Schulleitung und Digitalisierung: Bedingungen und Herausforderungen für das Handeln von Schulleitenden 9783839470923

Die zunehmende Digitalisierung verändert Schule - und damit auch den Berufsalltag von Schulleitenden. Doch wie genau seh

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German Pages 234 [230] Year 2023

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Schulleitung und Digitalisierung: Bedingungen und Herausforderungen für das Handeln von Schulleitenden
 9783839470923

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Ulrike Krein Schulleitung und Digitalisierung

Bildungsforschung Band 25

Ulrike Krein (Dr. phil.) promovierte im Rahmen eines Stipendiums an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau zum Handeln von Schulleitenden unter den Bedingungen des Digitalen. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen insbesondere auf der Professionalisierung von Schulleitenden und Lehrpersonen, der Digitalisierung und Datafizierung (in) der Schule, der Gesundheitsförderung im schulischen Kontext sowie der Zusammenarbeit von an Schule beteiligten Akteur*innen.

Ulrike Krein

Schulleitung und Digitalisierung Bedingungen und Herausforderungen für das Handeln von Schulleitenden

Diese Arbeit wurde 2023 vom Fachbereich Sozialwissenschaften der RheinlandPfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau zur Verleihung des akademischen Grades Doktor der Philosophie (Dr. phil.) als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: //dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2024 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar https://doi.org/10.14361/9783839470923 Print-ISBN: 978-3-8376-7092-9 PDF-ISBN: 978-3-8394-7092-3 Buchreihen-ISSN: 2699-7681 Buchreihen-eISSN: 2747-3864 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff.

»Aber der Lehrer muß den Mut haben, sich zu blamieren. Er muß sich nicht als der Unfehlbare zeigen, der alles weiß und nie irrt, sondern als der Unermüdliche, der immer sucht und vielleicht manchmal findet. Warum Halbgott sein wollen? Warum nicht lieber Vollmensch?« Arnold Schönberg (Harmonielehre, Wien 1922, S. 1)

Inhalt

Abbildungsverzeichnis ................................................................... 11 Tabellenverzeichnis......................................................................13 Schule leiten in einer digital durchdrungenen Gesellschaft | Hinführung ............... 15

THEORETISCHE UND METHODOLOGISCHE GRUNDLEGUNG 1. Digitalisierung: Konturierung des Forschungsrahmens ............................ 21 1.1 Von Digitalisierung, Digitalität und dem Digitalen ...................................... 21 1.2 Digitalisierung (in) der Schule ....................................................... 26 2. 2.1 2.2 2.3

Schulleitung: Explikation des Forschungsinteresses .............................. 29 Vom Primus inter pares zur Schulleitung als Profession ................................ 31 Aufgabenbereiche und Anforderungen an Schulleitende .............................. 34 Schulleitungsaufgaben und Schulleitendenhandeln unter der Perspektive von Digitalisierung ............................................ 36

3. 3.1 3.2 3.3 3.4

Schulleitung | Digitalisierung: Darstellung bisheriger Forschungszugänge ........ 39 Inhaltliche Schwerpunktsetzungen ................................................... 40 Theoretische Perspektiven........................................................... 44 Method(olog)ische Zugänge .......................................................... 47 Kritische Würdigung ǀ Forschungsdesiderate ........................................ 48

4. Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen......................................... 51 5. Theoretische und methodologische Verortung ..................................... 55 5.1 Sensibilisierende Konzepte .......................................................... 55 5.1.1 Interaktionistische Professionstheorie ......................................... 56 5.1.2 Phänomenologie ............................................................... 61

5.2 Method(olog)ische Verortung ......................................................... 66 5.3 Forschungsdesign ................................................................... 67

EMPIRIE 6. Triangulation ǀ Teil I ............................................................... 75 6.1 Expert:inneninterviews: Einführung und Ausgestaltung ............................... 76 6.1.1 Forschungspraktische Umsetzung ............................................. 78 6.2 Inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse .................................. 82 6.2.1 Ablauf der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse .............. 83 6.3 Schulleitung ǀ Digitalisierung: Ergebnisse der ersten Teilstudie ....................... 90 6.4 Zwischenfazit und Implikationen .................................................... 99 7. Triangulation ǀ Teil II .............................................................. 103 7.1 Shadowing als ethnographischer Forschungszugang ................................. 103 7.1.1 Begriffsannäherung »Shadowing« .............................................106 7.1.2 Forschungspraktische Umsetzung ............................................. 114 7.2 Aufbereitung & Auswertung des erhobenen Materials ................................. 121 8. Ergebnisse .........................................................................125 8.1 Schulleitendenportraits .............................................................125 8.1.1 »Manager by walking around« .................................................126 8.1.2 »Digital Junkie« ............................................................. 135 8.2 Facetten von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen ............144 8.2.1 Schulleitendenhandeln unter (ver-)bindenden Bedingungen .....................144 8.2.2 Schulleitendenhandeln unter beschleunigten Bedingungen ..................... 151 8.2.3 Schulleitendenhandeln unter panoptischen Bedingungen .......................159 8.2.4 Schulleitendenhandeln unter »überwalteten« Bedingungen .....................166 9. 9.1 9.2 9.3 9.4

Diskussion ǀ Anschlüsse ...........................................................175 Ergebnisdiskussion ǀ Anschlüsse an und Implikationen für bisherige Forschung .......175 Reflexion und Diskussion des methodischen Vorgehens ...............................187 Anschlüsse an Forschung und Praxis .................................................198 Coda ............................................................................... 203

Literatur ............................................................................... 205 Anhang ................................................................................ 233

Danksagung

In den letzten Jahren ist so vieles gemeinsam erarbeitet, diskutiert und geschrieben worden, was ohne die Unterstützung anderer nie denkbar gewesen wäre. Was bleibt, ist das große Glück, dass ich diesen Weg mit ganz wunderbaren Menschen beschreiten durfte, denen an dieser Stelle gedankt sei. Mein größter Dank gilt Prof.’in Dr. Mandy Schiefner-Rohs, die sich nicht nur der Betreuung dieser Arbeit annahm, sondern mir eine neue Perspektive auf Wissenschaft eröffnete, die mich ungemein inspirierte und motivierte. Durch ihr andauerndes und unvergleichbares Zu- und Vertrauen der vergangenen Jahre gab sie mir dabei persönlich mehr, als ich zu Beginn dieser Arbeit zu hoffen gewagt hatte. Ebenfalls möchte ich Prof. Dr. Andreas Breiter für die Zweitbetreuung und den bereichernden Austausch danken. Seine Unterstützung und hilfreichen Impulse im Endspurt haben diese Arbeit und meine Nerven an entscheidenden Stellen gestärkt. Meinen Kolleg:innen des Fachgebiets Pädagogik sowie den externen Doktorand:innen gilt weiterhin mein Dank für motivierende (virtuelle) Kaffeepausen und spannende, konstruktiv-kritische Summer Schools. Besonders hervorheben möchte ich Carina Heymann für ihr stets offenes Ohr, ihre Freundschaft und Unterstützung an so vielen Stellen. Für seine Unterstützung und die Begleitung meines Weges schon vor dieser Arbeit, sein stetiges, aufmunterndes Lächeln und die vielen inhaltlichen Diskussionen möchte ich Dr. Hans-Peter Gerstner danken. Ohne sein Vertrauen in mich, die Bestärkung meiner kritischen, ketzerischen Haltung und die vielen (bösen) Momente voller Lachen, wäre ich dieses Wagnis nicht angetreten. Paul Weinrebe danke ich für seine selbstverständliche Hilfsbereitschaft, seine bestärkenden und wertschätzenden Worte, für jeden Gedankenpalast, den er bereit war, mit mir zu bauen, sowie seine spannenden Anmerkungen, auch zu diesem Manuskript.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

Anna Hartenstein – Danke, für alles. Meinen Eltern und meiner Schwester gilt mein tiefster Dank für das Schreibexil und ihre grenzenlose Unterstützung bei jeder noch so waghalsigen Entscheidung, die sie mit mir auch jenseits dieser Arbeit getragen haben. Für die Aufrechterhaltung meiner Kaffeebilanz, für all die wunderschönen Momente voller Lachen, Leichtigkeit, den richtigen Nachfragen und seine Liebe, auch in den hungrigen und frustrierten Momenten, danke ich Dominik. Abschließend möchte ich all jenen Schulleitenden danken, die mich in einer für Schulen unvergleichbar schwierigen Situation bei der Entstehung dieser Arbeit unterstützt haben. Vor allem bin ich den beiden Schulleitenden mit großem Dank verbunden, die es mir ermöglicht haben, einen so umfassenden und wertvollen Einblick in ihren Alltag zu gewinnen, ohne den diese Arbeit nicht denkbar gewesen wäre. Die Herzlichkeit und Offenheit, die mir zu Zeiten von Covid-19 entgegengebracht wurde, hat mich tief beeindruckt und für die Fertigstellung dieser Arbeit motiviert.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10:

Forschungsdesign des Promotionsvorhabens............................. 68 Forschungspraktische Umsetzung der Expert:inneninterviews ............ 78 Ausgestaltung von Shadowing als Multimethodenkomplex in der bisherigen Forschungspraxis (Eigene Darstellung anhand beispielhafter Studien).....108 Forschungspraktische Umsetzung des Shadowings .......................120 Schematische Darstellung des Büros des »Managers by walking around« ..........................................129 Auszug Tageschronologie »Manager by walking around« (Tag 5) .......... 131 Schematische Darstellung des Büros des »Digital Junkies«...............137 Tageschronologie »Digital Junkie« (Tag 6) ...............................140 Auszug Tageschronologie 02S2vSL (Tag 13)...............................153 Ausschnitt einer Anleitung zur Installation und Nutzung von WebUntis .... 171

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:

Auszug des Kategoriensystems mit Haupt- und Subkategorien der ersten Ebene ............................................................. 86 Tabelle 2: Gewonnenes Datenmaterial nach Erhebungsmethode.......................... 121 Tabelle 3: Zusammensetzung der erweiterten Schulleitung (I) zum Zeitpunkt des Shadowings ...............................................133 Tabelle 4: Zusammensetzung der erweiterten Schulleitung (II) zum Zeitpunkt des Shadowings ...............................................142

Schule leiten in einer digital durchdrungenen Gesellschaft | Hinführung

Schulleitende haben als zentrale Akteur:innen von Schule eine Vielzahl von Verantwortungs- und Aufgabenbereichen inne, die von Managementaufgaben über Aufgaben der Organisations- und Personalentwicklung bis hin zum Qualitätsmanagement und einer eigenen Lehrtätigkeit reichen (z.B. Schiefner-Rohs, 2019). Weiterhin wird Schulleitenden auch im Kontext von Schulentwicklung eine besondere Rolle zugesprochen (z.B. Cramer et al., 2021; Eickelmann, 2010), im Zuge dessen sie sowohl forschungsseitig als auch in öffentlichen Auseinandersetzungen als ›Promotor:innen‹ (Eickelmann, 2010; Prasse, 2012) adressiert werden. Doch trotz der bedeutenden Rolle, die ihnen zugesprochen wird, ist die forschungsseitige Auseinandersetzung mit Schulleitenden in Deutschland im internationalen Vergleich eine junge. Dies rührt nicht zuletzt auch daher, dass Schulleitung in Deutschland erst seit Ende der 1990er Jahre als »eine Tätigkeit eigener Charakteristik und Dignität« (Rosenbusch & Warwas, 2010, S. 19) angesehen wird. Dabei handelt es sich bei dem Anforderungsfeld von Schulleitenden um ein umfangreiches und vielfältiges, dessen Komplexität durch tiefgreifende gesellschaftliche Transformationsprozesse weiter ansteigt. Einen solchen Transformationsprozess stellt die Digitalisierung dar, die im Sinne »eine[s] technischen-sozialen Wandel[s]« (Brumme, 2020, S. 72; Anpassung durch die Autorin) verstanden werden kann. Die mit Digitalisierung einhergehenden Transformationsprozesse evozieren tiefgreifende Veränderungen gesellschaftlicher Systeme sowie individueller Handlungsmöglichkeiten, was auch Auswirkungen auf Schule, deren Entwicklung und den an ihr beteiligten Akteur:innen hat (z.B. Breiter et al., 2010; Eickelmann, 2020). Dabei tangieren digitale Transformationsprozesse Schulleitende nicht nur als Schlüsselfiguren schulischer Entwicklungsprozesse, sondern verändern und bedingen auch ihr eigenes Handeln und ihren Berufsalltag (Schiefner-Rohs, 2019; Tulowitzki & Gerick, 2022). Denn Digitalisierung eröffnet einerseits Perspektiven im Kontext von Schulentwicklung und stellt Schulleitende vor (neue) Aufgaben. Andererseits schaffen digitalisierungsbezogene Transformationsprozesse (neue) Handlungsbedingungen, -prozesse und -optionen für Schulleitende, welche nicht nur eine Erleichterung versprechen, sondern auch verschiedene Herausforderungen bergen. Doch trotz der herausgestellten Relevanz

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

von Schulleitenden für Schule und deren (digitalisierungsbezogene) Entwicklung ist ihr eigenes Handeln bislang theoretisch wie empirisch nur wenig erforscht (z.B. Håkansson Lindqvist & Pettersson, 2019). So beleuchten vorliegende Forschungsergebnisse bislang überwiegend einzelne Fragmente des Handelns bzw. des Berufsalltags von Schulleitenden (Bonsen, 2016) (nicht nur) unter den Bedingungen des Digitalen, ohne dabei Handeln in situ und in actu umfassend zu untersuchen. Weiterhin verbleibt unter der Perspektive von Digitalisierung unklar, wie sich das Digitale im Schulleitungsalltag zeigt und welche Bedingungen damit für das konkrete Schulleitendenhandeln einhergehen. Ausgehend der Annahme, dass das ›Digitale‹, verstanden als situative und dynamische Verschränkung von Technik und Sozialem (Brumme, 2020), Potentiale und (neue) Bedingungen für Handeln schafft, erscheint eine Untersuchung und inhaltliche Anreicherung von Schulleitendenhandeln, gerade vor dem Hintergrund ihrer hohen Relevanz für Schule und schulische Entwicklung, jedoch sehr bedeutsam. An diesen Desiderata setzt die vorliegende Dissertation an und fokussiert Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen. Hierbei wird der Frage nachgegangen, welche (neuen) Handlungsbedingungen resp. -optionen für Schulleitende im Kontext des Digitalen bestehen und wie sich Schulleitendenhandeln hierin konkret ausgestaltet. Dabei erfolgt eine Betrachtung unter zuvorderst deutscher Perspektive, da international komplexe und länderspezifische Rahmenbedingungen für die Konstitution und Arbeit von Schulleitenden gegeben sind und ein internationaler Vergleich nur bedingt möglich ist (Bonsen, 2016). Diese Fokussierung auf eine deutsche Perspektive muss folglich als Folie bei der Rezeption der Darlegung mitgeführt werden. Mittels ethnographischem Forschungszugang und einer zuvorderst deskriptivexplorativen Herangehensweise sollen einzelne Facetten von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen exploriert und Potentiale, aber auch Herausforderungen in diesem Kontext sichtbar gemacht werden. Die vorliegende Dissertation schließt damit an professionstheoretische Fragestellungen an und bietet, basierend auf der empirischen Betrachtung von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen, Implikationen für die Forschung zu und Professionalisierung von Schulleitenden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit konstituiert sich demnach in zwei Aspekten: Zunächst wird (1) eine empirische Betrachtung des Digitalen als Phänomen im Berufsalltag von Schulleitenden unternommen, um mögliche digitalisierungsbezogene Bedingungen zu explorieren. In diesem Kontext wird anschließend untersucht, (2) wie sich Schulleitendenhandeln in seinen Facetten unter ebendiesen Bedingungen ausgestaltet. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden abschließend für professionstheoretische Überlegungen geöffnet und empirisch abgesicherte Implikationen für bisherige und zukünftige Forschungsarbeiten im Themengebiet sowie die Professionalisierung von Schulleitenden unter der Per-

Schule leiten in einer digital durchdrungenen Gesellschaft | Hinführung

spektive des Digitalen formuliert. Um dem nachzukommen, gliedert sich die Arbeit in zwei Teile: eine theoretische wie methodologische Grundlegung sowie einen anschließenden empirischen Teil: Im Rahmen der theoretischen und methodologischen Grundlegung wird in Kapitel 1 zunächst der Forschungsrahmen konturiert, indem in einem ersten Schritt eine Annäherung an ›Digitalisierung‹ als gesellschaftlichen Transformationsprozess sowie das ›Digitale‹ als analytisches Konstrukt erfolgt (Kapitel 1.1). In einem zweiten Schritt wird die Bedeutung von Digitalisierung für Schule und deren Entwicklung dargelegt (Kapitel 1.2), um das Handeln von Schulleitenden kontextuell zu rahmen und deren Relevanz für eine Digitalisierung (in) der Schule zu verdeutlichen. Kapitel 2 entfaltet das zentrale Forschungsinteresse der Arbeit und widmet sich dem Themengebiet Schulleitung in Deutschland. Hierfür wird zunächst auf die Genese der Schulleitung in Deutschland eingegangen (Kapitel 2.1), um historisch bedingte Spezifika kontextuell einzubetten. Anschließend werden die Aufgabenbereiche von Schulleitenden erläutert (Kapitel 2.2), bevor eine nähere Betrachtung dieser unter Perspektive von Digitalisierung erfolgt (Kapitel 2.3). Hieran schließt ein Überblick bisheriger Forschungsarbeiten im Bereich Schulleitung und Digitalisierung an (Kapitel 3). Dazu werden zunächst, basierend auf einem systematischen Review, bisherige inhaltliche Schwerpunkte in der forschungsseitigen Auseinandersetzung skizziert (Kapitel 3.1), bevor auf theoretische sowie method(olog)ische Zugänge (Kapitel 3.2 und Kapitel 3.3) eingegangen wird, welche in der bisherigen Schulleitungsforschung mit Bezug zur Digitalisierung herangezogen wurden. Das Kapitel schließt mit einer kritischen Würdigung bisheriger Arbeiten im Themengebiet (Kapitel 3.4). Die hierbei ersichtlichen Forschungsdesiderata bilden den Übergang zum Erkenntnisinteresse und der Präzisierung der Forschungsfragen der vorliegenden Dissertation, welche in Kapitel 4 ausgeführt werden. Die der Arbeit zugrundeliegenden theoretischen sowie methodologischen Annahmen bilden den Gegenstand von Kapitel 5. Zu Beginn werden die Grundzüge der interaktionistischen Professionstheorie beschrieben, welche im Rahmen der Arbeit für die Schulleitungsforschung nutzbar gemacht wird (Kapitel 5.1.1). Anschließend erfolgt eine Erläuterung zentraler Aspekte der erziehungswissenschaftlichen Phänomenologie, welcher das methodische Vorgehen der Arbeit entlehnt ist (Kapitel 5.1.2). Hieran schließt die methodologische Verortung der Gesamtarbeit an (Kapitel 5.2), bevor abschließend das Forschungsdesign basierend auf den vorangegangenen Ausführungen vorgestellt wird (Kapitel 5.3). Im Anschluss an die theoretische und methodologische Grundlegung folgt der empirische Teil der Arbeit. Im Fokus von Kapitel 6 steht hierbei zunächst die zu Beginn der Arbeit durchgeführte erste, qualitative Teilstudie. Beginnend mit einer Einführung zu Expert:inneninterviews als methodischer Zugang sowie deren for-

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

schungspraktischen Umsetzung (Kapitel 6.1), werden folgend die inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode (Kapitel 6.2) und die hierbei erzielten Ergebnisse vorgestellt (Kapitel 6.3). Das Kapitel schließt mit einem Zwischenfazit und Implikationen für das weitere Vorgehen im Rahmen der Gesamtuntersuchung (Kapitel 6.4). Kapitel 7 wendet sich daran anschließend der zweiten Teilstudie und dem hierfür gewählten ethnographischen Forschungszugang zu. Hierbei rückt zunächst das »Shadowing« als Forschungsmethode in das Zentrum der Ausführung, bevor Erläuterungen zur forschungspraktischen Umsetzung der Methode im Rahmen der vorliegenden Arbeit und die hierdurch gewonnenen Daten anschließen (Kapitel 7.1). Weiterhin wird die Umsetzung der Phänomenologischen Analyse als zentrale Auswertungsmethode dargelegt, die eine Annäherung sowohl an das Digitale und damit einhergehende Bedingungen als auch an das konkrete Handeln von Schulleitenden ermöglicht (Kapitel 7.2). Die Ergebnisse der zweiten Teilstudie werden schließlich in Kapitel 8 vorgestellt. Hierfür werden zunächst Portraits der Schulleitenden geboten, die im Rahmen dieser Teilstudie begleitet wurden (Kapitel 8.1). Anschließend erfolgt die Beschreibung von Schulleitendenhandeln entlang der vier Phänomenfacetten (1) Schulleitendenhandeln unter (ver-)bindenden Bedingungen, (2) Schulleitendenhandeln unter beschleunigten Bedingungen, (3) Schulleitendenhandeln unter panoptischen Bedingungen sowie (4) Schulleitendenhandeln unter überwalteten Bedingungen (Kapitel 8.2). Im letzten Kapitel (Kapitel 9) werden die gewonnenen Erkenntnisse gemeinsam mit dem method(olog)ischen Vorgehen der Arbeit diskutiert (Kapitel 9.1 sowie Kapitel 9.2), bevor Anschlüsse an und Implikationen für Forschung und Praxis formuliert werden (Kapitel 9.3). Die Arbeit schließt mit einem Resümee (Kapitel 9.4).

1. Digitalisierung: Konturierung des Forschungsrahmens

In der Auseinandersetzung mit Schule und Digitalisierung ist augenscheinlich, dass neben medialen Berichterstattungen, Abhandlungen in Zeitungen oder Auseinandersetzungen auf sozialen Netzwerken (Macgilchrist, 2019), Digitalisierung ebenfalls fester Bestandteil bildungspolitischer Programme (siehe bspw. KMK, 2016, 2021) geworden ist. Ebenso lässt sich auch eine starke forschungsseitige Auseinandersetzung mit ›Digitalisierung‹ (im Sinne eines Prozesses) resp. ›Digitalität‹ (im Sinne eines Zustandes) im schulischen Kontext konstatieren (zu Auseinandersetzungen im schulischen Kontext siehe z.B. Hugo et al., 2022; Kasper et al., 2020; Kuttner & Münte-Goussar, 2022). Während als Bezugsrahmen häufig auf die »Kultur der Digitalität« nach Felix Stalder (2016, S. 12) rekurriert wird, ist auffallend, dass sich anhand der Frage, was unter ›Digitalisierung‹ verstanden wird, meist auch innerhalb sozialwissenschaftlicher Referenzdisziplinen – wie der Psychologie, Soziologie oder Pädagogik – unterschiedliche Auffassungen zeigen und keine einheitliche Definition vorhanden ist (Brumme, 2020). ›Digitalisierung‹ oder auch ›Digitalität‹ fungieren in Abhandlungen häufig geradezu als Plastikwörter (zu Plastikwörtern siehe Pörksen, 2004). Um den Forschungsrahmen der vorliegenden Arbeit skizzieren zu können, bedarf es daher zunächst einer begrifflichen Annäherung an ›Digitalisierung‹ sowie damit verbundener Phänomene und Konzepte (Kapitel 1.1), bevor auf Aspekte einer Digitalsierung (in) der Schule sowie der Rolle von Schulleitung in diesem Kontext (Kapitel 1.2) eingegangen werden kann.

1.1 Von Digitalisierung, Digitalität und dem Digitalen Der Begriff der ›Digitalisierung‹ wird in aktuellen Diskursen für eine Vielzahl unterschiedlicher Phänomene bemüht. Diese gehen weit über die ursprüngliche technische Bedeutung des Begriffs – nämlich einer »binär« zu nennende[n] Repräsentation von Daten« (Döbeli Honegger, 2021, S. 41) im Sinne der Darstellung von Daten mit einem Alphabet bestehend aus 0 und 1 (Döbeli Honegger, 2021) – hinaus. Stattdessen fungiert der Begriff der ›Digitalisierung‹ inzwischen als Synonym resp. Sam-

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

melbegriff für vielfältige Phänomene, die sich in Diskursen um bspw. die Nutzung digitaler Medien im Unterricht, soziale Medien, (Learning) Analytics und Big Data widerspiegeln (Hartong et al., 2019; Herzig & Martin, 2018). Deutlich wird hierbei, dass es sich bei Digitalisierung um ein »prozesshaftes Phänomen, […] einen technischen-sozialen Wandel« (Brumme, 2020, S. 72) handelt1 und damit um weitaus mehr als die bloße Überführung analoger in digitale Signale (Dander et al., 2020). In der forschungsseitigen Auseinandersetzung findet sich eine vielseitige und differenzierte Diskurslandschaft zu ebensolchen Prozessen und Phänomenen. Da hierbei auch unterschiedliche Begrifflichkeiten und Konzepte, wie jene der ›Digitalität‹ oder ›Post-Digitalität‹, entwickelt wurden und diese sich auch in vielen Diskursen im Bildungsbereich als Bezugsrahmen durchgesetzt haben, soll nachfolgend kursorisch auf einige dieser Zugänge eingegangen werden, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Im Rahmen soziologischer, vermehrt kulturtheoretischer Zugänge, wird beispielsweise darauf verwiesen, dass es sich bei ›Digitalisierung‹ um kein neues Phänomen handelt (Nassehi, 2019), gleichwohl aktuelle Auseinandersetzungen dies anmuten lassen. Schließlich reichen die Anfänge dieses »weitreichenden gesellschaftlichen Wandels […] teilweise bis ins 19. Jahrhundert« (Stalder, 2016, S. 16f.) zurück. Auch verändert sich unsere Lebenswelt bereits seit Jahrzehnten radikal (Jörissen et al., 2019). Solche Transformationen gestalten sich grundlegend, zugleich aber auch untergründig, und verändern dabei Bedingungsgefüge, innerhalb derer Welt erfahrbar und verstanden wird (Jörrisen, 2020). So ist nach Jörissen und Unterberg (2019) »[u]nsere Kultur und Gesellschaft […] in einem umfassenden Sinne durch Digitalität geprägt« (S. 11), wenn sich digitale Praktiken und Konventionen im Mainstream und dem Alltäglichen etablieren und auch auf ›nicht-digitale‹ Praktiken zurückwirken. Stalder (2016) hat in diesem Kontext das Konzept einer »Kultur der Digitalität« (S. 12) eingeführt und betont hierbei, dass spätmodernde Gesellschaften von digitalen Technologien durchzogen seien, die unsere Wahrnehmung von Welt sowie unser persönliches und kollektives Handeln maßgeblich prägen und dabei selbst kontinuierlich Veränderungen unterlegen sind (Stalder, 2016; siehe auch Allert et al., 2017; Verständig, 2020). Unlängst stößt man 1

In diesem Zusammenhang wird häufig auch auf den Begriff der ›Mediatisierung‹ verwiesen, mit dem meist sozio-kulturelle Transformationen durch die Zunahme und Ubiquität von Medien adressiert werden (Grünberger, 2021). Mediatisierung bezieht sich dabei auf alle Ebenen gesellschaftlicher Entwicklung und kann analytisch gewendet als Metaprozess sozialen Wandelns gefasst werden (Breiter et al., 2010). Da Digitalisierung als Ausprägung einer tiefgreifenden Mediatisierung angesehen werden kann (z.B. Hepp, 2016), die Explikation dieses Konzeptes jedoch den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde und ihrem inhaltlichen Fokus nicht zuträglich wäre, wird auf den Begriff der Mediatisierung nicht weiter eingegangen. Für weitere Ausführung zur Mediatisierung sei dafür beispielhaft auf Krotz (2007, 2015) und Hepp (2018) verwiesen.

1. Digitalisierung: Konturierung des Forschungsrahmens

in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung weiterhin auf den Begriff der ›Post‹Digitälität (u.a. Knox, 2019). Das hier ergänzte Präfix ›post-‹ stellt dabei weder eine Gegenthese zu der ›digitalen Kultur‹ auf, noch soll es ein Ende der Digitalität postulieren (Jörrisen, 2018). Vielmehr beschreibt Post-Digitalität einen Zustand, in dem das Digitale nicht mehr nur einen Sonderfall, sondern eine omnipräsente, ubiquitäre Infrastruktur darstellt (Jörrisen, 2016, 2018; Jörissen & Unterberg, 2019; Nassehi, 2019), deren Strukturen »sich in die materiell-ökonomischen, die kommunikativ-sozialen und die artikulativen und individuellen Sphären, letztlich in die Kultur in ihrer ganzen Breite und Tiefe, längst eingeschrieben haben« (Jörrisen, 2018, S. 69). ›Post-Digitalität‹ betont folglich eine unvermeidliche Präfigurierung unserer Lebenswelt durch das Digitale (Grünberger, 2021). Eine binäre Unterscheidung von ›analog‹2 und digital, on- und offline, wird damit obsolet (Grünberger, 2021; Jörissen & Unterberg, 2019). Eine ›post-digitale‹ Kultur beschreibt folglich »also nichts anderes als Kultur unter Bedingungen vielfältiger und komplexer digitaler Transformationen und Disruptionen« (Jörrisen, 2018, S. 51f.) – oder wie Nina Grünberger (2021) es prägnant ausdrückt: »Das Digitale ist alternativlos geworden und es ist keine Revolution, kein Werden, sondern ein Sein« (S. 217). Das Digitale als Sein, im Sinne einer Zustandsbeschreibung, akzentuiert auch Brumme (2020), der seiner Arbeit in Abgrenzung zu den obigen Ausführungen keine kulturtheoretische Betrachtung zugrunde legt, sondern das ›Digitale‹ als analytisches Konstrukt konzeptualisiert. Das ›Digitale‹ versteht er als »das Produkthafte im Gegensatz zu dem Prozesshaften der Digitalisierung« (Brumme, 2020, S. 72; Herv. i. O.). Digitalisierung wird hierbei als technisch-sozialer Prozess verstanden, welcher durch die »Ausbreitung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien tiefgreifende Veränderungen gesellschaftlicher Systeme und individueller Handlungsmöglichkeiten evoziert« (Brumme, 2020, S. 16). Diese Transformationen umfassen verschiedene Facetten und Eigenarten und können in vier Phasen unterteilt werden: (1) Ausbreitung digitaler Netzstrukturen, (2) Digitalisierung sozialer Handlungen, (3) Ausweitung digitaler Beobachtung sowie (4) Einsetzen digitaler Landnahme (Brumme, 2020). Diese Phasen orientieren sich nicht an der Historizität technologischer Entwicklungen, sondern an aufeinander aufbauenden Abhängigkeiten und sollen dabei die Verschränkung sozialer und technologischer

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Der Begriff ›analog‹ fungiert (zuvorderst in öffentlichen Diskursen) meist synonym für jegliche Phänomene, welche als nicht-digital klassifiziert werden (sollen). Der Begriff des ›Analogen‹ wird hierbei meist als Gegensatz zum ›Digitalen‹ aufgeworfen, wie Brumme (2020) treffend formuliert: »Wenn es etwas digitalisiert wurde, muss es vorher analog gewesen sein. Wenn etwas digital ist, kann es nicht analog sein.« (S. 12). Differenziertere Begriffsverständnisse, wie diese beispielhaft in der Ton- und Elektrotechnik zu finden sind oder sie Brumme (2020) für die Soziologie vorschlägt, werden meist nicht berücksichtigt.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

Bedingungen verdeutlichen (Brumme, 2020). So gilt eine multifaktorielle Vernetzung nicht nur als grundlegendes Element von Digitalisierung, gleichzeitig stellt sie die Grundvoraussetzung für eine Transformation menschlicher Handlungen dar (siehe zur Ausbreitung digitaler Netzstrukturen Brumme, 2020, S. 17–27). Denn digitale Netzstrukturen bieten einerseits Möglichkeitsräume und Potentiale für menschliche Handlungen, welche als wirksame Anreizstruktur aufgefasst werden können, »Anreize für Menschen und Organisationen, ihre Handlungen und Prozesse zu digitalisieren« (Brumme, 2020, S. 28). Andererseits beschränken digitale Netze menschliche Handlungen auch, indem Handlungen im Zuge einer Digitalisierung bei gleichbleibender Motivation und Absicht an die Strukturen des Digitalen angepasst und somit in Form und Ablauf transformiert werden müssen, während sie gleichzeitig auch in diesen Strukturen und unter den entsprechenden Bedingungen stattfinden (siehe zur Digitalisierung sozialer Handlungen Brumme, 2020, S. 27–46). Solche digitalisierten Handlungen stellen wiederum die Voraussetzung digitaler Beobachtung bzw. Vermessung dar, die sich in verschiedenen Ausprägungen, wie einer staatlich-institutionalisierten Beobachtung, einer kommerziellen Aufzeichnung oder einer individuellen Selbstvermessung, niederschlägt (siehe zur Ausweitung digitaler Beobachtung Brumme, 2020, S. 46–57). Daten solch digitaler Beobachtungen bilden letztlich die Grundlage einer digitalen Landnahme, welche wiederum als Katalysator auf die bisherigen Phasen zurückwirkt (siehe zum Einsetzen digitaler Landnahme Brumme, 2020, S. 57–71). Als Produkt bzw. Logikgerüst der hier skizzierten Transformationen und damit der Digitalisierung konzeptualisiert Brumme (2020) das ›Digitale‹. Das Digitale ist hierbei als ein Digitales zu begreifen, nämlich jenes, welches zum entsprechenden Zeitpunkt vorgefunden wird (Brumme, 2020). Das ›Digitale‹ ist folglich als situative und dynamische Verschränkung von Technik und Sozialem zu begreifen, als »Zusammenspiel aus ökonomischen Absichten, Entwicklungsentscheidungen, informatischen Bedingungen, sozialen Praktiken, Routinen und Zufällen, die schlussendlich zu dem »Digitalen« führen, wie wir es kennen« (Brumme, 2020, S. 11). Diese Verschränkung verweist (wie auch die obigen Ausführungen) auf eine obsolete Trennung von digital und analog. ›Digital‹ meint hierbei nämlich nicht, dass Prozesse resp. Phänomene ausschließlich und disjunkt digital sind, sondern dass deren Sein maßgeblich durch digitale Elemente resp. Eigenschaften bestimmt ist (Brumme, 2020). Folglich können ihnen neben digitalen Elementen ebenso auch nicht-digitale bzw. vor-digitale Eigenschaften inhärent sein oder als Ursprünge dienen (Brumme, 2020). Die nicht aufzulösende Verschränkung von Technik und Sozialem, wie sie laut Brumme (2020) als das Digitale vorzufinden ist, macht daher eine definitorische (Ab-)Trennung von digital und nicht-digital hinfällig, gar unmöglich (S. 77). Das Digitale, wie es hier konzeptualisiert ist, umfasst dabei eine Vielzahl von Funktionen, Beschaffenheiten und Ausprägungen: »Es ist Medium, Konservator, Agent und Struktur, es ermöglicht, es speichert, es verbindet, es visualisiert, es erledigt«

1. Digitalisierung: Konturierung des Forschungsrahmens

(Brumme, 2020, S. 78). Dabei handelt es sich aber explizit um keine übermenschliche Technik, die menschliches Verhalten determiniert. Vielmehr handelt es sich dabei um »das Übergreifende, das allen digitalen Elementen als grundlegende Gemeinsamkeit innewohnt und sich in bestimmten Eigenschaften und Phänomenen äußert« (Brumme, 2020, S. 72f.). Das Digitale kann folglich als eine gegenstandsübergreifende Logik und Struktur begriffen werden, die im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten als analytische Hilfestellung resp. Schablone als Hilfestellung herangezogen werden kann (Brumme, 2020). Die Akzentuierung menschlichen Handelns sowie etwaiger digitalisierungsbedingter Transformationsprozesse unter der Betrachtung des Digitalen als situatives, dynamisches Zusammenspiel schließt augenscheinlich an die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit an (siehe Kapitel 4). Daher wird, dem Verständnis nach Brumme (2020) folgend, das Digitale als analytisches Konstrukt für die weiterführende Betrachtung herangezogen und bewusst von der Nutzung des kulturtheoretisch geprägten Begriffs der Digitalität abgesehen. Digitalisierung wird folglich im Rahmen der Arbeit als prozesshaftes Phänomen, das Digitale als situative und dynamische Verschränkung von Technik und Sozialem und damit als gegenstandsübergreifende Logik dieses Prozesses begriffen. Wird im Folgenden von Bedingungen des Digitalen gesprochen, liegt in Anlehnung an Brumme (2020) kein determinierendes Verständnis von Bedingungen zugrunde. Gegenteilig werden das Digitale und damit einhergehende Bedingungen im Rahmen der vorliegenden Arbeit als situative, dynamische und kontextabhängige Bestandteile des Berufsalltags und Handelns von Schulleitenden begriffen, die sich in bestimmten Eigenschaften resp. Phänomenen zeigen, gleichzeitig durch das Handeln von Schulleitenden (mit-)gestaltet werden. Um Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen untersuchen zu können, bedarf es aber auch einer Kontextualisierung ihres Berufsalltags und damit einen Blick auf Schule. Denn Schulleitung und das Handeln von Schulleitenden sind stets in das Mehrebenensystem Schule und damit sowohl in den außerschulischen wie den einzelschulischen Kontext eingebunden und werden von diesem auch maßgeblich geprägt (Brauckmann, 2012; Bonsen, 2016). Da Digitalisierung im Sinne weitreichender sozialer Transformationsprozesse auch Auswirkungen auf und Implikationen für gesellschaftliche Institutionen, wie die Schule, hat (van Ackeren et al., 2019), soll für eine Skizzierung des Kontextes von Schulleitendenhandeln und der Rolle von Schulleitung im folgenden Kapitel das Augenmerk auf der Auseinandersetzung mit einer Digitalisierung (in) der Schule liegen.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

1.2 Digitalisierung (in) der Schule Schule als Institution ist seit jeher an gesellschaftliche Entwicklungen geknüpft (z.B. van Ackeren et al., 2019; Fend, 2009), wodurch ihr im Kontext digitalisierungsbedingter Transformationsprozesse (siehe Kapitel 1.1) die Aufgabe zukommt, »systematisch unterschiedliche Modi des Verstehens und Handelns in einer durch Digitalisierung geprägten Welt zu fördern, um Orientierung zu geben und möglichen Bildungsdisparitäten entgegenzuwirken« (van Ackeren et al., 2019, S. 3). Eine Digitalisierung (in) der Schule darf folglich keinen Selbstzweck darstellen, sondern muss im Hinblick auf den Erziehungs- und Bildungsauftrag von Schule pädagogische Ziele verfolgen, um Lernende »auf das Leben in der derzeitigen und künftigen Gesellschaft vorzubereiten und sie damit zur aktiven und verantwortlichen Teilhabe am kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, beruflichen und wirtschaftlichen Leben zu befähigen« (van Ackeren et al., 2019, S. 4; siehe auch Herzig & Martin, 2018). Wie sich hier andeutet, besteht folglich ein Anspruch an Schule, als aktive pädagogische Handlungseinheit (Eickelmann, 2020; Rolff, 2007) zu agieren, wobei aber auch die Entwicklung von Schule vor dem Hintergrund der Digitalisierung selbst in den Fokus rückt. So hält auch Eickelmann (2020) fest, dass »[e]ine zentrale Stellschraube zur erfolgreichen Umsetzung der Zielsetzungen des Lernens und Lehrens mit und über digitale Medien in der Schule die Verankerung in Schulentwicklungsprozesse [ist]« (S. 39; Anpassung durch die Autorin). Schulentwicklung vollzieht sich dabei im Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren, die nach Rolff (2016) auf den Ebenen der Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung verortet werden können. Im Kontext digitalisierungsbezogener Schulentwicklungsprozesse lassen sich Ansätze finden, die diese Trias um zusätzliche, spezifische Dimensionen erweitern (siehe bspw. Eickelmann & Gerick, 2018; Heinen & Kerres, 2017; Schulz-Zander, 2001). So gewinnen im Kontext von Digitalisierung auch technische und infrastrukturelle Voraussetzungen (im Sinne einer Technologieentwicklung; Eickelmann & Gerick, 2018; Heinen & Kerres, 2017), ebenso wie die Vernetzung und Zusammenarbeit von schulinternen wie -externen Akteur:innen (im Sinne einer Kooperationsentwicklung; Eickelmann & Gerick, 2018) an Relevanz (siehe bspw. zur Relevanz von Lehrpersonenkooperation Drossel et al., 2016). Schulentwicklung lässt sich diesen Ansätzen folgend damit im Kontext von Digitalisierung in fünf miteinander verzahnte Dimensionen differenzieren (siehe hierzu das Modell der »Dimensionen der Schulentwicklung mit digitalen Medien« nach Eickelmann & Gerick, 2018). Als Bestandteil solch umfassender Schulentwicklungsprozesse gilt gemeinhin die Medienintegration (Breiter, 2007; Breiter & Welling, 2010; Eickelmann & SchulzZander, 2006), die sich querschnittlich über alle Dimensionen von Schulentwicklung erstreckt und die Einbettung von (digitalen) Medien in den schulischen Alltag beschreibt (Breiter & Welling, 2010). Der Begriff der Medienintegration reicht dabei

1. Digitalisierung: Konturierung des Forschungsrahmens

im Verständnis über Lehr- und Lernprozesse hinaus und bezieht eine ganzheitliche Betrachtung von schulischen Veränderungsprozessen ein, die Schule als Organisation samt ihrer notwendigen Transformation und Flexibilität (Waffner, 2021) sowie ihren Umweltbedingungen Rechnung trägt (Breiter et al., 2010). Breiter und Kolleg:innen (Breiter, 2007; Breiter et al., 2010) haben hierzu ein Mehrebenenmodell entworfen, welches die Differenzierung des Schulsystems auf Makro-, Meso- und Mikroebene aufgreift (Blömeke et al., 2007; Fend, 2006) und neben Spezifika der Einzelschule auch »die kommunale, regionale und nationale Ebene der schulischen Bildungslandschaft adressiert« (Breiter & Welling, 2010, S. 15). Damit knüpft das Mehrebenen-Modell der Medienintegration an Ansätze eines »neuen Steuerungsmodells« (Altrichter & Maag Merki, 2016, S. 21) an, die sowohl Beteiligte der äußeren Schulentwicklung (siehe hierzu z.B. van Ackeren et al. 2015), wie z.B. bildungspolitische3 Akteur:innen, als auch Einzelschulen und die an ihr Beteiligten adressieren. In diesem Kontext hat eine Vielzahl an Studien herausgestellt, dass Schulleitende zentrale Schlüsselfiguren für das Gelingen schulischer Transformationsprozesse sind (siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2). Sie nehmen auch im Kontext digitalisierungsbezogener Schulentwicklungsmaßnahmen als »Macht-, Prozess- und Fachpromotoren« (Eickelmann, 2010, S. 304; siehe auch Prasse, 2012) eine maßgebliche Rolle ein. Im Kontext der Medienintegration kann beispielsweise auf die hohe Relevanz von Schulleitenden bei der Entwicklung einer gemeinsamen Vision (siehe hierzu auch Eickelmann, 2010, S. 304) oder der Schaffung förderlicher innerschulischer Rahmenbedingungen hingewiesen werden, welche in enger Verbindung mit Managementaufgaben von Schulleitenden stehen (u.a. Breiter, 2007; Breiter et al., 2010; Breiter & Welling, 2010; Huber, 2016; Tulowitzki, 2015). Digitale Transformationsprozesse werden dabei nicht nur von Schulleitenden gestaltet, zugleich fordern sie Schulleitende auch auf mehreren Ebenen heraus und betreffen diese in verschiedener Hinsicht (u.a. Eickelmann, 2010; Schiefner-Rohs, 2019; Schulz-Zander, 2001; Tulowitzki & Gerick, 2022): Einerseits besteht (nicht nur)

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Die digitalisierungsbezogene Entwicklung von Schule ist auch Gegenstand bildungspolitischer Auseinandersetzungen und gewinnt dabei in besonderer Weise an Relevanz (van Ackeren et al., 2019; Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2020, S. 231–302). So besteht ein – man könnte sagen – bildungspolitischer Konsens darüber, dass Digitalisierung als Schwerpunktthema im Bildungsbereich zu forcieren gilt, wie sich anhand verschiedener Entwicklungen in Deutschland festhalten lässt: So wurde z.B. im Koalitionsvertrag 2021–2025 (https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag _2021-2025.pdf) Digitalisierung als ein Förderschwerpunkt eingeschrieben. Ferner wurde mit dem Strategiepapier »Bildung in der digitalen Welt« der Kultusministerkonferenz (KMK, 2016) erstmalig eine bundesweite Basis geschaffen, im Rahmen derer sich die Bundesländer neben einer Umgestaltung der Lehrerpersonenaus- und -weiterbildung auch zur Erstellung pädagogischer Konzepte sowie der Anpassung von Lehrplänen verpflichtet haben (KMK, 2016; siehe auch ergänzend KMK, 2021a).

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

bildungspolitisch der Anspruch an Schulleitende, digitale Transformationsprozesse auf Ebene der gesamten Schule voranzutreiben und zu unterstützen (KMK, 2021a), auch hinsichtlich der verschiedenen Dimensionen einer digitalisierungsbezogenen Schulentwicklung zeigen sich über alle Bereiche hinweg vielfältige Aufgabenbereiche von resp. für Schulleitende (Eickelmann, 2020). Hierzu zählt beispielsweise die Erstellung eines umfassenden Medienkonzepts, welches z.B. von einer Organisationsentwicklungsebene, über die Förderung der Integration digitaler Medien in Lehr- und Lernprozesse im Zuge einer Unterrichtsentwicklung, bis hin zur Kompetenzförderung von Lehrpersonen auf Ebene der Personalentwicklung reicht. Ebenso stellen die IT-Ausstattung der Einzelschule in Abstimmung mit dem Schulträger sowie die Initiierung und Förderung schulinterner sowie schulexterner Kooperationen Schulleitende vor eine Vielzahl von Aufgaben. Wie hieran ersichtlich wird, kann Digitalisierung als Querschnittsbereich begriffen werden, der sich von der Organisationsentwicklung, über die Personal- und Unterrichtsentwicklung bis hin zur Technologie- und Kooperationsentwicklung erstreckt (Krein & SchiefnerRohs, 2022). Neben diesen Aufgabenbereichen gestaltet sich andererseits auch die Schulleitendentätigkeit selbst zunehmend digitalisiert (Huber, 2022; Tulowitzki & Gerick, 2020, 2022). Denn nicht nur die Lebenswelt von Schüler:innen ist umfassend durch das Digitale geprägt und digitale Technologien integraler Bestandteil des Alltags von Jugendlichen (Feierabend et al., 2021; MPFS 2020a, 2020b), gleiches ist auch für Schulleitende anzunehmen. Denn vor dem Hintergrund einer Digitalisierung sozialer Handlungen und damit einhergehender Möglichkeitsräume, Anreizstrukturen und Potentiale für menschliche Handlungen (Brumme, 2020; siehe Kapitel 1.1), ist davon auszugehen, dass sich diese auch für das Handeln von Schulleitenden und deren Alltag eröffnen. Doch obwohl das Handeln von Schulleitenden von entscheidender Bedeutung für schulische Entwicklungsprozesse ist und digitalisierungsbedingte Transformationsprozesse diese auch selbst betreffen (Schulz & Böttinger, 2022; Waffner, 2021), ist aus deutscher Perspektive bislang theoretisch wie empirisch nur wenig über das konkrete Handeln von Schulleitenden bekannt (Huber & Schwander, 2015) – auch unter der Perspektive von Digitalisierung (Krein, 2023; siehe auch Kapitel 3). Bevor ein Überblick über bestehende Erkenntnisse sowie bisherige Forschungszugänge und -arbeiten zum Themengebiet gegeben wird, bedarf es jedoch aufgrund der spezifischen Genese und Rahmenbedingungen von Schulleitung in Deutschland zuerst eine Explikation dieser. Dafür wird im folgenden Kapitel ein Überblick über Schulleitung in Deutschland, deren Aufgaben und Handeln sowie bisherige Erkenntnisse zum Schulleitendenhandeln in einer digital durchdrungenen Gesellschaft gegeben.

2. Schulleitung: Explikation des Forschungsinteresses1

Wie im vorausgegangenen Kapitel bereits herausgestellt wurde, stellen Schulleitende im Kontext von (digitalisierungsbezogener) Schule(ntwicklung) zentrale Akteur:innen dar, deren Rolle »des gatekeeper of change« (Brauckmann, 2012, S. 227; siehe auch Fullan, 1998; Huber, 2013; Tulowitzki & Gerick, 2020) bzw. »Macht-, Prozess- und Fachpromotoren« (Eickelmann, 2010, S. 304; siehe auch Bonsen et al., 2002; Prasse, 2012) und die damit einhergehende Verantwortung für Schulentwicklungsprozesse bereits empirisch belegt wurde (z.B. Bonsen, 2010; Huber, 2013; Schratz et al., 2016). Doch wenngleich hierüber international Einigkeit besteht (z.B. Ärlestig et al., 2016; Day & Leithwood, 2007; Eickelmann, 2010; Hallinger & Heck, 1998; Hallinger & Huber, 2012; Leithwood et al., 2020; Mulford et al., 2004; Pietsch & Tulowitzki, 2017; Prasse, 2012), haben Schulleitende und ihr Handeln sowohl aus Perspektive der Praxis als auch der Forschung in Deutschland im Vergleich mit anderen Forschungsbereichen bislang jedoch theoretisch 1

Im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit wird bewusst von dem Begriff des Forschungs-»gegenstandes« Abstand gewahrt, gleichwohl es sich hierbei um eine etablierte Begrifflichkeit im wissenschaftlichen Sprachduktus handelt. Denn der Annahme folgend, dass »Begriffe Handlungsmandate [sind], die zu ganz unterschiedlichen pädagogischen Handlungsaufforderungen und Aufgaben führen« (Spanhel, 2011, S. 97), wie Dieter Spanhel (2011) mit Bezug zur Medienbildung und -kompetenz festhielt, so verhält es sich ähnlich mit dem Begriff des Forschungsgegenstandes. Im Rahmen der Forschung mit und zu Personen werden diese sprachlich durch die Nutzung des Begriffs des Gegenstandes im wahrsten Sinne ver-gegenständlicht, wodurch eine scheinbare Überlegenheit der Forschenden sowie gleichermaßen eine Passivität auf Seiten des resp. der Beforschten impliziert werden. Da die vorliegende Arbeit jedoch das Handeln von Schulleitenden als Schlüsselfiguren in Schulen fokussiert und dabei ihre Rolle sowie die Komplexität und Vielfältigkeit ihres Handelns gehoben werden, würde eine sprachliche Objektivierung von Schulleitenden die der Arbeit zugrundeliegenden Haltung widersprechen. Um eine hieraus resultierende Dissonanz zwischen inhaltlicher und sprachlicher Ebene der Arbeit zu vermeiden, wird daher auf den Begriff des ›Gegenstandes‹ verzichtet. Stattdessen wird der Begriff des ›Interesses‹ gewählt, der die zentrale Wertigkeit der Schulleitung für die vorliegende Arbeit betont, dabei gleichermaßen selbstreflexiv auf die Forschenden verweist, ohne aber eine scheinbare Überlegenheit zu implizieren.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

wie empirisch nur wenig Beachtung erfahren. Zu vermerken ist auch, dass der Begriff ›Schulleitung‹ in Forschungsarbeiten und damit verknüpften Diskursen mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen wird und somit unterschiedliche Verständnisse dessen vorliegen, was unter ›Schulleitung‹ gefasst wird (Krein, 2023; Earley, 2012; siehe auch Kapitel 3). So ist eine Unterscheidung von Schulleitung, im Sinne einer formalen und sozialen Rolle resp. positionalen Setzung, und Schulleitenden, verstanden als die im Rahmen dieser Position Tätigen, in der bisherigen Schulleitungsforschung (noch) nicht etabliert, vielmehr wird ›Schulleitung‹ meist als Sammelbegriff für beides verwendet2 . Oftmals unbenannt resp. -bekannt ist weiterhin, dass an weiterführenden Schulen nicht von der resp. dem ›einen‹ Schulleitenden gesprochen werden kann, da sich eine Schulleitung qua gesetzlicher Verordnungen (siehe beispielhaft BremSchVwG, 3 §62; DO-Schulen RP, 2.1.2; SchulG NRW, §60) aus mehreren Personen zusammensetzt, zwischen denen eine Aufgabenverteilung besteht. So ist bspw. in der Dienstordnung für Lehrpersonen und Schulleitende öffentlicher Schulen in Rheinland-Pfalz festgeschrieben, dass »[d]ie Schulleiterin oder der Schulleiter, die ständige Vertreterin oder der ständige Vertreter sowie die übrigen Funktionsstelleninhaberinnen und Funktionsstelleninhaber gemeinsam die Schulleitung [bilden]« (DO-Schulen RP, 2.1.2; Anpassungen durch die Autorin). Dennoch wird mit Begriff der ›Schulleitung‹ meist nur die:der formelle Schulleiter:in adressiert. Um weitere Mitglieder einer Schulleitung in die forschungsseitigen Betrachtung miteinzubeziehen, werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit unter ›Schulleitenden‹ alle Mitglieder einer Schulleitung gefasst, folglich auch die ständigen Vertretenden und Funktionsstelleninhaber:innen, da diese gleichermaßen Zuständigkeiten und Verantwortungen hinsichtlich der Aufgabenbereiche von Schulleitungen innehaben und somit auch als Schulleitende handeln. Die vorliegende Arbeit begrenzt sich dabei notwendigerweise auf eine Betrachtung von Schulleitung unter deutscher Perspektive, da international komplexe und länderspezifische Rahmenbedingungen durch u.a. unterschiedliche Schulsysteme sowie Steuerungs- und Governanceformen für die Konstitution und Arbeit von Schulleitenden gegeben sind und ein internationaler Vergleich daher nur bedingt möglich ist (Bonsen, 2016). Daher wird im Folgenden auf die Genese der Schulleitung und die Qualifizierung von Schulleitenden in Deutschland eingegangen (Kapitel 2.1), bevor Handlungsfelder und Tätigkeiten von Schulleitenden skizziert werden (Kapitel 2.2). Hieran schließt eine erste Betrachtung von Schulleitendenhandeln unter der Perspektive von Digitalisierung an (Kapitel 2.3), welche überleitet

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Da die vorliegende Arbeit Schulleitendenhandeln fokussiert und damit eindeutig Personen adressiert, ist eine solche sprachliche Differenzierung jedoch von hoher Relevanz und wird daher fortwährend gebraucht.

2. Schulleitung: Explikation des Forschungsinteresses

zu einem Überblick über bisherige Forschung zu diesem Untersuchungsfeld (Kapitel 3). Im Rahmen dieses Überblicks werden inhaltliche Schwerpunkte in der Auseinandersetzung sowie bislang herangezogene Theorien und Method(ologi)en skizziert sowie kritisch diskutiert. Diese Ausführungen dienen der weiteren Hinleitung zum Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit und den zugrundeliegenden Forschungsfragen im nachfolgenden Kapitel (Kapitel 4).

2.1 Vom Primus inter pares zur Schulleitung als Profession Die Anerkennung als eigenständige Profession und die Betonung von Schulleitenden als zentrale Akteur:innen für die Entwicklung von Schule galt lange Zeit nicht als selbstverständlich. So wurden Schulleitende nach der Wende des Bildungssystems im 19. Jahrhundert (siehe hierzu Fend, 2006) auf Grundlage ihrer wissenschaftlichen und fachlich-pädagogischen Qualifikation als Lehrperson ausgewählt (Rosenbusch & Warwas, 2010). Die Schulleitendentätigkeit als solche galt zu diesem Zeitpunkt als ›qualifizierte Lehrerarbeit‹ (Rosenbusch & Warwas, 2010)3 und wurde ab den 1970er-Jahren häufig auf Verwaltungstätigkeiten und die Umsetzung behördlicher Vorgaben reduziert (Schratz, 1998; Schwanenberg et al., 2018). Erste Wendungen dieser Perspektive auf das Schulleitungsamt und das damit verbundene Aufgabenspektrum wurden erst in den 1990er-Jahren sichtbar, indem sich eine »Vorstellung von schulischem Leitungshandeln als berufliches Tätigkeitsspektrum sui generis, verbunden mit ernstzunehmenden Entwürfen spezieller Ausbildungswege zum Erwerb der hierfür erforderlichen Kompetenzen« (Rosenbusch & Warwas, 2010, S. 18)4 allmählich etablierte. Dies zeigte sich einerseits durch die Ausrichtung des ersten Bamberger Schulleitersymposiums 1988 (Scheunpflug, 2012), in dessen Rahmen nicht zuletzt durch die Analysen Baumerts auf eine bisherige forschungsseitige Vernachlässigung von Schulleitenden in Deutschland hingewiesen und mehr Forschung gefordert wurde (Baumert, 1989; Scheunpflug, 2012). Andererseits formierten sich in den 1990er auf Länder- und Bundesebene auch zunehmend Schulleitungsverbände, welche eine verbindliche Beschreibung für das Berufsbild einer Schulleitung formulierten und eine Anerkennung von 3

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Dieses Verständnis der Schulleitendentätigkeit wurde lange Zeit nicht überwunden. So wird in einem Brief des Bayerischen Ministeriums für Unterricht und Kultus aus dem Jahre 1997 Schulleitung noch immer der Status eines eigenständigen Berufs aberkannt, indem Schulleitungsaufgaben als qualifizierte Lehrpersonenarbeit klassifiziert wurden (siehe Rosenbusch & Warwas, 2010). Zwar sprechen Rosenbusch & Warwas (2010) hier von »Ausbildungs«-wegen für Schulleitende, jedoch muss an dieser Stelle mit Vorgriff auf die folgenden Ausführungen bereits kritisch angemerkt sein, dass solche in Deutschland auch aktuell noch nicht vorliegen. Vielmehr müsste hier auf Entwürfe von »Fortbildungs«-wegen verwiesen sein.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

Schulleitendenhandeln als eigenständige berufliche Tätigkeit, die einer berufsspezifischen Qualifikation bedarf, einforderten (Wissinger, 2014). Weiterhin wurde dieser Perspektivenwechsel auch bildungspolitisch durch den Autonomie-Diskurs der 1990er-Jahre und den damit einhergehenden Dezentralisierungsbewegungen und Verantwortungsübergaben an Einzelschulen verstärkt (Wissinger, 2014). Im Kontext einer solchen ›Neuen Steuerung‹ (zu Educational Governance und der hierbei eingenommenen Perspektive im Rahmen bisheriger Forschungsarbeiten siehe Kapitel 3.2) bedeutete dabei die Veränderung rechtlicher Zuständigkeiten, Verantwortungsbereiche und Pflichten, »in letzter Konsequenz auch eine Reorganisation des bisherigen Schulleitungshandeln« (Brauckmann, 2012, S. 223). Das sich hierbei abzeichnende reformierte Verständnis von der Rolle und damit einhergehenden Aufgaben von Schulleitungen (Bonsen, 2016) überwand die Wahrnehmung von Schulleitenden als Lehrpersonen mit verengten Verwaltungs- und Kontrollfunktionen (Schwanenberg et al., 2018; Wissinger, 2014) als primus inter pares (Schratz, 1998). Stattdessen wendete es den Blick auf Management- und Führungsfunktionen von Schulleitenden vor allem mit Rekurs auf die Gestaltung von Schule (Schratz, 1998; siehe auch Schratz et al., 2016; Schwanenberg et al., 2018; Warwas, 2012). Hierdurch wird aber auch das Spannungsfeld explizit, in welchem Schulleitende als Akteur:innen im Mehrebenensystem (Altrichter & Maag Merki, 2016; Bonsen, 2010) agieren: Einerseits haben sich Befugnisse und Verantwortungsbereiche von Schulleitungen durch die Autonomiezunahme der Einzelschulen erweitert, andererseits werden diese aber strukturell limitiert (Rosenbusch & Warwas, 2010; Wissinger, 2014). So sehen sich Schulleitende trotz ihrer professionellen Autonomie beispielsweise einer geforderten Outputorientierung und zunehmender externer Evaluation gegenüber (Schwanenberg et al., 2018). Dabei ist das Handeln von Schulleitenden zwar stets in jeweils übergeordnete Ebenen und davon ausgehenden Anforderungen eingebettet, »jedoch ist es auch geprägt von der Selbstreferenz und den Interessen und Ressourcen der Handelnden« (Bonsen, 2010, S. 279). Diese Verortung in der linearen Hierarchie der übergeordneten Schulverwaltung auf der einen Seite und der komplexen Hierachie innerhalb der Einzelschule und ihren eigenen Tätigkeiten und Interessen auf der anderen Seite birgt per se Restriktionen (Rosenbusch & Warwas, 2010). So werden Schulleitende in Deutschland durch ihr Lehrdeputat5 und aufkommende Verwaltungstätigkeiten bei der Bewältigung von (neuen) Anforderungen kapazitär eingeschränkt (Rosenbusch & Warwas, 2010; Wissinger, 2014). Diese Restriktionen und der soeben skizzierte strukturelle »Widerspruch zwischen den

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Hierbei handelt es sich im internationalen Vergleich um keine Selbstverständlichkeit, blickt man beispielsweise in Länder wie England, Frankreich, Südtirol oder die USA, in welchen Schulleitende keinerlei Unterrichtsverpflichtungen haben (siehe z.B. Rosenbusch & Warwas, 2010, S. 21).

2. Schulleitung: Explikation des Forschungsinteresses

Anforderungen und Ansprüchen ihres Amtes […] und der professionellen Autonomie von Lehrpersonen« (Wissinger, 2014, S. 159) müssen bei der Betrachtung von Schulleitenden berücksichtigt werden. Festzuhalten ist daher, dass die Einsicht darüber, dass »die Leitung einer Schule eine Tätigkeit eigener Charakteristik und Dignität ist, deren Leistungsspektrum sich von der eines Klassenlehrers grundsätzlich unterscheidet« (Rosenbusch & Warwas, 2010, S. 19), in Deutschland noch eine verhältnismäßig junge ist. Zwar wurde die Entwicklung des Verständnisses von Schulleitung als eigenständige Profession in den vergangenen Jahren durch den soeben skizzierten Perspektivenwechsel begünstigt und Schulleitung bereits Anfang der 2000er-Jahre als eigenständiger Beruf diskutiert (Schratz et al., 2016), dennoch besteht hierüber kein Konsens. Ersichtlich wird dies auch anhand der sich defizitär zeichnenden (berufsbegleitenden) Qualifizierung und Professionalisierung von Schulleitenden in Deutschland (siehe mit Bezug zur Digitalisierung hierzu Krein & Schiefner-Rohs, 2022): Zum einen erscheint diese unsystematisch und unstandardisiert. So liegt häufig keine konsistente, systematisch durchdachte Angebotsstruktur mit organisationspädagogischem Zugriff vor (Klein & Tulowitzki, 2020; Rosenbusch & Warwas, 2010). Zum anderen ist die Qualifizierungssituation von Schulleitenden in Deutschland weiterhin hinsichtlich der inhaltlichen Zielsetzungen, methodischen Konzepte sowie der inhaltlichen Ausgestaltung der Angebote und damit in letzter Konsequenz auch ihrer Qualität bundesweit höchst heterogen (Tulowitzki et al., 2019; Wissinger, 2014). So verfügen zwar die meisten Bundesländer über verpflichtende Maßnahmen für angehende Schulleitende (Tulowitzki et al., 2019), jedoch weist die aktuelle Studienlage darauf hin, dass eine grundständige, systematische und spezifische Qualifizierung für Schulleitungsaufgaben bei einem Großteil der Schulleitenden vor Amtsantritt nicht vorliegt (z.B. Schwanenberg et al., 2018; Wissinger, 2014). Prekär erscheint dies vor allem vor dem Hintergrund gestiegener Anforderungen und Belastungen, welche Schulleitende auch gegenwärtig in Studien berichten, und mit denen auch ein Anstieg des Qualifizierungs- und Unterstützungsbedarfs resp. -bedürfnissen dieser Akteur:innen einhergeht (Cramer et al., 2021; Fichtner et al., 2022; Schratz et al., 2016; Schwanenberg et al., 2018). Gleichzeitig ist das Feld der Schulleitungsprofessionalisierung forschungsseitig sowohl theoretisch wie empirisch kaum strukturiert (Klein & Tulowitzki, 2020). Doch erscheint gerade eine solche theoretische und empirische Auseinandersetzung mit Schulleitung(-sprofessionalisierung) vor dem Hintergrund der Rolle von Schulleitenden für Schule(ntwicklungsprozesse) und den komplexen Anforderungs-, Verantwortungssowie Handlungsbereichen von Schulleitenden höchst relevant. Denn die Ausweitung des Tätigkeitskataloges von Schulleitenden führt nach Bonsen (2010) zudem unweigerlich zu einem differenzierten und komplexen Aufgabenspektrum.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

2.2 Aufgabenbereiche und Anforderungen an Schulleitende Der Funktions- und Aufgabenbereich von Schulleitenden ist in Schulgesetzen festgelegt (u.a. SchulG RP, 2004 i.d.F.v. 17.12.2020, §26; SchulG BW, 1983 i.d.F.v. 30.07.1997, §41, SchulG NRW, 2005 i.d.F.v. 27.10.2022, §59), welche gemeinhin »die Verantwortung für die Erziehungs- und Bildungsarbeit an der Schule, für die sachgerechte Umsetzung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Konferenzbeschlüssen sowie die innere und äußere Ordnung des Schulalltags« (Bonsen, 2016, S. 301) vorsehen. Jenseits dieser rechtlichen Bestimmungen werden in der empirischen und theoretischen Auseinandersetzung verschiedene Klassifizierungen – mit meist sehr unterschiedlichen Differenzierungsgraden – vorgenommen, welche eine Strukturierung der vielfältigen Anforderungen an Schulleitende leisten sollen. Deutlich wird hierbei, dass Anforderungen resp. Tätigkeiten meist in enger Verbindung zu Verantwortlichkeiten und Rollenzuschreibungen an Schulleitende stehen resp. durch diese begründet werden. So werden Schulleitenden zumeist Verantwortlichkeiten für Schulentwicklungsprozesse und multiple Rollen »als VeränderungsagentInnen, WissensvermittlerInnen und VerfahrenshelferInnen« (Brauckmann & Eder, 2019, S. 7) zugeschrieben. Schulleitende fungieren hierbei als »Kristallisationskerne« (Waffner, 2021, S. 92) im Gefüge zwischen Schulaufsicht und Schulträger, Kollegium, Schüler:innen und Eltern (Bonsen, 2010, 2016; Huber, 2013). Sie verkörpern im Kontext der Gestaltung von Schule (nicht nur in einer digital geprägten Welt) hierbei Visionen und erzeugen Resonanz mit anderen Akteur:innen, bündeln Kräfte und erschaffen kreative Möglichkeitsräume (Waffner, 2021). Weiterhin werden Schulleitende forschungsseitig im Kontext der Gestaltung von Unterricht adressiert, an welcher sie nicht nur beteiligt sein, sondern diese auch prägen sollen (Wissinger, 2014). Auf Grundlage dieser Zuschreibungen ergeben sich folglich verschiedene Aufgaben und Anforderungen an Schulleitende, welche in bestehenden Forschungsarbeiten unterschiedlich klassifiziert werden. Bestehende Klassifizierungen von Schulleitungstätigkeiten weisen dabei verschiedene Differenzierungsgrade auf, welche von der Unterscheidung weniger, übergreifender Aufgabenbereiche bis hin zu Einordnungen differenzierter, einzelner Anforderungen und Aufgaben auf normativer, strategischer sowie operativer Ebene reichen (Brauckmann, 2012; Waffner, 2021; Schiefner-Rohs, 2019)6 . So unterscheidet Huber (2013) beispielweise zwei Aufgaben von Schulleitenden und benennt als zentrale Tätigkeitsbereiche: »einerseits die Arbeit mit und für Menschen innerhalb der Schule und aus deren Umfeld sowie andererseits die Verwal6

Für Überblicke und Ausführungen zu weiteren Klassifizierungsmöglichkeiten von Schulleitungsaufgaben sei beispielsweise auf Huber (2012) und Schwanenberg et al. (2018) verwiesen.

2. Schulleitung: Explikation des Forschungsinteresses

tung finanzieller und personeller Ressourcen bzw. allgemein administrativer Tätigkeiten« (Huber, 2013, S. 13). Ebenfalls eine Unterscheidung von zwei Aufgabenbereichen macht Wissinger (2014) mit Rekurs auf das Konzept einer ›Instructional Leadership Role‹ (siehe zu Führungsmodellen Kapitel 3.2): »erstens die Verbesserung der Schülerleistungen als Zielpunkt schulischen Handelns und als Antwort auf spezifische soziale und ethnische Kontexte des Lehrens und Lernens, zweitens die Implementation bildungspolitischer und oder mikropolitischer Reformen in der Schule« (Wissinger, 2014, S. 155). Solche Klassifizierungen verbleiben allerdings vage und erlauben nur einen eingeschränkten Einblick in die Vielfalt von Schulleitungsaufgaben. Um einen Überblick über das Aufgabenspektrum von Schulleitenden zu erhalten, eignen sich daher differenzierte Beschreibungen, die sich bereits seit dem 19. Jahrhundert finden lassen: Lehrpersonen, welche innerschulische Leitungsfunktionen bekleideten, oblag demnach bis zum Ende des 19. Jahrhundert beispielsweise die (1) Außenvertretung der Schule, insbesondere Vermittlung zwischen der Schulaufsicht (übergeordnete Ebenen der Schulverwaltung) und dem Lehrerkollegium an einer Schule, (2) Organisation und Sicherung der Abläufe des Unterrichts und der innerschulischen Verwaltung sowie Leitung der Selbstverwaltungsgremien, (3) Kontrolle nach innen in fachlicher und (beamten)rechtlicher Hinsicht, (4) Eröffnung von Aufstiegsmöglichkeiten für Lehrer bzw. Lehrerinnen (Wissinger, 2014, S. 144). Eine ähnliche Unterscheidung trifft Brauckmann (2014), der auf der Grundlage verschiedener Analysen sieben Tätigkeitsfelder von Schulleitenden in Deutschland differenziert: die eigene (1) Lehrtätigkeit, die (2) Vertretung der Schule nach außen, (3) Verwaltungs- und Organisationsaufgaben, die (4) Organisationsführung und -entwicklung, (5) unterrichtsbezogene Führungsarbeit, (6) Schüler:innen- und elternbezogene Arbeit sowie Aufgaben der (7) Personalführung und -entwicklung (siehe auch Schwanenberg et al., 2018). Diese Differenzierung trägt auch empirischen Befunden Rechnung, welche darauf hinweisen, dass »die schulische Leitungstätigkeit im deutschen Sprachraum durch die Erledigung von Verwaltungsaufgaben gekennzeichnet ist« (Wissinger, 2014, S. 153; siehe auch Cramer et al., 2021). Weiterhin wird in dieser Klassifizierung berücksichtigt, dass Schulleitende in Deutschland qua gesetzlicher Bestimmungen der einzelnen Bundesländer hauptamtliche Lehrpersonen ihrer Schulen sind, wodurch sie ein reguläres Lehrdeput erfüllen müssen. Deutlich wird hierbei, dass Schulleitenden eine Vielzahl von unterschiedlichen und komplexen Aufgaben und Tätigkeiten zugeschrieben werden. Weitere verbreitete Klassifizierungen von Schulleitendenaufgaben subsumieren meist die hier benannten Aufgabenbereiche, aber auch eine Vielzahl einzelner Aufgaben, und stellen diese dabei gleichwertig – unabhängig ihrer Komplexität

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– nebeneinander (Brauckmann, 2012, S. 266ff.). So findet sich auch die Unterscheidung zwischen (1) Führungs- und Managementaufgaben sowie Aufgaben des (2) Personalmanagements, der (3) Kommunikation und Beratung als auch Aufgaben des (4) Qualitätsmanagements und der (5) Organisationsentwicklung (z.B. Schiefner-Rohs, 2019). Anzumerken ist, dass die hier benannten Aufgabenbereiche verschiedene Aufgaben vereinen und vornehmlich mit Verantwortlichkeiten untersetzt sind; gleichzeitig werden Aufgabenbereiche wie die eigene Lehrtätigkeit ausgeklammert. Unabhängig ihrer Klassifizierungen sind die Tätigkeiten von Schulleitenden stets in das Mehrebenensystem Schule und damit sowohl in den außerschulischen wie den einzelschulischen Kontext eingebunden und werden von diesen auch maßgeblich geprägt (Brauckmann, 2012; Bonsen, 2016). So haben Schulleitende eine Schnittstellenfunktion zwischen Schulaufsicht und innerschulischen Beteiligten inne, wodurch sie verschiedenen Akteur:innen wie der Schulaufsicht, dem Kollegium, aber auch Eltern und Lernenden gegenüber verantwortlich sind. Schulleitenden obliegt es demnach nicht ›nur‹ administrative und politische Vorgaben umzusetzen, sondern diese auch den einzelschulischen Besonderheiten anzupassen (Bonsen, 2016). Ebenso wird das Schulleitendenhandeln (wie Schule selbst auch) von gesellschaftlichen und kulturellen Wandlungsprozessen, wie dem der Digitalisierung, bedingt. Solche Wandlungsprozesse können wiederum zu neuen Aufgabenfeldern und Transformationen bestehender Tätigkeiten und damit zu neuen An- und Herausforderungen für Schulleitende führen (Huber, 2013; siehe mit Bezug zu einzelnen Aufgabenbereichen: Schiefner-Rohs, 2019). Auf solche digitalisierungsbezogenen Transformationsprozesse von Aufgabenbereichen im Schulleitungsalltag soll im folgenden Kapitel kursorisch eingegangen werden.

2.3 Schulleitungsaufgaben und Schulleitendenhandeln unter der Perspektive von Digitalisierung Wie in Kapitel 1.2 bereits angedeutet, nehmen Schulleitende nicht nur eine wichtige Rolle im Kontext von digitalisierungsbezogenen Schulentwicklungsprozessen ein und prägen dabei auch die Digitalisierung (in) der Schule, auch bleibt ihr eigener Alltag, ihre Aufgaben und Handlungen nicht unberührt von digitalisierungsbezogenen Transformationsprozessen. Digitalisierung betrifft Schulleitungen und die als Schulleitende tätigen Personen dabei in dreifacher Hinsicht: Zunächst (1) bedingen digitalisierungsbedingte Transformationsprozesse querschnittlich die verschiedenen Aufgabenbereiche von Schulleitenden (SchiefnerRohs, 2019) und schaffen (neue) Handlungsbedingungen, -prozesse und -optionen: Kommunikation gestaltet sich zuvorderst digital vermittelt (mit Fokus auf E-Mails siehe z.B. Heffernan & Selwyn 2021) und auch die eigene Nutzung digitaler End-

2. Schulleitung: Explikation des Forschungsinteresses

geräte und Software für die Wahrnehmung von Führungsaufgaben sowie für die Gestaltung von (eigenem) Unterricht gewinnt zunehmend an Bedeutung. Auch das Personalmanagement an Schule ist mittlerweile auf Software angewiesen und digitalisierungsbezogene Entwicklungsaufgaben und zunehmende digitale Fort- und Weiterbildungsformate sind wichtige Aspekte schulischer Personalentwicklung geworden. An diese Überlegungen anküpfend konnten auch Tulowitzki und Gerick (2020) in ihrer explorativen Studie zeigen, dass digitale Medien in weiten Tätigkeitsbereichen von Schulleitenden »Potenziale und Möglichkeiten entfalten sowie Veränderungen und Konsequenzen im Schulleitungshandeln mit sich bringen« (Tulowitzki & Gerick, 2020, S. 333). Weiterhin werden nicht nur Bedingungen, Prozesse und Optionen schulleiterischen Handelns transformiert, auch lassen sich (2) digitalisierungsbedingte Transformationen verschiedener Aufgaben von Schulleitenden beobachten. So betonen beispielsweise Breiter und Welling (2010), dass bestehende Managementaufgaben von Schulleitenden vor dem Hintergrund einer Medienintegration in Schule (siehe Kapitel 1.2) systematisch mit einem umfassenden IT-Management verbunden werden sollten. IT-Management ist hierbei einerseits als Querschnittsthema zu begreifen, welches in Verbindung mit Managementaufgaben wie der Personalentwicklung, Budgetplanung oder der Qualitätssicherung steht, andererseits stellt ein strategisches IT-Management auch eine neue Leitungsaufgabe dar (Breiter, 2007). Ebenso werden die Aufgaben von Schulleitenden unter der Perspektive digitaler Transformationsprozesse auch zunehmend von Seiten der Bildungspolitik adressiert, wie die Empfehlung der Kultusministerkonferenz »Lehren und Lernen in der digitalen Welt« (KMK, 2021a), die die Strategie »Bildung in der digitalen Welt« ergänzt, beispielhaft verdeutlicht: Hiernach sind digitale Transformationsprozesse im Rahmen von ›Digital Leadership‹ dezidiert als Aufgabe von Schulleitung formuliert (KMK, 2021a, S. 18–20). Prioritär aufgeführte Maßnahmen und Aufgaben sind hierbei z.B. die Unterstützung von Lehrpersonen »bei der systematischen und kontinuierlichen professionellen Kompetenzentwicklung für das Unterrichten und die Gestaltung von Schule in einer digitalen Welt« (KMK, 2021a, S. 19) oder auch das Vorantreiben einer datengestützten Schulentwicklung durch eine »digitale Aufbereitung und Bereitstellung von Daten auf der Grundlage eines Informationsmanagementkonzepts« (KMK, 2021a, S. 20). Weiterhin sollen Schulleitende, basierend auf einer positiven Fehlerkultur, Innovations- und Partizipationsbereitschaft, Kreativität und Methodenvielfalt sowie Freiräume schaffen, »um Veränderungen zu gestalten und Neues zu erproben« (KMK, 2021a, S. 19). Schulleitende werden folglich im Kontext von Schulentwicklung u.a. dazu angehalten, die (digitale) Kommunikation und Kooperation mit schulexternen wie -internen Akteur:innen auszubauen und eine an Medienentwicklungen anschlussfähige Personalentwicklung voranzutreiben (KMK, 2021a; siehe hierzu auch Krein & Schiefner-Rohs, 2020;

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Tulowitzki & Gerick, 2022). Hieran wird deutlich, dass digitalisierungsbezogene Transformationsprozesse (3) (neue) Perspektiven im Kontext von Schulentwicklung eröffnen, was Implikationen für die Rolle und Verantwortlichkeit von Schulleitenden hat. Beispielsweise gilt es Aspekte einer Technologieentwicklung, wie sie Eickelmann und Gerick (2018) konzeptualisieren (siehe Kapitel 1.2), im Sinne des Aufbaus einer notwendigen technischen schulischen Infrastruktur voranzutreiben oder auch technologische Entwicklungen zu reflektieren und tragfähige, pädagogische Medienkonzepte zu erstellen (Schiefner-Rohs, 2019). Obwohl der Berufsalltag und das Handeln von Schulleitenden in vielfältiger Weise von digitalisierungsbezogenen Transformationsprozessen durchdrungen resp. tangiert wird und diese dabei auch von Schulleitenden selbst gestaltet werden, verbleibt in der bisherigen forschungsseitigen Auseinandersetzung jedoch unklar, wie sich Schulleitendenhandeln konkret unter den Bedingungen des Digitalen ausgestaltet. Zwar gibt es eine Vielzahl verschiedener Forschungsarbeiten, welche Schulleitende in ihrer Funktion als Führungspersonen und Promotor:innen von Schulentwicklung (Eickelmann, 2010; Prasse, 2012) auch im Kontext von Digitalisierung befragen und die Relevanz von Schulleitung dabei gemeinhin betonen (siehe jüngst Feldhoff et al., 2022; Fichtner et al., 2022), dennoch lassen sich nur wenige Arbeiten finden, welche das Handeln von Schulleitenden selbst in diesem Kontext empirisch untersuchen. Für einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand hinsichtlich Schulleitung und Digitalisierung soll nachfolgend dezidierter auf bisherige Forschungsarbeiten im Themengebiet eingegangen werden.

3. Schulleitung | Digitalisierung: Darstellung bisheriger Forschungszugänge

In den vorausgegangenen Kapiteln wurde bereits partiell auf bisherige theoretische und empirische Befunde und Zugänge zu Schulleitung und Schulleitendenhandeln hingewiesen, die nun systematisch zusammengeführt und dargelegt werden sollen. Dies erfolgt aufgrund des Forschungsinteresses der vorliegenden Arbeit unter zuvorderst digitalisierungsbezogener Perspektive, wenngleich eine Einordnung der Zugänge auch eine Darlegung von theoretischen sowie methodischen Zugängen in der Schulleitungsforschung ohne Bezug zur Digitalisierung erfordert. Daher werden im Folgenden zunächst kursorisch Erkenntnisse zum bisherigen Forschungsstand in der Schulleitungsforschung gemeinhin dargeboten, welche jeweils um Erkenntnisse eines systematischen Reviews zu Forschungsarbeiten im Themengebiet Schulleitung und Digitalisierung (Krein, 2023) ergänzt werden. Das hier herangezogene systematische Review wurde zu Beginn des Promotionsvorhabens von der Autorin selbst durchgeführt (siehe hierzu auch Kapitel 5.3), wobei das Ziel verfolgt wurde, bisherige Forschungsschwerpunkte und -perspektiven im Themengebiet Schulleitung und Digitalisierung nachzuzeichnen, gleichzeitig Forschungsdesiderate aufzudecken. In diesem Zuge wurde untersucht, (1) welche Verständnisse von Schulleitung und Digitalisierung in der bisherigen Forschung zu diesem Themenfeld vorliegen, (2) welche inhaltlichen Schwerpunkte in der Auseinandersetzung identifiziert werden können und (3) welche methodischen bzw. methodologischen Ansätze in bisherigen Forschungsarbeiten gewählt wurden (vgl. Krein, 2023, S. 3). Erkenntnisse dieses Reviews werden nachfolgend in die Darstellung des Forschungsstandes integriert, um einen Überblick über bisherige Forschungsarbeiten in der Schulleitungsforschung im Kontext von Digitalisierung resp. dem Digitalen bieten zu können (für die vollständigen Ergebisse sei auf Krein, 2023 verwiesen). Die folgende Darstellung erfolgt dabei in einem Vierschritt: Zunächst werden inhaltliche Schwerpunktsetzungen in der bisherigen forschungsseitigen Auseinandersetzung im Themengebiet Schulleitung und Digitalisierung erläutert (Kapitel 3.1), um bisherige Perspektiven auf das Themengebiet nachzuzeichnen. Im Anschluss werden theoretische (Kapitel 3.2) sowie method(olog)ische Ansätze (Kapitel 3.3) skizziert, welche in der Schulleitungsforschung Einsatz ge-

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

funden haben, sowie Forschungsarbeiten im Themengebiet von Schulleitung und Digitalisierung eingeordnet. Bei der Darstellung wird dabei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, sondern das Ziel verfolgt, ein komprimiertes Bild bisheriger Forschungsarbeiten nachzuzeichnen. Das Kapitel schließt mit einer kritischen Würdigung der skizzierten Forschungszugänge und -schwerpunkte, im Zuge derer Forschungsdesiderata und damit einhergehende Implikationen für die Betrachtung von Schulleitung und Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen systematisch aufgezeigt werden (Kapitel 3.4).

3.1 Inhaltliche Schwerpunktsetzungen Schulleitung resp. Schulleitende sowie deren zentrale Relevanz für Schulentwicklung und -qualität ist Gegenstand vielfältiger forschungsseitiger Betrachtungen, welchen vor allem im angloamerikanischen Raum bereits seit Jahrzenten nachgegangen wird (siehe hierzu bspw. Erickson, 1967; Heck & Hallinger, 1999; Leithwood & Montgomery, 1982; Reviews zur australischen Schulleitungsforschung bieten bspw. Gurr & Drysdale, 2016; Gurr et al., 2010; für einen Überblick zu Veröffentlichungen zu Educational Leadership and Management zwischen 1960 und 2018 in einschlägigen internationalen Journals sei weiterhin auf Hallinger & Kovačević, 2019 verwiesen). Für den deutschen Sprachraum lässt sich hierbei festhalten, dass obwohl Schulleitung resp. Schulleitende lange Zeit nicht im Interesse der deutschsprachigen Bildungs- und Schulforschung standen (Hostettler & Windlinger, 2020; Wissinger, 2014), sich die Schulleitungsforschung inzwischen auch im deutschen Sprachraum zu einem vielfältigen Forschungsgebiet entwickelt hat (Schmerbauch, 2017). Angestoßen durch das erste Bamberger Schulleitungssymposium (Scheunpflug, 2012) Ende der 1980er Jahre lassen sich im deutschsprachigen Raum vermehrt wissenschaftliche Arbeiten zur Schulleitung finden. So fasst Wissinger (2014) zusammen, dass, obgleich die Schulleitungsforschung mittlerweile auch in Deutschland existent ist und sich zunehmend zu einer empirisch arbeitenden Teildisziplin der Bildungs- und Schulforschung entwickelt, diese »im Vergleich zum angloamerikanischen Sprachraum ein noch junges und (zu) wenig beachtetes Forschungsgebiet« (S. 148) sei. Hieran schließen auch die Analysen von Hallinger und Kovačević (2019) an, aus welchen hervorgeht, dass Forschungsarbeiten des deutschen Sprachraums zur Schulleitung im internationalen Diskurs (noch) einen geringen Anteil einnehmen. Obwohl es sich um ein ›junges‹ Forschungsgebiet handelt, umfasst die inhaltliche Auseinandersetzung mit Schulleitung resp. Schulleitenden auch im deutschen Sprachraum vielfältige Bereiche: Geprägt durch die international etablierte Forschung zu School Effectiveness and School Improvement (siehe z.B. die MetaAnalysen von Grissom et al., 2021; Heck & Hallinger, 2010; Lee & Williams, 2006;

3. Schulleitung | Digitalisierung: Darstellung bisheriger Forschungszugänge

Leithwood et al., 2004; Robinson et al., 2008) lassen sich bspw. Arbeiten zur Effektivität und Wirksamkeit von Schulleitung resp. Schulleitendenhandeln finden (siehe hierzu z.B. Bonsen et al., 2002; Feldhoff & Radisch, 2021). Schulleitung wird hierbei in der Regel als wesentlicher Faktor und Variable von Schule betrachtet, die einen (anteiligen) Beitrag zur Entwicklung und Steuerung von Schule leistet (Bonsen, 2016; Wissinger, 2014). Dabei wird der Annahme gefolgt, dass das »Schulleitungshandeln im Dienst des Aufbaus und der Entwicklung einer […] Wandel ermöglichenden schulischen (Lern)Umgebung steht« (Wissinger, 2014, S. 147). Verbunden sind solche Wirksamkeitsstudien meist auch mit Tätigkeitsanalysen (Hostettler & Windlinger, 2020), die häufig an Arbeiten zur Fragestellung »What do principals do?« anschließen (siehe beispielhaft Horng et al., 2010; Lee et al., 2021; Tulowitzki, 2014). Aber auch andere Bereiche wie das berufliche Selbstverständnis und die Definition der eigenen Rolle als Schulleitung (siehe hierzu z.B. Baumert & Leschinsky, 1986; Fichtner et al., 2022; Languth, 2007; Wissinger, 1996) oder das Belastungserleben von Schulleitenden, meist in Verbindung mit Untersuchungen hinsichtlich der Verteilung von Arbeitszeit (siehe hierzu z.B. Bonsen et al., 1999; Brauckmann, 2014; Brauckmann & Schwartz, 2015; Rosenbusch et al., 2006; Warwas, 2012) wurden empirisch untersucht. Zuletzt hat auch die Professionalisierung von Schulleitenden forschungsseitig Beachtung erfahren (z.B. Klein & Tulowitzki, 2020; Rosenbusch & Warwas, 2010; mit Bezug zur Digitalisierung: Krein & Schiefner-Rohs, 2022). Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit vor allem der bisherige Forschungsstand zu Schulleitung resp. Schulleitendenhandeln und Digitalisierung resp. dem Digitalen interessiert, soll der Fokus im Folgenden zuvorderst auf inhaltlichen Schwerpunktsetzungen der Arbeiten dieses Forschungsbereichs liegen. Hierzu betonten Tulowitzki und Gerick (2020), dass sich die bisherige Forschung entlang zweier Stränge verorten lässt: Zum einen wird die Rolle von Schulleitenden bei der Implementierung digitaler Medien in Schulen auf Unterrichtsebene fokussiert und Schulleitende im Rahmen ›klassischer‹ Schulentwicklung als Impulsgebende bzw. Innovationspromotor:innen adressiert. Zum anderen wird die Nutzung digitaler Medien zur Organisation von Schulen, vornehmlich der Verwaltung und Gestaltung von Schulen durch Schulleitende mit Hilfe digitaler Medien, betrachtet (Tulowitzki & Gerick, 2020). Weitere inhaltliche Forschungsschwerpunkte im Bereich Schulleitung resp. Schulleitendenhandeln und Digitalisierung, die an die soeben skizzierten Erkenntnisse anschließen, diese jedoch auch erweitern, konnte die Autorin im Rahmen eines systematischen Reviews (Krein, 2023) in der internationalen Auseinandersetzung identifizieren (siehe für nähere Ausführungen zum methodischen Vorgehen Kapitel 5.3). Hierbei handelt es sich um die vier Schwerpunkte: (1) Die Rolle von Schulleitenden bei der Integration und Nutzung digitaler Medien, (2) das Verständnis von und die Haltung gegenüber Digitalisierung durch Schulleitende, (3) Kompetenzen und Fragen

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

der Professionalisierung von Schulleitenden sowie (4) die Nutzung von Social Media durch Schulleitende (siehe Krein, 2023, S. 8–13). Forschungsarbeiten des ersten Schwerpunktes, der an die Ausführungen von Tulowitzki und Gerick (2020) anschließt, fokussierten neben der Rolle von Schulleitenden bei der Integration und Nutzung digitaler Medien auch deren eigene Mediennutzung sowie damit verbundene (neue) Aufgaben und Herausforderungen für Schulleitende (siehe beispielhaft: Anderson & Dexter, 2005; Breiter et al., 2010; Gallego-Arrufat et al., 2017; Håkansson Lindqvist & Pettersson, 2019; Hines et al., 2008; Uğur & Koç, 2019; siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023). Schulleitende werden hier häufig in einer Vorbildfunktion adressiert und deren Bedeutsamkeit für die Integration digitaler Medien im Zuge von Schulentwicklungsprozessen betont. Weiterhin weisen Arbeiten, die sich diesem Schwerpunkt zuordnen ließen, vermehrt auf Transformationsprozesse in verschiedenen Aufgabenbereichen und deren Bewältigung durch Schulleitende hin und betonen eine insgesamt »grundlegender[e] Relevanz« (Tulowitzki & Gerick, 2020, S. 327) digitaler Medien für die schulische Führungspraxis (u.a. Anderson & Dexter, 2005; Breiter et al., 2010; Levin & Schrum, 2014; für eine detaillierte Ausführung der Ergebnisse sei auf Krein, 2023 verwiesen). In diesem Kontext verweisen die Studien ebenfalls auf diverse Herausforderungen: So bestehe ein erhöhter Ressourcenbedarf auf Seiten der Schulleitenden, um verschiedene Anforderungen und Prozesse, bspw. zur Einarbeitung von oder dem Umgang mit Widerständen (Abdul Razzak, 2015; Schwanenberg et al., 2018; Tulowitzki & Gerick, 2020), bewältigen zu können. Weiterhin wurde die erhebliche Zunahme der Arbeitszeit mit digitalen Medien sowie Herausforderungen einer »generally ›always-on‹ nature of technology-based work« (Heffernan & Selwyn, 2021, S. 8) und damit einhergehenden Entgrenzungstendenzen und Gesundheitsgefährdungen kritisch hervorgehoben (siehe auch: Hines et al., 2008). Bei dem zweiten identifizierten Schwerpunkt handelt es sich um das Verständnis von und die Haltung gegenüber Digitalisierung durch Schulleitende. Dabei weisen die Arbeiten, die diesem Schwerpunkt zugeordnet wurden, in ihrer Argumentation enge Verbindungen zum ersten Schwerpunkt auf, da als Basis der Untersuchung meist auf die Relevanz der Einstellung der Schulleitung zur Implementierung digitaler Medien und deren hoher Einfluss auf die Nutzung digitaler Medien, z.B. durch Lehrpersonen, hingewiesen wird (z.B. Gerick et al., 2019; Håkansson Lindqvist & Pettersson, 2019; Levin & Schrum, 2014; Preston et al., 2015; siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023). Ebenfalls findet auch hier eine Betonung der Verantwortung von Schulleitenden, eine Digitalisierung (in) der Schule voranzutreiben, statt. Die Studien berichten sowohl von einseitig positiven als auch skeptischen Einstellungen von Schulleitenden gegenüber Digitalisierung sowie von differenzierteren, ebenenspezifischen Einschätzungen (siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023). Auffallend gestaltete sich, dass Teile des Datenkorpus häufig Empfehlungen zur Einstellung gegenüber Digitalisierung und digitalen Medien enthalten.

3. Schulleitung | Digitalisierung: Darstellung bisheriger Forschungszugänge

So empfehlen Levin und Schrum (2014) zum Beispiel, offen und proaktiv gegenüber der Nutzung von Technologien zu sein sowie Veränderungen und neue Praktiken zuzulassen (S. 661). Auch auf das Verständnis für notwendige Kompetenzen verschiedener Akteur:innen in diesem Kontext wird häufig verwiesen, was unmittelbar in Zusammenhang mit dem dritten identifizierten Forschungsschwerpunkt steht. Im Rahmen des dritten Schwerpunktes Kompetenzen und Fragen der Professionalisierung von Schulleitenden stehen vor allem Fragen zu Kompetenzen und der professionellen Entwicklung von Schulleitenden im Zusammenhang mit Digitalisierung im Fokus (siehe für eine Zusammenschau der Studien und detaillierte Ausführungen der Ergebnisse: Krein, 2023). Studien, die sich mit diesem Themengebiet befassen, heben vor allem die unzureichende Qualifizierung und Professionalisierung von Schulleitenden für digitalisierungsbezogene Aufgaben hervor (u.a. Afshari et al., 2012; Brown & Jacobsen, 2016; Håkansson Lindqvist & Pettersson, 2019; Levin & Schrum, 2014; Schrum et al., 2011; Tulowitzki & Gerick, 2020; Uğur & Koç, 2019; siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023) und diskutieren die Relevanz und mögliche Formen einer kontinuierlichen Unterstützung, Entwicklung und Professionalisierung von Schulleitenden (Anderson & Dexter, 2005; Crawford, 2002; Dexter, 2011; Gerick et al., 2019; Schwanenberg et al., 2018; siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023). Der letzte Schwerpunkt, der in den Forschungsarbeiten identifiziert werden konnte, lässt sich unter dem Themenbereich Nutzung von Social Media durch Schulleitenden zusammenfassen. Mehrere Beiträge zu Social Media sowie zur Betrachtung von Online-Communities und deren Rolle für die Schulführung konnten hier subsumiert werden (siehe für eine Zusammenschau der Studien und detaillierte Ausführungen der Ergebnisse: Krein, 2023). Gegenstände dieser Untersuchungen sind bspw. die Nutzung und Wahrnehmung von Social Media durch Schulleitende (siehe am Beispiel von Twitter: Cho & Jimerson, 2017; Cho & Rangel, 2016), die Rolle von Online-Communities für Schulleitende, ihre tägliche Arbeit und deren Professionalisierung (z.B. Brown & Jacobsen, 2016; Corrigan & Robertson, 2015) sowie (neue) Herausforderungen für Schulleitende durch soziale Medien (z.B. Cho & Rangel, 2016; Corrigan & Robertson, 2015; siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023). Im Zuge letzterer wird vor allem auf das Praktizieren einer Selbstzensur hingewiesen, um Professionalität online aufrechtzuerhalten und mögliche, negative berufliche Konsequenzen durch Aussagen auf Social-Media-Plattformen zu vermeiden (Cho & Jimerson, 2017). All diesen Forschungsarbeiten liegen sowohl theoretische als auch methodische Zugänge zugrunde, die es neben den Erkenntnissen der Studien ebenfalls zu beleuchten gilt. Gleichwohl vor allem theoretische Ansätze und Annahmen in einer Vielzahl dieser Studien nur marginale Ausführungen erfahren haben, wird nachfolgend dennoch auf verschiedene prominente Zugänge in der Schulleitungsforschung allgemein und in Bezug zur Digitalisierung eingegangen.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

3.2 Theoretische Perspektiven Blickt man auf theoretische Perspektiven, welche bislang in der Schulleitungsforschung eingenommen wurden, finden sich eine Vielzahl verschiedener Ansätze. Neben rechtswissenschaftlichen Zugangsweisen, welche sich auf der rechtlichen Basis des Schulleitungsamts, gründen (siehe Kapitel 2.1 und Kapitel 2.2) oder historischen Perspektiven, die sich der Genese von Schulleitung widmen (Wissinger, 2014), können als Schwerpunkte vor allem führungstheoretische, organistionstheoretische bzw. governanceorientierte sowie kompetenztheoretische Perspektiven festgehalten werden. So orientieren sich nationale wie internationale Diskurse bislang entschieden an Theorien der Management- und Führungsforschung (Schmerbauch, 2017; Wissinger, 2014). Führungstheorien verfolgen das Ziel, »Bedingungen, Ursachen, Strukturen, Prozesse und Konsequenzen von Führung zu beschreiben, um aus den Erkenntnissen die Gestaltung von Führung fundiert zu unterstützen« (Schmerbauch, 2017, S. 40). Die Adaption von Führungstheorien in den schulischen Kontext und auch die (deutschsprachige) Schulleitungsforschung weist dabei eine starke Prägung der angloamerikanischen Forschung zu ›School Effectiveness and School Improvement‹ auf (siehe Kapitel 3.1). So haben bspw. Leithwood & Kolleg:innen (2008) den Versuch unternommen, eigenschaftstheoretische Führungsansätze für die Schulleitungsforschung fruchtbar zu machen; aber auch Diskurse um Führungsstiltypologien, -modelle und -konzepte haben in der Schulleitungsforschung, vor allem in Untersuchungen zur Effektivität und dem Erfolg von Führungshandeln, große Beachtung gefunden (Schratz et al., 2016). Hierbei sind diverse Ansätze hervorgegangen, wie bspw. der einer ›Instructional Leadership‹ (Hallinger et al., 2010; Harazd et al., 2011), ›Transformational Leadership‹ (Bass, 1990; Bass & Riggio, 2006; Leithwood, 1994) oder auch ›Distributed Leadership‹ (Diamond & Spillane, 2016; Harris, 2013; Harris & Spillane, 2008)1 . Diese Modellierungen haben auch auf den deutschsprachigen Diskurs großen Einfluss genommen und zur andauernden Theoriebildung und -ausdifferenzierung beigetragen (Hostettler & Windlinger, 2020; für einen Überblick zu verschiedenen ›Leitkonzepten‹ innerhalb der Schulleitungsforschung, welche eine Nähe zu Führungstheorien aufweisen, siehe auch Schratz et al., 2016, S. 222ff.). Bei Betrachtung der vielfältigen Forschungsarbeiten zu ›Leadership‹ muss jedoch festgehalten werden, dass das begriffliche Verständnis dieses Konzepts in der internationalen Schulleitungsforschung zuweilen stark variiert. Einigkeit scheint lediglich darüber zu bestehen, dass ›Leadership‹ eine bewusste Einflussnahme auf andere beschreibt, die vollzogen wird, um Aktivitäten

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Eine Ausführung der jeweiligen, selbst umfangreich diskutierten Ansätze würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen und ist für das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie nicht dienlich. Daher sei bei Interesse auf die angegebenen Referenzen als beispielhafte Arbeiten verwiesen.

3. Schulleitung | Digitalisierung: Darstellung bisheriger Forschungszugänge

und Beziehungen in einer Gruppe oder Organisation zu strukturieren (Brauckmann, 2012, S. 225). Durch die Akzentuierung der Einbindung von Akteur:innen in Organisationen gewinnt folglich auch der Kontext der jeweiligen Organisation an Bedeutung, wodurch neben führungstheoretischen Perspektiven auch organisationstheoretische Zugänge (Kuper, 2020; Kuper & Thiel, 2009) in der Schulleitungsforschung an Relevanz gewinnen. Ziel ist es hier neben Schulleitenden als Führungspersonen auch »institutionelle und organisationsstrukturelle Konstitutions- und Entwicklungsbedingungen« (Wissinger, 2014, S. 156) in die Betrachtung miteinzubeziehen. Organisationstheoretische Zugänge finden sich in Deutschland aktuell häufig in Diskursen rund um Educational Governance (Abs et al., 2015; Altricher & Maag Merki 2016; Berkemeyer, 2010; Hartong et al., 2019; Langer & Brüsemeister, 2019) wieder. Ansätze und Perspektiven einer Educational Governance haben sich dabei im Zuge zahlreicher Reformansätze und einer zunehmenden Output-Orientierung sowie dezentralen Steuerung von Schule in der deutschsprachigen Schulleitungsforschung etabliert. Der Begriff der Educational Governance wird, obgleich es sich bei ›Governance‹ um keinen originären Begriff der Erziehungswissenschaft handelt, zunehmend als Forschungsansatz zur Beschreibung eines erweiterten Steuerungskonzepts von Schule herangezogen (siehe hierzu Altrichter & Maag Merki, 2016). Dieser Forschungsansatz soll es ermöglichen, »das Handeln der Akteure sowie die gegenseitigen Abhängigkeiten im Mehrebenensystem differenzierter zu beschreiben und dabei bestimmte Koordinationsdefizite oder -leistungen sichtbar zu machen« (Altrichter & Maag Merki, 2016, S. 8; siehe auch Berkemeyer, 2010). Besonderes Interesse erfahren bei Forschungsperspektiven einer Educational Governance das Zustandekommen, die Aufrechterhaltung und die Transformation sozialer Ordnung und Leistung im Bildungssystem. Hierbei besteht der Anspruch einer analytischen Zusammenführung sämtlicher beteiligter Akteur:innen, unabhängig der Systemebene, auf der sie agieren (Altrichter & Maag Merki, 2016). In diesem Kontext wird auch die zentrale Funktion von Schulleitenden hervorgehoben und untersucht (zur Rolle der Schulleitung im Rahmen evidenzbasierter Steuerung aus governanceanalytischer Perspektive siehe z.B.: Demski et al., 2016; Preuß et al., 2012; Racherbäumer et al., 2013). Denn Schulleitende erhalten im Rahmen einer erweiterten Selbstständigkeit von Schule nicht nur Entscheidungskompetenzen, sondern sehen sich neuen und vielfältigen (Management-)Aufgaben und Verantwortungsbereichen gegenüber (Bonsen, 2016; Brauckmann, 2014). Obwohl Ansätze und Perspektiven einer Educational Governance in aktuellen Diskursen des deutschen Sprachraums zunehmend rezipiert werden, muss an dieser Stelle jedoch erwähnt werden, dass es sich hierbei nicht um eine eigenständige Theorie handelt oder Ansätze dieser Perspektive auf spezifischen Theorien basieren, sondern wie Altrichter und Maag Merki (2016) festhalten, die jeweiligen Analysen mit entsprechenden Theorien und methodischen Ansätzen angereichert werden

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

müssen. Vielmehr handelt es sich folglich um einen Bezugsrahmen, der auch für Arbeiten im Bereich der Schulleitungsforschung zunehmend herangezogen wird. Zuletzt sei noch auf Arbeiten hingewiesen, welche sich kompetenztheoretischen Ansätzen bedienen und somit eine Nähe zu professionstheoretischen Perspektiven aufweisen. Ein Zuwachs dieser Ansätze in der Schulleitungsforschung gründet sich nicht zuletzt auf dem dominierenden Kompetenzdiskurs seit den 2000er Jahren (z.B. Baumert & Kunter, 2013; Erpenbeck & Rosenstiel, 2003, Weinert, 2001). In dessen Zentrum steht eine Orientierung an Kompetenzen und der Entwicklung dieser. Aktuelle Arbeiten fokussieren hierbei Fragen der Rekrutierung und Qualifikation(en) (angehender) Schulleitenden unter Perspektive von kompetenz-/qualifikationsorientierten Anforderungsprofilen (siehe auch Brauckmann, 2012; Hostettler & Windlinger, 2020) – sowie damit einhergehend Bedürfnisse, Erwartungen an und Wirkungen von Fortbildungsangeboten für Schulleitende (Wissinger, 2014). Häufig erfolgt in diesem Zuge auch die Formulierung unterschiedlicher Kompetenzen bzw. Kompetenzmodelle, welche sich hinsichtlich ihrer Differenziertheit maßgeblich unterscheiden (siehe beispielhaft Huber et al., 2013; Révai & Kirkham, 2013; Scherm et al., 2009). Anzumerken ist hierbei jedoch, dass »von wissenschaftlicher Seite die bisweilen unzureichende inhaltliche Trennschärfe zwischen Zielen, Aufgaben und Kompetenzen von Schulleitung kritisch angemerkt wird« (Brauckmann, 2012, S. 228). Bei Betrachtung der theoretischen Forschungszugänge von Arbeiten im Bereich der digitalisierungsbezogenen Schulleitungsforschung wird augenscheinlich, dass auch diese sich an den skizzierten Theorien orientieren. Schulleitende werden im Kontext der Digitalisierung zuvorderst als Führungspersonen, häufig mit Bezug zu ihren Managementaufgaben und Verantwortlichkeiten, adressiert. Gegenstand der Untersuchungen sind dabei bspw. die Führungsmodi von Schulleitenden und deren Einstellungen, zuvorderst hinsichtlich der Nutzung und Integration von Medien in Schule (Gerick et al., 2019; Håkansson Lindqvist & Pettersson, 2019; Levin & Schrum, 2014; siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023). Dabei wird nicht nur auf bestehende Leadership Modelle zurückgegriffen, sondern diese weiterentwickelt bzw. eigens für das Themengebiet Konzepte formuliert, im Rahmen derer auch eine Nähe zu kompetenztheoretischen Zugängen zu erkennen ist. Im Fokus stehen hier vor allem als notwendig erachtete Aufgaben und Kompetenzen, welche wiederum in theoretische Führungsmodelle, wie einer ›technology leadership‹ (Dexter, 2011) oder einer ›digital leadership‹ (Sheninger, 2014), eingebettet werden. Weiterhin wird der professionellen Entwicklung von Schulleitenden im Zusammenhang mit Digitalisierung forschungsseitig zunehmend Beachtung geschenkt (z.B. Brown & Jacobsen, 2016; Gerick et al., 2019; Håkansson Lindqvist & Pettersson, 2019; Hines et al., 2008; Levin & Schrum, 2014; Trust et al., 2018; Tulowitzki & Gerick, 2020; siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023).

3. Schulleitung | Digitalisierung: Darstellung bisheriger Forschungszugänge

Zuletzt finden sich Untersuchungen, die aus der Perspektive von Educational Governance Schulleitung und Schulleitendenhandeln mit digitalisierungsbezogenem Fokus untersuchen. In diesem Kontext spielen beispielsweise Aspekte einer datengestützten (neuen) Steuerung und Entwicklung von Schule und einer damit verknüpften Ergebnisorientierung (Schratz et al., 2016; siehe auch Hostettler & Windlinger, 2020) eine große Rolle. Forschungsarbeiten stellen hierbei häufig heraus, dass Schulleitende durch die eigene qualifizierte Nutzung von (digitalen) Daten sowie eine Unterstützung von Lehrpersonen bei der Interpretation der Daten positiv zur Weiterentwicklung der Einzelschule beitragen können (z.B. Bonsen, 2016; Brauckmann & Böse, 2018; Mandinach & Schildkamp, 2021; Schildkamp et al., 2019).

3.3 Method(olog)ische Zugänge Wie bereits erwähnt, hat sich die Schulleitungsforschung zuweilen auch in Deutschland zu einem empirisch arbeitenden Zweig der Bildungs- und Schulforschung herausgebildet (Wissinger, 2014, S. 148) und bedient sich dabei einer Vielfalt method(olog)ischer Zugänge. Dabei lassen sich sowohl Arbeiten aus der quantitativen wie aus der qualitativen Forschungstradition finden (Bonsen, 2016). Festzuhalten ist hierbei, dass quantitativ angelegte Untersuchungen unabhängig ihrer inhaltlichen Fokussierung (siehe Kapitel 3.1) seit den Anfängen der Schulleitungsforschung in Deutschland deutlich überwiegen. So handelte es sich beispielweise sowohl bei den Untersuchungen von Baumert und Lechinsky (1986), Wissinger (1996), Rosenbusch und Kolleg:innen (2006), aber auch jüngst Cramer et al. (2021), Feldhoff et al. (2022) sowie Fichtner und Kolleg:innen (2022) um rein quantitative Studien, bei welchen Fragebogen als Erhebungsinstrumente verwendet wurden. Neben diesen überwiegend quantitativen Studien, lassen sich auch vermehrt Studien finden, die MixedMethods-Designs verwenden und neben Fragebogen meist ergänzend auf Interviewverfahren zurückgreifen (u.a. Brauckmann, 2014; Brauckmann & Schwartz, 2015; Languth, 2007). Forschungsarbeiten, die ein rein qualitatives Forschungsdesign aufweisen, hingegen sind in deutlich geringerem Umfang vertreten. Auffallend gestaltet sich hierbei zudem, dass trotz qualitativer Erhebungsinstrumente, wie bspw. Beobachtungen, auch hier häufig eine quantifizierende Auswertung stattfindet (siehe beispielhaft Tulowitzki, 2014). Im Rahmen eines systematischen Reviews (Krein, 2023) konnte entgegen der obigen Ausführungen für die digitalisierungsbezogene Schulleitungsforschung eine Verteilung method(olog)ischer Ansätze zugunsten qualitativer Forschungszugänge festgehalten werden. Bei Studien, die einem qualitativen Paradigma zugeordnet werden konnten, handelt es sich überwiegend um Fallstudien (z.B. Brown & Jabosen, 2016; Cho & Jimerson, 2017; Dexter, 2011; Peck et al., 2011), bei

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

denen meist Interviewverfahren angewandt wurden (siehe Abdul Razzak, 2015; Cho & Rangel, 2016; Cho & Jimerson, 2017; Crawford, 2002; Haughey, 2006; Heffernan & Selwyn, 2021; Hines et al., 2008; Preston et al., 2015; Tulowitzki & Gerick, 2020; siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023). In wenigen Fällen wurde diese durch (meist nicht näher spezifizierte) Beobachtungen (Levin & Schrum, 2014; Uğur & Koç, 2019) oder Dokumentenanalysen (Levin & Schrum, 2014; Peck et al., 2011) ergänzt. Neben diesen qualitativen Studien wurde auch eine Vielzahl quantitativer Studien identifiziert, welche ausschließlich auf Fragebogen zurückgriffen (Afshari et al., 2008; Anderson & Dexter, 2005; Breiter et al., 2010; Cakir, 2012; Corrigan & Robertson, 2015; Gerick et al., 2019; Schrum et al., 2011; Schwanenberg et al., 2018; siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023). Eine Kombination von Fragebogen und Interviews und damit ein Mixed-Methods-Design, wurde nur von drei der einbezogenen Studien gewählt (Brown & Jacobsen, 2016; Gallego-Arrufat et al., 2017; Håkansson Lindqvist & Pettersson, 2019; siehe für nähere Ausführungen Krein, 2023). Auffallend gestaltet sich bei den hier identifizierten Forschungsansätzen gemeinhin die geringe Variation bei den berichteten Forschungsmethoden und die Dominanz traditioneller Forschungsmethoden wie Fragebogen und Interviews.

3.4 Kritische Würdigung ǀ Forschungsdesiderate Betrachtet man die aktuelle Forschungslage zu Schulleitung(-shandeln) und Digitalisierung, so lässt sich festhalten, dass bisherige Forschungsarbeiten zwar verschiedene inhaltliche Schwerpunkte aufweisen (Krein, 2023), dabei aber bisher kaum untersucht wurde, »how digital technologies impact on the working lives of school leaders themselves, or how their effects might be mitigated » (Heffernan & Selwyn, 2021, S. 2). Auch Zusammenhänge bzw. Interdependenzen zwischen den skizzierten Schwerpunkten im Rahmen der Arbeiten wurden nur marginal berücksichtigt. Eine Betrachtung von Schulleitendenhandeln und dem Berufsalltag von Schulleitenden hat folglich bislang höchst fragmentiert stattgefunden. Tiefgreifendere Erkenntnisse zu digitalisierungsbezogenen Möglichkeitsräumen und Potentialen für schulleiterisches Handeln oder auch zu Herausforderungen und Beschränkungen im Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen liegen aktuell nicht vor. Hinsichtlich der theoretischen Grundlegung wurde deutlich, dass dieses Themengebiet forschungsseitig bislang vermehrt unter führungs-, governanceorientierter und kompetenztheoretischer Perspektive betrachtet wird (Hostettler & Windlinger, 2020; siehe Kapitel 3). Die skizzierten Ansätze zählen dabei seit mehreren Jahrzehnten zu den führenden Theoriesansätzen, die in der Schulleitungsforschung diskutiert und herangezogen werden. Mithilfe dieser theoreti-

3. Schulleitung | Digitalisierung: Darstellung bisheriger Forschungszugänge

schen Zugänge war und ist es möglich, verschiedene Facetten von Schulleitung im Sinne pädagogischer Führung und ihrer Rolle im Mehrebenensystem Schule zu untersuchen und Implikationen für dafür benötigte Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen zu generieren. Neben der Wertschätzung dieser Theorien und ihres Mehrwerts für die Schulleitungsforschung bedarf es aus wissenschaftlicher Perspektive jedoch auch stets einer kritischen Betrachtung. So muss an dieser Stelle auch kritisch darauf verwiesen werden, dass die vorab skizzierten Konzepte und Theorien teilweise eine weitreichende theoretische und empirische Fundierung entbehren (Gerick, 2014; Schratz et al., 2016) und dabei häufig in den Schulkontext übernommen werden ohne ausreichende Prüfung ihrer »Transferfähigkeit und -würdigkeit« (Brauckmann, 2012, S. 235). So stellt beispielsweise auch Brauckmann (2012) fest, dass »trotz weitestgehender Annahmen darüber, wie Steuerungsregime das Handeln von Schulleitung beeinflussen bzw. verändern, [es schwer fällt] zwischen »Neuer Steuerung« und Handeln von Schulleitenden vor Ort einen direkten Bezug herzustellen« (S. 227; Anpassung durch die Autorin). Die Passung von Theorien und Konzepten anderer Bereiche, wie der Educational Governance oder Managementforschung, für die Forschung zu Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen erweist sich folglich als fragwürdig. Denn obgleich diverse Versuche unternommen wurden, internationale Ansätze wie die der Führungstheorien für das deutsche Schulsystem zu adaptieren, weisen empirische Ergebnisse auf ein Entwicklungspotential hinsichtlich der verwendeten theoretischen Referenzmodelle hin. So hinterfragt Klein (2017) auf Basis der Ergebnisse ihrer ländervergleichenden Studie zu Leadership-Strategien sowie Akteurskonstellationen und Handlungsspielräumen hinsichtlich pädagogischer und finanzieller Entscheidungen von Schulleitungen und Schulaufsichten kritisch, »inwiefern es nicht eigener, speziell auf die deutschen Rahmenbedingungen angepasster Leadership-Modelle bedarf« (S. 82). Auch stellen Harazd und Kolleg:innen (2011) heraus, dass trotz der hohen Relevanz von Schulleitung und der bisherigen theoretischen Auseinandersetzung, weder ein Führungskonzept noch eine Führungstheorie vorliegt, die den Aufgaben- und Anforderungsbereichen pädagogischer Führungskräfte gerecht wird (S. 101). Bonsen (2016) bemängelt in diesem Zusammenhang, dass sich weder »eine umfassende Theorie der Schulleitung ausmachen [lasse], noch liegen Forschungsergebnisse vor, die über die Ausleuchtung von Fragmenten der sozialen Realität von Schulleitungen hinauszugehen vermögen« (S. 319f.). Relevant ist nach Bonsen (2016) hierbei nicht von einer linearen Wirkung von Schulleitung auszugehen, sondern diese in ihrer Besonderheit und Historizität einer spezifischen Situation zu betrachten. »Erst wenn die Variable »Schulleitungshandeln« mit Inhalt gefüllt wird und verschiedene Handlungsalternativen theoretisch ableitbar verknüpft werden, kann es gelingen, Forschungsergebnisse mit einem höheren instruktiven Wert für Praktikerinnen und Praktiker zu generieren« (Bonsen, 2016, S. 319f.). Hierfür bedarf es jedoch auch theoretischer Zugänge, die nicht nur länder- und system-

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spezifische Bedingungen schulleiterischen Handelns berücksichtigen und die Rolle bzw. Wirksamkeit von Schulleitung betrachten, sondern auch das Handeln von Schulleitenden selbst konkret fokussieren. Denn so wie Schulleitung nicht losgelöst von dem Mehrebenensystem Schule, in welchem sie agiert, betrachtet werden kann, ist es gleichermaßen nicht möglich, Schulleitung von jenen Personen und ihrem schulleiterischen Handeln loszulösen, die dieses Amt bekleiden. Theoretische Ansätze, wie sie sich beispielsweise in der Professionstheorie finden lassen, spielen bislang jedoch – jenseits der skizzierten kompetenztheoretischen Überlegungen – nur eine randständige Rolle bei der Betrachtung von Schulleitenden. Auch erweisen sich die bislang gewählten method(olog)ischen Zugänge nur bedingt als geeignet, um das Handeln von Schulleitenden holistisch erfassen zu können. So stützt sich eine Vielzahl bisheriger Erkenntnisse auf Daten aus Fragebogen- resp. Interviewerhebungen und auf reine Selbstauskünfte. Folglich müssen die gewonnenen Ergebnisse stets vor dem Hintergrund möglicher Verzerrungen, bspw. durch soziale Erwünschtheit, Antworttendenzen, eingeschränktes Erinnerungsvermögen oder Interviewendeneffekte (siehe zu Forschungsmethoden und Limitationen z.B. Eid et al., 2015), und damit auch ihrer Grenzen diskutiert und interpretiert werden. So bilden Fragebogen und strukturierte Interviews auch vorgegebene Inhaltsbereiche ab, »zusätzliche und möglicherweise wichtige Informationen bleiben [den Forschenden] verschlossen« (Eid et al., 2015, S. 29; Anpassung durch die Autorin). Weiterhin bilden solche Daten immer nur jene Realität der Befragten ab, welche sie sich bewusst und bereit zu teilen sind. Unintendiertes, unbewusstes oder gegebenenfalls unreflektiertes Handeln ist im Rahmen solch methodischer Zugänge nur schwer zu erfassen. Es liegt daher nahe, dass eine umfassende Untersuchung von Schulleitung und dem Handeln von Schulleitenden neue resp. weniger traditionelle Methoden bedarf, die über Selbstberichtsdaten hinausgehen und damit umfangreichere Erkenntnisse versprechen lassen. Hierfür könnten sich Workplace-Studies (Knoblauch, 2000) anbieten, die eine solche Betrachtung von Schulleitendenhandeln in ihrem originären Arbeitsalltag ermöglichen resp. verfolgen würden. Jedoch stellen diese in der bisherigen Forschungslandschaft eher eine Ausnahme dar. Abschließend kann demnach festgehalten werden, dass die einschlägige Literatur unter der Perspektive von Digitalisierung auf einen erhöhten (internationalen) Bedarf an ganzheitlicher Forschung zu Schulleitenden, deren Berufsalltag und Handeln hinweist (z.B. Håkansson Lindqvist & Pettersson, 2019; Tulowitzki & Gerick, 2020; Uğur & Koç, 2019). Eine Untersuchung und inhaltliche Anreicherung von Schulleitendenhandeln, wie sie Bonsen (2016) fordert und wie sie für eine theoretische und empirische Auseinandersetzung mit Schulleitenden von hoher Relevanz wäre, steht damit mit Bezug zur Digitalisierung resp. dem Digitalen aus (Krein, 2023).

4. Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen

In den obigen Ausführungen zum theoretischen und empirischen Hintergrund wurden verschiedene Desiderate ersichtlich, auf deren Grundlage Schlussfolgerungen für die vorliegende Arbeit abgeleitet werden können. Diese werden folgend systematisch zusammengeführt: Schulleitende stellen zentrale Schlüsselfiguren für das Gelingen schulischer Transformationsprozesse dar (z.B. Cramer et al., 2021; Eickelmann, 2010; Gerick et al., 2016; Leithwood et al., 2020; Pietsch & Tulowitzki, 2017; Schiefner-Rohs, 2019; Tulowitzki & Gerick, 2020, 2022; Waffner, 2021; siehe auch Kapitel 2) und gelten auch im Kontext digitalisierungsbezogener Schulentwicklungsmaßnahmen als »Macht-, Prozess- und Fachpromotoren« (Eickelmann, 2010, S. 304; siehe auch Bonsen et al., 2002; Prasse, 2012). Neben ihrer maßgeblichen Rolle für die Entwicklung von Schule im Kontext von Digitalisierung, bleibt auch ihr eigener Alltag, ihre Aufgaben und Handlungen nicht unberührt von digitalisierungsbezogenen Transformationsprozessen. Dabei tangieren digitalisierungsbedingte Transformationsprozesse querschnittlich die verschiedenen Aufgabenbereiche von Schulleitenden (Schiefner-Rohs, 2019) und schaffen (neue) Handlungsbedingungen, -prozesse und -optionen (siehe Kapitel 2.3). Digitalisierung, verstanden als prozesshaftes Phänomen, eröffnet dabei (neue) Möglichkeitsräume und Potentiale für menschliche und folglich auch schulleiterische Handlungen, beschränkt diese aber bspw. durch notwendige Anpassungen an Strukturen auch (Brumme, 2020; siehe Kapitel 1). Als Produkt solcher digitalisierungsbedingter Transformationsprozesse kann das ›Digitale‹ als situative und dynamische Verschränkung von Technik und Sozialem verstanden werden, die zum entsprechenden Zeitpunkt vorgefunden wird (Brumme, 2020). Das ›Digitale‹ ist als gegenstandsübergreifende Struktur mit einer Vielzahl an Beschaffenheiten und Ausprägungen zu begreifen, die mit Bedingungen im Sinne situativer, dynamischer und kontextabhängiger Bestandteile (auch des Berufsalltags und Handelns von Schulleitenden) einhergehen. Diese Bedingungen zeigen sich in bestimmten Eigenschaften resp. Phänomenen, gleichzeitig werden sie durch das Handeln von Schulleitenden (mit-)gestaltet (Brumme, 2020; siehe Kapitel 1.1).

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Doch trotz der herausgestellten Bedeutung von Schulleitenden für schulische Entwicklungsprozesse (z.B. Schiefner-Rohs, 2019; Tulowitzki & Gerick, 2022) und den digitalisierungsbedingten Transformationsprozessen ihrer eigenen Tätigkeiten und Anforderungen (Huber, 2022; Schiefner-Rohs, 2019; Tulowitzki & Gerick, 2020) wurde ihr Alltag und Handeln theoretisch und empirisch bislang nur wenig betrachtet (Krein, 2023; Waffner, 2021). Zwar weist die bisherige forschungsseitige Auseinandersetzung im Themengebiet verschiedene Ansätze und inhaltliche Schwerpunkte auf, der Berufsalltag und das Handeln von Schulleitenden wurden jedoch bislang fragmentiert und unter Hinzunahme traditioneller theoretischer sowie methodischer Zugängen untersucht, die das konkrete Handeln von Schulleitenden (unter den Bedingungen des Digitalen) nur bedingt erfassen (können) (siehe Kapitel 3). Der Annahme folgend, dass sich das Digitale auch im Handeln von Schulleitenden zeigt und dieses auch durch das Digitale bedingt wird, erscheint eine Untersuchung von Schulleitendenhandeln unter dieser Perspektive jedoch höchst relevant. Unter Anbetracht der aktuellen Forschungslage lässt sich folglich ein Forschungsdesiderat konstatieren, welches auf einen erhöhten Bedarf an umfassender Forschung zu Schulleitenden, deren Berufsalltag und Handeln unter den Bedingungen des Digitalen hinweist (z.B. Håkansson Lindqvist & Pettersson, 2019; Tulowitzki & Gerick, 2020; siehe Kapitel 3.4). Auf Grundlage dieser Überlegungen adressiert die vorliegende Arbeit die hier skizzierten Desiderate, indem zunächst (1) eine Exploration des Digitalen und damit zusammenhängender Bedingungen im Berufsalltag von Schulleitenden erfolgt, bevor eine (2) fokussierte Betrachtung von Schulleitendenhandeln unter den zuvor explorierten Bedingungen des Digitalen vorgenommen wird. Die gewonnenen Erkenntnisse werden letztlich für professionstheoretische Überlegungen geöffnet und im Rahmen der Gesamtdiskussion diskutiert. Erkenntnisleitend ist hierbei die übergreifende Fragestellung: Wie gestaltet sich Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen? Dieser Fragestellung liegen weitere Teilfragestellungen auf verschiedenen Ebenen zugrunde, die zur Klärung der Forschungsfrage beitragen: Forschungsfrage 1: Wie zeigt sich das Digitale im Alltag von Schulleitenden und welche Bedingungen entstehen hierbei für das Handeln von Schulleitenden? Zunächst ist die Betrachtung des ›Digitalen‹ relevant, verbunden mit der Frage danach, wie und als was sich das ›Digitale‹ im Schulleitendenalltag zeigt, an welchen Stellen des Berufsalltags es besondere Relevanz erfährt und welche Implikationen dies für den Berufsalltag von Schulleitenden hat. Ziel ist eine empirische Annäherung an das Digitale im Schulleitendenalltag, um mögliche (neue) Bedingungen von Schulleitendenhandeln zu erörtern.

4. Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen

Forschungsfrage 2: Welche Facetten von Schulleitendenhandeln zeigen sich unter den spezifischen Bedingungen des Digitalen? Nachdem eine empirische Annäherung an das Digitale und damit zusammenhängende Bedingungen erfolgt ist, gilt es, das konkrete Schulleitendenhandeln zu untersuchen. Diese Teilfragestellung zielt demnach auf eine fokussierte Betrachtung des Handelns von Schulleitenden, verstanden als zielgerichtetes Tun, unter den spezifischen Bedingungen des Digitalen. Exploriert wird hierbei, welche Facetten von Schulleitendenhandeln sich mit Bezug zum Digitalen im Berufsalltag von Schulleitenden zeigen und wie sich das Schulleitendenhandeln hierbei konkret ausgestaltet. Die im Rahmen dieser Teilforschungsfragen gewonnenen Erkenntnisse sollen letztlich an professionstheoretischen Überlegungen rückgebunden werden und damit Implikationen für die Professionalisierung von Schulleitenden und die zukünftige Schulleitungsforschung bieten. Ziel der Arbeit ist folglich, anknüpfend an die obigen Ausführungen, eine empirisch fundierte Betrachtung von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen. Um diesem Ziel nachzukommen und die obigen Forschungsfragen zu beantworten, bedarf es einem differenzierten empirischen Vorgehen, dessen theoretische und methodologische Verortung nachfolgend vorgestellt werden.

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5. Theoretische und methodologische Verortung

Wie anhand der bisherigen Auführungen deutlich wurde, erscheint das Themengebiet Schulleitung und Digitalisierung forschungsseitig bislang vermehrt unter führungs-, governanceorientierter bzw- organisationstheoretischer sowie kompetenztheoretischer Perspektive betrachtet und dabei häufig unter Zuhilfenahme von Selbstberichtsdaten untersucht (Hostettler & Windlinger, 2020; siehe Kapitel 3.2 sowie Kapitel 3.3). Allerdings betrachten resp. erfassen ebendiese Forschungszugänge das Handeln von Schulleitenden nur bedingt. Aus diesem Grund wurde im Rahmen der vorliegenden Studie auf davon abweichende Theorien und methodologische Ansätze zurückgegriffen, die sich für die Fokussierung im Rahmen der Arbeit ertragreich darstellen. Diese werden nun als Gegenstand der folgenden Kapitel ausgeführt (für die theoretischen Ansätze siehe Kapitel 5.1; für die zugrundeliegenden methodologischen Zugänge Kapitel 5.2), bevor das Forschungsdesign der vorliegenden Studie vorgestellt wird (Kapitel 5.3).

5.1 Sensibilisierende Konzepte Der forschungstheoretischen wie -praktischen Bearbeitung der Fragestellungen liegen unterschiedliche theoretische Ansätze und Zugänge zugrunde, die im Sinne der Transparenz eigener Vorannahmen in der qualitativen Forschung einer Erläuterung bedürfen. Für die vorliegende Arbeit stellen sich vor allem die interaktionistische Professionstheorie in Anlehnung an Schütze (1992) sowie die erziehungswissenschaftliche Phänomenologie (z.B. Brinkmann, 2017; Brinkmann et al., 2015;) als relevant dar. Diese theoretischen Ansätze fungieren in Anlehnung an Blumer (1954) als sensibilisierende Konzepte, die als ›Linse‹ begriffen werden und durch ihre unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Prämissen einen Eigenwert für die vorliegende Arbeit aufweisen und den theoretischen Rahmen darstellen. Im Folgenden werden daher die zugrundeliegenden Prämissen und Kernaspekte dieser beiden theoretischen Ansätze vorgestellt, die für die Betrachtung von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen im Rahmen der vorliegenden Arbeit bedeutsam sind.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

5.1.1 Interaktionistische Professionstheorie Theoretische Ansätze, die Potenziale für die Betrachtung von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen auf mikrosoziologischer Ebene aufweisen, finden sich bei der interaktionistischen Professionstheorie (Schütze, 1992, 1996). In Abgrenzung zu traditionellen berufssoziologischen Professionsmodellen1 , zählt die interaktionistische Professionstheorie zu neueren professionstheoretischen Zugängen2 , »die auf die Rekonstruktion der Logik der professionellen Tätigkeit als einer [sic!] spezifischen und herausgehobenen Strukturvariante beruflichen Handelns ziel[en].« (Helsper et al., 2000, S. 6). Die interaktionistische Professionstheorie basiert auf den theoretisch-empirischen Professionsüberlegungen der Chicago-Soziologie und dem Symbolischen Interaktionismus und wurde maßgeblich durch Schütze geprägt (Schütze, 1992, 1996). Professionen werden hier als gesellschaftlich produziertes Phänomen verstanden, welches ein »seismographisches Spiegelbild der kulturellen, sozialen und technologischen Veränderung der Gesamtgesellschaft« (Schütze, 1996, S. 196) darstellt. Schütze (1996) beschreibt die Kernmerkmale von Professionen dabei bezugnehmend auf Vertreter:innen der interaktionistisch orientierten Soziologie folgendermaßen: Bei Professionen handelt es sich um einen »relativ abgegrenzte[n] Orientierungs- und Handlungsbereich« (Schütze, 1992, S. 135), im Rahmen dessen wissenschaftlich sowie praktisch ausgebildete Expert:innen Dienstleistungen für Personengruppen vollbringen (Schütze, 1992) und dabei »prekäre Zentralprobleme ausdifferenzierter Gesellschaften, die mit alltäglichen Handlungsmitteln nicht beherrschbar sind« (Schütze, 2000, S. 89), bearbeiten. Die Grundlage für die Erbringung von Dienstleistungen bildet dabei einerseits ein gesellschaftliches Mandat zur Bewältigung von bestimmten Problemen eines abgegrenzten Problembereichs durch die Verrichtung besonderer Leistungen und der Verwaltung übertragener gesellschaftlicher Werte (Schütze, 1992, 1996). Um diesem Auftrag nachkommen zu können, verfügen Professionen andererseits über eine von der Gesellschaft übertragene Lizenz, »als Ausdruck für die [implizite oder explizite] gesellschaftliche Erlaubnis, potentiell riskante Dienstleistungen unter Nutzung

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Beispielhaft seien hierfür der indikatorische Ansatz nach Pfadenhauer (2003), das AttributeModell nach Merten (2008) oder der Professionskriterienkatalog nach Hesse (1968) genannt, die spezifische Merkmale, wie z.B. eine akademische Ausbildung, eine Gemeinwohlorientierung und Organisation von Berufsverbänden, zur Bestimmung von Professionen in Abgrenzung zu herkömmlichen Berufen heranziehen. Hierzu zählen beispielsweise die strukturtheoretische Professionstheorie (Oevermann, 1996) oder die – in den letzten Jahren dominierenden – kompetenzorientierten Ansätzen (z.B. Baumert & Kunter, 2013).

5. Theoretische und methodologische Verortung

wissenschaftlichen Wissens zu verrichten« (Nittel & Seltrecht, 2008, S. 125; Ergänzung durch die Autorin). Das jeweilige Mandat und die jeweilige Lizenz sind dabei je Profession eigen, sodass diese die Grundlage einer moralischen Arbeitsteilung zwischen Professionen bilden (Schütze, 1992). Professionell Handelnde finden über spezielle Zugangsvoraussetzungen, wie bspw. eine akademische Ausbildung, und weitere Formen von Professionalisierung, Eingang in die beruflichen Rollenmuster einer Profession (Schütze, 1996). Hierbei können kollektive und individuelle Formen der Professionalisierung unterschieden werden. Kollektive Formen wurden dabei ursprünglich unter dem Begriff der Professionalisierung gefasst (Nittel & Seltrecht, 2008). Individuelle Formen hingegen bezeichnen an das konkrete Individuum gebundene Qualifizierungs-, Aneignungs-, Veränderungs- und Reifeprozesse, die »nicht zwingend an eine wissenschaftliche Ausbildung gebunden sein [müssen], aber dennoch zu einem Statuserwerb und zu einer pädagogischprofessionellen Praxis sowie zu einem diesbezüglichen Selbstbild führ[en]« (Nittel & Seltrecht, 2008, S. 124). Hierzu zählen beispielsweise autodidaktische Aneignungsprozesse (Nittel & Seltrecht, 2008). Weiterhin bilden Professionen eine sowohl ethische als auch wissenschaftlich fundierte höhersymbolische (Teil-)Sinnwelt aus, die für das berufliche Handeln orientierungsrelevant ist und einen anwendungsbezogenen Charakter aufweist (Schütze, 1992, 1996). Professionelle treffen, orientiert an ebendiesen Sinnwelten, Vorkehrungen für die Aushandlung von Arbeitskontrakten zwischen ihnen und den ihnen anvertrauten Personen und verfügen dabei über einen prinzipiellen Wissensvorsprung (Schütze, 1996, 2000). Sie wenden besondere Analyse- und Handlungsverfahren auf wissenschaftlicher Grundlage an, welche in die alltagsweltliche Lebenssphäre der ihnen anvertrauten Personen eingreifen (Schütze, 1992). Professionen sind zudem immer in »innerbetriebliche« (Schütze, 1996, S. 185) und gesellschaftliche Organisationsstrukturen eingefasst und verfügen dabei über besondere Interaktionsmodalitäten, unterliegen aber gleichermaßen auch den für sie typischen, allgemeinen Störpotenzialen und inhärenten Kernproblemen (Schütze, 1996). Die thematisch fokussierten Bündelungen dieser dem Handeln immanenten und unaufhebbaren Schwierigkeiten sowie dilemmatischen Anforderungen werden

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als Paradoxien3 des professionellen Handelns bezeichnet (u.a. Schütze, 1992, 2000, 2015)4 . In der Auseinandersetzung mit Professionen und professionellem Handeln gilt die interaktionistische Professionstheorie insbesondere für solche Paradoxien, Unsicherheiten sowie Ungewissheiten und die sich daraus ergebenden Herausforderungen des professionellen Handelns als sensibel. Dabei ist die interaktionistische Professionstheorie »zunehmend den konkreten Arbeitsabläufen innerhalb professioneller Handlungsbereiche zugewandt« (Schütze, 1996, S. 186, Herv. durch die Autorin). An Relevanz gewinnt damit (u.a.) das Handeln von Professionellen mit Blick auf Auswirkungen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse, welche sich durch Unwägbarkeiten, Riskanzen und Ungewissheiten kennzeichnen (Helsper et al., 2000). Schütze spricht in diesem Kontext von einer Konstellation an besonderen Rationalitäts-, Effektivitäts- und Sicherheitsanforderungen, welche in modernen Komplexgesellschaften an das professionelle Handeln gestellt werden (Schütze, 2000) und welche sich durch Modernisierungsproblematiken, paradoxale Anforderungen und Handlungserwartungen verschärfen (Schütze, 1996, 2000). Dies impliziert, dass »innerhalb der Profession permanente Anpassungsprozesse an gesellschaftlich ausgehandelte Rahmenbedingungen stattfinden« (Ophardt, 2006, S. 15), wobei diese stets in die symbolische Sinnwelt der Profession und damit in die grundlegende Werteorientierung und wissenschaftliche Fundierung des professionellen Handelns eingebettet sind (Schütze, 1992). Fokussiert werden in der interaktionistischen Tradition folglich Handlungsdimensionen und die darin eingewobenen konkreten Kernaktivitäten unter besonderer Berücksichtigung der empirischen Betrachtung fragiler Eigenschaften und paradoxer Strukturen im professionellen Handeln (Nittel, 2011; Schütze, 1992). Ausgangspunkt stellen daher nicht idealtypische Konstrukte professionellen Handelns dar, sondern vorfindbare Entwicklungen im Handeln (Helsper et al., 2000; Schütze, 1992). Im Fokus stehen somit weder die Abgrenzung von Beruf und Profession, noch normative Zugänge, sondern die empirische Erschließung professionellen Handelns und

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An dieser Stellte bedarf es den Begriff der Paradoxie von jenem der Antinomien abzugrenzen, da diese in der theoretischen Auseinandersetzung zuweilen synonym gebraucht werden. Schütze verweist in diesem Kontext darauf, dass Antinomien und Paradoxien oft gemeinsam in Problemkonstellationen auftreten (Schütze, 2015), es sich bei Paradoxien jedoch – einem interaktionistisch-soziologischen Verständnis folgend – um widerstreitende sachlogische Anforderungen des professionellen Handelns handelt, während Antinomien widerstreitende normative Anforderungen im Sinne systematischer, wertorientierter Imperative beschreiben (Schütze, 2015, S. 3f.). Schütze (2015) unterscheidet verschiedene zentrale Paradoxien, welche für Professionen in modernen Gesellschaften universal auftreten. Die diese im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch keine weitere Beachtung erfahren, sei anstelle einer Ausführung der Paradoxien nach Schütze auf dessen Arbeiten verwiesen (siehe hierzu bspw. Schütze, 1996, S. 208ff.).

5. Theoretische und methodologische Verortung

konkreter Arbeitssituationen (Schütze, 1992; Herv. durch die Autorin) und somit mikrosoziologische Fragestellungen (Ophardt, 2006). Dieser Logik folgend empfiehlt Schütze, eine »›verfremdende‹ ethnographische Perspektive [einzunehmen], [die] dem Anspruch nach eine[r] besondere[n] Sensibilität für das Verdeckte innewohnt« (Schütze, 1992, S. 134; Anpassungen durch die Autorin). Forschungsseitig soll weiterhin eine beschreibende und analysierende Betrachtungsweise, »die alle im untersuchten Interaktionsfeld vorgefundenen Geltungs- und Wahrheitsansprüche einklammert« (Schütze, 1992, S. 139) sowie die Haltung eines ethnographischen Fremdverstehens eingenommen werden (Schütze, 1992). Merkmale professionellen Handelns werden dabei nicht als evolutionsgeschichtliche Ergebnisse von Rationalisierungsprozessen begriffen, sondern müssen erst im Einzelnen empirisch festgestellt werden (Schütze, 1992). Relevanz für die vorliegende Arbeit: Für die vorliegende Arbeit weist dieser theoretische Zugang verschiedene Vorzüge auf. Zunächst ermöglicht eine Betrachtung von Schulleitung (und Schulleitenden) mit Rückgriff auf die interaktionistische Professionstheorie die Überwindung von Diskursen, im Rahmen derer Debatten um die Betrachtung von Schulleitung als Profession weiter andauern (siehe Kapitel 2.1). Eine Adaption resp. Nutzbarmachung der interaktionistischen Professionstheorie kann hierbei einen Beitrag zur Diskursweitung leisten: So wird in der einschlägigen Literatur darauf hingewiesen, dass auch Schulleitende von kulturellen, sozialen und technologischen Veränderungen der Gesamtgesellschaft tangiert werden, bspw. durch (neue) Anforderungen und Aufgaben oder Transformationen in ihrem Berufsalltag (Huber, 2013; Schiefner-Rohs, 2019; siehe Kapitel 2.2 sowie Kapitel 2.3). Schulleitungen können demnach, Schützes Metapher folgend, ebenfalls als »seismographisches Spiegelbild« (Schütze, 1996, S. 196) gesellschaftlicher Transformationsprozesse betrachtet werden. Weiterhin sind Schulleitungen durch ihre Schnittstellenfunktion (Kapitel 2.1) auch immer in schulinterne sowie schulexterne Organisationsstrukturen eingebunden. Hierbei verfügen Schulleitungen über das gesellschaftliche Mandat zur Führung und Entwicklung von Schule und besitzen einerseits qua Amt, andererseits durch die Übertragung von an Schule beteiligte Akteur:innen ebenfalls über eine entsprechende Lizenz, um entsprechende Aktivitäten und Handlungen auszuüben. Hierbei greifen sie auch maßgeblich in verschiedene Lebensbereiche schulischer Akteur:innen ein. In diesem Kontext vollbringen Schulleitende in einem abgegrenzten Orientierungs- und Handlungsbereich Dienstleistungen, bspw. in Form von Konfliktbearbeitung oder auch Berichtlegungen für verschiedene Akteur:innen der äußeren Schulangelegenheiten. Dies tun sie auf Basis ihrer wissenschaftlichen Ausbildung und praktischen Erfahrung als Lehrperson einerseits, andererseits unter Einbezug weiterer Formen individueller Professionalisierung. Da Schulleitende in Deutschland keine einheitliche Qualifizierung aufweisen, gewinnen individuelle

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Formen der Professionalisierung in der Auseinandersetzung umso mehr an Relevanz, die im Rahmen der interaktionistischen Professionstheorie eine Aufwertung erfahren. Professionalisierung zielt demnach auf das berufliche Handeln und »das individuelle Professionellwerden der Berufsinhaber bzw. auf die Herausbildung von Professionalität« (Nittel, 2011, S. 44). Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird Schulleitung in der vorliegenden Arbeit unter erweiterter Perspektive als Profession verstanden. Weiterhin schließt die Fokussierung auf das professionelle Handeln vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Wandlungsprozesse (Helsper et al., 2000) augenscheinlich an die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit an. So können auch mit Blick auf Schulleitung und das Handeln von Schulleitenden unter den Bedingungen des Digitalen Transformationsprozesse von Handlungsbedingungen, -prozesse und -optionen festgehalten werden, welche nach der interaktionistischen Professionstheorie der Annahme permanenter Anpassungsprozesse an gesellschaftliche Rahmenbedingungen von Professionen entsprechen (Ophardt, 2006). Dies hat auch Implikationen für das methodische Vorgehen im Rahmen der Arbeit: Im Kontext dieser Fokussierung gilt es, Handlungsdimensionen und die darin eingewobenen konkreten Kernaktivitäten empirisch zu betrachten (Nittel, 2011). Als Ziel gilt folglich die empirische Erschließung professionellen Handelns und konkreter Arbeitssituationen, für welche sich ethnographische Forschungszugänge empfehlen. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Schulleitendenhandeln (nicht nur) unter der Perspektive von Digitalisierung um ein noch wenig exploriertes Forschungsgebiet handelt, bietet sich weiterhin eine beschreibende und analysierende Betrachtungsweise, wie sie von Schütze (1992) vorgeschlagen wird, in besonderen Maße an. Das Einklammern von im Forschungsfeld vorgefundenen Geltungs- und Wahrheitsansprüchen sowie der eigenen Vorannahmen ermöglicht weiterhin eine möglichst offene Exploration des Forschungsfeldes. Durch den Rekurs auf das Verdeckte im Handeln zeigen sich weiterhin Anknüpfungspunkte an das Konzept des Digitalen als übergreifendes Logikgerüst der Digitalisierung, welches auch menschliches Handeln bedingt (siehe Kapitel 1). Eine Sensibilität für das Digitale als situatives, dynamisches Zusammenspiel von Technik und Sozialem (Brumme, 2020) im Zuge des methodischen Vorgehens bietet die Möglichkeit, Bedingungen des Digitalen, im Rahmen derer Schulleitende agieren und diese selbst gestalten, umfassend zu explorieren und konkretes Handeln unter diesen Bedingungen empirisch zu untersuchen.

5. Theoretische und methodologische Verortung

5.1.2 Phänomenologie Der zweite theoretische Zugang, welcher sich für die Bearbeitung der Fragestellungen als relevant darstellt, ist die Phänomenologie, welche auch in der Pädagogik eine über hundertjährige Tradition hat (Brinkmann, 2017; siehe auch Brinkmann et al., 2015). Anzumerken ist hierbei gleich zu Beginn, dass »grundsätzlich nicht von der Phänomenologie ausgegangen werden [kann]. Es gibt keinen kontinuierlichen, widerspruchsfreien Kanon der Phänomenologie« (Kosica, 2020, S. 22). Angesichts des bildungswissenschaftlichen Interesses der vorliegenden Arbeit wird im Folgenden insbesondere auf Ansätze der erziehungswissenschaftlichen Phänomenologie zurückgegriffen und ihre theoretischen Grundannahmen, welche für die Herleitung des phänomenologischen Zugangs der vorliegenden Arbeit richtungsweisend sind, dargelegt. Die Phänomenologie wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Edmund Husserl begründet und durch verschiedene Vertreter:innen der phänomenologischen Erziehungswissenschaft – mit jeweils eigener Akzentuierung – weiterentwickelt5 . Im Fokus steht das Phänomen der Erfahrung und die Bestimmung der Struktur, die ein Phänomen konstituiert (Brinkmann, 2015). Der Begriff des ›Phänomens‹ bezeichnet hierbei »etwas, das sich zeigt« (Brinkmann, 2017, S. 37), welches mit einem ›Erleben‹ oder ›Erfahren‹ eines Subjekts einhergeht. Es ist damit nicht als »Äquivalent im phänomenologischen Jargon zu ›Sache‹« (Herzog, 1992, S. 220) zu verstehen. Phänomene sind dabei als Erfahrungsformen und -möglichkeiten nicht rein als zielgerichtetes Handeln zu verstehen, sondern beschreiben gleichermaßen den Prozess des Erfahrens als auch das Ergebnis dessen. Erfahrung(en) – im Sinne von Erfahren – haben demnach eine Doppelstruktur inne und lassen sich nach Brinkmann (2011) als »ein produktives, sinnstiftendes Ineinander von Passivität und Aktivität gleichermaßen« (S. 68) fassen. Passivität ist hierbei nicht mit Rezeptivität gleichzusetzen, sondern bezieht sich »auf das Phänomen der Sinngebung, auf das also, was einem vom Anderen oder den Anderen zukommt und über das das Selbst nicht verfügt« (Brinkmann, 2015, S. 35). Passivität ist folglich mit Bezug auf die Sinngebung in Abgrenzung zur intentionalen Sinnbildung durch das aktive Selbst zu verstehen. Deutlich wird hierbei, dass das Selbst von etwas zum Handeln auf- und herausgefordert wird. Erfahrungen werden dabei stets selbst ge-, mit- bzw. geradezu durch-gemacht (Meyer-Drawe, 2008) und »in den Horizont bereits früherer Erfahrungen, in ein Vorwissen und Vorkönnen, eingebettet« (Brinkmann, 2015, S. 44). Nichtsdestotrotz

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Für einen historischen Überblick über die wichtigsten deutschsprachigen Vertreter:innen der phänomenologischen Erziehungswissenschaft und deren Arbeiten sei auf Brinkmann (2019) verwiesen.

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sind diese jedoch niemals rein individuell, da hierbei auf »die gemeinsame, intersubjektive Erfahrung zurückgegriffen wird, die wir alle haben, nämlich was es heißt, eine Erfahrung zu machen« (Kosica, 2020, S. 32). Diese Referenz der gemeinsamen Erfahrung ermöglicht es erst, Erfahrungen (mit-)teilen zu können. Zur Bestimmung von Phänomenen gilt folglich im Rahmen eines analytisch, phänomenologischen Zugangs als zentral, Erfahrungen im Vollzug »in ihren temporalen, korporalen, sensualen und mundanen Dimensionen zu bestimmen, qualitativ zu beschreiben« (Brinkmann, 2017, S. 17; siehe auch Brinkmann et al., 2015) und sie im Rahmen dieser Zuwendung zu erfassen. Die Bestimmung der Erfahrungsstruktur basiert hierbei auf der phänomenologischen Grundannahme, dass etwas ›als‹ etwas in einem jeweiligen Weltbezug erscheint resp. intendiert wird (Waldenfels, 2006). Eine Trennung von innen und außen oder von Subjekt und Objekt ist hierbei nachgeordnet bzw. überhaupt erst durch eine präreflexive Einheit eines intentionalen Erlebens und Verhaltens möglich. Merleau-Ponty folgend, kann in diesem Kontext anstelle eines Gegenübers von Subjekt und Objekt von »einer lateralen Verflechtung, einer obliquen Beziehung« (Meyer-Drawe, 2012, S. 23) von beidem gesprochen werden. Der Blick wird demnach auf die »gegenseitigen Konstitutionsbedingungen von Subjekt und Objekt, Mensch und Welt […], die durch die Art und Weise ihres Aufeinander-Bezogenseins je anders hervorgehen und je eigenen Sinn entstehen lassen« (Kosica, 2020, S. 15), gerichtet. Dieses hier beschriebene Vollzugsgeschehen, durch welchen Sinn mit konstituiert wird (Stenger, 2017), ist somit kennzeichnend für Erfahrung. Dabei sind Sachgehalt (was) und Zugangsart (wie) »unauflöslich miteinander verschränkt« (Waldenfeld, 1992, S. 19). Zentral ist aus phänomenologischer Perspektive hierbei, dass etwas stets als etwas unter einer bestimmten Perspektive erscheint, wodurch sich eine signifikante Differenz zwischen dem Was und dem Wie ergibt, die den Zusammenhang von Wirklichkeit und Sinn repräsentiert (Waldenfels, 2006). Alleinig durch die Sinngebung, konstituiert sich dieses demnach nicht. »Es wird [erst] zu etwas, indem es einen Sinn empfängt« (Waldenfels, 2006, S. 38; Herv.i.O.; Ergänzung durch die Autorin). Für die Bestimmung von solchen Konstitutionsbedingungen und Erfahrungsstrukturen hat sich in der (erziehungswissenschaftlichen) Phänomenologie eine eigene Methodologie entwickelt, die wissenschaftstheoretisch in der qualitativ orientierten sozial-/kulturwissenschaftlichen Forschung verortet werden kann (Brinkmann, 2017; Brinkmann et al., 2015). Die grundlegende Maxime bildet dabei Husserls Grundsatz »Zur Sache selbst« (Brinkmann, 2017, S. 17), der in der Phänomenologie eine doppelte thematische Operationalisierung erfahren hat: So ist zum einen »das, worüber gesprochen wird, nicht von dem zu trennen, wie darüber gesprochen wird« (Brinkmann, 2017, S. 34). Zum anderen wird eine skeptische Reflexion der »Differenz von Thema, Sache, Phänomen einerseits und Operation, Methode und ›Durchgang‹« (Brinkmann, 2017, S. 34) andererseits akzentuiert. Dies soll es ermöglichen, unwillkürliche

5. Theoretische und methodologische Verortung

Deutungen oder (Urteils-)Setzungen bei der Bestimmung und Beschreibung von Phänomenen an der Grenze zwischen Sichtbaren und Sagbaren zu vermeiden (Brinkmann, 2015). Deutlich werden hierbei einerseits Ansprüche, die eigenen »Vorurteile, Vormeinungen und Schemata im Wahrnehmen sowie die Bedingungen und Legitimationsstrategien einer besonderen Reflexion« (Brinkmann, 2015, S. 36) zu unterziehen. Andererseits gilt es der methodischen Herausforderung, dass »Sachgehalt und Zugangsart unauflöslich miteinander verschränkt« (Waldenfels, 1992, S. 19) sind, zu begegnen. Hierfür findet in der Phänomenologie der methodische Dreischritt der eidetischen Reduktion, beschreibenden Deskription und ideierende Variation Einsatz. Durch diese Form der phänomenologischen Analyse soll es möglich sein, sowohl die Perspektivität der Forschenden als auch die Horizonthaftigkeit des Phänomens methodisch zu kontrollieren und sich Phänomenen dabei tentativ annähern zu können (Brinkmann, 2015; Kosica, 2020). Hierbei liegt ein Methodenverständnis zugrunde, welches unter ›Methode‹ kein neutrales Werkzeug versteht, das auf vorgegebene Sachen anzuwenden ist, sondern buchstäblich einen Weg, der den Zugang zur Sache eröffnet (Kosica, 2020). Die einzelnen Schritte gestalten sich dabei folgendermaßen: (1) Die eidetische Reduktion setzt bei der Subjektivität der Forschenden an und zielt auf eine systematische Reflexion von deren subjektiven Erfahrungen (Brinkmann, 2015). Hierbei wird eine »genetische Analyse« (Brinkmann, 2015, S. 38) durchgeführt, welche subjektive Erfahrungen und Vorverständnisse, habitualisierte Selbstverständlichkeiten und wissenschaftliche Modellierungen aufdecken soll und jegliche intentionale Bewusstseinsakte fokussieren kann (Brinkmann, 2015). Ziel dieser dezidierten Reflexion ist hierbei nicht, »eine vermeintliche Neutralität herzustellen, sondern […] [e]in Wiedergewinnen dessen, was sich zeigt als was und wie es sich zeigt, diesseits aller Interpretationen, Deutungen und Theorien« (Brinkmann, 2015, S. 38f.). Die Ergebnisse dieses ersten Schrittes durchwirken die hieran anschließende beschreibende Deskription. (2) Kern der beschreibenden Deskription, welche verstanden werden kann »als Praxis des Sehenlassens [der] leibhaften Selbstgegebenheit« (Brinkmann, 2015, S. 39), bildet das Festhalten von Phänomenen, als was und wie dürftig sie sich auch zeigen, ohne dabei Deutungen zu bemühen. Ein hierfür in der erziehungswissenschaftlichen Phänomenologie verbreitetes Verfahren stellt die exemplarische Deskription dar (Brinkmann, 2011; siehe auch Kosica, 2020, S. 136ff.), die es ermöglicht, »im Zuge des Beispielgebens und Beispielverstehens […], Phänomene zu erfassen und zu beschreiben, ohne ihnen konstruktiv vorzugreifen« (Kosica, 2020, S. 136; Herv.i.O.). Hierzu findet eine Auswahl und Darbietung an Beispielen statt, welche durch die Deskription von Erfahrungen bei den Rezipierenden eigene »EvidenzErfahrungen« (Kosica, 2020, S. 137) evozieren. Damit dienen diese Beispiele gleichsam auch als Medium zur intersubjektiven Reflexion und dialogischen Klärung fungierender, unthematischer Strukturen. Damit die exemplarische Deskription

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als reflexives Verfahren, »in dem exemplarische Erfahrungsvollzüge aus bewusst gewählter Distanz retrospektiv expliziert und betrachtet, nachvollzogen und intersubjektiv validiert werden« (Kosica, 2020, S. 139), angewendet werden kann, braucht es eine besondere Form des Beispielgebens, um eine nachvollziehbare Erfahrung zu gewährleisten. Hierfür eignet sich eine möglichst genaue Beschreibung konkreter Erfahrungs- und Kommunikationsvollzüge, welche sowohl visuelle Aspekte als auch sprachlich und nonverbal Artikuliertes sowie Gefühle und Erregungen miteinbezieht (Kosica, 2020.). Dies soll es ermöglichen, »Erfahrenes, Durchlebtes, Wahrgenommenes, Atmosphärisches, Gespürtes, Mit-Gefühltes [zu beschreiben], ohne über es zu schreiben, Protokolliertes lediglich zusammenzufassen oder es als distanzierte Beobachtung zu abstrahieren« (Kosica, 2020, S. 140; Ergänzungen durch die Autorin). Dabei bewegen sich phänomenologische Beschreibungen in einem stetigen Spannungsfeld zwischen Präzision und Prägnanz und zeichnen sich durch einen »expressiven Schreibstil« (Kosica, 2020, S. 141) aus, der auf die Veranschaulichung des Phänomens zielt und die Rezipierenden durch eine lebendige Annäherung an das Phänomen affizieren soll. (3) Auf Grundlage solcher phänomenologischer (exemplarischer) Deskriptionen werden in einem nächsten Schritt die im Rahmen der eidetischen Reduktion reflektierten Deutungen, Interpretationen und Modellierungen als mögliche Perspektiven auf das sichtbare Phänomen wieder aufgenommen (Brinkmann, 2015). Im Rahmen der ideierende Variation werden diese, samt weiterer möglicher Hinsichten, Schemata und theoretischer Modelle, spielerisch imaginativ angewendet (Brinkmann, 2015). Ziel ist eine Pluralisierung von Sinn sowie die Bestimmung invarianter Merkmale, Typen und Schemata durch Vergleich auf »fiktionaler« Ebene (Brinkmann, 2015). Das erkenntnisgerichtete Vorgehen der Variation ist folglich nicht rein induktiv, sondern kann durch die »Überkreuzung von real Wahrgenommenem und fiktiv Variiertem, von empirisch Gegebenem und imaginativ Abstrahiertem« (Brinkmann, 2015, S. 40) als Abduktion beschrieben werden. Brinkmann spricht diesem phänomenologischen Methoden-Dreischritt daher einen produktiven Charakter zu, da sinnvolle Typen und Kategorien auf Grundlage von Reflexion abduktiv gewonnen und Sinn variierend eingelegt wird (Brinkmann, 2015). Dies ermöglicht es, »empirisch gehaltvolle Theorien mit begrenzter Reichweite« (Brinkmann, 2015, S. 41) zu generieren. Phänomenologische Untersuchungen sind demnach offen und auf weisend, statt beweisend und gelten gewissermaßen als stetig unabgeschlossen, da »jede Erkenntnis wieder in Frage gestellt werden kann« (Kosica, 2020, S. 130). Da sich Phänomene in unterschiedlichen Erscheinungsformen zeigen und im Wahrnehmen stets ein (Sinn-)Überschuss mitschwingt, kann auch der aus ihnen hervorgehende Sinn variieren, wonach die Rekonstruktion von Sinn nie als erschöpfender, abschließender oder ausdefinierender Akt gedacht werden kann (Rödel, 2019).

5. Theoretische und methodologische Verortung

Relevanz für die vorliegende Arbeit: Für die vorliegende Arbeit bietet eine erfahrungsorientierte Perspektive die Möglichkeit, sich von der Vorstellung des Digitalen als ›etwas‹ (›das digitale Endgerät‹) zu lösen und das Digitale als situatives Geschehen zu betrachten, das gleichermaßen ergreift, indem es Bedingungen schafft, wie durch Affordanzen auffordert und sich erst in der gemeinsamen Erfahrung und des gegenseitigen Bezugs mit Schulleitenden in deren Alltag konstituiert. Dies gestaltet sich vor dem Hintergrund des aktuell vorliegenden Forschungsdesiderats zum Verhältnis von Schulleitendenhandeln und Digitalisierung (siehe Kapitel 3.4) vielversprechend. Weiterhin weißt eine solche phänomenologische Sichtweise Anknüpfungspunkte an das Konzept des Digitalen nach Brumme (2020) auf. Durch die Auffassung einer obliquen Beziehung (Meyer-Drawe, 2012) zwischen dem Digitalen und Schulleitendenhandeln wird der Annahme des situativen, dynamischen Zusammenspiels und damit der Eröffnung von Möglichkeitsräumen, Potentialen sowie Beschränkungen des Schulleitendenhandelns durch das Digitale Rechnung getragen. So wird entsprechend der obsoleten Unterscheidung von nicht/vor-digital resp. analog und digital (Kapitel 1.1) auch aus phänomenologischer Perspektive eine Trennung von innen und außen, Subjekt und Objekt nachgeordnet. Stattdessen wird eine Betrachtung des Aufeinander-Bezogenseins und der gegenseitigen Konstitutionsbedingungen im Vollzugsgeschehen fokussiert, welche mit Rekurs auf die leitenden Forschungsfragen der Arbeit Aufschlüsse darüber bieten können, wie und als was sich das Digitale im Schulleitendenalltag zeigt. Weiterhin ermöglicht dies, Bedingungen, welche hierdurch für Schulleitende in deren Berufsalltag geschaffen werden, und solche, die sie selbst gestalten, zu explorieren. Das hier angesprochene »Sich-Zeigen« verweist weiterhin auf ein erkenntnisgenerierendes Verfahren, welches methodische Implikationen für die vorliegende Arbeit bietet. Es gilt demnach, das Digitale als Übergreifendes, das »sich in bestimmten Eigenschaften und Phänomenen äußert« (Brumme, 2020, S. 72f.), im Handlungsfeld von Schulleitung im Vollzug zu erfassen und »in ihren temporalen, korporalen, sunsualen und mundanen Dimensionen zu bestimmen, qualitativ zu beschreiben« (Brinkmann, 2017, S. 17). Hierbei gilt es, Offenheit zu wahren und sich diesen tentativ anzunähern, wobei sich der phänomenologische Dreischritt der eidetischen Reduktion, beschreibenden Deskription und ideierende Variation (Brinkmann, 2015) in besonderem Maße eignet. Damit ermöglicht es die Phänomenologie als method(olog)ischer Bezugsrahmen, Erkenntnisse darüber zu erhalten, wie und als was sich das Digitale im Schulleitendenalltag zeigt und wie sich Schulleitendenhandeln hierbei ausgestaltet.

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5.2 Method(olog)ische Verortung Ziel der Arbeit ist, anknüpfend an die obigen Ausführungen, eine empirisch fundierte Betrachtung von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen. Ausgehend von den dargelegten sensibilisierenden Konzepten und bisherigen theoretischen und empirischen Erkenntnissen zum Forschungsfeld, wird ein ethnographisch-phänomenologischer Zugang gewählt, welcher die Exploration von digitalisierungsbezogenen Bedingungen für das Handeln von Schulleitenden sowie das konkrete Handeln unter Perspektive dieser Bedingungen selbst ermöglicht. Die Arbeit ist folglich im Bereich der Schulpädagogik, insbesondere der Professionsforschung, sowie der Schulleitungsforschung zu verorten und weist durch den gewählten Forschungsrahmen Schnittstellen zur Medienpädagogik auf. Im Fokus steht die Exploration von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen, um diese für professionstheoretische Überlegungen zu öffnen. Mit Fokus auf unterschiedliche Handlungsdimensionen – und demnach auf eine mikrosoziologische Ebene von Schulleitendenhandeln (Nittel, 2011) – wird der übergeordneten, erkenntnisleitenden Frage nachgegangen, wie sich Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen (aus-)gestaltet. Damit widmet sich die vorliegende Arbeit einem bislang vernachlässigten Bereich der Schulleitungs- wie auch Professionsforschung. Weiterhin stärkt die gewählte Kombination aus einem Interviewverfahren und einem ethnographischen Forschungsansatz ein bislang nur wenig praktiziertes empirisches Vorgehen (siehe Kapitel 3.4; Krein, 2023), das Limitationen der sonst etablierten Forschungszugänge, vor allem der schriftlichen bzw. mündlichen Befragungen in der digitalisierungsbezogenen Schulleitungsforschung, zu überwinden vermag. Durch die Beobachtung von Schulleitenden und deren Handeln in ihrem originären Arbeitsalltag lässt sich die Arbeit weiterhin im Bereich der Workplace-Studies (Knoblauch, 2000) ansiedeln. Workplace-Studies können dabei »als ethnographische, naturalistische Untersuchungen von Arbeitsvorgängen bezeichnet werden« (Knoblauch & Heath, 1999, S. 164), die sich »durch die Verwendung »naturalistischer« (durch die Forschenden möglichst unverstellter) Methoden der Untersuchung »›realweltlicher‹ Vorgänge aus[zeichnen]« (Knoblauch, 2000, S. 167). Zudem weist das Vorgehen – im Vergleich zu klassischen, der Ethnologie entstammenden ethnographischen Studien – verschiedene Anknüpfungspunkte an die fokussierte Ethnographie auf (Knoblauch & Vollmer, 2022): So wurde sowohl ein kleines Untersuchungsfeld, welches der Forschenden zumindest in Ansätzen bekannt ist, als auch ein verkürzter Feldaufenthalt von wenigen Wochen, anstatt mehreren Jahren, gewählt (siehe zum Forschungsdesign Kapitel 5.3; für Ausführungen zur forschungspraktischen Umsetzung im Rahmen der zweiten Teilstudie Kapitel 7.1.2). Weiterhin erfolgt eine Fokussierung des Forschungsinteresses auf einen ausgewählten Aspekt. Die Verortung der Arbeit und der Forschenden hat durch die zugrundeliegenden An-

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nahmen Auswirkungen auf das methodische Vorgehen. Daher wird im Folgenden das Forschungsdesign der Arbeit vorgestellt, welches der Bearbeitung der in Kapitel 4 gestellten Forschungsfragen dient.

5.3 Forschungsdesign Ausgehend von dem Erkenntnisinteresse und explorativen Charakter der Fragestellungen (siehe Kapitel 4) dieser Arbeit wurde ein empirisch-qualitatives Forschungsdesign gewählt, in dessen Rahmen – in Anlehnung an die methodischen Implikationen der sensibilisierenden Konzepte (Kapitel 5.1) – ein ethnographischer Forschungszugang unter zuvorderst deskriptiv-explorativer Herangehensweise verfolgt wird: Fokussiert wird die Beschreibung von Schulleitendenhandeln in situ und in actu unter den Bedingungen des Digitalen, d.h. wie und als was sich letztere im Alltag von Schulleitenden zeigt und wie sich dabei die gegenseitigen Konstitutionsbedingungen im Vollzugsgeschehen und das Handeln von Schulleitenden ausgestalten. Weiterhin werden vorgefundene Geltungs- und Wahrheitsansprüche sowie eigene Vorannahmen einer dezidierten, ständigen Reflexion unterzogen, um eine Exploration des Forschungsfeldes zu ermöglichen. Der Rückgriff auf die in den ersten beiden Kapiteln herausgearbeiteten Spezifika des Digitalen und Schulleitung(shandeln) ermöglicht dabei die im Kontext dieser Arbeit notwendige Fokussierung. Das empirische Vorgehen der Gesamtarbeit ist in mehreren Phasen ausgestaltet und weist ein multimethodisches Vorgehen auf (Abbildung 1). Zu Beginn des Forschungsvorhabens erfolgte zunächst eine intensive Auseinandersetzung mit dem theoretischen und empirischen Forschungsstand. Hierbei wurde im Rahmen eines systematischen Reviews internationale Literatur zum Forschungsfeld rezipiert und systematisiert. Das systematische Review, verstanden als »a review of existing research using explicit, accountable rigorous research methods« (Newman & Gough, 2020, S. 4), erfolgte dabei in Anlehnung an Newman & Gough (2020) sowie unter Einbezug der Standards der Preferred Reporting Items for Systematic Review and Meta-Analysis Protocols (PRISMA-P) nach Moher et al. (2015). Bei der Aufbereitung der rezipierten Literatur wurde weiterhin ein narrativinterpretativer Ansatz (Popay et al., 2006; Snilstveit et al., 2012) verfolgt, dem Ziel folgend, bisherige Forschungsschwerpunkte und -perspektiven im Themengebiet zu erfassen (für eine detaillierte Ausführung des methodischen Vorgehens sei verwiesen auf Krein, 2023, S. 4–6). Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden einerseits in Teilen in Kapitel 3 integriert sowie andererseits in Form einer englischsprachigen Publikation aufbereitet (siehe Krein, 2023). In diesem Kontext wurden auch eigene Vorannahmen erfasst und reflektiert.

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Abbildung 1: Forschungsdesign des Promotionsvorhabens

An diese erste Phase schlossen zwei qualitative Teilstudien an, welche im Sinne einer »methodologischen Triangulation« (Flick, 2016, S. 519f.) miteinander verknüpft wurden: Im Rahmen der ersten Teilstudie erfolgte im Frühjahr 2020 die Durchführung explorativer Expert:inneninterviews (Meuser & Nagel, 2009; Pfadenhauer, 2009), welche mittels inhaltlich-strukturierender qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2018) ausgewertet wurden. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse dienten einer Annäherung an und Orientierung im Forschungsfeld, indem sie erste Einblicke in den Alltag von Schulleitenden unter den Bedingungen des Digitalen boten. Weiterhin wurden sie genutzt, um das weitere Vorgehen im Rahmen der zweiten Teilstudie vorzubereiten und zu planen. Im Rahmen der zweiten Teilstudie, welche im Frühjahr 2021 umgesetzt wurde, wurde eine explorative, vergleichende Fallstudie6 (Yin, 2018) realisiert, welche das Einholen vielfältiger und tiefgreifender Informationen ermöglicht (Lamnek, 6

Ähnlich dem Begriff des Forschungsgegenstandes verhält sich auch der des ›Falls‹ für die vorliegende Arbeit ambivalent. Zwar handelt es sich dabei einerseits um eine etablierte Begrifflichkeit (neben vielen anderen wie der Medizin und Juristik auch) in der erziehungswissenschaftlichen Forschung, andererseits kann dieser kritisch entgegengehalten werden, dass »[d]as jeweils gemeinte Subjekt auf diese Weise von vornherein determiniert von den Diskursen [ist], die es diagnostizieren, klassifizieren und ausgrenzen, und kann dem kaum noch einen eigenständigen Ausdruck entgegensetzen« (Pethes, 2012, S. 223). Hiermit wird eine »Hierarchisierung, die in Fallgeschichten zwischen beobachtendem Wissenschaftler und beobachteten Individuum herrscht, und die vor allem über sprachliche Codes reguliert wird« (Pethes, 2012, S. 224) impliziert, welche zu einer ebensolchen inhaltlichen Dissonanz im Rahmen dieser Arbeit führen würde, auf welche bereits im Kontext des Forschungs-›gegenstandes‹ Bezug genommen wurde. Der Begriff des Falles sei daher an dieser Stelle nur einmalig

5. Theoretische und methodologische Verortung

2010). Für diese zweite Teilstudie wurde ein ethnographischer Forschungszugang gewählt, im Zuge dessen zwei Schulleitende über jeweils drei Wochen hinweg in ihrem Berufsalltag begleitet wurden, um Schulleitendenhandeln unter digitalisierungsbezogenen Bedingungen im Vollzug zu erfassen (siehe für nähere Ausführungen Kapitel 7.1). Die hierbei erhobenen Daten wurden anschließend zunächst für beide Schulleitungen einzeln und anschließend Schulleitungs-übergreifend mittels phänomenologischen Dreischritts (Brinkmann, 2015) analysiert (zur Ausführung von Within-Case-Analysis und Cross-Case-Analysis siehe Borchardt & Göthlich, 2007, S. 48). Im Zuge der Triangulation der verwendeten empirischen Zugänge konnten umfangreiche Erkenntnisse über das Handeln von Schulleitenden und damit zusammenhängende digitalisierungsbezogene Bedingungen gewonnen werden. So konnten die im Rahmen der ersten Teilstudie gewonnenen Selbstauskünfte der Schulleitenden durch die Beobachtungen und weitere erhobene Daten der zweiten Teilstudie erweitert werden. Im Anschluss an die Datenerhebung und -auswertung wurden die gewonnenen Ergebnisse mit Rekurs auf den dargelegten theoretischen und empirischen Forschungsstand sowie die der Arbeit zugrunde gelegten sensibilisierenden Konzepte diskutiert sowie Implikationen für die Professionalisierung von Schulleitenden und zukünftige Forschung in diesem Themenfeld abgeleitet. Die nachfolgenden Kapitel beschreiben, der Logik des Forschungsprozesses folgend, jeweils das methodische Vorgehen der einzelnen Phasen des Forschungsprozesses sowie die dabei gewonnenen Erkenntnisse. Hierbei werden die einzelnen empirischen Forschungsschritte separat abgefasst, beginnend mit den Ausführungen zur ersten Teilstudie (Kapitel 6). Dabei wird zunächst auf ›Expert:inneninterviews‹ als gewähltes methodisches Vorgehen und die forschungspraktische Umsetzung eingegangen (Kapitel 6.1), bevor die hierauf folgende Analyse der Daten beschrieben (Kapitel 6.2) sowie eine Zusammenschau der gewonnenen Ergebnisse dargeboten (Kapitel 6.3) wird. Das Kapitel schließt mit einem Zwischenfazit und Implikationen für die zweite Teilstudie (Kapitel 6.4). Im hieran anschließenden Kapitel folgt die Erläuterung der Ausführung der zweiten Teilstudie der Arbeit (Kapitel 7). Auch hier wird zunächst das methodische Vorgehen beschrieben, indem ›Shadowing‹ als gewählte Form des ethnographischen Forschungszugangs expliziert und samt forschungspraktischer Umsetzung erläutert wird (Kapitel 7.1.1), bevor dezidiert auf den hierbei gewonnenen umfangreichen Datenkorpus eingegangen wird (Kapitel 7.1.2). Die Auswertung der Daten mittels phänomenologischen Dreischritts (Brinkmann, 2015) ist Gegenstand von Kapitel 7.2. In Kapitel 8 folgt die Darstellung der Ergebnisse der zweiten Teilstudie, verwendet, um eine Verortung des Forschungsvorgehen in bisherige method(olog)ische Diskurse zu ermöglichen, soll fortwährend jedoch keinen Gebrauch finden.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

indem zunächst die begleiteten Schulleitenden vorgestellt werden (Kapitel 8.1) und anschließend das Schulleitendenhandeln entlang verschiedener Phänomenfacetten des Digitalen und denen sich hierbei herausstellenden Bedingungen erörtert wird (Kapitel 8.2). Die Diskussion der gewonnenen Erkenntnisse und des methodischen Vorgehens schließt in Kapitel 9 an, bevor Implikationen für die zukünftige Forschung sowie Professionalisierung von Schulleitenden hiervon ausgehend formuliert und diskutiert werden. Bevor jedoch die Explikation des methodischen Vorgehens sowie der gewonnenen Ergebnisse erfolgen kann, muss abschließend darauf verwiesen werden, dass die Planung und Durchführung der hier beschriebenen Forschungsarbeit maßgeblich durch den Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 geprägt waren. Da die im Zeitraum der Forschung bestehende pandemische Lage Auswirkungen nicht nur auf die vorliegende Studie, sondern auch auf Gesellschaft und damit auch Schule und Schulleitende hatte, soll nachfolgend ein kursorischer Überblick über die Entwicklungen im schulischen Bereich in Deutschland seit Ausbruch der Pandemie bis zum Beenden der Feldphase geboten werden. Diese gilt es auch bei der Rezeption der Studienergebnisse mitzuführen und werden daher auch im Rahmen der Gesamtdiskussion der Arbeit berücksichtigt. Entwicklungen im Zuge der Covid-19-Pandemie: Bei Covid-19, umgangssprachlich Corona genannt, handelt es sich um Atemwegserkrankungen, welche durch das SARS-CoV-2 Virus ausgelöst werden und sich zu Beginn des Jahres 2020 rasant über Ländergrenzen und Kontinente hinweg ausbreiteten7 . Im Zuge dieser Pandemie waren auch Schulen durch diverse Entwicklungen und politische Vorgaben maßgeblich betroffen: So verfügten die Länder erstmalig im März 2020 über landesweite Schulschließungen8 , welche zunächst sieben Wochen andauerten und eine plötzlich notwendig gewordene Umstellung von Unterricht und Schulorganisation in

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Um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu übersteigen, kann an dieser Stelle lediglich kursorisch auf Beschlüsse von Bund und Ländern und damit einhergehende Folgen im Schulbereich für Deutschland eingegangen werden. Für eine detaillierte Chronologie der Entwicklungen im Schulbereich von Januar 2020 bis September 2021 sei verwiesen auf die Arbeiten von Fickermann und Edelstein (2020; 2021) sowie Fickermann und Kolleg:innen (2021). Eine Chronik über Entwicklungen und Maßnahmen des Bundes seit Beginn der Pandemie kann eingesehen werden unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/ch ronik-coronavirus.html. Während die Schulen in Hamburg durch die dortigen Frühjahrsferien bereits seit dem 02.03.2020 geschlossen waren, zogen am 16.03.2020 Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein nach; nur einen Tag später auch Baden-Württemberg und Thüringen. Letztlich schlossen am 18.03.2020 auch die Schulen in Berlin und Brandenburg (Fickermann & Edelstein, 2020, S. 10f.).

5. Theoretische und methodologische Verortung

digitale Formate erforderten (Fickermann & Edelstein, 2020, 2021). Ab dem 04. Mai 2020 erfolgte eine schrittweise Wiederaufnahme des schulischen Präsenzbetriebs, welcher zunächst prioritär für Schüler:innen der Abschlussklassen und qualifikationsrelevanten Jahrgänge der allgemeinbildenden (Primar- sowie Sekundarbereich) und berufsbildenden Schulen vorgesehen war (Fickermann & Edelstein, 2020). Hierfür galt die Berücksichtigung besonderer Hygiene- und Schutzmaßnahmen im Zuge derer einerseits Schulleitende dazu angehalten wurden, Hygienepläne für ihre Schulen vorzulegen, andererseits Schulträger aufgerufen wurden, »die hygienischen Voraussetzungen vor Ort zu schaffen und dauerhaft sicherzustellen« (Fickermann & Edelstein, 2020, S. 11 mit Rekurs auf die Pressemitteilung 124 der Bundesregierung vom 15. April 2020). Eine besondere Relevanz (nicht nur) der bildungspolitischen Debatte erhielt im Zusammenhang der plötzlichen Umstellung des Unterrichts die Digitalisierung (in) der Schule. So sollte »[d]ie Digitalisierung des Lehrens und Lernens […] weiter vorangetrieben und die für den Distanzunterricht benötigten, verlässlichen und rechtlich sicheren Kommunikationsinstrumente und Lernplattformen weiter ausgebaut werden« (Fickermann & Edelstein, 2021, S. 8). Weiterhin sollte auch die Anschaffung von Werkzeugen zur Erstellung digitaler Inhalte sowie die Bereitstellung mobiler Endgeräte für Schüler:innen, die IT-Administration und Lehrpersonen gefördert werden. Zu diesem Zweck wurde auch der DigitalPakt Schule um insgesamt drei Zusatzvereinbarungen über je 500 Millionen Euro aufgestockt (BMBF, 2020a, 2020b, 2021). Betontes Ziel der Kultusminister:innenkonferenz (KMK) war zu diesem Zeitpunkt das Bestreben, spätestens nach den Sommerferien 2020 einen regulären Schulbetrieb für alle Schüler:innen zu gewährleisten, bei dem das Recht auf Bildung mit dem Gesundheitsschutz in Einklang gebracht wird (KMK, 2020a). Hierfür verabschiedete die KMK einen Rahmen für Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen, welcher zum 01. September 2020 nochmals modifiziert wurde (KMK, 2020b). Als im November 2020 im Zuge des »Lockdown light« verschiedene befristete Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung eingeführt wurden, verblieben die Schulen zunächst offen, gleichwohl weitere Maßnahmen zur Verstärkung der Infektionsabwehr in Schulen durch die KMK beschlossen wurden (KMK, 2020c, S. 2f.). Zum 16. Dezember 2020 wurden die Schulen erneut geschlossen, zunächst vorgesehen bis zum 10. Januar 2021, letztlich wurde der Präsenzbetrieb bis zum 07. März 2021 ausgesetzt (Fickermann & Edelstein, 2021). Eine sukzessive Wiederaufnahme des Präsenzbetriebs erfolgte schließlich ab dem 07. März 2021 auf der Grundlage eines dreischrittigen Stufenplans der KMK. Dieser Stufenplan sah zunächst (1) die Rückkehr der Schüler:innen der ersten bis sechsten Jahrgangsstufe in den Präsenzunterricht vor, bevor (2) durch eine Halbierung der Klassengrößen ergänzend Hybridunterricht für Schüler:innen der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen ab der siebten Jahrgangsstufe angeboten werden sollte. Zuletzt (3) sollte der Präsenzunterricht wieder für alle Schüler:innen aller Jahrgänge aufgenommen

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

werden (KMK, 2021b). Die Wiederaufnahme des Präsenzbetriebs ging mit einer Vielzahl von Maßnahmen im Zuge des Infektionsschutzes einher, welche auch dadurch bedingt waren, dass »[u]nstrittig war, dass Deutschland mitten in der dritten Welle der Pandemie steckte« (Fickermann et al., 2021, S. 11). Zu diesen Maßnahmen zählte neben den Bestrebungen eines frühstmöglichen Impfangebots für Beschäftigte an Schulen, die Durchführung wöchentlicher Selbsttests an Schulen, das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen sowie verschiedene weitere Maßnahmen zur Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregelungen (Fickermann et al., 2021). Durch diese dynamischen Entwicklungen, vor allem zu Beginn der pandemischen Lage, ergab sich eine neuartige Situation, auch für Schulen und Schulleitende, so dass anfänglich keine empirisch gesicherten Erkenntnisse bezüglich Schulleitendenhandeln und den der Situation geschuldeten obligatorischen, fortlaufenden digitalisierungsbezogenen Transformationsprozessen vorhanden waren. Dies wurde bei der Planung und Durchführung der vorliegenden Studie berücksichtigt, sodass zunächst eine empirische Annäherung an das Forschungsfeld geschaffen wurde.

6. Triangulation ǀ Teil I

Im Rahmen des empirischen Vorgehens der Arbeit wurde im Frühjahr 2020 eine erste qualitative Teilstudie durchgeführt (siehe Abbildung 1). Hierfür wurden Expert:inneninterviews mit Schulleitenden zur Exploration ihres (zum Zeitpunkt der Studie neuartigen) Berufsalltages geführt. Ziel war es, erste Einblicke in den Berufsalltag von Schulleitenden zu erhalten und die Bedeutung des Digitalen in diesem Kontext zu eruieren. Weiterhin sollten die Interviews im Hinblick auf professionstheoretische Implikationen Aufschlüsse über mögliche digitalisierungsbezogene Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe von Schulleitenden bieten. Um eine Exploration bzw. Annäherung an das Forschungsfeld zu schaffen, wurden die folgenden übergeordneten Fragestellungen im Rahmen dieser ersten Teilstudie formuliert: 1. Wie gestaltet sich der Berufsalltag von Schulleitenden unmittelbar nach den pandemiebedingten Schulschließungen? 2. Welche Rolle nimmt hierbei das Digitale ein? 3. Welchen Herausforderungen sehen sich Schulleitende gegenüber und welche Unterstützungsangebote wünschen sie sich?

Für eine detaillierte Ausführung des methodischen Vorgehens wird im folgenden Kapitel zunächst das Expert:inneninterview als Erhebungsmethode sowie die forschungspraktische Umsetzung im Rahmen der ersten Teilstudie erläutert (Kapitel 6.1). Hieran schließen Erläuterungen zur Auswertungsmethodik an (Kapitel 6.2), bevor die gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassend vorgestellt und diskutiert werden (Kapitel 6.3). Abschließend werden Schlussfolgerungen für die zweite Teilstudie und das weitere Vorgehen der Arbeit formuliert (Kapitel 6.4).

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

6.1 Expert:inneninterviews: Einführung und Ausgestaltung Um einen ersten Einblick in das Forschungsfeld zu erhalten, wurden explorative Expert:inneninterviews (Bogner et al., 2014; Meuser & Nagel, 2009) mit Schulleitenden durchgeführt. Bei Expert:inneninterviews handelt es sich um eine verbreitete Methode der qualitativen Sozialforschung, die sowohl forschungspraktisch als auch methodologisch gewendet zunehmend an Bedeutung erfährt (Bogner et al., 2014; Meuser & Nagel, 2009). Expert:inneninterviews fokussieren qua Bezeichnung Expert:innen, was ein Spezifikum dieser Interviewmethode darstellt (Bogner et al., 2014). Als Expert:innen werden hierbei nicht nur abstrakte Funktionsinhaber:innen bestimmter Herrschaftsstrukturen betrachtet, sondern »konkrete soziale Akteure mit spezifischen Handlungs- und Professionslogiken« (Bogner et al., 2014, S. 4). In methodologischen Diskursen zeigen sich in diesem Kontext zwei Aspekte als relevant: zum einen spezifische Formen von Wissen, über das Expert:innen in und über ihr soziales Handlungsfeld verfügen; zum anderen eine aus der Praxiswirksamkeit des Wissens resultierende Macht dieser Akteur:innen (Bogner et al., 2014; Meuser & Nagel, 2009). Bezüglich des verfügbaren Expert:innenwissens, welches auch aus Forschungsperspektive hoch relevant ist, wird in der einschlägigen Literatur auf verschiedene Unterscheidungen zurückgegriffen (siehe beispielhaft Kaiser, 2014; Meuser & Nagel, 2009). Bogner und Kolleg:innen haben eine Vielzahl dieser Unterscheidungen aufgegriffen und basierend auf diesen eine Trennung von Technischem Wissen, Prozesswissen sowie Deutungswissen vorgeschlagen (Bogner et al., 2014, S. 17–19). Technisches Wissen umfasst hierbei Daten sowie faktische Informationen, die Expert:innen aufgrund ihrer Position in ihrem sozialen Handlungsfeld vorliegen, in der Regel jedoch auch anderweitig zugänglich sind (Bogner et al., 2014). Bei Prozesswissen handelt es sich um spezifisches Erfahrungswissen über »Handlungsabläufe, Interaktionen, organisationale Konstellationen, Ereignisse usw., in die die Befragten involviert sind oder waren« (Bogner et al., 2014, S. 18). Diese Wissensform ist durch eine Personen- sowie Standortgebundenheit gekennzeichnet und somit – anders als das technische Wissen – nur durch involvierte Personen zu erlangen. Gleichermaßen ist auch das Deutungswissen an Personen resp. deren subjektive Träger:innen gebunden. Diese letzte Art des Expert:innenwissens umfasst normative Dispositionen sowie »subjektive Relevanzen, Sichtweisen, Interpretationen, Deutungen, Sinnentwürfe und Erklärungsmuster« (Bogner et al., 2014, S. 19) der adressierten Expert:innen. Dabei wird das Deutungswissen nicht nur als Form der subjektiven Perspektive der Expert:innen verstanden, sondern bezieht sich gleichermaßen auf überindividuelle, kollektiv getragene Perspektiven (Bogner et al., 2014; siehe auch Meuser & Nagel, 2009). Unabhängig von der Form ist dieses Wissen in höchstem Maße praxiswirksam, indem es Orientierungen schaffen und konkrete Handlungsfelder sinnhaft struk-

6. Triangulation ǀ Teil I

turieren kann und somit für weitere Akteur:innen handlungsleitend wird (Bogner et al., 2014; Meuser & Nagel, 2009). Expert:innen wird hierdurch eine Machtkomponente zuteil, die sich in der Möglichkeit manifestiert, »in der Praxis in einem bestimmten organisationalen Funktionskontext hegemonial zu werden und so die Handlungsbedingungen anderer Akteure […] in relevanter Weise mitzustrukturieren« (Meuser & Nagel, 2009, S. 467). Daher können Expert:innen in Anlehnung an Bogner und Kolleg:innen (2014) als »Personifikation einer charakteristischen MachtWissen-Konfiguration« (S. 14) angesehen werden. Die Befragung solcher Expert:innen kann einerseits zur Informationsgewinnung (Gläser & Laudel, 2010) genutzt werden, andererseits auch »die Rekonstruktion subjektiver Deutungen und Interpretationen« (Bogner et al., 2014, S. 2) fokussieren. Diese Form qualitativer Interviews kann sowohl zu explorativen, als auch felderschließenden bzw. unterstützenden Zwecken eingesetzt werden (Bogner et al., 2014; Meuser & Nagel, 2009). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden explorative Expert:inneninterviews eingesetzt, um erste Einblicke in den Berufsalltag von Schulleitenden und ihr Handeln unter den Bedingungen des Digitalen zu erhalten. Das Ziel solch explorativer Expert:inneninterviews liegt in »einer ersten Orientierung im Feld, in einer Schärfung des wissenschaftlichen Problembewusstseins und in der Hypothesengenerierung« (Bogner et al., 2014, S. 23). Folglich sollen keine Informationslücken geschlossen werden, sondern eine allgemeine Sondierung im Feld vorgenommen werden, bei welcher die Vergleichbarkeit, Vollständigkeit sowie Standardisierbarkeit der Daten nur hintergründig relevant sind (Bogner et al., 2014). Die Durchführung von Expert:inneninterviews bietet im Zuge des deskriptiv-explorativen Forschungszugangs der vorliegenden Arbeit folglich eine erste Annäherung an das professionelle Handeln und konkrete Arbeitssituationen von Schulleitenden unter den Bedingungen des Digitalen, wie es in der theoretischen und methodologischen Grundlegung (siehe Kapitel 5) forciert wurde. Die adressierten Expert:innen können hierbei nicht nur Teil des Handlungsfeldes sein, welches im Forschungsinteresse steht, sondern auch selbst das zentrale Forschungsinteresse darstellen (Bogner et al., 2014). Das Expert:inneninterview als Methode eignet sich somit in besonderem Maße für die vorliegende Arbeit, da Schulleitende selbst als Expert:innen sowohl über Prozess- als auch Deutungswissen und somit das erforderliche Spezialwissen bezüglich ihres Berufsalltags und Handelns unter den Bedingungen des Digitalen verfügen. Die Befragung ermöglicht es damit, wertvolle Einblicke in ihren Alltag hinsichtlich des Digitalen zu gewinnen. Die forschungspraktische Ausgestaltung der Expert:inneninterviews im Rahmen der ersten Teilstudie soll im folgenden Abschnitt näher erläutert werden, bevor das inhaltsanalytische Auswertungsverfahren vorgestellt wird.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

6.1.1 Forschungspraktische Umsetzung Empfehlungen für die Durchführung solcher Expert:inneninterviews variieren von einer offenen Durchführung (Bogner et al., 2014), bis – mit Rekurs auf seine methodologische Verortung und Nähe zu anderen qualitativen Interviews – zu einer leitfadengestützte Realisierung (Blöbaum et al., 2016). Für die vorliegende Teilstudie wurde ein halb-strukturiertes, leitfadengestütztes Verfahren gewählt (Bogner et al., 2014; Döring & Bortz, 2016), welches in der Handhabung maximale Offenheit und Flexibilität ermöglicht (in Anlehnung an Meuser & Nagel, 2009, S. 472). Demnach wurden die Expert:inneninterviews leitfadengestützt geführt (Blöbaum et al., 2016), wonach ein gewisses Maß an Interviewstruktur gegeben war, welches aber Anpassungen an die individuelle Interviewsituation zuließ (Döring & Bortz, 2016). Als Expert:innen wurden Schulleitende selbst gewählt, da diese als zentrales Forschungsinteresse der vorliegenden Studie über das notwendige Wissen zu ihrem Berufsalltag und Handeln verfügen. Weiterhin tragen Schulleitende als Promotor:innen in und für Schule(ntwicklung) (siehe Kapitel 2) maßgeblich zur Strukturierung von Schule und damit auch zu den Handlungsbedingungen von an Schule Beteiligten bei, wonach ihnen auch eine praxiswirksame Macht zukommt. Schulleitungsmitglieder können demnach – den theoretischen Ausführungen vorab folgend – als Expert:innen angesehen werden und damit wichtige Erkenntnisse für die Exploration des Themenfeldes bieten. Die Umsetzung der Expert:inneninterviews erstreckte sich über vier Phasen hinweg (siehe Abbildung 2):

Abbildung 2: Forschungspraktische Umsetzung der Expert:inneninterviews

6. Triangulation ǀ Teil I

Zunächst erfolgte eine umfangreiche Vorbereitung (Phase I) der Interviews, indem zuerst Informationsmaterialien und Einverständniserklärungen erstellt wurden, bevor ein theoriebasierter Interviewleitfaden entwickelt wurde, der in Anlehnung an Meuser und Nagel (2009, S. 472–473) einerseits der Strukturierung des Forschungsfeldes diente sowie im Späteren eine unterstützende Funktion im Rahmen der Gesprächsführung erfüllte (siehe auch Bogner et al., 2014). Inhaltlich fokussierte der Leitfaden die aktuelle pandemische Situation von Schule und Schulleitung, den Berufsalltag von Schulleitenden unter den Bedingungen des Digitalen sowie Unterstützungsbedarfe von Schulleitenden und deren Wünsche hinsichtlich Unterstützungs- resp. Professionalisierungsangeboten. Da nicht davon ausgegangen werden konnte, dass die begriffliche Unterscheidung von Digitalisierung und dem Digitalen (siehe Kapitel 1), zum Zeitpunkt der Studie in der schulischen Praxis etabliert bzw. bekannt war, wurde im Rahmen der Leitfadenentwicklung auf den Begriff der Digitalisierung zurückgegriffen, um eine möglichst hohe Anschlussfähigkeit an das Untersuchungsfeld und den Sprachduktus von Schulleitenden zu schaffen. Für die Erstellung des Leitfadens wurden die der Teilstudie zugrundeliegenden explorativen Fragestellungen zunächst konzeptionell und anschließend unter Hinzunahme des theoretischen Bezugsrahmens instrumentell operationalisiert (Kaiser, 2014). Die hierbei formulierten Interviewfragen wurden zu einem Interviewleitfaden zusammengefasst. Abschließend wurden die verwendeten und intendierten Fragentypen (vorwiegend erzählungsgenerierende Fragen, Stellungnahmen und Bewertungsfragen sowie Sondierungsfragen; Bogner et al., 2014, S. 62–66; Kaiser, 2014, S. 63–68) systematisch geprüft und falls nötig angepasst. Hierbei wurde dafür Sorge getragen, dass die entwickelten Leitfragen Raum für die gebotene Offenheit in (Expert:innen-)Interviews und eine flexible Handhabung des Leitfadens zulassen (Kaiser, 2014; Meuser & Nagel, 2009). Der entwickelte Leitfaden (siehe Anhang) umfasste neben einem einführenden Erzählstimulus zum aktuellen Schul- und Berufsalltag der Schulleitenden Fragen zu den Themenbereichen: (1) Digitalisierung im Berufsalltag von Schulleitenden, (2) Verständnis von & Einstellung gegenüber Digitalisierung (3) Unterstützungs- und Fortbildungsbedarfe der Schulleitenden bezüglich Digitalisierung, (4) Schulentwicklung(sbedarfe) sowie (5) Generierung und Nutzung von Daten durch Schulleitende1 .

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Das Themengebiet »Generierung und Nutzung von Daten« wurde aufgrund einer Kooperation mit dem BMBF-geförderten Forschungsprojekt »All is data – Die (gem)einsame Suche nach Erkenntnis in einer digitalisierten Datenwelt« (Förderkennzeichen: 01JD1903; für nähere Informationen siehe: https://all-is-data.de) aufgenommen. Da die Generierung und Nutzung von Daten durch Schulleitende ein eigenes, umfassendes Forschungsgebiet darstellt, welches den Rahmen der vorliegenden Arbeit übersteigen würde, und die Ergebnisse dieser Leitfragen keinen weiteren Einzug in die vorliegende Arbeit gefunden haben, sondern ausschließlich zu Projektzwecken verwendet wurden, wurde davon abgesehen, die Ergeb-

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

Dieser Leitfaden wurde anschließend einem Pretest unterzogen. Dieser diente der Überprüfung des Leitfadens hinsichtlich seiner strukturellen Nachvollziehbarkeit und der Eindeutigkeit sowie Verständlichkeit der einzelnen Fragen und sollte Aufschluss über mögliche inhaltliche Auslassungen geben, welche im Rahmen der Operationalisierung nicht erschlossen wurden, sich aber für die Zielgruppe als relevant darstellen (Schnell et al., 2018). Da es sich empfiehlt, potenzielle Expert:innen für eine solche Prüfung zu konsultieren (Schnell et al., 2018), wurde der Pretest mit einem Schulleitenden eines Gymnasiums aus einem anderen Bundesland durchgeführt, welcher folglich nicht zum Kreis der Interviewpartner:innen der Studie zählte, aber aufgrund der Merkmale der Zielgruppe entsprach. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden zur Modifizierung des Interviewleitfadens herangezogen, nicht jedoch in der Analyse und Auswertung der Daten berücksichtigt. Die Auswertung des Pretests ergab, dass die entwickelten Leitfragen eindeutig und verständlich waren und den Anforderungen eines Expert:inneninterviews gerecht wurden. Lediglich bezogen auf das Verständnis von Digitalisierung wurde der Wunsch geäußert, dies explizit und möglichst zu Beginn des Interviews zu erfragen, da die Antworten auf folgende Leitfragen in hoher Abhängigkeit hierzu stünden und somit eine Beantwortung nachvollziehbarer wäre. In der zweiten Phase erfolgte die Rekrutierung von Expert:innen. Hierfür wurde einerseits auf bestehende Kontakte zurückgegriffen sowie Schulleitende kontaktiert, deren Schulen bereits durch eine Kooperation in einem anderen Kontext mit der Universtität der Forschenden zusammenarbeiteten. In diesem Zuge wurden zehn Schulleitende im Raum Südwest-Pfalz via E-Mail kontaktiert; dabei wurde das Forschungsprojekt in Kürze skizziert und eine Gesprächsbereitschaft erfragt. Bei dreien dieser zehn Schulleitenden blieb eine Rückmeldung aus; von den übrigen sieben Schulleitenden konnte innerhalb weniger Tage eine positive Rückmeldung eingeholt werden. Die Schulleitenden erhielten daraufhin detaillierte Informationsschreiben zur Studie, der geplanten Erhebung sowie Hinweise zum Datenschutz und wurden, falls gewünscht, zusätzlich persönlich aufgeklärt. Im Anschluss an die Aufklärung der Schulleitenden und das Einholen der Einverständniserklärungen erfolgte in der dritten Phase die Durchführung der Expert:inneninterviews in einem Zweischritt: Da das Handeln von Schulleitenden wesentlich in den gesamtschulischen Kontext und die dortigen Rahmenbedingungen eingebunden bzw. davon determiniert wird (Kapitel 2), wurden alle Expert:innen im Vorfeld der Interviewdurchführung zunächst darum gebeten, einen ergänzende Kurzfragebogen zu schulischen Hintergrundinformationen (Standort, Größe, Schulträger, digitalisierungsbezogenes

nisse des Themengebiets im Folgenden zu integrieren. Diese werden im Rahmen des oben genannten Forschungsprojektes aufbereitet und publiziert.

6. Triangulation ǀ Teil I

Schulentwicklungskonzept, technische Ausstattung und Stellenwert von Digitalisierung in der Schule) sowie soziodemographischen Angaben der Schulleitenden selbst und ihrer bisherigen Teilnahme an Fortbildungen im Bereich Digitalisierung auszufüllen. Die hierbei erfolgte Abfrage diente einerseits der Erfassung des technischen Wissens der Schulleitenden, wodurch andererseits ebenfalls sichergestellt werden konnte, dass die im Rahmen der Interviewdurchführung verfügbare Zeit für Fragenkomplexe aufgewendet werden konnte, die zuvorderst das Praxissowie Deutungswissen der Schulleitenden fokussierten. Weiterhin sollte dies die Exploration individueller schulischer Rahmenbedingungen ermöglichen. Die Auswertung der ergänzenden Fragebogen erfolgte mittels deskriptiver Analysen. Die Ergebnisse der Fragebogen dienten zuvorderst der Vorbereitung der Expert:inneninterviews sowie der Kontextualisierung der Ergebnisse und wurden für die Stichprobenbeschreibung herangezogen. In einem zweiten Schritt erfolgte die eigentliche Durchführung der Expert:inneninterviews. Interviewt wurden im Mai und Juni 2020 insgesamt sieben Schulleitende (n = 1 weiblich) allgemeinbildender Schulen der Sekundarstufe II (Gymnasium: n = 4, Gymnasium mit Realschule-Plus: n = 1, Berufsbildende Schule: n = 1, Integrierte Gesamtschule: n = 1) in der Südwest-Pfalz, die über vier bis 25 Jahre Berufserfahrung in der Schulleitung (M = 10,28 Jahre) verfügten. Alle Expert:innen gaben an, dass sie bereits Fortbildungen im Bereich Digitalisierung besucht haben. Inhaltlich bezogen sich diese unter anderem auf die Erstellung von Medien- und Schulentwicklungskonzepten, unterschiedliche Software sowie den Umgang mit konkreten digitalen Endgeräten und Apps. Bei den Schulen der befragten Expert:innen handelte es sich um überwiegend öffentliche Schulen (n = 6), bei deren Standorten es sich bei vier der Schulen um eine Stadt (100.000 bis 1.000.000 Einwohner:innen) handelt, bei den übrigen dreien um eine Ortschaft (3.000 bis 15.000 Einwohner:innen). Hinsichtlich der Schulgröße ergab sich bei fünf der Schulen ein überwiegend homogenes Bild, beliefen sich die Anzahl der Schüler:innen zum Zeitpunkt der Erhebung sowie die der Lehrpersonen auf ein ähnliches Maß (im Durchschnitt 78 Lehrpersonen und ca. 960 Schüler:innen). Lediglich eine Schule verfügte zum Zeitpunkt der Erhebung über 3.000 Schüler:innen und 123 Lehrpersonen, was anhand der Schulart (Berufsbildende Schule) und den damit einhergehenden diversen Fachrichtungen zu erklären ist. Die geringste Anzahl wies eine Schule aus dem ländlichen Raum mit 660 Schüler:innen und 61 Lehrpersonen auf. Sechs der sieben Schulen verfügten zum Zeitpunkt der Erhebung über ein Medienkonzept bzw. ein digitalisierungsbezogenes Schulentwicklungskonzept. Hinsichtlich des zugewiesenen Stellenwerts von Digitalisierung innerhalb der Einzelschulen zeigten sich zwei Antwortverhalten: Drei der sieben Schulleitenden bewerteten den Stellenwert im mittleren Bereich, die anderen vier Schulleitenden stimmten der Aussage, dass Digitalisierung einen hohen Stellenwert einnehme, voll und ganz zu.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

Zwei Interviews fanden in Form von Einzelgesprächen in den Büros der jeweiligen Schulleitenden direkt in den jeweiligen Schulen statt. Aufgrund von Kontaktbeschränkungen und damit verbundenen Schulschließungen infolge der Coronapandemie wurden die restlichen Interviews per Videotelefonie mittels Cisco Webex bzw. Jitsji (n = 2) oder Telefonanruf (n = 3) durchgeführt. Die Dauer der Interviews variierte zwischen 30 und 74 Minuten, wobei diese durchschnittlich etwa 45 Minuten lang waren. Direkt im Anschluss an die Interviews wurden im Sinne eines Postskriptums Interviewnotizen angefertigt, in denen die Rahmenbedingungen und eventuelle Besonderheiten der Gespräche festgehalten wurden. Die Interviews wurden (unabhängig ihres Formates) rein auditiv aufgezeichnet (Bogner et al., 2014) und anschließend mit Hilfe der Software MAXQDA (Version 20.2.2) manuell transkribiert. In der vierten Phase (Datenaufbereitung) wurden die Interviewdaten sukzessive für die anschließende Analyse aufbereitet. Hierfür wurden in Anlehnung an Fuß und Karbach (2019) Transkriptionsregeln für die Sprachglättung und den Sprachklang, Pausen, Wortabbrüche, Lautäußerungen sowie Verschleifungen und nicht-sprachliche Ereignisse, Interaktionen, Auslassungen und Unsicherheiten sowie die Zeichensetzung formuliert. Diese Transkriptionsregeln wurden mit einem entsprechenden Zeicheninventar versehen und während der Aufbereitung der Interviewtranskriptionen streng eingehalten. Eine detaillierte Übersicht der Transkriptionsregeln kann ebenfalls dem Anhang entnommen werden. Weiterhin wurden die Transkripte hinsichtlich personen- resp. schulbezogener Daten, die Rückschlüsse auf konkrete Personen oder Schulen erlauben, geprüft und an entsprechenden Stellen anonymisiert. Um eine Zuordnung der ergänzenden Fragebogen und durchgeführten Expert:inneninterviews zu ermöglichen, wurden den einzelnen Schulleitenden im Sinne einer Pseudonymisierung Codes, bestehend aus Nummern- und Buchstaben, zugeordnet, um eine Verwendung ihrer Namen und anderer Identifikationsmerkmale zu vermeiden. Auch hierüber wurden die Schulleitenden im Rahmen des Informationsschreibens sowie der Einverständniserklärung informiert und um Zustimmung gebeten. Die so aufbereiteten Interviewtranskripte (N = 7) bilden die Datengrundlage der nachfolgenden inhaltsanalytischen Analyse.

6.2 Inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse Da das Erkenntnisinteresse bei den durchgeführten Expert:inneninterviews eine Explorations- und Informationsgewinnung fokussiert (Bogner et al., 2014), wurde mit der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) ein inhaltsanalytisches Auswertungsverfahren gewählt, welches eine themenzentrierte Analyse fokussiert (Kuckartz, 2018; Stamann et al., 2016). Hierbei

6. Triangulation ǀ Teil I

wird der Passung des Kategoriensystems an das Datenmaterial ein besonderer Stellenwert beigemessen, anstelle einer Theoriegeleitetheit des Kategoriensystems, wie dies bspw. bei Mayring (2010) der Fall ist (Schreier, 2014). Bei der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren, das an die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2020)2 angelehnt ist, welche »eine Form der Auswertung [darstellt], in welcher Textverstehen und Textinterpretation eine wesentlich größere Rolle spielen als in der klassischen, sich auf den manifesten Inhalt beschränkenden, Inhaltsanalyse« (Kuckartz, 2018, S. 26f; Ergänzung durch die Autorin). Im Mittelpunkt der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse stehen die Identifizierung, Konzeptualisierung und systematische Beschreibung ausgewählter inhaltliche Aspekte anhand von Haupt3 - und Subkategorien sowie deren Systematisierung und Analysen von wechselseitigen Relationen (Kuckartz, 2018; Schreier, 2014). Das Vorgehen schließt damit an das von Meuser und Nagel (2009) postulierte Auswertungsvorgehen von Expert:inneninterviews an, welches an »thematischen Einheiten, an inhaltlich zusammengehörigen, über die Texte verstreuten Passagen – nicht an der Sequenzialität von Äußerungen je Interview« (S. 476) orientiert sein soll. Ausgehend von den Forschungsfragen können hinsichtlich des Vorgehens dieser Form der Inhaltsanalyse sieben Phasen unterschieden werden. Im Folgenden werden diese Phasen anhand der Umsetzung im Rahmen der vorliegenden Arbeit eingeführt und näher erläutert. Dies soll eine möglichst transparente Darstellung des analytischen Vorgehens im Zuge der ersten Teilstudie schaffen.

6.2.1 Ablauf der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse Bei der ersten Phase handelt es sich um die Phase der Initiierenden Textarbeit, Markieren wichtiger Textstellen und Schreiben von Memos (Kuckartz, 2018). Hierbei wurden im Sinne einer initiierenden Textarbeit sowohl Literatur zum Themengebiet als auch die vorliegenden Interviewtranskripte sorgfältig gesichtet sowie relevante Textstellen markiert und in Form von Memos, verstanden als »die von den Forschenden während des Analyseprozesses festgehaltenen Gedanken, Ideen, Vermutungen und 2

3

Für Ausführungen zur historischen Entstehung der qualitativen Inhaltsanalyse in Abgrenzung zur vorab dominierten quantitativen Inhaltsanalyse sei an dieser Stelle auf Mayring (2020) sowie Kuckartz (2018) verwiesen. Im Rahmen der Arbeit wird der Begriff »Hauptkategorie« anstatt des ebenso gebräuchlichen Begriffs »Oberkategorie« verwendet. Dies begründet sich in der Anzahl der Ebenen des hierarchischen Kategoriensystems der Studie (siehe nachfolgende Ausführungen), wonach der Begriff »Oberkategorie« nicht mehr eindeutig wäre. Die Vorsilbe »Haupt-« soll demnach keine Gewichtung hinsichtlich der Relevanz der Kategorien vornehmen, sondern lediglich jene Kategorien der obersten Ebene ausweisen (Kuckartz, 2018).

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

Hypothesen« (Kuckartz, 2018, S. 58), festgehalten. Verfolgt wurde dabei eine hermeneutisch-interpretativ geprägte Herangehensweise mit dem Ziel, »zunächst ein erstes Gesamtverständnis für den jeweiligen Text auf der Basis der Forschungsfrage(n) zu entwickeln« (Kuckartz, 2018, S. 56). Hieran schloss mit der Entwicklung thematischer Hauptkategorien (Kuckartz, 2018, S. 101f.) die zweite Phase der Analyse an. Da im Rahmen der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse eine inhaltliche Strukturierung der Daten auf Grundlage von Haupt- und Subkategorien erzeugt wird (Stamann et al., 2016), gilt es zunächst, thematische Hauptkategorien zu definieren. Kategorien stellen dabei jene Ergebnisse von Klassifizierungen von Einheiten dar, welche »einen gewissen »Reifegrad« erreicht ha[ben] und nicht lediglich vorläufig [sind]« (Kuckartz, 2018, S. 37; Ergänzungen durch die Autorin). Bestimmt werden Kategorien dabei durch ihre Definitionen, welche eine Inhaltsbeschreibung, Anwendungsregeln sowie Beispiele (z.B. Zitate) umfassen (Kuckartz, 2018). Kategorien können sowohl a-priori resp. deduktiv als auch induktiv gebildet werden (siehe auch Schreier, 2014; Stamann et al., 2016), wobei für erstere in der methodischen Auseinandersetzung gemeinhin der Anspruch vorherrscht »disjunkt und erschöpfend« (Diekmann, 2007, S. 589)4 zu sein. Im Rahmen der vorliegenden Studie erfolgte in einem ersten Schritt eine Kategorienbildung a-priori, indem thematische Hauptkategorien aus der Fragestellung und dem Interviewleitfaden extrahiert und um eine Kategorienbildung auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes und des theoretischen Bezugsrahmens (siehe Kapitel 1 und Kapitel 2) ergänzt wurden. Gebildet wurden dabei die Hauptkategorien Schulentwicklungsbedarfe, Berufsalltag von Schulleitenden sowie Professionalisierungsbedarfe. Der Empfehlung folgend, die gebildeten Hauptkategorien anhand von einzelnen Materialauszügen auf ihre Praktikabilität zu testen (Kuckartz, 2018), wurden diese in einem zweiten Schritt an zwei Interviewtranskripten geprüft. Die a-priori gebildeten Hauptkategorien wurden hierbei bestätigt und durch zwei weitere induktiv gebildete Hauptkategorien, Gesamtsystemische Aspekte sowie Schulprofil ergänzt (für eine Explikation der Hauptkategorien siehe folgende Ausführungen). Im Rahmen der dritten Phase erfolgte ein erster Codierprozess (Kuckartz, 2018, S. 102) des gesamten Materials anhand der thematischen Hauptkategorien. Hierbei

4

Entgegen des vielverbreitenden Missverständnisses ist mit der Forderung einer disjunkten Kategorienbildung nicht intendiert, dass Kategorien sich wechselseitig ausschließen und Textsegmente damit ausschließlich einer Kategorie zugewiesen werden können. Verwiesen wird mit dem Begriff ›disjunkt‹ stattdessen auf die Trennschärfe von Kategorien. Eine Auflösung dieses Missverständnisses zeichnet sich vor allem für thematische Analysen relevant, da hierbei davon ausgegangen werden kann, dass Textsegmente mehrere Themen zum Inhalt haben können (siehe hierzu Kuckartz, 2018, S. 103).

6. Triangulation ǀ Teil I

wurde das Material den einzelnen Hauptkategorien zugeordnet, wobei auch Mehrfachcodierungen von Textsegmenten vorgenommen wurden, wenn innerhalb von Abschnitten mehrere Themen angesprochen wurden. Die anschließenden beiden Phasen 4 und 5 fokussieren die Zusammenstellung des codierten Materials und die induktive Bestimmung von Subkategorien (Kuckartz, 2018, S. 106). Kern dieser Phasen stellt somit die Ausdifferenzierung der thematischen Hauptkategorien dar, für welche zunächst alle codierten Textsegmente einer Hauptkategorie zusammengestellt und systematisiert werden. Daran anschließend sollen relevante Dimensionen identifiziert und zu Subkategorien abstrahiert werden, welche wiederrum ausdifferenziert werden können (Kuckartz, 2018; siehe auch Schreier, 2014). Die gebildeten Subkategorien wurden unter Einbezug des theoretischen Bezugsrahmens der Arbeit ausdifferenziert resp. ergänzt (für die Hauptkategorie Schulentwicklungsbedarfe: Eickelmann & Gerick, 2018; siehe Kapitel 1.2; für die Hauptkategorie Berufsalltag von Schulleitenden: Schiefner-Rohs, 2019; siehe Kapitel 2.3) für Professionalisierungsbedarfe: Lipowsky & Rzejak, 2017). Abschließend wurden die finalen Subkategorien gemeinsam mit den Hauptkategorien in einem Kategoriensystem abgebildet und näher definiert. Im Rahmen dieser Teilstudie wurde ein hierarchisches Kategoriensystem gewählt, welches die Gesamtheit der gebildeten Kategorien auf verschiedenen überund untergeordneten Ebenen sowie deren Relationen abbildet (Kuckartz, 2018; Stamann et al., 2016). Dieses Kategoriensystem umfasst dabei Kategorien, welche mit Blick auf den Mehrebenencharakter von Schule den verschiedenen Ebenen des Systems, der Makro-, Meso- und Mikroebene (Blömeke et al., 2007; Fend, 2006), zuordnen lassen. Da eine Einordnung der Kategorien auf ebendiese Ebenen des Schulsystems es einerseits ermöglicht, entsprechende inhaltliche Adressierungen abzubilden, andererseits auch zur Übersichtlichkeit des Kategoriensystems beitragen und als Hilfestellung bei der Auswertung der Daten fungieren kann, wurde eine entsprechende Strukturierung vorgenommen. Das Kategoriensystem umfasst folglich auf Makroebene die Hauptkategorie Gesamtsystemische Aspekte, auf Mesoebene die Hauptkategorien Schulprofil sowie Schulentwicklungsbedarfe und auf Mikroebene die Hauptkategorien Berufsalltag von Schulleitenden sowie Professionalisierungsbedarfe. Auf Grundlage dieser Hauptkategorien wurden insgesamt 17 Subkategorien erster Ebene und 24 Subkategorien zweiter Ebene gebildet. Für jede Kategorie wurden eine inhaltliche Beschreibung, Anwendungsregeln sowie Beispiele für Anwendungen formuliert (zu den Bestandteilen einer Kategoriendefinition siehe Kuckartz, 2018, S. 40; Stamann et al., 2016, Absatz 3.2.1). Das hierbei entstandene Kategoriensystem wurde gemeinsam mit den Codierungsregeln und -hinweisen zu einem Kategorienleitfaden zusammengefasst, welcher die Basis für das weitere analytische Vorgehen darstellt. Der vollständige Kategorienleitfaden ist dem Anhang zu entnehmen.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

Tabelle 1: Auszug des Kategoriensystems mit Haupt- und Subkategorien der ersten Ebene

MESOEBENE

MAKROEBENE

Hauptkategorien

Subkategorien 1. Ebene

00 Gesamtsystemische Aspekte

(34)a,b

01 Schulprofil

(279)

02 Schulentwicklungsbedarfe

03 Berufsalltag von Schulleitenden MIKROEBENE

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SK1.1. Prozessgestaltung während und nach den pandemiebedingten Schulschließungen

(162)

SK 1.2. Stärken der Einzelschule bzgl. Digitalisierung

(43)

SK 1.3. (Aktuelle) Herausforderungen bzgl. Digitalisierung an der Einzelschule

(72)

(220) SK 2.1. Unterrichtsentwicklung

(201)

(40)

SK 2.2. Personalentwicklung

(60)

SK 2.3. Organisationsentwicklung

(16)

SK 2.4. Kooperationsentwicklung

(19)

SK 2.5. Technologieentwicklung

(85)

SK 3.1. Selbstverständnis Schulleitung

(33)

SK 3.2. Verständnis & Einstellung bzgl. Digitalisierung

(46)

SK 3.3. Einflussfelder von Digitalisierung

(78)

SK 3.4. Technik als Führungsinstrument

(13)

SK 3.5. Unterschiede durch Digitalisierung im Zuge der Coronapandemie

(26)

6. Triangulation ǀ Teil I

MIKROEBENE

Hauptkategorien 04 Professionalisierungsbedarfe

Subkategorien 1. Ebene (43)

SK 4.1. Konzeption der Maßnahme

(37)

SK 4.2. Voraussetzungen der Teilnehmenden

(2)

SK 4.3. Schulkontext

(1)

SK 4.4. Merkmale von Fortbildner:innen

(3)

a

Insgesamt wurden 777 Codes vergeben. Die Gesamtanzahl vergebener Codes aus allen Interviews sind nach Haupt- und Subkategorie in den jeweiligen Klammern ausgewiesen. b Die Verteilung der Codierungen sei hier zu Zwecken der Transparenz ausgewiesen, findet jedoch in den weiteren Analysen keine Relevanz, da eine Gewichtung der Kategorien resp. quantitative Auswertung der Ergebnisse nicht im Erkenntnisinteresse liegt.

Anzumerken ist, dass sich eine Vielzahl der (vor allem induktiv) gebildeten Kategorien anhand ihrer thematischen Ausrichtung einerseits auf den Interviewleitfaden, andererseits auf die zum Zeitpunkt der Interviews akuten pandemischen Lage zurückführen lässt. Exemplarisch kann hier die Hauptkategorie Gesamtsystemische Aspekte angeführt werden. Die Schulleitenden äußerten sich hier zu bildungspolitischen Aspekten mit direkten Bezügen zum DigitalPakt-Schule und einer mangelnden digitalen Infrastruktur zum Zeitpunkt der ersten pandemiebedingten Schulschließungen. Da diese Ergebnisse zwar hohe Relevanz für Schule und die an ihr beteiligten Akteur:innen haben, jedoch das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit übersteigen, wurde davon abgesehen, sie im Fortgang der Arbeit zu integrieren, sondern diese stattdessen an anderer Stelle veröffentlicht (zu den Ergebnissen der Hauptkategorie Gesamtsystemische Aspekte siehe Krein, 2022). Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit das Handeln von Schulleitenden und digitalisierungsbezogene Bedingungen dessen interessieren, werden im Folgenden zuvorderst die Ergebnisse auf Mikroebene und damit der Hauptkategorien Berufsalltag von Schulleitenden sowie Professionalisierungsbedarfe vorgestellt, da diese die Schulleitenden und ihren Berufsalltag selbst zum Gegenstand haben und damit zur Beantwortung der Forschungsfrage dienlich sind. Die Hauptkategorie Berufsalltag von Schulleitenden umfasst fünf Subkategorien erster sowie sieben Subkategorien zweiter Ebene. Bei den Subkategorien erster Ebene handelt es sich um (1) das Selbstverständnis als Schulleitung. Diese Subkategorie kam bei Äußerungen (auch unabhängig von Digitalisierung) zur Funktion, zur Tätigkeit sowie zu Verantwortlichkeiten einer Schulleitung allgemein und

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

mit Bezug zu den Schulleitenden selbst zur Anwendung. Weiterhin wurden im Rahmen der Subkategorie (2) Verständnis und Einstellung bezüglich Digitalisierung Äußerungen und Aspekte hinsichtlich einer Einstellung gegenüber Digitalisierung im schulischen Kontext codiert sowie Empfehlungen hinsichtlich Digitalisierung für zukünftige Schulleitende, da etwaige Einstellungen bei diesen Äußerungen nochmals sichtbar wurden. Innerhalb dieser Subkategorie konnten weiterhin das berichtete Verständnis von Digitalisierung (SK 3.2.1) sowie der Stellenwert, dem Digitalisierung im schulischen Kontext für Schulleitendenhandeln beigemessen wird, (SK 3.2.2) differenziert werden. Bei der dritten Subkategorie erster Ebene handelt es sich um die (3) Einflussfelder der Digitalisierung auf den Berufsalltag von Schulleitenden, welche in Anlehnung an Schiefner-Rohs (2019; siehe auch Kapitel 2.3) in die fünf Subkategorien zweiter Ebene Führung und Management, Personalmanagement, Organisationsgestaltung, Kommunikation und Beratung sowie Qualitätsmanagement ausdifferenziert wurde. Hierunter wurden sämtliche Aussagen und Aspekte codiert, die eine Einflussnahme von Digitalisierung auf Aufgaben bzw. Handlungen von Schulleitenden beschreiben, die den jeweiligen Aufgabenbereichen zuzuordnen sind. Die letzten beiden Subkategorien erster Ebene umfassen Äußerungen zu (4) Technik als Führungsinstrument sowie (5) Unterschiede resp. Veränderungen durch Digitalisierung auf den Berufsalltag der Schulleitenden (in Zusammenhang mit der Coronapandemie). Die Hauptkategorie Professionalisierungsbedarfe beschreibt in Anlehnung an das Angebot-Nutzen-Modell nach Lipowsky und Rzejak (2017) auf Ebene der Subkategorie (1) konzeptionelle Aspekte von Professionalisierungsmaßnahmen explizit Wünsche zu allgemeinen Rahmenbedingungen von Fort- und Weiterbildungsangeboten (bspw. zeitlicher Umfang) und deren Struktur sowie formalen Ausgestaltung (SK 4.1.1), Wünsche der Schulleitenden zur inhaltlichen Schwerpunktsetzung (SK 4.1.2) sowie Vorschläge und Wünsche zur methodischen Ausgestaltung von Fort- und Weiterbildungsangeboten (SK 4.1.3). Des Weiteren wurden (2) Vorschläge und Anforderungen an Teilnehmende solcher Professionalisierungsmaßnahmen codiert, die die Rolle resp. Funktion, das Vorwissen, die Motivation, Überzeugungen, Selbstwirksamkeitserwartungen und Kompetenzen betreffen. Die dritte Subkategorie erster Ebene umfasst Aspekte des (3) Schulkontextes, wie die Vereinbarkeit und Passung der Maßnahmen mit dem Schulprogramm und Klassenkontext sowie die innerschulische Unterstützung resp. Feedback und Möglichkeiten zur Implementation neuer Inhalte und Methoden. Als letztes wurden im Rahmen der Hauptkategorie noch Vorschläge und Anforderungen zum Wissen, zur Motivationsfähigkeit, zu den Überzeugungen, zu den Handlungen und zu den Kompetenzen von Trainer:innen und Fortbildner:innen und somit (4) Merkmale von Fortbildner:innen codiert. Nach der Ausdifferenzierung und Zusammenstellung der Kategorien erfolgte in Anlehnung an Hopf und Schmidt (1993, S. 61ff; siehe auch Klopsch, 2016, S. 297ff.) eine Prüfung dieses Kategorienleitfadens mittels konsensuellen Codierens. Hierfür

6. Triangulation ǀ Teil I

codieren (mindestens) zwei Codierende das gleiche Datenmaterial anhand des entwickelten Kategorienleitfadens unabhängig voneinander, bevor anschließend die Ergebnisse der Codierungen verglichen und Diskrepanzen diskutiert sowie Änderungen am Kategorienleitfaden festgehalten werden. Ziel ist somit eine »kommunikative Überprüfung und Absicherung« (Hopf & Schmidt, 1993, S. 63) des Kategorienleitfadens. An dieses Vorgehen anknüpfend, wurde der vorliegende Kategorienleitfaden durch die Forschende selbst sowie einer weiteren Wissenschaftler:in aus dem Forschungsgebiet, welche sowohl mit der angewandten Methodik als auch dem theoretischen und empirischen Hintergrund der Arbeit vertraut ist, überprüft. Hierbei erfolgte dem obigen Vorgehen folgend zunächst eine voneinander unabhängige Codierung des gesamten Datenmaterials. Aufgekommene Unklarheiten hinsichtlich der gewählten Formulierungen, Ankerbeispielen und Codierregeln innerhalb des Kategorienleitfadens wurden während des Codierprozesses ebenfalls festgehalten. Diskrepanzen der Codierergebnisse sowie etwaige Unklarheiten und Anmerkungen hinsichtlich des Kategorienleitfadens wurden anschließend im Konsensverfahren diskutiert. Der Kategorienleitfaden wurde im Anschluss an diese konsensuelle Validierung (Bortz & Döring, 2006) präzisiert und finalisiert5 . Im Anschluss an die Ausdifferenzierung und Finalisierung des Kategoriensystems wurde das Gesamtmaterial in einem erneuten Durchgang vollständig codiert (gemäß Phase 6 »Codieren des kompletten Materials mit dem ausdifferenzierten Kategoriensystems« nach Kuckartz, 2018, S. 110) und für die anschließende Abstraktion komprimiert, bevor die Analyse der Codierungen (Phase 7; Kuckartz, 2018, S. 117ff.) anschloss. Die Analysen erfolgten kategorienbasiert mit Fokus auf thematische Übereinstimmungen, Abweichungen sowie wechselseitige Relationen der Kategorien. Für die Aufbereitung, Analyse und Auswertung der Expert:inneninterviews wurde die Software MAXQDA 20206 verwendet. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Haupt- und ihrer Subkategorien der Mikroebene vorgestellt. Die Ergebnisse der vorab eingeholten Fragebogen sowie der Kategorien der Mesoebene werden im Folgenden nur dann eingeschlossen, wenn 5

6

Eine zusätzliche Überprüfung von Inter- wie Intracoder-Reliabilitäten, die wichtige Gütekriterien für quantitative Inhaltsanalysen darstellen, erweist sich für die vorliegende Arbeit aus zwei Gründen als unpassend: Zum einen findet im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse keine a-priori Bestimmung von Segmenten statt, da häufig Sinneinheiten codiert werden, bei welchen Anfang und Ende von den Codierenden bestimmt werden. Zum anderen lässt die thematische Codierung auch Mehrfachcodierungen von Textsegmenten und somit Überlappungen und Verschachtelungen von Codes zu. Da diese Aspekte bei der Berechnung von gängigen Reliabilitätsmaßen mathematisch nur bedingt berücksichtigt werden (können), wird an dieser Stelle von einer solchen Überprüfung abgesehen (Kuckartz, 2018, S. 211ff.). Für nähere Ausführungen zur Qualitativen Inhaltsanalyse mittels QDA-Software sei auf Kuckartz (2018, S. 163–200) verwiesen.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

Sie zur Kontextualisierung der Erkenntnisse beigetragen resp. einen inhaltlichen Mehrwert zur Beantwortung der Forschungsfragen bieten.

6.3 Schulleitung ǀ Digitalisierung: Ergebnisse der ersten Teilstudie Der Berufsalltag von Schulleitenden war zum Zeitpunkt der ersten Teilstudie stark von Ungewissheiten und einem erheblichen Wandel geprägt. So berichteten die Schulleitenden von verschiedenen Phasen, welche seit dem Ausbruch der Coronapandemie, eingesetzt haben: An eine erste Phase der Verunsicherung und Hektik im Zuge der Schulschließungen schloss in einer zweiten Phasen die ad hoc Unterrichtsumstellung auf (digitalen) »Fernunterricht« an. In dieser Phase erwiesen sich laut den Schulleitenden vor allem Fragen nach der Gestaltung von Unterricht sowie die Aufrechterhaltung des Kontakts zu Schüler:innen und die Gewährleistung einer differenzierten Förderung der Lernenden als problematisch (z.B. 01S6SL; 01S4SL). Die dritte Phase markierte die Wiederaufnahme des Schulbetriebs, wodurch für Schulleitende aufgrund vorbereitender Maßnahmen »so die stressigsten Tage Ende April, Anfang Mai« (01S5SL, 4) resultierten. Im Anschluss hieran konnte eine vierte Phase der Stabilisierung vermerkt werden, in welcher die Schulleitenden sich nach eigener Aussage zum Zeitpunkt der Interviews zumeist befanden: »Ja, also, nach der anfangs hektischen und chaotischen Phase und Überförderung an allen Enden mündet das Ganze jetzt in das (.) Äh Konsolidierungsphase«7 (01S7VSL, 2). Bezüglich ihres Arbeitsalltages während den pandemiebedingten Schulschließungen berichteten Schulleitende von einer unwirklichen Situation, da das Miteinander gefehlt (z.B. 01S4SL) und Schule der »Oper von Janáček, die heißt ›Aus einem Totenhaus‹« (01S3SL, 2) geglichen hätte. Schulleitendenhandeln sei generell stark an das persönliche Gespräch geknüpft, »weil wir’s mit Menschen zu tun haben« (01S3SL, 9). Dieses persönliche Gespräch jedoch hätte während der Schulschließungen gefehlt. Somit wurde hier – unter Anbetracht des Beispiels – digitale Kommunikation nicht als Ersatz für nicht-digitale resp. analoge Kommunikation angesehen. In diesem Kontext wurde auch betont, dass sich Videokonferenzen als »sehr schwergängig« (01S3SL, 9) erwiesen hätten und »das direkte Gespräch und das, was drumherum ist, eigentlich gar nicht [ersetzen]« (01S3SL, 9). Lediglich würden sich diese Formen der Kommunikation zum Austausch von Informationen (01S2vSL, 28; 01S3SL, 9) und dem Herbeiführen von Konferenzbeschlüssen eignen; ein informeller, persönlicher Austausch würde hierbei nicht stattfinden (01S3SL, 9). Gegenteilig sei ein analoger Austausch »ich sag jetzt mal, für uns (.) jo, verlässlicher, irgendwie ähm zuverlässiger […]. Weil vieles ähm grad zwischenmenschlich 7

Die hier exemplarisch dargebotenen Zitate wurden zugunsten der Verständlichkeit sprachlich geglättet.

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irgendwie digital doch äh: ich sag jetzt mal dann verlorengehen könnte« (01S2vSL, 28). Digitalisierung wird folglich hinsichtlich Informationen und Verwaltungsakten eine vermittelnde Funktion zugesprochen, jedoch keine, die menschliche Interaktion, auf einer persönlichen Ebene, ermöglicht. Der Vergleich des Alltags von Schulleitenden während der pandemiebedingten Schulschließungen mit der besagten Oper8 von Leoš Janáček (01S3SL, 2) eröffnet aber noch eine weitere, durchaus drastische Ebene: Schulleitendenarbeit wird hier mit der Zwangsarbeit eines isolierten Straflagers verglichen. Den Ausführungen folgend waren Schulleitende in dieser Phase zur ständigen (Arbeits-)Bereitschaft und Flexibilität angehalten. So hätten auch die dynamischen Entwicklungen und Vorgaben einen Modus der spontanen Reaktion, denn der Proaktion erfordert: Ja gut, das is so bissche ähm:, ja, wir, wir (.) wir arbeiten die Dinge irgendwie (zögernd) weg, die auf uns zugeflogen kommen. Eigentlich is es äh mehr oder weniger im Moment (2) so ein Leben von äh Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Also wir müssen relativ spontan agieren, spontan auch reagieren. (01S2vSL, 4) Schulleitendenhandeln wurde hieran anknüpfend als »Notbetrieb« (01S3SL, 2) klassifiziert, im Rahmen dessen versucht wird, »ein Schiff auf […] schlingerndem Kurs äh mit kleinen Ruderschlägen äh:: wieder äh: oder auf Kurs zu halten« (01S3SL, 2). Hierbei sahen sich die Schulleitenden auch neuen Aufgaben gegenüber, beispielsweise im Zuge des Gesundheitsmanagements (zu erstellenden Hygienekonzepte und der Einhaltung vorgegebener Hygienevorgaben). Diese Aufgaben hätten in Zusammenhang mit dem geschilderten Arbeitsmodus weiterhin zu ausbleibenden Ruhephasen geführt, da auch an Wochenenden und den Osterferien Reaktionen und Planungen erfolgen (mussten), was die Schulleitenden als sehr kräftezehrend und zermürbend empfanden (01S2vSL; 01S3SL; 01S6SL; 01S7vSL). Verstärkt wurde dies durch den Umstand, dass es keine Vorgaben gegeben habe, wie bestimmte Aufgaben zu lösen seien: Das wird ja nirgends vorgeschriebenen. Also man ist da schon auch alleine gelassen. Also die [Name der Schulaufsicht] sagt ja nur, »Das ist zu tun«. Wie steht nirgends, ja (I: ja). Also Sie finden keine Stellenbeschreibung von Schulleitungsmitgliedern, wo drinsteht, wie man eine Klasse bilden soll, oder wie man das (2) ja über Generationen trägt sich dieses Wissen weiter (I: ja). Und äh die Digitalisierung fließt dann halt da ein. Ja, also, wir müssen schon das selbstständig tun. (01S5vSL, 30) 8

Die Oper »Aus einem Totenhaus« von Leoš Janáček (1927–28, rev. 1930) basiert auf den Prosaarbeiten »Aufzeichnungen aus einem Totenhaus« von Fjodor Dostojewski und behandelt Erzählungen Gefangener eines sibirischen Straflagers, welche versuchen, die dortige Zwangsarbeit durch Erzählungen und Gesänge erträglicher zu gestalten.

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Hinsichtlich der Frage, welche Rolle Digitalisierung in den Aufgaben von Schulleitungen einnehme, berichteten alle Schulleitenden von einer hohen Relevanz von Digitalisierung für ihren Berufsalltag. Nicht nur sei Schulleitungsarbeit in den vergangenen Jahrzehnten »natürlich ganz, ganz stark elektronisch geworden« (01S3SL, 9), auch sei Schulleitungsarbeit ohne Digitalisierung nicht denkbar: »[…] also ohne Digitalisierung würd heut überhaupt gar nix mehr gehen« (01S7vSL, 10). Dies zeigt sich auch in der von den Schulleitenden gesetzte prozentualen Gewichtung des Stellenwertes von Digitalisierung von »80 %« (01S6SL, 22; 01S7vSL, 8), den sie bezogen auf ihren Berufsalltag vornahmen: »Das ist jetzt fast hundert. Naja, gut hundert Prozent jetzt net, aber im Moment (lachend) vielleicht achtzig Prozent (+)« (01S7vSL, 8). Digitalisierung, so stellten die interviewten Schulleitenden heraus, sei ein nicht zu unterschätzender, integraler Bestandteil verschiedener Aufgaben und wirke maßgeblich in Handlungsbereiche hinein (01S1SL, 27; 01S3SL, 9). In den Ausführungen hierzu eröffneten die Expert:innen eine Breite an Einflussfeldern, welche auf den verschiedenen Tätigkeitsbereichen von Schulleitungen (Schiefner-Rohs, 2019) verortet werden können: So gestalten sich nicht nur für den Bereich Führung und Management verschiedene administrative Vorgänge zunehmend digital, wie die Eingabe von Statistiken und Buchungen (01S7vSL, 10, 36), Noteneingaben (01S3SL, 9) sowie Controllingtätigkeiten (01S5vSL, 20), z.B. über Strukturdaten »wie viele Schüler in welchen Jahrgängen zu zu welchen Zeiten zum Beispiel vor Ort sind« (01S6SL, 14); auch auf Ebene des Qualitätsmanagements zeichnet sich Digitalisierung als inhärenter Bestandteil ab: Zum einen werden softwaregestützte Evaluationen und Feedbackprozesse initiiert und durchgeführt (01S1SL, 33; 01S4SL, 10; 01S7vSL, 2), zum anderen stelle der Bereich »Digitalisierung im Unterricht« (01S4SL, 4) einen wichtigen Bestandteil der schulischen Qualitätsprogramme dar (01S4SL; 01S6SL;01S1SL). In diesem Kontext wurden auch Daten und deren Schutz als relevant herausgestellt. Vor allem Fragen des Datenschutzes bei der Verwendung von Software und Serverstrukturen wurden hierbei mehrfach (kritisch) betont (z.B. 01S1SL; 01S6SL): Dort werden Rechte an vierzehn Unterfirmen abgegeben. Und da fragen Eltern zurecht, »Warum denn das?« Und was interessiert eine Firma in USA meinen LogIn und die Dauer meiner Nutzung? Da muss man sich fragen. Aber einerseits hat der Landesdatenschutzbeauftragte dieses für unbedenklich erklärt. Man muss ne Menge glauben, selbst außerhalb (.) der Religion, dass alles in Ordnung ist. (01S3SL, 15) Wie dieses Beispiel verdeutlicht, wurden hierbei auch vermehrt Unsicherheiten resp. Intransparenzen bei gleichzeitigem Handlungsdrang berichtet, welche im Kontext des Einsatzes digitaler Applikationen und damit zusammenhängenden Fragen nach Datenschutz ein Vertrauen in verschiedene Akteur:innen erfordere.

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Weiterhin wurde im Kontext einer Digitalisierung von Unterricht auf dienstliche Beurteilungen und die Bewertung des Einsatzes digitaler Medien durch Lehrpersonen (z.B. 01S6SL, 22) sowie die Betreuung von Referendar:innen (01S4SL, 8) Bezug genommen, was unmittelbar an den Bereich des Personalmanagements anschließt. Hier berichteten die Schulleitenden einerseits von der Umstellung papierbasierter Personalführungsprozesse auf digitale Prozesse (für die Digitalisierung von Beurlaubungsanträgen: 01S5vSL, 28), andererseits wurden Aspekte von Personalentwicklung, wie Abfragen zum Entwicklungsbedarf der Lehrpersonen (01S4SL, 4) oder die Erstellung von Erklärvideos (bspw. zum digitalen Klassenbuch) durch Schulleitende (01S5vSL, 24; 01S6SL, 6) benannt. Weiterhin wurde die Rolle von Daten im Kontext des Personalmanagements hervorgehoben, da diese die Ausgangslage und Kontrollofferten bieten würden, »um Lehrer adäquat vergleichbar belasten zu können« (01S3SL, 17). Als mögliches Kontrollinstrument wurde in diesem Kontext auf das digitale Klassenbuch hingewiesen, das auch bei der Gestaltung von »Heimunterricht« (01S3SL, 17) Möglichkeiten zur Einsichtnahme in Unterrichtsprozesse biete. Weiterhin wurden auf Ebene der Organisationsgestaltung im Kontext von Digitalisierung langwierige Schulentwicklungsprozesse geschildert, vor allem in Verbindung mit dem Infrastrukturprogramms des »DigitalPakt Schule« und dessen Zusatzvereinbarungen (BMBF, 2019; BMBF 2020a; BMBF 2020b; BMBF 2021), welche eine Vielzahl an Ressourcen von Schulleitenden beanspruchen, jedoch nicht zufriedenstellend verlaufen (Krein, 2022). Gemessen an der Anzahl der Ausführungen innerhalb der Interviews erscheint Digitalisierung neben den vier vorab aufgeführten Handlungsbereichen von Schulleitungen vor allem auf Ebene der Kommunikation & Beratung als integraler Bestandteil im Schulleitendenalltag (z.B. 01S7vSL, 24). »Unabhängig davon, dass mein Schulalltag, ja eigentlich auch ähm immer eine vernetzte Situation darstellt« (01S6SL, 22), berichteten alle Schulleitenden damit zusammenhängend, dass ihre tägliche Kommunikation mit schulinternen aber auch schulexternen Akteur:innen überwiegend digital bzw. »elektronisch« (01S3SL, 9) stattfindet: Die Schulleitung selber ist ja auch ähm nicht nur vernetzt über das schulinterne System, sondern auch über die einzelnen ähm elektronischen Verbindungen zum Ministerium oder der [Name der Schulaufsicht]. Also da gibt’s ne elektronische Post, ähm die Schulleitungen oder ausschließlich Schullei- Schulleitungen in der äh Kommunikation mit der [Name der Schulaufsicht] und dem Ministerium zugänglich ist. (01S6SL, 14)

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Man ist gewohnt, sich schneller jetzt in bestimmten Dingen auch abzustimmen, weil’s auch eben viel schneller gehen muss. Und das äh: geschieht natürlich jetzt auch vielfach digital. (01S2vSL, 45) Einen besonderen Stellenwert erhält hierbei die Kommunikation via E-Mail als zentrales Kommunikationselement, wie sich im Rahmen der Interviews herausstellte. So berichteten die Schulleitenden, dass auch schon vor der Coronapandemie E-Mail »das definierte Standardkommunikationsmedium« (01S5vSL, 16) gewesen wäre, über welches Kontakte aufgebaut (01S7vSL, 36) und Informationen weitergeleitet wurden »[…] von verschiedensten Organisationen, sei es jetzt von der Regierung oder von äh: Bildungseinrichtungen oder jetzt auch wir haben miteinander kommuniziert. Das macht man ja alles über E-Mail« (01S7vSL, 10). Wie auch hier angesprochen wurde, verwiesen die Schulleitenden – analog zur Kommunikation mit schulexternen Akteur:innen – auch mehrheitlich auf eine Dominanz der E-Mail-Kommunikation bei schulinternen Prozessen. Hierbei wurden Bemühungen berichtet, »alle Informationen so gut als möglich äh per E-Mail zu machen« (01S3SL, 9), um persönliche resp. nicht-digitale Kommunikationsprozesse (»Aushängerei am Schwarzen Brett«, 01S3SL, 9) weitestgehend zu reduzieren. Gleichwohl verwiesen einzelne Schulleitende in diesem Kontext auch auf das enorme E-MailAufkommen in ihrem Alltag, welches durch die Coronapandemie neue Dimensionen erfahren hätte (01S4SL, 8). »[…] ich krieg am Tag fünzig E-Mails (.) von (.) Schülern, Lehrern, Eltern, Schulleitungsmitgliedern. Wir wir wir kommunizieren ja äh im Moment unheimlich viel. Da wird entschieden. Da werden Ideen vorbereitet. Das sind Konferenzen. Da müssen die Informationen fließen« (01S7vSL, 8). Ebenso wurden Messengersysteme für die schulinterne Kommunikation mit Lehrpersonen und Schüler:innen angeführt, im Rahmen derer Klassen- und Lehrerzimmerstrukturen digital abgebildet wurden, um Kommunikationsprozesse zu erleichtern (z.B. 01S7vSL; 01S2vSL; 01S5vSL). Weiterhin berichteten die Schulleitenden von der Umsetzung von Videokonferenzen an späten Abenden mit Schulleitungsmitgliedern, Lehrpersonen und Lernenden (z.B. 01S1SL, 01S2vSL, 01S5vSL) sowie deren Eltern (»digitale Elternabende«, 01S6SL, 24). Bezüglich einer digitalen Einbindung von Eltern in schulische Prozesse zeichnete sich in den Ausführungen ein ambivalentes Bild: So wurde einerseits darauf verwiesen, dass eine Kommunikation mit Eltern via E-Mail und Learningmanagementsystemen, welche als Kommunikationsbindeglied fungieren (01S1SL, 39; 01S7vSL, 28), auch zukünftig gewünscht sei (01S3SL, 2). In diesem Kontext wurde auch auf das digitale Klassenbuch hingewiesen, welches eine Vernetzung ermöglichen würde, »dass man halt auch als Eltern nochmal nachschauen kann, was wurde denn in welcher Stunde behandelt« (01S5vSL, 20). Andererseits wurden hierbei auch Anspruchshaltungen auf Seiten der Eltern berichtet und kritisch bewertet, da diese »wenn’s Probleme gibt, sie am liebsten am selben Tag

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noch eine Mail [hätten]« (01S3SL). Dies führe dazu, dass Schulleitende vermehrt »als Dienstleister im Bildungsbereich immer stärker in Anspruch genommen und auch wahrgenommen [werden]« (01S3SL, 21). Im Zusammenhang solcher Anspruchshaltungen an Schulleitende und einem damit einhergehenden erhöhten und dauernden Arbeitsaufkommen berichteten diese auch von verstärkten Belastungen durch eine zunehmende Entgrenzung des Beruflichen in das Private durch digitale Kommunikation. Eine wichtige Rolle erfährt in den Ausführungen das Smartphone und eine Gebundenheit an ebendieses (01S3SL, 9). Da die Schulleitenden durch ihr Smartphone mit verschiedenen Akteur:innen vernetzt seien (bspw. über Messengersysteme; z.B. 01S7vSL) und ihre E-Mails ebenfalls über ihre Smartphones erhalten bzw. abrufen (können), sind Schulleitende »auf die Art und Weise im Grunde Tag und Nacht mehr oder minder erreichbar, außer wir stellen das Ding ab« (01S3SL, 9). Die hierdurch evozierte Entgrenzung von Privatleben und Beruf mache eine Trennung dieser Sphären zunehmend schwieriger und gehe mit einer Verschiebung der »Work-Life-Balance« (01S6SL, 16) einher. Auffallend ist hierbei, dass positive Aspekte einer digital-vermittelten Kommunikation vor allem im Bereich der Informationsweitergabe und Partizipation von Akteur:innen verortet werden; positive Effekte einer digital-vermittelten Kommunikation bezüglich informellen Austauschs oder auch hinsichtlich schulkultureller Aspekte, wurden nicht berichtet. Dies ist an die Ausführungen zum Berufsalltag während den panademiebedingten Schulschließungen und dem dort fehlenden persönlichen Austausch anschlussfähig und unterstreicht die Implikationen, dass Digitalisierung seitens der Schulleitenden keine vermittelnde Funktion für persönlichen Austausch und Interaktion zugesprochen wird; eher erfahren damit einhergehende Entgrenzungstendenzen eine Akzentuierung, welche belastend wahrgenommen werden. Bezüglich (eigenen) Unterrichts wurden seitens der Schulleitenden hauptsächlich Aspekte von Unterrichtsentwicklung betont, die sich zuvorderst auf den Unterricht von Lehrpersonen bezogen. Hierbei wurden Aspekte genannt, wie beispielsweise der Einsatz digitaler Medien im Unterricht (01S6SL, 18), der Ausbau von »elektronische[m] Feedback für Schülerinnen und Schüler« (01S6SL, 6), die Anpassung resp. Erstellung von Unterrichtsmaterialien (01S4SL, 4) oder die Förderung (kritischer) Medienkompetenz (01S2vSL, 36; 01S4SL, 4). Diese Aspekte wurden meist in Verbindungen mit den jeweiligen Schulentwicklungskonzepten der Schulen ausgeführt (01S1SL; 01S6SL; 01S4SL). Bezüglich ihrer eigenen Rollen resp. Aufgaben in diesem Kontext verwiesen Schulleitende auf ihre Promotor:innenrolle, da »Schulleitung darauf drängen [muss], ähm das eben äh das Internet, die Möglichkeiten, die das Internet bietet, Internet der Dinge und so weiter und so fort. Dass die auch hier irgendwo im Schulalltag ne Rolle spielen, weil sie ja im Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler Rolle spielen« (01S2vSL, 18).

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Bezüglich ihres eigenen Unterrichts äußerte eine der befragten Personen die Hoffnung auf inviduellen Unterricht, indem »wir mit guter Software eigentlich den Lehrer insofern entlasten, als Erklärungen, die der Lehrer frontal für alle Kinder macht, dass wir auf die letztlich total verzichten können (I: mhm). Und dass es irgendwelche ähm Übungen gibt, die die Schüler individuell machen können« (01S7vSL, 6). Die Ermöglichung individuellen Unterrichts wurde hierbei auch auf den eigenen Unterricht bezogen (01S7vSL, 6). Weitere Ausführungen zu ihrem eigenen Unterricht konnten sich nur wenige finden lassen. So erläuterten die Schulleitenden, dass sie Learningmanagementsysteme für das Einstellen resp. Einsammeln und von (Haus-)Aufgaben nutzen würden (01S7vSL, 8; 01S2vSL, 45), die auch von den Schulleitenden digital bewerten werden würden (01S7vSL, 8). Weiterhin wurden Videokonferenzen genutzt, um Schüler:innen Rückmeldungen zu Bewertungen zu geben (01S7vSL, 12) oder auch für die Umsetzung ganzer Unterrichtsstunden (01S2vSL, 45). Ebenfalls wurde der Einsatz digitaler Medien als mögliche Entlastung, beispielsweise im Rahmen der Gestaltung von Unterricht (01S1SL, 37) oder auch für die Projektion von Aufgaben und Ergebnissen (01S7vSL, 22), berichtet. Hervorgehoben wurde hierbei, dass es sich um »Schätze [handele], die zu heben gilt es und die dann sinnvoll in den täglichen Unterricht einzubauen, ohne das (.) Stoffliche und des Anspruchsniveau […] außer Acht zu lassen« (01S1SL, 37; siehe hierzu auch 01S7vSL, 12). Eine befragte Person wies in diesem Kontext jedoch auch auf fehlende zeitliche Ressourcen für die Entwicklung des eigenen Unterrichts hin Aber ich bräuchte einfach die Zeit äh um den Unterricht, den ich mir jetzt irgendwie in den letzten 15 Jahren erarbeitet hab, oder die Unterrichtsreihe, die müsste ich jetzt irgendwie transformieren, transferieren in den ich müsste jetzt nach und nach tiefer anfangen, Dinge ähm zu digitalisieren, äh meinen Unterricht umzustellen (I: ja). So, aber wann? (I: ja) Ganz ehrlich, wann? (01S2vSL, 41) Anknüpfend an digitalisierungsbezogene Herausforderungen, wie jene der fehlenden (zeitlichen) Ressourcen, Entgrenzung und Belastung, äußerten einzelne Schulleitende auch konkrete Unterstützungsbedarfe. Hierbei wurden Wünsche nach mehrtätigen Veranstaltungen geäußert (01S1SL; 02S2vSL), welche inhaltlich den (verantwortungsbewussten) Einsatz von Medien im Unterricht (01S3SL, 23) sowie die Vorstellung von Tools resp. Apps für Schulleitungen zur Kollaboration, Verwaltung und Entwicklung von Schule und Unterricht auf systemischer Ebene fokussieren (z.B. 01S4SL, 20) und dabei kontextsensibel die jeweiligen technischen Rahmenbedingungen der Schule berücksichtigen (z.B. 01S2vSL, 38). Akzentuiert wurde weiterhin ein Bedarf hinsichtlich der Kooperationsförderung und Vernetzung von Schulleitenden, im Rahmen derer auch ein Austausch von Best-PracticeBeispielen stattfinden sollte: »Weil äh alle erfinden das Rad immer wieder neu

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und es wär sehr viel schöner, wenn einer eine Superlösung einstellt für einen Abteilungsbereich, sag ich mal, und die anderen könnten einfach darauf zugreifen« (01S5vSL, 38). Bei Betrachtung der soeben dargelegten Schilderungen wird ersichtlich, dass das Verständnis von ›Digitalisierung‹, welches die Befragten ihren Ausführungen zugrunde legen, weitestgehend Formen »elektronische[r] Verarbeitung« (01S6SL, 16) fokussiert und auf den Einsatz von Hard- und Software zielt. ›Digitalisierung‹ wird expliziert durch die Benennung »digitale[r] Geräte, Endgeräte, […], dass wir die in nem normalen Unterricht gut nutzen können« (01S7vSL, 6) sowie einer digitalen Infrastruktur, (datenschutzkonforme) Messengersysteme und cloudbasierte Systeme, die kollaborative Zusammenarbeit ermöglichen (01S2vSL, 16). Zudem finden sich vereinzelt Hinweise auf eine notwendige Auseinandersetzung mit Technik und einer kritischen Reflexion ihrer Auswirkungen (01S7vSL, 6). Weitere Explikationen des Verständnisses von ›Digitalisierung‹ lassen sich in Verbindung mit der berichteten Einstellung gegenüber Digitalisierung sowie dem Selbstverständnis der Schulleitungen identifizieren: Schulleitende, die sich selbst in einer Vorbildfunktion resp. als Promotor:innen von Digitalisierung in Schule artikulierten, zeigten auch im Rahmen ihrer Ausführungen eine positive Einstellung gegenüber Digitalisierung. Hierbei verwiesen die Schulleitenden darauf, dass sie »in dem, wie die Schulleitung sich in Konferenzen und äh::m im Umgang mit dem Kollegium zum Beispiel präsentiert, ähm bestimmte Dinge a:usprobieren, vorleben, auch mal zeigen und und auch nach außen hin darstellen« (01S2vSL, 22), Offenheit gegenüber Digitalisierung zeigen können. Die Promtor:innenfunktion hinsichtlich einer Digitalisierung (in) der Schule wurde in diesem Kontext auch als explizite Aufgabe von Schulleitung benannt (01S2vSL, 20; 01S4SL), die im Zuge der Covid-19-Pandemie erneut an Relevanz gewonnen habe: »Äh, wir müssen jetzt bestimmte Dinge auch ähm im sag jetzt mal, vorleben und durchsetzen und zwingen und noch mehr schieben, als wir das sowieso schon tagein, tagaus vor Corona gemusst hätten« (01S2vSL, 8). Hierbei gelte es für Schulleitende – vor allem im Bereich der Unterrichtsentwicklung –progressiv zu fördern, was sich durch eine Orientierung an der Lebenswelt von Schüler:innen (01S2vSL, 18) begründet und sich auch für die Ausbildung (zukünftiger) Lehrpersonen relevant darstelle (01S2vSL; 01S4SL). Daran anknüpfend beschrieben mehrere Schulleitende die Initiierung und Zusammenführung von digitalisierungsbezogenen Entwicklungsprozessen als Aufgabe von Schulleitung (01S4SL; 01S5vSL; 01S2vSL). Dies erfordere auch eine entsprechende Führungskompetenz und Unterstützungsangebote jenseits der eigenen Berufsbeschreibung (01S5vSL, 46), um mögliche Hürden in Transformationsprozessen zu überwinden. Digitalisierung wurde hierbei als »sehr viele und sehr großartige Hilfsmittel« (01S5vSL, 28) verstanden, die Vorteile resp. Erleichterungen bergen und Zeit einsparen würden (01S5vSL, 28, 32; 01S2vSL, 45). Genannt wurde hierbei Software zur Bewältigung von Datenmengen, zur Klassenbildung und zur

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Unterrichtsplanung (01S2vSL; 01S7vSL). Interviewübergreifend bejahten daran anknüpfend alle Schulleitenden – auch jene mit kritischer Einstellung, s.u. –, dass Technik als Führungsinstrument(e) fungiere, ohne die der Schulleitendenalltag nicht funktionieren würde (01S3SL, 9; 01S7vSL, 10). Ebenso wurde Technik als Grundvoraussetzung »digitaler Bildung« (01S1SL, 23) verstanden, welche die Zukunft darstelle (01S1SL, 25). Nicht verwunderlich ist daher auch, dass diejenigen Befragten, die ein entsprechendes Verständnis berichteten, hinsichtlich der Frage, welchen Rat sie angehenden Schulleitenden bezüglich Digitalisierung geben würden, auch mehrheitlich zu Offenheit gegenüber Digitalisierung (01S4SL; 01S2vSL) sowie »eine[r] gute[n] Portion Gelassenheit« (01S4SL, 22; auch 01S2vSL, 47) rieten: »Seien Sie offen und kritisch. Ausprobieren, evaluieren (.) anpassen und dann verwerfen oder weiter benutzen« (01S1SL, 43). Dem gegenüber rieten Schulleitende, die ihre eigene Führungspraxis nicht mit Aspekten von Digitalisierung in Verbindung brachten zur Vorsichtig gegenüber Digitalisierung und mahnten, nicht zu deren Opfer zu werden: »Ja mach dich nicht zur Beute und zum Opfer der Digitalisierung, geh auf Menschen zu und rede mit Menschen so wie sie sind« (01S3SL, 27). Anders als vorab wurde in diesen Ausführungen nicht Technik als Grundvoraussetzung benannt, sondern der »menschlich verantwortliche Umgang mit den Medien« (01S3SL, 23) sowie der persönliche Kontakt mit Menschen. Schulleitung(shandeln) wurde hierbei verstanden als »Management by walking around« (01S3SL, 9), bei dem die Schulleitung »Schule […] riechen, hören und sehen [muss]. Schule abstrakt (.) ist uninteressant« (01S3SL, 23). Führung sei demnach eine »analoge Sache« (01S2vSL, 22), die nicht unmittelbar an Technik und Digitalisierung geknüpft sei, sondern sich »in der Art und Weise, wie ich agiere oder ich handele« (01S2vSL, 22) manifestiere. Dementsprechend wurde auch der »Mehrwert« von Digitalisierung differenzierter bewertet. Betont wurde hierbei, dass »[d]as Digitale nur dann ein Gewinn [ist], wenn’s fehlerfrei funktioniert« (01S2vSL, 34), anderweitig sich »das was früher war oder was normal ist, analog ist« (01S2vSL, 34) als die bessere Alternative darstelle. Eine »komplette Elektronifizierung« (01S3SL, 19) wurde demnach kritisch bewertet, gleichwohl auf den Mehrwert von Digitalisierung in spezifischen Bereichen hingewiesen wurde: »[…] die Registrierung der Daten, wer ist da? Was für Unterrichtsstoffe habe ich gemacht? Halte ich für sinnvoll und gut« (01S3SL, 19). Zentral sei aber, dass Schulleitende »sich nicht von den elektronischen schnellen Möglichkeiten beeinflussen« (01S3SL, 23) lassen, sondern ihre Persönlichkeit und Engagement »für die Menschen« (01S3SL, 27) einbringen. Zusammenfassend lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Analyse festhalten, dass Digitalisierung, von den Interviewten unter zuvorderst technikzentrierter Perspektive verstanden, einen hohen Stellenwert im Berufsalltag von Schulleitenden einnimmt und sich Hinweise auf verschiedene Einflussfelder von Digitalisierung in den Handlungsbereichen von Schulleitungen identifizieren lassen. Hierbei

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werden sowohl Potenziale als auch Herausforderungen sichtbar, welche erste Hinweise auf Phänomenfacetten des Digitalen und das sich darin ausgestaltende Schulleitendenhandeln bieten. Nachfolgend sollen daher die hier gewonnenen explorativen Erkenntnisse systematisch zusammengeführt werden, um Implikationen für die zweite Teilstudie der vorliegenden Arbeit abzuleiten.

6.4 Zwischenfazit und Implikationen Die soeben beschriebenen Expert:inneninterviews zielten auf eine erste Exploration von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen. Hierbei konnten erste Erkenntnisse zum Berufsalltag von Schulleitenden im Frühjahr 2020 sowie dem Einfluss des Digitalen auf unterschiedliche Aufgaben von Schulleitungen gewonnen werden. Da diese Erkenntnisse Implikationen für das weitere Forschungsvorgehen bieten, sollen sie nachfolgend nochmals systematisch unter Einbezug forschungspraktischer Überlegungen und Konsequenzen für die zweite Teilstudie dargelegt werden. Erstens bestätigten die gewonnenen Ergebnisse der Expert:inneninterviews die in der Schulleitungsforschung vertretene Annahme, dass Digitalisierung querschnittlich in allen Aufgabenbereichen von Schulleitenden transzendiert (siehe Kapitel 2.3). Wenngleich die Ergebnisse handlungsbereichsübergreifend darauf hinweisen, dass das Digitale in vielen Aufgaben von Schulleitenden eine hohe Relevanz erfährt, hat die differenzierte Analyse eine besondere Akzentuierung der Kommunikation mit verschiedenen an Schule beteiligten Akteur:innen aufgezeigt. Dabei hat sich ein ambivalentes Bild abgezeichnet: Einerseits wurde eine digitalvermittelte Kommunikation im Kontext von Informationsweitergabe, vor allem mit Lernenden und deren Eltern, als Mehrwert artikuliert, andererseits verwiesen die Schulleitenden auf fehlende persönliche Interaktion, welche digital-vermittelt nicht (hinreichend) stattfände. Weiterhin wurde auf ein vermehrtes Belastungsempfinden seitens der Schulleitenden hingewiesen. Besonders relevant stellt sich in diesem Kontext die Entgrenzung von Beruf und Privatleben und ein durch Digitalisierung verstärkter Handlungs- und Reaktionsdruck, welcher sich beispielsweise in Anforderungen einer dauerhaften Erreichbarkeit und damit einhergehender fehlender Erholungszeit manifestiert9 . Gleichwohl müssen die Ergebnisse vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der Erhebung vorherrschenden pandemischen Lage betrachtet werden: Im Hinblick auf

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Diese Ergebnisse schließen auch an aktuelle Befunde der trinationalen Studie S-Clever an, welche ähnliche Belastungen durch das Mehraufkommen pandemiebezogener Aufgaben zeigen (Feldhoff et al., 2022).

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die Schulschließungen im Frühjahr 2020 und die dynamischen Entwicklungen, gerade in den Anfängen der Covid-19-Pandemie (siehe Ausführungen hierzu in Kapitel 5.3), galt eine Umstellung verschiedener Prozesse in digitale Formate als obligatorisch. So muss auch davon ausgegangen werden, dass z.B. digital vermittelte Kommunikation in diesem Zuge unausweichlich intensiviert werden musste, durch den infrastrukturellen Ausbau (z.B. die flächendeckene Vergabe von E-Mail-Adressen an Lehrpersonen) aber auch erleichtert wurde. Die pandemische Situation muss daher bei der Rezeption der Ergebnisse als Folie im Sinne eines Brennglases mitgeführt werden, welches digitalisierungsbezogene Transformationsprozesse im Berufsalltag von Schulleitenden beschleunigt resp. betont hat, aber auch bestehende Missstände deutlich hervorgehoben hat. Dennoch lässt sich unter Anbetracht des Beispiels der digitalen Kommunikation festhalten, dass davon ausgegangen werden muss, dass sich auch innerhalb von Aufgabenbereichen verschiedene Facetten des Digitalen aber auch des Schulleitendenhandelns zeigen können. So wurden einzig in diesem Kontext sowohl digitalisierungsbezogene Potenziale, beispielsweise im Sinne von Prozessvereinfachungen, als auch Herausforderungen, wie z.B. Überforderung, berichtet. Basierend auf den hier gewonnenen Erkenntnissen ergeben sich folgende Implikationen für das weitere Vorgehen im Rahmen der zweiten Teilstudie: Im Zuge einer tiefgreifenderen Exploration des Berufsalltags von Schulleitenden unter den Bedingungen des Digitalen erscheint es zentral, Offenheit und Flexibilität sowohl bei der Betrachtung als auch der Interpretation von Schulleitendenhandeln zu wahren, da Handlungen in verschiedenen Kontexten bzw. Bedingungen von Schulleitenden andersartig gestaltet und empfunden werden können. Methodisch gewendet weisen die Ergebnisse auf die Notwendigkeit einer holistischen Betrachtung bzw. Erfassung von Schulleitendenhandeln in situ und in actu hin, da es nur so möglich ist, das Digitale als bedingungsschaffendes, transzendales Moment im Schulleitendenhandeln zu erfassen. Um einen möglichst umfassenden Eindruck von Schulleitendenhandeln zu erhalten, wurde entsprechend davon abgesehen, Beobachtungskategorien vorab zu definieren, sondern eine Vorgehensweise gewählt, die das gefordert Maß an Offenheit sowohl bei der Beobachtung von Schulleitendenhandeln (siehe Kapitel 7.1.2) als auch bei der Interpretation der Daten (siehe Kapitel 7.2) erlaubte. Zweitens lassen sich anhand der Ausführungen der Schulleitenden Aussagen über Aufgaben und Rollen treffen, die sie sich selbst zuschreiben. So artikulieren sich die befragten Schulleitenden als Promotor:innen für digitalisierungsbezogene Entwicklungsprozesse und benannten deren Initiierung und Zusammenführung als konkrete Aufgabe von Schulleitung. In diesem Kontext auffallend gestaltete sich jedoch, dass in den Schilderungen ihres konkreten Arbeitsalltags Management und Führungsaufgaben überwogen, sogar explizit darauf hingewiesen wurde, dass beispielsweise für die Entwicklung des eigenen Unterrichts Zeit fehle. Hieran knüpfen auch die Beschreibungen der Schulleitenden hinsichtlich ihrer Tätigkeiten

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resp. Prozesse in der Schule an, welche sie in direktem Bezug zur Digitalisierung sehen. So wird hier zuvorderst eine Digitalisierung resp. eine digitale Abwicklung vorherig analoger Verwaltungsprozesse beschrieben (z.B. Überführung von Urlaubsanträgen von Papierform in digitale Formate); konkrete Entwicklungsprozesse und Handlungen jenseits geplanter Maßnahmen und Konzepte rücken in den Hintergrund. Das sich hier andeutende Spannungsverhältnis hat ebenfalls Implikationen für die anschließende Untersuchung: Da diesen Ergebnissen folgend angenommen werden kann, dass im Berufsalltag von Schulleitenden Aufgaben und Tätigkeitsbereiche, die diese selbst als ihre benennen oder in der forschungsseitigen Auseinandersetzung als solche diskutiert werden (siehe Kapitel 2), gar nicht oder nur marginal im konkreten Berufsalltag sichtbar werden könnten, gilt es eigene Vorannahmen über mögliche Aufgaben(-bereiche) von Schulleitenden zu reflektieren und Offenheit für das Handeln von Schulleitenden, wie es sich in der Situation zeigt, zu wahren. Ebenfalls bedarf es einer Sensibilität für entsprechende Diskrepanzen und Spannungsverhältnisse im Handeln der Schulleitenden im Rahmen der Beobachtung des Berufsalltags. Hinsichtlich der Einstellung gegenüber Digitalisierung auf Seiten der Schulleitenden konnten drittens Unterschiede festgestellt werden, welche in Beziehung zum jeweiligen Selbstverständnis von Schulleitung gesetzt werden können. So zeigten Schulleitende, die sich als Promotor:innen von Digitalisierung artikulierten, eine positivere Einstellung gegenüber Digitalisierung und attribuierten diese vor allem als Hilfe und Chance. Schulleitende, die eine eher negative Einstellung gegenüber Digitalisierung berichteten, verwiesen demgegenüber auf mögliche Gefahren, welche von Digitalisierungsprozessen ausgehen. Auffallend ist hierbei, dass das Digitalisierungsverständnis über alle Interviews hinweg eine stark technikdeterministische Prägung aufwies. Auch wurde darauf hingewiesen, dass »das was früher war oder was normal ist, analog ist« (01S2vSL, 34) und damit eine dichotome Unterscheidung von nicht-digital resp. analog und digital reproduziert und akzentuiert wird, die wiederum auf eine technikzentrierte Perspektive verweist. Es kann davon ausgegangen werden, dass Schulleitende unter der Prämisse, dass ihr Alltag unter der Perspektive von Digitalisierung untersucht werden soll, entsprechend ihrem Verständnis bestimmte Handlungen und Aspekte im Rahmen einer anschließenden Untersuchung hervorstellen könnten. Zu vermuten ist aufgrund der sichtbar gewordenen technikzentrierten Perspektiven, dass es sich hierbei um Handlungen und Aspekte handelt, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit Technik stehen. Für die anschließende Teilstudie der vorliegenden Arbeit gilt es folglich im Hinblick auf die Untersuchung von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen, eine Sensibilität für Handlungsfacetten sowie Aspekten des Digitalen jenseits eines Technikprimats zu wahren, um auch den Schulleitenden unbewusste Phänomenfacetten zu erfassen.

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Bezüglich der Frage, wie sich der Berufsalltag von Schulleitenden nach den pandemiebedingten Schulschließungen gestaltet, lässt sich viertens konstatieren, dass sich dieser zum Zeitpunkt der Voruntersuchung in einer Phase der Stabilisierung und der Wiederaufnahme des »Normalbetriebs« befand, wodurch die Umsetzbarkeit der zweiten Teilstudie im Rahmen der vorliegenden Arbeit positiv bewertet wurde. Ebenso erfolgte durch die Durchführung der Expert:inneninterviews bereits eine erste Kontaktaufnahme zum sowie Exploration des Feldes, welche die Chancen der Umsetzung der zweiten Teilstudie weiterhin erhöhten. Vor dem Hintergrund der theoretischen und empirischen Grundlegung der Arbeit sowie der hier dargelegten Erkenntnisse der ersten Teilstudie, schloss die Planung und Durchführung der zweiten Teilstudie der Arbeit an, deren Ausgestaltung nachfolgend erläutert wird.

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Für die Erfassung von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen wurde, auf den bisherigen Ergebnissen aufbauend, eine ethnographische Studie angeschlossen, welche eine tiefergehende Exploration des Berufsalltags von Schulleitenden im Vollzug ermöglichen sollte. Hierfür wurde ein ethnographischer Forschungszugang mittels ›Shadowing‹ (Kapitel 7.1) gewählt. Um das Vorgehen im Rahmen dieser zweiten Teilstudie möglichst nachvollziehbar und transparent darstellen zu können, ist das Ziel der folgenden Ausführungen zunächst eine systematische Auseinandersetzung mit Shadowing sowohl aus methodologischer als auch methodischer Perspektive. Auf diese Weise soll ein Grundverständnis aufgearbeitet werden, welches die Grundlage für das forschungspraktische Vorgehen im Rahmen der vorliegenden Arbeit darstellt. Hierfür wird zunächst eine begriffliche Annäherung vorgenommen, im Rahmen derer die bisherige method(olog)ische Auseinandersetzung skizziert sowie mögliche Vor- und Nachteile und ethische Überlegungen von Shadowing als Form der Ethnographie dargelegt werden. Dies leitet zu der Verortung und Explikation der forschungspraktischen Umsetzung von Shadowing im Rahmen dieser Teilstudie über (Kapitel 7.1.1) und schließt mit der Beschreibung des hierbei gewonnenen Datenmaterials (Kapitel 7.1.2). Das Vorgehen bei der Auswertung der Daten ist Gegenstand der Ausführung von Kapitel 7.2.

7.1 Shadowing als ethnographischer Forschungszugang Bei Shadowing handelt es sich um ein Forschungsvorgehen, welches auf die Arbeiten Henry Mintzbergs (1973) zurückgeführt werden kann. Mintzberg begleitete fünf Manager:innen über einen Zeitraum von einer Woche in ihrem Arbeitsalltag, um deren Führungsarbeit zu untersuchen. Dem Ziel folgend, Sinn, Intention und Inhalte der verschiedenen Führungsrollen zu explorieren, zeichnete Mintzberg im Rahmen einer ›structured observation‹ (Mintzberg, 1973) Chronologien, Post- sowie Kontaktaufzeichnungen auf und erfasste zudem die Dauer und Art von Handlungen, Konversationen und daran beteiligte Personen sowie anekdotische und episodische In-

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formationen (Mintzberg, 1973). Dieses, in der zugehörigen Publikation »The Nature of Managerial Work« (Mintzberg, 1973) detailliert beschriebene Vorgehen, hat seither in verschiedenen Disziplinen wie z.B. der Anthropologie, Soziologie oder auch Erziehungswissenschaft unter dem Schlagwort ›Shadowing‹ an Popularität gewonnen und in verschiedenen Kontexten Anwendung gefunden (siehe beispielhaft für die Erziehungswissenschaft: Knutas, 2019; Polite et al., 1997; Roan & Rooney, 2006; Tulowitzki, 2014; Wolcott, 1973; für die Politik: Bussel, 2020; für Managementstudien: Czarniwaska, 2007, 2014; Gill, 2011; Johnson, 2014; für die Medizin: Kitsis & Goldsammler, 2013; Knutas, 2019). Als fest etabliert gilt Shadowing dabei im Rahmen von Professionalisierungsprozessen, beispielsweise im Bereich der medizinischen Ausbildung, oder auch in der Manager:innen- und Lehrpersonen(aus)bildung, beispielsweise zum Erlernen von Abläufen oder der Aneignung professioneller Rollen (bspw. Kitsis, 2011; Paskiewicz, 2002; Roan & Rooney, 2006). Doch auch forschungsseitig hat Shadowing bereits vielfach Anwendung gefunden: Hervorzuheben sind in diesem Kontext – nicht zuletzt aufgrund von Mintzbergs Pionierstatus – vor allem Arbeiten im Bereich der Organizational sowie Workplace Studies (bspw. Czarniwaska, 2007, 2014; Gill, 2011; Johnson, 2014; Nothhaft, 2011). Shadowing wird hierbei meist begriffen als Form von »fieldwork on the move« (Czarniawska, 2014, S. 43; siehe auch Gill, 2011, S. 115), welche zuvorderst genutzt wird, um Einblicke in die Intimität und Parallelität resp. Gleichzeitigkeit individueller und gruppenspezifischer Arbeitserfahrungen – in diesem Fall von Manager:innen – zu erhalten (Czarniawska, 2014; siehe auch Czarniwaska, 2007). Untersuchungen dieser Art wurden dabei häufig unter einem vorgegebenen Fokus durchgeführt und zielten darauf ab, wiederkehrendes Verhalten zu erfassen, zu quantifizieren und zu beschreiben (Gill, 2011; McDonald, 2005). Weiterhin wurde mit Blick auf das Shadowing die Möglichkeit zur Erweiterung des bestehenden Methodenrepertoires diskutiert, da durch die Untersuchung alltäglicher Kontexte sowie individueller Erklärungen und Sinngebungen Limitationen bestehender methodischer Zugänge überwunden werden konnten (Bøe et al., 2017; Johnson, 2014; Tulowitzki & Huber, 2014). So ermöglicht Shadowing durch ein offenes Vorgehen beispielsweise Elemente zu erfassen, welche vor der Beobachtung unbekannt waren und folglich durch einen Fragebogen oder ein vorgefertigtes Tagebuchraster nicht abgebildet wären (Tulowitzki & Huber, 2014). In der bildungs- resp. erziehungswissenschaftlichen Forschung lassen sich diverse, wenn auch zahlenmäßig deutlich weniger Arbeiten finden, in welchen Shadowing zu Forschungszwecken eingesetzt wurde und zuletzt auch zunehmender methodologisch diskutiert wird (bspw. Martin & Willower, 1981; Thomas & Ayres, 1998; Tulowitzki, 2014, 2019). Eine der ersten und bedeutendsten Arbeiten in diesem Kontext stellt die Studie von Wolcott (1973) dar, welcher eine:n Schulleitende:n zwei Jahre im Arbeitsalltag begleitete. Das Ziel der Studie war es,

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herauszufinden, welche Tätigkeiten diese:r verrichtet (Wolcott, 1973; siehe auch Knutas, 2019). Dabei verfolgte Wolcott einen ethnographischen Forschungsansatz, in dessen Rahmen verschiedene Forschungsstrategien, darunter die Aufzeichnung von Feldnotizen, Interviews sowie das Sammeln und Analysieren verschiedener Dokumente und Notizen, angewandt wurden (Wolcott, 1973). Die hier beschriebene Shadowing-Methodik wurde in darauffolgenden Arbeiten aufgegriffen und vielfältig adaptiert (z.B. Knutas, 2019; Polite et al., 1997; Tulowitzki, 2014). Diese vielfältige Adaption von Shadowing ist mit Blick auf die Schulleitungsforschung in besonderem Maße zu konstatieren, da sich hier diverse internationale Studien1 finden lassen, welche eine große Variationsbreite hinsichtlich der Ziele, der Definition des Begriffs ›Shadowing‹, der Parameter der Beobachtung und (gegebenenfalls) gewählter Kategorien sowie der Triangulation mit weiteren Methoden aufweisen, wie Tulowitzki in seinem Review zu Shadowing in bisherigen Schulleitungsstudien festhalten konnte (Tulowitzki, 2019). Gemeinsamkeiten, die er herausgearbeitet hat, lassen sich hinsichtlich der Fokussierung auf Schulleitende sowie des meist explorativen Charakters der Studien finden (Tulowitzki, 2019). Weiterhin fokussieren diese Studien häufig entweder die Arbeit von Schulleitenden unter der Frage »Was tun Schulleitende?« (siehe beispielhaft hier: Polite et al., 1997) oder deren Denk- und Verhaltensweisen und erheben dabei qualitative wie quantitative Daten (Tulowitzki, 2019, S. 96–98). Bei der Betrachtung der angegebenen Verständnisse resp. Definitionen von »Shadowing« weisen die Arbeiten jedoch kaum und wenn dann nur marginal Definitionsansätze auf, sodass sich aus diesen keine einheitliche Definition von ›Shadowing‹ für die Schulleitungsforschung ableiten lässt (Tulowitzki, 2019, S. 97, 103). Lediglich ein Verständnis von Shadowing als qualitative Methode liegt häufig vor, für die eine Beobachtung zentral ist (Tulowitzki, 2019). Im Fokus stehen hierbei jedoch weniger kulturelle Aspekte als vielmehr ein ganzheitliches Verständnis der Arbeitswelt einer Person und der damit verbundenen Probleme und Entscheidungen (Tulowitzki, 2019; siehe auch Gill, 2011). Unterschiede zeigen sich auf Ebene der Umsetzung der Methode: So herrscht beispielsweise hinsichtlich des Strukturierungsgrades in der Literatur keine Einigkeit. Shadowing wurde bisher sowohl unstrukturiert resp. frei, als strukturierte Tätigkeit oder auch als ›strukturelle Beobachtung‹ durchgeführt (Tulowitzki, 2019). Weiterhin verbleibt auch die Rolle der Beobachtenden, von der Betonung eines möglichst diskreten Verhaltens abgesehen, weitestgehend vage (Tulowitzki, 2019). An dieser Stelle wird deutlich, dass ein einheitliches Verständnis dessen, welches methodische Vorgehen sich hinter Shadowing verbirgt, nicht vorausgesetzt

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Für Australien sei z.B. auf Thomas und Ayres (1998) verwiesen, für die USA auf Spillane und Hunt (2010), für Frankreich auf Tulowitzki (2014) sowie für Südafrika auf Naidoo und Perumal (2014).

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werden kann. Gleichermaßen verhält es sich mit Blick auf die bisherige Studienlage auch mit der methodologischen Verortung und gar dem Begriff ›Shadowing‹ selbst. So kann trotz der diversen Anwendungsfelder und Auseinandersetzungen mit Shadowing in der Forschungspraxis konstatiert werden, dass weder im internationalen noch im deutschsprachigen Raum ein einheitliches Verständnis bzw. eine systematische methodologische Aufbereitung von Shadowing vorliegt (McDonald, 2005; siehe auch McDonald & Simpson, 2014; Tulowitzki, 2019). Um das im Rahmen der Forschungsarbeit verwendete Forschungsvorgehen transparent und nachvollziehbar beschreiben zu können, erfordert es daher zunächst einer genaueren Explikation der definitorischen und methodologischen wie methodischen Grundlagen von Shadowing. Hierfür wird zunächst eine Zusammenschau möglicher Definitionsansätze und damit verbundener methodischer Ausgestaltungen sowie methodologischer Diskussionen geboten, bevor eine Verortung der Arbeit innerhalb dieser Diskurse vorgenommen wird.

7.1.1 Begriffsannäherung »Shadowing« Wird versucht, ›Shadowing‹ auf Grundlage der einschlägigen Literatur zunächst auf begrifflicher Ebene zu erschließen, so wird deutlich, dass einerseits Begriffe wie »[teil-]strukturierte Beobachtung« synonym zu Shadowing verwendet werden (Tulowitzki & Huber, 2014)2 ; andererseits, dass der Begriff ›Shadowing‹ selbst meist ohne inhaltliche Explikation genutzt wird und nahezu jeglicher definitorischer Grundlage entbehrt. Schon hinsichtlich der Frage, ob es sich bei Shadowing um einen methodischen Forschungsansatz oder eine eigenständige Forschungsstrategie resp. -methode handelt, herrscht in den aktuellen Diskursen keine Einigkeit. Häufig lässt sich das jeweilige Verständnis von Shadowing anhand der Beschreibungen und Empfehlungen bezüglich der jeweiligen Umsetzung ableiten. So scheint studienübergreifend Einigkeit darin zu bestehen, dass sich Beobachtungen als zentrales Element von Shadowing darstellen, wodurch Shadowing gemeinhin ethnographischen Forschungszugängen zugeordnet wird (u.a. Bøe et al., 2017; Czarniawska, 2014; Gill, 2011; Gill et al., 2014; Knutas, 2019; McDonald, 2005). Shadowing wird in diesem Kontext auch als »one-on-one ethnography« (Gill, 2011, S. 116) bezeichnet, die es als holistischer Forschungsansatz (Knutas, 2019) resp. empirische Methode (Bøe et al., 2017; McDonald, 2005; Tulowitzki, 2019) ermögliche, »the world from someone else’s point of view« (McDonald, 2005, S. 464; siehe auch Gill et al., 2014) zu sehen. Der Metapher des Fensters von Gill und Kolleg:innen folgend, eröffnet

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Rebecca Gill schlägt beispielsweise – mit Rekurs auf die Performanztheorie – den von Augusto Boals eingeführten theatralischen Begriff des »spect-actor« vor, um auf das Handeln der Forschenden im Feld aufmerksam zu machen (Gill, 2011, S. 128).

7. Triangulation ǀ Teil II

Shadowing einen (Ein-)Blick auf alltägliche Erfahrungen, Dynamiken und Aktivitäten von Personen, wodurch ein holistisches Verständnis der Berufswelt einer Person erlangt werden kann (Gill et al., 2014; siehe hierzu auch Czarniawska, 2007). Nicht zuletzt deshalb wird es in der Forschung vermehrt zur Exploration unbekannter (Berufs-)Felder eingesetzt (Tulowitzki & Huber, 2014). Diskutiert wird jedoch häufig, mit welcher Zielsetzung dies geschehen soll. Forschende wie McDonald (2005) plädieren für eine Fokussierung und Entfaltung der »narrative of events and how these are perceived by the person being shadowed, rather than their exact time and duration« (S. 466) und bestärken damit ein qualitatives Verständnis von Shadowing (hierzu auch Bøe et al., 2017; Gill, 2011). Hiernach eignet sich Shadowing durch die Erfassung von »firsthand, detailed data« (Hall & Freeman, 2014, S. 565) dazu, kontextuell eingebundene Verhaltensweisen, Meinungen, Handlungen und Erklärungen zu beobachten und damit Zugang sowohl zum Trivialen oder Alltäglichen zu erhalten, als auch zu jenen Aspekten, welche schwer zu artikulieren sind (McDonald, 2005). Dies ermöglicht es, Fragen nach dem Was, Wie und Warum von Handlungen zu beantworten (Hall & Freeman, 2014; McDonald, 2005). Gleichwohl herrscht eine deutliche Kritik an einer solchen qualitativen Perspektive vor, die vor allem von Befürwortenden einer quantitativen Ausrichtung von Shadowing hervorgebracht werden. Hier wird Shadowing beispielsweise zur Quantifizierung resp. Klassifizierung von Tätigkeiten genutzt (z.B. Martinko & Gardner, 1990) oder auch zur Prüfung von Hypothesen (z.B. Bussel, 2020). Diese unterschiedliche Verortung innerhalb von Methodologien hat zwangsläufig auch Implikationen für die methodische Ausgestaltung von Shadowing in der Forschungspraxis. Zwar stellen Beobachtungen meist den Kern des Forschungsvorgehens dar, jedoch werden hier schon erste Unterschiede explizit: So variieren in bisherigen Studien sowohl die Beobachtungsform, der Strukturierungs- sowie der Beobachtungsgrad als auch die Dauer der Beobachtung und die Form der Datenerhebung (Tulowitzki, 2019). McDonald (2005) stellt hierzu fest, dass das Shadowing »will be as various and complex as the job of the individual the shadower is investigating« (S. 456) und verweist darauf, dass die Beobachtung entsprechend sowohl an aufeinanderfolgenden als auch einzelnen Tagen erfolgen und dabei von einem einzigen Tag bis hin zu einem ganzen Monat andauern kann (Tulowitzki, 2019). Bezüglich der Datenerhebung wird mehrheitlich auf das Verfassen analytischer Notizen und Memos während der Beobachtung verwiesen (u.a. McDonald & Simpson, 2014). Weiterhin wird das Stellen von explizierenden Fragen im Rahmen des Shadowings empfohlen, deren Antworten ebenfalls in Form von Feldnotizen festgehalten werden (McDonald, 2005). Gleichwohl eine Vielzahl der Studien die händische Aufzeichnung von (vorstrukturierten) Feldnotizen berichten, wurde ebenso der Einsatz von Videokameras berichtet, wenn auch vereinzelt (Bøe et al., 2017). Wie sich anhand dieser Ausführung bereits andeutet, können sich Forschende bei der Ausgestaltung dieser Methode neben der (teilnehmenden) Beobachtung

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auch an weiteren etablierten methodischen Quellen, wie dem Interview, bedienen3 . Eine solche Methodentriangulation wurde in bisherigen Studien auch vielfältig genutzt (siehe Abbildung 3):

Abbildung 3: Ausgestaltung von Shadowing als Multimethodenkomplex in der bisherigen Forschungspraxis (Eigene Darstellung anhand beispielhafter Studien)

Beispielhaft können hierfür Spillane und Hunt (2010) angeführt werden, die eine Triangulation von strukturierter Beobachtung, Fragebogen und Logbüchern vorgenommen haben oder auch Tulowitzki (2014), der neben »passiv-teilnehmende[n], offene[n], (überwiegend) strukturierte[n] Beobachtungen« (S. 99) Interviews und Dokumentenanalysen durchgeführt hat. Ungeachtet der Erhebungsformen verfügen die Forschenden am Ende des Shadowings idealerweise über »a rich, dense and comprehensive data set which gives a detailed, first-hand and multidimensional picture of the role, approach, philosophy and tasks of the person being studied« (McDonald, 2005, S. 457). Auch hinsichtlich der Anzahl der Beobachtenden (Shadow) und der zu Beobachtenden (auch Shadowees genannt; siehe bspw. Bøe et al., 2017; Gill et al., 2014) sind deutliche Unterschiede zu erkennen (McDonald & Simpson, 2014; Tulowitzki, 2019). So kann beispielsweise auch zwischen objekt-orientiertem (bspw. Czarniawska,

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Einen Abgrenzungsversuch von Shadowing, dem Interview, nicht-teilnehmender sowie teilnehmender Beobachtung als methodologische Nachbarn unternehmen McDonald und Simpson (2014). Da im Rahmen von Shadowing jedoch jene Methoden in verschiedenen Kombinationsanteilen integriert werden können, erscheint eine Abgrenzung der Methoden für die vorliegende Arbeit nicht zielführend.

7. Triangulation ǀ Teil II

2007)4 und subjekt- resp. personen-orientiertem Shadowing (bspw. Tulowitzki, 2014) und einer Hybridform (Rennstam, 2012) beider Shadowing-Varianten unterschieden werden. Aber nicht nur hinsichtlich des Beobachtungsgegenstandes resp. -subjekte lassen sich Unterscheidungen treffen; auf Grundlage verschiedener Studien aus den Sozialwissenschaften unterscheidet McDonald (2005) nochmals zwischen drei Arten von Shadowing, welche von der Zielsetzung der jeweiligen Studie abhängen: Hierbei handelt es sich einmal um das »Shadowing as experiential learning« (McDonald, 2005, S. 461), welches häufig in der beruflichen Bildung verortet ist und dazu dient, Einblicke in den Berufsalltag resp. geforderte Rollen zu bieten und somit zur Professionalisierung von Personen beizutragen (siehe auch Bøe et al., 2017). Hierzu zählen beispielsweise Hospitationen aus dem medizinischen oder dem lehramtsausbildenden Bereich, die zu Beginn des Kapitels angesprochen wurden. Bei der zweiten Art von Shadowing handelt es sich um »Shadowing as a means of recording behaviour« (McDonald, 2005, S. 461–464). Hierzu zählen vorrangig Studien, die sich einer quantitativen Methodologie bedienen und Verhaltensweisen anhand einer Reihe von vorher festgelegten Kategorien erfassen (McDonald, 2005). Shadowing wird hierbei als neutrales Instrument begriffen, um zu erfassen, »what is ›actually‹ happening« (McDonald, 2005, S. 463). Durch die vorab festgelegten Kategorien können Muster des Auftretens derjenigen Aktivitäten quantifiziert und beschrieben werden, die bereits im Vorfeld bekannt sind. Die letzte Form des Shadowings ist schließlich »Shadowing as a means of understanding roles or perspectives« (McDonald, 2005, S. 464–467). Anders als bei Shadowing als »experimental learning« geht es hier nicht um die eigene Professionalisierung der Beobachtenden, sondern »to see the world from someone else’s point of view« (McDonald, 2005, S. 464) zu Forschungszwecken. Diese Form des Shadowings ist durch eine qualitative Epistemologie untermauert (McDonald, 2005), die in Untersuchungen von Aktivitäten explizit wird, die Handlungs- und Zielmuster anhand von Daten induktiv herausarbeiten (in Abgrenzung zur zweiten Shadowingform und der deduktiven Kategorienbildung, s.o.). Ziel stellt nicht die neutrale, quantitative Messung von Verhalten dar, sondern »generating a narrative to first develop and then share insight into a role« (McDonald, 2005, S. 464). Die erhobenen Handlungen werden darüber hinaus durch Stimmung, Körpersprache, Tempo, organisatorisches Umfeld und andere aussagekräftige Beobachtungen in einen reichhaltigen Kontext gesetzt (McDonald, 2005). Zusammenfassend kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass, wenngleich es keine einheitliche Definition von Shadowing gibt und dessen methodologische Ausrichtung umstritten ist, der Kernaspekt von Shadowing »following an individual 4

Weitere Beispiele hierfür bieten die Arbeiten von Latour (1999), der Bodenproben aus dem Regenwald folgte, oder auch Bruni (2005), die ein Shadowing elektronischer Patientenakten unternahm.

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to learn about their everyday experience and practices« (Gill et al., 2014, S. 4; Herv. i. O.) ist. Die Forschenden müssen hierbei »inter alia, […] anticipate shadowing, perform shadowing, and then transition out of the field« (Gill et al., 2014, S. 4; Herv. i. O.). Für die Umsetzung einer solchen Vorwegnahme und Durchführung von Shadowing sowie dem Austritt aus dem Feld lassen sich in der Literatur verschiedene Empfehlungen resp. Explikationen idealtypischer Shadowing-Abläufe finden. Ein Beispiel für letzteres bieten Tulowitzki und Huber (2014), welche drei typische Ablaufschritte von Shadowing differenzieren. Hierbei handelt es sich zunächst um eine (1) Phase der Vorbereitung, in welcher die Auswahl der zu beobachtenden Personen sowie des Beobachtungszeitpunktes getroffen wird, weiterhin Genehmigungen und Verschwiegenheitserklärungen eingeholt sowie die Shadowees aufgeklärt werden (Tulowitzki & Huber, 2014). In diesem Kontext findet auch ein Briefing der beteiligten Personen hinsichtlich etwaiger Rahmenbedingungen (bspw. gemeinsame Setzung von Grenzen) und methodischer Aspekte, beispielsweise Erläuterungen des Interaktionsgrades von Shadow und Shadowee, statt. Hierauf folgt die eigentliche (2) Durchführung des Shadowings. Ziel ist eine möglichst diskrete Nachverfolgung des Handlungsgeschehens (Tulowitzki & Huber, 2014). Dies soll durch ein unauffälliges Verhalten seitens der Forschenden und der Vermeidung von Unterbrechungen des Shadowee im Handeln gewährleistet werden. Als Leitbild soll hierbei das Bild eines Schattens fungieren, »welcher keinen Laut von sich gibt, so unauffällig ist, dass er meistens nicht wahrgenommen wird und doch immer nah am Menschen ist, der den Schatten wirft« (Tulowitzki & Huber, 2014). Die Protokollierung des (Mit-)Erlebten soll dabei direkt stichwortartig handschriftlich und damit wieder möglichst unauffällig erfolgen. Als Letztes empfehlen Tulowitzki und Huber (2014) noch eine Phase der (3) Nachbereitung, in der vertiefende Reflexionsgespräche mit den Shadowees geführt werden (»Debriefing«) und die Forschenden ihre Erfahrungen, Reflexionen und persönliche Fazits in einem Lerntagebuch dokumentieren. An diese drei Phasen sind auch weitere forschungspraktische Empfehlungen aus der bisherigen Literatur zu Shadowing anschlussfähig5 : So empfehlen auch Gill und Kolleg:innen (2014) eine intensive Vorbereitung, welche sie neben der Kontaktaufnahme und Setzung von Rahmenbedingungen und Regeln um eine Vorbereitung der Forschenden hinsichtlich der körperlichen wie emotionalen Belastung von Shadowing ergänzen (S. 11ff.; siehe hierzu auch McDonald, 2005). Auch wird auf eine frühzeitige Planung des Datenmanagements verwiesen und damit auf die Klärung, welche Daten explizit aufgezeichnet und ausgewertet und wie diese verwaltet werden sollen (McDonald, 2005). Ebenso wird die Vorbereitung eines »Shadow Kit« empfohlen, welches die für das Shadowing erforderlichen 5

Für ausführliche und weiterführende Erläuterungen zu den hier in Kürze skizzierten Empfehlungen sei auf Gill et al. (2014, S. 8–31) sowie McDonald (2005, S. 460) verwiesen.

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Gegenstände wie z.B. Notizbücher und (Ersatz-)Stifte beinhaltet (Gill et al., 2014; McDonald, 2005). Weiterhin werden auch Empfehlungen zur Durchführung des Shadowings formuliert. So verweisen die Autor:innen darauf, möglichst viel im Rahmen von Feldnotizen festzuhalten und diese Notizen zeitnah aufzuzeichnen resp. zu verdichten (McDonald, 2005). Ergänzend zu den obigen Ausführungen wird außerdem auf den Aufbau eines sozialen (Hilfs-)Netzwerkes verwiesen, welches Austauschmöglichkeiten über Erfahrungen, Gedanken und – vor allem emotionale – Belastungen und somit auch Reflexionsprozesse seitens der Forschenden ermöglicht (Gill et al., 2014; McDonald, 2005). Verbunden ist dies auch mit Empfehlungen hinsichtlich der Nachbereitung sowie zum Verlassen des Feldes, welches die ständige Aushandlung der wechselnden Beziehungen zu den Shadowees beinhaltet (Gill et al., 2014). Hier empfehlen die Autor:innen nicht nur, das Feld achtsam und vorbereitet zu verlassen, sondern auch das Gefühl von Verrat, welches im Kontext von Ergebnisaufbereitung und -publikation entstehen kann (»›betray‹ the tacit norms of backstage by exposing it«, Gill et al., 2014, S. 27) abzuschwächen. Abschließend lassen sich noch übergeordnete Empfehlungen identifizieren, derart, dass zu einer offenen und flexiblen Forschungshaltung geraten wird (Gill et al., 2014) sowie für die Dauer des konkreten Shadowings mindestens ein Tag, besser noch mehrere aufeinanderfolgende Tage angeraten werden (Tulowitzki & Huber, 2014). Deutlich weniger Hinweise lassen sich wiederrum hinsichtlich der Ergebnisdarstellung resp. Berichtserstattung finden. Hier verweist lediglich Bussel (2020) darauf, dass die Ergebnisse, dem Charakter einer Beobachtung folgend, meist in narrativer Form dargestellt werden. Wie sich anhand der Empfehlungen bereits abzeichnet, geht Shadowing mit verschiedenen Vor- und Nachteilen einher. Aus Gründen der Vollständigkeit werden im Nachfolgenden diese abschließend in einem kurzen Exkurs ausgeführt, bevor vor dem Hintergrund dieses Exkurses und der bisherigen Ausführungen zu Shadowing das der Arbeit zugrundeliegende Verständnis und die forschungspraktische Umsetzung von Shadowing erläutert werden (siehe Kapitel 7.1.2). Ambivalenzen und ethische Aspekte von Shadowing: Im Kontext des Einsatzes von Shadowing werden in der bisherigen Literatur verschiedene Vor- wie Nachteile sichtbar, die ein ambivalentes Licht auf den Einsatz von Shadowing werfen und bei der Planung berücksichtigt werden sollten: Als vorteilhaft wird vermehrt darauf hingewiesen, dass es Shadowing als Forschungsmethode ermöglicht, das Handeln von Personen in situ und in actu zu erfassen. Dies erlaubt es auch, die Gleichzeitigkeit von Ereignissen, die auch in verschiedenen Umgebungen stattfinden, die Ungleichzeitigkeit von Erfahrungen und die Digitalisierung einer wachsenden Anzahl von Handlungen und Prozessen zu fokussieren (u.a. Czarniawska, 2007, 2014). Auch können Verbindungen in der Arbeit von verteilten Arbeitsteams beobachtet werden (Gill et al., 2014). Hierdurch wird

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es möglich, ganzheitliche Einblicke in den Berufsalltag bzw. bislang unsichtbare Aspekte des beruflichen Handelns von Personen und die Ausgestaltung der eigenen Rolle zu erhalten (Gill et al., 2014; Hall & Freeman, 2014; Tulowitzki & Huber, 2014) sowie Herausforderungen zu erfassen, die in der Geschwindigkeit, der Kürze, der Vielfalt und der miteinander verbundenen Fragmentierung der jeweiligen Arbeit liegen (McDonald, 2005). Die hierbei erhobenen Daten können dabei als in besonderem Maße präzise und zuverlässig angesehen werden, da diese durch die unmittelbare Aufzeichnung kaum Erinnerungsverzerrungen unterliegen (Tulowitzki, 2019). Auch kann Shadowing durch die Nähe der Beteiligten eine dialogische Beziehung zwischen der beobachteten Person und der:dem Beobachtenden fördern, welche sich einerseits positiv auf die Datenerhebung auswirken kann (Hall & Freeman, 2014), andererseits auch Potenziale zur Praxisreflexion für den Shadowee birgt (Tulowitzki, 2019). Weiterhin eignet sich Shadowing gut für die Triangulation mit weiteren Forschungsmethoden resp. Daten, wodurch es sich insbesondere für die Umsetzung von Mixed-Method-Designs eignet (Tulowitzki, 2019). Tulowitzki und Huber (2014) heben schließlich noch hervor, dass durch den Einsatz von Shadowing als Forschungsmethode die Natürlichkeit einer offenen Beobachtungssituation (im Vergleich zu anderen Methoden) am ehesten gewahrt werden kann. Neben diesen Vorteilen weist der aktuelle methodische Diskurs jedoch auch auf verschiedene Nachteile von Shadowing hin: Eine besondere Betonung erfahren hierbei die physische wie emotionale Belastung der Forschenden im Rahmen des Shadowings (McDonald, 2005; siehe auch Czarniawska, 2007, 2014). Diese ergeben sich insbesondere aufgrund der zeitlichen Dauer der Begleitung und der dafür erforderlichen Koordination und Kommunikation (Gill et al., 2014), wodurch sich die Forschungsmethode auch als sehr zeit- und ressourcenaufwendig darstellt (Tulowitzki, 2019). Ebenso besteht zum einen die Notwendigkeit, sich emotional auf die Person, der man folgt, einzustimmen (Czarniawska, 2014). Zum anderen erschweren das Tempo und die physischen Anforderungen, beispielsweise die Erfassung von mehreren Aktivitäten zur gleichen Zeit (Tulowitzki, 2019) sowie von Reflexionsoder Analysephasen im Feld (McDonald & Simpson, 2014), die Forschungstätigkeit. Gill und Kolleg:innen (2014) verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass es sich bei Shadowing um »always an idiosyncratic, negotiated experience« (Gill et al., 2014, S. 33) handelt. Auch birgt die Möglichkeit zur ganzheitlichen Erfassung von beruflichem Handeln Nachteile: Zunächst kann sich der Feldzugang als schwierig erweisen, wenn aufgrund der Intimität der Beobachtungssituation beispielsweise Bedenken hinsichtlich der Sicherheit oder Vertraulichkeit von Informationen seitens der Beobachteten bestehen (Knutas, 2019; McDonald, 2005). Ebenso kann sich die Fülle an gewonnenen Informationen und Erfahrungen als Problem erweisen, da diese die Aufzeichnung und Analyse der Daten ungemein erschweren kann (Tulowitzki, 2019; siehe auch Hall & Freeman, 2014; McDonald, 2005). Forschende sehen sich bei der Durchführung von Shadowing daher einer anhaltenden Spannung aus-

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gesetzt, fortlaufend methodische Entscheidungen treffen zu müssen (Czarniawska, 2007; Gill et al., 2014). Diese betreffen auch den möglichen Einfluss der Forschenden auf den Berufsalltag der zu beobachtenden Person, beispielsweise in Form von Unterbrechungen resp. Störungen (Hall & Freeman, 2014) oder auch die Vermeidung von möglichen Beobachter:inneneffekten (McDonald, 2005; Tulowitzki, 2019; Tulowitzki & Huber, 2014). Hinsichtlich eines Risikos von Beobachter:inneneffekten sind nach Bussel (2020) vier Kernaspekte bei der Durchführung von Shadowing zu berücksichtigen: Wenngleich eine Reaktion der Shadowee auf die Beobachtenden anfangs zu erwarten ist, gewöhnen diese sich jedoch mit der Zeit an die Anwesenheit und kehren zu ihrem typischen Verhalten zurück. Weiterhin haben die beobachteten Personen, anders als bei anderen Erhebungsmethoden wie beispielsweise bei einem Fragebogen oder im Interview, weniger Möglichkeiten zu kontrollieren, welche Informationen erhoben werden (Bussel, 2020). Gleiches gilt für die oft wesentlich geringere Kontrolle über Dynamiken im Berufsalltag, welche ebenfalls durch die Forschenden erfasst werden (Bussel, 2020). Zuletzt weist Bussel (2020) noch darauf hin, dass ein »extended time frame, detailed data collection, and multiple subjects […] generate opportunities to assess indirectly the possible presence of observer effects« (S. 483). Vor diesem Hintergrund hält auch Tulowitzki (2019) fest, dass das Risiko für Beobachter:inneneffekte als gering einzustufen ist. Abschließend muss an dieser Stelle noch auf Nachteile hingewiesen werden, welche die Beziehung der beobachteten Personen und der Forschenden betreffen. So stellt Tulowitzki (2019) heraus, dass es sich bei Shadowing um eine »immersive Forschungsmethode« (S. 102) handelt, die die Gefahr einer Nähe-Distanz-Problematik und eines »going native« (Tulowitzki & Huber, 2014, S. 187; siehe auch McDonald, 2005; Tulowitzki, 2019) birgt. Dies steht auch unmittelbar in Verbindung mit ethischen Aspekten, welche im Rahmen des Shadowings aufgrund dessen intimer und relationaler Natur berücksichtigt werden müssen (Bøe et al., 2017; Hall & Freeman, 2014; Johnson, 2014). Insbesondere die soeben angesprochene Beziehung von Shadow und Shadowee wird in diesem Kontext akzentuiert: Durch die Intimität und Dauer der Beobachtung resp. Begleitung, ist die Beziehung der Beteiligten meist von Vertrauen geprägt, was erheblichen Einfluss auf die Datenerhebung haben kann. Czarniawska (2007) beschreibt dies als »creat[ing] a peculiar twosome – the person shadowed and the person doing the shadowing – in which the dynamics of cognition become complex and therefore interesting« (S. 10). Solch eine enge persönliche Beziehung zwischen den Beteiligten kann einerseits Vorteile für die Datenerhebung bergen, so beispielsweise einen potenziellen Zugang zu nicht-öffentlichen Bereichen (Bussel, 2020). Andererseits erschwert diese Zweisamkeit aber auch die Wahrung professioneller Interaktion und die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen einer Außenseiter- und einer Insiderperspektive auf Seiten der Forschenden (Bøe et al., 2017, Czarniawska, 2014; Gill et al., 2014).

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Jenseits der Beziehung von Shadow und Shadowee wirft eine Beobachtung im Sinne eines Shadowings in Organisationen wie der Schule weitere ethische Fragen auf (Johnson, 2014): Welchen Einfluss hat es auf Schule, wenn jemand Externes allumfassend beobachten darf? Fühlen sich Akteur:innen zur Kooperation genötigt, wenn die Schulleitung das Shadowing genehmigt hat? Fühlen sich die Beteiligten unwohl? Was macht das mit den Daten? Dies sind nur exemplarische Schlaglichter auf ethische Fragen, deren Berücksichtigung einen wichtigen Bestandteil im Rahmen ihres Forschungsprozesses und der Durchführung von Shadowing darstellt (Bøe et al., 2017). Ähnlich dem Spannungsverhältnis stetig aufkommender methodischer Entscheidungen lässt sich also auch hier festhalten, dass der Umgang mit ethischen Fragen »being ethically responsive ›on the move‹« (Bøe et al., 2017, S. 615) bedeutet. Johnson schlägt in diesem Zusammenhang sieben ethische Überlegungen vor, die vor, während und nach der Datenerhebung von besonderer Relevanz sind (Johnson, 2014, S. 27ff.). Hierbei handelt es sich um (1) das Schaffen von Anreizen für die Teilnahme, (2) das Einholen informierter Zustimmungen sowie der Umgang mit Täuschung und verdeckter Forschung, (3) den Umgang mit der Rolle der:des Forschenden und deren Auswirkungen, (4) die Beibehaltung der Objektivität und die Vermeidung von »going native«, (5) den Umgang mit den Auswirkungen der Gesamtforschung auf Einzelpersonen und Organisationen sowie (6) die Einhaltung von Vertraulichkeit und (7) Gewährleistung von Anonymität6 . Wie die vorausgegangenen Ausführungen zeigen, handelt es sich bei Shadowing nicht um eine einheitliche Methode, wenngleich sich Kernaspekte identifizieren und allgemeine Empfehlungen zur Durchführung finden lassen. Unabdingbar erscheint daher im Sinne eines transparenten Vorgehens, das Verständnis von Shadowing und die forschungspraktische Umsetzung im Rahmen der vorliegenden Arbeit abschließend mit Rekurs auf die soeben dargelegten Überlegungen zu explizieren. Im Folgenden wird hierfür das der Arbeit zugrundeliegende Verständnis von Shadowing dargelegt, bevor die einzelnen Phasen des methodischen Vorgehens einschließlich ihrer jeweiligen Zielsetzung erläutert werden. Dabei wird versucht, jede Phase so detailliert zu beschreiben, dass sie reproduzierbar ist und damit zum Verständnis des Forschungsprozesses beiträgt.

7.1.2 Forschungspraktische Umsetzung Vor dem Hintergrund der bisherigen method(olog)ischen Auseinandersetzung mit Shadowing als Forschungsmethode wurde für die vorliegende Arbeit folgendes Verständnis von Shadowing erarbeitet: Shadowing wird als Multimethodenkomplex (Nothhaft, 2011) begriffen, dessen zentrales Kernelement eine teil-strukturierte Beobachtung darstellt, welche mit reichhaltigen Kontextinformationen durch 6

Eine detaillierte Darlegung dieser Überlegungen bietet Johnson (2014, S. 27–34).

7. Triangulation ǀ Teil II

episodische und anekdotische Informationen und Reflexionsgespräche ergänzt wird. Dem hier konzeptionierten Shadowing liegt im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine qualitative Epistemologie zugrunde. Shadowing wird dabei angewandt, um Handlungen, verstanden als intentionales Tun, untersuchen zu können und damit Handlungsmuster und womöglich vorhandene Herausforderungen im Handeln interpretativ im Rahmen ihres jeweiligen Kontextes zu erschließen. Dieses Verständnis erweist sich als anschlussfähig an Shadowing »as a means of understanding roles or perspectives« (McDonald, 2005, S. 464–467) und zielt folglich auf die Erfassung von Welt aus der Perspektive anderer sowie darauf, Einblicke in die Rollen anderer Personen zu erhalten. Die beobachtende Person (Shadow) nimmt dabei die Haltung eines Schattens an, der die beobachtete Person (Shadowee) möglichst unauffällig in ihrem Berufsalltag begleitet. Hierbei soll, dem Bild eines Schattens folgend, möglichst wenig Interaktion mit dem Shadowee erfolgen, gleichwohl eine dauernde, unauffällige Präsenz des Shadows – und damit die Teilhabe am Berufsalltag des Shadowee – angestrebt werden. Hiermit soll einerseits der Aufbau der notwendigen Nähe von Shadow und Shadowee, die die Begleitung eines Alltages erfordert, ermöglicht werden, und gleichzeitig eine reflexive Distanz gewahrt werden, um Verzerrungen in der Datenerhebung durch eine zu große Verbundenheit von Shadow und Shadowee zu vermeiden. Ziel ist dabei nicht, eine scheinbare Objektivität des Shadows zu implizieren, sondern eine reflexive Haltung zu akzentuieren und damit der Berücksichtigung des Einflusses, den der Shadow auf das Feld durch die Begleitung des Shadowee ausübt, Rechnung zu tragen (hierzu auch Gill, 2011). Hierbei wird zunächst eine offene, unsystematische Beobachtungsform (in Anlehnung an Lamnek & Krell 2016, S. 523ff.) angestrebt, welche eine Entwicklungsoffenheit zur Systematik mitführt. Die beobachtende Person fungiert hierbei mit Bezug zum Beobachtungsgrad in Form einer:s Teilnehmenden als Beobachter:in (Flick, 2016) und verfolgt eine passive teilnehmende Beobachtung, im Rahmen derer Feldnotizen angefertigt und – wo nötig – ethnografische Feldgespräche in Form von »friendly conversations« (Spradley, 1979, S. 55) aufgezeichnet werden. In diesem Zuge werden weiterhin Episoden und Anekdoten erfasst. Bei Episoden handelt es sich um »Ereignisse, die während des Beobachtungszeitraums in Anwesenheit des Beobachters stattfanden und seiner Meinung nach ein besonders aufschlussreiches Licht auf die Person oder die Situation warfen« (Nothhaft, 2011, S. 172). Anekdoten werden im Rahmen der Arbeit verstanden »als »merk-würdige Geschichten, in denen Ereignisse mit besonderer Wirkkraft, die Forschenden aus der erinnerten Erfahrung erzählt werden, pointiert verdichtet werden« (Rathgeb et al., 2017, S. 130). Als Beobachtungsfeld wurde die Schule als analoger sowie digitaler Raum definiert. Als Schwerpunkt der Beobachtung wurde, durch die Forschungsfragen der Gesamtarbeit leitend, konkretes Schulleitendenhandeln unter besonderer Berücksichtigung der Bedingungen des Digitalen im Berufsalltag fokussiert. Für das Shadowing wurde durch die Fokussierung von

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Schulleitenden und ihrem Handeln entsprechend eine Personenzentrierung gewählt. Entlang der drei idealtypischen Phasen des Ablaufs von Shadowing nach Tulowitzki und Huber (2014) wurde das methodische Vorgehen unter Berücksichtigung der forschungspraktischen Empfehlungen und ethischen Überlegungen (Gill et al., 2014; McDonald, 2005; Tulowitzki & Huber, 2014) folgendermaßen en détail ausgestaltet: Phase 1 – Vorbereitung: Zu Beginn der Durchführung dieser Teilstudie wurden zunächst notwendige formelle Genehmigungen der zuständigen Schulaufsichtsbehörde eingeholt, die das geplante Vorgehen und die eigens hierfür erstellten Informationsschreiben und Einverständniserklärungen (siehe Anhang) prüfte. Nach der Genehmigung wurden aus dem Pool des bestehenden Samples der ersten Teilstudie und anhand der dort gewonnenen Erkenntnisse zwei möglichst kontrastierende Schulleitende ausgewählt (siehe für eine ausführliche Beschreibung beider Shadowee Kapitel 8.1). Die Auswahl der Schulleitenden erfolgte auf Grundlage kontrastierender Unterschiede hinsichtlich der Beschreibung ihres eigenen Berufsalltags und Handelns mit Bezug zur Digitalisierung und ihrer Rolle als Schulleitung, welche im Rahmen der Expert:inneninterviews ersichtlich wurden. Weitere Unterschiede konnten anhand des Stellenwertes, den die Schulleitenden Digitalisierung für Schule, aber auch für ihr eigenes Handeln, zuschrieben, sowie den bisherig besuchten Fortbildungen zum Themengebiet und berichteten Herausforderungen identifiziert werden. So beschrieb der erste Shadowee sein Handeln als Schulleitung als nicht unmittelbar an Digitalisierung resp. digitale Medien geknüpft und maß Digitalisierung in diesem Kontext einen geringen Stellenwert bei; betont wurden hierbei dementgegen das direkte Gespräch mit Menschen. Weiterhin besuchte dieser Shadowee eine Fortbildung zum Themengebiet und berichtete von digitalisierungsbezogenen Herausforderungen im Alltag. Der zweite Shadowee betonte die hohe Relevanz digitaler Medien und Software für seinen Alltag und verwies in seinen Ausführungen auch darauf, dass er selbst Software für seine Schulleitungsaufgaben programmiere. Digitalisierung wurde hierbei einen sehr großen Stellenwert beigemessen, was sich auch im mitgesandten umfangreichen Schulentwicklungskonzept sowie der Übersicht über zahlreiche digitalisierungsbezogene Fortbildungen äußerte, die der Shadowee bereits besuchte. Im Gegensatz zum ersten Shadowee äußerte dieser kaum Herausforderungen. Neben diesen Unterschieden wurde im Zuge der Auswahl darauf geachtet, dass partiell ähnliche Rahmenbedingungen, wie eine gleiche Schulform und ähnliche Schulgröße und -struktur, gegeben waren, um mögliche Verzerrungen aufgrund struktureller Differenzen zu vermeiden. Mit Blick auf das Schulleitendenhandeln konnten somit differenzierende Faktoren identifiziert werden, die es ermöglichen sollten, verschiedene Einblicke in die zu explorierenden Phänomene zu erhalten, während durch die bestehenden Gemein-

7. Triangulation ǀ Teil II

samkeiten mögliche Verzerrungen aufgrund struktureller Differenzen vermieden werden sollten. Beide Schulleitenden wurden per E-Mail kontaktiert und um eine Teilnahme gebeten. In diesem Zuge wurden die erstellten Informationsmaterialien versandt und ein persönliches Treffen zur Vorstellung der Studie und Beantwortung möglicher Fragen der Schulleitenden angeboten. Beide Schulleitenden nahmen dieses Angebot wahr und sagten einer Teilnahme unmittelbar während der Treffen, die ca. 20 Minuten dauerten, zu. Erörtert wurden darin in Anlehnung an das Briefing nach Tulowitzki und Huber (2014) sowohl Rahmenbedingungen der beiden Begleitungen als auch methodische Aspekte. Hierbei wurden mit beiden Schulleitenden gleiche Rahmenbedingungen vereinbart: Es wurde ein jeweils dreiwöchiger Begleitungszeitraum festgelegt, um einen möglichst umfassenden Einblick in die verschiedenen Aufgabenbereiche von Schulleitungen und die sich dort zeigenden Aspekten des Digitalen zu erhalten. Hierbei wurde die Haltung der Shadows als Schatten transparent kommuniziert und mit der Bitte ergänzt, dass die Schulleitenden ihrem Arbeitsalltag möglichst unverstellt nachgehen sollen. Um einen möglichen Anreiz zur Teilnahme am Shadowing zu schaffen, wurde die Möglichkeit zur Co-Reflexion im Rahmen von Reflexionsgesprächen bzw. Ergebnispräsentationen zu einem späteren Zeitpunkt der Studie angeboten und erörtert. Im Hinblick auf die den gesamten Berufsalltag umfassende Begleitung und damit auch auf die Aufzeichnung des Handelns der Schulleitenden wurde zudem vereinbart, dass die Schulleitenden sowie etwaige weitere Beteiligte die Forschende jederzeit zum Verlassen der Situation auffordern können7 . Hiermit sowie mit einer möglichst aufmerksamen, sensiblen Wahrnehmung eigener und fremder Emotionen und Verhaltensweisen und auch den Entscheidungen, Situationen nicht direkt oder nur zu einem gewissen Detailgrad zu erfassen, wurde versucht, während des Shadowings, »ethically responsive ›on the move‹« (Bøe et al., 2017, S. 615) zu sein. Um die Wahrung von Vertraulichkeit zu garantieren, legte die Forschende zudem entsprechende Verschwiegenheitserklärungen bezüglich personenbezogener Daten sowie der Einhaltung der EU Datenschutz-Grundverordnung und des Landesdatenschutzgesetzes Rheinland-Pfalz vor (siehe Anhang). Gleichsam wurden die informierten Einverständniserklärungen der Schulleitenden eingeholt, im Zuge derer eine pseudonymisierte Datenerhebung8 und eine anonymisierten Ergebnisdarstellung zugesichert wurde.

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Eine solche Situation ergab sich lediglich einmal im Rahmen des gesamten Shadowings und wurde durch eine Lehrperson angestoßen, welche ein persönliches Gespräch mit der Schulleitung suchte. Da direkt bei Eintritt der Forschenden durch den Shadowee im Anschluss an dieses Gespräch eine kurze Erläuterung erfolgte, konnten jedoch auch dazu Daten erhoben werden. Diese war notwendig, um die verschiedenen Daten, welche im Rahmen des Shadowings erhoben wurden, den jeweiligen Shadowee resp. Schulleitungsmitgliedern zuordnen zu kön-

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Hinsichtlich der Vorbereitung der Forschenden wurde mit Rekurs auf Gill et al. (2014) und McDonald (2005) ein Shadow-Kit vorbereitet, welches je Begleitung zwei DIN-A5-Notizbücher à 200 Seiten, vier verschiedenfarbige Stifte, Wasser, Traubenzucker sowie ein Smartphone und ein Audioaufnahmegerät beinhaltete. Weiterhin wurde im Vorfeld Sorge getragen, dass die Forschende über soziale Austausch- und Reflexionsmöglichkeiten sowie Unterstützungsstrukturen verfügte. Abschließend wurde in Anlehnung an McDonald (2005) ein Datenmanagementplan verfasst, in dem Richtlinien für die Aufzeichnung und Verwaltung der erhobenen Daten festgelegt wurden (siehe Anhang). Phase 2 – Durchführung: Das Shadowing der beiden Schulleitenden erfolgte im Frühjahr 2021 für den mit den Shadowee jeweils gemeinsam festgelegten Zeitraum von drei Wochen. Die Forschende begleitete hierbei, dem Leitbild des Schattens folgend (s.o.), die beiden Shadowee täglich von Arbeitsbeginn, welcher jeweils am Vortag vereinbart wurde, bis zum körperlichen Verlassen des Schulgeländes9 . Wenngleich eine primäre Begleitung der beiden Shadowee stattfand, wurden Mitglieder der erweiterten Schulleitung und deren Handeln, wenn möglich, ebenfalls beobachtet. Erfasst werden konnten jeweils vierzehn vollständige Arbeitstage10 , womit sich die Beobachtung insgesamt auf circa 223 Beobachtungsstunden belief. Die Datenerhebung erfolgte handschriftlich in Form von Feldnotizen. Hierbei wurde versucht, die Daten direkt in der gegebenen Situation zu notieren. War dies in der Situation nicht möglich – beispielsweise bei informellen Gesprächen, bei denen die Sorge bestand, ausgeschlossen zu werden, wenn offensichtlich erhoben wurde – wurden das Erlebte zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgezeichnet. Am Ende jeden Tages wurde die Feldnotizen durch die Forschende weiter verdichtet, um mögliche Verzerrungen durch fehlende oder uneindeutige Erinnerungen im Nachgang zu vermeiden. Ergänzend zu den Begleitungen im Berufsalltag der Schulleitenden wurde im Rahmen des zweiten Shadowings durch den Shadowee selbst die Möglichkeit eröffnet, Zugang zur digitalen Terminverwaltung der Schulleitungsmitglieder, dem Learningmanagementsystems, welches an der Schule eingesetzt wird, sowie zu verschiedenen E-Mail-Verläufen zu erhalten. Dies wurde zum Anlass genommen, die

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nen. Personen- oder organisationsidentifizierende Informationen wurden innerhalb der Datenerhebung nicht aufgezeichnet. Schulleiterisches Handeln, welches die Shadowee außerhalb der Schule, beispielsweise in ihrem Zuhause, vollzogen, konnte entsprechend nicht beobachtet werden, gleichwohl Berichte hierzu am Folgetag und versandte Mails in diesen Zeiträumen durch die Shadowee durchaus erfasst wurden (siehe folgende Ausführungen). Jeweils ein Arbeitstag konnte je Shadowing nicht erfasst werden. Hierbei handelte es sich bei der ersten Schulleitung um einen Heimarbeitstag. Im Rahmen der Begleitung der zweiten Schulleitung untersagte die:der zuständige Vertretende der Schulaufsicht, die:der am entsprechenden Tag in der Schule war, die Anwesenheit der Forschenden.

7. Triangulation ǀ Teil II

Datenerhebung zusätzlich um Methoden der virtual ethnography resp. Netnographie11 (u.a. Koszinets, 2011; Koszinets et al., 2018) zu erweitern. Netnographie kann hierbei verstanden werden als eine an das Internet angepasste Form ethnographischer (Feld-)Forschung, bei der ebenfalls eine (teilnehmende) Beobachtung in einem natürlichen, in diesem Falle digitalen, Setting im Vordergrund steht (Koszinets, 2002). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die zugänglichen digitalen Räume hierbei als Dokument im Sinne eines Feldes von Informationen (Markham & Stavrova, 2016) betrachtet. Die dabei vorgefundenen digitalen Räume und deren Inhalte wurden als Artefakte der medialen Wirklichkeits- und Selbstdarstellung der Schule und der jeweiligen Schulleitungsmitglieder erfasst und gesichert. Ebenso wurden bereitstehende Informationen in den Text-, Film- und Bilderarchiven, vornehmlich des Learningmanagementsystems, heruntergeladen, sofern diese in Bezug zu den erkenntnisleitenden Fragestellungen der Gesamtarbeit standen. Insgesamt konnten hierbei 426 Artefakte in Form von archival data12 (Koszinets, 2011), im Sinne bereits gegebener Daten, die vorgefunden und zu Forschungszwecken archiviert wurden, gewonnen werden. Phase 3 – Nachbereitung: Die Nachbereitung des Shadowings wurde auf unterschiedlichen Ebenen realisiert: Zum einen wurden im Rahmen einer täglichen Nachbereitung der Forschenden eigene Erfahrungen, persönliche Fazits und Aspekte einer möglichen Beeinflussung des Feldes durch die Forschende sowie weitere Reflexionen dokumentiert. Zum anderen wurden zum Ende jeder Woche, nach dem durch die Schulleitenden artikulierten Arbeitsende, kurze Reflexionsgespräche im Sinne eines Debriefings durchgeführt. In diesen Gesprächen wurden die Schulleitenden zur Reflexion hinsichtlich ihrer Arbeitswoche und darin aufgekommenen Aspekten von Digitalisierung resp. dem Digitalen in ihrem Berufsalltag der letzten Woche angeregt und mögliche Wünsche zur Anpassung der Begleitung besprochen. Diese Reflexionsgespräche wurden teilstrukturiert durchgeführt, dauerten im Durchschnitt 10 Minuten und wurden mittels Audiogerät aufgezeichnet und anschließend für die Analysen transkribiert13 . Weiterhin wurde in Anlehnung an Gill et al. (2014) mehrere Tage vor dem Verlassen des jeweiligen Feldes die bisherige Erhebung samt dem gewonnenen Datenmaterial gescreent sowie die Emotionen der Forschenden vertieft reflektiert. Dies bot einerseits die Möglichkeit, noch offene

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Für eine ausführliche Erläuterung zur Netnographie, methodologischen Auseinandersetzungen und weiterführenden Hinweisen sei beispielhaft auf Koszinets (2011) sowie Koszinets und Kolleg:innen (2018) verwiesen. Zur Unterscheidung verschiedener Datenarten, welche im Rahmen von Netnographie gewonnen werden können, sei auf Koszinets (2011) verwiesen. Hierbei wurden die gleichen Transkriptionsregeln herangezogen, wie jene, die im Rahmen der ersten Teilstudie formuliert wurden (siehe Kapitel 6.1.1)

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Aspekte und Fragen gemeinsam mit dem Shadowee schließen zu können sowie andererseits das Feld achtsam und vorbereitet verlassen zu können (Gill et al., 2014). Abbildung 4 bietet eine Übersicht über die forschungspraktische Umsetzung des Shadowings im Rahmen der vorliegenden Arbeit:

Abbildung 4: Forschungspraktische Umsetzung des Shadowings

Im Rahmen dieser umfassenden Datenerhebung konnte vielfältiges Datenmaterial gewonnen werden (siehe Tabelle 2), welches die Grundlage der anschließenden Analyse bildet. Hier handelt es sich sowohl um Feldnotizen (welche ebenfalls erfasste Episoden sowie Anekdoten umfassen), als auch um Artefakte in Papier- und digitaler Form, die im Rahmen der Begleitung und Netnographie erfasst werden konnten. Die gewonnenen Artefakte liegen dabei einerseits in ihrer ursprünglichen Form (z.B. Ausdruck) als auch in Form von Dokumenten (.pdf, .docx), Bilddateien und Screenshots (.jpeg) vor. Weiterhin wurden chronologische Tagesabläufe abgefasst, welche die jeweilige Handlung samt Parallelhandlungen, die beteiligten Per-

7. Triangulation ǀ Teil II

sonen sowie räumliche Situiertheit umfassen. Zuletzt liegen je Shadowee drei Reflexionsgespräche als Audiospuren sowie in transkribierter Textform vor.

Tabelle 2: Gewonnenes Datenmaterial nach Erhebungsmethode

SHADOWING

Eingesetzte Erhebungsmethoden

Gewonnenes Datenmaterial

Chronologische Tagesabläufe

14 Chronologien je Shadowee; insgesamt: 28 Chronologien

Teilnehmende Beobachtung

454 Seiten handverfasster Feldnotizen (inkl. Episoden und Anekdoten) Nicht-digitale Artefakte: 7

Netnographie

Digitale Artefakte: 426

Reflexionsgespräche

3 Audiospuren je Shadowee; insgesamt: 60:17 Minuten

Während für die Analysen zuvorderst die im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung gewonnenen Daten genutzt wurden, dienten die chronologischen Tagesabläufe sowie die Ergebnisse der Netnographie und der Reflexionsgespräche vorrangig der Anreicherung der Feldnotizen (siehe Kapitel 7.2) sowie zur Kontextualisierung der angefertigten Schulleitendenportraits (siehe Kapitel 8.1). Die unterschiedlichen Daten wurden hierbei derart arrangiert, dass »sie sich wechselseitig kommentieren und ergänzen können« (Breidenstein et al., 2020, S. 39). Für eine transparente Beschreibung des Vorgehens, wird im nachfolgenden Kapitel auf die Datenaufbereitung und -auswertung im Rahmen dieser Teilstudie eingegangen.

7.2 Aufbereitung & Auswertung des erhobenen Materials Um sich der Konstitution von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen anzunähern, wurde für die Auswertung des erhobenen und aufbereiteten Datenmaterials, anknüpfend an die theoretische Verortung der Arbeit, eine phänomenologische Analyse (siehe Kapitel 5.1.2) gewählt. Fokussiert wurde hierbei nicht ein bestimmtes Phänomen von Schulleitendenhandeln, sondern eine Offenheit gegenüber verschiedenen sich zeigenden Phänomen gewahrt. Dies sollte einen möglichst umfassenden Einblick in verschiedene Facetten sowohl des Digitalen und damit einhergehender Bedingungen als auch von Schulleitendenhandeln unter ebendiesen Bedingungen ermöglichen.

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In Anlehnung an den phänomenologischen Dreischritt (Brinkmann, 2015) ist hierfür zunächst eine eidetische Reduktion erfolgt. Folglich wurden in einem ersten Schritt die subjektiven Erfahrungen, Vorverständnisse, habitualisierte Selbstverständlichkeiten und wissenschaftliche Modellierungen (Brinkmann, 2015) der Autorin systematisch schriftlich reflektiert. Hierbei wurden auch die Erkenntnisse des durchgeführten Literaturreviews in die Reflexion einbezogen. Bei der hieran anschließenden beschreibenden Deskription wurde dem Grundgedanken der exemplarischen Deskription gefolgt. Ziel war es hierbei, thematisch passende und ertragreiche Beispiele im Material aufzufinden und auszuformulieren, um diese letztlich vergleichen zu können. Hierfür erfolgte in einem ersten Schritt ein Durchgang durch das Gesamtmaterial (Feldnotizen, Tageschronologien, Reflexionsgespräche sowie (digitale) Artefakte; s.o.), um dessen Gesamtsinn zu erschließen. In einem nächsten Schritt wurden dann, im Sinne einer exemplarischen Deskription, Beispiele ausgewählt und anschließend ausformuliert, indem die Feldnotizen durch die erhobenen Episoden, Anekdoten und Artefakte als Kontexteinheiten angereichert und sukzessive verdichtet wurden. Die Auswahl der Beispiele erfolgte dabei anhand der Deutlichkeit, in der sich das Digitale bzw. damit zusammenhängende Bedingungen im Berufsalltag der Schulleitenden gezeigt haben. Situationen, in welchen folglich ersichtlich war, dass das Digitale Bestandteil im Berufsalltag von Schulleitenden bzw. deren Handeln war und sich hierbei als relevant darstellte, wurden zunächst in Abgrenzung zu jenen, in denen dies nicht (klar) ersichtlich war (z.B. informelles Gespräch zwischen Shadowee und Sekretär:in über Lehrperson), zusammengetragen und anschließend verdichtet beschrieben. Im Zuge des (Be-)Schreibens der Beispiele wurde versucht, das Geschehene möglichst in seiner Konkretion abzubilden. Hierfür wurde in Anlehnung an Breidenstein et al. (2020) eine detailreiche Beschreibung konkreter Handlungen, sinnlicher Erfahrungen und Äußerungen gewählt, im Zuge derer ebenfalls visuelle Aspekte und auch sprachlich und nonverbal Artikuliertes, beispielsweise Gesten und Gesichtsausdrücke, akustische Reize sowie Gefühle in der Beschreibung berücksichtigt wurden (S. 114f.). Abschließend wurden die im Vorfeld reflektierten und ausgeklammerten subjektive Deutungen, Interpretationen und Modellierungen als mögliche Perspektiven auf das sichtbare Phänomen wieder aufgenommen (Brinkmann, 2015). In einem letzten Schritt wurden die erstellten exemplarischen Beschreibungen im Sinne einer ideierenden Variation sowohl hinsichtlich ihrer Anschauungen als auch bezüglich ihrer Artikulationsweisen im Vergleich mit den anderen, beschriebenen Beispielen einer spielerischen Variation unterzogen, um Bedeutungslinien und Sinnartikulationen zu entfalten. Im Fokus standen dabei einerseits das in den Beschreibungen sichtbar werdende Schulleitendenhandeln sowie das Digitale bzw. dessen Facetten in der jeweiligen Situation. Im Zuge dieses Vergleichs konnten unterschiedliche Phänomene identifiziert werden, welche sich innerhalb der exemplarischen Beschreibungen zeigten. Diese erfassten Phänomene wurden

7. Triangulation ǀ Teil II

in unterschiedlichen Kontexten unter partiellem Einbezug anderer Wissenschaftler:innen (gedankenexperimentell) verglichen und dabei eine Pluralisierung von Sinn angestrebt sowie Invariantes als Hinweise auf das Wesen des Phänomens gedeutet (Brinkmann, 2015). Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse und Überlegungen werden abschließend zu einer Gesamtaussage über das jeweilige Phänomen synthetisiert und zur Interpretation der Beschreibungen herangezogen (siehe Kapitel 8.2). Die gewählte Vorgehensweise lässt sich folglich als »phänomenorientierte, exemplarisch-deskriptive sowie analytisch-reflexive Vorgehensweise« (Kosica, 2020, S. 187) fassen, die sich weniger als verbindliche Systematik, sondern mehr als zirkulär validierendes Vorgehen begreift. Da die vorliegende Arbeit nicht auf Exploration des Handelns einzelner Schulleitenden abzielt, sondern auf eine umfassende Bestimmung von Phänomenen im Schulleitendenhandeln generell, wurden die exemplarischen Deskriptionen zunächst für jeden Shadowee einzeln einer phänomenologischen Analyse unterzogen, bevor anschließend eine schulleitendenübergreifende Analyse (Yin, 2018) der exemplarischen Deskriptionen durchgeführt wurde. Das übergreifende Ziel war es folglich, Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen zu beleuchten und dabei zu explorieren, wie und als was sich das Digitale im Schulleitendenalltag konstituiert. Die Analyse dient der Bestimmung des Schulleitendenhandelns unter den Bedingungen des Digitalen, hat dabei jedoch nicht den Anspruch, als abgeschlossen und allgemeingültig zu gelten. Vielmehr soll eine Darlegung von Strukturen und Merkmalen erfolgen, die Implikationen für die Forschung bieten, gleichzeitig eine Grundlage darstellen können, auf der hinsichtlich der Professionalisierung von Schulleitenden besser auf Bedarfe und Besonderheiten von Schulleitendenhandeln eingegangen werden kann.

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8. Ergebnisse

Im folgenden Kapitel sollen nun die im Rahmen der Phänomenologischen Analyse gewonnenen Erkenntnisse systematisch vorgestellt werden. Bevor jedoch die einzelnen Facetten von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen erläutert und samt den darin sichtbaren Herausforderungen dargestellt werden (Kapitel 8.2), erfolgt zunächst eine Vorstellung und Beschreibung der beiden Shadowee (Kapitel 8.1), die im Rahmen der ethnographischen Teilstudie in ihrem Alltag begleitet wurden.

8.1 Schulleitendenportraits Nachfolgend werden die Schulleitenden1 , die im Rahmen des Shadowings begleitet wurden, vorgestellt. Im Rahmen dieser Portraits sollen die beiden primären Shadowee, die Mitglieder der jeweiligen Schulleitung sowie die schulischen Rahmenbedingungen im Fokus stehen. Zugleich soll somit der zum Zeitpunkt des Shadowing vorherrschende situative Kontext der Schulleitenden nachgezeichnet werden. Daher erfolgt eine Darstellung der Portraits in Anlehnung an Czarniawska (2007; in Rückgriff auf Wolcott, 1995), bei der die Hauptpersonen fokussiert werden. Dabei gliedern sich beide Portraits gleichermaßen in folgende Bereiche: Zunächst werden die zentralen Shadowees sowie deren unmittelbaren Arbeitsumfelder und beobachteten Arbeitsalltage vorgestellt. Anschließend werden diese Ausführungen in einen größeren Rahmen eingebettet, in dem die Beschreibung um die jeweilige personelle Zusammensetzung der Schulleitung erweitert und durch schulische Rahmenbedingungen kontextualisiert wird. Die Darstellungsweise gleicht daher, metaphorisch 1

Wie in den folgenden Beschreibungen ersichtlich wird, handelt es sich bei den beiden primären Shadowee der zweiten Teilstudie um zwei männliche Schulleitende. Gleichwohl partiell auch weibliche Schulleitungsmitglieder bei ihrer Arbeit beobachtet werden konnten, würde eine Analyse möglicher Geschlechtereffekte die Anlage und den Rahmen der vorliegenden Untersuchung übersteigen. Wohlwissend um den Diskurs und die bisherige Forschungslage zu diesem Themengebiet, wird die Stichprobe jedoch unter einer diversitätssensiblen Perspektive in der Diskussion der Gesamtarbeit aufgegriffen und kritisch diskutiert.

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an die Fokussierung in der Fotografie angelehnt, der Form: »from a close-up to a bird’s-eye view« (Czarniawska, 2007, S. 109). Bei der Beschreibung der Schulleitenden wurde dafür Sorge getragen, dass identifizierende Merkmale ausgeklammert wurden, um eine Anonymität der Schulleitenden sowie die der Mitglieder der erweiterten Schulleitungen zu wahren. Die Bezeichnungen, die die jeweiligen Portraits überschreiben, sind Zitaten der entsprechenden Schulleitenden selbst entlehnt, welche bei der Begleitung im Rahmen von Anekdoten resp. Episoden erfasst wurden. Sie stellen damit feldeigene Bezeichnungen resp. Selbstzuschreibungen dar; auf eine Verwendung von (fiktionalen) Namen wurde entsprechend verzichtet. Gleichwohl diese Bezeichnungen bei Lesenden verschiedene Implikationen hervorrufen können, werden sie aus method(olog)ischen Gründen für die Beschreibung herangezogen, da in ihnen Selbstverständnisse aufscheinen, die das Handeln und die Shadowee als Schulleitende selbst näher beschreiben. An dieser Stelle sei ergänzend darauf hingewiesen, dass beide Bezeichnungen von den Shadowee in den jeweiligen Kontexten, in denen sie verwendet wurden, positiv konnotiert wurden.

8.1.1 »Manager by walking around« Im Folgenden wird der erste Shadowee vorgestellt, dessen Begleitung im März 2021 erfolgte und damit zu dem Zeitpunkt des mündlichen Abiturs und der partiellen Wiederöffnung weiterführender Schulen in Rheinland-Pfalz (zu Schulschließungen und Wiederöffnungen im Zuge der Corona-Pandemie siehe Blum & Dobrotic, 2021).

Vorstellung des Shadowee Bei dem Shadowee handelt es sich um den stellvertretenden Schulleitenden eines Gymnasiums. Zum Zeitpunkt der Erhebung war dieser bereits fünf Jahre in der Funktion der ersten ständigen Vertretung tätig und verfügte zuvor über eine fünfjährige Berufserfahrung im Rahmen erweiterter Schulleitungstätigkeiten als Leitung der Mainzer Studienstufe2 an einem anderen rheinland-pfälzischen Gymnasium. Qua Amt ist er zudem Teil des Vorstandes des Fördervereins der Schule. Er unterrichtet die Fächer Sport und Deutsch und besuchte hinsichtlich Fortund Weiterbildungen mit Bezug zu Digitalisierung eine Veranstaltung der HoppStiftung zum Einsatz von iPads im Unterricht. Der Umgang mit ihm gestaltet sich ungezwungen und locker. Er spricht Dialekt, bringt in Konversationen meist humoristische Elemente unter und verbindet diese

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Bei der Mainzer Studienstufe handelt es sich um die gymnasiale Oberstufe in RheinlandPfalz, die die Jahrgangsstufen 11 bis 13 umfasst und sich in eine Einführungs- und eine Qualifikationsphase gliedert, an deren Ende die Abiturprüfung steht. Für nähere Informationen siehe: https://mss.rlp.de/de/startseite/

8. Ergebnisse

häufig auch mit ironischen Kommentaren. Er trägt legere Kleidung, immer Turnschuhe, meist eine Jeans, einen dünnen Pullover und eine Steppweste, manchmal auch einen Trainingsanzug. Auf strikte Höflichkeitsformen, Autoritätsdemonstrationen oder die Wahrung von Distanz legt er (nicht nur) im Umgang mit der Forschenden keinen großen Wert, davon ausgenommen ist lediglich das gegenseitige Siezen. Auch in der Interaktion mit Mitgliedern der erweiterten Schulleitung, Schüler:innen sowie Lehrpersonen verfestigt sich dieser Eindruck durch die Formulierung des Gesagten und einer stets mitschwingenden Ironie. Sein Unterrichtsfach Sport spiegelt sich auch in seiner Erscheinung und Gestik wider. Er ist sehr dynamisch, die meiste Zeit in Bewegung und auch sein Sprechen ist von einem schnellen Tempo geprägt. Während der Begleitung sind es nur wenige Handlungen und Situationen, die ihn örtlich zu binden scheinen. Über den Tag hinweg springt er häufig anlassbezogen auf, läuft auf der Suche nach Personen durch das Schulhaus (bspw. um Absprachen mit Lehrpersonen zu tätigen), führt hierbei eine Vielzahl an Gesprächen und sieht nach dem Rechten. Insgesamt hält er sich nur wenig am Schreibtisch auf und wenn, dann ist er auch hier häufig im Austausch mit anderen, wie den Sekretär:innen oder Schulleitungsmitgliedern. Der Austausch mit verschiedenen Personen und das (gem)einsame Kaffeetrinken spielen eine zentrale Rolle in seinem Alltag: seien es Anrufe, Nachrichten via Whatsapp von Lehrpersonen oder Fördervereinmitglieder:innen oder Personen, die in der stets offenen Tür stehen und entweder ihre berufsbezogenen Anliegen mitteilen oder Smalltalk führen möchten. Die Bürotür scheint hierbei Symbolkraft zu besitzen: Sobald er morgens sein Büro betritt, wird die Tür geöffnet und bleibt offen, außer er verlässt sein Büro für eine absehbar längere Zeit (bspw. für Unterricht in der Sporthalle) oder möchte einer Tätigkeit nachgehen, bei der er nicht gestört werden möchte (z.B. Vorbereitung des mündlichen Abiturs). Letzteres scheint nur bedingt zu gelingen, wurde er während des Zeitraums des Shadowings auch trotz geschlossener Tür mehrfach unterbrochen. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass ihm die Rolle des »Beruhigers«3 und pragmatischen »Problemlösers« inne zu sein scheint. So konnten mehrfach Situationen beobachtet werden, in denen die formelle Schulleitende, aber auch Mitglieder der erweiterten Schulleitung, des Verwaltungsapparates der Schule sowie Lehrpersonen sein Büro aufsuchten, um Probleme (mit) zu teilen und Lösungen zu erarbeiten. Als Ansprechperson für Krisen verfolgt er dabei stets das Mantra: »Regel Nr.1: Ruhe bewahren, Regel Nr.2: Überblick verschaffen, Regel Nr.3: Konsequent handeln«, das er auch an die an den jeweiligen Situationen beteiligten Akteur:innen häufig als eine Art Hilfestellung kommuniziert. Er wirkt dabei stets

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Folgend stammen wörtliche Zitate, welche nicht anderweitig gekennzeichnet sind, stets von dem jeweiligen Shadowee. In wenigen Fällen stammen diese von Mitgliedern der erweiterten Schulleitung, worauf im Kontext des Zitates jedoch an gegebener Stelle verwiesen wird.

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besonnen, strahlt selbst in krisenbehafteten Situationen eine innere Ruhe und Gelassenheit aus. In Gesprächen, wie auch in Rekurs auf sein Mantra, zieht er häufig Parallelen zu seiner Zeit bei der Bundeswehr, bevor er in den Schuldienst eingetreten ist. Er bezeichnet sich als »Macher« beschreibt seinen Führungsstil als etwas, »was jetzt nicht unbedingt mit Technik und Digitalisierung zu tun hat«. Führung sei zuvorderst analog, da er »als Person oder in der Art und Weise, wie ich agiere oder ich handele« führe. Dabei betont er seine Vorbildfunktion, die er als Schulleitender innehat, und bezieht diese auch beispielsweise auf das Ausprobieren von digitalen Anwendungen oder das Vorleben von Offenheit gegenüber Digitalisierung. Im Rahmen der Begleitung wird deutlich, dass er viele der Informationen, welche ihm durch das Learningmanagementsystem zugespielt werden, als übergriffig gegenüber den Lehrpersonen sowie Schüler:innen empfindet. In diesem Kontext grenzt er sich deutlich von digitalen Kontrollofferten ab. Seinen Arbeitsalltag beschreibt er bei einer seiner regelmäßigen Touren durch das Schulgebäude selbst als »Management by walking around«.

Einblicke in tägliches Handeln Der Arbeitsalltag des ›Managers by walking around‹ ist von verschiedenen Routinen durchzogen, gleichzeitig enorm facettenreich. Beginnend gegen 07:10 Uhr betritt er das Sekretariat, über welches sein Büro zugänglich ist (siehe Abbildung 5). Sein Büro, vom Shadowee selbst als »knapp am Hasenstall vorbei« beschrieben, ist zwischen zehn und zwölf Quadratmeter groß und recht pragmatisch eingerichtet. Neben der Eingangstür stehen zur linken Seite ein Eckschreibtisch, dessen kürzere Seite in den Raum ragt, gemeinsam mit einem Drehstuhl sowie einem Drucker auf einem Rollcontainer. Über dem Schreibtisch sind ein Poster und ein Familienfoto an der Wand befestigt. An der kurzen, in den Raum ragenden Seite des Schreibtischs befinden sich zwei weitere Stühle für Gäste. Es sind zwei Bildschirme auf dem Schreibtisch platziert, sodass die an diesem sitzende Person ein Whiteboard sowie ein Fenster, welches in Richtung Schulhof zeigt, im Rücken hat. Auf dem Whiteboard sind mit Magneten Grußkarten, Fotos sowie Blätter mit Zitaten resp. Sprüchen angeheftet. Zur rechten Seite des Eingangs befinden sich über die gesamte Wandlänge Regale bzw. Schränke, auf denen verschiedene Sportbälle, ein Fotoalbum sowie Fanartikel eines Fußballclubs liegen. Gegenüber des Eingangs befindet sich eine weitere Tür, welche einen Zugang zum Lehrpersonenzimmer ermöglicht (siehe Abbildung 5). Diese, so erläutert der Shadowee anfangs, wird jedoch nicht genutzt und ist daher dauerhaft abgesperrt. Das Büro wirkt insgesamt beengt, jedoch pragmatisch und funktional eingerichtet. Durch die verschiedenen Fotos resp. dekorativen Elemente strahlt es eine persönliche Note aus und wirkt durch das Fenster freundlich.

8. Ergebnisse

Abbildung 5: Schematische Darstellung des Büros des »Managers by walking around«

Nach der Begrüßung der Sekretär:innen und dem Betreten des Büros legt der Shadowee seine Sachen an den Schreibtisch, während an den meisten der beobachteten Tagen bereits der Hausmeister, eine Sekretärin oder ein Mitglied der erweiterten Schulleitung mit einem berufsbezogenen Anliegen oder für einen persönlichen Austausch in der Tür steht und ein Gespräch mit dem Shadowee beginnt. Währenddessen erfragt der Shadowee Krankmeldungen, überprüft sein Handy auf Nachrichten von Lehrpersonen und passt gegebenenfalls den Vertretungsplan an. Nach diesem morgendlichen Gespräch, begleitet durch einen ersten Kaffee, beginnt der Shadowee zu Beginn der ersten Unterrichtsstunde seinen Rundgang durch das Schulgebäude. Abgesehen dieser Morgenroutinen, welche sich meist auf die erste Stunde des Tages konzentrieren, gestaltet sich der Arbeitsalltag des ›Managers by walking around‹ sehr unterschiedlich. So gibt es einzelne Tage mit vergleichsweise wenigen (parallelen) Handlungen, Unterbrechungen sowie ungeplanten Tätigkeiten (siehe Abbildung 6), wohingegen eine Vielzahl von Tagen im Rahmen der Begleitung beobachtet wurden, welche eine immense Fülle ebendieser aufwiesen. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die Fülle an Handlungen und Unterbrechungen dabei unabhängig von der Arbeitsdauer zu betrachten sind. Die nachfolgende Abbildung 6 gibt einen Einblick in einen exemplarischen Arbeitstag des ›Managers by walking around‹. Die Auswahl des dargestellten Arbeitstages aus dem vorhandenen Datenmaterial ist dabei inhaltlich begründet, da dieser exemplarische, chronologische Tagesablauf einen Eindruck über die Dichte und Spannbreite der Handlungen des Shadowees vermittelt, gleichwohl es sich hierbei nur um einen kurzen Ausschnitt handelt. Weiterhin handelte es sich bei diesem dargestellten Arbeitstag um den letzten Tag der ersten Shadowingwoche, wodurch angenommen werden kann, dass sich der Shadowee an die Anwesenheit der Forschenden gewöhnt hat und somit zu seinem typischen Verhalten zurückkehrt ist (Bussel, 2020). In der nachfolgenden Abbildung sind, in chronologischer Reihenfolge,

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sämtliche beobachtete Handlungen des Shadowee an Tag fünf des Shadowings dargestellt, samt den jeweiligen örtlichen Settings. Die Reihenfolge der Handlungen werden durch die Pfeile gekennzeichnet, Doppelbalken verbinden Tätigkeiten, die parallel ausgeführt wurden. * markieren von dem Schulleitenden nicht-intendierte Tätigkeiten, die durch Unterbrechungen (z.B. Lehrperson fängt Shadowee auf dem Weg vom Parkplatz in das Büro ab) hervorgerufen wurden. Wie Abbildung 6 zeigt, ist der Arbeitsalltag des Shadowee – hierbei beispielhaft an einem Auszug aus Tag fünf illustriert – vermehrt von parallelen Handlungen, Unterbrechungen und wechselnder Interaktion mit einer Vielzahl von Personen gekennzeichnet. So lässt sich hier erkennen, dass auf die leicht abgewandelte Morgenroutine eine Vielzahl verschiedener Handlungen folgen, welche an diversen Stellen unterbrochen werden. In beinahe all diesen Fällen resultieren aus diesen Unterbrechungen weitere, bislang unintendierte Handlungen und Aufgaben des Schulleitenden, die den Fortgang des Tages maßgeblich mitbestimmen. Ein solches Aufkommen von Unterbrechungen und parallelen Handlungen stellte während des Shadowings des ›Managers by walking around‹ die Regel dar. So wurde insgesamt nur ein einziger Tag beobachtet, an dem der Shadowee nur wenigen Tätigkeiten ohne jegliche Unterbrechungen und dabei aufkommende Aufgaben nachging. Trotz einer Vielzahl unterschiedlicher Handlungen, welche im Rahmen der Begleitung erfasst werden konnte, ließen sich dennoch zentrale Handlungen herausarbeiten, welche im Laufe des Arbeitsalltags von dem Shadowee durchgeführt werden. Hierbei handelt es sich zuvorderst um den persönlichen Austausch mit anderen schulischen Akteur:innen, Rundgänge durch das Schulgebäude, die Bearbeitung von E-Mails, die Pflege verschiedener Schul(verwaltungs)portale und -software sowie unterrichtliche Verpflichtungen (welche neben der Durchführung des Unterrichts auch dessen Vor- und Nachbereitung umfassen). Doch trotz der beobachteten Morgenroutine und den hier herausgearbeiteten Kernhandlungen des Shadowee muss festgehalten werden, dass die einzelnen Arbeitstage nur bedingt einer festen Struktur unterliegen und somit nicht von einem ›typischen‹ Arbeitstag ausgegangen werden kann. Stattdessen weist der Berufsalltag des ›Managers by walking around‹ eine hohe Dichte an Unterbrechungen und parallelen Handlungen auf, welche sich im Alltagsgeschäft (unvorhergesehen) ergeben.

8. Ergebnisse

Abbildung 6: Auszug Tageschronologie »Manager by walking around« (Tag 5)

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Die erweiterte Schulleitung – Kontextuelle Einbindung Wie bereits in der Erläuterung der alltäglichen Handlungen des Shadowee deutlich ersichtlich wird, ist dieser, wie in Deutschland geläufig (siehe Kapitel 2), Teil einer erweiterten Schulleitung und steht auch in täglichem Austausch mit deren Mitgliedern. Um auch den Kontext des Shadowee berücksichtigen zu können, gilt es demnach, auch die erweiterte Schulleitung sowie die Schule selbst als »Schauplatz« (Czarniawska, 2007, S. 109; Übersetzung durch die Autorin) des Schulleitendenhandelns zu skizzieren. Die erweiterte Schulleitung bestand zum Zeitpunkt des Shadowings aus insgesamt acht Mitgliedern, wovon zwei weiblich und sechs männlich waren. Die Schulleitung setzte sich insgesamt aus der formellen Schulleitenden4 , den ersten und zweiten ständigen Vertretenden sowie fünf weiteren Funktionsstelleninhaber:innen zur Leitung der Mittelstufen und Qualitätsentwicklung (zwei Funktionsstellen), der Leitung der Mainzer Studienstufe, einer Koordination von CertiLingua5 und Berufsorientierung sowie einer Funktionsstelle mit der Bezeichnung »Digitale Schulentwicklung« zusammen. Bei letzterer konnte im Laufe des Shadowings erfasst werden, dass dieses Mitglied der erweiterten Schulleitung vor Eintritt in den Schuldienst im Bereich der Softwareentwicklung tätig war. Mitglieder der erweiterten Schulleitung bezeichneten dieses Mitglied daher vermehrt als »Hybriden« und verwiesen darauf, wie wertvoll diese Berufserfahrung für die Bewältigung der Schulleitungsaufgaben aller Mitglieder sei. Die Besetzung der erweiterten Schulleitung bestand zum Zeitpunkt der Erhebung bereits seit drei Jahren, die der engen Schulleitung, bestehend aus der Schulleitenden sowie ihren beiden Vertretenden, seit fünf Jahren. Die formelle Schulleitende selbst sowie die Leitung der Mainzer Studienstufe konnten hierbei als dienstälteste Mitglieder der bestehenden Schulleitung festgehalten werden, die Leitung der Mittelstufen für die Klassen 9 und 10 und Qualitätsentwicklung mit drei Jahren als das »jüngste« Mitglied (siehe Tabelle 3). In der Zusammenarbeit der Schulleitungsmitglieder herrscht in der Regel eine wertschätzende Haltung sowie offene Fehlerkultur vor, was sich anhand von gemeinsamen Gesprächen und Lösungsfindungsprozessen bei kollaborativen 4

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Vor dem Hintergrund, dass Schulleitende weiterführender Schulen in Deutschland überwiegend männlich sind (Cramer et al., 2020) kann die weibliche Schulleitende dieser Schule als Besonderheit angesehen werden. Da Gendereffekte im Rahmen der Arbeit jedoch nicht behandelt werden können, da dies den Rahmen der Forschungsarbeit überschreitet, sei diese Angabe hier zur Vollständigkeit aufgeführt, wird jedoch folgend nicht weiter thematisiert. Bei CertiLingua handelt es sich um ein europäisches Excellenzlabel, welches im Rahmen eines standardisierten Verfahrens zum einen sowohl bilinguale Kompetenzen als auch Kompetenzen in zwei modernen Fremdsprachen bescheinigt, zum anderen Handlungsfähigkeit in einem europäischen oder internationalen Kontext bezeugt. Für nähere Informationen siehe: https://www.certilingua.net/

8. Ergebnisse

Arbeiten sowie beratenden Gesprächen bei offen kommunizierten Herausforderungen gezeigt hat. Wenngleich überwiegend der erste ständige Vertretende begleitet wurde, konnten im Rahmen des Shadowings weiterhin sowohl von der formellen Schulleitenden selbst, als auch vom zweiten ständigen Vertretenden mehrere Episoden von wenigen Stunden bis hin zu einem halben Tag beobachtet und erfasst werden. Weiterhin erlaubte die ständige Begleitung des Shadowees in kollaborativen Arbeitsphasen auch die Handlungen weiterer Mitglieder der erweiterten Schulleitung zu beobachten. Zuletzt durfte auch an den im Zeitraum der Begleitung stattfindenden Sitzungen der erweiterten Schulleitung beigewohnt werden, sodass auch zu diesen umfassende Daten erhoben werden konnten.

Tabelle 3: Zusammensetzung der erweiterten Schulleitung (I) zum Zeitpunkt des Shadowings Schulleitungsfunktion

Jahr des Amtsantritts (Dauer z.Zt. des Shadowings)

Formelle Schulleitung

seit 2014 (7 Jahre) vorher: 2010–2014 Mitglied der erweiterten Schulleitung

Erste ständige Vertretung (Shadowee)

seit 2016 (5 Jahre) vorher: 2009–2013 Leitung der Mainzer Studienstufe

Zweite ständige Vertretung

seit 2016 (5 Jahre) vorher: 2011–2016 Mitglied erweiterte Schulleitung

Leitung der Mainzer Studienstufe

seit 2014 (7 Jahre)

Leitung der Mittelstufe (7 & 8) und Qualitätsentwicklung

seit 2017 (4 Jahre)

Leitung der Mittelstufe (9 & 10) und Qualitätsentwicklung

seit 2018 (3 Jahre)

Koordination von CertiLingua und Berufsorientierung

seit 2017 (4 Jahre)

Digitale Schulentwicklung

seit 2017 (4 Jahre)

Die Schule als Schauplatz Bei der Schule des ›Managers by walking around‹ handelt es sich um ein Gymnasium in öffentlicher Trägerschaft in der Südwest-Pfalz, welches in einer Ortsgemeinde (3.000-15.000 Einwohner) gelegen ist. Zum Zeitpunkt der Erhebung besuchten ca. 800 Schüler:innen das Gymnasium, an welchem 65 Lehrpersonen tätig waren. Weiterhin liegt ein Schulentwicklungskonzept zum Themenfeld Digitalisierung vor, dessen Kernstück der Einsatz von Tablets im Unterricht bildet. Langfristig bildet das Konzept das Ziel ab, eine Tabletklassen resp. -stufe sowie ein Schulnetzwerk

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

mit einer Lernplattform samt Mail-, Messenger- und Cloudsystem zu etablieren. Zum Zeitpunkt der Begleitung verfügte die Schule über insgesamt vier Tabletkoffer, welche im Lehrpersonenzimmer gelagert wurden. Weiterhin war eine OnlinePlattform mit integriertem Cloudsystem, Learningmanagementsystem und Messengerfunktion etabliert. Ebenfalls verfügten alle Mitglieder der Schulleitung sowie Lehrpersonen und nicht-pädagogisches Personal über dienstliche E-Mailadressen. Bezüglich der schulischen Infrastruktur verfügt die Schule zwar nach Angaben der Schulleitung teilweise über eine gute technische Ausstattung hinsichtlich Hardware, jedoch nur über ein eingeschränktes Softwareangebot für den Unterricht. Eklatante Mängel wurden hinsichtlich des Gebäudemanagements und fehlenden hinreichenden Internetanschlussmöglichkeiten herausgestellt: Wir haben das an verschiedenen Stellen (…) auch beim Schulträger auch auf höchster Ebene (…) in vielfachen Gesprächen hinterlassen, dass wir hier eine stabile, funktionierende WLAN-Lösung brauchen. Also dass wir Glasfaserleitungen hier in die Schule bekommen müssen. Weil ansonsten funktioniert das alles hier nicht. Jo, aber es reißt halt keiner die Straße auf und ich kann sie auch nicht aufreißen und kann Kabel reinlegen. (01S2vSL, 10) Nach Angaben des Shadowee verfügt die Schule außerdem nur teilweise über ein Unterstützungsnetzwerk von Expert:innen bei Fragen zum Themenfeld Digitalisierung und eine Unterstützung durch das Kollegium in Bezug auf Digitalisierung ist nur begrenzt gegeben. Weiterhin gestalten sich die Personalressourcen an der Schule zur IT-Unterstützung als gering ausgeprägt, sodass »vieles […] auf einer freiwilligen Basis und on top erledigt werden (muss)«, meist durch das Mitglied der erweiterten Schulleitung zur »Digitalen Schulentwicklung«, was wiederum zur Frustration bei den Verantwortlichen führe. Ein weiterer Personalmangel sei nach Angaben des Schulleitenden auch auf Seiten des Schulträgers zu verzeichnen, sodass dieser die nötige Unterstützungsleistung »nicht liefern« könne. Dies führe wiederrum zu Verzögerungen hinsichtlich des Ausbaus der Infrastruktur und auch »Versprechung werden nicht eingehalten«. Insgesamt bewertete der Shadowee den Stellenwert von Digitalisierung an der Schule als durchschnittlich ausgeprägt. Nachdem nun der Shadowee, wie auch die erweiterte Schulleitung und Schule als kontextueller Schauplatz skizziert wurden, kann abschließend festgehalten werden, dass sich eine Begleitung des ›Managers by walking around‹ für die vorliegende Arbeit aus mehreren Gründen als aufschlussreich darstellte: Der Shadowee ist ein sehr dynamischer Schulleitender, der sich selbst und sein Schulleitendenhandeln nicht unmittelbar mit Digitalisierung verknüpft artikuliert. Ihm obliegen vielfältige Aufgabenbereiche, die ein entsprechend vielfältiges Handeln erfordern, wodurch eine facettenreiche Erfassung von Schulleitendenhandeln erwartbar war. Weiterhin befindet sich der Shadowee in hohem Maße im Austausch

8. Ergebnisse

mit anderen, vor allem der (erweiterten) Schulleitung, wodurch auch Einblicke in deren Berufsalltag, Aufgaben und Handlungen möglich wurden. Darüber hinaus herrschen in der Schule Schulentwicklungsbestrebungen hinsichtlich Digitalisierung vor, was anhand der eigens hierfür angedachten Funktionsstelle akzentuiert wird, sodass auch davon ausgegangen werden konnte, dass zumindest auf inhaltlicher Ebene Erkenntnisse zum Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen gewonnen werden können. Zuletzt hat der Shadowee sowie alle weiteren Mitglieder der Schulleitung im Rahmen der Voruntersuchung offen über Herausforderungen gesprochen, diese in Situationen angesprochen und zuweilen auch gemeinsam reflektiert, sodass auch hier Anknüpfungspunkte an das Erkenntnisinteresse der Arbeit gegeben waren.

8.1.2 »Digital Junkie« Im Folgenden soll nun der zweite Shadowee vorgestellt werden, dessen Begleitung im April 2021 erfolgte. Dabei wird die obige Struktur beibehalten: Zunächst erfolgt eine Vorstellung des Shadowee, bevor dessen Arbeitsalltag mit Routinen und wiederkehrenden Handlungen skizziert wird. Zuletzt werden die erweiterte Schulleitung sowie die Schule als Schauplatz vorgestellt, um die kontextuelle Einbindung des Shadowee darzulegen.

Vorstellung des Shadowee Der Shadowee war zum Zeitpunkt der Erhebung drei Monate in der Funktion des formellen Schulleitenden eines Gymnasiums tätig. Zuvor war er drei Jahre in der Funktion der ersten ständigen Vertretung an derselben Schule tätig. Es handelt sich um eine Lehrperson für die Fächer Informatik und Mathematik. Der Shadowee hatte zum Zeitpunkt der Begleitung bereits an über 70 verschiedenen Fort- und Weiterbildungen mit Bezug zu Digitalisierung teilgenommen, welche inhaltlich neben fachspezifischen Inhalten auch einzelne Softwareprogramme und Tools sowie Fragen der Unterrichts- und Schulentwicklung fokussierten. Der Shadowee spricht pfälzischen Dialekt, vor allem in informellen Gesprächen und Kontexten; in professionellen Kontexten zeigt er sich bemüht, hochdeutsch zu sprechen, um sein professionelles Auftreten zu wahren. Dies äußert sich auch in der deutlich erkennbaren Bedachtheit des Shadowees hinsichtlich seiner Bewegungen, seiner Körpersprache, seinem verbalen Ausdruck und seiner Kleidung. So korrigiert er beispielsweise während Onlinemeetings mehrfach seine Sitzhaltung, um aufrecht zu sitzen und räumt sich im Sprechen Pausen ein, wodurch seine Wortwahl sehr bedacht erscheint. Auch trägt er jeden Tag Hemd, Anzugschuhe, manchmal kombiniert mit einem Sakko. Etwas aufgelockert wirkt seine Kleidung durch eine Jeans, die er hierzu trägt. Insgesamt wirkt er sehr beherrscht und kontrolliert in seinem Handeln, gleichzeitig sichert er sich vermehrt bei Kolleg:innen und Lehrper-

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sonen ab resp. holt sich deren Meinungen und Zustimmungen ein. Dies erweckt den Eindruck, dass er sich noch in der Einfindungsphase seiner neuen Rolle als Schulleitender befindet. Bestärkt wurde dieser Eindruck im Rahmen des Shadowings durch den Umstand, dass der Shadowee die Forschende wiederholt nach ihrer Meinung, ihren Gedanken oder Ratschlägen gefragt hatte – obwohl er wusste, dass diese ihm aufgrund des methodischen Vorgehens und der Haltung eines Schattens nicht und wenn nur marginal antworten wird. Auch kommentierte der Shadowee vermehrt, dass es nicht seine Art sei, Personen zu ignorieren und es ihn die Meinung der Forschenden sehr interessiere. Weiterhin wurde im Rahmen des Shadowings ersichtlich, dass der Shadowee vor Handlungen stets mögliche Optionen und deren Konsequenzen abwägt, bevor er agiert. Er wirkt in seinem Schulleitendenhandeln stets strategisch und bezieht sich häufig auf sein politisches Engagement (nicht nur) im Landkreis und versucht, politische Vorgaben und Entwicklungen basierend auf seinen Erfahrungen und Informationen zur politischen Lage vorherzusehen und einzuordnen. Digitalisierung betrachtet er – nicht zuletzt durch seine Fächerkombination – als hoch relevant für seinen Berufsalltag als Schulleitung und steht dieser durchweg positiv und enthusiastisch gegenüber: Weil in unserem Fall sind das einfach sehr viele und sehr großartige Hilfsmittel, um mit der Datenmenge, mit der man einfach so tagtäglich zu tun hat, äh besser umgehen zu können. Also es äh ja: auch hier (.) ist es so, dass ich ja nicht nur Dinge gerne in die Hand nehme, die es gibt auf dem Markt, die man kaufen soll, sondern ich programmiere auch Tools selbst. (01S5SL_28) Dies zeigt sich auch in seinem Handeln: So kommuniziert, koordiniert und delegiert er vieles mithilfe digitaler Tools und bezeichnet sich selbst als »Digital Junkie«. So tauscht er sich auch während der Begleitung häufig mit anderen (schulischen) Akteur:innen via Whatsapp und Threema aus und verwendet letzteres auch täglich als institutionalisiertes Medium der Informationsweitergabe (z.B. bezüglich Anzahl von Schüler:innen, die eine Notbetreuung wahrnahmen). Er zeigt sich sehr an Informationen interessiert, welche ihm durch Software und Tools zugänglich werden, und möchte stets alle Funktionen nutzen, die technische Applikationen bieten können. Stößt er auf technische Probleme, versucht er diese stets selbst zu verstehen und zu lösen, auch »wenn es jetzt etwas nerdig wird«. Gleichwohl gestaltet sich sein Alltag nicht rein digital, da er sich auch im Rahmen regelmäßiger, meist im Wochentakt terminierter, Jours Fixes mit Mitgliedern der erweiterten Schulleitung sowie (meist telefonisch) mit anderen Schulleitenden des Ortes resp. der Region austauscht. Sein Schreibtisch stellt dabei seinen zentralen Arbeitsmittelpunkt dar, von dem aus er handelt. Er betont, dass Schulleitende »halt auch mal über [ihre] eigene Berufsbeschreibung vielleicht ein paar Unterstüt-

8. Ergebnisse

zungsangeboten geben [müsse]«, um »Bremsklötzchen« im Kontext von Schulentwicklung zu lösen. Gleichzeitig versteht er sich als Führungskraft, welche »nicht nur immer hier der good guy sein [kann]«, sondern auch klare und sachliche Ansagen erteilt und damit auch Entwicklungen einfordert. Von Seiten der Lehrpersonen wird der ›Digital Junkie‹ eher für Gespräche aufgesucht, als dass dieser die Lehrpersonen aufsucht, indem er »tingelt«. Sein Arbeitstag beschränkt sich nicht auf die Schule als Arbeitsort. So berichtet er, dass er abends und früh morgens noch resp. bereits von zu Hause aus arbeitet und hier E-Mails bearbeitet und Verwaltungstätigkeiten nachkommt6 .

Einblicke in tägliches Handeln Der Arbeitsalltag des Digital Junkies ist vor allem durch sich wöchentlich wiederholende Strukturen und die Arbeit an und mit digitalen Medien gekennzeichnet. Beginnend zwischen 07:30 Uhr und 07:40 Uhr betritt er über den Hintereingang, welcher sich direkt am Lehrpersonenparkplatz befindet, das Schulgebäude und begibt sich hierbei in sein Büro, welches sich nahe dem Eingang in einem rechts abgehenden Gang befindet. Sein Büro, das zwischen 20 und 24 Quadratmetern groß ist, verfügt über eine große Fensterfront in Richtung Lehrpersonenparkplatz und zwei Türen. Die eine Tür befindet sich direkt am Gang, die andere Tür schließt an das angrenzende Sekretariat an (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7: Schematische Darstellung des Büros des »Digital Junkies«

Sein großes und durch die Fensterfront sehr helles Büro wirkt puristisch und eher repräsentativ eingerichtet. Beim Betreten des Büros fällt zunächst ein großer Eckschreibtisch mit Drehstuhl ins Auge, dessen eine Seite an der Fensterfront steht,

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Da die Forschende während des Zeitraums des Shadowings in verschiedenen E-Mail-Konversationen in BCC gesetzt wurde, konnte dies unabhängig von den Berichten des Shadowees (auch für Wochenenden) erfasst und damit bestätigt werden.

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die andere Seite ragt in den Raum. Auf dem Schreibtisch befinden sich zwei Bildschirme, ein Telefon und Büromaterialien. Der Schreibtisch ist so platziert, dass sowohl der Lehrpersonenparkplatz und die beiden Türen des Büros, als auch der sich gegenüber dem Schreibtisch befindende Beratungstisch und die gegenüberliegende Wand sichtbar sind, an welcher ein Whiteboard befestigt ist. Weiterhin sind ein Highboard, welches an der Wand gegenüber der Fensterfront steht, und die Wand darüber, welche als Projektionsfläche für einen an der Decke hängenden Beamer fungiert, vom Schreibtisch aus im Blick. Auf dem Whiteboard sind neben Grußkarten lediglich wenige Übersichten angeheftet, auf dem Highboard stehen ein Foto sowie ein Kaktus. Außer drei kleinen Figuren, welche auf dem Schreibtisch platziert sind und einer großen Pflanze vor diesem, befinden sich keine weiteren dekorativen Elemente im Büro des Shadowee. Es habe dem Shadowee bislang noch an dem richtigen Bild gefehlt; die Dekoration der bisherigen Schulleitenden habe er aber schon mal entsorgt bzw. wurde diese mitgenommen, erklärt der Shadowee im Rahmen der Begleitung ohne Nachfrage der Forschenden. Nach seiner Ankunft im Büro legt der Shadowee zunächst seine Sachen ab und begrüßt in Kürze die sich im Sekretariat befindlichen Personen. Während die Tür zum Sekretariat hin meist geöffnet bleibt, wird jene, die zum Gang führt, nach dem Betreten des Büros geschlossen. Die Bürotüren haben hierbei ebenfalls Symbolkräfte resp. Funktionen, welche der Shadowee in Feldgesprächen selbst erläutert hat und durch die Beobachtung bestätigt werden konnten: Geschlossene Türen weisen andere darauf hin, dass er sich im Büro befindet und dort arbeitet, offene Türen hingegen demonstrieren die Abwesenheit des Shadowees. Nach der Begrüßung der Sekretär:innen setzt sich der Shadowee direkt an seinen Schreibtisch, prüft seinen digitalen Kalender auf mögliche Termine, öffnet seine E-Mails und beginnt, markierte und noch ungelesene E-Mails (weiter-)zubearbeiten7 . Abgesehen von dieser kurzen, allmorgendlichen Episode gestaltet sich auch der Alltag des ›Digital Junkies‹ divers, wenn auch deutlich statischer als der des ersten Shadowee. So hält er sich die meiste Zeit des Tages in seinem Büro auf, in welchem er – außer bei Besprechungen – an seinem Schreibtisch sitzt und von dort aus verschiedene Aufgaben bearbeitet. So unternimmt auch dieser Shadowee parallele Handlungen und wird, wenn auch bedeutend seltener als der erste Shadowee, gestört8 . Wie auch schon bei dem ›Manager by walking around‹ vorab, konnte 7

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Im Rahmen der Begleitung erläuterte der Shadowee an verschiedenen Stellen, dass er sowohl abends noch Aufgaben erledige als auch morgens bereits vor Anfahrt die ersten E-Mails liest und bearbeitet. Hierbei lässt sich vermuten, dass dies mit der Handhabe der Türen zusammenhängt, die entgegen einer gebräuchlichen Verwendung steht: So suggeriert eine offene Tür in der Regel Gesprächsbereitschaft, wohingegen eine geschlossene Tür darauf hinweist, dass jemand nicht da ist oder nicht gestört werden möchte. Da der Shadowee die Handhabe der Tür genau ge-

8. Ergebnisse

bei der Begleitung des Digital Junkies ebenfalls festgehalten werden, dass die Fülle an Handlungen und Unterbrechungen dabei unabhängig von der Arbeitsdauer zu betrachten sind und die einzelnen Tage in der Fülle ihrer Aufgaben und Handlungen stark variierten. So konnten Tage beobachtet werden, an denen gemessen an der Frequenz an Unterbrechungen und parallelen Tätigkeiten im Vergleich mit anderen Tagen »weniger« sichtbar passierte. Dabei wurden hauptsächlich Handlungen unternommen, die entweder feste Termine innerhalb der Wochenstruktur darstellten oder sehr zeitintensiv waren. Auffallend gestaltete sich auch, dass der Shadowee häufig über ganze Arbeitstage hinweg keine einzige Pause macht, was im Rahmen des Shadowings die Regel darstellte. Ebenso wurden im Rahmen des Shadowings auch Tage begleitet, die nur teilweise eine feste Struktur aufwiesen, dafür eine Vielzahl kurzweiligerer Handlungen, wie Abbildung 8 illustriert. Hierbei handelte es sich um den ersten Tag der zweiten Shadowingwoche, wodurch auch hier angenommen werden kann, dass sich der Shadowee an die Anwesenheit der Forschenden gewöhnt hat und somit zu seinem typischen Verhalten zurückkehrt ist (Bussel, 2020). Nachfolgend finden sich wie bei der vorigen Darstellung sämtliche beobachtete Handlungen des Shadowee in chronologischer Reihenfolge, samt den jeweiligen örtlichen Settings. Die Reihenfolge der Handlungen werden durch die Pfeile gekennzeichnet, Doppelbalken verbinden Tätigkeiten, die parallel ausgeführt wurden. * markieren von dem Schulleitenden nicht-intendierte Tätigkeiten, die durch Unterbrechungen hervorgerufen wurden. Wie Abbildung 8 illustriert, ist auch der Arbeitsalltag des ›Digital Junkies‹ neben den abgebildeten festen Terminen seiner Wochenstruktur, hier exemplarisch der Jour Fixe mit einem Mitglied der erweiterten Schulleitung sowie Unterricht, auch von Unterbrechungen und diversen parallelen Handlungen durchzogen und durch die wechselnde Interaktion mit einer Vielzahl von Personen gekennzeichnet. Different zum ›Manager by walking around‹ ist hierbei jedoch, dass aus den (weniger häufigen) Unterbrechungen, bis auf wenige Ausnahmen, keine neuen Aufgaben resp. Handlungen erfolgten, sondern die jeweils vorherige Tätigkeit wieder aufgenommen wurde. Als Besonderheit des Tages lässt sich festhalten, dass der Shadowee am Abend einer Sitzung des Schulelternbeirats beiwohnte, wodurch er nach einem frühen Feierabend vor Ort die Arbeit am Abend erneut offiziell aufnahm. Was hier exemplarisch dargestellt ist, zeigte sich im Rahmen des Shadowings mehrfach: Die Wiederaufnahme der Arbeit von zu Hause durch den Shadowee, von welcher dieser entweder berichtete oder durch E-Mailverläufe sichtbar wurde.

genteilig nutzt, kann an dieser Stelle vermutet werden, dass hierdurch eine deutlich höhere Barriere zur Gesprächsfindung besteht.

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Abbildung 8: Tageschronologie »Digital Junkie« (Tag 6)

Bei der Betrachtung der chronologischen Tagesabläufe lassen sich auch beim ›Digital Junkie‹ trotz einzelner Differenzen zentrale Handlungen bestimmen: Den Schwerpunkt bilden hierbei die Bearbeitung von E-Mails, die Pflege von Portalen und Online-Dokumenten. Weiterhin lassen sich hierzu unterrichtliche Verpflichtungen zählen sowie der geplante Austausch mit Mitgliedern der erweiterten Schul-

8. Ergebnisse

leitung im Rahmen von Jours Fixes. Trotz dieser zentralen Handlungen, welche sich über die beobachteten Wochen hinweg wiederholten, kann abschließend auch für den ›Digital Junkie‹ festgehalten werden, dass auch dieser über keinen ›typischen‹ Arbeitstag verfügt. Um analog zum ›Manager by walking around‹ (siehe Kapitel 8.1.1) auch den Handlungskontext des ›Digital Junkie‹ nachvollziehen zu können, werden folgend sowohl die erweiterte Schulleitung als auch die Schule selbst skizziert.

Die erweiterte Schulleitung – Kontextuelle Einbindung Die erweiterte Schulleitung besteht zum Zeitpunkt der Begleitung aus insgesamt sieben Mitgliedern, wovon zwei weiblich und fünf männlich waren. Die erweiterte Schulleitung setzt sich aus dem formellen Schulleitenden, hier dem Shadowee, seinem zweiten ständigen Vertretenden, der ebenfalls die Leitung der Mittelstufe (Jahrgänge 9 und 10) innehat, sowie fünf weiteren Funktionsstelleninhaber:innen zusammen. Hierbei handelt es sich um die Leitung der Mainzer Studienstufe und die Leitung der Mittelstufe (Jährgänge 7 und 10), die auch für die Koordination der Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Die dritte Funktionsstelle umfasst die Leitung der Orientierungsstufe, eine weitere die Leitung der Bläserklassen und des Fortbildungsmanagements und die letzte stellt die Leitung des Bereichs »Digitale Schulentwicklung« dar (siehe Tabelle 4). Als Besonderheit ist hervorzuheben, dass durch den Wechsel des Shadowees von der ersten ständigen Vertretung auf das Amt der formellen Schulleitung drei Monate vor Beginn des Shadowings, die Stelle der ersten ständigen Vertretung zum Zeitpunkt der Begleitung vakant war. Eine Vielzahl der Aufgaben der ersten ständigen Vertretung wurden bisweilen von der Leitung der Bläserklassen übernommen, welche sich im Bewerbungsverfahren um ebendiese Stelle befand9 . Aufgaben wie die Erstellung des Stundenplans, wurden vom Shadowee weiterhin übernommen, was diesen aber – nach eigener Aussage – nicht störte. Folglich bestand die Besetzung der Schulleitung zum Zeitpunkt der Erhebung erst wenige Monate, bzw. gemessen an dem Zeitpunkt des Amtsantrittes der einzelnen Mitglieder seit einem Jahr. Während die Leitung der Bläserklassen erst seit einem Jahr ihr Amt bekleidete, war die Leitung der Mainzer Studienstufe mit 15 resp. 18 Jahren das dienstälteste Mitglied der erweiterten Schulleitung:

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Verschiedene Bestandteile des Bewerbungsverfahrens fanden an Tag 14 des Shadowings statt. Allerdings wurde die Anwesenheit der Forschenden durch die Schulaufsicht untersagt. Hierbei handelte es sich um den einzigen vollständigen Tag des expliziten Ausschlusses im Rahmen dieser Shadowingphase.

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Tabelle 4: Zusammensetzung der erweiterten Schulleitung (II) zum Zeitpunkt des Shadowings Schulleitungsfunktion

Jahr des Amtsantritts (Dauer z.Zt. des Shadowings)

Formelle Schulleitung (Shadowee)

seit 2021 (3 Monate) vorher: 2018–2021 Erste ständige Vertretung

Erste ständige Vertretung

vakant

Zweite ständige Vertretung und Leitung der Mittelstufe (9 & 10)

seit 2013 (8 Jahre)

Leitung der Mainzer Studienstufe

seit 2006 (15 Jahre) vorher: 2003–2006 Mitglied erweiterte Schulleitung

Leitung der Mittelstufe (7 & 8) und Koordination Öffentlichkeitsarbeit

seit 2015 (6 Jahre)

Leitung der Orientierungsstufe

seit 2015 (6 Jahre)

Koordination Bläserklassen und Fortbildungsmanagement

Seit 2020 (1 Jahr)

Digitale Schulentwicklung

seit 2017 (4)

In der Zusammenarbeit der Schulleitungsmitglieder herrscht eine wertschätzende Haltung sowie eine effiziente Arbeitsweise vor, was sich anhand von strukturierten Gesprächsagenden sowie der Kommunikation und Delegation verschiedener Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zeigt. Durch den gezielten Austausch im Rahmen wöchentlicher Termine und Sitzungen der erweiterten Schulleitung, konnte zwar die Interaktion der einzelnen Schulleitungsmitglieder beobachtet werden, jedoch beschränkt sich die Beobachtung primär auf die Erkenntnisse des Shadowings des Shadowees und damit des formellen Schulleitenden. Eine Begleitung anderer Schulleitungsmitglieder, wie der zweiten ständigen Vertretung, wurde im Rahmen des Shadowings von den beteiligten Personen nicht gewünscht. Dennoch konnten auch hier – wenn auch zahlenmäßig weniger – kollaborative Arbeitsphasen beobachtet werden, so dass auch hierzu Daten erhoben werden konnten.

Die Schule als Schauplatz Bei der Schule des ›Digital Junkies‹ handelt es sich um ein Gymnasium in öffentlicher Trägerschaft in der Südwest-Pfalz, welches in einer Ortsgemeinde (3.000-15.000 Einwohner) gelegen ist. Zum Zeitpunkt der Erhebung besuchten

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ca. 920 Schüler:innen das Gymnasium, an welchem 70 Lehrpersonen tätig waren. Die Förderung von MINT-Fächern stellt auch einen der vier Schwerpunkte des Schulprogrammes dar. Weiterhin fokussiert das Schulprogramm die Förderung und Entwicklung von Kernkompetenzen (im Sinne von Fach-, Methoden- und Medienkompetenzen), Sozialkompetenzen (im Sinne von Demokratieerziehung und Persönlichkeitsentwicklung) sowie die Berufs- und Studienorientierung. Zudem liegt ein Medienentwicklungskonzept vor, das die Professionalisierung von Lehrpersonen, die Förderung von Medienkompetenzen von Schüler:innen, die Einbindung von Eltern und externen Partner:innen sowie eine nachhaltige Entwicklung der technischen Infrastruktur der Schule umfasst und deren Organisationsstruktur und Verantwortlichkeiten abbildet. Insgesamt bewertete der Shadowee den Stellenwert von Digitalisierung an der Schule als sehr hoch. Die Mitglieder der erweiterten Schulleitung sowie der Shadowee selbst beschreiben sich in diesem Kontext auch als »natürlich wieder die Progressiven«. Bezüglich der schulischen Infrastruktur verfügt die Schule nach Angaben des Schulleitenden über eine sehr gute technische Ausstattung hinsichtlich Software, nicht zuletzt durch die eigene Programmierung von Tools und Apps durch die Schulleitenden resp. Schüler:innen im Rahmen von Informatikkursen. Auch diese Schule verfügte über ein Learningmanagementsystem sowie einen schulischen Messenger. Ebenfalls besaßen alle Mitglieder der Schulleitung sowie Lehrpersonen und nichtpädagogisches Personal dienstliche E-Mail-Adressen. Durch die bereits seit über zehn Jahren verfolgte Entwicklung im Bereich der Digitalisierung und das Engagement von Schulleitungsmitgliedern sei die Schule intern sehr gut und fortschrittlich aufgestellt. Doch auch hier wurden eklatante Mängel hinsichtlich des Gebäudemanagements herausgestellt: Und zwar wir sind auf dieser Software-Ebene oder auf dieser Ebene, über die wir uns die ganze Zeit unterhalten, Tools, Apps, Online (I: genau) sehr weit. Es fehlt uns in der Schule an der absoluten Basis. Wir haben einfach (.) nicht au- nicht mit einer Minimallösung ausgestattete Klassenzimmer […] Es fehlt an eigentlichem Gebäudemanagement. Also es fehlt an Halterungen, Kabel und Steckdosen. (01S5SL, 40) Auch ein Unterstützungsnetzwerk von Expert:innen bei Fragen zum Themenfeld Digitalisierung sowie die Unterstützung durch das Kollegium in Bezug auf Digitalisierung sind nach Einschätzung des Shadowee nur teilweise gegeben. Nachdem nun auch hier der Shadowee, wie auch die erweiterte Schulleitung und Schule als kontextueller Schauplatz skizziert wurden, kann abschließend festgehalten werden, dass sich auch die Begleitung des »Digital Junkies« für die vorliegende Arbeit aus mehreren Gründen als aufschlussreich darstellte:

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Kontrastierend zum ersten Shadowee, handelt es sich bei dem Digital Junkie um einen dienstjüngeren Schulleitenden, dessen Handlungen überwiegend in Verbindung mit digitalen Medien und in seinem Büro bzw. in seinem Zuhause stattfinden. Ebenfalls wird der eigene Berufsalltag sehr stark mit Digitalisierung in Verbindung gebracht und er versucht diese stetig voranzutreiben und dadurch die Schule weiter »zu digitalisieren«. Diese Entwicklungsbestrebungen sind äquivalent zur Schule des ersten Shadowees auch programmatisch auf Ebene von Schulentwicklung eingeschrieben, was auch, verbunden mit der Funktionsstelle »Digitale Schulentwicklung«, inhaltliche Erkenntnisse zum Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen erwarten ließ. Durch die digital gestützte Bearbeitung vielfältiger Aufgabenbereiche war es so möglich, andere Modi des Schulleitendenhandelns unter Bedingungen des Digitalen zu beobachten und zu erleben und damit neue Facetten von Schulleitendenhandeln, aber auch des Digitalen als Phänomen zu erfassen. Anders als der erste Shadowee, äußerte der Digital Junkie keine expliziten Fortbildungsbedarfe, sondern artikulierte sich gegenteilig als kompetent und sicher im Bereich Digitalisierung.

8.2 Facetten von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen Nach der Portraitierung beider Shadowee erfolgt nun eine Darlegung des Schulleitendenhandelns unter den Bedingungen des Digitalen. Im Rahmen der Phänomenologischen Analyse konnten vier digitalisierungsbezogene Bedingungskonzepte herausgearbeitet werden, entlang derer verschiedene Facetten von Schulleitendenhandeln identifiziert werden konnten. Hierbei handelt es sich um (1) Schulleitendenhandeln unter (ver-)bindenden Bedingungen, (2) Schulleitendenhandeln unter beschleunigten Bedingungen, (3) Schulleitendenhandeln unter panoptischen Bedingungen sowie (4) Schulleitendenhandeln unter (über-)walteten Bedingungen. Der theoretischen Verortung der Arbeit folgend wird dabei phänomenorientiert anstatt personenorientiert vorgegangen, sodass die folgenden Ergebnisse immer Erkenntnisse aus beiden Shadowingphasen umfassen, wenngleich die exemplarischen Deskriptionen immer nur einer der Shadowingphasen entstammen.

8.2.1 Schulleitendenhandeln unter (ver-)bindenden Bedingungen Die erste Facette von Schulleitendenhandeln, welche im Rahmen der Analysen ersichtlich wurde, ist das Handeln unter (ver-)bindenden Bedingungen. Das Digitale zeigt sich hierbei als verbindendes, aber auch bindendes Element, durch welches Schulleitende in ihrer Arbeit sowohl untereinander als auch mit weiteren außer- sowie innerschulischen Akteur:innen in Verbindung treten, gewissermaßen eine Bin-

8. Ergebnisse

dung eingehen. Gleichermaßen wird Schulleitendenhandeln aber auch an digitalisierte Prozesse und digitale Medien gebunden. Solche (ver-)bindenden Elemente wurden im Rahmen der Analyse zuvorderst auf Ebene der (1) (digitalen) Kommunikation von Schulleitenden mit anderen Akteur:innen sowie im Zuge (2) kollaborativer Arbeitsprozesse von Schulleitungsmitgliedern sichtbar. Für die Entfaltung dieser Facette schulleiterischen Handelns wird nachfolgend auf ebendiese Aspekte eingegangen und diese mittels Beispielen aus dem erhobenen Datenmaterial veranschaulicht. Digitale Kommunikation unter verbindenden Bedingungen: Die digitale Kommunikation von Schulleitenden mit anderen Akteur:innen gestaltete sich im Rahmen beider Shadowingphasen in vielen Fällen an Messaging-Dienste geknüpft. Hierbei stellten sich vor allem Whatsapp, zuweilen auch Threema, als zentrale Kommunikationsorgane dar: So wurde während des Shadowings beider Shadowee in verschiedenen Kontexten ersichtlich, dass die jeweiligen Schulleitungsmitglieder untereinander über Whatsapp kommunizieren und auch über Whatsappgruppen verfügen. In diesen Gruppen wurden aber nicht nur berufliche Informationen geteilt, sondern es findet auch private Kommunikation darin statt. So unterhielten sich beispielsweise der ›Manager by walking around‹ und der zweite ständige Vertreter der Schulleitung in einer beobachteten Situation über Bilder, welche sie sich bei einer Radtour am Wochenende zugesandt hatten. In anderen Situationen tauschte sich der Shadowee mit einem Mitglied der erweiterten Schulleitung über Informationen aus, welche in der besagten Gruppe geteilt wurden, oder kündigte an, Informationen über diese zu teilen. Weiterhin wurden auch Lehrpersonen – wenn keine Möglichkeit zur persönlichen Kommunikation in der Schule gegeben war – hauptsächlich über Whatsapp kontaktiert und über Sachverhalte informiert bzw. Informationen von diesen erfragt. Neben den beobachteten kommunikativen Handlungen der Schulleitenden selbst, berichteten beide Shadowees zusätzlich von Anfragen und Informationen von Lehrpersonen, welche sie über Whatsapp erreichten und auf welche sie noch reagieren müssten. Gleichermaßen wurde auch in verschiedenen Gesprächskontexten von beiden Schulleitenden angekündigt, mit Lehrpersonen und Schulleitungsmitgliedern via Whatsapp zu kommunizieren10 . Weiterhin zeigte sich, dass nicht nur die Kommunikation von Schulleitungsmitgliedern untereinander sowie mit Lehrpersonen in vielen Kontexten via Whatsapp stattfand, sondern auch vermehrt eine Kommunikation mit Eltern(-vertreter:innen). Allerdings wurde der Kontakt mit Eltern und Elternvertreter:innen via Messenger-Systemen von den begleiteten Schulleitenden resp. von Mitgliedern der erweiterten Schulleitung meist 10

Die in diesem Kontext virulent werdenden datenschutzrechtliche Bedenken und Aspekte wurden im Rahmen des Shadowings beider Schulleitenden nicht thematisiert.

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als störend artikuliert. Insbesondere der fordernde Charakter der Kommunikationsinhalte seitens der Eltern und das Verschwimmen privater und professioneller Kontexte und Adressierungen wurden von den Schulleitende als Schwierigkeiten benannt. Zudem konnten auch im Rahmen des Shadowings mehrere Situationen beobachtet werden, in welchen eine ebensolche Kommunikation von anderen Akteur:innen, wie beispielsweise Eltern, eingefordert und von den Schulleitenden als gewissermaßen zu (ver-)bindend empfunden wurde. Exemplarisch sei hierfür ein Auszug eines Jour Fixe des ›Digital Junkies‹ mit einem Mitglied der erweiterten Schulleitung gegeben. In der Situation, der dieser Auszug entstammt, sitzen der Shadowee und ein Mitglied der erweiterten Schulleitung im Büro des Shadowees an seinem Beratungstisch. Der wöchentliche Jour Fixe ist dabei schon weit vorangeschritten. Der Auszug stammt aus dem letzten Drittel des beobachteten Jour Fixe: Abendliche Elterngespräche […] Er notiert etwas, bevor er zögernd von seinem Notizbuch aufblickt; sein Rücken ist im Vergleich zu vorher nun etwas gekrümmt. Kurz sagen weder er noch der Shadowee etwas. Eine unerwartete Pause, denke ich. Im Vergleich zu den bisherigen Agendapunkte, scheint nun ein Thema zu folgen, welches dem Mitglied der erweiterten Schulleitung unangenehm zu sein scheint. Schließlich atmet er merklich ein und erkundigt sich, ob der Unterricht am 14.05. entfallen müsse, weil es sich um einen Brückentag handele, oder ob die Möglichkeit bestehe, einen Elternsprechtag abzuhalten. Er glaubt, dass hier auf Seiten der Eltern Kommunikationsbedarf bestehe, denn »wenn ich die Zeit mal aufrechne, dann ist die Zeit für Elterngespräche exponentiell gestiegen«, erläutert er. Durch die Möglichkeiten, die Messenger bieten, seien sie als Lehrpersonen und Schulleitende viel besser erreichbar als früher und das würden Eltern nutzen. »Ich habe jeden Abend bis 23 Uhr Elternkommunikation«. (02S5SL_7) Wie das Mitglied der erweiterten Schulleitung in diesem Beispiel selbst betont, wird Kommunikation durch die Nutzung von Messaging-Diensten deutlich erleichtert. So können Schulleitende durch digitale Kommunikationswege unmittelbarer mit verschiedenen, sowohl außer- wie innerschulischen Akteur:innen kommunizieren. Auch bieten Whatsappgruppen von Schulleitenden die Möglichkeit eines informellen, aber strukturierten Austauschs, gemeinschaftlicher Formationen, über die sich Schulleitende zusammenschließen sowie gemeinsame Ziele finden und verfolgen können. Gleichermaßen ist es für andere Akteur:innen auch leichter, mit Schulleitenden in Verbindung zu treten, als dies über E-Mail oder Sprechstundentermine möglich ist. Ein Aspekt, der hier besonders hervortritt, ist die zeitliche Extensivierung der Kommunikation, die betont wird. So berichtet das Schulleitungsmitglied von Elternkommunikation, welche weit in den (Feier-)Abend hineinreicht und – unter Anbetracht der soeben geschilderten Situation und des Anliegens – als Belastung empfunden wird.

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Neben der hier geschilderten Kommunikation mit Eltern, berichtete auch der ›Manager by walking around‹ von ähnlichen Kommunikationsprozessen, welche auch beobachtet werden konnten. So erhielt er während des Shadowings regelmäßig via Whatsapp Sprachnachrichten des Vorstands des Fördervereins von mehreren Minuten, welche der Shadowee zum Teil als störend und dabei inhaltlich nicht immer als ertragreich beschrieb: »Manchmal löscht man Sprachnachrichten besser, bevor man sie abhört«. Gleichzeitig könnten über Whatsapp aber auch »auf dem kurzen Dienstweg«, vor allem mit schulexternen Akteur:innen, Absprachen getroffen werden und Wartezeiten für Antworten deutlich reduziert werden. Kollaborative (digitale) Arbeitsprozesse als verbindendes Element: Neben der Transformation persönlicher Kommunikation in Formen digitaler Kommunikation, wodurch diese erleichtert wird, stellten sich auch (digitale) kollaborative Arbeitsprozesse von Schulleitungsmitgliedern als verbindende Elemente dar. Beispielhaft können hierfür die wöchentlichen Jours Fixes des Digital Junkies mit den Mitgliedern der erweiterten Schulleitung angeführt werden. Diese wöchentlichen Termine dienten dem Shadowee vor allem zum Informationsaustausch und der Besprechung anstehender Prozesse oder möglicher Herausforderungen im Rahmen der einzelnen Zuständigkeitsbereiche der Schulleitungsmitglieder. Weiterhin wurden hierbei auch durch die beteiligten Schulleitungsmitglieder gemeinsam Lösungen und Handlungsstrategien entwickelt. Im Zuge der Coronapandemie wurden diese Jours Fixes sowie die Sitzung der erweiterten Schulleitung, an der alle Schulleitungsmitglieder teilnehmen, in ein digitales Format überführt, bei dem es sich laut dem ›Digital Junkie‹ um einen gewinnbringenden, wenn auch nicht optimalen Modus handelte: Ein gewinnbringender Modus Als wir gemeinsam sein Büro betreten, sagt er, dass er sich nun beeilen müsse, da die Sitzung der erweiterten Schulleitung gleich losgehe. Er setzt sich auf seinen Bürostuhl und öffnet ein Jitsi11 -Meeting. Während nach und nach die Mitglieder der erweiterten Schulleitung das Meeting betreten, ordnet der Shadowee seine Notizen und öffnet ein digitales Notizbuch. Ich rücke den Stuhl, auf dem ich sonst hinter ihm sitze, ein Stück weiter nach links, um nicht im Kamera-Bild zu sein. Ich sehe mir die einzelnen Videokacheln an und erkenne, dass bis auf die Leitung der Mainzer Studienstufe und der Leitung der Orientierungsstufe alle Mitglieder der erweiterten Schulleitung in ihren Büros in der Schule sitzen. Ich erinnere mich, dass der Shadowee mir erzählte, dass die Leitung der Mainzer Studienstufe aufgrund gesundheitlicher Faktoren aktuell noch überwiegend von Zuhause aus 11

Bei Jitsi handelt es sich um eine Software für IP-Telefonie, Videokonferenzen und Instant Messaging, welche zum Zeitpunkt der Erhebung in der Schule des Digital Junkies etabliert war und für die Umsetzung von Videokonferenzen und digitale Unterrichtsformate genutzt wurde.

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arbeiten würde. Da während der Sitzung häufig ein Kind im Bild der Leitung der Orientierungsstufe erscheint, erschließe ich mir, dass dieser aus Betreuungsgründen von zu Hause aus an der Sitzung teilnimmt. Der Shadowee sieht mich kurz fragend an, was ich als Nachfrage interpretiere, ob auch ich ›fertig‹ sei, weswegen ich nicke. Daraufhin richtet er sich auf dem Bürostuhl auf, rückt auf der Sitzfläche weiter nach vorne, wodurch seine Haltung aufrechter wirkt, und eröffnet mit einer Begrüßung die Sitzung. Er freue sich, dass alles da sind und würde heute das Protokoll hier am PC mittippen. Zu Beginn würde er gerne, jetzt wo der Präsenzbetrieb wieder losgegangen sei, betonen wollen, wie gewinnbringend er die wöchentlichen Jours Fixes im Vergleich zu den bisherigen Modi findet. Er hoffe, dass sie nun auch ab nächster Woche die Sitzungen der erweiterten Schulleitung wieder in Präsenz abhalten können, auch wenn das digitale Format auch super funktionieren würde, damit alle dabei sein können. (02S5SL_4) Gleichwohl der Shadowee die Wertigkeit der bisherigen Präsenzsitzungen betont, wird anhand dieses Auszugs der Anfangssequenz einer beobachteten Sitzung der erweiterten Schulleitung deutlich, dass auch eine digitale Umsetzung Vorteile aufweist. So ermöglicht die digitale Abhaltung des Meetings eine Partizipation derer, die beispielsweise aus familiären oder gesundheitlichen Gründen nicht vor Ort sein können. Schulleitendenhandeln, hier insbesondere das kollaborative Handeln der erweiterten Schulleitung, ist damit nicht mehr an die Anwesenheit von Akteur:innen oder die Schule als Arbeitsort gebunden. Eine Bindung, die jedoch im Rahmen des Shadowings vor allem im Kontext der Jours Fixes sichtbar wurde, ist jene der Mitglieder der Schulleitung an digitale Endgeräte. So fungierte das Smartphone in unterschiedlichen Situationen nicht nur als Kommunikationsmittel, durch welches (Whatsapp-)Nachrichten versendet und empfangen werden, sondern auch als Gedächtnis bzw. Notizbuch, da dieses an Termine erinnert oder Informationen dort eingespeichert sind resp. eingegeben werden. Diese starke Bindung zeigte sich auch daran, dass Sitzungen später begonnen wurden, da noch das Smartphone, vereinzelt auch das Tablet, geholt oder eingerichtet werden musste. Aber nicht nur die Überführung von Besprechungen in den digitalen Raum zeigte im Schulleitendenhandeln einen verbindenden Charakter derart, dass ein gemeinsames Arbeiten auf Distanz ermöglicht wurde. Auch weitere digitale Formate, die Kollaboration ermöglichen, wurden für eine verbesserte Zusammenarbeit von Schulleitenden genutzt. Beispielsweise wurde ein gemeinsamer digitaler Kalender von Schulleitungsmitgliedern geführt oder auch Dokumente digital zur Verfügung gestellt, die in Echtzeit gemeinsam bearbeitet werden können. Im Rahmen des Shadowings wurde hierzu die Übertragung nicht-digitaler in digitale Übersichten anhand der Nutzung von Google-Spreadsheets beobachtet, auf die auch während der gesamten Begleitung in verschiedenen Gesprächen des Shadowee mit anderen verwiesen wurde. So wurden entsprechende geteilte Tabellen

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beispielsweise für die Verwaltung von PES-Stunden genutzt oder auch Excel-Tabellen als Vorlage für gemeinsame Arbeitsprozesse und Meetings erstellt und auf Servern hinterlegt, »damit sie alle abrufen können«. Eine Verbindung zwischen dem ›Digital Junkie‹, zwei Mitgliedern der erweiterten Schulleitung sowie dem Sekretariat stellte beispielsweise eine Excel-Tabelle dar, welche zur Bildung der neuen fünften Klassen genutzt wurde. Diese Tabelle wurde gemeinschaftlich, wenn auch asynchron, bearbeitet und führte gewissermaßen als Bindeglied verschiedene Arbeitsprozesse aller Beteiligten zusammen. Auch stellte sich das Digitale als Inhalt von Schulleitungsaufgaben als verbindendes Element dar, indem verschiedene Aufgaben, »die man gar nicht alleine machen kann«, gemeinsames Schulleitendenhandeln evozieren und auch erfordern. In diesem Kontext zeichneten sich zuvorderst verschiedene Schulverwaltungssoftwareprogramme relevant, deren Funktionen gemeinsame Erarbeitungs- und Planungsprozesse erforderten. So berichtete beispielsweise der ›Digital Junkie‹ von einem gemeinsam digitalen Meeting mit der Leitung der digitalen Schulentwicklung und der Koordination der Bläserklassen und des Fortbildungsmanagement zu WebUntis und dem digitalen Klassenbuch am Vorabend: Der erste Schritt »Und was wir geplant haben, ist die Aktivierung des Elternaccounts«, beginnt der Shadowee seinen Bericht zum gestrigen Jour Fixe. WebUntis ermögliche es nämlich, Elternbriefe ›one way‹ zu versenden, was ein unglaublicher Benefit für die Mitglieder der Schulleitung und die Lehrpersonen sei. So könnten Elternbriefe vereinfacht direkt in den in WebUntis angelegten Klassengruppen sowohl an Eltern direkt, als auch an Schüler:innen versendet werden. Das Tolle hierbei sei, führt der Shadowee weiter fort, dass dabei Lesebestätigungen eingefordert werden könnten, die eine juristische Absicherung in der Kommunikation wären. Eltern müssten sich dann mit der E-Mailadresse anmelden, die ohnehin schon im Schulsystem hinterlegt sei. »Das ist der erste Schritt, dass Eltern wieder ihre Daten pflegen. Was für uns wieder ein Benefit ist, für die Eltern aber Aufwand«. (02S5SL_5) Doch nicht nur die Zusammenarbeit von Mitgliedern der (erweiterten) Schulleitung weist unter den Bedingungen des Digitalen neue Verbindungen auf, auch adressiert das obige Beispiel exemplarisch die Zusammenarbeit von Schule und Familie (siehe hierzu z.B. Epstein, 2018; Schwanenberg, 2015), insbesondere die Kommunikation mit Eltern. So schafft die Verwendung spezieller Softwarefunktionen neue Handlungsmöglichkeiten, indem der Versand von Elternbriefen unmittelbar an die gewünschte Zielgruppe erfolgen kann. Schulverwaltungssoftware, wie die des Beispiels, bietet damit neue Verbindungswege zu Eltern, welche nicht mehr davon abhängig sind, dass Schüler:innen die zuvor im Unterricht ausgeteilte Informationsschreiben an ihre Eltern übergeben. Die Betonung des »Benefits«, der sich durch diese neuen Verbindungswege und damit einhergehende Handlungsmöglichkeiten

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ergebe, deutet weiterhin darauf hin, dass die Informationsweitergabe an Eltern bislang mit einem gewissen Maß an Aufwand verbunden zu sein scheint. Durch die softwaregestützte Weitergabe wird hier eine Erleichterung für Schulleitende und Lehrpersonen antizipiert, die auch eine »juristische Absicherung« darstelle. Auffallend gestaltet sich in diesem Kontext, dass die hier beschriebene Kommunikationsform mit einem Sicherheitsmotiv seitens der Schulleitenden unterlegt zu sein scheint und dabei auf eine eigennützige Verbindung abzielt. So wird durch den Hinweis, dass es sich um eine »one-way« Kommunikation handele herausgestellt, dass Informationen weitergegeben werden können, ein gemeinsamer Austausch darüber in diesem Format aber nicht intendiert resp. gewünscht ist. Wie hier deutlich wird, zielt diese Form der beschriebenen Kommunikation damit auf einen einseitigen Vorteil im Sinne einer Erleichterung des organisatorischen Aufwands auf Seiten der Schulleitenden und Lehrpersonen ab, nicht jedoch auf eine reziproke Verbindung und damit eine partizipative Zusammenarbeit mit Eltern. Gegenteilig wird sogar auf dadurch aufkommende Verpflichtungen und Mehraufwände von Eltern hingewiesen, indem als Voraussetzung für eine solche Verbindung benannt wird, dass Eltern hierfür ihre Daten pflegen müssten. Dies lenkt auch den Blick auf mögliche (Mehr-)Belastungen, die im Rahmen der Initiierung und des Einrichtens solcher Formate resp. Verbindungen bedacht werden müssen. Ein weiteres Beispiel für Mehraufwände wurde im Kontext der vorab angesprochenen Exceltabelle zur Klassenbildung erfasst. So erforderte auch die korrekte Handhabung der Tabelle durch die verschiedenen Akteur:innen mehrfach Abstimmungs- und Erläuterungsprozesse, im Zuge derer der Shadowee beispielsweise den Sektretär:innen die einzelnen Funktionen der Tabelle erläuterte und Handlungen gemeinsam erprobt und abgestimmt wurden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Schulleitendenhandeln unter (ver-)bindenden Bedingungen vor allem durch (transformierte) Formen der Zusammenarbeit sowohl von Schulleitenden selbst als auch mit weiteren Akteur:innen gekennzeichnet ist. Das Digitale schafft im Rahmen dieser Facette Bedingungen, welche Verbindungen verschiedener Art ermöglichen. So konnten sowohl Verbindungswege resp. -elemente aufgezeigt werden, welche auf Ebene des Schulleitendenhandeln eine Erleichterung und Förderung von Zusammenarbeit evozieren, gleichermaßen solche, die als Belastung empfunden wurden, als auch jene, die zuvorderst auf einseitige, denn auf partizipative Verbindungsmodi abzielen: Neben der Transformation von Arbeitsmodi und Inhalten schafft vor allem die Kommunikation von Schulleitenden mit verschiedenen Akteur:innen unter den Bedingungen des Digitalen neue Verbindungen, die eine Erleichterung von Arbeitsprozessen bedeuten können (siehe zur mediatisierten Kommunikation in Schule auch Breiter et al., 2012; Welling et al., 2015). So werden nicht-digitale Arbeitsprozesse und Handlungen in digitale Formate überführt, die die Partizipation weiterer Personen, aber auch das gemeinsame Arbeiten an Tätigkeiten ermöglichen. Eben-

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falls wird durch das hohe Maß digitaler Kommunikation Austausch gefördert und engere Kooperationen mit Gremien, wie dem Elternbeirat der Schule, möglich. Wo es zuvor Treffen in reziproker, körperlicher Anwesenheit bedurfte, um Absprachen zu tätigen und Prozesse zu planen, genügt nun alternativ zuweilen die Aufnahme und das Versenden von Sprachnachrichten, welche weder orts- noch zeitgebunden sind. Gleichermaßen schaffen digital-vermittelte Kommunikationswege auch die Möglichkeit der einseitigen, erleichterten Informationsweitergabe. Dennoch wurden im Schulleitendenhandeln unter verbindenden Bedingungen auch Belastungen sichtbar, wie das Verschwimmen von Arbeit und Privatleben, die Extensivierung von beruflicher Kommunikation in Feierabende sowie Mehrbelastungen verschiedener Akteur:innen durch das Einrichten neuer (kollaborativer) Arbeitsformate. Beispielhaft können die »Abendlichen Elterngespräche« herangezogen werden, in deren Kontext deutlich wurde, dass eine (empfundene) Verbindlichkeit hinsichtlich der Kommunikation mit An-Schule-Beteiligten seitens der Schulleitenden vorliegt; definierte Regeln für digital-vermittelte Kommunikation, vor allem mit schulexternen Akteur:innen, wurden im Rahmen der Beobachtung jedoch nicht sichtbar bzw. schienen diese zum Zeitpunkt der Erhebung (bspw. im Rahmen des beschriebenen Jour Fixes) erst ausgehandelt zu werden. Dieser Umstand führt, wie in den Beschreibungen deutlich wird dazu, dass Schulleitende auch an Feierabenden und Wochenenden beruflicher Kommunikation nachgehen. Diese (empfundene) Verbindlichkeit, die (antizipierte) Anspruchshaltung schulischer Akteur:innen, undefinierte Kommunikationsregeln und ausbleibende Erholungsphasen resultieren letztlich in ein erhöhtes Belastungserleben. Solche Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit erleichtern folglich nicht nur den Arbeitstag von Schulleitenden, sondern weisen auch Extensivierungstendenzen auf, womit sie in direkter Verbindung zur zweiten Facette schulleiterischen Handelns stehen: dem Schulleitendenhandeln unter beschleunigten Bedingungen.

8.2.2 Schulleitendenhandeln unter beschleunigten Bedingungen Neben Schulleitendenhandeln unter (ver-)bindenden Bedingungen, konnten im Rahmen der Analyse noch weitere Facetten von Schulleitendenhandeln und dem Digitalen bestimmt werden. Charakteristisch für diese Facetten ist hierbei, dass das Digitale auf verschiedenen Ebenen beschleunigend wirkt resp. Bedingungen schafft, welche eine Beschleunigung des Berufsalltages und des Handelns von Schulleitenden evozieren. Für ebensolche Beschleunigungstendenzen im Schulleitendenhandeln konnten die drei Facetten (1) verdichtetes Schulleitendenhandeln, (2) alternatives Schulleitendenhandeln sowie (3) transzendierendes Schulleitendenhandeln identifiziert werden. Um die jeweiligen Charakteristika der einzelnen Facetten zu explizieren, werden nachfolgend verschiedene Beispielsituationen resp. Anekdoten angeführt, welche das jeweilige Handeln beleuchten und verdeutlichen. Hierfür

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wird exemplarisch zunächst eine Episode im Rahmen des Shadowings deskriptiv entfaltet und mittels des entsprechenden Ausschnittes der Tageschronologie Simultanausführungen von Handlungen und ausbleibenden Pausen veranschaulicht. Hieran schließt die Darbietung einer zweiten Episode an, die Bestrebungen von Schulleitenden verdeutlicht, zeitaufwändige Tätigkeiten durch zeitsparende Handlungen zu ersetzen. Das letzte Beispiel stellen zwei Anekdoten bzw. Berichte der Schulleitenden dar, die transzendierendes Schulleitendenhandeln sichtbar werden lassen. Da die hier identifizierten Facetten von Schulleitendenhandeln deutliche Bezüge zur Beschleunigungstheorie Rosas (2016) aufweisen, sollen diese in den Ausführungen an entsprechender Stelle theoretisch eingebettet werden. Verdichtetes Schulleitendenhandeln: Hinsichtlich des Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen als Beschleuniger kann eine zunehmende Verdichtung von Handeln konstatiert werden. Diese Verdichtung konnte zuvorderst anhand von Verkürzungen und der Simultanausführung von Aktivitäten (Multitasking) sowie der Eliminierung von Pausen beobachtet werden, wie das folgende Beispiel zeigt. Es handelt sich um einen Auszug der Begleitung des ›Digital Junkies‹ an Tag zehn. Unmittelbar vor der beschriebenen Situation bearbeitete der Shadowee eingegangene E-Mails, während er an seinem Schreibtisch saß. Ein kleines Päuschen Er könne jetzt eigentlich ein kleines Päuschen einlegen, sagt der Shadowee, als er seine E-Mails schließt. Kurz verharrt er noch auf seinem Bürostuhl, bis er beherzt nickt, aufsteht und in die Richtung der Kaffeemaschine läuft, welche im Sekretariat steht. Ich laufe ihm hinterher und sehe, dass auch die Leitung der Mainzer Studienstufe (MSS) im Sekretariat steht. Während der Shadowee sich einen Kaffee zubereitet, berichtet er dem Mitglied der erweiterten Schulleitung vom aktuellen Prozess der Klassenbildung der neuen Orientierungsstufe und erfragt Neuigkeiten hinsichtlich eines Informationsschreibens für die Schüler:innen der MSS. Beide unterhalten sich kurz hierüber, bevor die Leitung der MSS das Sekretariat verlässt. Anschließend wendet der Shadowee sich, seinen Kaffee trinkend, einer der anwesenden Sekretär:innen zu und spricht mit dieser verschiedene Optimierungsmöglichkeiten von Arbeitsprozessen bei der Verwaltung von Listen durch. Nachdem sich beide auf einen Arbeitsmodus geeinigt haben, greift der Shadowee in sein Postfach, zieht die dort hinterlegte Unterschriftenmappe heraus und kündigt an, dass er nun weitermache, da gleich noch eine Lehrperson komme, mit der er gemeinsam die Registrierung für das Impfangebot mache. Daraufhin geht der Shadowee in sein Büro, ich folge ihm, und schließt die Tür hinter uns beiden. (02S5SL_10) Durch die Überlagerung von Pausen mit anderen Handlungen resp. das Bestreben, diese produktiv nutzen zu wollen, wie es das obige Beispiel illustriert, werden Pausen zunehmend im Schulleitendenalltag eliminiert. Pausen, beispielsweise im Sinne von Erholungsräumen (zu Funktionen von Pausen in Schulen siehe bspw. De-

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recik et al., 2016), werden, wenn diese überhaupt realisiert werden, dabei lediglich auf Nahrungsaufnahmen beschränkt. Gemeinhin gestalteten sich die beobachteten Pausen im Rahmen der vorliegenden Studie stets von simultanen Handlungen durchzogen. So hat auch der ›Manager by walking around‹ während Frühstücksoder Mittagspausen stets mit anderen Akteur:innen (berufsbezogen) gesprochen oder andere Handlungen, wie die Bearbeitung von Post, das Sortieren von Unterlagen oder die Vorbereitung von Unterricht, vollzogen. Die Simultanausführung von Handlungen konnten außerdem anhand der verfassten Tageschronologien während des Shadowings im buchstäblichen Sinne nachgezeichnet werden, wie auch dem nachfolgenden Auszug einer dieser Chronologien zu entnehmen ist (siehe Abbildung 9). Abgebildet finden sich hier aufeinanderfolgende Handlungen, deren Reihenfolge durch Pfeile angezeigt wird, sowie dabei erfolgte simultane Handlungen, die durch einen Doppelbalken mit der jeweiligen ursprünglichen Handlung verbunden sind. Mit einem Sternchen markierte Handlungen weisen auf Handlungen hin, welche nicht durch den Shadowee intendiert waren und sich beispielsweise durch Unterbrechungen im Schulleitendenhandeln durch andere ergeben haben.

Abbildung 9: Auszug Tageschronologie 02S2vSL (Tag 13)

Wie anhand dieses kurzen Auszugs der Tageschronologie ersichtlich wird, erfolgen zuvorderst Handlungen wie das Bearbeiten von E-Mails und die Kommunikation mit anderen Akteur:innen simultan. Zudem gehen von ebensolchen simultanen Handlungen auch weitere, vorab ungeplante bzw. nicht-intendierte Handlungen, in diesem Fall ein Gespräch mit einem Mitglied der erweiterten Schulleitung, aus. Gerade bei zeitintensiveren Handlungen, wie der Planung der Abitur-Organisation, in deren Rahmen der Shadowee u.a. die Ablaufpläne der Abiturient:innenentlassung prüfte, können auch mehrere simultane Handlungen – meist durch Unterbrechungen verursacht – beobachtet werden.

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Zusammenfassend lässt sich daher resümieren, dass sich Schulleitendenhandeln verdichtet gestaltet, indem Handlungen simultan und meist verkürzt erfolgen, während auf Pausen vermehrt verzichtet wird. So wurden nicht nur am Beobachtungstag der dargebotenen Tageschronologie simultane Handlungen beobachtet, sondern an beinahe allen Beobachtungstagen. E-Mails werden verfasst, während (telefonische) Absprachen getätigt werden und an einem (digitalen) Meeting teilgenommen wird. Auffallend gestaltet sich, dass sich das Verfassen von E-Mails meist als ein wiederkehrendes simultanes Moment darstellt, welches vor allem bei zeitaufwändigeren Tätigkeiten, wie längeren Sitzungen, herangezogen wird, um dies »schon einmal nebenher zu erledigen, um es nachher nicht mehr machen zu müssen«. Das Digitale schafft hierbei »Ermöglichungsbedingung für die Vielfalt an sozialen Beschleunigungsprozessen« (Rosa, 2016, S. 174) und vereinfacht damit auch die Simultanität und Verkürzung von Handlungen. So ermöglichen das schnelle Verfassen und Übermitteln von E-Mails schnellere Reaktionen, als es das Verfassen und Senden von Briefen beispielsweise erfordern würde, verkürzen damit in Wechselwirkung auch Kommunikationsprozesse (siehe hierzu auch Rosa, 2016, S. 192). Weiterhin wird anhand des Datenmaterials deutlich die Eliminierung von Pausen sichtbar, indem auch Bestrebungen von Schulleitenden beobachtet wurden, nicht nur auf Pausen zu verzichten, sondern, falls welche eingeräumt werden, diese zumindest ›produktiv‹ zu nutzen, wie das obige Beispiel zeigt. Ein Nicht-Handeln erscheint beinahe unmöglich. Rosa (2016) schreibt hierzu: »Wer sich den stetig wechselnden Handlungsbedingungen nicht immer wieder von Neuern anpasst (Hard- und Software im wörtlichen und übertragenen Sinne aktualisiert), verliert die Anschlussvoraussetzungen und -optionen für die Zukunft« (Rosa, 2016, S. 190; Herv. i. O.). Ähnliche Tendenzen lassen sich im Schulleitendenhandeln beobachten. So erweckt es den Eindruck, wer nicht stetig ›auf dem neuesten (Informations-)Stand‹ ist, würde den Anschluss an schulische Ereignisse verlieren und könnte sein Aufgabenspektrum nicht erfüllen. Pausen, in welchen keine E-Mails gelesen oder verschickt, Absprachen getätigt, Neuigkeiten erfragt, Konzepte durchdacht und geplant werden oder Post bearbeitet und Unterschriften gesetzt werden, werden als Zeitverlust empfunden. Auf ein solches Gefühl verknappter Zeitressourcen folgt meist als Reaktion abermals eine Verdichtung von Handlungsepisoden, welche wiederum durch die Verkürzung und Überlagerung von Aktivitäten zu erzielen versucht wird oder durch das Ersetzen zeitaufwändiger Handlungen durch zeitsparende Handlungen und somit durch alternatives Handeln. Alternatives Schulleitendenhandeln: Als weitere Reaktion auf verknappte Zeitressourcen akzentuiert Rosa (2016) das Ersetzen zeitaufwändiger durch zeitsparende Handlungen. Auch dies ließ sich im vorhandenen Datenmaterial nicht nur nachwei-

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sen, sondern als Strategie von Schulleitenden erhärten. Solche strategischen Handlungen, welche darauf abzielten, bestehende Handlungen durch zeitsparendere zu ersetzen, illustriert die folgende Episode aus dem Shadowing des ›Digital Junkies‹: »Nee, ich bin doch Naturwissenschaftler« Der Shadowee schließt seine E-Mails und sagt, ohne den Blick von dem Bildschirm abzuwenden, dass er heute den ganzen Tag eine dienstliche Beurteilung verfassen müsse. »Textproduktion«, sagt er, knurrt leise, während er sich zu mir umdreht und mich mit bedrückter Miene ansieht. Ich frage, ob es nicht so seine Arbeit sei, worauf er entgegnet: »Nee, ich bin doch Naturwissenschaftler«. Darauf dreht er sich wieder in Richtung Schreibtisch und öffnet eine Ordnerstruktur, in welcher verschiedene Word- und PDF-Dokumente hinterlegt sind. Er erklärt mir, dass er von seiner Vorgängerin alle Daten und Dokumente aus ihrer Amtszeit bekommen habe und nach bereits verfassten dienstlichen Beurteilungen suche. Texte in solchen dienstlichen Beurteilungen seien immer gleich und so generisch, dass er hier copy und paste machen könne. (02S5SL_12) Durch die Betonung des Status als »Naturwissenschaftler« sowie das Knurren und die an die Forschende gerichtete Mimik suggeriert der Shadowee, dass es sich bei dem Verfassen dienstlicher Beurteilungen um eine Aufgabe handelt, welche mit Schwierigkeiten verbunden zu sein scheint und sich als zeitaufwendig darstellt. Wie anhand dieser Episode deutlich wird, versucht der Shadowee durch die Nutzung alter Textbausteine und Dokumentenvorlagen Zeit einzusparen, die eine originäre Formulierung von Texten oder die Formatierung von Dokumenten beanspruchen würde. Die Verwendung vorhandener Textbausteine schaffe in dieser Situation folglich einerseits eine Erleichterung hinsichtlich möglicher Schwierigkeiten bei der Textproduktion, andererseits wird somit ein Aufwenden erhöhter Zeitressourcen vermieden. Diese Strategie kam auch an anderen Stellen zum Tragen, indem beispielhaft Online-Tabellen genutzt wurden, welche alle Schulleitungsmitglieder bearbeiten und einsehen können, um Distributions- und Kommunikationsprozesse zu ersetzen. Ebenso richtete sich der ›Digital Junkie‹ bei der Bearbeitung von E-Mails Shortcuts für Grußformeln ein, welche das Verfassen von E-Mails erleichtern und beschleunigen sollten. Auffallend war hierbei, dass der Shadowee für die Erstellung der Shortcuts mehr als zehn Minuten aufwendete, diese allerdings in den folgenden Tagen des Shadowings nicht mehr beobachtbar verwendete. Solche Ersatzhandlungen – wie das Einrichten von Shortcuts und das Anlegen und Pflegen von Online-Tabellen – können somit auch zu Mehraufwand führen oder ungeplante Zeitressourcen beanspruchen, welche es gegen die erzielte Zeitersparnis aufzuwiegen gilt. Weiterhin bedürfen alternative Handlungen, wie das Einrichten von Shortcuts, erst einer Überführung in das routinierte Handeln von Schulleitenden, um die erwünschte Zeitersparnis zu erreichen und damit

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eine positive Veränderung hervorzurufen. Gelingt eine solche Veränderung, so verkürzt sie, der Logik dieser Beschleunigungsstrategie folgend, »die in solchen Prozessen gebundene Zeit und setzt teilweise erhebliche Zeitressourcen frei, sodass für eine gleichbleibende Menge an Handlungen und Erlebnissen mehr Zeit zur Verfügung steht – es wären also ein langsameres Handlungstempo, längere Pausen und eine geringere Überlagerung von Handlungen zu erwarten« (Rosa, 2016, S. 213; Herv. i. O.). Allerdings, so zeigen die erhobenen Daten eindrücklich, setzen diese im Schulleitendenhandeln nicht ein. So werden gewonnene Zeitressourcen meist dafür aufgewendet, neue und noch mehr Aufgaben und Handlungen zu vollziehen. Geknüpft ist dieses Mehr an Handeln dabei häufig an das Einhalten von Deadlines und Narrative des »Feuerlöschens«, welche während des Shadowings in verschiedenen Situationen erfasst wurden, im Zuge dessen Schulleitende, äquivalent zu Rosas Ausführungen, »nicht mehr dazu [kommen], langfristige Zielvorgaben zu entwickeln, geschweige denn, ihnen zu folgen« (Rosa, 2016, S. 222). Schulleitende handeln in diesem Zusammenhang folglich reagierend, statt proagierend. Dringende Aufgaben werden dabei auf Kosten anderer Aufgaben prioritär bearbeitet und bündeln (Zeit-)Ressourcen, wodurch für andere, langwierigere Aufgaben, beispielsweise im Zuge von Entwicklungsprozessen, ebensolche wiederum fehlen. An die Theorie Rosas anschlussfähig ist ebenfalls der Befund, dass die begleiteten Schulleitenden sowie die Mitglieder der erweiterten Schulleitung häufig von Zeitknappheit resp. Zeitdruck (»Ich kenn das gar nicht, dass man einfach Zeit hat, anzurufen«, 02S5SL_8) berichten und das Fehlen zeitlicher Ressourcen bemängeln (»Das ist ein grundsätzliches Zeitdilemma« 02S2vSL_12). Die Zunahme der Handlungsmöglichkeiten und Ansprüche und Aufgaben wird hierbei zumeist als negative Veränderung des Berufsalltages charakterisiert. Als Konsequenz werden Zeitressourcen für arbeitsbezogene Tätigkeiten aufgewendet, welche in den privaten Bereich hineinragen. Es kommt folglich zu einer Extensivierung von Arbeit als Bewältigungsform (Dadaczynski et al., 2021; Dadaczynski & Paulus, 2016) solcher Ansprüche und Anforderungen. Schulleitendenhandeln erfährt damit eine Überschreitung aus dem Bereich der Arbeit in jenen der ›Frei‹-zeit von Schulleitenden. Transzendierendes Schulleitendenhandeln: Neben einer Verdichtung von Schulleitendenhandeln und dem Ersetzen von Handlungen durch zeitsparende Tätigkeiten wurden, in Verbindung mit diesen Beschleunigungstendenzen, auch unterschiedliche Extensivierungsstrategien und damit einhergehenden Tendenzen eines transzendierenden Schulleitendenhandelns sichtbar. So konnte vor allem die Kommunikation mit externen wie innerschulischen Akteur:innen als ein Moment identifiziert werden, welches über den Bereich der Arbeit in das Privatleben von Schulleitenden übergreift:

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Ein schöner Sonntag Als ich mein Auto gegen 07:10 Uhr auf dem Lehrpersonenparkplatz parke, entdecke ich das Auto des Shadowee und mache mich sofort auf den Weg in sein Büro. Dort angekommen begrüßt mich der Shadowee, während er gerade die Kaffeemaschine vorbereitet. Er hat seine Jacke noch an und die Bildschirme auf dem Schreibtisch sind ausgeschaltet, woraus ich – zusammen mit dem Zubereiten seines Espressos – schließe, dass er wohl auch gerade erst angekommen ist und seiner Morgenroutine nachgeht. Während ich meine Sachen ablege, bereitet er uns zwei Espressi zu (mittlerweile fragt er nicht mehr, ob ich auch einen möchte; der zweite Espresso scheint in die Morgenroutine übergegangen zu sein), stellt sich an das offene Fenster und beginnt, mir von seinem Wochenende zu berichten. Sonntagmorgen hätte er gemütlich am Tisch gesessen, als eine Nachricht in der Whatsappgruppe der erweiterten Schulleitung ›reinkam‹. Dabei habe er die Information erhalten, dass der Vater eines Schülers der Schule verstorben sei und welche Handlungen nun von der formellen Schulleitenden erfolgen werden. »Da machst du dir einen schönen Sonntagmorgen und dann sowas«, sagt er und schaut aus dem Fenster hinaus. Er wirkt erschöpft, denke ich, dabei ist es erst Montag, 07:15 Uhr. (02S2vSL_11) Anhand dieses exemplarischen Sonntagmorgens lässt sich erkennen, was in verschiedenen Situationen im Datenmaterial sichtbar geworden ist: der Übergriff von Arbeit in das Privatleben durch Messaging-Dienste. So berichteten die Schulleitenden entweder im Gespräch mit anderen schulischen Akteur:innen oder mit der Forschenden im Zuge von Feldkonversationen von Nachrichten mit unterschiedlichen Anliegen, beispielsweise zur Stundenplanung, welche sie an Abenden, Nächten und/oder Wochenenden erreicht haben. Ebenfalls ergaben sich auf Grundlage ebensolcher Nachrichten auch Gespräche unter den schulischen Akteur:innen, in denen beispielsweise erfragt wurde, ob »die Nachricht, die ich dir am Samstag geschickt habe« (02S5SL_7) gelesen wurde. Weiterhin wurde die Kommunikation über Messaging-Dienste auch als »gerne« genutzte Strategie benannt, um mit Personen zu kommunizieren, die über Diensttelefone schwer zu erreichen seien (02S5SL_9). So ergeben sich durch die Nutzung von Messaging-Dienste neue Möglichkeiten der inner- wie außerschulischen Kommunikation, die Schulleitende beispielsweise im Rahmen der Personalführung des Schulmanagements nutzen können. Gleichzeitig erweckt dies aber auch den Anspruch einer ständigen Erreichbarkeit (siehe hierzu auch Welling et al., 2015, S. 315), die über die Anforderungen einer kommunikativen Verfügbarkeit von Schule hinausreichen. Denn werden schulische Angelegenheiten nun über Messaging-Dienste gleichwertig verhandelt, wie dies zuvor über Diensttelefone oder in reziproker körperlicher Anwesenheit geschehen ist, und E-Mails sowie Applikationen zur Schulverwaltung auf dem Smartphone abgerufen, tragen Schulleitende ihre Arbeit metaphorisch gesprochen stets in ihrer Hosentasche mit sich. Durch die Nutzung des Smartphones sowohl im Arbeits- als auch Freizeitkontext verschwimmen damit beide Bereiche, indem sie in den jeweiligen anderen hineinragen.

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Aber auch jenseits von Messengernachrichten, welche an Wochenenden und Feierabenden versendet werden, berichteten die Schulleitenden von weiteren Arbeitshandlungen, welche an Abenden und Wochenenden verrichtet wurden. Ein Beispiel hierfür bietet der folgende Auszug aus dem Beobachtungsprotokoll des zehnten Tages der Begleitung des ›Digital Junkies‹. Hierbei handelt es sich um einen Kurzbericht des Shadowees gleich zu Beginn des Tages, nachdem dieser sein Büro betrat und die Sekretär:innen begrüßte. »So ab 21, 22 Uhr« Er setzt sich an seinen Schreibtisch und wendet sich mir zu. Er habe gestern Abend »so ab 21, 22 Uhr« noch etwas gearbeitet, berichtet er. Zunächst habe er eine Liste fertiggestellt und diese weggeschickt, bevor er das »große Pamphlet der Ministerin« gelesen, wichtige Stellen markiert und anschließend an die Lehrpersonen versendet habe. Ich erinnere mich an ein Schreiben der Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz, welches er gestern via E-Mail erhielt und vergewissere mich, ob er dieses meint, was er bestätigt. Anschließend habe er einen Anruf eines Mitglieds der erweiterten Schulleitung einer anderen Schule des Ortes bekommen, den er zunächst nicht erwidert habe. »Später« habe er aber dann doch noch zurückgerufen und sie bezüglich ihres »Hilfeschreis« beraten. Abschließend habe er noch ein Schreiben des Präsidenten der Schulaufsicht mit Bitte um weitere Distribution an verschiedene Akteur:innen versendet. (02S5SL_10) Wie sich anhand dieses Kurzberichts des Shadowee zum Vorabend zeigt, werden nach Feierabend noch verschiedene Tätigkeiten durchgeführt, welche von Verwaltungstätigkeiten über kooperative Prozesse, bis hin zu Aufgaben des Personalmanagements reichen. Schulleitendenhandeln endet folglich nicht beim Verlassen der Schule, sondern wird durch mangelnde Zeitressourcen während der regulären Arbeitszeit noch weit in den Feierabend hineingetragen resp. »später« erneut aufgenommen. Weiterhin verweist der hier berichtete Telefonkontakt mit einer anderen Schulleitenden darauf, dass es sich dabei nicht um eine individuelle Arbeitsweise des Shadowees handelt, sondern auch andere Schulleitende an Abenden erneut ihre Arbeit aufzunehmen und hier auch selbstverständlich miteinander in Austausch zu treten scheinen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen als Beschleuniger verschiedene Beschleunigungstendenzen in Anschluss an den »Akzelerationszirkel« (Rosa, 2016, S. 55) nach Hartmut Rosa aufweisen. Das Digitale schafft in diesem Kontext Ermöglichungsbedingungen für die Vielfalt von Beschleunigungsprozessen, die in Hinsicht auf das beobachtete Schulleitendenhandeln ambivalent zu betrachten sind. Einerseits werden Arbeitsprozesse durch technische Innovationen vereinfacht und Handlungen verkürzt und verdichtet, was aus Perspektive einer Governance von Schule zu einer (oft von extern gewünschten) Effizienzsteigerung an Schule führen kann (siehe

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hierzu z.B. van Ackeren et al., 2016). Beschleunigungstendenzen, wie sie ausgeführt wurden, müssen demnach als zielgerichtete Prozesse nicht per se als eine negative Veränderung des Berufsalltags von Schulleitenden beurteilt werden (Rosa, 2016). Gegenteilig sind diese hilfreich für die Bewältigung verschiedener Aufgaben und schaffen Entlastung, indem beispielsweise Kommunikationsprozesse verkürzt werden und Absprachen schneller getätigt werden. Andererseits evozieren solche Beschleunigungstendenzen jedoch als Folgewirkungen auch das subjektive Empfinden einer Zeitnot und das »Gefühl, keine Zeit zu »haben« (Rosa, 2016, S. 214). Das Empfinden verknappter Zeitressourcen ist dabei ein vielfach von Schulleitenden artikuliertes Empfinden, welches auch kürzlich nochmals im Rahmen verschiedener Studien präsent wurde (siehe hierzu bspw. Cramer et al., 2021; Fichtner et al., 2022). Auch das Datenmaterial der vorliegenden Studie weist hierauf hin: So betonten die befragten Schulleitenden bereits im Rahmen der ersten Teilstudie vermehrt, dass sie für Handlungen und Aufgaben »keine Zeit haben«, was über die vorab dargebotenen Beschleunigungstendenzen bestärkt wird. In Kombination mit Formen digitaler Kommunikation findet schulleiterisches Handeln nun nicht mehr nur in der Arbeits- sondern nun auch in der Frei- resp. Privatzeit von Schulleitenden statt, was zu ausbleibenden Ruhephasen und vermehrtem Stressempfinden führen kann, welche potenziell gesundheitliche Risiken bergen (Dadaczynski et al., 2021). Weiterhin weisen die Daten daraufhin, dass das Digitale nicht nur Beschleunigungsprozesse im Schulleitendenhandeln ermöglicht und dieses dadurch auch zwischen Ort, Zeit und Lebensbereichen transzendiert, sondern sich Übergriffe auch in anderen Facetten von Schulleitendenhandeln zeigen, wie das folgende Konzept, Schulleitendenhandeln unter panoptischen Bedingungen, verdeutlicht.

8.2.3 Schulleitendenhandeln unter panoptischen Bedingungen Die dritte Facette schulleiterischen Handelns unter den Bedingungen des Digitalen steht in enger Verbindung mit (datenbasierten) Kontrollmechanismen, welche während des Shadowings im Rahmen der Analysen ersichtlich wurden. Die Bedingungen, unter welchen Schulleitenden hierbei agieren, können in Bezug zu Jeremy Benthams (1995) Panopticon12 gesetzt werden, welches mehrere Perspektiven 12

Bei dem Panopticon handelt es sich um ein von Jeremy Bentahm entworfenes ›perfektes Gefängnis‹, dessen Architektur es vorsieht, dass einzelne Zellen strahlen- resp. kreisförmig um einen im Zentrum positionierten Wachturm angeordnet sind, wodurch diese einer permanenten Kontrolle unterworfen werden (Bentham, 1995). Dies gelingt unter anderem durch den Einsatz großflächiger, verblendeter Fenster, die die einzelnen Zellen und deren dünne Trennwände von außen derart mit Licht durchfluten, dass sie buchstäblich transparent und deren Insass:innen damit permanent kontrolliert werden können. Dieser Gefängnisentwurf wurde auch von Foucault (1976) in seinem Werk »Überwachen und Strafen« als Idealform einer Disziplinierungsanlage aufgegriffen. Da das vorliegende Konzept zuvorderst auf das von

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auf Schulleitendenhandeln ermöglicht. Schulleitendenhandeln unter panoptischen Bedingungen gestaltet sich hierbei ambivalent, da Schulleitende selbst zwischen den Rollen der Wachenden und der Inhaftierten oszillieren, indem sie einerseits selbst als Wachende innerhalb ihrer Einzelschule fungieren, andererseits durch Akteur:innen äußerer Schulangelegenheiten kontrolliert werden. Dieses Kontinuum zwischen wachend und bewacht sein lässt sich anhand verschiedener Beispiele aus der Empirie verdeutlichen. Zu diesem Zweck werden nachfolgend, gleich der bisherigen Ausführung, verschiedene Beispielsituationen resp. Anekdoten angeführt, welche das jeweilige Handeln beleuchten und verdeutlichen. Die erste dargebotene Situation entstammt Tag sechs der Begleitung des ›Digital Junkies‹ und schloss unmittelbar an einen Jour Fixe des Shadowees mit einem Mitglied der erweiterten Schulleitung an: Der Herr der Daten Als das Mitglied der erweiterten Schulleitung das Büro des Shadowee verlässt, stellt sich eine der Sekretär:innen in die Tür und berichtet, dass die leitende Amtsärztin soeben angerufen habe und sich der Verdachtsfall des Vormittags auf eine Covid-Infektion einer:eines Schüler:in nun bestätigt habe. Es müsse jedoch aufgrund der Virusvariante ausschließlich die »2m-Regel« eingehalten werden, nicht aber eine Gruppenquarantäne erfolgen. Der Shadowee wirkt zunächst ruhig, reagiert dennoch verwundert über die Information bezüglich der Quarantäneregeln. Mit einem Tonfall, den ich zwischen Verwunderung und Verärgerung verorte, sagt er mehr zu sich selbst, als zu den Anwesenden, dass sie es dann eben doch so machen, nachdem er doch heute Morgen bereits alle Listen samt K1-Kontakten und Lerngruppen gerichtet habe. Daraufhin öffnet er WebUntis und sucht den dort hinterlegten Stundenplan der betroffenen Klasse im Infektionszeitraum heraus. Nach einem kurzen Blick greift der Shadowee zu seinem Telefon und wählt eine Nummer, welche, die Ansprache deutend, zu einer Lehrperson gehört. Er informiert die Lehrperson über das Geschehen und erfragt den genauen Sitzplan, um entsprechende Kontakte ermitteln zu können. Die Lehrperson entgegnet ihm, dass sie:er die Klasse zum betroffenen Zeitpunkt nicht unterrichtet habe, wodurch beiden auffällt, dass die Stundenpläne der Lehrpersonen und Klassen in WebUntis nicht übereinzustimmen scheinen. Dies überprüft der Shadowee anschließend noch anhand der Stundenpläne anderer Lehrpersonen und Einträgen im digitalen Klassenbuch. Daraufhin bedankt er sich bei der Lehrperson und kündigt an, die anderen Lehrpersonen aufzusuchen. Der Shadowee beendet das Telefonat und verlässt sein Büro mit der Aussage, dass er dann doch »tingeln« müsse und läuft in Richtung Lehrpersonenzimmer. Dort angekommen, sucht er verschiedene Lehrpersonen, trifft diese jedoch nicht an und verlässt das Lehrpersonenzimmer direkt wieder. Auf dem Weg zurück in sein Büro, wendet er seinen Blick mir zu, schmunzelt und sagt: »Ich bin ja der Herr der Daten, ich finde sie auch so«. (02S5SL_6) Bentham entworfene Gefängnis rekurriert und eine Skizzierung der Arbeiten Foucaults den Rahmen der Arbeit sprengen würden, wird von einer solchen abgesehen; stattdessen an gegebener Stelle auf diese verwiesen.

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Wie dieser Ausschnitt eines Beobachtungsprotokoll zeigt, verfügen Schulleitende über Zugriff auf verschiedene Daten von Schüler:innen, Lehrpersonen und weiteren schulischen Akteur:innen. Die Dichte der (digital) vorhandenen Daten ermöglicht es, dem obigen Beispiel folgend, (idealerweise) jederzeit nachvollziehen zu können, wo sich beispielsweise Lehrpersonen aufhalten, welche Inhalte sie tagesaktuell im Unterricht behandeln und ob sie Berichtslegungspflichten (z.B. dem täglichen Eintrag in das digitale Klassenbuch) nachgekommen sind. Ähnlich der Architektur eines Panopticons, wie es Bentham (1995) entwarf, fungiert hierbei der Server gewissermaßen als Wachturm, der es jenen Personen, die Zugang zu ihm haben, folglich den Schulleitenden in der Position der Wachenden, ermöglicht, mit geringem Aufwand alle Daten (in) der Schule einzusehen. Digitale Endgeräte und Applikationen wie das digitale Klassenbuch formieren dabei förmlich persönliche Zellen für einzelne Akteur:innen, die durch die Nutzung von Hard- und Software implizit und explizit Daten erzeugen (zu ›digital traces‹ siehe bspw. Breiter & Hepp, 2018; Hepp et al., 2018) und in das System einspeisen. Mit steigender Masse an generierten Daten werden diese Zellen bildhaft lichtdurchflutet und somit transparenter, womit das Handeln von Lehrpersonen und Schüler:innen zu einem gewissen Maße jederzeit einsehbar resp. kontrollierbar wird. Ähnlich der Bauweise des Panopticons, bei dem sich die Trennwände über die Gitterstäbe der Zellen hinaus erstrecken und Fenster verblendet sind, verhindern auch die Figurationen von Software Einblicke. Lehrpersonen hatten beispielsweise zum Zeitpunkt der Begleitung im Rahmen des digitalen Klassenbuchs keinen Einblick in die eingetragenen Daten anderer Lehrpersonen, beispielsweise zu Unterrichtsstoff und Leistungsüberprüfungen, und sind auch nicht in der Lage, genau nachzuvollziehen, wer ihre Daten einsieht. So war auch der Zugriff auf den Server durch Schulleitende im Rahmen beider Shadowings weitestgehend intransparent: Zwar wussten die Lehrpersonen, dass ihre Stundenpläne, Einträge und zuweilen auch Kommunikationen auf der jeweiligen Schulcoud bzw. dem Learningmanagementsystem von den Schulleitenden nachvollzogen und eingesehen werden konnten, transparente Kommunikation ob bzw. wann dies geschieht, konnte aber nicht beobachtet werden. So erhielt beispielsweise der ›Manager by walking around‹ während der Begleitung im Rahmen automatischer Mitteilungen des Schulservers sämtliche Nachrichten, welche von einer Lehrperson an Schüler:innen einer Lerngruppe versandt wurden und wäre in der Lage gewesen, diese entsprechend mitzulesen. Dies beträfe im Konkreten die (Messenger-)Kommunikation von Lehrpersonen und Schüler:innen und Details zur Ausgestaltung des Online-Unterrichtes, welche ihm durch das Learningmanagementsystem zugespielt werden. Lesen würde er diese nach eigener Aussage jedoch meist gar nicht, da er diese Benachrichtungen nicht erhalten möchte und er vieles »gar net wissen will«. Dennoch zeigt sich hieran, dass entsprechende Handlungsmöglichkeiten durch das Digitale, in diesem spezifischen Fall durch Software, geschaffen werden, die überwachendes Handeln ermöglichen. Bedienen sich Schulleitende

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solcher Affordanzen (Zillien, 2019) und damit verbundener Kontrolle und Intransparenzen, schaffen sie durch ihr Handeln gewissermaßen eine Disziplinierung von Lehrpersonen. Denn solche Intransparenzen suggerieren einen Zustand durchgängiger Überwachung, welcher eine asymmetrische Sozialbeziehung schafft, selbst wenn Schulleitende nicht aktiv handeln. In dieser Asymmetrie entindividualisiert und entmaterialisiert sich Macht, da durch permanente Unwissenheit, ob eine Beobachtung stattfindet oder nicht, Selbstdisziplinierungsprozesse evoziert werden (siehe hierzu Foucault, 1976). Nutzen Schulleitende als »Wachende« folglich digitale Daten, um kontrollierend zu handeln, werden Lehrpersonen und Schüler:innen dergestalt einer permanenten Kontrolle unterworfen, die neue Formen von Subjektivität erzeugen. Weiterhin bieten digitale Daten sowie (neue) Formen graphischer Aufbereitung und Auswertung dieser Daten durch Software weitere Affordanzen hinsichtlich der Nutzung durch Schulleitende, wie die folgende Anekdote veranschaulicht. Diese Anekdote wurde ebenfalls an Tag sechs der Begleitung des ›Digital Junkies‹ erhoben, als dieser am Montagmorgen nach dem gemeinsamen Betreten des Büros der Forschenden von seinem Wochenende berichtet: »Man ist da hin- und hergerissen« Als ich zu Beginn der zweiten Shadowingwoche das Schulhaus gegen 07:20 Uhr durch den Eingang am Lehrpersonenparkplatz betrete, herrscht bereits reges Treiben auf dem Gang. Ich sehe mehrere Lehrpersonen zwischen dem Lehrpersonenzimmer, dem Besprechungsraum, in welchem die Corona-Selbsttest aufbewahrt werden, und dem Sekretariat eilig herumlaufen. Die Tür zum Büro des Shadowees ist verschlossen, also klopfe ich, erhalte jedoch keine Antwort. Ich schließe daraus, dass er noch nicht angekommen ist, bleibe im Gang stehen und beobachte das Treiben. Manche der vorbeigehenden Lehrpersonen lächeln mich an, begrüßt oder angesprochen werde ich aber nicht. Als der Shadowee gegen 07:35 Uhr den Gang betritt, läuft er ohne Umwege auf sein Büro zu, begrüßt mich und schließt die Tür auf, woraufhin wir beide das Büro betreten. Der Shadowee legt seine Jacke ab, begrüßt die Sekretär:innen und setzt sich anschließend auf seinen Bürostuhl. Ich setze mich, wie in der vergangenen Woche, auf einen Stuhl dahinter. Er wendet sich mir zu, um mir von seinem Wochenende zu berichten. Dort sei ihm an einem Abend die Decke auf den Kopf gefallen, sodass er etwas am Im- und Export von Schüler:innendaten in edoo.sys herumprobiert habe und darauf gestoßen sei, dass edoo.sys verschiedene Masken generieren könne, die die Daten von Schüler:innen so aufbereiten, dass sie mit nur wenig Aufwand in andere Systeme überführt werden können. Dabei habe er »hoch spannende Erkenntnisse« gewonnen. Er berichtet, dass er die Daten der Schüler:innen hinsichtlich ihres Wohnortes anonymisiert in Google eingegeben habe und anschließend nicht nur den genauen Wohnort, sondern sogar einzelne Wohngebäude sehen konnte. Bei den ganzen Möglichkeiten, die diese Datenmasken bieten, sei »man schon hin- und hergerissen zwischen Datenschutzaspekten und Erkenntnisgewinn«. (02S5SL_6)

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Was anhand dieses Berichts des Schulleitenden zu seinen Wochenendtätigkeiten ersichtlich wird, ist, dass digitale Tools und Software durch die Aufbereitung von Daten neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen und Schulleitende auch dazu anregen können, neues Datenhandeln ›auszuprobieren‹. Denn »[n]eue Sichtbarkeitsregime«, so schreiben Jornitz und Macgilchrist (2021), »ermöglichen eine Multiplizität von Sichtweisen auf Daten von Schülerinnen und Schülern, die sowohl hilfreich für verbesserte Unterrichtsplanung und gesteigertes Lernen als auch konstitutiv für Subjektivierungsweisen der Kontrollgesellschaft sind« (S. 101). Deutlich wird jedoch auch anhand der Äußerung des Shadowee, dass sich Schulleitendenhandeln dabei an der Grenze zur Übergriffigkeit bewegen kann und Fragen des Datenschutzes und Ethik virulent werden, die entgegen der hier berichteten Neugierde bezüglich der Wohnsituation von Schüler:innen stehen. So ließe sich anhand dieses Beispiels durchaus kritisch hinterfragen, inwiefern Schüler:innendaten, wenn auch anonymisiert, in andere Systeme und Server eingespeist werden dürfen und aus welchen Gründen dies geschieht. Allerdings eröffnen die geschilderten panoptischen Bedingungen auch eine weitere Perspektive auf Schulleitendenhandeln, nämlich auf das von Schulleitenden selbst als Insass:innen des Panopticons. Für ein mögliches Nachvollziehen dieser zweiten Perspektive, sollen die folgenden drei Beispiele herangeführt werden, die inhaltlich auf die durch Schulträger und Ministerien eingeforderte Berichtlegung durch Schulleitende verweisen. Dabei handelt es sich bei den ersten beiden Beispielen um Auszüge zweier Beobachtungsprotokolle, während das dritte Beispiel die Entfaltung einer Episode darstellt, im Zuge derer die formelle Schulleitende der Forschenden ihre tägliche ›Portalpflege‹ demonstrierte. Die ›gefundenen‹ Daten […] Anschließend öffnet er eine E-Mail der elektronischen Post (EPOS), welche eine Ankündigung zur Erweiterung der Berichtlegung ankündigt. Es soll zukünftig eine (Covid-19-)Teststatistik nach Klassen und Kursen via eines Portals der Schulaufsicht erhoben werden. »Dass Details abgefragt werden, nervt mich tierisch«, merkt er an, ohne seinen Blick vom Desktop abzuwenden. Aber Papier sei geduldig. »Wir finden Zahlen, sie bekommen Zahlen«, sagt er mit gedämpfter Stimme und nimmt sein Smartphone in die Hand. (02S5SL_2) Nachdem der Shadowee sein Büro durch die an den Gang angrenzende Tür betreten hat, setzt er sich an seinen Schreibtisch und öffnet seine E-Mails. Nach einem kurzen Blick über die eingegangenen E-Mails öffnet er eine Mitteilung der elektronischen Post (EPOS), die sich im Postfach bei den neu eingegangen E-Mails befindet. »Jetzt werde ich wieder totgenervt, weil ich nichts in die Portale eingetragen habe«, sagt er und öffnet parallel das Portal zur Eintragung der Anzahl von Schüler:innen, welche eine Notbetreuung wahrnehmen. (02S5SL_14)

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»Ein Zugang, der für mich wie mein Bankkonto ist« Die formelle Schulleitende öffnet ein E-Mail-Programm und deutet mit der Maus auf einen Reiter auf der linken Seite der Ansicht. Das sei ihre Ordnerstruktur für die verschiedenen E-Mails, die sie bekomme. So könne sie den Überblick behalten bei all den unterschiedlichen Inhalten und Akteur:innen, gleichzeitig sei dies enorm wichtig, damit man Kommunikationsverläufe und Informationsgänge auch rückwirkend nachvollziehen könne. Daraufhin öffnet die formelle Schulleitende einen Browser und ruft ein Portal der Schulaufsicht sowie Authega auf. Beides seien Portale, die sie für verschiedene Aufgaben, wie die Berichtlegung von Coronafallzahlen und das Abwickeln von Reisekosten, bedienen müsse. Durch die verschiedenen Portale ergebe sich, obwohl sie medienaffin sei, ein Mehraufwand für sie, weil sie die Portale selbst umständlich einrichten musste. Dabei seien diese Portale persönlich auf sie zugeschnitten. Sie öffnet die einzelnen Portale und deutet mit der Maus auf Angaben zu ihrem Login. Dort erkenne ich, bevor sie die Ansicht schnell wieder wegklickt, ihren vollständigen Namen und eine Adresse, die ich adhoc nicht zuordnen kann. »Das ist ein Zugang, der für mich wie mein Bankkonto ist«, kommentiert sie diese kurze Demonstration. (02S2vSL_2) Schulleitende als Insass:innen des hier skizzierten datengetriebenen Panopticons erscheinen auf mehreren Ebenen belastet: So wurde anhand des Datenmaterials ein erhöhter Handlungsdruck hinsichtlich der eingeforderten Berichtlegung deutlich, welcher durch die Verknüpfung der jeweiligen Eingabeportale mit den persönlichen Daten der Schulleitenden an Brisanz gewinnt. Eingabeportale werden durch die Hinterlegungen persönlicher Datensätze gewissermaßen zu persönlichen Zellen von Schulleitenden, innerhalb derer Handlungen beobachtet, kontrolliert, eingefordert und personenscharf verortet und ausgewertet werden können. Auch wird die Generierung und Weitergabe digitaler Daten durch die Personalisierung der Portale buchstäblich zur persönlichen Aufgabe der Schulleitenden, welche nur unter Preisgabe persönlicher Informationen delegiert werden kann. Schulleitendenhandeln wird damit einerseits an einzelne Personen gebunden, womit geteiltes Schulleitendenhandeln verhindert bzw. erschwert wird, andererseits von extern gesteuert, da vorgegebene Fristen Handlungsdruck erzeugen. Unklar verbleibt jedoch auch hier, gleich den vorangegangenen Ausführungen, was mit den generierten Daten geschieht und wer diese sowie die Daten der Schulleitenden selbst einsieht resp. sehen kann. Gleich der zuvor geschilderten Situation von Lehrpersonen unterliegen folglich auch Schulleitende einer stetigen Ungewissheit und fehlenden Kommunikation mit den kontrollierenden Entitäten. Schulleitende werden damit in ihrem von extern geforderten (Daten-)Handeln »gesehen, ohne selber zu sehen; […] Objekt einer Information, niemals Subjekt in einer Kommunikation« (Foucault, 1976, S. 257). So lässt sich auch hier eine Asymmetrie zwischen Akteur:innen externer Schulverwaltung und -entwicklung und sowie Schulleitenden nachzeichnen, derart dass nun Schulleitende über eine permanente Unwissenheit verfügen, ob

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und wann ihr Handeln beobachtet wird und zu selbstdisziplinierenden Handeln (»muss das am Vormittag machen«) neigen. Auffallend ist hierbei, dass sich in beobachteten Situationen, in denen Schulleitende die zu Kontrollierenden waren, keine Widerstandshandlungen von ihnen gegen eine solche Form omnipräsenter jedoch unsichtbarer Macht beobachten ließen. Zwar wurden Daten »gefunden« und damit nur bedingt in der geforderten Gewissenhaftigkeit angegeben, dennoch wurden immer Daten eingegeben. So wurden Daten extra ›gefunden‹, nur um einer möglichen Kontrolle Bestand zu haben und keine Konsequenzen zu fürchten. Dabei wären Widerstandshandlungen durchaus denkbar, wie Beispiele aus dem innerschulischen Kontext aufzeigen. So zeigt sich auch am obigen Beispiel des ›Managers by walking around‹ zum Umgang mit automatischen Benachrichtigungen und damit ungewollt erhaltener Informationen, dass der Schulleitende aus pädagogischen sowie ethischen Gründen bewusst Informationen abwehrt und hiermit gleichwohl mögliche Kontrollmechanismen unterbindet. Entfallen solche Widerstandshandlungen und wird stattdessen eine Kontrolle des eigenen Handelns vollzogen, wie es die obigen Beispiele gezeigt haben, wird die hier herrschende Macht internalisiert, statt sie herauszufordern oder in Frage zu stellen und das System damit gestützt (Foucault, 1976, S. 256ff.). Zusammenfassend gestaltet sich Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen als Panopticon ambivalent. So können, positiv gewendet, Schulleitende digitale Daten nutzen, um im Rahmen ihrer Managementaufgaben innerschulische Prozesse zu monitoren, Selbstdisziplinierung zu evozieren und Entwicklungen zu erfassen und zu evaluieren. Allerdings, so ließ sich anhand des Datenmaterials zeigen, können Schulleitende digitale Daten auch zur Kontrolle schulischer Akteur:innen heranziehen. Unterstützt resp. gefördert werden kann ein solch kontrollierendes Datenhandeln auch durch eine Berichtlegung durch Schulleitende selbst, wie sie die Beispiele schildern: Schulleitende müssen zunehmend und regelmäßig digitale Daten via personalisierter Portale übermitteln, ohne immer zu wissen, zu welchem Zweck und wer diese einsieht und ob sie überhaupt verarbeitet werden. Schulleitende erfahren hierbei selbst den Eindruck einer stetigen, externen Kontrolle, welche ein erhöhtes Belastungsempfinden und Handlungsdruck auslösen und dabei die Gefahr bergen, dass Schulleitende ebensolche Kontrollmechanismen reproduzieren und in die Rolle der Wachenden verfallen, die sich auf weitere an Schule beteiligten Akteur:innen wie Eltern, Lehrpersonen und auch Schüler:innen auswirken. Schulleitendenhandeln gestaltet sich im Rahmen der hier ausgeführten Facette folglich an Kontrollmechanismen geknüpft, welche eine innerschulische Abwärtsspirale von ad absurdum geführter Kontrolle auslösen. Inwiefern Widerstandshandlungen auch im Kontext externer Schulsteuerung möglich sind, ob und warum diese nicht in Betracht gezogen wurden, konnte im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht erfasst werden.

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8.2.4 Schulleitendenhandeln unter »überwalteten« Bedingungen Die letzte Phänomenfacette, unter welcher Schulleitendenhandeln als Ergebnis der Analysen vorgestellt werden soll, ist jene unter über-walteten Bedingungen. Charakteristisch für diese Facette gestaltet sich vor allem der Umstand, dass Schulleitendenhandeln hierbei Bedingungen unterliegt derart, dass immer wieder (neue,) unterschiedliche Rollen und damit zusammenhängende Aufgaben evoziert werden. Diese überschreiten dabei den Tätigkeits- und Qualifizierungsbereich von Schulleitenden und werden von diesen auch als Aufgaben außerhalb ihres Zuständigkeitsund Kompetenzbereiches artikuliert. Zur Explikation dieser Facetten sollen drei exemplarische Beispiele angeführt werden, welche die Unterschiedlichkeit sowie Vielschichtigkeit, gleichermaßen aber auch die Interdependenzen solcher Aufgaben und Rollen verdeutlichen. Zum einen wird Schulleitendenhandeln im Zuge der Einführung von Schulverwaltungssoftware anhand zweier Beispiele verdeutlicht. Zum anderen werden zwei Beispielsituationen entfaltet, die das Handeln der Schulleitenden im Kontext herausfordernder Situationen mit Schüler:innen fokussieren, die ein Handeln von Schulleitenden bedurften. Eine Hochzeitseinladung Es ist Tag 13 der Begleitung als ich das Schulhaus betrete und wie in den vergangenen beiden Wochen auf das Büro des Shadowee zulaufe. Im Gang höre ich bereits seine Stimme und das vertraute Lachen der Sekretär:innen. Als ich das Sekretariat betrete, begrüßen wir uns gegenseitig. Der Shadowee steht, seine Bürotür aufhaltend, im Sekretariat und unterhält sich mit den beiden anwesenden Sekretär:innen. »Allmorgendlicher Smalltalk« denke ich, während sie sich über einen Zeitungsbericht unterhalten. Der Shadowee beendet das Gespräch, indem er lachend in sein Büro geht und seine Tasche und Jacke am Schreibtisch ablegt. Ich folge ihm; die Tür verbleibt, wie immer, offen. Er sagt, dass das Schulleitungsmitglied bestimmt schon warte, und wir schnell zur »Hochzeit« müssten, wobei es sich um jenen Termin handelt, welcher der Shadowee am gestrigen Arbeitsende bereits ankündigte. Er fragt mich, ob ich auch einen Espresso will, bereitet dabei schon zwei Tassen zu und legt währenddessen sein Notizbuch und einen Stift bereit. Gemeinsam mit unseren Espressi verlassen wir anschließend das Büro und gehen den rechten Gang folgend direkt in das Büro des Mitglieds der erweiterten Schulleitung, welches uns schon mit offener Tür am Schreibtisch sitzend erwartet. Nach einer kurzen Begrüßung setzen sich beide nebeneinander an den Schreibtisch, ich sitze schräg dahinter an einen Beratungstisch. »Dann wollen wir die beiden mal verheiraten«, beginnt das Mitglied der erweiterten Schulleitung eine Einführung zum aktuellen Prozessstand, den er anschließend auch für mich erläutert. Folglich ginge es um eine »Verheiratung« der Schulverwaltungssoftware ›edoo.sys‹ und der Stundenplansoftware ›untis‹, welche ›synchronisiert‹ werden sollen. Beide wollen dies heute erproben, um mögliche Probleme und Fehler frühzeitig zu erkennen. Vor dem Mitglied der erweiterten Schulleitung liegt ein Ausdruck mit einem

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Zeitplan für die »Hochzeit«, in welchem auch Zuständigkeiten und noch ausstehende Prozessschritte vermerkt sind. Das Mitglied der erweiterten Schulleitung erläutert – eher für mich, als für den Shadowee, so mein Eindruck – welche Probleme es bislang mit den einzelnen Softwares gab. So konnte beispielsweise der bilinguale Zug, welche Schüler:innen ab der Orientierungsstufe wählen können, genuin nicht durch die Software in den Stundentafeln abgebildet werden, was jedoch auch für das Personalmanagement sowie die Stunden- und Vertretungsplanung von hoher Relevanz sei. Er musste das Programm hierfür erst »austricksen« und »belügen«, damit die entsprechenden Stunden richtig auf der Stundentafel abgebildet wurden. Für edoo.sys ergab sich zum einen die Problematik, dass dieses zu Beginn keine AGs oder herkunftssprachlichen Unterricht vorsah und diese Optionen erst später hinzugefügt wurden, »nachdem wir uns was gebastelt haben«. Zum anderen könnten Abgänger:innen nicht ohne Weiteres aus edoo.sys gelöscht werden, weil diese samt all ihrer Daten ansonsten unweigerlich aus dem System gelöscht wären, wodurch Listen unübersichtlich würden. Weiterhin sei der Server der Kreisverwaltung problematisch, da dieser (wie die Programme selbst) ›langsam‹ sei und Updates fehlten. Die beiden wenden sich nun dem Export zu und gehen einzeln die dafür vorgesehenen Schritte durch. Nachdem sie alle Schritte vollzogen haben, bemerken sie, dass die bisherigen Zuteilungen von Farben, Räumen und Zeiten, Parallelkurszuordnungen und MSS-Wahlen nicht mehr vorhanden sind und sich auch die bisherigen Formatvorlagen geändert haben. Während das Mitglied der erweiterten Schulleitung daraufhin nochmals die Anleitung zum Export prüft, schnauft der Shadowee und merkt an, dass das »jetzt alles Fleißarbeit« sei, er aber alles selbst aufgleisen wolle, damit er es verstehen und anschließend damit arbeiten könne. Beide klicken sie sich gemeinsam, jedoch erfolglos, durch die Software, um die angesprochenen Probleme nachvollziehen zu können. Dabei greift das Mitglied der erweiterten Schulleitung häufig zu einem Heftordner, in welchem Anleitung zum In- und Export im Rahmen von edoo.sys resp. untis abgeheftet sind. Das Mitglied der erweiterten Schulleitung schlägt daraufhin vor, sich nochmals bei dem zuständigen Supportkontakt für die Zusammenlegung der Software zu erkundigen und anschließend Screenshots der aktuellen Einstellungen und herausgearbeiteten Probleme zu machen und einzeln abzuwägen, wo externe Hilfe benötigt würde, wo diese aber auch »nur reinpfuschen« würde. Daraufhin wendet er sich mir zu und ergänzt, dass dieser Schritt nämlich sehr heikel sei, weil alle Enden zusammenlaufen und nun niemand mehr alleine an seinen Dingen arbeiten würde. Der Shadowee stimmt dem vorgeschlagenen Vorgehen zu und sagt, dass er sich, obwohl er Besseres zu tun hätte, »dann in den Ferien tagelang einsperren und dumm rumklicken muss« und notfalls alle Einstellungen händisch anpasse. »Das ist schrecklich, aber alternativlos«. (02S2vSL_13) Anhand des Beispiels der hier geschilderten »schrecklichen, aber alternativlosen Hochzeit« zeichnen sich verschiedene geradezu paradoxe Aspekte für Schulleitendenhandeln relevant: Einerseits scheint die hier thematisierte und eigens für den schulischen Gebrauch entwickelte Software hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte nicht zur Realität der Schule und Bestandteilen des Schullebens, wie Arbeitsgemeinschaften und Fächerzügen, zu passen. Andererseits wird diese aber auch nicht

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durch Softwareentwickler:innen angepasst, sondern sie erfordern ein »Austricksen« durch Schulleitende, um Software für den Schulalltag praktikabel zu gestalten. Software, welche für den Einsatz in Schule gedacht ist, steckt gewissermaßen »in Kinderschuhen« und muss erst angepasst werden, bevor diese bestehende Prozesse und Hilfsmittel im Schulalltag ablösen und eine Verbesserung schaffen kann. Schulleitende werden damit durch ministerielle Vorgaben gedrängt, Software trotz möglicher Fehler und Unzulänglichkeiten in Schule zu implementieren und zu nutzen. Um mögliche Probleme im Schulalltag zu vermeiden, muss solche Software folglich vor der Implementation gewissermaßen erst für die Einzelschule ›tauglich‹ gemacht werden. Dies erfordert eine intensive Auseinandersetzung der Schulleitenden mit der Software; derart, dass nicht nur die Funktionsweisen einer Software nachvollzogen, sondern nun auch die dahinterliegenden Algorithmen durchdrungen werden müssen, damit diese angepasst werden können. Hierdurch ergeben sich nicht nur neue Aufgaben für Schulleitende, auch wird diesen durch das Beheben von Softwaremängeln durch Individuallösungen die Rolle von Softwareentwickler:innen zuteil. Dies geschieht jedoch, ohne dass diese zuvor hierfür qualifiziert wurden oder diese Rolle, wie im obigen Beispiel anhand des ›Managers by walking around‹ ersichtlich wird, aufgrund von Affinität oder Interesse annehmen. Die Annahme der Rolle erfolgt letztlich, weil das damit verbundene Handeln »alternativlos« ist, damit die Software im Schulalltag anstandslos eingesetzt werden kann. Vor dem Hintergrund, dass das Mitglied der erweiterten Schulleitung, welches im obigen Beispiel beteiligt war, vor dem Eintritt in den Schuldienst selbst Softwareentwickler war und demnach über ein (nicht selbstverständliches) Maß an Qualifikation im geforderten Kontext verfügt, die Probleme jedoch ebenfalls nicht in der Situation lösen konnte, weist auf die Komplexität solcher (neuer) Aufgaben und dem mit ihnen verbundenen Arbeitsaufwand hin. Neben dieser vertieften Auseinandersetzung mit Software konnten weitere Handlungen beobachtet und erfasst werden, welche die Erweiterung des Rollenund Handlungsspektrums von Schulleitenden bestärken. So berichtete der ›Digital Junkie‹ bereits im Rahmen der Voruntersuchung von der Erstellung von Bedienungsanleitungen und Erklärvideos zur Nutzung des digitalen Klassenbuchs, welche auch während des Shadowings erfasst werden konnten. Abbildung 10 zeigt einen Ausschnitt dieser Anleitung zur Installation und Einrichtung von WebUntis. Wie an diesem Artefakt ersichtlich wird, gilt es demnach für Schulleitende nicht nur, Software zu verstehen und nutzbar zu machen, sondern auch die Nutzung der Software durch Lehrpersonen sicherzustellen. Schulleitende werden hierbei neben Softwareentwickler:innen gleichsam zu Lehrpersonenfortbildner:innen. Inhalte und Prozesse, welche sich zuvor selbst angeeignet werden, werden anschließend didaktisch aufbereitet, Materialien werden, hier in Form von Anleitungen, erstellt, dabei verschiedene Kenntnisstände antizipiert, und (Lern-)Inhalte letztlich distribuiert. Lehrpersonen werden dabei gewissermaßen beiläufig durch

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die Schulleitenden fortgebildet. So stellen Schulleitende durch das Verfassen von Anleitungen auch die primären Ansprechpersonen für Lehrpersonen bei softwarebezogenen Unklarheiten und Problemen dar, wodurch sich wiederum neue Felder bei der Personalentwicklung und Beratung von Lehrpersonen eröffnen. Es gilt nun nicht mehr, Lehrpersonen hinsichtlich möglicher Fortbildungen zu beraten, Schulleitende selbst werden zu Fortbildner:innen. Weiterhin konnten während beider Shadowingphasen mehrere Episoden beobachtet werden, in denen die Schulleitenden Tätigkeiten von Polizist:innen resp. Jurist:innen vollzogen. Beispielhaft sei dafür eine Episode angeführt, welche im Anschluss an eine Besprechung der erweiterten Schulleitung des ›Managers by walking around‹ stattfand: Der Asservatenschrank Nach der Sitzung der erweiterten Schulleitung folge ich dem Shadowee zurück in sein Büro. Kaum dort angekommen, werde ich, alleine, von der formellen Schulleitenden in ihr Büro gerufen. Mich überkommt ein mulmiges Gefühl. Bislang durfte ich nur Weniges und dafür Gezieltes ihres Arbeitsalltages direkt verfolgen und auch in der Interaktion und Kommunikation mit mir wirkte die formelle Schulleitende bedacht und zurückhaltend. Auf dem Weg durch das belebte Sekretariat überlege ich, ob es möglicherweise in Zusammenhang mit der soeben stattgefundenen Sitzung der erweiterten Schulleitung steht, bei welcher ich auch anwesend war und eine hitzige Diskussion über die anstehende Abiturient:innenentlassung beobachtet habe. Ich klopfe nervös an die Bürotür und höre nur sehr leise ein gerufenes »Ja« und muss an den Gehörschutz denken, den die Schulleitende in ihrem Büro hat, da es außerhalb zu laut ist – und kann es in diesem Moment, wenn auch auf der anderen Seite der Tür stehend, nachfühlen. Ich betrete das Büro und werde gebeten, die Tür hinter mir zu schließen. Ohne einleitende Worte beginnt die Schulleitende eine ihrer Äußerungen bezüglich einer:eines Schüler:in während der Sitzung der erweiterten Schulleitung zu erläutern. Sie wolle, dass ich nachvollziehen könne, woher ihre »Härte« an der Stelle rührte und schildert mir aktuelle Schwierigkeiten, welche die:den adressierten Schüler:in betreffen. In diesem Kontext berichtet sie mir von noch drei bereits vergangenen »schwierigen Fällen«13 und steht währenddessen von ihrem Schreibtisch auf und geht in Richtung Aktenschrank, aus welchem sie einen breiten Aktenordner herauszieht. Für jeden Fall habe sie einen solchen Ordner, in welchem sie »alles« sammele, von Briefen über E-Mails, Gesprächsprotokollen und Screenshots diverser Whatsapp-Chatverläufe. Dabei sei es enorm wichtig, alles genau zu dokumentieren, um auch bei längeren Verfahren oder Eskalationen entsprechende Dokumente und Verläufe vorweisen zu können. Der Ordner

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Hierbei handelte es sich zuvorderst um Situationen, in welchen Herausforderungen mit resp. von Schüler:innen und/oder Lehrpersonen virulent waren. Aus ethischen Gründen wurde hierbei darauf verzichtet, detaillierte Notizen anzufertigen, die die Schüler:innen identifizieren oder andere beteiligte Personen persönlich tangieren könnten. Daher sollen auch die folgenden Ausführungen dieser Episoden weitestgehend abstrakt verbleiben.

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

habe extra eine uneindeutige und unauffällige Beschriftung, um nicht direkt von anderen erkannt zu werden. Von solchen Ordnern gäbe es viele. (02S2vSL_14) Eine ähnliche Situation konnte auch während des zweiten Shadowings beobachtet werden. Hierbei wurden Schüler:innenäußerungen in Whatsappgruppen thematisiert, welche einem Mitglied der erweiterten Schulleitung durch Schüler:innen in Form von Screenshots übermittelt wurden. Ähnlich der soeben beschriebenen Episode, wurden auch hier die Screenshots der Whatsappgruppen als »Beweismittel« verwahrt und das weitere Vorgehen durch den Shadowee und das Mitglied der erweiterten Schulleitung gemeinsam diskutiert und geplant. Auffallend gestaltete sich hierbei der Diskurs um den Umgang mit solchen Screenshots. Während die Schulleitende vorab diese gleichwertig zu Briefen und E-Mails verwahrte, wurde hierbei auch diskutiert, ob es bei »privaten Chats« überhaupt möglich sei, diese als Schulleitende für die Legitimation von Handlungen und Konsequenzen heranzuziehen. Was in beiden Beispielen deutlich wird, ist, dass Schulleitende mit schwierigen Situationen konfrontiert sind, die Schüler:innen oder auch Lehrpersonen betreffen, und ein juristisches Handeln und Geschick von Schulleitenden erfordern. So werden Beweise gesammelt, wo Unklarheiten bestehen, Gesetzestexte geprüft, Argumentationslinien vorbereitet und Kommunikationsschritte und -wege abgewogen, stets mit dem Ziel, Eskalationen abzuwenden. Wenngleich dies auch vor einer Digitalisierung (in) der Schule zum Handlungsfeld von Schulleitenden gezählt hat, so wurden diese Handlungen jedoch unter den Bedingungen des Digitalen transformiert. Was früher noch eine mündliche Äußerung auf dem Pausenhof oder in einem privaten Gespräch war, liegt nun als Schriftstück in Form von gesicherten Chatverläufen vor. So gilt es nicht nur einen rechtlich konformen Umgang mit neuen ›Beweisen‹ zu finden, auch werden Äußerungen und Aktivitäten selbst in Social Media zu Inhalten solch »schwieriger Fälle«. Schulleitendenhandeln obliegt folglich einer stetigen Transformation und damit einhergehenden Erweiterungen bestehender Aufgaben und Tätigkeiten.

8. Ergebnisse

Abbildung 10: Ausschnitt einer Anleitung zur Installation und Nutzung von WebUntis

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

Wie anhand dieser Beispiele sichtbar wurde, schafft das Digitale Bedingungen, die dem Begriff des »Verwaltens« entlehnt, auf Zuständigkeiten bezüglich der Lenkung und ordnungsgemäßen Erfüllung von Aufgaben in einem abgegrenzten Bereich zielen. Dabei werden bestehende Aufgaben transformiert, gleichzeitig erhalten Schulleitende neue Zuständigkeiten, Rollen und Aufgaben, welche jene, im Schulgesetz festgeschriebenen, erweitern, diese aber auch gleichsam unterlaufen. Denn durch Aufgaben, Rollen und damit zusammenhängende Handlungen werden Ressourcen gebunden, die für andere Aufgaben und Anforderungen nötig wären. So muss Software, zuweilen auch deren Code und Algorithmen, erst einmal verstanden werden, bevor diese auf die Passung für Schule geprüft, gegebenenfalls angepasst und Bedienungsanleitungen verfasst werden können, um anschließend in den Schullalltag – und damit in das Alltagsgeschäft – überführt werden zu können. Solche Arbeitsprozesse, welche vielfältige Handlungen von Schulleitenden bedürfen, gestalten sich folglich in gesteigertem Maße ressourcenaufwändig, was sich wiederum auf weitere Ressourcen und damit zusammenhängende Handlungsoptionen für andere Tätigkeitsbereiche und Aufgaben auswirkt. Ähnlich einem »heimlichen Lehrplan« (siehe hierzu bspw. Zinnecker, 1975), werden Schulleitenden demnach neue, nicht offiziell vorgesehenen Aufgaben und Verantwortungen implizit vermittelt, die sich unmittelbar auf bisherige Aufgabenbereiche und Tätigkeiten auswirken und mit diesen zusammenhängen. Schulleitende erhalten hierbei zwar auch die Verfügung über weitere (Aufgaben-)Bereiche, können sich dieser jedoch nicht selbstbestimmt und -gesteuert entziehen resp. sie vollziehen. So stellt sich das angekündigte, freudige Fest der Hochzeit als schreckliches, mit Herausforderungen und Frustration verbundenes Ereignis dar, an welchem unfreiwillig teilgenommen werden muss. Es handelt sich vielmehr um verpflichtende Aufgaben und Handlungen, die das ›Alltagsgeschäft‹ und Handeln von Schulleitenden unterbrechen und dominieren, um das schulische ›Alltagsgeschäft‹ aufrechterhalten zu können. Denn unter Bedingungen des Digitalen als Über-walten von Schulleitendenhandeln, werden durch externe Vorgaben ebenso Mächte ausgeübt, indem Rahmungen verpflichtend gesetzt und Aufgaben und Rollen damit festgeschrieben werden. Schulleitendenhandeln unter über-walteten Bedingungen weist dabei zwar Ansätze einer Autonomisierung auf, jedoch nur in begrenztem Maße, da die Aufnahme der vorab skizzierten Rollen und Aufgaben nicht im Sinne eines expansiven Lernens (siehe hierzu Faulstich & Ludwig, 2008) erfolgt, sondern als Agieren innerhalb festgesetzter systemischer Rahmungen. Durch die hierbei ersichtliche mangelnde Selbstgesetzgebung durch eigenmächtige Schulleitende, kann an dieser Stelle daher lediglich von einer defensiven Autonomisierung gesprochen werden. Anhand dieser defensiven Autonomisierung schulleiterischen Handelns werden weitere Widersprüche virulent: So zeigen die Beispiele eindrücklich, dass Schulleitende, entgegen der Versprechungen im Rahmen der Dezentralisierung des Bildungswesen und einer erweiterten Schulautonomie (Altrichter et al., 2016), nur

8. Ergebnisse

bedingte Handlungsbemächtigungen und Gestaltungsräume erhalten, während gleichzeitig kreative Entwicklungen und eine neue Gestaltung von Schule eingefordert werden. Durch die Setzung von Rahmungen, wie eine Standardisierung von Software, werden Aufgaben und Rollen evoziert, die Schulleitende eher dazu anhalten, das gegebene System zu stabilisieren, zu verwalten und auf Vorgaben zu re-agieren, anstatt Schule kreativ zu gestalten und damit zu pro-agieren, wodurch antagonistische Widersprüche im Schulleitendenhandeln sichtbar werden. Schulleitendenhandeln wird damit gewissermaßen über-waltet, da Zuständigkeiten und Aufgaben entstehen, welche Anforderungen an Schulleitende und deren bisherige Aufgabenbereiche in extensivierender Weise transformieren und ergänzen. Dieses extensivierende Moment manifestiert sich zuvorderst in den Umständen, dass nicht nur Aufgaben und Rollen in Schulgesetzen und Verwaltungsvorschriften festgeschrieben werden, sondern im Zuge bildungspolitischer Vorgaben auch neue Aufgabenbereiche erschlossen werden. Auffallend ist hierbei, dass es sich um Aufgabenbereiche handelt, für welche Schulleitende qua Fortbildung resp. Professionalisierung als Schulleitungsmitglieder nicht qualifiziert sind. Diese Aufgabenbereiche erfordern folglich eine selbstständige Einarbeitung, was wiederum zu einer Mehrarbeit und -belastung von Schulleitenden führt. Weiterhin können sich Schulleitende diesen Aufgaben nicht entziehen. Denn muss spezielle Software aufgrund verbindlicher Vorgaben in Schule implementiert werden, so muss sich diese als für die Einzelschule passend erweisen. Ist dies nicht der Fall, gilt es für Schulleitende entsprechende Anpassungen vorzunehmen, um eine anstandslose Nutzung im Schulalltag zu ermöglichen und Prozesse im schulischen Alltag nicht zu gefährden. Hierzu zählt aber auch eine entsprechende Einweisung von Lehrpersonen und weiteren Akteur:innen in Software, damit auch ein korrekter Umgang bzw. eine korrekte Nutzung erfolgen kann. Wie sich an diesen Beispielen zeigt, liegen Dynamiken bzw. Verbindungen zwischen Aufgabenbereichen vor, die die Mehrdimensionalität, Komplexität und Interdependenz von Schulleitendenhandeln und notwendig werdenden Tätigkeiten verdeutlicht. Anstelle scheinbar kreativer Entwicklungsräume für eine (Neu-)Gestaltung von Schule erhalten Schulleitende demnach durch Vorgaben zunehmend Aufgaben, die das gesetzlich festgeschriebene Aufgabenspektrum erweitern und Schulleitendenhandeln folglich über-walten. Wie anhand der Ausführungen sichtbar wurde, gestaltet sich Schulleitendenhandeln unter über-walteten Bedingungen demnach zunehmend fremdgesteuert sowie qualifikationsüberschreitend und bewegt sich dabei in einem Kontinuum von Autonomisierung und Defensivität.

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9. Diskussion ǀ Anschlüsse

Im Rahmen der vorliegenden Dissertation wurde das Ziel verfolgt, Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen zu untersuchen. Hierfür wurden (1) ein systematisches Literaturreview zum Forschungsstand im Themengebiet (für die Ergebnisse siehe Kapitel 3 sowie Krein, 2023), (2) explorative Expert:inneninterviews (siehe Teilstudie I: Kapitel 6) sowie (3) ein Shadowing zweier Schulleitenden in ihrem Arbeitsalltag (siehe Teilstudie II: Kapitel 7 und Kapitel 8) durchgeführt. Hierbei konnten Erkenntnisse hinsichtlich verschiedener Facetten sowohl von digitalisierungsbezogenen Bedingungen des Alltags von Schulleitenden als auch von Schulleitendenhandeln an sich gewonnen werden. Dieses abschließende Kapitel widmet sich zunächst der Diskussion der Ergebnisse (samt Einordnung der Arbeit in bisherige Forschungsarbeiten), bevor der hierbei erzielte Mehrwert für Forschung und Praxis kenntlich gemacht und Anschlüsse sowohl aus theoretischer, empirischer als auch praxisorientierter Perspektive aufgezeigt werden. Dazu werden im Folgenden zunächst die Ergebnisse dieser Dissertation zusammengefasst und Hauptaussagen- resp. -ergebnisse hervorgehoben und diese in Verbindung mit Erkenntnissen der bisherigen Schulleitungsforschung diskutiert (Kapitel 9.1). Anschließend erfolgt eine Reflexion und Diskussion des methodischen Vorgehens der vorgestellten Arbeit, im Rahmen derer auch Stärken und Grenzen der Studie diskutiert werden (Kapitel 9.2). Schließlich werden Implikationen für zukünftige Forschung sowie die Praxis skizziert (Kapitel 9.3). Dieses Kapitel – und damit auch diese Arbeit – endet mit einem Resümee und Schlusswort (Kapitel 9.4).

9.1 Ergebnisdiskussion ǀ Anschlüsse an und Implikationen für bisherige Forschung Der vorliegenden Dissertation lagen verschiedene Fragestellungen zugrunde (siehe Kapitel 4), zu deren Beantwortung das verfolgte methodische Vorgehen und die dabei gewonnenen Erkenntnisse beitragen sollten. Dabei galt es zum einen zu explorieren, wie und als was sich das Digitale im Alltag von Schulleitenden zeigt und mit welchen Bedingungen es einhergeht. Zum anderen sollte untersucht werden,

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Ulrike Krein: Schulleitung und Digitalisierung

wie sich das konkrete Schulleitendenhandeln unter ebendiesen Bedingungen ausgestaltet. Nachfolgend werden die Hauptergebnisse zusammengefasst und in Bezug zu Befunden der bisherigen Schulleitungsfoschung diskutiert. Dabei werden auch Anschlüsse und Implikationen an bisherige Forschungsgebiete und -arbeiten erörtert. Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen: Im Rahmen der Analysen konnten verschiedene digitalisierungsbezogene Bedingungen herausgearbeitet werden, welche für das Schulleitendenhandeln besondere Relevanz aufweisen. Anknüpfend an Brumme (2020; siehe Kapitel 1) wurden im Zuge der Expert:inneninterviews sowie der detaillierten ethnographischen Betrachtung von Schulleitendenhandeln verschiedene »Funktionen, Beschaffenheiten und Ausprägungen« (Brumme, 2020, S. 78) des Digitalen exploriert, welches sich als Verbindung, Beschleuniger, Panopticon sowie als Überwaltung zeigte. Die mit diesen Konzepten zusammenhängenden Bedingungen des Digitalen erwiesen sich dabei für verschiedene Aufgabenbereiche und Facetten von Schulleitendenhandeln relevant. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit schließen dabei an die in Kapitel 2.3 entfalteten Annahmen in der bisherigen forschungsseitigen Auseinandersetzungen an und bestätigen, dass sich Aspekte von Digitalisierung querschnittlich in den Aufgabenbereichen von Schulleitenden auf verschiedenen Ebenen wiederfinden (siehe hierzu Schiefner-Rohs, 2019; im Kontext von IT-Management: Breiter, 2007; Breiter & Welling, 2010) sowie hierbei (neue) Handlungsbedingungen, -prozesse und -optionen für Schulleitende schaffen (Tulowitzki & Gerick, 2020). Die herausgearbeiteten Bedingungen des Digitalen haben sich beispielsweise sowohl für Handlungen im Bereich des Personalmanagements, der Verwaltung von Schule, der Kommunikation mit an Schule beteiligten Akteur:innen sowie des gemeinschaftlichen Schulleitendenhandelns als relevant herausgestellt. Hierbei wurden einerseits Transformationen von Handlungen, wie die Verlagerung von Kommunikation in den digitalen Raum, beobachtet, gleichermaßen aber auch eine Extensivierung von Schulleitendenhandeln und eine Ausformung neuer Aufgabenbereiche von Schulleitenden festgehalten. Hervorgehoben werden kann hierbei, dass die skizzierten Handlungsfacetten dabei trotz kontrastierender Angaben der Shadowee hinsichtlich des eigenen Handelns und Selbstverständnisses als Schulleitung, der Einschätzung des Stellenwerts von Digitalisierung und der Teilnahme an Fortbildungen (siehe hierzu Kapitel 7.1.2) bei beiden Shadowee gleichermaßen identifiziert wurden. Die im Rahmen der Gesamtarbeit gewonnenen Erkenntnisse schließen an bestehende Forschungsarbeiten an, bieten aber gleichzeitig auch Diskussionsanlässe und Implikationen für eine theoretische und empirische Auseinandersetzung mit Schulleitung und Schulleitendenhandeln. Bei der Betrachtung der Ergebnisse scheinen in diesem Kontext verschiedene Aspekte auf:

9. Diskussion ǀ Anschlüsse

Erstens konnte die vorliegende Untersuchung zeigen, dass sich der Berufsalltag von Schulleitenden höchst unterschiedlich gestaltet und nicht von ›einem‹, ›typischen‹ Schulleitendenalltag gesprochen werden kann. Gegenteilig gestaltet sich der Alltag von Schulleitenden in hohem Maße heterogen und geprägt durch simultane Handlungen und Unterbrechungen. Auch konnte gezeigt werden, dass digitalisierungsbezogenes Schulleitendenhandeln selbst auch innerhalb einzelner Tätigkeitsbereiche unterschiedliche Facetten aufweist. So werden Schulleitende bewacht, gleichermaßen bewachen sie oder erfahren unter dem Schein einer Autonomisierung ihres Handelns eine Defensivität. Doch nicht nur stellt Digitalisierung einen Querschnittsbereich in den einzelnen Aufgabenbereichen von Schulleitenden dar und zeigt sich dort innerhalb verschiedener Facetten, die vorliegenden Ergebnisse weisen darüber hinaus auf deutliche Interdependenzen digitalisierungsbezogener Aufgaben und Tätigkeiten von Schulleitenden hin. Denn die Einführung neuer Software oder digitaler Arbeitsformate kann nicht ohne entsprechende Einweisungen verschiedener Akteur:innen gedacht werden (siehe Kapitel 8.2.4) oder auch digital-vermittelte Kommunikations- und Kooperationswege mit schulinternen wie -externen Akteur:innen gefördert werden, ohne deren Auswirkungen auf Handlungsmodi und den Berufsalltag von Schulleitenden zu berücksichtigen (siehe hierzu Kapitel 8.2.1 sowie Kapitel 8.2.2). Folglich sind auch die hier vorgestellten Konzepte nicht losgelöst voneinander zu betrachten, da sie nicht nur deutliche Verbindungen zueinander aufweisen, sondern sich auch gegenseitig bedingen. Die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation weisen entsprechend darauf hin, dass bei einer (kontextsensiblen) Untersuchung von Schulleitendenhandeln dessen Bedingungen und die Handlungen von Schulleitenden selbst als interdependentes Gefüge betrachtet werden müssen. Relevant werden Zusammenhänge und Wechselwirkungen von Aufgabenbereichen, Handlungen und deren Bedingungen, die eine isolierte Betrachtung einzelner Aufgabenbereiche verengt erscheinen lassen. Vor dem Hintergrund von Befunden bisheriger Studien zu Schulleitendenhandeln, welche dieses auf der Grundlage eines erfassten Tages oder gar nur wenigen Stunden beschreiben (siehe exemplarisch Tulowitzki, 2014), gilt es demnach zu hinterfragen, inwiefern verschiedene Facetten von Schulleitendenhandeln in solch kurzen Zeiträumen überhaupt untersucht werden können und welche Aussagekraft folglich solche Befunde haben. Werden lediglich einzelne Bereiche oder Tätigkeiten von Schulleitenden untersucht, führt dies zu einer unterkomplexen Betrachtung von Schulleitendenhandeln, die ebensolche Interdependenzen und die Vielfältigkeit des Berufsalltags von Schulleitenden verkennt. Da angenommen werden kann, dass solche Interdependenzen auch unabhängig von Digitalisierung im Schulleitendenhandeln bestehen, sollten eindimensionale Betrachtungen einzelner Aufgabenbereiche bzw. Tätigkeiten von Schulleitenden in der bestehenden Forschung daher kritisch hinterfragt werden und stattdessen eine Perspektivenerweiterung vorgenommen werden, im Rahmen derer Verbindungen und Abhängigkeiten verschiedener Auf-

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gabenbereiche und Handlungen von Schulleitenden fokussierten werden. Denn wie anhand der vorliegenden Ergebnisse deutlich wurde, bedarf eine adäquate Untersuchung der Mehrdimensionalität von Schulleitendenhandeln und dessen Interdependenzen Forschungszugänge, die über eine eindimensionale Abbildung einzelner, isoliert anmutender Aufgabenbereiche und die Untersuchung der reinen Zeitnutzung von Schulleitenden hinausgehen. Zwar wird in der Literatur bereits auf solche Verbindungen hingewiesen, eine umfangreiche Untersuchung steht bislang aber aus. Dies sollte vorgenommen werden, um auch Dynamiken und Abhängigkeiten von Aufgabenbereichen und Handlungen zu erfassen und damit eine Ausleuchtung der sozialen Realität von Schulleitenden jenseits einzelner Fragmente, wie sie Bonsen (2016) fordert, zu ermöglichen. Mögliche Implikationen in diesem Kontext bietet der gewählte theoretische und methodische Bezugsrahmen der Arbeit. Die Adaption der interaktionistischen Professionstheorie (siehe Kapitel 5.1.1) für die Untersuchung von Schulleitendenhandeln hat sich als sehr fruchtbar herausgestellt und durch die Kombination durch die phänomenologische Auswertungsmethode eine Nähe zum Feld aufgebaut, die die Kritik an bestehenden theoretischen und methodischen Zugängen überwindet (siehe Kapitel 3.4). Dabei schloss die erste Teilstudie durch die Durchführung von Expert:inneninterviews (siehe Kapitel 6) an bestehende methodische Zugänge an (siehe Kapitel 3.3), diente hierbei aber als Feldexploration für eine anschließende Teilstudie (siehe Kapitel 7), welche die gewonnenen Erkenntnisse durch den gewählten ethnographischen Zugang anreichern und erweitern konnte. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass ethnographische Forschungszugänge, die ein Erfassen des Handelns von Schulleitenden in situ und in actu ermöglichen, umfassende Einblicke in deren Berufsalltag ermöglichen, die über Zeitnutzungsanalysen und Selbstberichtsdaten hinausreichen. Eine Ergänzung bestehender Forschungsansätze durch solche ethnographischen Erhebungen könnte damit bisherige Limitationen überwinden und bestehende Erkenntnisse anreichern, erweitern oder gegebenenfalls auch widerlegen. Auch die Adaption von Theorien, die auf Mikroebene ansetzen, wie die im Rahmen der Untersuchung herangezogene interaktionistische Professionstheorie, könnte in diesem Zusammenhang einen Beitrag zur Diskurserweiterung aber auch -anreicherung leisten, indem das konkrete Handeln von Schulleitenden fokussiert wird. Für die theoretische Auseinandersetzung mit Schulleitung (nicht nur) unter der Perspektive von Digitalisierung wäre demnach von Relevanz, Schulleitung als eigenständige Profession zu adressieren, die damit zusammenhängende professionstheoretische Auseinandersetzung zu intensivieren und Forschungsarbeiten zum Berufsalltag und dem Handeln von Schulleitenden von Zugängen, welche sich beispielsweise auf governance- oder managementorientierte Perspektiven stützen, zu lösen. Zweitens ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ersichtlich geworden, dass sowohl das berichtete (siehe Teilstudie I) als auch das beobachtete Handeln

9. Diskussion ǀ Anschlüsse

der Schulleitenden (siehe Teilstudie II) nur wenige Anknüpfungspunkte an die in der Literatur diskutierten Aufgaben im Zuge von Schulentwicklung aufweisen (siehe Kapitel 1.2 und Kapitel 2). Obwohl forschungsseitig Einigkeit darüber besteht und häufig betont wird, dass Schulleitende als »gatekeeper of change« (Brauckmann, 2012, S. 227; siehe auch Fullan, 1998; Huber, 2013; Tulowitzki & Gerick, 2020) bzw. als Promotor:innen (Bonsen et al., 2002; Eickelmann, 2010; Fullan, 2007; Prasse, 2012; siehe Kapitel 2) von Schulentwicklung gelten, und in diesem Kontext auch von Seiten der Bildungspolitik Aufgabenbereiche für Schulleitende definiert werden (bspw. KMK, 2021), nehmen diese im Berufsalltag und dem konkreten Handeln von Schulleitenden scheinbar eine untergeordnete Rolle ein. So überwogen Management- und Führungsaufgaben, im Zuge derer eine Überführung analoger Verwaltungsprozesse in digitale Formate berichtet wurde, was an bestehende Befunde anschließt, dass Schulleitendenhandeln hauptsächlich von verwalterischen Tätigkeiten dominiert ist (Cramer et al., 2021; Wissinger, 2014; siehe Kapitel 2). Auch die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen eine Dominanz schulleiterischer Tätigkeiten, die – maßgeblich durch die damalig vorherrschende pandemische Lage bedingt – auf eine (digitale) Abwicklung bzw. Aufrechterhaltung von Schulalltag zielen, denn auf eine proaktive Entwicklung. Dies kann zwar, sollte aber nicht alleinig, auf die pandemische Lage zurückgeführt werden, da es sich hierbei um keinen neuen Befund handelt. (An-)Forderungen bzw. Adressierungen von Schulleitenden bezüglich Digitalisierung bedürfen vor diesem Hintergrund eine kritische Reflektion ihrer Passung zum Forschungsfeld. Auch erscheint die Fokussierung von Schulleitenden in ihrer Relevanz für Schulentwicklung und den damit zusammenhängenden Aufgaben für Forschung zu Schulleitendenhandeln als unzureichend. Dabei werden Handlungen des Alltagsgeschäfts, welche zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebs beitragen, weitestgehend ausgeblendet. In diesem Kontext erscheinen auch die Selbstzuschreibungen der beiden Shadowee als ›Manager by walking around‹ und ›Digital Junkie‹ bedeutend: Obwohl die befragten Schulleitenden im Rahmen der ersten Teilstudie mehrheitlich darauf hinwiesen, dass sie Promotor:innen für digitalisierungsbezogene Entwicklungsprozesse seien und deren Initiierung und Zusammenführung als eine ihrer Aufgaben benannten (siehe Kapitel 6), weisen die Selbstzuschreibung der beiden Shadowees bezogen auf ihr konkretes Handeln im Berufsalltag jedoch auf sich davon unterscheidende Rollenverständnis hin. So scheinen auch hier vor allem Aspekte von Verwaltung und persönlichem Interesse bzw. Getriebenhaftigkeit hervor, weniger von Entwicklung. Für bestehende Forschungsarbeiten könnte demnach eine Untersuchung solcher Selbstzuschreibungen von Interesse sein, um eine Passung von Rollenverständnissen, die aus Forschungsergebnissen resultieren und an Schulleitende herangetragen werden, und jenen, die in der Praxis vorherrschen, zu prüfen. Dies würde einen ersten Schritt zur Prüfung und Weiterentwicklung bestehender Konzepte und Theorien hinsichtlich ihrer Passung für das Handeln von

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Schulleitenden vor Ort darstellen, welche in der bisherigen Auseinandersetzung bereits gefordert wurden (siehe Kapitel 3.4). Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit untermauern diese Kritik und bieten zum einen Impulse für eine kritische Reflexion bestehender Annahmen und Fokussierungen, verweisen zum anderen auf eine notwendige Offenheit in der theoretischen und empirischen Auseinandersetzung. Hinsichtlich der konkreten Handlungen hat sich drittens die Kommunikation von Schulleitenden mit anderen Akteur:innen, sowohl digitaler als auch nicht-digitaler Art, im Rahmen beider Teilstudien als sehr relevant dargestellt. Dabei haben die Ergebnisse gezeigt, dass vor allem digitale Kommunikationsformen sowohl positive, als auch belastende Bedingungen für schulleiterisches Handeln schaffen können. Die hier gewonnenen Erkenntnisse schließen dabei an bestehende Forschungsarbeiten im Bereich der mediatisierten Kommunikation in Schule an (z.B. Breiter et al., 2012; Welling et al., 2015), weisen hierbei aber auch auf neue Erkenntnisse hin: Stellen Welling und Kolleg:innen (2015) auf der Grundlage empirischer Ergebnisse beispielsweise noch fest, dass die Qualitätsdimension ganze Kollegien oder formale Gruppen erreichen zu können, »nur die schriftliche Kommunikation über die traditionellen Lehrerpostfächer, die auf Basis einer formalen Regel täglich auf den Eingang neuer Kommunikate hin überprüft werden, [besitzt]« (Welling et al., 2015, S. 314/316ff.), zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie, dass diese Annahme erneut zu überprüfen wäre. Denn durch die Nutzung von Messengersystemen wurden Benachrichtigungen – auch aufgrund der gegebenen Lage – ausschließlich digital versendet; Bestrebungen, papierbasierte Kommunikation zu reduzieren, wurden sogar in beiden Teilstudien explizit geäußert. Anschlüsse an die Erkenntnisse von Welling und Kolleg:innen (2015) weisen aber auch die Befunde zur Kommunikation mit Eltern auf. So wurde auch im Rahmen der vorliegenden Studie die Ambivalenz digitaler Kommunikation mit schulexternen Akteur:innen betont, jedoch Herausforderungen hinsichtlich der Extensivierung der Kommunikation in Feierabende und Wochenenden deutlich betont. Äußerungen hinsichtlich einer besseren Kontrolle, wann kommuniziert werden würde, wie sie bei Welling et al. (2015, S. 315) zu finden sind, wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht getätigt, sondern eher solche gegenteiliger Natur. Wie anhand dieser beiden Beispiele gezeigt werden konnte, bieten die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit folglich auch Implikationen für die Überprüfung bestehender Erkenntnisse zur digitalen Kommunikation im schulischen Kontext. Auffallend gestaltete sich bei der Betrachtung der verschiedenen Facetten von Schulleitendenhandeln weiterhin, dass viertens teilstudienübergreifend Phänomene identifiziert werden konnten, welche unter dem Begriff der Entgrenzung zusammengeführt werden können. So haben die Ergebnisse der ersten Teilstudie (Kapitel 6) bereits gezeigt, dass Schulleitende das Verschwimmen von Arbeitsund Privatzeit berichteten, was auch im Zuge des Shadowings und des Digitalen als Beschleunigers (Rosa, 2016; Kapitel 8.2.2) deutlich wurde. Hervorzuheben ist

9. Diskussion ǀ Anschlüsse

bei Betrachtung der Ergebnisse, dass ebendieses Verschwimmen dabei kontextabhängig entweder als Belastung oder auch als Bereicherung empfunden resp. artikuliert wurde. Relevant erscheint bei der Betrachtung des jeweiligen Kontextes die Wirkrichtung der Entgrenzung. Entgrenzungstendenzen, welche von Seiten der Schulleitenden initiiert und damit gewissermaßen von innen nach außen vollzogen wurden (wie die berichtete Wochenendarbeit, als dem Shadowee die Decke auf den Kopf gefallen sei, 02S5SL_6) wurden nicht als Belastung artikuliert. Wohingegen Entgrenzungstendenzen von außen, wie eingeforderte Kommunikation von Seiten schulexterner Akteur:innen wie Eltern, deutlich als übergriffig und belastend benannt wurden. Mögliche Grenzen von innen und außen, die hier (implizit) bestehen bzw. im Zuge von Transformationsprozessen ausgehandelt werden, gewinnen damit für das Belastungserleben von Schulleitenden aber auch die Zusammenarbeit von Schulleitung und anderen Akteur:innen zunehmend an Relevanz. Leider wurden solche Grenzen im Zuge der vorliegenden Untersuchung nicht ersichtlich, was darin begründet liegen kann, dass eine Vielzahl an Phänomenen neuartig zu sein schienen, beispielsweise durch die Einführung neuer Kommunikationswege, sodass etwaige Grenzen hier erst noch ausgehandelt werden mussten. Ein weiteres Bespiel für Entgrenzungsphänomene zeigt sich im Handeln der Schulleitenden selbst. So bewegte sich das Handeln z.B. im Zuge der Eingabe von Schüler:innendaten in Google-Maps (02S5SL_6; siehe Kapitel 8.2.3) vor dem Hintergrund datenschutzrechtlicher, moralischer sowie ethischer Aspekte deutlich an der Grenze zur Übergriffigkeit. Ähnlich gestaltet es sich mit der Zugänglichkeit digitaler Kommunikation anderer. Die Einsicht von Benachrichtigungen von Lehrpersonen an Schüler:innen oder die Vorlage von Whatsapp-Chats (siehe Kapitel 8.2.3 sowie Kapitel 8.2.4) eröffnen neue Handlungsräume und -möglichkeiten für Schulleitende, um beispielsweise kontrollierend oder legitimierend tätig zu werden. Handlungsmöglichkeiten, welche durch Digitalisierung, in diesem Beispiel insbesondere digitale Daten, geschaffen werden, bieten folglich auch Anlässe für Entgrenzungen, indem Informationen auf neue resp. vereinfachte Weise zugänglich werden und damit ein Eintritt in die Privatsphäre anderer Akteur:innen ermöglicht wird, welche zuvor nicht oder nur mit hohem Aufwand möglich war. Die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation weisen dabei nicht nur daraufhin, dass sich Schulleitendenhandeln als höchst entgrenzt darstellt, sondern schließen auch an vielfältige Diskurse und Forschungsarbeiten im Kontext von Entgrenzung an.1 1

Eine Ausführung der vielfältigen Forschungsarbeiten im Kontext von Entgrenzung in der Erziehungswissenschaft würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit übersteigen, da es sich hierbei um ein großes Themengebiet handelt, welches mittels verschiedener Perspektiven und Zugängen bearbeitet wird. Als Schlaglichter für eine Auseinandersetzung im schulischen Kontext sei exemplarisch auf folgende Arbeiten verwiesen: für die Entgrenzung von Hausaufgaben und Unterricht siehe z.B. Gruschka (2012), Fuhrmann (2022), zu Grenzen der Schule siehe Idel (2018), Kolbe et al. (2009), Nerowski (2015), zur Entgrenzung des Lernens

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Eine Untersuchung solcher bestehenden aber auch neu auszuhandelnden Grenzen sowie Entgrenzungsphänomenen, deren Richtungen aber auch Transformationen durch das Digitale sollte in zukünftigen Forschungsvorhaben berücksichtigt werden, um auch verschiedene Facetten von Entgrenzung und damit einhergehende Empfindungen und Konsequenzen für das Schulleitendenhandeln tiefreichender zu explorieren. Neben den hier skizzierten Entgrenzungsmomenten wurde anhand der obigen Ausführungen deutlich, dass die Erkenntnisse beider Teilstudien fünftens eine Vielzahl weiterer Herausforderungen aufzeigten, welche mit Bezug zur Digitalisierung von den Schulleitenden selbst benannt resp. im Zuge des Shadowings beobachtet wurden. Beispielsweise gestalteten sich die mangelnden Zeitressourcen und eine Extensivierung von Schulleitendenhandeln mit damit einhergehenden fehlenden Ruhephasen herausfordernd. So berichteten die Schulleitenden im Zuge der Expert:inneninterviews (Teilstudie I, siehe Kapitel 6), dass ihnen Zeit für Aufgaben wie der (Um-)Gestaltung des eigenen Unterrichts fehle, was auch während der Begleitung der beiden Shadowee im Rahmen der zweiten Teilstudie an verschiedener Stelle sichtbar wurde. Auch bestätigten die Erkenntnisse von Teilstudie II die berichtete Entgrenzung und Extensivierung von Arbeitszeiten (siehe Kapitel 8.2.1 sowie Kapitel 8.2.2), auch in Abende und Wochenenden hinein, die zuweilen als belastend empfunden wurden. Diese Erkenntnisse schließen an bisherige Forschungsarbeiten zum Belastungsempfinden von Schulleitenden an (Brauckmann, 2014; Brauckmann & Herrmann, 2013; Brauckmann & Schwartz, 2015; Rosenbusch et al., 2006; Warwas, 2012), ergänzen diese gleichzeitig. Durch die Differenziertheit der Beschreibungen und die Berücksichtigung des situationellen Kontextes und den gegebenen Hintergrundinformationen während der Beobachtung konnten zusätzliche Einblicke in Belastungsmomente von Schulleitenden geboten werden. Bedacht werden muss bei der Betrachtung der im Rahmen der Arbeit herausgearbeiteten Herausforderungen aber, dass das Belastungs- und Beanspruchungserleben individuell variiert und daher nur begrenzt verallgemeinert werden kann (Brauckmann & Herrmann, 2013). Weitere Herausforderungen wurden bei der Bewältigung von unterschiedlichen Aufgaben und Rollen sichtbar. Obwohl im Rahmen der zweiten Teilstudie die Schulleitung des ›Managers by walking around‹ über ein Mitglied verfügte, welches zuvor Softwareentwickler war, und der ›Digital Junkie‹ selbst Informatiker ist und bereits eine Vielzahl an Fortbildungen im Bereich der Digitalisierung besucht hat, haben sich im Berufsalltag beider Shadowee verschiedene, wenn auch andersartige, digitalisierungsbezogene Herausforderungen gezeigt. Wenngleich davon ausgegangen werden muss, dass die hier gegebenen Qualifikationen bereits bei der Bewälz.B. Kirchhöfer (2005), zu Entgrenzungsprozessen im Kontext von Peergroup und Schule siehe beispielhaft Kramer & Müller (2022).

9. Diskussion ǀ Anschlüsse

tigung resp. Prävention von herausfordernden Aufgaben und Situationen von hoher Relevanz waren, hat dies dennoch weitreichendere Implikationen. Denn aufgrund der höchst heterogenen Professionalisierung von Schulleitenden in Deutschland (Klein & Tulowitzki, 2020; Krein & Schiefner-Rohs, 2022; siehe Kapitel 2), ist anzunehmen, dass sich die jeweiligen Qualifikationen und Kompetenzen je nach Schulleitung (auch in hohem Maße) unterscheiden können und sich diese entsprechend unterschiedlichen Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen gegenübersehen. Zu betrachten sind in diesem Kontext folglich auch immer die jeweilige kontextuelle Einbindung von Schulleitenden, deren Professionalisierung und die Zusammensetzung der erweiterten Schulleitung. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Herausforderungen im Handeln von Schulleitenden auch durch die kontinuierliche Erweiterung des Aufgabenspektrums im Zuge einer Überwaltung von Schulleitendenhandeln verschärft werden (siehe Kapitel 8.2.4). Denn die Übertragung von Steuerungsnotwendigkeiten und damit zusammenhängenden Aufgaben der Überprüfung und Anpassung von Software sowie die Unterweisung von (pädagogischem) Personal bedürfen abermals Zeitressourcen und Kompetenzen, über die Schulleitende nicht zwingend verfügen. Damit werden Widersprüche und Herausforderungen einer Governance von Schule nicht nur sichtbar, sondern auch in besonderer Weise relevant. Denn durch eine verpflichtende Einführung spezifischer Schulsoftware wird Schule gewissermaßen durch die ›digitale Hintertür‹ gesteuert, was zur Folge hat, dass Schulleitende (neue) Rollen und Aufgaben zur Aufrechterhaltung des Schulalltags annehmen müssen, anstatt Handlungsbemächtigungen und Gestaltungsräume zu erhalten (siehe Kapitel 8.2.4). Solche Folgen bildungspolitischer Vorgaben und einer Steuerung von Schule können auch unabhängig von Digitalisierung nachgezeichnet werden, werden jedoch durch das Digitale verstärkt, da sie auf andere bzw. neue Weise und Wege möglich werden. Bedeutsam erscheint an dieser Stelle folglich, dass sich Herausforderungen, Widersprüche und Dilemmata, die kennzeichnend für Führung und per se in Schule eingeschrieben sind oder mit einer Governance von Schule einhergehen, durch die Spezifika digitalisierungsbezogener Bedingungen potenziert werden. Das Digitale fungiert an dieser Stelle demnach gewissermaßen als Brennglas. In diesem Kontext müssen folglich auch Implikationen genannt werden, welche sich für die Auseinandersetzung mit ›Educational Governance‹ (Altricher & Maag Merki 2016; Langer & Brüsemeister, 2019; siehe Kapitel 3.2) als relevant darstellen. Gleichwohl Studien bereits vor beinahe einem Jahrzehnt darauf verwiesen haben, dass Schulleitende im Rahmen einer erweiterten Selbstständigkeit von Schule Entscheidungskompetenzen, Verantwortungsbereiche und vielfältige (Management-)Aufgaben erhalten (Brauckmann, 2014), findet sich in der Auseinandersetzung zuweilen ein (verengter) Fokus auf die Funktion von Schulleitenden im Mehrebenensystem Schule, meist verbunden mit Versprechungen hinsichtlich Handlungsbemächtigungen und Gestaltungsräumen im Zuge der Dezentralisie-

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rung des Bildungswesen und einer erweiterten Schulautonomie (Altrichter et al., 2016). Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit haben jedoch eindrücklich gezeigt, dass durch Governancestrukturen Herausforderungen im Schulleitendenhandeln verstärkt werden und Aufgabenbereiche entstehen, die das bisherige Aufgabenspektrum sowie die Kompetenzbereiche von Schulleitenden übersteigen (siehe Kapitel 8.2.4). Die Bedeutung einer Governance von Schule für das konkrete Handeln von Schulleitenden sollte folglich kritisch(er) hinterfragt werden und dabei nicht nur die Rolle von Schulleitenden im Mehrebenensystem adressieren, sondern auch ihren Berufsalltag und ihr Handeln vor Ort in die Betrachtung miteinbeziehen. Sechstens lassen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung nicht nur auf systemischer Ebene Implikationen zu, sondern bergen auch eine Vielzahl von Implikationen für die professionstheoretische Auseinandersetzung mit Schulleitenden. Die im Schulleitendenhandeln sichtbar gewordenen Facetten und deren Potentiale aber auch Herausforderungen gehen mit Implikationen für professionstheoretische Überlegungen einher: So zeigen beispielsweise die Ergebnisse zum Schulleitendenhandeln unter überwalteten Bedingungen, dass sich Schulleitende einer Vielzahl von Aufgaben gegenübersehen, welche nicht genuin Teil des Tätigkeitsspektrums von Schulleitenden sind. Schulleitende werden für die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs kurzerhand zu Softwareentwickler:innen und Fortbildner:innen und sehen sich hierbei Anforderungen gegenüber, für welche sie nicht vorbereitet wurden. Ebenso wurde auf eine mangelnde Vorbereitung für die Tätigkeiten von Schulleitenden und das Gefühl, bei der Bewältigung dieser alleine gelassen zu sein, auch im Rahmen der ersten Teilstudie verwiesen (siehe Kapitel 6). Wissen trage sich über Generationen und Schulleitende müssten Aufgaben selbstständig lösen (01S5vSL, 30). Die berichtete fehlende externe Unterstützung und Vorbereitung auf die verschiedenen Aufgaben von Schulleitenden und Akzentuierung der erwarteten Selbstständigkeit verweisen darauf, dass Schulleitende folglich über wenig Einfluss darüber verfügen, welche der ihnen zukommenden Rollen sie annehmen wollen. Es gilt, den Schulalltag aufrechtzuerhalten und bestehende Aufgaben mit vorhandenen Ressourcen zu erfüllen – ohne hinreichende Vorbereitung und (externe) Unterstützung, auch wenn das bedeutet, neue Rollen und Aufgaben anzunehmen. Auffallend gestaltete sich hierbei, wie vorab ausgeführt, dass Aufgaben im Kontext von Schulentwicklung oder pädagogisches Handeln von Schulleitenden deutlich hintergründig waren, nicht weil die befragten bzw. beobachteten Schulleitenden diese gedanklich nicht mitführten – wie anhand verschiedener Äußerungen während des Shadowings ersichtlich wurde –, sondern weil diesen die zeitlichen Ressourcen dafür fehlten (siehe Kapitel 6.3 sowie Kapitel 8.2). Schulleitendenhandeln gestaltete sich folglich weitestgehend unter geschäftsführender bzw. managerialer denn pädagogischer Perspektive. Für eine professionstheoretische Auseinandersetzung mit Schulleitenden bedeutet dies, dass sich die Annahme von Rosenbuch & Warwas (2010), dass »die Leitung einer

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Schule eine Tätigkeit eigener Charakteristik und Dignität ist, deren Leistungsspektrum sich von der eines Klassenlehrers grundsätzlich unterscheidet« (S. 19) nicht nur bestätigt, sondern die Andersartigkeit des Aufgabenspektrums hervorgehoben wird. Es bedarf folglich einer kritischen Auseinandersetzung mit Schulleitung als eigenständige Profession und den Aufgabenbereichen von Schulleitungen und deren Rollen. Denn ohne eine umfangreiche Erschließung des tatsächlichen Tätigkeitsspektrums von Schulleitenden, fernab von (theoretischen) Annahmen darüber, was Kern von Schulleitungshandeln sein sollte und dem was es zu sein scheint, kann eine zielführende Professionalisierung von Schulleitenden nicht gelingen. Diese Ergebnisse knüpfen damit auch an bisherige Studien zur Professionalisierung von Schulleitenden und Fragen nach notwendigen Schulleitungskompetenzen (nicht nur) unter der Perspektive von Digitalisierung an (Klein & Tulowitzki, 2020; Krein & Schiefner-Rohs, 2022; siehe Kapitel 2; für weitere Studien hierzu sei auf die Ergebnisse des angefertigten systematischen Literaturreviews verwiesen). Dies hat auch Implikationen für die Qualifizierung von Schulleitenden: Wenn Schulleitung als eigene Profession betrachtet wird, ist die bislang nicht standardisierte höchst heterogene Qualifizierung von Schulleitenden, wie sie aktuell in Deutschland gegeben ist (Klein & Tulowitzki, 2020; Tulowitzki et al., 2019; siehe Kapitel 2), unzureichend. Eine Qualifizierung von Schulleitenden bedarf unter Anbetracht der Andersartigkeit des Aufgabenspektrums (im Vergleich zu jenem von Lehrpersonen ohne Funktionsstellen) eine eigenständige, grundständige Ausbildung und eine Professionalisierung, die an den Tätigkeiten und dem Berufsalltag von Schulleitenden orientiert ist. Hierbei gilt es auch, Managementaufgaben, systemische Aspekte, antinomische Widersprüche im Schulleitendenhandeln oder auch den Umgang mit Belastungen zu integrieren und Schulleitende gezielt auf solche Aufgaben und Herausforderungen vorzubereiten. Siebtens sei darauf verwiesen, dass die Ergebnisse der Arbeit, wie bereits in der Ergebnisdarstellung partiell angedeutet wurde, an verschiedene bestehende Forschungsbereiche anschließen, auf welche im Rahmen der Ergebnisausführung bereits stellenweise Bezug genommen wurde. So bietet das Schulleitendenhandeln unter (ver-)bindenden Bedingungen beispielsweise Anschlüsse und Implikationen für Arbeiten zur Kooperation im schulischen Kontext (siehe beispielsweise mit unterschiedlicher Fokussierung Aich et al., 2017; Klein & Bremm, 2020; Rau et al., 2022), das Schulleitendenhandeln unter beschleunigten Bedingungen schließt augenscheinlich an Arbeiten im Feld der gesellschaftlichen Beschleunigung an (Rosa, 2016). Neben den Ausführungen Rosas, auf welche vorab bereits rekurriert wurde, kann in diesem Kontext ebenso beispielhaft auf Virilios Arbeiten zur Dromologie (siehe hierzu Virilio, 1980, 1997) oder Neverlas Ausführungen zu Medien als Zeitgebende (Neverla, 2010) verwiesen werden. Die Ergebnisse hinsichtlich eines Schulleitendenhandelns unter panoptischen Bedingungen (siehe Kapitel 8.2.3) bieten wiederum Anschlüsse an bestehende Arbeiten im Bereich der surveillance studies

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(siehe z.B. für den schulischen Kontext: Andrejevic & Selwyn, 2022; zu surveillance capitalism: Zuboff, 2019, 2022) und Erkenntnisse eines Schulleitendenhandeln unter überwalteten Bedingungen bergen Implikationen für die professionstheoretische Auseinandersetzung mit Schulleitenden sowie deren Professionalisierung (z.B. Brauckmann et al., 2020; Krein & Schiefner-Rohs, 2022). Ebenso werden an verschiedenen Stellen Anschlüsse an Arbeiten zum E-Government und damit zur Verwaltungsforschung augenscheinlich, bspw. wenn versucht wird, schulische Verwaltungsprozesse durch Technikunterstützung effizienter zu gestalten (siehe hierzu z.B. Reinermann & von Lucke, 2002; Wind & Kröger, 2006). Diese vielfältigen Anschlussmöglichkeiten der vorgestellten Ergebnisse verdeutlichen nochmals die Vielfältigkeit und Breite von Schulleitung und insbesondere Schulleitendenhandeln als Forschungsgebiet und zeigen eindrücklich auf, dass die Auseinandersetzung mit Schulleitendenhandeln forschungsseitig eine (interdisziplinäre) Breite bedarf und dabei unterschiedliche Perspektiven und Zugänge nicht nur ermöglicht, sondern auch erfordert. Achtens und zuletzt muss an dieser Stelle nochmals auf den speziellen Erhebungszeitraum der vorliegenden Studie verwiesen werden, welcher maßgeblichen Einfluss auf die herausgearbeiteten Bedingungen und die Ausprägung des Digitalen als Brennglas hatte. Denn durch die pandemische Situation unterlagen Schulleitende verstärkt Berichtlegungspflichten, da etwa tägliche Fallzahlen in der Schule oder die dort vorhandene Anzahl von Mund-Nasen-Bedeckungen an die zuständige Behörde gemeldet werden musste. Diese durch die Schulträger eingeforderten Berichtlegungen und Meldungen haben damit Bedingungen, wie sie beispielsweise unter dem Konzept des Panopticons diskutiert wurden, verstärkt. Da die Ergebnisse aber zeigen konnten, dass sich die hier skizzierten Bedingungen und Handlungsfacetten der Schulleitenden nicht alleinig auf die pandemische Lage zurückführen lassen, sondern beispielsweise auch auf die Einführung von Schulsoftware oder eine Governance von Schule, bieten die Ergebnisse auch unabhängig von der Covid-19-Pandemie wertvolle Erkenntnisse. Abschließend kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation einen wertvollen Beitrag zur Beantwortung der zugrundeliegenden Forschungsfragen leisten konnten und dabei eine Vielzahl an Anschlüssen und Implikationen für bestehende Forschungsarbeiten geboten haben. So konnte die Darlegung der Konzepte Aufschluss darüber geben, wie sich das Digitale im Handeln von Schulleitenden zeigt, womit nicht nur Erkenntnisse hinsichtlich der ersten Forschungsfrage gewonnen werden konnten, sondern auch eine Heuristik geschaffen wurde, entlang derer verschiedene Facetten von Schulleitendenhandeln herausgearbeitet werden konnten. Diese Facetten von Schulleitendenhandeln wurden anschließend nicht nur unter den jeweiligen spezifischen Bedingungen ermittelt und beschrieben, auch gelang es, Herausforderungen und facettenübergreifende Phänomene zu identifizieren und die gewonnenen Erkenntnisse für profes-

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sionstheoretische Überlegungen zu öffnen. Trotz des hier aufgezeigten Mehrwerts der Erkenntnisse gebührt es zur abschließenden Bewertung der Studie, auch das methodische Vorgehen im Rahmen der Arbeit sowohl hinsichtlich seiner Stärken und Schwäche, als auch seiner Güte zu reflektieren und zu diskutieren. Dieser reflektierten Betrachtung widmet sich der folgende Abschnitt.

9.2 Reflexion und Diskussion des methodischen Vorgehens Das methodische Vorgehen im Rahmen der Dissertation erfolgte multimethodisch in mehreren Phasen und war hierbei in ein empirisch-qualitatives Forschungsdesign eingebettet, welches einen ethnographischer Forschungszugang unter zuvorderst deskripriv-explorativer Herangehensweise verfolgte (siehe Kapitel 5.3). Im Hinblick auf die erkenntnisleitenden Fragestellungen der Gesamtarbeit ist im Rahmen einer abschließenden Diskussion immer auch in den Blick zu nehmen, was einzelne Methoden hierbei leisten können und was aber auch nicht. Um die einzelnen Vorgehensschritte der vorliegenden Arbeit methodisch reflektieren und hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen bewerten zu können, werden sie dafür folgend chronologisch entlang der einzelnen Phasen diskutiert.

Ein Überblick zum Forschungsstand ǀ Durchführung eines systematischen Reviews Für einen Überblick zum Forschungsstand wurde zu Beginn der Arbeit ein systematisches Review in Anlehnung an Newman und Gough (2020) durchgeführt. Eine ausführliche Erläuterung des methodischen Vorgehens und dessen Diskussion wurden zwar im Rahmen einer englischsprachigen Publikation aufbereitet (Krein, 2023), sollen aber im Sinne der Vollständigkeit an dieser Stelle ebenfalls in Kürze aufgeführt werden. Im Rahmen des systematischen Reviews gelang es, einen Überblick über bisherige Forschungsarbeiten im Themengebiet, deren inhaltlichen sowie methodischen Schwerpunktsetzungen, aber auch über hierbei ersichtliche Forschungsdesiderata herauszuarbeiten. Wichtig ist an dieser Stelle anzumerken, dass aufgrund des Fokusses des systematischen Reviews auf Arbeiten, welche Schulleitung resp. Schulleitende explizit untersuchen und diese beispielsweise nicht nur als Informant:innen zu anderen Themengebieten adressieren, eine hohe Anzahl von Suchergebnissen ausgeschlossen wurde, da diese Schulleitung nur sekundär berücksichtigen (Krein, 2023). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass relevante Studien auch durch das an die Recherche angeschlossene Snowballing und die Ergänzung von Literatur durch Empfehlungen internationaler Forschenden nicht erschlossen werden konnten, erhebt diese Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit (Krein, 2023). Auch der Zeitpunkt der Literaturrecherche stellt in diesem Zusammenhang eine Limitation

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dar: Obwohl die systematische Recherche und die ergänzende Suche via Snowballing und dem Einholen von Empfehlungen nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie stattfanden, konnten kürzlich veröffentlichte oder noch andauernde Studien, die angestoßen durch die pandemische Lage Schulleitung bzw. Schulleitendenhandeln im Kontext von Digitalisierung untersuchen, nicht berücksichtigt werden. Daher wäre es von hoher Relevanz, die hier gewonnenen Erkenntnisse durch aktuelle Arbeiten zu erweitern (Krein, 2023). Dennoch bieten die Erkenntnisse des Reviews eine Vielzahl an Implikationen und Überlegungen zur (Neu-)Ausrichtung der Forschung im Bereich Schulleitung unter der Perspektive von Digitalisierung, die einen Zugang zu bisher bestehenden blinden Flecken ermöglichen können (Krein, 2023). Diese Implikationen sind in die Planung der vorliegenden Studie und die beiden anschließenden qualitativen Teilstudien eingeflossen.

Eine erste Exploration ǀ Durchführung und Analyse von Expert:inneninterviews Im Zuge der Reflexion des methodischen Vorgehens der ersten Teilstudie muss zunächst die Rekrutierung der Expert:innen diskutiert werden. Die Rekrutierung von Schulleitenden von Sekundarschulen aus einem Bundesland und auf der Grundlage bestehender Kontakte kann hierbei natürlich eine Einschränkung bedeuten, die allerdings aufgrund der pandemischen Situation in Kauf genommen wurde. Zum Zeitpunkt der Anfrage war wenig über die aktuelle Situation in Schulen resp. von Schulleitenden bekannt. Es wurde davon ausgegangen, dass bei Anfragen eher eine positive Rückmeldung zu erwarten war, wenn bereits Kontakte bestehen. Die Gewinnung von sieben Schulleitenden kann als Erfolg gewertet werden und spricht rückblickend für dieses Vorgehen. Die Beschränkung auf Sekundarschulen und das Bundesland Rheinland-Pfalz ergab sich aufgrund forschungsökonomischer Aspekte, da unter Einbezug unterschiedlicher Bundesländer und Schulformen auch u.a. strukturelle Aspekte, wie z.B. bundeslandabhängige, gesetzliche Vorgaben und die damit zusammenhängende Personalstruktur in Schule, eine noch größere Beachtung hätten erfahren müssen, die den Rahmen der vorliegenden Arbeit aber überstiegen hätten. Die Erstellung des Interviewleitfadens erfolgte gestützt auf das vorab angefertige systematische Review (Krein, 2023) und eine vertiefte Auseinandersetzung mit theoretischen und empirischen Forschungsarbeiten zum Themengebiet. Durch die Zuhilfenahme bisheriger theoretischer und empirischer Auseinandersetzungen mit dem Berufsalltag von Schulleitenden konnte ein Interviewleitfaden entwickelt werden, dessen Passung im Rahmen eines Pretests bestätigt werden konnte. Auch eine mögliche Ergänzung von Fragen erwies sich weder im Zuge der Interviewdurchführung noch im Kontext der Auswertung als relevant, sodass auch dies als Stärke des Interviewleitfadens gewertet werden kann. Durch die gewählten Fragetypen konnten in allen Expert:inneninterviews umfangreiche Wortbeiträge der befrag-

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ten Schulleitenden generiert werden; auch wurden nur vereinzelt Rückfragen von Schulleitenden gestellt, sodass die Fragen als nachvollziehbar gewertet werden können. Aufgrund der pandemischen Situation ergaben sich verschiedene Herausforderungen bei der Interviewdurchführung: So musste einerseits das Format der Interviewführung sowohl in persönlicher Form, als auch in telefonischer und digitaler Form gewährleistet werden und hierfür im Vorfeld entsprechende Aufnahmeoptionen getestet werden. Dies erwies sich vor allem bei der Durchführung der Interviews in Präsenz als relevant, musste hier doch sichergestellt sein, dass die gewählten Aufnahmemedien eine Interviewsituation auf Distanz, beim Tragen von Masken sowie offenen Fenstern und möglichen Störgeräuschen der Umwelt auditiv erfassen können. Die doppelte Erfassung via Sprachrecorder sowie der Diktierfunktion des Smartphones, welche an verschiedenen Stellen platziert wurden, haben sich dabei als sehr hilfreich erwiesen, da beide Aufnahmen Unzulänglichkeiten in der Qualität der anderen ausgleichen konnten. Für die Auswertung der Interviews erwies sich die Kombination aus theoriegestützter a-priori und induktiver Kategorienbildung als fruchtbar. Einerseits bildeten die Haupt- und entsprechenden Subkategorien, im Sinne der a-priori Kategorienbildung, die im Rahmen des Leitfadens abgebildeten Fragestellungen, die konzeptionell und anschließend unter Hinzunahme des theoretischen Bezugsrahmens instrumentell operationalisiert wurden, ab. Andererseits konnten, im Sinne der induktiven Kategorienbildung, auch Kategorien gebildet werden, welche die Schulleitenden selbst während den Interviews einbrachten. Auch die systematische Auswertung der Interviewtranskripte mittels MAXQDA erwies sich als große Hilfe, da trotz der Vielfalt der Kategorien eine Übersichtlichkeit gewahrt werden konnte und das regelgeleitete Vorgehen im Rahmen der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2018) unterstützt wurde. Durch das konsensuelle Kodieren konnte weiterhin die Güte der Codierungen überprüft werden. Die im Rahmen der ersten Teilstudie gewonnenen Ergebnisse haben wertvolle Einblicke in den Berufsalltag von Schulleitenden zur Zeit der ersten pandemiebedingten Schulschließungen ermöglicht, die für die Ausgestaltung der zweiten Teilstudie herangezogen wurden.

Schulleitendenhandeln in situ und in actu ǀ Shadowing als Multimethodenkomplex Um das Shadowing als Multimethodenkomplex im Rahmen der zweiten Teilstudie reflektieren und diskutieren zu können, bedarf es einer Gesamtbetrachtung des Vorgehens, die die bloße Durchführung im Feld übersteigt. Daher erfolgt die Reflexion und Diskussion des Shadowings geordnet nach den einzelnen Phasen des Vorgehens, im Rahmen derer das Shadowing in der vorliegenden Studie umgesetzt wurde.

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Erstens gilt es, im Zuge der Vorbereitung des Shadowings, die Auswahl der zu beobachtenden Personen, die Schaffung des Feldzugangs sowie die Aufklärung der Shadowees einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Die Auswahl der zu beobachtenden Schulleitenden erfolgte auf Grundlage des Samples der ersten Teilstudie, da hier eine Offenheit gegenüber der Studie antizipiert wurde und bereits Kontakt zu den Schulleitenden bestand. Zwar muss dies als Einschränkung der gewonnenen Ergebnisse bedacht werden, jedoch konnte durch dieses Vorgehen der Herausforderung eines erschwerten Feldzugangs im Zusammenhang mit Shadowing (Knutas, 2019; McDonald, 2005) und der zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden pandemischen Situation entgegnet werden. Weiterhin wurden durch das Einholen der Genehmigung durch die zuständige Schulaufsichtsbehörde sowie das Unterzeichnen von Verschwiegenheitserklärungen weitere Schritte unternommen, um einen Zugang in das Untersuchungsfeld zu erleichtern. Dies wurde sowohl vor dem eigentlichen Shadowing von den Schulleitenden positiv zur Kenntnis genommen, als auch während des Shadowings von den Shadowees in der Kommunikation mit anderen Akteur:innen im Sinne einer Absicherung hinsichtlich der Sicherheit oder Vertraulichkeit von Informationen herangeführt und hat sich dabei bewährt. Zusätzlich stellt die kleine Anzahl der begleiteten Schulleitenden eine Beschränkung der Ergebnisse dar; bei der Begrenzung aus forschungsökonomischer Perspektive handelte es sich jedoch um eine notwendige, da die Durchführung von Shadowing mit hohem (v.a. zeitlichen) Aufwand verbunden ist. Da zwei kontrastierende Schulleitende gewonnenen werden konnten (siehe Kapitel 7.1.2), geben die Ergebnisse aber trotz geringer Anzahl an Shadowees unterschiedliche Einblicke in die Ausgestaltung von Schulleitendenhandeln unter den Bedingungen des Digitalen. Hinsichtlich der Beschreibung beider Shadowee gilt es an dieser Stelle, auch auf die jeweiligen Bezeichnungen der Portraits einzugehen. Zwar handelte es sich bei dem ›Manager by walking around‹ und dem ›Digital Junkie‹ um positiv konnotierte Selbstzuschreibungen der Shadowee, dennoch kann nicht verkannt werden, dass solche Bezeichnungen bei Lesenden verschiedene Implikationen hervorrufen können. So kann z.B. einerseits der Begriff des ›Managers‹ aus ökonomisierungskritischer Perspektive auf Schule negative Assoziationen hervorrufen, gleichermaßen Sympathien wecken, wenn die im Vordergrund stehende Interaktion mit anderen schulischen Akteur:innen positiv gewertet wird. Andererseits ist der Begriff des ›Junkies‹ mit Vorstellungen eines krankhaften Suchtverhaltens, meist auch einem Stigma verbunden. Euphemistisch gewendet, kann dieser aber auch als Ausdruck einer extremen Form der Begeisterung und des Engagements für etwas verstanden werden. Obwohl sich die Forschende dieser Möglichkeit solch unterschiedlicher Lesarten und Assoziationen, wie sie soeben exemplarisch angedeutet wurden, und einer damit verbundenen möglichen Wertung bewusst war, wurden die Selbstzuschreibungen der Shadowee aus method(olog)ischen Gründen für die Beschreibung herangezogen, da in ihnen mit großer Deutlichkeit Selbstverständnisse aufschei-

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nen, die das Handeln und die Shadowee als Schulleitende selbst näher beschreiben. So können diese auch einen Mehrwert für das expressive, affektive Schreiben im Rahmen phänomenlogischer Beschreibungen (siehe Kapitel 5.1.2) darstellen und wurden für die Portraitierung der Shadowee als zuträglich erachtet. Weiterhin muss kritisch angemerkt werden, dass es sich bei den beiden Shadowee um zwei männliche Schulleitende handelte. Dieser Umstand ergab sich im Zuge der ersten Teilstudie, da es diese beiden Schulleitende waren, welche anhand ihrer Ausführungen kontrastierende Merkmale bei ähnlichen Rahmenbedingungen aufwiesen und auch eine Bereitschaft zur Teilnahme am Shadowing zeigten. Zwar war eine Begleitung weiblicher oder diverser Schulleitenden partiell möglich, eine Untersuchung von Geschlechtereffekten und damit möglichen Unterschieden im Schulleitendenhandeln konnte jedoch nicht erfolgen. Auch hätte ein weiterer Fokus auf Geschlechtereffekte den Rahmen der vorliegenden Arbeit überstiegen. Dennoch stellt die mangelnde Diversität der Schulleitenden eine Limitation der vorgestellten Studie dar. Eine Untersuchung von Geschlechtereffekten, aber auch anderen Merkmalen wie beispielsweise des Alters, der Berufserfahrung, Rahmenbedingungen des Dienstortes oder auch die Schulart und -größe, sollten in zukünftigen Untersuchungen einbezogen werden (zu möglichen Anschlüssen an bestehende und zukünftige Forschungsarbeiten siehe Kapitel 9.3). Als wertvoll haben sich im Vorfeld des eigentlichen Shadowings die gewissenhafte Vorbereitung der Forschenden und die Aufklärung der Shadowees erwiesen. Das unterbreitete Gesprächsangebot für weitere Informationen resp. zum Kennenlernen der Akteur:innen wurde von den Schulleitenden nicht nur angenommen, sondern auch als wichtig artikuliert. Als zentral hat sich im Rahmen des Briefings (Tulowitzki & Huber, 2014) vor allem die Explikation des methodischen Vorgehens und die Haltung eines Schattens seitens der Forschenden herausgestellt. Da hier im Vorfeld Unklarheiten geklärt werden konnten und eine möglichst minimale Interaktion offen kommuniziert wurde, konnten Irritationen bei der späteren Durchführung des Shadowings vermieden werden. Auch wurden gemeinsame Grenzen definiert, sodass die Forschende beispielsweise jederzeit dazu aufgefordert werden konnte, die Situation zu verlassen, wenn der Shadowee oder andere Beteiligte dies wünschten. Auch dies wurde von den Shadowees als entlastend gespiegelt, gleichwohl eine solche Situation nur zweimal während des gesamten Feldaufenthaltes vorkam. Hiermit wurde bereits vor dem Feldaufenthalt versucht, ethische Aspekte im Kontext von Shadowing zu berücksichtigen (z.B. Bøe et al., 2017; Johnson, 2014). Um Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Aufbau einer »peculiar twosome« (Czarniawska, 2007, S. 10) zu ermöglichen, ohne jedoch die Gefahr eines »going natives« (McDonald, 2005, S. 458; Tulowitzki, 2019, S. 104) zu erhöhen, wurde ein Beobachtungszeitraum von drei Wochen gewählt. Dieser sollte es ermöglichen, tief genug in das Beobachtungsfeld eintauchen zu können, jedoch auch dazu beitragen, sich nach wenigen Wochen wieder distanzieren zu können.

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Außerdem wurden tägliche Reflexionen abgefasst und ein Austausch mit außenstehenden Wissenschaftler:innen gepflegt, um einer Nähe-Distanz-Problematik vorzubeugen. Dies hat sich im Rahmen des Vorgehens bewährt und kann folglich als Stärke der vorbereitenden Planung angesehen werden. Erwähnt werden muss in diesem Kontext, dass die Planung des Feldeintritts wie die Durchführung der Expert:inneninterviews vorab stark durch die pandemische Lage geprägt war. So wurde der Zeitraum beider Shadowings durch Schulschließungen, Unsicherheiten bezüglich pandemischer Entwicklungen und politischer Vorgaben mehrmals verschoben. Durch die flexible und offene Planung gelang es letztlich, das Shadowing beider Schulleitenden trotz pandemiebedingter Umstände umzusetzen. Als weitere Stärke der Vorbereitung kann der verfasste Datenmanagementplan festgehalten werden, mit Hilfe dessen die Speicherung und Verwaltung der immensen Datenmengen (siehe Kapitel 7.1.2) erleichtert wurde. Zweitens weist die Durchführung des Shadowings im Rahmen der vorliegenden Arbeit verschiedene Stärken und Schwächen auf. Bezüglich der Grenzen des Vorgehens wurden, insbesondere im Rahmen der Durchführung, Aspekte körperlicher und emotionaler Belastung (Czarniawska, 2014; McDonald, 2005) seitens der Forschenden virulent, erfordert die Begleitung einer anderen Person in ihrem Alltag schließlich dauerhafte Konzentration, je nach Bewegungsgrad körperliche Ausdauer und ein Ausblenden eigener Bedürfnisse (siehe hierzu auch Tulowitzki, 2019). So konnten Pausen nicht immer nach den individuellen Bedürfnissen der Forschenden erfolgen, da ansonsten wichtige Handlungen nicht beobachtet werden konnten. Dies hat sich vor allem vor dem Hintergrund der ausbleibenden Pausen im Alltag der Schulleitenden als Herausforderung herausgestellt, da eigene Hungergefühle bei der Begleitung zuweilen unbewusst unterdrückt wurden, um vor allem mehrere simultane Aktivitäten folgen und erfassen zu können. Um dieser Belastung konstruktiv zu begegnen, wurde das Shadow-Kit (Gill et al., 2014) zusätzlich um Traubenzucker und Obst ergänzt, um möglichen Kreislaufproblemen vorzubeugen. Ebenso ist das zum Zeitpunkt der Erhebung in Schule verpflichtende Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung mit Herausforderungen einhergegangen. Einerseits erschwerten die von den Akteuer:innen getragenen Mund-Nasen-Bedeckungen das Erfassen von Mimik, andererseits führte ein pausenloses Tragen zu (eigenen) körperlichen Beschwerden. So klagten der ›Manager by walking around‹ und die Forschende selbst nach dem ersten Tag der Begleitung über starke Kopfschmerzen. Dies wurde zum Anlass genommen, gemeinsam mit dem Shadowee ab dem zweiten Tag der Begleitung ›Maskenpausen‹ abzustimmen, welche auch zu Beginn des zweiten Shadowings äquivalent mit dem ›Digital Junkie‹ vereinbart wurden. Gleichwohl hat die hier angesprochene körperliche Komponente des Shadowings es aber auch ermöglicht, Athmosphärisches, Zwischenmenschliches, aber auch Belastungen im Handeln von Schulleitenden mitzuerleben und damit einen vertieften Zugang zum Datenmaterial zu erhalten.

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Ambivalent zu betrachten ist die immense Menge des erhobenen Datenmaterials trotz Fokussierung der Erhebung. Einerseits erschwerte die Menge den Umgang und die Verwaltung der Forschungsdaten, was mit einem hohen Ressourcenaufwand auch bei der Aufbereitung und der Auswertung einherging. Andererseits ermöglicht die Tiefe und der Umfang der Daten weitreichende Einblicke in den Berufsalltag von Schulleitenden und Facetten ihres Handelns, welche bislang empirisch nicht erschlossen werden konnten. So war es beispielsweise auch möglich, das mündliche Abitur als Schatten eines Schulleitenden mitzuerleben und dabei sogar Prüfungen und anschließende Laufbahnberatungsgespräche zu beobachten2 . Auch konnte während des Shadowings das (simultane) Handeln von weiteren Akteur:innen der erweiterten Schulleitung beobachtet werden, sodass gemeinschaftliches Schulleitendenhandeln, die Aufteilung von Aufgaben und Unterschiede in der Durchführung gleicher Tätigkeiten sowie unterschiedliche Herausforderungen erfasst werden konnten. Die umfassenden und ganzheitlichen Einblicke, welche im Rahmen des Shadowings gewonnen werden konnten, stellen damit eine deutliche Stärke des gewählten methodischen Zugangs dar. Bezüglich möglicher Beobachter:inneneffekte (McDonald, 2005; Tulowitzki, 2019) zeichnet sich für die vorliegende Studie ein ambivalenter Befund: Für den ›Manager by walking around‹ kann den Ausführungen von Bussel (2020) folgend angenommen werden, dass sich dieser nach wenigen Tagen bereits an die Anwesenheit der Forschenden gewöhnt hatte und zu seinem ›typischen‹ Verhalten zurückgekehrt ist. Dies lässt sich anhand der deutlichen Abnahme an direkten Adressierungen der Forschenden durch den Shadowee annehmen sowie durch verschiedene Situationen im Rahmen der Begleitung. So hielt der Shadowee in den ersten beiden Tagen der Begleitung bei Verlassen des Raumes noch die Tür auf, damit die Forschende durchgehen und ihm folgen konnte. Bereits am vierten Tag der Begleitung unterließ der Shadowee diese Handlung, was einmal dazu führte, dass die Tür gegen den Kopf der – an dieser Stelle zu langsamen – Forschenden stieß. Auch ein mögliches Unwohlsein von Akteur:innen konnte während dieser Shadowingphase nicht beobachtet werden. Im Gegenteil wurde der Forschenden am Ende von verschiedenen Akteur:innen eine Rückkehr an die Schule angeboten und ihr für die »angenehme Beschattung« gedankt. Anders gestaltete sich dies bei dem Shadowing des ›Digital Junkies‹, der bis zum Schluss der Begleitung stets Türen aufhielt, versuchte, auf die Forschende Rücksicht zu nehmen und diese explizit ansprach. Auch konnten, wie bereits anhand der Ergebnisse der ersten Teilstudie vermutet, Handlungen beobachtet werden, die den Anschein erweckten, dass seitens des Shadowees eine starke Demonstration des »Digitalen« in seinem Alltag, im Sinne der Nutzung digitaler Endgeräte und der Überführung nicht2

Hierbei wurde Sorge getragen, dass die Prüfungen für Beisitzende geöffnet waren bzw. wurde die mündliche Zustimmung der beteiligten Personen eingeholt.

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digitaler Prozesse in digitale, erfolgte. Dies lässt, anders als während des ersten Shadowings, durchaus auf Beobachter:inneneffekte schließen. Bezüglich weiteren Akteur:innen konnte gleich dem ersten Shadowing auch in dieser Phase kein Unwohlsein von beobachteten Akteur:innen ausgemacht werden, gleichwohl nicht auszuschließen ist, dass sich jene, die sich durch das Shadowing unwohl fühlten, die Forschende auch gemieden haben. Relevant gestaltete sich bei dieser zweiten Shadowingphase, dass im Rahmen der Reflexionsgespräche, welche Teil der Nachbereitung waren, Hinweise auf die Auswirkungen möglicher Beobachter:inneneffekte geäußert wurden. So tätigte ein Mitglied der erweiterten Schulleitung die Aussage, dass die Anwesenheit der Forschenden einen positiven Einfluss auf den Schulalltag gehabt hätte, da diese »mit ihrer Aura gewirkt« hätte. Wie sich diese Wirkung ausgestaltet hat resp. woran dies festgemacht wurde, konnte leider im Rahmen des Shadowings nicht erschlossen werden. An anderer Stelle wies der Shadowee selbst daraufhin, dass es ihm schwerfalle, zu akzeptieren, dass er viele Geschehnisse und Entwicklungen in seinem Alltag nicht kontrollieren könne, wodurch nach Bussel (2020) und Tulowitzki (2019) das Risiko für Beobachter:inneneffekte wiederum als gering einzustufen ist. Festgehalten werden muss an dieser Stelle jedoch, dass selbst bei einem geringen Risiko für Beobachter:inneneffekte diese keinesfalls ausgeblendet oder negiert werden können, da durch die gegebene Intersubjektivität des Shadowings stets von einer Wirkung der Forschenden auf das Feld ausgegangen werden muss (Gill, 2011). Insgesamt wurden die Reflexionsgespräche als Teil der Nachbereitung von den Shadowees als positiv bewertet. Weiterhin wiesen die Shadowees in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Shadowing im Gesamten einen Reflexionsanlass für sie darstellte. Für die spätere Aufbereitung der Daten haben sich weiterhin die täglichen und wöchentliche Reflexionen der Forschenden selbst als Stärke des methodischen Vorgehens herausgestellt, da möglichen Erinnerungsverzerrungen hiermit vorgebeugt werden konnte. Zuletzt muss noch auf ethische Aspekte von Shadowing Bezug genommen werden: Im Rahmen des methodischen Vorgehens wurden in Anlehnung an Johnson (2014, S. 27ff.) verschiedene Schritte unternommen, sowohl in der Vorbereitung als auch der Durchführung des Shadowings, um ethische Aspekte zu berücksichtigen (siehe Kapitel 6.1.2). Trotz dieser Vorkehrungen und des Briefings der Shadowees, muss davon ausgegangen werden, dass die Anwesenheit der Forschenden einen Einfluss nicht nur auf den Berufsalltag der Schulleitenden hatte, sondern auch auf jene, die mit den Schulleitenden zusammenarbeiteten bzw. die in deren Arbeitskontext mit der Forschenden in Kontakt kamen. Da der Ausschluss der Forschenden einmal durch die Schulaufsicht und einmal durch eine Lehrperson erfolgte, kann jedoch ausgeschlossen werden, dass diese sich durch die Genehmigung des Shadowings durch die Schulleitenden zur Kooperation genötigt gefühlt haben. Gegenteilig wurde die Forschende auf Parkplätzen oder in Gängen sogar gezielt von Lehrpersonen

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angesprochen mit der Anfrage, ob ihnen nicht auch gefolgt werden könne, um auch ihre Perspektive in der aktuellen Situation sichtbar zu machen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl die Vorteile von Shadowing als auch jene Herausforderungen, welche bereits in der bisherigen Literatur zu Shadowing diskutiert wurden (siehe Kapitel 6.1.1), auch während des Forschungsprozesses der vorliegenden Studie sichtbar wurden. Durch das gewählte forschungspraktische Vorgehen konnte einer Vielzahl von Herausforderungen produktiv begegnet werden, sodass die Erhebung und das gewonnene Datenmaterial als Erfolg gewertet werden können.

Facettenreiche Phänomene ǀ Phänomenologische Analyse als Auswertungsmethodik Das Vorgehen bei der Datenauswertung im Sinne einer Phänomenologischen Analyse hat sich für die vorliegende Arbeit als gewinnbringend herausgestellt. Durch die explorative, tentative Annäherung an das Datenmaterial konnten verschiedene Facetten von Schulleitendenhandeln und digitalisierungsbezogenen Facetten identifiziert werden. Gleichwohl das Vorgehen auf keine objektive Generalisierbarkeit zielen kann, wurde dennoch ein argumentativer resp. intuitiver Nachvollzug geschaffen. Obgleich kritisch angemerkt werden kann, dass sich die Analysen auf Beschreibungen aus lediglich zwei Shadowingphasen stützen, ermöglichte die umfassende Datenerhebung im Rahmen des Shadowings das Erfassen einer Vielzahl an Beispielen und Phänomenfacetten, welche eine umfangreiche Analyse und tentative Annäherung an die verschiedenen Phänomene ermöglichte. Durch die Analyse der exemplarischen Deskriptionen, zunächst für jeden Shadowee einzeln, anschließend schulleitendenübergreifend (Yin, 2018), gelang es, Wesensstrukturen der Phänomen(-facetten) von den einzelnen Schulleitenden zu lösen und im Zuge der ideirenden Variation näher zu bestimmen. Dennoch erscheint für zukünftige Forschungsvorhaben der Einbezug einer größeren Anzahl von Shadowees als interessant, deren Begleitung die skizzierten Phänomene anreichern, verwerfen, oder auch ergänzen könnten. Eine weitere Limitation der Auswertungsmethodik stellt die Subjektivität der Forschenden dar. Obwohl durch den phänomenologischen Dreischritt eine systematische Offenlegung und Reflexion eigener Vorannahmen erfolgt, kann eine subjektive Färbung der Ergebnisse durch die Forschende nicht ausgeschlossen werden. Um Risiken einer solchen Färbung abzumildern, wurden die analysierten Deskriptionen partiell anderen Wissenschaftler:innen vorgestellt resp. diese gemeinsam diskutiert. Leider war eine durchgehende Analyse des Datenmaterials unter Einbezug Anderer im Rahmen des Promotionsprojektes aus forschungsökonomischen Gründen nicht möglich, sollte aber in zukünftigen Forschungsvorhaben angedacht werden.

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Zur Güte ǀ Abschließende Betrachtung des Gesamtvorgehens Abschließend steht noch eine Betrachtung allgemeiner Gütekriterien (bspw. Flick, 2016; Mayring, 2002; Strübing et al., 2018) aus, an welchen es qualitative Forschungsvorhaben zu messen gilt. Hierbei handelt es sich nach Mayring (2002, S. 140ff.) um die Kriterien der (1) Verfahrungsdokumentation, (2) Argumentativen Interpretationsabsicherung, (3) Regelgeleitetheit, (4) Nähe zum Gegenstand, (5) Kommunikativen Validierung sowie der (6) Triangulation. Um der Komplexität des im Rahmen dieser Studie explorierten Forschungsfeldes gerecht werden zu können, bedarf es zusätzlich zu diesen Kriterien noch einer Offenheit als Hauptprinzip qualitativer Forschung (Flick, 2016; Mayring, 2002), welche in ihrer Bedeutung gleichwertig neben den zuvor genannten Gütekriterien steht. Daher soll die Berücksichtigung des Prinzips der Offenheit hier ebenfalls ergänzend ausgeführt werden. Obgleich diese Kriterien interpretativ ausgewertet werden, bedarf es einer Offenlegung ihrer Berücksichtigung während des Forschungsprozesses. Daher wird abschließend auf die einzelnen Gütekriterien Bezug genommen und deren Berücksichtigung im Rahmen der vorliegenden Studie reflektiert. Im Rahmen der Verfahrungsdokumentation gilt es, zunächst den Forschungsprozess nachvollziehbar zu dokumentieren und zu explizieren (Mayring, 2002). Durch die Darlegung des Forschungsrahmens (siehe Kapitel 1), des Forschungsinteresses sowie bisheriger Forschungsarbeiten im Themengebiet (siehe Kapitel 2 sowie Kapitel 3), denen sich daraus ergebenden Forschungsfragen (siehe Kapitel 4) sowie der theoretischen sowie methodologischen Verortung (siehe Kapitel 5) wurde dafür Sorge getragen, die der Arbeit zugrundeliegenden Vorarbeiten und -annahmen nachvollziehbar zu erläutern. Eine detaillierte Schilderung des Vorgehens im Rahmen der Empirie, in Form der Methodenwahl (siehe Kapitel 6.1 sowie Kapitel 7.1), -durchführung (siehe Kapitel 6.1.1 sowie Kapitel 7.1.2) und der Wahl und dem Einsatz der Auswertungsstrategien (siehe Kapitel 6.2 sowie Kapitel 7.2) trug weiterhin zur Dokumentation und intersubjektiven Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses bei. Eine argumentative Interpretationsabsicherung (Mayring, 2002) wurde im Rahmen der Arbeit durch das konsensuale Kodieren der Expert:inneninterviews einerseits und dem partiellen Einbezug anderer Wissenschaftler:innen im Rahmen der Phänomenologischen Analyse andererseits erzielt. Weiterhin wurde durch dieses Heranziehen weiterer Personen während des Forschungsprozesses, aber auch durch die Vorstellung der Forschungsergebnisse auf (inter-)nationalen Tagungen auch dem Kriterium der kommunikativen Validierung (Mayring, 2002, S. 147) Folge geleistet. Das Kriterium der Regelgeleitetheit, im Sinne eines systematischen Vorgehens bei der Erhebung und Auswertung von Datenmaterial (Mayring, 2002), wurde durch die systematische Planung und Durchführung des empirischen Vorgehens während des gesamten Forschungsprozesse berücksichtigt. Dies betrifft neben der Planung

9. Diskussion ǀ Anschlüsse

und Durchführung des systematischen Reviews (siehe Krein, 2023), einerseits das systemische Vorgehen bei der Planung und Durchführung der Expert:inneninterviews sowie ihrer Auswertung im Rahmen der qualitativen inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse und der damit verbundenen Einzelschritte (siehe Kapitel 6.2). Andererseits wurde auch im Zuge der zweiten Teilstudie eine systematische Planung, Durchführung und Nachbereitung von Shadowing vollzogen (siehe Kapitel 7.1), als auch bei der Phänomenologischen Analyse (siehe Kapitel 7.2) auf ein regelgeleitetes Vorgehen geachtet. Durch die Begleitung der Schulleitenden in deren originärem Berufsalltag und die wöchentlichen Reflexionen, welche die Schulleitenden ebenfalls als Reflexionsgrundlage nutzen konnten, wurde weiterhin eine Nähe zum Forschungsinteresse (»Gegenstandsangemessenheit«, Mayring, 2002) geschaffen. Hinsichtlich der Triangulation (siehe Flick, 2016, S. 519ff.; Mayring, 2002, S. 147f.) als Gütekriterium für die Qualität der vorliegenden Forschung wurde, durch die Integration unterschiedlicher Theorieansätze und Methoden, eine Verbindung von Zugängen und Perspektiven unternommen. Schon das Shadowing selbst als Multimethodenkomplex ermöglichte es, verschiedene Datenquellen zu erschließen und diese für die Exploration der digitalisierungsbezogenen Bedingungen und des Schulleitendenhandelns zu triangulieren. Das letzte und an dieser Stelle zu ergänzende Gütekriterium ist das der Offenheit. Diesem Kriterium wurde in verschiedener Hinsicht Folge geleistet: Zunächst wurde bei der Wahl und Adaption der sensibilisierenden Konzepte (Blumer, 1954; siehe Kapitel 5.1) darauf geachtet, diese nicht als gegeben anzusehen, sondern sie in der Zuwendung zum Erkenntnisinteresse der Arbeit als offen und veränderbar zu betrachten. Weiterhin wurde auf Ebene des Forschungsdesigns eine Offenheit für mögliche Anpassungen gewahrt, welche durch die pandemische Situation notwendig waren. So wurde der Zeitraum beider Shadowingphasen mehrfach verschoben, bis eine Anwesenheit der Forschenden in den Schulen möglich war. Ebenso wurde durch das Zusammenspiel beider Teilstudien eine mögliche Anpassung des geplanten Vorgehens durch Erkenntnisse der ersten Teilstudie ermöglicht, sodass auch hier die notwendige Flexibilität hinsichtlich des Forschungsvorgehens gewahrt blieb. Aber auch auf Ebene der einzelnen empirischen Schritte wurde auf Offenheit geachtet: So wurde einerseits durch die Nutzung des halb-strukturierten Leitfadens eine Offenheit bei der Durchführung der Expert:inneninterviews beibehalten (siehe Kapitel 6.1.1). Andererseits erfolgte im Rahmen der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse neben einer a-priori Kategorienbildung auch eine induktive Kategorienbildung, die eine Ergänzung des Kategoriensystems durch die Perspektive der Schulleitenden erlaubte (siehe Kapitel 6.2.1). Weiterhin wurde durch die offene Beobachtungsform im Rahmen des Shadowings und die Wahl der Phänomenologischen Analyse eine Offenheit gegenüber sich zeigenden Phänomenen im Forschungsfeld gewahrt (siehe Kapitel 7.1 sowie Kapitel 7.2).

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Vor dem Hintergrund der eben dargelegten Gedanken und Handlungen zur Berücksichtigung der genannten Gütekriterien qualitativen Forschens kann die Güte der vorliegenden Dissertation als angemessen bewertet werden. Wenngleich die vorliegende Studie mit dieser Einschätzung als beendet anzusehen ist, kann sie ebenso als Beginn weiterführender Arbeiten betrachtet werden. Implikationen für ebensolche Weiterführungen lassen sich sowohl auf theoretischer, empirischer als auch praktischer Ebene finden und sollen nachfolgend ausgeführt werden.

9.3 Anschlüsse an Forschung und Praxis Wie in den Ausführungen der Ergebnisse bereits ersichtlich wurde, bieten diese verschiedene Anschlussmöglichkeiten an theoretische Auseinandersetzungen sowie bereits bestehende Forschungsfelder resp. -arbeiten. Gleichermaßen regt alleinig die Rezeption der dargebotenen Ergebnisse zu weiteren interpretativen Gedanken an und erschließt auch Implikationen für Folgeuntersuchungen. Mögliche Beispiele solcher Implikationen, welche sowohl die Ergebnisse der vorliegenden Studie (siehe Kapitel 6 und Kapitel 8), als auch die der Arbeit zugrundeliegenden Theorien und Methoden eröffnen, sollen im nachfolgenden Abschnitt ausgeführt werden, um Anschlussmöglichkeiten an Forschung und Praxis aufzuzeigen. Dabei wird zwischen Implikationen resp. Anschlüssen auf Ebene zukünftiger Forschung sowie auf Praxisebene unterschieden.

Implikationen für zukünftige Forschung Neben den vorab ausgeführten Anschlüssen und Implikationen an bestehende Forschungsarbeiten (siehe Kapitel 9.1) bietet die vorliegende Arbeit auch Implikationen für zukünftige Forschungsvorhaben, welche nachfolgend exemplarisch vorgestellt werden: Wie in der Diskussion des methodischen Vorgehens bereits thematisiert wurde, handelte es sich bei der Auswahl der Shadowees um lediglich zwei männliche Schulleitende eines Bundeslandes. Zwar war dies aus forschungsökonomischer Perspektive eine notwendige Beschränkung, trotz der eine Vielzahl wertvoller Erkenntnisse gewonnen werden konnte, dennoch erscheint es für zukünftige Forschungsvorhaben wertvoll, die Anzahl und Diversität der Shadowee zu erhöhen. Die Begleitung einer höheren Anzahl an Schulleitenden mit unterschiedlichen Qualifikationen, Geschlechtern, Berufserfahrungen, aber auch eine bundesland-, standort- und schulformübergreifende Begleitung könnte – unter Voraussetzung der gegebenen Ressourcen – für die weitere Erschließung digitalisierungsbezogener Bedingungen, aber auch des Arbeitsalltags von Schulleitenden allgemein zielführend sein. Dabei könnten beispielsweise strukturelle und schulformspezifische Bedingungen von Schulleitendenhandeln exploriert werden oder auch

9. Diskussion ǀ Anschlüsse

Geschlechtereffekte sowie diversitätsbezogene Aspekte untersucht werden, womit sich Anschlüsse an bestehende internationale Forschungsarbeiten im Gebiet der Gender- und Intersektionalitätsforschung im Kontext von Schulleitung bieten (zu Gender und Feminismus im Kontext von Educational Leadership siehe jüngst Fuller, 2022; zu Geschlechterunterschieden z.B. Abonyi et al., 2022; Bush, 2021; Kraul & Hoff, 2005; Miller, 2001; Tierno-García et al., 2020; für Forschungsarbeiten im Kontext von Intersektionalität und Schulleitung siehe z.B. Fuller, 2018; Moorosi et al., 2018). Weiterhin erscheint auch eine dezidierte Untersuchung des gemeinschaftlichen Handelns von Schulleitenden von hohem Interesse, um empirisch fundierte Aussagen über das (kollaborative) Handeln von Schulleitungsteams treffen zu können – auch im digitalen Raum. Zwar hat die vorliegende Untersuchung einen ersten Einblick auf das Handeln von Schulleitenden im digitalen Raum ermöglicht, jedoch gilt es auch dies in zukünftiger Forschung zu forcieren. Denn vor dem Hintergrund aktueller Studien, die beispielsweise die Nutzung von Social Media durch Schulleitende betrachten (siehe beispielsweise Brown & Jacobsen, 2016; Cho & Jimerson, 2017), wäre dann nicht nur interessant, zu erfahren, was einzelne Schulleitende inhaltlicher Art via Social Media teilen, sondern auch, welche (neuen) Formen der (außerschulischen) Kooperation und Zusammenarbeit über soziale Netzwerke benannt, berichtet und auch sichtbar gemacht werden (können). Berücksichtigt man zudem, dass solche Formen des Austauschs, etwa durch die Adaption gemeinsamer Konzepte, wiederum Auswirkungen auf die Arbeit von Schulleitenden vor Ort haben, ergibt sich eine Interdependenz zwischen digitaler und nicht-digitaler Schulleitendenarbeit. Durch die zeitliche und räumliche Entgrenzung von (Kommunikations-)Räumen (siehe Kapitel 8.2.2) ergeben sich folglich neue Möglichkeiten von Zusammenarbeit – und damit auch neue Handlungsoptionen und Tätigkeitsfelder. Aspekte wie diese könnten mittels Methoden einer nethnography (Koszinets et al., 2018) gewinnbringend erörtert werden. Neben der Nutzung weiterer methodischer Zugänge bietet aber auch die Umsetzung des Shadowings, so wie sie im Rahmen der Studie erfolgte, Implikationen für zukünftige Forschung: Wie die Annäherung an den Begriff und den Multimethodenkomplex gezeigt haben (siehe Kapitel 7.1.1), wird der Begriff des Shadowings in der bisherigen methodologischen Auseinandersetzung weitestgehend ohne einheitliches Verständnis dessen, welche Methoden ›Shadowing‹ umfasst resp. bezeichnet, verwendet. Eine kritische Auseinandersetzung mit bisherigen Arbeiten und eine Integration resp. Weiterentwicklung bestehender Ansätze hat sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit als sehr fruchtbar erwiesen, kann aber auch nach Beenden dieser Studie nicht als abgeschlossen gelten. So gilt es auch vor dem Hintergrund der verschiedenen Herausforderungen und der Güte von Shadowing als Forschungszugang, eine kritische methodologische Auseinandersetzung, basierend auf bisherigen Arbeiten, voranzutreiben. Dies würde einen großen Beitrag

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zur Erschließung des Potenzials von Shadowing als Forschungszugang resp. Multimethodenkomplex leisten. In diesem Kontext sollte zukünftig auch der Einsatz von Shadowing in unterschiedlichen Forschungsdesigns jenseits des Diskurses, ob es sich um eine qualitative oder quantitative Methode oder Zugang handelt, kritisch geprüft werden. Durchaus denkbar wäre hier beispielsweise die Integration von Shadowing in Mixed-Method-Designs, im Rahmen derer quantitative Forschungsergebnisse durch jene des Shadowings gewinnbringend ergänzt und vertieft werden könnten. Denn gerade die herausgestellten simultanen Handlungen von Schulleitenden und die aufgezeigte Entgrenzung von Aufgaben und Handlungen stellen gewinnbringende Erkenntnisse dar, welche durch die Erhebung von Selbstberichtsdaten nur schwer zu erhalten sind. In diesem Kontext sollte Shadowing dabei, im Hinblick auf den Befund, dass sich der Berufsalltag von Schulleitenden höchst heterogen gestaltet und daher nicht von ›einem typischen Schulleitungstag‹ ausgegangen werden kann, über einen Zeitraum von mindestens mehreren Wochen angestrebt werden. Als relevant stellt sich außerdem die Diskussion von Shadowing unter leibphänomenologischer Perspektive heraus, welche aufgrund des gebotenen Fokus im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt werden konnte. Denn wie sich deutlich gezeigt hat, eignet sich Shadowing in besonderem Maße, um Erfahrungen, dynamisches Handeln und Geschehnisse in Ort und Zeit mit-zuerleben. Die besondere Körperlichkeit der Erfahrung, welche vorab in Kürze bereits ausgeführt wurde, eröffnet hierbei eine weitere Ebene, welche über das bloße Beobachten von Situationen weit hinausreicht. Unter leibphänomenologischer Perspektive, welche den Leib als Vollzugsinstanz eines sinnhaft wahrnehmenden und aktiven Zur-Welt-Seins betrachtet (siehe zur Leibphänomenologie: Merleau-Ponty, 1974; Meyer-Drawe, 1984), könnte diese Körperlichkeit tiefergehend berücksichtigt und theoretisch resp. methodologisch reflektiert und diskutiert werden. Auch würde sich vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Arbeit anbieten, Belastungen und gesundheitliche Aspekte von Schulleitenden zu untersuchen. So zeigte auch jüngst eine Studie von Dadaczynsk und Kolleg:innen (2021) auf, dass Schulleitende – hier vor allem während der Coronapandemie – von erhöhten Belastungen und gesundheitlichen Probleme, wie beispielsweise ein erhöhtes Stressempfinden, berichten (siehe auch Feldhoff et al., 2022). Vor dem Hintergrund der aufgezeigten beschleunigten, panoptischen oder auch über-walteten Bedingungen von Schulleitendenhandeln (siehe Kapitel 8.2) und den jeweils damit einhergehenden spezifischen Belastungen, gewinnt dies im Hinblick auf die Gesundheitsförderung von Schulleitenden an Relevanz. Dennoch sind Schulleitende bislang in der allgemeinen Gesundheitsforschung sowie in der Forschung zur schulischen Gesundheitsförderung und Prävention deutlich unterrepräsentiert (Dadaczynski et al., 2021; siehe auch Dadaczynski & Paulus, 2016); für die Schulpädagogik lässt sich für diesen Forschungsbereich gar ein Forschungsde-

9. Diskussion ǀ Anschlüsse

siderat konstatieren. Dies eröffnet ein Forschungsfeld an der interdisziplinären Schnittstelle von Schulpädagogik und Gesundheitsforschung sowie, je nach Fokus der Untersuchung, weiteren Disziplinen. So würde eine dezidierte Betrachtung digitalisierungsbezogener Belastungen von Schulleitenden auch Anschlüsse an die Medienpädagogik bieten. Weitere Anschlüsse an interdisziplinäre Forschungsarbeiten eröffnet die herausgearbeitete Relevanz der (Generierung, Weitergabe und) Nutzung von Daten durch Schulleitende. Diese schließt an Forschungsarbeiten rund um eine Datafizierung von Schule (Jarke & Breiter, 2019) und eine datengestützte bzw. -gesteuerte Entscheidungsfindung3 im Schulkontext an (Brauckmann & Böse, 2018), welche zuvorderst in englischsprachigen Diskursen bereits seit Langem Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten ist (siehe hierzu z.B. Bowers et al., 2014; Datnow & Park, 2014; Mandinach, 2012; Schildkamp, 2019; Selwyn, 2016; Young et al., 2018). Eine ethnographische Untersuchung von Datenhandeln von Schulleitenden könnte in diesem Kontext beispielsweise Aufschluss darüber geben, wie digitale Daten konkret für die Leitung und Entwicklung einer Schule genutzt werden – fernab von (bildungspolitischen und programmatischen) Anforderungen und Empfehlungen. Dabei könnten sowohl Potenziale schulleiterischen Datenhandelns sichtbar werden als auch Herausforderungen, wie eine mangelnde Qualifikation auf Seiten der Schulleitenden oder ethische Aspekte, wie sie sich im Schulleitendenhandeln unter panoptischen Bedingungen (Kapitel 8.2.3; siehe auch Brauckmann & Böse, 2018) gezeigt haben. Dies wiederrum erscheint für eine Vielzahl von Fragen relevant, die unter Konzepten wie »Data Literacy« (siehe hierzu z.B. Mandinach & Gummer, 2013; Pangrazio & Sefton-Green, 2019; Pangrazio & Selwyn; 2018) diskutiert werden. Eine holistische Erfassung des Datenhandeln von Schulleitenden würde damit bisherige empirische Befunde, welche meist auf Selbstberichtsdaten basieren, gewinnbringend ergänzen und bietet demnach auch für dieses Forschungsfeld an der Schnittstelle von Schulleitungsforschung, Medienpädagogik und Informationsmanagement zahlreiche Implikationen. Solche interdisziplinären Forschungsfelder, wie die soeben exemplarisch skizzierten, gilt es, zukünftig auszubauen. Zuletzt hat die vorliegende Studie noch auf die hohe Relevanz der Professionalisierung von Schulleitenden, gerade für neue Rollen und Aufgaben, hingewiesen. Wenngleich im folgenden Abschnitt Implikationen für die Professionalisierung von Schulleitenden formuliert werden, sei an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, dass es sich bei der Professionalisierung von Schulleitenden um ein weiteres Desiderat der Schulleitungsforschung handelt. Denn neben den Befunden zur

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In der englischsprachigen Literatur finden sich für dieses Forschungsfeld verschiedene Bezeichnungen resp. Konzepte, wie beispielsweise data-informed decision making (DIDM), data-driven decision making (DDDM) oder auch data-based decision making (DBDM) (Young et al., 2018)

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höchst heterogenen Professionalisierung und Qualifizierung von Schulleitenden in Deutschland (z.B. Tulowitzki et al., 2019) und ersten, wenigen Befunden über die Relevanz verschiedener Formate hierbei (siehe Cramer et al., 2021; Schwanenberg et al., 2018) ist bislang nur in unzureichendem Maße geklärt, wie sich Schulleitende für ihre unterschiedlichen Aufgaben professionalisieren. Die Betrachtung individueller Formate von Professionalisierung, wie sie in der interaktionistischen Professionstheorie (Kapitel 5.1.1) akzentuiert wird, stellt hierbei einen gewinnversprechenden Zugang dar. Hiermit könnte forschungsseitig ein Perspektivwechsel evoziert werden, der neue Erkenntnisse für eine Professionalisierung von Schulleitenden jenseits generischer Kompetenzmodelle bietet.

Implikationen für die Praxis und Professionalisierung von Schulleitenden Neben den soeben aufgeführten Implikationen für zukünftige Forschungsvorhaben bieten die Ergebnisse der vorliegenden Studie auch praxisorientierte Anschlüsse. So lassen sich für die Professionalisierung von Schulleitenden gleich mehrere Anschlüsse ausmachen: Einerseits eröffnen sich durch die Betrachtung des konkreten Handelns von Schulleitenden und den darin sichtbar gewordenen Herausforderungen neue Bereiche auf inhaltlicher Ebene. Beispielhaft kann hier der Bereich der Gesundheitsförderung genannt werden, im Rahmen dessen eine Bewältigung von Belastungstendenzen behandelt und beispielsweise zur Verfügung stehende schulinterne und -externe Strukturen und Ressourcen offenzulegen wären (hierzu auch Brauckmann-Sajkiewicz et al., 2022), welche nicht nur auf eine Bewältigung von Aufgaben und Ansprüchen während des Arbeitsalltages zielen, sondern auch bewusst jene beschriebenen Entgrenzungstendenzen fokussieren. Relevant werden in diesem Kontext auch der Umgang mit Belastungen, welche sich in Lebensbereiche jenseits der Arbeit ausweiten, und Aspekte einer (wiederkehrenden) Deökonomisierung des Feierabends adressieren. Andererseits gilt es aber auch, Schulleitende gezielt für konkrete (neue) Aufgaben zu professionalisieren und damit zu entlasten, anstatt sie einem »learning by doing« zu überlassen. Wie anhand der vorgestellten Ergebnisse deutlich wurde, handelt es sich dabei beispielsweise um den ethisch-reflektierten Umgang mit Daten, welche die bloßen Forderungen einer governanceorientierten Perspektive nach datengestützten Entscheidungs- und Handlungsprozessen von Schulleitenden überschreiten bzw. neue Ebenen hiervon eröffnen. Neben Potenzialen, die die Generierung und Nutzung von Daten für das Handeln von Schulleitenden und die Gestaltung von Schule haben, wird gleichzeitig auch die Sensibilisierung von Schulleitenden bezüglich ihres eigenen Datenhandelns relevant (Jornitz & Macgilchrist, 2021). Wie die hier präsentierten Ergebnisse, zuvorderst jene mit Bezug zu Herausforderungen von Schulleitenden, aufzeigen, gilt es künftig, in Anlehnung an die inter-

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aktionistische Professionstheorie (siehe Kapitel 5.1.1) im Rahmen von Professionalisierungsmaßnahmen einen geschärften Fokus auf das konkrete Handeln und darin sichtbar werdende Herausforderungen von Schulleitenden zu legen. Dies ermöglicht es, entsprechende Professionalisierungsmaßnahmen an den Berufsalltag von Schulleitenden anzupassen und von Theoretisierungen und Diskursen um mögliche Kompetenz(hüll)en zu lösen. So stehen Akteur:innen der Schulleitendenprofessionalisierung vor der anspruchsvollen Aufgabe, Schulleitende für die Facetten ihres Handelns unter den Bedingungen von Digitalität bedarfsadäquat vorzubereiten resp. sie bei der Bewältigung (neuer) Aufgaben und Zuständigkeiten zu unterstützen.

9.4 Coda Schulleitenden obliegen als zentrale Akteur:innen für Schule und deren Entwicklung eine Vielzahl von Verantwortungs- und Aufgabenbereichen – gleichzeitig tangieren gesellschaftliche Transformationsprozesse auch ihren eigenen Berufsalltng und ihr Handeln. So konnte die vorliegende Arbeit anhand der Digitalisierung aufzeigen, dass sich Transformationsprozesse und Phänomene, die gesamtgesellschaftlich diskutiert werden, auch im konkreten Alltag von Schulleitenden zeigen und diesen bedingen. Die vorliegende Dissertation trägt mit den vorgestellten Ergebnissen nicht nur zur Schulleitungsforschung und an ihr verwandten (Teil-)Disziplinen bei, sondern bietet auch eine Vielzahl an Implikationen für die Schulleitungsforschung, Schulleitende selbst sowie für Akteur:innen, welche an Schulleitung beteiligt sind. Gleichwohl sich die Arbeit auf jene Bedingungen des Schulleitendenhandelns beschränkt, welche in Verbindung zum Digitalen stehen, bieten die Ergebnisse auch darüber hinaus Einblicke und damit ein verbessertes Verständnis davon, was es heißt, in einer digital durchdrungenen Gesellschaft als Schulleitende:r tätig zu sein. Die dargestellten Erkenntnisse können damit auch zur Reflexion bestehender Annahmen hinsichtlich der Tätigkeiten und des Berufsalltags von Schulleitenden anregen. Die aufgezeigten Anschlüsse an zukünftige Forschungsvorhaben können aber nur als Blitzlicht all jener wissenschaftlicher Auseinandersetzungen verstanden werden, die nach Abschluss dieser Arbeit offen erscheinen. Alleinig vor dem Hintergrund, welche Handlungen und Situationsspezifika schon während des Shadowings nicht erfasst wurden, da diese die notwendige Erhebungsfokussierung überschritten, geschweige denn der enormen Menge an Daten, welche noch lange nicht ausschöpfend ausgewertet wurde, wird deutlich, welche Bedarfe, aber auch Potentiale für weitere Forschung bestehen. Denn wie genau arbeiten Schulleitende sowohl innerschulisch als auch schulübergreifend zusammen, was in wissenschaftlichen Abhandlungen häufig gefordert wird? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit

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von Schulleitenden mit außerschulischen Akteur:innen wie Schulträgern oder auch Vereinen? Wie kann eine bedarfsadäquate Professionalisierung von Schulleitenden aussehen? Und wie kann diese von Akteur:innen entworfen und empfohlen werden, welche Schulleitung nicht selbst erlebt haben? Diesen und vielen weiteren Fragen nachzugehen, ist Aufgabe zukünftiger Untersuchungen.

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Anhang

Aus Gründen der Nachhaltigkeit wird darauf verzichtet, den umfangreichen Anhang der Arbeit hier in gedruckter Fassung beizulegen. Eine Einsicht in die Materialien und Dokumente, für welche vorab auf den Anhang verwiesen wurde, kann bei der Autorin erfragt werden.

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