Romania Germanica: Band 1 Zu den ältesten Berührungen zwischen Römern und Germanen, Die Franken [2. neubearb. Aufl. Reprint 2012] 9783110842876, 9783110026801


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German Pages 480 [492] Year 1970

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Table of contents :
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Verzeichnis der Abkürzungen und Quellenwerke
I. Einleitung. Zu den ältesten Berührungen zwischen Römern und Germanen
II. Die Franken
III. Grammatik der fränkisch-galloromanischen Lehnwörter
Wort- und Namenverzeichnis
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Romania Germanica: Band 1 Zu den ältesten Berührungen zwischen Römern und Germanen, Die Franken [2. neubearb. Aufl. Reprint 2012]
 9783110842876, 9783110026801

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GRUNDRISS DER GERMANISCHEN PHILOLOGIE UNTER MITWIRKUNG ZAHLREICHER FACHGELEHRTER

BEGRÜNDET VON

HERMANN PAUL HERAUSGEGEBEN VON

WERNER BETZ

11/1

BERLIN

W A L T E R DE G R U Y T E R & CO VORMALS G. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG BUCHHANDLUNG

- GEORG REIMER

-

-

J. GUTTENTAG, VERLAGS-

KARL J. TRÜBNER

1970

- VEIT & COM?.

ROMANIA GERMANICA SPRACH- UND SIEDLUNGSGESCHICHTE DER GERMANEN AUF DEM BODEN DES ALTEN RÖMERREICHES

VON

ERNST GAMILLSCHEG

BAND I: ZU DEN ÄLTESTEN BERÜHRUNGEN ZWISCHEN RÖMERN UND GERMANEN DIE FRANKEN

2., VOLLSTÄNDIG NEU BEARBEITETE AUFLAGE

BERLIN

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG BUCHHANDLUNG

- GEORG REIMER

-

1970

-

J . GUTTENTAG, VERLAGS-

KARL J . TRUBNER

-

VEIT & COMP.

Archiv-Nr. 4305 70/4

© Copyright 1970 by Waltet de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'schc Verlagshandlung · J.Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer . Karl J. TrUbner · Veit & Comp. — Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Dieses Buch ist den Germanenstämmen gewidmet, die sich in der Völkerwanderungszeit auf dem Boden des alten Römerreichs niederließen, dort neue Staaten gründeten und schließlich ihr Volkstum aufgaben. Wir kennen ihre äußere Geschichte aus den Berichten der Zeitgenossen, ihre Kultur zum Teil aus den archäologischen Funden. Von dem Leben der breiten Massen, dem Verhältnis der germanischen Einwanderer zu ihrer romanischen Umgebung, von der Ausdehnung und Dichte ihrer Siedlung, von den Gründen und Voraussetzungen ihres völkischen Untergangs, ja selbst von den Wandlungen, die ihre Sprache vor dem Untergang mitgemacht hat, wissen wir aber nur wenig Sicheres, besonders da unsere Kenntnis vielfach auf Quellen beruht, die einseitig gefärbt sind. Die Germanen, die jahrhundertelang mit ihrer romanischen Umgebung zusammen lebten, sind nicht spurlos untergegangen. Sie haben dem romanischen Schrifttum neues Leben zugeführt, sie haben dem Recht neue Wege gewiesen, sie haben schließlich den lateinischen Wortschatz um mehr als 1000 Wörter bereichert, von denen zwar viele später wieder untergegangen sind, viele von allem Anfang an in sehr beschränktem Umfang verwendet wurden, von denen aber jedes ein Stück kristallisierten deutschen Volkstums darstellt. Dasselbe gilt von den zahllosen germanischen Personennamen, die in romanischer Form weiterleben, und von den romanisierten Ortsnamen germanischen Ursprungs, die überall zu finden sind, wo die eingewanderten Germanen zu selbständiger Siedlung schritten. Diese erstarrten Äußerungen der altgermanischen Volksseele sollen hier nach Möglichkeit gedeutet werden, unvoreingenommen, wie es die Wissenschaft verlangt. Eine Untersuchung wie die vorliegende verlangt, um sachlich zu bleiben, gründliche Kenntnis der Lautentwicklung und des Wortschatzes ebenso der romanischen wie der germanischen Sprachen. Wenn es heute schon schwierig ist, die wissenschaftliche

VI

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage

Arbeit auf einem der beiden Gebiete zu verfolgen, so ist es unmöglich, beide zu überblicken. Wenn ich trotzdem glaubte, dies Buch der Öffentlichkeit übergeben zu dürfen, so danke ich dies der selbstlosen Mitarbeit meines verehrten Kollegen Joseph Schatz, der es übernommen hat, meine Ansätze und Folgerungen auf dem Gebiet der germanischen Philologie zu überprüfen und, wo nötig, zu berichtigen. Aber vieles, was der geschulte Germanist als germanisch erkannt hätte, ist sicherlich von mir übersehen worden. Auch in dieser Beziehung ist dieses Buch nur ein Anfang, nicht ein Abschluß. Bei der Sammlung der Formen auf dem italienischen Sprachgebiet haben mich ferner meine Hörer wacker unterstützt, vor allem mein Assistent, Herr Dr. Günther Reichenkron und die Mitglieder meines Seminars vom Sommersemester 1932: Die Damen Dr. Kahane-Toole, Dr. Risch, die Herren Dr. Haumer, Dr. Hentschel, Lüher, Neumann, Reichow, Dr. Rhane, Rosenberg und Dr. Schuchhard. Ihre Mitarbeit ging bisweilen über eine bloße Formensammlung weit hinaus, sie haben alle auf meinen Dank Anspruch. Es ist schließlich auch der Titel dieses Buches nicht mein geistiges Eigentum. Er ist der »Germania Romana« von Theodor Frings nachgebildet, einem Buch, das bei aller Verschiedenheit der Zielsetzung im einzelnen doch ein Gegenstück zu den hier vorliegenden Untersuchungen darstellt. Der Titel »Romania Germanica« wurde gewählt, weil in kürzerer und besserer Form nicht ausgedrückt werden konnte, was den Inhalt des Buches bildet: Die Darstellung der Romania in dem, was in ihr an germanischen Spuren erhalten ist. Berlin, 1.12.1933

Vorwort zur zweiten Auflage In der Zielsetzung dieses Werkes hat sich auch in dieser zweiten Auflage nichts geändert: »Darstellung der Romania in dem, was in ihr an germanischen Spuren erhalten ist«. In der Zwischenzeit sind zwei wichtige Werke veröffentlicht worden, die es ermöglichten, das Nebeneinander der germanischen und der romanischen Bevölkerung namentlich im romanischen Belgien genauer zu untersuchen. An erster Stelle das zweibändige Werk von Franz Petri, Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich, Bonn, 1937, und Albert Carnoy, Dictionnaire ^tymologique du nom des Communes de Belgique, Louvain, 1939. Das reiche neue Material hat nun dem Hauptabschnitt über die Franken und die nachfränkische Zuwanderung so umfangreiche Erweiterungen gebracht, daß der Darstellung der Franken der Romania Germanica im Gesamtwerk ein größerer Umfang vorbehalten werden mußte als in der ersten Auflage. So wird der 1. Band, neben dem einführenden Abschnitt (I) über die ältesten Wechselbeziehungen zwischen den Germanen und den Römern ausschließlich der Sprach- und Siedlungsgeschichte der Franken und ihrer germanischen Nachzügler gewidmet. Im 2. Band folgt die Darstellung des Burgundischen und des Ost- und Westgotischen, der 3. Band wird dann die Abschnitte über die Langobarden, das Alpenromanische und das Ostromanische bringen. Daß, abgesehen von den angeführten Werken, auch die historische Fachliteratur, soweit sie mir zugänglich war, sowie die verschiedenen Besprechungen der 1. Auflage bei der neuen Fassung berücksichtigt wurden, sine ira et studio, versteht sich von selbst. Auseinandersetzungen mit Ansichten, die ich nicht teilen konnte, sollen hier nicht besonders erwähnt werden. Dem Sachkenner wird der Grund meiner Ablehnung aus dem Vorgebrachten klar werden, für den Nicht-Fachmann würden solche in Einzelheiten gehende Begründungen nur das Studium erschweren.

VIII

Vorwort zur zweiten Auflage

Von den Mitarbeitern, die ich im Vorwort der ersten Auflage erwähnt habe, sind mehrere nicht mehr am Leben. Der Erinnerung an zwei Freunde, die mir mit Selbstlosigkeit bei der Abfassung des Werkes geholfen haben, Joseph Schatz und Günther Reichenkron, sei diese zweite Auflage eines Werkes, an dessen Entstehung sie selbst beteiligt waren, gewidmet. Tübingen, Weihnachten 1967

Verzeichnis der Abkürzungen und Quellenwerke a- (vor Sprachbezeichnungen) = alt A A = Ernst Gamillscheg, Ausgewählte Aufsätze, I., Jena und Leipzig, 1937; II. Niemeyer, Tübingen, 1962. Nils Aberg, Die Franken und Westgoten in der Völkerwanderungszeit. Uppsala, 1922. agls. - angelsächsisch, ahd. = althochdeutch. A I S = Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz, von K. Jaberg und J. Jud., I928ff. A L F = Atlas Linguistique de la France, pp. J. Gilliöron et E. Edmont. Paris, 1903—1910. A R = Archivum Romanicum, d. d. Giulio Bertoni, Genf, I9i7ff. A S S L = Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Bach = Adolf B a c h . Geschichte der deutschen Sprache, 8. Aufl., 1965. Β Β = Berliner Beiträge zur Romanischen Philologie, hrsg. von E. Gamillscheg, Jena und Leipzig, Gronau (Agricola), 1929ff. B D R = Bulletin de Diabetologie Romane, 1909—1914. Behaghel = Otto B e h a g h e l . Geschichte der Deutschen Sprache. 5. Aufl. 1928. Lucien B e s z a r d . fitude sur l'origine des noms de lieux habitös du Maine. Paris, 1910. R. R. B e z z o l a . Abbozzo di una storia dei gallicismi italiani nei primi secoli (750—1300), 1924. B G P S R = Bulletin du Glossaire des Patois de la Suisse Romande. Zürich, 1902—1915. B i b l . A R = Biblioteca dell'Archivum Romanicum. Genf. Bl. W. = O. B l o c h et W. v. W a r t b u r g , Diet. 6t. de la langue franf., Paris 1960s. B r a u n e , Ahd. = Wilhelm Braune. Althochdeutsche Grammatik. Halle, 1911 (196712). Braune, Got. = Wilhelm B r a u n e . Gotische Grammatik. Halle, 1928 (196617). Bruckner, Char. = Wilhelm B r u c k n e r . Charakteristik der germanischen Elemente im Italienischen. Beilage Jahresbericht Gymnasium Basel, 1898. Bruckner, Lgb. = Wilhelm B r u c k n e r . Die Sprache der Langobarden. Straßburg, 1895. Brüch, Vlat. = Josef B r ü c h . Der EinfluO der germanischen Sprachen auf das Vulgärlatein. Heidelberg, 1913.

χ

Verzeichnis der Abkürzungen und Quellenwerke

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Wörterbuch der französischen

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Verzeichnis der Abkürzungen und Quellenwerke

XI

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XII

Verzeichnis der Abkürzungen und Quellenwerke

K l u g e , U r g e r m . = Friedrich K l u g e . Urgermanisch. Vorgeschichte der altgermanischen Dialekte. 3. Aufl. Straßburg, 19x3. F . K o l p . Die Römer in Deutschland. 2. Aufl. 1912. Ernst K o r n m e s s e r . Die französischen Ortsnamen germanischer Abkunft. Straßburg, 1888. K r . = Kreis, Arrondissement. Dietrich von K r a l i k . Die deutschen Bestandteile der Lex Baiuvariorum. Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, 38 (1913b 1 5 ff· Godefroid K u r t h . L a frontiüre linguistique en Belgique et dans le Nord de la France. 2 Bde. Bruxelles, 1895, 1898. Agathe L a s c h . Mittelniederdeutsche Grammatik. Halle, 1914. K . L a t e r . De Latijnsche Woorden in het Ouden Middelnederduitsch. Utrecht, 1904. L G R P = Literaturblatt für germanische und romanische Philologie. i88off. Longnon, N L = Auguste L o n g n o n . Les noms de lieu de la France. Paris, 1920 ff. *

Μέΐ. G a r d e t t e = Melanges de Linguistique et de Philologie Romanes. Strasbourg, 1966. M.-et-M. = Meurthe-et-Moselle. M e y e r - L ü b k e , N S = Wilhelm Meyer-Lübke. Romanische Namenstudien. I. Wien, 1904; I I , 1917 (SA Wien, BD. 149 und 184). M e y e r - L ü b k e , R G = Wilhelm Meyer-Lübke. Grammatik der romanischen Sprachen. Leipzig, 1890—1899. M S L = M^moires de la Soci£t£ de Linguistique de Paris. N S = Die Neueren Sprachen. Marburg. o. a. F. = ohne alte Formen. ON = Ortsname. J . M. P a r d e s s u s , Diplomata, Chartae, Epistolae, Leges etc. Paris, 1843 bis 1849. P B B = Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, hrsg. von H. Paul und W. Braune. Halle. PdC = Pas-de-Calais. H. P e d e r s e n . Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen. Göttingen 1909 f. Th. P e r r e n o t , Etudes de toponymie Franc-Comtoise. Mömoires de la Soc. d'£mulation du Doubs, V I I I ® Sirie, Besanfon, 1912. ders., L a Toponymie Burgonde, Paris, Payot, 1942. Ρ = Franz Petri, Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich, Bonn, 1937. PGr. = Grundriß der germanischen Philologie . . . von Hermann Paul. I, Straßburg, 1891. C. J . P h i l i p s . Les noms des chefs-lieux des döpartements et des arrondissements de France, Diss., 1952.

Verzeichnis der Abkürzungen und Quellenwerke

XIII

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XIV

Verzeichnis der Abkürzungen und Quellenwerke

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Inhalt Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Vorwort zur zweiten Auflage Verzeichnis der Abkürzungen und Quellenwerke

V VII IX

I. Einleitung. Zu den ältesten Berührungen zwischen Römern und Germanen ι II. Die Franken 35 III. Grammatik der fränkisch-galloromanischen Lehnwörter 353 Wort- und Namenverzeichnis

427

I. EINLEITUNG Zu den ältesten Berührungen zwischen Römern und Germanen

ι—4. Germania Romana. 5. Berührungsgebiete der Römer mit der Bevölkerung der neu besetzten Provinzen. 6—9. Eingliederung der römischen Lehnwörter in das Formen- und Lautsystem des Altgermanischen. Konsonantengemination, Auslautentwicklung, Lautverschiebung, Umlaut. 10—11. Lautzustand des Vulgäxlateinischen um 400. 12. Lehnwörter aus dem Gebiet der römischen Münzen, 13 des römisch-germanischen Handels, 14 der römischen Rechtsordnung, 15. der Verwaltung, 16 des Militärs. 17. Entlehnungen von Volk zu Volk. 18—19. Bedürfnislehnwörter und Ausdrücke des Gefühlslebens. 20. Altgermanische Ausdrücke bei den römischen Schriftsteilem. 21—22. Voraussetzungen für die Bestimmung der Zeit der Entlehnungen. 23—24. Verbreitung der Lehnwörter als Grundlage der Feststellung der Zeit und Herkunft der Entlehnung. 25. Werra, burgus. 26. Entlehnungen aus dem Gebiet der germanischen Farbenbezeichnung. 27. Übersicht, vom Jahr 450 aus.

i. Die Berührungen zwischen Römern und Germanen lassen sich bis in das zweite Jahrhundert vor Christus zurück verfolgen. Von entscheidender Bedeutung für die Geschichte der germanischrömischen Beziehungen wurde in den Jahren 113—100 der Zug der Zimbern und Teutonen durch Gallien, Spanien und Italien. Diese gingen zwar auf ihrem Kriegszug selbst unter, waren aber der Anlaß, daß keltische Stämme in Süddeutschland neue Wohnsitze aufsuchten und germanische Stämme aus Innerdeutschland an ihre Stelle nachrückten. Von hier aus zog Ariovist um 72 v. Chr. gegen Westen, überschritt den Oberrhein und besetzte die Pfalz und das Elsaß. So wurden die Germanen die unmittelbaren Nachbarn der Römer, die 122—118 v. Chr. die Gallia Narbonensis begründet und unter Cäsar 59—51 v. Chr. das übrige Gallien unterworfen hatten. Nach mißglückten Versuchen der Römer, das Gebiet zwischen Rhein und Elbe zu unterwerfen, wurde der Rhein zur Grenze zwischen Rom und dem selbständigen Germanien, und die germanischen Stämme, die sich am linken Rheinufer niedergelassen 1*

4

I, 2 Kulturelle Entwicklung der G R

hatten 1 , wurden unter Tiberius (14—37 η. Chr.) in den römischen Militärbezirken von M a i n z (Germania superior) und K ö l n (Germania inferior) zusammengefaßt. Der Rhein und gegen Süden die Donau blieben die Grenze, bis die Römer um die Mitte des 1. Jahrhunderts die südlichen Landstriche Badens und Württembergs besetzten. Die Vorrückung in Südwestdeutschland wurde unter Domitian (81—96) fortgesetzt und führte nach wechselvollem Geschick bis zu der bekannten Grenzlinie des Limes Germanicus und Limes Raeticus, der bis in die erste Hälfte des dritten nachchristlichen Jahrhunderts die Reichsgrenze blieb (Wagner, 17ff.). Gleichzeitig mit dem Vordringen der Römer zwischen Rhein und Donau wurden die beiden westrheinischen Militärbezirke zu römischen Provinzen erhoben (90 n. Chr.). Sie bildeten nun das germanisch-römische Hinterland für das neuerworbene und kulturell noch zu gewinnende »Zehentland«, das Gebiet der Agri Decumates, in Südwestdeutschland. Zwischen 234 und 260 wurden die römischen Erwerbungen jenseits des Rheins wieder aufgegeben. Dagegen blieb das linke Rheinufer bis zum Beginn des 5. Jahrhunderts in römischem Besitz. Im Jahre 403 zog Stilicho die römische Rheinarmee zum Schutze Italiens zurück, fränkische Volksmassen zogen über den Rhein und besetzten bald nach der Mitte des 5. Jahrhunderts die Hauptmittelpunkte des römischen Lebens in den Rheinprovinzen, wie Köln und Trier (Wrede, S. 15). Ungefähr um dieselbe Zeit fiel auch die Donaugrenze, nicht mit einem Schlag, sondern Schritt für Schritt. Unter Odoaker zog ein Teil der römischen Provinzialen nach Italien ab, ein Teil ließ sich in den rätischen und norischen Hochalpen nieder, wo sie zur endgültigen Romanisierung der einheimischen Bevölkerung beitrugen. Um das Jahr 450 schließt also die erste Periode germanisch-römischer Beziehungen ab. 2. Die drei Jahrhunderte, die zwischen der Erhebung der römischen Militärbezirke von Köln und Mainz zur Stellung römischer Provinzen und der Aufgabe der Rhein- und Donaugrenze liegen, haben die kulturelle Entwicklung der westgermanischen Stämme ausschlaggebend beeinflußt. Nach Aubin (angeführt nach 1

Schon im Jahr 38 v . Chr. wurden die den Römern freundlich gesinnten Ubier durch M. Yipsanius Agrippa genommen, Helbok 134.

auf

das linke

Rheinufer herüber-

5

I, 3 Römische Ortsnamen in der G R

Frings, GR, S. 106) wurde »das Grenzland viel intensiver und schneller mit römischer Zivilisation durchtränkt als die meisten Teile des gallischen Hinterlandes«. Wrede sieht einen Beweis für die Romanisierung des linken Rheinufers in den Tausenden von Inschriften, »aus denen römisches Leben und römischer Geist spricht, der das rheinische Germanien wie ein Sauerteig je länger um so stärker durchdrang«. Erst das Vordringen der Franken hätte das Germanentum vor dem Untergang gerettet. Reste der keltischromanischen Bevölkerung hätten sich namentlich auf dem Hunsrück, im Mosel- und Ripuarierland bis ins 10. Jahrhundert gehalten 1 ; und Schmidt, II, 26 erwähnt, daß im Eifelgebiet noch im 9. und 10. Jahrhundert das römische Recht neben dem fränkischen Geltung hatte. Behaghel, D. S., S. iooff., glaubt sogar, aus der Verbreitung der Weiler-Orte schließen zu können, daß es selbst im Gebiet der Agri decumates zur Ansiedlung romanisierter Bevölkerung gekommen ist; ähnlich Kaspers, -acum-Namen im Rheinland, S. 31. 3. Wie weit die römische Siedlungstätigkeit im rheinischen Germanien gegangen ist, das lassen zum Teil die erhaltenen römischen Ortsnamen erkennen2. Von binnenrömischer Bevölkerung dürften in größerer Anzahl nur Kaufleute, Militär und Beamte ins Land gekommen sein. Spuren der m i l i t ä r i s c h e n B e s a t z u n g sind nicht nur in den zahlreichen römischen Kastellen in Südwestdeutschland und dem Rheingebiet erhalten — allein an dem germanisch-rätischen Limes sind 76 solcher Kastelle festgestellt worden — , sondern auch in den entsprechenden Ortsnamen, ζ. B. in den castra- und castellum-Namen, s. auch Frings GR, 93. Vgl. Kaster im Kreis Bergheim, Kassel in Hessen, bei Mainz, in der Wetterau, am Niederrhein; dann Kastel als Name von zwei Dörfern im Bezirk Trier, fünf Kastelberge im Schwarzwald u. a. Eine Soldatenkolonie ist auch Kellmünz im bairischen Schwaben, alt Coelius Möns, als Erinnerung an den Namen eines der sieben römischen Hügel. S. Friedwagner, Festschrift für Ph. Aug. Becker, 1922, S. 37. 1

W. Jungandreas, de waut de Gondrecourt, Leuvense Bijdragen, 52 (1963), 81—85; ders. Z R P 71 (1955), 4 1 4 I

2

Cramer,

Rheinische

Düsseldorf 1901.

Ortsnamen

in

vorrömischer

und

römischer

Zeit,

6

I, 3 Römische Ortsnamen in der G R

Spuren aus der Zeit der römischen Besatzung sind auch einzelne Ortsbezeichnungen, die sich auf die Einrichtung der namentlich aus militärischen Gründen notwendigen Verkehrswege beziehen. So Kemme bei Düsseldorf, Kemm bei Trier, d. i. lat. camminus »Weg«; Karelweg im Bezirk Aachen, ist lat. carraria »Karrenweg«, »Straße«, s. REW 1718, und ähnliche Namen finden sich in Württemberg und bei München. Lat. calcaria »Kalkofen«, das in Südfrankreich erhalten ist, aber in Nordfrankreich untergegangen ist, erscheint als Calcar bei Köln und im Kreis Cleve. Horreum »Scheune« lebt im Namen des Klosters Horrem bei Trier. Doch zeigt schon die Erhaltung des anlautenden lat. -h-, daß es sich nicht um eine volkstümlich erhaltene Benennung handelt. Lat. taberna »Schenke« hegt Teveren im Kreis Gelsenkirchen, Zabern im Elsaß zugrunde. Lat. campania »Ebene« findet sich wiederholt an Römerstraßen, so ζ. B. in Kempen, Bezirk Düsseldorf. Diese Namen lateinischer Herkunft sind keine Zeugnisse für wirkliche Siedlungstätigkeit der Römer. Das zeigt am deutlichsten der Vergleich mit den Siedlungsnamen aus der fränkischen Zeit, s. Wrede, Rh. V. 21 f., aber auch mit den keltischen Namen des Gebietes, die mit -magos »Feld«, (Neumagen, Narmagen, Remagen), treb- »Wohnplatz«, -bonna »Grenze« u. ä. zusammengesetzt sind. »Bis in das Mittelalter hinein sind an der Mosel auch keltische Flurnamen urkundlich nachweisbar«, Wrede, RV, 11. Unter den lateinischen Namen des Gebietes findet sich kein einziger, der als wirklicher Siedlungsname angesehen werden müßte. Dies sind auch die mit Hilfe des -acum- Suffixes gebildeten Ortsbezeichnungen nur zum Teil. Das Suffix ist keltischer Herkunft, wurde aber von den Römern in Gallien übernommen, und seine Bildungsfähigkeit reicht bis in die Zeit der germanischen Völkerwanderung. Bei diesen -acum- Namen, die nach Kaspers S. 3 »Bezeichnungen von Einzelsiedlungen, Herrensiedlungen, landwirtschaftlichen Nutzungssiedlungen« sind, und aus denen sich erst in der Zeit nach dem Abzug der Römer aus den Rheinprovinzen Dorfsiedlungen entwickelten, kann es sich um ursprünglich keltische Gründungen handeln, auch wenn der Personenname, der gewöhnlich das erste Namensglied ist, lateinischer Herkunft ist, denn der Name besagt nichts über die Nationalität seines Trägers. Kluge, Urgerm. S. 10 berichtet (nach Corpus Inscript. Latinarum III, 4453) von einem rex Germanorum Septimius Aistomodius und dessen Söhnen Septimii Philippus et Heliodorus. Die beiden Brüder

I, 4 Bedeutung der Kelten in der GR

7

haben also bereits rein römische Namen, der Vater einen römischen Beinamen. 4. Ebenso haben die Kelten lateinische Namen angenommen, ohne daß man aus dieser Tatsache allein schließen dürfte, daß sie sprachlich romanisiert gewesen wären. Auch diese keltische Restbevölkerung der Rheinlande spielt daher wohl in der Geschichte der westgermanischen Kulturübertragung eine Rolle. Wie lange diese Kelten ihr Volkstum bewahrt haben, wissen wir nicht1. Da das Gallische in den einzelnen Gebieten West- und Südostfrankreichs im 5. Jahrhundert noch nachweisbar ist (s. Weisgerber, Die Sprache der Festlandskelten, 20. Bericht der römisch-germanischen Kommission, 1931, S. 177), ist es durchaus wahrscheinlich, daß es in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten auch in den Rheinlanden nicht erloschen war. Wir können sogar noch erkennen, daß gewisse römische Namen den Weg durch das Keltische nahmen, bevor sie den Germanen bekannt wurden. Andererseits haben wir Zeugnisse dafür (s. Weisgerber, 1. c.), daß streckenweise das Gallische schon im 3. Jahrhundert außer Gebrauch kam2. Die raschere Romanisierung der Kelten erklärt sich, neben anderem, auch dadurch, daß das Keltische dem Lautstand nach dem Lateinischen näher stand als das Germanische; daß die Rheinlandgermanen stets Zuzug aus dem selbständigen Germanien hatten, während das hauptsächlichste Keltengebiet unter römischer Verwaltung stand. 5. Wir haben also vom 2. bis zum 4. Jahrhundert in den Rheinlanden eine dünne soziale Oberschichte römischer Herkunft, ver1

2

Uber -acum Namen der dt. Schweiz, s. Aebischer ZOF 4, 276; vgl. Abschnitt II, 4. Das Zeugnis des heiligen Hieronymus in seinem Kommentar zum Galaterbuch, nach dem um die Mitte des 4. Jahrhunderts in der Nähe von Trier noch ein keltischer Dialekt gesprochen worden wäre, (Migne, Patrologia latina X X V I , Hieronymus, Opera VII, Col. 357) stammt nach A. Haggerty Krappe, Revue celtique 46, i2öff., aus einer Vorlage des 1. Jahrhunderts v. Chr., beweist also nichts für die Zeit des Hieronymus. S. auch J. U. Hubschmied, Sprachliche Zeugen für das späte Aussterben des Gallischen. Vox Romanica, III (1938), 48f.; Witte, D.u.K. 6970 »ohne Zweifel sind alle diese Ortsnamen Beweis dafür, daß zur Zeit des Einziehens in diese Gegend Kelto-Romanen vorhanden waren und ansässig blieben«.

8

I, 5 Keltoromanisch-germanischer Kulturaustausch

stärkt durch das römische Militär. Da der Heeresdienst seit dem 3. Jahrhundert immer mehr von den Germanen übernommen wurde, wird diese Oberschichte immer dünner, je näher wir dem Ende dieser ersten Periode kommen. Daneben lebt eine zweifach zusammengesetzte Unterschichte: die keltische Restbevölkerung, die rasch der Romanisierung erliegt, und die germanischen Einwanderer, die unter die römische Verwaltung kommen. Die V e r k e h r s s p r a c h e u n t e r diesen drei B e v ö l k e r u n g s t e i l e n war nun d a s V u l g ä r l a t e i n i s c h e , das von den Germanen der Rheinlande ebenso erlernt werden mußte und erlernt wurde, wie etwa heute das Italienische im deutschen Südtirol. Dieser keltoromanisch-deutsche Kulturaustausch läßt sich auch in der Ortsbenennung beobachten. Vaxy, in Lothringen, ist lautgesetzlich entwickeltes lat. Vassiacum, zu dem gallischen PN Vassius, Holder III, 121; aus der romanischen Entwicklung stammt im Jahr 1277 belegtes Vaxey; daneben 775 die angepaßte dt. Form Vastingas, dt. Wessingen, Bessingen, seit dem 16. Jhdt.; Kasp. ZOF 12, 212. Zu dem gallischen PN Decius gehört in keltorom. Form Deciacum, a. 713 Haganbah que nuncupatur Disciacum; Chaganbac que vocatur Ditiagus, dazu heute die dt. Umsetzung Hambach im Kreis Zabern; Witte, 76. Nicht zwischen den Römern und den Westgermanen, sondern zwischen diesen und den romanisierten Kelten kam es nun zu dem großen Sprachaustausch, der ganze Kulturgebiete des Germanischen neu benannte. Dieser Prozeß ging sicherlich nicht von der verhältnismäßig wenig zahlreichen römischen Oberschichte aus. Der Römer lernt nur in Ausnahmsfällen germanisch, die Germanen aller sozialen Schichten lernen aber lateinisch. Aus den von Budinski, Ausbreitung der lateinischen Sprache S. 152 erwähnten Zeugnissen geht hervor, daß schon in der »Frühzeit der germanisch-römischen Berührungen« in Germanien die Kenntnis des Lateinischen verbreitet war. Schon Arminius verstand lateinisch, Tacitus Ann. II. 10, s. Kluge, Vorgeschichte 305. Nach Plinius, Panegyricus 56 wäre »die Rechtspflege Kaiser Trajans in Germanien teilweise ohne Dolmetscher geschehen«, Kluge, Urgerm. 9. Die Hauptzeit der Übernahme römischen Wortgutes in das Germanische dürfte aber wohl das 3. und 4. Jahrhundert gewesen sein, als das Vulgär-

I, 6 Anfangsbetonung der germanisierten röm. Ausdrücke

9

latein in den beiden Germaniae die allgemeine Verkehrssprache geworden war. Unter ähnlichen Voraussetzungen entstand nach der im ersten nachchristlichen Jahrhundert erfolgten Eroberung Südenglands und der Einrichtung der römischen Provinz Britannia ein weiteres Gebiet durchgreifender römisch-keltischer Berührung. Die Sprache der einheimischen Bevölkerung wurde ebenso mit lateinischen Elementen durchsetzt wie in den Provinzen des Rheinlandes. Die Übereinstimmung der kulturellen und sprachlichen Entwicklung der beiden Berührungsgebiete unter römischem Einfluß zeigt sich schon darin, daß ein großer Teil der römischen Lehnwörter des Westgermanischen sich auch in den altkeltischen Gebieten Südenglands wiederfindet. Wesentlich geringer war der sprachliche römische Einfluß im Norden der Alpen. Der Grund dafür wird in Band III gegeben werden. Rätien und Vindelicien waren am Schluß der ersten Periode kaum bzw. nur schwach romanisiert, es ist hier nie zu einem Zusammenleben von römischer und germanischer Bevölkerung gekommen, wie im Gebiet der Germania Romana; s. Frings, S. 82f. 6. Der römisch-romanische Einfluß auf die einheimischen Idiome wurde auch nach dem Zusammenbruch des römischen Weltreichs nur zeitweilig unterbrochen. Nicht nur zum Verständnis der Sprachentwicklung, sondern auch der Kulturentwicklung ist es notwendig, nach Möglichkeit die eilten Wortschichten von den jüngeren Entlehnungen zu scheiden, also ζ. B. festzustellen, was von den im Germanischen noch erhaltenen Bestandteilen des römischen Wortschatzes noch in der Zeit des Imperiums entlehnt wurde und was unter anderen Voraussetzungen die westromanischen Sprachen zum europäischen Wortschatz beigetragen haben. Chronologische Anhaltspunkte lassen sich ebenso aus der Frühgeschichte der germanischen wie der romanischen Sprachen erschließen. Bei der Übernahme des lateinischen Wortgutes wurde das Prinzip der germanischen Akzentsetzung, d. h. der A n f a n g s b e t o n u n g , ohne Rücksicht auf die lateinische Akzent Verteilung beibehalten. Es wurde ferner die Akkusativform des lat. Subst. die Grundlage des Lehnwortes, und zwar in der Form des Vulgärlateins. Es wurde das auslautende -m der lat. maskulinischen -usDeklination nicht gesprochen. Bei Substantiven mit wechselndem

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I, 7 Westgermanische Konsonantendehnung

Akzent oder verschiedener Silbenzahl wurde die Akkusativform verallgemeinert. Ein Wort wie lat. boletus »eßbarer Pilz« wurde also als boletu, radix als rädike, draco ills drdcone ins Germanische übertragen. Nach der galloromanischen Akzentverteilung wurde in Proparoxytonis die der stark hervorgehobenen Tonsilbe folgende Silbe stark abgeschwächt, ihr Vokal verstummte unter bestimmten Voraussetzungen. Die Endsilbe bewahrte dagegen einen Nebenakzent, blieb als Silbe erhalten, ließ aber den Vokal abgeschwächt zu -9 werden. Im Germanischen bleibt dagegen die zweite Silbe abgeschwächt erhalten, die Endsilbe hat die Tendenz zu verstummen. Der Einfluß dieser germanischen Akzent Verteilung war auch nach dem Untergang des römischen Imperiums, also in der zweiten Periode der römisch-germanischen Berührungen so stark, daß er die lautliche Entwicklung des ganzen galloromanischen Ostgebietes, von der Wallonie bis in die französische Schweiz bedingte. Vgl. lat. derbita »Flechte«, frz. dartre, R E W 2580, mit der romanischen Ton Verteilung; dagegen wall, diefe, Moselle der-p, derf, dauph. alt derbie, über derbeda; (palmes) palmite »Rebschoß«, lothr. pom, Gaumet (Belgien) p6m, pdm »Ähre«, R E W 6172, über päwmedd, E v a Seifert, Zur Entwicklung der Proparoxytona auf -ite, -ita, -itu im Gallorom. Diss. Berlin, 1919; ferner lat. tepidu(m) awall. tief (literarisch tiede), Porrentruy (Kanton Bern) tev, A L F 1302; lat. cämbita »Radfelge«, wall, tchame aus tsambe, tSamb, Meuse chamme, Orbey tsäbr, usf., F E W II, 125; lat. culcita »Kissen«, in normaler Entwicklung afrz. coilte, aber östlich queuce, Horning, Z R P 15,496; lat. impotat »er pfropft«, afrz. empe gegen lit. ente; usf. 7. Eine Möglichkeit der chronologischen Bestimmung bietet die westgermanische K o n s o n a n t e n d e h n u n g vor unmittelbar nachfolgendem -j-. Diese Konsonantengemination ist nicht vor dem 3. Jhdt. eingetreten, war aber vor der Auswanderung der Angelsachsen nach England schon vollzogen. Lat. Lehnwörter, die diese Konsonantendehnung mitgemacht haben, müssen daher spätestens im 3-/4· Jhdt. germanisiert worden sein1. 1

Kluge, Urg. Abschnitt 14 „Die vlat. Lehnwörter des Angelsächsischen sind von den Angelsachsen aus der kontinentalen Heimat mit nach England gebracht worden". „Die Zeit der Okkupation (Britanniens) ist das 5. Jhdt.; genauere Daten fehlen, da die spätere Überlieferung die geschichtlichen Ereignisse sagenhaft umgestaltet hat", Kluge, PGr. V , Abschnitt 1.

I, 8 Lat. auslautendes -a in den röm. Lehnwörtern

11

Auf Grund des Eintretens der Konsonantengemination können die folgenden Ausdrücke als Entlehnung der ältesten Zeit angesehen werden Vlat. a c i a l e »Stahl«, über dkkjal, ahd. ecchil, REW 103. c e r e s i a »Kirsche«, über keressja westgerm. kirissa, ahd. kirsa, agls. cirse, ciris-beam »Kirschbaum«. a p i u m »Eppich«, über appju, ahd. epfi. c a p r i o »Zicklein«, »Dachsparren«, R E W 1650, über *kapprione, oberdt. käpfer, »Balkenkopf«, Frings 25; 103. * c a s t i n e a (castanea), R E W 1742, ahd. kestinna l ö r e a »Tresterwein«, über lorrja in ahd. lurra. m i l i a (passuum) »Meile«, ahd. milla, agls. mil. p u t e u s »Ziehbrunnen«, ahd. pfuzzi »Pfütze«, ndd. putti, agls. pytt; s. frz. puits III. 23. s c r i n i u m »Schrein«, über skrinni ahd. skrini\ die Form mit geminiertem -nn- erklärt die Erhaltung des -i. v i c i a »Wicke« über wikkja ahd. wiccha. v i n d e m i a »Weinlese«, in ahd. wintimma. 8. Die II, 6 erwähnte germanisch-ostfrz. Akzentverteilung soll hier nur in Einzelbelegen verfolgt werden. a) P r o p a r o x y t o n a : lat. persicus »Pfirsichbaum«, vlat. persica »Pfirsich«, über *persca in afrz. pesche, gegen ahd. pfersich, agls. persoc; d e c a n u s »Vorgesetzter« (von 10 Soldaten. 10 Mönchen), ahd. tehhan »Diener, Krieger, Held«, agls. pegen, anord pegn »freier Untertan« u. ä. b) P a r o x y t o n a lassen, entsprechend der gallorom. Entwicklung die Auslautvokale außer α verstummen, ζ. B. lat. mustu(m) »Most«, ahd., agls. most. c) Für die Chronologie der lateinischen Lehnwörter im Westgermanischen ist u. a. das Geschick des lat. auslautenden -a von Bedeutung. Nach Kluge Urg. § 135 besaß das Germanische in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten noch wesentlich die vollen ungekürzten Endungen des Indogermanischen. Erst im 4. Jhdt. zeigt sich die Verkürzung, ζ. B. in dem Namen auf -riks, früher -ricus. In der 2. Hälfte des 4. Jhdts. hat die Sprache Wulfilas bereits den Schwund der vollen Endungen. Die Lehnwörter, in denen das auslautende lat. -a noch verstummt, sind also wohl vor dem Jahr 300 aufgenommen. Dieses Jahr steht also an der Grenze zwischen

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I, 8 Lat. auslautendes -a in den röm. Lehnwörtern

der ersten und der zweiten Periode der römisch-germanischen Beziehungen. Auslautendes -a verstummt nun in zweisilbigen Subst. wie lat. s a g m a »Packsattel«, dazu lat. sagmarius »Saumroß«, sagmarium »Gepäck auf dem Saumsattel«; vlat. sauma, ahd. soum »Saumtier«, »Last eines Saumtiers«, st. Masc.; agls. seam »Saumlast«, »Pferdegeschirr«; dazu ahd. soumäri »Saumtier«, Kluge s. v. mensa »Tisch«, vlat. mesa, ahd. mias, got. mes, Neutr., agls. myse, fem.; Bach 47. s a p a »Mostsirup«, ahd. saf »innere Flüssigkeit, Saft«, Neutr., ebenso ndl., agls, sap. sec a, lat nicht belegt, aber im ganzen Westromanischen erhalten, postverb. Subst. zu secare »durchschneiden, zerteilen«, R E W 7762 a; ahd. sech »Pflugmesser«, st. Neutr., auch seche, Fem., mnd. seke. Ebenso alte Entlehnung ist lat .fascia »Binde«, ahd. fasci, Neutr., got fäskja. Auslautendes -a verstummt in den folgenden Proparoxytonis: c a r r u c a »zweirädriger Wagen«, gallisches Lehnwort, in der Lex Salica vielleicht in der Bedeutung »Pflug«, wie frz. charrue; ahd. karruch »Karre, Wagen, Streitwagen«, mhd. karrech: F E W II, 425. c a n d e l a »Kerze«, ahd. kentil(stab) »candelabrum«, agls. cqniel. c u c u r b i t a »Kürbis«, über *curbita, ahd. kurbig, agls. cyrfet, Mask, f e n e s t r a »Fenster«, ahd. fenstar, aus fenstrs, agls. fernster·, auch im Keltischen. l a c t u c a »Lattich«, ahd. latiuch, aber auch latohha, agls. lactüc, mndl. lachteke; in verschiedenen Zeiten germanisiert, h e m i n a »ein Flüssigkeitsmaß bzw. ein Trockenmaß«, % sextarius, über *emiti0, *iming zu schwäbisch-alem. immi; dazu *heminata »eine >hemina< -voll«, im 12. Jhdt. rücklatinisiert hemata, in obersächsisch heimbzen, thüringisch hemitzen (Frings); lebt auch in afrz. eminee; die Α-Form ist latinisierend, da volkstümlich hschon im ersten Jahrhundert n. Chr. nicht mehr gesprochen wurde, t a b u l a »Brett«, ahd. zabah Spielbrett«, »Würfelspiel«, agls. txfel »Würfelspiel«; daneben als späteres Lehnwort ahd. tavala »Tafel«, »Tisch«, agls. tabele, tabule »Tafel«. t e g u l a »Ziegel«, ahd. ziagal, agls. tigle; auch aus dem Ostromanischen, alb. tiegula, R E W 8681 Genauer über die Entwicklung des Auslautes in den römischen Lehnwörtern des Westgermanischen s. Festschrift Marchand, S. 83 f.

I, 9 Germ. Umlautung

und Lautverschiebung

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9. Wenn ein aus dem Lateinischen ins Germanische aufgenommenes Lehnwort wie lat. persica, ahd. »Pfersich« die hochdeutsche Lautverschiebung mitgemacht hat, dann ist nur das eine sicher, daß das Wort v o r dem Eintreten der 2. Lautverschiebung schon dem germanischen Wortschatz angehörte. Ob ein solches Wort in der ältesten Periode der römisch-germanischen Berührungen aufgenommen wurde, oder erst in der zweiten Periode, d. i. zwischen etwa 300 und 500, läßt sich daraus nicht erschließen, s. II, 51. Auch der i-Umlaut gehört nicht zu den ältesten germanischen Verschiebungen. Nach Schatz, Ahd. Gr. 39 ist der Ubergang von a + i, 0 + i, j zu e, ö im Nordischen und Anglofriesischen »früher« eingetreten als im Althochdeutschen. Hier dringt er erst im 8. Jhdt. durch. Es ist daher selbstverständlich, daß die in der Zeit zwischen 100 und 600 aufgenommenen römischen Lehnwörter Zeichen der Teilnahme an diesem Umlaut ebenso tragen wie die altgermanischen Ausdrücke, aber Rückschlüsse auf eine Aufnahme in der Zeit der ä l t e s t e n römisch-germanischen Berührungen sind daraus gleichfalls nicht zu ziehen. 10. Aus den lateinischen Lehnwörtern im Altgermanischen und ähnlich in den übrigen Berührungsgebieten zwischen Römern und der einheimischen Bevölkerung läßt sich zum Teil der Lautstand und die Struktur des Lateins erschließen, das um 450 als Verkehrssprache in Gebrauch stand. Der Zusammenfall von kurzem lat. β und -i-, den Meyer-Lübke (Einführung in das Studium der Rom. Sprachwissenschaft, S. 97) als »den letzten Schritt ansieht, der den romanischen Sprachen zugrundeliegt«, ist in den Lehnwörtern der vlat. Zeit noch nicht zu erkennen; auch nicht in den gleichzeitigen Lehnwörtern des Keltischen, s. Pedersen I, § 200; ebenso nicht im Berührungsgebiet zwischen Römern und Iberern im oberen Ebrotal, und zwischen Römern und Illyrern in den Provinzen Dalmatia und Illyricum. Dazu kommt, daß in der zentralen Mundart von Sardinien (im Logudoresischen) und in Süditalien an einem kalabresischlukanischen Grenzstreifen noch heute -i-, und entsprechend -ü-, erhalten sind, Rohlfs, Ital. Gr. I, S. 45. Vgl. erhaltenes -1- in (pix) p i c e ; agls. pik, anord. bik; dazu irisch pic, baskisch phike; ahd. peh geht auf älteres pich zurück, vgl. e aus i vor Gutturalen in ahd. quec, neben agls. cwic, spec neben agls. spie, ahdt. weht neben wicht, Braune, Ahd. § 31, Anm.; daher mit erhaltenem -1- die

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I, ί ο Lat. -I- und -ü- in den röm. Lehnwörtern

Entsprechungen von lat. discus, strigilis, vindemia, cicera, cista, simila, etc. e statt -i- hat ferner ahd. behhäri »Becher«, neben andd. bikeri, aus vlat. bicarium, R E W 1081a; dazu unter anderen Voraussetzungen ahd. senaf »Senf«, agls. senep, gotisch sinap, aus lat. sindpi, das unter der Wirkung des auslautenden -i dissimilatorisch zu senapi umgelautet wurde. Ebenso ist lat. -ü- noch nicht zu -o- geworden. Daß auch dieser Ubergang nicht »urromanisch« ist, geht auch daraus hervor, daß -ü- ungefähr auf den gleichen Gebieten erhalten blieb, auf denen in historischer Zeit -i- nicht mit -e- zusammenfiel; so im Logudoresischen, in der kalabresisch-lukanischen Grenzzone, in den alten Lehnwörtern des Keltischen, Pedersen I, 27f. Vgl. für das Westgermanische : Lat. cücüma »Kochgeschirr«, ahd. kuchma; dazu auch baskisch kukuma »eßbarer Pilz«. 11. Die P a l a t a l i s i e r u n g der lat. Gutturale vor e und i ist gleichfalls jünger als die Aufnahme der ältesten römischen Lehnwörter in den Berührungsgebieten der Römer mit der einheimischen Bevölkerung der besetzten Provinzen. Vielleicht wurde k in dieser Verbindung mit einem schwachen palatalen Nachklang gesprochen, also etwa k'e, k'i, usf. Dieser Nachklang konnte bei der Germanisierung wieder rückgebildet werden, wie vermutlich Jahrhunderte später, im Galloromanischen des äußersten Nordens, k' vor -a(wie in carte, frz. chien) daher pik., norm, [kje] \ s. III, 39. Die reinen Gutturale sind noch erhalten im Logudoresischen, in den alten Lehnwörtern des Keltischen, Pedersen I, § 123; im Baskischen, A A II, S. 23; im Ostromanischen bis zur Einwanderung der Slawen im 6-/7. Jhdt., s. Südosteuropa Schriften VI, S. 48. s. hier III, 39. Vgl. für das Westgermanische (im Auszug) ke, ki (calx) calce, ahd. kalch, agls. cealc, andd. calc. c e r e s i a »Kirsche«, ahd. khirsa] ebenso in cellarium, caerefolium, calice, larice, fornace, usf. c i c e r a »Platterbse«, ahd. kichura. (coquina) cocina, ahd. kuchina, agls. cycene; ebenso lat. cista usf. ge-; lat. g e m m a »Edelstein«, »Knospe«, ahd. gimma, fem., agls. gimm mask., vgl. frz. jamme »Sprosse«.

I, I i Palatalisierung und Assibilierung

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s e g i n a »Schleppnetz«, ahd. segina, agls. segne. Auch die A s s i b i l i e r u n g der Gruppen tj, kj, dj, gj ist nach dem Zeugnis der westgermanischen Lehnwörter noch nicht vollzogen; wohl aber ist sie gesichert durch die lat. Lehnwörter im Baskischen, die den Stand des Vlat. im 7. Jhdt. zeigen. Der erste Beleg für ts aus tj ist nach Kluge, Urg. 26 kawtsjo in einer gotischen Urkunde des 6. Jhdts. aus dem Gebiet von Neapel. Die Assibilierung vollzieht sich also im Lauf des 6. Jhdts. Vgl. kj lat. *aciale, »Stahl«, R E W 103, über *akkjale ahd. ecchil; ebenso v i c i a »Wicke«, s. I, 7. Vgl. dazu Pogatscher 184, mit dem Hinweis, daß der Name des im Jahre 493 verstorbenen Bekehrers Irlands Patricius, eines Galliers, als Patrick in ON erhalten ist. Um 600 ist dagegen lat. uncia im Angelsächsischen als yntse bezeugt, tj p u t e u s , ahd. pfuzzi »Pfütze«, mit -zz- aus -tt-. M a r t i u s »März«, ndd. merte, ahd. merzo mit -rz- aus -rt-. b a l t e u s »Gürtel«, agls. belt, anord. belte; vgl. dazu mit Assibilierung baskisch malzo »Bündel«. p a l a t i u m »der palatinische Berg in Rom und die dort von Romulus angebaute Stadtabteilung« (Georges), über *palattju zu dt. Pfalz; ahd. mit sekundärer Umgestaltung von palattju zu *palantju, pfalanza, mit -a statt -9- mit Nachklang der 2. Silbe, agls. patent »fürstliche Wohnung« djm o d i u s »Scheffel«, ahd mutti; R E W 5629. 12. Das chronologische Problem bei der Übernahme des lat. Wortgutes in das Westgermanische ist aber durch sprachliche Feststellungen allein nicht zu lösen. Es muß auch kulturgeschichtlich unterbaut werden, s. Kluge, Urg. § 8b. »Wenn Tacitus vom Kurs römischer Münzen bei den Germanen berichtet, so ergibt sich daraus ein Anhalt für die Bestimmung der Lehngruppe von lat. M ü n z n a m e n « . So gehören die germanisierten Formen von lat. moneta »Münze« zweifellos zu der ältesten Lehnwörterschichte des Westgermanischen, und zwar in 2 Formen: als Masculinum in ahd. munig, als Neutrum in agls. mynet, anderseits als Femininum in ahd. munigga, anddt. munita. Die mask bzw. neutr. Formen

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I, 13 Rom. Bezeichnungen des Handels im Germ.

setzen die ältere Lehnwörterschicht fort, s. II, 8 c, die Formen mit erhaltenem -a gehören der jüngeren Schicht an. Gleichzeitig mit der Grundlage des zweiten Typus wurde lat. s i l i q u a »eine kleine Münze« germanisiert, so ahd. silihha, das abgesehen vom Althochdeutschen im Germanischen nicht belegt ist, nach R E W 7919 als Maßbestimmung im Italienischen weiterlebt. In diese Gruppe gehört auch lat. t r e m i s s i s »ein Drittel des Dukatens«, das mit der normalen Auslautentwicklung in agls. trimes, fem. »Art kleiner Münze« erhalten ist, in ahd. trimissa dagegen die Endung der Maßbezeichnungen muniföa, silihha angenommen hat. Im Romanischen ist das Wort noch nicht nachgewiesen. Von anderen Maßund Münzbezeichnungen wurden sextarius, modius »Scheffel« dann (h)emina »ein Flüssigkeits- und Trockenmaß« früh aufgenommen. 13. Der H a n d e l mit den Germanen geht noch in die Zeit vor Caesar zurück, s. bellum gallicum IV, 23; Kluge, Urg. 11. Das erklärt u. a. die frühe Entlehnung von lat. c a u p o »Schenkwirt, der sowohl Gäste beherbergt, wie über die Straße verkauft«, (Georges); dazu ahd. koufo »Handelsmann«; dazu das Verbum gotisch kaupdn »handeln«, ahd. kouftn, anord. kaupa, usf., entsprechend lat. cauponari »schachern«. Es handelt sich bei dieser Wortfamilie um die älteste Form des wechselseitigen Handels. Ausgangspunkt ist die Bezeichnung caupo für den Wirt, der gleichzeitig den primitiven Handel vermittelt. Das Subst. ist nicht unmittelbar in das ahd. koufo übergegangen. Zugrunde Hegt die Obliquusform caupone, germanisiert als *käupone, das im Ahd. über *kouffon zu koufo wurde, in Anlehnung an die Nominativform der maskulinischen «-Stämme wie hano — hanon. Daneben lebt als ursprüngliche Bezeichnung des Händlers, der nicht gleichzeitig Schenkwirt ist, lat. m a n g o , nach Georges »ein Händler, der seine Waren durch künstliche Mittel verschönt und verfälscht«, insbesonders »Sklavenhändler«. Das Subst. wurde erweitert mit dem die handelnden Personen bezeichnenden Suffix -arius, gleichzeitig mit caupo ins Germanische übernommen; daher ahd. mangäri, agls. mangerβ, anord. mangari »Händler«; dazu, wie caupön zu caupo, das Verbum asächs. mangdn »handeln«. Im Romanischen lebt mango in Spanien, dann im Altwallonischen, Brüch ZDA 83, 96. Nach Tacitus, Ann. IV, 72, hatten die Friesen als Tribut an die Römer Felle zu liefern. Der F e l l h a n d e l spielt auch sonst in den

I, 14/15

R o m . Rechtsordnung und Zoll

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romanisch-altgermanischen Beziehungen eine große Rolle. Diese Felle wurden nach d e c u r i a e gezählt; daher mhd. decher, mndd. deker »zehn Stück Felle«, s. Frings 57f. und passim. Nach Plinius waren auch die germanischen Flaumfedern ein beliebter Handelsartikel, und es ist nun psychologisch und kulturgeschichtlich bemerkenswert, daß zwar das Wort für die Gans, das produzierende Tier, in germanischer Form ins Römerreich drang, so ganta bei Polemius Silvius (5. Jhdt.), Kluge, Urg. § 13, daß dagegen die Bezeichnung des Handelsartikels selbst in der Sprache der Käufer weiterwanderte; daher aus lat. p l ü m a ahd. pflüma, agls. plumfedere, dazu auch altirisch clüm »Feder«. Ein solches altes Handelswort ist auch 'Elfenbein', d.i. ahd. helfantbein, agls. elpend,= germ. *elpandus, das mit Suffixwechsel aus lat. e l e p h a n t e entlehnt wurde. 14. Die Einrichtung der linksrheinischen Provinzen, das Zollwesen, die Rechtsprechung, die in lateinischer Sprache erfolgte, gaben Anlaß zur Aufnahme der entsprechenden römischen Bezeichnungen. So spiegelt sich die neue R e c h t s o r d n u n g in den folgenden Lehnwörtern wieder: ahd. kösa »Rechtssache«, koson »verhandeln«, aus lat. c a u s a »Rechtssache«. Als die Franken in Nordfrankreich die Rechtsprechung übernahmen, drang umgekehrt das germanische *sakjan ins Romanische, s. II, 109. Vlat. Lat. p a c t u m »Vertrag, Verabredung«, dazu der zum Collectivum gewordene alte Plural p a c t a , ist als Femininum und Masculinum im Romanischen erhalten, R E W 6138; beide Formen leben auch im Ahdt., die Kollektivform in ahd. pfahta, mhd. pfahte »Zins, Pacht, Recht, Gesetz«, die Singularform in ahd. pfacht, s. Jud, Z R P 38,17. Rechtsausdruck ist ferner s e c u r u s »sicher«, wahrscheinlich zunächst sikur mit Ersatz von lat. geschlossenem langen -e- durch -t-, ahd. sichur, sichor, vor dem 5. Jhdt. germanisiert; dazu ahd. sichurdn »rechtfertigen«, s. Kluge s. v. 15. Die römische Verwaltung bringt zu den Westgermanen auch mit dem Zollwesen den Ausdruck für Zoll, lat. teloneum, (aus gr. τελωνεΐον) »Zollhaus«, das bei den Kirchenschriftstellern belegt ist, vlat. tolonium\ das Wort ist allgemein westgermanisch und altnordisch; über tolonj asächs. tolna, anord. tollr, agls. toll, ahd. Zoll, s. Kluge s. v. Daß es sich nicht um ein Wort der Umgangssprache handelt, sondern ein gelehrtes Wort der Verwaltungs2

Gamillscheg, Romania Germanica I

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I, 16 Lehnwörter aus dem Bereich der Heeresorganisation

spräche ist, zeigt auch die Entwicklung im Galloromanischen; so afrz. tolneu, tonleu, dann mit Einwirkung von lieu, ionlieu »Standgeld«. Ausdruck der römischen Verwaltung ist auch agls. degmo »Zehent«, aus älterem *dehmo, zu lat. d e c i m u s , das als Subst. »der zehnte Teil« belegt ist, dazu lat. decima, meist decuma, als Bezeichnung des zehnten Teils der Beute, der ζ. B. einer Gottheit geweiht ist. Die entsprechende afrz. Form disme ist Masc. und Fem., so daß nicht feststellbar ist, ob das Wort als Masculinum oder als Femininum in das Germanische drang. Zugrundeliegt unter allen Umständen eine Form mit -«- in der zweiten Silbe, das den -o-Nachklang in der Endsilbe bedingt; vgl. dazu lat. porrunt »Lauch« in ahd. pforro. 16. Entlehnungen aus dem Gebiet der militärischen Organisation sind kaum vorhanden. Der Entlehnung von ahd. kämpf, agls. camp »Kampf« aus lat. c a m p u s »freie Fläche«, »Feld« steht die von fränkisch *werra »Krieg« gegenüber. Der begriffliche Übergang von campus »Feld« zu campus »Krieg«, der sich schon im Vulgärlat. vollzogen haben muß, wie die Ableitung *campio »Kämpe« lehrt, geht über die Bedeutung »Kampfesfeld«, die das afrz. champ noch deutlich erkennen läßt. Lat. Herkunft ist ferner ahd. pfil, agls. pil »Pfeil«, aus lat. p l l u m »Wurfspieß«. Aus dem Gebiet der Angriffswaffen stammt lat. p e t r a r i a , d. i. ursprünglich eine adjektivische Abi. von Petra »Fels«, im Romanischen erhalten namentlich in der Kollektivbildung »Steinhaufen«, als militärischer Ausdruck »Steinschleuder«, »Katapult«; so in ahd. pfeteräri, prov. peiriera; dazu auch noch in der alten adjektivischen Funktion prov. peirier »zum Steinschleudern dienend«. Daß trotz der großen Bedeutung, die Bewaffnung und Heeresorganisation für die römische Besatzung in der Germania romana haben mußte, trotz der von Jahrhundert zu Jahrhundert steigenden Anzahl von germanischen Söldnern in den römischen Heeren, der Anteil des Lateinischen auf diesem Gebiet der römischen Kultur nicht größer ist, erklärt sich daraus, daß der germanische Legionär die Beziehungen zu seinen Volksgenossen und damit zu seiner heimischen Sprache autfgibt. Die Vermittler bei der Übernahme der lateinischen Lehnwörer sind nicht die germanischen Söldner, sondern die große Masse der germanischen Bevölkerung, die im täglichen Umgang mit der romanisierten Bevölkerung der Provinzen die vulgär-

I, 17 Entlehnungen von Volk zu Volk

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lateinische Verkehrssprache erlernen mußte, und in den Fällen gebrauchte, in denen die germanischen Ausdrucksmöglichkeiten nicht ausreichten. 17. So sind denn zusammenhängende Kulturgebiete, die für die Germanen ursprünglich fremd waren, gemeinsam mit den lateinischen Ausdrücken übernommen worden1. So die Gebiete des Baus und der Einrichtung des S t e i n h a u s e s ; das Gebiet des O b s t - und G e m ü s e b a u s , gewisse Gebiete der L a n d w i r t s c h a f t , des W e i n b a u s , der K l e i d u n g , des S c h m u c k s , u. ä., Gebiete, deren Wirkung auf die Germanen und das Altgermanische zusammenfassend von Kluge in Pauls Grundriß, 1. Auflage S. 305ff., dann Urg. § 8 systematisch dargestellt wurde; ähnlich von Bach S. 46; Behaghel 1 7 1 , und wohl noch von anderen. E s handelt sich dabei um einen Uberblick über die kulturellen Gebiete, auf denen die Römer die Lehrmeister der Germanen wurden. Die gleiche Überlegenheit der römischen Kultur und in der Folge die gleiche Art der Übernahme des römischen Wortgutes in die einheimische Sprache zeigt sich auch in dem römisch-keltischen Berührungsgebiet in Südengland. Meistens sind es die gleichen Ausdrücke, die hier wie dort in der Zeit zwischen 100 und 400 übernommen wurden, so area, beta, caldarium, calix, calx, campus, candela, cannabis, carcer, caseus, caucus, caulis, cellarius, cerasus, caprio, cista, coquere, coquina, culcita, cupa, deeimus, draco, fascia, fenestra, foeniculum, flagellum, gemma, *impotare, larix, mensa, mercatus, milia, modius, molina, monachus, mutare, pallium, piper, pix, plaustrum, pondus, praebenda, regula, saccus, sacellus, sagma, scamnum, scindula, scrinium, scutella, sextarius, signum, stipula, strata, stuppa, tegula, theca, trajectorium, trimensis, vicia, vicus, vindemia, zusammen 62 Ausdrücke, darunter nur 3 Verba, keine einzige abstrakte Vorstellung, s. Pedersen II, 822 f. 1

»Wie vielen Lehnwörtern aus der Zeit vor 400 sind die Lebensgebiete, in die sie hineingehören, festgelegt. Kriegswesen, Verwaltung, Schiffahrt ( ?), Handel, Weinbau. Obstzucht und Gartenbau, Küchengewächs, Ackerbau, Geflügelzucht, Jagd und Fischfang, Handwerk, Hauswirtschaft, Körperpflege, Musik, Tanz und Spiel, und vor allem der Steinbau an Stelle des germanischen Fachwerkbaus mit Lehm oder des Holzbaus«; Frings, Grundlegung, Abschnitt 2. 2*

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I, 18 Bedürfnislehnwörter

Ebenso bezeichnend ist es, daß auch im Baskischen gerade im Gesichtskreis des Hausbaues, des Gartenbaues und der Obstbaumkultur, in zwei Gebieten, die unter den römischen Lehnwörtern des Keltischen wie des Germanischen besonders stark vertreten sind, die gleichen lateinischen Lehnwörter auftauchen, vgl. aus dem Wortschatz des H a u s b a u s murus, lapideus, porta, tegula, caprio, catena, palus, turris, cella; auf dem Gebiet des G a r t e n b a u s und der O b s t k u l t u r ceresia, cotoneus, castanea, mespilus, ficus, caepulla, cucurbita, cuminus, piper usf., s. Rohlfs, Baskische Kultur im Spiegel des lat. Lehnwortes, Festschr. Voretzsch, 1927; A A II, S. 2 mit weiteren Angaben. 18. Die etwa vierhundert lateinischen Wörter des Altgermanischen sind fast ausschließlich B e d ü r f n i s - L e h n w ö r t e r . Dabei ist der Begriff des Bedürfnisses nicht nur so zu fassen, daß den Germanen eine andere Bezeichnungsmöglichkeit wie die durch das Lehnwort überhaupt abging — wie dies bei der Benennung der neuen Obst- und Gemüsesorten der Fall war — als ein BedürfnisLehnwort kann auch ein Wort wie ahd. mulin, agls. mylen (altir. mulenn), »Mühle« aus lat. m o l i n u m bezeichnet werden, das aufgenommen wurde, obwohl das Germanische (nach got. qairnus, ahd. quirn) ein altes Wort für die Mühle besaß. Aber die römische Mühle war etwas anderes als die germanische. Es werden also die beiden Formen verschieden bezeichnet und das Wort für die kulturell weiter fortgeschrittene Form verdrängt schließlich die eilte Bezeichnung. Ebenso steht es mit deutsch Kunkel neben Rocken. Im unmittelbaren Berührungsgebiet zwischen Westgermanen und Römern dringt das galloromanische c o n u c u l a (frz. quenouille) ein. Die Goten bringen aber ihre eigene Bezeichnung rukka ins Romanische, und diese legt sich ihrerseits über die romanische Bezeichnung des 'Spinnrockens'. Die Geschichte dieser Bezeichnungen ist nicht nur kulturell von Bedeutung, sie ist auch psychologisch bedingt. 19. Denn nicht nur die positive, sondern auch die n e g a t i v e Seite dieses Entlehnungsprozesses verdient Beachtung. Es ist kein Zufall, daß der römische Wortschatz des I n n e n l e b e n s , der Ausdruck der Empfindungen und Gefühle, des starken Affektes, trotz des jahrhundertelangen Zusammenlebens zwischen den romanisierten Kelten und den Germanen an dem altgermanischen Wort-

I, ig Ausdrücke aus dem Gebiet des Gefühlslebens

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schätz spurlos vorübergegangen ist 1 . Uberall, wo sich später Germanen auf dem Boden des römischen Reichs niederließen und sie schließlich ihr Volkstum aufgaben, haben sie die Ausdrücke der starken seelischen Erregung mit ins Romanische übernommen. Im Gebiet des Alpenromanischen, wo es seit dem Ende des 6. Jahrhunderts zu einer Verschmelzung der romanischen Bevölkerung mit den Germanen gekommen ist, finden sich unter den wenigen frühalthochdeutschen Lehnwörtern eine ganze Reihe von Ausdrücken des Innenlebens, s. Bd. III. In der Germania Romana ist aber das sprachliche Bedürfnis der einzige Beweggrund für die Aufnahme römischen Sprachgutes. Abstrakta, wie ahd., andfrk. angust »Angst« = lat. angustia, stammen eher aus dem Mittellateinischen als aus dem lebendigen Latein der ersten nachchristlichen Jahrhunderte. Dieselbe Herkunft dürfte dt. dauern aus lat. d u r a r e haben, das selbst aus dem Niederdeutschen oder Niederländischen stammt. Die Bezeichnungen von seelischen Eigenschaften, die in ganzen Gruppen aus dem Germanischen ins Romanische drangen, sind innerhalb des Westgermanischen vom Lateinischen unbeeinflußt geblieben. Der Germane des i. bis 4. Jahrhunderts nimmt lernend von den Römern auf, was ihm an der fremden Kultur nachahmenswert erscheint. In seinem Innenleben aber bleibt er dem Römertum fremd. Diese A b l e h n u n g des r ö m i s c h e n E i n f l u s s e s in allem w a s g e f ü h l s m ä ß i g und g e i s t i g b e d i n g t i s t , h a t die G e r m a n e n der R h e i n l a n d e v o r der R o m a n i s i e r u n g b e w a h r t . Man hat, um eine rasche Romanisierung der Germania Romana glaubhaft zu machen, auf das Schicksal der Ubier hingewiesen, die 38 v. Chr. aus dem unteren Lahntal auf das linke Rheinufer flüchteten, 19 v. Chr. in den römischen Verband eingegliedert wurden und seit der Mitte des 1. Jahrhunderts den römischen Namen Agrippinenses führten, Wrede, S. 1 1 . Einer solchen raschen Romanisierung mögen einzelne Stämme erlegen sein, die aus ihrem Volksverband herausgerissen in fremde Umgebung kamen. Nichts läßt sich aber dafür anführen, daß die große Masse der in der Germania Romana angesiedelten Germanen, die 1

In dem althochdeutschen Abrogans-Glossar findet sich unter den Wörtern des Denkens und Fühlens kein Lehnwort, s. W. Betz, Germ. Bibl. II, 40 Frings nimmt für dt. keusch Entlehnung aus lat. conscius an, was von Kluge-Götz zweifellos mit Recht abgelehnt wird.

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I, 20 Germanische Ausdrücke bei röm. Schriftstellern

steten Zuzug aus dem unabhängigen Germanien erhielten, vor dem Zusammenbruch des Römerreiches romanisiert gewesen wären, wenn sie sich auch im Verkehr mit der römischen Verwaltung des Vulgärlateinischen bedienten. 20. Es standen also Jahrhunderte hindurch in diesen Grenzländern des römischen Reiches Römer und Germanen miteinander in Berührung; auf römischer Seite Verwaltungsbeamte, Soldaten und Kaufleute; zu ihnen trat in den späteren Jahrhunderten die romanisierte keltische Restbevölkerung; auf der Seite der Germanen Stämme, deren Namen im zweiten Teil der Völkerwanderung zum Teil untergegangen sind. So ausschlaggebend der römische Einfluß auf Kultur und Sprache dieser germanischen Stämme war, so gering war die Gegenwirkung, und zwar nicht nur seitens jener Germanen, die in den Randgebieten lebten, sondern auch seitens der Tausende und Abertausende, die als Soldaten in das römische Heer traten, als Sklaven ins Reich kamen oder als Leten von den Römern angesiedelt wurden1. So ist denn die Anzahl der germanischen Wörter, die bei römischen Schriftstellern Erwähnung gefunden haben, ganz gering. Zum Teil sind es Handelsbezeichnungen, zum Teil sprachliche Curiosa, die von den Schriftstellern gebraucht werden, um das Lokalkolorit wiederzugeben; nur von den wenigsten von ihnen kann man annehmen, daß sie wirklich dem römischen Wortschatz 1

Schon von Caesar wurden besiegte Germanen in das römische Heer eingereiht. Seit dem 3. Jhdt. wird der Anteil der Germanen im römischen Heer in allen Stellen ausschlaggebend, auch im Reichsheer, Stroh. 19. Von den Ubiern, die als römische Untertanen bald romanisiert wurden, war bereits die Rede. Um 360 wurde ein Stamm der Chattuarier in der Gegend von Langres angesiedelt, wo bis ins 12. Jhdt. hinein ein pagus Hatoariorum bezeugt ist, Schmidt, II, 448. Als die Germanen im Laufe des 5. Jhdts die Romania eroberten, trafen sie überall auf Volksgenossen, Ansiedler und Sklaven. Diese Germanen im römischen Reich waren für die Römer als Arbeiter und militärische Schützer des Reiches unentbehrlich, sie waren aber als Menschen geächtet. Der Codex Theodosianus III, 1, 14 bestimmt: »Quod si quae inter provinciales atque gentiles affinitates ex huiusmodi nuptiis extiterint, quod in iis suspectum vel noxium detegitur, c a p i t a l i t e r e x p i e t u r « . Bang, Die Germ, in röm. Diensten, Diss., Berlin, 1906; K . Th. Wagner, Die Germ, im röm. Reich vor der Völkerwanderung, Progr. Leipzig, 1867.

I, 20 Germ. A u s d r ü c k e bei röm. Schriftstellern

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angehörten. Vgl. nach Kluge, Urg. § 13; Brüch, S. 14U. alces »Elch«, carrago (d. i. karr-hago) »Wagenburg«, drungus »Kriegsschar«, framea »Speer«, ganta »Gans«, glaesum (s. Kluge unter Glas) »Bernstein«, melca »saure Milch«, reno »Pelzwerk«, sapo »Seife«, taxonina adeps »Dachsfett«, tufa »Helmbusch«, urus »Auerochs«, vanga »Hacke«. Die weiteren bei Kluge angeführten Wörter führen bereits in eine spätere Zeit. Von diesen wenigen Wörtern sind wiederum nur v i e r in die romanischen Sprachen gedrungen: ganta bei Plinius in der Bedeutung »Wildgans«, ist ein Ausdruck, der mit dem Handel von Flaumfedern zusammenhängt, s. Abschn. 13. Das Wort lebt aber nur im Einflußgebiet des Fränkischen, so daß es wohl erst in der Frankenzeit in den allgemeinen Wortschatz eingedrungen ist, wenn es auch schon vorher als Handelsausdruck gelegentlich gebraucht worden sein mag II, 124. Dagegen ist taxoninus bei Marcellus Empiricus, 4./5. Jhdt., eine echt volkstümliche Bildung. Es liegt ein westgermanisches pahsu »Dachs« zugrunde, das zu t a x u s romanisiert wurde und in dieser Form im Italienischen und Alpenromanischen weiterlebt. Die Form taxo, die sich aus der Ableitung taxoninus und aus dem franz. taisson »Dachs« erschließen läßt, ist eine typisch galloromanische Weiterbildung. T u f a »Helmbusch« bei Vegetius (383 bis 450) ist ein ostgermanischer, wahrscheinlich gotischer Soldatenausdruck. Ob er wirklich im Romanischen weiterlebte, d. h. ob er wirklich um 400 schon im Vulgärlateinischen der westlichen Romania lebte, ist zweifelhaft, vanga »Hacke« ist bei Palladius belegt, der im 4. Jahrhundert in Rom ein Buch 'De re rustica' schrieb, »eine Aufzählung der ländlichen Arbeiten nach den Monaten geordnet«. Das Wort war zweifellos volkstümlich, wie die alte Ableitung vangile »Griff der vanga« (wie lat. hastile »Lanzenschaft«) zeigt. Es lebt im Italienischen, s. REW 9137. Das Wort wird als germanisch angesehen, doch scheinen der Bedeutung nach entsprechende germanische Wörter zu fehlen. Wenn das Wort aber wirklich germanisch ist, dann ist es ein Ausdruck der germanischen Sklaven. Von diesen vier Ausdrücken ist nur taxus weiter verbreitet 1 . Wenn es auch im Ostromanischen nicht mehr nachweisbar ist, so 1

Spanisch

tasugo,

(so s t a t t

tasujo

R E W 8606), k a n n n i c h t das

vulgär-

lateinische taxus fortsetzen; es ist wie M e y e r - L ü b k e andeutet, w e s t g o t i s c h *pahsüks,

d.i. eine D e m i n u t i v f o r m v o n * pahsu m i t d e m -k-Suffix,

das in

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I, 20 Inschriftlich bezeugte germ. Lehnwörter

kann man doch annehmen, daß es der römischen Vulgärsprache des 4. Jahrhunderts angehört hat. Ebenso gering ist die Zahl der germanischen Wörter, die in der Römerzeit i n s c h r i f t l i c h bezeugt sind: b r ü t i s »die römische Braut des germanischen Soldaten«, lebte wirklich in der Vulgärsprache des oströmischen Reichs und in Raetien-Noricum, erhalten in 4 Inschriften: Aquilea, Noricum, Bulgarien, Serbien, s. Niedermann, VR 5, 184, dazu im Vegliotischen eingereiht in die «-Deklination (III, 40) bertain·, Skok ZRP 54, 493. Im Vulgärlateinischen Italiens und des Westens war das Wort aber nie zu Hause, canna auf einer südfranzösischen Inschrift aus der Zeit vor 300, dazu afrz. channe, prov. cana REW 1597, gehört zu dt. 'Kanne'. Es wäre aber höchst auffällig, daß ein solcher germanischer Ausdruck schon im 3. Jahrhundert in Südfrankreich volkstümlich geworden wäre. Es ist daher Frings, S. 129, zweifellos im Recht, wenn er annimmt, daß canna (und cannata) ein Ausdruck der römischen Töpferei ist, der erst aus dem Galloromanischen nach Deutschland kam. Ebenso ist inschriftlich bezeugtes spelta, dt. Spelt, Spelz, ital. spelta, frz. epeautre, im Germanischen nicht heimisch. 5. Kluge unter Spelt. Die germanischen Lehnwörter, die bei Schriftstellern des 5. und 6. Jahrhunderts nachweisbar sind, sind aus der Sprache der Germanen entlehnt, die sich in der Völkerwanderungszeit auf dem Boden der Romania als Herren niedergelassen haben. So stammt βάνδον »Fahne« bei Procopius aus dem Gotischen; vargus »Strolch« bei Sidonius Apollinaris, der in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts in Lyon lebte, aus dem Fränkisch-Galloromanischen, agls. bulluc »junger Ochse«, in dem altgermanischen Namen Sparucus u. a. bezeugt ist, s. auch Brüch. V K R V I I , 2 5 2 ; Garcia de Diego, R F E III, 3 1 7 ; A. Castro, Glosarios latino-esp. A S S L 1 7 1 , 138. Aber auch das Galloromanische taxo ist auf die iberische Halbinsel gedrungen: kat. teixö, span. tej&n; ein portug. *teixaön ist nicht bezeugt. Daß eine Entsprechung dieser Art im Portugiesischen einmal vorhanden war, zeigt portug. teixugo »Dachs«, dessen -x- nicht gotisches -hs- wiedergibt, sondern lateinisches -x-. E s haben sich also das spätgotische und das galloromanische Wort gekreuzt. Prov. tais könnte das vlat. taxus sein, (nicht aber ein späteres westgotisches pahsu, s. wegen der Entwicklung von gotischem -hs- Grammatik der gotischen Elemente in Band II); es kann aber auch von prov. taiso(n) rückgebildet sein. Daß das Wort ein alter «-Stamm ist, zeigt anord. *PQX, s. Falk-Torp unter svin.

I, 2i Anhaltspunkte für die Bestimmung der Zeit der Entlehnungen

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nicht aus dem tolosanischen Latein, wo der Stamm auch bezeugt ist, da die Form der Latinisierung in den Norden Frankreichs weist. 2i. Rückschlüsse auf das Vorhandensein von altgermanischen Elementen im Vulgärlateinischen, die nur auf der romanischen Uberüeferung beruhen, sind meist unsicher. W e n n ein W o r t w e s t g e r m a n i s c h e r L a u t f o r m s i c h a u c h im O s t r o m a n i s c h e n f i n d e t , k a n n man a n n e h m e n , d a ß es im 4. J a h r h u n d e r t dem V u l g ä r l a t e i n i s c h e n a n g e h ö r t hat. Denn nach 400 ist die östliche Romania von der westlichen größtenteils abgeschlossen, s. Genaueres in Band III. Aber nur ein solches Wort ist mit einiger Wahrscheinlichkeit nachweisbar. Westgermanisch m a r r j a n , zu got. marzjan »ärgern«, ahd. marren »hindern, stören«, s. R E W 5373, lebt in afr. marrir, prov. marrir »betrüben«, marrit »besorgt«, »verirrt« u. ä., kat. marrit »traurig, niedergeschlagen«, marriment »Trauer, Melancholie«, aspan. amarrido dass., ital. smarrire, »verirren«; dann in rum. amäri »verbittern«, »betrüben«, mit dem lateinischen Präfix, das auch im aspan. amarrido enthalten ist; doch ist es nicht ausgeschlossen, daß das rum. Wort aus dem Langobardischen stammt. Die Bedeutung des Wortes spricht immerhin für die Annahme, daß hier ein altes westgermanisches Lehnwort vorliegt. Marrjan war etwa die Entsprechung des französischen avoir le cafard, das ein junger Ausdruck des Militärargots in Afrika und den Kolonien ist und in kürzester Zeit Bestandteil der französischen Umgangssprache wurde. Ob das Verbum marrjan oder das Partizip marrip(s) zunächst romanisiert wurde, läßt sich nicht feststellen. Das Wort ist der Ausdruck der Sehnsucht des germanischen Söldners nach der Heimat. Der germanische -p-Laut ist nach l und r in den fränkischen Lehnwörtern des Romanischen ebenso in stimmhafter Form bezeugt, wie in den gotischen und langobardischen, III, 25. Wenn nun für die Bezeichnung des 'Marders' frz., prov. martre, ital. martora erscheint, so setzen diese Formen ein westgermanisches m a r p r voraus. Das Wort ist also wohl zusammen mit pahsu noch im 4. Jahrhundert vulgärlateinisch geworden. Eine gotische Entsprechung des Wortes ist gleichfalls bezeugt, s. iberorom. marta in Band II. Aus vorfränkischer Zeit stammt schließlich die Romanisierung von l a e t u s »Lete« aus westgerm. let, III, 1, wegen der Erhaltung

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I, 22 Bedeutung der röm. Sprachentwicklung für die Chronologie

des germ. e. Weitere Kriterien, die die germanische Lautentwicklung an die Hand gibt, kenne ich nicht. 22. Auch die r o m a n i s c h e S p r a c h e n t w i c k l u n g läßt uns selten erkennen, daß ein germanisches Lehnwort schon im Vulgärlateinischen vor 400 vorhanden war. Dies ist ζ. B. im folgenden Falle möglich. Das lateinische ex- hat unter anderem aufhebende Wirkung, ζ. B. in exhereditare »enterben« neben hereditäre »zum Erben einsetzen«. In der Franken- und Goten-Zeit ist diese Funktion des ^-Präfixes bereits erloschen, vgl. ζ. B. galloromanisch exsunniare »sich durch eine Entschädigung freimachen«, zu fränk. sunnja, nicht »""unentschuldigt bleiben«; ex- wird in der späteren Zeit zum reinen Verstärkungs-Präfix, ζ. B. in afrz. esjoir »sich freuen«, aus exgaudere, esbaudir dass., u. v. a. Zum germ, m a g a n »Kraft haben«, (got magan »vermögen«, zu mahts »Macht«) wird aber ein vlat. *exmagare »die K r a f t verlieren, die K r a f t nehmen« gebildet, das in der ganzen westlichen Romania lebt, s. R E W 3022; aital. smagare, afrz. esmaier, dazu das pv. Subst. afrz. esmai, frz. emoi »Aufregung«, pro v., akatal. esmayar, usf. Eine andere exAbleitung mit aufhebender Funktion von einem germanischen Stamm kenne ich nicht. Wegen ex-fripare II, 114; wegen exkinniare, II, 154. Wegen der Ableitungen ist wahrscheinlich auch das folgende Wort vulgärlateinische Entlehnung: germ, b r a s a »Scheiterhaufen«, »Glut« (zu schwedisch brasa »Feuer«) lebt in der ganzen westlichen Romania mit Ausnahme des Alpenromanischen. Der Verbreitung nach könnte das Wort ohne weiteres ein germanisches Lehnwort späterer Zeit sein. Aber es wurde zu diesem brasa noch ein Zugehörigkeitsadjektiv *brasicum »Kohlenstaub«, eigentlich »was von der Glut, brasa, übrigbleibt«, gebildet, afrz. *brais, das in der Ableitung braisine »Gußformüberzug aus Tonerde und Kuhmist«, dann in der -tVe-Ableitung, Jura bresi »Kohlenstaub«, Franche-Comt£ bresi »auf Glut gebackener Kuchen« erhalten ist; dazu vlat. *brasica, brasca in obwaldisch brastga »Funke«, »Dochtkohle«, unterengadinisch brascher »Kohlenglut«, braschla (d. i. brascula) »Fackel«, mailändisch brasca »zu Kohle verbrennen«, piemontesisch brasca »Glut«, genuesisch brasca »stechender Schmerz« u. ä.; brascum, brasca ist also galloromanisch, alpenromanisch und oberitalienisch. In der Frankenzeit sind zwar noch -icare-Ableitungen von Nominalstämmen nachweisbar, -icus-Adjektive sind mir

I, 23 Bedeutung der Verbreitung der röm. Lehnwörter

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aber nicht mehr bekannt. Das dazugehörige Verbum brasdn »auf der Glut braten« ist wahrscheinlich aus dem Ostgotischen später ins Alpenromanische gewandert, s. Band III. 23. Nur bedingt sind aus der Verbreitung der germanischen Lehnwörter im Romanischen Rückschlüsse auf die Zeit ihrer Aufnahme möglich, s. Pogatscher, Z R P 12, 554; Brüch ig. Immerhin kann man sagen: G e r m a n i s c h e L e h n w ö r t e r , d i e w e d e r i m F r a n k e n - , n o c h im G o t e n b e r e i c h a u f t r e t e n , die f e r n e r noch die ä l t e s t e a l p e n r o m a n i s c h e S p r a c h e n t w i c k l u n g m i t m a c h e n , müssen schon im V u l g ä r l a t e i n der r ä t i s c h n o r i s c h e n A l p e n i m 4. J a h r h u n d e r t g e l e b t h a b e n . Diese Wörter werden in Bd. III ausführlich behandelt werden. Es sind dies: borsti »Pferdestriegel«, bruska »Überbleibsel von Heu in der Krippe«, brüpiz »Soldatenbraut«, das schon unter den vulgärlateinischen Bestandteilen des Ostromanischen erwähnt wurde, ridan »Vorrat haben«, skeipo »Löffel«, skewjan »geschehen«, skiran »das Fleisch vom Knochen kratzen«, und einige zweifelhafte. Aus der V e r b r e i t u n g eines germanischen Wortes in der ganzen westlichen Romania oder einem großen Teil derselben ist es dagegen nicht gestattet, auf Entlehnung in noch vulgärlateinischer Zeit zu schließen. Denn wir sehen a., daß viele der sicher schon vulgärlateinischen Lehnwörter ein ganz beschränktes Verbreitungsgebiet haben, s. oben ganta, tufa, vanga, punga, dann die altgermanischen Lehnwörter des Alpenromanischen, b. Die weite Verbreitung eines Wortes kann das Ergebnis späterer Wortwanderung sein. Die im 5. und 6. Jahrhundert romanisierten fränkischen, zum Teil auch die gotischen Wörter breiten sich als Bestandteile des neuen Mittellateins über die ganze westliche Romania aus, d. h. sie dringen so weit wie der fränkisch-galloromanische Kultureinfluß. Brüch, S. 38 f. hat schon eine Reihe solcher Wörter zusammengestellt, die durch ihre Lautform als galloromanisch erkennbar sind. Die Wege und Voraussetzungen dieser Wortwanderungen werden hier nochmals behandelt werden, III, 52. Aber einem Wort wie frz. frais, prov. fresc, ital., span., port, fresco kann man es nicht ansehen, ob es ein vulgärlateinisches friscus des 4. Jahrhunderts ist oder ein galloromanisches frescu, das im 6. Jahrhundert sich weiter verbreitet hat. c. Die Geschichte des sprachlichen Einflusses der einzelnen germanischen Stämme, die mit den Römern in Berührung kamen, lehrt, daß i m m e r w i e d e r d i e g l e i c h e n A u s d r ü c k e

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I, 24 Rom. Lehnwörter im germ. Soldatenargot

r o m a n i s i e r t w u r d e n . Wenn die betreffenden Wörter eine Form haben, die in den einzelnen germanischen Mundarten wechselt, dann können wir diese mehrfache Entlehnung beweisen. Wenn aber an der Form des germanischen Wortes nicht erkennbar ist, ob es altwestgermanisch oder fränkisch oder gotisch oder langobardisch ist, dann können wir, über die ganze westliche Romania verbreitet, einen scheinbar einheitlichen Worttypus finden, der in Wirklichkeit aus mehreren verschiedenen Wortgebieten zusammengesetzt ist. Man vgl. ζ. B. fränkisch tappo II, 155 im Galloromanischen; got. tappa Band II im Gotenbereich; langobardisch zapjo in Mittelitalien; ahd. zapfo im Grödnerischen. Hieße nun das Wort für 'Zapfen', 'Spund' im Germanischen nicht tapp&n, sondern *safa, dann hätten wir ein einheitliches romanisches *sa/a-Gebiet und würden geneigt sein anzunehmen, daß ein altgermanisches *safa schon im Vulgärlatein des 4. Jahrhunderts gelebt hat. Oder in der Bedeutung »Pferdestriegel«, »große Bürste« dringt fränkisch borstja in das Galloromanische, got. brusti, brustja, in das gotische Gebiet, ein ostgermanisches neutrales borsti in das Alpenromanische. Das können wir erkennen, weil das germanische Wort bald Femininum, bald Neutrum ist, weil im Fränkischen wie im Ostromanischen u vor r zu einem offenen 0 wurde. Hätten wir aber im Germanischen ein einheitliches Femininum *brussja, dann wären wir fast genötigt, aus der heutigen Verbreitung des Wortes im Romanischen zu schließen, daß dieses *brussja ein Ausdruck der germanischen Soldaten im römischen Heer war, wie etwa das erwähnte brasa. Der Schluß wäre offenbar unrichtig. Dutzende solcher mehrfach entlehnter Wörter werden in den Hauptabschnitten noch angeführt werden. 24. Man kann nun aber auch umgekehrt den folgenden Schluß ziehen: Wenn wir sehen, daß gewisse Ausdrücke der volkstümlichen germanischen Kultur von allen germanischen Stämmen, die der Romanisierung unterlagen, beim Lateinsprechen beibehalten wurden, dann ist es doch wohl anzunehmen, daß auch die Hunderttausende von Germanen, die vor 400 im römischen Verbände lebten und sich dabei des Lateinischen als Verkehrssprache bedienten, gerade diese Wörter gleichfalls in lateinischer Form gebrauchten. Das ist auch zweifellos richtig. Damit aber ein germanisches Wort ins Romanische drang und hier erhalten blieb, genügte es nicht, daß es gelegentlich von den Germanen gebraucht wurde. Es mußte

I, 24 Begriffskreise der röm. Lehnwörter des Germ.

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von den Romanen selbst übernommen werden. Das geschah, solange die Germanen unter den Römern als eine geächtete Volksschichte lebten, wohl nur in Ausnahmefällen. In der späteren Periode drängte sich dagegen die Romanisierung ganzer Wortgruppen auf. Um zu sehen, welche Wortkreise für frühe Romanisierung in erster Linie in Betracht kommen, seien die germanischen Wörter zusammengestellt, die mit einiger Wahrscheinlichkeit noch in der Römerzeit in der Umgangssprache, wenn auch nur bestimmter Kreise und Gegenden, lebten. Es sind dies: borsti »Pferdestriegel«, brasa »Glut«, bruska »Überbleibsel von Heu in der Krippe«, brüpiz »Soldatenbraut«, ganta »Wildgans«, laetus »Lete«, magan »Kraft haben«, marrjan »an Heimweh leiden«, marpr »Marder«, punga »Beutel«, redan »Vorrat haben«, skeipo »Löffel«, skSwjan »geschehen«, skiran »Fleisch von den Knochen kratzen«, stalla »Pferdestall«, tufa »Helmbusch«, pahsu »Dachs«, wanga »Hacke«. Das sind zusammen achtzehn Ausdrücke, die ganz deutlich in zwei Begriffsklassen zerfallen; pahsu, marpr und ganta sind Handelsausdrücke, alle anderen, vielleicht wanga noch ausgenommen, stammen aus der Soldatensprache. Kaufleute und Militär sind also die Vermittler, die anderen Berufsklassen spielen bei dem sprachlichen Austausch von den Germanen zu den Römern in den ersten Jahrhunderten keine Rolle1. 1

Das in den Inschriften des Rheinlandes bezeugte burgus, das bei Vegetius als 'castellum parvulum 1 belegt ist, Brüch 17, dann bei Isidor von Sevilla die »längs der Grenze angelegte befestigte Wohnstätte« bezeichnet, ist sicher nicht altgermanisches burg, R E W 1407; denn das span., port, burgo, dazu der Ortsname Burgos, setzen eine Form mit geschlossenem -u- voraus, während das -u- von ahd. bürg (gotisch baürgs »Stadt«), kurz und daher offen war. Das vlat. bürgus ist vielmehr eine frühe Entlehnung aus griechisch πύργος, »der zur Verteidigung auf der Stadtmauer angebrachte Mauerturm«, dann »Befestigungswerk, Bollwerk«, d. h. 'castellum parvulum' wie 'burgus' bei Vegetius. Daß das griechische -v- durch lat. -üwiedergegeben wurde, entspricht der Latinisierung von τύφος durch tüpus, E W 2 404. Das -v- vor -r- wurde also wohl als Länge gesprochen. Das aus dem Griechischen entlehnte bürgus lebte auch im Balkanlatein; daher alb. burk »unterirdisches Vorratshaus«. Belegt ist ferner a. 1272 Burgus als Stadtteil von Ragusa (Dubrovnik), wo noch im 16. Jhdt. eine ostromanische Mundart gesprochen wurde; s. Skok, Z R P 54, 494; s. auch Gutenbrunner, Z R P 72, 170. Frz. bourg, prov. bore, ital. borgo setzen dagegen eine Form mit kurzem -u- voraus. Hier kann dann Wortkreuzung von altem bürgus mit fränkisch bürg, borg »befestigte Stadt« vorliegen.

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I, 25 Germ, werra im Romanischen

25. Wir sind also berechtigt, im Wortschatz namentlich der Soldatensprache auch noch andere altgermanische Lehnwörter zu suchen, auch wenn kein zwingender Grund vorliegt, schon vulgärlateinische Entlehnung anzunehmen. Die Ausbeute ist aber sehr gering. Wahrscheinlich alt ist die Romanisierung von westgerm. w e r r a »Krieg«, zu ahd. werra »Verwirrung, Streit«, Brüch 83, R E W 9524 a, hauptsächlich deshalb weil das lateinische bellum im Romanischen restlos untergegangen ist. Aber selbst dieses werra ist, wenn es auch im 4. Jahrhundert in der Armeesprache schon allgemein war, später neuerdings in seiner Form berichtigt worden. Denn wie die Latinisierung von wargs, wanga zu vargus, vanga zeigt, wäre ein westgermanisches werra zunächst als *verra in das Romanische gedrungen. Über die Geschichte des späteren w s. III, 33. Es ist also im 5-/6. Jahrhundert das fränkische werra neuerdings romanisiert worden und weitergewandert, s. frz. guerre, prov., kat. guerra, ital. guerra, dazu die alpenromanischen Formen in Band III. Aber schon spanisch guerra zeigt in der Erhaltung des -e-, daß das Wort hier erst in späterer Zeit eingewandert ist. Wenn also auch das eine oder andere germanische Lehnwort im Wortschatz des Militärs vielleicht schon in vulgärlateinischer Zeit romanisiert worden sein mag, so sollen diese Ausdrücke doch im Späteren an der Stelle angeführt werden, wo sie aus geographischen und kulturgeschichtlichen Gründen besser am Platze sind. 26. Es ist seit langem aufgefallen, daß eine ganze Gruppe von germanischen F a r b e b e z e i c h n u n g e n in weiten Teilen des weströmischen Reiches erhalten gebheben sind. Und so rechnet Brüch, S. 87 und 100 blank »weiß«, brün »braun«, falw »falb«, gris »grau« zu den altgermanischen Entlehnungen des Vulgärlateinischen. Kluge, Urgerm. 13, meint, daß mit diesen Adjektiven von den Romanen Farbtöne bezeichnet wurden, die sie auf den Schilden der germanischen Söldner sahen. Brüch ist der Meinung, daß diese vier Farbnamen Farben bezeichneten, die bei Pferden besonders auffielen. Beide Erklärungen setzen ein Interesse der Römer für Dinge voraus, die mit den Germanen in Beziehung standen, ein Interesse, das wir nach allem vorher Gesagten nicht erwarten können. Vor allem aber sind andere Farbenbezeichnungen, die ihrer Form nach nicht altwestgermanisch oder vorgotisch sein können, ebensoweit im Romanischen verbreitet wie diese vier Adjektiva, aus deren Formenbau wir zufällig nicht erkennen

I, 26 Romanische Farbbezeichnungen röm. Ursprungs

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können, ob sie westgermanisch oder fränkisch oder gotisch sind. Fränkisch bläo »blau« hat ä aus älterem e, s. Brüch 32, das romanische blavus kann also nicht vor 400 im Vulgärlateinischen gelebt haben. Trotzdem ist es im Französischen, Provenzalischen, Katalanischen, Italienischen und Alpenromanischen erhalten, wo es nicht vor dem 5. bis 6. Jahrhundert eingedrungen ist. Weit verbreitet ist auch fränkisch bisi »grau umwölkt«, als deutliches Wanderwort erkennbar. Und ebenso steht es mit den vier von Brüch angeführten, angeblich vulgärlateinischen Farbbezeichnungen. Span, bruno »dunkelfarbig«, heute veraltet, könnte der Form nach altes brün »braun« sein, nicht aber port, bruno »braun, dunkel, düster, schwarz«, das sich durch sein -«- als spätes Lehnwort verrät. Es ist also brünus ein fränkisches Wanderwort, ist im Galloromanischen zusammen mit brünjan »bräunen, glänzend machen« romanisiert worden. Germ, blank, zu ahd. blanch »blinkend, weiß, glänzend«, zeigt in frz., prov., kat. blanc, ital. bianco, Formen, die ein schon vlat. blancus fortsetzen könnten. Schon span, bianco, port, branco zeigen im Anlaut die Entlehnung aus dem Galloromanischen. Am deutlichsten zeigt sich die Wanderung im Alpenromanischen, wo blancus im Westen gar nicht mehr durchgedrungen ist und albus in den Ortsnamen des ganzen Gebietes lebt. Zu germ, falw, (ahd. falo »fahl«, »falb«), vgl. R E W 3174. Es lebt in frz. fauve, prov. falb, dann in span, overo, port, fouveiro »falb« (vom Pferd), d. i. falvarius. Im Gegensatz zu blank, brün und gris »grau«, sind die iberoromanischen Formen von falw zweifellos alt einheimisch. Da von den sicher vulgärlateinischen altgermanischen Elementen keines sich auf der iberischen Halbinsel als alt bodenständig erweist, stammt das Wort wohl aus dem Westgotischen, also aus westgot. *falws »grau-blaß«. Germ, grisi »grau«, zu mhd. grise »Greis«, lebt in alter Entwicklung auf dem gleichen Gebiet wie blank: frz., prov., kat., gris, ital. grigio, im ganzen Alpenromanischen, dagegen deutlich galloromanischer Herkunft span., port, gris, s. REW 3873. Diese Farbbezeichnungen gehören also alle der zweiten Periode an. Hierher gehört gewiß auch als fränkisches Lehnwort blund »blond«, das für das Germanische zwar nicht zu belegen ist, aber zu altindisch bradhnä »rötlich« gehören kann, s. Kluge-Götze, s. v., R E W 1179; auch dieses Wort (frz. blond, prov. blon, ital. biondo) ist nur im Galloromanischen und Italienischen in erb wörtlicher Form vorhanden, fehlt selbst im Alpenromanischen, so daß alles auf Herkunft aus dem Fränkischen weist.

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I, 27 Übersicht über die Geschichte der röm. Lehnwörter

27. So ergibt sich für das Ende des 4. Jahrhunderts das folgende Bild. Das Vulgärlateinische als Verbindungssprache zwischen den einzelnen Teilen des römischen Weltreiches ist von germanischen Elementen fast frei. Aber überall, wo Gruppen von Germanen im römischen Verbände lebten, namentlich in der Heeressprache, dringen einzelne Bezeichnungen der typisch germanischen Kultur, dann stark affektbelastete Ausdrücke des Innenlebens, in die römische Rede ein: Gelegenheits-, auch Verlegenheitsausdrücke, die nicht über den Kreis, in dem sie geprägt wurden, hinausdringen. Sie finden sich hauptsächlich in den Randgebieten des römischen Imperiums, gelegentlich, wie dies der Fall von brütis zeigen wird, gleichzeitig an verschiedenen Stellen. Man könnte diese ältesten germanischen Lehnwörter mit den Ausdrücken des heutigen Argots oder gewisser Berufssprachen vergleichen, die, da sie nicht zur allgemeinen Verständigung dienen, örtlich und zeitlich streng begrenzte Geltung haben. Daraus erklärt es sich auch, daß wir für diese Frühzeit der germanisch-romanischen Beziehungen im Osten wie im Westen und Norden des römischen Reiches einzelne altgermanische Entlehnungen nachweisen können, aber, vielleicht von marrjan abgesehen, keine solche, die sich wie der echt lateinische Wortschatz gleichzeitig im Osten und Westen verallgemeinert hätten. Durch die Französische Revolution sind in Frankreich Aussprache- und Ausdrucksformen an die Oberfläche gekommen, sind von Paris aus weit hinaus in die Mundarten gedrungen, die schon durch Jahrhunderte, immer wieder zurückgedrängt, in den unteren Schichten lebten. In noch stärkerem Umfang spielte sich derselbe Vorgang ab, als im 5. Jahrhundert die Germanen in das Innere des römischen Reiches vordrangen. Ausdrücke wie werra, storm, hosa, Peuhbrdks, frisk, drüd u. a. (s. die Liste bei Brüch 87f.) rückten nunmehr aus dem Argot in die allgemeine Verkehrssprache ein. Massen von neuen Wörtern germanischen Ursprungs treten zu ihnen. Aber die politische Loslösung der östlichen Provinzen von dem Westen bringt es mit sich, daß diese neuen Bestandteile des alten Vulgärlateins auf die Einflußsphäre der einzelnen germanischen Stämme beschränkt bleiben. Von den tausend Lehnwörtern fränkischen, gotischen und langobardischen Ursprungs dringt keines mehr in die Provinzen des oströmischen Reiches. Mit der Niederlassung der Westgoten in Südfrankreich setzt diese zweite Periode ein. Die Westgoten, die, bevor sie in die west-

I, 27 Übersicht

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lichen Gegenden kamen, schon während dreier Generationen mit romanischer Bevölkerung zusammengelebt hatten und eine gewisse Kenntnis des Vulgärlateinischen mitbrachten, gaben dazu den ersten entscheidenden Anstoß. Ausdrücke wie corridare, arredare, gasalia und andere, die gotisches Wortmaterial in lateinischer Form enthalten, neue Bezeichnungen, die mit der neuen gotischen Staats- und Rechtsform nötig wurden, dringen nun rasch in das Romanische und werden dort ebenso fest wie die alten lateinischen Bestandteile. Im Bereich der Franken in Nordfrankreich vollzieht sich, wenn auch später und langsamer, der gleiche Prozeß. Die beiden Sprach- und Kulturwellen treffen schließlich zusammen und geben der mittelalterlichen Romania ein neues Gepräge. Dies darzustellen ist das Hauptziel dieses Buches.

3

Gamillscheg, Romania Germanica I

II. DIE FRANKEN

Inhaltsübersicht zu Abschnitt II i. Zur Geschichte der Franken. 2. Römisch-germanischeSprachgrenze. 3. -iacum-Namen im Norden von Belgien. 4. Vorgeschichte des -iacumSuffixes; -acum-Namen. 5. -iaca-Namen. 6. -angis, -anga(s). 7. -iacasNamen zu germanischen Personennamen. 8. -iacas-Namen zu nicht germanischen Personennamen. 9. Bereich der -iacas-Namen. 10. Erklärung des -iacas-Suffixes. 1 1 . -iacum-Ableitungen von germanischen Personennamen. 12. -ing-, -inga-, -ingas-Namen, Allgemeines. 13. Personennamen als Ortsnamen. 14. Personennamen auf -ing als Ortsnamen. 15. Quellen der -anges-Namen. 16. -ingues-Namen im Nordwesten. 17. -ange-Namen im Nordosten. 18. -ange-Namen im Bereich der Ostgrenze. 19. -angeNamen an der Südgrenze. 20. Haim-Namen, Allgemeines. 21. hemNamen. 22-/23. Haim-Namen als Herrensiedlung. 24. Lagerung der haim-Namen. 25. -ingheim-Namen, Allgemeines. 26. Auswahl von -ingeheim-Namen. 27. Herkunft der -inghem-Namen. 28. -inghem-Namen im flämischen Gebiet. 29. -ingatun-Namen. 30. Deutung der haim- und der -ingatün-Namen. 31. A v r i c o u r t - T y p u s , Allgemeines. 32. curtis-cour. 33. villa-ville. 34. villare — viller(s), villiers. 35. Weiterentwicklung des Avricourt-Typus. 36. F r ä n k i s c h e s W o r t g u t in g a l l o r o m a n i s c h e n O r t s n a m e n . 37. akker-awja. 38. Bach-Namen. 39. Die romanisierten Bach-Namen. 39 a. berg — bigard — bihl. 40. bödil — b ü r . 41. dal — ford. 42. gard — havia. 43. hläri— hüsidun. 44. kot — mörlaka. 45. nöd— rümunnja. 46. sali — widu. 47. Ubersicht über den Avricourttypus, mit einem fränkischen zweiten Namensglied außer haim. 48. Fränkische Ausdrücke von Gewässern, Verwaltung, Hausbau, Bodenbeschaffenheit im Avricourttypus; Akzentverteilung. 49. Ortsnamen mit dem Namen der Franken. 50. Chronologisches (Hlaupana, Pradels, M6teren, Hertzig). 51. Hochdeutsche Lautverschiebung (Epfig); -k, -g, -ch. 52. -ach —aha. 53. Palatalisierung von Gutturalen und Dentalen. 54. a>e-Umlaut. 55. bizi-Namen. 56. Typus Laubaki — Lobbes. 57. beke, bieke. 58. Übersicht über die germanische Einwanderung in Gallien. 59. Anfangsbetonung bei der Romanisierung fränkischer Ortsnamen. 60. Das St.-Omer-Gebiet; -ecque-Namen. 62. -k-Formen in -iacum-Ableitungen außerhalb von Pas-de-Calais. 62. Nachfränkische Namen in Pas-de-Calais. Ü b e r s i c h t ü b e r die f r ä n k i s c h e n und n a c h f r ä n k i s c h e n g e r manischen Siedlungsnamen.

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II, ι Geschichte der Franken

63. Pas-de-Calais. 64. Nord. 65. Hennegau. 66. Brabant. 67. Lüttich. 68. Namur. 69. Luxembourg. 70. Aisne. 71. Somme. 72. Ardennes. 73. Marne. 74. Aube. 75. Meuse. 76. Meurthe-et-Moselle. 77. Moselle. 78. Einzelne Namen aus Moselle. 79. Zusammenfassung der germanischen Ostsiedlung. 80. Haute-Marne. 81. Vosges. 82. HauteSaöne. 83. Cöte-d'Or. 84. Yonne. 85. Ntevre. 86. Cher. 87. Indre-etLoire. 88. Vienne. 89. Deux-S6vres. 90. Maine-et-Loire. 91. Vendöe, Loire-Interieure. 92. alnus — verna. 93. Seine-Inferieure. 94. Eure. 95. Calvados. 96. Oise. 97. Orne. 98. Mayenne. 99. Seine-et-Oise. 100. Eure-et-Loir. 1 0 1 . Seine-et- Marne;Sarthe. 102. Siedlung in Nordgallien, Zusammenfassung. 103. D i e f r ä n k i s c h e n L e h n w ö r t e r i m G a l l o r o m a n i s c h e n . 104. Staatsämter und Beamtenschaft. 105. Zusammensetzung der Bevölkerung. 106. Gebietsabgrenzung. 107. Rechtssprechung; Richteramt. 108. Vorladung vor Gericht, Verhandlung. 109. sagiboro, mundboro, werendo. 1 1 0 . Pfand, pfänden, m . Besitzübertragung. 1 1 2 . Eid, Schwur. 1 1 3 . Sühne und Strafe. 1 1 4 . Buße, Wergeid, Entgelt. 1 1 5 . Gottesurteil; Ausbreitung der fränkischen Gerichtsbarkeit. 1 1 6 . Eigentum, Besitz. 1 1 7 . Heer, Krieg, Fehde. 1 1 8 . Fahne, Flagge. 1 1 9 . Waffen. 120. Schild, Harnisch, Helm. 1 2 1 . Ausrüstung des Ritters. 122. Ergebnisse der Abschnitte 1 1 7 — 1 2 1 . 123. Lehenswesen. 124. Jagd. 125. Handel. 126. Das fränkische Haus. 127. Zaun, Hecke. 128. Hürde. 129. Obst- und Gemüsebau. 130. Landwirtschaft. 1 3 1 . Landwirtschaftliche Geräte. 132. Viehwirtschaft, Bienenzucht, Hühnerzucht. 133. Pferdezucht. 134. Schifffahrt. 135. Handwerk. 136. Tätigkeit der fränkischen Frau. 137. Inneneinrichtung des Hauses. 138. Küche, Ernährung. 139. Kleidung und Schmuck. 140. Ausdrücke der Bodenbeschaffenheit. 1 4 1 . Wald und Holz. 142. Gebüsch, Sträucher. 143. Vogelwelt. 144. Insekten, Reptilien. 145. Fische, Wassertiere. 146. Heidentum, Zauber. 147. Freude, Musik, Tanz. 148. Lärmen, Schlagen, Streiten. 149. Beschützen, Verteidigen, Versöhnen. 150. Ausdrücke des Seelenlebens. 1 5 1 . Affektgeladene Adjektiva. 152. Einzelne Adjektiva ohne starke Affektwirkung. 153. Farbenbezeichnungen. 154. Körperteile. 155. Verschiedene Gebiete.

i . Die Franken treten um die Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts in die Geschichte ein, als sie bei dem Versuch in Gallien einzufallen, von dem späteren Kaiser Aurelian geschlagen wurden. Ihre Niederlassung auf dem Boden des römischen I m periums beginnt ein Jahrhundert später. 3 5 8 wurden sie von Julian in Toxandrien, dem Gebiet zwischen der unteren Maas und der unteren Scheide angesiedelt, s. Schmidt I I , 446, und blieben dort als römische Untertanen, bis um 406 die römische Provinz Ger-

II, ι Geschichte der Franken.

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mania Inferior zusammenbrach. Nunmehr breiteten sich die Franken in ganz Nordbelgien aus. Nach der N o t i t i a d i g n i t a t u m , deren Abfassung in dieselbe Zeit fällt, s. die Ausgabe von Seeck, Berlin 1876, verlegten die Römer ihre Nordgrenze südwärts in eine Linie, die von Arras, Marek (Pas-de-Calais), Famars, Tongern nach Andernach am Rhein führte, s. Kurth I, 543ff. Die Besetzung und Eroberung des von den Römern in Südbelgien und Nordwestfrankreich aufgegebenen Gebietes vollzog sich, ohne bei den Schriftstellern Widerhall zu finden. Doch war nur Südbelgien beim Vordringen der Franken stark romanisiert. Aber auch die neue römische Befestigungslinie, die Straße zwischen Bavay und Köln, vermochte das Vordringen der Franken nicht lange aufzuhalten. Der Frankenkönig C h l o d i o (425—460) rückte 455 von Cambrai bis an die Somme vor. Um 460 nahmen die ripuarischen Franken Köln endgültig in Besitz und rückten von hier aus gegen Westen und Südwesten vor. Im Westen, im Gebiet des Όέρ. Ardennes, stießen sie auf die salischen Franken, mit denen sie unter Chlodowech zu einem Reich vereinigt wurden, das außer Nordfrankreich bis zur Somme, Lothringen und Luxemburg umfaßte. Um 480 stehen die Franken bereits in Langres, im Süden der Champagne, wo sie auf die Burgunder stoßen. Nach dem Sieg über den letzten römischen Statthalter Syagrius 486/7 dehnten sie schließlich die politische Herrschaft bis an die Loire aus, wo sie nun die Nachbarn der Goten wurden. Die Besetzung und Besiedlung des Frankenreichs in Gallien erfolgte in verschiedener Form. Die salischen Franken gingen in der ersten Zeit ihrer Herrschaft gegen die romanische Bevölkerung mit der Schärfe des Eroberers vor. In den Städten Tongern, Tournai, Cambrai und Arras wurde selbst das Christentum als Eigenheit des romanischen Volkstums ausgerottet. Hier werden wir auch die stärksten Spuren der Frankensiedlung finden. Über das systematische Vordringen der s a l i s c h e n Franken s. Helbok 796 fDie R i p u a r i e r hielten zunächst den Niederrhein und das Moseltal besetzt. Ihr Reich hatte Ende des 5. Jahrhunderts die größte Ausdehnung. Es umfaßte auf der linken Rheinseite den Köln-, Bonn-, Eifel- und Jülichgau, auf der rechten Seite des Rheins den Ruhrgau, den Keldach-Deutz-Avelgau, außerdem die Gebiete Trier, Metz, Toul und Verdun, Helbok, 298. Bei ihrem Vorstoß in den Westen bemächtigten sie sich des galloromanischen Gebietes

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II, 2 Sprachgrenzen

auf Grund von Verträgen, die den romanischen Grundbesitz anerkannten. So ist denn das ripuarische Siedlungsgebiet viel schwächer an altfränkischen Siedlungsnamen als der salfränkische Nordwesten. Dasselbe gilt von dem militärisch besetzten, aber nicht mehr besiedelten Gebiet zwischen Seine und Loire. Auch hier blieben die Romanen im Besitz ihrer Wohnstätten. Das Land zwischen Seine und Loire ist so zwar neues fränkisches Kulturgebiet, aber nicht mehr Siedlungsgebiet. Das soll an Hand der Ortsnamen gezeigt werden. 2. Der Norden des salfränkischen Siedlungsgebietes ist noch heute germanisch-flämisch. Es ist dies, abgesehen von dem flämischen Gebiet in Belgien, der äußerste Nordwesten des Όέρ. Nord. Im D6p. Pas-de-Calais wird nach Kurth in den Ortschaften Clairmarais, Ruminghem und in den Weilern Haut-Pont und Lysel bei Saint-Omer von den Alten das Flämische noch gebraucht. Die genaue Sprachgrenze s. ζ. B. bei De Bo, Westvlaamsch Idioticon, Gand, 1890; filis^e Legros, La frontiere des dialectes romans en Belgique. M6moires de la Commission Royale de Toponymie et de

Karte I germanisch-romanische Sprachgrenze Grenze Belgiens Vorfränkisch germanisierte acum-Namen, u. ä.

II, 3 -iacum-Namen im Norden von Belgien

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Diabetologie (Section wallonne), 4, Lüttich 1948; Maurice Piron, L'origine de la Fronti£re Linguistique en Belgique. Gembloux 1940. Die flämisch-romanische Grenze beginnt im Nordwesten östlich von Gravelines, zieht vorbei an St. Omer, Aire, Merville, über Warneton, Werrick, Menin, Rousse, schneidet die Dender zwischen Acren und Grammont (Geertsbergen), geht südlich an Hai vorbei, nördlich an Wavre, zwischen Jodoigne und Hougaerde durch, an Tongern südlich vorbei, trifft auf die Maas in der Mitte zwischen Lüttich und Maastricht, unterhalb Vis£, geht zwischen Limburg und Eupen hindurch, läßt Montjoie, Clerf östlich, Martelange westlich, Weiler östlich liegen, geht westlich an Diedenhofen vorbei, läßt Bolchen, Falkenberg, Mörchingen, Finstingen, Saarburg östlich, Schirmek westlich, Weiler östlich liegen, geht zwischen Schmierlach und Kaysersberg hindurch, trifft westlich von Kolmar die Grenze des deutschen Reichs (wörtlich aus Behaghel, Geschichte der Deutschen Sprache, PGr. I, 527). Vgl. zur germanisch-französischen Grenze Petri 941 f.; die Ost-Westgrenze ebd. 959f. s. Karte I. 3. Die französisch-flämische bzw. deutsche Sprachgrenze zieht also über ganz Belgien vom Westen ostwärts. Die römische vorgermanische Siedlung greift aber ebenso im Norden wie im Osten über die heutige Sprachgrenze hinaus. Das läßt sich im Norden u. a. an Hand der römisch-keltischen -iacim-Namen sicherer nachweisen als im Osten, s. darüber Abschnitt II, 4L Die -iacumNamen die im niederdeutsch-flämischen Sprachgebiet hegen, zeigen den -Ä-Laut des Suffixes -iacum als -k- erhalten. Wo diese Namen in den Bereich der hochdeutschen Lautverschiebung gekommen sind, tritt an die Stelle des alten -k- die hochdeutsche Lautverschiebungsstufe -ch-. Die niederdeutsche-hochdeutsche Sprachgrenze setzt ungefähr in der Höhe von Li£ge die romanischgermanische West-Ostgrenze geradlinig in den Osten fort, s. Hugo Moser, Deutsche Sprachgeschichte der älteren Zeit (in Stammler, Deutsche Philologie im Aufriß), Karte 22; Frings, Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache, Karte 3. I. Westflandern

Kreis Ypern: W e r v i k , 1213 Werveka, lat. Viroviacum, Carn. 630; Holder III, 397; liegt an der Sprachgrenze.

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II, 3 -iacum-Namen im Norden von Belgien

II. Ostflandern Kreis Audenarde: Z u l z e k e , 1560 Sulseka, Carn. 660, Grundform Solidiacum, s. Solidiaco im Polypt. Reims, Kasp. 237; übernommen als -Idj- schon -Idz- geworden war, s. II, 53; P a r i k e , 1165 Perreken, d. i. vlat. *fiarricum wie dt. »Pferch«; Carn. 451. Kreis Eeklo: K a p r i j k e , 1233 Capric, d . i . Capriacum, Kasp. 54; Carn. 302. Kreis St. Nicolas: K e m z e k e , 1117 Kemeseka, Carn. 305, Grundform Camisiacum wie Chamizy, Nievre, Kasp. 225. Kreis Termonde: M o e r z e k e , 1088 Murceka, vgl. im 10. Jhdt. belegtes Morceias, Carn. 393, zum Namen der Meurthe, d. i. alt Morta, Mortha, Murta, Holder II, 637; vgl. II, 53. III. Provinz Antwerpen Kreis Antwerpen; K o n t i c h , 1147 Contheca, zu Contius, Kasp. 239, wie Coucy, Aisne, nach Carn. 313 der nördlichste -iacumName; gehört wegen der Form der Germanisierung mit Erhaltung des -t- der Grundform zu den ältesten Germanisierungen, s. II, 51· IV. Provinz Hennegau Kreis Soigny, S i l l y an der Sille, einem Nebenfluß der Dendre gelegen, in ununterbrochener romanischer Entwicklung aus Selliacum, Kasp. 163; daneben die ndl. Variante Z u l l i k , 1156 Sileka. Kreis T o u r n a i , Ort dass., 4 — 6 Jhdt. Tornacum, aber 1302 Domeke, ndl. Doornijk. V. Provinz Brabant Kreis Brüssel: L e n n i k , 877 Liniacum, 1059 Lennecha, Carn. 1059; vgl. in rein romanischer Entwicklung Ligny, Kr. Namur Ligney, Kreis Waremme, s. II, 66. Kreis Löwen: K u m t i c h , 1140 Compteca, s. Comptiaco im Pol. Reims, Kasp. 239; Carn. 316; Grundform Computiacum; -tj- ist noch nicht assibiliert; s. II, 53. Kreis Brüssel: G o o i k , 877 Gaugiaco, Grundform Gaudiacum, reich belegt, Kasp. 87; -dj- ist wie im Nordfrz. nicht zu -dz- geworden. VI. Provinz Limburg Kreis Hasselt: G e n k , 1140 Geniche, 1151 Genike, Grundform Genniacum, Kasp. 252, wie Geny, Aisne u. a. Carn. 206; Alken,

II, 3 -iacum-Namen im Norden von Belgien

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1066; Alleche, 1078 Alleca, aus Alliacum, seit 673 reich belegt, ζ. B. in Aille, Vienne, Kasp. 22; Jeuk, frz. Goyer, 1125 Goei, 1213 Joec, Carn. 296, wie Gooik, Brüssel, aus Gaudiacum. Kreis Tongern: G e l l i k , 1016 Gelleken, 1140 Gettike, aus Galliacum, Kasp. 86. VII. Provinz Namur Kreis Namur: Nameche, 1149 Nameka, 1184 Namecha, Carn. 408; aus Nammiacum, zum gallischen PN Ν ammo, Nammius\ zu dem gleichen Namen auch N a m u r , ndl. Namen, als Namurcum alt belegt. Die Endung -eche zeigt die im Wallonischen sekundär eingetretene Palatalisierung von ke, ki zu che, cht; Mazy, 1294 Mazich, Carn. 374, aus Masiacum, im 13. Jhdt. noch mit Erhaltung der germanisierten Variante. VIII. Provinz Lüttich Der Name der Provinzhauptstadt 853 Leodicum, wird vor der hochdeutschen Lautverschiebung ins Germanische übernommen, daher alt Luticha, daraus die heutige Form, neben L i e g e in ununterbrochener romanischer Entwicklung. Kreis Verviers: G e m m e n i c h , 1042 Giminiaco, Carn. 205; aus Gimminiacum zum gallischen P N Gimmius, Kasp. 252; S i n n i c h , 1144 Sinecke, aus Senniacum, Kasp. 284; M o n t s e n , 1075 Monzhik, aus Mondiacum zum gallischen Pn. Mondius, wie Moigne, Ille-etVilaine etc., Holder II, 652, zeigt die Entwicklung von rom. -ndjzu -ndz-, s. II, 53. I X . Provinz Luxemburg Kreis Bastogne: W a r n a c h , 14. Jhdt. Warney in romanischer Entwicklung, Grundform Warnacum. Zum Namen der Kreishauptstadt s. II, 69. Kreis Arlon: T o e r n i c h , d . i . Turniacum, Carn. 566, 1290 Turnich, wie Tournay, Doornijk im Hennegau. B a r n i c h , Grundform Brenniacum, Carn. 48. Mit der Einwanderung der Franken wurden die in den -iacumNamen bezeugten romanischen Siedlungen auf niederfränkischem Boden keineswegs ohne weiteres zerstört oder von der einheimischen Bevölkerung aufgegeben. Nach Gysseling sind noch in das Hochmittelalter hinein romanische Sprachinseln nachweisbar, so in der Gegend von Aachen-Vaals, Sint-Truiden, Südost-Flandern und West-Brabant, s. Jungandreas, Leuvense Bijdragen Bd. 52 (1963), 81 f.

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II, 4 Geschichte des -iacum-Suffixes

Über altgermanisierte romanische Namen an der Ostgrenze s. II, 76 f. 4. Das -wcMwt-Suffix tritt an Personennamen an, die den Herren, Besitzer der mit dem Suffix abgeleiteten Ortschaft bezeichnen. Dieses Benennungsprinzip ist schon vor der germanischen Einwanderung und Siedlung vorhanden, ist zunächst auch nicht auf Nordfrankreich beschränkt, doch hat es hier, im Gegensatz zu dem Süden Galliens, das in gleicher Weise verwendete lat. -anum ersetzt. Es findet sich, seiner Entstehung entsprechend, also ebenso in Verbindung mit römischen wie mit gallischen Namen, wird nach der germanischen Einwanderung auch mit germanischen Namen verwendet, ohne daß daraus geschlossen werden kann, daß die aus germanischem PN + -iacum benannten Siedlungen auch von Germanen gegründet sind, da germanische PN in Gallien früh auch von Römern getragen werden und umgekehrt auch Germanen seit dem 4. Jhdt. auch römische Namen annehmen. Uber die hauptsächlichste Verbreitung dieser -iacwm-Namen unterrichtet Vincent, Top. S. i 6 6 f A Ausgang des -iacum-Sutfixes ist das gallische Adjektiva bildende -Α-Suffix, also gallisch -akos, latinisiert -acus, das zu -iacus verschmilzt, wenn der vorangehende Personenname auf -ius endigt. Dieses erweiterte Suffix -iacus, Neutrum -iacum wird dann verselbständigt, tritt bei Neubenennungen auch an Namen an, deren Endung kein -j- enthält, ohne zunächst aber -acum gleicher Funktion gänzlich zu verdrängen, namentlich in Benennungen, die noch auf die Zeit der Römerherrschaft zurückgehen: Vgl. C a m a r a c u m , so u. a. bei Gregor von Tours für Cambrai, Holder I, 708; zu dem PN Camarus, der in den Pompe janischen Inschriften erhalten ist. Derselbe altkeltische Name lebt im D£p. Calvados, und im Όέρ. Eure, Kasp. 50. Die sekundäre Weiterbildung Camariacu ist in mehreren Dip. Frankreichs erhalten, Kasp. 51. Ebenso villa B r i n n a c u m bei Gregor von Tours, zu dem historisch überlieferten PN Brennos, Holder I, 517. Die nicht vorhandene Ubereinstimmung des grammatischen Geschlechts zwischen villa und Brinna1

»Les noms en -iacus sont group^s dans une region limitie vers l'ouest et le sud par les d6p. du Calv. May Eure SO Lret Cher (Indre) N v SL Ain J (Sav). II y en a en HL (Auteyrac); dans cette zone limite, ils sont rarefies; ils sont particulii&rement nombreux dans la Belgique wallonne et dans la zone frangaise voisine«

I I , 4 -acum-Namen

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cum zeigt an, daß -acum als selbständiges ON bildendes Suffix gebräuchlich ist; Villa Brinnacum ist eine Verbindung wie lat. urbs Roma. Brinnacum ist als Bernay in den Ddp. Eure und Sarthe erhalten, Kasp. 215. Vgl. ferner B e n a c u m , heute Beney, Ddp. Meuse, zu dem gallischen PN. Benus, Kasp. 206. V e r t e n n a c o , so a. 1196, Ddp. Moselle, zu dem PN Vertenus, Kasp. 216. T u r n a c u m , wiederholt überliefert, heute Tournai, Hennegau, zum PN Turnus, Holder II, 2001. I s a r n a c u m , heute Yzernay, Όέρ. Maine-et-Loire, zum PN Isarnus »der Eiserne«, Holder II, 76. Warnacum s. Warnach in II, 3. Vereinzelt findet sich -acum als Suffix bei germanischen PN; so entsprechend einer Grundform H u n a c u m in Honnay, 1050 Hunai, Kreis Dinant, Namur, Carn. 272; Hüno, Hunno ist reich belegter germanischer PN. Fö. I., 930. Hunacum kann also eine Benennung sein, die in der Zeit v o r der germanischen Niederlassung in Gallien gebildet wurde, denn seit dem 4. Jhdt. konnten Germanen zu den höchsten römischen Ehren kommen, ζ. B. zum Consulat, Longnon, Pol. Irm. 2591. Wahrscheinlicher ist aber, daß Hunnacum aus einer älteren -acumBildung umgestaltet ist, und der neue Besitzer des Gutes den Namen seines Vorgängers durch seinen eigenen Namen ersetzte. Die erweiterte Form des Adjektiva bildenden keltoromanischen Suffixes -iacus reicht weit in das Altertum zurück. Plinius erwähnt einen fiagus Chersiacus in Belgien, Holder I, 1006. Vgl. ferner Posthimiagus locus, Ddp. Seine-et-Oise, Holder II, 1038, a. 697; in der gleichen Urkunde Quintiacus, a. d. Loire. In solchen Verbindungen scheint noch die adjektivische Funktion des Suffixes erhalten zu sein. Aber in Verbindungen wie in M e l t i a c o , villa publicam, ad u r b e m C a m a r a c u m zeigt wieder die fehlende Übereinstimmung, daß die -iacum-Abi. substantivisch selbständig ist wie das ältere -acum. 5. Neben dem adjektivischen -iacus, -iacum, zu maskulinischen Leitwörtern wie locus, finis, pagus oder neutralen Subst. wie praedium, castellum u. ä. hat die Femininform -iaca eine Sonderentwicklung mitgemacht. 1

Die ersten germanischen Konsuln waren alle Franken, Stroh. 12 g.

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II, 5 -iaca-Namen

A r t i a c a wax der Name einer römischen Station zwischen Troyes und Chälons-sur-Saöne, auch urbs Artiaca, Archaiaca oppidum in der Chronik des Fredegar, dann ohne Ergänzung Arciaca in Urkunden der Merowingerzeit; dazu heute Arcis-sur-Aube, das nicht die -iaca-Abi., sondern den gleichfalls belegten Normaltypus Artiacum fortsetzt. Wegen der Weiterbildung der Endung -iaca zu -iacas s. II, 10. Solche -taca-Formen sind ζ. B.: Guignicourt, Aisne, im Pol. Reims Gudiniaca curte. Die heutige Form setzt aber ein Gudiniacum = Guigny voraus, durch court erweitert; ähnlich im ϋέρ. Ardennes. A u l i a c a villa, 8. Jhdt., PdC., Kreis Arras, heute Orville, zu dem PN lat. Aulus. A l t r i c i a c a curtis, ϋέρ. Ardennes, zum germ. PN Alßrik, zu germ. alpi »hohes Alter«, vgl. Kasp. 300. H u l d r i c i a c a villa, ϋέρ. Marne, Kreis Reims, zum PN Hulderic, Fö. I, 928, im 7. Jhdt. als Bischof von Coutance bezeugt, heute Heutregiville, d. i. zusammengesetzt wie Guignicourt, aus dem -i'acwm-Namen *Heutregy + ville. H i l b o d i a c a fine, Grenze des Besitzes von Hildbold, Fö. I, 822; so der Name eines Bischofs von Köln; heute Όέρ. Moselle, Kilbsheim, aus Hilboldsheim, Langenbeck, Els.-Lothr. Jahrbuch VI, 81. R a g i n b e r t i a c a villa, im 9. Jhdt. auch Raginbertocurte, ϋέρ. Moselle, zu dem Namen des Bischofs von Bayeux, Raginbert, Fö. I, 1224. F l a m i r i a c a villa, 9. Jhdt., heute Framerville, Όέρ. Somme, zum PN Framhari, Fö. I., 514. Die ursprünglich adjektivische feminine Abi. von -iacus ist also, wenigstens im Mittellateinischen, noch in der späteren Frankenzeit bildungsfähig. In der gallorom. Volkssprache war unterdessen das alte -aca zu -aga geworden, -iaca zu -iega, daraus -iee, eie, ie. 6. Die gleiche Funktion wie das sekundäre romanische -aga hatte das germanische Suffix -inga, romanisiert -enga; vgl. auf bayerischem Boden Pollinga, Schatz ZOF IV, 9; a. 750 Erichinga, a. 762 Münirihhinga, E. Schwarz, ZOF I, 195; ebenso auf romanischem Boden romanisiert als -enga a. 706 Garaninga, heute Querenaing, D6p. Nord; Gasmaringa Kasp. ZOF IV, 85; *Hardinga, a. 1170 Hardengea, Όέρ. Mayenne; Radinga, dt. Relingen, Moselle, etc. Neben den funktionsgleichen Suffixen rom. -aga und fränkisch -enga taucht eine Variante -anga auf, daraus frz. -ange

II, 6 -anga-, -angas

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(das in den Gegenden, wo die Lautgruppe -en- + Kons, nicht zu -ä- + Kons, wurde, wo also lat. ventum als ve erhalten ist, nicht auf eine Grundform -enga oder -engas zurückgeführt werden kann). Vgl. Bisanga, Όέρ. Moselle, Kreis Diedenhofen, heute Bisingen, a. 960 Bisangia. In der gleichen Gegend Marange, dt. Madringen, ursprünglich Matriacum, so über ganz Frankreich verbreitet, Kasp. 117, im 10. Jhdt. Madriaca, Madriaga, daraus die anzusetzende Grundform madr(i)anga. Angodange, so 1179 für dt. Hagendingen, Kreis Metz, D£p. Moselle. Rainangis, so 1030, Ddp. Vosges, heute Relanges', DauzatRostaing 561. Havelange, 11. Jhdt. Hasßangia, Prov. Namur, Kanton Ciney, wie dt. Havelingen, Fö., I., 714; Carn. 247. Tihange, 13. Jhdt. Tichange, Prov. Namur, Kreis Huy, Cam. 564. Lustanges, so 962, Όέρ. Moselle1. 7. Während -aca, -iaca als Ortsnamen bildendes Suffix verhältnismäßig selten nachweisbar ist, ist eine scheinbare Pluralform -iacas in weiten Gebieten des Galloromanischen Ersatzform für das ererbte -iacurn geworden. Das zeigt sich ζ. B. aus chronologischen Gründen in den Formen für den Namen Soignies, ndl. Zinnik, 870 Sunniacum, zu dem fränkischen PN Sunno, Fö. I., 1371. Die -iacum-F orm wird durch die heutige ndl. Form vorausgesetzt; daneben im 10. Jhdt. Soniacas, romanisch seit 1184 Sonniis bezeugt, daraus die heutige wallonische Form. Als die ersten Germanen in Belgien und Nordfrankreich eindrangen, war das scheinbar pluralische -iacas-Suffix noch nicht in Gebrauch. Das zeigen ζ. B. die ehemals im römischen Gebiet liegenden Wohnsitze auf -iacum, die die alten Formen der Benennung in germanischer Umakzentuierung beibehielten; so deutlich in dem heute flämischen, ehemals römischen Belgien, s. II, 3. Demgegenüber ist die -iacas- Variante im Wallonischen und einigen anschließenden nordfrz. Mundarten reich vertreten. Vgl. für 1

Daß es schon im Germanischen neben -ing und -ung eine Ablautform -ang gegeben hätte, die diese alten -attga-Formen erklärte, ist nicht begründet, Kluge, Nom. St. § 22. -anga erklärt sich schon aus geographischen Gründen als Kreuzung von germ, -enga mit rom. -aga.

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II, 7 -iacas-Namen zu germ. PN.

B e l g i e n (geordnet nach den zugrunde liegenden germanischen Personennamen). A l d m a n , a. 1186 Olmagnies, heute Ormeignies, Kreis Ath, Henneg., Grundform *Aldermaniacas, zu Aldman, Fö. I, 62, bzw. Alderada und anderen. A n g i l h i l d , Fö. I, 962, Vincent 81, a. 779 Angelgiacas, Kreis Verviers, Lüttich. A s k i l o , s. Ascila bei Gregor von Tours, Fö. I, 147, in Asquillies, alt Asquileias, Kreis Möns, Hennegau, Carn. 28. A u d i n , Fö. 1, 189, a. 1436 Odengies, Kreis Nivelles, Brabant, Grundform *Audiniacas; daneben davon rückgebildet heute Odenge. A u s t r o m a r , Fö. I, 215, im 13. Jhdt. Ostemerees, Kreis Philippeville, heute Ostmeree. Namur, Carn. 442; ebenso im Kanton Florennes, Namur, Petri 341. B a l d w i n , Fö. I, 242, zwischen 690 und 695 Name eines Bischofs von Köln, alt Baldineis, d. i. Bodegnee, Kreis Lüttich; ebenso Baugnies, 1150 Baldengiis, Kreis Tournai, Henneg., Carn. 48. B e r t f r i d , Fö. I, 284, 1188 Berfrecees, d. i. Beverce, Kreis Verviers, Lüttich. B e r t h a r i , Fö. I, 288; alt. Bertheriis, Kanton Clary, Nord; ebenso Bertrix, 1264 Bertries, Lux., Vincent 80; Bertree, Kreis Waremme, Lüttich, 1139 Bertreis, Carn. 60. B e r t m a r , Fö. I, 292, in Bermeries, Dep. Nord, Kurth 493; dazu Biesmeree, Kreis Philippeville, Namur, 868 Bermeriacas, Carn. 65. B e r i k o , Fö. I, 226, in Berzee, 11. Jhdt. Berezeis, Kreis Philippeville, Namur; ebenso Bierce, Kreis Thuin, Henneg., 12. Jhdt. Berceias; ebenso Bierse, a. 1251, Berseis, Kreis Lüttich; Vincent 80. B e t t o , Fö. I, 226, in Betgne, Kreis Lüttich, Grundform Bettiniacas, 1276 Betheignees; ebenso Bettignies, PdC; Bettegney, zweimal im Όέρ. Vosges. B l a d r i n g , zu Bladringhem im 11. Jhdt., Fö. I, 309, wie Blatfrid im Pol. Irm.; dazu Blaregnies, 1170 Blarengeis, Kreis Möns, Henneg.; Carn. 69. B l i d h i l d , Fö. I, 316, in Blaugies, Kreis Möns, Henneg., 1110 Bleelgiis, Carn. 70. E r l i k o , Fö. I, 466, in Elzee, Kreis Namur, 1x82 Erlesiis, Vincent 80. E r l i n , Fö. I, 466, in Yernee, Kreis Lüttich, 1260 Erlignees, Cam. 650.

II, 7 —iacas-Namen zu germ. P N

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G a u d a , Fö. I, 611, so im Pol. Irm.; a. 868 Gozeis, heute Gozee, Kreis Charleroi, Henneg.; Grundform Gaudiacas, vgl. Gaudiacum, II. 3G a u t o , Fö. I, 6 n , belegt bei Fredegar, dazu Gautius, Gauciolenus; dazu Gozzilo, Fö. I, 612, in Gosselies, Kreis Charleroi, Henneg., 1125 Gocelias. G e r b e r t , Fö. I, 560, im 13. Jhdt. Gerbercheis im Kreis Huy, Lüttich. G i s o , G i s i n , Fö. I, 644, im 15. Jhdt. Gusseignies, d. i. Ghissignies, Kanton Pipaix, Brabant; 1098 Gisengiis, Kreis Avesnes, Nord. G i s b e r t , Fö. I, I, 644, in Gisbrechies, Kanton Beclers, Henneg.; dort auch Giberchies. G i s i l b e r t , Fö. I, 650, zu dem Namen des Bischofs Gislebert von Noyon; in Gelbressee, 1126 Gisleberceis, Kreis Namur. G ö d b e r t , Fö. I, 661, a. 1317 Gobertcheies, d. i. Gobsee, Kreis Lüttich. G o d i n , Fö. I, 660, so Name eines Bischofs von Langres im 7. Jhdt., d. i. Goegnies, 1265 Guignies, Kreis Charleroi, Henneg. G ö d m u n d , Fö. I, 662 (oder Gummund, Gundmund, Fö. I, 692, 707), 1033 Gomenziis, d. i. Gomze, Kreis Lüttich, Carn. 218. G o t t o , Koseform zu Gddo, Fö. I, 659; in Gottignies, Kreis Soignies, Henneg., 868 Gothignies, Carnoy 221. G u n d h a r i , Fö. I, 702; dazu zunächst der -inghem-Name Gondreghien, dann mit Übernahme der -iacas-Endung, Gondregnies, Kreis Ath, Henneg.; dass, in Gonrieux, Kreis Philippeville, Namur, 868 Gonhereias, Carn. 218. H a i k o , Name eines Bischofs von Nantes im 7. Jhdt., Fö. I, 722, dazu 1126 Hachegnies, d. i. Hacquegnies, Kreis Ath, Henneg. Carn. 234· H a p p o , Fö. I, 748 oder 713; a. 1274 Heppinees, d. i. Heppigny, Kreis Charleroi, Henneg., Carn. 255. H a r i b e r t , Name eines Frankenkönigs des 6. Jhdts., Fö. I, 766, 1314 Herbechees, d. i. Hepsee, Kreis Lüttich. H a r i m a n n , Fö. I, 774, dazu 868 Harminium, aber heute mit der -tflCfls-Endung Harmignies, Kreis Möns, Henneg. Carn. 244. , H a r i m a r , Fö. I, 775, im 12. Jhdt. Hermeries, d. i. Hutneree, Kreis Namur, Vincent 80. H a r i r i k , Fö. I, 728, in Harchies, so seit 1184, Kreis Ath, Henneg.; dazu mit der normalen -ißcwm-Endung Hachy, dt. Herzig, Lux.; ebenso Hergies, Kanton Bavai, Nord. 4 Gamillscheg, Romania Germanica I

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II, 7 -iacas-Namen zu germ. P N .

H a r w o , zu frk. haro, harwer, »herb«, vgl. den -i'wgAem-Namen Herbinghen, PdC.; in Harbignies, Kreis Möns, Henneg., 1083 Harbineias, Carn. 242. H o l do, Fö. I, 927, a. 860 Houzien, das noch das ältere *Holdiacum fortsetzt; ersetzt durch *Holdiacas, d. i. Grundform von heutigem Houzee, Kreis Thuin, Hennegau; vgl. oben Soignies. H u g i s i n d , Fö. I, 952, a. 1150 Hunceniis, d. i. Huissignies, Kreis Ath, Hennegau. H u n i b e r t , Fö. I, 931, a. 1325 Humbercees, d. i. Homzee, Namur, Carn. 271. H u s o , H u s i k o , Fö. I, 936, 14. Jhdt. Huskenies, d. i. Houchenee, Kreis Huy, Lüttich. H r a m n o (zu ahd. hrabn »Rabe«), Fö. I, 870, im 6. Jhdt. als PN Chramnus; in Ramegnies, Kreis Tournai und Kreis Ath, Henneg., Carn. 478. H r ö d g a r , Fö. I, 898; a. 1316, Rogerees, d. i. Rogeree, Kreis Huy, Namur. Carn. 494. H r ö d i n , Fö. I, 888; im 11. Jhdt. Rohignies, d. i. Rognee, Kreis Philippeville, Namur. H r ö m o , Fö. I, 883, a. 1201, Rungies, d. i. Rongy, Kreis Tournai, Henneg.; dazu im 9. Jhdt. der PN Romoin, Fö. I, 885, a. 965 Rumineias, d. i. RumiUies, Kreis Tournai, Henneg. H r ö t h m a r , Fö. I, 911; dazu im 7. Jhdt. Hrothmariacas, d. i. Romeree, Kreis Philippeville, Namur; ebenso Romeries, ϋέρ. Nord, Kurth 511. I m b e r t , Fö. I, 952; dazu a. 887 Embrechies, d. i. Imbrechies, Kreis Thuin, Henneg., Vincent 80. I m m i n , Fö. I, 951; a. 1180 Emmineis, d. i. Ymiee, Kreis Charleroi, Henneg. I n g h r a m , Fö. I, 962; a. 1033, Ingremeis, d. i. Ingremez, Kreis Philippeville, Namur, Vincent 80. L a n d w i n , Fö. I, 1011; im 9. Jhdt. Landileias, dissimiliert aus *Landineias, d. i. Landelies, Kreis Charleroi, Henneg. Carn. 327., L e u d e b e r t , Name eines Bischofs von Paris im 6. Jhdt., Fö. I, 1036; in Liebrechies, d. i. Liberchies, Kreis Charleroi, Henneg. L e u d h a r i , Fö. I, 1043; a. 868 Liereis, d. i. Liree, Kreis Thuin, Henneg. N i v i r i k , Fö. I, 1169, a. 1265 Nevrezees, d. i. Nefsee, Kreis Namur. N o r d b e r t , Fö. I, 1169, a. 1300 Nobrechies, d. i. Nopcee, Namur, Vincent 81.

II, 7 -iacas-Namen zu germ. PN

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N o r d h a r i , Fö. I, 1170; a. 915 Nordrees, d. i. Noidre, Kreis Lüttich. O r d h a r i , Fö. I, 1180; a. 1104 Otreis, d. i. Ottre, Kreis Bastogne, Lux., Vincent 81. O t t o , zu hdt. Ozzo, Fö. I, 1176; a. 1190, Othenies, d. i. Ottignies, Kreis Nivelles, Brabant. R a d w i n , Fö. I, 1219, im 9. Jhdt. Radiniacas, d. i. Ragnies, Kreis Thuin, Henneg.; wohl auch in Regnez, 1192 Rathingeis, Kreis Houffalize, Lux. R a m o , R a m i l o , Fö. I, 1243; dazu Ramillies, Kreis Nivelles, Brabant. R a n g o , R a n g i l o , Fö. I, 1248; a. 1131 Ranileis, d. i. Renlies, Kreis Thuin, Henneg., Carn. 485. S o m u a l d , Fö. 1,1353, a. 868 Sumulceias, d. i. Somzee, im 11. Jhdt. Sumuzeis, Kreis Philippeville, Namur, Cam. 539. T h e u d a , Fö. I, 1409, a. 1119 Tielgies, d. i. Thieugies, Kreis Soignies, Henneg. T h e u d m ö d , Fö. I, 1442; a. 1210 Timogies, d. i. Thimougies, Kreis Tournay, Henneg., Vincent. 81. T h r a s w i n , Fö. I, 1464; im 9. Jhdt. Trasiniacas. d. i. Trazegnies, Kreis Charleroi, Vincent 83. T h r u d o , s. a. 741 basilica sti Trudonis, flämisch S. Truiden, frz. StTrond, Kreis Hasselt, Limburg, s. Fö. I, 426 Thrudmund u. ä.; Herkunft des Namens ist unsicher; dazu zu Thrudwin, Fö. I, 427 a. 1000 Trudoneca, aber mit pluralischer Endung 1096 Trueneis, d. i. Trognee, Lüttich, Kreis Waremme, Lüttich, flämisch Truilingen. U n e m u n d , Fö. 1,1480, bei Pardessus belegt, dazu a. 1243 Omesees, d. i. Omezee, Kreis Philippeville, Namur, Grundform Unemundiacas; vielleicht auch Onnezies, Kreis Möns, Henneg., 1139 Oignezies, Carn. 432. W a d d o , W a d d i n , Fö. I, 1495, Wattenias, d. i. Wattignies, Kreis Maubeuge, Όέρ. Nord; ebenso Wadegnies, d. i. Wagnee, Kreis Namur. W a d i h a r i , 1144 Wahereis, d. i. Voaries, Kreis Vervins, Aisne, Petri 418. W a d o , W a d i n , Fö. I, 1491, a. 1344 Wahegnies, Kreis Verviers, Lüttich, heute Wegnez. W a l d h a r i , Fö. I, 1506, 1172 Walerieis, d. i. Votieret, Kreis Vasey, H. Marne. 4*

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II, 8 -iacas-Namen zu nicht germ. PN

W a l d o , W a l d i n , Fö. I, 1500; a. 1110 Wadignies, d. i. Vogenee, Kreis Philippeville, Namur; Carn. 602. W a l h o , Fö. I, 1514, im 9. Jhdt. Waleias, d. i. Walhay, Kanton Andenne, Namur. W a l d r i k , Fö. I, 1511, im 11. Jhdt. Waldrecheis, d. Vodecee, Kreis Philippeville, Namur. W a n d i n g , Fö. I, 1526; im 13. Jhdt. Wandenies, d. i. Wangenies, Kreis Charleroi, Henneg. Vincent 83. W a n i l o , Fö. I, 1522, a. 1251 Wanilhees, d. i. Wagnelee, Kreis Charleroi, Henneg. W a r i a n d , Fö. I, 1533, a. 1131 Warenceis, 1305 Warenzy, heute Warizy, Kreis Marche, Lux. W a r f r i d , Fö. I, 1534, a. 1214 Warfreseis, d. i. Warfuzee, Kreis Lüttich. W i l i h a r i , Fö. 1,1599; a. 1181 Wileries, d. i. Wiheries, Kreis Möns, Henneg., Vincent 81. W i l l i h a r d , Fö. I, 1216, 12. Jhdt. Wilerceias, d. i. Willerzie, Kreis Dinant, Namur. W i n o , W i n i , Fö. I, 1610; alt Wingnies, Wuignies, d. i. Ugny, Kreis Laon, Aisne; ebenso alt Guigneis, Kreis Nancy, M.-et-M. W i t i r i k , Fö. I, 1627, a. 1225 Wittreses, d. i. Witterzee, Brabant, Vincent 81. W o d i l a , Fö. 1,1629, a. 1018 Vodeleies, Kreis Philippeville, Namur. 8. Das -iacas-Suffix ist nicht auf die Namen beschränkt, deren erstes Namensglied germanischer PN ist. Im Bereich des Wallonischen sind hier 85 Namen angeführt, die -iacas Ableitungen von einem germanischen PN sind, gegenüber 34 Namen, wo das gleiche Suffix an einen nichtgermanischen, also gallischen oder galloromanischen Namen antritt. Solche -iacas-Namen sind ζ. B.. B a u g n 6 , Namur, 1124 Bavignies, 1314 Bauvegnies, zu dem PN Balbinius, Kasp. 35. B o i g n d , Charleroi, Henneg., Bougnies, Möns, Henneg., Bouvignies Kreis Ath, Hennegau, d. i. Boviniacas. Moress^e, 1184 Moreceis, d. i. Maurentiacas, Lüttich, Carn. 400 usf. Daß die Variante -iacas sekundär ist, sich ζ. B. in den früh und endgültig germanisierten Teilen Belgiens noch nicht findet, ist schon in II, 3 festgestellt. Da sich dieses sekundäre ON bildende Suffix gerade in den Gebieten der stärksten germanischen Zu-

53

II, 8 -iacas-Namen

Wanderung findet, läßt auf germanischen Einfluß schließen, ähnlich wie die Ausbildung des -arcg-Suffixes im Lothringischen, II, 6. Dabei zeigt sich, daß auch alte -iacww-Bildungen wie Sunniacum dieses neue Suffix annehmen. Die Karte 2 zeigt ferner deutlich, wie diese morphologische Neubildung sich von den Zentren im Hennegau und Namur aus südwärts bis in das ϋέρ. Aisne ausdehnt, in der gleichen Richtung, in der auch die tertiären Bach-Namen, der Typus -bise, vordringt, s. II, 55. Daß dieser Benennungstypus unter germanischem Einfluß entstanden ist, läßt sich ζ. B. daraus vermuten, daß ζ. B. in der Provinz Namur im Kreis Philippeville den 12 Namen, die auf einem germanischen PN aufbauen, nur 2 Namen galloromanischer Unterlage gegenüberstehen. In einzelnen Kreisen Belgiens fehlt der romanische Typus vollständig, so in den Kreisen Bastogne, Luxembourg, Waremme, Nivelles, Tournai, Verviers. Man vergleiche die folgende Übersicht: Kreis Ath Bastogne Charleroi Dinant Huy Lüttich Möns Namur Nivelles Philippeville Soignies Thuin Tournai Verviers Virton Waremme

Germ. PN + -iacas

Romanisch(gallisch)er PN + -iacas

6 1 10 2 3 7 7 7 3 13 2 6 9 5 1 3

1 0 4 5 3 2 2 9 0 2 0 6 0 0 0 0

9. Zentrum der Entstehung der -tacas-Mode ist vermutlich die Provinz Namur mit den Kreisen Namur und Philippeville, wo das nationale Weiterleben der eingewanderten Franken noch für das

54

II, 9 Bereich der -iacas-Namen

9. Jhdt. gesichert ist. Die Weiterwanderung gegen den Westen erfolgte vermutlich ungefähr gleichzeitig mit der Wanderung der -inghim-'LevA.e., s. II 25—28. So erklärt sich auch das Übergreifen der -iacas-Namen auf ältere -i«gAem-Bildungen, und umgekehrt das Eintreten von solchen für ältere -iacas Namen. Vgl. ζ. B. Gondregnies, Kreis Ath, 1186 Gondreghien.

Karte I I je ein iacas-Name ca. 6 iacas-Namen ca. 9 iacas-Namen

mit einem germanischen Personennamen als erstem Namensglied

12 iacas-Namen

10. Man könnte nun vermuten, daß -iacas eine Plural- oder Kollektivform von adjektivischem -iaca ist (s. II, 6), so wie gelegentlich im Spätlateinischen populäre Formen wie armas für arma, membras für membra auftauchen, s. Appel, De genere neutro intereunte in lingua latina, 1883; oder pluralisch-kollektivische Formen wie granaria neben granarium schon im Lateinischen nebeneinander bestehen. D'Arbois de Jubainville verweist

II, ί ο Erklärung des -iaca-Suffixes

55

ferner auf alt belegte Ortsbezeichnungen wie Ammonias, so im 8. Jhdt. eine Gaubezeichnung im Όέρ. Νΐέντβ, oder Amelias im Jahr 925 in der Auvergne, Barbarias bei Chalon-sur-Saöne, Fabias in der Gegend von Marseille, und meint, daß, wie -iacu(m) ursprünglich eine adjektivische Ergänzung von Substantiven wie praedium, villare, -iaca eine solche von villa, domus gewesen sei, -iacas aus adjektivischen Verbindungen mit Subst. wie villas, domus, casas, attegias hervorgegangen wäre. Aber solange -s noch gesprochenes Plural- oder Kollektivzeichen war, ist eine solche kollektivische oder pluralische Weiterbildung bei isolierten Ortsbezeichnungen schwer verständlich. Vor allem spricht gegen eine solche Erklärung aber, daß die -wices-Bildungen gerade nur im Bereich der stärksten germanischen Durchdringung in Gallien zu Hause sind; daß -iacas gerade im Gebiet einer sehr starken Zuwanderung einer Bevölkerung auftritt, bei denen das entsprechende germanische Ortsnamen bildende Suffix -ingas, romanisiert -engas war, s. II, 15. So vermute ist, daß -iacas ein den Franken zuzuschreibender Versuch ist, das romanische -iacum, in der Frankenzeit -iegu, dem einheimischen -(i) engas anzupassen, -iacas (später -iegas, -ieies, daraus -eis, ies, -ieis) ist also Kreuzung von -iacum (-iegu) mit romanisiertem -iengas, wie gallorom. -angu Kreuzung von fränkisch -engu mit romanischem -agu war, s. II, 5. Mit dem Eindringen des spätfränkischen -iacas als Kennzeichen der Herrensiedlung schwinden zunächst die konkurrierenden Suffixe noch nicht. So steht -iacum, -iaca, und -iacas gelegentlich Jahrhunderte hindurch nebeneinander, s. Artiaca in II, 5. So wie in den latinisierten Formen, wechseln in romanischer Entwicklung -y aus -iacum und -ies, -eis. -is aus -iacas mit einander ab, s. Harin, Hrdthbert, Hrodger, Landrik usf. Schließlich kommt auch das fränkische -ingen in den gleichen Bereich. Aber dieser Wechsel betrifft nur Siedlungsbezeichnungen, die innerhalb des oben abgegrenzten Gebietes von -iacas liegen. Wenn auch -iacas zunächst nur an fränkische Personennamen antritt, bleibt es als Folge der Verschmelzung von Franken und Romanen nicht auf fränkische Siedlungen beschränkt, s. S. 52. -iacum-Namen mit germanischen PN als erstem Namensglied finden sich natürlich auch außerhalb des -tacas-Gebietes. Das zeigt die folgende Zusammenstellung vom Typus Germ. PN + -iacum, die nun nicht nur auf das fränkische Gebiet beschränkt bleiben, sondern über ganz Gallien verbreitet sind:

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II, 11 -iacum-Abl. von germ. PN

i i . A i k h a r i , Fö. I, 48, Aiccar für Languedoc bezeugt, 1064 Achiriacum, d. i. Achery, Kreis Laon, Aisne. A l d h a r i , Fö. I, 61, zu Althar, Pol. Reims, Aldrus im 8. Jhdt. im Pol. Irminon, 10. Jhdt. Aldrinioe, alt auch Daudernies, d. i. de (von) Audrenies, heute Audregny, Kreis Möns, Henneg. Cam. 32; dazu im 9. Jhdt. Audriaca villa, d. i. Orville, Kreis Arras. Alf>rik, Fö. I, 62, s. Haldrich im Pol. Reims, alt Altriciaca curtis, heute Haudrecy, Kreis M£zieres, Ardennes, s. II, 5. A n d e r i k , Fö. I, 105, alt Andriziacus, d. i. Andreze, Kreis Cholet, Maine-et-Loire. A n s o , Fö. I, 121, dazu *Ansiacum, d. i. Ancy-sur-Moselle, Kreis Gorze, Lothringen; Ancy-lez-Solgne. Kreis Verny, ebd.; Anzay, Kreis Chinon, Indre-et-Loire. A l a m u n d , Fö. I, 53, in Lamontzee, Kreis Lüttich, kann Alamundiaca oder -iacum sein. A u d a m a r , Fö. I, 198, Bischof von Th6rouanne-Boulogne im 7. Jhdt., in Ommeray, M.-et-M., Kreis Chateau-Salin, Kasp. ZOF12, 208; kann der Form nach -acum-Name sein, aber auch -iacum ist möglich. A u d f r i d , Fö. I, 192, a. 1268 Aufergioe, heute Auffargis, Seine-etOise. B e r t m a r , Fö. I, 292, in Biesmeree, Kreis Namur; kann -iaca oder -iacas-Form sein. B l i d m a r , Fö. I, 315, in Blumerey, Kreis Doulevant, H. Marne; Blemerey, M.-et-M.; auch K. Mirecourt, Vosges. D a r do, Fö. I, 403, nur in der hochdeutschen Form Tarta belegt, a. 841 Dardeia, d. i. Dardez, Kreis fivreux, Eure. E b u r w i n , Fö. I, 440; Ebroin ist ein Majordomus des 7. Jhdts., dazu Evergnies, Hennegau, £vegnee, Lüttich. Β o d i l o , Fö. I, 322, a. 633 Budeliacum, 12. Jhdt. Buodelingas, 1315 Buedelanges, Lothringen, Risch ZOF 11, 130. G e b a r i k , Fö. I, 635, zum Namen des Gotenkönigs Gibericus des 4. Jhdts., alt Geverziacum, d. i. Giverdy, Nievre; auch burgundischromanisch Gibericiacum würde lautlich möglich sein; dazu das wohl burgundische Geovreissiat im Όέρ. Ain; vgl. ferner Javersay, Eure-et-L., Javersy, Loiret, Javarzay, Deux-Sevres. G i s a l h a r i , Fö. I, 653, in Gislery, Wald, Kreis Commercy, Meuse. G o d a h a r i , Fö. I, 680, als Godehar im Pol. Irm. belegt, dazu a. 1103 Gohereium, d. i. Gouery, Kreis Reims, Marne. G r i m o i n , Fö. 1,673,14. Jhdt. Grivegnee, Kreis Lüttich; Vincent 83.

II, Ii -iacum-Abl. von germ. PN

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H a l i l a n d , Fö. I, 739; dazu Halanzy, dt. Heisingen, 1173 Holencey. Kreis Messancy, Lux. H a m p o , Fö. I, 746, in Hamfigny, D6p. Aube. H a r d r i k , Fö. I, 757, dazu der Name des Gepidenführers Hardarik des 5. Jhdts., in Hardesse, Kreis Chartres, Eure-et-Loir. H a r i b a u d . Auf ein Harjobaudiacum führt Kasp. 303 Charbuy im Kanton Auxerre-West, Όέρ. Yonne, im 7. Jhdt. Carbaugiacus zurück. Da fränkisch h- nicht mehr zu k- wird, müßte eine vorfränkische iacMM-Siedlung vorliegen. Der Name Charbaud ist auch sonst als Personenname bezeugt, s. La Charbaudiere, Gehöft im Όέρ. Maineet-Loire. Die rein fränkische Form in Harboue, Kreis Lun^ville, M.-et-M., 1294 Harbouey; zum PN Haribaud vgl. nach Fö. I, 766 den Alamannenfürst Hariobaudes, Chariobaud. H a r i n , Fö. 1,764, a. 1182 Harigny, heute Ηargnies, Kanton Avesnes, Nord; dass. KantonFumay, Ardennes; Herny, Kanton Falkenberg, dt. Herlingen, noch mit -iacas für -iacum a. 1409 Harnex, dt. Herlingen. H i l d i , H i l d o , dazu *Hildhari, zu erschließen aus im 8. Jhdt. belegtem Hildier, Fö. I, 761; dazu *Hildhariacum, a. 1138 Cildriacum, in Ceudray, Kreis Charost, Cher; dazu in der Vita Audoeni Praedium Childriacus, in pago Dunensi, Kasp. 303; muß wegen der Entwicklung des anlautenden h- zu den vorfränkischen -tecww-Namen gehören, s. III, 26. H r ö d g e r , Fö. I, 898, 1123 Rogerie, heute Rougeries, Kreis Sains, Kreis Vervins, Aisne. H r ö t h b e r t , Fö. I, 892; Chrotbert ist Bischof von Tours im 7. Jhdt., alt Rotbercioe, heute Robechies, Kreis Thuin, Henneg., Chotin, 384. H ü n o , Fö. I, 930; alt Honnay, Kreis Beauraing, Namur; ist alte -acwm-Bildung. Ismär, Fö. I, 972; a. 1250 Ismereacum, d.i. Ymeray, Kreis Chartres, Eure-et-Loir. K a r l , Fö. I, 359, als PN geschichtlich bezeugt seit dem 7. Jhdt., dazu 852 Carliacum, d. i. Charly, Kr. Chäteau-Thierry, Aisne; dass. Kanton Vigy, Kreis Metz; auch im D£p. Cher, Kreis N£rondes; Charley, Kreis Troyes, Aube; Chalet, 1067 Carliacus; zweimal im Kreis Angers, Όέρ. Maine-et-Loire. K u n i s i n d , Fö. I, 382 (oder Kuniswind, ebd.) a. 1279 Cosengiacutn, Kreis Nevers, Nievre, d. i. Courangy; ist wahrscheinlich burgundische Gründung.

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II, I i -iacum-Abl. von germ. PN

L a n d b e r t , Fö. I, 1005, im 7. Jhdt. als Bischofsname bezeugt; in Lambercy, Kreis Laon, Aisne. L a n d h a r i , Fö. I, 1008, in Pol. Irm. belegt, a. 1183 Lanheriacum, d. i. Lenharee, Kreis fipernay, Marne; auch a. 1117 Lanherie, heute La Herie, Kreis Laon, Aisne. Wegen der fränkischen Entwicklung von -nd- s. III, 38. L a n d r i k ; Fö. 1,1009, Landrecies, im 12. Jhdt. auch Landericiacum Ddp. Nord, Mannier 320. L a n d w a l d , Fö. I, 1010, Landouzy. Kanton Vervins, und Kanton Aubenton, Kreis Vervins, s. Longnon NL 63. R i d i n g , so im 6. Jhdt. ein Bischof von Beauvais, Fö. I, 1207, a. 1192 Rathingeis, d. i. Regnez, Kreis Houffalize, Lux., Petri 279. R a g i n b e r t , Fö. I, 1224, alt Raginbertiaca, mit Endungsersatz durch court, in Rembertcourt, M.-et-M. Kasp. ZOF 12, 208. R a m m i n , Fö. I, 1243, in Ramegnis, Henneg.; ebd. auch Ramignies, Vincent 83. T h e u d b e r t . Fö. I, 1422; dazu der Name Theodebert eines Frankenkönigs des 6. Jhdts.; dazu Thiverzay, Ddp. Vendde, Kasp. 306; liegt im nördlichen Gotengebiet, kann daher auch gotischer Herkunft sein; wohl sicher gotisch ist Trizay-sur-le-Lay, Ddp. Vendde, zu dem PN Theudriks. T h i n g h a r i , Fö. I, 1457, in Tingry, PdC.; Tincry, Kreis ChäteauSalin, Ddp. Moselle. T h r ü d w i n , Fö. I, 427; a. Trudoneca, 1096 Trueneis, flämisch Truilingen, d. i. Trognee, Lüttich. W a d d o , W a d d i n , Fö. I, 1495; alt Gathnaicum, d.i. Guenay, Kreis Chinon, Indre-et-Loire; a. 872 Wadiniacum, d. i. Gasny, Kreis Andelys, Eure. W a d i b e r t , Fö. I, 1492, seit dem 8. Jhdt. belegt; alt Watibercei, d. i. Vaubercey, Kreis Troyes, Aube. W a d i h a r i , Fö. 1,1492, a. 1101 Wadriacus, d. i. Wary, Kreis Laon, Aisne; a. 1100 Wadriacum, d. i. Gaudrez, Kreis Chartres, Eure-etLoir. W a k o , Fö. I, 1487, vgl. die gotische Entsprechung Vacca bei Cassiodorus, die fränkische Entsprechung im Pol. Irm.; a. 1223 Guachiaco, Cuacheium, d. i. Le Guichy, Kreis Cosne, Nidvre; 9. Jhdt. Wakiacum, d. i. Vaussais, Kreis Sauze-Vaussais, DeuxSdvres. W a l d b e r t , Longnon, NL 84, in Vaubercey, Aube; Vaubexy, Kreis Dompierre, Vosges.

II, 12 -ing-, -inga-, -ingas-Namen

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W a l d h a r i , Fö. I, 1506, Vincent 81; alt Walderiego, d. i. Waudrez, Hennegau; ebenso 1179 Valdraca, mit unklarer Entwicklung und Übernahme des -mgew-Suffixes, heute Vaudreching, bei Bouzonville, Lothringen. W a r i k o , Fö. I, 1533, Petri 395; a. 1255 Werchi, d. i. Vergies, Kanton Oisemont, Somme; Vrechy, Kanton Vermand, Aisne; dazu 5. Jhdt. Warchiacus, d.i. Gerchy, Kreis Joigny, Yonne; a. 1085 Warchy, d. i. Garchy, Kreis Cosne, Nievre. W a r i n , Fö. I, 1540, a. 891 Warniacus, d. i. Wargnies, Kreis Avesnes, Nord; ebenso Kanton Domart, Somme und im Hennegau, Vincent 81; dazu Guerigny, Kreis Pougues, Nievre, Longnon, NL 84; dass. Όέρ. Cher; Guerny, Kreis Andelys, Eure, 7. Jhdt. Warinacum. Wasso, Fö. I, 1547; der Name ist keltisch, Vassio inschriftlich im 5. Jhdt. bei Lyon; dazu Vassy, H. Marne, a. 1141 Gaissiae, 622 Wasseacinsis finis. W a t t o , W a t t i n , Fö. 1,1549 i n oberdt. Form Wazzo, in Wattigny, Kreis Vervins, Aisne. W i d i n , Fö. I, 1565 a. 1131 Guegne, 1273 Gueigneium, d. i. Guigne, Kreis Loches Indre-et-L.; Grundform Widiniacum, daraus dissimiliert Wediniacum. W i d m a r , Fö. I, 1571, a. Guitmeriacum, d. i. Gumery, Kreis Nogent, Aube. Wisin, Fö. I, I, 1622, in Guiseniers, Kreis Andelys, Eure, aus Wisiniacum. -ING, -INGA, -INGAS 12. Während die iacwm-Namen ursprünglich Einzelsiedlungen benannten, aus denen erst nach und nach selbständige DorfSiedlungen entstanden, wird die sippenmäßige Ansiedlung durch das germanische -ingen-Suffix bezeichnet, s. Kluge, Urg. § 263 »(-ingen) bezeichnet ursprünglich jede beliebige Art der Zugehörigkeit« (wie gallisch -akos, s. S. 44) »wird dann in der Pluralform« (westgerm. -ingas, ostgerm. -ingos) »zur Bezeichnung maskulinischer Dynastienamen wie Karolingi, Merowingi, Gundbadingi; Einwohnerbezeichnungen wie Wulpingi 'homines de Wulpia'«. Vgl. agls. Centingas, Lindisfarbealondingas, Eoforwicingas, dann Patronymika wie agls. Hrethling, Sohn des Hredel. Entsprechend im Westfränkischen, s. Merewioingas = »gens Meroingorum« in der Vita Caroli von

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II, 12 -ing-, -inga-, -ingas-Namen

Einhard; s. Ekwall, English place-names in -ing, Lund 1923; Kluge, Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte VI, 73f.; Frings Anz. 55, S. 20; Behaghel DS 224; Langenbeck 101; Ernst Schwarz, Westfälische Forschungen VI, (1943—1952) S. 223 f. 1 Neben der westfränkisch-angelsächsischen Endung -ingas besteht mit der gleichen, örtlichkeiten bezeichnenden Funktion, die Variante -inga. Das auslautende -a kann entweder alter Lokativ sein (dann wäre die Ortsbezeichnung -ing ohne weiteres Suffix) wie in altbairischen Urkunden in loco dorfa; 1080 loco Rudilinchheima usf. Schatz ZOF IV, 9; oder alter Fugenvokal, wenn dem singularischen Besitzernamen ein Appellativum wie -haus, -heim u. ä. nachfolgte, s. ζ. B. Bidningahusun, Kaspers, ZOF 4, 81. Die iVig«s-Namen und der -mga-Typus sind gleich alt. In den Freisinger Urkunden ist die Stadt Freising von 903 an als in opftido Frigisingas belegt; erst später belegt sind -mga-Namen wie Pollinga u. ä., Schatz ZOF IV, 9. E. Schwarz ZOF I, 195 verzeichnet für Baiern ältere -mga-Namen, so 750 Erichinga, 762 Munirihhinga, aber daneben in Salzburger Güterverzeichnissen Antheringas. In galloromanischer Weiterentwicklung s. a. 706 Garaninga, heute Querenaing, D£p. Nord; a. 774 Gasmaringa, Kaspers ZOF 4, 85; dazu die romanisch gewordenen galloromanischen Radinga, a. 920, dt. »Redingen«, Lothringen, Hardinga (Hardanges) II, 114; aber daneben a. 777 Vecturingas, eine Wüstung im Bezirk Sarburg, heute Vertignecourt, d. i. gallisch-romanisch Verteniacum, zum gallischen PN Vertenus, dann erweitert mit court, s. II, 32; daneben die fränkische Umsetzung von Vertuniegu zu Veriuningas (das für das überlieferte Vecturingas mit irrtümlicher Graphie einzusetzen ist). Solche -mgafsJ-Namen, deren erstes Namensglied ein Personenname ist, bezeichnen entweder fränkische Niederlassungen aus der Landnahmezeit, oder es liegt ihnen ein vorfränkischer, ζ. B. mittels -iacum gebildeter Name zugrunde, dessen Suffix von den eingewanderten Germanen durch das funktionell entsprechende germanische Suffix, also -inga(s), ersetzt wurde, wie in dem Fall von * Verturingas, s. o. Daneben gibt es aber im Germanischen auch Sachbezeichnungen auf -ing, die, wenn sie zu ON romanisiert werden, und nicht etwa 1

E . Christmann, Z O F 12, 96; Bach, W u S V I I I (1923); S. Karlsström, Old English Place-Names, Uppsala, 1927; Η. Η. Munske, Das Suffix -inga, -unga in den germ. Sprachen usf., s. Bennet, Language 42, 654.

II, 13 Personennamen als Ortsnamen

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auch als romanisierte Sachbezeichnungen weiterleben, theoretisch gleichfalls als alte Zeugnisse für fränkische Ansiedlung angesehen werden können. Aber vielfach ist es nicht möglich, diese auf -ing endigenden Sachbezeichnungen von gleichgebauten Personennamen zu unterscheiden, die nur b e d i n g t als Siedlungsbelege dienen können. So könnte Braiding, a. 1230 Braenc, heute Bran, Dep. Vienne, »Ackerbreite« bedeuten (Frings, Anz. dt. A. 36, 17), Braiding ist aber auch als PN bezeugt, Fö. I, 332, und es bleibt unbestimmt, ob dieses Braiding, das zu Bran wurde, auf einen alten PN zurückgeht, der keineswegs einen Franken bezeichnet haben muß, oder auf den homonymen Sachnamen. So ist der PN Hdding, als Bischofsname im 8. Jhdt. wiederholt bezeugt, der Sohn eines H6do »Hüter«, und dieser PN, und nicht etwa ein Appellativum hdding »Stelle der Viehhut« (Frings 1. c.) Hegt aller Wahrscheinlichkeit dem wiederholt bezeugten ON Houdenc zugrunde, um so mehr als ein auf einen Personennamen Hdding zurückführendes Hddinga in hochdeutscher Form als Hottinga belegt ist, s. Fö. II, 1386. 13. Fränkische Personennamen sind aber kein Beweis für fränkische Herkunft ihrer Träger, da im frühen Mittelalter Romanen in der überwiegenden Mehrzahl selbst fränkische Namen angenommen haben. Ein ON vom Typus Hddingas ist wegen seiner im Galloromanischen ungewöhnlichen Endung sicher Bezeichnimg einer Sippensiedlung, nicht aber ein ON Hdding, der nach einem Hdding genannten Romanen benannt sein kann. Der Ubergang eines Personennamens zum ON läßt sich bis in das Lateinische zurückverfolgen. Er vollzieht sich auf verschiedene Art. Goin im Kreis Metz ist 805 als Goddinga villa bezeugt, d. h. Besitz, Dorf eines Godding, mit -a- als Bindevokal, vgl. Birch, Cartularium Savonicum 44, Kyneburga caestre, u. a. Die heutige Namensform Goin geht aber nicht auf eine alte Gddinga-Form zurück, sondern auf den PN Gdding, romanisiert Godengu. Wenn eine Ortsbezeichnung ursprünglich ein Suffix enthält, das für Ortsbezeichnungen charakteristisch ist, wie etwa im Galloromanischen -iacum, oder ein Appellativum, das ebenso auf eine Ortsbezeichnung hinweist wie villa, curtis, mansum u. ä., kann nach dem Gesetz der Reihenbildung (s. Bedeutungslehre S. 25 f.) das Suffix bzw. das Appellativum unterdrückt werden. So steht neben reich belegtem *Antoniacum seit 775 auch cella in Antonio, Vincent S. 72; Schönfeld, Tijdschrift voor Neder-

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II, 13 Personennamen als Ortsnamen

landsche Taal en Letterkunde, 36, 167; Magontia »Mainz« geht auf älteres Maguntiacum zurück. Auf galloromanischem Boden steht Jodoigne, Brabant, 1164 Geldonge, d. i. Geldonia, neben Geldenaeken, d. i. *Gelidoniacum der flämischen Entsprechung. Neben Bastogne, d. i. *Bastonia, steht im 11. Jhdt. Pastenacha, Luxemburg, heute Bastnach, d. i. Bastoniacum, usf. Wie nachgestellte Appellativa als Leitwörter unterdrückt werden können, so auch auf örtlichkeiten hinweisende vorangestellte Wörter wie casa, mansus, villa u. ä., so daß als Ortsbezeichnung der Personenname übrigbleibt. Wie Godinga villa zu Goding, Goin werden konnte, so auch villa Goding(o), mit dem galloromanischen Dativ, der im Galloromanischen bei Personenbezeichnungen den lat. Genetiv ersetzt. So wird ζ. B. 868 bezeugtes villa Haistrudis zu Hestrud, Kreis Avesnes, Ddp. Nord; 1059 belegtes castellum Ramnedrudis zu Ramerud, Kreis Vaucouleurs, Meuse u. a. Wenn auch im Einzelnen nicht immer erkannt werden kann, wie sich der Ubergang einer Personenbezeichnung zum ON vollzogen hat, so bleibt doch bestehen, daß solche Ubergänge von Personenbezeichnungen (die kein Beweis für fränkische Siedlung sind) zu Ortsnamen vorkommen, daß also etwa Namen, die auf Höding, Hröping u. ä. zurückführen, nicht fränkische Siedlungsnamen aus der Zeit der fränkischen Landnahme sein müssen. 14. - i n g - N a m e n , die g r ö ß t e n t e i l s P e r s o n e n n a m e n sind und zu O r t s n a m e n w u r d e n (in Auswahl) (Die Namen werden nur angeführt, um den Gegensatz zu den -M&ges-Namen und den ostgermanischen -»«gds-Namen hervortreten zu lassen.) Vgl. • A b e r i n g , zu fränk. aber, »kräftig«, s. II, 9, 5; in Avrent, Somme, 1159 Avrenc, Averenc, (Brunei, Pontieu); Avrent, Kreis Montreuil, Pas-de-Calais, 1252 Avrenc. • A b i l i n g , zu Abilo, Fö. I, 11, in Ablain-Saint-Nazaire, Kreis Arras, Pas-de-Calais. * A n d i l i n g , zu Andela, so im Pol. Reims, Fö. 1,102; 1125 Andelen, heute Andelain, Kreis Laon, Ddp. Aisne. • B a u d i l i n g , zu Baudo, Fö. I, 250; La Baudelan, Maine-etLoire. Der Artikel la beweist, daß dem Namen ein volles villa, (curtis, casa) Baudiling(o) zugrunde liegt, s. den Typus casa Hödingo, S. 61.

II, 14 P N auf -ing als Ortsnamen

63

• B e r h t m ä r i n g , 1095 Bermering, heute Bermerain, Ddp. Nord, s. Longnon, NL 217. B r a i d i n g , so bei Fö. I, 232 im 9. Jhdt. belegt, heute Bran und Brin, beide im Kreise Poitiers, Vienne, 1230 Braenc, 1324 Berenc, 1337 Brent.; s. aber S. 61. B r ü n i n g , 1251 Brunenck, Maasinsel bei Lüttich. • D ö r i n g , zu Dorolf, Toro, Fö. I, 418; 1155 Dorenc, heute Dorengt, Kreis Vervins, Ddp. Aisne. *D0riling, zu demselben Namen; -Hing ist eine im Westgermanischen erweiterte Form des -wg-Suffixes, s. Kluge, NS. § 22; 1147 Dourleng, heute Doullens, Somme; Longnon, 1. c. F u l l i n g , zu Folobodo u. ä., Fö I, 560; Petri I, 140, Fouleng, Hennegau. Göding, so im Pol. Irm. Fö. 661; 805 Goddinga villa, 1157 Goonc (lies Goenc), heute Goin, Kreis Metz, Lothringen; vgl. Goding im Bezirk Wolfsberg u. v. a., Fö. II, 1, 1071; s. S. 61. • H a s i n g , zu fränk. *haswi, »blaß«, »matt« II, 118; noch deutlich als Personenname in 1154 Monthasen, heute Montazin, Gehöft im Kreis Reims, Ddp. Marne. H ö d i n g , s. o., s. Fö. II, 1,1386, so im 8. Jhdt. ids Ortsbezeichnung bei Beauvais bezeugt; Houdeng-Aimeries, und Houdeng-Goegnies, Kreis Soignies, Hennegau, Chotin, 296!.; dazu nach Longnon 1. c. 217 Houdan, Seine-et-Oise; Hodant, Hodent, ebd.; Hodenc, Oise; Hodeng, Seine-Inferieure; Houdain, Pas-de-Calais. Der Name Hoding war also im Frankengebiet besonders verbreitet. Wegen der Erhaltung des -d- s. III, 17. H o r n i n g , 1265. Horneng, heute Warnant, Kanton Dinant, Namur; s. Fö. I, 867, zu agls. hornung »filius naturalis«. H r ö j n n g , bei Fö. I, 889 reich belegt, 1202 Frohens, heute Frohen, Kreis Doullens (s. o.), Somme (Brunei, Pontieu). •Manning, s. Fö. I, 1090, zu reich belegtem Manno, in Manin, Kreis Saint-Pol, Ddp. Pas-de-Calais, seit 1119 belegt. S p a d i n g , zu hd. Spatto, Fö. I, 1356, »Schwertträger«, 12. Jhdt. Espaeng, heute Espain, Kanton Antoing, Kreis Tournai, Hennegau, Petri I, 156. • S t ö d i n g , ist nicht Personenname sondern fränkisches Zugehörigkeitsadjektiv, bezeugt in Stodingewech bei Doest, Fö. II, 2, 895; zu fränk. stöd »Pferdepferch«; 1089 Stohengh, 1212 Estohaign, heute £taing, Kreis Arras, Pas-de-Calais.

64

II, 15 Quellen der -anges-Namen

W a d i n g , so belegt bei Fö. 1,1492; 885 Wadingo, 12. Jhdt. Woens, heute On, Luxemburg. • W a i b i n g , zu ahd. weibdn »schweben«; Fö. I, 1495 belegt erweitertes Weibilinga im 9. Jhdt.; 1126 Vabenc, Waubenc, heute Vabenc, Waben, Kreis Rohätre, ϋέρ. Somme. (Brunei, Pontieu.) • W a s i l i n g , zu Waso, Fö. I, 1547; 885 Wasiringus, heute Gazeran, Ddp. Seine-et-Oise, (Longnon 1. c.). 15. Im Nordfranzösischen ist, abgesehen von dem Gebiet der Picardie und der Normandie, früher auch der Wallonie, germanisches -ingas über -engas zu -anges geworden. Aber nicht alle heute auf -anges endigenden Namen setzen ohne weiteres ein fränkisches -ingas voraus; -ange(s) kann auch auf romanisches -angas zurückführen, so in dem in Abschnitt 6 angegebenen Gebiet, wo heutigem -anges ältere Formen mit stammhaftem -a- zugrundeliegen; -anges kann auch älteres -anica fortsetzen, d. i. ursprünglich adjektivische Ableitung von ON, die mittels des Suffixes -anum gebildet sind. So im Ddp. Puy-de-Döme Sauxillanges, alt Celsinianicas, d'Arbois 573; Vgl. Coussergues, Hdrault, alt Codicianicas, usf.; ebenso in den Ddpartements H. Loire, Gard, Bouches-duRhöne usf. Uber dieses -ange aus -anica, -anicum im Massif Central, mit den mundartlichen Varianten -argue, -ergue, s. Dauzat, ZOF 6, 237; vgl. auch im Ddp. Nifevre 864 Coloniae, aber heute Coulanges, II, 84, Muret, Rom. 37, 392. -anges findet sich ferner im Südosten. So in den Ddp. Jura, Saöne-et-Loire und Doubs, also im alten burgundischen Siedlungsgebiet. Hier ist die dem fränkischen -ingas entsprechende burgundische Form -eins, -ans. Die -angesNamen im alten Burgunderbereich sind daher, wenigstens zum Teil, frankisierte -wzgas-Formen, die auf den älteren burgundischen -et«s-Formen aufbauen und diese schließlich ersetzen. So stehen im Cartulaire von Cluny die echte burgundische Namensform Buscheringis, so alt im Jahr 898, heute Boscherins, und die fränkische Form Baudingas nebeneinander. Genaueres s. in Bd. II 1 .

1

In dem Cartulaire der Abtei von Savigny (in pago Lugdunensi in agro Forensi, also im Gebiet von Lyon) die alten Namen Loctanges, Marangias,

a. 982; Accingias,

sehen von Accingias,

a. 980, Loctangis,

a. 980;

a. 1003, Namen, die abge-

eine gesprochene -anges-Form vorauszusetzen schei-

nen; andere nur schwer zu erklärende ähnliche Formen bei Witte, 1. c.

II, 16 -ingen-Namen im Nordwesten

65

16. Abgesehen von diesen nur scheinbar zu frk. -ingas gehörigen Namen, sind von 2, heute noch zahlreiche -ingen-Namen enthaltenden Gebieten aus, echte -mgas-Formen in das französische Gebiet eingedrungen. Aber nur die wenigsten dieser -ingen-Namen gehen in die Zeit der fränkischen Landnahme zurück. Das gilt nicht nur aus lautlichen, sondern auch aus historischen Gründen für die Namen, die in dem im frühen Mittelalter noch als germanisch festgestellten, später romanisierten Gebiet gelegen sind; so im Bereich von St. Omer. Diese Namen hegen in dem Gebiet der nachfränkischen -inghem-H^men, s. II, 25, und können -ingas aus älterem -inga(s)hem losgelöst haben, stammen aber jedenfalls aus derselben Zeit wie diese. Vgl. im D£p. P a s - d e - C a l a i s H e r m e r i n g u e s , Kanton Samer, Kreis Boulogne, zu dem PN Harimar, Fö. I, 204, vgl. Hermelinghem im Kanton Guines. Herquelingues, ebd., 1208 Helkeningues, zu Hilliko, Fö. I, 817, vgl. Herquelinghen, Kanton Desvres. Haffreingue, ebd., 1231 Hafrengues, ist als -inghem-Name 1361 belegt; vgl. dazu auch Affringues im Kanton Lumbres. Les W a r i n g u e s , Kanton Vimy, Arras, hat neben sich Waringhem, Lehen im Kanton Norrent-Fontes, Waringuezelle im Kanton Marquise, Weringhem im Kanton St. Pol. B o n n i n g u e s , Kanton Boulogne, s. Bonenghe, Kanton St. Omer. In einer zweiten Gruppe ist -ingues für älteres -iacurn eingetreten, ein Beweis, daß bei der Bevölkerung, die sich hier niederließ, -ingues ein ebenso allgemeines ON-bildendes Suffix war, wie -anges in anderen Gebieten Frankreichs. S 6 v e l i n g u e s , Kanton B6thune, 1249 Sevelengue, könnte zwar zum PN Sibilo, Fö. I. 1313 gehören, ist aber wahrscheinlich ein altes Silviniacum, wie Selvigny im ϋέρ. Nord, Kurth 513. Daß der Name nicht aus der Zeit der fränkischen Landnahme stammt, zeigt schon die Erhaltung des unbetonten -e- in Sevelingues. R e l i n g u e s , Kanton Lillers, so seit 1289, gehört zu Rely im Kanton Norrent-Fontes, für das noch 1146 die altgermanisierte -iacumForm Relich bezeugt ist. Q u e s t e l i n g u e s , Kanton Samer, ist lat. Castiniacum, s. dazu Catigny im ϋέρ. Somme, Kaspers 56; das gleiche castiniacum ist alt germanisiert zu Kasting, Resting, durch -hem erweitert, in Questinghen, bei Bainctun, Kreis Boulogne-Süd, erhalten. G o n d a r d e n g h e s , 1248, nur alt belegt, könnte der Form nach ein spätfränkisches *Gundhardingas sein; dazu Gondregnies, Kreis 5 Gamillscheg, Romania Germanica I

66

II, 17 -ingen-Namen im Nordosten

Chievres, Hennegau, einem -iac«s-Namen, s. II, 7. Ob die -ingenForm ursprünglich ist oder auch nur eine Umbildung von einem älteren -iacum-Namen, läßt sich aus der Uberlieferung nicht erkennen. H a l l e n g u e s , Kanton Croisilles, so 1313, heute französisiert Hallenges. Auch dieser Name ist keine alte -tngas-Form, vgl. Hallines Kanton Lumbres, 1092 Hanalines; Hailennes, Lehen im Kanton Lillers. Das Schwanken zwischen den Endungen -engues, -ennes, -ingues, zeigt auch R a b o d e n n e im Kanton Hucqueliers, zum PN Rddbod; aber wie schon die Erhaltung des unbetonten -0- zeigt, keine fränkische Gründung. Vgl. dazu Gravelines im Kreis Dünkirchen, im 11. Jhdt. Graveninga, 721 als Grevelinga, altgermanische Besiedlung kommt hier nicht in Betracht. Von allen diesen nordwestlichen -ingen-Namen Hegt nur einer in dem Gebiet, wo altfränkische Siedlungen nachweisbar sind, nämlich Hallengues. Aber auch in dieser Gegend zeigt sich sehr starke germanische Nachwanderung. Der Name kann also auf keinen Fall für die Landnahmezeit in Anspruch genommen werden. Daß diese -ingas, -ingues-Namen der Sprache der sächsischfriesischen -inghim-Leute angehören, zeigt deutlich Leodredingas, 723 verkürzt Leodringas, für heutiges L e d r i n g h e m im flämischen Kreis Dünkirchen, in dem Gebiet, das erst im 7. Jhdt. von den Sachso-Friesen besiedelt wurde, s. II, 6of. 17. Schwieriger ist der Nachweis nachfränkischer Benennung bei den Formen, die Entwicklung von romanischen -an- + Ks. zeigen. T i h a n g e , Kanton Huy, Kreis Lüttich, a. 1155 Tiehange, scheint im ersten Namensglied den PN Theudo zu enthalten, aber die Endung verlangt eine Grundform auf -anga, s. dazu II, 6. W e n a n g e im Kanton Rochefort, Kreis Namur, ist schon 943 als Waninga, Flußbezeichnung, später auch als Ortsname bezeugt, zu dem bei Fö. I, 1523 wiederholt bezeugten PN Waning. Waninga ist also nicht alte Ortsbezeichnung auf -ingas, sondern mit der Lokativendung -a erweiterter Personenname, wie G6dinga zu Göding, § II, 14. Auch Wanga ist als alte Ortsbezeichnung bezeugt, der Name also zweifellos germanischen Ursprungs. Da die Provinz Namur bis ins Mittelalter hinein germanische Siedlungen hatte, s. II, 68, die Bevölkerung auch vielfach zweisprachig gewesen sein dürfte, ist -ange in Wenange vermutlich eine Anpassung eines germanischen -iwgew-Namens an die Kompromißendung -anga,

II, 17 -ingen-Namen im Nordosten

67

s. II, 6. Magange, Kanton Montbois, Ardennes, kann nicht ein altes *Maginga sein, da -g- bei den romanisierten Formen der Landnahmezeit nicht erhalten geblieben wäre. Die Schreibung -anges bei den nordöstlichen -ingen-Namen, wo -ingas romanisiert als -enges erscheinen müßte, erklärt sich daraus, daß der germanisch-romanischen Grenzbevölkerung, die vermutlich früher oder später zweisprachig werden mußte, bevor sich eine bestimmte Nationalität loslöste, bewußt war, daß dem germanischen -ingen im Romanischen die Form -ange(s) entsprach, die selbst wieder auf der Kompromißform -anga(s) beruhte, s. II, 6. Dieses Nebeneinander von -ingen und -ange(s) an der germanischromanischen Grenze zeigt sich ζ. B. deutlich in der Provinz Lüttich, Kreis Verviers, bei dem Namen dt. Bullingen, a. 851 Bulinge, a. 1140 Bullinga, aber dann französisiert heute B u l l a n g e , Carn. 102. In dem nicht romanisch gewordenen Teil Belgiens sind unmittelbar im Anschluß an die romanisierten scheinbaren -ingas = -awges-Namen Hunderte von -ingen-Namen bezeugt, ζ. B. im Kreis Limburg Bitsingen, frz. Bassenge, Carn. 453; Beringen, Kreis Hasselt, seit 1078 Berlinges; oder in Westflandern Boezinge, 1107 romanisiert Bosingas; im Kreis Löwen Büdingen, a. 1080 Budinga usf. Zu dem nordöstlichen -ingas-Gebiet, gehört aus spätfränkischer Zeit a. 963 bezeugtes Haudregingas, im Kanton Virton, Luxemburg, bei der Romanisierung an das -iacum-Sxiiiix. angeschlossen Houdrigny, zu dem PN Hardhring, Fö. I, 755; Petri 292. Auf eine spätfränkische Einwanderung oder spätere Zuwanderang aus dem nordöstlichen, germanisch erhaltenen -ingen-Gebizt weisen eine Reihe von -enge, -awge-Namen im Nordosten des alten Gallien. Vgl. H6denges, Kanton Jodoigne, Brabant, dazu wohl auch Hadine im Hennegau, das in der Form noch die j unggermanische Herkunft zeigt; es liegt im nachfränkischen Einwanderungsgebiet, ist für die Landnahmezeit nicht zu verwerten. Desgleichen die im gleichen Kanton gelegenen G o b e r t a n g e , dt. Gobertingen; L i b e r t a n g e , für das noch 1262 die Form Libertinges bezeugt ist; L i t r a n g e , noch 1668 Linthiringen, 1589 Lieteringe, zu dem seit dem 6. Jhdt. im Galloromanischen wiederholt belegten PN Leudhäri, Fö. I, 1043; N o r d e n g e , 1252 Norderinghen, also ein nachfränkischer -inghem-Name. Deutlich jung sind auch die beiden in Brabant gelegenen Orte O d u r e n g e s und O d e n g e im Kanton Perwez, s. Sdlg. S. 37, letzteres ein alter -inghem-Name wie 5*

68

II, 18 -ingen-Namen im Osten

Nordenge. Im Kanton Wavre, Brabant, verzeichnet Petri 124, 16 junggermanische Namen. Es ist daher auch das dort lokalisierte L o u v r a n g e ebenso eine junge Gründung wie das in der Form nicht angepaßte Doringe. Ebenso sind die -inge, -ange-Namen der Provinz Luxembourg der nachfränkischen Zuwanderung zuzuschreiben. Nach Sdl. 37, 113 f. ist der ganze Osten Luxemburgs frei von altfränkischen Siedlungsnamen, doch dringen hier später deutsche Namen aus dem Osten vor, darunter auch -ingen-Namen, s. oben Houdrigny. 18. Die -ange, -»«ge-Namen finden sich dann innerhalb der französischen Reichsgrenzen in den Kantonen A u d u n - l e R o m a n , L o n g w y und L o n g u y o n im Norden des Όέρ. Meurthe-etMoselle, und weiter im Alemannengebiet des Südostens, das außerhalb des Rahmens dieser Untersuchung liegt. Vgl. im Kanton Audun-le-Roman: Nilvange, 875 Nilvengis, dt. Nilwingen; Kreis Longwy: Godbranche, 1404 Godebranges, deutsche Formen sind nicht belegt; Herserange, 1273 Herselange, 1611 eine deutsche Form Hersingen) Redange, 795 Rodilinga usf. In Lothringen finden sich die -ange-Fοττα&η in den doppelsprachigen Bezirken wie B o l c h e n : Bettange, dt. Bettingen', F a l k e n b e r g : Adelange, 1152 Alingias, aber 1594 wie heute Edlingen. Die Grundform ist Adalingas, daraus im 11. Jahrhundert *Aelange, das in Alingias latinisiert wurde; die Form Adelange ist neuerdings aus der fränkischen Form romanisiert. M e t z : Hagondange, 1218 Angondanges, 1228 Angoldanges = Aligundingas, zu Aligund, 8. Jhdt. Fö. I, 693; Τ alange, Kreis Metz, 960 Tatolinga. Kanton Thionville: Rosslingen, frz. Rosselanges, 775 Rocheringas·, dürfte aus dem Nordwesten stammen wie Jurbiche II, 77; zum PN. Hrokhari, Fö. I, 881, wie Rokharingas im Kanton Metz; 857 Sesmaringas, 848 Sismerengum, deutlicher spätes Sisimaringum, zum PN Sisimar, Fö. I, 1346; dazu die Avricourt-Variante S6m6court. In den Kantonen Pange und Verny, die alt romanisiert wurden, fehlen die -«»ge-Namen1. 19. Während also das altfränkische Siedlungsgebiet von -ingasNamen fast frei ist, zieht vom ϋέρ. Doubs durch das ganze Uber1

Von den ganz jungen -wg-Namen wie Budling im Kanton Metzer-Wiese, deutsch Bidlingen, selbst eine -iacwm-Bildung, wie 633 Budeliacum zeigt — (vgl. 12. Jhdt. Buodelinga, 1693 Budelingen, 1699 Budelin) — kann hier abgesehen werden.

II, i g -ange-Namen an der Südgrenze

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gangsgebiet zwischen Norden und Süden bis in das D6p. Vienne ein Streifen von -ange(s)- Formen, die im Süden, und zwar im Norden des ϋέρ. Jura und im Όέρ. Cher, besonders dicht nebeneinander lagern. Die östlichen -««g^-Namen hat Muret, RLiR, 4, 2i6f. angeführt, und zwar D o u b s : Berthelange und Jallerange, (Kanton Audeux); J u r a : Auxange, Berthoulange, Louvatange, Malange, Rouffange, Vassange, Valirenges, Willelfenges (Kanton Gendrey), Off langes, Vouflange etc., doch führen diese Namen bereits in das Siedlungsgebiet der Burgunden und der Alemannen, sie sind für die Feststellung des Siedlungsbereiches der Franken also von keiner Bedeutung. Abgesehen von den Grenzgegenden und den Gebieten, wo eine nachfränkische Zuwanderung nachweisbar ist, tritt der -zwgas-Typus nicht auf, auch dort nicht, wo deutliche andere Beweise für eine rege fränkische Siedlungstätigkeit erkennbar sind. Man hat versucht (Frings, ZDA Anz.), diese sonderbare Lagerung der -ingas-Namen so zu erklären, daß dieser Typus ursprünglich im ganzen Bereich der Franken bis zur Loirelinie vorhanden gewesen wäre, daß er aber, ohne Spuren zu hinterlassen, im Inneren der Frankensiedlungen durch andere Typen verdrängt worden sei, so daß nur in den Randgebieten sein früheres Bestehen sichtbar wurde. Wie erklärt es sich aber bei dieser Annahme, daß die gotischen und die burgundischen -wgos-Namen, die zu Hunderten in den alten Siedlungsgebieten der Goten und der Burgunden erhalten geblieben sind, von dieser »Ausräumung« nicht betroffen wurden ? Wenn im Bereich der fränkischen Landnahme in Gallien -mgas-Namen nicht vorhanden sind, dann ist dies nur dann verständlich, wenn die in Gallien vordringenden Franken diesen Typus noch nicht besaßen, daß die -enges, -a»ges-Namen also einer späteren Siedlungsgeschichte angehören. Tatsächlich sind Siedlungsforscher und Germanisten von anderer Seite her zu dem gleichen Ergebnis gekommen1. Die -twgas-Namen 1

S. Bach, S. 80: (Die -ingen-Namen) sind jünger als die Siedlungsnamen auf -heim, die der Zeit nach gleich nach der germanischen Landnahme dem deutschen Süden und Südwesten angehören.« Nach Langenbeck S. 100 war das Rheintal einst dicht mit alemannischen -ingen-Namen

besetzt,

die dann zum größten Teil nach der fränkischen Eroberung durch heimFormen mit den Namen der neuen fränkischen Grundherren verdrängt wurden. Aus der Karte 42 Helbok's Grundlagen der Volksgeschichte, Kartenband, geht ferner deutlich hervor, daß linksrheinisch bis in die

70

II, 19 -iacum-Namen zu -ingen-Namen

gehören also ebensowenig zu den ältesten bei den Franken gebrauchten Typen der Ortsbenennung wie -ingaMm oder -ingatün, s. §§ II 25; II, 29. Daraus ergibt sich aber die weitere Frage, wie es zu der im Bereich von Hennegau und Namur zu der Umgestaltung der lat. -iacum-Naiaen zu den -iacas bzw. -awga-Namen gekommen ist, wenn daxin nicht der Einfluß der -ingas-Formen zu sehen ist. Diese Umgestaltung ist eine Etappe in der Geschichte der vordringenden spätfränkischen -mgas-Namen. Die germanische Endung wird zunächst unter dem Einfluß des galloromanischen Lautsystems zu -engas romanisiert. Dieser Zustand ist nur in wenigen Resten in der Nähe der germanisch-romanischen Sprachgrenze nachweisbar. Als zweite Stufe der Entwicklung wird nun zu dem gallisch-lateinischen, ursprünglich adjektivischen -acus, -aca(s) Suffix, das unterdessen die Sonorisierung der intervokalischen Verschlußlaute mitgemacht hat, also im Galloromanischen nun -aga gesprochen wurde, die Kompromißform -anga bzw. -angas gebildet, s. II, 10. Nur wo es zu einem längeren Zusammenleben der beiden Völker gekommen ist, wurde das lat. -iacum unmittelbar durch das germanische -ingen abgelöst. Vgl. dazu D r o g n y im Elsaß, dt. Drechingen, 1132 Drachenen, ist ein älteres *Draconiacum, Risch ZOF 11, 136; Kaspers ebd. 12, 218. L u t tange in Lothringen, 912 Lutiacum, dt. Lüttingen, zu dem PN Lutius, Loutius, Kaspers, S. 104; S i l v a n g e , Kreis Metz, 935 Silviniaco, 1314 Zulvinge, Kaspers ZON 12, 220. A r g a n c y , M.-et-M., Kreis Vigy, alt Argantiacum, wird 857 germanisiert in Argesingas, doch bleibt die galloromanische Form allein erhalten. F o l i g n y ebd. aus Fulliniacum, wie Folligny im Όέρ. Manche, wird dt. Füllingen. Die Heim-Namen 20. Über die Bedeutung des Wortes »heim« s. Kluge-G. s. v.: »Das Subst. ist gemeingermanisch in der Bedeutung 'Heimat eines Stammes' (s. Boiohaemum, Tacitus, Germ. 28...), einer Gemeinde (so in den vor allem f r ä n k i s c h e n ON auf -heim), Gegend von Koblenz auf deutschem Boden -iw^ew-Namen alt fehlen, aus Karte 43, daß in den Gegenden ,wo der -iMgen-Typus fehlt, die -ftei'w-Form reich vertreten ist; s. Karte I I I .

II, 20 -ingen- und haim-Namen

Karte III = -ingen-Namen = -ingen-Namen schwächer = -heim-Namen = -heim-Namen schwächer (nach Helbok, Grundlagen Karte 42, 43)

72

II, 20 haim-Namen, Einleitung

endlich des Einzelnen, dies erst mit dem Erstarken des Privateigentums am fränk. Niederrhein«; dazu ahd. heim, asächs. hem, agls. häm »Heim, Haus, Wohnung, Landgut, Dorf« usf. Mit agls. häm steht in Wechselwirkung agls. hamm »Einhegung«, »Weideland«, auch, wie häm, »Wohnung«, dieses zu dt. »hemmen«, vgl. auch fränkisch hamm, afrz. ham II, 42. Es sind bei den Aeiw-Namen also drei gleichbedeutende Formen zu unterscheiden. 1. P e r s o n e n n a m e -f h a i m , dies die alte fränkische Form; haim wird zu hämu latinisiert, dieses wird nach gallorom. Entwicklung zu -hain, haim, wie lat. fame zu faim. 2. PN + hamm, mit kurzem -a-, das bei der Romanisierung wie lat. -a- vorkonsonantisch erhalten bleibt. Die nordfrz. -hamm Neimen sind auf die Gegenden angelsächsischer Zuwanderung beschränkt; vgl. ζ. B. Barham in Cambridgeshire, alt Beorghäm, (ahd. Bergeheim), Schererz ZOF4,176. Solche mit hamm bzw. häm zusammengesetzte Namen s. im Όέρ. Pas-de-Calais II, 25. Abbatisham, im Kanton Montreuil; dann nur in den ältesten Formen, später ersetzt durch das viel stärker vertretene -hem, s. Gonnehem, Kanton Lillers, 1163 Godneham, zum PN Godin. Dann im D£p. Somme R o g e an, Kanton Moyenneville, 1146 Rogeham, d. i. Rogier + hamm; B i h e n , Kanton Rue, Kreis Abbeville, 1210 Buiham, d. i. Boio + hamm, s. Boiohaemum; R i b e h e m , Kanton Ault, Kreis Abbeville, 1236 Rainebeham, d. i. Raginbert + hamm; W i d e h e m , 877 Widingahamum Kanton fitaples; O b l i n g h e m , 1157, Ablingeham, Kanton Bdthune. Ebenso im flämischen Kreis Dünkirchen Dringham, 830 Dagmaringahem, 857 Dagmaringaham. W i n e h a m , Kanton Picquigny, Kreis Amiens, Somme, Grundform Wininham, wie Weinheim in Baden, im 8. Jhdt. Winenhem, Fö. II, 2, 1359. ham < hämmu lebt regional auch als Sachbezeichnung, s. hameau in II, 42. 3. P N + him. Das altsächsische -e- in hem bleibt im Galloromanischen entweder erhalten, wird dann mit rom. -e- aus lat. betontem langen -a- in freier Stellung gleichgestellt. Dieses ist zunächst in ein o f f e n e s langes -e- übergegangen und als solches in alten Lehnwörtern im Provenzalischen gesichert. Später wurde dieses lange offene -e- des Galloromanischen geschlossen. Die alte offene Aussprache des aus dem Sächsischen übernommenen -