Semantische Relationen im Text und im System 9783110907551, 9789027919779


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German Pages 128 Year 1972

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Table of contents :
Inhalt
1. Kapitel: Einleitung
2. Kapitel: Stand Der Forschung
3. Kapitel : Kennzeichen Eines Operativen Sprachlichen Thesaurus
4. Kapitel: Grundformen Von Kontextrelationen
5. Kapitel: Die Struktur Des Thesaurussystems
Übersicht Der Thesauruselemente Und -Relationen
Schlußbemerkung
Anhang Textbelege Für Semantische Relationen
Literaturverzeichnis Und Anmerkungen
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Semantische Relationen im Text und im System
 9783110907551, 9789027919779

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JANUA LINGUARUM STUDIA MEMORIAE N I C O L A I VAN WIJK DEDICATA edenda curat C. H. VAN S C H O O N E V E L D Indiana University

Series Minor,

113

SEMANTISCHE RELATIONEN IM TEXT UND IM SYSTEM von

ERHARD

AGRICOLA

in 1972

MOUTON T H E H A G U E • PARIS

2., bearbeitete Auflage. Copyright 1969 by VEB Max Niemeyer Verlag, Halle (Saale). Lizenzausgabe • Mouton & Co. N.V., Publishers, The Hague. No part of this book may be translated or reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm, or any other means, without written permission from the publishers.

Printed in the German Democratic Republic by Leipziger Druckhaus • Grafischer Großbetrieb.

Inhalt

1. Kapitel: Einleitung 2. Kapitel: Stand der Forschung 3. Kapitel: Kennzeichen eines operativen sprachlichen Thesaurus.. 4. Kapitel: Grundformen von Kontextrelationen I. Relationen und Operationen zwischen semantischen Einheiten mit syntaktischen Beziehungen 1. Vereinbarkeit von Sememen 2. Aktualisierung von Sememen 3. Aktualisierung syntaktischer Strukturen 4. Bedingte Vereinbarkeit von Sememen 5. Fern Vereinbarkeit von Sememen . . II. Relationen und Operationen zwischen semantischen Einheiten ohne syntaktische Beziehungen 1. Topiks mit Einzelsememen 2. Topiks mit Paraphrasen Übersicht der semantischen Kontextrelationen 3. Ausblick auf weitere Kontextrelationen 5. Kapitel: Die Struktur des Thesaurussystems 1. Die Text- und Thesauruselemente 2. Die Vereinbarkeitsrelationen Einzelrelation zwischen Sememen Relationsbereich eines Semems Gemeinsamkeit der Partnerbereiche und Bündel von Relationen Qualitative Unterschiede der Relationen 3. Äquivalenzrelationen Grundlagen der Synonymität . . . System der Synonymenreihen Äquivalenz im weiteren Sinne . Maße für Synonymität und andere Äquivalenz 4. Transformationelle Relationen Abgrenzung gegen andere Äquivalenzrelationen Formen von transformationellen Relationen

7 10 14 16 18 18 20 21 23 25 27 28 35 42 43 46 47 50 56 60 64 67 70 70 75 80 91 96 96 98 5

Übersicht der Thesauruselemente und -relationen Schlußbemerkung Anhang: Textbelege für semantische Relationen

105 108 114

Literaturverzeichnis und Anmerkungen

124

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1. Kapitel: Einleitung

Eine der zentralen Aufgaben für die entstehende Semantiktheorie wird es sein, eine Vorrichtung zu beschreiben, die - analog den in der Grammatik entwickelten Möglichkeiten - Entscheidungen über den Grad der s e m a n t i s c h e n Korrektheit von Texten und über die aktuelle semantische Struktur unter mehreren korrekten Strukturen treffen kann und die sowohl im Prozeß der Generierung als auch in den Modellen der Analyseund Synthesevorgänge des Kommunikationsaktes anwendbar ist. Die wichtigste Voraussetzung für das Funktionieren einer solchen Einrichtung wäre die Beherrschung ihres Kernstücks, bestehend aus der Gesamtheit der semantischen Einheiten, aus deren Inventar sich die zu beurteilenden Äußerungen zusammensetzen, sowie die Ordnung und die Relationen zwischen den Einheiten, d. h. die Struktur ihres Systems. Für dieses Ensemble wird hier der herkömmliche Terminus .Thesaurus' beibehalten, obwohl er bisher nur unzureichend und sehr unterschiedlich definiert worden ist. Als Ansatzpunkt für die Verständigung in der sachlich und terminologisch unklaren Situation soll der Bereich dessen, was im Prinzip als Thesaurus bezeichnet wird, mit einer vom Ziel her bedingten Frage nach seinem Aufgabenbereich umschrieben werden: Wie sehen Elemente, Ordnung, Zuordnungskriterien und Operationen eines Systems aus, das folgende Feststellungen selbsttätig zu treffen imstande ist: (a) den Grad der gegenseitigen Nähe oder Ferne der linguistisch-semantischen Bedeutungen (oder einzelner ihrer Varianten, d. h. der Sememe) von je zwei oder mehr verschiedenen Wortformen; dazu gehören u. a. die Verhältnisse, die als Identität, Äquivalenz, Synonymie, Verwandtschaft, Einschluß, Implikation, Gegensatz, Assoziation, Unvergleichbarkeit bezeichnet werden. (b) die Form der semantischen Beziehungen zwischen solchen Bedeutungseinheiten in syntaktischer Verknüpfung in Texten, d. h. semantische Vereinbarkeit (Kollokabilität, „semantische Kongruenz") Unvereinbarkeit, Widerspruch, bedingte Vereinbarkeit u. ä. Zuordnungen und Entscheidungen dieser Art vollzieht der menschliche Sprachbenutzer ständig unbewußt und ganz selbstverständlich. Alle Schwierigkeiten, die der Schaffung eines exakten Modells dieses Systems entgegenstehen, lassen sich - abgesehen von der großen Anzahl der Elemente und dem Mitwirken außersprachlicher Informationen - auf die Prinzipien der Synonymität und der Polysemität (beide im weitesten

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Sinne) zurückführen. Sie seien an zwei Beispielen nochmals ins Gedächtnis zurückgerufen: (1) Die Bedeutungen (oder bestimmte einzelne Sememe) der Lexemformen : helfen, unterstützen, beispringen, beschützen, beistehen, [er]retten, sekundieren, stehen [zu], sorgen [für] usw. werden, auch isoliert betrachtet, als eng miteinander verwandt empfunden, weil die Wörter vielfach im gleichen oder in ähnlichem Kontext auftreten und miteinander austauschbar sind, wenn auch in verschiedenem Maße. Die Gruppe bildet eine relativ geschlossene Einheit und grenzt sich gegen andere Einzelwörter oder Gruppierungen deutlich ab, etwa gegen: abbilden, darstellen, nachahmen, kopieren usw. Zu anderen besteht dagegen ein mehr oder weniger fließender Übergang; z. B. von helfen usw. zur Reihe: bewahren, stärken, fördern, heilen, begünstigen usw. Die meisten Lexeme lassen sich gleichzeitig mehreren Gruppierungen einordnen. (2) Die einzelnen Sememe der Wortform heiß werden trotz gemeinsamer formaler Grundlage als wenig miteinander verwandt aufgefaßt. Sie gehören jeweils zu unterschiedlichen, entfernteren Sememgruppen, so etwa zu: (a) warm, kochend, glühend, sengend, lau, kühl, kalt usw. (b) heftig, anstrengend, hitzig, wild usw. (c) innig, dringend, dringlich, herzlich usw. Auf Grund der Kenntnis der geschilderten Beziehungen kann von jedem Sprecher einerseits entschieden werden, daß z. B. die Sememe der Formen Pumpenschwengel, Buchstabe und Frieden zwar an weit voneinander entfernten Positionen eines Systems stehen und nicht wechselseitig substituierbar sind, aber in bestimmten Kontextarten als kollokabel, als miteinander vereinbar auftreten können, unter Umständen sogar als äquivalent angesehen werden: Der Pumpenschwengel war ein unleserlicher Buchstabe im Frieden des Hofs. [1] Im Gegensatz dazu sind Äußerungen wie die folgende sehr unwahrscheinlich: Ein eiserner Wasserfloh stürzte während der Treppe in die komplikationslose Röte. 8

Andererseits kann auf Grund der Kenntnis der genannten Beziehungen entschieden werden, daß ein Satz wie z. B.: Weit entfernt von der Oberfläche der Erde, wo die Menschen ihr Leben zubringen, vollzieht sich das Studium der oberen Atmosphäre. semantisch korrekt und widerspruchsfrei ist und eindeutig verstanden wird, obwohl seine 20 Lexem-Vorkommen nach den Angaben eines mittleren einsprachigen Wörterbuchs wenigstens 64 Sememe und Sememkombinationen repräsentieren, u. a. bereits bei einer Form so differierende wie Erde = ,Erdreich' /,Erdboden' /,Erdoberfläche' / .Erdkugel' / ,Erdsorte' /,Erdung'. Im Gegensatz dazu gestatten Äußerungen wie: Schwarze Spitze gibt ab F. Peters (Plakataushang) - Wir genossen unseren Urlaub in vollen Zügen mehrere semantische Interpretationen, d. h. sie bleiben absichtlich oder unabsichtlich kommunikativ mehrdeutig. Aus diesen Beispielen geht die allgemeinere Aufgabe der Untersuchung hervor, nämlich Wege zur Beschreibung eines durchgängigen Ordnungsprinzips zu suchen, mit dessen Hilfe von den im System bestehenden Positionen und gegenseitigen Distanzen und Relationen der Sememe auf ihre Vereinbarkeit bzw. Äquivalenz bei gemeinsamem Vorkommen in einem Kontext geschlossen werden kann.

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2. Kapitel: Stand der Forschung

Es hat innerhalb und außerhalb der Linguistik nicht an Bemühungen gefehlt, Teile des Wortschatzes in einer nicht-alphabetischen, auf Bedeutungsrelationen begründeten Ordnung praktisch darzustellen oder theoretische Vorschläge über die Grundzüge solcher Strukturierungen zu unterbreiten. Als Beispiele für die ersteren seien Wehrle/Eggers [2] und Dornseiflf [3], sowie die Systeme der Dokumentation und Information genannt; für die Theorien mögen Pottier [4], Greimas [5], K a t z / F o d o r [6] und Weinreich [7] als Beispiele dienen. Eine Arbeit, in der größere Ausschnitte des lexikalischen Bestands auf Grund moderner linguistischer Theorien praktisch behandelt werden, ist bisher nicht bekannt. Manche verfolgen auch gar nicht dieses Ziel, wie z. B. Greimas, der literarische Inhaltsanalysen und Textvergleiche anstrebt. Umgekehrt sind die existierenden umfangreicheren nicht-alphabetischen Wörterbücher nicht auf der Grundlage einer exakten theoretischen Konzeption entstanden. Es bleibt dennoch zu untersuchen, wie weit die vorhandenen, ausgebauten Systematisierungen als Vorarbeiten für einen Thesaurus im angegebenen Sinne verwendet und aus ihren Nachteilen Lehren gezogen werden können. Die Elemente eines Thesaurus der Dokumentation/Information sind die wohldefinierten Begriffe eines begrenzten wissenschaftlichen Fachbereichs, die in Form der ihnen entsprechenden festgelegten Termini technici oder als „Deskriptoren" auftreten. Letztere sind standardisierte Schlagwörter, die zur Vermeidung von Doppelbezeichnungen unter mehreren Termini ausgewählt oder eigens geprägt werden. Diese Begriffsbezeichnungen werden in ein Ordnungssystem gebracht, das ein Abbild der zwar inhomogenen, aber doch logischen Zustände und Relationen in dem betreffenden Wissensgebiet darstellt. Für die meisten Disziplinen der Naturwissenschaften und der Technik genügen so klare Einteilungsgrundsätze wie Kategorien und Kategoriengruppen und hierarchische Stufungen, nämlich subordinierende „Begriffsleitern" und koordinierende „Begriffsreihen". Als Beispiel diene die triviale, aber dem Sachverhalt angemessene Beziehung zwischen Gattungs- und Artbegriffen: Gattungsbegriff: „Werkzeugmaschinen" Artbegriffe: „Fräsmaschinen", „ D r e h b ä n k e " , „Sägemaschi., nen , . . . (artbildender Unterschied: Art der Spanung). Zum Gattungsbegriff erhoben: „Sägemaschinen"

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Artbegriffe: „Kreissägen", „Bandsägen", „Blattsägen", „Kettensägen", . . . (artbildender Unterschied: Form des Werkzeugs) Auf weitere Feinheiten und Aufgaben der Dokumentationsmethode braucht in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden [8]. Zweck der Ordnung ist es jedenfalls, durch den gegenseitigen Abstand der Schlagwörter im System den verschiedenen Grad ihrer Relevanz für ein bestimmtes Problem auszudrücken, nach dem abgefragt wird. Es besteht bei diesem Prozeß keine direkte Beziehung zu Texten; die Fragen erfolgen mit einem begrenzten, genormten Vokabular an eine bekannte Struktur mit durchgängigen Prinzipien. Wegen der relativen Starrheit und der direkten Realitätsbezogenheit läßt sich diese Methode außerhalb des Bereichs der reinen Fachtermini schwerlich weiter ausbauen. Gerade das aber war die Absicht der Verfasser jener Art von thesaurischen Wörterbüchern, die explizit oder dem Wesen nach mit Untertiteln wie „nach Sachgruppen" oder „nach Begriffsbereichen" versehen sind. Die Ergebnisse zeigen, d a ß keine Einteilungskriterien gefunden werden konnten, die nicht ebensogut durch wesentlich andere ersetzbar wären. Das beginnt mit der Zahl und der Reihenfolge der rund 1000 Hauptbegriffe, die an sich ahierarchisch nebeneinanderstehende, vorweggenommene Kategorien darstellen. Ihre Reihung hat nur insofern einen losen Zusammenhang, als z. B. „die Teilung einen Weg von der äußeren Natur . . . und den allgemeinen Seinsbeziehungen zum Subjektiven, zum sozialen Bereich und der K u l t u r " geht [9]. Diese „Begriffsnummern" vereinigen unter einem Schlagwort jeweils eine Serie verwandter konkreter Wörter, deren Beziehungen zueinander aber ohne e i n ' ersichtliches System die verschiedensten Distanzen und logischen Verhältnisse repräsentieren. Zwei (gekürzte) Beispiele aus Wehrle/Eggers mögen das belegen: C Stoff, II Unorganische Materie, a) Eigenschaften fester Körper, (332) Reibungslosigkeit: Reibungslosigkeit, Schlüpfrigkeit, Glätte, Schmierung, Ölung, Ölwechsel, Fett, Paste, Ölfilm, . . . C Stoff, II Unorganische Materie, b) Nichtfeste Körper, (333) F l ü s s i g k e i t : Flüssigkeit, Feuchtigkeit, Eiter, Lösung, Lauge, Bier, Flüssigkeitsmesser, Liter, Pumpe, Tankstelle, Brauerei, Bremer Ratskeller, Winzer, Bardame, . . . („Bardame" unter „Nichtfeste Körper"!) Ein abschließendes (gekürztes) Beispiel aus Domseiff soll die Ähnlichkeit der Anlage zeigen und dazu dienen, Konsequenzen zu ziehen: 7. . . . Aggregatzustände . . ., (7.58) T r o c k e n : ausdörren, (ein)trocknen, versanden, absperren, aufsaugen, tupfen, dürr, 11

saftlos, trocken, welk, Hungersteine, Löschblatt, Dürre, Ebbe, . . .

Damm,

Die in dieser Umgebung besonders auffallige Wortform Hungersteine rückt die Problematik in vollem Umfang ins Licht: Das Wort ist die alte Bezeichnung für auffällige Steine am Grund eines Flusses, die nur bei großer sommerlicher Trockenheit zutage treten, was einherging mit Dürre, Mißernte, Hungersnot. Die Worterklärung zeigt, daß zwar eine Beziehung zu der begrifflichen Kategorie „trocken" besteht und die Einordnung an dieser Stelle berechtigt ist, daß es sich aber andererseits um eine recht indirekte Beziehung und außerdem nicht um die einzige oder die wesentlichste Einordnungsmöglichkeit handelt; zumindest käme noch ein Teil der Begriffe in Frage, die in der obigen Definition verwendet worden sind. Welche und wieviele Positionen in einem wie beschaffenen System müßte das Wort also einnehmen? Nehmen wir statt der losen Klassifizierung in den Begriffswörterbüchern eine strengere, hierarchische Ordnung der folgenden Art an, so bereitet die Entscheidung über die Zuordnung in den oberen Stufen meist keine Schwierigkeiten. Das Beispielwort Hungersteine läßt sich widerspruchsfrei jeweils einem der Deskriptoren subordinieren: m a t e r i e l l / immateriell belebt / u n b e l e b t s t a t i s c h / dynamisch N a t u r b e s t a n d t e i l / Artefakt flüssig / fest / gasförmig. Bereits die Einführung der nächsten Stufe artbildender Begriffe erfordert die Entscheidung für einen bestimmten Zweck der Unterteilung (chemische, physikalische, geologische, mineralogische, technische Sicht usw.), oder es muß die Möglichkeit vorgesehen werden, allen Zwecken gerecht zu werden. Uber weitere Stufen mit Deskriptoren wie etwa „Mineralien" und „Gesteine" hinweg würden der Begriff und das Wort Stein erreicht werden. Unter manchen Aspekten wäre eine dazwischenliegende Einteilung der Gattung „Gesteine" in „Eruptiv-"/„Sediment-"/„metamorphe Gesteine" von Bedeutung, für das vorliegende Beispiel ist die Entscheidung darüber von der Wortbedeutung her unmöglich, aber auch irrelevant. Die artunterscheidenden Kriterien der Stufe unterhalb der Gattung „Stein" stellen Bedeutungskomponenten dar, die etwa in den Bereich der Funktionsangaben (Pflaster-, Feuer-, Mauersteine) oder der Symptomwerte, wie im Fall Hungersteine, gehören. Für den Aufbau der Systemordnung bedeutet das aber, daß von einer gewissen Hierarchietiefe ab Elemente, die an sich an ganz anderer Stelle des Systems stehen, vielfach wiederholt zum Zwecke der Spezifizierung in unterschiedlichen Bereichen auftreten müßten. „Steine als Z e i c h e n " (Grab-, Kilometersteine), „Steine als S y m p t o m e " (Hungersteine) usw. Auch die implizite 12

Art, statt der Wiederholung von Elementen an anderen Stellen der Hierarchie diese durch Relationen anzugeben, die außerhalb der eigentlichen Strukturprinzipien liegen, ändert nicht an den Verhältnissen. Sofern eine Bedeutungseinheit an mehreren Stellen, besonders in unterschiedlichen Bereichen und Tiefen der Hierarchie auftritt, geht der deiinitorische Wert verloren, der gerade darin besteht, daß jede Einheit eine feste Position in der Thesaurusstruktur innehat (die ihre Entfernung von allen anderen Einheiten bestimmt) und daß nur wenige, einfache, bekannte Formen von Abhängigkeiten zwischen ihnen bestehen. Unter dem Aspekt der vorliegenden Problematik erweist sich der Typ der thesaurischen Wörterbücher somit ebenfalls als unbrauchbar. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt man für die Ansätze zu übersprachlichen Begriffssystemen, z.B. von Hallig/Wartburg [10] oder Eaton [11] und anderen [12].

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3. Kapitel : Kennzeichen eines operativen sprachlichen Thesaurus

Ein Thesaurus als Objekt der modernen Linguistik darf weder eine bloße Synonymengruppierung wie für die stilistischen Bedürfnisse menschlicher Benutzer sein, noch braucht er aber eine Gesamtorganisation begrifflicher Einheiten zu beschreiben, die als Widerspiegelung der Verhältnisse der objektiven Realität aufgefaßt werden, und erst recht nicht kann er ein antizipiertes Modell dessen sein, was vielleicht einst als physiologische Grundlage der natürlichen Wortschatzspeicherung erkannt werden wird. Das Attribut „ s p r a c h l i c h e r " Thesaurus soll einerseits betonen, daß die Sememe nicht nach extralingualen Gesichtspunkten in eine logischbegriffliche Ordnung zu arrangieren oder einem anderen natürlichen bzw. vorweggenommenen System der Realität zuzuordnen sind, sondern daß deren Widerspiegelung in Form innersprachlich objektiv feststellbarer Gegebenheiten als Grundlage dienen. Bei derartigen Untersuchungen wird sich auch die Grenze abzeichnen, von der an nicht-verbale Kontextarten, Kriterien von außerhalb des Systems und weitere Informationsquellen unumgänglich sind. „ S p r a c h l i c h " soll andererseits bedeuten, daß die Gesamtheit der sprachlichen Bedeutungskomponenten einzubeziehen ist, daß weder die semantisch-lexikalischen Elemente als voneinander isolierte Einheiten, noch diese zusammen von den grammatisch-syntaktischen Bedeutungen losgelöst betrachtet werden können. Mit „ o p e r a t i v " endlich ist Zweck und Aufgabe des Thesaurus ausgedrückt, nämlich auf Grund der Informationen, die sein Ordnungssystem darstellt, im Kommunikationsprozeß, vor allem in der Analyse, aber auch beim Generieren von Sätzen, bestimmte Vergleichs- und Entscheidungsoperationen zu vollziehen. Jegliches Operieren mit semantischen Einheiten eines Textes setzt voraus, daß die s y n t a k t i s c h e n Strukturen bekannt sind, deren Belegung diese Einheiten darstellen. Es muß also eine Grammatik als vorgegeben angenommen werden, die eine komplette Analyse vollzieht und dabei wenigstens folgende Anforderungen erfüllt [13]: 1. Sie muß in der Lage sein, von den syntaktischen Bedeutungsanteilen der Oberflächenstruktur allein ausgehend, jedem Satz den vollständigen Strukturbaum der gegenseitigen Abhängigkeiten seiner Wortlclassenelemente zuzuschreiben und jede einzelne dieser Abhängigkeitsrelationen als einen bestimmten syntaktischen „Wert" oder Typ zu kennzeichnen; die Gesamtheit dieser Informationen bildet die explizierte syntaktische Struktur des Satzes, dargestellt als Abhängigkeitsbaum. 14

2. Sie muß in der Lage sein, die Tatsache der syntaktischen Mehrdeutigkeit einer Oberflächenstruktur zu identifizieren und einem solchen Satz alle potentiellen korrekten explizierten Strukturen zuzuschreiben. 3. Sie muß in der Lage sein, die Anlässe der syntaktischen Mehrdeutigkeit zu finden und - so weit wie möglich - allein mittels syntaktischer Bedeutungen über die aktuelle unter zwei oder mehr Strukturen zu entscheiden bzw. die Wahlmöglichkeiten auf eine geringere Zahl zu reduzieren. 4. Sie muß schließlich in der Lage sein, die transformationeilen Beziehungen der konkreten, korrekten, aktualisierten, explizierten syntaktischen Strukturen zu bestimmten syntaktischen Grundmodellen und ihren analogen semantischen Grundstrukturen (Greimas' „Messages", Zolkovskij/Mel'öuks „Situationen") festzulegen. Damit ist das Problem der rein syntaktischen Vorgänge und der syntaktisch zu lösenden syntaktischen Mehrdeutigkeit hier von den. weiteren Erörterungen ausgeschlossen [14], Alle Operationen des Thesaurus beziehen sich auf einen bereits in der angegebenen Weise mit Informationen ausgestatteten und syntaktisch weitestgehend disambiguierten konkreten Textsatz. Somit läßt sich die bisherige vage Forderung an das gesuchte Ordnungssystem wie folgt neu formulieren: Ein Thesaurus muß mittels Kriterien innersprachlich fixierbarer Art feststellen, durch welche konkreten Bedeutungseinheiten gewisse Positionen in einer vorliegenden korrekten syntaktischen Struktur (bzw. in welcher unter mehreren korrekten Strukturen) besetzt sein können, damit ein auch semantisch korrekter Satz entsteht, und er muß alle inkorrekten Kombinationsmöglichkeiten zurückweisen. Mit Hilfe der Informationen des Systems über die Relationen zwischen seinen Elementen müssen Entscheidungen getroffen werden können bei der Wahl der zu aktualisierenden Sememe semantisch mehrdeutiger Wortformen in konkreten Textsätzen, sekundär auch über die aktuelle explizierte Variante mancher mehrdeutiger syntaktischer Oberflächenstrukturen. Die entsprechenden Vorgänge des natürlichen Kommunikationsaktes sind nicht erforscht, Die folgenden Erörterungen gehen daher von der Annahme aus, daß von den im Analyseprozeß beobachtbaren Tatsachen der Wirksamkeit eines Thesaurus aus auf seine Struktur geschlossen werden kann. Die vollständige Erfassung und die Systematisierung aller Kontextrelationen, an denen semantische Einheiten beteiligt sind, ist daher die Voraussetzung sowohl für die Modellierung der von einem Thesaurus geforderten Operationen als auch für die Kenntnis seiner Ordnungsweise.

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4. Kapitel: Grundformen von Kontextrelationen

Die generellen Formen von Beziehungen zwischen den Komponenten der Gesamtbedeutung eines Satzes, von denen die Untersuchung ausgehen muß, sind im Schema Seite 17 dargestellt. Der folgende Abschnitt ist eine Bestandsaufnahme der wichtigsten konkreten Typen von Wechselbeziehungen zwischen Bedeutungseinheiten der Gesamtbedeutung eines Satzes (und größerer Texteinheiten) auf der semantischen und der syntaktischen Ebene, soweit sie für Operationen zur Feststellung der Vereinbarkeit und zur Aktualisierung mehrdeutiger Lexeme und syntaktischer Strukturen nötig sind. Diese Textrelationen sind von fünf prinzipiell verschiedenen Arten: Entscheidung über die V e r e i n b a r k e i t (Kollokabilität) eines Paares von Semempartnern (oder eines Paares unter mehreren möglichen): (a) für Partner, deren Auswahlmöglichkeiten durch die syntaktische Struktur direkt vorgegeben und begrenzt sind (das gilt auch für Paare deren einer Partner ein syntaktisches Strukturelement ist), (b) für Partner in indirekter syntaktischer, erst zu ermittelnder semantischer Beziehung (Fernvereinbarkeit), (c) für Partner mit oder ohne syntaktische Beziehung untereinander, deren Partnerschaft durch eine pronominale Korrelatsrelation angegeben wird; Entscheidung über die semantische Ä q u i v a l e n z eines Paares von Semempartnern (oder eines Paares unter.mehreren möglichen): (a) für Partner in gewissen syntaktischen Beziehungen untereinander, (b)für Partner ohne syntaktische Beziehung untereinander, deren rein semantische Beziehung (Topikrelation) erst zu ermitteln ist, und gegebenenfalls anschließende Entscheidung über die Vereinbarkeit der substituierten äquivalenten Partner. In der Darstellung der Relationen und Operationen werden nachstehende Symbole verwendet: L = Lexem; S = syntaktische Struktur (allgemein); Buchstabenindizes rechts oben = Kennzeichnung unterschiedlicher Lexeme bzw. Strukturen; Zahlenindizes an Buchstabenindizes rechts oben = Unterscheidung verschiedener Vorkommen des gleichen Lexems; Zahlenindizes rechts unten = Bezeichnung der einzelnen Sememe der Lexeme bzw. der Strukturvarianten; + = Vereinbarkeit; — = NichtVereinbarkeit; ± = 16

Semantische Vereinbarkeit (Kollokabilität)

Semantische Disambiguierung

Syntaktische Disambiguierung

Syntaktische Korrektheit Li

= eindeutige Lexeme = einseitige Relationen (Lexem = Wortform und der von ihr hervorgerufene gesamte semantische Bedeutungsanteil) L J _ 2 = mehrdeutige Lexeme = Aktualisierungs-, Elemente bzw. Strukturen Disambiguierungsvorgang Kleinbuchstaben als obere Indizies unterscheiden nichtidentische Lexeme oder Strukturen voneinander 2

Agricola

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bedingte Vereinbarkeit; => = Aktualisierungs- oder Reduktionsvorgang; / = Variante; £ = Äquivalenz; i = Inäquivalenz; E = Expansion; K = Kondensation; M = Message (Erläuterungen siehe unten). Aus praktischen Gründen wurde darauf verzichtet, in der symbolisierten Kurzfassung der semantischen Operationen auch die syntaktische Struktur anzugeben.

I. Relationen und Operationen zwischen semantischen Einheiten mit syntaktischen Beziehungen 1. Vereinbarkeit von Sememen Die Operationen dienen der Feststellung der Vereinbarkeit (Kollokabilität) der Sememe zweier (oder mehrerer) Lexeme. 1.1. ohne Aktualisierungs- oder Reduktionsvorgang (Reduktion = Herabsetzung der Zahl der möglichen Semempartner), weil die Lexeme beide eindeutig sind (Typ 1) oder weil eines mehrdeutig ist (Typ 2) oder beide mehrdeutig sind (Typ 3 und 4) und weil somit: entweder alle Sememe des einen Lexems mit allen Sememen des anderen Lexems vereinbar sind (Allvereinbarkeit): (1) (2)

L* LJ => L" + LJ: L;_J L? => LJ_3 + L?:

Schaumwein kaufen, exportieren Wein (.Pflanze/Traube/Getränk') kaufen, exportieren (3) L;_3 LJ_2 => L?_3 + LJ_2: den Wein behandeln (.einwirken/abhandeln') oder kein Semem des einen Lexems mit keinem Semem des anderen Lexems vereinbar ist (Nicht-, Unvereinbarkeit, Inkollokabilität): (4) L"_3 LJ_3 => Li_3 - L?_3: Wein schmelzen Uber .bedingte Vereinbarkeit' ( ± ) siehe 4. Kapitel, Abschnitt 4. 1.2. mit Reduktion der Zahl der zu vereinbarenden Semempaare zweier Lexeme, von denen eines mehrdeutig ist (Typ 5) oder beide mehrdeutig sind (Typ 6 und 7): Reduktion bei einem der beiden Lexeme: (5) Li_3 LJ => Ll_} + LJ: Wein darreichen Reduktion auf alternative Semempaare: (6) Li_3 L?_3 LJ + LS / LI + L$ / L | + L | / L | + L$: Wein spritzen (,sprudeln/übersprühen/mit Mineralwasser versetzen/verschütten auf') 18

L?_, L?.« => Li + LJ / L? + LS: Wein verschneiden (,beschneiden/falsch mischen')

schneiden/kastrieren/

Reduktion bei einem Lexem, Aktualisierung bei dem anderen: (7)

Li_3 LJ_3 => L*_3 + Li:

Wein pflegen (,besorgen/sich abgeben/üblich sein')

1.3. mit Aktualisierungsvorgang, d. h. Disambiguierung beider Lexeme; nur ein Semem eines mehrdeutigen Lexems ist jeweils mit einem eindeutigen Lexem vereinbar (Typ 8), oder es ist nur mit e i n e m bestimmten Semem eines anderen mehrdeutigen Lexems vereinbar (Typ 9): (8)

LI_jL? Lf_ 3 Li L?., L?

=> LJ + LJ: => LJ + Li: => LS + L?:

(9)

Lf_3 L?_j =>• LJ + L | : Li_3 Lf_j => L| + L5:

Wein pflanzen, düngen Wein pflücken, essen Wein trinken, verdünnen Wein bauen (,errichten/anpflanzen/ vertrauen') Wein lesen (,sammeln / Schrift lesen / Vorlesung halten')

Zum Problem der ,partiellen Aktualisierung' bei Hypersememen siehe 5. Kapitel. 1.4. mit Aktualisierungs-(oder Reduktions-) Vorgang von mehr als zwei Lexemen, die obligatorisch in direkter syntaktischer Beziehung stehen (Verbal- und Präpositionalvalenzen usw.): 10)

LJ.3 L?_7 Li Li + L? + LJ: der Wein hat Rebläuse Li_3 Li_, Lf_ 2 => LJ + L? + LJ: der Wein hat Kerne Li.j Li_7 LJ => LS + L§ + Li: der Wein hat Alkohol

1.5. mit Aktualisierungsvorgang von zwei oder mehr Lexemen durch Phraseologisierung: (11)

Li L?_4 L Li + (-LJ + L | + L?),: jemandem reinen Wein einschenken

Uber die uloße Vereinbarkeit diskreter Sememe hinaus tritt hier der Vorgang der mehr oder minder starken Bedeutungsverschmelzung mehrerer Sememe auf, sowie eine Aktualisierung von speziellen Sememen mancher Lexeme, die nur in diesen phraseologischen Verbindungen erfolgt [15]. Von einem gewissen Grad der formalen syntaktischen Festigkeit und der Spezialisierung und Vereinigung der Einzelsememe an müssen diese Semem-Integrationen als einheitliches Semem eines über die regulären Wortgrenzen hinausreichenden Paralexems aufgefaßt werden: reinen Wein einschenken (,die Wahrheit sagen'), Kohldampf 2*

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schieben (,hungern'), die Katze im Sack (,etwas Unbesehenes') kaufen; sie können dann in Form ihrer entmetaphorisierten Entsprechungen als eigenständige sememische Einheiten in die gleichen Relationen eintreten wie alle übrigen Sememe. In manchen Fällen sind auch Paralexeme dieser Art mehrdeutig (z. B. Lt_2: die Hände in den Schoß legen) oder sie haben kein Äquivalent unter den Sememen eines einzelnen Lexems (z. B. das Ei des Kolumbus; ein Sturm im Wasserglas).

2. Aktualisierung von Sememen Die Operationen dienen der Aktualisierung eines von mehreren Sememen eines Lexems (oder Reduktion) durch die Feststellung der aktuellen (unter mehreren potentiellen) syntaktischen Beziehungen seiner Wortform zu einer oder mehreren anderen Wortformen [16]. 2.1. bei Verben: Diese Art der Relation ist besonders auffällig in Form des Zusammenhangs zwischen den Sememen, den Valenzen und den Valenzbesetzungen des Verbs, und sie ist daher häufig behandelt worden [17], Die Anzahl der Verben, die durch den aktuellen Typ ihrer syntaktischen Relationen allein disambiguiert werden kann, ist allerdings nicht sehr groß, selbst wenn man zu „syntaktisch" auch grammatikalisierte Präpositionalverbindungen rechnet. Es handelt sich jedoch meist um Wörter (aus dem Allgemeinwortschatz) mit relativ hoher Vorkommenshäufigkeit; z. B. ergehen; sperren! (12)

Li_5 SJ => LJ + SJ; LJ_S SJ => LI + SJ usw.: eine Verordnung ist ergangen / eine Einladung ist [an jemanden] ergangen / er hat sich [im Schatten] ergangen / es ist ihm [schlecht] ergangen / eine Flut von Schmähungen ist über ihn ergangen. Ich sperre etwas / ich sperre jemanden in etwas / ich sperre mich gegen etwas / die Tür sperrt.

Meist aber wird die Mehrdeutigkeit nicht aufgehoben, sondern nur reduziert; z. B. halten: (13) LJ_,2 SJ => LJ_3 + S?: der Zug / das Seil / der Leim hält L|_i2 S? => LJ_9 + SJ: er hält den Schraubenzieher / sein Versprechen / eine Zeitschrift / den Ton / den Mund / ein Referat / ... Danach muß mindestens eine Beschränkung der zulässigen Lexeme nach nicht mehr rein syntaktisch aufstellbaren Kriterien (z. B. Subjekt und 20

Objekte des Verbs sind „belebt/unbelebt", „konkret/abstrakt" usw.) erfolgen, die von einer gewissen Tiefe an, um unterscheidend zu wirken, in das Gebiet der losen Phraseologie und in rein semantische Informationen hinüberführt, oder es ist die Kenntnis des unterschiedlichen transformationeilen Verhaltens der Sememe erforderlich. 2.2. bei weiteren Wortklassen: Außerhalb des verbalen Bereichs gibt es im Deutschen nicht viel Typen und Vorkommen dieses Prinzips, weil in anderen Wortklassen die Hauptvoraussetzung dafür fehlt, das Auftreten von valenzbedingten, obligatorischen, abhängigen Wortformen und der Wechsel der Valenzforderungen. Vergleichbar wäre noch die Aktualisierung mehrdeutiger Substantive in manchen Fällen durch den Artikelgebrauch oder -nichtgebrauch: Unterwäsche ausführen (,Dessous exportieren') eine Unterwäsche ausführen (.untere Fahrzeugseite waschen') Ebenso wird nur in wenigen Fällen eine Aktualisierung oder Reduktion durch die Art der wechselnden syntaktischen Beziehungen zu einer übergeordneten Wortform erreicht. Dazu gehört die mögliche Bedeutungsdifferenzierung bei attributivem gegenüber prädikativem Gebrauch von Adjektiven, ferner eine Reduktion bei mehrdeutigen substantivischen Lexemen durch die Beschränkung des Zusammenhangs bestimmter syntaktischer Funktionen mit einzelnen Sememen: Lf_3 SJ => L | + LJ + Sf: der Wein spritzt; aber mit vier Relationen (nach Typ 6): den Wein spritzen Weiterhin besteht vereinzelt die Lösung der mit Wortklassenmehrdeutigkeit einhergehenden Polysemie (modern, lichten: Verb/Adjektiv; laut: Adjektiv-Adverb/Präposition) und endlich die durch Kasus- oder Numeruskongruenz aufgehobene, auf dem Zusammenfall von Flexionsformen beruhende Mehrdeutigkeit, z. B.: Boxen in der Straßenbahn sind / ist die neueste Einrichtung .. .

3. Aktualisierung syntaktischer Strukturen Die Operationen dienen der Aktualisierung einer von mehreren möglichen korrekten syntaktischen Strukturen durch Feststellung der Vereinbarkeit eines Semens des einen Lexems mit einem Semem eines weiteren Lexems unter mehreren möglichen Lexemen. Es handelt sich um die nicht seltene Notwendigkeit, syntaktisch ungelöst gebliebene syntaktische Mehrdeutigkeiten (etwa 15-25% aller Vorkommen) semantisch aufzuheben. Die durch drei grundlegende Faktoren 21

(Wortformmehrdeutigkeit, Wortfolgemehrdeutigkeit, Mehrfachabhängigkeit) und ihre Kombinationen hervorgerufenen über 60 Typen von kleinsten potentiell mehrdeutigen Wortklassenfolgen der Oberflächenstruktur können zu drei Haupttypen zusammengefaßt werden [18]: 3.1.: Typ I, mehrfache Unterordnungsmöglichkeit bei gleichbleibendem syntaktischen „Wert" der Abhängigkeitsrelation: So ist z. B. eine Wprtklassenfolge wie „Subst. - Präp. - Subst. - Präp. - Subst." grundsätzlich syntaktisch mehrdeutig im Hinblick auf die Unterordnung der zweiten Präpositionalphrase: Die Tankstelle mit dem Reklameschild an der Ecke - Kurse für Verbandsmitglieder im Ausland Bei bestimmter (anderer) lexikalischer Belegung dieser (Teil-) Struktur ( = intrastrukturelle Lösung) wird auf Grund der semantischen Vereinbarkeit für die eine oder die andere Möglichkeit entschieden: (14)

Si_2 L? L? Li => S? + L? + LJ; SJ + L? + L?: Die Tankstelle mit dem Reklameschild am Giebel / .. . am Gründungstag Kurse für Verbandsmitglieder im Ruhestand / ... im Rettungsschwimmen

Die ursprüngliche, auch semantisch mehrdeutige Fassung dagegen kann nur durch Relationen zu Sememen außerhalb der mehrdeutigen Teilstruktur disambiguiert werden ( = extrastrukturelle Lösung): Die Tankstelle mit dem Reklameschild an der Ecke des Daches, oder: . . . an ihrer vorderen Ecke j . . . an einer einträglichen Ecke Dazu bedarf es bereits weiterer Relationen (Fern vereinbarkeit und Topikrelationen), die in Abschnitt II. erörtert werden. 3.2.: Typ II, gleichbleibende Unterordnungsmöglichkeiten mit mehrfachem Wert der Abhängigkeitsrelation: Ähnlich verhält es sich mit der semantischen Lösung dieser syntaktisch oft nur transformationell unterscheidbaren Fälle von Mehrdeutigkeit, z. B. „Substantiv - Substantiv im Genitiv" und äquivalente Strukturen : die Beschimpfungen des Gouverneurs; Besuche von Verwandten; Intrastrukturelle Lösung (d. h. eindeutige semantische Belegung) : das Schleifen der Kolbenringe => das Schleifen der Bremsbeläge (sie schleifen selbst) / . . . der Brillengläser (sie werden geschliffen) Extrastrukturelle Lösung: das Schleifen der Kolbenringe wird durch einen Ölfilm verhindert / . . . wird zur Oberflächenveredlung vorgenommen 22

3.3.: Typ III ist die Kombination aus Typ I und II, d. h. Mehrdeutigkeit nach Ort und Wert der Unterordnung: Der Palast von Angers, in dem lange Ich habe ein Päckchen versiegelt gesandt.

Wandteppiche hingen .. . und eingeschrieben ab-

3.4. Ellipsen: Schließlich gehört in diesem Zusammenhang auch die semantische Rekonstruktion koordinierter, irregulär-elliptischer und anderer unvollständiger Strukturen, ein nahezu unbearbeitetes Kapitel, das hier nur erwähnt und durch einige Beispiele angedeutet werden kann: Turnhallen im Gespräch - Picasso operiert - Die Zahl der linken Klammern ist gleich der der rechten. - Die Schreckensherrschaft und das Glück der Anette Martin. -. Leber von Mäusen regeneriert. Die Vögel begrüßen den Frühling mit Gesang, die Unteroffiziere mit Gebrüll [19]. Der zuletzt zitierte Beispielsatz ist grammatisch irregulär-elliptisch [20] und kann auch syntaktisch zweifach rekonstruiert werden zu: Die Vögel begrüßen den Frühling mit Gesang [und] die Unteroffiziere begrüßen den Frühling mit Gebrüll. Die Vögel begrüßen den Frühling mit Gesang [und] die Vögel begrüßen die Unteroffiziere mit Gebrüll. Die Entscheidung für die zu wählende erste Strukturvariante erfolgt nur durch semantische Fernvereinbarkeit zwischen einerseits begrüßen Gesang - Vögel und andererseits begrüßen - Gebrüll - Unteroffiziere oder aus dem noch weiteren Kontext.

4. Bedingte Vereinbarkeit von Sememen Die Operationen dienen der Feststellung der bedingten Vereinbarkeit der Sememe zweier Wortformen (Semantische Abweichung). Bei einem hohen Prozentsatz der Vorkommen ist die Entscheidung über „vereinbar/nichtvereinbar" eindeutig oder mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit zu treffen. Das sind alle Fälle, in denen der Sprachgebrauch fest geworden ist und die Gruppen der Partner eines Semems deutlich voneinander abgrenzbar sind, weil sie wenige, stark differenzierende Merkmale haben. Zwischen den beiden Grundwerten der Entscheidung treten aber auch verschiedene Stufen von Ubergangsformen auf, deren Kriterien als mehr oder weniger „zulässig" oder „möglich" bezeichnet werden können: 23

Vereinbar, eindeutige Entscheidung: Lf-3 L?-2 => Li + LJ: L?-2 => Lf +

Wein ernten Beifall ernten

Nicht vereinbar, eindeutige Entscheidung: Li Li

LJ.2 => Lf — L?_2: Li_2 => Lf — Li_2:

Schaumwein ernten Symmetrie ernten

Bedingt vereinbar, keine eindeutige Entscheidung: Lf, Lj

L?_2 => Li ± L?: L i _2 ~~ + L$:

Rebensaft ernten Schweigen ernten

Diese Zone der „semantischen Abweichungen" besteht vor allem aus individuellen, okkasionellen und poetischen Sememverbindungen. Sie beginnt mit unüblichen, aber möglichen Erweiterungen des Beziehungsbereichs: die blauen Pferde (Franz Mark; Manessische Handschrift); „Die grüne Krähe" (Sean O'Casey); Wer hörte das Diebesgut? [21] (die entwendeten Vögel); und geht über ungewöhnliche Sememkollokationen mit Bedeutungsübertragung oder -Verschmelzung, die nicht lexikalisiert sind (!): Gestrickte Wärme ( = ,Wollkleidung') - Pack den Tiger in den Tank! (Werbung für eine Benzinmarke) - Bald floß die dunkelbraune Wonne überall (Bockbierreklame); bis zu den beabsichtigten „Halbdeutigkeiten" [22] der Dichtersprache: Eines Nachts aber stieß sich der Zitronenfalter die Flügel an meinem Traum wund. [23] . . . zog er sich hinter sein allerfreundlichstes gelbes Lächeln zurück. [24] Zu den Aufgaben eines vollkommenen sprachlichen Thesaurus würden auch die Feststellungen über das Vorliegen, den Grad und den Grund derartiger semantischer Abweichungen gehören. Dabei zeigt es sich, daß hier nicht nur die bereits sehr schwierig zu erfassenden Kriterien der Grenzzone zwischen „vereinbar" und „nichtvereinbar" wirksam sind, sondern daß auch das Übergangsgebiet von innersprachlichen und außersprachlichen Merkmalen erreicht ist. Die geringfügige und rückverfolgbare Erweiterung des Beziehungsbereichs eines Semems (z. B. Pilze ernten, pflücken statt: sammeln, suchen; blaue Pferde statt: braune, schwarze, im Gegensatz zu: intravenöse Pferde), sogar der Übergang in 24

einen kategoriell unterschiedlichen Bereich (sich an einem Traum wundstoßen statt: an einem Fensterrahmen; d. h. Semem der Lokalbestimmung aus der abstrakten statt aus der üblichen konkret-materiellen Kategorie) sind allein auf Grund des thesaurischen Ordnungssystems, also aus fixierbaren sprachlichen Informationen zu ermitteln. Dagegen bedarf die Interpretation der nicht-lexikalisierten, übertragenen Verwendung des Lexems Tiger für ,ungezähmte Energie' der Kenntnisnahme außersprachlicher Fakten über Eigenschaften und Größe eines Tigers und eines Tanks (eines Autotanks, nicht eines Öltanks oder eines Panzers!), Eigenschaften, die die eigentliche Bedeutung von Tiger ausschließen. Entscheidungen dieser Art über die Wahrheit oder die Möglichkeit des Inhalts einer Äußerung und ihrer korrekten Referenz auf die Wirklichkeit liegen auf extralingualem und extralinguistischem Gebiet. Sememkombinationen wie: Die Realität existiert nicht. - Ich wurde soeben erschossen. Der Hund zog sich knurrend in seine Streichholzschachtel zurück. müssen als vereinbar, d. h. als innersprachlich korrekt oder wenigstens zulässig angesehen werden, während die Kriterien für die s a c h l i c h e Vereinbarkeit hier von Eigenschaften des Referendums und ihrer Interpretation abhängig sind. In gewisser Weise trifft dieser Vorbehalt sogar auf lexikalisierte oder phraseologisierte Kollokationen zu. Daß die Sememe eines Syntagmas wie Brot in Scheiben schneiden als eindeutig miteinander vereinbar und als stereotype Kombination beurteilt werden, hängt davon ab, daß bestimmte gesellschaftliche Gepflogenheiten (übliche Form des Brotes, Art der Aufteilung) ihren festen sprachlichen Niederschlag gefunden haben. Beim Vorherrschen der Fladen- oder Stangenform des Brotes würde die Entscheidung anders ausfallen. Umgekehrt können in Fällen des bildlich übertragenen Gebrauchs, etwa: Beifall ernten; Beifall finden keine Kriterien aus der Realität herangezogen werden; es entscheidet allein die sprachliche Konvention.

5. Fernvereinbarkeit von Sememen Die Operationen dienen der Feststellung der Vereinbarkeit und Aktualisierung der Sememe zweier Wortformen, die miteinander in indirekter syntaktischer Beziehung stehen (Fernvereinbarkeit). 25

Die Überprüfung der Vereinbarkeit der Sememe aller Paare von syntaktisch direkt verbundenen Lexemen ist die notwendige Ausgangsoperation jeglicher semantischer Analyse und Synthese, aber sie genügt häufig nicht, um die korrekte und eindeutige Gesamtbedeutung des Makrosyntagmas hervorzurufen. Dazu ist es vielmehr erforderlich, daß auch die Sememe syntaktisch nicht unmittelbar voneinander abhängiger Wortformen schrittweise, der Struktur des konkreten Abhängigkeit^ baumes entsprechend, verglichen werden. Auf diese Weise müssen vor allem Informationen für die Aktualisierung von mehrdeutigen Formen gewonnen werden, bei denen die der unmittelbaren syntaktischen Umgebung nicht ausreichen: (15)

L?_3 LJ_2 => Lf_ 3 + L?_2:

den Wein behandeln

Li_ 3 Li LJ_2

den Wein nach Anbaugebieten behandeln

Li + L? + L$:

Lf. 3 L? Lf_j => L | + Li + LJ:

den Wein in Eichenfässern behandeln

Dazu gehören die obenerwähnten Relationen der extrastrukturellen Lösung syntaktischer Mehrdeutigkeiten. Aber auch die allgemeine und durchgängige Widerspruchsfreiheit der Semembesetzungen größerer syntaktischer Einheiten muß erreicht oder festgestellt werden: Die Semempaare der Formen grau + Hund und stumm + Hund sind jeweils vereinbar, ebenso Hund + bellen oder Hund + fressen, und schließlich bellen bzw. fressen + munter, nicht, wieder-, alle syntaktisch korrekten Verbindungen dieser Paare untereinander sind ebenfalls semantisch korrekt, nur das gemeinsame Vorkommen von stumm und bellen wird durch Bedingungen der Fernvereinbarkeit beschränkt: Es muß entweder die Bedeutung von bellen negiert sein oder die zeitliche Gültigkeit des Attributs stumm durch wieder bellen, aufgehoben werden. Logische Beziehungen dieser Art sind allerdings sprachlich nur selten so eindeutig und durch einzelne lexikalisierte Elemente ausgedrückt. Meist müssen umfangreiche Operationen zur Ermittelung vergleichbarer Bedeutungseinheiten vorausgehen, die den im nächsten Abschnitt zu besprechenden prinzipiell ähnlich sind: Er zog seine Mütze in die Stirn, tippte an den Schirm und ging. Die Aktualisierung von Schirm (L,_ 5 ) im obigen Kontext setzt beispielsweise voraus, daß eine potentielle Beziehung zu Mütze erkannt wird, die sich als Vereinbarkeit e i n e s Semempaares beider Lexeme in anderer syntagmatischer Verbindung ausdrückt, etwa: Schirm der Mütze, Mützenschirm, ihren Schirm. 26

II. Relationen und Operationen zwischen semantischen Einheiten ohne syntaktische Beziehungen Die bisher erörterten Relationen bestanden auf der Grundlage und maximal in den Grenzen der syntaktischen Struktur eines von anderen Sätzen unabhängigen Satzes. Die folgenden Beziehungen zwischen Sememen haben prinzipiell die gleichen Aufgaben: die Feststellung aller Varianten von Vereinbarkeit und Aktualisierung innerhalb eines Makrosyntagmas. Darüber hinaus aber dienen sie der Herstellung der I s o t o p i e (Weiterführung des Textes und des Themas), der Bedeutungsübertragung (Korrelats- oder Substitutionsbeziehungen) und der Vermittlung von Vereinbarkeits- und Aktualisierungsinformationen über die Satzgrenze hinweg: Zwischen den Wortformen der Semempartner liegen in den zuletzt genannten Fällen keine syntaktischen Unterordnungsverhältnisse vor. Es entsteht eine von der syntaktischen unabhängige zusätzliche Struktur auf Grund semantischer Kriterien allein. Diese Relationen steilen auch qualitativ etwas anderes dar: Nicht die Entscheidung über die Vereinbarkeit von Sememen aus unterschiedlichen Bedeutungsbereichen (Sturm + heulen) in einer syntaktisch vorgegebenen Verbindung, sondern die Feststellung der semantischen Ä h n l i c h k e i t oder Ä q u i v a l e n z (im weitesten Sinne) von Semempartnern in getrennten Strukturen oder in bestimmten Positionen derselben Struktur (Sturm = Orkan = Windstärke 11) ist dabei der wichtigste Prozeß. Methodisch sind zu unterscheiden Operationen, die sich zwischen den Sememen von Lexemen (oder Paralexemen) vollziehen, und solche, die auch freie semantische Paraphrasierungen einbeziehen. Allen Betrachtungen über Beziehungen zwischen den Sätzen eines Textes müßte eine Theorie vorausgehen, die die Einheiten und Strukturen einer besonderen T e x t e b e n e behandelt. Da eine solche-genügend ausgebaute - Theorie noch nicht besteht (vergleiche z. B. Ansätze dazu bei [5], [25] - [28], [49]), soll für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung mit den folgenden Annahmen über einige notwendige Grundbegriffe gearbeitet werden: Die Struktureinheit auf der Textebene - das T e x t e r n - ist der Satz (bzw. ein adäquater Äußerungstyp) als komplexe Gesamtheit aus allen seinen Bedeutungskomponenten (aktuelle semantische Bedeutungen der Lexeme, aktuelle Bedeutungsanteile der morphologischen Formen und der Struktur der syntaktischen Relationen im gesamten Makrosyntagma, Bedeutungsanteile der syntaktischen Grundstruktur als Typ, d. h. die sog. Satzsemantik, und die Bedeutung der entsprechenden semantischen Grundstruktur, der Message). Ein Text ist eine endliche geordnete Folge von Sätzen, die zusammen die Abwicklung eines Themas darstellen. Seine Einzelsätze (auch manche Satzteile) sind miteinander durch Elemente 27

von einer gewissen gegenseitigen semantischen Äquivalenz (oder Ähnlichkeit) verknüpft. Die Grundform der Textstruktur ist jeweils ein Paar von solchen gleichen oder ähnlichen, substituierbaren semantischen Einheiten (Lexemen bzw. Sememen) in verschiedenen Textsätzen (Satzteilen) und die Relation zwischen diesen Elementen. Sie soll hier mit Koch [26] ein T o p i k genannt werden; dabei wird zwischen dem äußeren und dem inneren Topik unterschieden, je nachdem, ob die Topikrelationen die Satzgrenze überschreiten oder nicht. Die Gesamtheit der Topiks eines Textes ergibt seine Isotopie, d. h. die Kontinuität und das Fortschreiten des Inhalts (und, auf einer höheren Ebene, des Themas). Weitere Verknüpfungen von Textemen, ihre Ordnung und ihr Stellenwert im Text werden im Abschnitt II.3. erörtert. Anmerkung: Die Termini „Topik" und „Komment" im Sinne Kochs und des Verfassers sollten nicht verwechselt werden mit „topic" und „comment" bei Sparck Jones [28], die mit „Thema" und „Rhema" zu vergleichen wären.

1. Topiks mit Einzelsememen 1.1. Wiederaufnahme durch Pronomina [29]: Manche Unterklassen der Personal-, Possessiv- und Demonstrativpronomina sowie der Pronominaladverbien stellen, neben ihrer regulären Abhängigkeit von einer anderen Wortform, eine weitere Relation, die sog. Korrelats- oder Substitutionsbeziehung zu einer zweiten Form auf. Diese Relation verweist mittels grammatischer Kongruenz mehr oder weniger eindeutig auf die zu repetierende zweite Form. Zwischen den Sememen beider Wortformen, auch wenn sie nicht im selben Satz stehen, erfolgen die gleichen Vereinbarkeitsentscheidungen, die für sie in einer äquivalenten direkten syntaktischen Verbindung erforderlich wären. (Lexemvorkommen in Klammern ohne unteren Index, z . B . : (L b ) bezeichnen die Pronomina in ihrer Funktion als Bedeutungsübermittler ohne eigentlichen eigenen semantischen Wert.) Feststellung der Vereinbarkeit (a) ohne Aktualisierungs- oder Reduktionsvorgang bei formal eindeutiger Korrelatsrelation zwischen eindeutigen Lexemen (16)

Lf (L b ) LJ => LJ + L?: Der Bach tritt über seilte Ufer. Der Bach schwillt an. Die Wasser beschädigen seine Ufer.

Das Pronomen seine ist Korrelat für des Baches; Vereinbarkeit zwischen Ufer und Bach in der syntaktischen Struktur des Genitivattributs gegeben. 28

(b) mit Aktualisierung der formal mehrdeutigen Korrelatsrelation zwischen eindeutigen Lexemen; diese Operation entspricht in gewisser Hinsicht derjenigen zur semantischen Lösung syntaktischer Mehrdeutigkeiten (Abschnitt 1.3.) (17) L?Li(L c )L?=>L? + L?: Die Allee mit der Tankstelle und der Garage an ihrer Rückseite Hier kann ihrer formal als Korrelat für der Allee oder der Tankstelle eintreten; semantisch vereinbar sind in der erforderlichen syntaktischen Struktur aber nur Rückseite und Tankstelle. (c) mit Aktualisierungsvorgang bei formal eindeutiger Korrelatsrelation zwischen mehrdeutigen Lexemen (18) Lf (Lb) LJ_3 => Lf + Lf: Die Saale von ihren Quellen bis zur Mündung Die Leitung gleitet in den Fluß. Das Wasser verringert ihr Gewicht. Das Pronomen ihre ist Korrelat für der Saale, und ein Semem des Lexems Quelle ist mit Saale vereinbar; ähnliches gilt für ihr, Leitung und Gewicht. (d) mit Reduktionsvorgang auf paarweise Alternativen bei formal mehrdeutiger Korrelatsrelation zwischen "mehrdeutigen Lexemen (19) h\. 2 L? (Lc) L U => Lf + L? / L? + Li Die Sagen der Saar von ihren Quellen // bis zur Mündung. Die Sagen der Saar von ihren Quellen // bis zur literarischen Bearbeitung. In beiden Sätzen ist ihren potentielles Korrelat für der Saar oder für der Sagen, beide sind mit je einem Semem von Quelle vereinbar; die Entscheidung kann erst durch Feststellung der Fernvereinbarkeit zwischen Sememen von Quelle - Mündung oder Quelle - Bearbeitung getroffen Werden. (e) mit Reduktionsvorgang auf paarweise Alternativen bei formal mehrdeutiger Korrelatsrelation zwischen eindeutigen Lexemen (20) LJ L? (Lc) L? => L? + L? / L? + L?: Der Kahn gleitet in den Bach und verändert seine Geschwindigkeit. Das Parken auf dem Gehweg ist eine Unsitte. Statt daß man sie beseitigt, werden die Fußgänger behindert. Seine ist mögliches Korrelat für des Kahnes oder des Baches; beide Lexeme sind mit Geschwindigkeit vereinbar. Analoges gilt für die Beziehungen zwischen sie - Unsitte / Fußgänger - beseitigen. 29

1.2. Wiederaufnahme durch synonyme Sememe: Das Hauptmittel der Kontinuität eines Textes ist die Beziehung zwischen wenigstens e i n e m Semem eines Satzes und e i n e m Semem des vorangegangenen Satzes (auch eines der nächstvorangegangenen Sätze), die sich als Bedeutungsähnlichkeit (Synonymie) ausdrückt. Ähnlichkeit' in diesem Zusammenhang umfaßt eine Reihe verschiedener Arten von Relationen, so u. a. die durchgeführte und die elliptische Repetition von gleichen Lexemen (mit denselben oder mit verschiedenen Referenda), die Synonymie im engeren Sinne, die Implikation und Inklusion, bis hin zum Kontrast (in mehreren logischen Bedeutungen). Anders als bei den Korrelatsbeziehungen der Pronomina, fehlen hier alle formal-morphologischen Indikationen, wenn man von der Formengleichheit paradigmatisch nicht variierter Lexeme in der Repetition absieht. Dieser Typ der Topikrelation beruht also allein auf Kriterien semantischer Art, d. h. auf (außertextlichen) Informationen über das Ordnungssystem der Sememe. Die Entscheidung, ob die beiden Partner des Topiks die korrekten sind, ist immer relativ; sie besteht darin, daß unter den potentiellen topikfahigen Elementen aufeinanderfolgender Sätze jeweils die „synonymsten" ermittelt worden sind. Die Hauptaufagbe der Forschung in dieser Hinsicht wird die Aufstellung des Systems von Bedingungen sein, die Ort und Art der überhaupt in Beziehung zu setzenden Semempartner regeln und einschränken. Dazu gehören beispielsweise die Bedingungen, daß in manchen Fällen Informationen nur von Elementen gleicher oder syntaktisch äquivalenter Wortklassen (bzw. Satzglieder) oder nur von bestimmten Positionen der Struktur eines Satzes her bezogen werden können. Koch [26] unterscheidet bereits außer den eigentlichen Topiks Elemente, die in einem vorliegenden Text n i c h t Topik sein können (sog. Komments), und solche, die nie Topik sein können (sog. Indikatoren). Am häufigsten kommen als Träger der Topikrelationen Nomina untereinander und im Wechsel mit Pronomina vor, während andere Wortklassen und weitere Nomina desselben Satzes hauptsächlich der Variation und der inhaltlichen Weiterführung des Textes (und des Themas) dienen. Topiks, deren Partner die finiten Verben von aufeinanderfolgenden Sätzen bilden, scheinen weniger zahlreich zu sein. Das Verhältnis ist natürlich von stilistischen, funktionalen und anderen Faktoren des Textes abhängig. Wenn das Bestehen einer Topikrelation festgestellt worden ist, ist damit gegebenenfalls gleichzeitig eine Aktualisierungs- oder Reduktionsoperation über die Satzgrenze hinaus vollzogen worden; denn die Entscheidung über semantische Ähnlichkeit bezieht sich stets nur auf die Ähnlichkeit von bestimmten Sememen mehrdeutiger Lexeme, analog zu den Verhältnissen bei der Vereinbarkeit. Eine Prüfung auf die relativ größte Äquivalenz der Partner der gefundenen Topikrelation dadurch, daß die Partner wechselseitig im Kontext des jeweils anderen Satzes auf Vereinbarkeit hin untersucht werden, bringt sichere Ergebnisse nur, 30

wenn es sich um sehr nahe Synonyme im engeren Sinne handelt, denn nur solche Partner haben einen sehr hohen Prozentsatz von Kontexten notwendigerweise gemeinsam. Im Falle der Inklusion kann oft nur das Umfassendere durch das speziellere Semem vereinbar substituiert werden. Bei den übrigen Topikrelationen besteht die Möglichkeit, aber nicht die Notwendigkeit, daß die äquivalenten Partner sich auch in bezug auf die Vereinbarkeit ähnlich verhalten. Formen von Topikrelationen der Äquivalenz: (In manchen der folgenden Beispielsätze treten neben der jeweils diskutierten Topikform noch andere auf; über derartige Kombinationen siehe weiter unten.) (a) Wiederaufnahme durch Repetion von Sememen (mit Aktualisierungsvorgang) (21)

LjU L ¿ 4 L? => LI1 s L f + L? L | LJ_4 ~ L J

"H L , = LJ

Formengleiche Lexeme: Jens hob das Glas (L,_ 4 ). Es war ein Glas mit zwölffacher Vergrößerung. Jens hatte das Glas schon an den Augen. Uwes Glas ( L J _ 4 ) aber steckte noch in der Hülle. Paradiagmatische Varianten von Lexemen: Jens hob das Glas (L,_ 4 ). Es war das Modell eines Glases mit zwölffacher Vergrößerung. Ellipse des einen Topikpartners [ . . . ] : Der Bedarf an Gläsern (L,_ 4 ) steigt ständig. Er übertrifft die Produktion der optischen Werke [an GläsernJ. Ellipse des einen Topikpartners (paradigmatische Variante): Jens besitzt drei Gläser (L^). ist ihm am liebsten.

Das [Glas] mit der Zeiß-Optik

(b) Wiederaufnahme durch Synonymie (mit Aktualisierungsvorgang). Ein Partner eindeutig, der andere mehrdeutig: (22)

L U LJ ^ Li s L? Li LJ_2 => Li s L?

Beide Partner mehrdeutig: (23)

Li_2 LJ_2 L; => Li s LJ + Li L*_2 Lf LJ_2 =>• Li + LJ S LJ 31

Beispiele für verschiedene „Grade" der Synonymie Synonymie im engeren Sinne: Der Rumpf ( L T _ 2 ) gleitet in den Fluß. Das Wasser verringert das Gewicht des Bootskörpers. Komposition und Grundwort (als Kurzform für das Kompositum): ... in Form eines Abhängigkeitsbaumes dargestellt. Dieser Baum hat folgende Eigenschaften . ..

(LT_5)

Inklusion: Ich brauche einen Durchschlag (LI_4). Nur mit so einem Werkzeug (Li _3) ist das zu reparieren. Artgleiche Elemente derselben Gattung: Bis Nizza ging es mit der Bahn (L, _4). Danach segelten wir mit einem Schiff (Lt_4) weiter. Kontrast (Antonymie): Das Gerät ist gegen Hitze ( L J _ 3 ) empfindlich. Kälte schadet der Funktion nicht.

(L^)

Ein Beispiel für Isotopie durch eine relativ deutliche wiederaufnehmende Sememreihe, formal als synonymische Substantive ausgedrückt, in der Ordnung ihres Vorkommens in mehreren aufeinanderfolgenden, selbständigen Textsätzen ist: Bach . .. Thomaskantor . .. Präludienkomponist .. . Bach . .. Fugenmeister .. . Kantor . . . Organist... Solche Reihen sollen T o p i k k e t t e n genannt werden. Eine Topikkette mit verschiedengradiger Synonymie (und mit Wechsel der Wortklasse) bei den beteiligten Gliedern wäre z. B. folgende: [Das] Bauen . .. Bauten . .. Hüttenbau . . . gebaut .. . Bauherrn . . . Baumeister . .. Bau ... [30] Grundform und Voraussetzung des Textzusammenhangs zwischen aufeinanderfolgenden Sätzen ist wenigstens ein Topik; oft aber bestehen deren mehrere, die auch verschiedene Grade der Synonymie repräsentieren können. Das oben verwendete Beispiel Bis Nizza .. . würde in veränderter Fassung folgende Topikrelationen aufweisen, die Überlappungen von Ketten bilden: (24)

LI LI LJ LI

L? S LI & L? S L?

(& = parallel nebeneinander bestehende Relationen mit loser gegenseitiger Beeinflussung): 32

Bis Nizza benutzten wir die Bahn. Danach nahmen wir ein Schiff. Hinter Djelfa fehlte es uns an jeglichem Verkehrsmittel. (a) wir. . . wir (Repetitition); (b) wir. . . uns (Repetition mit paradigmatischer Variante); (c) benutzen . . . nehmen (Synonymie); (d) benutzen/ nehmen . . .fehlen (Kontrast); (e) bis... dananch (Kontrast); (f) danach... hinter (Synonymie); (g) Bahn . . . Schiff (artgleiche Elemente); (h) Bahn\ Schiff. . .Verkehrsmittel (Inklusion). Die relativ große Zahl von Topiks wird in diesem Fall dadurch hervorgerufen, daß es sich thematisch um eine Aufzählung handelt und daß die Sätze ihren syntaktischen und semantischen Strukturtypen nach einander sehr ähnlich sind. Die mögliche Verteilung der isotopiebewirkenden Elemente auf sehr verschiedene Positionen der Satzstrukturen zeigt folgender Textabschnitt; aus dem Beispiel geht zugleich hervor, daß die Isotopierelationen nicht unbedingt mit Formen der Thema-Rhema-Struktur von Texten oder der Widerspiegelung von logischen Schlußfiguren zusammenhängen müssen. Der Sturm ist vorüber. Er hat große Verwüstungen hinterlassen. Unwetter und Sturmschäden wie diese gibt es bei uns wenig. Das Vorkommen von Winden mit mehr als Stärke 11 erleben wir sogar äußerst selten. Das bedeutet nicht, daß es im Verlauf einzelner Böen nicht heftiger stürmen könn te. Luftbewegungen von orkanartiger Geschwindigkeit oder solche, die die Bewegungsform der Hurrikane zeigen, sind allerdings in L. noch nicht registriert worden. 1.3. Besonderheiten des inneren Topiks: Die Relation der pronominalen Wiederaufnahme nimmt als Typus eine Mittelstellung zwischen den Vereinbarkeits- und den Äquivalenzbeziehungen ein und ist daher ebenso häufig an inneren wie an äußeren Topiks beteiligt. Dagegen ist die Domäne der Äquivalenzherstellung durch Bedeutungsähnlichkeit die äußere Topikrelation. Allerdings treten die unter II. 1.2. genannten Formen der Synonymiebeziehungen auch innerhalb der Grenzen eines Satzes auf, zumal ja die Art der syntaktischen Verknüpfung von Syntagmen zu einem Makrosyntagma durch Koordination bzw. Subordination oder ihre Verwendung als selbständige Makrosyntagmen in vielen Fällen fakultativ ist. Für die semantischen Relationen der Äquivalenz ist der Status der formalen Abgeschlossenheit oder Unabhängigkeit einer Syntagmenstruktur nicht so relevant wie für die syntaktischen. Da die prinzipielle und häufigste Form der Abhängigkeit innerhalb eines Satzes die Subordination ist, deren semantische Parallele die Vereinbarkeitsbeziehung zwischen bedeutungsfremden Sememen darstellt, wären Vorkommen von Äquivalenzbeziehungen nur dort zu erwarten, wo eine Koordination (im weitesten Sinne) vorliegt, 3

Agricola

33

also bei konjunktional oder nichtkonjunktional koordinierten Satzgliedern und Wörtern, sowie bei appositionalen, attributiven und manchen prädikativen Relationen. (a) Repetition ohne und mit Wiederaufnahme: Die Repetition von Sememen (Lexemen) in der Koordination im engeren Sinne und bei der reinen Gleichsetzung dient aber nicht der Wiederaufnahme und der Fortführung des Textes, sondern der Angabe von Intensivierung, Erstreckung, Zuspitzung, Betonung, wenn nicht gar der bloßen Aufzählung. Sie stellt also keine Topikrelation dar. Die koordinierten Elemente haben jeweils dieselben Vereinbarkeitspartner und können sich deshalb auch nicht gegenseitig aktualisieren: Sie rannte, rannte, rannte; er kommt nicht und [er] kommt nicht; Sabine fror und fror; das macht man so und so und so; heut ist heut; Dienst ist Dienst; Wien bleibt Wien Ähnliches gilt für die Wiederholung paradigmatischer Varianten z. B. in bestimmten Genitivattributen: der Beginn des Beginns; der Wert aller Werte; der König der Könige; der Wein der Weine Ebenfalls keine Topikrelation bildet in den meisten Fällen die Repetition von Lexemen im selben Satz, bei deren verschiedenen Vorkommen Jeweils ein anderes Semem aktualisiert wird, sondern es handelt sich um beabsichtigte Wortspiele mit differierenden Vereinbarkeitsrelationen für dieselbe Wortform: Greif zum Hörer, lieber Hörer! [31] Du hast ein Anrecht auf ein Anrecht. [32] . . ., seine Stärke ist eben seine Stärke. [33] Dagegen bedeutet es echte Isotopie, wenn jeweils dasselbe Semem der wiederholten Lexeme jedesmal durch andere Vereinbarkeitspartner aktualisiert wird; hier ist auch potentiell die Übertragung von Aktualisierungsinformationen von einem Isotopie-Element zum anderen gegeben. Diese Verhältnisse gelten für bestimmte Formen des Attributs und der Apposition: Somit ist „T" ein Zeichen für ein Zeichen. . . . ein gutes Produkt, aber ein zu teures Produkt, ein Produkt unrationeller Fabrikationsweise. Jens hob das Glas, das Modell eines Glases mit zwölffacher Vergrößerung. Und sie treffen auch zu, wenn die Topikpartner in verschiedenen Clauses stehen. Beispiele seien einige weitere, bereits als Muster des äußeren Topiks genannte Satzfolgen; sie können in folgender Art zu jeweils e i n e m Satz vereinigt werden, ohne daß sich die Topikrelationen ändern: 34

Jens hatte das Glas schon an den Augen, aber Uwes Glas steckte noch in der Hülle. Jens besitzt drei Gläser, wovon ihm das [Glas] mit der ZeißOptik am liebsten ist. (b) Synonymie ohne und mit Wiederaufnahme: Für Synonyme, die gemeinsam innerhalb der Struktur eines Makrosyntagmas vorkommen, gelten im Prinzip dieselben Bedingungen wie bei repetierten Wortformen, nämlich ob sie Elemente eines Topiks sein können oder nicht. Es entfallt natürlich die Möglichkeit der Ellipse; dagegen scheinen im Bereich mancher prädikativer und appositionaler Relationen mehr synonymische als repetierende Isotopiebeziehungen aufzutreten (Definition, Gleichsetzung, Vergleich, Inklusion usw.): Der Lavendel ist ein Lippenblütler. Projektion heißt hier Kartenabbildung. Alligatoren sind fast das gleiche wie Krokodile. das Schlafmittel Chloralhydrat; das Flugzeug als Verkehrsmittel

schnellstes

Eine sichere Unterscheidung von Äquivalenz- und Vereinbarkeitsrelationen ist bei inneren Topiks oft schwer zu treffen. Die Grenze zwischen den beiden Formen von Appositionen oder zwischen Gleichsetzungen und allgemeiner Prädizierung, die als Subordinierungsrelation aufgefaßt werden muß, läßt sich wohl kaum festlegen. Auf keinen Fall mehr können folgende zum Problem der Äquivalenz oder Synonymie gerechnet werden: Kartoffelstärke ist das Ausgangsprodukt für .. . Der Landeplatz war eine einzige Eisbahn. Die Straße ist kein Spielplatz. Rumänien bleibt unsere stärkste Hürde. Hürde Rumänien mit 1: 0 übersprungen. [34]

2. Topiks mit Paraphrasen Die letzte und komplizierteste Textoperation, zu der ein sprachlicher Thesaurus fähig sein müßte, ist die Konstatierung gewisser semantischer Äquivalenzen zwischen den Sememen lexikalisierter Elemente und deren Paraphrasierungen sowie von Paraphrasierungen untereinander in inneren und in äußeren Topiks. Man kann diese beiden sememischen Größen und ihre wechselseitigen Beziehungen als Bedeutungsexpansion und -kondensation auffassen [35], Beispiele für ihre Formen sind einerseits die explizite verbale Definition eines Semems und andererseits die Denomination des semantischen Gehalts einer ganzen Wortsequenz. Eine (formale) E x p a n s i o n ist die Wiederaufnahme einer semantischen 3*

35

Bedeutungseinheit, die als erstes Topikelement durch ein Semem e i n e s Lexems (oder Paralexems) ausgedrückt wurde, mittels einer semantisch äquivalenten Einheit von größerem Umfang als zweitem Topikelement: (25)

L? L? LJ L? => L? s (L? + Li + L?) Sie tranken Whisky und erzählten sich die neuesten Witze. Der Hausherr, der den bräunlich-herben Alkohol offerierte, . ..

Der zweite Topikpartner ist hier eine Bedeutungsexpansion des ersten; ihr Kern ist ein Synonym (Alkohol), das zu Whisky im Inklusionsverhältnis steht, aber durch die Erweiterung mit qualifizierenden Adjektiven spezieller und dadurch „synonymer" wird. - Im folgenden Beispiel geschieht die Wiederaufnahme durch eine synonyme Expansion als Antonymie, deren zweites Element ebenfalls die Form der spezifizierten Inklusion hat: Das Gerät ist gegen Hitze empfindlich. Temperaturen null bis zu minus 30 Grad schaden der Funktion nicht.

unter

Eine Expansion kann, syntaktisch gesehen, je nach Kontext, Redesituation und notwendiger Proportion zwischen Ökonomie und Redundanz, beträchtliche Ausdehnungen, bis hin zu einem Makrosyntagma von komplizierter Struktur, annehmen: . . . Kurs 034. £ Der Winkel, den der Anflugkurs mit der Nordrichtung der mißweisenden Magnetnadel im Uhrzeigersinn bildet, beträgt 34 Grad von 360 Grad. [36] In der K o n d e n s a t i o n liegen formal und inhaltlich dieselben Verhältnisse vor, nur die Reihenfolge des Vorkommens des lexematischen und des erweiterten Topikpartners ist umgekehrt: (26)

LJ L? L? L? => (Li + L? + Li) s L?: Wir sind 25 km den Rennsteig entlang gewandert. Auf dieser Route berührten wir . . . Hitler bereitete jahrelang seinen Eroberungskrieg vor. Er tarnte das Vorhaben so lange wie möglich mit Friedensphrasen. Ich will diese Fahrt mit der Bahn unternehmen, weil das billiger ist.

Die Kondensation ist für die Wiederaufnahme ein Mittel, umfangreichere Satzglieder und ganze Clauses, vor allem auch mit verbalen Elementen, durch Nominalisierung oder Pronominalisierung zu einem „handlichen" Strukturteil darauffolgender Sätze werden zu lassen, der als Ausgangspunkt für die variierende Weiterführung dient. 36

Die Konstatierung der semantischen Ä q u i v a l e n z v o n P a r a p h r a s e n (Expansionen) untereinander setzt die Ermittlung bedeutungsähnlicher Ergebnisse ihrer potentiellen beiderseitigen Bedeutungskondensationen voraus. In diesem Fall basiert keiner der beiden Topikpartner auf einem konkreten Einzellexem oder Paralexem, das als Grundlage der Vergleichsoperationen dienen könnte. Es handelt sich immer nur um mehr oder weniger genau erschließbare Annäherungen an existierende Sememe, sofern nicht in der Sprache bereits konventionell gewordene Wechselbeziehungen zwischen Expansionen und Lexemen vorliegen. Doch dann würde man die Expansionen wohl den Phraseologismen zurechnen müssen. - Die eigentlichen, aus freien Paraphrasen erschlossenen Kondensationsprodukte werden in der Kurzfassung mit „ K " (Ki, KJ usw.) bezeichnet, da sie zwar konkreten Lexemen und Sememen entsprechen, aber im Gegensatz zu den Lexemen „ L " nicht an dieser Stelle im analysierten Text wirklich vorkommen : (27)

Li LJ L; L? L? Lf => => ((Li + L? + L?) s Kf) s (K? s (Lf + Li + Li)) Hitler bereitete jahrelang seinen Eroberungskrieg vor. Er tarnte natürlich, was er im Sinn hatte, so lange wie möglich mit Friedensphrasen. (Ki entspricht etwa „Kriegsvorbereitung", KJ etwa „Absicht"). Gewaltige Materialmengen wurden benötigt. Allein in einem Turm der Marienkirche iu Lübeck wurden 1,2 Millionen Ziegelsteine vermauert. [37] (Ki etwa „Riesenmengen [von Material]", Ki etwa „Millionenmengen [von Steinen]").

Das letzte Textzitat ist bereits ein Grenzfall: Es zeigt die Schwierigkeit, wenn nicht Unmöglichkeit, jede Art von Expansionen mechanistisch in ein vernünftiges äquivalentes Semem eines Einzellexems bzw. Paralexems zu kondensieren. Deshalb, sowie wegen der potentiell relativ weiten Ausdehnung einer Paraphrasierung und wegen der Unklarheit ihrer Begrenzung, ist häufig vor der Operation der Äquivalenzermittlung eine Reduktion oder Retransformation komplexer syntaktischer Strukturen auf ihre Grundstrukturen erforderlich, mit der die Gewinnung von untereinander vergleichbaren semantischen Grundstrukturen parallel läuft. Unter den zuletzt genannten sind etwa solche abstrakte Konstellationen von Sememklassen zu verstehen, die Greimas [38] und Sparck Jones [39] als semantische „Messages", Pottier [40] als „Syntagmateme" bezeichnen und die in gewissem Sinne bei Zolkovskij/Mel'öuk [41]-[43] der „logischen Situation" entsprechen; ferner sei auf die Arbeiten Apresjans verwiesen [44], Die Arten der notwendigen Operationen, Form und Anzahl der Sememklassen sowie der Relationen, Kombinationen und Trans37

formationen zwischen ihnen können hier nicht ausführlich erörtert werden. Es handelt sich dabei bereits um Prozesse, die nur von einer weit ausgebauten abstrahierenden semantischen Analyseeinrichtung, nicht mehr allein von einem semantisch-syntaktischen Thesaurus vollziehbar sind. Die grundlegende Operation ist die Konstatierung der Repetition von syntaktischen Strukturen mit untereinander synonymen Semembelegungen oder die Konstatierung von wechselseitig transformationeilen Relationen zwischen formal unterschiedlichen Strukturen, bei denen (in beiden Fällen) semantische Gesamtäquivalenz der Belegungen der verglichenen Strukturvorkommen vorliegt; z. B . : Becker erkennt [den / die / das / - / daß . ..] = Becker kommt zu der Erkenntnis / gewinnt die Erkenntnis [des / der / von / über I daß . . .] = Becker kommt die Erkenntnis [des / der / von I über / daß . ..] = Beckers Erkenntnis [des / der j von / über j daß . . .] = Die Erkenntnis Beckers [von j über / daß . . .] = Die Beckersche Erkenntnis [des / der / von / über / daß . . .] Derartige verwandte Strukturen haben eine gemeinsame abstrakte semantische Grundstruktur, sie sind Repräsentationen derselben Message. Die Prinzipien eines Systems zur Produktion aller solcher synonymen und ineinander überführbaren Strukturen aus einer „Basic"-InhaltsStruktur werden von Zolkovskij/Mel'öuk gegeben. Ihre Ergebnisse auf die hier benötigten Erfordernisse der Textanalyse und der Disambiguierung zu übertragen ist die erste Voraussetzung, um die Gesamtheit und Zusammengehörigkeit von Topikrelationen zwischen ausgedehnten Expansionen in aufeinanderfolgenden Sätzen erkennen zu können: (28)

L? L J L J L " L ? L J => (S?(Lf + L? + Li)) £ M s ( S K L J + L? + Li)):

( S ( . . . ) = syntaktische Struktur mit bestimmter lexikalischer Belegung; M = Message) . . ., als er nach der Erschlagung des Lindwurms Male die Sprache der Vögel versteht. Auch Hamann zunächst einen Lindwurm . . . [45]

mit einem erschlägt

Die semantische Äquivalenz drückt sich im Text - wie bei obigen Sätzen - als Lexemrepetition mit oder ohne paradigmatische Varianten aus und meist auch als Wiederaufnahme durch Synonyme, die Wortklassenvarianten voneinander sind. Die Isotopie durch Synonymie im weiteren Sinne bei dem einen Teil der Repetition bei einem anderen Teil der lexikalischen Belegung der Struktur ist die nächste Stufe: Erschlagung des Lindwurms Lindwurm töten 38

£ den Drachen erschlagen

bzw. den

Und schließlich können die beiden äquivalenten Expansionen zueinander im Verhältnis freier Paraphrasierungen stehen, deren Gleichheit darauf beruht, daß die einander entsprechenden Positionen ihrer transformationeil aufeinander bezogenen Grundstrukturen mit synonymen Sememen besetzt sind, deren Lexeme keinerlei formale Ähnlichkeit haben: (29)

LJ LJ Li L? LJ Lf => => (Sf (LJ + L? + Lf» S M 3 (S? (L? + L? + Li)):

Erschlagung des Lindwurms = den Drachen töten bzw. das Ungeheuer erlegen Den Umfang der Aufgabe, erweiterte Sätze in vergleichbare Grundeinheiten umzuformen, soll das folgende Beispiel andeuten: Man vergißt zuweilen, daß auch Landschaften der Mode unterworfen sind und darum oft von den Malern verschmäht werden, die doch zu ihrem Ansehen beitragen könnten. [46] Die Ergebnisse der Retransformation auf einfache syntaktische Strukturen : (a) man vergißt etwas - (b) Landschaften sind [der Mode] unterworfen (nicht: „die Mode unterwirft die Landschaften, die Landschaften unterwerfen sich der Mode") - (c) Maler verschmähen Landschaften - (d) Maler tragen zum Ansehen [ der Landschaften ] bei (nicht: „Landschaften tragen zum Ansehen [der Maler] bei"; diese Möglichkeit wird durch den weiteren Kontext ausgeschlossen). Die Reduktion auf semantische Grundstrukturen (Messages) soll hier nur exemplarisch und andeutungsweise durch ihre Ergebnisse bei der Anwendung auf die Teilstruktur (d) gezeigt werden. Eine Message ist etwa mit einer abstrakten „logischen Situation" gleichzusetzen, die für eine Reihe von unterschiedlichen, transformationell aufeinander beziehbaren Strukturen und eine große Zahl von synonymen lexikalischen Belegungen die gemeinsame Grundlage bildet. Ihrem theoretischen Status und dem Abstraktionsgrad nach stellt die Message für den vorliegenden Zweck eine Ubergangsstufe dar zwischen linguistischen Valenzenstrukturen und den ihnen nicht eineindeutig zuzuordnenden Beschreibungen objektiver Sachverhalte durch Prädikatenstrukturen der formalen Logik. Der Beispielsatz (d) ist eine Repräsentation der Message, die formalisiert wie folgt darstellbar wäre, und die neben anderen auch die weiter unten angegebenen Repräsentationen hat: A

Ra

P d (augm)

Rb

B

Rc I

c

39

P

= Prädikat (hier mit Index „d (llugm) " = dynamische Aktion der Vergrößerung-Verbesserung)

A, B, C = Aktoren: A = Ausgangspunkt, Ursache der Operation (hier „Maler") B = Ziel, Empfanger der Operation (hier „Landschaft") C = Gegenstand der Operation (hier „Ansehen") R a , R b , R c = Relationen zwischen den Aktoren und dem Prädikat: R a = Operationsvollzug („von seiten . . . " ) R b = Operationsauswirkung („an die Adresse von . . .") R c = Operationsbezug („im Hinblick auf . . . " ) Über diese gemeinsame Message hinweg, mit der sie durch ein System von Umformungsregeln in Beziehung stehen, sind also Sätze wie die von folgender Form und mit entsprechenden anderen synonymen lexikalischen Belegungen als untereinander äquivalent zu identifizieren: Maler verbessern, erhöhen, vergrößern, heben, fördern, . .. das Ansehen der Landschaft. Maler leisten einen Beitrag, tragen bei zum [verbesserten, erhöhten, . ..] Ansehen der Landschaft. Maler, die zum [verbesserten, erhöhten, ...] Ansehen der Landschaft beitragen, . . . Maler leisten einen Beitrag, tragen bei zur Verbesserung, Erhöhung, . . . des Ansehens, zum Ansehen der Landschaft. Maler leisten dazu einen Beitrag, tragen dazu bei, daß das Ansehen der Landschaft steigt, wächst, sich hebt, verbessert, erhöht,-. . . wird. Maler fördern, heben die Landschaft im Ansehen, im Hinblick auf das Ansehen. Maler verschaffen der Landschaft [mehr, größeres, verbessertes, erhöhtes, . . .] Ansehen. Das Ansehen der Landschaft wird durch die Maler verbessert, vergrößert, . . . Die Landschaft erhält durch die Maler [mehr, größeres, verbessertes, erhöhtes, .. .] Ansehen. Die Landschaft wird durch die Maler im Ansehen gefördert, gehoben. Ein Beitrag der Maler zur Verbesserung, Erhöhung, . .. des Ansehens, zum Ansehen der Landschaft ... Eine Verbesserung, Erhöhung, .. . des Ansehens der Landschaft durch die Maler .. . Die Analysemöglichkeiten mit Operationen der geschilderten Art gehen an sich, sobald es gelungen sein wird, ihren Ablauf algorithmisch exakt zu beschreiben, weit über den hier gesteckten Rahmen eines Thesaurus 40

hinaus; sie können bereits als Grundlage von automatisierbaren Inhaltsanalysen, -kompressionen und -vergleichen dienen. Sie sind aber auch schon erforderlich, um für einen gewissen Prozentsatz der Fälle von semantischer Mehrdeutigkeit Informationen zur Disambiguierung bereitzustellen, die weder durch Vereinbarkeit noch durch Äquivalenz von einzelnen Sememen zu erhalten sind. Wie bei diesen beiden prinzipiellen Relationen erweist sich hier zum dritten Mal die Schwierigkeit, aber auch die Fragwürdigkeit, feste Grenzen zwischen inner- und außersprachlichen Vorgängen festlegen zu wollen.

41

Übersicht der semantischen Kontextrelationen:

Li

Lf

=> L?

+ Lf

L?-3 Lf => Lf_3 + Lf Li —3 Lf_ 2 L}_3 + LJ_2 L i . 3 Lf LJ.3 Lf Li_ 3 Lf_ 3 Li-3 LJ_3 Li_ 3 L?

=> L f . 3 => L§.-3 => Li Li_3 => Li +

— LJ Lf => LJ + Lf + Lf + Lt/Ll + LS/Lf + L | + LJ Lf

Li- 3 'L?-3 => Li + Lf L?_3 Lf_ 7 Lf => Li + Lf + Li Li Lf_ 4 Lf_ 3 L? => Li + (Lf + L| + L?)t Li_ 5 Si => Li + Si; Li_ 5 Sf => LJ + Sf; . . . Li-12 Si => Lf_.3 -+- Si; Li_i2 Sf => LJ_9 + Sf; . . . Si_2 Li Lf Lf => Si + Lf + Lf; S£ + Li + Lf Li-3 Lf Lf_ 2 => Li + Lf + L | Li (Lb) Lf => Lf + Li Li Lf (Lc) L? => L? + L? Li (L6) Lf_ 3 => Lf + Li Li_ 2 Lf (Lc) L?_3 => L? + L;/L? + L? Li Lf (Lc) Li => L? + Li/L? + Lf Lj L] Lj — L j = L3 H~ 1/j Li'_4 Lf Li2.4 => Lf + Lf s L f LJ. 2 Lf => Li = Lf Li Lf_2 => Li = Lf Lj_2 Lj-2 — L j s Lj Lj Li_ 2 Lf Lf_ 2 => Li + Lf ss Lf Li Lf Lf L? => Li s Lf & Lf s L? Li Lf Lf Lf => Li = (Lf + Lf + L?) Li Lf Lf L? => (Li + Lf + Lf) £ L? Li Lf Lf Lf Lf Lf, => => ((Li + Lf + Lf) = Ki) s (KS £ (L? + Lf + Lf,))

(28)

L\ Li Li Li Lf (Sf (Li + Li + Li)) s M s (Sf (Li + Li + Li))

(29)

Li Li Lf L? Li Li =» (S! (Li + Li + Li) s M 3 (Si (L? + Li + L,f))

(30)

Li_ 4 Li => LJ,.2) + Li

(siehe 5. Kapitel)

3. Ausblick auf weitere Kontextrelationen Außer durch die behandelten Formen von Topikrelationen oder an ihrer Stelle kann die Isotopie eines Textes auch abstrakt und implizit als quasi-logische Verknüpfung von Satzinhalten bzw. (auf einer höheren Ebene) von Messages als Ganzheiten ausgedrückt sein, wobei zuweilen die linearen Folge der Sätze im Text ein gewisses formales Kriterium ist. Diese Art der Beziehungen werden K o n n e x e genannt [47]. Sie entsprechen allgemeinen VerknüpfungsbegrifTen wie WEGEN, UND, DESHALB, DANACH, NÄMLICH, WEIL, DENN, DANN, DAGEGEN usw. und bewirken die gegenseitige Zuordnung der Sachverhalte nach Raum, Zeit, Folge, Motiv, Ursache, Gegensatz, Gleichheit usw. Manche dieser Konnextypen lassen sich bis zu einem gewissen Grad objektiv aus den beiden zu verknüpfenden Satzinhalten ableiten, wenn man virtuelle oder elliptische Topikrelationen ansetzt, die zu dem genereller gültigen Prinzip der W e i t e r g e l t u n g von bereits Mitgeteiltem oder Gewußtem (Satz- und Textkonstanz) hinüberleiten [48]: Das Projekt wurde genehmigt. Die Gesamtkosten erschienen tragbar. «- Das Projekt wurde genehmigt. [Das Projekt hat bestimmte Gesamtkosten]. Die Gesamtkosten [des Projekts] erschienen tragbar. Es besteht (zwischen den beiden zuerst genannten Originalsätzen) ein Kausalkonnex, der mit DENN oder WEIL umschrieben werden kann. Nicht immer eindeutig bestimmbar sind Fälle wie: Es hat Frost gegeben. Ein Wasserrohr ist geplatzt. [49] Hier könnte man den Konnex als kausales U N D DARUM bzw. WEIL DESHALB oder als diagnostisches MAN ERKENNT ES DARAN interpretieren. Diese mehrfache Analysierbarkeit stellt eine Analogie dar zu den Wortfolgemehrdeutigkeiten auf der syntaktischen Ebene. An einem weiteren Beispiel soll andeutungsweise die Komplexität der Aufgaben gezeigt werden, mit denen die Analyseoperationen und die Beschreibung solcher semantischer Relationen konfrontiert werden: 43

Ich habe mindestens dreiviertel Stunde auf meine Schwägerin warten müssen, weil sie rasch noch ein völlig überflüssiges Kleid einkaufen ging. Sparsamkeit ist schon immer ihre schwache Seite gewesen und Rücksicht auf andere ebenso. [50] Die Feststellung, daß beide Sätze durch einen Konnex im Sinne eines zusammenfassenden, begründenden, spezifizierenden DENN verknüpft sind, setzt als Ergebnisse der Untersuchungen auf der Topikebene wenigstens zwei semantische Äquivalenzbeziehungen voraus, nämlich die zwischen überflüssig und Sparsamkeit einerseits und warten müssen und Rücksicht auf der anderen Seite. Die beiden Partner im zweiten Satz sind durch schwache Seite in je eines ihrer Antonyme verkehrt. Die Kontinuität solcher Ketten von Topik- und Konnexrelationen ist aber nur selten den ganzen Text hindurch gewahrt. Die Regularitäten der Abfolge unterschiedlicher Ketten, ihrer Neu- und Wiederaufnahme oder ihres Parallelverlaufs bilden ein weiteres Ordnungssystem, die M a k r o s t r u k t u r des Textes. Ihre Segmente und deren Relationen sind nach Form und Qualität vom Gegenstand und von der Abwicklung des Themas her, also von außersprachlichen Gegebenheiten bestimmt. Die semantische Mikrostruktur und ihre inneren Verhältnisse sind mit dem Grad an Präzision erfaßbar, den das Objekt Sprache und die derzeitigen linguistischen Methoden zulassen. Die Makrostruktur ist im wesentlichen bisher nur als eine lineare Projektion der K o m p o s i t i o n s e l e m e n t e und ihrer Kombinationen bis hin zu T e i l t e x t e n (Absätzen, Abschnitten, Kapiteln) erforscht. Die Grenzen der Elemente markieren sich in der Mikrostruktur mehr oder weniger deutlich durch den Abbruch der Topik-, Konnex- und Referenzbeziehungen; ferner steht der S t e l l e n w e r t , d. h. die Information über die Position des Elements in der Reihenfolge des Gesamttextes zur Verfügung [51]. Die dahinterstehenden Strukturprinzipien und die Merkmale der anzusetzenden Kompositionselemente werden auf der ersten Stufe von den Aufgaben der jeweiligen Sach- und Wissenschaftsgebiete und den Zielen ihrer Analyse bedingt. Es ergeben sich z. B. sehr unterschiedliche Formen und Anforderungen je nachdem, ob die sprachliche Fassung eines Gesetzestextes auf seinen Aufbau als Kette von einzelnen Rechtsnormen hin - darstellbar als verknüpfte Folge von logischen Ausdrücken untersucht wird, oder ob Textsegmente als kleinste erzählerisch-literarische Einheiten - aufzufassen als komplexe Strukturen von Aussagen über abstrakte Kategorien wie „Handlung", „Charakter", „Atmosphäre" u. ä. - und ihre Verflechtungen erkannt werden sollen. Die Analyse einer Textstruktur aus linguistischer Sicht ist also vorläufig auf die Zusammenhänge zwischen jeweils einigen, relativ wenigen Sätzen oder anderen Textemen beschränkt, die durch semantische Relationen deutlich verbunden sind. Sie endet - bildlich gesprochen - spätestens vor 44

einem Absatz im fortlaufenden Text (der im Beispiel durch eine neue, eingerückte Zeile graphisch markiert ist): Nach dem Regen kühlte es sich ab. Auf den Scheiben erstarrten große Tropfen. Die Tropfen waren klar, und in jedem von ihnen brachen sich der gelbe Himmel und die grünen Pappeln. Es nahte der Augenblick, auf den sie und er warteten . .. [52] Für eine vollständige, allgemeingültige Definition des Textes und für die Erkenntnis der indirekten Auswirkungen seiner Makrostruktur auf die Topik- und Konnexrelationen müssen diejenigen generellen außersprachlich-logischen Merkmale der Textkonstituierung gefunden werden, die es uns ermöglichen, in einer spezielleren, z. B. einer belletristischen Textform und auch in einem konkreten Fall wie dem vorliegenden zu erkennen, warum an dieser Stelle auf Regen, Tropfen und Pappeln ein Augenblick nahen darf, ohne daß es als Widerspruch oder Textbruch aufgefaßt wird und warum sich sie und er nicht auf die unmittelbar vorausgegangenen Nomina beziehen. Dazu gehören auf alle Fälle die globalen Stufen von Denk-, Erkenntnis-, Lehr- und Lernprozessen, ferner die Grundstrukturen von fachlichen und künstlerischen Aussagesystemen, einschließlich ihrer pragmatischen Komponenten, ein Modell des gesellschaftlichen „Durchschnittswissens", d. h. des als allgemein bekannt Voraussetzbaren, und schließlich die Regeln für die Umformung all dieser außersprachlichen Mitteilungsgehalte in die kommunizierbare lineare Form von Texten mit Kategorien wie „Vorausgesetztes, Orientierendes, Erwähntes, Erschlossenes, Gefolgertes, Variierendes, Zusammenfassendes, Abschließendes" usw. und ihre zulässigen Reihenfolgen.

45

5. Kapitel: Die Struktur des Thesaurussystems

Als Ergebnis der Untersuchung der wesentlichen Typen von Relationen zwischen den semantischen Einheiten auf der syntagmatischen und der Textebene erscheint es durchaus möglich, daß sich die innersprachlichen Operationen und Entscheidungen des Kommunikationsaktes, die zur Ermittlung der korrekten, aktuellen semantischen Strukturen der Sätze eines Textes führen, in stufenweiser Annäherung nachbilden lassen. Es erweist sich, daß sämtliche erörterten Typen die Varianten von drei prinzipiellen semantischen Beziehungen sind: Vereinbarkeit, Äquivalenz, transformationelle Verwandtschaft. Das Kernstück eines Modells, nämlich die Thesaurusordnung im engeren Sinne, die die Analysevorgänge steuert, muß daher jedem ihrer Elemente Informationen bereitstellen, aus denen die Möglichkeit und die Art solcher Beziehungen zu allen anderen Elementen hervorgehen. Das heißt aber, daß die GrundStrukturform eines Thesaurus die p a a r w e i s e w e c h s e l s e i t i g e R e l a t i o n zwischen je zwei Punkten (Positionen) sein muß, wobei jeder Punkt unterschiedliche, bestimmte Kombinationen von Eigenschaften und Bedingungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Elemente repräsentiert bzw. die Menge aller Elemente, die diesen Kombinationen entsprechen. Diesem System von Relationen ist ein zweites, an sich davon unabhängiges System überlagert, dessen Grundstruktur die R e i h u n g von Elementen ist, und zwar in einer Form, daß jeweils bestimmte Abschnitte der Reihung einen gemeinsamen Bedeutungsdurchschnitt haben, auf Grund dessen die Elemente untereinander substituierbar sind; ferner muß aus der Anordnung der Grad und der Weg der Äquivalenzbeziehung zwischen allen Elementen ersichtlich sein. In vielen Fällen - am wenigsten im Bereich der verbalen Bedeutungselemente mit Wechsel der Valenzen ist die Reihung identisch mit einem feineren Ordnungsprinzip innerhalb der Elementen menge der Thesauruspunkte und als Übergang zwischen ihnen, da ja Synonyme auch eine Anzahl von gleichen Vereinbarkeitsrelationen haben. Das dritte System endlich, das die transformationellen Beziehungen im Bereich der Expansionen und zwischen den verschiedenen Repräsentationen der gleichen Messages fixiert, ist eine K o m b i n a t i o n aus den beiden vorangegangenen, denn es muß sowohl die Verbindung zwischen den Thesaurusrelationen herstellen, die auf syntaktisch unterschiedlichen, jedoch semantisch gleichen oder ähnlichen Vereinbarkeitsbedingungen beruhen, als auch zwischen diesen Relationen und den ihnen jeweils entsprechenden Relationspaaren von synonymen Elementen. In den folgenden Ausführungen sollen Einzelheiten und Probleme erörtert werden, die sich aus dieser Grundkonzeption von der Struktur eines Thesaurus ergeben. 46

1. Die Text- und Thesauruselemente Da es die Aufgabe eines operativen sprachlichen Thesaurus ist, Entscheidungen über Relationen z w i s c h e n Einheiten im Kontext zu fallen, sind Informationen über die innere Struktur der konkreten, zu prüfenden semantischen Textelemente und der zur Prüfung verglichenen Thesauruselemente an sich nicht nötig. Als semantische Grundgröße bei der Analyse von Texten gilt das Lexem, d. h. eine Wortform als geschlossene Einheit (ohne Berücksichtigung ihrer inneren Struktur aus einem oder mehreren Morphemen/Monemen und ihrer Kompositionsweise) und die Gesamtheit der von ihr potentiell hervorgerufenen begrifflich-substantiellen Bedeutungsanteile in Form von einem oder mehreren unterschiedlichen Sememen; bei Paralexemen (z. B. getrennt geschriebenen Komposita, getrennten Verbalteilen, mehrgliedrigen Eigennamen) und phraseologischen Verbindungen bilden mehrere Wortformen die gemeinsame formale Basis eines Semems. Der Aufbau der Sememe aus abstrakten distinktiven Komponenten („Noeme, Markers, Merkmale, Seme, Configurations, Clusters, Konstituenten, Faktoren" u. ä.) und die hierarchischen Beziehungen zwischen ihnen oder weitergehende diskursive Definitionen für die Sememe spielen explizit keine Rolle, nur die Tatsache des Vorhandenseins von bestimmbaren distinkten Sememen im Sinne kommunikativer invarianter Effekte; sie werden durch Indizes an ihrer Wortform, deren Reihenfolge willkürlich ist, gezählt und unterschieden. Die Grundgrößen der Thesaurusstruktur sind, wie erwähnt, die Positionspunkte der Kombinationen von Vereinbarkeitseigenschaften; die konkreten Bedeutungselemente, aus denen sich die zu jedem Punkt gehörige Menge zusammensetzt und die untereinander nach dem Maßstab gemeinsamer Bedeutungsanteile geordnet sind, bestehen ebenfalls aus Sememen im oben beschriebenen Sinne. Ein Semem ist innerhalb des Thesaurussystems durch die Gesamtheit der Informationen über die möglichen und nötigen Relationen zu anderen Sememen, in die es in einem Text ein" treten kann, definiert und dadurch gleichzeitg differenziert. Die Vergleichsoperationen zwischen den Strukturen der Texte und des Thesaurus erfolgen also für die einsprachige Analyse in Einheiten der Sememe als der kleinsten selbständigen Bedeutungseinheiten im Kommunikationsakt; von diesen Einheiten können für die Zwecke der Übersetzungsanalyse, entsprechend den notwendigen Äquivalenten in der Zielsprache, entweder mehrere zu einer „Übersetzungseinheit" zusammengefaßt werden, oder ein quellensprachliches Semem muß umgekehrt in mehrere feinere zerlegt werden. Die Grundeinheiten für die Operationen innerhalb des Textes und innerhalb des Thesaurus sind umfassender und liegen auf einer anderen Ebene bzw. gehören einem anderen System an: die Lexeme auf der Lexemebene vereinigen auf der Basis der gleichen Form (meist) mehrere Sememe und sind außerdem die Ausgangselemente der syntaktischen Struktur; an den Punkten der Thesauruspositionen sind jeweils 47

(meist) mehrere Sememe auf der Basis der Informationen über gleiche potentielle Relationen vereinigt. Das Inventar der Sememe (als minimale Bedeutungseinheiten unter beiden Aspekten) aufzustellen ist die unerläßliche Voraussetzung für die Schaffung der Thesaurusordnung einerseits und für die Wörterbuch-Vergleichsoperationen zur Indizierung von Textlexemen andererseits. Maßgebliche Quelle und Kriterium für die Unterteilung von Lexemen in Sememe sind die Sprachkenntnisse und das gesamte außersprachliche Wissen der Bearbeiter, ergänzt durch die Angaben vorhandener Wörterbücher und die Ergebnisse von Kontextuntersuchungen. Weil systematisch der Maßstab der Unterschiede der Typen von potentiellen Kontextrelationen angewandt wird, läßt sich die Einteilung und die Abgrenzung von Sememen bis zu einem gewissen Grade objektivieren. Objektivierung heißt hier einerseits die Feststellung, daß bisher unnötig oder unbeachtet gewesene Verfeinerungen einzuführen sind, z. B. Bedeutungsdifferenzierungen auf Grund unterschiedlicher Relationen zu Synonymen und Antonymen (verantwortlich ( L ^ ) wegen der Gegensätze: nicht verantwortlich I unverantwortlich / verantwortungsfrei / verantwortungslos). Es heißt andererseits die Einsicht, daß es in vielen Fällen nicht möglich, aber offensichtlich auch nicht notwendig ist, bedeutungsnahe Sememe eines Lexems exakt voneinander zu trennen, wie etwa aus dem Beispiel zweit hervorgeht, weil von solchen isoliert und intuitiv abgegrenzten Sememen in vielen Kontexten jeweils mehrere gleichzeitig vereinbar sind: Das Lexem zweit hat, rein logisch differenziert, vier Sememe, die man als 1. ,Zählung, Gleichzeitigkeit' / 2. .zeitliches Nacheinander' / 3. .Wertung, Rang' / 4. .räumliches Neben-, Nacheinander' bezeichnen könnte, und es gibt für jedes von ihnen eindeutig zu aktualisierende Vorkommen (der zweite2 Weltkrieg; das zweitet Gesicht haben). Aber in den folgenden (und anderen, auch umfangreicheren) Kollokationen ist die Vereinbarkeit mit jeweils mehreren seiner Sememe möglich oder zulässig: Assistent (mit 1, 2, 3), Läufer (1, 2, 3, 4), Sieger (1, 2, 3), Wagen (1, 2, 4), Mann (1, 2, 3), Etage (1, 4), Sohn (1, 2), Besetzung [einer Rolle] (1, 3), aus zweiter Handel, 3). Und selbst in Verbindung mit Auge, Ohr usw., die als typische Fälle für eine Attribuierung durch das Sememen zweite gelten könnten, sind Kontexte denkbar, in denen das Semem zweite zusätzlich oder sogar bevorzugt hervorgerufen wird: Jetzt ist auch noch mein zweites Auge entzündet. Daß die Sememe mehrdeutiger Lexeme zwar eindeutig differenziert sind, aber nicht einzeln aktualisiert werden, besonders wenn die relevanten Kontextanteile nicht umfangreich genug sind, kommt selbstverständlich häufig vor: Raub (L,_ 4 ): 1. ,das Geraubtwerden' / 2. ,das Rauben' / 3. ,das Geraubte' / 4. .Vernichtung durch' 48

L?-4 LJ => Lf_3 + L?: Der Raub der Sabinerinnen dagegen: Lí_ 4 L? LJ => L\ + LJ + LJ: Der Raub der Sabinerinnen durch [die Römer] Wenn es aber, wie im Beispiel zweit, die Regel ist, daß die Trennung der Sememe für den kommunikativen Effekt überflüssig oder unmöglich ist, sollte man zusätzlich zu den elementaren Sememen deren ständig wiederkehrende Kombinationen, die nur in einem sehr weiten Kontext oder durch außersprachliche Informationen aufzulösen sind, als H y p e r s e m e m e einführen, also neben zweit als auch: LUi2,4.), L (2t 3), L(i,4) usw. Eine Reduktion der Mehrdeutigkeit von Lexemen auf die Stufe von Hypersememen durch Kontextrelationen und -Operationen würde damit als partielle, aber hinreichende Aktualisierung anzusehen sein: (30)

Lí_4 L? => L(lt2) + V¡\ [der] zweite Sohn

Ähnlich muß das Problem ^behandelt werden, daß ein Lexem einen sehr weiten, generellen Bedeutungsumfang hat, dessen Kontinuum nur mit Schwierigkeit objektiv zu unterteilen ist [53], Die Referenda der betreffenden Sememe sind sachlich häufig sehr klar geschieden und gehören oft ganz verschiedenen Bereichen der Realität an, sprachlich dagegen werden sie auf Grund einiger, meist nicht einmal der wichtigsten Merkmale als Einheit aufgefaßt, und sie verhalten sich demzufolge auch im Hinblick auf ihre semantischen Relationen gleich. Häufige Anlässe für solche Generalisierungen sind die Möglichkeit, das Grundwort von Komposita allein in der Bedeutung speziellerer Lexeme (in der Form Grundwort -I- Bestimmungswort) zu benutzen, und die Bedeutungsübertragung. Erst eingehende Untersuchungen der potentiellen Vereinbarkeits- und Synonymenreihungspartner, z. B. des Lexems Öl, können ergeben, bis zu welchem Maße Sememe unterschieden werden müssen. Für die Feststellung der Vereinbarkeit etwa mit schwimmen, fließen, tropfen, brennen kann es als ein einheitliches Semem aufgefaßt werden, für andere Kollokationen wäre wahrscheinlich mindestens zwischen 1. ,Tier-, Pflanzenöl' / 2. Etherisches ö l ' / 3. ,Erd-, Mineralöl' / 4. ,ölähnliche Flüssigkeit' / 5. .übertragene Bedeutung' zu unterscheiden, aber auch verschiedenartige Kombinationen dieser „Sememe" kämen vor. Eine weitere Differenzierung führt jedoch bei Vereinbarkeitspartnern mit speziellen Bedeutungen (trocknend, wohlriechend, polymerisieren, ranzig werden), die nicht auf alle als ö l bezeichneten Arten gleichmäßig zutreffen, zu einem sehr komplizierten Netz von Beziehungen und Bedingungen, aus denen als Ergebnis eine Reihe von unterschiedlichen, sich überlappenden Einteilungen dieses Lexems in Sememe hervorgehen würde, die nur ein Abbild der Generalität und Kontinuität der Bedeutung 4 Aerícola

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sind, aber keinen disambiguierenden Effekt haben. Mit Formen wie Öl müssen demzufolge prinzipiell alle Sememe als vereinbar angesehen werden, die mit einer der (logisch unterteilten) Bedeutungs-„Varianten" vereinbar sind, im Sinne der Aussage „Es gibt wenigstens eine ölart, für die . . . zutrifft" (Öl härten, wechseln, bohren, pressen, verlieren, tanken; in Öl laufen, braten, einlegen). Das heißt aber, man kann beim Lexem Öl objektiv nur ein Semem ermitteln, möglicherweise auch einige wenige Hypersememe, die durch die innersprachliche Vereinheitlichung der Behandlung von außersprachlich festgelegten Einheiten entstehen. Wenn die Problematik der Ermittlung von semantischen Grundelementen auf diese oder auf ähnliche Weise gehandhabt wird, würde eine Einteilung und Anordnung von Sememen entstehen, die den wirklichen sprachlichen Verhältnissen in bezug auf Elastizität und Vagheit [54] wenigstens zum Teil entsprechen; es wäre vielleicht sogar möglich, einen Näherungswert für den Grad der Unbestimmtheit der Sprache zu gewinnen. Da es sich um eine Gruppierung nach gleichem (oder ähnlichem) kombiniert syntaktisch-semantischen Verhalten der Sememe handelt, ist ferner anzunehmen, daß daraus die hypothetischen semantischen Komponenten, einschließlich der sog. Kontextseme oder Klasseme, und ihre Hierarchien systematisch aufgedeckt werden können, da die Aufstellung der Ordnung auf der intuitiven Kenntnis und Verwendung solcher Merkmale durch den Bearbeiter beruht. Ob und wieweit das somit zu erhaltende System von Komponenten, das der Differenzierung von Sememen in Texten dient, auch brauchbar ist, Bedeutungen regelrecht zu definieren und sie im Lexikon voneinander zu unterscheiden, bedarf noch ausführlicher Untersuchungen [55].

2. Die Vereinbarkeitsrelationen Da die semantische Vereinbarkeit von Sememen in Textsätzen aufgefaßt wird als Verträglichkeit oder sinnvoll-korrekte Kollokationen von Sememen in einer gegebenen korrekten syntaktischen Verbindung ihrer Lexeme, ist es selbstverständlich, daß auch ein wesentlicher Anteil der Kriterien im System des Thesaurus syntaktischer Natur ist. Die Art oder die verschiedenen Arten des potentiellen syntaktischen Verhaltens eines Lexems stellen bereits eine starke Vorselektion des Bereiches der möglichen Vereinbarkeitspartner dar. Die Unterteilung kann und muß aber weit über die Feinheit der bisher verwendeten Wortklassen und Wortunterklassen hinaus vollzogen werden. Das Ziel ist es, objektivierte f u n k t i o n e l l e W o r t f o r m e n k l a s s e n aufzustellen, also Klassen, die als Elemente nicht Wörter allgemein umfassen, sondern bereits nach ihren paradigmatischen Flexionsformen differenzierte Lexeme mit jeweils gleichen speziellen „Funktionen" [56], Unter den Funktionen einer Wortform sind hier die Kombinationen ihrer syntaktischen Valenzen zu 50

verstehen, d. h. Kombinationen der syntaktischen Einzelinformationen, auf Grund deren die Form als über- und untergeordnetes Element in bestimmten Strukturen eintreten kann. Die prinzipielle F o r m der Ordnung des Thesaurussystems wird demzufolge von den Valenzen und Funktionen derartiger verfeinerter Wortformenklassen geprägt; die auf Grund der eigentlichen semantischen Vereinbarkeitsbedingungen entstehenden Gruppierungen können dann als weitere Spezifizierung und Differenzierung einer solchen syntaktischen Klasseneinteilung aufgefaßt werden. Der Übergang zwischen beiden Arten von Kriterien ist relativ kontinuierlich; häufig kann gar nicht entschieden werden, zu welchen von beiden ein Merkmal gehört. Eine solche Unterscheidung braucht auch nicht getroffen werden, da die jeweiligen Kombinationen von syntaktischen und die von semantischen Funktionsmerkmalen stets als Gesamtheit für die beabsichtigten Operationen relevant sind. Aus dem gleichen Grund wird auch der - an sich der Syntax entstammende Terminus „funktionelle Wortformenklassen" f ü r die differenziertere Klasseneinteilung beibehalten, die auf der Basis syntaktischer u n d semantischer Kriterien entsteht. Eine Wortformenklasse in diesem Sinne umfaßt also die Menge aller Sememe mit gleichem syntaktisch-semantischem Verhalten und gleichen potentiellen Vereinbarkeitspartnern. Sie entspricht damit auch einem Positionspunkt im Thesaurus. Unterschiedliche Sememe eines Lexems gehören oft verschiedenen Wortformenklassen und verschiedenen Positionen an. Die Informationen, die eine Position und alle entsprechenden Sememe charakterisieren, wird man sich als Angaben über die Funktion der Wortformenklasse vermutlich in Form von aussagenlogischen Ausdrücken vorzustellen haben, in denen die Valenzen die Stellen der Variablen einnehmen. Das System der Informationen m u ß in Feinheit, Hierarchie und Kombinationsmöglichkeiten derart beschaffen sein, daß aus dem Vergleich der Informationen je zweier Positionen hervorgeht, o b zwischen ihren Elementen (d. h. Sememen, die diesen Angaben entsprechen) mögliche, notwendige, unmögliche, bedingt mögliche oder von anderen Relationen abhängige Relationen bestehen. Die Lösung von lexikalischen Mehrdeutigkeiten durch syntaktische Informationen über die aktuelle Abhängigkeit einer Wortform (Typen (12) und (13) der semantischen Kontextrelationen) erfolgt durch die bloße Feststellung der Zugehörigkeit der einzelnen Sememe dieser F o r m zu verschiedenen Wortformenklassen bereits auf der Stufe der rein syntaktischen Merkmale; dieser Fall braucht daher nicht weiter behandelt zu werden. Einzelheiten des vorzusehenden objektivierten Grammatikmodells und der sich daraus ergebenden Grundzüge des Thesaurussystems können in diesem Rahmen nicht erörtert werden. Die weiteren Ausführungen befassen sich deshalb im wesentlichen mit den semantischen Komponenten der Vereinbarkeitsbeziehungen; sie greifen im Bedarfsfall auf eine 4*

51

vergröberte oder nur angedeutete Form des Systems der Merkmale aus dem syntaktischen Bereich oder aus der Übergangszone zum semantischen Bereich zurück. Zu diesen Vereinfachungen gehört unter Umständen die Verwendung von paradigmatischen Grundformen als Beispiele an Stelle von Elementen der differenzierten funktionellen Wortformenklassen. Aus den Informationen je zweier Positionspunkte muß bei der Vergleichsoperation für je zwei konkrete Sememe eine eindeutige Entscheidung über Vorhandensein und Art der zwischen ihnen bestehenden Vereinbarkeitsrelationen ableiten sein. Diese Eindeutigkeit muß erreicht werden obwohl aus zwei Gründen ganz verschiedenen Ursprungs die Informationen nicht bis in alle Einzelheiten determiniert sein können und dürfen. Der eine Grund ist methodischer Art: Die Aufstellung eines Thesaurus - . selbst nur für einen Ausschnitt des Wortschatzes - kann nicht dadurch geschehen, daß jedes einzelne Semem vor der Zuordnung auf seine potentiellen einzelnen Vereinbarkeitspartner hin untersucht wird; dazu ist die Zahl der zu betrachtenden Relationen zu groß und die Zahl der zu Testzwecken zu untersuchenden Kontexte ebenfalls; außerdem würde das System zu starr werden und Änderungen und Ergänzungen nur schwer zulassen. Der andere Grund sind die unten näher zu behandelnden verschiedenen Formen der Vagheit, die im Wesen der Sprache liegen und einer strengen, ausnahmslosen Klassifizierung von linguistischen Einheiten entgegenstehen: Die Merkmale für die Klassenzugehörigkeit selbst und ihre Auswahl sind häufig nicht eindeutig definierbar, oder sie sind willkürlich bzw. durch die sprachliche Konvention „alogisch" festgelegt; ferner sind sie nicht für alle Elemente in gleicher Weise bedeutsam. Die von Neustupny [57] herangezogenen Termini „Zentrum / Peripherie / Grenze" zur Interpretation der Genauigkeit von linguistischen Fakten werden auch hier sinngemäß angewandt werden müssen. Es kann sich also in den meisten Fällen nur um Entscheidungen über die Zulässigkeit von Relationen zwischen mehr oder weniger scharf abgegrenzten Gruppierungen handeln. Die Kardinalschwierigkeit bei diesem Teil des gesamten Projekts besteht darin, die angemessene Differenzierungstiefe für die verwendeten Zulässigkeitsmerkmale trotz der beiden entgegengesetzten Forderungen zu finden, daß sie möglichst allgemein sein und für viele Partnersememe zutreffen, andererseits aber genügend scharf zwischen den verschiedenen Gruppierungen unterscheidend wirken sollen; mit anderen Worten: daß sie weder zu viel noch zu wenig Vereinbarkeitsrelationen als akzeptabel zulassen, sondern eine „vernünftige", eher etwas zu weit als zu eng gefaßte Auswahl. Vor der Diskussion von Einzelheiten und von Problemen, die durch die Vagheit hervorgerufen werden, sollen an Hand einiger, in jeder Hinsicht einfacher oder vereinfachter und nichtformalisierter Beispiele gezeigt werden, wie man sich nach rein sprachlichen Maßstäben die Klassifizierung konkreter Sememe nach Vereinbarkeitsrelationen vorzustellen hat. 52

Lexem lichten (Lf_ 9 ): (a) Attributives Adjektiv, mehrere Flexionsformen, zu einem Substantiv: Lj (.leuchtend, strahlend') + Tag, Auge, Morgen, Kleinod, Höhe2, Weite3, . . . 4 L 2 (.hellfarbig ) + Farbe, Blau, Grün, Stoff, Vorhang, Tapete, . . . L 3 (,mit Zwischenräumen, + Wald, Haar, Reihe, Saat, Pflanweit stehend') zung, Masche, Fassung [eines Steins], . .. + Weite1, Höhex, Schrift, . . . L 4 (,inner, hohl') L 5 (,geistig klar') 4- Moment, Augenblick, . . . (b) Reflexives Verb, mehrere Flexionsformen, zu einem substantivischen Subjekt: L 6 (,hell, durchscheinend + Nebel, Dunkel, Schatten, ... werden') L 7 (,spärlich, schütter werden') + Wald, Haar, Reihe, . . . (c) Transitives Verb, mehrere Flexionsformen, zu einem substantivischen Subjekt und einem obligatorischen direkten substantivischen Objekt: L g (,spärlich machen, ausholzen') + Förster, Waldarbeiter, Forstbetrieb, Siedler, Sturm, Feuer, Borkenkäfer, ... + Wald, Urwald, Forst, . . . L 9 (.emporziehen, hochwinden') + Schiff, Flotte, Kapitän, .. . + Anker, Verankerung, . .. Paralexem geht ein (Lf_ 10 ): (a) Intransitives Verb, 2 Flexionsformen, zu einem substantivischen Subjekt: L t (,schrumpfen') + Tuch, Wolle, Stoff, Pullover, Anzug, Sachen, .. . (Konkreta: Kleidung, Textilien) + Pflanze, Baum, Blume, Kaktus, L 2 (,sterben, verdorren') Hund, Pferd, Vogel, Verirrter, fakultativ Angabe des Expeditionsteilnehmer, . . . Grundes (an . . .) (Lebewesen: Tier, Pflanze, Mensch) L 3 (,erlöschen') + Firma, Gaststätte, Laden, Zeitung, fakultativ Angabe des Partei, . . . (Abstrakta: UnterGrundes (an, durch . ..) nehmen, Institution) 53

L 4 (.schwach werden, versagen') fakultativ Angabe des Grundes, Vergleich (an, vor, bei, wie . ..) (.eintreffen') fakultativ Angabe des Ortes (bei, in, an, auf. ..)

+ Mannschaft, Sportler, Schüler, . . . (Lebewesen : Mensch, G r u p p e von Menschen; Abstrakta: Organisation von Menschen) + Sendung, Ware, Post, Brief, Betrag, Nachricht, Befehl, .. . (Konkreta: Versandgut; Abstrakta: Kommunikation)

(b) Transitives Verb, 2 Flexionsformen, zu einem substantivischen Subjekt und einem obligatorischen direkten substantivischen Objekt: L b (.abschließen*) fakultativ Angabe des Partners (mit .. ., einander)

4- Vertrag, Vergleich, Ehe, Wette, Verpflichtung, Bündnis, Waffenstillstand, . .. (Abstrakta: Vereinbarung) + Partner, Brautleute, Kriegführende, Kollektiv, Freunde, . . . (Lebewesen: Menschen, G r u p p e von Menschen; Abstrakta: Organisation von Menschen)

(c) Intransitives Verb, 2 Flexionsformen, zu einem substantivischen Subjekt und einem obligatorischen Präpositionalobjekt (auf . . . / in ...): L 7 (.erörtern 4 ) obligatorisch Präposition auf

L 8 (.sich beschäftigen mit, sich annehmen') obligatorisch Präposition auf

54

+ Plan, Gedanke, Idee, Eigenheit, Zustand, Diskussionsbeitrag, Vorschlag, Bedingung, Worte, Äußerung, . . . (Abstrakta: Äußerung, Denkinhalt, Verhältnisse) + Verhandelnder, Partner, Kommission, Teilnehmer, . . . (Lebewesen: Mensch, G r u p p e von Menschen, Abstrakta: Organisation von Menschen) 4- Kind, Kranker, Patient, Mitreisender, Mitmensch (Lebewesen: Mensch, Gruppe von Menschen) + Mutter, Erziehungspflichtiger, Arzt, Nachbar, Lehrer, Lehrerschaft, Schule, . . . (Lebewesen : Mensch, Gruppe von Menschen; Abstrakta: Organisation von Menschen)

L 9 (.aufgenommen werden') obligatorisch Präposition in

+ System, Berechnung, Protokoll, Buch, Geschichte, Annalen, [ewige] Ruhe, Ewigkeit, Paradies, . . . (Abstrakta: Inhalt von Aufzeichnungen, religiöse Vorstellungen) -I- Bemerkung, Tat, Größe, Wert, Ereignis, Gesellschaft, Held, Erfinder, Toter, Verstorbener, . . . (Abstrakta: Tätigkeit, Vorkommnis, Äußerung, Organisation von Menschen; Lebewesen: Mensch, Gruppe von Menschen)

(d) Intransitives Verb, 2 Flexionsformen, zu einem Subjekt und einem obligatorischen Dativobjekt: L 1 0 (»angenehm sein') fakultativ Angabe des Vergleichs (wie . . .)

substantivischen

+ Schüler, Autor, Redner, Sieger, Mannschaft, Fraktion, . . . (Lebewesen : Mensch, Gruppe von Menschen; Abstrakta: Organisation von Menschen) + Lob, Kompliment, Äußerung, Bemerkung, Rezension, . . . (Abstrakta: Äußerungen, Lobesäußerungen)

Lexem Atmosphäre (L?_3) Substantiv, mehrere Flexionsformen; L, (,Gashülle'), L, (,Maßeinheit des Druckes'), L 3 (.Stimmung 4 ): (a) mit abhängigem attributivem Adjektiv: L, L2 L3

+ ober, unter, mittel, hoch, geladen, gereinigt, getrübt, dünn, dicht, schwül, feucht, trocken,-verseucht, . . . + physikalisch, technisch, halb, zwei, fünfundzwanzig, . . . + gut, sachlich, gespannt, geladen, gereinigt, beruhigt, erfreulich, vergiftet, frostig, geistig, politisch, freundschaftlich, fremd, gepflegt, muffig, . . .

(b) als abhängiges substantivisches Genitivattribut zu einem Substantiv: L, L2 L3

+ Gliederung, Höhe, Dichte, Zirkulation, Temperatur, Physik, Erscheinung, . . . + Teil, Bruchteil, Maßeinheit, Druck, . . . + Eindruck, Gefühl, Analyse, Beschreibung, Ausdruck, Darstellung, Wiedergabe, . . . 55

(c) mit abhängigem substantivischem Genitivattribut: Lx L3

+ Erde, Venus, Planet, Großstadt, Polarzone, . . . + Kameradschaft, Freundschaft, Bereitwilligkeit, Verständigung, Mißtrauen, Neid, Böswilligkeit, Stadt, Großstadt, Kurort, Lokal, Wohnung, Park, Universität, Bild, . . .

(d) mit abhängiger substantivischer Apposition oder/und fakultativer Präpositionalgruppe (Maßangabe): L2

+ Druck, Luftdruck, Überdruck, Unterdruck, Dampfdruck, . .. + auf den / je / pro Quadratzentimeter, . . .

(e) als Subjekt zu einem Verb: L*! L2 L3

+ umgeben, umhüllen, schützen, ablenken, sich verändern, sich erstrecken, . . . + genügen, fehlen, entweichen, sich halten, entsprechen, . . . + herrschen, sich entspannen, sich ausbreiten, sich bessern, sich verschlechtern, sich beruhigen, . . .

(f) als direktes Objekt zu einem Verb: Li L2 L3

+ erforschen, beobachten, erreichen, verlassen, durchqueren, verunreinigen, reinigen, entladen, . . . 4- erzeugen, haben, halten, erreichen, benötigen, messen, feststellen, . . . + reinigen, bereinigen, erzeugen, verbessern, klären, entgiften, haben, einfangen, ausstrahlen, festhalten, . ..

Bereits aus der Betrachtung dieser geringen, zufälligen Auswahl von Sememen und den wenigen angedeuteten Beispielen für ihre Relationen ergeben sich eine Reihe von Fällen, die sich nicht ohne weiteres dem allgemeinen Prinzip unterordnen. Wegen dematürlichen Unbestimmtheit sprachlicher Informationen tauchen u. a. die im folgenden zu behandelnden Probleme auf, die einzeln oder kombiniert die Entscheidung über die anzusetzenden Relationen erschweren oder ein abgestuftes Urteil erfordern, das sich auf die Frage stützt: Sind Kontexte üblich oder ist ein Kontext möglich bzw. denkbar, in dem die Beziehung realisiert wird? Generell gilt, daß Grenzfalle großzügig mit als akzeptabel einbezogen werden sollten. Einzelrelation

zwischen

Sememen

Es kann zweifelhaft bzw. mehr oder weniger wahrscheinlich sein, ob in korrekter Sprache zwischen zwei Sememen eine potentielle Vereinbarkeitsbeziehung besteht. Dieser Fall ist oben in bezug auf die Kontext56

relationen als „bedingte Vereinbarkeit" bezeichnet und im 4. Kapitel, Abschnitt 4, behandelt worden; das Prinzip kann also hier kurz abgetan und ergänzt werden: (a) Die Vereinbarkeit ist primär von außersprachlichen Verhältnissen abhängig, aber die häufigen und eindeutigen Vorkommen sind im Normalsprachgebrauch fixiert und sanktioniert: fder] Schrank, [der] Krug, [die ]Ladung, [das] Boot, + kippt; [eine] schwarze, weiße, rote, braune, gelbe, rotbraune, + Kuh

. .. ...

und ebenso werden aus bestimmten physikalischen Gründen als eindeutig unvereinbar beurteilt: [die] Wolke, [die] Kugel, [der] Bindfaden, . . . - kippt D a aber die physikalischen Bedingungen (z. B. über Ausdehnung der einzelnen Dimensionen, Gesamtgröße und Konsistenz eines Körpers und die normale oder die aktuelle Lage der Kippachse und des Schwerpunktes) nur ganz allgemein und intuitiv erfaßt und verwendet werden, entstehen Zweifelsfalle verschiedenen Grades, wie z. B.: [die] Klinke, [das] Segel, [der] [der] Schlauch, [der] Käfer, . . . ±

Wasserhahn, kippt

[die]

Blüte,

Der Vereinbarkeit von farbenbezeichnenden Adjektiven mit Kuh - wie mit allen Substantiven, die die Benennung von materiellen Erscheinungen sind - ist schwerlich eine Grenze zu setzen, denn jeder Körper kann unter Umständen in jeder Nuance gefärbt sein oder werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit läßt sich nur ultraviolett, farblos u. ä. ausschließen, wenn man von einigen normalerweise „farblosen" Materialien wie Glas, Wasser u. ä. absieht. Ähnliche Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Semempartnern treten auf, wenn zwischen sachlich verwandten Referenda kontinuierliche Übergänge bestehen oder aus anderen Gründen keine klar differenzierenden Merkmale vorhanden sind; das gilt etwa f ü r : Waldland, Waldgebiet, Dschungel, Urwald, Taiga, Buschfland], Waldung, Wald, Forst, Holz, Gehölz, Wäldchen, Hain, Park . . . und den Grad ihrer jeweiligen Vereinbarkeit mit Verben wie: lichten, durchforsten, aushauen, ausholzen, ausroden, . .. Denselben Effekt kann die Bezeichnungsunklarheit haben, also die Unsicherheit oder Uneinheitlichkeit beim Klassifizierungsprozeß von definierten und abgegrenzten Objekten der Realität durch bestimmte Sememe. Man denke an Fälle wie: Apparat, Gerät, Maschine, Anlage, Vorrichtung, Einrichtung, . . . und ihre Relationen zu entsprechenden Verben und Adjektiven. 57

N e u a u f t r e t e n d e V e r b i n d u n g e n zwischen bestehenden S e m e m e n , die der sprachliche A u s d r u c k f ü r neue Verhältnisse der objektiven Wirklichkeit sind: automatisch betreten,

übersetzen;

Gehirne

transplantieren;

den

Mars

k ö n n e n natürlich als Einzelrelation - ebenso wie neugeprägte W ö r t e r o d e r neue Bedeutungsvarianten v o r h a n d e n e r W o r t f o r m e n ü b e r h a u p t nicht im System des T h e s a u r u s vorgesehen werden, sondern b e d ü r f e n von Zeit zu Zeit seiner Ergänzung. (b) Die Vereinbarkeit, ist hauptsächlich von innersprachlichen Konventionen a b h ä n g i g und n a c h ihnen b e u r t e i l b a r ; außersprachliche Bedingungen wirken nur indirekt ein. Es handelt sich um Relationen zwischen Sememen, von denen wenigstens eines eine a b s t r a k t e , übertragene o d e r bildliche Bedeutung h a t ; die Kriterien sind häufig stilistischer Natur: Beifall + haben, bekommen, kriegen, erhalten, finden, einheimsen, . . . Beifall, Lob, Dank, Tadel, Spott, Undank, Zustimmung, Schmähungen, . . . + ernten

ernten, Haß,

An der Peripherie der vereinbarten Partner stehen z. B.: Beifall ± stapeln, Entschuldigungen,

eintreiben, pflücken, . . . Fürsprache, Echo, . . . ±

ernten

und als jenseits der G r e n z e liegend sind wohl a n z u s e h e n : Beifall - lesen,,

abzapfen,

. . .; einen Orden, einen Titel -

ernten

o b w o h l es sich im ersten Fall a u c h um F o r m e n des Erntens und im zweiten a u c h um F o r m e n der E h r u n g handelt. Sofern in einem Glied der M e t a p h e r noch eine eigentliche Bedeutung e r k e n n b a r ist und als solche e m p f u n d e n wird, können die gegebenenfalls d a f ü r gültigen a u ß e r sprachlichen B e w e r t u n g s m a ß s t ä b e auch d a s Urteil über die Vereinbarkeit und den G r a d der Abweichungen von den üblichen S e m e m p a a r e n (die teilweise den C h a r a k t e r phraseologischer V e r b i n d u n g e n h a b e n , beim übertragenen G e b r a u c h beeinflussen und d a m i t die Wahl von zulässigen ( s y n o n y m e n ) Partnern leiten: sich in ein Netz von Lügen verstricken: Netz, Gewebe, Gespinst, Maschen, . . . + von Lügen -I- hängenbleiben, sich verstricken, verfangen,

verwickeln,

. ..

Ausgeschlossen von der Behandlung müssen okkasionelle und poetische Ad-hoc-Bildungen und Halbdeutigkeiten bleiben, sowie freie Weiterbildungen und Varianten von-lexikalisierten M e t a p h e r n : 58

Sie erntete nicht nur Beifall schlechthin, sondern sie mähte ihn in hellen Schwaden. Diese Einschränkung gilt auch und besonders, wenn es sich um eigenwillige syntaktische Neuerungen oder stilistisch „schiefe" Bilder handelt. Aus dem Vergleich mit der bestehenden normalen Thesaurusstruktur sollten aber der Grund und ein Maß für die Andersartigkeit hervorgehen : Schaum'a- Vital-Shampoon wäscht Leben ins Haar (Werbespruch) Technisches Übergewicht in Tore ummünzen [58] Behla schoß Chemie in Front [59] . . . etwas Lustiges schien in seinen Augen herumzuhüpfen [60] (c) Die Vereinbarkeit zweier Sememe kann von Relationen zu weiteren Sememen abhängig sein. Solche zusätzlichen Bedingungen haben u. a. die folgenden Gründe und Kriterien, die bis zu einem gewissen Ausmaß mit in das Thesaurussystem eingehen können; manche von ihnen werden sich wahrscheinlich sogar als generelle Regeln erweisen. Die Vereinbarkeit von Sememen, die mehrere syntaktische Valenzen, d. h. mehrere möglicher- oder notwendigerweise simultane Relationen haben, mit ihren Partnersememen ist oft auch von der Vereinbarkeit dieser Sememe untereinander abhängig. Die häufigsten und bekanntesten Fälle sind die direkten Valenzbeziehungen von Verben und von Präpositionen und die dabei wechselseitig wirksamen semantischen Selektionsgesetzte für Subjekte, Objekte und andere Ergänzungen bzw. für die einer Präposition über- und unterzuordnenden Sememe. Es braucht in diesem Zusammenhang nur auf die gegenseitige Abhängigkeit bei der Vereinbarkeitsentscheidung zwischen den als Subjekten und präpositionalen Objekten bzw. Adverbialbestimmungen fungierenden Sememen hingewiesen zu werden, wie sie etwa bei den beiden Sememen L 5 und L 9 des Paralexems geht ein [in] auftritt. Prinzipiell können auch die von den Partnersememen ihrerseits abhängigen Elemente noch zusätzliche Bedingungen beitragen, so daß die Grenze, bis zu der solche Bedingungen von syntaktisch indirekt abhängigen Sememen als regulär herangezogen und fixiert werden, schwer abzustecken ist; der Übergang zu den Informationen der Fernvereinbarkeit und der Paraphrasen ist fließend. Weiterhin sei an die semantisch bedingten obligatorischen Determinantien i. w. S. erinnert [61], die auf Grund von Forderungen nach speziellen, auch indirekten semantischen Partnern den Ubergang zur Phraseologie bilden: einJ ein / Sorte [das] [das]

Hut - [der] Sorte; aber Hut + [der] Sorte + Homburg, . . . + [der] billigsten hohle — Pferd; aber hohle + Trojanische + Pferd 59

Solche Verhältnisse bestehen auch bei den Relationen der Verben: [den] Wald — bringen; aber [den] Wald + hinter + sich + bringen Tote — reden; aber: Tote + reden + nicht Im Bereich der eigentlichen Phraseologie müssen ebenfalls, über die direkten Beziehungen zwischen den Bestandteilen einer losen oder festen Verbindung hinaus, alle Beziehungen zu potentiellen Kontextelementen mit erfaßt werden, auf die sich die selektive semantische Beeinflussung erstreckt [62], So gibt es z. B. die relativ beständige Zwillingsformel Mann und Maus, die nur in „gewollten" Ausnahmefallen erweitert oder verändert wird und die wegen der Bedeutungsverschmelzung und -Übertragung als ein Semem (für die Gesamtheit ,Besatzung, Passagiere, Ladung') aufzufassen ist. Sie ist allein mit einer begrenzten, festliegenden Auswahl von Verben (sinken, versinken, untergehen, absacken, absaufen, ...), als adverbiale Präpositionalgruppe, zu verwenden, wobei fast ausschließlich die Präposition mit auftritt. Die Sememe, die zu den Verben als Subjekt fungieren, gehören dagegen der umfangreicheren Klasse der Bezeichnungen für Wasserfahrzeuge an. Ein indirekter Einfluß des Kerns Mann und Maus auf die letztgenannten besteht insofern, als die Subjektsememe auf gewisse, größere Schiffe (oder Schiffsverbände) eingeschränkt werden; man würde die Redewendung kaum von einem Paddelboot, Kahn oder Floß gebrauchen.

Relationsbereich

eines

Semems

(a) Umfang, Grenzen und Homogenität: Abgesehen von den genannten Schwierigkeiten, die auf Grund sprachimmanenter Unbestimmtheiten bei der Festlegung konkreter Vereinbarkeitsrelationen im Einzelfall auftreten, kann für die Mehrzahl der Thesauruseinheiten die Gesamtheit der Partner eines Semems nicht als bloße Summierung von Einzelrelationen aufgefaßt oder erfaßt werden. Sememe, deren Beziehungsbereich so festliegend und im Umfang so beschränkt ist, daß die Partner gewissermaßen aus dem Stegreif und allgemein akzeptabel angegeben werden können, stellen die absolute Minderheit dar, z. B.: quitt; Coup; Zuckerlecken;

Federlesen[sJ;

tschilpen

Bereits Lexeme wie miauen oder bellen, die als „beziehungsarm" gelten, haben nicht ohne weiteres vollständig aufzählbare Listen von Relationen, aber die Gruppen von Partnern sind übersehbar und ihre jeweiligen Merkmale relativ klar und benennbar, nämlich als Subjekt für miauen etwa: Katze, Kater, Kätzchen, Mieze[katze] und einige Bezeichnungen

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für spezielle Katzenarten, ferner alle üblichen Katzennamen und lautnachahmende Menschen und Instrumente. Für bellen gilt Analoges, jedoch erfordert die Vielfalt der Rassen und anderer, fachsprachlicher Bezeichnungen bereits eine beträchtliche Erweiterung; die Anwendung des Wortes für die Lautgabe von Füchsen, Hyänen und ähnlichen Tieren und die übertragene Verwendung für Geräusche des Hustens und bestimmter Schußwaffen kommen hinzu. Das Semem L 9 der Wortform lichten (,emporziehen, hochwinden') hat als Semempartner, die syntaktisch dem obligatorischen direkten Objekt entsprechen, eine relativ exakt festlegbare und nicht sehr umfangreiche Gruppe ,Ankergeräte': + Anker,, Schiffsanker, Pilzanker, Schildanker, + Verankerung,, . . .

Backbordanker,...

Hingegen ist die Auswahl der Relationen zu Sememen, die als Subjekt fungieren, schon recht umfassend. Die Partner gehören sehr unterschiedlichen Bedeutungsbereichen an, für deren Gesamtheit es keine gemeinsamen einfachen Merkmale und Bezeichnungen gibt: + Schiff, Boot, Dampfer, Fischerboot, Segelboot, Zerstörer, Fährschiff Schlepper, Tanker, . . . (Wasserfahrzeuge) + Schwimmdock, Wasserflugzeug, . . . + Flotte, Konvoy, Verband, Flottille, Armada, . . . (Gruppe von Wasserfahrzeugen) + Kapitän, Admiral, Kommandant, Steuermann, Matrose, Besatzung, Segler, Seemann, . . . (Besatzungmitglieder] von Wasserfahrzeugen) ± Expedition, Weltumsegler, . . . -I- Nelson, Kolumbus, Magellan, Nansen, . . . (Personenname) + Queen Elizabeth, Normandie, Völkerfreundschaft, Nixe, Erna,. .. (Schiffsname) Weitere Beispiele für die Generalisierung oder die Spezialisierung solcher Semempartnergruppen, für den verschiedenen Grad der Homogenität ihrer Elemente, für die Schwierigkeit, einheitliche Merkmale und umfassende Bezeichnungen zu finden, sowie für die unterschiedliche Eignung, die distinktive Funktion auszuüben, sind die entsprechenden (provisorischen) Angaben bei den oben angeführten Partnergruppierungen der Sememe L t bis L 10 des Paralexems geht ein. Als Muster für extreme Fälle des weiten Umfangs von Vereinbarkeitsrelationen sei an ein Lexem wie groß erinnert, von dessen wenigstens zehn bis zwölf Sememen sieben Sememe sehr allgemeine abstrakte und umfassende Bedeutungen aus dem Bereich des Maßes und der Wertung haben; ihre potentiellen Partner sind daher alle Sememe (aus Wortformenklassen mit substantivischer Funktion), die semantisch sinnvoll eine derartige Attribuierung zulassen. 61

Die gleiche Problematik der Erfassung, Begrenzung und der verallgemeinernden Bezeichnung der Partnerbereiche kann auch bei Sememen auftreten, deren Vereinbarkeitskriterien im wesentlichen der außersprachlichen Realität entstammen; so beispielsweise die potentiellen Relationen des Semems Bach (in der Wortform [des] Baches) als Genitivattribut zu: + Quelle, Mündung, Biegung, Verlauf, Ablenkung, breiterung, . . . + Bett, Ufer, Grund, Wasser, Wasserstand, . . . + Wehr, Brücke, Wasserfall, Geröll, Eisdecke, . . . + Flora, Fauna, Fische, Fischreichtum, . . . + Strömung, Murmeln, Rauschen, . . . + Überschreiten, Durchwaten, Überqueren, . . . + Name, Bedeutung, Funktion, Nutzung, . . .

Gefälle, Ver-

(b) Unterschiedliche Relevanz der Relationen: Aus diesem Überblick über einige grundlegende Verhältnisse und Bedingungen, die für das System der Thesaurusbeziehungen gelten, geht folgendes hervor: Offenbar sind nicht nur die verschiedenen Arten von Informationen, die zu einer Entscheidung über die Vereinbarkeit herangezogen werden,dem Prinzip der Abstufung(Zentrum/Peripherie/Grenze) unterworfen, sondern auch innerhalb der Menge der als vereinbar beurteilten Partner eines Semems gibt es eine Staffelung nach der Relevanz unter verschiedenen Gesichtspunkten: Die Darstellung eines Wortschatzes, genauer: eines Sememinventars, muß sich fast stets auf eine Auswahl beschränken, die man, entsprechend ihrem Umfang,nacheinerGrobeinteilungetwa als minimale, allgemeine,spezielle und erschöpfende In ventare benennen könnte und deren grundlegende Auswahlkriterien die Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit des Vorkommens eines Semems und seine Wichtigkeit für einen bestimmten kommunikativen Zweck sind. Diese Maßstäbe gelten nun ebenfalls für die Relationen zwischen Sememen innerhalb eines Thesaurus; die Zwecke sind die ausreichend scharfe Distinktion von Sememen durch die unterschiedlichen Kombinationen der jeweiligen Vereinbarkeitsbeziehungen und die darauf basierende Möglichkeit der Disambiguierung. Eine komplette Erfassung der Relationen ist für ein Modell der Thesaurusordnung - wie für jede andere fixierte Ordnung eines Wortschatzes - weder möglich noch notwendig. Jedes Semem hat einen festen, charakteristischen Bereich von Semempartnern, der sich durch die größte Häufigkeit und Bedeutsamkeit des gemeinsamen Vorkommens mit diesem Semem auszeichnet und der dem der größten Verfügbarkeit bei einem Sprecher/Schreiber gleichkommt. Von einem solchen weitmaschigen, minimalen Netz von Beziehungen ausgehen, können je nach Bedarf die Lücken gefüllt und die Grenzen nach außen hin so genau wie möglich festgelegt werden (siehe die weiter unten zu behandelnden Äquivalenzrelationen). 62

Die Relationen der Vereinbarkeit sind an sich symmetrisch, d. h. die Entscheidung über ,vereinbar/bedingt vereinbar/nicht vereinbar' gilt für beide Partner stets gemeinsam, gleichgültig für welchen von beiden die Frage gestellt ist. Das besagt aber nicht, daß dieselbe Relation für beide Sememe unter dem Aspekt der ausreichenden Markierung in gleicher Weise relevant sein müßte. So ist beispielsweise in der Kombination obere + Atmosphäre für das Lexem Atmosphäre die zulässige Relation zu oberei (,räumlich am höchsten') ein wesentliches Kriterium dafür, d a ß es sich um das Semem Atmosphäre, (,Lufthülle') handelt, während umgekehrt für das Semem obere{ der Partner Atmosphäre, nicht zum Bereich der primären und charakteristischen zu rechnen sein dürfte. Die Thesaurusrelationen sind also nicht als starres System von gleichwertig-wechselseitigen Verbindungen anzusehen, sondern weit eher als radiale und gerichtete, die jeweils auf ein Semem als Ausgangspunkt bezogen sind und die nur die Beziehungen herstellen, die für das bebetreffende Semem relevant sind. Damit würden die Sememe der eindeutigen Lexeme im Grunde nur soweit mit in die Thesaurusordnung eingehen, als sie für die Sememe mehrdeutiger Lexeme als Partner zur Disambiguierung erforderlich wären. Die Vereinbarkeit auch aller eindeutiger Lexeme untereinander zu prüfen, ist eigentlich nicht Aufgabe des operativen Modells, wie bereits weiter oben erklärt wurde, denn es wird vorausgesetzt, daß die zu analysierenden Texte sinnvoll sind. Allerdings wird die systematische Einbeziehung der nicht-mehrdeutigen Lexeme und ihrer Relationen untereinander notwendig, sobald der Thesaurus auch Entscheidungen über Kontextbeziehungen der Typen (14) und (22) fF. vollziehen soll, d. h. wenn durch Feststellung der semantischen Vereinbarkeit zwischen Eindeutigen restliche Fälle der syntaktischen Mehrdeutigkeit und der regulären Ellipse gelöst oder die Äquivalenz von substituierten synonymen Sememen nachgewiesen werden muß. Die Unterschiede in der Relevanz der Partnerbereiche von Sememen betreffen häufig auch ganze Gruppen (Wortformenklassen) als Gesamtheit, wenn ein Semem fakultativ oder obligatorisch Relationen zu mehreren von ihnen mit unterschiedlichen Funktionen haben kann. F ü r die Kennzeichnung der Sememe und damit der Disambiguierung des Lexems lichten in der syntaktischen Struktur ,transitives Verb mit direktem Objekt' ( = L g und L 9 ) sind die Vereinbarkeitsrelationen zu den Partnern, die als Objekt fungieren können, von größerer Relevanz als die in potentieller Subjektsfunktion; denn die Bedeutungsbereiche der ersteren sind scharf voneinander geschieden und relativ abgeschlossen (Anker,... // Wald,...), während die Semempartnerbereiche als Subjekte zu lichten8 und lichten9, wie bereits demonstriert wurde, inhomogen und ungenau begrenzbar sind und sich außerdem teilweise überschneiden. Auch wenn die Relationen eines Semems zu verschiedenen Wortformenklassen in einem Kontext nicht gleichzeitig realisiert werden müssen (wie 63

es im Gegensatz dazu bei Verbal- und Präpositionalvalenzen usw. der Fall ist), können sie differenzierte Relevanz haben. M a n vergegenwärtige sich z. B. die unterschiedliche Wichtigkeit der Relationen zu Verben, adjektivischen, präpositionalen und Genitivattributen bei der Bestimmung der einzelnen Sememe eines substantivischen Lexems wie Film (1. ,Filmmaterial' / 2. ,Filmwesen, -kunst' / 3. .Filmgesellschaft' / 4. ,Filmhandlung' / 5. .Filmvorstellung').

Gemeinsamkeit der Partnerbereiche und Bündel von Relationen Was in den vorhergehenden Abschnitten über Relationen und Partner der einzelnen Sememe erörtert worden ist, gilt - einschließlich aller Formen der sprachimmanenten Vagheiten und der Richtungsbezogenheit der Betrachtungsweise (mit dem Einzelpartner als Ausgangspunkt) - im wesentlichen auch für die Gruppierungen von Sememen, die auf der weitgehenden oder völligen Gleichheit ihrer Thesaurusrelationen und Partnerbereiche beruhen. Diese relative Ubereinstimmung mehrerer oder vieler Sememe in bezug auf die Gesamtheit ihrer potentiellen Vereinbarkeitsrelationen geht häufig darauf zurück, daß sie, abgesehen von der G r u n d lage ihrer gleichen syntaktischen Funktionen, eine oder mehrere, ausreichend markante semantische Komponenten gemeinsam haben; diese Komponenten müssen außerdem relevant sein für die Erfüllung der Vereinbarkeitsbedingungen bei allen den ihnen gemeinsamen Partnern aus untereinander gegebenenfalls sehr entfernten Bedeutungsbereichen. Da die Kriterien für das gesuchte Thesaurussystem aus der Kombination der syntaktischen und der semantischen Funktionen jedes Semems bestehen, ergibt sich primär keine Ordnung nach dem Grad der „Bedeutungsverwandtschaft" isolierter Sememe, sondern nach der V e r e i n b a r k e i t s ä h n l i c h k e i t von Sememen in vielfach-paarweiser Relation. Vereinbarkeitsähnliche Sememe sind oft bedeutungsähnlich, müssen es aber nicht sein, und nicht alle bedeutungsnahen Elemente müssen ähnliche Vereinbarkeitsrelationen haben. Vereinbarkeitsähnlichkeit kann also Synonymität oder andere semantische Beziehungen und Äquivalenzen einschließen, aber ebenso die bloße Zusammenordnung von Elementen, die trotz Bedeutungsverschiedenheit große Teile der Partnerbereiche gemeinsam haben. Der Grad der Nähe oder Ferne zweier Sememe im Sinne dieser Art von Ähnlichkeit wird allein an der relativen Zahl ihrer gleichen Relationen und Partner gemessen. Beispiel: F ü r die folgenden (und weitere) Sememe: strahlen leuchten i, glänzen { , . . . funkeln, glitzern, blitzen!, schimmern,

64

. ..

kann man eine gemeinsame semantische Komponente annehmen, etwa .Erzeugung oder/und Reflexion von Licht' und als differenzierende Unterkomponente Verschiedenheit der Intensität oder der Iterativität'. Sie zeichnen sich außerdem durch Vereinbarkeitsähnlichkeit aus, weil sich ihre Partnerbereiche zu einem großen Teil decken, obwohl letztere sehr umfassend und bedeutungsmäßig sehr inhomogen sind, was bereits aus der im folgenden verwendeten geringen, aber repräsentativen Auswahl an potentiellen Subjekten hervorgeht. Sie treffen für alle Elemente der angegebenen Gruppe von Sememen (in der Funktion intransitiver Verben) gleichermaßen zu; die Beziehungen zwischen dieser Gruppe und dem untengenannten Bereich ihrer gemeinsamen Partner kann man als B ü n d e l von Relationen eindeutiger oder bedingter Vereinbarkeit auffassen ; der Grad der Vereinbarkeitsähnlichkeit zwischen den als Ausgangspunkt der Relationen dienenden Sememen untereinander kommt dabei einer Gleichheit nahe. Zu den Partnern gehören z. B. Licht, Lampe, Laterne, Scheinwerfer, Rückstrahler, Sonne, Mond, Stern, Jupiter, . . . Schmuck, Edelstein, Brillant, Topas, . . . Spiegel, Glas, Metall, Fenster, Scheibe, . . . See, Wasserfläche, Meer, Ozean, .. . Auge

Reflektor,...

Schnee! Blitzi Glühwurm Wein3 Perlet Brillei Lichtreklame Kerzei Leuchtturm Himmeli Feuer i 5

Agricola

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ö7% / . . . 2. vollständig = komplett/ komplettiert / vervollständigt / geschlossen / abgeschlossen / fertig / vollzählig / . . . Je ein Semem aller sieben untersuchten Lexeme hat, in bezug auf gewisse Kontexte, mit den übrigen sechs eine gemeinsame Bedeutungsnuance, die sich in der Gleichheit der Synonymenreihungen Nr. 1 ausdrückt; darüber hinaus bestehen solche Gleichheiten zwischen den Reihungen bei komplett rofa/ vollendet

Nr. 2 und vollständig Nr. 2 Nr. 2 und uö///g Nr. 2 Nr. 2 und vollkommen Nr. 2

Die einheitlichen Bedeutungsdurchschnitte, die von den verschiedenen Elementen einer Reihung repräsentiert werden, sind sehr häufig identisch mit dem Gesamtumfang der distinkten Bedeutung je eines Semems mehrdeutiger Lexeme oder des Semems eindeutiger Lexeme; d. h. im Zusammenhang der Synonymenreihungen soll von mehrdeutigen Wortformen maximal je ein Semem aktualisiert sein, auch ohne daß es durch Indizes am Lexemsymbol besonders gekennzeichnet würde. Wenn in mehr als einer Reihung eines mehrdeutigen Lexems dieselbe Wortform (außer dem Ausgangselement selbst) auftritt, muß es sich also um verschiedene Sememe dieser Wortform handeln. Dazu gibt es in den angeführten Reihungen folgende Beispiele: vollkommen tritt auf als Reihungselement bei 76

vollendet Nr. 1 = vollkommen i und bei vollendet Nr. 2 = vollkommen2 komplett tritt auf als Reihungselement bei vollständig Nr. 1 = komplett ¡ und bei vollständig Nr. 2 = komplett2 Nicht damit zu verwechseln ist das Vorkommen desselben Semems in verschiedenen Reihungen für ein und dasselbe Ausgangssemem, die auf wechselnde Kontexte zurückgehen (siehe weiter unten). In vielen Fällen zeigt es sich, daß für mehrdeutige (und sogar für eindeutige!) Lexeme mehr unterschiedliche Synonymenreihungen (Sememe und Bedeutungsnuancen) existieren, als die allgemein übliche Sememdifferenzierung der Wörterbücher vermuten läßt. Bei beträchtlichen Bedeutungsunterschieden zwischen den Reihungen muß die Einteilung der Sememe - als der Elemente des Thesaurus - entsprechend korrigiert werden. Geringfügige Modifikationen, die auf Bedeutungsspezialisierung, Phraseologisierungsvorgängen usw. beruhen, sollte man als verschiedene Verwendungsweisen ein und desselben Semems auffassen. Einen derartigen S e m e m g e b r a u c h stellt beispielsweise absolut in der Reihung Nr. 6 dar, der nur im Hinblick auf einen beschränkten Kontext-PartnerBereich gilt (Kunst, Malerei, Musik, .. .) und im Grunde genommen eine spezieile, lose-phraseologische Variante der umfassenderen Reihung Nr. 5 ist. Als Symbol für die Sememgebräuche wird die Indizierung mit zusätzlichen Kleinbuchstaben vorgeschlagen (L? a , L | b , . ..). Eine Synoriymenreihung der dargelegten Art ist natürlich eine Abstraktion; es ist die Gesamtheit (im Sinne einer Vereinigungsmenge) der potentiellen synonymischen Äquivalente für ein Ausgangssemem - bzw. einen Sememgebrauch - ohne Berücksichtigung von selektiven Bedingungen bestimmter Kontexttypen. Welche Varianten eine Reihung in bezug auf die Zahl der Elemente sowie deren Folge haben kann, wenn konkrete einzelne Kontexte, d. h. die jeweiligen Vereinbarkeitspartner der Elemente, in Betracht gezogen werden, sei an der Reihung beendet = abgeschlossen3 / ausgeführt3 / erledigtt / durchgeführt I vollendet t / fertiggemachtt / fertiggestellt / vollbracht / erfüllt 2 demonstriert. Als Muster für die Struktur der Kontextrahmen werden die beiden Sätze angenommen: Wir haben die Untersuchung abgeschlossen. Die Untersuchung ist abgeschlossen. Für das Semem abgeschlossen3 sind alle Synonyme der Reihung substituiert worden; der Ersatz des direkten Objekts bzw. des Subjekts Untersuchung durch die in der Tabelle (S. 78/79) aufgeführten (und weitere, mit der jeweiligen Reihung vereinbarkeitsähnliche) Sememe entspricht dem Wechsel der Kontexte. 77

Die mit den rechts stehenden Kontexten als vereinbar oder bedingt vereinbar bezeichneten Sememe treten jeweils zu einer Reihung zusammen; die nicht vereinbaren entfallen, denn die mit einem bestimmten Kontextpartner nicht vereinbaren Sememe können mit den vereinbaren in bezug auf denselben Kontext nicht synonym im engeren Sinne sein. Der bedingten Vereinbarkeit entspricht in den Reihungen die bedingte Synonymie; solche Elemente werden bei der Aufstellung einer Reihung an deren Ende aufgeführt. Reihungen mit einer größeren Zahl von Elementen sind vor solchen mit weniger Elementen anzuordnen, bei gleicher Anzahl der Elemente diejenigen Reihungen mit Elementen bedingter Synonymie nach denen, die als regulär synonym angesehen worden sind. Diese Art der Ordnung ist selbstverständlich bloße Konvention, sie erleichtert aber die später zu behandelnden Maßstäbe für den Grad der Äquivalenz und spiegelt die Tatsache der Abgestuftheit auch der Synonymität nach dem schon mehrfach beobachteten Prinzip Zentrum / Peripherie / Grenze wider. Zur Erläuterung seien einige auf Grund der geschilderten Regeln entstehende Reihungen angeführt (S. 79, Mitte). Über ,Reihungsbündel' siehe weiter unten.

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