Rudolf Gerber und die Anfänge der Gluck-Gesamtausgabe 3515112480, 9783515112482

In besonderer Deutlichkeit lassen sich an der Gründung der Gluck-Edition Spezifika von Musikforschung im „Dritten Reich&

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Michael Custodis: Rudolf Gerber und die Anfängeder Gluck-Gesamtausgabe
I.
II.
III.
Anhang
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Rudolf Gerber und die Anfänge der Gluck-Gesamtausgabe
 3515112480, 9783515112482

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Rudolf Gerber und die Anfänge der Gluck-Gesamtausgabe

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER LITERATUR • MAINZ FRANZ STEINER VERLAG • STUTTGART

Geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse

Michael Custodis

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER LITERATUR Abhandlungen der Geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse Jahrgang 2015 Nr. 6

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Michael Custodis

Rudolf Gerber und die Anfänge der Gluck-Gesamtausgabe

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AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER LITERATUR MAINZ FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART

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Eingereicht am 25. August 2015, zum Druck genehmigt am selben Tag, ausgegeben am 14. Dezember 2015.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN: 978-3-515-11248-2

© 2015 by Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz

Alle Rechte einschließlich des Rechts zur Vervielfältigung, zur Einspeisung in elektronische Systeme sowie der Übersetzung vorbehalten. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne ausdrückliche Genehmigung der Akademie und des Verlages unzulässig und strafbar. Druck: Druckerei & Verlag Steinmeier GmbH & Co. KG, Deiningen Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany

Nähert man sich der Geschichte der deutschsprachigen Musikwissenschaft als akademischer Disziplin, um entlang wesentlicher Entwicklungslinien Konstanten wie Varianten im Denken über Musik und ihrer wissenschaftlichen Beschreibung zu rekonstruieren, gerät bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein Charakteristikum in den Blick, dass über alle politischen, sozialen und fachlichen Veränderungen hinweg für mehr als einhundert Jahre relativ intakt blieb: die aus einer philologischen Methodenpräferenz entstandene Editionspraxis. Zum einen nahm man mit großer Geste in Korrelation zum bürgerlichen Patriotismus das Gesamtschaffen von Komponisten in den Blick, die zum Kernbestand tradierter deutscher Musikkultur erklärt wurden, so dass ihr Werk idealtypisch in aller Vollständigkeit in einer kritischen Gesamtausgabe zusammengefasst werden sollte; als ein Musterfall gilt hier die von der Leipziger Bach-Gesellschaft 1850 initiierte Edition. Zum anderen entstanden mit Reihen wie Denkmäler Deutscher Tonkunst, Denkmäler der Tonkunst in Bayern bzw. Österreich Publikationsunternehmen,1 die den kompilierten Werken eine gemeinsame kulturelle Identität unterstellten und sie im Sinne einer musikhis­ torischen Ahnenreihe kanonisierten. In seltener Deutlichkeit überkreuzten sich bei diesen Editionsprojekten Personengeschichten führender Musikwissenschaftler mit Forschungsprämissen, Themenpräferenzen und Methodentraditionen. In Forschungsergebnisse großangeleg­ ter Langzeiteditionen übersetzen ließen sich diese Interessen allerdings erst, wenn entsprechende finanzielle Ressourcen erschlossen werden konnten. Und während Großprojekte wie die Bach-Gesamtausgabe noch auf den Bedarf einer großen, musikinteressierten Öffentlichkeit und ihrer Musikfeste mit einem Subventionssystem reagierten,2 waren die meisten der folgenden Editionen ohne staatliche Förderung 1 Wolfgang Schmieder, Artikel Gesamtausgaben, in: MGG 4, Kassel et al. 1955, Sp. 1850f. sowie Dietrich Berke und Wolfgang Schmieder, Denkmäler und Gesamtausgaben, in: MGG2, Sachteil 2, Kassel et al. 1995, Sp. 1109f. 2 Mark Burford, Nationalism, liberalism, and commemorative practice. A tale of two 19th-century Bach editions, in: Music’s intellectual history, New York 2009; Karen Lehmann, Die Anfänge einer Bach-Gesamtausgabe. Editionen der Klavierwerke durch Hoffmeister und Kühnel (Bureau de Musique) und C.F. Peters in Leipzig 1801-1865, Leipzig und Hildesheim 2002; HansJoachim Hinrichsen, Die Bach-Gesamtausgabe und die Kontroversen um die Aufführungspraxis der Vokalwerke, in: Bach und die Nachwelt. Band 2 1850-1900, hg. von Michael Heinemann und demselben, Laaber 1999.

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nicht realisierbar. Voraussetzung einer erfolgreichen Akquise langfristiger Ressourcen war die wissenschaftliche Bestätigung kulturpolitischer Leitlinien, in diesen Fällen des Wilhelminischen Staates. Dass sich die konservativen akademischen Eliten ohnehin mit der Leitkultur des deutschen Kaiserreiches identifizierten, dokumentierten sie in wirkmächtigen Biografien.3 Während den Editionen somit keine ideologischen Kompromisse im Wege standen,4 erscheinen die politischen Entstehungsumstände einiger dieser Langzeitunternehmen aus heutiger Sicht wesentlich problematischer, wie am Beispiel der Gluck-Gesamtausgabe zu zeigen sein wird. Nach der Wende zum 20. Jahrhundert verfügten die meisten der neubegonnenen oder weitergeführten Gesamtausgaben über keine Anbindung zum praktischen Musikleben im Sinne einer selbstständigen Präsenz der entsprechenden Werke in den Spielplänen von Konzert- und Opernhäusern. Als Liebhaberunternehmungen musikbegeisterter Laien und Wissenschaftler waren sie vielmehr dem Wunsch entsprungen, ehemals prominente oder nur durch Werkausschnitte bekannte Künstler im Kanon der bürgerlichen Musikkultur zu etablieren. Um im Detail nachvollziehen zu können, wie erstens aus Arbeitsschwerpunkten einzelner Protagonisten und Kollektivinteressen von Fachverbänden und Verlagen gemeinsame Forschungsschwerpunkte sich entwickelten, wie diese zweitens bei Wissenschaftsorganisationen und staatlichen Kulturinstanzen platziert werden konnten und drittens solche Forschungsziele über politische Systemwechsel hinweg relativ intakt blieben, bietet die seit Dezember 1940 mit einer Denkschrift vorbereitete und seit 1951 unter der Leitung von Rudolf Gerber in Karl Vötterles BärenreiterVerlag erscheinende Gluck-Gesamtausgabe ein Fallbeispiel von seltener Deutlichkeit.5 Die hier vorgelegte Darstellung schließt mit der Herausgeberschaft Gerbers. 3 Siehe prototypisch Philipp Spitta, Johann Sebastian Bach (2 Bände), Leipzig 1873 und 1880 sowie dazu Karen Lehmann, Die Idee einer Gesamtausgabe: Projekte und Probleme, in: Bach und die Nachwelt. Band 1 1750-1850, Laaber 1997, S. 262-267 und das Unterkapitel 5.2 Die Nation als Geschichtsgröße bei Frank Hentschel, Bürgerliche Ideologie und Musik. Politik der Musikgeschichtsschreibung in Deutschland 1776-1871, Frankfurt 2006. 4 Celia Applegate und Pamela Potter, Germans as the „People of Music“. Genealogy of an Identity, in: dieselben (Hg.), Music and German National Identity, Chicago 2002, S. 15. 5 Für uneingeschränkte und unvoreingenommene Unterstützung der Recherchen ist folgenden Personen und Institutionen herzlich zu danken: Dr. Gabriele Buschmeier (Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz), Prof. Dr. Gerhard Croll (Universität Salzburg), Dr. Thomas Ertelt und Falk Hartwig (Staatliches Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz, Berlin), Dr. Eva-Marie Felschow (Archiv der Justus-Liebig-Universität Gießen), Dr. Thomas Franke (Niedersächsisches Landesarchiv Hannover), Prof. Dr. Friedrich Geiger (Universität Hamburg), Dr. Vera Grund (Gluck-Gesamtausgabe Forschungsstelle Salzburg), Dr. Ulrich Hunger (Universitätsarchiv Göttingen), Matthias Meissner (Bundesarchiv Berlin), Christine Peters (Stadtarchiv Hannover), Walter Pietrusziak (Archiv der Deutschen Forschungsgemeinschaft), Prof. Dr. Klaus Pietschmann (Johannes Gutenberg-Universität

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Nach dessen Tod im Jahr 1957 führte zunächst sein Mitarbeiter Friedrich-Heinrich Neumann die Gesamtausgabe weiter, nach dessen überraschendem Tod 1959 wurde sie von Gerhard Croll fortgesetzt. Nach Unterstützung durch die VolkswagenStiftung ab 1962, das Bundesministerium für Forschung und Technologie sowie kurzzeitig die Deutsche Forschungsgemeinschaft wurde die Gluck-Gesamtausgabe ab 1979 in das von Bund und Ländern geförderte Akademienprogramm aufgenommen. Seit 1978 ist die Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz Trägerin der Ausgabe.6 Ausgangspunkt der vorliegenden Studie war eine kleine Notiz der von Herbert Gerigk für das Amt Rosenberg der NSDAP herausgegebenen Verbundzeitschrift Musik im Kriege. Dort ist im Winterheft 1943/44 zu lesen, dass vom Staatlichen Institut für Deutsche Musikforschung beim Göttinger Musikhistoriker Rudolf Gerber eine auf 35 Bände kalkulierte Gesamtausgabe der Werke „des großen Musikers Christoph Willibald Gluck“7 in Auftrag gegeben worden sei. Wie konnte ein solches philologisches Großunternehmen im vierten Kriegsjahr auf den Weg gebracht werden? Welchen propagandistischen Mehrwert versprach sich eine Diktatur, die auf der im 19. Jahrhundert postulierten Konstruktion von der Weltgeltung der deutschen Musik zwar beharrte und damit aber vor allem Bach, Beethoven und Wagner assoziierte, von einer Gluck-Edition, um sie der herrschenden rassistischen Leitkultur einzufügen? Zur Beantwortung dieser Fragen ist aus Gründen der Übersichtlichkeit zunächst auf die Verschränkung von Rudolf Gerbers Karriere mit seinem Lebensthema Gluck einzugehen, um anschließend chronologisch den Gang der Ereignisse zu schildern.

I. Rudolf Gerber (1899-1957) war als Schüler Hermann Aberts bereits in der Frühphase seiner akademischen Laufbahn sowohl mit dem Thema Gluck als auch mit der Absicht, diesem Komponisten eine Gesamtausgabe zu widmen, in Berührung gekommen. Weder aber die 1909/10 gegründete und von Abert angeführte Leipziger Gluck-Gesellschaft noch die 1913 von Max Arend ins Leben gerufene DresdMainz), Prof. Dr. Albrecht Riethmüller (Freie Universität Berlin), Prof. Barbara ScheuchVötterle und Patrick Kast (Bärenreiter-Verlag) sowie Yuliya Shein (Gluck-Gesamtausgabe Arbeitsstelle Mainz). 6 Siehe hierzu ausführlich Gabriele Buschmeier, Musikwissenschaft im Akademienprogramm. Eine Bestandsaufnahme von den Anfängen bis heute, in: Archiv für Musikwissenschaft 69 (2012), Heft 4. 7 Musik im Kriege (= Organ des Amtes Musik beim Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP), Dezember 1943/Januar 1944, Heft 9/10, S. 197.

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ner Gluck-Gemeinde waren mit ihren Editionsplänen erfolgreich gewesen.8 Die ersten eigenen Erfahrungen bei einer Gesamtausgabe sammelte Gerber zwischen 1928 und 1935 als Herausgeber dreier Bände der Praetorius-Edition, woraus man rückschließen kann, dass ab dieser Zeit bei ihm die Idee langsam heranreifte, eine Gesamtausgabe für Gluck zu versuchen und diese gründlicher als seine Vorgänger zu planen. Der Beginn von Gerbers Universitätslaufbahn war ähnlich unauffällig wie bei anderen Musikwissenschaftlern seiner Generation: Zum Abschluss seiner Assis­ tentenzeit bei Abert in Berlin absolvierte er in dessen Todesjahr 1928 seine Habilitation. Da er von Aberts Nachfolger Arnold Schering anschließend nicht übernommen wurde, musste er ein halbes Jahr überbrücken,9 bis er als Privatdozent und Direktor des Musikwissenschaftlichen Instituts nach Gießen wechseln konnte. Mit zusätzlichen Lehraufträgen an der Universität in Frankfurt (1933 bis 1935) sowie an der dortigen Musikhochschule als Dozent für Kirchenmusik (bis 1938) schränkte er die Vielzahl seiner Verpflichtungen erst ein, als man ihn 1937 (dem Jahr seines Parteieintritts)10 in Gießen zum planmäßigen außerordentlichen verbeamteten Professor beförderte und er sich fortan noch stärker der Forschung widmete. Seine Verpflichtungen an der Frankfurter Musikhochschule behielt er allerdings bei, um dort von 1938 bis 1943 musikwissenschaftliche Lehrveranstaltungen abzuhalten. Vermutlich aus Kapazitätsgründen endeten diese zeitgleich mit seiner Berufung zum Ordinarius nach Göttingen, zumal er bis kurz vor Kriegsende seine alte Stelle in Gießen zusätzlich weiterhin vertrat.11 Für die Sommersemester 1939 und 1941 finden sich auch zwei Lehrveranstaltungen Gerbers zu Gluck im Gießener Seminarangebot.12 Unterbrochen wurde die Lehrtätigkeit des weitgehend uk-gestellten Gerber nur durch kurze Verpflichtungen zum Militärdienst im Wintersemester 1944/45,13 währenddessen Werner Korte ihn in Göttingen ersetzte. Weder 8 Gerhard Croll, Die Gesamtausgabe der Werke von Christoph Willibald Gluck, gestern und heute, in: Gluck-Schriften. Ausgewählte Aufsätze und Vorträge 1967-2002, hg. von Irene Brandenburg und Elisabeth Richter, Kassel et al. 2003, S. 339. 9 Auflistung von Rudolf Gerbers Dienstzeiten (datiert auf den 14. August 1957) in seiner Personalakte der Philosophischen Fakultät, Universitätsarchiv Göttingen. 10 Gerber wurde am 17. Oktober 1937 mit der Nummer 5863193 in die NSDAP aufgenommen, Bundesarchiv Berlin (BArch) R 4901-13263, Blatt 2820. 11 Personalakte von Rudolf Gerber im Universitätsarchiv Gießen Sig. PrA Phil Nr. 9, Dokument des Reichsstatthalters in Hessen – Landesregierung – Abteilung VII vom 23. Juni 1943. 12 Sommersemester 1939 Das musikdramatische Werk Chr. W. Glucks und Sommersemester 1941 Geschichte der Oper im 18. Jahrhundert (von Händel bis Gluck und Mozart), siehe Archiv für Musikforschung 4 (1939), S. 252 bzw. 6 (1941), S. 118. 13 Angaben über Militärdienst in Gerbers zweitem Entnazifizierungsfragebogen vom 28. Juli 1947, Entnazifizierungsakte Sig. Nds 171 Hildesheim Nr. 16018, Niedersächsisches Landesarchiv Hannover: „1938 9.10. bis 10.10. Luftnachrichtenkompanie Gießen Gefreiter, 1939

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als Wissenschaftler noch als Privatmann ließ Gerber Zweifel an seiner Gesinnung aufkommen,14 fungierte als Blockhelfer seines Wohnviertels15 und absolvierte 1938 das SA-Sportabzeichen. Als weitere Mitgliedschaften gab Gerber im zweiten Entnazifizierungsfragebogen u.a. an: NSDAP „Anwärter (ohne Mitgliedsbuch) seit 1. 10. 37“ NSDoB. „nicht erinnerlich, vermutlich 1939 aus der Reichsdozentenschaft übernommen“ NSV „ja 1934 bis 1945“ NS.-Lehrerbund „vermutlich ja 1934/35 vor Übernahme in die Reichsdozentenschaft“ Reichsdozentenschaft „ja 1935 (?) bis 1945“ Deutsches Rotes Kreuz „ja 1935 bis 1945“ Reichskolonialbund „ja 1936 bis ?“ Reichsluftschutzbund „ja 1935 [recto 29. Mai 1934] bis 1945“ Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA.) „ja 1934 bis 1938 oder 39“ „Staatl. Institut für deutsche Musikforschung 1935 bis 1945“ „Akademie für gemeinnützige Wissenschaften Erfurt 1937 bis heute“.16

Als Vortragsredner und Autor legte Gerber ab 1935 ein klares politisches Bekenntnis ab und benannte beispielsweise in der Zeitschrift für Musik die Aufgaben der Musikwissenschaft im Dritten Reich. Hier liest man nun von der „notwendigen und längst ersehnten Einschaltung unserer Wissenschaft in die große, einheitliche Kulturarbeit, die uns im Dritten Reich gestellt ist und damit die sichtbare Legitimierung der musikalischen Forschung überhaupt“. Auch erfährt man von einer zu schaf-

bis 1940 dgl. Unteroffizier, 1944 bis 1945 Luftschutzeinheit in Schwerin, Wismar, Hannover Unteroffizier.“ Auch in seinem ersten Fragebogen vom 24. Mai 1945 hatte Gerber die unrichtige Angabe gemacht, nicht vom Militärdienst befreit gewesen zu sein. Siehe für seine wiederholt verlängerten UK-Stellungen dagegen in seiner Göttinger Rektoratsakte (März 1943 bis zum Mai 1957, Sig. 2997, Universitätsarchiv Göttingen) Schreiben des Dekans der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität an den Kurator der Universität vom 10. April 1943, 14. Februar und 11. Juli 1944. 14 Schreiben der Landesregierung an die Abteilung VII vom 8. Februar 1937 in Gerbers Gießener Personalakte: „Sein politisches Verhalten war vor und nach der Machtübernahme einwandfrei.“ Siehe zu seiner Zuverlässigkeit auch ein Schreiben des Hauptamtes Wissenschaft, Amt Wissenschaftsbeobachtung vom 2. Februar 1942 an die Partei-Kanzlei München (BArch NS 15-237, Blatt 88) sowie einen Kommentar zur Liste mit Vortragenden zum Tag der deutschen Hausmusik des Deutschen Volksbildungswerkes vom August 1942 (BArch NS 15-254, Blatt 181): „Prof. Dr. Rudolf Gerber steht ebenfalls in Verbindung mit unserem Amt Musik und wird als Gelehrter wegen seiner klaren weltanschaulichen Haltung geschätzt.“ 15 BArch R 4901-13263, Blatt 2820. 16 Fragebogen II vom 28. Juli 1947 in seiner Entnazifizierungsakte.

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fenden „völkischen Musikgeschichtsforschung“,17 um die „stammesmäßigen und rassischen Sonderheiten innerhalb der deutschen Musikgeschichte auszuweisen“.18 Im Ton identisch ist sein Beitrag von 1939 Die Musik der Ostmark. Eine Wesensschau aus ihrer Geschichte. Ihre Widerstandskraft habe die österreichische Musik – als Teil der deutschen Kultur – vor allem in der jahrhundertelangen Abwehr musikalischer Fremdherrschaft bewiesen, beispielsweise während der „Überflutung“ Europas durch den niederländischen Musikstil im 16. Jahrhundert.19 In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sei der „Genius der Ostmark“ in einen tiefen Schlaf versunken, „er träumte auf den anmutigen Fluren Niederösterreichs oder erglänzte in stiller Einsamkeit im Firnschnee der Salzburger und Kärntner Alpengipfel. Er kehrte zur bäuerlichen Scholle zurück oder sang sein ewig junges Lied in der hochgelegenen Almhütte“, da in den Jahrzehnten zuvor das internationale Judentum, angeführt von seinem Hauptvertreter, dem „tschechischen Ghetto-Juden Gustav Mahler“,20 eine Ära des äußeren und inneren Zerfalls besiegelt habe. Mit dem gerade vollzogenen Anschluss Österreichs verbinde sich daher – so Gerber abschließend – der vordringliche Wunsch, dass nach einer Zeit der Auslöschung das echte und wahre Österreichertum von Neuem aufbrechen möge und künden solle „von der unversiegbaren und in Zeiten der Not sich selbst verjüngenden Kraft des deutschen Geistes.“ Es passt somit ins Bild, dass Gerber auch in der musikwissenschaftlichen Sektion der ersten Reichsmusiktage 1938 in Düsseldorf mit einem Vortrag über Volkstum und Rasse in der Persönlichkeit und Kunst von Johannes Brahms präsent war. Gerbers Schriften zu Gluck, die im zeitlichen Umfeld seiner 1941 vorgelegten Komponistenbiografie als Zeitschriftenaufsätze erschienen, durchzieht ebenfalls dieser politisierte Tonfall. So stößt man in seinen Neuen Beiträgen zur Gluckschen Familiengeschichte auf typische propagandistische und antisemitische Floskeln von „kerndeutschen Volkstumsgebieten“, „völkischen Grenzgebieten“ und „fremdvölkischer Abstammung“ und erfährt auch hier von der Notwendigkeit musikwissenschaftlicher Volkstums- und Rasseforschung: „Denn gerade in der Kunst – und speziell beim Musiker – entspringt das Seelenhafte seiner Schöpfung und seines Wesens bis zu einem hohen Grade den Kräften der durch Volkstum und Rasse getragenen

17 Rudolf Gerber, Die Aufgaben der Musikwissenschaft im Dritten Reich, in: Zeitschrift für Musik 102 (1935), Heft Mai, beide Zitate S. 500. 18 Ebenda, S. 501. Siehe zum Zusammenhang dieses Textes zu Gerbers Rolle im Dritten Reich Albrecht Riethmüller, Deutsche Musik aus der Sicht der deutschen Musikwissenschaft nach 1933, in: Das Deutsche in der Musik, hg. von Marion Demuth, Dresden 1997, S. 72f. 19 Rudolf Gerber, Die Musik der Ostmark. Eine Wesensschau aus ihrer Geschichte, in: Zeitschrift für Deutsche Geisteswissenschaft 2 (1939), Heft 1, S. 65. 20 Ebenda, S. 77f.

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Sippe.“21 Gleiches gilt für seinen Beitrag Die deutsche Wesensform bei Händel und Gluck, der sich über das allen „welschen“,22 sprich verweichlichenden Einflüssen trotzende germanische Wesen der beiden Komponisten ausließ, dessen Grundlagen ein „tiefes, unverkennbar deutsches Verantwortungsbewußtsein“23 sowie ein „nicht minder der deutschen Wesensart entspringendes kritisch-abwägendes und zugleich willensmäßig-stürmisches Kämpfertum“ gewesen sei. Denn, so Gerber weiter, das nordische Erbteil im deutschen Blut läßt den deutschen Menschen nicht nur im praktischen Handeln oder im wissenschaftlichen Forschen, sondern auch in der Welt der künstlerischen Phantasie Probleme, Widerstände und Konflikte sehen, die „überwunden“ werden müssen. Der wirkliche deutsche Künstler ist mit seinem ganzen Innern, mit Ernst und stärkster Anteilnahme, d.h. mit allen tieferen Kräften seines Menschentums auch bei seiner künstlerischen Aufgabe, die ihm eine wirkliche Aufgabe und nicht nur spielhafte Ergötzung ist.24

Es sei daher dem „wikingerhaften Zug“ in der „rassischen Wesenheit“ der „unverkennbar nordischen Herrenmenschen“25 Händel und Gluck zu verdanken, dass mit ihnen als den „tatkräftigsten Wegbereitern der deutschen Weltherrschaft in der Musik“26 die „geschichtliche Stunde“ für die deutsche Musik gekommen sei und dieser Anspruch bis in die Gegenwart fortbestehe. Es ist aus heutiger Sicht schwer zu entscheiden, mit welcher Motivation und Überzeugung Gerber diese wissenschaftlich dürftigen, ideologisch umso eindeutigeren Texte verfasste, ihre strategische Funktion als Karriereschriften verfehlten sie jedenfalls nicht, ihm den Weg bis ins Zentrum der deutschen musikwissenschaftlichen Forschung zu ebnen. Wie seine Personalakte anlässlich seiner Ernennung zum planmäßigen außerordentlichen Professor 1937 vermerkt, wurde er „als Mitglied in die von dem Herrn Reichserziehungsminister gebildete Kommission zur Herausgabe der deutschen Musikdenkmale“27 berufen, angesiedelt beim Staatlichen Institut für Deutsche Musikforschung, das 1935 auf Initiative von Bernhard Rusts 21 Rudolf Gerber, Neue Beiträge zur Gluckschen Familiengeschichte, in: Archiv für Musikforschung 6 (1941), Heft 3, S. 129f. 22 Rudolf Gerber, Die deutsche Wesensform bei Händel und Gluck, in: Deutsche Musikkultur 6 (1941-42), S. 109f. 23 Ebenda, S. 111. 24 Ebenda, S. 114. Siehe zur Konstruktion einer ideologischen Genealogie Händel – Gluck – Wagner und der Stilisierung Händels zum „Wikinger“ Alfred Rosenberg, Georg Friedrich Händel, in: Gestaltung der Idee. Blut und Ehre II. Band Reden und Aufsätze 1933-1935, München 101939, S. 282ff. 25 Gerber, Die deutsche Wesensform bei Händel und Gluck, S. 115. 26 Ebenda, S. 117. 27 Personalakte der Philosophischen Fakultät, Universitätsarchiv Göttingen, Ernennungsunterlagen vom 13. Dezember 1937.

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Ministerium 1935 aus den Überresten des Bückeburger Instituts hervorgegangen war. Auch seine akademische Karriere bekam nun den nötigen Schwung, um in die vordere Linie der deutschen Musikwissenschaft vorzustoßen. Die entscheidenden Möglichkeiten, seine Gluck-Recherchen voranzubringen, ergaben sich in dem Augenblick, als er bald nach Kriegsbeginn Mitarbeiter in Herbert Gerigks Sonderstab Musik beim Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg wurde, um in den besetzten Westgebieten Bibliotheken und Archive nach Spuren deutscher Musik zu durchforsten. Diese Tätigkeit muss seinem brennenden Ehrgeiz sehr entgegengekommen sein, alle zu Gluck nachweisbaren Quellen zu ermitteln, da er während der Vorbereitungsphase zu seiner Komponistenbiografie viele Spuren noch ins Leere hatte laufen lassen müssen. Dies belegen die ab 1939 dutzendfach erhaltenen Briefwechsel mit Archiven, Bibliotheken, Standesämtern, Behörden und Pfarreien entlang der Lebensstationen Glucks und dessen Vorfahren, mit denen Gerber für Auskünfte, Fotokopien von Quellen und Bestandsauflistungen in regem Austausch stand.28 Aus seiner Karteikarte beim Reichserziehungsministerium geht hervor, dass ein Antrag auf RM 500 Reisekostenhilfe „für Untersuchungen über Leben und Schaffen des Komponisten Christoph Willibald Gluck“ 1939 zwar von Joseph Müller-Blattau und Arnold Schering befürwortet, vom Ministerium aber nicht bewilligt wurde.29 Nach eigenen Angaben in seiner Entnazifizierungsakte unternahm er diese Reise dennoch und besuchte auf eigene Kosten vom 26. Juli bis zum 13. August 1939 Archive u.a. in Komotau und Brüx.30 In seinem Beitrag zur Gluckschen Familiengeschichte bemerkte Gerber hierzu: Zur Ermittlung der einzelnen Tatsachen und Daten diente neben einem genau präzisierten Rundschreiben an etwa 600 katholische Pfarrämter der Ober­ pfalz, Mittelfrankens und Schwabens sowie ausführlicher Suchanzeigen in den Diözesan-Amtsblättern der Bischöflichen Ordinariate Regensburg, Eichstädt, Passau, Bamberg, Schlackenwerth, Leitmeritz u.a. in erster Linie eine Studienreise mit eingehenden Forschungen in verschiedenen Kreis-, Stadt- und Kirchenarchiven der Oberpfalz und des Sudentengaus im Juli 1939.31

Mit der zwei Jahre später vorgelegten Biografie untermauerte Gerber seinen Ruf als solider deutscher Forscher, indem er mit einer Vielzahl neuer Quellen Zweifeln des „Juden Einstein“32 und tschechischer Kollegen an der deutschen Abstammung Glucks entgegentrat und zum Ende des Buches die Deutungshoheit über den Kom28 Siehe die entsprechenden Korrespondenzordner in der Salzburger Gluck-Forschungsstelle. 29 BArch DS/BO 117 Karteikarte des Reichserziehungsministeriums, Einträge vom 23. April bis zum 25. September 1939. 30 Entnazifizierungsakte, Erster Fragebogen vom 24. Mai 1945. 31 Gerber, Neue Beiträge zur Gluckschen Familiengeschichte, Anmerkung 1 auf S. 131. 32 Rudolf Gerber, Christoph Willibald Ritter von Gluck, Potsdam o.J. [1941], S. 132.

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ponisten reklamierte zur „Inangriffnahme einer nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten und gleichzeitig der Praxis dienenden Gesamtausgabe der Gluckschen Werke, soweit sich eine solche bei der lückenhaften Quellenüberlieferung bewerkstelligen läßt.“33 Dieser Anspruch von Werk und Autor wurde von Rezensenten bestätigt und insbesondere die Forderung nach einer Gesamtausgabe begrüßt.34 Es mag dabei mehr als ein Zufall sein, dass eine von Gerbers Doktorand Erwin Völsing besorgte Besprechung, vorgelegt in der Deutschen Musikkultur (einer der beiden vom Staatlichen Institut für Deutsche Musikforschung herausgegeben Zeitschriften), mit einer Verneigung vor Herbert Gerigk beginnt, dem Leiter der Musikabteilung in Alfred Rosenbergs Amt des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP. So heißt es bei Völsing: Es ist ein besonderes Verdienst der bekannten, von Herbert Gerigk herausgegebenen Schriftenreihe „Unsterbliche Tonkunst“, daß der wertvolle neue Beitrag des Gießener Musikwissenschaftlers einem der am meisten vernachlässigten deutschen Großmeister gewidmet wurde, bei dem – wie bei kaum einem zweiten großen Komponisten – die Erforschung seines Lebens und seiner Werke immer noch empfindliche Lücken aufwies. In überaus gründlicher Weise untersucht Rudolf Gerber einleitend das Glucksche Geschlecht, wobei mit Recht die nachgewiesene rein deutsche Herkunft der Familie und des Namens betont wird.35

Mit dem publizistischen Eintreten für Gluck, diese Komponistenbiografie in seine Reihe aufzunehmen, bekräftigte Gerigk gleichsam an der Oberfläche der öffentlichen Wahrnehmung, was ihn bereits seit zwei Jahren mit Gerber verband.36 Unmittelbar mit Kriegsbeginn war Rosenbergs Einsatzstab, und mit ihm Gerigks 33 In der 1952 erschienenen Neuauflage hatte sich am deutsch-nationalen Ton, Glucks Werk als „ein Stück der deutschen Seele“ zu pflegen, nichts geändert. Rudolf Geber, Christoph Willibald Gluck, Potsdam 1950 [nicht angegebene 2. Auflage], S. 215. 34 Rudolf Steglich, Besprechung von Rudolf Gerber, Christoph Willibald Ritter von Gluck, in: Zeitschrift für Musik 109 (1942), Heft 9 (September), S. 405. Siehe auch die gleichfalls lobende Besprechung durch den Blume-Schüler Hans Joachim Therstappen, in: Archiv für Musikforschung 8 (1943), S. 108f. 35 Erwin Völsing, Besprechung von Rudolf Gerber, Christoph Willibald Ritter von Gluck, in: Deutsche Musikkultur 8 (1943/44), S. 57. Siehe zu Völsing auch die Meldung seiner 1940 gedruckten Dissertation G.F. Händels englische Kirchenmusik (= Schriftenreihe des Staatlichen Instituts für Deutsche Musikforschung, Heft 6), in: Archiv für Musikforschung 6 (1941), S. 116. 36 Siehe zu Gerigks Interesse an Gluck-Literatur auch seine Rezension von Roland Tenschert, Christoph Willibald Gluck, Bibliographisches Institut Leipzig 1938, in: Die Musik 30 (1938), 2. Halbjahr, S. 547.

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Sonderstab Musik, eingesetzt worden, um in den besetzten Gebieten nach angeblich herrenlosem Besitz ursprünglich deutscher Herkunft zu suchen und diesen ins Deutsche Reich zu überführen. In diese Zeit fällt Gerbers obsessive Suche nach Gluck-Quellen, so dass davon auszugehen ist, dass er seine erste Verpflichtung für Gerigk und die damit verbundenen Machtbefugnisse nutzte, um nun Material auch gegen den Widerstand der Besitzer sichten zu können. Die ersten hierzu in Archiven erhaltenen Unterlagen stammen aus dem Jahr 1940 und sind nicht nur hinsichtlich der Auflistungen nachgewiesener Gluck-Unterlagen aufschlussreich, sondern geben auch Einblicke in die Einschätzung der Bedeutung Glucks durch staatliche Stellen. Als erstes Zwischenergebnis hatte man im Archiv des Pariser Konservatoriums nicht nur 55 unbekannte Briefe Glucks aufgefunden, sondern darüber hinaus 77 Originalbriefe Wagners an den jüdischen Verleger Maurice Schlesinger, die aufgrund der politischen Brisanz dieser Konstellation möglichst umgehend nach Deutschland überführt werden sollten. Hierzu hieß es in einem Bericht von Gerigk, damit sei „eine spätere gegen uns gerichtete Verwendung dieser Briefe [auszuschalten]. […] Bei den Lohnarbeiten Wagners ist ein Besitzanspruch des französischen Staates wohl kaum gegeben.“37 Ferner wurden separat umfangreiche Listen von Gluck-Autographen und Dirigierpartituren in der Bibliothek der Pariser Oper angefertigt (u.a. zu Orphée, Armide und Iphigénie en Anlide).38 In einem weiteren Bericht, datiert auf den 20. September 1940, ging Gerigk nicht nur näher auf die Arbeitsbedingungen in französischen Archiven ein, sondern erwähnte explizit die Wichtigkeit dieser Vorarbeiten für eine zukünftige Gluck-Gesamtausgabe: In der Bibliothek der Großen Oper gibt es überhaupt keinen brauchbaren Katalog und auch kein Verzeichnis. Aufgrund der Ermächtigung durch die Militärverwaltung dürfen wir jetzt erstmalig die dort aufbewahrten handschriftlichen Bestände durchsehen. In erster Linie interessierte hierbei Gluck, von dem neben wertvollsten Autographen zeitgenössische Partituren vorhanden sind, die Eintragungen von seiner Hand tragen. Für die in Vorbereitung befindliche Neuausgabe der Werke Glucks bildet das aufgefundene Material eine wesentliche Verbreiterung der Arbeitsgrundlage. […] Es muß betont werden, daß die Bestände hinsichtlich der französischen Musiker durchweg noch erheblich vollständiger sind. Falls also deutscher Besitz in das Reich zurückgeführt werden sollte, werden die französischen Sammlungen keineswegs veröden. Im übrigen konnte bisher bei keiner dieser neueren Handschriften ein unrechtmäßiger Erwerb festgestellt werden. Sie sind fast ausnahmslos durch Kauf und noch häufiger durch Schenkung in den Besitz des französischen Staates gelangt. […] Die Arbeiten in Frankreich werden mindestens noch 37 Undatierter Bericht von Herbert Gerigk, in: BArch NS 30-002039 (Unterlagen zum Sonderstab Musik). 38 BArch NS 30-002040.

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6 – 8 Wochen erfordern, falls wenigstens die wichtigsten Autographe unserer größten Musiker ermittelt werden sollen. Die Handschriften befinden sich zum geringsten Teil in Paris. Sie sind von der Generaldirektion der französischen staatlichen Bibliotheken fast sämtlich auf ein uns bekanntes Schloß an der Loire geschafft worden, wo sie von Fachleuten verwaltet werden. Das Schloß liegt im besetzten Gebiet. Falls der Rücktransport vor Beginn des Winters nicht mehr möglich sein sollte, muß an Ort und Stelle gearbeitet werden, weil sonst die Möglichkeit des zeitweiligen Verschwindens von Handschriften besteht, die für uns besonders wichtig sind.39

Dass die Erwähnung einer geplanten Gluck-Gesamtausgabe mit Sicherheit auf entsprechende Pläne Gerbers zurückgeht, von denen Gerigk entsprechend Kenntnis gehabt haben muss, belegt eine umfangreiche Denkschrift Gerbers, die er mit Datum vom 6. Dezember 1940 für Max Seiffert, den Leiter des Staatlichen Instituts für deutsche Musikforschung, fertigstellte (siehe Abb. 1). Wenn für ein solches Exposé mindestens von einer mehrmonatigen Vorlaufzeit auszugehen ist, fiel die Entwurfsphase dieser Pläne genau in Gerigks Berichtszeitraum. Gerber begann dabei seine Begründung einer Gluck-Gesamtausgabe nicht, wie vielleicht aus wissenschaftlicher Sicht zu erwarten wäre, mit dem immensen, philologisch anspruchsvollen Forschungsbedarf des Themas, sondern entsprechend der politischen Zeitumstände mit der besonderen Bedeutung des Komponisten für die Vorherrschaft der deutschen Musik: Unter den Führerpersönlichkeiten der deutschen Musik, die in leidenschaftlicher Hingabe an ihre geschichtliche Aufgabe deutschen Geist und deutsche Seele in vorbildhafter Weise geformt haben, steht Ch. W. Gluck in vorderster Reihe. Seine Bedeutung innerhalb der deutschen Musik- und Geistesgeschichte bedarf heute keiner Erörterung mehr. Glucks überragende Grösse wird dadurch besonders gekennzeichnet, dass der Wirkungsbereich seines Kunstschaffens weit über die Grenzen seiner deutschen Heimat hinausgreift und in den gesamteuropäischen Raum hineinstrahlt. Neben Händel war Gluck der tatkräftigste Vorkämpfer für die Weltgeltung der deutschen Musik, da er in fremden Formen um den Sieg des deutschen Geistes kämpfte, diese Formenwelt schliesslich unter der bezwingenden Kraft seines Genies umprägte und in eigenes Besitztum verwandelte, das den Stempel deutschen Wesens und deutscher Art trägt.40

39 Bericht von Herbert Gerigk vom 20. September 1940 Musikschätze deutscher Herkunft in Frankreich, in: BArch NS 30-065042f. 40 Denkschrift von Rudolf Gerber „betr. die Veranstaltung einer Gesamtausgabe der Werke Christoph Willibald Glucks“ vom 6. Dezember 1940, erhalten in der Gluck-Forschungsstelle Salzburg. Siehe die vollständige Transkription im Anhang.

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Abb. 1: Rudolf Gerbers Denkschrift vom 6. Dezember 1940, S. 1 (Gluck-Forschungsstelle Salzburg)

Aus diesem künstlerischen Vermächtnis erwachse der deutschen Kunst und Wissenschaft nicht nur die „Ehrenpflicht“, einzelne Teile aus Glucks Schaffen zu pflegen und aufzuarbeiten. Vielmehr sei das Gesamtwerk in einer vorbildlichen kritischen Neuausgabe zu vereinigen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das deutsche Volk hat ein Recht darauf, das Werden und Wachsen seiner grossen geistigen Führer in allen einzelnen Stadi-

Rudolf Gerber und die Anfänge der Gluck-Gesamtausgabe

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en kennen zu lernen und nicht allein vor die grossen Meisterwerke gestellt zu werden, in denen der durch Niederungen und über Höhen führende Reifeprozess bereits abgeschlossen ist.

Mit seiner Denkschrift beabsichtigte Gerber, das Staatliche Institut für deutsche Musikforschung „als [die] repräsentative Vertretung der deutschen Musikwissenschaft“ zu überzeugen, eine Gesamtausgabe Glucks „innerhalb der Publikationsreihen ‚Das Erbe deutsche Musik‘“ in Angriff zu nehmen, womit er noch einmal ohne Nennung seines Lehrers auf Aberts erfolglosen Versuch drei Jahrzehnte zuvor Bezug nahm, einzelne Bände in unterschiedlichen Reihen zu veröffentlichen. In einer kurzen Übersicht von Gerhard Croll zur Geschichte der Gluckforschung findet sich hierzu der Hinweis, dass diese Idee zur Anbindung einer Gluck-Gesamtausgabe an die Erbe-Reihe auf Anraten von Max Seiffert fallengelassen wurde, was einen Grund liefern könnte, warum Gerbers Pläne zu diesem Zeitpunkt nicht weiter kon­­kretisiert wurden.41 In einer abweichenden Darstellung äußerte Gerber im Jahr 1954 gegenüber Richard Baum vom Bärenreiter-Verlag, dass er Seiffert noch im Dezember 1940 seine Denkschrift eingereicht habe, der zunächst etwas zurückhaltend gewesen sei, „dann aber doch den Auftrag erteilt und Geld in Aussicht gestellt [hat] für die bibliographischen Erhebungen, die ich bald darauf auch einleitete. Der Bärenreiter-Verlag trat m.W. erst im April 1943 in Erscheinung, als ihm das Institut die Gluck-GA übertrug.“42 Eine politisch markante Wendung nahmen die bisher von Gerigk koordinierten Recherchen, als dieser am 2. Oktober 1940 der Konkurrenz Bericht erstatten musste in Person des Propagandaministers Joseph Goebbels höchst persönlich.43 Dieser zeigte sich begeistert und völlig überrascht von den Pariser Funden und ordnete neben der vollen bürokratischen Unterstützung seines Hauses sowie einer finanziellen Hilfe von RM 20.000 für nötige Fachkräfte eine sofortige Sicherstellung der „für das Reich besonders wichtigen und wertvollen Stücke“ an: „Wesentlich die Manuskripte Richard Wagners, seinen Briefwechsel mit dem Juden Schlesinger, die Autographe von Gluck sowie die im Besitz der Grossen Oper befindlichen zeitgenössischen Dirigierpartituren der Werke von Gluck und vielen andern.“44 Dieser Bericht deckt sich mit einer Eintragung in Goebbels‘ Tagebuch am nächsten Tag: 41 Gerhard Croll, Gluckforschung und Gluck-Gesamtausgabe, in: Musik und Verlag. Karl Vötterle zum 65. Geburtstag am 12. April 1968, hg. von Richard Baum und Wolfgang Rehm, Kassel et al. 1968, S. 194f. 42 Brief von Rudolf Gerber an Richard Baum vom 26. März 1954, in: Bärenreiter-Archiv. 43 BArch NS30-002047. 44 Bericht von Herbert Gerigk über seinen Besuch bei Minister Goebbels vom 3. Oktober 1940, S. 3, in: BArch NS 30-002045. Siehe ergänzend einen Entwurf von Herbert Gerigk, verfasst am 23. Oktober 1940 in Paris, in: BArch NS 30-002048.

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„Mit Dr. Gerigk Frage der Originalmusikalien in Frankreich besprochen. Da liegen unübersehbare Mengen deutschen Kulturgutes. Ich treffe mit Dr. Gerigk Vorsorge, daß sie nach Deutschland zurückgeschafft werden. Vor allem Sachen von Gluck und Mozart, aber auch von Schubert und Wagner. Die Franzosen haben das Material vollkommen verkommen lassen. Es ist eine wahre Kulturschande.“45 Dass Rudolf Gerber maßgeblich für die Erstellung dieser Listen verantwortlich war, geht aus dem erhaltenen Archivmaterial klar hervor. Denn trotz der Einstufung seiner Sonderaufträge als Geheimsache hinterließ die für einen verbeamteten Universitätsprofessor zuständige Ministerialbürokratie mit Dienstreiseanträgen und Genehmigungen für Sonderurlaub ausreichend Aktenspuren (siehe Abb. 2). Da die Partei als Kern der NS-Bewegung außerhalb der administrativen und ministerialen Hierarchien operierte und übergeordnete Anweisungen erteilen konnte, konnte Gerber in einem Schreiben an den Dekan seiner Philosophischen Fakultät im März 1941 seinen Auftraggeber problemlos benennen, ohne den Auftrag zu spezifizieren (der Antrag wurde bereits zwei Tage später genehmigt): Die Reichsleitung Alfred Rosenberg hat das Ersuchen an mich gerichtet, bei den musikwissenschaftlichen Sonderarbeiten in den westlich besetzten Gebieten meine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Ich bitte daher Euer Spektabilität, einen dreiwöchigen Urlaub vom 17. März bis 5. oder 10. April d.J. befürworten zu wollen. Ein Ausfall meiner Vorlesungen und Seminarübungen kommt nicht in Betracht, da die betr. Stunden vorverlegt werden können. Da die Angelegenheit im Hinblick auf die Formalitäten der Reisevorbereitungen eilig ist, bitte ich ergebenst um möglichst umgehende Erledigung meines Gesuchs. Die Einladung der Reichsleitung lege ich in Abschrift bei.46

Auch aus Gerigks Anfrage bei Gerber, die seinem Antrag in Abschrift beilag und somit zur Kenntnisnahme durch Außenstehende gedacht war, lassen sich keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Tätigkeiten des Sonderstabs Musik ableiten: Wir bestätigen Ihnen hiermit, dass Sie von unserer Dienststelle gebeten worden sind, im Rahmen des Einsatzstabes der Dienststellen des Reichsleiters Rosenberg für die westlichen besetzten Gebiete und die Niederlande für einige Wochen mitzuarbeiten. Als Einsatzzeit kommt der Zeitraum vom 17. März bis etwa Mitte April in Frage. Geben Sie bitte Nachricht, ob wir mit Ihrer Hilfe rechnen können, falls Sie für diesen Zeitraum (im äussersten Falle 3 Wochen) 45 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Rußlands hg. von Elke Fröhlich, Teil I Aufzeichnungen 1923-1941, Band 8 April – November 1940, München 1998, S. 358, Eintrag vom 3. Oktober 1940. 46 Schreiben von Gerber an den Dekan der Philosophischen Fakultät I vom 3. März 1941 in seiner Gießener Personalakte.

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Abb. 2: Eine der von Rudolf Geber überlieferten Dienstreiseanträge für Gerigks Sonderstab Musik (Universitätsarchiv Gießen, Sig. PrA Phil Nr.9)

von Ihrer Universität Urlaub erhalten. Da der Unterzeichnete in den nächsten Tagen bereits wieder in die besetzten Gebiete zurückkehrt, werden Sie gebeten, wegen der Ausfertigung des Passierscheins, die folgenden Angaben unserer Dienststelle zu Händen von Pg. Reul zu übersenden: Name, Vorname, Beruf, Geburtstag- und Ort, Nummer und ausstellende Behörde des Lichtbildausweises. Damit Ihnen rechtzeitig ein Wehrmachtsfahrschein übersandt werden kann, werden Sie gebeten, dem Unterzeichneten dem von Ihnen vorgesehenen Abreisetag möglichst umgehend an die Feldpost-Nr. 43 071 mitzuteilen.47

Wie umfangreich Gerbers Aufträge beim Sonderstab waren und ob die von ihm lokalisierten Bestände zu Gluck, Wagner und Beethoven tatsächlich nach Deutschland abtransportiert wurden, ist den überlieferten Unterlagen nicht zu entnehmen. Einerseits geht aus einem als streng vertraulich klassifizierten Bericht von Gerigk hervor (datiert auf den 5. November 1940 in Paris), dass Goebbels‘ ursprüngliche Weisung zum Abtransport nicht aufrechterhalten wurde.48 Andererseits ist aus der Zeit nach Januar 1941 ein achtseitiger Bericht über die Wegnahme französischer 47 Abschrift des Schreibens der Reichsleitung, Hauptstelle Musik vom 27. Februar 1941, unterzeichnet von Herbert Gerigk, ebenda. 48 Bericht von Herbert Gerigk, Paris 5. November 1940, in: BArch NS 30-002053.

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Kunstschätze durch die Deutsche Botschaft und den Einsatzstab Rosenberg in Frankreich erhalten, der einen Überblick gibt zur Sicherstellung herrenlosen Musikmaterials aus jüdischem und freimaurerischem Besitz und […] der Feststellung aller Musikhandschriften deutscher Herkunft in den westlichen besetzten Gebieten. Es wurden rund 38 Einsatzstellen bearbeitet und Nachforschungen in 6 Bibliotheken und Konservatorien gehalten. Ausser wertvollen Notenhandschriften wurden Notenmaterial, kostbare Musikinstrumente, Schallplatten und deutsch-feindliche Korrespondenz von Musikkritikern sichergestellt.49

Eine umfangreiche Provenienzforschung der in den einzelnen Bänden der GluckGesamtausgabe zugrundegelegten Quellen wird diese Spuren im Detail zu rekonstru­ieren haben. Ob Gerbers Tätigkeiten sich auch auf Privatwohnungen und jüdische Sammlungen erstreckten oder auf öffentliche Archive und Bibliotheken beschränkten, ist nicht bekannt. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang eine beiläufige Formulierung Wolfgang Boettichers aus dem Jahr 1958. Zu dieser Zeit war er längst Kollege von Gerber in Göttingen, wo man nach Auskunft damaliger Studenten um seine politische Vergangenheit wusste. Erst der vom Journalisten Henning de Vries ausgelöste Skandal um Boettichers Mitwirkung im Sonderstab Musik und seiner Assistenz bei Gerigks perfidem Lexikon der Juden in der Musik machte in den 1990er Jahren diese Konstellation öffentlich.50 Inmitten der scheinbar unpolitischen Nachkriegsatmosphäre Ende der 1950er Jahre bemerkte Boetticher unter der unverfänglichen Überschrift Über Entwicklung und gegenwärtigen Stand der Gluck-Edition: „[…] die Forschungen Gerbers haben gezeigt, welcher Vorrat sich in privaten Sammlungen verbirgt.“51 In diesem Wissen um Gerbers Einsatz für den Sonderstab stimmen auch Abbildungen in der ersten Auflage seiner 49 Undatierter Bericht über die Wegnahme französischer Kunstschätze durch die Deutsche Botschaft und den Einsatzstab Rosenberg in Frankreich (nach Januar 1941), S. 8, in: BArch NS 30-014045. 50 Henning de Vries, Sonderstab Musik. Organisierte Plünderungen in Westeuropa 1940-45, Berlin 1998 (im englischen Original als Sonderstab Musik. Music Confiscation by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg under the Nazi Occupation of Western Europe, Amsterdam 1996). Siehe zur methodisch zweifelhaften Ausführung der Studie und der um Boetticher geführten öffentlichen Kontroverse stellvertretend die Rezension des Buches durch Michael Walter, online unter http:// http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-149 (Abruf am 6. Februar 2015). 51 Wolfgang Boetticher, Über Entwicklung und gegenwärtigen Stand der Gluck-Edition, in: Acta Musicologica 30 (1958), Heft 1/2, S. 112. Siehe hierzu auch die Angabe des Gerber-Schülers Ludwig Finschers: „eine Mitwirkung [Gerbers] an den Raubzügen von Gerigks Sonderstab Musik ist nicht belegt.“ Ludwig Finscher, Artikel Rudolf Gerber, in: MGG2, Personenteil 5, Kassel et al. 2002, Sp. 764.

Rudolf Gerber und die Anfänge der Gluck-Gesamtausgabe

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Gluck-Monografie misstrauisch, wenn eine Zeichnung von Quenedey lapidar mit der Quellenangabe „Paris, Privatbesitz“ versehen ist (gleiches gilt für einen Instrumentalsatz Glucks) und beide Abbildungen in der Neuauflage von 1952 nicht mehr enthalten sind.52 In den Jahren 1942 und 1943 blieb Gerber gemeinsam mit Karl Gustav Fellerer für den Sonderstab aktiv und führte auch „wissenschaftliche Aufträge“ für die von Alfred Rosenberg geplante Hohe Schule der Partei aus, um in Paris deutsche Musikdrucke zu recherchieren.53 Dabei geriet die Arbeit erneut zwischen konkurrierende Zuständigkeiten, als die Parteikanzlei das Auswärtige Amt über diesen als „Geheimsache der Wehrmacht“ auszuführenden Auftrag in Kenntnis setzte.54 Aus Aktennotizen des Kulturleiters im Auswärtigen Amt, Fritz von Twardowski, und Unterstaatssekretär Martin Luther geht hervor, dass man in ihrer Behörde der Zuständigkeit von Rosenbergs Amt für musikwissenschaftliche Angelegenheiten widersprach und auf einer Zuweisung der beiden Forscher in ihre Zuständigkeit beim Deutschen Institut in Paris bestand.55 Ob das Ende von Gerbers Sonderaufträgen für Gerigk diesem Gerangel um Zuständigkeiten zuzuschreiben ist oder seiner Arbeitsbelastung geschuldet war, als er im Frühjahr 1943 den Göttinger Ruf annahm, sich weiterhin in Gießen selbst noch vertrat und die im Frühjahr 1943 nun auf den Weg gebrachte Gluck-Gesamtausgabe seine restlichen Kapazitäten absorbierte, muss vorläufig offen bleiben.

II. Bevor Gerber mit dem Beginn der Gluck-Edition eines seiner akademischen Lebensziele verwirklichen konnte, musste er sich mit seinem Rivalen Hans Joachim Moser auseinandersetzen, der ihm in zwei entscheidenden Momenten fast zuvorgekommen wäre. Zunächst betrifft dies Mosers Gluck-Biografie, die 1940 und damit ein Jahr vor Gerbers Pendant publiziert wurde. Nachdem Moser im September 1933 seines Postens als Direktor der Akademie für Kirchen- und Schulmusik in 52 Gerber, Christoph Willibald Ritter von Gluck, Abbildung 15 (vor S. 65) „Christoph Willibald Gluck. Zeichnung von Edme Quenedey. Paris, Privatbesitz“ sowie Abbildung 23 (vor S. 113) „Instrumentalsatz von Christoph Willibald Gluck. Eigenschrift. Privatbesitz“. 53 Brief Herbert Gerigks vom 12. Oktober 1942 an den Stabsführer Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg Pg. Utikal (BArch NS 30-064290) sowie Brief von Gerigk an Prof. Dr. Bäumler, Leiter des Aufbauamtes der Hohen Schule, vom 17. September 1942 (BArch NS 30-065188). 54 Parteikanzlei (Hesseldieck) an das Auswärtige Amt am 3. Oktober 1942 z. Hd. Dr. Krieger, in: Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP. Rekonstruktion eines verlorengegangenen Bestandes. Regesten Band 2, hg. vom Institut für Zeitgeschichte, bearbeitet von Helmut Heiber unter Mitwirkung von Gerhard Weiher und Hildegard von Kotze, München et al. 1983, S. 862. 55 Notiz eines Mitarbeiters Gödde vom 7. Oktober 1942 für Fritz von Twardowski, ebenda.

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Berlin enthoben worden war,56 bemühte er sich in den Folgejahren um seine Rehabilitierung, u.a. als linientreuer Autor für das SS-Ahnenerbe, blieb unter seinen Kollegen aber ein akademischer Außenseiter. Zum 1. Mai 1940 verpflichtet als Leiter der Reichsstelle für Musikbearbeitungen des Propagandaministeriums, saß er nun an einem Informationsknotenpunkt des Ministeriums und war vermutlich über seinen Vorgesetzten Heinz Drewes, den Leiter der Musikabteilung in Goebbels‘ Apparat,57 auch über Gerigks Berichte aus Paris zum Sonderstab Musik und damit zu den bereits 1940 formulierten Absichten einer Gluck-Gesamtausgabe im Bilde.58 Angesichts Besorgnis erregender Aufführungszahlen, die Moser mit statistischer Sachkenntnis zusammenfasste, begründete er im Vorwort die Notwendigkeit seiner Biografie mit einer diagnostizierten Lücke im Gluck-Schrifttum, um daraus im typischen Propagandaton der Zeit einen drängenden Forschungsbedarf abzuleiten: Da m u ß [sic] versucht werden, angesichts der so wachen Kulturplanung des Dritten Reichs auf die Vernachlässigung eines hohen deutschen Kulturguts hinzuweisen, das nichts mit bloß historischem Ballast zu tun hat. Es gilt eine Werbung sozusagen in zwölfter Stunde für das Vermächtnis eines Großmeis­ ters von so nordischem Gepräge, wie es nur bei wenigen unserer führenden Musiker gleich rein gefunden wird.59

Vielleicht mag Moser sein populär gehaltenes Bändchen nicht primär für die Musikwissenschaft geschrieben haben, zumindest stieß es im Fach auf scharfe Ablehnung. Als erster Rezensent sprach ihm der Blume-Schüler und Redakteur beim Archiv für Musikforschung Hans Joachim Therstappen in der Deutschen Musikkultur umgehend jede wissenschaftliche Redlichkeit ab, da „Moser offenbar mit Absicht auf quellenmäßige Arbeit verzichtet“60 und ohne Respekt oder Verständnis für sei-

56 Fred K. Prieberg, Handbuch Deutsche Musiker 1933-1945, CD-R Kiel 2004, S. 4686. 57 Siehe zu Heinz Drewes auch Martin Thrun, Führung und Verwaltung. Heinz Drewes als Leiter der Musikabteilung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (1937–1944), in: Die Reichsmusikkammer. Kunst im Bann der Nazi-Diktatur, hg. von Albrecht Riethmüller und Michael Custodis, Wien und Köln 2015. 58 Siehe zu seiner eigenen Stellenbeschreibung Hans Joachim Moser, Von der Tätigkeit der Reichsstelle für Musikbearbeitungen, in: Jahrbuch der deutschen Musik 1943, im Auftrag der Abteilung Musik des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda hg. von Hellmuth von Hase, Leipzig und Berlin 1943. 59 Hans Joachim Moser, Christoph Willibald Gluck. Die Leistung, der Mann, das Vermächtnis, Stuttgart 1940, S. IX. 60 Hans Joachim Therstappen, Rezension von Hans Joachim Moser, Christoph Willibald Gluck. Die Leistung, der Mann, das Vermächtnis, Stuttgart 1940, in: Deutsche Musikkultur 6 (1941-42), S. 90.

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nen Gegenstand „mit geradezu peinlich modischen Floskeln der Charakterisierung“ „allzu penible Kleinmalerei“61 betrieben habe. Auch Rudolf Gerber reagierte umgehend auf Moser und griff ihn im Archiv für Musikforschung scharf an. Auf Augenhöhe als Gluck-Spezialist, dessen eigene Abhandlung gerade im Druck vorlag und nun unabsichtlich wie eine Gegenschrift wirkte, war seine Kollegenschelte schonungslos. Gerber erklärte seine eigenen Ansprüche zur umfassenden Erschließung aller Primärquellen zum Maßstab und richtete damit gegen Moser den Vorwurf, noch nicht einmal die vorhandenen Sekundärquellen korrekt und ohne Ausschmückungen ausgewertet zu haben.62 Gerbers Verriss wäre als Zeitdokument nicht so ergiebig, wenn nicht Moser umgehend im nächsten Zeitschriftenjahrgang reagiert hätte und direkt neben seiner Verteidigung Gerbers darauf Bezug nehmende Replik erschienen wäre. Ohne überzeugende Gegenargumente aufbringen zu können, bemühte sich Moser, Gerber in kleinem Maßstab in vielen Details zu widerlegen.63 Da Moser allerdings nach dessen Auffassung „in seinen kritischen und polemischen Äußerungen bisher keineswegs wählerisch und empfindsam war“,64 nutzte Gerber die abschließende Gelegenheit, um dem Kontrahenten einen peinlichen Stil und mangelnde Sachkenntnis vorzuwerfen: Dann muß aber gesagt werden, daß M., der in seinem mit anspruchsvollen Zielen auftretenden Buch selbst nicht das Geringste zur Klärung dieser Fragen geleistet hat, aus meinen Archivmitteilungen noch manches sehr wohl gebrauchen könnte, wenn er die Quellen in einem wissenschaftlichen Sinne auszuwerten vermöchte. Daß er hierzu nicht in der Lage ist, haben die obigen Quasi-Einwendungen gegen meine Besprechung gezeigt. […] Der Wert des M.schen Werkes ist weniger im Wissenschaftlichen zu suchen als in der schönen Begeisterung, mit der er sich seiner Aufgabe entledigt.65

Während dieses Kollegenduells hielt Joseph Goebbels‘ Interesse an Gluck vorläufig an. So notierte er am 10. November und 16. Dezember 1941 in seinem Tagebuch die Ergebnisse von Besprechungen mit Clemens Krauß zur künftigen Gestaltung der Salzburger Festspiele und wusste sich mit dem Dirigenten einig, Salzburg mit 61 Ebenda, S. 92. 62 Rudolf Gerber, Rezension von: Hans Joachim Moser, Christoph Willibald Gluck. Die Leistung, der Mann, das Vermächtnis, Stuttgart 1940, in: Archiv für Musikforschung 6 (1941), S. 182 und 185. Siehe zu Mosers Eigenart, Überlieferungslücken mit kreativer Imagination zu füllen, auch seinen geschönten Selbstbericht des Forschers und Schriftstellers, in: Festgabe für Hans Joachim Moser zum 65. Geburtstag, hg. von einem Freundeskreis, Kassel 1954, S. 154 sowie den Nachruf von Anna Amalia Abert auf Moser, erschienen in: Acta Musicologica 40 (1968), S. 91f. 63 Hans Joachim Moser, Erwiderung, in: Archiv für Musikforschung 7 (1942), S. 61. 64 Rudolf Gerber, Replik auf Moser, in: ebenda, S. 63. 65 Ebenda, S. 64.

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Werken von Mozart und Gluck vom Wiener Musikbetrieb abzusetzen.66 Auch wenn für die folgenden Kriegsjahre bei Goebbels keine intensivere Beschäftigung mit Gluck mehr nachweisbar ist, kann es doch kaum Zufall gewesen sein, dass die ersten Schritte des Staatlichen Instituts für deutsche Musikforschung zur Inangriffnahme einer Gluck-Gesamtausgabe nicht – wie nach Gerbers Denkschrift von 1940 und Gerigks daran anknüpfenden Ausführungen zu gewesen vermuten wäre – zu diesem führten, sondern erneut zu Hans Joachim Moser ins Reichspropagandaministerium. Dies war der zweite entscheidende Moment innerhalb weniger Monate, dass Gerber sich Mosers Konkurrenz erwehren musste. Es ist vermutlich seinem Ruf als Gluck-Experten und obsessiven Quellenforscher, einer strategisch glücklichen Position im musikwissenschaftlichen Kollegennetzwerk und nicht zuletzt der Findigkeit Karl Vötterles vom Bärenreiter-Verlag zu verdanken, dass diese Situation zugunsten Gerbers entschieden wurde, wie dieser ihm am 1. April 1943 berichtete: Im Einverständnis mit Herrn Prof. Dr. Albrecht kann ich Ihnen mitteilen, daß mir das staatliche Institut für Deutsche Musikforschung die von Ihnen vorbereitete Gluck-Ausgabe übertragen hat. Es ist aus verschiedenen Gründen außerordentlich wünschenswert, daß für diese Ausgabe bald ein Subskriptions-Aufruf in der Art der beiliegenden Monteverdi- und ScheinAufrufe herausgebracht wird. Meine Verhandlungen mit Herrn Prof. Dr. Albrecht haben einen merkwürdigen Ausgangspunkt. Wie ich Ihnen vertraulich sagen kann, hat mir das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda eine Gluck-Ausgabe unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Moser übertragen. Von diesem Auftrag erzählte ich Herrn Prof. Dr. Blume, als ich ihn vor einer Woche in Bern traf. Er machte mich sofort darauf aufmerksam, daß Sie mit den Vorbereitungen für eine solche Ausgabe schon sehr weit sind. Da ich mit Herrn Prof Dr. Albrecht in bester Zusammenarbeit stehe, rief ich ihn nach meiner Rückkehr sofort an und habe – da eine Zusammenarbeit nicht in Frage käme, darauf hingearbeitet, daß die Ausgabe unterbleibt, für die offenbar noch weniger Vorarbeiten geleistet sind: das ist die Moser’sche Ausgabe. Als Ausgleich für die mir entgangene Publikation hat mir nun Herr Prof. Dr. Albrecht Ihre Gluck-Ausgabe übertragen.67

66 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Rußlands hg. von Elke Fröhlich, Teil II Diktate 1941-1945, Band 2 Oktober-Dezember 1941, München 1996, S. 265f. und S. 518f. 67 Brief von Karl Vötterle an Rudolf Gerber vom 1. April 1943, Ordner Gluck BVK, DFG, Gerber in der Gluck-Forschungsstelle Salzburg. Siehe zur Geschichte des Verlags während der NS-Zeit auch Sven Hiemke, „Folgerichtiges Weiterschreiten“. Der Bärenreiter-Verlag im „Dritten Reich“, in: Bärenreiter-Almanach. Musikkultur heute. Positionen – Profile – Perspektiven, Kassel et al. 1998, S. 161-170.

Rudolf Gerber und die Anfänge der Gluck-Gesamtausgabe

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Die Verschiebung der Gesamtausgabe von Moser zu Gerber könnte davon begüns­ tigt worden sein, dass Mosers politische Glaubwürdigkeit wie auch sein wissenschaftliches Talent genau zu dieser Zeit massiv in Zweifel gezogen wurden. Wie aus Akten der Parteikanzlei der NSDAP hervorgeht, war man auf die laufende Überarbeitung seines 1937 erstmals erschienenen Musiklexikons aufmerksam geworden, das als NS-konformes Standardwerk das Riemann-Lexikon ablösen sollte. Da in der von Wolfang Boetticher mitbetreuten Neuauflage aber weiterhin alle Namen jüdischer und halbjüdischer Musiker zwar mit Großbuchstaben gekennzeichnet, aber trotz eines durchgängig antisemitischen Tons noch enthalten waren, ordnete man die Einstellung der in einzelne Hefte aufgeteilten Neuauflage an, da man ein Totschweigen dieser Musiker bevorzugte.68 In seiner 1963 erschienenen Autobiografie Haus unterm Stern ging Vötterle ausführlich und sehr persönlich auf den Beginn der Gluck-Gesamtausgabe ein. Nach einer Kasseler Aufführung von Orpheus und Euridice im Winter 1942/43 habe er den großen editorischen Nachholbedarf erkannt und Gerber als Herausgeber für eine Gesamtausgabe gewinnen können, den er vermutlich seit einer gemeinsamen Edition von Bach-Sonaten im Jahr 1941 kannte. Daraus entstand der Gedanke, vergleichbar zur Händel-Pflege in Göttingen einen zentralen Ort für Gluck zu finden. Mit Matthieu Lange als Generalmusikdirektor und Gustav Rudolf Sellner als Intendanten waren gerade zwei Gluck-Begeisterte nach Hannover berufen worden, so dass sich diese Stadt für eine entsprechende Renaissance des Komponisten besonders anbot. Mit der Stadtverwaltung kam man rasch überein, dem Hannoveraner Theater das Erstaufführungsrecht für jede neu herausgegebene Oper zuzusprechen, wofür die Stadt einen Zuschuss zu jedem Band einer neuen Gesamtausgabe leisten wollte. Sowohl der weitere Verlauf des Krieges als auch der Weggang von Lange und Sellner aus Hannover hätten den avisierten Beginn einer Gluck-Blüte zwar verhindert, dank der anhaltenden finanziellen Unterstützung der Stadt Hannover aber sei es dennoch gelungen, im Auftrag des Berliner Instituts für Musikforschung zumindest eine Gesamtausgabe auf den Weg zu bringen.69 Aus nicht zu rekonstruierenden Gründen und sicherlich mit diplomatischem Feingefühl ließ Vötterle in seinem Rückblick von zwanzig Jahren mehrere kleinere und größere Kapitel in der Geschichte der Gluck-Gesamtausgabe aus, die sie noch stärker zu einer Geschichte institutioneller Kontinuitäten aus der Zeit des Dritten Reiches in die Nachkriegszeit hätte werden lassen. So kam weder die Vorgeschich68 Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP. Rekonstruktion eines verlorengegangenen Bestandes. Regesten Band 4, hg. vom Institut für Zeitgeschichte, bearbeitet von Peter Longerich, München 1992, S. 502. 69 Karl Vötterle, Haus unterm Stern. Über Entstehen, Zerstörung und Wiederaufbau des Bärenreiter-Werkes, Kassel et al. 1963, S. 223f. Siehe hierzu auch die Bärenreiter-Chronik. Die ersten fünfzig Jahre 1923-1973, Kassel et al. 1973, S. 65f.

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te mit Moser zur Sprache, da dieser nach der Veröffentlichung seines Buches Die Musik der deutschen Stämme (1957) weit über das Fach hinaus als unbelehrbarer Revisionist galt. Von noch größerer Bedeutung war die von Vötterle ebenfalls nicht erwähnte diskrete Gründung einer Gluck-Gesellschaft 1943/44 unter Schirmherrschaft von Hartmann Lauterbacher, dem Gauleiter für Südhannover-Braunschweig. Diese Gesellschaft firmierte als Trägerin der Gesamtausgabe, um den Verträgen mit der Stadt Hannover eine rechtliche Grundlage zu geben. Daran schloss sich nach Kriegsende ein längerer Streit mit der Stadtverwaltung in Hannover an, die sich an einen Vertrag aus der NS-Zeit nicht gebunden fühlte und der Gesamtausgabe ihre finanzielle Unterstützung daher verweigern wollte. Bei dem von Vötterle 1950 angestrengten und zwei Jahre später in zweiter Instanz gewonnenen Prozess klärte sich nicht nur die Frage der Rechtsnachfolge des Staatlichen Instituts für deutsche Musikforschung, sondern es findet sich auch ein konkreter Grund, weshalb 1951 der erste Band der Gesamtausgabe erschien, da nun inmitten des laufenden Prozesses Fakten geschaffen waren, die zugleich mit Franz Rühlmanns Band Der bekehrte Trunkenbold einen Bogen zurück in die Jahre vor 1945 schlagen. Um in dieser Verflechtung einzelner Entwicklungsstränge nicht die Übersicht zu verlieren, folgt die Darstellung mit der Gründung der Hannoveraner Gluck-Gesellschaft und der Planung des Rühlmann-Bandes zunächst den Ereignissen bis 1945, um im anschließenden Abschnitt die Spuren in der Nachkriegszeit zu skizzieren. Nachdem Rudolf Gerber vom Staatlichen Institut für deutsche Musikforschung die Verantwortung als Gesamtherausgeber der Gluck-Edition übertragen worden war, bemühte sich der Bärenreiter-Verlag angesichts der zunehmend schwierigen Lage im vierten Kriegsjahr, die nächsten praktischen Schritte rasch anzugehen. Nachdem Vötterle am 16. Juni 1943 dem neuen Hannoveraner Intendanten die Gründung einer Gluck-Gesellschaft unter Schirmherrschaft des Gauleiters vorgeschlagen hatte,70 konnte Sellner fünf Wochen später bereits nach Kassel berichten, dass Gauleiter Lauterbacher „mit Freuden das Protektorat“ einer neuen Gluckgesellschaft übernähme.71 Zwei Tage später teilte Sellner diese Pläne Rudolf Gerber mit und bat ausdrücklich um strenge Vertraulichkeit.72 Innerhalb weniger Wochen konnte Vötterle bereits einen ersten Entwurf für eine Vereinssatzung zirkulieren lassen, die nach kleineren Ergänzungen und einer formaljuristischen Überarbeitung im Juli des Folgejahres 1944 unterzeichnet wurde. Während die ersten drei Paragraphen mit der Begründung einer Gluck-Tradition in Hannover und der Herausgabe einer Gesamtausgabe die Ziele der Gesellschaft zusammenfassten, regelte der vierte Paragraph – konform zu den Nürnberger Rassegesetzen – die formalen 70 Brief von Karl Vötterle an Gustav Rudolf Sellner vom 16. Juni 1943, in: Bärenreiter-Archiv. 71 Brief von Gustav Rudolf Sellner an Karl Vötterle vom 27. August 1943, ebenda. 72 Brief von Gustav Rudolf Sellner an Rudolf Gerber vom 29. August 1943, ebenda.

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Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft sowie der siebte Paragraph den Ausschluss von Mitgliedern bei „Nichteinhaltung der mit der Mitgliedschaft verbundenen Pflichten, bei unehrenhaftem und staats- oder deutschfeindlichen Verhalten.“73 In der Zwischenzeit hatte Rudolf Gerber die inhaltliche Konzeptionierung der Gesamtausgabe weit vorangebracht und mit Franz Rühlmann einen Kollegen zur Mitarbeit gewinnen können, der sich ebenfalls seit Längerem für eine Gluck-Renaissance einsetzte und 1938 eine konzertante Aufführung von Glucks Orpheus in der Wiener Urfassung an der Berliner Hochschule für Musik geleitet hatte.74 Dort war er als Stellvertreter von Hochschuldirektor Fritz Stein und Professor für Operndramaturgie und Operngeschichte bestens positioniert sowie als Parteimitglied seit dem 1. Mai 1933, Dozentenbundführer der Hochschule und Lektor beim Amt Rosenberg politisch gut vernetzt.75 Im Januar 1943 hatte Rühlmann an der Hochschule eine von Steins Assistenten Sergiu Celibidache neuinstrumentierte Fassung des Bestraften Trunkenbolds realisiert,76 „übrigens mit durchschlagendem Erfolg, der sich auch auf einer anschliessenden Tournee bei der Kriegsmarine in Norddeutschland in immer steigendem Masse bestätigte“,77 wie er Intendant Lange nach Hannover schrieb. Auch Johannes Petschull, Leiter des von ihm arisierten Leipziger Peters-Verlags sowie der ebenfalls von ihm annektierten Wiener Universal Edition,78 war an Rühlmanns vollständiger deutscher Bühnenbearbeitung interessiert, um sie zusammen mit dem Orpheus-Material bei Hans Joachim Moser „in der Reihe der Gluck-Veröffentlichungen der Reichsstelle herausgeben zu lassen“.79 Wie erwähnt hatten Mosers Gluck-Ambitionen gerade sechs Wochen zuvor aber ein unerwartetes Ende gefunden, so dass Vötterle und Gerber ihrem Leipziger Konkurrenten

73 Satzung der Gluck-Gesellschaft von 1944, in: Archiv des Staatlichen Instituts für Musikforschung (SIM), Sig. HA-SIM-5-9-1-1-2. 74 Siehe Franz Rühlmann, Zur Wiederbelebung Glucks, in: Festschrift für Fritz Stein zum 60. Geburtstag, hg. von Hans Hoffmann und Franz Rühlmann, Braunschweig 1939. 75 Siehe zu Rühlmann Prieberg, Handbuch Deutsche Musik, S. 5942ff., Christine Fischer-Defoy, Kunst Macht Politik. Die Nazifizierung der Kunst- und Musikhochschulen in Berlin, Berlin 1988, S. 72 und 298 sowie Albrecht Dümling, Auf dem Weg zur „Volksgemeinschaft“. Die Gleichschaltung der Berliner Musikhochschule ab 1933, in: Musik in der Emigration 1933-1945. Verfolgung, Vertreibung, Rückwirkung, Stuttgart und Weimar 1994, S. 106. 76 Vorwort von Franz Rühlmann für Den bekehrten Trunkenbold (= Gluck-Gesamtausgabe Abteilung IV Französische komische Opern Band 5), Kassel 1951, S. 12. 77 Franz Rühlmann an Matthieu Lange vom 18. Juni 1943, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-10. 78 Sophie Fetthauer, Musikverlage im „Dritten Reich“ und im Exil, Hamburg 22007, S. 178f. und Albrecht Dümling, Musik hat ihren Wert. 100 Jahre musikalische Verwertungsgesellschaft in Deutschland, Regensburg 2003, S. 217. 79 Brief von Johannes Petschull an Franz Rühlmann vom 24. Mai 1943, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-8.

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Abb. 3: Schreiben der Gauleitung Südhannover-Braunschweig an Gustav Sellner zur Unter­stützung der Pläne einer Gluck-Gesellschaft ​(Stadtarchiv Hannover, Sig. HR 19 Nr. 0253)

Petschull zuvorkamen und Rühlmann am 6. Juli 1943 für den Bestraften Trunkenbold schließlich bei Bärenreiter unterschrieb.80 Nachdem alle Vorbereitungen für die Gründung der Gluck-Gesellschaft im Herbst 1943 abgeschlossen waren, ließ dieser Schritt aus unbekannten Gründen auf sich warten, so dass Vötterle im folgenden Frühsommer erneut auf den Abschluss des Vertrages mit der Stadt Hannover drängte, da der von Rühlmann fertig edierte Band (das Vorwort ist auf den 15. März 1944 datiert) schnellst möglich in 80 Brief von Gerber an Rühlmann vom 23. Mai 1943, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-26. Moser und die Reichsbearbeitungsstelle wurden für etwaige Klavierauszüge der Oper weiterhin konsultiert. Siehe den Brief von Karl Vötterle an Franz Rühlmann vom 1. Juni 1944, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-18, sowie einen Brief von Franz Rühlmann an Karl Vötterle vom 28. Juli 1944, ebenda.

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Druck gehen sollte, bevor die Kriegslage sich weiter verschärfte.81 Am 19. Juli 1944 teilte Vötterle dem Leiter des Gaukulturrates Südhannover-Braunschweig die Unterzeichnung des Vertrages mit, verbunden mit dem formellen Antrag zum Eintrag der Gluck-Gesellschaft in das Vereinsregister. „Die Gründungsfeier“, so Vötterle weiter, mit der die Gesellschaft und mit ihr die Ankündigung der Gesamtausgabe publik gemacht werden sollte, könne „zu einem beliebigen, vom Gauleiter festgesetzten Zeitpunkt stattfinden.“82 Unter dessen Schirmherrschaft amtierte Sellner als Vereinsvorsitzender (siehe Abb. 3) und Vötterle als Stellvertreter, der von den Nationalsozialisten 1933 in den Ruhestand versetzte hessische Minister a.D. und Zentrumspolitiker Ferdinand Kirnberger als Schriftführer sowie der Dresdner Hofrat Otto Schambach als Kassenführer.83 Zur Begründung der Auswahl von Schriftführer und Kassenführer stellte Vötterle gegenüber dem Gaukulturrat strategische Überlegungen an: Minister a.D. Dr. Kirnberger und Hofrat Schambach sind ältere Herren, die man aber für solche Arbeiten braucht und die den meisten solcher musikalischen Gesellschaften angehören (Spohr-Ges. und Schütz-Gesellschaft). Sie sind nicht mehr im Dienst und können ihre ganze Aktivität solchen Ehrenposten zuwenden, während die jüngeren ja doch immer nur für die praktische künstlerische Arbeit zur Verfügung stehen.84

Aufschlussreicher als diese sachliche Zusammenfassung ist ein Bericht, mit dem Vötterle am folgenden Tag Sellner die Umstände der Vereinsgründung schilderte (siehe Abb. 4): Ich habe einen Fliegeralarm benutzt und den formellen Akt der Gründung der Deutschen Gluck-Gesellschaft soeben vorgenommen. Ich habe die Gründung mit interessierten Mitarbeitern meines Verlages durchgeführt und die Eintragung beim Vereinsregister Hannover beantragt. Sobald die Eintragung erfolgt ist, ist es dann Ihre Aufgabe, die Vorstandsmitglieder zu berufen. Die vorgesehenen Vorstandsmitglieder informiere ich heute, wie aus dem beigefügten Durchschlag ersichtlich ist.85 81 Schreiben von Vötterle an Sellner vom 21. April 1944, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-18. Am 28. Juni 1944 trug er Sellner dieses Anliegen erneut vor (ebenda). 82 Schreiben von Vötterle an den Leiter des Gaukulturrates Südhannover-Braunschweig vom 19. Juli 1944, in: Bärenreiter-Archiv. Der Vertrag sah einen Zuschuss Hannovers für jeden Band von RM 3.000 vor, wofür die Stadt als Gegenleistung drei Freiexemplare erhielt, und räumte den Städtischen Bühnen das Vorrecht für Uraufführungen ein. Siehe das auf den 25. Juli 1944 datierte Vertragsexemplar, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-48. 83 Protokoll zur Gründung der Gluck-Gesellschaft vom 20. Juli 1944, in: Bärenreiter-Archiv. 84 Schreiben von Karl Vötterle an den Leiter des Gaukulturamtes Südhannover-Braunschweig vom 19. Juli 1944, in: Bärenreiter-Archiv. 85 Schreiben von Karl Vötterle an Gustav Rudolf Sellner vom 20. Juli 1944, in: Stadtarchiv

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Abb. 4: Schreiben von Karl Vötterle an Gustav Rudolf Sellner zur Gründung der Gluck-Gesellschaft (Stadtarchiv Hannover, Sig. HR 19 Nr. 0253)

Noch am selben Tag informierte Vötterle auch die neuen Vorstandsmitglieder Gerber, Kirnberger, Schambach und Rühlmann über die Vereinsgründung und bat sie ebenfalls vorläufig um äußerste Diskretion: Hannover, Sig. HR 19 Nr. 0253 [= Stadtarchiv Hannover]. Das Gründungsprotokoll wurde von acht Mitgliedern unterschrieben: Paul Gümbel (Kassel), Dr. Bernhard Martin (Kassel), Elfriede Rampold (Kassel), Ernamarie Schmidt-Brücken (Kassel), Heinz Ständlen (Kassel), Karl Vötterle, Hanny Weber (Kassel) und Prof. Dr. Walter Upmeyer (Oberbillingshausen üb. Göttingen).

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Die Öffentlichkeit erfährt zunächst nichts von der Gründung der Deutschen Gluck-Gesellschaft. Die offizielle Gründung wird im Herbst zu einem gegebenen Termin in Hannover durchgeführt. Ich bitte Sie daher, auch zunächst noch nicht über die Gründung der Gluck-Gesellschaft zu sprechen. Wie Sie wissen, sind Sie für den Vorstand vorgesehen und Sie werden selbstverständlich auch für die Gründung eingeladen.86

Vielleicht war von einigen Beteiligten vermutet worden, dass der längst auf deutschem Boden ausgetragene Zweite Weltkrieg zu diesem Zeitpunkt in eine entscheidende Phase getreten war, abzusehen war indes keineswegs, dass kein Dreivierteljahr später die weltpolitische Lage sich entscheidend verändert hatte und alle politischen Verflechtungen mit dem Dritten Reich plötzlich hochgradig belastend sein konnten. Es sollte sich daher als entscheidender Vorteil für Vötterle und Gerber herausstellen, dass auch der Gauleiter, wie Sellner im August 1944 mitgeteilt wurde, von einer öffentlichen Feierstunde als symbolischem Gründungsakt der GluckGesellschaft vorläufig abgesehen hatte und daher bis Kriegsende bis auf die Beteiligten niemand davon erfuhr. Auch im bald einsetzenden Rechtsstreit mit der Stadt Hannover konnte somit die Gluck-Gesamtausgabe zur unpolitischen, rein wissenschaftlichen Angelegenheit deklariert werden.87 Nach einer Mitteilung des Amtsgerichts Hannover wurde der Deutschen Gluck-Gesellschaft e.V. am 8. Juni 1953 die Rechtsfähigkeit entzogen, da nach Ermittlungen des Gerichts „die Zahl der Vereinsmitglieder unter drei herabgesunken. Der Verein wurde 1944 eingetragen. Eine Tätigkeit nach Kriegsende war nicht festzustellen.“88

III. Den Übergang von der NS-Diktatur in die Nachkriegszeit verbrachte Rudolf Gerber mit Amtsgeschäften, noch am 7. Mai 1945 unterzeichnete er Abrechnungen für die Universitätskasse. Nachdem er am 24. Mai 1945 einen ersten Fragebogen zur Entnazifizierung ausgefüllt hatte und ohne Einwand von der amerikanischen Militärregierung am 17. Dezember 1945 zunächst im Amt bestätigt worden war, hätte sein weiteres Entnazifizierungsverfahren eine entscheidende Hürde darstellen können. Seine im Landesarchiv Hannover verwahrte Spruchkammerakte enthält 86 Karl Vötterle am 20. Juli 1944 an die Herren Gerber, Kirnberger, Schambach und Rühlmann, in: Bärenreiter-Archiv. 87 Schreiben des Leiters des Reichspropagandaamtes Südhannover-Braunschweig Redeker vom 16. August 1944 an Gustav Rudolf Sellner, ebenda. Dennoch wurde Sellner am 6. September 1944 von Gauleiter Lauterbacher förmlich zum Vorsitzenden der Deutschen GluckGesellschaft berufen, siehe die entsprechende Abschrift des Dokuments, in: ebenda. 88 Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 8. Juni 1953, in: Stadtarchiv Hannover.

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mit Datum vom 28. Juli 1947 einen weiteren Fragebogen, der in allen wesentlichen Punkten identisch ist mit dem ersten. Die Erwähnung seiner Forschungsreisen ins Ausland in Sachen Gluck schien dabei für ihn unproblematisch, vielleicht auch unvermeidbar: 20.3.-4.4.41 und 24.10.-8.11.42 Wissenschaftliche Forschungen in Paris (Bibliotheque Nationale, Conservatoire de Musique) und Brüssel (Conservatoire de Musique) für Vorbereitung einer durch das „Staatliche Institut für Deutsche Musikforschung“ geplanten „Gesamtausgabe der musikalischen Werke von Christoph Willibald Gluck (1714-1787)“. Haben Sie die Reise auf eigene Kosten unternommen? „Ja“.89

Da er bei der Auflistung dieser Reisen allerdings das Amt Rosenberg als Auftraggeber unterschlug und auch zur Finanzierung falsche Angaben machte, was strafbar war, wird er sich der politischen Brisanz und Tragweite dieser Umstände für seine weitere Karriere bewusst gewesen sein. Auch die erwähnte Freistellung vom Militärdienst unterschlug er, da eine Darlegung der Gründe für eine Unabkömmlichkeit in kriegswichtigen Angelegenheiten wieder Fragen zum Inhalt seiner Forschungen nach sich gezogen hätte. Etwaige Sorgen, dass sein Schwindel aufgedeckt würde, erwiesen sich aber als unbegründet. Auch hier kam ihm entgegen, dass in den Formularen Beteiligungen an NS-Unternehmungen wie seine Forschungen für Gerigk nicht explizit vorgesehen waren, so dass er rekonstruierbare Mitgliedschaften in Partei und Verbänden korrekt auflistete und die Frage nach einer beamtenmäßigen Zugehörigkeit zum Amt Rosenberg wahrheitsgemäß verneinen konnte, da er als Universitätsprofessor dem ehemaligen Reichserziehungsministerium unterstanden hatte.90 Um die Behauptung zum Stichpunkt Schriftwerke und Reden aufrecht halten zu können, sich „nie politisch betätigt“ oder „Vorlesungen oder Ansprachen gehalten oder Schriften veröffentlicht [zu haben], die politischen Inhalts waren“, gab er zum einen an, dass seine Veröffentlichungen und Vorträge „ausschließlich Themen aus dem Gebiete der Musik“ betroffen hätten. Zum anderen hatte er wohlweißlich ein lückenhaftes Schriftenverzeichnis eingereicht, das weder den erwähnten Aufsatz zur Musik der Ostmark enthielt, noch andere einschlägige Beiträge im Archiv für Musikforschung. Der Empfehlung des Unterausschusses der Universität vom 6. Oktober 1947, Gerbers „nach Aktenlage nur nominelle Mitgliedschaft in der NSDAP“ stünde einer 89 Siehe Gerbers zitierte Entnazifizierungsakte im Landesarchiv Hannover. 90 Wie eng dabei sein Kontakt zu Ministerialrat Herman-Walther Frey war, für dessen Entnazifizierungsverfahren er später einen Persilschein beisteuerte, ist bislang unklar. Siehe Michael Custodis, Kontinuität und Loyalität – Freys Wissenschaftsnetzwerk, in: Herman-Walther Frey: Ministerialrat, Wissenschaftler, Netzwerker. NS-Hochschulpolitik und die Folgen, hg. von demselben, Münster 2014 [= Münsteraner Schriften zur zeitgenössischen Musik 2], S. 37.

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Einstufung in Kategorie V der Unbelasteten nicht entgegen, schloss sich am 2. Januar 1948 der Entnazifizierungsausschuss der Stadt Göttingen an und hielt ihm die in verschiedenen Persilscheinen attestierte Haltung zugute, ein „scharfer Gegner“ des Systems gewesen zu sein und seine Kinder „gegen den Geist von HJ und BDM“ erzogen zu haben. Noch bevor am 22. Oktober 1947 auch Karl Vötterles Entnazifizierungsfall im Berufungsverfahren zu seinen Gunsten entschieden wurde,91 war die Arbeit im Bärenreiter-Verlag trotz kriegszerstörter Gebäude und Maschinen längst in vollem Gang. Spätestens zur Jahresmitte existierten Planungen, wie der ehemalige Leiter des Staatlichen Instituts Hans Albrecht nach Göttingen an Gerber schrieb, die Gluck-Gesamtausgabe möglichst bald anlaufen zu lassen, auch wenn für den in Aussicht genommenen Band Paris und Helena nicht alle Quellen zur Verfügung stünden.92 Als Ursache für diese Eile galten Pläne amerikanischer Musikwissenschaftler, eine konkurrierende Gluck-Ausgabe auf den Weg zu bringen, von denen Wilibald Gurlitt in den Freiburger Universitätsblättern berichtet hatte.93 Da nach Albrechts Auffassung das inzwischen entstandene Berliner Landesinstitut „nicht ohne weiteres die Rechtsnachfolge des alten Staatlichen Instituts antreten kann und will“, war Vötterle nach diesem Wegfall der ursprünglichen Auftraggeber das weitere Vorgehen unklar. Zuvor hatte er in einem Schreiben an den Berliner Oberbürgermeister eine Klärung der Rechtsnachfolge erbeten und im September 1947 zur Antwort erhalten, dass nach Ansicht des Landes Berlin das ehemalige Institut „wie alle Reichs- und Staatsinstitute auf Berliner Boden nach dem Zusammenbruch höherer Verwaltungsinstanzen in den Geschäftsbereich der Stadt Berlin übergegangen sei.“94 Die Stadt habe, so Alfred Berner für das Berliner Landesinstitut für Musikforschung weiter, auch Mittel zum Wiederaufbau und zur Weiterführung der Institutsarbeit zur Verfügung gestellt. Grundlage hierfür sei aber zuvor eine eingehende Prüfung der alten Verträge: 91 Bärenreiter-Chronik. Die ersten fünfzig Jahre 1923-1973, S. 56. 92 Gluck-Forschungsstelle Salzburg, Ordner Gluck-Korrespondenz, Brief von Hans Albrecht an Gerber vom 21. Juli 1947. 93 Brief von Karl Vötterle an Rudolf Gerber vom 28. Juli 1947, in: Bärenreiter-Archiv: „Die amerikanischen Pläne hat Herr Prof. Dr. Gurlitt in der letzten Nummer der ‚Universitas‘ bekannt gegeben; Sie können diese in Göttingen leicht in der Bibliothek bekommen.“ Siehe Wilibald Gurlitt, American Institute of Musicology in Rom, in: Universitas. Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur 2 (1947), Heft 2, S. 375f. 94 Siehe den Brief des Bärenreiter-Verlags an den Berliner Oberbürgermeister vom 28. Juli 1947 und die Antwort von Alfred Berner für das Berliner Landesinstitut am 17. September 1947 an Bärenreiter, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-43 Schriftwechsel Bärenreiter 1947-58 sowie ergänzend SIM, Mappe Schriftwechsel Senator f. Volksbildung, Magistrat, Stadtrat Charlottenburg 1949-59 27 Bl. Ehemaliger Ordner: „Gluck-Gesamtausgabe Schriftw. u.a.“.

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Was nun den Eintritt in die Verträge mit den Verlagen betrifft, so stehen wir auf dem Standpunkt, dass wir zu einer generellen Übernahme nicht verpflichtet sind; denn nicht nur die ökonomischen Grundlagen auf denen seinerzeit die Verträge geschlossen wurden, sondern auch die geistigen Grundlagen haben sich derart verändert, dass nicht ohne weiteres zugesagt werden kann, ob die Durchführung der damaligen Pläne im Sinne unserer heutigen Aufgaben liegt, ja ob nicht gar Vorhaben dabei sind, deren Durchführung den vom alliierten Kontrollrat erlassenen Bestimmungen widersprechen würde, bzw. die vorgesehenen Mitarbeiter aus eben diesen Gründen auszuscheiden haben.

Statt die erbetenen Verträge nach Berlin zur Prüfung zu übersenden, drohte Vötterle im Juni 1948 mit einem selbstständigen Vorgehen, falls das Berliner Institut nicht seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllte, und legte einen überarbeiteten Vertrag vor, ohne das für einen Abgleich der Modifikationen benötigte Ursprungsdokument mitzuschicken, so dass der ursprüngliche Vertrag unverändert in Kraft blieb.95 Da der im Juni 1943 mit dem damaligen Institut geschlossene Kontrakt aber keinen festen Druckkostenzuschuss vorsah, sondern nur eine Bereitschaft zur Erstattung von Auslagen und fotografischer Kopierarbeiten enthielt, blieben dem Verlag keine Möglichkeiten, eine Unterstützung aus Berlin zu erzwingen, zumal die komplizierte politische Struktur des unter alliierter Kontrolle stehenden Senats von Großberlin Entscheidungen verzögerte. Eine erste im November 1949 eingebrachte Magistratsvorlage zur Unterstützung der Gluck-Gesamtausgabe wurde vom Stadtkämmerer zurückgewiesen und auch in den Jahren 1951 und 1952, als in der inzwischen gegründeten Bundesrepublik das Wirtschaftswunder zu blühen begann und insbesondere die Stadt Berlin aufgrund ihrer strategischen Bedeutung hohe Subventionen erhielt, konnten vom Berliner Landesinstitut jeweils „nicht mehr als rund DM 500.-- für Quellenbeschaffung“96 aufgewendet werden. Zurück zur Vorbereitung der Gesamtausgabe lag zu Jahresbeginn 1948 eine Zusage aus Hannover vor, die nächste Spielzeit mit Paris und Helena zu eröffnen,97 was 95 Übersicht zur Gluck-Gesamtausgabe (nach 1971), in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-38. Siehe ergänzend einen Brief von Alfred Berner an Richard Baum beim Bärenreiter-Verlag vom 29. Juni 1948 (Bärenreiter-Archiv) mit der Bitte, eine von Hans Albrecht angekündigte Zahlung von RM 4000 zu erklären, endlich die alten Vertragsunterlagen zur Verfügung zu stellen und die Unterstützung der Stadt Hannover zu spezifizieren. 96 Brief von Alfred Berner an Senator Joachim Tiburtius vom 17. März 1953, in: SIM Akte Gluck-G.A. 97 Schreiben von Karl Vötterle an Dr. Goerges bei den Städtischen Bühnen Hannover vom 29. Januar 1948, in: Stadtarchiv Hannover. Im September 1947 kursierte bereits ein erstes Gerücht, dass Hannover von seinem Erstaufführungsrecht Gebrauch machen wollte und damit eine Inszenierungsanfrage aus Göttingen blockierte. Siehe Brief von Gerber an Vötterle vom 20. September 1947, in: Bärenreiter-Archiv.

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Vötterle in seiner Rechtsauffassung bestärkte, dass die vertraglichen Grundlagen zur Umsetzung der Gesamtausgabe weiterhin gegeben waren, was vor allen Dingen die Finanzierung aus Hannover voraussetzte. Dort kündigte man allerdings zum 3. Juli 1948 den Vertrag, da man sich an Verpflichtungen aus der NS-Zeit nicht gebunden fühlte. Darüber hinaus könnte angesichts der akuten Versorgungsengpässe in der kriegszerstörten Stadt und ihrer notleidenden Bevölkerung kein Geld für nebenrangige Publikationsprojekte zur Verfügung gestellt werden.98 Wie zu erwarten, nahm man in Kassel diese Kündigung nicht an und verwies im September 1948 auf die alten Argumente, daß es der Stadt Hannover immer zur Ehre gereichen wird, wenn diese Ausgabe mit ihrer Unterstützung zustande gekommen ist. Darüber hinaus gibt das vertraglich festgelegte Vorrecht den Städtischen Bühnen die Möglichkeit, die Pflege der Musik Christoph Willibald Glucks unter besonders günstigen Bedingungen durchzuführen und Hannover vermag – ähnlich wie es Göttingen mit Händel geglückt ist – sich im Rahmen des europäischen Gesichtskreises ein besonderes Gesicht und einen besonderen Charakter zu geben.99

Auch auf der inhaltlichen Ebene kam die Gesamtausgabe in dieser Zeit kaum voran, da die vor 1945 in Paris angefertigten Filme der dortigen Bestände in Schloss Seifersdorf, wohin das Staatliche Institut in der letzten Kriegsphase ausgelagert worden war, vollständig verbrannt waren. Die über Jahre von Gerber betriebene Quellenakquise musste daher ein zweites Mal begonnen werden, so dass weder die Laufzeit noch der Umfang der Gesamtausgabe mehr zu taxieren war, wie er Alfred Berner am 4. Juli 1948 mitteilte: Paris muss also von neuem wieder beschafft werden, vor allem aber wird in Italien eine grosszügige und langfristige Aktion einsetzen müssen, die mich jahrelang in Anspruch nimmt, da ich Ort für Ort von Turin bis Neapel abgrasen muss. Wie ich vor kurzem authentisch hörte, sind die ital. Bestände grossenteils noch ausgelagert und erst in etwa 2 Jahren greifbar. Wenn wir also bis dahin reisen dürfen (und das Leben bis dahin in ruhigen Bahnen läuft) wird man um 1950 mit der Quellenbeschaffung in grossem Stil beginnen können. […] Es wird also dann, wenn alle Umstände günstig zusammenwirken, so sein, wie es im Vertrag von 1943 heisst, dass jedes Jahr ein Band, alle 2 Jahre 2 Bände erscheinen können. Mit einer 20jährigen Dauer wird man rechnen

98 Siehe die Kündigung vom 3. Juli 1948 sowie eine ausführliche Begründung im Schreiben des Hannoveraner Stadtdirektors an Karl Vötterle vom 11. November 1948. Siehe des Weiteren einen späteren Brief von Stadtdirektor Georg Lindemann an Vötterle vom 9. Februar 1950, in: Stadtarchiv Hannover. 99 Karl Vötterle an die Stadt Hannover vom 13. September 1948, ebenda.

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müssen, falls nicht späterhin ein rascheres Tempo im Erscheinen der einzelnen Bände angeschlagen werden kann.100

Da nach einem weiteren Meinungsaustausch in die Gespräche zwischen Kassel und Hannover keine Bewegung gekommen war, erwog Karl Vötterle Klage einzureichen und ließ der Stadt Hannover im Januar 1949 einen entsprechenden Schriftsatz zukommen.101 In den im Landesarchiv Hannover erhaltenen Prozessakten findet sich hierzu eine Einschätzung des städtischen Rechtsamt vom 3. Februar 1949, dass ein „Rechtsstreit […] nur dann Aussicht auf Erfolg haben [dürfte], wenn seinerzeit mit der Herausgabe der Werke Glucks tatsächlich ein politischer Zweck verfolgt werden sollte. Anhaltspunkte dafür, daß dies der Fall gewesen ist, sind nicht vorhanden.“102 Hierbei bezog man sich auf eine entsprechende Position der Bärenreiter-Anwälte Dr. Werner Lasch und Dr. Herbert Schless vom 26. Januar 1949: Auch mit der politischen Einstellung der berufenen Vertreter der Stadt Hannover im Jahre 1944 kann ein Rücktrittsrecht nicht begründet werden. Gluck war kein Nationalsozialist. Der Herausgeber, Herr Prof. Dr. Gerber in Göttingen, der Bärenreiter-Verlag in Kassel und die Stadt Hannover verfolgten ebenfalls mit der Herausgabe des Gluck-Werkes keinen politischen Zweck. Die Herausgabe des Gesamtwerks Glucks war und ist eine Kulturarbeit, die das auch bleibt, wenn sie von einer nationalsozialistischen Stadtverwaltung veranlasst wurde. Die Auffassung und Anschauung der damaligen Stadtverwaltung, dass die Herausgabe der Gluck-Werke wünschenswert und zu unterstützen sei, ist auch heute noch zu teilen.103

Man sollte an dieser Stelle gewärtigen, welche grundsätzlichen Fragen und Haltungen sich hier kontrovers gegenüberstanden: An einem dem äußeren Anschein nach so unauffälligen Gegenstand wie einer Gesamtausgabe für Gluck entschied sich zum einen 1947/48 die Rechtsnachfolge des Staatlichen Instituts für deutsche Musikforschung, als Friedrich Blume sich an die Spitze der deutschen Musikwissenschaft gesetzt und in Kiel längst ein Landesinstitut gegründet hatte, um 100 Brief von Rudolf Gerber an Alfred Berner vom 4. Juli 1948 mit Dank für dessen Brief vom 28. Juni 1948, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-46. 101 Brief von Karl Vötterle an Rudolf Gerber vom 28. Juni 1949, in: Bärenreiter-Archiv. Siehe auch eine Aktennotiz von Alfred Brenner (mit Briefkopf des Instituts für Musikforschung, Berlin-Grunewald, Hubertusbader Str. 19) vom 17. August 1949, dass Vötterle die Übersendung des ursprünglichen Vertrags ein weiteres Mal versprach, was er im Oktober schließlich einlöste, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-43 Schriftwechsel Bärenreiter 1947-1958 (Vötterle, Rehm-Berner). 102 Ergänzung des Rechtsamts Hannover vom 3. Februar 1949 zum Bärenreiter-Schriftsatz vom 26. Januar 1949, in: Stadtarchiv Hannover. 103 Schriftsatz der Bärenreiter-Rechtsanwälte vom 26. Januar 1949, ebenda.

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die Aufgaben der ehemaligen zentralistischen Berliner Institution weiterzuführen und damit die Entwicklung der deutschen Musikforschung in der Nachkriegszeit zu lenken.104 Zum anderen zog der Versuch, Projekte aus der NS-Zeit möglichst bruchlos weiterzuführen, zwangsläufig die Frage nach der Engführung oder Trennung der Bereiche „Musik“ und „Politik“ nach sich, inmitten einer Zeit, als sie in größerem Maßstab in zahllosen Entnazifizierungsverfahren prominenter wie unbe­ kannter Musikschaffen­der verhandelt wurde und die Entnazifizierungspolitik in der Bevölkerung und auch innerhalb der Gruppe der NS-verfolgten Musiker auf nahezu lückenlose Ablehnung stieß.105 Pointierter als in der Formulierung „Gluck war kein Nationalsozialist“ könnte dieser Knotenpunkt von Musik und Politik kaum gefasst werden: Man versuchte sich erst gar nicht daran, die Verbindung der Gesamtausgabe zur nationalsozialistischen Musik- und Wissenschaftspolitik wortreich zu entflechten. Stattdessen definierte man das Projekt über seinen Gegenstand, einen im 18. Jahrhundert verstorbenen Künstler, und nicht über dessen Rezeption durch spätere Generationen, womit zugleich postuliert wurde, es habe in der NS-Zeit neutrale, rein disziplinären Regeln gehorchende Wissenschaft geben können. Im Wissen um die Gründung der Gluck-Gesellschaft unter Schirmherrschaft des Gauleiters und die Sonderaufträge Herbert Gerigks wäre es ein Leichtes gewesen, diese Argumentation auszuhebeln und den Beweis anzutreten, dass die Gluck-Gesamtausgabe Teil der nationalsozialistischen Propaganda gewesen war. Da die Gründungsgeschichte der Gluck-Gesellschaft in Hannover aber entweder nicht bekannt oder als nicht als Gegenargument in Betracht gezogen wurde und – als Glücksfall für die Beteiligten – Gerbers Einsatz für den Sonderstab Musik als Geheimsache des Amtes Rosenberg eingestuft gewesen und damit ebenfalls nicht publik war, ließ sich das Hannoveraner Rechtsamt nicht auf eine Verteidigung seiner Vertragskündigung auf der Detailebene ein, sondern blieb bei seiner formalen Strategie. Wie zu erwarten war, kam es 1950 zum Prozess, der für die Gluck-Gesamtausgabe zum entscheidenden Katalysator wurde. Dass die Gefahr, dabei mit der eigenen politischen Vergangenheit konfrontiert zu werden, keineswegs unbegründet war, belegt ein Brief von Vötterle vom 27. März 1951. Darin bat er Gerber für den laufenden Prozess um exakte Angaben zu folgenden Punkten: 1. Welche Forschungsarbeiten sind im letzten Kriegsjahr und insbesondere bis zur Währungsunion für die GA gemacht worden. 104 Michael Custodis, Friedrich Blumes Entnazifizierungsverfahren, in: Musikforschung 65 (2012), Heft 1. 105 Michael Custodis und Friedrich Geiger, Netzwerke der Entnazifizierung. Kontinuitäten im deutschen Musikleben am Beispiel von Werner Egk, Hilde und Heinrich Strobel, Münster 2013 [= Münsteraner Schriften zur zeitgenössischen Musik 1], S. 101-125.

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2. Die Gegenseite behauptet, daß die Kriegswirtschaft 1944 es dem Verlag und Herausgeber gänzlich unmöglich gemacht habe, ernsthaft an die Herausgabe der Gluck-Ausgabe heranzutreten. Um dem möglichst scharf entgegen zu treten, erbitten wir von Ihnen eine Erklärung, daß es gerade damals für Sie sehr viel leichter war, an die notwendigen Quellen (Paris) heranzukommen.106

Vierzehn Tage später antwortete Gerber ausweichend und bemerkte zu seinem beigelegten Bericht, der in den überlieferten Archivalien nicht enthalten ist, dass die „‚Erklärung‘ zu meinen Gluck-Arbeiten […] natürlich für den Nicht-Fachmann nach nicht viel aussieht. In Wirklichkeit verbirgt sich dahinter eine mit viel Geduld und Ausdauer verbundene Arbeit. Die Gluck-GA ist deshalb so kompliziert, weil sich eben das Material über ganz Europa verstreut findet.“107 Aus Sicht des Bärenreiter-Verlags war der Prozess ein voller Erfolg und nach der zweiten Instanz 1952 gewonnen. Zum einen hatte Alfred Berner am 24. August 1951 gegenüber dem Landgericht Hannover endgültig klar gestellt, dass die Rechtsnachfolge des ehemaligen Staatlichen Instituts für deutsche Musikforschung auf das neue Institut für Musikforschung Berlin übergegangen sei und man den alten Vertrag für die Gluck-Gesamtausgabe übernommen habe.108 Zum anderen hatte Vötterle zu diesem Zeitpunkt bereits Fakten geschaffen und den ersten Band, Franz Rühlmanns Edition des Bekehrten Trunkenbolds, drucken und im Juni 1951 ausliefern lassen.109 Die Gesamtausgabe war nun kein Phantom mehr, sondern ein Subventionsprojekt, das auf Jahrzehnte nicht mehr aufzuhalten war, wollte man sich nicht international blamieren. Vötterle war sich des Drucks, den er erzeugte, wohl bewusst und reagierte damit zugleich selbst auf Gerüchte über konkurrierende Bestrebungen, wie ihm Rudolf Gerber noch am 17. Juni 1951 bestätigt hatte, bevor dieser von dem überraschenden Erscheinen des ersten Bandes erfuhr: Allmählich spricht es sich herum, dass Gluck noch ein „Objekt“ ist, und so sollte es mich nicht wundern, wenn eines schönen Tages, während dem wir „planen“ und Prospekte entwerfen, ein fertiges GA-Unternehmen von anderer Seite (es braucht nicht deutsch zu sein!) „auf dem Plan“ ist. Dass Hermann Scherchen etwas derartiges beabsichtigt, wissen Sie vielleicht nicht. Er hat sich direkt an mich gewandt, einige Opern von Gluck in seinem Verlag herauszubringen. 110 106 Brief von Karl Vötterle an Rudolf Gerber vom 27. März 1951, in: Bärenreiter-Archiv. 107 Antwortbrief von Rudolf Gerber an Karl Vötterle vom 15. April 1951, ebenda. 108 Auskunft von Alfred Berner für das Landgericht Hannover vom 24. August 1951, in: Stadtarchiv Hannover. 109 Siehe auch den Brief von Alfred Berner an Rudolf Gerber vom 12. Juni 1951, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-46 Schriftwechsel Rudolf Geber 1948-53. 110 Brief von Rudolf Gerber an Karl Vötterle vom 17. Juni 1951 sowie einen Brief von Karl Vötterle an Rudolf Gerber vom 20. Juni 1951, beide Bärenreiter-Archiv.

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Nicht zuletzt hatte Friedrich Blume, seinem Freund Vötterle durch die gemeinsame Zeit in der Jugendmusikbewegung seit Jahrzehnten eng verbunden, in seiner Funktion als Präsident der Gesellschaft für Musikforschung den Prozess entscheidend mit einer Stellungnahme beeinflusst.111 Mit Datum vom 18. August 1951 bemühte er in einem für Gutachten typischen, hymnischen Tonfall große Worte, die den Gedanken von der globalen Vorherrschaft der deutschen Musik ungebrochen weiterführten, und argumentierte, dass die Gluck-Ausgabe eines der vordringlichsten Erfordernisse der Musikpraxis und Musikwissenschaft aller Welt [sei]. Das beweist allein die Tatsache, dass diese Ausgabe von dem ehm. Staatlichen Institut für deutsche Musikforschung angelegt und in dessen Produktionsprogramm aufgenommen worden ist. Unter den deutschen Grossmeistern der Musik ist Gluck der einzige, von dem noch keine Gesamtausgabe seiner Werke vorliegt. Die alten Einzelausgaben sind seit Jahrzehnten, z.T. seit einem Jahrhundert und länger vergriffen. […] Es ist nicht nur eine deutsche Ehrenpflicht der Gegenwart, diese Ausgabe vorzulegen, sondern es besteht auch ein dringendes Bedürfnis danach, weil Gluck‘s Opern in steigendem Maße auf den Bühnen aufgeführt werden, und weil die Wissenschaft eine kritisch korrekte Ausgabe benötigt.

Darüber hinaus bedrohe die amerikanische Konkurrenz den deutschen Markt, so dass man die Werke Haydns und Mozarts bereits hätte verloren geben müssen, mit der Konsequenz unschätzbarer ideeller und materieller Verluste.112 Er fühle sich daher berufen, so Blume in seinem Schlusswort, „gerade zu dieser Frage ausdrücklich in meiner Eigenschaft als Präsident der Gesellschaft für Musikforschung im Namen nicht nur der deutschen Musikwissenschaft, sondern im Namen der gesamten deutschen musikalischen Kultur zu sprechen.“ Am 27. März 1952 entschied das Landgericht Hannover den Rechtsstreit zugunsten des klagenden Bärenreiter-Verlags, der 1944 geschlossene Vertrag sei weiterhin in Kraft, und hielt in seiner Urteilsbegründung fest, dass die 1948 erfolgte einseitige Kündigung durch die Stadt Hannover mit der „völlig veränderten Situation seit 1944“113 nicht zu rechtfertigen sei. Ferner orientierte sich auch das Gericht am damaligen Konsens, dass Musik und Politik zwei voneinander streng getrennte Welten seien:

111 Gutachten von Friedrich Blume als GfM-Präsident vom 18. August 1951, in: Stadtarchiv Hannover. 112 Das Schüren dubioser und konkreter Ängste gehörte seit Langem zum Repertoire musikwissenschaftlicher Rhetorik, siehe Albrecht Riethmüller, German Music from the Perspective of German Musicology after 1933, in: Journal for Musicological Research 11 (1991), S. 178. 113 Urteil des Hannoveraner Gerichts vom 27. März 1952, in: Stadtarchiv Hannover.

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Vielmehr hat der Wechsel in der politischen Grundtendenz auf den vorliegenden Vertrag überhaupt keinen Einfluss gehabt. Die Arbeiten Christoph Willibald Glucks, als Werke eines klassischen Musikers, können nach Auffassung des Gerichts einer politischen Würdigung überhaupt nicht unterliegen. Die Wertschätzung Glucks in den interessierten Kreisen ist heute die gleiche wie in der Zeit des Nationalsozialismus. Eine Kündigung unter dem Gesichtspunkt der ideologischen Verschiebung zwischen 1944 und 1948 konnte daher nicht in Betracht kommen.

Eine für Stadtdirektor Georg Lindemann angefertigte amtsinterne Einschätzung des Urteils hielt dieses im Ergebnis zwar für außerordentlich unbefriedigend, da es der Hannoveraner Argumentation von grundlegend veränderten Bedingungen im Vergleich der Jahre 1944 und 1948 nicht gefolgt sei. Mit der Bewertung des Gerichts stimmte man in Teilen aber überein, „daß politische Gesichtspunkte als solche s.Zt. für den Vertragsabschluß nicht maßgebend gewesen sind, es hätte aber einsehen müssen, daß den politischen Änderungen insoweit Rechnung getragen werden mußte, als unzweifelhaft der Vertragsabschluß eine Auswirkung der Renommiersucht der damaligen Machthaber war.“114 Mit diesem Erfolg war eine Teilfinanzierung der Gesamtausgabe nun gesichert, der verbleibende Rest der zu deckenden Druckkosten allerdings noch offen. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft übernahm ab dem Jahr 1954 nur Zuschüsse zur Bereitstellung von Druckvorlagen und der dazugehörigen Filme,115 eine weitergehende Finanzierung von Personal, Honoraren oder Druckkostenzuschüssen in Höhe von DM 40.000 lehnte sie aufgrund der langen Laufzeit der Gesamtausgabe ab.116 Die im Archiv der Deutschen Forschungsgemeinschaft hierzu überlieferten Unterlagen enthalten auch Zusammenfassungen der anonymisierten Gutachten, wovon eines dem Tonfall und der Sachkenntnis nach von Blume stammte, der zu dieser Zeit gemeinsam mit Wilibald Gurlitt die Musikwissenschaft bei der DFG vertrat: „Die Gesamtausgabe der Werke Glucks, seit 1940 geplant, seit 1943 dem Antragssteller in Auftrag gegeben und von ihm weit gefördert, sei ein vordringliches Anliegen für die gesamte Weltmusikforschung.“117 Dennoch ging die DFG über 114 Dossier eines Stadtrates für Stadtdirektor Georg Lindemann vom 28. April 1952, ebenda. 115 Brief von Rudolf Gerber an das Staatliche Institut für Musikforschung in Berlin vom 16. August 1953, in: SIM Sig. HA-SIM-5-9-1-1-46 Schriftwechsel Rudolf Gerber 1948-53. 116 Übersicht aus dem Jahr 1954 zu DFG-geförderten musikwissenschaftlichen Unternehmen mit dem Vermerk, dass die Gluck-GA 1954 mit DM 25.000 unterstützte werde, nachdem DM 40.000 beantragt worden waren. Kommentar: „langfristig. Druck durch andere Stellen gefördert.“ Archiv der Deutschen Forschungsgemeinsschaft [= DFG-Archiv]. 117 Anonyme Stellungnahme eines der Fachgutachter, in: DFG-Archiv. Wie aus einem Brief von Rudolf Gerber an Richard Baum vom 11. April 1954 hervorgeht (Bärenreiter-Archiv), vermutete man Wilibald Gurlitt und Friedrich Blume als DFG-Gutachter des Gluck-Antrags.

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die Unterstützung einzelner Bände nicht hinaus, positiv konnte Rudolf Gerber am 10. Dezember 1954 immerhin mitteilen, dass die Göttinger Akademie, deren Mitglied er war, den Doppelband Paride ed Elena mit DM 2.000 förderte.118 Ein strategisch wesentlich weitreichender Schritt, für den ebenfalls die GluckGesamtausgabe den Anlass lieferte, war die Gründung der Musikgeschichtlichen Kommission in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins am 31. Januar 1953,119 mit dem die Konsequenzen aus der Lücke gezogen wurde, die der Wegfall des Staatlichen Instituts als Zentralstelle zur Koordinierung und Lenkung der deutschen Musikforschung hinterlassen hatte. Auf diesem Wege ließen sich dank dieser musikwissenschaftlichen Selbstverwaltung öffentlicher Mittel weitere Finanzierungslücken schließen. Den Anfang bei dieser Entwicklung machte eine Denkschrift zur Lage der deutschen Musikforschung, die an einflussreiche politische Institutionen und Persönlichkeiten sowie an führende Einrichtungen zur Wissenschaftsförderung verschickt wurde und die ebenfalls mit dem Argument einer fehlenden Zentraleinrichtung operierte: Das vordinglichste Erfordernis, das als Nahziel möglichst schnell anzustreben ist, besteht in der Wiedererrichtung eines zentralen Forschungsinstituts (in Nachfolge des ehem. Staatlichen Instituts für deutsche Musikforschung) auf Bundesebene, das mit genügend Befugnissen und genügend Mitteln ausgestattet ist, um gemeinsam mit den drei vorhandenen Forschungsinstituten die gesamtdeutschen Aufgaben in Angriff zu nehmen, nämlich: Quellen und Abhandlungen zu publizieren, mit der Gesellschaft für Musikforschung an der Herausgabe einer laufenden Fachzeitschrift und laufender Schriftenreihen zusammenzuarbeiten, Materialsammlungen anzulegen, die landschaftliche Musikforschung und die Inventarisierung der landschaftlichen Quellen wieder in Gang zu setzen usw. Es hat sich gezeigt, daß alle diese Aufgaben ohne ein Zentralinstitut nicht zu leisten sind.120

In einem Brief an Rudolf Gerber vom 29. November 1954 (ebenda) ging Karl Vötterle nach der Ablehnung des Antrags davon aus, dass Blume sich mit Sicherheit für den Antrag eingesetzt habe, während Gurlitts Haltung nicht einzuschätzen sei. Nach dem Wortlaut seines Schreibens waren Vötterle die Gutachten offensichtlich nicht bekannt. 118 Brief von Rudolf Gerber an Karl Vötterle vom 10. Dezember 1954, ebenda. 119 Alfred Berner an den Berliner Senator für Volksbildung Joachim Tiburtius am 17. März 1953 zur Gluck-Gesamtausgabe, in: SIM, Sig. Akte Gluck-G.A. 120 Denkschrift der Gesellschaft für Musikforschung zur Lage der Deutschen Musikforschung, abgedruckt im 5. Heft des Jahrgangs 2/3 (1952) der Musikforschung. Hans Joachim Moser wiederum verstand seine Denkschrift Das musikalische Denkmälerwesen in Deutschland (Kassel und Basel 1952) explizit als Ergänzung der GfM-Publikation.

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Nach eingehender Lektüre lud Ludwig Raiser, Präsident der DFG, Friedrich Blume im August 1952 zu einem Gedankenaustausch nach Bonn ein.121 In diesem Gespräch am 22. Oktober 1952 entstand die Idee, anstelle einer kaum zu realisierenden Institutsneugründung eine Kommission ins Leben zu rufen, die sich im praktischen Ergebnis kaum unterschiede, aber wesentlich leichter zu organisieren und institutionalisieren sei.122 Bei vorab geführten Gesprächen mit Dr. Erich Wende, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, hatte Blume die Bereitschaft dieses Hauses gewinnen können, eine solche als Verein organisierte Kommission mit jährlich DM 20.000 zu finanzieren. Zu diesem Zeitpunkt unterstützte das Ministerium bereits mehrere deutsche Gesamtausgaben, u.a. die Neue-Bach-Ausgabe. Diese Förderung nahm Raiser zum Anlass, im Rahmen des Möglichen ebenfalls Unterstützung zur Finanzierung von Hilfskräften oder dem Druck bestimmter Editionsprojekte zuzusagen. Eine Woche später legte Blume seinem Dankesbrief an Raiser einen Durchschlag seines Schreibens an Wende bei, in dem er die Planungen für die Musikgeschichtliche Kommission skizzierte. Diese solle zukünftig a) die Redaktion musikalischer Quellenausgaben koordinieren, b) die von den bestehenden Landesinstituten geplanten Quellenpublikationen untereinander abstimmen, c) die Vorbereitung und Herausgabe sonstiger musikwissenschaftlicher Publikationen von gesamtdeutscher Wichtigkeit übernehmen und d) die Vorbereitung und den Wiederaufbau einer Sammlung von Quellenphotographien in die Wege leiten: Die Gesellschaft für Musikforschung schlägt daher dem Herrn Bundesminister des Innern vor, eine „Kommission für das musikalische Denkmälerwesen“ zu errichten und sie mit der Lenkung und Planung dieser Aufgaben zu beauftragen. Diese Kommission könnte an der Stelle eines zentralen Instituts wirken und eine Fortsetzung der ehemaligen „Preußischen Denkmälerkommission“ bilden, die von etwa 1890-1935 bestanden hat.123

Im Resümee der Ereignisse erfordert die Bewertung der Gluck-Gesamtausgabe als Modellfall einer Institutionalisierung europäischer Kulturgeschichte zunächst eine Verständigung über anzulegende Maßstäbe. Heute wie damals sind Großprojekte wie Gesamtausgaben nicht ohne öffentliche Förderung möglich. Erst aber mit der Bereitwilligkeit von Experten wie Rudolf Gerber, die eigene Expertise in den Dienst des braunen Terrorregimes zu stellen, eröffneten sich ihm die Möglichkeiten, Grundlagenforschung in einer Weise betreiben zu können, aus der ein so großangelegtes Projekt hervorgehen konnte. Die Kontinuität dieses Unternehmens verdich121 Schreiben von Ludwig Raiser an Friedrich Blume vom 29. August 1952, in: DFG-Archiv. 122 Aktennotiz Raisers vom 22. Oktober 1952 über eine Besprechung mit Blume am selben Tag, ebenda. 123 Schreiben von Friedrich Blume an Erich Wende vom 31. Oktober 1952, Durchschlag im DFG-Archiv.

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tet sich daher zu Grundsatzproblemen im Umgang mit musikwissenschaftlicher Forschung im Dritten Reich: Den vorgelegten Ergebnissen sind keinerlei Hinweise darauf zu entnehmen, unter welchen Umständen und in welchem Auftrag sie zustande kamen, so dass in der Bewertung moralische Maßstäbe juristischen und wissenschaftlichen Argumenten gegenüberstehen. Im konkreten Fall von Gerber und seiner Gluck-Forschung werden daraus unauflösbar ineinander verschränkte Fragen: Wie ist mit einer nach wissenschaftlichen Kriterien tadellos ausgeführten Gesamtausgabe umzugehen, deren akademische Grundlagen zwar bis in die Zeit vor der NS-Diktatur zurückreichen, die aber erst mit der skrupellosen Einbettung Glucks in die nationalsozialistische Musikpolitik auf den Weg gebracht werden konnte? Als Symbol für den ungebrochenen Glauben an die Weltgeltung der deutschen Musik konnte sie bezeichnenderweise in einer vorgeblich unpolitischen Nachkriegsgesellschaft schließlich unbehelligt realisiert werden, womit die Wortführer der deutschen Musikforschung ein weiteres Mal von ihren Arbeiten aus der NS-Zeit profitierten.

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Anhang Transkription einer maschinenschriftlichen Denkschrift Rudolf Gerbers vom 6. Dezember 1940 mit handschriftlichen Korrektureinzeichnungen, erhalten in der Gluck-Forschungsstelle Salzburg. Unregelmäßigkeiten der Orthografie und der Interpunktion wurden unverändert beibehalten. Die Darstellung folgt Gerbers Satzbild, eingeklammerte Ergänzungen entsprechen seinen Korrektureinzeichnungen.

Denkschrift betr. die Veranstaltung einer Gesamtausgabe der Werke Christoph Willibald Glucks. Vorbemerkung:

Unter den Führerpersönlichkeiten der deutschen Musik, die in leidenschaftlicher Hingabe in ihre geschichtliche Aufgabe deutschen Geist und deutsche Seele in einmaliger [vorbildhafter] Weise geformt haben steht Ch. W. Gluck in vorderster Reihe. Seine Bedeutung innerhalb der deutschen Musik- und Geistesgeschichte bedarf heute keiner Erörterung mehr. Glucks überragende Grösse wird dadurch besonders gekennzeichnet, dass der Wirkungsbereich seines Kunstschaffens weit über die Grenzen seiner deutschen Heimat hinausgreift und in den gesamteuropäischen Raum hineinstrahlt. Neben Händel war Gluck der tatkräftigste Vorkämpfer für die Weltgeltung der deutschen Musik, da er in fremden Formen um den Sieg des deutschen Geistes kämpfte, diese Formenwelt schliesslich unter der bezwingenden Kraft [seines Genies] umprägte und in eigenes Besitztum verwandelte, das den Stempel deutschen Wesens und deutscher Art trägt. Die deutsche Kunst und Wissenschaft haben angesichts dieser einmaligen Grösse nicht nur die verpflichtende Aufgabe, einzelnes aus seinem umfassenden Schaffen zu hüten, zu pflegen und in wissenschaftlicher Durchdringung zu erforschen, sondern nach Möglichkeit das Gesamtwerk des Meisters in einer vorbildlichen kritischen Neuausgabe zu vereinigen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das deutsche Volk hat ein Recht darauf, das Werden und Wachsen seiner grossen geistigen Führer in allen einzelnen Stadien kennen zu lernen und nicht allein vor die grossen Meisterwerke gestellt zu werden, in denen der durch Niederungen und über Höhen führende Reifeprozess bereits abgeschlossen ist. Versuche, Gluck eine kritische Ausgabe seiner Werke zuteil werden zu lassen, wurden schon in früheren Jahren, teils von der vor dem Weltkrieg bestehenden Gluck-Gesellschaft, teils durch Einzelinitiative unternommen. Sie blieben aus den verschiedensten Gründen bereits in den Anfängen stecken, Bald mangelte den Unternehmen die sinnvolle Planung oder die Finanzkraft, bald scheiterten die gefassten Pläne an der Unzulänglichkeit, der unkritischen und unwissenschaftlichen Methode der Herausgeber. Die Gluck-Gesellschaft selbst nahm im Hinblick auf die empfindlichen Lücken, die die Überlieferung der Gluckschen Werke bis zur Stunde kennzeichnet, von einer umfassenden Gesamtausgabe Abstand und plante lediglich eine Auswahlsamm-

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lung der Guckschen Werke, die zudem im Rahmen der damals bestehenden Denkmäler der Tonkunst in Österreich und Bayern (DTÖ, DTB) erscheinen sollten und auf diese Weise das Schicksal der Zersplitterung erfahren mussten. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass all diese Versuche Kompromißlösungen darstellten, die in keinem Falle zum Ziele führten: eine geschlossene, nach streng wissenschaftlichen Gesichtspunkten durchgeführte und zugleich der praktischen Musikübung als Richtschnur dienende Ausgabe der Gluckschen Werke ins Leben zu rufen. Andererseits muss es als eine Ehrenpflicht der deutschen Musikforschung gelten, mit allen Kräften darauf hin zu arbeiten, dass diese längst fällige Schuld abgetragen wird. Der Unterzeichnete, der in eingehenden Forschungen die Probleme um Gluck zu klären sich bemüht, wendet sich daher mit dem Antrag an das „Staatliche Institut für deutsche Musikforschung“ als der repräsentativen Vertretung der deutschen Musikwissenschaft, eine Gesamtausgabe der Werke Glucks im Rahmen der Publikationsreihen „Das Erbe deutscher Musik“ ins Auge fassen und alsbald in die Wege leiten zu wollen. Als Richtlinien gestattet sich der Unterzeichnete folgende Gesichtspunkte in Vorschlag zu bringen. Hauptteil

I. Der Begriff der „Gesamtausgabe“ schliesst eine totale Erfassung des Gluckschen Schaffens in sich. Die Quellenlage der Gluckschen Werke ist nun aber – wie bereits angedeutet – im Augenblick noch so geartet, dass zwar das Gesamtschaffen Glucks annähernd vollständig übersehbar ist und die einzelnen Werke namentlich bekannt sind, dass wir hingegen von einer Reihe von Werken nur Namen und Aufführungsumstände, nicht jedoch die Gesamtpartitur, höchstens Einzelteile (Arien) kennen. Die Bestrebungen [maßgebenden Persönlichkeiten] der ehemaligen Gluck-Gesellschaft (s.o.) haben im Hinblick auf diese Gegebenheiten den Plan einer Gesamtausgabe zugunsten einer Auswahlsammlung preisgegeben. Der Unterzeichnete vertritt jedoch den Standpunkt, dass diese Resignation unbegründet ist, da noch nicht einmal ein nennenswerter und ernsthafter Versuch unternommen wurde, die Bibliotheken und Archive auf Glucksche Werke systematisch zu durchsuchen. An dieser Stelle müssten die Vorarbeiten für eine künftige Gluck-Gesamtausgabe einsetzen. Solange wir nicht auf Grund einer umfassenden Bestandsaufnahme der Gluckschen Werküberlieferung die Gewissheit erlangt haben, dass manche der Werke unwiederbringlich verloren sind, haben wir keine überzeugende und stichhaltige Veranlassung, den Plan einer Gesamtausgabe fallen zu lassen. Im Gegenteil: bei einer allseitigen, gründlichen Durchforstung der in Betracht kommenden Quellen und Aufbewahrungsorte ist durchaus die Möglichkeit gegeben, vermisste Werke wieder ans Licht zu bringen und selbst über das Mass an bekannten Gluck-Werken hinaus auch solche Kompositionen zu entdecken, die bisher nicht einmal dem Namen nach bekannt waren. So gelang es dem Unterzeichneten bei der Erforschung der Gluckschen Familiengeschichte, in einem böhmischen Adelsarchiv (beiläufig) 3 unbekannte Sinfonien (darunter ein bedeutendes Werk) sowie eine bisher unbekannte Triosonate als echte Gluck-Werke festzustellen. Voraussetzung für diese Arbeit ist indessen, wie gesagt, dass der Rahmen der zu erfassenden Fundorte möglichst

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weit abgesteckt wird. Es kommen dafür neben den grossen und kleinen öffentlichen Bibliotheken vor allem die Privatbibliotheken verschiedenster Art in Frage. Räumlich sind dabei in erster Linie die Bibliotheken Italiens sowie des Landes Österreich und des Protektorats Böhmen und Mähren zu berücksichtigen, da es sich zunächst darum handeln wird, die als verschollen geltenden 12 frühitalienischen Opern Glucks zutage zu fördern. Besondere Aufmerksamkeit beanspruchen die noch erhaltenen Privatbibliotheken der fürstlichen und aristokratischen Widmungsträger Gluckscher Opern. Von aufgefundenen Werken, zumal solchen in ausserdeutschem Besitz, wären alsdann photographische Reproduktionen herzustellen, die dem Staatlichen Institut für deutsche Musikforschung als Eigentum zugeführt werden. Letzteres gilt auch von den Handschriften einzelner Gluck-Arien in den Pariser und Brüsseler Archiven und Bibliotheken sowie von den in Paris aufbewahrten Gluck-Autographen.

II. Befasst sich somit dieser Zweig der Vorarbeiten zu einer Gluckschen Gesamtausgabe mit der unerlässlichen und umfassenden Bestandsaufnahme der noch vorhandenen Werke und ihrer Bereitstellung für die Veröffentlichung, so hat ein zweiter Arbeitssektor alsbald mit der Veröffentlichung der bekannten, in ihren Quellen zugänglichen Gluck-Werke zu beginnen. Dabei muss von vornherein als unumstösslicher Grundsatz gelten, dass sämtliche in Quellen zugängliche Werke Glucks in die Gesamtausgabe aufgenommen werden, auch solche, die bereits in früheren kritischen Ausgaben erschienen sind. In diese Kategorie gehören somit auch die Werke, die in der französischen Ausgabe der Mme. Pelletan vereinigt wurden, sowie die in DTÖ und DTB veröffentlichten Werke: Orfeo, Le Nozze d’Ercole e d’Ebe, Don Juan und L’Innocenza giustificata. Die meisten dieser älteren Veröffentlichungen sind im Handel schon längst erschöpft, eine Neuausgabe bzw. Neuauflage innerhalb der geplanten Gluck-Gesamtausgabe wäre somit schon dadurch ohne weiteres gerechtfertigt. Da ausserdem in einer Reihe von Fällen jene Ausgaben auch in kritischer Hinsicht nicht die letzte Sorgfalt erkennen lassen, ist auch nach dieser Seite eine erneute kritische Durchsicht der Quellen zwecks Neuveröffentlichung vollauf begründet. Welche Werke nur übernommen, welche neu revidiert werden müssten, wäre noch im einzelnen zu prüfen. Im allgemeinen kann von den Ausgaben der DTÖ und DTB gesagt werden, dass sie (mit Ausnahme einiger Übersetzungen) auch heute noch genügen, während die Werke der PelletanAusgabe durchweg neu zu revidieren sind. Doch kann diese Aufgabe zunächst in den Hintergrund treten. Vordringlich und alsbald für eine Veröffentlichung bereitzustellen sind diejenigen Werke, die überhaupt noch keine kritische Quellenausgabe erfahren haben. Nach dem Grad ihrer Bedeutung handelt es sich dabei um folgende Werke bzw. Werkgruppen: 1) Im Vordergrund stehen die beiden italienischen Reform­opern: a) Alceste (Wien 1767) b) Paride ed Elena (Wien 1770)

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Angesichts der hohen Bedeutung dieser Werke und des Fehlens jeglicher Neuausgabe ist eine Revision dieser Opern die allererste Aufgabe der in die Wege zu leitenden Gesamtausgabe. 2) Ähnliches gilt von dem viel umstrittenen „Telemacco“ (Wien 1765), der der Gruppe der Reformopern nahesteht bzw. in einem weiteren Sinne zu ihr gehört. Die Inangriffnahme der Revision dieses Werkes gehört ebenfalls zu den dringlichsten Aufgaben. 3) In Ergänzung der musikdramatischen Reformwerke sind die, neben „Don Juan“ noch verbleibenden Tanzdramen: Semiramis (1765), Alessandro (vor 1766) und L’Orfano della China (1774) zu einer geschlossenen Veröffentlichung zusammenzufassen. Da all diese Ballette einen relativ kleinen Umfang besitzen, werden sie ausgabetechnisch am zweckmässigsten sogleich auf einen bandmässigen Zusammenschluss mit dem in DTÖ XXX erschienenen Tanzdrama „Don Juan“ angelegt. 4) Als nächstwichtige Gruppe kommen die vollständig überlieferten italienischen Opere serie in Betracht, und zwar: a) Ipermestra (Venedig 1744) b) Semiramide riconosciuta (Wien 1748) c) Ezio (Prag 1750) d) La Clemenza di Tito (Neapel 1752) e) Antigono (Rom 1756) f ) Il Re pastore (Wien 1756) g) Il Trionfo di Clelia (Bologna 1763) Da jede dieser Opern einen Band füllt, liegen hier 7 Bände vor. 5) In Ergänzung hierzu bilden die Schäferspiele, Opernserenaden und Huldigungsstücke in italienischer Sprache eine geschlossene Abteilung. Hierzu gehören: a) Le Cinesi (Schlosshof 1754) b) La Danza (Wien 1755) c) Il Parnasso confuso (Wien 1756) d) La Corona (Wien 1756) e) La Contesa de‘ Numi (Kopenhagen 1749) f ) Tetide (Wien 1760) g) Il Prologo (Florenz 1767) h) Le Feste d’Apollo (Parma 1769) Da es sich auch hier z.T. um Stücke kleineren Umfangs handelt, lassen sich mehrere Werke in einen Band zusammenschliessen: a-d und f/g. Es kämen hier somit 4 Bände in Betracht. 6) Eine geschlossene Gruppe bilden fernerhin die französischen Vaudevillekomödien und komischen Opern zwischen 1758 und 1764. Es handelt sich hierbei um folgende Werke: a) L’Ile de Merlin b) La Fausse esclave c) Le Diable a quatre d) L’Arbre enchanté (1. und 2. Fassung) e) Cythere assiégée

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f ) L’Ivrogne corrigé g) Le Cadi dupé h) La Rencontre imprévue Von diesen Werken können zwei (b, c) zu einem Band zusammengeschlossen werden, so dass 7 Bände in Betracht kommen. Die beiden Fassungen von d) können dabei innerhalb eines Bandes bequem berücksichtigt werden, während bei e) zunächst nur die 2. Fassung (Paris 1775) vorgelegt werden kann, da von der 1. Fassung zunächst noch die Partitur fehlt. 7) Die letzte Abteilung umfasst in einem Band die nichtdramatische Vokal- und Instrumentalmusik, nämlich: a) 12 Sinfonien b) 8 Trios c) Einzelne Instrumentalstücke d) Kirchenmusik e) Lieder Vorstehende Übersicht ergibt einen Umfang von 23 Bänden. Hierzu treten mit der Zeit die oben genannten, bereits veröffentlichten Werke aus DTÖ, DTB und der Pelletanausgabe: a) Orfeo (aus DTÖ) b) Le Nozze d’Ercole e d’Ebe (aus DTB) c) L’Innocenza giustificata (aus DTÖ) d) Iphigénie en Aulide e) Orphée et Euridice f ) Alceste (Paris) Pelletanausgabe g) Armide h) Iphigénie en Tauride i) Echo et Narcisse sowie: k) Iphigenie auf Tauris – in deutscher Fassung von Alxinger.

  

Die Gesamtausgabe beläuft sich hiernach vorläufig auf 33 Bände, wobei jedoch die Frage des Zuwachses durch die unter I genannte Werkgruppe sowie durch Einzelstücke noch nicht einbegriffen ist. Sollten die Nachforschungen nach den dort genannten verschollenen bzw. unbekannten Werken restlos vom Glück begünstigt sein – was zwar erwünscht, aber kaum anzunehmen ist –, so würde der endgültige Umfang der Gesamtausgabe (einschliesslich etwaiger Supplementbände) ca. 45 Bände betragen. Die Inangriffnahme der ersten Veröffentlichungsarbeiten nach dem vorgelegten Plan braucht jedoch von jenen Forschungen, die sich über Jahre hinziehen können, nicht abhängig gemacht zu werden. Die Gesamtausgabe wird ihren Zweck erfüllen, wenn auch nicht jene restlose Vollständigkeit erreicht wird, die grundsätzlich unter Aufwendung aller Mittel zu erstreben ist. Um das Erscheinungssystem der einzelnen Werke möglichst elastisch zu gestalten und zugleich einem jeden Band von vornherein seinen festen Platz in der Gesamtausgabe anzuweisen, wird das Glucksche Gesamtwerk am zweckmässigsten

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in einzelne Gruppen oder Abteilungen (Serien) aufgeteilt, die jeweils eine interne Bandzählung durchführen. Aus dem oben aufgestellten Veröffentlichungsplan ergeben sich diese Abteilungen zwanglos: 1. Abteilung: (Italienische und Französische) Musikdramen In chronologischer Folge umfasst diese Serie: Bd. 1 Orfeo Bd. 2 Telemacco Bd. 3 Alceste Bd. 4 Paride ed Elena Bd. 5 Iphigénie en Aulide Bd. 6 Orphée et Euridice Bd. 7 Alceste Bd. 8 Armide Bd. 9 Iphigénie en Tauride Bd. 10 Echo et Narcisse Bd. 11 Iphigenie auf Tauris (Alxinger) 2. Abteilung: Tanzdramen umfasst einen Band mit den unter 3) auf Seite 4 genannten Werken.124 1-2 Bände 3. Abteilung: Italienische Opere serie Bd. 1 Ipermestra Bd. 2 Le Nozze d’Ercole ed‘Ebe Bd. 3 Semiramide reconosciuta Bd. 4 Ezio Bd. 5 La Clemenza di Tito Bd. 6 L’Innocenza giustificata Bd. 7 Antigono Bd. 8 Il Re pastore Bd. 9 Il Trionfo di Clelia 4. Abteilung: Italienische Opernserenaden und Huldigungsstücke Bd. 1 Le Cinesi, La Danza, Il Parnasso confuso, La Corona Bd. 2 La Contesa de’Numi Bd. 3 Tetide, Il Prologo Bd. 4 Le Feste d‘Apollo

124 Gemeint ist der Abschnitt II.3.

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5. Abteilung: Französische komische Opern Bd. 1 L’ile de Merlin Bd. 2 La Fausse esclave, Le Diable a quatre Bd. 3 L’Arbre enchanté Bd. 4 Cythere assiégée Bd. 5 L’Ivrogne corrigé Bd. 6 Le Cadi dupé Bd. 7 La Recontre imprévue 6. Abteilung: Vokal- und Instrumentalmusik Hierher gehören in einem Band die unter 7) auf Seite 6 genann­ten Werke.125 2 Bände Verschollene Werke, die auf Grund der erwähnten Suchaktion wieder ans Tageslicht treten, werden in derjenigen Abteilung, zu der sie typologisch gehören, als Supplementbände angefügt bzw. an entsprechender Stelle eingereiht, falls die Abteilung noch nicht vollständig erschienen ist. Das gilt vor allem von der 3. Abteilung, von der die meisten Werke (12) vermisst werden. Es dürfte sich empfehlen, mit der Bearbeitung dieser Abteilung erst nach einer gewissen Anlaufszeit der Gesamtausgabe zu beginnen, um hier etwaige Ergebnisse der Bestandsaufnahme abzuwarten. Giessen, den 6. Dezember 1940

125 Gemeint ist der Abschnitt II.7.

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EINZELVERÖFFENTLICHUNGEN

11. Maria Besse Bäschoff, Kastelt und Kutterolf. Wortgeschichtliche Untersuchungen zu Materialität, Form und Funktion im Bereich der entlehnten Gefäß- und Hohlmaßbezeichnungen im Deutschen ISBN 978-3-515-09703-1 2010. 463 S. mit 82 Abb., 56,–

13. Wolfgang Kleiber Schwarzwälder Namenbuch. Die Schwarzwaldromania in sprachlicher und außersprachlicher Sicht. Mit Beiträgen zur Archäologie und Anthropologie ISBN 978-3-515-11045-7 2015. 168 S. (inkl. 34 Farbabb.), 20,–

12. Marc Lienhard Spannungsfelder einer Identität: Die Elsässer ISBN 978-3-515-10438-8 2013. 196 S.,  20,–

14. Ursula Verhoeven (Hrsg.) Ägyptologische „Binsen“-Weisheiten I–II. Neue Forschungen und Methoden der Hieratistik. Akten zweier Tagungen in Mainz im April 2011 und März 2013 ISBN 978-3-515-11127-0 2015. 489 S. (mit zahlreichen s/w- und Farbabb.), 49,–

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