben wird: N. 233,1
Man sach da vor ir handen
N. 1835,1
da von liehten swerten Do klungen sine Seiten,
E. 5746
vil manegen satel bloz, daz velt so lüte erdoz. daz al daz hüs erdoz.
ir wuof gap alsolhen schal daz ir der walt wider/W.
Wig. 7259
den rinc begunder rüeren sä so veste daz diu burc erhal.
In der obigen Darstellung des Gebrauchs der beiden Verben wurden absichtlich nur Beispiele beigezogen, wo es sich um Darstellungen des Körperschalles handelte, denn es erscheint oft außerordentlich schwierig zu entscheiden, ob der Luftschall, der von einem Körperschall verursacht wird, die gleichen charakteristischen Züge besitzen muß wie jener, oder ob er einen eigenen Klangcharakter aufweist. Es erscheint deshalb gegeben, die Eigentümlichkeiten von „diezen" und „hellen", soweit sie wenigstens den Klangcharakter betreffen, aus denjenigen Belegen abzuleiten, wo sich derartige Erschwernisse nicht ergeben. Anmerkungsweise und der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß die schon im Ahd. gängige abstraktere Verwendung von „hellen" im Sinne von 8
cf. z. B. Max Adam, Akustik, S. 32.
Verben mit unbestimmter Herkunft des Schalles
79
zusammenpassen' auch im klassischen Mhd. vorkommt. Dieser Gebrauch ist allerdings nur bei Gottfried belegt: Tr. 11098 Tr. 16702
sin geschepfede und sin wat
die gehullen wunnecliche in ein. der name gehal dem dinge auch wol.
Da dieser Anwendungsbereich aus unseren Betrachtungen herausführt, sei er nicht weiter berücksichtigt. Ein weiteres Verb, dessen Verwendung sowohl zu derjenigen von „diezen" wie der von „bellen" sehr nahe zu stehen scheint, ist „schellen". Sein Verwendungsbereich ist ebenfalls ziemlich breit. Wie „diezen" und „hellen" wird auch „schellen" für die harten Klänge zusammenprallender Waffen verwendet: Wig. 7503
ouch sluoc er daz der heim erschal under wilen, als er mohte.
Weiter gehört der Schall von Pusinen in den Verwendungsbereich von „schellen": Wi. 427,1
sus kom der künec Purrel mit maneger pusinen hei:
über al daz her erschal der döz.
Auch das Brüllen eines Drachens kann mit „schellen" bezeichnet werden: Wig. 5249
ja, benamen, wand ich daz sach daz ein riter durch in stach
und daz sin lüt so vaste schal daz ez durch den walt hal.
Aber auch eher geräuschhafte Laute, wie der Schall von zerbrechenden Speeren, lassen sich mit „schellen" ausdrücken: N. 1610,1
Von ir ingesinde
der krach der schefte schal.
So kann einerseits „schellen" für die Bezeichnung von Geräuschen verwendet werden, wo „hellen" nicht erscheinen darf. Genau so gut kann es aber auch Klänge bezeichnen, die ihrerseits nur für „hellen", nicht aber für „diezen" zulässig sind, wie das folgende Beispiel mit dem Gesang einer Nachtigall zeigt: Tr. 4802
hi wie diu über die heide mit hoher stimme schellet.
Wir treffen in einer anderen Hinsicht, eine weder für „diezen" noch für „hellen" mögliche Konstruktion mit „schellen" in den folgenden Stellen, wo als Subjekte Wörter wie „maere" usw. erscheinen:
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
80 Tr. 1143 E. 9756 Wi. 220,21
zehant erschullen maere Canelengres der waere totwunt und in dem strite erslagen. wan also schiere diz erschal in daz lant über al von solhen maere. diu hohe wirde sine über al die Sarrazine wart erschollen und erhört.
Was ist die Eigentümlichkeit dieses Gebrauches von „schellen" gegenüber den andern Möglichkeiten und insbesondere den Möglichkeiten von „diezen" und „hellen" ? Man könnte den Unterschied etwa so formulieren, daß, wenn von einer sich über das Land ausbreitenden „maere" „schellen" gebraucht wird, dieses „schellen" nicht ein einzelnes, konkretes Lautereignis meinen kann, wie dies in den bisherigen Fällen stets gesagt werden konnte, sondern daß hier verschiedene gleichartige, räumlich und zeitlich aber voneinander getrennte Schallereignisse zusammengefaßt werden. Diese Zusammenfassung muß von selbst auf einer abstrakteren Ebene geschehen, als wenn man nur ein einzelnes Schallereignis bezeichnet. Während also „diezen" und „hellen" ausschließlich räumlich-zeitlich eindeutig fixierbare, von einem einzelnen Hörer unmittelbar erlebbare Ereignisse bezeichnen, kann „schellen" auch Ereignisse abstrakterer Art meinen, die nicht mehr als solche und als ganze unmittelbar erlebt werden können. Auf zweierlei Art ist somit „schellen" allgemeiner verwendbar als die beiden andern bisher erwänhten Verben. Einmal umfaßt sein Verwendungsbereich alle Möglichkeiten der Klangqualitäten, während der Gebrauch von „diezen" und „hellen" in dieser Hinsicht begrenzt ist. Zum andern sind „diezen" und „hellen" an die Bedingung gebunden, daß sie konkrete, mit andern Worten raumzeitlich auf einen Punkt konzentrierte Ereignisse bezeichnen, während „schellen" auch solche bezeichnen kann, die, wenn sie in sich auch gleichartig sind, doch sowohl durch Zeit wie Ort voneinander getrennt sind. „Schellen" ist dasjenige Wort, das durch die wenigsten Einschränkungen des Gebrauchs gekennzeichnet ist, das deshalb am allgemeinsten gebraucht werden kann, aber auch am wenigsten über das Bezeichnete aussagt. Auf eine durchaus andere Weise ist die Verwendung des Verbes „lüten" geregelt. Seine Eigenart kann an den folgenden Beispielen deutlich gemacht werden: Tr. 17218
ouch lutete ietweder clanc der harphen und der zungen sos ineinander clungen, so suoze darinne, als ez der süezen minne wol zeiner cluse wart benannt.
Verben mit spezifischer Klangqualität N. 1987,1 Tr. 6360
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Mit kraft begonde ruofen der degen üz erkorn daz sin stimme erlüte alsam eines wisentes horn. ez lutet übele, swer dem man an sine triuwe sprichet.
Im Unterschied zu den bisher behandelten Verben erscheint Juten" nie als selbständiger Ausdruck für ein Schallereignis. Seine Eigenart besteht vielmehr darin, daß es irgendeinen Ausdruck für ein solches Schallereignis mit einer Artangabe der Art und Weise verbindet. Der Ausdruck für ein solches Schallereignis kann verschiedener Art sein: Ein einzelnes Substantiv oder ein Relativsatz (Tr. 6360). Auch die Artangabe kann aus verschiedenen Elementen bestehen: Aus dem Wort Juten" untergeordneten Adverbien (Tr. 6360; Tr. 17221) oder aus anderen Ausdrücken, wie z. B Vergleichungssätzen (N. 1987,2). Obwohl „lüten" rein grammatikalisch als ein Vollverb zu betrachten ist, was sich z. B. darin zeigt, daß es sich Adverbien unterordnen kann, ist es bedeutungsmäßig eher als Kopula einzustufen. Seine inhaltliche Funktion besteht darin, ein bestimmtes Schallereignis einer bestimmten Artbestimmung dieses Schallereignisses zuzuordnen. Man kann deshalb seine Verwendung auf der gleichen inhaltlichen Ebene wie etwa diejenige des Wortes „sein" sehen, das ja ebenfalls in einem Ausdruck „A ist B" zwei verschiedene Begriffe als gleichartig einander zuordnet. Was Juten" aber gegenüber „sein" bzw. mhd. „sin" auszeichnet, ist der Umstand, daß es lediglich für den Bereich des Schalles anwendbar ist, wenn auch dieser Bereich, wie z. B. Tr. 6360 zeigt, nicht nur konkrete Schallereignisse umfaßt, sondern auch ziemlich abstrakt verstanden werden kann. Mit dieser Beschränkung auf den Bereich des Schalles erhöht sich aber umgekehrt der Informationswert von Juten", indem mit seiner Verwendung zugleich der Hinweis mitgegeben wird, daß es sich im betreffenden Satz um eine Aussage handelt, die ein Schallereignis zum Inhalt hat. Wenn wir auf unsere Ausführungen über die logische Form von Ausdrükken in der Einleitung zurückgreifen, so müssen wir sagen, daß Juten" eine durchaus andere logische Grundstruktur als die vorher behandelten Verben voraussetzt. Während jene einstellige Eigenschaftenaussagen darstellen, bildet Juten" eine zweistellige Relation.
3. Schallverben
mit spezifischer
Klangqualität
Im Verlauf der bisherigen Erörterungen sind nur Verben zur Sprache gekommen, deren Verwendung im Bereich der Schallzeichnungen ziemlich allgemein bleibt, deren Gebrauchskriterien mit anderen Worten verhältnismäßig abstrakt bleiben. Sowohl „diezen" wie „hellen" wie vollends „schellen" sind hinsichtlich der Herkunft, der Erzeugungsart, der konkreteren Lautgestalt fast unbestimmt.
82
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
Im folgenden werden nun zwei Wörter in die Betrachtungen einbezogen, deren Gebrauchsbedingungen auf verschiedene Weise enger gefaßt sind. Beim ersten Wort handelt es sich um „krachen". Der Schwerpunkt seiner Verwendung liegt ohne Zweifel auf Geräuschen, die von Holz verursacht werden: P. 378,10 P. 172,17
Wi. 209,1
man horte diu sper da krachen rehte als ez waere ein wölken riz. da wird der slichaere klage daz dürre holz in dem hage, daz bristet unde krachet. des morgens, doz begunde tagen, hie die karrune, dort der wagen der horte, man vil da krachen.
Die Geräusche können, wie aus den obigen Beispielen ersichtlich wird, entweder durch das Brechen von Holz oder auch durch dessen bloße Beanspruchung verursacht sein. Der Klangcharakter solcher Geräusche ist ja auch nicht allzu verschieden. Beide Male handelt es sich um eine Häufung von scharfen, trockenen Knackgeräuschen. Der Gebrauch von „krachen" erstreckt sich jedoch in einer Verwendung mehr idiomatischen Charakters noch auf andere Bereiche: P. 219,7
do wurden an den stunden sine hende also gewunden, daz si begunden krachen als die dürren spachen.
N. 677,2 I. 4 4 1 5
daz ir diu lit erkracheten so der munt lachet und daz herze krachet vor leide und vor sorgen.
do wert' ez so sin hant unt oudh al der lip.
Wie vor allem das erste Beispiel von Wolfram vortrefflich zeigt, liegt der Ursprung dieser Verwendung in einer bildhaften Übertreibung, die zur Vorstellung führt, daß unter übergroßer Beanspruchung auch Körperteile wie Holz zu krachen beginnen. Diese Verwendung, die bei einem Glied wie dem Arm oder dem Bein noch Übertreibimg bleibt, die immerhin einen realen Hintergrund haben könnte, wird vollends zur rein übertragenen, wenn sie auf einen Körperteil wie das Herz angewendet wird, das auch unter stärkster Beanspruchung nicht krachen kann, vor allem aber nicht unter seelischem Druck. Mit der Zeit wird aber dieser Ausdrude des „krachens" des Herzens zur vollends idiomatischen Wendung unter Verlust des realen Bezugs für starken Kummer. In dieser Erstarrung kann diese zweite Verwendungsmöglichkeit von „krachen" nicht mehr als lebendige Bildungsweise betrachtet werden, die durch eine produktive Anwendung von Bedeutungsregeln im Wort begründet werden
Verben mit spezifischer Klangqualität
83
könnte. Durch diese Loslösung von der produktiven Verwendungsweise des Wortes charakterisiert sich dieser idiomatische Gebrauch als außerhalb der Regeln stehender Spezialfall, der somit für die Analyse der Bedeutungen keine Rolle spielt und vernachlässigt werden kann. Die eigentliche Verwendungsweise dagegen könnte man als das Geräusch definieren, das von unter Beanspruchung stehendem und deshalb knackendem oder brechendem Holz verursacht wird. Vielleicht könnte man sagen, daß der Gebrauch von „krachen" weniger von der unmittelbaren Lautgestalt, die bezeichnet werden soll, bedingt ist, als vom erzeugenden Material. Wenn wir hier noch die Verwendung von „kerren" vorausnehmend berücksichtigen, so müßte man sich überlegen, ob nicht „krachen" nur einen bestimmten Ausschnitt der von Holz hervorgebrachten Geräusche bezeichnet, nämlich die aus Knacklauten zusammengesetzten, während das Ächzen des Holzes der Bezeichnung durch „kerren" (s. u.) vorbehalten wäre. I n diesem Falle träte doch noch der Klangcharakter als Moment ins Spiel. Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen „krachen" und den früher behandelten Schallwörtern „diezen", „hellen" und „schellen". Die größere Konkretheit und die Materialgebundenheit von „krachen" findet nämlich gegenüber jenen Verben ihren Ausdruck darin, daß die Möglichkeit der Unterscheidung des Körperschalls vom Luftschall, die wir dort zwanglos verwirklicht gesehen haben, bei „krachen" nicht gegeben ist. „Krachen" bezeichnet ausschließlich den Schall, der vom Gegenstand selbst erzeugt wird, niemals einen Schall, der sich im Raum ausbreitet. Syntaktisch findet das seinen Ausdruck darin, daß für „krachen" nur konkrete Dinge, die selbst erschallen können, als Subjekte erscheinen, während „diezen", „hellen" und „schellen" auch unpersönliches „ez" oder Begriffe, die rein räumliche Erstreckungen meinen, als Subjekte annehmen können. Weniger einheitlich ist die Verwendung von „klingen", des zweiten Verbs in diesem Abschnitt. Am weitaus häufigsten ist der Fall, wo „klingen" den Klang von Metall bezeichnet, wobei es sich um sehr verschiedene Metallgegenstände wie Waffen, Rüstungen, Glocken usw. handeln kann: P. 207,15 Wig. 11052
N. 1305,2 P. 122,7 N. 1040,1
mit siegen er die arme erswanc, sin swert durch herte helme erklanc, diu swert wären ungespart, diu horte man verre klingen, durch liehte helme dringen. üf den wegen gie mit klingenden zoumen manic pfert wol getan. sin zeswer arm von schellen klanc. Do si in zem münster brähten, vil der gloken klanc.
Daneben findet sich eine weitere, kleinere Gruppe von Belegen, welche die
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
84
Anwendung von „klingen" auf den Klang von Musikinstrumenten und Musik allgemein zeigt: Tr. 8115
Tr. 3584
Wi. 31,14
ir sanc, dens offenlidie tete beide anderswa und an der stete daz was ir süeze singen, ir senftez seiten Clingen daz lute und offenlidie durch der oren künicriche hin nider in diu herzen clanc. nu Tristan der begunde einen leich do lazen Clingen in von der vil stolzen vriundin Gralandes des schoenen. dem sind die singaere holt: d e r d o n so helle
erklinget.
Auch der Schall von Blasinstrumenten kann mit „klingen" bezeichnet werden: Wi. 382,13
waz pusine vor im erklancl
Ein letzter Anwendungsbereich mit verhältnismäßig viel weniger Belegen besteht in der Bezeichnung der Geräusche von plätscherndem Wasser: Wi. 176,14 Wi. 326,23
da stuont ein brunne der wol klanc üz einem nazzen kruoge. wir suln oudi hoeren klingen den win vom zapfen springen, als den hirz von ruore.
Ein Merkmal, um „klingen" in dieser letzten Verwendung etwa von ,.diezen" abzugrenzen, könnte zunächst darin gesehen werden, daß „klingen" sich nur auf das Geräsch von kleinen Wassermengen, eben etwa das, was nhd. mit „plätschern" bezeichnet wird, bezieht. Was die Verwendung von „klingen" allgemein betrifft, stellt sich doch die Frage, wie all diese angeführten Verwendungsmöglichkeiten sich zueinander verhalten. Zunächst hat man den Eindruck, daß die verschiedenen Verwendungsgruppen als klarer konturierte Bereiche in Erscheinung treten als etwa die diffus verstreute Vielfalt von Anwendungen, wie sie in den Fällen von „diezen" und „hellen" zutage trat. Dort drängte sich eine Zusammenfassung unter einen allgemeinen Gesichtspunkt zum vorneherein auf. Hier aber scheint es ein besseres Bild von den Verhältnissen zu geben, wenn wir auch in Verwendungsregeln die Gruppen auseinander halten. Wenn wir deshalb zunächst die einzelnen Gruppen für sich zu bestimmen versuchen, so drängt sich als wichtigster, auch zahlenmäßig weit vorherrschen-
Verben mit spezifischer Klangqualität
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der Gebrauch die Anwendung auf die von Metall hervorgebrachten Klänge vor. „Klingen" wäre so, „krachen" entsprechend, ein durch das die Geräusche hervorbringende Material bedingtes und bestimmtes Schallwort. Als erweiterter Gebrauch tritt dazu die Anwendung auf das Ertönen von Musik und Musikinstrumenten. Diese Gebrauchsbedingungen sind gegenüber „klingen" für metallisches Erklingen von abstrakterer Art; nicht mehr der unmittelbare Ursprung des Schalles spielt eine Rolle, sondern die Einordnung des Klanges in eine geistige Kategorie des Hörers, nämlich des Wohllautes. Als Bedeutungserweiterung, verbunden mit einer Bedeutungsübertragung, wäre diese Entwicklung etwa in dem Sinne zu sehen, als das metallische Klingen im Unterschied etwa zu ,Krachen', .Rauschen' und ähnlichen Geräuschen als wohlklingend empfunden wird und in diesem Sinne auf andere wohllautende Klangerscheinungen, also vor allem auf Musik, angewendet wird. Die Zusammenfassung von metallischem Klingen wenigstens von Schellen und von musikalischem Ertönen unter einem einheitlichen Gesichtspunkt .wohllautend' zeigt sich ja auch bei dem Substantiv „gedoene". Gerade diese Zusammenfassung zeigt aber auf der andern Seite, daß die Grenzen zwischen metallischem und musikalischem Klingen unter Umständen fließend sind. Man könnte also ebensogut, statt die beiden Bereiche streng voneinander zu trennen, beide unter dem Merkmal ,wohlklingend' zusammenfassen. Damit hätte man für diese Verwendungsarten insgesamt nur eine Bedeutung anzunehmen. Die Sachlage würde dadurch etwas kompliziert, daß man in diesem Falle voraussetzen müßte, daß jedes Erklingen von Metall zugleich .Wohlklang' implizieren würde. Aber auch die Anwendung von „klingen" für das Plätschern von Wasser kann man in diese Interpretation einfügen. Einerseits könnte man annehmen, daß das Geräusch von fließendem Wasser als .wohlklingend' empfunden wird. Anderseits könnte man dahinter eine metaphorische Übertragung von metallischem Klingen zum Klang von Wellen sehen, wobei eine gewisse Klangähnlichkeit in der Zusammensetzung aus Klängen aus dem oberen Bereich des Klangspektrums und im schnellen Verklingen gesehen werden kann. Dieser metaphorische Gebrauch verfestigt sich durch häufige Wiederholung zu idiomatischer Verwendung 9 . 9
Im Deutschen Wörterbuch und daran anschließend in vielen andern Wörterbüchern wird ausdrücklich ein etymologischer Zusammenhang zwischen „klingen" und „klinge" .Giessbach' angegeben (Bd. V, Sp. 1173 f.; Sp. 1187). Ein solcher Zusammenhang erscheint nach dem vorliegenden Material nicht evident. E r müßte sich einmal unmittelbar in der Verwendung widerspiegeln; in diesem Falle müßte demnach .rauschen' als die ursprüngliche Bedeutung von „klingen" erscheinen. Dies kann jedoch keineswegs nachgewiesen werden. Obwohl „klinga" f. und „klingo" m. im Ahd. recht gut belegte Wörter sind, wird das von ihnen erzeugte Rausdien, wie im obigen Kap. I I gezeigt worden ist, vor allem mit „diozan" bezeichnet. Wörter, die mit unserem mhd. „klingen" in Zusammenhang stehen wie „ k l i n g a n „ k l i n g i s o n " , „klingilon" etc.
86
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
Die wegen ihrer Einfachheit befriedigendste Annahme wäre demnach, für „klingen" eine umfassende Grundbedeutung ,wohlklingend' anzunehmen. Dabei müssen wir allerdings die zusätzliche Annahme treffen, daß jedes metallische Klingen auch wohlklingend sei. Wir müssen bei dieser Charakterisierung noch die Abgrenzung gegenüber „hellen" im Auge behalten. Zweifellos handelt es sich bei „klingen" um eine Untergruppe von Klangerscheinungen, die in „hellen" zusammengefaßt werden. In einem Vergleich mit den durch „hellen" bezeichneten Klängen wird aber sofort klar, daß für „klingen" ein engerer Verwendungsbereich als für „hellen" besteht, man denke etwa an den Schall von harten Schlägen. Nicht bloß .Helligkeit' ist also Bedingung für den Gebrauch von „klingen", sondern zusätzlich eine besondere Reinheit, Ausgewogenheit und Klarheit, die im Hörer die Empfindung von Wohlgefallen erweckt. Es kommt damit in den Schallwortschatz ein Element, das an sich nichts mit der akustischen Erscheinung eines Schallereignisses zu tun hat, sondern sich auf menschliche Reaktionen beim Hören bezieht. Entsprechend der relativ allgemeinen Verwendbarkeit dieses Wortes ist es schließlich nicht überraschend, daß „klingen" wie „schellen" usw. ebenfalls für räumliches Erschallen verwendbar ist, also nicht auf Körperschall beschränkt bleibt: P. 39,20
daz gevilde nach dem helde klanc: sine schellen gäben gedoene.
4. Substantive
mit unbestimmter
Herkunft
des
Schalles
Bevor wir die Behandlung der Verben fortsetzen, sollen zunächst die allgemeinsten Substantive zur Sprache kommen. Als Ausgangspunkt bietet sich „doz" an. Auf einigen Bereichen gleicht seine Verwendung derjenigen des zugrundeliegenden Verbes „diezen". So erscheint es unter anderem auch als Bezeichnung für das Rausdien des Windes oder des Wassers: bezeichnen nach unseren Beobachtungen ausschließlich ,metallisches Klingen'. Ein weiteres Schallwort, das mit „klinge" in Zusammenhang gebracht werden könnte, finden wir nicht. Dagegen unterstützen außerdeutsche Vertretungen, beispielsweise mittelniederländisch „Clingen" (und davon engl, „to clink") eindeutig die These, daß „klingen" ursprünglich ein metallisches Klingen bezeichnete. Auch die Chronologie der Belege in den mhd. Wörterbüchern zeigt, daß die Zeit der ausgedehnteren Verwendung von „klingen" für das Plätschern von Wasser erst für das spätere Mhd. festzustellen ist, wie wir denn für unsere Quellen festgestellt haben, daß diese SpezialVerwendung noch eine Randerscheinung darstellt.
Verben mit spezifischer Klangqualität E. 2681
E. 7874
87
. . . wan daz Erec fil de roi lac schone in geriten kam als friimde an der not gezam, rehte als des windes doz. ein wazzer drunder hin vloz, des val gap michelen doz, wan ez durch ein gevelle lief.
Genau wie „diezen" kann „doz" auch das Brechen von Speeren bezeichnen: N. 1355,1
Da wart von schefte brechen
vil michel doz vernomen.
Auch f ü r den Schall, der beim Zusammenprallen von harten Gegenständen entsteht, wird „doz" verwendet: E. 6876
wan der schal und der doz was von den Schilden gröz.
Schließlich kann aber „doz" auch f ü r das Ertönen von Blasinstrumenten und f ü r die Stimmen von Menschen und Tieren verwendet werden: P. 63,2 Tr. 9048
I. 251
die hellen pusinen mit krache vor im gaben doz. nu lie der veige valant einen doz und eine stimme . . . uz sinem veigen giele. manec biutet d'oren dar: ern nemes ouch mit dem herzen war sone wirt im nicht wan der doz.
I m letzten Beispiel könnte unter Umständen „doz" nichts weiter als einfach ,Schall an u n d f ü r sich' bedeuten. Ebenfalls wäre es möglich, daß das folgende Beispiel, w o „doz" einen durchaus hellen u n d klaren Klang, den Gesang von Vögeln bezeichnet, den Vergleichsrahmen mit dem Gebrauch von „diezen" überschreitet: E. 8723
ouch vreute im daz gemüete der vogele süezer doz.
Es ist aber auch in diesem Falle angezeigt, relevante Aussagen über die Bedeutung durch Vergleiche mit andern, ähnlichen W ö r t e r n zu gewinnen. Vorderhand haben wir ja noch keine Grenzen der Verwendbarkeit von „doz" auf dem Gebiet der Schallerscheinungen feststellen können. Ein erster Vergleich bietet sich mit dem Substantiv „krach" an. W i e man nach der Untersuchung von „krachen" annehmen möchte, bezeichnet auch „krach" das Geräusch, das von brechendem oder sonstwie beanspruchtem Holz verursacht wird:
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
88 N. 1610,1 Wi. 351,22
Von ir ingesinde der krach der schefte schal. des wart üf Alischanz vernomen von spem manec lüter krach.
Im weiteren Verlauf erweisen sich aber die Verwendungsmöglichkeiten als beträchtlich breiter, als jene von „krachen". Es ist recht häufig, daß „krach" von Wolfram in der Darstellung des Klangs von Pusinen verwendet wird: P. 63,2 Wi. 314,28
die hellen pusinen
mit krache vor im gäben doz.
er was halt von dem ezzen geloufen durch pusine krach, und do er üf den helmen sach so spaehe wunder manecvalt.
Neben Pusinenklang und brechendem Holz können aber noch viel allgemeiner mit „krach" unspezifiert die Geräusche, die der Kampf zweier Ritter oder ein einherreitendes Heer verursachen, bezeichnet werden: P. 73,16 Wi. 333,23 P. 667,4
daz was der künec von Lohneis, sine hurte gäben kraches schal. der heiden sinen puneiz so ser näm üz dem kalopeiz, daz sin tjost wart mit krache hei. des morgens vruo mit krache reit gein Jöflanze Artuses her.
Ein Vergleich der Verwendungen von „doz" und „krach" ergibt folgende auffällige Unterschiede: „Krach" wird einmal nur für Geräusche verwendet, die mit Gegenständen erzeugt werden, nicht aber, wie das für „doz" durchaus möglich ist, auch für die Stimmen von Menschen und Tieren. Audi bildet „krach", wie es scheint, die ungewöhnlich große Lautstärke einer Schallerscheinung ein wichtiges Moment. Jedenfalls sind es ausschließlich starke Klänge, die mit „krach" bezeichnet werden, dies ebenfalls im Gegensatz zu „doz", für das es keine Rolle zu spielen scheint, ob die bezeichnete Lauterscheinung lauter oder leiser Art ist. Femer wird „krach" nur für Laute verwendet, die stark geräuschhaft sind, also in der Klangqualität Klarheit und einheitliche Erzeugung vermissen lassen. Dem scheint zwar die Anwendung auf Pusinenklänge zu widersprechen; es ist jedoch nicht zufällig, daß von allen möglichen Musikinstrumenten nur der Pusinenklang mit „krach" wiedergegeben wird. Es ist zu vermuten, daß in diesen Fällen mit „krach" vor allem das Schmettern der Pusinen, das geräuschhafte Element im Pusinenklang hervorgehoben werden soll I0 . Der Konzentration von 10
cf. H. Riedel, Die Darstellung von Musik, S. 155: „Der Klang der „busüne" war bei ihrer Dünnwandigkeit und ihrer engen Mensur schmetternd und hell."
Verben mit spezifischer Klangqualität
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,krach" auf geräuschhafte Klänge steht wiederum die Möglichkeit der Verwendung von „döz" auch für reine und musikalische Klänge gegenüber. Auffällig ist schließlich, wie oft „krach" in der Wendung „mit krache" als ergänzende Adverbialphrase, oft zur Spezifizierung eines andern Schallwortes erscheint: P. 63,2 P. 104,5 P. 764,28
die hellen pusinen mit krache vor im gäben döz. mit krache gap der doner duz. der werde sun Arniven reit darzuo mit krache.
Auch aus dieser Tatsache werden die Eigenarten von „krach" deutlich. Einerseits muß das Wort größere Konkretheit als „doz" besitzen, sonst könnte es ja nicht als Adverbiale zur näheren Spezifikation dieses Wortes dienen. Auf der andern Seite ist das Wort nicht etwa so konkret wie „krachen", daß es nur für eine einzige Art von Klangerscheinungen verwendet werden könnte. Somit ergeben sich als Hauptmomente in der Verwendung von „krach" Beschränkung auf nichtstimmliche Geräusche und auf große Lautstärke und geräuschhafte Laute. Für „doz" selbst ergibt sich im Vergleich mit „krach" noch nicht viel konkretes; allenfalls wird deutlich, daß „doz" ein Wort mit ziemlich allgemeiner Verwendbarkeit darstellt, das dafür auch wenig konkrete Anschaulichkeit enthält. Es liegt hier unmittelbar nahe, das ebenso wie „doz" von „diezen" abgeleitete „duz" in die Betrachtungen einzuschalten. In Benecke's Mhd. Wörterbuch (Bd. I, S. 373 b ) wird allerdings zu diesen Wörtern bemerkt: ,,,diez', ,doz' und ,duz' lassen sich ihrer Bedeutung nach kaum unterscheiden." In den untersuchten Texten finden sich nur vier Beispiele, um diese Feststellung zu überprüfen: N. 945,1 P. 104,5 P. 180,20
Tr. 17161
herre, ich hän vernomen von eines hornes duzze daz wir nu suln komen. mit krache gap der doner duz. der tac gein dem äbende zöch, do kom er an ein wazzer snel, daz was von sinem duzze hei, ez gäben die velse ein ander. da er hin uf die plaine gie da gesazen si durch ruowen ie, da loseten si dem duzze und warteten dem vluzze und was aber ir wunne.
Auf den ersten Blick scheinen die Gebrauchsmöglichkeiten der beiden Wörter tatsächlich vollständig zu übereinstimmen. Wie „doz" kann auch „duz" das
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
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Rauschen des Wassers, das Schallen von Hörnern sowie schließlich einen von diesen beiden so verschiedenen Schall wie den Donner bezeichnen. Vergleichen wir aber die Beispiele näher, ziehen wir vor allem die von Benecke und Lexer angegebenen weiteren Belege bei, so fällt immerhin ein auffälliger Unterschied ins Auge, aus dem bei einem Belegstand von immerhin zwanzig Stellen wohl schlüssige Folgerungen gezogen werden können. Während wir nämlich f ü r „dôz" festgestellt haben, daß es keineswegs durch die H e r k u n f t der bezeichneten Klänge in der Verwendung beeinflußt wird, genauer, sowohl f ü r Geräusche von Dingen wie f ü r Stimmen verwendet werden kann, finden wir f ü r „duz", daß dieses W o r t sich lediglich auf Geräusche, die entweder in der Natur entstehen oder mittels Instrumenten erzeugt werden, beziehen kann. Unmöglich scheint es dagegen, „duz" auf Laute, die mit der Stimme hervorgebracht werden, anzuwenden. W e n n wir schließlich „duz" mit „krach" vergleichen, so fällt auf, daß mit „krach" ein konkreteres Schallbild verbunden ist als mit „duz". Das Kriterium .nichtstimmlich' allein repräsentiert keine einheitlichen Schallqualitäten, während die Eigenschasten von „krach", ,lautstark' und ,geräuschhaft', eine solche unmittelbare sinnliche Vorstellung der damit bezeichneten Schallerscheinungen eher möglich macht. Zum Verhältnis der beiden W ö r t e r zueinander ist ferner zu sagen, daß wir auch f ü r „krach" festgestellt haben, daß es nur f ü r nichtstimmliche Schallerscheinungen verwendet wird, und daß wir deshalb nun festhalten können, daß „krach" einen ganz bestimmten Unterbereich aus dem von „duz" umgrenzten Bezirk herausgreift. I n einer durch den Klangcharakter geordneten Hierarchie wäre also „krach" „duz" unterzuordnen. Noch weniger konkret als das Klangbild von „döz" scheint jenes von „schal" zu sein. So kommt dieses W o r t einerseits an Stellen von, w o das Bezeichnete eine Stimme ist, sei es von einem Tier oder von einem Menschen: N. 1972,4 P. 118,24 Tr. 9627
dô hörte man allenthalben von wuofe groezlichen schal. eins tages si in kaphen sach ûf die boume nâch der vogele schal. ouch heten si den schal vernomen der von dem trachen uz was komen.
Andererseits kann „schal" dazu dienen, die Klänge von Musikinstrumenten zu bezeichnen: Wi. 82,22 N. 808,2
von pusînen hörte er schal und sach von rotten manegen stoup. von trumben und von floyten wart der schal sô grôz, daz Wormez diu vil wîte dar nâch lût' erschal.
Sehr oft wird „schal" f ü r gemischten Lärm gebraucht, von dem man oft nicht einmal genau angeben kann oder muß, wie man ihn sich vorzustellen hat:
Verben mit spezifischer Klangqualität N. 941,2 P. 284,20
E. 9652 N. 686,1
91
von liuten und ouch von hunden der schal der was so groz. daz in da von antwurte der berc und ouch der tan. alsus rief der garzun: ,tafelrunder ist geschant: iust durch die snüere alhie gerant.' da wart von rittern groezlich schal: si begunden vrägen über al, ob rittersdiaft da waere getan. nü ilten si alle mit vroelichem schalle. Diu hochzit do werte unz an den vierzehenden tac, daz in al der wile nie der schal gelac von aller hande vreuden, der iemen solde pflegen.
In manchen Fällen kann aber „schal" mit dem Lärm geradezu ein Turnier oder ein ritterliches Fest oder einen pomphaften Aufzug, die diesen Lärm verursachen, mitmeinen: N. 1362,2 E. 2372 E. 2380 Wig. 3179
vil manic helt gemeit sich vreute gegen dem schalle. herbergen man began. des küneges hochgezite diu huop sich vroelichen an. nu wären die besten da zu wege geherberget nach ir phlege. die uopten ritterlichen schal. deheines schalles er began: er lebte als ein vol karger man ungiudeclichen. sus vuor si mit schalle und mit grözer richeit.
Der Gebrauch von „schal" scheint nach diesem Überblick schwer auf einen bestimmten Nenner zu bringen, und bei einer Konfrontation mit „döz" findet man kein Kriterium, das einen Unterschied im Klangcharakter begründen könnte. Ein Vergleich läßt dafür andere Unterschiede sichtbar werden. So fällt einmal auf, wie häufig „schal" durch Adjektive wie „vroelich", „klegelich", „jaemerlich", „riterlich" usw. modifiziert wird, eine Kombinationsmöglichkeit, die man weder bei „döz", noch bei „krach" noch bei „duz" finden kann: N. 2013,4 E. 4593 E. 1518 Wig. 7864
do huop sich von ir mägen ein vil klageltcher schal. da emphiengen si in vor mit vroelichem schalle. da sin emphiengen alle mit riterlichem schalle geselleclichen unde wol. nu erhörte ir klage der gräve Adän und ir jaemerlichen schäl, der sich da huop üf dem sal von den Mägden wol getan.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
92 I. 2643
sus hete der strit ein ende mit siner missewende und mit lasterlichem schalle.
Das gemeinsame Element bei all diesen Adjektiven und der bezeichnende Unterschied zu deren Fehlen bei andern Wörtern liegt darin, daß „schal" offenbar als hörbarer Ausdruck einer menschlichen Stimmung oder eines menschlichen Gefühls erscheinen kann, während „doz", „duz" und „krach" und ähnliche Wörter eine solche Komponente nicht aufnehmen können. Diese letzteren Ausdrücke geben ein Schallereignis als ein Hörereignis als solches an; die Frage ob dieses Schallereignis einen Zweck oder einen Ausdrucksgehalt besitze, lassen sie völlig außer Acht. Das heißt nicht, daß mit „doz" oder „duz" nicht auch solche Schallerscheinungen bezeichnet werden können, die an und für sich solche Hintergründe besitzen, nur werden diese Schallerscheinungen rein vom Akustischen her bezeichnet. Ein seelisches Moment oder eine Begründung durch einen Ausdruckswillen kann nicht mitgegeben werden. Die menschlichen Ausdrucksmöglichkeiten durch Schall bedingen es, daß bei den oben angeführten Beispielen vorzüglich an sprachliche Äußerungen gedacht werden muß. Daß dies aber nicht notwendigerweise so sein muß, zeigt das folgende Beispiel, wo allerdings „schal" nicht durch ein Adjektiv, sondern durch ein Genitivattribut modifiziert wird. Das beeinträchtigt die Aussagekraft des Beispiels aber nicht: P. 242,4
man sach da selten vreuden schal: ez waere bühurt oder tanz.
Wie wir schon oben bemerkt haben, wird mit „schal" über die konkrete Klangerscheinung des erzeugten Schalles überhaupt nichts ausgesagt. Entscheidend scheint nur die Tatsache eines hörbaren Ausdrucks an sich. Daß als Subjekt eines Satzes mit „schal" nicht nur Menschen, sondern vielmehr Lebewesen allgemein, also auch Tiere, möglich sind, braucht wohl nur nebenbei angemerkt zu werden: Wi. 136,6
er begunde im hertiu wastel geben und trinken des diu nahtegal lebet, da vor ir süezer schal ist werder, denne ob si al den win tränke, der mac ze Bötzen sin.
Die besondere Verwendung von „schal" als .hörbarer Ausdruck' erklärt auch, wie das Wort zuweilen die Stelle eines Ausdruckes für ,Fest', .Turnier' oder ,pomphaften Aufzug' einnehmen kann: Dadurch nämlich, daß „schal" als pars pro toto-Ausdruck für den Anlaß, dessetwegen der Schall hervorgebracht wird, genommen wird.
Verben mit spezifischer Klangqualität
93
In die Richtung der eben gegebenen Interpretation weist ein anderer Unterschied zwischen den Gebrauchsmöglichkeiten von „schal11 und den übrigen bisher erwähnten Substantiven. Recht häufig wird nämlich „schal" zusammen mit Verben wie „uoben", „heben" (oft in der Form „sich heben") u. ä. verwendet: E. 7423 N. 34,4 Wig. 3484
Wig. 10877
nü huop der wenige man von jämer also grözen schal. daz im der berc engegen hal. die höchgemouten degene die heten groezlichen scal. ein walt in da nähen lac, dar inne manic nahtegal uobte ir wunniclichen schal. vil süezes schalles man da pflac mit hollerbläsen üf der wer.
Eine Verwendung von „doz", „duz" und „krach" als Objekt solcher Verben kommt nicht vor. Ein gemeinsamer Grundzug dieser Verben ist nun aber wohl die Implikation von Absichtlichkeit, von Willentlichkeit bei den damit bezeichneten Tätigkeiten. Diese Tatsache, daß diese Verben außer bei „schal" vermieden werden, zeigt, daß das Element einer Absicht oder Willentlichkeit der Verursachung außerhalb ihres Betrachtungskreises bleiben muß. Zum Schluß dieser Betrachtungen müssen jedoch noch einige Beispiele angeführt werden, die unsere bisherigen Formulierungen als zum Teil etwas zu eng gefaßt erscheinen lassen. In den folgenden Stellen kann von ,Ausdruck' in einem engeren Sinne nicht mehr die Rede sein: N. 2357,4 P. 73,16
von ir beiden swerten huop sich ein groezlicher schal. daz was der künec von Lohneis, sine hurte gäben kraches schal.
I n einer etwas weiter gefaßten Umschreibung könnte man aber auch hier noch sagen, daß „schal" ein Schallereignis bezeichnet, das man ,mit Absicht erzeugt' nennen könnte. Bei „schal" wird, im Vergleich zu „doz" usw. jedenfalls immer mit ausgesagt, daß der Schall von Lebewesen im Zusammenhang mit absichtlichen Tätigkeiten verursacht wird. Dem entspricht auch die Tatsache, daß nur „doz" und „duz" usw., niemals aber „schal" Naturgeräusche wie das Sausen des Windes oder das Rauschen eines Baches bezeichnen. Dagegen ist für „doz" und seine Gruppe festzuhalten, daß diese Wörter, auch wenn sie einen von Menschen mit Absicht ezeugten Schall bezeichnen, (wie sie das ja tun, wenn sie sich auf Klänge von Musikinstrumenten beziehen), einen solchen Schall als rein physikalisches Ereignis darstellen, wo es ja nichts über den Charakter aussagt, ob ein solches Ereignis mit oder ohne Absicht entsteht. Eine formale Differenzierung stößt auf einige Schwierigkeiten logischer Natur. Wenn wir als Kriterium ,bewußte, intentionale Erzeugung' annehmen
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
94
wollen, dann müßten wir aus der Perspektive der bezeichneten Ereignisse „doz" als das unmarkierte, „schal" als das markierte Glied einer Opposition darstellen, weil ja „doz" auch ,bewußt erzeugte' Schallereignisse bezeichnen kann, und dieses Element nur nicht im Kontext enthalten sein darf. Wenn wir aber vom innersprachlichen Befund ausgehen und eben diese Kontexbedingungen berücksichtigen, dann muß „doz" als der negative Gegenpol zu „schal" eingesetzt werden. Da in dieser Arbeit der Schwerpunkt wenn möglich auf innersprachliche Beziehungen gelegt wird, fällt die Wahl in den folgenden schematischen Darstellungen auf die zweite Möglichkeit. Im Anschluß an die Behandlung von „schal" ist auch das davon gebildete Kollektivum „gescheite" zu erwähnen. (Es wäre allerdings formal ebensogut möglich, das Wort vom seinerseits von „schal" abgeleiteten schwachen Verb „schellen" ,Schall erzeugen' herzuleiten11). Bedeutungsmäßig ist dies allerdings nicht von Belang.) Von den in Frage kommenden Schriftstellern verwendet nur Gottfried das Wort: Tr. 2770
nu waren ouch die jegere komen
Tr. 3232
da was vil ingesindes vür geloufen durch den hornschal; si nam groz wunder über al
mit midielem geschelle.
was des gescheites waere.
Es fällt zunächst auf, daß in den Stellen im Tristan „geschelle" sich stets auf Hornklänge bezieht. Daß dies jedoch wahrscheinlich nur Zufall ist, zeigt ein Vergleich mit Belegen aus andern Quellen: Lanz. 1898 R. Alex. 9555
da was groz geschelle beidiu ludem unde braht unde riter diu maht. ir zorn was so vientlich daz si wäfenten sich gagen ein ander üf die wer. do teilte sich der Persen her üfn ander vientliche enzwei. do die Mäzen daz geschrei
und daz geschelle vernämen vür die tor si kämen.
Im ganzen kann man wohl anhand dieser Beispiele sagen, daß der formalen Bildung als Kollektivum auch eine Kollektiv-Bedeutung entspricht. „Geschelle" faßt eine Vielheit von verschiedenen Klangereignissen zusammen, die aber, soweit das an den Beispielen feststellbar ist, für sich als „schal" bezeichnet werden 11
cf. W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 137 f.
Verben mit spezifischer Klangqualität
95
können. Insofern aber auch „schal" selbst schon eine Menge von Geräuschen zusammenfassen kann, ergibt sich letztlich doch kein großer Unterschied in der Verwendung. I n den Bereich von „schal" ist auch „kradetn" zu rechnen. Das Wort kommt im untersuchten Material nur an drei Stellen vor, Stellen zudem, die für die Gebrauchsbedingungen des Wortes nicht sehr aufschlußreich sind: N. 603,2 N. 2070,2 P. 408,6
vrou Ute und ir tohter die giengen beide hin mit ir ingesinde in ein vil witez gadem. vil ungefüegen kradetn do horte man allenthalben ze vreuden groezlichen kradem. hört' man allenthalben, kreftec unde groz. si bat siz dicke mlden: ir kradem und ir doz war so daz ez ir ddieiner marcte do.
Beim Vergleich mit Stellen, die für „kradem" in den Wörterbüchern von Benecke und Lexer zusätzlich angegeben werden, fällt als wiederkehrendes Merkmal jedoch auf, daß es sich, wo feststellbar, stets um den Lärm einer Menge handelt: Krone 13615
Krone 21991 Reimchr. 50686
Da horte er einen starken kradem Von ricbern eesinde: Dar under horte er linde Megde reden unde singen Und groz vröude Volbringen. Von den maeren in dem weregadem Huop sich ein vil süezer kradem Under den vrouwen sä zehant. do begunden si her vür sturn die sich da heten in die turn verborgen in diu gadem. groz wart dä der kradem, der schal und der süs von Cipper in des kunigs hüs, e si alle wurden gevalten.
Es liegt nach diesen Stellen nahe, anzunehmen, daß „kradem" nicht den Schall eines einzelnen, sondern den Lärm einer Menge bezeichnet. Als ein weiteres Merkmal kommt wohl noch die verhältnismäßige Lautstärke hinzu. In diese Annahme fügen sich auch die vorerst unklaren Beispiele sehr gut. Von „doz" und „schal" gilt es schließlich noch „galm" abzugrenzen. Als Verwendungsbereich dieses Wortes erscheint einmal vornehmlich der Schall von Stimmen: P. 738,19
den lewen sin muoter tot gebirt: von sins vater galme er lebendec wirt.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
96 Wi. 4,14
mins sündehaften mundes galtn din heilekeit an schriet.
Ein weiterer Bereich, in dem „galm" häufig erscheint, ist jener des Erklingens von Blasinstrumenten: Wig. 8648
Wi. 17,23
da was vil michel vreude vor von maneger hande seitspil; man horte da businen vil blasen nach der heiden sit. da sluogens unde würfen mit die tambür mit behendicheit; der galm da wider ein ander streit, so daz die burc al erhal. der marcgräve Willehalm und die getouften horten galm von manigen pusinen.
In beiden Verwendungsmöglichkeiten fällt auf, daß es sich fast immer ausdrücklich um einen Schall mit großer Lautintensität handelt; und auch dort, wo dies nicht ausdrücklich angegeben ist, stehen nirgends Angaben dagegen im Kontext. Eine letzte, weniger häufige Verwendungsweise finden wir in Stellen, wo ,.galm" für die Vorstellung des ,Echos' erscheint: E. 5748
I. 618
nu enhalf ir niemen mere klagen ir herzensere niuwan der widergelt den ir der walt üz an daz velt mit gelichem galme bot. die stimme gap hin widere mit gelichem galme der walt.
Die Verwendung von „galm" für Stimmen und Blasinstrumente weist eindeutig in die Richtung, daß „galm" für ,hellklingende' Schallereignisse gebraucht wird. Es sind dies beides Klangarten, die im oberen Bereich des Klangspektrums stark tönen und sich durch Klangeinheitlichkeit und -rundheit auszeichnen. Zu diesem mehr qualitativen Moment kommt offenbar noch eine gewisse Lautstärke. Das erklärt wohl auch, warum nur Blasinstrumente und nicht auch andere Musikinstrumente im Zusammenhang mit „galm" erscheinen, die doch ebenfalls in ihrem Klangcharakter als ,hellklingend' angesprochen werden könnten. Was den Gebrauch von „galm" im Zusammenhang mit eines Widerhalls betrifft, so können wir darauf hinweisen, daß erste Mal ist, wo wir diese Verbindung von ,Klanghelligkeit' treffen. W i r haben diese Erscheinung schon beim ahd. „galm"
der Vorstellung dies ja nicht das und ,Echo' ansowie bei mhd.
Verben mit spezifischer Klangqualität
97
„hellen" angetroffen. Offenbar wirkt ,helles Erklingen', wie wir anläßlich der Behandlung festgestellt haben, besonders weittragend und erweckt automatisch die Assoziation an räumliches Erklingen. Wir haben also sowenig wie bei „hellen" eine Spezialbedeutung oder eine einzelne Komponente für dieses Element einzuführen. Viel eher könnte man sagen, daß, sooft die Vorstellung eines Echos wiedergegeben werden sollte, „galm" beigezogen wird, da kein eigens dafür verwendbares Wort existiert. Wir können uns zuletzt noch die Frage stellen, ob „galm" bezüglich des Kriteriums ,intentional erzeugt' eher an „doz" oder an „schal" anzuschließen sei. An und für sich handelt es sich im Falle von Stimmen- und Instrumentenklang durchaus um absichtlich erzeugte Schallvorgänge. Das Gegenteil trifft für die Bezeichnung des Echos zu. Wenn wir die syntaktischen Verhältnisse in Betracht ziehen, so stellen wir fest, daß nirgends die bei „schal" geläufigen Wendungen vorkommen, die ein intentionales Erzeugen mit Ausdruckwerten explizit andeuten. „Galm" wird also viel eher dem Muster „doz" folgend als ein rein akustisches Phänomen dargestellt, nirgends wird eine Interpretation der Herkunft damit verknüpft, solche Komponenten bleiben im Gegenteil bei der Verwendung dieses Wortes außerhalb des Blickfeldes. Ohne Zweifel ist demzufolge „galm" in dieser Beziehung an „doz" anzuschließen. Es bleibt in diesem Abschnitt noch das Substantiv „klanc" zu behandeln. Es kann in einer gewissen Beziehung als ein komplementäres Wort zu „galm" angesehen werden. Wir beobachten nämlich, daß „klanc" und „galm" für den Bereich von ,hellklingenden' Lauten sich ergänzen. „Klanc" bezeichnet Klangarten, für die „galm" nie verwendet wird, so vor allem das Ertönen von Metall: P. 196,12 Wi. 402,2 Tr. 15856
do erhörte er manger glocken klanc. do der vane kom in den strit, der brahte den grozen swertes klanc. so süeze was der schellen clanc daz si nieman gehörte, sin benaeme im und zestorte sine sorge und al sin ungemach.
Auch gewisse Musikinstrumente, die bei „galm" nicht vorkommen, erscheinen mit „klanc": Tr. 17218
Tr. 7641
ouch lutete ietweder clanc der harphen und der Zungen, sos in ein ander clungen, so suoze dar inne, als ez der süezen Minne wol zeiner cluse wart benant. e si dar naher kaemen dazs aldort her vernaemen einen also süezen harpfen klanc und mit der harpfen einen sanc.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
98
In unseren Quellen findet sich kein Beleg, wo „klanc" auch für Stimmen verwendet würde. Daß dies aber wohl nur auf einem Zufall beruht, zeigt die folgende Stelle aus dem gleichzeitigen „Liet von Troye": Troye 17704
Syrenes hant sulche gewalt Ir stlme ist vil manic valt Vnd ir klanc so suzze Man saget da muzze Kere zv ir stlme Ez flizze oder swimm(e) Ez si ferre oder na Swaz irn sanc gehöret da.
Schließlich wird „klanc" auch für das Plätschern von Wasser verwendet, dies offenbar nach dem Vorbild des Verbes: Tr. 17158
so danne namens einen swanc, hin da der küele brunne clanc und loseten sinem clange, sinem sliche und sinem gange.
Zunächst können wir feststellen, daß „klanc" nie mit den syntaktischen Eigentümlichkeiten von „schal" verbunden wird, daß es also ohne Zweifel als dem Substantiv „doz" unterzuordnendes Wort anzusehen ist. Wie wir schon anfangs festgestellt haben, kann es im weiteren als ergänzendes Wort zu „galm" im Bereich der ,hellklingenden' Schallerscheinungen eingeordnet werden. Wir haben für „galm" unter anderem beobachtet, daß es große Lautstärke impliziert. Diesem Kriterium gegenüber scheint sich „klanc" gleichgültig zu verhalten. „Galm" wird jedoch auch für lautstarkes Erklingen von Metall nie verwendet; obwohl doch auch dieses als .hellklingend' angesehen werden könnte, ist es „klanc" vorbehalten. Der Bereich des ,hellen Klingens' scheint demnach in Bezug auf ein qualitatives Merkmal zwischen „galm" und „klanc" aufgeteilt zu werden. Auf der einen Seite stehen die Schallerscheinungen von der Art des lautstarken Stimmenklangs und des Posaunenklangs, denen man eine ,dickere', ,fülligere' Lautqualität sowie eine gleichmäßigere Lautentwicklung zuschreiben muß im Vergleich zum Erklingen von Metall, Harfen und Gesang auf der andern Seite, das .dünner' anzuhören ist und bei dem mindestens im Falle des Klingens von Metall der Schall nicht andauert, sondern verklingt. All dies sollte jedoch in ein einziges Kriterium gebracht werden können. Die Schwierigkeit besteht darin, dieses Kriterium zu formulieren. Man könnte ,füllig' als Qualitätsbeschreibung angeben; dabei stellt sich aber die Frage, ob das Merkmal ,lautstark' für „galm" noch speziell vermerkt werden muß. Auf der einen Seite bildet es doch eine wichtige Einschränkung der Verwendung von „galm", wobei noch hinzu kommt, daß dieses Merkmal auch sonst häufig vorkommt, also nicht an dieser Stelle vereinzelt einzuführen wäre. Auf
Verben mit spezifischer Klangqualität
99
der andern Seite wird dadurch die Einfachheit der Darstellung beeinträchtigt, indem so die Komplementarität der beiden Wörter nicht mehr so deutlich wird. Von all den bisher betrachteten Substantiven für Schallerscheinungen unterscheidet sich „lüi" auf eine besondere Weise. Seine Verwendung läßt sich mit folgendem Beispiel illustrieren: Wig. 6437
den wurm den dâ hêt erslagen der rîter mit sîner hant, der kom zuo der steinwant vil oft mit solhem schalle, daz die berge alle schullen von sînem lûte nâch des tievels trûte.
„Lût" und „schal" stehen in diesem Beispiel nebeneinander und zeigen so, daß sie, was die bezeichneten physikalischen Vorgänge betrifft, durchaus auf die gleichen Ereignisse bezogen werden können. „Schal" meint aber, wie wir gesehen haben, einen von einem Lebewesen willentlich hervorgebrachten Schall allgemein; es spielt keine Rolle, wie dieser Schall erzeugt wird. Wie die Ausdrudesweise „sin lût" schon nahelegt, wird demgegenüber „lût" für den irgendwem eigentümlichen, wesensgemäßen Laut verwendet. Meist ist dies natürlich die Stimme eines Lebewesens, aber auch der Laut von Gegenständen, zu deren Zweckbestimmung es gehört, daß sie einen Laut erzeugen, kann mit „lût" bezeichnet werden wie das folgende Beispiel zeigt: Tr. 15862
hunt unde schellen er began bemerken und betrahten, ietweders sunder ahten, den hunt und sine vremede hut, die schellen unde ir süezer lut.
Sogar Worte besitzen einen „lût", nämlich die für Worte als sprachliche Zeichen notwendige und wesentliche lautliche Seite: Tr. 10100
die namen begunde si zehant beide in ir sinnen ahten, ir beider lut betrahten.
„Lût" kann also nicht, wie die andern Wörter für den Schall, für sich als selbständige Bezeichnung verwendet werden, da es ja nicht eine für sich bestehende Art von Schall oder eine Schallqualität bezeichnet, sondern es hat nur zusammen mit einer Herkunftsangabe einen Sinn. Es sagt aber damit zugleich aus, daß der angegebene Laut der wesensgemäße und eigentümliche Ausdruck eines Lebewesens oder eines Dinges darstellt. Deshalb hat schließlich „lût" auch keinen möglichen angebbaren Klangcharakter: Es gibt ja soviele eigentümliche Ausdrucksformen im Lautbereich, wie es zum Ausdruck fähige Lebewesen gibt.
100
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
Entscheidend für die Verwendung von „lüt" ist die wesenhafte Beziehung als solche des Erzeugers zum erzeugten Laut. „Lüt" impliziert damit immer auch die Angabe eines solchen Erzeugers. Logisch ausgedrückt heißt das soviel, wie daß hinter „lüt" eine zweistellige Relation verborgen ist. 5. „Don" und die Wörter
in seinem
Umkreis
Die folgenden Abschnitte gelten der Behandlung des Wortes „dön" und der Wörter, die mit seiner Bedeutung in Berührung stehen. Wir gelangen damit in den Bereich der Musik. Auf die Behandlung von musikalischen Fachausdrücken wie „leich", „liet" usw. muß aber hier verzichtet werden, da dies über unsere Fragestellung hinausführen würde. Die Untersuchung solcher Fachausdrücke müßte nach aesthetischen und musiktheoretischen Kategorien ausschauen, und dies würde den Bereich der rein schallmäßigen Betrachtungen vollends verlassen. Zunächst muß die Beschreibung des Gebrauchs von „dön" in zwei Gruppen unterteilt werden, denen zwei durchaus verschiedene Verwendungsweisen entsprechen. Einmal wird „dön" zur Bezeichnung der geordneten Tonfolgen von Musik gebraucht, also etwa dessen was heute mit „Melodie" benannt wird. Diese Melodien können sowohl mit einem Instrument gespielt wie auch gesungen sein: N. 1705,3 Tr. 3601
Tr. 4778
er videlte süeze dcene und sanc ir siniu liet. ja sine vinger wize die giengen wol ze vlize walgende in den Seiten, si begunden dccne breiten daz der palas voller wart. welhiu sol ir baniere tragen, sit diu von Hagenouwe ir aller leitevrouwe der werlde alsus geswigen ist, die aller dcene houbetlist versigelt in ir Zungen truoc?
Das letzte Beispiel zeigt auch, daß „dort" nicht nur unmittelbar hörbare Melodien bezeichnet, sondern auch die Melodien in ihrer nur virtuellen, gedachten Gestalt, ohne Rücksicht auf die Tatsache, ob sie wirklich gespielt sind oder nicht. Dies zeigt, daß „dön" auch die geistige Ordnung der Töne, nicht nur das Hörbarwerden von Melodien bezeichnet. Dazu gehört auch die Tatsache, daß mit „dön" eine Melodie als besondere, von allen andern unterscheidbare Tonfolge gemeint werden kann: Tr. 3248
in vremeden horndone ein ander wise huober an.
,Don" und sein Umkreis Tr. 3209
101
und als diu rotte gar in kam, Tristan sin homelin do nam und hürnete also ridie, und also wunnecliche, jene alle, die da mit im riten, daz die vor vröuden kume erbiten, daz sime ze helfe kamen und alle ir horn namen und hürneten vil schone mit ime in sime dotie.
„Don" in dieser Verwendung kann „note", (das nur in Gottfrieds Tristan vorkommt), gegenübergestellt werden. Es fallen in einem Vergleich dabei verschiedene Differenzen auf. Zwar bezeichnen „note" und die Diminutivform „;notelin" meist ebenfalls eine Melodie; dabei kommt aber für diese Gebrauchsweise nur die Pluralform vor. Auch „dön" wird oft im Plural für die Bezeichnung von ,Melodie' gebraucht, daneben ist aber auch die Singularform nicht selten, wie schon an den obigen Beispielen gesehen werden kann. „Note" erscheint in dieser Verwendung jedoch nie in Singular: Tr. 3553
Tr. 7607
Tr. 7989
mit den so ruorter unde sluoc ursuoche und noteline genuoc seltsame, süere, guote. .Geselle' sprachen aber die boten ,diner süezen stimme und diner noten der soltu hie geniezen.' ir vingere die künden swenne sis begunden die liren wol gerüeren und ur der harpfen vüeren die doene mit gewalte: si steigete unde valte die noten bebendecliche.
Die Ausnahmslosigkeit des Plurals von „note" in der Verwendung für .Melodie' ist wohl nicht zufällig, sondern muß tiefer begründet liegen. Mittelbar kann wohl daraus geschlossen werden, daß das Wort nicht eine ganze Tonfolge, sondern wahrscheinlicher nur einen einzelnen Ton in einer solchen Tonfolge darstellt. Deshalb kann „note" auch in der Pluralform nicht wie „dön" die besondere, geformte, von andern unterscheidbare Gestalt einer Tonfolge, das geistige Gerüst einer Melodie bezeichnen, sondern nur unmittelbar, aktuell erklingende Töne. Eine melodische Tonfolge kann durchaus als Ansammlung einzelner Töne dargestellt werden; in diesem Falle kann aber das Element der Geordnetheit nicht mitgegeben werden. Die Bezeichnung eines Tons als Ton bringt es gerade mit sich, daß der Zusammenhang innerhalb einer Folge von Tönen außer Acht gelassen wird. Dies ändert sich auch durch die Bildung eines Plurals nicht, der solche Komponenten nicht beeinflussen kann.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
102
Dieser grundsätzliche Unterschied ist wohl auch Ursache f ü r einen weiteren, mehr idiomatischen Unterschied zwischen „dòn" u n d „note". N u r „dòn" kann in einer W e n d u n g wie „in sime dóne hürnen, singen usw." erscheinen. „Noten" bleiben wie gesagt vereinzelte Klänge, „noten" kann man n u r direkt hervorbringen, das heißt syntaktisch nur als direktes Objekt von Wörtern wie „videln" oder „blasen" einsetzen. W i e schon anfangs erwähnt, gibt es f ü r „dort" noch eine zweite Gebrauchsmöglichkeit, die sich von der ersten, eben behandelten, beträchtlich unterscheidet. Sie findet sich allerdings nur in den Werken Wolframs; die andern Schriftsteller aus der gleichen Zeit gebrauchen „dòn" lediglich im ersten, eben behandelten Sinn. I n Wolframs Gebrauch läßt sicli „dòn" nicht nur auf Melodien, sondern auf praktisch alle Arten von Schallerscheinungen beziehen. So kommt das W o r t in der Anwendung auf menschliche Stimmäußerungen vor: P. 692,6 P. 766,16
nach herzen jämers dóne si sehnende von dem pherde spranc. ez ist ein helfeclicher dòn, swä vriundin rede wird vernomen, diu vriunde mac ze staten komen.
„Dön" kann auch f ü r Geräusche verwendet werden, die weder mit menschlichen Stimmen noch mit Musik etwas zu tun haben, wie etwa das Beispiel der in einer Pfanne brutzelnden Krapfen zeigt: P. 184,24
ein Trühendingen phanne mit kraphen selten dà erschrei: in was der selbe don enzwei.
Auch jener Fall ist häufig, w o „dön" auf Lärm, der bei Turnieren und Ritterkämpfen entsteht, bezogen wird: P. 814,28
Wi. 299,20
ich hörte ie gerne solhen dòn, da von tjoste sprizen sprungen und da swert üf helmen klungen. er mac sin herze doch kèren hin üf dienest nach der wibe lón, da man lernet sohen dòn, wie sper durch schilte krachen, wie diu wip dar umme lachen, wie vriundin vriunts unsenftekeit senftet.
Die Verschiedenartigkeit der Gebrauchsmöglichkeiten von „dòn" in Bezug auf die klangliche Eigenart legt den Gedanken nahe, daß die Verwendung von „don" nicht von Momenten der konkreteren Lautvorstellungen bestimmt wird.
,Dôn" und sein Umkreis
103
Auf den ersten Blick scheint das Wort beinahe die gleichen Verwendungsbereiche wie etwa „schal" zu umfassen. Wie „schal" trägt auch „dön" einen Schall oft als Ausdruck einer Gemütslage vor. Das Beispiel der brutzelnden Krapfen stellt hingegen eine Verwendung dar, die man eher zu den Möglichkeiten von „döz" rechnen würde. Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch auffallende Unterschiede. Es fällt nämlich auf, daß im Gegensatz sowohl zu „döz" wie zu „schal" „dön" niemals in einer Wendung wie „*dön geben" vorkommt. Daraus läßt sich für „dön" schließen, daß dieses Wort nicht als unmittelbar von einem Erzeuger hervorgerufenen Gehöreindruck genommen werden kann. Auf das gleiche Ergebnis führt die Beobachtung, daß „dòn", wiederum im Unterschied zu „döz" und „schal", nicht für sich ohne nähere Bestimmung stehen kann, sondern das Gebiet, worauf es sich bezieht, immer noch genauer umgrenzt werden muß: P. 814,28 Wi. 35,13
Wi. 397,9
ich hörte ie gerne solhen dòn dà von tjoste sprîzen Sprüngen und dâ swert ûf helmen klungen des voie was vorn und hinden horn âne menschlich stimme erkorn: der dòn von ir munde klanc sam die leithunde oder als ein kelber muoter lüet. ein ir ruof was Narbôn sus hai dâ der ander dòti durch koverunge, Brûbant.
Daß mehr die Art des Klanges als die Herkunft näher bestimmt werden muß, zeigt sich unter anderm daran, wie häufig ein Vergleich als Bestimmung beigezogen wird, oder wie oft das Wort „solh" zu „dön" gesetzt wird. Dies und die Beobachtung, daß die Wendung „dön geben" nicht möglich zu sein scheint, legt die Vermutung nahe, daß nicht der Schall selbst, sondern eine (durch eine nähere Spezifikation angegebene) Klangqualität, genauer ,Klangqualität' an und für sich, mit „dön" bezeichnet wird. Diese Verwendung entspricht so etwa derjenigen von nhd. „Klang" in einem Satz wie „Man erkannte ihn am Klang seiner Stimme". Auch hier wird mit dem entsprechenden Wort nicht der Schall selbst als Ereignis gemeint, sondern der qualitative Aspekt. Auch die Verwendung von „dön" bei Wolfram beinhaltet diese Beschränkung der Blickrichtung auf die Ebene des Klangcharakters. Die Bedeutung dieses Wortes liegt demnach auf einer andern Ebene als die mit ihm verglichenen „döz", „schal" usw. „Döz" und „schal" bezeichnen unmittelbar die Klänge selbst, während „dön" auf Eigenschaften dieser betreffenden Klänge hinweist. Wie sich die Tatsache, daß Wolfram in der klassischen mhd. Zeit der einzige Schriftsteller ist, der „dön" auf diese Weise verwendet, erklären läßt, müßte im Rahmen einer Untersuchung erforscht werden, die die Geschichte
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
104
dieses Wortes auch in der späteren mhd. Zeit verfolgt. Feststellen läßt sich jedenfalls, daß mit der Zeit „dòn" immer allgemeiner verwendet wird 12. Im Anschluß an „dòn" muß auch die Ableitung „gedcene" erwähnt werden.
Das Wort, formal eine Kollektivbildung zu „dòn" (oder „doenen", was bedeutungsmäßig keinen Unterschied macht), entspricht seiner Verwendung nach nicht unbedingt diesen Voraussetzungen. Es kann zwar durchaus für Musik erscheinen: Tr. 3566
sine noten und sine ursuoche, sine seltsaene grüeze, die harphet er so süeze und machete si so sdicene mit schoenem seit gedcene, daz iegelicher da zuo lief, dirre jenem dar naher rief.
Auch das Singen der Vögel, das ja, indem es mit „sanc" und „singen"
bezeichnet wird, (s. u.), dadurch ebenfalls mittelbar zur Musik gerechnet wird, kann mit „gedosne" wiedergegeben werden: Tr. 575
daz senfte vogelgedcene, daz süeze, daz schoene, daz oren unde muote vii dicke kumet ze guote, daz vulte da berge unde tal.
Daneben wird „gedcene" jedoch auch mehrmals auf Schellenklang angewendet, was auf keinen Fall zu Musik oder gar unter den Begriff von Melodie zu bringen ist: P. 39,20 Wig. 9196
daz gevilde nach dem helden klanc: sine schellen gäben gedcene. die schellen gaben gedcene. an vrouwen Élamien gereite.
Das gemeinsame Element, das Schellenklang mit Musik und Vogelsang in den hier zusammengebrachten Belegen allenfalls verbinden kann, ist wohl der .Wohlklang', die für einen Menschen angenehmeEmpfindung beim Hören solcher Klänge. Dieser Wohllaut wird in den ersten Beispielen schon durch die entspre12
Im Deutschen Wörterbuch (XI, 1, 1, Sp. 681 ff.) wird ebenfalls diese Doppelheit der Verwendung konstatiert und auf das Zusammenfließen zweier verschiedener Wurzeln zurückgeführt. Die eine davon, welche die Bedeutung ,musikalischer Klang' beinhaltet, sei auf eine Übernahme eines lat. Wortes in spätahd. Zeit zurückzuführen, bei der andern mit dem Inhalt ,Geräusch', .Getöse', handle es sich um eine alte germanische Wurzel, die zusammenzubringen sei mit an. „duna", „dynia", ae. „dynjan", as. „dunian" (alle ungefähr ,dröhnen', ,lärmen'). Wenn diese Etymologien auch nicht von der Hand gewiesen werden können, bieten sie für eine synchronische Darstellung dennoch nicht unbedingt eine endgültige Lösung.
Einzelwörter mit nichtstimmlicher Herkunft des Schalles
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chenden Adjektive unterstrichen. Auch für Schellen ist Wohlklang ein oft hervorgehobenes Merkmal, man vergleiche nur Tr. 15856 und 15875. Daneben geht aber offenbar das bedeutungsmäßige Element des Kollektiven, das mit der morphologischen Bildungsweise des Wortes verbunden ist, nicht verloren. „Gedcene" meint nicht ein einzelnes, abgrenzbares Schallereignis, sondern faßt eine ganze Gruppe gleichartiger zusammen. In die Reihe der Substantive sei hier, der Einfachheit der Darstellung halber, die Behandlung des Verbes „dcenen" eingeschaltet, das ja, wie leicht ersichtlich, ebenfalls in den Umkreis der Wörter um „dön" gehört. Das Wort bleibt in seiner Verwendung durchaus im engeren Bereich der Musik. Es kann einerseits das musikalische Erklingen sei es eines Musikinstrumentes, sei es einer Stimme, bezeichnen: N. 1834,3 Tr. 4790
do im der Seiten dcenen so süezllch erklang, die stolzen eilenden sagtens Volkeren dank. ich wasne, Orphees zunge, diu alle doene künde, die dcenete uz ir munde.
Auf der andern Seite wird das Wort nebenbei auch im Sinne von ,zum „dcenen" bringen' gebraucht: Tr. 3588
do begunde er suoze dcenen und harpfen so ze prise in britunischer wise, daz maneger da stuont unde saz, dar sines selbes namen vergaz.
Diese Verwendung gehört aber nicht in unseren Bereich der Schallwörter und muß vom zuerst erwähnten Gebrauch getrennt werden.
6. Einzelwörter
mit nichtstimmlicher
Herkunft
des
Schalles
Im folgenden sollen einige Wörter zur Behandlung kommen, die alle im untersuchten Material nur wenige Male vorkommen, und bei denen es deshalb notwendig wird, Belege aus andern als den systematisch ausgezogenen Denkmälern beizuziehen. Damit ist aber auch die Einschränkung verbunden, daß die Gewißheit, auf einem einheitlichen Sprachmaterial aufzubauen, nicht mehr gegeben ist; zudem ist es oft schwer, aus dem in den Wörterbüchern dargebotenen Material aufschlußreiche Belege zu finden. Die im folgenden erarbeiteten Ergebnisse müssen deshalb mit aller Vorsicht bezüglich ihrer Sicherheit zur Kenntnis genommen werden. Ferner kann bei diesen Wörtern, die gewissermaßen mangels repräsentativer Vertretung am Rande liegengelassen werden mußten, in der Behandlung nicht
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Schallwörter im Mittelhochdeutschen
mehr auf einer gedanklich geordneten Bahn fortgeschritten werden. Dadurch ergibt sich zwangsläufig oft eine allzu vereinzelte Betrachtung der verschiedenen Wörter. Als erstes sei „doner" erwähnt. Als eine Ausnahme gibt es allerdings von diesem Wort noch genügend Belege. Die Verwendung ist aber sehr verschiedengestaltig. Das ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß das Wort sehr häufig in Vergleichen und mit übertragener Bedeutung vorkommt. So ist es schließlich doch nicht so einfach, eindeutige Belegstellen zu finden. In eindeutig interpretierbaren Beispielen wird aber deutlich, daß der Gebrauch von „doner" demjenigen des nhd. „Donner" entspricht. Darauf weist in den folgenden Beispielen vor allem die wiederkehrende Beschreibung von Gewittern als Kontext: I. 647
P. 103,28 104,1
vil schiere do gesach ich ir allenthalben umbe mich wol tüsent tusent blicke: dar nach sluoc also dicke ein also krefteger donreslac, daz ich üf der erde gelac. si dühte wie ein sternblic si gein den lüften vuorte, da si mit kreften ruorte manic viurin donersträle. die vlugen al zemäle gein ir: do sungelte unde sanc von genstern ir zöphe lanc.
mit krache gap der doner duz, brinnendege zeher was sin guz.
„Doner(slac)" ist somit als das rollende und krachende Geräusch zu bezeichnen, das als Folge eines Blitzes hörbar wird. Die Situationsbedingungen, nämlich die Umstände eines Gewitters, sind dabei wohl ebenso wichtig wie die rein gehörmäßigen Eindrücke, die damit verbunden sind. Schwieriger ist es, die Verwendung des Verbes „donern" anhand der Belege zu definieren. Es liegt einmal in den untersuchten Texten nur ein einziges Beispiel vor: Wi. 372,12
alrest nu donert der walt von lanzen krache und der sper.
Setzen wir das Wort in den selbstverständlich bestehenden Zusammenhang mit dem Substantiv „doner", so müßte in der oben angeführten Stelle übertragene Verwendung angenommen werden. Die zwei weiteren brauchbaren Belege, die von Benecke und Lexer angegeben werden, weisen denn auch in diese Richtung. Allerdings kommt in beiden das Wort in der Variante „dunren" vor: Minnesinger 3,97 b
er kan wol blizzen, dunren,
winde sus ouch stillen.
Einzelwörter mit nichtstimmlicher Herkunft des Schalles Wilh. 11681
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. . . wan er in unlanger zit kom in das gebirge wit darinne sich ein wint erhüp der traip den grosten unfug den ieman uf der erde hie hat gesehen, merket wie! er suset unde hindert reht als der hagel dunrt.
Beide Belege weisen „donren" J „dunren" in den Bereich der Naturphänomene, zusammen mit Blitzen, Winden, Hageln. Mehr aus der Beziehung zum Substantiv „doner" als aus den Stellen selbst kann man aus diesen Beispielen demnach erkennen, daß „ d o n e r n " im Bereich der Naturphänomene den Donner meint. „Kerren": Zweimal wird in den untersuchten Denkmälern das Verb „kerren" verwendet: P. 69,10 Wig. 6891
sinen teppech legete man üf den plan, da sich die poinder wurren und diu ors von Stichen kurren. von sinem kerren daz ez tet, der riter spranc üf an der stet von einem herten troume.
Bei der zweiten Stelle muß zur Ergänzung beigefügt werden, daß das „kerren" sich hier auf ein großes Mühlrad bezieht, das in Gang gesetzt wird und dabei zu ächzen und knarren beginnt. Für sich allein zeigen die beiden Belege keine klare Richtung, wo das Kriterium liegen könnte, das die Verwendung des Wortes bestimmt. In der Stelle aus Parzival bezeichnet „kerren" wohl am ehesten das Wiehern von Pferden. In der Stelle aus Wigalois kommt dagegen, wie gesagt, eher .Knarren' und .Ächzen' als Inhalt in Frage. Diese Streuungsbreite zeigt sich aber auch, wenn wir andere Belege beiziehen: Engelh. 2706
do gräzten und do kurren ir ros, wan si sich fröuten, da man begunde flöuten und tamburieren. Frauenl. 54,1 Ein han sol krcen, ein hunt sol bellen, kenn ein swin. Frauenl. 304,15 Varch unde swin, unswinlidi ist din kerren. Neidh. 227,14 er sluoc die blasen durch den rinc, daz si vil lute erkar. Diese Beispiele zeigen, daß augenscheinlich die Verwendung von „kerren" nicht an ein bestimmtes Subjekt, an den Laut eines bestimmten Tieres oder an ein bestimmtes Material gebunden ist. Außer für wiehernde Pferde und ächzendes Holz, wie wir oben gesehen haben, kann „kerren" auch für Schweine und
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
108
Schweinsblasen verwendet werden. W e n n wir annehmen, daß mit dem „kerren" der Schweine ein quietschendes Grunzen u n d mit dem „kerren" der Schweinsblase bei Neidhart das Quietschen des Leders bei dessen Beanspruchung gemeint ist, dann könnte man als Grundelement, das regelmäßig bei „kerren" wiederkehrt, einen quietschenden, ächzenden Laut sehen, also einen Laut, der stark geräuschhaft ist, u n d der aus Tönen des obern Teils des Lautspektrums besteht. Andere Herkunftsbedingungen erweisen sich dagegen als irrelevant. „Klac": Das Substantiv „klac" finden wir an einer Stelle im Parzival: P. 379,11
pusüner gäben dozes klac, also der doner der ie phlac vil angestlicher vorhte.
Um die Kriterien der Verwendung dieses Wortes deutlicher zu sehen, seien dazu noch die folgenden Belegstellen angeführt: Troi. 12240
Troi. 14704
Engelh. 4808
do man zerspilt vil manic sper do wart ein brasten und ein clac, alS ob der wilde donreslac da klübe tusent boume enzwei. ein klac, der üz dem donre vert so rehte balde nie gesluoc, so dräte sich diu minne truoc in sin gemüete bie der stunt. hast aber ein galander gesungen sine wise die hete man ü£ dem rtse niht halbe gehceret noch vernomen, do si zesamen wären komen und si die schefte brächen, wan si diu sper zerstächen sö vaste daz des braches klac lute alsam ein donnerslac, der spaltet daz geböume.
Ein mit „klac" bezeichneter Schall kann, wie die obigen Beispiele zeigen, verschiedener H e r k u n f t sein. W o l f r a m bezieht das W o r t auf Pusinenklänge, in den andern Beispielen wird es zweimal auf das Geräusch, das durch das Brechen von Speerschäften entsteht, sowie einmal auf das Krachen des Donners angewendet. Die Verwendung von „klac" entspricht so ziemlich derjenigen von „krach". Immerhin scheint das Klangbild, das hinter „klac" steht, deutlicher umrissen zu sein als dasjenige von „krach". Der Verwendungsbereich von „krach" umfaßt auch hinsichtlich der Art der bezeichneten Geräusche solche, deren Charakter verhältnismäßig unbestimmt bleibt; man denke nur an die Fälle, wo „krach" f ü r das Einherziehen eines Heeres (P. 667,4) oder f ü r das Zusammenstoßen zweier Turnierkämpfer (Wi. 333,22) gebraucht wird. „Klac" dagegen erscheint
Einzelwörter mit nichtstimmlicher Herkunft des Schalles
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nur für Schallereignisse, die man ziemlich eindeutig mit dem neuhochdeutschen „Krachen" wiedergeben kann. Dem widerspricht auch die Stelle in P. 379,11 mit ihrer Verbindung von „klac" und Pusinen nicht, wenn man berücksichtigt, daß dieser Pusinenklang mit Donner verglichen wird, was somit ausdrücklich dessen Geräuschhaftigkeit und dumpfe Lautstärke unterstreicht. Es fällt auf, daß auch in den andern Stellen „klac" wenigstens in der Form eines Vergleichs mit dem Donner in Beziehung gebracht wird. Damit wird offenbar ein gewisses Element der Gewalt und der Lautstärke betont, das in „klac" schon grundsätzlich vorhanden ist. Ebenfalls als regelmäßig wiederkehlend muß das Element des ,Krachens', das Vorherrschen einer Häufung von harten Knallauten betrachtet werden. Somit könnten wir als Gebrauchsbedingungen für „klac" ein Krachen von großer Lautstärke und Gewalt, vielleicht auch von dumpfem Charakter (Donner) angeben. „Klac" ist also im Vergleich zu „krach" viel mehr auf einen bestimmten Schallcharakter konzentriert und spezialisiert. Mit „krach" teilt „klac" andererseits beispielsweise in der Gegenüberstellung zu „döz" den notwendigen Einbezug der großen Lautstärke. Überhaupt könnte man sagen, daß „klac" in der Hierarchie der Bedeutungen „krach" untergeordnet werden muß. „Klac" greift mit andern Worten aus dem von „krach" bezeichneten Bezirk einen Unterbereich heraus, denjenigen der Geräusche des Berstens und dumpfen Krachens. lied:
„Klaffen": Das Verb „klaffen" finden wir an einer Stelle im NibelungenN. 1601,1
beidenthalb der sträze und hinden vaste nach si hörten hüeve klaffen.
Das Wort bezeichnet an dieser Stelle offenbar das Klappern von Pferdehufen auf der Straße. Ähnliche Schallerscheinungen finden wir auch in andern Belegen, außerhalb unseres Materials, bezeichnet: Neidh. XX,9 H. v. F. Trist, 4570 W. v. Rh. 178,40
der don durch die hiute machet lihte klaffendiu geheize. sin houpt ez schütte weckerlich sin oren klaftert im daran. si huob ein niuwez klagen und gienc si solich riden an unde ein schüten, daz ir zan in ir reinem munde klaffeten.
Im ersten der zusätzlichen Belege handelt es sich beim dargestellten Geräusch um das Klappern eines Schwertgriffes, im zweiten um das Schlappern der Ohren eines Hundes, wenn er den Kopf schüttelt, im dritten um Zähneklappern. Wenn auch im Lautspektrum, im Klangcharakter diese Geräusche unter sich jeweils recht verschieden sein mögen, so läßt sich doch eine wichtige Gemeinsamkeit bei allen diesen Beispielen feststellen. Stets ist das fragliche Geräusch aus
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
110
vielen einzelnen, trocken klingenden Einzelgeräuschen zusammengesetzt. Im Unterschied dazu besteht „krachen" wohl auch aus einer Gesamtheit vieler Einzelgeräusche; diese sind jedoch sehr verschieden stark und nicht so deutlich voneinander trennbar wie im Falle von „klaffen". Nicht weiter erwähnt sei eine zweite Verwendung von „ k l a f f e n " als pejorativ schwätzen', das an „reden" usw. anzuschließen wäre, das ja ebenfalls nicht behandelt wird (s.u.). „Snar": Das Wort „snar" erscheint in folgender Stelle: Wi. 400,14
sinen boten nähen bi da wart geworfen und geslagen als ir midi e horte sagen, tusent rottummes sieht, ir keiniu krummes, und aht hundert pusinen snar man horte da mit krache gar.
Dazu erscheint, ebenfalls im Willehalm, die davon abgeleitete Kollketivform „gesnarre"-. Wi. 390,28
von pusinen galme was vor in groz gesnarre.
Sowohl „snar" wie „gesnarre" erscheinen also als Bezeichnung des Klanges von Pusinen. Dieser Befund bestätigt sich, wenn wir die wenigen übrigen Stellen, die für dieses Wort ausfindig zu machen sind, vergleichen: Lohengr. 6187 nü hört man der pusünen snar und von tampür gedceze. U. Alex. Anh. tambüren döz, businen snar 1939 was dä manger leie dar. Zweifellos stellt „snar" ein Wort dar, das unmittelbar dem Klang von Pusinen zugeordnet ist. Im weiteren läßt sich dann allerdings nicht genau sagen, was für klangliche Charakteristiken im einzelnen mit „snar" verbunden sind, ob seine Verwendung etwa durch eine besondere Eigenart des Klanges der Pusinen bedingt ist. Die Beispiele, die zur Verfügung stehen, geben in dieser Hinsicht keine Anhaltspunkte. W i r müssen deshalb die gemachten Feststellungen als solche stehen lassen und auf eine Begründung verzichten, warum es sich so verhält. „Snarcben": Ebenfalls sehr wenige Belegstellen sind für „snareben" auffindbar. Das Wort ist in den fraglichen Stellen nur einmal von Wirnt von Grafenberg verwendet worden: Wig. 6894
daz ors an dem zoume begunde snarchen unde streben, wand ez entruwet niht lenger leben.
Einzelwörter mit nichtstimmlicher Herkunft des Schalles
111
In andern Werken kann man ferner noch folgende Stellen finden: U. Alex. Anh. 474 Jerosdi. 1.53 Oswald, 26. X. 1
die ros wolden vür sich niht, si begunden snarchen, sdiiehen. swaz er gehib swaz er gestach Noch waiß ich ainen inn der lauß daz pfert iz twingende hinvor so snarcbtiz unde dranc üf hör. mit namen Kopp, den kund ich nie geswaigen; der snarcht recht als ain hafen rauß, wenn in der starck traminer trang ze saigen.
Drei der vier Belege geben als Subjekt zu „snarchen" Pferde; Oswald von Wolkenstein verwendet es für einen Menschen, wie das im Nhd. die einzige Möglichkeit ist. Im Zusammenhang mit Pferden, vor allem, wenn man die Beschreibung des übrigen Verhaltens der Pferde mit einbezieht, wo immer scheuende Pferde dargestellt werden, muß das Wort soviel wie .schnauben' besagen. Wenn es von einem Menschen ausgesagt wird, handelt es sich wohl um Schnarchen'. Beide Male handelt es sich also um ein Geräusch, das durch den behinderten Durchgang der Luft durch die Atemwege entsteht. Angesichts der räumlichen und zeitlichen Abstände, die zwischen den einzelnen Belegen entstehen, stellt sich aber die Frage, ob zur Zeit, da der Wigalois entstand (und um die Bestimmung der Bedeutung in jenem Zeitraum geht es hier ja), „snarchen" nur von Pferden oder sowohl von Pferden wie von Menschen ausgesagt werden kann. Angesichts der Tatsache, daß das Wort in den vorhandenen Belegen nur im allerspätesten, bei Oswald von Wolkenstein, für einen Menschen gebraucht wird, in den früheren Belegen aber ausschließlich für Pferde, liegt die Vermutung nahe, das „snarchen" spezifisch für .schnauben' gebraucht wird. Die Zahl der erreichbaren Belege ist nichtsdestoweniger viel zu klein, um die Vermutung auch stichhaltig durch Beweise unterstützen zu können. „Süs" wird je einmal im Nibelungenlied und im Iwein verwendet: N. 2077,2 I. 7821
von swerten sach man blicken daz waltgevelle wart so groz, untter süs untter doz werte mit dem schalle.
vil manegen swinden süs.
Bezüglich der Stelle aus Iwein ist beizufügen, daß hier von einem Gewitter die Rede ist. Noch deutlicher wird die Verwendung des Wortes, wenn wir weitere Belege zu Hilfe ziehen: Troi. 27874
von siden banier wol geweben hcert man da snurren lüte als in des röres krüte der tobelidier winde süs.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
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R. Alex. 21069 daz kumt von starken winden groz der süs so groz ist und ir doz daz sie daz teil des landes s6 vol vüllent sandes daz diu berc und diu tal werdent eben über al. Aus den angeführten Stellen ergibt sich klar, daß mit „süs" vor allem das Geräusch bezeichnet wird, das beim Wehen des Windes entsteht. Auch Geräusche, die durch das Auftreffen des Windes auf einen Gegenstand entstehen, sind darin enthalten. Das Wort bezeichnet also ungefähr die Geräusche der selben Art, die man noch heute mit „Sausen" angibt, Geräusche, deren Eigenart in einer sehr vollständigen Mischung aller Frequenzen des Klangspektrums sowie in der Stetigkeit der Schallentwicklung liegt. Allerdings ließe sich mit dieser Charakteristik auch das Rauschen des Wassers kennzeichnen. Dieses scheint aber in „süs" nicht enthalten zu sein; vielmehr wird das Wort auf weniger lautintensive, an tiefen Tönen ärmere Geräusche als „Rausdien" bezogen. „Siusen"-. Das zum eben behandelten Substantiv „süs" gehörige Verb „siusen" erscheint zweimal: I. 994
P. 151,27
do kom ein siusen unde ein doz und ein selch weter dar nach, daz in des düht daz im ze gäch mit dem giezen wsere gewesen, wan er entriut nime genesen. ir rücke wart dehein eit gestabet, doch wart ein stab so daran gehabet unz daz sin siusen gar verswanc, durch die wät und durch ir vel ez dranc.
Im ersten Beispiel ist unter „siusen" wohl das Sausen des Windes zu verstehen; im zweiten das Zischen des durch die Luft geschwungenen Stabes. Weitere Beispiele aus andern Texten ergeben folgendes Bild: Walther 34,34 Minnesinger 3,343 b Kf'-wrchr. 12325
die wile ich weiz dri hove so JobcKcher manne so ist min wtn gelesen und süset wol min pfanne. maget, du tuost uns dürsten nach des himels vürsten, dem zu lobe süsent alle winde. er sluoc si mit der vüste daz ir daz or süste.
Alle diese Belege kennzeichnen ein Geräusch, das sich wohl nicht allzusehr von jenen unterscheidet, das wir als Gebrauchsbereich für „süs" herausgearbeitet haben. In Walthers Vers ist offenbar das Brutzeln oder Zischen einer Bratpfanne gemeint; das „süsen" des Windes und das „örensmsen" verstehen sich ebenfalls sehr leicht in diesem Sinne. Für „siusen" ist die Herkunft des Geräusches also
EinzelWörter mit nichtstimmlicher Herkunft des Schalles
113
von geringer Bedeutung. Auch „siusen" bezeichnet somit das im Nhd. mit „Sausen" wiedergegebene Geräusch, dessen Eigenart die vollständige Mischung aus dem kontinuierlichen Klangspektrum sowie Stetigkeit der Schallerzeugung darstellt. Auch für „siusen" gilt die Feststellung, die in Bezug auf „sus" gemacht wurde: ,Rauschen' des Wassers scheint darin nicht enthalten zu sein. „Siusen" beschränkt sich auf eine weniger lautintensive Geräuschart. „,Sungeln" P. 103,28 104,1
wird in einer einzigen Stelle von Wolfram verwendet: si duhte wie sternblic si gein den lüften vuorte, da si mit kreften ruorte manec viurin donersträle. die vlugen al zemäle gein ir: dö sungelte unde sanc von genstern ir zöphe lanc.
Die Stelle beschreibt offenbar, wie das Haar der Herzeloyde von Blitzen elektrisch geladen wird und durch elektrische Funken ein Knistern darin entsteht. Als zusätzlichen Beleg für die Verwendung dieses Wortes geben Benecke und Lexer nur eine einzige weitere Stelle, dazu noch mit einem W o r t in geringfügig verschiedener Lautform (-nk- statt -ng-): Troi. 38424
die leide gift wiel und söt an dem erweiten manne und sunkelte als ein pfanne, do man speck inne smelzet.
Konrad von Würzburg verwendet also „sunkeln" zur Bezeichnung des Bruzzelns und Zischens von Speck in der Pfanne. Ähnlichkeiten mit dem Geräusch, das wir oben in der Stelle aus Parzival als .knistern' umschrieben haben, sind unschwer zu finden. I n beiden Fällen handelt es sich um eine dichte Häufung von feinen, im Klangspektrum ziemlich hoch liegenden Knall- oder Krachgeräuschen. Das W o r t gehört zwischen die Wörter „siusen* und „ k r a c h e n " . Von „siusen" unterscheidet sich „sungeln" durch die verhältnismäßige Unstetigkeit der Geräuschentwicklung, von „krachen" durch die Feinheit und die geringe Lautstärke. Diese Interpretation ist allerdings aus nur zwei Belegen abgeleitet und kann somit nur mit Vorbehalten als gültig betrachtet werden. Sie wird immerhin unter anderem durch Angaben Sdimellers in seinem Bayerischen Wörterbuch (Bd. I I , S. 314) unterstützt.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
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7. Abgrenzungen im Bereich der
Stimmbezeichnungen
Ein großer Teil der Wörter für den Schall besitzt als Hauptmerkmal, daß sie sich auf Äußerungen der Stimme von Menschen und Tieren konzentrieren. In den nun folgenden Abschnitten sollen diese Wörter in ihrem Zusammenhang betrachtet werden. Dabei muß man zum Teil zu den Verben, die Äußerungen der Stimme bezeichnen, auch die Verba dicendi rechnen. Diese Verben sollen aber hier nur unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, inwieweit die lautliche Seite für den Sprachakt, den sie bezeichnen, von Bedeutung ist; die inhaltliche Seite einer mit einem Verbum dicendi bezeichneten sprachlichen Äußerung, welche ja oft für ein solches Verb das wichtigste Element ihrer Gebrauchsbedingungen darstellt, ja welche für die meisten unter ihnen das einzige unterscheidende Merkmal bildet, und die auch innerhalb des Verbes das eigentliche Moment des Gebrauchs darstellt, muß dabei außer Acht bleiben. Bekanntlich sind innerhalb der Verba dicendi die Unterscheidungsmöglichkeiten nach Aussageinhalt außerordentlich vielfältig. Es würde aber weit über den Raum und die Aufgabenstellung dieser Arbeit hinausführen, wollten wir uns in die Verzweigungen dieser Bedeutungselemente vertiefen. Sie haben, was die lautliche Seite betrifft, höchst selten eine Rolle zu spielen. Viele Verben, die man als Verben zur Bezeichnung eines Mitteilungsaktes betrachten muß, müssen wir überhaupt aus unseren Betrachtungen ausschließen, da die lautliche Seite, auch wenn es sich faktisch meist um Sprachakte handelt, keine Rolle spielt. Beispiele zeigen jedoch, daß solche Mitteilungspunkte auch anders als mittels der Sprache erfolgen können. Als Beispiel für solche Verben sei nur „jehen" vorgeführt. Zwar bezeichnet „jehen", wie angetönt, meist einen Sprachakt: N. 391,1
Do sprach der herre Slvrit: „nu solt ir tougen spehen under den juncvrouwen, und sult mir danne jehen weihe ir nemen woldet, hetet irs gewalt.
„Jehen" kann aber auch, durchaus im Unterschied zu Verben wie „sprechen", „reden" oder „sagen", mit Wörtern als Subjekt auftreten, die keine redebegabten Wesen darstellen: P. 364,26
P. 738,6
zwei ougen und ein herze jach, diu Lippaot mit im brähte dar, daz der gast wacre wol gevar und rehte manliche site sinen gebaerden wonten mite. sweders herze dar um vreuden jach, dä stuont ein truren nähe bi.
Abgrenzungen im Bereich der Stimmbezeichnungen
115
Man kann also auf Grund dieser Gebrauchsmöglichkeit sagen, daß „ jebett" viel eher einen allgemeinen Mitteilungsakt als eine Mitteilung mit Hilfe der Sprache bezeichnet. Deshalb kann es auch aus dem Kreis der Verben ausgeschlossen werden, die als solche einen Sprechakt bezeichnen und damit auch obligatorisch eine lautliche Komponente besitzen müssen. Als ein weiteres Beispiel eines Verbes, das ebenfalls eine Mitteilung bezeichnet, die nicht mit sprachlichen Mitteln geschehen muß, sei noch „biten" angeführt: I. 3819
si bat in mit gebaerden gnuoc.
Eine weitere Gruppe von Verben umfaßt Wörter, deren Inhalt anders als bei den eben behandelten immer als sprachliche Äußerung betrachtet werden muß, wo also eine lautliche Seite des Mitteilungsaktes obligatorisch ist. l a u t liche Seite' muß dabei so weit als möglich gefaßt werden. Als Musterbeispiel für diese Gruppe kann man „klagen" anführen. „Klagen" bezeichnet den hörbaren Ausdruck für Schmerz oder eine andere unangenehme Empfindung. Dementsprechend kann „klagen" im Einzelfall sehr wohl ein lautes Wehklagen meinen: P. 109,20 N. 1222,4
diu vrouwe in klagete überlüt. ir was eriteniuwet daz ir vil grcezlichez klagen.
Andererseits kann „klagen" aber auch einfach in einem normalen Sprachakt ohne besondere Merkmale Mitteilungen von für den Sprecher unangenehmen Inhalten bezeichnen. Dieser Sprachakt muß sich in seiner lautlichen Form von einem beliebigen andern in keiner Weise unterscheiden: 1.2830
P. 304,10
hiure bin ich ganz verlorn (midi muez daz ichz iu muoz clagen): mir hat der schür erslagen den besten bü den ich hän. liget Artus da, so muoz ich klagen daz ich in niht mit eren min mac gesehen, noch die künegin.
Ähnlich wie „klagen" scheint sich, als weiteres Beispiel, auch „bägen" zu verhalten. Dessen inhaltliche Komponente, die kurz zusammengefaßt als Ausdruck des Widerspruchs, des Protestes' zu umschreiben wäre, kann mit sehr verschiedenen lautlichen Mitteln mitgeteilt werden; entweder zum Beispiel „sehnende", (falls sich im ersten unten angeführten Beispiel das „sehnende" auf „bägende Worte" bezieht), oder, wie wohl für das „bägen" vor dem König im zweiten Falle anzunehmen ist, in gewöhnlichem Redeton:
116
Schallwörter im Mittelhochdeutschen P. 247,13
Wi. 138,29
al schriende lief der junge man wider ze sinem orse sän, mit bägenden Worten saz er druf. do wolde er nach den andern gen durch bägen vür den künec sten.
Zusammenfasesnd können wir von dieser Gruppe von Wörtern sagen, (wobei wir selbstverständlich lange nicht alle Fälle aufzählen konnten), daß für sie die lautliche Komponente der Äußerung zwar durchaus notwendig ist, diese Komponente aber nicht über eine allgemeinste Kennzeichnung hinausgeht. Viel eher sind innerhalb dieser Festlegung alle möglichen Verwirklichungen zugelassen. Eine der am häufigsten vorkommenden Gruppen der zur Rede stehenden Verben sind jene Verben, die man als Verba dicendi im engeren Sinne zu bezeichnen hat; es handelt sich um so häufige Wörter wie „reden", „sagen", „sprechen", oder, mit Bedeutungsdifferenzen bezüglich des Aussageinhaltes der damit bezeichneten Sprechakte, „vrägen" und „ antwurten", um nur wenige zu nennen. Diese Verben besitzen ebenfalls das Charakteristikum, stets einen Mitteilungsakt in der Form eines konkreten Sprechaktes zu bezeichnen. Dazu kommt aber noch die Einschränkung, daß dieser Sprechakt immer in normalem Redeton ausgeführt wird oder immerhin keine speziellen Abweichungen davon zu bemerken sind. (Die Frage, wieweit dies durch die Festlegung des Inhaltes der Mitteilungen bedingt sei, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.) Beispiele für die Verwendung dieser Wörter sind, wie man nur schon beim Überfliegen eines gewöhnlichen Erzähltextes bemerkt, überaus häufig: N. 1230,1
P. 62,14
Wi. 65,17
Wi. 58,15
„Nu si iu erloubet", sprach diu kunegin. „swaz ir reden wellet, also stat min sin, daz ich ez gerne hoere; ir sit ein böte guot." von im vräcte ich der maere: nu sageten si mirz sunder wanc ez waere der künec von Zazamanc. mit unkreften Vivianz sprach: „sit ich von Alischanz schiet, ich enhörte niht noch sach: wan Kerubin der engel sprach, ich solde dich noch ob mir gesehen. „ir gunerten Sarrazin ob beidiu hunt unde swin midi trüegen und dazuo diu wip, aus manegen werlichen Up, vür wär möhte ich wol sprechen doch, daz iuwer ze vil waere dannoch."
Diese Verben stellen als Gruppe jene Ausdrücke dar, die in der neutralsten Form einen Sprachakt bezeichnen. Diese Neutralität bezieht sich hauptsächlich auf den Inhalt, aber auch auf die lautliche Form der Aussagen. Es ist damit das
Abgrenzungen im Bereich der Stimmbezeichnungen
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Moment verbunden, daß die betreffenden Aussagen nicht von einer üblichen Art des Sprechens, von einer Norm des Gewöhnlichen abweichen. Die Frage, ob die Lautgestalt der Äußerung eine für die Bedeutung relevante Rolle spielt, muß auch noch für „rûnen" und „murmeln" gestellt werden. Beide bezeichnen offenbar ebenfalls sprachliche Mitteilungen, die aber teilweise von der normalen Rede in der Ausführung abweichen, indem ihnen das Moment der allgemeinen Verständlichkeit fehlt. In beiden Fällen muß aber gefragt werden, ob dabei im Vordergrund steht, daß leise gesprochen wird, oder ob der Umstand wichtiger ist, daß andere Leute diesen Sprechakt nicht verstehen, durch welche Mittel auch immer diese Unverständlichkeit erreicht werden möge. Unterziehen wir zunächst „rûnen" einer näheren Betrachtung, so finden wir folgende Beispiele: N. 882,1 N. 883,1 P. 278,24
Der künec mit sînen vriunden runende gie. Eines tages Sîvrit si rûnende vant. über al diu massenîe sprach, des roten riters eilen naeme den pris zeinem gesellen, des jähen si âne rûnen.
Tr. 10697
da ganc geswasliche hin und vrage, welher und in Curneval da si genant: dem selben rune zehant, daz er ze sinem herren ge;
Die beiden Verse aus dem Nibelungenlied müssen aller Wahrscheinlichkeit nach eher so verstanden werden, daß die Burgunder ihre Beratungen so führen, daß kein Außenstehender von deren Inhalt erfuhr, eher jedenfalls, als in dem Sinne, daß sie flüsternd miteinander sprachen. Ebenso liegt der Akzent in der Stelle aus Parzival darauf, daß die Bewunderung über den roten Ritter nicht nur heimlich ausgesprochen wurde, sondern offen zum Ausdruck kam. Ähnlich kann man wohl sagen, daß schließlich Tristan in V. 10697 ff. dem Boten nicht ans Herz legt, leise zu sprechen, sondern, den Auftrag heimlich auszuführen. Diese Auffassung wird, um eine Stelle aus einem andern Denkmal zur Ergänzung beizuziehen, auch an andern Orten noch bestätigt: Rennew. 3547 kume ich ze Munleune wil deine ich mit im rune-,
ich sage im offenliche daz ich da wil han daz riche und dar zü sine kröne. In diesem Beispiel besteht der Gegensatz zu „rûnen" explizit im „offenliche sagen", also darin, etwas so zu sagen, daß es jedermann erfahren kann, und nicht im lauten Sprechen.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
118
Somit wäre „rünen" in Bezug darauf, wie die Mitteilung lautlich realisiert wird, indifferent. Es kommt nicht darauf an, ob laut oder leise gesprochen wird, sondern darauf, ob etwas heimlich oder nicht heimlich mitgeteilt wird, ob für den Außenstehenden die Kenntnisse des Inhalts beim Mitteilungsakt ersichtlich wird oder nicht. Schwieriger ist es, die Verhältnisse in Bezug auf „murmeln" zu klären. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Belege reicht dazu bei weitem nicht aus. In unseren Texten kommt das Wort nur einmal vor: E. 8159
nü murmelte aber diu diet: „nü sdiinet du enwizzest wol...
An dieser Stelle muß, aus dem Kontext zu schließen, der von Hartmann beabsichtigte spezielle Sinn in ,für sich sprechen' liegen; möglicherweise ist auch geringe Lautstärke mit eingeschlossen. Auf diese letztere weist mit mehr Deutlichkeit eine Stelle mit dem zu „murmeln" gehörigen Substantiv „murmel": E. 8109
daz geschach niht mit schalle: ez wart mit murmel getan.
Aus dem spärlichen Belegmaterial, das hierzu die größeren mittelhochdeutschen Wörterbücher bieten, lassen sich jedoch keine weiteren Schlüsse ziehen. Die diesbezüglichen Fragen müssen also in dieser Arbeit offengelassen werden. Zum Schluß dieser Unterscheidungen kann noch darauf hingewiesen werden, daß die selben Differenzierungen, wie wir sie soeben bei den Verben gefunden haben, bis in Einzelheiten hinein auch bei den Substantiven zu treffen sind. Wir verzichten wegen dieser Parallelität auf gleiche Ausführungen für die Substantive. 8. Verben zur Bezeichnung des
Stimmgebrauchs
Wir werden im folgenden ausführlicher nur die hinsichtlich des lautlichen Aspekts von Stimmäußerungen besonders markierten Verben behandeln. Was die Verben mit dem Merkmal ,lautlich normal' betrifft, so haben ja Unterscheidungen innerhalb dieser Gruppe selbst nur einen Sinn, wenn man nach inhaltlichen Momenten der Äußerungen sucht. Für die Untersuchungen unter dem Aspekt des Lautlichen genügt es, diese Verben als Gruppe zu erwähnen. Unter den Wörtern, die im Bereich des Lautlichen ausgezeichnet sind, wollen wir uns zuerst dem Paar „rüefenJruofen"n) — „schrien" zuwenden. Beide 13
Einen bedeutungsmäßigen Unterschied zwischen der starken Bildung „ruofen" und
119
Verben des Stimmgebraudis
werden offenbar für besonders lautstarke Äußerungen verwendet. Das zeigt beispielsweise die häufige Hinzufügung von entsprechenden Adverbien und Adverbialausdrücken, die zudem bei den neutralen Verben nur höchst selten hinzutreten: P. 525,24 der künec rief lute: „heia hei!" N. 1552,1 Do ruofte er mit der krefte daz al der wäg erdöz, wan des helden sterke was michel unde groz. I. 3843 im half diu hitze und der stanc, daz er den lewen des betwanc daz er al lute schre. Eine Verstärkung durch Jute" ist in all den untersuchten Texten bei den Verben „reden", „sagen" und „sprechen" überhaupt nur an drei Stellen im Nibelungen der Fall: N. 466,1
Zuo ir ingesinde
ein teil si
litte
sprach.
Angesichts der überaus großen Häufigkeit dieser Verben bilden diese drei Fälle eine verschwindende Zahl von Ausnahmen. Demgegenüber werden von den 25 Stellen, wo „rüefen"/„ruofen" im Nibelungenlied vorkommt, neun durch einen Zusatz, der die Lautstärke unterstreicht, ergänzt. „Lute sprechen" braucht aber nicht synonym mit „ruofen" zu sein. Man kann sich erstens in beiden Fällen noch eine Variationsbreite der Lautstärke vorstellen, die nicht zur Vermischung der Grenzen der beiden Wörter zu führen braucht. Audi im Neuhochdeutschen bildet „rufen" ja lautstärkemäßig eine qualitative Steigerung gegenüber „laut sprechen". Vemutungsweise kann man aber noch einen weiteren Unterschied zwischen „sprechen" und „ruofen" formulieren. Es fällt nämlich auf, daß bei „sprechen" und den anderen Wörtern dieser Gruppe eine bestimmte Möglichkeit des Gebrauchs vermieden wird, die für „ruofen" gar nicht selten erscheint: Die Überwindung einer räumlichen Distanz mittels des lauten Rufens: N. 1548,1 Wig. 101 Wig. 4513
Und kum er nicht bezlte so ruofet über fluot und jehet ir heizet Amelrich. swaz den von mir wirt geseit, daz ruofte ich gerne in einen walt. da lägen wilde graben vor; die wären so vreislidie tief, als ein man dar in rief, daz ez vil küme her üf hal;
In „ruofen" könnte also sehr wohl gegenüber den andern Verben, die wir bisher erwähnt haben, das Moment enthalten sein, daß die Stimme so lautstark der schwachen Form „rüefen" kann man nicht finden, sodaß die beiden Formen zusammen und ununtersdiieden behandelt werden.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
120
gebraucht wird, weil eine Distanz überwunden werden muß. Allerdings ist es sehr schwer, dieses Moment aus dem Tatbestand der Lautstärke herauszulösen und zu beweisen, daß es als selbständiges Merkmal verstanden werden muß. Wir haben oben festgestellt, daß genau wie „ruofen" auch „schrien" eine lautstarke Äußerung der Stimme bezeichnet. Es stellt sich nun die Frage, welche Kriterien den Unterschied zwischen „ruofen" und „schrien" bilden. Zunächst können wir dazu beobachten, daß es Bereiche gibt, in denen „ruofen" und „schrien" ziemlich ähnlich verwendet werden: E. 5296
N. 1892,2 I. 6761
P. 231,23
do horter eine stimme jämmerlichen grimme von dem wege wüefen nach helfe rüefen. man horte sine mäge ruofen unde klagen. wand er in beiz unde brach swä er in blozen sach, unz er nach helfe schrei. da wart geweinet und gesehnt üf dem palase wit, daz volc von drizec landen möhtes den ougen niht enblanden.
Auf der andern Seite finden wir aber mehrere Einzelheiten, die „ruofen" von „schrien" in der Verwendung trennen. Ein erster Punkt liegt zunächst auf der syntaktischen Ebene, findet jedoch seine Begründung auch auf derjenigen der Semantik. I m Falle von „ruofen" wird nämlich als Ergänzung sehr oft die Person erwähnt, an die das „ruofen" gerichtet ist. Diese Ergänzung kann entweder im Dativ stehen, oder, meist in Verbindung mit „an-" als zum Verb gehöriges Partikel, im Akkusativ; eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Person mittels der Präposition „zuo" u. ä. als Adverbialergänzung anzufügen: I. 3617 Tr. 6473
N. 1983,1
si sprach: „wer ruofet mir? wer?" da rief an der stunde von herzen und von munde manec edelin zunge hin zu gote, daz got mit sinem geböte bedsehte ir laster und ir leit und loste si von schalcheit. Kriemhilt diu riche rief Dietrichen an.
Solche Möglichkeiten, den Adressaten der Äußerung als direkt dem Verb untergeordneten Satzteil anzugeben, finden wir im Falle von „schrien" nicht. „Schrien" geschieht gewissermaßen zum Selbstzweck, dient nicht der Kommunikation. Es wendet sich nirgends an eine Person, die das, was geschrien wird, hören soll. Ganz ähnliche Folgerungen lassen sich ziehen, wenn man die Fälle betrach-
Verben des Stimmgebrauchs
121
tet, wo der Inhalt dessen, was ausgerufen oder geschrien wird, explizit ausgeführt wird. Bei „ruofen" stehen in diesem Falle durchaus imperativische Sätze im Vordergrund, besitzen sie nun die grammatikalische Form eines Imperativs oder drücken sie ihren imperativischen Inhalt auf andere Weise aus: N. 1613,1 I. 4625 Tr. 11221
Do begonde er ruofen Danewarten an: „hilfä, lieber bruoder, ja hat mich bestän ein helt ze sinen handen, der'n lat midi niht genesen. ez rief dirre und rief der „harnasch unde ros her!" nu hiez man ruofen in den sal eine stille über al.
Solche imperativischen Sätze erscheinen für „schrien" als Inhaltsangabe dessen, was geschrien wird, nirgends. Es erscheint demgegenüber viel mehr für „schrien" charakteristisch, daß es mit Interjektionen verbunden wird. Interjekjektionen, so kann man hier beifügen, sind ja Redeteile, die an der Grenze von der artikulierten Sprache zu unartikulierten sonstigen Äußerungen der Sprechwerkzeuge stehen. Allerdings erleidet diese Eigenart von „schrien" zweierlei Einschränkungen. Erstens kann auch „ruofen" mit Interjektionen verbunden werden, und zweitens folgt auf die durch „schrien" eingeleiteten Interjektionen meist noch eine Rede, die sich durchaus im Rahmen einer sprachlichen Äußerung bewegt: E. 6841 Wig. 2422
P. 382,12 P. 407,15
vÜ lüte schre er: wäfen! man mohte vil wol an ir sehen daz ir leide was geschehen, wan si vil jsemerlichen schre „owe mir armen wibe, we." dicke Nantes wart geschrit, Artuses herzeichen. da bi er dicke lüte schrei: „ouwe unde heia hei mins herren, den ir sluoget."
Auch wenn der Inhalt dessen, was mit „schrien" ausgedrückt wird, sprachlich formuliert wird, bleibt aber ein wichtiger Unterschied zu „ruofen" bestehen, indem der Ausdruck imperativischer Äußerungen nur mit „ruofen" bezeichnet werden kann. Man kann sogar noch weiter gehen und in Übereinstimmung mit der oben gemachten Beobachtung, daß nur bei „ruofen" jemand genannt wird, der mit der Äußerung angesprochen wird, soviel sagen, daß dies auch für jene Fälle gilt, wo ein sprachlicher Inhalt von „schrien" gegeben wird. Ein solcher sprachlicher Inhalt enthält nämlich im Falle von „schrien" kaum je eine Anrede an irgendjemanden, sondern bleibt im Bereich des Selbstausdruckes. Wenn geschrien wird, wird damit kein Kommunikationsversuch unternommen.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
122
Den gleichen Unterschied stellen wir fest, wenn wir die zweite der oben gemachten Einschränkungen, daß nämlich „ruofen" so gut wie „schrien" mit Interjektionen verbunden werden könne, näher betrachten: Tr. 3014 P. 525,24
hie mite begunder überlut den hunden ruofen: „za za za!" der künec rief lûte: „heiä hei!"
Untersuchen wir nämlich den Kontext der angeführten beiden Beispiele, so stellen wir fest, daß diese Interjektionen an beiden Orten einen eindeutig imperativischen Sinn besitzen. Tristan lockt mit seinem Ruf die Hunde zum Fressen herbei; König Artus ruft mit seinen Worten die Tafelrunde zur Hilfeleistung an einer wehrlosen Frau auf. Auch wenn „ruofen" mit Interjektionen verbunden wird, gilt die Feststellung, daß damit jemand angesprochen wird, und zwar in den vorliegenden Beispielen mit ausgesprochen imperativisdien Wendungen. Als letzte Tatsache in diesem Zusammenhang sei schließlich noch angeführt, daß Stimmäußerungen von Tieren ausschließlich mit „schrien" und nie mit „ruofen" bezeichnet werden: Wig. 6425
sîn ors begunde schrîen und ze weien sêre.
Dies weist unzweifelhaft darauf, daß „ruofen" in sich eine Äußerung gedanklicher Art impliziert. Nicht notwendig ist dies aber für „schrien", das ja eben auch für Tiere verwendet wird. Aus allen diesen Beobachtungen können wir folgende Schlüsse zusammenfassen: „Ruofen" und „schrien" werden beide für Äußerungen der Stimme gebraucht, deren Lautstärke über der gewohnten durchschnittlichen Norm liegt. „Ruofen" bezeichnet aber eine Äußerung mit gedanklichem, oft imperativischem Inhalt, die eindeutig auf einen Hörer hingerichtet ist. Wahrscheinlich ist es eine Äußerung, die eine gewisse räumliche Distanz überwinden muß und die aus diesem Grunde eine besondere Lautstärke aufweist. „Schrien" dagegen bezeichnet nicht eine Äußerung, die der Mitteilung dient, sondern eine solche, die den Charakter des reinen Selbstausdruckes ohne Zielgerichtetheit besitzt. Die Stimmäußerung muß deshalb auch nicht einen gedanklichen Gehalt besitzen, sondern kann in einfachem Stimmgebrauch bestehen. Aus diesem Grund kann „schrien" auch für die Äußerungen von Tieren verwendet werden. In den Bereich der Verben, die den Schall der Stimme bezeichnen, gehört auch „gellen". Es ist allerdings nicht allzuleicht, Sicheres über dessen Verwendung auszusagen, da im ausgezogenen Material nur zwei Belege zu finden sind: Wi. 35,13
des voie was vom und hinden horn âne menschlich stimme erkom: der don von ir munde gal sam die leithunde oder als ein kelber muoter lüet.
Verben des Stimmgebrauchs Wig. 7022
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von im vlöch der välant, beidiu man unde ros gegen dem nebel uf daz mos und gal so vreisliche daz daz ertriche nädi im hal da er lief.
Unter Umständen lassen Stellen aus andern Schriftstellern im Verein mit den obigen Beispielen deutlichere Konturen für die Verwendung des Wortes erkennen: Kudr. 1444,1 Krone 9281
Krone 9512
Si Sprüngen zuo einander durch strlt in daz wal da herte wider herte in dem stürme ergal. als sie zuo im liefen si gullen unde riefen, daz der walt aller nach hal; wan dirre jämmerlichen gal der den arm het verlorn. Mit diu liefen zuo dem Stade die tiuvel alle mit vil grozem schalle, ir was ein michel her; sie riefen unde gullen, daz näch ir galme schullen beidiu berc unde tal.
Ein sicher immer wiederkehrendes Merkmal dieses Wortes scheint auf jeden Fall die große Lautstärke zu sein. Es scheint sich auch im Material, das zur Verfügung steht, stets um Stimmgebrauch zu handeln, der außerhalb der Sprache steht. Einerseits wird „gellen" auch für Tiere verwendet, andererseits kommt auch in den Fällen, wo es zusammen mit „ruofen", einem Verb, das eher zur Sphäre der Sprache gehört, verwendet wird, keinerlei Anzeichen einer sprachlichen Formulierung hinzu, sodaß sich eher „ruofen" im Verzicht auf eine solche sprachliche Ausformung in seinem Verhalten an ein unsprachliches „gellen" angleicht als umgekehrt. Ziemlich sicher haben wir also in „gellen" ein Verb ohne das Merkmal eines sprachlichen Inhaltes vor uns. Wenn wir „gellen" im weiteren „schrien" gegenüberstellen, so fällt uns zunächst hinsichtlich „schrien" auf, daß in ihm stets das Moment eines affektiven Ausdrucks vorhanden ist. „Gellen" bleibt in dieser Hinsicht durchaus neutral. Ein Ausdrudesmoment kann zwar dabei sein, ist aber für den Gebrauch irrelevant. Für sich allein besagt „gellen" nichts weiter als ,lautes Ertönenlassen der Stimme'. Im Lichte dieser Beobachtung fällt dagegen für „schrien" auf, daß es nicht einfach ein solches ,lautes Ertönenlassen' meint, sondern stets als Ausdruck einer innern Gestimmtheit zu verstehen ist, sei es als Ausdruck des Schmerzes oder der Angst oder der Kampfeslust (wie im „schrien" von Schlachtrufen) oder sonstiger Erregung. Im Anschluß an diese Feststellungen können wir noch
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
124
bemerken, daß „ruofen" weniger durch solche Ausdrucksqualitäten gekennzeichnet ist, die hier ebenfalls ohne Relevanz sind, als durch die Tatsache, daß es sich um einen Kommunikationsakt handelt. Dieses Merkmal ist seinerseits die Unterscheidungskomponente zwischen „ruofen" und „gellen". An dieser Stelle müssen wir noch „kriieren" erwähnen. Dieses Wort bezeichnet durchwegs das laute Rufen beim ritterlichen Kampf: P. 68,19
E. 3080
sich huop ein kriieren von zwein helden fieren: von Poitouwe Schiolarz und Gurnemanz de Gräharz, die tjostierten üf dem plan. abe einer wende nam er beide schilt unde sper und begunde kroiieren, als er wolte buhurdieren.
Man könnte sich fragen, ob irgendein bestimmter Ausdruck mit diesem Schreien verbunden sein müsse. Daß es nicht Kampfeslust sein muß, zeigt jedenfalls das folgende Beispiel: Wig. 4553
man horte da niwan ,we! we!' vor in kreigieren da.
Die häufige Parallelverwendung von „schrien" in der gleichen Situation deutet aber an, daß darin doch ein Ausdruck allgemeinerer Art enthalten sein muß. Als zusätzliche bestimmende Merkmale kommen aber noch die Situationsbedingungen, nämlich die Umgebung des ritterlichen Zweikampfes oder einer Schlacht, hinzu. Auch das Schreien selbst ist als Teil dieser durch ritterliche Konvention geprägten Situation zu betrachten. Bezeichnenderweise findet sich denn auch das modische Wort im Nibelungenlied nicht. Endlich gehört zu den Verben der Stimmäußerungen „wuofen", (neben dem genau wie bei „ruofen" eine bedeutungsmäßig nicht unterschiedene schwache Nebenform „wüefen" existiert). Es sind in unserem Belegmaterial allerdings nur zwei Beispiele für die Verwendung dieses Wortes zu finden: E. 5296
P. 104,25
do horte er eine stimme jaemerlidien grimme von dem wege wüefen, nach helfe rüefen. diu vrouwe do begunde daz si da vor niht künde, beidiu zabeln unde wuofen, in släfe löte ruofen.
Wenn man die von Benecke und Lexer angeführten Stellen zu Hilfe zieht,
Verben des Stimmgebrauchs
125
ergeben sich aber doch einige Züge, die man als charakteristisch für dieses Verb annehmen kann: Krone 11197
dö des niht mohte wesen, daz er si wolte län genesen, sie wuofte lüte unde schre und sprach vil dicke: we mir, we! W. v. Rh. 8,37 Darumb er nit sin truren lie, Keiner trost an im vervie, Er weinde unde wuofte, Daz er erbermde hette sin Aid naeme in von der weite hin. „Wuofen" J„wüefen" scheint also den lauten Ausdruck der Klage und des Jammers zu bezeichnen. Der Gebrauch ist somit durch die seelische Stimmung, die durch eine solche Äußerung zum Ausdruck gebracht wird, bedingt. Diese Eigenart teilt das Wort aber mit „klagen". „Klagen" kann jedoch, wie oben festgestellt wurde, sehr gut auch als regelrechtes Verbum dicendi verwendet werden. Hierin unterscheidet sich nun „wuofen" von „klagen" aufs deutlichste. „Wuofen" erscheint niemals mit einem ergänzenden daz-Satz oder einem direkten Objekt, das den Grund angibt, worüber geklagt wird. Es ist im Gegenteil stets ein intransitives Verb. Ein weiterer Unterschied von „woufen" und „klagen" besteht, wie man an den gegebenen Beispielen sehen kann, darin, daß, während „klagen" auch sprachliche Äußerungen im gewöhnlichen Redeton umfaßt, also hinsichtlich der lautlichen Erscheinungsform einer solchen Äußerung indifferent ist, „wuofen" lautes Schreien impliziert. Die hauptsächlichen Momente von „wuofen" bestehen also darin, daß es für ein lautes Schreien mit dem Ausdruck des Schmerzes gebraucht wird. Es ist somit als ein Unterverb zu „schrien" zu betrachten, das in Bezug auf die Art des ausgedrückten Affektes nichts weiter aussagt, sonst aber den Eigenarten von „wuofen" entpricht. Wir können hier beifügen, daß neben „ruofetf auch „kriieren" und „wuofen" auf die Erzeugung durch Menschen beschränkt sind. Dies ist leicht verständlich, handelt es sich doch sowohl beim Schlachtruf wie beim Klagen um spezifisch menschliche Äußerungen. Keine Schwierigkeiten bietet zum Schluß dieses Abschnittes das Verb „singen". Es bezeichnet innerhalb des Bereiches der Verben für den Gebrauch der Stimme den Bereich der Musik. Insofern entspricht es in seinem Inhalt durchaus dem nhd. „singen": N. 1705,3 Tr. 11532
er videlte süeze doene und sanc ir siniu liet. mit hoher stimme huobens an und sungen eines unde zwir: ,in gotes namen varen wir.'
Auch die Stimmen der Vögel werden offenbar als musikalische Äußerungen betrachtet und dementsprechend mit „singen" bezeichnet:
126
Schallwörter im Mittelhochdeutschen die vogele körnen widere: ez wart von ir gevidere diu linde anderstunt bedaht: sî huoben aber ir süezen braht und sungen verre baz dan ê. dâ hörten si die nahtegal singen vaste gegen der naht.
1.679
Wig. 2017
9. Substantive zur Bezeichnung des
Stimmgebrauchs
Anschließend an die Reihe der Verben für Stimmäußerungen müssen nunmehr die entsprechenden Substantive dieses Unterbezirks von Schaltwörtern auf ihre Bedeutung hin untersucht werden. Zu Beginn sei „stimme" angeführt, das jedoch, wie schon im Althochdeutschen, nur bedingt zur Gruppe der Schallwörter gehört. Wie dort und wie auch im Neuhochdeutschen dient das Wort auch in der vorliegenden Sprachperiode zur Bezeichnung der einem Lebewesen angeborenen Fähigkeit, sich durch Laute zu äußern: E. 5345
N. 1987,1 Wi. 35,14
nû hâte ir benomen diu biter leides grimme vil nach gar die stimme. Mit kraft begonde ruofen der degen ûz erkorn, das sîn stimme erlûte alsam ein wisentes horn. des voie was vorn und hinden horn, âne menschlich stimme erkorn.
Mit „stimme" wird zwar nicht allein die reine, unausgeübte Fähigkeit, Laute zu erzeugen, bezeichnet, sondern auch die Fähigkeit in ihrer Ausübung: I. 409
Tr. 4802
dâ vâhten mit glimme mit griulîcher stimme wisente und ûrrinder. hi wie diu über die heide mit höher stimme schellet.
Dabei tritt dann oft das Element des je persönlichen Charakters, den jede Stimme besitzt, als wichtiges Element hinzu: N. 1988,3 P. 251,28 N. 487,4
er sprach: „Dietriches stimme ist in mîn ôre komen. bî der stimme erkande si den man. dö wandelt' sîne simme der herre Sîfrit dâ vor.
Alle diese Elemente sind aber natürlich untrennbar miteinander verbunden. Sie sind durchaus zu einer Einheit in einem einzigen Begriff zu verknüpfen, den
Substantive des Stimmgebrauchs
127
man etwa als ,ausgeübte oder nicht ausgeübte persönliche Fähigkeit, mit den dazu angeborenen Organen Laute zu erzeugen' umschreiben könnte. Mit „stimme" kontrastiert „braht" insofern, als „brabt" gerade in dieser Beziehung niemals die Fähigkeit, sondern nur hörbare Äußerungen meint. Es bezeichnet den Schall als solchen, eingeschränkt durch die Herkunftsbedingung, daß der Ursprung des Schalles eine Stimme sein muß: I. 679
Tr. 15124
Tr. 12436
Wig. 5227
die vogele komen widere: ez wart von ir gevidere die linde anderstunt bedaht: si huoben aber ir süezen braht und sungen verre baz dan e. sus lac diu heinliche schar nadi gemedielicher sache den tac in ir gemache ane schal und ane braht. Isot vand in ir kindheit eine witze und einen list, den allerbesten zuo der vrist: daz si niemere tasten, wan Brangaenen baeten, daz si an der ersten naht sunder rede und sunder braht bi Marke ir herren Iaege. da was vil michel jämer vor und von klage grozer braht.
Eine besondere Einschränkung bezüglich des Charakters dieses Schalles scheint bei der Verwendung des Wortes nicht gemacht zu werden. W i e die Beispiele zeigen, kann „braht" sowohl Vogelsang wie Wehklagen bezeichnen. Damit, daß mit „braht" nicht die Fähigkeit zur lautlichen Äußerung, sondern nur das physikalische Ergebnis davon registriert wird, fehlt auch die Implikation des persönlichen, je verschiedenen Charakters, der bei „stimme" mitgegeben ist. Zu den Substantiven des Stimmbereiches, muß auch Judem" zugerechnet werden. Es erscheint in den untersuchten Texten allerdings nur einmal, nämlich im Nibelungenlied: N. 941,1
Do hortens' allenthalben ludern unde doz. von liuten und ouch hunden der schal der was so groz, daz in da von antwurte der berc und ouch der tan.
Zieht man Belege aus einem weiteren Kreis von Literaturdenkmälern heran, so ergibt sich folgendes Bild: Wolfd. 141,2
nach riterlichen siten fuorte man den kunie ze Kunstenooel uf den sal. do huob sich allenthalben grosz luden unde schal.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
128 Lohengr. 4357
also manger hande kradem von orsen und von liuten erhal, daz es der hoch wart nider und der lange kurz, swie doch daz an gevider
der ludern was. Apoll. 11013
Si viengen herberge do und slougen hutten auff daz velt. Das kospere gezelt Hiesz der von Tyrland Auf slahen sotze hant. Ir ludem was unmassen grosz, Daz es in die stat dosz.
Ähnlich wie „kradem" wird auch „ludem" stets in Verbindung mit einer Menge gebraucht. Das Wort scheint jedoch weniger als „kradem" auf einen Lärm allgemeiner Art hinzuweisen als auf Stimmenlärm. Stimme ist jedenfalls dabei, auch wenn in den obigen Stellen meist ein Lärm allgemeiner Art bezeichnet wird. Daß dieser Lärm aber nicht mit „ludem" allein bezeichnet ist, darauf scheint die Tatsache hinzuweisen, daß neben „ludem", stärker als bei „kradem", meist noch ein weiteres Substantiv zur Bezeichnung des allgemeinen Lärmens beigezogen wird. Wir können deshalb annehmen, daß „ludem" den Stimmenlärni einer Menge bezeichnet. Wiederum durch andere Bedingungen ist „wuof" bestimmt. Es bezeichnet, entsprechend der Verwendung des Verbes „wuofen" (s. o.) das laute Wehklagen: N. 1036,2
N. 1025,2
E. 5734
wie man die horte klagen, so daz man des wuofes wart in der stat gewar. so daz man des wuofes wart in der stat gewar. do wart von sinen vriunden der jämer also groz, daz von dem starken wuofe palas unde sal und ouch die stat ze Wormze von ir weinen erschal. von jämer huop die guote ein klage vil barmecllche herzeriuwecllche. ir wuof gap alsolhen schal daz ir der walt widerhal.
Audi hier, wie im Falle von „wuofen", scheinen die differenzierenden Elemente von „wuof" etwa gegenüber „klage" und „schrei" darin zu liegen, daß es ausschließlich ein lautes Schreien zum Ausdruck der Klage bezeichnet. Diese Klage besitzt keinerlei Beziehung zur Sprache, sondern bleibt rein außersprachlich. Es ist noch zu ergänzen, daß außer der bisher erwähnten Form „wuof" audi noch an einer Stelle die Bildung „wuoft" erscheint: Tr. 5475
hie huop sich ein michel ruoft, midhel weinen unde wuoft.
Substantive des Stimmgebrauchs
129
Benecke und Lexer geben diesem Wort die gleiche Bedeutung wie „wuof, und aus ihren Belegen scheint auch eine Unterscheidung der Verwendungen dieser beiden Formen nicht möglich. Im weiteren sind noch die vorkommenden substantivischen Entsprechungen von „ruofen" und „schrien" einzubeziehen. Hierzu ist vorerst einmal „ruof" zu redinen. Es ist von den bisher behandelten Substantiven das erste, das sich obligatorisch auf eine Kommunikationstätigkeit beziehen muß. Dazu kommt noch, „ruofen" entsprechend, die über dem gewohnten Maß liegende Lautstärke, die ebenfalls ein relevantes Bedeutungselement darstellt. Wi. 207,1
Wi. 40,1
Wi. 69,1 Wi. 329,13
von den maneger slahte wuofe ir herzeidiens ruofe, und daz ich heidensch wol verstuont, da von was mir rehte kunt, wer si waren, dirre und der. von maneger hurte stoze und von pusfnen döze, püken, tambüren schal und der heiden ruof so lüte erhal, es möhten weif genesen. nü rüefe ich ouch den selben ruof hin ze dem der midi geschuof. wie diu vierde schär do schrite gein überlast in strite? ir ruof was Berbester..
Wenn wir einen Blick auf „schrei" vorauswerfen, so fallen uns in der Verwendung von „ruof einige charakteristische Eigenarten auf. Im ersten Beispiel zeigt sich, daß „ruof verstanden werden kann, was heißt, daß darin eine Information enthalten ist. Im dritten Beispiel bestätigt sich diese Beobachtung insofern, als „ruof" wie das Verb „ruofen" an einen Adressaten gerichtet werden kann. Im letzten Beispiel dagegen fällt auf, daß „ruof so abstrakt werden kann, daß es nicht mehr den konkret ausgestoßenen Ruf, sondern den Inhalt, das geistige Lautbild meint. Dies weist wiederum auf die Geformtheit hin, die durch den Gehalt einer Information bedingt ist. Denn wie wir schon im Zusammenhang mit der Diskussion von „don" und „note" bemerkt haben, kann nur die Voraussetzung, daß ein Lautereignis als geformtes gesehen wird, die Möglichkeit mit sich bringen, daß man dann nicht nur das konkrete Ereignis, sondern auch seine nur potentielle Form mit dem gleichen Wort bezeichnen kann. Zu „ruof gesellt sich als eine weniger häufige, aber durchaus gebräuchliche Nebenform „ruoft". Dieses Wort zeigt jedoch die gleichen Verwendungen wie „ruof: P. 478,30
Amor was sin krie. der ruoft ist zer diemuot iedodi nicht volleclichen guot.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
130 Tr. 5475
hie huop sich ein michel ruoft, michel weinen unde wuoft.
Es bleiben noch die substantivierten Formen zu „schrien" zu erwähnen. Es gibt davon zwei Bildungen: Einmal die einfachere Form „schrei", dann die Kollektivbildung „geschrei": Tr. 9107
von jenem drine er sich verstal, eine halde stapfet er ze tal und lie wol balde hine gan, hin da der schrei da was getan.
Mit „schrei" ist an dieser Stelle der Todesschrei des von Tristan getöteten Drachen gemeint. Diese Verwendung entspricht durchaus derjenigen, wie wir sie bei den durch die Wortartenunterschiede notwendigen Differenzen bei „schrien" gefunden haben. Belege aus andern Texten geben keine neuen Gesichtspunkte, sondern vervollständigen dieses Bild nur: Mai. 154,11 Troi. 33720 Troi. 40054
sich huop ein jaemerlicher schrei. ,owe und heia hei!' schrirn si alle gellche. wuof unde schrei man hoeren do mohte üf der plänie. da wart vil trurens güebet und michel jämer gendet. vil schreies wart gesendet üf in die lüfte hohe embor, dur daz der helt Prothenor da lac zerstücket und zerslagen.
„Schrei" bezieht sich auf Lautäußerungen von Tieren und Menschen, die meist nichtsprachlicher Art sind. Dazu kommt noch, daß offenbar in diesem „schrei" große Lautstärke impliziert ist. Sehr deutlich ist auch, parallel zum Verb „schrien", aber im Gegensatz etwa zu „braht" und „kradem", die Affektgeladenheit, die „schrei" in allen den gegebenen Beispielen aufweist. Wenn wir uns auf „schrien" zurückbesinnen, ist es wohl keine Notwendigkeit, sondern eher zufällig, daß der Affekt, der in den obigen Beispielen ausgedrückt wird, stets Schmerz ist. Diese eben gegebene Merkmalsbeschreibung paßt im großen und ganzen auch auf den Gebrauch von „geschrei", wie die folgenden Stellen zeigen: 1.7110 P. 789,10
man horte niht wan geschrei ,wä nü sper? wä nü sper? ditz ist hin, ein anderz her.' daz tet an siner wunden we Amfortase, der so qual, megede und ritter horten schal von sinem geschreie dicke.
Substantive des Stimmgebrauchs Wi. 152,13
131
solt ir nü weinen sö diu wip oder als ein kint nach dem ei? waz touc helden solh geschrei?
Auch „geschrei" bezieht sich, wenigstens in der Hauptsache, auf nichtsprachliche Äußerungen. Aber auch das Beispiel aus I. 7110 fügt sich in dieses Bild, wenn wir berücksichtigen, daß das emotive Element in der sprachlichen Ausformung durchaus im Vordergrund steht und die sprachliche Äußerung eigentlich nur zu dessen Hervorhebung dient. „Schrei" und „geschrei" entsprechen sich also in diesen Belangen durchgehend. Das unterscheidende Merkmal zwischen den beiden Wörtern liegt somit nur in der Bildung von „geschrei" als Kollektivbezeichnung begründet. So bezeichnet „schrei" vor allem einzelne, abgrenzbare Akte, während „geschrei" ein undifferenziertes Zusammenschallen von vielen Schreien meint. Dabei ist aber, wie die Stellen aus „Mai und Beaflur" und aus Konrad von Würzburgs „Troianischem Kreig" zeigen, „schrei" keineswegs an die eben definierten Grenzen gebunden, sondern kann selbst ebenfalls in eher kollektivem Sinn gebraucht werden. Eher müßte man wohl feststellen, daß „geschrei" an Grenzen des Kollektivbegriifes gebunden ist, die für „schrei" nicht bestehen. An dieser Stelle sei noch „krie" erwähnt, das Gegenstück zum Verb „kriieren". Auch „krie" bezieht sich durchaus auf den Ruf im ritterlichen Kampf: P. 382,27 Wi. 116,10
si schriten Nantes nach ir siten hie oder swä si strites biten: daz was ir krie und ir art. Munschoie wart geschrit do er uns vlühtec wider in tet: daz was diu krie sin.
Grundsätzlich gehört „krie" in den Bereich des Wortes „schrei". Daneben spielen aber noch die Situationsbedingungen eine entscheidende Rolle, in der Tatsache nämlich, daß dieses Rufen innerhalb der Szenerie eines Ritterkampfes oder einer Schlacht ausgestoßen wird. Zuletzt bleibt in diesem Abschnitt noch die Substantivierung von „singen", nämlich „sanc" zu erwähnen. Die Verwendung dieses Wortes entspricht mit den durch die Verschiedenheit der Wortart bedingten Unterschieden derjenigen des Verbes: Tr. 8106
die gevüege Isot, diu wise diu junge süeze künigin also zoch si gedanken in uz maneges herzen arken, als der agestein die barken mit der Syrenen sänge tuot.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
132 E. 8157
nü huop er da ze stunde ein vil vroelichez liet. nü murmelte aber diu diet: 'nü schlnet du enwizzest wol waz dir hie geschehen sol. nü enist doch leider dar niht lanc, daz din vroelichez satte ein vil riuwic ende git.'
„Satte" meint wie das Verb „singen" die Form des Stimmgebrauchs, die den Bedingungen der Musik entspricht. Dazu wird auch bei „sanc" das Erschallen der Stimmen der Vögel geredinet: I. 989
P. 118,7
vil schiere sadi her Iwein den boum, den brunnen, den stein, und gehörte auch den vogelsanc. swenne er aber den vogel erschoz, der schal von sänge e was so groz, so weinde er unde roufte sich, an sin här kerte er gerich.
10. Einzelwörter zur Bezeichnung des
Stimmgebrauchs
Die vorhergehenden Abschnitte, die sich mit den durch die Stimme erzeugten Schall bezeichnenden Wörtern befaßten, müssen noch durch einige Nachträge ergänzt werden. Es sind hauptsächlich einige Wörter nachzuholen, die ebenfalls zu dieser Gruppe der Stimmwörter gehören, die aber im Verlauf der Diskussion noch nicht eingeführt werden konnten. Sämtliche sind ferner nur durch wenige Stellen belegt, sodaß ihre Bedeutung nur unter Zuhilfenahme von Stellen aus andern als den hier ausgezogenen Werken eruiert werden kann. Auch so bleibt oft genug undeutlich, wie ihre Verwendung genau zu definieren ist. „Limmen": Von „limmen" liegen zwei Belege vor: P. 42,13 Tr. 13522
sin zorn begunde limmen und als ein lewe brimmen. da lief michel ritterschaft umbe den eber her unde hin und enwas doch nieman under in der in getorste bestan. sus liez er allez hine gan limmenie durch den palas.
Der Eber, der hier als Subjekt zu „limmen" erscheint, taucht auch in andern Stellen mit diesem Verb auf. Zusätzlich kommt aber auch noch der Bär vor:
Einzelwörter zur Bezeichnung des Stimmgebrauchs
133
Neidh. 36,15 limmende als ein ber er gät. Neidh. 229,68 er gienc limmende als ein eberswtn. Zur genaueren Bestimmung der Bedeutung von „limmen" drängt sich aber ein Vergleich mit „brimtnen" auf, dessen Verwendung derjenigen von „limmen" in vielem sehr nahe kommt. „Brimmen" ist aber in unseren Texten nur einmal belegt: P. 42,13
sin zorn begunde limmen und als ein lewe brimmen.
Klarere Konturen, als aus diesem Beispiel zu finden sind, ergeben sich, wenn weitere Stellen aus andern Denkmälern beigezogen werden: Troye 2990 Part. 18262
swene im sin zorn ane quam als ein grimer ber er bram. der ungehiure vSlant kam zorneclidie brimmende grisgrammend unde limmende üz dem werd nazzer.
Zur Stelle aus „Partonopier und Meliur" muß als Erklärung noch hinzugefügt werden, daß mit „välant" ein Bär gemeint ist. Schon daß die beiden Verben so oft miteinander auftauchen, zeigt ihre Ähnlichkeit. Auch was die Tiere betrifft, die als Subjekte der beiden Verben erscheinen können, stellen wir diese Ähnlichkeit fest. Bei beiden kommen hauptsächlich Löwen und Bären vor. Einen kleinen Unterschied könnte man darin sehen, daß für „limmen" zusätzlich noch Eber hinzutreten. Die Richtung einer Differenzierungsmöglichkeit, die diese Feststellung erklärt, könnte vielleicht durch eine Stelle aus einem Gedicht Frauenlobs, die für jedes Tier die ihm gemäße Lautäußerung angibt, noch deutlicher werden: Frauenl. 54,3
so sol ein lewe limmen unt der ber sol brimmen.
Wir sehen aus diesen Versen, daß es für einen Löwen eher als eigentümlich angesehen wird zu „limmen", für einen Bären dagegen „brimmen" charakteristisch erscheint. Wenn wir dazu noch im Auge behalten, daß für den Laut von Ebern nur „limmen" gebraucht wird, so dürfen wir wohl daraus schließen, daß Jimmen" eher einen brüllenden, „brimmen" dagegen einen mehr brummenden Laut meint. „Brimmen" ist hierbei klarer definiert als „limmen", da dabei ja typische Brüllaute, wie man sie eher für Eber annehmen würde, ausgeschlossen sind. Dagegen müssen wir angesichts der Tatsache, daß Jimmen" ebenfalls für Bären angewendet wird, annehmen, daß man sich darunter einen ziemlich dumpfen, grollenden Laut vorstellen muß. Die Laute sowohl der Löwen wie der
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
134
Eber liegen ja, wenn wir neuhochdeutsche Ausdrücke gebrauchen wollen, auf dem Grenzgebiet zwischen „grollen" und „brüllen". „Lüewen": Das Verb „lüewen" wird in den untersuchten Denkmälern dreimal verwendet: 1.5057 Wi. 35,15 Wig. 5100
unz daz der midiel knabe als ein ohse erluote. der don von ir munde gal sam die leithunde oder als ein kelber muoter lüet. als er des stiches da empfant do begund er lüewen sä zehant, daz der walt al erhal.
Für die Bedeutungsableitung verbleiben die ersten Beispiele aus Iwein und Willehalm; denn auf welche Weise sich ein Drache (welches das Tier ist, das bei Wigalois gemeint ist), sich äußert, dürfte ohne weitere Anhaltspunkte schwierig zu bestimmen sein. Die beiden ersten Stellen weisen aber in die selbe Richtung: In beiden wird auf das Brüllen eines Rindes gewiesen. Dieser Befund wird zum Teil gestützt durch Verwendungen in Werken anderer Schriftsteller: Frauenl. 54,4 Freid. 142,9
dem ohsen lüen, dem rosse zimt negen nach der stimme. die nahtegal dicke müet swä ein esel od ohse lüet.
Das letzte Beispiel, wo „lüewen" auch für Esel verwendet wird, zeigt, daß man die Bedeutung des Wortes nicht zu eng, etwa im Sinn von ,muhen', fassen darf. Eher stellt es ein Wort dar, das allgemeiner mit .brüllen' wiederzugeben wäre. Dabei muß man ohne Zweifel im Auge behalten, daß als Subjekte nur Haustiere, insbesondere von der Gattung der Rinder, auftreten. Wenn man etwa einen Vergleich mit „limmen" anstellt, so ergibt sich, daß „limtnen" ausschließlich mit wilden Tieren assoziiert wird und zugleich viel näher an .brummen' liegt. „Lüewen" dagegen wird nur auf Haustiere angewendet und bezeichnet anscheinend ein viel ausgesprocheneres Brüllen. „Bellen": „Bellen" erscheint in unseren Texten nur dreimal; seine Verwendung ist jedoch durchaus einheitlich. Das Wort bezeichnet offensichtlich daselbe wie das neuhochdeutsche „bellen": Wig. 237
Wig. 5512 Tr. 15886
daz horte man zallen stunden in den gewelben schellen; der kleinen hunde bellen darinne vaste klingen. do kom ein hund und bal si an. (Petitcreiu:) weder ez engrein noch enbal und erzeigte ungebserde nie, swaz schimpfes man mit ime begie.
Einzelwörter zur Bezeichnung des Stimmgebrauchs
135
„Gagen": Der eine Beleg, der sich für „gagen" findet, ist in Wolframs Parzival: P. 282,10
. . . wan daz ein rone was gevalt üf slnem plan, zuo dem er sleich (Artus valke al mite streich), da wol tusent gense lägen, da wart ein michel gägen: mit hurte vlouc er under sie.
Benecke und Lexer geben neben demjenigen aus Parzival einen einzigen weiteren aufschlußreichen Beleg für dieses Wort: Martina 152,64 Vil stet stichet der schaldc Der gotes kempfen läget Gein dem rehten gelouben gaget Als ein vil toube gans. Diese Stelle weist immerhin in die selbe Richtung wie die Verwendung bei Wolfram. Beide Male wird das Wort im Zusammenhang mit Gänsen gebraucht. Man könnte somit als erstes vermuten, daß „gägen" das Schnattern der Gänse bezeichnet. Ob „gägen" nur dafür verwendet wird, oder ob noch weitere Verwendungsmöglichkeiten bestehen, läßt sich anhand von zwei Belegen nicht entscheiden. Immerhin zeigen Angaben in Schmellers Bayerischem Wörterbuch (1. Bd. S. 877) und im Deutschen Wörterbuch (4,1, S. 1143), daß auch in späteren Zeiten das Schwergewicht der Verwendung dieses Wortes auf der Bezeichnung des Schnatterns der Gänse liegt. Man kann aus den beiden Belegen schließen, daß demnach auch im Mittelhochdeutschen wenigstens das Schwergewicht auf dieser Bedeutung liegt und das Wort im Lauf der Zeit keine allzugroßen Veränderungen erfahren hat. „Weien": Für dieses Wort findet sich lediglich ein Einzelbeleg: Wig. 6425
sin ors begunde schrien und ze weien sere.
Die Verwendung läßt sich weiter aus den folgenden Stellen beschreiben: Karl 11519
Troi. 36930 Lanzelet 472
des rosses, da er üfe säz wart Genelünes ros gewar, e daz er volle quaeme dar. do begunde ez lüte weien. man hörte ros da gräzen und vi entliche weien. unserem guoten knehte begunde sin ros weien, gräzen unde schreien, do ez daz pfert het ersehen.
136
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
Aus allen diesen Stellen ergibt sich, daß „weien" offenbar ,wiehern' meint. Abgesehen davon, daß als Subjekt dieses Wortes nur Pferde erscheinen, kann man als Hinweis darauf auch die Tatsache nehmen, daß es oft auch beinahe parallel mit „schrien" gebraucht wird, sodaß unter den verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten des Pferdes nur noch ,wiehern' übrigbleibt. Diese Parallelität unterscheidet „weien" deutlich von „snarchen". Nachträglich bestätigt sich wenigstens indirekt die Vermutung, die wir auf den bezeichneten Laut beim Pferd bei der Behandlung von „snarchen" ausgesprochen haben. Jedoch ergibt sich theoretisch anhand der von andern Quellen beigezogenen Stellen die Schwierigkeit, daß innerhalb dieser selbst „weien" und „gräzen" gegeneinander verglichen werden müßten, um ein richtiges Bild mit Sicherheit zu haben. Auf der andern Seite führte dies über die Begrenzung unseres Material hinaus. Wir lassen es deshalb beim Hinweis auf dieses Problem bewenden, um nicht den Rahmen zu überschreiten. „Grinen" — „grin": Weniger eindeutig scheinen die Regeln zu sein, die den Gebrauch von „grinen" und „grin" bestimmen. Von „grinen" liegen einmal nur zwei Belege vor: I. 875
Tr. 15886
ichn wil mich mit dem munde niht glichen dem hunde der dä wider grinen kan, so in der ander grlnet an. (Petitcreiu:) weder ez engrein noch enbal noch erzeigete ungebserde nie swaz schimpfes man mit ime begie.
Aus dem Kontext ergibt sich als die wahrscheinlichste Möglichkeit, daß in den beiden vorliegenden Fällen mit „grinen" ,knurren' von Hunden gemeint ist. Dagegen wird das sicher mit dem „grinen" in enger morphologischer Beziehung stehende Substantiv „grin" in dem einzigen vorkommenden Beleg von Pferden ausgesagt: P. 155,29
daz ors und daz pherdelln erhuoben einen so höhen grin daz es Iwänet erhörte.
Am wahrscheinlichsten, besonders wenn man weitere Stellen zu Hilfe zieht und die Betonung auf der Lautsärke berücksichtigt, ist eine Bedeutung ,wiehern': j. Tit. 2264,1
Von stoze in hurte pine zwei orse stark und draete in grozen, lutem grine gaben schrie. . . .
Die Verschiedenheit des Inhaltes bei so eng verwandten Wörtern überrascht. Ein Blick in die Mittelhochdeutschen Wörterbücher aber zeigt, daß die Verwendung von „grinen" nicht so eng sein kann, wie sich das aus den gefunde-
Einzelwörter zur Bezeichnung des Stimmgebraudis
137
nen Belegen aus den exzerpierten Schriftstellern allein ergibt. Es werden im Gegenteil Beispiele angeführt, wo „grinen" für das Brummen von Bären, das Grunzen von Schweinen, nicht zuletzt aber das Wiehern von Pferden erscheint14). Vielleicht müßte dabei eine Zweiteilung des Wortgebrauchs in die Unterbereiche ,Knurren'/,Brummen' und ,Schreien'/.Wiehern' angenommen werden. Es muß jedoch zusätzlich bemerkt werden, daß die Belege aus zeitlich wie räumlich sehr heterogenen Quellen stammen, so daß es bei einem so summarischen Überblick fast unmöglich ist, die verschiedenen Bedeutungen in ihrer richtigen Beziehung darzustellen, die ja auch zum Teil Bedeutungsveränderungen einschließen können. Faßt man die frühen Belege (etwa aus der 1. Hälfte des 13. Jhs.) zusammen, und betrachtet man sie als Gruppe für sich, so scheint sich die Verwendung von „grinen" auf ,knurren' zu konzentrieren. Daneben ist eventuell ein zweiter, weniger wichtiger Kern mit,wiehern' anzusetzen. Die andern Möglichkeiten, die vorkommen, wären nach dieser Annahme Weiterentwicklungen und Ausfächerungen einer späteren Zeit. Für das Substantiv „grin" läßt sich nicht ausmachen, ob dessen Verwendung derjenigen des Verbes „grinen" entspricht, da sowohl Benecke wie Lexer fast keine Belege für dieses Wort geben. Man kann deshalb auch über die Verwendungsmöglichkeit als ,wiehern' hinaus keine weiteren Schlüsse ziehen. „Krcejen": Das Verb „ k r x j e n " wird an einer einzigen Stelle von Wolfram verwendet: P. 194,5
es was dennoch so spate daz ninder huon da krxte.
Was bei einem Vergleich mit nhd. „krähen", das ja die direkte Fortsetzung des mittelhochdeutschen Wortes darstellt, auffällt, ist die Tatsache, daß das Wort für das Huhn gebraucht wird, während wir ja „krähen" nur vom Hahn aussagen können. „ K r x j e n " ist jedoch nicht auf den Laut des Huhns beschränkt, sondern läßt sich auch, wie das folgende Beispiel aus einer andern Quelle zeigt, auch mit „han" verwenden: Minnesinger 3,292b
Ich naem' iemer, swaz die hanen krasjen vür daz die nahtegal (ie) möhte gesingn.
Die Möglichkeit, daß in einem der beiden Fälle, etwa bei Wolfram, eine zufällige, einmalige Ausweitung des Gebrauchs eines der Substantive „huon" oder „han" oder des Verbes „ k r x j e n " vorliegt, wird schließlich durch folgende Stelle eher unwahrscheinlich gemacht: MF 244,72 14
da man e wirte in vollen staete vröiden vant, dan kraet diu henne noch der han, ein phäwe ist niender da.
s. Benecke, a. a. O. S. 476; Lexer, a. a. O. Sp. 633, Sp. 1086 f.
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
138
Hier wird ausdrücklich „krsejen" sowohl für „henne" wie für „han" verwendet, was also soviel heißt, wie daß die beiden ersten der angeführten Belegstellen sich keineswegs widersprechen. Soweit die wenigen verfügbaren Beispiele eine solche Folgerung zulassen, muß man vielmehr sagen, daß „krxjen" die den Hühnern und Hähnen eigentümlichen Laute ganz allgemein bezeichnet, daß also dabei weniger der konkrete Laut als die Vogelart, von dem er hervorgebracht wird, im Vordergrund steht und von Bedeutung ist, dies etwa im Unterschied zu den heutigen entspechenden Verben für die Laute der Hühner und Hähne, die sich durch klangliche Unterscheidüngen voneinander abheben lassen.
11.
Adjektive
Als letzter Abschnitt folgt noch die Behandlung der Adjektive, die bis jetzt ganz ausgespart geblieben sind. Von einiger Bedeutung sind allerdings nur „lüt" und „hei", wogegen ein drittes Adejektiv, „heise", nur in einem Einzelbeleg vorkommt. Bei den Adjektiven „lüt" und „hei" gilt es zunächst, den attributiven vom prädikativen Gebrauch zu trennen, da beide auch bedeutungsmäßig voneinander zu unterscheiden sind. Zum attributiven Gebrauch kann auch die Verwendung der von Adjektiven gebildeten Adverbien geschlagen werden. Das Adjektiv „lüt" erscheint als solches zwar in attributiver Stellung in unseren Texten nie; ziemlich häufig kommt dagegen das dazu gehörige Adverb Jute" vor. Dieses Adverb bezeichnet eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Lautstärke der damit bezeichneten Lautereignisse. Das Wort kann mit den verschiedensten Lauterscheinungen verwendet werden, ist also an keine bestimmte Klangqualität gebunden: N. 808,1 N. 585,4 P. 287,2 Wi. 40,1
vil kreftecliche lüte manic pusün erdoz. hey was richer bukelen vor gedrange lüte erdoz! swem sin ze suochen waere gäch, der vund in bi den schellen, die künden lüte hellen. von maneger hurte stoze und von puslnen doze, püken, tambüren schal und der heiden ruof so lüte erhal, es möhten lewen weif genesen.
Daß große Lautstärke das wesentliche Element in der Verwendung des Adverbs „lüte" sein muß, erkennt man leicht an den beinahe regelmäßig hinzutretenden zusätzlichen Hinweisen auf die große Lautstärke: In N. 808,1 etwa durch das Adverb „kreftecliche'', oder in Wi. 40,lf. durch den Hinweis, daß sogar neugeborene Löwen, (die nach einer auch in Wolframs Werken mehrfach
Adjektive
139
erwähnten Vorstellung tot geboren werden und erst durch das laute Gebrüll ihres Vaters zum Leben erweckt werden), durch den Lärm lebendig würden. In P. 287,2f. liegt sogar der ganze Sinn der Aussage darin, daß man Segramors am lauten Klingen der Schellen schon aus der Ferne erkennen könne. Im zweiten Beispiel aus dem Nibelungenlied kann man einen Hinweis auf die Lautstärke im Tonfall des Satzes sehen, der durch das einleitende „hey" bestimmt wird: Das „erdiezen" der „bukele" erscheint dadurch besonders eindrucksvoll und damit lautstark. Im Unterschied zu „lüt" bezeichnet „hei" in attributiver Stellung mit dem dazugehörigen Adverb „helle" einen qualitativen Aspekt. Es bezieht sich auf die .Helligkeit' der Klangerscheinungen: So wird es vor allem für den Klang von Blasinstrumenten verwendet: Wi. 427,1 Tr. 3418
sus kom der künec Purrel mit maneger pusinen hei. ein hornelin süeze unde hei hiez er im geben an sine hand.
Auch „rottumbes"15 besitzen einen Klang, der mit „hei" bezeichnet werden kann: Wi. 360,1
Terramer der riche sprach zeinem künege, dem er jach, daz er kröne da von trüege daz er würfe unde slüege tusent rottumbes hei.
Ferner kann man auch für den Klang von Schellen „hei" gebrauchen: Tr. 15847
daran so hienc ein schelle so süeze und so helle, do ez sich rüeren began, der trüraere Tristan, daz er . . .
Schließlich wird auch Gesang mit „hei" charakterisiert. Wi. 31,12
15
swer sich vinden lät durch in in not, der emphaet unendelosen solt: dem sint die singaere holt der dön so helle erklinget.
H. Riedel, Die Darstellung von Musik, S. 162: „Unter ,rottumbes' (,rottummes') ist eine Schellentrommel zu verstehen, die anstatt des üblichen Schallkörpers einen schmalen, nicht sehr hohen Rahmen hat, in denen Blechplättchen oder Rollschellen angebracht sind."
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
140
Allgemein könnte man sagen, daß mit „hei" und „helle" solche Klänge gekennzeichnet werden, die im Bereich der Verben vor allem mit „hellen" vorkommen. Damit ist die Abwesenheit der Geräuschhaftigkeit in solchen Schallerscheinungen unterstrichen, positiv ausgedrückt kann man sagen, daß es sich dabei durchwegs um ,reine' und .klare' Klänge handelt. Damit ist vielleicht mittelbar oft auch ein Moment des angenehmen Klingens verbunden, besonders wenn man die beiden letzten der angeführten Belegstellen ins Auge faßt. Allerdings kann man hierin wohl kaum ein relevantes Gebrauchsmerkmal sehen. Sowohl „lût" wie „hei" erscheinen, als Prädikat zu einer Kopula wie „werden" oder „sin", also in prädikativer Stellung in einer durchaus von der Bedeutung in attributiver Stellung verschiedenen Verwendungsweise. Dies zeigt sich schon, wenn man einige Stellen beispielsweise mit „lût werden" betrachtet: P. 117,22 Tr. 17254
den gebot si allen an den lîp, daz si immer ritters würden lût. ,wan vriesche daz mîns herzen trût'. in haete Tristan aber do geleret harte schiere nach dem hirze und nach dem tiere, nach aller slahte wilde durch walt und durch gevilde ze wünsche loufen uf der vart, so daz er niemer lut wart.
„Lût werden", wie es in diesen Beispielen verwendet wird, hat keineswegs den Sinn etwa des Gegensatzes zu einem Wort für ,leise'. Während dies ja das entscheidende Kriterium für den Gebrauch des attributiven „lût" darstellt, das ja eine Gradangabe der Lautstärke eines Schallvorganges beinhaltet, stellt sich bei „lût werden" erst einmal die Frage, ob das Schallereignis überhaupt stattfindet oder nicht. „Lût werden" enthält keine Gradangabe, sondern die Bejahung oder Verneinung eines Lautereignisses als solches. Das sieht man in den obigen Beispielen daran, daß ja der verneinte Ausdrude „lût enwerden" sicher ,schweigen' o. ä. heißt, nicht ,leise sprechen'. Ebenso verhält es sich mit dem Ausdrucke „hei werden" : Wi. 57,10 Wi. 333,23 P. 180,20
diu sper mit krache wären hei ûf in ze folge und engegen. der heiden sînen pûneiz sô sêr nam ûz dem kalopeiz, daz sîn tjost wart mit krache bel. der tac gein dem âbende zôch, dô kom er an ein wazzer snel, daz was von sînem duzze bel, ez gäben die velse einander.
Adjektive
141
Die Tatsache, daß außer dem Prädikat „hell werden/sin" oft noch ein Adverbiale die Art des bezeichneten Geräusches angibt, legt auch hier die Vermutung nahe, daß „bei werden" das Ertönen als solches und nicht eine qualitative Kennzeichnung meint. Es wäre sinnlos und würde zum allerwenigsten zu Widersprüchen führen, wollte man in den obigen Stellen in „hei" eine Klangqualität sehen, die ja meist derjenigen, die im Adverbiale gegeben wird, nicht entsprechen könnte, wenn wir die obigen Beobachtungen über die Klangqualität des attributiven „hei" berücksichtigen, es sei denn, man wollte eine eigenartige Dichotomie der Klangqualität beim attributiven und beim prädikativen „hei" annehmen. Auch die folgenden Sätze legen nahe, daß „hell werden" ,ertönen' an sich meint. P. 339,8 P. 551,27
vriunt und vient im des jach, sin krie waere gein prise hei. gestrichen varwe üf daz vel ist selten worden lobes hei.
Die Aussagen, derentwegen die angeführten Sätze ausgesprochen werden, sind sowohl in „gein prise" und „lobes" enthalten. Wäre „hei" ein gewöhnliches Adjektiv in prädikativer Stellung, so wäre das Thema der Aussade in diesem Prädikat zu suchen. Es ist aber unsinnig, in einem einzigen Satz zwei Aussagen anzunehmen, derentwegen der Satz gemacht wird. Da nun aber, wie gesagt, das Ziel der Aussage in den beiden Adverbialausdrücken gesehen werden muß, muß andererseits im Ausdruck „hei werden" eine Bedeutungseinheit verstanden werden, die lediglich soviel wie ,ertönen' besagt. Sowohl „lüt werden" wie „hei werden" sind also Ausdrücke, deren Bestandteile fest zusammengehören. Als solche sind sie direkt dem Bereich der Verben zuzurechnen, und können deshalb auch mit andern Verben in direkte Opposition gebracht und in ein Bedeutungssystem von Verben eingegliedert werden. Als Inhalt hätten wir in beiden Fällen ,hörbar werden' an und für sich anzugeben, die Aussage also, daß etwas ertönt, ohne Rücksicht darauf, wie dieses Klangereignis qualitativ beschaffen ist. Jedoch lassen sich im weiteren „lüt werden" und „hei werden" durchaus untereinander differenzieren. „Lüt werden" wird ausschließlich auf das Ertönen von Stimmen angewendet. Für „hei werden" kommen dagegen nur nicht-stimmbegabte Subjekte in Frage: „wazzer", „tjoste", ,,varwe" usw. Auch „krie" ist in diese Kategorie hineinzunehmen, da dieses Wort selbst ja nur ein Lauterzeugnis ist, nicht aber Subjekt von Lauterzeugnissen sein kann. Somit wären als Inhalt von „lüt werden" .stimmliches Ertönen' an sich und von „hei werden" ,nichtstimmliches Ertönen' an sich anzugeben. Dabei wird außer über die Herkunft über Klangstärke, Klangqualität usw. überhaupt nichts
Schallwörter im Mittelhochdeutschen
142
ausgesagt. Dies unterscheidet diese beiden Ausdrücke von so allgemeinen Verben wie „schellen" oder „hellen", die bei all ihrer Allgemeinheit doch einen gewissen Grad von positiv angegebener Lautqualität oder -quantität enthalten. Audi im Falle von „schellen" muß, wie auch bei „hellen", vor allem eine betonte Komponente von Lautintensität enthalten sein, sonst könnte man zum Beispiel nicht in konsekutiven Folgesätzen eine besonders gute Hörbarkeit unterstreichen: I. 299
nü hienc ein tavele vor dem tor an zwein ketenen enbor:
da sluoc er an daz ez erhal, und daz ez in die burc erschal. Wir könnten diese Komponenten etwa mit ,gute Hörbarkeit' ausdrücken. „Lui werden" und „hei werden" sind diesen Verben gegenüber die einzigen Ausdrücke, die in so allgemeiner Form lediglich die Frage ,hörbar — nicht hörbar' beantworten. Alle andern Wörter geben auf vielerlei Weise noch eine qualitative Komponente der bezeichneten Lauterscheinungen an. Durch diese Angaben von Lautqualitäten etablieren diese Wörter automatisch, wie wir das schon bei den althochdeutschen Entsprechungen gesehen haben, mit ihrer Verwendung ein durch konträre Gegensätze bestimmtes Begrifisfeld, während sich bei „lullhei werden" lediglich eine kontradiktorische Opposition ergibt. Diesen Ausführungen muß noch hinzugefügt werden, daß „lüt werden" und „hei werden" lediglich die unmittelbare Erzeugung von Schall, mit andern Worten ausschließlich den Körperschall angeben können und der Bereich des Luftschalles für sie ausgeschlossen ist. Zum Abschluß muß noch das Adjektiv „heis" erwähnt werden. Das Wort findet sich allerdings nur ein einzelnes Mal bei Wolfram: P. 505,19
er vant ir stimme heise verschrit durch ir vreise.
Aus den Wörterbüchern lassen sich noch folgende Stellen heranziehen: j. Tit. 1209,1
Er vants in dem gezelde
mit stimme clagende heise.
Öfter findet sich allerdings die Form „heiser": Mai. 190,30 Engelh. 5160
die pfaiien wurden heiser von lesene und von singen. diu lütersüeze stimme sin wart unmäzen heiser.
Die Beispiele lassen keinen Zweifel, daß die Verwendung von „heise(r)" derjenigen des neuhochdeutschen „heiser" entspricht. Das heißt also, daß das Wort sich auf die Klangqualität der Stimme bezieht. In den vorliegenden Beispielen wird meist ausgesagt, daß die Stimme unter übermäßiger Beanspruchung
Adjektive
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gelitten habe. In Engelh. 5160f. wird zudem „heise(r)" gewissermaßen als Antonym zu „lütersüeze" dargestellt. Somit wäre als „heise(r)" jene Stimme zu bezeichnen, die, meist infolge übermäßiger Beanspruchung, ihren Wohlklang verloren hat.
V . Schematische Übersicht über die m h d . Schallwörter
1. Verben Bevor wir an die Zusammenordnung der verschiedenen Bedeutungen der Verben gehen, müssen wir die Ausführungen in der Einleitung beachten, wonach nur syntaktisch vergleichbare Elemente verglichen und demzufolge unmittelbar in einer Hierarchie zusammengeordnet werden können. Schauen wir die Reihe der Verben auf die logisch-syntaktische Struktur hin an, so ergibt sich für die meisten, daß es sich um einfache intransitive Verben handelt, also um die einfache Aussage einer Eigenschaft oder Tätigkeit von einem Subjekt, logisch in der Form f(x) angebbar. Eine Ausnahme bildet lediglich „lüten", das, wie wir gesehen haben, eine Relation darstellt. Ein Satz, der alle zu „lüten" gehörigen Elemente enthält, müßte die Form „x lûtet y", logisch ausgedrückt l(x,y) besitzen. Wir müssen deshalb Jäten" außerhalb der Hierarchie der übrigen Verben stellen und in eigene Ordnung einfügen; da aber „lüten" im Bereich der Lautverben das einzige mit dieser logischen Grundstruktur ist, können wir es im folgenden vernachlässigen. Schwieriger ist es, die Frage nach der syntaktischen Einordnung bei Verben
wie „sprechen", „reden", „ruofen", „singen", „schrien" usw. zu beantworten.
Diese Verben zeichnen sich dadurch aus, daß sie sowohl mit wie ohne Akkusativobjekt oder ähnliche Ergänzungen (z. B. Nebensätze) vorkommen können, ohne daß doch dabei von Polysemie gesprochen werden könnte. Um eine klare Antwort auf dieses Problem geben zu können, müßte erst das grammatikalische Verhältnis dieser mehrfachen syntaktischen Verwendungsmöglichkeiten zueinander genau analysiert werden. Diesen Versuch, der ohnehin nur im Rahmen einer umfassenden grammatikalischen Beschreibung geschehen könnte, hier zu unternehmen, erscheint außerhalb der Ziele dieser Arbeit. Sowohl für eine Eingliederung in einen Gesamtzusammenhang wie auch dagegen ließen sich wohl Argumente beibringen. Hier wird vorgeschlagen, eine Eingliederung zu versuchen. Dies hat für den großen Zusammenhang auch deshalb keinen großen Einfluß, als ja diese Verben, wie sich zeigen wird, eine in sich relativ geschlossene Gruppe bilden und notfalls als solche herausgelöst werden können, ohne daß das Gesamtgerüst dadurch allzusehr gestört würde. Zudem sind sie auf verhältnismäßig niederer Stufe der Hierarchie einzureihen. Ganz vernachlässigt werden von den im Laufe der Untersuchungen erwähnten Verben „jehen", „murmeln" und „rünen"-, „jehen" deshalb, weil es, wie
Verben
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festgestellt wurde, gar kein lautlich bestimmtes Verb ist, „rünen" und „murmeln" , weil aus ihren Belegen noch weniger Aufschluß und Sicherheit zu gewinnen war, als bei andern Wörtern, und so stützbare Aussagen darüber nicht gemacht werden konnten. Nicht in die Darstellung einbezogen wurden auch die mehr idiomatischen Verwendungen von „krachen" für Körperteile und von „klingen" für ,Plätschern'. Unsere Gliederungsversuche müssen deshalb folgende Verben berücksichtigen (in der Reihenfolge der Behandlung aufgeführt): diezen hellen schellen krachen klingen dcenen donren kerren klaffen snarchen siusen sungeln
klagen (bâgen usw.) sagen (reden usw.) ruofen schrien gellen krîieren wuofen singen brimmen limmen lüewen weien bellen gâgen grînen knejen
lût werden hei werden
Die Gliederungsprinzipien, nach denen diese Wörter unterteilt werden können, sind zum größten Teil schon in den Ausführungen des untersuchenden Teils als Merkmale dieser Wörter erschienen. Ein grundlegender Unterschied trennt „lût werden" und „hei werden" von allen andern Wörtern: Sie geben keine qualitativen Komponenten, sondern außer der Herkunft ,stimmlich* oder ,nichtstimmlich' lediglich die Tatsache des ,Hörbar Werdens' an sich an. Alle andern Wörter geben zusätzliche inhaltliche Elemente an. Dies gilt, wie erwähnt, auch für ein so allgemeines Wort wie „schellen", das sich von „lût werden" und „hei werden" durch eine positiv betonte Intensität der Lautstärke auszeichnet. Dennoch können „lût werden" und „hei werden" nicht als unbeschränkt allgemein verwendbare Wörter für ,hörbar werden' betrachtet werden, indem sie ja in anderer Hinsicht wieder näher bestimmt sind. Sie fallen nämlich in die Kategorie der Ausdrücke, die einen strikt erzeugergebundenen Schallvorgang bezeichnen. Diese Kategorie wurde bekanntlich auf formale Weise so definiert, daß als Subjekte solcher Verben ausschließlich Wörter auftreten können, die selbsttönende Substanzen bezeichnen. Zu dieser Gruppe von Wörtern gehören,
Schematische Übersicht über die mhd. Schallwörter
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neben der beiden erwähnten „lût werden" und „hei werden", auch „krachen" und dazu wohl auch „dœnen", „keren", „klaffen" und „snarchen". Selbstverständlich sind ferner sämtliche Stimmverben mit diesem Merkmal gekennzeichnet. In dieser Hinsicht unmarkierte Wörter zeichnen sich dadurch aus, daß sie als Subjekte nicht nur Wörter für selbsttönende Dinge, sondern auch unpersönliches „ez" sowie Raumbezeichnungen haben können. Zu dieser Gruppe gehören sicher „schellen", „diezen", „hellen", „klingen" und wohl auch „siusen" und „donern". Wie „sungeln" zu bewerten ist, dies zu entscheiden ist auf Grund des erschlossenen Materials nicht möglich. Anhand der zugänglichen Belege würde man es jedoch am ehesten den erzeugergebundenen Ausdrücken zuordnen. Ein in Bezug auf das Merkmal ,Erzeugergebundenheit' negativ markiertes Verb, das also als Subjekt nur eine Raumbezeichnung oder ein unpersönliches Subjekt haben könnte, scheint in unserem Material nicht vorzukommen. Es existiert also nur der Gegensatz ,unmarkiert' — ,positiv markiert'. In einer Zusammenstellung ergeben sich damit folgende beiden Gruppen: unmarkiert: markiert:
Schellen, diezen, hell, klingen, siusen donern. lût werden, hei werden, krachen, dcenen, kerren, klaffen, snarchen, sungeln, Stimmäußerungen.
Wir können nun daran gehen, innerhalb der Untergruppen die Beziehungen zu ordnen. „Schellen", „diezen" und „hellen" wurden eben gegenüber „lût werden" und „hei werden" durch eine besonders gute Hörbarkeit charakterisiert. Das Verhältnis von „schellen", „diezen" und „hellen" unter sich wurde schon zu Anfang des vorangegangenen Kapitels dargestellt. Demzufolge unterscheiden sich „diezen" und „hellen" von „schellen" durch Beschränkung auf raumzeitlich auf einen Punkt konzentrierte, konkrete Schallereignisse, während demgegenüber „schellen" auch Schallereignisse zusammenfassen kann, die nicht in dieser Weise als konkret bezeichnet werden können. Unter sich unterscheiden sich „diezen" und „hellen" wiederum durch eine gegensätzliche Markierung in Bezug auf das Merkmal ,Helligkeit'. Im Zusammenhang mit „hellen" ist schließlich noch „klingen" zu erwähnen, welches sich von „hellen" durch das Merkmal .wohlklingend' abgrenzt. Von den übrigen Wörtern sind noch „donern" und „siusen" als in Bezug auf ,Körpergebundenheit' neutrale Verben zu betrachten. Die beiden Wörter sind weiters durch Beschränkung auf den nichtstimmlichen Bereich gekennzeichnet. Sie sind im übrigen innerhalb dieses Rahmens von allzu konkreter Bedeutung, als daß sich daraus eine sinnvolle Opposition ableiten ließe. An „klingen" schließen sich zwanglos die beiden Wörter „dœnen" und „singen" mit dem Merkmal,Musik' an. Zu diesem Merkmal besitzen die beiden Wörter aber auch noch die Beschränkung auf ,Körperschall'. „Singen" unter-
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scheidet sich daneben von „doenen" durch die Konzentration auf den Bereich der Stimme. Erwähnen wir zuletzt noch als körpergebundenes, aber in Bezug auf die stimmliche Herkunft unmarkiertes Wort „kerren". Seine Einreihung ist ziemlich schwierig. Man kann offenbar auch nicht sagen, daß es sich bezüglich des Merkmals ,hellklingend' markiert verhalte. Es bleibt nichts anderes übrig, als ein spezielles Kriterium .ächzend' dafür zu postulieren, was allerdings beinahe gleichviel heißt, wie daß sein Klangcharakter nicht klassifiziert werden kann. Damit ergibt sich zunächst für die bis jetzt erwähnten Wörter folgendes Schema:
An „hei werden" mit den Merkmalen ,körpergebunden' und ,nichtstimmlich' sind die Geräuschwörter „krachen", „klaffen", „siusen", „snarchen" und „sungeln" anzuschließen. Man kann diese Wörter zusätzlich unter „diezen" klassieren. Vielleicht könnte man auch wie im Althochdeutschen eine Unterscheidung nach ,stetig' und ,unstetig' vornehmen. Dabei blieben aber die Einteilungen für „snarchen" und „sungeln" unklar. Im Ganzen ergeben sich aber aus den Gegebenheiten des Materials nicht soviele konkrete Feststellungen und Beziehungen, daß sich eine hierarchische Ordnung dieser Wörter nach solchen Merkmalen genügend stützen ließen. Wir müssen diese Wörter deshalb ungeordnet anfügen.
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Schematische Ubersicht über die rr.hd. Schallwörter
Reicher ausgebaut sind die Möglichkeiten, den durch „lût werden" zusammengefaßten Bereich durchzugliedern. Eine erste, grundlegende Unterscheidung kann in Bezug auf das Kriterium gemacht werden, ob ein Stimmakt einen bestimmten Ausdruck enthält oder nicht. W i r haben in einer Gegenüberstellung von „ruofen", „gellen" und „schrien" gesehen, daß ein solcher Ausdruck für „schrien" wesentlich, für „ruofen" und „gellen" aber irrevelant ist. Gleich wie „schrien" muß man offensichtlich auf „klagen", „kriieren" und „wuofen", wie „ruofen" und „gellen" die Verba dicendi und die Stimmesäußerungen der verschiedenen Tierarten klassieren. Dagegen gibt es anscheinend kein Wort, das bezüglich Ausdruckshaltigkeit negativ markiert wäre, das also auf ausdruckslose Stimmesäußerungen beschränkt wäre. Der Gesamtbestand dieser Wörter wäre demnach in die folgenden zwei Gruppen zu unterteilen: bez. Ausdruck unmarkiert: (singen), gellen, ruofen, sagen etc.,brimmen, limmen, lüewen, weien, bellen, gâgen, grînen, krsejen. bez. Ausdruck markiert: klagen, schrien, kriieren, wuofen.
Insofern „gellen" bezüglich Ausdrucksgehalt unmarkiert ist, muß es direkt an „lût werden" angeschlossen werden. Von „lût werden" unterscheidet sich „gellen" aber darin, daß es auf lautstarke Äußerungen ohne sprachlichen Gehalt beschränkt ist. Die weiteren Verben, die zu der hinsichtlich Ausdruck unmarkierten Gruppe gehören, können wohl nur teilweise an „gellen" angegliedert werden. Es ist ja nicht zu erwarten, daß bei allen ebenfalls das Kennzeichen ,lautstark' enthalten sein muß. Die Inhalte welcher Wörter wirklich in „gellen" enthalten rind, dies an expliziten Verwendungen festzustellen reichen die Belege nicht aus. Vermutungsweise können wir aber wohl sagen, daß lediglich „gägen", „grînen" und „kraefen" den Bedingungen von „gellen" nicht entsprechen. Wenn wir die Wörter vorerst gesamthaft betrachten, dann fällt schon bei einer ersten Durchsicht auf, daß sich alle auf Tierlaute konzentrieren. Einzelne bezeichnen die spezifischen Laute einer bestimmten Tiergattung und können deshalb als artgebundene Lautwörter zusammengefaßt werden. Dabei sind wir jedoch an eine Grenze der Strukturierbarkeit gestoßen, indem es hier zwar möglich ist, die Laute richtig zu sortieren, nicht aber, die semantischen Merkmale mit Sicherheit anzugeben, die zu dieser Klassifikation führen. Auch wäre es nur sinnvoll, die Wörter entsprechend den Tiergattungen zu gruppieren, deren eigentümliche Laute sie bezeichnen, so etwa alle Vogellaute als Untergruppe zu behandeln, wenn dem auch im Bereich des Wortschatzes selbst solche Untergruppierungen entsprechen würden. Dies ist im Falle unserer Verben nicht der Fall. Bei diesen Verben müssen wir uns also mit einer ungegliederten Aufzählung begnügen.
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Es handelt sich bei diesen Wörtern um „weien" (Pferd, ,wiehern'), und „bellen" (Hund, ,bellen'), die an „gellen" angeschlossen werden müssen. Direkt an „lût werden" fügen sich „gägen" (Gans), „grinen" (Hund, ,knurren') und „krxjen" (Hahn und Huhn). Besser ordnen lassen sich die allgemeiner, nicht so streng artspezifisch verwendeten Wörter „brimmen", „limmen" und „lüewen". Die Inhalte dieser Wörter unterscheiden sich von den andern darin, daß sie zwar lediglich mit Tieren verwendet werden können, daß sie aber durch eine allgemeinere Festlegung auf ,brüllende Laute', auf Stimmlaute von großer Lautstärke und mit stetiger Lautentwicklung bedingt sind. Ferner haben wir gesehen, daß „brimmen" und „limmen" gegenüber „lüewen" mit Kälbern, Kühen, Eseln usw. als möglichen Subjekten mit wilden Tieren assoziiert werden. Unter sich unterscheiden sich „brimmen" und Jimmen" anscheinend durch einen verschiedenen Lautcharakter, der bei „brimmen" eher als ,dumpf grollend', bei „limmen" als ,brüllend' im engeren Sinne anzusehen ist. Damit ergibt sich für diese Gruppe von Verben folgendes Bild: (lauter als norm.)
lût werden (kommunikativ)
(menschlich)
*grînen *gägen *kraejen (wilde Tiere)
(dumpf grollend)
brimmen
*bellen *weien
lüewen
limmen
Es bleiben noch die restlichen Stimmverben darzustellen. Es ist nicht ganz leicht, alle Verschränkungen, die zwischen diesen Verben bestehen, übersichtlich aufzulösen. In mancher Hinsicht am allgemeinsten charakterisiert ist „klagen", das gegenüber manchen Kriterien, wo bei andern Verben Unterscheidungen gemacht werden müssen, gleichgültig bleibt. So enthalten „schrien", „ruofen", ,.wuofen" und „Mieren" das Element der großen Lautstärke, die gewöhnlichen Verba dicendi das entgegengesetzte des normalen Sprechtons 1
Das Element der Lautstärke müßte man wohl in Bezug auf eine Norm, nämlich der
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Schematische Ubersicht über die mhd. Schallwörter
Auf der anderen Seite verhält sich „klagen" zusammen mit „ruojen" und schrien" der Tatsache gegenüber indifferent, ob die betreffende Äußerung eine sprachliche oder nichtsprachliche ist; „wuofen" dagegen scheint in jedem Falle eine nichtsprachliche Äußerung zu meinen. Demgegenüber sind die Verba dicendi schon durch ihre Definition auf Sprechakte beschränkt. Im Gegensatz zu „ruofen" scheint andererseits „schrien" zusammen mit „kriieren" nicht fähig zu sein, eine Kommunikation zwischen zwei Sprechern darzustellen. Mit diesen beiden Verben können lediglich Äußerungen ohne Adressaten bezeichnet werden. Gegenüber „schrien" zeichnet sich „kriieren" zusätzlich durch die Situationsbedingung ,Kampf' aus. Selbstverständlich teilt auch das nichtsprachliche „wuofen" mit „schrien" den nichtkommunikativen Charakter. Es unterscheidet sich von „schrien" aber auch darin, daß der Inhalt seines Ausdruckes Schmerz sein muß, während „schrien" hierin unbestimmt bleibt. Zusammen mit „kriieren" und „ruofen" ist schließlich „wuofen" auch noch durch das Merkmal .menschlich' eingeschränkt. Trotz seiner Allgemeinheit, die alle die erwähnten Einschränkungen nicht kennt, ist aber selbstverständlich „klagen" nicht das Verb, das den Überbegriff für alle andern ausmachen würde, denn es besitzt selbst noch ein unterscheidendes Merkmal: „Klagen" ist notwendig Ausdruck für die Stimmung gegenüber einem unerwünschten Tatbestand, im besondern für Schmerz. Im übrigen kann hier noch darauf hingewiesen werden, daß sowohl „reden" wie „klagen" nur Repräsentanten von Gruppen von Verben sein sollen, die sich in lautlicher Hinsicht identisch verhalten und nur in Bezug auf den Inhalt unterschieden sind. Wenn wir die Verhältnisse abgekürzt darstellen und die speziellen Merkmale von „klagen" und „reden" vernachlässigen, bekommen wir in einer Darstellung in Matrizenform das folgende schematische Bild (wobei wir der Übersichtlichkeit halber gerade auch noch „gellen" hinzufügen): Ausdruck klagen usw. gellen schrien kriieren wuofen ruofen reden usw.
+ 0
+ + + 0 0
kommunik. 0 — — — —
+ +
sprachl. 0 —
0 0 —
0
+
überlaut 0
+ + + + +
—
menschl. 0 0 0
+ + + +
( + Merkm.)
( + Merkm.) ( + Merkm.) ( + Merkm.)
erwarteten, gewöhnlichen Lautstärke definieren. Wenn man das Kriterium etwa als .lauter als normal' formulieren würde, dann ergibt sich von selbst, daß die Verba dicendi bezüglich dieses Kriteriums negativ markiert sind, wogegen Wörter für lautstarke Äußerungen eine positive Markierung enthalten.
Verben
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Wenn man diese Darstellung in eine sich verzweigende Hierarchie umwandeln will, ergibt sich ein ziemlich kompliziertes Bild. Vor allem drängt sich auf, die Komponenten ,lauter als normal' und ,menschlich' aus der Hierarchie herauszunehmen und als solche nebenzuordnen, da sie ja an verschiedenen Stellen, die durch Verzweigungen voneinander getrennt sind, gleichzeitig vorkommen. Auch für die verschiedenen näheren Bestimmungen bezüglich des im Ausdruck enthaltenen Mitteilungswertes in Verben wie „klagen" und „reden" usw. würde sich eine solche Nebenordnung empfehlen, wobei ja, wie schon bemerkt, nur jeweils ein Beispiel aus der ganzen Gruppe genommen wird, und daneben noch manche andere Kriterien hinzukommen würden. Für das Ganze ergibt sich dann folgendes Bild: lüt (lauter als norm.)
werden
(kommunikativ)
(Kampf) knieren
(menschlich)
(Schmerz) wuofen
Wir können nun zum Schluß alle die bisher dargestellten Teilstrukturen in einem Gesamtschema zusammenfassen. Dabei müssen zusätzlich noch einige anfangs festgestellte Differenzierungen eingeführt werden, die bis jetzt wegen der getrennten Behandlung der verschiedenen Untergruppen noch nicht zur Bedeutung gekommen sind. „Lüt werden" und „hei werden" sowie die ihnen untergeordneten Wörter sind für das Merkmal ,Körperschall' positiv markiert, während „schellen" und dessen Unterbegriffe darin unmarkiert sind. Dafür besitzen sie gegenüber „lüt werden" und „hei werden" eine positiv betonte Hörbarkeit. „Schellen" schließlich unterscheidet sich von allen andern Wörtern durch die Tatsache, daß es als einziges in Bezug auf die ,Konkretheit' (d. h. raum-zeitliche Punktualität) des betreffenden Schallereignisses unmarkiert ist. Wenn wir alle diese Elemente noch zusätzlich einfügen, ergibt sich folgendes Ubersichtsschema für die Verben:
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Schematische Übersicht über die mhd. Schallwörter
2.
Substantive
Wie bei den Verben muß man auch beim Vergleich und der Zusammenordnung von Substantiven die Tatsache im Auge behalten, daß es auch bei ihnen logisch-syntaktische Unterschiede gibt. Demzufolge müssen auch die Substantive zuerst nach solchen Kategorien eingeteilt und gegliedert werden. Bei den vorliegenden Substantiven gehören die meisten zur Art von Begriffen, die auf einfache einstellige Funktionen zurückgeführt werden können, deren Definition also ein einfacher Satz wie „A ist ein X" zugrundegelegt werden kann. In dieses Schema passen lediglich „stimme", „lût" und „dön2" nicht. „Stimme" ist, wie sich gezeigt hat, ohnehin kein Schallwort im anfangs definierten Sinn, kann somit schon aus diesem Grunde ausgeklammert werden. Es würde aber auch sonst nicht in das obige Muster passen, da seiner Definition ein Satz wie „A hat eine stimme" zugrundegelegt werden müßte, seine Gebrauchsbedingungen mit andern Worten das, was man eine „Teil-von-Relation"2 nennen könnte, implizieren. Hingegen muß „lût" ausgesondert werden, obwohl es ein Schallwort im eigentlichen Sinn ist. Seine Beschreibung impliziert nämlich eine innere Beziehung zu einem Verursacher; man müßte als Grundform „1 (A, B)", d. h. „A ist ein lût von B" angeben. „Lût" muß definiert werden als der Schall, dessen Entstehungsursache die wesenhafte Fähigkeit eines Dinges oder eines Lebewesens zur Lauterzeugung ist. Das heißt auch, daß in der Definition, wie das oben zum Ausdruck kommt, noch weitere Variablen auftauchen, wobei das Verhältnis der beiden Variablen zueinander definiert werden muß. Wieder anders verhält es sich mit „dön2". Wir haben im Lauf der Untersuchung gesehen, daß dieses Wort,Klangeigenschaft' oder ,Klangart' als abstrakten Begriff meint. Mit andern Worten, „don" kann nicht selbst eine Eigenschaft aussagen, sondern sagt selbst von einem Bezeichneten aus, daß es eine Eigenschaft ist. Der Inhalt von „don" liegt somit auf einer höheren Ebene der Abstraktion als gewöhnliche Eigenschafts- oder Beziehungsaussagen und kann deshalb, wie in der Einleitung angedeutet worden ist, nicht mit solchen gewöhnlichen Aussagen verglichen und in eine Struktur eingebaut werden. Bei den übriggebliebenen Substantiven, die nun also auf Grund ihrer syntaktischen Gleichartigkeit nach ihren Beziehungen zu ordnen sind, handelt es sich demnach um die folgenden (in der Reihenfolge ihrer Behandlung im vorhergehenden Kapitel): 2
cf. M. Bierwisch, Eine Hierarchie semantisch-syntaktischer Merkmale. Dort wird diese Relation beschrieben, wie sie sich syntaktisch darstellt. Hier wird jedoch eher die semantische Seite ins Auge gefaßt, wie sie von Bierwisch etwa a. a. O. S. 64 erwähnt wird.
154 doz krach duz schal kradem galm klanc don i note gedoene doner
Schematische Übersicht über die mhd. Schallwörter
klac snar gesnarre süs braht ludem wuof(t) ruof(t) schrei krie grin
Da die übrigen, ausgeschiedenen Wörter sämtliche innerhalb des Schallbereichs die einzigen Vertreter der jeweiligen syntaktischen Sonderform sind, können sie nicht weiter in eine eigene Hierarchie eingebaut werden und dürfen somit im folgenden vernachlässigt werden. Bei der Gruppierung der in Frage kommenden Wörter können wir wohl von der Untersuchung der beiden Wörter mit dem allgemeinsten Inhalt ausgehen, nämlich von „doz" und „schal". Diese beiden Wörter sind hinsichtlich der Erzeugungsart und des Charakters der Schallerscheinungen, die sie bezeichnen, am wenigsten bestimmt. Ihre Verwendung unterscheidet sich aber in markanten Punkten, die allerdings, wie wir schon im Laufe der Untersuchungen festgestellt haben, nicht leicht zu formulieren sind. „Schal" zeichnet sich vor „doz" dadurch aus, daß es die von ihm bezeichneten Schallereignisse als ,intentional erzeugt' darstellt, während man von „doz" sagen muß, daß es diesbezüglich negativ markiert ist. Dabei muß man allerdings hinzufügen, daß dies nicht unbedingt zwei getrennte Sphären von Schallereignissen zum Hintergrund hat, sondern daß die Darstellung innerhalb der Sprache diese Trennung erzeugt. Außersprachlich gesehen können die von „doz" und „schal" bezeichneten Schallereignisse identisch sein. Zu den Wörtern, die „doz" untergeordnet sind, gehören „galm", „klanc", „gedoene"," duz", „krach", „doner", „klac", „snar" / „gesnarre" und „süs„. Von „doz" müssen zunächst „galm", "klanc" und „gedoene" abgegrenzt werden. Alle drei besitzen einmal das Merkmal ,hellklingend'. „Galm" unterscheidet sich von „klanc" durch eine gewisse ,Fülligkeit' der damit bezeichneten Klänge. An „klanc" anzuschließen ist „gedoene", das sich von „klanc" durch die Einengung auf ,feine, wohltönende' Klänge unterscheidet. Auf der andern Seite sind „snar" und „gesnarre" an „galm" anzuschließen, worauf schon die Möglichkeit der Verwendung von „galm" für Pusinenklang hinweist. In „duz", das gleichfalls „doz" unterzuordnen ist, haben wir ein allgemeines, sonst nicht näher bestimmtes Wort für nichtstimmliche Schallerscheinungen vor uns. Demzufolge gehört auch „snar" in dessen Bedeutungsbereich.
Substantive
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Femer sind dazu zu rechnen die Geräuschwörter „krach", „klac", „doner" und „süs". Sie alle sind wohl zusätzlich als in Bezug auf das Merkmal ,hellklingend' negativ markierte Wörter zu betrachten. Die Geräuschwörter könnten wir wiederum nach dem Merkmal der ,Stetigkeit' unterteilen, wobei zum Bereich der ,unstetigen' Geräusche „krach", „klac" und „doner" zu rechnen wären. Als ,laut' und ,geräuschliaft' allgemein ist „krach" anzusprechen. Einen engeren Bereich bezeichnet „klac", bei dem zur lauten Geräuschhaftigkeit noch die Charakteristik des dumpfen berstenden Krachens hinzukommt, was als eine Einengung auf ein gröberes, dumpferes Geräusch verstanden werden kann. Endlich könnte man als letztes Wort dieser Reihe und als Spezialfall von „klac" „doner" nehmen, zu dessen zusätzlichen Bedingungen offenbar weniger solche lautlicher Art als atmosphärische Begleitumstände, nämlich die Erscheinungen eines Gewitters, gehören. Als ,stetig' wäre im Gegensatz zu all diesen Geräuschen „süs" zu klassieren. Demnach ergibt sich für den unter „doz" einzureihenden Schallbereich folgendes Schema: (int,erzeugt)
+ schal
döz (hellklingend)
(Posaunen) (feinklingend) snar
gedoene
(stimmlich)
krach
sus
(dumpf krachend) klac
I
(Gewitter) doner
Anschließend sind noch die Wörter zu behandeln, die als Unterarten von „schal" zu betrachten sind. Direkt an „schal" anzuschließen ist „kradem", das von „schal" sich lediglich durch das Merkmal auszeichnet, daß es für einen „schal" verwendet wird, der von einer Menschenmenge erzeugt wird. Die wichtigste Gruppe bilden aber die Wörter, deren Verwendung auf den Bereich der Stimme beschränkt ist. Das allgemeinste Wort für den Stimmenschall
156
Schematische Übersicht über die mhd. Schallwörter
haben wir in „braht" vor uns; der Gebrauch dieses Wortes ist außer dem Merkmal ,stimmlich' durch keine weiteren Einschränkungen begrenzt. Auch „ludem" wird für Stimmen allgemein verwendet, hier gilt aber ebenfalls die Einschränkung auf den Lärm einer größeren Anzahl Menschen (oder sonstigen Lebewesen), das gleiche Merkmal, wie wir es schon bei „kradem" gefunden haben. ,,Ludem" stellt somit auch ein unter „kradem" einzureihendes Wort dar. Zu den unter „schal" einzufügenden Wörtern gehören auch „ruof", „schrei"! „geschrei", „krie" und „wuof". Sie können ähnlich gegeneinander abgegrenzt werden wie die entsprechenden Verben. Alle diese Wörter beinhalten große Lautstärke. Gegenüber „ruof" enthalten sowohl „schrei" wie „krie" und „wuof" ein Moment des Ausdrucks, während demgegenüber bei „ruof" der Akzent auf dem kommunikativen Element liegt. Von „schrei" differenzieren sich weiter „krie" durch die zusätzlichen Situationsbedingungen eines Kampfes und „wuof" durch das Merkmal, daß es Ausdruck von Schmerz ist. Zuletzt muß noch der Bereich der Wörter, die unter den Begriff der Musik fallen, gegliedert, werden. Es handelt sich um die Substantive „don", „sanc" und „nole". Als allgemeinster Begriff ist dabei „don" zu nehmen, das mit der Komponente ,musikalisch geordnet' direkt an „schal" angeschlossen werden kann. Als die Unterart von Musik, die mittels der Stimme erzeugt wird, ist „sanc" anzusetzen. Schwieriger ist es, das Verhältnis von „note" zu den beiden andern Wörtern zu bestimmen. Unter Umständen könnte man sagen, daß zwischen „don" und „note" eine „Teil-von-Relation" (s. o. S. 167) besteht, was so zu verstehen wäre, daß „note" als ein kleinstes Glied eines „dones" definiert würde. Eine solche Beziehung unterscheidet sich grundsätzlich von den bisher festgestellten Beziehungen einander hierarchisch untergordneter Wörter, die lediglich aus einer Komponentenhinzufügung, der Bestimmung einer Unterklasse aus der Oberklasse bestanden hat. Hier wird eigentlich keine Kompenente hinzugefügt, sondern eine wesenhafte Beziehung der Teile zu einem Ganzen konstatiert. Ob diese Beziehung zwischen „don" und „note" tatsächlich so zu umschreiben ist, kann nicht mit letzter Sicherheit festgelegt werden. Aber auch für andere Formulierungen blieben wir auf Vermutungen angewiesen. Wenn wir alle Beziehung graphisch zusammenfassen, ergibt sich folgendes Schema:
Substantive
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VI. Diachronische Entwicklung 1. Grundsätzliche
Vorüberlegungen
Nach der synchronischen Darstellung zweier zeitlich aufeinanderfolgender Ausschnitte kann es als trivialer Schritt erscheinen, diese beiden Stufen miteinander zu vergleichen und so in die diachronische Betrachtungsweise hinüberzuwechseln. Hierbei wird aber gerade ein Bereich betreten, vor dem die moderne Linguistik bis heute etwas zurückschreckt. Ist schon die synchronische Semantik mit ihren strukturellen Methoden nur mit manchen Einschränkungen in den Griff zu bekommen, so gilt das vollends für die diachronische Semantik, wo überhaupt keine strukturellen Gesichtspunkte mehr eine Geltung zu haben scheinen. Die folgenden Überlegungen können sich deshalb nur zum Teil auf vorangegangene Forschungen berufen, vor allem auf Ansätze, zu denen die diachronische Phonologie gelangt ist. Wie schon ganz am Anfang von Kap. I angetönt worden ist, kann das aktuelle Funktionieren eines Wortes nur im synchronischen System analysiert werden. Deshalb muß auch für die diachronische Sehweise von synchronischen Systemen ausgegangen werden, wenn wirklich die Bedeutungsentwicklung eines Wortes präzise angegeben werden soll. Die Dimension der Diachronie wird dann durch den Abstand zwischen zwei synchronischen Systemen geschaffen. Da aber grundsätzlich jedes System ein geschlossen funktionierendes ist und die Dimension der Zeit als solches nicht kennt, also als punktuell gültig erscheinen muß, folgt aus der kleinsten Änderung ein neues System. Aus diesem Grund macht es auch keinen grundsätzlichen Unterschied, ob man das Althochdeutsche mit dem Mittelhochdeutschen vergleiche oder das Deutsche mit dem Mongolischen. Alt- und Mittelhochdeutsch sind durch den zeitlichen Abstand nicht weniger voneinander getrennt als Deutsch und Mongolisch, außer es würde sich im Laufe der Zeit keine Veränderung des Systems ergeben haben. Typologisch gesehen können ja auch genetisch verwandte Sprachen sich weniger ähnlich sein als Sprachen, die historisch gesehen keine Verwandtschaft miteinander haben. Prinzipiell kann man zudem zwei beliebige Systeme oder Subsysteme miteinander vergleichen, es ist nicht einmal unbedingt nötig, sich dabei auf inhaltliche Komponenten zu beziehen, da es sich bei Systemen per definitionem um abstrakte Gebilde handelt. Durch den Vergleich allein wird somit keine Diachronie hergestellt. Dennoch wird niemand bestreiten, daß trotz dieser generellen Vergleichbarkeit von
Grundsätzliche Vorüberlegungen
159
Systemen zwischen den aufeinander folgenden Stufen einer Sprache in der Geschichte eine ganz besondere Beziehung besteht, auf Grund derer man wirklich von Diachronie sprechen kann. Kurz formuliert könnte man nämlich sagen, daß zwei solche Sprachstufen durch eine Kausalitätskette lückenlos miteinander verbunden sind, so daß wenigstens teilweise von zwei diachronisch miteinander in Beziehung stehenden Systemen das eine ohne Unterbrüche auf das andere zurückgeführt werden kann. Freilich ist eine solche Kausalitätskette nicht einfach zu beschreiben, weil sie sich nicht ausschließlich aus sprachlichen Tatsachen begründet, und weil auch innerhalb der Sprache selbst eine Wechselwirkung zwischen langue und parole besteht, also die Entwicklung nicht als Bedingtheit von System zu System ausgedrückt werden kann. Daß diese Kausalitätskette nicht als totale Bedingtheit eines Systems durch ein andres gedeutet werden kann, leuchtet schon rein theoretisch ein, da sich ja ein geschlossenes System im Zustand des Gleichgewichts gar nicht verändern würde. Daß dies aber auch praktisch nicht der Fall ist, wird noch klarer, wenn wir uns vor Augen führen, wie ein Sprachwandel gewöhnlich tatsächlich vor sich geht. Entsprechend der obigen Unterscheidung von sprachlich-außersprachlichen Wechselwirkungen und Wechselwirkungen zwischen langue und parole können wir grundsätzlich zwei unterschiedliche Arten von Sprachwandel konstatieren, nämlich einen mehr außersprachlich bedingten und einen mehr innersprachlich bedingten. Dabei kann man die Grenzen zwischen beiden wohl nicht scharf ziehen, zumal sich beide oft durchdringen. Als Beispiel eines sprachimmanenten Wandels wären manche Fälle des Lautwandels zu erwähnen, wie er etwa in Martinet's „Economie des changements phonetiques" verstanden wird. Die Einflüsse, die zum Sprachwandel führen, kommen zwar vom Bereich der parole her, innerhalb der parole lassen sich diese Einflüsse aber nicht mehr weiter zurückverfolgen, sondern müssen als Eigengesetzlichkeiten des Sprachvermögens des Menschen verstanden werden, wie etwa als das Gesetz des kleinsten Aufwandes. Aus der parole kommt nur der Anstoß zum Wandel, die übrigen Änderungen eines Systems erfolgen innerhalb des System, etwa derart, daß zunächst eine Abweichung in der Ebene der Phonetik zur phonologischen Abweichung gedeutet wird und dadurch weitere Änderungen des Systems notwendig werden, um das Gleichgewicht und das Funktionieren dieses Systems zu gewährleisten. Man kann in jedem Fall aber sagen, daß eine Systemänderung sprunghaft vor sich gehe, wie das zum Beispiel im Vorgang des Umdeutens deutlich wird. 1 Auch im Wortschatz können wir uns eine solche sprachimmanente Änderung vorstellen. Was im Bereich des Lautlichen als phonetische Variante auftritt, 1
Der Vorgang der phonologischen Systemänderung durch Umdeutung wird anhand des Umlautes von F. v. Coetsem, Zur Entwicklung der Germanischen Grundsprache, vor allem S. 47 beschrieben.
160
Diachronische Entwicklung
müßte hier als stilistische (u. U. metaphorische) Erscheinung betrachtet werden. Der sprungweise Wandel geschieht dann durch Uminterpretation der stilistischen Erscheinung als relevantes semantisches Merkmal. Auch in diesem Bereich muß eine Änderung eines einzelnen Wortes in den meisten Fällen Verschiebungen im ganzen System zur Folge haben. Weitaus häufiger kommen aber im Wortschatzbereich jene Änderungen vor, die wir als außersprachlich bedingt bezeichnet haben. Änderungen im Aufbau der Kultur, neue Gegenstände, neue soziale Strukturen müssen sich meist auch als Wandel im Wortschatz spiegeln. Wenn wir ein konkretes Beispiel erwähnen wollen, so können wir daran erinnern, daß durch die Aufnahme des Christentums und der antiken Kultur in den germanischen Sprachen ein ganz neuer Wortschatz für den Bereich der Theologie, der Philosophie und des Gefühlsund Geisteslebens aufgebaut werden mußte. Solche Änderungen sind wohl höchst selten stilistisch vorbereitet, vielmehr wird ein neues Wort neu geschaffen und verwendet, was ebenfalls einen sprunghaften Vorgang darstellt. Kehren wir zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen zurück, nämlich zur Absicht, die Verknäuelung der verschiedenen Kausalitäten etwas aufzulösen. Da ja immer durch Menschen gesprochen wird, die nicht nur Sprecher sind, sondern in ihren Handlungen durch viele andere, nichtsprachliche Beziehungen und Fakten beeinflußt werden und diese Beziehungen und Fakten in der menschlichen Person sich treffen und miteinander verknüpft werden, da die Menschen endlich auch als Sprecher nicht ideal sind, sondern beim Sprechen das System nur unvollkommen verwirklichen, kann durch die Vermischung solcher verschiedener Kausalitäten schließlich auch das Sprachsystem selbst verändert werden. Außersprachliche Einflüsse werden von den Sprechern in der parole und der langue verarbeitet, oder Sprechgewohnheiten im Rahmen der parole werden in das Sprachsystem übertragen. Bei jedem Sprechakt muß aber selbstverständlich neben diesen erwähnten Einflüssen die Hauptrolle die Befolgung des Systems spielen, ja dieses spielt auch im Denken und im Handeln der Menschen mit. Was deshalb die Kontinuität von einem früheren Sprachstand zu einem späteren herstellt, das ist diese zwar nur teilweise, aber ununterbrochene Bedingtheit eines späteren Systemzustandes durch einen früheren. Die verändernden Faktoren liegen teilweise außerhalb der Sprache, teilweise in der parole und teilweise in Systemzwängen der langue selbst als Reaktionen auf Anstöße von außen. In dieser Formulierung wird auch die an sich triviale Feststellung impliziert, daß die Entwicklung immer gerichtet ist, daß also bei einem Vergleich zweier diachronisch verknüpfter Sprachsysteme keine völlige Gleichwertigkeit zwischen ihnen besteht, sondern immer eines als das vom andern bedingte anzusehen ist, das eine als das frühere, das andere als das spätere zu gelten hat. Da wir die Sprache als System auffassen, so kommt noch hinzu, daß der Sprachwandel als Übergang von einem System zu einem andern begriffen werden muß, was heißt, daß bei allen zufälligen und außersprachlichen Anstößen der Wandel ein geord-
Grundsätzliche Vorüberlegungen
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neter Vorgang mit wenigstens nachträglich feststellbarer Richtung darstellt. Denn nach unseren Voraussetzungen tendiert die Sprache immer dazu, einmal aus dem Gleichgewicht geratene Verhältnisse wieder zu ordnen. Aus dieser Darstellung wird nun klar, welches die Aufgaben einer diachronischen Sprachbetrachtung sein können. Es ist dies zunächst einmal ganz einfach die innersprachliche Beschreibung des Sprachwandels an sich. Für eine strukturelle Sprachbetrachtung gilt aber für die Diachronie so gut wie für die Synchronie, daß ein Element und somit auch die Veränderung eines Elementes im Zusammenhang des ganzen Systems zu sehen ist. Grundsätzlich kann sich kein Element ändern, ohne daß dies seine Folgen innerhalb des Systems hat. Dies äußert sich z. B. in Sog- und Schubwirkungen, welche die Verschiebungen weiterer Elemente zur Folge haben. So konsequent wie für die Phonologie gilt dies allerdings für die Semantik wohl nicht. Wohl ändert sich ein System, wenn beispielsweise durch ein neues Wort ein neues Kriterium ins Spiel gebracht wird; wenn dieses Wort aber an einer sehr verzweigten Stelle der Hierarchie anzugliedern ist, so beeinflußt seine Existenz nur eine geringe Zahl von Nachbarwörtern, wohingegen der Gesamtaufbau damit nicht wesentlich berührt wird. Dieser Zusammenhang zwischen Einzelglied und Gesamtsystem muß demgemäß auch in der Beschreibung einer Veränderung zum Ausdruck kommen. Zugleich mit der Darstellung der Veränderungen, wie sie sich vom einzelnen Element her ergeben, müssen auch die Folgen berücksichtigt werden, die eine solche Veränderung für das ganze System hat. Theoretisch lassen sich dabei zwei Typen von Veränderungen unterscheiden: Änderungen von einzelnen Elementen und Änderungen des ganzen Systems. Die beiden gehen wohl in den allermeisten Fällen Hand in Hand, dies stellt aber keine innere Notwendigkeit dar. Man kann sich Änderungen einzelner semantischer Elemente vorstellen, ohne daß sich dadurch im ganzen Bedeutungssystem etwas wandelt, so etwa, wenn ein Wort die Bedeutung eines andern, verschwindenden Wortes übernimmt und seine ursprüngliche Bedeutung wiederum von einem neuen Wort bezeichnet wird. Innerhalb dieser Platzwechsel können die Bedeutungsbeziehungen so stabil bleiben. Man könnte den eben beschriebenen Bedeutungswandel etwa so schematisieren:
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Diachronische Entwicklung
Von den beiden Möglichkeiten von Wandel in der Semantik wird meist nur die erste, die Bedeutungsveränderung einzelner Wörter, näher beschrieben. Sie läßt sich etwa als Bedeutungsverengung, -erweiterung, -Verschlechterung oder einfache -Verschiebung darstellen 2 . Der zweite Gesichtspunkt, der Systemwandel als Ganzes, wird kaum je in dieser Form erwähnt und beschrieben. Er äußert sich z. B. durch die Berücksichtigung neuer Kriterien, durch Vereinfachung oder Verkomplizierung der Hierarchien. Wie oben bemerkt wurde, ist es ein durchaus folgrichtiges Anliegen, einen solchen Sprachwandel als wenigstens teilweise zusammenhängendes, logisch und kausal begründbares Geschehen mit einer bestimmten immanenten Zielrichtung erfassen zu wollen. Die Systematik der Aufzählung der möglichen Arten und Veranlassungen von Bedeutungswandel einzelner Wörter in manchen Handbüchern kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß damit der Wandel selbst nur allzuselten als geordneter Vorgang erscheint. Wenn überhaupt eine Hoffnung auf eine solche Erfassung einer Ordnung im Wandel berechtigt ist, so wird dies aber nicht in einer atomistischen Betrachtung des Bedeutungswandels einzelner Wörter möglich sein, sondern nur, wenn die Darstellung zum vorneherein im Rahmen des ganzen Systems erarbeitet wird. Wir sind damit zur zweiten möglichen Aufgabe der diachronischen Spprachbetrachtung gelangt, nämlich nach der Beschreibung der Erklärung des Sprachwandels. Obwohl in manchen Fällen ohne befriedigende Erklärung auch keine befriedigende Beschreibung des Sprachwandels möglich sein wird, bildet die Erklärung doch in den meisten Fällen ein Problem, das kaum je ganz gelöst werden kann. Allzuviele Gründe für Sprachwandel entziehen sich mit ihrem Aufhören auch der Beobachtung. Die Bereiche, die in der Semantik verhältnismäßig leicht zu erfassen sind, sind etwa Wortschatzerweiterungen oder -umprägungen durch kulturelle oder geistige Einflüsse. Viel weniger gut faßbar sind sprachimmanente Verursachungen. Zwar lassen sich möglicherweise außersprachliche Anstöße angeben und dadurch bedingte Systemausgleichsbewegungen als Folge davon verstehen; wo aber ein solcher außersprachlicher Anstoß nicht greifbar ist, muß man bei Gruppenbewegungen in einem System sich auf die rein formale Darstellung beschränken und oft sogar auf die zeitliche und kausale Staffelung verzichten. Auch ein sprachimmanenter Anlaß bleibt dabei schwierig anzugeben. Erst bei größeren Überblicken kann man hoffen, eventuell auf allgemeinere Gesetze des Sprachvermögens, die die Ursache solchen Sprachwandels bilden, stoßen zu können. Die Tatsache, daß vor allem im Bereich der Semantik außersprachliche Ursachen einen großen Teil des Sprachwandels bedingen, bildet naturgemäß für 2
Klassifikationsmöglichkeiten von Bedeutungswandel werden aufgeführt z. B. in Kronasser, Handbuch der Semasiologie, §§ 20 f., 44; und in Ullmann, The Principles of Semantics, Kap. IV, 2.
Grundsätzliche Vorüberlegungen
163
eine strukturelle Sprachbetrachtung mit ihrem Bestreben, in der Sprachimmanenz zu bleiben, ein methodisches Problem. Offensichtlich muß man hier der Sprachbetrachtung eine Grenze setzen, will man die methodische Reinheit wahren. Dennoch kann man sich fragen, wer sonst als die Sprachwissenschaft, die als einzige fähig ist, den Wandel selbst zu erfassen, die Möglichkeiten besitzt, von der erfaßbaren Wirkung, der gewandelten Sprache, auf die Ursache zu schließen, wenn auch nur mit dem Verzicht auf Methodenreinheit.
2. Entwicklung der Adjektive Da die Adjektive zum Teil auch bei den Verben eine Rolle spielen werden, mögen sie an erster Stelle behandelt werden. Wir besitzen sowohl im Ahd. wie im Mhd. nur drei auf den Schallbereich konzentrierte Adjektive: Ahd. Jüt", „lütreisti" und „heis", mhd. Jüt", „hei" und „beislheiser". In der Funktion eines attributiven Adjektives bezeichnet Jüt" sowohl im Ahd. wie im Mhd. ,lauter als normal'. Ahd. „lütreisti" mit der Bedeutung ,hellklingend' wird im Mhd. durch „hei" ersetzt. Welche Funktion " hei" im Ahd. hatte, bleibt unklar, da es dort nicht greifbar ist. Daß es schon im Ahd. existiert haben dürfte, dafür könnten wir als Anhaltspunkt „unhel" nehmen, eine doch wohl sekundäre Ableitung. „Heis" endlich stellt im Ahd. die Verneinung der durch „lütreisti" bezeichneten Klangqualität dar. Im Mhd. behält das Wort diese Merkmale in Bezug auf die Klangqualität zwar, wird aber auf den Bereich der Stimme beschränkt. Ein Wort für den nichtstimmlichen Bereich findet sich nicht in den mhd. Quellen.
3. Entwicklung der
Verben
Wenn wir zuerst einen Blick auf die allgemeiner verwendbaren Verben werfen, so stellen wir fest, daß wir eine allgemeine Tendenz zur Verallgemeinerung finden. Ahd. „skellan" ,hell tönen' wird zum am allgemeinsten verwendbaren Wort und ersetzt in einem gewissen Sinn ahd. „lüten", wenn auch in mhd. „schellen" noch ein Element ,gut hörbar' hinzutritt. Die Stelle von ahd. "skellan" übernimmt „hellen", das somit von .wohlklingend' zum allgemeineren .hellklingend' aufsteigt. Zusätzlich wird im Mhd. die Stelle ,nicht hellklingend', die im Ahd. nicht besetzt war, durch „diezen" ausgefüllt, das zuvor im Ahd. eine ziemlich untergeordnete Rolle eingenommen hatte. Die Funktion von ahd. „hellan" ,wohlklingend tönen' wird durch das ursprünglich offenbar ganz konkret .metallisch tönen' bezeichnende „klingen" übernommen. An ahd. „hellan", mhd. „klingen" schließen sich in beiden Perioden die Begriffe für Musik an, die im Ahd. allerdings lediglich durch "singan" repräsentiert werden. Im Mhd. tritt
164
Diachronische Entwicklung
dazu „doenen", welches „singan" von seiner Stelle verdrängt, das dadurch auf den stimmlichen Bereich beschränkt wird. In einer schematischen Darstellung könnten diese Umschichtungen etwa folgendermaßen sichtbar gemacht werden: Mhd:
Ahd: (hörbar) löten
(hörbar)
0
(gut hörbar) schellen (hellklingend)
diezen
klingan
Wir beobachten, wie bereits eingangs erwähnt, eine allgemeine Tendenz zur Verallgemeinerung der Wortinhalte. Dies zeigt sich augenfällig an den aufsteigenden Pfeilen im Schema. Zugleich können wir festhalten, daß die Wörter durchwegs in ihrem eigenen Bereich verallgemeinert werden, ein Wort also von der Bezeichnung eines Unterbegriffes zu derjenigen des Oberbegriffes aufsteigt. Das Schema ist also recht übersichtlich. Ein weiterer Grund liegt darin, daß die grundsätzliche Struktur beinahe gar nicht verändert wird durch all diese Einzelverschiebungen. Die Kriterien und ihr Aufbau sind im großen und ganzen die gleichen geblieben. Eine erste Änderung finden wir einmal in der Tatsache, daß es im Mhd. kein so allgemeines Wort wie ahd. „luten" gibt, indem ja „schellen" im Mhd. immer ,gut hörbar' impliziert. Eine weitere Änderung finden wir in der Auffüllung der Stelle ,nicht hellklingend', die im Ahd. noch unbesetzt war. Darin liegt allerdings keine Systemänderung, da ja der Platz für das Wort potentiell bereits vorhanden war. Eine dritte Neuerung finden wir schließlich im Einfügen von „daenen" für den allgemeinen Begriff von Musik und der Einengung von „singen" auf den Bereich der Stimme. Hiezu ist zu sagen, daJß ursprünglich wohl kein Unterschied zwischen ,singen' und ,Musik' allgemein bestand, mit andern Worten, daß bei
Entwicklung der Verben
165
den Germanen jede Musik gesungene Musik war. Erst mit der Berührung der antiken Kultur ergab sich die doppelte Möglichkeit von instrumentaler und vokaler Musik. In der ahd. Buch- und Übersetzersprache wurde dann „singan" auf die gesamte Musik ausgeweitet. Daneben existierte offenbar das Bewußtsein vom ursprünglich vokalen Charakter von "singan" weiter. Die selbe Erscheinung finden wir ja auch in der parallelen Beibehaltung dieses Merkmals in den andern germanischen Sprachen, man vergleiche nur ae. „singen" und an. „syngva". Später ergab sich dann eine neue Möglichkeit, beide Arten von Musik zugleich zu benennen, indem das Fremdwort „dcenen" für die Musik allgemein übernommen wurde. Wir müssen uns zum Schluß dieses Abschnittes noch fragen, was bei der Verallgemeinerungstendenz mit dem allgemeinsten Wort „lüten" geschehen ist, das ja als solches gar nicht mehr verallgemeinert werden konnte. Wir haben gesehen, daß mhd. „lüten" nicht die gleichen logischen Beziehungen voraussetzt wie die meisten andern Schallverben, daß es vielmehr eine Art Kopula darstellt. „Lüten" ist also in einem andern Sinn abstrakter geworden als die übrigen Verben. Es wurde in eine kompliziertere logische Struktur, in eine zweistellige statt in eine einstellige, eingefügt. Wenn wir noch einen Blick auf das System als Ganzes werfen, so können wir trotz der grundsätzlichen Ähnlichkeit der beiden Schemata noch einige weitere Unterschiede bemerken. Vor allem besitzen wir im Mhd. einige zusätzliche Klassifikationsmerkmale. So treten im Mhd. die Unterscheidung ,gut hörbar' als Gegensatz der Gruppen „schellen", "bellen" usw. einerseits und „lutl hei werden" andererseits, ,konkret' als Gegensatz zwischen „schellen" und den übrigen Wörtern, und zuletzt ,Körperschall' als zusätzliche, eher syntaktische Unterscheidung zwischen den abstrakteren und den konkreteren Verben in Erscheinung. Alle diese Unterscheidungsmöglichkeiten haben wir im Ahd. nicht gefunden. Man kann dies auf zwei verschiedene Arten interpretieren. Einmal wäre es möglich, daß diese zusätzlichen Kategorien im Ahd. aus Gründen der Eigenart des Materials nicht gefunden und erkannt werden konnten. Wir haben ja im Ahd. eine viel geringere Zahl von so selbständigen Spracherzeugnissen als im Mhd. zur Verfügung. Der Schwerpunkt liegt viel eher auf Übersetzungen und Glossierungen. Dies könnte zur Folge haben, daß solche Unterscheidungen wie ,konkret' oder ,Körperschall' überhaupt nicht als syntaktische Regelmäßigkeiten in Erscheinung treten, da wir gar nicht genügend syntaktische Kontexte für solche Beobachtungen vergleichen können. In diesem Falle würde sich die (unbeantwortbare) Frage stellen, ob nicht die im Mhd. gefundenen Klassifikationen sich schon im Ahd. finden ließen. Wenn aber diese Unterscheidungen tatsächlich Neuerungen des Mhd. darstellen, dann müssen wir darin eine ausgeprägte Differenzierung der sprachlichen Möglichkeiten sehen, wobei mancherlei ziemlich abstrakte Kriterien neu eine Rolle zu spielen begonnen hätten. Man könnte im Anschluß daran auch die Frage
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Diachronische Entwicklung
aufwerfen, wie sich diese Unterscheidungen weiter verhalten, ob es sich eher um literatursprachliche Erscheinungen handelt, die sich in der gesprochenen Sprache nicht finden, oder ob es sich um generell gültige Verwendungsregeln handelt. Die übrigen Verben können wir größtenteils in die beiden Gruppen ,nichtstimmlich' und ,stimmlich' einteilen. Eine Ausnahme macht lediglich ahd. „kerran", das auch im mhd. „kerren" in Bezug auf dieses Merkmal unmarkiert ist. Es hat sich auch im Charakter seiner Verwendung nicht verändert. Es ist lediglich festzustellen, daß es im Mhd. etwas isoliert erscheint, da das im Ahd. hierarchisch ähnlich plazierte „gellan" im Mhd. eine Bedeutungsverengung auf stimmliche Äußerungen erfahren hat. Im Bereich der Geräuschwörter ohne Beschränkung auf das Merkmal ,stimmlich' oder ,nichtstimmlich' haben wir also im Mhd. noch weniger Lexeme als im Ahd. Ein weiteres Wort, das im Ahd. bezüglich ,Stimme' unbestimmt bleibt, haben wir in ahd. „brahten" vor uns. Dieses Wort ist seinerseits im Mhd. nicht belegt. Das könnte jedoch auch ein Zufall sein, findet sich das Wort doch als „brehten" mit einem ähnlichen Inhalt ,lärmen' in späteren Denkmälern, z. B. in Konrad von Würzburgs Trojanischem Krieg. Die allgemeine Unterscheidung von .stimmlich' und .nichtstimmlich' finden wir sowohl im Ahd. wie im Mhd. mit auffallend ähnlichen Ausdrucksmöglichkeiten. Wir finden in beiden Perioden diesen Gegensatz durch zwei Ausdrücke von der Form "Adjektiv + werden" wiedergebbar, wobei es sich beide Male bei den Adjektiven um die gewöhnlichsten Wörter im Bereich der Schallbezeichnungen handelt: Um die Adjektive für ,laut' ahd. und mhd. „lût" und für ,hellklingend' ahd. „lütreisti" und mhd. „hei". Soweit bildet das Mhd. eine direkte Fortsetzung des Ahd., wobei sogar formale Eigentümlichkeiten, die eher in den Bereich der Idiomatik gehören, beibehalten worden sind. Auffällig ist jedoch bei allen Parallelismen, daß die Bezeichnung der beiden Oppositionen genau umgekehrt geschieht. Wurde das Adjektiv für ,hellklingend' im Ahd. für .stimmlich' gebraucht, so erscheint es im Mhd. für .nichtstimmlich'. Wie kann man sich diesen Wechsel erklären? Offenbar spielt dabei der lexematische Wechsel der Adjektive „lütreisti" und „hei" ebenfalls eine Rolle. Denn wenn auch das Bezeichnungssystem bis in idiomatische Eigentümlichkeiten beibehalten wurde, so geschah doch im angrenzenden Gebrauch der attributiven Adjektive ein Tausch der lautlichen Formen. Wenn wir uns den mutmaßlichen Vorgang dieses Tauschen vor Augen führen, kann uns auch die Vertauschung der Positionen in den Ausdrücken mit „werden" verständlich werden. Man hat wohl anzunehmen, daß, als das Adjektiv „lütreisti" verschwand und nachher für die Vorstellung von .hellklingend' durch „hei" die Leerstelle wieder aufgefüllt wurde, diese Verschiebungen in einer Zwischenzeit mit Unsicherheit im Gebrauch dazu führten, daß „lût werden" für .hörbar werden' allgemein verwendet wurde. Dies könnte etwa zur gleichen Zeit und im Zusammenhang mit der Änderung von ahd. "lûten" zum Verb mit Kopulafunktion
Entwicklung der Verben
167
geschehen sein. Dabei wurde auch die Möglichkeit, einen Ausdruck für ,hörbar werden' durch die Formel „Adjektiv + werden" zu bilden, weitergegeben. Als „hei" sich etabliert hatte, ergab sich erneut eine Differenzierungsmöglichkeit iach dem Merkmal ,stimmlich'. Die lautliche Nähe von „lü.t" Sb. eigentümlicher Laut' führte dann dazu, daß auch „lüt" Adj. für jenen Laut, der am häufigsten als eigentümlicher Laut auftritt, die Stimme, vorgezogen wurde. Man könnte sich den Anstoß zur Differenzierung auch direkt von „lüt" Sb. vorstellen, welches erst die Vorstellung ermöglichte, daß man nach dem Merkmal .stimmlich' unterscheiden könnte, und demnach sekundär für ,nichtstimmlich' „hei" beizog. Da sowohl im Ahd. wie im Mhd. die grundsätzliche Scheidung von stimmlich' und ,nichtstimmlich' schon zuoberst in der Hierarchie eingeführt wird, bereitet es von diesem Gesichtspunkt her keine Schwierigkeiten, die restlichen Wörter nach diesem Gesichtspunkt unterteilt in ihrer Entwicklung zu verfolgen. Die Gruppierung als solche bleibt dabei ja erhalten. Die einzige Überschreitung von solchen Grenzen haben wir, wie schon erwähnt, in der Bedeutungsverengung von „gellen" auf stimmliche Laute angetroffen. Demgegenüber ist das Wort „krademen" verschwunden. Zweifellos hängt das mit dem unten festzustellenden Veralten des Substantives „kradem" zusammen. Das Hinzukommen von „gellen" zum Stimmbereich gleicht sich allerdings mit dem Verschwinden von „krademen" nicht aus, da ahd. „krademen" auch für sprachliche Äußerungen verwendet werden konnte, mhd. „gellen" aber nur für nichtsprachliche. Was das Schreien und Rufen allgemein und für Menschen im besondern betrifft, so haben wir im Mhd. gegenüber Ahd. einige Verschiebungen zu konstatieren. Dies zeigt sich schon im Verschwinden von ahd. „ruohen" und „hären" sowie im Hinzutreten von „gellen" und „kriieren". Ferner findet ein Wechsel der beiden Wörter „weinon" und „wuofan" statt, der sich jedoch in andern Zusammenhängen vollzieht (und worüber weiter unten mehr auszuführen sein wird). Im Gesamten können wir für diesen Ausschnitt feststellen, daß die einzelnen Unterscheidungskategorien trotz manchen Verschiebungen vom Ahd. in das Mhd. übernommen wurden. Dabei ergeben sich beim Wechsel der Lexeme auch zum Teil Wechsel in den verschiedenen möglichen Merkmalskombinationen. (Abbildung auf S. 168) Wenn wir die verschiedenen Änderungen ausführlicher beschreiben wollten, könnten wir sie so darstellen: Ahd. „hären" verschwindet, ohne ersetzt zu werden. Offenbar genügt das Verb „ruofan" mit den Merkmalen .kommunikativ', obwohl es weiterhin nur für Menschen ausgesagt wird. Dagegen tritt als allgemeines Verb mit den Merkmalen ,nichtkommunikativ' und ,nichtsprachlich' „gellen" hinzu. Weiter tritt an die Stelle des verschwundenen „ruohen" mit dem Merkmal ,expressiv' „schrien". "Schrien" kann nun im Mhd. nicht mehr wie ahd. „skrian" einen Adressaten miteinbeziehen. In dieser Hinsicht ergab sich eine gewisse Vereinfachung und klare Zweiteilung zwischen „ruofen" mit Beto-
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Diachronische Entwicklung (lauter als normal)
ahd. weinôn
ahd.
mhd. wuofen
mhd./r/v/eren
0
nung auf dem Inhalt der lautstarken Äußerung und „schrien" mit Betonung auf dem Ausdruck. Wenn wir nach Gründen für diesen Wechsel suchen, so könnten wir in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß diese Änderung in Richtung auf eine Funktionenverteilung ging, wie sie schon im Ahd. bei den Substantiven bestand. Von einem andern Gesichtspunkt her könnten wir geradezu sagen, daß im Unterschied zu „ruofan" und „skrian" ahd. „hären" und "ruohen" nicht durch geläufige Substantive gestützt waren, sondern isoliert dastanden. Diese Feststellung gilt allerdings nur gerade für diese Wörter, indem in andern Fällen wie z. B. bei "d'tozan" und „döz" oder „doenen" und „dön" /' „gedcene" nur bedingt solche Wechselwirkungen feststellbar sind. Werfen wir noch einen Blick auf die übrigen Änderungen. Das Auftauchen von „kriieren", das ja auf die Gesamtstruktur keinen starken Einfluß hat, läßt sich, ähnlich wie „doenen", eindeutig auf kulturelle Einwirkungen zurückführen, genauer auf die Übernahme der Ritterkultur aus Frankreich. Nicht vergebens ist das Wort ja auch ein Fremdwort und zudem in seinen Verwendungsbedingungen an eine ganz bestimmte soziologische Situation gebunden. Wieder andere Zusammenhänge müssen wir bei der Untersuchung des Tausches von ahd. "weinon" und „wuofan" berücksichtigen. Sowohl im Ahd. wie im Mhd. finden wir für den Bereich des Weinens und Wehklagens die drei Verben „riozan"/„riezen", „weinon"/„weinen" und „wuofan" j „wuofen". Wenn
Entwicklung der Verben
169
wir den Darstellungen von H. Glombik-Hujer 3 und H. G. Weinand 4 folgen, so können wir sagen, daß im Ahd. bei „weinön" vor allem das laute Schreien im Vordergrund steht, bei "wuofan" dagegen die Betonung auf dem Gesichtsausdruck und den Tränen liegt. Aufschlußreich dafür ist ein Vergleich der folgenden Stelle mit den Belegstellen für ahd. „weinön" (of. Kap. II, 6): N. 1,17,1
uuista si miniu vüoffenten ougen.
Von ahd. „riozan" läßt sich dagegen keine eindeutige Tendenz aussagen. Es zeichnet sich beispielsweise in der Verwendung durch Otfried eher durch die Abstraktheit, bzw. den Akzent auf dem Schmerz als Gefühl aus. Im Mhd. hat sich das Bild verschoben. „Riezen" wird allmählich seltener und wird vor allem für das Fließen der Tränen gebraucht: Tr. 11496
manec ouge da begunde riezen unde werden rot.
„Riezen" hat im Mhd also in etwa die Funktion von ahd. „wuofan" übernommen. Mhd. „wuofen" ist seinerseits das Ergebnis einer Verschiebung in Richtung ahd. „weinon". Mhd. " weinen" schließlich wurde zum übergreifenden, allgemeinen Begriff, der auch für alle diese Spezialelemente in sich enthalten kann. Freilich ist das Element des konkreten Weinens für mhd. „weinen" immer noch notwendig, dies als Abgrenzung von „klagen", wo die Art der Äußerung keine Rolle spielt. Weshalb diese Verschiebungen erfolgen, läßt sich wohl nicht schlüssig sagen. In Anlehnung an die auch sonst konstatierte Tendenz zur Verallgemeinerung könnte man wohl vermuten, daß auch „weinen" aus irgendeinem Grunde zum am häufigsten gebrauchten und so der Verallgemeinerung unterliegenden Verb im Bereich des Weinens und Wehklagens wurde, und daß so seine Nachbarn auf Spezialbereiche ausweichen mußten. Es bleiben bei den Stimmverben noch jene für die verschiedenen Laute der Tiere miteinander zu vergleichen. Wenn wir das oben gegebene Schema der Stimmverben als Ganzes miteinander vergleichen, so stellen wir fest, daß eine Gruppe von Tierlauten, jene für lautes Brüllen, im Ahd. und im Mhd. nicht an das gleiche Wort angeschlossen werden kann. Dies ist die Folge der Bedeutungsentwicklung von „gellen", das im Mhd. als allgemeinstes Wort für die Verben des Brüllens von Tieren anzusehen ist, während im Ahd. dafür „ruohen" zur Verfügung steht. Wir könnten zwar auch im Ahd. diese Verben an die zu jener Zeit unbesetzte Stelle von ,nichtkommunikativem' lautem Schreien anfügen. Dann würden jedoch die tatsächlich vorhandenen Substitutionsmöglichkeiten der Art, daß "ruohen" als Ersatz für jedes beliebige Verb für ,Brüllen' eingesetzt werden kann, unberücksichtigt bleiben. 3 Lachen und Weinen.
4
Tränen.
170
Diachronische Entwicklung
Für eingehende Vergleiche besitzen wir sowohl im Ahd. wie im Mhd. nur spurenweise Ansätze zu einleuchtenden übergeordneten Klassifikationsmöglichkeiten. Dennoch können wir die ungefähren Verwendungsweisen wenigstens als einzelne miteinander vergleichen. Wir stellen hiebei fest, daß im Ganzen die Gebrauchsregeln sich ziemlich ähnlich bleiben. So wird sowohl ahd. „luoti" wie mhd. „lüewen" für das Brüllen nichtwilder Tiere verwendet. Erscheint nun für ahd. „bremen" im Mhd. eher „brimmen", wobei sich die beiden Varianten im Präterium nicht unterscheiden lassen, so läßt sich doch ihre Verwendung für das ,dumpfe Brüllen wilder Tiere' kontinuierlich feststellen. Auch mhd. „limmen" ist eine genaue Fortsetzung von ahd. Jimman". Ebenso stabile Verhältnisse finden wir bei der andern Gruppe von Tierlauten, die nicht unter die Kategorie von .Brüllen' zusammengefaßt werden können, und bei denen es sich generell um gattungsspezifische Laute wie „beilan" / „bellen", „kräert" / „krxjen" und „weiön" /" weien" handelt. Im Hinblick auf das Nhd. (vgl. auch Lexer, III, 1223) können wir auch ohne Bedenken das in unsern mhd. Texten nicht belegte „zwizeron" hier anfügen. Weniger klare Feststellungen sind für „bullon"[„büllen", „gnnan" / „grinen" ahd. „bellon" und mhd. „gägen" möglich. Nach den Belegen in Lexer (I, 381) scheint mhd. „büllen" ziemlich selten zu sein. Es scheint in den angeführten Belegen aber immer noch für das Brüllen hauptsächlich des Viehs, aber auch im übertragenen Sinn verwendet zu werden. Zumeist wird dafür aber, wie wir gesehen haben, im Mhd. „lüewen" gebraucht. Daneben macht „büllen" den Eindruck eines veraltenden Wortes. „Gagen" kommt schon im Mhd. nur vereinzelt vor. Wir finden es auch im Ahd. nicht belegt, so daß weitere Folgerungen nicht möglich sind. Im Falle von „grinan" i „grinen" haben wir im Ahd. mit der Verwendung für das Heulen von Hunden und ähnlichen Tieren einen relativ klaren Ausgangspunkt. Dagegen ergaben die Belege für das Mhd. ein etwas verworrenes Bild. Wir können aber feststellen, daß .Wiehern', ,Schweinegrunzen' und ähnliche Verwendungen im Mhd. durchaus als das Ergebnis einer Bedeutungserweiterung aus der ahd. Verwendung erklärt werden können (vorausgesetzt, der ahd. Befund entspreche den Tatsachen). Die andere mhd. Verwendungsmöglichkeit von „grinen" als .knurren' und ,brummen' läßt sich daraus aber nur auf Umwegen ableiten, für deren Erforschung wiederum das Material fehlt. Ahd. „bellon" endlich scheint keine Fortsetzung in das Mhd. erlebt zu haben. Es bleiben bei den Verben noch die nichtstimmlichen Geräuschverben zu erwähnen. Zum Teil läßt sich die Frage nach einer Entwicklung in diesem Beieich auch in die Frage kleiden, wie die Verschiebungen, die durch die Verallgemeinerungen von ahd. nichtstimmlichen Verben wie „diozan" und „klingan" bedingt sind, sich innerhalb des nichtstimmlichen Bereichs selbst ausgewirkt haben.
Entwicklung der Verben
171
Dazu können wir im Falle von „diezen" und „klingen" feststellen, daß sich diese Verben weiterhin auch für die von ihnen früher bezeichneten Bereiche verwenden lassen, was ja auch nicht so erstaunlich ist, da sich die beiden Wörter ja vom Unter- zum Oberbegriff entwickelt haben. Man kann dem aber zufügen, daß in der klassischen mhd. Sprache die Spezifierungslücke noch nicht ausgefüllt worden ist. Von diesem Gesichtspunkt sind die beiden Wörter „diezen" und „klingen" denn auch keine genauen Reproduktionen ihrer ahd. Pendants, sondern die ahd. Verwendungen dieser Wörter wirken noch nach, indem sie häufiger gebraucht werden müssen und gewissermaßen als Nische noch die ursprüngliche ahd. Verwendung dazukommt. Im weiteren Verlauf stellen wir allerdings für „diezen" und „klingen" verschiedene Entwicklungstendenzen fest. Während für „klingen" auch späterhin kein Ersatz für den ausschließlichen Bereich des metallischen Klingens erscheint, füllt sich die Spezifierungslücke im Falle von „diezen" bald wieder auf. Schon in Konrad von Würzburgs Trojanischem Krieg werden Wörter wie „Huschen", „siusen" und „snurren" gegenüber den früheren Texten verhältnismäßig häufig. Was die übrigen Wörter dieses Bereiches betrifft, so ist vorauszuschicken, daß uns die Darstellung dieses Feldes als Struktur sowohl im Ahd. wie im Mhd. schon in sich selbst schwer gefallen ist. Auch ist wohl in beiden Perioden diese Wortschatzschicht recht unvollständig überliefert. Immerhin finden wir im Ahd. und im Mhd. zum Teil die selben Wörter. So erscheint mhd. „siusen" praktisch in der gleichen Funktion wie ahd. „süsen". Auch mhd. „ k l a f f e n " kann als eine Fortsetzung von ahd. „klaffon" gelten, obwohl im Mhd. seine Verwendung als ,trockenes Klappern' schärfer umrissen scheint als im Ahd. Wir treffen es immerhin in beiden Perioden mit den fast gleichen Materialien an, nämlich mit Holz, Metall und klappernden Zähnen. Audi ahd. „donerön" und „krachon" setzen sich offenbar unverändert ins Mhd. fort, wobei wir allerdings für „krachon" im Ahd. viel zu wenig Belege haben, um dies auch schlüssig zu beweisen. Wir können jedoch ohne große Gefahr auf Grund der vorhandenen Belege und der durchschnittlichen Stabilität der Bedeutungen in diesem Bereich annehmen, daß sich der mhd. Gebrauch des Wortes als ,krachen' von Holz nicht wesentlich vom ahd. unterscheidet. Nicht fortgesetzt in unseren Texten finden wir ahd. „brastön". Immerhin sind eine kleine Anzahl von Belegen im Mhd. in Lexer (I, 342) angeführt, sodaß seine Abwesenheit auch zufällig sein könnte. Doch muß man aus der geringen Zahl von Belegen schließen, daß es sich eher um ein verschwindendes Wort handelt. Auch „rüzan" kommt in unseren Texten nicht vor, obwohl es besonders für das Obd. sowohl in Lexer (II, 560) wie im Deutschen Wörterbuch (8, 318) gut belegt ist. Wenn es den Schriftstellern des klassischen Mhd. überhaupt bekannt war, so muß es ihnen doch als unverwendbar, weil vielleicht allzu mund-
172
Diachronische Entwicklung
artlich vorgekommen sein. Jedenfalls finden wir die verschiedenen durch „rûzan" bezeichneten Geräusche anders wiedergegeben. Wichtig wird einmal „snarchen" für das Geräusch des Schnarchens'. Nicht direkt in unseren Texten, aber bei Konrad von Würzburgs Trojanischen Krieg wird „murren" für ein unstetiges, sausendes Geräusch z. B. von Pfeilen, das ja ebenfalls durch „rûzan" bezeichnet worden ist, gebraucht. Für das Ächzen und Knarren steht im Mhd. zudem weiterhin „kerren" zur Verfügung. Im Großen und Ganzen kann man, ähnlich wie bei den konkreteren Stimmverben, feststellen, daß die konreteren Geräuschwörter relativ stabil sind und in ihrem Bereich jedenfalls wenige Gruppenentwicklungen vorkommen. Zwar erleiden einige dieser Wörter Bedeutungserweiterungen und andere verschwinden; dessen ungeachtet setzt sich der Hauptteil von ihnen unverändert fort.
4. Entwicklung der
Substantive
Wie bei den Verben stellen wir auch bei den Substantiven im Bereich der am allgemeinsten verwendbaren Wörter eine Tendenz zur Verallgemeinerung test. Ansätze dazu konnten wir übrigens schon im Ahd. beobachten, indem ja bereits dort „döz" nicht mehr wie das Verb „diozan" nur für ,Rauschen' gebraucht wurde, sondern für nichtstimmliche geräuschhafte Lauterscheinungen Die Richtung der Bedeutungsverallgemeinerungen geht aber bei den Substantiven nicht auf das gleiche Ziel zu wie bei den Verben, nämlich auf die Beibehaltung des ursprünglichen Systems. Im Ahd. stellt „lüta" das allgemeinste Wort für ,Schall'. Davon ist im Mhd. nicht mehr manche Spur vorhanden, in unseren Quellen erscheint davon nichts mehr 5 . Wir haben dafür praktisch ein polares Paar von „döz" und „schal" vor uns, das im Hinblick auf das Merkmal ,intentional erzeugt' gegensätzlich markiert ist. „Schal" besitzt als relevantes Merkmal diesbezüglich eine positive Markierung, während „döz" zwar ,intentional erzeugte' Klänge bezeichnen kann, dies aber im syntaktischen Kontext nicht zum Ausdruck kommen darf. Im übrigen sind beide Wörter sonst unmarkiert, haben also keine weiteren Gebraudisbeschränkungen. Durch diese Entwicklung werden „schal" und „döz" im Mhd. Glieder einer ganz andern Art von Opposition, als sie im Ahd. darstellten, wo noch der Klangcharakter entscheidend war. Durch die Etablierung eines auf dem Merkmal ,intentional erzeugt' begründeten Gegensatzes gleich zuoberst in der Hierarchie ergibt sich natürlich eine relativ weitgehende Umstrukturierung des Schallwortschatzes vom Ahd. zum Mhd. Jedes Wort muß nun von Anfang an im Mhd. 5
Das maskuline Substantiv mhd. „lût" eigentümlicher Laut' kann der morphologischen ßildungsweise nach nicht als direkte Fortsetzung von ahd. Jüta" fem. angesehetv werden.
Entwicklung der Substantive
173
daraufhin angesehen werden, ob bei ihm das Moment ,intentional erzeugt' eine Rolle spielt oder nicht. Die Bedeutungsentwicklung von „schal" scheint ihre Folgen auch für die Nebenwörter gehabt zu haben. „Braht" und „kradem", im Ahd. die beiden allgemeinsten Wörter mit dem Merkmal ,intentional erzeugt', haben in das Mhd. eine Bedeutungsverengung erfahren, „braht" auf den rein stimmlichen Bereich, „kradem" auf den Lärm einer Menschenmenge. Für „kradem" ist zusätzlich festzustellen, daß es vorwiegend in der Heldenepik gebraucht wird und aus der schon im klassischen Mhd. festzustellenden Seltenheit seines Vorkommens wohl zu schließen ist, daß es ein verschwindendes Wort mit altertümlichem Stilwert darstellt. Neu erscheint im Mhd. im Bereich ,intentional erzeugt' das Wort „ludern" für den Stimmenlärm einer Menschenmenge. Wie „kradem" erscheint es jedoch fast ausschließlich in der Heldenepik und wirkt schon in der untersuchten Zeit als veraltendes Wort mit altertümlichem Anstrich. In der höfischen Epik wird „ludem" wie „kradem" vermieden und dessen Inhalt durch „schal" wiedergegeben. An die bisher erwähnten Stimmverben können wir an dieser Stelle auch „ruof", „schrei" und „krie" anknüpfen. Wie wir schon bei den Verben angetönt haben, hat sich das Paar „ruof(t)" — „skrei" unverändert in das Mhd. fortgesetzt. Neu in diesem Kreis tritt das Fremdwort „krie" hinzu. Dazu haben wir im wesentlichen das gleiche zu bemerken wie beim entsprechenden Verb „krtieren". Es handelt sich dabei um ein Wort, das ganz der Ritterkultur angehört und in seiner Verwendung an die Situation eines ritterlichen Kampfes gebunden ist. Seine Einführung verdankt demnach das Wort einer Beeinflussung im Rahmen der Gesamtkultur. Da es an einer ziemlich verzweigten Stelle der Hierarchie erscheint, ändert seine Existenz am Gesamtaufbau des Schemas nicht viel. Wenn wir die ahd. und die mhd. Wörter in ihrer Gliederung nebeneinander aufführen, dann erhalten wir das Bild auf S. 174. Es fällt uns auf, daß bis auf Einzelheiten das Lexeminventar im Mhd. das gleiche geblieben ist wie im Ahd. Zugleich haben sich aber die Beziehungen zwischen den Bedeutungen der Lexeme ziemlich stark geändert, sodaß man trotz der Ähnlichkeit im äußerlichen eine große Verschiedenheit im Aufbau feststellen muß. Werfen wir noch einen Blick auf die Gruppe der Wörter, die im Mhd. an „doz" anzuschließen ist. Wir stellen fest, daß in diesem Rahmen, besonders mit der Existenz von „galm", das Merkmal .Helligkeit' vom Ahd. in das Mhd. als ziemlich weit oben erscheinendes Kriterium fortgesetzt wird. Durch verschiedene Umstände wird freilich das Bild im Mhd. etwas komplizierter. Einmal verschwindet durch die Bedeutungserweiterung von „doz" im Mhd. ein allgemeines Wort für ,nicht hellklingend', wie es im Ahd. noch zur Verfügung stand. Ferner wird im Bereich der hellklingenden Laute durch die Verallgemeinerung von
Diachronische Entwicklung
174
Ahd
Mhd
„klang" eine neue Dimension eingeführt, nämlich das Merkmal ,wohltönend'. Wir müssen dabei annehmen, daß diese Verallgemeinerung Hand in Hand mit der Bedeutungserweiterung des dazugehörigen Verbs „klingen" gegangen ist. Wohl im Zusammenhang mit der Entwicklung von „klang" verschiebt sich im Mhd. die Bedeutung von „galm" von ,hellklingend' allgemein auf besonders starke Klänge. Besonders für metallisches Erklingen, das im Ahd. noch durch „galm" bezeichnet werden konnte, wird nun „klang" ausschließlich verwendet. Für feine Klänge allgemein tritt noch „gedoene" daneben. Wir haben also für das Feld der hellen Klänge im Mhd. feinere Differenzierungsmöglichkeiten als im Ahd. An „galm" ist zudem wohl noch als neues Wort „snar" (und „gesnarre") als Spezialbezeichnung für den Klang von Posaunen anzuschließen. Mhd. „galm"' wird ja ebenfalls mehrfach für Posaunenschallen verwendet. Auch der Bereich der Musik erscheint differenzierter. Diese Änderungen verlaufen parallel mit jenen bei den Verben. „Sang" wird zum speziellen Wort für den stimmlichen Bereich der Musik, wogegen als Allgemeinbegriff für musikalisches Erklingen das Fremdwort „dön" beigezogen wird. Ein weiteres Fremdwort haben wir in „note", das zu „dort" in der „Teil-von-Relation" steht. Im Zug dieser Neuverteilung verschwindet auch ahd. „rarta", das sich jetzt mit „sang" überschneiden müßte.
Entwicklung der Substantive
175
Während sich alle die erwähnten Wörter an das im Ahd. wie im Mhd. gleicherweise vorhandene Merkmal ,hellklingend' anschließen lassen, bleibt der Gebrauch des im Mhd. neu auftauchenden Wortes „duz" für ,nichtstimmliche' Laute allgemein außerhalb dieser Kategorien. Auch dieses Wort bedeutet gegenüber dem Ahd. eine Erweiterung. Von den an „duz" anzuschließenden Wörter haben wir nur in „doner" eines, das sich unverändert vom Ahd. in das Mhd. feststellen läßt. Die Funktion von ahd. „krac" führt im Mhd. möglicherweise „krach" weiter, wenn man dabei auch Bedeutungserweiterung mit in Betracht ziehen müßte. Allerdings läßt sich mhd. „krach" nicht von ahd. „krac" direkt herleiten, umsomehr als es im Mhd. auch ein „krac" mit der Bedeutung ,Riss', .Scharte' gibt. Beide Wörter legen in ihrer Lautgestalt aber lautmalerischen Ursprung nahe, und so wäre es möglich, daß sie anfangs gleichberechtigt nebeneinander bestanden hätten und erst später in ihrer Bedeutung differenziert worden wären. Einen schwierigen Punkt in dieser Argumentation bildet allerdings die Tatsache, daß „krach" im Ahd. nicht belegt ist.6 Eine weitere Erklärungsmöglichkeit könnte man finden, wenn man Rücksubstantivierung aus dem Verb „krachon" annähme. Auch in diesem Fall müßte man angesichts der Bedeutungsdiskrepanz von mhd. „krachen" und „krach" für „krach" Bedeutungserweiterung annehmen. Eine Untergruppe von Geräuschen, die mit ahd. „doz" und mhd. „krach" bezeichnet werden, nämlich besonders starke und dumpfe, wird im Ahd. mit „klafleih", im Mhd. mit „klac" bezeichnet. Es findet also ein einfacher Austausch von Lexemen statt. Dabei wird keine Entwicklungslinie sichtbar, da jeweils das Wort der einen Periode im andern nicht vorhanden ist. Auch einen Grund für diesen Ersatz könnte man nicht angeben. Als letztes Wort haben noch „süs" zu erwähnen. Dieses Wort ist zwar lediglich im Mhd. erwähnt. Wir haben jedoch sowohl im Ahd. wie im Mhd. ein davon direkt ableitbares Verb, ahd. „susen", mhd. „siusen" belegt. Dieses Verb ist in seinem Inhalt im Lauf der Zeit stabil geblieben. Da sich das Substantiv und das Verb im Mhd. der Bedeutung nach immer noch decken, können wir annehmen, daß dies im Ahd. ebenfalls so war, außer wir wollten wie bei „krach" Rücksubstantivierung in der Zeit nach dem Ahd. annehmen. Bei dem Charakter der Vereinzelung, der der Überlieferung und den Inhalten der Wörter aus der letzten Guppe anhaftet, ist es unmöglich, irgendwelche übergreifende Zusammenhänge, Tendenzen oder Wechselwirkungen festzustellen. 6
Es bleibt dabei allerdings noch das Problem der Schreibung zu berücksichtigen. Nach Schatz, Ahd. Gramm. § 224 findet man „im Auslaut c im Obd. öfter, als man nach der Schreibung ch, cch im Inlaut erwarten könnte." (a. a. O. S. 148). Bei der geringen Zahl von Belegen von „krac" kann man jedenfalls für dieses Problem daraus nicht allzuweitreichende Schlüsse ziehen.
176
Diachronische Entwicklung 5.
Zusammenfassung
Wir können uns endlich fragen, ob hinter all diesen bis jetzt beschriebenen Veränderungen grundsätzliche Tendenzen der Entwicklungen gesehen werden können. Freilich wäre eine solche Untersuchung aufschlußreicher, wenn man mehrere Stufen der Entwicklung mit einbeziehen könnte, also verschiedene Entwicklungsabschnitte unter dem Gesichtspunkt der jeweiligen Charakteristik der Entwicklung miteinander vergleichen könnte. So würde das Eigentümliche einer Entwicklung einer einzelnen Periode oder das immer Gleichbleibende solcher Veränderungen erst recht deutlich. Hier müssen wir uns aber damit begnügen, einige Punkte zu erwähnen, die als Hauptzüge der Gesamtentwicklung gelten können. Bezüglich der Ursachen der Veränderungen müssen wir zunächst festhalten, daß es sich im vorliegenden Bereich offenbar hauptsächlich um das handelt, was wir in der Einleitung zu diesem Kapitel als „sprachimmanent bedingte" Veränderungen bezeichnet haben. Das heißt hier soviel, wie daß wir meist keine außersprachlichen Ursachen für die beobachtbaren Veränderungen finden können. Eine Ausnahme machen lediglich die Wörter „dön" und „krie" mit ihren Ableitungen. Diese neuen Wörter sind auf Grund von kulturellen Berührungen und Beeinflussungen in den deutschen Wortschatz hereingekommen. Gesellschaftliche Erscheinungen und dadurch bedingte neue begriffliche Unterscheidungen verlangten nach Ausdrucksmöglichkeiten im Wortschatz, die durch Übernahme fremdsprachlicher Wörter geschaffen wurden. Für das ganze System haben aber diese Wörter vorläufig keine allzugroßen Strukturänderungen zur Folge gehabt. Für die andern Wörter können wir keine solchen Ursachen finden. Aus diesem Grund muß man die Gründe für Bedeutungswandel in inneren Bedingungen suchen. In einigen wenigen Fällen glauben wir solche Ursachen in der gegenseitigen Beeinflussung von miteinander stammverwandten Verben und Substantiven gefunden zu haben, man denke nur an die Fälle „ruofeti" und „schrien", deren Bedeutungsstruktur an diejenige der entsprechenden Substantive angeglichen worden ist, oder an die Verallgemeinerung der Bedeutung von ahd. „diozan", die durch die schon im ahd. erfolgte Ausweitung der Bedeutung des Wortes „doz" veranlaßt sein könnte. Auch die Bedeutungserweiterung bei den allgemeinen Verben kann man sich durch den Vorgang einer Kettenreaktion verursacht vorstellen, wobei allerdings der Ausgangspunkt nicht bestimmt werden kann. Daß wir für die meisten Bedeutungsveränderungen keine sicher bestimmbaren Ursachen finden, soll übrigens nicht heißen, daß man nicht Eigentümlichkeiten des Sprachgebrauchs, die für die höfische Literatur charakteristisch sind, finden könnte. Eine soldie Eigentümlichkeit dürfte man etwa im Faktum sehen, daß „schal" sich in unseren Quellen teilweise zu einem Wort für,höfische Pracht' entwickelt hat. Die Tatsache, daß diese Verwendung keine Spuren im späteren
Zusammenfassung
177
Sprachgebraudi zeitigte, beweist aber, daß diese Eigentümlichkeit eine Sonderentwicklung der höfischen Literatursprache auf rein stilistischer Ebene, auf der Ebene des Gebrauchs, nicht des Systems, geblieben ist 7. Zweifellos wären noch weitere Sonderentwicklungen des höfischen Wortschatzes auch im Bereich der Schallwörter vorstellbar. Sie festzustellen wird deshalb schwierig sein, weil wir kaum genügend gleichzeitige Zeugnisse nichthöfischer Sprache besitzen. Wie könnten wir nun die Entwicklungstendenzen in unserem Bereich in allgemeiner Form fassen? Wenden wir uns zunächst der Betrachtungsweise zu, wie sie sich vom Gesichtspunkt des einzelnen Wortes her ergibt. Hier können wir eine zweifache Feststellung machen. Im Bereich der abstrakteren, allgemeiner verwendbaren Wörter im oberen Bereich der Hierarchien finden wir fast durchgebend die Neigung der Verallgemeinerung, Ausweitung der Verwendungsmöglichkeiten. Wir haben dies sowohl für die Verben wie in etwas geringerem Maße für die Substantive beobachtet, man denke nur an die Bedeutungsentwicklungen von ahd. „skellan", „hellan", „diozan", „döz", „skal" usw. Bei den konkretesten Wörtern in den Astspitzen der Hierarchien konstatierten wir im Gegensatz dazu ein ziemliches Beharrungsvermögen. „Klaffon", „doneron", „doner", „susen" und die Wörter für die artspezifischen Tierlaute erleiden zum Beispiel vom Ahd. in das Mhd. praktisch keine Gebrauchsveränderungen. Natürlich gibt es auch Fälle, die mit dieser Tendenz nicht übereinstimmen; so müssen in manchen Fällen die alten Funktionen verallgemeinerter Wörter durch neue Wörter ursprünglich konkreter Bedeutung übenommen werden. Hier ist vor allem an „klingen", „diexen" und „krach" zu denken. Ferner gibt es den Zwischenbereich der allgemeineren Stimmverben und -substantive, wo zwar manche Verschiebung stattfindet, von Verwendungsausweitung aber nicht gesprochen werden kann. Dieser Grundgegensatz zwischen der Neigung zur Verallgemeinerung im Bereich der abstrakten Wörter und dem Beharrungsvermögen bei den konkretesten Wörtern bleibt trotzdem das auffallendste Charakteristikum der Entwicklung im Zeitabschnitt, der betrachtet worden is. Für die zweite Blickrichtung, jener auf die Veränderung des Systems als solchen, haben wir die wichtigsten Feststellungen schon in den jeweiligen Abschnitten getroffen. Was die Verben betrifft, so beobachteten wir das Bestreben, das System auch bei den Veränderungen der einzelnen Glieder zu bewahren. Umstrukturierungen ergaben sich eigentlich nur im Rahmen der Wörter des lauten Rufens und Schreiens. Dazu kommen allerdings noch eine ganze Anzahl von Verfeinerungen und neu hinzutretenden Unterscheidungen, die bei allen Ähnlichkeiten doch eine Verkomplizierung der Struktur bedeuten. Jedoch haben 7
Ein Gegenbeispiel, w o diese Entwicklung sich auch strukturell ausgewirkt hat, finden wir dagegen im Fortleben von mhd. „brabt" in nhd. „Pracht", dessen Bedeutungsveränderung sich tatsächlich über ,Lärm' zu ,Pracht' abgespielt hat.
178
Diachronische Entwicklung
wir bereits oben die Frage gestellt, ob diese Unterscheidungen schon im Ahd. vorhanden sein könnten und nur im Material nicht erfaßbar gewesen wären. Im Bereich der Substantive ergab sich dagegen weniger eine Verfeinerung als ein grundsätzlicher Umbau der Struktur als ganzer infolge der Etablierung des Grundgegensatzes von „doz" und „schal". Mehr noch als bei den Verben finden sich im Mhd. manche neu hinzutretende Wörter, wodurch sich aus der Vermehrung der Glieder der Struktur eine Bereicherung der Kriterien ergibt.
Anhang: Verzeichnis der den Untersuchungen zugrundegelegten Belegstellen Angeführt werden nur jene Wörter, die als Schallwörter im definierten Sinne erkannt wurden. Es fehlen aber auch die in Kap. IV, 7 abgegrenzten Verben und Substantive der Mitteilung. Während in den zugrundeliegenden mhd. Werken Vollständigkeit in der Erfassung der Stellen erstrebt wurde, gilt dies im Ahd. nur für die wichtigsten fortlaufenden Texte. Insbesondere im Falle der Glossen ergab sich die Notwendigkeit der Beschränkung auf einige ergiebigere Sammlungen. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Kap. II, 1.
A. Althochdeutsche bellan bellön bellod braht brabten braston brastod bremen bullon bullod diozan doner doneron doson doz erkracbön erliuten erskrian
Belegstellen
N. 1,549,11 11,45,25 70,21 Gl. 1,284,16 2,200,6 657,7 680,40 Steinm. 128,27,72,74 Gl. 2,18,9 679,60 Gl. 247,32 Gl. 1,487,38 2,420,12 437,58 646,61 649,40 654,37 655,23 713,34 N. I, 844,17 II, 103,20 Steinm. 28,145,24/25 Gl. 1,287,43 2,285,2 351,28 445,31,33 469,28 647,33 653,29 Gl. 1,322,20 2,413,11,38 436,39 444,41 Gl. 2,247,58 436,40 629,49 660,30 N. II, 215,25 219,18 Gl. 2,421,54 638,35 Gl. 2,638,29 671,4 N. I, 87,19 704,24 II, 263,9 Gl. 2,417,58 420,42 642,52 643,53 644,47,69 649,61 652,36 656,2 661,9 666,39 N. 1,796,13 II, 435,7 T. 22,6 139,7 N. I, 826,25 II, 50,2 310,20 367,26 426,26 616,11 Gl. 2,401,45 420,44 N. I, 87,5 N. 1,704,24 741,22 804,5,13 II, 244,8 310,12 392,18 Steinm. 29,47 Gl. 2,436,40 462,32 638,10 680,19 695,46,57 696,55 Gl. 2,650,53 N. I, 64.17 72,15 N. II, 334,16 O. IV, 24,14
180 Anhang: Verzeichnis der den Untersuchungen zugrunde gelegten Belegstellen fogelrarta galm gellan grinan baren
heis hellan bornskal hugeskrei kerratt klaff od
klaffon klaffunga klafleih klang klengilon klingan klingilod. klingilon kraäem krademen kräen krac krachon limmen liutenjlüten
N. I, 698,9 798,7 817,23 Gl. 2,471,54 O. V, 19,25 Steinm. 36,244,3 Gl. 1,555,23 2,463,11 4,55,39 N. I, 855,3 Gl. 1,334,12 397,41 630,34 Gl. 1,600,41 2,713,37 3,240,56 N. 1,69,18 11,8,7, 9,7 10,3,5 11,23 44,23 47,17 48,7 62,10 66,7,17 67,5 71,15 85,13 87,4 92,24 94,11,21 113.4 115,1 165,27 186,25,27 209,11 215,13 230,1,4 268.5 272,19 306,18 354,3,4,8,9,10 355,6,20,22 361,7 364,10 460,14 463,10 494,1 537,3,7,19,22,24 547,17 586,9 599,7 0.11,9,51 111,8,25 10,13 Steinm. 14,26 38,297,6 39,193,12 198,6 209,19 N. 1,722,11 857,5 11,264,2 N. 1,223,14 691,25 705,7,14,20 II, 155,6 0 . 1 , 1 , 3 8 V, 23,187 Gl. 2,675,25 718,56 N. II, 179,9 N. 11,201,8 Gl. 1,619,51 2,454,16,18 458,11 637,60,67 647,1 657,57 N. II, 351,22 Steinm. 29,48 T. 77,4 Gl. 1,713,29 2,261,48 436,39 671,55 695,53 N. 1,796,14,16 Gl. 1,385,25 2,626,49 637,28 656,32 657,35 661,6 666,3 683,71 708,48 Steinm. 29,48 T. 77,4 N. 1,743,24 796,16 N. II, 606,17 Gl. 1,810,5 Gl. 409,25 4,22,12 N. 1,699,16 Gl. 2,642,47 Gl. 2,643,30 4,103,4 Gl. 1,486,38 N. II, 24,10 2,420,12 3,159,17 Gl. 1,485,14 2,252,8,24 445,32 O. IV, 13,35 18,33 T. 188,5 Gl. 2,256,76 650,53 748,28 Gl. 2,428,55 693,64 Gl. 2,618,48 667,46 N. 1,583,27,28 705,2,11 781,16 836,19 855,27 856,9,17 I I , 50,23 54,22 287,13 310,13 488,1 545,16 622,7 0 . 1 , 1 , 3 7 2,5
55,9,11 102,16 250,13 363,11 583,14
668,17
Anhang: Verzeichnis der den Untersuchungen zugrunde gelegten Belegstellen 181
luon lüt (adj./adv.)
luta
lutreisig lütreisti orgenlüta orgensang rarta rohunga rüod ruof ruofan
ruohen ruoft rüzan rüzunga sang
seitsang seitskal singan
Murb. Hymn. VII, 7,12 Gl. 1,463,24 520,4 Gl. 1,335,36 2,639,64 712,26 N. I, 97,24 137,26 739,12 804,5 11,597,10 O. II, 4,63 9,39 I I I , 8,25 24,97 IV, 12,34 24,13 26,5,7 Steinm. 16,31 21,7 Gl. 1,627,8 661,20 N. 1,196,7,9 705,8,10 721,16,25 722,11 788,15 791,29 852,29 857,5 II, 120,7 137,17,18,19 155,4,7 196,17,19 212,6 252,15 297,15 345,9 416,13 Steinm. 27,21 Gl. 2,634,13 656,22 N. 1,704,24 741,20 803,20 842,27 857,6,8 11,179,10 262,9 342,12 343,3 392,14 420,2 639,31 N. 1,788,19 N. II, 388,2 N. I, 326,5 341,27 702,25 781,30 842,27 Gl. 2,454,14 N. 11,68,15 137,16 439,7 Gl. 2,629,43 N. 1,157,19 739,14 II, 246,2 536,22 561,4,12 585,16 0 . 1 , 2 3 , 1 9 27,41 111,1,13 9,13 11,20 14,59 16,61 10,5,9,20 IV, 18,39 23,15,18 26,43,47 29,47 33,15 24,29 V, 8,24 T. 13,3,8,21 53,5,6 61,1 64,42 69,9 71,6 81,4 85,2,3 92,2,6 104,8 107,2 115,1 116,4,5 117,4 122,3 129,5 135,26 143,2 197,4 198,1,3 199,10 207,2,3 208,6 N. II, 68,15 137,14,17 Gl. 1,757,6 N. 1,142,21 II, 48,10 246,2 264,2 420,2 536,28 T. 148,3 Gl. 1,532,1 540,3 2,413,38 420,5 428,12 652,39 661,1 706,61 Gl. 2,706,6 N. 1,7,6 12,25 53,25 126,2,5,12 223,3,24 224,13 290,23 691,2,17, 25 692,12 704,25,27 708,3 781,17 786,16 788,22,24 791,24,27 793,12,19,21,26 794,1 796,11 803,21 804,8 842,27 844,17 853,1,5,14 854,15 856,6,18 II, 36,10 85,11 89,8 140,24 145,13 159,25 167,6,9 231,22 234,23 246,14 252,16,17 272,3 277,7 287,5,11 333,3 342,12 360,25 387,16 399,3 402,12,16,22 405,19 408,19 416,13,16 572,31 574,21 O. II, 12,25,29 IV, 23,22,175,179,187 25,96,104 Steinm. 16,48 36,226,25 228,5 T. 97,6 Gl. 1,373,66 N. I, 223,15 788,19 843,18 N. II, 252,17 N. 1,96,16 176,14 322,26 791,21 793,11,25 728,4 791,21 797,5 803,29 855,30 837,16 11,9,21, 107,2 217,11 225,6 242,10 260,2 275,4 358,21 360,21,24 366,13 388,11,13 417,4 481,6 574,20,24 usw.
182 Anhang: Verzeichnis der den Untersuchungen zugrunde gelegten Belegstellen
skal skellan
skrei skreion skrlan suegelsang süsen unhelle unlütreisti
weion weskrei zuizeron zuoskrian
O.1,34,116,125 5,10 6,15 12,22,26,33 17,28 19,19 II, 23,5 IV. 4,53,55 5,61 13,36 18,33 V, 9,43 23,187,294 T. 33,2 64,12 161,4 N. 1,804,12 838,1 II, 24,8 57,21 252,15 N. I, 77,4 99,15 704,24 804,5 II, 89,22 175,10 216,10,28 217,2, 3,5 310,17 597,9 606,16 616,5 639,31 Steinm. 39,302,6 Gl. 1,761,33 2,709,1 715,41 N. II, 137,17 Gl. 1,485,11 N. 1,40,25 11,246,12 N. 1,65,5 11,56,14 611,22 O. IV, 26,7 Gl. 1,600,44 713,41 2,421,43 N. 1,788,18 Gl. 2,426,48 428,11,55 451,23 452,33 457,63 643,43 645,55 658,42 663,13 N. 1,857,4 N. I, 855,4 N. 1,8,13 61,24 80,5 252,23 700,16 835,18 11,15,30 16,2,12 48,22 157,27 233,18 293,8,9 322,8,13 329,19 350,3 400,27 490,22 534,28 555,26 557,2,3 572,4,5,8 0.1,18,12 20,10,27 III, 10,1 24,8,55 IV. 7,37 18,40 26,7,27, 32, 33 V, 7,6,21 9,20 23,104 Steinm. 28,137,16,17 147,27 30,1,8 T. 10,3 60,12 Gl. 1,562,10 605,41 2,668,54 3,241,44 Steinm. 29,49 N. 1,138,26 Gl. 2,361,39 429,68 674,80 675,64 N. II, 121,18
B. Mittelhochdeutsche bellen beruofen braht brimmen diezen
doenen
Tr. 15886 Wig. 241,5512 E. 2525 Wi. 407,13 1.682 Tr. 1241 12599 15127 Wig. 4293 4311 4413 5228 P. 42,14 N. 35,2 492,2 2305,2 2359,2 E. 8994 1.209 P. 466,23 567,20 Tr. 4046 4862 9100 N. 1834,3 Tr. 3588 4794
Belegstellen
Anhang: Verzeichnis der den Untersuchungen zugrunde gelegten Belegstellen 183 don
doner donern doz
duz erdiezen erhellen
erklingen
erkrachen erlüewen erluten erschellen
erschrien verdiezen vogelgedoene v ogelsanc gägen gaim
N. 1705 1964,4 2002,2 2270,2 P. 63,7 184,26 370,8 475,13 692,6 766,16 814,28 Wi. 2,16 17,2 31,15,18 35,22 41,22 115,8 151,26 255,22 299,22 329,8 337,10 384,12 396,20 397,10 374,17 407,22 456,14 Tr. 3218 3455 3604 4782 4785 4791 4807 7993 P. 104,5 379,12 567,20 Wi. 12,17 389,19 Wi. 372,12 N. 941,1 1355,1 1937,1 2047,1 2048,1 E. 2684 6876 7875 8724 9626 1.253 994 2822 P. 63,3 379,11 408,7 Wi. 40,2 41,4 427,3 437,6 Tr. 9049 9098 N. 945,2 P. 104,5 180,20 Tr. 17163 N. 34,3 186,1 202,2 233,2 585,4 624,3 808,1 961,4 1009,4 1552,1 1835,1 1881,3 1987,3 2034,3 2039,2 2234,2 2235,2 2324,4 N. 204,1 986,2 1039,3 I. 301 P. 63,6 378,15 627,20 Wi. 40,4 424,6 447,6 Tr. 9054 Wig. 5102 7260 8655 N. 459,4 482,4 668,4 1834,3 1940,2 1970,2 1976,3 2212,1 2275,2 2348,4 P. 163,10 197,27 207,16 286,28 294,12 378,8 567,18 739,22 Wi. 31,15 38,24 73,2 117,26 150,13 346,30 382,13 383,9 396,7 413,1 417,18 424,30 437,17 44,20 Wig. 7157 N. 677,3 Wi. 70,30 429,27 1.5057 N. 958,2 1987,2 N. 492,1 808,3 1025,4 E. 393 9212 9756 I. 302 Wi. 220,23 427,3 Wig. 2702 6716 7503 N. 676,3 1009,4 P. 184,25 Tr. 16028 N. 2078 Tr. 575 16751 P. 118,15 Tr. 4764 4772 P. 282,14 E. 5752 6596 1.619 P. 63,6 379,15 567,29 738,20
184 Anhang: Verzeichnis der den Untersuchungen zugrunde gelegten Belegstellen
eedoene
gescheite geschrei
gellen gesnarre grin grinen horndon horngeschelle hornschal heise hei
bellen
kerren klac klaffen klanc
klingen
krach
krachen
Wi. 4,14 17,24 40,7 129,22 165,30 390,28 Wig. 8654 P. 39,21 Tr. 3222 1652 Wig. 9196 9452 Tr. 2770 3235 14371 1.7110 P. 525,23 789,13 Wi. 152,16 Wi. 35,16 Wig. 7025 Wi. 390,29 P. 155,30 1.877 878 Tr. 15886 Tr. 3248 Tr. 3454 E.9629 Tr. 3233 P. 505,20 P. 63.2 116,7 122,9 180,22 339,9 384,7 545,17 551,28 660,8 Wi. 31,15 45,19 333,25 337,10 360,5 382,16 427,2 428,22 Tr. 3204 3418 15848 N. 646.4 797,1 1616,2 1978,3 2007,3 E. 74,25 P. 287,4 Tr. 894 4510 11099 11845 16702 Wig. 1668 2059 2354 3487 4516 5252 7072 8881 9452 9580 10656 P. 69,12 Wig. 6891 P. 379,11 N. 1601,1 N. 208.1 811,2 1948,2 1974,2 2047,1 P. 196,12 Wi. 31,19 402,3 407,30 Tr. 7643 15856 15871 17159 17218 Wig. 10883 N. 1040,1 1305,3 1835,1 E.7754 P. 39,20 69,16 122,7 381,20 466,23 492,18 570,30 747,10 814,30 Wi. 171,20 172,23 176,14 326,23 413,1 416,30 Tr. 3585 4800 7517 8118 8121 17158 17205 17220 17376 Wig. 240 11053 N. 1610,1 P. 63,3 73,17 104,5 646,4 667,4 738,21 764,29 Wi. 12,28 34,9 57,10 105,20 314,29 333,24 348,19 351,23 372,13 384,12 400,20 403,15 409,17 N. 677,3 1.4416 P. 35,24 69,17 172,19 192,7 219,9 378,10 567,25 568,15 Wi. 152,7 209,3 275,17 299,23 570,17
Anhang: Verzeichnis der den Untersuchungen zugrunde gelegten Belegstellen 185 kradem
krie
krtieren
limmen ludern lüewen lüt sb. lüt adj./adv.
lüten
mortschal note notelin rüefen
ruof
ruofen
N. 603,4 2070,2 P. 408,7 P. 194,5 P. 80,3 270,17 284,13 339,9 357,6 379,27 382,29 385.2 478,30 739,24 Wi. 42,3 39,11 50,11 114,22 116,12 117,2,6,11 336,12 337,15 344,6 359,6 374,18 385,25 396,20 398,8 401,28 405,19 409,14 420,1 437,13,17 E. 2564 3082 1.7106 P. 68,19 Wi. 41,27 372,3 401,2 Tr. 5574 9164 Wig. 4555 P. 42,13 Tr. 13525 N. 941,1 Wi. 35,17 Wig. 5101 Tr. 10102 15866 Wig. 5251 6442 6453 N. 204,1 215,4 224,3 230,2 459,4 466,1 497,3 498,1 585,4 668,4 676.3 808,1 845,3 944,2 986,2 1065,1 1344,4 1570,1 1881,3 1930,1 1952,1 1975,1 2192,4 2348,4 E.4425 4737 6084 6587 8800 8994 I. 710 3828 3845 P. 104,28 105,20 117,23 121,1 122,25 131,11 287,3 378,8 407,15 486.4 525,24 668,13 688,9 713,10 Wi. 40,4 333,10 424,6 447,5 Tr. 3250 8119 17260 Wig. 6714 N. 2002,1 E. 4780 1.701 Tr. 6360 7942 12890 17218 Tr. 9053 Tr. 2179 3517 3523 3534 3566 3619 7608 7995 10317 17211 17852 19198 19343 Tr. 3554 8059 17216 N. 1552,1 1613.1 2212,1 2356,3 E.5302 5399 5460 P. 182,15 357,8 574,30 Wi. 336,15 401,29 Wig. 102 P. 72,2 Wi. 18,1 40,4 68,29 69,1 114,23 212,19,24 329,1,15 344,6 372,2 397,3,12,16 437,1 N. 119,1 215.4 498,1 1548,1 1550,1 1570,1 1576,2 1846,1 1892,2 1893,1 1930,1 1952,1 1953,1 1979,1 1983,1 1987,1 1988,1 2028,1 2132,1 2216,1 2293,1 E.316 6677 9666
186 Anhang: Verzeichnis der den Untersuchungen zugrunde gelegten Belegstellen
ruoft
sanc
schal
schellen
schrei schrien
singen
1.710 1366 3247 3611 3614 3617 4625 5178 5297 5792 P. 39,15 49,28 50,20 104,28 121,1 122,25 166,27 181,14,22 191,28 245.26 247,4 248,3 284,20 379,27 525,24 527,23 581,11 649,6 673.18 675,19 Wi. 43,1 53,30 69,1 87,9 100,26 115,9 228,5 273,21 327,24 329,19 334,30 413,14 Tr. 3015 3320 5599 6473 9307 9378 10228 11221 12884 13540 Wig. 459 2044 4515 5883 7028 10284 10932 P. 15,24 479,1 Wi. 78,10 Tr. 5475 N. 1040,2 E.7814 8163 8899 9660 I. 606 616 620 639 991 P. 115,13 297,26 378,7 553,9 587,7 Tr. 4806 7641 8106 8115 8122 Wig. 642 655 N. 34,4 247,4 306,1 686,2 807,2 808,2 941,2 946,3 959,1 961,4 1359,2 1363,3 1687,1 1881,1 1894,1 1909,2 1937,1 1972,4 2003,2 2004,1 2008,3 2013,4 2037,4 2078,1 2110,2 2357,4 E. 232 448 1388 1519 2201 2374 2380 2610 4594 5746 6646 6652 6876 7424 8109 9653 I.1225 1413 2645 3072 4653 5801 7823 P. 35,27 45,9 63,5 73,17 90,8 118,25 119,1 120,15 147,29 181,22 182,2 192,24 193,18 222,14 242,4 273,9 281,6 284,23 487,26 620,25 627,19 662,5 764,24 Wi. 40,3 47,18 82,23 136,8 139,30 187,27 212,24 304,20 316,17 359.27 397,27 397,8 445,22 Tr. 4493 6431 9627 11364 12625 14128 15127 16005 16204 16887 18833 Wig. 1666 2643 3083 3087 3179 3463 3563 4173 4312 5966 6440 6890 7261 7287 7772 7865 9010 9014 9265 9430 9444 9581 10877 11141 11447 N. 1610,1 Tr. 4803 Wig. 238 5250 6441 Tr.9110 N. 497,3 1013,1 1065,1 2376,4 E. 4038 4050 4425 5420 5758 6082 6084 6568 6604 6841 7412 I. 3845 6763 P. 138,13 231,23 242,16 247,13 248,1 260,17 374,10 381,17 382,12,27 407,15 688,9 692,7 739,25 742,2 744,3 Wi. 4,15 11,15 18,28 56,30 90,24 116,10 187,23 329,4,13 333,10 374.19 385,25 388,20 396,21 397,21 407,11 414,21 415,2,13,15 437,8,11,15,19 442,25 Wig. 1513 2424 2589 4310 4567 4867 5854 6425 6710 6716 6918 7683 7775 11557 N.31,1 301,2 644,3 807,3 844,1 1048,2 1052,1 1055,1 1059,2 1064,1 1065,3 1705,3 1851,1 E.2154 2945 6989 1.67 683
Anhang: Verzeichnis der den Untersuchungen zugrunde gelegten Belegstellen 187
seitgedoene siusen mar snarcben sperkrach sungeln säs weien widerhellen wüefen wuof
wuofen wuoft
P. 36,8 93,29 104,3 169,16 196,17 297,27 337,6 378,25 426,15 511,25 705,1 802,23 Wi. 286,19 289,5 Tr. 2293 3497 3626 3692 3730 4758 7098 7518 7523 7540 7675 7996 8055 8072 8112 8117 11533 17206 17210 17217 17367 19189 19210 19408 Wig. 241 244 1727 1018 2977 9487 Tr. 3570 1.994 P. 151,29 P. 400,19 Wig. 6895 P. 427,30 456,14 P. 104,3 N. 2077,2 I. 7822 Wig. 6426 E. 5747 E. 5298 N. 1021,3 1025,3 1036,3 1040,4 1972,4 22,34,4 2235,2 E. 5746, 6141 Wi. 10,27 P. 104,27 Tr. 5476
Literaturverzeichnis 1. Wörterbücher
und
Wortindexe
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c. Mittelhochdeutsche Quellen Apoll.
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Freid. H. v. Fr. Trist. 1. Jerosch. j. Tit. Kaiserchr.
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190 Karl.
Krone. Kudr. Lanzelet Lohengr. Mai. Martina Minnesinger MF Mgb. N. Neidh. P.
Part. Oswald. R. Alex. Reimchr.
Rennewart Troi.
Troye.
U. Alex. Walther Wi.
Wig.
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Wortregister Althochdeutsch bellan: 49, 170 bellon: 48, 49, 66, 170 bellöd: 48 braht: 54, 70, 173 brahten: 41 f., 45, 63 f., 65, 166 brastöd: 35 f. braston: 35 f., 37, 41, 64, 171 bremen: 57, 66, 170 bullod: 48 bullon: 48, 66, 170 diozan: 38, 64, 168, 170 f , 172 doner: 53 f, 175, 177 donerön: 38 f., 54, 64, 171, 177 doson: 39, 64 doz: 52 f., 54, 69, 108, 172, 176, 177 fogelrarta: 56 galm: 51, 54, 69 gellan: 33, 62, 166 gihelle: 60 grinan: 48 f., 66, 170 hären: 43, 45, 66, 70, 167 heis: 60, 163 hellan: 32, 42, 62 f., 69, 163, 177 hornskal: 50 hugeskrei: 55 kerran: 33 f., 62 f , 166 klafföd: 36 klaffon: 36, 41, 53, 64, 171, 177 klafiunga: 36 klafleih: 53, 69, 175 klang: 52, 69 klengilon: 34 klingan: 34 f, 64, 170 klingilod: 35 klingilon: 34 f. kradem: 54, 70, 173 krademen: 43, 66, 167 Mittelhochdeutsch bägen: 115 f. bellen: 134, 149, 170
kràen: 49, 170 krac: 53, 69, 175 (cr-)krachòn: 37, 41, 64, 171, 175 limmen: 47, 66, 170 (er-)liuten/luten: 29 fi., 62, 163, 164, 165, 166 luon: 46 f., 66, 170 lùt (adj./adv.) 57 f., 61 f„ 163 luta: 49 f., 54, 69, 172 lutreisig: 59 lùtreisti: 57 f., 62, 163, 166 orgenlfita: 50 rarta: 56 f., 69, 175 riozan: 168 rohunga: 44 ruof: 55, 173 ruofan: 43, 45 f., 66, 70, 168 ruoft: 54 fi., 70, 173 ruohen: 43 f., 45, 66, 167, 168, 169 ruzan: 40 f., 64, 171 rùzunga: 40 sang: 56, 69 seitsang: 56 singan: 42 f., 56, 62 f., 163 f., 165 skal: 50 f., 54, 69 f., 176 skellan: 30 fi., 33, 62, 64, 163, 172 skrei: 54 fi., 70, 173 skreión: 45 (er-)skrian: 44, 45, 66, 70, 168 suegelsang: 56 stemma: 57, 69 sùsen: 39, 41, 64, 171, 175, 177 unhelle: 60, 163 vveinòn: 46, 66, 167, 168 weión: 48, 66, 170 zuizerón: 49, 170 zuoskrian: 44
biten: 115 braht: 127, 156, 173
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Wortregister
brehten: 166 brimmen: 133, 149, 170 bullen: 170 (er-)diezen: 73 ff., 83, 146, 147, 163,171, 177 doenen: 105, 146, 163, 168 don: 100 ff, 153, 156, 168, 174, 176 doner: 106 f., 154 ff. donern: 106, 146 dôz: 86 f., 88, 90, 91 ff., 97, 98, 103, 109, 154, 172, 174, 178 duz: 89, 91 ff., 154, 175 vogelgedoene: 104 f. vrâgen: 116 gâgen: 135, 148, 170 galm: 95 f., 98, 154, 174 gedoene: 104, 154, 168, 174 geschelle: 94 geschrei: 130 f., 156 gellen: 122, 148, 149, 167, 169 gesnarre: 110, 154, 174 grin: 136 f. grinen: 136 f., 148, 149, 170 horndôn: 100 heise: 142 hei: 139 ff, 145, 147, 163, 165, 157 hellen: 51, 75 ff, 83, 86, 146, 163, 165 jehen: 114 f , 144 kerren: 83, 107 f , 146 f , 166, 172 klac: 108, 146, 154 f , 175 klaffen: 109 f , 147, 171 klagen: 115, 148, 149 f., 169 klanc: 97 £, 154, 174 (er-)klingen: 83 ff, 145, 146, 163, 171 krach: 87 f , 90, 91 ff, 108 f , 154 f , 174, 177 (er-)krachen: 82 f , 88, 145, 147 kradem: 95, 128, 155 f , 173 kraejen: 137 f , 148, 149, 170 krîe: 130, 156, 173, 176 krîieren: 124, 125, 148, 149 f , 167, 173
limmen: 132 f , 149, 170 ludem: 127 f , 156, 173 (er-)lüewen: 134, 149, 170 lût sb.: 99 f , 153, 167 lût adj./adv.: 119, 138 ff, 145, 163, 165, 167 (er-)lûten: 80 f , 144 murmeln: 117 f , 144 note: 101 f , 156, 174 notelîn: 101 ôrensiusen: 112 reden: 114, 116, 144, 150 riezen: 168 f. riuschen: 171 rûnen: 1 1 7 f , 144 ruof: 129, 173 ruofen/rüefen: 118 ff„ 125, 144, 148. 149 f , 176 ruoft: 129 f. sagen: 114, 116 sane: 131 f , 156, 175 schal: 90 ff, 94 f , 97, 98, 99, 103, 154. 155 f , 172 f , 178 (er-)schellen: 79 ff, 83, 146, 151, J.64, 165 schrei: 130, 156, 173 (er-)schrien: 120 ff, 123, 144, 148, 168 singen: 125 f., 144 siusen: 112 f., 146, 147, 171, 175 snar: 110, 154, 174 snarchen: 110 f , 146, 147, 171 snurren: 171 f. sprechen: 114, 116, 119, 144 stimme: 126 f , 153 sungeln: 113, 146, 147 sus: l l l f , 154 f , 175 weien: 135 f , 149, 170 wuof: 128, 156 wuofen/wïiefen: 124 f.. 128, 148, 149 f , .168 wuoft: 128 f.