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German Pages 888 [892] Year 1995
Heymann Handelsgesetzbuch
Sammlung Guttentag Heymann
Handelsgesetzbuch (ohne Seerecht)
Kommentar
herausgegeben von
Norbert Horn bearbeitet von
Klaus Peter Berger Volker Emmerich Martin Henssler Harald Herrmann Norbert Horn Harro Otto Jürgen Sonnenschein Rainer Walz Birgit Weitemeyer 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage
Band 1 Erstes Buch Einleitung; §§1-104
w DE
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1995 Walter de Gruyter · Berlin · New York
Die Bearbeiter: Wiss. Assistent Dr. Klaus Peter Berger, LL.M. (Univ. of Virginia), Universität zu Köln Professor Dr. Volker Emmerich, Universität Bayreuth, Richter am O L G Nürnberg Professor Dr. Martin Henssler, Universität zu Köln Professor Dr. Harald Herrmann, Universität Potsdam Professor Dr. Norbert Horn, Universität zu Köln Professor Dr. Dr. h. c. Harro Otto, Universität Bayreuth Professor Dr. Jürgen Sonnenschein, Universität Kiel Professor Dr. Rainer Walz, Universität Hamburg Wiss. Mitarbeiterin Dr. Birgit Weitemeyer, Universität Kiel
Zitiervorschlag: z. B. Heymann / Emmerich, H G B , § 17 Rdn. 8
® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die U S - A N S I - N o r m über Haltbarkeit erfüllt. Die Deutsche
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CIP-Einheitsaufnahme
Handelsgesetzbuch (ohne Seerecht) : Kommentar / Heymann. Hrsg. von Norbert Horn. Bearb. von Klaus Peter Berger Berlin ; New York : de Gruyter (Sammlung Guttentag)
Teilw. verf. von Volker Emmerich ... -. - Nebent.: Handelsgesetzbuch I S B N 3-11-008624-7 N E : Heymann, Ernst [Begr.]; Emmerich, Volker; Horn, Norbert [Hrsg.]; Berger, Klaus Peter [Bearb.]; Handelsgesetzbuch
Bd. 1 = Buch 1. Einleitung; §§ 1-104. - 2., neubearb. und erw. Aufl.-1995 ISBN 3-11-013755-0
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Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin D i e s e s W e r k einschließlich aller seiner T e i l e ist u r h e b e r r e c h t l i c h g e s c h ü t z t . J e d e V e r w e r t u n e a u ß e r h a l b d e r engen G r e n z e n des U r h e b e r r e c h t s g e s e t z e s ist o h n e Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. D a s gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ü b e r s e t z u n g e n , M i k r o v e r f i l m u n g e n und aie E i n s p e i c h e r u n g u n d V e r a r b e i t u n g in e l e k t r o n i s c h e n Systemen. P r i n t e d in G e r m a n y . Satz und D r u c k : S a l a d r u c k G m b H , B e r l i n B i n d e a r b e i t e n : L ü d e r i t z und B a u e r G m b H , B e r l i n
Vorwort zur 2. Auflage
Der neue „Heymann", der als moderner, mittlerer HGB-Kommentar in vier Bänden 1989/90 vorgelegt werden konnte, hat in der Fachwelt eine überaus freundliche Aufnahme gefunden. Die rasche Fortentwicklung des Handelsrechts hat nunmehr eine Neubearbeitung notwendig gemacht. Sie wurde von einem Autorenteam besorgt, das sich verändert, erweitert und verjüngt hat. Die Zielsetzung des Werkes ist es unverändert, der Handelsrechtspraxis und ihrer wissenschaftlichen Begleitung zu dienen. Dementsprechend will auch die Neuauflage nicht nur die neue Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur erfassen, sondern den Stoff durch eine praxisnahe, dogmatisch klare Systematik erschließen und eine möglichst gute Lesbarkeit der Darstellung wahren. Seit dem 3. Oktober 1990 gilt das Handelsgesetzbuch und das gesamte Handelsrecht nach Maßgabe des Einigungsvertrages in ganz Deutschland, das durch die Wiedervereinigung wieder zu einem einheitlichen Rechtsgebiet und Wirtschaftssystem geworden ist. Zuvor war das H G B in alter Fassung in der D D R zwar nicht formell abgeschafft, aber faktisch obsolet geworden. Die Wiedervereinigung wurde zu einer ungewöhnlichen Bewährungsprobe für das Rechtssystem unserer freiheitlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Ferner wurde ein spezielles Transformationsrecht mit den Schwerpunkten im Eigentumsrecht (Vermögensfragengesetz), im Recht der Umwandlung der sozialistischen Wirtschaftseinheiten (Treuhandgesetz) und ihrer Publizität (DM-Bilanzgesetz) sowie in der Investitionsförderung (Investitionsvorranggesetz u. a.) geschaffen. Dieses besondere Transformationsrecht war in den letzten Jahren und ist für die nächste Zukunft in der Praxis der Handels- und Wirtschaftsjuristen im neuen Bundesgebiet von großer Bedeutung. Seine Darstellung geht aber über die Aufgabe eines HGB-Kommentars hinaus. Das vorliegende Werk beschränkt sich daher insoweit auf knappe, weiterführende Hinweise in der Einleitung (III und VI). Im übrigen ist auf die Spezialliteratur zu verweisen. Der Einfluß der Rechtsangleichung innerhalb der Europäischen Union hat seit Erscheinen der Vorauflage im Bereich des Handels- und Wirtschaftsrechts bemerkenswerte Fortschritte gemacht und eine breite Gesetzgebungstätigkeit ausgelöst. Hinzu kamen zahlreiche Reformvorhaben, die nicht direkt mit der Wiedervereinigung oder der E U zusammenhängen. Im Ergebnis ist sowohl beim Handelsgesetzbuch als auch vor allem beim Handelsrecht im weiteren Sinne eine kaum noch übersehbare Fülle von Gesetzesänderungen und -fortentwicklungen zu verzeichnen, und diese Änderungen scheinen sich in einem immer rascheren Tempo zu vollziehen. Die Ubersicht in der folgenden Einleitung (II) zählt allein neun Gesetze zur Änderung des Handelsgesetzbuchs seit 1989 auf; die neue Insolvenzordnung, die im wesentlichen erst 1999 in Kraft treten soll, ist dabei noch nicht einmal mitgezählt, ebensowenig die durch die Wiedervereinigung veranlaßten überleitenden Bestimmungen. Zu verzeichnen sind Änderungen im Recht der Handelsvertreter (1989), das Bankbilanzrichtlinie-Gesetz (1990), die 4. KWG-Novelle (1992), die Durchführung der 11. Gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie (1993), die Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher Verfahren (1993), die Neuordnung des Eisenbahnwe-
Horn
V
Vorwort
sens (1993) und — als die zwei wichtigsten Gesetzeswerke — das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz und das neue Umwandlungsgesetz, beide von 1994. Von den zahlreichen Änderungen in handelsrechtlichen Spezialgebieten sei auf dem Gebiet des Bank- und Börsenrechts das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz von 1994 hervorgehoben, auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts das vorerwähnte Umwandlungsgesetz, im Recht der gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte das neue Markenrechtsreformgesetz von 1994, welche das WZG abgelöst hat. Für alle Bereiche des Handels- und Wirtschaftsrechts wird die neue Insolvenzordnung von 1994, die im wesentlichen erst 1999 in Kraft tritt, von weitreichender Bedeutung sein. Die unverminderte Bedeutung der Rechtsprechung für die Fortentwicklung des Handelsrechts und seiner Spezialgebiete zeigt sich beispielsweise in der Entwicklung, die dem Nachhaftungsbegrenzungsgesetz vorausging, auf dem Gebiet des Eigenkapitalersatzrechts sowie auf dem Gebiet des Anlegerschutzes. Das letztere Beispiel erinnert an die starke Verschränkung von allgemeinem Zivilrecht und Handelsrecht und die daraus entspringende Tatsache, daß viele handelsrechtlich bedeutsame Entwicklungen im Rahmen der Rechtsprechung zum allgemeinen Zivilrecht stattfinden. Das Recht der Kreditsicherheiten ist dafür ein wichtiges Beispiel; man denke nur an Bürgschaften Angehöriger oder das Problem der Ubersicherung von Bankkrediten. Zahlreiche Überschneidungen zeigen sich schließlich mit dem Recht des Konsumentenschutzes, der vor allem im Verbraucherkreditgesetz von 1991 einen neuen gesetzlichen Ausdruck gefunden hat. Herausgeber und Autoren hoffen, daß das Werk auch in der Neubearbeitung seine Aufgabe erfüllen kann, der handels- und wirtschaftsrechtlichen Praxis und Wissenschaft zu dienen.
Januar 1995
VI
Norbert Horn
Vorwort zur 1. Auflage
Das hier vorgelegte Werk knüpft an den bewährten Heymann'schen Kommentar zum Handelsgesetzbuch an, erscheint jedoch in völlig neuer Gestalt. Unverändert ist es der großen Tradition des Werkes nach 21 Auflagen verpflichtet: Dem Praktiker des Handelsrechts ein zuverlässiges, praxisnahes und leicht benutzbares Erläuterungswerk zu bieten. Dieses Ziel wird mit neuen, zeitgemäßen Mitteln angestrebt. Der Text ist vollständig neu geschrieben, sein Umfang erheblich erweitert worden, um die Fülle des neuen Materials, das die fortschreitende Gesetzgebung, Rechtsprechung und wissenschaftliche Diskussion hervorgebracht haben, in hinreichend ausführlicher, leicht lesbarer Form zu erläutern. Der Kommentar hält die Mitte zwischen Kurzkommentar und Großkommentar und soll so eine Lücke in der handelsrechtlichen Literatur schließen. Er ist nun in vier Teilbände — je einen für die ersten vier Bücher des Handelsgesetzbuches — eingeteilt. Dies und die stärkere Gliederung des Textes mit vorangestellten Ubersichten unter Verwendung von Randnummern und Fußnoten sollen die Benutzbarkeit erleichtern. Trotz der Übernahme des Namens des bedeutenden Gelehrten Ernst Heymann stellt dieser Kommentar ein neues Werk dar. Umfang und Art der Kommentierung legen aber eine neue Auflagenzählung nahe. Seit dem Erscheinen der 21. Auflage 1971 hat sich überdies das im Handelsgesetzbuch kodifizierte Handelsrecht in vieler Hinsicht fortentwickelt. Die einschneidendste Gesetzesänderung brachte das Bilanzrichtliniengesetz vom 19.12.1985, in Kraft seit dem 1.1.1986, mit der Einführung des neuen Dritten Buches des H G B über Handelsbücher mit 102 Paragraphen. Zugleich wurden das Recht der Stillen Gesellschaft formell umgestellt, kleinere Änderungen in anderen Teilen des H G B und vor allem wichtige Änderungen in anderen Gesetzen des Handels- und Gesellschaftsrechts vorgenommen. Die neue umfassende Kodifizierung des Rechts der kaufmännischen Rechnungslegung im Dritten Buch des H G B unterstreicht die Bedeutung des H G B als zentrale Kodifikation des Handelsrechts. Von den sonstigen Änderungen sind das Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten und den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters vom 13.5.1976 zu nennen und die GmbH-Novelle vom 4 . 7 . 1 9 8 0 hervorzuheben, die mit den §§19 Abs. 5, 125 a, 129 a Abs. 1 Satz 1, 172 Abs. 6, 172 a, 177 a H G B eine längst fällige Reaktion des Gesetzgebers auf die Entwicklung des Rechts der Personengesellschaften brachte, unter denen die GmbH & Co K G zur vorherrschenden Form geworden ist. Auch die Rechtsprechung der letzten zwei Jahrzehnte hatte eine Fülle neuer Probleme zu bewältigen und zum Teil durch richterliche Rechtsfortbildung zu lösen versucht. Dies gilt etwa für das erwähnte Gebiet der Personengesellschaft einschließlich der Publikumsgesellschaft sowie für das weite Gebiet der Bankgeschäfte und der Geschäfte des sog. grauen Kapitalmarktes, um nur einige Beispiele zu nennen. Als ein für die Praxis bestimmtes Erläuterungswerk soll der Kommentar auch seinen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion leisten, soweit dies in der knappen Form der Problemanalyse und Herausarbeitung der leitenden Regelungsgesichtspunkte unentbehrlich als Hilfe für die Orientierung in der wachsenden Fülle der Judikatur und Breite der
VII
Vorwort
Fachliteratur; erst sie ermöglichen die Einordnung der einzelnen Rechtsfrage in den Meinungsstand. Die umfangreiche Aufgabe der Neubearbeitung hat ein neues Team von Autoren übernommen. Ihm gehören Vertreter der Rechtswissenschaft und Praxis und zugleich Vertreter der wirtschaftsprüfenden Berufe an. In dieser Vielfalt werden die mannigfachen Zielsetzungen der Neubearbeitung des Kommentars sichtbar. Autoren und Verlag hoffen, daß das Werk in seiner neuen Gestalt seinen Dienst für die Praxis und Wissenschaft des Handelsrechts leistet. Mit der Bitte an den Benutzer um Verbesserungsvorschläge verbinden sie den Optimismus, daß das Werk künftig in weniger langen Zeitabständen neu bearbeitet erscheint und die Entwicklung des Handelsrechts begleitet.
Im Oktober 1988
VIII
Die
Verfasser
Inhaltsübersicht Vorwort zur 2. Auflage Vorwort zur 1. Auflage Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
V VII XXIII
EINLEITUNG I. II. III. IV. V. VI.
Begriff und Gegenstand des Handelsrechts Die Rechtsquellen des Handelsrechts Recht des internationalen Handels Verfahrensrecht in Handelssachen Unternehmensrecht Geschichte des Handelsrechts
1 3 16 27 40 50 62
HANDELSGESETZBUCH
Erstes Buch. Handelsstand Erster Abschnitt. Kaufleute §1
Mußkaufmann I. Einleitung II. Gewerbe III. Die einzelnen Grundhandelsgewerbe (§ 1 Abs. 2)
79 81 81 93
§2
Sollkaufmann I. Geschichte und Zweck II. Anwendungsbereich III. Eintragungungsvoraussetzungen IV. Erforderlichkeit eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes . . V. Eintragung
99 100 100 101 101 105
§3
Land-und Forstwirtschaft; Kannkaufmann I. Geschichte II. Hauptbetrieb (§ 3 Abs. 1 und 2) III. Nebenbetrieb (§3 Abs. 3)
106 107 107 110
§4
Minderkaufmann I. Geschichte und Zweck II. Voraussetzungen III. Rechtsfolgen
112 113 114 115
§5
Kaufmann kraft Eintragung I. Zweck II. Voraussetzungen III. Rechtsfolgen IV. Scheinkaufmann
120 121 122 123 125
§6
Handelsgesellschaften; Formkaufmann 1. Überblick 2. Handelsgesellschaften (§6 Abs. 1)
126 126 127
IX
Inhaltsübersicht 3. Formkaufleute (§6 Abs. 2) §7
Kaufmannseigenschaft und öffentliches Recht 1. Zweck 2. Unabhängigkeit der Kaufmannseigenschaft 3. Prüfungspflicht des Registergerichts 4. Privatrechtliche Beschränkungen
128 128 129 129 130 131
Zweiter Abschnitt. Handelsregister Vorbemerkungen I. Aufgaben des Handelsregisters II. Überblick über die gesetzlichen Grundlagen
132 133 134
§8
Führung des Registers I. Zuständigkeit II. Verfahren der Eintragung III. Wirkungen der Eintragung
135 135 137 142
§ 8a
Ermächtigung der Landesregierungen; automatisierte Dateien I. Allgemeines II. Führung des Handelsregisters als automatisierte Datei III. Wirksamwerden einer Eintragung IV. Aufbewahrung von Schriftstücken V. Aufbewahrung von Jahresabschlüssen und Konzernabschlüssen VI. Ausgestaltung durch Rechtsverordnung oder Anordnungen der Landesjustizverwaltung
143 144 145 148 149 150
§9
§9a
Einsicht des Handelsregisters; Abschriften; Bescheinigungen I. Allgemeines II. Einsichtsrecht III. Recht auf Erteilung von Abschriften und Ausdrucken IV. Recht auf Erteilung von Zeugnissen V. Recht auf Erteilung von Bescheinigungen VI. Allgemeine Auskunft durch das Registergericht VII. Rechtsbehelfe und Rechtsmittel Zulässigkeit des automatisierten Verfahrens; Genehmigung; Datenschutz; Gebühren . . . I. Allgemeines II. Zulässigkeit des Abrufs von Handelsregisterdaten III. Genehmigung durch die Landesjustizverwaltung IV. Widerruf der Genehmigung V. Öffentlich-rechtlicher Vertrag oder Verwaltungsvereinbarung VI. Verantwortung und Kontrolle der Zulässigkeit des Abrufs VII. Übermittlung personenbezogener Daten VIII. Überwachung nicht öffentlicher Stellen durch die Aufsichtsbehörde IX. Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz zur Festsetzung von Gebühren . . .
150 151 152 152 154 155 157 157 157 157 159 160 161 163 164 165 165 166 166
§10
Bekanntmachung der Eintragungen I. Allgemeines II. Bekanntmachungspflicht III. Wirkungen der Bekanntmachung IV. Sonstige Mitteilungspflichten
166 167 167 169 169
§ 11
Bezeichnung der Amtsblätter I. Allgemeines II. Auswahl und Bezeichnung der Bekanntmachungsblätter III. Bindung des Gerichts IV. Rechtsmittel
170 170 170 171 171
X
Inhaltsübersicht §12
Anmeldungen; Zeichnung von Unterschriften; Nachweis der Rechtsnachfolge I. Allgemeines II. Anmeldung III. Anmeldung durch Stellvertreter IV. Zeichnung von Unterschriften V. Rechtsnachfolge
172 172 172 174 176 177
§13
Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz im Inland I. Allgemeines II. Begriff der Zweigniederlassung III. Verfahren IV. Sonderfälle
178 179 180 182 184
§13 a
Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Inland I. Allgemeines II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer Aktiengesellschaften III. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer Kommanditgesellschaften auf Aktien IV. Aufhebung von Zweigniederlassungen
185 186
§ 13 b Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Inland . . I. Allgemeines II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung III. Aufhebung von Zweigniederlassungen §13c
186 189 189 189 190 190 192
Bestehende Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz im Inland I. Allgemeines II. Anmeldungen III. Einreichung von Schriftstücken und Zeichnung von Unterschriften
192 193 194 196
§ 13 d Sitz der Hauptniederlassung im Ausland I. Allgemeines II. Inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens III. Verfahren
197 197 198 199
§ 13 e
200 201 201 202 205 206 206 207
§ 13 f
§ 13 g
Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland I. Allgemeines II. Anwendungsbereich III. Verfahren bei Errichtung einer Zweigniederlassung IV. Verfahren bei Errichtung mehrerer Zweigniederlassungen V. Änderungen hinsichtlich der ständigen Vertreter VI. Konkurs-, Vergleichs- oder ähnliche Verfahren VII. Aufhebung von Zweigniederlassungen Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Ausland I. Allgemeines II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften III. Anmeldung von Satzungsänderungen IV. Sonstige Anmeldepflichten V. Aufhebung von Zweigniederlassungen VI. Verfahren bei Errichtung und Aufhebung von Zweigniederlassungen ausländischer Kommanditgesellschaften auf Aktien
207 208
Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland I. Allgemeines II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung
214 214
209 211 212 213 213
215
XI
Inhaltsübersicht III. Anmeldung von Änderungen des Gesellschaftsvertrags IV. Sonstige Anmeldepflichten V. Aufhebung von Zweigniederlassungen
217 218 219
§ 13 h Verlegung des Sitzes einer Hauptniederlassung im Inland 219 I. Allgemeines 219 II. Verlegung der Hauptniederlassung oder des Sitzes in einen anderen Gerichtsbezirk . 220 III. Verlegung der Hauptniederlassung oder des Sitzes innerhalb des Gerichtsbezirks . . . 221 IV. Sonderfälle 221 § 14
Festsetzung von Zwangsgeld I. Allgemeines II. Umfang des Registerzwangs III. Verfahren
222 222 223 224
§15
Publizität des Handelsregisters 225 I. Allgemeines 226 II. Anwendungsbereich 227 III. Nichteintragung und Nichtbekanntmachung einer einzutragenden Tatsache (Abs. 1) 228 IV. Eintragung und Bekanntmachung einer einzutragenden Tatsache (Abs. 2) 232 V. Unrichtige Bekanntmachung einer einzutragenden Tatsache (Abs. 3) 233 VI. Regelung für eingetragene Zweigniederlassungen (Abs. 4) 237
§16
Entscheidung des Prozeßgerichts I. Allgemeines II. Ersetzung der Anmeldung (Abs. 1) III. Unzulässigkeit einer Eintragung (Abs. 2)
238 238 238 241
Dritter Abschnitt. Handelsfirma §17
Begriff I. Überblick II. Firmengrundsätze III. Handelsname IV. Firmenarten V. Rechtsnatur VI. Abgrenzung VII. Entstehung VIII. Firmengebrauch IX. Erlöschen der Firma X. Firmeneinheit XI. Verfahrensfragen
242 243 243 244 244 245 245 245 246 248 249 252
§18
Firma des Einzelkaufmanns I. Zweck II. Firmenkern und Zusätze III. Firma des Einzelkaufmanns (§ 18 Abs. 1 H G B ) IV. Zusätze V. Täuschungsverbot VI. Einzelfälle
255 256 256 257 259 260 263
§19
Firma einer O H G oder K G I. Zweck II. Anwendungsbereich III. Firma der O H G IV. Firma der K G V. Firma der G m b H & C o K G VI. Rechtsformzusatz (§19 Abs. 5) VII. Beteiligung ausländischer Gesellschaften
275 276 276 277 280 281 284 286
XII
Inhaltsübersicht §20
(aufgehoben)
286
§21
Fortführung bei Namensänderung
286
§22
Fortführung bei Erwerb des Handelsgeschäfts
287
I. II. III. IV. V. VI.
288 289 289 294 299 300
Zweck Anwendungsbereich Voraussetzungen Firmenfortführung Pacht Registerfragen
§23
Veräußerungsverbot
301
§ 24
Fortführung bei Änderungen im Gesellschafterbestand I. Anwendungsbereich II. Firmenfortführung III. Einwilligung nach §24 Abs. 2
303 303 305 306
§ 25
Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung I. Überblick II. Geschichte III. Zweck IV. Voraussetzungen V. Mängel des Erwerbs VI. Fortführung des Geschäfts VII. Firmenkontinuität VIII. Haftung des Erwerbers nach §25 Abs. I S . 1 IX. Ubergang der Forderungen X. Abweichende Vereinbarungen § 25 Abs. 2 XI. Besondere Verpflichtungsgründe (§25 Abs. 3)
'
308 310 310 311 312 315 316 317 318 321 324 327
§26
Verjährung gegen den früheren Inhaber; Fristen 1. Geschichte 2. Übergangsregelung 3. Anwendungsbereich 4. Beginn der Ausschlußfrist 5. Entsprechende Anwendbarkeit der Verjährungsvorschriften 6. Rechtsfolgen 7. Gerichtliche Geltendmachung
328 330 330 331 332 333 334 335
§ 27
Haftung des Erben bei Geschäftsfortführung I. Zweck II. Österreich III. Voraussetzungen IV. Rechtsfolgen V. Ausschlußtatbestände
336 337 337 338 340 342
§ 28
Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns I. Entstehungsgeschichte II. Übergangsregelung III. Zweck IV. Anwendungsbereich V. Voraussetzungen VI. Rechtsfolgen VII. Abweichende Vereinbarungen
345 346 347 348 348 350 352 354
§ 29
Anmeldung der Firma
355
XIII
Inhaltsübersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Überblick Zweck Verpflichteter Anmeldung der Firma Anmeldung der Handelsniederlassung Zeichnungspflicht
355 356 356 356 357 358
§30
Unterscheidbarkeit 1. Zweck 2. Räumlicher Anwendungsbereich 3. Betroffene Firma 4. Unterscheidbarkeit der Firmen 5. Beispiele 6. Gleichnamigkeit 7. Zweigniederlassungen 8. Verfahrensfragen
359 359 360 361 362 365 366 366 366
§31
Änderung der Firma; Erlöschen 1. Überblick 2. Änderung der Firma 3. Wechsel des Inhabers 4. Erlöschen der Firma 5. Verfahrensfragen
367 367 367 368 369 370
§32
Konkurs
370
§ 33
Juristische Person 1. Überblick 2. Anwendungsbereich 3. Anmeldepflicht 4. Inhalt der Anmeldung 5. Eintragung 6. Zweigniederlassungen
371 372 372 373 373 374 374
§ 34
Anmeldung und Eintragung von Änderungen
375
§35
Unterschriftszeichnung
376
§36
Unternehmen öffentlicher Körperschaften 1. Zweck 2. Anwendungsbereich 3. Verzicht auf Eintragung 4. Anmeldung 5. Eintragung 6. Rechtsfolgen 7. Löschungsrecht
376 377 377 378 379 379 380 380
§37
Unzulässiger Firmengebrauch I. Zweck II. Anwendungsbereich des § 37 Abs. 1 III. Gebrauch einer Firma IV. Unzulässigkeit des Gebrauchs V. Verfahren VI. Unterlassungsklage (§37 Abs. 2) VII. Schadensersatzansprüche
381 381 382 382 384 386 388 389
Anhang: Materieller Firmenschutz (§ 12 BGB, § 16 UWG)
390
XIV
Inhaltsübersicht I. II. III. IV. V. VI.
Einleitung Schutzobjekt Schutzsubjekt Schutzdauer Schutzumfang Rechtsfolgen
391 391 392 393 393 398
Vierter Abschnitt. Handelsbücher § § 3 8 - 4 7 b (aufgehoben)
Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht Vorbemerkungen I. Allgemeines II. Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs III. Regelung des Handelsgesetzbuchs IV. Innen- und Außenverhältnis
399 400 400 402 403
§ 48
Erteilung der Prokura; Gesamtprokura I. Allgemeines II. Erteilung der Prokura (Abs. 1) III. Gesamtprokura (Abs. 2)
403 404 404 409
§49
Umfang der Prokura I. Allgemeines II. Umfang der Prokura im allgemeinen (Abs. 1) III. Veräußerung und Belastung von Grundstücken (Abs. 2)
412 413 414 417
§50
Beschränkung des Umfanges I. Allgemeines II. Unbeschränkbarkeit (Abs. 1 u. 2) III. Ausnahmen
419 420 420 422
§51
Zeichnung des Prokuristen I. Allgemeines II. Inhalt der Vorschrift III. Bedeutung der Vorschrift
427 427 427 428
§ 52
Widerruflichkeit; Unübertragbarkeit; Tod des Inhabers I. Allgemeines II. Widerruf der Prokura III. Unübertragbarkeit der Prokura IV. Erlöschen der Prokura
429 429 430 433 434
§ 53
Anmeldung der Erteilung und des Erlöschens; Zeichnung des Prokuristen I. Allgemeines II. Anmeldung der Erteilung der Prokura (Abs. 1) III. Zeichnung von Firma und Unterschrift zur Aufbewahrung (Abs. 2) IV. Anmeldung des Erlöschens der Prokura (Abs. 3)
439 439 440 442 444
§54
Handlungsvollmacht I. Allgemeines II. Begriff der Handlungsvollmacht III. Erteilung der Handlungsvollmacht IV. Umfang der Handlungsvollmacht V. Erlöschen der Handlungsvollmacht
444 445 446 446 448 455
§55
Abschlußvertreter I. Allgemeines
456 456
XV
Inhaltsübersicht II. Voraussetzungen III. Umfang der Handlungsvollmacht IV. Vertretung ohne Vertretungsmacht
457 459 462
§ 56
Angestellte in Laden oder Warenlager I. Allgemeines II. Voraussetzungen III. Rechtsfolgen IV. Einschränkungen V. Erlöschen der Vertretungsmacht
462 463 463 467 468 469
§57
Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten I. Allgemeines II. Inhalt der Vorschrift III. Bedeutung der Vorschrift
469 469 470 470
§ 58
Unübertragbarkeit der Handlungsvollmacht I. Allgemeines II. Übertragung der Handlungsvollmacht III. Erteilung einer Untervollmacht
471 471 471 472
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge Vorbemerkungen I. Systematischer Standort II. Ursprüngliche Gestalt des sechsten Abschnitts; Novellen III. Heutiger Regelungsbereich des sechsten Abschnitts IV. Die gesetzliche Regelung des Arbeitsverhältnisses des Handlungsgehilfen
474 474 474 476 477
§59
Handlungsgehilfe I. Grundbegriffe II. Begründung des Handlungsgehilfenverhältnisses III. Die Rechtsgrundlagen der vertraglichen Leistungspflichten IV. Pflichten des Handlungsgehilfen V. Pflichten des Prinzipals
477 478 485 486 487 497
§60
Gesetzliches Wettbewerbsverbot 1. Regelungsinhalt und Normzweck 2. Verbotsumfang 3. Einwilligung des Prinzipals
510 510 511 514
§61
Verletzung des Wettbewerbs Verbots 1. Wahlrecht des Prinzipals 2. Schadensersatz 3. Eintrittsrecht 4. Weitere Sanktionen 5. Verjährung
515 515 516 516 518 518
§62
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers I. Einordnung und Bedeutung II. Pflichten gem. Abs. 1 III. Fürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft (Abs. 2) IV. Sanktionen bei Pflichtverletzung V. Unabdingbarkeit (Abs. 4)
519 520 521 523 523 524
§63 (aufgehoben) §64
XVI
Gehaltszahlung 1. Gegenstand und Anwendungsbereich 2. Fälligkeitszeitpunkt
526 526 526
Inhaltsübersicht 3. Leistungsort 4. Reichweite des S. 2 §65
526 527
Provision 1. Anwendungsbereich der Vorschrift und Umfang der Verweisung 2. Besonderheiten des arbeitsrechtlichen Provisionsanspruchs 3. Provision als Gehaltsbestandteil
527 527 528 530
§§66 — 72 (aufgehoben) §73
§74
Anspruch auf Zeugnis I. Voraussetzungen des Zeugnisanspruchs II. Form und Inhalt III. Geltendmachung des Anspruchs IV. Haftung des Prinzipals
531 531 532 534 536
Vorbemerkungen zu §§ 74 — 75 f I. Entwicklung und Grundgedanke der heutigen Regelung II. Anwendungsbereich III. Uberblick über die gesetzliche Regelung
536 537 538 540
Vertragliches Wettbewerbs verbot; bezahlte Karenz I. Wettbewerbsabrede und Arbeitsvertrag II. Gegenstand III. Form IV. Karenzentschädigung (Abs. 2) V. Ubergang der Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede VI. Durchsetzung und Leistungsstörungen
541 542 543 545 547 548 548
§ 74 a Unverbindliches oder nichtiges Verbot I. Unverbindliche Wettbewerbsabreden II. Nichtige Wettbewerbsabreden III. Sittenwidrige Wettbewerbsabreden
'
551 551 555 557
§74b Zahlung und Berechnung der Entschädigung 1. Berechnung der Entschädigung 2. Fälligkeit 3. Weitere Behandlung des Entschädigungsanspruchs
558 558 559 560
§ 74 c Anrechnung anderweitigen Erwerbs I. Anrechnungspflicht des Handlungsgehilfen II. Befreiung des Prinzipals gem. § 74 c Abs. 1 S. 3 III. Auskunftspflicht des Handlungsgehilfen
560 560 564 564
§ 75
565 566 566 568 569
Unwirksamwerden des Wettbewerbsverbots I. Überblick II. Eigene Kündigung des Arbeitnehmers III. Kündigung des Arbeitgebers IV. Einverständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses
§ 75 a Verzicht des Prinzipals auf Wettbewerbsverbot 1. Ausübung des Verzichts 2. Wirkung des Verzichts 3. Vereinbarungen über das Verzichtsrecht 4. Umgehungsmöglichkeiten
570 570 571 572 572
§ 75 b Ausnahmen von der Entschädigungspflicht 1. Tätigkeit außerhalb Europas (S. 1) 2. Hochbesoldete (S. 2)
573 573 574
§75c
574
Vertragsstrafe
XVII
Inhaltsübersicht 1. 2. 3. 4. 5.
Regelungsinhalt Verwirkung der Vertragsstrafe Wahlrecht des Arbeitgebers (§ 75 c Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 340 BGB) Herabsetzung der Vertragsstrafe (§ 75 c Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 343 BGB) Vertragsstrafe bei Wettbewerbsabreden ohne Karenzentschädigung (§ 75 c Abs. 2) . .
§75d
Abweichende Vereinbarungen 1. Schutz des Handlungsgehilfen vor nachteiligen Abreden 2. Umgehung (S. 2) 3. Abweichende Vereinbarungen durch Tarifverträge
§ 75 e
(aufgehoben)
§ 75 f
Sperrabrede unter Arbeitgebern 1. Schutzzweck 2. Anwendungsbereich 3. Unverbindliche und nichtige Sperrabreden 4. Schadensersatzansprüche gegen Dritte
574 575 575 575 576 576 576 577 577
578 578 578 578 579
§ 75 g Vermittlungsgehilfe 1. Systematische Stellung 2. Anwendungsbereich 3. Umfang der Vertretungsmacht; Einschränkung durch S. 2
579 579 580 580
§75 h Unkenntnis des Mangels der Vertretungsmacht 1. Systematische Stellung 2. Anwendungsbereich und Wirkungsweise
580 581 581
§§76 - 82 (aufgehoben) §82 a Wettbewerbsverbot des Volontärs
581
§83
583
Andere Arbeitnehmer
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter Vorbemerkungen I. Allgemeines II. Geschichtliche Entwicklung III. Systematischer Uberblick IV. Sondervorschriften für Handelsvertreter außerhalb des H G B V. Abgrenzung von anderen selbständigen Hilfspersonen VI. Internationales Recht
584 585 585 587 587 587 589
§ 84
Begriff des Handelsvertreters I. Allgemeines II. Begriff des Handelsvertreters III. Angestellter Vertreter IV. Untervertreter
590 591 592 602 602
§ 85
Vertragsurkunde I. Allgemeines II. Voraussetzungen III. Rechtsfolgen IV. Unabdingbarkeit
603 603 604 605 606
§ 86
Pflichten des Handelsvertreters I. Allgemeines II. Überblick III. Pflichten des Handelsvertreters im allgemeinen IV. Gesetzliche Pflichten des Handelsvertreters
606 607 608 609 610
XVIII
Inhaltsübersicht V. Rechtsfolgen eines Pflichtenverstoßes VI. Abweichende Vereinbarungen §86 a
Pflichten des Unternehmers I. Allgemeines II. Ausstattung mit Unterlagen III. Mitteilungspflichten IV. Sonstige Pflichten V. Grenzen der Pflichten des Unternehmers VI. Rechtsfolgen eines Pflichtenverstoßes VII. Abweichende Vereinbarungen
614 614 615 616 617 618 620 621 621 621
§86b
Delkredereprovision I. Allgemeines II. Einstandspflicht III. Anspruch auf Delkredereprovision
622 622 623 626
§ 87
Provisionspflichtige Geschäfte I. Allgemeines II. Provision III. Vermittlungs- und Abschlußprovision IV. Bezirksprovision V. Inkassoprovision VI. Provisionsanspruch in Zwangsvollstreckung und Konkurs
628 630 631 632 637 639 639
§ 87 a
Fälligkeit der Provision I. Allgemeines II. Erwerb des Provisionsanspruchs III. Verlust oder Nichtentstehung des Provisionsanspruchs IV. Fälligkeit des Provisionsanspruchs V. Abweichende Vereinbarungen
640 641 642 645 648 648
§ 87 b Höhe der Provision I. Allgemeines II. Höhe der Provision III. Grundsätze für die Berechnung der Provision IV. Abweichende Vereinbarungen
649 650 650 651 655
§87c
655 656 657 659 663
Abrechnung über die Provision I. Allgemeines II. Abrechnungszeitraum III. Überprüfbarkeit der Abrechnung IV. Unabdingbarkeit
§ 87 d Ersatz von Aufwendungen I. Allgemeines II. Aufwendungsersatz
663 663 664
§88
Verjährung der Ansprüche I. Allgemeines II. Regelung der Verjährung III. Abweichende Vereinbarungen
666 666 666 668
§ 88 a
Zurückbehaltungsrecht I. Allgemeines II. Zurückbehaltüngsrechte des Handelsvertreters III. Ausschluß eines vorherigen Verzichts IV. Zurückbehaltüngsrechte nach Vertragsbeendigung
669 669 669 670 670
§89
Kündigung des Vertrages
671
XIX
Inhaltsübersicht I. II. III. IV. § 89 a
§89b
Allgemeines Beendigungsgründe Geltungsbereich Ordentliche Kündigung
Fristlose Kündigung I. Allgemeines II. Geltungsbereich III. Außerordentliche fristlose Kündigung IV. Schadensersatzansprüche Ausgleichsanspruch I. Allgemeines II. Geltungsbereich III. Beendigung des Vertragsverhältnisses als allgemeine Voraussetzung IV. Regelung des Ausgleichsanspruchs im einzelnen V. Gesetzlicher Ausschluß des Ausgleichsanspruchs VI. Besondere gesetzliche Anforderungen VII. Besonderheiten für Versicherungs- und Bausparkassenvertreter
672 673 674 675 682 682 683 683 691 693 697 699 702 704 718 724 726
§ 90
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse I. Allgemeines II. Voraussetzungen III. Rechtsfolgen
729 729 730 731
§90 a
Wettbewerbsabrede I. Allgemeines II. Geltungsbereich III. Vereinbarung einer Wettbewerbsbeschränkung IV. Verzicht und Aufhebung V. Kündigung VI. Unabdingbarkeit
731 733 734 735 739 740 742
§91
Vollmachten des Handelsvertreters I. Allgemeines II. Vertretungsmacht des Abschlußvertreters eines nichtkaufmännischen Unternehmers III. Vertretungsmacht des Vermittlungsvertreters
743 744 744 745
§91 a
Mangel der Vertretungsmacht I. Allgemeines II. Geltungsbereich III. Vertragsabschluß durch einen Vermittlungsvertreter IV. Vertragsabschluß durch einen Abschlußvertreter
746 746 747 747 749
§ 92
Versicherungs- und Bausparkassenvertreter I. Allgemeines II. Geltungsbereich III. Sonderregelung für nicht tätigkeitsbedingte Provisionen IV. Sonderregelung für die Entstehung unbedingter Provisionen V. Bausparkassenvertreter
750 750 751 752 753 755
§92 a
Mindestarbeitsbedingungen I. Allgemeines II. Bedeutung III. Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen
756 756 757 758
§ 92 b Handelsvertreter im Nebenberuf I. Allgemeines II. Geltungsbereich
XX
760 760 761
Inhaltsübersicht
§ 92 c
III. Regelung im einzelnen
762
Handelsvertreter außerhalb der E G ; Schiffahrtsvertreter I. Allgemeines II. Handelsvertretertätigkeit außerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder des Europäischen Wirtschaftsraums III. Schiffahrtsvertreter
765 765 766 768
Achter Abschnitt. Handelsmakler Vorbemerkungen I. Regelungsüberblick, Maklerfunktionen und Reform II. Handelsmakler und ähnliche Verträge III. Allgemeine Grundsätze des Maklervertragsrechts IV. Internationales Privatrecht
769 769 771 774 784
§93
Begriff I. Handelsmakler II. Maklerpflichten III. Maklerlohn IV. Nebenpflichten des Auftraggebers und Aufwendungsersatz
784 785 787 790 793
§94
Schlußnote I. Wirkung der Schlußnote auf Vertragsschluß II. Inhalt, Zustellung und Beweiskraft III. Widerspruch und Anzeige i. S. d. Abs. 3
794 794 795 796
§95
Vorbehaltene Aufgabe I. Regelungszwecke und Anwendungsbereich II. Aufgabe des Vertragsgegners III. Personelle Einwendungen IV. Erfolgshaftung des Maklers
797 797 798 799 800
§96
Aufbewahrung von Proben
801
§97
Keine Inkassovollmacht
802
§98
Haftung gegenüber beiden Parteien I. Haftung gegenüber beiden Seiten II. Abdingbarkeit III. Kapitalmarktrechtliche Besonderheiten
802 802 803 803
§ 99
Lohnanspruch gegen beide Parteien I. Schuldner des Provisionsanspruches II. Höhe und Verjährung
803 803 804
§100
Tagebuch I. Eintragung und Unterzeichnung II. Vollständigkeit und Haftung
804 805 805
§101
Auszüge aus dem Tagebuch I. Tagebuchauszug II. Tagebucheinsicht
806 806 806
§102
Vorlegung im Rechtsstreit
806
§ 103
Ordnungswidrigkeiten
807
§104
Krämermakler
807
Stichwortverzeichnis
809
XXI
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur Abkürzungen sind nur enthalten, soweit sie ungebräuchlich oder im Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache von Hildebert Kirchner, 4. Aufl., Berlin 1994, nicht enthalten sind. AAA abl. ADHGB ADWO AndVO a. F. AfA AG AGBG aHGB AktG AKV ALB ALR a. o. APB APD ApotG ArbZO arg. AStG AuslInvG
BAB BayRBl. BdF Bericht Rechtsausschuß BetrAVG BFuP BinnSchG BiRiLiG Bolze BP BPG BundesbahnG
American Arbitration Association ablehnend Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Allgemeine Deutsche Wechselordnung Änderungsverordnung alte Fassung Absetzung für Abnutzung, Abschreibung Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen (Jahr und Seite) Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen HGB, alte Fassung Aktiengesetz Ausschuß für wirtschaftliche Verwaltung in Wirtschaft und öffentlicher Hand e.V. Allgemeine Lagerbedingungen des deutschen Möbeltransports, abgedruckt bei Staub/Koller Anh. IV zu § 424 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten außerordentlich Accounting Principles Board (Arbeitsgerichtsgesetz) Archives de Philosophie du Droit Gesetz über das Apothekenwesen Arbeitszeitordnung argumentum Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft (Auslandsinvestitionsgesetz) Betriebsabrechnungsbogen Bayerisches Raiffeisenblatt Bundesminister der Finanzen Bericht des Rechtsausschusses zum RegEntw 1977, BT-Drucks. 8/3908 v. 18.4.1980 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt (Binnenschiff ahrtsgesetz) Bilanzrichtliniengesetz Die Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen Betriebsprüfung Buchprüfungsgesellschaft Bundesbahngesetz
XXIII
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur BWM BYIL
Bundesminister für Wirtschaft British Yearbook of International Law
Capelle/Canaris
Capelle/Canaris, Handelsrecht (ohne Gesellschafts- und Seehandelsrecht), 20. Aufl., München 1985 Commerce Clearing House culpa in contrahendo Internationales Ubereinkommen über den Eisenbahn-Frachtverkehr Internationales Übereinkommen über den Eisenbahn-, Personen- und Gepäckverkehr Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr Computer Output on Microfilm Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr
CCH c. i. c. CIM CIV CMR COM COTIV DATEV DBW Denkschrift DJ DR DStR DStZ
E ECE EFG Ehrenberg, Handbuch
EK EK 01 EK 02 E K 03 E K 04 EK 36 E K 56 EKAG EKG EntwLStG ERA Erl. EStDV
XXIV
Datenverarbeitungsorganisation des steuerberatenden Berufes in der Bundesrepublik Deutschland Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs und eines Einführungsgesetzes (RT Vorl.); abgedr. bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Bd.II/2, S. 947 ff. Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik, Amtliches Blatt der Deutschen Rechtspflege (Jahr und Seite) Deutsches Recht Deutsches Steuerrecht (Jahr und Seite) Deutsche Steuerzeitung
Entwurf European Commission for Europe (of the United Nations) (Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen) Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Handbuch des gesamten Handelsrechts mit Einschluß des Wechsel-, Scheck-, See- und Binnenschiffahrtsrechts, des Versicherungsrechts sowie des Post- und Telegraphenrechts, hrsg. von Ehrenberg, Leipzig 1913 ff Eigenkapital unbelastetes, aus ausländischen Einkünften entstandenes Eigenkapital gem. §30 Abs. 2 Nr. 1 KStG unbelastetes, aus steuerlichen Vermögensmehrungen entstandenes Eigenkapital gem. §30 Abs. 2 Nr. 2 KStG Vor dem 1.1.1977 entstandene Altrücklagen gem. §30 Abs. 2 Nr. 3 KStG Einlagen der Anteilseigner gem. § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG ermäßigtes, mit 36 % besteuertes verwendbares Eigenkapital gem. § 30 Abs. 1 Nr. 2 KStG vollbelastetes verwendbares Eigenkapital gem. §30 Abs. 1 Nr. 1 KStG Einheitliches Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Förderung von privaten Kapitalanlagen in Entwicklungsländern (Entwicklungsländer-Steuergesetz) Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive Erläuterungen Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur EStR EuGVUbk
EvBl. EVO EWG-V EWiR FAMA FASB FG IdW FIDIC Fifo FM FN FR FS GA GATT GbR GEFIU Gen. GewStDV GIW GmbHR oder GmbH-Rdsch. GoA GoB Großkomm/Bearbeiter Gr.S. Gruch(ot) GRUR GüKG GuV
HaustürWG HFA HFR HGB Hifo HoldheimsMS
Einkommensteuer-Richtlinien Europäisches Ubereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (Osterreich) Eisenbahn-Verordnung Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Jahr und Seite) Fachausschuß für moderne Abrechnungssysteme Financial Accounting Standards Board of the Financial Accounting Foundation (USA) Fachgutachten des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils (Internationale Vereinigung Beratender Ingenieure) First in — first out Finanzminister, Finanzministerium Fachnachrichten des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Finanzrundschau (Zeitschrift) Festschrift Goltdammer's Archiv für Strafrecht (Zeitschrift) General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesellschaft für Finanzwirtschaft in der Unternehmensführung e. V. Genossenschaft(en) Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gesetz über internationale Wirtschaftsverträge GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Geschäftsführung ohne Auftrag Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Handelsgesetzbuch, Großkommentar, begr. von Staub, 3. Auflage von Brüggemann, Canaris, Fischer, Helm, Koller, Ratz, Schilling, Ulmer, Würdinger/Röhricht, Berlin 1967 ff; 4. Auflage s. Staub/Bearbeiter Großer Senat Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot (Band und Seite) Zeitschrift der deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Güterkraftverkehrsgesetz Gewinn- und Verlustrechnung
Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften Hauptfachausschuß des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch Highest in — first out Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen. Begr. v. Justizrat Holdheim
XXV
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur HRR HRV HS Hs. HVR HWR HWRev./Hwb.Rev. Hwb. unbest.R
Höchtricherliche Rechtsprechung (Jahr und Nr.) Handelsregisterverfügung Handelsrechtliche Entscheidungen, hrsg. von Stanzl/Friedel/Steiner (Osterreich) Halbsatz Handelsvertreterrecht Handwörterbuch des Rechnungswesens, 2. Aufl. (Kosiol/Chmielewicz/Schweitzer, Hrsg.) Handwörterbuch der Revision (Coenenberg/v. Wysocki, Hrsg.) Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB (Leffson/Rückle/Grossfeld, Hrsg.)
IdW-NA i. e. i.E. IFAC Inc. Incoterms Inf IntHK InvZulG IPrax i.S. d. IWF
Rechnungslegungsgrundsatz des International Accounting Standards Committee International Accounting Standards Committee International and Comparative Law Quarterly Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., Fachausschuß für moderne Abrechnungssysteme Institut der Wirtschaftsprüfer — Sonderausschuß Neues Aktienrecht im einzelnen im Ergebnis International Federation of Accountants Incorporated International Commercial Terms Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Internationale Handelskammer Investitionszulagengesetz Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Jahr und Seite) im Sinne des (der) Internationaler Währungsfonds
JBusL Jh
Journal of Business Law Jahrhundert
KAGG KapErhG
Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer (Kapitalerhöhungs-Steuergesetz) Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts (Abteilung A) (Band und Seite) Konzern in — first out Konzern in — last out kritisch Körperschaftssteuergesetz Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Jahr und Seite) Kübler, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Heidelberg 1994 Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz) Law and Policy in International Business Last in — first out
IAS IASC I.C.L.Q. IdW IdW FAMA
KapErhStG
KGJ Kifo Kilo krit. KStG KTS Kübler KVO KWG Law and Policy Int. Bus. Lifo
XXVI
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur LM LZ MaBV mbH MinBlfWi Mio MitbestErgG
MontanMitbestG
MüKo/Bearbeiter MuW NA Nachw. NB NdsRpfl n. F. NJW-RR No. NWB
Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, hrsg. von Lindenmaier und Möhring Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (Jahr und Seite) Makler- und Bauträgerverordnung i. d. F. v. 11.6.1975, BGBl. I, S. 1351 mit beschränkter Haftung Ministerialblatt des Bundesministers für Wirtschaft Millionen Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Mitbestimmungsergänzungsgesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-Mitbestimmungsgesetz) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Markenschutz und Wettbewerb (Zeitschrift) Sonderausschuß Neues Aktienrecht des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. Nachweis(e) Neue Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Niedersächsische Rechtspflege (Zeitschrift) neue Fassung NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht number Neue Wirtschaftsbriefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht (Jahr und Seite)
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht
o. ä. OECD
oder ähnliche(s) Organization for Economic Cooperation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Oberster Gerichtshof (Österreich) Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts (Band und Seite) Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Verordnung über Orderlagerscheine Schweizerisches Obligationenrecht Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft (Band, Jahr und Seite) ohne Verfasser Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch publication Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz)
OGH OLGE OLGR/OLG Rspr. OLSchVO OR ORDO o. V. Palandt/Bearbeiter Pub. PublG, PublizitätsG
RabattG RechtsVO RegE Rez. RIW RJA
_ Gesetz über Preisnachlässe (Rabattgesetz) Rechtsverordnung Regierungsentwurf Rezension Recht des internationalen Wirtschaftsverkehrs (Jahr und Seite) Entscheidungen in Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, Zusammengest, im Reichsjustizamt
XXVII
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur RKT RMB1. ROHG ROHGE RVR SAB I Schlegelberger/Bearbeiter
Reichskraftwagentarif Reichsministerialblatt Reichs-Oberhandelsgericht Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts (Band und Seite) Rundschau für Vertreterrecht Sonderausschuß Bilanzrichtlinien-Gesetz des IdW Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, Kommentar von Geßler, Hefermehl, Hildebrandt, Schröder, 5. Aufl. München 1973 ff K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., Köln 1991
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch, Bd.I 1986, Bd.II/1 1987, Bd.II/2 1988 SeuffA Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (Band und Nr.) Sp-Police Speditionspolice SSAP Statements of Standards Accounting Practice Staub/Bearbeiter Handelsgesetzbuch, Staub-Großkommentar, 4. Auflage, Hrsg. Canaris, Schilling, Ulmer, Einzellieferungen, 1983 ff StBp Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) StEK Steuerklasse in Karteiform (loseblattsammlung) stG stille Gesellschaft StuW Steuer und Wirtschaft (Jahr und Seite) SVS/RVS Speditions- und Rollfuhrversicherungsschein SZ Entscheidungen des O G H in Zivilsachen (Osterreich) TDM Tz.
Tausend Mark Textziffer
u. ä. u. E. UEC
und ähnliche(s) unseres Erachtens Union Européenne des Exports Comestables Economiques et Financiers unsere Meinung Umwandlungsgesetz United Nations Commission on International Trade Law (Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht)
u. M. UmwG UNCITRAL
Verb. VG Vorb. VP VStG VStR WDStRL VW
Verbindung Vermögensgegenstand Vorbemerkung Versicherungspraxis Vermögenssteuergesetz Vermögenssteuer-Richtlinien Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Versicherungswirtschaft
Westermann, Handbuch
Westermann, Klingberg, Sigloch, Crezelius, Grunsky, Brand, Handbuch der Personengesellschaften, 4. Aufl. Köln 1994 Wohnungswirtschaftlicher Fachausschuß des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd.I, Grundlagen, München 1980 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitlgiedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, München 1965 Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer und Strafrecht Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift)
WFA Wiedemann I Wiedemann, Übertragung wistra WISU
XXVIII
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur WPg WT WuB WZG
Die Wirtschaftsprüfung (Jahr und Seite) Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift) Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Warenzeichengesetz
ZfB ZfbF ZGB ZGR ZHR
Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zivilgesetzbuch (in Verbindung mit dem jeweils erlassenden Staat) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Jahr und Seite) Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Gesetz zur Förderung des Zonenrandgebiets (Zonenrandförderungsgesetz) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht; bis 1982: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (Jahr und Seite) zustimmend zutreffend zweifelhaft Zeitschrift für Zivilprozeß (Band und Seite)
ZKW ZonRFG ZIP zust. zutr. zwh. ZZP
XXIX
EINLEITUNG
Schrifttum zum HGB (a) Kommentare: Bandasch 4. Aufl. 1989; Baumbach/Duden/Hopt 28. Aufl. 1989; Bohnenberg 1980; Glanegger/Niedner/Renkl/Ruß HGB-Kommentar, 2. Aufl. 1990; Großkommentar zum HGB (Staub), 3. Aufl. 1967 ff; 4. Aufl. Stawi-Großkommentar, hrsg. von Canaris/Schilling/Ulmer Lieferungen ab 1982; Schlegelberger 5. Aufl. 1973 ff. (b) Lehrbücher: Brox Handelsrecht und Wertpapierrecht, 11. Aufl. 1994; Capelle/Canaris Handelsrecht, 21. Aufl. 1989; v. Gierke/Sandrock Handels- und Wirtschaftsrecht, Bd.I, 9. Aufl. 1975; Hofmann Handelsrecht, 8. Aufl. 1993; Hopt/Mössle Handelsrecht, 1986; U. Hübner Handelsrecht, 3. Aufl. 1992; Klunzinger Grundzüge des Handelsrechts, 7. Aufl. 1993; Raisch/Baums-Stammberger Handelsrecht, 1980; G.H. Roth Handels- u. Gesellschaftsrecht, 4.Aufl. 1994; K.Schmidt Handelsrecht, 4. Aufl. 1994; dort S. 36 weitere Nachweise zur Lernliteratur (Fallsammlungen usw.). (c) Einzeldarstellungen und sonstige Literatur: Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971; ders. Bankvertragsrecht, 2. Bearbeitung, in: Großkommentar zum HGB (Staub) Bd. III/3, 3. Aufl. 1981; ders. Bankvertragsrecht, Erster Teil, in: Ste«i>-Großkommentar, 4. Aufl. 10. Lieferung 1988; Raisch Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965; Straatmann/Ulmer Handelsrechtliche Schiedsgerichts-Praxis, Bd.I, 1975, Bd. II, 1982; weitere Lit. i. F. bei den Unterabschnitten sowie in der Einleitung vor §343. (d) Ältere Literatur: Düringer/Hachenburg Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 1930ff; Ehrenberg Handbuch des gesamten Handelsrechts, 1913 ff; Levin Goldschmidt Universalgeschichte des Handelsrechts, 3. Aufl. 1891; Müller-Erzbach Lehrbuch des Handelsrechts, 2./3.Aufl. 1928; Wieland Handelsrecht I, 1921 ; J. v. Gierke Handels- und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl. 1958. (e) Materialien: Hahn/Mugdan Materialien zum Handelsgesetzbuche für das Deutsche Reich und dem Einführungsgesetze 1897; Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch, Bd. 1 1986, Bd. II/l 1987, Bd. II/2 1988. Zum ADHGB: J. v. Lutz (Hrsg.), Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, 1858 — 1867. (f) Schrifttum zur Einleitung (insbesondere Abschnitt I) Baumann Strukturfragen des Handelsrechts, AcP 184 (1984), 45—66; Böhm Privatrechtsgesellschaft und Marktwirtschaft, Ordo 17 (1966), 75 — 151; Lehmann Bürgerliches Recht und Handelsrecht. Eine juristische und ökonomische Analyse, 1983; Staub/Brüggemann Einleitung; Ehrenberg in: Ehrenberg's Handbuch I, § 1 ; Baumbach/Duden/Hopt Einleitung; Hopt Das Handelsrecht im Spiegel eines Großkommentars, ZHR 149 (1985), 447—469; Raisch Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965; Recknagel Die Trennung von Zivilrecht und Handelsrecht, 1985; K.Schmidt Das HGB und die Gegenwartsaufgaben des Handelsrechts, 1983; ders. Handelsrecht, 4. Aufl., §§1 — 7; Schwark Die Abgrenzung von Schuldrecht und Handelsrecht als legislatorisches Problem, in: Kindermann (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, 1982, S. 11 ff; Zöllner Wovon handelt das Handelsrecht?, ZGR 1983, 8 2 - 9 1 . S. auch die Nachweise vor den Abschnitten III, IV 3, V und VI und passim.
Horn
1
Einleitung I Übersicht Rdn.
Rdn. I. Begriff und Gegenstand des Handelsrechts 1. Sonderrecht des kaufmännischen Privatrechtsverkehrs a) Handelsrecht als Teil des Privatrechts b) Sonderprivatrecht; H G B und BGB c) Zwingende Privatrechtsnormen im H G B d) Öffentliches Recht im H G B e) Berechtigung eines besonderen Handelsrechts 2. Der Kaufmann als Zentralbegriff des Handelsrechts a) Das subjektive System des H G B . b) Materieller und formeller Kaufmannsbegriff c) Kritik am Kaufmannsbegriff . . . . d) Der Kaufmann und sein Unternehmen e) Die Anwendung des H G B auf Nichtkaufleute f) Staatliche Betätigung im Handelsrechtsverkehr g) Insbesondere: Bundesbank, Bahn, Post 3. Regelungsgegenstände und -ziele des HGB a) Statusrecht des kaufmännischen Unternehmers b) Organisationsrecht des kaufmännischen Unternehmensträgers c) Verkehrsrecht des Kaufmanns (Handelsgeschäfte) d) Allgemeine Regelungsziele des HGB 4. Handelsrecht außerhalb des H G B und Nachbargebiete a) Materieller Begriff des Handelsrechts b) Kaufmännische Nebengesetze . . . c) Handelsrecht und Gesellschaftsrecht d) Verbraucherschutz, Kundenschutz und Handelsrecht e) Privates Wettbewerbs recht f) Wirtschaftsrecht und Handelsrecht g) Internationalität des Handelsrechts II. Die Rechtsquellen des Handelsrechts 1. Klassifikation der Rechtsquellen . . . a) Bundes- und Landesgesetze . . . . b) Verordnungen c) Handelsgewohnheitsrecht d) Handelsbrauch 2. Die Bedeutung der A G B im Handelsverkehr
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1 2 3 5 6 8 10 10 11 15 17 20 21 22 23 23
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3. Industrie-und Handelskammern . . . 4. Einzelne Rechtsquellen a) H G B und E G H G B b) Handelsregisterverfügung c) Industrie-und. Haiidflskammern d) Wertpapierrecht e) Bank- und Börsenrecht f) Handelsgesellschaften und Genossenschaften g) Versicherungsrecht h) Transportrecht i) Wettbewerbsrecht j) Gewerbliche Schutzrechte und Urheberrecht k) Verbraucher- und Kundenschutzrecht 1) Internationales Kaufrecht m) Insolvenzrecht 5. Das Handelsrecht im neuen Bundesgebiet a) Rechtseinheit b) Auswirkungen des veränderten Geltungsbereichs des H G B c) Alte Wirtschaftsverträge d) Privatisierung III. Recht des internationalen Handels 1. Internationaler Handel und internationale Rechtsordnung a) Internationale Rechtsordnung . . . b) Das Internationale Privatrecht . . c) Wirtschaftskollisionsrecht d) Staaten als Vertragspartner 2. Rechtsquellen des internationalen Einheits rechts a) Internationale Abkommen b) Rechtsangleichung im deutschen Handelsrecht c) Internationales Handelsgewohnheitsrecht d) lex mercatoria e) Internationaler Handelsbrauch . . f) Internationale Formverträge und Standardklauseln 3. Handels- und Wirtschaftsrecht innerhalb der Europäischen Union . . a) Rechtsangleichung innerhalb der Europäischen Union b) Schwerpunkte der Rechtsangleichung 4. Ausländische Handelsrechte IV. Verfahrensrecht in Handelssachen 1. Streitige Gerichtsbarkeit a) Allgemeines; Kammer für Handelssachen b) Gerichtsstand 2. Internationale Zuständigkeit und Vollstreckung a) Internationale Zuständigkeit . . . . b) Vollstreckung 3. Schiedsgerichtsbarkeit in Handelssachen
6 8 8 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 20a 21 21 24 25 28
1 1 3 7 8 10 10 11 12 15 16 17 19 19 20 21 1 1 4 5 5 8 9
Einleitung I Rdn. a) b) c) d) e) f)
Bedeutung und Funktion Arten Schiedsvertrag Internationaler Schiedsvertrag . . . Verfahren Vollstreckung im In- und Ausland g) Schlichtung h) Schiedsgutachtenvertrag i) Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts V.
Unternehmensrecht 1. D a s Unternehmen als Gegenstand und Rechtsbegriff a) Außerrechtlicher Begriff b) Regelungstatbestand c) Rechtsbegriff 2. Unternehmensverfassungsrecht . . . . a) Grundrechte und Unternehmensorganisationsrecht b) Rechtspolitischer Begriff
Rdn.
9 10 14 17 18
VI. Geschichte des Handelsrechts 1. Antikes römisches Recht: Verkehrsrecht und Fremdenrecht a) Rechtsgeschäfte des Handels . . . . b) lus gentium 2. Mittelalter: Handelsstadt und Handelsrecht (bis 1500) a) D i e Entwicklung des Handels . . . b) Q u e l l e n des Handelsrechts c) Handelsrechtswissenschaft d) Einzelne Institute des Handelsrechts e) Gesellschaftsrecht 3. Handelsrecht im Handelsstaat der frühen Neuzeit (ca. 1 5 0 0 - 1 8 0 0 ) . . . a) Die wirtschaftliche Entwicklung . b) D e r Handelsstaat der frühen Neuzeit c) Handelsgesetzgebung d) Handels rechts Wissenschaft e) Gesellschafts recht 4. Bürgerlicher Rechtsstaat und Industrialisierung (ca. 1800 — 1914) . a) Wirtschaftliche Entwicklung . . . . b) Bürgerlicher Rechtsstaat und Liberalismus c) Handelsgesetzgebung d) Internationale A b k o m m e n e) Handelsrechtswissenschaft f) Gesellschaftsrecht 5. Handelsrecht und Wirtschafts recht im 20. Jahrhundert a) Die veränderten historischen Bedingungen des Handelsrechts . aa) Überblick bb) Staatssozialismus cc) Europäische U n i o n b) D a s Handelsrecht und seine Nachbargebiete aa) Handelsrecht bb) Arbeitsrecht cc) Wirtschaftsrecht dd) Steuerrecht
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1 1 2 3 4 4 8
3. D a s Unternehmen als Vermögensgegenstand
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a) Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz b) Privates Vermögensrecht
9 13
c) Unternehmenskauf und verwandte Schuldverträge d) Unternehmens wert
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4. Privatrechtlicher Schutz des Unternehmens
24
a) Schutz von N a m e , Firma und Geschäftsbezeichnung
24
b) Gewerbliche Schutzrechte
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c) Deliktischer Unternehmensschutz 5. Unternehmen und Wettbewerbsrecht a) Unternehmen und Markt b) Wettbewerbsrecht 6. Multinationale Unternehmen
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1 1 2 3 3 5 6 8 10 11 11 12 13 15 16 17 17 20 22 28 29 31 34 34 34 35 36 37 37 38 39 40
L Begriff und Gegenstand des Handelsrechts 1. S o n d e r r e c h t des k a u f m ä n n i s c h e n Privat rechts Verkehrs Handelsrecht wird gemeinhin als das Sonderprivatrecht der Kaufleute definiert. ^ Diese Definition ist anschaulich, aber ungenau, weil das H G B in großem U m f a n g öffentliches Recht enthält. Handelsrecht ist daher allgemein das S o n d e r r e c h t des K a u f m a n n s . D a aber auch das öffentliche Recht des H G B unmittelbar dem Privatrechtsverkehr des K a u f m a n n s dient, kann man es in diesem Sinn auch als Sonderrecht des kaufmännischen Privatrechtsverkehrs bezeichnen. D a s H G B ist die Kodifikation dieses Sonderrechts. E s findet Anwendung auf den Kaufmann, den es in § § 1 — 6 definiert, und seine Handelsgeschäfte i.S. § § 3 4 3 - 3 4 5 . 1
v. Gierke!Sandrock §1 I I , 2; Staub/Brüggemann Einl. Rdn.6; K.Schmidt Handels-
recht, 4. Aufl., §1 I I ; Ehrenberg Handbuch I §1.
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Einleitung I
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a) Handelsrecht als Teil des Privatrechts. Das Handelsrecht regelt seinem überwiegenden Inhalt nach Rechtsbeziehungen zwischen gleichgeordneten Privatrechtssubjekten, nämlich von Kaufleuten untereinander (zu diesen Rdn. 10 ff) und gem. §345 zwischen Kaufleuten und anderen Personen. Das Handelsrecht ist insofern Teil des Privatrechts. 2 Als Teil des Privatrechts ist das Handelsrecht zu unterscheiden vom öffentlichen Recht (s. aber d), das die Tätigkeit des Staates und anderer öffentlich-rechtlicher Subjekte sowie deren nicht gleichgeordnetes Verhältnis zum Bürger regelt. Der Gesetzgeber hat die Normen des HGB ausdrücklich vom öffentlichen Wirtschaftsrecht, durch das der Staat hoheitlich handelnd oder regelnd in wirtschaftliche Vorgänge eingreift (Rdn. 35), abgegrenzt, indem er etwa in § 7 anordnet, daß das Kaufmannsrecht des HGB unabhängig vom öffentlichen Recht der Gewerbeerlaubnis anzuwenden ist. 3 b) Sonderprivatrecht; HGB und BGB. Da das Privatrecht des HGB in seinem Anwendungsbereich auf Kaufleute (Rdn. 10 ff) und Handelsgeschäfte (Rdn. 27) beschränkt ist, ist es Sonderprivatrecht. Das allgemeine Privatrecht bleibt aber auf Kaufleute und ihre Handelsgeschäfte grundsätzlich weiter anwendbar. Daraus erklärt sich der fragmentarische Charakter vieler Regelungen des HGB. Die handelsrechtlichen Normen treten teils gem. Art. 2 Abs. 1 EGHGB verdrängend an die Stelle der Normen des allgemeinen Privatrechts, insbesondere des BGB, teils ergänzend zu diesen hinzu. Oft sind Zweck und Funktion handelsrechtlicher Normen nur im Zusammenhang mit der jeweils abgeänderten oder ergänzten Regelung des allgemeinen Privatrechts zu verstehen; vgl. zu dieser gesetzgeberischen Konzeption schon Goldschmidt ZHR 5 [1862], 211. 4
Im einzelnen kann man mit Staub/Brüggemann (Einl. Rdn. 9) drei Arten sonderprivatrechtlicher Normen im HGB unterscheiden: (1) Normen im Zusammenhang mit besonderen handelsrechtlichen Institutionen, die im allgemeinen Privatrecht nicht vorkommen, wie z. B. § 15 über die privatrechtlichen Wirkungen des Handelsregisters; (2) Normen, die als lex specialis ζ. T. allgemeinprivatrechtliche Normen verdrängen, ζ. T. aber durch diese notwendig ergänzt werden, wie § 350 über die Formfreiheit der Handelsbürgschaft (auf die im übrigen die §§765 — 778 BGB Anwendung finden), oder die Vorschriften über den Handelskauf (§§373—382), die nur im Kontext der fortgeltenden Vorschriften der §§ 433 ff BGB zu verstehen sind; (3) bestimmte handelsrechtliche Geschäftstypen als kaufmännische Ausprägungen allgemeinprivatrechtlicher Institutionen: ζ. B. die Prokura (§§48 ff) als Sonderform der Vollmacht (§§164 ff BGB), das Kommissions- und das Frachtgeschäft als Sonderformen der Geschäftsbesorgung (§675 BGB). Die allgemeinen Privatrechtsnormen des BGB sind hier ergänzend anzuwenden.
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c) Zwingende Privatrechtsnormen im HGB. Zahlreiche Privatrechtsnormen des HGB sind zwingend. Beispiele sind: § 15 über die privatrechtlichen Wirkungen des Handelsregisters, §23 über die Firmenveräußerung, §§25, 27 über die Haftung bei Firmenfortführung (mit begrenzter Abdingbarkeit gem. §25 Abs. 2), §§49, 50 Abs. 1 über den Umfang der Prokura, §§ 74, 74 a über die Entschädigung beim Wettbewerbsverbot und dessen Grenzen, § 89 b über die Unwirksamkeit des Vorausverzichts auf den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, § 126 über den Umfang der Vertretungsmacht der geschäftsführenden Gesellschafter der OHG, § 128 über die persönliche Haftung der Gesellschafter der OHG, §170 über den Ausschluß des Kommanditisten von der organschaftlichen Vertretung der KG, §392 Abs. 2 über die Zuständigkeit der Forderungen aus dem Ausführungsgeschäft und §400 Abs. 2—5 über die Rechtsfolgen des Selbstein tri tts des Kommissionärs. 2
Staub/Brüggemann
Einl. Rdn. 2, 6, 9;
K.Schmidt § 1 II.
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Einleitung I
d) Öffentliches Recht im H G B . Das H G B enthält in großem Umfang auch öffentli- 6 ches Recht, nämlich einmal öffentliches Organisationsrecht in den §§8 ff, 37 Abs. 1 über die Führung des Handelsregisters durch die Gerichte, vor allem aber eine Reihe öffentlichrechtlicher Pflichten des K a u f m a n n s . Diese beziehen sich auf die Bildung und Führung der richtigen Firma gem. §§ 17 ff, ferner auf die handelsrechtliche Registerpublizität, indem der Kaufmann (oder Soll-Kaufmann; vgl. § 2 S.2) verpflichtet ist, bestimmte, für den Handelsrechtsverkehr wichtige Tatsachen zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§§14, 29, 31, 3 3 - 3 6 , 53, 1 0 6 - 1 0 8 , 143, 157, 162, 175). Öffentliches Recht enthält weiterhin das gesamte Dritte Buch über die Führung der Handelsbücher (§§238 ff) und ihre Aufbewahrung (§ 257), also die kaufmännische Rechnungslegung, einschließlich der für Kapitalgesellschaften und Konzerne bestehenden besonderen Rechnungslegungsvorschriften (§§264 ff, 290 ff). Hervorzuheben ist die besondere Rechnungslegungspublizität der Kapitalgesellschaften gem. §§325 ff. Der öffentlich-rechtliche Charakter des ganzen Normbereichs tritt besonders hervor in den Straf- und Bußgeldvorschriften der §§331 ff für Kapitalgesellschaften; für alle Kaufleute gelten die strafrechtlichen Sanktionen der §§ 283, 283 b StGB sowie die steuerrechtlichen Sanktionen der A O . Öffentlich-rechtlich sind ferner die Normen des Maklerrechts über das Tagebuch des Maklers (§§100—103), die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften für die O H G in §§124, 129 Abs. 4, die Vorschriften über Geschäftsbriefe für die kapitalistische Personengesellschaft in §§ 125 a, 177 a sowie die Normen über die Pflicht zur Konkursanmeldung bei O H G und K G in den §§130a, 130b, 177a. Weitere öffentlich-rechtliche Normen finden sich im Seerecht (z.B. §§482, 488, 498 S . l , 513). Eine Reihe der letztgenannten Normen läßt sich als öffentlich-rechtliche „Einspreng- 7 sei" (Staub/Brüggemann Einl. Rdn.2) oder „nicht charakteristisch" (K.Schmidt §111) innerhalb der privatrechtlichen Normen des H G B einstufen. Bei den Vorschriften über Firma und Handelsregister und dem umfangreichen Normenbestand des Dritten Buches über kaufmännische Rechnungslegung handelt es sich um mehr. Diese Normen bilden zusammengenommen ein öffentlich-rechtliches Kernstück des Handelsrechts, das im übrigen unstreitig Privatrecht ist. Diese öffentlich-rechtlichen Normen dienen der Offenlegung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kaufmanns und damit der Klarheit und Sicherheit des Handelsrechtsverkehrs sowie einer gewissen externen Kontrolle der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kaufmännischen Unternehmens. Das öffentliche Recht im H G B schafft damit rechtliche Rahmenbedingungen für den privatrechtlich gestalteten Handelsverkehr, die der Gesetzgeber als unentbehrlich im modernen Wirtschaftsverkehr ansieht. Das öffentliche Recht des H G B steht insofern im Dienst des Privatrechtsverkehrs. Die enge Verbindung mit dem Privatrecht zeigt sich auch in Einzelpunkten, so beim Firmenrecht darin, daß der Kaufmann zugleich ein privates subjektives Recht an der Firma hat (s. bei §§ 17 ff und §37), beim Registerrecht in dessen privatrechtlichen Wirkungen gem. §§5, 15. Sie besteht auch beim Rechnungslegungsrecht. Einmal beziehen sich dessen Normen auf die „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" ( G O B ) (§ 238 Abs. 1 S. 1 und passim), deren Einzelheiten von der Praxis des Handelsverkehrs mitgestaltet und fortentwickelt werden. Zweitens folgen aus den öffentlich-rechtlichen Rechnungslegungspflichten zugleich privatrechtliche Pflichten, so im Gesellschaftsrecht, wo die geschäftsführenden Organe zur Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung und ordnungsgemäßen Rechnungslegung im Rahmen ihrer Geschäftsführungspflichten verpflichtet sind, aber auch im allgemeinen Vertragsrecht immer dann, wenn Rechnungslegung (z. B. Vorlage der Bilanz) Voraussetzung oder Inhalt von Verträgen (z. B. Kreditverträgen) wird und eine Verletzung dieser Pflichten eine vorvertragliche oder vertragliche Haftung auslöst. e) Berechtigung eines besonderen Handelsrechts. Die Berechtigung eines Sonder- 8 rechts für einen bestimmten Bereich des Privatrechtsverkehrs hängt davon ab, ob man
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Einleitung I
anerkennt, daß im Interesse der Leichtigkeit und Sicherheit des Rechtsverkehrs im Wirtschaftsleben (s. Rdn. 28) bestimmte Privatrechtssubjekte (Kaufleute oder Unternehmer o. ä.; vgl. auch 2) besonderen (privat- und öffentlich-rechtlichen) Pflichten unterworfen und ob bestimmte Rechtsgeschäfte („Handelsgeschäfte") gegenüber dem allgemeinen Privatrecht erleichtert oder rechtstechnisch verfeinert werden sollen. Der Gesetzgeber hat diese Frage mit Recht bejaht (s. auch 2 und 3). 9
Radikale Alternative wäre die Abschaffung eines besonderen Handelsrechts und sein Aufgehen im allgemeinen Zivilrecht. Diesen Weg hat Italien 1942 bei der Reform seines Zivilgesetzbuches beschritten. Andere Länder wie die Schweiz und die skandinavischen Staaten haben nie ein H G B eingeführt. Ein besonderes H G B kennen Osterreich ( A D H G B , dann Übernahme des deutschen H G B 1938), die Türkei (unter deutschem Einfluß), Frankreich, dessen C o d e de commerce von 1807 großen Einfluß auf die europäische Rechtsentwicklung nahm (s. VI Rdn. 22), Spanien, Portugal und die meisten lateinamerikanischen Staaten sowie die U S A . Der Uniform Commercial C o d e der U S A gilt für den Handel zwischen den Einzelstaaten und ist nicht auf Kaufleute beschränkt (objektives System; vgl. Rdn. 10). Seine große Bedeutung ist sowohl in seiner Qualität wie in der Uberwindung der einzelstaatlichen Aufspaltung des Privatrechts der U S A begründet.
2. Der K a u f m a n n als Zentralbegriff des Handelsrechts 10
a) D a s subjektive System des H G B . D a das H G B für den Kaufmann (§§ 1—6) und seine Handelsgeschäfte (§§343—345) gelten will, ist der Kaufmannsbegriff sein Zentralbegriff. Er bestimmt primär den Anwendungsbereich des H G B . Dieses folgt damit dem subjektiven System, indem es die Geltung seiner Normen an die Personengruppe der Kaufleute anknüpft (mit Ausnahme des Fünften Buches über den Seehandel). Die Alternative ist ein objektives System, das bestimmte Geschäfte allgemein dem Handelsrecht unterstellt; so der französische C o d e de commerce von 1807 (Art. 1, 633: „acte de commerce"). Mit dem subjektiven System folgt der historische Gesetzgeber des H G B z . T . traditionellen Vorstellungen eines besonderen „Handelsstandes" (vgl. den Titel des Ersten Buches). Als Ausdruck einer ständischen Gesellschaftsordnung ist dies historisch überholt. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß das subjektive System des H G B überholt ist. Dies hängt vielmehr von der Leistungsfähigkeit und ggf. Verbesserungsfähigkeit des modernen Kaufmannsbegriffs ab. b) Materieller u n d formeller K a u f m a n n s b e g r i f f . Das H G B arbeitet mit einem materiellen und einem formellen Kaufmannsbegriff; beide Begriffe stehen gleichberechtigt nebeneinander. Kapitalgesellschaften sind gem. § 6 Abs. 2 Kaufmann schon wegen ihrer Rechtsform, ohne daß es auf den Inhalt ihrer Tätigkeit ankommt; insbesondere ist unerheblich, ob sie ein Wirtschaftsunternehmen betreiben. Die Kaufmannseigenschaft folgt vielmehr jeweils schon aus dem Gesetz (vgl. § 3 A k t G , §13 Abs. 3 G m b H G ; §17 Abs. 2 GenG). Dieser Gesetzgebung liegt aber die Erkenntnis zugrunde, daß es sich hier durchweg um Träger von Wirtschaftsunternehmen handelt (s. auch Rdn. 17 ff). Die große praktische Bedeutung des formellen Kaufmannsbegriffs ergibt sich aus der großen Zahl (insbesondere der G m b H s ) und wirtschaftlichen Rolle der Kapitalgesellschaften. Die §§1—4 arbeiten mit einem materiellen, inhaltlich bestimmten Kaufmannsbegriff, wobei das Gesetz von der Modellvorstellung des Einzelkaufmanns ausgeht, also der einzelnen natürlichen Person. Der Kaufmann wird gekennzeichnet durch seine k a u f m ä n nische Gewerbetätigkeit. Diese wird in § 2 generell und abstrakt als „kaufmännischer Gewerbebetrieb" bezeichnet, in § 1 durch eine Liste von Einzeltatbeständen kaufmänni-
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Horn
Einleitung I
scher Tätigkeiten. Der materielle Kaufmannsbegriff gilt auch für die Personenhandelsgesellschaften O H G und KG gem. §§6 Abs. 1,105 Abs. 1, 161 Abs.l. Für Kapitalgesellschaften ist er dagegen aus den o. a. Gründen bedeutungslos. Das Gesetz gibt keine Definition des kaufmännischen Gewerbebetriebes. Gewerbe ist 1 3 die selbständige, planmäßige und berufsmäßige, auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit, Gewerbebetrieb demnach der auf nachhaltige Erzielung von Einnahmen gerichtete Geschäftsbetrieb3 (s. auch bei §1). Der Begriff des Gewerbebetriebs entspricht sachlich dem des Unternehmens (dazu Rdn. 18 und V Rdn. 1 ff). Das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht wird verbreitet bezweifelt.4 Der Grund liegt darin, daß öffentliche Versorgungsunternehmen, bestimmte Konzernunternehmen (ζ. B. Holding) und karitative oder sonst ideelle Ziele verfolgende Unternehmen dieses Kriterium oft nicht oder nur schwer erfüllen. Das Problem entfällt aber ζ. T. schon dadurch, daß diese Unternehmen Formkaufmann gem. § 6 Abs. 2 sind (vgl. Rdn. 11, 22 und bei § 6), was auch für den Begriff des Gewerbebetriebs i. S. der Verjährungsvorschriften maßgeblich ist (zutr. BGHZ 66, 48, 50 f). Zweifellos genügt für öffentliche Unternehmen schon, wenn sie neben der Verfolgung gemeinwirtschaftlicher oder sonst öffentlicher Aufgaben auch betriebswirtschaftliche Grundsätze beachten (BGHZ 95, 155; Bundesbahn; Rdn. 22). Als Kriterium anstelle der Gewinnerzielungsabsicht wird das Anbieten wirtschaftlicher Leistungen am Markt gegen Entgelt vorgeschlagen (Κ. Schmidt s. o. Fn. 4; Canaris s. o. Fn. 4). Da die Entgeltlichkeit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist (K. Schmidt), ist der Unterschied zur Gewinnerzielungsabsicht und damit der rechtstechnische Fortschritt gering (s. auch zum Unternehmensbegriff Rdn. 17—19 und V). Das Gesetz hebt aus dem Kreis der Gewerbetätigkeiten einen engeren Bereich heraus, 1 4 der allein als „kaufmännisch" oder „handelsgewerblich" aufgefaßt und dem HGB unterstellt wird. Die beiden letzteren Begriffe werden (nur) durch die Liste der Einzeltatbestände des § 1 Abs. 2 in ihrer historisch-empirischen Gestalt des Gesetzgebungszeitpunktes (1861 und 1900) konkretisiert und veranschaulicht. Schon der historische Gesetzgeber beschränkte den Kaufmannsbegriff aber keineswegs auf den Bereich des Handels i. S. einer Branche, die den Ankauf und Verkauf von Waren betreibt (§1 Abs. 2 Nr. 1), sondern bezog zahlreiche weitere gewerbliche Wirtschaftstätigkeiten ein, die mit Umsatzgeschäften (Waren oder Dienstleistungen) verbunden sind. Gemeinsam ist diesen Bereichen, daß der Gesetzgeber hier ein Bedürfnis besonderer Regelung im Interesse des Wirtschaftsverkehrs (durch Vereinfachung, Klarheit, Vertrauensschutz oder rechtstechnische Verfeinerung) annahm. Insgesamt knüpfte der Gesetzgeber an traditionelle, historisch gewachsene Vorstellungen an. Daher sind aus dem Gewerbebegriff etwa die freien Berufe, aus dem Kaufmannsbegriff Landwirtschaft, sonstige Urproduktion und Handwerk ausgegrenzt. c) Kritik am Kaufmannsbegriff. Die Kritik am derzeit geltenden gesetzlichen Kaufmannsbegriff und damit am Konzept des HGB ist verbreitet (vgl. nur Raisch; Staub/ Brüggemann Einl. Rdn. 48 ff; K. Schmidt § 3 und passim). Die Kritik findet drei Ansatzpunkte: Erstens ist der Kaufmannsbegriff wegen des formellen und materiellen Ansatzes uneinheitlich. Er ist aber dadurch zugleich flexibel; die Nachteile sind gering. Zweitens ist der materielle Kaufmannsbegriff in §§ 1—4 unbefriedigend gefaßt; darüber besteht Einigkeit (Staub/Brüggemann aaO). Die historisch bedingte Lückenhaftigkeit des §1 Abs. 2 (nicht erfaßt sind u. a.: Handwerk, Landwirtschaft, sonstige Urproduktion, Bauwirtschaft, 3 4
B G H Z 49, 258, 260; 63, 32 f; 83, 382, 386 f. v.Gierke/Sandrock § 6 115; K.Schmidt §9 I V 2 d ; Baumbach/Duden/Hopt §1 Anm.l
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B; Capelle/ Canaris § 2 1 2 b; H opt ZGR 1987, 145, 147ff, 172ff.
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Einleitung I
Luftverkehr, Immobilienmakler, Reisebüro, Auskunftei u. a. m.) ist unbefriedigend. Die Schwierigkeiten für die Praxis sind aber ebenfalls gering schon wegen des Auffangtatbestandes des §2 und der Möglichkeit, Formkaufmann gem. §6 Abs. 2 zu werden (wichtig ζ. B. für Bauwirtschaft und Luftverkehr). Landwirte können teilweise diese Möglichkeit ebenfalls nutzen, vor allem aber den Weg ins Handelsrecht gem. § 3 wählen. Bei § 2 ist ζ. T. problematisch, daß die Pflichten als Kaufmann hier erst mit der Eintragung beginnen. Mit Recht begründet § 262 die Rechnungslegungspflicht schon vor der Eintragung. Im übrigen können manche Probleme durch die Grundsätze über den nicht eingetragenen Scheinkaufmann (analog §5; s. dort) gelöst werden. 16
Drittens wird kritisiert, daß innerhalb der Gewerbetätigkeit ein besonderer Bereich des Kaufmännischen herausgehoben wird oder daß überhaupt der traditionelle Begriff der Gewerbetätigkeit zu eng sei. Im ersteren Sinn hat der DIHT 1987 eine Neufassung des Kaufmannsbegriffs durch Gleichsetzung mit dem Begriff des Gewerbetreibenden vorgeschlagen (zust. wohl K.Schmidt §2 II 3d). Damit wäre §2 zum Regeltatbestand erhoben, zugleich aber das in ihm liegende Kriterium des spezifisch Kaufmännischen aufgegeben, damit auch Handwerk und Landwirtschaft5 unterschiedslos in den Kaufmannsbegriff einbezogen. Ein Bedürfnis dafür ist schwer zu erkennen. Der Zugang zum Kaufmannsstatus über § 2 und § 6 Abs. 2 erscheint als ausreichend; für die Landwirtschaft gilt der Weg über §3. Will man weitergehend den Gewerbebegriff durch einen weit verstandenen Unternehmensbegriff ersetzen (insbesondere K. Schmidt §§ 3 ff), so werden auch alle freien Berufe ins HGB einbezogen. Auch hier ist das Bedürfnis zweifelhaft. Die meisten freien Berufe können als Formkaufleute den Weg ins HGB finden (ζ. B. Wirtschaftsprüfergesellschaften), sofern nicht (abnehmende) standesrechtliche Hemmnisse entgegenstehen (keine Rechtsanwalts-GmbH; befürwortend dagegen Henssler JZ 1992, 697 u. NJW 1993, 2137. Vgl. auch zur Zulässigkeit der Zahnarzt-GmbH BGH NJW 1994, 786 = AnwBl 1994, 140). Uberzeugender erscheint eine Modernisierung des § 1 und ggf. eine vorsichtige Fortentwicklung des § 2, wobei aus den o. a. Gründen ein praktisches Bedürfnis nur begrenzt besteht (zum Unternehmensbegriff i. F. d).
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d) Der Kaufmann und sein Unternehmen. Schon das HGB definiert den Kaufmann mit Hilfe seines „Gewerbebetriebs" (§ 1 Abs. 2) oder kaufmännischen „Geschäftsbetriebs" (§2 Abs. 1) und weist damit auf das Unternehmen des Kaufmanns hin, d. h. die organisatorische Einheit zur Erzeugung und zum Umsatz von Wirtschaftsgütern (allg. zum Unternehmensbegriff auch unten V I ) . Die Entwicklung der Industriewirtschaft hat den kaufmännischen Unternehmer als Einzelperson vielfach in den Hintergrund treten lassen gegenüber dem Unternehmen als Organisation und seinen sachlichen Substraten (Unternehmensvermögen).6 Seit langem wird daher die Forderung erhoben, das Unternehmen zum Zentralbegriff eines modernen Handelsrechts zu machen.7 Die Debatte zum Mitbestimmungsgesetz 1976 hat die Diskussion angefacht, z.T. aber in andere Richtung (auf Unternehmensverfassungsrecht) gelenkt (vgl. unten V2).
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Beides ist Gewerbebetrieb; BGHZ 33, 321; Staub/Brüggemann §3, 2; allg. unten §3. Zum historischen Aspekt Hom/Kocka Recht und Entstehung der Großunternehmen, 1979, und unten VI Rdn. 18, 31 f; zum sozialwissenschaftlichen Aspekt Tb. Raiser Das Unternehmen als Organisation, 1969. So schon Wieland (1921); de lege lata P.Raisch (1965); dagegen zutr. Kritik bei
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Staub/Brüggemann Einl. Rdn. 5. Vgl. auch Raisch Untemehmensrecht, 2 Bde., 1973/74. Für das Unternehmen als Zentralbegriff des Handelsrechts dagegen K. Schmidt Das HGB und die Gegenwartsaufgaben des Handelsrechts, 1983; ders. JuS 1985, 249; ders. Handelsrecht, §3 und §4.
Einleitung I
Für das geltende Recht ist der Kaufmannsbegriff als zentraler Begriff anzuerkennen. Dies ist wohl unstreitig. 8 Aber auch dogmatisch ist der Kaufmannsbegriff unentbehrlich (Staub/Brüggemann Einl. Rdn. 1), und rechtspolitisch sind die Argumente für seine Beseitigung nicht überzeugend (zutr. Zöllner Z G R 1983, 82 ff, 85). Denn anders als das Unternehmen ist der Kaufmann ein personaler Begriff und das ist sein Vorzug. Der Kaufmann ist Rechtssubjekt und zwar entweder als natürliche Person (Einzelkaufmann gem. § § 1 — 4 ) , als gesamthänderische Personenmehrheit ( O H G , K G gem. § 6 Abs. 1 i . V . m . § § 1 — 4 ) oder als juristische Person ( z . B . A G , G m b H ; vgl. § 6 Abs.2). Dieses Rechtssubjekt ist der unverzichtbare zentrale Bezugspunkt des H G B : es ist Normadressat der öffentlich- und privatrechtlichen Pflichten des Kaufmanns gem. H G B als Rechtsträger des Unternehmens (Unternehmensträger), d. h. Inhaber des im Unternehmen zusammengefaßten Vermögens und Subjekt seiner Innen- und Außenbeziehungen, in letzterer Hinsicht vor allem als Vertragspartner im Rechtsverkehr ( H o r n Das Unternehmen . . . [vgl. Schrifttum zu V] S. 122). Zutreffend wird daher auch von der Konzeption her, die das Unternehmen in den Mittelpunkt des Handelsrechts rücken will, heute die zentrale Bedeutung des Unternehmensträgers betont ( K . S c h m i d t § 4 I V 2 ) . Es bleibt der unterschiedliche Ausgangspunkt. Wer vom Unternehmen ausgeht, will von hier aus Postulate für die Rechtsträgerschaft des Unternehmens entwickeln (s. K. Schmidt §§ 4 und 5). Das ist problematisch (Zöllner Z G R 1983, 82 ff). Richtigerweise muß man vom Rechtssubjekt, also dem kaufmännischen Unternehmer, ausgehen und dann sein Unternehmen ins Auge fassen. Handelsrecht ist das Sonderrecht des Kaufmanns, freilich hinsichtlich des von ihm betriebenen Unternehmens. 9 In diesem Sinn enthält das H G B in der Tat bereits den Unternehmensbegriff im Begriff des „Gewerbebetriebs". 1 0
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Es bleibt das weitere Problem, daß der Unternehmensbegriff wegen seiner Unschärfe rechtstechnisch wenig geeignet ist und wegen seiner sachlichen Weite rechtspolitisch nicht leitend sein kann (vgl. auch v. Gierke/Sandrock § 1 3 1 1 2 ) . Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Handelsrechts durch Beseitigung traditioneller Ausgrenzungen aus dem Gewerbebegriff (insbesondere freie Berufe) und die Aufgabe der Beschränkung auf das „kaufmännische" Gewerbe ist über den Begriff des Unternehmens kaum zu leisten und bedarf sorgfältiger rechtspolitischer Prüfung im einzelnen.
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e) Die Anwendung des H G B auf Nichtkaufleute. Als Kaufleute behandelt werden Nichtkaufleute, die entweder aufgrund ihrer unrichtigen Eintragung im Handelsregister oder durch die Art ihres Auftretens im Rechtsverkehr den Schein der Kaufmannseigenschaft erwecken (Näheres s. § 5). Auf Privatpersonen, die Partner eines Handelsgeschäfts (also regelmäßig eines einzelnen Vertrags) mit einem Kaufmann werden, findet gem. § 345 grundsätzlich das H G B Anwendung (s. dort). Dies ist nicht unbedenklich, weil Privatpersonen durch einzelne Normen des H G B überfordert sein können. 1 1 Schließlich können auf Personen, die ähnlich einem Kaufmann am Rechtsverkehr teilnehmen, einzelne Grundsätze des Handelsrechts analog angewendet werden. Dies ist ζ. B. für die Grundsätze über das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben anerkannt (s. § 346, Rdn. 60).
20
f) Staatliche Betätigung im Handelsrechtsverkehr. Der Staat (Fiskus) und andere Personen des öffentlichen Rechts können am allgemeinen Privatrechtsverkehr teilnehmen (vgl. z . B . für die Deutsche Bundesbahn nach altem Recht B G H Z 2, 37, 41; 6, 304, 3 0 9 f ;
^
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Staub/Brüggemann Einl. Rdn. 5 —7, 11; Capelle/Canaris §1 I U I ; Roth §3.5; auch K. Schmidt § 91; a. A. wohl P. Raiscb. Zutr. Baumann
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11
Soweit zutr. auch K.Schmidt
Raisch JuS 1967, 533, 535;
§4 12b.
Staub/Brügge-
mann Einl. Rdn. 49; unten §345.
AcP 184 (1984) 45 ff, 47.
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9
Einleitung I
95, 155, 161) und damit auch am besonderen Handelsrechtsverkehr mit der Folge, daß das H G B auf sie anwendbar ist. Juristische Personen des öffentlichen Rechts haben ungeachtet der Verfolgung öffentlicher Zwecke einen Gewerbebetrieb (i.S.v. §196 BGB), wenn sie nach den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung am allgemeinen Wirtschaftsverkehr teilnehmen (BGHZ 95, 157ff für die Deutsche Bundesbahn nach altem Recht, aber auch für andere, vergleichbare staatliche Betätigungen im Wirtschaftsverkehr aaO). Nehmen diese juristischen Personen des öffentlichen Rechts am kaufmännischen Privatrechtsverkehr teil, so erwerben sie die Kaufmannseigenschaft. Sie sind gem. §§33—35 ins Handelsregister einzutragen. Betreibt eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft ein Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Eigenbetrieb), so besteht allerdings weder für die Körperschaft noch für das Unternehmen eine Eintragungspflicht ins Handelsregister (§ 36). Die landesrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften für diese Eigenbetriebe haben gem. §263 Vorrang vor den Vorschriften des H G B über Handelsbücher. 22
g) Insbesondere: Bundesbank, Bahn, Post. Die Deutsche Bundesbank ist Kaufmann gem. §1 Abs. 2 Nr. 4; nur den Vorschriften über das Handelsregister ist sie gem. §29 BBankG nicht unterworfen. Die staatlichen Einfuhr- und Vorratsstellen (ζ. B. für Getreide und Futtermittel; vgl. GetreideG i . d . F . v. 24.11.1951; BGBl. I 901) sind nicht Kaufmann (BGHZ 36, 372, 276). Die Deutsche Bahn AG wurde zur Privatisierung der Bundesbahn aufgrund des EisenbahnneuordnungsG vom 27.12.1993 (BGBl. I 2378) gegründet; sie ist Kaufmann schon wegen ihrer Rechtsform (§ 3 AktG). Der inländische Personen- und Güterverkehr der Eisenbahnen unterliegt dem H G B . Er ist im übrigen im Allgemeinen EisenbahnG (AEG v. 27.12.1993, BGBl. I 2396) und in der EisenbahnverkehrsO (EVO ν. 8.9.1938, RGBl. II 663, zuletzt geänd. am 27.12.1993, BGBl. I 2423) geregelt. Gem. §12 Abs. 2 AEG sind (genehmigungsbedürftige) Tarife aufzustellen. Auch die frühere Deutsche Bundesbahn wurde trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform als Kaufmann angesehen12, und ihre Personen- und Güterbeförderungsgeschäfte sowie ihre Beschaffungsgeschäfte hatten nach h. M. privatrechtlichen Charakter.1·5 Die Deutsche Bundespost (DBP) als fortbestehendes Sondervermögen des Bundes wurde in drei unabhängige öffentliche Unternehmen mit den Bezeichnungen DBP Postdienst, DBP Postbank und DBP Telekom aufgegliedert (§ 1 Abs. 2 PostverfassungsG; allg. Grämlich B B 1990, 1493 ff). Diese Unternehmen wurden Kaufmann (i.S. §§2, 33, 36). Sie wurden dann aufgrund PostneuordnungsG (v. 14.9.1994, BGBl. I 2325) in AGs umgewandelt. Die Geschäfte der Post mit ihren Postkunden und Lieferanten sind heute ebenfalls privatrechtlicher Natur und unterliegen auch dem Handelsrecht. Sie wurden bis 1989 nicht als Handelsgeschäfte angesehen (RGZ 101, 282). Den typisch postalischen Aufgaben wurde hoheitlicher Charakter zugesprochen 14 ; mit den Benutzern der Post bestand ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis. Das Poststrukturgesetz vom 8.6.1989 (BGBl. I 1026 ff, 1048) hat dieses Benutzerverhältnis auf eine neue, privatrechtliche Grundlage gestellt. Das im Rahmen des PoststrukturG neu gefaßte PostwesenG ordnet für Postdienste an, daß die Rechtsbeziehungen mit den Benutzern der Einrichtung des Postwesens privatrechtlicher Natur sind (§7 S. 1 für Postdienste und Postbank; eine Ausnahme bilden die in §16 PostG genannten Postauftragsdienste); gleiches gilt gem. § 9
12
10
Staub/Brüggemann §1, 14; Baumbach/ Duden/Hopt § 1 , 7; v. Gierke/Sandrock §6 117; so wohl auch B G H Z 95, 155, 160; a.A. Schlegelberger/Hefermehl §343, 4 und die früher h. M.
13
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B G H Z 2, 37, 41; 6, 304, 309; 20, 102, 105; 95, 155, 161. B G H Z 16, 111; B G H NJW 1964, 41; OVG Lüneburg ZIP 1987, 162.
Einleitung I
Abs. 1 FernmeldeanlagenG für die Dienste der Telekom. Die Umstellung der bisher öffentlich-rechtlichen Beziehungen zu den Benutzern (nunmehr Postkunden) erfolgte mit dem Außerkrafttreten der öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnungen spätestens am 1.7.1991. 3. Regelungsgegenstände und -ziele des HGB a) Statusrecht des kaufmännischen Unternehmers. Das H G B weist den Kaufleuten 2 3 als einer besonderen Gruppe von Privatrechtssubjekten in den Normen über die Handelsregistereintragung, die Firma und die Rechnungslegung umfangreiche Pflichten öffentlich-rechtlicher Natur (Rdn. 6, 7) zu. Sie dienen der Klarheit und Sicherheit des Rechtsverkehrs, indem sie die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kaufmanns offenlegen (Firma, Handelsregister, ζ. T. veröffentlichte Rechnungslegung der Kapitalgesellschaften). Die Rechnungslegung fördert zugleich auch die interne Kontrolle und Selbstkontrolle kaufmännischer Tätigkeit. Obwohl die genannten Normen z.T. nach Rechtsformen differenzieren und in der Rechnungslegung auch auf die wirtschaftliche Größe des Unternehmens Rücksicht nehmen (§§264 ff, 267), verwirklichen sie ein generelles, im Grundsatz von Rechtsform und wirtschaftlicher Größe des Unternehmens unabhängiges Regelungsanliegen. Ebenso sind die Normen unabhängig von den einzelnen privatrechtlichen Geschäften, die der Kaufmann tätigt, obwohl sie generell im Interesse des Privatrechtsverkehrs bestehen (oben Rdn. 7). Es handelt sich vielmehr um Statuspflichten, da sie unmittelbar aus dem Kaufmannsstatus folgen (gem. § 2 S. 2 und § 262 schon aus dem Status des Soll-Kaufmanns i. S. §2 S. 1). Dieses moderne kaufmännische Statusrecht hat die ursprünglich standesrechtlichen 2 4 Vorstellungen des historischen Gesetzgebers i. S. der Anforderungen des heutigen Wirtschaftsverkehrs und der EG-Rechtsangleichung (i. F. III Rdn. 11) fortentwickelt, wie sich sowohl im Registerrecht als auch im Rechnungslegungsrecht zeigt. Mit dem Begriff des „Außenrechts" läßt sich dieses Statusrecht nicht ausreichend charakterisieren (unentschieden K. Schmidt § 1 II 2 b). In den Statuspflichten des Kaufmanns drückt sich das Bestreben des modernen Gesetzgebers aus, Privatrechtsverkehr nicht dem Marktgeschehen zu überlassen, sondern rechtliche Rahmenbedingungen im Interesse des Verkehrs zu schaffen. Denn Klarheit und Vertrauenswürdigkeit der Verhältnisse des kaufmännischen Unternehmers sollen und können nicht allein durch Wettbewerb und eine soziale Selbstkontrolle der beteiligten Wirtschaftskreise gesichert werden; ihre Sicherung ist vielmehr auch Sache des Gesetzgebers und ζ. T. staatlicher (insbesondere registerrichterlicher) Überwachung. Das Statusrecht des Kaufmanns ist nicht Gegensatz, sondern zeitgemäße Voraussetzung selbstverantwortlichen unternehmerischen Handelns des Kaufmanns im Wirtschaftsverkehr. b) Organisationsrecht des kaufmännischen Unternehmensträgers. Das H G B ent- 2 5 hält zweitens in großem Umfang Organisationsrecht des Kaufmanns. Es betrifft einmal die „Hilfspersonen", mit deren Hilfe der Kaufmann handelt: Prokurist und Handlungsbevollmächtigter (§§48—58), Handlungsgehilfe (§§59—75 h) und Handelsvertreter (§§84 bis 92 c). Nicht erfaßt sind hier moderne Vertriebsformen wie insbesondere der Vertragshändler; andererseits gehören die Vorschriften über den Handelsmakler (§§93 — 104) eher in den Abschnitt über einzelne Verträge („Handelsgeschäfte"; Rdn. 27) des Kaufmanns (§§ 373 ff). Das Recht der kaufmännischen Hilfspersonen ist vom Kaufmann als Rechtssubjekt und Träger des kaufmännischen Unternehmens her konzipiert. Es erfaßt sowohl, wenngleich lückenhaft, Probleme der internen Pflichten und Rechte der Hilfspersonen einschließlich Arbeitsvertragsrecht (§§ 59 ff) als auch Fragen der Außenbeziehung, nämlich typisierte Vertretungsformen des Kaufmanns (§§ 48 ff).
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Einleitung I
Einen zweiten organisationsrechtlichen Bereich stellt das Recht der Handelsgesellschaften O H G und KG dar (§§ 105 — 177 a). Es bietet die Möglichkeit, daß sich mehrere Personen gesamthänderisch als Träger eines kaufmännischen Unternehmens organisieren, und regelt wiederum sowohl Innenbeziehungen der Gesellschafter (Verwaltungsund Vermögensrechte) wie auch die Außenbeziehungen (Vertretung, Eigentum, Haftung). Die Möglichkeit der Organisation in Kapitalgesellschaften ist nach dem Ausscheiden des Aktienrechts aus dem H G B (1937) nicht mehr im H G B selbst vorgesehen. Formal sind Aktien- und GmbH-Recht aber durch § 6 Abs. 2 und durch das Rechnungslegungsrecht (insbesondere §§ 264 ff) mit dem H G B verbunden. 26
Weder das Organisationsrecht der kaufmännischen Hilfspersonen noch das der Personengesellschaften ist dafür geeignet und gedacht, alle Personen, die der wirtschaftlichen und sozialen Organisation „Unternehmen" angehören, in einem einheitlichen Organisationsrecht zu erfassen. Dies ist vielmehr Aufgabe des Arbeitsrechts, von dem ein Ausschnitt allerdings in den §§59 ff normiert ist. Aus dem Arbeitsrecht, insbesondere dem Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungsrecht, ergeben sich heute Ansätze einer solchen rechtlichen Integration der vom Kaufmann abhängig Beschäftigten in sein Unternehmen; zu diesem Aspekt eines „Unternehmensverfassungsrechts" unten V Rdn. 6.
27
c) Verkehrsrecht des Kaufmanns (Handelsgeschäfte). Das H G B regelt schließlich die Verträge und sonstigen Rechtsbeziehungen, mit denen der Kaufmann am Rechtsverkehr in Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit teilnimmt („Handelsgeschäfte"). Nur für den Einzelkaufmann ergibt sich dabei die Aufgabe, diese Geschäfte gem. §§ 343, 344 von seinen Privatgeschäften abzugrenzen. Handelsgesellschaften i. S. § 6 (sowohl Personenhandelsgesellschaften gem. § 6 Abs. 1 wie Kapitalgesellschaften als Formkaufleute i. S. § 6 Abs. 2) tätigen ausschließlich Handelsgeschäfte. Nichtkaufleute sind als Vertragspartner des Kaufmanns gem. §345 in zahlreichen Fällen ebenfalls dem Handelsrecht unterworfen (oben Rdn. 20). Insgesamt läßt sich dieser wichtige Rechtsbereich als Verkehrsrecht des kaufmännischen Unternehmers bezeichnen (K.Schmidt §3: „Außenprivatrecht" des Unternehmens mit allerdings bedenklicher Verallgemeinerung). Das H G B bietet zu diesem Rechtsgebiet einen Allgemeinen Teil (§§343—372) und einen Besonderen Teil, d.h. einzelne Schuldverhältnisse (§§373ff). Beide Bereiche sind im Hinblick auf die moderne Rechtsentwicklung und heutige Regelungsbedürfnisse ganz unvollständig. Beispielhaft sei das Fehlen einer Regelung des Bankvertragsrechts hervorgehoben (zu diesem s. Anhang zu §372), von dem das H G B nur wenige Einzelfragen aufgreift (z.B. Kontokorrent in §§355—357; Kommissionsgeschäft in §§383ff).
28
d) Allgemeine Regelungsziele des HGB. In allen drei (zu Rdn. 23—27) genannten Regelungsbereichen will das H G B der Erleichterung und zugleich Sicherheit des Rechtsverkehrs dienen. Dies geschieht im Statusrecht des Kaufmanns durch Klarheit und Offenheit seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, im Organisationsrecht vor allem durch Eindeutigkeit der Vertretungs- und Haftungsverhältnisse. Im Recht der Handelsgeschäfte wird dieses Ziel einmal unter dem Gesichtspunkt der Schnelligkeit und Einfachheit der Geschäfte verfolgt, so ζ. B. durch die Befreiung von der Schriftform in §350, durch die rechtsgeschäftliche Bedeutung des Schweigens gem. § 362 und durch kurze Fristen für rechtserhebliche Erklärungen, ζ. B. bei der Untersuchungs- und Rügepflicht beim Handelskauf (§377). Zugleich wird der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verfolgt, etwa des Vertrauens auf den Inhalt des Handelsregisters gem. §§5, 15, durch die Ausdehnung des Gutglaubensschutzes in §366, ferner
12
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Einleitung I
durch den genannten Verzicht auf die Schriftform (d. h. das Wort des Kaufmanns soll gelten) und durch wertpapierrechtliche Verpflichtungen (§§363 ff). 4. Handelsrecht außerhalb des H G B und Nachbargebiete a) Materieller Begriff des Handelsrechts. Das Handelsrecht als Sonderrecht des 2 9 kaufmännischen Privatrechtsverkehrs (oben Rdn. 1—9) ist nicht vollständig und nicht ausschließlich im H G B geregelt. Dies zeigt schon der weitere Begriff der „Handelssachen" in §95 G V G . Das H G B konnte seine Rolle als umfassende Kodifikation des materiellen Handelsrechts nicht behaupten. Allerdings hat es bis heute seine Stellung als zentrales Gesetz des privatrechtlichen Wirtschaftsverkehrs behalten. Neuere Änderungen, insbesondere die Neufassung des Dritten Buches über Rechnungslegung (ab 1986), haben diese Stellung gestärkt. Der materielle Begriff des Handelsrechts, der über das H G B hinausgeht, bleibt notwendig unscharf. Er muß sich primär am Kaufmannsbegriff des H G B orientieren (Staub/Brüggemann Einl. Rdn. 11; zu solchen kaufmännischen Nebengesetzen i. F. b und c). Allerdings werden bestimmte Gebiete wegen der Eigenständigkeit der Regelungsproblematik heute selbständig betrachtet, so das Gesellschaftsrecht (i. F. c). Ferner gibt es Rechtsgebiete, die für den kaufmännischen Verkehr besonders wichtig sind, die aber nicht durch den Kaufmannsbegriff abgegrenzt werden, wie das private Wettbewerbsrecht (i. F. e), oder die sich von vornherein auf das ganze Privatrecht beziehen, wobei der Kaufmann aber eine besondere Stellung hat, wie das AGB-Gesetz (i. F. d). Nicht zum materiellen Handelsrecht gehört das Wirtschaftsrecht, bei dem öffentliche Regelungszwecke im Vordergrund stehen (Rdn. 35 u. VI Rdn. 36). Ein bedeutsames Gebiet des materiellen Handelsrechts ist dagegen das Recht des internationalen Handels (i. F. III). b) Kaufmännische Nebengesetze. Als kaufmännische Nebengesetze kann man 3 0 Gesetze bezeichnen, die ganz oder überwiegend Kaufmannsrecht außerhalb des H G B regeln. Dazu gehören namentlich folgende Gebiete: (1) das Recht der Handelsgesellschaften (i. F. c); (2) das Wertpapierrecht des WechselG und ScheckG; (3) privates Bank- und Börsenrecht mit BörsenG, DepotG, K A G G und AuslInvestG; (4) Transportrecht einschließlich Lager-, Speditions- und Frachtrecht mit E V O , G ü K G , K V O , O L S c h V O und den internationalen Abkommen C I M und C M R ; (5) das private Wettbewerbsrecht mit U W G , ZugabeVO und RabattG (i. F. e); (6) das private Versicherungsrecht mit dem W G ; (7) gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht mit PatG, GebrMG, GeschmG und UrhG (vgl. unten II Rdn. 18). Soweit es sich um materielles Handelsrecht handelt, was insbesondere für die Gebiete zu 1—4, z . T . auch 5 und 6 zu bejahen ist, findet auf die betreffenden Rechtsverhältnisse gem. Art. 2 Abs. 1 E G H G B das H G B mit Vorrang vor dem B G B Anwendung (Staub/Brüggemann Einl. Rdn. 37). c) Handelsrecht und Gesellschaftsrecht sind zwei sich weithin deckende Rechtsge- 3 t biete, für die sich aber eine eigenständige und z . T . formal getrennte Darstellungsweise eingebürgert hat. Das Recht der Personenhandelsgesellschaften O H G und K G ist schon formal Teil des H G B . Dieses Rechtsgebiet ist mit dem allgemeinen Privatrecht dadurch verzahnt, daß gem. §105 Abs. 2 die §§705 ff B G B über die G b R ergänzend Anwendung finden. Das Recht der A G und K G a A war ursprünglich Teil des H G B und ist dann im AktG (von 1937, jetzt von 1965) formal verselbständigt worden. G m b H und Genossenschaft sind von Anfang an in selbständigen „Nebengesetzen" geregelt worden ( G m b H G von 1892; GenG von 1889). Formal sind die Kapitalgesellschaften und Genossenschaften mit dem H G B schon dadurch verbunden, daß A G , K G a A , G m b H und Genossenschaft Formkaufleute i. S. §6 Abs. 2 sind und alle ihre Geschäfte demnach Handelsgeschäfte i. S.
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13
Einleitung I
§§343, 344. Materiell ist das Recht der Personenhandels- und Kapitalgesellschaften Handelsrecht insofern, als es die Organisation von kaufmännischen Unternehmensträgern regelt (oben Rdn. 25). Das Vereinsrecht des B G B (§§21 ff) bleibt für die Kapitalgesellschaften und z . T . die O H G (Organhaftung gem. § 3 1 B G B ) bedeutsam. Die Eigenständigkeit des Gesellschafts- und Verbandsrechts ist aber (für Verein und G b R ) auch insoweit anzuerkennen, als es nicht um den kaufmännischen Rechtsverkehr geht; insofern sind Gesellschafts- und Handelsrecht nicht deckungsgleich. 1 5 , 1 6 32
d) Verbraucherschutz, Kundenschutz und Handelsrecht. Eine Reihe von Gesetzen sucht den privaten Verbraucher gegen übereilten Abschluß, mangelnde Information oder nachteilige Gestaltung von Geschäften zu schützen, so das VerbraucherKreditG, das PreisangabenG mit PreisangabenVO 1 7 und das HaustürWG (Nachweise s. II Rdn. 19). Diese Gesetze bilden nur einen Ausschnitt aus dem in zahlreichen Gesetzen punktuell verwirklichten Verbraucherschutz. 1 8 Verbraucherschutzrecht will nicht den Kaufmann schützen und nimmt ihn ζ. T . ausdrücklich von seinem Schutz aus, so in § 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG. Es ist daher nicht Teil des Handelsrechts, wohl aber eine wichtige Ergänzung dazu, weil der Kaufmann es bei seinen Geschäften mit privaten Endabnehmern beachten muß.
33
Der allgemeinere Schutz des Geschäftspartners im Vertrauen auf Erklärungen und Handlungen ist dagegen auch ein Anliegen des Handelsrechts (vgl. nur § § 3 4 6 , 347, 350, 362). Ein genereller Kundenschutz gegenüber dem Verwender von A G B ist Anliegen des AGB-Gesetzes. Dieses Gesetz schützt gem. § 2 4 auch den Kaufmann. Diese Norm reduziert den Schutz beim Kaufmann nur geringfügig und stellt im übrigen klar, daß das
15
16
Vgl.
auch
113. Schrifttum:
K. Schmidt
Handelsrecht,
Lehrbücher:
Kühler
§1
Gesell-
schaftsrecht, 4.Aufl. 1994; K.Schmidt Gesellschaftsrecht 2. Aufl., 1991; Wiedemann
Gesellschaftsrecht
Bd. 1,
1980;
u. a., 2. Aufl. 1990; Scholz (Hrsg.) Kommentar z. GmbHG, bearb. v. Emmerich u. a., 7-/8. Aufl. 1988/93.
17
VerbrKrG:
Bruchner/Ott/Wagner-
Wieduwilt VerbrKrG, Kommentar, 2. Aufl. 1994; Bülow Kommentar zum
Knobbe-
VerbrKrG, 1991; Graf v. Westphalen/Emmerich /Kessler VerbrKrG, Kommentar 1991; Münstermann/Hannes VerbrKrG,
Keuk Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993. Aktienrecht: Würdinger Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981; Geß-
Kommentar
Kommentar, 1991; Seibert Handbuch zum VerbrKrG, 1991; Vortmann VerbrKrG,
1970/93; Baumbach / A. Hueck, AktG, 15. Aufl. 1988; Kölner Kommentar z. AktG, hrsg. v. Zöllner, bearb. v. Bieden-
Steppeier/Astfalk Preisrecht und Preisangaben in der Kreditwirtschaft, 1986. Zum
ler/Hefermehl/Eckardt/Kropff
Kommentar, 1991; Palandt/Putzo 53. Aufl. 1994; MünchKomm (Erg. Bd.), bearb. v. Ulmer/Habersack, 1992. Zur Preisangaben VO: Boest NJW 1985, 1440;
ζ. AktG, 3. Aufl. 1973/93; Godin/Wilhelm AktG, 4. Aufl. 1971; Großkommentar z. AktG, 3./4.Aufl., bearb. v. Barz u.a.,
Haustürwiderrufsgesetz :
kopf u.a., 1./2. Aufl. 1970/93. GmbHG: Baumbach/Hueck GmbHG 15. Aufl., be-
arb. ner,
v.
1975/92;
§515, bearb. v. Ulmer;
GmbHG, bearb. v. Rowedder,
Anh. II nach
Werner/Machuns-
ky Haustürwiderrufsgesetz, 1990. 18
Meyer-Landrut/Miller/Niehaus
GmbHG. Kommentar, 1987; GmbHG, 2. Aufl. 1987; Rowedder
Palandt/Putzo
53. Aufl. 1994; MünchKomm
G. Hueck / Schulze-Osterloh / Zöll1988; Fischer/Lutter/Hommelhoff
GmbHG. Kommentar, 13. Aufl. 1991; Hachenburg (Hrsg.) Großkommentar z. GmbHG, 7./8.Aufl., bearb. v. Barz u.a.
14
Zum
Roth (Hrsg.)
Fuhrmann
Horn
Kommentar,
Vgl. allg. dazu Reich/Michlitz Verbraucherschutzrecht in der Bundesrepublik Deutschland 1980; v. Hippel Verbraucherschutz, 3. Aufl. 1986; Reich Europäisches Verbraucherschutzrecht, 2. Aufl. 1993.
Einleitung I
Gesetz nicht nur den privaten Verbraucher, sondern auch den kaufmännischen Kunden schützen will. Die Rechtsprechung hat inzwischen dem Kaufmann in großem Umfang den gleichen Schutz wie anderen Kunden zugesprochen. 17 e) Privates Wettbewerbsrecht. Das private Wettbewerbsrecht des UWG knüpft nicht 3 4 an den Kaufmannsbegriff des H G B an, sondern allgemein an ein Handeln „im geschäftlichen Verkehr", das i. d. R. „zu Zwecken des Wettbewerbs" vorgenommen wird; vgl. ζ. B. die §§1, 3, 5 U W G . 1 8 Normadressaten sind danach primär, aber nicht ausschließlich die Gewerbetreibenden, unter denen die Kaufleute (nur) eine besonders wichtige Gruppe darstellen. Das private Wettbewerbsrecht reicht also weiter als das materielle Handelsrecht (s. unten V Rdn.29). Das private Wettbewerbsrecht steht z.T. in funktionalem und komplementärem Zusammenhang mit dem Kartellrecht (GWB), das die Institution Wettbewerb schützen will und Teil des öffentlichen Wirtschaftsrechts (Rdn. 35) ist, allerdings mit privatrechtlichen Elementen (vgl. § 35 GWB). f) Wirtschaftsrecht und Handelsrecht. Wirtschaftsrecht ist im Unterschied zum 3 5 Handelsrecht ausschließlich öffentliches Recht und zwar derjenige Bereich, auf dessen Grundlage der Staat durch Regulierung oder Leistung in das Wirtschaftsgeschehen eingreift, um gesamtwirtschaftliche Ziele zu erreichen. Entsprechend der primär marktwirtschaftlichen und damit privatrechtlichen Gestaltung unseres Wirtschaftslebens bildet das Wirtschaftsrecht primär, wenngleich nicht ausschließlich, einen rechtlichen Ordnungsrahmen für privatrechtliches Handeln. In diesem Sinn kann sein Regelungsanliegen als Verwirklichung der gesamtwirtschaftlichen Ordnung bezeichnet werden. 19 Das Handelsrecht dient dagegen direkt der privatrechtlichen Gestaltung des Wirt- 3 6 schaftsverkehrs. Zentraler Anknüpfungspunkt des Handelsrechts ist der Kaufmann (oben 2), während im Wirtschaftsrecht der (weiterreichende und unterschiedlich verwendete) Begriff des Unternehmens eine wichtige Rolle spielt (vgl. Rittner §§ 12, 14). Man kann das Handelsrecht wie das ganze Privatrecht auch von seinen gesamtwirtschaftlichen Funktionen her betrachten und legitimieren. Würde man es ausschließlich in seiner gesamtwirtschaftlichen Instrumentierung betrachten und öffentlichen Zwecken vollständig unterordnen, müßte man das Handelsrecht (wie das ganze Privatrecht) dem Wirtschaftsrecht zuordnen. 20 Als ausschließliche Betrachtungsweise ist diese Perspektive aber abzulehnen. Sie kann weder Grundlage der Handelsgesetzgebung noch Methode der Rechtsanwendung des Handelsrechts sein. Denn sie würde die Privatautonomie, die verfassungsrechtlich garantierte (unten V Rdn. 4) Grundlage auch des Handelsrechts ist, und die daran anknüpfenden marktwirtschaftlichen Abläufe unserer Wirtschaft vernachlässigen. g) Internationalität des Handelsrechts. Handelsrecht ist seit jeher international 3 7 orientiert (unten III u. VI). Der Inhalt des H G B und handelsrechtlicher Nebengesetze ist zum Teil zur Durchführung von internationaler Rechtsvereinheitlichung abgeändert (III 2); handelsrechtliche Einzelgesetze beruhen ζ. T. auf internationalen Abkommen (UNKaufrecht; WechselG, ScheckG, CMR, CIM). Die internationale Orientierung des Handelsrechts ist bei der Auslegung seiner Normen zu beachten, u. a. durch Berücksichtigung der Bedürfnisse und Anschauungen des internationalen Handels, vor allem, aber nicht nur, 17
18
Überblick bei Horn in Wolf/Horn!Lindaeher AGB-Gesetz, 3. Aufl. 1994, § 2 4 . Emmerieh Recht des unlauteren Wettbewerbs, 4. Aufl. 1994, § 3 , 2.
19
20
Horn
Rittner Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 1987, § 1 , 42. Vgl. auch unten VI Rdn. 36. So wohl Assmann/Brüggemeier/Hart/Jörges Wirtschaftsrecht als Kritik des Privatrechts, 1980.
15
Einleitung II wenn die Normen internationalen Ursprungs sind (III Rdn. 10 ff). Auch bei der Vertragsauslegung ist auf den internationalen Charakter des Geschäfts zu achten durch Berücksichtigung der hier geltenden Anschauungen und Handelsbräuche (III und Einl. vor §343). Uberblick über die komplexen Rechtsgrundlagen grenzüberschreitender Geschäfte s. unten III.
II. Die Rechtsquellen des Handelsrechts 1. Klassifikation der Rechtsquellen 1
a) Bundes- und Landesgesetze. Das Handelsrecht unterliegt der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes gem. Art. 72, 74 Nr. 11 G G . Das H G B , als Reichsgesetz erlassen (Rdn. 8), ist Bundesrecht geworden gem. Art. 125, 74 Nr. 11 G G . Das E G H G B ließ in Art. 15 und 18 bestehendem und künftigem Landesrecht nur schmalen Raum. Dieser ist inzwischen durch Reichs- und Bundesgesetzgebung fast aufgezehrt {Staub/Brüggemann Einl. Rdn. 30). Auf dem Gebiet des Bankrechts hat der Bund seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 N r . 11) insofern nicht ausgeschöpft, als den Ländern die Gesetzgebung zur Organisation der öffentlichen Banken (Sparkassen) verblieb; dabei handelt es sich allerdings um öffentliches Wirtschaftsrecht, nicht um den handelsrechtlichen Bereich des Bankrechts. Ein wichtiger Teil der Bundesgesetzgebung ist zu dem Zweck ergangen, in internationalen Konventionen vereinbartes Einheitsrecht in Bundesrecht zu überführen oder Rechtsangleichungsverpflichtungen innerhalb der E U zu erfüllen (zu beidem unten III Rdn. 11 f).
2
b) Verordnungen. Materielles Handelsrecht ist früher ζ. T. auf dem Weg der Rechtsverordnung geschaffen worden, so durch die OrderlagerscheinVO von 1931 und die Eisenbahnverordnung ( E V O ) von 1939. Die Kraftverkehrsordnung ( K V O ) , ursprünglich als Teil des Reichskraftwagentarifs ( R K T ) 1936 erlassen, wurde zur Bereinigung von Zweifeln ihrer Rechtsgültigkeit durch § § 2 0 a , 106 Abs. 2 G ü K G (Novelle von 1961) zur RechtsVO. Die erforderliche gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß von RechtsVOen auf dem Gebiet des Handelsrechts ist heute auf wenige Gebiete beschränkt; so besteht eine Ermächtigung für Personen- und Güterbeförderung durch § 26 AllgEisenbG i. d. F. vom 2 7 . 1 2 . 1 9 9 3 (BGBl. I 2396). Die frühere Ermächtigung gem. § 103 Abs. 2 Nr. 3 G ü K G zum Erlaß von Güterkraftverkehrstarifen besteht auf Grund des TarifaufhebungsG vom 13. 8.1993 (BGBl. I 1489) nicht mehr.
3
c) Handelsgewohnheitsrecht. Als ungeschriebene (d. h. nicht förmlich vom Gesetzgeber erlassene) Quelle des Handelsrechts teilt es die allgemeinen Kriterien des Gewohnheitsrechts, nämlich längere ständige Übung mit dem Bewußtsein der Rechtsgeltung. 1 Beispiele für Handelsgewohnheitsrecht bilden die Grundsätze über den (nicht eingetragenen) Scheinkaufmann (s. bei § 5 ) , ferner die Grundsätze über die Verbindlichkeit des Schweigens auf ein Bestätigungsschreiben. 2 Die Bedeutung des Handelsgewohnheitsrechts ist durch die Handelsgesetzgebung und die weite Verbreitung von A G B (die kraft Parteiautonomie gelten) zurückgedrängt, aber 1
BGH NJW 1958, 709; Schlegelberger/Hefermehl §346 Rdn. 2; Staub/Brüggemann Einl. Rdn. 32; K. Schmidt Handelsrecht, § 1 III 2.
16
2
Horn
Baumbach/Duden/Hopt auch bei §346.
§346,
3Ab;
s.
Einleitung II
keineswegs gering (s. auch zum internationalen Handelsgewohnheitsrecht unten III Rdn. 13). Handelsgewohnheitsrecht kann aus Handelsbrauch (i. F. d) entstehen (vgl. auch bei § 346). Es kann sich ferner aufgrund ständiger Rechtsprechung bilden. Diese ist zwar keine selbständige Rechtsquelle; die Rechtsprechung kann sich weder über Gesetzes- und Gewohnheitsrecht hinwegsetzen noch selbständig Recht setzen (K. Schmidt § 1 III 2 b). Tatsächlich schafft aber ständige Rechtsprechung häufig Voraussetzungen, unter denen sich Gewohnheitsrecht im o. a. Sinn bilden kann. d) Handelsbrauch als die handelsrechtliche Verkehrssitte ist keine selbständige 4 Rechtsquelle, sondern eine tatsächliche Übung der beteiligten Wirtschaftskreise, die aber über § 346 eine normative Qualität für die Auslegung von Handlungen und Erklärungen und für die Bestimmung ihrer Rechtsfolgen gewinnt (Einzelheiten s. § 346). Die Bedeutung des Handelsbrauchs ist heute durch die weite Verbreitung von AGB (Rdn. 5) reduziert, aber keineswegs gering (a. A. Basedow ZHR 150 [1986] 469—491). 2. Die Bedeutung der AGB im Handelsverkehr
5
Allgemeine Geschäftsbedingungen und Formularverträge, die ebenfalls AGB im Rechtssinn sind (vgl. § 1 Abs. 1 AGB-Gesetz), sind im Handelsverkehr zur Regelung der Verträge sowohl der Kaufleute untereinander als auch der Verträge mit ihren Kunden entstanden und wegen ihrer Vorzüge, dem Kaufmann eine Rationalisierung der Geschäftsvorfälle und auch eine Risikobegrenzung zu ermöglichen, heute im Wirtschaftsleben überall verbreitet.3 Sie haben sich innerhalb der einzelnen Branchen wegen der gleichbleibenden Sachprobleme oft weitgehend angenähert, wenngleich Unterschiede aufgrund der Interessenlage der Marktteilnehmer, ζ. B. zwischen Einkaufs- und Verkaufsbedingungen, bestehen bleiben. In bestimmten Branchen sind, z.T. aufgrund zulässiger Konditionenempfehlungen, einheitliche AGB in Gebrauch. Die AGB unterliegen dem AGB-Gesetz gem. §24 (s. auch Vorbem. zu §343). Für einige Branchen, in denen seit langem einheitliche AGB ganz allgemein Verwendung finden, haben diese einen ähnlich prägenden Einfluß auf die Rechtspraxis wie (dispositives) Gesetzesrecht. Sie haben aber keineswegs Gesetzesqualität, sondern unterliegen der Inhaltskontrolle, die gerade bei allgemein verwendeten AGB wichtig ist. 4 Branchen unter starkem Einfluß einheitlicher AGB sind vor allem: (a) das Speditionsgewerbe; hier werden die ADSp und einheitliche Versicherungsscheine (SVS, RVS, Sp-Police) verwendet; (b) das Baugewerbe, wo die V O B weithin verwendet wird; (c) Banken mit vereinheitlichten AGB der Banken, Sparkassen und Volksbanken und (d) Versicherungen.5 3. Industrie- und Handelskammern
6
Die Industrie- und Handelskammern (Hamburg und Bremen nur: „Handelskammern") sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Zwangsmitgliedschaft aller gewerblichen Unternehmen ihres Bezirks. Sie stehen unter der Rechtsaufsicht des Landes (Wirtschaftsminister) und sind im übrigen selbstverantwortliche Verwaltungsorganisatio3
Bunte Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1982; Graf von Westphalen (Hrsg.) Vertragsrecht und A G B Klauselwerke, 1993.
4
Zur Inhaltskontrolle vgl. die Kommentare zum AGB-Gesetz, insbes. Wolf/Horn/Lindacher 3. Aufl. 1994; Ulmer/Brandner/ Hensen 7. Aufl. 1993; Löwe/Graf von West-
phalen/Trinkner Bd. 1 l.Aufl. 1977; Band 2 2. Aufl. 1982, Bd. 3 1985. Graf von Westphalen (Hrsg.) Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 1993. S. auch den knappen Uberblick in Vorbem. zu § 3 4 3 . 5
Zu den letzteren drei Bereichen vgl. Horn in: Wolf/Horn/Lindacher AGB-Gesetz, 3. Aufl. 1994, § 2 3 .
Horn
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nen der Wirtschaft mit vielfältigen Aufgaben der Wirtschaftsförderung (Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 1987, §8). Rechtsgrundlagen sind das IHK-Gesetz von 1956 (Rdn. 11) und Ausführungsgesetze der Länder. Die IHK erstattet Gutachten zu Fragen der Handelsbräuche (s. bei §346), wirkt gem. §126 FGG bei der Verhütung unrichtiger Eintragungen im Handelsregister mit und stellt Ursprungszeugnisse und andere Bescheinigungen aus, die u. a. für Zoll- und Steuerzwecke vor allem im internationalen Handel benötigt werden.6 Nachdem auch Handwerker gem. §2 und Land- und Forstwirte gem. §3 Kaufleute sein können, sind auch die Handwerks- und Landwirtschaftskammern zur Mitwirkung bei der Verhütung unrichtiger Eintragungen im Handelsregister gem. § 126 FGG berufen. 7
Die IHKs sind auf Landesebene in Kammervereinigungen (nichtrechtsfähige Vereine) und im Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) als Spitzenverband der Wirtschaft organisiert. Der DIHT und andere Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft sprechen Empfehlungen gegenüber politischen Gremien und gegenüber der Wirtschaft aus, die ζ. T. im Handelsrecht große Bedeutung haben, wie ζ. B. die Insider-Richtlinien und Händlerund Beraterregeln7 oder die von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes herausgegebenen Stellungnahmen zu Bankgeheimnis und Bankauskunft. Diese Empfehlungen setzen nicht Recht, können aber bei der Auslegung von Normen und AGB eine gewisse Anleitung geben. Die Regelungsmöglichkeiten durch solche Selbstregulierungen der Wirtschaft sind freilich begrenzt. Auch dafür bietet das Problem der Insider-Geschäfte im Wertpapierhandel ein Beispiel. Hier hat man eine gesetzliche Regelung für notwendig gehalten. Das neue WertpapierhandelsG (vom 26. 7.1994, BGBl. I 1749) führt ein gesetzliches Verbot solcher Geschäfte mit Strafsanktionen und Meldepflichten ein (Art. 1 des 2. FinanzmarktförderungsG; in Ausführung der EU-Richtlinie zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte [89/592/EWG], ABl. Nr. L 334/30 v. 18.11.1989 und Teilen der EU-Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen [93/22/EWG], ABl. Nr. L 141/27 v. 11.6.1993) 8 . Uber den DIHT ist die deutsche Wirtschaft Mitglied der 1919 in Paris gegründeten Internationalen Handelskammer (IntHK), die der Förderung des freien Welthandels dienen will und auf dem Gebiet des Handelsrechts international einheitliche Handelsklauseln und Vertragsgrundsätze erfaßt und empfiehlt (dazu § 346, 67 ff). 4. Einzelne Rechtsquellen
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a) HGB und EGHGB. Das HGB vom 10.5.1897 (RGBl. 219) trat gem. Art. 1 Abs. 1 EGHGB i. V. m. Art. 1 EGBGB am 1.1.1900 in Kraft; bereits 1898 waren die Vorschriften über Handlungsgehilfen und Handlungslehrling (Buch 1 Abschn. 6) außer der Vorschrift über Provision (§65) in Kraft getreten (Art. 1 Abs. 2 EGHGB). Zu den Materialien (1. und 2. Entwurf des Reichsjustizamtes von 1896 und 1897 mit Denkschriften) vgl. Schubert! Schmiedel/Krampe Quellen zum HGB 1897, 2 Bände, 1986. Das HGB ist bis 1994 insgesamt 65mal geändert worden (vgl. Ubersicht in der Beck'schen Textausgabe HGB 69. Aufl. 1993). Die wichtigsten Änderungen sind die Herausnahme des 3. und 4. Abschnitts des Zweiten Buches des HGB über AG und KGaA Zu den verschiedenen Aufgaben vgl. Basedow BB 1977, 366; Kroitzsch BB 1984, 309. ι Horn ZHR 136 (1972) 3 6 9 - 3 9 6 ; G.Hueck u. a. (Arbeitskreis Gesellschaftsrecht) Verbot des Insiderhandelns, 1976; Rodrian Insider-Regelungen 1977; vgl. auch Hopt/Will Europäisches Insider-Recht, 1973.
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Zum neuen Insiderrecht vgl. Assmann ZGR 1994, 495; Caspari ZGR 1994, 530; Claussen DB 1994, 27; Dannhoff DZWiR 1993, 521; Krimphove JZ 1994, 23; Kumpel WM 1993, 2025.
Einleitung II
durch Einführung des AktG 1937; das handelsrechtliche Bereinigungsgesetz von 1950 zur Aufhebung kriegsbedingter Sondervorschriften; die Neuordnung des Rechts des Handelsvertreters 1953; das Gesetz von 1969 zur Durchführung der ersten Richtlinie des Rats der EG u. a. über erweiterte Publizität des Handelsregisters; das Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten und den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von 1976; die GmbHrechts-Novelle von 1980 mit Vorschriften über die G m b H & Co O H G und G m b H & Co KG; vor allem das Bilanzrichtliniengesetz von 1985 mit umwälzenden Änderungen, insbes. der Aufnahme eines neuen Dritten Buches über Handelsbücher (kaufmännische Rechnungslegung). Im einzelnen sind hervorzuheben: — § 18 EinfG z. AktG 1937 (RGBl. I 166): Streichung des dritten und vierten Abschnitts des Zweiten Buchs des H G B über AG und KGaA; — Handelsrechtliches Bereinigungsgesetz vom 18.4.1950 (BGBl. I 90): Aufhebung kriegsbedingter Sondervorschriften (formal keine Änderung des HGB); — Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Handwerkern vom 31.3.1953 (BGBl. I 106): Änderung von § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 9, § 2 S. 1 und § 4 Abs. 1 ; Aufhebung von § 4 Abs. 3; — Gesetz zur Änderung des H G B (Recht der Handelsvertreter) vom 6. 8.1953 (BGBl. I 771): Umgestaltung des siebten Abschnitts des Ersten Buches; Änderung der §§55, 65; Einfügung der §§ 75 g und 75 h. Umformulierung des § 1 Abs. 2 N r . 7 (bisher: Handlungsagent); — Gesetz zur Abkürzung handels- und steuerrechtlicher Aufbewahrungsfristen vom 2. 3.1959 (BGBl. I 77): Änderung von §44; — Einführungsgesetz zum Aktiengesetz vom 6.9.1965 (BGBl. I 1185): Änderung der §§13c, 14; — Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer) vom 29.5.1967 (BGBl. I 545): Einfügung von Satz 3 in § 87 b Abs. 2 (gesonderter Ausweis der Mehrwertsteuer in der Rechnung für den Kunden); — Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der EG zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15.8.1969 (BGB1.I 1146): Änderung des §9 Abs. 2 und § 15 Abs. 2 S. 2, Einfügung von § 15 Abs. 3 (erweiterte Publizität des Handelsregisters); — Beurkundungsgesetz vom 28.8.1969 (BGBl. I 1513): Änderung von §§ 12 Abs. 1, 501 Abs. 2; Aufhebung der §§73 Abs. 2, 80 Abs. 2; — Seerechtsänderungsgesetz vom 21.6.1972 (BGBl. I 966, berichtigt BGB1.I 1300): Änderung der §§93 Abs. 1, 363 Abs. 2; Streichung der Textteile, die sich auf die Bodmerei bezogen; — Gesetz zur Änderung des Genossenschaftsgesetzes vom 9.10.1973 (BGBl. I 1451): Änderung von § 30 Abs. 1 (Unterscheidbarkeit der Firma auch in bezug auf das Genossenschaftsregister); — Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17. 7.1974 (BGBl. I 1481): Streichung des § 75 e; — Gesetz über Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten und den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters vom 13.5.1976 (BGBl. I 1197): Änderungen der §§ 3 und 89b Abs.3 1; — Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 29. 7.1976 (BGBl. I 2034): Änderung im Abschnitt Handelsbücher, Einfügung der §§130a, 130 b, 177 a; — GmbHrechts-Novelle vom 4. 7.1980 (BGBl. I 836): betr. G m b H & Co O H G und G m b H & Co KG; Vorschriften zum Schutz der Gläubiger und der Öffentlichkeit durch Einführung des §19 Abs. 5 und §125 a (Geschäftsbriefpublizität) und des §172 Abs. 6; Haftung bei kapitalersetzenden Darlehen durch Einfügung des § 129 a und § 172 a. Änderung des § 130 a und des § 177 a.
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— Bilanzrichtliniengesetz vom 19.12.1985 (BGBl. I 2355): Aufnahme eines neuen Dritten Buches (Handelsbücher) und Uberleitung des bisherigen Dritten Buches in Viertes Buch (Handelsgeschäfte); — Zweites Seerechtsänderungsgesetz vom 25.7.1986 (BGBl. I 1120): Änderung der §§ 485 bis 487 d, 612, 656, 660, 662, Überschrift 5. Abschnitt, 664, 672 bis 675, 737, Einfügung der §§487e, 607 a, Anlage zu 664, Aufhebung der §§666 bis 671, 676 bis 678; — Ölschadengesetz vom 30.9.1988 (BGBl. I 1770): Änderung der §§486, 487d, 487e, Einfügung von §487c Abs.4; — Gesetz zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter vom 23.10.1989 (BGBl. I 1910): Änderungen im Siebten Abschnitt des Ersten Buches; — Bankbilanzrichtlinie-Gesetz vom 30.11.1990 (BGBl. I 2570): Änderung der §§334, 336, Einfügung der §§246 Abs. 1 S.2 und 3, 330 Abs. 2, 334 Abs. 4, Vierter Abschnitt §§340 bis 340 o; — Vierte KWG-Novelle vom 21.12.1992 (BGBl.I 2211): Änderung der §§330 bis 332, 340, 340 c, 340 n, Einfügung der §§340 a Abs. 3, 340 c Abs. 3, 340 i Abs. 4; — Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften und über Gebäudeversicherungsverhältnisse vom 22. 7.1993 (BGBl. 1 1282): Änderung der §§ 13 bis 13 b, 13 h, 335, Einfügung der §§ 13 c bis 13 g, 289 Abs. 2 Nr. 4, 325 a, 335 S. 1 Nr. 7; bisheriger § 13 c wurde § 13 h, — Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren vom 20.12.1993 (BGBl. I 2204): Änderung der §§ 8 a, 9, Einfügung des § 9 a; — Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27.12.1993 (BGBl.I 2410, Art.6 Abs. 42): Aufhebung der §§453, 458-460; — Gesetz zur zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung von Gesellschaftern vom 18.3.1994 (BGBl.I 560): Änderung der §§26, 159, 160, Einfügung des §28 Abs.3. — Gesetz zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen vom 25. 7.1994 (BGBl. I 1682): Änderung von §§264 Abs. 1, 267, 276, 288, 293 Abs. 1, 325 Abs. 1, 326; Einfügung von §§274a, 286 Abs. 4, 328 Abs. 4, 354 a; — Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28.10.1994 (BGBl. I 3260, Art.3): Änderung des §267 Abs.4 S.2. 9
Das E G H G B vom 10. 5.1897 ([RGBl. 437]; zuletzt geändert durch G vom 18.3.1994 [BGBl. I 560]) hat in seiner ursprünglichen Textfassung seine Bedeutung weitgehend eingebüßt mit Ausnahme des Art. 2 über die vorrangige Geltung des HGB vor dem BGB, der Art. 15 und 18 über die begrenzte Möglichkeit der Landesgesetzgebung auf dem Gebiet des Handelsrechts und des Art. 22 über das Fortbestehen der vor Inkrafttreten des HGB im Handelsregister eingetragenen Firmen. Durch das BiRiLiG vom 19.12.1985 (BGBl.I 2355) wurde ein neuer zweiter Abschnitt mit den Ubergangsvorschriften zum BiRiLiG (Art. 23—28) eingefügt; damit hat das EGHGB aktuelle Bedeutung für das Rechnungslegungsrecht der Kaufleute gewonnen.
10
b) Handelsregisterverfügung (HRV) vom 12.8.1937 (RMB1. 515, DJ 1251), zuletzt geändert am 19.6.1989 (BGBl.I 1113).
11
c) Industrie- und Handelskammern. G zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18.12.1956 (BGBl.I 920), zuletzt geändert am 21.12.1992 (BGBl.I 2133), Ausführungsgesetze der Länder bei Frentzel/Jäkel/Junge Industrie- und Handelskammergesetz, 5. Aufl. 1991.
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Einleitung II
d) Wertpapierrecht. VO über Orderlagerscheine (OLSchVO) vom 16.12.1931 1 2 (RGBl. I 763, 1932, I 424; BGBl. III 4102-1); s. dazu unten §§416 ff. Wechselgesetz vom 21.6.1933 (RGBl. I 399; BGBl. III 4133-1), zuletzt geändert durch G vom 14.9.1994 (BGBl. I 2387, Art. 12 Abs.29); EinfG z. WechselG vom 21.6.1933 (RGBl. I 409; BGBl. III 4133-2), geändert durch Art. 5 Nr. 2 G vom 17.7.1985 (BGBl.I 1508). Scheckgesetz vom 14. 8.1933 (RGBl. I 597; BGBl. III 4132-1), zuletzt geändert durch G vom 17.7.1985 (BGBl. I 1507); EinfG z. ScheckG vom 14.8.1933 (RGBl. I 605; BGBl. III 4132-2), zuletzt geändert d. G vom 17. 7.1985 (BGBl. I 1507). G zur Vereinfachung der Ausgabe von Schuldverschreibungen vom 17.12.1990 (BGBl. I 2839). Damit außer Kraft gesetzt wurde das G über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen vom 26. 6.1954 (BGBl. I 147; BGBl. III 402-5). 9 e) Bank- und Börsenrecht. G über die Deutsche Bundesbank (Bundesbank-Gesetz — 1 3 BBankG) vom 26.7.1957 (BGBl.I 745) i . d . F . der Bekanntmachung vom 22.10.1992 (BGBl. I 1782), zuletzt geändert durch G vom 8. 7.1994 (BGBl. I 1465). G über das Kreditwesen (KreditwesenG — KWG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 11.7.1985 (BGBl. I 1472), zuletzt geändert durch G vom 28.10.1994 (BGBl. I 3264). Hypothekenbank-Gesetz i . d . F . vom 19.12.1990 (BGBl.I 2898), zuletzt geändert durch G vom 27.4.1993 (BGBl. I 512). G über Bausparkassen i . d . F . vom 15.2.1991 (BGBl.I 454), zuletzt geändert durch G vom 27.4.1993 (BGBl. I 512). G über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 14.1.1970 (BGBl. I 127), zuletzt geändert durch G vom 26. 7.1994 (BGBl. I 1749). G über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile (AuslInvestmG) vom 28. 7.1969 (BGBl.I 986), zuletzt geändert durch G vom 26.7.1994 (BGBl. I 1749). G über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (DepotG) vom 4.2.1937 (RGBl. I 171; BGBl. III 4130-1), zuletzt geändert durch G vom 26. 7.1994 (BGBl. I 1749). Börsengesetz vom 22.6.1896 (RGBl. 157) i. d. F. vom 27. 5.1908 (RGBl. 215; BGBl. III 4110), zuletzt geändert durch G vom 26.7.1994 (BGBl. I 1749). VO über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse (Börsenzulassungs-Verordnung — BörsZulV) vom 26.7.1994 (BGBl. I 1749). Verkaufsprospektgesetz vom 13.12.1990 (BGBl. I 2749), zuletzt geändert durch G vom 26. 7.1994 (BGBl. I 1749). Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) eingeführt durch Art. 1 des 2. FinanzmarktförderungsG vom 26. 7.1994 (BGBl. I 1749). Schiffbankgesetz vom 8.5.1963 (BGBl.I 301), zuletzt geändert durch G vom 21.12.1992 (BGBl.I 2211). Schrifttum zum Bankrecht s. Anhang zu §372. ^Handelsgesellschaften und Genossenschaften. Aktiengesetz vom 6.9.1965 (BGBl. I 1089; BGBl. III 4121-1), zuletzt geändert durch G vom 28.10.1994 (BGBl. I 3260); EinfG z. Aktiengesetz vom 6.9.1965 (BGBl.I 1185; BGBl. III 4121-2), zuletzt geändert durch G vom 26. 7.1994 (BGBl. I 1749).
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Schrifttum
Baumbach/Hefermehl
selgesetz und 18. Aufl. 1993.
Scheckgesetz.
WechKommentar,
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Einleitung II
G betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) vom 20.4.1892 (RGBl. 477) i.d.F. der Bekanntmachung vom 20.5.1898 (RGBl. 846; BGBl. III 4123-1), zuletzt geändert durch G vom 28.10.1994 (BGBl. I 3257). G über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (PublizitätsG) vom 15. 8.1969 (BGBl. I 1189, ber. 1970,1 1113; BGBl. III 4120-7), zuletzt geändert durch G vom 28.10.1994 (BGBl. I 3264). Umwandlungsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 6.11.1969 (BGBl. I 2081; BGBl. III 4120-1), zuletzt geändert durch G vom 18.3.1994 (BGBl. I 560); aufgehoben und ersetzt durch UmwandlungsG vom 28.10.1994 (BGBl. I 3210). G über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (KapErhG) vom 23.12.1959 (BGBl.I 789; BGBl.III 4120-2), zuletzt geändert durch BiRiLiG vom 19.12.1985 (BGBl.I 2355); aufgehoben durch G vom 28.10.1994 (BGBl. I 3260). G betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz — GenG) vom 1.5.1889 (RGBl. 55) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19.8.1994 (BGBl. I 2202). Für Investmentgesellschaften s. Rdn. 13 (Bank- und Börsenrecht); Schrifttum zum Gesellschaftsrecht oben I Rdn. 31. 15
g) Versicherungsrecht. 10 G über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen i. d. Fassung der Bekanntmachung vom 17.12.1992 (BGBl. 1993 I 2), zuletzt geändert durch G vom 28.10.1994 (BGBl. I 3264). G über den Versicherungsvertrag ( W G ) vom 30.5.1908 (RGBl. 263), zuletzt geändert durch G vom 21. 7.1994 (BGBl. I 1630).
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h) Transportrecht. G betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt (BinschG) vom 15.6.1895 i.d.F. der Bekanntmachung vom 20.5.1898 (RGBl. 301), zuletzt geändert durch G vom 13.8.1993 (BGBl. I 1489). G betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei vom 15.6.1895 (RGBl. 341), zuletzt geändert am 2.3.1974 (BGBl. I 469). Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO) vom 18.9.1938 (RGBl. II 663; BGBl. III 934-1), zuletzt geändert am 27.12.1993 (BGBl. I 2423). Allgemeines EisenbahnG (AEG) vom 27.12.1993 (BGBL I 2396); berichtigt durch G vom 1.9.1994 (BGBl. I 2349). Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) vom 17.10.1952 (BGBl.I 697) i.d.F. vom 3.11.1993 (BGBl.I 1839, ber. S. 1992). Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (Beförderungsbedingungen) (KVO) vom 30.3.1936 (RVerkBl. 1936 Β151) i.d.F. vom 10.4.1989 (BundesAnz. Nr. 71); Geltung nur noch für den Binnenverkehr; für den grenzüberschreitenden Verkehr s. CMR. PersonenbeförderungsG vom 21.3.1961 (BGBl.I 241) i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. 8.1990 (BGBl. I 1690), zuletzt geändert durch EisenbahnNeuOG vom 27.12.1993 (BGBl.I 2418, Art.6 Abs. 116). Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen vom 19.5.1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vom 24.8.1961 (BGBl. II 1119), zuletzt geändert durch G vom 11.4.1980 (BGBl. 1989 II 586); Protokoll zum CMR (BGBl. 1980 II 733). 10
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Schrifttum Prölss/Martin VersicherungsVertragsgesetz, 25. Aufl. 1992; Prölss/ R. Schmidt/Frey Versicherungsaufsichts-
Horn
gesetz, 10. Aufl. 1989, Nachtrag zur 10. Aufl. 1992; Martin Sachversicherungsrecht. Kommentar, 3. Aufl. 1992.
Einleitung II
Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr vom 9. 5.1980 ( C O T I F ) (BGBl. 1985, II 130, 666) mit Anh. A: Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung (CIV) und Anh. B : Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM). Zusatzbestimmungen zu den einheitlichen Rechtsvorschriften C I V und C I M (TranspR 1994, 208 f) zur Umsetzung zum 1 . 1 . 1 9 9 5 empfohlen. Schrifttum s. §§425 ff, 453 ff. i) Wettbewerbsrecht. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( U W G ) vom 7 . 6 . 1 9 0 9 ( R G B l . 499; B G B l . III 43-1), zuletzt geändert durch G vom 2 5 . 1 0 . 1 9 9 4 ( B G B l . I 3121). Gesetz über Preisnachlässe (RabattG) vom 2 5 . 1 1 . 1 9 3 3 ( R G B l . I 1011; B G B l . III 43-5-1), zuletzt geändert durch G ν. 2 5 . 7 . 1 9 8 6 ( B G B l . I 1169). V O zur Durchführung des Gesetzes über Preisnachlässe vom 2 1 . 2 . 1 9 3 4 ( R G B l . I 120; B G B l . III 43-5-1-1), zuletzt geändert durch V O vom 2 1 . 5 . 1 9 7 6 ( B G B l . I 1249). V O des Reichspräsidenten zum Schutze der Wirtschaft. Erster Teil: Zugabewesen (ZugabeVO) vom 9 . 3 . 1 9 3 2 ( R G B l . 1121; B G B l . III 43-4-1), zuletzt geändert durch G vom 2 5 . 7 . 1 9 9 4 ( B G B l . I 1688). Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (KartellG) vom 2 7 . 7 . 1 9 5 7 (BGBl. I 1081) i. d. F. der Bekanntmachung vom 2 0 . 2 . 1 9 9 0 (BGBl. I 235), zuletzt geändert durch G vom 2 8 . 1 0 . 1 9 9 4 (BGBl. I 3264). Schrifttum s. unten V Rdn. 28.
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j) Gewerbliche Schutzrechte und Urheberrecht. 1 1 Gesetz über das Verlagsrecht vom 19.6.1901 ( R G B l . 217; B G B l . III 441-1), zuletzt geändert durch G vom 2 5 . 7 . 1 9 9 4 ( B G B l . I 1739); Patentgesetz vom 5 . 5 . 1 9 3 6 ( R G B l . II 117) i. d. F. der Bekanntmachung vom 1 6 . 1 2 . 1 9 8 0 (BGBl. 1 9 8 1 , 1 1; B G B l . III 420-1), zuletzt geändert durch G vom 2 5 . 1 0 . 1 9 9 4 ( B G B l . I 3117); Gebrauchsmustergesetz (GebrMG) vom 5 . 5 . 1 9 3 6 ( R G B l . I I 130) i . d . F . der Bekanntmachung vom 2 8 . 8 . 1 9 8 6 (BGBl. I 1455), zuletzt geändert durch G vom 2 . 9 . 1 9 9 4 ( B G B l . I 2293). Warenzeichengesetz vom 5 . 5 . 1 9 3 6 ( R G B l . I I 134) i . d . F . der Bekanntmachung vom 2 . 1 . 1 9 6 8 ( B G B l . I 29; B G B l . III 423-1), zuletzt geändert durch G vom 2 3 . 4 . 1 9 9 2 (BGBl. I 938), aufgehoben durch MarkenrechtsreformG vom 2 5 . 1 0 . 1 9 9 4 (BGBl. I 3124). Geschmacksmustergesetz vom 1 1 . 1 . 1 8 7 6 ( R G B l . S. 11; B G B l . III 442-1), zuletzt geändert durch G vom 2 5 . 1 0 . 1 9 9 4 (BGBl. I 3117); Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) vom 9 . 9 . 1 9 6 5 ( B G B l . I 1273; B G B l . III 440-1), zuletzt geändert durch G vom 2 5 . 1 0 . 1 9 9 4 (BGBl. I 3121). Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (MarkenG) vom 2 5 . 1 0 . 1 9 9 4 ( B G B l . I 3082).
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k) Verbraucher- und Kundenschutzrecht. G zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vom 9 . 1 2 . 1 9 7 6 (BGBl. I 3317), zuletzt geändert durch G vom 1 4 . 9 . 1 9 9 4 ( B G B l . I 2387). Weitere Änderungen sind zu erwarten durch ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 5 . 4 . 1 9 9 3 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 9 5 , 29). Ein Referentenentwurf hierzu liegt vor ( B B 1995, 110).
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Schrifttum Hubmann
Urheber- und Ver-
lagsrecht, 7. Aufl. 1991; Hubmann Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl. 1988; Nirk Gewerblicher Rechtsschutz, 1981; Benkard PatentG, GebrauchsmusterG,
Horn
9. Aufl. 1993; Bernhardt/Krasser Lehrbuch des deutschen Patentrechts, 4. Aufl. 1986; Bühring GebrauchsmusterG, 3. Aufl. 1989; v. Gamm GeschmacksmusterG, 2. Aufl. 1989.
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Einleitung II
G über Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei vom 17.12.1951 i.d. F. der Bekanntmachung vom 23.11.1972 (BGBl. I 2201), zuletzt geändert durch G vom 2. 8.1994 (BGBl. I 2018). G zur Regelung der Preisangaben vom 3.12.1984 (BGBl. I 1429). VO zur Regelung der Preisangaben vom 14.3.1985 (BGB1.I 580), zuletzt geändert am 14.10.1992 (BGB1.I 1765). Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) vom 17.12.1990 (BGB1.I 2840), geändert durch G vom 27.4.1993 (BGBl. I 509). G über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 16.1.1986 (BGBl. I 122; BGBl. III 402-30), geändert durch G vom 17.12.1990 (BGBl. I 2840). G über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz — ProdHaftG) vom 15.12.1989 (BGB1.I 2198; BGBl. III 400-8), zuletzt geändert durch G vom 25.10.1994 (BGBl. I 3117). Schrifttum s. oben I Rdn. 32, Einl. vor § 343 und Anh. zu § 372 Bankrecht. 20
1) Internationales Kaufrecht. Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) vom 11.4.1980 (BGBl. 1989 II 586). Schrifttum s. III vor Rdn. 1 und Einl. vor §§343 und 373.
20a
m) Insolvenzrecht. Die InsolvenzO vom 5.10.1994 (BGBl. I 2866) und das EinführungsG zur InsolvenzO vom 5.10.1994 (BGBl. I 2911) treten gem. Art. 110 Abs. 1 EGInsO, soweit nichts anderes bestimmt ist, am 1.1.1999 in Kraft. Nach Abs. 2 sind einige verfahrensrechtliche Normen der InsO bereits seit dem 19.10.1994 in Kraft. Dies gilt gem. Abs. 3 auch für diverse Bestimmungen des EGInsO, insbesondere für Art. 105, der Finanztermingeschäfte betrifft. Durch das EGInsO werden insbesondere folgende Gesetze am 1.1.1999 aufgehoben: VerglO, KO nebst EG, GesO, GUG bzw. geändert: AnfG, EGBGB, BGB, HGB, KAGG, SpTUG, AktG, GmbHG, GenG, DepotG, WG, GWB, KWG, BBankG, HypBG, SchiffsBG, W G , BausparkG, GüKG, VermG.
5. Das Handelsrecht im neuen Bundesgebiet Schrifttum Horn Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, 2. Aufl. 1993; ders. Die Rolle des Zivilrechts im Prozeß der Wiedervereinigung Deutschlands, AcP 194 (1994) 177 —230. a) Rechtseinheit. Im neuen Bundesgebiet, das aus der DDR hervorgegangen ist, gilt seit dem Vollzug der Wiedervereinigung am 3.10.1990 und dem damit verbundenen Grundsatz der Rechtseinheit gem. Art. 8 Einigungsvertrag das HGB in vollem Umfang. Ausgenommen wurden lediglich einige Bestimmungen im Recht der kaufmännischen Gehilfen, u. a. zum Schadensersatz- und Kündigungsrecht und zur Lohnfortzahlung, die z.T. verfassungswidrige Differenzierungen zwischen Angestellten und Arbeitern enthielten, sowie die inzwischen abgelöste verfassungswidrige Regelung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. 12 Der subjektive Anwendungsbereich des HGB bestimmt sich nach den allgemeinen Kriterien des Kaufmannsbegriffs. Daher sind die ehemals sozialistischen Wirtschaftseinheiten, die (gem. UmwandlungsVO oder TreuhandG) in AGs oder GmbHs umgewandelt wurden, Formkaufmann i. S. § 6 Abs. 2. Neugegründete einzelkaufmännische Unternehmen, Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften erhalten die Kaufmannseigenschaften nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 1—6). 12
24
§§62 A b s . 2 - 4 , 63, 64, 73, 75 Abs. 3, 7 5 b S. 2, 82 a, 83 H G B ; Horn Zivil- und Wirtschaftsrecht, § 2 5 Rdn. 14.
Horn
Einleitung II
Schon zum 1. 7.1990 wurden im Zuge der Durchführung der Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion mit der damals noch bestehenden DDR aufgrund des Staatsvertrags die Bücher 1—4 HGB in der in der Bundesrepublik geltenden Fassung eingeführt, und die alte Fassung des HGB, das in der DDR formal weitergegolten hatte (aber für die Wirtschaftspraxis bis auf winzige Ausnahmen seine Bedeutung verloren hatte), wurde außer Kraft gesetzt. 13 Das Gesellschafts recht der Bundesrepublik wurde ebenfalls bereits mit der Einführung 2 2 der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1. 7.1990 in der DDR eingeführt, also die §§705 — 740 BGB in Ergänzung des Personengesellschaftsrechts des HGB, ferner AktG, GmbHG, UmwandlungsG, KapitalerhöhungsG und GenG; dabei wurden die in der DDR noch geltenden alten Fassungen des AktG, G m b H G und GenG außer Kraft gesetzt. 14 Diese waren im Sozialismus überwiegend obsolet geworden, hatten aber 1990 vor allem bei Neugründungen vor dem 1.7.1990 wieder praktische Bedeutung erlangt. Daher wurde auch für die Mindestkapitalausstattung der GmbH (20000 DM statt 50000 DM) eine Ubergangsregelung getroffen (Horn aaO § 16 Rz. 10). Für alle kaufmännischen Unternehmen im neuen Bundesgebiet gilt die Pflicht zur 2 3 Eintragung der Firma ins Handelsregister gem. §§ 29, 4, für Genossenschaften i. S. GenG die Pflicht zur Eintragung ins Genossenschaftsregister gem. §10 Abs. 1 GenG. Für eine Ubergangszeit wurden beide Register von den Kreisgerichten geführt, in deren Bezirk das Bezirksgericht seinen Sitz hat (Einzelheiten s. Horn aaO §16 Rz. 6 ff). b) Auswirkungen des veränderten Geltungsbereichs des HGB waren auch in zahl- 2 4 reichen Rechtsverhältnissen im westlichen Teil der Bundesrepublik zu verzeichnen. Führte die in der SBZ/DDR enteignete Unternehmerfamilie den namensgleichen Firmenbestandteil in einem Unternehmen im Westen fort, so kann sie nunmehr dem Ostunternehmen nicht ohne weiteres die Fortführung der Firma verbieten, weil es an der Priorität der Westfirma fehlt (LG Stuttgart DtZ 1992, 59), allerdings kann hier eine Restitution (unten Rdn. 28) in Betracht kommen. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot i. S. § 74, das vor der Wiedervereinigung für das frühere Gebiet der Bundesrepublik vereinbart war, kann für die Zeit danach aufgrund ergänzender Vertragsauslegung als auf das neue Bundesgebiet erstreckt gelten (LAG Berlin ZIP 1991, 825 = BB 1991, 1196). Eine 1977 geschlossene Provisionsvereinbarung für einen Außendienstmitarbeiter kann aber nicht in ergänzender Auslegung auch auf das neue Bundesgebiet bezogen werden (LAG Düsseldorf ZIP 1992, 647). Ein Handelsvertreter, der für das bisherige Bundesgebiet bestellt worden ist, kann wohl auch nicht Gebietschutz i. S. § 87 Abs. 2 für das neue Bundesgebiet beanspruchen; hier bedarf es einer zusätzlichen Abrede (Thume BB 1990, Beilage 40, S.20). 25 c) Alte Wirtschaftsverträge aa) In der sozialistischen Wirtschaft der DDR waren die Vertragsbeziehungen der sozialistischen Wirtschaftseinheiten (VEBs, Kombinate) untereinander nicht durch das allegmeine Zivilrecht (BGB und ab 1976 ZGB) geregelt, sondern durch das VertragsG (1965, 1982), die Beziehungen zu den Banken durch die KreditVO (1982). Für den Außenwirtschaftsverkehr galt, soweit DDR-Recht Vertragsstatut war, das Gesetz über internationale Wirtschaftsverträge (GIW) von 1976; im Verkehr mit RGW-Staaten galten besondere Lieferbedingungen (Horn aaO §7 Rdn. 6—9). VertragsG und KreditVO wurden mit Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1.7.1990 aufgeho13
§16 MantelG (InkraftsetzungsG) v. 21.6.1990, DDR-GB1.1 Nr. 34 S.357, in Ausführung von Anlage II des Staatsver-
14
Horn
trags über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion v. 18.5.1990, BGBl. II S. 537. §§ 17—22 MantelG (InkraftsetzungsG).
25
Einleitung II
ben. Das GIW wurde als „Gesetz über Wirtschaftsverträge" (GW) Rechtsgrundlage auch der inländischen Verträge der Unternehmen in der DDR neben dem H G B für die kurze Zeit bis zum 3.10.1990 {Horn aaO §7 Rdn. 12). 26
bb) Nach dem intertemporalen Kollisionsrecht zum Verhältnis von altem DDRRecht und neuem bundesdeutschen Recht (6. Teil des EGBGB, eingeführt durch den Einigungsvertrag) gilt für Altverträge gem. Art. 232 EGBGB grundsätzlich Fortbestand des alten Vertragsstatuts (§ 1) mit einigen Ausnahmen, namentlich für Dauerschuldverhältnisse. Altverträge zwischen ehemals sozialistischen Wirtschaftseinheiten, die nicht auf das GW umgestellt wurden, unterliegen daher weiterhin dem alten VertragsG (mit kleineren Ausnahmen, etwa hinsichtlich der Vertragsstrafen und der Verzinsung). 15
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cc) Mit dem Ubergang vom zusammengebrochenen sozialistischen Wirtschaftssystem zur Marktwirtschaft entstand ein erheblicher Bedarf für Vertragsanpassungen. Die Währungsumstellung von Mark der D D R auf DM zum 1. 7.1990 war freilich für sich allein noch kein hinreichender rechtlicher Grund für eine Vertragsanpassung der (2 :1 umgestellten) Altforderungen (Horn DZWir 1992, 45 ff, 51). Es wurden einige Spezialregelungen zur Vertragsanpassung geschaffen: § 32 DM-BilanzG regelt die Anpassung von Lieferverträgen und anderen Altverträgen, die vor dem 1. 7.1990 begründet wurden, einmal für den Tatbestand des Wegfalls der Preisbindung (Abs. 1), zum andern den Tatbestand der Änderung wesentlicher Vertragsumstände (Geschäftsgrundlage) im Zusammenhang mit der Währungsumstellung (Abs. 2). Die vor dem 1.7.1990 abgeschlossenen Konten- und Kreditverträge konnten nach §14 der Änderungs- und AufhebungsVO (v. 28.6.1990, DDR-GB1.1 Nr. 38 S.512) an die ab 1.7.1990 geltenden Konditionen angepaßt werden. Das ZinsanpassungsG (aufgrund HaushaltsbegleitG 1991 v. 24.6.1991, BGB1.I, S. 1314) regelt die Neufestsetzung des Zinssatzes und der Tilgungsmodalitäten für DDR-Altkredite, für die bevorzugte Zinssätze und Bedingungen gegolten hatten, z. B. nach der Eigenheim-VO. Für die zinslosen Ehestandskredite blieb die volle Zinssubvention erhalten. Konten- und Sparkontenverträge konnten gem. Art. 232 § 7 EGBGB durch einseitige Erklärung der Kreditinstitute dem BGB und den geltenden AGB unterstellt werden (zum Ganzen Horn aaO §8 Rdn. 9—13). Anpassungsregeln für Altverträge der Unternehmen können auch aus den Leistungsstörungsnormen des alten VertragsG (§§ 79,108) gewonnen werden (BezG Dresden ZIP 1992, 360 = EWiR 1992, 97 Horn). Hier wie in allen anderen Fällen ist der Rückgriff auf die allgemeinen Vertragsanpassungsgrundsätze unseres Zivilrechts (§242 BGB) wegen wesentlicher Veränderung der Vertragsumstände (Geschäftsgrundlage) zulässig und geboten. 16 Sowohl bei der Anpassung nach §32 Abs. 2 DMBilanzG als auch nach §242 BGB greift eine Neuverhandlungspflicht der Parteien ein. 17
28
d) Privatisierung. Die Einführung der Marktwirtschaft im neuen Bundesgebiet machte die Abschaffung des sozialistischen Eigentums und die Herstellung von Privateigentum an den bestehenden sozialistischen Wirtschaftseinheiten erforderlich. Der erste Schritt, die Uberführung in die private Rechtsform, erfolgte zunächst zögernd in Einzelfällen nach der UmwandlungsVO (v. 1.3.1990, DDR-GB1.1 Nr. 14 S. 107) und sodann zum 1. 7.1990 ex lege durch das TreuhandG (v. 17.6.1990, DDR-GB1.1 Nr. 33 S. 300; Fortgeltung nach Maßgabe von Art. 25 Einigungsvertrag), das alle sozialistischen Wirtschaftseinheiten in AGs und GmbHs umwandelte (§11; zum Ganzen Horn § 18). Die finanzielle 15
26
B G H ZIP 1992, B G H ZIP 1992, B G H ZIP 1992, 211; Horn aaO §8
1787 = NJW 1993, 259; 1797 = WM 1992, 2155; 1272; B G H DtZ 1993, Rdn.l7f.
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B G H ZIP 1992, 1787, 1791 f = NJW 1993, 259 ff = M D R 1993, 91 ff; Horn aaO §8 Rdn. 1 5 - 1 9 . Vgl. den Fall L G Berlin ZIP 1992, 1660, 1662; Horn, AcP 194 (1994), 179 - 2 3 0 .
Einleitung III
Neuordnung erfolgte nach dem DM-BilanzG (v. 23.9.1990 gem. Einigungsvertrag Ani. II Kap. III D Abschn. I; Horn § 17). Daran Schloß sich als zweiter Schritt die Uberführung in die Hände privater Eigentümer an, und zwar entweder durch Rückübertragung (Restitution) an Alteigentümer (zunächst nach dem UnternehmensG v. 7.3.1990, DDR-GB1.1 Nr. 17 S. 141, sodann nach dem VermögensG v. 29.9.1990, eingeführt durch den Einigungsvertrag; Horn §19), oder durch die Veräußerung an private Investoren; diese Privatisierungsverkäufe wurden von der Treuhandanstalt in Berlin als der vorläufigen (unmittelbaren oder mittelbaren) Inhaberin der Gesellschaftsanteile vorgenommen (Horn §18 Rdn.219ff). Die Privatisierung wurde bis 1994 zu rund 90% abgeschlossen. — Die Umwandlung der sozialistischen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) erfolgte nach dem LandwirtschaftsanpassungsG (v. 29.6.1990, DDR-GB1.1 Nr. 42 S.642, aufrechterhalten im Einigungsvertrag, mit Änderungen; vgl. Horn §20 Rdn. 17 ff).
III. Recht des internationalen Handels Schrifttum Bianca/Boneil Commentary on the International Sales Law. The 1980 Vienna Sales Convention, Mailand 1987; v. Caemmerer/'Schlechtriem (Hrsg.) Kommentar zum einheitlichen U N Kaufrecht, 1990; Delaume Transnational Contracts, 4 Bde. (Lose Blatts.), Washington D . C. 1980 ff; Fikentscher Wirtschaftsrecht, Bd. 1, 1983; v. Gierke/Sandrock aaO § 5 ; Goldmann Europäisches Handelsrecht, 1973 (betr. Wirtschaftsrecht); Hellawell/Wallace (Hrsg.) Negotiating Foreign Investments. A Manual for the Third World, 2 Bde., Washington, D. C. 1982; Herdegen Internationales Wirtschaftsrecht, 1993; Honold Uniform Law for International Sales, 1989; Horn Das Recht der internationalen Anleihen, 1972; ders. (Hrsg.) Monetäre Probleme im internationalen Handel und Kapitalverkehr, 1976; ders. (Hrsg.) Adaptation and Renegotiation of Contracts in International Trade and Finance, 1985; ders. (Hrsg.) The Law of International Trade Finance, 1988; Horn/Fontaine/ Maskow/Schmitthoff Die Anpassung langfristiger Verträge (Arbeiten zur Rechtsvergleichung 120), 1984; Horn/Schmitthoff (Hrsg.) The Transnational Law of International Commercial Transactions, 1982; Kropholler Internationales Einheitsrecht, Allg. Lehren, 1975; Lesquillons Les Contrats Internationaux, Paris 1985; Loussouarn/Bredin Droit du Commerce International, 1969; Reithmann/Martiny (Hrsg.) Internationales Vertragsrecht, 4. Aufl. 1988 (betr. IPR); Sandrock (Hrsg.) Handbuch der internationalen Vertragsgestaltung, 2 Bde., 1980; Schmitthoff Export Trade, 9. Aufl. 1990; Schlechtriem Einheitliches UN-Kaufrecht, 1981; Surrey/Wallace International Business Transactions, 4 Bde., 2. Aufl., Washington D. C. 1977 ff; Graf von Westphalen Rechtsprobleme der Exportfinanzierung, 3. Aufl. 1987; ders. (Hrsg.) Handbuch des Kaufvertragsrechts in den EG-Staaten, 1992; Zahn/ Eberding/Ehrlich Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 6. Aufl. 1986; Zweigert (Hrsg.) International Encyclopedia of Comparative Law, 1971 ff. Weitere Nachweise zu einzelnen Verträgen und Rechtsfragen s. Einl. vor § 343; zum Verfahrensrecht s. auch i. F. IV.
1. Internationaler Handel und internationale Rechtsordnung a) Internationale Rechtsordnung. Entsprechend der führenden Stellung der Bundes- 1 republik Deutschland im Welthandel muß sich der Kaufmann in großem Umfang mit der rechtlichen Gestaltung und dem anwendbaren Recht grenzüberschreitender und internationaler Geschäfte im Waren- und Dienstleistungsverkehr einschließlich Bank- und Versicherungsgeschäften befassen. Die unübersichtliche Vielfalt der hier zu beachtenden Rechte ergibt sich aus dem Zustand der internationalen Rechtsordnung, deren Träger die souveränen Staaten als primäre Völkerrechtssubjekte sind. Diese schaffen die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen des internationalen Handels, einmal durch die Einrichtung internationaler Organisationen und Institutionen (z. B. GATT — zukünftig auch WTO [BGBl. II 1994, 1437]; IWF; Weltbank; regionale Entwicklungsbanken), in Europa durch die Schaffung der EG mit supranationalen Befugnissen, und ferner allgemein durch eine Fülle multi- und bilateraler zwischenstaatlicher Abkommen, insbes. Handels-, Schiffahrts-
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Einleitung III
und Freundschaftsverträge sowie Doppelbesteuerungsabkommen. Weitere der privatrechtlichen Gestaltung entzogene Rahmenbedingungen ergeben sich aus den einzelnen nationalen Außenwirtschaftsrechten (Devisenrecht, Zollrecht, Export- und Importkontrolle usw.). 2
Innerhalb dieser Rahmenbedingungen können die Rechtsverhältnisse des internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehrs von den Teilnehmern gestaltet werden. Diese Rechtsverhältnisse unterliegen dabei den einzelnen nationalen Privatrechten (Vertrags-, Sachen-, Gesellschafts-, Wertpapierrecht usw.), deren Anwendung sich wiederum nach den einzelnen nationalen Kollisionsrechten (IPR) bestimmt (Rdn. 5 — 8). Die Vielfalt der nationalen Rechte und die kollisionsrechtliche Unsicherheit ihrer Anwendung im Einzelfall läßt sich überwinden, indem man ein internationales Einheitsrecht schafft. Zu den (begrenzten) Möglichkeiten in dieser Richtung vgl. i. F. Rdn. 10 — 18.
3
b) Das Internationale Privatrecht (Kollisionsrecht) entscheidet, welches nationale Privat- und Handelsrecht auf ein Handelsrechtsverhältnis anzuwenden ist, also wann H G B usw. zum Zuge kommt. Das deutsche IPR kennt ebenso wie andere nationale Kollisionsrechte je nach Sachgebieten verschiedene Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des anwendbaren Rechts. (1) Personalstatut (das auf Personen anwendbare Recht): für Handelsgesellschaften gilt nach der h. M. zum deutschen IPR die Sitztheorie: maßgeblich ist der Verwaltungssitz mit der tatsächlichen Geschäftsleitung.1 Eine starke Mindermeinung spricht sich für das Recht aus, nach dem die Gesellschaft gegründet wurde (Gründungstheorie).2
4
Das danach bestimmte Recht entscheidet zugleich über den Status als Kaufmann. Bei Einzelpersonen kann allgemeines Personalstatut und Kaufmannsstatus auseinanderfallen: Wer als Ausländer ein kaufmännisches Gewerbe in Deutschland betreibt, unterliegt dem H G B und erwirbt nach ihm die Kaufmannseigenschaft (v. Gierke/Sandrock §5 A12); s. auch bei § 1. Anknüpfungspunkt ist hier also die kaufmännische Niederlassung {Staub! Brüggemann vor §1, Rdn. 30). Ebenso ist für die deutsche Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmers gem. § 13 b deutsches Recht anzuwenden (s. dort und Staub/ Brüggemann aaO Rdn. 34 f). Für den Vertrag zwischen dem deutschen Kaufmann und seinem nur im Ausland tätigen Handelsvertreter kann gem. § 92 c das deutsche Handelsvertreterrecht abbedungen werden (s. dort).
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(2) Vertretung: Die organschaftliche Vertretung der Handelsgesellschaften richtet sich nach dem Gesellschaftsstatut.3 Die Vollmachtserteilung richtet sich nach dem Recht des Wirkungslandes (BGH NJW 1954, 1561; RIW 1982, 589). Für die deutsche Niederlassung des ausländischen Unternehmens (§13b) kann also Sonderprokura gem. §50 Abs. 3 erteilt werden {Staub/Brüggemann vor § 1, Rdn. 34). (3) Sachenrecht: Das deutsche IPR folgt wie die meisten Kollisionsrechte der lex rei sitae; maßgeblich ist also die Belegenheit der Sache (allg. Reithmann/Martiny Rdn. 472, 477 ff). (4) Schuldvertragsrecht: Das deutsche IPR und zahlreiche ausländische Kollisionsrechte räumen den Parteien in unterschiedlichem Umfang die Freiheit der Rechtswahl ein (Parteiautonomie); vgl. für das deutsche IPR Art. 27 EGBGB (ab 1.9.1986); mangels ausdrücklicher oder stillschweigender Rechtswahl ist gem. Art. 28 das Recht anzuwenden, 1
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B G H Z 51, 27; 53, 181; 53, 383, 385; Staudinger/Großfeld EGBGB, Internationales Gesellschaftsrecht, 13. Aufl. 1993, Rdn. 33 ff. Beitzke Z H R 127 (1965) 1, 13; Koppensteiner Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971.
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B G H Z 32, 256, 258; 97, 269, 271; B G H J Z 1992, 579 m. Anm. v. Bar; Staudinger/ Großfeld Internationales Gesellschaftsrecht Rdn. 263 m. w. N .
Einleitung III
zu dem der Vertrag die engste Verbindung hat, wofür die charakteristische Leistung einen Anhaltspunkt gibt (Reithmann/Martiny Rdn.25ff, 44 ff, 64 ff). Zum Vertragsstatut einschließlich Abschlußstatut nach deutschem IPR s. auch Vorbem. vor §343. Sofern die Anwendung einer Kollisionsnorm die vorgängige Qualifikation einer 6 Rechtsfrage als handelsrechtlich oder nicht handelsrechtlich voraussetzt, ist zu beachten, daß das Handelsrecht besondere Aufgaben des Vertrauensschutzes und der Gläubigersicherung im Rechtsverkehr erfüllt. Bei Rechtsfragen, die mit dem Betrieb des kaufmännischen Unternehmens zusammenhängen, kann daher die handelsrechtliche Qualifikation nicht zurücktreten (Staub!Brüggemann Einl. Rdn.43). Führt daher z.B. der ausländische Erbe des ausländischen Kaufmanns das Geschäft in der Bundesrepublik fort, so kommt Art. 27 f zum Zug trotz etwaiger erbrechtlicher Haftungsbeschränkungen nach ausländischem Erbrecht, das als Heimatrecht des Erblassers gem. Art. 25 EGBGB berufen ist. Zum internationalen Verfahrensrecht unten IV Rdn. 5—26. c) Wirtschaftskollisionsrecht. Soweit staatliches Wirtschaftsrecht in grenzüberschrei- ^ tende Vorgänge des internationalen Handels eingreift, insbesondere durch Außenwirtschaftsrecht, 4 bestimmen sich Voraussetzungen und Umfang seiner Geltung nicht nach dem Internationalen Privatrecht, sondern nach einem besonderen Wirtschaftskollisionsrecht. 5 Dazu gelten folgende, im einzelnen umstrittene Grundsätze. Zunächst bestimmt jeder staatliche Gesetzgeber selbst den Umfang der Geltung seiner Wirtschaftsgesetze. Er kann sie als zwingende Normen, die unabhängig vom Schuldstatut auf Wirtschaftsverträge anzuwenden sind, ausgestalten (Eingriffsnormen). Andere Staaten (bzw. deren Gerichte) befinden dann selbständig, ob und in welchem Umfang sie die Geltung fremden Wirtschaftsrechts, das sich in ihrem eigenen Bereich auswirkt, anerkennen und neben dem eigenen Wirtschaftsrecht (lex fori) anwenden. Eine herkömmliche Auffassung geht vom Territorialitätsprinzip aus, d. h. staatliche Eingriffe werden von anderen Staaten nur anerkannt, wenn sie im eigenen Machtbereich (Territorium) des Eingreiferstaates stattfinden. Dieser Satz ist heute noch für das Enteignungskollisionsrecht Deutschlands 6 und anderer Staaten maßgeblich. Bei Verträgen will diese Auffassung außer dem eigenen Wirtschaftsrecht (lex fori) allenfalls das Wirtschaftsrecht desjenigen fremden Staates, dessen Recht der Vertrag unterstellt ist (lex causae), anwenden. 7 Eine modernere, international vordringende Auffassung, die in Deutschland unter dem Begriff der Sonderanknüpfung bekannt ist und grundsätzlich Beifall verdient, will dagegen unter bestimmten Voraussetzungen auch das zwingende Wirtschaftsrecht eines anderen Drittstaates anerkennen. Erforderlich ist, daß der dritte Eingriffsstaat mit der Norm sachlich anzuerkennende Regelungsinteressen verfolgt (insbesondere weil eine enge sachliche Beziehung des Eingriffstatbestandes mit dem Erlaßstaat besteht) und daß der Inhalt der Eingriffsnorm mit der Rechtsordnung und den Interessen des Staates, der diese fremde Norm anwenden soll (Forumstaat), vereinbar ist. 8 4
5
6
AußenwirtschaftsG v. 2 8 . 4 . 1 9 6 1 i.d.F. v. 2 1 . 1 2 . 1 9 9 2 , (BGBl. I 2150; zuletzt geändert durch G vom 9 . 8 . 1 9 9 4 BGBl. I 2068); Willms/Haferkamp/Paesler EG-Wirtschaftsrecht Außenwirtschaft, 5 Bde., Bd. 1, (Losebl.) Stand Juni 1994; zu Einfuhrrestriktionen nach A W G ; Rummer N J W 1988, 225. Horn Das Recht der internationalen Anleihen, 1972, S . 5 2 f m.Nachw. BGHZ 20, 4, 12; 25, 134, 143 f; 32, 256, 259; allg. Großfeld Internationales Unternehmensrecht, 1986, §26.
7 8
Horn
Siehr RabelsZ 52 (1988), 1 3 7 f f . Zweigert Internationales Privatrecht und öffentliches Recht, in: 50 Jahre Institut f. int. Recht an der Univ. Kiel, 1965, S. 124 ff; Neumayer Die Notgesetzgebung des Wirtschaftsrechts im IPR, in: Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 2 (1958) 35—59; Steindorff Sachnormen im internationalen Privatrecht, 1958, S. 206 ff, 236 ff; Horn Internat. Anleihen, aaO; Reithmann/Martiny Rdn. 272, 341; Joerges RabelsZ 43 (1979), 36.
29
Einleitung III
Eine international verbreitet anerkannte Spezialnorm des Wirtschaftskollisionsrechts findet sich in Art. VIII Abs. 2 b des Statuts des Internationalen Währungsfonds (IWF). Darin verpflichten sich die Mitgliedstaaten des IWF, die Devisenkontrollbestimmungen anderer Mitgliedstaaten anzuerkennen, sofern diese Bestimmungen in Ubereinstimmung mit dem IWF-Statut erlassen sind. Die N o r m begründet demnach die extraterritoriale Wirkung nationalen Devisenrechts. Ihre Tragweite ist umstritten. 9 Legt man den geregelten Tatbestand des „exchange contract" eng i. S. grenzüberschreitender Zahlungstransaktionen aus, so ist der Anwendungsbereich begrenzt; diese Auffassung herrscht in den USA und in Großbritannien vor. Legt man einen weiten Begriff zugrunde, wie sie sich in Kontinentaleuropa durchgesetzt hat, so wird auch der Kapitalverkehr erfaßt. 1 0 Allgemein zu den extraterritorialen Wirkungen nationalen Devisenrechts Horn (Hrsg.) The Law of International Trade Finance, 1988, Kap. 2; Ebke S. 312 ff. 8
d) Staaten als Vertragspartner. Auch Staaten können Vertragspartner des internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehrs sein. Viele Entwicklungsländer, die verbliebenen sozialistischen Staaten und manche ehemals sozialistischen Staaten wickeln ihren Außenhandel ganz oder teilweise durch staatliche Stellen ab. Aber auch westliche Industriestaaten nehmen als Vertragspartner am internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehr teil (z. B. im Beschaffungswesen oder über Einfuhr- und Vorratsstellen). Die von den Staaten (staatlichen Agenturen) mit ausländischen Kaufleuten (Unternehmen) abgeschlossenen Handels- und Wirtschaftsverträge unterliegen grundsätzlich nicht dem Völkerrecht, sondern dem Privatrecht. Ausländische Staaten und staatliche Stellen können sich, sofern sie Partner solcher Verträge sind, gegenüber der Inanspruchnahme aus ihren Vertragspflichten nicht auf Gerichtsimmunität berufen; denn sie handeln hier iure gestionis. Diese Auffassung setzt sich auch in der Gesetzgebung anderer Länder (Großbritannien, USA) und international zunehmend durch. 1 1 Der Staat als Vertragspartner besteht oft auf der Wahl seines Rechts als Vertragsstatut. Gegenüber einer dem privaten Vertragspartner unklaren und nachteiligen Auslegung des anwendbaren Rechts greift hier der Grundsatz ein, daß internationale Handels- und Wirtschaftsverträge vorrangig nach international einheitlichen Rechtsauffassungen auszulegen sind (s. unten zur lex mercatoria Rdn. 16). Praktisch wird dies eher vor einem internationalen Schiedsgericht als vor einem nationalen Gericht berücksichtigt werden. Der Staat sucht ferner auch unabhängig vom Vertragsstatut sein Wirtschaftsrecht durchzusetzen (vgl. Rdn. 8). Bisweilen versucht er durch neugeschaffenes Wirtschaftsrecht die eigene vertragliche Bindung zu lockern. Hier greift der international anerkannte Grundsatz der Vertragsbindung ein (pacta sunt servanda). Bei enteignenden Eingriffen in die Rechtsposition des privaten Vertragspartners gelten die Grundsätze des Völkerrechts über die Entschädigungspflicht wegen Enteignung. Dabei kann auch die diplomatische Unterstützung durch den Heimatstaat des privaten Vertragspartners eingreifen. Letzterer sucht sich gegen Eingriffe des staatlichen Partners, die aus dessen neuer Gesetzgebung folgen können, durch vertragliche Stabilisierungsklauseln zu schützen. 1 2
9
Hahn Währungsrecht, 1990; Ebke Internationales
Devisenrecht,
19903;
dazu
11
Rez.
Horn DZWir 1993, 131 f. S. auch K.Schmidt
12
Geldrecht, 1983, Vorbem. §244 F 13 ff. 10 So im Anschluß an F. A. Mann Ebke (s. Fn.9), S. 240 ff. Dagegen B G H W M 1994, 581 = N J W 1994, 1868.
30
Horn
Delaume Transnational Contracts, §1.07-08, §12.06-07. Sandrock FS Riesenfeld 1983, S.21 I f f ; N.David Clunet 113 (1986) 79ff; Reith-
mann/Martiny Rdn. 41 ff.
Einleitung III
Hinsichtlich der Verträge zwischen den internationalen Entwicklungsbanken (ζ. B. 9 Weltbank, IDA, IFC, IADB, ADB) und Privaten wird seit langem die Auffassung vertreten, daß sie keinem nationalen Recht unterstehen.13 Weitergehend wird die Möglichkeit befürwortet, Verträge von Privaten mit Staaten oder anderen Völkerrechtsubjekten ganz dem Völkerrecht zu unterstellen. Dies gilt nach Böckstiegel jedenfalls für Wirtschaftsverträge „auf hoher Ebene". 1 4 Eine vordringende Meinung will allgemein bei Wirtschaftsverträgen von Privaten mit Staaten die Unterstellung unter das Völkerrecht zulassen und begründet dies durch die Möglichkeit einer kollisionsrechtlichen Verweisung auf das Völkerrecht. 15 Dies ist zweifelhaft. Der praktische Nutzen dieser Theorie liegt allenfalls in der Betonung der (hier völkerrechtlich begründeten) Vertragsbindung; diese läßt sich aber auch sonst als international anerkannter Rechtsgrundsatz (ius gentium im alten Sinn; s. Rdn. 16 und unten VI Rdn. 2) begründen. Im übrigen bleibt die Bezugnahme auf das Völkerrecht inhaltlich undeutlich, weil dieses keine präzisen Rechtsätze zu den komplexen Fragen der modernen Wirtschaftsverträge ausgebildet hat. Die richtige Lösung liegt darin, daß auch die Verträge von Privaten mit ausländischen Staaten vorrangig nach international anerkannten einheitlichen Grundsätzen (lex mercatoria; Rdn. 16) auszulegen sind und der Staat als Vertragspartner seine eigene Vertragsbindung gegenüber dem ausländischen Vertragspartner nicht einseitig einschränken oder aufheben kann. Wirtschaftsverträge zwischen zwei oder mehr Staaten unterliegen mangels Rechtswahl (aber auch ggf. bei Wahl eines nationalen Rechts in Ergänzung des Vertragsstatuts) dem Völkerrecht. 16 Da aber dem traditionellen Völkerrecht, wie gesagt, weithin die notwendige Präzision zur Regelung wirtschaftlicher Sachverhalte fehlt, ist das anzuwendende Wirtschaftsvölkerrecht durch international allgemein anerkannte Grundsätze des Privat- und Handelrechts (lex mercatoria) zu präzisieren. 2. Rechtsquellen des internationalen Einheitsrechts a) Internationale Abkommen. Durch internationale Abkommen kann einheitliches 1 0 materielles Recht für den internationalen Handel geschaffen werden. Diese völkerrechtlichen Verträge legen selbst die Voraussetzungen ihres Inkrafttretens fest (vgl. ζ. B. Wiener UN-Kaufrecht von 1980 Art. 89 ff). Ihre Transformation in innerstaatliches Handelsrecht (Privatrecht) richtet sich nach dem Verfassungsrecht des jeweiligen Staates. Weitere wichtige Beispiele solcher internationalen Abkommen sind die Genfer Wechsel- und Scheckrechtskonventionen von 1930, die durch das WechselG und ScheckG von 1933 (s. o. II Rdn. 12) Teil des deutschen Rechts wurden, ferner die Haager Kaufrechtsübereinkommen von 1964, die zum E K G und EKAG von 1964 führten und durch das UN-Kaufrecht von 1980 abgelöst werden, sowie zahlreiche internationale Abkommen auf dem Gebiet des Transportrechts. Der Vereinheitlichungseffekt ist ζ. T. begrenzt. Die Länder des common law sind den Genfer Wechsel- und Scheckrechts-Konventionen nicht beigetreten. Das Haager Kaufrecht wurde nur von wenigen Staaten ratifiziert; in England kommt dieses Recht nur bei ausdrücklicher Rechtswahl (opting in) zur Anwendung. Das UN-Kaufrecht hat aber alle Aussicht, zu einem universellen Einheitsrecht zu werden. Auch auf dem Gebiet des Transportrechts bestehen Abkommen mit breiter Beteiligung; dies gilt ζ. B. für das Warschauer Luftverkehrsabkommen von 1929, 1955 und 1971 (vgl. auch oben II Rdn. 16). 13 14
15
Delaume Transnational Contracts, §1.12. Böckstiegel Der Staat als Vertragspartner ausländischer Unternehmen, 1970, S. 184. Reitbmann/Martiny Rdn. 40 m.Nachw.; Kischel State Contracts, 1992, S. 292 ff.
16
Horn
Delaume Transnational Contracts, §1.10; F. A. Mann 33 B Y I L (1957) 20; 35 B Y I L (1959) 34; Bülck Z H R 131 (1968) 150ff.
31
Einleitung III
11
b) Rechtsangleichung im deutschen Handelsrecht. Internationale Rechtsangleichung im deutschen Handelsrecht wurde vom deutschen Gesetzgeber in Ausführung internationaler Verpflichtungen innerhalb und außerhalb des H G B durchgeführt. Im H G B gilt dies für das Seerecht (Konnossemente), das an die Haager Regeln von 1924 und die VisbyRegeln von 1968 angeglichen wurde. Von besonderer Bedeutung sind die Richtlinien des Rates der EG zur europäischen Rechtsangleichung (unten Rdn. 19, 20). Auf dem Gebiet des internationalen Warenkaufs wurde durch EKG und EKAG von 1964 begrenzt Einheitsrecht geschaffen, das nunmehr durch das UN-Kaufrecht von 1980 abgelöst wird. WechselG und ScheckG beruhen auf den Internationalen Genfer Konventionen von 1930 (Rdn. 10). Im Kapitalgesellschaftsrecht bezwecken die genannten und andere Richtlinien der E G eine Rechtsangleichung; im Bereich des Transportrechts ist der grenzüberschreitende Verkehr heute hauptsächlich durch internationale Abkommen geregelt, so der Luftverkehr durch das Warschauer Abkommen von 1929 mit Zusatzprotokoll von 1955 (BGBl. 1958 II, 291, 293; 1964 II, 1295), der Eisenbahnverkehr durch das Ubereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr von 1980, für den Straßengüterverkehr durch das Genfer CMR-Ubereinkommen von 1956 (oben II Rdn. 16).
12
c) Internationales Handelsgewohnheitsrecht kann sowohl auf der Ebene der Privatrechte als auch auf der Ebene des Wirtschaftsvölkerrechts entstehen. Die Entstehungskriterien — längere tatsächliche Beobachtung im Bewußtsein der Rechtsgeltung — sind international weithin gleich. 17 Gleichwohl ist der Bereich unstreitigen Gewohnheitsrechts auf diesem Gebiet relativ schmal. Er betrifft etwa den Grundsatz der Vertragsbindung {Horn aaO und ders., Adaptation, aaO, S. 15 ff), aber wohl auch das Recht, sich auf höhere Gewalt zu berufen {Horn, Adaptation, S. 26 ff). Möglich ist auch die gewohnheitsrechtliche Herausbildung von Einzelregeln des dispositiven Vertragsrechts, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung von Vertragstypen und Standardklauseln, sofern diese Regeln nicht (nur) als Handelsbrauch einzustufen sind. Innerhalb der nationalen Privat- und Handelsrechte kann internationales Handelsgewohnheitsrecht nur gelten, soweit die nationalrechtlichen Kriterien für Gewohnheitsrecht erfüllt sind und entweder Gesetzesrecht nicht besteht oder das nationale Recht den Parteien im Rahmen der Parteiautonomie eine vorrangige Bezugnahme auf diese ungeschriebenen Normen gestattet. S. auch Rdn. 15.
13
Theoretisch vom Gewohnheitsrecht verschieden, aber funktional ähnlich und praktisch erheblich wichtiger ist die Berücksichtigung allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze, die etwa Art. 38 des Statuts des I G H vorschreibt und die oft in Verträgen oder Schiedsabreden in Bezug genommen werden. Sie sind im Einzelfall durch Berücksichtigung der Rechtspraxis des internationalen Handelsverkehrs (Vertragspraxis, Rechtsprechung und Schiedspraxis) und rechtsvergleichende Untersuchung zu ermitteln (vgl. Kötz RabelsZ 34 (1970) 671; Reithmann/Martiny Rdn. 36 m. Nachw.); s. auch i. F. Rdn. 15. Internationale Organisationen, insbes. die U N (mit Unterorganisationen) und O E C D , haben internationale Verhaltensrichtlinien (codes of conduct) im Hinblick auf den internationalen Wirtschaftsverkehr erarbeitet. Sie sollen ein bestimmtes Verhalten der Beteiligten (ζ. B. ausländischer Investoren, multinationaler Unternehmen, Regierungen der Gastländer) veranlassen. Sofern sie nicht Gegenstand eines völkerrechtlichen Vertrages (Konvention) sind, haben sie keinen Rechtscharakter. Sie können aber nicht nur den nationalen Gesetzgeber anleiten, sondern im Einzelfall auch unmittelbar Auslegungshilfe
17
32
Horn, in: Horn/Schmitthoff S. 14; Law in the Making, 7. Aufl. S. 67—151.
Allen 1964,
Horn
Einleitung III für bestehendes Recht bieten (Allg. Horn [Hrsg.] Legal Problems of Codes of Conduct for Multinational Enterprises, 1980). Aus diesen Bemühungen können international allgemein anerkannte Bewertungen im Hinblick auf Probleme des internationalen Wirtschaftsverkehrs entstehen; ein solches einheitliches Bewertungssystem ergibt Elemente eines internationalen ordre public. 1 Dieses Bewertungssystem hat nicht nur eine kollisionsrechtliche, sondern zugleich eine materiellrechtliche Funktion. d) Lex mercatoria. Unter dem Begriff der lex mercatoria wird heute die Verwendung 15 materiell einheitlichen Rechts des internationalen Handels teils festgestellt, teils postuliert. 2 Dabei wird auf das historische Vorbild materiell einheitlichen Fernhandelsrechts früherer Zeiten Bezug genommen (dazu unten VI Rdn. 15). Der Begriff bezeichnet kein geschlossenes Normensystem und keine selbständige Rechtsquelle. Er dient vielmehr als Sammelbegriff für einheitliche Rechtsgrundlagen des internationalen Handelsverkehrs, der weithin auf materiell einheitliches Recht angewiesen ist und dessen Bildung fördert. Dieses Recht ist verschiedener Herkunft und Qualität: Einheitsgesetzgebung (Rdn. 12), Gewohnheitsrecht (Rdn. 13), allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze (Rdn. 14, 15) und Handelsbrauch zur Auslegung und Ergänzung von Verträgen (Rdn. 17). Lex mercatoria bezeichnet weiterhin die Möglichkeit, daß die Parteien in Gebrauch ihrer Privatautonomie international einheitliche Vertragsgestaltungen verwenden können (Rdn. 18, 19; Horn in: Horn/Schmitthoff, S. 13 ff). Eine tatsächlich einheitliche Vertragspraxis kann die Einheitlichkeit von Rechtsanschauungen fördern, was dann zu Handelsbrauch oder Handelsgewohnheitsrecht führen kann (Horn aaO S. 14). Heute kann schon von einem Bestand international anerkannter Rechtsgrundsätze zur inhaltlichen Konkretisierung der lex mercatoria gesprochen werden (Berger Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992, S. 373 ff; unten Vor §343 Rdn. 81 f). Diese Rechtssätze können zur Auslegung und Ergänzung der im internationalen Wirtschaftsverkehr geschlossenen Verträge herangezogen werden. Auf diese Weise wird die lex mercatoria zum autonomen rechtlichen Bezugssystem des Vertragsrechts in den Grenzen, die durch Parteiwillen und zwingendes nationales Recht gezogen sind. Die Vertragsparteien im internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehr können daher auch in einer Art Rechtswahlklausel, etwa in Verbindung mit einer Schiedsklausel, auf die lex mercatoria zur Auslegung und Ergänzung ihrer Verträge anstelle eines nationalen Rechts verweisen. Diese noch umstrittene Möglichkeit ist zumindest auf Gebieten, auf denen sich eine gleichförmige internationale Vertrags- und Schiedspraxis ausgebildet hat, anzuerkennen; keinesfalls darf hier der Rechtsbindungswille der Parteien verneint werden. 3 Die gerichtliche Anerkennung dieser „Internationalisierung" von Verträgen ist inzwischen in der Rechtsprechung zahlreicher Länder (Osterreich, Schweiz,
1
2
Horn RabelsZ 44 (1980), 4 2 3 - 4 5 4 ; Pentzlin Der universelle ordre public im Wirtschaftsrecht als Ordnungsprinzip des innerstaatlichen Rechts, 1985; zum europäischen ordre public Neuhaus Die Grundbegriffe des IPR, 2. Aufl. 1976, §49 113. Schmitthoff (Hrsg.) The Sources of the Law of International Trade, 1964, S. 3—38; Goldstaijn J.Bus.L. 1961, 12ff; Goldman A P D 9 (1964), 1 7 7 - 1 9 2 ; Horn Das Recht der internationalen Anleihen, § 19; ders. Law and Policy Int. Bus. 19 (1977), 753 ff,
3
Horn
773; Kropholler S. 121 f; Boneil RabelsZ 42 (1978), 485 ff; v. Hoffmann IPrax 1984, 106; Lando 34 I . C . L . Q . 747 (1984); Lorenz FS Neumayer (1985) 407; Reithmann/Martiny Rdn. 37 f; Dasser Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und lex mercatoria, 1989; De Ly De lex mercatoria, 1989; Berger Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992, S. 361 ff; ders. IPrax 1993, 281; Kappus RIW 1990, 788. Zust. Berger Int. Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, S. 385 f.
33
Einleitung III
34
Großbritannien, Frankreich, Italien) zu verzeichnen.21 Nationales Privatrecht bleibt in diesen Fällen ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des ordre public anwendbar; zwingendes nationales Wirtschaftsrecht, das unabhängig vom Vertragsstatut Geltung beansprucht, ist nach den Regeln der Sonderanknüpfung (zum Wirtschaftskollisionsrecht oben Rdn. 7) anzuwenden. 16
e) Internationaler Handelsbrauch ist von relativ großer praktischer Bedeutung (vgl. auch Rdn. 16, 18). Er kann wie deutscher Handelsbrauch (II Rdn. 3) als Verkehrssitte des Kaufmanns über § 346 normative Bedeutung bei der Auslegung von Erklärungen und der Bestimmung ihrer Rechtsfolgen gewinnen (vgl. BGH WM 1984, 1000, 1003; allg. unten §346).
17
f) Internationale Formverträge und Standardklauseln. Die Vorteile von AGB und ihnen funktionsgleiche Standardklauseln und Formverträge, nämlich den Massenverkehr zu standardisieren und zugleich die vertragliche Verteilung der Risiken zu kontrollieren, macht sich auch der internationale Handel in großem Umfang zunutze. Insbesondere solche Bedingungswerke, Standardklauseln und Formverträge, die von (völkerrechtlichen oder privaten) internationalen Organisationen publiziert werden, haben ζ. T. bedeutenden Einfluß auf die Praxis gewonnen. Zu den von der IntHK publizierten Handelsklauseln (Incoterms) s. bei § 346, zu den Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumentenakkreditive (ERA) der IntHK (Fassung 1994) s. unten Anh. nach §372 (Bankrecht). Zu anderen weit verbreiteten Standardverträgen, ζ. B. dem Bauvertrag der FIDIC, s. Vorbem. vor §343.
18
Auch soweit sich keine vollständige Einheitlichkeit von Klauselwerken oder Vertragsmustern feststellen läßt, weisen die Vertragsgestaltungen für einzelne Geschäftsarten oder Rechtsprobleme große Ähnlichkeit auf und begründen häufig gemeinsame Rechtsvorstellungen der Beteiligten, die als Handelsbrauch oder ähnlich einem Handelsbrauch bei der Auslegung von Verträgen herangezogen werden können (allg. Horn in: Horn/Schmitthoff aaO S. 15). Eine andere Frage ist es, ob ganze Klauselwerke ohne ausdrückliche Bezugnahme im Vertrag als stillschweigend vereinbart oder als Handelsbrauch qualifiziert werden können (unentschieden im Hinblick auf ERA: BGH AWD 1958, 57 f; WM 1984, 1443). Zu den ERA s. Bd. 4, Anh. §372 BankGesch IV Rdn. 23 ff. 3. Handels- und Wirtschaftsrecht innerhalb der Europäischen Union S c h r i f t t u m Beutler/Bieber/Pipkom/Streil Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993; Bleckmann Europarecht, 5. Aufl. 1990; von Borries Europarecht von A—Z, 2. Aufl. 1993; von Borries/Winkel Europäisches Wirtschaftsrecht (Loseblatt), Stand 1992; Bundesstelle für Außenhandelsinformation (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Europäischen Geraeinschaft, 1991; Dauses (Hrsg.) Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts (Loseblatt), Stand 1993; Geiger EG-Vertrag, 1993; Grabitz/Hilf (Hrsg.) 21
34
Österreich: O G H Urt. v. 18.11.1982, RIW 1983, 868 Anm. Seidl-Hohenveldern = IPrax 1984, 97 Anm. f . Hoffmann (106): Schweiz: Obergericht des Kantons Zürich, Bl. Zürch. Rspr. Nr. 23, 1986, 44 (betr. Bankgarantie); dazu Kappus RIW 1990, 791 f; Kantonsgericht Vaud, ASA Bull. 1986, S. 131, 136 m. zust. Anm. Vulliemin; Großbritannien: Deutsche Schachtbauund Tiefbohrgesellschaft mbH v. R'as al-
Horn
Khaimah National Oil Co., (1987) W. L. R. 1023 = 2 Lloyd's Rep. 246, 352 ff m. zust. Anm .Lalive ASA Bull. 1987, 165 ff; Frankreich: Cour de Cassation, Société Fougerolle c. Banque de Proche Orient, RdA 1982, 183; Italien: Corte di Cassazione, Fratelli Damianos η. c. v. Töpfer GmbH, Rdip 1982, 529; krit. Mustill AI 1988, 108.
Einleitung III Kommentar zur Europäischen Union (Loseblatt), Stand September 1994; von der Groeben/Thiesing/ Ehlermann Kommentar zum EWG-Vertrag, 4. Aufl. 1991; Hailbronner/Klein/Magiern/Miiller-Graff Handkommentar zum EWG-Vertrag (Loseblatt), Stand 1991; Kapteyn/Verloren van Themaat Introduction to the Law of the European Communities, 2. Aufl. 1989; Lenz (Hrsg.) EG-Handbuch — Recht im Binnenmarkt, 2. Aufl. 1994; Lutter Europäisches Unternehmensrecht, 3. Aufl. 1991; Mathijsen Einführung in das Europäische Gemeinschaftsrecht, 1992; Mégret/Louis/Vignes/Waelbroeck Le droit de la Communauté Economique Européenne, 15 Bde., 1970—1990; Pfister Europäisches Gesellschaftsrecht, 1993; Oppermann Europarecht, 1991; Schweitzer/Hummer Europarecht, 4. Aufl. 1993; Graf von Westphalen (Hrsg.) Handbuch des Kaufvertragsrechts in den EG-Staaten, 1992.
a) Rechtsangleichung innerhalb der Europäischen Union (zu dieser unten VI 19 Rdn. 34) kann auf drei Wegen geschaffen werden: Durch neue völkerrechtliche Verträge zwischen den Mitgliedstaaten (so geschehen durch den Vertrag von Maastricht vom 7.2.1992), durch Verordnungen des Rates (gem. Art. 43 Abs. 2, 87, 189 EWG-Vertrag) mit unmittelbarer Wirkung für das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten und schließlich durch Richtlinien des Rates (gem. Art. 43 Abs. 2, 54 Abs. 2, 56 Abs. 2, 57 Abs. 1, 63 Abs. 2, 69, 75 Abs. 1, 100, 100 a, 100 b, 101,102,189 EWG-Vertrag). Durch die Richtlinien werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihr innerstaatliches Recht mit dem Ziel umzugestalten, daß eine auftretende Funktionsstörung im gemeinsamen Markt vermieden oder verringert wird. Es geht dabei also vorzugsweise um harmonisiertes Recht, nicht um die Schaffung von Einheitsrecht. Die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften muß soweit erfolgen, als dies für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist (Art. 3 h EWG-Vertrag). Ein großer Teil der Rechtsangleichung betrifft das öffentliche Wirtschaftsrecht. So wurde zur Vorbereitung der Vollendung des Binnenmarktes am 1.1.1992 das Aufsichtsrecht über Banken und Versicherungen in den Mitgliedstaaten harmonisiert. 22 Aber auch auf dem Gebiet des Privatrechts einschließlich des Handels- und Gesellschaftsrechts sind zahlreiche Rechtsangleichungen erfolgt oder demnächst vorzunehmen. 23 b) Schwerpunkte der Rechtsangleichung sind: 20 1) Im allgemeinen Privatrecht, sofern es für die Geschäftstätigkeit des Kaufmanns wichtig ist, sind vor allem durch EG-Richtlinien veranlaßte Gesetze zum Verbraucherschutz und zum Haftungsrecht zu nennen: Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften v. 16.1.1986 (BGBl. III 402-30; aufgrund Richtlinie 85/577/ EWG v. 20.12.1985); Verbraucherkreditgesetz v. 17.12.1990 (BGBl. III 402-6; aufgrund Verbraucherkredit-Richtlinie 87/102/EWG v. 22.12.1986 und Änderungs-Richtlinie 90/ 88/EWG v. 22.2.1990); die Richtlinie 93/13/EWG über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen v. 5.4.1993 wird zu einer Ergänzung des AGB-Gesetzes führen. Aus dem Haftungsrecht ist das Produkthaftungsgesetz v. 15.12.1989 (BGBl. III 400-8; aufgrund Produkthaftungs-Richtlinie 85/374/EWG) hervorzuheben. 2) Im Bereich des H G B wurde aufgrund der ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Publizitätsrichtlinie) v. 9. 3.1968 (68/151/EWG) durch ein Gesetz v. 15. 8.1969 (BGBl. I S. 1146) die Handelsregisterpublizität umgestaltet und erweitert, indem §15 Abs. 2 neu gefaßt und der heutige Abs. 3 neu eingefügt wurden (unten §15 Rdn. 2). Die vierte Richtlinie (Bilanz-Richtlinie) v. 25. 7.1978 (78/660/EWG), die siebte Richtlinie (Konzernabschluß-Richtlinie) v. 13.6.1983 (83/349/EWG) und die achte Richtlinie (Abschlußprüfer-Richtlinie) v. 10.4.1984 (84/253/EWG) führten zum Erlaß des Bilanz-Richtlinien22
23
Vgl. Horn ZBB 1989, 107ff.; ders. ZBB 1994, 130—141. Vgl. den Überblick in der Textausgabe von Hommelhoff/Jayme Europäisches Privat
Horn
recht, 1993; Lutter nehmensrecht.
Europäisches Unter-
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Einleitung III
Gesetzes v. 19.12.1985 (BGBl. I 2355), in Kraft ab 1.1.1986. Dieses Gesetz hat mit der Schaffung eines neuen Dritten Buches über Rechungslegung eine bedeutende Veränderung des H G B gebracht und die Bedeutung dieses Gesetzbuches gestärkt (s. auch oben I Rdn. 6, 24; Einzelheiten s. vor §238). 3) Der Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Gesellschafts- und Unternehmensrechts diente bereits die vorerwähnte Änderung des § 15 aufgrund der Publizitätsrichtlinie. Das Aktiengesetz wurde durch G. v. 13.12.1978 (BGBl. I 1959) zur Umsetzung der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (77/91/EWG; Kapitalschutz-Richtlinie) geändert; zu dieser Richtlinie liegt eine Änderungsrichtlinie (92/101/EWG) v. 23.11.1992 vor. Die zwölfte Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts (89/667/EWG) v. 21.12.1989 betr. die Einmann-GmbH führte zu einer entsprechenden Änderung des GmbHG durch G ν. 18.12.1991 (BGBl. I 2206). 4) Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts sind insbesondere die Einfügung von §611 a B G B durch G ν. 13.8.1980 (BGBl. I 1308) zur Umsetzung der Richtlinie über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei Einstellung und beruflichem Aufstieg (76/ 207/EWG) v. 9.2.1976 zu nennen sowie die Einfügung von §613 a B G B durch BtrVG v. 15.1.1972 (BGBl. I 13) zur Umsetzung der Richtlinie über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen und Betrieben (77/187/EWG) v. 14.2.1977. 5) Auf dem Gebiet des Kapitalmarkt- und Wertpapierhandelsrechts ist die Wertpapierzulassungsrichtlinie zur Koordinierung der Zulassungsbedingungen v. 5.3.1979 (79/ 279/EWG), die Börsenzulassungsprospektrichtlinie v. 17.3.1980 (80/390/EWG) und die Richtlinie über Halbjahresberichte v. 15.2.1982 (82/121/EWG) zu nennen; alle drei Richtlinien wurden durch das Börsenzulassungs-Gesetz v. 16.12.1986 (BGBl. I 2478) umgesetzt. Eine Änderung der Börsenprospektrichtlinie ist geplant, wozu bereits ein Vorschlag der Kommission vorliegt (KOM [92] 566 endg.). Zu beachten ist ferner die Investmentfonds-Richtlinie — Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW) vom 20.12.1985 (85/611/EWG), die mit dem Ersten Finanzmarktförderungsgesetz vom 22.2.1990 (BGBl. I 266) in Deutschland umgesetzt wurde. Die Emissionsprospekt-Richtlinie (89/298/EWG) führte zur Schaffung des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes vom 13.12.1990 (BGBl. I 2749). Die Insider-Richtlinie (89/592/EWG) und die Transparenz-Richtlinie (88/627/EWG) sowie Teile der WertpapierdienstleistungsRichtlinie wurden im Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz, das auch ein Wertpapierhandelsgesetz enthält, umgesetzt (s. ο. II e). 21
4. Ausländische Handelsrechte Allgemeine Hilfsmittel. Campbell (Hrsg.) Legal Aspects of Doing Business in Western Europe, Deventer 1983; Commerce Clearing House (CCH) New York (Hrsg.) Trade Regulations Reporter, 5 Bde. (Loseblatts.), Stand 1983; C C H (Hrsg.) Common Market Reporter, 4 Bde.; The Digest of Commercial Laws of the World (Hrsg.: The National Association of Credit Management, Inc.) New York, 5 Bde., 1977; Horn/Buxbaum/ Schmitthoff (Hrsg.) Studies in Transnational Economic Law, vol. 1—6, 1980—88; Investment Laws of the World (Hrsg.: International Center for the Settlement of Investment Disputes) New York, 11 Bde., 1982; Meinhardt Company Law in Europe, 3. Aufl. 1981; Gierke/Sandrock §5 Β; Stumpf/Detzer/Immesberger Internationales Handelsvertreterrecht Teil 2, 4. Aufl. 1986 (Ausländisches Handelsvertreterrecht); Wittenstein/Böckl Ausländisches Wirtschaftsrecht (Loseblatts.), Stand 1993; International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. VIII Specific Contracts (Zweigert), 1973—83; Bd. I X Commercial
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Transactions (Ziegel), 1979; Bd. XIII Business and Private Organizations (Conard), 1972 - 85; Bd. XVII State and Economy (Blagojevic/Dam), 1975-78; Graf v. Westpbalen (Hrsg.) Handbuch des Kaufrechts in den EG-Staaten, 1992; Jahn Wechselrecht in Europa 2. Aufl., Köln 1993; Morawitz Das internationale Wechselrecht, Tübingen 1991; Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt (Hrsg.) Die GmbH-Rechte in den EG-Staaten, Köln 1993; Maitland-Walker Guide to European Company Laws, London 1993. S. auch vor Rdn. 1. Zu den einzelnen Ländern Belgien. Code de commerce von 1807 mit zahlreichen Änderungen. Lehrbücher: J. van Ryn/J.Heenen Principes de droit commercial, Brüssel, 4 Bde., 1954—1965; Neuaufl. Bd.1—3, 1976—1981; L.Frédéricq Traité de droit commercial belge, Brüssel, Bde. 1—9, 1946—1955; ders. Précis de droit commercial, Brüssel 1970; Peeters Gesellschaftsrecht in Belgien, 1993. VR China. WirtschaftsvertragsG vom 13.12.1981; AußenwirtschaftsvertragsG vom 21.3.1985; Allgemeine Grundsätze des Zivilrechts vom 12.4.1986; G über chinesischausländische Gemeinschaftsunternehmen vom 8. 7.1979. Schrifttum: Horn!Schütze (Hrsg.) Wirtschaftsrecht und Außenwirtschaftsverkehr der Volksrepublik China, 1987, mit zahlreichen Gesetzestexten (S. 339 ff), Vertragsbeispielen (S. 591 ff) und Bibliographie (S. 637—658); vgl. auch Harnischfeger-Ksoll/ Wu Jinkun (Hrsg.) China-Handbuch für die Wirtschaft, 1986; Rubbra Volksrepublik China. Investitionsrecht. Gesetz über Unternehmen mit ausschließlich ausländischer Kapitalbeteiligung, Köln, Berlin 1993; v. Senger Einführung in das chinesische Recht, München 1994. Dänemark. Gomard Das dänische Gesetz über Aktiengesellschaften vom 13.6.1973 mit späteren Änderungen, 3. Aufl. 1991; Steiniger Das dänische Aktiengesetz, Berlin 1983; Gammeltoft-Hansen/Gomard/Philip Danish Law. A General Survey, Kopenhagen 1982. Frankreich. Code civil, 1804; Code de commerce, 1807, beide mit zahlreichen Änderungen; Loi sur les sociétés, 1966; Chaussade-Klein Gesellschaftsrecht in Frankreich, München 1993; Ferid Das französische Zivilrecht, Bd. I, Frankfurt a. M., Berlin 1971; Ferid/Sonnenberger Das französische Zivilrecht, Bd. II, 2. Aufl., Heidelberg 1986; Gravenstein Französisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 1988; Sonnenberger Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., Heidelberg 1991; Guyon Droit des affaires, Bd. I: Droit commercial général et Sociétés, 6. Aufl., Paris 1990; Hamel/Lagarde/Jauffret Droit commercial, Bd. I vol. 1 u. 2, 2. Aufl., Paris 1980; Hémard/Terré/Mabilat Sociétés commerciales, 3 Bde., Paris 1972/74/78; Jauffret/Mestre Manual de droit commercial, 19. Aufl., Paris 1989; Lemeunier Société anonyme, 14. Aufl., 1984; Moliérac Manuel de sociétés, 3 Bde., Paris 1969—71; Ripert/Roblot Traité de droit commercial, Bd. I, 14. Aufl., Paris 1991, Bd. II, 12. Aufl., Paris 1990; Rives-Lange/Contamine-Raynaud Droit bancaire, 5.Aufl., Paris 1990; D.Schmidt/Gramling Sociétés anonymes, sociétés à responsibilité limitée, Paris 1981/82; de Theux Le droit de la représentation commerciale, 1982. Großbritannien. Bills of Sale Act 1878; Bills of Exchange Act 1882; Partnership Act 1980; Sale of Goods Act 1979; Cheques Act 1957; Hire-Purchase Act 1965; Misrepresentation Act 1967; Fair Trading Act 1973; The Supply of Goods and Services Act 1982; Companies Act 1985; Company Securities Act 1985; Company Consolidation Act 1985. Triebel Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 1987; Güthoff Gesellschaftsrecht in Großbritannien, München 1993; Borrie Commercial Law, 4. Aufl. 1975; ders. Elements of Mercantile Law, 17. Aufl., London 1978; Boyle/Birds Company Law, 2. Aufl., Bristol 1987; Gower The Principles of Modern Company Law, 5. Aufl., London 1992;
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Einleitung I I I
Keenan/Smith Essentials of Mercantile Law, 6. Aufl. 1985; Lowe Commercial Law, 6. Aufl., London 1983; Pennington Company Law, 5. Aufl., London 1985; Schmitthoff/ Sarre Charlesworth's Mercantile Law, 14. Aufl., London 1984; Dobson/Schmitthoff Charlesworth's Business Law, 15. Aufl., London 1991; Morse (Ed.) Palmer's Company Law, (Loseblatts.), 25. Aufl., London Stand 1993; Schmitthoff Export Trade. The Law and Practice of International Trade, 9. Aufl., 1990; T.E. Cain Charlesworth and Cain Company Law, 11. Aufl., London 1977; P.J. Cresswell/Blair/Hill/Wood Encyclopedia of Banking Law, London 1983;/. K. MacLeod! Α. Η. Hudson Stevens & Borrie's Elements of Mercantile Law, 17.Aufl., 1978; L.B. Curzon Chance's Principles of Mercantile Law, 22. Aufl., London 1980; Gow The Mercantile and Industrial Law of Scotland, Edinburgh 1964; Letter Das englische Wechsel- und Scheckrecht, 1979; Morse Company Law, 15. Aufl., London 1991; Walmsley Butterworth's Company Law Handbook, 7. Aufl., 1990; Lyall An introduction to British Law, Baden-Baden 1994. Irland. Ussher Company Law in Ireland, London 1986. Italien. Codice civile 1942 einschließlich Handelsrecht. Birk/Siehr Italienisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 1988; Hofmann Gesellschaftsrecht in Italien, München 1992; Kindler Einführung in das italienische Recht, München 1993; Auletta/Salanitro Diritto Commerciale, 3. Aufl., Mailand 1984; Cicu/Messineo Trattato di diritto civile e commerciale, Mailand 1968 — 1984; Cottino Diritto Commerciale, 2 Bde., 2. Aufl., Padua 1986/92; Ferri Manuale di diritto commerciale, 5. Aufl., Turin 1983; Galgano Diritto Privato, 3. Aufl., Padua 1985; ders. Diritto commerciale, vol. II: Le società, 4. Aufl., Bologna 1990; Scialoja/Branca Commentario del codice civile IV/V, Bologna 1965—82. Japan. Shòhò, Gesetz Nr. 48/1899 i.d.F. des Gesetzes Nr. 64/1990; Baum/Drobnig (Hrsg.) Japanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Berlin, New York 1994. Niederlande. Wetboek van Koophandel 1838 mit Änderungen; Dorhout Mees Kort Begrip van het Nederlands Handels- en Faillissementsrecht, 5. Aufl., Harlem 1971; Dorhout Mees/van Nieuwenhoven/Heibach Nederlands Handels- en Faillissementsrecht, 5 Bde., Arnheim, Bd.I, 9. Aufl. 1984; Bd. II, 8. Aufl. 1989; Bd. III, 7. Aufl. 1980, Bd. IV, 7. Aufl. 1980, Bd. V, 8. Aufl. 1988; Götzen Niederländisches Handels- und Wirtschaftsrecht 1979; ders. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in den Niederlanden, 2. Aufl. 1978; Molengraaf Leidraad bej de Beoefening van het Nederlandse Handelsrecht, 4 Bde., Haarlem 1953—66; Schuit/Romyn/Zevenboom Dutch Business Law (Loseblatts.), 3. Aufl., Deventer; Slagter Compendium van het Ondernemingsrecht, 6. Aufl., Deventer 1993; van Delden u.a. Hoofdstukken Handelsrecht, 2. Aufl., Deventer 1993. Österreich. HGB 1938; AktG 1965; GmbHG 1906; WG 1955; ScheckG 1955; HämmerleWünsch Handelsrecht, Bd.I, 4. Aufl., 1990, Bd. II, 3. Aufl., 1978, Bd. III, 3. Aufl., 1979; Holzhammer Allgemeines Handelsrecht und Wertpapierrecht, 4. Aufl., 1993; ders. Österreichisches Handelsrecht III (Gesellschaftsrecht), 1986; Kastner/Dorait/ Nowotny Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts, 5. Aufl., Wien 1990; ReichRohrwig Das österreichische GmbH-Recht, Wien 1983; Rinner Österreichisches Handelsrecht II (Gewerblicher Rechtsschutz), 2. Aufl., Wien 1982; Straube (Hrsg.) Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Wien 1987. Osteuropa. Bönsch Rechtliche Möglichkeiten privatwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit in Ungarn, Baden-Baden 1992; Bohata Gesellschaftsrecht in der Tschechischen Republik und der Slowakei, München 1993; Breidenbach (Gesamthrsg.) Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa (Loseblatts.), München Stand Juni 1994; Brunner Einführung in das ungarische Wirtschaftsrecht, Baden-Baden 1991; Gralla/Sonnenberger (Hrsg.) Handelsgesellschaften in Osteuropa, München 1993; Liebscher/Svorcik Die Kapitalgesellschaft nach
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tschechischem und slowakischem Recht, Wien 1993; Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht (Hrsg.) Deutsches und sowjetisches Wirtschaftsrecht V, Tübingen 1991; Piirner Tschechoslowakei. Handelskauf, Unternehmenskauf, Finanzierungsleasing, Sonderregeln über internationale Handelsgeschäfte, Köln, Berlin 1992; Piirner/Fiisser Tschechoslowakei. Aktienrecht, Köln, Berlin 1992; dies. Tschechoslowakei. GmbHRecht, Köln, Berlin 1992; Roggemann/Kuss Unternehmensumwandlung und Privatisierung in Osteuropa, Berlin 1993; Roggemann/Konstantinov (Hrsg.) Wege zur Privatisierung in Bulgarien: Rechtsvergleichung und Rechtspraxis, Berlin 1994; Scheifele/Thaeter Unternehmenskauf, Joint Venture und Firmengründung in der Tschechischen Republik, Köln, 1993. Portugal. Cremades/Peinado übrigen unter Spanien.
Gesellschaftsrecht in Portugal, München 1993; siehe im
Schweiz. Obligationenrecht (OR) 1881/1911/1936, mit Änderungen. Bodmer/Kleiner/ Lutz Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz (Loseblatts.), Zürich Stand 1993; Bucher Schweizerisches Obligationenrecht, AT, 2. Aufl., Zürich 1988, BT, 3. Aufl., Zürich 1988; Forstmoser/Meier-Hayoz Einführung in das schweizerische Aktienrecht, 3. Aufl., Bern 1983; Guhl Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Aufl., Zürich 1991; Gutzwiller u. a. (Hrsg.) Schweizerisches Privatrecht, Bd. VI—VIII, Basel 1976—84; Meier-Hayoz/von der Crone Wertpapierrecht, Bern 1985; Meier-Hayoz/Forstmoser Grundriß des schweizerischen Gesellschaftsrechts, 6. Aufl., Bern 1989; s. ferner Berner Kommentar und Zürcher Kommentar. Spanien. Código de Comercio 1885; Adomeit/Frühbeck Einführung in das spanische Recht, München 1993; Bodenstein/Jahn Neues Wechsel- und Scheckrecht in Spanien, Köln 1986; Fischer!Fischer Spanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Heidelberg 1983; Löher Das spanische Scheckrecht, Frankfurt a. M. 1988; ders./Peuster (Hrsg.) Aktuelles spanisches Handels- und Wirtschafts recht, Frankfurt a. M. u.a. 1991; Löber/Peuster/Reichmann Spanisches Handelsgesetzbuch — Código de Comercio (zweisprachige Gesetzesausgabe), Frankfurt a. M. 1984; Broseta Pont Manual de Derecho Mercantil, 8. Aufl., Madrid 1990; de la Cámara Alvarez Estudios de Derecho Mercantil, 2 Bde., Madrid 1972/77; Uria Derecho Mercantil, 17. Aufl., Madrid 1990. USA. Uniform Commercial Code (UCC), ab 1954 ff. Blumenwitz Einführung in das anglo-amerikanische Recht, 5. Aufl., München 1994; Butler/MielertlRosendahl Investitionen und Unternehmensrecht in den Vereinigten Staaten von Amerika, München 1983; Elsing US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Heidelberg 1985; Kavanagh/ Westrick Die Corporation als Gesellschaftsform in den USA, Limburg 1979; Treumann/ Peltzer/Kuehn US-amerikanisches Wirtschaftsrecht/US-Business Law, 2. Aufl. Köln 1990; Anderson On the UCC, vol. 1 - 1 1 , 3. Aufl., Rochester 1981-87; Cary/Eisenberg Cases and Materials on Corporations, 4. Aufl. 1969; Jennings/Buxbaum Corporations. Cases and Materials, 6. Aufl., St. Paul (Minn.) 1987; Reuschlein/Gregory Handbook of the Law of Agency and Partnership, St. Paul (Minn.) 1979; Stevens (Hrsg.) Statutes, Cases and Materials on the Law of Corporations and Other Business Enterprises, St. Paul (Minn.), 1965.
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IV. Verfahrensrecht in Handelssachen 1. Streitige Gerichtsbarkeit 1
a) Allgemeines; Kammer für Handelssachen. Eine eigene Handelsgerichtsbarkeit besteht nicht. Rechtsstreitigkeiten in Handelssachen werden als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten i. S. § 13 GVG vor den zuständigen Zivilgerichten ausgetragen, in erster Instanz also Landgericht (§ 71 Abs. 1 GVG) oder Amtsgericht (§ 23 GVG). An den Landgerichten sind gem. §§93—114 GVG Kammern für Handelssachen als besondere Spruchkörper mit einem Berufsrichter als Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern, die Kaufleute oder Organe von Formkaufleuten sein müssen, eingerichtet (§§ 105, 109 GVG). Durch die Beisitzer soll die Erfahrung der Wirtschaftspraxis für die Rechtsprechung nutzbar gemacht werden; Einzelentscheidungen des Vorsitzenden bleiben aber möglich (§349 ZPO). In einem Rechtsstreit, an dem ein Beisitzer als persönlich haftender Gesellschafter einer Partei beteiligt ist, können sämtliche Richter der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit gem. §42 ZPO abgelehnt werden (OLG Nürnberg NJW 1967, 1864). 2 Der Begriff der Handelssachen ist in § 95 GVG definiert und geht weit über den Begriff des Handelsgeschäfts i. S. §§ 343 ff hinaus. Er umfaßt außer Streitigkeiten aus beiderseitigen Handelsgeschäften u. a. solche zwischen Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft und mit stillen Gesellschaftern, Streitigkeiten über den Gebrauch der Handelsfirma, von Warenzeichen, wegen mangelnden Nachweises der Prokura oder Handlungsvollmacht, Streitigkeiten aus UWG mit Ausnahme von Klagen des Letztverbrauchers (§13 a UWG) und aus GWB einschließlich Klagen aus Kartellverträgen und -beschlüssen (§ 87 GWB) sowie aus dem Börsengesetz (§95 Abs. 1 Nr. 2—6). Der Text der Vorschrift lautet:
in 1. 2. 3. 4.
§95 GVG (Handelssachen) (1) Handelssachen im Sinne dieses Gesetzes sind die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, denen durch die Klage ein Anspruch geltend gemacht wird: gegen einen Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches aus Geschäften, die für beide Teile Handelsgeschäfte sind; aus einem Wechsel im Sinne des Wechselgesetzes oder aus einer der im §363 des Handelsgesetzbuchs bezeichneten Urkunden; auf Grund des Scheckgesetzes; aus einem der nachstehend bezeichneten Rechtsverhältnisse: a) aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft oder zwischen dieser und ihren Mitgliedern oder zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Handelsgeschäfts, sowohl während des Bestehens als auch nach Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses, und aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Vorstehern oder den Liquidatoren einer Handelsgesellschaft und der Gesellschaft oder deren Mitgliedern; b) aus dem Rechtsverhältnis, welches das Recht zum Gebrauch der Handelsfirma betrifft; c) aus den Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz der Warenbezeichnungen, Muster und Modelle beziehen; d) aus dem Rechtsverhältnis, das durch den Erwerb eines bestehenden Handelsgeschäfts unter Lebenden zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber entsteht; e) aus dem Rechtsverhältnis zwischen einem Dritten und dem, der wegen mangelnden Nachweises der Prokura oder Handlungsvollmacht haftet; f) aus den Rechtsverhältnissen des Seerechts, insbesondere aus denen, die sich auf die Reederei, auf die Rechte und Pflichten des Reeders oder Schiffseigners, des Korrespondentreeders und der Schiffsbesatzung, auf die Bodmerei* und die Haverei, auf
"Gegenstandslos. Die § § 6 7 9 - 699 HGB über die Bodmerei sind durch Seerechtsände-
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rungsG v. 2 1 . 6 . 1 9 7 2 (BGBl. I S. 966) aufgehoben.
Einleitung IV
den Schadensersatz im Falle des Zusammenstoßes von Schiffen, auf die Bergung und Hilfeleistung und auf die Ansprüche der Schiffsgläubiger beziehen; 5. auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb mit Ausnahme der Ansprüche der letzten Verbraucher aus § 13 a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, soweit nicht ein beiderseitiges Handelsgeschäft nach Absatz 1 Nr. 1 gegeben ist; 6. aus den §§45 bis 48 des Börsengesetzes (Reichsgesetzbl. 1908 S.215). (2) Handelssachen im Sinne dieses Gesetzes sind ferner die Rechtsstreitigkeiten, in denen sich die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 246 Abs. 3 S. 1 oder § 396 Abs. 1 S. 2 des Aktiengesetzes richtet. Der Rechtsstreit wird nur vor der Kammer für Handelssachen verhandelt, wenn der 3 Kläger dies in der Klageschrift oder im Verweisungsantrag vom Amtsgericht an das Landgericht (§ 96 GVG), bei Mahnverfahren in der Klagbegründung gem. § 697 Abs. 1 S. 2 ZPO ( O L G Frankfurt N J W 1980, 2202) beantragt oder wenn der Beklagte die Verweisung an diese Kammer beantragt (§98 Abs. 1 GVG). Der Rechtsstreit kann wegen nachträglich eintretender Unzuständigkeit auf Antrag an die Zivilkammer verwiesen werden (§99 ZPO). Die Entscheidung über die Verweisung im einen oder anderen Sinn ist unanfechtbar (§102 S. 1 GVG). Bei Klagehäufung müssen sämtliche Ansprüche Handelssachen sein {Zöller Z P O , 18. Aufl. 1993, §95 G V G Rdn.2). Ist aber ein einheitlicher Anspruch nur ζ. T. als Handelssache begründet, ζ. T. nicht, ist wohl die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen zu bejahen (Brandi-Dohrn N J W 1981, 2453). Durch Parteivereinbarung kann die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen nicht begründet werden ( B G H Z 55, 313, 317). b) Gerichtsstand. Im Gegensatz zu Minderkaufleuten und sonstigen Privatpersonen 4 können Vollkaufleute wirksam eine Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 38 Abs. 1 Z P O oder durch Vereinbarung des Erfüllungsortes zugleich einen Gerichtsstand gem. § 2 9 Abs. 2 Z P O begründen. Das Gesetz hat dadurch (ab 1974) die frühere Freiheit der Parteien, die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts zu vereinbaren, im Interesse der Sicherung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 G G ) auf Vollkaufleute beschränkt; eine Schiedsabrede (Rdn. 14 ff) bleibt allgemein zulässig.1 Die Kaufmannseigenschaft muß zwischen den Prozeßparteien vorliegen, nicht nur beim Rechtsvorgänger. 2 Der persönlich haftende Gesellschafter der O H G oder K G ist Kaufmann in diesem Sinn. 3 Im übrigen gelten die allgemeinen Gerichtsstandsvorschriften der §§ 12—37 ZPO, von denen der allgemeine Gerichtsstand des Sitzes von Handelsgesellschaften (AG, GmbH, O H G , K G ) (§17), der auch für Klagen im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern maßgeblich ist (§22; Diitz D B 1977, 2217), der besondere Gerichtsstand der geschäftlichen Niederlassung (§21), des Erfüllungsortes (§29) und des Messe- und Marktortes (§30) für den Handelsverkehr besonders wichtig sind. 2. Internationale Zuständigkeit und Vollstreckung a) Internationale Zuständigkeit. Die internationale Zuständigkeit entscheidet die Frage, die Gerichte welchen Landes zur Entscheidung bei einer Rechtssache (mit Aus-
' Kornblum Z H R 138 (1974), 478; Bettermann ZZP 91, 392. 2 LG Trier NJW 1982, 287; Baumbach/Lauterback/Hartmann ZPO. Kommentar, 52. Aufl. 1994, § 3 8 Anm. 3 A.
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Häuser JZ 1980, 761; Hartmann Anm. Β a.
(vgl. Fn.2)
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Einleitung IV landsberührung) berufen sind. 4 Das deutsche Recht enthält dazu nur wenige Regelungen (§§ 23 a, 328 Abs. 1 Ziff. 1 Z P O ) . Die Frage ist daher nach deutschem internationalen Zivilprozeßrecht in Anlehnung an die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden. 5 Die Entscheidung eines ausländischen Gerichts, das nach deutschem Recht international nicht zuständig ist, wird gem. § 328 Abs. 1 Ziff. 1 Z P O in Deutschland nicht anerkannt. 6
Vorrangig gilt das zwischen den EG-Staaten geschlossene Europäische Ubereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ( E u G V Ü ) vom 2 7 . 9 . 1 9 6 8 (BGBl. 1972 II 774), ratifiziert durch G vom 24. 7.1972 ( B G B l . II 773), in Kraft ab 1 . 2 . 1 9 7 3 (BGBl. 1973 II 60 und I 26). Das E u G V Ü ist durch das Beitrittsübereinkommen weiterer Mitgliedsstaaten vom 9 . 1 0 . 1 9 7 8 und v. 2 5 . 1 0 . 1 9 8 2 , dem die Bundesrepublik durch G vom 2 2 . 1 2 . 1 9 8 3 (BGBl. II 802) und v. 1 5 . 2 . / 2 4 . 8 . 1 9 8 9 ( B G B l . II 214/752) zugestimmt hat, geändert worden. Nach Art. 2 E u G V Ü sind die Gerichte des Wohnsitzlandes allgemein zuständig. Der Gesellschaftssitz steht gem. Art. 53 dem Wohnsitz gleich. Vorrangig gilt der vertragliche Erfüllungsort gem. Art. 5 Nr. 1. Maßgeblich ist dabei die Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet ( E u G H N J W 1977, 490; Β G H Z 74, 136, 139). Bei Anwendung des Art. 5 N r . 1 hat das Gericht zunächst das auf den Vertrag anwendbare Recht zu ermitteln und danach den Erfüllungsort zu bestimmen ( E u G H N J W 1977, 490). Die Vereinbarung des Erfüllungsortes nach § 6 5 lit. b ADSp. reicht für die Anwendung des Art. 5 aus ( B G H N J W 1985, 560). Art. 5 Nr. 1 ist auch anwendbar, wenn die Gültigkeit des Vertragsschlusses streitig ist. 6 Der Sitz des Gläubigers ist gem. Art. 5 N r . 3 als Deliktsort (Schadensort) maßgeblich, wenn (etwa im Zusammenhang mit Handelsgeschäften) eine deliktische Schadensersatzklage erhoben wird. 7 In Versicherungssachen gilt gem. Art. 7 ff eine erweiterte Zuständigkeit (Sitz des Versicherers oder Versicherten oder Vermittlers oder Schadensort). Ausschließliche Zuständigkeiten bestehen ζ. B. für Klagen im Hinblick auf Grundstücke einschließlich Miete oder Pacht im Staat der Belegenheit, für Klagen über das Bestehen einer Gesellschaft oder die Wirksamkeit ihrer Beschlüsse im Sitzstaat, für Klagen über Registereintragungen im Staat des Registerorts (Art. 16 N r . 1—4).
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Nach Art. 17 E u G V Ü kann der Gerichtsstand durch schriftliche oder schriftlich bestätigte Vereinbarung in gewissen Grenzen bestimmt werden. Dabei kann auch vereinbart werden, daß bei Klagen aus einem Vertrag jeweils die Gerichte des Landes des Beklagten zuständig sein sollen ( E u G H N J W 1979, 1100; B G H N J W 1979, 2478). Darin kann zugleich ein Aufrechnungsverbot liegen ( B G H N J W 1979, 2478). Durch vertragliche Vereinbarung des Erfüllungsortes kann die Zuständigkeit auch nach Art. 5 Nr. 1 begründet sein ( B G H N J W 1985, 560). Die formfreie Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 31 Abs. 1 C M R hat Vorrang vor Art. 17 E u G V Ü . 8
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Schrifttum Kropholler Internationale Zuständigkeit (Handbuch des Internationalen Zivilprozeßrechts Bd.I), 1982; Schütze Deutsches Internationales Zivilprozeßrecht, 1985; Quellensammlung: Bülow/Böckstiegel Der Internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 2. Aufl., (Loseblatts.) Stand 1993. BGHZ 69, 44; 80, 3; Baumbacb/Lauterbach/Hartmann ZPO. Kommentar, 52. Aufl. 1994, Übers. 12, Anm.lCb Rdn. 6 ff.
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EuGH Urt. vom 4.3.1982 in Rs.38/81; BGH NJW 1982, 2733. Vgl. auch BGHZ 82, 110, 114 zum Vorrang des An. 5 vor innerstaatlicher Zuständigkeitsregelung (BinnSchVerfG). BGH NJW 1985, 561 (betr. Mißbrauch einer Bankgarantie); dazu auch OLG München WM 1985, 189 = WuB I K 3 Bankgarantie 1.85 (Horn). Baumbach/Duden/Hopt Einl. vor § 1, IV 2 D .
Einleitung IV b) V o l l s t r e c k u n g . D i e V o l l s t r e c k u n g aus U r t e i l e n ausländischer G e r i c h t e setzt ein V o l l s t r e c k u n g s u r t e i l des d e u t s c h e n G e r i c h t s gem. §§ 722, 723 Z P O v o r a u s , das n u r erlassen w i r d , w e n n das U r t e i l gem. § 3 2 8 Z P O a n z u e r k e n n e n ist ( § 7 2 3 A b s . 2 S. 2 Z P O ) . D i e A n e r k e n n u n g ist bei v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e n A n s p r ü c h e n ausgeschlossen, w e n n die G e g e n seitigkeit n i c h t v e r b ü r g t ist ( § 3 2 8 A b s . 1 N r . 5, A b s . 2 Z P O ) . D i e gegenseitige A n e r k e n n u n g u n d d a m i t die M ö g l i c h k e i t , d e u t s c h e U r t e i l e im A u s l a n d z u vollstrecken, ist G e g e n s t a n d zahlreicher i n t e r n a t i o n a l e r A b k o m m e n u n d i n s b e s o n d e r e des E u G V U ( o b e n R d n . 7). 9 Bei U r t e i l e n , die n a c h d e m E u G V U a n z u e r k e n n e n sind, bedarf es k e i n e r V o l l s t r e k k u n g s k l a g e , s o n d e r n n u r eines A n t r a g s gem. A r t . 3 I f f . Z u m V o r b e h a l t des O r d r e p u b l i c gem. A r t . 2 7 N r . 1 vgl. B G H Z 88, 17. 3. Schiedsgerichtsbarkeit in H a n d e l s s a c h e n S c h r i f t t u m (Auswahl) Aden Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1988; Berger Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992; Berger International Economic Arbitration, 1993; Calavros Das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1988; Craig/Park/Paulsson International Chamber of Commerce Arbitration, 2. Aufl. 1990; Glossner/ Bredow/Bühler Das Schiedsgericht in der Praxis, 3. Aufl. 1990; Herrn Schiedsverfahrensrecht, 2. Aufl. 1991; Holtzmann/Neuhaus A Guide to the U N C I T R A L Model Law on International Commercial Arbitration, 1989; Hußlein/Stich Das U N C I T R A L Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1990; Lew (Hrsg.), Contemporary Problems in International Arbitration 1987; Redfern/Hunter Law and Practice of International Commercial Arbitration, 2. Aufl. 1991; Raeschke-Kessler/Berger/Lehne Schiedsgerichtspraxis, 2. Aufl. 1995; Schlosser Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989; Schütze/Tscherning/Wais Handbuch des Schiedsverfahrens 2. Aufl. 1990; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit, 4. Aufl. 1990; s. ferner die Kommentare zu §§1025 ff Z P O und: Böckstiegel (Hrsg.), Studien zum Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 1979; ders. (Hrsg.), Vertragspraxis und Streiterledigung im Wirtschaftsverkehr mit arabischen Staaten, 1981; Böckstiegel/Glossner Internationale Schiedsgerichtsbarkeit im OstWest-Handel, 1975; Cohn/Domke/Eisemann Handbook of Institutional Arbitration in International Trade, 1977; Dohmke The Law and Practice of Commercial Arbitration, 1968; Habscheid Das Schiedsgutachten, FS Heinrich Lehmann, Bd. II, 1956, S.789; ders. Schiedsvertrag und Schiedsgutachtenvereinbarung, KTS 1957, 129; Horn (Hrsg.), Adaptation and Renegotiation of Contracts in International Trade and Finance, 1985; Horn/Fontaine/Maskow/Schmitthoff Die Anpassung langfristiger Verträge. Vertragsklauseln und Schiedspraxis, 1984; H.J. Maier Europäisches Ubereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit und UN-Ubereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, 1966; Nicklisch Instrumente der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit zur Konfliktregelung bei Langzeitverträgen, RIW 1978, 633; ders. u.a., Bau- und Anlagenverträge. Risiken, Haftung, Streitbeilegung, 1984; Pirrung Die Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Weltbankabkommen über Investitionsstreitigkeiten, 1972; Rauscher Das Schiedsgutachtenrecht unter besonderer Berücksichtigung der Regelungen der Praxis des Massenverkehrs, 1969; Riedberg Der amiable compositeur im internationalen privaten Schiedsgerichtsverfahren, 1962; Schmitthoff (Hrsg.), International Commercial Arbitration, 2. Aufl., 3 Bde., 1975 ff (Stand 1986); Straatmann/Ulmer Handelsrechtliche Schiedsgerichtspraxis, Bd.I, 1975, Bd. II, bearb. v. Timmermann 1982; Sanders (Hrsg.), New Trends in the Development of International Commercial Arbitration (ICCA Congress Series no. 1), 1983.
9
Biilow/Böckstiegel Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 2. Aufl. (Loseblatts.), 1973 ff, Stand 1993; GeimerlSchütze Internationale Urteilsanerkennung, Bd. 1/2, 1984; MaxPlanck-Institut f. ausi. u. int. Privatrecht (Hrsg.), Hand Horn
buch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III/l, Martiny/Waehler/Wolff 1984; Länderübersicht Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann Z P O 52. Aufl. 1994, Anh. §328.
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8
Einleitung IV
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a) Bedeutung und Funktion. Handelssachen werden in großem Umfang von Schiedsgerichten entschieden und damit der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen. Die Praxis sieht Vorteile in der oft größeren Sachkunde der frei gewählten Schiedsrichter (auch Nichtjuristen, die über besondere Kenntnisse der Branche, Geschäftsart, technischen Probleme, der Sprache oder allgemein des Auslandsgeschäfts verfügen), ferner in der Schnelligkeit und Diskretion des Verfahrens. Zwar ist auch das Schiedsverfahren der Gefahr von Verschleppungsversuchen ausgesetzt; notfalls hilft Kündigung des Schiedsvertrags aus wichtigem Grund (BGH EWiR § 1025, ZPO 2/85, 919 Horn). Grundsätzlich ist aber das Verfahren schneller schon mangels Instanzenzugs, sofern nicht ein Oberschiedsgericht vereinbart ist, und flexibler. Kostengünstiger ist das Schiedsverfahren, wenn man die Ersparnis des Instanzenzugs der staatlichen Gerichte berücksichtigt, und oft im Vergleich zur ausländischen Gerichtsbarkeit, ζ. B. der USA (Kostentragung auch bei Obsiegen) (zum Ganzen Schütze/Tscherning/Wais S. 1—8). Bedenklich ist im Einzelfall die Gefahr mangelnder Unabhängigkeit der Schiedsrichter (Schlosser ZIP 1987, 492). Zur relativ leichteren Durchsetzbarkeit von Schiedssprüchen im Ausland im Vergleich zu Urteilen unten Rdn. 19 ff.
10
b) Arten. Institutionell ist zu unterscheiden zwischen dem Ad-hoc-Schiedsgericht, das die Parteien im Hinblick auf einen einzelnen Streitfall im Vertrag oder anläßlich des Streitfalles durch Vereinbarung bestimmen, und dem institutionellen Schiedsgericht, das eine feste ständige Organisation (Sekretariat) und eine feste Verfahrensordnung hat und die Schiedsrichter bestellt bzw. die Parteien bei ihrer Bestellung unterstützt. In beiden Fällen beruht das Verfahren letztlich auf der Schiedsvereinbarung der Parteien, die auch bei Vereinbarung eines institutionellen Schiedsgerichts oft eine Auswahlmöglichkeit (aus einer Schiedsrichterliste) haben. Beim institutionellen Schiedsgericht ist zu unterscheiden zwischen der Organisation und dem eigentlichen Schiedsgericht. So ist der „Schiedsgerichtshof" der IntHK nur die Institution, die ihre Dienste bei der Auswahl der Schiedsrichter und der Durchführung des Verfahrens zur Verfügung stellt und dieses formal überwacht. 10
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Die Parteien bedienen sich häufig und bei institutioneller Schiedsgerichtsbarkeit regelmäßig vorformulierter Musterschiedsordnungen, die eine Verfahrensordnung enthalten und Teil des Schiedsvertrags (Rdn. 14 f) werden (Texte s. bei Schütze/Tscherning/Wais S. 523 ff). Sie sind insbesondere im internationalen Geschäft wichtig, weil die Parteien ihnen unbekanntes nationales Schiedsrecht der anderen Seite vermeiden wollen. Hervorzuheben sind: (1) Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) Bonn, Fassung 1992. (2) Hamburger Freundschaftliche Arbitrage, enthalten in §20 der Platzusancen für den Hamburgischen Warenhandel i. d. F. der Bekanntmachung der Handelskammer Hamburg vom 17.10.1927, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 4.9.1958 (Text erhältlich bei der Handelskammer Hamburg); Entscheidungen der Hamburger freundschaftlichen Arbitrage sind abgedruckt bei Straatmann/Ulmer vgl. Schrifttum. (3) Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen i.d. F. von 1974 (Text erhältlich bei: Deutscher Beton-Verein e. V. Wiesbaden). Internationale Schiedsgerichtsordnungen: (4) Schiedsgerichtsordnung der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (ECE-Schiedsgerichtsordnung) (UNDoc./ECE/625/Rev. l-E/Trade/81/Ref. I). 1 1 (5) UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung vom 28.4.1976; 1 2 (6) ICC-Schiedsgerichtsordnung (Rdn. 12). 10
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Vgl. Raeschke-Kessler/Bühler ZIP 1987, 1147; O L G Stuttgart ZIP 1987, 1213. Deutscher Text bei Schütze/Tscherning/ Wais S. 560; dazu Arnold A W D 1967, 179.
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Horn
Deutsch-englischer Text bei Schütze/ Tscheming/Wais S. 575; dazu Sandrock Handbuch der internationalen Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, F Rdn. 341 ff m. w. N.
Einleitung IV
Wer eine institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit vereinbart, vereinbart damit regelmäßig 1 2 deren Schiedsgerichtsordnung. International wichtigste institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit ist die des Schiedsgerichtshofs der Internationalen Handelskammer mit Schiedsgerichtsordnung von 1975/88 (ICC Pubi. No. 447). 13 Weitere für den internationalen Handel wichtige institutionelle Schiedsgerichte sind die der Zürcher Handelskammer, das Schiedsgerichtsinstitut der Stockholmer Handelskammer, der London Court of International Arbitration und die Schiedsgerichtsordnung der American Arbitration Association (AAA) (Texte und Literaturnachweise bei Scbütze/Tscherning/Wais S.63Iff). Eine besondere Art institutioneller Schiedsgerichtsbarkeit ist die Verbandsschiedsge- 1 3 richtsbarkeit für Mitglieder von Verbänden (vgl. Schlosser Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, 1972). Eine Schiedsklausel, die einen Streit zwischen einem Verbandsmitglied und einem Nichtmitglied der Verbandsschiedsgerichtsbarkeit unterstellt, ist unwirksam, wenn nur Verbandsmitglieder Richter sein können.14 Die früher große Bedeutung der Verbandsschiedsgerichtsbarkeit im Bereich des Kartellrechts ist durch § 91 GWB stark verringert. Danach sind Schiedsverträge über künftige Kartellstreitigkeiten nur wirksam, wenn jeder Partei das Recht verbleibt, statt dessen die ordentlichen Gerichte anzurufen. Dieser Vorbehalt muß ausdrücklich in der Schiedsklausel enthalten sein (BGHZ 88, 314, 317). c) Schiedsvertrag. Durch Schiedsvertrag gem. §1025 ZPO unterwerfen sich die Parteien dem Schiedsverfahren mit der Folge, daß jede Partei bei Anrufung eines ordentlichen Gerichts die Schiedseinrede gem. § 1027 a ZPO erheben kann (anders gem. §911 GWB bei Kartellstreitigkeiten). Der Schiedsvertrag kann wirksam nur im Hinblick auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (§13 GVG) und insoweit geschlossen werden, als die Parteien über den Streitgegenstand durch Vergleich verfügen können (§ 1025 Abs. 1 ZPO). Er wird regelmäßig über künftige Rechtsstreitigkeiten geschlossen und muß dazu hinreichend bestimmt sein (§ 1026 ZPO). Die besondere Form des Schiedsvertrags (ausdrücklich schriftlich in besonderer Urkunde) gilt gem. § 1027 Abs. 2 ZPO nicht unter Vollkaufleuten, wenn der Schiedsvertrag für beide Teile ein Handelsgeschäft ist. Die formlos wirksame Schiedsklausel einer OHG oder KG mit einem Dritten wirkt auch für und gegen ihre Gesellschafter.15 Der Schiedsvertrag zwischen Gesellschaftern einer O H G oder KG bedarf der Schriftform des §1027 Abs. 1 ZPO, da er regelmäßig kein Handelsgeschäft ist (BGHZ 45, 285). Gleiches gilt für den Vertrag über eine stille Gesellschaft, wenn dieser nicht zugleich für den Stillen ein Handelsgeschäft ist {Baumbach/Duden/Hopt Einl. vor §1, IV 3 A). Eine andere Formerleichterung gibt §1048 ZPO insofern, als die Satzung eines Vereins oder einer anderen juristischen Person (AG, GmbH) Schiedsgerichtsbarkeit anordnen kann (BGHZ 48, 43); die Bestimmung erfaßt dann aber nur satzungsmäßig geregelte Gegenstände (BGHZ 38, 155, 161). §1048 ist nicht auf Personengesellschaften, auch nicht die Publikums-KG, anzuwenden (BGH NJW 1980, 1049). Die Formfreiheit des § 1027 Abs. 2 ZPO wird vom BGH nicht auf Unternehmen analog angewendet, die ähnlich Kaufleuten am Geschäftsverkehr teilnehmen (BGHZ 36, 273, 276 f; im Fall zweifelhaft [betr. Einfuhrund Vorratsstelle]). Der Schiedsvertrag zwischen Gesellschaftern ist auch für den Rechts-
13
Deutscher und englischer Text auch bei Schütze/Tscherning/Wais S. 598. Vgl. ferner Craig/Park/Paulsson ICC Arbitration; Böckstiegel NJW 1977, 463; Schwab S. 394; Raeschke-Kessler/Biilow ZIP 1987, 1147.
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BGHZ 51, 255; Kornblum ZZP 82 (1969), 480. O L G Köln BB 1961, 65; BGH BB 1980, 489; Baumbach/Duden/Hopt HGB, 28. Aufl., §128 A n m . 8 F .
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Einleitung IV
nachfolger in den Gesellschaftsanteil ohne weiteres verbindlich 16 ; gleiches gilt bei Gesamtrechtsnachfolge (BGHZ 68, 356, 359). Nicht an die Schiedsabrede gebunden ist der vollmachtlose Vertreter, der nach §179 BGB haftet, wohl aber der Makler, der nach §95 Abs. 3 HGB in Anspruch genommen wird, wenn der gescheiterte Vertrag eine Schiedsabrede enthält (BGHZ 68, 356, 359). 16
Der Schiedsvertrag kann gekündigt werden, wenn dies im Vertrag vorgesehen ist, andernfalls aus wichtigem Grund, etwa wegen mißbräuchlichen Verhaltens der anderen Partei (BGH EWiR § 1025, ZPO 2/85, 990 Horn). Da die Schiedsrichter unparteiisch und unabhängig sein müssen, sind Schiedsverträge gem. §1025 Abs. 2 ZPO unwirksam, die dies nicht gewährleisten, so die Klausel, daß bei einer Streitigkeit zwischen einem Verbandsmitglied und einem Dritten das Schiedsgericht nur mit Verbandsmitgliedern besetzt sein soll (BGHZ 51, 261). Unwirksam soll auch ein Schiedsvertrag sein, wonach der von einer Partei ernannte Schiedsrichter allein soll entscheiden können, wenn die andere Partei die fristgerechte Benennung des weiteren Schiedsrichters unterläßt (BGHZ 54, 392). Dem ist wegen der Verschleppungsgefahr durch Nichtbenennung nur zuzustimmen, wenn die Frist relativ kurz ist (so im Fall: drei Wochen) und keine besondere Vorkehrung für die Unparteiischheit des einen ernannten Schiedsrichters besteht, etwa durch Einschaltung eines institutionellen Schiedsgerichts. Unwirksam ist der Schiedsvertrag in Kartellsachen, wenn er entgegen §91 Abs. 1 GWB nicht ausdrücklich das Recht zur Anrufung der ordentlichen Gerichte vorbehält (BGHZ 88, 314, 317). Die Parteien können dem Schiedsgericht auch die bindende Entscheidung über die Gültigkeit des Schiedsvertrages übertragen (Kompetenz-Kompetenz); dem Gericht verbleibt dann zwingend die Kompetenz zur Prüfung der Gültigkeit dieser Klausel gem. § 1041 Abs. 1 S. 1 (BGHZ 68, 356, 366).
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d) Internationaler Schiedsvertrag. Bei einem internationalen Schiedsvertrag, den Parteien aus verschiedenen Ländern schließen, ist nach deutschem IPR das anwendbare Recht wie bei anderen Verträgen zu bestimmen (BGHZ 40, 320, 322), da es sich um einen materiellrechtlichen Vertrag (mit prozessualen Wirkungen) handelt (BGHZ 23, 198, 200). Maßgeblich ist daher primär der Parteiwille (BGHZ 40, 322). Uber die Wirksamkeit der Rechtswahl entscheidet das gewählte Recht (BGH N J W 1984, 2764). Mangels Rechtswahl ist im Zweifel Anwendung des gleichen Rechts wie bei dem zu regelnden materiellen Rechtsverhältnis (Hauptvertrag) gewollt. 1 7 Aber auch andere Anhaltspunkte für das anwendbare Recht sind zu beachten, insbes. kann das Prozeßverhalten der Parteien einen Anknüpfungspunkt liefern (BGH N J W 1984, 2764). Für die Form des Schiedsvertrags gilt gem. Art. 11 EGBGB alternativ Ortsrecht oder Geschäftsrecht. Vorrangig gelten internationale Abkommen, so insbes. das New Yorker Ubereinkommen von 1958 (Rdn. 21). Danach ist — abweichend von § 1027 Abs. 2 ZPO auch bei Vollkaufleuten — Schriftform erforderlich (Art. 2); Wechsel von Telegramm, Brief, Telex reicht aus, ebenso eine Schiedsklausel in einbezogenen AGB (BGH N J W 1984, 2763, 2764). Nach der Meistbegünstigungsklausel des Art. 7 kann sich jede Partei aber auf das günstigere Recht des Anerkennungsstaates berufen, also in Deutschland auch auf eine unter Kaufleuten gem. § 1027 Abs. 2 ZPO formlos gültige Abrede. 1 8
18
e) Verfahren. Zum Verfahren vor dem Schiedsgericht vgl. die Kommentare zu §§1034ff ZPO sowie die o.a. Lit., etwa Schütze/Tscherning/Wais Rdn.317ff. Durch den 16
46
B G H Z 71, 162 (betr. Sonderrechtsnachfolge in KG-Anteile); B G H N J W 1979, 2567 (betr. Erwerb eines GmbH-Anteils); BGH N J W 1980, 1797 (Eintritt in O H G aufgrund Eintrittsklausel).
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Horn
Schütze/Tscherning/Wais Rdn. 560; B G H Z 40, 323. Schwab Kap. 44 III l c r a . w . N . ; Schlosser Int. Schiedsgerichtsbarkeit Rdn. 123.
Einleitung IV
Schiedsrichtervertrag verpflichten die Parteien die Schiedsrichter und regeln ihre Vergütung (Scbütze/Tscherning/Wais Rdn. 171 ff); zur Verpflichtung der Parteien zur Zahlung je der Hälfte des vom Schiedsgericht angeforderten Kostenvorschusses s. B G H Z 55, 344. f) Vollstreckung im In- und Ausland. Der gem. §1039 ZPO abgefaßte, von den 1 9 Schiedsrichtern unterschriebene, den Parteien zugestellte und bei der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts niedergelegte Schiedsspruch hat zwar gem. § 1040 ZPO die Wirkung eines rechtskräftigen Gerichtsurteils, muß aber gem. § 1042 Abs. 1 ZPO durch gerichtliche Entscheidung für vollstreckbar erklärt werden. Das Gericht überprüft den Schiedsspruch nicht in der Sache, wohl aber hebt es ihn auf und lehnt seine Vollstreckung ab (§1042 Abs.2 ZPO), wenn die in §1041 ZPO genannten Aufhebungsgründe vorliegen (u.a. Unwirksamkeit des Schiedsvertrags, Verletzung der guten Sitten oder der öffentlichen Ordnung, Mangel des rechtlichen Gehörs); zur Unwirksamkeit des Schiedsvertrags wegen Kündigung aus wichtigem Grund s. B G H EWiR § 1025, ZPO 2/85, 919 Horn. Für den internationalen Handel, für den die Schiedsgerichtsbarkeit ein wichtiges Mittel 2 0 der Streitbeilegung ist, ist die Möglichkeit der Vollstreckung des Schiedsspruchs in allen Ländern, die das streitige Geschäft berührt und in denen die Gegenpartei Zugriffsvermögen hat, von großer Bedeutung. Zwar wird eine große Zahl von Schiedssprüchen freiwillig erfüllt; aber in anderen Fällen ist die Vollstreckbarkeit unumgänglich und ihre Möglichkeit ist unentbehrlicher Garant der Respektierung von Schiedssprüchen. Ausländische Schiedssprüche werden nach deutschem Recht gem. §1044 ZPO im Prinzip nach den gleichen Voraussetzungen anerkannt und für wirksam erklärt wie inländische; das Erfordernis der Gegenseitigkeit (vgl. § 3281 Nr. 5 ZPO) entfällt also. Es gelten im wesentlichen die gleichen Aufhebungsgründe wie bei einem inländischen Schiedsspruch (§ 1044 ZPO). Der Umstand, daß die deutsche Partei keinen Deutschen als Schiedsrichter des Außenhandelsschiedsgerichts in Belgrad wählen konnte, ist noch kein Verstoß gegen den deutschen ordre public i.S. §1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. 1 9 Um die Vollstreckung von Schiedssprüchen im Ausland zu ermöglichen, sind zahlrei- 21 che multilaterale und bilaterale zwischenstaatliche Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen abgeschlossen worden. Die wichtigsten multilateralen Abkommen sind: (1) Das UN-Ubereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (New Yorker Übereinkommen) vom 10.6.1958 (BGBl. 1961 II 121; 1962 II 102); (2) Das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelssschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl. 1964 II 426); (3) Das Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (Weltbank-Übereinkommen) vom 18.3.1965 (BGBl. 1969 II 371); (4) Das Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln vom 24.9.1923 (RGBl. 1925 II 47); (5) Das Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 26.9.1927 (RGBl. 1930 II 1068); (6) Das Abkommen über deutsche Auslandsschulden (Londoner Abkommen) vom 27.2.1953 (BGBl. 1953 II 333); (7) Die Internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM) und über den Eisenbahn-Personen- und -gepäckverkehr (CIV), beide vom 7.2.1970 (CIM, BGBl. 1974 II 381; CIV, BGBl. 1974 II 493). 2 0 Außerdem bestehen eine Reihe bilateraler Abkommen. Überblick über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung deutscher Schiedssprüche im Ausland bei Schütze/Tscherning/ Wais Rdn. 644 ff.
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B G H Z 55, 162; allg. Stein/Jonas/Schlosser 20. Aufl., § 1044 Rdn. 10 ff.
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Überblick mit Literaturnachweisen Schütze/Tscherning/Wais Rdn. 555 ff.
bei
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Einleitung IV
22
g) Schlichtung ist die Vermittlertätigkeit Dritter zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung. Schlichtungsstellen beruhen oft auf gesetzlicher Regelung. 21 Auch im Handelsverkehr ist Schlichtung von Bedeutung und z . T . einem vereinbarten Schiedsverfahren vorgeschaltet. Ob ein Schiedsvertrag in Wirklichkeit nur ein Schlichtungsvertrag ist, ist Frage der Auslegung (BGH KTS 1984, 333). Große Bedeutung hat die Schlichtung im internationalen Handelsverkehr, u. a. weil die Parteien bestimmter Länder schon aus Prestigegründen eine streitige Entscheidung vermeiden wollen. Empfehlenswert ist es aber, der Schlichtungsklausel eine Schiedsvereinbarung nachzuschalten, um dem Verfahren Nachdruck zu verleihen. Die IntHK hat in ihrer Schiedsordnung auch ein vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren vorgesehen (ICC Pub. No. 391, Art. 1—3, Text bei Horn Adaptation S. 397). U N C I T R A L hat eine eigene Schiedsordnung entwickelt: U N C I T R A L Conciliation Rules von 1980 (UN Doc. A/35/17). 2 2
23
Schlichtung wird im internationalen Handel auch vereinbart, um Probleme der Vertragsanpassung an veränderte Umstände zu lösen, insbes. im Hinblick auf Fälle höherer Gewalt wie ζ. B. des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (hardship). Da Vertragsanpassung nach einer in vielen Ländern verbreiteten Auffassung die Kompetenz eines Gerichts oder Schiedsgerichts überschreitet (nicht so im deutschen Recht bei Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie in Fällen der §§ 315, 317 BGB), wird statt eines Schiedsgerichts ein Dritter zur Vermittlung oder sogar bindenden Entscheidung über die Anpassung berufen. Formell hat der Dritte eine Funktion, die Elemente des Schlichters und des Schiedsgutachters enthält (third party intervener; zum Ganzen Horn Adaptation m. w. N.). Die IntHK hat eigene Regeln für einen unparteiischen Schlichter (arbitral referee) entwickelt (dazu Glossner in: Horn Adaption, S. 191). Bei Verträgen, die in einzelnen Punkten offen sind oder bei denen nur begrenzte Streitfragen auftreten, kann die Ausfüllung bzw. Anpassung des Vertrages durch Schiedsgutachten herbeigeführt werden.
24
h) Schiedsgutachtervertrag. Im Schiedsgutachtervertrag weisen die Parteien die Klärung bestimmter Fragen, die bei der Durchführung eines Vertrages notwendig wird, einem Dritten als Schiedsgutachter zu. §§317 ff B G B sind direkt oder entsprechend anwendbar. Der Vertrag ist begrifflich vom Schiedsvertrag streng zu trennen. Während das Schiedsgerichtsverfahren einen Rechtsstreit endgültig entscheidet und der Schiedsspruch (unter den Voraussetzungen der §§1042, 1044 ZPO) vollstreckt werden kann, werden durch das Schiedsgutachten Einzelfragen des Vertrages mit lediglich materiellrechtlicher Wirkung geklärt. Nach Gegenstand und Funktion kann man folgende Arten von Schiedsgutachten unterscheiden: (1) Die Vervollständigung des Vertragswillens der Parteien als Regelfall des §317 B G B (Leistungsbestimmung durch einen Dritten) ist nur uneigentlich Schiedsgutachten (i.w. S.). Schiedsgutachten i. e. S. sind dagegen zwei weitere Fälle: (2) Vertragsergänzung eines noch in Einzelpunkten offenen Vertrages durch Beschaffung oder Feststellung von Tatsachen. Dazu gehört ζ. B. die Vereinbarung, daß über eine künftig zu liefernde Ware bestimmte Qualitätszeugnisse oder Bewertungsgutachten beizubringen sind, ζ. B. Verkauf eines Kfz zum DAT-Schätzpreis (BGH LM §319 B G B Nr. 14; LG Hamburg NJW 1970, 2064), oder Veräußerung von GmbH-Anteilen gem. Bewertungsgutachten (BGH WM 1986, 1384). (3) Die Klarstellung einer zweifelhaften Tat- oder Rechtsfrage.
21
48
Allg. Morasch (Hrsg.), Schiedsund Schlichtungsstellen in der Bundesrepublik, 1984; Bespr. Pelz DRiZ 1985, 316; zur Bedeutung der Schlichtung im Verbraucherrecht Micklitz DRiZ 1983, 119.
22
Horn
Text
bei
Hom
Adaption,
S. 409;
dazu
Herrmann in: Horn aaO, S.217; ders. ZZP 97, 445.
Einleitung IV
Zweifelhafte Tatfragen können ζ. B. bei der Durchführung von Bauten und technischen Großprojekten auftreten, wo über technische Probleme und ihre Kosten oft rasch zu entscheiden ist. Soweit Rechtsfragen zu klären sind, berührt sich das Schiedsgutachten mit schiedsrichterlicher Tätigkeit ( B G H Z 48, 30); beides bleibt aber grundsätzlich zu unterscheiden. 23 Auf die Schiedsgutachten i. e. S. sind die §§317 ff B G B analog anzuwenden. 24 Wegen der grundsätzlichen Unterschiede zwischen Schiedsvertrag und Schiedsgutachten sind die Grundsätze über das schiedsrichterliche Verfahren nicht einmal entsprechend anzuwenden. 25 Eine verbreitete Meinung will wegen der Ähnlichkeit mit schiedsrichterlicher Tätigkeit den Schiedsgutachter gewissen prozessualen Mindestanforderungen unterwerfen. 26 Dem ist nicht generell zu folgen. Der Schiedsgutachter muß allerdings ein von den Parteien vorgesehenes Verfahren einhalten ( B G H B B 1963, 281). Für die sog. Qualitätsarbitrage (Qualitätsfeststellung von Waren) stehen z.T. besondere Verfahrensordnungen zur Verfügung. 27 Der Schiedsgutachter muß die Parteien anhören, wenn dies nach den Umständen geboten und üblich ist. Hat eine Partei es übernommen, den Schiedsgutachter zu informieren, und versäumt sie dies, so liegt ein Verfahrensfehler vor, der zur offenbaren Unrichtigkeit (dazu i. F.) des Schiedsgutachtens führt ( B G H W M 1976, 251).
25
Da das Schiedsgutachten nur materiellrechtliche Wirkung entfaltet, können die Parteien die Entscheidung und den ganzen Vertrag, auf den sie sich bezieht, zum Gegenstand eines Rechtsstreits vor Gericht oder Schiedsgericht machen; die Einrede des Schiedsvertrages kann insoweit nicht erhoben werden (vgl. auch B G H Z 48, 30). Allerdings ist nach §319 B G B , der auch auf Schiedsgutachten i. e. S. analog anzuwenden ist, die gerichtliche Nachprüfbarkeit stark eingeschränkt und auf die Fälle offenbarer Unbilligkeit oder offenbarer Unrichtigkeit beschränkt. Offenbare Unrichtigkeit liegt vor, wenn sich die Fehler einem sachkundigen unparteiischen Beobachter aufdrängen und das Ergebnis gewichtig beeinflussen. 28 Auch im internationalen Handel werden Schiedsgutachter häufig eingesetzt. Bei Bauverträgen nach dem Vertragsmuster der F I D I C hat der bauleitende Ingenieur für eine Reihe von Einzelfragen eine solche Funktion, obwohl seine Unabhängigkeit nicht immer gesichert ist. 29 Die IntHK hat eine zentrale Vermittlungsstelle für technische Gutachten eingerichtet (ICC Pub. No. 307, 1977). 30
26
i) Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts. Der begrenzten Reform des deut- 2 7 sehen Schiedsverfahrensrechts der Z P O diente das G zur Neuregelung des IPR von 1986 (BGBl. I 1142). Danach genügt die Unterschrift der Mehrheit der Schiedsrichter unter den Schiedsspruch (§1039 Abs. 1 S.2 ZPO); die förmliche Zustellung ist nicht zwingend erforderlich (§1039 Abs. 2 ZPO). Die Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs setzt nicht 23
Zur Einteilung vgl. auch RGZ 96, 57, 60; Wittmann Struktur und Grundprobleme des Schiedsgutachtenvertrages, 1978; Nicklisch Schätzorganisationen, Z H R 136 (1972), 1, 6.
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Staudinger/Mayer-Maly BGB, 12. Aufl. 1979, §317 Rdn. 20; B G H LM § 3 1 7 BGB Nr. 7; B G H Betr. 1970, 827. RGZ 152, 201, 204; B G H Z 6, 335, 341; O L G München BB 1976, 1047; vgl. auch B G H Z 48, 30 f. Habscheid FS Lehmann, Bd. II, 1956, S. 789, 803; ders. FS Laufke 1971, S.303,
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312; Stein/Jonas/Schlosser ZPO, 20. Aufl., Vor § 1025 Rdn. 17, 21, 28 ff; Nicklisch ZHR 136 (1972), 9 f. 2 7 Dazu Straatmann Die Qualitätsarbitrage, FS Stödter, 1979, S. 109 ff. 2« B G H Z 43, 374, 376; 81, 229, 237; B G H N J W 1979, 1885 m . w . N . ; B G H WM 1986, 1384. 2 9 FIDIC, Conditions of Contract for Works of Civil Engineering Construction, 4. Aufl. 1987, clause 67.1. 3 0 Text auch bei Horn Adaptation, S. 393. Zum Ganzen dort S. 173 f.
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zwingend die Niederlegung voraus (§ 1039 Abs. 3 ZPO); das Gericht am Verfahrensort ist subsidiär zuständig (§1045 ZPO); dazu Sandrock RIW 1987, Beil 2. S. 4 ff; v. Hoffmann IPrax 1986, 337 ff. Eine weitergehende, umfassende Reform des deutschen Schiedsgerichtsrechts soll durch eine vollständige Neuregelung des 10. Buchs der ZPO erreicht werden. Diese Neuordnung orientiert sich am UNCITRAL-Modellgesetz, das ein international bekanntes und anerkanntes Regelungswerk darstellt und schon in die Gesetzgebung zahlreicher Staaten Eingang gefunden hat. Die Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts beim Bundesjustizministerium hat im Februar 1994 einen Diskussionsentwurf vorgelegt; vgl. auch Berger Int. Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, S. 33 ff, 37 ff.
V. Unternehmensrecht S c h r i f t t u m Ballerstedt Was ist Untemehmensrecht? FS Duden, 1977 S. 15;
Ballerstedt/Wiede-
mann Das Mitbestimmungsgesetz zwischen Gesellschafts-, Arbeits- und Unternehmensrecht, Z G R 1977, 133, 160; Kübler u.a., Bemerkungen zum Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, 1980, Z G R 1981, 377—509 (mit Stellungnahmen); Boettcher/Hax/Kunze/v.NellBreuning/Ortlieb/Preller Unternehmensverfassung als gesellschaftspolitische Forderung, 1968; Eiselt Zum kaufmännischen Unternehmen im Handels- und Gesellschaftsrecht, in: Gedächtnisschrift Hirsch, 1986, S. 53—91; Flume Um ein neues Unternehmensrecht, 1980; Gessler Vom Gesellschaftsrecht zum Unternehmensrecht, Z H R 143 (1979), 427; Horn Das Unternehmen als Gegenstand des Rechts und der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, in: Horn/Tietz Sozialwissenschaften in Studium des Rechts, Bd. 1, Zivil- und Wirtschaftsrecht, 1977, S. 117 ff; den. Unternehmensbeteiligungen der Arbeitnehmer und Gesellschaftsrecht, Z G R 1974, 133; Horn/Kocka Recht und Entwicklung der Großunternehmen, 1979; Kunze Unternehmensverband und Unternehmensrecht, FS Duden 1977, S. 201; ders. Unternehmen und Gesellschaft, Z H R 147 (1983), 16; Lutter/Semler (Hrsg.), Rechtsgrundlagen freiheitlicher Unternehmenswirtschaft, 1991; Raiseh Unternehmensrecht, 2 Bde., 1973/74; Th. Raiser Das Unternehmen als Organisation, 1969; ders. Die Zukunft des Unternehmensrechts, FS Fischer, 1979, S. 561; ders. Unternehmensziele und Unternehmensbegriff, Z H R 144 (1980), 206; Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 1987; ders. Unternehmensverfassung und Eigentum, FS Schilling, 1973, S. 363; Saladin/Papier Unternehmen und Unternehmer in der verfassungsrechtlichen Ordnung der Wirtschaft, W D S t R L Heft 35, 1977, S. 7 - 1 6 9 ; Schilling Rechtsform und Unternehmen, FS Duden, 1977, S.537; K.Schmidt Handelsrecht, 4.Aufl. 1994, S . 6 3 f f ; Steinmann Das Großunternehmen im Interessenkonflikt, 1969; ders. Reform der Unternehmensverfassung, 1978; Teubner „Corporate Responsibility" als Problem der Unternehmensverfassung, Z G R 1983, 34; Wiedemann Grundfragen der Unternehmensverfassung, Z G R 1975, 385.
1. Das Unternehmen als Gegenstand und Rechtsbegriff 1
a) Außerrechtlicher Begriff. Das Unternehmen als zentrale Erscheinung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens ist primär dem Recht vorgegeben, wenngleich vom Recht entscheidend mitgestaltet, und daher zunächst außerrechtlich zu definieren. Im wirtschaftlichen Sinn ist das Unternehmen eine Wirtschaftseinheit, in der Menschen und sachliche Mittel unter einheitlicher Leitung organisiert sind und die Wirtschaftsgüter (Waren, Dienste) erzeugt und umsetzt. In einer Marktwirtschaft ist das Unternehmen grundsätzlich autonom, d. h. es ist durch seine Unternehmensträger selbst entscheidendes Wirtschaftssubjekt und zugleich für seinen wirtschaftlichen Erfolg selbst verantwortlich und daher typischerweise auf langfristige Rentabilität angelegt. Letzteres mag nicht begriffsnotwendig sein; alternativ muß das finanzielle Gleichgewicht des Unternehmens extern gesichert werden, ζ. B. durch die öffentliche Hand oder einen Konzernverband. Als
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Wirtschaftseinheit wird das Unternehmen in allen wirtschaftlich relevanten Tätigkeiten und Ergebnissen im Buchungszusammenhang der Rechnungslegung abgebildet. Das Unternehmen ist ferner ein Sozialverband der in ihm organisierten und tätigen Menschen. 1 b) Regelungstatbestand. An das Unternehmen als Sachverhalt und Regelungstatbe- 2 stand knüpft das Recht in vielfältiger Weise an, oft ohne einen Rechtsbegriff „Unternehmen" zu verwenden. Der Sache nach ist im Begriff des kaufmännischen Gewerbebetriebs des HGB der des Unternehmens enthalten (oben I Rdn. 17). Rechnungslegung und Publizität des Unternehmens sind wichtige Regelungsanliegen des HGB (oben I Rdn. 23, 28). Das Gesellschaftsrecht innerhalb und außerhalb des HGB (§105 ff HGB, AktG, GmbHG) regelt die Kooperation mehrerer, die sich als Gesamthand oder in einer juristischen Person als Unternehmensträger organisieren. Zugleich regelt das Gesellschaftsrecht die Eigentumsverhältnisse an dem im Unternehmen zusammengefaßten Vermögen und, im Zusammenwirken mit den Schuldrechtsnormen des BGB und HGB, die aus der Unternehmenstätigkeit folgenden Haftungsrisiken der Eigentümer. Ebenfalls ohne mit dem Unternehmensbegriff als Rechtsbegriff zu arbeiten, dienen Namens- und Firmenrecht sowie gewerbliche Schutzrechte und Deliktsansprüche nach § 826 und (subsidiär) § 823 BGB dem Schutz des Unternehmers unter verschiedenen Aspekten. c) Rechtsbegriff. In verschiedenen Rechtsgebieten ist „Unternehmen" ein Rechtsbe- 3 griff, so im Konzernrecht (vgl. §§ 15—22, 291 ff AktG) 2 , im PublizitätsG, im Kartellrecht des GWB und E W G V und im Mitbestimmungsrecht (vgl. §1 Abs. 1 MitbestG 1976; vgl. auch Rdn. 6 und 8). Der Begriff wird jedoch nicht einheitlich verwendet, nicht einmal innerhalb eines einzelnen Rechtsgebietes (z. B. GWB), sondern je nach dem verfolgten Regelungszweck unterschiedlich gebraucht. Dies schließt nicht aus, für begrenzte Sachbereiche jeweils einen einheitlichen Unternehmensbegriff herauszuarbeiten (zutr. Staub/ HUffer HGB, Vor §22, 1 - 4 ) . 2. Unternehmensverfassungsrecht a) Grundrechte und Unternehmensorganisationsrecht. Der Begriff „Unterneh- 4 mensverfassungsrecht" ist unscharf und wird in unterschiedlichem Sinn verwendet. Man kann mit Unternehmensverfassungsrecht den Inbegriff der Normen bezeichnen, welche die organisatorische Struktur der Unternehmen in ihrem Innen- und Außenverhältnis bestimmen („Verfassung" des Unternehmens i. w. S.). Dazu gehören zunächst die verfassungsmäßigen Grundlagen der Unternehmenstätigkeit im Grundgesetz (Verfassungsrecht der Unternehmen i. e. S.), namentlich: die allgemeine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit gem. Art. 2 GG und die unternehmerische Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG (BVerfGE 13, 97; 19, 330; 34, 71) sowie die Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht durch Art. 14 GG auch im Hinblick auf unternehmerisch eingesetztes und gebundenes Vermögen (Produktiwermögen). 4 Die Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 umfaßt auch die Bildung von Handelsgesellschaften einschließlich juristischer Personen zur Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke (Kapitalgesellschaften); auch diese juristischen Personen genießen den verfassungsrechtlichen Schutz der „Unternehmerfreiheit" im Sinne freier Gründung und Führung von Unternehmen (BVerfGE 21, 261, 266; 30, 292, 312; 50, 290, 363; zu allen 1
2
Zum Ganzen Horn Das Unternehmen; Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 7. Aus der Rspr. z.B. BGHZ 69, 334: Bundesrepublik als herrschendes Unternehmen.
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Dazu allg. Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 14 und unten Rdn. 29. So schon Martin Wolff Reichsverfassung und Eigentum, FS Kahl, 1923, S.3; BVerfGE 50, 290, 339 f.
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genannten Grundrechten vgl. auch das Mitbestimmungsurteil BVerfGE 50, 290). Durch die genannten Grundrechte und andere Normen garantiert das GG zwar nicht eine bestimmte Wirtschaftsordnung, zieht aber dem Ermessen des Gesetzgebers und der sonstigen staatlichen Gewalt Grenzen in dem Sinn, daß jedenfalls ein Kernbereich privatwirtschaftlicher unternehmerischer Betätigungsfreiheit gewährleistet ist. 5 Das Unternehmensorganisationsrecht des einfachen Gesetzgebers ist historisch als Gesellschaftsrecht entstanden und es bis heute, mit beachtlichen anderen Komponenten, geblieben. Ausgehend vom Sozialmodell der unternehmerisch tätigen Einzelperson (Kaufmann) mit Eigenkapitaleinsatz als des Unternehmensträgers, bietet das Gesellschaftsrecht und daneben das Genossenschaftsrecht (und im geringeren Umfang das Vereins- und Stiftungsrecht des BGB) weitere Rechtsformen der Unternehmensträgerschaft, in der sich mehrere Personen als Eigenkapitalgeber organisieren können (vgl. zum Unternehmensträgerbegriff Rittner Wirtschaftsrecht § 8). Das Gesellschaftsrecht beschränkt sich im wesentlichen darauf, die Beziehungen der mehreren Eigenkapitalgeber als Gesellschafter nach innen (Verwaltungs- und Vermögensrechte) und nach außen (Eigentum, Gläubigerstellung, Haftung) zu regeln. Es ermöglicht die unterschiedliche Verteilung der Unternehmerfunktion unter den Gesellschaftern (Selbstorganschaft einerseits und andererseits nicht an der Geschäftsführung beteiligte Gesellschafter), ferner die Trennung von Eigenkapitalgeberfunktion und Leitungsfunktion (Fremdorganschaft der Kapitalgesellschaften) und schließlich die Begrenzung des Haftungsrisikos (Kommanditeinlage, Kapitalgesellschaftsanteile). Das Gesellschaftsrecht hält aber daran fest, daß die Eigenkapitalgeberfunktion letztlich den entscheidenden Einfluß auf die Geschäftsleitung (zumindest deren Besetzung und Kontrolle) erfordert und legitimiert. 6 6 In diese vom Unternehmer-Eigentümer her konzipierte und durch das Gesellschaftsrecht ausdifferenzierte Unternehmensorganisation sind die Arbeitnehmer nicht einbezogen. Sie blieben zunächst außenstehende Gläubiger und Schuldner des Arbeitsvertrages. Ihre rechtliche Integration in den Sozialverband Unternehmen erfolgte in drei Ansatzpunkten: durch den Bestandsschutz für den einzelnen Arbeitsvertrag und Arbeitsplatz durch das Individualarbeitsrecht (insbes. Kündigungsschutz); zweitens durch betriebliche Mitbestimmung aufgrund des Betriebsverfassungsrechts (BetrVerfG 1952/72) und drittens durch das Mitbestimmungsrecht auf der Ebene der Unternehmensleitung in Geschäftsleitung und Aufsichtsrat. Für die Montanindustrie sieht das MontanMitbestG vom 21.5.1951 (BGBl. I 347 und das MitbestErgG vom 7.8.1956 BGBl. I 707, i . d . F . des G vom 21. 5.1981, BGBl. I 441) einen Arbeitsdirektor im Vorstand und paritätische Besetzung des Aufsichtsrates mit ungrader Zahl und neutralem Mitglied vor. Das Betriebsverfassungsrecht sieht für Kapitalgesellschaften ab 500 Arbeitnehmern ein Drittel Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vor (§§76 ff BetrVerfG). Das MitbestG vom 4.5.1976 (BGBl. I 115) sieht für AG, KGaA, GmbH und Gen mit mehr als 2000 Arbeitnehmern einen formal paritätisch mit Arbeitnehmer- und Kapitalgebervertretern besetzten Aufsichtsrat mit leichtem Ubergewicht der Kapitaleignerseite vor (Stichentscheid des Vorsitzenden, den die Kapitalseite wählen kann) und einen Arbeitsdirektor in der Geschäftsleitung. 7 5
5
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BVerfGE 4, 7, 17; 50, 290, 336 ff;
Rittner
mungsgesetz 1 9 8 1 ; zu den Grundsatzfragen
FS Schilling, S. 363 ff, 381 f f ; ders. schaftsrecht, 2. Aufl., § 2 . Zum verfassungsrechtlichen Schutz
Wirt-
BaduralRittneriRüthers
Grundsatzes 7
Rittner
§3
Rdn. 47,
dieses
§9
Rdn. 20; Einzelheiten str. Einzelheiten s. die Kommentare zum MitbestG, z.B. Hanau/Ulmer Mitbestim-
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Mitbestimmungs-
gesetz 1976 und Grundgesetz (Kölner Gut-
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achten) 1977; Kübler/Schmidt/Simitis
Mit-
bestimmung als gesetzgebungspolitische Aufgabe, 1978 sowie die o.a. Lit. zum U n ternehmensrecht.
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Nicht eigentlich zum Unternehmensorganisationsrecht, wohl aber zur Unternehmens- 7 Verfassung im o. a. Sinn gehört auch das Recht der Unternehmenspublizität, das sich im HGB (allg. oben I Rdn. 6, 23), im Aktienrecht und (unabhängig von der Rechtsform an der Unternehmensgröße orientiert) im PublizitätsG (vom 15. 8.1969, BGBl. I 1189, ber. 1970 I 1113 i. d. F. des BiRiLiG vom 19.12.1985, BGBl. I 2355, zuletzt geänd. d. SteuerreformG v. 25.7.1988, BGBl. I 1093, 1137) findet. b) Rechtspolitischer Begriff. Mit dem Stichwort Unternehmensverfassung wird ferner 8 auch eine Vielfalt rechtspolitischer Zielvorstellungen bezeichnet, die vor allem in der Diskussion vor Erlaß des MitbestG 1976 vorgetragen wurden. Sie zielen einerseits auf eine Verstärkung des Einflusses der Arbeitnehmervertreter oder Gewerkschaften im Unternehmen. Weiterreichende Vorschläge zielen auf die Beteiligung verschiedener am Unternehmen interessierter sozialer Gruppen, insbes. der Verbraucher, Lieferanten, Abnehmer oder Vertreter öffentlicher Interessen, die im Unternehmen repräsentiert sein und die Geschäftsleitung kontrollieren oder beeinflussen sollen. Vgl. dazu aus der o. a. Lit. etwa die Diskussionsübersicht bei: Steinmann Großunternehmen, S. 36 ff. Im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Unternehmens sind diese Vorschläge nicht plausibel. Öffentliche Interessen können durch die allgemeine Gesetzgebung und eine externe staatliche Kontrolle (Gewerbeaufsicht) gewahrt werden, im übrigen durch funktionierenden Wettbewerb (dazu Rdn. 28). 3. Das Unternehmen als Vermögensgegenstand a) Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz. Das Unternehmen genießt entspre- ® chend dem weiten Eigentumsbegriff des Art. 14 GG den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz gegen staatliche Eingriffe. Dieser Schutz erstreckt sich auch auf das gesellschaftsrechtliche Anteilseigentum und auf das Eigentum von juristischen Personen (z. B. AG, GmbH) als Unternehmensträgern (vgl. BVerfG 50, 339—352). Der Eigentumsschutz des Unternehmens umfaßt den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einschließlich Tätigkeitskreis, Kundenstamm und bestehendem Zugang zum Verkehr (BGHZ 23, 157, 162 f; 55, 263; 78, 41, 44 f). Nicht geschützt ist das bloße Umfeld des Betriebes und seine tatsächlichen geschäftlichen Chancen, soweit nicht eine besondere geschützte Rechtsposition besteht oder ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen wurde (BGHZ 78, 44 f). Die Rentabilität des Unternehmens ist insofern geschützt, als sie nicht durch Preisrecht völlig ausgeschlossen werden darf (BGHZ 48, 385, 394). Grundsätzlich besteht die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nur im ^ ® Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums durch den einfachen Gesetzgeber gem. Art. 14 Abs. 1 S.2 GG (BVerfG 58, 300 [Naßauskiesung]). Immanente Schranken des Schutzes ergeben sich aus der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 GG. Der Eigentumsschutz hat vier unterschiedliche rechtliche Auswirkungen: (1) Ein Gesetz, das die Inhaltsbestimmung i. S. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG überschreitet (wobei der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum hat), ist gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verfassungswidrig; die Nichtigkeit ist gem. Art. 100 GG vom BVerfG festzustellen. (2) Die Enteignung durch rechtmäßiges Gesetz oder aufgrund eines solchen Gesetzes löst eine Entschädigungspflicht gem. Art. 14 Abs. 3 GG aus. Enteignung ist der staatliche Eingriff in das Eigentum des einzelnen, der auf die vollständige oder teilweise Entziehung von Rechtspositionen des Eigentümers, die durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt sind, zielt (BVerfG 52, 1, 27; BGHZ 91, 20, 26). (3) Der rechtswidrige enteignungsgleiche Eingriff des Staates in das Eigentum führt zu einer Entschädigungspflicht nach dem Aufopferungsprinzip (Gewohnheitsrecht im Anschluß an §§ 74, 75 EinlALR; BGHZ 90,17, 29). (4) Gleiches gilt
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für „enteignende Eingriffe", d. h. nicht zu duldende Eigentumsbeeinträchtigungen durch ein an sich rechtmäßiges Handeln des Staates (BGHZ 91, 20, 26, Geruchsbelästigung durch Kläranlagen). — Entschädigung in den genannten Fällen (2—4) wird geleistet für den Wertverlust in der „Substanz" (BGH N J W 1975, 1966; BGHZ 57, 379). Einen Anhaltspunkt liefert der Vergleich der Ertragswerte vor und nach der Beeinträchtigung (BGHZ 30, 241, 247; B G H N J W 1983, 1663). Der Entschädigungsanspruch kann gem. §254 BGB wegen Mitverschuldens des Betroffenen gemindert sein (BGH aaO). Dies gilt auch, wenn dieser es unterlassen hat, den Schaden durch Rechtsmittel abzuwenden oder zu mindern (BGHZ 90, 17, 31). 11
Einzelfälle. Die Frage des Eigentumseingriffs stellt sich häufig im Zusammenhang mit dem Betriebsgrundstück, seiner Lage und Benutzungsmöglichkeit. Die Schutzobjekte Grundstück und Gewerbebetrieb sind dabei zu unterscheiden (BGHZ 48, 65). Der Eigentümer muß grundsätzlich Bedingungen, die sich aus der Lage des Grundstücks ergeben, als immanente Eigentumsschranke hinnehmen. 8 Geschützt ist der Zugang des Betriebsgrundstücks und seine Verkehrsanbindung. Enteignende Wirkung haben U-BahnBauarbeiten, die den Kontakt der anliegenden Betriebsgrundstücke nach außen längere Zeit und erheblich beeinträchtigen und zu einem mehrjährigen fühlbaren Einkommensverlust führen. 9 Lagevorteile aufgrund einer bestimmten Verkehrsanbindung sind aber nicht ohne weiteres geschützt (BGHZ 55, 261 [Soldatengaststätte]). Keinen Schutz genießt der Anlieger einer Bundeswasserstraße, wenn durch Dammbruch die Wasserverkehrsanbindung des Unternehmens unterbrochen wird (BGHZ 86, 152, 160). Entschädigungslos hinzunehmen ist eine zeitlich (bis vier Jahre) begrenzte bauliche Veränderungssperre als Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG; BGHZ 73, 161; 78, 152; 90, 26). Die Versagung der bauaufsichtlichen Genehmigung für einen zulässigen Betriebsanbau ist enteignungsgleicher Eingriff, wenn dies zur Einstellung eines Teilbetriebs führt (BGH N J W 1980, 387; zur Amtshaftung in diesem Fall BGHZ 65, 182).
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Da die bloßen Erwerbschancen des Unternehmers (sein Umfeld) nicht geschützt sind, ist die Einführung einer gemeindlichen Müllabfuhr mit Anschluß- und Benutzungszwang kein Enteignungseingriff in den bisher tätigen privaten Müllabfuhrbetrieb, außer bei besonderem Vertrauenstatbestand (BGHZ 40, 355); gleiches gilt bei Einführung einer gemeindlichen Fernheizung, wobei allerdings der Eingriff in bestehende Privatverträge zu berücksichtigen ist (BGHZ 77, 179, 184 ff). Kein Eingriff in den Betrieb der Krabbenfischer ist ein Dammbau, der zu großen Umwegen zwingt (BGHZ 45, 150; zum Verbot von Werbefahrten in der Gemeinde BGHZ 78, 41). Bei einem Charterflugunternehmen ist zwar nicht schlechthin das Vertrauen auf die ordnungsgemäße Durchführung der Flugsicherung als Teil ihres Gewerbebetriebes geschützt, wohl aber ist die gezielte Störung des Betriebes durch Bummelstreik der Fluglotsen ein enteignungsgleicher Eingriff (BGHZ 76, 387, 395). — Wirtschaftspolitische Lenkungsmaßnahmen berühren eher die Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG und nicht den Eigentumsschutz gem. Art. 14 GG. 1 0 Kein Eigentumsschutz besteht auch gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, insbes. Steuern, es sei denn, diese führen zu einer übermäßigen Belastung (Erdrosselungswirkung). 1 1 Preisrecht, das die Rentabilität eines Unternehmens ausschließt, ist verfassungswidrig (BGHZ 48, 385, 394 [Milchpreis]). 8
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BGHZ 87, 66, 71 (Ausschluß der Naßauskiesung wegen Ausbaus einer Wasserstraße); vgl. auch BGHZ 84, 223; BVerfGE 58, 300. BGHZ 57, 359, 366; BGH NJW 1980, 2703; 1983, 1663 (Tankstelle).
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BVerfGE 29, 402, 409 (Konjunkturzuschlag); 30, 292, 335 (Erdölbevorratungspflicht); 38, 61, 102 (Werkfernverkehr). BVerfGE 4, 7, 17; 30, 250, 272; BGHZ 83, 190, 195 (bei nachträglichem Bardepot nach Außenwirtschaftsrecht verneint).
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b) Privates Vermögensrecht.12 Im privaten Vermögensrecht des BGB und HGB ist 1 3 das Unternehmen kein einheitlicher Gegenstand, sondern nur ein tatsächlicher Inbegriff der vielfältigen im Unternehmen eingesetzten Vermögensgegenstände. Diese müssen bei einer Übertragung des Unternehmens einzeln nach den für sie geltenden Vorschriften übertragen werden (BGH NJW 1968, 393), also Grundstücke gem. §§873 , 925 BGB, bewegliche Sachen gem. §§ 929 ff BGB, Forderungen und andere Rechte gem. §§ 398 ff, 413 BGB. Forderungen aus gegenseitigen Verträgen können bei Unternehmensübertragungen wohl auch ohne Zustimmung des Geschäftsgegners übertragen werden (Baumbach/ Duden/Hopt Einl. II, 2A). Die vertragliche Haftung des Ubertragenden bleibt allerdings mangels Genehmigung der Schuldübernahme gem. §415 Abs. 1 BGB durch den Geschäftsgegner bestehen. Die Unternehmensübertragung erfordert regelmäßig neben den genannten rechtlichen Übertragungen der einzelnen Gegenstände auch die tatsächliche Einweisung in den Betrieb und häufig die Übertragung von know how (vgl. auch Rdn. 16). Ein Übergang des Unternehmens im ganzen kann im Rahmen der Universalsukzession 1 4 des Erben gem. §1922 BGB erfolgen. Eine vermögensrechtliche Zusammenfassung des Unternehmens wird durch gesellschaftsrechtliche Unternehmensträgerschaft bewirkt. Das Unternehmen kann Gesamthandsvermögen i. S. §§718, 719 BGB einer Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG) sein. Ein Gesellschafterwechsel bewirkt dann entsprechende Veränderungen der Rechtsinhaberschaft im Hinblick auf dieses Vermögen durch Anwachsung (Gesellschaftereintritt) und Abwachsung (Ausscheiden des Gesellschafters) ohne Einzelverfügungen. Für die Übertragung des gesamten Unternehmensvermögens kann die Gesamthand dadurch ausgenutzt werden, daß der Erwerber zunächst Mitglied der Gesamthand wird und dann alle bisherigen Gesamthänder ausscheiden. Zur Verschmelzung von Personengesellschaften mittels Anwachsung gem. § 142 vgl. Barz FS Ballerstedt 1975, S. 143. Die juristische Person als Unternehmensträger faßt das Unternehmen als ihr Vermögen zusammen. Wirtschaftlich und mittelbar kann der Erwerb des Unternehmens durch Erwerb aller Gesellschaftsanteile erfolgen. Unmittelbar durch Universalsukzession geht das Unternehmen über bei der Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften durch Aufnahme oder Neubildung (AG, KGaA, GmbH, Gen) gem. §§ 354 ff AktG, KapErhG §§19 ff, §§93 a—r, 935 GenG (Würdinger Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, §47). c) Unternehmenskauf und verwandte Schuldverträge Schrifttum Angermann Zivilrechtliche Probleme beim Unternehmenskauf,
1987; J.F.
Diss.
Hamburg
Baur Die Gewährleistungshaftung des Unternehmensverkäufers, BB 1979, 381; Beisel/
Klumpp Der Unternehmenskauf, 2. Aufl. 1991; Canaris Leistungsstörungen beim Unternehmenskauf, Z G R 1982, 395; Hadding Sicherungsrechte beim Unternehmenskauf, Z G R 1982, 476; Hiddemann Leistungsstörungen beim Unternehmenskauf aus der Sicht der Rechtsprechung, Z G R 1982, 4 3 5 ; Hölters (Hrsg.), Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, 1985; Holzapfel/Pöllath Recht und Praxis des Unternehmenskaufs, 7. Aufl. 1994; Hommelhoff Die Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf, 1975; ders. Zur Abgrenzung von Unternehmenskauf und Anteilserwerb, Z G R 1982, 366; ders. Der Unternehmenskauf als Gegenstand der Rechtsgestaltung, Z H R 150 (1986), 2 5 4 ; Huber Mängelhaftung beim Kauf von Gesellschaftsanteilen, Z G R 1972, 395; Immenga Fehler oder zugesicherte Eigenschaft, A c P 171 (1971), 1; jung Praxis des Unternehmenskaufs, 1983; Lieb Gewährleistung beim Unternehmenskauf, FS Gernhuber 1993, S. 2 5 9 ff; Mittelbach Geschäfts- und Praxisüber-
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Schrifttum
Gierke /Sandrock
§ 16; Ratsch
Unternehmensrecht Bd. 1, S. 112 ff; K.Schmidt Handelsrecht, 4.Aufl., § 6 ; Pisko Das Unternehmen als Gegenstand des
Horn
Rechtsverkehrs, 1907; Brecher Das Unternehmen als Rechtsgegenstand, 1953; Bökelmann Nutzungen und Gewinn beim U n ternehmensnießbrauch, 1971.
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Einleitung V tragungen, 3. Aufl. 1977; G.Müller Umsätze und Erträge — Eigenschaften der Kaufsache? ZHR 147 (1983), 501; ders. Kaufrechtliche Sachmängelhaftung oder culpa in contrahendo, ZIP 1993, 1045; Prölss Die Haftung des Verkäufers von Gesellschaftsanteilen für Unternehmensmängel, ZIP 1981, 337; Rädler/Pöllath Handbuch der Unternehmensakquisition, 1982; Wessing Vertragsklauseln beim Unternehmenskauf, ZGR 1982, 455; H. P. Westermann Neuere Entwicklungen der Verkäuferhaftung beim Kauf von Unternehmensbeteiligungen, ZGR 1982, 45; Wiedemann Die Haftung des Verkäufers von Gesellschaftsanteilen für Mängel des Unternehmens, FS Nipperdey I, 1965, S. 815; Willemsen Zum Verhältnis von Sachmängelhaftung und c.i.e. beim Unternehmenskauf, AcP 182 (1982), 515; Wollny Unternehmens- und Praxisübertragung im Zivil- und Steuerrecht, 2. Aufl. 1990. D a s Unternehmen als Ganzes kann Gegenstand schuldrechtlicher Verträge zu seiner Übertragung oder Überlassung sein. In Betracht k o m m e n namentlich Kauf, Pacht, gesellschaftsvertragliche Verpflichtung zur Einbringung des Unternehmens, Übertragung zur Sicherheit (und Rückübertragung), Verpflichtung zur Nießbrauchbestellung. Beim U n t e r n e h m e n s k a u f liegt ein einheitlicher Kaufvertrag vor. Gehört zum Anlagevermögen des Unternehmens ein Grundstück, so ist die F o r m des §313 B G B einzuhalten. Andernfalls ist der Vertrag nichtig ( B G H B B 1979, 599 f); anders nur, wenn für die Parteien die Grundstücksübertragung für den Unternehmenserwerb nicht ins Gewicht fiel; dann nur Teilnichtigkeit. Außerdem kann Vermögensübertragung vorliegen, so daß die F o r m des § 311 B G B zu beachten ist. Regelmäßig trifft dies bei der Unternehmensveräußerung durch eine juristische Person zu; bei der A G muß gem. § 3 6 1 A k t G die Hauptversammlung zustimmen. 16
17
Der Verkäufer ist nicht nur verpflichtet, die zum Unternehmen gehörenden einzelnen Gegenstände zu übertragen (Rdn. 13), sondern auch durch tatsächliche Einweisung und Übertragung des technischen und kaufmännischen K n o w - h o w den Erwerber in die L a g e zu versetzen, das Unternehmen als betriebsfähige Wirtschaftseinheit weiterzuführen. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung darüber, die zu empfehlen ist, sind die entsprechenden Einweisungs- und Informationspflichten als stillschweigend vereinbart anzusehen. 1 3 In einem Vertrag über die Veräußerung einer Arztpraxis ist die Verpflichtung des Veräußerers, seine Patienten- und Beratungskartei auch ohne Einwilligung der betroffenen Patienten zu übergeben, gem. § 1 3 4 B G B nichtig, weil sie das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten und die ärztliche Schweigepflicht (Art. 2 A b s . 1 G G , §203 S t G B ) , verletzt ( B G H Z 116, 268 gegen B G H N J W 1974, 602). A u s dem Sinn des Vertrages ergibt sich schließlich häufig auch ohne besondere Vereinbarung ein W e t t b e w e r b s v e r b o t für den Verkäufer des Unternehmens. 1 4 Kann der Verkäufer einer in gemieteten R ä u m e n betriebenen Gastwirtschaft die Zustimmung des Eigentümers zur Weiter- oder Untervermietung nicht erlangen, liegt Nichterfüllung vor ( B G H N J W 1986, 308). Für die Beschaffenheit des Unternehmens haftet der Verkäufer grundsätzlich in analoger Anwendung der Gewährleistungsvorschriften der § § 4 5 9 f f B G B . 1 5 Zu unterscheiden ist zwischen Mängeln des Unternehmens selbst und Mängeln einzelner Gegenstände (Hopt/Mössle J u S 1985, 214). D a s Unternehmen muß insgesamt die im Vertrag vorausgesetzte oder vereinbarte Gebrauchstauglichkeit aufweisen ( R G Z 67, 86; B G H N J W 1977, 1538). Rückgang an U m s a t z oder Gewinn ist noch kein Mangel i . S . § 4 5 9 A b s . 1 B G B ( R G Z 67, 86; B G H N J W 1977, 1538). Wohl aber kann ein
13
14
56
Einzelheiten unten §22; Staub/Hiiffer vor §22 Rdn. 16 ff; zur Rechtsgestaltung Hommelhoff ZHR 150 (1986), 254 ff, 259. RGZ 117, 176, 180; 163, 311, 313; B G H NJW 1955, 337; Staudinger/Köhler BGB, 12. Aufl., §433 Rdn. 47.
15
Horn
RGZ 63, 57, 60; 138, 354, 356; B G H NJW 1969, 184; Staub/Hüffer vor §22 Rdn.40; vgl. unten §22; zutr. gegen die Kritik an der Gewährleistungsrechtsprechung K.Schmidt aaO §611, S. 142.
Einleitung V
bestimmter Reinertrag des Unternehmens Gegenstand einer Eigenschaftszusicherung i. S. §§459 Abs. 2, 463 BGB sein (BGH NJW 1977, 1538). Außerdem können unrichtige Angaben des Verkäufers über Umsatz oder Gewinn seine Haftung aus c. i. c. begründen, aaO, bei arglistiger Täuschung auch aus § 826 BGB. Die Rechtsprechung hat es abgelehnt, unrichtige Angaben in Bilanzen zur Grundlage einer Gewährleistungshaftung gem. §459 Abs. 1 BGB zu machen.16 Statt dessen wurde auch hier Haftung aus c. i. c. anerkannt (vgl. nur BGHZ 69, 53). Dies ist begrifflich zwar nicht überzeugend, weil Abweichungen vom Bilanzbild Fehler sein können. Der Käufer wird durch die Haftung nach c. i. c. aber besser geschützt (längere Verjährung, Vertrauensschaden durch Erfüllungsschaden nicht begrenzt; dazu BGHZ 69, 56). Sachmängel oder auch Rechtsmängel an einzelnen Gegenständen, die zum Unternehmen gehören, können einen Sachmangel des Unternehmens selbst begründen, aber nur dann, wenn sie ins Gewicht fallen, so ζ. B. große Fehlbestände im Lager oder an Betriebsmitteln (RGZ 98, 289, 292; BGH WM 1974, 312). Umstritten ist bei der Gewährleistungshaftung die Anwendung der kurzen Verjäh- 1 8 rungsfrist des §477 BGB; dafür spricht die Verkehrssicherheit angesichts rascher Veränderungen im betriebenen Unternehmen.17 Ein Rechtsmangel an einem Gegenstand (ζ. B. unwirksame Patentlizenz), der die Fortführung des Betriebs gravierend beeinträchtigt, begründet Nichterfüllungsansprüche gem. §§320 ff, 440 BGB. 1 8 Der Verkauf von Gesellschaftsanteilen ist Unternehmenskauf mit der Folge der 1 9 Gewährleistungshaftung gem. §§459 ff BGB, wenn es sich um die Mehrheitsbeteiligung handelt, welche die Kontrolle über das Unternehmen verschafft, und die anderweitigen Minderheitsbeteiligungen nicht ins Gewicht fallen (Wiedemann FS Nipperdey, Bd. 1, S. 836). Die Rechtsprechung hat dies zunächst nur beim Erwerb aller oder fast aller Anteile angenommen19, später auch bei Mehrheitserwerb.20 Der Verkäufer haftet auch hier aus c. i. c. bei fahrlässig falschen Angaben über das Unternehmen, ζ. B. über die Schulden (BGHZ 65, 246; BGH NJW 1980, 2408 f) oder den bilanziellen Gewinn (BGHZ 69, 53). Eine zeitweilige Überlassung des Unternehmens kann durch Pachtvertrag oder als 2 0 Nießbrauch vereinbart werden.21 Unternehmenspacht ist vor allem bei Betriebsaufspaltung, d. h. Aufteilung des Unternehmens in eine Betriebsgesellschaft und eine Besitzgesellschaft, üblich. Der Verpächter übereignet das Umlaufvermögen und verschafft Besitz am Anlagevermögen. Die §§581 ff sind entsprechend anzuwenden.22 Die Bestellung des Nießbrauchs an einem Unternehmen, die auf vertraglicher Verpflichtung beruhen kann, erfolgt nach den Grundsätzen der dinglichen Rechtsübertragung gem. §1085 BGB (vgl. allg. Rdn. 13).
16
BGHZ 1392.
17
Vgl. auch Hommelhoff tung aaO, S. 124 f.
18
Staub/Hiiffer die o . a . 308.
19
20
RGZ 1969, BGH 246,
65,
246;
69,
53;
BGB
BB
1980,
N J W 1980, 2409 (trotz Erwerb eines G m b H Anteils von 60 % verneint, weil gesellschaftsvertragliche Beschränkung).
Sachmängelhaf21
Entscheidung
BGH
NJW
Nutzungen
und Gewinn
1971;
beim
Brand-
müller Die Betriebsaufspaltung nach Handelsund Steuerrecht, 3. Aufl. 1978; Grunsky Probleme des Nießbrauchs an einem Unternehmen, B B 1972, 585.
1986,
98, 289; 150, 397, 401; B G H N J W 184. W M 1980, 2 8 4 ; vgl. auch B G H Z 65, 2 5 0 ( 4 9 % reicht nicht aus); B G H
Bökelmann
Unternehmensnießbrauch,
vor §22 Rdn. 45; vgl. auch
22
Horn
Staub/H Uff er
vor
§22
Rdn. 61 ff;
BGH
N J W 1953, 1391.
57
Einleitung V 21
d) U n t e r n e h m e n s w e r t . 2 3 D i e Ermittlung des wirtschaftlichen Werts des Unternehmens ist in verschiedenen Situationen rechtlich erforderlich, so für die Berechnung des Pflichtteils und Pflichtteilsergänzungsanspruchs ( B G H N J W 1982, 2497), des Zugewinnausgleichs ( B G H Z 6 8 , 1 6 3 ) oder zur Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters. D i e letztere hat zum vollen wirtschaftlichen Wert („Verkehrswert") zu erfolgen, falls nicht eine niedrigere A b f i n d u n g (etwa zum Nennwert oder Buchwert) gesellschaftsvertraglich wirksam vereinbart ist, was in gewissen Grenzen zulässig ist ( B G H Z 116,359); in diesem Fall kann eine Bewertung erforderlich sein zur Klärung, o b ein grobes Mißverhältnis des Abfindungswertes z u m wahren Beteiligungswert besteht, der sich aus dem Verkaufserlös des Unternehmens als ganzes errechnet ( B G H N J W 1985, 192; B G H Z 116, 359, 268). D u r c h die Regelung der A b f i n d u n g zu einem niedrigeren Wert als dem Verkehrswert darf nicht das Recht des Gesellschafters zur Kündigung aus wichtigem G r u n d eingeschränkt werden ( B G H Z 116, 367 f, 375 f). D i e Unternehmensbewertung ist richterlicheTatfrage. Zu ihrer Beantwortung ist regelmäßig die Zuziehung eines Sachverständigen erforderlich ( B G H N J W 1982,2441 ; 1985, 192). A u c h die Parteien des Unternehmenskaufvertrages können den Kaufpreis von einem gem. § 3 1 7 B G B verbindlichen Bewertungsgutachten abhängig machen.
22
Bei der Unternehmensbewertung muß der subjektbezogene Unternehmenswert, der sich aus der besonderen Leistung, Qualifikation und den persönlichen Kontakten des ausscheidenden Unternehmers ergibt, außer Betracht bleiben ( B G H Z 68, 166 f betr. Handelsvertreterunternehmen). D a s Gesetz schreibt keine bestimmte Bewertungsmethode verbindlich vor ( B G H N J W 1982, 2441). Zu unterscheiden sind einerseits Substanzwert, Liquidationswert sowie Geschäftswert, andererseits der Ertragswert. Der Substanzwert wird aus der S u m m e aller selbständig veräußerungsfähigen Vermögensgegenstände des Unternehmens, die zu Wiederbeschaffungspreisen bewertet werden, ermittelt; dabei wird unterstellt, daß das Unternehmen fortgeführt wird. V o n dem so ermittelten Summenwert werden die Schulden abgezogen. D e r Liquidationswert wird auf die gleiche Weise ermittelt mit dem Unterschied, daß hier eine Beendigung des Unternehmens unterstellt wird. D a s nicht betriebsnotwendige Vermögen (Zusatzvermögen) wird regelmäßig z u m Liquidationswert und nicht zum Substanzwert berücksichtigt. D e r E r t r a g s w e r t dagegen orientiert sich an den künftig zu erwartenden Erträgen aufgrund einer Prognose, die auf einer Rückschau auf die letzten drei bis fünf Jahre aufbaut ( B G H B B 1975, 1083 [5 Jahre]). D e r Ertragswert ist dann ein bestimmtes Vielfaches der z u erwartenden Jahreserträge. Unter Geschäftswert wird eine Bewertung verstanden, welche die nicht gegenständlichen Ertragsfaktoren wie Lage, Ansehen und geschäftliche Verbindungen (good will) berücksichtigt. Im Ertragswert ist der Geschäftswert mitrepräsentiert; bei der Substanzwertmethode wäre er hinzuzurechnen (Ubergewinnmethode).
23
Die M i t t e l w e r t m e t h o d e bestimmt den Unternehmenswert aus dem Mittel von Substanz· und Ertragswert. D i e Rechtsprechung bevorzugt diese Methode oder eine sonstige
25
58
Schrifttum Barthel Unternehmenswert, DB 1990, 1145; Großfeld Unternehmensbewertung im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1988; Maul Offene Probleme der Bewertung von Unternehmen durch Wirtschaftsprüfer, DB 1992, 1253; Moxter Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 1983; Neuhaus Unternehmensbewertung und Abfindung, 1990; Piltz Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 2. Aufl. 1989; Institut der Wirt-
Horn
schaftsprüfer, Hauptfachausschuß: Stellungnahme 2/1983: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, WPg 1983, 468; Ruhnke Unternehmensbewertung, D B 1991, 1889; Sieben/Diedrtch/Kirchner/Kraubheuser Unternehmensbewertung, DB 1990, 1; Viel-Bredt/Renard Die Bewertung von Unternehmungen und Unternehmensanteilen, 5. Aufl. 1975.
Einleitung V
Verbindung von Substanz- und Ertragswert 24 ; Betriebswirtschaft und Praxis des Unternehmenskaufs bevorzugen heute eher die reine Ertragswertmethode; dem Ertragswert ist dann der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens zuzuschlagen. Der Liquidationswert ist in jedem Fall die unterste Grenze des Unternehmenswertes (vgl. B G H NJW 1982, 2497). Dafür kann auch der tatsächlich erzielte Verkaufserlös angesetzt werden, wenn er marktgerecht ist und zwischen Bewertungsstichtag und Verkauf keine wesentlichen Änderungen eingetreten sind (BGH NJW 1982, 2497). Der Substanzwert kann dagegen nicht als unterste Bewertungsgrenze dienen; ist der Ertragswert niedriger, so ist er maßgebend (BGH NJW 1982, 2441). 4. Privatrechtlicher Schutz des Unternehmens a) Schutz von Name, Firma und Geschäftsbezeichnung. Wer durch den firmen- 2 4 rechtlich unbefugten Gebrauch einer Firma in seinen Rechten verletzt ist, kann gem. § 37 Abs. 2 S. 1 Unterlassung dieses Gebrauchs verlangen. Die vorausgesetzte Rechtsverletzung kann ein eigenes absolutes Recht, ζ. B. die eigene Firma, betreffen oder auch nur ein rechtlich geschütztes Interesse, ζ. B. als Mitbewerber (BGHZ 53, 65, 70). Der rechtliche Schutz von Name, Firma und Geschäftsbezeichnung wird heute einheitlich auf das Namensrecht des § 12 B G B gestützt (Staub/Htiffer Anh. § 37 Rdn. 3), nachdem die Rechtsprechung den Anwendungsbereich dieser Norm auf die Firma und sonstige Geschäftsbezeichnungen mit Namensfunktion ausgedehnt hat. 25 Der Schutz richtet sich gegen das Bestreiten des Namensrechts und — praktisch wichtiger — gegen fremde Anmaßung des Namensrechts, insbes. wenn diese eine Verwechslungsgefahr begründet. Der Schutz besteht in einem Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch; i. V. m. § 8231 B G B wird auch ein Schadensersatzanspruch gewährt. Einen Schutz des Namens, der Firma und Geschäftsbezeichnung (mit Namensfunktion) gewährt gegen Verwechslungsgefahr durch unbefugten Gebrauch im geschäftlichen Verkehr auch § 16 UWG durch Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch. §16 Abs. 3 U W G erstreckt diesen Schutz auch auf Kennzeichnungen des Geschäfts ohne Namensfunktion. Einzelh. und Nachw. s. bei §37. b) Gewerbliche Schutzrechte, insbesondere das eingetragene Patentrecht (§§1, 30 2 5 PatG), Gebrauchsmuster (§§ 1, 3 GebrMG) und Geschmacksmuster (§§ 1 GeschmMG) sowie das Warenzeichen (§§1, 3 WZG) werden gegen unbefugten Gebrauch durch Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geschützt (vgl. §§139 PatG, §§5, 15 GebrMG, § 1 4 a GeschmG, §§24, 25 WZG). 2 6 Wer unberechtigt einen Unterlassungsanspruch aufgrund eines nicht rechtsbeständigen gewerblichen Schutzrechts geltend macht und dadurch einem anderen einen Schaden zufügt (unberechtigte Schutzrechtsverwarnung), haftet diesem bei Fahrlässigkeit wegen Eingriffs in den Gewerbebetrieb (BGHZ 38, 200; 62, 29, 31 ff). Der Verwarner ist auch verpflichtet, eine unberechtigt ausgesprochene Verwarnung zu widerrufen (BGHZ 71, 86). Die Haftung besteht mangels Verschuldens nicht, wenn der Verwarner nach gewissenhafter Prüfung annehmen kann, sein Schutzrecht werde rechtsbeständig sein (BGHZ 62, 29). c) Deliktischer Unternehmensschutz. Die Anerkennung eines Rechts am Unterneh- 2 6 men („Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb") als sonstiges Recht i. S. 24
25
B G H N J W 1973, 509; B G H Z 68, 163, 164 f; B G H NJW 1978, 1316, 1319; 1982, 2441; vgl. auch B G H WM 1986, 1384 f. Vgl. z . B . RGZ 115, 401, 407; B G H Z 24, 238, 241.
26
Horn
Schrifttum
Althammer Warenzeichenge-
setz, 4. Aufl. 1989; Baumbach/Hefermehl Warenzeichenrecht, 12. Aufl. 1985; Hubmann Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl. 1988.
59
Einleitung V
§ 823 Abs. 1 BGB durch gefestigte Rechtsprechung begründet einen deliktischen Schutz des Unternehmens nicht nur in seinem räumlich-sachlichen Bestand, sondern auch in seiner geschäftlichen Tätigkeit, gegen eine Vielfalt möglicher Eingriffe. 27 Das Problem der bedenklichen Unschärfe und generalklauselartigen Weite des Tatbestandes sucht die Rechtsprechung dadurch zu lösen, daß ein unmittelbarer, betriebsbezogener Eingriff gefordert wird 28 und daß der „offene Tatbestand" durch eine Abwägung mit den Interessen des Eingreifers und ihrer rechtlichen Bewertung (ζ. B. im Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG) präzisiert wird. 29 Der deliktische Schutz wird nur subsidiär gewährt, wenn eine anderweitige Norm nicht eingreift, zugleich aber eine Lücke im Rechtsschutz anzuerkennen ist; insbesondere haben die Ansprüche des UWG Vorrang. 30 In der Abwägung mit dem Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit und dem Rechtsgut der Verbraucherinformation muß sich der Unternehmer grundsätzlich Warentests seiner Produkte und deren Veröffentlichung gefallen lassen, sofern der Test sachlich und sorgfältig durchgeführt ist. 31 Andernfalls besteht eine Schadenshaftung gem. §824 oder §823 Abs. 1 BGB. 32 27 Der Rechtsschutz des Unternehmens wird ergänzt durch den Schutz gegen kreditgefährdende Äußerungen gem. § 824 BGB (vgl. BGH aaO), den Schutz des Persönlichkeitsrechts des Unternehmers gem. §823 Abs. 1 BGB (OLG Köln NJW 1973, 850), wobei wiederum der Meinungs- und Pressefreiheit in Zweifelsfällen der Vorrang gebührt (BVerfG NJW 1982, 2655), und durch Ansprüche nach §826 BGB wegen sittenwidriger Vermögensschädigung, wobei im Bereich des Wettbewerbs § 1 UWG einschlägig ist. Vgl. zum Ganzen die Kommentare zu §§823 ff BGB.
28
5. Unternehmen und Wettbewerbsrecht a) Unternehmen und Markt. Unternehmensverfassung und Wirtschaftssystem stehen in Wechselbeziehung. Die Grundentscheidungen des GG, welche die Möglichkeit privatwirtschaftlicher Unternehmen garantieren (oben Rdn. 4), gewährleisten damit zugleich ein marktwirtschaftlich orientiertes Wirtschaftssystem. Der staatliche Gesetzgeber kann zwar die rechtlichen Rahmenbedingungen des Marktes gestalten, aber diesen nicht beseitigen oder auf einen Sektor der Wirtschaft zurückdrängen. 33 Der Markt übernimmt die Gesamtkoordination der Wirtschaftsabläufe und ist dabei jedem anderen Koordinierungssystem an Effizienz überlegen. Im Markt entfalten sich die durch Unternehmerfreiheit und Privateigentum begründeten Leistungsanreize, durch unternehmerische Leistung und Eigenkapitalinvestitionen Unternehmergewinne zu erzielen. Das Eigentum kombiniert dabei Chance und Verlustrisiko. Die Märkte, an denen das Unternehmen auftritt, steuern extern sein Verhalten sowohl im Sinne des Leistungsanreizes wie der Entmachtung. Besondere Bedeutung kommt dabei den für die Unternehmensfinanzierung wichtigen Kapital- und Kreditmärkten zu. Der Transparenz der Marktabläufe dient die Unternehmenspublizität durch Handelsregister, Rechnungslegung, veröffentlichte Jahresabschlüsse, wobei zusätzlich zu den (oben I)
27
28
29 30
60
Zu Entwicklung Staudinger/K.Schäfer §823 Rdn. 144 ff. BGHZ 8, 394; 41, 86, 152. BGHZ 45, 296 f; 74, BGHZ 36, 252, 256;
und
Diskussionsstand BGB, 12. Aufl.,
31
127; 69, 139; 76, 394;
32
9, 14; 80, 25, 27 f. BGH JZ 1968, 231 f.
33
Horn
BGH NJW 1986, 981; BGHZ 65, 325, 331; Assmann/Kübler Testhaftung und Testwerbung, ZHR 142 (1978), 413. Zum Ganzen Horn in: Horn/Piepenbrock Vergleichender Warentest, 1986, S.67ff. Vgl. allg. Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 3 B ; andererseits Reich Markt und Recht, 1977.
Einleitung V genannten Normen des HGB, AktG und PublG das BörsenG, das Börsenprospekte sowie sonstige freiwillige (aber haftungsbegründende) Prospektpublizität (dazu unten § 161, 200) zu nennen sind. Dieses Kapitalmarktrecht steuert das Unternehmensverhalten durch Verbesserung der Marktabläufe. Im Rahmen dieses Rechtsgebiets bestehen freiwillige Insider-Handels-Richtlinien; diese sollen durch strafrechtliche Normen des künftigen WPHandelsG (im Rahmen des Zweiten FinanzmarktförderungsG) ersetzt werden. b) Wettbewerbsrecht. Besondere Bedeutung kommt dem Wettbewerbsrecht i. e. S. zu. 2 9 Das Wettbewerbsrecht des UWG und der Nebengesetze (RabattG und ZugabeVO) regelt das Verhalten der Unternehmen im Geschäftsverkehr im Interesse eines lauteren Wettbewerbs im Verhältnis zu Mitbewerbern und Verbrauchern. Man kann sagen, daß ein Interesse der Allgemeinheit am lauteren Wettbewerb besteht; das Gesetz sucht dieses Interesse aber vor allem durch den Schutz der genannten privaten Interessen zu verwirklichen (zutr. Emmerich Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1987, § 3 2 c). Das GWB hat zum Ziel, den Wettbewerb als solchen (d. h. als gesellschaftliche Institution) zu schützen. Dabei werden durch das Verbot oder die kartellbehördliche Kontrolle bestimmter Wettbewerbsbeschränkungen allgemeine rechtliche Regeln für unternehmerisches Handeln aufgestellt, ohne bestimmte Marktstrukturen oder -ergebnisse anzustreben. Damit werden rechtliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen gesetzt, am Wettbewerb als einem „Entdeckungsverfahren" (v. Hayek) teilzunehmen. 34 6. Multinationale Unternehmen
30
Multinationale Unternehmen sind Unternehmen, die mittels Niederlassungen oder Tochtergesellschaften in mehreren Ländern gleichzeitig wirtschaftlich tätig sind. Sie spielen im Weltwirtschaftsverkehr heute eine bedeutende Rolle. Ihr wirtschaftlicher Vorteil liegt in ihrer besonderen Fähigkeit zu internationaler Koordination ihrer Wirtschaftstätigkeit. Damit können sie in einen Interessenkonflikt mit den Gastländern, in denen sie operieren, geraten, indem sie deren Kontrollen, Wirtschaftslenkungszielen oder fiskalischen Interessen entgegenhandeln. In Sozialkonflikten können die Arbeitnehmer mit Entscheidungen konfrontiert werden, die außerhalb des Landes getroffen sind und unkontrolliert und unbeeinflußbar bleiben. Schwache politische Systeme sehen sich starken Einflußnahmen (Korruption) ausgesetzt. In den 70er Jahren gerieten die Multinationalen vor allem unter diesem Gesichtspunkt unter scharfe internationale Kritik. Von der OECD und den U N und ihren Unterorganisationen wurden eine Reihe von internationalen Verhaltensrichtlinien entwickelt, die nicht bindendes Recht geworden sind, aber rechtlich relevante Wertungen enthalten (allg. III Rdn. 15). Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß multinationale Unternehmen auch einen ausreichenden Rechtsschutz in den Gastländern benötigen und verdienen und daß sie vor widersprüchlichen Anforderungen verschiedener Gaststaaten durch internationale Koordination geschützt werden müssen (so die
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Schrifttum Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht, 17. Aufl. 1992; Emmerich Kartellrecht, 6. Aufl. 1992; ders. Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 4. Aufl. 1994; Fikentscher Wirtschaftsrecht, 2 Bde., 1983; Immenga/Mestmäcker GWB. Kommentar zum Kartellgesetz, 2. Aufl. 1992; Koppensteiner Wettbewerbsrecht, Kartellrecht und unlauterer Wettbewerb, 1981; Langen!
Horn
Niederleithinger/Ritter/Schmidt GWB. Kommentar zum Kartellgesetz, 6. Aufl. 1982; Mestmäcker Europäisches Wettbewerbsrecht, 1974; Möschel Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1983; Rittner Einführung in das Wettbewerbs- und Kartellrecht, 4. Aufl. 1993; Westrick/Loewenheim/Rasch GWBKommentar, 4. Aufl. ab 1977.
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Einleitung VI O E C D - R i c h t l i n i e n ) . Die bedeutende Leistung der multinationalen Unternehmen für einen effektiven Technologietransfer in die Gastländer wird heute positiver bewertet. 3 5
VI. Geschichte des Handelsrechts S c h r i f t t u m Coing Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, ab 1973, darin insbes. Bd. II für die Zeit 1500—1800 mit den Beiträgen von Schemer Die Wissenschaft des Handelsrechts, Bd. I I / l , 1977, S. 797—997, und Lammel Die Gesetzgebung des Handelsrechts, Bd. II/2, 1976, S . 5 7 1 - 1 0 8 3 ; ferner Bd.III/3, 1986 für das 19.Jahrhundert mit Beiträgen zum Handels- und Gesellschaftsrecht u. a. von Bergfeld, Holthöfer, Horn, Ranieri, Schiappa, Scherner S. 2853—3525, zum Wettbewerbsrecht von Lammel aaO, S. 3749—3954, zum Urheber-, Verlags- und Patentrecht von Dölemeyer aaO, S. 3955—4201. Neben diesen modernen materialreichen Erschließungen des historischen Stoffs sind in Auswahl zu nennen: Endemann Studien in der romanistisch-canonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre bis Ende des 17. Jahrhunderts, Bd.I, 1874, Bd. II, 1883, Neudruck (Aalen), 1962; Levin Goldschmidt Universalgeschichte des Handelsrechts, Bd.I, 1891, Neudruck (Aalen), 1957; ders. Handbuch des Handelsrechts, Bd.I, Geschichtlich-literarische Einleitung und Grundlehren, 1875; Horn Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968, § 10 (ius mercatorum); Horn/Kocka (Hrsg.), Recht und Entstehung der Großunternehmen im 19. und im frühen 20. Jahrhundert, 1979; Köhler Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts, in Coing/Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. I, 1974, S. 277—296; Lammel Zur Entstehung von Handelsrecht. Die Beteiligung des Handelsstandes an der Handelsgesetzgebung in der Freien Stadt Frankfurt/Main im ^.Jahrhundert, 1987; Raisch Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965; Rehme Geschichte des Handelsrechts, in Ehrenberg's Handbuch des gesamten Handelsrechts, Bd.I, 1913, S.28ff; Scherner/Willoweit Vom Gewerbe zum Unternehmen. Studien zum Recht der gewerblichen Wirtschaft im 18. und 19. Jahrhundert, 1982; Schubert/Schmiedel/ Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch, Bd.I, 1986, Bd.II 1 1987, Bd. II 2 1988. 1. Antikes römisches R e c h t : V e r k e h r s r e c h t u n d F r e m d e n r e c h t 1
a) Rechtsgeschäfte des Handels. W o Handel entsteht, ist er auf bestehendes Recht angewiesen oder bildet Recht neu aus: uhi commercium, ibi ius. Dies ist eine historische Erfahrung und ebenso eine der Gegenwart, insbesondere im Welthandel. Die folgenden Hinweise beschränken sich für die Antike auf das römische Recht als das unserem Recht am engsten verbundene. In seinem Seehandelsrecht sind hellenistische Einflüsse erkennbar. Dies gilt für das Seedarlehen (foenus nauticum) zur Wagnisfinanzierung von Schiffshandelsreisen mit Versicherungsfunktion. Die lex Rhodia, eine Aufzeichnung seerechtlichen Inhalts, ist teilweise im römischen Recht tradiert (D. 14.2). Darin wird u. a. die Gefahrengemeinschaft der Befrachter eines Schiffes festgelegt; Verluste an Gut durch Seewurf waren gemeinsam von allen zu tragen. Das römische Recht hat ein hoch differenziertes und technisch ausgefeiltes Verkehrsrecht entwickelt, das durch die neuzeitliche Rezeption des römischen Rechts in E u r o p a für unser Recht maßgeblichen Einfluß gewann. N u r als Beispiel sei das Kaufrecht genannt (insbes. D. 18.1; 19.1; 2 1 . 1 — 3 ) , das unser Kaufrecht bis in die Einzelheiten geprägt hat. Daneben wurden einzelne besondere Regeln für den
35
62
Schrifttum Großfeld Internationales Unternehmensrecht, 1986; Hopt (Hrsg.) Legal and Economic Analysis of Multinational Enterprises, 2 Bde., 1982; Horn (Hrsg.) Legal Problems of Codes of Conduct for
Horn
Multinational Enterprises, 1980; ders. Die Entwicklung des internationalen Wirtschaftsrechts durch Verhaltensrichtlinien, RabelsZ 44 (1980), 423; Ebenroth Code of Conduct, 1987.
Einleitung VI
Handel ausgebildet. Die strenge Zurückhaltung des römischen Rechts gegenüber einer rechtsgeschäftlichen Stellvertretung durch Freie ist im Handel durchbrochen. Der Reeder (exercitor navis), dessen Kapitän einen Vertrag (z.B. über Getreidelieferung) geschlossen hat, hat selbst die Klage gegen den Lieferanten (D. 14.1.1.18) und haftet für die vom Kapitän begründeten Geschäftsschulden (D. 15.4.1). Der Unternehmer wird aus Geschäften seines Angestellten, der einen Laden oder sonstigen Geschäftsbetrieb leitet (institor), berechtigt und verpflichtet (D. 14.3.1; D. 46.5.5; D. 14.3.7.1). Die Erwerbsgesellschaft als Zusammenschluß mehrerer Unternehmer zu einem gemeinsamen Zweck (societas) ist als Innengesellschaft ausgestaltet.1 b) lus gentium. Wichtig für das Handelsrecht ist das römische Fremdenrecht. „Com- 2 mercium" bedeutet ursprünglich das Recht Fremder, begrenzt am Rechtsverkehr des römischen Zivilrechts teilzunehmen. Der Uberseehandel mit fremden Völkern wurde durch Staatsverträge geregelt. Die für Rechtsstreitigkeiten zwischen römischen Bürgern und Fremden oder unter Fremden zuständigen römischen Gerichtsbehörden haben das Privatrecht weiter entwickelt, indem sie bestimmte Rechtsgeschäfte von schwerfälligen traditionellen Formen des ius civile befreiten und durch elastischere Formen ersetzten. Dieses Recht wurde später als ius gentium bezeichnet. Es war materielles römisches Privatrecht für Fremde. Zum Vergleich sei daran erinnert, daß heute manche Staaten besondere Vertragsgesetze für den Außenhandel schaffen (z.B. VR China). Wenn dem praktischen Sinn der Römer auch rechtstheoretische Ambitionen fremd waren, so wurde das ius gentium doch im Laufe der Zeit inhaltlich legitimiert als ein Recht, das in besonderer Weise von allgemein akzeptierten vernünftigen Grundsätzen getragen war (ratio naturalis, ius naturale) und damit geeignet für den Rechtsverkehr mit Angehörigen fremder Völker. Im Laufe der Zeit und mit der Ausdehnung des römischen Imperiums verwischten sich die Grenzen zwischen ius gentium und ius avile. Es mag dahinstehen, ob ius gentium schon bei den Römern auch die moderne Bedeutung des zwischenstaatlichen Völkerrechts mit enthielt.2 Auf jeden Fall enthielt der Begriff eine Konzeption auch eines internationalen materiellen Rechts unter Privaten, das wir im Konzept der lex mercatoria der Neuzeit und Gegenwart wiederfinden (i. F. Rdn. 15 und oben III Rdn. 16). 2. Mittelalter: Handelsstadt und Handelsrecht (bis 1500) a) Die Entwicklung des Handels hängt eng mit der Entstehung und dem Aufschwung 3 der Städte im Mittelalter zusammen, die Marktplatz und Wirtschaftszentrum (auch in der handwerklichen Güterproduktion) für das agrarische Umland wurden. Auch der Fernhandel, der an sich schon in prähistorische Zeit zurückreicht (Salz, Edelmetalle, Bernstein), erhielt dadurch einen bedeutenden Aufschwung. Zu Fernhandelszentren wurden die norddeutschen Küstenstädte, die sich im 13. Jahrhundert unter der Führung von Lübeck zur Hanse (ursprünglich ein Kaufmannsbund) als einem weitverzweigten Bund handeltreibender Städte zusammenschlossen. Die Hanse beherrschte lange den Nordsee- und vor allem den Ostseehandel (mit Zentrum Visby) und unterhielt zahlreiche auswärtige Kontore (u. a. London, Nowgorod). In Flandern wurden Fernhandelszentren Gent und vor allem Brügge, das im 13. und 14. Jahrhundert Großstapelplatz für englische Wollimporte (mit Anschlußzentrum Köln) war. Im Mittelmeerraum erlangten die oberitalienischen Seehandelsstädte Venedig (für den seit den Kreuzzügen aufgeblühten Orienthandel), Genua und
1
Vgl. zum Vorstehenden auch Rehme § 9 ; zu den einzelnen Instituten Käser
aaO Das
2
Horn
römische Privatrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1971, insbes. zur societas § 133.3.
Vgl. Käser Bd. I § 501.
63
Einleitung VI
Pisa sowie die Binnenstädte Mailand und Florenz große Bedeutung, in Katalonien Barcelona als Seehandelsplatz. 4
Es entstanden Messen als zeitlich konzentrierte überörtliche Märkte für Waren und für das Clearing des überörtlichen Zahlungsverkehrs, so im 12. und 13.Jahrhundert in der Champagne, im 15.Jahrhundert in Lyon (ab 1419). 3 Vorformen von Börsen als festen Plätzen für Geldwechsel, Warentermingeschäfte und Wechselclearing lassen sich im Mittelmeerraum schon im Hochmittelalter nachweisen (Lucca 1111). 1409 wird in Brügge ein solcher Platz beurse genannt; 1460 wird er mit dem Aufblühen des Ostindienhandels nach Antwerpen verlegt und amtlich eingerichtet. Der Handel wird im Hochmittelalter zunehmend verschriftlicht (Handelsbücher) und z. T. von Kontoren aus gesteuert. Im Geldwesen und überörtlichen Zahlungsverkehr erlangten die lombardischen Städte eine führende Stellung (vgl. die Fachausdrücke Kontokorrent, Giro, Indossament, Diskont, Agio, Lombard). Die Anfänge des Bankwesens entwickelten sich aus dem Geldwechselgeschäft, dem überörtlichen Zahlungsverkehr und aus Kapitalsammlungen der Bürger einer Stadt (montes) zur Finanzierung großer, auch politischer Projekte und auswärtiger Anleihen. Die Kaufleute schlossen sich überall in Europa in Gilden zusammen, zunächst lokal und z. T. nach Branchen untergliedert (ordines, arti), die zum Kaufmannsstand einer Stadt (mercantiti, z.B. Florenz 1309) zusammengeschlossen waren, dann auch überörtlich (Hanse zunächst als überörtlicher Kaufmannsbund). Gemeinsame Wurzel ist das Genossenschaftswesen des germanischen Rechts.
5
b) Quellen des Handelsrechts sind die Stadtrechte, die Satzungen der Kaufmannsgilden und Sprüche der Kaufmanns- und Seegerichte, örtliches und überörtliches Gewohnheitsrecht und einzelne Gesetze des Königs oder Territorialherren, sowie der Kirche (Zinsverbot).4 So sollte z.B. der Landfriede, den König Wenzeslaus 1398 auf dem Reichstag in Frankfurt verkündete, die messebesuchenden Kaufleute schützen. Das jeweilige Stadtrecht regelte das Marktwesen: das Gastrecht der fremden Kaufleute und ihre Warenanbietungspflicht (Stapelrecht), Maße, Gewichte, Preis- und Qualitätskontrollen, und eine rasche Marktgerichtsbarkeit. Es regelte ferner die Handwerkerzünfte und Kaufmannsgilden, oft in Konflikt mit deren Autonomiestreben. Die Kaufmannsgilden selbst erließen eigene Satzungen, zeichneten Handelsgewohnheitsrecht auf und übten eigene Gerichtsbarkeit (curia mercatorum) und Schiedsgerichtsbarkeit aus.5 Die Aufzeichnungen des Handelsbrauchs sowie der Gerichtsentscheidungen erlangten z.T. überörtliche Geltung, insbesondere im Seehandelsrecht.6 Im Mittelmeerraum ist die älteste seerechtliche Aufzeichnung schon von 1081 aus Pisa überliefert; für diesen Bereich erlangte dann die in Barcelona entstandene Aufzeichnung des Seerechts im Consolât del mar (ab 1370 nachweisbar) große Bedeutung. Für Antlantikküste, Nord- und Ostsee gewannen die Regeln von Oléron, eine Aufzeichnung von zunächst 24 Seegerichtsurteilen, überregionale Bedeutung, sodann die 1407 von der Hanse in Lübeck veranlaßte Aufzeichnung des Seerechts von Visby. In England wurden die Regeln von Oléron im Black Book of the Admiralty verarbeitet.
3
4
Überblick bei Pohlmann in: Coing Handbuch I, 1973, S. 803 ff. Allg. zu den Quellen des mittelalterlichen Handelsrechts L. Goldschmidt Universalgeschichte aaO, S. 151 ff; vgl. auch Pohlmann
64
5
6
Horn
Die Quellen des Handelsrechts, in: Coing Handbuch I, 1973, S. 801 ff. Allg. Goldschmidt Universalgeschichte, S. 172; Horn Aequitas, S. 89. Zum Folgenden Wagner Handbuch Seerechts, B d . I , 1884, S. 63 ff.
des
Einleitung VI c) H a n d e l s r e c h t s w i s s e n s c h a f t . Eine Handelsrechtswissenschaft läßt sich etwa ab dem 6 14. Jahrhundert zunächst in Italien innerhalb der Wissenschaft v o m römischen Recht (Legistik), die sich ab 1100 in Bologna und dann in anderen Städten als Gegenstand des Universitätsstudiums (Glossatoren, Kommentatoren) entwickelt hatte, beobachten, so ζ. B. bei Baldus de Ubaldis (gest. 1400). Baldus kennzeichnet das Handelsrecht als ius gentium. E s ist auf Billigkeit (.aequitas) gerichtet, auf das Vertrauen in das auch formlos gegebene Wort des Kaufmanns (Klagbarkeit des pactum nudum) unter Verzicht auf verkehrswidrige Förmlichkeiten und Spitzfindigkeiten (apices iuris). Wohl aber anerkennt es verkehrsdienliche Förmlichkeiten, so im Wechselrecht. E s dient dem Interessenausgleich und der Vertragstreue (ζ. B . zinsähnliche Vertrags- und Schadensersatzregeln trotz kanonischen Zinsverbotes). 7 Der Fernhandel erforderte in besonderer Weise Lösungen des kollisionsrechtlichen Problems, welches lokale Recht jeweils Anwendung finden sollte. D i e Legistik entwickelte dazu ein internationales Privatrecht auf der Grundlage des römischen Rechts (insbes. durch Bartolus; gest. 1357): die S t a t u t e n t h e o r i e , die jeweils v o m Geltungsanspruch des einzelnen örtlichen Rechts (Statuts) ausgeht und dazu allgemeine Regeln aufstellt. 8 Die Kollisionsproblematik wurde abgemildert durch das subsidiär geltende römische Recht als ius commune, in der Praxis vor allem durch einheitliches Handelsgewohnheitsrecht, die später sog. lex mercatoria (Rdn. 15).
7
d) Einzelne I n s t i t u t e des H a n d e l s r e c h t s . Unter den einzelnen Handelsrechtsinstituten ist zunächst das R e g i s t e r w e s e n hervorzuheben: die Kaufmannsgilden führten Matrikel ihrer Mitglieder; zu den Eintragungen gehörten auch Auskünfte über Gesellschafterverhältnisse, P r o k u r a , Handels- und Warenzeichen (ab 13.Jh.), z . T . in eigenen Zeichenregistern. D e r K a u f war durchweg H a n d k a u f ; Marktpolizei und rasche Marktgerichtsbarkeit machten nachträgliche Sachmängelstreitigkeiten überflüssig und schlossen Gefahrtragungsprobleme aus. Beides tauchte aber beim Distanzkauf und Terminkauf auf. Soweit in Italien (und später durch die Rezeption in Deutschland) römisches Recht eingriff, ging die Preisgefahr bei Abschluß auf den Käufer über (periculum est emptoris); das Ergebnis wurde durch eine c«síoí/¿t-Haftung des Verkäufers gemildert. D a s deutschrechtliche Gutglaubensprinzip setzte sich beim Kauf auf den Märkten durch, ebenso bei den Geschäften der Wechsler und Pfandleiher. A u c h das ebenfalls deutschrechtliche Faustpfandprinzip galt: nur das Besitzpfand war geschützt. D e r Makler als unparteiische Amtsperson war unentbehrlich bei Geschäften der Fremden untereinander. 9 Ansätze für die G r u n d f o r m e n des Kommissionsgeschäfts (aus der commenda = Anvertrauen von Waren oder Geld zu einem Geschäft), des Lager-, Speditions- und Frachtgeschäfts sind seit dem 14. Jh. erkennbar, ebenso seit dieser Zeit im Mittelmeerraum und dann im übrigen E u r o p a die Seeversicherung.10
8
Mit der Verschriftlichung des Handels schon im Hochmittelalter kamen auch abstrakte ® kaufmännische V e r p f l i c h t u n g s u r k u n d e n (romanistisch: cautio indiscreta) in Gebrauch: Ladeschein, Lagerschein, Konnossement, Verpflichtungsschein, zunächst noch ohne Traditionswirkung. 1 1 Die Orderklausel wurde typischer Bestandteil schon im 12. und 13. Jh. D e r Wechsel entstand als Instrument des überörtlichen bargeldlosen Zahlungsverkehrs im Horn Aequitas, §§ 10 und 19.3. C. Neumeyer Die gemeinrechtliche Entwicklung des Internationalen Privat- und Strafrechts bis Bartolus, 1901. Vgl. zum Maklerzwang Goldschmidt Universalgeschichte, S. 250.
10
11
Horn
Vgl. Nehlsen-v.Stryk Die venezianische Seeversicherung im 15. Jh., 1986. Goldschmidt Universalgeschichte, S. 308, 383 ff.
65
Einleitung VI
12. Jh. als domizilierter Eigenwechsel: der Kaufmann verpflichtete sich, „ex causa cambii" an einem anderen Ort (ζ. B. Messort) zu zahlen. Orderklausel wurde beigefügt. Daneben wurde der Geldanweisungsbrief üblich, in den man dann ab 14. Jh. das Wechselversprechen des Ausstellers hineininterpretierte; damit entstand der gezogene Wechsel.12 Im Kreditgeschäft wurde das strenge kanonische Zinsverbot ζ. T. durch andere Geschäftsformen vermieden (Agio, Rentenkauf)13; im übrigen fanden hier Juden, die dem Verbot nicht unterlagen, ein Betätigungsfeld. Das risikoreiche Seedarlehen wurde gegen Gewinnbeteiligung gegeben. Zum Bankwesen vgl. auch oben Rdn. 4 und i. F. Rdn. 11. 10
e) Gesellschaftsrecht. Das Gesellschaftsrecht hat, soweit es um Personengesellschaften geht, eine deutschrechtliche Wurzel im Familienverband (societas fratrum) zum gemeinsamen Handel oder Handwerk; zum andern entsteht es aus der gemeinsamen Durchführung wirtschaftlicher Projekte, ζ. B. gemeinsamer Handelsfahrt. Die Familiengesellschaft tritt im Rechtsverkehr gemeinsam auf (compagnia, offene Gesellschaft), meist unter gemeinsamer Firma und mit gemeinsamem Gesamthandsvermögen. — Aus der Hingabe von Geld oder Gut zu einem Projekt (commenda) entwickelte sich das Kommissionsgeschäft und das partiarische Darlehensgeschäft (Seedarlehen), aber auch die stille Gesellschaft und die Kommanditgesellschaft.14 Kapitalgesellschaften und Genossenschaften entstanden im Zusammenhang mit einem größeren Vermögensstück, z. B. einer Mühle (Mühlengenossenschaft), einem Bergwerk (Gewerkschaft als Realgemeinschaft), Schiff (Reederei) oder einer zusammengelegten Geldsumme (mons), die z. B. aufgrund der Zwangsanleihe einer italienischen Kommune gebildet wurde.15 Aus einer solchen mons entwickelt sich 1407 in Genua die Casa di San Giorgio als älteste Aktienbank. Assekuranzgesellschaften entstanden in Italien im 14. Jh. für die Seeversicherung. 3. Handelsrecht im Handelsstaat der frühen Neuzeit (ca. 1500—1800)
11
a) Die wirtschaftliche Entwicklung der frühen Neuzeit 16 ist durch eine Verlagerung der Handelsströme vom Mittelmeer zum Atlantik infolge der Entdeckungsfahrten, durch den Aufstieg der Kolonialmächte Spanien und Portugal, dann England und Frankreich und den Aufstieg der Niederlande als Handelsmacht gekennzeichnet. In Deutschland übernahmen die großen süddeutschen Handelshäuser (Fugger, Welser, Tucher) die wirtschaftliche Führung. Die durchweg handwerklichen Produktionsverhältnisse änderten sich dadurch, daß besondere Organisationsformen für Massenproduktion entstanden: kapitalkräftige Verleger beschäftigten ab dem 17. Jh. abhängige Handwerker, und Manufakturen faßten große Zahlen von Arbeitskräften zusammen (in England in der Wollindustrie bereits im 16. Jh.) 1 7 . Der Fernhandel nahm weiter zu (insbesondere Tuche und Metallwaren). In Deutschland entstanden neue bedeutende Handelszentren wie Augsburg und Nürnberg und die Messestädte Frankfurt und Leipzig. Das Bedürfnis nach bargeldlosem Zahlungsverkehr (Giro) führte zur Gründung von Giro- und Depositenbanken: in Venedig 1587 Banco di Rialto, dann 1619 Banco del Giro, in Mailand 1594 Banco di San Ambrogio, in Amsterdam 1609 die Amsterdamsche Wisselbank, in Hamburg 1619 die Hamburger Bank, die bis zur Gründung der Reichsbank 1873 bestand und gegen Depositen vollwertiger Reichstaler Girokonten in der Recheneinheit „Mark Banco" führte. Ab 12 13
14 15
66
Goldschmidt vgl. Fn. 11, S.446f. Horn Aequitas, §19.4; ders. 1992, S. 99 ff. Goldschmidt vgl. Fn. 11, S.261. Endemann I, S. 432 ff.
16
FS
Lange 17
Horn
Allg. Hausherr Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit vom Ende des 14. bis zur Höhe des 19. Jhs., 1970. Allg. zu Manufaktur und Verlag im 17. —19. Jh. Scherner in: Scherner/Willoweit S. 7 ff.
Einleitung VI
dem 17. J h . gaben konzessionierte Banken auch Banknoten (Zettel) aus. Der Zusammenbruch der von John Law in Frankreich gegründeten Notenbank wegen Verbindung mit Aktienspekulation 1720 brachte einen schweren Rückschlag für das Bank- und Notenwesen. Das Kreditgeschäft wurde von den Banken wenig betrieben; die großen süddeutschen Handelshäuser waren an politisch bedingten Krediten zugrunde gegangen. An den Messeplätzen entstanden ständige Börsen, so nach italienischem Vorbild im 16. Jh. in Antwerpen, Lyon und Besançon, später in Frankfurt und Leipzig. Sie waren zunächst Warenbörsen für Warentermingeschäfte, später auch Fondsbörsen, so im 17. Jh. in Amsterdam für die Aktien der Ostindischen Compagnie, allgemein für Staatspapiere (Obligationen). b) Der Handelsstaat der frühen Neuzeit. Der neuzeitliche Territorialstaat ist gekennzeichnet durch allmähliche Zentralisierung der Staatsgewalt beim Fürsten mit Zentralbehörden, Domänenverwaltung, Entwicklung eines Rechnungswesens (Kameralistik) und Staatshaushaltes (Budget). Man begreift das Staatsgebiet als einheitliches Wirtschaftsgebiet. Seine fiskalischen Interessen sucht der Staat durch behördliche Wirtschaftsförderung, durch ein ausdifferenziertes und umfassendes Zoll- und Abgabewesen und durch Handelspolitik zu verfolgen. Dem merkantilistischen Ziel einer positiven Handelsbilanz dienen Ein- und Ausfuhrverbote, Zollschranken, aber auch die Abstimmung mit den Interessen anderer Handelsstaaten durch Handels- und Freundschaftsverträge, ζ. T . mit Meistbegünstigungsklauseln. 1 8
12
c) Handelsgesetzgebung. Die Handelsgesetzgebung wird immer umfangreicher und umfaßt alle Angelegenheiten des Handels einschließlich seiner öffentlichen (polizeilichen und fiskalischen) Aspekte. Er wird auch verstärkt eine Angelegenheit der überörtlichen zentralen Gesetzgebung, in Deutschland also der Reichsgesetzgebung und derjenigen der Fürsten und sonstigen Territorialherren. Eine Monopolgesetzgebung des Reiches 1 9 ζ. B. wandte sich gegen monopolisierende Handelsgesellschaften und Vereinigungen (Verbot 1512; Versagung des Geleits 1530). Die Reichspolizeiordnung von 1577, welche diese Regelungen zusammenfaßte und ausbaute, enthielt weitere Marktregelungen, insbesondere auch über die Verwendung von Marken zur Qualitätskontrolle. 2 0 Nach dem Westfälischen Frieden war die Reichsgesetzgebung um die Belebung des Handels bemüht durch Ordnung des Abgabewesens und Schutz des Kaufmanns vor willkürlichen Zöllen, sofortige Exekution in Wechselprozessen und sonstigen liquiden Handelsrechtsstreitigkeiten; die Einholung kaufmännischer Gutachten vor gerichtlichen Entscheidungen in Handelssachen wurde vorgeschrieben. Gegen Preissteigerungen sollten Taxordnungen helfen. 21 Die Fülle der obrigkeitlichen Regelungen zu allen Bereichen des Handels kann hier nicht dargestellt werden; sie umfaßt u. a. Maklerrecht, Handelsgesellschaften, Wechselrecht, Versicherungsrecht, Buchhandels- und Verlagsrecht, Urheberrecht und Handelsgerichtsbarkeit. 22
13
Von besonderer Bedeutung für die europäische Rechtsentwicklung sind zwei zusammenfassende Gesetzgebungen auf dem Gebiet des Handelsrechts. 1673 wird die Ordonnance sur le Commerce unter dem maßgeblichen Einfluß des Kaufmanns Savary des Bruslons geschaffen. Sie regelt in zwölf Titeln und insgesamt 122 Artikeln das Recht des
14
18
G. Erler Grundprobleme des internationalen Wirtschaftsrechts 1956, S. 55 ff.
Territorien s. Schmelzeisen Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, S . 4 4 5 - 4 4 8 .
19
Blaich Die Reichsmonopolgesetzgebung im
20
Lammel in: Coing Handbuch II/2, S. 738.
Zeitalter Karls V., 1967. Zum Kampf gegen Monopole in den Polizeiordnungen der
21
Lammel
22
Uberblick
y gl. F n . 2 0 , S . 6 5 9 .
Lammel
vgl.
Fn. 20,
S. 5 7 1 - 1 0 8 3 .
Horn
67
Einleitung VI
Handelsstandes, Makler, Handelsbücher, Gesellschaften, Wechsel, Konkurs und Handelsgerichtsbarkeit. Die Ordonnance bezweckt nicht Rechtsveränderung, sondern Rechtsvereinheitlichung und die Abstellung von Mißständen insbesondere der schwerfälligen Handelsgerichtsbarkeit. Als offizielles Ziel ist die Stärkung des Vertrauensschutzes im Handelsverkehr und die Uberwindung der Schwerfälligkeit der Handelsrechtsprozesse angegeben („assurer parmi les négocians la bonne foi contre la fraude, et prévenir les obstacles qui les détournent de leur emploi, par la longeur des procès"). 1681 ergeht die Ordonnance de la Marine; sie regelt in fünf Büchern öffentliches und privates Seerecht und Seegerichtsbarkeit. 23 15
d) Handelsrechtswissenschaft. Die Handelsrechtswissenschaft, die im ausgehenden Mittelalter sich in Einzeluntersuchungen der Legistik einerseits (oben Rdn. 6), der Kanonistik und Moraltheologie (ζ. B. zum Zinsproblem) andererseits konstituiert hatte, tritt in der frühen Neuzeit in Gesamtdarstellungen von europäischem Rang als eigenes Rechtsgebiet hervor, nämlich als Standesrecht des Kaufmanns und Recht seiner Geschäfte und Gerichtsbarkeit. 1553 erschien das Werk von Benvenuto Stracca (gest. 1578) „De mercatura seu mercatore Tractatus", 1603 das Werk des in Lima lebenden Spaniers Juan de Hevia Bolafios „Curia filípica o laberinto del comercio terrestre y naval", 1618 das Werk des römischen Advokaten Scaccia „tractatus de commerciis et cambio". Das 1622 erschienene und mehrfach aufgelegte Werk des englischen Kaufmanns Gerard Malynes „Consuetudo vel lex mercatoria or the ancient law-merchant" liefert ein Stichwort für die heutige Theoriedebatte zum Recht des internationalen Handelsverkehrs (s. III Rdn. 16). Der lübische Ratsherr und Stadtrichter Johannes Marquard (gest. 1668) veröffentlichte 1662 mit dem „Tractatus politico-juridicus de jure mercatorum et commerciorum singulari" ein Standardwerk, das bis ins 18. Jahrhundert in Europa maßgeblichen Einfluß hatte. Neben solchen Gesamtdarstellungen entstand eine Fülle von Literatur zu Einzelgebieten wie z. B. dem Wechselrecht, See- und Versicherungsrecht, Konkursrecht und anderen Themen. 24 Im 18. Jh. entwickelte die deutsche Rechtswissenschaft, die sich nicht an zentralen Handelsgerichtshöfen oder zusammenfassenden Handelsgesetzgebungen orientieren konnte, entsprechend ihrer naturrechtlich-systematischen Arbeitsweise das Handelsrecht als systematisch geschlossenes Gebiet unter Einbeziehung aller vom Kaufmann typischerweise betriebenen Rechtsgeschäfte. „Man verstand das Handelsrecht als das des Kaufmannsstandes und insoweit als eines der besonderen deutschen Privatrechte." 25 Hervorzuheben sind systematische Arbeiten von v. der Becke und Musäus. 1797 erschien ein Grundriß des Handelsrechts von Martens. 26
16
e) Gesellschaftsrecht. Im Gesellschaftsrecht sind die Handelspersonengesellschaften im modernen Sinn schon weitgehend ausgeprägt, wie ein Blick in die Ordonnance sur le Commerce zeigt: gemeinsames Gesellschaftsvermögen und Firma, gemeinsame Haftung, wechselseitige Vertretung und Berechtigung zur Geschäftsführung, Möglichkeit der Beschränkung der Haftung auf eine Kommanditeinlage. Das Recht der Kapitalgesellschaften entwickelte sich vor allem entsprechend den Bedürfnissen des kapitalintensiven Kolonialhandels fort. In England wurde um 1600 die East-India Company, 1680 die African Company gegründet, beide als joint stock companies. In den Niederlanden vollzog sich
23
Lammelvgl.
Fn.20, S. 801.
26
24
Zum Ganzen Scherner in: Coing Hand-
25
Scherner in: Coing Handbuch II/l, S. 930.
buch II/l, S. 835ff.
68
Horn
Schemer Anfänge einer deutschen delsrechtswissenschaft im 18.Jh., 136 (1972), 465 - 4 8 9 .
HanZHR
Einleitung VI
1602 die Gründung der Ostindischen, 1621 die der Westindischen Compagnie. In Frankreich wurden 1664 eine ostindische und eine westindische Compagnie als Aktiengesellschaften gegründet. In Deutschland gab es nur schwache Ansätze zu derartigem Kolonialhandel. 1682 wurde die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie durch den Kurfürsten Friedrich gegründet; sie wurde 1717 an die Holländer verkauft. Erst 1772 wird dann das Patent zur Errichtung der Preußischen Seehandlung erteilt. — Handelscompagnien hatten halbstaatliche Funktion mit eigener Verwaltung und eigenen Truppen. Der Staat verlieh ihnen regelmäßig das Handelsmonopol für ihr Gebiet. Der Fürst (in England: das Parlament) verlieh der Compagnie Rechtsfähigkeit und gab ihr zugleich ihr Statut als eigenes Gesetz (später sog. Octroy-System der Gesellschaftsgründung). 4. Bürgerlicher Rechtsstaat und Industrialisierung (ca. 1800—1914) a) Wirtschaftliche Entwicklung. Die wirtschaftliche Entwicklung im ausgehenden 18. 1 7 und im 19. Jh. ist durch die allmähliche Verbesserung der Agrarerträge (zur Ernährung einer größeren Stadtbevölkerung), durch die Industrialisierung und die Ausdehnung des Welthandels gekennzeichnet. 2 7 Mit der Rechtsentwicklung ist die Wirtschaftsentwicklung auf vielfache Weise eng verknüpft: durch Gewerbe- und Vertragsfreiheit wurden die Rahmenbedingungen für eine liberale Marktwirtschaft geschaffen, durch das Gesellschaftsrecht die in der Industriewirtschaft erforderliche Kapitalorganisation ermöglicht. Die Industrialisierung nahm ihren Ausgang von England, wo zuerst die schon vorher übliche Zusammenfassung von Arbeitskräften in Manufakturen und Fabriken mit einem Einsatz von Maschinen kombiniert wurde (1768 Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt; Bau der ersten Eisenbahn 1832). Der wirtschaftliche Vorsprung Englands führte zu einem Exportdruck und der Forderung nach Freihandel. Das Problem zeigte sich in den krisenhaften Folgen in Frankreich nach Öffnung der Zollschranken 1786, in der Kontinentalsperre Napoleons gegen Englands Waren und in der Schutzzollpolitik in Deutschland in der 1. Hälfte des 19. Jhds. Auf dem Kontinent vollzog sich die Industrialisierung in der 1. Hälfte des 19. Jhds. nur langsam, namentlich im Zusammenhang mit dem Eisenbahnbau (ab 1836) und dem Aufblühen der Montanindustrie. A b der Jahrhundertmitte beschleunigte sich der Industrialisierungsprozeß in Deutschland. 1871 folgte ein Gründungsboom für Aktiengesellschaften mit baldiger Krise (Gründerkrach 1873/74). Etwa ab 1880 entstanden in Deutschland Großunternehmen in größerer Zahl, vorwiegend in Form der Aktiengesellschaft. 2 8 Die Unternehmerfunktion ging von großen Eigenkapitalgebern auf die angestellten Vorstandsmitglieder dieser Gesellschaften über („Managerkapitalismus"). Externes Unternehmenswachstum und Konzernbildung wurde durch Beteiligungserwerb auf den Aktienmärkten und durch Gründung von Tochtergesellschaften eröffnet. Der an sich scharfe Wettbewerb wurde durch Kartellverträge, gemeinsame Tochtergesellschaften (Syndikate) und die Bildung von Interessengemeinschaften (durch Verträge, z. T. mit Aktientausch) eingeschränkt. 2 9 Die Entfaltung der Verkehrswirtschaft spiegelt sich in der Fortentwicklung des Bankwesens. Während in der ersten Hälfte des 19. Jhds. die großen Privatbankhäuser den
27
28
Vgl. allg. David
S. Landes
Technological
Change and Development in Western Europe, 1750—1914, in: The Cambridge Economic History of Europe VI/1, Cambridge 1966. Vgl. Kocka/Siegrist Die hundert größten deutschen Industrieunternehmen im späten
19. und frühen 20. Jh., in: Hom/Kocka 29
Horn
aaO
(vgl. Schrifttum), S. 55 ff. Zum Ganzen Horn Aktienrechtliche U n ternehmensorganisation in der Hochindu-
strialisierung,
in: Hom/Kocka
aaO
(vgl.
Schrifttum), S. 123 ff.
69
18
Einleitung VI
Zahlungs- und Kreditverkehr sowie den Handel in Wertpapieren (vorwiegend Staatspapieren) beherrschten ( z . B . das Haus Rothschild, gegründet 1770), treten ab der Jahrhundertmitte Aktienbanken auf (1848 Schaffhausenscher Bankverein, 1851 Disconto-Gesellschaft; 1852 Bank für Handel und Industrie von Mevissen gegründet; 1856 Berliner Handelsgesellschaft; 1870 Deutsche Bank). Diese Banken betrieben die Unternehmensfinanzierung und das Emissionsgeschäft, schrittweise dann auch das Einlagengeschäft und die Entwicklung eines bankmäßigen Giroverkehrs nach dem Vorbild des Credit Lyonnais (gegr. 1853). Damit wurden die Grundlagen für das in Deutschland typische Universalbankensystem und die bis in die Gegenwart fortbestehende relativ enge Verbindung zwischen Banken und Großindustrie (vermittelt vor allem durch die Aufsichtsräte) gegründet. Hinzu traten in der zweiten Jahrhunderthälfte aber auch Spezialkreditinstitute: die Hypothekenbanken für den Realkredit (ζ. B. 1862 die Frankfurter Hypothekenbank), die Kreditgenossenschaften als Vorläufer der Volksbanken (v. Schultze-Delitzsch gründet 1850 Vorschußvereine; Raiffeisen landwirtschaftliche Kreditgenossenschaften ab 1849), die Sparkassen für das Einlagen- und Spargeschäft mit den schwächeren Bevölkerungskreisen (schon 1778 Sparkasse zu Hamburg) unter behördlicher Aufsicht. Der Kapitalmarkt, der traditionell von Staatspapieren gespeist wurde, wird nun vor allem zum Aktienmarkt unter stürmischer Entwicklung des Börsenwesens. 3 0 20
21
b) Bürgerlicher Rechtsstaat und Liberalismus. Als bürgerlicher Rechtsstaat, in dem staatliches Handeln grundsätzlich an das Recht gebunden ist und der Bürger in diesem Rahmen Handlungs- und Gewerbefreiheit sowie Eigentumsschutz genießt, übernimmt der Staat die Rolle eines Garanten der entstehenden Marktwirtschaft. Der mühsame Weg zum bürgerlichen Rechtsstaat, der in Deutschland wenigstens bis zur Jahrhundertmitte reicht (Verfassungsfrage), ist hier nicht nachzuzeichnen. Sichtbare Stationen auf dem Weg zur wirtschaftlichen Handlungsfreiheit sind in Frankreich die Französische Revolution, in Deutschland die Reformen von Stein und Hardenberg; sie beseitigten Zunftzwang und ständische Schranken der Gewerbetätigkeit und des Güterverkehrs (1807). Ihren allgemeinen gesetzlichen Ausdruck fand die Gewerbefreiheit dann in der Gewerbeordnung von 1869. Auf allen Gebieten wurde im 19. Jh. die Fülle einschränkenden Wirtschaftsrechts des merkantilistischen Obrigkeitsstaats reduziert. Die in Deutschland durch die staatliche Zersplitterung bedingten Handelsschranken wurden durch die Bildung des deutschen Zollvereins (1834) — mit Schutzzollschranken nach außen — beseitigt. Die wirtschaftsliberale Haltung des Staates, der die Wirtschaft von gesetzlichen und obrigkeitlichen Fesseln befreite, wurde geistig vorbereitet durch die Ideen der Aufklärung im 18. Jh., durch die genauere Erkenntnis der Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft in der Wirtschaftstheorie der Physiokraten (F. Quesnay, 1694—1774) und vor allem durch die Begründung der klassischen Nationalökonomie durch Adam Smith (1723 —1790) 3 1 und David Ricardo ( 1 7 9 2 - 1 8 2 3 ) . Der frühliberale Staat behielt bei Gewerbefreiheit durchaus eine Gewerbeaufsicht bei und verbesserte sie mit Zunahme der durch die Industrialisierung bedingten technischen Gefahren (ζ. B . Preuß. DampfkesselVO). Er erkannte auch zögernd die sozialen Probleme der Industriearbeiterschaft und entwickelte ein Arbeiterschutzrecht (1839 Preuß. Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken; 1849 in Preußen Verbot des 30
Allg. Ehrenberg Die Fondsspekulation und die Gesetzgebung, 1883.
31
Hauptwerk: Inquiry into the Nature and the Causes of the Wealth of Nations, 1776; vgl. auch die Würdigung in der deutschen
70
Horn
Übersetzung von Recktenwalt, Adam Smith Der Wohlstand der Nationen, 1974. Allg. Montaner (Hrsg.) Geschichte der Volkswirtschaftslehre 1967, insbes. S. 25 ff, 34 ff.
Einleitung VI Truck-Systems, d . h . der Entlohnung in Waren, 1853 Gesetz über Fabrikinspektoren). 1878 wurde die behördliche Gewerbeaufsicht (in A b l ö s u n g der bestehenden Fabrikinspektion) neu geordnet, 1884 das Gewerbeunfallversicherungs-Gesetz erlassen, 1891 das Arbeiterschutz-Gesetz als Novelle zur Gewerbeordnung (u. a. Einschränkung der Sonn- und Feiertagsarbeit; Schutzbestimmungen für Arbeit von Frauen und Jugendlichen; Unfallschutz und Gewerbeaufsicht). D a s G e s e t z sah fakultative Einrichtungen von Arbeiterausschüssen in den Betrieben vor. Im Bergbau werden diese in Preußen 1905 zwingend vorgeschrieben, 1909 im gesamten Reichsgebiet. D i e Sozialversicherungsgesetzgebung von 1883 — 1889 zielte auf eine umfassende Regelung des sozialen Schutzes. D a s Arbeitsvertragsrecht blieb im ganzen Zeitraum unterentwickelt. Im letzten Drittel des 19.Jhds. sah der staatliche Gesetzgeber verstärkt die A u f g a b e zur Regelung und O r d n u n g der Wirtschaft z . B . durch Investorenschutz (Aktienrechtsnovelle 1884; B ö r s e n G 1896) und Schutz vor unlauterem Wettbewerb (i. F. R d n . 26, 27 und 32). c) H a n d e l s g e s e t z g e b u n g . D i e staatliche Gesetzgebung zum Handelsrecht muß im Zusammenhang mit der Kodifikationsbewegung, d. h. der Zusammenfassung des ganzen bürgerlichen Rechts in Kodifikationen, gesehen werden. D a s Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 enthält im II. Teil, Titel 8 (Bürgerstand) eine zusammenfassende Regelung des Handelsrechts und (öffentlichen) Gewerberechts der Zünfte und K a u f mannsgilden. 3 2 In Frankreich erfährt das Handelsrecht neben der allgemeinen Kodifizierung des Zivilrechts im C o d e civil von 1804 eine eigene Kodifizierung im C o d e de commerce von 1807. D e r C o d e greift z . T . auf die O r d o n a n z e n von 1673 und 1681 und auf die Lehrbücher des 18.Jhds. zurück. E r enthält in vier Büchern 1. Handels- und Wechselrecht, 2. Seehandel, 3. K o n k u r s und 4. Handelsgerichtsbarkeit. A n k n ü p f u n g s p u n k t für die Anwendung des C o d e sind Handelsgeschäfte (actes de commerce; vgl. zum objektiven System auch oben I R d n . 10). In Deutschland gewann der C o d e de commerce Geltung in den linksrheinischen Gebieten, die französisches Recht übernahmen und (bis 1900) behielten, in Baden wurde er mit dem am C o d e civil orientierten Badischen Landrecht 1810 eingeführt. Eine allgemeine Kodifikation des Handelsrechts scheiterte in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts ebenso wie die des Zivilrechts an den politischen Verhältnissen der staatlichen Zersplitterung. Der Deutsche Bund hatte keine gesetzgebende Gewalt auf dem Gebiet des Handelsrechts.
22
Die Bedürfnisse des Handels nach einheitlichem Recht führten zuerst auf dem praktisch wichtigen Gebiet des Wechselrechts z u m Erfolg. Auf Einladung Preußens (im Auftrag des Zollvereins) trat 1847 in Leipzig eine Wechselrechtskonferenz zusammen. 3 3 Auf der Grundlage eines preußischen Entwurfs erarbeitete die Konferenz den Entwurf eines einheitlichen Wechselrechts. Dieser wurde 1848 von der Frankfurter Nationalversammlung als Reichsgesetz („Allgemeine Deutsche Wechselordnung" — A D W O ) erlassen, nach dem Scheitern der Revolution in den einzelnen Staaten nach und nach bis 1862 als Landesrecht eingeführt. Probleme und Kontroversen in der praktischen Anwendung der A D W O veranlaßten die Befassung der Nürnberger K o m m i s s i o n zur Ausarbeitung des Handelsgesetzbuchs (Rdn. 24) 1857 mit einer Überarbeitung der A D W O . D a s Ergebnis sind die sog. Nürnberger Novellen von 1857 mit acht Zusätzen zur A D W O , die als Landesgesetze eingeführt wurden. 1869 wurde die A D W O Bundesrecht des N o r d d e u t schen Bundes, später Reichsgesetz.
23
32
Dazu und zum Folgenden Raisch Die Abgrenzung des Handelsrechts vom bürgerlichen Recht als Kodifikationsproblem im 19. Jh., 1962, S. 34 ff.
33
Horn
Vgl. zum Folgenden Bergfeld III/3, S. 2939 ff.
in:
Coing
71
Einleitung VI
24
Die Nationalversammlung von 1848 befaßte sich auch mit dem Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuchs, der aber nicht fertiggestellt wurde. 3 4 1 856 beschloß der Bundestag das Zusammentreten einer Kommission in N ü r n b e r g zur Ausarbeitung des Entwurfs eines allgemeinen Handelsgesetzbuchs für die deutschen Bundesstaaten. Diese Kommission erarbeitete einen Entwurf; die Beratung des Seerechts 1858/59 fand in H a m b u r g statt. Der in drei Lesungen beratene Entwurf wurde am 14.3.1861 der Bundesversammlung vorgelegt, die durch Mehrheitsentscheidung am 16.3.1861 die Einführung eines „Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs" ( A D H G B ) in allen Ländern des deutschen Bundes empfahl. Diese Empfehlung wurde von 1861—65 im wesentlichen befolgt. Osterreich führte den Entwurf ohne Seerecht ein. Mit Errichtung des Norddeutschen Bundes wurde das A D H G B am 1.1.1870 Bundesgesetz und mit der Reichsgründung Reichsgesetz. 35 Das A D H G B umfaßt fünf Bücher und behandelt darin (1) den Handelsstand, (2) die Handelsgesellschaften, (3) die stille Gesellschaft und die Vereinigung zu einzelnen H a n delsgeschäften f ü r gemeinschaftliche Rechnung, (4) die Handelsgeschäfte und (5) den Seehandel einschließlich Seeversicherungsrecht. Die Gegenstände Konkursrecht und H a n delsgerichtsbarkeit waren schon in den Beratungen ausgeschieden worden. Das A D H G B erweitert den Bereich des materiellen Handelsrechts gegenüber früheren Kodifikationen, indem Vorschriften über Firma, kaufmännische Hilfspersonen (Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte etc.) aufgenommen werden und im 4. Buch ein ausführliches allgemeines und besonderes Vertragsrecht des Kaufmanns kodifiziert wird. 3 6 25 Zur Sicherung der einheitlichen Anwendung des A D H G B wurde durch Bundesgesetz vom 12.6.1869 das Bundes-, später Reichsoberhandelsgericht in Leipzig errichtet, an dessen Stelle 1879 das Reichsgericht trat. Das A D H G B wurde verschiedentlich durch Reichsgesetz abgeändert, namentlich auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts (i. F. d). Durch die Schaffung des BGB wurde eine Revision des A D H G B erforderlich, um das Handelsgesetzbuch mit dem neuen BGB abzustimmen. Ein Entwurf des Reichsjustizamtes von 1895 wurde von einer Kommission beraten und mit geringen Änderungen am 10. Mai 1897 als „Handelsgesetzbuch für das deutsche Reich" (HGB) Gesetz. In seiner ursprünglichen Form enthielt es die vier Bücher (1) Handeissstand, (2) Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft, (3) Handelsgeschäfte und (4) Seehandel. Im Vergleich zum A D H G B wurde ein Teil des allgemeinen Vertragsrechts und des allgemeinen Personengesellschaftsrechts gestrichen, weil es im BGB geregelt war. Das gemischt subjektive/objektive System des A D H G B wurde zugunsten des subjektiven Systems (Kaufmannsbegriff als Anknüpfungspunkt; vgl. I Rdn. 10) aufgegeben. Der Kreis der Kaufleute wurde erweitert (Einzelnachweise s. oben I). 3 7 Nach Erlaß des A D H G B mußte sich der Gesetzgeber mit zahlreichen weiteren Materien auf dem Gebiet des Handels- und Wirtschaftsrechts befassen. Außer den gesellschaftsrechtlichen Abänderungen des A D H G B (s. Rdn. 31) sind Gesetzgebungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts i. w. S. einschließlich gewerblichen Rechtsschutzes und Patentrechts, sowie im Bank-, Versicherungs- und Börsenwesen 34
35 36
72
Vgl. die Edition von Th. Baums Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuchs für Deutschland 1848/49, ZHR Beiheft Nr. 54, 1982; Bergfeld in: Coing III/3, S. 2932. Dazu Bergfeld aaO, S. 2948 ff. Schrifttum A D H G B und A D W O . Amtliche Ausgabe Berlin 1862. Materialien: Lutz (Hrsg.) Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen
37
Horn
Handelsgesetzbuchs, 9 Bde., 1858-1863; Nachdruck hrsg. von Schubert, 1984. Lit.: W. Endemann Das deutsche Handelsrecht, 1865. Neuere Lit.: Raisch Die Abgrenzung des Handelsrechts (s. Fn. 32), insbes. S. 116 ff; Bergfeld (s. Fn. 33) S. 2928 ff m. w. N . Vgl. auch Bergfeld (s. Fn.33) S. 2959 ff.
Einleitung VI
hervorzuheben. Dem Schutz gegen den Mißbrauch von Marken diente das Marktschutzgesetz von 1874, verbessert durch das Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen von 1894. Ein Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb von 1896 sollte den lauteren Wettbewerb in umfassender Weise sichern. Wegen seines kasuistischen Zuschnitts und der seinerzeit noch recht unflexiblen Anwendung des neuen B G B führte es nicht zum Erfolg und wurde durch das U W G von 1909 abgelöst, dessen Erfolg u. a. auf seinen Generalklauseln beruht. 38 Gegenüber Kartellen und marktbeherrschenden Unternehmen blieb die Rechtspre- 2 7 chung zurückhaltend, der Gesetzgeber trotz vielfacher Kritik untätig. Ein Reichsgesetz von 1910 schuf umgekehrt ein Zwangskartell für Kali aus weltmarktpolitischen Gründen. Erst die KartellVO von 1923 ist ein erster Schritt zur Regelung des Problems. 39 Das Patentwesen wurde durch Reichsgesetz von 1877 und 1891 geregelt, der Schutz von Gebrauchs- und Geschmacksmustern durch Gesetze von 1891 und 1876. 40 Das Bankwesen wurde durch Gesetz von 1875 geregelt. Die stürmische Entwicklung des deutschen Börsenwesens und auftretende Mißstände gegen Ende des Jahrhunderts führten zur Einsetzung einer Börsenenquete-Kommission 1892 und zum Börsengesetz von 1896 als erster reichseinheitlicher Regelung des Börsenwesens. Das Gesetz regelt u. a. die staatliche Aufsicht über die Börsen, verbietet u. a. den Terminhandel in Industrieanteilen und sieht einen Börseneinführungsprospekt mit Prospekthaftung vor. Damit setzte sich die Erkenntnis durch, daß der Schutz des Investors nicht allein durch das Aktienrecht gewährleistet werden könne und durch ein Kapitalmarktrecht zu ergänzen sei. d) Internationale Abkommen. Zunehmende internationale Verflechtung des Han- 2 8 dels- und Wirtschaftsverkehrs spiegelt sich in internationalen Abkommen, so in der Pariser Verbandsübereinkunft von 1893 (Unions-Vertrag), die die Inländerbehandlung von Erfindern in den Mitgliedsländern vorsah; Deutschland trat 1903 bei. Weitere internationale Abkommen wurden auf dem Gebiet des Warenzeichenrechts (Pariser Ubereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums [PVU] von 1883 und Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Fabrik- und Handelsmarken [MMA] von 1891) und auf dem Gebiet des Verkehrs (Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr von 1890) geschlossen. e) Handelsrechtswissenschaft. Die Handelsrechtswissenschaft des 19.Jhds. konnte an 2 9 die geschlossenen Darstellungen der Materie im ALR und vor allem im Code de commerce (und Badischen Landrecht) anknüpfen, erstrebte aber darüber hinausgehend die systematische Darstellung eines allgemeinen deutschen Handelsrechts.41 Dabei bediente sie sich unter Betonung der praktischen Verkehrsbedürfnisse im wesentlichen der Methoden der zeitgenössischen Privatrechtswissenschaft.42 Diese befaßte sich weniger mit den regional bestehenden Kodifikationen (ALR, A G B G B ) als vielmehr — mangels einer umfassenden Kodifikation — mit der wissenschaftlichen Herausarbeitung der Grundsätze und Institutionen des allgemeinen Rechts auf der Grundlage historischer Quellen deutschrechtlicher Herkunft (Germanistik) oder aus dem römischen Recht (Pandektistik). Die Ergebnisse 38
39
Schrifttum
Lammel
in:
Coing
III/3,
S. 3806ff m . w . N . ; Wadle Fabrikzeichenschutz und Markenrecht. Geschichte und Gestalt des deutschen Markenschutzes im 19. Jahrhundert, B d . I 1977, II 1983. Überblick bei Lammel (s. Fn.38) S. 3852 ff m. w. N.
40 41
42
Horn
Dölemeyer in: Coing III/3, S. 4156 ff.
Köbler Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts (vgl. Schrifttum). Allg. W. Wilhelm Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jh., 1958.
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Einleitung VI
dieser Wissenschaft standen systematisch geordnet und begrifflich-dogmatisch präzisiert der Praxis und der Gesetzgebung zur Verfügung. Das Handelsrecht wurde dabei von der Germanistik in Anspruch genommen, war aber tatsächlich in bedeutenden Vertretern (Thöl, Goldschmidt) auch der Pandektistik eng verbunden. 30
Es entstanden in Fortsetzung älterer systematischer Arbeiten (Martens 1797) große systematische Bearbeitungen des Handelsrechts. Hervorzuheben sind das Werk von Thöl (Handelsrecht I 1841, II 1847, III 1880), von Levin Goldschmidt (gest. 1897), der 1858 die Z H R gründete, 1870—75 Richter am R O H G und danach in Berlin der erste Ordinarius für Handelsrecht wurde (Handbuch des Handelsrechts, 1864, 1868) sowie von Endemann (Lehrbuch des deutschen Handelsrechts 1865, 4. Aufl. 1887). 4 3 Der Begriff des Handels und der Kaufmannstätigkeit wurde dabei zunächst nur i. S. der Geschäfte des reinen Warenumsatzes in Vermittlung zwischen Produzenten und Verbraucher definiert, wobei man aber die Hilfsgewerbe wie Kommission, Spedition und Fracht nebst Versicherung dazurechnete, Urproduktion und vor allem auch alle Bearbeitung und Verarbeitung (Handwerk, Fabrik) ausschloß (so Martens). Der Begriff wurde von anderen weiter gefaßt und umfaßte auch die verarbeitende Tätigkeit (Thöl). 4 4 Diese Auffassung setzte sich durch. Das Gebiet des Handelsrechts wurde mangels einer allgemeinen Privatrechtskodifikation auch sonst weiter verstanden und umfaßte Gegenstände der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre (ζ. B. Vertretung) und des allgemeinen und besonderen Schuldvertragsrechts. Die Handelsrechtswissenschaft erarbeitete auch systematische Darstellungen von Sondergebieten wie dem Wechselrecht (Einert, Liebe). Sie entwickelte das nicht kodifizierte Handelsrecht weiter und bereitete die Kodifikationen, insbesondere die A D W O und das A D H G B , wissenschaftlich vor (auch wenn ζ. B. der preußische Entwurf der A D W O nicht einem bestimmten Autor verpflichtet ist). Die Wissenschaft nahm schließlich auch Anteil an den zunehmenden Fragen des internationalen Handels und internationalen Rechts. L. Goldschmidt ist Mitbegründer des Institut de droit international.
31
f) Gesellschaftsrecht. Im Gesellschaftsrecht erfuhr vor allem das Recht der wirtschaftlich tätigen juristischen Person eine bedeutende Fortentwicklung und Ausdifferenzierung. Im Vordergrund steht die Entwicklung der Aktiengesellschaft als Organisationsform des kapitalintensiven industriellen oder sonstigen Großunternehmens. Das Preußische Eisenbahngesetz von 1838 behandelte erstmals das Aktienrecht; dabei blieben Fragen der gewerberechtlichen Konzession und des Aktienrechts verbunden. 4 5 Die erste allgemeine Regelung des Aktienrechts erfolgte im preußischen Aktiengesetz von 1843. Es orientierte sich in seiner knappen Regelung am Code de commerce. Dessen Konzessionssystem, d. h. das Erfordernis der behördlichen Einzelgenehmigung als Gründungsvoraussetzung, wurde übernommen. Die Haftung des Aktionärs wurde auf die Aktieneinlage beschränkt. Als geschäftsführendes Organ wurde ein Vorstand vorgesehen. Das A D H G B von 1861 enthielt dann ein einheitliches Aktienrecht für Deutschland. Es orientierte sich am preußischen Gesetz, enthält aber ausführlichere Regelungen über Gründung und Auflösung der Gesellschaft sowie über die Tätigkeit des Vorstandes. Das Konzessionssystem wurde mit der Einschränkung übernommen, daß jeder Bundesstaat eine etwa bestehende Gründungsfreiheit beibehalten (Hamburg) oder sie neu einführen konnte.
43
Zum
Ganzen
Stintzing/Landsberg
Ge-
45
schichte der deutschen Rechtswissenschaft III/2, 1910, S. 6 2 0 ff, 938 ff. 44
Köhler
S.282; vgl. auch Ratsch
Zur
Ab-
grenzung (vgl. Schrifftum).
74
Horn
Dazu und zum Folgenden Bösselmann Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jh., 1939; Martin V S W G 56 (1969), 499-541.
Einleitung VI
Die Aktiennovelle von 1870 brachte dann die Gründungsfreiheit durch Abschaffung 3 2 des Konzessionserfordernisses. Zugleich wurde der Aufsichtsrat als Kontrollorgan zwingend vorgeschrieben, allerdings ohne dessen Funktionen genau zu bestimmen; das letztere Problem wurde zum Dauerthema des Aktienrechts. Der 1871 einsetzende Gründerboom (der kaum auf die Gesetzesänderung, wohl aber auf die politische Entwicklung zurückzuführen ist) und anschließende Gründerkrach 1874 mit zahlreichen Zusammenbrüchen veranlaßte den Gesetzgeber zu einer Reform durch die Aktiennovelle von 1884. Ihr Schwerpunkt lag in einer Verbesserung des Gründerrechts (Mindestnennwert der Aktie, Haftung der Aktienzeichner, Gründungsprüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat, Gründerhaftung) und im Organisationsrecht (Stärkung des Rechts der Aktionäre einschließlich eines gewissen Minderheitenschutzes). Das HGB von 1900 übernahm im wesentlichen diese reformierte Regelung des ADHGB, erweiterte diese aber durch eine genaue Regelung des Ablaufs und der Befugnisse der Generalversammlung, der Abänderung des Gesellschaftsvertrags und der Auflösung der Gesellschaft. 46 Das ADHGB sah erstmals auch (nach französischem Vorbild) eine Regelung der KGaA 3 3 vor. Dem Bedürfnis nach einer kleineren, personalistischen Kapitalgesellschaft, die nicht den strengen Gründungs- und Organisationsvorschriften der AG unterworfen war, trug der Gesetzgeber durch das GmbH-Gesetz von 1892 Rechnung. Diese ohne unmittelbares gesetzliches Vorbild geschaffene Gesellschaftsform war ein durchschlagender und nachhaltiger Erfolg. Genossenschaftliche Rechtsformen, die auf dem Gebiet des Bergwerkswesens und der Versicherung eine ins Mittelalter zurückreichende Tradition haben, fanden ebenfalls gesetzliche Regelung. Die Bergrechtlichen Gewerkschaften wurden im PreußALR und sodann im preuß. Bergwerksgesetz von 1851 und im Allg. Berggesetz von 1865 geregelt. Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit wurde im Gesetz über Versicherungsunternehmen von 1901 geregelt. Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die sich in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19.Jhds. kräftig entwickelt hatten und für weite Kreise des Handwerks und der Landwirtschaft eine Selbsthilfe gegenüber veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen boten, erfuhren in Preußen durch das Genossenschaftsgesetz von 1867, im Reich durch das Genossenschaftsgesetz von 1889 (novelliert 1896) eine allgemeine Regelung. 5. Handelsrecht und Wirtschaftsrecht im 20. Jahrhundert a) Die veränderten historischen Bedingungen des Handelsrechts
34
aa) Uberblick. Die veränderten historisch-politischen Rahmenbedingungen des Handelsrechts lassen sich zusammengefaßt durch folgende Stichworte kennzeichnen: (1) Durch ein stärkeres Gewicht des Staates, der in der Wirtschaft über die ihm vom Liberalismus des 19. Jahrhunderts zugewiesene Rolle weit hinaus geht, die Wirtschaft durch Eingriffe steuert und gestaltet, was sich im Wirtschaftsrecht (Rdn. 39) widerspiegelt, und zugleich Aufgaben des sozialen Schutzes übernimmt, was einerseits zur starken Zunahme der Steuerlast und der Sozialabgaben (Rdn. 40), andererseits zu umfangreichen staatlichen Transferleistungen (Subventionen, Sozialversicherung, Sozialhilfe) führt; (2) eine immer stärkere Verflechtung der Weltwirtschaft, die durch eine immer stärkere Verflechtung der Warenmärkte, eine Globalisierung der Finanzmärkte und die Tätigkeit multinationaler Unternehmen gekennzeichnet ist; (3) Aufstieg und Niedergang des Staatssozialismus sowjetischer Prägung (Rdn. 35) und (4) die Schaffung der Europäischen Union (Rdn. 36). 46
Zum Ganzen Horn in: Hom/Kocka (vgl. Schrifttum) S. 1 2 3 f f ; N.Reich Die Entwicklung des deutschen Aktienrechts im
Horn
19. Jh., Jus Commune 2 (1969), 2 3 9 - 2 7 6 ; Wagner in: Coing III/3, S . 3 0 0 4 f f .
75
Einleitung VI 35
b b ) S t a a t s s o z i a l i s m u s . D e r in der Sowjetunion nach dem Sieg des Bolschewismus (Leninismus) in der Oktoberrevolution 1917 errichtete Staatssozialismus, der nach dem 2. Weltkrieg auf alle von der Sowjetunion beherrschten Staaten Osteuropas ausgedehnt und dann auch auf Staaten der dritten Welt (VR China, Korea, Vietnam, K u b a ) übertragen wurde, schuf eine staatliche gelenkte Wirtschaft. Sie folgte der marxistischen Idee der Vergesellschaftung aller „Produktionsmittel" und schaltete daher das Privateigentum an Industrieunternehmen, anderen gewerblichen Betrieben und landwirtschaftlichen Betrieben schrittweise aus. D i e Produktion wurde mit Hilfe zentralistischer Wirtschaftspläne gesteuert; die Verträge dienten nur der Ausfüllung und A u s f ü h r u n g dieser Wirtschaftspläne. D i e Leistungsanreize des Wettbewerbs waren in der Planwirtschaft ausgeschaltet; ebenso entfielen die möglichen verbleibenden Leistungsanreize durch Unternehmensgewinne, da auch erfolgreiche Unternehmen zur vollen A b f ü h r u n g ihrer Gewinne und zur Kreditfinanzierung (Zwangskreditierung) gezwungen waren. In diesem System war für ein Handelsrecht kein Platz. Dementsprechend war auch in der ehemaligen D D R das H G B praktisch obsolet geworden, ohne daß man es formell außer Kraft gesetzt hätte (oben II R d n . 2 1 ) . Handelsrecht kannten die sozialistischen Staaten nur im Rahmen des Staatshandels mit ausländischen Partnern. D e r allmähliche wirtschaftliche Zusammenbruch dieses Systems beruht im wesentlichen auf der Ausschaltung der Antriebskräfte des Wettbewerbs und des Rentabilitätsstrebens sowie auf der Unfähigkeit der staatlichen Plan- und Kommandowirtschaft zur Steuerung der immer komplexeren Wirtschaftsprozesse, während in westlichen Wirtschaftssystemen die weit überlegenen Koordinierungskräfte des Marktes und weitaus größeren Entscheidungs- und Informationsverarbeitungskapazitäten dezentraler Unternehmensentscheidungen diese Steuerung übernehmen. D e r Staatssozialismus ist heute noch keineswegs eine abgeschlossene historische Episode, schon wegen des stabilen Fortbestandes staatssozialistischer Länder wie der V R China, aber auch wegen der Ungewißheiten einer erfolgreichen Transformation der zusammengebrochenen Staatswirtschaft in eine Marktwirtschaft in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.
36
cc) E u r o p ä i s c h e U n i o n . D i e für den K a u f m a n n wichtigste positive historische Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg ist die schrittweise Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums im Rahmen der Europäischen U n i o n ( E U ; Schrifttumsnachweise oben III Rdn. 19 f). Diese stellt sich als Zusammenfassung von drei supranationalen Gemeinschaften dar: der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl von 1952 ( E G K S ; Vertrag von Paris v. 18.4.1951), der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ( E W G , künftig E G ) und der Europäischen Atomgemeinschaft ( E A G ) , beide von 1958 (Verträge von R o m v. 2 5 . 3 . 1 9 5 7 ) . D i e drei Gemeinschaften haben seit 1958 ein gemeinsames Parlament (Europäisches Parlament) und einen gemeinsamen Gerichtshof (Europäischer Gerichtshof). Seit 1967 sind die anderen Organe, K o m m i s s i o n und Rat, vereinheitlicht. D i e Anzahl der ursprünglich sechs Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Benelux) hat sich seit 1973 (Beitritt Großbritanniens, Irlands, Dänemarks) schrittweise erhöht (1981 Griechenland, 1983 Spanien und Portugal) und wird sich weiter erhöhen. Alle genannten Verträge bezwecken die wirtschaftliche und politische Integration der Mitgliedstaaten. Kernstück der wirtschaftlichen Integration ist die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes mit gemeinsamer Zollaußengrenze, in der die vier „Grundfreiheiten" des E W G Vertrages verwirklicht sind, nämlich freier Warenverkehr, Freiheit des Personenverkehrs (Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit), sowie freier Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. H i n z u tritt ein Schutz des freien Wettbewerbs, insbesondere gegen Kartellbildung und Mißbrauch von Marktmacht. N a c h d e m der freie Warenverkehr von 1968 an (mit A u s nahme der landwirtschaftlichen Erzeugnisse) erreicht worden war, wurde die Integration
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Horn
Einleitung V I
im übrigen, insbesondere hinsichtlich des Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs, erst 1992 vollendet. Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) von 1986 dient der stärkeren politischen Verklammerung der Gemeinschaften. Der Vertrag über die Europäische Union (vom 7.2.1992 in Maastricht) sieht Änderungen des EWG-Vertrages vor, um die schrittweise Schaffung einer einheitlichen Währung zu ermöglichen, sowie eine stärkere Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik. Die Schaffung des Gemeinsamen Markts setzte auch eine Harmonisierung zahlreicher Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten voraus; die dadurch veranlaßten Änderungen des deutschen Handelsrechts und seiner Nachbargebiete ist oben III Rdn. 19 f dargestellt. b) Das Handelsrecht und seine Nachbargebiete
37
aa) Handelsrecht. Für die gegenwärtige Lage des Handelsrechts, seiner Neben- und Nachbargebiete sowie relevante Aspekte der unmittelbaren Vorgeschichte kann auf die systematischen Vorbemerkungen unter I—IV verwiesen werden, für die Gesetzgebungsgeschichte des HGB nach 1900, deren wichtigste Ereignisse die Herausnahme des Kapitalgesellschaftsrechts 1937 und die Einfügung des neuen Dritten Buches „Handelsbücher" 1986 waren, auf die Angaben oben II Rdn. 8. Eine der wichtigsten modernen Fortentwicklungen seit dem Bestehen der Bundesrepublik ist die zunehmende Bedeutung des Rechts des internationalen Wirtschaftsverkehrs und die Rechtsvereinheitlichung auf europäischer und internationaler Ebene (vgl. dazu oben III). Die sonst für das Handelsrecht bedeutsamsten Rechtsentwicklungen betreffen nicht die Veränderungen des HGB oder seiner Nebengesetze, sondern das rechtliche Umfeld des Handelsrechts durch das zunehmende Gewicht des Steuerrechts und vor allem durch die im 20. Jh. im wesentlichen neu entstandenen Gebiete des Arbeitsrechts und des Wirtschaftsrechts. Man kann zwar für beide Gebiete historische Vorläufer finden, für das Arbeitsrecht etwa im Gesinderecht, für das moderne Wirtschaftsrecht in der Rechtsmasse des merkantilistischen Obrigkeitsstaates. Jedenfalls hat die neuartige Entwicklung dieser Gebiete auch für unseren Gegenstand Handelsrecht großes Gewicht. bb) Arbeitsrecht. Das HGB enthält ebenso wie schon zuvor das ADHGB besonderes 3 8 kaufmännisches Individualarbeitsrecht in den §§59—83 für die kaufmännischen Handlungsgehilfen; gleiches galt bis zum BerufsbildungsG von 1969 für die Handlungslehrlinge (in den aufgehobenen §§ 76—82). Als eigenständiges Rechtsgebiet ist das Arbeitsrecht erst im ersten Weltkrieg (HilfsdienstG 1916) und in der Weimarer Republik entstanden, deren Verfassung Koalitionsfreiheit (Art. 159) und Tarifautonomie (Art. 165) garantierte und ein Arbeitsrecht versprach (Art. 157 WV). Etappen dieser Gesetzgebung sind die TarifvertragsO (1918), die ArbeitszeitVO (1918), das BetriebsräteG (1920), die SchlichtungsVO (1923), das SchwerbeschädigtenG (1923), das ArbeitsgerichtsG (1926) und das MutterschutzG (1927). Von besonderer Bedeutung ist der Bestandsschutz für das individuelle Arbeitsverhältnis durch Kündigungsschutz sowie die betriebliche Mitbestimmung. Beide Elemente wurden ebenso wie Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie im Arbeitsrecht der Bundesrepublik fortentwickelt und um die Mitbestimmungsgesetzgebung (oben V2) erweitert. 47 Für Einzelheiten sei auf das Schrifttum zum Arbeitsrecht verwiesen. 48 47
Histor. Überblick bei Horn Arbeitsrecht und soziale Beziehungen in der Bundesrepublik Deutschland in historischer Sicht, in: Conze/Lepsius (Hrsg.) Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1983, S. 324—338; vgl. auch Rüthers Arbeitsrecht und politisches System, 1973.
48
Horn
Vgl. etwa Söllner Grundriß des Arbeitsrechts, 10. A u f l . 1990; Zöllner Arbeitsrecht, 4. A u f l . 1990; Schaub Arbeitsrechtshandbuch, 7. A u f l . 1992; HanaulAdomeit Arbeitsrecht, 9. A u f l . 1988.
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Einleitung VI
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cc) Wirtschaftsrecht. Die Entstehung des Wirtschaftsrechts als eigenes und gewichtiges Rechtsgebiet (oben I Rdn. 35) spiegelt die im Vergleich zum 19. Jh. stärkere Bedeutung und Verantwortung des Staates für die Wirtschaft. Dies entspricht den Bedingungen einer leistungsfähigen und differenzierten Verkehrswirtschaft und den Bedürfnissen einer Industriegesellschaft. Die Entwicklung wurde aber durch die politischen Krisen und Katastrophen beschleunigt und zeitweilig verzerrt und in die falsche Richtung gelenkt. Durch die Zwangswirtschaft der zwei Weltkriege und Kriegsfolgezeiten und die Reglementierungsbedürfnisse während der Weltwirtschaftskrise (ab 1929) entstand ein umfangreiches und erdrückendes öffentliches Wirtschaftslenkungs- und Kontrollrecht mit behördlicher Intervention und beherrschte das Wirtschaftsleben. Die Bundesrepublik Deutschland hat als demokratischer Rechtsstaat diesen Zustand überwunden und garantiert in der Verfassung privates Wirtschaften und damit einen Handelsverkehr im eigentlichen Sinn, dessen marktwirtschaftliche Abläufe durch das Wettbewerbsrecht gesichert werden. Das moderne, dem Rechtsstaat und der Marktwirtschaft gemäße Wirtschaftsrecht erschöpft sich aber nicht in diesen Garantien. Hinzu tritt ein freilich zurückhaltend normiertes und praktiziertes Wirtschaftslenkungsrecht (ζ. B . für Außenwirtschaftsverkehr, Subventionen, z . T . auch Preisrecht) und eine behördliche Aufsicht für bestimmte Wirtschaftszweige (Banken, Versicherungen, Energiewirtschaft), eine Ausdehnung von Gewerberecht und -aufsieht unter den Gesichtspunkten des Umwelt- und Verbraucherschutzes und die Verfeinerung des Instrumentariums indirekter gesamtwirtschaftlicher Steuerung. 4 9
40
dd) Steuerrecht. Mehr noch als die im H G B geregelten Statuspflichten des Kaufmanns (I Rdn. 23 f) und die sonstigen zwingenden Normen des H G B (I Rdn. 5) und seiner Nebengesetze setzen das Steuerrecht und die im 20. Jh. entwickelten Rechtsgebiete Arbeits- und Sozialrecht und Wirtschaftsrecht Daten für den heutigen kaufmännischen Unternehmer und begrenzen seinen Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Im Kern ist dieser Handlungsspielraum aber verfassungsrechtlich abgesichert (V Rdn. 4) und immerhin groß genug, daß das Handelsrecht als das Sonderrecht des kaufmännischen Privatrechtsverkehrs seine unentbehrliche Rolle behält.
49
78
Allg. Rittner Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 1987; zur geschichtlichen Entwicklung Gierke/Sandrock Handelsund Wirt-
Horn
schaftsrecht, § 2 V I - V I I I . Vgl. auch Scheuner (Hrsg.) Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft, 1971.
ERSTES BUCH Handelsstand ERSTER ABSCHNITT Kaufleute
§1
(1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. (2) Als Handelsgewerbe gilt jeder Gewerbebetrieb, der eine der nachstehend bezeichneten Arten von Geschäften zum Gegenstand hat: 1. die Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen (Waren) oder Wertpapieren, ohne Unterschied, ob die Waren unverändert oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung weiter veräußert werden; 2. die Übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren für andere, sofern das Gewerbe nicht handwerksmäßig betrieben wird; 3. die Übernahme von Versicherungen gegen Prämie; 4. die Bankier- oder Geldwechslergeschäfte; 5. die Übernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See, die Geschäfte der Frachtführer oder der zur Beförderung von Personen zu Lande oder auf Binnengewässern bestimmten Anstalten sowie die Geschäfte der Schleppschiffahrtsunternehmer; 6. die Geschäfte der Kommissionäre, der Spediteure oder der Lagerhalter; 7. die Geschäfte der Handelsvertreter oder Handelsmäkler; 8. die Verlagsgeschäfte sowie die sonstigen Geschäfte des Buch- oder Kunsthandels; 9. die Geschäfte der Druckereien, sofern das Gewerbe nicht handwerksmäßig betrieben wird. S c h r i f t t u m O. Armbruster Die Erbengemeinschaft als Rechtsreform zum Betrieb eines vollkaufmännischen Handelsgeschäfts, Diss. Tübingen 1965; Deneke Die freien Berufe, 1956; Fabricius Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963; Eiselt Zum kaufmännisch Unternehmen im Handels- und Gesellschaftsrecht, Gedächtnisschrift Hirsch, Ankara 1986, S. 53; R. Fischer Fortführung eines Handelsgeschäfts durch eine Erbengemeinschaft? Z H R 144 (1980), 1; ]. v. Gierke Das Handelsunternehmen, Z H R 111 (1948), 1; Goldstein Die Miterbengemeinschaft als Organisationsform zur Fortführung des ererbten Handelsunternehmens eines Einzelkaufmanns, Diss. Köln 1974; Haegele Der Testamentsvollstrecker im Handels- und Gesellschaftsrecht, Rpfl. 1973, 113, 157, 203; Holzbauer Erbrechtliche Untersuchungen, 1973; G. Honig Handwerksoder Industriebetrieb? J u S 1966, 436; Hopt Handelsgesellschaften ohne Gewerbe- und Gewinnerzielungsabsicht? Z G R 1987, 145; Kort Zum Begriff des Kaufmanns im deutschen und französischen Handelsrecht, AcP 193 (1993), 453; W. Kunz D e r Minderjährige als Kaufmann, ZB1JR 1981, 490; Landwehr Die Kaufmannseigenschaft der Handelsgesellschafter, J Z 1967, 198; Lastig Der Gewerbetreibenden Eintragungspflicht zum Handelsregister und Beitragspflicht zur Handelskammer und Handwerkskammer, Festgabe Fitting, 1902/1979, S. 527; Lieb Zur Kaufmannseigenschaft der Gesellschafter von K G und O H G , D B 1967, 759; A. Maier Zur Kaufmannseigenschaft von Software-Entwicklern, N J W 1986, 1909; Meyke Der Testamentsvollstrecker als Unternehmer, Diss. Bonn 1966; W. Müller Einbeziehung der freien Berufe in das Handelsrecht, Diss. Kiel 1968; Pappenheim Die Kaufmannseigenschaft des Kommanditisten, FS Hänel, 1907, S. 143; ]. Neuner Handelsrecht - H G B - G G , Z H R 157 (1993), 243; Raisch Die Abgrenzung des Handelsrechts vom Bürgerlichen Recht als Kodifikationsproblem im 19. Jahrhundert, 1962; ders. Emmerich
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§1
Erstes Buch. Handelsstand
Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965; ders. Die rechtsdogmatische Bedeutung der Abgrenzung von Handelsrecht und Bürgerlichem Recht, JuS 1967, 533; ders. Bedeutung und Wandlung des Kaufmannsbegriffs in der neueren Gesetzgebung, FS Ballerstedt, 1975, S. 443; Th. Raiser Das Unternehmen als Organisation, 1969; Rieper Die Testamentsvollstreckung über Einzelunternehmen und bei Personalgesellschaften des Handelsrechts, Diss. Kiel 1968; Fr. Rittner Unternehmen und freier Beruf als Rechtsbegriffe, 1962; R. Sack Der „vollkaufmännische Idealverein", ZGR 1974, 179; Schirrmeister Der Kaufmannsbegriff nach geltendem und künftigem deutschen Handelsrecht, ZHR 48 (1899), 418; 49 (1900), 29; K. Schmidt Handelsrecht, §§ 9, 10; ders. Zur „Kaufmannsfähigkeit" von Gesamthandsgemeinschaften, JZ 1973, 299; ders. 7 Leitsätze zum Verhältnis zwischen Vereinsrecht und Handelsrecht, ZGR 1975, 477; ders. Allgemeines Handelsrecht, ZHR 151 (1987), 302; ders. Zum gesellschaftsrechtlichen Status der Besitzgesellschaft bei Betriebsaufspaltung, DB 1988, 897; Schultze-v. Lasaulx Die Zukunft des Kaufmannsbegriffes in der deutschen Rechtsordnung, 1939; W. Schumacher Die Übernahme von Handelsgeschäften und Mitgliedschaften an Personengesellschaften durch den Testamentsvollstrecker, FS Knorr, 1968, S. 1; P.-J. Sobich Erbengemeinschaft und Handelsgeschäft - Zur Zulässigkeit der Geschäftsfortführung, Diss. Kiel 1974; H.-D. Wagner Die Kaufmannseigenschaft des OHG-Gesellschafters, Diss. Köln 1969; F. Wassner Inhaber und Strohmann beim Einzelunternehmen, ZGR 1973, 427; Wessel Der Kaufmannsbegriff, BB 1977, 1226; M. Wolf Die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch die Erbengemeinschaft, AcP 181 (1981), 480; M. Wolff Uber einige Grundbegriffe des Handelsrechts, Festgabe Otto v. Gierke Bd. II, 1910/1969, S. 115. Übersicht Rdn. I. Einleitung
1
II. Gewerbe
4
1. Begriff
4
7. Gütergemeinschaft
a) Rechtsprechung
4
8. Vereine
b) Beispiele c) Insbesondere öffentliche Unternehmen
7 8
aa) Überblick
8
bb) Sparkassen
9
cc) Weitere Einzelfälle
10
d) Grenzfälle
11
e) Kritik 2. Betreiben
d) Kritik
31 32 33
a) Rechtsfähige Vereine
33
b) Nichtrechtsfähige Vereine
34
c) Vorgesellschaften III. Die einzelnen Grundhandelsgewerbe
35
(§ 1 Abs. 2) 1. Warenumsatz
36 37
12 13
a) Anschaffung
13
c) Weiterveräußerung
b) Beginn und Ende
14
d) Bearbeitung oder Verarbeitung
41
c) Insbesondere Gesellschafter
15
e) Sonstige Grenzfälle
42
d) Eheleute
16
f) Beispiele
43
a) Allgemeines
e) Minderjährige 3. Freie Berufe
17 18
4. Zulässigkeit und Gültigkeit 5. Erbengemeinschaft
37a
b) Gegenstand
2. Lohnfabrikation
38 *
40
45
a) Überblick
45
21 22
b) Abgrenzung c) Beispiele
46 51
a) Fortführung des Handelsgeschäfts . . . b) Eintragung c) Vertretung
22 24 25
3. Versicherungen (Nr. 3)
52
4. Banken (Nr. 4)
53 55
d) Haftung
26
5. Beförderungsgeschäfte (Nr. 5) 6. Kommissionäre, Handelsvertreter usw. (Nrn. 6, 7) 7. Verlage (Nr. 8)
58 59
8. Druckereien (Nr. 9)
60
e) Beteiligung von Minderjährigen 6. Testamentsvollstreckung a) Überblick b) Treuhandlösung
80
Rdn. 30
c) Vollmachtslösung
26a 27 27 29
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§1
Erster Abschnitt. Kaufleute
I. Einleitung Die Grundnorm des § 1 definiert den Kaufmannsbegriff durch das Betreiben eines 1 Handelsgewerbes und bestimmt zugleich, wann ein solches Handelsgewerbe stets anzunehmen ist (sog. Grundhandelsgewerbe). § 1 geht zurück auf die Art. 4, 271 und 272 ADHGB 1 . Die in Osterreich geltende Fassung des § 1 weicht nur hinsichtlich der Nr. 2 des Abs. 2 von der deutschen ab 2 . Die Begriffe Kaufmann und Betreiben eines Handelsgewerbes sind nach § 1 synonym, 2 so daß der Betrieb eines Handelsgewerbes stets zum Kaufmann macht, und umgekehrt 3 . Was ein Handelsgewerbe ist, ergibt sich in erster Linie aus den §§ 1 bis 4, so daß man vor allem sog. Mußkaufleute (§§ 1, 4), Sollkaufleute (§ 2; vgl. § 262) und Kannkaufleute (§ 3) zu unterscheiden hat (vgl. auch § 36). Innerhalb der Mußkaufleute wird sodann weiter zwischen Vollkaufleuten (§1) und Minderkaufleuten (§ 4) getrennt. Daneben kennt das Gesetz in den §§ 5 und 6 noch einen „formellen" Kaufmanns- 3 begriff. Hervorzuheben ist, daß (nur) § 6 Abs. 2 für die dort genannten Vereine sogar auf das Merkmal des Betreibens eines Gewerbes verzichtet.
II. Gewerbe S c h r i f t t u m Baumbach/Duden/Hopt § 1 Anm. 1;/. v. Gierke ZHR 111, 1; ders./Sandrock § 6 II (S. 109 ff); Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 5 ff; Hopt ZGR 1987, 145; Ratsch Geschichtliche Voraussetzungen, S. 39, 109 ff; Sack ZGR 1974, 179; K.Schmidt § 9 IV; ders. DB 1988, 897; Schlegelberger/Hildebrandt § 1 Rdn. 23 ff; Straube § 1 Rdn. 4 ff.
1. Begriff a) R e c h t s p r e c h u n g . Wie § 2 zeigt, bildet der Gewerbebegriff des H G B einen 4 Ausschnitt aus dem allgemeinen Unternehmensbegriff. Ein Gewerbe i.S. des H G B kann daher nur angenommen werden, wenn es sich überhaupt um eine unternehmerische, d.h. um eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit handelt. Den Gegensatz hierzu bilden vor allem die rein private Tätigkeit der Verbraucher sowie die hoheitliche Tätigkeit des Staates4. Im übrigen aber ist umstritten, welche Merkmale der Gewerbebegriff des Handelsrechts zusätzlich erfüllen muß. Im Anschluß an das R O H G 5 versteht die Praxis unter einem Gewerbe bis heute jede 5 dauernde wirtschaftliche, berufsmäßige Tätigkeit, die in der Absicht vorgenommen wird, aus einem Kreis bestimmter Geschäfte eine regelmäßig fließende Einnahmequelle zu erzielen, d.h. jeden berufsmäßigen, auf Dauer gerichteten Geschäftsbetrieb in Gewinnerzielungsabsicht. Bloß gelegentliche Geschäfte genügen dafür ebensowenig wie eine Tätigkeit, die nicht nach außen hervortritt 6 . Merkmale des Gewerbebetriebs sind mithin
1
Denkschrift S. 6 ff. S. im einzelnen u. Rdn. 45. 3 Z.B. BGHZ 66, 48, 50 = NJW 1976, 514. 4 Z.B. BGHZ 53, 222, 223 f. = NJW 1970, 938. 5 R O H G E 14, 113, 118; 22, 303 f. 6 Z.B. RGZ 38,18; 66,48, 51; 74,150; 130,233,235; RG DR 1940, 161 Nr. 14; BGHZ 33, 321, 324; 49, 258, 260; 53, 222, 223; 74, 273, 276 f = NJW 1979, 1650; BGHZ 83, 382, 386 f = NJW 1982, 1815; BGHZ 95, 155, 157 f = NJW 1985, 3063 = 2
BB 1985, 1758; BGHZ 114, 257, 258 = NJW 1991, 2134; BGH LM Nr. 32 zu § 249 (Cb) BGB = NJW 1984, 229 = WM 1983, 1262; WM 1959, 161, 164; LM Nr. 2 zu § 17a GVG (B1 4) = MDR 1991, 793; BAG AP Nr. 9 zu § 161 H G B = NJW 1988, 222 = ZIP 1987, 1446; KGJ 41, 117, 119; OLGE 9, 238 f; O L G Hamm BB 1993, 1615, 1616; OLG Dresden OLGE 36,249 f; ebenso zur GewO BGH GewArch 1980, 163; LM Nr. 44 zu § 138 (Be) BGB = NJW 1987, 184 = WM 1986,
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§1
Erstes Buch. Handelsstand
das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, deren planmäßiger Betrieb auf Dauer, das H e r v o r t r e t e n der T ä t i g k e i t nach außen u n d die A b s i c h t , daraus eine dauernde Einnahmequelle zu erzielen 7 . 6
A u f den U m f a n g des Betriebes k o m m t es ebensowenig an wie darauf, o b der Betrieb haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird 8 . D e r U m s t a n d , daß ein dauernder Betrieb des G e w e r b e s erforderlich ist, steht insbes. nicht der Anerkennung sog. Saisonbetriebe entgegen 9 . In Grenzfällen ist darauf abzustellen, o b der betreffende Betrieb eine umfangreiche technische und kaufmännische Gestaltung erfordert, weil dies M e r k m a l e sind, die nach der Verkehrsauffassung besonders stark für das Vorliegen eines Gewerbebetriebs sprechen 1 0 .
7
b ) Beispiele. Ein G e w e r b e bilden der Betrieb eines großen Sanatoriums durch einen A r z t (s. u. R d n . 2 0 ) , die Landwirtschaft 1 1 sowie in Ausnahmefällen die Vermietung eines Hauses, sofern von vornherein die A b s i c h t besteht, daraus eine dauernde Einnahmequelle zu machen, und dafür eine besonders umfangreiche berufsmäßige Tätigkeit erforderlich ist 1 2 . K e i n G e w e r b e sind hingegen die Parzellierung einzelner G r u n d s t ü c k e durch Miterben, u m die G r u n d s t ü c k e bei der Auseinandersetzung besser verwerten zu k ö n n e n , einzelne gelegentliche Spekulationsgeschäfte 1 3 , dauernde Spekulationsgeschäfte über eine B a n k 1 4 , der Bau eines Hauses als Kapitalanlage 1 5 sowie - aus anderen Gründen - (angeblich) der öffentlich-rechtliche R u n d f u n k 1 6 . Tatsächlich unterscheidet sich j e d o c h das M a r k t v e r h a l t e n der ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n R u n d f u n k a n s t a l t e n spätestens seit der Einführung des sog. dualen Rundfunksystems in nichts mehr von dem ihrer privaten K o n k u r r e n t e n , so daß heute kein G r u n d mehr erkennbar ist, ihnen die Kaufmannseigenschaft abzusprechen und sie damit in einen sachlich nicht gerechtfertigten Gegensatz zu ihren privaten K o n k u r r e n t e n zu rücken.
c) Insbesondere öffentliche Unternehmen 8
aa)
Uberblick.
Das
von
der
Praxis
bisher
festgehaltene
Erfordernis
einer
Gewinnerzielungsabsicht (o. R d n . 5) hat in einer Reihe von Fällen A b g r e n z u n g s p r o b l e m e mit sich gebracht 1 7 . Z u nennen sind hier zunächst die öffentlichen U n t e r n e h m e n , da bei ihnen die B e s c h r ä n k u n g des G e w e r b e b e g r i f f s
auf U n t e r n e h m e n
mit
Gewinnerzie-
lungsabsicht die (merkwürdige) F o l g e hat, daß sämtliche staatlichen Einrichtungen mit überwiegenden Leistungsaufgaben 1 8 ebenso aus dem Anwendungsbereich des H G B her-
1466; ebenso für Österreich OGH EvBl. 1964 Nr. 364 = ÖJZ 1964, 520, 521; EvBl. 1971 Nr. 93 = ÖJZ 1971, 154, 155; EvBl. 1978 Nr. 18 = ÖJZ 1978, 71, 72 f. (alle für den sog. Tabaktrafikanten aufgrund seiner Eingliederung in den staatlichen Monopolbetrieb); Straube § 1 Rdn. 6 ff m. Nachw. 7 Vgl. auch Denkschrift, S. 13. 8 RG JW 1906, 396 Nr. 27. 9 RGZ 130, 233, 235; s. auch u. Rdn. 14. Vgl. § 2; grdleg. BGHZ 33, 321, 335; 74, 273, 277 = NJW 1979, 1650; BGHZ 95, 155, 159 f = NJW 1985, 3063. " BGHZ 33, 321, 333 ff; 74, 273, 279 = NJW 1979, 1650; s. dazu unten § 3. 12 RGZ 74, 150; BGHZ 63, 32, 33; 74, 273, 276 f; LG Berlin BB 1975, Beil. Nr. 12, S. 1; BAG AP 82
Nr. 9 zu § 161 HGB = NJW 1988, 222 = ZIP 1987, 1446, 1447 f; OLG Hamm BB 1993, 1615, 1616 = NJW 1994, 392; eingehend Hopt ZGR 1987, 145, 159 ff (zur privaten Vermögensverwaltung). 13 RGZ 66, 48, 52. 14 ROHGE 22,303 f. 15 BGHZ 63, 32, 33; 74, 273, 277 = NJW 1979, 1650. 16 So jedenfalls BVerfGE 31, 314, 329. " Ausführlich Hopt ZGR 1987, 145. 18 Vgl. für die früheren Einfuhr- und Vorratsstellen BGHZ 20, 77; 36, 273, 275 f; BGH WM 1957, 172, 174; für Wasser- und Bodenverbände BGHZ 83, 383, 387 f = NJW 1982, 1815; für die Abwasserbeseitigung BGH LM Nr. 2 zu § 17a GVG (Bl. 4) = MDR 1991, 793.
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§1
Erster A b s c h n i t t . K a u f l e u t e
ausfallen wie sonstige Betriebe, die nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung, sondern z.B. nur mit dem Ziel bloßer Kostendeckung oder zu gemeinnützigen Zwecken betrieben werden 1 9 . Anders hingegen, wenn das Unternehmen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben wird und damit laufende Uberschüsse über die Kosten angestrebt werden, mögen auch die Gewinne letztlich zur Förderung öffentlicher oder gemeinnütziger Zwecke bestimmt sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so wird heute sogar der Staat selbst einschließlich insbesondere der Gemeinden als Kaufleute behandelt 20 . bb) Sparkassen. Probleme ergeben sich hieraus namentlich bei den Sparkassen, weil sie 9 nach den Sparkassengesetzen der Länder i.d.R. ohne die Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden sollen. Die Praxis verneint dementsprechend bei Sparkassen die Kaufmannseigenschaft, soweit die Gewinnerzielungsabsicht fehlt oder lediglich eine „angemessene" Verzinsung des eingesetzten Kapitals sowie die Dotierung der gesetzlich vorgeschriebenen Reservefonds angestrebt wird 2 1 . Soweit aber die Sparkassen, wie es heute nahezu ausnahmslos die Regel ist, in großem Umfang zugleich das eigentliche Bankgeschäft betreiben, geht die Rechtsprechung schon lange in Übereinstimmung mit § 1 Abs. 2 Nr. 4 ohne weiteres von der Kaufmannseigenschaft der Sparkassen aus 22 . cc) Weitere Einzelfälle. Kaufleute sind außerdem die Kreditanstalt für Wiederaufbau, 1 0 die Bundesbank (s. u. Rdn. 52) sowie die Bundesbahn (vgl. §§ 453 ff sowie die EVO) 23 . Hingegen war die Bundespost bisher kraft Gesetzes (§ 452 S. 2) von dem Anwendungsbereich des Handelsrechts ausgenommen, so daß sie, soweit nicht öffentlich-rechtliche Sonderregeln eingreifen, nach allgemeinem Privatrecht lebte 24 . Die Eigenbetriebe der Gemeinden können ebenfalls die Kaufmannseigenschaft ihrer Muttergemeinwesen begründen, sofern die übrigen Voraussetzungen der §§ 1 ff vorliegen, nicht jedoch, wenn die Gemeinde mit dem Betrieb allenfalls Kostendeckung und eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals bezweckt 2 5 . d) Grenzfälle. Aus der üblichen Definition des Gewerbebegriffs (o. Rdn. 5 f.) ergeben 11 sich außer bei den öffentlichen Unternehmen noch in einer Reihe weiterer Fälle schwierige Abgrenzungsfragen. Die wichtigsten sind die „private" Vermögensverwaltung, insbesondere in Gestalt von Immobiliengesellschaften, weiter die Abschreibungsgesellschaften, die schon aus steuerlichen Gründen vornehmlich darauf angelegt sind, Verluste (und nicht etwa Gewinne) für die Anleger zu erwirtschaften, sowie schließlich die Betriebsspaltung,
So z.B. schon 1900 f ü r einen Konsumverein K G R J A 2 , 19, 21 f und 1 9 1 1 f ü r die „Posener Beamtenvereinigung" K G J 41, 1 1 7 ff sowie heute B G H Z 33, 321, 324 ff; 36, 273, 275 f; 49, 258, 261 f; 53, 222, 223 f; 83, 382, 386 f = N J W 1982, 1815; B G H Z 95, 155, 157 ff. = N J W 1985, 3063 = W M 1985, 1303; B G H W M 1957, 172, 174; LM Nr. 2 zu § 17a G V G = M D R 1991, 793; BFHE(GS) 141, 405 = N J W 1985, 93; O G H GesRZ 1993, 170, 171; K G J W 1928, 238 f; zust. z.B. H. Baumann A c P 184 (1984), 45, 50 ff.
22
Vgl. im einzelnen R G Z 115, 3 1 1 , 3 1 8 f; 116, 227, 228 f; 127, 226, 228; 138, 6, 16 ff m. Nachw.; 166, 334, 340 f; B G H BB 1952, 480; ebenso schon 1900 O L G Jena R J A 2, 23 f; sowie 1906 K G J 33 A 109 ff; Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 12; Frick Sparkasse 1959, 380 f; Sprengel ZHR 119, 1 , 4 ff.
23
20
Vgl. auch § 36; Denkschrift, S. 45 f; R G Z 116, 227, 229; 132, 367, 372; 152, 307, 312 f; R G DR 1940, 161; B G H Z 49, 258, 260 f; 53, 222, 223 f; 95, 155, 157 ff = N J W 1985, 3063.
25
21
S. z.B. P r O V G E 11, 56.
B G H Z 2 , 3 7 , 59 ff; Cl. Becker N J W 1 9 7 7 , 1 6 7 4 f; Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 13 f. S. unten § 452 Rdn. 3 f sowie z.B. Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 15 m. Nachw. Vgl. R G Z 104, 95; f ü r Versorgungsunternehmen B G H Z 114, 257, 258 = N J W 1991, 2 1 3 4 ; f ü r Gaswerke R G Z 152, 307, 3 1 3 ; O L G Jena R J A 1, 52, 54 f = O L G E 1, 172, 174 f; sowie weiter R G D R 1940, 161 Nr. 14; B G H Z 4 9 , 2 5 8 , 261 f; 53, 222, 223 f; Staub/Hüffer § 36 Rdn. 4.
19
24
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Erstes Buch. Handelsstand
bei der sich die Besitzgesellschaft, wiederum ausschließlich aus steuerlichen Gründen, darauf beschränkt, das an eine andere Gesellschaft verpachtete Betriebsvermögen zu halten 26 . Denn in allen genannten Fällen fehlt es, streng genommen, an einem der Merkmale des handelsrechtlichen Gewerbebegriffs, i.d.R. insbesondere an der Gewinnerzielungsabsicht. Dementsprechend wird auch in der Tat bei der privaten Vermögensverwaltung, selbst in der Gestalt von Immobiliengesellschaften, überwiegend die Kaufmannseigenschaft der Beteiligten verneint (o. Rdn. 7), während bei den Abschreibungsgesellschaften sowie im Falle der Betriebsspaltung aus praktischen Gründen meistens gegenteilig entschieden wird 27 . Als Voraussetzung wird jedoch bei den Besitzgesellschaften i.d.R. verlangt, daß sie über einen kaufmännischen Betrieb i.S. des § 2 verfügen 28 . 12
e) Kritik. Die geschilderte Praxis (o. Rdn. 4 ff) stößt im Schrifttum auf zunehmende Kritik, zumal auch die Rechtsprechung, wie gezeigt (o. Rdn. 11), nicht in der Lage ist, ihren Ausgangspunkt konsequent durchzuhalten 29 . In der Tat ist das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht entbehrlich. Das zeigen bereits die offenbar unlösbaren Abgrenzungsprobleme, mit denen sich die Praxis angesichts der Vielgestaltigkeit des modernen wirtschaftlichen Verkehrs immer häufiger konfrontiert sieht (o. Rdn. 8 - 11). In dieselbe Richtung weisen sachliche Erwägungen. Denn f ü r das Verhältnis zur Marktgegenseite und zu den Konkurrenten, d.h. für das Außenverhältnis, spielt es offenbar keine Rolle, ob sich ein Unternehmen mit „bloßer" Kostendeckung begnügt oder darüber hinaus einen Gewinn anstrebt. Namentlich die sog. gemeinwirtschaftlichen Unternehmen sind Unternehmen wie alle anderen auch und sollten deshalb in jeder Hinsicht ebenso wie diese behandelt werden. An dem Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht ist daher nicht mehr festzuhalten 30 . 2. Betreiben
13
a) Allgemeines. Kaufmann ist stets derjenige, in dessen Namen das Gewerbe nach außen betrieben wird 31 . Keine Rolle spielt hingegen, ob er das Geschäft selbst betreibt oder durch einen anderen in seinem Namen betreiben läßt und auf wessen Rechnung letztlich der Geschäftsbetrieb geht (s. u. Rdn. 17). Kaufmann ist folglich zwar der Treuhänder, der das Geschäft im eigenen Namen, jedoch auf Rechnung des Treugebers betreibt 32 , nicht jedoch ein Hausverwalter, der im Namen der Hauseigentümer tätig wird 33 . Bei der Verpachtung eines Geschäfts ist Kaufmann allein der Pächter. Ebenso verhält es sich im Falle des Nießbrauchs; anders nur, wenn sich die Rechte des Nießbrauchers auf eine Beteiligung an dem Ertrag beschränken, während er von der Unternehmensleitung ausge-
26
27
28 29
S. zu diesen Fällen eingehend Hopt Z G R 1987, 145, 159 ff. S. für die Abschreibungsgesellschaften B F H E (GS) 141,405 = N J W 1985, 93; zust. im Ergebnis z.B. Hopt (Fn. 26) m. Nachw.; kritisch K. Schmidt DB 1988, 897. S. unten § 2 Rdn. 11. S. statt aller Baumbach/Duden/Hopt § 1 Anm. 1 Β; V. Gierke/Sandrock § 6 II 5; Hopt Z G R 1987, 145, 172 ff; Raisch Geschichtliche Voraussetzungen, S. 123, 186, 206 ff; ders. JuS 1967, 533, 537 f; Sack Z G R 1974, 179, 195 ff.; ders. Betrieb
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1974, 1657, 1659; K. Schmidt § 9 IV 2 d m. Nachw. 30 Ebenso offenbar O L G München N J W 1988, 1036, 1037 = Betrieb 1988, 902. 31 K G J W 1939, 293 f; O L G Z 1965, 315, 317; B a y O b L G Z 1978, 5 f.; O G H JB1.1964, 566; ausführlich Straube § 1 Rdn. 24 ff. 32 R G Z 99, 158, 159 f; O L G H a m m D N o t Z 1964, 421, 423; vgl. auch für einen Strohmann K G J W 1939, 293 f; Wassner Z G R 1973, 427. 33 K G H R R 1931 N r . 124c.
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Erster Abschnitt. Kaufleute
schlossen ist 3 4 . Selbständiger Kaufmann ist außerdem in aller Regel der Franchisenehmer 3 5 . Keine Kaufleute sind hingegen nach h . M . Vergleichsverwalter, Konkursverwalter und Liquidatoren von Gesellschaften, da durch diese Vorgänge die Kaufmannseigenschaft des bisherigen Geschäftsinhabers nicht berührt wird 3 6 . b) B e g i n n u n d Ende. D i e Kaufmannseigenschaft beginnt im Falle des § 1 mit der Vornahme des ersten z u m Kreis des geplanten G e w e r b e s gehörenden Geschäftes einschließlich der Vorbereitungshandlungen 3 7 und dauert solange an, wie noch gewerbliche Geschäfte v o r g e n o m m e n werden einschließlich etwaiger Abwicklungsgeschäfte. Sie endet daher erst mit vollständiger Einstellung des Betriebs, wobei aber § 15 zu beachten ist 3 8 . Eine vorübergehende U n t e r b r e c h n u n g oder Stillegung des Betriebs ändert an der Kaufmannseigenschaft ebensowenig etwas wie die K o n k u r s e r ö f f n u n g (vgl. auch o. Rdn. 7).
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c) Insbesondere Gesellschafter. Kaufleute sind nach h.M. die persönlich haftenden Gesellschafter von O H G und K G als die „eigentlichen" Unternehmensträger 3 9 , und zwar ohne R ü c k s i c h t darauf, o b der Gesellschafter geschäftsführungs- und vertretungsberechtigt ist oder nicht 4 0 . Dasselbe gilt für Gesellschafter einer B G B - G e s e l l s c h a f t , die ein G r u n d h a n d e l s g e w e r b e b e t r e i b t 4 1 . H i n g e g e n w i r d die K a u f m a n n s e i g e n s c h a f t der K o m m a n d i t i s t e n ebenso wie die der stillen Gesellschafter überwiegend verneint 4 2 . Dasselbe gilt für alle Gesellschafter von Kapitalgesellschaften sowie für deren O r g a n m i t glieder einschließlich der Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, selbst wenn der Geschäftsführer zugleich der einzige Gesellschafter ist 4 3 . J e d o c h kann im Einzelfall die Berufung der genannten Personen auf ihre fehlende Kaufmannseigenschaft mißbräuchlich sein 4 4 .
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d) Eheleute. F ü r verheiratete Frauen (und M ä n n e r ) gelten keinerlei Beschränkungen 4 5 , und zwar weder im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft n o c h bei Gütertrennung. Ehefrauen können daher selbst gegen den Willen ihres Mannes ein Handelsgewerbe betreiben und sich im Handelsregister als Kauffrau eintragen lassen.
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KG RJA 11, 36, 37; OLGZ 1965, 315, 317; BayObLGZ 1973, 168, 171; 1978, 56; OLG München JFG 14, 93, 94; OLG Köln NJW 1963, 541; LG Nürnberg-Fürth BB 1976, 810. 3 5 OLG Stuttgart NJW-RR 1987, 220, 221 f. 36 Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 23; Straube § 1 Rdn. 29. 37 RG JW 1930, 829, 831; BGHZ 10, 91, 96; BGH WM 1959, 161, 164. 38 S. Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 29 ff 39 BGHZ 34, 293, 296 f; 45, 282, 284; KGJ 41, 117, 122 f; OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 493; OGH SZ Bd. 25 (1954) Nr. 7, S. 14, 15; Bd. 50 (1977) Nr. 124, S. 597, 599; OGH EvBl. 1963 Nr. 247 = ÖJZ 1963, 351; HS 6013, Flume Personengesellschaft, S. 58 f; A. Hueck OHG, S. 27 ff; a.A. z.B. Landwehr JZ 1967, 198; Lieb DB 1967, 759; K. Schmidt ZIP 1986, 1510; Schlegelberger/K. Schmidt § 105 Rdn. 1 1 - 1 7 .
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« Z.B. OGH HS 6013. 41 §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 2; OGH EvBl. 1963 Nr. 247 = ÖJZ 1963,351. 42 Grdleg. BGHZ 45, 282, 285; 97, 127, 134 = NJW 1986, 1679; BGH WM 1957, 883, 884; OGH EvBl. 1963 Nr. 247 = ÖJZ 1963, 351; GesRZ 1973, 81, 82; vgl. dazu Ballerstedt JuS 1963, 253, 259; H. Baumann AcP 184, 45, 54; Bolze Recht 1909, 570; Ehrenberg ZHR 87, 361; Flume S. 59 f; Landwehr und Lieb aaO (Fn. 39); Pappenheim Festgabe Hänel S. 143; K. Schmidt JZ 1973, 299; Sohm LZ 1909, 594; Tomalla ZHR 63, 43. 4 3 B G H Z 97, 127, 134 = NJW 1986, 1679; OGH GesRZ 1973, 81, 82; s. im einzelnen Straube Vor § 1 Rdn. 18 - 22. 44 S. Baumbach/Duden/Hopt § 1 Anm. 3C. 45 Ebenso schon Denkschrift S. 21 ff.
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§ 1
Erstes Buch. Handelsstand
Lediglich bei Verfügungen über ihr Vermögen im ganzen sind im gesetzlichen Güterstand die Beschränkungen der §§ 1363 ff B G B zu beachten 46 . 17
e) Minderjährige. Die Kaufmannseigenschaft von geschäftsunfähigen und in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Personen, insbesondere also von Minderjährigen ist unproblematisch, wenn für sie ihre gesetzlichen Vertreter tätig werden (o. Rdn. 13). Außerdem kann nach § 112 B G B auch der Minderjährige selbst vom gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigt werden. Betreibt der Minderjährige hingegen selbständig ein Erwerbsgeschäft ohne diese Ermächtigung, so wird er nicht zum Kaufmann 47 . Unklar ist die Rechtslage, wenn ein Minderjähriger ein Handelsgeschäft erbt. Entgegen der bisher allgemeinen Meinung wird hier mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des BVerfG 4 8 in Zukunft wohl analog den §§ 1645 und 1823 B G B die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts für die Fortführung durch die gesetzlichen Vertreter erforderlich sein 49 . 3. Freie Berufe
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Traditionell werden in Deutschland und Osterreich die vorwiegend geistigen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Berufe nicht als Gewerbe i.S. des H G B betrachtet, so daß die Angehörigen vieler (aber keineswegs aller) freien Berufe nicht als Kaufleute gelten 50 . Für eine große Zahl freier Berufe hat der Gesetzgeber diese Rechtsauffassung mittlerweile ausdrücklich bestätigt, und zwar insbesondere für die Angehörigen der beratenden und heilenden Berufe 51 . Keine Kaufleute sind daher z.B. Arzte 52 , Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer einschließlich der Steuerberater- und Wirtschaftsprüfergesellschaften 53 , öffentlich bestellte Vermessungsingenieure54, alle Künstler einschließlich der ausübenden Künstler 55 , Privatgelehrte 56 sowie Schriftsteller 57 . O b freilich heute noch diese Sonderbehandlung der freien Berufe, die ihre Parallele im Wettbewerbs- und Kartellrecht hat, in jeder Hinsicht berechtigt ist, kann man füglich bezweifeln, da sich das Berufsbild der freien Berufe immer mehr dem anderer Gewerbetreibender annähert 58 . Darauf deuten auch die vielen Abgrenzungsschwierigkeiten hin.
S. Baumbach/Duden/Hopt § 1 Anm. 4; Schlegelberger/Hildebrandt § 1 Rdn. 8 ff; Rittner FamRZ 1961, 1, 185, 505. 4 7 Wegen der Einzelheiten s. BayObLGZ 1972, 106, 108; Baumbach/Duden/Hopt § 1 Anm. 5; Schlegelberger/Hildebrandt § 1 Rdn. 10-15; W. Kunz ZB1JR 1981, 490. 4 8 BVerfGE 72, 155; dazu u. Rdn. 22 f. 49 K. Schmidt BB 1986, 1238, 1241 ff. 50 RGZ 66,143,145 ff; B G H Z 33, 321, 325; 72,282, 287 f; 72, 322, 324 ff; B G H WM 1979, 559; KGJ 21 A 247,252 ff = RJA 2, 24, 26 f; LG Tübingen N J W 1983, 2093; Denkschrift S. 13; Baumbach/ Duden/Hopt § 1 Anm. IC; Deneke Die freien Berufe, 1956; Michalski Das Gesellschafts- u. Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, 1989, S. 116 ff; W.Müller Diss. Kiel 1968; Ratsch Geschichtliche Voraussetzungen, S. 209 ff; Rittner Unternehmen und freier Beruf, 1962; K. Schmidt § 9 IV 2a, bb; Straube 46
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§ 1 Rdn. 14-20 m. Nachw.; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, 1992. 51 S. im einzelnen § 2 Abs. 2 BRAO; § 2 Abs. 2 PatAnwO; § 2 StBG; § 1 S. 2 WPO; § 1 Abs. 2 BÄO; § 1 Abs. 2 BTierärzteO; § 1 Abs. 3 ZahnheilkundeG; ebenso für öffentl. bestellte Vermessungsingenieure § 1 V O v. 20.11.1938 (RGBl. I S. 40; dazu z.B. B G H Z 97, 243, 245 = NJW 1987, 65). 5 2 B G H Z 86, 314, 320 = NJW 1983, 1050. » B G H Z 64, 65, 69 = NJW 1985, 1844; O L G Wien NZ 1960,108 = HS 1; EvBl. 1971 Nr. 342 = ÖJZ 1971, 649 = HS 8003; s. aber auch § 6 Abs. 2. 54 B G H Z 97, 243, 245 = NJW 1987, 65. 55 öVwGH HS 1011. 5 6 ÖVwGH HS 5006. 5 7 öVwGH HS 6001. 58 S. statt aller Michalski u. Taupitz (Fn. 50).
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§1
Erster Abschnitt. Kaufleute
Zu den freien Berufen werden außerdem h e r k ö m m l i c h noch A r c h i t e k t e n 5 9 sowie
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Sachverständige, selbständige D o l m e t s c h e r 6 0 und Privatlehrer gerechnet. Keine Kaufleute sind außerdem i.d.R. selbständige Ingenieure und C h e m i k e r sowie sog. wissenschaftliche Dateien, w o h l aber seit jeher (mit Rücksicht auf § 1 Abs. 2 Nr. 1) alle A p o t h e k e r 6 1 . In Grenzfällen k o m m t es darauf an, o b die geistige und wissenschaftliche Leistung oder die technische und kaufmännische Gestaltung des Betriebs vorherrschen 6 2 . Kaufmann ist folglich zwar nicht ein A r z t , der eine normale Praxis mit Hilfskräften betreibt 6 3 , w o h l aber ein A r z t , der mit Gewinnerzielungsabsicht ein großes Sanatorium betreibt 6 4 . Kaufleute sind außerdem z . B . selbständige Werbeberater 6 5 , Heilpraktiker 6 6 , ein Fahrlehrer, der eine F a h r l e h r e r s c h u l e b e t r e i b t 6 7 , ein g r o ß e r A u k t i o n a t o r 6 8 , g r o ß e B u c h m a c h e r 6 9 , Treuhänder 7 0 sowie Architekten, die ein bedeutendes technisches B ü r o unterhalten, die ein großes W o h n - und Geschäftshaus bauen und verwalten oder sich in erheblichem U m f a n g als Erschließungsträger betätigen 7 1 .
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4. Zulässigkeit u n d Gültigkeit D i e Kaufmannseigenschaft einer Person ist unabhängig von der gewerberechtlichen Zulässigkeit des v o n ihr b e t r i e b e n e n G e s c h ä f t s 7 2 . H i n g e g e n ist nach h . M . die Kaufmannseigenschaft einer Person zu verneinen, wenn ihr Geschäft auf den B e t r i e b gesetz- oder sittenwidriger und damit nichtiger Verträge (§§ 134, 138 B G B ) gerichtet ist, weil für nichtige Verträge das Handelsrecht bedeutungslos sei 7 3 . Daraus wird dann überwiegend der weitere Schluß gezogen, daß auch E h e m ä k l e r niemals Kaufleute sein k ö n n ten, weil sie nach § 6 5 6 B G B keinen Anspruch auf eine Vergütung besitzen 7 4 . Zumindest diese letzte Schlußfolgerung ist jedoch abzulehnen; man sollte nicht die mißglückte Regelung des § 656 B G B obendrein noch ins Handelsrecht hinein verlängern 7 5 . 5. E r b e n g e m e i n s c h a f t S c h r i f t t u m Aich er/Ostheim Ö J Z 1981, 252; Baumbach/Duden/Hopt § 1 Anm. 6 B; Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 49 ff; Buchwald BB 1962, 1405; Canaris JZ 1987, 993; Damrau N J W 1985, 2236; Fabricius S. 145 ff; R. Fischer Z H R 144, 1; Gruß BB 1955, 573; Hertwig FamRZ 1987, 124; A. Hueck Z H R 108 (1941), 1; Hiiffer ZGR 1986, 603; Staub/Hüffer vor § 21 Rdn. 71 ff, § 27 Rdn. 34 ff; Lion L Z 1925, 842; Ramm N J W 1989, 1708; K. Schmidt § 5 I 3 b (S. 95 ff.); ders. J Z 1973,299; ders. BB 1986,1238; ders. N J W 1985, 2785; 1989, 1712;/. Strothmann ZIP 1985, 969; ders. BB 1986, 1238; Staub/Ulmer § 105 Rdn. 55 ff; Thile FamRZ 1992, 1001; M. Wolf AcP 181, 480; 187, 319; s. außerdem die Diss, von Armbruster, Goldstein u. Sobich (o. vor Rdn. 1) sowie Thiele Kindesvermögensschutz im Personalunternehmen nach dem Beschluß des BVerfG v. 13.5.1986, Diss. Köln 1992. s' BGH WM 1979, 559. 60 Anders öVwGH HS 5006. 61 Grdleg. K G J 3 , 9 f v . 1883. « Grdleg. BGHZ 33, 321, 335; OLG Wien NZ 1960, 108 = HS 1. 63 KGJ 20 A 247, 254 ff = RJA 2, 24, 26 f; OLG Nürnberg NJW 1973, 1414 f. 64 S. o. Rdn. 7 sowie RGZ 109, 73, 75 f; BGHZ 33,321, 335; KG (vorige Fn.). ω öVwGH HS 1003. 6 6 LG Tübingen NJW 1983, 2093. 6 7 BayObLGZ 1968,313. 68 LG Aurich BB 1975, Beil. 12, S. 3.
BayObLGZ 1932, 262; AG Hamburg BB 1971, Beil. 9, 1 f. 7 ° KG HRR 1932 Nr. 249. 71 BGHZ 33, 321, 335; BGH BB 1967, 1224; WM 1979, 559. 72 S. dazu u. § 7. 73 OLG Frankfurt NJW 1955, 716. 74 BayObLGZ 1972,106,107 f = NJW 1972, 1327; OLG Frankfurt NJW 1955, 716. 75 Ebenso AG Bremen BB 1971, Beil. 9, S. 2; Bader DNotZ 1972, 436; Baumbach/Duden/ Hopt § 1 Anm. 1 E; Gilles JZ 1972, 383;/o/m JR 1977, 363; K. Schmidt § 9 IV 2 b, cc. 69
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§1 22
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a) F o r t f ü h r u n g des Handelsgeschäfts, aa) D i e Fortführung eines Handelsgeschäfts durch den E r b e n regelt das H G B nur partiell in den §§ 22 und 27. N i c h t ausdrücklich gedacht ist dabei insbesondere des Falles der Erbenmehrheit. Folglich ist bei einer E r b e n gemeinschaft grundsätzlich von den §§ 2 0 3 2 ff B G B auszugehen. Dies bedeutet vor allem, daß vor der Teilung des Nachlasses die Verwaltung des Nachlasses allen Miterben gemeinschaftlich zusteht, w o b e i minderjährige E r b e n von ihren Eltern vertreten werden 7 6 . G e h ö r t z u m N a c h l a ß ein Handelsgeschäft, so fällt mithin dessen Fortführung in die gemeinsame Zuständigkeit aller Miterben. Zeitliche Beschränkungen bestehen insoweit für die Miterben nicht; insbesondere werden sie nicht durch die Dreimonatsfrist des § 2 7 Abs. 2 H G B zur Auseinandersetzung des Nachlasses oder zur U m w a n d l u n g des Geschäfts in eine O H G gezwungen 7 7 .
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bb) In der gemeinsamen F o r t f ü h r u n g des Geschäfts durch die Miterben kann nach dem Gesagten (o. R d n . 22) nicht automatisch der A b s c h l u ß eines Gesellschaftsvertrages zwischen den Miterben gesehen werden, zumal hierzu zumindest eine Teilauseinandersetzung des Nachlasses erforderlich ist 7 S . D e r konkludente A b s c h l u ß eines Gesellschaftsvertrages zwischen den E r b e n kann sich vielmehr immer nur im Einzelfall aus den U m s t ä n d e n ergeben, namentlich, wenn die Miterben Verhaltensweisen an den Tag legen, die wie etwa die G r ü n d u n g oder der E r w e r b eines neuen Geschäfts (u. R d n . 24a) allein bei A n n a h m e einer Gesellschaft zwischen ihnen zulässig sind.
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Unabhängig davon kann es jedoch bei langjähriger Fortführung eines Handelsgeschäfts durch eine Erbengemeinschaft im Einzelfall gerechtfertigt sein, im Innenverhältnis auf sie in einzelnen Beziehungen entsprechend O H G - R e c h t anzuwenden 7 9 . Sobald sich aber die E r b e n einmal hinsichtlich des Geschäfts auseinandergesetzt haben, hat es hierbei sein B e w e n d e n , so daß sie das Geschäft jetzt nur n o c h in F o r m einer Gesellschaft gemeinsam fortführen k ö n n e n 8 0 .
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b) E i n t r a g u n g . F ü h r e n die M i t e r b e n das Geschäft in ungeteilter Erbengemeinschaft fort, so müssen sie als Mitglieder der Erbengemeinschaft ins Handelsregister eingetragen werden 8 1 . Wenn der Erblasser seinerseits noch nicht im Handelsregister eingetragen gewesen war, sind die Miterben gegebenenfalls verpflichtet, die Eintragung nachzuholen und hierzu eine neue Firma unter Beachtung des § 18 zu bilden 8 2 . D e r Firma muß hierbei ein auf das Bestehen einer Erbengemeinschaft hindeutender Zusatz hinzugefügt werden 8 3 .
24a
D u r c h Teilauseinandersetzung können jederzeit einzelne M i t e r b e n vorzeitig aus der Erbengemeinschaft und damit aus dem Geschäft ausscheiden. A u ß e r d e m ist es möglich, daß durch Veräußerung eines Erbanteils (§ 2 0 3 3 B G B ) ein D r i t t e r an Stelle eines M i t e r b e n
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§ 2038 Abs. 1 S. 1 BGB; einschränkend BVerfGE 72, 155; s. dazu unten Rdn. 26a f. Grdleg. BGHZ 92, 259 = NJW 1985, 136; BVerfGE 72, 155, 170 ff. = NJW 1986, 1859 = WM 1986, 828; anders insbesondere Lion LZ 1925, 842; R. Fischer Anm. LM Nr. 2 zu § 27 HGB. K. Schmidt NJW 1985, 2785; anders OGH SZ Bd. 43 (1970) Nr. 198, S. 694, 699; Bd. 59 (1986) Nr. 60, S. 294, 296; EvBl. 1956 Nr. 86 = ÖJZ 1956, 155, 156; GesRZ 1986, 150; 1991, 42, 43; S. im einzelnen RG LZ 1922, 685 f Nr. 7; JW 1926, 552 f; BGHZ 17, 299, 302; 30, 391, 394 f;
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92, 259; BGH NJW 1951, 311, 312; KG JW 1939, 565; OLG Frankfurt BB 1975, 1319; A. Hueck OHG, S. 70 f. KG JFG 9, 111; JW 1935, 3642. BayObLGZ 1978, 5, 7; KGJ 15, 6; 22 A 281; 35 A 153; 48, 127, 128; RJA 9, 159; str., s. Κ. Schmidt JZ 1973, 299, 303; M. Wolf AcP 181, 480, 500 f. KG JW 1938, 3117 Nr. 21; Baumbach/ Duden/ Hopt § 22 Anm. 1 B; s.u. § 18 Rdn. 5. K. Schmidt § 5 I 3b (S. 96).
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§1
Erster Abschnitt. Kaufleute
in die Erbengemeinschaft eintritt, wodurch er zugleich zum Kaufmann wird 84 . Hingegen kann die Erbengemeinschaft nicht nachträglich ein weiteres Unternehmen hinzuerwerben 85 . c) Vertretung. Die Miterben können sich bei der gemeinschaftlichen Verwaltung des 2 5 Geschäfts (§ 2038 BGB) durch andere Miterben oder durch Dritte vertreten lassen. Nach h.M. ist es ihnen lediglich verwehrt, einem Miterben Prokura zu erteilen, weil der Miterbe gem. § 48 nicht zugleich Inhaber des Geschäfts und Prokurist sein könne 86 . Soweit die Miterben einen von ihnen zur Fortführung des Geschäfts bevollmächtigt haben, kann die Vollmacht grundsätzlich von jedem einzelnen Miterben für seine Person widerrufen werden; danach gilt dann erneut § 2038 Abs. 1 BGB 87 . d) Haftung. Für die Altschulden haften die Miterben nach § 27, während vertragliche 2 6 Neuschulden Nachlaßverbindlichkeiten sind, für die die Miterben zwingend zugleich unbeschränkt persönlich haften 88 . Auf deliktische Neuverbindlichkeiten dürfte hingegen § 31 BGB entsprechend anzuwenden sein89. e) Beteiligung von Minderjährigen. Noch nicht endgültig geklärt ist die Rechtslage, 2 6 a die sich ergibt, wenn an der Miterbengemeinschaft Minderjährige beteiligt sind. Früher ging man allgemein davon aus, daß auf diesen Fall § 1822 Nr. 3 BGB nicht, auch nicht entsprechend anwendbar sei, so daß die Fortführung des Geschäfts durch die Erbengemeinschaft trotz der Beteiligung minderjähriger Miterben keiner Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedurfte 90 . Daraus resultierte jedoch die Gefahr einer übermäßigen finanziellen Belastung des Minderjährigen nach Erlangung der Volljährigkeit aufgrund vorher begründeter Geschäftsverbindlichkeiten. Deshalb hat diese Auffassung nicht die Billigung des BVerfG gefunden 91 . Seiner Meinung nach kann vielmehr auf eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nur verzichtet werden, wenn sich die Haftung des Minderjährigen bei Fortführung des Handelsgeschäfts auf das ererbte Vermögen, d.h. auf den Nachlaß beschränkt; andernfalls, d.h. bei Beibehaltung der weitergehenden Vertretungsmacht der gesetzlichen Vertreter muß hingegen die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vorgesehen werden. Soweit dem die §§ 1629 Abs. 1 und 1643 Abs. 1 BGB entgegenstehen, sind sie folgerichtig für verfassungswidrig erklärt worden. Dieser Beschluß des Bundesverfassungsgerichts hat eine lebhafte Diskussion aus- 2 6 b gelöst92. Eine gesetzliche Neuregelung des Fragenkreises ist, obwohl vom BVerfG verlangt, bisher nicht in Sicht. Der B G H hat gleichwohl bis zu ihrem Erlaß den Ausgangsrechtsstreit ausgesetzt 93 . Dies ist jedoch angesichts der Passivität des Gesetzgebers auf Dauer keine Lösung. Deshalb ist jetzt mit Rücksicht auf die (partielle) Verfassungswidrigkeit der §§ 1629 Abs. 1 und 1643 Abs. 1 BGB anzunehmen, daß, etwa analog 84 85
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KG J W 1939, 565 f; RJA 13, 226 f. K G H RR 1932 N r . 749 = LZ 1932, 548; K. Schmidt (o. Fn. 83). S. dazu § 48 Rdn. 12. B G H Z 30, 391, 394, 397 f.; 32, 60, 67; KG J 48, 127 ff; JW 1939, 565. S. u. § 27 Rdn. 7,13, 19 und 22 sowie bes. O L G Frankfurt BB 1975, 1319; Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 51; M. Wolf AcP 181, 480, 502 ff. M. Wolf AcP 181, 505 ff; K. Schmidt N J W 1985, 2785, 2789; str.; zur Anwendbarkeit des § 124 s.
im übrigen noch M. Wolf AcP 181, 494 f; zur Behandlung der Erbengemeinschaft selbst als Kaufmann s. z.B. Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 37 ff; K. Schmidt NJW 1985, 2785. 90 S. zuletzt B G H Z 92, 259 = N J W 1985, 136. 9 ' BVerfGE 72, 155 = N J W 1986, 1859. 92 S. insbes. Canaris, Damrau, Hertwig, Hüffer, K. Schmidt, Strothmann, Thiele und M. Wolf aaO (Rdn. 22); außerdem Baumbach/Duden/Hopt § 1 Anm. 6B; MüKo/Hinz § 1629 Rdn. la. 93 NJW-RR 1987, 450 = WM 1987, 27.
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den §§ 1645 und 1823 BGB, die Fortführung der Handelsgeschäfte durch die Erbengemeinschaft bei Beteiligung Minderjähriger grundsätzlich der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf 9 4 . Solange die Genehmigung nicht vorliegt, scheidet eine persönliche H a f t u n g des Minderjährigen für Geschäftsverbindlichkeiten aus; er haftet vielmehr f ü r solche allein mit dem Nachlaß 9 5 . 6. Testamentsvollstreckung Schrifttum Fr. Baur FS Dölle Bd. I, 1963, S. 249; Baumbach/Duden/Hopt § 1 Anm. 6 C; Brandner FS Stimpel, 1985, S. 991; Emmerich Z H R 132 (1969), 297; Haegele/Winkler Der Testamentsvollstrecker, 7. Aufl. (1982); Staub/Hüffer Vor § 22 Rdn. 74 ff, § 27 Rdn. 47 ff; John BB 1980, 757; Nolte FS Nipperdey Bd. I, 1965, 667; K. Schmidt § 5 I d, bb (S. 87 ff.); Siebert FS Hueck, 1959, 321; Staudinger/Reimann Vorbem. § 2197 Rdn. 70 ff, § 2205 Rdn.71 ff. 27
a) Uberblick. Schwierige Probleme ergeben sich bei Anordnung von Testamentsvollstreckung, da sich nach h.M. die Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers auch bei Zugehörigkeit eines Handelsgeschäfts zum Nachlaß grundsätzlich auf diesen beschränkt (§§ 2206 f BGB). Irgendwelche Ausnahmen sieht das Gesetz nicht vor. Deshalb ist umstritten, ob ein Testamentsvollstrecker (als solcher) ein Handelsgeschäft für die Erben fortführen kann, ohne dadurch zugleich die persönliche Haftung der Erben zu begründen. Uberwiegend wird die Frage verneint, da das deutsche Recht außerhalb des Gesellschaftsrechts eine Führung von Handelsgeschäften durch natürliche Personen unter Beschränkung der Haftung auf ein Sondervermögen nicht kenne 96 .
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In Literatur und Rechtsprechung werden deshalb verschiedene Auswege diskutiert: Der Testamentsvollstrecker kann zunächst das Geschäft veräußern oder es nach § 2217 BGB freigeben, so daß es n u n m e h r von dem oder den Erben, gegebenenfalls in Erbengemeinschaft (o. Rdn. 22 ff), fortgeführt werden kann 97 . Steht dem jedoch der Wille des Erblassers entgegen (§ 2216 Abs. 2 S. 1 BGB), so bleiben als weitere Auswege nur noch die sog. Treuhandlösung und die sog. Vollmachtslösung 98 . Mit beiden Lösungen wird letztlich versucht, die Vermögenszuständigkeit und die persönliche Haftung wieder in Einklang zu bringen. N a c h überwiegender Meinung kann der Erblasser außerdem die Erben durch entsprechende Auflagen oder Bedingungen zur Wahl einer dieser Lösungen anhalten.
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b) Treuhandlösung. Wählt der Testamentsvollstrecker die Treuhandslösung, so kann er von den Erben Übertragung des Geschäfts (nicht aber des zugehörigen Vermögens) auf sich verlangen. Für die Altschulden haftet er dann nach den §§ 25 und 2 7 99 , während er f ü r
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Ebenso Baumbach/Duden/Hopt § 1 Anm. 1 B; K. Schmidt, BB 1986, 1238, 1241 ff. 95 Vgl. in diesem Zusammenhang auch zur Beteiligung Minderjähriger an fehlerhaften Gesellschaften u. § 105 Rdn. 88 m. Nachw. 96 Zuletzt Baumbach/Duden/Hopt aaO (Fn. 94); K. Schmidt aaO (Fn. 94) mit Nachw.; anders jedoch KG RJA 11, 271, 272 ff; LG Konstanz NJW-RR 1990, 716; Fr. Baur FS Dölle I, 249. 97 KG JW 1936, 1137 f Nr. 16; 1937, 2599 Nr. 38; zur Haftung der Erben in diesem Fall s. u. § 27 Rdn. 13. 90
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8 So insbes. RGZ 132, 138, 140 ff; 172, 199; BGHZ 12, 100, 102 ff; 24, 106, 112; 35, 13, 15 f; BGH LM Nr. 4 zu § 69 W G = NJW 1975, 54; WM 1960, 1326, 1329; BayObLGZ 1969, 138; 1978, 5, 7 f; KGJW 1936, 1137 Nr. 16; 1936, 1158; 1937, 2599 Nr. 38; 1939, 104 Nr. 27 = JFG 18, 276; NJW 1959, 1087; OLG München JFG 14, 428; OLG Hamm NJW 1963, 1554 = DNotZ 1964, 421. 99 S. u. § 27 Rdn. 7 und 19.
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§1
Erster Abschnitt. Kaufleute
die Neuschulden persönlich einstehen muß; lediglich im Innenverhältnis kann er von den E r b e n Freistellung und Aufwendungsersatz verlangen 1 0 0 . Ins Handelsregister wird allein der Treuhänder eingetragen. Mehrere Testamentsvollstrecker, die auf diesem Wege gemeinsam ein Handelsgeschäft fortführen, bilden allein deshalb noch keine O H G 1 0 1 . A u ß e r d e m bleibt, wenn die Beteiligten nichts anderes vereinbaren, das ganze Handelsgeschäft grundsätzlich Bestandteil des Nachlasses und geht nicht in das E i g e n t u m des oder der Testamentsvollstrecker ü b e r 1 0 2 . c) V o l l m a c h t s l ö s u n g . Entscheidet sich der Testamentsvollstrecker für die Vollmachtslösung, so m u ß er von den E r b e n eine unwiderrufliche und unbeschränkte Generalvollmacht zur Fortführung des Geschäfts im N a m e n der E r b e n verlangen. Hinsichtlich der Altschulden haben die E r b e n in diesem Fall die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach den §§ 2 5 und 2 7 1 0 3 , während sie für die Neuschulden unbeschränkt persönlich haften.
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d) K r i t i k . Keine der genannten Lösungen (o. R d n . 28 - 30) vermag vollauf zu befriedigen 1 0 4 . Dies gilt zunächst für die sog. Vollmachtslösung (o. Rdn. 30), weil die hier erforderliche unwiderrufliche und u n b e s c h r ä n k t e Bevollmächtigung des Testamentsvollstreckers häufig zu einer mit § 138 B G B nur schwer zu vereinbarenden Knebelung der E r b e n führen wird. Hingegen ist bei der Treuhandlösung ungeklärt, wie ohne Übertragung des Geschäftsvermögens auf den Treuhänder eine Haftung des Nachlasses für die v o m Treuhänder im Betrieb des Geschäfts eingegangenen Neuschulden begründet werden kann. D a h e r wird dem Testamentsvollstrecker, wenn er das Geschäft selbst fortführen will, in aller Regel nichts anderes übrig bleiben, als auch das Geschäftsvermögen - gegebenenfalls nach § 181 B G B - auf sich zu übertragen 1 0 5 . Diese Lösung dürfte jedoch ihrerseits häufig wieder im Gegensatz z u m Willen des Erblassers stehen, ganz abgesehen davon, daß kaum jemals ein Testamentsvollstrecker bereit sein dürfte, das mit solcher L ö s u n g verbundene Haftungsrisiko zu übernehmen. U n t e r diesen U m s t ä n d e n spricht das meiste w o h l dafür, entsprechend dem G e s e t z zumindest für eine Ubergangszeit doch die F o r t f ü h r u n g des H a n d e l s g e s c h ä f t s d u r c h den T e s t a m e n t s v o l l s t r e c k e r als s o l c h e n , d.h. u n t e r Beschränkung seiner Verpflichtungsmacht auf den N a c h l a ß zuzulassen 1 0 6 .
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7. Gütergemeinschaft Schrifttum Beck D N o t Z 1962, 348; Buchwald B B 1962, 1405; Fabricius Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963; John Die organisierte Rechtsperson, 1977; K. Schmidt § 5 I 3c (S. 98 f); Schünemann FamRZ 1976, 137; Tiedtke FamRZ 1975, 675. Wenn z u m Gesamtgut der Gütergemeinschaft (§ 1416 B G B ) ein Handelsgeschäft gehört, h a b e n die E h e g a t t e n die W a h l , o b sie das G e s a m t g u t einschließlich des Handelsgeschäfts gemeinschaftlich verwalten oder die Verwaltung einem von ihnen übertragen wollen. Bei gemeinschaftlicher Verwaltung werden beide Inhaber des Handelsgeschäfts und sind daher als solche ins Handelsregister einzutragen, während bei VerwalVgl. im einzelnen KG J W 1939, 104 f Nr. 27. BGH LM Nr. 4 zu § 69 W G (Bl. 2) = NJW 1975, 54. '02 BGH (Fn. 101); KG JW 1939, 104; K. Schmidt § 5 I ld, bb; kritisch dazu John BB 1980, 757, 759 ff. i " S. u. § 27 Rdn. 7. 100 10!
104 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich ZHR 132, 297, 317 ff; John BB 1980, 757 f.; K. Schmidt aaO (Fn. 102). 105 106
So in der Tat John BB 1980, 757, 760 f. So zuletzt LG Konstanz NJW-RR 1990, 716 f. im Anschluß an Fr. Baur aaO (Fn. 96).
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tung des Gesamtgutes durch einen der Ehegatten allein dieser Kaufmann wird 107 . In keinem Fall sind die Eheleute jedoch gezwungen, zur Fortführung des Geschäfts eine Gesellschaft zu errichten 108 . Bei der Firmenbildung können sie den Zusatz „Eheleute" mit oder ohne den weiteren Zusatz „in Gütergemeinschaft" wählen 109 . Für ausländische Ehefrauen findet sich noch eine Sonderregelung in § I I a Abs. 1 GewO. 8. Vereine Schrifttum Heckelmann AcP 179 (1979), 1; Hemmerich Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung von Idealvereinen, 1982; Mummenhoff Gründungssysteme und Rechtsfähigkeit, 1979; Sack ZGR 1974, 179; K. Schmidt § 5 I 2 (S. 90 ff.); ders. JZ 1973, 299; ders. ZGR 1975, 477; ders. Rpfl. 1972, 286, 343; ders. AcP 182 (1982), 1; ders. Verbandzweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984. 33
a) Rechtsfähige Vereine. Nach § 33 können rechtsfähige Vereine mit ihren Gewerbebetrieben ins Handelsregister eingetragen werden. Daraus folgt, daß wirtschaftliche Vereine (§ 22 B G B ) ebenso wie Idealvereine (§ 21 BGB), jedenfalls, sofern sie im Rahmen des sog. Nebenzweckprivilegs einen kaufmännischen Betrieb unterhalten, die Kaufmannseigenschaft besitzen können 110 . Hierbei ist zu beachten, daß auch ein unter Verstoß gegen § 22 B G B eingetragener wirtschaftlicher Verein zunächst voll wirksam ist und deshalb bei Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 1 ff zugleich als Kaufmann behandelt werden muß 111 .
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b) Nichtrechtsfähige Vereine. Bei den nichtrechtsfähigen Vereinen (§ 54 B G B ) ist danach zu unterscheiden, ob der Verein ein vollkaufmännisches oder ein minderkaufmännisches Gewerbe betreibt (§§ 1 bis 4,105,161). Im ersten Fall ist der Verein über § 54 B G B einfach als O H G zu behandeln 112 , im zweiten Fall hingegen als BGB-Gesellschaft, die dann insoweit (ausnahmsweise) zugleich Minderkaufmann ist 113 . Erkennt man darüber hinaus auch bei nichtrechtsfähigen Vereinen das Nebenzweckprivileg an, so kann der nichtrechtsfähige Verein insoweit sogar Träger eines vollkaufmännischen Unternehmens sein, mit dem er dann außerdem ins Handelsregister einzutragen ist 114 .
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c) Vorgesellschaften. Vorgesellschaften können gleichfalls die Kaufmannseigenschaft erlangen. Dies kommt namentlich in Betracht, wenn eine Vor-GmbH oder Vor-AG ein übernommenes Handelsgeschäft fortführt. Eine Eintragung der Vorgesellschaft ins Handelsregister scheidet freilich aus, solange die Gründer noch ernsthaft die Eintragung der Gesellschaft betreiben, weil es sich dann bei der Vorgesellschaft lediglich um ein Durchgangsstadium handelt 115 . BayObLGZ 1978, 5, 7 f; BayOblGZ 1991, 283 = NJW-RR 1992, 33 = BB 1991, 1731; Baumbach/Duden/H opt § 1 Anm. 4 C. >™ BayObLGZ 1991, 283 = NJW-RR 1992, 33 = BB 1991, 1731. 1 0 9 BayObLG (Fn. 108); zur Gründung einer OHG durch die Eheleute s. u. § 105 Rdn. 42. 110 Im einzelnen str.; s.u. die Erläuterungen zu § 33 sowie z.B. KG O L G E 12, 413 ff; JW 1928, 238 f; OLG Kiel O L G E 41, 189. " i Vgl. K. Schmidt ZGR 1975, 477 ff. 107
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Grdl. KGJ 41,117, 119 ff; BGHZ 22,240,244 f; BayObLGZ 1965, 294, 305, 310; K. Schmidt ZGR 1975, 477, 483 ff. So auch Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 37 ff; K. Schmidt ZGR 1975, 477, 482 ff; Schlegelberger/Hildebrandt § 33 Rdn. 2; a.A. Sack ZGR 1974, 179, 200 ff. K. Schmidt JZ 1973, 299, 301; ders. ZGR 1975, 477, 484 ff; offen gelassen in KG RJA 2, 19 ff. BayObLGZ 1965, 294, 311 {•, Staub/ Brüggemann § 1 Rdn. 28; Staub/Hüffer § 17 Rdn. 14; K. Schmidt JZ 1973, 299, 303 f.
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Erster Abschnitt. Kaufleute
III. Die einzelnen Grundhandelsgewerbe (§ 1 Abs. 2) D e r B e t r i e b eines G e w e r b e s (ο. I I ) allein macht noch nicht zum Kaufmann im Sinne des H G B ; es muß vielmehr i m m e r noch h i n z u k o m m e n , daß entweder das fragliche G e w e r b e
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ein Grundhandelsgewerbe im Sinne des § 1 Abs. 2 darstellt oder daß die Voraussetzungen der §§ 2 oder 3 erfüllt sind. Daraus folgt, daß die Kaufmannseigenschaft einer Person im Falle des § 1 von ihrer Eintragung im Handelsregister unabhängig ist; die Person ist vielmehr stets notwendig mit A u f n a h m e des G e w e r b e s Kaufmann (sog. M u ß k a u f m a n n ) . Ihre Eintragung im Handelsregister hat nur deklaratorische Bedeutung. Das G e s e t z zählt in § 1 A b s . 2 möglichst vollständig die wichtigsten seinerzeit bekannten G e w e r b e auf. Diese Aufzählung ist abschließend und kann daher grundsätzlich nicht im Wege der Analogie auf andere vergleichbare G e w e r b e ausgedehnt werden 1 1 6 . D i e Folge sind in der Sache schwer verständliche Abgrenzungsprobleme, wie sie etwa exemplarisch an der Behandlung der Bauhandwerker und Bauunternehmer hervortreten (s. u. R d n . 44).
36a
1. W a r e n u m s a t z N a c h der N r . 1 des § 1 Abs. 2 gilt zunächst als Handelsgewerbe jeder Gewerbebetrieb, der die Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen (Waren) oder Wertpapieren zum Gegenstand hat, und zwar o h n e R ü c k s i c h t darauf, o b die Waren unverändert oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung weiterveräußert werden. E r f a ß t werden hier mithin im G r u n d e ganz allgemein die beiden historischen G r u n d t y p e n des U n t e r n e h m e r s , nämlich die Händler und die Fabrikanten.
37
a) A n s c h a f f u n g . U n t e r Anschaffung wird jeder abgeleitete entgeltliche E r w e r b beweglicher Sachen zu Eigentum durch Rechtsgeschäft unter Lebenden (einschließlich selbstverständlich des schuldrechtlichen Grundgeschäftes) verstanden; Paradigmata sind Kauf, Tausch und Werklieferungsvertrag 1 1 7 . Keine Anschaffung stellen hingegen dar der unentgeltliche E r w e r b unter Lebenden, der E r w e r b von Todes wegen, der E r w e r b bloßer obligatorischer oder beschränkter dinglicher R e c h t e (im Gegensatz z u m Eigentum) sowie der ursprüngliche E r w e r b (im Gegensatz z u m abgeleiteten E r w e r b ) . Dementsprechend fallen n i c h t unter die Nr. 1 des § 1 Abs. 2 die b l o ß e M i e t e oder Pacht von Gegenständen einschließlich der Leasingverträge und der Verträge mit den Filmverleihern und den L e i h b i b l i o t h e k e n 1 1 8 sowie die gesamte U r p r o d u k t i o n , namentlich durch Bergbau und Landwirtschaft 1 1 9 ; die G e w i n n u n g und der Vertrieb von Tafelwässern stellen daher z.B.
373
kein Grundhandelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 dar 1 2 0 . b) Gegenstand, aa) Gegenstand der Anschaffung müssen Waren oder Wertpapiere sein. U n t e r W a r e n versteht das G e s e t z hierbei alle beweglichen Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können, und zwar im weitesten Sinne 1 2 1 . Keine R o l l e spielt, o b die Sachen fest, flüssig oder gasförmig sind, so daß auch der Handel mit Gas oder
116
Straube § 1 Rdn. 30 unter Hinweis auf OGH SZ Bd. 31 (1958) Nr. 121; eine Ausnahme unten Rdn. 56. Grdleg. RGZ(VZS) 31, 17, 18 ff usw. bis BGH LM Nr. 160 zu § 812 BGB = NJW 1983, 1905, 1907 = WM 1983, 674, 676; K. Schmidt § 10 IV 2b; Straube § 1 Rdn. 32.
" s ROHGE 24, 400, 401; RGZ 31, 17, 18 f; BGH WM 1957, 883, 884; LM Nr. 160 zu § 812 BGB = WM 1983,674, 676. So schon ROHGE 14, 113, 117; zur Landwirtschaft s. u. § 3. 120 OGH HS 7009 = HS 7015. 121 Denkschrift S. 11; RGZ 130, 85, 88.
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Elektrizität (die im Verkehr als Ware angesehen wird) unter die Nr. 1 fällt 122 . Dasselbe gilt für den Handel mit sonstigen Treibstoffen, so daß auch Tankstellenbetreiber Kaufleute nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 sind 1 2 3 . Ausgeschlossen ist im Grunde nur der Handel mit Rechten und mit Grundstücken. Namentlich Immobilienmakler fallen niemals unter § 1 Abs. 2 Nr. I 1 2 4 . 39
bb) Der Begriff der Wertpapiere ist in § 1 Abs. 2 Nr. 1 ebenfalls weit zu fassen, mag auch die Abgrenzung im einzelnen zweifelhaft sein 1 2 5 . Erfaßt werden auf jeden Fall sämtliche Papiere, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können 1 2 6 . Jedoch greift beim Wertpapierhandel heute in aller Regel zugleich die Nr. 4 des § 1 Abs. 2 ein, so daß es dann des Rückgriffs auf die Nr. 1 nicht mehr bedarf. Die Abgrenzung im einzelnen kann daher offen bleiben.
40
c) Weiterveräußerung. Die Anschaffung muß zum Zwecke der Weiterveräußerung der Waren erfolgen. Die Weiterveräußerung ist das Gegenstück zur Anschaffung (o. Rdn. 37a), so daß darunter ebenfalls sämtliche Rechtsgeschäfte fallen, die auf den abgeleiteten entgeltlichen Erwerb von Waren oder Wertpapieren unter Lebenden zu Eigentum gerichtet sind. Keine Rolle spielt hierbei die Reihenfolge von Anschaffung und Weiterveräußerung. Erforderlich ist lediglich, daß zwischen Anschaffung und Weiterveräußerung ein innerer Z u s a m m e n h a n g besteht, daß m.a.W. das eine Geschäft um des anderen willen erfolgt. Gemeint ist damit, daß Anschaffung und Weiterveräußerung zusammen für den Unternehmenstypus charakteristisch oder prägend sein müssen 1 2 7 . Daher genügt für die Anwendung der Nr. 1 nicht die Anschaffung bloßer Hilfsstoffe, Herstellungsmittel und Zutaten, weil deren Veräußerung nicht der eigentliche Gegenstand des betreffenden Geschäfts ist 128 . Dasselbe gilt, wenn ein sonstiger Gewerbetreibender gelegentlich einzelne Investitionsgüter erwirbt 1 2 9 oder wenn er nicht mehr gebrauchte Anlagegüter weiterveräußert 130 .
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d) Bearbeitung oder Verarbeitung. Unerheblich ist, ob die Waren in unverändertem Zustand oder erst nach ihrer Bearbeitung oder Verarbeitung weiterveräußert werden. Die gesamte Warenfabrikation und das Warenhandwerk fallen mithin ebenfalls unter die Nr. 1 des § 1 Abs. 2, wobei es auf eine genaue Abgrenzung der Begriffe Bearbeitung und Verarbeitung nicht ankommt, da sie vom Gesetz gleich behandelt werden. U m so wichtiger ist hingegen die Abgrenzung zum L o h n h a n d w e r k , weil Lohnhandwerker wie aus der Nr. 2 des § 1 Abs. 2 zu folgern ist, allein unter den engen Voraussetzungen des § 2 die Kaufmannseigenschaft erwerben können.
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Abgrenzungsprobleme ergeben sich hier daraus, daß Lohnhandwerker ebenso wie andere Kaufleute Rohstoffe und Zutaten zukaufen müssen und gelegentlich auch Gegenstände verkaufen werden. Sichere Kriterien fehlen. Daher kann letztlich nur darauf abgestellt werden, ob nach dem Gesamtbild des Betriebes die Dienstleistung oder der Warenhandel überwiegen 1 3 1 . 122 123
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Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 61. O G H EvBl. 1952, N r . 199 = Ö J Z 1952, 298 = H S 1016. O G H SZ Bd. 44 (1971) N r . 21, S. 71, 75; O G H H S 7012; 8006; JBl. 1961, 124; 1972, 364, 366. S. z.B. K. Schmidt § 10 IV 2a (S. 272); Straube § 1 Rdn. 34. Denkschrift S. 11. K. Schmidt § 10 IV 2c.
' 2 8 Vgl. z.B. R G Z 129, 401, 403; B G H Z 61, 59, 62; B G H L M N r . 8 zu § 240 K O / S t S ; W M 1983, 674, 676; B a y O b L G Z 1911, 267, 269. 129
O G H SZ Bd. 42 (1969) Nr. 157, S. 491, 492 für den Kauf zweier Geräte durch einen Schausteller.
K. Schmidt (o. Fn. 127). 'J' K. Schmidt § 10 IV 2d. 130
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e) Sonstige Grenzfälle. Abgrenzungsprobleme, namentlich zur Nr. 2 des § 1 Abs. 2, 4 2 können sich außerdem ergeben, wenn die Waren im Augenblick ihrer Anschaffung noch unbeweglich waren oder nach ihrer Weiterveräußerung zu unbeweglichen Sachen werden. In diesen Fällen ist darauf abzustellen, wo nach der Verkehrsanschauung das Schwergewicht des Vorganges liegt. Die Veräußerung von Früchten auf dem Halm, von Holz auf dem Stamm oder von Gebäuden zum Abbruch hat hiernach bewegliche Sachen zum Gegenstand, weil die betreffenden Sachen spätestens im Augenblick der Besitzergreifung durch den Erwerber beweglich werden. Entsprechend kommt es, wenn die veräußerten Waren nach ihrer Veräußerung zu unbeweglichen Sachen werden, namentlich, wenn sie zum Einbau in Gebäuden bestimmt sind, gleichfalls darauf an, wo nach der Verkehrsanschauung das Schwergewicht liegt, auf der Lieferung beweglicher Sachen oder auf der Werkleistung durch den Einbau in ein Gebäude. Im ersten Fall ist die Nr. 1 des § 1 Abs. 2 anzuwenden, während im zweiten Fall nur die Anwendung der Nr. 2 in Betracht kommen kann 132 . f) Beispiele. Kaufleute, und zwar entweder Vollkaufleute oder Minderkaufleute (§ 4), 4 3 sind hiernach z.B.: alle Fabrikanten 133 , ein Gärtner, der zugleich einen schwunghaften Großhandel mit Schnittblumen betreibt 134 oder der in großem Umfang zusätzlich Samen und Pflanzen ankauft und weiterverkauft 135 , Gastwirte 136 und Hoteliers mit Ausnahme der reinen Herbergswirte 137 , Apotheker 138 , weiter i.d.R. Tischler 139 und Friseure, jedenfalls, wenn sie zugleich mit Waren wie Parfiimerieartikeln handeln 140 , sowie alle Baustofflieferanten und die Lieferanten sonstiger zum Einbau bestimmter Teile und Gerätschaften, immer vorausgesetzt, daß bei ihnen die Lieferung der Materialien und Gegenstände gegenüber einem etwaigen Einbau im Vordergrund steht 141 . Keine Kaufleute nach der Nr. 1 des § 1 Abs. 2 sind hingegen z.B. die reinen 4 4 Bauunternehmer und alle Bauhandwerker, bei denen die Werkleistung im Vordergrund steht 142 , weiter z.B. Gartenarchitekten 1 4 3 , Weinbauern 1 4 4 , überhaupt die gesamte Urproduktion 1 4 5 , Leihbüchereien 146 , Kinobesitzer 147 , Ziegeleien 148 , Dekorationsmaler, außer wenn sie nebenher noch einen Handel mit Farben betreiben 149 , sowie schließlich die
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S. u. Rdn. 43 sowie z.B. OLG Köln MDR 1973,589 f = BB 1973, 777; Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 60 ff; SchlegelbergerlHildebrandt §1 Rdn. 32 f; K.Schmidt JuS 1973, 83, 86; ablehnend zu dieser Differenzierung aber z.B. Raisch JuS 1967, 533, 537 f. 133 R O H G E 14, 113, 117; BayObLGZ 1911, 267, 269 f. 134 RG JW 1930, 829, 830; s. im übrigen unten § 3 Rdn. 6. 135 O L G München OLGE 36, 248. BGHZ 70, 132, 134; O G H HS 7007, 7008. i " RG JW 1908, 148 Nr. 22; O G H SZ Bd. 50 (1977) Nr. 112, S. 548, 551. »» BGHZ 8, 157, 160; KGJ 3, 9; KG NJW 1958, 1827. 139 O G H EvBl. 1952 Nr. 110 = ÖJZ 1952, 158, 159. 140 O G H EvBl. 1950 Nr. 359 = ÖJZ 1950, 351. 141 S. o. Rdn. 40 sowie BGHZ 59, 179, 182; 61, 59, 62; BGH LM Nr. 8 zu § 240 KO/StS; OLG
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Köln MDR 1973, 589 = BB 1973, 777; BayObLGZ 1988, 344 = NJW-RR 1989, 421; O G H SZ Bd. 53 (1980) Nr. 164, S. 737, 741. BGHZ 59, 179, 182; 61, 59, 62; 73, 217, 220; BGH LM Nr. 8 zu § 240 KO/StS; BayObLGZ 1912, 347; 1988, 344 = NJW-RR 1989, 421 = DB 1988,2559; O G H SZ Bd. 51 (1978) Nr. 172, S. 768, 775; Bd. 53 (1980) Nr. 164, S. 737, 741; O G H HS 10; OLG Frankfurt BB 1975, 1319; K. Schmidt JuS 1973, 83, 86; kritisch Raisch JuS 1967, 533, 537 f. RGZ 129,401,403. RGZ 130,233,234. R O H G E 14, 113, 117; O G H HS 7009 = 7015. R O H G E 24, 400, 401; BGH WM 1957, 883, 884. BGH WM 1965, 976; LM Nr. 160 zu § 812 BGB = NJW 1983, 1907 = WM 1983, 674, 676. RGZ 50, 154, 157. RG JW 1906, 396 f Nr. 27.
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Betreiber von Garagen, selbst wenn es sich um Großgaragen handelt 150 , und Zimmervermieter, und zwar auch bei zusätzlicher Beköstigung des Mieters 151 . 2. Lohnfabrikation 45
a) Uberblick. Grundhandelsgewerbe ist nach der Nr. 2 des § 1 Abs. 2 außerdem die Übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren (s. o. Rdn. 41) für andere, sofern das Gewerbe nicht handwerksmäßig betrieben wird 152 . Das Gesetz unterscheidet hier mithin zwischen der Lohnindustrie und dem Lohnhandwerk. Beide haben gemeinsam, daß die Bearbeitung oder Verarbeitung für andere, d.h. auf Bestellung und grundsätzlich mit fremden Waren erfolgt 153 . Sie unterscheiden sich hingegen durch die fabrikmäßige oder handwerksmäßige Ausführung der Aufträge.
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b) Abgrenzung. Eine exakte Abgrenzung zwischen Industrie und Handwerk gibt es nicht. Die Handwerksordnung von 1965 enthält in den Anlagen A und Β lediglich eine auch für das H G B bedeutsame Aufzählung der wichtigsten Gewerbe, die handwerksmäßig betrieben werden können. Im übrigen aber besitzt die Frage, ob eine Person in die Handwerksrolle eingetragen ist oder nicht, allenfalls Indizwirkung für das Handelsrecht 154 .
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Mangels sicherer Abgrenzungsmerkmale zwischen Industrie und Handwerk wird im allgemeinen auf das Gesamtbild des fraglichen Betriebes abgestellt. Die Grenzen sind flüssig und verändern sich fortlaufend mit der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung. In den Grenzfällen hängt die Entscheidung letztlich davon ab, welche Aspekte im Einzelfall überwiegen. Die wichtigsten hierbei zu berücksichtigenden Umstände sind die folgenden 155 : 47 aa) Persönliche Mitarbeit des Inhabers: Handwerk liegt nur vor, wo der Inhaber oder der von ihm verschiedene Betriebsleiter im Betrieb selbst aufgrund handwerksmäßiger Ausbildung und Befähigung mitarbeitet, wobei sich freilich ihre Mitarbeit durchaus auf die Erteilung technischer Anweisungen und auf die Überwachung deren Ausführung beschränken kann. Hingegen handelt es sich um Industrie, wenn sich der Inhaber ganz auf die kaufmännische und organisatorische Leitung seines Betriebes beschränkt, ohne sich noch in den Produktionsprozeß selbst einzuschalten.
150
O G H EvBl. 1952 Nr. 199 = ÖJZ 1952, 298 = HS 1016. 151 RGZ 82, 24, 25; KGJ 31 A 139; KG JW 1926, 2095 Nr. 1. 152 In Osterreich lautet der zweite Halbsatz: „Sofern der Betrieb über den Umfang des Handwerks hinausgeht." Die Rechtslage entspricht aber in jeder Hinsicht der in Deutschland (s. insbes. O G H SZ Bd. 45 [1972] Nr. 85, S. 355, 357 = N Z 1973, 176; Straube § 1 Rdn. 37 - 40). S. B G H Z 59, 179, 182; Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 71; Schlegelbergerl Hildebrandt §1 Rdn. 41; K. Schmidt § 1 0 IV 3; Straube (Fn. 152). B G H Z 39, 255, 258; KG JW 1936, 1682 f Nr. 19; 1936, 3127 f Nr. 13 m. Anm. Groschuff.
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155 S. im einzelnen RG G R U R 1937, 718; B G H Z 39, 255, 258 ff; B G H LM Nr. 1 zu § 343 BGB (insoweit nicht in B G H Z 3, 193 = NJW 1952, 101 veröffentl); B G H G R U R 1989, 432; 1992, 123 (ausführlich); KGJ 35 A 142, 143 f; 49, 94, 96; RJA 9, 109, 111; JW 1926, 2930 Nr. 1; 1936, 1682 f Nr. 19; 1936, 3127 f Nr. 13 m. Anm. Groschuff m. Nachw.; BayObLGZ 1904, 901, 904 f; 1911, 267, 270; 1912, 347; 1931, 330; O L G Köln N J W 1956, 759 f; O L G Karlsruhe BB 1959, 899 f; 1962, 387; O L G Hamm NJW 1954, 1935; O L G München NJW-RR 1992, 230; Baumbach/Duden/Hopt § 1 Anm. 9; Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 73 - 82; Fröhler/ Dannbeck Zur Abgrenzung von Handwerk und Industrie, 1965; Hannak JB1. 1967, 337; Honig JuS 1966, 436; K. Schmidt § 10 IV 3b (S. 275 f.); Straube § 1 Rdn. 39.
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§1
Erster Abschnitt. Kaufleute
b b ) D i e Q u a l i f i k a t i o n der Mitarbeiter: F ü r das Vorliegen von H a n d w e r k spricht a u ß e r d e m der ü b e r w i e g e n d e E i n s a t z v o n fachlich ausgebildeten M i t a r b e i t e r n im
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Gegensatz zu ungelernten oder nur angelernten Arbeitern. Das mehr oder minder große A u s m a ß der Arbeitsteilung im Betrieb und die Bedeutung des Einsatzes von Maschinen erlangen in diesem Zusammenhang gleichfalls Gewicht. H a n d w e r k ist zwar durchaus mit d e m E i n s a t z v o n M a s c h i n e n vereinbar; w o aber die maschinelle P r o d u k t i o n im Vordergrund steht und sich die Tätigkeit der Mitarbeiter auf die Bedienung der Maschinen beschränkt, handelt es sich u m Industrie. c c ) G r ö ß e u n d U m s a t z des Betriebs: D i e Bedeutung dieser Merkmale ist gering, da es auch handwerkliche G r o ß b e t r i e b e gibt. W o aber Millionenumsätze in ausgedehnten Anlagen erzielt werden, steht i.d.R. die kaufmännische Organisation des Betriebs so sehr im Vordergrund, daß eine F a b r i k und damit Industrie anzunehmen ist.
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c) Beispiele. U n t e r die Nr. 2 fallen nur i n d u s t r i e m ä ß i g ausgerichtete L o h n b e t r i e b e , die die v o m Besteller gelieferten Waren bearbeiten oder verarbeiten, o h n e selbst Waren zu p r o duzieren oder zu veräußern 1 5 6 . Soweit sie Waren anschaffen, darf es sich nur um b l o ß e Zutaten und Investitionsgüter handeln. L o h n f a b r i k a t i o n liegt m.a.W. nur vor, wenn die von dem Betrieb erbrachten Dienstleistungen nach der Verkehrsauffassung ganz im Vordergrund stehen.
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Lohnfabrikation stellen i.d.R. die großen fabrikmäßig organisierten ReparaturwerkStätten einschließlich der Kraftfahrzeugmechaniker dar 1 5 7 . Beispiele sind außerdem chemische R e i n i g u n g s b e t r i e b e 1 5 8 , F ä r b e r e i e n , L o h n w e b e r e i e n und L o h n m ü h l e n , g r ö ß e r e Sprenglereien u n d S c h m i e d e w e r k s t ä t t e n 1 5 9 , T i e r d r e s s u r u n t e r n e h m e n s o w i e der fabrikmäßige Ausdrusch von Getreide im Auftrag von Landwirten 1 6 0 . Hingegen wird das „ B a u h a n d w e r k " i.d.R. handwerksmäßig betrieben 1 6 1 . Baggerunternehmen fallen gleichfalls nicht unter die Nr. 2, weil bei ihnen die B e - oder Verarbeitung von Waren fehlt 1 6 2 .
51a
3. Versicherungen (Nr. 3) Grundhandelsgewerbe ist nach der Nr. 3 des § 1 Abs. 2 weiter die Ü b e r n a h m e von Versicherungen gegen Prämie. D i e praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist gering, da die meisten V e r s i c h e r u n g s z w e i g e durch § 7 V A G A k t i e n g e s e l l s c h a f t e n u n d V e r s i c h e rungsvereinen auf Gegenseitigkeit vorbehalten sind, die beide ohnehin in aller Regel Kaufleute sind 1 6 3 . U n a n w e n d b a r ist hingegen die Nr. 3 nach § 151 V A G auf die öffentlichen Versicherungsanstalten wie insbesondere die Träger der gesetzlichen K r a n -
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kenversicherung, der Rentenversicherung sowie der Unfallversicherung.
4. Banken (Nr. 4) a) N a c h der Nr. 4 des § 1 Abs. 2 sind Grundhandelsgeschäfte auch die Bankier- und Geldwechslergeschäfte. Was Bankgeschäfte sind, ergibt sich heute in erster Linie aus § 1
BGHZ 59, 179, 182. O G H JB1. 1977, 543, 544 = HS 9010; Staub/Brüggemann ξ 1 RdNr. 79; Straube § 1 Rdn. 40. 158 O G H SZ Bd. 45 (1972) Nr. 85, S. 355, 357 = NZ 1973, 176. 159 HG Wien RZ 1960, 142; 1961, 122. 156 157
KG RJA 2, 229 f. BGHZ 39, 255, 259 f; zu den Bauunternehmen s. o. Rdn. 44. O G H HS 6012. 1« Vgl. für die AG § 3 AktG mit § 6 Abs. 2 HGB sowie für die Versicherungsvereine die §§ 16,21 Abs. 2 und 53 VAG.
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KWG von 1961164. Keine Bedeutung für das Handelsrecht hat die Ausnahme bestimmter öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute von der Anwendung des KWG durch § 2 KWG. Auch die Bundesbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau sind daher nach der Nr. 4 des § 1 Abs. 2 Kaufleute 165 . Die Bundesbank ist lediglich durch § 29 Abs. 3 BBankG von der Anwendung der Vorschriften über das Handelsregister freigestellt 166 . 54
b) Eigenständige Bedeutung hat die Nr. 4 des § 1 Abs. 2 heute neben dem KWG nur noch für das Pfandleihgewerbe, das tradionell nicht zu den Bankgeschäften gerechnet wird 167 , sowie für die kleinen Geldwechselgeschäfte, worunter man den Ankauf und Verkauf von Geldsorten versteht 168 . 5. Beförderungsgeschäfte (Nr. 5)
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a) Grundhandelsgewerbe sind nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 weiter bestimmte Beförderungsgeschäfte. Im einzelnen muß man hier drei verschiedene Fälle unterscheiden. Die erste Gruppe bilden die Übernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See (§§ 556 - 678) sowie die Geschäfte der Frachtführer (§§ 425 - 452), wobei es in beiden Fällen nicht auf die Größe des Unternehmens ankommt. Deshalb gehören hierher z.B. auch Dienstmänner, Gepäckträger oder Abschleppunternehmer; kraft Gesetzes (§ 452) ausgenommen war bisher jedoch die Bundespost (s. o. Rdn. 11).
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b) Unter die Nr. 5 des § 1 Abs. 2 fallen außerdem die Geschäfte der zur Beförderung von Personen zu Lande oder auf Binnengewässern bestimmten Anstalten. Aus dieser Formulierung des Gesetzes folgt, daß es (nur) hier ausschließlich Großbetriebe wie namentlich die Bundesbahn (s. o. Rdn. 11) im Auge hat 169 . Nicht erforderlich ist hingegen ein fahrplanmäßiger Betrieb 170 , so daß unter die Nr. 5 auch große Taxi- und Reisebusunternehmen sowie Partenreedereien fallen 171 . Hingegen gehören hierher Reiseveranstalter (§§ 651a ff BGB) ebensowenig wie Speise- und Schlafwagenunternehmen; die letzteren können aber unter die Nr. 1 des § 1 Abs. 2 fallen. Gleichzustellen sind den Beförderungsanstalten (ausnahmsweise, o. Rdn. 36a) die großen Luftverkehrsunternehmen 172 , nicht jedoch die Kraftfahrzeugvermietung und das Kraftfahrzeugleasing 173 .
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c) Als letzten Fall erwähnt die Nr. 5 des § 1 Abs. 2 schließlich noch die Geschäfte der Schleppschiffahrtsunternehmer, wobei es diesmal auf die Größe des Unternehmens ebensowenig wie im ersten Fall (o. Rdn. 55) ankommt. Kleine Schleppschiffahrtsunternehmer sind daher Minderkaufleute nach § 4. 6. Kommissionäre, Handelsvertreter usw. (Nrn. 6, 7)
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§ 1 Abs. 2 nennt als Grundhandelsgeschäfte weiter die Geschäfte der Kommissionäre, der Spediteure oder der Lagerhalter (Nr. 6) sowie die Geschäfte der Handelsvertreter oder der Handelsmäkler (Nr. 7). Wegen der Einzelheiten ist auf die §§ 84 ff, 93 ff, 383 ff, 407 ff 164
BGBl. I S. 881 i.d.F. des Ges. v. 11.7.1985 (BGBl. I S. 1473) mit späteren Änderungen. 165 Denkschrift, S. 21; s. o. Rdn. 11. 166 Wegen der Sparkassen s. o. Rdn. 10. 167 R O H G E 24, 34; KG RJA 4, 153, 154; 11, 217, 219; a.A. z.B. SchlegelbergerlHildebrandt § 1 Rdn. 47. "8 S. O G H SZ Bd. 44 (1971) Nr. 177, S. 668, 673.
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O G H SZ Bd. 43 (1970) Nr. 87, S. 315, 316. Str., wie hier Staub!Brüggemann § 1 Rdn. 93; SchlegelbergerlHildebrandt § 1 Rdn. 50. 171 LG Oldenburg BB 1975, Beil. 12, S. 2. 172 Ebenso Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 96; Schlegelberger/Hildebrandt § 1 Rdn. 51; K. Schmidt §10 IV 6. ^ K. Schmidt (Fn. 172). 170
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Erster Abschnitt. Kaufleute
und 416 ff H G B zu verweisen. H e r v o r z u h e b e n ist lediglich, daß aus § 93 folgt, daß die sog. Zivilmakler, insbesondere also die Grundstücksmakler, kein Grundhandelsgewerbe betreiben; sie können jedoch unter § 2 fallen 174 . Dasselbe gilt etwa f ü r die gewerbsmäßigen Vermittler von Frachtraum auf Binnenschiffen 1 7 5 . 7. Verlage (Nr. 8) Als Grundhandelsgewerbe nennt das H G B in ξ 1 Abs. 2 N r n . 8 und 9 schließlich noch 5 9 bestimmte Verlags- u n d Druckereigeschäfte. Grundhandelsgewerbe sind danach zunächst die Verlagsgeschäfte sowie die sonstigen Geschäfte des Buch- und Kunsthandels (Nr. 8), wobei aus der Formulierung des Gesetzes der Schluß gezogen wird, daß entscheidend hier allein die gewerbsmäßige Verwertung u n d Verbreitung von D r u c k - u n d Kunstwerken ist 176 . Der Abschluß von Verlagsgeschäften im Sinne des Verlagsgesetzes ist hingegen ebensowenig erforderlich wie die Herausgabe urheberrechtlich geschützter Werke 1 7 7 . U n t e r die Nr. 8 fallen daher auch Adreßbuchverlage 1 7 8 sowie der Selbstverlag u n d der Kommissionsverlag 179 . Buch- und Kunsthändler dürften hingegen i.d.R. schon nach der Nr. 1 Kaufleute sein, so daß ihre besondere E r w ä h n u n g in der Nr. 8 nur f ü r Sonderfälle wie etwa das sog. Konditionsgeschäft der Sortimenter Bedeutung hat. 8. Druckereien (Nr. 9) Grundhandelsgewerbe sind nach der Nr. 9 des § 1 Abs. 2 außerdem noch die Geschäfte der Druckereien, sofern das Gewerbe nicht handwerksmäßig betrieben wird 1 8 0 . Keine Rolle spielt dabei, welches technische Verfahren angewandt wird; vielmehr ist jede D r u k kerei K a u f m a n n , sofern der U m f a n g des Betriebs über das bloß Handwerksmäßige hinausgeht 1 8 1 .
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Ein handwerkliches oder ein sonstiges gewerbliches U n t e r n e h m e n , dessen Gewerbebetrieb nicht schon nach § 1 Abs. 2 als Handelsgewerbe gilt, das jedoch nach Art und U m f a n g einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, gilt als Handelsgewerbe im Sinne dieses Gesetzbuchs, sofern die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen worden ist. Der Unternehmer ist verpflichtet, die Eintragung nach den für die Eintragung kaufmännischer Firmen geltenden Vorschriften herbeizuführen. Schrifttum S. o. bei § 1 sowie Cohn Zur Revision des Handelsgesetzbuches, ArchBürgR Bd. 12 (1897), 185; Greitemann Wirtschaftliche Gegebenheiten als wesentliche Anhaltspunkte für die Reichweite von § 2 HGB, 1. FS Möhring, 1965, S. 43; Kugel Die Entwicklung des 179 174
174 177
S. schon o. Rdn. 38; insbes. O G H SZ Bd. 44 (1971) N r . 21, 71, 75; O G H H S 7012; K. Schmidt § 10 IV 8. O L G H a m b u r g O L G E 19, 289. B G H Z 10, 91, 95 = N J W 1953, 1217. B G H a a O (Fn. 176). B G H a a O (Fn. 176).
180 181
Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 102. S. dazu oben Rdn. 46 ff. Vgl. für die Vervielfältigung von Photos K G RJA 6, 51 f.; anders für reine Photokopieranstalten K. Schmidt § 10 V 10.
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§2
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K a u f m a n n s b e g r i f f s in § 2 u n d § 4 H G B , D i s s . M ü n c h e n 1964; Lastig D e r G e w e r b e t r e i b e n d e n E i n t r a g u n g s p f l i c h t , F e s t g . Fitting, 1 9 0 3 / 1 9 7 9 , S. 527; Κ. Lehmann D e r E n t w u r f des revidierten H a n d e l s g e s e t z b u c h e s , A c P 86 (1896), 289; Lotze Z u r B e g r i f f s b e s t i m m u n g des K l e i n g e w e r b e s (§ 4 H G B ) , G r u c h o t 44 (1900), 404; K. Schmidt H a n d e l s r e c h t , § 10 V; ders. D a s H G B u n d die G e g e n w a r t s a u f g a b e n des H a n d e l s r e c h t s , 1983. Übersicht Rdn. I. Geschichte und Zweck II. Anwendungsbereich 1. Allgemeines 2. Beispiele III. Eintragungsvoraussetzungen IV. Erforderlichkeit eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes.. 1. Geschichte 2. Erforderlichkeit 3. Nach Art und Umfang
V.
4. Sonderfälle a) Betriebsspaltung b) Saisonbetriebe 5.Beispiel e Eintragung 1. Verpflichtung 2. Wirkungen 3. Zeitpunkt 4. Dauer
Rdn. 11 11 12 13 16 16 17 18 19
I. Geschichte und Zweck 1
§ 2 ist geschaffen worden, um die Nachteile zu vermeiden, die mit der Regelung des A D H G B verbunden waren, nach dem nur der Betrieb von Grundhandelsgewerben (s. heute § 1) zum Kaufmann machte. Deshalb wurde § 1 durch die Generalklausel des § 2 ergänzt 1 . § 2 entspricht dabei (spiegelbildlich) dem § 4 Abs. 1, der dasselbe Prinzip (Ausschluß des Kleingewerbes) 2 , wenn auch in negativer Formulierung, zum Ausdruck bringt. § 2 enthält damit die unerläßliche Generalklausel, die es überhaupt erst erlaubt, den alten Kaufmannsbegriff dem modernen Unternehmensbegriff zumindest anzunähern3.
2
§ 2 ist 1953 durch das Gesetz über die Kaufmannseigenschaft der Handwerker abgeändert worden. Die Änderungen hatten jedoch nur klarstellende Bedeutung. Deshalb deckt sich der Rechtszustand in Deutschland in jeder Hinsicht mit dem in Osterreich, wo noch die frühere Fassung des § 2 in Geltung ist.
II. Anwendungsbereich 1. Allgemeines 3
Der Anwendungsbereich des § 2 ist entsprechend seiner Funktion als Generalklausel ausgesprochen weit und erstreckt sich im Grunde auf das gesamte Gebiet des Gewerbes 4 , soweit das fragliche Gewerbe nicht schon als Grundhandelsgewerbe unter § 1 Abs. 2 fällt, immer vorausgesetzt, daß es sich nicht um einen Kleinbetrieb i.S. des § 4 handelt. Folglich können nach § 2 zwar alle Handwerker, nicht jedoch die freien Berufe 5 die Kaufmannseigenschaft erwerben, soweit diese kraft Gesetzes oder nach tradierter Auffassung nicht zum Gewerbe rechnen. § 2 erfaßt damit insbesondere das Dienstleistungs- und Beherbergungsgewerbe, das Reparatur-, Verleiher- und Immobiliengewerbe,
1
Denkschrift S. 9 f, 13 f; kritisch dazu z.B. Cohn A r c h B ü r g R 12, 185 ff; K. Lehmann A c P 86,289, 296 ff; Raisch S. 193 ff; K. Schmidt § 10 V 1 b (S. 279).
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So noch heute ausdrücklich § 4 Abs. 1 ö H G B . ' S. K. Schmidt § 10 V l b (S. 279). * S. ο. § 1 Rdn. 4 ff. 5 S. ο. § 1 Rdn. 19 ff. 2
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weiter die Urproduktion und die Bauunternehmen 6 sowie schließlich das medizinische Hilfsgewerbe 7 . 2. Beispiele Unter § 2 können z.B. fallen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die den Strom 4 selbst erzeugen, das gesamte Immobiliengewerbe einschließlich der Immobilienmakler, der Bauträger und der gewerbsmäßigen Grundstückshändler 8 , weiter das gesamte Hotelgewerbe (soweit auf es nicht schon § 1 anwendbar ist), die Unternehmen der Körper- und Gesundheitspflege einschließlich der Sanatorien, die Bestattungsunternehmen, alle beratenden Berufe (mit Ausnahme der herkömmlichen Freiberufler) wie z.B. Unternehmensberater, Wirtschaftstreuhänder, Bücherrevisoren, Anlagenberater und Datenfernverarbeitungsunternehmen, ebenso Werbeagenturen und Finanzmakler, Detektivinstitute und Inkassobüros, das Bewachungsgewerbe, alle Privatschulen einschließlich z.B. der Fahrschulen, Ubersetzungsbüros, Theater und Kinos, das gesamte Reparaturgewerbe einschließlich chemischer Reinigungen 9 , Leasing- und Factoringunternehmen sowie schließlich Pfandleiher 10 , Buchmacher, Versteigerer 11 und Stellenvermittler 12 , soweit heute wieder erlaubt.
III. Eintragungsvoraussetzungen § 2 macht die Kaufmannseigenschaft im einzelnen von der Erfüllung der folgenden Voraussetzungen abhängig: 1. Es muß sich um ein Gewerbe handeln, das nicht schon unter § 1 Abs. 2 fällt (s. dazu die Erläuterungen zu § 1). 2. Das Gewerbe muß nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern (dazu u. Rdn. 6 ff). 3. Die Firma des Unternehmens muß in das Handelsregister eingetragen worden sein (dazu u. Rdn. 16 ff).
5
IV. Erforderlichkeit eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes 1. Geschichte Die Formulierung der §§ 2 und 4 beruht auf der Vorstellung der Gesetzesverfasser, daß 6 Art und U m f a n g des Unternehmens sowie die hierdurch bedingte Betriebsweise diejenigen Merkmale sind, die eine Ausdehnung des Kaufmannsbegriffs über § 1 Abs. 2 hinaus auf andere Unternehmen rechtfertigen. Anhaltspunkte hierfür sollen die Notwendigkeit einer kaufmännischen Buchführung, die Verwendung einer Firma, die Art der Korrespondenz, der Kassenführung und der Zahlungsleistung sowie der Einsatz kaufmännisch geschulten Personals sein 13 .
S. dazu ο. § 1 Rdn. 44. S. insbes. Straube § 2 Rdn. 3. « K G J 26 A 209 ff. 9 L G Ravensburg B B 1971, Beil. 9, 1. 6
10
7
11
S. ο. § 1 Rdn. 53.
S. o. § 1 Rdn. 20. 12 K G R J A 9, 33 f. 13 Denkschrift S. 9 f; kritisch dazu z.B. Lastig S. 556 ff.
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2. Erforderlichkeit 7
Maßgebend ist allein die Erforderlichkeit eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs, so daß es nicht darauf ankommt, ob ein solcher Geschäftsbetrieb tatsächlich schon vorhanden ist oder nicht 14 . Sein Vorhandensein ist jedoch ein deutliches Indiz für die Erforderlichkeit eines kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetriebes und damit für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 1 5 . 3. Nach Art und Umfang
8
Die Erforderlichkeit beurteilt sich sowohl nach der Art als auch nach dem Umfang des Gewerbes. Erforderlichkeit nur in einer Hinsicht genügt nicht. Die abweichende Formulierung des § 4 („oder" statt „und") beruht allein auf der negativen Formulierung des § 4 im Gegensatz zu der positiven des § 2 1 6 . Der Sache nach ist damit freilich nur gesagt, daß ein Unternehmen nicht allein wegen hoher Umsätze oder wegen eines erheblichen Kapitaleinsatzes unter § 2 fällt, vielmehr muß zu diesen Merkmalen (dem Umfang) stets noch hinzukommen, daß nach der Art des Betriebes außerdem ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb erforderlich ist. Dahinter steht die Erfahrung, daß es auch Betriebe mit hohen Umsätzen oder mit großem Kapitaleinsatz gibt, die gleichwohl mit einer ganz einfachen Organisation auskommen, z.B. weil sich ihr Betrieb auf einige wenige Aufträge mit hohem Auftragswert beschränkt, weil der Betrieb im wesentlichen automatisiert ist oder weil er sich auf die Abwicklung einiger weniger, einfacher, immer wiederkehrender Geschäftsvorgänge beschränkt 17 .
9
Im Ergebnis ist somit maßgebend, ob es sich bei dem fraglichen Geschäft um einen ganz einfach strukturierten und leicht überschaubaren Betrieb handelt, für den eine kaufmännische Organisation nur eine unnötige und kostspielige Belastung wäre, oder ob es sich um einen Betrieb handelt, der aufgrund seiner Besonderheiten und der Eigenarten der betreffenden Branche nur noch mittels einer eigentlichen kaufmännischen Organisation, wozu vor allem eine ausgebaute kaufmännische Buchführung gehört, überschaubar und damit lenkbar bleibt. O b dies der Fall ist, ist in erster Linie eine Frage des Einzelfalles, wobei immer auf das Gesamtbild des Betriebes abzustellen ist.
9a
Mit von Fall zu Fall unterschiedlichem Gewicht ist hierbei namentlich auf die folgenden Merkmale zu achten: Größe des Umsatzes sowie Höhe und Zusammensetzung des eingesetzten Kapitals, Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Geschäftsbeziehungen und Geschäftsvorfälle, die Inanspruchnahme oder Gewährung von Kredit, die Beteiligung am Wechselverkehr sowie die Zahl der Mitarbeiter 18 . Daneben spielen noch eine Rolle die Struktur des Betriebes, die Funktionen der Mitarbeiter, die Größe des Geschäftslokals, der Gewerbeertrag, die Höhe der Steuern, die Lagerhaltung, Kalkulation und Werbung, die
Z.B. O G H SZ Bd. 45 (1972) Nr. 85, S. 355, 357; O L G Wien NZ 1974, 23 = HS 8013. 15 S. u. § 4 Rdn. 2 ff sowie z.B. BGH WM 1960, 935 = BB 1960, 917 = DB 1960, 1077; OLG Stuttgart OLGZ 1974, 132 f; OLG Oldenburg BB 1963,324. 16 S. u. $ 4 Rdn. 2 sowie z.B. RG JW 1908, 148, 149 Nr. 22; BayObLGZ 1932, 51; 1934, 33,34 f; KGJ 49, 94, 97 ff; NJW 1959, 1829, 1830 = BB 1959, 1007; OLG Hamm BB I960, 917; Schönle BB 1960, 1230. 14
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17
18
Z.B. RG (Fn. 16); BGH WM 1966, 194, 195; KGJ 27 A 60,63 f; 49, 94 ff; JW 1936,1684; NJW 1959, 1829 f; BayObLGZ 1932, 51, 53; 1934, 33, 34 f; O L G Celle BB 1963, 324; 1983, 658 und 659; MDR 1974, 235; OLG Karlsruhe BB 1963, 324; 1971 Beil. 9, 1; OLG Hamm OLGZ 1969, 131, 133; O L G Stuttgart OLGZ 1974, 132, 133; BB 1969 Beil. 10,1 f.; OGH (Fn. 14); EvBl. 1966 Nr. 163 = ÖJZ 1966, 208 = HS 5009. Vgl. insbes. Greitemann aaO (s. Schrifttum); GroschuffySl 1934, 3030 ff; K. Schmidt § 10 V 2a (S. 279 f.); Straube § 2 Rdn. 5.
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Erster Abschnitt. Kaufleute
Aufstellung von Bilanzen und Inventarverzeichnissen, Art und Aufbewahrung der Korrespondenz sowie die Zahl der Geschäftspartner, eben weil von allen diesen Faktoren im Einzelfall die Notwendigkeit einer kaufmännischen Organisation abhängen kann 19 . Die Voraussetzungen des § 2 sind hiernach um so eher zu bejahen, je größer die 1 0 Umsätze des Unternehmens sind. Umsätze in Millionenhöhe deuten zwar nicht mit Notwendigkeit (s. o. Rdn. 8), aber doch in aller Regel auf die Notwendigkeit einer kaufmännischen Organisation hin 20 . Dasselbe gilt, je verwickelter und vielgestaltiger die Geschäftstätigkeit des Betriebes ist. In besonderem Maße trifft das für sog. Mischbetriebe zu, die gleichzeitig in verschiedenen Geschäftszweigen tätig sind. Solche Mischbetriebe sind stets als ganzes auf die Erforderlichkeit einer kaufmännischen Organisation hin zu beurteilen, die hier wegen der Unterschiedlichkeit und Vielgestaltigkeit der Geschäftsvorfälle weit eher als bei anderen, einfacheren Betrieben zu bejahen ist. Hauptbeispiel ist das Zusammentreffen von Handwerk und Handel 2 1 . 4. Sonderfälle a) Betriebsspaltung. Im Falle der echten Betriebsspaltung ist häufig zweifelhaft, ob die 11 Besitzgesellschaft überhaupt noch ein Gewerbe betreibt, wenn man von der üblichen Gewerbedefinition des Handelsrechts ausgeht 22 . Die überwiegende Meinung setzt sich jedoch über diese Bedenken (wegen ihrer negativen Folgen für den Status der Besitzgesellschaft) meistens hinweg und bejaht deshalb häufig die Kaufmannseigenschaft der Besitzgesellschaft jedenfalls nach § 2, wenn ihre „gewerbliche" Tätigkeit den Einsatz kaufmännisch geschulten Personals und damit eine kaufmännische Buchführung und Organisation erfordert 23 . b) Saisonbetriebe. Bei Saisonbetrieben, z.B. in Fremdenverkehrsgebieten, kommt es für die Anwendung des § 2 auf den Umfang des Betriebs während der Saison an 24 . Sind
19 Vgl. insbes. R G J W 1908, 148 f N r . 22; B G H W M I960, 935 = B B 1960,917 = D B 1960, 1077; W M 1966, 194, 195; L M N r . 7 zu § 240 K O / S t S ; B a y O b L G Z 1932, 51; 1932, 262, 264 f; 1934, 33; 1984, 273 = N J W 1985, 982, 983; K G J 4 9 , 9 4 , 1 0 0 ; R J A 4,153, 157; H R R 1932 N r . 249; J W 1936, 1684; N J W 1959, 1829; O L G Karlsruhe B B 1975, 1364; O L G Frankfurt B B 1974, 1366 f; W M 1983, 222 = B B 1983, 335; O L G Celle B B 1963, 324; 1983, 658; 1983, 659; O L G H a m m O L G Z 1969, 131, 132; O L G Stuttgart B B 1965, 517; 1969, Beil. 10, 2 f; O L G Z 1974, 132 f; O L G Oldenburg B B 1963, 324; O L G Koblenz N J W - R R 1989, 420 = D B 1988, 2506; O G H SZ Bd. 45 (1972) N r . 85, S. 355, 357 f; O G H EvBl. 1966 N r . 163 = Ö J Z 1966, 208 = H S 5009; O L G Wien N Z 1969, 14 = H S 6016. 20 21
O L G Celle B B 1983, 658; 1983, 659. S. z.B. R G H R R 1932, N r . 218; K G J 31 A 139 ff; 49, 94 ff; J W 1926,2930; H R R 1932, N r . 249; B a y O b L G B B 1965, 517; O L G Stuttgart Rpfl.
22 23
24
1968, 154; B B 1969, Beil. 10, 2 f; O L G Celle Rpfl. 1981, 114; sowie zahlreiche L G e , s. B B 1962, 386; 1964, 1193-1195; 1969, Beil. 10, 2 f.; 1975, Beil. 12, 3 f; D B 1961, 637 usw.; z u m Teil abweichend B G H W M 1960, 935, 936; George B B 1965, 110. Wegen der Einzelheiten s. ο. § 1 Rdn. 11. B A G A P N r . 1 zu § 26 H G B = B B 1987, 2235 = N Z A 1988, 246; O L G München N J W 1988, 1036, 1037; L G Nürnberg/Fürth B B 1980, 1549; L G Heidelberg B B 1982, 142 m. Anm. Tbeil; Brandmüller BB 1976, 641; Baumbach/ Duden/Hopt § 2 Anm. IB; Hopt Z G R 1987, 145, 171 f; Staub/Hüffer § 17 Rdn. 20; Straube § 2 Rdn. 5; a.A. Gössner B B 1967, 1274; wohl auch B G H L M N r . 55 zu § 705 B G B (Bl. 2R) = N J W R R 1990, 798 = W M 1990, 586, 587; O L G H a m m N J W 1994, 392 = W M 1993, 1796 = B B 1993, 1615; Schlegelberger/K. Schmidt § 105 Rdn. 39; Staub/Ulmer § 105 Rdn. 26. S. schon ο. § 1 Rdn. 6.
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§2
Erstes Buch. Handelsstand
während der Saison nach A r t und U m f a n g des Betriebes die Voraussetzungen des § 2 erfüllt, so spielt es keine Rolle, o b der B e t r i e b außerhalb der Saison ganz oder im wesentlichen stilliegt 2 5 . 5. Beispiele 13
D i e Praxis stellt bei der A n w e n d u n g des § 2 ebenso wie bei § 4 durchweg ganz auf die U m s t ä n d e des Einzelfalles ab, so daß sich die einzelnen Entscheidungen kaum verallgemeinern lassen. E i n wirkliches Bild von der heutigen Praxis vermag daher nur ein U b e r b l i c k ü b e r eine R e i h e e x e m p l a r i s c h e r Fälle zu v e r m i t t e l n , in d e n e n die Voraussetzungen des § 2 bejaht oder verneint w o r d e n sind 2 6 .
14
a) § 2 ist z . B . bejaht (bzw. § 4 verneint) worden: Bei großen Gastwirtschaften mit U m s ä t z e n jenseits 300 oder 4 0 0 0 0 0 D M und mehreren Mitarbeitern 2 7 , bei einer Metzgerei mit Gastwirtschaft mit U m s ä t z e n von 6 0 0 . 0 0 0 , - D M und acht Mitarbeitern 2 8 , bei einer großen D i s k o t h e k mit hohen U m s ä t z e n 2 9 , bei einer bedeutenden Mehlgroßhandlung 3 0 , bei einer Bundeswehrkantine mit hohen U m s ä t z e n 3 1 , bei einem Steinbruch mit hohen U m s ä t z e n und mehreren Mitarbeitern 3 2 , bei einem Versteigerer mit hohen U m s ä t z e n 3 3 , bei bedeutenden Pfandleihern 3 4 , bei Bäckereien mit Lebensmittelabteilungen und bedeutenden U m s ä t z e n 3 5 , bei einem Optikermeister mit 170.000 D M U m s a t z und 2 . 0 0 0 K u n d e n wegen der komplizierten A b r e c h n u n g mit den Krankenkassen 3 6 , bei einer Molkerei mit U m s ä t z e n von 8 0 0 . 0 0 0 D M 3 7 , bei einer Kraftfahrzeugwerkstätte mit Tankstelle und Kraftfahrzeugverkauf 3 8 , bei einem Milchgeschäft mit 5 5 0 . 0 0 0 D M U m s a t z und zwei Mitarbeitern 3 9 , bei einem Schuhgeschäft mit Reparaturwerkstätte 4 0 , bei einem Maurerhandwerker mit h o h e m U m s a t z und zahlreichen Mitarbeitern, der zugleich Baustoffhandel betreibt 4 1 , bei einem Elektrogeschäft mit 2 3 0 . 0 0 0 , - D M U m s a t z 4 2 , bei einer großen Flaschnerei mit Einzelhandel 4 3 sowie bei umfangreichen Grundstückspekulationen 4 4 .
15
b) D i e Voraussetzungen des § 2 sind hingegen z.B. v e r n e i n t (bzw. § 4 bejaht) worden, und zwar z u m Teil t r o t z hoher U m s ä t z e durchweg mit der Begründung, es handele sich u m einfach strukturierte, ü b e r w i e g e n d handwerkliche B e t r i e b e o h n e k o m p l i z i e r t e Geschäftsvorfälle: bei Betriebs- und Bundeswehrkantinen 4 5 , bei einer ländlichen Brauerei
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29 30 31
32 33 34
O L G Schleswig BB 1965, 517; L G Lübeck BB 1964, 1192 f; AG Jever BB 1975, Beil. 12, 3. S. auch noch Staub!Brüggemann § 4 Rdn. 10,14. KG O L G E 3, 405; O L G Hamburg O L G E 9, 240; O L G Celle BB 1983, 659; O L G Schleswig BB 1965, 517; O L G Stuttgart BB 1965, 517; L G Lübeck BB 1964, 1192; L G Ravensburg BB 1964, 1193; A G Jever BB 1975, Beil. 12,3. L G Baden-Baden BB 1964, 1193; anders z.B. O L G Stuttgart B B 1969, Beil. 10, 2 f. B G H NJW 1982, 577. O L G Dresden O L G E 16, 77. L G Oldenburg BB 1969, Beil. 10, 3 f, str.; s. u. Rdn. 15. L G Hannover BB 1969, Beil. 10, 4. LG Aurich BB 1975, Beil. 12, 3. KG RJA 4, 153, 157 f; 11, 217, 219.
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» B G H WM 1960, 935; BayObLG BB 1965, 517; L G Schweinfurt BB 1964, 1194; L G Tübingen DB 1961, 673; anders z.B. LG Mönchengladbach BB 1969, Beil. 10, 2. 3 6 O L G Hamm O L G Z 1969, 131. 3 7 L G Kassel BB 1964, 1192. 3 8 L G Verden BB 1964, 1195. 3 9 L G Aachen BB 1965,517. 4 0 L G Oldenburg BB 1969, Beil. 12, 4 41 L G Darmstadt BB 1964, 1195. 4 2 AG Aschaffenburg BB 1965, 518. 4 3 L G Hechingen BB 1975, Beil. 12, 4. 4 4 O L G Hamburg O L G E 24, 110 f; KG O L G E 9, 238 f. 4 5 O L G Celle NJW 1963, 540; O L G München H R R 1938 Nr. 1345; KG N J W 1959, 1829 ff; s.o. Rdn. 14.
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§2
Erster Abschnitt. Kaufleute
mit Landwirtschaft 46 , bei einer ganz kleinen Parfumfabrik 47 , vor allem bei kleinen, zumal ländlich-lokalen Handwerksbetrieben, selbst wenn sie hohe Umsätze erzielen 48 , unter dieser Voraussetzung auch bei Tankstellen, Handelsvertretern und Großhändlern 49 , bei einer kleinen chemischen Reinigung 50 , bei einem kleinen Herrenkonfektionär mit nur einem Angestellten und niedrigen Umsätzen 51 , ebenso bei einer kleinen Fluggesellschaft, die nur über zwei Flugzeuge mit jeweils vier Sitzen verfügt 52 , schließlich bei kleinen Anlagegesellschaften53 sowie bei Buchmachern 54 .
V. Eintragung 1. Verpflichtung Die Kaufmannseigenschaft nach § 2 setzt die Eintragung des Gewerbetreibenden im 1 6 Handelsregister voraus, womit der Gesetzgeber für klare Verhältnisse sorgen wollte 55 . Sind die Voraussetzungen des § 2 erfüllt, so besteht nach S. 2 des § 2 i.d.R. eine Eintragungspflicht, deren Erfüllung nach § 14 erzwungen werden kann, während eine Zwangseintragung von Gewerbetreibenden dem deutschen Recht unbekannt ist. Der Eintragungspflicht entspricht ein Recht des Gewerbetreibenden auf seine Eintragung im Handelsregister 56 . Ausnahmen von der Eintragungspflicht folgen für bestimmte Unternehmen aus den §§ 3 und 36 sowie aus Art. 5 E G H G B . 2. Wirkungen Die Eintragung im Handelsregister hat im Falle des § 2 konstitutive Bedeutung. Der 1 7 Gewerbetreibende gilt daher erst ab Eintragung (nicht ab Bekanntmachung) als Kaufmann, vorher jedoch nicht 57 . Es gibt jedoch Ausnahmen. Eine wichtige Vorwirkung enthält zunächst § 262. Weitere Vorwirkungen können sich aus den Rechtsgrundsätzen über den sog. Scheinkaufmann ergeben, wenn der Gewerbetreibende bereits vor seiner Eintragung im Handelsverkehr als Kaufmann auftritt 58 . Noch weiter geht heute das Arbeitsrecht: Hier kann sich inzwischen ein Gewerbetreibender bei einem Verstoß gegen die Eintragungspflicht gegenüber seinen Mitarbeitern generell nicht mehr auf das Fehlen seiner Kaufmannseigenschaft berufen; vielmehr sind auch schon vor seiner Eintragung im Handelsregister auf die Beziehungen zu seinen Mitarbeitern die §§ 74 ff anwendbar 59 .
B G H WM 1966, 194 f. BayObLGZ 1911,267, 271 4 8 O L G Stuttgart BB 1969, Beil. 10, 2 f; Rpfl. 1968, 145; O L G Z 1974, 132,134; O L G Celle BB 1975, Beil. 12, 4 f = Rpfl. 1974, 19 = MDR 1974, 235; Rpfl. 1981,144; L G Verden BB 1975, Beil. 12, 3 f. 4 9 KG J W 1936, 1684 Nr. 20; O L G Karlsruhe BB 1963, 324; 1971, Beil. 9 , 1 . 5 0 L G Ravensburg BB 1971, Beil. 9, 1. 51 O G H EvBl. 1970 Nr. 165 = ÖJZ 1970, 271. " O G H SZ Bd. 43 (1970) Nr. 83, S. 315, 317. 5 3 L G Köln DB 1972, 1015 f; L G München I BB 1969, Beil. 10, 1 f. 46 47
55 56 57
58 59
BayObLGZ 1932, 262, 264 = J W 1933, 1032; anders z.B. AG Hamburg BB 1971, Beil. 9, 1 f; s. im übrigen noch u. 5 4 Rdn. 6. S. Denkschrift S. 9. LG Köln DB 1972, 1015. Z.B. BayObLGZ 1988, 344 = N J W - R R 1989, 421 = DB 1988, 2550; kritisch insbes. K. Schmidt § 10 V 2b (S. 280). S. u. § 5 Rdn. 14 ff. B A G E 19, 267, 271 f = BB 1967, 714; anders früher R A G E 18, 345, 348; für eine Verallgemeinerung dieses Ansatzes K. Schmidt (o. Fn. 57).
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Erstes Buch. Handelsstand
§3 3. Zeitpunkt 18
Die Voraussetzungen des § 2 müssen grundsätzlich in dem Zeitpunkt erfüllt sein, in dem das Registergericht über die Eintragung des Gewerbetreibenden ins Handelsregister entscheidet 60 . Wenn in diesem Augenblick noch kein Großbetrieb im Sinne der §§ 2 und 4 vorliegt, scheidet eine Eintragung aus, selbst wenn die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß sich der Betrieb in Zukunft in einen Großbetrieb verwandeln wird 61 . Eine Ausnahme gilt nur für solche Unternehmen, die von vornherein auf einen vollkaufmännischen Betrieb angelegt sind und deren baldige Entfaltung zu einem Großbetrieb bevorsteht, vorausgesetzt, daß schon im Augenblick der Anmeldung zuverlässige und greifbare Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen 62 . 4. Dauer
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Von der Eintragung an gilt der Gewerbetreibende als Kaufmann, solange er nur überhaupt ein Gewerbe betreibt (§ 5). Seine Kaufmannseigenschaft endet hingegen, wenn er seinen Gewerbebetrieb aufgibt 63 . Dasselbe gilt, wenn seine Firma, wenn auch möglicherweise zu Unrecht, im Handelsregister gelöscht wird 64 . Die Löschung ist dann jedoch, sofern sie sachlich unrichtig ist, von Amts wegen durch Wiedereintragung der Firma zu berichtigen 65 .
§3 (1) Auf den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft finden die Vorschriften des § 1 keine Anwendung. (2) Für ein land- oder forstwirtschaftliches Unternehmen gilt § 2 mit der Maßgabe, daß der Unternehmer berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, die Eintragung in das Handelsregister herbeizuführen. Ist die E i n t r a g u n g erfolgt, so findet eine Löschung der Firma nur nach den allgemeinen Vorschriften statt, welche für die Löschung kaufmännischer Firmen gelten. (3) Ist mit dem Betrieb der Land- oder Forstwirtschaft ein Unternehmen verbunden, das nur ein Nebengewerbe des land- oder forstwirtschaftlichen Unternehmens darstellt, so finden auf das im Nebengewerbe betriebene Unternehmen die Vorschriften der Absätze 1 und 2 entsprechende Anwendung. Schrifttum S. o. bei § 1 sowie P. Hoffmann Die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten, NJW 1976, 1297; ders. Die Reformbedürftigkeit des neuen § 3 HGB, NJW 1976, 1830; v. Olshausen Die Kaufmannseigenschaft der Land- und Forstwirte, ZHR Bd. 141 (1977), 93; Raisch Vereinigungen zum Betrieb landwirtschaftlicher Unternehmen auch in Rechtsform der BGHZ 10, 91, 96; BayObLGZ 1932, 51, 53; 1984, 273 = NJW 1985, 982 = BB 1985, 78; KGJ 33 A 114, 116; LG Köln DB 1972, 1015. 61 RG JW 1908, 148, 149; BayObLGZ 1984, 273, 277 = NJW 1985, 982, 983 = BB 1985, 78; LG Köln DB 1972, 1015; OGH SZ Bd. 43 (1970) Nr. 83, S. 315, 316; Bd. 45 (1972) Nr. 85, S. 355, 357; OLG Wien HS 5010. 62 S.u. § 123 Rdn. 14 sowie BGHZ 10, 91, 96; 32, 307, 311; KG OLGE 43, 203; KGJ 33 A 114, 60
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116 f; BayObLG (vorige Fn.); LG Verden BB 1964, 1195; LG Köln DB 1972,1015; OGH (Fn. 61); EvBl. 1970 Nr. 346; OLG Wien NZ 1973, 90 = HS 8014; NZ 1974, 23 = HS 8015. 63 S. u. § 5 Rdn. 5. 64 Eingehend Staub/Brüggemann § 2 Rdn. 21 ff; so wohl auch RGZ 65, 14, 16; a.A. z.B. Denkschrift S. 16; str. 65 § 142 FGG; KGJ 28 A 42; RJA 11, 216 f.
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Erster Abschnitt. Kaufleute
§3
O H G oder der KG, BB 1969, 1361; ders. Handelsgesellschaft auf Einlagen, FS Knur, 1972, S. 165; ders. Bedeutung und Wandlung des Kaufmannsbegriffs, FS Ballerstedt, 1975, S. 443; Storm Zum Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Fortswirten, AgrarR 1976, 188; ders. Agrarhandelsrecht und Höferecht, AgrarR 1977, 73; K. Schmidt Handelsrecht, § 10 VI. Übersicht
I. Geschichte II. Hauptbetrieb (§ 3 Abs. 1 und 2) 1. Landwirtschaft a) Begriff b) Ausnahmen c) Insbesondere Gärtnereien 2. Forstwirtschaft 3. Kein Grundhandelsgewerbe 4. Kannkaufleute a) Voraussetzungen b) Wahlrecht
Rdn. 1 3 3 3 5 6 7 8 9 10 11
5. Bindung an die Wahl a) Löschung b) Rechtsnachfolger III. Nebenbetrieb (§ 3 Abs. 3) 1. Begriff a) Merkmale b) Verselbständigung c) Identität des Inhabers 2. Beispiele 3. Ausnahmen 4. Rechtliche Behandlung
Rdn. 13 14 16 17 17 17 18 19 20 22 23
I. Geschichte Das alte A D H G B enthielt keine Sondervorschriften über die Landwirtschaft. Die 1 Folge war, daß landwirtschaftliche Betriebe im Einzelfall durchaus unter eines der G r u n d handelsgewerbe des § 1 Abs. 2 fallen und dadurch die Kaufmannseigenschaft erlangen konnten. Weil dies von den Vertretern der Landwirtschaft indessen als unangemessen angesehen wurde, entschloß man sich 1897, bei der Neuregelung die Landwirtschaft ganz aus dem Handelsrecht herauszunehmen 1 . Lediglich f ü r die landwirtschaftlichen Nebenbetriebe wurde eine beschränkte Ausnahme durch die Einführung der eigenartigen Zwitterform des Kannkaufmanns zugelassen. In dieser F o r m gilt § 3 heute noch in Osterreich, so daß dort Land- und Forstwirte in keinem Fall die Kaufmannseigenschaft f ü r ihren Hauptbetrieb (wohl aber für ihre Nebenbetriebe) erwerben können. Die frühere Regelung hatte u.a. die nachteilige Folge, daß der Land- und Forstwirt- 2 schaft f ü r ihre Hauptbetriebe die Personenhandelsgesellschaften und insbesondere die G m b H und Co. K G verschlossen waren. Deshalb wurde 1976 durch das Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten 2 § 3 dahingehend geändert, daß sich jetzt Land- und Forstwirte mit ihrem Hauptbetrieb ebenso wie schon immer mit ihren Nebenbetrieben ins Handelsregister eintragen lassen können 3 . Land- und Forstwirte sind somit jetzt sog. „Kannkaufleute". O b freilich das hierin liegende Privileg heute noch sachlich begründet ist, darf man füglich bezweifeln.
II. Hauptbetrieb (§ 3 Abs. 1 und 2) 1. Landwirtschaft a) Begriff. Unter Landwirtschaft wird in § 3 jede wirtschaftliche Tätigkeit verstanden, 3 die die Erzeugung pflanzlicher und tierischer Rohstoffe auf eigenem oder gepachteten Boden zum Gegenstand hat und sich zu diesem Zweck mit der Bearbeitung des Bodens oder der Pflege von Tieren befaßt, und zwar einschließlich der Verwertung der so gewon1 § 3 a.F.; dazu eingehend Denkschrift S. 14 ff; Raiscb Geschichtliche Voraussetzungen, S. 220 ff; K. Schmidt § 10 VI le (S. 282).
2 3
BGBl. I, S. 1197. Vgl. dazu die Begr. zum RegE, BT-Dr. 7/3918.
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§3
Erstes Buch. Handelsstand
nenen Rohstoffe 4 . Entscheidende Merkmale sind folglich die B o d e n n u t z u n g sowie die G e w i n n u n g u n d V e r w e r t u n g pflanzlicher u n d tierischer R o h s t o f f e . Keine Rolle spielt hingegen, in wessen Eigentum der Boden steht; auch der Pächter ist Landwirt. 3a
Z u r Landwirtschaft gehören folglich der Anbau von Feldfrüchten sowie von O b s t , Gemüse, Tabak und Wein 5 , weiter jede F o r m der Viehzucht, sofern dazu auch selbst angebaute landwirtschaftliche P r o d u k t e verwandt werden, die Milchwirtschaft und die Imkerei. Unter den genannten Voraussetzungen steht auch der Ankauf von Tieren der Annahme von Landwirtschaft nicht entgegen, sofern er nur z u m Zweck der A u f z u c h t der Tiere auf eigenem B o d e n erfolgt 6 .
4
Unerheblich ist daher, o b es sich u m E r z e u g e r - oder Bearbeiterbetriebe handelt; entscheidend ist vielmehr immer nur die eigene Bodennutzung. D i e Weiterverarbeitung der selbstgewonnenen Rohstoffe, z.B. die Verarbeitung von Milch zu Butter oder von Getreide zu Mehl, stehen folglich in keinem Fall der Annahme von Landwirtschaft entgegen.
5
b ) A u s n a h m e n . Keine Landwirtschaft liegt vor, wenn die Bodennutzung fehlt oder d o c h ganz in den Hintergrund tritt 7 . Eine Molkerei, die nur von Erzeugern angekaufte Produkte verarbeitet, gehört daher ebensowenig zur Landwirtschaft wie ein Unternehmer, der Schlachtvieh mit Futter mästet, das er auf dem Markt kauft. Keine Landwirtschaft ist außerdem, mangels Bodennutzung, die gesamte Fischwirtschaft. Dasselbe gilt für die H u n d e - und Vogelzucht sowie f ü r die (ausschließliche) Gewinnung anorganischer B o d e n b e s t a n d t e i l e wie Kies, L e h m oder Sand. Solche Betriebe können lediglich Nebenbetriebe zu einer Landwirtschaft bilden (u. R d n . 19 ff).
6
c) I n s b e s o n d e r e G ä r t n e r e i e n . Bei Gärtnereien k o m m t es nach dem Gesagten (o. Rdn. 3 f) darauf an, ob in dem Betrieb der eigene Anbau und damit die U r p r o d u k t i o n im Vordergrund stehen oder o b sich der Betrieb überwiegend mit dem Handel pflanzlicher Produkte befaßt, die von anderen angeschafft und sodann weiterveräußert werden (dann § 1 A b s . 2 Nr. I) 8 . E b e n s o zu behandeln sind Friedhofsgärtnereien; bei ihnen k o m m t es mithin darauf an, o b nach dem Gesamtbild des Betriebs die Pflanzenzucht oder die Betreuung der Gräber überwiegt 9 .
2. Forstwirtschaft 7
Unter Forstwirtschaft versteht man üblicherweise die wirtschaftliche, auf die Gewinnung und Erhaltung von Wäldern und deren A u s n u t z u n g gerichtete Tätigkeit 1 0 . D a s Schwergewicht muß dabei auf der wirtschaftlichen N u t z u n g des Waldes durch den Verkauf von H o l z liegen 1 1 . Z u r F o r s t w i r t s c h a f t zählen i n s b e s o n d e r e auch die Baumschulen. 4
5 6 7 8
KG OLGE 3, 402 = RJA 2, 134, 136 = KGJ 22 A 82; Κ. Schmidt § 10 VI 2a (S. 283 f); Straube § 3 Rdn. 6 - 8. RGZ 130, 233, 234. OLG Wien EvBl. 1948 Nr. 705 = ÖJZ 1948, 425. Vgl. KG RJA 4, 149 ff. Zust. BayObLGZ 1991, 191 = NJW-RR 1991, 1382, 1385; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1125, 1126 f; ebenso OLG Kiel O L G E 21, 366; OLG Hamm JW 1932, 1076 f m. Nachw; RdL 1965, 204; O G H EvBI. 1954 Nr. 278 = ÖJZ
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1954, 399; wohl auch RG JW 1930, 829 f m. Anm. Bondi; Schlegelberger/Hildebrandt § 3 Rdn. 6; K. Schmidt § 10 VI 2b; Straube § 3 Rdn. 6; anders insbes. RAGE 2, 256, 257 m. Anm. Richter und Rohmer JW 1928, 803 ff; Staub/ Brüggemann § 3 Rdn. 6. 9 öVwGH HS 1002. 10 S. Baumbach/Duden/Hopt § 3 Anm. 1 C; Staub/ Brüggemann § 3 Rdn. 7. 11 K. Schmidt § 10 VI 2a (S. 284); Straube § 3 Rdn. 9.
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§3
Erster Abschnitt. Kaufleute 3. Kein G r u n d h a n d e l s g e w e r b e
N a c h § 3 Abs. 1 findet § 1 auf den Betrieb der L a n d - und Forstwirtschaft keine Anwendung. M i t dieser (mißverständlichen) Formulierung wollte der Gesetzgeber ledig-
8
lich z u m Ausdruck bringen, daß die L a n d - und Forstwirtschaft in keinem Fall zu den Grundhandelsgewerben des § 1 Abs. 2 gehört, selbst wenn im Einzelfall die Voraussetzungen einer der N r n . des § 1 A b s . 2 erfüllt sein sollten. Eine weitergehende Aussage darf dem § 3 Abs. 1 nicht e n t n o m m e n werden 1 2 . 4. K a n n k a u f l e u t e U n t e r den Voraussetzungen des § 2 sind L a n d - und Forstwirte b e r e c h t i g t , nicht j e d o c h verpflichtet, ihre Eintragung im Handelsregister herbeizuführen (§ 3 Abs. 2 S. 1), w o d u r c h sie nach § 1 Abs. 1 die Kaufmannseigenschaft erwerben. Solange dies jedoch nicht geschehen ist, leben die L a n d - und Forstwirte allein nach Bürgerlichem R e c h t , so daß ein Zusammenschluß von ihnen nur in der R e c h t s f o r m einer B G B - G e s e l l s c h a f t (oder einer G m b H ) möglich ist 1 3 .
9
a) V o r a u s s e t z u n g e n . Erste Voraussetzung des Wahlrechts ist, daß es sich u m einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb handelt, der nach A r t und U m f a n g einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert 1 4 . Wie bei § 2 k o m m t es hierfür in erster Linie darauf an, o b der fragliche Betrieb nach seinem Gesamtbild so umfangreich und so kompliziert ist, daß er sinnvollerweise o h n e eine kaufmännische Organisation und insbesondere o h n e voll ausgebaute kaufmännische B u c h f ü h r u n g nicht mehr a u s k o m men kann 1 5 .
10
b) W a h l r e c h t , aa) Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist der Inhaber des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes berechtigt, aber nicht verpflichtet, seine Eintragung im Handelsregister herbeizuführen. D e r E r w e r b der Kaufmannseigenschaft setzt hier folglich zusätzlich einen auf dieses Ziel gerichteten Entschluß des Betriebsinhabers voraus, der seinen äußerlichen Ausdruck in der A n m e l d u n g des Betriebs z u m Handelsregister findet. Dieser E n t s c h l u ß ist bis zur Eintragung des Inhabers durch R ü c k n a h m e der Anmeldung widerruflich 1 6 . Wird der Betrieb von mehreren in der R e c h t s f o r m einer B G B - G e s e l l s c h a f t geführt, so m u ß der entsprechende B e s c h l u ß von allen Gesellschaftern gefaßt werden; Mehrheitsentscheidungen scheiden hier nach dem Sinn des § 3 Abs. 2 aus.
11
b b ) Betreibt der L a n d - oder F o r s t w i r t zugleich einen N e b e n b e t r i e b im Sinne des § 3 A b s . 3, so hat er das Wahlrecht g e s o n d e r t für den H a u p t - und für den N e b e n b e t r i e b . E r ist nicht gezwungen, zusammen mit dem Hauptbetrieb den N e b e n b e t r i e b eintragen zu lassen 1 7 .
12
12
13
Vgl. hierzu im einzelnen Staub/Brüggemann § 3 Rdn. 13; P. Hoffmann NJW 1976, 1297, 1298 f; 1976, 1830; v. Olshausen ZHR 141, 93, 98 ff; s. auch schon ο. § 1 Rdn. 6. BayObLGZ 1991, 191 = NJW-RR 1991, 1382, 1385.
§ 3 Abs. 2 in Verb, mit § 2 S. 1; vgl. im einzelnen o. § 2 Rdn. 6 ff. '5 BGH WM 1966, 194 f. 16 v. Olshausen ZHR 141, 93, 102 ff, auch zur Behandlung von Willensmängeln. 17 Staub/Brüggemann § 1 Rdn. 17. 14
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109
§3
Erstes Buch. Handelsstand 5. Bindung an die Wahl
13
Nach § 3 Abs. 2 S. 2 findet eine Löschung der Firma, sobald die Eintragung einmal erfolgt ist, nur noch nach den allgemeinen Vorschriften statt, die für die Löschung kaufmännischer Firmen gelten. Der Land- oder Forstwirt gilt m.a.W. von seiner Eintragung im Handelsregister ab in jeder Hinsicht als Kaufmann. Sein Wahlrecht ist damit erloschen; er ist vielmehr an die einmal getroffene Wahl gebunden. Dies bedeutet im einzelnen: a) Löschung.
14
aa) Wenn der Land- oder Forstwirt mit Haupt- und Nebenbetrieb eingetragen ist, müssen die Voraussetzungen für eine etwaige Löschung der Firma im Handelsregister für Haupt- und Nebenbetrieb selbständig beurteilt werden 18 . Sinkt z.B. nur der Nebenbetrieb auf das Niveau eines Kleingewerbes herab oder wird er eingestellt, so ist nur der Nebenbetrieb, nicht hingegen der Hauptbetrieb im Handelsregister zu löschen.
15
bb) Wird die Firma zu Unrecht im Handelsregister gelöscht, so verliert der eingetragene Land- oder Forstwirt seine Kaufmannseigenschaft 19 . Für den Land- oder Forstwirt besteht dann keine Verpflichtung mehr, seine Wiedereintragung zu betreiben, nachdem einmal seine Kaufmannseigenschaft erloschen ist (§ 3 Abs. 2 S. 1). Sobald jedoch die zu Unrecht erfolgte Löschung von Amts wegen rückgängig gemacht worden ist, erlangt der Landwirt auch seine Kaufmannseigenschaft wieder 20 .
16
b) Rechtsnachfolger. Dem Rechtsnachfolger des eingetragenen Land- oder Forstwirts steht das Wahlrecht nicht erneut zu 21 . Entscheidend ist vielmehr allein, ob er die von seinem Rechtsvorgänger angenommene Firma fortführt oder nicht. Bei Fortführung der Firma ist er wie sein Rechtsvorgänger an die damit getroffene Wahl gebunden. Wenn er hingegen die Firma nicht übernimmt, so daß sie erlischt, wird er wieder zum Nichtkaufmann mit der Folge, daß das Wahlrecht des § 3 Abs. 2 jetzt wieder auflebt. Dasselbe gilt, wenn sich ein eingetragener und ein nicht eingetragener Land- oder Forstwirt zu einer neuen Gesellschaft zusammenschließen oder wenn der eingetragene Betriebe unter Lebenden oder von Todes wegen an einen anderen, nicht eingetragenen Land- oder Forstwirt übergeht, der beide Betriebe vereinigt 22 . III. N e b e n b e t r i e b (§ 3 A b s . 3). 1. Begriff
17
a) Merkmale. Ein land- oder forstwirtschaftlicher Nebenbetrieb liegt vor, wenn der Unternehmer neben seinem (land- oder forstwirtschaftlichen) Hauptbetrieb einen weiteren Betrieb führt, der folgende Merkmale aufweist: Der Nebenbetrieb muß vom Hauptbetrieb organisatorisch getrennt und in diesem Sinne selbständig sein. Er muß jedoch mit dem Hauptbetrieb innerlich verbunden und von diesem in dem Sinne abhängig sein, daß
S. im einzelnen Staub!Brüggemann § 3 Rdn. 25. S. o. § 2 Rdn. 19; str. μ Κ. Schmidt § 10 VI 2d (S. 285). 21 Anders z.B. Baumbach/Duden/Hopt § 3 Anm. 1 Β und 2 C; Ehrenberg Bd. II, 63; dagegen zutr. 18
19
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22
Staub/Brüggemann § 3 Rdn. 26 - 31; v. Ophausen Z H R 141, 93, 118 ff; K. Schmidt § 10 VI 2d (S. 285 f). K. Schmidt (Fn. 21).
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§3
Erster Abschnitt. Kaufleute
er auf dem Hauptbetrieb beruht, eine Verwertung der Erzeugnisse des Hauptbetriebes ermöglicht oder den Hauptbetrieb in anderer Weise fördert. Schließlich müssen Hauptund Nebenbetrieb denselben Inhaber (nicht notwendig denselben Eigentümer) haben 2 3 . b) Verselbständigung. An der notwendigen organisatorischen Verselbständigung des Nebenbetriebs fehlt es bei bloßen Verkaufsstellen für den Hauptbetrieb; dasselbe gilt für dem Hauptbetrieb eingegliederte Produktionsanlagen zur Verwertung der im Hauptbetrieb gewonnenen Rohstoffe 2 4 . Ein Nebenbetrieb kann vielmehr nur angenommen werden, wenn dieser über eine gesonderte Betriebsstätte und i.d.R. auch über gesondertes Personal verfügt 2 5 .
18
c) Identität des Inhabers. Inhaber von Haupt- und Nebenbetrieb müssen identisch 1 9 sein. Wird der Hauptbetrieb von einer Personenmehrheit betrieben, so dürfen daher auch an dem Nebenbetrieb nur diese (nicht notwendig alle) Personen beteiligt sein 2 6 . Nicht notwendig ist hingegen, daß die Rechtsposition des Land- oder Forstwirts hinsichtlich des Haupt- und des Nebenbetriebs dieselbe ist; ein Nebenbetrieb liegt vielmehr auch vor, wenn er den Hauptbetrieb z.B. nur gepachtet hat, aber Eigentümer des Nebenbetriebes ist 27 . Ebensowenig ist es erforderlich, daß Haupt- und Nebenbetrieb von denselben Personen in derselben Rechtsform betrieben werden; dem steht schon der Umstand entgegen, daß sie ihr Wahlrecht für Haupt- und Nebenbetrieb gesondert ausüben können. Lassen sie z.B. nur den Nebenbetrieb im Handelsregister eintragen, so liegt hinsichtlich des Hauptbetriebes eine BGB-Gesellschaft, hinsichtlich des Nebenbetriebs dagegen eine O H G oder K G vor. An der Annahme eines Nebenbetriebs ändert dies nichts 28 . 2. Beispiele Im wesentlichen kommen zwei verschiedene Gruppen von Nebenbetrieben in 2 0 Betracht. Die erste Gruppe bilden diejenigen Betriebe, die die Produkte des Hauptbetriebes weiterverarbeiten. Beispiele sind Brauereien 29 , die Gewinnung von Tafelwasser 30 , Gerbereien 3 1 , Schlächtereien und Fleischfabriken 3 2 sowie Brennereien, Mühlen und Geflügelzuchtbetriebe. Die zweite Gruppe umfaßt hingegen solche Betriebe, die anorganische Bodenbestandteile wie Sand, Kies oder Ton gewinnen. Beispiele sind Ziegeleien 33 , Sandgruben, Steinbrüche und Zementfabriken. Voraussetzung für die Anwendung des § 3 Abs. 3 ist in beiden Fällen, daß der 2 1 Nebenbetrieb im wesentlichen auf dem Hauptbetrieb beruht. Daran fehlt es, wenn er ausschließlich oder doch überwiegend von dritter Seite bezogene Rohstoffe verarbeitet 34 " V g l . insbes. R G Z 130, 233, 234 f; B a y O b L G Z 1904, 343, 345 = O L G E 7, 380; K G J 22 A 82 = RJA 2, 134, 136 ff = O L G E 3, 402; K G J 24 A 63, 65 ff = RJA 3, 74; K G R J A 4, 149, 150 f; ö V w G H H S 1022; Staub/Brüggemann § 3 Rdn. 8 ff; Schlegelberger/Hildebrandt § 3 Rdn. 11 ff; K. Schmidt § 10 VI 3 (S. 286 ff.); Straube § 3 Rdn. 11 - 17. 2 4 K G J 22 A 162 = RJA 2, 134 = O L G E 3, 402. 25 Staub/Brüggemann § 3 Rdn. 11. 2 6 Vgl. Staub/Brüggemann § 3 Rdn. 10; K. Schmidt § 10 VI 3a, cc (S. 288); anders KGJ 24 A 63, 66 f = RJA 3, 74 für eine Beteiligung Dritter an dem Nebenbetrieb.
K. Schmidt § 10 VI 3a (S. 288). K. Schmidt (vorige Fußn.). 2 9 B G H WM 1966, 194, 195; B a y O b L G Z 1904, 343, 344. 3 0 O G H H S 7015. 31 ÖVwGH H S 1022. 32 O L G Königsberg JW 1932, 1077 Nr. 21; a.A. O L G Dresden JW 1932, 1074 f; s. u. Rdn. 20. 33 K G J 22 A 82 = RJA 2, 134; K G J 24 A 63 = RJA 3, 74; R J A 4, 149; O L G E 6, 233 f. 34 K G RJA 4, 149, 151 f; B a y O b L G Z 1904, 343, 345. 27 28
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§4
Erstes Buch. Handelsstand
oder wenn in den Produktionsvorgang dritte U n t e r n e h m e n eingeschaltet w e r d e n 3 5 . Keine R o l l e spielen hingegen G r ö ß e und U m f a n g des Nebenbetriebs. Selbst wenn die U m s ä t z e des N e b e n b e t r i e b s die des Hauptbetriebs bei weitem übertreffen, bleibt doch § 3 Abs. 3 anwendbar 3 6 . 3. A u s n a h m e n 22
Kein N e b e n b e t r i e b liegt vor, wenn sich der Betrieb gegenüber der L a n d - oder Forstwirtschaft v o l l k o m m e n verselbständigt hat, wenn z.B. überwiegend mit fremden Produkten gehandelt wird oder wenn der Gegenstand des N e b e n b e t r i e b s keine Beziehung zu dem landwirtschaftlichen Hauptbetrieb aufweist. So verhält es sich etwa, wenn sich ein Weinbauer gleichzeitig als Weinkommissionär betätigt 3 7 , wenn ein Landwirt in g r o ß e m U m f a n g Vieh schlachtet und Fleisch verkauft 3 8 oder wenn ein G ä r t n e r gleichzeitig einen schwunghaften G r o ß h a n d e l mit Schnittblumen betreibt 3 9 . Weitere hierher gehörende Beispiele sind größere M ö b e l - oder Kleiderfabriken, selbst wenn sie im Hauptbetrieb gewonnene R o h s t o f f e verarbeiten 4 0 , ein großer Restaurant- und Pensionbetrieb mit angeschlossenem Campingplatz im Verhältnis zu einer Landwirtschaft 4 1 sowie eine gewerbliche Schottergewinnung im Verhältnis zu einer Forstwirtschaft 4 2 . 4. Rechtliche B e h a n d l u n g
23
N a c h § 3 Abs. 3 gelten für N e b e n b e t r i e b e die A b s . 1 und 2 des § 3 entsprechend. Dies bedeutet zunächst, daß der N e b e n b e t r i e b selbst dann kein Grundhandelsgewerbe darstellt, wenn er an sich unter eine der N r n . des § 1 Abs. 2 fällt (o. R d n . 8). U n a n w e n d b a r ist außerdem § 2, so daß hinsichtlich des N e b e n b e t r i e b s gleichfalls keine Eintragungspflicht besteht ohne R ü c k s i c h t darauf, o b der N e b e n b e t r i e b an sich nach A r t und U m f a n g einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert oder n i c h t 4 3 . D e r L a n d - oder F o r s t w i r t hat vielmehr auch hier das W a h l r e c h t des § 3 Abs. 2 S. 1 (o. R d n . 9 ff). E r ist m.a.W. berechtigt, aber nicht verpflichtet, den N e b e n b e t r i e b (allein oder zusammen mit dem Hauptbetrieb) z u m Handelsregister anzumelden. Sobald er aber d a r a u f h i n einmal ins Handelsregister mit dem N e b e n b e t r i e b eingetragen worden ist, gilt er insoweit in jeder Hinsicht als Kaufmann. A u ß e r d e m ist er jetzt gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 an die einmal getroffene Wahl gebunden (o. R d n . 13 ff).
§4 (1) Die Vorschriften über die F i r m e n , die H a n d e l s b ü c h e r u n d die P r o k u r a finden keine A n w e n d u n g a u f P e r s o n e n , deren Gewerbebetrieb n a c h A r t oder U m f a n g einen in k a u f m ä n n i s c h e r Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb n i c h t erfordert. (2) D u r c h eine Vereinigung z u m Betrieb eines Gewerbes, auf welches die bezeichneten Vorschriften keine A n w e n d u n g finden, k a n n eine offene Handelsgesellschaft oder eine K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t n i c h t b e g r ü n d e t werden.
öVwGH HS 1022. KG OLGE 3, 402, 403 f = KGJ 22A 82 = RJA 2, 134; OLGE 6, 233 f; BayObLGZ 1904, 343, 345. 37 RGZ 130, 233, 234 f. 38 OLG Dresden JW 1932, 1074 f. 35 3
112
» RG JW 1930, 829 f m. Anm. Bondi. 4 0 ÖVwGH HS 1022. « Straube § 3 Rdn. 16 m. Nachw. « ÖVwGH HS 6017. « S. dazu BGH WM 1966, 194, 195.
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§4
Erster Abschnitt. Kaufleute
Schrifttum S. o. bei § 2 sowie Borensiepen Der Minderkaufmann und sein Recht, 1905; Grünwald Rechtsfolgen des Erwerbs bzw. Verlusts der Vollkaufmannseigenschaft bei Personengesellschaften, GesRZ 1993, 132, 225; Hopt Handelsgesellschaften ohne Gewerbe- und Gewinnerzielungsabsicht? ZGR 1987, 145; Kasper Zur Prüfung der Handelsregisterfähigkeit bei Betriebsneugründungen, JB1. 1971,130; B. Kraus Fragen der Rechtsformverfehlung und des automatischen Rechtsformwechsels bei den Personengesellschaften, Diss. Bayreuth 1990; Lilie Die Rechtsstellung der Handwerker zum Handelsregister, ZHR 74 (1913), 252; Lotze Zur Begriffsbestimmung des Kleingewerbes, Gruchot 44 (1900), 404; Th. Raiser Das Unternehmen als Organisation, 1969; K. Schmidt Handelsrecht, § 10 VII; ders. Zum gesellschaftsrechtlichen Status der Besitzgesellschaft bei der Betriebsaufspaltung, Betrieb 1988, 897; ders. Das Verbot der „firmenähnlichen Geschäftsbezeichnung" DB 1987, 1181; G. Chr. Schwarz Publizitätswirkungen des Handelsregisters bei der Umwandlung einer Personenhandelsgesellschaft in eine BGB-Gesellschaft, Betrieb 1989, 161; Xanke Die rechtliche Stellung des Handwerkers zu Handelsregister und Handelsgesetzbuch, ZHR 104 (1937), 187; Zwernemann Der Name der BGB-Gesellschaft, BB 1987, 774. Übersicht I. Geschichte und Zweck I I . Voraussetzungen 1.Parallele zu § 2 H G B
Rdn. 1 2 2
Rdn. dd) Kritik d) Rechtsfolgen 2. Geschäftsveräußerung a) Bezeichnung
2. Erforderlichkeit nach Art und
15a 16 17 17
3
b) Haftung
18
3. Gesamtbetrachtung
5
3. Gesellschaften
21
4. Beispiele
6
a) N u r B G B - G e s e l l s c h a f t
21
7
b) Umwandlung
22
8
c) Rechtsfolgen
23
Umfang
I I I . Rechtsfolgen 1. Namensrecht a) Keine Firma
8
aa) Innenverhältnis
23
b) Zulässige Bezeichnungen
9
bb) Haftung
24
9
bb) Gesellschaften
11
a) Prokura
25
12
b) Handelsbücher
26
aa) Kein firmenmäßiger Gebrauch
12
c) Sonstige Fälle
27
bb) Einzelkaufleute
13
cc) Gesellschaften
15
c) Schranken
4. Sonstige Rechtsfolgen
25
aa) Einzelkaufleute
5. Anwendbare Vorschriften
28
I. Geschichte und Zweck § 4 gehört unmittelbar zu § 1, da das Gesetz hier lediglich die Konsequenzen aus dem 1 Umstand zieht, daß es bei den meisten Grundhandelsgewerben des § 1 Abs. 2 nicht auf die Größe des Betriebes ankommt, so daß danach selbst ausgesprochene Kleinbetriebe die Kaufmannseigenschaft erwerben können. Zahlreiche Vorschriften des H G B und anderer Gesetze sind jedoch, jedenfalls nach Meinung der Gesetzesverfasser, für solche Kleinbetriebe ungeeignet oder geradezu gefährlich. Deshalb unterscheidet § 4 (nur) innerhalb der Mußkaufleute des § 1 zwischen den sog. Vollkaufleuten, auf die das Handelsrecht uneingeschränkt Anwendung findet, und den sog. Minderkaufleuten des § 4, die zwar ebenfalls Kaufleute sind, für die jedoch bestimmte als gefährlich angesehene handelsrechtliche Vorschriften nicht gelten 1 .
1 S. K. Schmidt
§ 10 V I I l b .
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Erstes Buch. Handelsstand
§4 1a
§ 4 geht auf Art. 10 A D H G B zurück. Seine jetzige Fassung hat er erst durch das Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Handwerkern von 31.3.1953 2 erhalten. In Osterreich gilt hingegen noch die alte Fassung, nach der die in § 4 Abs. 1 genannten Vorschriften auf solche Personen keine Anwendung finden, deren Gewerbebetrieb nicht über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht. § 4 Abs. 3 ö H G B fügt hinzu, daß durch Rechtsverordnungen die Grenzen des Kleingewerbes näher festgesetzt werden können. Solche Verordnungen sind jedoch bisher nicht ergangen. Im übrigen wird § 4 in Osterreich in jeder Hinsicht ebenso wie in Deutschland ausgelegt, da der Begriff des Kleingewerbes in § 4 Abs. 1 ö H G B durch die Bezugnahme auf § 2 konkretisiert wird 3 .
II. Voraussetzungen 1. Parallele zu § 2 H G B 2
Minderkaufleute sind nach § 4 Abs. 1 alle Mußkaufleute im Sinne des § 1, deren Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, weil er nicht über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht (§ 4 Abs. 1 ö H G B ) . Oder anders gewendet: Mußkaufleute im Sinne des § 1 sind Vollkaufleute nur, wenn ihr Gewerbebetrieb sowohl nach seiner Art als auch nach seinem Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich macht. Hieran wird deutlich, daß § 4 „spiegelbildlich" dem § 2 entspricht 4 . Wegen der Einzelheiten kann daher auf die Ausführungen zu § 2 (Rdn. 6 ff) verwiesen werden. 2. Erforderlichkeit nach A r t und U m f a n g
3
a) Entscheidend ist die Erforderlichkeit eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes, nicht dessen Vorhandensein oder Fehlen. Das Vorhandensein eines solchen Geschäftsbetriebes ist freilich i.d.R. ein erhebliches Indiz für dessen Erforderlichkeit 5 .
4
b) Die Erforderlichkeit eines kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetriebes muß sowohl nach der A r t als auch nach dem U m f a n g des Grundhandelsgewerbes (§ 1 Abs. 2) gegeben sein. Erforderlichkeit nur in einer Hinsicht genügt nicht 6 . 3. Gesamtbetrachtung
5
O b nach Art und Umfang des Gewerbes eine kaufmännische Organisation erforderlich ist, kann nur aufgrund einer Gesamtbetrachtung des Betriebes anhand aller ihn kennzeichnenden Merkmale unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Betriebes und der Eigenarten der Branche beurteilt werden. In erster Linie kommt es hierbei darauf an, ob es sich um einen ganz einfach strukturierten und leicht überschaubaren Betrieb handelt, für den eine kaufmännische Organisation nur eine unnötige und kostspielige Belastung wäre, oder ob der Betrieb bereits so kompliziert, umfangreich und verwickelt ist, daß er nur aufgrund einer ausgebauten kaufmännischen Organisation überschaubar, lenkbar und planbar
2 3
BGBl. I S. 106 . Z.B. O G H EvBl. 1966 Nr. 163 = Ö J Z 1966, 208 = H S 5009; Straube § 4 Rdn. 4 ff m. Nachw.
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* S. o. § 2 Rdn. 8. S.o. § 2 Rdn. 7. 6 S.o. § 2 Rdn. 8.
5
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§4
Erster Abschnitt. Kaufleute
bleibt 7 . D i e s e Voraussetzungen müssen grundsätzlich im Augenblick der Eintragung erfüllt sein 8 .
4. Beispiele Als typische Beispiele für Minderkaufleute gelten kleine Einzelhändler und Gastwirte, kleine Frachtführer und K o m m i s s i o n ä r e sowie kleine Handelsvertreter, Handelsmakler
6
und Verlage 9 , während die Lebensmitteleinzelhändler heute meistens Vollkaufleute sind 1 0 . Schließlich werden auch die meisten kleinen Warenhandwerker i.d.R. unter § 4 fallen.
III. Rechtsfolgen N a c h § 4 Abs. 1 finden die Vorschriften über die Firmen (§§ 17 bis 37), über Handelsbücher (§§ 2 3 8 ff.) und über die P r o k u r a (§§ 48 bis 53) auf Minderkaufleute keine Anwendung. Dasselbe bestimmt § 351 für die Vorschriften der §§ 3 4 8 bis 350. A u ß e r d e m folgt n o c h aus § 4 Abs. 2, daß Zusammenschlüsse von Minderkaufleuten nicht in der R e c h t s f o r m einer O H G oder K G betrieben werden k ö n n e n . D a s bedeutet im einzelnen:
7
1. Namensrecht a) K e i n e F i r m a . D i e F i r m a ist der Handelsname des K a u f m a n n s 1 1 , mit dem er im Handelsregister eingetragen wird (s. § 29). Aus der U n a n w e n d b a r k e i t der firmenrechtlichen Vorschriften auf Minderkaufleute folgt daher (nur), daß ihnen das H a n d e l s r e g i s t e r v e r s p e r r t ist und daß sie keine Wahlnamen nach den § § 1 7 ff, dh keine F i r m a annehmen dürfen. Alle sonstigen Bezeichnungsmöglichkeiten stehen ihnen hingegen ebenso wie jedermann offen.
8
b) Zulässige B e z e i c h n u n g e n , aa) E i n z e l k a u f l e u t e . Minderkaufleute müssen sich grundsätzlich auch im Handelsverkehr zu ihrer Unterscheidung von anderen G e w e r b e treibenden, d.h. als N a m e n ihres b ü r g e r l i c h e n N a m e n s bedienen. G e m e i n t ist damit allein der Familienname, so daß es Minderkaufleuten frei steht, o b sie im Handelsverkehr ihrem ( F a m i l i e n - ) N a m e n n o c h einen Vornamen, ausgeschrieben oder abgekürzt, hinzufügen wollen oder nicht. Anders als Vollkaufleute ( § 1 8 A b s . 1) haben Minderkaufleute insoweit freie H a n d 1 2 .
9
Gewohnheitsrechtlich ist außerdem anerkannt, daß Minderkaufleute ebenso wie alle anderen Gewerbetreibenden beliebige sonstige G e s c h ä f t s b e z e i c h n u n g e n (i.S. des § 16 Abs. 1 U W G ) verwenden dürfen. M a n versteht darunter Bezeichnungen, die im Verkehr
10
n e b e n dem N a m e n zur Unterscheidung des Geschäfts von anderen (nicht hingegen zur Individualisierung dessen Inhabers) dienen. Derartige Geschäftsbezeichnungen sind seit jeher bei Gastwirtschaften, Hotels und A p o t h e k e n üblich, setzen sich jedoch neuerdings 7
8 9 10
Grdleg. BGH WM I960, 935 = BB 1960, 917; WM 1966, 194; LM Nr. 7 zu § 240 KO/StS; OGH EvBl. 1962 Nr. 289 = ÖJZ 1962, 352, 353; EvBl. 1966 Nr. 163 = ÖJZ 1966, 208 = HS 5009; Straube § 4 Rdn. 7 f.; s. o. § 2 Rdn. 9 ff m. Nachw. S.o. § 2 Rdn. 18. S.o. § 2 Rdn. 15. Staub/Brüggemann § 4 Rdn. 14; G. Meier DB
1977, 2315 f; K. Schmidt § 10 VII 2b (S. 291); Straube § 4 Rdn. 8. " § 1 7 ; s. u. § 17 Rdn. 4 ff. 12 KGJ 31 A 143, 145; 31 A 147, 151; 38 A 158, 159 f; RJA 10, 135, 136 f; OLGE 11, 380; 30, 314 f; JW 1934, 984; OLG Hamm BB 1969, Beil. 10, 6; Staub/Hüffer § 37 Rdn. 8 ff.; Κ. Schmidt § 10 VII 3a (S. 291 f).
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§4
Erstes Buch. Handelsstand
auch bei anderen Betrieben immer mehr durch und stehen daher (mangels Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1) Minderkaufleuten ebenso wie Vollkaufleuten zur Verfügung 1 3 . D e r Schutz dieser Bezeichnungen richtet sich dann nach den §§ 12 B G B , 16 U W G und 24 W Z G 1 4 . A n die Stelle des § 16 U W G tritt in Zukunft das Markenrechtsreformgesetz. 11
bb) Gesellschaften. D a s Gesagte gilt auch für Zusammenschlüsse von Minderkaufleuten, für die als Personengesellschaft nur die B G B - G e s e l l s c h a f t zur Verfügung steht 1 5 . Als Geschäftsname k o m m e n daher hier allein die N a m e n der Gesellschafter in Betracht (o. R d n . 9). Zulässig sind außerdem sonstige Geschäftbezeichnungen (o. R d n . 11). J e nach den U m s t ä n d e n des Einzelfalles k ö n n e n außerdem Bezeichnungen wie „A und B " oder „ G e b r ü d e r A " unbedenklich sein 1 6 .
12
c) S c h r a n k e n , aa) Kein f i r m e n m ä ß i g e r G e b r a u c h . In allen diesen Beziehungen (Rdn. 9 - 1 1 ) folgt jedoch, jedenfalls nach h.M., eine wichtige Schranke aus dem Zusammenhang der § § 4 , 17 und 37: Weder der N a m e des Minderkaufmanns noch seine sonstigen Geschäftsbezeichnungen dürfen „firmenmäßig", d.h. in einer Weise verwandt werden, die den E i n d r u c k einer (vollkaufmännischen) F i r m a erwecken kann 1 7 . D i e Grenzziehung ist freilich schwierig, die Praxis daher uneinheitlich.
13
bb) Einzelkaufleute. (1) Minderkaufleute als Einzelkaufleute dürfen ihren N a m e n nicht in einer Weise verwenden, die nach § 22 Vollkaufleuten vorbehalten ist. D a h e r gelten die nach § 2 2 im Falle der G e s c h ä f t s v e r ä u ß e r u n g m ö g l i c h e n I n h a b e r - o d e r N a c h f o l g e z u s ä t z e bei Minderkaufleuten i.d.R. als bedenklich, sofern dadurch eine Bezeichnung entsteht, die für das fragliche Geschäft auch von einem Vollkaufmann als Firma geführt werden k ö n n t e 1 8 . D i e Praxis ist j e d o c h nicht einheitlich, da in anderen Fällen Inhaber- oder N a c h f o l g e r z u s ä t z e gestattet w o r d e n sind 1 9 . R e i n e Phantasiebezeichnungen in Verbindung mit Inhaberzusätzen werden ebenfalls erlaubt 2 0 . Erlaubt ist Minderkaufleuten außerdem die Verwendung von D e c k - oder Künstlernamen zur Bezeichnung ihres Geschäfts 2 1 .
14
(2) Minderkaufleute dürfen nach h.M. außerdem keine sonstigen Geschäftsbezeichn u n g e n (o. R d n . 10) verwenden, die allein oder infolge ihrer Stellung in dem gesamten " Grdleg. KGJ 42, 161, 162 f „Palette"; JW 1934, 3272; OLG Karlsruhe BB 1978, 519 „Regionales Rechenzentrum";LG Berlin BB 1985, 1691 usw.; s. u. § 37 Rdn. 10; zu den Schranken s. u. Rdn. 14. 14 S. statt aller Emmerich Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 4. Aufl. 1994, § 14. 15 S. u. Rdn. 21 ff. 16 OLG Dresden AnnSächsOLG 11 (1889), 343 = SeuffA Bd. 46 Nr. 35; OLG Hamburg OLGE 11, 380; OLG Oldenburg Rpfl. 1958, 381; OLG Hamm BB 1960, 959; OLGZ 1968, 97 f „Gebrüder X, Bauschlosserei"; OLG Karlsruhe BB 1978, 519 „Regionales Rechenzentrum X"; LG Berlin BB 1985, 1691 „Intrec Individual Reisen usw GbR"; z.B. Staub/Hiiffer § 17 Rdn. 13, § 31 Rdn. 10; zu den Schranken s. u. Rdn. 15. 17 S. u. § 37 Rdn. 10; dagegen insbesondere K. Schmidt § 12 I 2 b, bb (S. 310 ff). 18 So insbes. BayObLGZ 1988, 344 = NJW-RR 1989, 421 „Anton A. Inhaber Bruno B...."; OLG 116
Karlsruhe, NJW 1986, 582 = BB 1985, 2196 OLG Hamm, BB 1990, 1154 für die Bezeichnung „X.-Schuhe"; OLG Zweibrücken, BB 1990, 1153 für Inhaberzusätze; KGJ 35 A 145, 148 f = RJA 9, 153 „Nachf."; RJA 9, 33 f „Inhaber"; OLG Hamburg OLGE 16, 83 „Nachf.", vgl. weiter KG OLGE 11, 380; 24, 167 ff; 41, 196; JW 1934, 984 u. 3072 = HRR 1934 Nr. 1539; OLG Frankfurt OLGZ 1978, 43 „Heizungsbau X Inh. Y". 19 Vgl. für die Bezeichnung „Fahrschule X Inhaber Y" OLG Hamm OLGZ 1968, 97 f; OLG Stuttgart MDR 1987, 59 Nr. 80 = BB 1987, 147 m. Anm. Wessel = NJW 1987, 1709 m. Anm. Bokelmann S. 1683. 20 OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 748 für die Bezeichnung „Fahrschule Merkur Inhaber X". 21 KG JW 1934, 984; a.A. Staub/Brüggemann § 4 Rdn. 23; Schlegelberger/Hildebrandt §4 Rdn. 10.
Emmerich
Erster Abschnitt. Kaufleute
§4
Namen des Geschäfts den Eindruck von Zusätzen i.S. des § 18 Abs. 2 erwecken, da solche Zusätze Vollkaufleuten vorbehalten sind 22 . Auch hier ist die Praxis freilich höchst uneinheitlich, so daß sichere Aussagen kaum möglich sind. cc) Gesellschaften. Für Zusammenschlüsse von Minderkaufleuten (o. Rdn. 11) in der Form von BGB-Gesellschaften folgt aus dem Gesagten, daß sie keine Bezeichnung wählen dürfen, die nach den gesamten Umständen - entsprechend den §§ 19, 24 - auf eine O H G oder K G hindeuten können. Als besonders bedenklich gelten dementsprechend i.d.R. Bezeichnungen wie „A & B " , „A u. Co." „und Partner" oder „A u. Sohn", jedenfalls, wenn diese Bezeichnung nach der Art des Geschäfts auch als Firma eines Vollkaufmanns in Betracht kommt 23 .
15
dd) Kritik. Diese ganze Praxis vermag nicht zu befriedigen 24 . Angesichts der Regelung der § § 1 8 und 19 ist nur schwer erkennbar, wie Minderkaufleute eine „firmenähnliche" Verwendung ihres Namens als Geschäftsbezeichnung überhaupt vermeiden sollen. Ebensowenig kann aus § 18 Abs. 2 eine Monopolisierung von Firmenzusätzen für Vollkaufleute gefolgert werden. Zum Schutze des Publikums vor Irreführungen genügt vollauf die Regelung des § 3 U W G .
15a
d) Rechtsfolgen. Verwendet ein Minderkaufmann eine „firmenmäßige" und deshalb 1 6 nach h.M. unzulässige Bezeichnung, so kann das Registergericht gegen ihn nach § 37 Abs. 1 vorgehen 25 . Anwendbar ist außerdem § 31 Abs. 2, so daß ein Kaufmann, der zunächst mit seinem vollkaufmännischen Betrieb im Handelsregister eingetragen war, dessen Betrieb dann aber auf das Niveau eines minderkaufmännischen Betriebes abgesunken ist, seine Firma im Handelsregister löschen lassen muß. 2. Geschäftsveräußerung a) Bezeichnung. § 22 gilt nur für Vollkaufleute, die eine zulässige Firma führen, nicht hingegen für Minderkaufleute 26 . Folglich darf der Erwerber eines minderkaufmännischen Betriebes diesen nicht unter der bisherigen Bezeichnung fortführen, sondern muß für den Betrieb eine neue Bezeichnung nach den oben entwickelten Regeln wählen (Rdn. 9 ff). Nachfolge- und Inhaberzusätze gelten dabei als bedenklich 27 . Zulässig ist aber wohl im Regelfall die Fortführung zusätzlicher Geschäftsbezeichnungen, die neben dem Namen zur Kennzeichnung des Betriebes verwandt werden 28 .
" V g l . z.B. KG H R R 1929 Nr. 22 „Zentralstelle" (bei Steuerberatern); J F G 15, 5 4 = J W 1937, 889 Nr. 17 = H R R 1937 Nr. 641 „Elektrohaus X"; BayObLGZ I960, 345, 348 ff „Kaufhaus Franken"; O L G Frankfurt O L G Z 1975, 108 f „Dt. Schularbeitsgemeinschaft"; 1978, 43, 45 „Heizungsbau X " ; 1981, 7 ff „Grafik-Service X " ; O L G Saarbrücken BB 1975, Beil. 12, 5 f „Brautsalon Saarbrücken". 2 3 S. bes. KGJ 31 A 143, 145 f „A & B " ; O L G E 42, 196 „A u. Sohn"; JW 1934, 3272 = H R R 1934 Nr. 1539; LG Berlin BB 1985, 1691; O L G Karlsruhe NJW-RR 1986, 582 = BB 1985, 2196
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„und Partner" für ein Taxiunternehmen; Gegenbeispiele o. Rdn. 11. Vgl. auch die Kritik bei K. Schmidt § 10 VII 3a (S. 291 f.); ders. Betrieb 1987, 1181. S. u. § 37 Rdn. 8. S. u. § 2 2 Rdn. 11. S. o. Rdn. 13; grdleg. BayObLGZ 1988, 344 = NJW-RR 1989, 421 = D B 1988,2559 = JuS 1989, 760 Nr. 5 „Anton A, Inh. Benno B, Dachdeckerund Blitzableitergeschäft"; s.o. Rdn. 13 m. weiteren Nachw. S. o. Rdn. 10 sowie zB O L G Stuttgart BB 1962, 386; Adler ZHR 89, 93, 123 f; Baumbach/Duden/Hopt § 22 Anm. 1 F
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117
17
§4
Erstes Buch. Handelsstand
b) Haftung. 18
aa) Für die Haftung des Erwerbers gilt nach hM grundsätzlich nicht § 25 Abs. I 29 . Der Erwerber, der ohnehin die bisherige Bezeichnung des Geschäfts grundsätzlich nicht fortführen darf (o. Rdn. 17), haftet folglich nicht für die im Geschäft von seinem Rechtsvorgänger begründeten Verbindlichkeiten, sofern nicht ein besonderer Verpflichtungsgrund wie namentlich § 419 BGB vorliegt 30 . Anders nur, wenn der Minderkaufmann, wenn auch zu Unrecht, im Handelsregister eingetragen war (§§ 5, 25 Abs. I) 31 .
19
Unberührt bleibt in jedem Fall die Forthaftung des Veräußerers für die von ihm begründeten Altschulden. Der Veräußerer haftet außerdem für die vom Erwerber in dem Geschäft begründeten neuen Verbindlichkeiten, wenn dieser das Geschäft, wenn auch zu Unrecht, unter dem Namen des Veräußerers fortführt. Die Haftung entfällt in diesem Fall erst, wenn der Geschäftsübergang in handelsüblicher Weise bekannt gemacht wurde (vgl. § 25 Abs. 3) oder wenn der Veräußerer die Kenntnis des Gläubigers von dem Geschäftsübergang nachweist 32 .
20
bb) § 28 ist anders als § 25 keine firmenrechtliche Vorschrift. Er ist folglich auch anwendbar, wenn jemand in das Geschäft eines Minderkaufmannes eintritt (s. u. § 28 Rdn. 7 f). 3. Gesellschaften
21
a) Nur BGB-Gesellschaft. O H G und KG setzen nach den §§ 4 Abs. 2, 105 Abs. 1 und 161 Abs. 1 stets zwingend den Betrieb eines vollkaufmännischen Gewerbes voraus 33 . Mehreren Minderkaufleuten steht daher für ihre Zusammenarbeit (außer AG, G m b H und Genossenschaft) nur die BGB-Gesellschaft zur Verfügung. Folglich stellt ein Zusammenschluß von Minderkaufleuten selbst dann eine BGB-Gesellschaft dar, wenn die Gesellschafter an sich eine O H G oder KG gründen wollten. Umgekehrt ist der Zusammenschluß als O H G oder KG zu behandeln, sobald die Gesellschaft ein vollkaufmännisches Gewerbe betreibt, auch wenn die Gesellschafter an sich nur eine BGB-Gesellschaft gründen wollten; die Gesellschafter sind dann verpflichtet, eine gemeinsame Firma anzunehmen 34 . b) Umwandlung
22
S c h r i f t t u m Battes AcP 174, 429; Baumbach/Duden/Hopt § 105 Anm. 3 D; Beyerle N J W 1972, 229; Flume FS Westermann, 1974, S. 119; Hopt Z G R 1987, 145; Kraus Diss.; Kornblum BB 1972, 1032; K. Schmidt D B 1973, 653, 703; 1988, 897; ders. Zur Stellung der O H G im System der Handelsgesellschaften, 1972; Schwarz D B 1989, 161; Stimpel Z G R 1973, 73.
29
S. im einzelnen u. § 25 Rdn. 11. S. § 25 Abs. 2; weitergehend in Österreich § 1409 Abs. 1 AB GB i.d.F. von 1982; s. dazu Straube § 4 Rdn. 15. 31 RGZ 55, 83, 85 f; BGHZ 22, 234, 239 f; BGH LM Nr. 14 zu § 167 BGB = NJW 1966, 1915; O G H EvBl. 1970 Nr. 165 = ÖJZ 1970, 271; Staub/Brüggemann § 4 Rdn. 25; Schlegelbergeri Hildebrandt § 4 Rdn. 11. " RGZ 15, 33, 36 f; BGH LM Nr. 14 zu § 167 BGB = NJW 1966, 1915; OLG Hamburg Recht 30
118
1909 Nr. 900; O L G Karlsruhe Bad. Rechtspraxis 1904, 49 = Recht 1904, 256 Nr. 1238; Staub/Brüggemann § 4 Rdn. 25; Scblegelberger/Hildebrandt § 4 Rdn. 11. 33 S. u. § 105 Rdn. 18 ff. 34 S. u. § 105 Rdn. 26 f sowie z.B. BGHZ 11, 190, 192; 19, 262 ff; 59, 179, 181; 61, 59, 62; BGH WM 1972, 21 = BB 1972, 61; BayObLGZ 1911, 267, 270; O G H SZ Bd. 53 (1980) Nr. 64, S. 294, 296; O G H GesRZ 1976, 58 = EvBl. 1976 Nr. 271 = NZ 1977, 140.
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§4
Erster Abschnitt. Kaufleute
D i e gesetzliche Regelung (§ 4 Abs. 2) hat zur Folge, daß sich, vorbehaltlich der §§ 5 und 15, eine O H G oder K G automatisch in eine B G B - G e s e l l s c h a f t verwandelt, sobald ihr Betrieb auf das Niveau eines Kleingewerbes (§ 4) herabsinkt oder sie ihren Geschäftsbetrieb, z.B. durch Verpachtung, sogar ganz aufgibt. H i e r z u kann es namentlich im Falle der sog. B e t r i e b s s p a l t u n g k o m m e n , wenn man richtigerweise davon ausgeht, daß die Besitzgesellschaft nach Verpachtung ihres Geschäftsbetriebes selbst kein G e w e r b e mehr b e t r e i b t 3 5 . U m g e k e h r t wird eine B G B - G e s e l l s c h a f t , die ein G r u n d h a n d e l s g e w e r b e betreibt, zwingend zur O H G oder bei entsprechender Gestaltung des Gesellschaftsvertrages ausnahmsweise zur K G , sobald sich der bisher minderkaufmännische B e t r i e b der Gesellschaft zu einem G r o ß b e t r i e b entwickelt (§ 123 A b s . 2). In den Fällen der §§ 2 und 3 liegt schließlich vor Eintragung der Gesellschaft immer nur eine B G B - G e s e l l s c h a f t vor 3 6 . c) R e c h t s f o l g e n , aa) I n n e n v e r h ä l t n i s . Aus derartigen „ U m w a n d l u n g e n " ergeben sich mit R ü c k s i c h t auf die z u m Teil unterschiedliche Regelung von B G B - G e s e l l s c h a f t , O H G und K G schwierige Rechtsfragen, denen die Praxis vor allem dadurch zu begegnen versucht, daß sie für das Innenverhältnis der Gesellschafter möglichst an der bisherigen vertraglichen oder gesetzlichen Regelung festhält. D a s bedeutet z . B . im Falle der U m w a n d l u n g einer K G in eine B G B - G e s e l l s c h a f t , daß die bisherigen „ K o m m a n d i t i s t e n " , wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, entsprechend den §§ 164, 170 H G B und entgegen den §§ 709, 714 B G B weiterhin von der Geschäftsführung und der Vertretung der neuen B G B - G e s e l l s c h a f t ausgeschlossen sind 3 7 .
23
b b ) H a f t u n g . Besondere Schwierigkeiten wirft die Haftungsproblematik auf, sofern nicht Rechtsscheingrundsätze eingreifen 3 8 . Auszugehen ist hier davon, daß bei einer B G B Gesellschaft ebenso wie bei der O H G (§ 128) grundsätzlich alle Gesellschafter u n b e schränkt für die Gesellschaftsschulden haften (§§ 4 2 7 , 714). Anders als bei der O H G ist die H a f t u n g jedoch durch entsprechende Einschränkung der Vertretungsmacht der vertretungsberechtigten Gesellschafter beschränkbar. Deshalb n i m m t der B G H an, daß bei „Rückverwandlung" einer K G in eine B G B - G e s e l l s c h a f t die bisherigen K o m m a n d i t i s t e n weiterhin nur wie bei der K G (§ 171 H G B ) in H ö h e ihrer Einlagen haften, weil von einer e n t s p r e c h e n d e n B e s c h r ä n k u n g der V e r t r e t u n g s m a c h t der v e r t r e t u n g s b e r e c h t i g t e n Gesellschafter auszugehen sei 3 9 . Scheidet aus der jetzigen B G B - G e s e l l s c h a f t einer der früheren Kommanditisten aus, so ändert sich folglich an seiner bisherigen beschränkten Haftung ebenfalls nichts, solange er nicht seine Einlage zurückerhält 4 0 . U m g e k e h r t haften frühere p e r s ö n l i c h h a f t e n d e G e s e l l s c h a f t e r der K G t r o t z einer etwaigen Beschränkung
24
S. ο. § 1 Rdn. 11, § 2 Rdn. 11; eingehend Hopt ZGR 1987, 145, 164 ff.; K. Schmidt DB 1988, 897. 3 6 S. u. § 105 Rdn. 25 ff; § 123 Rdn. II f; § 131 Rdn. 29 sowie insbes. RGZ 155, 75, 82 ff; BGHZ 32, 307, 310 f; 59, 179, 181 (m. Anm. K. Schmidt JuS 1973, 83); 63, 45, 48 f.; BGH LM Nr. 17 zu § 705 BGB = NJW 1967, 821; LM Nr. 6 zu § 709 BGB = NJW 1971, 1698; WM 1962, 10, 12; BB 1972, 61 = WM 1972, 21; LM Nr. 10 zu § 714 BGB = NJW 1987, 3124; OLG Hamm OLGZ 1984, 50; LG Regensburg WM 1979, 594 f; BAG ZIP 1987, 1446 f.; eingehend Kraus Diss. 35
37
38 39
40
BGHZ 19, 269 ff, bes. 275 f; BGH LM Nr. 6 zu § 709 BGB = NJW 1971, 1698; WM 1960, 764, 766 f; BB 1972, 61 = WM 1972, 21 f; LM Nr. 10 zu § 714 BGB = NJW 1987, 3124; str. S. dazu u. § 105 Rdn. 21. BGHZ 61, 59, 67; BGH LM Nr. 6 zu § 709 BGB = NJW 1971,1698 = WM 1971,1198; LM Nr. 14 zu § 714 BGB = NJW 1987, 3124 = WM 1987, 689, 690; zust. K. Schmidt aaO (Fn. 35); anders insbes. Beyerle und Kornblum aaO (vgl. Schrifttum). Analog § 172 Abs. 4 HGB; eingehend K. Schmidt DB 1973, 703, 708 ff.
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Erstes Buch. Handelsstand
§5
der Vertretungsmacht der Geschäftsführer in der B G B - G e s e l l s c h a f t weiter unbeschränkt, wenn die Veränderung den Vertragspartnern nicht besonders mitgeteilt wird 4 1 . 4. Sonstige Rechtsfolgen 25
a) P r o k u r a . Minderkaufleute k ö n n e n nach § 4 A b s . 1 keine P r o k u r a erteilen. Eine von ihnen gleichwohl erteilte P r o k u r a ist mithin als solche nichtig, jedoch w o h l o h n e A u s nahme nach § 140 B G B in eine gleichwertige Generalhandlungsvollmacht umzudeuten, da § 54 anwendbar bleibt 4 2 .
26
b) Handelsbücher. D e r Minderkaufmann braucht nach Handelsrecht keine Handelsbücher zu führen, w o m i t für ihn zugleich die Verpflichtung zu Inventur und Bilanz und zur Aufbewahrung des kaufmännischen Schriftwechsels entfällt (§§ 2 3 8 ff). D a s hat w i c h tige Auswirkungen im Strafrecht, da die Vorschriften über Konkursvergehen (§§ 2 8 3 , 2 8 3 b S t G B ) - mit Ausnahme des § 2 8 3 Abs. 1 Nr. 6 S t G B - durchweg voraussetzen, daß der T ä t e r zur Führung von B ü c h e r n verpflichtet ist. D e n n die Folge ist, daß Minderkaufleute aus diesen Vorschriften nicht wegen Konkursvergehen bestraft werden können. Eine Buchführungspflicht wird sich j e d o c h auch für Minderkaufleute häufig aus dem Steuerrecht ergeben (§§ 140 ff A O ) .
27
c) Sonstige Fälle. N a c h § 351 sind die anwendbar. Auch außerhalb des H G B finden ihrem Anwendungsbereich Minderkaufleute Kaufleute ausschließen. H e r v o r z u h e b e n sind Z P O sowie § 109 G V G .
§§ 3 4 8 bis 3 5 0 nicht auf Minderkaufleute sich noch verschiedene Vorschriften, die von oder im Handelsregister nicht eingetragene die §§ 2 9 Abs. 2, 38 Abs. 1 und 1027 Abs. 2
5. A n w e n d b a r e Vorschriften 28
D e r Minderkaufmann ist, weil er ein Grundhandelsgewerbe betreibt, grundsätzlich K a u f m a n n (§ 1). Von den genannten Ausnahmen abgesehen (o. R d n . 8 - 2 7 ) , gilt mithin für ihn wie für jeden Kaufmann das gesamte Handelsrecht. E r kann daher z . B . Handlungsvollmachten erteilen, Handlungsgehilfen einstellen, Kommissionär, Spediteur oder Lagerhalter sein sowie sonstige Handelsgeschäfte abschließen. E r unterliegt außerdem den Handelsbräuchen, so daß auf ihn in aller Regel auch die Grundsätze über die Folgen des Schweigens auf kaufmännische Bestätigungsschreiben Anwendung finden 4 3 .
§5 Ist eine F i r m a im Handelsregister e i n g e t r a g e n , so k a n n g e g e n ü b e r demjenigen, welc h e r sich auf die E i n t r a g u n g beruft, n i c h t geltend g e m a c h t werden, daß das u n t e r der F i r m a betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe sei oder d a ß es z u den im § 4 Abs. 1 bezeichneten Betrieben g e h ö r e .
41
BGH LM Nr. 10 zu § 714 BGB (Bl. 3R) = NJW 1987,3124 = WM 1987, 689
120
« z.B. OGH SZ Bd. 37 (1964) Nr. 21, S. 68, 71; s. u. Rdn. 28. 4 3 BGHZ 11, 1,3.
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§5
Erster Abschnitt. Kaufleute
Schrifttum Axer Abstrakte Kausalität - Ein Grundsatz des Handelsrechts ? 1986; Biirck § 15 Abs. 3 H G B und die Grundsätze der Haftung von fehlerhaften und entstehenden Personengesellschaften gegenüber Dritten, AcP 171 (1971), 328; Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971; U. Deschler Handelsregisterpublizität und Verkehrsschutz, Diss. Tübingen 1977; Ehrenberg Rechtssicherheit und Verkehrssicherheit mit besonderer Rücksicht auf das Handelsregister, JherJb. 47 (1905), 273; Göppert Eintragung in das Handelsregister von besonderer Eigenart, 1934; H. Hübner Zurechnung statt Fiktion einer Willenserklärung, FS Nipperdey Bd. I, 1965, S. 373; A. Hueck Der Scheinkaufmann, ArchBürgR 43 (1919), 415; John Fiktionswirkung oder Schutz typisierten Vertrauens durch das Handelsregister, ZHR 140 (1976), 236; Limbach Die Lehre vom Scheinkaufmann, ZHR 134 (1970), 288; Nickel Oer Scheinkaufmann, JA 1980, 566; K. Schmidt Gilt § 5 H G B im „Unrechtsverkehr", D B 1972, 959; den. Neues zur Haftung bei der Schein-KG und zur Kommanditistenhaftung bei Sanierungsgründungen, JZ 1974, 219; M. Wolff Uber einige Grundbegriffe des Handelsrechts, Berliner Festgabe O. v. Gierke Bd. II, 1910/1969, 115; Prausnitz Rechtsschein und Wirklichkeit im Handelsregister, ZHR 96 (1931), 10; K. Schmidt Handelsrecht, § 10 III u. VIII. Ubersicht Rdn.
Rdn. I. Zweck II. Voraussetzungen
1 2
1. Gewerbe
3
2. Eintragung
5
3. Keine weiteren Voraussetzungen I I I . Rechtsfolgen
c) Mögliche Einwendungen Prozeß verkehr 3. N u r während der Eintragung 4. N i c h t im öffentlichen Recht
6 8
9b
2. N u r im Privatrechts- und
IV. Scheinkaufmann
1. Kaufmannseigenschaft des
10 10a 11 13
1. Allgemeines
13 14
Eingetragenen
8
2. Reichsgericht
a) Einzelkaufleute
8
3. B G H
15
b) Gesellschaften
9
4. Beispiele
16
I. Zweck § 5 hat die Aufgabe, im Interesse der Rechtssicherheit wenigstens partiell die 1 Schwierigkeiten zu beseitigen, die sich aus der Unschärfe der in den §§ 1 bis 4 verwandten Begriffe ergeben 1 . Deshalb ordnet die Vorschrift an, daß in den Tatbeständen der § 1 bis 4 unter bestimmten Voraussetzungen an die Stelle der dort genannten Tatbestandsmerkmale einfach im Interesse der Rechtssicherheit die Eintragung im Handelsregister tritt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so gilt dann fortan der Eingetragene als Vollkaufmann. Die Vollkaufmannseigenschaft wird folglich im H G B nicht allein durch die Erfüllung der Voraussetzungen der § 1 bis 3 erworben; daneben tritt vielmehr gleichberechtigt als weiterer Tatbestand der des § 5. Daraus folgt zugleich, daß der Eingetragene nicht etwa nur als Kaufmann „gilt"; sondern er „ist" bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 Kaufmann, wenn auch möglicherweise nur für den Privatrechtsverkehr 2 . Deshalb ist es auch nicht richtig, im Falle des § 5 lediglich von einer (unwiderleglichen) Vermutung oder
1
2
Denkschrift S. 19 f; ebenso BGHZ 32, 307, 314 = NJW 1960, 1664; BGH LM Nr. 3 zu § 5 HGB = NJW 1982, 45. Ebenso etwa Baumbach/Duden/Hopt § 5 Anm.
1A; Ehrenberg Bd. II, S. 138 ff; K. Schmidt § 10 III 1; ders. DB 1972, 959, 960 f; den. JuS 1977, 209, 212; Straube § 1 Rdn. 2.
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1a
Erstes Buch. Handelsstand
§5
einer Fiktion zu sprechen 3 . Denn damit würde die eigenständige Bedeutung des § 5 neben den § § 1 - 3 verkannt. II. V o r a u s s e t z u n g e n 2
Die Anwendung des § 5 setzt nur zweierlei voraus, nämlich: 1. den Betrieb (irgend-) eines Gewerbes unter einer Firma sowie 2. die Eintragung dieser Firma im Handelsregister. 1. Gewerbe
3
a) Erste Voraussetzung ist der Betrieb eines Gewerbes im Sinne des Handelsrechts 4 . Der Betrieb eines sonstigen Unternehmens, z.B. einer freiberuflichen Praxis, genügt nicht 5 . Das Gewerbe muß außerdem noch tatsächlich betrieben werden. Ist der Betrieb hingegen überhaupt nicht aufgenommen worden oder bereits wieder eingestellt, so ist für die Anwendung des § 5 kein Raum; möglich bleibt dann aber immer noch ein Schutz gutgläubiger Dritter nach § 15 6 .
4
b) Vorausgesetzt ist, daß derjenige, der das Gewerbe betreibt, mit dem Eingetragenen identisch ist. Denn allein der oder die wirklichen Inhaber des Betriebs können durch ihre Eintragung über § 5 zu Vollkaufleuten werden. Andere Personen, die das Gewerbe gar nicht betreiben, macht auch § 5 nicht zu Vollkaufleuten, selbst wenn sie versehentlich im Handelsregister eingetragen werden; lediglich § 15 Abs. 3 kann hier im Einzelfall zu einem anderen Ergebnis führen 7 . 2. E i n t r a g u n g
5
Als weitere Voraussetzung verlangt § 5 lediglich die Eintragung (nicht die Bekanntmachung) der Firma, unter der das fragliche Gewerbe tatsächlich betrieben wird. Unerheblich ist, ob die eingetragene Firma zulässig ist und worauf die Eintragung beruht. Für die Auslösung der Rechtsfolgen des § 5 genügt vielmehr die bloße Tatsache der Eintragung einer Firma, unter der von den eingetragenen Personen tatsächlich ein Gewerbe betrieben wird. Keine Rolle spielt namentlich, wer die Eintragung veranlaßt hat. Selbst wenn der Inhaber eines unter der eingetragenen Firma betriebenen Gewerbes ganz ohne sein Zutun im Handelsregister eingetragen worden ist, findet § 5 Anwendung 8 . 3. Keine weiteren Voraussetzungen
6
a) Weitere Voraussetzungen als die genannten (Rdn. 3-5) stellt das Gesetz in § 5 nicht auf; insbesondere kommt es in keiner Hinsicht auf die Gut- oder Bösgläubigkeit eines
4 5
So z.B. O L G C o l m a r Recht 1908, Sp. 492 Nr. 2810; O L G Frankfurt B B 1974, 1366 f; Staub/ Brüggemann § 5 Rdn. 1 ff; Schlegelberger/Hildebrandt § 5 Rdn. 1 ff. Vgl. im einzelnen § 1 Rdn. 4 ff. So jedenfalls die h.M., zB B G H Z 32, 307, 313 = N J W 1960, 1664; Staub/Brüggemann § 5 Rdn. 21; A Hueck S. 420 f; Straube § 5 Rdn. 4; dage-
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6
7
gen zB K. Schmidt § 10 III 2a m. Nachw. Vgl. R G Z 157, 369, 373, 379; B A G A P N r . 9 zu 161 H G B = N J W 1988,222,223; O L G München H R R 1937 N r . 457. Staub/Brüggemann § 5 Rdn. 22 f; Schlegelberger/Hildebrandt § 5 Rdn. 6b; Straube § 5 Rdn. 7,
12.
8
Z.B. K. Schmidt § 10 III 2b (S. 266).
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Erster Abschnitt. Kaufleute
§5
Beteiligten an; vielmehr wirkt § 5 unter den genannten Voraussetzungen für und gegen jedermann einschließlich des Eingetragenen selbst 9 . b) Aus dem Gesagten folgt, daß es auch keine Rolle spielt, ob sich jemand auf § 5 7 „beruft"; der abweichende Wortlaut des Gesetzes ist mißverständlich. § 5 ist vielmehr, sofern nur seine Voraussetzungen im Prozeß vorgetragen sind, von Amts wegen zu beachten' 0 . III. Rechtsfolgen 1. Kaufmannseigenschaft des Eingetragenen a) Einzelkaufleute. § 5 hat zur Folge, daß der Eingetragene (im Privatrechts- und 8 Prozeßverkehr; s. u. Rdn. 10 ff) in jeder Hinsicht (Voll-) Kaufmann ist 11 . Folglich kann z.B. ein eingetragener Landwirt fortan nicht mehr geltend machen, die Eintragung sei ohne seinen Willen erfolgt, so daß er nicht als Kaufmann behandelt werden dürfe 12 . Ebensowenig steht etwa im Falle des § 25 dem Erwerber noch der Einwand offen, der Veräußerer sei tatsächlich kein Vollkaufmann gewesen, so daß er für dessen Schulden nicht zu haften brauche 13 . b) Gesellschaften. Über § 5 wird auch § 6 anwendbar, so daß Zusammenschlüsse meh- 9 rerer Personen zum Betrieb eines Gewerbes, solange die Eintragung besteht, in jedem Fall O H G oder KG (und nicht BGB-Gesellschaft) sind. Für das Innen- wie für das Außenverhältnis der Gesellschafter gilt damit jetzt uneingeschränkt Handelsrecht, solange die Gesellschaft nur überhaupt noch irgendein Gewerbe betreibt 14 . Wichtig ist das insbesondere, wenn das von einer O H G oder KG betriebene Gewerbe auf das Niveau eines minderkaufmännischen Betriebs absinkt, weil dieser Umstand infolge des § 5 solange unberücksichtigt bleibt, wie die Gesellschaft noch im Handelsregister eingetragen ist 15 . § 5 heilt hingegen nicht etwaige Mängel eines Gesellschaftsvertrages, die nichts mit der 9a Eintragung im Handelsregister zu tun haben 16 . Liegt z.B. nur eine sog. Scheingesellschaft vor, so führt auch deren Eintragung im Handelsregister nicht dazu, daß im Innenverhältnis der Scheingesellschafter nun auf einmal Gesellschaftsrecht anwendbar würde; ebensowenig entsteht dann ein Gesamthandsvermögen 17 . c) Mögliche Einwendungen. Im Ergebnis schließt mithin § 5 (allein) die Einwendung 9b aus, das unter der eingetragenen Firma tatsächlich betriebene Gewerbe sei kein Handelsgewerbe i.S. der §§ 1 bis 3 oder es habe doch nur minderkaufmännischen Zuschnitt i.S. des 9
BGHZ 22,234, 239 = NJW 1957,179; BGH LM Nr. 3 zu § 5 H GB = NJW 1982, 45; RGZ 50, 154, 158; Staub/Brüggemann § 5 Rdn. 18 ff; A. Hueck S. 421 f; K. Schmidt § 10 III 2c/3a; den. JuS 1977, 209, 212. 10 So schon Ehrenberg Bd. II, S. 138 f.; K. Schmidt § 10 III 2c, bb (S. 266 f.). 11 Eingehend A. Hueck S. 446 ff. 12 v. Olshausen ZHR 141, 93, 107 ff; s. o. § 3 Rdn. 13. 13 BGHZ 22, 234, 239 = NJW 1957, 179.
14
RGZ 50, 154, 158; 157, 369, 372; BGH LM Nr. 3 zu § 5 H G B = NJW 1982, 45; BAG AP Nr. 9 zu § 161 HGB = NJW 1988,222,223; O L G Colmar Recht 1908 Sp. 492 Nr. 2810; OLG Dresden O L G E 4, 202, 203; O L G München HRR 1937 Nr. 457; A. Hueck S. 445. 15 BGH (Fn. 14); BayObLGZ 1984, 273 = NJW 1985, 982. 16 RGZ 157, 369,372. 17 BGH LM Nr. 4 zu § 105 HGB = NJW 1953, 1220.
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Erstes Buch. Handelsstand
§5
§ 4 Abs. 1. Möglich bleiben hingegen alle anderen Einwendungen, z.B. die Einwendung, es werde überhaupt kein Gewerbe betrieben oder das Gewerbe sei doch schon längst eingestellt, weiter die Einwendung, der Eingetragene sei nicht mit dem tatsächlichen Inhaber des Gewerbes identisch, sowie schließlich die Einwendung, die eingetragene Gesellschaft bestehe überhaupt nicht. Außerdem kann sich der Eingetragene (selbstverständlich) immer auf fehlende Geschäftsfähigkeit oder sonstige Mängel des fraglichen Rechtsgeschäfts berufen 18 . 2. Nur im Privatrechts- und Prozeßverkehr 10
§ 5 wirkt außer im Privatrechts- noch im Prozeßverkehr. Daher kann ein zu Unrecht im Handelsregister eingetragener Kaufmann unter seiner Firma klagen und verklagt werden 19 . Dasselbe gilt für grundlos im Handelsregister eingetragene Gesellschaften; sie sind parteifähig und können folglich unter ihrer Firma ebenfalls Klage erheben oder verklagt werden 2 0 . Außerdem ist auf die Gesellschaft (anders als nach h.M. auf BGBGesellschaften) § 31 BGB anwendbar, während im übrigen umstritten ist, welche Bedeutung § 5 im sog. Unrechtsverkehr hat 21 . Die Frage kann hier offen bleiben, da sie ohne praktische Bedeutung ist. Schließlich sollte man § 5 auch noch auf Fälle ungerechtfertigter Bereicherung anwenden, jedenfalls, wenn die Bereicherung im Geschäftsverkehr erfolgt ist, nicht hingegen sonst 22 . 3. Nur während der Eintragung
10a
§ 5 greift nur ein, solange die Eintragung im Handelsregister besteht. Er hat daher keine Bedeutung für Rechtsverhältnisse, die bereits vor der Eintragung oder erst nach ihrer Löschung begründet worden sind 23 . 4. Nicht im öffentlichen Recht
11
a) Keine Bedeutung hat § 5 für das Registergericht, das stets von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen einer Eintragung (noch) vorliegen oder nicht. Ist dies zu verneinen, so hat es eine Eintragung abzulehnen oder eine bestehende Eintragung von Amts wegen zu löschen 24 .
12
b) § 5 gilt außerdem nicht im Strafrecht oder im Steuerrecht 25 . Ohne Rücksicht auf § 5 kann daher z.B. wegen Konkursvergehen nur verurteilt werden, wer tatsächlich nach den §§ 1 bis 4 Vollkaufmann ist 26 .
18
19
21
22 23
Z.B. Baumbach/Duden/Hopt § 4 Anm. IC und D; Straube ξ 5 Rdn. 6 - 8. § 17 Abs. 2; Schuler NJW 1957, 1537. BGH LM Nr. 3 zu § 5 HGB = NJW 1982, 45. S. im einzelnen Baumbach/Duden/Hopt § 5 Anm. 1F; Staub/Brüggemann § 5 Rdn. 20, § 6 Rdn. 12; Schlegelberger/Hildebrandt § 5 Rdn. 9a; K. Schmidt § 10 III 3b (S. 267 f.); ders. JuS 1977, 209, 212; ders. DB 1972, 959, 961 f. Baumbach/Duden/Hopt (Fn. 21). Baumbach/Duden/Hopt § 5 Anm. IG.
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141, 142 FGG; BayObLGZ 1984, 273 = NJW 1985, 982; O L G Jena RJA 12,46 f; LG Nürnberg DB 1977, 252; Baumbach/Duden/Hopt § 5 Anm. 1A; A. Hueck S. 457 f; Schlegelberger/Hildebrandt § 5 Rdn. 9a; K. Schmidt § 10 III 3b (S. 269). 25 So schon RG DJZ 1906 Sp. 263; J W 1912, 951 f Nr. 46; HRR 1932 Nr. 218. 26 Zweifelnd nur K. Schmidt § 10 III 3b (S. 268 f.); ders. JuS 1977, 209,212. 24
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Erster Abschnitt. Kaufleute
§5
IV. Scheinkaufmann Schrifttum S. o. vor Rdn. 1 sowie noch Gotthardt JZ 1971, 312; v. Olshausen BB 1970, 137; K. Schmidt JuS 1973, 83; 1977, 209. 1. Allgemeines Üblicherweise wird im Anschluß an § 5 noch die Lehre vom sog. Scheinkaufmann erörtert. Es geht dabei u m die Frage, wann Personen, die im Handelsverkehr als Kaufleute auftreten, jenseits der Fälle der §§ 5 und 15 als Kaufleute zu behandeln sind. Seit der Änderung des § 15 im Jahre 1969 gehört der ganze Fragenkreis jedoch in erster Linie in den Zusammenhang des § 15. In den verbleibenden Fällen handelt es sich bei der Lehre vom Scheinkaufmann letztlich nur um einen Ausschnitt aus dem umfassenderen Institut der Rechtsscheinhaftung, die hier nicht näher zu erörtern ist. Es kommt hinzu, daß die praktische Bedeutung der ganzen Lehre heute ohnehin nur noch gering ist, so daß sich die folgenden Ausführungen auf einen kurzen Uberblick über die Entwicklung der Rechtsprechung beschränken können 2 7 .
13
2. Reichsgericht Das Reichsgericht war ursprünglich von dem Rechtssatz ausgegangen, daß sich jeder, 1 4 der im Handelsverkehr als Kaufmann auftritt, als Kaufmann behandeln lassen muß, so daß z.B. eine von ihm nur mündlich übernommene Bürgschaft nach § 350 H G B und entgegen § 766 BGB wirksam ist 28 . Ebenso mußte sich jeder, der sich als Gesellschafter einer O H G geriert, von gutgläubigen Dritten hieran festhalten lassen, selbst wenn die Gesellschaft nichtig ist 29 . Hingegen hatte es das R G stets abgelehnt, auch die besonderen Verjährungsvorschriften für Kaufleute auf sog. Scheinkaufleute zu erstrecken 30 . 3. B G H Der B G H ist in seiner Praxis zu ähnlichen Ergebnissen gelangt; jedoch hat er die Lehre vom Scheinkaufmann stärker als noch das R G in den Rahmen der allgemeinen Lehre von der Rechtsscheinhaftung eingeordnet. Die Haftung als Scheinkaufmann setzt danach grundsätzlich die Schaffung eines entsprechenden Rechtsscheintatbestandes, die Zurechenbarkeit dieses Tatbestandes, die Gutgläubigkeit des anderen Teils sowie die Kausalität zwischen dem Rechtsscheintatbestand und dem rechtsgeschäftlichen Handeln des letzteren voraus. Die Beweislast f ü r das Vorliegen dieser Merkmale trägt derjenige, der sich auf den Rechtsschein beruft, wobei aber im Einzelfall eine tatsächliche Vermutung für die Kausalität zwischen dem Rechtsschein und dem Vertrauen darauf bestehen kann 31 . Von denselben Grundsätzen geht die österreichische Praxis aus 32 . 27
Wegen der Einzelheiten vgl. im übrigen Baumbach/Duden/Hopt § 5 Anm. 2; Canaris Vertrauenshaftung, S. 180 ff; K. Schmidt § 10 VIII (S. 293 ff.); Staub/Brüggemann 5 Anh. (S. 170 ff.) u. § 6 Rdn. 13 ff. 28 R G Z 65, 412, 413 f; LG Köln M D R 1985, 54 f. 29 R G Z 145, 155, 158 f; R A G E 18, 345, 348 f. 30 R G Z 89, 13; 129, 401,403. 31 Insbes. B G H Z 17, 13, 19 = N J W 1955, 985; B G H W M 1960, 1326, 1329 f; O L G Düsseldorf BB 1992, 2102.
32 Grdl. O G H SZ Bd. 44 (1971) N r . 90, S. 326, 330 f.; Bd. 55 (1982) N r . 88 = GesRZ 1982, 317, 318; GesRZ 1973, 50; 1981, 227, 228; vgl. auch zur Bindung einer Gesellschaft, die das Auftreten von Gesamtvertretern als Alleinvertreter hinnimmt, O G H SZ Bd. 26 (1953) N r . 57; O G H JB1. 1958, 405; EvBl. 1976 N r . 272 = Ö J Z 1976, 629, 630; H S 514; 1293; Straube § 5 Rdn. 15 - 19.
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15
§6
Erstes Buch. Handelsstand
4. Beispiele 16
Sämtliche Personen, die wie die Gesellschafter einer O H G auftreten, haften gutgläubigen Dritten nach den § 128 ff 3 3 . Nichts anderes gilt für einen Testamentsvollstrecker, der in einem Rundschreiben den Gläubigern mitteilt, er sei persönlich haftender Gesellschafter einer das Geschäft des Erblassers fortführenden K G geworden, selbst wenn die K G tatsächlich gar nicht gegründet worden ist 34 . Dieselbe Haftung trifft die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft, die den Anschein erweckt, eine Handelsgesellschaft zu sein 35 . Folgerichtig gilt die BGB-Gesellschaft im Prozeß dann auch als parteifähig 36 .
1 7 Die Rechtsscheinhaftung geht jedoch niemals weiter, als wenn der Schein der Wirklichkeit entspräche. Die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft, die als K G auftritt, haften folglich lediglich wie die Gesellschafter einer eingetragenen K G nach § 171 37 . Außerdem wirkt die Rechtsscheinhaftung immer nur für und niemals gegen den gutgläubigen Dritten, dem es daher stets freisteht, sich anstatt auf den Rechtsschein auf die wirkliche Rechtslage zu berufen, sofern diese für ihn günstiger als der Rechtsschein ist. Der Scheinkaufmann kann dann den anderen Teil nicht etwa auf den von ihm gesetzen Rechtsschein verweisen 38 .
§6
(1) Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die H a n delsgesellschaften Anwendung. (2) Die Rechte und Pflichten eines Vereins, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines K a u f m a n n s beilegt, werden durch die Vorschriften des § 4 Abs. 1 nicht berührt. S c h r i f t t u m Loidl Die G m b H ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, 1970; K.
Schmidt
Handelsrecht, § 10 II; Schulze-Osterloh Kapitalgesellschaft und C o . - Handelsgesellschaft kraft Rechtsform? N J W 1983, 1281; M. Wolff Über einige Grundbegriffe des Handelsrechts, Festg.
O. v. Gierke Bd. II, 1910/1969, S. 115.
Übersiebt Rdn. 1. Ü b e r b l i c k
1
2. H a n d e l s g e s e l l s c h a f t e n (§ 6 A b s . 1)
2
a) A n w e n d u n g s b e r e i c h
Rdn. b) R e c h t s f o l g e n für die Kapitalgesellschaft
2
3. F o r m k a u f l e u t e (§ 6 A b s . 2)
3 5
1. Überblick 1
§ 6 enthält zwei Klarstellungen 1 . Er besagt in Abs. 1, daß die Handelsgesellschaften Kaufleute sind und damit dem gesamten Handelsrecht unterliegen; Abs. 2 fügt hinzu, daß die sog. Formkaufleute ohne Rücksicht auf ihre Größe stets Vollkaufleute sind. Abs. 1 der Vorschrift gilt gleichermaßen für die Personenhandelsgesellschaften wie für die dem
33
B G H Z 17, 13, 15 f. = NJW 1955, 985; O L G Hamm M D R 1965, § 580; B A G AP Nr. 3 zu § 12
HGB; RG LZ 1913, 550 f. Nr. 13; Baumbach/Duden/Hopt § 128 Anm. 1 C; Α. Hneck
34
O H G , S. 46 ff. B G H WM I960,1326, 1329 f.
126
35
36 37 38
1
B G H Z 61, 59, 64 f. = N J W 1973,1691; B G H LM Nr. 9 zu § 129 H G B = N J W 1980, 784. B G H LM Nr. 9 zu § 129 H G B = NJW 1980,784. B G H Z 61, 59, 65 f. = NJW 1973, 1691. Statt aller K. Schmidt § 10 VIII 4b (S. 302).
So richtig K. Schmidt § 10 II 3.
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§6
Erster Abschnitt. Kaufleute
A b s . 2 unterliegenden Formkaufleute, während sich der Anwendungsbereich des A b s . 2 auf diejenigen Handelsgesellschaften beschränkt, die bereits kraft Gesetzes, d.h. aufgrund besonderer gesetzlicher A n o r d n u n g a u ß e r h a l b des H G B , o h n e Rücksicht auf ihren Gegenstand Kaufleute sind. F ü r sie enthält Abs. 2 des § 6 lediglich die Aussage, daß bei ihnen, da schon ihr Gegenstand für ihre Kaufmannseigenschaft o h n e Belang ist, erst recht die Unterscheidung zwischen Voll- und Minderkaufleuten bedeutungslos ist. 2. Handelsgesellschaften (§ 6 Abs. 1) a) A n w e n d u n g s b e r e i c h . U n t e r Handelsgesellschaften versteht man sämtliche GesellSchäften, die aufgrund besonderer Vorschriften als solche ins Handelsregister eingetragen w e r d e n 2 . D a s sind außer O H G u n d K G die A G , die K G a A und die G m b H 3 . Hinzugetreten sind neuerdings die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung aufgrund der Verordnung v o m 2 7 . 7 . 1 9 8 5 4 in Verbindung mit dem Ausführungsgesetz v o m 1 4 . 4 . 1 9 8 8 5 sowie in Osterreich die Sparkassen 6 . E b e n s o zu behandeln sind aufgrund des § 1 7 Abs. 2 G e n G schließlich die Genossenschaften 7 .
2
Gleich stehen sämtliche anderen juristischen Personen wie insbesondere Vereine und Stiftungen, soweit sie nach § 33 eintragungspflichtig sind. Hingegen gehören die stille Gesellschaft, die B G B - G e s e l l s c h a f t und der Versicherungsverein a.G. grundsätzlich nicht zu den Handelsgesellschaften. Dies ändert j e d o c h nichts daran, daß aufgrund der § § 1 6 und 53 V A G die meisten Versicherungsvereine a . G . gleichwohl dem Handelsrecht unterliegen.
23
b) R e c h t s f o l g e n f ü r die Kapitalgesellschaft aa) F ü r die Kapitalgesellschaften ( A G , K G a A und G m b H ) bedeutet die gesetzliche Regelung 8 eine generelle Unterstellung unter das Handelsrecht des H G B , selbst wenn sie gar kein G e w e r b e betreiben, sondern z.B. ideelle Z w e c k e verfolgen 9 . Voraussetzung ist lediglich die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister 1 0 . Von diesem Augenblick ab sind daher z.B. ihre A r b e i t n e h m e r Handlungsgehilfen, sofern sie nur kaufmännische Dienste gegen Entgelt leisten 1 1 . F ü r Wettbewerbsverbote der Handlungsgehilfen gelten außerdem die §§ 74 f f 1 2 . Vor allem aber sind dann sämtliche von ihnen v o r g e n o m m e n e n Geschäfte im Außenverhältnis notwendig Handelsgeschäfte i.S. der §§ 3 4 3 ff, und zwar schon deshalb, weil die genannten Gesellschaften ohnehin keine Privatsphäre besitzen 1 3 .
3
b b ) D i e generelle U n t e r w e r f u n g der Handelsgesellschaften unter das Handelsrecht ordnet § 6 Abs. 1 j e d o c h nur für das H G B an. Deshalb ist es i m m e r eine Frage des Einzelfalls, o b A G , K G a A und G m b H auch im Sinne solcher Vorschriften, die a u ß e r h a l b des H G B Rechtsfolgen an die Kaufmannseigenschaft oder an das Vorliegen eines
4
2
S. Denkschrift S. 89.
3
Staub/Brüggemann § 6 Rdn. 3; ger/Hildebrandt § 6 Rdn. 1.
10
Schlegelber11
ABl. Nr. L 199, S. 1. 5 BGBl. I S . 514
12
4
13
6
S. Straube § 6 Rdn. 4.
7
B a y O b L G Z 1960, 345, 348. § 6 Abs. 1 H G B in Verb, mit den §§ 3 und 278 Abs. 3 AktG sowie § 13 Abs. 3 GmbHG. Z.B. O G H SZ Bd. 44 (1971) Nr. 21, S. 73, 76 = JB1. 1972, 364.
8
9
K. Schmidt S. § 10 II 2 b; zu den Vorgesellschaften s. ο. § 1 Rdn. 35. B A G E 3, 321; 10, 76, 81; 18, 104, 108 f. B A G E 10, 76, 83; 18, 104, 108 f. B G H Z 59, 179, 183 f; 66, 48, 4 9 f = N J W 1976, 514; B A G E 3, 321 = N J W 1957, § 763; O G H EvBl. 1968 Nr. 236 = Ö ] Z 1968, 396; Staub/
Brüggemann
§ 6 Rdn. 21; M. Wolff
S. 135 f;
zweifelnd Ratsch Geschichtliche Voraussetzungen, S. 217 ff; früher str.
Emmerich
127
Erstes Buch. Handelsstand
§7
Erwerbsgeschäftes knüpfen, als Kaufleute zu behandeln sind 14 . Für § 196 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 B G B wird die Frage heute überwiegend bejaht 15 . 3. Formkaufleute (§ 6 Abs. 2) 5
6
a) Formkaufleute i.S. des § 6 Abs. 2 sind die A G , die KGaA, die G m b H sowie die eingetragene Genossenschaft. Denn die genannten Gesellschaften sind bereits kraft Gesetzes 1 6 und damit ohne Rücksicht auf ihren Gegenstand ohne weiteres Kaufleute allein aufgrund ihrer Rechtsform. Daraus folgt zugleich, daß bei ihnen die Unterscheidung zwischen Voll- und Minderkaufleuten (§§ 1 und 4) ohne Sinn ist; sie sind vielmehr, wie § 6 Abs. 2 zur Klarstellung nochmals hervorhebt, stets Vollkaufleute und damit dem gesamten Handelsrecht unterworfen 1 7 . b) Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 beschränkt sich auf „Vereine" und umfaßt damit nicht die Personenhandelsgesellschaften, bei denen gerade umgekehrt die Kaufmannseigenschaft von dem Betrieb eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes abhängig ist (s. §§ 4 Abs. 2, 105 Abs. 1, 161 Abs. 1). Fehlt es an dem Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes, so sind sie lediglich eine BGB-Gesellschaft, solange sie nicht im Handelsregister eingetragen sind 18 . Zu den Personenhandelsgesellschaften in diesem Sinne zählt namentlich auch die G m b H und Co. KG, bei der die Eigenschaft der Komplementär-GmbH als Formkaufmann nicht etwa zur Folge hat, daß dadurch die K G ebenfalls zum Formkaufmann würde; die G m b H und C o . K G ist vielmehr nur dann Handelsgesellschaft und Kaufmann, wenn sie selbst ein vollkaufmännisches Gewerbe betreibt 1 9 .
§7 Durch die Vorschriften des öffentlichen Rechtes, nach welchen die Befugnis zum Gewerbebetrieb ausgeschlossen oder von gewissen Voraussetzungen abhängig gemacht ist, wird die Anwendung der die Kaufleute betreffenden Vorschriften dieses Gesetzbuchs nicht berührt. Schrifttum Fröhlich § 7 HGB. Entstehungsgeschichte, Bedeutungswandel und Vorschläge zur künftigen Gestaltung, 1941; Kasper Bedeutung der Gewerbeberechtigung bei der Firmenprotokollierung, JB1. 1966, 18; K. Schmidt Handelsrecht, § 9 IV 2b, dd (S. 253 f); Winkler Das Verhältnis zwischen Handwerksrolle und Handelsregister, ZGR 1989, 107. Übersicht Rdn. 1. Zweck
1
2. Unabhängigkeit der Kaufmannseigenschaft
3
3. Prüfungspflicht des Registergerichts? . . .
4
Scholz/Emmerich GmbHG, § 13 Rdn. 35; auch RGZ 133, 7, 11. 15 BGHZ 66, 48 = NJW 1976, 514. 16 §§ 3, 278 Abs. 3 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG und § 17 Abs. 2 GenG. 17 RGZ 133, 7, 11; BGHZ 66, 48, 50 = NJW 1976, 514; BAGE 3, 321 = NJW 1957, 763; OGH SZ 14
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a) Gesetzliche Anordnung b) Sonstige Fälle 4. Privatrechtliche Beschränkungen
Rdn. 4 5 8
Bd. 44 (1971) Nr. 21, S. 73, 76 = JB1. 1972, 364; Staub/Brüggemann § 6 Rdn. 24 f.; K. Schmidt § 10 II 3. 18 S. im einzelnen o. § 5 Rdn . 9. " Grdl. BayObLGZ 1984, 273 = NJW 1985, 982; anders z.B. Schulze-Osterloh NJW 1983, 1281.
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§7
Erster Abschnitt. Kaufleute 1. Z w e c k
a) § 7 soll ebenso wie die §§ 5 und 6 im Interesse der Rechtssicherheit und R e c h t s klarheit die A n w e n d u n g des Handelsrechts in möglichst g r o ß e m U m f a n g sicherstellen.
1
D a r u m macht § 7 die Kaufmannseigenschaft und damit die Anwendbarkeit des Handelsrechts von etwaigen öffentlich-rechtlichen Beschränkungen der Gewerbetätigkeit unabhängig 1 . D i e Zahl der öffentlich-rechtlichen Vorschriften, nach denen im Sinne des § 7 die 2 Befugnis z u m G e w e r b e b e t r i e b ausgeschlossen oder von gewissen Voraussetzungen abhängig gemacht ist, ist unübersehbar und wächst zudem ständig weiter an 2 . H e r v o r z u h e b e n sind die G e w O , die H a n d w O , das B I m S c h G , das GaststättenG, das K W G , das G e s e t z über die Berufsausübung im Einzelhandel, das Waffengesetz, das Abfallbeseitigungsgesetz sowie die Vorschriften der Beamtengesetze, die die gewerbliche Nebentätigkeit der Beamten beschränken 3 . b) § 7 besagt, daß die Kaufmannseigenschaft grundsätzlich von der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Ausübung des betreffenden G e w e r b e s unabhängig sein soll. D u r c h diese Trennung des Handelsrechts v o m G e w e r b e recht wird der Sache nach die Prüfungskompetenz des Registergerichts beschränkt 4 . Es besteht folglich kein allgemeines Aufsichtsrecht des Registergerichts über die Kaufleute; die D u r c h s e t z u n g der ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n Z u l ä s s i g k e i t s v o r a u s s e t z u n g e n für ihr G e w e r b e ist vielmehr allein Sache der dafür jeweils zuständigen besonderen B e h ö r d e n , namentlich der Gewerbeaufsichtsämter 5 .
2a
Diese Regel gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Ausnahmen enthalten namentlich diejenigen Vorschriften, nach denen die Eintragung bestimmter Tatsachen im Handelsregister von der Vorlage öffentlich-rechtlicher Bescheinigungen wie z.B. Genehmigungsurkunden abhängig ist 6 . O b auch jenseits dieser ausdrücklich geregelten Fälle unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen eine Prüfungspflicht des Registergerichts in B e t r a c h t k o m m t , ist umstritten (s. unten Rdnr. 4).
2b
2. U n a b h ä n g i g k e i t der K a u f m a n n s e i g e n s c h a f t § 7 bestimmt, daß die (einmal begründete) Kaufmannseigenschaft einer Person von der gewerberechtlichen Zulässigkeit des von ihr betriebenen Handelsgeschäfts unabhängig ist. D e r E r w e r b der Kaufmannseigenschaft und damit die Anwendbarkeit des Handelsrechts richten sich vielmehr allein nach den Vorschriften der §§ 1 bis 6, während es auf die Zulässigkeit des Betriebs nach öffentlichem R e c h t im Interesse der Rechtssicherheit und R e c h t s k l a r h e i t nicht a n k o m m t , solange n u r die in d e m B e t r i e b a b g e s c h l o s s e n e n Rechtsgeschäfte nicht ihrerseits wegen des Verstoßes gegen die genannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften (o. R d n . 2) nichtig sind 7 .
1
2 3 4
5
Z.B. KG JFG 18, 87, 88; OLG Frankfurt OLGZ 1983, 416; OLG Braunschweig Rpfl. 1977, 363. Beispiele bei Winkler S. 113 f. So schon Denkschrift S. 21 Insbes. K. Schmidt 9 IV 2b, dd und Winkler aaO (Fn.2). OGH EvBl. 1968 Nr. 7 = ÖJZ 1968, 19, 20 = HS 1620; OLG Wien NZ 1973,90; 1973,152; 1982,40.
6
7
S. insbes. § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG und § 37 Abs. 4 Nr. 5 AktG und dazu unten Rdn. 4. § 134 BGB; s. ο. § 1 Rdn. 23; z.B. OLG Frankfurt BB 1975, 1319; OLGZ 1983, 416; OGH EvBl. 1959 Nr. 316 = ÖJZ 1959, 548; EvBl. 1968 Nr. 7 = ÖJZ 1968, 19, 20 = HS 6020; HS 1030 = JB1. 1947,219; HS 1031; 1032; K. Schmidt aaO (Fn. 4); Staub/Brüggemann § 7 Rdn. 3 f; Straube § 7 Rdn. 3; Winkler aaO (Fn. 2).
Emmerich
129
3
Erstes Buch. Handelsstand
§7 3a
D i e Richtigkeit und N o t w e n d i g k e i t der Regel des § 7 ergeben sich bereits aus der einfachen Überlegung, daß sich D r i t t e , die mit einem Kaufmann in Geschäftsverbindungen treten, unbedingt auf die A n w e n d u n g des Handelsrechts auf die Beziehungen der Parteien verlassen k ö n n e n müssen. Es wäre für sie unzumutbar, von ihnen zusätzlich die Prüfung zu verlangen, o b der Betrieb ihres Vertragspartners auch nach öffentlichem R e c h t zulässig ist. Unabhängig davon gilt vielmehr für ihre Beziehungen zu dem Kaufmann stets uneingeschränkt das Handelsrecht einschließlich etwa des § 3 6 6 8 . 3. Prüfungspflicht des Registergerichts?
4
a) Gesetzliche A n o r d n u n g . Wie bereits ausgeführt (o. R d n . 2a f), besteht kein allgemeines Aufsichtsrecht des Registergerichts über Kaufleute. E i n e Prüfungspflicht des Registergerichts hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Betriebs k o m m t daher grundsätzlich nur dort in Betracht, w o sie ausdrücklich von G e s e t z angeordnet ist (o. R d n . 2b). Beispiele sind insbesondere die Eintragung einer A G oder K G a A 9 sowie einer G m b H 1 0 , w o b e i die Praxis heute zu einer weiten Auslegung der sich daraus ergebenden Prüfungspflicht der Registergerichte tendiert 1 1 . Prüfungspflichten bestehen außerdem bei den Kreditinstituten aufgrund des § 43 Abs. 1 K W G , bei den juristischen P e r s o n e n des § 3 3 1 2 , bei den G e n o s s e n s c h a f t e n 1 3 sowie hinsichtlich der Berechtigung des Kaufmanns zur Aufnahme akademischer G r a d e in die F i r m a 1 4 . b) Sonstige Fälle
5
a a ) U m s t r i t t e n ist, o b auch jenseits der gesetzlich geregelten Fälle - generell oder unter bestimmten Voraussetzungen - eine Prüfungspflicht des Registergerichts besteht 1 5 . E i n e verbreitete M e i n u n g bejaht das jedenfalls in Fällen eines eindeutigen und unbehebbaren Verstoßes gegen öffentlich-rechtliche Zulässigkeitsvorschriften 1 6 . Dieser M e i n u n g kann indessen nach d e m Z w e c k der gesetzlichen Regelung, der gerade auf eine Trennung des H a n d e l s r e g i s t e r s v o m G e w e r b e r e c h t u n d damit auf eine E i n s c h r ä n k u n g der Prüfungskompetenz des Registergerichts zielt (o. R d n . 1 ff), nicht gefolgt werden 1 7 . Dasselbe folgt auch zwanglos aus dem Zusammenhang der §§ 7 und 29. In dieselbe R i c h t u n g weist die Überlegung, daß die Registergerichte in aller Regel gar nicht in der Lage sein dürften, die Einhaltung der überaus zahlreichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu kontrollieren. OGH EvBl. 1959 Nr. 316 = ÖJZ 1959, 548. S. §§ 37 Abs. 4 Nr. 5 und 278 Abs. 3 AktG. 10 S. § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG. 11 Grdl. für die Eintragung in die Handwerksrolle BGHZ 102,209,211 ff. = NJW 1988,1087; dagegen zutreffend Scholz/Winter GmbHG § 8 RdNr. 16; Winkler aaO (Fn. 2); zum ganzen s. außerdem noch Auweder Rpfl. 1962, 48; Bodens GmbHR 1984, 177; Full DNotZ 1957, 628; Riechert DB 1955, 643. 12 S.u. 33 Rdn. 7 13 S. im einzelnen KG JW 1936, 941, 942 = HRR 1936 Nr. 410; JFG 18, 87, 88 = JW 1938, 2751. 14 Hönn ZHR 153 (1989), 386, 412 f. 15 S. schon o. Rdn. 2b. 16 Insbes. OLG Düsseldorf BB 1985, 1933 = DB 1985, 2499; OLG Frankfurt OLGZ 1983, 25 = 8 9
130
GmbHR 1983, 241; OGH HS 1030 = JB1. 1947, 219; AG Hamburg JW 1936, 1226 m. Anm. Groschuff; Schlegelberger/Hildebrand § 7 Rdn. 4; K. Schmidt aaO (Fn. 4). 17 Ebenso insbes. KG JFG 18, 87, 88 ff = JW 1938, 2751; NJW 1958, 1827, 1828; BayObLGZ 1909, 513, 516; 1978, 44, 46; OLG Celle BB 1972, 145; OLG Braunschweig Rpfl. 1977, 363; OLG Stuttgart Justiz 1980, 48, 49 f; OLG Frankfurt BB 1975, 1319; OLGZ 1983, 25; 1983, 416; OGH EvBl. 1968 Nr. 7 = ÖJZ 1968,19,20 = HS 1620; HS 1031; 1032; OLG Wien NZ 1973, 90; 1973, 152; Staub/Brüggemann § 7 Rdn. 7 ff; Droste DB 1955, 1107, 1133; Ehrenberg/Glitsch Bd. II S. 156 f; Straube § 7 Rdnr. 4; Winkler aaO (Fn. 2).
Emmerich
Erster Abschnitt. Kaufleute
§7
Das Handelsregister besagt daher nichts über die gewerberechtliche Zulässigkeit eines Betriebs; durch die Eintragung eines Kaufmanns im Handelsregister wird vielmehr lediglich im Interesse der Rechtssicherheit die Anwendbarkeit des Handelsrechts auf den betreffenden B e t r i e b sichergestellt werden. Eine weitergehende Prüfungspflicht Registergerichts scheidet aus.
6
des
bb) D a s Gesagte (Rdn. 4) gilt uneingeschränkt auch für alle PersonenhandelsgesellSchäften einschließlich der G m b H u. C o . K G 1 8 . D i e abweichenden Bestimmungen des
7
A k t G und des G m b H G können nicht auf die Personenhandelsgesellschaften angewandt werden. 4. P r i v a t r e c h t l i c h e B e s c h r ä n k u n g e n Was § 7 für öffentlich-rechtliche Beschränkungen des G e w e r b e b e t r i e b s sagt, gilt (erst recht) für privatrechtliche Beschränkungen. O b der K a u f m a n n mit seinem Betrieb gegen ein gesetzliches oder vertragliches K o n k u r r e n z v e r b o t verstößt, geht das Registergericht nichts an. D i e D u r c h s e t z u n g derartiger privatrechtlicher Beschränkungen ist allein Sache der daraus berechtigten Privatpersonen 1 9 .
18
BayObLGZ 1978, 44, 47; OLG Oldenburg NJW 1957, 349, 350 f = BB 1957, 416; OLG Celle BB 1972, 145; OLG Braunschweig Rpfl. 1977, 363; z.B. Droste DB 1955, 1133; a.A. z.B. Riechen DB 1955, 643.
19
BayObLGZ 1909, 513, 516; KG JW 1936, 941, 943; 1924, 1178 Nr. 5; OGH HS 1032; Straube § 7 Rdn. 6.
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131
8
ZWEITER ABSCHNITT Handelsregister Vorbemerkungen Schrifttum Adler Das Handelsregister, seine Öffentlichkeit und sein öffentlicher Glaube, 1908; Bärmann Freiwillige Gerichtsbarkeit und Notarrecht, 1968; Bokelmann Anmeldung und Eintragung der Vertretungsbefugnis von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern in das Handelsregister nach neuem EWG-Recht, NJW 1969,2120; ders. Übernahme des Handelsregisters durch die Industrie- und Handelskammer? WM 1992, 1563; Brand Das Prüfungsrecht und die Prüfungspflicht des Registerrichters, ZblHR 1928, 97; Brüggemann Die neuen Aufgaben des Rechtspflegers im Handelsregisterrecht, Rpfleger 1970, 198; Bumiller/Winkler Freiwillige Gerichtsbarkeit, 5. Aufl. 1992; Cohn Das Handels- und Genossenschaftsregister, 3. Aufl. 1910; Drischler Verfügung über die Führung und Einrichtung des Handelsregisters (Handelsregisterverfügung). Für die Praxis mit erläuternden Hinweisen, 4. Aufl. 1975, Nachtrag 1977; Droste Eintragung von Gewerbetreibenden in das Handelsregister, NJW 1961, 1607; Ehrenberg Handelsregistergericht und Prozeßgericht, Prüfungspflicht und Prüfungsrecht des Registergerichts, JherJb. 61 (1912), 423; Frels Handelsregisterliche Fragen bei der Vorstandsbestellung, AG 1967, 227; Frey Die Beteiligung der Industrie- und Handelskammern bei Eintragungen in das Handelsregister, BB 1965, 1208; Frieling Kaufmannseigenschaft, Handelsfirma und Handelsregister, 2. Aufl. 1990; Friese Übersicht über das Handelsregister im Ausland, J W 1925, 434; 1926, 346; 1926, 1929; 1929, 3443; Geßler Harmonisierung des Rechts des Handelsregisters als Folge der Harmonisierung des Gesellschaftsrechts, Rpfleger 1967, 262; Goebeler Die Entwicklung des Registerrechts in den Jahren 1980-1986, BB 1987, 2314; Grziwotz Zur Eintragungsfähigkeit der Berufsbezeichnung „Steuerberater" im Handelsregister, DB 1989, 565; Gustavus Empfiehlt sich ein zentrales und ADV-unterstütztes Handelsregister in der Bundesrepublik? BB 1979,1175; ders. Handelsregister - quo vadis? GmbH-Rdsch. 1987, 253; ders. Handelsregister-Anmeldungen, 2. Aufl. 1990; ]. Hager Das Handelsregister, Jura 1992, 57; Holzer Das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz, NJW 1994, 481; Honig Gewerberecht und Handelsregister, GewArch. 1970, 3; Keim Zur Neuordnung des Handelsregisters in der DDR, DB 1990, 973; Keidel/Stöber Registerrecht, 5. Aufl. 1991; Kirstein Probleme des Handels- und Registerrechts, Rpfleger 1965, 131 u. 327; Krabbenhöft Erbrechtliche Bestimmungen und Prüfungsrecht des Registergerichts in Firmensachen, Rpfleger 1948/49, 365; Lammel Die Gesetzgebung des Handelsrechts, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. II 2, 1976, S. 571; Lindemann Die Reichsgesetzgebung über die gerichtliche Registerführung, 1906; Lutter Die Eintragung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse im Handelsregister, NJW 1969, 1873; Meyer Handelsregistererklärung und Widerruf der Prokura, ZHR 81 (1918), 365; Müller-Gugenberger Die Firma der EWIV, BB 1989, 1922; Nehlen Treuhandschaft und Enteignung im Registerrecht, insbesondere bei intersektoralen Unternehmen, JR 1949, 241; Pabst Unzulässige, ungenaue und überflüssige Registereinträge, DNotZ 1957, 393; Pramer Österreichisches Handelsregisterrecht, 1969; Richert Die Heilbarkeit rechtlich mangelhafter Registeranmeldungen durch Eintragung, NJW 1958, 894; ders. Kann die Auflösung einer nicht eingetragenen O H G in das Handelsregister eingetragen werden? DRiZ 1955,157; Schmatz Übersicht über die Rechtsprechung in Registersachen, DNotZ 1955, 478; 1956, 526; 1958, 231; E. Schmidt Die Überwachungspflicht des Rechtspflegers in Handelsregister-, Testaments- und Grundbuchsachen, Rpfleger 1950, 265; Karsten Schmidt Bemerkungen und Vorschläge zur Überarbeitung des Handelsgesetzbuchs - Vom Recht des „Handelsstands" (Erstes Buch) zum Recht der „Unternehmen" -, DB 1994, 515; ders. Sein - Schein - Handelsregister, JuS 1977, 209; Schmitz/Swoboda 132
Sonnenschein/Weitemeyer
Zweiter Abschnitt. Handelsregister
Vor § 8
Ausländerrecht und Handelsregister. Ausländerrechtliche Prüfungspflicht des Registergerichts? Rpfleger 1983, 137; U.H. Schneider Die Fortentwicklung des Handelsregisters zum Konzernregister, WM 1986, 181; Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. I, 1986; Bd. II 1, 1987; Schumacher Handelsregisterliche Anmeldungen, die Minderjährige betreffen, Rpfleger 1948/49, 259; Siehelt Der Entwurf eines Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes, NJW 1993, 2517; Walter Registerverfahren-Beschleunigungsgesetz: Die Zukunft hat auch im Handels- und Genossenschaftsregister begonnen, MDR 1994, 429. Übersicht Rdn. I. Aufgaben des Handelsregisters
Rdn.
1
II. Überblick über die gesetzlichen Grundlagen
4
I. Aufgaben des Handelsregisters 1. Bas Handelsregister ist ein öffentliches Register. Seine Wurzeln reichen zurück bis 1 zu den mittelalterlichen Gilderollen, in denen die Mitglieder des Kaufmannsstandes aufgezeichnet wurden. Weitere Vorläufer waren die im 17. Jahrhundert in West- und Mitteleuropa aufkommenden Register über Haftungsverhältnisse, in denen der Gesellschafterbestand und die kaufmännischen Vollmachten offengelegt wurden, ferner die Firmenbücher mit der Eintragung der Einzelkaufleute und die Verzeichnisse wechselfähiger Personen.1 Als unmittelbares Vorbild für die Regelung des H G B dienten die Art. 12 - 14 des A D H G B von 1861, das nach einer Empfehlung der Bundesversammlung in den meisten deutschen Ländern eingeführt, im Jahre 1869 Gesetz des Norddeutschen Bundes (BGBl. 379) und 1871 Reichsgesetz (RGBl. 63) wurde.2 Im einzelnen ist das H G B hinsichtlich der Wirkungen der Handelsregistereintragungen über das A D H G B hinausgegangen. 2. Wie die §§ 9, 10 über Einsicht und Bekanntmachung der Eintragungen zeigen, 2 kommt dem Handelsregister in erster Linie Publizitätsfunktion zu. Jede Firma und damit jeder Vollkaufmann nebst den ihn betreffenden wichtigen Rechtsverhältnissen müssen aus dem Register ersichtlich sein. Das Register dient so dem unabweisbaren Bedürfnis des Handelsverkehrs nach Offenlegung bestimmter geschäftlicher Verhältnisse der Beteiligten und somit der Rechtssicherheit. Diese Aufgabe kann das Register nur erfüllen, indem das Gesetz den Beteiligten grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Anmeldung bestimmter Tatsachen auferlegt. Darüber hinaus ist der Kreis eintragungsfähiger Tatsachen begrenzt, um die Informationen über die einzelnen Kaufleute vergleichbar zu halten (Staub/Hüff er V o r § 8 R d n . 1).
3. Neben der Publizität kommt dem Handelsregister eine Kontrollfunktion zu. Das 3 Registergericht ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet zu prüfen, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen einer Eintragung erfüllt sind (§ 8 Rdn. 13 ff). Hierdurch soll nach Möglichkeit sichergestellt werden, daß alle Eintragungen richtig sind
1
v. Gierke!Sandrock §11 I; Lammel S. 599 f; Staub/Hüffer Vor § 8 Rdn. 4.
2
Schubert/Schmiedel/Krampe Bd. I, S. 101; Bd. II 1, S. 17 ff; Staub/Brüggemann Einl. Rdn. 18 f.
Sonnenschein/Weitemeyer
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Vor § 8
Erstes Buch. Handelsstand
{Staub/Hüffer § 8 Rdn. 2). Bei der Eintragung von Kapitalgesellschaften ist die Prüfung des Gründungsverfahrens von besonderer Bedeutung, um durch staatliche Kontrolle die Einhaltung der Normativbedingungen festzustellen. 3
II. Überblick über die gesetzlichen Grundlagen 4
1. Einrichtung und Führung des Handelsregisters beruhen zum einen auf der unvollständigen Regelung der §§ 8 - 16, wobei § 15 materiell-rechtliche Bedeutung zukommt, zum anderen auf den §§ 1 ff und insbesondere §§ 125 ff FGG. Die Einzelheiten über die Einrichtung des Registers regelt die Handelsregisterverfügung vom 12.8.1937 (RMBl. 515), zuletzt geändert durch die Siebente Verordnung zur Änderung der Handelsregisterverfügung vom 24.10.1985 (BGBl. I 2033). Nach § 3 HRV besteht das Handelsregister aus zwei Abteilungen. In Abteilung A werden die Einzelkaufleute, die in den §§ 33, 36 H G B bezeichneten juristischen Personen, die O H G und die KG eingetragen. Abteilung Β enthält die Eintragungen der AG, KGaA, G m b H und des VVaG. Nach § 13 HRV sind jeder Einzelkaufmann, jede juristische Person sowie jede Handelsgesellschaft unter einer in derselben Abteilung fortlaufenden Nummer auf einem besonderen Registerblatt einzutragen.
5
2. Anmeldung und Umfang der eintragungsfähigen Tatsachen ergeben sich aus zahlreichen, einzelnen Vorschriften des H G B und handelsrechtlichen Sondergesetzen wie dem AktG, G m b H G , GenG und U m w G (§ 8 Rdn. 11 ff). Der 2. Abschnitt des H G B enthält insoweit nur wenige Einzelbestimmungen. Der Grund für den Mangel an Systematik und Zusammenhang der gesetzlichen Regelung liegt in der Entstehungsgeschichte und dem Vorbild des ADHGB. 4 Das gleiche gilt für die unterschiedliche Bedeutung, die einer Eintragung nach den jeweiligen Vorschriften zukommt.
6
3. Die Eintragung von Zweigniederlassungen ist demgegenüber seit dem Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften und über Gebäudeversicherungsverhältnisse vom 22.7.1993 (BGBl. I 282) für Einzelkaufleute, Personengesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung umfassend in den §§ 13 - 13 h geregelt. Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Elften Richtlinie des Rates vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden und dem Recht eines anderen Staates unterliegen (89/666/EWG - ABl. EG Nr. L 395/36 vom 30.12.1989). Die Richtlinie hat eine Koordinierung der Publizitätspflichten der Mitgliedstaaten über inländische Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften zum Ziel. Damit sollen die Personen geschützt werden, die über die Zweigniederlassung zur ausländischen Gesellschaft in Beziehung treten (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 1).
7
4. Das Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren vom 20.12.1993 (BGBl. I 2182) soll zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Bundesländern die Führung der Grundbücher und der Handels- und Genossenschaftsregister dadurch verbessern, daß die Register künftig voll-
3
§ 38 AktG, § 9 c GmbHG, § 11 a GenG.
134
4
Rdn. 1; Staub/Hüffer
Sonnenschein/Weitemeyer
§ 8 Rdn. 6.
§8
Zweiter Abschnitt. Handelsregister
elektronisch geführt werden können (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 1). Dazu wurde für das Handelsregister § 8 a, der auch bisher schon vorsah, daß die einzureichenden Schriftstücke auf Datenträgern aufbewahrt werden können, neu gefaßt. Die bisherige Regelung ist in § 8 a Abs. 3 und 4 erhalten geblieben, während nach Abs. 1 die Landesregierungen ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß und in welchem Umfang das Handelsregister als automatisierte Datei geführt wird. Ein neuer § 9 a ermächtigt darüber hinaus zur Einrichtung eines „Online"-Verfahrens zur Übermittlung der Daten aus dem maschinell geführten Handelsregister an öffentliche Stellen und Privatpersonen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 47). Weiterhin ist dem § 125 F G G ein neuer Abs. 4 hinzugefügt worden, wonach die 8 Datenverarbeitung im Auftrag des zuständigen Amtsgerichts bei einer anderen staatlichen Stelle durchgeführt werden kann. Durch Rechtsverordnungen der Länder kann auch die Möglichkeit geschaffen werden, daß die Daten des Handelsregisters eines Amtsgerichts bei einem anderen Amtsgericht eingesehen werden können. 5. Die genaue Ausgestaltung des elektronischen Handelsregisters bleibt der geplanten Änderung der Handelsregisterverfügung durch das Bundesministerium der Justiz vorbehalten (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 100).
9
6. Durch das Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe 1 0 (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz - PartGG) vom 25. 7. 1994 (BGBl. I 1744) ist die Einrichtung eines Partnerschaftsregisters für diese neue Gesellschaftsform bestimmt worden. Da die Gesellschaft nach § 1 Abs. 1 S. 2 PartGG kein Handelsgewerbe ausübt, scheidet eine Eintragung in das Handelsregister aus. Nach § 5 Abs. 2 PartGG sind aber auf das Partnerschaftsregister und die registerrechtliche Behandlung von Zweigniederlassungen der Gesellschaft die §§ 8 bis 12,13,13c, 13d, 13h, 14 - 16 H G B entsprechend anzuwenden, da das Partnerschaftsregister entsprechende Funktionen wie das Handelsregister erfüllen soll.
§8 Das Handelsregister wird von den Gerichten geführt. Übersicht Rdn.
Rdn.
1 1
I. Zuständigkeit 1. Sachliche Zuständigkeit
2 3
2. Örtliche Zuständigkeit 3. Funktionelle Zuständigkeit 4. Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten Dritter II. Verfahren der Eintragung
2. Eintragungen und Löschungen 3. Entscheidungen
des
12
Registergerichts
und deren Anfechtung III. Wirkungen der Eintragung 1. Rechtsbekundende Eintragung
20 26 26
2. Rechtsbegründende Eintragung
28
3. VermutungsWirkung
31
1. Eintragungsfähige Tatsachen
I. Zuständigkeit 1. Sachliche Zuständigkeit Die Führung des Handelsregisters fällt nach § 8 in die sachliche Zuständigkeit der 1 Gerichte. Nach § 125 Abs. 1 F G G sind die Amtsgerichte zuständig. Wegen der besonderen Bedeutung des Registers ist diese Aufgabe weder der staatlichen Verwaltung noch den Sonnenschein/Weitemeyer
135
Erstes Buch. Handelsstand
§8
Organisationen des Handelsstandes übertragen worden {Baumbach/Duden/Hopt §8 Anm. 2 A). In den neuen Bundesländern ist das Handelsregister bis zur Justizreform von den Kreisgerichten geführt worden (im einzelnen Bumiller/Winkler F G G § 125 Anm. 5). 2. Ortliche Zuständigkeit 2
Die örtliche Zuständigkeit des Registergerichts ist ausschließlich (Bumiller/Winkler F G G § 125 Anm. 3). Sie ist nicht einheitlich geregelt, sondern ergibt sich für die jeweilige Eintragung aus der im einzelnen maßgebenden Vorschrift der verschiedenen Gesetze. In der Regel ist das Amtsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Niederlassung bzw. der Sitz des Kaufmanns befindet.1 Die Zuständigkeit für die Eintragung einer Zweigniederlassung ergibt sich aus den §§ 13 - 13 h HGB, § 278 Abs. 3 AktG, §§ 14, 14 a GenG und § 19 Abs. 6 GenRegVO. Ersatzzuständigkeiten infolge des deutschen Zusammenbruchs im Jahre 1945 werden durch die §§ 14, 15 ZustErgG begründet. Einzelne Bundesländer haben von der durch § 125 Abs. 2 F G G eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Führung des Registers für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht zu übertragen (vgl. Staub/Hüffer § 8 Rdn. 3). 3. Funktionelle Zuständigkeit
3
Funktionell fallen die vom Registergericht wahrzunehmenden Aufgaben in die Zuständigkeit des Richters, Rechtspflegers und Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Nach § 3 Nr. 2 d) RpflG sind Geschäfte in Handelssachen grundsätzlich dem Rechtspfleger vorbehalten. Hiervon werden vor allem die Entscheidungen erfaßt, die Abteilung A des Handelsregisters über Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften betreffen (vgl. Bumiller/Winkler F G G § 125 Anm. 4). Nach § 17 RpflG ist eine Reihe von Maßnahmen dem Richter vorbehalten (Bumiller/Winkler aaO). Hierbei handelt es sich in erster Linie um Verfügungen im Bereich der Abteilung Β des Registers über Kapitalgesellschaften. Die Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ergeben sich aus § 8 Abs. 3, § 17 Abs. 2 und den §§ 28 - 31 HRV. Diese Vorschriften regeln im wesentlichen die Ausführung von Verfügungen des Richters oder Rechtspflegers und die Erteilung von Abschriften aus dem Handelsregister. Für die Beglaubigung ist nur der Urkundsbeamte zuständig (OLG Hamm Rpfleger 1968, 122). 4. Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten Dritter
4
a) Nach § 126 F G G sind die Organe des Handelsstandes und anderer Stände gegenüber den Registergerichten zur Mitwirkung verpflichtet. Zu diesen Organen gehören die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern und die Landwirtschaftskammern bzw. die nach Landesrecht zuständigen Stellen (vgl. Staub/Hüffer § 8 Rdn. 12). Sie haben dabei mitzuwirken, unrichtige Eintragungen zu verhüten, das Handelsregister zu berichtigen und zu vervollständigen sowie beim Einschreiten gegen unzulässigen Firmengebrauch zu unterstützen. In diesem Rahmen haben die Organe ein eigenes Antrags- und Beschwerderecht.
5
b) In § 125 a Abs. 1 F G G wird Gerichten und bestimmten Behörden die Pflicht auferlegt, dem Registergericht die zu ihrer amtlichen Kenntnis gelangenden Fälle einer 1
§§ 29, 106, 161 Abs. 2 H G B , §§ 14, 278 Abs. 3 AktG, § 7 G m b H G , § 10 GenG, § 30 V A G .
136
Sonnenschein/Weitemeyer
§8
Zweiter Abschnitt. Handelsregister
unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Anmeldung zum Handelsregister mitzuteilen. Die Steuerbehörden haben nach § 125 a Abs 2 F G G nur eine Auskunftspflicht.
II. Verfahren der Eintragung 1. Eintragungsfähige Tatsachen a) Als Grundsatz ist aus der Systematik des H G B zu entnehmen, daß das Handels- 6 register nur über einen beschränkten Kreis von Tatsachen Auskunft geben soll, die für den Kaufmann und den Handelsverkehr von besonderer Bedeutung sind. Mit Tatsachen sind nicht nur tatsächliche Sachumstände gemeint, sondern auch Rechtsverhältnisse {Staub/Hüffer § 8 Rdn. 19), die sich aus der rechtlichen Beurteilung tatsächlicher Vorgänge ergeben (Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 8 Rdn. 16). Die Eintragungsfähigkeit ergibt sich in erster Linie aus einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, die dem Kaufmann entweder eine Anmeldepflicht auferlegt (Rdn. 7) oder es im Einzelfall seiner Entscheidung überläßt, ob er von der Möglichkeit einer Eintragung Gebrauch machen will (Rdn. 8). Nicht eindeutig geregelt ist hingegen die Frage, ob bestimmte Tatsachen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung eintragungsfähig sind. b) Den Regelfall bilden die kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung eintra- 7 gungspflichtigen Tatsachen. Hiermit verbunden ist im allgemeinen eine Anmeldepflicht des Kaufmanns. Aus dem Bereich des H G B sind zu nennen die §§ 2 S. 2, 13 ff, 29, 31, 33, 34 Abs. 1, 53 Abs. 1 und 3, 106, 107, 125 Abs 4, 143, 144 Abs. 2, 148, 150, 157, 162 und 175. Weitere anmelde- und eintragungspflichtige Tatsachen ergeben sich aus den handelsrechtlichen Sondergesetzen (s. im einzelnen Staub/Hüffer § 8 Rdn. 25 ff). c) Eintragungsfähig ohne Anmeldepflicht ist eine Reihe von Tatsachen, in denen das 8 Gesetz es den Beteiligten überläßt, freiwillig die Eintragung herbeizuführen und damit im Regelfall eine bestimmte Rechtsfolge auszulösen. Hierzu zählen die Begründung der Kaufmannseigenschaft durch Eintragung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft nach § 3 Abs. 2 und 3 und der Haftungsausschluß kraft Eintragung bei Fortführung der Firma durch den Erwerber eines Unternehmens nach § 25 Abs. 2 und bei Eintritt eines Gesellschafters in das Geschäft eines Einzelkaufmanns nach § 28 Abs. 2. Ohne unmittelbare Rechtsfolgen ist die freiwillige Eintragung von Unternehmen inländischer Gebietskörperschaften nach § 36, wenn es sich um einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 handelt. Diese Eintragung bildet aber die Grundlage, um anderweitige Rechtsfolgen herbeiführen zu können, so etwa die Erteilung einer Prokura (Baumbach/Duden/Hopt § 36 Anm. 1 B). Bei öffentlichen Unternehmen kann die freiwillige Eintragung in den Fällen, die den §§ 2, 3 entsprechen, die Kaufmannseigenschaft auch erst begründen (Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 36 Rdn. 5). d) Fraglich ist, ob bestimmte Tatsachen ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung 9 eintragungsfähig sind, weil sich das Erfordernis einer Eintragung aus Sinn und Zweck des Handelsregisters ergibt.2 Andererseits findet sich die Auffassung, daß das Handelsregister nur für die im Gesetz vorgesehenen Eintragungen offenstehe und nicht dazu bestimmt sei, ein lückenloses Bild der Verhältnisse eines Kaufmanns zu geben.3 Demgegenüber weisen 2
3
So KG DR 1943, 982; Baumbach/Duden/Hopt § 8 Anm. 3. RGZ 132, 138, 140; KG DJZ 1906, 1264; O L G
Karlsruhe GmbH-Rdsch. 1964, 78; O L G Düsseldorf BB 1991, 2105, 2106; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 8 Rdn. 17.
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Staub/Hüffer (§ 8 Rdn. 31) zu Recht darauf hin, daß eine Beschränkung der Eintragungsfähigkeit auf ausdrücklich zugelassene Tatsachen den Grundsatz überspitzen würde und daß deshalb auf Auslegung, Analogie oder folgerichtige Anwendung richterlicher Rechtsfortbildung abzustellen sei. In der Praxis wird auf die Bedeutung der Eintragung hingewiesen, den Rechtsverkehr zu schützen (BGHZ 87, 59, 62 = NJW 1983, 1676, 1677). Dieses praxisorientierte Kriterium ist angesichts der bestehenden Gesetzeslage gegenüber allen letztlich unbefriedigenden theoretischen Abgrenzungsversuchen zwischen eintragungsfähigen und nicht eintragungsfähigen Tatsachen vorzuziehen. Soweit die Eintragungsfähigkeit in den gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Fällen bejaht wird, ist es konsequent, insoweit auch eine Anmeldepflicht des Kaufmanns anzunehmen (.Staub/Hüffer § 8 Rdn. 46). e) Aus der Rechtsprechung sind folgende Einzelfälle zu erwähnen: 10
aa) Eintragungsfähig sind: akademische Grade des Kaufmanns oder anderer einzutragender Personen (LG Heidelberg BWNotZ 1980, 43); die Berufsbezeichnung „Steuerberater" des Prokuristen einer Steuerberatungsgesellschaft4; Geschäftsleiter der deutschen Zweigniederlassung einer ausländischen Bank nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 KWG 5 ; Befugnis des Prokuristen zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken (BayObLG N J W 1971, 810); O H G mit einem nicht in die Handwerksrolle eingetragenen Handwerker ( O L G Oldenburg BB 1957, 416); Hinweis auf die Rechtsnachfolge bei Ubergang eines Kommanditanteils durch Gesamtrechtsnachfolge6; Befreiung des persönlich haftenden Gesellschafters einer K G von den Beschränkungen des § 181 B G B ( O L G Hamburg ZIP 1986, 1186); Vorsitzer des Vorstands einer AG (LG Stuttgart BB 1953, 870 - ohne Anmeldepflicht); Befreiung des Geschäftsführers einer GmbH von den Beschränkungen des § 181 BGB. 7
11
bb) Nicht eintragungsfähig sind: Berufsbezeichnung eines Kaufmanns oder Gesellschafters als Diplom-Detektiv (BayObLG M D R 1971, 307); Entmündigung eines Kaufmanns (SchlegelbergerlHildebrandt/Steckhan § 8 Rdn. 17), nach heutiger Rechtslage die Betreuung, und gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen ( O L G Dresden SächsOLG 32, 133); güterrechtliche Beschränkungen (RG J W 1906, 405); Vertretungsbefugnis einzelner Miterben bei ungeteilter Erbengemeinschaft (KG RJA 9, 159; 15, 51); Anordnung einer Testamentsvollstreckung für ein zum Nachlaß gehörendes Handelsgeschäft (RGZ 132, 138) oder für einen Kommanditanteil8; Nacherbenvermerk ( O L G München J F G 22, 89); privatrechtliches Treuhandverhältnis ( O L G Hamm NJW 1963, 1554) und durch einstweilige Verfügung eingesetzter Treuhänder (LG Hamburg DNotZ 1950, 78); treuhänderische Verwaltung des Vermögens einer Gesellschaft durch die Treuhandanstalt (LG Münster Rpfleger 1992, 439); Unternehmen im Sinne des § 2 im Liquidationszustand (BayObLGZ 1956, 181 = B B 1956, 607), soweit nicht ein Beschluß zur Fortsetzung als werbendes Unternehmen vorliegt ( S t a u b / H ü f f e r § 8 Rdn. 36); andere handelsrechtliche Vollmachten als die Prokura 9 , selbst wenn eine Handlungsvollmacht zur gemeinsamen Vertretung mit einem Prokuristen berechtigen soll ( O L G Karlsruhe RJA 17, 102), soweit nicht die Sonderregel des § 13e Abs. 2 S. 4 Nr. 3 für ständige Vertreter einer ausländischen Kapital-
4
5
6
LG Augsburg BB 1989, 1074; Grziwotz DB
1989, 565. BayObLG NJW 1973, 2162; LG Frankfurt/M. WM 1979, 957. RG DNotZ 1944, 195; O L G Köln DNotZ 1953, 435.
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BGHZ 87, 59 = NJW 1983, 1676; BayObLG BB 1980, 597; vgl. Rdn. 11. « O L G Frankfurt/M. NJW 1983, 1806; LG Berlin ZIP 1992, 1557 m.w.N. 9 KGJ 29 A 91; BayObLGZ 1924, 55; O L G Frankfurt/M. BB 1976, 569. 7
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gesellschaft eingreift (dort Rdn. 13); Gegenstand des Unternehmens einer O H G oder KG, soweit er nicht bereits in der Firma enthalten ist (KG JW 1934, 1730); Beschränkung der Angaben auf einzelne Gesellschafter unter Ausschluß anderer Gesellschafter (BGHZ 10, 45 = N J W 1953,1548); gemeinsamer Vertreter für mehrere Kommanditisten (OLG Hamm MDR 1952, 549); Zeitpunkt für das Ausscheiden des Liquidators einer Personengesellschaft (KG RJA 12, 217); bedingte Verpflichtung des Gesellschafters einer G m b H zur Einzahlung seiner Stammeinlage (RGZ 78, 359); Aufstockungsbeschluß einer G m b H (BayObLG BB 1991, 2464); Ermächtigung der Gesellschafterversammlung einer G m b H , einen oder mehrere Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien 10 ; Befreiung des Geschäftsführers einer G m b H von den Beschränkungen des § 181 BGB, wenn er alleiniger Gesellschafter ist.11 2. Eintragungen und Löschungen a) Eintragungen und Löschungen im Handelsregister werden regelmäßig nur auf 1 2 Antrag vorgenommen. Die hierzu erforderliche Anmeldung nach § 12 hat den Charakter eines Antrags auf Einleitung eines Verfahrens (§ 12 Rdn. 2 f). N u r ausnahmsweise werden Eintragungen und Löschungen von Amts wegen vorgenommen (Rdn. 19). aa) Das Registergericht ist verpflichtet, die Anmeldung zu prüfen. Die Prüfung in for- 1 3 melier Hinsicht folgt aus der allgemeinen Pflicht, ein ordnungsgemäßes Verfahren einzuhalten. Das Gericht hat deshalb seine sachliche und örtliche Zuständigkeit zu prüfen, ferner die Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung nach § 12 hinsichtlich der Berechtigung des Antragstellers, insbesondere seiner Identität, Rechtsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit und einer etwaigen Vertretungsmacht, sowie hinsichtlich der Einhaltung der öffentlich beglaubigten Form. Das gleiche gilt für die Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Tatsachen (Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 8 Rdn. 22). bb) Nicht einhellig beurteilt wird die Frage, ob dem Registergericht auch ein Recht und 1 4 eine Pflicht zur Prüfung in materieller Hinsicht zustehen. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Rechtsgrundlage für eine solche Prüfung, sondern auch für ihren Umfang. Dabei kann die materielle Prüfung die Wahrheit der angemeldeten Tatsachen und ihre rechtliche Richtigkeit betreffen. Teilweise wird die Grundlage der Prüfungspflicht in § 12 F G G gesehen, wonach das 1 5 Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten hat. 12 Demgegenüber weisen Staub/Hüffer (§ 8 Rdn. 54) zu Recht darauf hin, daß für das Gericht die allgemeine Pflicht besteht, die Grundsätze und Vorschriften des materiellen Rechts zu beachten, und daß deshalb die materielle Prüfungspflicht nicht aus einer besonderen Rechtsgrundlage abgeleitet werden muß. So hat das Registergericht darüber zu wachen, daß Erklärungen von Kaufleuten, die nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen oder aus anderen Gründen unwirksam sind und mit der Rechtsordnung nicht in Einklang stehen, nicht in das Handelsregister aufgenommen und mit amtlicher Hilfe öffentlich verbreitet werden (RGZ 127, 153, 156). Mittelbar werden Prüfungsrecht und Prüfungspflicht auch durch die Regelung der §§13 Abs. 3, 13 c Abs. 3 S. 2, 13 h Abs. 2 S. 3, 4 und Abs. 3 bestätigt.
10
OLG Frankfurt/M. BB 1984, 238; 1993, 2113 m.w.N.; a.M. LG Köln GmbH-Rdsch. 1993, 501. 11 BGHZ 87, 59 = NJW 1983, 1676; BayObLG BB 1984, 238.
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Baumbach/Duden/Hopt § 8 Anm. 4 B; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 8 Rdn. 21.
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Unterschiedlich beurteilt wird der Umfang der Prüfungspflicht. Teilweise wird für die Prüfung darauf abgestellt, ob die mitgeteilten Tatsachen die begehrte Eintragung rechtfertigen und ob nicht Vorschriften zum Schutz der Öffentlichkeit verletzt sind (Baumbach/Duden/Hopt § 8 Anm. 4 C u. D). Nach anderer Auffassung soll der Umfang der Prüfungspflicht bei der Eintragung rechtserzeugender Tatsachen weiter sein als bei rechtsbekundenden Tatsachen.13 Auf der Grundlage der Ansicht, daß für das Registergericht eine allgemeine Prüfungspflicht besteht (Rdn. 15), kann jedoch nicht in dieser Weise differenziert werden. Das Gericht hat vielmehr jede Anmeldung auf ihre materielle Richtigkeit hin zu überprüfen. Dies gilt nicht nur für reine Tatsachen, sondern auch für die Wirksamkeit von Rechtshandlungen oder Rechtsverhältnissen.14 Ergeben sich hierbei Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Anmeldung begründen, hat das Gericht weitere Prüfungen anzustellen und gegebenenfalls Nachweise anzufordern ( S t a u b / H ü f f e r § 8 Rdn. 56). So ist z.B. zu prüfen, ob ein Gesellschaftsvertrag15 oder eine Satzungsänderung ( O L G Hamburg WM 1984, 1154) wirksam ist und damit die Eintragung rechtfertigt (Baumbach/Duden/Hopt § 8 Anm. 4 C). Ebenso ist zu prüfen, ob die Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer einer GmbH (BayObLG BB 1981,1726) oder der Eintritt in eine Gesellschaft (LG Köln DNotZ 1980,422) wirksam ist. Nach § 9 c GmbHG hat das Registergericht zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet ist (BayObLG BB 1991, 2391). Bei der Anmeldung anfechtbarer Rechtsgeschäfte zur Eintragung ist abzuwarten, ob die Anfechtung erfolgt. 16
17
Die Prüfung umfaßt hingegen nicht die Frage, ob durch die Eintragung Rechte Dritter gefährdet werden, die nach den Vorschriften des UWG, WZG, AnfG oder der K O selbständig zu verfolgen sind.17 Ebensowenig erstreckt sich das Prüfungsrecht auf die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der angemeldeten Tatsache (KG J W 1924, 1178), da das Registergericht keine Aufsichtsbehörde für den Handelsstand darstellt {Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 8 Rdn. 26).
18
cc) Eine Heilung von Mängeln ist möglich, da die Anmeldung nicht fristgebunden ist. Ergibt die Prüfung durch das Registergericht einen Mangel, kann er aufgrund formloser Verhandlungen mit dem Antragsteller oder im Wege gerichtlicher Auflagen behoben werden. Auch die Umdeutung eines unzulässigen in einen zulässigen Antrag kommt in Betracht (KG RJA 17, 110).
19
b) In den gesetzlich angeordneten Ausnahmefällen wird das Registergericht von Amts wegen tätig. Das Erlöschen einer Firma ist unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 S. 2 einzutragen (§ 141 FGG), ebenso nach § 32 die Konkurseröffnung und nach § 148 Abs. 2 die gerichtliche Bestellung oder Abberufung von Liquidatoren. Das gleiche gilt für die Abwickler einer AG nach § 266 Abs. 4 AktG und einer GmbH nach § 67 Abs. 4 GmbHG (vgl. zur Genossenschaft § 84 Abs. 2 GenG). Bei einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit muß nach dem Widerruf der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb eine Liquidation stattfinden. Der Widerruf wird deshalb nach § 87 Abs 5 S. 2 VAG auf Anzeige der Aufsichtsbehörde von Amts wegen im Handelsregister eingetragen. Weitere Gründe für eine von Amts wegen vorzunehmende Löschung von Eintragungen ergeben sich aus den
Heymann/Kotier § 8 Anm. 3; abl. Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 8 Rdn. 24. "•BayObLG BB 1991, 2103, 2104; BB 1992, 226; GmbH-Rdsch. 1992, 304. 15 KG H R R 1932 Nr. 1958; BayObLG BB 1991, 2103, 2104; O L G Oldenburg BB 1957, 416; 13
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differenzierend Säcker FS Stimpel S. 867. Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 8 Rdn. 25 m.w.N.; differenzierend Lutter N J W 1969, 1873. RGZ 127, 77, 81; KG OLGRspr. 42, 219, 220.
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§§ 142 ff FGG. Ohne Eintragung wird das Registergericht bei der Mitteilung einer Zweigniederlassung an das Gericht der Hauptniederlassung nach § 13 Abs. 4 S I und in den Fällen des unzulässigen Firmengebrauchs nach § 37 Abs. 1 (vgl. § 140 FGG) tätig. 3. Entscheidungen des Registergerichts und deren Anfechtung a) Das Registergericht hat auf die Anmeldung zur Eintragung mehrere Möglichkeiten 2 0 der Entscheidung. Nach § 25 Abs. 1 HRV kann die Eintragung verfügt oder nach § 26 S. 1 HRV abgelehnt werden. Nach § 26 S. 2 HRV kann zur Beseitigung von behebbaren Eintragungshindernissen eine Zwischenverfügung erlassen werden ( O L G Hamm RPfleger 1990,426 m. Anm. Buchberger). Eine Aussetzung der Verfügung ist nach § 127 F G G möglich. b) Soweit auf eine Verfügung hin die Eintragung oder Löschung vollzogen wird, ist die 21 Entscheidung wegen des erhöhten Bestandsschutzes des Registers unanfechtbar (KGJ 41 A 102). Zur Beseitigung ist ein auf Antrag oder nach den §§ 142 ff F G G von Amts wegen durchzuführendes neues Verfahren erforderlich. 18 Ebensowenig ist eine Verfügung anfechtbar, solange es sich um eine rein innerdienstliche, noch nicht vollzogene Anordnung handelt. Ist eine derartige Verfügung den Beteiligten jedoch bereits bekanntgemacht worden, ist sie anfechtbar.19 c) Anfechtbar sind die Ablehnung eines Antrags auf Eintragung sowie ZwischenVerfügungen ( O L G Frankfurt/M. Rpfleger 1977, 441) und Aussetzungsverfügungen.
22
aa) Gegen Entscheidungen des Rechtspflegers (Rdn. 20) ist nach § 11 RpflG der 2 3 Rechtsbehelf der Erinnerung zulässig. bb) Soweit der Richter eine Entscheidung getroffen hat, ist das Rechtsmittel der 2 4 Beschwerde zulässig. In der Regel ist die einfache Beschwerde nach den §§ 19, 20 F G G gegeben. Die sofortige Beschwerde des § 22 F G G findet in den gesetzlichen Ausnahmefällen statt. 20 Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist unter den Voraussetzungen des § 27 F G G die weitere Beschwerde zulässig. Beschwerdeberechtigt ist, wer durch die Verfügung in seiner Rechtsstellung beein- 2 5 trächtigt ist (§ 20 FGG). Dieser Begriff ist weit auszulegen.21 Hierzu kann auch ein Notar gehören, der den Antrag beurkundet hat 22 , nicht aber ein Gläubiger des Kaufmanns23 oder ein Konkurrent, der seine Wettbewerbsinteressen schützen will. Im Verfahren über die Anmeldung einer Aktiengesellschaft ist die in Gründung befindliche Gesellschaft selbst beschwerdeberechtigt, nicht der anmeldende Vorstand ( O L G Stuttgart B B 1992, 88). Die Beschwerde steht nach § 126 F G G auch den Organen des Handelsstandes und anderer Stände zu (vgl. aber K G OLGRspr. 12, 203).
18
19
20
Staub/Hüffer 5 8 Rdn. 86; vgl. aber BGHZ 46, 7, 9 = NJW 1966, 1813, 1815 m. Anm .Jansen. OLG Stuttgart Rpfleger 1970, 283; OLGZ 1974, 340; Rpfleger 1975, 97. §§ 139,140,141 Abs. 3,142 Abs. 3,144,146 Abs. 2, 148 Abs. 1 FGG.
21 22 23
KG RJA 5, 173; 7, 194; 9, 255. KG RJA 1, 153; 17, 78.
KG RJA 10, 21; KGJ 33 A 140.
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III. Wirkungen der Eintragung 1. Rechtsbekundende Eintragung 26
Der größere Teil der Eintragungen verlautbart rechtliche Vorgänge, die außerhalb des Handelsregisters bereits wirksam geworden sind. Die Eintragung ist nicht tatbestandliche Voraussetzung für den Eintritt der Rechtswirkungen, sondern hat nur rechtsbekundende Bedeutung. Unter den Voraussetzungen der § § 5 , 15 kann derartigen Eintragungen allerdings eine eigenständige materielle Bedeutung zukommen, wenn die tatsächliche Rechtslage von der verlautbarten abweicht. Im einzelnen kommt es auf die konkrete Norm an, welche Bedeutung einer Eintragung beizumessen ist (K. Schmidt JuS 1977, 209, 210).
27
Zu den rechtsbekundenden Eintragungen gehören z.B. die Eintragung eines Kaufmanns, der ein Grundhandelsgewerbe im Sinne des § 1 Abs. 2 betreibt, Erteilung und Erlöschen einer Prokura nach § 53, die Eintragung einer bereits tätigen O H G oder K G mit einem Grundhandelsgewerbe (§§ 105, 161, 123 Abs. 2), Eintritt und Ausscheiden von Gesellschaftern sowie Auflösung der Gesellschaft (§§ 107, 143). Aus dem Bereich der Kapitalgesellschaften sind Änderungen in der Zusammensetzung und der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführungsorgans ( § 8 1 A k t G , § 39 G m b H G ) und die Auflösung der Gesellschaft zu erwähnen (§ 263 AktG, § 65 G m b H G ) . 2. Rechtsbegründende Eintragung
28
Eine Reihe handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften bestimmt, daß die Eintragung Tatbestandsmerkmal für den Eintritt der gewünschten Rechtsfolge ist und damit rechtsbegründend wirkt. In aller Regel müssen neben der Eintragung noch weitere Tatbestandsmerkmale außerhalb des Handelsregisters erfüllt sein. Der Grund für derartige Vorschriften ist darin zu sehen, daß die Rechtsfolge wegen des besonderen Verkehrsschutzes, in manchen Fällen auch zusätzlich wegen einer besonderen gerichtlichen Prüfung, von der öffentlichen Verlautbarung abhängen soll.
29
Als rechtsbegründend sind die Eintragungen des Sollkaufmanns nach § 2 und des Kannkaufmanns nach § 3 zu erwähnen, wozu auch die Personengesellschaften ohne Grundhandelsgewerbe zählen, ferner im Außenverhältnis die Eintragung solcher Gesellschaften, die kein Grundhandelsgewerbe betreiben und ihren Geschäftsbetrieb noch nicht aufgenommen haben (§ 124 Abs. 1). Aus dem Recht der Kapitalgesellschaften ist vor allem auf die Erlangung der Rechtsfähigkeit durch Eintragung (§ 41 AktG, § 11 G m b H G ) , auf Satzungsänderungen ( § 1 8 1 AktG, § 54 G m b H G ) , Abschluß und Änderung von Unternehmensverträgen (§§ 2 9 4 , 2 9 5 AktG), Eingliederung (§§ 319, 320 AktG), und Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel hinzuweisen (§§ 20, 131, 176,
30
184, 202 UmwG). Hiervon zu unterscheiden sind Eintragungen, die an sich rechtsbekundend wirken, denen das Gesetz aber eine besondere Bedeutung beimißt, indem sich aus der Eintragung eine bestimmte Rechtsfolge ergibt und damit eine rechtsbegründende Wirkung eintritt. Dies gilt für den Scheinkaufmann des § 5, die Wirksamkeit eines vertraglichen Haftungsausschlusses gegenüber Dritten nach den §§ 25 Abs. 2 , 2 8 Abs. 2 sowie für die Haftung des Kommanditisten und die Herabsetzung seiner Einlage (§§ 174, 176).
g-j
3. Vermutungswirkung Da die Eintragung im Handelsregister eine öffentliche Urkunde darstellt, spricht für sie die Vermutung der Gesetzmäßigkeit ( R G Z 41, 19, 22). Streitig ist, ob darüber hinaus eine 142
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§ 8a
Zweiter Abschnitt. Handelsregister
widerlegbare Vermutung für die sachliche Richtigkeit der Eintragung besteht. Dies wurde im älteren Schrifttum abgelehnt (Düringer/Hachenburg/Hoeniger HGB, 3. Aufl., vor § 8 Anm. 3 m.w.N.) und wird heute zum Teil auf einen Beweis des ersten Anscheins beschränkt. 24 Auf der Grundlage der materiellen Prüfungspflicht des Registergerichts (Rdn. 21) ist jedoch die Ansicht vorzuziehen, die eine Vermutung der sachlichen Richtigkeit annimmt.25 §8a (1) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung bestimmen, daß und in welchem Umfang das Handelsregister einschließlich der zu seiner Führung erforderlichen Verzeichnisse in maschineller Form als automatisierte Datei geführt wird. Hierbei muß gewährleistet sein, daß 1. die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung eingehalten, insbesondere Vorkehrungen gegen einen Datenverlust getroffen sowie die erforderlichen Kopien der Datenbestände mindestens tagesaktuell gehalten und die originären Datenbestände sowie deren Kopien sicher aufbewahrt werden, 2. die vorzunehmenden Eintragungen alsbald in einen Datenspeicher aufgenommen und auf Dauer inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden können, 3. die nach der Anlage zu § 126 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Grundbuchordnung erforderlichen Maßnahmen getroffen werden. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung nach Satz 1 auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (2) Eine Eintragung wird wirksam, sobald sie in den für die Handelsregistereintragungen bestimmten Datenspeicher aufgenommen ist und auf Dauer inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden kann. (3) Die zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke können zur Ersetzung der Urschrift auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn sichergestellt ist, daß die Wiedergaben oder die Daten innerhalb angemessener Zeit lesbar gemacht werden können. Bei der Herstellung der Bildoder Datenträger ist ein schriftlicher Nachweis über ihre inhaltliche Ubereinstimmung mit der Urschrift anzufertigen. (4) Das Gericht kann gestatten, daß die zum Handelsregister einzureichenden Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse und die dazugehörigen Unterlagen sowie sonstige einzureichende Schriftstücke in der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Form eingereicht werden. (5) Die näheren Anordnungen über die maschinelle Führung des Handelsregisters, die Aufbewahrung von Schriftstücken nach Absatz 3 und die Einreichung von Abschlüssen und Schriftstücken nach Absatz 4 trifft die Landesjustizverwaltung, soweit nicht durch Rechtsverordnung nach § 125 Abs. 3 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Vorschriften erlassen werden. S c h r i f t t u m Siebelt Der Entwurf eines Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes, N J W 1993, 2517.
24
Baumbach/Duden/Hopt Hiiffer § 8 Rdn. 83.
§ 9 Anm. 2 A; Staub/
25
KG OLGRspr. 14, 158; BayObLG LZ 1928, 498, 500; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 8 Rdn. 29.
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143
§8a
Erstes Buch. Handelsstand
Rdn.
Rdn. IV. Aufbewahrung von Schriftstücken
20
I. Allgemeines
1
1. Überblick
1
1. Bildträger oder andere Datenträger . . . .
20
2. Entstehungsgeschichte
2
2. Lesbarkeit
21
3. Zweck
4
3. Einreichung
II. Führung des Handelsregisters als automa-
bereits
22
5
1. Ermächtigung der Landesregierungen . .
5
Konzernabschlüssen
2. Gewährleistungen
9
1. Jahresabschlüsse
10
14 nach
der
Anlage
Konzernab23
2. Sonstige Schriftstücke V I . Ausgestaltung
speicher und Wiedergabe in lesbarer Form
23 und
24
3. Gestattung durch das Gericht
b) Aufnahme der Eintragungen in Daten-
c) Maßnahmen
V . Aufbewahrung von Jahresabschlüssen und
schlüsse
ordnungsgemäßen
Datenverarbeitung
Unter-
lagen
tisierte Datei
a) Grundsätze einer
verfilmter
durch
oder Anordnungen der
Landesjustizver-
waltung
zu
26
§ 126 Abs. 1 S. 2 N r . 3 G B O
16
1. Handelsregisterverfügung
III. Wirksamwerden einer Eintragung
18
2. Anordnungen
1. Zeitpunkt
18
2. Bestätigungsanzeige
19
waltung
25
Rechtsverordnung
der
26
Landesjustizver27
I. Allgemeines 1. Überblick 1
Die Vorschrift regelt die Einrichtung und das Führen des Handelsregisters mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung. In Abs. 1 werden die Landesregierungen ermächtigt, die Umstellung des Handelsregisters auf eine automatisierte Datei anzuordnen und den Umfang des elektronischen Systems zu bestimmen. Abs. 2 legt fest, wann Eintragungen in das als elektronische Datei geführte Handelsregister wirksam werden. Nach Abs. 3 kann das Handelsregister die einzureichenden Schriftstücke als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahren. Darüber hinaus kann das Gericht nach Abs. 4 gestatten, daß die zum Handelsregister einzureichenden Jahres- und Konzernabschlüsse und sonstigen Schriftstücke bereits auf Datenträgern eingereicht werden. Die nähere Ausgestaltung wird gem. Abs. 5 der Landesjustizverwaltung und der Handelsregisterverfügung des Bundesministeriums der Justiz überlassen. 2. Entstehungsgeschichte
2
a) Die heutigen Abs. 3 und 4 sind als § 8 a a.E durch Art. 1 Nr. 1 BiRiLiG vom 19.12.1985 ( B G B l . I 2355) in das H G B eingefügt worden und am 1.1.1986 in Kraft getreten (Art. 13 BiRiLiG). Sie gehen zurück auf eine Empfehlung des Bundesrates, der in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines B i R i L i G vom 26.8.1983 die Bundesregierung gebeten hatte zu prüfen, ob und in welchem Umfang es den Registergerichten ermöglicht werden solle, in Anlehnung an § 299 a Z P O die bei ihnen eingereichten Unterlagen zur Ersetzung der Urschrift auf einem Bildträger verkleinert wiederzugeben sowie Auszüge und Abschriften von der Wiedergabe zu erteilen (BT-Drucks. 10/317, S. 147). In der Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 3.6.1985 (BT-Drucks. 10/3440, S. 60 f) war die Bundesregierung darüber hinaus um Prüfung gebeten worden, ob und unter welchen Voraussetzungen es den Registergerichten ermöglicht 144
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werden soll, die Einreichung schon verfilmter Unterlagen zu gestatten oder von Unternehmen ab einer bestimmten Größe zu verlangen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurden beide Regierungsentwürfe zusammengefaßt und auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages die Regelung des § 8 a a.F. aufgenommen (BT-Drucks. 10/4268, S. 94). Sie findet nach § 156 Abs. 1 S. 1 G e n G auch auf das Genossenschaftsregister Anwendung (Art. 4 Nr. 30 BiRiLiG). b) Die Ermächtigung zur Führung des Handelsregisters als automatisierte Datei wurde durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz vom 20.12.1993 (BGBl. I 2182, 2204) geschaffen (Vorbem. Rdn. 7). Dieses Gesetz hat den gesamten § 8 a neu gefaßt.
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3. Zweck Die Vorschrift bezweckt, den Gerichten die Führung des Handelsregisters und die Aufbewahrung der einzureichenden Schriftstücke durch den Einsatz elektronischer Datenverarbeitung und durch Bildträger zu erleichtern. Obwohl in einigen Bundesländern bereits elektronische Paralleldateien vorhanden waren, mußte das Handelsregister selbst in Papierform geführt werden (vgl. Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 99). Die Landesregierungen können nach § 8 a Abs. 1 bestimmen, daß die im Handelsregister gesammelten Daten ausschließlich durch den Einsatz von Computern gespeichert und verarbeitet werden. Damit soll das Registerverfahren beschleunigt werden, um vor allem in den neuen Bundesländern Investitionen zu fördern (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 1). Aber auch in den alten Bundesländern soll dem Interesse des Rechtsverkehrs an zügigen und fehlerfreien Eintragungen und Auskünften Rechnung getragen werden (Begr. z. RegE, BTDrucks. 12/5553, S. 99).
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II. Führung des Handelsregisters als automatisierte Datei 1. Ermächtigung der Landesregierungen a) Abs. 1 der Vorschrift ermächtigt die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, das Handelsregister statt in Papierform als automatisierte Datei zu führen. Damit bleibt es den Bundesländern überlassen, ob sie das Handelsregister auf die vollelektronische Bearbeitung umstellen. Sie können den Zeitpunkt und U m f a n g der Umstellung festlegen. Dies hat den Vorteil, daß die Länder eine Umstellung vom jeweiligen Rationalisierungsbedarf und dem technischen und finanziellen Aufwand abhängig machen können (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 100). So könnte in den Gerichtsbezirken der Ballungsräume, wo der größte Arbeitsanfall zu verzeichnen ist, die Umstellung auf ein elektronisches System vorrangig betrieben werden. Die neuen Bundesländer haben die Möglichkeit, das Handelsregister sofort in vollelektronischer Form aufzubauen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 73). Die Landesregierungen können nach Abs. 1 S. 3 den Landesjustizverwaltungen durch Rechtsverordnung ihre Ermächtigung übertragen, weil die Umstellung des Handelsregisters eher organisatorische Maßnahmen erfordert, die von den Landesjustizverwaltungen besser und schneller durchgeführt werden können (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 78).
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b) Das Führen des Handelsregisters als automatisierte Datei in maschineller F o r m bedeutet, daß die Handelsregistereintragungen mittels Computerprogrammen auf elektronischen Datenträgern gespeichert werden. Der Gesetzgeber wählte keine moderneren Begriffe, um an die Formulierungen in den §§ 641 s, 642 a, 689 Z P O anzuknüpfen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 76).
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c) In S. 1 wird ausdrücklich klargestellt, daß die Landesregierungen auch die Automatisierung der Hilfsverzeichnisse zum Handelsregister wie Firmen- und Namenskarteien anordnen können (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 100).
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d) Die Ermächtigung umfaßt daneben die Überführung des vorhandenen Registerbestandes in maschinelle Form, auch wenn dies in S. 1 nicht ausdrücklich erwähnt ist (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 100). Denn wenn das Handelsregister als Ganzes in Form einer automatisierten Datei geführt werden kann, sind damit auch die schon bestehenden Eintragungen gemeint.
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2. Gewährleistungen Abs. 1 S. 2 grenzt in Nr. 1 bis 3 die den Ländern eröffnete Verordnungsermächtigung ein. Diese Einschränkungen haben auch die Landesjustizverwaltungen und das Bundesministerium der Justiz zu beachten, soweit sie nach Abs. 1 S. 3 oder Abs. 5 nähere Anordnungen erlassen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 77, 101).
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a) Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung. Bei der Umstellung des Handelsregisters auf eine elektronische Datei sind die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung einzuhalten. Dabei handelt es sich nicht um die optimalen, sondern um die üblichen Standards, die in technischer Hinsicht an eine Datenverarbeitungsanlage gestellt werden. Sie betreffen in erster Linie den Umgang mit der Anlage und nur ausnahmsweise die Beschaffenheit der Anlage und der Programme selbst (Begr. z. RegE, BTDrucks. 12/5553, S. 77, 101).
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aa) Beispielhaft nennt das Gesetz die wichtigsten Grundsätze ordnungsgemäßer Datenverarbeitung. So sind Vorkehrungen gegen einen Datenverlust zu treffen. Die Datenverarbeitungsanlage, die Speichergeräte und die Terminals müssen räumlich und organisatorisch so untergebracht sein, daß die Geräte ordnungsgemäß funktionieren. Unbefugte Personen dürfen keinen Zugang zu den Geräten und den gespeicherten Daten erhalten und dürfen diese nicht verändern (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 77). Damit sind nicht nur Vorkehrungen gegen einen Verlust, sondern auch gegen die Manipulation der Daten und gegen die unbefugte Einsicht zu treffen. Unbefugt sind zum einen alle nicht bei dem Gericht, welches das Handelsregister führt, beschäftigten Personen, darüber hinaus aber auch die für die Führung des Registers nicht zuständigen Beamten und Richter.
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bb) Die erforderlichen Kopien der Datenbestände sind mindestens aktuell auf dem Stand des Tages zu halten. Zunächst ergibt sich daraus, daß von den originären Daten Sicherungskopien gefertigt werden müssen, um einer Löschung oder Beeinträchtigung der Originaldaten begegnen zu können. Beim gegenwärtigen Stand der Technik ist mindestens eine Kopie herzustellen. Nach dem Gesetz kann sich das Erfordernis der anzufertigenden Sicherungskopien aber ändern, wenn die technische Entwicklung einfachere, ebenso gute oder bessere Sicherungsmaßnahmen schafft (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 77). Die Sicherungskopien müssen darüber hinaus tagesaktuell gehalten werden. D e r Gesetzgeber hat es unterlassen, eine Anfertigung von Sicherungskopien in engeren zeitlichen Abständen vorzuschreiben, damit die Daten am Abend oder über Nacht gespeichert werden können (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 77).
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cc) Die Originaldaten und die Kopien sind sicher aufzubewahren. Damit werden die vorstehenden Grundsätze ergänzt. Der originäre Datenbestand und die Kopien sind räumlich und organisatorisch so unterzubringen, daß die Geräte störungsfrei funktionieren 146
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können, unbefugte Personen keinen Zugang haben und Manipulationen nicht möglich sind. A u ß e r d e m sind die Originaldaten und die K o p i e n getrennt aufzubewahren. b) A u f n a h m e der E i n t r a g u n g e n in Datenspeicher u n d Wiedergabe in lesbarer F o r m aa) D i e Eintragungen sind alsbald in einen Datenspeicher a u f z u n e h m e n . D e r R e c h t s pfleger m u ß bei dem maschinellen Verfahren die Eintragung an seinem Terminal vorneh-
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men, die damit zumindest in einem Arbeitsspeicher enthalten ist. D i e s e r Vorgang entspricht beim herkömmlich geführten Handelsregister der Eintragungsverfügung, die der R i c h t e r oder der Rechtspfleger zu treffen hat. 1 Darauf bezieht sich die A n o r d n u n g der alsbaldigen Aufnahme in einen Datenspeicher aber nicht. Vielmehr soll die endgültige Speicherung, die der Eintragung durch den U r k u n d s b e a m t e n beim papiernen Handelsregister entspricht, alsbald v o r g e n o m m e n werden. D e r Gesetzgeber hat darauf verzichtet, eine jederzeitige Eintragungsmöglichkeit zu verlangen, damit die endgültige Speicherung aus organisatorischen oder programmtechnischen G r ü n d e n etwa erst am A b e n d oder über N a c h t v o r g e n o m m e n werden kann (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 78). Später darf die Abspeicherung aber nicht erfolgen. Vor allem muß gewährleistet sein, daß das Registergericht nicht in anderer Weise, etwa weil das R e c h e n z e n t r u m zeitweilig für andere Z w e c k e benutzt wird, bei der elektronischen Eintragung gehindert wird (Begr. z. R e g E , B T D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 78). Wenn die Eintragungen in dieser Weise nicht sofort gespeichert werden, hat der Verordnungsgeber die Möglichkeit zu schaffen, daß dringende Eintragungen sofort abgespeichert werden k ö n n e n (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 78). bb) D i e D a t e n müssen auf D a u e r inhaltlich unverändert in lesbarer F o r m wiedergegeben werden können. D a das maschinell geführte Handelsregister nicht ohne technische Hilfsmittel eingesehen werden kann, m u ß gewährleistet sein, daß der Inhalt des Handelsregisters inhaltlich übereinstimmend lesbar auf einem Bildschirm oder Ausdruck wiedergegeben wird. Zulässig ist es, die D a t e n zur Abspeicherung und Aufbewahrung aus technischen G r ü n d e n zu verändern, wenn davon die unveränderte Wiedergabe unberührt bleibt (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 77). D a s R e c h t auf Einsicht nach § 9 bezieht sich beim maschinell geführten Handelsregister auf die Wiedergabe der D a t e n in lesbarer F o r m (vgl. Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 78).
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c) M a ß n a h m e n n a c h der A n l a g e z u § 126 Abs. 1 S. 2 N r . 3 G B O . In A b s . 1 S. 2 Nr. 3 wird auf die Anlage zu § 126 Abs. 1 S. 2 N r 3 G B O verwiesen. I m Regierungsentwurf war ursprünglich n o c h vorgesehen, auf die inhaltlich gleichlautende Anlage zu § 9
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S. 1 B D S G zu verweisen ( R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 19). A u f einen Vorschlag des Bundesrates ( B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 182) wurde die Vorschrift als Anlage zur neu bekanntgemachten G B O aufgenommen und in § 8 a darauf verwiesen (Gegenäußerung der B R e g , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 2 1 0 f). D i e darin geregelten D a t e n s c h u t z m a ß n a h m e n überschneiden sich teilweise mit denen der Nr. 1 und 2.
D i e Anlage hat folgenden Wortlaut:
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Werden personenbezogene D a t e n automatisiert verarbeitet, sind M a ß n a h m e n zu treffen, die je nach A r t der zu schützenden personenbezogenen D a t e n geeignet sind, 1. U n b e f u g t e n den Zugang zu Datenverarbeitungsanlagen, mit denen personenbezogene D a t e n verarbeitet werden, zu verwehren (Zugangskontrolle), 1
Vgl. § 8 Rdn. 3; Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 78. Sonnenschein/Weitemeyer
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2. zu verhindern, daß Datenträger unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder entfernt werden können (Datenträgerkontrolle), 3. die unbefugte Eingabe in den Speicher sowie die unbefugte Kenntnisnahme, Veränderung oder Löschung gespeicherter personenbezogener Daten zu verhindern (Speicherkontrolle), 4. zu verhindern, daß Datenverarbeitungssysteme mit Hilfe von Einrichtungen zur Datenübertragung von Unbefugten genutzt werden können (Benutzerkontrolle), 5. zu gewährleisten, daß die zur Benutzung eines Datenverarbeitungssystems Berechtigten ausschließlich auf die ihrer Zugriffsberechtigung unterliegenden Daten zugreifen können (Zugriffskontrolle), 6. zu gewährleisten, daß überprüft und festgestellt werden kann, an welche Stellen personenbezogene Daten durch Einrichtungen zur Datenübertragung übermittelt werden können (Übermittlungskontrolle), 7. zu gewährleisten, daß nachträglich überprüft und festgestellt werden kann, welche personenbezogenen Daten zu welcher Zeit von wem in Datenverarbeitungssysteme eingegeben worden sind (Eingabekontrolle), 8. zu gewährleisten, daß personenbezogene Daten, die im Auftrag verarbeitet werden, nur entsprechend den Weisungen des Auftraggebers verarbeitet werden können (Auftragskontrolle), 9. zu verhindern, daß bei der Übertragung personenbezogener Daten sowie beim Transport von Datenträgern die Daten unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder gelöscht werden können (Transportkontrolle), 10. die innerbehördliche oder innerbetriebliche Organisation so zu gestalten, daß sie den besonderen Anforderungen des Datenschutzes gerecht wird (Organisationskontrolle).
III. Wirksamwerden einer Eintragung 1. Zeitpunkt 18
Abs. 2 legt den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Eintragung beim maschinell geführten Handelsregister fest. Beim herkömmlich geführten Register wird die Eintragung mit dem Schreibakt selbst wirksam. Der Tag der Eintragung ist nach § 15 HRV bei der Eintragung anzugeben. Beim elektronischen Handelsregister muß ein anderer Zeitpunkt bestimmt werden. Dort wird die Eintragung wirksam, wenn die Daten dauerhaft gespeichert sind und abgerufen werden können. Die Wirksamkeit tritt noch nicht ein, wenn der Richter oder der Rechtspfleger die Eintragung in den Arbeitsspeicher eingibt, eine endgültige Speicherung aber noch erfolgen soll. Erst die Abrufbarkeit und Wiedergabe entspricht der schriftlichen Eintragung beim papiernen Handelsregister und schafft die gleiche Publizitätswirkung (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 101). Solange der Richter oder der Rechtspfleger die endgültige Speicherung verhindern kann, soll die Eingabe keine Rechtswirkungen entfalten (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 81). Daß die Eintragung nach dieser Regelung nicht sofort wirksam wird, bedeutet keinen Nachteil gegenüber dem herkömmlichen Verfahren, bei dem der Zeitpunkt der Eintragung von den organisatorischen und personellen Gegebenheiten abhängt (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 81). Daß die Daten zunächst nur vorläufig gespeichert werden, ist im übrigen durch die Vorschrift nicht zwingend vorgesehen, sondern lediglich erlaubt. 2. Bestätigungsanzeige
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Durch eine ausdrückliche Ergänzung von § 15 HRV im Rahmen der Ermächtigung nach Abs. 5 (Rdn. 26) soll vorgeschrieben werden, daß technische Vorkehrungen getroffen 148
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werden, um durch eine Bestätigungsanzeige oder in anderer Weise zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des Abs. 2 eingetreten sind, und daß der Zeitpunkt automatisch festgehalten und vermerkt wird (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 101).
IV. Aufbewahrung von Schriftstücken 1. Bildträger oder andere Datenträger Abs. 3 der Neufassung ist durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz (Rdn. 3) 2 0 bis auf die Ermächtigung der Landesjustizverwaltungen, die in Abs. 5 eingestellt wurde, unverändert übernommen worden. Darin wird dem Registergericht die Möglichkeit eröffnet, die zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke zur Ersetzung der Urschrift auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufzubewahren. Die Regelung bezweckt, dem Registergericht die Aufbewahrung zu erleichtern (Ausschußbericht, BT-Drucks. 10/4268, S. 94). Das Gesetz stellt den Registergerichten nicht frei, ob und in welcher Form sie von den Erleichterungen des Abs. 1 Gebrauch machen. Es bedarf vielmehr einer näheren Anordnung der Landesjustizverwaltung nach Abs. 5. Mit Bildträger sind die durch Mikroverfilmung hergestellten Roll- oder Mikroplanfilme gemeint. Als andere Datenträger kommen die mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitungsanlagen hergestellten Medien in Betracht, die geeignet sind, aufgrund physikalischer Veränderung Daten dauerhaft zu speichern und wiederzugeben. Der Gesetzeswortlaut erfaßt auch zukünftige technische Entwicklungen. Bei der Herstellung der Bild- oder Datenträger muß ein schriftlicher Nachweis angefertigt werden, daß sie inhaltlich mit der Urschrift übereinstimmen (Abs. 3 S. 2). 2. Lesbarkeit Es muß sichergestellt sein, daß die Wiedergabe oder die Daten innerhalb angemessener 2 1 Zeit lesbar gemacht werden können. Dies bedeutet nicht, daß das Registergericht selbst über ein entsprechendes Gerät verfügen muß. Es reicht aus, wenn diese Voraussetzung mit Unterstützung anderer staatlicher Stellen erfüllt werden kann. Die Lesbarkeit muß innerhalb angemessener Zeit gewährleistet sein. Eine sofortige Lesbarkeit wird damit nicht verlangt. Als angemessen kann eine Zeitspanne von wenigen Tagen beurteilt werden. 3. Einreichung bereits verfilmter Unterlagen Der Gesetzgeber hat ausdrücklich von einer Ermächtigung der Registergerichte abgesehen, von den Unternehmen die Einreichung bereits verfilmter Unterlagen zu verlangen, weil dies die Betroffenen zu stark belasten könnte. 2 Fraglich ist allerdings, ob die Unternehmen berechtigt sind, von sich aus bereits derartige Unterlagen einzureichen. Die Begründung zum Gesetzentwurf (Ausschußbericht, BT-Drucks. 10/4268, S. 94) scheint hiervon auszugehen, wenn es heißt, es sei eine Erleichterung für die Registergerichte, wenn ihnen gestattet werde, die eingereichten Schriftstücke mikroverfilmt oder auf anderen Datenträgern aufzubewahren und sie bereits in dieser Form entgegenzunehmen. Dagegen spricht jedoch, daß sich Abs. 4 insoweit deutlich von Abs. 3 unterscheidet und daß Abs. 3 bei der Herstellung der Bild- oder Datenträger einen schriftlichen Nachweis der Ubereinstimmung verlangt. Das Gesetz geht also davon aus, daß die Bild- oder Datenträger erst
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Ausschußbericht, BT-Drucks. 10/4268, S. 94; Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 101.
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vom Registergericht hergestellt werden. Hierdurch wird allerdings nicht ausgeschlossen, daß die Unternehmen bereits derartige Unterlagen einreichen, wenn gleichzeitig die Urschrift vorgelegt wird und damit dem Registergericht jedenfalls die Anfertigung des schriftlichen Nachweises möglich ist.
V. Aufbewahrung von Jahresabschlüssen und Konzernabschlüssen 1. Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse 23
Die Regelung des Abs. 4 geht für die zum Handelsregister einzureichenden Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse einschließlich der zugehörigen Unterlagen mit einer weiteren Erleichterung über Abs. 3 hinaus. Das Registergericht kann gestatten, daß diese Schriftstücke von vornherein mikroverfilmt oder auf einem anderen Datenträger gespeichert eingereicht werden. Diese weitere Erleichterung wurde wegen des besonderen Umfangs der Schriftstücke für notwendig gehalten (Ausschußbericht, BT-Drucks. 10/4268, S. 94). Die Vorlage der Originale oder ein Nachweis der Ubereinstimmung wird vom Gesetz nicht verlangt. 2. Sonstige Schriftstücke
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Durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz (Rdn. 3) wurde die Regelung auch auf sonstige einzureichende Schriftstücke ausgedehnt. O b w o h l auch dies der Erleichterung der maschinellen Registerführung dienen soll, darf das Registergericht den Unternehmen die Einreichung von Datenträgern nicht zur Pflicht machen, um sie nicht unangemessen zu belasten (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 101). Die Pflicht, bestimmte Schriftstücke einzureichen, ergibt sich aus dem H G B und den handelsrechtlichen Sondergesetzen. Soweit die Schriftstücke jedoch, wie etwa gem. §§ 33 Abs. 2 S. 1, 37 Abs. 6, 188 Abs. 5, 195 Abs. 3 und 210 Abs. 5 A k t G als Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift beim Handelsregister aufzubewahren sind, stehen diese speziellen Formvorschriften einer Einreichung auf Datenträgern entgegen. Sie können lediglich nach der Fertigung eines Nachweises über ihre inhaltliche Übereinstimmung mit dem Original vom Handelsregister gem. Abs. 3 in dieser Form hergestellt und aufbewahrt werden.
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Die Vorschrift räumt dem Gericht ein Ermessen ein, ob es die Einreichung der Unterlagen in der Form des Abs. 4 gestattet. Dabei bleibt offen, ob die Gestattung durch das Gericht generell oder im Einzelfall erfolgen kann. Angesichts der Gesetzesfassung sind beide Möglichkeiten für zulässig zu halten, so daß nur die Landesjustizverwaltung für eine einheitliche Handhabung sorgen kann (Rdn. 27).
3. Gestattung durch das Gericht
VI. Ausgestaltung durch Rechtsverordnung oder Anordnungen der Landesjustizverwaltung 1. Handelsregisterverfügung 26
Auf der Grundlage des § 125 Abs. 3 F G G ist die inzwischen mehrfach geänderte Handelsregisterverfügung vom 10.8.1937 ( R G B l . I S. 900) ergangen. Diese Rechtsverordnung soll für die Umstellung auf ein elektronisches Handelsregister angepaßt und ergänzt werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 101). Sofern dies geschehen sein wird, gehen diese Vorschriften den Anordnungen der Landesjustizverwaltungen (Rdn. 27) vor. 150
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2. Anordnungen der Landesjustizverwaltung Soweit nicht die Rechtsverordnungen der Länder nach Abs. 1 oder die Handels- 2 7 registerverfügung (Rdn. 26) das Verfahren festlegen, erfolgt die nähere Ausgestaltung der Abs. 1, 3 und 4 durch Anordnungen der Landesjustizverwaltung. Hierdurch sollen ein einheitliches Verfahren und übereinstimmende Grundsätze gewährleistet werden (Ausschußbericht, BT-Drucks. 10/4268, S. 94). Dies gilt auch für die Frage, ob die Gestattung nach Abs. 4 generell oder nur im Einzelfall ausgesprochen werden soll (Rdn. 25).
§9
(1) Die Einsicht des Handelsregisters sowie der z u m Handelsregister eingereichten Schriftstücke ist jedem gestattet. (2) Von den Eintragungen und den z u m Handelsregister eingereichten Schriftstücken kann eine Abschrift gefordert werden. Werden die Schriftstücke nach § 8 a Abs. 3 aufbewahrt, so kann eine Abschrift nur von der Wiedergabe gefordert werden. Die Abschrift ist von der Geschäftsstelle zu beglaubigen, sofern nicht auf die Beglaubigung verzichtet wird. Wird das Handelsregister in maschineller F o r m als automatisierte Datei geführt, so tritt an die Stelle der Abschrift der Ausdruck und an die Stelle der beglaubigten Abschrift der amtliche Ausdruck. (3) Der Nachweis, wer der Inhaber einer in das Handelsregister eingetragenen Firma eines Einzelkaufmanns ist, kann Behörden gegenüber durch ein Zeugnis des Gerichts über die E i n t r a g u n g geführt werden. Das gleiche gilt von dem Nachweis der Befugnis zur Vertretung eines Einzelkaufmanns oder einer Handelsgesellschaft. (4) Das Gericht hat auf Verlangen eine Bescheinigung darüber zu erteilen, daß bezüglich des Gegenstandes einer Eintragung weitere Eintragungen nicht vorhanden sind oder daß eine bestimmte Eintragung nicht erfolgt ist. S c h r i f t t u m Barella D a s Recht auf Einsicht in das Handelsregister und auf Erteilung von Abschriften und Bescheinigungen, D B 1956, 321; Bokelmann D e r Einblick in das Handelsregister, D S t R 1991, 945; Geiger Kommerzielle N u t z u n g amtlich veröffentlichter Registereintragungen, C R 1992, 228; Göttlich Notar-Bescheinigungen in Handelsregistersachen, J u r B ü r o 1970, 105; Gustavus N o c h m a l s : D i e Bescheinigung des N o t a r s über den Wortlaut des Gesellschaftsvertrages einer G m b H , D N o t Z 1971, 229; ders. Handelsregister-Datenbank - Pro und Contra, G m b H Rdsch. 1990, 197; Hildebrandt Grenzen der Registereinsicht, D F G 1936, 126; ders. Rechtshilfe in Handelsregistersachen, D F G 1936, 249; Kollhosser Handelsregister und private Datenbanken, N J W 1988, 2409; E.M. Müller A u f Schleichwegen doch noch zu einem privaten Handelsregister? C R 1992, 71; Roll D i e Bescheinigung des N o t a r s über den Wortlaut des Gesellschaftsvertrags einer Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g , D N o t Z 1970, 337; Sandross D a s Einsichtsrecht in das Handelsregister, D a s M i t b e s t i m m u n g s g e s p r ä c h 1977, 155; Windbichler Handelsrechtliche Publizität durch private Datenverarbeiter, C R 1988, 447.
Übersicht Rdn.
Rdn. I. Allgemeines
IV. Recht auf Erteilung von Zeugnissen
1. Prinzip der Öffentlichkeit
V. Recht auf Erteilung von Bescheinigungen .
2. Entstehung II. Einsichtsrecht III. Recht auf Erteilung von Abschriften und Ausdrucken
2
VI. Allgemeine A u s k u n f t durch das Register-
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gericht VII. Rechtsbehelfe und Rechtsmittel
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§9 I. Allgemeines 1. Prinzip der Öffentlichkeit 1
Die Vorschrift räumt jedermann das Recht ein, Einsicht in das Handelsregister und in die hierzu eingereichten Schriftstücke zu nehmen und darüber hinaus Abschriften oder Ausdrucke zu fordern. Zusammen mit der Bekanntmachung nach § 10 ist sie die Grundlage für das Prinzip der Öffentlichkeit des Handelsregisters, das anders als in Art. 12 A D H G B nicht mehr ausdrücklich gesetzlich bestimmt wird. Mit diesem Prinzip dient das Handelsregister dazu, wichtige Tatsachen und Rechtsverhältnisse des Kaufmanns im Interesse der Allgemeinheit und im eigenen Interesse des Kaufmanns zu offenbaren (v. Gierke/Sandrock § 11 I). So begründet die Vorschrift in Abs. 1 und 2 subjektive öffentliche Rechte, die ihre Grenzen erst an dem Verbot des Rechtsmißbrauchs aus § 242 BGB finden. 1 Darüber hinaus wird in Abs. 3 und 4 die Erteilung von gerichtlichen Zeugnissen und Bescheinigungen geregelt.
2. Entstehung 2
Nach dem Inkrafttreten des HGB wurde die Vorschrift zunächst durch das Gesetz zur Ergänzung des Handelsgesetzbuchs vom 20.7.1933 (RGBl. I 520) geändert, indem Abs. 3 eingefügt worden ist. Durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15.8.1969 (BGBl. I 1146) ist Abs. 2 in der Weise geändert worden, daß die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses an Abschriften nicht mehr notwendig ist und daß auf die Beglaubigung verzichtet werden kann. Art. 1 Nr. 2 BiRiLiG vom 19.12.1985 (BGBl. I 2355) hat Abs. 2 neu gefaßt, wobei der jetzige S. 2 eingefügt worden ist. Diese Ergänzung wurde für notwendig gehalten, weil der gleichzeitig eingefügte Abs. 3 des heutigen § 8 a zuläßt, Mikroverfilmungen oder andere Datenträger an Stelle der Urschriften aufzubewahren, so daß Abschriften nur von den Wiedergaben angefertigt werden können (Ausschußbericht, BT-Drucks. 10/4268, S. 94). Durch Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren vom 20.12.1993 (BGBl. I 2182) ist in Abs. 2 S. 2 die Bezugnahme auf § 8 a der Neufassung dieser Vorschrift angepaßt worden. Gleichzeitig ist ein neuer Satz 4 angefügt worden, der dem Umstand Rechnung trägt, daß bei dem in maschineller Form geführten Handelsregister an die Stelle der Abschrift der Ausdruck tritt (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 102).
II. Einsichtsrecht 3
1. Nach § 9 Abs. 1 steht jedem das Recht zu, das Handelsregister und die zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke einzusehen. In der Person desjenigen, der die Einsicht begehrt, brauchen keine besonderen Voraussetzungen erfüllt zu sein. Abweichend vom Grundsatz des § 34 FGG ist es deshalb nicht notwendig, daß ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Das Recht wird auch nicht durch den bloßen Verdacht eines Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen (KG J W 1932, 1661), sondern erst, wenn das Gericht die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Mißbrauchs selbständig feststellen kann ( S t a u b / H ü f f e r § 9 Rdn. 4). ' Staub/Hüffer § 9 Rdn. 4; Hildebrandt 1936, 126; s. aber KG J W 1932, 1661.
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2. Gegenstand der Einsichtnahme sind das Handelsregister und die hierzu eingereich- 4 ten Schriftstücke. Hiervon wird das Handelsregister mit der Gesamtheit seiner Registerblätter oder in der Form einer automatisierten Datei erfaßt. Zu den Schriftstücken gehören die Anmeldungen und alle Urkunden, die den Anmeldungen beigefügt werden, z.B. die Zeichnung der Firma (§ 29) und der Unterschriften (§ 12 Abs. 1, dort Rdn. 18) sowie andere Bekanntmachungen, die mit der Eintragung zusammenhängen (Barella DB 1956, 321). Ferner sind Urkunden im Zusammenhang mit der Gründung von Handelsgesellschaften, Gesellschafterlisten, Unternehmensverträge und Jahresabschlüsse mit dem Lagebericht zu erwähnen (Staub/Hiiffer § 9 Rdn. 5). Unter Schriftstücken i.S. dieser Bestimmung sind auch die zum Handelsregister einzureichenden Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse und die dazugehörigen Unterlagen sowie sonstiger einzureichender Schriftstücke zu verstehen, bei denen das Gericht die Einreichung nach § 8 a Abs. 4 als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern gestattet hat. Das Einsichtsrecht des § 9 umfaßt nicht den gesamten Akteninhalt. Schriftstücke sind 5 nicht zum Handelsregister eingereicht, wenn sie aufgrund der eigenen Tätigkeit des Registergerichts entstanden sind. Ausgeschlossen sind deshalb die von Dritten eingeholten Gutachten, Schriftwechsel, Verfügungen und sonstige Entscheidungen des Gerichts, insbesondere in Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren sowie in Verfahren nach den §§ 145,146 FGG. 2 Diese Schriftstücke können nur unter den engeren Voraussetzungen des § 34 F G G eingesehen werden (KG OLGRspr. 2, 396). Nach § 30 A O sind die dem Registergericht aufgrund des § 125 a Abs. 2 F G G erteilten Steuerauskünfte wegen des Vorrangs des Steuergeheimnisses von dem allgemeinen Einsichtsrecht privater Personen ganz ausgeschlossen. Heftig umstritten ist die Einrichtung privater, gewerblicher Datenbanken, die den 5 a gesamten Inhalt der Handelsregister enthalten und ihn gegen Entgelt zur Verfügung stellen. Der B G H entschied, § 9 gebe kein Recht auf Gestattung der Mikroverfilmung des gesamten Bestandes eines Handelsregisters, wenn damit die Absicht verfolgt werde, eine eigene Datei in Konkurrenz zum Handelsregister zwecks gewerblicher Nutzung aufzubauen. 3 Die Gestattung stehe vielmehr im Ermessen der Justizverwaltung, die nach den §§ 23 ff E G G V G zu entscheiden habe. Die Ablehnung des Antrags aufgrund von datenschutzrechtlichen Bedenken sah der B G H nicht als ermessensfehlerhaft an. Die Oberlandesgerichte hielten aber im Anschluß daran Anträge von privaten Wirtschaftsinformationsdiensten auf Einsicht und Erteilung von Abschriften für fünf ( O L G Köln NJW-RR 1991, 1255), zehn (OLG Hamm NJW-RR 1991, 1256) und sogar 170 Firmen (OLG Karlsruhe N J W 1991, 182) als von § 9 gedeckt, weil der B G H ausdrücklich eine Unterscheidung zwischen dem Recht auf Einzeleinsicht und der Einsicht in große Teile oder in das gesamte Register abgelehnt hatte (BGHZ 108, 32, 36 = NJW 1989, 2818, 2819). Das Schrifttum entnimmt dagegen zu Recht § 9 die umfassende Befugnis auf Einsicht und Abschrift aus dem Handelsregister auch zum Aufbau privater Datenbanken. 4 Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 BDSG und den entsprechenden Vorschriften der 5 b Landesdatenschutzgesetze ist die Übermittlung von Daten an nichtöffentliche Stellen zulässig, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben der übermittelnden öffentlichen Stelle 2 3
Barella DB 1956, 321; Staub/Hüffer § 9 Rdn. 6. BGHZ 108, 32, 36 = NJW 1989, 2818, 2819 m. Anm. Smid CR 1989, 986; zust. AG Karlsruhe GmbH-Rdsch. 1991, 201; Geiger CR 1992, 228; Ordemann/Schomerus BDSG, 5. Aufl. 1992, § 14 Anm. 3, 6.
4
Baumbach/Duden/Hopt § 9 Anm. 1 A; Hirte CR 1990, 631; Kollhosser NJW 1988, 2409; E.M. Müller CR 1992, 71; K. Schmidt § 13 I 2; Windbichler CR 1988, 447, 449; vgl. auch Vorlagebeschluß des O L G Frankfurt/M. BB 1988, 2267 m. Anm. Smid CR 1989, 388.
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erforderlich ist und für Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Da § 9 ein umfassendes Recht auf Registereinsicht und Abschrift gewährt, damit sich jeder über den Inhalt des Handelsregisters informieren kann, sind die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen auch bei der Übermittlung der Handelsregisterdaten zum Aufbau einer privaten Datenbank erfüllt. D e r B G H stellt selbst fest, daß § 9 nicht zwischen Einzeleinsicht und der Einsicht in das gesamte Handelsregister differenziert. Die Einsicht kann folglich nicht mit der Begründung abgelehnt werden, es handele sich um eine unzulässige Massenanforderung (so aber A G Karlsruhe GmbH-Rdsch. 1991, 201). Der B G H grenzt allein nach der kommerziellen Absicht des Antragstellenden zum Aufbau einer eigenen Datenbank ab. Abgesehen davon, daß sich diese Abgrenzung § 9 nicht entnehmen läßt, kann der Urkundsbeamte nicht in jedem Fall die innere Motivation des Antragstellenden prüfen. Die kommerzielle Nutzung der aus dem Handelsregister entnommenen Daten allein kann kein Ablehnungsgrund sein; auch Notare, Rechtsanwälte oder Steuerberater nutzen das Handelsregister für die Betreuung ihrer Mandanten und werden dafür bezahlt. Schließlich erkennt der Gesetzgeber des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes vom 20.12.1993 (Rdn. 2) ein Bedürfnis nach schneller Auskunft an und stellt die privaten Datenbanken auf eine Stufe mit den anerkannten Datensammlungen der Industrie- und Handelskammern (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 99). Im Rahmen der Reform ist das Einsichtsrecht nach § 9 belassen und lediglich in § 9 a die Möglichkeit zum „Online"Datenaustausch für öffentliche und private Stellen geschaffen worden. Daraus ergibt sich, daß die weniger intensive Nutzung der Einsicht und Abschrift des Registers von weiteren als in § 9 genannten Voraussetzungen nicht abhängt. Daran ändert auch der subjektive Wille des Gesetzgebers nichts, der sich in der Begründung zum Regierungsentwurf dem B G H anschließt (BT-Drucks. 12/5553, S. 104), zumal einem Verlagsunternehmen, das systematisch sämtliche Neueintragungen nach § 9 a abrufen will, ein berechtigtes Interesse nicht von vornherein abgesprochen wird (BT-Drucks. 12/5553, S. 106). 6
3. O r t und Zeit der Einsichtnahme sind in § 10 H R V geregelt. Hiernach sind das Register und die eingereichten Schriftstücke auf der Geschäftsstelle des Registergerichts während der Dienststunden zur Einsicht vorzulegen.
7
4. Nach § 90 K o s t O ist die Einsicht in das Handelsregister gebührenfrei.
III. Recht auf Erteilung von Abschriften und Ausdrucken 8
1. Voraussetzungen und Umfang des Rechts auf Erteilung von Abschriften der Eintragungen und der zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke nach Abs. 2 entsprechen dem Einsichtsrecht des Abs. 1 (Rdn. 3 ff). Ebenso ist der übrige Akteninhalt von dem Recht auf Erteilung von Abschriften ausgeschlossen. 5 Nach der Neufassung der Bestimmung durch das Änderungsgesetz von 1969 (Rdn. 2) ist es nicht mehr erforderlich, daß ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Soweit der Gegenstand der Abschrift nicht unter § 9 fällt, ist es möglich, unter den engeren Voraussetzungen des § 34 F G G eine Abschrift zu erteilen. Die Abschrift kann sich auf einen Teil des Handelsregisters oder der eingereichten Schriftstücke beschränken (§ 30 Abs. 3 HRV). Es ist deshalb zulässig, auch die Ergänzung einer bereits erteilten Abschrift zu verlangen, weil sich eine solche Ergänzung ihrem wesentlichen Gehalt nach nicht von einer auszugsweisen Abschrift unterscheidet ( K G J W 1934, 1731). Handelt es sich um Bildträger oder andere Datenträger i.S. 5
KG OLGRspr. 2, 396; Rdn. 5.
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des § 8 a Abs. 3, kann eine Abschrift nur von der Wiedergabe gefordert werden (Abs. 2 S. 2). Wenn das Handelsregister nach § 8 a Abs. 1 in maschineller Form als automatisierte Datei geführt wird, so tritt an die Stelle der Abschrift der Ausdruck und an die Stelle der beglaubigten Abschrift der amtliche Ausdruck (Abs. 2 S. 4). Die notwendigen technischen Einzelheiten des Ausdrucks sollen in der Handelsregisterverfügung geregelt werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 102). 2. Zuständigkeit und Form für die Erteilung von Abschriften richten sich nach den 9 §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 HRV. Hiernach ist grundsätzlich der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig. Bei Zweifeln über den Umfang einer auszugsweisen Abschrift entscheidet der Richter. Einfache Abschriften sind mit einem nicht unterschriebenen Vermerk über das Datum der Ausfertigung abzuschließen. Sie werden beim maschinell geführten Register durch den einfachen Ausdruck ersetzt, der nicht zu unterzeichnen ist (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 102). Einfache Abschriften können mit den Mitteln der Datenfernübertragung, etwa per Telefax, übermittelt werden, ohne daß dies in § 8 a ausdrücklich geregelt sein müßte. 6 3. Nach Abs. 2 S. 3 ist die Abschrift von der Geschäftsstelle mit einer Beglaubigung zu 1 0 versehen, sofern nicht auf die Beglaubigung verzichtet wird. Der Inhalt des Beglaubigungsvermerks wird durch § 30 Abs. 2 und 4 HRV festgelegt. Zuständig ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 HRV ausschließlich der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ( O L G Hamm Rpfleger 1968,122). Beim maschinell geführten Register tritt an die Stelle der beglaubigten Abschrift der amtliche Ausdruck. Ihm kommen damit die gleichen Rechtswirkungen zu wie der beglaubigten Abschrift aus dem herkömmlichen Register. Er ist als amtlicher Ausdruck zu bezeichnen, enthält Ort, Tag und Uhrzeit der Ausstellung, den Namen des erstellenden Urkundsbeamten der Geschäftsstelle sowie die Angabe, daß er den Inhalt des Registers bezeuge. Er ist mit einem Dienstsiegel zu versehen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 102). 4. Als Kosten werden bei einfachen Abschriften und Ausdrucken nach § 136 KostO 11 Schreibauslagen erhoben. Bei beglaubigten Abschriften und amtlichen Ausdrucken kommen Gebühren nach § 89 KostO hinzu.
IV. Recht auf Erteilung von Zeugnissen 1. Nach Abs. 3 kann der Nachweis bestimmter Eintragungen in das Handelsregister 12 durch ein Zeugnis des Registergerichts geführt werden. Von dieser Möglichkeit kann der Rechtsverkehr dem Zweck der Vorschrift entsprechend aber nur Gebrauch machen, wenn ein solches Recht auf Erteilung eines Zeugnisses wie in dem Fall der Abs. 1 und 2 jedermann eingeräumt wird. Es ist deshalb nicht erforderlich, daß ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. 7 2. Der Gegenstand des Zeugnisses ist auf den Nachweis beschränkt, wer der Inhaber 1 3 einer in das Handelsregister eingetragenen Firma eines Einzelkaufmanns ist und wer zur Vertretung eines Einzelkaufmanns oder einer Handelsgesellschaft befugt ist. Hinsichtlich der Vertretung kommen die Prokura sowie die organschaftlichen Vertreter und Liquida6
Begr. z. RegE, BT-Drucksache 12/5553, S. 100 f; Siebelt NJW 1993, 2517, 2518.
7
Scblegelberger/Hildebrandt/Steckhan 10; Staub/Hüffer § 9 Rdn. 15.
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§ 9 Rdn.
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toren der Handelsgesellschaft in Betracht, nicht aber die bürgerlich-rechtliche Vollmacht oder die Handlungsvollmacht, weil es sich insoweit um nicht eintragungsfähige Tatsachen handelt. Die Vertretungsverhältnisse bei den in § 33 genannten juristischen Personen und bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (§ 32 VAG) sind hingegen eintragungsfähig und damit auch zeugnisfähig ( S t a u b / H ü f f e r § 9 Rdn. 14). Für den Grundbuchverkehr enthalten die §§ 32, 34 G B O besondere Regelungen. Darüber hinaus hat auch § 9 Abs. 3 im Grundbuchverkehr für den Nachweis der Prokuristen und Liquidatoren eine Bedeutung.8 14
Da das Zeugnis dem Nachweis dienen soll, wer Inhaber eines Handelsgeschäfts oder zur Vertretung befugt ist, kommen nur gegenwärtige Rechtsverhältnisse in Betracht. Für Verhältnisse der Vergangenheit ist der Nachweis durch eine Abschrift nach Abs. 2 zu führen (Barella D B 1956, 321). Dies gilt aber nur, soweit die Änderung im Handelsregister bereits vermerkt ist. Wenn dagegen jemand abweichend von der materiellen Rechtslage noch als Inhaber oder Vertreter eines Handelsgeschäfts im Handelsregister eingetragen ist, muß wegen der fortbestehenden Rechtsscheinwirkungen des Registers hierüber auch ein Zeugnis ausgestellt werden. Handelt es sich jedoch um eine unzulässige Eintragung und wird dies bei dem Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses erkannt, so ist das Zeugnis abzulehnen.
15
3. Zuständigkeit und Form für die Erteilung von Zeugnissen ergeben sich aus den §§ 29 Abs. 1 Nr 4, 31 HRV. Die Aufgaben obliegen dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Unter den Voraussetzungen der §§ 21, 22 a BNotO können auch Notare Bescheinigungen über den Inhalt des Handelsregisters ausstellen.
16
4. Die Kosten für die Erteilung eines Zeugnisses richten sich nach den §§ 89 Abs. 2,136 Abs. 1 Nr. 1 KostO.
17
5. Das Zeugnis entfaltet seine Beweiswirkung gegenüber Behörden. Hierzu gehören neben den Verwaltungsbehörden auch die Gerichte. Die Tragweite der Beweiswirkung ist ebenso umstritten wie bei der Registereintragung (§ 8 Rdn. 31). Zum Teil wird vertreten, der Behörde müsse das Zeugnis als ausreichender Beweis genügen (Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 9 Rdn. 8). Nach anderer Ansicht wird ein Beweis des ersten Anscheins begründet.9 Eine differenzierende Bedeutung für die einzelnen Prozeß- und Verfahrensarten wird dem Zeugnis von Staub/Hiiffer (§ 9 Rdn. 16) beigemessen. Auf der Grundlage der Auffassung, daß das Registergericht die materielle Richtigkeit der vorzunehmenden Eintragungen zu prüfen hat (§ 8 Rdn. 16), kann die Behörde jedoch von einer uneingeschränkten Beweiswirkung des Zeugnisses ausgehen. Das bedeutet nicht, daß die Behörde an das Zeugnis gebunden wäre und keine andersartigen Beweise einholen dürfte. Dies gilt vor allem bei Zweifeln, ob die Eintragung mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt. Deshalb ist auch ein Gegenbeweis möglich. Im übrigen beschränkt sich die Beweiswirkung nicht auf den Zeitpunkt der Erteilung des Zeugnisses, sondern läßt auch für die folgende Zeit eine sich allerdings abschwächende Vermutung bestehen ( O L G Colmar OLGRspr. 8, 313).
8
Staub/H Uff er § 9 Rdn. 17; Kuntze DNotZ 1990, 172; mißverständlich BayObLG BB 1989, 1074.
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Baumbach/Duden/Hopt § 9 Anm. 2 A; v. Gierke!Sandrock § 11 III 1.
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§9a
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V. Recht auf Erteilung von Bescheinigungen 1. Die Regelung des Abs. 4 begründet für jedermann das Recht, vom Registergericht 1 8 eine Bescheinigung darüber zu erhalten, daß bezüglich des Gegenstandes einer Eintragung weitere Eintragungen nicht vorhanden sind oder daß eine bestimmte Eintragung nicht erfolgt ist. Diese Negativbescheinigungen sind bedeutsam im Zusammenhang mit der negativen Publizität des Handelsregisters nach § 15 Abs. 1. 2. Der Gegenstand der Bescheinigung beschränkt sich darauf, daß bestimmte, zulässige Eintragungen nicht vorliegen. Dieser Gegenstand ist nicht mit dem des Abs. 3 identisch (mißverständlich Schlegelberger/Hildebrandt/'Steckhan § 9 Rdn. 9), da die engeren Tatbestände des Abs. 3 erst später in das Gesetz eingefügt worden sind (Rdn. 2).
19
3. Für Zuständigkeit, Form und Kosten der Erteilung einer Negativbescheinigung gilt 2 0 das gleiche wie für ein Zeugnis nach Abs. 3 (Rdn. 15 f). Auch die Beweiswirkung ist entsprechend (Rdn. 17).
VI. Allgemeine Auskunft durch das Registergericht 1. Das Registergericht ist nicht verpflichtet, über den Rahmen des § 9 hinaus allgemeine 21 Auskünfte über den Inhalt des Handelsregisters an Privatpersonen zu erteilen (Staub/Hüffer § 9 Rdn. 21). Gegenüber anderen Gerichten oder Behörden kann sich eine Auskunftspflicht aus gesetzlichen Sondervorschriften insbesondere im Rahmen gegenseitiger Rechts- und Amtshilfe ergeben, so z.B. aus § 5 SGG (KG RJA 4,100), § 161 StPO und §§ 93, 111 AO. 2. Die Erteilung einer Rechtsauskunft über die Zulässigkeit einer beabsichtigten Anmeldung steht dem Registergericht frei. Eine Beschwerde gegen eine derart unverbindliche Rechtsauskunft ist unzulässig (KG Recht 1906, 1085 Nr. 2530).
22
VII. Rechtsbehelfe und Rechtsmittel Soweit im Verfahren nach § 9 der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig ist und 2 3 dieser seine Entscheidung auf Verlangen nicht ändert, entscheidet der Richter (§ 29 Abs. 2 HRV, § 4 Abs. 2 Nr. 3 RpflG). Gegen seine Entscheidung findet nach § 19 F G G die Beschwerde statt. Letzteres gilt auch, wenn der Richter nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 HRV bei Zweifeln über den Umfang eines Auszugs selbst entschieden hat.
§9a (1) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das die Übermittlung der Daten aus dem maschinell geführten Handelsregister durch Abruf ermöglicht, ist zulässig, wenn der Abruf von Daten auf die Eintragungen in das Handelsregister beschränkt ist und insoweit die nach § 9 Abs. 1 zulässige Einsicht nicht überschreitet. (2) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens nach Absatz 1 bedarf der Genehmigung durch die Landesjustizverwaltung. Die Genehmigung darf erteilt werden Sonnenschein/Weitemeyer
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1. öffentlichen Stellen, soweit der A b r u f von Daten ausschließlich zur Erfüllung der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erfolgt, 2. nicht öffentlichen Stellen, soweit der A b r u f von Daten zur W a h r n e h m u n g eines berechtigten beruflichen oder gewerblichen Interesses des Empfängers erfolgt und kein G r u n d zu der A n n a h m e besteht, daß die Daten zu anderen als zu den v o m Empfänger dargelegten Zwecken abgerufen werden. (3) Die Genehmigung setzt ferner voraus, daß 1. diese F o r m der D a t e n ü b e r m i t t l u n g wegen der Vielzahl der Ubermittlungen oder wegen ihrer besonderen Eilbedürftigkeit angemessen ist, 2. auf seiten des Empfängers die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeit u n g eingehalten werden und 3. auf seiten der speichernden Stelle die technischen Möglichkeiten der Einrichtung und Abwicklung des Verfahrens gegeben sind und eine S t ö r u n g ihres Geschäftsbetriebs nicht zu erwarten ist. (4) Die Genehmigung kann auch für den A b r u f der D a t e n aus mehreren oder allen in einem Land maschinell geführten Handelsregistern erteilt werden. (5) Die Genehmigung ist zu widerrufen, wenn eine der Voraussetzungen nach den Absätzen 1 bis 3 weggefallen ist. Sie kann widerrufen werden, wenn die Anlage mißbräuchlich benutzt worden ist. (6) Anstelle der Genehmigung kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag oder eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen werden. (7) Die V e r a n t w o r t u n g für die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs t r ä g t der Empfänger. Die speichernde Stelle prüft die Zulässigkeit der Abrufe nur, wenn dazu A n l a ß besteht. Sie hat zu gewährleisten, daß die Ü b e r m i t t l u n g personenbezogener Daten zumindest durch geeignete Stichprobenverfahren festgestellt und überprüft werden kann. (8) Soweit in dem automatisierten Abrufverfahren personenbezogene D a t e n übermittelt werden, darf der Empfänger diese n u r für den Zweck verwenden, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt worden sind. Bei der Genehmigung nach Absatz 2 Satz 2 Nr. 2 ist der Empfänger darauf hinzuweisen. (9) Ist der Empfänger eine nicht öffentliche Stelle, gilt § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes mit der Maßgabe, daß die Aufsichtsbehörde die Ausführung der Vorschriften über den Datenschutz auch dann überwacht, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Verletzung dieser Vorschriften vorliegen. (10) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Z u s t i m m u n g des Bundesrates Gebühren für die Einrichtung und die N u t z u n g eines automatisierten Abrufverfahrens nach Absatz 1 zu bestimmen. Die G e b ü h r e n sätze sind so zu bemessen, daß der mit der Einrichtung und N u t z u n g des Verfahrens verbundene Personal- und Sachaufwand gedeckt wird; hierbei kann daneben die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige N u t z e n für den Begünstigten angemessen berücksichtigt werden. S c h r i f t t u m Siebelt Der Entwurf eines Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes, N J W 1993, 2517.
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§ 9a
Zweiter Abschnitt. Handelsregister Übersicht Rdn. I. Allgemeines
1
1. Überblick
1
2. Entstehungsgeschichte
2
3. Zweck
3
II. Zulässigkeit des registerdaten
Abrufs
von
Handels-
Rdn. c) Technische
Voraussetzungen
auf
Seiten der speichernden Stelle 3. Umfang der Genehmigung IV. Widerruf der Genehmigung
17 18 19
1. Wegfall der Voraussetzungen
19
4
2. Mißbräuchliche Benutzung der Anlage
20
....
4
V. Öffentlich-rechtlicher Vertrag oder Ver-
2. Beschränkung des Abrufs auf Eintragungen
waltungsvereinbarung
21
5
1. Öffentlich-rechtlicher Vertrag
22
6
2. Verwaltungsvereinbarung
23
1. Einrichtung eines Abrufverfahrens
3. Einhaltung der Grenzen des § 9 Abs. 1 III. Genehmigung durch die Landesjustizverwaltung 1. Empfänger a) Öffentliche Stellen b) Nicht öffentliche Stellen 2. Weitere Voraussetzungen der Genehmigung
VI. Verantwortung und Kontrolle der Zuläs7
sigkeit des Abrufs
7
1. Verantwortung für einzelne Abrufe . . .
8 12
2. Kontrolle durch die speichernde Stelle VII. Übermittlung personenbezogener Daten
27 28
15
VIII. Überwachung nicht öffentlicher Stellen durch die Aufsichtsbehörde
a) Angemessenheit des Datenabrufs im „Online"-Verfahren
15
I X . Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz zur Festsetzung von Gebühren
b) Einhaltung der Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung auf selten des Empfängers
16
24 24 25 26
I. Allgemeines 1. Überblick Die Vorschrift ermöglicht die Einsichtnahme in das Handelsregister durch ein „Online"-Verfahren, bei dem der Nutzer direkt von seinen Geschäftsräumen aus die in dem elektronischen Handelsregister gespeicherten Daten abrufen kann. Dieses Verfahren setzt nach Abs. 2 die Genehmigung durch die Landesjustizverwaltung voraus, deren Voraussetzungen in den folgenden Absätzen bestimmt werden. Das in § 9 geregelte Recht auf Einsicht in den Geschäftsräumen des Handelsregisters bleibt daneben bestehen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 104).
1
2. Entstehungsgeschichte § 9 a ist mit der Änderung durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz vom 20.12.1993 ( B G B l . I 2182, 2205) neu in das Handelsgesetzbuch aufgenommen worden. Die Regelung greift den Vorschlag des Berichts der Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz auf, Stellen außerhalb der Justiz den unmittelbaren Zugriff auf das Handelsregister zu ermöglichen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 102).
2
3. Zweck Die Bestimmung verfolgt den Zweck, dem Interesse des Rechts- und Handelsverkehrs an rascher Einsichtnahme in das Handelsregister Rechnung zu tragen und zugleich die Registergerichte von der Belastung durch den Auskunftsdienst in den Geschäftsräumen zu entlasten. Außerdem fördert das „Online"-Verfahren die Publizität des Handelsregisters und dient damit auch den Belangen des Eingetragenen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 102 f). Das Geheimhaltungsinteresse der eingetragenen Unternehmen und Sonnenschein/Weitemeyer
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Personen müsse demgegenüber zurücktreten, zumal Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten getroffen wurden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 103).
II. Zulässigkeit des Abrufs von Handelsregisterdaten 1. Einrichtung eines Abrufverfahrens 4
Die Einrichtung eines Abrufverfahrens zur „Online"-Ubermittlung der Handelsregisterdaten ist nach Abs. 1 nur unter den dort genannten Einschränkungen (Rdn. 5, 6) zulässig. Der Nutzer bedarf nach Abs. 2 einer Genehmigung durch die Landesjustizverwaltung. Nicht ausdrücklich geregelt ist dagegen, wer die Einrichtung des „Online" Verfahrens anordnen kann und die näheren Anordnungen bezüglich des Verfahrens innerhalb des Registergerichts trifft. Da das „Online"-Verfahren die Umstellung des Handelsregisters auf eine elektronische Datei voraussetzt und von dem Umfang dieser Umstellung umfaßt wird, bedarf es gem. § 8 a Abs. 1 S. 1 der Bestimmung der Landesregierungen durch Rechtsverordnung, sofern diese die Ermächtigung nicht nach § 8 a Abs. 1 S. 3 auf die Landesjustizverwaltungen übertragen haben. Daraus ergibt sich auch, daß die näheren Anordnungen nach § 8 a Abs. 5 durch die Landesjustizverwaltungen und die neu zu fassende Handelsregisterverfügung (§ 8 a Rdn. 26) zu treffen sind. Die Landesjustizverwaltungen haben bei der Erteilung der jeweiligen Genehmigung daneben Sorge zu tragen, daß die in Abs. 1 genannten Grenzen des Abrufs eingehalten werden und das Registergericht oder die sonstige speichernde Stelle nach Abs. 3 Nr. 3 (Rdn. 17) die organisatorischen Voraussetzungen aufweist. 2. Beschränkung des Abrufs auf Eintragungen
5
Der Abruf der Daten muß auf die Eintragungen in das Handelsregister beschränkt sein. Deshalb muß gewährleistet sein, daß der Abruf nur die unmittelbaren Eintragungen in die Registerblätter wiedergibt. Nicht umfaßt werden die herkömmlicherweise in den Sonderbänden beim Registergericht geführten Schriftstücke und Unterlagen wie Gesellschaftsverträge, Gesellschafterlisten, Jahres- und Konzernabschlüsse, auch wenn sie nach § 8 a Abs. 3 und 4 als Wiedergabe auf einem Bild- oder anderen Datenträger aufbewahrt werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 104). Der Gesetzgeber hat diese Daten vom „Online"-Verfahren ausgenommen, weil insoweit das parallel dazu weiterbestehende Einsichtsrecht in den Geschäftsräumen des Registergerichts ausreiche und er bei diesen Unterlagen die Gefahr eines Mißbrauchs des Datenabrufs als besonders groß ansah (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 104). 3. Einhaltung der Grenzen des § 9 Abs. 1
6
Die Vorschrift begrenzt den Abruf von Daten auf den Umfang des Einsichtsrechts nach § 9 Abs. 1. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere sichergestellt werden, daß nicht der gesamte Inhalt des Handelsregisters zum Zweck der Erstellung einer eigenen Datei kopiert werde, wie es der B G H (NJW 1989, 2818) für unzulässig erklärt habe (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 104). Jedoch läßt sich § 9 Abs. 1 ein derartiges Verbot nicht entnehmen (dort Rdn. 5 b). Problematisch ist auch, wie die Einhaltung dieser Grenzen von der Landesjustizverwaltung oder der Genehmigungsstelle überwacht werden soll, da die Einsicht in die Daten mehrerer Unternehmen gleichzeitig ohne die Angabe eines berechtigten Interesses von § 9 Abs. 1 gedeckt ist (vgl. dort Rdn. 5 a). Der Wortlaut und der Zweck des grundsätzlich unbeschränkten Einsichtsrechts gestatten es daher trotz des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers, im Rahmen des § 9 a ebenso 160
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wie bei § 9 die Einsicht zum Zweck der Kopie des gesamten Bestandes des Handelsregisters als zulässig anzusehen.
III. Genehmigung durch die Landesjustizverwaltung 1. Empfänger Die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens bedarf auf Seiten der Nutzer einer Genehmigung durch die Landesjustizverwaltung. Durch die Genehmigung kann der Empfänger auf die Handelsregisterdaten zugreifen, ohne daß das Registergericht darüber im einzelnen entscheiden müßte (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 84, 105). Die Genehmigung ist erforderlich, damit die Einhaltung der Voraussetzungen für die Datensicherheit der Abs. 1, 2 und 3 geprüft werden kann (Begr. z. RegE, aaO, S. 103). Aus der Formulierung „darf" und weil der Anspruch auf Einsicht in den Geschäftsräumen des Registergerichts nach § 9 nicht berührt wird, ergibt sich, daß die Erteilung der Genehmigung im Ermessen der Landesjustizverwaltung steht. Die Voraussetzungen einer Genehmigung sind unterschiedlich, je nachdem ob eine öffentliche oder nicht öffentliche Stelle die Genehmigung beantragt.
7
a) Öffentliche Stellen. Öffentlichen Stellen darf die Genehmigung erteilt werden, wenn der Abruf der Daten ausschließlich zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erfolgt (Abs. 2 S. 2 Nr. 1). Entgegen einem Vorschlag des Bundesrates (Stellungnahme des Bundesrates z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 189), öffentliche Stellen von der Genehmigungspflicht auszunehmen, weil bei ihnen die Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes die ordnungsgemäße Datenverarbeitung sicherstelle, verlangt das Gesetz auch bei solchen Stellen eine Genehmigung. Dies ist deshalb notwendig, weil die Genehmigungsbehörde neben der Einhaltung datenschutzrechtlicher Regelungen etwa auch zu prüfen hat, ob auf Seiten des Registergerichts die technischen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt sind (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 105).
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aa) Für den Begriff der öffentlichen Stelle verweist die Begründung zum Regierungsentwurf auf die in § 2 B D S G enthaltene Definition (BT-Drucks. 12/5553, S. 104 f). Danach sind öffentliche Stellen Gerichte, Behörden, wie z.B. Finanzämter, Polizei- und Gemeindebehörden und Staatsanwaltschaften, aber auch die in § 126 F G G genannten Organe der Berufsstände wie Industrie- und Handelskammern, Handwerks- und Landwirtschaftskammern. Die Kammern sind nach § 2 Abs. 2 B D S G als der Aufsicht der Länder unterstehende Körperschaften des öffentlichen Rechts öffentliche Stellen. Gleiches gilt für die Notare, die als Organe der Rechtspflege ebenfalls von § 2 Abs. 2 B D S G umfaßt werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 105).
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bb) Öffentlichen Stellen darf die Genehmigung erteilt werden, soweit der Datenabruf ausschließlich zur Erfüllung der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erfolgt. Die Staatsanwaltschaften sind beispielsweise im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe, der Ermittlung von Straftaten, vor allem bei solchen der Wirtschaftskriminalität, auf die Einsicht ins Handelsregister angewiesen. Außerdem haben Gerichte, die Staatsanwaltschaft, Polizei- und Gemeindebehörden nach § 125 a F G G dem Registergericht Mitteilung zu machen, wenn sie von unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Anmeldungen Kenntnis erlangen. Die Mitwirkungspflicht der Berufskammern nach § 126 F G G geht noch darüber hinaus.
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cc) Die Genehmigung steht im Ermessen der Landesjustizverwaltung (Rdn. 7). Aus den allgemeinen Regeln über eine Ermessensreduzierung „auf Null" oder über die Selbst-
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§9a
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bindung der Verwaltung bei gleich zu behandelnden Genehmigungsempfängern kann sich aber gerade bei öffentlichen Stellen ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung ergeben. Dies k o m m t insbesondere bei Finanzämtern, Staatsanwaltschaften, N o t a r e n und Industrie- und Handelskammern in Betracht, wenn die Anschlußvoraussetzungen beim Registergericht vorliegen und die gesetzliche Stellung und Aufgabe sowie der Einsichtsbedarf der öffentlichen Stelle dafür sprechen (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 105). 12
b) N i c h t öffentliche Stellen. N a c h Abs. 2 S. 2 Nr. 2 kann die Datenübermittlung im „ O n l i n e " - V e r f a h r e n auch nicht öffentlichen Stellen gestattet werden. Als A n s c h l u ß berechtigte k o m m e n Geldinstitute, Auskunfteien oder G r o ß u n t e r n e h m e n in Betracht (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 106) sowie Rechtsanwälte, während N o t a r e bereits als öffentliche Stellen unter Nr. 1 fallen ( R d n . 9). N i c h t öffentliche Stellen unterliegen jedoch engeren Zulässigkeitsvoraussetzungen und gem. Abs. 9 einer D a t e n s c h u t z k o n t r o l l e durch die Aufsichtsbehörde ( R d n . 27). A u ß e r d e m sind nicht öffentliche Stellen nach A b s . 8 S. 2 darauf hinzuweisen, daß sie die übermittelten D a t e n nur zu dem Z w e c k verwenden dürfen, zu dessen Erfüllung sie ihnen übermittelt worden sind ( R d n . 26).
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aa) D i e Erteilung der G e n e h m i g u n g setzt voraus, daß die nicht öffentliche Stelle die D a t e n z u r W a h r n e h m u n g eines berechtigten beruflichen oder gewerblichen Interesses abruft. D i e Berechtigung des Interesses bemißt sich insbesondere nach dem Z w e c k des Handelsregisters und dem U m f a n g des Einsichtsrechts. D e m g e m ä ß kann auch einem Verlagsunternehmen, das z u m A u f b a u einer eigenen D a t e i systematisch sämtliche Neueintragungen abruft, das berechtigte Interesse nicht von vornherein abgesprochen werden. 1
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bb) Es darf kein G r u n d zu der A n n a h m e bestehen, daß der D a t e n a b r u f zu anderen Zwecken erfolgt, als der E m p f ä n g e r der Genehmigung dargelegt hatte. Ergeben sich Anhaltspunkte in dieser Richtung, soll die G e n e h m i g u n g bereits aus diesem G r u n d zum Schutz vor zweckwidriger oder mißbräuchlicher N u t z u n g des „ O n l i n e " - V e r f a h r e n s versagt werden k ö n n e n (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 106). 2. Weitere V o r a u s s e t z u n g e n der G e n e h m i g u n g
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a) A n g e m e s s e n h e i t des D a t e n a b r u f s im „ O n l i n e " - V e r f a h r e n . Sowohl öffentliche als auch nicht öffentliche Stellen als Genehmigungsempfänger müssen nach A b s . 3 weitere Voraussetzungen für die E r t e i l u n g der G e n e h m i g u n g erfüllen. D i e Teilnahme am „ O n l i n e " - V e r f a h r e n m u ß für den E m p f ä n g e r angesichts der Vielzahl oder der Eilbedürftigkeit der Ubermittlungen angemessen sein. D a s bedeutet, diese F o r m der Ü b e r m i t t l u n g m u ß für die berechtigten Z w e c k e des Empfängers geeignet sein, und es m u ß ein praktisches Bedürfnis für den A b r u f bestehen. N i c h t erforderlich ist, daß gerade die „ O n l i n e " Datenübertragung für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist. Als auskunftsberechtigt k o m m e n danach Geldinstitute, Auskunfteien und G r o ß u n t e r n e h m e n in Betracht. B e i N o t a r e n und Industrie- und Handelskammern ergibt sich das praktische Bedürfnis nach einem direkten A n s c h l u ß an das Handelsregister bereits aus dem U m f a n g der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 106). Ebenfalls in die Angemessenheitsprüfung einzubeziehen ist der G r a d der Entlastung für das Registergericht. Dies hängt unmittelbar mit der Häufigkeit der Einsichtnahme durch den Antragsteller zusammen. D i e Interessen des Eingetragenen an der Versagung einer
1
Vgl. § 9 a Rdn. 5 b; Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 106.
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§9a
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Genehmigung zum Datenabruf dürfen regelmäßig nicht berücksichtigt werden, da das Handelsregister ein öffentliches Register ist. Der Gesetzgeber ist daher bewußt von den Regelungen in § 10 Abs. 1 B D S G und in § 133 Abs 2 S. 3 N r 1 G B O abgewichen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 106). b) Einhaltung der Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung auf seiten des Empfängers. Der Nutzer der übermittelten Daten muß die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung einhalten. Er muß die gleichen Standards an Datensicherheit gewährleisten können wie das Registergericht nach § 8 a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 (dort Rdn. 10 ff). Der Antragsteller muß im einzelnen darlegen, daß seine Anlage diesen Anforderungen entspricht. Eine Nachforschungspflicht der Genehmigungsbehörde besteht nur in Ausnahmefällen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 106).
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c) Technische Voraussetzungen auf Seiten der speichernden Stelle. Auf Seiten der 1 7 speichernden Stelle ist Voraussetzung, daß die technischen Möglichkeiten zur Einrichtung und Abwicklung des „Online"-Verfahrens gegeben sind. Mit dieser Einschränkung soll klargestellt werden, daß nach § 9 a kein Anspruch (vgl. Rdn. 11) auf Erteilung der Genehmigung besteht, solange das Registergericht oder die nach § 125 Abs. 4 F G G die Datenverarbeitung durchführende externe Stelle (vgl. Vorbem. § 8 Rdn. 8) nicht die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen hat. Weiter darf keine Störung des Geschäftsbetriebs bei der speichernden Stelle zu erwarten sein. Vor Erteilung der Genehmigung ist daher zu prüfen, ob die vom Registergericht genutzte Anlage den Datenabruf aufgrund ihrer Kapazität störungsfrei bewältigen kann. Dies hängt von der Zahl der Nutzer und der Organisation des Abrufverfahrens ab (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 86). 3. Umfang der Genehmigung Die Genehmigung zur Teilnahme am „Online"-Verfahren kann nach Abs. 4 für das Handelsregister bei einem Amtsgericht, für mehrere oder alle in einem Bundesland maschinell geführten Handelsregister erteilt werden. Damit soll sichergestellt werden, daß die Genehmigung jeweils nur so weit erteilt wird, als in den einzelnen Handelsregistern die technischen Möglichkeiten vorhanden sind (Gegenäußerung der BReg, BT-Drucks. 12/5553, S. 212).
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Von einer Geltung der Genehmigung im gesamten Bundesgebiet wurde abgesehen, weil der Kostenaufwand für die dazu erforderliche Abstimmung unter den Bundesländern im Verhältnis zum Nutzen als zu hoch angesehen wurde (Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 12/5553, S. 189).
IV. Widerruf der Genehmigung 1. Wegfall der Voraussetzungen Nach Abs. 5 S. 1 muß die Genehmigung zwingend widerrufen werden, wenn eine der 1 9 in Abs. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen weggefallen ist. Dies kann eintreten, weil die Anlage des Nutzers nicht mehr den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung entspricht, die technischen Kapazitäten des Registergerichts nicht mehr ausreichen, in einem Umfang oder einer Art und Weise vom Abrufverfahren Gebrauch gemacht wird, daß es zu Störungen des Geschäftsbetriebs kommt, oder wenn der Nutzer Sonnenschein/Weitemeyer
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§9a
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seinen öffentlich-rechtlichen Status oder seine berufliche Stellung aufgegeben oder verloren hat. Aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts ergibt sich, daß ein Wegfall der Voraussetzungen nur vorliegt, wenn diese endgültig nicht mehr erfüllt sind und ihr Fortbestand nicht durch mildere Maßnahmen wie Auflagen sichergestellt werden kann (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 86). 2. Mißbräuchliche Benutzung der Anlage 20
Die Genehmigung kann widerrufen werden, wenn die Anlage mißbräuchlich benutzt worden ist (Abs. 5 S. 2). Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. In Abgrenzung zu S. 1 liegt eine mißbräuchliche Benutzung der Anlage vor, wenn nicht grundsätzlich, sondern nur vereinzelt von den Voraussetzungen und Einschränkungen der Abs. 1 bis 3 abgewichen wird oder gegen Abs. 8 (Rdn. 26) verstoßen wurde. Dies kann etwa dann eintreten, wenn Angestellte oder unbefugte dritte Personen dem gesetzlichen oder beruflichen Zweck des Genehmigungsempfängers zuwider das Abrufverfahren und die abgerufenen Daten benutzen. Die Ermessensentscheidung muß das Verhalten des Genehmigungsempfängers, etwa wie gut gegen Mißbräuche vorgesorgt worden ist, das ihm zurechenbare Verhalten anderer Personen, die Schwere und Häufigkeit des Verstoßes und die Wahrscheinlichkeit berücksichtigen, mit der in Zukunft mit Zuwiderhandlungen zu rechnen ist (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 86, 107). In extremen Fällen kann ein Mißbrauch dazu führen, daß die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung nicht mehr eingehalten werden und die Genehmigung nach S. 1 zwingend zu widerrufen ist (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 86).
V. Öffentlich-rechtlicher Vertrag oder Verwaltungsvereinbarung 21
Die Regelung des Abs. 6, daß anstelle der Genehmigung, die ein Verwaltungsakt ist, ein öffentlich-rechtlicher Vertrag oder eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen werden kann, wurde auf Vorschlag des Bundesrats in § 9 a aufgenommen (Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 12/5553, S. 189). 1. Öffentlich-rechtlicher Vertrag
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Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag begründet, ändert oder hebt ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts auf (§ 54 VwVfG). Für die Vereinbarung des Zugangs zum „Online"-Verfahren kommt ein subordinationsrechtlicher Austauschvertrag in Betracht. Dessen Voraussetzungen richten sich im einzelnen nach den den §§ 54 ff V w V f G entsprechenden Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder. Da auch für den öffentlichrechtlichen Vertrag der Vorrang des Gesetzes gilt 2 , muß im Vertrag gewährleistet sein, daß die Voraussetzungen des § 9 a eingehalten werden. 2. Verwaltungsvereinbarung
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Die Genehmigung kann auch durch eine Verwaltungsvereinbarung ersetzt werden. Darunter versteht man Abkommen zwischen Rechtssubjekten über Verwaltungsangelegenheiten, die keiner Mitwirkung durch Parlamente bedürfen, sondern ausschließlich
2
BVerwGE 23, 213, 216 = N J W 1966, 1936, 1937; 42, 3 3 1 , 3 3 4 = N J W 1 9 7 3 , 1 8 9 5 , 1 8 9 6 ; 4 9 , 3 5 9 , 3 6 1 = DVB1 1976, 217, 218; Erich sen/Martens
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Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. § 27 Rdn. 9.
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1992,
Zweiter Abschnitt. Handelsregister
§ 9 a
aufgrund der Verwaltungszuständigkeit der A b k o m m e n s p a r t n e r geschlossen werden (Achterberg Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 21 R d n . 278). D i e Verwaltungsvereinbarung ist nicht gesetzlich geregelt, ihre Zulässigkeit und Voraussetzungen ergeben sich aus allgemeinen G r u n d s ä t z e n . F ü r die Zulassung zur Teilnahme am „ O n l i n e " - V e r f a h r e n k o m m e n Verwaltungsvereinbarungen zwischen den Bundesländern und den öffentlichen Stellen im Sinne des Abs. 2 S. 2 Nr. 1 in Betracht.
VI. Verantwortung und Kontrolle der Zulässigkeit des Abrufs 1. Verantwortung für einzelne Abrufe Abs. 7 legt in S. 1 und 2 die Verantwortlichkeit hinsichtlich der Zulässigkeit der einzelnen A b r u f e fest. D i e Vorschrift stellt klar, daß diese Verantwortung beim E m p f ä n g e r liegt. D i e speichernde Stelle, also das Registergericht oder die externe Stelle (Vorbem. § 8 Rdn. 8), ist nur zu einer Anlaßkontrolle verpflichtet, weil sie auf die D u r c h f ü h r u n g der einzelnen A b r u f e gerade keinen Einfluß hat. D i e Regelung entspricht § 10 Abs. 4 S. 1-3 BDSG.
24
2. Kontrolle durch die speichernde Stelle N a c h S. 3 des Abs. 7 muß die speichernde Stelle zur D u r c h f ü h r u n g der Anlaßkontrolle ( R d n . 24) zumindest ein Stichprobenverfahren einrichten. In einem bestimmten Intervall müssen die A b r u f e aus dem Handelsregister automatisch aufgezeichnet werden. D a b e i sind der Zeitpunkt, die abgerufenen D a t e n sowie der Empfänger zu speichern (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 5 5 5 3 , S. 107). D i e Abstände der Stichproben sollen unregelmäßig, d.h. für die abrufende Stelle nicht vorhersehbar sein (Ordemann/Schomerus BDSG, 5. Aufl. 1992, § 10 A n m . 4.3). N i c h t geregelt ist, welchen U m f a n g die Stichproben an den gesamten A b r u f e n haben sollen. Vorgeschlagen wird eine Q u o t e von 2 % bzw. von 5 % bis 10 % . 3
25
VII. Übermittlung personenbezogener Daten Personenbezogene D a t e n dürfen nach Abs. 8 S. 1 nur zu dem Z w e c k verwendet w e r den, zu dessen Erfüllung sie übermittelt worden sind. N a c h § 3 Abs. 1 B D S G sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. D a m i t werden juristische Personen zwar nicht erfaßt. Soweit persönliche Angaben zu Vorstands-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsratsmitgliedern einzutragen sind, unterfallen diese aber dem Schutz des A b s . 8 S. 1. Gleiches gilt für Angaben über die Mitglieder oder Prokuristen von Personenhandelsgesellschaften. D i e Vorschrift ergänzt den durch Abs. 2 gewährten Datenschutz, w o n a c h der A b r u f aller, also auch der nicht personenbezogenen D a t e n , nur zu den gesetzlich zugewiesenen Aufgaben oder zur Erfüllung berechtigter beruflicher o d e r gewerblicher Interessen erfolgen darf ( R d n . 10, 13). D i e personenbezogenen D a t e n dürfen nach dem A b r u f nur zu diesen Z w e c k e n benutzt werden. N i c h t öffentliche Stellen sind nach S. 2 bei der G e n e h m i g u n g ihres Anschlusses auf diese Verpflichtung hinzuweisen.
3
Vgl. Auemhammer BDSG, 3. Aufl. 1993, § 10 Rdn. 15; Ordemann/Schomerus BDSG § 10 Anm. 4.3. Sonnenschein/Weitemeyer
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§10
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VIII. Überwachung nicht öffentlicher Stellen durch die Aufsichtsbehörde 27
Bei nicht öffentlichen Stellen als Empfängern ordnet Abs. 9 an, daß die nach § 38 BDSG vorzunehmende Aufsicht über diese Stellen über die Regelung im Bundesdatenschutzgesetz hinaus nicht nur aus Anlaß bestimmter Anhaltspunkte für eine Verletzung, sondern systematisch vorgenommen wird. Nicht öffentliche Stellen als Datenverarbeiter personenbezogener Daten unterfallen nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG der Kontrolle nach § 38 BDSG. Die dort vorgesehene Anlaßkontrolle erschien dem Gesetzgeber beim Abruf von Daten aus dem Handelsregister als nicht ausreichend. 4 Im Gesetzentwurf sollte die Kontrolle zunächst den Landesbehörden übertragen werden, die für den Datenschutz bei den öffentlichen Stellen des Landes zuständig sind (BT-Drucks. 12/5553, S. 19). Dies ist nach den Landesdatenschutzgesetzen der sog. Landesbeauftragte für den Datenschutz. Da er weisungsfrei handelt und nicht in der Ressortverantwortlichkeit gegenüber dem Landesparlament steht, bestanden verfassungsrechtliche Bedenken, ihm die Aufsicht über private Stellen zu übertragen (Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 12/5553, S. 190). Zuständig sind nunmehr gem. § 38 Abs. 1 BDSG die Aufsichtsbehörden der Länder, die im einzelnen durch Landesrecht bestimmt worden sind (Ubersicht bei Auernhammer, BDSG § 38 Rdn. 39 ff).
IX. Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz zur Festsetzung von Gebühren 28
In Abs. 10 wird das Bundesministerium der Justiz ermächtigt, durch Rechtsverordnung Gebühren für die Einrichtung und Nutzung des „Online"-Verfahrens festzusetzen. Von einer gesetzlichen Regelung wurde abgesehen, weil die Gebühren an den technischen Fortschritt laufend angepaßt werden müssen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 107, 27). S. 2 bestimmt das Ausmaß der Ermächtigung und dient dazu, den Anforderungen des Art. 80 G G an die Bestimmtheit der Ermächtigung Genüge zu tun. 5
§10 (1) Das Gericht hat die Eintragungen in das Handelsregister durch den Bundesanzeiger und durch mindestens ein anderes Blatt bekanntzumachen. Soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt, werden die Eintragungen ihrem ganzen Inhalte nach veröffentlicht. (2) Mit dem Ablaufe des Tages, an welchem das letzte der die Bekanntmachung enthaltenden Blätter erschienen ist, gilt die Bekanntmachung als erfolgt. S c h r i f t t u m Dempewolf Z u r Veröffentlichungspflicht der Handelsregistergerichte, D B 1986, 1378; Geßner Die Bedeutung des Gesetzes über Bekanntmachungen, Rpfleger 1950, 259; Herminghausen Gerichtliche Bekanntmachungen in den Amtsblättern, D R i Z 1952, 76; Pabst Vom Deutschen Reichsanzeiger zum Bundesanzeiger (Westzonen), BB 1950, 133; Plum Falsche Sparsamkeit, JVBl. 1964, 229.
4
Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 107; Ausschußbericht, BT-Drucks. 12/6228, S. 96.
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5
Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 12/5553, S. 190; Ausschußbericht, BT-Drucks. 12/6228, S. 96.
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§10
Zweiter Abschnitt. Handelsregister Übersicht Rdn. 1 3 3
I. Allgemeines II. Bekanntmachungspflicht 1. Inhalt der Bekanntmachung
2. Verfahren III. Wirkungen der Bekanntmachung IV. Sonstige Mitteilungspflichten
Rdn. 5 8 10
I. Allgemeines 1. Das Handelsregister verfolgt den Zweck, bestimmte Tatsachen und Rechtsver- 1 hältnisse des Kaufmanns, die für den Handelsverkehr bedeutsam sind, der Allgemeinheit offenzulegen. Dieser Zweck wird durch die Eintragung allein nur unvollkommen erreicht. Das Gesetz ordnet deshalb durch die zwingende Vorschrift des § 10 an, daß das Gericht die vorgenommenen Eintragungen in der Regel vollständig durch den Bundesanzeiger und mindestens ein anderes Blatt bekanntzumachen hat. Bei der Weiträumigkeit der nationalen und internationalen Wirtschaftsbeziehungen kommt der Bekanntmachung wachsende Bedeutung zu (Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 10 Rdn. 1). Auch der Gesetzgeber stellt hinsichtlich des Vertrauensschutzes, der vom Register ausgeht, zunehmend auf die Bekanntmachung als solche ab (§ 15 Abs. 3). 2. Obwohl die Vorschrift seit dem Inkrafttreten des HGB praktisch unverändert 2 geblieben ist, hat das Bekanntmachungswesen vor allem in der Kriegs- und Nachkriegszeit eine wechselvolle Geschichte durchlaufen. Erst durch das Gesetz über Bekanntmachungen vom 17.5.1950 (BGBl. I 183) ist ein einheitlicher Rechtszustand wiederhergestellt worden. 1 Hierbei sind alle Veröffentlichungen, die nach gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen im Deutschen Reichsanzeiger erfolgen müßten, dem Bundesanzeiger zugewiesen worden.
II. Bekanntmachungspflicht 1. Inhalt der Bekanntmachung a) Nach dem Regelfall des Abs. 1 S. 2 werden die Eintragungen ihrem ganzen Inhalt 3 nach veröffentlicht. Die Form wird im einzelnen durch § 33 HRV und die zugehörige Anlage 3 bestimmt. Hiernach sollen die Bekanntmachungen vor allem knapp gefaßt und leicht verständlich sein. Dies bedeutet nicht, daß eine zu breit abgefaßte Eintragung bei der Bekanntmachung ohne weiteres verkürzt werden darf. Insoweit soll Identität gewahrt bleiben, so daß die Regel über die Bekanntmachung auf die Eintragung zurückwirkt und bereits hierbei auf eine kurze und verständliche Fassung zu achten ist ( S t a u b / H i i f f e r § 10 Rdn. 2). In § 27 S. 2 HRV ist zwar vorgeschrieben, daß der Wortlaut der öffentlichen Bekanntmachung besonders zu verfügen ist, wenn er von dem der Eintragung abweicht. Dies bezieht sich in erster Linie auf die gesetzlichen Ausnahmen von einer Veröffentlichung des ganzen Inhalts (Rdn. 4). Hierauf kann aber auch die Auffassung gestützt werden, daß allgemein eine wörtliche Ubereinstimmung zwischen Eintragung und Bekanntmachung nicht zwingend geboten ist {Düringer/Hachenburg HGB, 3. Aufl. 1930, § 10 Anm. 2). Auf jeden Fall ist aber die Eintragung in der Bekanntmachung vollständig und richtig wiederzugeben.
1
Geßner
R p f l e g e r 1950, 259; Pabst
B B 1950, 133.
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§10 4
Erstes Buch. Handelsstand
b) Gesetzliche Ausnahmen von der Wiedergabe des ganzen Inhalts der Eintragung sind im Bereich der KG mit dem Verzicht auf die Bekanntmachung von Name, Stand, Wohnort und Betrag der Einlagen der Kommanditisten vorgesehen (§ 162 Abs. 2). Das gleiche gilt bei Erhöhung oder Herabsetzung der Kommanditeinlagen (§ 175 S. 2). Weitere Ausnahmen bestehen für Konkurs- und Vergleichsverfahren. Hierbei sind zwar Eintragungen in das Handelsregister vorzunehmen. Sie werden aber nicht vom Registergericht bekanntgemacht. 2 Die Bekanntmachung obliegt dem Konkurs- oder Vergleichsgericht. 3 Ist der Konkursvermerk unter Verstoß gegen § 32 durch das Registergericht veröffentlicht worden, muß die Aufhebung dieses Vermerks ebenfalls veröffentlicht werden, um die sonst fortdauernde Beeinträchtigung des zu Unrecht Betroffenen zu beseitigen (LG Köln Rpfleger 1974, 266). Im Bereich der Kapitalgesellschaften gibt es eine Reihe von Ausnahmen, bei denen die Bekanntmachung noch über den Inhalt der Eintragung hinausgeht. 4 2. Verfahren
5
a) Das Registergericht ist gesetzlich verpflichtet, die Eintragung bekanntzumachen. Die Bekanntmachung ist deshalb von Amts wegen vorzunehmen, so daß der Antragsteller nicht darauf verzichten kann. 5 Das Verfahren ist in den §§ 25, 27, 28, 32 und 34 HRV geregelt. Es fällt im wesentlichen in die Zuständigkeit des Rechtspflegers, wobei einzelne Entscheidungen dem Richter vorbehalten sind (§§ 3 Nr. 2 d, 17 RpflG). Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die verfügte Bekanntmachung unverzüglich herbeizuführen (§§ 28, 32 HRV). Ein Verstoß gegen diese Vorschriften kann einen Amtshaftungsanspruch begründen (§ 839 BGB, Art. 34 GG).
6
b) Das Gesetz schreibt als amtliches Veröffentlichungsorgan den Bundesanzeiger vor (Abs. 1 S. 1). Dies beruht auf § 1 des Gesetzes über Bekanntmachungen vom 17.5.1950 (BGBl. I 183). Zusätzlich sind die Eintragungen durch mindestens ein anderes Blatt bekanntzumachen. Diese weiteren Veröffentlichungsorgane werden vom Gericht nach § 11 im voraus festgelegt. Die Übermittlung an den jeweiligen Verlag kann durch Datenfernübertragung geschehen, ohne daß dies in § 8 a besonders zugelassen sein müßte (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/5553, S. 101).
7
c) In Abs. 2 wird der Zeitpunkt der Bekanntmachung bestimmt. Die Bekanntmachung gilt mit dem Ablauf des Tages als erfolgt, an dem das letzte der die Bekanntmachung enthaltenden Blätter erschienen ist. Damit ist der tatsächliche Erscheinungstag am Verlagsort gemeint, nicht aber der auf dem Blatt aufgedruckte Ausgabetag (KGJ 2,23). Da bei mehreren Veröffentlichungsorganen ein unterschiedlicher Erscheinungstag unvermeidbar ist, erklärt das Gesetz das zuletzt erschienene Blatt für maßgebend. So wird sichergestellt, daß die Wirkungen der Bekanntmachung (Rdn. 8) nicht bereits in einem Zeitpunkt eintreten, in dem noch nicht alle Blätter erschienen sind und damit die Kenntnisnahme nicht allen Interessierten möglich war.
2
3
§§ 32 S. 2, 34 Abs. 5 HGB, §§ 23 Abs. 2 S. 2, 98 Abs. 3 VerglO. §§ 111, 116, 205 KO, §§ 22, 98 Abs. 3 VerglO.
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4
5
§§ 40, 190, 196 AktG, §§ 10 Abs. 3, 52 Abs. 2 S. 2 GmbHG; vgl. auch §§ 33, 40 Abs. 2 VAG. Baumbach/Duden/Ήopt § 10 Anm. 1; Staub/ Hüffer § 10 Rdn. 8.
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§10
III. Wirkungen der Bekanntmachung 1. Die Wirksamkeit der Bekanntmachung hängt nicht davon ab, ob sie mit der Eintra- 8 gung übereinstimmt. Auch unrichtige Bekanntmachungen können aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen Rechtswirkungen entfalten. Im einzelnen kommt es auf die jeweilige Vorschrift an, welche Wirkungen die Bekanntmachung hat (vgl. §§ 15, 25 Abs. 2, 27 Abs. 1, 28 Abs. 2). Hierdurch kann etwa ein Rechtsschein begründet oder zerstört werden oder auch ein Haftungsausschluß eintreten, wenn die Bekanntmachung tatbestandliche Voraussetzung ist. 2. Mit dem in Abs. 2 bestimmten Zeitpunkt, in dem die Bekanntmachung als erfolgt 9 gilt, ist noch nicht über den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirkungen entschieden. Auch dies hängt von der jeweiligen Vorschrift ab. Soweit die Bekanntmachung einer Eintragung für den Eintritt der Rechtsfolgen tatbestandlich nicht vorausgesetzt wird, ist allein der Vollzug der Eintragung entscheidend, so z.B. für die Begründung der Kaufmannseigenschaft nach den §§ 2, 3 oder für die Entstehung einer Kapitalgesellschaft als juristischer Person (§ 41 Abs. 1 AktG, §§ 11, 13 GmbHG). Ahnliches gilt im Firmenrecht nach § 30 und für die Wirksamkeit einer O H G oder KG im Verhältnis zu Dritten (§§ 123 Abs. 1, 161 Abs. 2). Auf der anderen Seite kann der vollständige Eintritt der Rechtswirkungen einer Eintragung nach § 15 Abs. 2 S. 2 trotz der Bekanntmachung zeitlich noch hinausgeschoben sein (SchlegelbergerlHildebrandt/Steckhan § 10 Rdn. 6).
IV. Sonstige Mitteilungspflichten 1. Nach § 130 Abs. 2 F G G soll jede Eintragung dem Antragsteller bekanntgemacht 1 0 werden. Der Antragsteller kann hierauf anders als bei der öffentlichen Bekanntmachung (Rdn. 3) verzichten. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung die Wirksamkeit der Eintragung und der öffentlichen Bekanntmachung nicht beeinträchtigt, im Rahmen von Amtshaftungsansprüchen wegen unrichtiger Eintragungen aber eine Rolle spielen kann. Die Mitteilung soll dem Antragsteller ermöglichen, alsbald die Richtigkeit der Eintragung zu überprüfen, die Berichtigung von Fehlern zu veranlassen und damit einen Schaden abzuwenden. Die Regelung dient somit öffentlichen und privaten Interessen (Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 10 Rdn. 8). Auf den gesetzlich möglichen Verzicht soll deshalb nicht generell gedrungen werden. Nur in geeigneten Fällen ist ein Hinweis angebracht (§ 36 Abs. 2 S. 2 HRV). Die Mitteilung ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben (§ 36 Abs. 2 S. 1 HRV) und dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten ( O L G Stuttgart NJW 1974, 705) zuzusenden. Bevollmächtigter kann nach § 129 F G G auch ein Notar sein (Staub/Hiiffer § 10 Rdn. 12). 2. In zahlreichen gesetzlichen Vorschriften wird dem Registergericht eine Mitteilungs- 11 pflicht gegenüber anderen Gerichten, Behörden und Institutionen auferlegt. Nach § 13 Abs. 4 und 5 sind die Eintragung und Aufhebung einer Zweigniederlassung von Amts wegen dem Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes mitzuteilen. § 37 HRV enthält einen Katalog von Mitteilungen an die Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Landwirtschaftskammer. Auf der Grundlage der Allgemeinen Verfügung über Mitteilungen in Zivilsachen vom 1.10.1967 (BAnz. vom 18.11.1967, Nr. 218, S. 2) ist eine Zusammenstellung in der als Sonderveröffentlichung erschienenen Anordnung über Sonnenschein/Weitemeyer
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Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) vorgenommen worden, so für Mitteilungen über unrichtige, unvollständige oder unterlassene Anmeldungen zum Handels- oder Genossenschaftsregister nach Maßgabe des § 125 a F G G (2. Teil 1. Abschn. I 3) und generell über Mitteilungen in Handels-, Genossenschafts- und Vereinsregistersachen (2. Teil 4. Abschn. XXI).
§11 (1) Das Gericht hat jährlich im Dezember die Blätter zu bezeichnen, in denen während des nächsten Jahres die in § 10 vorgesehenen Veröffentlichungen erfolgen sollen. (2) Wird das Handelsregister bei einem Gerichte von mehreren Richtern geführt und einigen sich diese über die Bezeichnung der Blätter nicht, so wird die Bestimmung von dem im Rechtszug vorgeordneten Landgerichte getroffen; ist bei diesem Landgericht eine K a m m e r für Handelssachen gebildet, so tritt diese an die Stelle der Zivilkammer.
I. Allgemeines 1
Die Vorschrift bezweckt, die Regelung des § 10 auszufüllen, nach der die Eintragungen in das Handelsregister neben dem Bundesanzeiger durch mindestens ein anderes Blatt bekanntzumachen sind. Die Auswahl dieses anderen Blattes steht nicht von Fall zu Fall im Belieben des Registergerichts. Ein Bekanntmachungsblatt kann nur dann seinen Zweck erfüllen, wenn alle Veröffentlichungen von vornherein in einem ganz bestimmten Blatt zu erwarten sind. In § 11 wird deshalb vorgeschrieben, daß diese Bestimmung jährlich im Dezember für das nächste Jahr zu treffen ist, damit sich der Verkehr rechtzeitig darauf einstellen kann. Hieraus ergibt sich zugleich, daß das Vertrauen auf die Veröffentlichung in einem bestimmten Blatt nicht länger als ein Jahr lang gerechtfertigt ist, so daß das Gericht für die Zukunft auch eine abweichende Bestimmung treffen kann.
II. Auswahl und Bezeichnung der Bekanntmachungsblätter 2
1. Das Registergericht hat die Auswahl unter den in Frage kommenden Bekanntmachungsblättern zu treffen. Die Entscheidung steht im freien Ermessen des Gerichts. Auf wettbewerbliche Gleichbehandlung verschiedener Verlage oder andere wirtschaftliche Gesichtspunkte kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, ob das ausgewählte Blatt für den vorgesehenen Zweck geeignet ist.
3
Wie sich aus § 11 Abs. 2 ergibt, ist die Auswahl ein richterliches Geschäft, auf das die Justizverwaltung keinen Einfluß nehmen kann. 1 Vorgeschrieben ist in § 11 Abs. 2 S. 1 HRV nur die gutachtliche Anhörung der Industrie- und Handelskammer. Die Entscheidung trifft der Richter, nicht der Rechtspfleger, da dies nicht zu den Handelssachen im Sinne der §§ 125 ff F G G gehört. 2
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Wird das Handelsregister bei einem Gericht von mehreren Richtern gemeinsam geführt, müssen sie sich bei der Auswahl auf eine einheitliche Entscheidung einigen. Kommt die Einigung nicht zustande, entscheidet nach § 11 Abs. 2 das im Rechtszug vor1
R G Z 58, 429; 140, 423.
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2
§ 3 N r . 2 d) R p f l G ; Staub/Hüffer
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§ 11 Rdn. 3.
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§11
geordnete Landgericht. Nach dieser Regelung ist primär die Kammer für Handelssachen zur Entscheidung berufen (§§ 93 ff GVG). Ist eine solche Kammer bei dem zuständigen Landgericht nicht gebildet, tritt die Zivilkammer an deren Stelle. 2. Nach der Auswahl ist die Bezeichnung der Bekanntmachungsblätter vorzunehmen. 5 Sie erfolgt nach § 11 Abs. 2 S. 2 HRV durch einwöchigen Aushang an der Gerichtstafel des Registergerichts und durch Anzeige an die Industrie- und Handelskammer sowie, anders als bei der Anhörung (Rdn. 3), auch an die Handwerkskammer. Im Bundesanzeiger und in der Presse werden die Bekanntmachungsblätter hingegen nicht angezeigt (§ 9 V O v. 14.2.1924, RGBl. I 119). Die Bezeichnung ist kein richterliches Geschäft. Die Bekanntmachungsblätter sind nach § 11 Abs. 1 HRV bis zum 6.12. jedes Jahres zu 6 bezeichnen. Dies bedeutet, daß die Veröffentlichung an der Gerichtstafel und die Anzeige an die Industrie- und Handelskammer sowie die Handwerkskammer spätestens bis zu diesem Tag erfolgen müssen. Die Auswahl hat dementsprechend früher stattzufinden.
III. Bindung des Gerichts Das Registergericht ist für die Dauer eines Jahres an seine Entscheidung über Auswahl 7 und Bezeichnung der Bekanntmachungsblätter neben dem Bundesanzeiger gebunden. Ein Wechsel im Laufe eines Jahres würde dem Zweck zuwiderlaufen, die Unterrichtung der Öffentlichkeit sicherzustellen (Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 11 Rdn. 5). Das Gericht ist zu einem Wechsel nur berechtigt, wenn eines der Bekanntmachungsblätter im Laufe des Jahres sein Erscheinen einstellt. Handelt es sich um das einzige Blatt neben dem Bundesanzeiger, ist das Gericht zu einem Wechsel verpflichtet. Der Schutzzweck des § 11 wird allerdings nicht beeinträchtigt, wenn das Gericht im Laufe eines Jahres neben den ursprünglich bezeichneten Bekanntmachungsblättern ein weiteres Blatt für seine Veröffentlichungen heranzieht, falls es dies etwa wegen des Verbreitungsgrades für zweckmäßig hält. In jedem Fall sind ein Wechsel und ein zusätzliches Blatt in der von § 11 Abs. 2 S. 2 HRV vorgeschriebenen Art der Öffentlichkeit bekanntzumachen.
IV. Rechtsmittel Da das Registergericht über Auswahl und Bezeichnung der Bekanntmachungsblätter 8 nach freiem Ermessen entscheidet (Rdn. 2) und den betroffenen oder übergangenen Verlagen ebensowenig wie den interessierten Kaufleuten insoweit ein Recht zusteht, ist die Entscheidung nicht mit Rechtsmitteln anfechtbar.3 Dies schließt allerdings nicht aus, der Industrie- und Handelskammer entsprechend § 126 Halbs. 2 F G G gegen einen Verfahrensfehler ein Beschwerderecht einzuräumen, wenn sie unter Verstoß gegen § 11 Abs. 2 S. 1 HRV vor der Auswahl der Blätter nicht gutachtlich gehört worden ist (Staub/Hiiffer § 11 Rdn. 5).
3 BayObLG RJA 7, 37; KG JFG 17, 174. Sonnenschein/Weitemeyer
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§12
§12 (1) Die Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister sowie die zur Aufbewahrung bei dem Gerichte bestimmten Zeichnungen von Unterschriften sind in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. (2) Die gleiche Form ist für eine Vollmacht zur Anmeldung erforderlich. Rechtsnachfolger eines Beteiligten haben die Rechtsnachfolge soweit tunlich durch öffentliche Urkunden nachzuweisen. Schrifttum Altschul Die Formvorschrift des § 12 Abs. 1 HGB, DNotV 1925, 241; Ammon Die Anmeldung zum Handelsregister, DStR 1993, 1025; Beck Die Richtigkeit der Firmenzeichnung zur Aufbewahrung bei Gericht, BB 1962, 1265; Göttlich Notar-Bescheinigungen in Handelsregistersachen, JurBüro 1970, 105; Gustavus Handelsregister-Anmeldungen, 1983; ders. Die Vollmacht zu Handelsregister-Anmeldungen bei Personengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, GmbH-Rdsch. 1978, 219; Michel Schreiben - wie das Gesetz es befiehlt! ZRP 1987, 353. Übersicht Rdn. I. Allgemeines
1
II. Anmeldung
2
III. Anmeldung durch Stellvertreter
Rdn. IV. Zeichnung von Unterschriften V. Rechtsnachfolge
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8
I. Allgemeines 1
Eintragungen und Löschungen im Handelsregister werden in der Regel nur auf Antrag vorgenommen (§ 8 Rdn. 12), den das Gesetz in § 12 Anmeldung nennt. Mit der Zeichnung von Unterschriften sind Unterschriftsproben gemeint, die das Gericht aufbewahrt und die den Beteiligten und der Öffentlichkeit dazu dienen sollen, im Handelsverkehr die Echtheit verwendeter Unterschriften nachzuprüfen. In § 12 wird vorgeschrieben, daß Anmeldungen, Unterschriftszeichnungen und Vollmachten zur Anmeldung in öffentlich beglaubigter Form einzureichen sind. Damit soll sichergestellt werden, daß die Erklärungen auch von den Personen stammen, die hierzu sachlich berechtigt sind (Schlegelherger/Hildebrandt/Steckhan § 12 Rdn. 1). Die Regelung als solche dient allerdings nur der Identitätsprüfung. Ob die betreffende Person auch sachlich berechtigt ist, hat das Registergericht im Rahmen seiner materiellen Prüfungspflicht (§ 8 Rdn. 16) festzustellen {Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 12 Rdn. 2). Hierzu dient auch die Vorschrift des § 12 Abs. 2 S. 2, nach der eine Rechtsnachfolge möglichst durch öffentliche Urkunden nachzuweisen ist. Die früher gegebene Möglichkeit, Anmeldungen und Unterschriftszeichnungen persönlich bei dem Gericht zu bewirken, ist nach Änderung des § 12 Abs. 1 durch § 57 Abs. 8 Nr. 1 BeurkG v. 28.8.1969 (BGBl. I 1513) mit Wirkung vom 1.1.1970 entfallen.
II. Anmeldung 2
1. Die Rechtsnatur der Anmeldung ist umstritten. Uberwiegend wird ihr verfahrensrechtlicher Charakter beigemessen, da sie als Antrag ein gerichtliches Verfahren einleitet.1 Daneben soll sie jedoch auch als rechtsgeschäftliche Erklärung zu beurteilen sein (Schlegel' BayObLG Rpfleger 1970, 288; GmbH-Rdsch. 1992, 672; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan
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§ 12 Rdn. 10; Staub/Hüffer
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§ 8 Rdn. 43.
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berger/Hildebrandt/Steckhan § 12 Rdn. 10). Zum Teil wird ein höchstpersönlicher organschaftlicher Akt angenommen, der darauf gerichtet sei, ein behördliches Handeln herbeizuführen. 2 Die einzelnen Auffassungen unterscheiden sich im Grunde nur in der dogmatischen Einordnung der Anmeldung, machen jeweils Anleihen bei der anderen Meinung und kommen im Grunde doch zu den gleichen Ergebnissen, weil übereinstimmend einzelne gesetzliche Vorschriften aus dem Recht der Willenserklärungen für entsprechend anwendbar erklärt werden. 3 So ist es richtig, die Vorschriften der §§ 104 ff B G B über die Geschäftsfähigkeit und des § 130 B G B über den Zugang ( O L G Dresden O L G R s p r . 4, 22) anzuwenden, nicht hingegen das Anfechtungsrecht der §§ 119 ff B G B ( B a y O b L G G m b H Rdsch. 1992, 672) und die Bedingungslehre der §§ 158 ff B G B ( B a y O b L G aaO), weil sich dies mit dem Charakter der Anmeldung als Verfahrenshandlung nicht verträgt (vgl. im einzelnen Staub/HUffer § 8 Rdn. 43). Andererseits ist die Anmeldung im Gegensatz zu einer bereits wirksam gewordenen Willenserklärung grundsätzlich frei widerruflich. 4 Im Ergebnis macht es deshalb keinen Unterschied, ob man der Anmeldung eine Doppelnatur beimißt oder ob man sie wegen der vorzugswürdigen dogmatischen Klarheit als verfahrensrechtliche Handlung bezeichnet, an die das Gesetz in einzelnen Bereichen wie der Frage der Kaufmannseigenschaft (§§ 2, 3, 5), dem Gründungsrecht der Kapitalgesellschaften u.ä. auch materiell-rechtliche Folgen knüpft und auf die das Recht der Willenserklärungen teilweise entsprechend anwendbar ist.
3
2. D e r Inhalt der Anmeldung richtet sich nach dem anzumeldenden Gegenstand und den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, auf denen die Eintragungsfähigkeit mit oder ohne Anmeldepflicht beruht (§ 8 Rdn. 7 ff). Eine Anmeldung entspricht den gesetzlichen Vorschriften, wenn sie den in das Handelsregister einzutragenden Inhalt so eindeutig ausdrückt, daß auf Seiten des Registergerichts keine Zweifel auftreten können. Bestimmte, im Gesetz verwendete Formulierungen brauchen dabei nicht übernommen zu werden ( B a y O b L G D N o t Z 1978, 661). Eine allgemeine Bestimmung trifft § 24 Abs. 2 HRV. Hiernach ist vom Registergericht darauf hinzuwirken, daß bei den Anmeldungen auch der Geschäftszweig, soweit er sich nicht aus der Firma ergibt, und die Lage der Geschäftsräume angegeben werden.
4
3. Für die Anmeldung ist als F o r m die öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben. Nach § 129 Abs. 1 S. 1 B G B , § 40 B e u r k G muß die Erklärung schriftlich abgefaßt und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden. Die Beglaubigung soll nur erfolgen, wenn die Unterschrift in Gegenwart des Notars vollzogen oder anerkannt wird. D e r Beglaubigungsvermerk muß die Person bezeichnen, die die Unterschrift vollzogen oder anerkannt hat ( O L G H a m m D N o t Z 1985, 172, 176 m. Anm. Kanzleiter). Dabei ist eine Identitätsprüfung vorzunehmen. Für die Beglaubigung der Zeichnung einer Firma oder Namensunterschrift, die zur Aufbewahrung beim Gericht bestimmt ist, schreibt § 41 B e u r k G vor, daß die Zeichnung in Gegenwart des Notars vollzogen werden muß. N a c h § 63 B e u r k G sind die Länder befugt, die Beglaubigung anderen Personen oder Stellen zu übertragen (vgl. § 200 F G G ) . Entsprechend ist bei der Beglaubigung von Handzeichen zu verfahren (§ 129 Abs. 1 S. 2 B G B ) . Nach § 129 Abs. 2 B G B wird die öffentliche Beglau-
5
2
3
Hachenburg/Ulmer GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 7 Rdn. 17; s. auch Staub/Hüffer § 8 Rdn. 43. Vgl. Hachenburg/Ulmer § 7 Rdn. 17; Staub/
Hüffer § 8 Rdn. 44. « KG OLGRspr. 43, 205; BayObLG GmbHRdsch. 1992, 672.
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bigung durch die notarielle Beurkundung (§ 128 B G B ) und diese wiederum bei einem gerichtlichen Vergleich durch ein nach den Vorschriften der Z P O errichtetes Protokoll ersetzt (§ 127 a B G B ) . Dies kann auch angenommen werden, wenn gleichzeitig die Gesellschafterversammlung beurkundet ist ( B a y O b L G B B 1993, 1830) oder wenn ein N o t a r die Anmeldung aufgrund ausdrücklicher Vollmacht im N a m e n des Anmeldenden nachträglich berichtigt oder ergänzt und hierdurch eine öffentliche Eigenurkunde herstellt. 5 6
Wird eine A n m e l d u n g z u m Handelsregister von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (§ 36) in einer von ihr als öffentliche Behörde ausgestellten öffentlichen U r k u n d e eingereicht, ist eine öffentliche Beglaubigung nicht notwendig ( B a y O b L G D B 1975, 1936). Ebensowenig bedarf es einer A n m e l d u n g in öffentlich beglaubigter F o r m , wenn dem Registergericht aufgrund früherer Anmeldungen nach § 42 B e u r k G beglaubigte Abschriften von öffentlich beglaubigten Erklärungen vorliegen ( B a y O b L G D B 1975, 1162).
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D e r Widerruf einer A n m e l d u n g ist nicht formbedürftig ( B a y O b L G G m b H - R d s c h . 1992, 672). Wird der Widerruf aber zurückgenommen, wirkt die Erklärung als neue Anmeldung und unterliegt deshalb dem F o r m z w a n g ( K G O L G R s p r . 43, 299, 301). Handelt es sich bei den gegenüber dem Registergericht abgegebenen Erklärungen nicht u m Anmeldungen, die zur Eintragung im Sinne des § 12 bestimmt sind, oder nur u m die Einreichung von Schriftstücken, greift der F o r m z w a n g ebenfalls nicht ein ( K G J W 1938, 2281).
7a
4. Werden mehrere Eintragungsanträge ohne Einschränkung gestellt, ist es Wille des Anmeldenden, daß alle Teile v o l l z o g e n werden. D e r Antrag kann in diesem Fall nur insgesamt vollzogen oder abgelehnt werden. 6
III. Anmeldung durch Stellvertreter 8
1. Wie sich aus § 13 S. 2 F G G ergibt, können sich die Beteiligten bei einer Anmeldung z u m Handelsregister durch Bevollmächtigte vertreten lassen. D i e damit begründete Zulässigkeit der V e r t r e t u n g k r a f t R e c h t s g e s c h ä f t s wird in § 12 A b s . 2 S. 1 vorausgesetzt, der die notarielle Beglaubigung für eine Vollmacht zur A n m e l d u n g vorschreibt (Rdn. 11). Rechtsgeschäftliche Vertretung ist allerdings ausgeschlossen, wenn die Anmeldung höchstpersönlich vorzunehmen ist, so daß allenfalls eine gesetzliche Vertretung möglich ist (Rdn. 12 ff).
9
a) D i e E r t e i l u n g der V o l l m a c h t erfolgt nach § 167 A b s . 1 B G B durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder gegenüber dem Registergericht. Hierbei kann es sich u m eine Spezialvollmacht zur Handelsregisteranmeldung ( K G R J A 8, 130, 133) oder u m eine Generalvollmacht handeln. 7 Die Vollmacht kann über den T o d des Vollmachtgebers hinaus erteilt werden, ohne daß der Bevollmächtigte bei späteren Anmeldungen einen Erbschein für die Erben vorlegen muß ( O L G H a m b u r g D N o t Z 1967, 30). E b e n s o ist es möglich, die Vollmacht nur für den Fall des Todes des Vollmachtgebers auszustellen, wobei die Auslegung z u d e m ergeben kann, daß sie auch für den Tod des Bevollmächtigten zugunsten dessen Erben wirken soll ( O L G H a m b u r g M D R 1974, 1022). 5 BGHZ 78, 36 = NJW 1981, 125; Staub/Hüffer §12 Rdn. 4. 6 BayObLG Rpfleger 1988, 472 m.w.N. u. Anm. Winkler EWiR 1988, 1021. 174
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BayObLG DB 1975, 1162; LG Frankfurt/M. BB 1972,512.
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Unzureichend ist eine Prokura, wenn Anmeldungen zum Handelsregister nicht den Betrieb des Handelsgewerbes betreffen, weil die Anmeldung dann nicht vom Umfang der Prokura aus § 49 Abs. 1 gedeckt ist.8 Wenn sich die Anmeldung nicht auf Grundlagengeschäfte bezieht, darf der Prokurist sie allein und ohne zusätzliche Vollmacht vornehmen. 9 Die gewöhnliche Generalhandlungsvollmacht des § 54 Abs. 1 umfaßt keine Anmeldungen zum Handelsregister (BGH WM 1969, 43). Ist die Vollmacht wirksam erteilt, fällt sie nicht für später notwendig werdende Anmeldungen dadurch weg, daß der bei der Erteilung handelnde gesetzliche Vertreter die Vertretungsmacht verliert. Hierzu ist ein Widerruf durch den neuen oder einen anderen gesetzlichen Vertreter erforderlich (BayObLG BB 1974, 1089, 1090). b) Als Bevollmächtigte kommen natürliche und juristische Personen in Betracht. Da 1 0 die Anmeldung eine verfahrensrechtliche Erklärung darstellt und juristische Personen nicht selbst handlungsfähig sind, muß die Vollmacht dahin gehend auszulegen sein, daß sie sich auf die zu deren gesetzlicher Vertretung berufenen natürlichen Personen bezieht. 10 c) Für eine Vollmacht zur Anmeldung schreibt § 12 Abs. 2 S. 1 die Form der öffentli- 11 chen Beglaubigung vor. Damit besteht für die Vollmacht der gleiche Formzwang wie für die Anmeldung (Rdn. 5). Ist die Vollmacht zugunsten eines Mitgesellschafters im Gesellschaftsvertrag enthalten, muß die Vollmachtserteilung in diesem Vertrag in öffentlich beglaubigter Form nachgewiesen sein ( O L G Frankfurt/M. BB 1973, 722). Wenn dem Registergericht aufgrund früherer Anmeldungen beglaubigte Abschriften einer öffentlich beglaubigten, unwiderruflich und über den Tod hinaus erteilten Vollmacht vorliegen, darf bei einer späteren Anmeldung der Nachweis des Fortbestandes der Vollmacht nur verlangt werden, wenn Anhaltspunkte für einen Widerruf vorliegen (BayObLG DB 1975, 1162). 2. Wer Vertreter kraft Gesetzes ist, besitzt im allgemeinen bereits aufgrund dieser 12 Stellung die Vertretungsmacht, um Anmeldungen zum Handelsregister vornehmen zu können. Eine besondere handelsrechtliche Vorschrift war deshalb nicht notwendig. Die gesetzliche Vertretungsmacht ist gegenüber dem Registergericht zwar nachzuweisen (Staub/Hüffer § 12 Rdn. 19). Ein Formzwang besteht jedoch nicht. Auf dieser Grundlage kann der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen Anmeldungen zum Handelsregister vornehmen, wenn er im Namen des Minderjährigen und als Mitgesellschafter zugleich im eigenen Namen handelt (BayObLG D N o t Z 1971, 107). Ist für das zugrunde liegende Rechtsgeschäft nach den §§ 1643, 1821, 1822 BGB eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich, ist auch insoweit ein Nachweis zu erbringen. 11 Ist der Minderjährige nach § 112 BGB zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigt, umfaßt die insoweit bestehende Geschäftsfähigkeit auch spätere Anmeldungen zum Handelsregister. Handelsgesellschaften werden durch ihre Organe gesetzlich vertreten. Diese sind kraft 1 3 ihrer Vertretungsmacht befugt, Anmeldungen zum Handelsregister vorzunehmen. Wer zur gesetzlichen Vertretung befugt ist, richtet sich für die einzelnen Gesellschaften nach dem jeweiligen Gesetz, das bei den Personengesellschaften weitgehend durch den Gesell-
8 B G H Z 116, 190 = NJW 1992, 975 m. Anm. Joost ZIP 1992, 463. 9 B G H Z 116, 190 = NJW 1992, 975 m. Anm. Joost ZIP 1992, 463; a.M. KGJ 47 A 242; BayObLG BB
1974,1089; 1982,1075; vgl. weiter § 49 Rdn. 12. B a y O b L G DB 1975, 1162; KG WM 1964, 844; vgl. RG JW 1922, 517. » KGJ 30 A 149; KG JFG 3, 206. 10
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schaftsvertrag modifiziert werden kann (§§ 125, 161, 170). Hiernach sind Anmeldungen auch auf der Grundlage einer unechten Gesamtvertretung zulässig.12 Auch bei den Kapitalgesellschaften genügt in der Regel, daß die gesetzlichen Vertreter in einer zur Vertretung berechtigenden Zahl die Anmeldung vornehmen. In Einzelfällen ist jedoch vorgeschrieben, daß sämtliche Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats sowie alle Gründer (§ 36 AktG) bzw. sämtliche Geschäftsführer (§ 78 GmbHG) handeln. In diesen Fällen ist nach h.M. auch die Bevollmächtigung eines Dritten zur Anmeldung ausgeschlossen (Staub/ H uff er § 12 Rdn. 6 m.w.N.). 14
Ebenso wie gesetzliche Vertreter sind Testamentsvollstrecker (BGHZ 108, 187, 189 f = NJW 1989, 3152, 3153), Konkursverwalter ( O L G Düsseldorf MDR 1970, 425), Vergleichs- und Nachlaßverwalter kraft ihres Amtes befugt, Anmeldungen zum Handelsregister zu bewirken.
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3. Besondere Bedeutung kommt im Rahmen der Vertretung der Vorschrift des § 129 F G G zu. Hiernach gilt der Notar als ermächtigt, im Namen des zur Anmeldung Verpflichteten die Eintragung zu beantragen, wenn er die zur Eintragung erforderliche Erklärung beurkundet oder beglaubigt hat. Die Vorschrift begründet eine Vermutung der Vertretungsmacht für den Notar. 13 Bei Ausübung dieser vermuteten Vollmacht wird der Notar kraft Amtes tätig, nicht aufgrund eines Vertrags (RGZ 93, 68, 70). Hierbei handelt er im Namen des zur Anmeldung Verpflichteten. Ein eigenes Antrags- oder Beschwerderecht folgt hieraus nicht (KG NJW 1959, 1086). Der Nachweis einer Vollmacht ist nicht erforderlich.
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Die Vorschrift setzt im einzelnen voraus, daß eine Verpflichtung zur Anmeldung besteht. Sie gilt also nicht, wenn es sich wie in den Fällen der §§ 3 Abs. 2 und 3, 25 Abs. 2 und 28 Abs. 2 um eintragungsfähige Tatsachen ohne Anmeldepflicht handelt. 14 Mit der zu einer Eintragung erforderlichen Erklärung ist die materiell-rechtliche Grundlage der einzutragenden Tatsache gemeint ( S t a u b / H ü f f e r § 12 Rdn. 11). Es ist deshalb nicht erforderlich, daß auch der Antrag des zur Anmeldung Verpflichteten von dem Notar beurkundet oder beglaubigt worden ist (OLG Dresden OLGRspr. 33, 5). Hat der Notar kraft seiner Vertretungsmacht einen Eintragungsantrag gestellt, ist er nach § 24 Abs. 3 B N o t O auch zur Rücknahme berechtigt. Von der Rücknahme ist die einstweilige Aussetzung wegen eines Vollzugshindernisses zu unterscheiden. In diesem Fall ist nur ein neuer formloser Vollzugsantrag für die frühere Anmeldung erforderlich, nicht aber eine wiederholte Anmeldung in der Form des § 12 (BayObLG GmbH-Rdsch. 1967, 9).
IV. Zeichnung von Unterschriften 17
1. Nach § 12 Abs. 1 sind die zur Aufbewahrung bei dem Registergericht bestimmten Zeichnungen von Unterschriften in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Die Regelung dient dem Zweck, den Beteiligten eine möglichst sichere Grundlage für die im Handelsverkehr häufig erforderliche Prüfung der Echtheit von Unterschriften zu bieten. 15
12
RGZ 134, 303, 307; KG JW 1937, 890 m. Anm. Groschuffi H RR 1938 Nr. 1546; Staub/Hüffer § 12 Rdn. 14. 13 O L G Frankfurt/M. Rpfleger 1978, 411; Bumiller/Winkler FGG § 129 Anm. 1; Jansen FGG, 2.
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Aufl. 1970, § 129 Rdn. 2; Keidel/Kuntze/Winkler FGG, Teil A, 12. Aufl. 1987, § 129 Rdn. 4. 14 BayObLG Rpfleger 1978,143; KG O L G Z 1969, 501; vgl. § 8 Rdn. 8. 15 RGZ 54, 168, 171; KG OLGRspr. 19, 309, 310.
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D i e Unterschriftszeichnung dient allein der Sicherung einer Schriftprobe und stellt keine Willenserklärung des Zeichnenden dar ( B a y O b L G W M 1973, 1226, 1227). Sie ist deshalb höchstpersönlich und läßt keine Stellvertretung zu. 2. D e r A n w e n d u n g s b e r e i c h umfaßt alle Vorschriften, in denen die Zeichnung der Firma ( B e c k B B 1962, 1265), einer b l o ß e n Unterschrift oder einer Firma nebst N a m e n s -
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unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gericht angeordnet wird. Derartige Vorschriften finden sich in § 2 9 i.V.m. § 2 S. 2 und § 3, ferner in den §§ 13 A b s . 2, 13 c A b s . 5, 13 d Abs. 3, 13 f Abs. 2 S. 2 und A b s . 6, 13 g A b s . 2 S. 2 und Abs. 6, 35, 53 Abs. 2, 108 Abs. 2 und 148 Abs. 3 i.V.m. § 161 Abs. 2. Aus anderen G e s e t z e n sind die §§ 37 A b s . 5, 81 Abs. 4, 2 6 6 Abs. 5, 2 8 3 Nr. 1 A k t G , ferner die §§ 8 Abs. 5, 3 9 A b s . 4, 67 A b s 5 G m b H G sowie die § § 3 1 Abs. 2, 4 7 Abs. 3 V A G zu nennen. 3. F ü r die B e g l a u b i g u n g ist § 41 B e u r k G maßgebend. Hiernach muß die Zeichnung einer Firma oder Namensunterschrift, die zur Aufbewahrung beim G e r i c h t bestimmt ist,
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in Gegenwart des N o t a r s vollzogen werden. Dies soll in dem Beglaubigungsvermerk festgestellt werden. A b w e i c h e n d von § 4 0 A b s . 1 B e u r k G ist es nicht zulässig, eine bereits vollzogene Unterschrift anzuerkennen und daraufhin zu beglaubigen ( R G Z 5 4 , 1 6 8 , 172). D e r Beglaubigungsvermerk muß auch die P e r s o n angeben, die gezeichnet hat. D i e Beglaubigung der Zeichnung einer Unterschrift ist rechtlich von der Beglaubigung einer A n m e l dung zur Eintragung in das Handelsregister zu unterscheiden. Beide A k t e k ö n n e n jedoch in einer U r k u n d e v o r g e n o m m e n werden ( K G R J A 3, 192, 193), so daß dieselbe U n t e r schrift sowohl der A n m e l d u n g als auch der Aufbewahrung dient ( K G O L G R s p r . 19, 309, 311). Das Registergericht darf j e d o c h nicht die Zeichnung der Unterschrift zur Bedingung einer Eintragung machen. 1 6 Dies ist gesetzlich nicht vorgesehen, so daß die Zeichnung nachgeholt und ggf. nach § 14 erzwungen werden kann ( K G O L G R s p r . 4 1 , 195).
V. Rechtsnachfolge 1. N a c h § 12 Abs. 2 S. 2 haben Rechtsnachfolger eines Beteiligten die Rechtsnachfolge soweit tunlich durch öffentliche U r k u n d e n nachzuweisen. D e r Z w e c k der Regelung besteht darin, Anmeldungen z u m Handelsregister und Unterschriftszeichnungen durch die materiell berechtigten Personen sicherzustellen (Staub/Hüffer § 12 R d n . 24).
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2. Bei der R e c h t s n a c h f o l g e kann es sich u m eine Einzelnachfolge hinsichtlich des kaufmännischen U n t e r n e h m e n s oder einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung handeln. Hauptanwendungsfall ist indessen die Gesamtrechtsnachfolge, bei der die E r b f o l g e gegenüber den gesellschaftsrechtlichen Fällen der U m w a n d l u n g und Verschmelzung im Vordergrund steht. D e n N a c h w e i s der Rechtsnachfolge hat bei dem durch Vererbung eines K o m m a n d i t a n t e i l s eintretenden G e s e l l s c h a f t e r w e c h s e l , sofern eine T e s t a m e n t s v o l l streckung am Gesellschaftsanteil angeordnet ist, der Testamentsvollstrecker zu erbringen ( B G H Z 108, 187, 190 = N J W 1989, 3 1 5 2 , 3153).
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3. D i e Rechtsnachfolge ist durch ö f f e n t l i c h e U r k u n d e n nachzuweisen. Hierbei handelt es sich nach § 4 1 5 Abs. 1 Z P O u m U r k u n d e n , die von einer öffentlichen B e h ö r d e innerhalb der G r e n z e n ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehe-
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Erstes Buch. Handelsstand
nen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind. Zu diesen Personen gehören vor allem die Notare. Wichtigstes Beispiel einer öffentlichen Urkunde ist in diesem Zusammenhang der vom Nachlaßgericht nach § 2353 BGB ausgestellte Erbschein (OLG H a m m Rpfleger 1986, 139), auch wenn er nur für Grundbuchzwecke erteilt ist (OLG Frankfurt/M. N J W - R R 1994,10). Eine öffentlich beglaubigte Urkunde ist keine öffentliche Urkunde in diesem Sinne. 23
Der Nachweis ist durch öffentliche Urkunden nur zu führen, soweit dies tunlich ist. Damit ist gemeint, daß der Nachweis in dieser Form möglich und zumutbar sein muß. Die Beschaffung eines Erbscheins ist nicht schon wegen des damit verbundenen Kosten- und Zeitaufwandes untunlich (OLG Frankfurt/M. N J W - R R 1994, 10; OLG H a m m Rpfleger 1986, 139). Es steht im Ermessen des Gerichts, auch andere Beweismittel genügen zu lassen (LG Berlin J R 1950, 688). Ergibt sich der Nachweis aus den Akten des Gerichts, ist eine Bezugnahme ausreichend. 17 Die beglaubigte Abschrift eines Erbscheins ist wegen der Möglichkeit, daß das Original zwischenzeitlich nach § 2361 BGB eingezogen worden ist, nicht anzuerkennen (KG OLGRspr. 6, 479). Für die Eintragung der Übertragung eines Kommanditanteils fordert die Rechtsprechung zusätzlich eine Versicherung von der Gesellschaft und dem ausscheidenden Kommanditisten, daß dieser keinerlei Abfindung erhalten habe. 18
§13 Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz im Inland (1) Die Errichtung einer Zweigniederlassung ist von einem Einzelkaufmann oder einer juristischen Person beim Gericht der Hauptniederlassung, von einer Handelsgesellschaft beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung anzumelden. Das Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes hat die Anmeldung unverzüglich mit einer beglaubigten Abschrift seiner Eintragungen, soweit sie nicht ausschließlich die Verhältnisse anderer Niederlassungen betreffen, an das Gericht der Zweigniederlassung weiterzugeben. (2) Die gesetzlich vorgeschriebenen Unterschriften sind zur Aufbewahrung beim Gericht der Zweigniederlassung zu zeichnen; f ü r die Unterschriften der Prokuristen gilt dies nur, soweit die Prokura nicht ausschließlich auf den Betrieb einer anderen Niederlassung beschränkt ist. (3) Das Gericht der Zweigniederlassung hat zu prüfen, ob die Zweigniederlassung errichtet und § 30 beachtet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Zweigniederlassung einzutragen und dabei die ihm mitgeteilten Tatsachen nicht zu prüfen, soweit sie im Handelsregister der Hauptniederlassung oder des Sitzes eingetragen sind. Die Eintragung hat auch den O r t der Zweigniederlassung zu enthalten; ist der Firma f ü r die Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser einzutragen. (4) Die Eintragung der Zweigniederlassung ist von Amts wegen dem Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes mitzuteilen und in dessen Register zu vermerken; ist der Firma f ü r die Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser zu vermerken. Der Vermerk wird nicht veröffentlicht. (5) Die Vorschriften über die Errichtung einer Zweigniederlassung gelten sinngemäß f ü r ihre Aufhebung.
17KGJ20
A 2 8 9 ; B a y O b L G W M 1983, 1092, 1093; O L G Hamm Rpfleger 1986, 139.
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18
RG DNotZ 1944, 195, 200; a.M. Michel DB 1988, 1985 m.w.N.
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Zweiter Abschnitt. Handelsregister
§ 13
S c h r i f t t u m Ahlers Inhalt der Anmeldung einer Zweigniederlassung einer G m b H , D N o t Z 1981, 290; Bokelmann D i e Gründung von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften in Deutschland und das deutsche Firmenrecht unter besonderer Berücksichtigung des E W G Vertrages, D B 1990, 1021; Edlich Die Zweigniederlassung als Organisationsform, 1965; Groscbuff Eintragungsverfahren bei Zweigniederlassung und bei Sitzverlegung nach der zum 1. O k t o b e r 1937 in Kraft tretenden Neuregelung, J W 1937, 2 4 2 5 ; Hahnefeld N e u e Regelungen zur Offenlegung bei Zweigniederlassungen - Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Elften gesellschaftsrechtlichen E G - R i c h t l i n i e -, D S t R 1993, 1596; Heymann D i e Zweigniederlassung im deutschen Handelsrecht, 1907; Hildebrandt Das neue einheitliche R e c h t der Zweigniederlassung, D F G 1937, 197; Kindler N e u e Offenlegungspflichten für Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften. Zur Umsetzung der Elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie der E G in deutsches Recht, N J W 1993, 3301; Knieper/Jahrmarkt Zweigniederlassung, Zweigbüro, Filiale, N e b e n b e t r i e b , 1972; Köhler R e c h t s f r a g e n der Zweigniederlassung, B B 1969, 845; Kögel Firmenbildung von Zweigniederlassungen in- und ausländischer Unternehmen, Rpfleger 1993, 8; Krückmann Z u m Rechte der Zweigniederlassungen, Z B l H R 1930, 97 u. 140; Kuhnke Zur Prüfungspflicht der Gerichte der Zweigniederlassung, D R Z 1948, 51; Lenz Eintragungsverfahren bei Zweigniederlassungen und bei Sitzverlegung nach der zum 1. O k t o b e r 1937 in Kraft tretenden Neuregelung, J W 1937, 2632; ders. Das Gesetz über die Eintragung von Handelsniederlassungen und das Verfahren in Handelsregistersachen vom 10.8.1937 - R G B l . I S. 897, D J 1937, 1305; Plesse Neuregelung des R e c h t s der O f f e n l e g u n g von Zweigniederlassungen. G e s e t z e n t w u r f zur Umsetzung der Elften gesellschaftsrechtlichen E G - R i c h t l i n i e in deutsches Recht, D S t R 1993, 133; Richert Zur Eintragungsfähigkeit mehrerer Niederlassungen desselben Kaufmanns, Rpfleger 1956, 7; ders./Krabbenhöft D i e möglichen F o r m e n für mehrere gleichartige Handelsgeschäfte desselben Kaufmanns, Rpfleger 1956, 270; Rotkies D i e Eintragung der Niederlassung eines ausländischen Versicherungsunternehmens im Handelsregister, V e r B A V 1953, 202; Schilling Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft im deutschen Niederlassungsrecht, R I W 1954, 37; Seibert Die Umsetzung der Zweigniederlassungs-Richtlinie der E G in deutsches Recht, G m b H - R d s c h . 1992, 738; ders. Neuordnung des Rechts der Zweigniederlassung im H G B , D B 1993, 1705; Wendel Das Handelsregisterrecht der Zweigniederlassungen, Reformbedürftigkeit und Änderungsvorschläge, D B 1959 Beil. 1; Ziegler G m b H - S i t z v e r l e g u n g mit weiteren Änderungen des Gesellschaftsvertrags. Zur Frage der Zuständigkeit des Registergerichts, Rpfleger 1991, 485. Übersicht Rdn. I. Allgemeines
3. Eintragung
20
4
4. Bekanntmachung
21
II. Begriff der Zweigniederlassung III. Verfahren
Rdn.
1 13
5. Mitteilungen
22
1. Anmeldung und Zeichnung
13
6. Aufhebung
23
2. Prüfung
18
IV. Sonderfälle
24
I. Allgemeines 1. D i e V o r s c h r i f t b e h a n d e l t e in i h r e r u r s p r ü n g l i c h e n F a s s u n g j e d e Z w e i g n i e d e r l a s s u n g r e g i s t e r r e c h t l i c h w i e ein s e l b s t ä n d i g e s k a u f m ä n n i s c h e s U n t e r n e h m e n . E i n t r a g u n g e n u n d die h i e r z u e r f o r d e r l i c h e n
Anmeldungen
und Zeichnungen von Unterschriften
g r u n d s ä t z l i c h b e i d e m f ü r die Z w e i g n i e d e r l a s s u n g
zuständigen G e r i c h t zu
waren
bewirken.
D u r c h A r t . 1 N r . 1 des G e s e t z e s ü b e r die E i n t r a g u n g v o n H a n d e l s n i e d e r l a s s u n g e n u n d das V e r f a h r e n in H a n d e l s r e g i s t e r s a c h e n v o m 1 0 . 8 . 1 9 3 7 ( R G B l . I 8 9 7 ) ist die V o r s c h r i f t d u r c h eine N e u f a s s u n g e r s e t z t w o r d e n . Z u g l e i c h s i n d die § § 1 3 a - 1 3 c e i n g e f ü g t w o r d e n . D i e s e Änderungen standen im Z u s a m m e n h a n g mit dem Aktiengesetz v o m 30.1.1937 ( R G B l . I 1 0 7 ) , das in s e i n e n § § 3 5 - 3 8 das R e c h t d e r Z w e i g n i e d e r l a s s u n g e n n e u r e g e l t e (vgl. § § 4 2 4 5 A k t G 1 9 6 5 ) . E b e n s o e n t h i e l t § 12 G m b H G S o n d e r v o r s c h r i f t e n f ü r Z w e i g n i e d e r l a s s u n gen. W e i t e r e Ä n d e r u n g e n s i n d a u f g r u n d d e r E l f t e n R i c h t l i n i e des R a t e s d e r E u r o p ä i s c h e n Sonnenschein/Weitemeyer
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1
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§13
Gemeinschaften vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen ( 8 9 / 6 6 6 / E W G - ABl. E G Nr. L 395/36 vom 30.12.1989) der sog. Zweigniederlassungsrichtlinie, erfolgt (Vorbem. Rdn. 6). Das Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften und über Gebäudeversicherungsverhältnisse vom 22.7.1993 (BGBl. I 1282) hat § 13 Abs. 5 neu gefaßt, die bisherigen §§ 13 a und 13 b durch die neuen §§ 13 a bis 13 g ersetzt, während der bisherige § 13 c zum § 13 h geworden ist. Gleichzeitig sind die Sondervorschriften des A k t G und G m b H G aufgehoben worden. Damit ist die registerrechtliche Offenlegungspflicht der Zweigniederlassungen einheitlich in den §§ 13 ff geregelt. Ausgenommen sind nur die Genossenschaften, die in einem selbständigen Register, dem Genossenschaftsregister, eingetragen werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 12, 14). 2
2. Der Neufassung des § 13 von 1937 (Rdn. 1) liegt das Prinzip zugrunde, daß Anmeldungen nur noch zentral beim Registergericht der Hauptniederlassung vorgenommen werden. Die Eintragung der Zweigniederlassungen wird dann von Amts wegen durch dieses Gericht bei dem für die jeweilige Zweigniederlassung zuständigen Registergericht herbeigeführt. Dabei beschränkt sich die Prüfung durch das für die Zweigniederlassung zuständige Gericht nach § 13 Abs. 3 S. 1 auf die Frage, ob die Zweigniederlassung tatsächlich errichtet ist und ob die Vorschrift des § 30 über die Unterscheidbarkeit der Firma beachtet ist. Dieses eingeschränkte Prüfungsrecht ist dem Gericht der Zweigniederlassung wegen der besseren Kenntnis der örtlichen Verhältnisse überlassen worden. 1 Die Bestimmungen des § 13 gelten nach der Neuregelung von 1993 (Rdn. 1) für alle Zweigniederlassungen inländischer natürlicher oder juristischer Personen oder inländischer Personenhandelsgesellschaften. Ergänzende Vorschriften für die Zweigniederlassung einer inländischen A G oder G m b H finden sich in den §§ 13 a und 13 b.
3
3. Damit verfolgt die Regelung den Zweck, Anmeldungen und im wesentlichen auch das Prüfungsverfahren bei dem Gericht der Hauptniederlassung zu zentralisieren. Hierdurch wird das Verfahren für alle Beteiligten vereinfacht. Gleichzeitig werden Kontroll- und Publizitätsfunktion des Handelsregisters verbessert (Staub/Hiiffer Vor § 13 Rdn. 1, 2). Dies ist wegen § 15 Abs. 4 von besonderer Bedeutung. Die Vorschriften sind registerrechtlicher Natur. Sie enthalten keine materiell-rechtliche Regelung des Rechts der Zweigniederlassung.
II. Begriff der Zweigniederlassung 4
1. Der Begriff der Zweigniederlassung wird im Gesetz nicht bestimmt. Es verwendet ihn neben der Hauptniederlassung, bezeichnet beide Einrichtungen aber auch schlicht als Niederlassung. Erst Sinn und Zweck der einzelnen Vorschrift ergeben, ob das eine oder das andere gemeint ist ( S t a u b / H i i f f e r Vor § 13 Rdn. 6). Der Begriff ist deshalb im Gegensatz zur Hauptniederlassung zu bestimmen, die den räumlichen Mittelpunkt des Unternehmens darstellt. Dieser Mittelpunkt wird wiederum durch den auf Dauer angelegten Ort der Geschäftsleitung festgelegt ( S t a u b / H ü f f e r Vor § 13 Rdn. 7). Da ein Kaufmann mehrere selbständige Handelsgeschäfte betreiben kann, ist es möglich, daß er mehrere Haupt-
1
KG DR 1939,1453; Hildebrandt DFG 1937,197.
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§13
niederlassungen unterhält. Handelsgesellschaften, die eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen oder die wie O H G und K G unter einer einheitlichen Firma am Handelsverkehr teilnehmen, unterhalten ebenfalls selbständig ein Handelsgeschäft. Aus dieser Gegenüberstellung unternehmerischer Betätigungsformen ist als Begriff der 5 Zweigniederlassung zu entwickeln, daß es sich um ein von der Hauptniederlassung abgezweigtes, abhängiges Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit handelt, das in räumlicher Trennung, aber im Rahmen des Handelsgewerbes und trotz der Oberleitung der Hauptniederlassung mit einer gewissen Selbständigkeit auf Dauer Handelsgeschäfte tätigt.2 2. Für die Zweigniederlassung sind damit im einzelnen folgende Merkmale kennzeichnend (v. Gierke/Sandrock § 14 III 1):
6
a) Die Zweigniederlassung tätigt im Rahmen des von dem kaufmännischen Unter- 7 nehmen ausgeübten Handelsgewerbes auf Dauer Handelsgeschäfte. Diese Geschäfte bilden den Gegenstand des Handelsgewerbes der Hauptniederlassung. Es darf sich nicht um einfache Betriebsstätten (KGJ 22 A 91) oder reine Verkaufsstellen (KGJ 18, 17) handeln. Ebenso unzureichend sind Lager, Zahlstellen und Agenturen, bei denen keine Geschäfte abgeschlossen werden (KG OLGRspr. 11, 375). Auch bloße Hilfsgeschäfte genügen nicht. Andererseits braucht es sich nicht um dieselben Geschäfte zu handeln, wie sie von der Hauptniederlassung getätigt werden, sofern sie nur zum Gegenstand des Unternehmens gehören. b) Die Zweigniederlassung schließt die Geschäfte mit einer gewissen Selbständigkeit 8 ab. Dies bedeutet, daß der Leiter im Außenverhältnis selbständig am Geschäftsverkehr teilnimmt und in der Regel auch unter der für die Zweigniederlassung eingetragenen Firma auftritt. Diese Selbständigkeit bedingt grundsätzlich ein rechnungsmäßig ausgewiesenes eigenes Geschäftsvermögen3 und eine gesonderte Buchführung der Zweigniederlassung (BGH N J W 1972, 1859). Diese getrennte Buchführung kann auch bei der Hauptniederlassung eingerichtet sein (BayObLG BB 1980, 335). c) Im Innenverhältnis ist die Oberleitung der Hauptniederlassung erforderlich. 9 Die grundlegenden Fragen der Geschäftspolitik werden von der Hauptniederlassung bestimmt. Daraus folgt ein Weisungsrecht, das generell oder auch nur im Einzelfall ausgeübt wird. Die interne Abhängigkeit der Zweigniederlassung schließt ihre externe Selbständigkeit nicht aus. d) Im allgemeinen wird eine räumliche Trennung zwischen Haupt- und Zweignieder- 1 0 lassung vorausgesetzt. Die registerrechtliche Regelung des H G B geht davon aus, daß sich beide Niederlassungen in verschiedenen Gerichtsbezirken befinden. Da die Gerichtsorganisation jedoch keinen Einfluß auf die Unternehmensorganisation haben kann, ist es grundsätzlich möglich, daß Haupt- und Zweigniederlassung zu demselben Gerichtsbezirk und auch zu derselben politischen Gemeinde gehören (KG J W 1929, 671). Dies wird durch §13 Abs. 4 HRV bestätigt, der für diesen Fall die Verwendung eines besonderen Registerblatts für die Zweigniederlassung vorschreibt. Aufgrund der besonderen gesetzlichen 2
KGJ 5, 22; KG OLGRspr. 14, 332.
3
KG OLGRspr. 11, 375; 14, 332; 45, 97.
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Regelung in § 34 Abs. 2 StBerG kann jedoch eine Steuerberatungsgesellschaft an dem Ort ihrer Hauptniederlassung nicht zugleich eine auswärtige Beratungsstelle i.S. dieser Vorschrift als Zweigniederlassung errichten (LG Frankenthal D B 1990, 826). 11
e) Aus diesen Merkmalen ergibt sich als Gesamtbild, daß die Zweigniederlassung in personeller und organisatorischer Hinsicht eine Einheit darstellt, die auch ohne die Hauptniederlassung als völlig selbständiges Unternehmen am Rechtsverkehr teilnehmen und somit weitergeführt werden könnte. 4
12
3. Die mit einer Zweigniederlassung verbundenen Rechtswirkungen werden dadurch geprägt, daß sie keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt ( B G H Z 4, 62 = N J W 1952,182). Ihre Errichtung und Auflösung sind rein tatsächliche Vorgänge5 und hängen davon ab, ob die begrifflichen Merkmale (Rdn. 6 ff) erfüllt werden oder wieder wegfallen. Die Zweigniederlassung kann zwar unter ihrer Firma am Rechtsverkehr teilnehmen. Aus allen Geschäften wird aber nur der Inhaber des Handelsgeschäfts berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend gibt es zwischen Haupt- und Zweigniederlassung rechtlich ebensowenig Forderungen und Verbindlichkeiten wie zwischen mehreren Zweigniederlassungen desselben Unternehmens, auch wenn Geschäftsvermögen und Rechnungsverkehr intern getrennt werden. 6 Gleichwohl bestehen für die Zweigniederlassung teilweise Regelungen wie für ein besonderes Handelsgeschäft, so für das Registerrecht (§§ 13 ff), die Publizität (§ 15 Abs. 4), die Firma (§ 30 Abs. 3) und die Prokura (§ 50 Abs. 3). Sie hat ihren eigenen Gerichtsstand und Erfüllungsort.
III. Verfahren 1. Anmeldung und Zeichnung 13
a) Nach § 13 Abs. 1 S. 1 ist Gegenstand der vorgeschriebenen Anmeldung die Errichtung einer Zweigniederlassung. Die Errichtung ist ein tatsächlicher Vorgang (Rdn. 12). Sie begründet für einen Einzelkaufmann oder eine juristische Person die Pflicht zur Anmeldung beim Gericht der Hauptniederlassung, für eine Handelsgesellschaft beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft. Diese Anmeldung beim Gericht der Hauptniederlassung ist darauf gerichtet, daß die Eintragung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung vorgenommen wird. Haupt- und Zweigniederlassung können gleichzeitig angemeldet werden ( S t a u b / H ü f f e r § 13 Rdn. 3). Für die Anmeldung der Zweigniederlassung einer A G (§ 13 a), einer GmbH (§ 13 b) und einer Genossenschaft (§ 14 GenG) bestehen besondere Vorschriften mit ähnlichem Inhalt. Weitere Sonderregelungen treffen die §§ 13 d - 13 g für inländische Zweigniederlassungen eines Unternehmens mit Hauptniederlassung oder Sitz im Ausland.
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b) Die gesetzlich vorgeschriebenen Unterschriften ( § 1 2 Rdn. 17) sind nach § 13 Abs. 2 zur Aufbewahrung beim Gericht der Zweigniederlassung zu zeichnen. Dies gilt nicht für die Unterschrift solcher Prokuristen, deren Vertretungsmacht sich nicht auf den Betrieb dieser Zweigniederlassung erstreckt (vgl. § 50 Abs. 3). Die gleiche Regelung findet
4 5
KGJ 28 A 208; BayObLG BB 1980, 335. BayObLG BB 1992, 944; Staub/Hüffer Vor § 13 Rdn. 16.
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OLG Hamburg NJW 1949, 467, 469; BB 1981, 25; Köhler BB 1969, 845.
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Döllerer
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§13
sich in § 14 Abs. 2 GenG. Die früher speziell für die A G bestehende Bestimmung des § 42 Abs. 2 AktG ist durch das Änderungsgesetz von 1993 (Rdn. 1) nicht in das H G B übernommen worden, da zu den gesetzlich vorgeschriebenen Unterschriften auch die Verpflichtung der Vorstandsmitglieder zur Zeichnung ihrer Namensunterschrift nach § 37 Abs. 5 AktG gehört (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 14). c) Für die Anmeldung und die Zeichnung der Unterschriften ist nach der auch insoweit 1 5 maßgebenden Bestimmung des § 12 die öffentlich beglaubigte Form vorgeschrieben (§ 12 Rdn. 5, 19). d) Die Zuständigkeit für die Anmeldung, nicht für die Eintragung (Rdn. 20), liegt beim 1 6 Registergericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes. Dieses Gericht hat die Anmeldung nach § 13 Abs. 1 S. 2 unverzüglich mit einer beglaubigten Abschrift seiner Eintragungen über das betreffende Unternehmen an das Gericht der Zweigniederlassung weiterzugeben. Die beglaubigte Abschrift entfällt, soweit diese Eintragungen ausschließlich die Verhältnisse anderer Niederlassungen betreffen. Eine Weitergabe der Anmeldung erübrigt sich, wenn dasselbe Registergericht zuständig ist. In gleicher Weise ist bei der Zeichnung von Unterschriften zu verfahren, wie aus dem 1 7 systematischen Zusammenhang von § 13 Abs. 1 und 2 und dem Zweck der Regelung, das Verfahren beim Gericht der Hauptniederlassung zu konzentrieren (Rdn. 3), geschlossen werden kann. 7 Dies bedeutet, daß die Zeichnung einer Unterschrift beim Gericht der Hauptniederlassung einzureichen ist, das sie an das für die Zweigniederlassung zuständige Gericht weitergibt. 2. Prüfung a) Nach § 13 Abs. 3 S. 1 hat das Gericht der Zweigniederlassung nur zu prüfen, ob die 1 8 Zweigniederlassung errichtet und § 30 über die Unterscheidbarkeit der Firma beachtet ist (BayObLG BB 1990, 1364). Die vom Gericht der Hauptniederlassung mitgeteilten Tatsachen hat es hingegen nach § 13 Abs. 3 S. 2 nicht zu prüfen, soweit sie im Handelsregister der Hauptniederlassung eingetragen sind. Die Eintragungen müssen unverändert, also vollständig übernommen werden (BayObLG BB 1988, 1549). Die darin liegende Beschränkung der Prüfungspflicht und des Prüfungsrechts ist aufgrund der besseren Kenntnis der örtlichen Verhältnisse gerechtfertigt (Rdn. 2) und beseitigt die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen der beteiligten Gerichte (Staub/Huffer § 13 Rdn. 6). Die Eintragung der Zweigniederlassung kann deshalb auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß der in der Firma enthaltene Geschäftszweig von der Zweigniederlassung aus nicht betrieben wurde (OLG Neustadt NJW 1962, 1205). Für die Zweigniederlassung einer Genossenschaft besteht in § 14 Abs. 3 S. 1 GenG die gleiche Regelung. b) Im übrigen hat das Gericht der Hauptniederlassung die Aufgabe, die Anmeldung 1 9 der Zweigniederlassung in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen (Staub/Hiiffer § 13 Rdn. 4). Dies gilt vor allem für die Bildung einer etwaigen Firma unter dem Gesichtspunkt der Firmenwahrheit (Kögel Rpfleger 1993, 8). Wird diesem Grundsatz Rechnung getragen, dürfen mehrere Niederlassungen desselben Unternehmens auch unterschiedliche Firmen führen (BayObLG BB 1992, 944). 7
Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan 16; Staub/Hüffer § 13 Rdn. 10.
§ 13 Rdn.
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3. Eintragung 20
Die Eintragung ist nach § 13 Abs. 3 S. 2 durch das Gericht der Zweigniederlassung vorzunehmen, wenn die beschränkte Prüfung ergeben hat, daß die Zweigniederlassung errichtet ist und kein Verstoß gegen § 30 vorliegt (Rdn. 18). Die Zweigniederlassung ist mit ihrem Ort und der für sie vorgesehenen Form der Firma einzutragen ( § 1 3 Abs. 3 S. 3). Hierbei ist für jede Zweigniederlassung ein besonderes Registerblatt zu verwenden (§ 13 Abs. 4 HRV). Die betreffenden Schriftstücke sind für jedes Registerblatt in einem besonderen Aktenband zusammenzufassen (§ 8 Abs. 2 HRV). Für die Eintragung der Zweigniederlassung einer A G sind nach § 13 a Abs. 3 auch die Angaben nach § 39 A k t G vorgeschrieben. Für die Eintragung der Zweigniederlassung einer G m b H verlangt § 13 b Abs. 3 auch die in § 10 Abs. 1 und 2 G m b H G bezeichneten Angaben. Für die Genossenschaft gilt § 14 Abs. 3 GenG. In allen Fällen ist die Eintragung einer Zweigniederlassung deklaratorischer Natur ( B a y O b L G D B 1979, 1936). 4. Bekanntmachung
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Das Gericht der Zweigniederlassung hat die Eintragungen nach § 10 grundsätzlich ihrem ganzen Inhalt nach unter Beachtung der §§ 32 - 34 HRV bekanntzumachen. Für die Zweigniederlassung der A G wird der Inhalt der Bekanntmachung durch § 13 a Abs. 4 erweitert. Das gleiche gilt nach § 13 b Abs. 4 für die Bekanntmachung bei der Zweigniederlassung einer G m b H . 5. Mitteilungen
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Nach § 13 Abs. 4 S. 1 hat das Gericht die Eintragung der Zweigniederlassung von Amts wegen dem Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes mitzuteilen. Dieses Gericht hat die Eintragung und einen etwaigen Firmenzusatz zu vermerken. Das gleiche gilt nach § 14 Abs. 4 GenG. Der Vermerk richtet sich nach den §§ 40 Nr. 2 S. 2, 43 Nr. 2 HRV. Er wird nicht veröffentlicht ( § 1 3 Abs. 4 S. 2) und ist ohne Bedeutung für die Publizitätswirkungen der beim Gericht der Zweigniederlassung eingetragenen Tatsachen.
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Nach § 13 Abs. 5 gelten die Vorschriften über die Errichtung einer Zweigniederlassung für deren Aufhebung sinngemäß. Dies wird in gleicher Weise durch § 14 Abs. 5 GenG angeordnet. Mit der Neufassung des § 13 Abs. 5 durch das Änderungsgesetz von 1993 (Rdn. 1) wird gewährleistet, daß auch die neuen Vorschriften der §§ 13 a und 13 b sinngemäß für die Aufhebung der Zweigniederlassung einer A G oder G m b H gelten (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 14). Die Aufhebung ist wie die Errichtung ein tatsächlicher Vorgang, der die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Zweigniederlassung (Rdn. 6 ff) entfallen läßt. Sie ist beim Registergericht der Hauptniederlassung anzumelden und von dort an das Gericht der Zweigniederlassung weiterzugeben, das die Löschung einträgt. Die Löschung ist dem Registergericht der Hauptniederlassung mitzuteilen, das einen entsprechenden Vermerk vornimmt (§§ 40 Nr. 5 unter 4 c, 43 Nr. 6 1 HRV). Von der Aufhebung ist die Verlegung der Zweigniederlassung zu unterscheiden (§ 13 h Rdn. 10).
6. Aufhebung
IV. Sonderfälle 24
Sonderregelungen über Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Hauptniederlassung oder Sitz in Deutschland außerhalb des Währungsgebietes, d.h. im Gebiet der 184
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§13 a
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damaligen Sowjetischen Besatzungszone und späteren D D R , traf § 2 D M B i l G vom 21.8.1949 (WiGBl. S. 279), zuletzt geändert durch D M B i l E r g G vom 7.4.1961 (BGBl. I 413). Weitere Sonderfragen sind für die Fälle mit Auslandsberührung in den §§ 1, 14 - 16 ZuständErgG vom 7.8.1952 (BGBl. I 407) geregelt. Unterhält ein deutsches Unternehmen eine Zweigniederlassung im Ausland, richtet sich die Eintragung nach den Vorschriften des jeweiligen Staates. Eine Eintragung der ausländischen Zweigniederlassung im deutschen Handelsregister ist nicht möglich ( L G Köln D B 1979, 984). Die registerrechtliche Behandlung der inländischen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens ist in den §§ 13 d - 13 g geregelt. Für die in Ausnahmefällen anerkannte Zulässigkeit des Doppelsitzes von kaufmännischen Unternehmen fehlt eine gesetzliche Regelung. 8
§13 a Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Inland (1) F ü r Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften gelten ergänzend die folgenden Vorschriften. (2) Die Errichtung einer Zweigniederlassung ist durch den Vorstand anzumelden. Der Anmeldung ist eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Satzung beizufügen. (3) Die Eintragung hat auch die Angaben nach § 39 des Aktiengesetzes zu enthalten. (4) In die Bekanntmachung der Eintragung sind außer deren Inhalt die in § 23 Abs. 3 und 4, §§ 24, 25 Satz 2 des Aktiengesetzes vorgesehenen Bestimmungen sowie Bestimmungen der Satzung über die Zusammensetzung des Vorstands aufzunehmen. Wird die Errichtung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung in den ersten zwei Jahren eingetragen, nachdem die Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes eingetragen worden ist, so sind in der Bekanntmachung der Eintragung alle Angaben nach § 40 des Aktiengesetzes zu veröffentlichen; in diesem Fall hat das Gericht des Sitzes bei der Weitergabe der Anmeldung ein Stück der für den Sitz der Gesellschaft ergangenen gerichtlichen Bekanntmachung beizufügen. (5) Die Vorschriften über die Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften gelten sinngemäß für die Zweigniederlassungen von Kommanditgesellschaften auf Aktien, soweit sich aus den Vorschriften der §§ 278 bis 290 des Aktiengesetzes oder aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt. Schrifttum Vgl. zu § 13. Übersicht Rdn.
Rdn. 2. Anmeldung
I. Allgemeines . 2. Entstehung
2
3. Zweck II. Verfahren bei Errichtung von Zweignie-
8
6
3. Eintragung
1. Überblick .
derlassungen
....
inländischer
3
10
4. Bekanntmachung III. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer
Kommanditge-
sellschaften auf Aktien
Aktiengesell-
schaften
4
1. Anwendungsbereich
4
12
IV. Aufhebung von Zweigniederlassungen . . . .
17 18
BayObLG NJW 1962, 1014; BB 1985, 949; Staub/HUffer
V o r § 13 R d n . 2 5 ff.
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§ 13 a
Erstes Buch. Handelsstand
I. Allgemeines 1. Überblick 1
Die Vorschrift betrifft Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Inland. Sie verpflichtet den Vorstand der Gesellschaft, die Errichtung einer Zweigniederlassung anzumelden und eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Satzung beizufügen. Der Inhalt der Eintragung muß die spezifischen Angaben nach § 39 A k t G enthalten. In ähnlicher Weise wird der Umfang der Bekanntmachung den aktienrechtlichen Besonderheiten angepaßt. Schließlich werden die Bestimmungen für Zweigniederlassungen von Kommanditgesellschaften auf Aktien für sinngemäß anwendbar erklärt, soweit sich aus der Sonderregelung dieser Gesellschaftsform oder aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt. 2. Entstehung
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Die Vorschrift ist durch das Änderungsgesetz von 1993 eingefügt worden. 1 Hierdurch sind die besonderen aktienrechtlichen Erfordernisse für die Errichtung einer Zweigniederlassung, die in dem gleichzeitig aufgehobenen § 42 A k t G geregelt waren, in das H G B übernommen worden. 3. Zweck
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Mit der Neuregelung des Rechts der Zweigniederlassungen in den §§ 13 - 13 h verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, entsprechend der Elften gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie (Vorbem. Rdn. 6) die Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter hinsichtlich der Offenlegung von Zweigniederlassungen vorgeschrieben sind, zu koordinieren (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 1). Er hat diese Gelegenheit wahrgenommen, um die bisher auf das H G B , A k t G und G m b H G verteilten Bestimmungen zusammenzufassen. Hierdurch sollten Doppelregelungen vermieden und die bis dahin bestehende Rechtszersplitterung sowie die daraus resultierende Normenvielfalt abgebaut werden. Damit beruht die Neuregelung auf dem Konzept, daß die allgemeinen Vorschriften für Zweigniederlassungen inländischer oder ausländischer natürlicher und juristischer Personen sowie Personenhandelsgesellschaften jeweils durch zusätzliche Bestimmungen für Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften m b H ergänzt werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 13). § 13 a enthält die ergänzenden Bestimmungen für Zweigniederlassungen von inländischen Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien.
II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer Aktiengesellschaften 1. Anwendungsbereich 4
Wie die Uberschrift des § 13 a und der Vergleich mit § 13 f deutlich machen, gilt die Vorschrift für Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Inland. Dabei geht das Gesetz bei seinem Regelungsanspruch davon aus, daß sich auch die Zweigniederlassung im Inland befindet. Inland ist der Geltungsbereich des H G B . Der Begriff der A G läßt sich aus § 1 A k t G entnehmen, nach dem die A G eine Gesellschaft mit eigener Rechts1
Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
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§ 13 a
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persönlichkeit ist, die ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat und für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Der Begriff der Zweigniederlassung ist gesetzlich nicht definiert (§ 13 Rdn. 4 ff). In § 13 a Abs. 1 wird bestimmt, daß für Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaf- 5 ten ergänzend die folgenden Vorschriften gelten. Hiermit sind die besonderen Vorschriften der Abs. 2 - 4 gemeint, die inhaltlich wiederum durch die Bezugnahme auf spezielle aktienrechtliche Vorschriften ausgefüllt werden. Sie haben neben der Grundregel des § 13 über die Registerpublizität für alle Zweigniederlassungen nur ergänzenden Charakter. 2. Anmeldung a) Da von § 13 auszugehen ist, muß die Errichtung einer Zweigniederlassung durch 6 eine AG als Handelsgesellschaft beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung angemeldet werden. Auch das weitere Verfahren richtet sich nach § 13 (dort Rdn. 13 ff). b) Nach § 13 a Abs. 2 S. 1 ist die Errichtung einer Zweigniederlassung durch den 7 Vorstand anzumelden. Die Anmeldepflicht trifft damit das gesetzliche Vertretungsorgan der Gesellschaft. Die Regelung entspricht dem bisherigen § 42 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 AktG. Die Vorstandsmitglieder müssen nicht sämtlich, sondern nur in vertretungsberechtiger Zahl handeln. Bei unechter Gesamtvertretung nach § 78 Abs. 3 S. 2 AktG ist auch ein Prokurist zur Anmeldung mitberechtigt. c) Inhalt der Anmeldung ist die Tatsache der Errichtung der Zweigniederlassung 8 sowie die Angabe des für die Zweigniederlassung zuständigen Gerichts. Da § 13 a Abs. 3 wegen der Eintragung auf § 39 AktG Bezug nimmt (Rdn. 10) und hiernach auch die Vorstandsmitglieder und ihre Vertretungsbefugnis einzutragen sind, ergibt sich daraus inzidenter eine entsprechende inhaltliche Pflicht zur Anmeldung (Begr. z. RegE, BTDrucks. 12/3908, S. 14). d) Nach § 13 a Abs. 2 S. 2 ist der Anmeldung eine öffentlich beglaubigte Abschrift der 9 Satzung beizufügen. Dies entspricht dem bisherigen § 42 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 AktG. Der notwendige Inhalt der Satzung ergibt sich aus § 23 AktG. Sie muß in ihrer derzeit geltenden Fassung der Anmeldung der Zweigniederlassung beigefügt werden (KGJ 26 A 225). Für die öffentliche Beglaubigung ist § 42 BeurkG maßgebend. 3. Eintragung a) Nach § 13 a Abs. 3 hat die Eintragung auch die Angaben nach § 39 AktG zu ent- 1 0 halten. Hierdurch sind die bisher in § 42 Abs. 3 S. 3 Halbs. 1 AktG geregelten spezifischen Eintragungserfordernisse bei Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften in das H G B übertragen worden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 14). Im Handelsregister der Zweigniederlassung ist deshalb die Firma der Gesellschaft und nicht nur die Firma mit einem etwaigen Zusatz, unter dem die Zweigniederlassung im Rechtsverkehr auftritt, einzutragen. Die Firmenbildung bei der Zweigniederlassung ist im einzelnen umstritten (vgl. B a y O b L G B B 1992, 944). Weiter sind bei der Eintragung der Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Grundkapitals, der Tag der Feststellung der Satzung und die Vorstandsmitglieder anzugeben. Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Vorstandsmitglieder haben. Wenn die Satzung Bestimmungen über die Sonnenschein/Weitemeyer
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Dauer der Gesellschaft oder über das genehmigte Kapital enthält, müssen auch diese Bestimmungen eingetragen werden. Damit gibt das Register der Zweigniederlassung über die Gesellschaft als solche eine nahezu ebenso vollständige Auskunft wie das Register des Sitzes der Gesellschaft. Nicht erkennbar ist lediglich, ob noch andere Zweigniederlassungen bestehen und ob es Personen gibt, deren Vertretungsbefugnis auf andere Zweigniederlassungen beschränkt ist {Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff AktG, 1984, § 43 Rdn. 34). 11
b) Im übrigen richtet sich das weitere Verfahren bei der Prüfung der Anmeldung und der Eintragung der Errichtung einer Zweigniederlassung nach § 13 Abs. 3 (dort Rdn. 18 ff). Die Eintragung ist deklaratorischer Natur (BayObLG DB 1979, 1936). 4. Bekanntmachung
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a) In die Bekanntmachung der Eintragung sind nach § 13 a Abs. 4 S. 1 außer deren Inhalt die in § 23 Abs. 3 und 4, §§ 24, 25 S. 2 AktG vorgesehenen Bestimmungen sowie Bestimmungen der Satzung über die Zusammensetzung des Vorstands aufzunehmen. Mit dieser und der in § 13 a Abs. 4 S. 2 folgenden Regelung sind die besonderen Vorschriften des bisherigen § 42 Abs. 4 AktG mit etwas abweichendem Wortlaut, aber inhaltlich unverändert in das H G B übernommen worden. Der Umfang der Bekanntmachung richtet sich somit primär nach dem Inhalt der Eintragung der Zweigniederlassung ( § 1 3 Rdn. 20). Deshalb sind auch der Ort und ein etwaiger Firmenzusatz der Zweigniederlassung bekanntzumachen. Darüber hinaus sind die in § 23 Abs. 3 und 4 vorgesehenen Satzungsbestimmungen bekanntzumachen, insbesondere also Firma und Sitz der Gesellschaft, Gegenstand des Unternehmens, Höhe des Grundkapitals, Nennbeträge, Zahl und Gattung sowie Art der Aktien, die Zahl der Vorstandsmitglieder sowie die Regeln über die Festlegung dieser Zahl und schließlich Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft. Ferner sind etwaige Satzungsbestimmungen über eine Umwandlung der Aktienart, über Bekanntmachungen der Gesellschaft in anderen Blättern als dem Bundesanzeiger und über die Zusammensetzung des Vorstands bekanntzumachen.
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b) Wird die Errichtung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung in den ersten zwei Jahren eingetragen, nachdem die Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes eingetragen worden ist, so sind nach § 13 a Abs. 4 S. 2 Halbs. 1 in der Bekanntmachung der Eintragung alle Angaben nach § 40 AktG zu veröffentlichen. Hierzu gehören neben den zuvor (Rdn. 12) erwähnten Angaben Satzungsbestimmungen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen, ferner der Ausgabebetrag der Aktien, Name, Beruf und Wohnort der Gründer sowie der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats und schließlich der Hinweis auf die Möglichkeit, die mit der Anmeldung der Gesellschaft eingereichten Schriftstücke einzusehen. Damit hat das Gericht der Zweigniederlassung die gleichen Angaben bekanntzumachen, die schon das Gericht des Sitzes der Gesellschaft bei deren erstmaliger Eintragung bekanntgemacht hat.
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Um Abweichungen zu vermeiden, hat das Gericht des Sitzes nach § 13 a Abs. 4 S. 2 Halbs. 2 im Falle der Eintragung einer Zweigniederlassung in den ersten zwei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft bei der Weitergabe der Anmeldung der Zweigniederlassung ein Stück der für den Sitz der Gesellschaft ergangenen gerichtlichen Bekanntmachung beizufügen.
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Der Grund für die erhöhte Publizität während der ersten zwei Jahre des Bestehens der 1 5 Gesellschaft liegt darin, daß das Gesetz diese Zeit, wie auch in § 47 Nr. 3 und § 52 Abs. 1 S. 1 AktG zum Ausdruck kommt, als besonders kritisch beurteilt (Geßler/Hefermebl/ Eckhardt/Kropff AktG § 42 Rdn. 41). c) Die Vornahme der Bekanntmachung nach § 10 obliegt dem Gericht der Zweig- 1 6 niederlassung ( § 1 3 Rdn. 21). Es ist nach § 13 Abs. 4 verpflichtet, die Eintragung der Zweigniederlassung von Amts wegen dem Gericht des Sitzes mitzuteilen, in dessen Register die Eintragung zu vermerken ist.
III. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer Kommanditgesellschaften auf Aktien In § 13 a Abs. 5 wird bestimmt, daß die Vorschriften über die Zweigniederlassungen 1 7 von Aktiengesellschaften sinngemäß für die Zweigniederlassungen von Kommanditgesellschaften auf Aktien gelten, soweit sich aus den Vorschriften der §§ 278 bis 290 AktG oder aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt. Diese Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, daß die Verweisung des § 278 Abs. 3 AktG nach Aufhebung der §§ 42,43 AktG hinsichtlich der Zweigniederlassungen ins Leere geht und somit eine eigenständige Verweisungsnorm im H G B zu schaffen war, die wiederum den Besonderheiten der Kommanditgesellschaft auf Aktien Rechnung trägt (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 14). Dies bedeutet vor allem, daß bei der Anmeldepflicht, der Eintragung und Bekanntmachung nach § 283 Nr. 1 AktG die persönlich haftenden Gesellschafter an die Stelle des Vorstands treten.
IV. Aufhebung von Zweigniederlassungen Abweichend von dem bisherigen § 42 Abs. 6 AktG findet sich im Rahmen der Regelung von Zweigniederlassungen einer AG keine besondere Bestimmung über die Aufhebung. Insoweit ist § 13 Abs. 5 einheitlich für die Aufhebung von Zweigniederlassungen sämtlicher Unternehmensformen maßgebend (dort Rdn. 23). § 13 b Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Inland (1) Für Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung gelten ergänzend die folgenden Vorschriften. (2) Die Errichtung einer Zweigniederlassung ist durch die Geschäftsführer anzumelden. Der Anmeldung ist eine öffentlich beglaubigte Abschrift des Gesellschaftsvertrages und der Liste der Gesellschafter beizufügen. (3) Die Eintragung hat auch die in § 10 Abs. 1 und 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung bezeichneten Angaben zu enthalten. (4) In die Bekanntmachung der Eintragung sind außer deren Inhalt die in § 10 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung bezeichneten Bestimmungen aufzunehmen, die dort nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen Festsetzungen jedoch nur dann, wenn die Eintragung innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft erfolgt. Sonnenschein/Weitemeyer
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Schrifttum Vgl. zu § 13. Übersiebt
I. Allgemeines II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g 1. Anwendungsbereich
Rdn. 1
2 2
2. Anmeldung 3. Eintragung 4. Bekanntmachung III. A u f h e b u n g von Z w e i g n i e d e r l a s s u n g e n . . . .
Rdn. 3 7 9 12
I. Allgemeines 1
Die Vorschrift betrifft Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Inland. Sie verpflichtet die Geschäftsführer, die Errichtung einer Zweigniederlassung anzumelden und eine öffentlich beglaubigte Abschrift des Gesellschaftsvertrages und der Liste der Gesellschafter beizufügen. Inhaltlich muß die Eintragung auch die in § 10 Abs. 1 und 2 G m b H G bezeichneten Angaben enthalten. In die Bekanntmachung sind außer dem Inhalt der Eintragung die in § 10 Abs. 3 G m b H G bezeichneten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, unter gewissen Voraussetzungen auch die nach § 5 Abs. 4 S. 1 G m b H G im Gesellschaftsvertrag getroffenen Festsetzungen über Sacheinlagen aufzunehmen. Die Vorschrift des § 13 b ist durch das Änderungsgesetz von 1993 in das H G B aufgenommen worden. 1 Sie ersetzt im Zuge der Zusammenfassung der registerrechtlichen Bestimmungen über Zweigniederlassungen den gleichzeitig aufgehobenen § 12 G m b H G .
II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen inländischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1. Anwendungsbereich 2
Die Vorschrift gilt nur für Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Inland, wie die gesetzliche Uberschrift und der Vergleich mit § 13 g, der die G m b H mit Sitz im Ausland betrifft, zeigen. Erfaßt werden von dem Regelungsanspruch des Gesetzes nur inländische Zweigniederlassungen, d.h. sie müssen im Geltungsbereich des H G B errichtet worden sein. Der Begriff der G m b H ist gesetzlich nicht definiert, sondern ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des G m b H G . Sie kann danach als eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit bezeichnet werden, die ein durch die Satzung bestimmtes Stammkapital hat und für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Auch der Begriff der Zweigniederlassung ist im Gesetz nicht bestimmt (§13 Rdn. 4 ff). 2. Anmeldung
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a) Nach § 13 b Abs. 1 gelten für Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung ergänzend die folgenden Vorschriften, nämlich die Abs. 2 - 4 . Ergänzt wird hierdurch die Regelung des § 13, von der deshalb auszugehen ist. Nach dieser Bestimmung muß die Errichtung einer Zweigniederlassung durch eine G m b H als
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Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
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Handelsgesellschaft beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung angemeldet werden. Auch für das weitere Verfahren ist § 13 maßgebend (dort Rdn. 13 ff), soweit nicht ergänzend § 13 b eingreift. b) Nach § 13 b Abs. 2 S. 1 ist die Errichtung einer Zweigniederlassung durch die 4 Geschäftsführer anzumelden. Diese Anmeldepflicht wurde bisher von der generellen Regelung des § 78 G m b H G erfaßt, nach der die in diesem Gesetz vorgesehenen Anmeldungen zum Handelsregister durch die Geschäftsführer zu bewirken sind. Da die Pflicht, die Errichtung einer Zweigniederlassung anzumelden, mit der Aufhebung des § 12 aus dem G m b H G herausgenommen worden ist, mußte die Anmeldepflicht der Geschäftsführer ausdrücklich im H G B geregelt werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 14). Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden. Die Anmeldepflicht trifft das gesetzliche Vertretungsorgan, dessen Mitglieder die Anmeldung in vertretungsberechtigter Zahl vornehmen müssen. In Analogie zu § 78 Abs. 3 A k t G ist unechte Gesamtvertretung zulässig, so daß auch ein Prokurist zur Anmeldung mitberechtigt sein kann. c) Der Inhalt der Anmeldung umfaßt die Tatsache, daß die Zweigniederlassung errichtet worden ist, sowie die Angabe des für diese Niederlassung zuständigen Gerichts.
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d) Nach § 13 b Abs. 2 S. 2 ist der Anmeldung eine öffentlich beglaubigte Abschrift des 6 Gesellschaftsvertrages und der Liste der Gesellschafter beizufügen. Der notwendige Inhalt des Gesellschaftsvertrags wird durch § 5 G m b H G bestimmt. Die Liste der Gesellschafter ist nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und des § 40 G m b H G aufzustellen. Gesellschaftsvertrag und Gesellschafterliste müssen in der gültigen ( K G J 26 A 225) und aktuellen Fassung beigefügt werden. Das Erfordernis der öffentlichen Beglaubigung nach § 129 Abs. 1 S. 1 B G B und § 40 BeurkG der mit der Anmeldung einzureichenden Abschrift des Gesellschaftsvertrags und der Liste der Gesellschafter weicht von der bisherigen Regelung in § 12 Abs. 1 S. 2 und 3 G m b H G ab, da diese Schriftstücke erst vor der Weitergabe der Anmeldung durch das Gericht des Sitzes der Gesellschaft zu beglaubigen waren. Der Gesetzgeber wollte insoweit für die A G in § 13 a Abs. 2 S. 2 und in § 13 b Abs. 2 S. 2 für die G m b H die gleiche Regelung treffen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 14 f). 3. E i n t r a g u n g a) Die Eintragung hat nach § 13 b Abs. 3 auch die in § 10 Abs. 1 und 2 G m b H G 7 bezeichneten Angaben zu enthalten. Dies entspricht der Regelung, die bisher in § 12 Abs. 2 S. 1 G m b H G enthalten war. Hiernach sind in das Handelsregister der Zweigniederlassung die Firma und der Sitz der Gesellschaft einzutragen, weiter der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und die Personen der Geschäftsführer. Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben, auch wenn die gesetzliche Regel der Gesamtgeschäftsführung gilt. Wenn der Gesellschaftsvertrag eine Bestimmung über die Zeitdauer der Gesellschaft enthält, so ist auch diese Bestimmung einzutragen. Gemeint ist damit eine Beschränkung des Unternehmens auf eine gewisse Zeit nach § 3 Abs. 2 G m b H G . Wie bei der A G (§ 13 a Rdn. 10) gibt deshalb auch das Handelsregister der Zweigniederlassung einer G m b H über die Gesellschaft als solche eine nahezu vollständige Auskunft. b) Im übrigen ist für das weitere Verfahren bei der Prüfung der Anmeldung und der 8 Eintragung, daß eine Zweigniederlassung der G m b H errichtet worden ist, § 13 Abs. 3 Sonnenschein/Weitemeyer
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maßgebend (dort R d n . 18 ff). D i e Eintragung wirkt deklaratorisch ( B a y O b L G D B 1979, 1936). 4. B e k a n n t m a c h u n g 9
a) N a c h § 13 b A b s . 4 Halbs. 1 sind in die B e k a n n t m a c h u n g der Eintragung außer deren Inhalt grundsätzlich die in § 10 Abs. 3 G m b H G bezeichneten Bestimmungen aufzunehmen. D a m i t sind die besonderen Vorschriften des bisherigen § 12 Abs. 2 S. 2 G m b H G ohne inhaltliche Änderung in das H G B ü b e r n o m m e n worden (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 3 9 0 8 , S. 15). D e r U m f a n g der B e k a n n t m a c h u n g wird zunächst durch den Inhalt der Eintragung der Zweigniederlassung bestimmt ( § 1 3 R d n . 20). Somit sind auch der O r t und ein etwaiger Firmenzusatz der Zweigniederlassung bekanntzumachen. D a r ü b e r hinaus ergibt sich aus § 10 A b s . 3 G m b H G , daß etwaige besondere Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags über die F o r m , in der öffentliche Bekanntmachungen der Gesellschaft erlassen werden, ebenfalls in die Bekanntmachung der Eintragung der Zweigniederlassung aufzunehmen sind.
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b) E b e n s o wie der bisherige § 12 Abs. 2 G m b H G macht § 13 b Abs. 4 Halbs. 2 jedoch eine Ausnahme von den in § 10 A b s . 3 G m b H G vorgesehenen Veröffentlichungen. D i e in § 5 Abs. 4 S. 1 G m b H G getroffenen Festsetzungen sind nur dann in die B e k a n n t m a c h u n g aufzunehmen, wenn die Eintragung der Zweigniederlassung innerhalb der ersten zwei J a h r e nach der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft erfolgt. Diese Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag betreffen den Gegenwert etwaiger Sacheinlagen und den Betrag der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht. E b e n s o wie bei der A G (§ 13 a R d n . 15) hält das G e s e t z die ersten zwei J a h r e des Bestehens der G m b H für besonders kritisch und stellt deshalb erhöhte Anforderungen an die Publizität. D a s G e s e t z hat für die Zweigniederlassung der G m b H jedoch darauf verzichtet, bei der Weitergabe der Anmeldung die Beifügung eines Stücks der für den Sitz der Gesellschaft ergangenen gerichtlichen B e k a n n t m a c h u n g vorzuschreiben, wie es in § 13 a Abs. 4 S. 2 Halbs. 2 für die A G vorgesehen ist (dort R d n . 14).
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c) D i e V o r n a h m e der B e k a n n t m a c h u n g nach § 10 obliegt dem Gericht der Zweigniederlassung (§ 13 R d n . 21). Dieses Gericht muß die Eintragung nach § 13 A b s . 4 von A m t s wegen dem G e r i c h t des Sitzes der Gesellschaft mitteilen. In dessen Register ist die Eintragung der Zweigniederlassung zu vermerken.
III. Aufhebung von Zweigniederlassungen 12
F ü r die A u f h e b u n g von Zweigniederlassungen aller U n t e r n e h m e n s f o r m e n ist einheitlich § 13 Abs. 5 maßgebend (dort R d n . 23).
§ 13 c Bestehende Zweigniederlassungen v o n U n t e r n e h m e n m i t Sitz im Inland (1) Ist eine Zweigniederlassung in das Handelsregister e i n g e t r a g e n , so sind alle A n m e l d u n g e n , die die H a u p t n i e d e r l a s s u n g oder die Niederlassung a m Sitz der Gesellschaft o d e r die e i n g e t r a g e n e n Zweigniederlassungen betreffen, beim G e r i c h t der H a u p t n i e d e r l a s s u n g oder des Sitzes zu bewirken; es sind so viel Stücke einzureichen, wie Niederlassungen bestehen. 192
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(2) Das Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes hat in der Bekanntmachung seiner Eintragung im Bundesanzeiger anzugeben, daß die gleiche Eintrag u n g für die Zweigniederlassungen bei den namentlich zu bezeichnenden Gerichten der Zweigniederlassungen erfolgen wird; ist der Firma für eine Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser anzugeben. (3) D a s Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes hat sodann seine Eintragung unter der Angabe der N u m m e r des Bundesanzeigers, in der sie bekanntgemacht ist, von Amts wegen den Gerichten der Zweigniederlassungen mitzuteilen; der Mitteilung ist ein Stück der Anmeldung beizufügen. Die Gerichte der Zweigniederlassungen haben die Eintragungen ohne N a c h p r ü f u n g in ihr Handelsregister zu übernehmen. In der Bekanntmachung der E i n t r a g u n g im Register der Zweigniederlassung ist anzugeben, daß die Eintragung im Handelsregister des Gerichts der Hauptniederlassung oder des Sitzes erfolgt und in welcher N u m m e r des Bundesanzeigers sie bekanntgemacht ist. Im Bundesanzeiger wird die Eintragung im Handelsregister der Zweigniederlassung nicht bekanntgemacht. (4) Betrifft die Anmeldung ausschließlich die Verhältnisse einzelner Zweigniederlassungen, so sind außer dem für das Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes bestimmten Stück nur so viel Stücke einzureichen, wie Zweigniederlassungen betroffen sind. Das Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes teilt seine Eintragung nur den Gerichten der Zweigniederlassungen mit, deren Verhältnisse sie betrifft. Die Eintragung im Register der Hauptniederlassung oder des Sitzes wird in diesem Fall nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. (5) Absätze 1, 3 und 4 gelten sinngemäß f ü r die Einreichung von Schriftstücken und die Zeichnung von Unterschriften. Schrifttum Vgl. zu § 13. Übersiebt Rdn. I. Allgemeines II. Anmeldungen 1. Begriff, U m f a n g und F o r m 2. Verfahren
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Rdn. 3. Sonderfälle
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III. Einreichung von Schriftstücken und Zeichnung von Unterschriften
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I. A l l g e m e i n e s Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Eintragung von Handels- 1 niederlassungen und das Verfahren in Handelsregistersachen vom 10.8.1937 (RGBl. I 897) als § 13 a eingefügt worden. Sie ist durch das Änderungsgesetz von 1993 1 als § 13 c neu gefaßt worden, entspricht jedoch im wesentlichen der bisherigen Fassung und weist lediglich zur Klarstellung in den Abs. 2, 3 und 4 in Anlehnung an den früheren § 43 Abs. 2 und 3 AktG geringfügige redaktionelle Änderungen auf (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 15). Sie regelt die Anmeldung und Eintragung von Tatsachen für ein kaufmännisches Unternehmen, das eingetragene Zweigniederlassungen besitzt. Hiernach sind alle eintragungsfähigen Tatsachen im Register der Hauptniederlassung oder des Sitzes und ebenso im Register jeder Zweigniederlassung einzutragen. N u r wenn die Tatsache ausschließlich die
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Verhältnisse einer einzelnen Niederlassung betrifft, wird die Eintragung auf das R e gister der Hauptniederlassung und ggf. dasjenige der betroffenen Zweigniederlassung beschränkt. D i e Regelung dient dem Z w e c k , das Verfahren auf das G e r i c h t der H a u p t niederlassung zu konzentrieren und im H i n b l i c k auf die verschiedenen Register die Einheitlichkeit aller Eintragungen sicherzustellen. Das Register der Hauptniederlassung erlaubt deshalb ebenso wie das Register jeder Zweigniederlassung einen E i n b l i c k in alle Tatsachen, die das G e s a m t u n t e r n e h m e n betreffen. Entsprechende Vorschriften finden sich in § 14 a G e n G .
II. Anmeldungen 1. Begriff, Umfang und Form 2
D i e Regelung des § 13 c Abs. 1 betrifft alle Anmeldungen (§ 12 R d n . 2 ff) eintragungsfähiger Tatsachen (§ 8 R d n . 6 ff), die sich auf die Hauptniederlassung, die Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder auf die bereits eingetragenen Zweigniederlassungen beziehen. D i e s gilt auch für die Verlegung einer Zweigniederlassung (§ 13 h R d n . 10). D e r Inhalt der Anmeldung richtet sich nach dem anzumeldenden Gegenstand ( § 1 2 R d n . 4). Hierbei sind so viele Stücke einzureichen, wie Niederlassungen bestehen, damit an das G e r i c h t jeder Zweigniederlassung nach § 13 a Abs. 3 S. 1 ein Stück weitergegeben werden kann, soweit nicht die Ausnahme des A b s . 4 eingreift ( R d n . 12). F ü h r e n Zweigniederlassungen eine der Hauptniederlassung gleichlautende F i r m a und wird jeweils nur ein die Zweigniederlassung kennzeichnender Zusatz hinzugefügt, ist bei einer Änderung der Firma der Hauptniederlassung nicht für jede Zweigniederlassung eine gesonderte A n m e l d u n g erforderlich ( L G N ü r n b e r g - F ü r t h B B 1984, 1066). A u c h wenn für H a u p t - und Zweigniederlassung dasselbe G e r i c h t zuständig ist, sind mehrere Stücke einzureichen, da für jede Zweigniederlassung nach § 13 A b s . 4 H R V ein besonderes Registerblatt zu verwenden ist und damit deren gesonderte Registerfähigkeit anerkannt ist ( B a y O b L G Rpfleger 1970, 287). D i e einzelnen Stücke müssen nach § 12 die F o r m der öffentlichen Beglaubigung w a h ren (§ 12 R d n . 5).
2. Verfahren 3
a) N a c h § 13 c A b s . 1 sind alle laufenden Anmeldungen ( R d n . 2) beim G e r i c h t der H a u p t n i e d e r l a s s u n g o d e r des Sitzes zu bewirken. Dieses G e r i c h t ist ausschließlich zuständig ( B a y O b L G B B 1988, 1364). U n e r h e b l i c h ist, o b sich die Anmeldung auf die Hauptniederlassung oder nur auf eine Zweigniederlassung bezieht.
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a a ) Hieraus folgt, daß die P r ü f u n g der A n m e l d u n g in formeller und materieller H i n sicht nur in die Zuständigkeit des Gerichts der Hauptniederlassung oder des Sitzes fällt. Etwaige Beanstandungen sind von diesem G e r i c h t vorzunehmen.
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b b ) Ist die A n m e l d u n g ordnungsgemäß, hat das G e r i c h t die E i n t r a g u n g in seinem Register zu veranlassen. D a hier sämtliche Tatsachen eingetragen werden, die die H a u p t niederlassung oder die Zweigniederlassungen betreffen, ergibt dieses Register ein vollständiges Bild aller eingetragenen Tatsachen des U n t e r n e h m e n s . 2
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c c ) Sobald die Tatsachen eingetragen sind, ist das Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes nach § 10 zur B e k a n n t m a c h u n g im Bundesanzeiger und in den weiteren nach
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BayObLG BB 1990, 1364; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 13 a Rdn. 7.
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§ 11 bezeichneten Blättern verpflichtet. Bei der Bekanntmachung im Bundesanzeiger hat das Gericht nach § 13 c Abs. 2 anzugeben, daß die gleiche Eintragung für die Zweigniederlassungen bei den hierfür zuständigen Gerichten der Zweigniederlassungen erfolgen wird, die namentlich zu bezeichnen sind. Ein etwaiger Zusatz in der Firma der Zweigniederlassung ist ebenfalls anzugeben. Damit wird der Regelung des § 13 c Abs. 3 S. 4 Rechnung getragen, nach der die spätere Eintragung im Handelsregister der Zweigniederlassung nicht im Bundesanzeiger bekanntgemacht wird. dd) Nach § 13 c Abs. 3 S. 1 hat das Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes 7 sodann seine Eintragung unter Angabe der Nummer des Bundesanzeigers, in der sie bekanntgemacht ist, von Amts wegen den Gerichten aller Zweigniederlassungen mitzuteilen, soweit nicht die Ausnahme des Abs. 4 vorliegt. Jeder Mitteilung ist ein Stück der Anmeldung beizufügen. b) Aufgrund der Mitteilung haben die Gerichte der Zweigniederlassungen die Eintra- 8 gung nach § 13 c Abs. 3 S. 2 in ihr Handelsregister zu übernehmen. Hat eine Handelsgesellschaft einen Doppelsitz (§ 13 Rdn. 24), setzt die Eintragung im Handelsregister der Zweigniederlassung gleichlautende Mitteilungen der Gerichte beider Hauptsitze voraus ( O L G Stuttgart NJW 1953, 748). aa) Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, daß die Eintragung ohne Nachprüfung zu 9 erfolgen hat. Auch die in § 13 Abs. 3 S. 1 und § 13 h Abs. 2 S. 3 vorgesehene eingeschränkte Prüfung durch das Gericht der Zweigniederlassung findet nicht statt. 3 Hierin liegt die wesentliche Bedeutung der Vorschrift, um einen einheitlichen Inhalt aller betroffenen Handelsregister sicherzustellen. 4 bb) Nach § 13 c Abs. 3 S. 3 ist in der Bekanntmachung der Eintragung im Register der 1 0 Zweigniederlassung anzugeben, daß die Eintragung im Handelsregister des Gerichts der Hauptniederlassung oder des Sitzes erfolgt und in welcher Nummer des Bundesanzeigers sie bekanntgemacht ist. Die Bekanntmachung richtet sich im wesentlichen nach § 10 und ist in dem vom jeweiligen Registergericht bezeichneten zusätzlichen Blatt vorzunehmen. Eine weitere Bekanntmachung im Bundesanzeiger unterbleibt nach § 13 c Abs. 3 S. 4. cc) Die Eintragung und Bekanntmachung durch das Gericht der Zweigniederlassung 11 sind nach § 15 Abs. 4 für die Publizitätswirkungen im Geschäftsverkehr mit der Zweigniederlassung entscheidend. 3. Sonderfälle a) In § 13 c Abs. 4 wird ein abweichendes Verfahren für die Fälle angeordnet, in denen 1 2 die Anmeldung ausschließlich die Verhältnisse einzelner Niederlassungen betrifft. Dies gilt etwa bei der Anmeldung einer Prokura, die nach § 50 Abs. 3 auf eine einzelne Zweigniederlassung oder auf die Hauptniederlassung beschränkt ist.5 Die Anmeldung ist wie im Regelfall des § 13 c Abs. 1 beim Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes zu bewirken. Außer dem für dieses Gericht bestimmten Stück sind nur so viele Stücke einzurei-
3
4
BayObLG BB 1988, 1549; 1990, 1364; Staub/ Hüffer § 13 a Rdn. 5, 8; vgl. aber Lenz JW 1937, 1305, 1307 zur Änderung eines Firmenzusatzes. BayObLG BB 1990, 1364; Staub/Hüffer § 13 a Rdn. 5.
5
BGHZ 104, 61 = NJW 1988, 1840 m. Anm. Bokelmann EWiR 1988, 597 u. Anm. liegler Rpfleger 1988, 316; BayObLG BB 1988, 1549; OLG Köln Rpfleger 1977, 174; OLG Stuttgart Justiz 1988, 68; LG Hof MittBayNot 1987, 49; LG Köln Rpfleger 1987, 375 m. Anm. Ziegler.
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§ 13 c
Erstes Buch. Handelsstand
chen, wie Zweigniederlassungen betroffen sind. Wird nur die Hauptniederlassung betroffen, ist lediglich ein Stück einzureichen. Das Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes teilt seine Eintragung nur den Gerichten der Zweigniederlassungen mit, deren Verhältnisse sie betrifft. In diesem Fall wird die Eintragung im Register der Hauptniederlassung oder des Sitzes nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Es genügt, daß nach der Mitteilung die entsprechende Eintragung vom Gericht der Zweigniederlassung vorgenommen und in seinem örtlichen Zusatzblatt bekanntgemacht wird. Hierbei ist die auf den Betrieb einer oder mehrerer Zweigniederlassungen beschränkte Prokura im Handelsregister der Zweigniederlassung ohne einen Zusatz einzutragen, der diese Beschränkung ausdrücklich vermerkt. 6 Ist nur die Hauptniederlassung betroffen, verbleibt es hingegen bei der Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem örtlichen Blatt des Gerichts der Hauptniederlassung. 13
b) Für Eintragungen und Löschungen von Amts wegen, die im Zusammenhang mit einer Zweigniederlassung vorzunehmen sind, fehlt eine besondere Vorschrift, die sämtliche Eintragungen erfaßt. Der neu gefaßte § 13 Abs. 5 erklärt die Vorschriften über die Errichtung einer Zweigniederlassung sinngemäß für ihre Aufhebung für anwendbar, betrifft also auch nicht alle Fälle (dort Rdn. 23). Die Regelung des § 13 c Abs. 1 - 4 gilt ihrem Wortlaut nach für Anmeldungen. Ihr liegt jedoch das allgemeine Prinzip zugrunde, das Verfahren beim Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes zu konzentrieren. Diesem Zweck entspricht es, daß auch Maßnahmen, die von Amts wegen getroffen werden, von diesem Gericht zu veranlassen sind. 7
14
c) Für die Erzwingung von Anmeldungen nach § 14 ist ausschließlich das Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes zuständig.
III. Einreichung von Schriftstücken und Zeichnung von Unterschriften 15
Nach § 13 c Abs. 5 gelten die Absätze 1, 3 und 4 sinngemäß für die Einreichung von Schriftstücken und die Zeichnung von Unterschriften. Diese Unterlagen sind beim Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes in der erforderlichen Zahl einzureichen, werden dort geprüft und ggf. an das Gericht der Zweigniederlassung weitergeleitet. Sind die Unterlagen nach besonderen gesetzlichen Vorschriften wie z. B. § 81 Abs. 2 AktG oder § 39 Abs. 2 G m b H G nur für das Gericht des Sitzes bestimmt, ist ein Stück einzureichen. Die Form richtet sich nach § 12 Abs. 1. Die Zeichnung von Unterschriften muß in Urschrift mit öffentlicher Beglaubigung oder als Ablichtung nach § 39 BeurkG mit dem Beglaubigungsvermerk eingereicht werden.
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BGHZ 104, 61 = NJW 1988, 1840 m. Anm. Bokelmann EWiR 1988, 597 u. Anm. Ziegler Rpfleger 1988, 316; BayObLG BB 1988, 1549; a.M. O L G Köln Rpfleger 1977, 174; LG Hof
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7
MittBayNot 1987, 49; vgl. § 53 Rdn. 7. Baumbach/Duden/H opt § 13 a Anm. 2; Staub/ Hüffer § 13 a Rdn. 13.
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Zweiter Abschnitt. Handelsregister §13d
Sitz der Hauptniederlassung im Ausland (1) Befindet sich die Hauptniederlassung eines Einzelkaufmanns oder einer juristischen Person oder der Sitz einer Handelsgesellschaft im Ausland, so haben alle eine inländische Zweigniederlassung betreffenden Anmeldungen, Zeichnungen, Einreichungen und Eintragungen bei dem Gericht zu erfolgen, in dessen Bezirk die Zweigniederlassung besteht. (2) Die Eintragung der Errichtung der Zweigniederlassung hat auch den Ort der Zweigniederlassung zu enthalten; ist der Firma der Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser einzutragen. (3) Im übrigen gelten für die Anmeldungen, Zeichnungen, Einreichungen, Eintragungen und Bekanntmachungen, die die Zweigniederlassung eines Einzelkaufmanns, einer Handelsgesellschaft oder einer juristischen Person mit Ausnahme von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung betreffen, die Vorschriften für Hauptniederlassungen oder Niederlassungen am Sitz der Gesellschaft sinngemäß, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. S c h r i f t t u m Balser/Picbura Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften in Deutschland, 1958; Bokelmann Die G r ü n d u n g von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften in Deutschland und das deutsche Firmenrecht unter besonderer Berücksichtigung des EWG-Vertrages, D B 1990, 1021; Bumeder Die inländische Zweigniederlassung ausländischer U n t e r n e h m e n im deutschen Register- und Kollisionsrecht, Diss. München 1971; Janberg Zweigniederlassungen ausländischer Firmen, BB 1951, 653; Kögel Firmenbildung von Zweigniederlassungen in- und ausländischer Unternehmen, Rpfleger 1993, 8; Lenz Das Gesetz über die Eintragung von Handelsniederlassungen und das Verfahren in Handelsregistersachen vom 10.8.1937 - RGBl. S. 897, DJ 1937, 1305; Piorreck Eintragungsfähigkeit von Geschäftsleitern und Hauptbevollmächtigten in das Handelsregister? BB 1975, 948; Rotkies Die Eintragung der Niederlassung eines ausländischen Versicherungsunternehmens im Handelsregister, VerBAV 1953, 202; Voigt Zur Eintragungsfähigkeit des Hauptbevollmächtigten der deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Versicherungsunternehmens in das Handelsregister, VerBAV 1976, 447.
I. Allgemeines Die Vorschrift ist ursprünglich durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Eintragung von 1 Handelsniederlassungen und das Verfahren in Handelsregistersachen vom 10.8.1937 (RGBl. I 897) als § 13 b eingefügt worden. Sie regelt die registerrechtliche Behandlung inländischer Zweigniederlassungen, wenn sich die Hauptniederlassung oder der Sitz des Unternehmens im Ausland befindet. Durch das Änderungsgesetz von 19931 ist sie als § 13 d weitgehend wörtlich übereinstimmend neu gefaßt worden. Lediglich Abs. 3 ist mit Rücksicht auf die Gesamtkonzeption der registerrechtlichen Regelung von Zweigniederlassungen in den §§ 13 ff gegenüber der Fassung des früheren § 13 b Abs. 3 geändert worden. Da die ausländischen Unternehmen grundsätzlich nicht der deutschen Rechtsordnung unterliegen und auch nicht alle ausländischen Rechte ein Handelsregister kennen 2 , wird abweichend von § 13 bestimmt, daß alle Anmeldungen, Zeichnungen, Einrei-
1
Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
2
Friese JW 1925,434; 1926, 346 u. 1929; 1929,3443; Staub/Hüffer Vor § 8 m. w. N. zum Schrifttum.
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c h u n g e n u n d E i n t r a g u n g e n bei d e m G e r i c h t d e r Zweigniederlassung zu erfolgen haben. Die Zweigniederlassung u n t e r s t e h t d e m d e u t s c h e n Recht u n d k a n n d a m i t registerrechtlich wie eine inländische H a u p t n i e d e r l a s s u n g b e h a n d e l t w e r d e n (Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 13 b R d n . 1). Dies gilt a b w e i c h e n d v o n § 13 c bei d e r E r r i c h t u n g u n d bei späteren M a ß n a h m e n in gleicher Weise. F ü r inländische Zweigniederlassungen einer ausländischen A G enthielt § 44 A k t G , der d u r c h das Ä n d e r u n g s g e s e t z v o n 1993 aufgeh o b e n w o r d e n ist, weitgehend ähnliche S o n d e r v o r s c h r i f t e n wie bisher s c h o n § 13 b a.F. I m Recht d e r G m b H fehlte eine e n t s p r e c h e n d e Regelung. Die n e u e K o n z e p t i o n ist d a d u r c h gekennzeichnet, d a ß die B e s t i m m u n g e n des § 13 d f ü r alle Zweigniederlassungen eines E i n z e l k a u f m a n n s , einer juristischen P e r s o n o d e r einer Personenhandelsgesellschaft mit Sitz im A u s l a n d gelten. D i e bisher im A k t G u n d G m b H G enthaltenen Regelungen sowie die weiteren v o n d e r E G - R i c h t l i n i e 3 verlangten P u b l i z i t ä t s b e s t i m m u n g e n f ü r Z w e i g niederlassungen einer A G , K G a A u n d G m b H f i n d e n sich in den jeweils e r g ä n z e n d e n §§ 13 e - 13 g. U m W i e d e r h o l u n g e n zu vermeiden, sind die f ü r alle Kapitalgesellschaften gemeinsam geltenden Vorschriften in § 13 e z u s a m m e n g e f a ß t , w ä h r e n d die speziellen B e s t i m m u n g e n f ü r die einzelnen G e s e l l s c h a f t s f o r m e n in § 13 f u n d § 13 g folgen (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 12/3908, S. 15). F ü r die G e n o s s e n s c h a f t gilt § 13 d e n t s p r e c h e n d mit d e r M a ß g a b e , d a ß in das Genossenschaftsregister einzutragen ist.
II. Inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens 2
1. D i e Regelung des § 13 d geht v o n einem ausländischen U n t e r n e h m e n aus, w e n n sich die H a u p t n i e d e r l a s s u n g eines E i n z e l k a u f m a n n s o d e r einer juristischen P e r s o n o d e r d e r Sitz einer Handelsgesellschaft im A u s l a n d befindet. A u s l a n d sind alle G e b i e t e außerhalb des Geltungsbereichs des G r u n d g e s e t z e s u n d des H G B ( § 1 3 R d n . 24). E n t s c h e i d e n d ist die Belegenheit der H a u p t n i e d e r l a s s u n g o d e r des Sitzes im Ausland. Auf die Staatsangehörigkeit k o m m t es nicht an. D e s h a l b k a n n es sich auch bei d e m U n t e r n e h m e n eines d e u t s c h e n Staatsangehörigen u m ein ausländisches U n t e r n e h m e n handeln, w e n n es v o m A u s l a n d aus geleitet w i r d u n d d o r t registerrechtlich o d e r sonst b e h ö r d l i c h erfaßt ist {Staub/Hüffer § 13 b R d n . 4). H a u p t n i e d e r l a s s u n g oder Sitz im A u s l a n d sind in geeigneter F o r m n a c h z u w e i s e n ( S t a u b / H ü f f e r § 13 b R d n . 5).
3
D i e R e c h t s n a t u r des ausländischen U n t e r n e h m e n s ist d a f ü r entscheidend, o b die Zweigniederlassung in A b t e i l u n g A o d e r Β des Handelsregisters (Vorbem. R d n . 4) o d e r in das Genossenschaftsregister einzutragen ist. Dies richtet sich nach der lex fori bzw. d e m W i r k u n g s s t a t u t . M a ß g e b e n d ist n i c h t die a u s l ä n d i s c h e B e z e i c h n u n g , s o n d e r n die Vergleichbarkeit mit d e r e n t s p r e c h e n d e n d e u t s c h e n U n t e r n e h m e n s f o r m (Staudinger/ Großfeld Internationales Gesellschaftsrecht, 13. Bearb. 1993, R d n . 3 1 2 , 9 1 7 ff m.w.N.). D i e R e c h t s f o r m e n b r a u c h e n nicht völlig ü b e r e i n z u s t i m m e n .
4
2. Es m u ß sich u m eine inländische Zweigniederlassung des ausländischen U n t e r n e h m e n s handeln. F ü r d e n Begriff u n d die E r r i c h t u n g einer Zweigniederlassung ist allein das deutsche R e c h t m a ß g e b e n d . 4 Es darf sich deshalb nicht u m eine Tochtergesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit handeln ( § 1 3 R d n . 4). D i e E r r i c h t u n g d e r inländischen Zweigniederlassung ist wie im N o r m a l f a l l ein tatsächlicher Vorgang (§ 13 R d n . 12).
3
Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
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BayObLGZ 1908, 340; BayObLG KGJ 35 A 354; Staub/Hüffer § 13 b Rdn. 9.
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Zweiter Abschnitt. Handelsregister
§ 13 d
III. Verfahren 1. Das registerrechtliche Verfahren wird von dem Grundsatz beherrscht, daß das deut- 5 sehe Registerrecht als lex fori maßgeblich ist ( S t a u b / H ü f f e r § 13 b Rdn. 18) und daß nach § 13 d Abs. 3 im übrigen für die Anmeldungen, Zeichnungen, Einreichungen, Eintragungen und Bekanntmachungen, die die Zweigniederlassung eines Einzelkaufmanns, einer Handelsgesellschaft oder einer juristischen Person mit Ausnahme von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung betreffen, sinngemäß die Vorschriften über inländische Hauptniederlassungen oder Niederlassungen am Sitz der Gesellschaft anzuwenden sind. Dies gilt jedoch nur vorbehaltlich einer notwendigen Abweichung aufgrund des ausländischen Rechts (vgl. hierzu Staub/Hüffer § 13 b Rdn. 20). Damit wird die Zweigniederlassung registerrechtlich wie eine Hauptniederlassung behandelt (BayObLG WM 1985, 1202, 1204). Für die in § 13 d Abs. 3 ausgenommenen Kapitalgesellschaften gelten insoweit die §§ 13 e - 13 g. 2. Nach § 13 d Abs. 1 haben alle eine inländische Zweigniederlassung betreffenden 6 Anmeldungen, Zeichnungen und Einreichungen bei dem Gericht zu erfolgen, in dessen Bezirk die Zweigniederlassung liegt. Sobald die Zweigniederlassung errichtet ist, entsteht die Anmeldepflicht. Werden mehrere Zweigniederlassungen errichtet, sind sie vorbehaltlich des § 13 e Abs. 5 (dort Rdn. 17) gesondert bei den jeweils zuständigen Gerichten anzumelden. Auch bei gemeinsamer Zuständigkeit eines Gerichts sind gesonderte Anmeldungen für mehrere Zweigniederlassungen erforderlich. Inhalt und Form richten sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften (§ 12 Rdn. 4 ff). Die Anmeldepflicht trifft den Einzelkaufmann, bei juristischen Personen alle Mitglieder des geschäftsführenden Organs (BayObLG WM 1985, 1202) und bei den Personengesellschaften alle Gesellschafter.5 Für Kapitalgesellschaften ist die Anmeldepflicht in § 13 e Abs. 2 S. 1 besonders geregelt (dort Rdn. 6). Der Leiter der Zweigniederlassung unterliegt selbst nicht dem Registerzwang. 6 3. Prüfung, Eintragung und Bekanntmachung der inländischen Zweigniederlassung 7 richten sich nach dem Grundsatz (Rdn. 1, 5), daß die Zweigniederlassung wie eine Hauptniederlassung zu behandeln ist. Daraus folgt, daß das Gericht der Zweigniederlassung die Anmeldung in vollem Umfang zu prüfen hat und nicht wie nach § 13 Abs. 3 S. 1 auf die Prüfung beschränkt ist, ob die Zweigniederlassung errichtet und ob die Unterscheidbarkeit der Firma nach § 30 beachtet ist. Die Zulässigkeit der Firma richtet sich nach den firmenrechtlichen Vorschriften der § § 1 7 ff. 7 Die Prüfung erstreckt sich auch auf die Frage, ob ein ausländisches Unternehmen besteht. Ergeben sich keine Beanstandungen, ist die Eintragung nach den allgemeinen Regeln vorzunehmen und bekanntzumachen. Nach § 13 d Abs. 2 hat die Eintragung den Ort der Zweigniederlassung zu enthalten. Ebenso ist ein etwaiger Firmenzusatz einzutragen, soweit er nach § 18 Abs. 2 zulässig ist (KGJ 42 A 159). 4. Sonderfälle bilden die inländischen Zweigniederlassungen ausländischer Unter- 8 nehmen in der Kredit- und Versicherungswirtschaft. Sie sind in § 53 K W G und in den §§ 105 ff VAG geregelt8, unterliegen aber im übrigen den handelsrechtlichen Vorschriften. 5
6
Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 13 b Rdn. 2; Staub/Hüffer § 13 b Rdn. 22. Staub/Hüffer § 13 b Rdn. 22; a.M. Baumbach/ Duden/H opt § 13 b Anm. 3; Lenz DJ 1937,1305, 1308.
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Bokelmann
DB 1990, 1021; Kögel Rpfleger 1993,
8. 8
Vgl. im einzelnen Staub/Hüffer § 13 b Rdn. 24 ff; Piorreck BB 1975, 948; Rotkies VerBAV 1953, 202; Voigt VerBAV 1976, 447.
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§ 13 e
Erstes Buch. Handelsstand §13 e Zweigniederlassungen v o n Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland
(1) F ü r Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften u n d Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g mit Sitz im Ausland gelten ergänzend zu § 13 d die folgenden Vorschriften. (2) Die E r r i c h t u n g einer Zweigniederlassung einer Aktiengesellschaft ist durch den Vorstand, die E r r i c h t u n g einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g ist durch die Geschäftsführer zur E i n t r a g u n g in das Handelsregister anzumelden. Bei der A n m e l d u n g ist das Bestehen der Gesellschaft als solcher und, wenn der G e g e n s t a n d des U n t e r n e h m e n s oder die Z u l a s s u n g z u m Gewerbebetrieb im Inland der staatlichen G e n e h m i g u n g bedarf, auch diese nachzuweisen. Die Anmeld u n g hat auch die Anschrift und den Gegenstand der Zweigniederlassung zu enthalten. In der A n m e l d u n g sind ferner anzugeben 1. das Register, bei dem die Gesellschaft g e f ü h r t wird, und die N u m m e r des Registereintrags, sofern das Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, eine Registereintragung vorsieht; 2. die R e c h t s f o r m der Gesellschaft; 3. die Personen, die befugt sind, als ständige Vertreter f ü r die Tätigkeit der Zweigniederlassung die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten, unter A n g a b e ihrer Befugnisse; 4. wenn die Gesellschaft nicht dem Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften oder eines anderen Vertragsstaates des A b k o m m e n s über den Europäischen Wirtschaftsraum unterliegt, das Recht des Staates, dem die Gesellschaft unterliegt. (3) Die in A b s a t z 2 Satz 4 N r . 3 genannten Personen haben jede Ä n d e r u n g dieser Personen oder der Vertretungsbefugnis einer dieser Personen zur E i n t r a g u n g in das Handelsregister anzumelden. (4) Die in A b s a t z 2 Satz 4 N r . 3 genannten Personen oder, wenn solche nicht angemeldet sind, die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft haben die E r ö f f n u n g oder die Ablehnung der E r ö f f n u n g eines K o n k u r s - , Vergleichs- oder ähnlichen Verfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zur E i n t r a g u n g in das Handelsregister anzumelden. (5) Errichtet eine Gesellschaft mehrere Zweigniederlassungen im Inland, so brauchen die S a t z u n g oder der Gesellschaftsvertrag sowie deren Ä n d e r u n g e n nach Wahl der Gesellschaft n u r z u m Handelsregister einer dieser Zweigniederlassungen eingereicht zu werden. In diesem Fall haben die nach A b s a t z 2 Satz 1 Anmeldepflichtigen zur E i n t r a g u n g in den Handelsregistern der übrigen Zweigniederlassungen anzumelden, welches Register die Gesellschaft gewählt hat und unter welcher N u m m e r die Zweigniederlassung eingetragen ist. Schrifttum Vgl. zu § 13 d.
200
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§ 13 e
Zweiter Abschnitt. Handelsregister Übersicht Rdn. I. Allgemeines II. Anwendungsbereich
Rdn. V. Änderungen
3
der
ständigen
Vertreter.
III. Verfahren bei Errichtung einer Zweignie-
20
VI. Konkurs-, Vergleichs- oder ähnliche Ver-
derlassung
5
1. Anmeldung
5
2. Eintragung und Bekanntmachung
hinsichtlich
fahren VII. Aufhebung von Zweigniederlassungen....
22 23
16
IV. Verfahren bei Errichtung mehrerer Zweigniederlassungen
17
I. Allgemeines D i e Vorschrift betrifft Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften und Gesell- 1 Schäften mit beschränkter Haftung, die ihren Sitz im Ausland haben. Sie enthält ergänzende Bestimmungen zu den in § 13 d enthaltenen allgemeinen Regeln über inländische Zweigniederlassungen von U n t e r n e h m e n mit Sitz im Ausland. In § 13 e Abs. 2 werden zunächst die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft als Anmeldepflichtige und sodann im einzelnen der Inhalt der Anmeldung festgelegt. Besonderes G e w i c h t wird hierbei auf die ständigen Vertreter der Zweigniederlassung gelegt, die nach Abs. 3 nicht nur jede spätere Änderung ihres Personenkreises oder der Vertretungsbefugnis zur Eintragung in das H a n delsregister anzumelden haben, sondern auch die E r ö f f n u n g oder die Ablehnung der E r ö f f n u n g eines K o n k u r s - , Vergleichs- oder ähnlichen Verfahrens. Erst hilfsweise trifft die Anmeldepflicht insoweit die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft. In Abs. 5 wird der Gesellschaft bei Errichtung mehrerer Zweigniederlassungen im Inland das R e c h t eingeräumt, das zuständige Handelsregister einer dieser Zweigniederlassungen als H a u p t register auszuwählen. D a m i t sind Verfahrenserleichterungen hinsichtlich der übrigen Register verbunden. D i e Vorschrift ist durch das Änderungsgesetz von 1 9 9 3 1 eingefügt worden. D a m i t ist der Gesetzgeber den Anforderungen der Zweigniederlassungsrichtlinie von 1 9 8 9 2 nachgek o m m e n und hat gleichzeitig einzelne Anmeldungserfordernisse aus dem A k t G und G m b H G mit dem Ziel einer zusammenhängenden Regelung in das H G B übertragen. D u r c h Art. 2 des Gesetzes zur Anpassung des E W R - A u s f ü h r u n g s g e s e t z e s v o m 27.9.1993 ( B G B l . I 1666) ist § 13 e Abs. 2 S. 4 Nr. 4 u m die W ö r t e r „oder eines anderen Vertragsstaates des A b k o m m e n s über den Europäischen Wirtschaftsraum" ergänzt worden. Diese Ergänzung ist nach Art. 7 erst an dem Tage in Kraft getreten, an dem das A b k o m m e n über
2
den Europäischen Wirtschaftsraum in Kraft getreten ist. Dies ist der 1.1.1994 ( B e k a n n t machung über das Inkrafttreten des E W R - A u s f ü h r u n g s g e s e t z e s sowie des Anpassungsgesetzes z u m E W R - A u s f ü h r u n g s g e s e t z v o m 16.12.1993 [ B G B l . I 2 4 3 6 ] ) . N a c h Art. 4 0 Nr. 1 E G I n s O werden in Abs. 4 mit W i r k u n g v o m 1 . 1 . 1999 die W o r t e „eines K o n k u r s - , Vergleichs- oder ähnlichen Verfahrens" durch die W o r t e „eines Insolvenzverfahrens oder ähnlichen Verfahrens" ersetzt.
II. Anwendungsbereich N a c h der gesetzlichen Ü b e r s c h r i f t des § 13 e gilt die Vorschrift für Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland, während Abs. 1 nur Zweignieder-
1
Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
2
Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
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§13 e
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lassungen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung erwähnt. Der Begriff der Kapitalgesellschaft geht im deutschen Recht über diese beiden Gesellschaftsformen hinaus. Er umfaßt etwa nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG neben der AG und der GmbH auch die KGaA und die bergrechtliche Gewerkschaft und umfaßte früher auch die Kolonialgesellschaft. Für die Zwecke des Handelsregisterverfahrens ist indessen der engere Gesetzeswortlaut entscheidend, der sich auf die AG und die GmbH beschränkt. Für die KGaA mit Sitz im Ausland gelten die Vorschriften über Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Ausland nach § 13 f Abs. 8 sinngemäß. Diese Verweisung umfaßt auch die in § 13 e enthaltenen Bestimmungen. Der Begriff der Zweigniederlassung ist gesetzlich nicht definiert (§13 Rdn. 4 ff). 4
In § 13 e Abs. 1 wird bestimmt, daß für Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland ergänzend zu § 13 d die folgenden Vorschriften gelten. Hiermit sind die Abs. 2 - 5 gemeint, in denen die für beide Gesellschaftsformen gemeinsam geltenden Bestimmungen zusammengefaßt sind. Als weitere ergänzende Vorschriften sind für Zweigniederlassungen einer AG § 13 f und einer GmbH § 13 g zu beachten. Das Gesetz verwendet zwar die deutschen Rechtsbegriffe für diese Gesellschaftsformen, betrifft aber solche Gesellschaften mit Sitz im Ausland, die eine der AG oder GmbH vergleichbare Rechtsform haben. Da sich dies aus dem Sinnzusammenhang der Vorschrift ergibt, hat der Gesetzgeber von einer ausdrücklichen Klarstellung abgesehen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 15). Das zuständige Registergericht muß wegen des Anwendungsbereichs der Vorschriften in jedem Einzelfall prüfen, ob die ausländische Gesellschaft eine Rechtsform hat, die derjenigen einer deutschen AG oder GmbH vergleichbar ist. Maßgebend sind die Kriterien der lex fori oder des Wirkungsstatuts. Hiernach ist zu prüfen, welchem deutschen Gesellschaftstyp das ausländische Gebilde aufgrund seiner Struktur nach dem Gesellschaftsstatut im wesentlichen gleicht. Es ist nicht erforderlich, daß eine völlige Vergleichbarkeit besteht. Ausreichend ist die Erfüllung der typusbestimmenden Merkmale {Staudinger/Großfeld Internationales Gesellschaftsrecht, 13. Bearb. 1993, Rdn. 312 ff). Hierzu gehört für die Abgrenzung der Kapitalgesellschaften von den Personengesellschaften vor allem die Rechtsfähigkeit. Aus Art. 1 der sog. Publizitätsrichtlinie des Rates vom 9.3.1968 (68/151/EWG - ABl. E G Nr. L 65/8 vom 14.3.1968) ergeben sich die vergleichbaren Gesellschaftsformen in den anderen seinerzeitigen Mitgliedstaaten, darüber hinaus für die GmbH aus Art. 1 der Zwölften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates vom 21.12.1989 (89/667/EWG - ABl. E G Nr. L 395/40 vom 30.12.1989) in den derzeitigen Mitgliedstaaten.
III. Verfahren bei Errichtung einer Zweigniederlassung 1. Anmeldung 5
a) Die Errichtung einer Zweigniederlassung durch eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland ist nach § 13 d Abs. 1 bei dem Gericht anzumelden, in dessen Bezirk die Zweigniederlassung besteht (dort Rdn. 6). Für die Errichtung mehrerer Zweigniederlassungen enthält § 13 e Abs. 5 eine Sonderregelung (Rdn. 17).
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b) Nach § 13 e Abs. 2 S. 1 ist die Errichtung einer Zweigniederlassung einer AG durch den Vorstand, die Errichtung einer Zweigniederlassung einer GmbH durch die Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Anmeldepflicht trifft damit das gesetzliche Vertretungsorgan, das sich in aller Regel am Sitz der Gesellschaft im Ausland aufhalten wird. Auch hier verwendet der Gesetzgeber die deutsche Terminologie. In der Sache kommt es allein auf die vergleichbare gesellschaftsrechtliche Funktion des 202
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Organs an. Die Anmeldepflicht stimmt überein mit der für deutsche Kapitalgesellschaften in § 13 a Abs. 2 S. 1 und § 13 b Abs. 2 S. 1. Für eine Differenzierung besteht kein sachlicher Grund (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 15). Die Mitglieder des Organs müssen in vertretungsberechtigter Zahl handeln. c) Der Inhalt der Anmeldung wird von der vorzunehmenden Eintragung bestimmt. 7 Dies ist zunächst die Tatsache, daß eine Zweigniederlassung im Inland errichtet worden ist, ferner der O r t der Zweigniederlassung und die Firma mit einem etwaigen Zusatz (§ 13 d Abs. 2) sowie die Angabe des zuständigen Gerichts. aa) In § 13 e Abs. 2 S. 2 werden bei der Anmeldung bestimmte Nachweise hinsichtlich der Gesellschaft verlangt. So ist das Bestehen der Gesellschaft als solcher und, wenn der Gegenstand des Unternehmens oder die Zulassung zum Gewerbebetrieb im Inland der staatlichen Genehmigung bedarf, auch diese nachzuweisen. Diese Anforderungen sind aus dem aufgehobenen § 44 Abs. 2 S. 1 A k t G sowie aus dem früheren § 13 b Abs. 3 H G B i.V.m. § 8 Abs. 1 Nrn. 1 und 6 G m b H G übernommen worden. O b die Gesellschaft als solche besteht, ist dadurch nachzuweisen, daß sie nach dem an ihrem Sitz maßgebenden ausländischen Recht wirksam entstanden ist und daß sie im Zeitpunkt der Anmeldung der Zweigniederlassung noch fortbesteht. Wie dieser Nachweis erbracht werden kann, hängt von dem ausländischen Recht ab. Soweit ein Handelsregister geführt wird, kann der Nachweis durch einen Registerauszug erbracht werden. Anderenfalls kommen behördliche Bescheinigungen oder Bescheinigungen eines ausländischen Notars in Betracht (Staub/Hüffer § 9 Rdn. 25). Die Nachweispflicht hinsichtlich der Gesellschaft erstreckt sich auch darauf, daß ihr eine der deutschen A G bzw. G m b H vergleichbare Rechtsstellung zukommt. 3
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Der Nachweis einer Zulassung zum Gewerbebetrieb im Inland hat nur noch geringe praktische Bedeutung, seit § 12 a G e w O durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Titels III der Gewerbeordnung und anderer gewerberechtlicher Vorschriften vom 25.7.1984 ( B G B l . I 1008) aufgehoben ist. In Betracht kommen die nach § 105 V A G notwendige Erlaubnis für Versicherungsunternehmen mit Sitz außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Rz. 14), die im Geltungsbereich des V A G das Direktversicherungsgeschäft durch Mittelspersonen betreiben wollen, ferner die in § 53 Abs. 2 Nr. 5 K W G vorgeschriebene Erlaubnis zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit einer Zweigstelle eines ausländischen Unternehmens, die im Inland Bankgeschäfte in einem Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und schließlich devisenrechtliche Beschränkungen nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 AWG hinsichtlich der Ausstattung inländischer Zweigniederlassungen mit Vermögenswerten durch Gebietsfremde.
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bb) Nach § 13 e Abs. 2 S. 3 hat die Anmeldung auch die Anschrift und den Gegenstand der Zweigniederlassung zu enthalten. Während der Ort der Zweigniederlassung nach § 13 d Abs. 2 eingetragen wird, ist die Eintragung dieser weiteren Angaben nicht vorgesehen, weil nach Auffassung der Gesetzesverfasser die Anmeldung und die Aufnahme der Angaben in die Akte für die Offenlegung ausreichen. Die erforderliche Bekanntmachung ist bereits in § 34 H R V geregelt, so daß insoweit auch von einer gesetzlichen Bekanntmachungsvorschrift abgesehen worden ist (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 16). Nach der Ubergangsvorschrift des Art. 34 Abs. 1 S. 2 E G H G B haben die gesetzlichen Vertreter bei inländischen Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften, Kom-
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Rdn. 12; H Uff er AktG, 1993, § 44 Rdn. 9. Sonnenschein/Weitemeyer
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manditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland, die vor dem 1.11.1993 in das Handelsregister eingetragen worden sind, bis zum 1.5.1994 auch die Anschrift und den Gegenstand der Zweigniederlassung anzumelden, sofern nicht bereits die Anmeldung der Errichtung der Zweigniederlassung diese Angaben enthalten hat. 11
cc) In der Anmeldung sind nach § 13 e Abs. 2 S. 4 Nr. 1 das Register, bei dem die Gesellschaft geführt wird, und die Nummer des Registereintrags anzugeben, sofern das Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, eine Registereintragung vorsieht.
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dd) Ferner ist nach § 13 e Abs. 2 S. 4 Nr. 2 in der Anmeldung die Rechtsform der Gesellschaft anzugeben. Damit ist die Rechtsform nach dem ausländischen Recht gemeint, das am Sitz der Gesellschaft gilt. Wenn Abs. 2 S. 2 bei der Anmeldung der Errichtung der Zweigniederlassung einen Nachweis über das Bestehen der Gesellschaft verlangt, ist dies auch als Nachweis dahin zu verstehen, daß ihr eine der deutschen AG bzw. G m b H vergleichbare Rechtsstellung zukommt (Rdn. 8).
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ee) In § 13 e Abs. 2 S. 4 Nr. 3 wird bestimmt, daß in der Anmeldung die Personen anzugeben sind, die befugt sind, als ständige Vertreter für die Tätigkeit der Zweigniederlassung die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten, unter Angabe ihrer Befugnisse. Ständig ist die Vertretung nur dann, wenn sie auf eine gewisse Dauer und nicht nur auf eine einmalige Handlung oder eine eng begrenzte Zeit angelegt ist. Von dieser Bestimmung werden zum einen Prokuristen der Zweigniederlassung erfaßt, ohne daß damit eine inhaltliche Änderung der sich aus den §§ 53, 50 Abs. 3 S. 1 ergebenden Anmeldepflicht verbunden ist. Zum anderen erstreckt sich die Bestimmung auf Generalbevollmächtigte, deren Vertretungsmacht auf einer umfassenden bürgerlich-rechtlichen Vollmacht beruht (§ 54 Rdn. 16), vor allem aber auf Handlungsbevollmächtigte i.S. des § 54 (dort Rdn. 15 ff). Dies ist die eigentliche Zielrichtung der Bestimmung, die sicherstellen soll, daß abweichend von der allgemeinen Regel (§ 54 Rdn. 3) auch Handlungsbevollmächtigte zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Der Kreis der ständigen Vertreter umfaßt allerdings nicht sämtliche Handlungsbevollmächtigte, sondern nur diejenigen, denen nach Maßgabe des § 54 Abs. 2 (dort Rdn. 34 f) eine ständige Prozeßführungsbefugnis und eine generelle Vertretungsmacht eingeräumt worden sind (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 16). Da das Gesetz auch die Angabe der Befugnisse des ständigen Vertreters verlangt, ist nicht nur der Umfang der Vertretungsmacht anzugeben, sondern auch, ob er zur Alleinvertretung oder nur zur Gesamtvertretung berechtigt ist.
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ff) Nach § 13 e Abs. 2 S. 4 Nr. 4 ist in der Anmeldung das Recht des Staates anzugeben, dem die Gesellschaft unterliegt, wenn sie nicht dem Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterliegt. Zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften oder nach der neueren Terminologie der Europäischen Union gehören zur Zeit Belgien, Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Osterreich, Portugal, Schweden, Spanien und das Vereinigte Königreich. Die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind Island, Liechtenstein und Norwegen. Diese Ausweitung auf die anderen Vertragsstaaten ist erst an dem Tage in Kraft getreten, an dem das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum in Kraft getreten ist. Dies ist der 1.1. 1994 (Rdn. 2). Hierzu gehörten zunächst auch Finnland, Osterreich und Schweden, die seit dem 1.1. 1995 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind. N u r wenn die Gesellschaft nicht dem Recht der genannten Staaten unterliegt, hat sie das für sie maßgebende Recht anzugeben. Sie muß deshalb auf der Grundlage der Sitztheorie genau die maßgeblichen Rechtsvorschriften bezeichnen, die an dem Ort gelten, wo sich der 204
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tatsächliche Sitz ihrer Hauptverwaltung befindet. Die Angaben müssen so genau sein, daß das Registergericht anhand dieser Rechtsvorschriften nachprüfen kann, ob die Gesellschaft als solche besteht (§ 13 e Abs. 2 S. 2) und welche Rechtsform und Verfassung ihr zukommen. gg) In der Ü b e r g a n g s v o r s c h r i f t des Art. 34 Abs. 1 S. 1 E G H G B ist bestimmt, daß die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft bei inländischen Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland, die vor dem 1.11.1993 in das Handelsregister eingetragen worden sind, die in § 13 e Abs. 2 S. 4 vorgeschriebenen Angaben bis zum 1.5.1994 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden haben. Hiervon ist die Angabe des Registers (Rdn. 11), der Rechtsform (Rdn. 12), der ständigen Vertreter (Rdn. 13) und des Rechtes des Sitzstaates (Rdn. 14) betroffen.
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2. E i n t r a g u n g und B e k a n n t m a c h u n g Für die Eintragung und Bekanntmachung enthält § 13 e keine eigenständigen ergänzenden Vorschriften zu § 13 d. Es gelten deshalb die allgemeinen Grundsätze (§ 13 d Rdn. 7) sowie die ergänzenden Vorschriften in § 13 f Abs. 3 und 4 (dort Rdn. 9, 11) und § 13 g Abs. 3 und 4 (dort Rdn. 8, 10).
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IV. Verfahren bei Errichtung mehrerer Zweigniederlassungen 1. Errichtet eine Gesellschaft mehrere Zweigniederlassungen im Inland, so brauchen die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag sowie deren Änderungen gem. § 13 e Abs. 5 S. 1 nach Wahl der Gesellschaft nur zum Handelsregister einer dieser Zweigniederlassungen eingereicht zu werden. Die Verpflichtung, die Satzung oder den Gesellschaftsvertrag sowie deren Änderungen einzureichen, ergibt sich im einzelnen aus § 13 f Abs. 2 S. 1 und Abs. 5 S. 1 (dort Rdn. 4, 12) sowie aus § 13 g Abs. 2 S. 1 und Abs. 5 S. 1 (dort Rdn. 3, 11). Das ausgewählte Handelsregister ist dann auch für die Einreichung der Unterlagen der Rechnungslegung zuständig (§ 325 H G B ) . Mit dieser Wahlmöglichkeit, das Register einer der Zweigniederlassungen als „Hauptregister" zu bestimmen, sollte eine Verfahrenserleichterung für die ausländischen Gesellschaften geschaffen werden (Begr. z. RegE, BTDrucks. 12/3908, S. 16). Die Gesellschaft kann von dieser Wahlmöglichkeit Gebrauch machen, ist hierzu jedoch nicht gesetzlich verpflichtet.
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2. Wird auf diese Weise das Register einer der Zweigniederlassungen zum Hauptregister bestimmt, so haben gem. § 13 e Abs. 5 S. 2 die nach Abs. 2 S. 1 Anmeldepflichtigen, d.h. der Vorstand oder die Geschäftsführer, zur Eintragung in den Handelsregistern der übrigen Zweigniederlassungen anzumelden, welches Register die Gesellschaft gewählt hat und unter welcher N u m m e r die Zweigniederlassung eingetragen ist. Dementsprechend beschränkt sich die Offenlegung bei den übrigen Registern auf den Hinweis, in welchem Register und unter welcher Registernummer die jeweilige Zweigniederlassung geführt wird. Wenn eines dieser nicht ausgewählten Registergerichte im Rahmen der bei ihr vorzunehmenden Anmeldung die Satzung oder den Gesellschaftsvertrag benötigt, kann im Wege der Amtshilfe eine Ablichtung bei dem Hauptregister angefordert werden. D e r Gesetzgeber hat insoweit von einer gesetzlichen Regelung abgesehen, weil sich die registergerichtliche Praxis selbst behelfen kann (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 16 f).
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3. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 34 Abs. 2 E G H G B ist § 13 e Abs. 5 sinngemäß anzuwenden, wenn eine A G , K G a A oder G m b H mit Sitz im Ausland am 1.11.1993
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mehrere inländische Zweigniederlassungen hatte oder wenn sie neben einer oder mehreren bereits bestehenden inländischen Zweigniederlassungen weitere inländische Zweigniederlassungen errichtet. Die Gesellschaften können also unabhängig von dem Zeitpunkt, in dem die zweite oder weitere Zweigniederlassungen errichtet worden sind, von der Wahlmöglichkeit Gebrauch machen, eines der an sich jeweils zuständigen Handelsregister zum Hauptregister zu bestimmen.
V. Änderungen hinsichtlich der ständigen Vertreter 20
1. Nach § 13 e Abs. 3 haben die in Abs. 2 S. 4 Nr. 3 genannten Personen jede Ä n d e r u n g dieser Personen oder der Vertretungsbefugnis einer dieser Personen zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. D e r Kreis dieser ständigen Vertreter umfaßt Prokuristen, Generalbevollmächtigte und Handlungsbevollmächtigte mit der Befugnis, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten (Rdn. 13). Die Regelung ist erforderlich, weil § 81 Abs. 1 A k t G und § 39 Abs. 1 G m b H G nur Änderungen hinsichtlich des gesetzlichen Vertretungsorgans erfassen. Für den Prokuristen ist sie hinsichtlich der ihn betreffenden Änderungen ohne eigenständige Bedeutung, weil sich insoweit die Anmeldepflicht schon aus den §§ 53, 50 Abs. 3 ergibt. Die Regelung soll aber gewährleisten, daß auch Änderungen in bezug auf einen Handlungsbevollmächtigten zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 16). Für einen Generalbevollmächtigten gilt das gleiche. Anzumelden ist nicht nur die Änderung in der Zusammensetzung des Kreises der ständigen Vertreter, sondern auch der Vertretungsbefugnis einer dieser Personen, insbesondere hinsichtlich der Alleinvertretung oder Gesamtvertretung.
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2. Abweichend von der Errichtung der Zweigniederlassung nach § 13 e Abs. 2 S. 1 trifft die Anmeldepflicht in den Fällen des Abs. 3 nicht das gesetzliche Vertretungsorgan, sondern die in Abs. 2 S. 4 Nr. 3 genannten Personen, d.h. die ständigen Vertreter selbst. Insoweit führt die Regelung entgegen den Ausführungen in der Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 12/3908, S. 16) auch hinsichtlich des Prokuristen zu einer inhaltlichen Änderung des früher geltenden Rechts, weil der Prokurist im Normalfall (§ 53 Rdn. 3 f) ebensowenig wie der Handlungsbevollmächtigte zu Anmeldungen zum Handelsregister berechtigt ist. Wenn nur ein einziger ständiger Vertreter der Zweigniederlassung vorhanden ist, muß er sämtliche Änderungen anmelden, etwa die Bestellung eines weiteren ständigen Vertreters und die Änderung seiner eigenen Vertretungsbefugnis. Scheidet der einzige ständige Vertreter aus seinem Amt aus, trifft die Anmeldepflicht aus § 13 e Abs. 3 das gesetzliche Vertretungsorgan. D a dies selbstverständlich ist, hat der Gesetzgeber von einer entsprechenden gesetzlichen Regelung abgesehen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 16).
VI. Konkurs-, Vergleichs- oder ähnliche Verfahren 22
Nach § 13 e Abs. 4 haben die in Abs. 2 S. 4 Nr. 3 genannten Personen oder, wenn solche nicht angemeldet sind, die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft die Eröffnung oder die Ablehnung der Eröffnung eines Konkurs-, Vergleichs- oder ähnlichen Verfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Das deutsche Recht trägt in den §§ 263 S. 2, 278 Abs. 3 A k t G und in § 65 Abs. 1 S. 2 und 3 G m b H G dafür Sorge, daß Eintragungen bezüglich eines die Gesellschaft betreffenden Konkursverfahrens von Amts wegen im Handelsregister vorgenommen werden. Die regi206
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sterrechtliche Behandlung eines Konkurs-, Vergleichs- oder ähnlichen Verfahrens über das Vermögen der ausländischen Gesellschaft hängt jedoch von dem Recht des Staates ab, dem die Gesellschaft aufgrund ihres Sitzes unterliegt. Damit ist nicht sichergestellt, daß das für die Zweigniederlassung zuständige deutsche Registergericht von einem solchen Verfahren Kenntnis erlangt. U m dies zu gewährleisten, sieht § 13 e Abs. 4 ausdrücklich eine Anmeldepflicht vor (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 16). Anmeldepflichtig sind die ständigen Vertreter des Abs. 2 S. 4 Nr. 3 (Rdn. 13). Wenn keine ständigen Vertreter zum Handelsregister angemeldet sind, trifft die Anmeldepflicht die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft. Die fehlende Anmeldung ständiger Vertreter zum Handelsregister schließt allerdings nicht aus, daß solche Vertreter für die Zweigniederlassung bestellt sind, weil die Bevollmächtigung unabhängig von der Eintragung im Handelsregister wirksam ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach seinem Sinn und Zweck sind die gesetzlichen Vertreter auch in diesem Fall anmeldepflichtig, weil die Eintragung der ständigen Vertreter im Handelsregister dem Nachweis ihrer Berechtigung dient, die aber mangels Eintragung für das Registergericht nicht ohne weiteres ersichtlich ist. Hinsichtlich der anzumeldenden Verfahren verwendet das Gesetz die deutsche Terminologie Konkurs- und Vergleichsverfahren und fängt die Problematik der Vergleichbarkeit mit ausländischen Rechtsordnungen durch den Begriff der ähnlichen Verfahren auf. In der Sache geht es um Insolvenzverfahren, die den Bestand der Gesellschaft und damit die Rechte der Gläubiger beeinträchtigen können. 4 Mit Wirkung vom 1 . 1 . 1999 werden die Worte „eines Konkurs·, Vergleichs- oder ähnlichen Verfahrens" durch die Worte „eines Insolvenzverfahrens oder ähnlichen Verfahrens" ersetzt (Rdn. 2).
VII. Aufhebung von Zweigniederlassungen Die Aufhebung von Zweigniederlassungen ist nicht in der allgemeinen, für Kapital- 2 3 gesellschaften mit Sitz im Ausland geltenden Vorschrift des § 13 e geregelt. In § 13 f Abs. 7 (dort Rdn. 16) ist für die A G und in § 13 g Abs. 7 (dort Rdn. 15) für die G m b H jeweils gesondert bestimmt, daß für die Aufhebung einer Zweigniederlassung die Vorschriften über ihre Errichtung sinngemäß gelten. Damit wird nicht nur auf die Einzelbestimmungen der jeweiligen Vorschrift, sondern auch auf die vorhergehenden allgemeinen Vorschriften der §§ 13 d und 13 e verwiesen. Die Aufhebung einer Zweigniederlassung ist wie die Errichtung ein tatsächlicher Vorgang.
S 13 f Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Ausland (1) F ü r Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Ausland gelten ergänzend die folgenden Vorschriften. (2) Der Anmeldung ist die Satzung in öffentlich beglaubigter Abschrift und, sofern die Satzung nicht in deutscher Sprache erstellt ist, eine beglaubigte Ubersetzung in deutscher Sprache beizufügen. Die Vorschriften des § 37 Abs. 3, 5 und 6 des Aktiengesetzes finden Anwendung. Soweit nicht das ausländische Recht eine Abweichung nötig macht, sind in die Anmeldung die in § 23 Abs. 3 und 4, §§ 2 4 , 2 5 Satz 2 des Aktiengesetzes vorgesehenen Bestimmungen, Bestimmungen der Satzung über die 4
Vgl. zum ausländischen Insolvenzrecht Baur/ Stiirner Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Bd. II: Insolvenzrecht, 12. Aufl.
1990, § 39 m. zahlr. Nachw.; zum Internationalen Insolvenzrecht Gottwald (Hrsg.) Insolvenzrechts-Handbuch, 1990, §§ 121 ff.
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Zusammensetzung des Vorstandes und, wenn die Anmeldung in den ersten zwei J a h r e n nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes erfolgt, auch die Angaben nach § 40 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 des Aktiengesetzes mit Ausnahme des Berufs der G r ü n d e r aufzunehmen. D e r Anmeldung ist die für den Sitz der Gesellschaft ergangene gerichtliche B e k a n n t m a c h u n g beizufügen. (3) Die E i n t r a g u n g der E r r i c h t u n g der Zweigniederlassung hat auch die Angaben nach § 39 des Aktiengesetzes sowie die in § 13 e Abs. 2 Satz 4 vorgeschriebenen Angaben zu enthalten. (4) In die B e k a n n t m a c h u n g der E i n t r a g u n g sind außer deren Inhalt auch die Angaben nach § 40 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 des Aktiengesetzes mit Ausnahme des Berufs der G r ü n d e r aufzunehmen, soweit sie nach den vorstehenden Vorschriften in die Anmeldung aufzunehmen sind. (5) Änderungen der Satzung der ausländischen Gesellschaft sind durch den Vorstand zur E i n t r a g u n g in das Handelsregister anzumelden. F ü r die Anmeldung gelten die Vorschriften des § 181 Abs. 1 und 2 des Aktiengesetzes sinngemäß, soweit nicht das ausländische R e c h t Abweichungen nötig macht. (6) I m übrigen gelten die Vorschriften der § 81 Abs. 1, 2 und 4, § 263 Satz 1, § 266 Abs. 1 , 2 und 5, § 273 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes sinngemäß, soweit nicht das ausländische R e c h t Abweichungen nötig macht. (7) F ü r die Aufhebung einer Zweigniederlassung gelten die Vorschriften über ihre E r r i c h t u n g sinngemäß. (8) Die Vorschriften über Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Ausland gelten s i n n g e m ä ß f ü r Zweigniederlassungen von K o m m a n d i t gesellschaften auf Aktien mit Sitz im Ausland, soweit sich aus den Vorschriften der §§ 278 bis 290 des Aktiengesetzes oder aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt.
Rdn.
Rdn. I. Allgemeines
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II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlas-
III. Anmeldung von Satzungsänderungen . . . .
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IV. Sonstige Anmeldepflichten
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V. Aufhebung von Zweigniederlassungen . . .
sungen ausländischer Aktiengesellschaften
3
1. Anmeldung
3
V I . Verfahren bei Errichtung und Aufhebung von
8
Zweigniederlassungen ausländischer K o m -
2. Eintragung 3. Bekanntmachung
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manditgesellschaften auf Aktien
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I. A l l g e m e i n e s 1
Der Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich auf inländische Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Ausland. Für diese Gesellschaftsform werden besondere Bestimmungen getroffen, die ergänzend zu den §§ 13 d, 13 e gelten. Die ausländische Gesellschaft muß eine Rechtsform haben, die der deutschen A G vergleichbar ist (§ 13 e Rdn. 4). In § 13 f Abs. 2 wird bestimmt, daß der Anmeldung der Errichtung einer Zweigniederlassung die Satzung in öffentlich beglaubigter Abschrift und ggf. eine beglaubigte Ubersetzung in deutscher Sprache beizufügen ist. Weiter wird eine Reihe von Angaben verlangt, die das A k t G ebenso für inländische Gesellschaften fordert. Nach § 13 f Abs. 3 muß die Eintragung auch die Angaben aus § 39 A k t G und § 13 e Abs. 2 S. 4 mit bestimmten Einzelheiten über die Gesellschaft und ihre ständigen Vertreter für die Tätigkeit der Zweigniederlassung enthalten. In die Bekanntmachung der Eintragung sind 208
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gem. § 13 f A b s . 4 außer deren Inhalt bestimmte Angaben nach § 4 0 A k t G aufzunehmen. In § 13 f A b s . 5 und 6 wird eine Anmeldepflicht bei Satzungsänderungen der ausländischen A G , bei Änderungen ihres Vorstands und seiner Vertretungsbefugnis sowie hinsichtlich der Auflösung und A b w i c k l u n g der Gesellschaft begründet. N a c h § 13 f Abs. 7 gelten die Vorschriften ü b e r die Errichtung einer Zweigniederlassung sinngemäß für ihre A u f h e bung. D i e Vorschriften über Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Ausland gelten schließlich nach § 13 f A b s . 8 grundsätzlich sinngemäß für ausländische Kommanditgesellschaften auf Aktien. D i e Vorschrift ist durch das Änderungsgesetz von 1993 1 in das H G B aufgenommen worden, u m die Anforderungen der Zweigniederlassungsrichtlinie von 1989 2 zu erfüllen. D i e einzelnen Bestimmungen beruhen z u m Teil auf der Ü b e r n a h m e aus dem früheren § 44 A k t G , teilweise auf der U m s e t z u n g der Richtlinie (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 3 9 0 8 , S. 17).
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II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften 1. Anmeldung a) D i e a l l g e m e i n e n B e s t i m m u n g e n für die A n m e l d u n g der E r r i c h t u n g einer Zweigniederlassung ( § 1 3 R d n . 4 ff) durch eine A G mit Sitz im Ausland finden sich in den §§ 13 d, 13 e. Ergänzend gelten nach § 13 f A b s . 1 die folgenden Vorschriften, d.h. die A b s . 2 - 7 . Zuständig ist das G e r i c h t der Zweigniederlassung, wenn nicht die Gesellschaft bei mehreren Zweigniederlassungen ihr Wahlrecht aus § 13 e Abs. 5 ausgeübt hat oder nunmehr davon G e b r a u c h macht (dort R d n . 17 ff).
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b) N a c h § 13 f Abs. 2 S. 1 ist der Anmeldung die S a t z u n g in öffentlich beglaubigter Abschrift und, sofern die Satzung nicht in deutscher Sprache erstellt ist, eine beglaubigte U b e r s e t z u n g in deutscher Sprache beizufügen. D i e Pflicht, die Satzung beizufügen, entspricht wörtlich dem früheren § 44 A b s . 1 S. 2 A k t G . D i e Satzung der Gesellschaft ist in ihrer gültigen Fassung beizufügen (vgl. K G J 26 A 225). D i e Pflicht, eine beglaubigte U b e r setzung einzureichen, beruht auf der dem Gesetzgeber in Art. 4 und 9 Abs. 2 der Zweigniederlassungsrichtlinie ( R d n . 2) eingeräumten O p t i o n . D i e U b e r s e t z u n g der Satzung soll dem Registergericht ermöglichen, seinen Prüfungspflichten n a c h z u k o m m e n (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 2 / 3 9 0 8 , S. 17). Es k o m m t hinzu, daß im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Gerichtssprache nach § 8 F G G i.V.m. § 184 G V G deutsch ist. F ü r die öffentliche Beglaubigung der A b s c h r i f t der Satzung ist § 42 B e u r k G maßgebend. Hinsichtlich der beglaubigten Ü b e r s e t z u n g fehlen im Gesetz wie auch in Art. 4 der Richtlinie nähere Angaben zur A r t der Beglaubigung. Eine öffentliche Beglaubigung kann nicht gemeint sein, weil der Gesetzgeber das Adjektiv sonst ebenso wie bei der Abschrift der Satzung in bezug auf die Ü b e r s e t z u n g wiederholt hätte. Eine öffentliche Beglaubigung der Ü b e r s e t z u n g würde zudem voraussetzen, daß der N o t a r die fremde Sprache, in der das Original der Satzung abgefaßt ist, völlig beherrscht, weil mit der Beglaubigung die Richtigkeit der Ü b e r s e t z u n g nachgewiesen werden soll. Diese Anforderungen würden zu weit gehen. E s ist deshalb anzunehmen, daß die Bestätigung der Richtigkeit durch einen gerichtlich oder behördlich bestellten und vereidigten Ü b e r s e t z e r gemeint ist, die ggf.
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Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
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Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
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durch ein Siegel bekräftigt wird. Im einzelnen sind hierfür landesgesetzliche Vorschriften maßgebend. 3 5
c) Aufgrund des § 13 f Abs. 2 S. 2 finden die Vorschriften des § 37 Abs. 3, 5 und 6 A k t G Anwendung, in denen es um die Vorstandsmitglieder der ausländischen Gesellschaft geht. Sie haben bei der Anmeldung der Errichtung der Zweigniederlassung, zu der sie nach § 13 e Abs. 2 S. 1 verpflichtet sind (dort Rdn. 6), anzugeben, welche Vertretungsbefugnis sie haben, d.h. vor allem, ob Alleinvertretung oder Gesamtvertretung besteht. Ferner haben die Vorstandsmitglieder ihre Namensunterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen. N a c h § 12 Abs. 1 hat dies in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen (dort Rdn. 17). Die eingereichten Schriftstücke werden beim Gericht in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift aufbewahrt. Abweichend von dem früheren § 44 Abs. 1 S. 3 A k t G ist die Verweisung auf Teile des § 37 A k t G positiv gefaßt worden. Dadurch ist nicht nur eine redaktionelle Berichtigung erfolgt, sondern auch der Meinungsstreit um die Nichtanwendbarkeit des § 37 Abs. 2 A k t G gegen die Ansicht der Rechtsprechung ( B a y O b L G WM 1986, 1557) entschieden worden (Begr. z. RegE, BTDrucks. 12/3908, S. 17).
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d) Nach § 13 f Abs. 2 S. 3 sind bestimmte Bestandteile der S a t z u n g in die Anmeldung aufzunehmen, soweit nicht das ausländische Recht eine Abweichung nötig macht. Dies entspricht im wesentlichen dem früheren § 44 Abs. 2 S. 2 A k t G . Hierzu gehören zunächst die Satzungsbestimmungen nach § 23 Abs. 3 und 4 A k t G , insbesondere Firma und Sitz der Gesellschaft, Gegenstand des Unternehmens, Höhe des Grundkapitals, Nennbeträge, Zahl und Gattung sowie Art der Aktien, Zahl der Vorstandsmitglieder und die Regeln über die Festlegung dieser Zahl sowie Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft. Ferner sind die in § 24 und § 25 S. 2 A k t G vorgesehenen Satzungsbestimmungen über eine Umwandlung der Aktienart, über Bekanntmachungen der Gesellschaft in anderen Blättern als dem Bundesanzeiger und Bestimmungen der Satzung über die Zusammensetzung des Vorstands in die Anmeldung aufzunehmen. Wenn die Anmeldung der Errichtung einer Zweigniederlassung in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes erfolgt, sind auch die Angaben nach § 40 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 A k t G aufzunehmen. Hierzu zählen neben den zuvor erwähnten Angaben Bestimmungen der Satzung über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen, ferner der Ausgabebetrag der Aktien sowie N a m e und Wohnort der Gründer. Der Grund für die Pflicht zur Aufnahme dieser Angaben in die Anmeldung liegt in der höheren Gefährdung der Gesellschaft während der ersten beiden Jahre ihres Bestehens (vgl. § 13 a Rdn. 15). Auf die in § 40 Abs. 1 Nr. 3 ebenfalls geforderte Angabe des Berufs der Gründer sowie auf die in Nr. 4 vorgeschriebenen Angaben über Name, Beruf und Wohnort der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats hat der Gesetzgeber verzichtet, weil eine solche Anforderung von der Zweigniederlassungsrichtlinie (Rdn. 2) nicht gedeckt wäre (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 17).
7
e) Der Anmeldung ist nach § 13 f Abs. 2 S. 4 die für den Sitz der Gesellschaft ergangene gerichtliche Bekanntmachung beizufügen. Dies entspricht ohne inhaltliche Änderung 3
Vgl. z.B. Bay. Dolmetschergesetz i.d.F. vom 1.8.1981 (GVB1. 324); Brem. V O über die öffentliche Ernennung beeidigter Dolmetscher und Übersetzer vom 5.7.1949 (GBl. 146); Hamb.
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Gesetz über die öffentliche Bestellung und allgemeine Vereidigung von Dolmetschern und Übersetzern vom 23.9.1986 (GVB1. 291).
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Zweiter Abschnitt. Handelsregister
§ 13 f
dem früheren § 44 Abs. 2 S. 3 AktG. Die vorgeschriebene Beifügung der gerichtlichen Bekanntmachung der Eintragung der Gesellschaft ist nur möglich, falls eine solche Bekanntmachung in dem am Sitz der Gesellschaft geltenden Recht vorgesehen ist. Wenn dies nicht der Fall ist, soll es nach der Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 12/3908, S. 17) genügen, eine vergleichbare öffentliche Bekanntmachung beizufügen. Für eine dahin gehende Verpflichtung bietet der Gesetzeswortlaut, der nur von gerichtlicher Bekanntmachung spricht, allerdings keine Grundlage. Insoweit hätte das Gesetz weiter gefaßt werden müssen. 2. Eintragung a) Für die Eintragung der Errichtung einer Zweigniederlassung durch eine A G sind 8 zunächst die allgemeinen Bestimmungen maßgebend (§ 13 d Rdn. 7). b) Gem. § 13 f Abs. 3 hat die Eintragung auch die Angaben nach § 39 AktG sowie die 9 in § 13 e Abs. 2 S. 4 vorgeschriebenen Angaben zu enthalten. Durch diese Regelung werden die besonderen aktienrechtlichen Eintragungserfordernisse in das H G B übernommen. Gleichzeitig wird den Anforderungen der Zweigniederlassungsrichtlinie (Rdn. 2) an die Offenlegung Rechnung getragen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 17). Nach Maßgabe des § 39 AktG ist deshalb die Firma der Gesellschaft einzutragen und nicht nur die Firma mit einem etwaigen Zusatz, unter dem die Zweigniederlassung im Rechtsverkehr auftritt. Ferner sind der Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Grundkapitals, der Tag der Feststellung der Satzung und die Vorstandsmitglieder nebst ihrer jeweiligen Vertretungsbefugnis einzutragen. Falls die Satzung Bestimmungen über die Dauer der Gesellschaft oder über das genehmigte Kapital enthält, sind auch diese Bestimmungen einzutragen. Mit den in § 13 e Abs. 2 S. 4 vorgeschriebenen Angaben erstreckt sich die Eintragung auf das Register und die Rechtsform der Gesellschaft, ihre ständigen Vertreter für die Tätigkeit der Zweigniederlassung und bei Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auf das Recht des Staates, dem die Gesellschaft unterliegt (S 13 e Rdn. 11 ff). 3. Bekanntmachung a) Die Bekanntmachung umfaßt den Inhalt der Eintragung und richtet sich nach den 1 0 allgemeinen Grundsätzen (§ 13 d Rdn. 7). b) Gem. § 13 f Abs. 4 sind in die Bekanntmachung der Eintragung außer deren Inhalt 11 auch die besonderen aktienrechtlichen Angaben nach § 40 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 AktG mit Ausnahme des Berufs der Gründer aufzunehmen, soweit die Angaben nach den vorstehenden Vorschriften in die Anmeldung aufzunehmen sind. Dies richtet sich im einzelnen nach § 13 f Abs. 2 S. 3 (Rdn. 6). Die Regelung entspricht im wesentlichen dem früheren § 44 Abs. 4 AktG.
III. Anmeldung von Satzungsänderungen 1. Änderungen der Satzung der ausländischen Gesellschaft sind nach § 13 f Abs. 5 S. 1 1 2 durch den Vorstand zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Hierdurch wird eine eigenständige Anmeldepflicht für Satzungsänderungen ausländischer Gesellschaften Sonnenschein/Weitemeyer
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§ 13 f
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begründet, auf die § 181 A k t G nicht unmittelbar anwendbar ist. Zugleich wird die Anmeldepflicht dem Vorstand der Gesellschaft auferlegt. D e r Gesetzgeber hat darauf verzichtet, die Pflicht zur Offenlegung von Satzungsänderungen bei Gesellschaften mit Sitz innerhalb oder außerhalb der Europäischen Gemeinschaften unterschiedlich zu regeln, was nach Art. 2 Abs. 2 und Art. 8 der Zweigniederlassungsrichtlinie (Rdn. 2) möglich gewesen wäre (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 17). 13
2. Nach § 13 f Abs. 5 S. 2 gelten für die Anmeldung die Vorschriften des § 181 Abs. 1 und 2 A k t G sinngemäß, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. Mit dieser Verweisung trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, daß die Zweigniederlassungsrichtlinie (Rdn. 2) dem nationalen Gesetzgeber einen Spielraum hinsichtlich des Nachweises der Satzungsänderung überlassen hat. Im einzelnen folgt aus der sinngemäßen Geltung, daß der Anmeldung der vollständige Wortlaut der Satzung beizufügen ist. Eine Ubersetzung wird anders als in § 13 f Abs. 2 S. 1 hier nicht verlangt. D e r Wortlaut muß mit der Bescheinigung eines Notars versehen sein, daß die geänderten Bestimmungen der Satzung mit dem Beschluß über die Satzungsänderung und die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt zum Handelsregister eingereichten vollständigen Wortlaut der Satzung übereinstimmen. Ist für die Satzungsänderung eine staatliche Genehmigung erforderlich, muß der Anmeldung die Genehmigungsurkunde beigefügt werden. Soweit nicht die Änderung Angaben nach § 39 A k t G betrifft (Rdn.9), genügt es, daß bei der Eintragung auf die beim Gericht eingereichten Urkunden Bezug genommen wird. Wenn die Satzungsänderung Bestimmungen betrifft, die ihrem Inhalt nach bekanntzumachen sind, so ist auch die Änderung ihrem Inhalt nach bekanntzumachen. Auf die Wirksamkeit der Satzungsänderung der ausländischen Gesellschaft haben diese Bestimmungen des deutschen Rechts keinen Einfluß, weil diese Frage allein nach dem am Sitz der Gesellschaft maßgeblichen Recht zu beurteilen ist. Auf § 181 Abs. 3 A k t G wird deshalb nicht verwiesen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 17).
IV. Sonstige Anmeldepflichten 14
1. Nach § 13 f Abs. 6 gelten im übrigen bestimmte Vorschriften des Aktiengesetzes sinngemäß, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. Hierdurch werden weitere Anmeldepflichten hinsichtlich solcher Tatsachen begründet, die nicht primär die inländische Zweigniederlassung, sondern die ausländische Gesellschaft betreffen. Dies gilt zum einen für die sinngemäße Geltung des § 81 Abs. 1, 2 und 4 A k t G . Hiernach ist jede Änderung des Vorstands oder der Vertretungsbefugnis eines Vorstandsmitglieds zur Eintragung in das Handelsregister der Zweigniederlassung anzumelden. Unter der Änderung des Vorstands ist nicht nur eine Veränderung in der personellen Zusammensetzung zu verstehen, sondern mit Rücksicht auf die Klarheit der Angaben des Handelsregisters über die Vertretungsverhältnisse auch die Namensänderung eines Mitglieds. Der Anmeldung sind die Urkunden über die Änderung in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift für das Gericht der Zweigniederlassung beizufügen. Wenn neue Vorstandsmitglieder bestellt worden sind, haben sie ihre Namensunterschrift nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen (dort Rdn. 17 ff).
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2. Zum anderen gelten § 263 S. 1, § 266 Abs. 1, 2 und 5 sowie § 273 Abs. 1 S. 1 A k t G sinngemäß. Diese Vorschriften betreffen die Auflösung und Abwicklung. Entsprechend § 263 S. 1 A k t G hat der Vorstand die Auflösung der ausländischen Gesellschaft zum Handelsregister der inländischen Zweigniederlassung anzumelden. F ü r die A u f 212
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Zweiter Abschnitt. Handelsregister
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lösungsgründe ist allein das Recht am Sitz der Gesellschaft maßgebend. D e r Vorstand hat entsprechend § 266 Abs. 1 A k t G die ersten Abwickler sowie ihre Vertretungsbefugnis zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden; jeden Wechsel der Abwickler und jede Änderung ihrer Vertretungsbefugnis haben die Abwickler zur Eintragung anzumelden. Nach § 266 Abs. 2 A k t G sind die Urkunden über die Bestellung oder. Abberufung sowie über die Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift für das Gericht der Zweigniederlassung beizufügen. D i e Abwickler haben ihre N a m e n s unterschrift gem. § 266 Abs. 5 A k t G zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen, wenn sie dies nicht schon als Vorstandsmitglieder getan haben. Die Zeichnung der Unterschrift richtet sich nach § 12 Abs. 1 (dort Rdn. 17 ff). Ist die Abwicklung beendet und die Schlußrechnung gelegt, so haben die Abwickler entsprechend § 273 Abs. 1 S. 1 A k t G den Schluß der Abwicklung zur Eintragung in das Handelsregister der Zweigniederlassung anzumelden.
V. Aufhebung von Zweigniederlassungen Nach § 13 f Abs. 7 gelten für die Aufhebung einer Zweigniederlassung die Vorschriften über ihre Errichtung sinngemäß. Diese Verweisung betrifft nicht nur die vorhergehenden Bestimmungen des § 13 f, soweit sie bei der Aufhebung einer Zweigniederlassung von Bedeutung sind, sondern auch die allgemeinen Vorschriften der §§ 13 d, 13 e. Die Aufhebung einer Zweigniederlassung ist wie die Errichtung ein tatsächlicher Vorgang, der zur Eintragung in das Handelsregister bei dem zuständigen Gericht der Zweigniederlassung anzumelden ist. Hierbei ist zu beachten, ob die Gesellschaft von ihrem Wahlrecht aus § 13 e Abs. 5 Gebrauch gemacht hat, bei mehreren Zweigniederlassungen eines der an sich jeweils zuständigen Gerichte zum Hauptregister zu bestimmen. Handelt es sich hierbei um das Handelsregister der aufgehobenen Zweigniederlassung, so wird die Wahl hinfällig, so daß zunächst wieder jeweils die Gerichte der übrigen Zweigniederlassungen zuständig werden und die beim bisherigen Hauptregister vorgenommenen Eintragungen dort nachzuholen sind. Die Gesellschaft kann ihr Wahlrecht aus § 13 e Abs. 5 auch erneut ausüben, so daß sämtliche Eintragungen bei dem neuen Hauptregister vorzunehmen sind.
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VI. Verfahren bei Errichtung und Aufhebung von Zweigniederlassungen ausländischer Kommanditgesellschaften auf Aktien N a c h § 13 f Abs. 8 gelten die Vorschriften über Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften mit Sitz im Ausland sinngemäß für Zweigniederlassungen von Kommanditgesellschaften auf Aktien mit Sitz im Ausland, soweit sich aus den Vorschriften der §§ 278 bis 290 A k t G oder aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt. Ahnlich wie bei inländischen Kommanditgesellschaften auf Aktien (§ 13 a Rdn. 17) trägt die Vorschrift dem Umstand Rechnung, daß die Verweisung des § 278 Abs. 3 A k t G nach der Übertragung der früheren §§ 42 bis 44 A k t G in das H G B nicht mehr die Bestimmungen über Zweigniederlassungen von Aktiengesellschaften erfaßt. D i e Verweisungsnorm des § 13 f Abs. 8 muß in ihrem Halbs. 2 den Besonderheiten der Kommanditgesellschaft auf Aktien Rechnung tragen. Daraus folgt insbesondere, daß bei der Anmeldepflicht, der Eintragung und der Bekanntmachung die persönlich haftenden Gesellschafter an die Stelle des Vorstands treten. Inhaltlich umfaßt die Verweisung nicht nur die Bestimmungen des § 13 f Abs. 1 - 7 , sondern auch die §§ 13 d, 13 e. Sonnenschein/Weitemeyer
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§ 13 g
Erstes Buch. Handelsstand §13 g Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g mit Sitz im Ausland
(1) F ü r Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g mit Sitz im Ausland gelten ergänzend die folgenden Vorschriften. (2) Der Anmeldung ist der Gesellschaftsvertrag in öffentlich beglaubigter Abschrift und, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht in deutscher Sprache erstellt ist, eine beglaubigte Ubersetzung in deutscher Sprache beizufügen. Die Vorschriften des § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 und 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g sind anzuwenden. Wird die Errichtung der Zweigniederlassung in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes angemeldet, so sind in die Anmeldung auch die nach § 5 Abs. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g getroffenen Festsetzungen aufzunehmen, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. (3) Die Eintragung der Errichtung der Zweigniederlassung hat auch die Angaben nach § 10 Abs. 1 und 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g sowie die in § 13 e Abs. 2 Satz 4 vorgeschriebenen Angaben zu enthalten. (4) In die Bekanntmachung der Eintragung sind außer deren Inhalt auch die in § 10 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g bezeichneten Bestimmungen aufzunehmen, die dort nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen Festsetzungen jedoch nur dann, wenn die Eintragung innerhalb der ersten zwei J a h r e nach der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft erfolgt. (5) Änderungen des Gesellschaftsvertrages der ausländischen Gesellschaft sind durch die Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Für die Anmeldung gelten die Vorschriften des § 54 Abs. 1 und 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g sinngemäß, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. (6) Im übrigen gelten die Vorschriften der § 39 Abs. 1, 2 und 4, § 65 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 1, 2 und 5, § 74 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g sinngemäß, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. (7) Für die Aufhebung einer Zweigniederlassung gelten die Vorschriften über ihre Errichtung sinngemäß. Übersicht Rdn. I. Allgemeines II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften mit
1
Rdn. III. A n m e l d u n g von Änderungen des Gesellschaftsvertrags IV. Sonstige Anmeldepflichten
beschränkter H a f t u n g
2
1. A n m e l d u n g
2
2. Eintragung
7
3. Bekanntmachung
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V. A u f h e b u n g von Zweigniederlassungen . . . .
11 13 15
I. A l l g e m e i n e s 1
Die Vorschrift betrifft inländische Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die ihren Sitz im Ausland haben. Ergänzend zu den §§ 13 d, 13 e und weitgehend parallel zu § 13 f über Aktiengesellschaften werden besondere 214
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Bestimmungen für die ausländische G m b H getroffen. Diese Gesellschaft muß der deutschen Rechtsform der G m b H nicht vollständig entsprechen, ihr aber nach den wesentlichen Merkmalen vergleichbar sein (§ 13 e Rdn. 4). Nach § 13 g Abs. 2 ist der Anmeldung der Errichtung der Zweigniederlassung der Gesellschaftsvertrag in öffentlich beglaubigter Abschrift und ggf. eine beglaubigte Ubersetzung in deutscher Sprache beizufügen. Weiter wird eine Reihe von Angaben verlangt, die das G m b H G bei der Anmeldung deutscher Gesellschaften fordert. Aus § 13 g Abs. 3 ergibt sich, daß die Eintragung auch die Angaben nach § 10 Abs. 1 und 2 G m b H G und nach § 13 e Abs. 2 S. 4 mit bestimmten Einzelheiten über die Gesellschaft und ihre ständigen Vertreter für die Tätigkeit der Zweigniederlassung enthalten muß. Die Bekanntmachung der Eintragung hat gem. § 13 g Abs. 4 grundsätzlich die in § 10 Abs. 3 G m b H G bezeichneten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags zu enthalten. Nach § 13 g Abs. 5 und 6 sind Änderungen des Gesellschaftsvertrags der ausländischen G m b H , Änderungen hinsichtlich ihrer Geschäftsführer sowie die Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Für die Aufhebung einer Zweigniederlassung gelten nach § 13 g Abs. 7 die Vorschriften über ihre Errichtung sinngemäß. Die gesamte Regelung ist zur Umsetzung der Zweigniederlassungsrichtlinie von 19891 durch das Änderungsgesetz von 19932 in das H G B eingefügt worden.
II. Verfahren bei Errichtung von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1. Anmeldung a) Für die Anmeldung der Errichtung einer Zweigniederlassung (§13 Rdn. 4 ff) durch 2 eine G m b H mit Sitz im Ausland ergeben sich die allgemeinen Bestimmungen aus den §§ 13 d, 13 e. Ergänzend gelten nach § 13 g Abs. 1 die in den Abs. 2 - 7 folgenden Vorschriften. Für die Zuständigkeit ist zu beachten, ob der Ort der Zweigniederlassung maßgebend ist oder ob die Gesellschaft bei mehreren Zweigniederlassungen von ihrem Wahlrecht aus § 13 e Abs. 5 Gebrauch gemacht hat bzw. nunmehr erstmalig eine andere Zuständigkeit wählt (dort Rdn. 17 ff). b) Nach § 13 g Abs. 2 S. 1 ist der Anmeldung der Gesellschaftsvertrag in öffentlich 3 beglaubigter Abschrift und, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht in deutscher Sprache erstellt ist, eine beglaubigte Ubersetzung in deutscher Sprache beizufügen. Dies entspricht der für eine ausländische A G in § 13 f Abs. 2 S. 1 getroffenen Regelung (vgl. im einzelnen dort Rdn. 4) und dient demselben Zweck, dem Registergericht eine Prüfung zu ermöglichen. c) Gem. § 13 g Abs. 2 S. 2 sind die Vorschriften des § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 und 5 4 G m b H G anzuwenden. Sie betreffen die Geschäftsführer der ausländischen G m b H . Hiernach muß der Anmeldung die Legitimation der Geschäftsführer, etwa durch Gesellschafterbeschluß oder Erklärung der dazu berechtigten Personen, beigefügt sein, sofern die Geschäftsführer nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt sind. Ferner ist in der Anmeldung anzugeben, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben, insbesondere ob Alleinvertretung oder Gesamtvertretung besteht. Außerdem haben die Geschäftsführer ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen. Dies muß nach § 12 Abs. 1 in öffentlich beglaubigter Form erfolgen (dort Rdn. 17). ' Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
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Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
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Die punktuelle Verweisung auf einzelne Teile des § 8 G m b H G beruht darauf, daß für Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften nicht generell auf das für deutsche Hauptniederlassungen geltende Recht verwiesen werden kann, weil bestimmte Rechtsfragen ausschließlich nach dem am Sitz der Gesellschaft maßgebenden ausländischen Recht zu beurteilen sind. Der Gesetzgeber hat deshalb § 8 Abs. 3 G m b H G ausdrücklich von der Verweisung ausgenommen. Er hat dadurch für Rechtsklarheit gesorgt, daß diese Bestimmung entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht 3 bei inländischen Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften nicht anwendbar ist (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 18).
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d) Wird die Errichtung der Zweigniederlassung in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes angemeldet, so sind gem. § 13 g Abs. 2 S. 3 in die Anmeldung auch die nach § 5 Abs. 4 G m b H G getroffenen Festsetzungen aufzunehmen, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. Sollen Sacheinlagen geleistet werden, müssen hiernach der Gegenstand der Sacheinlage und der Betrag der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden. Mit dieser Bestimmung soll sichergestellt werden, daß das Registergericht der deutschen Zweigniederlassung von solchen Festsetzungen, die es nach § 13 g Abs. 4 bekanntzumachen hat (Rdn. 10), Kenntnis erlangt. Zugleich ist damit eine Angleichung an die Anmeldevorschriften für die A G vorgenommen worden, die schon früher eine entsprechende Regelung in dem aufgehobenen § 44 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 A k t G enthielten, was sich nunmehr aus § 13 f Abs. 2 S. 3 ergibt. Für eine Differenzierung zwischen A G und G m b H bestanden keine sachlichen Gründe (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 18). Die Befristung dieser Anmeldepflicht auf die ersten zwei Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft ist darin begründet, daß der Gesetzgeber die Gesellschaft während dieser Zeit noch für besonders gefährdet hält (vgl. § 13 a Rdn. 15). 2. E i n t r a g u n g
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a) Für die Eintragung der Errichtung einer Zweigniederlassung durch eine G m b H sind zunächst die allgemeinen Bestimmungen maßgebend (§ 13 d Rdn. 7).
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b) Gem. § 13 g Abs. 3 hat die Errichtung der Zweigniederlassung auch die Angaben nach § 10 Abs. 1 und 2 G m b H G sowie die in § 13 e Abs. 2 S. 4 vorgeschriebenen Angaben zu enthalten. Damit sind die besonderen Eintragungserfordernisse des G m b H - R e c h t s in das H G B übertragen und weitere Anforderungen der Zweigniederlassungsrichtlinie (Rdn. 1) an die Offenlegung in deutsches Recht umgesetzt worden (Begr. z. RegE, BTDrucks. 12/3908, S. 18). Bei der Eintragung der Zweigniederlassung ist deshalb nicht nur die Firma mit einem etwaigen Zusatz einzutragen, unter der die Zweigniederlassung im Rechtsverkehr auftritt, sondern auch die Firma der Gesellschaft als solcher. Ferner sind einzutragen der Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und die Personen der Geschäftsführer. Außerdem ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben, insbesondere also Alleinvertretung oder Gesamtvertretung. Wenn der Gesellschaftsvertrag eine Bestimmung über die Dauer der Gesellschaft enthält, so ist auch 3
BayObLG WM 1986, 1557; OLG Düsseldorf DB 1992, 1469.
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diese Bestimmung einzutragen. Schließlich erstreckt sich die Eintragung mit den in § 13 e Abs. 2 S. 4 vorgeschriebenen Angaben auf das Register und die Rechtsform der Gesellschaft, ihre ständigen Vertreter für die Tätigkeit der Zweigniederlassung und bei Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auf das Recht des Staates, dem die Gesellschaft unterliegt (§ 13 e R d n . 11 ff). 3. Bekanntmachung a) Die Bekanntmachung umfaßt den Inhalt der E i n t r a g u n g und richtet sich nach den 9 allgemeinen Grundsätzen (§ 13 d Rdn. 7). b) In die Bekanntmachung der Eintragung sind außer deren Inhalt gem. § 13 g Abs. 4 1 0 auch die besonderen Bestimmungen aufzunehmen, die in § 10 Abs. 3 G m b H G bezeichnet sind. Dies bedeutet zunächst, daß alle nach § 10 Abs. 1 und 2 G m b H G (Rdn. 8) einzutragenden Tatsachen zu veröffentlichen sind. Daraus folgt, daß für die Bekanntmachung der Eintragung von Zweigniederlassungen inländischer und ausländischer Gesellschaften die gleichen Erfordernisse bestehen, weil für eine unterschiedliche Behandlung kein sachlicher Grund besteht (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 12/3908, S. 18). Enthält der Gesellschaftsvertrag besondere Bestimmungen über die Form, in der öffentliche Bekanntmachungen der Gesellschaft erlassen werden, so sind auch diese Bestimmungen in die Bekanntmachung der Eintragung der Zweigniederlassung aufzunehmen. Die nach § 5 Abs. 4 S. 1 G m b H G im Gesellschaftsvertrag getroffenen Festsetzungen über den Gegenstand einer Sacheinlage und den Betrag der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, sind jedoch nur dann in die Bekanntmachung aufzunehmen, wenn die Eintragung innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft erfolgt (Rdn. 6). Dies entspricht den Bestimmungen für die A G in § 13 f Abs. 2 S. 3 und Abs. 4 (dort Rdn. 6, 11).
III. Anmeldung von Änderungen des Gesellschaftsvertrags 1. Nach § 13 g Abs. 5 S. 1 sind Änderungen des Gesellschaftsvertrages der ausländi- 11 sehen Gesellschaft durch die Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Diese Bestimmung begründet eine eigenständige Anmeldepflicht für Änderungen des Gesellschaftsvertrags der ausländischen G m b H , für die § 54 G m b H G nicht unmittelbar gilt. Dies entspricht der für die A G in § 13 f Abs. 5 getroffenen Regelung (dort Rdn. 12). Die Anmeldepflicht obliegt den Geschäftsführern der Gesellschaft. 2. Für die Anmeldung gelten nach § 13 g Abs. 5 S. 2 die Vorschriften des § 54 Abs. 1 1 2 und 2 G m b H G sinngemäß, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. Aufgrund dieser Verweisung ist der Anmeldung der vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrags beizufügen. Eine Übersetzung verlangt das Gesetz anders als bei der Anmeldung der Errichtung der Zweigniederlassung nach § 13 g Abs. 2 S. 1 an dieser Stelle nicht. Der Wortlaut des Gesellschaftsvertrags muß mit der Bescheinigung eines Notars versehen sein, daß die geänderten Bestimmungen mit dem Beschluß über die Änderung des Gesellschaftsvertrags und die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt zum Handelsregister eingereichten vollständigen Wortlaut des Gesellschaftsvertrags übereinstimmen. Bei der Eintragung in das Handelsregister der Zweigniederlassung genügt die Bezugnahme auf die bei dem Gericht eingereichten Urkunden über die Abänderung, Sonnenschein/Weitemeyer
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§13 g
sofern nicht die Abänderung die in § 10 Abs. 1 und 2 GmbHG bezeichneten Angaben betrifft (Rdn. 8). Die öffentliche Bekanntmachung findet hinsichtlich aller Bestimmungen statt, auf die sich die in § 10 Abs. 3 GmbHG (Rdn. 10) und § 13 b Abs. 4 (dort Rdn. 9 ff) vorgeschriebenen Veröffentlichungen beziehen.
IV. Sonstige Anmeldepflichten 13
1. Nach § 13 g Abs. 6 gelten im übrigen bestimmte Vorschriften des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung sinngemäß, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. Hierdurch wird eine Anmeldepflicht für solche Tatsachen begründet, die nur mittelbar die inländische Zweigniederlassung betreffen, primär aber eine Angelegenheit der ausländischen Gesellschaft als solcher darstellen. Die sinngemäße Geltung des § 39 Abs. 1, 2 und 4 GmbHG hat zur Folge, daß jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Uber den zu engen Gesetzeswortlaut hinaus sind auch Änderungen in der Art der Vertretungsbefugnis anzumelden, so etwa ein Wechsel von der Gesamtvertretung zur Einzelvertretung (.Lutter/Hommelhoff GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 39 Rdn. 1). Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung der Geschäftsführer oder über die Beendigung bzw. Änderung der Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift für das Gericht der Zweigniederlassung beizufügen. Neubestellte Geschäftsführer haben ihre Unterschrift nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen (dort Rdn. 17 ff).
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2. Die sinngemäße Geltung von § 65 Abs. 1 S. 1, § 67 Abs. 1, 2 und 5 sowie von § 74 Abs. 1 S. 1 GmbHG betrifft die Auflösung und Abwicklung der GmbH. Entsprechend § 65 Abs. 1 S. 1 GmbHG ist die Auflösung der ausländischen Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister der inländischen Zweigniederlassung anzumelden. Aus welchen Gründen die Gesellschaft aufgelöst wird, richtet sich allein nach dem an ihrem Sitz geltenden Recht. Die ersten Liquidatoren sowie ihre Vertretungsbefugnis sind entsprechend § 67 Abs. 1 GmbHG durch die Geschäftsführer, jeder Wechsel der Liquidatoren und jede Änderung ihrer Vertretungsbefugnis sind durch die Liquidatoren zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Nach § 67 Abs. 2 GmbHG sind der Anmeldung die Urkunden über die Bestellung der Liquidatoren oder über die Änderung in den Personen derselben in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift für das Gericht der Zweigniederlassung beizufügen. Die Liquidatoren haben entsprechend § 67 Abs. 5 GmbHG ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei diesem Gericht zu zeichnen. Die Zeichnung der Unterschrift richtet sich nach § 12 Abs. 1 (dort Rdn. 17 ff). In entsprechender Anwendung des neuen § 74 Abs. 1 S. 1 GmbHG, der durch Art. 2 Nr. 4 a) des Änderungsgesetzes von 19934 zur Umsetzung der Zweigniederlassungsrichtlinie5 eingefügt worden ist, haben die Liquidatoren, wenn die Liquidation beendet und die Schlußrechnung gelegt ist, den Schluß der Liquidation zur Eintragung in das Handelsregister der Zweigniederlassung anzumelden.
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Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1. Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1.
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V. Aufhebung von Zweigniederlassungen Für die Aufhebung einer Zweigniederlassung gelten nach § 13 g Abs. 7 die Vorschriften über ihre Errichtung sinngemäß. Diese Verweisung bezieht sich auf die vorhergehenden Absätze des § 13 g und auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 13 d, 13 e. Die Aufhebung einer Zweigniederlassung ist wie ihre Errichtung ein tatsächlicher Vorgang, der zur Eintragung in das Handelsregister bei dem für die Zweigniederlassung zuständigen Gericht anzumelden ist. Zu beachten ist, ob die Gesellschaft von ihrem Wahlrecht aus § 13 e Abs. 5 Gebrauch gemacht hat, bei mehreren Zweigniederlassungen eines der an sich jeweils zuständigen Gerichte zum Hauptregister zu bestimmen. Wird die Zweigniederlassung im Bezirk des Hauptregisters aufgehoben, fällt die Zuständigkeit an die Register der übrigen Zweigniederlassungen zurück, bis die Gesellschaft eine andere Wahl trifft (vgl. § 13 f Rdn. 16).
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§13 h Verlegung des Sitzes einer Hauptniederlassung im Inland (1) Wird die Hauptniederlassung eines Einzelkaufmanns oder einer juristischen Person oder der Sitz einer Handelsgesellschaft im Inland verlegt, so ist die Verlegung beim Gericht der bisherigen Hauptniederlassung oder des bisherigen Sitzes anzumelden. (2) Wird die Hauptniederlassung oder der Sitz aus dem Bezirk des Gerichts der bisherigen Hauptniederlassung oder des bisherigen Sitzes verlegt, so hat dieses unverzüglich von Amts wegen die Verlegung dem Gericht der neuen Hauptniederlassung oder des neuen Sitzes mitzuteilen. Der Mitteilung sind die Eintragungen für die bisherige Hauptniederlassung oder den bisherigen Sitz sowie die bei dem bisher zuständigen Gericht aufbewahrten Urkunden beizufügen. Das Gericht der neuen H a u p t niederlassung oder des neuen Sitzes hat zu prüfen, ob die Hauptniederlassung oder der Sitz ordnungsgemäß verlegt und § 30 beachtet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Verlegung einzutragen und dabei die ihm mitgeteilten Eintragungen ohne weitere Nachprüfung in sein Handelsregister zu übernehmen. Die Eintragung ist dem Gericht der bisherigen Hauptniederlassung oder des bisherigen Sitzes mitzuteilen. Dieses hat die erforderlichen Eintragungen von Amts wegen vorzunehmen. (3) Wird die Hauptniederlassung oder der Sitz an einen anderen O r t innerhalb des Bezirks des Gerichts der bisherigen Hauptniederlassung oder des bisherigen Sitzes verlegt, so hat das Gericht zu prüfen, ob die Hauptniederlassung oder der Sitz ordnungsgemäß verlegt und § 30 beachtet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Verlegung einzutragen. Schrifttum Vgl. zu § 13.
I. Allgemeines Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Eintragung von 1 Handelsniederlassungen und das Verfahren in Handelsregistersachen vom 10.8.1937 ( R G B l . I 897) als § 13 c eingefügt und durch § 31 Nr. 1 E G A k t G vom 9.6.1965 (BGBl. I 1185) neu gefaßt worden. Durch das Änderungsgesetz von 1993 1 ist sie in § 13 h umbe1
Vorbem. Rdn. 6; § 13 Rdn. 1. Sonnenschein/Weitemeyer
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nannt worden. Schon nach der ursprünglichen Regelung des H G B ergibt sich aus § 31 Abs. 1 eine Anmeldepflicht bei der Verlegung einer Niederlassung an einen anderen Ort. Durch die Verweisung auf § 29 entstand aber der Eindruck, als sei die Verlegung bei dem Gericht des neuen Ortes anzumelden. Durch § 13 h ist nunmehr eindeutig angeordnet, daß die Anmeldung beim Gericht der bisherigen Hauptniederlassung oder des bisherigen Sitzes zu bewirken ist. Die Verlegung innerhalb des Bezirks des Gerichts und die Verlegung in einen anderen Gerichtsbezirk werden erst seit der Neufassung von 1965 unterschieden. Die Verlegung einer Zweigniederlassung ist nicht ausdrücklich geregelt (Rdn. 10). 2
Für die AG findet sich in § 45 AktG eine entsprechende Regelung. Die Sitzverlegung einer G m b H und einer Genossenschaft ist registerrechtlich nicht ausdrücklich geregelt. Auf die G m b H ist § 13 h unmittelbar anwendbar. Die Sitzverlegung einer Genossenschaft wird wirksam, wenn die dahin gehende Satzungsänderung in das Genossenschaftsregister des bisherigen Sitzes eingetragen wird. Bei dem für den neuen Sitz zuständigen Registergericht ist keine förmliche Anmeldung vorzunehmen, sondern nur ein Antrag auf Übernahme in das Register. Das Gericht beschafft sich die Unterlagen von dem bisher zuständigen Gericht. 2 Es steht indessen nichts entgegen, entsprechend § 13 h zu verfahren.
II. Verlegung der Hauptniederlassung oder des Sitzes in einen anderen Gerichtsbezirk 3
1. Wird die Hauptniederlassung eines Einzelkaufmanns oder einer juristischen Person oder der Sitz einer Handelsgesellschaft im Inland verlegt, ist nach § 13 h Abs. 1 die nach § 31 Abs. 1 obligatorische Anmeldung bei dem bisher zuständigen Gericht zu bewirken. Sie muß in der Form des § 12 durch die anmeldepflichtigen bzw. vertretungsberechtigten Personen vorgenommen werden. Dabei ist zu beachten, daß die Verlegung nicht in allen Fällen ein rein tatsächlicher Vorgang ist, sondern bei entsprechender vertraglicher Regelung, die bei den Kapitalgesellschaften sogar notwendig ist, eine Satzungsänderung voraussetzt. Die Anmeldung kann zurückgenommen werden, solange nicht der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Eintragung im Register unterschrieben hat (OLG Düsseldorf Rpfleger 1989, 201).
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2. Nach § 13 h Abs. 2 S. 1 und 2 hat das bisher zuständige Gericht die Verlegung in einen anderen Gerichtsbezirk unverzüglich von Amts wegen dem Gericht der neuen Hauptniederlassung oder des neuen Sitzes mitzuteilen. Die Mitteilung erfolgt erst, nachdem die formelle Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung geprüft ist ( O L G Köln Rpfleger 1975, 251). Der Mitteilung sind die Eintragungen für die bisherige Hauptniederlassung oder den bisherigen Sitz in beglaubigter Abschrift sowie die bei dem bisher zuständigen Gericht aufbewahrten Urkunden beizufügen. Damit werden die vollständigen Registerakten abgegeben (§ 24 Abs. 4 AktG).
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3. Nach § 13 h Abs. 2 S. 3 ist durch das Gericht der neuen Hauptniederlassung oder des neuen Sitzes die Prüfung vorzunehmen, ob die Hauptniederlassung oder der Sitz ordnungsgemäß verlegt und ob § 30 über die Unterscheidbarkeit der Firma beachtet sind. Damit sind nur die im Zusammenhang mit der Verlegung auftretenden sachlichen Fragen von dem nunmehr zuständigen Gericht zu prüfen. 3 Wird jedoch mit der Anmeldung der 2
KGJ 21 A 265; Meyer/Merenberg/Beuthien GenG, 12. Aufl. 1983, § 6 Rdn. 6.
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O L G Köln Rpfleger 1975, 251; BB 1984, 1065.
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S i t z v e r l e g u n g die A n m e l d u n g w e i t e r e r S a t z u n g s ä n d e r u n g e n v e r b u n d e n , ist das Registergericht des n e u e n Sitzes f ü r die P r ü f u n g der A n m e l d u n g insgesamt zuständig, weil die V o r n a h m e a n d e r e r E i n t r a g u n g e n im b i s h e r i g e n R e g i s t e r die E i n t r a g u n g d e r Sitzverlegung v e r z ö g e r n k ö n n t e . 4 Dieses G e r i c h t darf die E i n t r a g u n g aber nicht deshalb ablehnen, weil es B e d e n k e n gegen die v o n d e m bisher zuständigen G e r i c h t f r ü h e r vorgen o m m e n e E i n t r a g u n g hat. H i e r f ü r steht erst nach der E i n t r a g u n g der Verlegung das Verfahren nach § 142 F G G z u r V e r f ü g u n g ( O L G O l d e n b u r g BB 1977, 12). E b e n s o w e n i g kann die E i n t r a g u n g v o n einer an sich n o t w e n d i g e n E r g ä n z u n g d e r F i r m a abhängig gemacht w e r d e n , w e n n sich dies u n a b h ä n g i g v o n der Verlegung aus anderen f i r m e n r e c h t lichen Vorschriften als § 30 ergibt. I n s o w e i t k a n n n u r nach § 37 i.V.m. § 140 F G G eingeschritten w e r d e n ( B a y O b L G D B 1978, 838). Schließlich hat das G e r i c h t des neuen Sitzes auch nicht zu p r ü f e n , o b die Sitzverlegung tatsächlich vollzogen w o r d e n ist, soweit nicht A n h a l t s p u n k t e f ü r eine b l o ß fiktive Verlegung bestehen. 5
4. E r g i b t die b e s c h r ä n k t e P r ü f u n g d u r c h das n u n m e h r zuständige G e r i c h t keine B e a n s t a n d u n g e n , ist nach § 13 h Abs. 2 S. 4 die E i n t r a g u n g v o r z u n e h m e n . H i e r b e i sind die v o n d e m bisher zuständigen G e r i c h t mitgeteilten E i n t r a g u n g e n ( R d n . 4) o h n e weitere N a c h p r ü f u n g in das Handelsregister zu ü b e r n e h m e n ( B a y O b L G BB 1987, 359). D i e E i n t r a g u n g d e r Verlegung ist nach § 10 b e k a n n t z u m a c h e n . Soweit Zweigniederlassungen v o r h a n d e n sind, m u ß die Verlegung d e r H a u p t n i e d e r l a s s u n g nach M a ß g a b e des § 13 c in das Register der Zweigniederlassung eingetragen w e r d e n .
6
5. N a c h § 13 h Abs. 2 S. 5 u n d 6 ist v o n d e r E i n t r a g u n g d e m bisher zuständigen G e r i c h t M i t t e i l u n g z u m Zwecke der L ö s c h u n g der f r ü h e r e n E i n t r a g u n g e n zu machen. D i e Verlegung ist nach § 20 H R V zu v e r m e r k e n . A u c h diese E i n t r a g u n g e n sind nach § 10 bekanntzumachen.
7
III. Verlegung der Hauptniederlassung oder des Sitzes innerhalb des Gerichtsbezirks Bei einer V e r l e g u n g d e r H a u p t n i e d e r l a s s u n g o d e r des Sitzes i n n e r h a l b des 8 G e r i c h t s b e z i r k s w i r d das Verfahren nach § 13 h Abs. 3 vereinfacht. D i e Verlegung ist bei d e m s c h o n bisher zuständigen G e r i c h t a n z u m e l d e n . D a sich an d e r Zuständigkeit nichts ändert, hat das G e r i c h t n u r z u p r ü f e n , o b die H a u p t n i e d e r l a s s u n g oder der Sitz o r d n u n g s g e m ä ß verlegt u n d o b § 30 ü b e r die U n t e r s c h e i d b a r k e i t der F i r m a beachtet ist. W e n n dies d e r Fall ist, hat es die Verlegung einzutragen u n d nach § 10 b e k a n n t z u m a c h e n . Soweit Zweigniederlassungen bestehen, ist § 13 c zu beachten.
IV. Sonderfälle 1. Die Verlegung d e r H a u p t n i e d e r l a s s u n g o d e r des Sitzes in das A u s l a n d unterliegt nicht der Regelung des § 13 h. Sie ist rechtlich als G e s c h ä f t s a u f g a b e o d e r A u f l ö s u n g zu
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OLG Frankfurt/M. Rpfleger 1991, 508; OLG Hamm NJW-RR 1991, 1001; OLG Zweibrücken GmbH-Rdsch. 1992, 678; Ziegler Rpfleger 1991, 485; a.M. LG Mannheim Rpfleger 1990, 301 m. abl. Anm. Buchberger Rpfleger 1990, 513.
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OLG Köln BB 1984,1065; Ziegler Rpfleger 1991, 485, 486; vgl. aber LG Hamburg Rpfleger 1992, 301 m. abl. Anm. Ziegler u. abl. Anm. Cornelius GmbH-Rdsch. 1992, 116.
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behandeln und muß nach den hierfür maßgebenden Vorschriften beurteilt werden. 6 Das Erlöschen der inländischen Firma ist nach § 31 Abs. 2 anzumelden und ggf. von Amts wegen einzutragen. Für etwaige inländische Zweigniederlassungen greifen die §§ 13 d 13 g ein. Die Verlegung der Hauptniederlassung oder des Sitzes aus dem Ausland in das Inland ist als Geschäftsaufnahme oder Neugründung zu beurteilen und unterliegt den betreffenden Vorschriften. 7 10
2. Die Verlegung einer Zweigniederlassung ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, da § 13 h nur die Hauptniederlassung oder den Sitz betrifft. Nach früherer Auffassung sollte die Verlegung als Aufgabe und Neubegründung zu beurteilen sein.8 Allein aus der fehlenden gesetzlichen Regelung kann jedoch nicht die Unzulässigkeit einer Verlegung mit der Folge einer Aufgabe und Neubegründung hergeleitet werden (LG Mönchengladbach BB 1958, 929). Nach neuerer Auffassung wird die Verlegung einer Zweigniederlassung entsprechend § 13 h, dem früheren § 13 c, behandelt. 9 Vorzuziehen ist jedoch die Ansicht, die Verlegung einer Zweigniederlassung der Vorschrift des § 13 c, dem früheren § 13 a, zu unterstellen, da dies dem Zweck der Konzentration des Verfahrens beim Gericht der Hauptniederlassung entspricht und vom Wortlaut gedeckt wird, nach dem alle Anmeldungen, die eingetragene Zweigniederlassungen betreffen, bei diesem Gericht zu bewirken sind {Staub/Hüff er § 13 a Rdn. 10).
§14 Wer seiner Pflicht zur Anmeldung, zur Zeichnung der Unterschrift oder zur Einreichung von Schriftstücken zum Handelsregister nicht nachkommt, ist hierzu von dem Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld anzuhalten. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von zehntausend Deutsche Mark nicht übersteigen. S c h r i f t t u m Bassenge Tatsachenermittlung, Rechtsprüfung und Ermessensausübung in den registergerichtlichen Verfahren nach §§ 132 bis 144 F G G , Rpfleger 1974, 173.
I. Allgemeines 1
Die Vorschrift ist durch § 31 Nr. 2 E G A k t G vom 9.6.1965 (BGBl. I 1185) neu gefaßt worden. Hierbei ist klargestellt worden, daß sie nur demjenigen gegenüber eingreift, der seinen registerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt. Zugleich ist die Grenze der früher so genannten Ordnungsstrafe von 300 auf 10 000 D M angehoben worden. Diese Bezeichnung ist durch Art. 125 Nr. 1 EGStGB vom 2.3.1974 (BGBl. I 469) in Zwangsgeld geändert worden. Hierdurch ist zugleich der Zweck der Regelung verdeutlicht worden. Durch die Festsetzung von Zwangsgeld soll erreicht werden, daß die registerrechtlichen Pflichten erfüllt werden. Darin liegt keine Strafe für die Nichterfüllung dieser Pflichten. Das Zwangsgeld ist deshalb als ein Beugemittel zu beurteilen. 1
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RGZ 107, 94, 97; Staub/HUffer § 13 c Rdn. 8 ff. OLG Zweibrücken NJW 1990, 3092; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 13 c Rdn. 1. LG Köln NJW 1951, 75; Groschuff JW 1937, 2425, 2429.
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OLG Stuttgart BB 1963, 1152 m. Anm. Wessel·, Schlegelberger/Hildebrandt/'Steckhan § 13 c Rdn. 10. KG] 31 A 201; 37 A 182; LG Waldshut BB 1962, 386; Staub/HUffer § 14 Rdn. 1.
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II. Umfang des Registerzwangs 1. Dem Registerzwang unterliegt nach § 14 S. 1 die Pflicht zur Anmeldung, zur 2 Zeichnung der Unterschrift und zur Einreichung von Schriftstücken zum Handelsregister. Der Kreis dieser Pflichten ergibt sich im einzelnen aus einer Vielzahl handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften. 2 Die Pflicht zur Anmeldung ist zum Teil mit der Pflicht zur Zeichnung von Unterschriften verbunden. Teilweise sind die Pflichten selbständig geregelt. Die jeweiligen Vorschriften geben auch an, welche Schriftstücke einzureichen sind. Häufig wird allerdings ausdrücklich ausgeschlossen, die Anmeldung mit Hilfe des § 14 zu erzwingen.3 Nicht notwendig ist, daß die Anmeldepflicht zweifelsfrei besteht, da dies im späteren Verfahren vor allem aufgrund der einzureichenden Unterlagen geklärt werden kann (LG Limburg B B 1963, 324). Soweit eine Eintragungsfähigkeit von Tatsachen und damit eine Anmeldepflicht ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung angenommen wird (§ 8 Rdn. 9), greift folgerichtig auch der Registerzwang ein.4 Dies gilt vor allem für die spätere Veränderung von persönlichen Angaben hinsichtlich der Gesellschafter nach § 106 Abs. 2. 5 Eintragungsfähige Tatsachen, für die keine Anmeldepflicht besteht (§ 8 Rdn. 9), unter- 3 liegen nicht dem Registerzwang. Das gleiche gilt, wenn das Registergericht irrtümlich einen anmeldepflichtigen Tatbestand annimmt. 6 Ebensowenig darf ein mittelbarer Zwang dadurch ausgeübt werden, daß eine mangelfreie Anmeldung zurückgewiesen wird, um eine als erforderlich angesehene sonstige Anmeldung herbeizuführen. Nur diese sonstige Anmeldepflicht unterliegt dem Registerzwang. 7 Das Registergericht kann einen Gewerbetreibenden nicht durch Zwangsgeld anhalten, der Industrie- und Handelskammer Auskunft über die Art und den Umfang seines Geschäftsbetriebs zu geben (BayObLGZ 1967, 385 = N J W 1968, 306). Lassen die Kommanditisten einer Publikums-KG eine Sonderprüfung durchführen, darf das Gericht den Sonderprüfer nicht durch Androhung eines Zwangsgeldes veranlassen, den Bericht einzureichen, da § 145 Abs. 4 AktG auf die K G nicht entsprechend anwendbar ist (BayObLG N J W 1986, 140). 2. Der Registerzwang richtet sich nur gegen natürliche Personen, denen die Pflicht zur 4 Anmeldung, Zeichnung oder Einreichung obliegt. Diese Personen werden durch die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften bestimmt. In der Regel ist der Inhaber des Handelsgeschäfts betroffen, bei Personengesellschaften alle bzw. die vertretungsberechtigten Gesellschafter und bei juristischen Personen die Organe in ihrer Gesamtheit. Die juristische Person als solche unterliegt also nicht dem Registerzwang, sondern nur die Mitglieder des Vertretungsorgans (KG OLGRspr. 4, 463). Dies gilt auch, wenn die juristische Person selbst anmeldepflichtig ist, etwa als Gesellschafterin einer Personengesellschaft ( S t a u b / H ü f f er § 14 Rdn. 16) oder als Abwicklerin ( K G H R R 1933 Nr. 1441). Nur so ist das Ziel des angedrohten Zwangs zu erreichen, da die juristische Person als solche nicht handlungsfähig ist. Der Zwang kann nicht gegen Bevollmächtigte wie etwa Prokuristen gerichtet werden, da die Anmeldepflicht des Inhabers hiervon unberührt bleibt. 8 Dies gilt auch bei inländischen Bevollmächtigten einer ausländischen AG (BayObLG K G J 35 A 354). Sind lediglich einzelne Personen von mehreren Anmelde-
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Vgl. § 8 Rdn. 7; § 9 Rdn. 4; § 12 Rdn. 4. § 175 S. 3 HGB; § 407 Abs. 2 AktG; § 79 Abs. 2 GmbHG; LG Stuttgart BB 1963, 1396. Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 8 Rdn. 19, § 14 Rdn. 4; Staub/Hüffer § 14 Rdn. 4.
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A.M. KGJ 29 A 213; OLG Hamburg KGJ 36 A 263. KGJ 44 A 149; OLG Dresden JW 1933, 1036. KG NJW 1965, 254; O L G Hamm BB 1977, 967. BayObLG KGJ 35 A 354; BB 1982, 1075.
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Pflichtigen säumig, darf ein Zwangsgeld nur gegen die säumigen Personen festgesetzt werden ( B a y O b L G B a y N o t Z 1978, 115). I m Falle des Konkurses trifft die Anmeldepflicht den Konkursverwalter ( B G H N J W 1981, 822), so daß sich auch der Registerzwang gegen ihn richtet {Staub/Hüffer
§ 14 R d n . 13).
III. V e r f a h r e n 5
1. D a s Verfahren über die F e s t s e t z u n g eines Zwangsgeldes nach § 14 ist in den §§ 132 - 139 F G G geregelt. Sobald das Registergericht glaubhaft Kenntnis von einem Sachverhalt erhält, der sein Einschreiten rechtfertigt, hat es dem Beteiligten unter A n d r o h u n g eines Zwangsgeldes aufzugeben, innerhalb einer bestimmten Frist seiner gesetzlichen Verpflichtung n a c h z u k o m m e n oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen (§ 132 F G G ) . Hierbei ist die H ö h e des Zwangsgeldes bereits zu bestimmen ( K G O L G R s p r . 12, 4 1 2 ) und die Pflicht genau zu bezeichnen. 9 D i e H ö h e des Zwangsgeldes steht im Ermessen des Gerichts, darf aber bei der einzelnen A n d r o h u n g und Festsetzung 10 000 D M nicht übersteigen (§ 14 S. 2). Das Registergericht ist verpflichtet, die Anmeldepflicht durchzusetzen ( B G H B B 1977, 1221) und kann hierzu von Dritten angeregt werden. 1 0 W i r d innerhalb der bestimmten Frist weder die gesetzliche Pflicht erfüllt n o c h Einspruch erhoben, so ist das angedrohte Zwangsgeld festzusetzen und zugleich die frühere Verfügung unter A n d r o h u n g eines erneuten Zwangsgeldes zu wiederholen. Dieses Verfahren ist fortzusetzen, bis die Pflicht erfüllt oder Einspruch erhoben wird (§ 133 F G G ) . Das Zwangsgeldverfahren endet auch, wenn die Voraussetzungen entfallen, etwa weil die anzumeldende Person stirbt ( B a y O b L G B B 1993, 385).
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2. Als Rechtsbehelf gegen die einleitende Verfügung ist nur der Einspruch zulässig, durch den der Beteiligte die Unterlassung rechtfertigen kann. 1 1 D i e Beschwerde gegen die Verfügung ist nach § 132 Abs. 2 F G G unzulässig. E i n fälschlich als Beschwerde bezeichneter Rechtsbehelf kann jedoch rechtlich als Einspruch behandelt werden. 1 2 Erweist sich der rechtzeitig erhobene Einspruch nicht ohne weiteres als begründet, hat das G e r i c h t den Beteiligten zur E r ö r t e r u n g der Sache zu einem Termin zu laden und kann dann auch bei Säumnis des Beteiligten nach Lage der Sache entscheiden (§ 134 F G G ) . Ist der Einspruch begründet, so ist die erlassene Verfügung aufzuheben. Anderenfalls hat das G e r i c h t den Einspruch zu verwerfen und das angedrohte Zwangsgeld festzusetzen (§ 135 F G G ) . Wird Einspruch gegen die wiederholte Verfügung des Registergerichts i.S. des § 133 F G G erhoben u n d ist dieser begründet, kann das G e r i c h t zugleich ein früher festgesetztes Zwangsgeld aufheben oder ein geringeres Zwangsgeld festsetzen (§ 136 F G G ) . G e g e n den Beschluß, durch den das Zwangsgeld festgesetzt oder der Einspruch verworfen wird, findet nach § 139 F G G die sofortige Beschwerde statt.
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3. D i e Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g richtet sich nach der J B e i t r O v o m 11.3.1937 ( R G B l . I 2 9 8 ) i.V.m. den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften. D i e Vollstreckung ist unzulässig und die Verfügung über die Festsetzung ist aufzuheben, wenn der Beteiligte die Verpflichtung erfüllt, bevor das Zwangsgeld beigetrieben ist. A u c h in diesem Fall hat das Zwangsverfahren seinen Z w e c k erfüllt. 1 3 Gleiches gilt, wenn sich die anzumeldende Tatsache erledigt (Rdn. 5). 9 K G J 4 9 A 138;BayObLGZ 1967, 458, 463. '0 Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 14 Rdn. 7; vgl. BayObLG JFG 4, 163. 11 KGJ 22 A 8; 37 A 188; KG JFG 5, 198.
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KG OLGRspr. 7, 346; s. auch OLG Braunschweig JFG 5, 198. BayObLG BB 1979, 1981; LG Waldshut BB 1962, 386.
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Zweiter Abschnitt. Handelsregister
§15 §15
(1) S o l a n g e eine in das Handelsregister e i n z u t r a g e n d e Tatsache n i c h t eingetragen u n d b e k a n n t g e m a c h t ist, k a n n sie v o n demjenigen, in dessen A n g e l e g e n h e i t e n sie einz u t r a g e n war, einem D r i t t e n nicht e n t g e g e n g e s e t z t werden, es sei d e n n , d a ß sie diesem b e k a n n t war. (2) Ist die Tatsache eingetragen u n d b e k a n n t g e m a c h t w o r d e n , so m u ß ein D r i t t e r sie g e g e n sich gelten lassen. Dies gilt nicht bei R e c h t s h a n d l u n g e n , die innerhalb v o n f ü n f z e h n Tagen n a c h der B e k a n n t m a c h u n g v o r g e n o m m e n werden, sofern der D r i t t e beweist, d a ß er die Tatsache weder k a n n t e n o c h k e n n e n m u ß t e . (3) Ist eine e i n z u t r a g e n d e Tatsache unrichtig b e k a n n t g e m a c h t , so k a n n sich ein Dritter demjenigen gegenüber, in dessen A n g e l e g e n h e i t e n die Tatsache e i n z u t r a g e n war, auf die b e k a n n t g e m a c h t e Tatsache berufen, es sei d e n n , d a ß er die U n r i c h t i g k e i t kannte. (4) Für den Geschäftsverkehr m i t einer in das Handelsregister e i n g e t r a g e n e n Z w e i g n i e d e r l a s s u n g ist i m S i n n e dieser V o r s c h r i f t e n die E i n t r a g u n g u n d B e k a n n t m a c h u n g d u r c h das Gericht der Zweigniederlassung entscheidend. S c h r i f t t u m Bär Der öffentliche Glaube des Handelsregisters, Berner Festgabe zum Schweizer Juristentag 1979, S. 131; Beuthien Fragwürdige Rechtsscheingrenzen im neuen § 15 Abs. 3 HGB, NJW 1970, 2283; ders. Sinn und Grenzen der Rechtsscheinhaftung nach § 15 Abs. 3 HGB, FS Reinhardt, 1972, S. 199; Beyerle Fragwürdige Rechtsscheinhaftung in § 15 Abs. 3 H G B n.F., BB 1971, 1482; Bürck § 15 III H G B und die Grundsätze der Haftung von fehlerhaften und entstehenden Personengesellschaften gegenüber Dritten, AcP 171 (1971), 328; Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971; Deschler Handelsregisterpublizität und Verkehrsschutz, Diss. Tübingen 1977; Dreher Schutz Dritter nach § 15 H G B bei Geschäftsunfähigkeit eines Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds? DB 1991, 533; Ehrenberg Rechtssicherheit und Verkehrssicherheit, mit besonderer Rücksicht auf das Handelsregister, JherJb. 47 (1904), 273; M. Forsthoff Rechtsprobleme des neuen § 15 HGB, Diss. Heidelberg 1972; Gammelin Rechtsscheinhaftung des Kaufmanns und Regreßansprüche gegen den Staat bei fehlerhaftem Publikationsakt der Presse, 1973; Gotthardt Vertrauensschutz und Registerpublizität, JZ 1971, 312; J. Hager Das Handelsregister, Jura 1992, 57; Hildebrandt Die Bedeutung der Eintragungen im Handelsregister für den Geschäftsverkehr, D F G 1937, 94; Hofmann Das Handelsregister und seine Publizität, JA 1980, 264; A. Hueck Gilt § 15 Abs. 1 H G B auch beim Erlöschen und bei der Änderung nicht eingetragener, aber eintragungspflichtiger Rechtsverhältnisse? AcP 118 (1920), 3 5 0 j j o h n Fiktionswirkung oder Schutz typisierten Vertrauens durch das Handelsregister, Z H R 140 (1976), 236; Keim Das sogenannte Publizitätsprinzip im deutschen Handelsrecht, 1930; Klostermann Die „Rosinentheorie" des B G H zu § 15 Abs. 1 H G B im Lichte von Sinn, Zweck und Funktionen des Handelsregisters, Diss. Münster 1986; Kreutz Die Bedeutung von Handelsregistereintragung und Handelsregisterbekanntmachung im Gesellschaftsrecht, Jura 1982, 626; Locher Zur Publizitätsfunktion des Handelsregisters, in: Beiträge zum Wirtschaftsrecht, hrsg. v. Klausing, Bd. II, 1931, S. 570; Mossier Die Rechtsscheinhaftung im Handelsrecht, Diss. Münster 1974; Nitschke Die Wirkung von Rechtsscheintatbeständen zu Lasten Geschäftsunfähiger und beschränkt Geschäftsfähiger, JuS 1968, 541; Oztürk Die PublizitätsWirkungen des Handelsregisters im deutschen, schweizerischen und türkischen Recht, Diss. Tübingen 1981; v. Olshausen Neuerungen im System der handelsrechtlichen Rechtsscheingrundsätze, BB 1970, 137; ders. Fragwürdige Rechtsscheingrenzen im neuen § 15 Abs. 3 HGB, N J W 1971,966; ders. Rechtsschein und „Rosinentheorie" oder Vom guten und vom Schlechten Tropfen, AcP 189 (1989), 223; Prausnitz Rechtsschein und Wirklichkeit im Handelsregister, Z H R 96 (1931), 10; Raisch Zur Abgrenzung von Gewohnheitsrecht und Richterrecht im Zivil- und Handelsrecht, Z H R 150 (1986), 117; Redlick Beiträge zur Bedeutung des § 15 H G B im Zivilprozeß, 1931; M. Reimcke Sein und Schein bei § 15 Abs. 1 HGB, JZ 1985, 272; Richert Vertrauensschutz öffentlicher Register, N J W 1959, 1805; Sandberger Die handelsrechtliche Register-Rechtsscheinhaftung nach der Neufassung des § 15 HGB, JA 1973, 215; Sonnenschein/Weitemeyer
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Erstes Buch. Handelsstand Scbilken Abstrakter und konkreter Vertrauensschutz im Rahmen des § 15 HGB, AcP 187 (1987), 1; K. Schmidt Sein - Schein - Handelsregister, JuS 1977, 209; ders. Ein Lehrstück zu § 15 I HGB, JuS 1991, 1002; Schneider Die Fortentwicklung des Handelsregisters zum Konzernregister, WM 1986, 181; Schwarz Publizitätswirkungen des Handelsregisters bei der Umwandlung einer Personenhandelsgesellschaft in eine BGB-Gesellschaft, DB 1989, 161; Steckhan Grenzen des öffentlichen Glaubens der Handelsregisterbekanntmachung, DNotZ 1971, 211; ders. Zu Normzweck und Rechtsfolge des neuen § 15 Abs. 3 HGB, NJW 1971, 1594; Tiedtke Die Haftung des gesamtvertretungsberechtigten Komplementärs nach seinem Ausscheiden aus der Kommanditgesellschaft, DB 1979, 245; H. Westermann Die Grundlagen des Gutglaubensschutzes, JuS 1963, 1; U. Wiese Die Scheinhandelsgesellschaft und die fehlerhafte Gesellschaft nach Neufassung des § 15 HGB, Diss. Münster 1978.
Rdn
Rdn. I. Allgemeines
1
1. Grundsatz
1. Überblick
1
2. Regelfall
16
2. Entstehung
2
3. Ausnahmefall
18
3. Zweck
3
4. Vertrauensschutz abweichend
II. Anwendungsbereich
4
vom Registerinhalt
15
21
V . Unrichtige Bekanntmachung einer
III. Nichteintragung und Nichtbekanntmachung einer einzutragenden Tatsache
einzutragenden Tatsache (Abs. 3)
22
5
1. Grundsatz
22
1. Grundsatz
5
2. Voraussetzungen
23
2. Voraussetzungen
6
3. Rechtsfolge
36
(Abs. 1)
3. Rechtsfolge
13
IV. Eintragung und Bekanntmachung
V I . Regelung für eingetragene Zweigniederlassungen (Abs. 4)
einer einzutragenden Tatsache (Abs. 2) . . .
39
15
I. Allgemeines 1. Überblick 1
Die Vorschrift regelt die Publizität des Handelsregisters als eine besondere Form des Vertrauensschutzes. In § 15 Abs. 1 wird bestimmt, daß eine eintragungspflichtige Tatsache, die nicht eingetragen und nicht bekanntgemacht ist, von dem Betroffenen einem Dritten nicht entgegengesetzt werden kann, falls sie diesem nicht bekannt war. Abs. 2 legt im Grundsatz fest, daß ein Dritter demgegenüber die Eintragung und Bekanntmachung einer Tatsache gegen sich gelten lassen muß, räumt ihm aber für eine Ubergangsfrist noch einen Schutz ein. Abs. 3 regelt die Bedeutung, die der unrichtigen Bekanntmachung einer einzutragenden Tatsache zukommt. In Abs. 4 wird klargestellt, daß für den Geschäftsverkehr mit einer in das Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung die Eintragung und Bekanntmachung durch das Gericht der Zweigniederlassung im Rahmen der Publizität entscheidend sind. 2. Entstehung
2
Die Regelung geht auf zahlreiche Vorschriften des A D H G B zurück, für die es kennzeichnend war, Verpflichtungen des Betroffenen auszuschließen oder eine Beweislastregelung zu treffen. Das H G B faßte die Einzelregelungen mit § 15 in einer einheitlichen Norm zusammen, gab die Beschränkung auf den Ausschluß von Verpflichtungen auf und ersetzte die ausdrücklichen Beweisregeln durch eine materiell-
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rechtliche Fassung nach dem R e g e l - A u s n a h m e - P r i n z i p . 1 D u r c h Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur D u r c h f ü h r u n g der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts v o m 15.8.1969 ( B G B l . I 1146) sind A b s . 2 neu gefaßt, der heutige Abs. 3 eingefügt und der bisherige Abs. 3 zu A b s . 4 geworden. Hierbei ist der deutsche Gesetzgeber über die Vorgaben der sog. Publizitätsrichtlinie des Rates vom 9.3.1968 ( 6 8 / 1 5 1 / E W G - A B l . E G Nr. L 6 5 / 8 v o m 14.3.1968) weit hinausgegangen, da er sich nicht auf die Publizität für A G , K G a A und G m b H beschränkt, sondern eine für alle Kaufleute geltende Regelung getroffen hat. 2 3. Z w e c k D i e Vorschrift b e z w e c k t mit ihren einzelnen Bestimmungen in unterschiedlicher Weise 3 einen Schutz des Vertrauens auf das Handelsregister. In Abs. 1 wird das Vertrauen Dritter in das Schweigen des Registers geschützt. M i t dieser sog. negativen Publizität ist ein Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs gemeint, der durch das Fehlen der vorgeschriebenen Eintragung und B e k a n n t m a c h u n g bedingt ist ( S t a u b / H i i f f e r § 15 R d n . 10). In Abs. 2 wird an sich nur die selbstverständliche Rechtsfolge ausgesprochen, daß ein Dritter eine eingetragene und bekanntgemachte Tatsache gegen sich gelten lassen m u ß . G l e i c h w o h l führt auch diese Vorschrift zu einem zeitlich beschränkten Vertrauensschutz gegenüber der richtigen Eintragung und B e k a n n t m a c h u n g . 3 Vertrauensschutz in F o r m einer sog. positiven Publizität ergibt sich aus A b s . 3, weil der Rechtsverkehr hiernach insoweit geschützt ist, als eine einzutragende Tatsache unrichtig bekanntgemacht ist. D u r c h den weiten Wortlaut sollen über die Publizitätsrichtlinie ( R d n . 2) hinaus auch die Fälle erfaßt werden, in denen nicht nur die B e k a n n t m a c h u n g , sondern auch die Eintragung unrichtig ist oder ganz fehlt (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . V / 3 8 6 2 , S. 11).
II. Anwendungsbereich Ein Vertrauensschutz nach § 15 greift in solchen Fällen ein, in denen typischerweise darauf vertraut werden kann, daß eine bestimmte Tatsache vorhanden ist oder nicht (K. Schmidt § 14 II 3). D i e Vorschrift ist deshalb anwendbar, wenn die Möglichkeit besteht, daß der D r i t t e sich in seinem Verhalten von der Kenntnis bestimmter Tatsachen leiten läßt. Dies ist aber nur beim geschäftlichen Verkehr mit einem Kaufmann der Fall. Z u m Geschäftsverkehr zählt nicht nur das gesamte rechtsgeschäftliche Handeln, insbesondere der A b s c h l u ß von Verträgen, sondern auch der sog. P r o z e ß v e r k e h r mit Prozeßhandlungen (RGZ 127, 98), Vollstreckungsmaßnahmen (BGH NJW 1 9 7 9 , 4 2 ) und die Geltendmachung einer Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen eine Unterlassungsverpflichtung ( O L G Stuttgart W R P 1987, 200). Daraus folgt j e d o c h nicht, daß § 15 auf rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten beschränkt ist und der gesamte U n r e c h t s v e r k e h r mit deliktischen Ansprüchen ausgeschlossen ist. D i e Vorschrift ist auch auf deliktische Ansprüche, Bereicherungsansprüche und Ansprüche aus culpa in contrahendo anwendbar, wenn sie im Zusammenhang mit rechtsgeschäftlichem Handeln entstanden sind und damit der Geschäftsverkehr einen Anlaß für den Vertrauensschutz bietet. 4 Besteht ein solcher B e z u g n i c h t , wie n o r m a l e r w e i s e etwa bei d e l i k t i s c h e n A n s p r ü c h e n aus e i n e m 1
2
Vgl. im einzelnen Staub/Hiiffer § 15 Rdn. 2, 3; Denkschrift zum RJA-E I, bei Schubert/ Schmiedel/Krampe Bd. II 1, S. 23. Vgl. im einzelnen Begr. z. RegE, BT-Drucks. V/3862, S. 10; Staub/Hüffer § 15 Rdn. 4, 5.
3
4
K. Schmidt § 14 I I ; anders Staub/Hüffer § 15 Rdn. 10. O L G Stuttgart WRP 1987, 200; Baumbach/ Duden/Hopt § 15 Anm. 2 E; Staub/Hüffer § 15 Rdn. 13.
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Verkehrsunfall, ist § 15 unanwendbar (RGZ 93,238). Anders kann es wiederum sein, wenn es sich um deliktische Ansprüche des mitfahrenden Geschäftsgegners des Kaufmanns handelt. Die Vorschrift ist ferner nicht auf Steuerschulden anzuwenden, da diese Verbindlichkeiten kraft Gesetzes entstehen und ein Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Handelsregisters und der Entstehung der Steuerschuld ausgeschlossen ist (BFH BB 1978, 1051).
III. Nichteintragung und Nichtbekanntmachung einer einzutragenden Tatsache (Abs. 1) 1. Grundsatz 5
Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie nach § 15 Abs. 1 von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daß sie diesem bekannt war. Nach diesem Grundsatz der negativen Publizität ist für den Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs nicht entscheidend, ob der Registerinhalt eine Tatsache in unrichtiger Weise offenbart, sondern ob eine Tatsache fälschlich verschwiegen wird. Kennzeichnend für diese Vorschrift ist damit der Schutz Dritter gegenüber den Folgen nicht eingetragener und nicht bekanntgemachter richtiger Tatsachen. Es geht nicht um die Wirkung von vornherein unrichtiger Eintragungen. 5 Als Beispiele sind das Erlöschen einer Prokura, die Entziehung der Vertretungsmacht oder das Ausscheiden eines Gesellschafters und die Entlassung eines Vorstandsmitglieds zu nennen. Die Pflicht zur Eintragung der Beendigung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags ergibt sich aus § 298 AktG. Für den Gläubigerschutz stellt § 303 Abs. 1 AktG auf die Eintragung der Beendigung des Vertrags ab. Hierbei handelt es sich um eine Spezialvorschrift zu § 15 Abs. 1, der daneben nicht mehr anwendbar ist, so daß den Gläubigern positive Kenntnis nicht schadet ( B G H Z 116, 37, 44 = NJW 1992, 505, 506). 2. Voraussetzungen
6
a) Es muß sich um eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache handeln. Eine Tatsache in diesem Sinne ist ein wirkliches Geschehen im Handelsverkehr. Damit sind nicht nur tatsächliche Sachumstände gemeint, sondern auch Rechtsverhältnisse, die sich aus der rechtlichen Beurteilung tatsächlicher Vorgänge ergeben (§ 8 Rdn. 6). Ob eine Tatsache einzutragen ist, ergibt sich im Einzelfall aus den gesetzlichen Bestimmungen des Handels- und Gesellschaftsrechts. Der Begriff ist mit der eintragungspflichtigen Tatsache identisch.6 So muß sich eine G m b H nach § 15 Abs. 1 an der Vertretungsmacht ihres geschäftsunfähig gewordenen Geschäftsführers trotz § 6 Abs. 2 S. 1 G m b H G festhalten lassen, wenn sie die Anmeldung versäumt hat. Gleichwohl überwindet § 15 Abs. 1 nicht die Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsführers, weil dies keine einzutragende Tatsache ist.7 Vgl. hierzu R G Z 125, 228; korrigiert durch R G Z 142, 98, 105. 6 § 8 Rdn. 7, 9; vgl. B G H Z 55, 267, 272 = N J W 1971, 1268, 1270; B A G N J W 1988, 222 m. abl. Anm. Schwarz D B 1989, 161; B a y O b L G BB 1980, 597; O L G Karlsruhe GmbH-Rdsch. 1964, 78; s. aber B G H Z 87, 59, 62 = N J W 1983, 1676, 1677 - Gestattung des Selbstkontrahierens. 5
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7
B G H Z 115, 78,81 = N J W 1991,2566, 2567 = J Z 1992, 152 m. Anm. Lutter/Gehling; K. Schmidt JuS 1991, 1002, 1004; a.M. O L G München J Z 1990, 1029 m. abl. Anm. Roth und Anm. Dreher D B 1991, 533.
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In diesem Fall k o m m t aber eine H a f t u n g nach allgemeinen Rechtsscheinsgrundsätzen in Betracht. 8 Ausgeschlossen sind hingegen solche Tatsachen, die o h n e Anmeldepflicht eintragungsfähig sind, z.B. nach den §§ 2 5 Abs. 2, 2 8 Abs. 2. U n e r h e b l i c h ist, o b die Eintragung rechtsbekundend oder rechtsbegründend w i r k t (§ 8 R d n . 26 f, 2 8 ff). I m letzteren Fall beschränkt sich die Bedeutung des § 15 Abs. 1 allerdings auf die Fälle, in denen eingetragen und nur noch nicht bekanntgemacht worden ist ( S t a u b / H ü f f e r § 15 R d n . 18), weil sich bei konstitutiver Wirkung der Eintragung auch die tatsächliche Rechtslage erst mit der Eintragung ändert ( B G H N J W - R R 1987, 1318, 1319). b ) D i e Tatsache m u ß in A n g e l e g e n h e i t e n desjenigen einzutragen sein, der sich darauf beruft, d.h. zu dessen G u n s t e n die Eintragung wirken würde. Diese W i r k u n g kann etwa in der Entlastung von einer H a f t u n g bestehen, wenn das E r l ö s c h e n einer Vertretungsmacht oder das Ausscheiden aus einer Gesellschaft einzutragen war. 9 G e m e i n t sind also der Einzelkaufmann, die juristische Person oder die Personenhandelsgesellschaft nebst ihren Gesellschaftern. A u c h ein Gesamtrechtsnachfolger kann betroffen sein. 1 0
7
c) D i e Tatsache darf n i c h t e i n g e t r a g e n u n d n i c h t b e k a n n t g e m a c h t sein. Beide Merkmale müssen nach dem Wortlaut der Vorschrift kumulativ erfüllt sein. D a der Rechtsverkehr jedoch nicht die Eintragung als solche, sondern nur deren B e k a n n t m a c h u n g zu kennen braucht, reicht es nach dem Z w e c k des § 15 Abs. 1 aus, wenn die Eintragung erfolgt u n d nur die B e k a n n t m a c h u n g u n t e r b l i e b e n ist. 1 1 U m g e k e h r t entfällt ein Vertrauensschutz, wenn eine rechtsbekundende Eintragung zwar nicht v o r g e n o m m e n , aber durch das Registergericht in der vorgeschriebenen Weise bekanntgemacht worden ist. D i e Vorschrift schützt nur das Vertrauen in das Schweigen des Handelsregisters. U n e r h e b l i c h ist, o b der Betroffene dieses Schweigen verursacht oder verschuldet hat {Staub/Hüffer § 15 R d n . 21). Das gilt auch, wenn die Eintragung und B e k a n n t m a c h u n g durch U m s t ä n d e verzögert werden, auf die der Kaufmann keinen Einfluß hat, wie eine verzögerliche Bearbeitung durch das Registergericht (offengelassen von O L G Stuttgart W R P 1 9 8 7 , 2 0 0 , 2 0 3 ) . D a g e g e n kann sich der K a u f m a n n s c h ü t z e n , i n d e m er seine Geschäftspartner von der Änderung der Rechtslage in Kenntnis setzt (Capelle/Canaris § 5 1 2 g).
8
Streitig ist, o b der Vertrauensschutz eingreift, w e n n eine V o r e i n t r a g u n g fehlt, mit der die nunmehr einzutragende Tatsache in Zusammenhang steht. Das P r o b l e m kann etwa auftauchen, wenn das Ausscheiden aus einer Gesellschaft einzutragen ist, aber die Gesellschaftereigenschaft bisher noch nicht eingetragen war, oder wenn eine nicht eingetragene P r o k u r a erloschen ist. D i e h . M . hält die Voreintragung für entbehrlich, da der Wortlaut dies nicht vorschreibe und der Vertrauensschutz unabhängig von den positiven Eintragungen im Handelsregister sei. 1 2 D i e Mindermeinung kann weder den Wortlaut noch den Z w e c k der Vorschrift für sich in Anspruch nehmen. Wenn das Erfordernis einer Voreintragung vom G e s e t z nicht vorgeschrieben wird, ist davon auszugehen, daß eine sol-
9
BGHZ 115, 78, 81 ff = NJW Roth JZ 1990, 1030 f. 9 BGHZ 65, 309 = NJW 1976, BB 1977, 413. 10 BGHZ 55, 267 = NJW 1971, 1976, 848. 11 Baumbach/Duden/Hopt § Capelle/Canaris § 5 I 2 b. 8
1991, 2566, 2567; 569; LG Stuttgart 1268; BGH NJW 15 Anm. 2
A;
12
ROHG 23, 227; RGZ 15, 33, 35; 127, 98, 99; BGH MDR 1965, 892; BGHZ 116, 37, 44 f = NJW 1992, 505, 506; OLG Frankfurt/M. OLGZ 1973, 20; OLG Stuttgart NJW 1973, 806; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 15 Rdn. 11; a.M. A. Hueck AcP 118 (1920), 350; Canaris S. 152; Staub/Hüffer § 15 Rdn. 20.
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che Voraussetzung nicht besteht. Ebensowenig steht die Mindermeinung mit dem Zweck in Einklang, daß das Vertrauen des Rechtsverkehrs nicht kausal durch etwaige positive Eintragungen im Handelsregister veranlaßt sein muß, sondern daß der Vertrauensschutz allein bei Fehlen einer Eintragung eingreifen soll und gerade im Schweigen des Handelsregisters seine Rechtfertigung findet (anders Staub/Hüffer § 15 Rdn. 20). In den Fällen, in denen die nicht eingetragene voreintragungspflichtige Tatsache nicht nach außen gedrungen ist, was der Kaufmann beweisen müßte, etwa bei kurz hintereinander folgender Erteilung einer Prokura und ihrem Widerruf, ist § 15 Abs. 1 aufgrund teleologischer Reduktion nicht anwendbar.13 Ist ein Kommanditist schon vor Eintragung der KG in das Handelsregister wieder aus der Gesellschaft ausgeschieden, wird durch die Eintragung der KG kein Rechtsscheintatbestand hinsichtlich des ausgeschiedenen Gesellschafters begründet, der eine Eintragung und Löschung notwendig machen würde (OLG Oldenburg BB 1987, 1622). 10
d) Die Vorschrift setzt Gutgläubigkeit des Dritten voraus. Der Dritte ist nicht gutgläubig, wenn ihm die nicht eingetragene und nicht bekanntgemachte Tatsache bekannt war. Seine Gutgläubigkeit beruht auf einer widerlegbaren Vermutung. Der Betroffene hat zu beweisen, daß der Dritte die Tatsache kannte. Dies ergibt sich aus der Formulierung des Gesetzes. Es handelt sich deshalb nicht um die Fiktion, die im Handelsregister offengelegten Tatsachen seien richtig (so SchlegelbergerfHildebrandt/Steckhan § 15 Rdn. 7). Eine Fiktion würde keinen Gegenbeweis zulassen (John ZHR 140 [1976], 236, 240 f). Schädlich ist nur positive Kenntnis (RGZ 70, 272). Kennenmüssen reicht nicht aus. Ebensowenig ist die Kenntnis von Umständen, die eine Tatsache zur Folge haben können, mit der Kenntnis der Tatsache selbst gleichzusetzen, so etwa der Tod eines Gesellschafters mit der Auflösung der Gesellschaft (RGZ 144, 199, 204). Die Kenntnis eines Vertreters ist dem Betroffenen nach Maßgabe des § 166 BGB zuzurechnen. 14 Es kommt nicht darauf an, ob der gute Glaube durch das Fehlen der Eintragung und Bekanntmachung verursacht worden ist. Der Dritte braucht deshalb das Handelsregister nicht eingesehen zu haben (BGHZ 65, 309, 311 = NJW 1976, 569).
11
Als Dritter kommt jede Person in Betracht, die von der einzutragenden Tatsache nicht selbst als Kaufmann betroffen wird und auch nicht Gesellschafter oder Organmitglied einer betroffenen Gesellschaft ist. Gesellschafter sind nur dann als Dritte einzuordnen, wenn sie der Gesellschaft im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie Dritte gegenüberstehen (Staub/Hüffer § 15 Rdn. 31).
12
e) Maßgebender Zeitpunkt für die Nichteintragung und Nichtbekanntmachung und damit für den Vertrauensschutz ist der Zeitpunkt des Vorgangs, aus dem der Dritte Rechte herleitet, also z.B. der Abschluß eines Vertrags oder die gesetzliche Entstehung eines Rechts. Es kommt nicht auf den späteren Zeitpunkt an, in dem die Tatsache dem Dritten entgegengesetzt wird (Baumbach/Duden/Ήopt § 15 Anm. 2 G).
13
Baumbach/Duden/Hopt % 15 Anm. 2 H; Capelle!Canaris § 5 I 2 c;/. Hager Jura 1992, 57, 60; K. Schmidt § 14 II 2 b; ähnl.John ZHR 140
14
OLG Frankfurt/M. DB 1976, 93; OLG Hamburg MDR 1972, 238; s. auch LG Stuttgart BB 1977,413.
(1976), 236, 241 ff.
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3. Rechtsfolge Als Rechtsfolge schreibt § 15 Abs. 1 vor, daß die Tatsache v o n d e m B e t r o f f e n e n einem D r i t t e n nicht entgegengesetzt w e r d e n k a n n . D i e Rechtslage w i r d so beurteilt, als w e n n die Tatsache nicht eingetreten sei. Diese Beurteilung greift n u r z u g u n s t e n des D r i t t e n ein, nicht auch z u g u n s t e n des B e t r o f f e n e n {Scblegelberger/Hildebrandt/Steckban § 15 R d n . 9). D e r D r i t t e k a n n sich allerdings auch auf den E i n t r i t t d e r nicht eingetragenen Tatsache b e r u f e n , also auf die wirklich bestehende materielle Rechtslage, w e n n dies f ü r ihn günstiger ist. 15 D a d e r Registerinhalt mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen A n o r d n u n g nicht in seiner G e s a m t h e i t zu w ü r d i g e n ist, kann sich d e r D r i t t e etwa hinsichtlich d e r einzelnen T a t b e s t a n d s m e r k m a l e eines h a f t u n g s b e g r ü n d e n d e n Tatbestandes auch teilweise auf die materielle Rechtslage u n d teilweise auf d e n Registerinhalt berufen. 1 6 D e m w i r d im S c h r i f t t u m entgegengehalten, es handele sich u m eine „ R o s i n e n t h e o r i e " , die es d e m D r i t t e n gestatte, die jeweils f ü r ihn günstige Rechtsfolge auszusuchen. 1 7 A u s z u g e h e n ist v o n d e m G r u n d s a t z , d a ß sich ein D r i t t e r nach § 15 Abs. 1 u n d 2 nicht entgegenhalten lassen m u ß , nicht eingetragene Tatsachen seien auch nicht eingetreten. E r k a n n sich vielmehr z u seinen G u n s t e n i m m e r auf die w a h r e Rechtslage b e r u f e n (Rdn. 13,15). D e s h a l b ist nicht d e r gesamte Registerinhalt b i n d e n d . So ist es möglich, d a ß innerhalb einer A n s p r u c h s grundlage eine f ü r d e n D r i t t e n u n g ü n s t i g e Tatsache, z.B. die G e s a m t v e r t r e t u n g s b e f u g n i s zweier Gesellschafter ( B G H Z 65, 309 = N J W 1976, 569) aus einem a n d e r e n G r u n d entfallen ist als d e m , d e n er ebenfalls als u n g ü n s t i g nach § 15 Abs. 1 a b w e h r t , z.B. das Ausscheiden eines d e r beiden Gesellschafter, so d a ß inzwischen A l l e i n v e r t r e t u n g s m a c h t eingetreten ist. D e s h a l b ist der D r i t t e in seinem Vertrauen auf das i h m günstige Schweigen des Handelsregisters nach § 15 Abs. 1 geschützt u n d m u ß sich nicht auch die i h m u n g ü n stige Rechtsfolge entgegenhalten lassen, die sich aus d e m Schweigen hinsichtlich einer anderen Tatsache ergibt. 1 8
13
U m s t r i t t e n ist, o b die Rechtsfolgen des § 15 A b s . 1 auch nicht voll geschäftsfähige P e r s o n e n treffen. Dies w i r d v o n der h.M. bejaht 1 9 , aber v o n einer M i n d e r m e i n u n g u n t e r H i n w e i s auf d e n vorrangigen Schutz d e r §§ 104 ff B G B abgelehnt. 2 0 D i e Streitfrage f ü h r t z u d e r grundsätzlichen E i n o r d n u n g des § 15 Abs. 1. D a dieser Vorschrift das reine Rechtsscheinsprinzip, nicht aber das Veranlassungsprinzip z u g r u n d e liegt, k a n n sie zu Lasten nicht voll geschäftsfähiger P e r s o n e n eingreifen. A u c h in anderen Bereichen des Rechts w e r d e n diese P e r s o n e n v o n einer im G r u n d e gesetzlich e i n t r e t e n d e n H a f t u n g nicht völlig freigestellt.
14
•s BGHZ 55, 267, 273 = NJW 1971, 1268, 1270; BGHZ 65, 309, 310 = NJW 1976, 569; BGH NJW-RR 1987, 1318, 1319; 1990, 737, 738. 16 BGHZ 65, 309, 310 = NJW 1976, 569; Baumbacb/Duden/Hopt § 15 Anm. 2 C; Kreutz Jura 1982, 626, 637; K. Schmidt § 14 II 4 b; ders. JuS 1991,1002,1004; Staub/HUffer § 15 Rdn. 27. 17 Capelle/Canaris § 5 I 3 c; John ZHR 140 (1976), 236,254; Tiedtke DB 1979,245; diff. M. Reinicke JZ 1985, 272; weitere Nachw. bei v. Olshausen AcP 189 (1989), 223, 224 Fn. 5. 18 v. Olshausen AcP 189 (1989), 223, 240 f;/. Hager Jura 1992, 57, 63.
19
BGHZ 115, 78, 80 = NJW 1991, 2566, 2567 m.w.N.; Baumbacb/Duden/Hopt § 15 Anm. 2 C; Capelle!Canaris § 5 I 2 g; v. Gierke!Sandrock § 11 III 2 b; Kreutz Jura 1982, 626, 636; Nitschke JuS 1968, 541; Κ. Schmidt § 14 II 2 c; ders. JuS 1977, 209, 214; ders. JuS 1991, 1002, 1003; Staub!Hüffer § 15 Rdn. 22; H. Westermann JuS 1963, 1,7. 20 Canaris S. 166, 452; Dreher DB 1991, 533, 534; Hofmann JA 1980, 264, 270.
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IV. Eintragung und Bekanntmachung einer einzutragenden Tatsache (Abs. 2) 1. G r u n d s a t z 15
D i e Regelung des § 15 Abs. 2 betrifft die richtige Eintragung und B e k a n n t m a c h u n g einer einzutragenden Tatsache. Ein Dritter m u ß diese Tatsache gegen sich gelten lassen. D a m i t spricht das G e s e t z im G r u n d e eine Selbstverständlichkeit aus. Es räumt dem Dritten jedoch für eine Übergangszeit n o c h einen Vertrauensschutz hinsichtlich der v o r der Eintragung und B e k a n n t m a c h u n g bestehenden Rechtslage ein. 2. Regelfall
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a) In § 15 Abs. 2 S. 1 wird tatbestandlich vorausgesetzt, daß die Tatsache eingetragen und bekanntgemacht worden ist. E s muß sich u m eine einzutragende Tatsache handeln (§ 8 R d n . 7, 9), wie sich aus dem Zusammenhang mit Abs. 1 ergibt (Rdn. 6). E i n tragungsfähige Tatsachen o h n e Anmeldepflicht (§ 8 R d n . 8) scheiden deshalb aus. Eintragung und B e k a n n t m a c h u n g müssen in dem Zeitpunkt des Vorgangs vorliegen, aus dem der D r i t t e ( R d n . 11) R e c h t e herzuleiten sucht. Es k o m m t darauf an, daß in diesem Zeitpunkt beide M e r k m a l e bereits erfüllt sind ( R G Z 102, 197, 199).
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b) Als Rechtsfolge wird bestimmt, daß ein D r i t t e r die Tatsache gegen sich gelten lassen muß. F ü r den Regelfall des § 15 Abs. 2 S. 1 k o m m t es nicht darauf an, o b der D r i t t e die Tatsache gekannt hat. E b e n s o w e n i g ist eine Kausalität zwischen Kenntnis und Handeln des D r i t t e n e r f o r d e r l i c h {Staub/Hiiffer § 15 R d n . 3 5 ) . U n a b h ä n g i g v o n diesen Gesichtspunkten muß ein D r i t t e r deshalb z.B. das Erlöschen einer P r o k u r a oder das Ausscheiden eines Gesellschafters gegen sich gelten lassen. 3. A u s n a h m e f a l l
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a) D i e Regelung des § 15 A b s . 2 S. 2 knüpft an den Tatbestand des S. 1 an und macht eine Ausnahme von der Wirkung einer eingetragenen und bekanntgemachten Tatsache gegenüber D r i t t e n bei Rechtshandlungen, die innerhalb von fünfzehn Tagen nach der B e k a n n t m a c h u n g v o r g e n o m m e n werden. Als Rechtshandlungen k o m m e n etwa der A b s c h l u ß von Verträgen, die V o r n a h m e einseitiger Rechtsgeschäfte oder rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen und die Erfüllung von Verbindlichkeiten in Betracht. D i e Frist beginnt nach M a ß g a b e des § 10 Abs. 2 mit dem Ablauf des Tages, an dem das letzte der die B e k a n n t m a c h u n g enthaltenden Blätter erschienen ist.
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D e r D r i t t e muß beweisen, daß er die Tatsache weder kannte noch kennen mußte. I h m schadet nicht nur positive Kenntnis, sondern auch fahrlässige U n k e n n t n i s (vgl. § 122 Abs. 2 B G B ) . E r muß bei U n k e n n t n i s deshalb auch Tatsachen darlegen und beweisen, die den Vorwurf der Fahrlässigkeit beseitigen. D e r Haftungsmaßstab ergibt sich aus § 2 7 6 A b s . 1 S. 2 B G B . F ü r Kaufleute ist § 3 4 7 H G B maßgebend. Ein ordentlicher Kaufmann handelt grundsätzlich fahrlässig, w e n n er sich ü b e r o r d n u n g s g e m ä ß bekanntgemachte E i n t r a g u n g e n im H a n d e l s r e g i s t e r nicht u n t e r r i c h t e t . 2 1 I h n trifft eine allgemeine Informationspflicht hinsichtlich der Verhältnisse aller anderen Kaufleute. Diese weitge-
21
BGH NJW 1972, 1418, 1419; BB 1976, 1479, 1480; diff. Capelle!Canaris § 5 II Nr. 1 b; J. Hager Jura 1992, 57, 63.
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hende Informationspflicht wird im allgemeinen auch Nichtkaufleuten auferlegt. 22 Mehr als die ordnungsgemäße Eintragung und Bekanntmachung kann von den Betroffenen nicht erwartet werden, um den guten Glauben Dritter zu beseitigen. In Anbetracht dieser Informationspflicht bleiben im Grunde nur wenige Fälle, in denen dem Dritten der Gegenbeweis seiner unverschuldeten Unkenntnis der Tatsache gelingen kann, so etwa bei verspäteter Auslieferung des zentralen und des örtlichen Bekanntmachungsblattes gerade am Wohnsitz des Dritten, insbesondere im Ausland. b) Als Rechtsfolge ergibt sich für den Ausnahmefall des § 15 Abs. 2 S. 2, daß der Dritte 2 0 die Tatsache trotz ihrer Eintragung und Bekanntmachung nicht gegen sich gelten zu lassen braucht. Er kann sich auf die Rechtslage berufen, wie sie ohne die eingetragene Tatsache bestanden hat, also z.B. auf den Fortbestand einer gelöschten Prokura oder die Haftung eines bereits ausgeschiedenen Gesellschafters. Die Rechtsfolge tritt auch zu Lasten einer nicht voll geschäftsfähigen Person ein. 4. Vertrauensschutz abweichend vom Registerinhalt Problematisch ist, ob ein Vertrauensschutz auch abweichend vom Registerinhalt trotz 21 richtiger Eintragung und Bekanntmachung über die Regelung des § 15 Abs. 2 hinaus geboten ist. In Rechtsprechung und Schrifttum ist weitgehend anerkannt, daß ein spezieller Vertrauenstatbestand gegenüber der Verlautbarung des Handelsregisters vorrangig sein kann. 23 Hierbei geht es in erster Linie um Fälle, in denen eine beschränkte Haftung zwar vom Handelsregister verlautbart wird, der Betroffene aber im Rechtsverkehr den Eindruck einer unbeschränkten Haftung erweckt. Wird dieser Rechtsschein zurechenbar veranlaßt, kann dies eine über den Registerinhalt hinausgehende Haftung zur Folge haben, wenn die spätere Berufung auf die beschränkte Haftung als rechtsmißbräuchlich zu beurteilen ist.24 Dies ist auch dann anzunehmen, wenn während einer festen Geschäftsbeziehung einer der Beteiligten seine Haftung beschränkt, ohne den Geschäftspartner auf die veränderten Verhältnisse hinzuweisen. 25
V. Unrichtige Bekanntmachung einer einzutragenden Tatsache (Abs. 3) 1. Grundsatz Ist eine einzutragende Tatsache unrichtig bekanntgemacht, kann sich ein Dritter nach 2 2 § 1 5 Abs. 3 demjenigen gegenüber, in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war, auf die Bekanntmachung berufen, wenn er deren Unrichtigkeit nicht kannte. Hierdurch werden Dritte im Sinne einer positiven Publizität in ihrem Vertrauen vor der Unrichtigkeit des Registers und seiner Bekanntmachungen geschützt. Vor Einfügung der
22
v. Gierke/Sandrock §11 III 2 a; Gotthardt JZ 1971, 312, 315; Schlegelberger/Hildebrandt/ Steckhan § 15 Rdn. 17 b; einschr. Capelle/ Canaris § 5 II Nr. 1 b; Staub/Hüffer § 15 Rdn. 37. 23 BGHZ 62, 216, 223 = NJW 1974, 1191, 1192; Capelle!Canaris § 5 II 2 b; / . Hager Jura 1992, 57, 64; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 15 Rdn. 17 c; Staub/Hüffer § 15 Rdn. 39; Stimpel ZGR 1973, 73, 89 ff.
BGHZ 71, 354,357 = NJW 1978,2030; BGH BB 1976, 1479; 1978, 1025; 1979, 1060; 1981, 1481; mit anderer Begr. Capelle/Canaris § 5 II 2 b. 25 BGH NJW 1972, 1418 m. Anm. K. Schmidt GmbH-Rdsch. 1972, 237; O L G Düsseldorf BB 1992, 2173, 2174; O L G Frankfurt/M. MDR 1984, 942; OLG Köln GmbH-Rdsch. 1979, 254; Capelle/Canaris § 5 II 2 b.
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Regelung beruhte dieser Vertrauensschutz auf gewohnheitsrechtlichen Ergänzungssätzen. 26 Bis dahin war allgemein anerkannt, daß sich ein gutgläubiger Dritter auf eine unrichtig eingetragene oder bekanntgemachte Tatsache berufen konnte, wenn derjenige, in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war, die unrichtige Offenlegung veranlaßt oder deren Berichtigung schuldhaft unterlassen hatte. Ziel der Gesetzesänderung (Rdn. 2) war es, das Vertrauen Dritter unabhängig davon zu schützen, ob die Unrichtigkeit von dem betreffenden Kaufmann veranlaßt worden ist und ob er die Berichtigung schuldhaft unterlassen hat (Begr. z. RegE, BT-Drucks. V/3862, S. 10). 2. Voraussetzungen 23
a) Die Vorschrift erfaßt nur eine einzutragende Tatsache. Hierunter werden nach anfänglichem Meinungsstreit ( H e y m a n n / K ö t t e r H G B , 21. Aufl. 1971, § 15 Anm. 8) nur eintragungspflichtige Tatsachen verstanden (§ 8 Rdn. 7, 9). Der Begriff der einzutragenden Tatsache wird somit für den gesamten Bereich des § 15 einheitlich ausgelegt. Da unrichtige Tatsachen niemals eintragungspflichtig sind, genügt bei § 15 Abs. 3 eine Tatsache, die eintragungspflichtig wäre, wenn sie richtig wäre. Auszuscheiden sind eintragungsfähige Tatsachen ohne Anmeldepflicht (§ 8 Rdn. 8). Insoweit regelt das Gesetz jeweils gesondert die Wirkungen einer Eintragung. Ebensowenig gilt § 15 Abs. 3 für nicht eintragungsfähige Tatsachen (§ 8 Rdn. 11), da auf ihnen kein registerrechtlicher Vertrauensschutz beruhen kann.
24
b) Die einzutragende Tatsache muß unrichtig bekanntgemacht sein. In der unrichtigen Bekanntmachung liegt die Grundlage für den Vertrauensschutz aus § 15 Abs. 3. Unrichtig ist im allgemeinen jede Bekanntmachung, die mit der wirklichen Sach- und Rechtslage nicht in Einklang steht. Hiervon ist auch dann auszugehen, wenn die Bekanntmachung nur in einem von mehreren Veröffentlichungsblättern unrichtig ist, da dem Rechtsverkehr nicht zuzumuten ist, sämtliche Blätter einzusehen und zu vergleichen. O b das Gericht oder das Veröffentlichungsorgan den Fehler verursacht hat, ist unerheblich. Im einzelnen ist eine Reihe von Fallgestaltungen möglich. aa) Der typische Fall besteht darin, daß eine richtige Eintragung unrichtig bekanntg e m a c h t wird. O b w o h l die Eintragung richtig ist und durch Einsicht in das Handelsregister zur Kenntnis genommen werden könnte, rechtfertigt die unrichtige Bekanntmachung einen besonderen Vertrauensschutz. Dies war das primäre Ziel der Neuregelung (Begr. z. RegE, BT-Drucks. V/3862, S. 10).
25
bb) Normalerweise hat eine bereits unrichtige Eintragung eine entsprechend unrichtige Bekanntmachung zur Folge. Diese Fallgestaltung wurde von der Vorgabe der Publizitätsrichtlinie (Rdn. 2), die sich auf eine richtige Eintragung beschränkte, nicht erfaßt. Der deutsche Gesetzgeber wollte jedoch bewußt darüber hinausgehen und die in der Praxis bedeutsameren Fälle mit einbeziehen, in denen bereits die Eintragung unrichtig ist, weil etwa die zugrunde liegende Rechtshandlung, die im Handelsregister verlautbart werden soll, materiell unwirksam ist (Begr. z. RegE, BT-Drucks. V/3862, S. 11). Diesem Zweck des Gesetzes entsprechend wendet die h.M. die Vorschrift auch bei unrichtiger Eintragung und Bekanntmachung an. 27 Dies ist richtig, weil der Dritte gegenüber dem
Capelle/Canaris § 5 III 1 b; v. Gierke/Sandrock § 11 III 4; Staub/Hüffer § 15 Rdn. 41. 27 Baumbach/Duden/Hopt § 15 Anm. 4 C a; v. Gierke/Sandrock § 11 III 3 b; v. Olshausen NJW 26
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1971, 966; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 15 Rdn. 21; K. Schmidt § 14 III 2 c; Staub/ Hüffer § 15 Rdn. 50.
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Grundfall (Rdn. 25) besonders schutzbedürftig ist, da er seine bei unrichtiger Bekanntmachung falschen Vorstellungen nicht einmal durch Einsicht in das Handelsregister ausräumen kann. Eine Ansicht hält die Regelung für eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift und will die einzutragende Tatsache als eine richtig eingetragene Tatsache auslegen, so daß sich der Anwendungsbereich auf Bekanntmachungsfehler beschränkt (Beuthien N J W 1970, 2283). Diese enge Auslegung läßt sich weder auf den Wortlaut noch auf den Gesetzeszweck stützen, da der Begriff der Unrichtigkeit weiter ist als der eines bloßen Bekanntmachungsfehlers. cc) Die gleiche Problematik tritt auf, wenn eine Eintragung fehlt und die 2 7 Bekanntmachung unrichtig ist, weil die bekanntgemachte Tatsache in Wirklichkeit nicht oder anders besteht. Auch dieser Fall wird von Wortlaut und Zweck der Vorschrift erfaßt.28 dd) Ebenso greift die Vorschrift ein, wenn Eintragung und Bekanntmachung in 2 8 unterschiedlicher Weise unrichtig sind. Da die unrichtige Bekanntmachung die Vertrauensgrundlage bildet, soll es nicht darauf ankommen, ob die Eintragung wie im Grundfall richtig (Rdn. 25), in gleicher Weise falsch (Rdn. 26) oder zusätzlich gegenüber der unrichtigen Bekanntmachung Fehler aufweist. ee) Denkbar ist der Fall, daß auf eine unrichtige Eintragung eine richtige 2 9 Bekanntmachung folgt. Hierfür gilt die Vorschrift weder nach ihrem Zweck noch nach ihrem Wortlaut, da die richtige Bekanntmachung keine Grundlage für ein abweichendes Vertrauen bilden kann. 29 Sollte in diesem Fall ein Dritter auf die unrichtige Eintragung vertraut haben, bleibt es bei der Anwendung der gewohnheitsrechtlichen Ergänzungssätze (Rdn. 22, 38). ff) In gleicher Weise kann der Fall, daß nach einer unrichtigen Eintragung die 3 0 Bekanntmachung fehlt, nicht nach § 15 Abs. 3, sondern nur nach den gewohnheitsrechtlichen Ergänzungssätzen (Rdn. 22, 38) beurteilt werden {SchlegelbergerlHildebrandt/ Steckhan § 15 Rdn. 23). c) Die Tatsache muß in Angelegenheiten desjenigen einzutragen sein, dem gegenüber 31 sich ein Dritter auf die bekanntgemachte Tatsache beruft (Rdn. 7). Damit sind der Einzelkaufmann, die juristische Person oder die Personengesellschaft nebst ihren Gesellschaftern gemeint, die von der Eintragung als eigener Registerangelegenheit betroffen sind (s. aber Rdn. 34). d) Die Vorschrift verlangt Gutgläubigkeit des Dritten. Der Dritte ist gutgläubig, wenn 3 2 er keine Kenntnis von der Unrichtigkeit der Bekanntmachung hat, d.h. wenn er die wirklich bestehende Rechtslage nicht kennt. Fahrlässige Unkenntnis ist unerheblich. Die Gutgläubigkeit des Dritten wird widerlegbar vermutet, wie sich aus der Formulierung des Gesetzes ergibt. Dem Betroffenen steht der Gegenbeweis offen. Als Dritter kommt jede Person in Betracht, die von der bekanntgemachten Tatsache nicht selbst betroffen ist (Rdn. 11). Sein guter Glaube braucht nicht durch die unrichtige Bekanntmachung verursacht
Begr. z. RegE, BT-Drucks. V/3862, S. 11; Staub/Hiiffer § 15 Rdn. 50; hier ebenso Beuthien NJW 1970, 2283, 2284. 2 9 Begr. ζ. RegE, BT-Drucks. V/3862, S. 11; Capelle/Canaris § 5 III 2 a; Schlegelberger/ 28
Hildebrandt/Steckhan § 15 Rdn. 23; K. Schmidt § 14 III 2 b; a.M. Baumbach/Duden/Hopt § 15 Anm. 4 C a; Bürck AcP 171 (1971), 328, 338; Sandberger JA 1973, 215, 219.
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worden zu sein. Ebensowenig ist insoweit Kausalität für sein Handeln erforderlich. Wegen der Vermutungswirkung kommt es deshalb nicht darauf an, ob der Dritte die unrichtige Bekanntmachung gesehen hat. 33
e) Maßgebender Zeitpunkt für die unrichtige Bekanntmachung und die Gutgläubigkeit des Dritten ist der Zeitpunkt des Vorgangs, aus dem der Dritte Rechte herleitet. Der Vertrauensschutz beginnt mit der unrichtigen Bekanntmachung. Hierbei kommt es abweichend von § 10 Abs. 2 auf das Erscheinen desjenigen Blattes an, das die unrichtige Bekanntmachung enthält, weil hierdurch bereits die Grundlage für den Vertrauensschutz geschaffen wird. Für einen späteren Beginn des Vertrauensschutzes nach Maßgabe der Frist des § 15 Abs. 2 S. 2 ist mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in Abs. 3 kein Raum. 30 Da der Rechtsschein der unrichtigen Bekanntmachung durch eine berichtigte Bekanntmachung beseitigt wird, die Berichtigung nach § 10 Abs. 2 aber erst mit dem Erscheinen des letzten der Veröffentlichungsblätter als bekanntgemacht gilt, dauert auch der Vertrauensschutz bis zu diesem Zeitpunkt. Der Schutz kann zudem über die hier unmittelbar anwendbare Regelung des § 15 Abs. 2 S. 2 ausgedehnt sein {Staub/Hüffer
§ 15 R d n . 52).
34
f) Umstritten ist, ob von Seiten des Betroffenen eine Veranlassung für die unrichtige Bekanntmachung gegeben worden sein muß, indem er eine Tatsache zur Eintragung angemeldet oder einen sonstigen zurechenbaren Anlaß für die Bekanntmachung gegeben hat. Bei dieser Streitfrage geht es vor allem um den Schutz völlig unbeteiligter Personen, zu deren Lasten versehentlich oder auch absichtlich Eintragungen im Handelsregister besorgt werden. Die h.M. schränkt den Anwendungsbereich der Vorschrift durch ein derartiges Veranlassungsprinzip ein, um unbeteiligten Personen das Risiko einer Haftung abzunehmen. 31 Die Gegenansicht tritt für eine wörtliche Auslegung der Vorschrift ein, nimmt also die Rechtsfolgen eines reinen Rechtsscheinsprinzips zu Lasten einer unbeteiligten Person in Kauf und verweist sie auf Regreßansprüche. 32 Eine weitere Ansicht geht dahin, die Vorschrift nur zu Lasten solcher unbeteiligter Personen anzuwenden, für die als Vollkaufleute unabhängig von der unrichtigen Bekanntmachung bereits eine Registerpflicht bestehe, weil die Tatsache nur dann in ihren Angelegenheiten einzutragen sei.33
35
Bei der Lösung dieser Streitfrage ist mit der h.M. davon auszugehen, daß es für eine Haftung völlig unbeteiligter Personen keinen sachlichen Grund gibt. Eine derart weitgehende Rechtsfolge läßt sich auch nicht aus dem Gesetzeszweck ableiten. Unbeteiligte Personen können und müssen über die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war" ausgeklammert werden. Einzutragen ist eine Tatsache nur in dessen Angelegenheiten, dem insoweit eine Anmeldepflicht obliegt oder der von dieser Tatsache materiell betroffen ist. Dies ist aber bei unbeteiligten Dritten nicht der Fall. Hierbei handelt es sich keineswegs um eine vom Wortlaut abweichende
30
Beuthien FS Reinhardt S. 199,206; Staub/Hüffer § 15 Rdn. 52; a.M. Schlegelberger/Hildebrandt/ Steckhan § 15 Rdn. 27. 31 Baumbach/Duden/Hopt § 15 Anm. 4 C; Beuthien NJW 1970, 2283; Canaris S. 165 ff; Capelle/Canaris § 5 III 2 f; Schilken AcP 187 (1987), 1; Staub/Hüffer § 15 Rdn. 44 m.w.N., 48. 236
32
Brox Rdn. 132; v. Gierke/Sandrock § 11 III 3 c; Hofmann JA 1980, 264, 270. 33 Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 15 Rdn. 26 ff; ders. DNotZ 1971, 211; ders. NJW 1971, 1594; K. Schmidt § 14 III 2 d.
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restriktive Auslegung. Anders als nach der zuletzt dargestellten Meinung (Rdn. 34) kommt es auch nicht darauf an, ob eine allgemeine Registerpflicht besteht. 3. Rechtsfolge Als Rechtsfolge bestimmt § 15 Abs. 3, daß sich ein Dritter dem Betroffenen gegenüber 3 6 auf die bekanntgemachte Tatsache berufen kann. Die Rechtslage wird demnach so beurteilt, als sei die unrichtige Bekanntmachung richtig. Der Dritte kann sich auch auf die wirkliche Rechtslage stützen, wenn dies für ihn günstiger ist ( B G H N J W - R R 1990, 737, 738). Streitig ist, ob die Rechtsfolge zu Lasten nicht voll geschäftsfähiger Personen eingreift. 3 7 Dies wird auf der Grundlage des Veranlassungsprinzips und der damit zusammenhängenden Zurechenbarkeit oder unter Hinweis auf den Vorrang des Schutzes solcher Personen nach den §§ 104 ff B G B weitgehend abgelehnt. 34 Eine abweichende Auffassung hält den allgemeinen Vorrang des Minderjährigenschutzes hingegen mit dem gesetzlich bezweckten Verkehrsschutz für unvereinbar.35 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, weil sie zu einer einheitlichen Anwendung der gesamten Regelung des § 15 zu Lasten nicht voll geschäftsfähiger Personen führt und so dem Zweck des Gesetzes besser gerecht wird. Es kommt hinzu, daß es sich in der Regel um solche Personen handeln wird, die sich trotz der fehlenden vollen Geschäftsfähigkeit mit der erforderlichen Zustimmung des gesetzlichen Vertreters in den handelsrechtlichen Verkehr begeben haben und dessen Risiken deshalb hinnehmen müssen. Für die gewohnheitsrechtlichen Ergänzungssätze verbleiben als Anwendungsbereich 3 8 nur die Fälle, die nicht von § 15 Abs. 3 erfaßt werden, weil der Dritte trotz richtiger Bekanntmachung (Rdn. 29) oder bei fehlender Bekanntmachung (Rdn. 30) auf die unrichtige Eintragung vertraut oder weil sich sein Vertrauen bei unrichtiger Bekanntmachung auf eine hiervon abweichende unrichtige Eintragung gründet (Rdn. 28).
VI. Regelung für eingetragene Zweigniederlassungen (Abs. 4) Nach § 15 Abs. 4 sind für den Geschäftsverkehr mit einer in das Handelsregister ein- 3 9 getragenen Zweigniederlassung hinsichtlich der Publizitätswirkungen die Eintragung und Bekanntmachung durch das Gericht der Zweigniederlassung maßgebend. Dies gilt zum einen für inhaltliche Abweichungen zwischen den Registern der Haupt- und der Zweigniederlassung, was nach der Neuregelung der §§ 13 ff kaum noch Bedeutung hat. Zum anderen wird durch § 15 Abs. 4 der Zeitpunkt für die Offenlegung von Tatsachen im Zusammenhang mit eingetragenen Zweigniederlassungen bestimmt ( S t a u b / H ü f f e r § 15 Rdn. 63).
34
Baumbach/Duden/Hopt § 15 Anm. 4 C; Canaris S. 166; Capelle/Canaris § 5 III 2 g; v. Gierke/ Sandrock § 11 III 3 c; Hofmann JA 1980, 264, 270; v. Olshausen BB 1970, 137, 143.
35
Brox Rdn. 32; Kreutz Jura 1982, 626, 641; K. Schmidt § 14 III 3 b; Staub/Hüffer § 15 Rdn. 55.
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Erstes Buch. Handelsstand §16 (1) Ist durch eine rechtskräftige oder vollstreckbare Entscheidung des Prozeßgerichts die Verpflichtung zur Mitwirkung bei einer Anmeldung zum Handelsregister oder ein Rechtsverhältnis, bezüglich dessen eine Eintragung zu erfolgen hat, gegen einen von mehreren bei der Vornahme der Anmeldung Beteiligten festgestellt, so genügt zur Eintragung die Anmeldung der übrigen Beteiligten. Wird die Entscheidung, auf Grund deren die Eintragung erfolgt ist, aufgehoben, so ist dies auf Antrag eines der Beteiligten in das Handelsregister einzutragen. (2) Ist durch eine rechtskräftige oder vollstreckbare Entscheidung des Prozeßgerichts die Vornahme einer Eintragung für unzulässig erklärt, so darf die Eintragung nicht gegen den Widerspruch desjenigen erfolgen, welcher die Entscheidung erwirkt hat. Schrifttum F. Baur Zur Beschränkung der Entscheidungsbefugnis des Registerrichters durch einstweilige Verfügung, ZGR 1972, 421; Ehrenberg Handelsregistergericht und Prozeßgericht. Prüfungspflicht und Prüfungsrecht des Registergerichts, JherJb. 61 (1912), 423. Ubersicht Rdn. I. Allgemeines
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II. Ersetzung der Anmeldung (Abs. 1)
Rdn. I I I . Unzulässigkeit einer Eintragung (Abs. 2 ) . .
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1. Anwendungsbereich
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1. Voraussetzungen
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2. Voraussetzungen
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2. Rechtsfolgen
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3. Rechtsfolgen
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3. Aufhebung der Entscheidung
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I. Allgemeines 1
Soweit mehrere Personen bei einer Anmeldung zum Handelsregister mitwirken müssen oder von einem einzutragenden Rechtsverhältnis betroffen sind, stellt sich die Frage, welche Bedeutung den Entscheidungen des Prozeßgerichts zukommt. Hier genügt nach § 16 Abs. 1 die Anmeldung der übrigen Beteiligten, die eine solche Entscheidung gegen einen anderen erreicht haben. Wird die Entscheidung später wieder aufgehoben, reicht zur Eintragung eines entsprechenden Vermerks der Antrag eines der Beteiligten aus. Hat das Prozeßgericht die Vornahme einer Eintragung für unzulässig erklärt, darf die Eintragung nach § 16 Abs. 2 nicht erfolgen, wenn derjenige, der die Entscheidung erwirkt hat, widerspricht. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, die Eintragungsvoraussetzungen im Verhältnis zwischen mehreren Beteiligten oder Betroffenen festzulegen, wenn insoweit Entscheidungen des Prozeßgerichts ergangen sind. Berührt wird davon allerdings auch das Registergericht und damit sein Verhältnis zum Prozeßgericht. 1 Die Vorschrift wird verfahrensrechtlich ergänzt durch § 127 F G G .
II. Ersetzung der Anmeldung (Abs. 1) 1. Voraussetzungen 2
a) Die Vorschrift des § 16 Abs. 1 setzt mehrere Beteiligte an einer Anmeldung oder einem einzutragenden Rechtsverhältnis voraus. Dies ist im Grunde nur für die 1
Baumbach/Duden/Hopt GK/Nickel
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§
16
§ 16 A n m . 1 A ; H G B Rdn.
1;
Schlegelberger/
Hildebrandt/Steckhan Staub/Hüffer
Sonnenschein/Weitemeyer
§
16
% 1 6 R d n . 1 ff.
Rdn.
1 ff;
anders
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Gesellschafter einer Handelsgesellschaft bedeutsam, von denen die Anmeldungen gemeinsam eingereicht werden müssen und die von einem einzutragenden Rechtsverhältnis betroffen sein können. W e r allein zu einer Anmeldung verpflichtet ist, fällt auch im Falle einer dahin gehenden Verurteilung nicht unter die Regelung. D a s gleiche gilt, wenn alle Beteiligten die Anmeldung verweigern. In derartigen Fällen gilt nur der Registerzwang des § 14 und das Vollstreckungsrecht der Z P O . b) Es m u ß eine vollstreckbare E n t s c h e i d u n g des P r o z e ß g e r i c h t s ergangen sein. Hierzu gehören rechtskräftige Urteile (§ 3 2 5 Z P O ) , vorläufig vollstreckbare Urteile (§§ 708 ff Z P O ) und einstweilige Verfügungen. 2 Vollstreckbare U r k u n d e n , Vergleiche, auch als Prozeßvergleich, und Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit fallen nicht unter die Vorschrift, da es sich nicht u m Entscheidungen des Prozeßgerichts handelt ( K G O L G R s p r . 14, 335, 336).
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Inhaltlich m u ß die E n t s c h e i d u n g darauf gerichtet sein, die V e r p f l i c h t u n g zur Mitwirkung bei einer Anmeldung z u m Handelsregister oder ein Rechtsverhältnis, zu dem eine Eintragung zu erfolgen hat, gegen einen von mehreren bei der Vornahme der A n m e l d u n g B e t e i l i g t e n festzustellen. H i e r b e i b r a u c h t es sich n i c h t u m ein Feststellungsurteil nach § 2 5 6 Z P O zu handeln, da derartige Feststellungen auch in einem Leistungs- oder Gestaltungsurteil getroffen werden k ö n n e n (Staub/Hüff er § 16 R d n . 13). M i t der Verpflichtung zur Mitwirkung bei einer Anmeldung ist nur die privatrechtliche Pflicht gemeint, die zwischen mehreren Beteiligten besteht, nicht aber die registerrechtliche Anmeldepflicht, die nach § 14 durchzusetzen ist. Solche Pflichten ergeben sich z.B. aus den §§ 108 Abs. 1, 125 Abs. 4, 143 Abs. 1 und 2, 144 Abs. 2, 148 Abs. 1, 157 Abs. 1, 175 und bestehen auch im Verhältnis der Gesellschafter untereinander (Staub/Hüff er § 16 Rdn. 14). Bei der Feststellung eines einzutragenden Rechtsverhältnisses geht es vor allem u m Gestaltungsurteile wie etwa den Ausspruch einer Entziehung der Vertretungsmacht.
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2. Rechtsfolgen a) Als Rechtsfolge bestimmt § 16 Abs. 1, daß zur Eintragung die A n m e l d u n g der ü b r i gen B e t e i l i g t e n genügt. D i e übrigen Beteiligten können also ohne denjenigen, gegen den die Entscheidung ergangen ist, die Eintragung erreichen. Seine M i t w i r k u n g wird durch die Entscheidung ersetzt. D a b e i ergänzt die Vorschrift die Regelung der §§ 894, 895 Z P O in der Weise, d a ß die A b g a b e einer W i l l e n s e r k l ä r u n g zu einer E i n t r a g u n g in das Handelsregister bereits durch ein vorläufig vollstreckbares Urteil oder eine einstweilige Verfügung ersetzt wird. D a r ü b e r hinaus ergibt sich aus der Vorschrift, daß nur die übrigen Beteiligten die Eintragung veranlassen k ö n n e n , nicht aber das u m die Entscheidung angegangene Prozeßgericht. 3
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b) D a es sich im Falle des § 16 u m eine normale Anmeldung handelt, bei der nur die Erklärung eines von mehreren Beteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt wird, bleiben P r ü f u n g s r e c h t u n d P r ü f u n g s p f l i c h t des Registergerichts grundsätzlich unberührt. D a s G e r i c h t hat deshalb zu prüfen, o b die Voraussetzungen einer Eintragung
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in formeller und materieller Hinsicht erfüllt sind (§ 8 R d n . 13 ff). D i e s gilt in erster Linie für die Fragen, o b eine Entscheidung des Prozeßgerichts i. S. d. § 16 vorliegt, o b bei einer
2 §§ 932, 936, 944 Z P O ; vgl. KGJ 37 A 142; BayObLG ZIP 1986, 93, 94.
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KGJ 4 A 36, 38; K G J W 1931, 2992 m. Anm. Cohn.
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einstweiligen Verfügung für die Vollziehung die Monatsfrist der §§ 929, 936 ZPO noch nicht verstrichen ist, ob eine ordnungsgemäße Anmeldung der übrigen Beteiligten vorliegt und ob es sich um eine eintragungsfähige Tatsache handelt (KGJ 53 A 91). Das Registergericht hat hingegen nicht zu prüfen, ob die Entscheidung des Prozeßgerichts zu Recht ergangen ist. Dies gilt auch für die Rechtmäßigkeit einstweiliger Verfügungen (KG aaO). Das Registergericht ist insoweit an die Entscheidungen des Prozeßgerichts gebunden, als die Verpflichtung des Beklagten zur Mitwirkung bei einer Anmeldung oder ein Rechtsverhältnis gegen ihn festgestellt wird. Diese Bindungswirkung besteht auf jeden Fall bei rechtskräftigen Gestaltungsurteilen, bei rechtskräftigen Urteilen auf Abgabe einer Willenserklärung und im übrigen bei rechtskräftigen Leistungs- und Feststellungsurteilen innerhalb der persönlichen Grenzen der Rechtskraft ( S t a u b / H ü f f e r § 16 Rdn. 6). Hinzu kommt auf der Grundlage des § 16 eine Bindungswirkung der nicht rechtskräftigen Entscheidungen des Prozeßgerichts {SchlegelbergerlHildebrandt/Steckhan § 16 Rdn. 6). 7
c) Führt die eingeschränkte Prüfung des Registergerichts nicht zu Beanstandungen, sind Eintragung und Bekanntmachung nach den allgemeinen Vorschriften vorzunehmen (§§ 8, 10). Bei der Eintragung im Register ist nach § 18 S. 1 HRV zu vermerken, ob dies aufgrund einer rechtskräftigen oder vollstreckbaren Entscheidung des Prozeßgerichts erfolgt. 3. Aufhebung der Entscheidung
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a) Nach § 16 Abs. 1 S. 2 ist es auf Antrag eines der Beteiligten in das Handelsregister einzutragen, wenn die Entscheidung des Prozeßgerichts, auf Grund deren die frühere Eintragung erfolgt ist, aufgehoben wird. Damit trägt das Gesetz der Möglichkeit Rechnung, daß die nur vorläufig vollstreckbare Entscheidung oder die einstweilige Verfügung als Grundlage der Eintragung wieder beseitigt wird. Die Entscheidung bildet dann nicht die Grundlage der Eintragung, wenn der Beklagte dem Urteilsspruch freiwillig gefolgt ist. Jeder der Beteiligten kann den erforderlichen Antrag stellen, die Aufhebung der Entscheidung im Handelsregister zu vermerken, ohne daß es darauf ankommt, in welcher Weise er von der Aufhebung betroffen ist. Ein Vermerk auf Ersuchen des Prozeßgerichts kommt nicht in Betracht. Die Entscheidung wird nicht nur durch eine spätere rechtskräftige Entscheidung aufgehoben, sondern auch dann, wenn die vorläufige Vollstreckbarkeit beseitigt wird (§ 717 Abs. 1 ZPO). Die Aufhebung der Entscheidung ist nach § 18 S. 2 HRV in dieselbe Spalte des Registers einzutragen wie die vorherige Eintragung. Das Registergericht hat nicht zu prüfen, ob die Entscheidung zu Recht aufgehoben worden ist.
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b) Die Bedeutung des Vermerks über die Aufhebung der Entscheidung besteht darin, die Grundlage der Eintragung in Frage zu stellen und damit die Öffentlichkeit zu warnen (Staub/Hüffer § 16 Rdn. 22). Der Vermerk ist nicht mit einer Löschung der Eintragung gleichzustellen und hat damit auch nicht deren Rechtsfolgen. Dies wäre schon deshalb nicht richtig, weil die aufhebende Entscheidung des Prozeßgerichts ihrerseits nicht endgültig sein muß (Rdn. 8). Eine Löschung wird erst auf entsprechende Anmeldung oder von Amts wegen vorgenommen, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind.
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III. Unzulässigkeit einer Eintragung (Abs. 2) 1. A n w e n d u n g s b e r e i c h D i e Regelung des § 16 A b s . 2 betrifft den Fall, daß die Vornahme einer Eintragung
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durch Entscheidung des Prozeßgerichts für unzulässig erklärt wird. Sie geht insoweit über Abs. 1 hinaus, als auch ein Dritter, der bei der A n m e l d u n g oder einem Rechtsverhältnis nicht Beteiligter ist, die Entscheidung herbeigeführt haben kann. 2. V o r a u s s e t z u n g e n a) D u r c h eine rechtskräftige oder vollstreckbare E n t s c h e i d u n g des P r o z e ß g e r i c h t s m u ß die V o r n a h m e einer Eintragung für unzulässig erklärt worden sein. Hinsichtlich der A r t der in Betracht k o m m e n d e n Entscheidungen gilt das gleiche wie zu § 16 Abs. 1 (Rdn.
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3), so daß auch einstweilige Verfügungen erfaßt werden ( L G H e i l b r o n n A G 1971, 372). Grundlage der Entscheidung ist ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten, daß die Eintragung einer bestimmten Tatsache zu unterbleiben hat. H i e r z u gehören etwa ein unzulässiger Firmengebrauch (§ 37 A b s . 2) oder der gegen ein Wettbewerbsverbot v e r s t o ß e n d e B e t r i e b eines U n t e r n e h m e n s (§ 112). In der E n t s c h e i d u n g m u ß die Unzulässigkeit der Eintragung ausdrücklich festgestellt werden. D i e Feststellung, daß ein Rechtsverhältnis nicht besteht, k o m m t anders als in § 16 A b s . 1 nicht in Betracht ( B a y O b L G L Z 1909, 5 6 4 , 566). b) E s m u ß ein W i d e r s p r u c h desjenigen vorliegen, der die Entscheidung erwirkt hat. D a m i t ist der obsiegende Kläger gemeint. Bei dem Widerspruch handelt es sich u m eine verfahrensrechtliche Erklärung, für die keine F o r m vorgeschrieben ist. D e r Widerspruch kann deshalb auch konkludent durch Einreichung der Entscheidung beim Registergericht erklärt werden {Staub/Hüffer § 16 R d n . 26).
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3. Rechtsfolgen U n t e r den Voraussetzungen des § 16 A b s . 2 darf die Eintragung nicht erfolgen. In den G r e n z e n der Rechtskraft ist das Registergericht an die Entscheidung des Prozeßgerichts gebunden und kann deren Rechtmäßigkeit nicht nachprüfen (einschr. für einstweilige Verfügung F. Baur Z G R 1972, 421, 426). Ist schon vor Einlegung des Widerspruchs eingetragen w o r d e n , kann der Widersprechende nicht die L ö s c h u n g verlangen. Wird t r o t z des Widerspruchs eingetragen, steht dem Widersprechenden nach den §§ 19, 2 0 F G G die Beschwerde zu, u m die L ö s c h u n g der gegen § 16 A b s . 2 verstoßenden Eintragung zu erreichen ( B a y O b L G L Z 1909, 564, 566). Wird die Entscheidung mit dem Ausspruch der Unzulässigkeit der Eintragung wieder aufgehoben, ist das Registergericht nicht gebunden und kann einen etwaigen Antrag auf Eintragung auch aus den G r ü n d e n ablehnen, auf die sich die aufgehobene Entscheidung gestützt hatte. 4
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Ehrenberg JherJb. 61 (1912), 423; K. Lehmann ZHR 75 (1914) 518, 524; Schlegelherger/ Hildebrandt/Steckhan § 16 Rdn. 12. Sonnenschein/Weitemeyer
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DRITTER ABSCHNITT Handelsfirma
§17 (1) D i e F i r m a eines K a u f m a n n s ist der N a m e , u n t e r d e m er i m H a n d e l seine G e s c h ä f t e betreibt u n d die U n t e r s c h r i f t abgibt. (2) E i n K a u f m a n n k a n n u n t e r seiner F i r m a k l a g e n u n d v e r k l a g t w e r d e n . S c h r i f t t u m Adler Beiträge zum Firmenrecht, Z H R 85 (1921), 93; Aschenbrenner Die Firma der G m b H und Co. KG, 1976; J. Baur Z u m Namensschutz im deutschen internationalen Privatrecht, AcP 167 (1967), 535; Bokelmann Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 3. Aufl. 1986; ders. Die Firma im Konkursverfahren, KTS 1982, 27; den. Zur Entwicklung des deutschen Firmenrechts, Z G R 1994, 325; Brandi-Dohm Die beschreibende Firma, BB 1991, 1950; Bußmann Name, Firma, Marke, 1937; Demelius Firmenmehrheit im Lichte des Registerrechts, JBl. 1965, 489; Emmerich Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 4. Aufl. 1994, § 14; J. v. Gierke Der Grundsatz der Firmeneinheit, Z H R 122 (1959), 189; Forkel Die Ubertragbarkeit der Firma, FS Paulick, 1973, S. 101; I. Heinrich Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit, 1982; Hillebrand Ods Firmenrecht in Frankreich, Belgien, Luxemburg, 1975; John Der Grundsatz der Firmeneinheit, FS D u d e n 1977, S. 173; Jordan Kleines H a n d b u c h des Firmenrechts, 1966; Kind Die Wahl der Firma aus wettbewerbsrechtlicher Sicht, MittRheinNotK 1980, 33 = (z.T.) BB 1980, 1558; Klippel Der zivilrechtliche Schutz des N a m e n s , 1985; Knaak Das Recht der Gleichnamigen, 1979; Koppensteiner Wettbewerbsrecht Bd. 2: Unlauterer Wettbewerb, 2. Aufl. 1987, § 10; Knopp Über den Grundsatz der Firmeneinheit, Z H R 125 (1963), 161; Kraft Die Führung mehrerer Firmen, 1966; Krüger-Nieland Anwendungsbereich und Rechtsnatur des Namensrechts, FS Fischer, 1979, S. 339; Nipperdey Die Zulässigkeit doppelter Firmenführung f ü r ein einheitliches Handelsgeschäft, FS A. Hueck, 1959, S. 195; K. Peus Firma und Geschäftsbezeichnung, J W 1936,431 \Rohnke Firma und Kennzeichen bei Veräußerung von Unternehmensteilen, W M 1991, 1405; K. Schmidt Handelsrecht, § 12; U. Schneider Die Firma des Konzerns und der Konzernunternehmen, BB 1989, 1985; Sternberg Der Gesellschaftszusatz in der Handelsfirma, 1975; Schlichting Die Zulässigkeit mehrerer Firmen f ü r ein einzelkaufmännisches Unternehmen, Z H R 134 (1970), 322; Swoboda Firmenfibel 1985; Troller Kollisionen zwischen Firma, Handelsnamen und Marken, 1980; Ulimann Firmenrecht und Konkursbeschlag, Z Z P 62 (1941), 49; P. Ulmer Die Kompetenz zur Bildung einer Ersatzfirma bei Firmenveräußerung im Konkurs der G m b H , N J W 1983, 1697; Vollmer Die originäre und die abgeleitete Firma, JA 1984, 33; St. Weber Das Prinzip der Firmenwahrheit im H G B und die Bekämpfung irreführender Firmen nach dem U W G , 1985; Wessel/Zwernemann Die Firmengründung, 6. Aufl. 1994; Wünsch Zur mehrfachen Firmenführung durch Handelsgesellschaften, JBl. 1963, 236. Übersicht Rdn. I. Überblick II. Firmengrundsätze III. Handelsname . . . . 1. Wahlname 2. Bildung IV. Firmenarten V. Rechtsnatur
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1 2 3 3 4 5 6
VI. Abgrenzung VII. Entstehung 1. Firmenfähigkeit 2. Annahme der Firma . . . VIII. Firmengebrauch 1. Firmenführungspflicht. a) Grundsatz
Emmerich
Rdn. 7 9 9 10
11 11 11
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
b) Ausnahmen 2. Bindung des Geschäftsinhabers 3. Registerverkehr 4. Privatrechtsverkehr IX. Erlöschen der Firma 1. Aufgabe der Firma 2. Einstellung des Geschäfts a) G r u n d s a t z b) Beispiele c) Personenhandelsgesellschaften 3. Tod, Verpachtung 4. Minderkaufleute X. Firmeneinheit 1. Einzelkaufleute a) G r u n d s a t z b) Ausnahmen 2. Handelsgesellschaften
Rdn. 12 13 14 15 16 17 18 18 19 20 21 22 22a 23 23 24 26
a) Regel b) Auswege 3. Zweigniederlassungen XI. Verfahrensfragen 1. Erkenntnisverfahren a) Wahlrecht des Klägers b) Bezeichnung des Beklagten c) Inhaberwechsel d) Bezeichnung des Inhabers 2. Zwangsvollstreckung a) Parteibezeichnung b) Pfändung 3. K o n k u r s a) Massezugehörigkeit b) Veräußerung aa) Zustimmung des Gemeinschuldners? bb) Firma des Verkäußerers
Rdn. 26 27 28 30 30 31 32 33 34 35 35 36 37 37 38 38 41
I. Überblick Das H G B regelt in den § 17 bis 37 im Anschluß an das A D H G B 1 das Firmenrecht vor 1 allem unter registerrechtlichen Gesichtspunkten (s. insbesondere die §§ 29 bis 37). Die Regelung ist jedoch nicht vollständig, da wichtige registerrechtliche Vorschriften außerhalb des H G B geblieben sind (s. insbesondere § 4 G m b H G ; §§ 4 und 279 AktG; § 6 UmwG). Die Betonung registerrechtlicher Gesichtspunkte in den §§ 17 ff hat außerdem zur Folge, daß heute das (formelle) Firmenrecht des H G B in großem Umfang durch das materielle Firmenrecht außerhalb des H G B ergänzt und z.T. überlagert wird. Das gilt zunächst für den Firmenschutz. Dieser ist zwar auch im H G B (§ 37) geregelt, freilich wiederum nahezu ausschließlich unter registerrechtlichen Gesichtspunkten. Deshalb hat diese Regelung neben dem materiellen Firmenschutz nach dem BGB (§ 12), dem U W G (§ 16) und dem W Z G (§ 24) nahezu jede praktische Bedeutung verloren 2 . An die Stelle des § 16 U W G und des § 24 W Z G sollen ab 1994 die §§5, 15 ff des neuen Markenrechtsreformgesetzes treten (BT-Drucks. 12/6581). Außerdem muß stets berücksichtigt werden, daß jeder Firmengebrauch zugleich eine Wettbewerbshandlung i.S. des U W G darstellt, so daß sich zusätzliche Zulässigkeitsschranken aus den §§ 1 und 3 U W G ergeben können.
II. Firmengrundsätze Das formelle Firmenrecht des H G B wird von verschiedenen Grundsätzen beherrscht, 2 die sich vielfältig überschneiden und häufig widersprechen. Es sind dies die Grundsätze der Firmenwahrheit, der Firmenbeständigkeit oder Firmenkontinuität, der Firmeneinheit, der Firmenausschließlichkeit oder Firmenunterscheidbarkeit sowie der Firmenöffentlichkeit. Die wichtigsten dieser Grundsätze sind der Grundsatz der Firmenwahrheit (§18 Abs. 2) und der Firmenbeständigkeit (§ 22 bis 24), die häufig miteinander in Konflikt geraten. Auf die Einzelheiten ist bei der Erläuterung der §§ 18 f, 22 und 24 einzugehen.
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S. Denkschrift S. 34 f; I. Heinrich S. 53 ff.
2
Wegen der Einzelheiten s. u. Anh. nach § 37.
Emmerich
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Erstes Buch. Handelsstand
III. Handelsname 1. W a h l n a m e 3
N a c h § 17 A b s . 1 ist die Firma der Handelsname des K a u f m a n n s , und zwar des Vollkaufmanns (s. § 4 A b s . 1) einschließlich der Kaufleute kraft Eintragung (§ 5) und kraft Rechtsform (§ 6 A b s . 2) 3 . Die Firma hat daher ebenso wie der bürgerliche N a m e die Aufgabe, den Inhaber des Geschäfts zu individualisieren und von anderen zu unterscheiden. D i e größte Verwandtschaft weist sie dementsprechend mit dem bürgerlichen N a m e n auf, von dem sie sich im G r u n d e nur dadurch unterscheidet, daß sie kein Zwangsname, sondern bloßer Wahlname ist. D u r c h ihre N a m e n s f u n k t i o n wird die Firma zugleich von allen anderen geschäftlichen Kennzeichen wie namentlich den Geschäftsbezeichnungen des § 16 A b s . 1 U W G (= §§ 5, 15 ff M a r k e n R R e f o r m g e s e t z ) abgegrenzt 4 . 2. B i l d u n g
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D a s Firmenrecht des H G B bezweckt, der Öffentlichkeit einen möglichst klaren und verständlichen Aufschluß über den Träger eines Geschäfts zu geben 5 . Deshalb ist die Bezeichnung des Inhabers eines Geschäfts nur durch aussprechbare Wörter möglich, während Bildzeichen und als solche nicht aussprechbare Abkürzungen als Firmen ausscheiden 6 . A u s demselben G r u n d darf grundsätzlich nur eine in Deutschland allgemein verständliche Schrift für die Firmenbildung verwandt werden 7 . Hingegen sind fremdsprachliche Bezeichnungen nicht ausgeschlossen, sofern sie nur allgemein oder doch in den angesprochenen Fachkreisen verständlich sind 8 . J e d o c h entscheidet allein das Registergericht, wie die Firma ins Handelsregister eingetragen wird; der K a u f m a n n hat keinen Anspruch auf Eintragung der Firma in Groß- oder Kleinschrift 9 .
IV. Firmenarten 5
N a c h ihrer Entstehung und ihrer Zusammensetzung werden üblicherweise verschiedene Arten von Firmen unterschieden. Hervorzuheben ist namentlich die Unterscheidung von Personen- und Sachfirmen, die dem Gegenstand des Unternehmens entnommen sind (s. § 4 G m b H G und § 4 A k t G ) . N a c h dem Unternehmensträger unterscheidet man außerdem Einzel- und Gesellschaftsfirmen, nach der Art des Erwerbs der Firma weiter ursprüngliche und abgeleitete Firmen sowie schließlich noch nach der Zusammensetzung der Firma einfache und zusammengesetze Firmen. D i e rechtliche Bedeutung dieser Differenzierungen ist gering, da grundsätzlich sämtliche Firmen und Firmenbestandteile gleichbehandelt werden.
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4 5
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Zu den sog. Minderfirmen der Minderkaufleute s. o. § 4 Rdn. 8 ff. sowie statt aller K. Schmidt § 1 2 1 2b, bb (S. 310 ff). S. im einzelnen u. Rdn. 7 ff. B a y O b L G Z 1960, 345, 349. B G H Z 14, 155, 160; K G J W 1930, 1742 f; B a y O b L G Z 1967, 272, 274; großzügiger Baum-
bach/Duden/Hopt 244
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Staub/Hüffer § 17 Rdn. 10.
8 B a y O b L G Z 1977, 112, 116 f; O L G Stuttgart O L G Z 1974, 337 f. 9 B a y O b L G Z 1967, 272,274; 1971,163,167; O L G Karlsruhe N J W 1970, 1379 f.
§ 17 Anm. 3A.
Emmerich
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
V. Rechtsnatur D i e Rechtsnatur des Firmenrechts als Persönlichkeits- oder Vermögensrecht ist u m stritten. Das R G sah das Firmenrecht ursprünglich als reines Persönlichkeitsrecht an 1 0 . D e m war der B G H zunächst gefolgt 1 1 , während er heute in U b e r e i n s t i m m u n g mit der
6
h . M . 1 2 die D o p p e l n a t u r der Firma als Persönlichkeitsrecht und als Vermögensrechts betont 1 3 . D i e Frage hat vor allem Bedeutung für die Behandlung der F i r m a im K o n k u r s des Kaufmanns (s. u. R d n . 37 ff).
VI. Abgrenzung Von der Firma müssen vor allem die Geschäftsbezeichnungen des § 16 Abs. 1 U W G unterschieden werden, die anders als die Firma (nur) die Aufgabe haben, das Unternehmen als solches zu kennzeichnen und dadurch aus der Masse gleichartiger Unternehmen hervorzuheben, ohne jedoch zugleich den Inhaber kenntlich zu machen 1 4 . Besonders verbreitet sind derartige Geschäftbezeichnungen seit jeher bei Gaststätten, Hotels und Apotheken, sie setzen sich jedoch heute auch bei allen anderen Unternehmen immer mehr durch 1 5 .
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D i e Verwendung von Geschäftsbezeichnungen ist im Gegensatz zur Firmenführung allen G e w e r b e t r e i b e n d e n , nicht n u r Vollkaufleuten gestattet 1 6 . H i e r a u s folgt, daß Geschäftsbezeichnungen grundsätzlich nicht in einer Weise verwandt werden dürfen, die den E i n d r u c k einer (echten) Firma e r w e c k t 1 7 . D i e Abgrenzung ist freilich schwierig. Maßgebend ist jedenfalls die Verkehrsauffassung 1 8 . N a c h ihr wird eine Bezeichnung, die objektiv auf den Geschäftsinhaber hinweist, vor allem dann firmenmäßig verwandt, wenn sie im Geschäftsverkehr bei Handlungen benutzt wird, bei denen die Angabe des Kaufmanns angebracht und üblich ist 1 9 . Eine Geschäftsbezeichnung kann demgegenüber i.d.R. nur angenommen werden, wenn die Bezeichnung ausschließlich zur Individualisierung des U n t e r n e h m e n s (ohne Hinweis auf dessen Inhaber) dient 2 0 .
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VII. Entstehung 1. Firmenfähigkeit Eine F i r m a können, wie § 4 Abs. 1 ergibt, nur Vollkaufleute, nicht hingegen Minderkaufleute führen 2 1 . Firmenfähig sind außerdem sämtliche Handelsgesellschaften i.S. des
Insbes. RGZ 9, 104, 105 f; 70, 226, 229; 85, 397, 399; 113,213,216; 158,226,230; ebenso KG RJA 9, 46 f. 11 BGHZ 17, 209, 214; 32, 103, 108, 111. 12 Z.B. BayObLGZ 1932, 154, 156; KG JFG 16, 160, 163 f; OLG Hamm NJW 1982, 586; Forkel FS Paulick, 1973, S. 101, 106 ff.; K. Schmidt § 12 I 3a; Straub/Schuhmacher § 17 Rdn. 2. 13 BGHZ 85, 221, 223 = NJW 1983, 755; ebenso OGH EvBl. 1963 Nr. 292 = ÖJZ 1963, 404 = ÖB1. 1964,9. 14 S. o. § 4 Rdn. 10. 15 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich § 14, 6. 16 S. § 16 Abs. 1 UWG gegenüber §§ 4 Abs. 1, 17 HGB.
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Grdleg. BGH LM Nr. 4 zu § 37 HGB = NJW 1991, 2023 = BB 1991; 1141; BayObLGZ 1960, 345, 351; OLG Frankfurt OLGZ 1975, 108 f; 1981, 7 f. 18 BGH (Fn. 16). 19 BGH LM Nr. 4 zu § 37 HGB (Bl. 3 R) = NJW 1991, 2023; OLG Celle OLGZ 1972, 220, 221 = BB 1971, 1298; s. im einzelnen u. § 37 Rdn. 4 ff. 20 S.o. § 4 Rdn. 12 ff sowie außerdem z.B. noch BayObLGZ 1960, 345, 350 f; OLG Bamberg DB 1973, 1989; OLG Karlsruhe BB 1968, 308; Bokelmann Tz. 3 ff; Droste DB 1967, 539; Staub/Hüffer § 17 Rdn. 21 ff; Peus JW 1936, 431; Schlegelberger/Hildebrandt § 17 Rdn. 8 ff. S. o. § 4 Rdn. 8 ff. 17
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§17
Erstes Buch. Handelsstand
§ 6 Abs. I 22 sowie die Genossenschaften ( § 1 7 Abs. 2 GenG) und die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (§ 16 f VAG). Dasselbe gilt im Rahmen der §§ 33 und 36 für sonstige juristischen Personen und Gebietskörperschaften. Auf keinen Fall firmenfähig ist hingegen die BGB-Gesellschaft, selbst wenn sie ein Unternehmen betreibt 23 . 2. Annahme der Firma 10
Wann das Firmenrecht entsteht, hängt davon ab, wann die genannten firmenfähigen Personen und Personenzusammenschlüsse (o. Rdn. 9) die Kaufmannseigenschaft erwerben und eine Firma wählen. Vollkaufleute, die ein Grundhandelsgewerbe betreiben, erwerben das Firmenrecht, sobald sie eine Firma im Inland tatsächlich in Gebrauch nehmen, während die Eintragung im Handelsregister hier nur deklaratorische Bedeutung hat 24 . Bei den Soll- und Kannkaufleuten der §§ 2 und 3 entsteht das Firmenrecht hingegen erst mit Eintragung der Firma im Handelsregister. Dieselbe Unterscheidung ist bei O H G und KG zu treffen, während es bei allen anderen Handelsgesellschaften immer auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung durch Eintragung im Handelsregister ankommt 25 . Ebenso verhält es sich schließlich in den Fällen der §§ 33 und 36. Bei den Handelsgesellschaften bildet die Firma außerdem stets einen wesentlichen Bestandteil ihres Gesellschaftsvertrages oder ihrer Satzung 26 .
VIII. Firmengebrauch 1. Firmenführungspflicht 11
a) Grundsatz. Dem Firmenrecht (o. Rdn. 6-10) entspricht eine Firmenführungspflicht der Kaufleute 27 . Dies hat Bedeutung vor allem für Einzelkaufleute und besagt, daß sie sich im Handelsverkehr (u. Rdn. 12) grundsätzlich nur mit ihrer Firma, und zwar in unveränderter und unverkürzter Form, so wie die Firma im Handelsregister eingetragen ist, bezeichnen dürfen. Ausnahmsweise zulässig sind nur solche Abkürzungen, die sich wie die Gesellschaftszusätze OHG, KG, AG und GmbH im Verkehr allgemein durchgesetzt haben, wobei es keine Rolle spielt, ob die Zusätze im Handelsregister ausgeschrieben sind oder nicht 28 . In bestimmten Fällen besteht außerdem nach Gewerberecht (§ 15a GewO) eine Pflicht zur Anbringung der Firma an dem Geschäftslokal 29 .
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b) Ausnahmen. Die Firmenführungspflicht (o. Rdn. 11) gilt nur für den Handelsverkehr und auch hier nur (vgl. § 17 Abs. 1) für den rechtsgeschäftlichen Verkehr. In allen anderen Beziehungen, namentlich in der Werbung oder bei Angaben auf Titelblättern, findet § 17 Abs. 1 hingegen keine Anwendung, so daß der Kaufmann hier jede beliebige andere nach materiellem Recht zulässige Bezeichnung wählen darf 30 . Das gilt gleicher22 23 24
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S. o. § 6 Rdn. 2. S. dazu o. § 4 Rdn. 11. BGHZ 10, 196, 204; 21, 85, 88 f; BGH LM Nr. 3 zu § 18 H GB = N J W 1959, 2209; eine Ersitzung des Firmenrechts scheidet aus (RGZ 25, 1, 6). O L G München BB 1990,1153 = W M 1990,1965 für die GmbH. S. insbes. §§ 106 Abs. 2 Nr. 2 und 161 Abs. 2 HGB; § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG; §§ 23 Abs. 3 Nr. 1 und 278 Abs. 3 AktG; § 6 Nr. 1 GenG; § 57 Abs. 1 BGB. Grdleg. KGJ 31 A 206, 216.
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29
RG J W 1932, 730 f; KGJ 31 A 206,216; 36 A 127, 128; 45, 168, 169 f; RJA 9, 23, 24 f = OLGE 16, 79; BayObLGZ 1960, 345, 348 f; 1967, 353, 355; O L G Düsseldorf NJW 1958, 1828 f; Staub/ H Uff er § 17 Rdn. 34 ff. S. z.B. Baumbach/Duden/Hopt § 17 Anm. 2 G. Grdl. BGH LM Nr. 4 zu $ 37 HGB (Bl. 2 R) = NJW 1991, 2023 = BB 1991, 1141; O G H SZ Bd. 53 (1980) Nr. 59, S. 269, 271; RGZ 3, 164, 165; 5, 110, 112; 22, 58, 59; RG J W 1932, 730, 731; K G Recht 1925 Nr. 1305; J W 1926,2930 Nr. 2; 1930, § 3777 Nr. 2; HRR 1932 Nr. 252.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§17
maßen für Firmenbestandteile, Firmenabkürzungen wie für freigewählte Schlagworte, Phantasiebezeichnungen und sonstige Geschäftsbezeichnungen 3 1 . Unberührt bleibt jedoch das Verbot des „firmenmäßigen" Gebrauchs derartiger Geschäftsbezeichnungen 32 . 2. Bindung des Geschäftsinhabers Wird im Geschäftsverkehr eine Firma verwandt, so wird Vertragspartner stets der 1 3 Inhaber des Geschäfts. Es spielt dabei keine Rolle, ob der andere Teil den Inhaber des Geschäfts kennt und ob er ihn sich richtig vorstellt. Selbst wenn der andere Teil den für den Kaufmann Handelnden als den Inhaber des Geschäfts ansieht, wird doch aus dem Vertrag der wirkliche Inhaber berechtigt und verpflichtet 33 . Es spielt hierbei keine Rolle, ob die Firma richtig oder falsch, erlaubt oder unzulässig verwandt wird: Ist klar, wer mit der jeweils gewählten Bezeichnung gemeint ist, so wird der Betreffende stets Partei selbst wenn bei dem Vertragsabschluß aus der Firma einzelne nicht kennzeichnende Zusätze weggelassen werden 34 . Es genügt vielmehr stets der erkennbare Unternehmensbezug des Geschäfts 3 5 . Unter den genannten Voraussetzungen kann daher sogar die Unterzeichnung eines Wechsel mit einer an sich unzulässigen Firma den Geschäftsinhaber verpflichten 36 . Unberührt bleiben die Regeln über die Rechtsscheinhaftung des sog. Scheinkaufmanns 37 . Folglich haftet der Vertreter gegebenenfalls (auch) selbst persönlich, wenn er unter der Firma des Geschäfts wie dessen Inhaber auftritt 38 . 3. Registerverkehr Ein Kaufmann kann unter seiner Firma einer anderen Gesellschaft beitreten und ist 1 4 dann mit der Firma unter Beifügung seines Namens im Handelsregister einzutragen 39 . In sämtlichen anderen öffentlichen Registern wie namentlich dem Grundbuch ist der Kaufmann hingegen unter seinem bürgerlichen N a m e n einzutragen 4 0 . Auch die Anmeldungen zum Handelsregister haben grundsätzlich unter diesem Namen zu erfolgen 41 . Alle Gesellschaften werden dagegen unter ihrer Firma im Grundbuch eingetragen 42 . 4. Privatrechtsverkehr Für die Verwendung der Firma ist grundsätzlich kein Raum, wo der Kaufmann als Privatperson beteiligt ist wie z.B. beim Abschluß eines Ehevertrages oder bei der Abfassung eines Testaments. Doch handelt es sich bei allen diesen Regeln lediglich um Ordnungsvorschriften. An der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ändert es daher nichts, 31 32 33
34 35
36
B G H (Fn. 29). S. im einzelnen o. Rdn. 8; insbes. B G H aaO. St. Rspr., z.B. B G H Z 62, 216, 219 ff; 64, 11,14 f; 92, 259, 268 = WM 1984, 1508; B G H LM Nr. 8 zu § 4 G m b H G = NJW 1981, 2569; LM Nr. 48 zu § 164 B G B = NJW 1984,1347; LM Nr. 67 zu § 164 B G B = NJW 1990, 2678 = WM 1990, 600; ZIP 1992,475; WM 1983,1104; 1985,1364; NJW 1986, 1675; O L G Nürnberg BB 1983, 1941; O L G Hamburg NJW-RR 1988, 1308. O L G Düsseldorf BB 1989, 2134. B G H LM Nr. 67 zu § 164 B G B = NJW 1990, 2678 = WM 1990, 600. R G Z 119, 198, 202; B G H LM Nr. 67 zu § 164 B G B = NJW 1990, 2678; WM 1956, 792; ZIP 1992, 475.
S. im einzelnen o. § 5 Rdn. 13 ff. Grdleg. B G H LM Nr. 67 zu § 164 B G B = NJW 1990, 2678 = WM 1990, 600; O L G Düsseldorf BB 1992,2102. 39 S. u. § 106 Rdn. § 7 sowie KGJ 26 A 135 ff; K G Recht 1929, § 533 f Nr. 2008; B a y O b L G Z 1973, 46, 47; O L G Dresden O L G E 34, 356; L G Essen BB 1962, 388 f; anders z.B. O L G Braunschweig BB 1975, Beil. 12, 19. 40 Eingehend Straube/Schuhmacher § 17 Rdn. 16 m. Nachw. 41 B a y O b L G Z 1973, S. 46, 47. 42 B a y O b L G BB 1981, 686. 37
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Erstes Buch. Handelsstand
§17
wenn der Kaufmann im Handelsverkehr unter seinem bürgerlichen Namen oder im Privatrechtsverkehr unter seiner Firma auftritt. Selbst wenn er sein Testament mit seiner Firma unterschreibt, ist das Testament daher gültig, sofern nur in der Firma sein Name enthalten ist.
IX. Erlöschen der Firma 16
Die Firma ist ein Wahlname (§ 17). Das Firmenrecht entsteht deshalb mit Ingebrauchnahme der Firma im Inland oder mit ihrer Eintragung im Handelsregister (o. Rdn. 10). Entsprechendes gilt umgekehrt für das Erlöschen des Firmenrechts. Hieraus folgt im einzelnen:
17
Da die Firma ein Wahlname ist, besteht keine Pflicht zu ihrer Beibehaltung, so daß das Firmenrecht erlischt sobald der Kaufmann die Firma endgültig aufgibt. Er ist dann lediglich verpflichtet, eine neue Firma zu wählen und zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 29). Dasselbe gilt für Handelsgesellschaften 43 . Auch jede sog. Änderung der Firma enthält der Sache nach eine derartige Aufgabe der alten in Verbindung mit der Wahl einer neuen Firma 44 .
1. Aufgabe der Firma
2. Einstellung des Geschäfts 18
a) Grundsatz. Da nur (Voll-)Kaufleute eine Firma führen dürfen (§ 4), erlischt das Firmenrecht, wenn der Kaufmann seinen Gewerbebetrieb endgültig und nicht nur vorübergehend einstellt. Eine etwaige Eintragung der Firma im Handelsregister ändert hieran nichts 45 . Hingegen führt die bloß vorübergehende Stillegung des Betriebs, solange nur der Wille und die Möglichkeit zur Wiederaufnahme des Betriebs vorhanden sind, nicht zum Erlöschen der Firma. Ebenso verhält es sich bei einer Veräußerung des Geschäfts mit der Firma 46 . In Kollisionsfällen kann dies für die Frage der Priorität bedeutsam sein 47 .
19
b) Beispiele. Die Firma erlischt daher, wenn der Betrieb insgesamt ohne Firma veräußert wird und kein Restvermögen mehr vorhanden ist 48 , wenn der Betrieb solange geruht hat, daß sich sämtliche Beziehungen verflüchtigt haben, sofern auch kein Vermögen mehr vorhanden ist49, sowie, wenn der Geschäftserwerber eine neue Firma wählt 50 . Anders liegen die Dinge hingegen, wenn der Kaufmann nach Aufgabe seines Betriebs sofort einen anderen beginnt 51 , wenn der Betrieb von einem Repräsentanten des Kaufmanns für diesen fortgeführt wird (BGH WM 1994, 1449, 1451 „Virion") oder wenn er nach Erwerb eines 43
Z.B. BayObLGZ 1967, 458, 465; 1984, 129 = WM 1984, § 1535 usw. 44 S. u. § 18 Rdn. 5. 45 S. o. § 5 Rdn. 3. 46 S. §§ 22, 24; KGJ 44, 149 f. 47 S. z.B. RGZ 29, 66, 69; 110, 422, 424 ff; 155, 75, 82 ff; 157, 369, 374; 170, 264, 274 f; KG JW 1929, 1059; 1936, 1542 = HRR 1936 Nr. 812; JW 1938, 747; 1939, 163; HRR 1939 Nr. 93; BGH LM Nr. 93 zu § 16 UWG = WM 1985, 1242 = GRUR 1985, 567; BayObLGZ 1904, 226, 228; 1919, 76; 1932, 154; 1933, 364, 366; 1967, 458,
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465; 1971, 163; 1983, 257 usw.; KG NJW 1988, 2892; Emmerich § 14, I I b ; Staub/Hüffer § 17 Rdn. 16 ff, § 31 Rdn. 15 ff m. Nachw. "8 O L G Hamm JMB1.NRW 1955, 136; OLGZ 1977, 438, 441. 49 BayObLGZ 1904, 226, 228; 1919, 76; 1933, 364, 366; 1983, 257. 5° KG OLGE 9, 246, 247; 27, 300 f; BayObLGZ 1971, 163, 165; O L G Hamm O L G Z 1977, 438, 441. KG RJA 11,36,38 f.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§17
zweiten Geschäfts die zunächst vereinigten Betriebe wieder trennt und unter ihren ursprünglichen Firmen fortführt 5 2 . Im Konkursfalle entscheidet schließlich über die Einstellung allein der Konkursverwalter zusammen mit der Gläubigerversammlung 5 3 . c) Personenhandelsgesellschaften. Diese Grundsätze (Rdn. 18 f) gelten im Prinzip 2 0 auch f ü r die Personenhandelsgesellschaften. Das bedeutet, daß ihre Firma nicht schon mit ihrer Auflösung, sondern erst mit dem Abschluß der Auseinandersetzung, sei es durch Verteilung des Vermögens, sei es auf andere Weise, z.B. durch die Veräußerung des Betriebs, erlischt, und zwar dann außerhalb des Handelsregisters 54 . 3. Tod, Verpachtung Durch den Tod des Kaufmanns erlischt die Firma nur, wenn das Geschäft vom Erben 21 nicht fortgeführt wird oder wenn der Erbe sofort eine andere Firma annimmt 5 5 . Dagegen bleibt das Firmenrecht im Falle der Verpachtung des Geschäfts, selbst wenn der Pächter die Firma zunächst nicht fortführt, doch latent bestehen, so daß es vom Pächter und nach Vertragsbeendigung vom Verpächter jederzeit wieder in Anspruch genommen werden kann 5 6 . Hingegen erlischt die eigene Firma des Pächters grundsätzlich mit Rückgabe des Geschäfts, außer wenn er sofort ein anderes aufnimmt 5 7 , sowie mit endgültiger Einstellung des Geschäfts, sofern dadurch zugleich die Pacht ihr Ende findet 58 . 4. Minderkaufleute Besondere Probleme tauchen auf, wenn der Betrieb eines Kaufmanns oder einer 2 2 Personenhandelsgesellschaft auf minderkaufmännisches Niveau herabsinkt, sofern die Firma im Handelsregister eingetragen war (s. §§ 4 und 5). In diesen Fällen ist davon auszugehen, daß § 5 keine Bedeutung für das Registergericht hat 59 . Folglich besteht hier die Firma zwar zunächst fort, solange sie nicht gelöscht ist (str.); aber der Kaufmann hat das Recht zur weiteren Firmenführung verloren (s. § 31), so daß die Firma jetzt von Amts wegen gelöscht werden kann 6 0 . Ebenso verhält es sich bei allen Formkaufleuten des § 6 Abs. 2. Ihr Firmenrecht geht daher grundsätzlich ebenfalls nur bei Annahme einer neuen Firma oder bei Löschung der Gesellschaft im Handelsregister unter 6 1 .
X. Firmeneinheit Schrifttum Avancini GesRZ 1982, 79; Demelius 1965,490; Esch BB 1968,235; George BB 1963,1451 ; v.Gierke ZHR 122, 189-John FS Duden, S. 173; Knopp ZHR 125, 161; Ära/t Die Führung mehrerer Firmen, 1966; Nipperdey FS Hueck, S. 195; Schlichtung ZHR 134, 322; K. Schmidt § 12 II 2; Wünsch JBl. 1963, 237.
52
KGJ 37 A 177, 181 f; vgl. auch KGJ 28 A 251, 253 f. 53 KG JW 1938, 747; 1938, 1825; BayObLGZ 1932, 154, 155. 54 Z.B. RGZ 29, 66, 70; BayObLGZ 1967, 458, 464 f; BayObLG BB 1983, 82; s. Staub/Hüffer § 31 Rdn. 20 ff. 55 BayObLGZ 1932, 154, 155. 5' KG OLGE 27, 300 f. 57 KG RJA 11, 36, 38 f.
58
LG Augsburg RPfl 1982, 70. S.o. §5 Rdn. 11. 60 S.o. § 5 Rdn. 11; Staub/Hüffer § 31 Rdn. 17 m. Nachw.; anders offenbar z.B. BayObLGZ 1967, 458, 464; 1978, 54, 58; 1978, 319, 321; KG WM 1967, 1.48, 149 f. " Vgl. Scholz/Emmerich GmbHG, § 4 Rdn. § 66 ff; K. Schmidt § 12 I le; anders für einen wirtschaftlichen Verein, der nur seinen Betrieb aufgegeben hat: KG JW 1936, 1542 = HRR 1936 Nr. 812; s. o. Rdn. 18 f. 59
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§17 22a
Erstes Buch. Handelsstand
Mit dem Grundsatz der Firmeneinheit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß für einen Betrieb (ein Unternehmen) grundsätzlich immer nur eine einzige Firma geführt werden darf 62 . Der Grund ist klar: Sowenig wie eine natürliche Person mehrere Namen nebeneinander führen darf, um Täuschungen des Verkehrs zu verhindern, ist dies auch Unternehmen gestattet. Im einzelnen sind jedoch Reichweite und Bedeutung des Grundsatzes der Firmeneinheit umstritten, wobei man zwischen Einzelkaufleuten und Handelsgesellschaften unterscheiden muß. 1. Einzelkaufleute
23
a) Grundsatz. Einzelkaufleuten wird in Literatur und Rechtsprechung nur gelegentlich gestattet, für einen und denselben Betrieb verschiedene Firmen zu führen 63 . Überwiegend wird solche Befugnis der Einzelkaufleute jedoch unter Berufung auf den Grundsatz der Firmeneinheit verneint 64 . Der h.M. ist zuzustimmen, da im Verkehr von der Führung verschiedener Namen (§ 17!) für denselben Betrieb die größte Verwirrung zu befürchten wäre. b) Ausnahmen
24
aa) Anders verhält es sich, wenn ein Einzelkaufmann nebeneinander mehrere selbständige Betriebe führt. Dann ist er nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet 65 , für diese getrennten Betriebe - im Rahmen der §§18 und 22 - verschiedene Firmen anzunehmen. Voraussetzung ist jedoch, daß es sich dabei tatsächlich um mehrere selbständige Betriebe handelt, wobei die Praxis heute freilich - anders als früher 6 6 - relativ großzügig verfährt 67 . Erforderlich ist nur noch eine getrennte Organisation der Betriebe, wozu namentlich eine separate Buchführung und Bilanzierung gehören, mehr nicht.
25
bb) Diese Grundsätze (Rdn. 23 f) gelten auch für die juristischen Personen des § 33 sowie für die Gebietskörperschaften des § 36. Eine Stiftung mit eigenem Namen kann daher z.B. ein erworbenes Handelsgeschäft unter der übernommenen Firma fortführen 6 8 . 2. Handelsgesellschaften
26
a) Regel. Der Grundsatz der Firmeneinheit gilt nach überwiegender Meinung auch für sämtliche Handelsgesellschaften, und zwar hier sogar ohne jede Ausnahme 69 . Selbst wenn also die Gesellschaft einen weiteren Betrieb hinzuerwirbt und selbständig neben ihrem bisherigen Betrieb fortführt, darf sie doch, um Täuschungen des Verkehrs zu vermeiden, immer nur eine Firma führen. Das kann sowohl die bisherige Firma der Gesellschaft als 62
K. Schmidt aaO (Fn. 61): „Ein Unternehmen eine Firma". 63 O L G Düsseldorf NJW 1954, 151 ff; Kraft S. 35 ff; Nipperdey und Schlichtung aaO (vgl. Schrifttum). M St. Rspr., z.B. RG Recht 1907, Sp. 1437 Nr. 3698; JW 1926, 1155; 1929, 3056 = HRR 1929 Nr. 1666; BGHZ 31,397,399; BGH LM Nr. 4 zu § 37 H G B (Bl. 3) = NJW 1991,2023 = WM 1991, 1078, 1080; O G H SZ Bd. 47 (1974) Nr. 90, S. 394, 403 ff; KGJ 31 A 206, 216; 37 A 177, 179 ff; 40, 64 f; RJA 9, 23, 24 f = OLGE 16, 79; HRR 1932 Nr. 253; JW 1936, 1680; BayObLGZ 1913, 621, 622; 1956, 260, 264; Avancini, v. Gierke, John und Knopp aaO (vgl. Schrifttum);
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Baumbach/Duden/Hopt § 17 Anm. le; Straube/ Schuhmacher vor § 17 Rdn. 18 ff. 65 So RGZ 116, 281, 284; KG HRR 1939 Nr. 92. " KG RJA 9, 23, 24 f = OLGE 16, 79; KGJ 37 A 177, 181 f. 67 S. bes. KG JW 1936, 1680; BayObLGZ 1956, 260, 264; Baumann AcP 184, 45, 59. 68 KG HRR 1932 Nr. 253. 69 Anders für den Fall des Erwerbs eines weiteren Unternehmens durch eine AG oder G m b H grundlegend O G H SZ Bd. 47 (1974) Nr. 90, S. 394, 403 ff; O L G Graz EvBl. 1962 Nr. 165 = NJW 1962, 208; anders freilich O G H N Z 1952, 64; OLG Wien N Z 1972, 13; s. Straube/Schuhmacher vor § 17 Rdn. 20 m. Nachw.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§17
auch die mit dem neuen Betrieb erworbene Firma (§ 22) sein 70 . N u r beide Firmen nebeneinander kann die Geselschaft nicht führen 71 . Das gilt auch im Falle der bloßen Pacht eines weiteren Betriebes 72 . b) Auswege. Diese strenge Durchführung des Grundsatzes der Firmeneinheit kann für 2 7 Handelsgesellschaften bei Erwerb eines weiteren Unternehmens mit einer angesehenen Firma eine erhebliche Belastung darstellen. Die Praxis hat deshalb verschiedene Auswege entwickelt, auf denen es - bei grundsätzlicher Beibehaltung des Prinzips der Firmeneinheit - im Ergebnis doch möglich ist, die bisherige und die hinzuerworbene neue Firma nebeneinander zu verwenden 73 . Die wichtigsten sind die Vereinigung beider Firmen zu einer neuen, die Fortführung des erworbenen Betriebs als Zweigniederlassung unter eigener Firma (u. Rdn. 28 f) sowie die Gründung einer Tochtergesellschaft zur Fortführung des erworbenen Betriebs. 3. Zweigniederlassungen S c h r i f t t u m . Baumbach/Duden/Hopt § 30 Anm. 5; Bokelmann Rdn. 30 ff; Richert M D R 1957, 339; Schlegelberger/Hildebrandt Sparkasse 1964, 311 ff; K. Schmidt § 12 I 3.
Tz. 870 ff; Staub/Hüffer § 17 § 13 Rdn. 6 ff; D. Schmidt
a) Das Gesetz hat die Frage der Firmenbildung bei Zweigniederlassungen nicht im ein- 2 8 zelnen geregelt (s. §§ 13 Abs. 3 S. 3; 30 Abs. 3,50 Abs. 3 und 126 Abs. 3). Deshalb nahm die Praxis unter Berufung auf den Grundsatz der Firmeneinheit (o. Rdn. 23 ff) ursprünglich an, beide Firmen müßten grundsätzlich identisch sein; lediglich Zusätze, die auf die Eigenschaft der Firma als Firma einer Zweigniederlassung hindeuten, seien zulässig74. Später wurde jedoch dieser strenge Standpunkt zunehmend gelockert. Seitdem gilt folgendes: b) Die Firmen von Haupt- und Zweigniederlassung müssen nicht unterschiedlich, son- 2 9 dern können identisch sein. Unterscheidende Zusätze sind dann - abgesehen von den Fällen der §§ 30 Abs. 3, 50 Abs. 3 und 126 Abs. 3 - nicht erforderlich 75 . In diesem Fall erfaßt jede Änderung der Firma der Hauptniederlassung automatisch auch die der Zweigniederlassung 76 . Notwendig ist dies indessen nicht; vielmehr können die Firmen der Haupt- und der Zweigniederlassung auch unterschiedlich sein, insbesondere, wenn für die Zweigniederlassung die Firma eines übernommenen Handelsgeschäfts (§ 22) fortgeführt werden soll. In diesem Fall muß lediglich klargestellt werden, daß es sich bei der Firma um die einer Zweigniederlassung handelt. Dazu muß die Firma der Hauptniederlassung in die der Zweigniederlassung aufgenommen werden, wobei die Reihenfolge der einzelnen Firmenbestandteile unerheblich ist77. 70 71
ZB KGJ 28 A 251, 253 f; 37 A 177, 180 ff. RGZ 85, 397, 399; 99, 158, 159; 113, 213, 216 f; BGHZ 64, 11, 17; 67, 166, 167 ff = NJW 1976, 2163; KG KGJ 14, 33, 36 ff; 17, 4, 6; 20 A 36, 40; 28 A 251, 253 f; OLGE 27, 301; HRR 1932 Nr. 235; BayObLGZ 1970, 235, 237; O L G Hamm O L G Z 1973,406 ff; OLG Celle BB 1964, 1196 = DB 1964, § 836; OLG Schleswig NJW 1963, 1062; O L G Frankfurt BB 1969, Beil. § 10, S. 12; anders Kraft S. 55, 68 ff; Nipperdey und Schlichting aaO (vgl. Schrifttum).
72
BayObLGZ 1970,243,246 ff; OLG Stuttgart BB 1983, 1688. 73 Vgl. Staub/Hüffer § 22 Rdn. 51 ff. 74 KGJ 40, 64; BayObLGZ 1913, 621; 1914, 264, 270 = KGJ 45, 316. 75 RGZ 113,213,218; BayObLGZ 1990, 151,158 = BB 1990, 1364. 76 BayObLGZ 1990, 151, 159 = BB 1990, 1364. 77 So grdleg. RGZ 113, 213, 215 ff; 114, 318, 320; BayObLGZ 1978, 62,65 f; KG JFG 8,146, 149 f; OLG Stuttgart JFG 13, 62, 65; OLG München JW 1937, 1268 f; BB 1971, Beil. 9, S. 2 f.
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§17
Erstes Buch. Handelsstand
XI. Verfahrensfragen 1. Erkenntnis verfahren 30
Nach § 17 Abs. 2 kann ein Kaufmann unter seiner Firma klagen und verklagt werden. Betrifft die Klage eine Zweigniederlassung, so kann sie auch unter oder gegen die Firma der Zweigniederlassung erhoben werden 78 . Die Regelung hat Bedeutung vor allem für Einzelkaufleute, für die juristischen Personen des § 33 sowie für die Gebietskörperschaften des § 36.
31
a) Wahlrecht des Klägers. § 17 Abs. 2 begründet für Kaufleute keine Pflicht, die Klage unter ihrer Firma zu erheben; sie können vielmehr auch unter ihrem bürgerlichen Namen klagen oder verklagt werden. Notwendig ist dies vor allem bei allen Prozessen, die keinen Bezug zu ihrem Handelsgeschäft aufweisen.
31 a
Wenn die Klage unter der Firma erhoben wird, so ist Kläger stets derjenige, der bei Klageerhebung tatsächlich Inhaber des unter der betreffenden Firma geführten Geschäftes ist79. Wechselt der Inhaber zwischen Einreichung und Zustellung der Klage, so kommt es darauf an, wer die Einreichung der Klage veranlaßt hat 80 . Die Verwendung einer unrichtigen oder unzulässigen Firma in der Klage ist unschädlich und führt nur dazu, daß die Parteibezeichnung während des Rechtsstreits jederzeit von Amts wegen korrigiert werden muß; dasselbe gilt im Falle einer nachträglichen Änderung der Firma 81 .
32
b) Bezeichnung des Beklagten. Für die Bezeichnung des Beklagten mit seiner Firma gilt entsprechendes wie für die Bezeichnung des Klägers (o. Rdn. 31 f). Beklagter ist daher stets nur derjenige, der im Augenblick der Erhebung der Klage, d.h. bei Zustellung der Klageschrift (§§ 253, 261 ZPO), Inhaber des unter der „verklagten Firma" betriebenen Geschäftes ist. Das gilt auch, wenn es sich um eine Gesellschaftsfirma handelt, tatsächlich das Geschäft aber von einem Einzelkaufmann betrieben wird: Immer ist und bleibt nur der Beklagter, der bei Zustellung der Klage Inhaber des Geschäfts war 82 .
33
c) Inhaberwechsel. Wechselt nachträglich der Inhaber des Geschäfts, so hat dies auf den Prozeß grundsätzlich keinen Einfluß. Der neue Inhaber kann Partei nur unter den Voraussetzungen und nach den Regeln der Parteiänderung werden. Geht zugleich der Streitgegenstand auf eine andere Person über, so sind die §§ 265 und 325 Z P O maßgebend 83 .
34
d) Bezeichnung des Inhabers. Dem Gesetz kann keine Verpflichtung entnommen werden, neben der Firma in der Klage auch den Inhaber des klagenden oder verklagten Geschäfts zu bezeichnen. Eine derartige zusätzliche Angabe ist jedoch aus vielen Gründen zweckmäßig. Auch das Gericht sollte während des ganzen Verfahrens auf die ergänzende 78 79
80 81
B G H Z 4, 62, 65 = NJW 1952, 182. R G Z 66, 415, 416 f; 157, 369, 375 f ; K G J 3 1 A , 206, 210 f; O L G Hamburg O L G E 3, 274 f; O G H SZ Bd. 22 (1949) Nr. 44, S. 99,101; O G H EvBl. 1956 N r . 86 = ÖJZ 1956, 155. Staub/Hüffer § 17 Rdn. 49 m. Nachw. O G H SZ Bd. 52 (1979) Nr. 50 S. 201; O G H EvBl. 1956 N r . 86 = Ö J Z 1956, 155; EvBl. 1973 N r . 30 = ÖJZ 1973, 77; Straube/Schuhmacher § 17 Rdn. 12 ff.
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82
Vgl. im einzelnen RGZ 54,15,17; 86, 63, 65; 157, 369, 373 ff; 159, 337, 350; R G H R R 1932 Nr. 1237; KGJ 31 A, 206,210 f; O L G Hamburg, O L G E 3, 274 f; O L G Dresden O L G E 4, 202 f; O L G München N J W 1971, 1615; O L G Köln BB 1977, 510 f; O L G Frankfurt BB 1985, 1219. 83 S. O L G Frankfurt BB 1985, 1219; O G H EvBl. 1956 Nr. 86 = Ö J Z 1956, 155; Staub/Hüffer § 17 Rdn. 50 ff; Schlegelberger/Hildebrandt § 1 7 Rdn. 20 f.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§17
Angabe des Geschäftsinhabers hinwirken. Bei Klagen von und gegen Gesellschaften ist es dazu sogar als verpflichtet anzusehen, da hier aus prozeßrechtlichen Gründen stets klar sein muß, wer vertretungsberechtigter Gesellschafter, Geschäftsführer oder Vorstand ist. 2. Zwangsvollstreckung a) Parteibezeichnung. § 17 Abs. 2 gilt auch für die Zwangsvollstreckung, so daß es grundsätzlich den Anforderungen des § 750 Z P O genügt, wenn im Titel oder in der Klausel die Parteien der Zwangsvollstreckung mit ihrer Firma bezeichnet sind 84 . Doch ändert dies nichts daran, daß (natürlich) Schuldner in der Zwangsvollstreckung immer nur ist, wer tatsächlich Inhaber des unter der Firma betriebenen Geschäfts ist. Ergeben sich insoweit Zweifel, so müssen die Vollstreckungsorgane folglich den Inhaber selbst ermitteln. N u r bei unbehebbaren Zweifeln sind die §§ 727 und 731 Z P O entsprechend anzuwenden, so daß der Gläubiger eine entsprechende Klarstellung der Klausel beantragen muß 8 5 .
35
b) Pfändung. Die Firma ist nicht allein übertragbar (§ 23) und deshalb nicht selbständig verwertbar. Folglich kann die Firma auch nicht gepfändet werden (vgl. §§ 851, 857 Z P O ) . Selbst zusammen mit dem Handelsgeschäft kommt eine Pfändung der Firma nicht in Betracht, weil das deutsche Prozeßrecht keine Einzelvollstreckung in das Handelsgeschäft als solches kennt 8 6 .
36
3. Konkurs Schrifttum Adler ZHR 85, 93, 138 ff; Bokelmann Tz. 669 ff.; ders. KTS 1982, 27; Meyer LZ 1910, 60; Riegger BB 1983, 786; K. Schmidt § 12 I 3b; ders./W. Schulz ZIP 1982, 1015; W. Schulz ZIP 1984, 194; P. Ulmer NJW 1983, 1697. a) Massezugehörigkeit. Wegen der Doppelnatur des Firmenrechts als Persönlichkeitsund Vermögensrecht (o. Rdn. 6) ist die Behandlung der Firma im Konkurs umstritten. Das Reichsgericht, das das Firmenrecht in erster Linie als Persönlichkeitsrecht qualifiziert hatte, hatte folgerichtig in der Regel die Massezugehörigkeit des Firmenrechts verneint 87 . Heute wird die Massezugehörigkeit des Firmenrechts wegen seines starken vermögensrechtlichen Einschlags hingegen allgemein bejaht 8 8 . Während des Konkursverfahrens ist deshalb der Konkursverwalter allein zur Wahrung der Firmenrechte des Gemeinschuldners befugt 89 . Außerdem darf er das Handelsgeschäft mit der Firma fortführen und ist nicht etwa gezwungen, eine neue Firma anzunehmen. Daraus folgt zugleich, daß während des Konkurses der Gemeinschuldner nicht die Befugnis hat, die Firma löschen zu lassen. Dasselbe gilt freilich auch umgekehrt für den Konkursverwalter 9 0 .
37
b) Veräußerung aa) Zustimmung des Gemeinschuldners? Aus der Zugehörigkeit des Firmenrechts zur Masse folgt noch nicht ohne weiteres, daß der Konkursverwalter außerdem berechtigt ist, BayObLGZ 1956,218,220; OLG Köln BB 1977, 510. 85 BayObLGZ 1956, 218, 221 f; Staub/Hüffer § 17 Rdn. 56. 86 RGZ 9, 104, 106; 58, 166, 169; 70, 226, 227 f; 74, 378, 380 f; 95, 235, 236 f; BGHZ 32, 103, 105 f; 85, 221, 223 = NJW 1983, 755; KG JFG 16, 160, 163. 84
So ständig seit RGZ 9, 104, 106. Ebenso OGH SZ Bd. 56 (1983) Nr. 65, S. 294; OGH EvBl. 1963 Nr. 292 = ÖJZ 1963, 404 = ÖB1. 1964, 9; Straube/Schuhmacher § 17 Rdn. 3. 89 OGH SZ Bd. 56 (1983) Nr. 65, S. 294. 90 BayObLGZ 1932, 154,156; 1979, 65,67 f; s. auch u. §31 Rdn. 11. 87 88
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Erstes Buch. Handelsstand
§17
das Handelsgeschäft mit der Firma ohne Zustimmung des Gemeinschuldners zu veräußern. Denn dabei würden die unleugbaren persönlichkeitsrechtlichen Bestandteile des Firmenrechts (als Namensrecht) übersehen. Welche Folgerungen hieraus für die Veräußerung des Handelsgeschäfts durch den Konkursverwalter zu ziehen sind, ist umstritten. 39
Während das R G stets die Zustimmung des Gemeinschuldners verlangt hatte 91 , hat sich der B G H für eine differenzierende Lösung entschieden. Dabei hielt er zunächst aufgrund einer Interessenabwägung an der Notwendigkeit einer Zustimmung des Gemeinschuldners zu der Veräußerung des Geschäfts mit Firma fest, wenn in einer einzelkaufmännischen Firma dessen Name enthalten ist, mag es sich dabei um eine ursprüngliche oder um eine abgeleitete Firma handeln 92 , während er später bei Kapitalgesellschaften die Befugnis des Konkursverwalters zur Veräußerung des Geschäfts mit Firma uneingeschränkt bejahte 93 . Dies bedeutet, daß es letztlich darauf ankommt, ob es sich bei der fraglichen Firma um eine solche handelt, bei deren Bildung die Aufnahme des Namens des Gemeinschuldners durch die § § 1 8 und 19 gesetzlich vorgeschrieben oder freigestellt ist 94 .
40
Für die Personengesellschaften folgt daraus, daß weiter zu differenzieren ist: Soweit in der Firma einer O H G oder K G die Namen persönlich haftender Gesellschafter enthalten sind, ist bei einer Veräußerung des Geschäfts mit der Firma mit Rücksicht auf § 19 Abs. 1 und 2 die Zustimmung der betreffenden Gesellschafter erforderlich 95 . Anders hingegen bei der GmbH und Co. KG: Weil hier die Aufnahme des Namens einer der an der Gesellschaft beteiligten natürlichen Personen in die Firma nicht zwingend vorgeschrieben ist (s. § 19 Abs. 5 und § 4 GmbHG), kann der Konkursverwalter das Geschäft der Gesellschaft auch ohne Zustimmung der Gesellschafter mit der Firma an Dritte veräußern 96 .
41
bb) Firma des Veräußerers. Veräußert der Konkursverwalter das Geschäft einer Gesellschaft mit der Firma, so stellt sich als nächstes die Frage nach dem Namen der Gesellschaft bis zur Beendigung des Konkursverfahrens 97 . Probleme ergeben sich hier nur dann nicht, wenn die Gesellschafter alsbald im Wege der Satzungsänderung eine neue Firma wählen, und zwar mit Zustimmung des Konkursverwalters (so O L G Karlsruhe WM 1993, 1931). Tun sie dies jedoch nicht, so bleiben nur zwei Lösungen. Man kann entweder ausnahmsweise der Gesellschaft, die ja jetzt selbst kein Handelsgewerbe mehr betreibt, gestatten, vorübergehend, d.h. bis zur Beendigung des Konkursverfahrens ihre frühere Firma fortzuführen 98 ; oder man muß annehmen, daß in solchem Falle das Recht zur Firmenbildung ausnahmsweise auf den Konkursverwalter übergeht 99 . Vorzugswürdig ist die erste Lösung.
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RGZ 9, 104, 106; 58, 166, 169; 158, 226, 231; ebenso KG RJA 9, 46 f; BayObLGZ 1932, 154, 156. BGHZ 32,103, 108 ff = NJW 1960,1008; BGHZ 85,221,223 f. = NJW 1983,755; BGHZ 109,364, 367 = NJW 1990, 1605. BGHZ 85, 221, 224 f; 109, 364, 367; OLG Hamm NJW 1961, 833. So ausdrücklich BGHZ 109, 364, 367 = NJW 1990,1605; zust. OLG Koblenz NJW 1992,2101 = MDR 1992, 32; O L G Frankfurt ZIP 1988, 598, 600.
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O L G Düsseldorf BB 1982, 695; O L G Koblenz MDR 1992, 32 = NJW 1992,2101; Staub/Hüffer § 22 Rdn. 37; str. 9 6 Grdl. BGHZ 109, 364, 367 f = NJW 1990, 1605; O L G Düsseldorf NJW 1980, 1284; OLG Hamm NJW 1982, 586; OLG Koblenz MDR 1992, 32; OLG Frankfurt ZIP 1988, 598, 600. 9 7 S. dazu K. Schmidt, W. Schulz und P. Ulmer aaO (vgl. Schrifttum). 9« So grdleg. KG JFG 16,10,166 ff = JW 1937,2976 m. Anm. Groschuff = DJ 1937, 1816 m. Anm. Lenz; BayObLGZ 1979, 65, 67 f; Baumbach/ Duden/Hopt § 22 Anm. 3 c. 9 9 So K. Schmidt aaO (§12 13 b). 95
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§18
§18 (1) E i n K a u f m a n n , der sein G e s c h ä f t o h n e Gesellschafter o d e r n u r m i t e i n e m stillen Gesellschafter betreibt, h a t seinen F a m i l i e n n a m e n m i t m i n d e s t e n s e i n e m a u s g e s c h r i e b e n e n V o r n a m e n als F i r m a z u f ü h r e n . (2) D e r F i r m a darf kein Z u s a t z b e i g e f ü g t w e r d e n , der ein G e s e l l s c h a f t s v e r h ä l t n i s a n d e u t e t o d e r s o n s t g e e i g n e t ist, eine T ä u s c h u n g ü b e r die A r t o d e r d e n U m f a n g des G e s c h ä f t s o d e r die V e r h ä l t n i s s e des G e s c h ä f t s i n h a b e r s h e r b e i z u f ü h r e n . Z u s ä t z e , die z u r U n t e r s c h e i d u n g der P e r s o n o d e r des G e s c h ä f t s dienen, sind g e s t a t t e t . S c h r i f t t u m S. bei § 17 sowie Enzinger Täuschungseignung von Firmenzusätzen, die den Anschein einer Beziehung zu öffentlichen Einrichtungen erwecken, N Z 1985, 181; Frey Wandlungen der Rechtsprechung zu Firmenzusätzen, dargestellt am Firmenzusatz „Zentrale", BB 1963, 1281; ders. „Lager" - als Firmenzusatz und Werbeankündigung, W R P 1965, 54; Haberkorn Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes „Fabrik", W R P 1966, 125; ders. Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes „Haus", W R P 1966, 165; ders. Zur Zulässigkeit geographischer Firmenzusätze, W R P 1966, 245; ders. Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes „Zentrale", W R P 1966, 306; ders., Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes „Werk", W R P 1966, 361; ders. Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes und Preiszusatzes „Discount", W R P 1966, 393; ders. Zur Zulässigkeit diverser Firmenzusätze, W R P 1967, 204; ders. Kann die künftige Entwicklung des Betriebes bereits als Firmenzusatz berücksichtigt werden? W R P 1969, 261; P. Hofmann Der Grundsatz der Firmenwahrheit, JuS 1972,233; Hönn Akademische Grade, Amts-, Dienst- und Berufsbezeichnungen sowie Titel in der Firma in firmen- und wettbewerbsrechtlicher Sicht, Z H R 153 (1989), 386; Kasper Zur Bedeutung des geographischen Firmenzusatzes, JBl. 1973, 79; Knaak Das Recht der Gleichnamigen, 1979; Leisner Gemeinnützige Wohnungsunternehmen - Firmenname und Wettbewerb, 1989; Prunbauer Zur Täuschungsfähigkeit des Begriffs „Markt", OBI. 1980, 148; Κ. Schmidt Handelsrecht, § 12 III 1; Walter Die Zulässigkeit des Firmenzusatzes „Supermarkt", ÖB1. 1967, 73; Wessel Der akademische Titel in der Firma, BB 1965,1379; Wünsch Zur Zulässigkeit von Firmenzusätzen, die Beziehungen zum Staat oder zu einer anderen öffentlichen Einrichtung zum Ausdruck bringen, N Z 1984, 205.
I. Zweck II. Firmenkern und Zusätze 1. Begriff 2. Standort III. Firma des Einzelkaufmanns (§ 18 Abs. 1 HGB) 1. Anwendungsbereich 2. Familienname a) Begriff b) Einzelfälle c) Standort 3. Vorname a) Anwendungsbereich b) Begriff c) Mehrere Vornamen IV. Zusätze 1. Überblick 2. Unterscheidung der Person 3. Unterscheidung des Geschäfts V. Täuschungsverbot 1. Anwendungsbereich a) Alle Firmen in ihrer Gesamtheit b) Ausnahmen c) Insbesondere Firmenkern
Rdn. 1 2 2 3 4 5 6 6 7 9 11 11 12 13 14 14 15 16 17 18 18 19 20
2. Maßstab a) Prüfungsschritte b) Insbesondere die Sicht der angesprochenen Kreise c) Beweis 3. Insbesondere Gesellschaftszusätze VI. Einzelfälle 1. Akademische Titel a) Überblick b) Firmenbildung c) Abgeleitete Firmen d) Sonstige Fälle 2. Alter 3. Amtlicher Charakter 4. Anstalt, Akademie, Institut 5. Bank 6. Börse 7. Bau 8. Discount 9. Fabrik, Werk und Industrie 10. Fachgeschäft, Fachmann 11. Geographische Zusätze a) Behauptung einer Führungsposition . b) Andere Fälle
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Rdn. 21 21 23 25 26 28 29 29 30 30b 31 32 33 34 35 37 38 39 40 42 44 45 46
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Erstes Buch. Handelsstand
§18
12. 13. 14. 15. 16.
c) Deutsch, österreichisch usw d) Europa, international Großhandel Haus Hersteller Lager Markt
Rdn. 47 48 49 50 51 52 53
17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.
Revision, Buchprüfung Technik Treuhand Verband, Vereinigte Warenbezeichnung Zentrale Sonstige Zusätze
Rdn. 54 55 56 57 58 59 60
I. Zweck 1
§ 18 regelt in Abs. 1 die Neubildung von einzelkaufmännischen Firmen und fügt in Abs. 2 für alle Firmen das Verbot täuschender Zusätze hinzu (ebenso § 3 U W G = § 2 öUWG). Zweck der Regelung ist es in erster Linie sicherzustellen, daß die Firma einen möglichst klaren und richtigen Aufschluß über die Verhältnisse eines Geschäfts und die Person seines Inhabers vermittelt 1 . Man spricht insoweit allgemein von dem Grundsatz der Firmenwahrheit oder Firmenklarheit.
1a
Der Grundsatz der Firmenwahrheit wird häufig als oberstes Prinzip des Firmenrechts bezeichnet. Indessen bleibt zu beachten, daß das Gesetz den Grundsatz der Firmenwahrheit selbst nicht rein durchgeführt hat, sondern vielfältige Ausnahmen, namentlich im Interesse der sog. Firmenkontinuität (§§ 22, 24) zuläßt. Richtig ist aber auch, daß der Grundsatz der Firmenwahrheit selbst in den genannten Ausnahmefällen niemals ganz aus den Augen verloren werden darf. Schon hieraus folgt, daß er bei der Auslegung der firmenrechtlichen Vorschriften des H G B stets vorrangig zu berücksichtigen ist2. In dieselbe Richtung weist die Parallelvorschrift des § 3 U W G (= 2 öUWG), die neben § 18 Abs. 2 anwendbar bleibt.
II. Firmenkern und Zusätze 1. Begriff 2
Das Gesetz unterscheidet in § 18 ebenso wie z.B. in den §§ 30 Abs. 2 und 3 und 50 Abs. 3 zwischen dem Firmenkern und den Firmenzusätzen. Unter dem Firmenkern versteht man allein die jeweils gesetzlich vorgeschriebenen Mindestangaben (s. z.B. § 18 Abs. 1), während Zusätze alle anderen Firmenbestandteile einschließlich der Gesellschaftszusätze sind 3 . Die rechtliche Bedeutung dieser Unterscheidung ist freilich gering, da immer nur beide Bestandteile zusammen die jeweilige Firma bilden, die immer eine Einheit darstellt 4 . Die Folge ist vor allem, daß im Falle der Unzulässigkeit einzelner Firmenbestandteile stets nur die gesamte Firma und nicht etwa allein der beanstandete Firmenbestandteil gelöscht werden können 5 .
1 2
3
BayOLGZ 1992, 234 = NJW-RR 1993, 103. Insbes. BGHZ 53, 65, 69; 65, 89, 92; 68, 12, 14; 68, 271, 273; 80, 353, 355 = NJW 1981, 2746. RGZ 96, 195, 197; 127, 77, 80 f; BGHZ 44, 286, 287; 68, 12, 13 f; BayObLGZ 1956, 260, 262; 1958,253,254; 1970,297,299; 1971,347,348; KG JW 1930, 1410; 1936, 1789 m. Anm. Groscbuffi OLG Hamm O L G Z 1974, 139, 141.
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4
5
S. oben § 17 Rdn. 5; RGZ 96,195, 197; BGH LM Nr. 3 zu § 18 HGB = NJW 1959, 2209; KG JW 1930, 1410. ZB BGHZ 65, 103, 106; OLG München JFG 14, 478, 481; OLG Hamm OLGZ 1969, 507; KG NJW 1955, 1926, 1928 usw.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§18
2. Standort Da Firmenkern und -zusätze eine Einheit bilden, spielt es für die Zulässigkeit einer 3 Firma keine Rolle, wo die einzelnen Bestandteile stehen. § 18 schreibt nicht etwa eine bestimmte Reihenfolge der Firmenbestandteile vor; vielmehr können die Zusätze auch am Anfang oder in der Mitte der Firma stehen, immer vorbehaltlich des Täuschungsverbots des § 1 8 Abs. 2 S. I 6 .
III. Firma des Einzelkaufmanns ( § 1 8 Abs. 1 HGB) Die Firma eines Einzelkaufmanns muß nach § 18 Abs. 1 mindestens aus seinem Fami- 4 liennamen und einem ausgeschriebenen Vornamen bestehen. Dies ist der zwingend vorgeschriebene Firmenkern (o. Rdn. 2), an dem die Namensfunktion der Firma ( § 1 7 Abs. 1) besonders deutlich. Die Zulässigkeit von Firmenzusätzen richtet sich hingegen bei Einzelkaufleuten ebenso wie bei allen anderen Kaufleuten nach § 18 Abs. 2 sowie nach den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen und namensrechtlichen Vorschriften, d.h. insbes. nach den §§ 1 und 3 U W G sowie § 12 B G B 7 . 1. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 beschränkt sich auf die Neubildung der Firma eines Einzelkaufmanns. Als Einzelkaufmann gilt auch, wie das Gesetz ausdrücklich hervorhebt, die stille Gesellschaft. Gleich stehen bestimmte Vereine sowie die Erbengemeinschaft, sofern sie erstmals eine Firma annimmt. Die Erbengemeinschaft muß dann freilich dem Namen des Erblassers den Zusatz „Erbengemeinschaft" hinzufügen 8 .
5
Aus dem Zusammenhang der §§ 18, 22 und 24 folgt außerdem, daß das Gesetz in § 18 5 3 Abs. 1 lediglich die Neubildung der Firma eines Einzelkaufmanns regelt. Als solche Neubildung ist freilich auch jede Änderung der Firma eines Einzelkaufmanns anzusehen, da die Änderung einer Firma rechtlich immer der Aufgabe der alten und der Wahl einer neuen Firma gleichsteht, selbst wenn sich die Änderung auf „bloße" Zusätze beschränkt 9 . Keine Bedeutung hat § 18 Abs. 1 hingegen für Gesellschaften, so daß sie selbst bei Wahl einer Personenfirma (§ 19; § 4 GmbHG; § 4 AktG) befugt, aber nicht verpflichtet sind, die Vornamen ihrer Gesellschafter in ihre Firma aufzunehmen 10 . 2. Familienname a) Begriff. Der Einzelkaufmann (o. Rdn. 5) muß nach § 18 Abs. 1 zunächst seinen 6 Familiennamen in die Firma aufnehmen. Familienname in diesem Sinne ist der bürgerliche Zwangsname, wie er sich aus dem Personenstandsregister ergibt. Jede Veränderung oder Abkürzung dieses Namens in der Firma ist daher unzulässig; maßgebend ist vielmehr allein die Schreibweise des Namens im Personenstandsregister.
6 7
8
S. z.B. KG J W 1936, 1789; sowie u. Rdn. 9. ZB BayObLG J W 1930, 1416, 1417; s. im übrigen noch Bokelmann Tz. 560 ff.; I. Heinrich S. 100 ff. S. o. § 1 Rdn. 24 sowie insbes. KG J F G 5,209; J W 1938, 3117, 3118.
9
10
KGJ 41,109, 112 f; N J W 1955, 1926, 1928; BayO b L G Z 1983, 310, 317; 1984, 129, 131 f; O L G München J F G 14, 478, 481 usw.; s. auch u. § 30 Rdn. 10. Unstr. seit KGJ 39 A 114, 115; statt aller Scholz/ Emmerich GmbHG, § 4 Rdn. 23 ff, 29.
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§18 b) Einzelfälle 7
aa) Aus dem Gesagten folgt, daß ein Kaufmann, der einen D o p p e l n a m e n oder einen a u s l ä n d i s c h e n N a m e n führt, nicht berechtigt ist, diese N a m e n in irgendeiner F o r m zu verändern, u m sie etwa der deutschen Umgangssprache anzupassen. Lediglich ihre Transkription in die lateinische Schrift ist zulässig und geboten. Japanische Kaufleute dürfen in Deutschland keine F i r m a aus japanischen Schriftzeichen bilden, sondern müssen ihre japanischen N a c h n a m e n in lateinische Schrift transkribieren. D a s Gesagte gilt selbst dann, wenn die ausländischen N a m e n für deutsche O h r e n so ungewohnt klingen, daß sie nicht mehr als N a m e n zu erkennen s i n d " .
7a
b b ) Namensbestandteile sind außerdem sämtliche A d e l s p r ä d i k a t e (Art. 109 W R V ) , so daß sie ebenfalls in die Firma aufgenommen werden müssen 1 2 . Umstritten ist hingegen die Zulässigkeit der Verwendung von K ü n s t l e r n a m e n u n d sonstigen P s e u d o n y m e n 1 3 . W ä h r e n d die Praxis bisher ihre Verwendung zur Firmenbildung mit R ü c k s i c h t auf den Wortlaut des Gesetzes ( § 1 8 Abs. 1) meistens abgelehnt hat 1 4 , setzt sich heute die Gegenmeinung immer mehr durch. D e m ist jedenfalls für bekannte Künstlernamen unbedenklich zuzustimmen.
8
c c ) E h e f r a u e n , die nach ihrer Verheiratung den N a m e n ihres E h e m a n n s angenommen haben, dürfen nur diesen in ihrer Firma führen; sie k ö n n e n j e d o c h ihren Mädchennamen als Firmenzusatz, etwa mit dem Vermerk „geb.", ihrem N a m e n hinzufügen 1 5 . F ü h r e n sie nach § 1355 B G B einen Begleitnamen, so m u ß dieser gleichfalls in der F i r m a erscheinen 1 6 . Entsprechendes gilt schließlich für überlebende Ehegatten. Sie können nicht etwa den N a m e n oder Vornamen des verstorbenen Ehepartners, sondern dürfen stets nur ihren eigenen N a m e n und Vornamen als F i r m a wählen 1 7 .
c) Standort 9
a a ) D a das G e s e t z keine bestimmte Reihenfolge von F i r m e n k e r n und Zusätzen vorschreibt (o. R d n . 3), ist es zulässig, den N a m e n eines Einzelkaufmanns in einem sog. I n h a b e r v e r m e r k , z . B . nach einer Geschäftsbezeichnung ans E n d e der F i r m a zu rücken. Voraussetzung ist lediglich, daß dadurch nicht der unrichtige E i n d r u c k einer nach § 22 oder § 2 4 fortgeführten (alten) F i r m a erweckt wird 1 8 .
10
b b ) Zulässig ist es außerdem, den N a m e n in a d j e k t i v i s c h e r F o r m (z.B. „Fürstlich X ' s c h e F a b r i k " ) als F i r m a zu führen, weil dadurch niemand irregeführt werden kann 1 9 . Hingegen ist es nicht statthaft, den N a m e n lediglich in K l a m m e r n in die Firma aufzunehmen20.
S. für Doppelnamen KGJ 5, 20 f; 27 A 64, 65 f; für ausländische Namen KG O L G E 41, 192; BayObLGZ 1972, 277; 1973, 211. 12 KG J W 1931, 472 f. 13 S. Scholz/Emmerich GmbHG, § 4 Rdn. 27. 14 KGJ 35, A 150; Recht 1908 Nr. 1057; O L G E 40, 178 f; H R R 1939 Nr. 92; BayObLGZ 1954, 203 = N J W 1954, 1933. '5S. u. Rdn. 15; O L G Stuttgart N J W 1951, 280; ebenso natürlich im umgekehrten Falle heute Ehemänner. 11
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16
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§ 18 Anm. 1 B.
i? RG J W 1926, 1326 Nr. 2; KG RJA 16, 78; zur Erbengemeinschaft s. o. Rdn. 5. 18 KG J F G 7 , 1 4 7 ; 13, 396, 398; 1 7 , 1 6 1 , 1 6 3 f; H R R 1937 Nr. 642; O L G Z 1965, 315, 319; O L G Köln N J W 1953, 345; 1963, 541, 542 f; O L G Frankfurt O L G Z 1978, 43 „Heizungsbau X Inh. Y " ; LG Dortmund BB 1971 Beil. Nr. 9, S. 3 f; a.A. z.B. früher KGJ 51, 112 f; J W 1929, 2155. 19 RGZ 119, 198, 201; KGJ 5, 20 f. 2 0 § 18 Abs. 2 S. 1; KG RJA 9, 91 f.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma 3. Vorname a) Anwendungsbereich.Während noch nach dem A D H G B der Familienname des 11 Einzelkaufmanns als Firma ausreichte, schreibt das Gesetz heute in § 18 Abs. 1 zwecks möglichst eindeutiger Indentifizierung des Geschäftsinhabers (o. Rdn. 1) die Hinzufügung mindestens eines ausgeschriebenen Vornamens vor. Eine Ausnahme gilt lediglich für sog. alte Firmen unter der Voraussetzung, daß sie schon vor dem 1.1.1900 in der abweichenden Form, d.h. ohne Vorname, ins Handelsregister eingetragen waren 21 . b) Begriff. Der Vorname kann nach h.M. ebenso wie der Familienname (o. Rdn. 6 f) nur 12 in der Form gewählt werden, wie er sich aus dem Geburtenbuch ergibt. Jede Abkürzung oder Vereinfachung ist unzulässig. Wer Friedrich, Wilhelm oder Heinrich heißt, darf sich daher in seiner Firma nicht etwa Fritz, Willi oder Heinz nennen 22 . Diese unnötig kleinliche Praxis verdient freilich ebensowenig Billigung wie die frühere Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Verwendung von Künstlernamen zur Firmenbildung 23 . c) Mehrere Vornamen. Führt der Kaufmann mehrere Vornamen, so steht es ihm frei, 1 3 mit welchem dieser Vornamen er seine Firma bildet; er braucht hierfür nicht etwa seinen üblichen Rufnamen zu wählen 24 . Er darf aber nicht Vornamen wählen, die ihm nach den Eintragungen im Geburtenbuch nicht zustehen 25 . Wenn der Kaufmann den zusätzlichen Vornamen Maria hat, muß er freilich einen weiteren Vornamen in die Firma aufnehmen, damit nicht der Eindruck entsteht, Inhaber des Geschäfts sei eine Frau 26 . Bildet der Kaufmann seine Firma aus mehreren Vornamen, so ist er in der Schreibweise 1 3 3 der zusätzlichen Vornamen frei. Er kann sie abgekürzt oder ausgeschrieben verwenden. Er ist insbesondere nicht an die Form gebunden, die im Geburtenbuch eingetragen ist, sondern kann auch davon abweichende Rufnamen verwenden 27 .
IV. Zusätze 1. Überblick Zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestangaben, dem sog. Firmenkern 1 4 des § 18 Abs. 1, gestattet § 18 Abs. 2 S. 2 für alle Firmen die Aufnahme von Zusätzen, die zur Unterscheidung der Person oder des Geschäfts dienen 28 ; aus S. 1 des § 18 Abs. 2 ergibt sich außerdem die Zulässigkeit von besonderen Gesellschaftszusätzen 29 . In der Wahl aller dieser Zusätze ist der Kaufmann grundsätzlich frei; er muß dabei lediglich das Täuschungsverbot des § 18 Abs. 2 S. 1 sowie die allgemeinen namensrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Schranken der Firmenbildung berücksichtigen 30 . Deshalb sind z.B. auch Phantasieworte oder Abkürzungen als Zusätze unbedenklich erlaubt 31 . Dasselbe gilt
21
Art. 22 EG; KGJ 27 A 216 und 219. Grdleg. KGJ 23 A 205, 207 f und BGHZ 30, 288, 291 = NJW 1959, 2255; BGH LM Nr. 8 zu § 18 HGB = NJW 1980, 127; KG OLGE 4, 190. 23 S. o. Rdn. 7; ebenso z.B. KG JW 1925, 1416 Nr. 2; LG Köln BB 1971 Beil. Nr. 9 S. 3; K. Schmidt § 12 III le, aa (S. 325 f.); Straube/ Schuhmacher § 18 Rdn. 3. 24 RG HRR 1934 Nr. 1538; BayObLGZ 1928, 505, 506. 22
« KG RJA 16, 78; OLG Hamburg OLGE 21, 377 f. 26 Baumbach/Duden/Hopt § 18 Anm. 1 A. 27 Schlegelberger/Hildebrandt § 18 Rdn. 5. 28 S. schon o. Rdn. 2 f. 29 S. dazu u. Rdn. 26 f. 30 S. bes. § 12 BGB; §§ 1, 3 und 16 UWG; z.B. BayObLG JW 1930, 1416, 1417. 31 Z.B. O G H GesRZ 1978, 182.
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§18
für fremdsprachliche Zusätze, jedenfalls, wenn sie für die angesprochenen Verkehrskreise verständlich sind 32 . Ebensowenig bestehen hinsichtlich der Reihenfolge von Firmenkern und Zusätzen Beschränkungen (o. Rdn. 3). 2. Unterscheidung der Person 15
§ 18 Abs. 2 S. 2 erwähnt zunächst Zusätze, die zur Unterscheidung der Person dienen. Beispiele sind weitere Vornamen 33 , Künstlernamen und sonstige Pseudonyme, sofern nicht ohnehin schon erlaubt 34 , akademische Titel wie z.B. der Doktortitel 35 und sonstige Berufsbezeichnungen (soweit nicht gesetzliche Schranken wie bei vielen Freiberuflern entgegenstehen) sowie frühere Namen 3 6 . 3. Unterscheidung des Geschäfts
16
Wichtiger noch sind Zusätze zur Unterscheidung des Geschäfts, da eine schlagkräftige Firma stets eine besondere Werbewirkung entfaltet 37 . In Betracht kommen hier insbes. Geschäftsbezeichnungen i. S. des § 16 Abs. 1 U W G (§ 5 MarkenRRefG), Hinweise auf die in dem Geschäft hergestellten oder vertriebenen Waren, Warenzeichen, geographische Hinweise sowie einprägsame Phantasiebezeichnungen, sofern sie als solche aussprechbar und nicht täuschend sind. Außerdem gehören hierher noch zusätzliche Hinweise auf die Rechtsverhältnisse des Geschäfts wie z.B. die sog. Nachfolgevermerke bei fortgeführten Firmen (s. dazu u. §§ 22 und 24). Unzulässig als Firmenzusätze sind hingegen bloße Werbeappelle ohne sachlichen Gehalt 38 .
V. Täuschungsverbot 17
Nach § 18 Abs. 2 S. 1 darf der Firma kein Zusatz beigefügt werden, der ein Gesellschaftsverhältnis andeutet oder sonst geeignet ist, eine Täuschung über Art und Umfang des Geschäfts oder die Verhältnisse des Geschäftsinhabers herbeizuführen. Dieses sog. Täuschungsverbot ist der wichtigste Ausdruck des Grundsatzes der Firmenwahrheit. Sachlich deckt es sich weithin mit dem Täuschungsverbot des § 3 UWG 3 9 . 1. Anwendungsbereich
18
a) Alle Firmen in ihrer Gesamtheit. Das Täuschungsverbot gilt - trotz seiner Stellung in § 18 - ohne jede Ausnahme für alle Firmen in ihrer Gesamtheit. Sein Anwendungsbereich beschränkt sich nicht etwa auf die Firmenzusätze sowie auf die Firmen von Einzelkaufleuten (§18 Abs. 1) und Personengesellschaften (§ 19); das Täuschungsverbot erfaßt vielmehr - als Ausdruck des allgemeinen Wahrheitsgrundsatzes - außerdem den Firmenkern sowie die Personen- oder Sachfirmen der Kapitalgesellschaften 40 oder die
32
N o c h großzügiger O L G Wien N Z 1982, 40 = H S 12.050. « S. o. Rdn. 13. 34 S. dazu oben Rdn. 7. 35 Dazu im einzelnen u. Rdn. 19 ff. 36 Vgl. für den Mädchennamen der Frau o. Rdn. 8; s. im einzelnen Staub/Hiiffer § 18 Rdn. 19 f; Schlegelberger/Hildebrandt § 18 Rdn. 17.
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37
Beispiele u. Rdn. 28 ff. ¡¡ O L G Celle N J W - R R 1986, 342 „Nix wie hin". 39 Dazu z.B. Emmerich Unlauterer Wettbewerb, 3
4
SS 12, 12a. ° S. § 4 G m b H G und § 4 AktG.
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§18
Firmen juristischer Personen und Gebietskörperschaften nach den §§ 33 und 3641. Sein Anwendungsbereich umfaßt außerdem die spätere Firmenführung, so daß Zusätze auch durch eine nachträgliche Veränderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse unzulässig werden können, wenn sie jetzt, d.h. aufgrund der veränderten Verhältnisse die Gefahr einer Täuschung heraufbeschwören 42 . Das Registergericht kann dann gegen die nur nachträglich unzulässig gewordene Firma nach § 37 Abs. 1 (i.V.m. § 140 FGG) oder nach § 142 FGG einschreiten. Kein Raum ist hier hingegen für die Verfahren nach § 31 (i.V.m. § 14) oder nach § 144a FGG 4 3 . b) Ausnahmen. Der Grundsatz der Firmenwahrheit wird von dem Grundsatz der 1 9 Firmenkontinuität (§§ 22 und 24) nur in einzelnen Beziehungen durchbrochen, jedoch nicht völlig aufgehoben. Folglich können auch abgeleitete Firmen im Einzelfall gegen das Täuschungsverbot des § 18 Abs. 1 S. 2 verstoßen 44 . c) Insbesondere Firmenkern. Das Hauptanwendungsgebiet des Täuschungsverbotes 2 0 liegt bei den Firmenzusätzen, während seine Bedeutung für den Firmenkern gering ist (s. o. Rdn. 2). Denn die Firma des Einzelkaufmanns, die entsprechend § 18 Abs. 1 aus dessen Namen gebildet worden ist, kann grundsätzlich nicht täuschend sein. Dasselbe gilt in aller Regel für die Firmen von Kapitalgesellschaften, sofern sie aus den Namen von Gesellschaftern gebildet werden (§ 4 AktG und § 4 GmbHG) 4 5 . Anders aber, wenn die Kapitalgesellschaft eine Sachfirma wählt. Dem steht der Fall gleich, daß die Firma einer A G oder G m b H aus dem Namen eines Gesellschafters gebildet wird, der seinerseits eine Sachfirma führt; das Täuschungsverbot greift hier namentlich ein, wenn die Sachfirma des Gesellschafters bei der Gesellschaft täuschend ist, z.B. eine nicht vorhandene Bedeutung oder einen falschen Tätigkeitskreis vorspiegelt 46 . Weitere Zulässigkeitsschranken für den Firmenkern können sich im Einzelfall noch aus den §§ 1 und 3 U W G ergeben 47 . Zu denken ist hier namentlich an die Fälle der Gleichnamigkeit 48 . 2. Maßstab a) Prüfungsschritte. § 18 Abs. 2 S. 1 stellt auf die Eignung der Firma zur Täuschung 2 1 ab. Getäuscht werden kann aber nur derjenige, an den sich die Firma wendet. Die Prüfung der Täuschungsgefahr hat daher mit der Frage zu beginnen, an wen sich die Firma überhaupt wendet. Daran muß sich die Prüfung anschließen, wie die hiernach in Betracht kom-
41
ZB RGZ 127, 77, 80 f; KG JW 1932, 2622 f; BayObLGZ 1972, 277, 279; 1971, 347, 349; 1981, 88, 92; BayObLG BB 1979, 184; NJW 1992, 2362; OLG Hamm O L G Z 1974, 139, 141; O G H GesRZ 1979, 125, 126 f.; 1985, 104, 105; Staub/Hüffer § 18 Rdn. 4; P. Hofmann JuS 1972, 233, 235 f; Emmerich/Scholz GmbHG, § 4 Rdn. 17 m. zahlr. weiteren Nachw. 42 Grdleg. RGZ 162, 121, 123; 169, 147, 150; BGHZ 10, 196, 201; KG JW 1932, 2622 f; 1936, 923 f; DR 1942, 731; OLGZ 1965, 124, 127; BayObLGZ 1975, 332, 335; 1979, 207; OLG Hamm O L G Z 1979, 1, 3 f; O L G Zweibrücken O L G Z 1972, 391, 393; O G H SZ Bd. 51 (1978) Nr. 1020, S. 540, 542.
43
Im einzelnen str.; s. u. § 31 Rdn. 8, § 37 Rdn. 11 ff; Bokelmann Tz. 830 ff.; Scholz/Emmerich, § 4 Rdn. 64 ff; Staub/Hüffer § 37 Rdn. 23 f. 44 S. im einzelnen u. § 22 Rdn. § 18 ff. 45 RGZ 127, 77, 81; KG NJW 1955, 1926, 1927; BayObLGZ 1971, 347, 349; 1973, 211, 212 f. 46 Z.B. BayObLG Betrieb 1983, 2302; O G H GesRZ 1979, 125, 126 f.; 1985, 104, 105; Scholz/ Emmerich GmbHG, § 4 Rdn. 31m. Nachw. 47 RGZ 127, 77, 81; vgl. aber auch KG DR 1940, 456 Nr. 21. 48 S. dazu Emmerich Unlauterer Wettbewerb, § 14, 14; Knaak aaO (vgl. Schrifttum); s. auch u. § 30 Rdn. 22.
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§18
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menden Adressaten die Firma verstehen. Denn allein dieses Verständnis ist der Prüfung der Täuschungsgefahr zugrunde zu legen. Als letztes ist schließlich zu prüfen, ob die Firma bei diesem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise mit der Wirklichkeit übereinstimmt; keine Rolle spielt also insbesondere das Verständnis der Firma durch den Geschäftsinhaber selbst. Für § 18 Abs. 2 gilt insoweit in jeder Hinsicht dasselbe wie für § 3 U W G (= § 2 O U W G ) . Wegen aller Einzelheiten kann daher im übrigen auf die Ausführungen zu § 3 U W G verwiesen werden 49 . 22
Aus dem Gesagten folgt, daß für die Beurteilung der Täuschungsgefahr in erster Linie davon auszugehen, wie das allgemeine Publikum die Firma versteht, da sich Firmen in erster Linie an dieses wendet. Daneben treten freilich häufig noch andere, engere Verkehrskreise, weil § 18 außerdem die Aufgabe hat, die Konkurrenten des Kaufmanns vor unlauteren Verhaltensweisen und die Kunden und Lieferanten vor sonstigen Täuschungen zu schützen. Für die Anwendung des Täuschungsverbots genügt es dann bereits, wenn diese engeren Verkehrskreise durch die Firmenwahl getäuscht werden können.
23
b) Insbesondere die Sicht der angesprochenen Kreise. Nicht nur die genaue Abgrenzung der maßgeblichen angesprochenen Verkehrskreise, sondern auch die Ermittlung des Sinnes, die diese mit der Firma verbinden, bereitet häufig erhebliche Schwierigkeiten. Hierbei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Für die Anwendung des § 18 Abs. 2 S. 1 genügt es ebenso wie bei § 3 U W G bereits, wenn ein nicht völlig unerheblicher Teil der angesprochenen Kreise, d.h. ungefähr 15% bei unbefangener Betrachtung der Firma getäuscht werden kann. Es ist nicht erforderlich, daß es schon tatsächlich zu Täuschungen gekommen ist; erst recht ist keine Täuschungsabsicht erforderlich 50 .
24
Dabei ist auf die Firma als ganzes abzustellen; maßgebend ist m.a.W. immer allein der Eindruck, den die gesamte Firma auf die jeweils angesprochenen Verkehrskreise machen muß. Eine zergliedernde Betrachtungsweise, die nur einzelne Firmenbestandteile hervorhebt und gesondert auf ihre Täuschungsgefahr untersucht, ist nicht zulässig 51 . Etwas anderes gilt lediglich für Phantasiewörter und sonstige Firmenschlagworte, die bestimmt und geeignet sind, im Verkehr auch allein als abgekürzte Bezeichnung des Geschäfts zu dienen, da solche Firmenbestandteile für sich allein gleichfalls nicht täuschend sein dürfen 52 . Sachfirmen, die nur aus unverständlichen Phantasiewörtern bestehen, sind ohnehin stets täuschend und damit unzulässig 53 .
25
c) Beweis. Die Beurteilung der Täuschungsgefahr ist häufig schwierig. In solchen Fällen darf der Richter aus eigener Sachkunde grundsätzlich nur entscheiden, wenn er selbst zu
49
50
Statt aller Emmerich Unlauterer Wettbewerb, § 12, 5 m. zahlr. Nachw. Vgl. z.B. R G Z 127, 77, 84; 156, 16, 20 ff; B G H LM Nr. 1 zu § 18 H GB = M D R 1959, 551; LM Nr. 3 aaO = N J W 1959, 2209; B a y O b L G Z 1958, 253, 254; 1971, 347, 349; 1972, 277, 279 ff; 1981, 88, 92; 1983, 310, 312 f; 1984, 167, 168 ff; 1985, 215, 217; 1986, 67, 66 f.; 1986,150, 152; 1989,44 = BB 1989, 727; B a y O b L G JW 1930, 1416, 1417; BB 1979, 184; 1988, 1914; G m b H R 1983, 239; NJW-RR 1986, 839; 1990, 671; K G NJW 1955, 1926, 1927 f; O L G Hamm N J W 1968, 2381 f;
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O L G Z 1974, 139, 141; O L G Frankufrt O L G Z 1980, 151, 153 ff; 1980, 291 ff; O L G Wien N Z 1982, 93 = HS 12.052. 51 Insbes. R G Z 127, 77, 84; B G H LM Nr. 119 zu § 3 U W G = BB 1973, 59; K G NJW 1955, 1926, 1927. 52 Grdleg. B G H Z 22, 88, 90; O L G Köln BB 1980, 652; O L G Hamm O L G Z 1974, 139, 141. « B a y O b L G Z 1972, 277, 282; 1983, 310, 312 f; O L G Frankfurt O L G Z 1982, 144 „Darius".
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§18
d e n a n g e s p r o c h e n e n Verkehrskreisen g e h ö r t u n d die T ä u s c h u n g s g e f a h r bejaht 5 4 . In allen anderen Fällen m u ß er hingegen eine B e w e i s a u f n a h m e d u r c h f ü h r e n . H i e r b e i haben in der Praxis namentlich die G u t a c h t e n d e r I n d u s t r i e - u n d H a n d e l s k a m m e r n u n d des D I H T B e d e u t u n g erlangt. D e r Richter ist z w a r an solche G u t a c h t e n nicht g e b u n d e n ; w e n n in ihnen eine T ä u s c h u n g s g e f a h r bejaht w i r d , w i r d er j e d o c h in aller Regel nicht in der Lage sein, gleichwohl aus eigener S a c h k u n d e eine solche zu verneinen, s o n d e r n m u ß d a n n n o t falls weitere Beweise erheben 5 5 .
3. Insbesondere Gesellschaftszusätze A u s d e m T ä u s c h u n g s v e r b o t ergibt sich, wie § 18 A b s . 2 S. 1 n o c h besonders h e r v o r hebt, v o r allem das V e r b o t jeder F i r m e n w a h l , die geeignet ist, eine T ä u s c h u n g ü b e r das Vorhandensein o d e r die A r t eines gesellschaftlichen Z u s a m m e n s c h l u s s e s h e r v o r z u r u f e n (vgl. auch § 19 Abs. 5 f ü r die G m b H 8c C o . K G ) . U n z u l ä s s i g sind hiernach z u n ä c h s t sämtliche Zusätze, die bei E i n z e l k a u f l e u t e n auf das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses h i n d e u t e n k ö n n t e n . Beispiele sind a u ß e r d e n ausdrücklichen R e c h t s f o r m z u s ä t z e n wie O H G u n d K G n o c h Z u s ä t z e wie G e b r ü d e r , & C o . , & Sohn, & Partner 5 6 . V e r b o t e n sind a u ß e r d e m P h a n t a s i e w o r t e o d e r A b k ü r z u n g e n , die d u r c h ihre G e s t a l t u n g geeignet sind, ü b e r die Gesellschaftsverhältnisse zu täuschen. D a m i t u n v e r e i n b a r sind v o r allem sämtliche W o r t b i l d u n g e n , die auf „ag" o d e r „ A G " enden, da hieraus d e r V e r k e h r stets auf das Vorliegen einer Aktiengesellschaft schließt, selbst w e n n n o c h weitere Gesellschaftszusätze in der F i r m a enthalten sind 5 7 .
26
A u c h sonst d ü r f e n keine v e r w i r r e n d e n o d e r in anderer H i n s i c h t i r r e f ü h r e n d e n Gesellschaftszusätze v e r w a n d t w e r d e n . So ist es z.B. unzulässig, d u r c h die Wahl b e s t i m m t e r F i r m e n z u s ä t z e den ( u n z u t r e f f e n d e n ) E i n d r u c k rechtlicher oder wirtschaftlicher Bezieh u n g e n zu anderen U n t e r n e h m e n zu erwecken 5 8 . Wichtig ist das Gesagte a u ß e r d e m f ü r die F i r m e n v o n Kapitalgesellschaften, die aus d e n N a m e n ihrer Mitglieder gebildet w e r d e n , f ü r abgeleitete F i r m e n , f ü r Z u s ä t z e wie „ V e r b a n d " 5 9 sowie f ü r die u n k l a r e A n e i n a n d e r reihung v o n R e c h t s f o r m z u s ä t z e n 6 0 .
27
VI. Einzelfälle S c h r i f t t u m Baumbach/Duden/Hopt § 18 Anm. 4 und 5; Bokelmann Rdn. 124 ff; I. Heinrich passim; Staub/Hüfter § 18 Rdn. 37 bis 73; Schlegelberger/Hildebrandt § 18 Rdn. 12 ff; K. Schmidt § 12 III 1 f (S. 328 ff.); Straube/Schuhmacher § 18 Rdn. 12 - 18. 54
S. BayOLGZ 1986, 67, 65 = WM 1986, 1557, 1561; Staub/Hüffer $ 18 Rdn. 30. 55 S. zB BayObLGZ 1971, 349; 1972, 277, 282; 1972, 388, 390; 1983, 310, 313 f; 1984, 167, 168 f; 1985, 215, 217; 1986, 61, 65 f.; 1989, 44 = BB 1989, 727; BayObLG WM 1983, 1430; GmbHR 1983, 239; DB 1986, 1325 = WM 1986, 968; NJW-RR 1986, 839; BB 1988, 1974; OLG Hamm OLGZ 1974, 139, 141; OLG Frankfurt OLGZ 1980, 151, 154 f; 1981, 417, 418; OLG Wien NZ 1982, 93 = HS 12.052. 56 Staub/Hüffer § 18 Rdn. 25 m. Nachw. 57 BGHZ 22, 88, 90 = NJW 1956, 1873 „Indrohag"; KG DR 1942, 1057 Nr. 1; OLGZ 1965, 124, 130; BayObLGZ 1983, 310, 312 f; Bay-
ObLG DB 1978, 1269 = BB 1979, 1465 f „Trebag"; MDR 1982, 940 „BAG"; OLG Stuttgart BB 1972, 935 (für die Abkürzung „AG" für Agentur trotz Zufügung des Gesellschaftszusatzes GmbH); sehr großzügig hingegen OLG Frankfurt Betrieb 1992, 2541 für die Firma „Genossenschaftliche Beteiligungsgesellschaft Kurhessen AG". 58 O G H SZ Bd. 40 (1977) Nr. 64, S. 303, 308; Bd. 51 (1978) Nr. 120, S. 540, 543. 59 S. u. Rdn. 57 sowie z.B. BGHZ 44, 286; 53, 65, 69; 68, 12, 15; 68, 271, 273; BayObLGZ 1970, 297; OLG Hamm DB 1994, 467 f. ω OLG Hamm WM 1987, 753 für „oHG mbH".
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Erstes Buch. Handelsstand
§18 28
D e r folgende Ü b e r b l i c k beschränkt sich auf eine Reihe von Firmenzusätzen, die erfahrungsgemäß in der Praxis besonders umstritten sind. Weitere Hinweise finden sich in den firmenrechtlichen Leitsätzen des D I H T 6 1 . Ergänzend ist stets noch die umfangreiche Rechtsprechung zu § 3 U W G zu berücksichtigen, die sich z.T. gleichfalls ausdrücklich mit Firmenzusätzen beschäftigt 6 2 .
1. Akademische Titel S c h r i f t t u m Baumbach/Duden/Hopt § 18 Anm. 5 G; Bokelmann Tz. 282 ff; Staub/Hiiffer § 1 8 Rdn. 39 f; Hoffmann JuS 1972, 233; Hönn Z H R 153, 386; Riegger DB 1984, 441; Schlegelberger/Hildebrandt § 18 Rdn. 17; Wessel BB 1965, 1379. 29
a) Ü b e r b l i c k . D e r a k a d e m i s c h e T i t e l , i n s b e s o n d e r e der D o k t o r g r a d u n d der Professorentitel sind keine Namensbestandteile. D i e Berechtigung zu ihrer Führung richtet sich nach einer Reihe verstreuter Vorschriften; hervorzuheben ist das G e s e t z über die Führung akademischer Grade v o m 7 . 6 . 1 9 3 9 6 3 . Keine dieser Vorschriften regelt j e d o c h die Frage, wann akademische Titel in die Firma aufgenommen werden dürfen, so daß sich diese Frage allein nach § 18 Abs. 2 und nach § 3 U W G richtet. Maßgebend ist mithin, o b im Einzelfall die A u f n a h m e des fraglichen Titels in die Firma geeignet ist, einen nicht völlig unerheblichen Teil der angesprochnen Verkehrskreise über die wissenschaftlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, d.h. die K o m p e t e n z oder über die allgemeine Zuverlässigkeit, die Seriosität des Geschäftsinhabers zu täuschen 6 4 .
29a
D i e A u f n a h m e eines akademischen Titels in die F i r m a ist außerdem dann unzulässig, wenn sie gegen sonstige Rechtsvorschriften, namentlich gegen das genannte G e s e t z über die Führung akademischer G r a d e verstößt 6 5 . Insoweit besteht auch eine besondere Prüfungskompetenz des Registergerichts über § 7 hinaus 6 6 .
b) Firmenbildung 30
aa) Jenseits der zuletzt genannten Fälle k o m m t es stets auf die U m s t ä n d e des Einzelfalles an. M a n m u ß dabei v o r allem zwischen der G r ü n d u n g eines einzelkaufmännischen Geschäfts, der G r ü n d u n g einer Gesellschaft und der F o r t f ü h r u n g einer ü b e r n o m m e n e n F i r m a nach den §§ 22 und 24 unterscheiden. Bei der N e u b i l d u n g einer F i r m a darf sich der K a u f m a n n , der einen akademischen Titel führt, dieses Titels zur Firmenbildung grundsätzlich bedienen; das folgt schon unmittelbar aus § 18 Abs. 2 S. 2. D i e Aufnahme der Fakultätsangabe in die F i r m a steht dem Kaufmann hierbei frei. Eine A u s n a h m e k o m m t j e d o c h in Betracht, wenn der Verkehr etwa mit dem D o k t o r t i t e l die Vorstellung verbindet, der Inhaber besitze den D o k t o r g r a d einer bestimmten Fakultät und verfüge deshalb auf dem G e b i e t seines Geschäfts über besondere Kenntnisse oder Fähigkeite 6 7 . Das gilt zwar z . B . nicht für Rundfunkgeschäfte 6 8 , w o h l aber in der Regel für alle 61
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M
Zusammengestellt bei Staub/Hüffer §18 Rdn. 38. Beispiele bei Emmerich Unlauterer Wettbewerb, § 12a. RGBl. I S. 985; wegen der Einzelheiten s. Hönn S. 389 ff. S. zuletzt insbes. BGH LM Nr. 309 zu § 3 UWG = NJW 1991, 752; LM Nr. 329 zu § 3 UWG = NJW-RR 1992, 367 = WM 1992, 504; ausführlich Hönn S. 396, 412 ff.
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65
66 67
BGH LM Nr. 11 zu § 13 UWG = GRUR 1961, 288 „Zahnbürsten". S. im einzelnen o. § 7 Rdn. 4 ff. BGHZ 53, 65, 67 = NJW 1970, 704; BGH LM Nr. 1 zu § 18 HGB = MDR 1959, 551; BayObLGZ 1914, 264, 269 f. BGH LM Nr. 1 zu § 18 HGB = MDR 1959, 551 = GRUR 1959, 375 „Funkstube Dr. S.".
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§18
Geschäfte, bei denen es auf die besonderen technischen oder wissenschaftlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Inhabers besonders ankommt, Beispiele sind insbesondere Ingenieurbüros oder pharmazeutischen Unternehmen. Zwischen dem D o k t o r g r a d und dem Professorentitel sollte man hierbei nicht unterscheiden, mag auch die Inflationierung des Professorentitels in den letzten Jahren zu dessen deutlicher Entwertung im Ansehen der Öffentlichkeit geführt haben 6 9 . bb) Dieselben Regeln sind grundsätzlich zu beachten, wenn eine Gesellschaft erstmals eine D o k t o r f i r m a annimmt. J e d o c h muß in den Fällen, in denen der Verkehr aus der Verwendung einer D o k t o r f i r m a auf eine besondere Qualifikation oder Seriosität des oder der Geschäftsinhaber schließt, hier noch hinzukommen, daß der Träger des Doktortitels noch Gesellschafter ist und außerdem einen maßgeblichen und bestimmenden Einfluß auf die Gesellschaft besitzt. D i e Firma ist hingegen täuschend, wenn er inzwischen längst ausgeschieden oder ohne jeden Einfluß in der Gesellschaft ist, namentlich, wenn er als bloßer Strohmann für andere Gesellschafter fungiert 7 0 .
30a
c) Abgeleitete F i r m e n . Zusätzliche Probleme ergeben sich bei abgeleiteten Firmen, weil hier bei Verwendung einer D o k t o r - oder Professorenfirma besonders häufig die Grundsätze der Firmenwahrheit und Firmenkontinuität kollidieren 7 1 . Hier ist davon auszugehen, daß der Erwerber des Handelsgeschäfts gemäß den §§ 22 und 24 die D o k t o r oder Professorenfirma zwar grundsätzlich fortführen darf, selbst wenn er selbst den entsprechenden Titel nicht führt. Anders verhält es sich jedoch, wenn die unveränderte Fortführung der Firma aufgrund besonderer U m s t ä n d e zur Täuschung des Verkehrs geeignet ist ( § 1 8 A b s . 2; § 3 U W G ) . F ü r den Fall des Ausscheidens von Gesellschaftern ist dies schon gezeigt worden (o. Rdn. 30a). Dasselbe gilt aber auch in den anderen Fällen, in denen der Verkehr aus dem betreffenden akademischen G r a d auf besondere Kenntnisse und Fähigkeiten des Inhabers auf dem Gebiet seines Geschäfts schließt oder in denen er doch wie z.B. in der Maklerbranche dem Inhaber mit Rücksicht auf seinen akademischen G r a d ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. In derartigen Fällen muß daher entweder der Firma ein N a c h f o l g e z u s a t z hinzugefügt oder der Titel gestrichen werden 7 2 .
30b
d) S o n s t i g e Fälle. Dieselben Grundsätze gelten bei anderen akademischen Titeln wie 3 1 z.B. Diplomingenieur 7 3 . Ausländische akademische G r a d e dürfen daher in einer Firma nur als solche geführt und nicht etwa einfach in den deutschen Doktortitel übersetzt werden 7 4 . Schließlich ist noch zu beachten, daß zahlreiche Berufsbezeichnungen wie namentlich Rechtsanwalt oder A r z t für die Inhaber bestimmter Berufe gesetzlich geschützt sind. Angehörige anderer Berufe dürfen sich daher dieser Bezeichnungen oder ähnlich lautender Bezeichnungen in ihren Firmen selbst dann nicht bedienen, wenn sie ähnliche Berufe ausüben 7 5 .
·>' So BGH LM Nr. 264 zu § 3 UWG = NJW 1987, 2930; LM Nr. 286 zu § 3 UWG = NJW 1989, 1545; NJW 1992, 2358. 70 Grdleg. BGH LM Nr. 309 zu § 3 UWG = NJW 1991, 752 = GRUR 1990, 605 „Dr. S. Arzneimittel"; LM Nr. 329 zu § 3 UWG = NJW-RR 1992, 367 = WM 1992, 504 „Dr. Stein GmbH"; OLG Hamburg GRUR 1993, 690. 71 S. §§ 18 Abs. 2, 22 und 24; § 3 UWG; ausführlich Hönn, aaO, bes. S. 414 ff. 72
Vgl. RGZ 162, 121 f; 169, 147, 150; BGHZ 53,
65, 67 f = NJW 1970, 704; KG HRR 1936 Nr. 610; OLGZ 1965, 124; BayObLGZ 1978, 44, 46; OLG Frankfurt OLGZ 1977, 299 f; LG Nürnberg-Fürth BB 1990, 732; OGH SZ Bd. 41 (1968) Nr. 25, S. 77, 80 f = ÖB1. 1968, 111. TÍ BGH LM Nr. 72 zu § 3 UWG = GRUR 1965, 610; O G H (Fn. 72); Hönn und Wessel aaO (vgl.
Schrifttum). OLG München HRR 1937 Nr. 1234. 75 RG HRR 1930 Nr. 323 für die Bezeichnung Anwalt. 74
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Erstes Buch. Handelsstand 2. Alter 32
Angaben über das Alter des Geschäfts in der Firma sind zulässig, dürfen aber nicht täuschend sein 76 . Voraussetzung ist deshalb vor allem, daß die Identität des Unternehmens in dem fraglichen Zeitraum nicht unterbrochen worden ist 77 . Bei vielen Produkten wie z.B. Wein oder Sekt muß außerdem hinzukommen, daß bereits die Herstellung dieses Produkts in dem Gründungszeitraum aufgenommen worden ist. Hat die Herstellung hingegen erst viel später begonnen, so kann sogar die Werbung mit dem an sich zutreffenden Gründungsdatum des Unternehmens irreführend sein, sofern es dem Verkehr gerade auf die besonders lange Erfahrung des Unternehmens in der Herstellung der fraglichen Produkte ankommt 78 . 3. Amtlicher Charakter
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Eine Firma ist täuschend, wenn sie den unzutreffenden Eindruck erweckt, zwischen dem Unternehmen und staatlichen oder kirchlichen Stellen bestünden Beziehungen irgend welcher Art, während es sich tatsächlich um ein reines Privatunternehmen handelt 79 . Unzulässig ist namentlich der offenbar besonders beliebte Zusatz „Polizei" oder „Polizeiverlag", während „Polizeisport" unbedenklich sein soll, weil er auch von vielen privaten Vereinen betrieben werde 80 . 4. Anstalt, Akademie, Institut
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Es ist eine Frage des Einzelfalles, wann in einer Firma der Zusatz „Anstalt, Akademie oder Institut" verwandt werden darf. Zwar deutet der Zusatz „Institut" i.d.R. auf eine öffentliche oder unter öffentlicher Aufsicht stehende, der Allgemeinheit und der Wissenschaft dienende Einrichtung mit wissenschaftlich geschultem Personal hin. Doch gilt dies nur solange, wie sich nicht aus der Firma eindeutig ergibt, daß es sich tatsächlich um ein privates gewerbliches Unternehmen handelt. Wichtig ist deshalb vor allem, mit welcher Tätigkeitsangabe die Bezeichnung verbunden ist: Deutet diese wie z.B. bei Detektiv- oder Meinungsforschungsinstitut, Beerdigungs- oder Eheanbahnungsinstitut auf eine private gewerbliche Tätigkeit hin, so ist die Bezeichnung unbedenklich. Anders
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BayObLG MDR 1985, 677 „Porzellanmanufaktur"; Staub/Hüffer § 18 Rdn. 42 f. Ebenso z.B. für Vereine (analog § 18 Abs. 2) KG OLGZ 1983, 272; BayObLGZ 1971, 329, 333 f; 1975, 332, 337. So zu § 3 UWG etwa BGH LM Nr. 39 zu § 3 UWG = GRUR 1960, 563; LM Nr. 170 zu § 3 UWG = MDR 1981, 118; LM Nr. 62 zu § 561 ZPO = NJW-RR 1991, 1136, 1137 = GRUR 1991, 680; LM Nr. 15 zu § 12 BGB = GRUR 1957, 342; GRUR 1961,485; 1962, 310; vgl. im übrigen für den Zusatz „königl.-bayrisch" BayObLG Rpfl. 1981, 114, sowie für die Verwendung eines alten, ausgestorbenen Adelsnamens O L G Neustadt MDR 1963, 138 Nr. 59.
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BGH BB 1968,314 „Unfallversorgung deutscher Ärzte und Zahnärzte"; KGJ 22 A 97,99 f „Stadtbrauerei"; O L G E 42, 209 f; DR 1942, 731 und 1501; O L G Hamm BB 1975 Beil. 12, S. 15; LG Bremen BB 1961, 501; aber offen gelassen für „Stadtbäcker" von BayObLG MDR 1987, 939; Enzinger NZ 1985, 181; Wünsch NZ 1984, 205. O L G Hamm OLGZ 1981, 10; 1981, 432 „Polizeisport Anzeigenverwaltung und Verlag X " ; O L G Frankfurt OLGZ 1984,42; LG Wiesbaden DJ 1936, 1839; AG Lübeck HansRGZ 1936, Sp. 507; enger und z.T. abweichend aber BayObLGZ 1986, 150, 152 f. „Polizei"; wie hier für „Ärztetag" hingegen BayObLGZ 1992, 47 = NJW 1992, 2362.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§18
jedoch, wenn die Tätigkeitsangabe auf einen Zusammenhang mit wissenschaftlicher Forschung oder Behandlung hinweist 8 1 .
5. Bank a) D i e Zusätze B a n k , Bankier, Sparkasse und Volksbank sind durch die §§ 39 bis 41 K W G im wesentlichen Kreditinstituten vorbehalten, die eine Erlaubnis nach dem K W G besitzen. Dasselbe gilt für die Zusätze „ K a p i t a l a n l a g e , Investment, Invest und Investor", die nur von Unternehmen nach § 7 K A G G geführt werden dürfen. Anderen Unternehmen ist die Verwendung dieser Bezeichnungen daher ebensowenig wie die ähnlich lautender Bezeichnungen gestattet. Außerdem darf sich z.B. eine Raiffeisenbank nicht als „Volksund Raiffeisenbank X " bezeichnen, weil dadurch eine Zugehörigkeit des Instituts zu beiden Organisationen vorgetäuscht wird 8 2 . D i e genannten Vorschriften sind zudem gesetzliche Verbote, so daß Bestimmungen in Gesellschaftsverträgen, die dagegen verstoßen, nichtig sind (§ 134 B G B ) und bei Kapitalgesellschaften das Amtslöschungsverfahren nach sich ziehen 8 3 .
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b) Täuschend sind außerdem bei allen N i c h t b a n k e n Zusätze, die den unrichtigen Eindruck erwecken können, es handele sich u m ein Bankgeschäft oder u m eine Kapitalanlagegesellschaft. Darauf ist vor allem bei bloßen Kreditvermittlern zu achten, die zu Unrecht häufig Zusätze wie „ C r e d i t " oder „ F i n a n z " führen 8 4 . Dasselbe gilt für die Zusätze „ B r o k e r " oder gar „Introducing B r o k e r " für einen bloßen Anlagevermittler, während bei ihm der Firmenzusatz „ O p t i o n s " und „ F u t u r e s " erlaubt wurde 8 5 .
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6. Börse Unter einer B ö r s e versteht man eine amtlich eingerichtete Stelle, an der regelmäßig eine Vielzahl von Kaufleuten z u m Abschluß von Handelsgeschäften in vertretbaren Sachen z u s a m m e n k o m m t und w o marktmäßig A n g e b o t und N a c h f r a g e durch laufende Preise ausgeglichen werden. Geschäfte, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, dürfen daher nicht den Zusatz „ B ö r s e " verwenden 8 6 .
Ausführlich BayObLG NJW-RR 1990, 1125 f.; außerdem z.B. BayObLG BB 1969, 313 „Verkehrsinstitut Würzburg"; B a y O b L G Z 1985, 215 „Institut für Marktanalysen"; O L G Celle O L G Z 1985, 266; O L G Frankfurt O L G Z 1981, 414; O L G Stuttgart NJW 1960, 1865; O L G Hamm BB 1965, 520; L G Berlin BB 1969, 312 f; O L G Düsseldorf WRP 1976, 317 „Institut für Zelltherapie"; 1977, 796 f „Institut für physikalische Therapie"; O L G Wien N Z 1980, 123; strenger hingegen für den Zusatz „Akademie" O L G Bremen DB 1971, 1258; Bokelmann Tz. 259. 82 O L G Frankfurt, NJW-RR 1989, 483. 83 S. im einzelnen § 43 Abs. 2 KWG bzw. § 144a F G G sowie z.B. B a y O b L G Z 1969, 215, 218 f;
1983, 54, 58; BayObLG WM 1984, 1569; O L G Frankfurt O L G Z 1983, 200; O L G Köln BB
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1980, 652; Bokelmann Tz. 271 ff.; Staub/Hüffer
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§ 18 Rdn. 50 ff. S. O L G Köln O L G Z 1980, 309; O L G Frankfurt Die AG 1980, 82; O L G Düsseldorf BB
1979, 1788 usw.; s. z.B. Dürr ZIP 1982, 1067 m.
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Nachw. O L G Düsseldorf NJW-RR 1992, 170 = WM 1991,2101. O L G Frankfurt O L G Z 1981, 283 „Flugbörse"; O L G Zweibrücken BB 1968, 311 „Schmuckbörse"; L G Wuppertal BB 1961, 1026; L G Darmstadt BB 1966, 1245; L G Tübingen BB 1975 Beil. 12, S. 13; a.A. Bokelmann Tz. 217 f.
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§18
7. Bau 38
Der Firmenzusatz „Bau" deutet auf ein bauausführendes Unternehmen hin. Er darf deshalb weder von bloßen Baustoffhändlern noch von Kredit- oder Grundstücksvermittlern geführt werden 87 . 8. Discount
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Der Zusatz Discount oder Diskont deutet auf ein Geschäft hin, dessen Preise durchweg um mindestens 10 bis 15 % unter dem Marktpreis liegen und bei dem durch seine Ausstattung und Geschäftspolitik auf Dauer solche Preispolitik gewährleistet ist 88 . Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so darf der Zusatz Discount auch in die Firma aufgenommen werden 89 . Unzulässig sind hingegen Zusätze wie „Mi-Ni-Preis" 9 0 oder „Wertphoto" 9 1 . 9. Fabrik, Werk und Industrie
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Die Zusätze Fabrik, Werk und Industrie sind grundsätzlich vollkaufmännischen Produktionsbetrieben im Gegensatz zu Handwerksbetrieben, zu Reparatur- oder zu Handelsunternehmen vorbehalten 92 . Im einzelnen hängt jedoch ihre Zulässigkeit ganz von den unterschiedlichen Verhältnissen der einzelnen Branchen ab 93 . Deshalb dürfen sich zwar Werk oder Werke grundsätzlich nur industrielle Großbetriebe nennen, die den Durchschnitt der betreffenden Branche überragen 94 . Ausnahmen gelten indessen herkömmlich für die Holz-, Stein- und Erdindustrie, wo Zusätze wie Sägewerk, Kieswerk oder Ziegelwerk schon immer auch für kleinere Unternehmen zugelassen wurden 95 .
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In der Praxis wird neuerdings außerdem häufig von einer Steigerung im Sinne der Reihenfolge Fabrikation, Fabrik, Werk oder Werke sowie Industrie ausgegangen. Richtig ist lediglich, daß der Zusatz Werk i.d.R. auf einen größeren Betrieb als der Zusatz Fabrik oder gar Fabrikation hinweist. Im übrigen aber gibt es solche Stufenfolge der Begriffe nicht 96 . Deshalb bringt auch der Zusatz „Industrie" nicht mehr zum Ausdruck, als daß es sich um einen selbst herstellenden Großbetrieb und nicht nur um ein Handelsunternehmen handelt 97 .
O L G Hamm OLGZ 1974, 139, 143 f; AG Oldenburg BB 1968, 312. 88 BGH LM Nr. 224 zu § 1 UWG = NJW 1971, 378. 8 9 LG Oldenburg BB 1964, 1145; LG Berlin BB 1966, 1242 f; Bokelmann Tz. 224 f; ebenso für „Mehrwert" BGH LM Nr. 119 zu § 3 UWG = NJW 1973,93; anders z.B. LG Verden BB 1969 Beil. § 10, S. 7 f. 9 0 AG Warendorf BB 1969 Beil. 10, S. 11. 91 O L G Hamm NJW 1968, 2381 = BB 1969 Beil. 10, S. 11. 92 So z.B. für den Zusatz Fabrik O L G Hamm NJW 1954,1935 = BB 1954,977; O L G Celle BB 1969, 1103; O L G Karlsruhe BB 1962, 387; Bokelmann Tz. 193 ff; Staub/Hüffer § 18 Rdn. 54 f. 87
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S. z.B. OLG Stuttgart BB 1969, 1194. RG JW 1931, 1909, 1937,2983; GRUR 1937, 718; OGH EvBl. 1961 Nr. 340 = ÖJZ 1961, 440 f. So zB KGJ 41, 109, 111; JW 1923, 998; 1932, 2622; BayObLGZ 1922, 311; 1928, 37; OLG München JFG 14, 478, 481. S. im einzelnen außer den Genannten noch OLG Frankfurt BB 1965, 803 f; O L G Stuttgart BB 1969, 1194; 1981, 1669 f; O L G Celle BB 1966, 1244 f; OLG Hamm BB 1968, 311; LG Ulm BB 1975 Beil. 12, S. 14. OLG Köln BB 1977,1671 f; O L G Karlsruhe BB 1969 Beil. 10, S. 8; OGH EvBl. 1961 Nr. 340 = ÖJZ 1961, 440 f; enger z.B. Staub/Hüffer § 18 Rdn. 56.
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10. Fachgeschäft, Fachmann Schrifttum Bokelmann Tz. 214 f.; Emmerich § 12a, lg, aa; Staub/Hüffer § 18 Rdn. 57; Tetzner WRP 1979, 270. a) Als „Fach- oder Spezialgeschäft" darf sich grundsätzlich nur bezeichnen, wer ein 4 2 besonders großes und vollständiges Sortiment führt und durch speziell geschultes Personal eine den Durchschnitt deutlich überragende Beratung der Käufer sicherstellen kann 9 8 . Im einzelnen schwanken die Anforderungen der Praxis jedoch erheblich". Für den Zusatz „Fach" wird dementsprechend häufig auch eine bloße Spezialisierung des Geschäfts auf den betreffenden Tätigkeitsbereich als ausreichend angesehen 100 . b) Als geprüfter Fachmann darf sich nur bezeichnen, wer eine staatliche oder staatlich 4 3 anerkannte Prüfung über sein Fachwissen abgelegt hat, aufgrund derer er an Fachkenntnissen den Standard der Branche deutlich überragt 1 0 1 . 11. Geographische Zusätze Schrifttum Baumbach/Duden/Hopt § 18 Anm. 4; Becker/Bender BB 1960, 673; Bokelmann Tz. 124 ff; Emmerich § 12a, Id; D. Ebert WRP 1960, 94; Haberkorn WRP 1966, 245; Staub/Hüffer § 18 Rdn. 58 ff; Hoffmann JuS 1972, 233; H Ht h GRUR 1965, 290; Kasper JB1. 1973, 79; Knöchlein DB 1960, 746; Cl. Müller GRUR 1971, 141; SchlegelbergerlHildebrandt § 18 Rdn. 13; Straube/ Schuhmacher § 18 Rdn. 14. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich bei der Firmenbildung geographische Zusätze der unterschiedlichsten Art. Die Bedeutung dieser Zusätze ist umstritten, die Verkehrsanschauung schwankt.
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a) Behauptung einer Führungsposition. In aller Regel werden geographische Zusätze 4 5 ohne Rücksicht auf ihre Stellung in der Firma und ihre Schreibweise zunächst als Hinweis auf den Sitz und den Tätigkeitsbereich des betreffenden Geschäftes verstanden. Die Firma ist dann schon unbedenklich, wenn das Geschäft in dem fraglichen Gebiet tatsächlich seinen Sitz und seinen Tätigkeitsschwerpunkt hat (u. Rdn. 46). Hingegen greift § 18 Abs. 2 ein, wenn sich der Sitz tatsächlich an einem anderen O r t befindet; das gilt in jedem Fall, und zwar auch bei nachträglicher Sitzverlegung 102 . Daneben gibt es indessen zahlreiche Fälle, in denen die allein maßgebliche Verkehrs- 4 5 a auffassung dem geographischen Zusatz eine weitergehende Bedeutung beimißt. So nimmt z.B. ein Unternehmen, das etwa als „Berliner Bank" oder „Bayerische Bierbrauerei" firmiert, damit zugleich eine herausragende oder doch zumindest führende Stellung in dem fraglichen Gebiet in Anspruch. Ist dies der Fall, so genügt es auch nicht, wenn das Unter98
S. Bokelmann und Emmerich aaO. BGH NJW 1984, 2365; OLG Nürnberg BB 1959, 251; OLG Stuttgart BB 1974, 196; OLG Celle WuW/E OLG 827; OLG München WRP 1979, 156; GRUR 1960, 38 f; LG Berlin WRP 1960, 367. 100 S. BGH NJW-RR 1990, 678; 1991, 751; OLG Bremen BB 1971 Beil. 9, S. 6; vgl. aber für „Fachkrankenhaus" BGHZ 104, 384, 386 ff.; 99
s. auch für „Service" als Hinweis auf Reparaturdienstleistungen OLG Frankfurt OLGZ 1983, 25, 28 f. 101 BGH LM Nr. 152 zu § 3 UWG = GRUR 1978, 368; GRUR 1984, 740; vgl. auch BGHZ 92, 30 = NJW 1984, 2883. 102 BayObLGZ 1992, 234 = NJW-RR 1993, 103; anders für einen Ausnahmefall OLG Stuttgart, OLGZ 1973, 410 = BB 1975 Beil. 12, S. 10.
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§18
nehmen nur überhaupt zur Gruppe der führenden Unternehmen gehört; ihm muß vielmehr eine eindeutige Spitzenposition zukommen 1 0 3 . Maßgebender Zeitpunkt ist dabei der der Eintragung im Handelsregister; eine erst in der Zukunft erwartete oder erhoffte Führungsposition ist unerheblich 1 0 4 . b) Andere Fälle 46
aa) Bei Steuerberatungsgesellschaften sind geographische Zusätze nur zulässig, solange damit nicht eine Sonderstellung in Anspruch genommen wird oder auf einen besonderen Tätigkeitsbereich hingewiesen wird 1 0 5 . Bei Großstädten wie Berlin wird es außerdem häufig bereits als ausreichend angesehen, daß das Unternehmen nur überhaupt zur Spitzengruppe gehört 1 0 6 oder daß sein Inhaber besondere Beziehungen zu Berlin hat 1 0 7 . „Hanseat" weist hingegen auf eine herausragende Stellung des Unternehmens in den Hansestädten Hamburg, Bremen, Lübeck und R o s t o c k hin 1 0 8 .
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bb) Daneben gibt es auch geographische Zusätze, die lediglich als Hinweis auf den Sitz des Unternehmens verstanden werden, ohne damit zugleich den Anspruch auf eine Sonderstellung des Unternehmens in diesem Gebiet zum Ausdruck zu bringen. Dies wird in jüngster Zeit häufig für die Zusätze „Süd-" und „West-" 1 0 9 im Gegensatz etwa zu dem Zusatz „ N o r d - " angenommen 1 1 0 . Ebenso soll es sich schließlich generell in der Wohnungs- und Bauträgerbranche verhalten 1 1 1 . Hingegen wurde „Nordmetall" für eine in Nordösterreich ansässige Firma als täuschend angesehen, weil solcher Zusatz auf einen Sitz in Nordeuropa hinweise 1 1 2 .
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c) Deutsch, österreichisch usw. Weitere Besonderheiten gelten zunächst für die Zusätze Deutsch, Österreichisch, Austria oder National. Früher wurden diese Zusätze wegen ihrer großen Verbreitung überwiegend als farblos angesehen 1 1 3 . Später vollzog sich jedoch mehrfach ein Bedeutungswandel, der auch heute noch nicht zum Abschluß gekommen ist. Zunächst wurde jetzt verlangt, daß das betreffende Unternehmen für die deutsche
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So die ganz überwiegende Praxis in Deutschland und Osterreich, insbes. B G H LM Nr. 64 zu § 3 U W G = G R U R 1964, 314 „Kiesbaggerei R."; LM Nr. 136 zu § 3 U W G = G R U R 1975, 380 = B B 1975, 578 „Oberhessische Volksbank"; BB 1968, 972; 1973, 813; B a y O b L G Z 1986, 61, 64 f. „Landshuter Druckhaus"; BayO b L G BB 1979,184; W M 1983,1430; D B 1986, 105; N J W - R R 1986, 839 „Münchener"; W M 1986, 1557, 1561 „Landshuter"; O L G Stuttgart B B 1964, 1145; 1975 Beil. 12, S. 9; 1982, 1194; 1982, 576; O L G Saarbrücken O L G Z 1976, 33; O L G Frankfurt, B B 1966, 1242; O L G Z 1973, 279; K G O L G Z 1969, 501 ff „Berliner Wohnungsbauunternehmen"; OLG Zweibrücken BB 1969 Beil. 10, S. 12; O L G Hamm BB 1966, 1248; 1991, 2107; O L G Düsseldorf O L G Z 1981, 63; O G H EvBl. 1954 Nr. 279 = Ö J Z 1954, 400; JB1. 1961, 60; N Z 1962, 139; OBI. 1979, 21; 1982, 69; 1993, 241 „Austria"; GesRZ 1979, 129 = N Z 1980, 168 „Modegroßhandelscenter Wien". O L G Hamm O L G Z 1983, 284, 285 f.
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B G H LM Nr. 36 zu Steuerbratergesetz = N J W R R 1990, 228 = B B 1989, 2349. K G O L G Z 1969, 501; L G Berlin B B 1966, 1248. O L G Hamm B B 1964, 1144 „Berliner Apotheke". O L G Hamm O L G Z 1982, 303. B a y O b L G B B 1979, 184 „Süd"; O L G Stuttgart O L G Z 1975, 117 „Süd"; O L G Hamm O L G Z 1983, 284, 286 f „West"; vgl. auch für „Grenzland" O L G Oldenburg B B 1968, 309; für „Sanatorium Bodensee" B a y O b L G Rpfl. 1978, 218. O L G Celle O L G Z 1972, 210, 212 f „NordSüd"; O L G Oldenburg BB 1975 Beil. 12, S. 8 „Nord". Grdleg. B G H W M 1979, 922 „Wohnungsbau U l m " ; vgl. auch für „Schwarzwälder Bauernspezialitäten" B G H LM Nr. 10 zu § 4 G m b H G = N J W 1982, 2446. O L G Wien GesRZ 1981, 50 = N Z 1982, 152 = HS Nr. 10.083. K G J W 1934, 491.
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§18
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
oder österreichische Wirtschaft beispielhaft oder besonders wichtig sei, so daß ihm innerhalb seines Wirtschaftszweiges eine Sonderstellung zukomme 1 1 4 . Neuerdings begnügt man sich indessen häufig (aber keineswegs generell) wieder damit, daß das Unternehmen lediglich nach Ausstattung und Umsatz auf den deutschen Markt als ganzen zugeschnitten ist und ein entsprechend umfangreiches Sortiment führt 1 1 5 . Unbedenklich zulässig ist es jedenfalls, wenn ausländische Großunternehmen ihre österreichischen oder deutschen Tochtergesellschaften mit dem Firmenzusatz „Österreichisch" oder „Deutsch" bezeichnen. Dasselbe gilt für deutsche Unternehmen, die mit zahlreichen bekannten ausländischen Unternehmen konkurrieren müssen oder die sich in großem Umfang auf ausländischen Märkten betätigen 116 . d) E u r o p a , international. Den Z u s a t z „ E u r o p a " (oder „ E u r o " ) dürfen nur Unter- 4 8 nehmen führen, die nach Größe und Marktstellung den Anforderungen des europäischen Marktes entsprechen, die auf diesen Markt zugeschnitten sind und die sich tatsächlich in Europa insgesamt betätigen 117 . Dasselbe gilt für den Zusatz Kontinent 1 1 8 . Den Zusatz international (oder inter) dürfen schließlich nur Unternehmen führen, die aufgrund ihrer Einrichtung, ihrer Finanzkraft und ihrer ausgedehnten ausländischen Geschäftsbeziehungen den Verhältnissen und Anforderungen der Weltmärkte entsprechen und sich auch tatsächlich auf diesen in großem Umfang betätigen. Bei allen kleineren Unternehmen ist der Zusatz daher täuschend 1 1 9 .
12. Großhandel Der Zusatz „Großhandel" deutet an sich nur darauf hin, daß das Geschäft (auch) an 4 9 Wiederverkäufer verkauft, während es keine Rolle spielt, ob es daneben den Einzelhandel betreibt. Geschieht dies freilich in größerem Umfang, so muß dieser Umstand gleichfalls durch einen weiteren Zusatz - in der Firma zum Ausdruck kommen. Keine Rolle spielen hingegen die Größe des Geschäfts, sein U m s a t z oder sein Lager 1 2 0 .
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Grdleg. B a y O b L G Z 1958, 253, 254 f; BayO b L G WM 1983, 1430 = D B 1983, 2302 = M D R 1983, 1028 „Westdeutsche Treuhand"; O L G Stuttgart BB 1961, 500; O L G Karlsruhe BB 1964, 572 f m. Nachw.; O L G Oldenburg BB 1968,312; O L G Düsseldorf N J W - R R 1993,297. Grdleg. für „Deutsch" B G H L M Nr. 364 zu § 1 U W G = M D R 1982, 549; L M Nr. 260 zu § 3 U W G = N J W - R R 1987, 1178; O L G München N J W - R R 1988, 812; 1990, 300 „Deutsche Kreditkarte"; O L G Düsseldorf G R U R 1992, 187; O G H SZ Bd. 43 (1970) Nr. 153, S. 546, 548 = GesRZ 1973,23 „Austria"; O G H ÖB1. 1979, 21 „Austria"; ÖB1. 1960, 12 „Österreichisch"; 1993, 241, 243 „Austria"; hingegen wie bisher B a y O b L G u. O L G Düsseldorf (Fn. 114). Statt aller B a y O b L G Z 1958, 253, 255; O G H N Z 1979, 159 „ITT Austria".
B G H Z 53, 339, 343 f; B G H L M Nr. 150 zu § 3 U W G = G R U R 1978, 251 „ Eurosport"; LM Nr. 23 zu § 4 WZG = N J W 1972, 255 „Euromarin"; O L G Graz EvBl. 1985 Nr. 14 = Ö J Z 1985, 50; O L G Oldenburg BB 1968, 312; O L G Köln BB 1966, 1247; 1975 Beil. 12, S. 7; O L G Hamm BB 1971 Beil. 9, S. 4 f; - anders O L G Koblenz N J W - R R 1993, 228. "8 B G H L M Nr. 160 zu § 3 U W G = G R U R 1979, 716 „Kontinent-Möbel". 119 B a y O b L G Z 1914, 503; 1923, 252; 1972, 388, 391; B a y O b L G BB 1966, 1246; O L G Stuttgart G R U R 1970, 36; BB 1986, 1393 = N J W - R R 1987, 101 „Intermedia"; O L G Hamm BB 1975 Beil. 12, S. 6; O G H ÖB1. 1979, 155; O L G Wien GesRZ 1980, 148, 150. 120 K G JW 1930, 1409; O L G Hamm N J W 1963, 863 f; O L G Karlsruhe BB 1964, 573 f. 117
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13. H a u s S c h r i f t t u m DIHT B B 1953, 717; 1969, 418; Baumbach/Duden/Hopt § 18 Anm. 5 C; Bokelmann T z . 205 ff; Hoffmann JuS 1972, 233; Staub/Hüffer § 1 8 Rdn. 65 f; Schlegelberger/ Hildebrandt § 18 Rdn. 14; Straube/Schuhmacher § 18 Rdn. 16. 50
In der älteren Praxis wurde der Zusatz „ H a u s " nur Geschäften zugebilligt, die eine eindeutige Spitzenstellung unter ihren K o n k u r r e n t e n einnahmen. H e u t e wird hingegen zumindest in den Branchen des B r e i t e n k o n s u m s wie z.B. bei Textilien, Lebensmitteln und dergleichen mehr schon ein vollkaufmännisches U n t e r n e h m e n , das auf die betreffenden Waren spezialisiert ist, als ausreichend angesehen; hingegen wird in den anderen Branchen, namentlich im M ö b e l - und Autohandel, auch heute noch verlangt, daß es sich u m ein U n t e r n e h m e n handelt, das nach Breite des Sortiments, Verkaufsfläche, U m s a t z und geschultem Personal den D u r c h s c h n i t t der K o n k u r r e n t e n deutlich überragt. I m einzelnen schwanken die Anforderungen der Praxis freilich erheblich 1 2 1 . „Einrichtungshaus" darf sich hiernach z.B. nur ein vollkaufmännisches Einzelhandelsfachgeschäft nennen, das über ein besonders reichhaltiges Sortiment verfügt, überwiegend mittlere und bessere Qualitäten anbietet und ein besonderes Niveau der Warenpräsentation aufweist 1 2 2 . U n b e d e n k l i c h sind schließlich die seit jeher üblichen Bezeichnungen wie z . B . Blumenhaus, Seifenhaus oder Tabakhaus. 14. Hersteller
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D e n Zusatz „Hersteller" darf nur führen, w e r überwiegend eigene P r o d u k t e vertreibt. D e r Zusatz „Herstellung und Vertrieb" ist gleichfalls nur statthaft, wenn mindestens zur Hälfte Ware aus eigener P r o d u k t i o n vertrieben werden. 1 2 3 D e r ganze Fragenkreis hat freilich heute infolge der gesetzlichen Regelung in § 6a U W G von 1969 nur n o c h geringe Bedeutung. 1 2 4 15. L a g e r S c h r i f t t u m DIHT
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B B 1968, 439; Bokelmann Tz. 202 ff; Frey W R P 1965, 54 ff.
E i n Teil der Praxis sieht in dem Zusatz „Lager" lediglich den Hinweis auf einen besonders großen, überdurchschnittlichen Vorrat, gegebenenfalls in Verbindung n o c h mit dem Hinweis auf eine besondere, eben lagermäßige Gestaltung der Verkaufsräume 1 2 5 . D a n e b e n findet sich jedoch auch vielfach die A n n a h m e , zumindest in bestimmten B r a n c h e n deute „Lager" oder „ G r o ß l a g e r " auf G r o ß h a n d e l hin, so daß Einzelhandelsgeschäfte in keinem
'21 Vgl. insbes. BGH LM Nr. 163 zu § 3 UWG = GRUR 1980, 60 „Möbelhaus"; KG JFG 5, 202; BB 1963, 1396; OLG Frankfurt BB 1966, 1242 „Autohaus"; OLG Oldenburg BB 1968, 309 f; OLG Hamm BB 1954, 784; OLGZ 1969, 507, 510 f „Textilhaus"; OLG Köln WRP 1978, 472 „Möbelhaus"; OLG Celle BB 1962, 386; 1963, 325. 122 OLG Oldenburg BB 1971, Beil. 9, S. 7; LG Freiburg BB 1969 Beil. 10, S. 8. 272
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RG GRUR 1940, 585; BGH LM Nr. 20 zu § 3 UWG = GRUR 1957, 348; LM Nr. 139 = MDR 1976, S. 204. S. Emmerich § 6a, 2. Grdleg. RGZ 156, 16, 22 f; OLG Braunschweig JFG 5, 198, 201; OLG Neustadt BB 1963, 326; OLG Hamburg WRP 1968, 119 f; OLG Oldenburg BB 1975 Beil. 12, S. 13.
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Fall diesen Zusatz verwenden dürften 1 2 6 . Dem ist jedenfalls für Zusätze wie „Zentraloder Verkaufslager" zuzustimmen, während der Zusatz „Fabriklager" auf besonders enge Beziehungen zum Hersteller hinweist 127 . In diesen Fällen ist dann auch § 6a U W G einschlägig. 16. Markt Ein Markt ist an sich ein Ort, wo eine Vielzahl von Verkäufern und Käufern zusammentrifft. Die frühere Praxis verwehrte deshalb häufig Einzelhändlern den Firmenzusatz Markt 1 2 8 . Diese Meinung ist jedoch heute nicht mehr haltbar. Die Firmenzusätze „Markt, Supermarkt oder Verbrauchermarkt" sind inzwischen so verbreitet, daß sie auch von Einzelhandelsgeschäften verwandt werden dürfen, sofern sie nur über eine gewisse Größe und Angebotsvielfalt verfügen 129 .
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17. Revision, Buchprüfung Die Firmenzusätze „Revision-", „Betriebs-" oder „Buchprüfungs" deuten auf die Befugnis zur Vornahme von Betriebs- und Buchprüfungen im umfassendsten Sinne hin, die durchweg Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftsprüfergesellschaften vorbehalten sind. Andere Gesellschaften dürfen deshalb diesen Zusatz nicht führen 1 3 0 . Auch der Firmenzusatz „Buchführung" ist Geschäften und Gesellschaften vorbehalten, die im umfassenden Sinne zur Durchführung der steuerrechtlichen Abschlußarbeiten befugt sind, dh im wesentlichen den Steuerberater- und Wirtschaftsprüfergesellschaften ( O L G Düsseldorf B B 1983, 399).
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18. Technik Der Zusatz „Technik" setzt ein gehobenes technisches Wissen bei der Planung, Vorbereitung und Ausführung von Arbeiten voraus, das über die normalen Leistungen und Fähigkeiten deutlich hinausgeht, über die jeder Mechaniker oder Handwerker verfügt. Den Zusatz „Bürotechnik" dürfen daher z.B. nur solche Geschäfte führen, die über deutlich den herkömmlichen Büromechanikern überlegene Fähigkeiten und Kenntnisse, z.B. bei der Reparatur elektronischer Datenverarbeitungsanlagen, verfügen 131 .
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19. Treuhand Mit dem Zusatz „Treuhand" wird viel Mißbrauch getrieben. Deshalb achtet die Praxis streng darauf, daß sich nur solche Unternehmen als „Treuhandunternehmen" oder „Treuhandgesellschaften" bezeichnen dürfen, bei denen die Übernahme und Verwaltung fremDI H T BB 1968, 439; zust. O L G Köln G R U R 1962, 363; L G Oldenburg BB 1971 Beil. 9 S. 8 f; L G Stuttgart W R P 1956, 216; L G Duisburg W R P 1961, 9; insbes. Frey aaO, bes. S. 61 ff m. Nachw. •27 B G H LM Nr. 128 zu § 3 U W G = G R U R 1974, 225. 128 Z.B. O L G Karlsruhe BB 1969 Beil. 10, S. 11 „Schuhmarkt"; LGe Oldenburg und Itzehoe BB 1969 Beil. 10, S. 10. 1 2 9 B G H LM Nr. 213 zu § 3 U W G = WM 1983, 1318 „Schuhmarkt". 126
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BayObLG GmbHR 1983, 239; O L G Düsseldorf BB 1976, 1192 = DB 1976, 2009; O L G Frankfurt O L G Z 1980, 151; DB 1981, 1186; - für Steuerberatungsgesellschaften s. zuletzt m. Nachw. B G H DB 1987, 2406. BayObLGZ 1981, 88, 93 ff „Dämmtechnik"; O L G Frankfurt O L G Z 1981, 417 „Bürotechnik"; LG Oldenburg BB 1976, 153; L G Hagen BB 1979, 1212; L G Regensburg BB 1975 Beil. 12, S. 16.
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Erstes Buch. Handelsstand den Vermögens im eigenen Namen im Mittelpunkt der Tätigkeit steht 132 . Hinzu kommen muß, daß das Unternehmen die für solche Tätigkeiten i.d.R. erforderlichen Genehmigungen nach dem KWG und dem Rechtsberatungsgesetz von 1935 besitzt sowie von Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern geführt wird 133 . 20. Verband, Vereinigte 57
Der Zusatz „Verband" ist für Einzelunternehmen grundsätzlich verboten, da er auf einen Zusammenschluß selbständiger Unternehmen zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen hinweist 134 . Auch der Zusatz „Vereinigte" deutet auf den Zusammenschluß mehrerer, bisher selbständiger Unternehmen zu einem einheitlichen, neuen Unternehmen hin und darf deshalb nur von solchen Unternehmen geführt werden, die tatsächlich auf einem derartigen Zusammenschluß beruhen 135 . Dasselbe gilt schließlich für die beliebten Zusätze „Gruppe" und „Union" 136 . 21. Warenbezeichnung
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Eine Warenbezeichnung darf in die Firma nur aufgenommen werden, wenn das betreffende Geschäft auf den Vertrieb dieser Waren tatsächlich spezialisiert ist. Wer kein Möbelfachgeschäft hat, darf sich daher z.B. nicht „Möbel-Meier" nennen 137 . 22. Zentrale Schrifttum DIHT BB 1965, 303; Bokelmann Tz. 219 ff; Baumbach/Duden/Hopt § 18 Anm. 5 C; Frey BB 1963, 1281; Staub/Hiiffer § 18 Rdn. 73; SchlegelbergerlHildebrandt § 19 Rdn. 14; Straube/Schuhmacher § 18 Rdn. 12.
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Schon die Vorkriegspraxis hatte in der Beurteilung der Firmenzusätze Zentrale, Zentrum oder Center zuletzt nach anfänglichem Schwanken einen strengen Standpunkt eingenommen 138 . Hieran haben die Gerichte nach dem Krieg in der Mehrzahl der Fälle festgehalten 139 . Die genannten Zusätze dürfen daher nur solche Unternehmen führen, die nach Kapitalausstattung, Umsatz, Breite des Angebots und vergleichbaren Merkmalen eine eindeutige Vorzugsstellung in dem betreffenden Gebiet einnehmen und die gesamte Konkurrenz deutlich überragen, so daß sie in der Tat als der geschäftliche Mittelpunkt des Gebiets angesprochen werden können. Ist ein Unternehmen statt dessen nur auf einem beschränkten Sektor tätig, so muß es hier sogar, um sich Zentrale nennen zu dürfen, über eine Monopolstellung verfügen. Nicht erforderlich ist hingegen, daß es sich um einen Zusammenschluß von Unternehmen handelt (früher str.). Hat ein Geschäft mehrere Verkaufsstellen, so müssen die genannten Voraussetzungen zudem bei jeder einzelnen Verkaufsstelle erfüllt
132
Grdleg. RGZ 99, 23, 29 f; zuletzt O L G Frankfurt OLGZ 1980, 291 ff m. Nachw. 133 Bokelmann S. 104 f; Hüffer § 18 Rdn. 71. 134 DIHT BB 1957, 835; Baumbach/Duden § 18 Anm. 5 D; Bokelmann S. 100 f. 135 Grdleg. RGZ 127, 77, 82 f; 166, 240, 243. 136 LG Lüneburg BB 1979, 135 „Baugruppe"; LG Stuttgart BB 1975 Beil. 12, S. 17 „Union Treuhand". 137 OLG Karlsruhe BB 1966, 1249 f; Baumbach/ Duden/Hopt ξ 18 Anm. 5 E.
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S. insbes. RG JW 1930, 1864; KG JW 1928, 2638; 1935, 3164. ' " V g l . BGH LM Nr. 141 zu § 3 UWG „Datenzentrale Nord"; KG OLGZ 1968, 95; O L G Köln WRP 1979, 575; O L G Nürnberg BB 1966, 1243 f; O L G Hamm O L G Z 1972, 184 f; O L G Oldenburg BB 1966, 1244; OLG Darmstadt BB 1971 Beil. 9, S. 11; O L G Zweibrücken BB 1975 Beil. 12, S. 11; OLG Stuttgart das., S. 11 f; anders aber offenbar BGH NJW 1987, 63 „Küchen-Center".
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§19
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
sein, für die der fragliche Zusatz in Anspruch genommen wird 140 . In keinem Fall darf jedoch eine bloße Zweigniederlassung als Zentrale bezeichnet werden, weil darunter immer nur die Hauptniederlassung verstanden werden kann 141 . 23. Sonstige Zusätze 1 4 2 Der Zusatz „Modestudio" weist auf eigene Entwürfe und individuelle Anfertigung 6 0 von Maßkleidung hin und ist deshalb für ein reines Verkaufsgeschäft unzulässig 143 . Der Zusatz „ H o f " hat dieselbe Bedeutung wie Haus 1 4 4 . Der Zusatz „Universitätsverlag X-Stadt" weist auf besondere Beziehungen des Verlags zu der Universität X hin und darf deshalb von normalen privaten Verlagen nicht geführt werden 145 . Der Zusatz „Apotheke im Ärztehaus" ist unzulässig für eine Apotheke, die sich in einem Haus befindet, das nicht unter der Bezeichnung „Arztehaus" bekannt ist, zumal dadurch auch der irreführende Eindruck einer besonderen Beziehung zur Ärzteschaft oder gar zur Ärztekammer geweckt werden kann 146 . Die Firma „Beamten-Einkauf" ist täuschend, wenn tatsächlich an jedermann verkauft wird 1 4 7 . Dasselbe gilt schließlich für den Zusatz „Fern-Lotto", wenn es sich um die bloße Versandstelle einer Lotterie handelt 148 .
§19 (1) Die Firma einer offenen Handelsgesellschaft hat den N a m e n wenigstens eines der Gesellschafter mit einem das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutenden Zusatz oder die N a m e n aller Gesellschafter zu enthalten. (2) Die Firma einer Kommanditgesellschaft hat den N a m e n wenigstens eines persönlich haftenden Gesellschafters mit einem das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutenden Zusätze zu enthalten. (3) Die Beifügung von Vornamen ist nicht erforderlich. (4) Die N a m e n anderer Personen als der persönlich haftenden Gesellschafter dürfen in die Firma einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft nicht aufgenommen werden. (5) Ist kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so m u ß die Firma, auch wenn sie nach den §§21, 22, 24 oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. S c h r i f t t u m S. o. bei § 17 und § 1 8 sowie App
D i e Firma einer O H G , B B 1988, 777;
Aschenbrenner Die Firma der GmbH Sc Co. KG, 1975; Bokelmann Rdn. 588 ff; ders. Wichtige Rechtsprechung z u m Firmenrecht der G m b H und C o . K G und der G m b H , G m b H R 1983, 236; Sternberg D e r Gesellschaftszusatz in der Handelsfirma, 1975; Wessel D i e Firma der G m b H Sc C o . , B B 1966, 1327; ders. Probleme bei der Firmierung der G m b H u. C o . , B B 1984, 1710.
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L G Hagen BB 1975 Beil. 12, S. 11 „Blumencenter". R G Z 166, 240, 245. Weitere Beispiele bei Bokelmann Tz. 190 ff; Straube/Schuhmacher § 18 Rdn. 16 f. B a y O b L G Z 1971, 347, 351.
L G Hagen BB 1975 Beil. 12, S. 13. O L G Osnabrück BB 1975 Beil. 12, S. 18. 146 O L G Hamm BB 1975 Beil. 12, S. 15 f. 147 O L G Zweibrücken O L G Z 1972, 391, 394. » s K G N J W 1955, 1926 f. 144
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§ 19
Erstes Buch. Handelsstand Übersicht Rdn.
I. II. III.
Anwendungsbereich
2
Firma der o H G 1. Name des oder der Gesellschafter . . . . a) Familienname b) Ausländische Namen d) Firma 2. Namen anderer Personen 3. Gesellschaftszusatz
19
4
1. Firmenidentität
20
4
a) Grundsatz
20
5
b) Ausnahmen
21
6
c) Sachfirma
23
d) V o r - G m b H
24
7
2. Unterscheidbarkeit
25
8 9
a) Grundsatz b) Lösungswege
25
10
b) Mögliche Zusätze
11
VI.
13 14
4. Beispiel Firma der K G eines
persönlich
haftenden 14
Gesellschafters
VII.
26
Rechtsformzusatz (§ 19 Abs. 5)
27
1. Entwicklung der Rechtsprechung . . . . 2. Folgerungen für die G m b H & Co. K G
27
3. Sonstige Fälle
29
4. Ausnahmen
30
Beteiligung ausländischer Gesellschaften
31
28
17
2. Namen anderer Personen
1
V.
18
Firma der G m b H & Co. K G
a) Namen einzelner Gesellschafter . . .
1.Name
3. Gesellschaftszusatz
6a
c) Vornamen
IV.
Rdn.
la
Zweck
§ 19 regelt nach dem Vorbild der Art. 17 f A D H G B die Firmenbildung bei O H G und K G . Abs. 5 der Vorschrift ist erst 1980 mit Wirkung vom 1.1.1981 in das Gesetz eingefügt worden 1 . Das österreichische Recht kennt bisher eine entsprechende Vorschrift nicht. Sachliche Unterschiede ergeben sich hieraus jedoch nicht. Eine interessante Sonderregelung zu § 19 findet sich hingegen für das österreichische Recht seit 1991 in § 2 des Gesetzes vom 25.4.1990 über eingetragene Erwerbsgesellschaften ( E G G ) 2 .
I. Zweck 13
D e r Zweck des § 19 ist umstritten. Nach überwiegender Meinung beschränkt er sich darauf, nach Möglichkeit eine Täuschung des Publikums über die Gesellschaftsverhältnisse der Beteiligten zu verhindern 3 , während nach anderen mit der Vorschrift zusätzlich der Zweck einer Kenntlichmachung des jeweiligen Gesellschaftstyps verfolgt wird 4 . Gegen diese Meinung spricht jedoch, daß der Gesetzgeber gerade darauf verzichtet hat, für O H G und K G eindeutige Rechtsformzusätze vorzuschreiben 5 . § 19 soll daher nur allgemein die Gesellschaftsverhältnisse bei Personenhandelsgesellschaften klarstellen.
II. Anwendungsbereich 2
1. § 19 betrifft allein die Neubildung von Firmen bei Personenhandelsgesellschaften und verbietet (nur) für diese die Wahl von Sachfirmen 6 . Als abgeleitete Firmen sind deshalb auch bei O H G und K G nach den §§ 22 und 24 unter bestimmten Voraussetzungen Sachfirmen zulässig 7 . Die Anwendbarkeit des § 19 auf die Neubildung von Firmen bei der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung ( E W i V ) ist umstritten 8 . 1
B G B l . 1980 I S. 836; vgl. dazu die Begr. RegE
BT-Dr.
zum
5
Denkschrift S. 38 f.
7 / 2 5 3 , S. 56; den Bericht des
6
B G H Z 68, 2 7 1 , 2 7 3 .
Rechtsausschusses B T - D r . 8 / 3 9 0 8 , S. 78. 2
B G B l . 2 5 7 ; dazu eingehend Krejct,
7
Erwerbs-
gesellschaftengesetz, 1991, S. 141 ff. 3
So insbes. O L G Frankfurt O L G Z 305 ff.
4
S. u. Rdn. 5 und 23, § 22 Rdn. 18; grdleg. B G H Z 68, 271, 273 f = N J W 1977, 1291; B a y O b L G Z 1977,
1980, 302, 8
178; O L G Frankfurt O L G Z 1970,
Verneinend A G München B B 1990, 160.
So B a y O b L G Z 1973, 75, 77.
276
177,
2 5 9 ff; enger K G Rpfl. 1974, 2 2 5 f.
Emmerich
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§19
2. § 19 wird ergänzt durch die allgemeinen firmenrechtlichen Vorschriften der § § 1 7
3
und 18. D a h e r gilt insbesondere das allgemeine Täuschungsverbot des § 18 Abs. 2 S. 1 auch uneingeschränkt für die Neubildung von F i r m e n nach § 19 9 . Eine nach § 19 gebildete Firma darf folglich nicht täuschend sein. Ergänzend sind die allgemeinen namens- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften zu beachten ( § 1 2 B G B ; §§ 1, 3 und 16 U W G ) . Insbesondere in Fällen der Gleichnamigkeit kann daher die Wahl des N a m e n s eines Gesellschafters zur Firmenbildung - trotz Beachtung des § 19 - unzulässig sein, wenn damit eine Täuschungsgefahr verbunden ist 1 0 . Zu denken ist hier vor allem an die Fälle der sog. Strohmanngründungen. D i e Wahl einer hiernach unzulässigen F i r m a bleibt j e d o c h stets ohne E i n f l u ß auf die Existenz der betreffenden Gesellschaft 1 1 .
III. Firma der OHG 1. Name des oder der Gesellschafter N a c h § 19 Abs. 1 m u ß die Firma einer (neuen) O H G (s. o. R d n . 2) wenigstens den N a m e n eines der Gesellschafter mit einem das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutenden Zusatz oder die N a m e n aller Gesellschafter enthalten. D i e Beifügung von Vornamen ist nicht erforderlich ( § 1 9 Abs. 3). D i e N a m e n anderer Personen als der persönlich haftenden Gesellschafter dürfen nicht in die Firma aufgenommen werden. Besonderheiten gelten, wenn Gesellschafter nur juristische Personen sind 1 2 .
4
a) F a m i l i e n n a m e . M i t dem N a m e n der Gesellschafter meint das G e s e t z in § 19 Abs. 1 nur deren (bürgerlichen) Familiennamen. F ü r Gesellschaften gilt in diesem P u n k t dasselbe wie für Einzelkaufleute 1 3 . Gleich stehen die ggf. abweichende F i r m a des Einzelkaufm a n n s 1 4 sowie die F i r m a einer der O H G beitretenden anderen Gesellschaft 1 5 . Aus dieser Regelung folgt z.B., daß die Firma „ X S ö h n e " für eine Gesellschaft allein aus den Söhnen des X nicht statthaft ist, weil dann nämlich allein dessen N a m e n , nicht aber der seiner Söhne (der abweichen kann) in der Firma enthalten ist 1 6 . Umstritten ist ebenso wie bei § 1 8 Abs. 1, o b die Gesellschafter statt ihres Familiennamens K ü n s t l e r n a m e n oder sonstige P s e u d o n y m e n zur Firmenbildung verwenden k ö n n e n . D i e Praxis lehnt dies zwar überwiegend ab 1 7 ; dem ist jedoch ebensowenig wie bei § 18 A b s . 1 zu folgen 1 8 .
5
b) A u s l ä n d i s c h e N a m e n . § 19 Abs. 1 enthält keine Beschränkung auf deutsche N a m e n . Sind an der Gesellschaft (auch oder nur) Ausländer beteiligt, so dürfen zur Firmenbildung deren N a m e n verwandt werden, selbst wenn sie wegen ihrer U n g e w ö h n l i c h k e i t in Deutschland nicht sofort als solche erkennbar sind 1 9 .
6
9
S . o. § 18 Rdn. 17 ff.
10
S. Baumbach/Duden/Hopt
11
Z.B. O G H SZ Bd. 51 (1978) Nr. 40, S. 197, 198 f. = GesRZ 1978, 77; GesRZ 1976, 58 = EvBl. 1976 Nr. 271.
12
S. § 19 Abs. 5 und dazu u. Rdn. 19 f. Wegen der Einzelheiten s. deshalb o. Rdn. 6 ff. Str., s. u. Rdn. 7.
13
14
15
Vorbehaltlich des § 18 Abs. 2; R G Z 104, 341, 343; s. o. Rdn. 2, u. Rdn. 23.
16
R G Z 156, 363, 366; KGJ 28 A 39, 41 f = O L G E 9, 241, 242 f; s. im übrigen u. Rdn. 12. B a y O b L G Z 1954, 203; KGJ 35 A 150, 151 f ; J W 1939, 423 = J F G 18, 350.
§ 19 Anm. IB.
§18
17
18
S. o. § 18 Rdn. 7a; I. Heinrich S. 116 ff; Staub/ Hüffer § 19 Rdn. 13 ff.
" B a y O b L G Z 1973, 211 „Mesirca" gegen O b L G Z 1972, 277, 279, 282 „Celdis".
Emmerich
Bay-
277
Erstes Buch. Handelsstand
§19 60
c) Vornamen. Anders als bei der Firma eines Einzelkaufmanns ( § 1 8 Abs. 1) ist die Hinzufügung von Vornamen bei Gesellschaftsfirmen nicht erforderlich ( § 1 9 Abs. 3). Dadurch sind die Gesellschafter aber natürlich nicht gehindert, beliebige Vornamen in ihre Firma aufzunehmen (§18 Abs. 2 S. 2). Daraus folgt zugleich, daß es hier auch unbedenklich ist, Abkürzungen oder Kurzformen von Vornamen zu verwenden. Auf jeden Fall aber muß der Name des oder der Gesellschafter in der Firma so gestellt werden, daß sich aus ihr eindeutig ergibt, daß es sich dabei um den Namen des oder der persönlich haftenden Gesellschafter handelt 20 .
7
d) Firma. Umstritten ist, ob ein Kaufmann, der eine von seinem bürgerlichen Familiennamen abweichende Firma führt, diese gleichfalls zur Bildung der Firma einer O H G oder KG verwenden darf. Die Praxis lehnt das zwar überwiegend ab 21 ; doch ist diese Haltung mit § 17 Abs. 1 kaum vereinbar und wird auch nicht durch den Zweck des § 19, Täuschungen des Verkehrs zu verhindern (o. Rdn. la), erfordert 22 . 2. Namen anderer Personen
8
Die Namen anderer Personen als der persönlich haftenden Gesellschafter dürfen nicht, auch nicht versteckt in die Firma aufgenommen werden 23 . Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann vor allem zur Folge haben, daß die Person, deren Namen zu Unrecht in der Firma erscheint, fortan aus Rechtsscheingrundsätzen ebenso wie ein persönlich haftender Gesellschafter haftet 24 .
8a
Das Verbot des § 19 Abs. 4 bezweckt lediglich, eine Täuschung des Verkehrs über die Haftungsverhältnisse zu verhindern. Deshalb ist die Aufnahme der Namen anderer Personen in die Firma dann unbedenklich, wenn durch die Stellung des Namens in der Firma eindeutig klargestellt wird, daß es sich dabei nicht um eine persönlich haftende Person handelt. Zulässig sind daher z.B. Zusätze wie „Gesellschaft zur Ausnutzung des X'schen Patents" oder „Verkaufsstelle für die Erzeugnisse Y" 25 . 3. Gesellschaftszusatz
9
Die Gesellschafter einer O H G haben nach § 19 Abs. 1 die Wahl, ob sie die Namen aller Gesellschafter (ohne oder mit dem Zusatz O H G ) oder nur den Namen eines oder einzelner Gesellschafter, dann aber mit einem Gesellschaftszusatz in die Firma aufnehmen wollen. Unklar ist hiernach die Rechtslage vor allem dann, wenn die Gesellschafter ihrer Firma nur aus dem Namen einzelner, nicht aller Gesellschafter bilden wollen (dazu u. Rdn. 10). Auf keinen Fall darf aber bei Aufnahme des Namens aller Gesellschafter in die Firma ein Zusatz gewählt werden, der wie z.B. der Zusatz „& Co." das Vorhandensein weiterer Gesellschafter andeutet; zulässig sind dann vielmehr nur reine Rechtsformzusätze wie insbesondere O H G 2 6 .
20
O L G Hamburg OLGE 30, 385; Schlegelberger/ Hildebrandt $ 19 Rdn. 4. 2 ' BayObLGZ 1954, 203; KGJ 35 A 150; JW 1939, 423 = J F G 18,350. 22 Ebenso O G H HS 1081; LG Berlin JR 1950, 669. " / . Heinrich S. 125 ff; Staub/Hüffer §19 Rdn. 14 ff; Straube/Schuhmacher § 19 Rdn. 5; s. auch schon o. § 17 Rdn. 14. 278
24
Baumbach/Duden/Hopt § 19 Anm. 2; Straube/ Schuhmacher § 19 Rdn. 19; weitergehend früher Art. 168 ADHGB; zur KG s. unten Rdn. 17. 25 SchlegelbergerlHildebrandt § 19 Rdn. 3. 26 RGZ 37, 58, 60 f; Staub/Hüffer § 19 Rdn. 21.
Emmerich
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§19
a) Namen einzelner Gesellschafter. Wird die Firma allein aus dem Namen eines 1 0 Gesellschafters gebildet, so genügt jeder Gesellschaftszusatz (einschließlich O H G ) , weil in diesem Fall kein Zweifel daran bestehen kann, daß noch weitere Gesellschafter vorhanden sind. Umstritten ist hingegen die Rechtslage bei der Verwendung des Namens mehrerer, nicht aller Gesellschafter für die Firmenbildung. Die überwiegende Meinung folgert hier aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1, daß dann in der Firma zusätzlich klargestellt werden müsse, daß noch weitere Gesellschafter vorhanden sind. Reine Rechtsformzusätze wie insbes. O H G sollen hierfür nicht genügen, so daß eine Gesellschaft aus den Gesellschaftern Α, Β und C weder „A und B" noch „A und Β O H G " firmieren dürfe 27 . Dieser Meinung ist indessen nicht zu folgen 28 . Da eine Täuschung des Verkehrs ausgeschlossen ist, wenn tatsächlich mehr persönlich haftende Gesellschafter vorhanden sind, als die Firma andeutet, sind keine Gründe erkennbar, die in dem genannten Fall gegen eine Firmenbildung „A und B" oder „A und Β O H G " sprechen. b) Mögliche Zusätze aa) Die Gesellschafter sind in der Wahl des Gesellschaftszusatzes grundsätzlich frei. 11 Aus dem Zusatz braucht sich insbesondere nicht zu ergeben, welche Gesellschaftsform konkret vorliegt 29 . Erforderlich ist vielmehr nur, daß der Zusatz nicht täuschend ist. Daher sind z.B. - außer „Gesellschaft" und „ O H G " - noch folgende Zusätze gestattet: „& Co., & Cie, & Compagnie oder Compagnon, & Comp., & Söhne" sowie ggf. „Brüder oder Gebrüder" und neuerdings auch „& Partner" 30 . Unerheblich ist dabei, wie das Wort „und" geschrieben wird, so daß auch die Zeichen „&" oder „+" gestattet sind 31 . Ebenso unbedenklich sind Abkürzungen oder fremsprachliche Zusätze, solange sie nur verständlich und nicht täuschend sind ( § 1 8 Abs. 2 S. I) 32 . Aber die Zulassung so ungebräuchlicher Abkürzungen wie „oH" 3 3 oder „u.G." (für „und Gesellschafter") 34 dürfte mit dem Grundsatz der Firmenklarheit kaum vereinbar sein 35 . bb) Der beliebte Zusatz „Sc Sohn" oder „& Söhne" ist nur statthaft, wenn die Gesell- 1 2 schaft tatsächlich aus dem Vater und seinem Sohn bzw. seinen Söhnen besteht; in jeder anderen Verbindung sind die genannten Zusätze hingegen täuschend 36 . Entsprechendes gilt für die Zusätze „Brüder" oder „Gebrüder": sie sind nur erlaubt, wenn tatsächlich allein die betreffenden Brüder und keine weiteren Personen Gesellschafter sind 37 .
27
Baumbach/Duden/Hopt § 19 Anm. 1 A; zu der Parallelfrage bei § 4 G m b H G s. eingehend Scholz/Emmerich GmbHG, § 4 Rdn. 26 f. 28 Ebenso O G H AC 2642; HS 1081; K. Schmidt Handelsrecht § 12 III le, bb (S. 326); Straube/ Schuhmacher § 19 Rdn. 5; anders noch Voraufl. Rdn. 10; zur KG s. unten Rdn. 16. 29 Denkschrift S. 38 f; ebenso zB K G J F G 20, 265, 267; OLG Hamm NJW 1965, 763. 30 BGH WM 1985, 165; O L G Frankfurt OLGZ 1975, 110, l l l f ; OLG Düsseldorf JMB1.NRW 1954, 201; OLGZ 1979, 397; LG Hagen BB 1975 Beil. 12, S. 22; sowie z.B. I. Heinrich S. 138 ff; s. auch u. Rdn. 18 f.
31
LG Düsseldorf BB 1960, 1101 Anders für „frères" früher O G H SZ Bd. 5 (1923) Nr. 149, S. 391, 302 f; s. u. Rdn. 12, bes. Fn. 37. 33 O L G Hamm OLGZ 1965, 122. 34 OLG Colmar RJA 14, 294 ff; KG JFG 20, 265, 267. 35 Straube/Schuhmacher § 18 Rdn. 6. 36 § 18 Abs. 2 S. 1 Nachw. s. o. Rdn. 5 sowie BGH WM 1985, 165; O L G Dresden OLGE 40, 180 f für die Beteiligung auch der Schwiegersöhne; KG HRR 1930 Nr. 34 für den Zusatz „& Sohn", wenn noch weitere Söhne beteiligt sind. 37 Grdleg. RGZ 82, 164, 166 „Kyriazi Frères"; 156, 363, 366. 32
Emmerich
279
Erstes Buch. Handelsstand 4. Beispiel 13
Eine O H G aus den Gesellschaftern Α , Β und C kann mithin folgendermaßen firmieren: 1. durch die Wahl des N a m e n s eines Gesellschafters mit einem Gesellschaftszusatz, mit einem R e c h t s f o r m z u s a t z oder mit beidem (z.B. A Gesellschaft, A O H G oder A u. C o . OHG), 2. durch die Wahl des N a m e n s einzelner Gesellschafter mit oder o h n e Gesellschaftszusatz (str.) sowie mit oder o h n e den weiteren R e c h t s f o r m z u s a t z O H G (ausgeschrieben oder abgekürzt) (z.B. A und C o . , A und Β , Α Β und C o . oder A u. C o . O H G ) oder schließlich 3. durch die A u f n a h m e des N a m e n s aller dreier Gesellschafter, wiederum mit oder o h n e R e c h t s f o r m z u s a t z (z.B. Α , Β und C oder Α , Β u. C O H G ) .
IV. Firma der KG 1. N a m e eines persönlich h a f t e n d e n Gesellschafters 14
N a c h § 19 Abs. 2 muß die F i r m a einer K G den N a m e n wenigstens eines persönlich haftenden Gesellschafters sowie einen Gesellschaftszusatz enthalten, wobei Vornamen hier ebenso wie bei der O H G entbehrlich sind 3 8 . Hingegen dürfen die N a m e n anderer Personen nicht in die Firma aufgenommen werden ( § 1 9 Abs. 4 ) 3 9 .
15
a) D a s G e s e t z verlangt nicht, daß die N a m e n aller persönlich haftenden Gesellschafter in die F i r m a aufgenommen werden; es genügen vielmehr die N a m e n eines oder mehrerer persönlich haftender Gesellschafter, w o b e i unter dem N a m e n hier gleichfalls allein der Familienname sowie die (vollständige) Firma eines Kaufmanns oder einer beitretenden Gesellschaft zu verstehen sind 4 0 . Folglich kann z.B., wenn eine O H G einer K G beitritt, die F i r m a der O H G in die der K G ü b e r n o m m e n werden; j e d o c h m u ß dann durch weitere Zusätze klargestellt werden, daß es sich bei der betreffenden Firma u m die einer K G handelt 4 1 . Ahnliche Grundsätze gelten bei U m w a n d l u n g einer O H G in eine K G , so daß die K G in diesem Fall nicht eine F i r m a fortführen darf, die wie z . B . die Firma A und Β den E i n d r u c k einer O H G erweckt; vielmehr ist es erforderlich, in diesem Fall durch einen weiteren Zusatz wie insbesondere K G auf die R e c h t s f o r m hinzuweisen 4 2 .
16
b) D i e F i r m a der K G braucht ebensowenig wie die der O G H (o. Rdn. 10) Aufschluß über die Z a h l der persönlich haftenden Gesellschafter zu geben. Deshalb bestehen keine B e d e n k e n dagegen, bei Vorhandensein von mehr als zwei persönlich haftenden Gesellschaftern einfach „ A und Β K G " zu firmieren 4 3 . Unzulässig ist es hingegen, der F i r m a der K G einen Inhabervermerk oder einen Zusatz mit dem N a m e n des K o m p l e m e n t ä r s hinzuzufügen, weil dadurch das Vorhandensein weiterer Gesellschafter vorgetäuscht würde 4 4 .
38 39
40 41
§ 19 Abs. 3; s. dazu oben Rdn. 6a. S. dazu oben Rdn. 8a f, sowie unten Rdn. 17; zur GmbH u. Co. KG s. § 19 Abs. 5 und dazu u. Rdn. 19 ff. S.o. Rdn. 5-7. 18 Abs. 2, 19 Abs. 2; O L G Neustadt NJW 1964, 1376 f m. Anm. Eich; Bokelmann Tz. 600 ff; Staub/Hüffer % 19 Rdn. 34 ff.
280
BayObLGZ 1967, 353, 355; O L G Frankfurt O L G Z 1979, 402, 404 f. « O L G Stuttgart BB 1975 Beil. 12, S. 18 m. abl. Anm. Wessel; wegen des Zusatzes KG s. unten Rdn. 18. 44 BayObLGZ 1967, 353, 356 f. 42
Emmerich
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§19
2. N a m e n a n d e r e r P e r s o n e n Aus § 19 A b s . 4 folgt der wichtige Grundsatz, daß der N a m e des oder der K o m m a n ditisten auch nicht mittelbar oder andeutungsweise in der Firma erscheinen darf, w o m i t
17
das G e s e t z den Z w e c k verfolgt, jede mögliche Täuschung des Verkehrs über die Haftungsverhältnisse zu vermeiden 4 5 . Daraus wird überwiegend die Unzulässigkeit von Zusätzen wie „ & Sohn, & Söhne, B r ü d e r und G e s c h w i s t e r " gefolgert, sofern die damit in Bezug genommenen Gesellschafter nur Kommanditisten und nicht persönlich haftende Gesellschafter sind 4 6 . Aus demselben G r u n d darf der N a m e eines Kommanditisten auch nicht in Verbindung mit einem weiteren Gesellschaftszusatz in der Firma erscheinen 4 7 . 3. Gesellschaftszusatz N a c h § 19 A b s . 2 m u ß die Firma einer K G stets einen das Vorhandensein (irgend-)einer Gesellschaft andeutenden Zusatz enthalten. N i c h t zulässig ist es daher, die F i r m a der K G allein aus den N a m e n der persönlich haftenden Gesellschafter zu bilden, weil solche Firmenbildung auf eine O H G hinweist 4 8 . D i e Art des Gesellschaftszusatzes ist hingegen nicht vorgeschrieben. Insbesondere braucht sich aus ihm nicht zu ergeben, daß es sich gerade u m eine K G handelt 4 9 ; v i e l m e h r k o m m e n hier grundsätzlich dieselben Gesellschaftszusätze wie bei der O H G in Betracht (s. o. R d n . 11), sofern sie nicht gerade auf das Vorliegen einer O H G hindeuten. Zulässig sind daher z.B. auch die Zusätze „ & C o . " 5 0 sowie „ & P a r t n e r " 5 1 . U n b e d e n k l i c h ist außerdem die A b k ü r z u n g von „ K o m manditgesellschaft" in K G 5 2 .
18
V. Firma der GmbH & Co. KG S c h r i f t t u m Chr. Aschenbrenner Die Firma der GmbH & Co. KG, 1975; Barfuß GmbHR 1977, 124; Baumbach/Duden/Hopt § 19 Anm. 3; Blumers BB 1977, 970; ders. GmbHR 1983, 236; Bokelmann Tz. 604 ff; I. Heinrich S. 178 ff; Hesselmann/Tillmann Handbuch der GmbH Sc Co. KG, 17. Aufl. 1991, Tz. 216 ff. (S. 91 ff.); Staub/Hüffer
§ 19 Rdn. 12 ff.; Wessel BB 1966, 1327; 1984, 1710.
§ 19 Rdn. 37-77;
Straube/Schuhmacher
Seit 1980 enthält das H G B in § 19 Abs. 5 eine Sonderregelung, die in erster Linie, aber nicht ausschließlich auf die besonders verbreitete Gesellschaftsform der G m b H & C o . K G zugeschnitten ist (s. schon o. Rdn. 1). U n t e r Aufgabe wesentlich weitergehender R e f o r m pläne hat sich der Gesetzgeber hier darauf beschränkt, eine schon zuvor längst in der Rechtsprechung vollzogene Entwicklung zu positivieren, so daß nach wie vor zahlreiche Fragen ungelöst sind. 45 46
47
48
S. dazu schon o. Rdn. 8 f. BayObLGZ 1959,196, 198 f für die Firma „KG X & Sohn"; OLG Oldenburg BB 1992, 2309 f = NJW-RR 1993, 298 für die Firma „Familie C. KG"; OLG Hamm NJW 1966, 2171 f für die Firma „X & Söhne KG"; Bokelmann Tz 595 ff; ders. MDR 1979, 188 f; Staub/Hüffer § 19 Rdn. 32; viel enger hingegen BAG AP Nr. 3 zu 128 HGB. Grdleg. BayObLGZ 1922/23, 308, 309 f für den Zusatz „Bank Graf X". § 18 Abs. 2 S. 1; § 19 Abs. 1; anders z.B. OLG Wien NZ 1972, 200; Straube/Schuhmacher § 19 Rdn. 10.
KG JFG 20,265,267; OLG München JFG 17,60 = HRR 1938 Nr. 535. so KG JFG 20, 265, 267; OLG Frankfurt OLGZ 1975, 110, l l l f ; OLG München HRR 1938 Nr. 535 = JFG 17, 60. 5! OLG Frankfurt OLGZ 1975, 110, 111 f; OLG Düsseldorf JMB1. NRW 1954,201; OLGZ 1979, 397; Staub/Hüffer § 19 Rdn. 33; dagegen insbes. Bokelmann MDR 1979, 188. 52 OLG Wien NZ 1959, 179; Baumbach/Duden/Hopt § 19 Anm. 2; Straube/Schuhmacher § 19 Rdn. 8; str. 49
Emmerich
281
19
§19
Erstes Buch. Handelsstand
1. Firmenidentität 20
a) Grundsatz. Wird eine KG unter Beteiligung einer G m b H als persönlich haftender Gesellschafterin gegründet, so ergeben sich Probleme nur, wenn die G m b H die einzige persönlich haftende Gesellschafterin ist (sog. G m b H & Co. KG), weil dann nach § 19 Abs. 2 zwingend die volle Firma der G m b H einschließlich des GmbH-Zusatzes in die Firma der KG übernommen werden muß (sog. Grundsatz der Firmenidentität) 53 . Handelt es sich bei der GmbH-Firma um eine Personenfirma, so muß daher diese Firma selbst dann zur Bildung der Firma der G m b H & Co. KG verwandt werden, wenn die Personen, deren Namen in der GmbH-Firma erscheinen, zugleich als Kommanditisten an der G m b H und Co. KG beteiligt sind; § 19 Abs. 4 findet insoweit keine Anwendung 54 . Für den Regelfall ist es mithin nicht zulässig, bei der Übernahme der GmbH-Firma in die der G m b H und Co. KG die GmbH-Firma zu verändern oder zu verkürzen 55 .
20a
Unberührt bleibt jedoch der Grundsatz des § 18 Abs. 2 (§ 3 UWG). Die zusammengesetzte Firma darf daher nicht täuschend sein. Folglich darf z.B. die Sachfirma einer G m b H nicht zur Bildung der Firma einer G m b H & Co. KG verwandt werden, wenn hier diese Sachfirma nicht mehr paßt 56 . In derartigen Fällen läßt sich mithin der Grundsatz der Firmenidentität nicht mehr durchhalten. Weitere Ausnahmen ergeben sich aus der N o t wendigkeit, auf die Verkehrsbedürfnisse Rücksicht zu nehmen (u. Rdn. 21 ff). b) Ausnahmen
21
aa) Wenn der GmbH-Zusatz in der Firma der G m b H ausgeschrieben ist, darf er in der Firma der KG abgekürzt werden 57 . Außerdem können Zusätze wie „Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Betriebs-" in der GmbH-Firma bei ihrer Übernahme in die KGFirma weggelassen werden, da sie in der Firma der KG täuschend wären. Voraussetzung ist freilich, daß danach die restliche GmbH-Firma immer noch § 4 G m b H G entspricht, insbes. genügend individualisierend ist, so daß die G m b H mühelos in der KG-Firma identifiziert werden kann 58 . Fehlt es hieran, so scheidet die Streichung einzelner Firmenbestandteile der GmbH-Firma bei der Bildung der Firma der G m b H & Co. KG aus59.
22
bb) Unzulässig ist es, andere Zusätze in der GmbH-Firma, die bei ihrer Übernahme in die Firma der KG täuschend wären, einfach wegzulassen (§19 Abs. 2). Dies gilt insbesondere für Angaben über den Gegenstand der G m b H , ihren Sitz oder ihre Größe. In solchen Fällen bleibt somit nichts anderes übrig, als die Firma der G m b H vor Gründung der KG entsprechend zu ändern 60 .
23
c) Sachfirma. Die Firma der G m b H kann auch dann in die der KG übernommen werden, wenn es sich bei ihr um eine Sachfirma handelt 61 . Scheidet später die G m b H aus der KG wieder aus, so darf von dieser nach § 24 die Sachfirma - nach Streichung des jetzt 53
S. o. Rdn. 15; zuletzt z.B. KG NJW-RR 1989,33, 34; BayObLG BB 1990, 2065; O L G Hamm DB 1994, 467 = NJW-RR 1994, 608. 54 O G H EvBl. 1968 Nr. 7 = ÖJZ 1968, 19, 20. 55 So BGHZ 46, 7, 10; 80, 353; BayObLGZ 1978, 18 f; 1979, 316; O L G Celle OLGZ 1977, 59 ff; O L G Hamburg OLGE 30, 385 f; Bokelmann Tz. 308 ff. 56 BayObLG BB 1990, 2065. BGHZ 62, 230; BayObLGZ 1979, 316, 318 f. 58 BGHZ 80,353, 355 f; BayObLG BB 1990,2065; 282
OLG Celle OLGZ 1977, 59ff;zust. z.B. Barfuß GmbHR 1977, 124; Staub/Hüffer § 19 Rdn. 46; dagegen z.B. Blumers BB 1977, 970. 59 BayObLG BB 1990, 2065. 60 BayObLGZ 1978, 18 f; 1979, 316; O L G Celle OLGZ 1977, 59, 64 f; OLG Hamburg OLGE 30, 385 f; Bokelmann Tz. 308; Barfuß GmbHR 1977, 124; Blumers BB 1977, 970; Staub/Hüffer § 19 Rdn. 48 ff. 61 § 4 GmbHG; s. o. Rdn. 2, 15.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§19
täuschenden GmbH-Zusatzes - fortgeführt werden, weil § 19 nur für die ursprüngliche, nicht für die abgeleitete Firma gilt62. d) Vor-GmbH. Früher wurde es überwiegend als unzulässig angesehen, wenn die 2 4 G m b H schon vor ihrer Entstehung durch Eintragung im Handelsregister (§11 GmbHG) der KG beitrat 63 . Heute wird hingegen allgemein bereits der Beitritt der Vor-GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin zu einer KG zugelassen64. Firmenrechtlich dürften dann dieselben Grundsätze wie im Falle des Beitritts einer bereits entstandenen G m b H (o. Rdn. 20 ff) zu beachten sein. 2. Unterscheidbarkeit a) Grundsatz. § 30 Abs. 1 gilt auch für die GmbH & Co. KG, so daß sich die Firma 2 5 der KG - trotz des Grundsatzes der Firmenidentität (o. Rdn. 20 ff) - von der ihrer Komplementär-GmbH deutlich unterscheiden muß. Hieraus ergeben sich weitere Probleme, zumal als Unterscheidungsmerkmal bloße Rechtsformzusätze wie KG oder GmbH & Co. KG ausscheiden, da sie nicht am Klangbild der Firma teilnehmen 65 . b) Lösungswege. Zur Lösung dieser Probleme sind im Schrifttum zahlreiche 2 6 Vorschläge gemacht worden 66 . Verschiedene dieser Vorschläge haben auch in der Praxis verbreitet Anklang gefunden. Besonders beliebt sind namentlich die Gründung von KG und GmbH an verschiedenen Orten oder die unmittelbar auf die Gründung der KG folgende Änderung der GmbH-Firma 67 . Gleichwohl bleiben Bedenken, weil viele der genannten Verfahren nur allzu deutlich von dem Bestreben gekennzeichnet sind, die §§18 Abs. 2, 19 und 30 zu „umgehen". Wirklich befriedigend sind daher allein die folgenden Auswege: 1. Aufnahme eines Zusatzes wie „Verwaltungs-, Betriebsführungs- oder Geschäftsführung-" in die Firma der GmbH und Streichung dieses Zusatzes bei Übernahme der GmbH-Firma in die KG-Firma (o. Rdn. 21), 2. Entlehnung des Gegenstandes der G m b H aus dem Gegenstand der KG, deren Geschäfte die G m b H führt 68 sowie 3. die Aufnahme unterscheidungskräftiger Zusätze in die Firma der KG 69 . Dabei muß freilich darauf geachtet werden, daß diese Zusätze nicht so gestellt werden, daß sie als Zusätze zu der GmbH-Firma erscheinen 70 . Außerdem darf der Zusatz nicht einfach in die GmbHFirma eingeschoben werden; er muß vielmehr dieser grundsätzlich nachfolgen. 62
BGHZ 68, 271, 273 f; BayObLGZ 1977, 177, 178; OLG Frankfurt O L G Z 1970, 259 ff; LG Osnabrück BB 1975 Beil. 12, S. 26. 63 BayObLGZ 1966, 337, 342; BayObLG Rpfl. 1969, 95 f. " S. u. § 105 Rdn. 35; BGHZ 80, 129, 132 ff; BGH WM 1985, 165. 65 S. u. § 30 Rdn. 6; grdleg. BGHZ 46, 7, 10 ff; 80, 353, 354 f; BayObLGZ 1954,203,209; 1966,337, 343; 1979, 316, 318 f; BayObLG Rpfl. 1969, 95 f; OLG Frankfurt BB 1963, 108; OLGZ 1973, 276; 1974, 336; OLG Celle OLGZ 1977, 59, 64 f; O L G Hamm O L G Z 1966, 598, 601; Aschenbrenner S. 38 ff; Bokelmann Tz 624 ff; ders. Rpfl. 1976, 418; Staub/Hüfter § 19 Rdn. 59 ff; Well-
mann G m b H R 1962, 410; Wessel BB 1966, 1327; aA z.B. Blumers BB 1977, 970, 973; Jurick DB 1974, 1753. 66 Überblick bei Baumbach/Duden/Hopt § 19 Anm. 3; Blumers BB 1970, 970; Klunzinger DB 1973, 1881; Wessel BB 1976, 1096. 67 Dafür auch Bokelmann Tz 627 f; dagegen z.B. OLG Frankfurt OLGZ 1973, 276, 277 f. 68 Zulässig nach BayObLGZ 1975, 447, 450; O L G Köln O L G Z 1979, 277; Emmerich/Scholz GmbHG, § 4 Rdn. 9. OLG Frankfurt OLGZ 1973, 276, 277 f. 70 BayObLGZ 1978, 18 f „Dental-Labor"; 1979, 316.
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§19
Erstes Buch. Handelsstand
VI. Rechtsformzusatz (§ 19 Abs. 5) 1. Entwicklung der Rechtsprechung 27
Seit dem 1.1.1981 muß in Deutschland in die Firma der G m b H & Co. KG, wenn es sich um eine abgeleitete Firma handelt, nach dem neuen Abs. 5 des § 19 in jedem Fall eine Bezeichnung aufgenommen werden, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet. Der Gesetzgeber hat sich damit der ständigen Rechtsprechung des B G H angeschlossen, nach der auf die G m b H & Co. KG wegen ihrer Verwandtschaft mit der G m b H die Vorschrift des § 4 Abs. 2 G m b H G (= 5 Abs. 2 öGmbHG) entsprechend anzuwenden war 71 . Hierbei wurde nicht zwischen Alt- und Neufirmen unterschieden. Auch Gesellschaften aus der Zeit vor Änderung der Rechtsprechung mußten deshalb ab 1975 ihrer Firma den jetzt verlangten Rechtsformzusatz hinzufügen, widrigenfalls das Registergericht gegen sie nach § 142 FGG vorgehen konnte 72 . Außerdem drohte den Gesellschaftern in diesem Fall ab März 1975 eine persönliche Haftung nach Rechtsscheingrundsätzen, da ihre Firma fortan ohne den geforderten Rechtsformzusatz den Eindruck erweckte, hinter der Gesellschaft stünden persönlich haftende natürliche Personen 73 . Auf denselben Standpunkt hat sich mittlerweile im Anschluß an die Praxis des B G H die österreichische Rechtsprechung gestellt, so daß hier jetzt gleichfalls von der entsprechenden Anwendung des § 5 Abs. 2 ö G m b H G (§ 4 Abs. 2 GmbHG) auf die Firma der G m b H & Co. KG auszugehen ist74. 2. Folgerungen für die GmbH & Co. KG
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Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sollten grundsätzlich nur noch die Zusätze „GmbH & Co. KG" oder (weniger empfehlenswert) „GmbH & Co." geduldet werden. Unzulässig sind hingegen i.d.R. wegen der mit ihnen verbundenen Täuschungsgefahr die folgenden Zusätze oder Firmen: Die Firma „X G m b H Holzbau KG" wegen der Fortlassung des unerläßlichen Zusatzes & Co. 75 , die Firma „X KG G m b H & Co.", weil die Firmenbestandteile GmbH & Co. KG nur in dieser Zusammensetzung und Reihenfolge verwandt werden dürfen 76 , die Firmen „X & Co. G m b H & Co. KG" oder „X & Sohn G m b H & Co. KG", weil durch die doppelte Verwendung des
7
' BGHZ 62, 216, 226 ff; 65, 103, 105 f; 71, 354, 355 f; 84, 285; BGH LM Nr. 7 zu § 18 HGB = NJW 1977,1879; LM Nr. 9 zu $ 18 HGB = NJW 1980, 127; LM Nr. 2 zu § 19 HGB = NJW 1979, 1986; LM Nr. 4 zu 19 HGB = NJW 1981, 342; LM Nr. 56 zu § 161 HGB = BB 1979, 1060 = MDR 1979, 914; LM Nr. 87 zu § 546 ZPO = BB 1978, 1025 = WM 1977, 1405; zust. BAG AP Nr. 3 zu § 128 HGB; OLG Köln DB 1975, 2365 sowie z.B. Bokelmann Tz. 781 ff; ders. GmbHR 1975, 25; H.P. Westermann JZ 1975, 327; Wiedemann ZGR 1975, 354; ablehnend hingegen zB Keim MittbBayNotK 1973, 257; G. Winkler D N o t Z 1975, 69. 72 BGHZ 65, 103, 105; 84, 285, 287 ff; KG OLGZ 1978, 277, 280 f; OLG Frankfurt O L G Z 1980, 297 ff; O L G Hamm O L G Z 1979, 1, 2 m. Nachw. 284
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B G H Z 62, 216, 226 ff; 71, 354, 357 f; BGH LM Nr. 56 zu § 161 H G B = BB 1979, 1060; LM Nr. 87 zu § 546 ZPO = WM 1977, 1405; WM 1976, 1084, 1085; 1984, 475, 476; BAG AP Nr. 3 zu § 128 HGB; O L G Hamm DB 1977, 2273; MDR 1984, 665; OLG Frankfurt O L G Z 1980, 297 ff. 74 Grdleg. O G H SZ Bd. 51 (1978) Nr. 40, S. 197, 198 f = GesRZ 1978, 77 = HS 10.085; O G H SZ Bd. 55 (1982) Nr. 88 = GesRZ 1982, 317, 318 = HS 12.055; O G H GesRZ 1976, 96 = HS 9038; HS 12.056; Straube/Schuhmacher § 22 Rdn. 16 m. Nachw. aus der widersprüchlichen früheren Praxis. 7 5 BGH LM Nr. 9 zu § 18 HGB = NJW 1980, 2084 gegen O L G Bremen BB 1980, 68. 7 BGH LM Nr. 2 zu § 19 HGB = NJW 1979,1986; LM aaO Nr. 4 = NJW 1981, 342.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§19
Gesellschaftszusatzes „& Co, & Sohn" der Eindruck entsteht, es hafteten noch andere Personen persönlich 77 , der Zusatz „KG G m b H Sc Co. KG", weil in ihm in verwirrender Weise Gesellschaftszusätze unmittelbar aufeinander folgen 78 , und zwar auch, wenn die Bestandteile KG und G m b H durch einen Bindestrich oder eine Klammer getrennt werden 79 , die Firma „ G m b H KG", selbst wenn zwischen die beiden Gesellschaftszusätze ein Sachzusatz eingeschoben wird 80 , die Firma „KG, G m b H & Co.", weil das Komma niemand beachtet 81 , die Aufteilung des Zusatzes G m b H & Co. KG durch weitere Sachzusätze 82 sowie schließlich die Firma „X & Co. G m b H KG", weil auf G m b H stets zwingend der Zusatz „& Co." folgen muß 83 . 3. Sonstige Fälle Der Anwendungsbereich des § 19 Abs. 5 umfaßt zwar in erster Linie die G m b H u. Co. 2 9 KG, beschränkt sich aber nicht auf diese; vielmehr gilt die Vorschrift auch für andere vergleichbare Gesellschaftsformen wie etwa die AG u. Co. KG 84 , die Stiftung u. Co. KG sowie den e.V. und Co. KG 85 . § 19 Abs. 5 ist außerdem auf eine O H G anwendbar, wenn ihre Mitglieder nur aus GmbH's oder weiteren O H G ' s oder KG's mit ausschließlich juristischen Personen als persönlich haftenden Gesellschaftern bestehen 86 . In allen diesen Fällen sind daher die Regeln über den erforderlichen Rechtsformzusatz (o. Rdn. 28 f) entsprechend anzuwenden. Welche Folgerungen hieraus konkret zu ziehen sind, ist freilich noch offen. Mit Recht hat das KG 8 7 z.B. Bedenken gegen den Zusatz „ G m b H & Co. O H G " geäußert. Der vom O L G Hamm 8 8 befürwortete Zusatz „beschränkt haftende O H G " dürfte gleichfalls täuschend sein (§18 Abs. 2; § 3 UWG). An allen diesen Schwierigkeiten wird im übrigen nur deutlich, daß unser Firmenrecht auf derartig abenteuerliche gesellschaftsrechtliche Konstruktionen offenbar nicht zugeschnitten ist. 4. Ausnahmen Ein spezieller Rechtsformzusatz ist nach § 19 Abs. 5 S. 2 ausnahmsweise entbehrlich, 3 0 wenn zu der Gesellschaft, insbes. der KG im Falle der G m b H u. Co. KG, eine weitere natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter oder eine andere O H G oder KG mit natürlichen Personen als persönlich haftenden Gesellschaftern gehört, m.a.W. stets dann, wenn, unmittelbar oder mittelbar d.h. auf der zweiten Stufe, wenigstens eine natürliche Person unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haftet. Unanwendbar ist hingegen die Ausnahmevorschrift entsprechend ihrem Wortlaut, wenn unbeschränkt haften-
77
BGH LM Nr. 4 zu § 19 HGB = NJW 1981, 342; WM 1985, 165 f gegen OLG Frankfurt O L G Z 1980, 302, 305 ff; 1980, 320 ff; OLG Oldenburg NJW-RR 1990,357 = BB 1990, 161 = WM 1990, 1784. 78 BayObLGZ 1977, 267 f. 79 BayObLGZ 1978, 40, 42 f; O L G Frankfurt OLGZ 1980, 302, 307 f m. Nachw. 80 BayObLGZ 1973, 75; OLG Stuttgart BB 1977, 1417; OLGZ 1977, 301 f; OLG Hamm OLGZ 1980,311 „X KG M und M". 81 BayObLG DB 1978, 838. 82 BayObLG DB 1978, 879. 83 OLG Hamm BNotZ 1954, 92; OLGZ 1966, 598, 600 f = NJW 1966, 2172; weit. Nachw. bei
Bokelmann GmbHR 1979, 265; Winkler MittBayNotK 1978, 98; zur österreichischen Praxis s. noch O L G Wien N Z 1980, 57 = HS 10.084; NZ 1981, 31 = HS 10.086; OLG Linz NZ 1981, 94 = HS 12.054; Straube/Schuhmacher § 19 Rdn. 14 ff. 84 Bokelmann Tz. 645 f. 85 Vgl. Staub/Hüffer § 19 Rdn. 73 ff. 86 § 19 Abs. 5 S. 2 im Anschluß an BGH LM Nr. 7 zu § 18 HGB = NJW 1977, 1879; insbes. OLG Hamm WM 1987, 753 = NJW-RR 1987, 990; KG NJW-RR 1989, 33. 87 NJW-RR 1989, 33, 34. 88 OLGZ 1987, 290 = NJW-RR 1987, 990 = WM 1987, 753.
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Erstes Buch. Handelsstand
§ 20/21
de natürliche Personen erst auf späteren Stufen beteiligt sind; in diesem Fall bleibt es vielmehr bei der Regel des Abs. 5 S. 1 des § 19 89 .
VII. Beteiligung ausländischer Gesellschaften 31
An deutschen Gesellschaften können sich neben deutschen auch ausländische Gesellschaften beteiligen. Für die Firmenbildung gilt in beiden Fällen uneingeschränkt § 19, so daß bei Übernahme der Firma der ausländischen Gesellschaft in die Firma der deutschen Gesellschaft die ausländische Firma grundsätzlich unverändert, d.h. einschließlich der ausländischen Rechtsformzusätze in die deutsche Firma übernommen werden muß 90 . Ist die ausländische Firma der einzige persönlich haftende Gesellschafter, so ist auch § 19 Abs. 5 anwendbar, wobei grundsätzlich kein anderer Zusatz als „& Co. K G " in Betracht kommen dürfte. Außerdem ist hier besonders streng darauf zu achten, daß jede Täuschung des Verkehrs durch solche ungewöhnlichen Firmen verhindert wird 91 .
§20 (Aufgehoben durch § 18 Abs. 1 EGAktG von 1937; vgl. jetzt §§ 4 und 279 AktG von 1965; für Altfirmen vgl. Art. 22 EGHGB, eingeschränkt durch § 26a EGAktG i.d.F. des Gesetzes vom 13.12.1978, BGBl. I, S. 1959).
§21 Wird ohne eine Änderung der Person der Name des Geschäftsinhabers oder der in der Firma enthaltene Name eines Gesellschafters geändert, so kann die bisherige Firma fortgeführt werden. Übersicht
1. Anwendungsbereich 2. Voraussetzungen a) Kontinuität
Rdn. 1 2
Rdn. b) Eintragung? 3. Vorrang des Namensrechts
3 4
2
1. Anwendungsbereich 1
Mit § 21 wurde vor allem der Zweck verfolgt, einem Ehegatten, der infolge seiner Verheiratung seinen Namen ändert (§ 1355 BGB), die Fortführung seiner bisherigen Firma mit seinem bisherigen Namen zu ermöglichen. Weitere Anwendungsfälle des § 21 sind Namensänderungen, z.B. infolge von Adoption oder deren Aufhebung (§ 1759 BGB), sowie die Wiederannahme des früheren Namens durch den verwitweten oder geschiedenen Ehegatten. Außerdem gehört hierher noch der Fall, daß eine
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KG NJW-RR 1989, 33. BayObLGZ 1986, 57, 66 ff.
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91
§ 18 Abs. 2 S. 1; Bokelmann Tz 364 ff; Ebenroth/Eyles DB 1988 Beil. Nr. 2; Staub/Hüffer § 19 Rdn. 78-86.
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§22
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
Gesellschaft, deren Firma zur Bildung der Firma einer anderen Gesellschaft verwendet worden ist, ihre Firma ändert. In diesem Fall braucht mithin die andere Gesellschaft ihre Firma nicht ebenfalls zu ändern; wichtig ist das namentlich für die G m b H & Co. KG. 2. Voraussetzungen a) Kontinuität. Das Recht zur Firmenfortführung hat zur Voraussetzung, daß das 2 betreffende Handelsgeschäft ebenso wie die Firma bis zum Augenblick der Namensänderung kontinuierlich fortgeführt worden sind 1 . Denn wenn der Firmengebrauch zuvor unterbrochen worden war, kann es nach Namensänderung kein Recht mehr auf Fortführung der gar nicht mehr geführten und damit erloschenen Firma geben. Unanwendbar ist § 21 außerdem, wenn vor Namensänderung lediglich eine sog. Minderfirma, d.h. die Bezeichnung eines minderkaufmännischen Geschäfts oder sogar lediglich eine bloße Geschäftsbezeichnung i.S. des früheren § 16 U W G vorlag; nach Namensänderung kann ein Kaufmann daher solche Bezeichnungen nicht als seine Firma fortführen 2 . b) Eintragung. Umstritten ist, ob die Firma im Augenblick der Namensänderung 3 bereits im Handelsregister eingetragen gewesen sein muß 3 . Da aber im Falle des § 1, d.h. bei Betrieb eines Grundhandelsgewerbes die Firma schon mit ihrer tatsächlichen Ingebrauchnahme entsteht, während die Eintragung der Firma im Handelsregister hier nur deklaratorische Bedeutung hat 4 , ist nicht einzusehen, wieso dann im Falle des § 21 zusätzlich eine Eintragung der Firma im Handelsregister erforderlich sein soll; vielmehr kann später, d.h. nach Namensänderung immer noch die alte Firma (mit dem früheren Namen) ins Handelsregister eingetragen werden 5 . 3. Vorrang des Namensrechts § 21 hat nur firmenrechtliche, nicht jedoch namensrechtliche Bedeutung. Er begründet 4 daher kein Recht zur Firmenfortführung gegenüber nach Namensrecht besser berechtigten Dritten 6 . Untersagte z.B. der Ehemann seiner geschiedenen Frau nach dem früheren § 56 EheG die Führung seines Namens, so konnte er auch die weitere Benutzung seines Namens als Firma seiner früheren Frau verbieten 7 .
§22 (1) Wer ein bestehendes Handelsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen erwirbt, darf für das Geschäft die bisherige Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführen, wenn der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben in die Fortführung der Firma ausdrücklich willigen.
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3
R G J W 1911, 105 N r . 38. Anders zu Unrecht O L G Celle BB 1990, 302 m. ablehnender Anm. Frey. D a f ü r K G RJA 8, 38; Schlegelberger/Hildebrandt § 21 Rdn. 1; dagegen Staub/Hüffer § 21 Rdn. 3 f; Straube/Schuhmacher § 21 Rdn. 2.
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S.o. § 17 Rdn. 9. Baumbach/Duden/Hopt § 21 Anm. 1; Frey BB 1990, 302 f. Anders Straube/Schuhmacher § 21 Rdn. 4. KG RJA 8, 38.
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287
Erstes Buch. Handelsstand
§ 2 2
(2) Wird ein Handelsgeschäft auf Grund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrags oder eines ähnlichen Verhältnisses übernommen, so finden diese Vorschriften entsprechende Anwendung. Schrifttum S.o. bei § 17 sowie Adler Beiträge zum Firmenrecht, ZHR 85 (1921), 93; Avancini Zur Einschränkung des Grundsatzes der Firmenbeständigkeit bei Änderungen in der Inhaberschaft des Unternehmens, GesRZ 1982, 79; Bökelmann Nutzungen und Gewinn beim Unternehmensnießbrauch, 1971; Bokelmann Tz 653 ff.; Forkel Die Ubertragbarkeit der Firma, FS Paulick, 1973, S. 101; I. Heinrich Firmenwahrheit, S. 219 ff; Hoeniger Die Pacht des Handelsgeschäfts, FS Lenel, 1923, S. 1; Kuchinke Die Firma in der Erbfolge, ZIP 1987, 687; Lindacher Firmenbeständigkeit und Firmenwahrheit, BB 1977, 1676; Mittelbach Geschäfts- und Praxisübertragung, 2. Aufl. 1973; K. Schmidt Handelsrecht, § 12 III 2 (S. 330 ff.); Strohm Die Gestattung der Firmenfortführung, FS E. Ulmer, 1973, S. 333.
I. Zweck II. Anwendungsbereich III. Voraussetzungen 1. Erwerb eines bestehenden Handelsgeschäftes a) Grundsatz b) Einstellung des Geschäfts c) N u r das ganze Geschäft d) Art des Erwerbs e) Firma des Veräußerers 2. Einwilligung des Veräußerers a) Rechtsnatur b) Berechtigter c) Bedingung, Befristung, W i d e r r u f . . . d) U m f a n g e) Wahl einer neuen Firma f) Wettbewerbsverbot 3. F o r t f ü h r u n g des Geschäfts durch den Erwerber IV. F i r m e n f o r t f ü h r u n g 1. Überblick 2. Zulässigkeit bestimmter Änderungen . 3. Beispiele 4. Nachfolgezusatz a) Keine Verpflichtung b) Art des Zusatzes c) Insbesondere der Zusatz „vormals".
Rdn. 1 2 3 3 3 4 5 8 9 11 11 12 13 14 15 16 17 18 18 19 21 22 22 23 24
Rdn. 5. Vereinigung der Firmen 6. Keine Änderung des Firmenkerns . . . . 7. Einzelfälle a) Erwerb eines Handelsgeschäfts durch einen Einzelkaufmann aa) Streichung von Rechtsformzusätzen bb) Streichung von Gesellschaftszusätzen cc) Sonderfälle b) Erwerb eines Handelsgeschäfts durch eine Personengesellschaft aa) E r w e r b eines einzelkaufmännischen Geschäfts bb) Erwerb einer Gesellschaftsfirma. V. Pacht (§ 22 Abs. 2) 1. Anwendungsbereich 2. Voraussetzungen 3. F i r m e n f o r t f ü h r u n g 4. Insbesondere Gesellschaften 5. Eintragung? VI. Registerfragen 1. Anmeldung des Ubergangs 2. Wahl einer neuen Firma 3. Anmeldung des Erlöschens durch den Veräußerer
25 26 27 27 27 28 29 29 30 31 33 33 34 36 37 38 39 39 40 41
I. Zweck 1
Nach § 22, der dem alten Art. 22 A D H G B entspricht, darf im Falle der Veräußerung eines Handelsgeschäfts abweichend von § 18 Abs. 2 die bisherige Firma unter bestimmten Voraussetzungen von dem Erwerber fortgeführt werden. Das Gesetz bezweckt damit, den Beteiligten eine Erhaltung der ideellen und materiellen Werte zu ermöglichen, die häufig in einer Firma verkörpert sind. Dadurch soll in erster Linie verhindert werden, daß sich die Kundschaft und die Lieferanten, die im Falle einer Veräußerung infolge einer etwaigen Änderung der Firma das alte Geschäft nicht mehr wiedererkennen, alsbald ver288
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma laufen'. Wenn
§22
man so will, ist § 22 damit A u s d r u c k
einer gewissen
Unterneh-
menskontinuität t r o t z des Wechsels des Inhabers 2 . § 22 steht in engem Zusammenhang mit dem Vorschriften der §§ 2 1 , 23 und 24. Aus
1a
ihnen ergibt sich im Zusammenhang, in welchen Fällen nach den Vorstellungen der Gesetzesverfasser der Grundsatz der Firmenbeständigkeit prinzipiell den Vorrang vor dem der Firmenwahrheit haben soll. D i e Regelung bedeutet jedoch keine generelle D u r c h b r e c h u n g des Grundsatzes der Firmenwahrheit ( § 1 8 A b s . 2; § 3 U W G ) ; vielmehr begrenzt der Grundsatz der Firmenwahrheit seinerseits von Fall zu Fall den G r u n d s a t z der Firmenbeständigkeit, sofern mit einer unveränderten Fortführung der Firma durch den Geschäftserwerber die G e f a h r einer nicht mehr hinnehmbaren Täuschung des Verkehrs verbunden wäre 3 .
II. Anwendungsbereich § 22 gilt unstreitig für sämtliche Firmen 4 . Für die Kapitalgesellschaften ist dies in den §§ 4 Abs. 2 und 2 7 9 Abs. 2 A k t G sowie in § 4 Abs. 1 S. 3 G m b H G ausdrücklich hervorgehoben. In anderen als in den in §§ 22 und 24 geregelten Fällen k o m m t hingegen eine F i r m e n fortführung nicht in Betracht. Auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften auf andere Fälle scheidet aus; vielmehr bleibt es dann bei dem Grundsatz des § 23 5 .
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III. Voraussetzungen 1. E r w e r b eines bestehenden Handelsgeschäftes a) G r u n d s a t z . Ein R e c h t zur Firmenfortführung besteht nach § 22 nur im Falle des E r w e r b s eines bereits bestehenden Handelsgeschäftes unter Lebenden oder von Todes wegen. M i t Handelsgeschäft meint das G e s e t z dabei allein ein (voll-)kaufmännisches U n t e r n e h m e n (s. § 4 A b s . 1). Ein solches muß mithin im Augenblick der Veräußerung tatsächlich schon bestanden haben und n o c h bestehen. F ü r die A n w e n d u n g des § 22 ist hingegen kein R a u m , wenn die Errichtung eines (vollkaufmännischen) Handelsgeschäftes lediglich geplant ist, wenn das Geschäft nur z u m Schein begründet wurde 6 , wenn das
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Geschäft inzwischen schon wieder eingestellt ist oder wenn es sich doch nur u m ein minderkaufmännisches Geschäft handelt (u. R d n . 4 und 10). b) Einstellung des Geschäfts. Eine Firmenfortführung scheidet insbesondere aus, wenn der Veräußerer das Geschäft im Augenblick der Unternehmensveräußerung schon gar nicht mehr betreibt, weil dadurch die Firma erlischt 7 . Voraussetzung ist freilich eine endgültige Einstellung des Geschäfts, während eine b l o ß vorübergehende Stillegung des Betriebs, etwa zwecks Liquidation der Gesellschaft oder während des Konkurses nicht notwendig einer Anwendung des § 22 entgegensteht, sofern eine „ F o r t f ü h r u n g " des
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Denkschrift S. 35; ebenso z.B. RGZ 152, 365, 368; KG JFG 5, 206; NJW 1965, 254; OLGZ 1965, 315, 318; OG H SZ Bd. 43 (1970) Nr. 181, S. 647, 649; Bd. 47 (1974) Nr. 90, S. 394, 405 = JB1. 1975, 151. S. K. Schmidt (vgl. Schrifttum). S. schon o. § 18 Rdn. 6 sowie im einzelnen u. Rdn. 21 ff.
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Vgl. § 6; s. auch für eine öffentliche Körperschaft u. § 33 Rdn. 8; BayObLGZ 1922/1923, 92, 93 f. BGH LM Nr. 3 zu 23 HGB = BB 1977, 1015 = JR 1978, 67 m. Anm. Hommelhoff. Vgl. dazu einerseits RG JW 1927, 1674 f; andererseits BayObLGZ 1921, 355, 357. S. o. § 17 Rdn. 16 ff.
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§22
U n t e r n e h m e n s bei dem E r w e r b e r noch möglich ist, etwa, weil die Organisation und die Beziehungen des Geschäfts zu seinen Lieferanten und K u n d e n im wesentlichen noch v o r handen sind 8 . c) N u r das g a n z e G e s c h ä f t 5
aa) Aus § 22 in Verbindung mit den §§ 23 und 2 5 folgt, daß eine Anwendung des § 22 nur in Betracht k o m m t , wenn das Handelsgeschäft selbst und nicht nur einzelne Bestandteile des Geschäfts veräußert werden. E s muß m.a.W. das Handelsgeschäft als solches, d.h. als G a n z e s auf den E r w e r b e r übergehen; andernfalls bleibt es bei der Anwendbarkeit des § 2 3 9 .
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U m die Kontinuität des Geschäfts sicherzustellen, genügt es, wie auch § 2 5 zeigt, wenn nur der K e r n des Geschäfts übertragen wird, so daß dem E r w e r b e r eine Fortführung des Geschäfts in seinen wesentlichen Eigenschaften und Merkmalen möglich ist. H i e r m i t ist es durchaus vereinbar, daß einzelne Vermögensbestandteile, und seien dies auch alle F o r d e rungen und Verbindlichkeiten des Geschäfts, v o m Ü b e r g a n g ausgeschlossen werden 1 0 . Erforderlich ist aber in jedem Fall die Übertragung des Geschäfts im großen und ganzen, d.h. die Einweisung in den sog. geschäftlichen Tätigkeitskreis, w o z u etwa bei Handelsunternehmen die Beziehungen zu den K u n d e n und Lieferanten gehören 1 1 .
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bb) H a t ein Geschäft mehrere Geschäftszweige, so steht es der A n w e n d u n g des § 22 nicht notwendig entgegen, wenn ein Geschäftszweig v o m Ü b e r g a n g ausgeschlossen wird, vorausgesetzt, daß dieser von nur untergeordneter Bedeutung im R a h m e n des G e s a m t betriebes ist. Werden j e d o c h nur einzelne Geschäftszweige von mehreren gleichwertigen Geschäftszweigen veräußert, so ist für die Anwendung des § 22 ebensowenig R a u m wie bei Veräußerung einzelner von zahlreichen Geschäftsstellen in verschiedenen Städten 1 2 . Eine A u s n a h m e von dem Gesagten gilt nur für den Fall der gesonderten Veräußerung einer H a u p t - oder Zweigniederlassung: F ü r diesen Fall steht seit jeher die Anwendbarkeit des § 22 außer Frage 1 3 . Eine besondere G r o ß z ü g i g k e i t ist außerdem im Falle der Liquidation S. insbes. RGZ 110, 422,424 ff; 155, 75, 82 f; 170, 264,274 f; BGHZ 32, 307, 311 f; BGH LM Nr. 2 zu § 23 HGB = NJW 1972, 2113; LM Nr. 14 zu § 1 WZG = MDR 1963, 194; LM Nr. 23 zu § 25 HGB = NJW 1992, 911 = WM 1992, 55; KGJ 13, 35, 38 ff; JW 1929, 1059 für den Fall des Konkurses; JW 1939, 163; Bokelmann Tz. 659. 9 RG Recht 1924, 366 Nr. 1319; BGH LM Nr. 119 - 121 zu § 16 UWG = NJW-RR 1990, 1318, 1319; LM aaO Nr. 124 = NJW 1991, 1353; WM 1957, 1152, 1155. 10 Vgl. insbes. RGZ 25,1, 3 f; 63,266,228 f; 68,294, 295; 169, 133, 136; RG Bolze Bd. 6 (1889), 62 Nr. 169; JW 1896, 36 Nr. 30; 1904, 99 Nr. 28; HoldheimsMS Bd. 14 (1905), 213; WarnR 1933 Nr. 197, S. 415, 417 ff; Recht 1924 Sp. 306 f. Nr. 1251; 1924 Sp. 366 Nr. 1319; BGH (Fn. 9) sowie z.B. noch BGHZ 32, 307, 311 f; BGH LM Nr. 2 zu 23 HGB = NJW 1972, 2123; LM Nr. 3 aaO = BB 1977, 1015 = JR 1978, 67 m. Anm. Hommelhoffi LM Nr. 11 zu § 24 HGB = BB 1980, 1658 = WM 1980, 1360; LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = BB 1969, 1410 = WM 1969, 1321; 8
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LM Nr. 11 zu § 11 WZG = NJW 1966, 2208 „Rose"; WM 1957, 1152, 1153 f = BB 1957, 943; KG RJA 9, 252 f; OLG Dresden AnnSächsOLG 40, 212; OLG Frankfurt ZIP 1988, 598, 601. 11 BGH LM Nr. 6 zu § 5 WZG = MDR 1958, 481; LM Nr. 11 zu § 11 WZG = NJW 1966,2208; LM Nr. 18 zu § 1 UWG = BB 1954, 243 „Goldwell"; LM Nr. 119 - 121 zu § 16 UWG = NJW-RR 1990, 1318, 1319. 12 RGZ 56,187, 189; 169, 133,139; RG Recht 1924, 366 Nr. 1319; BGH LM Nr. 2 zu § 23 HGB = NJW 1972, 2123; LM Nr. 3 aaO = BB 1977, 1015 = JR 1968, 67; LM Nr. 124 zu § 16 UWG = NJW 1991, 1353; WM 1957, 1152, 1154 = BB 1957, 943; OGH SZ Bd. 3 (1921) Nr. 88, S. 200; AC 1209; BayObLGZ 1917, 22, 25; OLG München JFG 13, 336, 338 f. 13 RGZ 77, 60, 63 f; 169, 133, 139; BGH LM Nr. 11 zu § 24 HGB = BB 1980, 1658; KGJ 15, 12, 14 f; Adler ZHR 85, 93, 127; Baumbach/ Duden/Hopt § 22 Anm. ID.
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§22
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des G e s c h ä f t s geboten 1 4 . Zulässig ist es schließlich auch n o c h , d e m Veräußerer v o r ü b e r g e h e n d die M i t b e n u t z u n g d e r F i r m a zu gestatten 1 5 . d) A r t des Erwerbs. D i e A r t des E r w e r b s u n t e r L e b e n d e n spielt keine Rolle. D e r E r w e r b v o n Todes w e g e n kann auf G e s e t z o d e r Testament b e r u h e n . A u c h der E r w e r b aufg r u n d eines Vermächtnisses gehört hierher. N u r w e n n sämtliche E r b e n das G e s c h ä f t gemeinsam weiter betreiben, bedarf es z u r F o r t f ü h r u n g d e r F i r m a keiner Einwilligung etwa des Erblassers. A n d e r s verhält es sich hingegen, sofern das G e s c h ä f t n u r d u r c h einzelne M i t e r b e n , d u r c h einen V e r m ä c h t n i s n e h m e r o d e r d u r c h einen E r b s c h a f t s e r w e r b e r weiter betrieben w i r d ; in diesen Fällen m ü s s e n die E r b e n d a h e r in die F o r t f ü h r u n g d e r F i r m a einwilligen 1 6 . S o n d e r v o r s c h r i f t e n gelten schließlich a u f g r u n d des U m w G f ü r d e n Fall d e r U m w a n d l u n g 1 7 .
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e) Firma des Veräußerers aa) § 22 setzt voraus, d a ß d e r Veräußerer die fragliche F i r m a im A u g e n b l i c k der 9 V e r ä u ß e r u n g tatsächlich g e f ü h r t hat 1 8 . F r ü h e r e F i r m e n des Veräußereres darf der E r w e r b e r d a h e r in k e i n e m Fall f o r t f ü h r e n 1 9 . Eine E i n t r a g u n g der F i r m a setzt § 22 hingegen allein in d e n Fällen der §§ 2 u n d 3, nicht jedoch bei Betrieb eines G r u n d h a n d e l s g e w e r b e s voraus 2 0 . Es m u ß sich d a n n j e d o c h u m e i n e n v o l l k a u f m ä n n i s c h e n B e t r i e b h a n d e l n , weil § 22 als firmenrechtliche Vorschrift nicht f ü r m i n d e r k ä u f m ä n n i s c h e Betriebe gilt 21 . Eine etwaige E i n t r a g u n g des M i n d e r k a u f m a n n s im Handelsregister ä n d e r t hieran nichts, da § 5 keine B e d e u t u n g f ü r das Registergericht hat 2 2 . D a s Registergericht k a n n d a h e r jederzeit p r ü f e n , o b der Veräußerer seine F i r m a zu R e c h t g e f ü h r t hat; verneint es dies, so k a n n der E r w e r b e r auch nicht etwa gutgläubig ein F i r m e n r e c h t erwerben 2 3 . bb) D i e F i r m a des V e r ä u ß e r e r s m u ß z u l ä s s i g g e w e s e n sein. E i n e s c h o n in seiner P e r s o n nach den §§ 18 ff unzulässige F i r m a k a n n grundsätzlich nicht in der P e r s o n des E r w e r b e r s auf einmal ü b e r § 22 zulässig werden 2 4 ; in diesem Fall m u ß der E r w e r b e r vielmehr eine n e u e F i r m a u n t e r Berücksichtigung d e r §§ 18 f bilden. E i n e A u s n a h m e ist allenfalls zu erwägen, w e n n die F i r m a bei d e m Veräußerer lediglich w e g e n eines u n z u t r e f f e n d e n Zusatzes unzulässig war, der bei d e m E r w e r b e r dagegen jetzt sachlich richtig ist 25 .
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BGH LM Nr. 124 zu § 16 UWG = NJW 1991, 1353 = WM 1991, 364. 15 BGH (Fn. 14). 16 KG RJA 5, 185, 187. 17 Dazu z.B. Bokelmann Tz. 818 ff; Staub/Hüffer § 22 Anh.; für Osterreich s. Straube/Schuhmann § 22 Anh. 18 RG HoldheimsMS Bd. 13 (1904), 228 = Recht 1904, 579 Nr. 2556; BayObLGZ 1978, 182,184; OLG Hamm BB 1965, 806. 19 O G H SZ Bd. 10 (1928) Nr. 249, S. 602, 604. 20 RGZ 65, 14, 15; KGJ 5, 24 f; 13, 24, 26; RJA 9, 33 f; BayObLGZ 1988, 344 = NJW-RR 1989, 421 = DB 1988, 2559. 21 S. o. § 4 Rdn. 17 sowie z.B. OLG Jena RJA 11, 29 f; KGJ 13, 24 ff; RJA 9, 33 f; Recht 1930, 238
Nr. 818; OLG Frankfurt NJW 1969, 330 = BB 1969, Beil. 10, S. 15 f; OLGZ 1978, 43 f; BB 1967, 1670; OLG Stuttgart BB 1962, 386; OLG Köln NJW 1963, 541, 542. 22 S.o. § 5 Rdn. 11. 23 RGZ 25, 1, 5 f; KG Recht 1930, 238 Nr. 818; Staub/Hüffer % 22 Rdn. 19 f; Straube/Schuhmacher § 22 Rdn. 2. 24 RGZ 25,1, 5 f; 76, 263, 264; BGHZ 30, 288, 291; BayObLGZ 1978, 182, 184; 1989, 474 = NJWRR 1990, 868, 869; KGJ 5, 24; 13, 24, 26; JFG 17, 162 = HRR 1938 Nr. 671; O G H SZ Bd. 28 (1955) Nr. 218. " BGH LM Nr. 13 zu 18 HGB = NJW 1985, 736 = WM 1985, 165 im Anschluß an OLG Hamm DB 1973, 2034 f.
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2. Einwilligung des Veräußerers a) Rechtsnatur 11
aa) Als zweite Voraussetzung des Firmenfortführungsrechts nennt § 22 Abs. 1 eine ausdrückliche Einwilligung des bisherigen Geschäftsinhabers oder seiner Erben in die Fortführung der Firma. Die Rechtsnatur dieser Einwilligung als bloßes obligatorisches Gestattungsgeschäft26 oder als echte Verfügung über die Firma als Immaterialgüterrecht ist umstritten.27. Die Richtigkeit der zuletzt genannten Meinung ergibt sich bereits unmittelbar aus den §§ 413 und 398 BGB. Daraus folgt zugleich, daß die Einwilligung stets nur durch Vertrag erfolgen kann 28 , und zwar ausdrücklich, d.h. eindeutig, so daß eine bloße Duldung des Firmengebrauchs durch den Erwerber in aller Regel für die Annahme einer Einwilligung nicht ausreicht29. Eine bestimmte Form ist für die Einwilligung jedoch nicht vorgeschrieben, so daß sie auch konkludent erfolgen kann; die bloße Übertragung des Geschäfts reicht dafür aber nicht (BGH NJW 1994, 2025 = WM 1994, 1209).
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bb) Die Einwilligung muß zwar nicht unbedingt gleichzeitig mit der Veräußerung, aber doch in einem inneren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser erklärt werden; anderenfalls findet allein § 23 Anwendung30. Eine nachträglich erklärte Einwilligung des Veräußerers ist unwirksam, weil dann dessen früheres Firmenrecht bereits erloschen ist 31 .
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b) Berechtigter. Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie vom bisherigen Geschäftsinhaber oder dessen Erben ausgeht. Mit dem Geschäftsinhaber meint das Gesetz dabei denjenigen, der jeweils Träger des Firmenrechts ist. Das sind bei einzelkaufmännischen Betrieben der Kaufmann, bei Personengesellschaften hingegen sämtliche Gesellschafter, und zwar auch im Stadium der Liquidation 32 , sowie bei den Kapitalgesellschaften der Vorstand bzw. die Geschäftsführer33. Bei der AG ist hier freilich § 361 AktG zu beachten, so daß zumindest das Grundgeschäft gegebenenfalls der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf 34 . Für die GmbH wird man nicht anders entscheiden können 35 . c) Bedingung, Befristung, Widerruf
13
aa) Gemäß den §§ 158 ff B G B kann die Einwilligung (auflösend) bedingt oder befristet erklärt werden. Bei Bedingungseintritt fällt dann die Firma nicht etwa an den Veräußerer zurück, sondern erlischt, so daß sie auch nicht mehr auf Dritte übertragen So meistens, aber nicht immer die ältere Praxis insbes. RGZ 9, 104,106; 107,31, 33; wohl auch B G H LM Nr. 2 zu 413 B G B = MDR 1968,211; O L G Nürnberg BB 1966, 1121 f; anders aber RGZ 74, 378, 380 f; 68, 49, 55 (für den vergleichbaren Zeitschriftentitel). 2 7 So die heute durchaus h.M., z.B. Adler Z H R 85, 93, 120 ff; Baumbach/Duden/Hopt § 22 Anm. 16; Forkel FS Paulick S. 101 ff; Strohm Mitarbeiterfestschr. E. Ulmer S. 333, bes. 336 ff; Staub/Hüff er § 22 Rdn. 21 ff. 28 B G H WM 1994, 1209, 1211 = NJW 1994, 2025; Forkel vgl. Fn 27. 2 9 O G H AC 2110; O L G Düsseldorf H R R 1936 Nr. 407; O L G Hamm ZIP 1983, 1198, 1201; Baumbach/Duden/Hopt § 22 Anm. 1 G b ; Staub/ 26
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Hüff er § 22 Rdn. 25; SchlegelbergerlHildebrandt § 22 Rdn. 12. R G G R U R 1934, 53, 55; B G H LM Nr. 9 zu § 8 WZG = NJW 1971, 1936. KGJ 12, 22,24; 13, 28, 30; 15, 9, 11 f; RJA 4,105, 107. RGZ 158, 226, 230 = J W 1938,3180. Schlegelberger/Hildebrandt § 22 Rdn. 15. S. im einzelnen B G H Z 82, 188; 83, 122; Staub/Hüffer § 22 Rdn. 30 f. Straube/Schuhmacher § 22 Rdn. 8 gegen O G H AC 2760; zur Rechtslage im Konkurs s. schon o. § 17 Rdn. 31 ff; zur Rechtslage bei Anordnung von Testamentsvollstreckung s. schon o. ξ 1 Rdn. 27 ff.
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werden k a n n 3 6 . D i e s e B e s c h r ä n k u n g e n wirken auch gegen spätere E r w e r b e r des H a n d e l s geschäfts zusammen mit der Firma; einen Schutz des guten Glaubens gibt es insoweit nicht 3 7 . bb) Fraglich ist, o b der Veräußerer ohne entsprechende A b r e d e das F i r m e n f o r t -
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führungsrecht des Erwerbers aus wichtigem G r u n d e widerrufen kann, etwa, wenn der E r w e r b e r durch anstößige Geschäftspraktiken die Firma und damit den N a m e n des Veräußerers in Verruf bringt. Uberwiegende Gründe sprechen für die Bejahung der Frage 3 8 . d) U m f a n g . D e r U m f a n g des Firmenfortführungsrechts des Erwerbers richtet sich nach den Abreden der Parteien. I m Zweifel wird sich die Einwilligung auch auf eine E i n b r i n g u n g des Geschäfts mit der F i r m a in eine Gesellschaft, auf die W e i t e r v e r ä u ß e r u n g des Geschäfts mit der F i r m a sowie auf die Errichtung von Zweigniederlassungen unter der F i r m a erstrecken 3 9 , w o b e i freilich die Firma, abgesehen von dem Nachfolgezusatz (s. u.), nicht verändert werden darf 4 0 . Hingegen ist durch die E i n willigung i.d.R. nicht eine weitere Vervielfältigung des Firmenrechts gedeckt, wie sie etwa durch die selbständige Weiterveräußerung verschiedener Zweigniederlassungen mit dem R e c h t zur Firmenfortführung eintreten kann, so daß der ursprüngliche Geschäftsinhaber dann nach § 12 B G B oder § 37 A b s . 2 H G B Unterlassung verlangen kann 4 1 . F ü r die Errichtung und Weiterveräußerung selbständiger Tochtergesellschaften mit der F i r m a gelten dieselben Grundsätze 4 2 .
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e) W a h l einer neuen F i r m a . U n t e r den Voraussetzungen des § 22 hat der E r w e r b e r nur das R e c h t , nicht hingegen die Pflicht zur Firmenfortführung. Firmenrechtlich ist er mithin in keinem Fall gehindert, auf die Fortführung der ü b e r n o m m e n e n F i r m a zu verzichten und eine andere Firma anzunehmen. M i t der A n n a h m e der neuen Firma erlischt das alte Firmenrecht, so daß der E r w e r b e r auch später nicht mehr befugt ist, die alte Firma fortzuführen 4 3 . F ü r die Bildung der neuen Firma gelten dabei allein die §§ 18 f; ein R ü c k g r i f f auf das (erloschene) Firmenrecht des Veräußerers scheidet hingegen bei der Firmenbildung aus 4 4 . E i n e ganz andere Frage ist, o b sich im Einzelfall aus den Abreden der Parteien eine Verpflichtung des Erwerbers zur Fortführung der F i r m a ergibt; eine derartige Vereinbarung ist selbstverständlich jederzeit möglich 4 5 .
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RGZ 76, 263, 265 f; BGH LM Nr. 11 zu § 24 HGB = BB 1980, 1658 = WM 1980, 1360; WM 1957, 1152, 1153; BayObLGZ 1913, 308, 310 ff; OLG Düsseldorf HRR 1936 Nr. 407; OGH SZ Bd. 26 (1953) Nr. 23 = JB1.1953, 518,519 f; Adler ZHR 85,93, 135 ff; kritisch Strohn S. 333,341 ff. 37 OGH SZ Bd. 26 (1953) Nr. 23 = JB1. 1953, 518, 519. 38 § 242 BGB; Forkel FS Paulick, S. 101, 114 f; Schlegelberger/Hildebrandt § 22 Rdn. 14; a.A. OLG Hamburg HansRZ 1921, Sp. 272, 275 m. Anm. Lehr S. 629; Strohm S. 342 f. 3 9 KGJ 13, 28; 15, 9; 15, 12; OGH AC 2090. 4 0 RG JW 1907, 523 Nr. 31; KGJ 53, 95, 96. 41 S. im einzelnen RGZ 67, 94, 95; 104, 341, 343; insbes. BGH LM Nr. 11 zu § 24 HGB = BB 36
1980, 1658 = WM 1980, 1360; KGJ 13, 28, 30; 15, 9, 11; 15, 12, 14 f; OLGE 7, 147 f; BayObLGZ 1913, 243, 245; 1913, 308, 310 f; OLG Karlsruhe WRP 1978, 830; a.A. z.B. OLG Frankfurt MDR 1980, 316 f; Bokelmann GmbHR 1978, 265; 1982, 153. 42 Staub/Hüffer § 22 Rdn. 40. 43 KG OLGZ 1965, 315, 318; OLG Celle OLGZ 1974, 343, 345; BayObLGZ 1971, 163, 165; 1989, 474, 479 = NJW-RR 1990, 868, 869; Bokelmann Tz. 679. 44 OGH SZ Bd. 41 (1970) Nr. 181, S. 647, 649 = ÖB1. 1971, 44; Straube/Schuhmacher § 22 Rdn. 11. 45 § 305 BGB; OGH (Fn. 44).
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f) Wettbewerbsverbot. Aus § 22 folgt nicht automatisch ein Wettbewerbsverbot für den Veräußerer. Er ist vielmehr, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben, jederzeit befugt, ein neues Geschäft zu gründen oder zu übernehmen, darf dafür dann aber nicht die übernommene Firma verwenden. Selbst wenn in dieser sein Name enthalten ist, muß er bei der Annahme der neuen Firma dieser aus wettbewerbsrechtlichen Gründen (§§ 3, 16 U W G ) zumindest unterscheidungskräftige Zusätze hinzufügen 46 . 3. Fortführung des Geschäfts durch den Erwerber
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Der Ubergang des Firmenrechts setzt als letztes voraus, daß der Erwerber das erworbene Handelsgeschäft tatsächlich fortführt 4 7 . Der Ubergang des Rechts ist zwar zunächst unabhängig von dem Willen zur Fortführung 4 8 . Führt der Erwerber dann aber tatsächlich das Geschäft nicht fort, so erlischt die Firma und kann auch nicht später von ihm wieder aufgenommen werden 49 . Der Einstellung des Betriebs steht es gleich, wenn der Erwerber das übernommene Geschäft nach dem Erwerb alsbald grundlegend verändert, so daß die Firmenkontinuität nicht mehr gewahrt ist, oder wenn er es sofort weiterveräußert, verpachtet oder in eine Gesellschaft einbringt 50 , während eine allmähliche Umgestaltung des Geschäftes durch die Aufgabe einzelner Geschäftszweige und die Aufnahme anderer Geschäftszweige dem Erwerber ebenso gestattet ist wie eine Erweiterung oder Einschränkung des Umfangs des Geschäfts 51 .
IV. Firmenfortführung S c h r i f t t u m Avancini GesRZ 1982, 84; Adler Z H R 85, 134; Baumbach/Duden/Hopt § 22 Anm. 2 Β - D; Bokelmann Tz. 695 ff; R. Fischer Anm. LM N r n . 2 und 3 zu § 24 H G B ; I. Heinrich S. 235 ff; Pahst D N o t Z 1960, 33; Stauh/Hüffer § 22 Rdn. 44 ff; Straube/Schuhmacher § 22 Rdn. 12 ff.
1. Überblick 18
Unter den Voraussetzungen des § 22 darf der Erwerber die bisherige Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführen. N u r wenn es sich bei dem Erwerber um eine Kapitalgesellschaft oder um eine G m b H & Co. KG handelt, muß in jedem Fall ein Rechtsformzusatz in die Firma aufgenommen werden 52 . Im übrigen aber ist, von dem Nachfolgezusatz abgesehen (u. Rdn. 22 f), die übernommene Firma grundsätzlich unverändert fortzuführen (Grundsatz der sog. Firmenkontinuität; s.u. Rdn. 26). Das gilt auch, wenn der Veräußerer eine Sachfirma führte und es sich bei dem Erwerber um einen Einzelkaufmann oder eine Personengesellschaft handelt. Die §§18 und 19 stehen nicht entgegen, da sie allein die Neubildung,
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RG DR 1944, 249, 250; BGH LM Nr. 5 zu § 16 UWG = GRUR 1953, 252 = BB 1953, 389 „Weyland und Hoever". 47 Z.B. BayObLGZ 1989, 474 = NJW-RR 1990, 868, 869. 48 BGH LM Nr. 2 zu § 23 HGB = NJW 1972,2123. 49 BayObLGZ 1971, 163, 165; OLG Hamm OLGZ 1977, 438, 441 f; Adler ZHR 85, 93, 134 ff. 294
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So zu § 25: RGZ 143, 368, 371; RG LZ 1913, Sp. 538; OLG Hamburg HansRZ 1921, Sp. 272, 275. 51 RGZ 56, 187, 189; BGH WM 1957, 1152, 1154 f; Adler (Fn. 49). 52 S. § 19 Abs. 5 sowie §§ 4 Abs. 2 und 279 AktG, § 4 Abs. 2 GmbHG.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§22
nicht die Fortführung von Firmen betreffen 53 . Von dem Grundsatz der Firmenkontinuität gibt es jedoch verschiedene Ausnahmen, die im folgenden zu behandeln sind (u. Rdn. 19 ff). 2. Zulässigkeit bestimmter Änderungen a) Die ältere deutsche Praxis hatte grundsätzlich stets eine unveränderte Fortführung 1 9 der Firma verlangt 54 und allenfalls unwesentliche Änderungen zugelassen 55 . Hingegen war die österreichische Praxis früher verhältnismäßig großzügig bei der Zulassung von Firmenänderungen gewesen 56 . In beiden Ländern hat die Rechtsprechung jedoch nicht an ihrer ursprünglichen Linie festgehalten; vielmehr sind unter engen Voraussetzungen heute durchweg bestimmte Änderungen der übernommenen Firma erlaubt, andere dagegen sogar geboten, beides jedoch immer nur unter der Voraussetzung, daß durch die Änderung die nach der Verkehrsauffassung zu beurteilende Firmenidentität nicht beeinträchtigt wird. b) Eine Verpflichtung zu Änderungen kann sich zunächst aus § 18 Abs. 2 ergeben, 2 0 wenn die übernommene Firma bei dem Erwerber täuschend wäre. Das gilt insbes. für unrichtig gewordene Gesellschafts- und Rechtsformzusätze sowie für solche Zusätze, die nach dem Ubergang des Geschäfts durch Erweiterung oder Einschränkung des Umfangs, durch Aufgabe oder Aufnahme von Geschäftszweigen oder durch Umbenennung oder Verlegung des Firmensitzes unrichtig geworden sind. In anderen Fällen sind Änderungen jedenfalls erlaubt, namentlich, wenn sich die Verhältnisse des Inhabers nachträglich geändert haben und die Änderung ausnahmsweise bei objektiver Beurteilung einem sachlich berechtigten Interesse des Inhabers entspricht, vorausgesetzt, daß die Änderung mit dem Firmenrecht vereinbar ist und Zweifel an der Identität der Firmen nicht aufkommen können 57 . Dasselbe gilt, wenn der Erwerber inzwischen an der (geänderten) Firma durch langjährigen Gebrauch einen schutzwürdigen Besitzstand erworben hat und eine Täuschung Dritter ausgeschlossen ist58. 3. Beispiele Zulässig sind zunächst stets unwesentliche Änderungen wie z.B. die Änderung der 21 Schreibweise einzelner Firmenbestandteile 59 , die Hinzufügung des Gründungsjahres 60 sowie die Weglassung bloßer Namensinitialen, die ohnehin nicht am Klangbild der Firma
53
S. o. § 19 Rdn. 2, 5, 23; grdleg. BGHZ 68, 271, 273 ff; BGH LM Nr. 8 zu § 4 G m b H G = NJW 1981, 2569 = WM 1981, 873; BayObLGZ 1977, 177, 178; I. Heinrich S. 246 ff. 54 RGZ 96, 195, 197; 133, 318, 325; 152, 365, 367; KGJ 53, 95 f; RJA 4, 105, 107; DNotV 1925, 14; JW 1929, 2155; BayObLGZ 1917, 22, 26; O L G München HRR 1937 Nr. 458; O L G Hamm JMB1NRW 1960, 68 = BB 1960, 959; O L G Z 1965, 131; 1967, 94. 55 So insbes. RGZ 113, 306, 308 f „Aluminolwerk"; 162, 121, 123; BGH LM Nr. 1 zu § 25 H GB = BB 1953, 1025; O L G Hamm JMB1NRW 1960, 68 = BB 1960, 959; OLGZ 1967, 94. 56 Z.B. O G H SZ Bd. 23 (1950) Nr. 317, S. 720, 721; aufgegeben durch SZ Bd. 43 (1970) Nr. 181,
S. 647, 649; s. Avancini (vgl. Schrifttum); Straube/Schuhmacher § 22 Rdn. 12. 57 Grdleg. KG DR 1941,1942 sowie BGHZ 44,116, 119 f (für die Aufnahme des Warenzeichens Frankona in die fortgeführte Firma); 53, 65, 66 f; 68, 12, 14 f; 68, 271, 273 f; BayObLG MDR 1981, 849; O L G Hamm O L G Z 1967, 94; O L G Zweibrücken BB 1975 Beil. 12, S. 25; O G H SZ Bd. 47 (1974) Nr. 90, S. 394, 403 f. = JB1. 1975, 151; O L G Düsseldorf GmbHR 1987, 189; LG München I NJW-RR 1990, 1373; LG Berlin NJW-RR 1994, 609. 58 LG München I NJW-RR 1990, 1373. 59 OLG Celle OLGZ 1977, 59, 64 für Kleinschreibung statt Großschreibung. KG DNotV 1925, 14; JW 1929, 2155.
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Erstes Buch. Handelsstand
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teilnehmen 6 1 . Z u r Vermeidung von Täuschungen des Publikums gebotene Firmenänderungen können sich dagegen z.B. ergeben, wenn es sich u m eine D o k t o r f i r m a handelt und der E r w e r b e r nicht über den D o k t o r t i t e l verfügt 6 2 , wenn der Sitz der Firma verlegt wurde, so daß geographische Zusätze in der Firma unrichtig geworden sind 6 3 , oder wenn bereits die erworbene F i r m a eine abgeleitete Firma mit einem jetzt unrichtigen Inhabervermerk war, so daß dieser nunmehr gestrichen oder zumindest durch einen Zusatz neutralisiert werden m u ß 6 4 . 4. N a c h f o l g e z u s a t z 22
a) Keine Verpflichtung. Zulässig ist nach § 22 außerdem die Hinzufügung eines Nachfolgezusatzes. E i n e Pflicht hierzu besteht jedoch nicht, so daß der E r w e r b e r den Nachfolgezusatz auch erst später in die F i r m a aufnehmen oder wieder streichen kann. Entsprechendes gilt für spätere E r w e r b e r des Geschäfts mit der Firma. D i e Identität der ü b e r n o m m e n e n F i r m a wird hierdurch nicht berührt 6 5 .
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b) A r t des Zusatzes. Das G e s e t z enthält keine Vorschriften über den Inhalt des N a c h folgezusatzes. D i e s e r kann daher z . B . lauten „Nachfolger, Inhaber, E r b e n oder S ö h n e " , und zwar in jedem Fall mit oder o h n e den N a m e n des Erwerbers. N i m m t der E r w e r b e r seinen N a m e n in den Nachfolgezusatz auf, so ist es nicht erforderlich, einen ausgeschriebenen Vornamen hinzuzufügen; § 18 Abs. 1 gilt hier nicht 6 6 . U n e r h e b l i c h ist schließlich, w o der Nachfolgezusatz in der F i r m a steht; entscheidend ist stets nur, daß die alte F i r m a in der neuen deutlich erkennbar erscheint 6 7 .
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c) Insbesondere der Z u s a t z „ v o r m a l s " . U m einen Fall der Firmenfortführung handelt es sich auch, wenn der E r w e r b e r zwar eine „neue" Firma wählt, zugleich aber die alte F i r m a in einen Vermerk mit dem Zusatz „vormals" aufnimmt. Solche Firmenbildung ist ebenfalls nur unter den Voraussetzungen des § 22 zulässig. Daraus folgt zugleich, daß eine spätere Streichung dieses Vermerks als wesentliche Änderung der Firma mit § 22 im Widerspruch steht 6 8 . 5. Vereinigung der F i r m e n
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D i e Praxis hat es seit jeher zugelassen, daß der E r w e r b e r seine Firma mit der übern o m m e n e n F i r m a vereinigt, sofern sich daraus keine Zweifel an der Identität der Firmen ergeben k ö n n e n . D u r c h die Vereinigung beider F i r m e n entsteht dann eine neue Firma mit der Folge, daß das alte Firmenrecht an der ü b e r n o m m e n e n F i r m a erlischt. Folglich kann bei einer späteren Trennung der beiden Geschäfte nicht etwa das hinzuerworbene Geschäft mit der alten ü b e r n o m m e n e n Firma wieder weiterveräußert werden 6 9 .
RGZ 113, 306, 308 f „Aluminolwerk". S.o. § 18 Rdn. 30b f. « KG DR 1941, 1942 für die Verlegung einer Apotheke auf behördliche Anordnung während des Krieges. 64 OLG Hamm OLGZ 1986, 21. 65 KGJ 13, 31,33 ff; 53,95,96; JW 1931,2993,2994. S. Bokelmann Tz. 683 f.; Staub/Hüffer § 22 Rdn. 46. 67 RGZ 56, 187, 189. 61
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RGZ 5, 110, 112 f; BayObLGZ 1905, 455, 457; OLG Hamm JMB1.NRW 1960, 68 = BB 1960, 959. 6 9 RGZ 152, 365, 368; 159, 211, 220; RG LZ 1912, 316; Recht 1937 Sp. 35 Nr. 374; OLG Dresden JW 1916, 1550 = RJA 15,6 f = KGJ 50, 236; KG KGJ 51, 114 = RJA 15, 218, 219; a.A. OLG Frankfurt OLGZ 1971, 50, 52 f; Bokelmann Tz. 700. 68
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
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6. Keine Ä n d e r u n g des F i r m e n k e r n s Unzulässig ist stets eine Änderung des F i r m e n k e r n s , bestehend aus den gesetzlichen Mindestangaben der Firma nach den § § 1 8 Abs. 1 und 19 7 0 . Dagegen verstößt insbeson-
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dere jede Veränderung oder gar Streichung der in der ü b e r n o m m e n e n F i r m a enthaltenen N a m e n ohne Unterschied zwischen Familienname und Vornamen 7 1 . Änderungen k o m men vielmehr, wenn überhaupt, so stets n u r bei den Z u s ä t z e n in B e t r a c h t 7 2 . D a h e r ist insbesondere auch die Hinzufügung von Sachzusätzen zu einer reinen Personenfirma nicht gestattet 7 3 . 7. Einzelfälle a) E r w e r b eines Handelsgeschäfts d u r c h einen E i n z e l k a u f m a n n S c h r i f t t u m Baumbach/Duden/Hopt § 22 Anm. 2C; Bokelmann Tz. 712 ff; ders. M D R 1979, 188; I. Heinrich S. 235 ff.; P. Hofmann JuS 1972, 233, 239 f; Staub/Hüffer § 22 Rdn. 62 ff; Lindacher B B 1977, 1616; Schlegelberger/Hildebrandt § 22 Rdn. 20; Straube/Schuhmacher § 22 Rdn. 18. aa) S t r e i c h u n g v o n R e c h t s f o r m z u s ä t z e n . Wenn ein Einzelkaufmann das Geschäft einer Handelsgesellschaft fortführt, muß er R e c h t s f o r m z u s ä t z e wie A G , G m b H , O H G oder K G , u m Täuschungen des Verkehrs über die Haftungsverhältnisse zu vermeiden ( § 1 8 Abs. 2 S. 1), entweder durch Nachfolgezusätze (o. R d n . 22 ff) neutralisieren oder ganz streichen, w o b e i letzteres freilich nur zulässig ist, wenn hierdurch die Firmenidentität nicht beeinträchtigt wird 7 4 . Beides kann auch kombiniert werden, und zwar selbst dann, wenn die Firma nach Streichung des Gesellschaftszusatzes fortan mangels der N e n n u n g von Vornamen (s. § 18 A b s . 1) den E i n d r u c k einer alten F i r m a erweckt 7 5 .
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bb) S t r e i c h u n g v o n Gesellschaftszusätzen. N i c h t s anderes gilt - entgegen einer verbreiteten M e i n u n g 7 6 - für die meisten anderen Gesellschaftszusätze wie z.B. „ & C o . , & Cie., & Söhne, & Sohn, & Partner, G e b r ü d e r " usw. D e n n o b w o h l sie nicht auf eine bestimmte Gesellschaftsform hindeuten, zeigen sie doch das Vorhandensein weiterer persönlich haftender natürlicher Personen an (§ 19 Abs. 1) und sind deshalb täuschend 7 7 . Solche Zusätze müssen deshalb durch Nachfolgezusätze neutralisiert werden; hingegen
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S.o. § 18 Rdn. 2 f. ' BGHZ 30, 288 = NJW 1959, 2255; OGH SZ Bd. 43 (1970) Nr. 181, S. 647, 649 „Austria-Edition Johanna S."; anders früher OGH SZ Bd. 23 (1950) Nr. 317, S. 720, 721. 72 BGHZ 30,282, 292;BAGE2, 127 = NJW 1955, 1413 f; OLG Celle OLGZ 1974, 343, 345; OLG Hamm OLGZ 1965, 131, 133 f; KG OLGZ 1965, 315, 319; OLG Bremen NJW 1963, l l l f ; LG Hannover MDR 1976, 758 f. 73 OLG München HRR 1937 Nr. 458. 74 BGHZ 44, 286,287; BGH WM 1985,165 f; LM Nr. 1 zu § 22 HGB = NJW 1959, 1081; BayObLGZ 1978,48, 50 m. Nachw.; OLG Frankfurt OLGZ 1971, 467 f; OLG Hamburg BB 1965, 807; OGH SZ Bd. 12 (1930) Nr. 100, S. 323; Bd. 47 (1974) Nr. 90, S. 394, 403 f = JB1. 1975, 151; anders z.B. OLG Wien NZ 1969, 91. 70
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OLG Köln NJW 1964, 502 f; LG Braunschweig MDR 1978, 581. OLG Frankfurt OLGZ 1971, 467 f für den Zusatz „& Sohn"; OLG Hamburg BB 1965, 807 für den Zusatz „& Co."; KG HRR 1935 Nr. 1472 und 1937 Nr. 319 = DNotZ 1936, 966 f für den Zusatz „Elektrizitätsgesellschaft"; LG Hannover MDR 1978, 580 für den Zusatz „Gebrüder"; OGH AC 2618; HS 7038 „u. Co." (inzwischen wohl aufgegeben; s. SZ 47 Nr. 90). Grdleg. BGHZ 53, 65, 68 f; BGH LM Nr. 13 zu § 18 HGB = NJW 1985, 736 = WM 1985, 165 f; BayObLG DB 1983, 2301 = WM 1983, 1401; Bokelmann Tz. 716 ff; ders. MDR 1979, 188, 189; P. Hofmann JuS 1972, 233, 239 f; Staub/Hüffer § 22 Rdn. 67 ff; Lindacher BB 1977, 1676, 1678 f; Schlegelberger/Hildebrandt § 22 Rdn. 20.
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dürfte ihre Streichung hier i.d.R. ausscheiden, weil dadurch die Firmenidentität beeinträchtigt würde 78 . Ubernimmt schließlich der Kaufmann das Geschäft einer G m b H & Co. KG, so muß, um Täuschungen zu vermeiden, nicht nur der KG-Zusatz, sondern auch der G m b H & Co.-Zusatz gestrichen werden, wenn nicht ein Nachfolgezusatz hinzugefügt wird 79 . 29
cc) Sonderfälle. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich hieraus, wenn ein Einzelkaufmann ein Geschäft mit einer Gesellschaftsfirma fortführen will, in der mehrere Namen enthalten sind, z.B. bei Erwerb des Geschäfts einer O H G mit der Firma „A und B" (§ 19 Abs. 1). In solchen Fällen kann nicht etwa einfach einer der Namen in der Firma gestrichen werden, weil dann keine Firmenidentität mehr vorläge, so daß wohl nichts anderes übrig bleibt, als der Firma einen Nachfolgezusatz anzufügen 80 . b) Erwerb eines Handelsgeschäfts durch eine Personengesellschaft S c h r i f t t u m Baumbach/Duden/Hopt § 22 A n m . 2 C a; Bokelmann Tz. 745 ff; I. Heinrich S. 219 ff; P. Hofmann JuS 1972, 233, 239 f; Lindacher BB 1977, 1676 ff; Staub/Hüffer % 22 Rdn. 63 ff; Schlegelberger/Hildebrandt § 22 Rdn. 20; Wiedemann Z G R 1975, 354, 357 ff.
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aa) Erwerb eines einzelkaufmännischen Geschäfts. Wenn eine Personengesellschaft das Handelsgeschäft eines Einzelkaufmannes fortführt (§ 22 oder § 24), ist nach h.M. die unveränderte Fortführung der einzelkaufmännischen Firma zulässig. Die Aufnahme eines Gesellschaftszusatzes ist zwar jederzeit möglich 81 , aber nicht geboten, da der Verkehr nicht getäuscht werden kann, wenn sich hinter einer einzelkaufmännischen Firma tatsächlich eine Personengesellschaft verbirgt 82 , und zwar selbst dann nicht, wenn der bisherige Alleininhaber zum Kommanditisten wird 83 . Ausnahmen gelten lediglich aufgrund des neuen § 19 Abs. 5 für die G m b H & Co. KG sowie für die Kapitalgesellschaften aufgrund des § 4 G m b H G und der §§ 4 und 279 AktG.
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bb) Erwerb einer Gesellschaftsfirma. Anders ist die Situation, wenn eine Personengesellschaft das Geschäft einer anderen Personengesellschaft erwirbt (§ 22) oder sich in eine andere Personengesellschaft umwandelt (§ 24). Hier muß man unterscheiden: Enthielt die übernommene oder fortgeführte Firma einen jetzt nicht mehr zutreffenden Rechtsformzusatz, so muß dieser auf jeden Fall gestrichen werden, sofern nicht ein Nachfolgezusatz der Firma angefügt wird. Im Falle der Streichung des Rechtsformzusatzes muß außerdem darauf geachtet werden, daß hierdurch nicht der Eindruck einer einzelkaufmännischen Firma entsteht, so daß dann außer der Streichung des alten Zusatzes noch die
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BGH LM Nr. 13 zu § 18 HGB = NJW 1985, 736 = WM 1985, 165 f; O L G Zweibrücken BB 1975 Beil. 12, S. 24; a.A. z.B. Bokelmann Tz. 725 ff. 79 S. schon o. § 19 Rdn. 28 ff sowie insbes. grdleg. BGHZ 44, 286, 288; 68, 271, 273; O L G Hamm O L G Z 1976, 311, 316; OLG Frankfurt NJW 1970, 865; eingehend Bokelmann Tz. 735 ff m. Nachw. 8 ° O G H SZ Bd. 12 (1930) Nr. 100, S. 323; LG Mainz BB 1975 Beil. 12, S. 26; Bokelmann Tz. 730 ff; Staub/Hüffer § 22 Rdn. 71 f; a.A. KG D N o t Z 1936, 966 f = H RR 1937 Nr. 319. 81 Z.B. O L G Hamburg BB 1965, 807.
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So z.B. RGZ 15, 102, 110 f; BGHZ 62, 216, 224 f; 68, 12, 15 f; BGH LM Nr. 1 zu § 24 HGB = NJW 1953, 1708 = BB 1953, 665; O G H SZ Bd. 22 (1949) Nr. 15, S. 42,43; GesRZ 1979,162,164 = HS 10.089; O L G Hamburg BB 1965, 807; O L G Celle BB 1954, 74; 1959, 899; O L G Hamm BB 1959, 899; LG Hannover MDR 1978, 580; Avanim GesRZ 1982, 79, 86; Bokelmann (vgl. Schrifttum); a.A. aber früher RGZ 133, 318, 325; ebenso jetzt Wiedemann (vgl. Schrifttum).
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O L G Celle BB 1959, 899; dagegen (vgl. Schrifttum).
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Bokelmann
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Aufnahme eines neuen Rechtsform- oder Gesellschaftszusatzes erforderlich ist (§§ 18 Abs. 2 S. 1, 19)84. Das gilt auch für den Fall der Umwandlung einer KG in eine O H G (str.); selbst in 3 2 diesem Fall muß mithin der Rechtsformzusatz „KG" geändert oder durch einen Nachfolgezusatz neutralisiert werden 85 . Aus dem Gesagten folgt weiter, daß eine KG, die die Firma einer O H G übernehmen will, nicht unverändert eine OHG-Firma fortführen darf, die nur aus dem Namen mehrerer Gesellschafter besteht 86 . Enthält die übernommene oder fortgeführte Firma der O H G hingegen nur einen (unbestimmten) Gesellschaftszusatz wie z.B. „& Co., & Cie, & Partner, Gesellschaft", so kann diese Firma, weil sie auch bei der KG zulässig ist, unbedenklich fortgeführt werden 87 .
V. Pacht (§ 22 Abs. 2) 1. Anwendungsbereich Nach Abs. 2 des § 22 gilt Abs. 1 entsprechend, wenn ein Handelsgeschäft aufgrund 3 3 eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses übernommen wird. Bei den ähnlichen Verhältnissen hatten die Gesetzesverfasser in erster Linie an das frühere ehemännliche Nutzungsrecht am Frauengut gedacht 88 . Nach dessen Abschaffung beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 hingegen im wesentlichen auf die Fälle der Verpachtung oder der Begründung eines Nießbrauchs an einem Unternehmen, während z.B. ein bloßer Ertragsnießbrauch nicht erfaßt wird 89 . 2. Voraussetzungen a) Aus der Verweisung auf Abs. 1 folgt, daß das Firmenfortführungsrecht des Pächters 3 4 oder Nießbrauchers dieselben Voraussetzungen wie das Firmenfortführungsrecht des Geschäftserwerbers hat 90 . Insbesondere muß es sich auch hier um ein vollkaufmännisches Gewerbe handeln; für die Verpachtung eines minderkaufmännischen Geschäfts gilt § 22 Abs. 2 hingegen nicht 91 . Der Pächter kann außerdem nur eine Firma fortführen, die der Verpächter tatsächlich, und zwar zu Recht geführt hat 92 . Behält der Verpächter seine Firma hingegen bei, so ist für eine Firmenfortführung durch den Pächter kein Raum 93 . b) Aus § 22 Abs. 2 ergibt sich keine Verpflichtung des Pächters zur Fortführung der 3 5 übernommenen Firma; der Pächter kann vielmehr jederzeit eine neue Firma annehmen.
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BGHZ 68, 12, 14 f; O G H SZ Bd. 22 (1949) Nr. 15, S. 42, 43; O L G Hamm O L G Z 1965, 122; 1977, 53; BayObLGZ 1967, 353, 355; O L G Frankfurt O L G Z 1979, 402, 404 f; Bokelmann Tz. 751. «s O G H (Fn. 84); OLG Hamm (Vorlagebeschluß) BB 1968, 230; Staub/Hüfter § 22 Rdn. 65; a.A. aber O L G Düsseldorf NJW 1953, 831 f; LG Oldenburg und LG Lüneburg BB 1971 Beil. 9, S. 11. 86 § 19 Abs. 1; BayObLGZ 1967, 353, 355; O L G Frankfurt OLGZ 1979, 402, 404 f; zur GmbH & Co. KG s. schon o. § 19 Rdn. 28 ff.
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Staub/HUffer § 22 Rdn. 70. Denkschrift S. 39. 89 BayObLGZ 1973, 168, 171 f; weitergehend Baumbach/Duden/Hopt § 22 Anm. 4; Straube/ Schuhmacher § 22 Rdn. 23. 90 S. deshalb im einzelnen o. Rdn. 3 ff. 91 OLG Köln NJW 1963, 541, 542 f. 92 OLG Köln NJW 1963, 541, 542 f; s. im übrigen §31 Rdn. 10. 93 KG RJA 11, 36, 37 f; BayObLGZ 1978, 62, 64 f. 88
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Entgegenstehende vertragliche Abreden der Parteien hat das Registergericht nicht zu beachten 94 . 3. Firmenfortführung 36
Für die Firmenfortführung durch den Pächter gilt das Gesagte (o. Rdn. 18 ff). Der Pächter ist insbesondere befugt, einen beliebigen Nachfolgezusatz wie z.B. „Inhaber X" oder „Pächter X" in die Firma aufzunehmen 95 . Wird er später Eigentümer des zunächst nur gepachteten Geschäfts, so kann er außerdem den bisherigen Zusatz wieder streichen oder den Zusatz „Pächter X" in „Inhaber X" ändern 96 . 4. Insbesondere Gesellschaften
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Handelsgesellschaften, die ihr Geschäft mit Firma verpachten, müssen eine neue Firma annehmen; andernfalls werden sie aufgelöst oder verwandeln sich in eine BGBGesellschaft 97 . Ist die Pächterin gleichfalls eine Handelsgesellschaft, so muß außerdem beachtet werden, daß diese immer nur eine Firma führen darf 98 . Will die Pächterin die übernommene Firma fortführen, so ist sie folglich gezwungen, ihre bisherige Firma aufzugeben; statt dessen kann sie aber auch beide Firmen vereinigen (o. Rdn. 25) oder das gepachtete Geschäft als „Zweigniederlassung" unter der bisherigen Firma mit dem Zusatz Zweigniederlassung fortführen 9 9 . 5. Eintragung?
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Die Pacht wird weder beim Verpächter noch beim Pächter im Handelsregister vermerkt 100 . Der Verpächter muß aber bei der Anmeldung der Firmenfortführung durch den Pächter mitwirken 101 .
VI. Registerfragen 1. Anmeldung des Ubergangs 39
Der Ubergang der Firma muß, wenn diese bereits im Handelsregister eingetragen war, von beiden Beteiligten zum Handelsregister angemeldet werden und wird auf dem bisherigen Registerblatt vermerkt 102 . Der Veräußerer ist dem Erwerber zur Mitwirkung bei der Umschreibung verpflichtet 103 . Die Anmeldungen haben, wenn eine KG ein Geschäft erwirbt, nur bei dem Gericht am Sitz der KG zu erfolgen; nur dort sind auch die Eintragungen vorzunehmen 104 . War die fortgeführte Firma hingegen noch nicht im Handelsregister eingetragen, so ist dies auf die Anmeldung beider Beteiligten hin nachzu-
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KG RJA 10, 207; JFG 5, 212, 215 f; OLG Rostock O L G E 41, 193, 194 f; zu den Wirkungen s. schon o. § 17 Rdn. 21. 95 LG Münster NJW 1971, 1089; LG NürnbergFürth BB 1976, 810; 1977, 1671. 96 LG Nürnberg-Fürth BB 1976, 810; s. o. Rdn. 22 f. 97 B G H Z 32, 307, 312; B G H BB 1962, 349; OLG Stuttgart BB 1983, 1688. 98 S. o. § 1 7 Rdn. 26. "Statt aller BayObLGZ 1970, 243, 246 ff m.
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Nachw.; O L G Stuttgart MDR 1983, 407 = DB 1983, 1688. 100 O L G Stuttgart BB 1983, 1688; anders Straube/Schuhmacher § 22 Rdn. 23 m. Nachw. O L G Köln NJW 1963, 541, 542 f. 102 BayObLGZ 1971, 163, 166; KG O L G Z 1965, 315, 319; LG Münster BB 1975 Beil. 1 2 , S . 2 7 f ; Baumbach/Duden/Hopt § 22 Anm. 1 H. i"' RGZ 65, 14, 15 f. 104 BayObLGZ 1970, 235, 238.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 23
holen; im Falle der Fortführung einer OHG-Firma ist dann außerdem noch nachträglich deren Beginn im Handelsregister zu vermerken 105 . 2. Wahl einer neuen Firma Führt der Erwerber die übernommene Firma nicht fort, so erlischt die Firma 106 . In die- 4 0 sem Fall muß das Erlöschen von dem Veräußerer zum Handelsregister angemeldet werden; für die neue Firma des Erwerbers ist ein neues Registerblatt anzulegen 107 . 3. Anmeldung des Erlöschens durch den Veräußerer Das übergegangene und fortgeführte Firmenrecht steht fortan ausschließlich dem 41 Erwerber zu. Läßt gleichwohl der Veräußerer die übergegangene Firma jetzt noch löschen, so ist dies ohne rechtliche Bedeutung; das Firmenrecht steht weiterhin dem Erwerber zu 108 .
§23 Die Firma kann nicht ohne das Handelsgeschäft, für welches sie geführt wird, veräußert werden. Übersicht Rdn. 1. Zweck 2. Anwendungsbereich.
1
3. Eintragung 4. Veräußerung des Handelsgeschäfts .
2
Rdn. 5 6
1. Zweck § 23 spricht mit dem Verbot der sog. Leerübertragung des Firmenrechts einen 1 Rechtssatz aus, der sich sinngemäß bereits aus den §§ 22 und 24 ergibt, da diese Vorschriften die Übertragung der Firma nur unter bestimmten Voraussetzungen gestatten, so daß in allen anderen, von den genannten Vorschriften nicht erfaßten Fällen die Übertragung des Firmenrechts eben nicht zulässig ist 1 . Eine parallele Regelung fand sich früher für Warenzeichen in § 8 Abs. 1 S. 2 und 3 WZG, wonach ein Warenzeichen ebenfalls nur mit dem Geschäftsbetrieb oder dem Teil des Geschäftsbetriebs, zu dem es gehört, auf einen anderen übergehen konnte, in anderen Fällen jedoch nicht. Mit beiden Vorschriften war bezweckt, eine Täuschung des Publikums über die Kontinuität des fraglichen Geschäftsbetriebs zu verhindern, die unvermeidlich wäre, wenn ein freier Handel mit Firmen- oder
105 106
107
BayObLGZ 1978, 182, 185 f. Z.B. KGJ 48,119,121 f.; BayObLGZ 1971, 163, 165; O L G Hamm O L G Z 1977, 438, 441 f. BayObLGZ 1971, 163,165 f; KG O L G E 9,246, 247; O L G Z 1965, 315, 319; O L G Hamm O L G Z 1977,438,441 f; LG Essen BB 1975 Beil.
108
1
12, S. 27; a.A. LG Bad Kreuznach MDR 1970, 145; LG Göttingen MDR 1957, 104; offenbar auch LG Münster BB 1975 Beil. 12, S. 27. RGZ 65,14,16; KGJ 12,22, 24; 13,28, 30; 15, 9, 11 f; RJA 4, 105, 107. S. schon o. § 22 Rdn. 3.
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§23
Erstes Buch. Handelsstand
Warenzeichenrechten gestattet wäre 2 . Wegen dieses übereinstimmenden Zwecks waren beide Vorschriften gleich zu interpretieren 3 . Die zwischenzeitliche Änderung des § 8 WZG und seine Ersetzung durch das Markenrechtsreformgesetz haben nichts an dem bisherigen Verständnis des § 23 geändert (BGH W M 1994, 1449 „Virion"). 2. Anwendungsbereich 2
a) § 23 verbietet die gesonderte Veräußerung des Firmenrechts. Gemeint ist damit das Verfügungsgeschäft, d.h. die Übertragung des Firmenrechts auf einen Dritten nach den §§ 413 und 398 BGB 4 . § 23 ist ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB, so daß dagegen verstoßende Verträge nichtig sind 5 . Daraus folgt zugleich, daß ein schuldrechtlicher Vertrag, durch den die Verpflichtung zur Leerübertragung eines Firmenrechts begründet wird, auf eine von Anfang an rechtlich unmögliche Leistung gerichtet und deshalb ebenfalls nichtig ist 6 .
3
Ebenso zu beurteilen sind alle vergleichbaren Rechtsgeschäfte die im Ergebnis unter Umgehung der §§ 22 und 24 letztlich gleichfalls auf eine Leerübertragung des Firmenrechts hinauslaufen. Beispiele sind sog. Firmenlizenzen 7 sowie eine Veräußerung des Unternehmens lediglich zum Schein, während es tatsächlich vom alten Inhaber weitergeführt wird 8 . Firmenlizenzen sind daher nur zulässig, wenn zugleich der Geschäftsbetrieb auf den Lizenznehmer übertragen wird 9 .
4
b) Eine auf eine selbständige Übertragung des Firmenrechts gerichtete Klage ist als unschlüssig abzuweisen 1 0 . Dieselben Regeln gelten für Verträge, die auf die selbständige Übertragung der Rechte an einem Titel ohne das zugehörige Zeitschriftenunternehmen gerichtet sind 11 . § 23 steht aber nicht Abreden zwischen Gesellschaftern entgegen, wonach in ihrem Innenverhältnis die Verfügung über das Firmenrecht immer nur einem von ihnen und nicht auch den anderen zustehen soll 12 .
5
Wird trotz des Verstoßes gegen § 23 die Firma für den Erwerber im Handelsregister eingetragen, so ist im Falle der Bekanntmachung der Eintragung § 15 Abs. 3 zu beachten 13 . Die Eintragung bleibt jedoch unzulässig und ist von Amts wegen zu löschen. Für den Geschäftsverkehr mit dem Erwerber sind diese Erwägungen freilich irrelevant; hier gilt vielmehr allein die Regel, daß ein Kaufmann aus allen Geschäften berechtigt und ver-
3. Eintragung
2
3
4 5
So z.B. BGH LM Nr. 2 zu § 23 HGB = N J W 1972, 2123; LM Nr. 3 aaO = JR 1978, 67; LM Nr. 11 zu § 11 W Z G = N J W 1966, 2208; LM Nr. 119 - 121 zu § 16 U W G = N J W - R R 1990, 1218, 1319; O G H ÖB1. 1993, 245, 248 „COS". B G H LM Nr. 2 zu § 23 HGB = N J W 1972, 2123 im Anschlug an R G M u W 1927/28, 522, 523; G R U R 1934, 53, 55. S.o. § 2 2 Rdn. 13. Z.B. RGZ 63, 226, 228 f; RG G R U R 1934, 67; B G H LM Nr. 3 zu § 23 HGB = JR 1978,67; W M 1957, 1152, 1155; LM Nr. 11 zu § 11 W Z G = N J W 1966, 2208; O G H ÖB1. 1993, 245, 248
6
„COS".
13
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§ 306 BGB; B G H LM Nr. 3 zu § 23 HGB = JR
1978, 67 m. zust. Amm. Hommelhoff; Schuhmacher § 23 Rdn. 3.
Straube/
7
K G O L G E 16, 80 f; ebenso beiläufig BGHZ 32, 103, 105; R G J W 1903, 293 Nr. 16.
8
Straube/Schuhmacher
§ 23 Rdn. 2.
9 B G H LM Nr. 93 zu § 16 U W G = MDR 1985, 737 = G R U R 1985, 567; anders offenbar für bloße schuldrechtliche Lizenzen B G H W M 1993, 1007, 1009 „D. Holz". 10 R G Z 63,226, 228 f. " R G Z 68, 49, 55. 12 R G Z 66, 320, 321 ff.
S. Staub/Hüffer § 23 Rdn. 10; Hildebrandt § 23 Rdn. 4.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 2 4
pflichtet wird, die er unter einer bestimmten Firma abschließt, selbst wenn diese ihm firmenrechtlich nicht zusteht. Das folgt einfach aus dem Grundsatz, daß Geschäfte, die unter (irgend-) einer Firma abgeschlossen werden, grundsätzlich mit dem tatsächlichen Inhaber des so bezeichneten Geschäfts zustande kommen 14 . 4. Veräußerung des Handelsgeschäfts Wenn § 23 als Voraussetzung des Ubergangs des Firmenrechts die Veräußerung des 6 zugehörigen Handelsgeschäfts nennt, so wiederholt er damit nur, was sich schon aus § 22 als Voraussetzung für den Übergang des Firmenrechts ergibt. Wegen der Einzelheiten ist deshalb auf die Erläuterungen zu § 22 zu verweisen 15 .
§24 (1) Wird jemand in ein bestehendes Handelsgeschäft als Gesellschafter aufgenommen oder tritt ein neuer Gesellschafter in eine Handelsgesellschaft ein oder scheidet aus einer solchen ein Gesellschafter aus, so kann ungeachtet dieser Veränderung die bisherige Firma fortgeführt werden. (2) Bei dem Ausscheiden eines Gesellschafters, dessen Name in der Firma enthalten ist, bedarf es zur Fortführung der Firma der ausdrücklichen Einwilligung des Gesellschafters oder seiner Erben. Schrifttum S. o. bei § 22 Übersicht Rdn. I. Anwendungsbereich 1. Überblick 2. Die einzelnen Fälle a) Aufnahme eines Gesellschafters in ein bestehendes Handelsgeschäft b) Eintritt eines neuen Gesellschafters in eine bestehende Handelsgesellschaft . . c) Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer bestehenden Handelsgesellschaft II. Firmenfortführung 1. Keine Einwilligung erforderlich
2. Wahl einer neuen Firma 3. Änderungen III. Einwilligung nach § 24 Abs. 2 1. Anwendungsbereich 2. Rechtsnatur 3. Zuständigkeit a) Grundsatz b) Einzelfälle 4. Umfang 5. Verweigerung
1 1 3 3 4 6 7 7
Rdn. 8 9 10 10 11 12 12 13 15 16
I. Anwendungsbereich 1. Überblick a) § 24 ergänzt als weitere Ausnahme von § 23 die Vorschriften der §§ 21 und 22. 1 Ebenso wie § 22 ist deshalb § 24 nur anwendbar, wenn bisher schon für ein vollkaufmännisches Geschäft zu Recht die fragliche Firma geführt worden ist1. Außerdem zeigt der Vergleich mit § 23, daß hier ebenfalls das Geschäft im wesentlichen auf den neuen Inhaber
14
S. o. § 17 Rdn. 14 m. Nachw. '5 S.o. § 22 Rdn. 4 ff.
1
S. o. § 22 Rdn. 10.
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Erstes Buch. Handelsstand
§24
übergehen muß 2 . Für eine Anwendung des § 24 ist hingegen kein Raum, wenn dem ausscheidenden Gesellschafter z.B. der Hauptteil des Unternehmens übertragen wird 3 . 2
b) § 24 Abs. 1 regelt ganz unterschiedliche Fälle, die z.T. bereits unter § 22 fallen, z.T. aber auch eigenständige Bedeutung haben 4 . Unter § 22 fällt an sich der erste in § 24 genannte Fall, nämlich die Aufnahme einer Person in ein bestehendes Handelsgeschäft als Gesellschafter, d.h. der Sache nach die Einbringung eines einzelkaufmännischen Geschäfts in eine neu gegründete O H G oder KG. Eigenständige Bedeutung hat § 24 hingegen hinsichtlich der beiden anderen Fälle, d.h. hinsichtlich des Eintritts eines neuen Gesellschafters in eine Handelsgesellschaft sowie hinsichtlich des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer solchen. Mit Handelsgesellschaften meint das Gesetz dabei in § 24 durchweg nur die Personenhandelsgesellschaften O H G und KG, nicht hingegen die stille Gesellschaft und die Kapitalgesellschaften AG, KGaA und GmbH. Erfaßt sind somit in § 24 im einzelnen die folgenden Fälle: 2. Die einzelnen Fälle
3
a) Aufnahme eines Gesellschafters in ein bestehendes Handelsgeschäft. Unter der Aufnahme einer Person als Gesellschafter in ein bestehendes Handelsgeschäft versteht das Gesetz in § 24 Abs. 1 die Gründung einer O H G oder KG durch einen Einzelkaufmann zusammen mit einem weiteren Gesellschafter, in die dann anschließend das bisherige Geschäft eingebracht wird. Für die Anwendung des § 24 spielt es dabei keine Rolle, ob der bisherige Geschäftsinhaber persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist wird 5 . In jedem Fall kann die bisherige Firma fortgeführt werden. b) Eintritt eines neuen Gesellschafters in eine bestehende Handelsgesellschaft
4
aa) Wie schon ausgeführt (o. Rdn. 2), hat das Gesetz hier nur den Gesellschafterwechsel bei einer bestehenden O H G und KG im Auge, nicht hingegen bei der stillen Gesellschaft oder bei den juristischen Personen AG, KGaA und GmbH 6 . Anwendbar ist § 24 hingegen auf die GmbH & Co. KG 7 , so daß z.B. im Falle des Ausscheidens der GmbH die Fortführung der bisherigen Firma der Gesellschaft, wenn in dieser die Firma der G m b H enthalten ist, der Einwilligung der G m b H bedarf, die von deren Geschäftsführern zu erklären ist (§ 24 Abs. 2).
5
bb) Als Fälle des partiellen Inhaberwechsels bei Personenhandelsgesellschaften nennt das Gesetz nur den Ein- oder Austritt von Gesellschaftern. Gleich stehen alle vergleichbaren Fälle, d.h. insbes. die Übertragung des Gesellschaftsanteils unter Lebenden 8 , weiter der Übergang eines Gesellschaftsanteils von Todes wegen (§ 139) sowie schließlich jeder Wechsel in der Gesellschafterrolle, z.B. durch „Umwandlung" der Beteiligung eines persönlich haftenden Gesellschafters in die eines Kommanditisten oder umgekehrt 9 . § 24 ist selbst bei gleichzeitiger Übertragung aller Gesellschaftsanteile auf neue Gesellschafter
BGH LM Nr. 3 zu § 23 H GB = BB 1977, 1015 = JR 1978, 67 m. Anm. Hommelhoff = W M 1957, 1152, 1153 f; s. im einzelnen o. § 22 Rdn. 5 ff. 3 BGH (Fn. 2). 4 S. K. Schmidt Handelsrecht, § 12 III 2b, cc (S. 332 ff). 5 Vgl. O L G Celle BB 1959, 899. 6 S. u. Rdn. 10; BayObLGZ 1980, 414, 420. 1
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7
8 9
BGHZ 68, 271, 272 f; anders offenbar OLG Düsseldorf NJW 1980, 1284 f. S. dazu im einzelnen u. § 109 Rdn. 33 ff. Z.B. O L G Köln W M 1988, 83; Baumbach/ Duden/Hopt § 24 Anm. 2 E; Straube/Schuhmacher § 24 Rdn. 3, 5; zur Umwandlung in eine K G s. schon o. § 22 Rdn. 32.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§24
anwendbar, weil dadurch die Identität der Gesellschaft nicht beeinflußt wird 10 . Übertragen hingegen alle Gesellschafter ihre Anteile auf eine einzige Person, so daß diese das Geschäft mit allen Aktiven und Passiven analog § 142 erwirbt, so handelt es sich wohl eher um einen Fall des § 22, weil hier der Geschäftsinhaber wechselt 11 . c) Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer bestehenden Handelsgesellschaft. Als 6 dritten Anwendungsfall nennt das Gesetz in § 24 Abs. 1 das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer schon bestehenden O H G oder KG. Darunter fällt nicht nur der Austritt durch Vertrag mit den übrigen Gesellschaftern, sondern auch das Ausscheiden kraft Gesetzes (vgl. insbesondere §§ 131, 138, 144) sowie der Ausschluß eines Gesellschafters nach § 140 12 , selbst wenn bei einer zweigliedrigen Gesellschaft der andere daraufhin nach § 142 das Geschäft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven übernimmt 13 . II. F i r m e n f o r t f ü h r u n g 1. Keine Einwilligung erforderlich § 24 unterscheidet sich von § 22 im Grunde nur dadurch, daß das Gesetz hier anders 7 als in den Fällen des § 22 im Regelfall auf eine Einwilligung der Beteiligten zur Firmenfortführung verzichtet, weil es davon ausgeht, daß die Einwilligung zur Firmenfortführung hier schon konkludent in den zugrundeliegenden gesellschaftsrechtlichen Vorgängen liegt. Lediglich in den Fällen des § 24 Abs. 2 gilt etwas anderes 14 . Außerdem sind jederzeit abweichende Vereinbarungen der Gesellschafter in ihrem Innenverhältnis möglich 15 . 2. Wahl einer neuen Firma § 24 begründet - ebenso wie § 22 - nur ein Recht, keine Pflicht zur Firmenfortführung. Die Beteiligten sind folglich nicht gehindert, in den Fällen des § 24 eine neue Firma anzunehmen, müssen dann freilich die § § 1 8 und 19 beachten. Registerrechtlich handelt es sich dabei um eine bloße Änderung der bisherigen Firma, so daß die Änderung auf dem bisherigen Registerblatt unter Rötung der früheren Eintragung zu vermerken ist 16 .
8
3. Änderungen Zu den Regeln der Firmenfortführung im einzelnen ist schon bei § 22 (Rdn. 18 ff) 9 Stellung genommen worden. Darauf kann verwiesen werden. Hervorzuheben ist lediglich nochmals die Notwendigkeit, gegebenenfalls trotz des § 24 nach § 18 Abs. 2 täuschend gewordene Rechtsformzusätze zu streichen oder durch einen Nachfolgezusatz zu neutralisieren, etwa, wenn aus einer Gesellschaft durch das Ausscheiden eines von zwei
Straube/Schuhmacher § 24 Rdn. 4; offen gelassen in BGH LM Nr. 3 zu § 23 HGB = BB 1977,1015 = JR 1978,67 mit insoweit abl. Anm. Hommelhoff. 11 Staub/Hüff er § 24 Rdn. 10. 12 Z.B. BGHZ 32, 103, 112. 13 RG Gruchot Bd. 36 (1892), 1152,1154;JW 1908, 461, 462 Nr. 33; BGHZ 92, 79 = NJW 1985, 59; BGH LM Nr. 16 zu § 24 HGB = NJW 1989, 10
1798; O G H SZ Bd. 12 (1930) Nr. 100, S. 323; KGJ 13,31, 32; 48, 122, 123;JW 1929, 2156; OLG Hamm ZIP 1983, 1198; Schlegelberger/ Hildebrandt § 24 Rdn. 5. 14 Dazu unten Rdn. 10 ff. 15 Grdleg. RGZ 66, 320. 16 Eingehend OLG Hamm OLGZ 1977,438,442 f; z.T. abw. LG Kreuznach MDR 1970, 145.
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Erstes Buch. Handelsstand
§24
Gesellschaftern ein einzelkaufmännisches Geschäft wird 17 . Denn obwohl das Gesetz hierüber schweigt, ist auch in den Fällen des § 24 ein Nachfolgezusatz zulässig, sofern er nicht seinerseits wie etwa bei dem bloßen Ein- oder Austritt von Gesellschaftern täuschend ist 18 .
III. Einwilligung nach § 24 Abs. 2 1. Anwendungsbereich 10
Von dem Grundsatz des § 24 Abs. 1 macht Abs. 2 für den Fall eine Ausnahme, daß ein Gesellschafter ausscheidet, dessen Name in der Firma der Gesellschaft enthalten ist. In diesem Fall bedarf nach § 24 Abs. 2 die Fortführung der Firma der ausdrücklichen Einwilligung des ausscheidenden Gesellschafters oder seiner Erben. Diese Bestimmung gilt jedoch ebenso wie der ganze § 24 (s. o. Rdn. 2) nur für die beiden Personenhandelsgesellschaften O H G und KG, hingegen nicht die AG, KGaA und G m b H oder für die stille Gesellschaft 19 .
103
Beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GmbH, A G oder KGaA bedarf es deshalb, selbst wenn der Name des Gesellschafters in der Firma der Gesellschaft enthalten ist, zur Fortführung der Firma grundsätzlich nicht dessen Einwilligung. Freilich hindert den betreffenden Gesellschafter nichts, die Erlaubnis zur Verwendung seines Namens in der Firma der Gesellschaft auf die Zeit seiner Zugehörigkeit zu der Gesellschaft zu beschränken oder sonst von Bedingungen abhängig zu machen. Ohne solche Abrede ist jedoch z.B. bei einer GmbH & Co. KG, bei der in der Firma der G m b H der Name eines Kommanditisten enthalten ist, die Firmenfortführung trotz Ausscheidens des Kommanditisten ohne dessen Einwilligung möglich, da die KomplementärGmbH ihrerseits ohne Rücksicht auf § 24 Abs. 2 ihre Firma (mit dem Namen des Kommanditisten) ohne Rücksicht auf dessen Ausscheiden unverändert fortführen darf 20 . 2. Rechtsnatur
11
Die nach § 24 Abs. 2 erforderliche Einwilligung stellt eine einseitige namensrechtliche Gestattung oder besser Zustimmung zu der in der Firmenfortführung liegenden Verfügung über das Namensrecht dar 21 . Diese Einwilligung können die Gesellschafter auch schon im voraus (unbedingt oder bedingt) im Gesellschaftsvertrag erklären, so daß dann selbst im Falle ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft die Firmenfortführung keiner erneuten Einwilligung mehr bedarf 22 .
i' Z.B. O G H SZ Bd. 12 (1930) Nr. 100, S. 323; Bd. 22 (1949) Nr. 15, S. 42, 43. 18 § 18 Abs. 2 S. 1; KGJ 13, 31, 33 ff. 19 B G H Z 58, 322, 324 ff; B G H N J W 1985, 59, 60 (insoweit nicht in B G H Z 82, 79 abgedruckt); LM Nr. 3 zu § 23 H G B = BB 1977, 1015 = JR 1978, 67; LM Nr. 11 zu § 24 H G B = BB 1980, 1658 = WM 1980, 1360; LM Nr. 329 zu § 3 U W G (Bl. 2 R) = NJW-RR 1992, 367 = WM 306
20
21 22
1992, 504, 506; WM 1969, 1321, 1322; BayO b L G Z 1984, 129, 132; O L G Düsseldorf NJW 1980, 1284 f; O L G Köln WM 1988, 83; O G H A C 2760; ebenso schon Düringer/Hachenburg § 24 Anm. 3; anders z.B. Straube/Schuhmacher §24 Rdn. 11. L G Hamburg DB 1987, 2090 = BB 1987, 2045. Staub/Hüffer § 24 Rdn. 12. R G Z 158, 226, 232 = JW 1938, 3180.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§24
3. Z u s t ä n d i g k e i t a) G r u n d s a t z . D i e Einwilligung muß grundsätzlich von demjenigen Gesellschafter ausgehen, dessen N a m e , worunter das Gesetz hier den bürgerlichen Familiennamen versteht 2 3 , seinerzeit bei der G r ü n d u n g der Gesellschaft oder der Annahme der Firma tatsächlich zur Firmenbildung v e r w a n d t worden ist. Die Einwilligung anderer Gesellschafter, die zufällig denselben N a m e n tragen, ist i.d.R. nicht erforderlich 2 4 .
12
D e r B G H hat lediglich einmal eine A u s n a h m e anerkannt, die dadurch charakterisiert war, daß der zur selben Familie wie der Firmengründer gehörende und mit diesem namensgleiche E r b e die Firma in eine neue Gesellschaft e i n g e b r a c h t hatte. Für diesen Sonderfall hat der B G H angenommen, daß bei einem späteren Ausscheiden des Erben zur Firmenfortführung entsprechend § 24 A b s . 2 dessen Einwilligung erforderlich sei 2 5 . Von diesem Fall abgesehen bleibt es jedoch dabei, daß bei dem Ausscheiden späterer Träger desselben N a m e n s oder deren Erben eine Einwilligung nach § 24 A b s . 2 nicht erforderlich ist 2 6 . D a s gilt namentlich für das Ausscheiden des Erben des Namensträgers, der lediglich der Firmenfortführung nach § 24 A b s . 2 zugestimmt hatte 2 7 .
12a
b) Einzelfälle a a ) Lautet die Firma „ G e b r ü d e r X " , so ist der N a m e aller Brüder in der Firma enthalten, so daß jeder ausscheidende Bruder seine Einwilligung in die Firmenfortführung erteilen muß 2 8 . Firmiert die Gesellschaft hingegen „ X Söhne", so ist in der Firma nur der N a m e des Vaters, nicht der der Söhne (die anders heißen können) enthalten, so daß etwa ausscheidende Söhne nicht nach § 24 A b s . 2 in die Firmenfortführung einwilligen müssen 2 9 .
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b b ) D i e Einwilligung muß von dem ausscheidenden Gesellschafter selbst, bei minderjährigen Gesellschaftern von dessen gesetzlichen Vertretern erklärt werden. Scheidet eine Gesellschaft aus, so sind für die Einwilligung die vertretungsberechtigten Gesellschafter, der Vorstand oder die Geschäftsführer zuständig. Im Falle des Ausscheidens durch T o d eines Gesellschafters muß die Einwilligung von allen Miterben ausgehen. Ist N a c h erbschaft angeordnet, so ist allein der Vorerbe für die Einwilligung zuständig 3 0 . Keine Befugnis zur Einwilligung haben hingegen Testamentsvollstrecker oder Nachlaßpfleger anstelle der Erben 3 1 .
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RG Gruchot Bd. 36 (1892), 1152, 1156 f. « RG (Fn. 23); BGHZ 100, 75 = NJW 1987, 2081 = LM Nr. 15 zu § 24 HGB; BGH LM Nr. 16 zu § 24 HGB = NJW 1989, 1798 = WM 1989, 339; BayObLGZ 1931, 458, 459 f = JFG 8, 155 = JW 1931, 2998; Schlegelberger/Hildebrandt § 24 Rdn. 6; Staub/H Uffer § 24 Rdn. 16; Düringer/Hachenburg § 24 Anm. 3 Abs. 3; Straube/ Schuhmacher § 24 Rdn. 7. 25 BGHZ 92, 79 = NJW 1985, 59 = LM Nr. 13 zu § 24 HGB; OLG Hamm ZIP 1983, 1198; s. dazu (überwiegend kritisch) H uff er ZGR 1986, 137; Riegger, BB 1983, 786; K. Schmidt § 12 III 2b, cc (S. 333); Schlüter JZ 1985, 151.
23 2
" BGHZ 100, 75 = NJW 1987, 2081 = LM Nr. 15 zu § 24 HGB; BGH LM Nr. 16 zu § 24 HGB = NJW 1989, 1798 = WM 1989, 339; Baumbach/ Duden/Hopt § 24 Anm. 3. 27 BGHZ 100, 75; Baumbach/Duden/Hopt (Fn. 26). 28 RGZ 65, 379, 382; 156, 363, 366; RG JW 1908, 461, 462 Nr. 33. 29 RGZ 156, 363,366. 30 Vgl. v. Bruch DJZ 1911,927 f; Staub/Hüffer § 24 Rdn. 19. 31 Wegen des Konkurses s. schon o. § 17 Rdn. 37 ff; wegen der vom Gesetz geforderten Ausdrücklichkeit der Einwilligung s. schon o. § 22 Rdn. 11
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Erstes Buch. Handelsstand
4. Umfang 15
Für den Umfang der Einwilligung gilt dasselbe wie in den Fällen des § 22 32 , so daß z.B. im Regelfall die Einwilligung nicht jede beliebige Vervielfältigung des Firmenrechts durch die Einrichtung von Zweigniederlassungen und deren selbständiger Weiterveräußerung mit dem Recht zur Firmenfortführung deckt 33 . Außerdem kann die Einwilligung ebenso wie im Falle des § 22 befristet oder bedingt erklärt werden 34 . 5. Verweigerung
16
Wird die Einwilligung zur Firmenfortführung verweigert, so bedeutet dies, daß die bisherige Firma in keiner Form weitergeführt werden darf. Die Gesellschaft oder der verbleibende Gesellschafter können sich dann auch nicht darauf beschränken, etwa nur den Namen des ausscheidenden Gesellschafters in ihrer Firma zu streichen und die Firma im übrigen unverändert fortzuführen; sie müssen vielmehr unter Beachtung der §§18 und 19 eine neue Firma annehmen und dürfen dabei auch nicht die alte Firma, etwa mit dem Vermerk „vormals", der neuen Firma anhängen, weil darin eine jetzt nicht mehr mögliche Firmenfortführung läge35.
§25 (1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben. (2) Eine abweichende Vereinbarung ist Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist. (3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekannt gemacht worden ist. Schrifttum Beuthien Zu zwei Mißdeutungen des § 25 HGB, NJW 1993,1737; B. Börner § 25 Abs. 1 H G B - Vertragsübertragung kraft Gesetzes, (2.) FS Möhring, 1975, S. 37; Canaris Vertrauenshaftung, S. 183 ff; ders. Rechtspolitische Konsequenzen aus der geplanten Abschaffung
von § 419 BGB für § 25 HGB, ZIP 1989, 1161; Deschler Handelsregisterpublizität und Verkehrsschutz, Diss. Tübingen 1977; Ehrenberg/Pisko Bd. II §§ 32-35 (S. 241 ff); A. Fenyves Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis, 1982; Geller Das Unternehmen und seine Beziehungen zu Firma, Schild und Warenzeichen, 1913; Gerlach Die Haftungsordnung der §§ 25, 28, 130 H G B , 1976; v. Gierke Schuldnachfolge und H a f t u n g insbesondere kraft Vermögensübernahme, Berliner FS v. Martitz, 1911, S. 33; Gotthardt H a f t u n g f ü r Masseschulden bei Übernahme eines Handelsgeschäfts aus der Konkursmasse? BB 1987, 1896; Grunewald Unerwartete Verbindlich32
S. deshalb im einzelnen o. § 22 Rdn. 14. BGH LM Nr. 11 zu § 24 HGB = BB 1980, 1658 = WM 1980, 1360. 34 BGH WM 1957, 1152, 1153 f; ebenso für die GmbH BGHZ 58, 322, 326; BGH LM Nr. 11 zu 33
308
35
§ 24 HGB = BB 1980, 1658 = WM 1980, 1360; s. im einzelnen o. § 22 Rdn. 14. RGZ 5, 110, 113 f; KGJ 14, 242, 245 f; 48, 122 f; RJA 14, 174; JW 1929,2156.
Emmerich
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§25
keiten beim Unternehmenskauf, ZGR 1981, 622; Heckelmann Die Grundlage der Haftung aus Firmenfortführung nach § 25 Abs. 1 S. 1 HGB, Festg. Bartholomeyczik, 1973, S. 129; Hommelhoff Die Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf, 1975; Koumantos Erwerberhaftung bei Unternehmensveräußerung, 1955; Koziol Welchen Schulden tritt der Übernehmer eines Vermögens-, Unternehmens- oder Handelsgeschäftes bei? JB1. 1967, 550; Krejci Betriebs Übergang und Arbeitsvertrag, Wien 1972; ders. Zivilrechtliche Ordnungsfragen bei Unternehmensnachfolge, in Ruppe (Hrsg.), Rechtsprobleme der Unternehmenssanierung, 1983, S. 149; Morisse Der Rechtsgrund für die Haftung des Erwerbers bei der Übernahme eines Handelsgeschäfts unter Lebenden, Diss. Köln 1969; W. Müller Die Einbeziehung der freien Berufe in das Handelsrecht usw., Diss. Kiel 1968; Nitscbe Die Haftung des Geschäftsübernehmers nach 25 HGB, OZW 1976, 40; Nörr/Scheyhing, Sukzessionen, 1983, § 30 A (S. 367 ff); Reichhold § 26 HGB - Verjährungsoder Haftungsnorm? ZIP 1988, 551; Säcker Die handelsrechtliche Haftung für Altschulden bei Übertragung und Vererbung von Handelsgeschäften, ZGR 1973, 261; Schlüter Die Schuldenhaftung bei Geschäftsübernahme, Diss. München 1971; K. Schmidt Handelsrecht, § 8 I, II (S. 190 ff.); ders. Organverantwortlichkeit und Sanierung im Insolvenzrecht der Unternehmen, ZIP 1980, 328; ders. Haftungskontinuität als unternehmensrechtliches Prinzip, ZHR Bd. 145 (1981), 2; ders. Unternehmenskontinuität und Erwerberhaftung nach § 25 Abs. 1 HGB, ZGR 1992, 621; Schricker Probleme der Schuldenhaftung bei Übernahme eines Handelsgeschäfts, ZGR 1972, 121; Waskönig Rechtsgrund und Tragweite der §§ 25, 28 HGB, Diss. Bonn 1979; Werther Der Ausschluß der handelsrechtlichen Erbenhaftung usw., Diss. Köln 1968; Wessel § 25 HGB - eine gefährliche Vorschrift? BB 1989, 1625; Wilhelm Die Haftung bei Fortführung eines Handelsgeschäfts ohne Übernahmevertrag, NJW 1986, 1797.
Rdn.
Rdn. I. Überblick
1
b) Erwerbskosten
27
II. Geschichte
2
c) Zweigniederlassungen
28
1 . R O HG
2
2. Reichsgericht
3
3. Gesetzesberatungen III. Zweck
d) Beispiele 3. Durchführung der Haftung
29 30
4
a) Gesamtschuld
30
5
b) Insbesondere schwebende Geschäfte .
32
1. Rechtsprechung
6
4. § 1 5 H G B
34
2. Schrifttum
7
5. Innenverhältnis
35
3. Stellungnahme
8
IV. Voraussetzungen
9
1. Überblick
36
1. Überblick
9
2. Einwilligung
37
2. Anwendungsbereich
10
3. Erwerb eines Handelsgeschäfts
11
a) Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden
11
b) Ausnahmen
12
c) Art des Erwerbs
13
I X . Übergang der Forderungen
3. Erfaßte Forderungen a) N u r Geschäftsforderungen b) Abtretbarkeit 4. Wirkungen 5. Kein Vertragsübergang X . Abweichende Vereinbarungen (§ 25 Abs. 2)
36
38 38 39 40 42 43
4. Abgrenzung
14
5. Einstellung des Geschäfts
15
6. Erwerb des Unternehmenskerns
16
a) Notwendigkeit
44
a) Allgemeines
16
b) Umfang
45
b) Insbesondere Zweigniederlassungen .
17
2. Kundmachung
18
a) Zeitpunkt
47
18
b) Prüfungspflicht des Registergerichts?.
48 49
V. Mängel des Erwerbs 1. Rechtsprechung
1. Vereinbarung
44
46
19
c) Gegenstand
20
d) Bestimmtheit
50
1. Voraussetzungen
20
e) Anmeldung, Mitteilung
51
2. Annahme einer neuen Firma
21
2. Kritik V I . Fortführung des Geschäfts
3. Rechtsfolgen
52
V I I . Firmenkontinuität
22
a) Allgemeines
52
1. Grundsatz
22
b) Keine Anwendung des § 15
53
2. Änderung der Firma
23
X I . Besondere Verpflichtungsgründe ( 25 Abs. 3)
25
1. Überblick
1. Überblick
25
2. Insbesondere Bekanntmachung
2. Geschäftsverbindlichkeiten
26
VIII.Haftung des Erwerbers nach § 25 Abs. 1 S. 1
a) Begriff
der Passivenübernahme
54 54 56
26
309
§25
Erstes Buch. Handelsstand
I. Überblick 1
Die §§ 25 bis 28 enthalten den Kern eines allgemeinen Unternehmensverkehrsrechts 1 . Sie unterscheiden sich dadurch grundlegend von den ausgesprochen firmenrechtlichen Vorschriften der § § 1 7 bis 24 und 29 bis 37. In besonderem Maße gilt das Gesagte etwa für die §§ 25 Abs. 3 und 28, die mangels jeden Bezugs auf die Firma selbst bei weitester Auslegung nicht mehr als firmenrechtliche Vorschriften angesprochen werden können.
1a
In Osterreich wurde § 25 durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz von 1982 2 um zwei Absätze erweitert, die aber nur klarstellende Funktion haben. Nach § 25 Abs. 4 ö H G B findet § 25 Abs. 1 auf den Erwerb vom Konkursverwalter sowie auf eine Reihe vergleichbarer Fälle keine Anwendung 3 . § 25 Abs. 5 ö H G B fügt noch hinzu, daß eine nach anderen Vorschriften begründete Haftung des Übernehmers eines Vermögens oder Unternehmens unberührt bleibt 4 .
II. Geschichte 1. R O H G 2
Das A D H G B enthielt noch keine den §§ 25 bis 28 vergleichbare Vorschriften. Dementsprechend war vom Augenblick des Inkrafttretens des A D H G B an umstritten, unter welchen Voraussetzungen der Geschäftserwerber für die vom Veräußerer in dem Geschäft begründeten Verbindlichkeiten haftet. Im Schrifttum ist schon damals vielfach gefordert worden, die Haftung des Erwerbers einfach an die Firmenfortführung zu knüpfen. Dem war das R O H G indessen nicht gefolgt; nach ihm sollte es vielmehr in erster Linie auf die Abreden der Parteien ankommen. Als weiteren selbständigen Verpflichtungsgrund erkannte das R O H G daneben lediglich die öffentliche Bekanntmachung der Übernahme der Verbindlichkeiten an, worauf noch der heutige § 25 Abs. 3 beruht 5 . 2. Reichsgericht
3
Das Reichsgericht knüpfte an die Praxis des R O H G nur hinsichtlich der Haftung des Erwerbers aufgrund öffentlicher Bekanntmachung an. Im übrigen aber ging es einen deutlichen Schritt über die restriktive Praxis des R O H G hinaus. Das R G ließ nämlich den Erwerber außerdem haften, wenn zu der internen Übernahme der Passiven die Fortführung der Firma hinzutrat, wozu das Gericht die Firmenfortführung als Angebot an sämtliche Gläubiger auf Übernahme der Haftung qualifizierte 6 . 3. Gesetzesberatungen
4
Die Praxis des Reichsgerichts blieb im Schrifttum bis zuletzt umstritten. Deshalb ist die Frage schließlich im H G B geregelt worden. Zur Begründung bemerkten die Gesetzesverfasser, § 25 komme der - irrigen - Verkehrsauffassung entgegen, daß der jeweilige Inhaber der Firma der Träger der unter der Firma begründeten Rechte und Verbindlichkeiten sei; in der Fortführung der Firma liege daher die Erklärung der Absicht, für die Verbindlichkeiten haften zu wollen 7 . 1 2 3 4 5
Eingehend K. Schmidt § 8 I; ders. Z H R 145, 2. BGBl. Nr. 370. S. u. Rdn. 12. Dazu s. u. Rdn. 54 f. R O H G E 1, 62, 67 ff; 2, 143 ff; 2, 173, 175 f usw.
310
6
7
bis R O H G E 21, 232, 234. Grdleg. R G Z 2 , 4 8 , 5 5 f; 8, 64,65; 15,51,53 f; R G JW 1898, 360 Nr. 37; 1899, 440 Nr. 25; zweifelnd aber schon wieder R G Z 38, 173, 174 f. Denkschrift S. 39 f.
Emmerich
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§25
III. Zweck Schrifttum B. Börner S. 37 ff; Ehrenberg/Pisko Bd. II S. 243 ff; Gerlach S. 1 ff; Heckelmann S. 129 ff; Nitsche, Säcker und K. Schmidt (vgl. Schrifttum vor Rdn. 1); Schricker S. 129 ff; Straube/ Schuhmacher 25 Rdn. 1 ff. Die Entstehungsgeschichte zeigt, daß sich der Gesetzgeber in § 25 darauf beschränkt 5 hat, in der bis zum Inkrafttreten des H G B (und seither) lebhaft umstrittenen Frage der Haftung des Erwerbers für Geschäftsverbindlichkeiten zwei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hervorgetretene Entwicklungslinien aufzunehmen und vorsichtig weiterzuentwickeln, um einer von ihm angenommenen Verkehrsauffassung entgegenzukommen. Es verwundert nicht, daß dieses betont pragmatische Vorgehen des Gesetzgebers Literatur und Rechtsprechung in Verwirrung gestürzt hat. Die Folge ist, daß Sinn und Zweck der §§ 25 bis 28 bis auf den heutigen Tag umstritten geblieben sind. 1. Rechtsprechung Das Reichsgericht hatte unter der Geltung des H G B zur Erklärung des § 25 zunächst 6 stets an die in der Denkschrift (S. 39 f) genannten Gründe für die Haftung des Erwerbers angeknüpft und dabei besonderes Gewicht auf die (angeblich) in der Firmenfortführung liegende Erklärung an die Öffentlichkeit gelegt (sog. Erklärungstheorie); in seiner späteren Praxis hatte es jedoch damit i.d.R. den weiteren Gedanken verbunden, daß der Erwerber außerdem deshalb haften müsse, weil er mit dem Geschäftsvermögen die Deckungsgrundlage der Schulden erwerbe (sog. Haftungsfondtheorie) 8 . Dem ist der B G H i.d.R. - mit wechselnden Formulierungen - gefolgt, hat damit aber gelegentlich in wenig klarer Weise das sog. Rechtsscheinprinzip verbunden (sog. Rechtsscheintheorie) 9 . In jüngster Zeit nähert sich der B G H hingegen unverkennbar dem Gedanken der unternehmensrechtlichen Haftungskontinuität (u. Rdn. 7) an 10 . Eine vergleichbare Entwicklung ist in der Rechtsprechung des O G H festzustellen 11 ; darüber hinaus hat der O G H anerkannt, daß jedenfalls Dauerschuldverhältnisse jederzeit mit dem Unternehmen auf einen neuen Inhaber übergehen 12 . 2. Schrifttum Die Unsicherheit der Praxis in der Erklärung des Grundgedankens des § 25 hat ihr 7 Pendant in einer verwirrenden Vielzahl von Theorien, die in der Literatur zur Erklärung des § 25 (sowie des § 28) angeboten werden 13 . Am ehrwürdigsten ist dabei die schon erwähnte sog. Erklärungstheorie 14 . Ihr stehen gegenüber die verbreitete Rechtsschein-
8
9
Vgl. insbes. R G Z 6 0 , 2 9 6 , 300; 76, 7 , 9 f; 133,318, 323 f; 135, 104, 108; 142, 98, 106; 143, 368, 371; 145, 274, 278; 149, 25, 28; 154, 334, 336 f; 164, 115, 120. B G H Z 18, 248, 250; 22, 234, 239; 27, 29, 34; 29, 1, 3; 32, 60, 62; 36, 265, 272; 38, 44, 47 usw. bis B G H LM Nr. 69 zu § 631 B G B = N J W - R R 1990, 417 = W M 1990, 852.
i» LM Nr. 18 zu § 25 H G B = N J W 1984, 1186; LM Nr. 75 zu § 249 (A) B G B = N J W 1986, 581 = W M 1985, 1475; N J W 1992,911 = W M 1992,55f; L G Berlin N J W - R R 1994, 609.
11
12
SZ Bd. 23 (1969) Nr. 128, S. 465, SZ Bd. 22 1950, 380;
(1950) Nr. 42, S. 131, 467; Bd. 45 (1949) Nr. SZ Bd. 24
209, S. 478, 481; Bd. 42 132 f; Bd. 43 (1970) Nr. (1972) Nr. 30, S. 128,131. 182, S. 417, 418 f = JB1. (1951) Nr. 184, S. 426,
429; dagegen z.B. Straube/Schuhmacher § 25 Rdn. 27 f m. Nachw. zum Streitstand.
13
Überblick zuletzt bei K. Schmidt ff).
14
Insbes. Säcker S. 272 ff.
Emmerich
§ 8 I 2 (S. 193
311
§25
Erstes Buch. H a n d e l s s t a n d
theorie 15 sowie die Haftungsfondtheorie, die auf die Parallele zu § 419 BGB abstellt 16 . Daneben finden sich im neueren Schrifttum als weitere Erklärungsansätze insbes. noch die Betonung der typischerweise im Innenverhältnis der Parteien vorliegenden Vertragsoder Schuldübernahme als Basis des § 25 17 sowie vor allem dessen Interpretation als Ausdruck des Prinzips der Haftungskontinuität bei Einzelrechtsnachfolge in der Unternehmensträgerschaft 18 . Schließlich fehlt es auch nicht an Stimmen, die dem § 25 jede sachliche Berechtigung absprechen und deshalb schlicht seine Streichung empfehlen 19 . 3. Stellungnahme 8
Diese Kontroverse ist hier nicht weiter zu verfolgen; für die Zwecke der Darstellung genügt die Feststellung, daß der Gesetzgeber bei der Konzipierung des § 25 von einer bestimmten, seiner Meinung nach feststellbaren Verkehrsauffassung über die Haftungskontinuität im Falle der Unternehmensveräußerung ausgegangen ist und sich deshalb im wesentlichen darauf beschränkt hat, eine Reihe praktischer Probleme, die sich hieraus ergeben, möglichst zweckmäßig zu lösen. Es ist nicht erkennbar, was den Gesetzgeber an einer derartigen betont pragmatischen Vorgehensweise hindern sollte 20 . Damit läßt sich zudem - aus heutiger Sicht - unschwer der Gedanke der Haftungskontinuität bei Ubergang der Unternehmensträgerschaft (soweit mit dem geltenden Recht vereinbar) verbinden 21 . IV. Voraussetzungen S c h r i f t t u m Baumbach/Duden/Hopt § 25 A n m . 1 B, C ; Schlegelberger/Hildebrandt § 25 R d n . 3 ff; K. Schmidt § 8 II 1 (S. 212 ff); ders. Z H R 145, 2, 18 ff.; Staub/Hüffer § 25 R d n . 72 - 94; Straube/Schuhmacher § 25 R d n . 4 ff.
1. Überblick 9
Aus dem Zusammenhang der §§ 25 Abs. 1, 27 und 28 folgt, daß § 25 - jedenfalls in erster Linie - den Fall des Erwerbs eines vollkaufmännischen Geschäftes mit Firma unter Lebenden im Wege der Einzelrechtsnachfolge regelt. Die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge haben hingegen zumindest partiell ihre Regelung in § 27 und die der Einbringung des Geschäfts in eine Personengesellschaft ebenfalls partiell in § 28 gefunden. Die genaue Grenzziehung zwischen diesen drei Fallgruppen bereitet jedoch häufig Schwierigkeiten. 2. Anwendungsbereich
10
Das Gesetz hat § 25 als firmenrechtliche Vorschrift konzipiert und stellt deshalb in § 25 Abs. 1 (im Gegensatz zu § 25 Abs. 3 und zu § 28) betont auf die Fortführung der Firma
15
Z.B. R. Fischer Anm. LM N r . 3 zu § 28 H G B ; A. Hueck Z H R 108 (1941), 1, 7 f; E. Nickel N J W 1981, 102 f. 16 Z.B. Geller, Unternehmen S. 121 ff; Schricker S. 140 ff. 17 Vgl. im einzelnen B. Börner S. 48 ff; Gerlach S. 39 ff; Heckelmann S. 142 ff. 18 So grdl. K. Schmidt § 8 I 3 (S. 199 ff); ders. Z H R 145, 2, 13 ff; N J W 1982, 1648; 1984, 1187; zust.
312
19
20
21
Baumbach/Duden/Hopt § 25 Anm. 1 A. Insbes. Canaris S. 183 ff; R. Fischer Anm. LM N r . 3 zu ξ 25 H G B ; Nitsche S. 48 f; Schricker S. 149 f. Ebenso z.B. Nolte, FS Nipperdey Bd. I, S. 667, 680 ff; Staub/Hüffer § 25 Rdn. 25 ff; Straube/ Schuhmacher § 25 Rdn. 3; Werther S. 18 ff. Im Anschluß an K. Schmidt (Fn. 18).
Emmerich
§25
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
ab. Eine Firma dürfen jedoch nur Vollkaufleute führen (§ 4 Abs. 1), woraus die h.M. folgert, daß § 25 Abs. 1 - anders als die §§ 25 Abs. 3 und 28 - nur für Vollkaufleute, nicht hingegen für Minderkaufleute gilt22. Keine Rolle spielt hingegen in den Fällen des § 1, ob der Kaufmann im Handelsregister eingetragen ist oder nicht 23 . Gleich steht der Kaufmann kraft Eintragung 24 . Hieraus wird z.B. der Schluß gezogen, daß § 25 keine Anwendung auf eine BGB-Gesellschaft finden könne 25 . Die Richtigkeit dieser allein firmenrechtlich begründeten Beschränkung des 1 0 a Anwendungsbereich des § 25 ist im neueren Schrifttum umstritten. Verbreitet wird jedenfalls eine Ausdehnung auf Minderkaufleute verlangt, zumindest, wenn sie, wenn auch möglicherweise zu Unrecht, eine Firma oder eine firmenähnliche Bezeichnung führen oder wenn der Erwerber Vollkaufmann ist 26 . N o c h weitergehende Forderungen zur Ausdehnung des § 25 entsprechend seinen Grundgedanken (Prinzip der Haftungskontinuität) auf alle Unternehmen finden hingegen keine Grundlage im geltenden Recht 1 1 . 3. Erwerb eines Handelsgeschäfts a) Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden. Der Anwendungsbereich des § 2 5 11 beschränkt sich, wie sich aus seinem Wortlaut sowie aus dem Zusammenhang mit § 28 ergibt, auf den Erwerb eines Handelsgeschäfts durch Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden, während bei dem Erwerb von Todes wegen mit Rücksicht auf § 27 für die Anwendung des § 25 kein Raum ist. Um einen Erwerb durch Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden handelt es sich freilich auch bei einem Erwerb vom Erben, selbst wenn es sich um einen Erwerb aufgrund eines Vermächtnisses oder in der Auseinandersetzung der Miterben handelt 28 .
b) Ausnahmen. Nach allgemeiner Meinung ist § 25 unanwendbar beim Erwerb vom 1 2 Konkursverwalter, und zwar einfach deshalb, weil andernfalls dem Konkursverwalter die im Interesse gerade der Konkursgläubiger liegende Verwertung des Geschäfts durch dessen Veräußerung in aller Regel praktisch unmöglich wäre 29 . In § 25 Abs. 4 ö H G B ist dies seit 1982 ausdrücklich klargestellt. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, wenn der Konkurs mangels Masse abgelehnt und das Geschäft dann veräußert wird; in diesem Fall bleibt es mithin bei der Anwendung des § 25 Abs. I 30 . Dasselbe (Anwendung des § 25) gilt bei einer Veräußerung des Geschäfts im Rahmen der Sequestration nach § 108 Abs. 1
22
S. schon o. § 4 Rdn. 18 f sowie insbes. RGZ 55, 83, 85 f; RG SeuffArch Bd. 59 (1904) Nr. 39, S. 72; BGHZ 22, 234, 240; BGH LM Nr. 51 zu § 419 BGB = NJW 1992, 112 = WM 1991, 1915, 1917; WM 1984, 741, 742; O L G Frankfurt O L G Z 1973, 20, 22; OLG Koblenz NJW-RR 1989, 420 = BB 1988, 2408; O G H SZ Bd. 42 (1969) Nr. 42, 131, 132 f; Bd. 56 (1983) Nr. 6, S. 22, 25 f = GesRZ 1983, 99, 100. 23 RG HRR 1932 Nr. 255; BGHZ 18, 248, 250; BGH NJW 1982, 577; O G H SZ Bd. 42 (1969) Nr. 42, S. 131, 132 f; O L G Frankfurt OLGZ 1973, 20, 22. 24 § 5; z.B. BGHZ 22, 234, 239. 25 BGH LM Nr. 51 zu § 119 BGB = NJW 1992
112 = WM 1991, 1915, 1917. Scblegelberger/Hildebrandt § 25 Rdn. 5; Staub/ Hüffer § 25 Rdn. 83 ff.; Straube/Schuhmacher § 25 Rdn. 4; Schricker S. 155 f. 27 So aber K. Schmidt § 8 II la (S. 212 ff); den. ZHR 145, 2, 21 f. 28 So schon Denkschrift S. 40; RGZ 154, 334, 337. 29 Grdleg. RGZ 58, 166, 167; BGHZ 104, 151 = NJW 1988, 1912; ebenso BAGE 18, 286, 289 = NJW 1966, 1984, BAGE 32, 326 = NJW 1980, 1124, 1125 f; BGH WM 1992, 55 = NJW 1992, 911; Gotthardt (vgl. Schrifttum); K. Schmidt § 8 II 3b (S. 224); ders. ZIP 1980, 328, 337. BGH NJW 1992, 911 = WM 1992, 55. 26
Emmerich
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Erstes Buch. Handelsstand
§25
K O , jedenfalls, wenn sich an die Sequestration nicht die Eröffnung des Konkursverfahrens anschließt 31 . Unklar ist hingegen bisher die Behandlung der Veräußerung des Geschäfts im Rahmen eines Liquidationsvergleichs 32 . Jedoch sollte wegen der unübersehbaren Mißbrauchsgefahren in derartigen Fällen an der Anwendbarkeit des § 25 nach Möglichkeit festgehalten werden 33 . 13
c) Art des Erwerbs. Unerheblich für die Anwendung des § 25 ist der Rechtsgrund des Erwerbs, so daß § 25 z.B. auch für Fälle der Treuhand oder der Schenkung gilt 34 . Ebensowenig spielt es eine Rolle, ob der Erwerber das Geschäft endgültig oder bloß vorübergehend, namentlich aufgrund eines Pachtvertrages oder als Nießbraucher erwirbt 35 . § 25 gilt selbst im Falle des Rückerwerbs des Geschäftes durch den Verpächter 36 sowie, jedenfalls nach Meinung des B G H 3 7 , im Falle der erneuten Verpachtung des Geschäfts durch den Verpächter, so daß dann der zweite Pächter für die Verbindlichkeiten des ersten Pächters nach § 25 Abs. 1 einstehen muß. 4. Abgrenzung
14
Große Schwierigkeiten bereitet häufig bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen die Abgrenzung zwischen den §§ 25 und 28. Die Praxis neigt hier in vielen Fällen zur Anwendung des § 25, in denen dies aus heutiger Sicht nicht erforderlich oder doch nicht zweckmäßig ist. So ist § 25 z.B. angewandt worden bei Übernahme des Geschäfts einer Gesellschaft durch einen der Gesellschafter 38 , bei Übernahme des Geschäfts der Gesellschaft durch einzelne Gesellschafter, die zu diesem Zweck eine Auffanggesellschaft neu gegründet haben 39 , bei Veräußerung des Geschäfts der Gesellschaft an eine andere Gesellschaft, an der u.a. Gesellschafter der veräußernden Gesellschaft beteiligt sind 40 , sowie insbesondere bei Einbringung eines Geschäfts in eine andere Gesellschaft 41 . Soweit sich in den genannten Fällen der Erwerb durch Anwachsung vollzieht, erscheint der Rückgriff auf § 25 entbehrlich. Außerdem ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die Anwendung des § 28 der des § 25 stets dann vorzuziehen, wenn Kern des Vorgangs die Einbringung eines Geschäfts in eine Gesellschaft ist 42 . § 28 (und nicht § 25) ist daher z.B. bei Einbringung des Geschäfts einer Erbengemeinschaft in eine von ihr gegründete Gesellschaft anzuwenden 43 .
B G H Z 104, 151 = NJW 1988, 1912; OLG Bremen NJW-RR 1989, 423. 32 Für die Unanwendbarkeit des § 25 Abs. 1 dann OLG Stettin, JW 1929, 2627. 33 S. zu diesen Gefahren insbes. K. Schmidt § 8 II 3c (S. 224 f.); den. ZIP 1980, 318. 34 Z.B. RGZ 99, 158, 160; RAG H RR 1933 Nr. 1665. 33 Z.B. O G H SZ Bd. 42 (1969) Nr. 42, S. 131, 132; O G H GesRZ 1985, 146. 36 RGZ 133, 318, 322; 149,25, 27; BGH LM Nr. 17 zu § 25 HGB = NJW 1982, 1647; O L G Frankfurt OLGZ 1973, 20, 23.
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37
LM Nr. 18 zu § 25 HGB = NJW 1984, 1186 m. zust. Anm. K. Schmidt-, zur Kritik s. u. Rdn. 18 f, 20.
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RGZ 142,300,302; K G J F G 13,431,433. RG DJZ 1913, Sp. 466; OGH SZ Bd. 62 (1989) Nr. 26, S. 149 = GesRZ 1989, 159, 160. K G J F G 13, 431,433 f. RGZ 143, 154, 155; BGH LM Nr. 1 zu § 25 HGB = BB 1953, 1025. Heckelmann S. 129,144; K. Schmidt ZHR 145,2, 21 ff.; Stauh/Hüffer % 25 Rdn. 74 ff. Str.; s.u. § 28 Rdnr. 5.
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§25
Dritter Abschnitt. Handelsfirma 5. E i n s t e l l u n g des G e s c h ä f t s
§25 A b s . 1 hat ersichtlich den Fall im Auge, daß ein schon bestehendes Handelsgeschäft mit der für das Handelsgeschäft bereits geführten Firma veräußert und als solches unter der bisherigen Firma von dem Erwerber fortgeführt wird. Daraus folgt zunächst, daß § 25 nur anwendbar ist, wenn im Augenblick der Veräußerung bereits ein Handelsgeschäft besteht, so daß es nicht genügt, wenn das Geschäft erst geplant ist 4 4 . Außerdem darf das Geschäft im Augenblick der Veräußerung nicht schon endgültig eingestellt sein, weil dadurch die Firma erlischt. Eine bloß vorübergehende Stillegung schadet hingegen nicht, solange nur jederzeit eine Wiederaufnahme des bisherigen Geschäftsbetriebes möglich bleibt 4 5 . In allen diesen Beziehungen gelten dieselben Grundsätze wie bei § 22 4 6 .
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6. E r w e r b des U n t e r n e h m e n s k e r n s a) Allgemeines. D a § 25 auf die Fortführung des unter Lebenden erworbenen H a n delsgeschäfts unter der bisherigen Firma abstellt, ist erforderlich, daß der Erwerber tatsächlich das Handelsgeschäft als g a n z e s erwirbt, w o f ü r freilich schon die Ü b e r n a h m e des sog. Unternehmenskerns, d.h. all dessen genügt, was die wesentliche Eigenart des fraglichen Geschäfts ausmacht 4 7 . Unerheblich ist, wenn untergeordnete Vermögenswerte oder selbst ganze Geschäftszweige bei dem Veräußerer zurückbleiben 4 8 . Führt ein Einzelkaufmann zulässigerweise mehrere getrennte Geschäfte unter verschiedenen Firmen 4 9 , so reicht es dementsprechend für die Anwendung des § 25 A b s . 1 bereits aus, wenn er nur eines dieser Geschäfte mit der Firma an Dritte veräußert 5 0 .
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b) Insbesondere Z w e i g n i e d e r l a s s u n g e n . Wegen der weitgehenden Verselbständigung von Zweigniederlassungen ist § 25 bereits anwendbar, wenn allein die Zweigniederlassung oder die Hauptniederlassung mit dem Recht zur Firmenfortführung weiterveräußert wird. Voraussetzung ist freilich, daß es sich dabei tatsächlich u m eine echte Zweigniederlassung, d.h. u m einen in wichtigen Beziehungen verselbständigten Unternehmenszweig, nicht nur u m einen bloßen unselbständigen Geschäftszweig handelt, mag auch der letztere zu Unrecht als Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen sein 5 1 .
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V. Mängel des Erwerbs 1. R e c h t s p r e c h u n g N a c h st. Rspr. ist die H a f t u n g des Erwerbers unabhängig von etwaigen Mängeln des Erwerbsgeschäfts. Beispiele sind arglistige T ä u s c h u n g des Erwerbers (§ 123 B G B ) , Nichtigkeit des G r u n d g e s c h ä f t s (z.B. nach § 105 B G B ) oder dessen schwebende Unwirksamkeit wegen des Fehlens einer behördlichen Genehmigung. D i e H a f t u n g des
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O L G Frankfurt O L G Z 1973, 20, 22. B G H WM 1992, 55 = NJW 1992, 911. S. deshalb o. bei § 22 Rdn. 3 ff. S. o. § 22 Rdn. 5 ff. S. im einzelnen RGZ 64, 129, 132; 169, 133, 136 ff; BGHZ 18,248,250; B G H LM Nr. 17 zu § 25 HGB = NJW 1982,1647; NJW 1992,911 = WM 1992,55, 56; NJW 1992, 2848; O L G Saarbrücken BB 1964, 1195; O L G Düsseldorf NJW-RR 1993, 47.
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S. o. § 17 Rdn. 23 ff. R G Z 116, 281, 284; B a y O b L G Z 1987, 449 = NJW-RR 1988, 869; K G O L G E 4, 146 f. R G Z 77, 60, 64; 169, 133, 139; RG H R R 1932 Nr. 255; R A G E 17, 321, 326 f; B G H LM Nr. 12 zu § 25 H G B = NJW 1972, 1859; LM Nr. 16 zu § 25 H G B = NJW 1979, 2245; K. Schmidt § 8 II Id (S. 219 f); s. im übrigen u. Rdn. 28.
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Erwerbers soll in diesen Fällen selbst dann fortbestehen, wenn er (z.B. nach erfolgreicher Anfechtung) das Geschäft mittlerweile bereits an den Veräußerer zurückgegeben hat 5 2 . Neuerdings verzichtet die Praxis sogar ganz auf das Vorliegen eines Vertrages zwischen dem früheren und dem jetzigen Inhaber des Geschäfts 5 3 , sofern nur äußerlich der Tatbestand des § 25 (Ubergang des Geschäfts als ganzes, Fortführung der Firma) erfüllt ist 5 4 . Selbst wenn der Inhaber eines neuen Geschäfts lediglich Kontinuität mit einem früheren Geschäft vortäuscht, muß er sich nach Treu und Glauben an diesem Rechtsschein festhalten lassen, so daß er für die Schulden des früheren Geschäfts haftet 5 5 . 2. Kritik 19
D i e geschilderte Praxis (o. Rdn. 18) kann schwerlich in vollem U m f a n g Billigung finden 5 6 . Zunächst kann auf keinen Fall auf einen Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber verzichtet werden, wie schon der Wortlaut des § 25 zeigt (vgl. insbes. § 25 A b s . 2). A u ß e r d e m sind die G l ä u b i g e r nicht s c h u t z w ü r d i g , wenn die N i c h t i g k e i t des Grundgeschäfts ihren G r u n d in der mangelnden oder nur beschränkten Geschäftsfähigkeit des Erwerbers hat oder wenn sie den Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund kannten 5 7 . Schließlich ist auch kein G r u n d erkennbar, den Erwerber forthaften zu lassen, wenn er das Geschäft an den Veräußerer zurückgegeben hat. Ausnahmen können sich nur von Fall zu Fall - unabhängig von § 25 - aus Rechtsscheingrundsätzen ergeben.
VI. Fortführung des Geschäfts 1. V o r a u s s e t z u n g e n 20
§ 25 A b s . 1 greift nur ein, wenn der Erwerber das unter Lebenden erworbene Handelsgeschäft (unter der bisherigen Firma, dazu u. Rdn. 22f) tatsächlich fortführt. D e r Erwerber muß dazu nach außen erkennbar den Willen betätigen, das Geschäft jetzt selbst als das seinige, aber mit der bisherigen Firma zu führen 5 8 . Ein rein interner Vorgang reicht für die Anwendung des § 25 nicht aus; dasselbe gilt, wenn der Veräußerer das Geschäft in verdeckter Treuhandschaft für den Erwerber fortführt 5 9 . Ebensowenig ist R a u m für die A n w e n d u n g des § 25, wenn der Erwerber das Geschäft sofort weiterveräußert, verpachtet,
Vgl. im einzelnen RGZ 66, 415, 418; 76, 439, 441; 89, 97, 98; 93, 227, 228 f; 142, 98,104 ff (für § 28); 149, 25, 28 f; 164, 115, 121 ff; BGHZ 18, 248, 251 f; 22, 234, 239; 31, 321, 328; OLG Nürnberg BB 1970,1193; OLG Düsseldorf NJW 1963, 545; zust. Baumbach/Duden/Hopt § 25 Anm. 1 C b; Staub/Hüffer § 25 Rdn. 39 ff.; Börner S. 50 f; Gerlach S. 47. 53 S. schon o. Rdn. 13. 5« Grdl. BGH LM Nr. 18 zu § 25 HGB = NJW 1984,1186; LM Nr. 75 zu § 249 (A) BGB = NJW 1986, 581; LM Nr. 69 zu § 631 BGB = NJW-RR 1990, 417 = WM 1990, 852; BayObLGZ 1987, 449 = NJW-RR 1988, 869 = DB 1988, 318; OLG Oldenburg WM 1985, 1415, 1417; ebenso schon RGZ 169, 133, 137; OLG Frankfurt NJW 1980, 1397. 52
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55 BGH LM Nr. 69 zu § 631 BGB = NJW-RR 1990, 417 = WM 1990, 852; LM Nr. 23 zu § 35 HGB = WM 1992, 55 = NJW 1992, 911; dazu K. Schmidt ZGR 1992, 621. 56 Kritisch auch Canaris S. 186 f.; Heckelmann S. 145 ff; E. Nickel NJW 1981, 102 f; Schricker S. 151; Schlegelberger/Hildebrandt § 25 Rdn. 6 Abs. 2; Staub/Hüffer § 25 Rdn. 115 ff; Straube/ Schuhmacher § 25 Rdn. 6; zust. aber K. Schmidt § 8 II lb (S. 214 f); ders. NJW 1984, 1187 und ZGR 1992, 621. 57 Analog § 123 Abs. 2 BGB; ebenso früher RGZ 149, 25,28 f; 164, 115, 121 ff. 58 RG HRR 1930 Nr. 35; OLG Stuttgart BB 1987, 2184. 59 Vgl. für die sog. Innenpacht RGZ 143,368,370 f; BGH LM Nr. 17 zu § 25 HGB = NJW 1982, 1647; OLG Stuttgart BB 1987, 2184.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§25
in eine Gesellschaft einbringt oder stillegt 60 . Der Erwerber muß vielmehr wenigstens für eine beschränkte Zeit das Geschäft tatsächlich unter der bisherigen Firma fortgeführt haben 61 . Damit ist freilich selbst eine erhebliche Reduzierung des Geschäftsumfangs vereinbar, sofern nur das Geschäft in seinem Kern weiterbetrieben wird 62 . 2. Annahme einer neuen Firma Unklar ist die Rechtslage, wenn der Erwerber die alte Firma löschen läßt und statt des- 21 sen eine neue Firma annimmt, die indessen den Eindruck einer Fortführung der alten Firma erwecken kann. Von offenkundigen Umgehungsfällen abgesehen, ist in derartigen Fällen für die Anwendung des § 25 wohl kein Raum, es sei denn, die alte Firma werde, etwa mit dem Zusatz „vormals", der neuen Firma hinzugefügt 63 . Außerdem bleibt stets § 15 zu beachten, da die Änderung der Firma eine einzutragende Tatsache ist64.
VII. Firmenkontinuität 1. Grundsatz Die Haftung des Erwerbers für die in dem Geschäft begründeten Verbindlichkeiten 2 2 setzt neben der Fortführung des Geschäfts als zweites voraus, daß das Geschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines sog. Nachfolgezusatzes fortgeführt wird. Zu der Unternehmenskontinuität muß mithin als äußeres Anzeichen für diese die Firmenkontinuität hinzutreten 65 . Dafür genügt es, wenn der Erwerber die Firma des Veräußerers im unmittelbaren Anschluß an den Erwerbsvorgang, etwa im Wege der Firmenänderung annimmt, sofern nur der Verkehr den ganzen Vorgang noch als Einheit wertet 66 . § 25 Abs. 1 knüpft erkennbar an die §§ 22 und 24 an; mit Rücksicht auf den anderen 2 2 a Zweck des § 25 bestehen gleichwohl Unterschiede. Insbesondere kommt es anders als bei § 22 für die Anwendung des § 25 Abs. 1 nicht darauf an, ob der Veräußerer in die Fortführung der Firma eingewilligt hat 67 . Ebensowenig spielt es eine Rolle, ob der Veräußerer die Firma überhaupt führen durfte; vielmehr genügt es, daß es sich um ein Handelsgeschäft handelt und daß die von dem Veräußerer dafür verwandte Bezeichnung eine Firma sein kann, mag sie mit den §§ 18 ff vereinbar sein oder nicht 68 . 2. Änderung der Firma a) Fortführung der Firma bedeutet, daß der Erwerber die alte Firma grundsätzlich 2 3 unverändert weiterführt und nicht eine neue Firma annimmt. Unerheblich sind freilich die 60
Grdl. RGZ 73, 71, 72; 143, 368, 370 ff; RG HRR 1930 Nr. 35; LZ 1913, Sp. 538 Nr. 2; DJZ 1913, Sp. 466, 467; s. aber BGH LM Nr. 18 zu § 25 HGB = NJW 1984, 1186. 61 Z.B. O G H SZ Bd. 23 (1950) Nr. 209, S. 478, 481; GesRZ 1991,218,219. « O L G Bremen NJW-RR 1989, 423. 63 Im einzelnen str.; vgl. RG DJZ 1915, Sp. 1029; BGH LM Nr. 17 zu § 25 HGB = NJW 1982, 1647; LM Nr. 18 zu § 25 HGB = NJW 1984, 1186; WM 1964, 296, 297; Staub/H Uff er § 25 Rdn. 45.
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§ 31; s. z.B. Schlegelberger/Hildebrandt § 25 Rdn. 7 Abs. 2. " Weiter nur K. Schmidt § 8 II 1 (S. 212 ff). « O G H GesRZ 1991, 218, 219. 67 Staub/H Uffer § 25 Rdn. 46; Schlegelberger/ Hildebrandt § 25 Rdn. 7. " V g l . z.B. RGZ 113, 306, 308 f; RG HRR 1930 Nr. 35; BGHZ 22, 234, 237; BGH LM Nr. 1 zu § 25 H G B = BB 1953, 1025.
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Hinzufügung eines Nachfolgezusatzes sowie alle sonstigen Firmenänderungen, die nach den §§ 22 und 24 zulässig oder gar geboten sind. Außerdem muß die Bezeichnung im Verkehr gerade firmenmäßig verwandt werden 69 . 24
b) Auf eine wort- oder buchstabengetreue Gleichheit der beiden Firmen kommt es nicht an; unwesentliche Änderungen spielen keine Rolle. Uberhaupt ist jeder die Verkehrsauffassung außer acht lassende Formalismus zu vermeiden, so daß namentlich die Hinzufügung oder Fortlassung von Gesellschaftszusätzen i.d.R. unerheblich ist. Dasselbe gilt für die Abkürzung oder Weglassung von Vornamen. Aber der Firmenkern, d.h. der Familienname des Kaufmanns oder der persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 18 und 19), muß grundsätzlich beibehalten werden. Von einer Fortführung der Firma kann infolgedessen grundsätzlich keine Rede mehr sein, wenn der Familienname des bisherigen Inhabers gestrichen und nur einzelne Firmenzusätze beibehalten werden. In Zweifelsfällen entscheidet die Verkehrsauffassung, ob noch eine Identität der beiden Firmen angenommen werden kann 70 .
VIII. Haftung des Erwerbers nach § 25 Abs. 1 S. 1 1. Überblick 25
Unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 1 haftet der Erwerber des Handelsgeschäfts für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die Haftung des Veräußerers, des früheren Inhabers, bleibt davon unberührt; jedoch läuft zu seinen Gunsten eine besondere Verjährungsfrist (§ 26)71. Zugleich gelten den Schuldnern gegenüber unter zusätzlichen Voraussetzungen die in dem Betrieb begründeten Forderungen als auf den Erwerber übergegangen.
25a
Hatte ein Gläubiger gegen den Veräußerer bereits einen Titel erwirkt, so kann dieser nicht nach § 727 Z P O auf den Erwerber umgeschrieben werden, da es sich infolge der Forthaftung des Veräußerers nicht um einen Fall der Rechtsnachfolge handelt; es kommt vielmehr lediglich eine Titelerweiterung nach § 729 Abs. 2 Z P O in Betracht 72 .
25b
Von dem Ubergang der Schulden und Forderungen muß der Vertragsübergang, d.h. der Eintritt des Erwerbers neben oder anstelle des Veräußerers in bestehende Vertragsverhältnisse unterschieden werden. Solcher Vertragsübergang ist vom Gesetz bisher nur in bestimmten Fällen angeordnet worden 73 . Ob, etwa in Analogie zu den genannten Bestimmungen, auch in anderen Fällen ein Vertragsübergang kraft Gesetzes angenommen werden kann, ist noch offen 74 .
69
BGH LM Nr. 20 zu § 25 HGB = NJW 1987, 1633 m. Anm. K. Schmidt. 70 Vgl. RGZ 113, 306, 308 f.; 131, 27, 29; 133, 318, 325 f; 135, 104, 106; 145, 274, 278 f; RAG HRR 1933 Nr. 1665; BGHZ 18, 248, 250; BGH LM Nr. 1 zu § 22 HGB = NJW 1959, 1081; LM Nr. 1 zu § 25 HGB = BB 1953, 1025; LM Nr. 75 zu § 249 (A) BGB = NJW 1986, 581 = WM 1985, 1475; NJW 1982, 577; 1983, 2448, 2449; 1992, 511 = WM 1992, 55, 56 f; O G H GesRZ 1982, 321, 322 = HS 12.059; BAGE 2, 127; OLG Bremen NJW 1963, 111; NJW-RR 1989, 423;
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O L G Saarbrücken BB 1964, 1196; O L G Stuttgart BB 1969 Beil. 10 S. 16; NJW-RR 1989, 424; OLG Oldenburg WM 1985, 1415, 1417; OLG Köln NJW-RR 1994, 725 = WM 1994,606. 71 Vgl. auch für Steuerschulden § 75 AO. 72 BGH WM 1974, 395 = Rpfl. 1974, 260; K. Schmidt § 8 I 7 (S. 211 f). 73 S. insbes. die §§ 571 und 613a BGB sowie die §§69 und 151 Abs. 2 VVG; für Österreich s. Straube/Schuhmacher § 25 Rdn. 26 ff. 74 S. eingehend K. Schmidt § 8 I 4c (S. 204 ff).
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
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2. Geschäftsverbindlichkeiten a) Begriff. D e r E r w e r b e r haftet nach § 25 Abs. 1 S. 1 n e b e n d e m Veräußerer als G e s a m t s c h u l d n e r (u. R d n . 30 f) f ü r alle im Betrieb des G e s c h ä f t s b e g r ü n d e t e n Verbindlichkeiten des f r ü h e r e n Inhabers, so d a ß es sich d e r Sache nach u m einen Fall d e r gesetzlichen k u m u l a t i v e n S c h u l d m i t ü b e r n a h m e (Schuldbeitritt) handelt 7 5 . A u s dieser R e g e l u n g ergibt sich die N o t w e n d i g k e i t , die G e s c h ä f t s v e r b i n d l i c h k e i t e n v o n d e n Privatverbindlichkeiten des Veräußerers a b z u g r e n z e n . D i e Praxis stellt insoweit - t a u t o l o gisch - i.d.R. darauf ab, o b die fragliche Verbindlichkeit mit d e m G e s c h ä f t s b e t r i e b in einem derart engen Z u s a m m e n h a n g steht, d a ß sie als dessen Folge erscheint, w o b e i d e r R e c h t s g r u n d d e r Verbindlichkeit keine Rolle spielt. In allen Zweifelsfällen ist g e m ä ß § 344 v o n d e m Vorliegen einer Geschäftsverbindlichkeit auszugehen 7 6 .
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b) Erwerbskosten. Z u d e n ü b e r g e h e n d e n G e s c h ä f t s v e r b i n d l i c h k e i t e n g e h ö r e n n a m e n t lieh alle Verbindlichkeiten des Veräußerers aus G e s c h ä f t e n , die er seinerseits z u m E r w e r b o d e r z u r B e g r ü n d u n g des später v e r ä u ß e r t e n H a n d e l s g e s c h ä f t s abgeschlossen hatte. Beispiele sind d e r v o n d e m V e r ä u ß e r e r g e s c h u l d e t e K a u f p r e i s f ü r das G e s c h ä f t , D a r l e h e n s s c h u l d e n , die er z u m E r w e r b des G e s c h ä f t s eingegangen war, sonstige Vorb e r e i t u n g s k o s t e n sowie Verbindlichkeiten aus A u s e i n a n d e r s e t z u n g s - o d e r A b f i n d u n g s abreden mit f r ü h e r e n , inzwischen ausgeschiedenen o d e r mit stillen Gesellschaftern 7 7 . Ausgeschlossen v o m U b e r g a n g sind hingegen private Schulden, die der Veräußerer n o c h v o r der späteren B e g r ü n d u n g des Handelsgeschäfts eingegangen war 7 8 .
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c) Zweigniederlassungen. H a n d e l t es sich u m die selbständige V e r ä u ß e r u n g einer H a u p t - o d e r Zweigniederlassung (o. R d n . 17), so gehen auf den E r w e r b e r n u r die gerade in d e m fraglichen Teilbetrieb b e g r ü n d e t e n Verbindlichkeiten über, so daß z.B. d e r E r w e r b e r einer Zweigniederlassung nicht zugleich f ü r die in der H a u p t n i e d e r l a s s u n g b e g r ü n d e t e n Verbindlichkeiten haftet. I m Einzelfall k a n n die A b g r e n z u n g schwierig sein. I m G r u n d e ist sie n u r möglich, w e n n f ü r die verschiedenen Teilbetriebe eine getrennte B u c h h a l t u n g existiert 7 9 .
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d) Beispiele. Beispiele f ü r ü b e r g e h e n d e Verbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten aus Wettbewerbsverboten oder Abgrenzungsvereinbarungen80, Verpflichtungen aus Vertragsstrafen, selbst w e n n sie erst nach G e s c h ä f t s ü b e r g a n g fällig w e r d e n 8 1 , A n s p r ü c h e
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Statt aller BGH WM 1974, 395 = Rpfl. 1974,260; etwas abweichend K. Schmidt ξ 8 I 6 und II 2c (S. 209, 221 f). 76 RGZ 15, 51, 54; 21, 23; 76, 7, 10 f; 143, 154, 156; 154, 334, 336; 164, 115, 118; BGH LM Nr. 1 zu § 25 HGB = BB 1953,1025; NJW 1982, 577, 578; O G H HS 1093; ebenso schon Denkschrift S. 40. 77 RGZ 102, 243, 244 f; 129, 186, 187 f; 154, 334, 335 f; RG JW 1908, 206 f Nr. 27; 1910, 758 Nr. 26; 1912, 1107 Nr. 10; LZ 1907, 500 Nr. 1; 1921, 176 Nr. 5; BGH LM Nr. 3 zu § 25 HGB = BB 1954, 700; LM Nr. 3a zu § 28 HGB = WM 1960,
259; LM Nr. 3 zu § 29 KO = MDR 1956, 86; OLG Königsberg OLGE 41, 195 f. 78 BGH LM Nr. 15 zu § 25 HGB = BB 1979, 1117 = WM 1979, 577. 79 RAGE 17, 321, 323 ff; RGZ 169, 133, 139; RG WarnR 1934 Nr. 13, S. 30; BGH WM 1963, 664, 665; OLG Hamburg HRR 1929 Nr. 1928. 80 RGZ 58, 21, 23; 96, 171, 173; RG SeuffArch Bd. 76 (1921) Nr. 94, S. 152 f. 81 OLG Stuttgart Recht 1918 Nr. 1705.
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von Arbeitnehmern wegen Fürsorgepflichtverletzungen 8 2 , Verbindlichkeiten aus wirksam begründeten Kartellverträgen oder Vertriebsbindungen 8 3 , Vermieteransprüche aus § 5 5 7 B G B 8 4 , weiter Prozeßkostenverbindlichkeiten sowie Schulden aus einer betrieblich begründeten Schuldübernahme 8 5 , alle betrieblich begründeten Steuern, soweit nicht ohnehin § 75 A O eingreift 8 6 , Verbindlichkeiten gegenüber Rechtsanwälten oder Steuerberatern, z.B. wegen der Anfertigung des Jahresabschlusses oder der Steuererklärungen 8 7 , außerdem Schadensersatzansprüche wegen N i c h t e r f ü l l u n g 8 8 , alle D e l i k t s - und B e r e i c h e r u n g s ansprüche gegen den Veräußerer, die ihren G r u n d gerade im Geschäftsbetrieb haben 8 9 , sowie schließlich Verpflichtungen des Veräußerers aus Wechseln und aus Wechselprozessen 9 0 .
3. D u r c h f ü h r u n g der H a f t u n g 30
a) G e s a m t s c h u l d . Bei § 2 5 Abs. 1 handelt es sich u m einen Fall der kumulativen gesetzlichen Schuldmitübernahme 9 1 . Veräußerer und E r w e r b e r sind folglich Gesamtschuldner 9 2 , so daß beide für die erfaßten Geschäftsverbindlichkeiten (o. R d n . 26 ff) im R a h m e n der §§ 422 ff. B G B mit ihrem g e s a m t e n Vermögen einstehen müssen; insbesondere haftet auch der E r w e r b e r - anders als nach § 4 1 9 B G B - nicht etwa nur mit dem ü b e r n o m m e n e n Geschäftsvermögen. D i e Haftung beruht auf G e s e t z und ist von dem Innenverhältnis der Parteien unabhängig 9 3 ; sie besteht selbst dann, wenn der Veräußerer gegenüber dem E r w e r b e r bestimmte Schulden (zu U n r e c h t ) als nicht bestehend bezeichnet hatte 9 4 .
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D i e Verbindlichkeiten treffen den E r w e r b e r in dem Z u s t a n d u n d U m f a n g , in dem sie sich im Augenblick des Geschäftsübergangs befinden. Eine bereits eingetretene Verjährung k o m m t dem E r w e r b e r mithin ebenso zugute wie eine vor Geschäftsübergang v o m Gläubiger dem Veräußerer bewilligte Stundung; auch Verjährungsfristen laufen für ihn weiter. N a c h Geschäftsübergang gilt hingegen § 4 2 5 B G B 9 5 . Folglich muß sich der E r w e r b e r eine vor Geschäftsübergang bereits eingetretene U n t e r b r e c h u n g der Verjährung entgegenhalten lassen 9 6 . Dasselbe gilt für K o n k u r s v o r r e c h t e 9 7 sowie für Aufrechnungsverbote, z.B. nach § 393 B G B 9 8 .
32
b) Insbesondere schwebende Geschäfte. Zusätzliche P r o b l e m e ergeben sich bei schwebenden Geschäften. H i e r ist davon auszugehen, daß nach § 25 auf den E r w e r b e r auch alle noch nicht fälligen, b e t a g t e n u n d bedingten Verbindlichkeiten übergehen, sofern nur ihr Rechtsgrund bereits vor dem Geschäftsübergang gelegt worden ist 9 9 . A u c h
82 83 84 85
86 87 88 89
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RGZ 15, 51, 54. RGZ 76, 7, 10 f; HommelhoffS. 51 ff. BGH NJW 1982, 577, 578. Z.B. K. Schmidt § 8 II 2a (S. 220); Straube/ Schuhmacher § 25 Rdn. 12. OGH SZ Bd. 44 (1971) Nr. 171, S. 641, 644. OGH SZ Bd. 37 (1964) Nr. 106, S. 309, 312. BGH LM Nr. 6 zu § 28 HGB = NJW 1972,1466. Denkschrift S. 40; RGZ 93, 227, 229 f; 154, 334, 336; BGH LM Nr. 1 zu § 25 HGB = BB 1953, 1025. RGZ 143, 154, 156; zur Rechtslage bei betagten und bedingten Forderungen sowie bei Dauerschuldverhältnissen s. noch u. Rdn. 33.
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Statt aller BGH WM 1974,395 = Rpfl. 1974,260; s. schon o. Rdn. 26. 92 S. BGHZ 42,381,384. 93 BGHZ 38, 44, 46 f. 94 RG Recht 1908, Sp. 713 Nr. 3891. '5 S. im einzelnen RGZ 135, 104, 107 ff; 143, 154, 156 ff; 154, 334, 339; BGH LM Nr. 13 zu § 25 HGB = NJW 1974, 1081; WM 1955, 1053. 96 RGZ 143, 154, 156 ff. 97 BGHZ 34, 293, 299. 98 RGZ 154, 334, 339. " Z . B . BGH NJW-RR 1990, 1251, 1253 = WM 1990, 1573, 1576. 91
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wenn die Fälligkeit der Verbindlichkeiten erst später eintritt, haftet der Erwerber folglich dafür 1 0 0 . Lediglich bei D a u e r s c h u l d v e r h ä l t n i s s e n wird die H a f t u n g des Erwerbers begrenzt. N a c h einer verbreiteten Meinung beschränkt sie sich bei nach Geschäftsübergang fällig gewordenen Verbindlichkeiten auf diejenigen, für die er auch die Gegenleistung erhalten hat 1 0 1 . Außerdem haftet der Erwerber für sämtliche vor Geschäftsübergang fällig gewordenen Verbindlichkeiten. N e b e n dem Erwerber haftet der Veräußerer im Rahmen des § 26 für Verbindlichkeiten fort, die erst nachträglich aus bei Geschäftsübergang schwebenden Geschäften entstehen 1 0 2 . U b e r h a u p t genügt es stets, daß die Verbindlichkeit bei Geschäftsübergang erst begründet war, während es keine Rolle spielt, wann die Fälligkeit eintritt 1 0 3 . Erlangt der Erwerber nach Geschäftsübergang aus persönlichen Gründen eine Schuldbefreiung, so k o m m t diese nach den §§ 422 ff B G B dem Veräußerer grundsätzlich nicht mehr zugute 1 0 4 . Ein Schuldanerkenntnis des Erwerbers ändert jetzt seine Verbindlichkeit gleichfalls nicht mehr und kann insbesondere nicht die zu seinen Gunsten laufende Verjährung unterbrechen 1 0 5 .
33
4. § 15 HGB F ü r die genaue zeitliche A b g r e n z u n g der H a f t u n g zwischen Veräußerer und Erwerber ist außerdem § 15 zu beachten, da der Inhaberwechsel nach § 31 eine ins Handelsregister einzutragende Tatsache ist. Folglich haftet der Veräußerer für v o m Erwerber unter der Firma des Geschäfts begründete Verbindlichkeiten, solange der Inhaberwechsel nicht eingetragen und bekanntgemacht ist; umgekehrt gilt dasselbe für den Erwerber hinsichtlich noch v o m Veräußerer (zu Unrecht) unter der Firma begründete Verbindlichkeiten 1 0 6 .
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5. Innenverhältnis § 25 betrifft nur das Außenverhältnis des Erwerbers zu den Gläubigern. E r besagt hingegen nichts über die Frage, wen im Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber die fraglichen Verbindlichkeiten letztlich treffen. Diese Frage richtet sich allein nach den Abreden der Parteien. Hatte der Erwerber die Schulden nicht übernommen, so hat er einen Befreiungsanspruch und nach Inanspruchnahme durch die Gläubiger des Veräußerers einen Rückgriffsanspruch gegen den Veräußerer 1 0 7 .
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IX. Übergang der Forderungen 1. Überblick Unter den Voraussetzungen des § 25 A b s . 1 S. 1 gelten die in dem Betrieb begründeten Forderungen den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma eingewilligt haben (§ 25
10° B G H (Fn. 99); WM 1955, 1053. B G H N J W - R R 1990, 1251, 1253 = WM 1990, 1573, 1576. 102 B G H L M Nr. 13 zu § 25 H G B = N J W 1974, 1081. S.u. § 26 Rdn. 8 f. IM B G H WM 1955, 1053. i° 5 O L G Hamburg H a n s R G Z 1934 B, Sp. 63 f; vgl.
auch für die Forthaftung eines Bürgen R G JW 1911, 158 Nr. 20. 1°' O L G Frankfurt O L G Z 1973,20,24; K. Schmidt
§ 8 II 2e (S 222 f.); Staub/Hüffer
§ 25 Rdn. 63;
vgl. auch noch B G H L M Nr. 14 zu § 25 H G B = N J W 1979, 42.
107 § 426 BGB; Hommelhoff S. 57; B. Grunewald Z G R 1981, 622.
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A b s . 1 S. 2). Z w e c k dieser Vorschrift ist in erster Linie der Schutz der Schuldner, die sich darauf verlassen k ö n n e n müssen, daß sie eine unter einer Firma begründete Forderung durch Leistung an den jeweiligen Inhaber der F i r m a erfüllen k ö n n e n 1 0 8 . D e m e n t s p r e c h e n d hat das G e s e t z den U b e r g a n g der Forderungen auf den E r w e r b e r unabhängig von dem Innenverhältnis der Parteien auch allein für das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien und den Schuldnern, nicht hingegen im Verhältnis zu Dritten angeordnet. Folglich gilt der Veräußerer im Verhältnis zu seinen Gläubigern weiterhin als Inhaber der fraglichen Forderungen, so daß diese die Forderungen t r o t z Veräußerung des Geschäfts immer noch bei ihm pfänden k ö n n e n 1 0 9 . 36a
I m Schrifttum ist umstritten, o b es sich bei § 25 Abs. 1 S. 2 u m einen Fall des gesetzlichen Forderungsübergangs oder u m eine gesetzliche Vermutung handelt, w o b e i außerdem umstritten ist, o b diese widerlegbar oder unwiderlegbar ist 1 1 0 . D i e praktische Bedeutung der K o n t r o v e r s e ist gering. Deshalb genügt hier die B e m e r k u n g , daß die gesetzliche Regelung auf jeden Fall einen V e r m u t u n g s t a t b e s t a n d zugunsten des Erwerbers in Verbindung mit einem V e r t r a u e n s t a t b e s t a n d enthält, durch den der Schuldner geschützt werden soll 1 1 1 . D i e A n n a h m e eines gesetzlichen Forderungsübcrganj;s ist im übrigen mit der b l o ß relativen Wirkung des § 25 Abs. 1 S. 2 (u. R d n . 4 0 ) nur schwer zu vereinbaren.
2. Einwilligung 37
D e r (relative) Forderungsübergang auf den E r w e r b e r setzt neben der Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 5 A b s . 1 S. 1 eine Einwilligung des bisherigen Inhabers oder seiner E r b e n in die F o r t f ü h r u n g der Firma voraus. § 2 5 Abs. 1 S. 2 entspricht insoweit dem § 22 Abs. 1, so daß wegen der Einzelheiten auf die Erläuterungen zu § 22 verwiesen werden kann 1 1 2 . Ein Unterschied besteht lediglich insoweit, als die Einwilligung hier nicht ausdrücklich erklärt zu werden braucht 1 1 3 .
3. E r f a ß t e F o r d e r u n g e n 38
a) N u r G e s c h ä f t s f o r d e r u n g e n . Von dem Forderungsübergang werden grundsätzlich alle in dem Geschäftsbetrieb begründeten Forderungen des bisherigen Inhabers erfaßt. F ü r die A b g r e n z u n g von den Privatforderungen des bisherigen Inhabers gelten dieselben Grundsätze wie für die A b g r e n z u n g zwischen den Geschäfts- und Privatverbindlichkeiten des Veräußerers 1 1 4 , w o b e i in allen Zweifelsfällen g e m ä ß § 344 von dem Vorliegen einer Geschäftsforderung auszugehen ist 1 1 5 . Beispiele sind Ansprüche des Veräußerers aus W e t t b e w e r b s v e r b o t e n 1 1 6 , aus Vertragsstrafenabreden 1 1 7 sowie Deliktsansprüche, sofern sie aus unerlaubten Handlungen gegen den Geschäftsbetrieb und nicht gegen den bisherigen Inhaber persönlich herrühren 1 1 8 .
Vgl. B. Börner S. 40 ff; K. Schmidt § 8 I 4b (S. 203). Ό' Staub/Hüffer § 25 Rdn. 68; vgl. auch BGH LM Nr. 14 zu § 25 HGB = NJW 1979, 42, wo sich der BGH freilich auf § 15 stützt. S. m. Nachw. BGH LM Nr. 24 zu § 25 HGB = WM 1992, 736, 737 f = NJW-RR 1992, 866. 111 K. Schmidt § 8 I 4b und II 2d (S. 203, 222 f). 112 S.o. § 2 2 Rdn. 11 ff. 113 Wegen des Nachweises der Einwilligung durch die Eintragung ins Handelsregister s. Staub/
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Hüffer § 25 Rdn. 69; Schlegelberger/Hildebrandt § 25 Rdn. 13, beide unter Hinweis auf RGZ 66, 415, 417. S. deshalb im einzelnen o. Rdn. 25 ff. RGZ 72, 434, 436; 96, 171, 173; RG JW 1937, 303. RGZ (Fn. 115); RG WarnR 1914 Nr. 206, S. 290 f. RGZ 72, 434, 437. R G J W 1937, 303.
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b) Abtretbarkeit. Vorausgesetzt ist bei § 25 Abs. 1 S. 2 immer, daß die fragliche 3 9 Forderung überhaupt abtretbar ist (s. § 399 BGB). § 25 Abs. 1 S. 2 paßt außerdem nur, wenn die Forderung formlos nach den §§ 398 und 413 BGB durch bloßen Zessionsvertrag abgetreten werden kann. Die Vorschrift ist hingegen unanwendbar auf sämtliche nicht oder nur mit Zustimmung des Schuldners abtretbaren Forderungen sowie auf solche Forderungen, für deren Abtretung durch Gesetz eine bestimmte Form vorgeschrieben ist. § 25 Abs. 1 S. 2 gilt daher insbesondere nicht für Hypothekenforderungen wegen § 1154 BGB 119 sowie für Rechte aus einem Mietvertrag wegen § 549 BGB. Der Eintritt des Erwerbers in Mietverträge des Veräußerers setzt folglich die Mitwirkung des Vermieters voraus.
4. Wirkungen a) Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt (o. Rdn. 36 - 39), so gilt fortan der 4 0 Erwerber im Verhältnis zum Schuldner bis zum Beweis des Gegenteils (o. Rdn. 36a) als alleiniger Gläubiger, und zwar ohne Rücksicht auf die Abreden der Parteien im Innenverhältnis, so daß jetzt nur noch der Erwerber zur Geltendmachung der Forderungen berechtigt ist 120 . Daher kann der Schuldner fortan allein unter den Voraussetzungen des § 407 BGB mit befreiender Wirkung an den Veräußerer leisten, wobei jedoch § 15 Abs. 2 zu beachten ist. Anders verhält es sich nur unter den engen Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 121 . Die Folge ist, daß der Veräußerer vom Schuldner unter Berufung auf eine Ausschlußvereinbarung mit dem Erwerber grundsätzlich nur noch Zahlung verlangen kann, wenn ausnahmsweise die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 2 erfüllt sind; fehlt es hieran, so kann der Schuldner ohne Rücksicht auf das Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber jede Leistung an den Veräußerer ablehnen 122 . Probleme ergeben sich hieraus insbesondere, wenn der Schuldner positiv weiß, daß es 41 im Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber nicht zu einer Forderungsabtretung gekommen ist. Nach einer Meinung ist der Schuldner dann nicht mehr schutzwürdig, so daß er jetzt nur noch an den Veräußerer mit befreiender Wirkung zahlen kann 123 . Nach anderen gilt dies nur im Falle eines Mißbrauchs 124 . Die Folge wäre, daß sich der Schuldner, solange er nicht geradezu mißbräuchlich handelt, trotz positiver Kenntnis von der fehlenden Abtretung der Forderung immer noch auf § 25 Abs. 1 S. 2 berufen und an den Erwerber zahlen könnte ,25 . Sicher ist nur, daß sich der Schuldner statt dessen auch auf die wirkliche Rechtslage berufen und an den Veräußerer zahlen kann 126 . Die Streitfrage läßt sich nur vom Schutzzweck des § 25 Abs. 1 S. 2 her beantworten 4 1 3 (o. Rdn. 36): Da der Schuldner im Falle positiver Kenntnis von der fehlenden Forderungsabtretung im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber grundsätzlich nicht mehr schutzwürdig ist, dürfte in diesem Fall i.d.R. tatsächlich kein Raum mehr für
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RG JR 1927 Nr. 1541 für Rechte aus einem Agenturvertrag; B G H LM Nr. 24 zu § 25 H G B = WM 1992, 736, 737 = NJW-RR 1992, 866; KGJ 26 A 135, 137 für den gesamten Grundstücksverkehr; KG JR 1926 Nr. 1263 für Grundschulden. RG Recht 1914 Nr. 30, 31; H RR 1929 Nr. 320. S. dazu im einzelnen u. Rdn. 43 ff.
122
Grdl. B G H WM 1992, 736 = NJW-RR 1992, 866; wesentlich großzügiger hingegen O G H SZ Bd. 45 (1972) Nr. 30, S. 128, 133. 123 K. Schmidt § 8 II 2d (S. 222); offengelassen in B G H WM 1992, 736, 738 = NJW-RR 1992, 866. i « O G H SZ Bd. 45 (1972) N r . 30, S. 128, 132. 125 So in der Tat RG H R R 1929 N r . 320; Staub/Hüffer § 25 Rdn. 69. 126 Baumbach/Duden/Hopt § 25 Anm. 4 A.
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die Anwendung des § 25 Abs. 1 S. 2 sein. Voraussetzung ist freilich, daß dem Schuldner der Nachweis der fehlenden Abtretung auf Klage des Erwerbers hin jederzeit ohne weiteres möglich ist; andernfalls bleibt es bei der zu seinem Schutz bestimmten gesetzlichen Regelung des § 25 Abs. 1 S. 2. 5. Kein Vertragsübergang 42
Da § 25 Abs. 1 S. 2 lediglich zum Schutze des Schuldners einen relativen Forderungsübergang anordnet, kann aus ihm nicht mit Rücksicht auf den gleichzeitigen Ubergang der Verbindlichkeiten (§ 25 Abs. 1 S. 1) ein Ubergang des gesamten Schuld- oder Vertragsverhältnisses auf den Erwerber gefolgert werden. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung wie z.B. in den §§ 569a, 571 und 613a BGB ist solcher Vertragsübergang vielmehr nur durch ein vertragliches Zusammenwirken aller drei Beteiligten möglich 127 .
X. Abweichende Vereinbarungen (§ 25 Abs. 2) Schrifttum Baumbach/Duden/Hopt
25 Anm. 2; Düringer/Hachenburg § 25 Anm. 26;
Ehrenberg/Pisko S. 258 ff; Gerlach S. 39 ff; Staub/Hüffer % 25 Rdn. 96 ff; A. Hueck Z H R 108 (1941), 1, 5 ff; Nitsche Ö Z W 1976, 40; Säcker Z G R 1973, 261; Schlegelberger/Hildebrandt % 25 Rdn. 17 ff; K. Schmidt § 8 I 5 und II 3 (S. 208, 223 f); Straube/Schuhmacher § 25 Rdn. 13 ff.
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Wie sich aus § 25 Abs. 2 ergibt, ist der ganze § 25 Abs. 1 dispositiv. Die Parteien können folglich sowohl den Ubergang der Verbindlichkeiten als auch den der Forderungen auf den Erwerber durch eine besondere Vereinbarung ausschließen. Voraussetzung ist aber, daß zu der Ausschlußvereinbarung der Parteien eine besondere Kundmachung hinzukommt. Die Vereinbarung muß dazu nach § 25 Abs. 2 entweder im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht werden oder von einer der Vertragsparteien dem betroffenen Dritten mitgeteilt werden. 1. Vereinbarung
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a) Notwendigkeit. Unerläßlich ist zunächst eine sog. Ausschlußvereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber, die zwar der Geschäftsveräußerung nachfolgen kann, jedoch spätestens im Augenblick des Geschäftsübergangs vorliegen muß, weil sie nachträglich keine Wirkungen mehr zu entfalten vermag 128 . Fehlt es an solcher Vereinbarung oder ist sie unwirksam, so bleibt es bei den Rechtsfolgen des § 25 Abs. I 129 . Der Erwerber ist dann nicht in der Lage, etwa durch einseitige Mitteilung gegenüber den Geschäftsgläubigern den Ubergang der Verbindlichkeiten abzulehnen; vielmehr setzt auch die in § 25 Abs. 2 erwähnte Mitteilung des Erwerbers (als besondere Form der immer zusätzlich erforderlichen Kundmachung) eine entsprechende Vereinbarung der Parteien voraus 130 .
127
A.A. insbes. K. Schmidt § 8 I 4c (S. 204 ff); ders. ZHR 145, 2, 26 f; B. Börner S. 44 ff; dagegen z.B. Staub/Hüffer § 25 Rdn. 95. 128 A Hueck ZHR 108, 1, 5. 129 Anders für die Sonderfälle, in denen § 25 Abs. 1
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schon aufgrund des bloßen Rechtsscheins einer Geschäftsveräußerung angenommen (s. oben Rdn. 18) wird, K. Schmidt § 8 II 3a (S. 223) (problematisch). i 30 KG DR 1940, 2007, 2008.
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b) Umfang. Hinsichtlich des Umfangs der Ausschlußvereinbarung besteht im 4 5 Innenverhältnis Vertragsfreiheit. Die Parteien können sich z.B. darauf beschränken, den Ubergang der Geschäftsverbindlichkeiten nur partiell auszuschließen, etwa lediglich bestimmte Verbindlichkeiten vom Ubergang auszunehmen; statt dessen können sie auch Höchstbeträge vorsehen, bis zu dem jede einzelne oder alle Verbindlichkeiten zusammen auf den Erwerber übergehen sollen. Sie können außerdem eine Gläubigerliste aufstellen und nur die darin aufgenommenen Verbindlichkeiten übergehen lassen, während alle anderen Verbindlichkeiten vom Ubergang ausgeschlossen werden 131 .
2. Kundmachung Die Ausschlußvereinbarung allein genügt nicht für die Unanwendbarkeit des § 25 4 6 Abs. 1; zum Schutze des Geschäftsverkehrs muß vielmehr noch eine besondere Kundmachung der Vereinbarung durch Eintragung im Handelsregister und Bekanntmachung oder durch besondere Mitteilung der Vereinbarung seitens des Erwerbers oder des Veräußerers hinzukommen. In der Praxis sind infolgedessen Ausschlußvereinbarungen offenbar ausgesprochen selten132. a) Zeitpunkt. Da der Ubergang der Verbindlichkeiten und Forderungen schon kraft 4 7 Gesetzes im Augenblick des Geschäftsübergangs eintritt, muß die Kundmachung des Ausschlusses unverzüglich auf den Geschäftsübergang folgen. Es ist zwar nicht erforderlich, daß die Kundmachung schon im Augenblick des Geschäftsübergangs vorliegt 133 ; die Parteien müssen aber alle nur erdenkliche Sorgfalt aufwenden, damit die Kundmachung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern dem Geschäftsübergang nachfolgen kann. Uberschreiten sie diesen engen zeitlichen Rahmen, indem sie mehrere Wochen mit der Kundmachung zuwarten, so bleibt es bei der Rechtsfolge des § 25 Abs. 1; die Ausschlußvereinbarung ist dann im Außenverhältnis unwirksam, wobei es keine Rolle spielt, ob die Parteien an der Verzögerung ein Verschulden trifft oder nicht 134 . Das Gesagte (o. Rdn. 47) gilt unstreitig für den Ausschluß der Haftung nach § 25 Abs. 1 S. 1, während für den Forderungsübergang nach § 25 Abs. 1 S. 2 die Frage umstritten ist. Insoweit findet sich auch die Meinung, daß es mit Rücksicht auf den Zweck der gesetzlichen Regelung (o. Rdn. 36) vollauf ausreiche, wenn die Kundmachung noch vor der Leistung des Schuldners erfolgt 135 . Diese Meinung hat indessen nicht die Billigung des BGH gefunden 136 .
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Enger zu Unrecht Staub/Hüffer § 25 Rdn. 96; Schlegelberger/Hildebrandt § 25 Rdn. 18 in folge einer Verwechslung von Innen- und Außenverhältnis (s.u. Rdn. 50). 132 S. Gerlach S. 39 f; Sacker S. 266 f m. Zahlen. 133 So eine früher verbreitete Meinung. 134 RGZ 75, 139, 140 ff; 142, 98, 106; RG HoldheimsMSchr. 1903, 245; JW 1904, 8 Nr. 9; 1911, 660 f Nr. 40; Recht 1908, Sp. 713 Nr. 3890; 1931 Nr. 832; BGHZ 29,1,4 ff; BGH LM Nr. 18 zu § 25 HGB = NJW 1984, 1186, 1187;
LM Nr. 24 zu § 26 HGB = WM 1992, 736, 738 = NJW-RR 1992, 866; O G H SZ Bd. 45 (1972) Nr. 30, S. 128, 132; BayObLG WM 1984, 1533; KG DR 1941, 1537; O L G Frankfurt OLGZ 1978, 30, 31 f; OLG Hamm OLGZ 1994, 282, 285 f. 135 OLG München DB 1992, 518; O G H SZ Bd. 45 (1972) Nr. 30, S. 128, 133; Straube/Schuhmacher § 25 Rdn. 22. 136 LM Nr. 24 zu § 25 H G B = WM 1992, 736, 738.
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b ) P r ü f u n g s p f l i c h t des R e g i s t e r g e r i c h t s ? Wird die A u s s c h l u ß v e r e i n b a r u n g z u r Eintragung ins Handelsregister angemeldet, wobei bei selbständiger Veräußerung einer Zweigniederlassung § 15 Abs. 4 analog gilt 1 3 7 , so hat das Registergericht grundsätzlich nicht zu prüfen, o b die Ausschlußvereinbarung zivilrechtlich wirksam ist oder nicht 1 3 8 . Ergibt sich jedoch ohne weiteres die Unwirksamkeit der Vereinbarung gegenüber Dritten, z.B. infolge Fristüberschreitung (o. Rdn. 47), so kann das Registergericht die Eintragung ablehnen, weil das Handelsregister nicht zur Verlautbarung zivilrechtlich eindeutig unwirksamer Vereinbarungen bestimmt ist 1 3 9 . Im Falle der Unternehmenspacht hat die Eintragung allein beim Pächter, nicht hingegen beim Verpächter zu erfolgen 1 4 0 .
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c) G e g e n s t a n d . D i e K u n d m a c h u n g muß der Wahrheit entsprechen 1 4 1 . Sie darf außerdem nicht allein bloße Pläne oder Absichten der Parteien betreffen, sondern muß sich auf eine tatsächlich schon g e t r o f f e n e Vereinbarung beziehen 1 4 2 . Wird die Ausschlußvereinbarung jedoch vor G r ü n d u n g einer A G mit der Vorgesellschaft getroffen, so wirkt sie auch für die zukünftige A G und kann deshalb schon von der Vorgesellschaft kundgemacht werden 1 4 3 .
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d ) B e s t i m m t h e i t . D i e K u n d m a c h u n g muß so bestimmt und eindeutig sein, daß aus ihr, notfalls in Verbindung mit den übrigen Registerakten, der betroffene Gläubiger (oder Schuldner) ohne weiteres zu erkennen vermag, o b sich die Ausschlußvereinbarung auf seine Forderung (oder Schuld) bezieht. Hieran fehlt es z.B., wenn der Erwerber global die Forderungen nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag übernehmen will oder wenn in der Ausschlußvereinbarung auf unklare Verträge oder auf ein den Gläubigern nicht bekanntes F o r d e r u n g s v e r z e i c h n i s verwiesen wird. In solchen Fällen ist die Ausschlußvereinbarung zwar im Innenverhältnis der Parteien wirksam (s.o. R d n . 45); sie äußert aber keine Wirkungen im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigern 1 4 4 .
51
e) A n m e l d u n g , M i t t e i l u n g . D i e A n m e l d u n g der Ausschlußvereinbarung z u m Handelsregister muß von Veräußerer und Erwerber gemeinsam vorgenommen werden 1 4 5 . Hingegen kann die besondere M i t t e i l u n g an die Gläubiger oder Schuldner des Geschäfts v o m Erwerber oder v o m Veräußerer allein ausgehen. E s handelt sich dabei u m eine rechtsgeschäftliche Erklärung, für die die allgemeinen Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründe des B G B gelten 1 4 6 . Eine besondere F o r m ist für sie nicht vorgeschrieben 1 4 7 ; jedoch stellt die bloße Erwähnung der Ausschlußvereinbarung in einem gelegentlichen Gespräch keine Mitteilung im Sinne des § 25 A b s . 2 dar 1 4 8 .
RG JW 1907, 679 Nr. 23; OLG Stuttgart HRR 1931 Nr. 768. '3» KGJ 33 A 127, 128 f. " 9 BayObLG WM 1984,1533; KG DR 1941, 1537; OLG Frankfurt OLGZ 1978, 30, 31 f; OLG Hamm OLGZ 1994, 282, 283 f; OLG Wien NZ 1965, 90; Straube/Schuhmacher § 25 Rdn. 16. 140 OGH GesRZ 1985, 146. 14] RG Recht 1908, Sp. 713 Nr. 3890. 142 RGZ 131, 27, 30 f; RG HRR 1932 Nr. 255. 143 RGZ 131, 27, 30 f. 137
326
RG JW 1901, 802 Nr. 11; 1911,660 Nr. 40; insbes. RGZ 152, 75, 78 f. 145 Staub/Hüffer § 25 Rdn. 98; Schlegelberger/ Hildebrandt § 25 Rdn. 18 Abs. 1; anders mit guten Gründen OGH GesRZ 1990, 46, 47: nur Erwerber. >4* O G H SZ Bd. 45 (1972) Nr. 30, S. 128, 132. 147 O G H (Fn. 146). 148 OLG Hamm O L G E 21, 374 f. 144
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§25
3. Rechtsfolgen a) Allgemeines. Liegen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 vor, so gehen die betref- 5 2 fenden Verbindlichkeiten oder Forderungen nicht auf den Erwerber über. Er haftet folglich nicht nach § 25 Abs. 1 den Geschäftsgläubigern und kann von den Geschäftsschuldnern keine Leistungen verlangen. Unberührt bleibt jedoch eine Haftung des Erwerbers aus anderen Rechtsgründen (u. Rdn. 54 ff) sowie die Haftung des Veräußerers; denn beides steht nicht zur Disposition der Parteien ,49 . Im Streitfalle trägt der Erwerber die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 2150. b) Keine Anwendung des § 15. Die Ausschlußvereinbarung kann nur auf dem Wege 5 3 des § 25 Abs. 2 Wirksamkeit gegenüber Dritten erlangen. In anderen Fällen braucht sich der Gläubiger daher einen Ausschluß des Ubergangs der Geschäftsverbindlichkeiten selbst dann nicht entgegenhalten zu lassen, wenn er auf sonstige Weise von ihm Kenntnis erlangt hat 151 . Für die Anwendung des § 15 ist hier kein Raum, weil es sich bei der Ausschlußvereinbarung nicht um eine eintragungspflichtige Tatsache handelt 152 . Die Folge ist freilich, daß sich Dritte, sobald die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 einmal erfüllt sind, anders als u.U. nach § 15 ebenfalls nicht mehr auf ihre fehlende Kenntnis berufen können 153 . Das Gesagte gilt jedenfalls uneingeschränkt für den Haftungsausschluß nach § 25 Abs. 1 S. 1, während hinsichtlich des Forderungsübergangs die Rechtslage umstritten ist154.
XI. Besondere Verpflichtungsgründe (§ 25 Abs. 3) 1. Überblick Nach § 25 Abs. 3 haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts, wenn er die Firma nicht 5 4 fortführt, für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere, wenn er die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise bekannt gemacht hat. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber in erster Linie an die alte Praxis unter dem A D H G B angeknüpft 1 5 5 . Daneben verweist § 25 Abs. 3 - darin liegt heute seine Hauptbedeutung - noch auf die verschiedenen Vorschriften außerhalb des HGB, die ebenfalls zu einer Haftung des Erwerbers führen können; hervorzuheben sind insbes. die §§ 419 und 613a BGB sowie § 75 A O von 1977. Für Osterreich ist diese Rechtslage nochmals durch den 1982 in das Gesetz eingefüg- 5 5 ten Abs. 5 klargestellt worden, nach dem durch § 25 eine durch andere Vorschriften begründete Haftung für die zu einem übernommenen Vermögen oder Unternehmen gehörenden Schulden nicht berührt wird. Das Gesetz nimmt damit in erster Linie Bezug auf den dem 419 BGB entsprechenden § 1409 ABGB sowie auf eine Reihe öffentlichrechtlicher Vorschriften 156 . Das österreichische Recht kennt außerdem ebenso wie das deutsche in einer Reihe von Fällen einen gesetzlichen Übergang ganzer Ver-
149
RG SeuffA. Bd. 76 (1921) Nr. 94, S. 152, 153. O G H GesRZ 1991, 218, 219. 'si RG JW 1903, 401 Nr. 15; RG WarnR 1932 Nr. 13; BGHZ 29, 1, 4f. 152 RG JW 1903, 401 Nr. 15; RGZ 75, 139; O G H GesRZ 1990, 46, 47. 150
153 s. Staub/Hüffer § 25 Rdn. 102; Schlegelberger/ Hildebrandt § 25 Rdn. 20. ' 54 S. dazu im einzelnen o. Rdn. 40 f. m. Nachw. 155 S.o. Rdn. 2 f; Denkschrift S. 40 f. ' 56 S. im einzelnen Straube/Schuhmacher § 25 Rdn. 23 - 25.
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Erstes Buch. Handelsstand
§26
tragsverhältnisse im Falle der Unternehmensveräußerung 1 5 7 . Die Rechtsprechung tendiert zu einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften auch in anderen Fällen der Unternehmensveräußerung 1 5 8 . 2. Insbesondere B e k a n n t m a c h u n g der Passivenübernahme 56
a) Auch ohne Firmenfortführung haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts nach § 25 Abs. 3, wenn er die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise bekannt gemacht hat. Dies ist keine firmenrechtliche Vorschrift, so daß sie gemäß § 4 auch für Minderkaufleute gilt 1 5 9 . Handelsübliche Formen der Bekanntmachung der Passivenübernahme sind z.B. deren Anmeldung zum Handelsregister zwecks Eintragung und Bekanntmachung, Rundschreiben bei allen Gläubigern oder doch bei der überwiegenden Mehrzahl von ihnen, Zeitungsanzeigen sowie die Veröffentlichung einer Ubernahmebilanz, in der die übernommenen Verbindlichkeiten im einzelnen aufgeführt sind 1 6 0 . Hingegen genügen nicht die Bekanntmachung der Übernahme einer Bank durch die Aufsichtsbehörde 1 6 1 sowie die bloße Aufnahme der übernommenen Verbindlichkeiten in die Bilanz ohne deren ausdrückliche Veröffentlichung 1 6 2 . Sollen einzelne Gläubiger von der Übernahme der Verbindlichkeiten ausgeschlossen werden, so muß dies in der Bekanntmachung besonders hervorgehoben werden; oder ihnen muß gleichzeitig mit der Bekanntmachung eine entsprechende Mitteilung zugehen 1 6 3 .
57
b) Unerheblich ist, ob die Bekanntmachung nach den internen Abreden der Parteien zutrifft; sie begründet die Haftung des Erwerbers selbst dann, wenn tatsächlich im Innenverhältis keine Passivenübernahme stattgefunden hat 1 6 4 . Die Bekanntmachung muß aber in jedem Fall von dem Erwerber ausgehen; eine entsprechende Mitteilung des Veräußerers ist wirkungslos 1 6 5 .
§26
(1) Ist der E r w e r b e r des Handelsgeschäfts auf G r u n d der F o r t f ü h r u n g der F i r m a oder auf G r u n d der in § 25 Abs. 3 bezeichneten K u n d m a c h u n g für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten haftbar, so haftet der frühere Geschäftsinhaber für diese Verbindlichkeiten nur, wenn sie vor Ablauf von fünf J a h r e n fällig und daraus Ansprüche gegen ihn gerichtlich geltend gemacht sind; bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten genügt zur Geltendmachung der E r l a ß eines Verwaltungsakts. Die Frist beginnt im Falle des § 25 Abs. 1 mit dem Ende des Tages, an dem der neue Inhaber der F i r m a in das Handelsregister des Gerichts der Hauptniederlassung eingetragen
157
158
159 160
S. im einzelnen Straube/Schuhmacher § 25 Rdn. 26 ff. Insbes. O G H SZ Bd. 22 (1949) Nr. 182, S. 417, 418 f. = JB1.1950, 380; SZ Bd. 24 (1951) Nr. 184, S. 426, 429 = HS 1094. S.o. § 4 Rdn. 18. Vgl. aus der früheren Praxis R G Z 8, 64, 66; 38, 173, 176 f; O L G Köln Recht 1927, S. 500 Nr. 1662; Düringer/Hachenburg § 25 Anm. 30.
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" i B G H W M 1964, 296, 297 f. 1 6 2 R G Z 145, 274, 280 f. 1 6 3 R G Z 38, 173, 177. 1 6 4 R G Z 38, 173, 176 f. 165 Düringer/Hachenburg § 25 Anm. 30; Schlegelberger/Hildebrandt § 25 Rdn. 21.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§26
wird, im Falle des § 25 Abs. 3 mit dem Ende des Tages, an dem die Übernahme kundgemacht wird. Die für die Verjährung geltenden §§ 203, 206, 207, 210, 212 bis 216 und 220 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind entsprechend anzuwenden. (2) Einer gerichtlichen Geltendmachung bedarf es nicht, soweit der frühere Geschäftsinhaber den Anspruch schriftlich anerkannt hat.
§ 26 a.F. (1) Ist der Erwerber des Handelsgeschäfts auf Grund der Fortführung der Firma oder auf Grund der in § 25 Abs. 3 bezeichneten Bekanntmachung für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten haftbar, so verjähren die Ansprüche der Gläubiger gegen den früheren Inhaber mit dem Ablaufe von fünf Jahren, falls nicht nach den allgemeinen Vorschriften die Verjährung schon früher eintritt. (2) Die Verjährung beginnt im Falle des § 25 Abs. 1 mit dem Ende des Tages, an welchem der neue Inhaber der Firma in das Handelsregister des Gerichts der Hauptniederlassung eingetragen worden ist, im Falle des § 25 Abs. 3 mit dem Ende des Tages, an welchem die Kundmachung der Übernahme stattgefunden hat. Konnte der Gläubiger die Leistung erst in einem späteren Zeitpunkte verlangen, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkte. S c h r i f t t u m S. o. bei § 25 sowie Bentier Das Gesellschaftsrecht der Betriebsaufspaltung, 1986; Kapp/Oltmanns/Bezler Dauerschuldverbindlichkeiten bei Betriebsaufspaltung: Enthaftung nach § 26 H G B , B B 1988, 1897; dies. Der Entwurf für ein Nachhaftungsbegrenzungsgesetz - eine halbherzige Lösung, D B 1988, 1937; Kollbach Die Neuregelung der Nachhaftung ausgeschiedener persönlich haftender Gesellschafter, G m b H R 1994, 164; Lieb Z u m E n t w u r f eines Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes, G m b H R 1992, 561; Reichold § 26 H G B - Verjährungs- oder Enthaftungsnorm? Z I P 1988, 551; den. Das neue Nachhaftungsbegrenzungsgesetz, N J W 1994, 1617; Renaud/Th. Marken Haftung für Verbindlichkeiten aus Dauerschuld Verhältnissen bei Betriebsaufspaltung, B B 1988, 1060; dies. Keine Haftung des Unternehmensveräußerers für Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen trotz Firmenfortführung durch die Erwerber? D B 1988, 2 3 5 8 ; K. Schmidt Gesellschaftsrechtliche Grundlagen eines Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes, D B 1 9 9 0 , 2 3 5 7 ; U. Seibert Nachhaftungsbegrenzungsgesetz - Haftungsklarheit für den Mittelstand, D B 1994, 4 6 1 ; P. Ulmer/Timmann Die Enthaftung ausgeschiedener Gesellschafter, Z I P 1992, 1.
Übersicht Rdn.
Rdn. 1. Geschichte
1
c) Unterbrechung der Frist
2. Übergangsregelung
4
d) Keine Anwendbarkeit
3. Anwendungsbereich
8
der §§ 208, 225 B G B
20
8
aa) Anerkenntis
20
bb) Abweichende Vereinbarungen . . . . .
22
a) N u r § 25 Abs. 1 und 3 b) Rechtskräftige Feststellung
10
c) Sonstige Fälle
11
4. Beginn der Ausschlußfrist
6. Rechtsfolgen
19
23
13
a) Erlöschen aller Ansprüche
23
a) § 25 Abs. 1
13
b) Kürzere Verjährungsfristen
25
b) Kundmachung
15
7. Gerichtliche Geltendmachung
c) Fälligkeit
16
5. Entsprechende Anwendbarkeit
26
a) Überblick
26
b) Begriff
27
der Verjährungsvorschriften
17
c) Klagefrist
28
a) Überblick
17
d) Öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten .
29
b) H e m m u n g der Frist
18
e) Rechtsfolgen
30
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329
Erstes Buch. Handelsstand
§26 1. Geschichte 1
Die jetzige Fassung des § 26 H G B beruht auf dem Nachhaftungsbegrenzungsgesetz (NachhBG) vom 28. März 1994, in Kraft getreten am 26. März 1994'. Durch die Reform wurde § 26 dem neuen § 160 angepaßt; zugleich wurde § 28 um einen neuen Abs. 3 erweitert. Die zugehörige Ubergangsvorschrift findet sich in Art. 37 E G H G B .
2
Die Reform wurde nötig, weil der frühere § 26 in Ubereinstimmung mit dem früheren § 159 lediglich eine Verjährungsregelung enthielt, die zumal bei Dauerschuldverhältnissen die Gefahr einer sog. Endloshaftung nach sich zog. Vor allem bei Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen und aus Ruhegeldzusagen hatte sich diese Gefahr auch tatsächlich in den letzten Jahren immer wieder verwirklicht, ohne daß die Rechtsprechung bereit gewesen wäre, hier durch Einführung einer besonderen Enthaftungsregelung zugunsten des früheren Inhabers für Abhilfe zu sorgen. 2 Gleichwohl war noch in dem Regierungsentwurf des NachhBG von 1991 auf eine Änderung der §§ 26 und 28 in Parallele zu der geplanten Änderung der §§ 159 und 160 verzichtet worden, weil man die Frage nicht als vordringlich ansah. 3
3
Diese Enthaltsamkeit des Gesetzgebers war im Schrifttum auf verbreitete Kritik gestoßen. 4 Der Rechtsausschuß entschloß sich deshalb, auch die überfällige Änderung der §§ 26 und 28 in die Reform miteinzubeziehen. 5 In Übereinstimmung mit § 160 sieht deshalb § 26 jetzt anstelle der bisherigen bloßen Verjährungsregelung eine generelle Enthaftung des früheren Geschäftsinhabers nach Ablauf einer Ausschlußfrist von fünf Jahren ohne Rücksicht darauf vor, ob die fragliche Forderung noch vor Ablauf der Frist fällig geworden ist oder nicht, sofern nicht die Forderung bis dahin gerichtlich geltend gemacht worden ist. Dadurch soll vor allem die andernfalls namentlich bei Dauerschuldverhältnissen drohende Endloshaftung des früheren Geschäftsinhabers vermieden werden. 2. Ubergangsregelung
4
a) Das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz von 1994 greift in bestehende Gläubigerpositionen ein, indem es die Forthaftung des bisherigen Geschäftsinhabers gegenüber dem früherem Rechtsbestand (§ 26 a.F.) zum Teil erheblich einschränkt. Das Gesetz mußte deshalb durch eine komplizierte Ubergangsregelung Sorge dafür tragen, daß nicht unnötig schon begründete Gläubigerpositionen geschmälert werden. Die Einzelheiten finden sich in dem nur schwer verständlichen Art. 37 EGHGB, der den Übergangsvorschriften für den neuen § 160 H G B nachgebildet ist, so daß wegen der Einzelheiten auf die Erläuterungen zu den Art. 35 und 36 E G H G B verwiesen werden kann. 6
5
Nach Art. 37 E G H G B muß man drei verschiedene Gruppen von Altverbindlichkeiten unterscheiden. Außerdem kommt es darauf an, ob die Eintragung der Geschäftsübernahme vor oder nach Inkrafttreten des NachhBG am 26. März 1994 erfolgt ist.
1 2
3
4
BGBl. I S. 560. S. Voraufl. Rdn. 9 sowie insbes. BAG AP Nr. 1 zu § 26 H G B = BB 1987, 2235; N J W 1991, 1973; O G H SZ Bd. 62 (1989) Nr. 26, S. 149 = GesRZ 1989, 159, 160 f. S. die Begründung zum RegEnt. BT-Dr. 12 (1991)/1868, S. 7 = BR-Dr. 446/91, S. 10; wegen der Einzelheiten s. u. § 128 Rdn. 35 ff. Insbes. Kapp/Oltmanns/Bezler DB 1988, 1937;
330
5 6
Lieb G m b H R 1992, 561, 566 f; K. Schmidt DB 1990, 2357; zurückhaltender hingegen P. Ulmer/ Timmann ZIP 1992, 1, 7 f. BT-Dr. 12 (1994)/6569, S. 11 f. S. im einzelnen u. § 128 Rdn. 40 - 43 sowie die Begründung zum RegEnt. BT-Dr. 12/1868, S. 10 ff = BR-Dr. 446/91, S. 19 ff; den Ausschußbericht BT-Dr. 12/6569, S. 13; Kollbach G m b H R 1994, 164, 166 f; U. Seibert DB 1994, 461, 464.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§26
b) D a s frühere R e c h t (§ 2 6 a.F.) gilt uneingeschränkt für Altverbindlichkeiten fort,
6
wenn der gesamte Haftungstatbestand bereits vor Inkrafttreten des N a c h h B G , d.h. v o r dem 26. M ä r z 1994 verwirklicht worden ist (Art. 37 Abs. 1 E G H G B ) . Das bedeutet, daß vor dem 26. M ä r z 1994 das Geschäft auf den E r w e r b e r übergegangen und die Eintragung im Handelsregister bzw. die K u n d m a c h u n g der Passivenübernahme erfolgt sein müssen. A n d e r s verhält es sich hingegen, wenn die Eintragung oder die K u n d m a c h u n g erst nach diesem D a t u m erfolgt u n d die fragliche Altverbindlichkeit nicht später als vier J a h r e nach der Eintragung fällig wird (Art. 37 Abs. 1 S. 1 E G H G B ) . In diesem Fall findet die neue Enthaftungsregelung ( 26 n.F.) auch auf die Altverbindlichkeit A n w e n d u n g , so daß es nach Ablauf der neuen Fünfjahresfrist zur Enthaftung des früheren Inhabers k o m m t , sofern nicht der Gläubiger binnen des verbleibenden einen Jahres seinen Anspruch gerichtlich geltend macht (§ 26 Abs. 1 S. 1 n.F.). Eine Gegenausnahme findet sich in A r t . 37 Abs. 1 S. 2 E G H G B für solche Altverbindlichkeiten, die erst später als vier J a h r e nach der Eintragung des Inhaberwechsels oder der K u n d m a c h u n g der Passivenübernahme fällig werden. F ü r diese seltenen Fälle ordnet § 3 7 Abs. 1 S. 2 E G H G B die Fortgeltung des früheren Rechtszustandes an, freilich mit der Maßgabe, daß die alte Verjährungsfrist des § 26 Abs. 1 auf ein J a h r abgekürzt wird.
7
3. A n w e n d u n g s b e r e i c h a) N u r § 2 5 Abs. 1 u n d 3. § 26 betrifft allein die Fälle, in denen der E r w e r b e r neben dem Veräußerer nach § 25 A b s . 1 oder 3 für die Geschäftsverbindlichkeiten haftet; nur in diesen Fällen k o m m t folglich dem Veräußerer die R e c h t s w o h l t a t des § 2 6 zugute. F ü r die Anwendung des § 2 6 ist hingegen kein R a u m , wenn zwar § 2 5 nicht erfüllt ist, der E r w e r b e r aber aus einem anderen G r u n d für die Geschäftsverbindlichkeiten haftet, z.B. aufgrund eines Schuldbeitritts oder nach § 4 1 9 B G B 7 . In diesen Fällen k o m m t es mithin auch nach neuem R e c h t nicht zu einer Enthaftung. 8
8
Umstritten ist die Rechtslage, wenn beide Verpflichtungsgründe zusammentreffen. W ä h r e n d für diesen Fall früher die A n w e n d u n g des § 2 6 überwiegend verneint wurde 9 , hatte sich zu § 2 6 a.F. unter Führung des B G H 1 0 zuletzt die gegenteilige Auffassung durchgesetzt ist. Hieran dürfte auch für das neue R e c h t festzuhalten sein (str.). D i e Folge ist, daß sich der Veräußerer z.B. auch gegenüber der Haftung aus § 4 1 9 B G B nach Ablauf von fünf Jahren auf § 26 berufen kann 1 1 .
9
b) R e c h t s k r ä f t i g e Feststellung. Vergleichbare P r o b l e m e ergeben sich bei rechtskräftiger Feststellung des Anspruchs schon vor Veräußerung des Geschäfts. In diesem Fall muß entschieden werden, o b die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 2 1 8 B G B oder die fünfjährige Ausschlußfrist des § 26 H G B den Vorrang haben soll. U b e r w i e g e n d e G r ü n d e sprechen hier gleichfalls für die A n w e n d u n g des § 26 H G B 1 2 . Ergeht das rechtskräftige
10
7
S. o. § 25 Rdn. 54.
8
S. z.B. P. Ulmer/Timmann ZIP 1992, 1, 7 f. Z.B. Düringer/Hachenburg § 26 Anm. 2.
9
12
B G H Z 42, 381, § 384 f = N J W 1965, 439 für den Fall des Schuldbeitritts. 11
Baumbach/Duden/Hopt § 26 Anm. 2 A; Staub/ Hiiffer § 26 Rdn. 5; Schlegelbergerl Hildebrandt § 26 Rdn. 3; Straube/Schuhmacher § 26 Rdn. 3.
Ehrenberg/Pisko S. 265; Düringer/Hachenburg § 26 Anm. § 3; Staub/Hüffer § 26 Rdn. 6; Schlegelberger/'Hildebrandt § 26 Rdn. 5; Straube/ Schuhmacher § 26 Rdn. 4; offen gelassen in RG JW 1938, 1173, 1174; a.A. z.B. Baumbach/ Duden/Hopt § 26 Anm. 2 B.
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331
§26
Erstes Buch. Handelsstand
Urteil hingegen erst nach Veräußerung des Geschäfts während des Laufs der fünfjährigen Ausschlußfrist des § 2 6 gegen den Veräußerer, so hat es bei der Anwendung des § 2 1 8 B G B sein B e w e n d e n (str.).
11
c) Sonstige Fälle. Entgegen der h . M . gilt § 25 unter bestimmten Voraussetzungen auch für die Veräußerung m i n d e r k a u f m ä n n i s c h e r Geschäfte 1 3 . Folgt man dem, so m u ß auf diese Fälle § 26 gleichfalls entsprechend angewandt werden. D i e fünfjährige Ausschlußfrist beginnt hier mit der Eintragung des Erwerbers in das Handelsregister oder mit der handelsüblichen K u n d m a c h u n g der Ü b e r n a h m e der Verbindlichkeiten 1 4 . In allen anderen Fällen muß es j e d o c h bei der regelmäßigen Verjährungsfrist der §§ 195 ff B G B bleiben.
12
Besondere P r o b l e m e , die bisher kaum beachtet worden sind, können sich ergeben, wenn der E r w e r b e r nach § 2 5 A b s . 2 oder 3 nur für einen Teil der Verbindlichkeiten haftet, während seine H a f t u n g für die übrigen Verbindlichkeiten wirksam ausgeschlossen worden ist. 1 5 In derartigen Fällen ist fraglich, o b noch R a u m für die Enthaftungsregelung des § 2 6 ist. Eindeutig zu verneinen ist das jedenfalls für diejenigen Verbindlichkeiten, für die der E r w e r b e r selbst gar nicht haftet. 4. B e g i n n der Ausschlußfrist a) § 2 5 Abs. 1
13
aa) D e r Lauf der Ausschlußfrist beginnt nach § 2 6 Abs. 1 S. 2 im Falle des § 25 Abs. 1 mit dem E n d e des Tages, an dem der neue Inhaber der Firma in das Handelsregister des Gerichts der H a u p t n i e d e r l a s s u n g eingetragen wird. Selbst wenn die Verbindlichkeit in einer Zweigniederlassung begründet worden ist, ist daher allein die Eintragung des Inhaberwechsels im Handelsregister der Hauptniederlassung maßgebend. Anders verhält es sich nur bei selbständiger Veräußerung der Zweigniederlassung, weil in diesem Fall der Inhaberwechsel lediglich im Handelsregister der Zweigniederlassung vermerkt wird 1 6 .
14
bb) F ü r den B e g i n n der Ausschlußfrist stellt das G e s e t z in § 26 Abs. 2 S. 1 allein auf die E i n t r a g u n g im Handelsregister ab. U n e r h e b l i c h ist mithin die etwaige B e k a n n t m a c h u n g der Eintragung. Daraus folgt zweierlei: O h n e Eintragung des Inhaberwechsels beginnt die fünfjährige Ausschlußfrist zugunsten des Veräußerers selbst dann nicht zu laufen, wenn die Gläubiger auf andere Weise von dem Inhaberwechsel Kenntnis erlangen. U n d n a c h der Eintragung des Inhaberwechsels k o m m t es auf eine Kenntnis der Gläubiger von dem Inhaberwechsel nicht mehr an; für die A n w e n d u n g des § 15 ist kein R a u m . E s gilt vielmehr in jedem Fall zugunsten des Veräußerers die besondere fünfjährige Ausschlußfrist des § 26".
15
b) K u n d m a c h u n g . In den Fällen des § 2 5 Abs. 3 tritt an die Stelle der Eintragung des Inhaberwechsels im Handelsregister nach § 2 6 A b s . 2 als Fristbeginn das E n d e des Tages, an dem die K u n d m a c h u n g der Ü b e r n a h m e der Verbindlichkeiten stattgefunden hat. Diese Regelung ist eindeutig nur, w e n n die K u n d m a c h u n g durch Eintragung im Handelsregister
13
S. o. § 25 Rdn. 10 ff.
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Staub/Hiiffer
15
S. o. § 25 Rdn. 45, 56 f.
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S. Düringer/Hachenburg § 26 Anm. 4; Staub/ Hüffer § 26 Rdn. § 8; Schlegelberger/Hildebrandt § 26 Rdn. 6 Abs. 2.
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§ 26 Rdn. 20.
Ehrenberg/Pisko § 26 Anm. § 4.
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S. 265;
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§ 26
und Bekanntmachung erfolgt ist, nicht aber in den übrigen Fällen, z.B. bei Kundmachung durch Rundschreiben oder besondere Mitteilung an die Gläubiger. Hier empfiehlt es sich, zugunsten des Veräußerers auf den Tag der Kundmachung abzustellen und nicht etwa für jeden Gläubiger je nach der ihm gegenüber geschehenen Kundmachung eine besondere Ausschlußfrist laufen zu lassen 18 . c) Fälligkeit. Der Veräußerer haftet auch für bei Geschäftsübergang schon begründete, aber noch nicht fällige Verbindlichkeiten weiter 19 . Anders als nach früherem Recht 2 0 hat dies jedoch nach neuem Recht keinen Einfluß mehr auf den Lauf der fünfjährigen Ausschlußfrist. Sie erfaßt selbst solche Verbindlichkeiten, die erst nach Fristablauf fällig werden. Für diese haftet daher der frühere Inhaber in keinem Fall mehr. An die Stelle seiner Haftung tritt die alleinige Haftung des Geschäftserwerbers.
16
5. Entsprechende Anwendbarkeit der Verjährungsvorschriften a) Uberblick. Nach § 26 Abs. 1 S. 3 n.F. sind auf die neue fünfjährige Ausschlußfrist bestimmte Verjährungsvorschriften des B G B entsprechend anwendbar. Im einzelnen nennt das Gesetz in § 26 Abs. 1 S. 3 die §§ 203, 206, 207, 210, 212 - 216 und 220 B G B . Während die §§ 203, 206 und 207 Fragen der Verjährungshemmung regeln, betreffen die übrigen Vorschriften die Unterbrechung der Verjährung. Vorbild der gesetzlichen Regelung ist § 1002 Abs. 2 B G B . 2 1
17
b) H e m m u n g der Frist. Die §§ 203, 206 und 207 B G B zählen einzelne Fälle auf, in denen die Verjährung gehemmt ist. In diesen Fällen kommt es mithin auch zu einer Hemmung der Ausschlußfrist des § 26 Abs. 1 S. 1 H G B . Dies bedeutet, daß gemäß § 205 B G B der Zeitraum, während dessen der Lauf der Ausschlußfrist gehemmt ist, in die Frist nicht eingerechnet wird. Ist der Grund der Hemmung beseitigt, so läuft die Frist weiter.
18
c) Unterbrechung der Frist. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 setzt die Forthaftung des frühren Inhabers voraus, daß der fragliche Anspruch gegen ihn binnen der Ausschlußfrist von fünf Jahren gerichtlich geltend gemacht wird. Das Gesetz nimmt damit auf § 209 B G B bezug (u. Rdn. 26 f). Folgerichtig erklärt § 26 Abs. 1 S. 3 auch die §§ 210, 212 bis 216 und 220 B G B , die weitere Einzelfragen der Unterbrechung der Frist regeln, für entsprechend anwendbar. Im einzelnen betreffen § 210 die Unterbrechung der Ausschlußfrist durch Antrag auf Vorentscheidung einer Behörde oder eines höheren Gerichts, § 212 die Unterbrechung durch Klageerhebung, § 212a B G B die Unterbrechung durch Stellung eines Güteantrags, § 213 B G B die Unterbrechung durch Zustellung eines Mahnbescheids,
19
§ 214 B G B die Unterbrechung durch Anmeldung im Konkurs, § 215 B G B die Unterbrechung durch Aufrechnung im Prozeß oder durch Streitverkündung, § 216 die Unterbrechung durch Vornahme einer Vollstreckungshandlung sowie § 220 B G B die Unterbrechung durch Geltendmachung des Anspruchs vor einem anderen Gericht. Nicht in Bezug genommen ist hingegen § 217 B G B , nach dem nach Beendigung der Unterbrechung eine neue Frist zu laufen beginnt. Hieraus ist zu schließen, daß die
Ehrenberg/Pisko S. 263; a.A. Staub/Hüffer § 26 Rdn. 10. 19 S.o. §25 Rdn. 31 f.
18
20 S. Voraufl. Rdn. 8. 2 1 S. die Begründung zum RegEnt. 12/1868, S. 8.
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Erstes Buch. Handelsstand
§26
Unterbrechung der Ausschlußfrist durch gerichtliche Geltendmachung nicht den Lauf einer neuen Ausschlußfrist auslöst; vielmehr gelten dann die allgemeinen Verjährungsvorschriften (u. Rdn. 30).
d) Keine Anwendbarkeit der §§ 208, 225 BGB 20
aa) Anerkenntnis. § 26 Abs. 1 S. 3 BGB nimmt weder auf § 208 noch auf § 225 BGB Bezug. An die Stelle des § 208 BGB (Unterbrechung der Verjährung durch Anerkenntnis) tritt vielmehr die Sonderregelung in § 26 Abs. 2 HGB, nach dem es einer gerichtlichen Geltendmachung nicht bedarf, soweit der frühere Geschäftsinhaber den Anspruch schriftlich anerkannt hat. Diese Sonderregelung, die auf eine Anregung des Bundesrats zurückgeht 22 , soll der Rechtssicherheit dienen. 23 Die Regelung bedeutet, daß für die Anwendung der Ausschlußfrist des § 26 Abs. 1 kein Raum ist, wenn der frühere Inhaber vor oder nach Ubergang des Geschäfts den Anspruch schriftlich anerkennt (§ 126 BGB).
21
Unproblematisch ist das nur vor Ablauf der fünfjährigen Ausschlußfrist, weil § 26 ohnehin nicht zwingend ist (u. Rdn. 22). Nach Ablauf der Ausschlußfrist stellt ein etwaiges Anerkenntnis hingegen einen Verzicht auf die Geltendmachung der Ausschlußfrist dar, der der Sache nach auf eine Neubegründung der Verbindlichkeit hinausläuft. Ein schriftliches Anerkenntnis (mit Zustimmung des Gläubigers) genügt deshalb hierfür nur dann, wenn sich nicht aus dem Gesetz weitergehende Formvorschriften für die betreffende Verbindlichkeit ergeben.
22
bb) Abweichende Vereinbarungen. Aus der Unanwendbarkeit des § 225 BGB folgt, daß § 26 H G B nicht zwingend ist, sondern der Disposition der Parteien unterliegt. Die Regelung des § 26 kann daher durch Vertrag zwischen dem Veräußerer und dem Gläubiger jederzeit abgeändert oder ausgeschlossen werden (§ 305 BGB). Auch eine Verlängerung der Ausschlußfrist ist möglich. 24 Es ist durchaus möglich, daß sich derartige Abreden alsbald weithin durchsetzen werden. 6. Rechtsfolgen
23
a) Erlöschen aller Ansprüche. Der Ablauf der fünfjährigen Ausschlußfrist hat nach § 26 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 n.F. zur Folge, daß die Haftung des früheren Geschäftsinhabers für die betreffende Altverbindlichkeit erlischt, so daß er frei wird. Das gilt für alle Verbindlichkeiten ohne Ausnahme, ohne Rücksicht darauf, ob sie vor oder erst nach Ablauf der Ausschlußfrist fällig werden und damit insbesondere auch für erst später fällig werdende Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen wie Miet- oder Pachtverträgen oder Arbeitsverhältnissen.
24
Erfaßt werden außerdem z.B. Ansprüche aus sonstigen Verträgen, die erst nach Ablauf der Ausschlußfrist fällig werden, sowie Deliktsansprüche 25 . Der Rechtsgrund der fraglichen Verbindlichkeit spielt keine Rolle. Auch öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten sind nicht ausgenommen, wie namentlich aus § 26 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 zu folgern ist. Die Enthaftungswirkung entfaßt mithin ohne jeder Ausnahme alle aus dem früheren Geschäft
22
BT-Dr. 12/1868, S. 13. Ausschußbericht, BT-Dr. 12/6569, S. 12 (r. Sp.). 24 Ausschußbericht BT-Dr. 12/6569, S. 12 (r.Sp.o); U. Seibert DB 1994, 461, 462. 23
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" S. die Begründung zum RegEnt. BT-Dr. 12/ 1868, S. 8 = BR-Dr. 446/91, S. 13.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
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herrührenden Verbindlichkeiten. Sie tritt auch dann ein, wenn der frühere Inhaber in dem Geschäft, etwa als Angestellter, weiterhin leitend tätig bleibt, da das neue Recht hierauf nicht mehr abstellt. 26 b) Kürzere Verjährungsfristen. Der Ablauf der fünfjährigen Ausschlußfrist ist der späteste Zeitpunkt, zu dem die Enthaftung des früheren Inhabers eintritt, sofern nicht vorher der Anspruch gegen ihn gerichtlich geltend gemacht wird. Die gesetzliche Regelung läßt daher etwaige kürzere Verjährungsfristen unberührt. Die Regelung des § 26 Abs. 1 H G B hat nicht etwa zur Folge, daß jetzt Ansprüche aus Kauf- oder Mietverträgen erst nach fünf Jahren verjähren; für solche Ansprüche verbleibt es vielmehr bei den kurzen Verjährungsfristen der §§ 477 und 558 B G B . 2 7
25
7. Gerichtliche Geltendmachung a) Uberblick. Die Enthaftung des früheren Inhaber tritt nach § 26 Abs. 1 S. 1 n.F. nicht ein, wenn der fragliche Anspruch vor Ablauf der fünfjährigen Ausschlußfrist fällig wird und noch innerhalb der Frist gerichtlich geltend gemacht wird. Bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten genügt zur Geltendmachung außerdem der Erlaß eines Verwaltungsakts (§ 26 Abs. 1 S.l Halbs. 2). Abs. 2 des § 26 fügt noch hinzu, daß eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs entbehrlich ist, soweit der frühere Geschäftsinhaber den Anspruch schriftlich anerkannt hat (s. dazu schon o. Rdn. 20 f).
26
b) Begriff. Unter der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs ist in § 26 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 in erster Linie die Klageerhebung zu verstehen. Gleich stehen sämtliche anderen in § 209 B G B genannten Maßnahmen, namentlich also die Zustellung eines Mahnbescheids, die Anmeldung des Anspruchs im Konkurs, die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozeß und die Vornahme von Vollstreckungshandlungen sowie nach § 26 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten noch der Erlaß eines Verwaltungsakts. 28 § 26 Abs. 1 S. 1 nimmt zwar nicht ausdrücklich auf § 209 B G B Bezug. Die Bezugnahme folgt jedoch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung und namentlich aus S. 3 des § 26 Abs. 1, der die ergänzenden Vorschriften der §§ 210, 212
27
bis 216 und 220 B G B für anwendbar erklärt, eine Regelung, die ohne gleichzeitige Geltung des zugrunde liegenden § 209 B G B ohne Sinn wäre. c) Klagefrist. Probleme können sich aus der gesetzlichen Regelung namentlich dann ergeben, wenn der Anspruch erst kurz vor Ablauf der Fünfjahresfrist fällig wird, weil dann in Ausnahmefällen möglicherweise die verbleibende Zeit nicht mehr zur Klageerhebung oder zur Zustellung eines Mahnbescheides ausreicht (§ 209 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 B G B ) . 2 9 Der Gesetzgeber hat gleichwohl davon abgesehen, für derartige Fälle eine Fristverlängerung zu bestimmen. Der Gläubiger ist deshalb darauf angewiesen, hier notfalls schon vor Fälligkeit Leistungsklage zu erheben, sofern die Fälligkeit demnächst eintritt, oder in den Fällen der §§ 257 bis 259 Z P O auf die Klage auf künftige Leistung auszuweichen 30 .
28
26
U. Seibert DB 1994, 461, 463.
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Begründung zum RegEnt, BT-Dr. 12/1868, S. 8 (l.Sp.) = BR-Dr. 446/91, S. 12; U. Seibert DB 1994, 461.
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Begründung zum RegEnt BT-Dr. 12/1868, S. 8 (l.Sp.) = BR-Dr. 446/91, S. 12.
S. K. Schmidt
DB 1990, 2357, 2359.
S. P. Ulmer/Timmann ZIP 1992, 1, 9.
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§27 29
d) Öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten. Bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten genügt nach § 26 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 zur Geltendmachung binnen der Ausschlußfrist auch der Erlaß eines Verwaltungsakts. Vorbild der Regelung, die auf einen Vorschlag des Rechtsausschusses zurückgeht, 31 sind § 53 Verwaltungsverfahrensgesetz und § 52 S G B X . § 26 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 begründet mithin etwa nicht eine eigene Rechtsgrundlage für den Erlaß derartiger Verwaltungsakte, sondern enthält lediglich einen Verweis auf die für die einzelne öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit jeweils maßgebende Rechtslage. Soweit hiernach der Anspruch durch Erlaß eines Verwaltunsaktes geltend gemacht werden kann, reicht dies auch im Rahmen des § 26 aus. Anwendbar sind in diesem Fall, soweit jeweils passend, die in § 26 Abs. 1 S. 3 H G B in Bezug genommenen Verjährungsvorschriften des B G B 3 2 .
30
e) Rechtsfolgen. Das Gesetz regelt nicht, welche Rechtsfolgen die rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs haben soll. Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung ergibt sich jedoch deutlich, daß hier ebensowenig wie im Falle des § 26 Abs. 2 (schriftliches Anerkenntnis, s. o. Rdn. 20 f) an eine Unterbrechung der Ausschlußfrist im Sinne des § 217 B G B gedacht ist, da in S. 3 des § 26 Abs. 1 H G B auf § 217 B G B gerade nicht Bezug genommen worden ist. Die rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs hat daher nicht etwa zur Folge, daß jetzt erneut eine Ausschlußfrist von fünf Jahren läuft; vielmehr bleibt es dann bei den allgemeinen Verjährungsregeln, da es nicht zur Enthaftung des früheren Inhabers nach § 26 H G B gekommen ist. 33 Da § 26 H G B ohnehin nichts am Lauf etwaiger kürzerer Verjährungsfristen ändert (o. Rdn. 25), bedeutet die gesetzliche Regelung auch nicht etwa, daß die Verjährungsfrist jetzt erst zu laufen beginnt; vielmehr laufen die allgemeinen Verjährungsfristen und die besondere Ausschlußfrist des § 26 H G B stets nebeneinander her und können daher schließlich beide zur Enthaftung des früheren Inhaber führen.
§27 (1) Wird ein zu einem Nachlasse gehörendes Handelsgeschäft von dem Erben fortgeführt, so finden auf die Haftung des Erben für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten die Vorschriften des § 25 entsprechende Anwendung. (2) Die unbeschränkte Haftung nach § 25 Abs. 1 tritt nicht ein, wenn die Fortführung des Geschäfts vor dem Ablaufe von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfalle der Erbschaft Kenntnis erlangt hat, eingestellt wird. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften des § 206 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. Ist bei dem Ablaufe der drei Monate das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft noch nicht verloren, so endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der Ausschlagungsfrist. Schrifttum S. o. bei § 25 sowie Barella Möglichkeit der Haftungsbeschränkung beim Übergang eines Einzelhandelsgeschäftes auf den Erben, Betr. 1951,676; Bolte Der § 27 des neuen HGB, ZHR 51 (1902), 413; Ebrenberg/Pisko Bd. II, S. 256 ff; Fenyves Die Erbenhaftung und
31 32
BT-Dr. 12/1868, S. 13 f. S. im einzelnen den Bericht des Rechtsausschusses BT-Dr. 12/6569, S. 12.
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P. Ulmer/Timmann ZIP 1992, 1, 9.
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§ 27
Dauerschuldverhältnis, 1982; Goldmann Inwieweit haftet der Erbe, Berliner Festg. Wilke, 1900, S. 119; Harrer Folgeprobleme des Todes eines Gesellschafters einer O H G , GesRZ 1982, 42; Hildebrandt Das Handelsgeschäft als Nachlaßgegenstand, DFG 1937,153; den. Die handelsrechtliche Erbenhaftung, DFG 1938, 48; Lieb Haftungsprobleme beim Übergang des Gesellschaftsvermögens auf einen Kommanditisten, ZGR 1991, 572; Marotzke Haftungsverhältnisse und Probleme der Nachlaßverwaltung bei der Beerbung des einzigen Komplementärs durch den einzigen Kommanditisten, ZHR 156 (1992), 17; Reuter Die handelsrechtliche Erbenhaftung, ZHR 135 (1971), 511; A Hueck Schuldenhaftung bei Vererbung eines Handelsgeschäfts, ZHR 108 (1941), 1; Stegemann Die Vererbung eines Handelsgeschäfts, 1903; K. Schmidt Handelsrecht § 8 IV (S. 235 ff.); ders., Die Erbengemeinschaft nach einem Einzelkaufmann, NJW 1985, 2785; ders. Gesetzliche Vertretung und Minderjährigenschutz, BB 1986, 1238; Weimar Die Veräußerung und Vererbung eines Handelsgeschäfts, MDR 1967, 731. Übersicht
I. Zweck II. Österreich III. Voraussetzungen 1. Überblick 2. Handelsgeschäft 3. F o r t f ü h r u n g durch den Erben a) Erbe b) Vertreter c) Miterben d) F o r t f ü h r u n g 4. U n t e r der bisherigen Firma a) F i r m e n f o r t f ü h r u n g b) T r o t z Firmenänderung IV. Rechtsfolgen 1. Unbeschränkte H a f t u n g a) Keine Haftungsbeschränkung nach Erbrecht b) Insbesondere Miterben
Rdn. 1 la 2 2 4 5 5 6 7 8 9 9 10 11 11
2. Nachlaßverbindlichkeiten a) Altschulden b) Insbesondere Erbfall- und Nachlaßerbenschulden 3. Neuschulden V. Ausschlußtatbestände 1. Ausschlagung 2. Ausschluß nach § 25 Abs. 2 a) Anwendbarkeit b) Insbesondere Miterben 3. Einstellung nach § 27 Abs. 2 a) Zweck b) Begriff c) Frist d) Miterben e) Rechtsfolgen
Rdn. 14 14 14a 15 16 16 17 17 19 20 20 20a 21 22 23
11 13
I. Zweck Der Zweck des § 27 liegt in der im Interesse der Sicherheit des Handelsverkehrs erfor- 1 derlichen, kurzfristigen Klarstellung der Haftungsverhältnisse bei Fortführung eines Handelsgeschäfts durch einen Erben: Wenn der Erbe die Firma des ererbten Handelsgeschäfts fortführt, soll sich der Verkehr - nach einer kurzen Uberlegungsfrist für den Erben (§ 27 Abs. 2) - darauf verlassen können, daß der Erbe f ü r alle Geschäftsverbindlichkeiten unbeschränkt und unbeschränkbar haftet 1 .
II. Ö s t e r r e i c h § 27 ist auf das deutsche Erbrecht zugeschnitten. Bei seiner Einführung in Osterreich 1 a ist deshalb Abs. 2 in verschiedener Hinsicht abgeändert worden. Die Anpassung der Vorschrift an die Besonderheiten des österreichischen Erbrechts bereitet gleichwohl nach 1
RGZ 130, 52, § 53; BGHZ 32, 60, 62 = NJW
D. Reuter ZHR 135, 511 ff; Lieb ZGR 1991, 572,
1960, 959; Denkschrift S. 41; str.; s. im einzelnen
576 f.
Nolte
FS Nipperdey Bd. I, S. 667, 676 ff;
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§27
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wie vor Schwierigkeiten. Die Praxis hat zu diesem Zweck u.a. das besondere Rechtsinstitut des „Abhandlungsprovisoriums" entwickelt 2 . Wegen der Einzelheiten ist auf die Darstellungen des österreichischen Rechts zu verweisen 3 .
III. Voraussetzungen 1. Überblick 2
§ 27 regelt nur die Frage, nach welchen Grundsätzen der oder die Erben bei Fortführung eines Handelsgeschäfts für die vom Erblasser herrührenden Geschäftsverbindlichkeiten, die sog. Altschulden haften. Nicht geregelt sind hier hingegen der Ubergang der Forderungen auf die Erben, so daß sich dieser allein nach Erbrecht richtet, sowie die Haftung der Erben für neue Geschäftsverbindlichkeiten, die sich aus der Fortführung des Geschäfts ergeben (dazu u. Rdn. 15).
3
Die Voraussetzungen für die (gegenüber dem Erbrecht verschärfte) Erbenhaftung für die Altschulden ergeben sich im einzelnen aus dem Zusammenhang der §§ 27 und 25. Erste Voraussetzung ist danach, daß zu dem Nachlaß ein vollkaufmännisches Einzelhandelsgeschäft gehört. Dieses Handelsgeschäft muß zweitens von dem oder den Erben mit der bisherigen Firma fortgeführt werden; oder es muß einer der besonderen Verpflichtungsgründe des § 25 Abs. 3 vorliegen. Und es darf drittens keiner der Ausschlußgründe der §§ 25 Abs. 2 und 27 Abs. 2 eingreifen.
2. Handelsgeschäft 4
Die Anwendung der §§ 27 und 25 setzt zunächst voraus, daß zu dem Nachlaß ein im Augenblick des Erbfalles noch bestehendes Einzelhandelsgeschäft gehört, weil nur dann die Erben überhaupt die Möglichkeit haben, ein solches i.S. des § 27 fortzuführen 4 . Außerdem muß es sich grundsätzlich um ein vollkaufmännisches Handelsgeschäft handeln, weil die §§ 27 und 25 Abs. 1 auf die Fortführung der Firma des Erblassers durch den oder die Erben abstellen (s. § 4 Abs. 1). Dadurch wird jedoch die entsprechende Anwendung der §§ 27 und 25 auf minderkaufmännische und andere Geschäfte in geeigneten Fällen nicht ausgeschlossen 5 . Zu denken ist dabei vor allem an die Fälle, in denen der Erblasser entgegen § 2 seine Firma (noch) nicht hatte eintragen lassen und dies von den Erben nachgeholt wird oder in denen der Erblasser eine firmenähnliche Bezeichnung geführt hat.
4a
Auch die Rechtsprechung hat sich schon bereit gezeigt, in Einzelfällen § 27 auf vergleichbare Fallgestaltungen entsprechend anzuwenden. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn der einzige Kommanditist einer KG den einzigen persönlich haftenden Gesellschafter beerbt und dadurch nach Erbrecht wie nach Gesellschaftsrecht Alleininhaber des Geschäfts wird 6 .
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§ 32 a ö H G B v. 1991, z.B. O G H SZ Bd. 43 (1970) N r . 128, S. 465, 467 f. S. Harrer aaO; Krümmel N Z 1961, 25; Straube/Schuhmacher § 27 Rdn. 4 ff. Wegen der Vererbung von Gesellschaftsanteilen s. §§ 139, 177.
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5
S. K. Schmidt § 8 IV 2 (S. 237 ff). ' B G H Z 113, 132, 134 ff. = LM N r . 7 zu § 27 H G B = N J W 1991, 844; s. im übrigen u. Rdn. 23.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§27
3. Fortführung durch den Erben a) Erbe. Zweite Voraussetzung der Anwendung der §§ 27 und 25 ist, daß das Handelsgeschäft von dem oder den Erben fortgeführt wird. Wer Erbe ist, richtet sich ausschließlich nach bürgerlichem Recht, wobei der Berufungsgrund (Gesetz, Testament oder Erbvertrag) keine Rolle spielt. Erben sind daher insbes. auch Vor- und Nacherben 7 , nicht hingegen der Vermächtnisnehmer; auf den Erwerb des Handelsgeschäfts durch den Vermächtnisnehmer vom Erben findet vielmehr § 25 unmittelbar Anwendung.
5
b) Vertreter. Unerheblich ist, ob der Erbe selbst oder durch einen Vertreter das 6 Handelsgeschäft fortführt 8 . Vertreter des Erben in diesem Sinne sind auch der Testamentsvollstrecker, sofern er das Handelsgeschäft aufgrund entsprechender Vollmacht des Erben in dessen Namen fortführt 9 , sowie der Sequester nach § 106 K O und der Vergleichsverwalter, und zwar deshalb, weil die beiden letzteren zu einer Fortführung des Geschäfts gleichfalls nur aufgrund einer entsprechender Vollmacht des Erben befugt sind. Keine Vertreter des Erben sind hingegen der Konkursverwalter, der Nachlaßverwalter, ein Nachlaßpfleger oder der Testamentsvollstrecker, wenn er die Treuhandlösung wählt, dies deshalb, weil der Testamentsvollstrecker nicht gegen den Willen des Erben auf dem Weg über die §§ 27 und 25 dessen unbeschränkte und unbeschränkbare Haftung herbeiführen darf 10 . c) Miterben. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Anwendung des § 27 bei einer 7 Mehrzahl von Erben 11 . Richtigerweise ist hier davon auszugehen, daß keinem Miterben die Haftungsverschärfung nach § 27 gegen seinen Willen aufgezwungen werden darf. Eine Fortführung des Handelsgeschäfts nach § 27 ist deshalb grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Miterben möglich, die freilich auch konkludent erteilt werden kann. Jedoch wird es hieran i.d.R. fehlen, wenn die übrigen Miterben den das Geschäft fortführenden Erben irrtümlich für den alleinigen Geschäftsübernehmer halten oder wenn er das Geschäft aufgrund einer noch vom Erblasser herrührenden Prokura zunächst allein fortführt. Fehlt hiernach die Zustimmung der übrigen Miterben zur Fortführung des Geschäfts durch einen Miterben, so gilt § 27 nur für den das Geschäft fortführenden Miterben, nicht hingegen für die anderen Miterben 12 . d) Fortführung. Das Geschäft muß von dem oder den Erben tatsächlich fortgeführt 8 werden. § 27 greift nicht ein, wenn die Erben das Geschäft sofort einstellen (s. § 27 Abs. 2) oder wenn sie es alsbald, ohne es jemals selbst geführt zu haben, weiterveräußern oder verpachten 13 . Diese Frage darf nicht mit der anderen verwechselt werden, ob auch für die Anwendung des § 27 Abs. 2, nachdem die Erben das Geschäft zunächst fortgeführt haben, eine Veräußerung oder Verpachtung des Geschäfts genügt (dazu u. Rdn. 20). ι S. BGHZ 32, 60, 62 = NJW 1960, 959 sowie u. Rdn. 12. 8 Z.B. RGZ 132, 188, 144; BGHZ 35, 13, 19 = NJW 1961, 1304; OGH EvBl. 1956 Nr. 86 = ÖJZ 1956, 155, 156. 9 S.o. § 1 Rdn. 27 ff. 10 RGZ 132, 138, 144; BGHZ 35, 13, § 17 f = NJW 1961, 1304; KG JW 1937, § 2599; Staub/Hüffer § 27 Rdn. 8; Düringer/Hachenburg § 27 Anm. 2; a.A. z.B. Ehrenberg/Pisko S. 257 Fn. 31.
S. schon ο. § 1 Rdn. 22 ff sowie u. Rdn. 13, 19 und 22. 12 BGHZ 30, 391, 394 f = NJW 1959, 2114 m. Anm. R. Fischer LM Nr. 2 zu § 27 HGB; BGHZ 32, 60, 67; 35, 13, 19; BGH WM 1961, 1046, 1047 = BB 1961, 1027; A. Hueck ZHR 108, 1, 23 ff; K. Schmidt § 8 IV 2 c (S. 238 f.); anders z.B. Straube/Schuhmacher § 27 Rdn. 22. 13 Schlegelberger/Hildebrandt § 27 Rdn. 4. 11
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4. Unter der bisherigen Firma 9
a) F i r m e n f o r t f ü h r u n g . L e t z t e Voraussetzung der §§ 2 7 und 2 5 ist, daß der oder die E r b e n das Geschäft mit der bisherigen Firma fortführen oder daß einer der besonderen Verpflichtungsgründe des § 2 5 Abs. 3 vorliegt. F ü r die Firmenfortführung gilt dabei dasselbe wie bei § 2 5 1 4 . N a m e n t l i c h steht die Hinzufügung eines Nachfolgezusatzes der Firmenfortführung nicht entgegen. Eine Fortführung der F i r m a wird auch dann i.d.R. anzunehmen sein, wenn Erblasser und E r b e denselben N a m e n haben 1 5 ; will der E r b e die Firma jetzt aus seinem (mit dem des Erblassers übereinstimmenden) N a m e n neu bilden, so muß er dies deshalb mit R ü c k s i c h t auf die §§ 22 und 2 7 eindeutig verlautbaren (s. § 31).
10
b) T r o t z F i r m e n ä n d e r u n g . H a t der E r b e die F i r m a in diesem Sinne (o. R d n . 9) einmal fortgeführt, so bleibt es bei der A n w e n d u n g des § 27, selbst wenn er später eine neue F i r m a annimmt. Das ist unstreitig bei einer Firmenänderung n a c h Ablauf der Frist des § 2 7 Abs. 2, sollte aber nach dem Z w e c k der gesetzlichen Regelung (o. R d n . 1) auch bei einer Firmenänderung vor Fristablauf gelten 1 6 . F ü h r t der E r b e die F i r m a hingegen von v o r n herein nicht fort, so greifen die §§ 2 7 und 2 5 nur ein, wenn einer der besonderen Verpflichtungsgründe des § 25 A b s . 3 vorliegt, insbes. bei Eintragung und öffentlicher B e k a n n t m a c h u n g der Passivenübernahme 1 7 .
IV. Rechtsfolgen 1. Unbeschränkte Haftung a) Keine Haftungsbeschränkung nach Erbrecht 11
aa) Liegen die Voraussetzungen der §§ 2 7 und 2 5 vor (o. R d n . 2 - 1 0 ) , so haften der oder die E r b e n für die „früheren Geschäftsverbindlichkeiten" unbeschränkt und unbeschränkbar, wenn nicht einer der Ausschlußtatbestände eingreift (u. R d n . 16 ff). Dieselbe Haftung trifft die E r b e n an sich zwar nach B G B (§ 1967); unter den Voraussetzungen der §§ 27 und 2 5 verlieren die E r b e n jedoch sämtliche Möglichkeiten der H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g nach bürgerlichem R e c h t . Das gilt gleichermaßen für Deutschland wie für O s t e r r e i c h 1 8 . In dieser Haftungserweiterung liegt gerade der Z w e c k der gesetzlichen Regelung (o. R d n . 1).
11a
bb) D e r E r b e hat nicht die Möglichkeit, sich im Falle seiner Verurteilung wegen einer Geschäftsverbindlichkeit die beschränkte Erbenhaftung nach § 780 Z P O im Urteil vorbehalten zu lassen. D e s h a l b muß die Frage, o b er als E r b e unbeschränkt haftet, schon im Erkenntnisverfahren entschieden werden und kann nicht dem Vollsteckungsverfahren überlassen werden 1 9 . A u ß e r d e m kann sich der E r b e gegenüber Geschäftsgläubigern nicht auf die §§ 1973 und 1974 B G B (Aufgebot und Verschweigung) berufen.
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c c ) D e r E r b e verliert weiter die aufschiebenden E i n r e d e n der §§ 2 0 1 4 bis 2 0 1 6 B G B gegenüber den Geschäftsgläubigern 2 0 . E r kann zwar weiterhin Nachlaßverwaltung, N a c h l a ß k o n k u r s und Nachlaßvergleich beantragen (§ 1975 B G B ; § 113 N r . 4 V g l O ) ; aber
14
•5 Staub/Hüffer § 27 Rdn. 12. 16 Baumbach/Duden/Hopt § 27 Anm. 2A; s. im 17
O G H SZ Bd. 31 (1958) Nr. 17 = H S 1134; SZ Bd. 43 (1970), Nr. 128, S. 465, 467 f.; O G H R Z 1967, 70 = H S 5064. " R G Z 88, 218, 219 f; s. aber auch u. Rdn. 24. 2 0 S. aber u. Rdn. 24. 18
S. deshalb im einzelnen o. § 25 Rdn. 20 f.
einzelnen u. Rdn. 20a. Weitergehend unter Betonung des Gedankens
der Unternehmenskontinuität K. Schmidt § 8 IV 2b (S. 238).
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§27
durch die A n o r d n u n g dieser Verfahren wird seine H a f t u n g gegenüber den Geschäftsgläubigern nicht mehr beschränkt. Schließlich bleibt auch im Falle der N a c h e r b s c h a f t die Haftung des Vorerben für die Geschäftsverbindlichkeiten nach dem Nacherbfall abweichend von § 2 1 4 5 B G B bestehen. Zugleich haftet der N a c h e r b e nach § 2 7 für alle v o m Vorerben im Geschäft begründeten Verbindlichkeiten unbeschränkt und unbeschränkbar2'. b) I n s b e s o n d e r e M i t e r b e n . Wird das Geschäft von mehreren Miterben fortgeführt (o. Rdn. 7), so hat die Anwendung der §§ 2 7 und 25 zur Folge, daß die Miterben für alle Geschäftsverbindlichkeiten als Gesamtschuldner unbeschränkt und unbeschränkbar persönlich haften 2 2 . D i e Einrede des § 2 0 5 9 B G B und die besonderen B e s c h r ä n k u n g s m ö g lichkeiten der §§ 2 0 6 0 ff B G B stehen den einzelnen Miterben jetzt nicht mehr zu 2 3 . Keine H a f t u n g nach § 2 7 trifft lediglich diejenigen M i t e r b e n , die vor dem E n t s c h l u ß der Miterbengemeinschaft zur Fortführung des Geschäfts aus der Miterbengemeinschaft ausscheiden 2 4 . D i e Haftung nach § 27 trifft die Miterben außerdem , wenn sie nach B e e n digung einer Testamentsvollstreckung das Geschäft v o m Testamentsvollstrecker übernehmen und selbst fortführen 2 5 .
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2. NachlaßVerbindlichkeiten a) A l t s c h u l d e n . § 2 7 betrifft grundsätzlich nur die Haftung der E r b e n für die v o m Erblasser herrührenden Geschäftsverbindlichkeiten, die sog. Altschulden im Gegensatz zu den Neuschulden (dazu u. R d n . 15). D e r Begriff der Geschäftsverbindlichkeiten ist hier derselbe wie in § 2 5 2 6 . J e d o c h geht in einzelnen Beziehungen der Begriff der Altschulden über die v o m Erblasser herrührenden Schulden hinaus, da zu den Nachlaßverbindlichkeiten auch bestimmte von den E r b e n erst begründete Schulden gehören (u. R d n . 14a).
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b) Insbesondere Erbfall- und Nachlaßerbenschulden. Nachlaßverbindlichkeiten und 1 4 a damit zugleich Altschulden i.S. des § 2 7 sind zunächst die sog. E r b f a l l s c h u l d e n des § 1967 Abs. 2 B G B , insbes. also die Verbindlichkeiten aus Pfichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen. D i e Praxis ist hierbei j e d o c h nicht stehen geblieben, sondern zählt zu den Nachlaßverbindlichkeiten außerdem unter bestimmten Voraussetzungen noch die v o m E r b e n bei der V e r w a l t u n g des N a c h l a s s e s b e g r ü n d e t e n V e r b i n d l i c h k e i t e n . D i e Einbeziehung dieser sog. N a c h l a ß e r b e n s c h u l d e n in den Begriff der Nachlaßverbindlichkeiten ist wichtig vor allem bei nachträglicher A n o r d n u n g von N a c h l a ß k o n k u r s oder N a c h l a ß v e r w a l t u n g s o w i e im N a c h e r b f a l l . V o r a u s s e t z u n g ist, daß die fraglichen Verbindlichkeiten v o m Standpunkt eines sorgfältigen Beobachters aus in m ä ß i g e r V e r w a l t u n g des Nachlasses eingegangen wurden 2 7 .
BGHZ 32, 60, 64, 67 = NJW 1960, 959. " V g l . § 2058 BGB; ebenso OGH EvBl. 1956 Nr. 86 = ÖJZ 1956 Nr. 155, 156; Straube/ Schuhmacher § 27 Rdn. 22. 23 Str.; wie hier Staub/Hüffer § 27 Rdn. 37; Schlegelberger/Hildebrandt § 27 Rdn. 7; a.A. z.B. Düringer/Hachenburg § 27 Anm. 9. 24 Baumbach/Duden/Hopt § 27 Anm. IC. 21
25 26 27
ordnungs-
KG JW 1937, 2599. S. deshalb im einzelnen o. § 25 Rdn. 26 ff. RGZ 90, 91, 93 ff; 112, 129, 131; 146, 343, 345 f; RG JW 1938, 2822; BGHZ 32, 60, 64; 38, 186, 193; 71, 180, 187; 110, 176, 179 ff. = NJW 1990, 1237; BGH LM Nr. § 4 zu 1967 BGB = WM 1973, 361.
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§27 14b
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Gehört zum Nachlaß ein Geschäft, so bilden folglich Verbindlichkeiten, die der Erbe durch die ordnungsmäßige Fortführung des Geschäfts begründet, zugleich Nachlaßverbindlichkeiten 28 . Soweit dies zutrifft, ist auf solche Verbindlichkeiten § 27 mit § 25 anzuwenden. Praktische Bedeutung hat dies freilich nur, wenn der Erbe nicht unbeschränkt nach § 27 haftet, namentlich also im Falle der Einstellung des Geschäfts nach § 27 Abs. 2. Denn andernfalls haftet der Erbe für alle Alt- und Neuschulden, mögen sie Nachlaßverbindlichkeiten sein oder nicht, ohnehin unbeschränkt persönlich 29 . 3. Neuschulden
15
Anders als für die Altschulden (o. Rdn. 14) haften die Erben für die von ihnen bei der Fortführung des Geschäfts selbst begründeten Neuschulden stets unbeschränkt und unbeschränkbar persönlich 30 . Sind diese Verbindlichkeiten zugleich (ausnahmsweise) einmal Nachlaßverbindlichkeiten (o. Rdn. 14b), so folgt hieraus, daß die Gläubiger von einem etwaigen Haftungsausschluß nach den §§ 25 Abs. 2 und 27 Abs. 2 nicht berührt werden. Anders verhält es sich lediglich dann, wenn mit den Gläubigern eine Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß vereinbart worden ist31. Jedoch kann hierfür schwerlich bereits die bloße Verwendung der Erblasserfirma durch den Erben genügen 32 .
V. Ausschlußtatbestände 1. Ausschlagung 16
Wie § 27 Abs. 2 S. 3 zeigt, liegt in der vorläufigen Fortführung des ererbten Handelsgeschäfts durch den Erben nicht automatisch die Annahme der Erbschaft; vielmehr kann der Erbe die Erbschaft selbst dann immer noch ausschlagen, solange nicht die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB abgelaufen ist (§ 1942 BGB). In diesem Falle endet seine Haftung für die vom Erblasser herrührenden Geschäftsverbindlichkeiten nach den §§ 27 und 25. Unberührt davon bleibt seine persönliche Haftung für die in der Zwischenzeit von ihm selbst begründeten Geschäftsverbindlichkeiten, sofern nicht ausnahmsweise durch Vereinbarung mit dem Gläubiger von vornherein die Haftung auf den Nachlaß beschränkt worden ist (Rdn. 15). Für das Innenverhältnis des vorläufigen Erben zu dem endgültigen Erben gilt § 1959 BGB. Während des Laufs der Ausschlagungsfrist ist außerdem § 1958 BGB anwendbar, so daß in diesem Zeitraum die Geschäftsgläubiger gegen den vorläufigen Erben nicht gerichtlich vorgehen können; eine gleichwohl erhobene Klage ist als unzulässig abzuweisen 33 .
28
RG JW 1938, 2822; BGHZ 71, 180, 187; BGH LM Nr. 4 zu 1967 BGB = WM 1973, 361. 29 S. Rdn. 15. 30 O G H SZ Bd. 43 (1970) Nr 128, S. 465, 468; O G H HS 7071; 9067; 9068; 12.061; O L G Hamburg SeuffA Bd. 65 (1910) Nr. 135, S. 257 f; KG JW 1937,2599; K. Schmidt § 8 IV la. 31 RGZ 146, 343, 345 f; BGH WM 1968, 798 = BB 1968, 769. 342
32
So aber B G H (Fn. 31); zust. Baumbach/ Duden/Hopt § 27 Anm. 2 A; dagegen zu Recht K. Schmidt § 8 IV la (S. 235); ders. NJW 1985, 2785, 2790 f. 33 S. im einzelnen Düringer/Hachenburg § 27 Anm. 13; Staub/Hüffer § 27 Rdn. 19 f; Schlegelberger/Hildebrandt § 27 Rdn. 4; Kl. Werther Diss. § S. 38 ff.
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2. A u s s c h l u ß n a c h § 25 A b s . 2 a) A n w e n d b a r k e i t . § 27 verweist auf den ganzen § 25, nicht nur auf die A b s . 1 und 3 der Vorschrift. Gleichwohl ist str., o b § 27 auch auf § 25 A b s . 2 B e z u g nimmt. Von der ü b e r w i e g e n d e n M e i n u n g wird diese F r a g e nach wie vor bejaht 3 4 . Eine starke Mindermeinung lehnt hingegen die entsprechende A n w e n d u n g des § 25 A b s . 2 im Rahmen des § 27 ab, schon, weil hier eine Vereinbarung im Sinne des § 25 A b s . 2 mangels eines Vertragspartners unmöglich sei 3 5 . Eine Mittelmeinung stellt schließlich darauf ab, o b eine A n o r d n u n g des Erblassers, sei es durch Testament, sei es durch Erbvertrag vorliegt 3 6 .
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D e r Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig. D a § 27 den ganzen § 25 in B e z u g nimmt, besteht kein Anlaß, von der entsprechenden A n w e n d u n g (allein) den § 25 A b s . 2 auszunehmen. A n die Stelle einer Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber tritt dabei die einseitige E r k l ä r u n g des Erben entweder durch Eintragung im Handelsregister und Bekanntmachung oder durch besondere Mitteilung an die einzelnen Geschäftsgläubiger 3 7 .
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b) Insbesondere Miterben. Bei einer Mehrzahl von Erben steht das Recht zur Haftungsablehnung nach § 25 A b s . 2 jedem einzelnen Miterben für sich zu. D i e Miterben müssen nicht etwa gemeinschaftlich oder aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses handeln, weil kein Miterbe gegen seinen Willen gezwungen werden kann, die unbeschränkbare H a f t u n g nach § 27 A b s . 1 bei Fortführung eines Handelsgeschäfts zu übernehmen 3 8 . § 25 A b s . 2 gilt außerdem zugunsten des Testamentsvollstreckers, der das Handelsgeschäft unter eigenem N a m e n und unter eigener H a f t u n g fortführt; ohnehin dürfte hier § 25 i.d.R. bereits unmittelbar anwendbar sein 3 9 .
19
3. E i n s t e l l u n g n a c h § 27 A b s . 2 a) Zweck. Gemäß § 27 A b s . 2 tritt die unbeschränkte und unbeschränkbare H a f t u n g nach § 25 A b s . 1 nicht ein, wenn der Erbe die Fortführung des Geschäfts binnen dreier Monate einstellt. D a s G e s e t z wollte dem Erben damit eine Uberlegungsfrist gewähren, binnen derer er sich über die Fortführung des Geschäfts unter der bisherigen Firma klar werden soll 4 0 .
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b) Begriff. Was unter einer Einstellung des Geschäfts i.S. des § 27 A b s . 2 S. 1 zu verstehen ist, ist im einzelnen umstritten. D i e überwiegende Meinung folgert aus dem Z w e c k der Regelung (o. Rdn. 20), daß eine Einstellung nur angenommen werden kann, wenn sich der E r b e e n d g ü l t i g von dem Geschäft u n d den in diesem verkörperten wirtschaftlichen
203
Grdleg. KG JFG 22,70,71 ff = DR 1940,2001 m. Anm. Groschuff; auch schon KG JW 1937, § 2599; zust. insbes. Baumbach/ Duden/Hopt § 27 Anm. 3; Ehrenberg/Pisko S. 258; Gerlach Haftungsordnung, S. 48; Staub/Hüffer $ 27 Rdn. 21 ff; A. Hueck ZHR 108, 1, 4 ff; Nolte FS Nipperdey Bd. I, S. 667, bes. 683 ff; Säcker ZGR 1973, 261, 265; Straube/Schuhmacher § 27 Rdn. 15 f; Werther Diss. S. 87 ff. 35 So z.B. Goldmann Festg. Wilke, S. 119, 124 ff; D.Reuter ZHR 135, 511 ff; Schlegelberger/
34
Hildebrandt § 27 Rdn. 14; K. Schmidt § 8 IV 3 b (S. 242 f). 36 Insbes. Düringer/Hachenburg § 27 Anm. 6. 37 Wegen der Frist und der Priifungspflicht des Registergerichts s. im übrigen o. § 25 Rdn. 47 f. 38 Ebenso offenbar KG JW 1937, 2599; insbes. A. Hueck ZHR 108, 1, 25 f; Staub/Hüffer § 27 Rdn. 37; Straube/Schuhmacher § 27 Rdn. 22. " Ebenso KG JFG 18, 276, 282 f; 22, 70, 75. 40 Denkschrift S. 41 f; vgl. auch RGZ 56, 196,198 f.
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Wert trennt 41 . Nach anderen genügt hingegen bereits jede Aufgabe der Unternehmensträgerschaft durch den Erben 42 . Jedoch spricht für die Richtigkeit der herrschenden Meinung der Zweck des § 27 Abs. 2. Eine Einstellung liegt daher (nur) vor, wenn der Erbe das Geschäft an den Konkurs- oder Nachlaßverwalter herausgibt 43 oder wenn er es sofort ohne Firma weiterveräußert oder verpachtet (o. Rdn. 10). Keine Einstellung enthält hingegen (mangels endgültiger Trennung von dem in dem Geschäft verkörperten wirtschaftlichen Wert) die Veräußerung oder Verpachtung des Geschäfts mit Firma. Dasselbe gilt schließlich für die Verpachtung des Geschäfts nach dessen ursprünglicher Fortführung oder für die bloße nachträgliche Firmenänderung 44 . 21
c) Frist. Die Überlegungsfrist beträgt nach § 27 Abs. 2 grundsätzlich drei Monate und beginnt mit Ende des Tages, an dem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt hat 45 . In zwei Fällen wird die Frist jedoch verlängert, zunächst, wenn ein geschäftsunfähiger oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Erbe ohne gesetzlichen Vertreter ist (§ 206 BGB), außerdem dann, wenn bei Ablauf der Uberlegungsfrist die Ausschlagungsfrist noch nicht abgelaufen ist (§ 27 Abs. 2 S. 2 und 3 in Verbindung mit § 1944 BGB). Für die Fristwahrung genügt es, wenn nur während der Frist die Maßnahmen zur Auflösung des Geschäfts bereits eingeleitet werden; es ist nicht erforderlich, daß die Auflösung bereits während des Laufs der Frist abgeschlossen wird 46 .
22
d) Miterben. Umstritten ist die Rechtslage, wenn mehrere Erben vorhanden sind. Nach h.M. kann dann der einzelne Miterbe nicht für sich die Fortführung des Handelsgeschäfts nach § 27 Abs. 2 nach anfänglicher Fortführung des Geschäfts durch die Erbengemeinschaft einstellen; vielmehr setzt die Einstellung in diesem Fall zumindest einen Mehrheitsbeschluß der Miterben nach § 2038 Abs. 2 BGB voraus 47 . Die Richtigkeit dieser Meinung folgt schon aus dem Zusammenhang der §§ 2033 Abs. 2 und 2042 BGB 48 . Die Miterben werden hierdurch nicht übermäßig belastet, da ihnen die Möglichkeit bleibt, durch einseitige Erklärung nach § 25 Abs. 2 die Haftung abzulehnen (o. Rdn. 19) oder die sofortige Auseinandersetzung des Nachlasses zu verlangen (§§ 2042 ff BGB).
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e) Rechtsfolgen. Die rechtzeitige Einstellung des Handelsgeschäfts hat zur Folge, daß die unbeschränkte und unbeschränkbare Haftung nach § 27 für die Altschulden entfällt; der oder die Erben haften mithin fortan für die Altschulden nur noch nach BGB, d.h. 41
R G Z 56, 196, 198 f; Baumbach/Duden/Hopt § 27 Anm. 2A; A. Hueck Z H R 108, 1, 20 ff; Werther Diss. S. 60 ff; Staub/Hiiffer § 27 Rdn. 28 f; Scblegelberger/Hildebrandt § 27 Rdn. § 9; Straube/Schuhmacher § 27 Rdn. 19; Werther Diss. S. 60 ff. 42 Düringer/Hachenburg § 27 Anm. 11; Ehrenberg/Pisko S. 257; Goldmann Festg. Wilke, S. 119, 128 f; K. Schmidt § 8 IV 3a; ders. NJW 1985, 2785, 2790. 43 KG O L G E 1, 445 f.; Baumbach/Duden/Hopt § 27 Anm. 2 A; Staub/Hüffer § 27 Rdn. 26. 44 S.o. Rdn. 10; ebenso z.B. Baumbach/Duden/ Hopt § 27 Anm. 2A; Düringer/ Hachenburg § 27 Anm. 11; Werther Diss S. 51 ff.; anders z.B.
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Ehrenberg/Pisko S. 257; Straube/Schuhmacher § 27 Rdn. 20. 45 Anders z.T. mit Rücksicht auf die Besonderheiten des österreichischen Erbrechts § 27 Abs. 2 S. 2 und 3 ö H G B und dazu z.B. O G H EvBl. 1956 Nr. 86 = Ö J Z 1956, 155, 156; Straube/ Schuhmacher § 27 Rdn. 17 f; s. im übrigen u. § 139 Rdn. 35. 46 Werther Diss. S. 74 ff; str. 47 K G RJA 13, § 226; O L G Darmstadt DJZ 1910, § Sp. 656; A. Hueck Z H R 108, 1, 26 ff; Straube/ Schuhmacher § 27 Rdn. 22; anders z.B. Ehrenberg/Pisko S. 257; Düringer/Hachenburg § 27 Anm. 11. 48 S. KG RJA 13, 226, 227; s. im übrigen o. Rdn. 7 und 13.
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§28
zwar ebenfalls grundsätzlich unbeschränkt, aber mit der Möglichkeit der H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g . B e s o n d e r h e i t e n gelten, s o w e i t § 2 7 im Falle der Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in der H a n d eines Kommanditisten entsprechend angewandt wird (o. R d n . 4a). In diesem Fall führt § 2 7 Abs. 2 entsprechend § 4 1 9 Abs. 2 B G B zu einer B e s c h r ä n k u n g der H a f t u n g auf das ü b e r g e g a n g e n e G e s e l l s c h a f t s v e r m ö g e n u n t e r A u s k l a m m e r u n g des übrigen Vermögens des jetzigen Alleininhabers des Geschäfts 4 9 . U n b e r ü h r t bleibt in jedem Fall die persönliche H a f t u n g der E r b e n für die in der
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Z w i s c h e n z e i t v o n ihnen selbst b e g r ü n d e t e n G e s c h ä f t s v e r b i n d l i c h k e i t e n , die sog. N e u s c h u l d e n . B e i diesen k o m m t eine erbrechtliche Haftungsbeschränkung nur noch in Betracht, wenn die E r b e n (ausnahmsweise) mit den Gläubigern vereinbart hatten, daß sie für die fraglichen Verbindlichkeiten nur mit dem N a c h l a ß haften sollen (s. o. R d n . 15). Aus dem Gesagten m u ß der Schluß gezogen werden, daß die E r b e n während des Laufs der Uberlegungsfrist t r o t z Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 7 A b s . 1 noch nicht in jeder Hinsicht unbeschränkt und unbeschränkbar haften; vielmehr muß man ihnen solange die Einreden der §§ 2 0 1 4 bis 2 0 1 6 B G B zugestehen. Außerdem haben die E r b e n während des Laufs der Uberlegungsfrist immer noch die Möglichkeit, sich im Falle ihrer Verurteilung die nur beschränkte Erbenhaftung vorbehalten zu lassen (§ 780 Z P O ) 5 0 .
§28 (1) Tritt j e m a n d als persönlich h a f t e n d e r Gesellschafter oder als K o m m a n d i t i s t in das G e s c h ä f t eines E i n z e l k a u f m a n n s ein, so h a f t e t die Gesellschaft, a u c h wenn sie die f r ü h e r e F i r m a n i c h t f o r t f ü h r t , f ü r alle im Betriebe des Geschäfts e n t s t a n d e n e n Verbindlichkeiten des f r ü h e r e n Geschäftsinhabers. Die in dem Betriebe b e g r ü n d e t e n F o r d e r u n g e n gelten den Schuldnern gegenüber als a u f die Gesellschaft ü b e r g e g a n g e n . (2) Eine abweichende V e r e i n b a r u n g ist einem D r i t t e n gegenüber n u r wirksam, w e n n sie in das Handelsregister e i n g e t r a g e n u n d b e k a n n t g e m a c h t oder v o n einem Gesellschafter dem D r i t t e n mitgeteilt w o r d e n ist. (3) W i r d der f r ü h e r e Geschäftsinhaber K o m m a n d i t i s t u n d h a f t e t die Gesellschaft f ü r die im Betrieb seines Geschäfts e n t s t a n d e n e n Verbindlichkeiten, so ist für die B e g r e n z u n g seiner H a f t u n g § 26 entsprechend m i t der M a ß g a b e a n z u w e n d e n , d a ß die in § 2 6 Abs. 1 b e s t i m m t e F r i s t mit dem E n d e des Tages beginnt, an dem die Gesellschaft in das Handelsregister e i n g e t r a g e n wird. Dies gilt a u c h , w e n n er in der Gesellschaft oder einem ihr als Gesellschafter a n g e h ö r e n d e n U n t e r n e h m e n geschäftsführend t ä t i g wird. Seine H a f t u n g als K o m m a n d i t i s t bleibt u n b e r ü h r t . S c h r i f t t u m S. o. bei § 25 und § 26 sowie Canaris Vertrauenshaftung, S. 175 ff; U. Deschler Handelsregisterpublizität und Verkehrsschutz, Diss. Tübingen 1977; Ehrenberg/Pisko Bd. II, S. 259 ff; A. Fenyves Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis, 1982; H. Honsell/Fr. Harrer Die Haftung für Altschulden nach §§ 128, 130 H G B bei arglistiger Täuschung, ZIP 1983,259; M. Lieb Die Haftung für Altschulden, FS H. Westermann, 1974, S. 309; K.-A. Morisse Der Rechtsgrund für die Haftung des Erwerbers bei der Übernahme eines Handelsgeschäfts unter Lebenden, Diss. Köln
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Grdleg. BGHZ 113, 132, 138 f = NJW 1991, 844 = LM Nr. 7 zu § 27 HGB; dazu eingehend Lieb ZGR 1991, 572; Marotzke ZHR 156, 17.
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Ebenso Düringer/Hachenburg § 27 Anm. 11; Staub/Hüffer 27 Rdn. 32 f; Schlegelbergerl Hildebrandt § 27 Rdn. 12; K. Schmidt § 8 IV 3 a (S. 240).
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§ 2 8
1969; Möschel Das Außenverhältnis der fehlerhaften Gesellschaft, FS Hefermehl, 1976, S. 171; Reindl Zur Haftung des fehlerhaft eingetretenen Gesellschafters, FS Demelius, 1973, S. 427; K. Schmidt Handelsrecht, § 8 III (S. 254 ff); ders., Haftungsprobleme der „bürgerlich-rechtlichen KG", DB 1973, 653, 703; G. Wiesner Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 1980.
I.
II.
III.
IV.
V.
Entstehungsgeschichte 1. Ursprüngliche Fassung ( § 2 8 Abs. 1 und 2) 2. Reform (§ 28 Abs. 3) Übergangsregelung 1. Altverbindlichkeiten 2. Insbesondere Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen Zweck 1. Meinungsstand 2. Stellungnahme Anwendungsbereich 1. G r ü n d u n g einer Personenhandelsgesellschaft mit einem Kaufmann a) Grundfall b) Sonderfälle 2. Insbesondere Minderkaufleute 3. Sonstige U n t e r n e h m e n Voraussetzungen
Rdn. 1
1. Abschluß eines Gesellschaftsvertrages . 2. Mängel des Gesellschaftsvertrages . . . . a) Rechtsprechung b) Kritik 3. F o r t f ü h r u n g des bisherigen Geschäfts . a) Grundsatz b) Einzelfälle VI. Rechtsfolgen 1. H a f t u n g der Gesellschaft für die Altschulden 2. Forthaftung des früheren Inhabers . . . a) Gesamtschuldner b) Enthaftung 3. H a f t u n g des Eintretenden 4. H a f t u n g für die Neuschulden 5. Forderungsübergang VII. Abweichende Vereinbarungen 1. Wirksamkeit 2. U m f a n g
1 2 3 4 5 7 7 8 9 9 9 10 12 13 15
Rdn. 15 17 17 18 19 19 20 24 24 25 25 26 32 33 34 35 35 37
I. Entstehungsgeschichte 1. Ursprüngliche Fassung (§ 28 Abs. 1 und 2) 1
§ 28 regelt die Frage, was aus den Verbindlichkeiten und den Forderungen eines Einzelhandelsgeschäftes wird, wenn der Geschäftsinhaber, der Kaufmann, zusammen mit einer anderen Person eine Personenhandelsgesellschaft gründet und anschließend in diese sein Geschäft einbringt. Unter dem A D H G B , das noch keine dem § 28 entsprechende Vorschrift kannte, war der ganze Fragenkreis lebhaft umstritten gewesen 1 . D e r Gesetzgeber des H G B entschloß sich deshalb, die Frage im Anschluß an § 130 zu regeln, wobei er (ebenso wie schon bei § 25) in erster Linie von einer von ihm angenommenen Verkehrsauffassung ausging und sich im wesentlichen darauf beschränkte, die wichtigsten sich daraus seiner Meinung nach ergebenden Rechtsfragen zu regeln 2 . 2. Reform (§ 28 Abs. 3)
2
Abs. 3 wurde erst 1994 durch das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz (NachhBG) vom 18.3.1994, in Kraft getreten am 26.3.1994, in das Gesetz eingefügt. 3 Damit wurde bezweckt, das neue Enthaftungskonzept (s. inbesondere die §§ 26 und 160) auch auf die in § 28 geregelten Fälle auszudehnen. 4 § 28 Abs. 3 macht seitdem den engen Zusammenhang besonders deutlich, der zwischen den §§ 26, 28 und 160 besteht und der zu einer möglichst einheitlichen Auslegung dieser Vorschriften zwingt.
1
Vgl. z.B. RGZ 8, 64, 66; Gerlach S. 50 ff. Denkschrift S. 42 f. 3 BGBl. I S. 560.
2
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S. den Ausschußbericht BT-Dr. 12 (1994)/6569, S. 11 f; s. im einzelnen o. § 26 Rdn. 1 ff.
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§28
II. Übergangsregelung Durch den neuen § 26 Abs. 3 können im Einzelfall bereits begründete GläubigerPositionen geschmälert werden. Deshalb enthält Art. 37 E G H G B eine komplizierte Ü b e r gangsregelung, die im wesentlichen der für die §§ 26 und 160 geltenden Regelung entspricht, so daß wegen aller Einzelheiten auf die Erläuterungen zu den genannten Vorschriften verwiesen werden kann. 5 Hervorzuheben sind lediglich folgende Punkte:
3
1. Altverbindlichkeiten Das Gesetz unterscheidet in Art. 37 E G H G B zunächst zwischen Alt- und N e u Verbindlichkeiten, je nachdem, ob die fragliche Verblindlichkeit bereits vor oder erst nach Inkrafttreten der Neuregelung am 26.3.1994 entstanden ist. Für die Altverbindlichkeiten verbleibt es grundsätzlich bei der bisherigen Rechtslage (einschließlich der von der Rechtsprechung entwickelten Enthaftungsmöglichkeiten), außer, wenn die neue Gesellschaft nach dem 26.3.1994 im Handelsregister eingetragen und die Verbindlichkeit nicht später als vier Jahre nach der Eintragung fällig wird (Art. 37 Abs. 1 S. 1 E G H G B ) . In dem zuletzt genannten Fall greift mithin die neue Enthaftungsmöglichkeit nach § 26 Abs. 3 ein, so daß der frühere Inhaber und jetzige Kommanditist frei wird, wenn nicht der Gläubiger die Forderung binnen eines Jahres gerichtlich geltend macht (§ 28 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1). Ausgenommen sind jedoch diejenigen Altverbindlichkeiten, die erst später als vier Jahre nach der Eintragung fällig werden (Art. 37 Abs. 1 S. 2 E G H G B ) : Für sie bleibt es bei der bisherigen Rechtslage, freilich mit der Einschränkung, daß die Verjährungsfrist maximal ein Jahr beträgt.
4
2. Insbesondere Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen Die Ausnahme des Art. 37 Abs. 1 S. 2 E G H G B (o. Rdn. 4) hat Bedeutung vor allem für später fällig werdende Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen wie Miet- oder Pachtverträgen. Eine eigenartige Sonderregelung gilt jedoch nach den Abs. 2 und 3 des Art. 37 E G H G B für Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen. Grundgedanke dieser Regelung ist, daß ein besonderer Insolvenzschutz für solche Ansprüche durch Forthaftung des früheren Inhabers und jetzigen Kommanditisten entbehrlich ist, wenn die Arbeitnehmer auf andere Weise gegen das Insolvenzrisiko abgesichert sind, wobei vor allem an das Konkursausfallgeld und an die Ansprüche gegen den Pensions-Sicherungsverein zu denken ist.
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Besteht solche Sicherung, dann greift nach Art. 37 Abs. 2 E G H G B die neue Enthaftungsmöglichkeit (durch § 28 Abs. 3 i.V.m. § 26 Abs. 1) auch dann ein, wenn die Verbindlichkeiten erst später als vier Jahre nach Eintragung der Gesellschaft fällig werden, und zwar selbst dann, wenn die Gesellschaft schon vor Inkrafttreten des N a c h h B G ins Handelsregister eingetragen worden ist. In dem zuletzt genannten Fall gilt dann der 26.3.1994 als Tag der Eintragung, so daß von diesem Tag ab die neue Ausschlußfrist des § 28 Abs. 3 i.V.m. § 26 Abs. 1 S. 1 läuft (Art. 37 Abs. 2 S. 2 E G H G B ) . Sind die Ansprüche der Arbeitnehmer hingegen nicht anderweitig gegen das Insolvenzrisiko abgesichert, so verbleibt es für diese Ansprüche bei der bisherigen Rechtslage (Art. 37 Abs. 3 E G H G B ) .
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S. deshalb einzelnen o. § 26 Rdn. 4 ff, u. § 128 Rdn. 40 ff.
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III. Zweck 1. M e i n u n g s s t a n d 7
Grundgedanke und Z w e c k des § 28 sind ebenso umstritten wie bei § 25. Sämtliche T h e o r i e n , die zur Erklärung des § 25 entwickelt worden sind, finden sich auch in der Diskussion zu § 2 8 6 . Stichworte sind Erklärungs-, Rechtsschein- und Haftungsfondstheorie. E i n ähnlich buntes Bild bietet die Praxis. Sie operiert zur Erklärung des § 2 8 gleichfalls in erster Linie mit der Haftungsfonds- und der Rechtsscheintheorie; daneben findet sich noch der naheliegende Hinweis auf die Parallele zu § 130 7 . Schließlich werden noch die vollstreckungsrechtlichen Schwierigkeiten, die sich für die Altgläubiger aus § 124 Abs. 2 H G B und § 736 Z P O nach G r ü n d u n g einer Gesamthand ohne § 28 ergäben, zur Erklärung des § 2 8 herangezogen 8 . 2. S t e l l u n g n a h m e
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Tatsächlich bedarf es zur Rechtfertigung des § 2 8 aller dieser komplizierten Ü b e r l e gungen nicht 9 . E b e n s o wie bei § 2 5 genügt vielmehr die Feststellung, daß der Gesetzgeber bei § 2 8 von einer von ihm angenommenen Verkehrsauffassung ausgegangen ist und sich darauf beschränkt hat, die sich daraus in seinen Augen ergebenden P r o b l e m e zu regeln (s.o. R d n 1). D a m i t ist vor allem eine Klarstellung der Haftungsverhältnisse im Interesse der Sicherheit des Handelsverkehrs bezweckt. Zugleich bedeutet § 28 eine Verbesserung der vollstreckungsrechtlichen Position der Altgläubiger. § 2 8 erweist sich damit als durchaus sinnvolle Vorschrift 1 0 . Seit der Einfügung des neuen Abs. 3 durch das N a c h h B G von 1994 ist außerdem der weitere Z w e c k h i n z u g e k o m m e n , die Forthaftung des bisherigen Inhabers sachgemäß zu begrenzen, wenn er in die Rolle des Kommanditisten überwechselt. § 28 ist (spätestens) seitdem in einer Reihe mit den §§ 2 6 und 160 zu sehen (o. R d n . 2).
IV. Anwendungsbereich 1. G r ü n d u n g einer Personenhandelsgesellschaft m i t einem K a u f m a n n 9
a) Grundfall. § 28 regelt den Fall, daß jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder als K o m m a n d i t i s t in das Geschäft eines Einzelkaufmanns „eintritt". G e m e i n t ist mit dieser unscharfen Formulierung in erster Linie der Fall der G r ü n d u n g einer O H G oder K G durch einen Einzelkaufmann zusammen mit einer beliebigen anderen Person, in die der Einzelkaufmann anschließend sein Geschäft einbringt, das von der Gesellschaft im wesentlichen unverändert fortgeführt wird 1 1 . F ü r die Anwendung des § 28 ist daher kein 6
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S. im einzelnen o. § 25 Rdn. 5 ff sowie insbes. Gerlach S. 49 ff; H. Honsell/Fr. Harrer ZIP 1983, 259, 263; Lieb S. 315 ff; Möschel S. 182; K. Schmidt ZHR 145, 2; ders. Handelsrecht, § 8 I 2 (S. 214 ff). RGZ 142, 98, 106; 164, 115, 120; BGH LM Nr. 4 zu § 28 HGB = NJW 1961, 1765; LM aaO Nr. 5 = NJW 1966, 1917; OGH SZ Bd. 45 (1972) Nr. 30, S. 128, 131. BGH LM Nr. 5 zu § 28 HGB = NJW 1966,1917; OLG Celle OLGZ 1981, 1 f; Lieh S. 315 f; Möschel S. 182.
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S. schon o. § 25 Rdn. 8; ebenso Straube/Schuhmacher § 28 Rdn. 3. 10 Anders insbes. Canaris S. 183 ff, 187; R. Fischer Anm. LM Nr. 3 zu § 28 HGB. 11 Vgl. den neuen § 26 Abs. 3; ausführlich K. Schmidt § 8 III 1; hingegen für bloß entsprechende Anwendung des § 28 in diesem Fall z.B. KG OLGE 21, 375 f; LG Hamburg MDR 1971, 929 f.
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Raum, wenn der Kaufmann, ohne sich zu beteiligen, lediglich sein Geschäft an eine (schon bestehende oder zugleich gegründete) Gesellschaft veräußert 12 oder wenn er sein Geschäft zunächst auflöst und erst danach mit Dritten eine neue Gesellschaft gründet (u. Rdn. 19). Ebensowenig paßt § 28 bei Gründung einer GmbH oder A G unter gleichzeitiger Einbringung eines Handelsgeschäfts; in derartigen Fällen ist vielmehr unmittelbar § 25 anwendbar, so daß es - anders als im Anwendungsbereich des § 28 - auf Firmenfortführung ankommt, ein zugegebenermaßen wenig sinnvolles Ergebnis der gesetzlichen Regelung. b) Sonderfälle aa) Einzelkaufmann im Sinne des § 28 sind auch juristische Personen oder Gesamt- 1 0 handsgemeinschaften, die ein vollkaufmännisches Gewerbe betreiben. § 28 ist daher z.B. unmittelbar anwendbar, wenn eine Gesamthand mit ihren Mitgliedern oder mit Dritten eine (weitere) oHG oder KG gründet und in diese ihr Geschäft einbringt 13 . bb) Auf die rechtliche Qualität des Eintretenden kommt es gleichfalls nicht an. Jede 11 Person, die in das Geschäft eines Einzelkaufmanns im Sinne des § 28 eintritt, haftet vielmehr fortan nach Maßgabe des § 28 für die Altschulden. Unter § 28 fällt daher auch der Fall, daß ein Einzelkaufmann zusammen mit einer juristischen Person oder einer Gesamthand eine O H G oder KG gründet. Zu denken ist hier natürlich in erster Linie an die Fälle der GmbH & Co. KG 14 . 2. Insbesondere Minderkaufleute § 28 ist keine firmenrechtliche Vorschrift 15 . Der Einzelkaufmann braucht deshalb nicht Vollkaufmann gewesen zu sein. Es genügt vielmehr, wenn er Minderkaufmann war, sofern nur durch den Eintritt des neuen Gesellschafters eine O H G oder KG entsteht 16 .
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3. Sonstige Unternehmen In weiteren Fällen ist die Anwendbarkeit des § 28 umstritten. Die Rechtsprechung 1 3 lehnt jenseits der genannten Fälle (o. Rdn. 9 - 12) eine entsprechende Anwendung des § 28 mit Rücksicht auf seine Stellung im HGB ab. § 28 gilt hiernach namentlich dann nicht, wenn die Gesellschaft ebenfalls kein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betreibt, so daß sie nur eine BGB-Gesellschaft ist 17 , und zwar selbst dann nicht, wenn sie später, d.h. nach ihrer Gründung durch den Eintritt eines Dritten noch ins Handelsregister eingetragen wird und dadurch zur Personenhandelsgesellschaft wird. 1 8 Anders hingegen für diese Fälle häufig das neuere Schrifttum 19 . Dieser Kritik ist zumindest in dem zuletzt genannten Fall (Eintragung erst nach Gesellschaftsgründung) zuzustimmen. Hingegen paßt die gesetzliche Regelung in der Tat nicht auf die Gründung einer BGB-Gesellschaft unter Einbringung eines beliebigen
12 S.o. § 25 Rdn. 14; BGH W M 1964, 296, 298. 13 S. o. § 25 Rdn. 14; K. Schmidt § 8 III 1 a, aa (S. 255). 14 Straube/Schuhmacher § 28 Rdn. 7. 15 BGH LM Nr. 5 zu §28 HGB = NJW 1966,1917. 16 RGZ 164, 115, 119 f; RG Recht 1924, Sp. 140 f. Nr. 404; BGH (Fn. 15); LM Nr. 3a zu § 28 HGB = W M 1960, 259; OLG Hamburg HansRGZ 1931 B, Sp. 670, 671.
Z.B. BGH W M 1972, 21, 22; zust. Gerlach S. 60 f; Baumbach/Duden/Hopt § 28 Anm. 1B; SchlegelbergerlHildebrandt § 28 Rdn. 3; Düringer/Hachenburg § 28 Anm. 2; Straube/ Schuhmacher § 28 Rdn. 6. BGHZ 31, 397, 400 f = NJW 1960, 624. 19 Lieb S. 320 ff; Möschel S. 182 f; K. Schmidt § 8 III 1 (S. 255 ff); ders. DB 1973, 653, 703 ff; den. ZHR 145, 2, 19 f, 22 f.
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Unternehmens, da in diesem Fall mangels Eintragbarkeit der Gesellschaft im Handelsregister ein Haftungsausschluß nach § 28 A b s . 2 entgegen dem Zweck der gesetzlichen Regelung nicht mehr möglich ist 2 0 .
V. Voraussetzungen 1. A b s c h l u ß eines G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g e s 15
a) D i e Anwendung des § 28 setzt den Abschluß eines (neuen) Gesellschaftsvertrages zwischen dem bisherigen Inhaber des Geschäfts und dem Eintretenden voraus. Bestand die Gesellschaft dagegen im Augenblick des Eintritts des neuen Gesellschafters bereits, so ist für die A n w e n d u n g des § 28 kein R a u m ; die H a f t u n g des Beitretenden richtet sich dann vielmehr unmittelbar nach den §§ 130 und 173.
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b) D i e Gesellschaft muß tatsächlich gegründet worden sein; bloße V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n lösen die H a f t u n g der zukünftigen Gesellschaft und damit des Beitretenden noch nicht aus 2 1 . Keine Rolle spielt hingegen, wer persönlich haftender Gesellschafter und wer Kommanditist wird; § 28 ist, wie sein A b s . 3 zeigt, auch anwendbar, wenn der bisherige Inhaber die Rolle des Kommanditisten übernimmt 2 2 . 2. M ä n g e l des G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g e s
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a) R e c h t s p r e c h u n g . N a c h h.M. stehen etwaige Mängel des Gesellschaftsvertrages der H a f t u n g der Gesellschaft für die Altschulden nach § 28 und damit gegebenenfalls der H a f t u n g des Beitretenden über § 128 nicht entgegen. D a s soll sogar für Fälle der arglistigen Täuschung des Beitretenden oder der Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags wegen dessen Geschäftsunfähigkeit gelten. D a v o n war schon das R G unter B e r u f u n g auf die (angeblich) in der Eintragung und Bekanntmachung der Gesellschaft liegende Erklärung an die Öffentlichkeit sowie auf Rechtsscheingrundsätze ausgegangen 2 3 . D e m hat sich die spätere Praxis durchweg angeschlossen, indem sie einfach die G r u n d s ä t z e über die fehlerhafte Gesellschaft 2 4 auf den Anwendungsbereich des § 28 übertrug 2 5 . Lediglich der Fall des reinen Scheinbeitritts wird ausgenommen, wobei freilich hier immer noch eine Rechtsscheinhaftung des Beitretenden in Betracht k o m m e n soll 2 6 .
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Zutr. Straube/Schuhmacher § 28 Rdn. 6. Düringer/Hachenburg § 28 Anm. 4.
B G H Z 78, 114, 119 = N J W 1981, 175; O G H SZ Bd. 45 (1972) Nr. 30, S. 128, 132. 2 3 R G Z 51, 33, 39; 76, 439, 441; 89, 97, 98; 93, 227, 228 ff; 142, 98, 104 f; 164, 115, 121 f; K G O L G E 21,375, 377. 2 4 S.u. § 1 0 5 Rdn. 69 ff. 25 Insbes. B G H L M Nr. 4 zu § 28 H G B = NJW 1961,1765; L M Nr. 6 zu § 28 H G B = N J W 1972,
1466; Baumbach/Duden/Hopt § 28 Anm. 1 C; Ehrenberg/Pisko Bd. II, S. 260; Gerlach S. 59; Schlegelberger/Hildebrandt § 28 Rdn. 6; K. Schmidt § 8 III lb, cc (S. 259 f); Staub/Hüffer
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§ 28 Rdn. 12. 26
Baumbach/Duden
§ 28 Anm. 1 C (unter unzu-
treffender Berufung auf B G H WM 1964, 296, 298).
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b) Kritik. Im neueren Schrifttum ist diese Rechtsprechung auf verbreitete Kritik 1 8 gestoßen, weil sie zu einer unzumutbaren Belastung des Beitretenden führen kann 27 . In der Tat muß hier zwischen der Haftung der neu gegründeten Gesellschaft und der des Beitretenden unterscheiden. § 28 Abs. 1 betrifft allein die Haftung der Gesellschaft (s. u. Rdn. 32). N u r sie richtet sich daher nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft, sobald die Gesellschaft, wenn auch auf fehlerhafter Basis, einmal in Vollzug gesetzt ist. Hingegen besteht keine Notwendigkeit, in den genannten Fällen zugleich eine Haftung des Beitretenden anzunehmen, wenn dieser etwa von dem bisherigen Inhaber arglistig getäuscht worden ist. Seine persönliche Haftung entfällt vielmehr in jedem Fall (§§ 123, 142 BGB). 3. F o r t f ü h r u n g des bisherigen Geschäfts a) G r u n d s a t z . Aus der Parallele zu § 25 ergibt sich, daß § 28 nur anwendbar ist, wenn 1 9 die neue Gesellschaft das bisherige Geschäft im wesentlichen unverändert fortführt 2 8 . Lediglich auf die nach § 25 zusätzlich erforderliche Firmenfortführung wird verzichtet. § 28 findet daher keine Anwendung, wenn der Einzelkaufmann schon vor Gründung der Gesellschaft sein Geschäft endgültig aufgelöst hatte 29 , während eine bloß vorübergehende Stillegung des Geschäfts unschädlich ist, sofern nur die wesentlichen Geschäftsbeziehungen noch vorhanden sind 30 . b) Einzelfälle aa) Hat ein Einzelkaufmann zulässigerweise mehrere selbständige Geschäfte unter 2 0 verschiedenen Firmen geführt 31 , so betrifft § 28 immer nur die Altschulden desjenigen Geschäfts, in das ein neuer Gesellschafter eingetreten ist, nicht hingegen Schulden aus einem der anderen Geschäfte 32 . bb) Bei der Vereinigung mehrerer Geschäfte zu einer neuen Gesellschaft ist § 28 nur 2 1 anwendbar, wenn von der neuen Gesellschaft eines oder auch mehrere der bisherigen Geschäfte im wesentlichen unverändert fortgeführt werden, z.B. in der Form selbständiger Zweigniederlassungen. § 28 kann hingegen nicht mehr angewandt werden, wenn die Gesellschaft durch Vereinigung der verschiedenen Geschäfte ein ganz neues Geschäft begründet 33 . cc) § 28 setzt weder eine Fortführung der Firma (vgl. § 25) noch eine Übertragung des 2 2 Geschäftsvermögens auf die neue Gesellschaft voraus (vgl. § 419 BGB). Er ist vielmehr auch anwendbar, wenn die Gesellschaft das bisherige Geschäft lediglich pachtet. Dies hat Bedeutung vor allem für die Fälle der Betriebsaufspaltung 34 .
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Z.B. Canaris S. 175 ff; Düringer/Hachenburg § 28 Anm. 4; H. Honsell/Fr. Harrer ZIP 1983, 259, 263; Möschel S. 180 ff; Larenz Anm. JW 1934, 224 ff; Müller-Graff JuS 1979, 24; Reindl FS Gemelins, S. 427; Straube/Schuhmacher § 28 Rdn. 10. S. o. § 25 Rdn. 20 ff. Rdn. 9; B G H WM 1955, 1315, 1316 = BB 1955, 877; K G J 30 A 109, 110 f; K G O L G E 21, 375 f; O L G Hamburg HansRZ 1931 B, Sp. 670.
so B G H L M Nr. 4 zu § 28 H G B = N J W 1961, 1765; WM 1955, 1315, 1316 = BB 1955, 877. 31 S.o. $ 17 Rdn. 24. 32 R G L Z 1907 Sp. 822 Nr. 2; B G H Z 31, 397, 399 f = N J W 1960, 624. 33 R G Recht 1924, Sp. 140 f Nr. 404; O G H SZ Bd. 45 (1972) Nr. 30, S. 128, 131 f; im einzelnen str; 34
s. K. Schmidt § 8 III lb, cc (S. 259). Gerlach S. 54 f; Staub/HUffer § 28 Rdn. 14.
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VI. Rechtsfolgen 1. Haftung der Gesellschaft für die Altschulden 23
Unter den Voraussetzungen des § 28 haftet die neue Gesellschaft grundsätzlich für alle im Betrieb des Geschäfts des bisherigen Einzelkaufmanns entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers. Gemeint sind damit die sog. Altschulden aus der Zeit des Geschäftsbetriebes vor Gründung der Gesellschaft, die sowohl von den Neuschulden (u. Rdn. 33) als auch von den Privatschulden des bisherigen Inhabers abgegrenzt werden müssen, weil für die letzteren die Gesellschaft nicht haftet 35 . Die Abgrenzung richtet sich nach denselben Grundsätzen wie bei § 2 5 36 . 2. Forthaftung des früheren Inhabers
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a) Gesamtschuldner. § 28 ändert nichts an der Forthaftung des bisherigen Geschäftsinhabers neben der Gesellschaft, so daß es sich hier um einen Fall des gesetzlichen Schuldbeitritts handelt. Der bisherige Inhaber und die Gesellschaft werden Gesamtschuldner 37 . Hatte ein Gläubiger vor Gründung der Gesellschaft gegen den bisherigen Inhaber bereits einen rechtskräftigen Titel erwirkt, so kann dieser analog § 729 Abs. 2 Z P O auf die Gesellschaft umgeschrieben werden 38 . b) Enthaftung
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aa) In den Fällen des § 28 kann es ebenso wie bei § 25 (s. § 26) oder bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer bestehenden Personenhandelsgesellschaft (s. § 160) zu einer sog. Endloshaftung des bisherigen Inhabers und jetzigen Gesellschafters kommen, namentlich, aber nicht allein bei Dauerschuldverhältnissen, sofern die aus ihnen entstehenden Forderungen des anderen Teils erst lange Zeit nach Gründung der neuen Gesellschaft fällig werden. Zu denken ist hier in erster Linie an Ansprüche aus noch vor Gründung der Gesellschaft begründeten Arbeitsverhältnissen oder erteilten Ruhegeldzusagen. Das ist besonders mißlich, wenn der frühere Inhaber Kommanditist wird, weil durch solche Forthaftung die mit der „Umwandlung" der Rechtsstellung des Einzelkaufmanns in die eines Kommanditisten bezweckte Haftungsbeschränkung weithin konterkariert werden kann.
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bb) Schon nach früherem Recht war umstritten, ob in den Fällen des § 28 Raum für die entsprechende Anwendung des § 26 ist. Uberwiegend wurde die Frage verneint. 39 Deshalb ist durch den neuen § 28 Abs. 3 in der Fassung des NachhBG von 1994, in Kraft getreten am 26.3.1994 das Enthaftungskonzept der §§ 26 und 130 ausdrücklich auf den Fall erstreckt worden, daß der frühere Inhaber Kommanditist wird (s. schon o. Rdn. 2 ff).
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BGH LM Nr. 3 zu § 29 KO = MDR 1956, 86. S. deshalb im einzelnen o. § 25 Rdn. 26 ff. 37 BGH LM Nr. 5 zu § 28 HGB = NJW 1966, 1917; Rpfl. 1974, 260 = WM 1974, 395, 396. 38 BGH WM 1974, 395, 396 = Rpfl. 1974, 260; O L G Naumburg LZ 1919, Sp. 1032 Nr. 7; OLG Kiel HRR1931 Nr. 2081. 39 S. Voraufl. Rdn. 19; z.B. BGHZ 78, 114, 119 = NJW 1981, 175; BAG AP Nr. 1 zu § 26 HGB 36
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= BB 1987, 2235 = NZA 1988, 246; NJW 1991, 1972; Baumbach/Duden/Hopt § 28 Anm. IE; Düringer/Hachenburg § 28 Anm. 7; Schlegelberger/Hildebrandt § 28 Rdn. 9; Straube/Schuhmacher § 28 Rdn. 14; - vermittelnd Staub/Hüffer § 26 Rdn. 20, § 28 Rdn. 24 ff; - a.A. K. Schmidt § 8 III 2a (S. 261); ders. ZHR 145, 2, 24; ders., NJW 1981, 159; Lieb ZGR 1985, 124, 144 f.
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Nach § 28 Abs. 3 S. 1 n.F. gilt für die Haftung des früheren Inhabers, wenn er Kom- 2 7 manditist wird, der ganze § 26 entsprechend, sofern die Gesellschaft für die im Betrieb seines Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten nach § 28 Abs. 1 haftet, und zwar mit der Maßgabe, daß die fünfjährige Ausschlußfrist des § 26 Abs. 1 mit dem Ende des Tages beginnt, an dem die neue Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wird. Keine Rolle spielt hingegen, ob der frühere Inhaber in der Gesellschaft geschäftsführend tätig bleibt oder nicht (Stichwort: geschäftsleitender Kommanditist) (§ 26 Abs. 3 S. 2; vgl. § 160 Abs. 3 S. 2). Unberührt bleibt aber in jedem Fall seine Haftung als Kommanditist nach den § 171 ff (§ 26 Abs. 3S. 3). Die entsprechende Anwendung des § 26 nach Maßgabe des § 28 Abs. 3 bedeutet, daß 2 8 zugunsten des früheren Inhabers, der Kommanditist geworden ist, ab Eintragung der neuen Gesellschaft eine fünfjährige Ausschlußfrist läuft, nach deren Ablauf seine Forthaftung als früherer Inhaber (nicht als Kommanditist!) für die Altverbindlichkeiten ohne Rücksicht auf deren Fälligkeit erlischt, sofern nicht die Verbindlichkeiten vorher gerichtlich geltend gemacht worden sind. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu § 26 zu verweisen. 40 Bedeutung 2 9 hat die neue Enthaftungsmöglichkeit vor allem, aber nicht allein für Ansprüche gegen den früheren Inhaber und jetzigen Kommanditisten aus Dauerschuldverhältnissen einschließlich der Arbeitsverhältnisse. Dies wird durch die den früheren Inhaber noch zusätzlich begünstigende Ubergangsregelung für Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen in Art. 37 Abs.2 und 3 E G H G B unterstrichen (dazu o. Rdn. 5 f). cc) Die entsprechende Anwendbarkeit des § 26 setzt nach § 28 Abs. 3 n.F. zweierlei 3 0 voraus. Der frühere Inhaber muß Kommanditist werden; und die neue Gesellschaft muß für die in seinem Geschäft begründeten Altverbindlichkeiten haften. Eine Enthaftung des früheren Inhabers nach dem neuen § 26 scheidet mithin aus, wenn er persönlich haftender Gesellschafter wird oder wenn die Haftung der Gesellschaft für die Altverbindlichkeiten ganz oder partiell nach § 28 Abs. 2 ausgeschlossen worden ist (u. Rdn. 35 ff). 3. Haftung des Eintretenden § 28 verhält sich nur über die Haftung der neuen Gesellschaft, sagt aber nichts über die 31 Haftung des Eintretenden, so daß sich diese allein nach Gesellschaftsrecht richtet (§§ 128, 171). Danach erstreckt sich die Haftung des Eintretenden grundsätzlich auch auf die Altschulden. Vor allem die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses nach § 28 Abs. 2 findet hierin letztlich ihre sachliche Rechtfertigung 41 . Im neueren Schrifttum wird dies freilich verschiedentlich bestritten 42 . Dieser Meinung ist jedoch mit Rücksicht auf den Wortlaut des Gesetzes nicht zu folgen. In den Fällen fehlerhaften Beitritts läßt sich auch auf anderem Wege eine angemessene Lösung finden (o. Rdn. 17 f). 4. Haftung für die Neuschulden Für die Haftung der Gesellschaft und der Gesellschafter für die nach Beginn der 3 2 Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten gelten keine Besonderheiten. Sie richtet sich
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Wegen der Übergangsregelung s. o. Rdn. 3 ff. Denkschrift S. 42; RGZ 164, 115, 121; BGH LM Nr. 5 zu § 28 HGB = NJW 1966,1917; LM aaO Nr. 6 = NJW 1972, 1466; O L G Celle OLGZ 1981, UH. Honseil/Fr. Harrer ZI? 1981,
259, 263; Staub/Hüffer § 28 Rdn. 22; Schlegelberger/Hildebrandt § 28 Rdn. 9 f; K. Schmidt § 8 III 2 a (S. 261 f). 42 Z.B. Lieb S. 311 f, 323 f; Möschel S. 183.
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allein nach Gesellschaftsrecht 43 . Ist der bisherige Inhaber Kommanditist geworden, so kann er unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 15 gleichwohl auch für die Neuschulden unbeschränkt persönlich haften. 5. Forderungsübergang 33
Ebenso wie im Falle des § 25 bestimmt § 28 Abs. 1 S. 2, daß die in dem Betriebe begründeten Forderungen den Schuldnern gegenüber als auf die Gesellschaft übergegangen gelten 44 . Damit ist zugleich gesagt, daß es in den hier interessierenden Fällen niemals zu einer Gesamtrechtsnachfolge der neuen Gesellschaft kommt, vielmehr alle Vermögensgegenstände einzeln auf sie übertragen werden müssen 45 .
VII. Abweichende Vereinbarungen 1. Wirksamkeit 34
a) Ebenso wie bei § 25 (s. § 25 Abs. 2) sind bei § 28 abweichende Vereinbarungen möglich. Nach § 28 Abs. 2 sind sie jedoch Dritten gegenüber nur wirksam, wenn der Ausschluß des Forderungsübergangs (o. Rdn. 34) oder der Haftung der Gesellschaft für die Altschulden (o. Rdn. 24 ff) entweder in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder von einem Gesellschafter dem Dritten mitgeteilt worden sind46. Ein Haftungsausschluß allein im Innenverhältnis hat keine Wirkung gegenüber den Gläubigern 47 ; vielmehr wirkt der Haftungsausschluß gegenüber den Gläubigern nur, wenn er gerade auf dem in § 28 Abs. 2 genannten Wege kundgemacht wird. Erfahren die Gläubiger auf andere Weise von dem Haftungsausschluß, so ist das für sie unschädlich 48 .
35
b) Die Kundmachung muß unverzüglich auf die Gesellschaftsgründung folgen; jede Verzögerung geht zu Lasten der Gesellschaft, wobei es auf ein Verschulden der Gesellschafter nicht ankommt 49 . Als verspätet gilt z.B. eine Kundmachung drei Wochen oder gar erst fünf Monate nach Beginn der Gesellschaft 50 . In solchen Fällen hat auch das Registergericht die Eintragung der Haftungsbeschränkung abzulehnen 51 . Die Beteiligten können sich dieser Rechtslage nicht dadurch entziehen, daß sie noch vor Gründung der Gesellschaft den Gläubigern bereits den vorerst lediglich geplanten Haftungsausschluß mitteilen, da das Gesetz in § 28 Abs. 2 eine Mitteilung gerade durch einen „Gesellschafter", d.h. durch den bisherigen Inhaber oder den Eintretenden nach Gründung der Gesellschaft verlangt. Eine vorherige Mitteilung ist daher ebenso unwirksam 52 wie eine nachträgliche verspätete Mitteilung 53 .
43
Düringer/Hachenburg § 28 Anm. 7; K. Schmidt § 8 III 2 c (S. 262 f). 44 S. im einzelnen o. § 25 Rdn. 36 ff. 45 O G H GesRZ 1976, 95. 46 Wegen der Einzelheiten s. o. § 25 Rdn. 43-53. 47 O L G Königsberg O L G E 41, 195, 196. 48 KG OLGE 21, 375, 376 f. 49 S. o. § 25 Rdn. 47; RG HRR 1929 Nr. 320; BayObLG WM 1984, 1533 = MDR 1984, 850; O L G Hamburg HansRGZ 1931 B, Sp. 670, 671 f; O G H SZ Bd. 45 (1972) Nr. 30, S. 128, 132. 354
50
OLG Wien EvBl. 1948 Nr. 559 = ÖJZ 1948, 330; NZ 1954, 111. O L G Wien (Fn. 50). 52 RGZ 102, 243, 245 f; O L G Königsberg OLGE 41, 195, 196; a.A. nur Düringer/Hachenburg § 28 Anm. 9. 53 Z.B. OLG Wien EvBl. 1948 Nr. 559 = ÖJZ 1948, 330. 51
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 29
2. U m f a n g Hinsichtlich des Umfanges der Ausschlußvereinbarung besteht nicht anders als im Falle des § 25 Abs. 2 Vertragsfreiheit 5 4 . D i e Gesellschafter k ö n n e n sich deshalb auch
36
darauf beschränken, lediglich die persönliche Haftung des Eintretenden auszuschließen 5 5 . Ist aber nach § 28 die H a f t u n g der Gesellschaft einmal begründet worden, so kann sie nachträglich auch dadurch nicht mehr beseitigt werden, daß die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag jetzt wieder rückwirkend aufheben 5 6 .
§29 J e d e r K a u f m a n n ist verpflichtet, seine F i r m a oder den O r t seiner Handelsniederlassung bei dem G e r i c h t , in dessen Bezirke sich die Niederlassung befindet, z u r E i n t r a g u n g in das Handelsregister a n z u m e l d e n ; er h a t seine F i r m a z u r A u f b e w a h r u n g bei d e m G e r i c h t e zu zeichnen. S c h r i f t t u m . E. Beck Die Richtigkeit der Firmenzeichnung zur Aufbewahrung bei Gericht, B B 1962, 1265; Weinmann Die Firmenzeichnung und deren Beglaubigung, N Z 1957, 57. Übersicht Rdn. 1. Überblick
1
2. Zweck
2
3. Verpflichteter a) N u r Vollkaufleute b) Einzelfälle
Rdn. . Anmeldung der Handelsniederlassung a) O r t der Handelsniederlassung
3
b) Weitere Angaben
3
.Zeichnungspflicht
8 8 9 10
4
a) Firma
10
5
b) Verfahren
11
a) Verfahren
5
c) Art der Zeichnung
12
b) Anmeldung nötig
6
c) Prüfungspflicht des Registergerichts
7
4. Anmeldung der Firma
1. Überblick § 2 9 begründet zwei öffentlich-rechtliche Pflichten, deren D u r c h s e t z u n g sich nach 1 § 1 4 richtet. J e d e r Kaufmann ist danach verpflichtet, die Firma oder den O r t seiner Handelsniederlassung zur Eintragung anzumelden; außerdem muß er seine F i r m a zur Aufbewahrung im Handelsregister zeichnen. D i e entsprechende Vorschrift für nachträgliche Änderungen der F i r m a oder ihres Inhabers, für die Verlegung der Niederlassung an einen anderen O r t s o w i e für das E r l ö s c h e n der F i r m a findet sich in § 31. Sondervorschriften bestehen für Zweigniederlassungen aufgrund der §§ 13 ff, für juristische Personen (§§ 3 3 - 3 6 ) , für Personengesellschaften (§§ 1 0 6 , 1 0 8 und 162), für die G m b H (§§ 7 ff G m b H G ) , für die A G (§§ 36 ff A k t G ) , für Genossenschaften (§§ 10 ff G e n G ) sowie für die Versicherungsvereine a G (§ 3 0 Abs. 1 V A G ) . Ergänzend ist n o c h die Handelsregisterverfügung v o m 12.8.1937 1 zu beachten, die als Rechtsverordnung fortgilt. In Osterreich ist 1991 im Halbs. 2 die „ F i r m a " durch die „Namensunterschrift" ersetzt
S. o. § 2 5 Rdn. 45. 55 OLG Celle OLGZ 1978, 1 f; anders z.B. OGH NZ 1952, 125. 5 BGH LM Nr. 6 zu § 28 HGB = NJW 1972,1466. 54
1
DJ S. 1251.
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355
§29
Erstes Buch. Handelsstand
worden; außerdem gelten mit Rücksicht auf das Fehlen eines Güterrechtsregisters noch ergänzende Vorschriften f ü r die Eintragung der Ehepakte von Kaufleuten ins Handelsregister 2 . 2. Zweck 2
Durch die Regelung der §§ 29 und 31 soll im Interesse der anmeldepflichtigen Kaufleute und der Allgemeinheit sichergestellt werden, daß sich alle Beteiligten an Hand des Handelsregisters leicht Klarheit über die maßgeblichen Rechtsverhältnisse bei kaufmännischen Unternehmen zu verschaffen vermögen. Zugleich soll durch die Zeichnungspflicht des Kaufmanns erreicht werden, daß sie jederzeit zur Überprüfung der Echtheit einer Unterschrift des Kaufmanns in der Lage sind 3 . Hieraus folgt, daß § 29 nicht als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verstanden werden kann 4 . 3. Verpflichteter
3
a) Nur Vollkaufleute. Die Anmelde- und Zeichnungspflicht trifft nach § 29 jeden Kaufmann. Wie aus § 4 Abs. 1 folgt, ist damit nur der Vollkaufmann im Gegensatz zum Minderkaufmann gemeint, wobei es freilich genügt, daß das Grundhandelsgewerbe von vornherein auf einen vollkaufmännischen Betrieb angelegt ist5; stellt sich dann später heraus, daß der Betrieb tatsächlich keinen vollkaufmännischen Charakter trägt, so ist die Firma von Amts wegen wieder zu löschen 6 . Für die sog. Sollkaufleute des § 2 ergibt sich die Anmelde- und Zeichnungspflicht, da sie vor Eintragung noch gar keine Kaufleute sind, erst aus der Verweisung des § 2 S. 2 auf § 29. Uberhaupt keine Anmelde- und Zeichnungspflicht besteht für Kannkaufleute nach § 3.
4
b) Einzelfälle. Bei juristischen Personen treffen die Pflichten aus § 29 die Organe der Gesellschaft, gegen die deshalb gegebenenfalls auch das Registergericht nach § 14 vorzugehen hat 7 . Handelt es sich um ein verpachtetes Geschäft, so ist Kaufmann nur der Pächter, nicht der Verpächter, so daß auch nur der Pächter zur Anmeldung der Firma und zur Zeichnung seiner Unterschrift verpflichtet ist8. 4. Anmeldung der Firma
5
a) Verfahren. Der Kaufmann ist zunächst verpflichtet, seine Firma bei dem Gericht, in dessen Bezirk sich seine Niederlassung befindet, in der Form des § 129 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Gemeint ist damit die Erklärung des Kaufmanns, daß er unter der von ihm angegebenen Firma (und an dem von ihm bezeichneten Niederlassungsort) ein Handelsgewerbe betreibt, verbunden mit dem Antrag, diese Tatsachen in das Handelsregister einzutragen 10 . Ein bestimmter Wortlaut ist für die Anmeldung
2
3
4
Art. 6 Nr. 7 der 4. RAnglVO; s. Straube/Schuhmacher § 29 Anh. Vgl. im einzelnen RGZ 54, 168, 171; 72, 408,411; BayObLGZ 1972, 326, 328 f; 1973, 205, 209; 1978, 182, 184; KG KGJ 37 A 138, 139 f; OLGE 19, 309, 310; Recht 1926, 352 Nr. 1115; O L G Hamm OLGZ 1983, 264, 266 ff. RGZ 72, 408,411.
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S.o. § 2 Rdn. 18 m. Nachw. § 142 FGG; Scblegelberger/Hildebrandt Rdn. 3. BayObLGZ 1973, 205, 208. S.o. § 1 Rdn. 13 m. Nachw. BayObLGZ 1973, 205, 207. So Düringer/Hachenburg § 29 Anm. 3.
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§ 29
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§29
nicht vorgeschrieben; es genügt vielmehr, w e n n sich aus ihr eindeutig die a n z u m e l d e n d e n u n d eintragungspflichtigen Tatsachen ergeben 1 1 . D i e Einzelheiten d e r E i n t r a g u n g regelt § 40 H R V . b) A n m e l d u n g n ö t i g . Die A n m e l d u n g ist eine n o t w e n d i g e Voraussetzung der E i n t r a gung, weil das Gesetz, v o n den Fällen des § 32 abgesehen, keine E i n t r a g u n g e n v o n A m t s w e g e n k e n n t . K o m m t d e r K a u f m a n n seiner A n m e l d e p f l i c h t nicht nach, so k a n n das Registergericht n u r d e n Weg des § 14 beschreiten 1 2 .
6
c) P r ü f u n g s p f l i c h t des Registergerichts. Vor d e r E i n t r a g u n g hat das Registergericht die A n m e l d u n g auf ihre materielle u n d formelle Richtigkeit zu ü b e r p r ü f e n . Eine E i n t r a gung hat zu unterbleiben, w e n n sich herausstellt, daß tatsächlich kein v o l l k a u f m ä n n i s c h e r Betrieb vorliegt o d e r d a ß die angemeldete F i r m a nach d e n §§ 17 ff unzulässig ist 13 . Bei etwaigen Verstößen gegen die §§ 17 ff ist das A n m e l d e v e r f a h r e n vielmehr grundsätzlich a u s z u s e t z e n u n d von A m t s wegen ein F i r m e n m i ß b r a u c h s v e r f a h r e n nach § 37 Abs. 1 einzuleiten, weil die etwaige Unzulässigkeit des F i r m e n g e b r a u c h s am besten in diesem Verf a h r e n geklärt w e r d e n k a n n ; das A n m e l d e v e r f a h r e n ist erst nach A b s c h l u ß des F i r m e n m i ß b r a u c h s v e r f a h r e n s zu E n d e z u f ü h r e n 1 4 .
7
5. A n m e l d u n g der Handelsniederlassung a) O r t der Handelsniederlassung. § 29 Halbs. 1 verlangt außer d e r A n m e l d u n g d e r F i r m a n o c h die der Handelsniederlassung. G e m e i n t ist damit d e r O r t in geographischer u n d politischer H i n s i c h t , an d e m sich der M i t t e l p u n k t des Geschäftsbetriebes befindet. D a s ist derjenige O r t , w o die V e r w a l t u n g des G e s c h ä f t s tatsächlich g e f ü h r t w i r d . Keine Rolle spielt hingegen, w o sich die Betriebsstätten b e f i n d e n . E b e n s o w e n i g k o m m t es bei juristischen P e r s o n e n auf d e n O r t des satzungsmäßigen Sitzes an. Maßgeblich ist vielmehr allein der tatsächliche V e r w a l t u n g s m i t t e l p u n k t des Betriebes 1 5 .
8
b) Weitere A n g a b e n . D e r G e s e t z g e b e r hat d a v o n abgesehen, a u ß e r d e m die A n m e l d u n g d e r genauen Lage des G e s c h ä f t s innerhalb eines O r t e s sowie des G e s c h ä f t s z w e i g e s v o r zuschreiben, jedoch b e t o n t , d a ß diese A n g a b e n bei d e r A n m e l d u n g verlangt u n d in die B e k a n n t m a c h u n g a u f g e n o m m e n w e r d e n k ö n n t e n 1 6 . D e m e n t s p r e c h e n d b e s t i m m t § 24 HRV, d a ß darauf h i n z u w i r k e n ist, daß bei der A n m e l d u n g auch d e r G e s c h ä f t s z w e i g u n d die Lage d e r G e s c h ä f t s r ä u m e angegeben w e r d e n . E i n e gesetzliche Verpflichtung z u ihrer A n m e l d u n g besteht j e d o c h nicht 1 7 . Sind die A n g a b e n aber (freiwillig) gemacht w o r d e n , so sind sie in die B e k a n n t m a c h u n g a u f z u n e h m e n (§ 34 H R V ) ; sie w e r d e n aber nicht in das Handelsregister eingetragen 1 8 .
9
11
KG OLGE 41, 195; BayObLGZ 1978, 182, 184. Vgl. z.B. BayObLGZ 1967, 353, 355; 1978, 182, 183 f. » KG KGJ 30 A 109,113 ff; OLGZ 1965,124,131; OLG Dresden OLGE 27, 304, 305; BayObLGZ 1978, 182, 184; 1988, 128, 129 = NJWRR 1989, 100 (ausführlich). 14 Grdleg. BayObLGZ 1988, 128, 129 ff. = NJWRR 1989, 100. 12
15
OLG Dresden OLGE 27, 304, 305; KG OLGE 27, 306 f; OLG Hamm BB 1958, 1001; Düringer/Hachenburg § 29 Anm. 3; Schlegelbergerl Hildebrandt § 29 Rdn. 4. 16 Denkschrift S. 43. " Staub/Hüffer % 29 Rdn. 5. 18 Z.B. Straube/Schuhmacher § 29 Rdn. 3.
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§29
Erstes Buch. Handelsstand
6. Zeichnungspflicht 10
a) Firma. Nach § 29 Halbs. 2 ist der Einzelkaufmann außerdem zur Zeichnung seiner Firma in der Form des § 1219 verpflichtet. Auf die zusätzliche Zeichnung des Namens ist verzichtet worden, weil Name und Firma nach § 18 Abs. 1 i.d.R. übereinstimmen werden 20 . Die Zeichnung muß vom Kaufmann selbst vorgenommen werden und grundsätzlich genau der von ihm gewählten Firma entsprechen. Bei beschränkt geschäftsfähigen Kaufleuten ist Firmenzeichnung sowohl durch den Kaufmann selbst als auch durch den gesetzlichen Vertreter erforderlich 21 . Schreibunkundigkeit ist kein Befreiungsgrund und versperrt damit das Handelsregister 22 . Abweichungen der gezeichneten von der angemeldeten Firma sind nur in unwesentlichen Nebenpunkten zulässig, z.B. durch Abkürzung von „offene Handelsgesellschaft" in „ O H G " oder des Wortes „und" durch „u." 23 .
11
b) Verfahren. Bei der Anmeldung der Firma und der Zeichnung der Firma handelt es sich um zwei selbständige Pflichten. Beide werden zwar i.d.R. gleichzeitig erfüllt; notwendig ist dies jedoch nicht. Die Firmenzeichnung kann vielmehr auch der Anmeldung der Firma nachfolgen 24 . Daraus folgt, daß das Registergericht die Eintragung ordnungsgemäß angemeldeter Tatsachen nicht von der gleichzeitigen Zeichnung der Firma abhängig machen darf. Unterbleibt die Zeichnung der Firma, so ist das Registergericht auf die Ordnungsmittel des § 14 und der §§ 132 ff F G G beschränkt 25 .
12
c) Art der Zeichnung. Die Firma ist der Handelsname des Kaufmanns (§ 17). Deshalb muß die Firmenzeichnung den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Unterschrift genügen. Firmenzeichnung ist folglich die handschriftliche Darstellung des Firmennamens in einer Weise, die den Erfordernissen einer Namensunterschrift genügt 26 . Die Ersetzung eines Teils der Firmenzeichnung durch einen Stempel ist unzulässig 27 . Es muß sich außerdem um einen individuellen Schriftzug handeln, der die Identität des Unterschreibenden kennzeichnet, einmalig ist, entsprechende Merkmale aufweist und sich insgesamt als Unterschrift eines Namens darstellt 28 . Eine bloße „Paraphe" genügt den Anforderungen an die Firmenzeichnung ebensowenig wie eine „gekrümmte Linie" 29 .
19
RGZ 54, 168, 171 f. KG O L G E 19, 309, 310 f; Weinmann (vgl. Schrifttum). 21 Straube/Schuhmacher § 29 Rdn. 7. 22 O G H AC 32. 23 Eingehend E. Beck (vgl. Schrifttum). 24 KG OLGE 41, 195. 25 KG RJA 9,244 = OLGE 19,309,310; KGJ 37, A 138, 139 f; Recht 1926, 352 Nr. 1115; O L G E 41, 195; O L G Z 1965, 124, 127; BayObLG WM 1983, 1401; OLG Hamm OLGZ 1983, 257, 260; SchlegelbergerlHildebrandt § 29 Rdn. 5; Baumbach/Duden/Hopt, § 29 Anm. 2. 20
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26
Insbes. BayObLGZ 1987, 399, 403 = NJW 1988, 2051 = BB 1988, 89. 27 O G H AC 3113. 2 « Z.B. BGHSt. 12, 317; BGH LM Nr. 8 zu § 170 ZPO = MDR 1960,396; LM Nr. 3 zu § 130 ZPO = MDR 1964, 747; LM Nr. 5 zu § 130 ZPO = NJW 1967, 2310; LM Nr. 6 zu § 130 ZPO = NJW 1974, 1090; LM Nr. 7 zu § 130 ZPO = NJW 1975, 1705. 29 Z.B. BGH LM Nr. 5 zu § 130 ZPO = NJW 1967, 2310; LM Nr. 6 zu § 130 ZPO = NJW 1974, 1090.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 3 0
§30 (1) Jede neue Firma m u ß sich v o n allen an demselben O r t oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister oder in das Genossenschaftsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. (2) H a t ein K a u f m a n n mit einem bereits eingetragenen K a u f m a n n e die gleichen V o r n a m e n und den gleichen Familiennamen und will auch er sich dieser N a m e n als seiner Firma bedienen, so m u ß er der Firma einen Zusatz beifügen, durch den sie sich v o n der bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheidet. (3) Besteht an dem O r t oder in der Gemeinde, w o eine Zweigniederlassung errichtet wird, bereits eine gleiche eingetragene Firma, so m u ß der Firma f ü r die Zweigniederlassung ein der Vorschrift des Absatzes 2 entsprechender Zusatz beigefügt werden. (4) D u r c h die Landesregierungen kann bestimmt werden, daß benachbarte O r t e oder Gemeinden als ein O r t oder als eine Gemeinde im Sinne dieser Vorschriften anzusehen sind. S c h r i f t t u m S. o. bei § 17 sowie G. Bokelmann Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 3. Aufl. 1986, Tz. 73 ff (S. 51 ff); Emmerich Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 4. Aufl. 1994, § 14; R. Knaak Das Recht der Gleichnamigen, 1979; K. Schmidt Handelsrecht § 12 III 3 (S. 334 ff.); Seydel Der örtliche Schutzbereich der Firma- und Geschäftsbezeichnung, N J W 1952, 1197; P. Troller Kollisionen zwischen Firmen, Handelsnamen und Marken, 1980; Wessel Die Firmengründung, 6. Aufl. 1994; Wassermann Die Reformbedürftigkeit des Firmenrechts, Recht 1903, 96. Übersicht
1. Z w e c k a) Schutz des Rechtsverkehrs b) Schutz der Konkurrenten 2. R ä u m l i c h e r A n w e n d u n g s b e r e i c h a) O r t oder Gemeinde b) Grenzänderungen c) Gemeinschaftliche F i r m e n b e z i r k e . . 3. Betroffene Firmen a) Alle Firmen b) Geschützte Firmen c) N e u e Firma aa) Begriff b b ) M e h r z a h l von A n m e l d u n g e n . . . cc) Einzelfälle 4. Unterscheidbarkeit der Firmen
Rdn. la la 2 3 3 4 5 6 6 7 8 8 9 10 12
5.
6. 7. 8.
a) Ü b e r b l i c k b) Begriff c) M a ß s t ä b e aa) Firmenkern, Zusätze, Branchennähe bb) Vornamen cc) Sachfirmen, Branchenbezeichnungen Beispiele a) Unterscheidbarkeit bejaht b) Unterscheidbarkeit verneint Gleichnamigkeit Zweigniederlassungen Verfahrensfragen
Rdn. 12 14 16 17 18 19 20 20 21 22 23 24
1. Zweck a) Schutz des Rechtsverkehrs. N a c h § 30 Abs. 1 m u ß sich jede neue Firma von allen 1 a am selben O r t oder in derselben G e m e i n d e bereits bestehenden u n d eingetragenen F i r m e n deutlich unterscheiden. D i e Vorschrift verankert somit den G r u n d s a t z der F i r m e n a u s schließlichkeit (oder F i r m e n u n t e r s c h e i d b a r k e i t ) im H G B . Seine g e g e n w ä r t i g e Fassung hat § 30 A b s . 1 erst durch das Ä n d e r u n g s g e s e t z v o m 9.10.1973 1 erhalten. In Osterreich fehlt
1
BGBl. I S. 1451. Emmerich
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Erstes Buch. Handelsstand
§30
dementsprechend in § 30 Abs. 1 der Hinweis auf das Genossenschaftsregister. Sachliche Unterschiede ergeben sich daraus jedoch nicht, weil die Änderung von 1973 nur klarstellende Funktion hatte 2 . Der Zweck der Vorschrift ist umstritten. Häufig wird er in erster Linie in dem Schutz der Inhaber der bereits bestehenden und eingetragenen Firmen gesehen3. Nach überwiegender Meinung ist der Zweck des § 30 jedoch vorrangig in dem im öffentlichen Interesse liegende Schutz des allgemeinen Verkehrs vor der Verwendung verwechslungsfähiger Firmen zu sehen4. Daraus folgt vor allem, daß § 30 zwingend ist. Abreden der Parteien, namentlich eine Zustimmung des Inhabers der älteren Firma zur Eintragung der jüngeren verwechslungsfähigen Firma sind daher für den Registerrichter nicht bindend 5 . 2
b) Schutz der Konkurrenten. Der Schutz des Inhabers der älteren Firma gegen die Eintragung und Verwendung einer jüngeren verwechslungsfähigen Firma findet unabhängig von den §§ 30 und 37 Abs. 1 seine Grundlage vor allem in § 37 Abs. 2 sowie in § 12 BGB, § 16 UWG sowie § 24 WZG (= §§ 15 ff MarkenrechtsreformG). Dabei ist der Prozeßrichter nicht etwa an die Auffassung des Registerrichters über die Unterscheidbarkeit der Firmen gebunden, schon, weil § 16 U W G und § 12 BGB strengere Anforderungen an die Verhinderung der Verwechslungsgefahr stellen als § 30 HGB 6 . Umgekehrt ist für das Registergericht allein § 30 als Maßstab maßgebend, so daß es eine Firma selbst dann ins Handelsregister eintragen muß, wenn (möglicherweise) ein Verstoß gegen § 12 BGB und § 16 UWG vorliegt7. 2. Räumlicher Anwendungsbereich
3
a) Ort oder Gemeinde. Der Grundsatz der Firmenausschließlichkeit gilt nach § 30 Abs. 1 nur für das Verhältnis der an einem Ort oder in einer Gemeinde bereits bestehenden und eingetragenen Firmen zu allen neuen Firmen. Diese Beschränkung hat ihren Grund darin, daß der Registerrichter im Regelfall nur die Firmen seines örtlichen Zuständigkeitsbereichs zu überschauen vermag. Die Grenzen eines Ortes ergeben sich dabei aus der Verkehrsauffassung 8 , während mit Gemeinde allein die politische Gemeinde im Sinne des Kommunalrechts gemeint ist9, so daß ein Ort i.S. des § 30 Abs. 1 im Einzelfall durchaus auch mehrere Gemeinden im politischen Sinne umfassen kann, selbst wenn die Gemeinden in verschiedenen Gerichtsbezirken liegen10.
4
b) Grenzänderungen. Kommt es zu einer Änderung der Orts- oder Gemeindegrenzen, z.B. durch eine Eingemeindung bisher selbständiger Gemeinden, so kann § 30 nicht die Bedeutung haben, daß jetzt auf einmal bisher zulässige Firmen, nur weil sie nunmehr
2 3
4
5
S. Straube/Schuhmacher § 30 Rdn. 4. So z.B. Denkschrift S. 43; O G H EvBl. 1967 Nr. 304 = ÖJZ 1967, 436, 437. St. Rspr. seit RGZ 29,66, 71 f; 75, 370, 372 f; 103, 388, 392; BGHZ 46, 7, 11; KGJ 37 A 199, 201; JW 1933, 117, 118; BayObLGZ 1928, 726, 727; O G Danzig JW 1921, 182; O L G Frankfurt OLGZ 1981, 8, 9 f; O G H SZ Bd. 51 (1978) Nr. 120, S. 540, 542 = NZ 1979, 43; K. Schmidt aaO; O L G Wien NZ 1982, 9 = HS 12.063. RGZ 29, 66, 71 f; BGHZ 46, 7, 11; O G
360
Danzig JW 1921, 182; OLG Frankfurt OLGZ 1981,8, 9 f. 6 RGZ 75, 370, 372; 103, 388, 392; 171, 321, 322; RG GRUR 1936, 502; O G H ÖB1. 1979, 45; 1979, 47; 1980, 159 usw. 7 O G H SZ Bd. 22 (1949) Nr. 51, S. 123, 125; N Z 1959, 155. 8 S. schon 1888 KGJ 8 A 11,12; ebenso z.B. OLG Wien N Z 1982, 173 = HS 10.132. 9 OLG Frankfurt OLGZ 1981, 8. 10 OLG Wien N Z 1982, 173 = HS 10.132.
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mit anderen, älteren Firmen in dem neuen größeren Bezirk verwechselt werden könnten, unterscheidende Zusätze aufnehmen müßten; vielmehr genießen dann sämtliche Firmen insoweit Bestandsschutz 11 . c) Gemeinschaftliche Firmenbezirke. Nach § 30 Abs. 4 können die Landesregierungen 5 bestimmen, daß benachbarte Orte oder Gemeinden als ein Ort oder als eine Gemeinde im Sinne des § 30 anzusehen sind. Ein Verzeichnis dieser sog. gemeinschaftlichen Firmenbezirke findet sich in der Anlage 5 zur HRV v. 12.8.193712. 3. Betroffene Firmen a) Alle Firmen. § 30 Abs. 1 fordert die deutliche Unterscheidbarkeit jeder neuen Firma 6 von den im fraglichen Bezirk bereits bestehenden und eingetragenen Firmen. Der Grundsatz der Firmenausschließlichkeit gilt folglich für alle Firmen, d.h. nicht nur für die Firmen von Einzelkaufleuten, sondern ebenso für die der Personengesellschaften, der Aktiengesellschaften und der G m b H , außerdem seit 1973 für die Firmen der Genossenschaften, soweit sie im Genossenschaftsregister eingetragen sind, sowie schließlich unter derselben Voraussetzung für die Firmen der Versicherungsvereine a.G. 13 . Umstritten ist lediglich das Verhältnis zwischen Handelsrecht und Vereinsrecht. Mit Recht geht jedoch die h.M. davon aus, daß der Registerrichter in seine Prüfung grundsätzlich auch die im Vereinsregister eingetragenen Vereinsnamen einbeziehen muß 14 . b) Geschützte Firmen aa) Geschützt werden durch § 30 (nur) die in dem fraglichen Bezirk bereits bestehen- 7 den und eingetragenen Firmen. Prüfungsmaßstab sind daher für das Registergericht allein die tatsächlich bestehenden und im Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragenen Firmen, nicht hingegen die nicht eingetragenen Firmen oder inzwischen wieder erloschenen Firmen, mögen sie auch noch zu Unrecht im Handelsregister eingetragen sein 15 . bb) Umstritten ist die Rechtslage, wenn die eingetragene Firma zwar besteht, aber 7 a ihrerseits gegen die §§17 ff verstößt, so daß sie unzulässig ist. Nach überwiegender Meinung können solche Firmen, die von Amts wegen gelöscht werden müssen (§ 37 Abs. 1; § 142 FGG), grundsätzlich kein Eintragungshindernis für andere jüngere Firmen darstellen 16 . Das kann jedoch nur bedeuten, daß das Eintragungsverfahren solange auszusetzen ist, bis die unzulässige ältere Firma gelöscht ist17. Darüber hinaus wird man es als ausreichend ansehen dürfen, wenn die Änderung der älteren Firma zusammen mit der jüngeren im Handelsregister eingetragen wird 18 .
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Grdleg. 1989 KGJ 16, 11, 14 (str.). DJ 1937, 1251; abgedruckt auch bei Schlegelberger/Hildebrandt § 30 Rdn. 4 f. 13 RG JW 1928, 1214, 1215; zur GmbH & Co. KG s. schon o. § 19 Rdn. 25; zur Veräußerung des Handelsgeschäfts mit Firma durch den Konkursverwalter s. schon o. § 17 Rdn. 40. 14 Vgl. § 57 Abs. 2 BGB; O L G Stuttgart O L G E 42, 211; LG Limburg Rpfl. 1981, 23 f; Baumbach/Duden/Hopt § 30 Anm. 1 C; a.A. z.B. Staub/Hiiffer. § 30 Rdn. 7. 12
15 Grdleg. RGZ 29, 66, 69; KGJ 51, 115, 119; JW 1933, 1030; RJA 8, 38. 16 KG JW 1933, 1030; Düringer/Hachenburg § 30 Anm. 2; Schlegelberger/Hildebrandt § 30 Rdn. 4; a.A. z.B. Staub/Hüfter § 30 Rdn. 11. 17 So ausdrücklich O G H SZ Bd. 51 (1978) Nr. 120, S. 540, 542 = N Z 1979, 43. 18 O L G Graz N Z 1982, 73 = HS 12.066; Straube/Schuhmacher § 30 Rdn. 6.
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§30 c) N e u e F i r m a 8
aa) Begriff. N e u e F i r m a im Sinne des § 30 ist jede Firma, die später als die schon bestehende und eingetragene F i r m a ins Handelsregister eingetragen werden soll. F ü r die P r i o r i t ä t k o m m t es daher ausschließlich auf den Z e i t p u n k t der E i n t r a g u n g der beiden Firmen an 1 9 , während es keine R o l l e spielt, wann die beiden verglichenen F i r m e n entstanden sind 2 0 . Anders als nach materiellem F i r m e n r e c h t (§ 12 B G B ; § 16 U W G ) kann daher i.S. des § 3 0 eine später entstandene, aber früher eingetragene Firma durchaus den Vorrang vor einer an sich älteren, aber erst später eingetragenen Firma haben 2 1 .
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bb) M e h r z a h l v o n A n m e l d u n g e n . Liegen mehrere Anmeldungen vor, so muß der Registerrichter die Anmeldungen in der Reihenfolge ihres Eingangs bearbeiten. D i e danach zuerst eingetragene Firma hat dann den Vorrang vor den anderen ebenfalls angemeldeten, aber n o c h nicht eingetragenen Firmen. Trägt freilich der Registerrichter unter Verstoß gegen diese Grundsätze eine später angemeldete Firma zuerst ein, so hat es bei § 3 0 sein Bewenden. J e d o c h kann dann eine Amtspflichtverletzung vorliegen 2 2 .
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cc) Einzelfälle. N e u e Firmen im Sinne des § 3 0 sind auch solche Firmen, die an anderen O r t e n bereits eingetragen sind, n u n m e h r aber, etwa wegen einer Sitzverlegung oder wegen Errichtung einer Zweigniederlassung, z u m Handelsregister des fraglichen B e z i r k s angemeldet werden 2 3 . Dasselbe gilt, wenn eine bereits eingetragene Firma geändert und erneut angemeldet wird 2 4 . D u r c h jede Ä n d e r u n g verliert mithin eine eingetragene F i r m a ihren Vorrang v o r allen anderen ursprünglich nach ihr eingetragenen Firmen.
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§ 30 ist keine wettbewerbsrechtliche Vorschrift. F ü r seine A n w e n d u n g spielt es daher keine Rolle, o b zwischen den beteiligten U n t e r n e h m e n Wettbewerbsbeziehungen bestehen oder nicht 2 5 . 4. U n t e r s c h e i d b a r k e i t der F i r m e n
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a) Uberblick. N a c h § 3 0 Abs. 1 muß sich jede neue F i r m a (o. R d n . 8 ff.) von allen alten, bereits bestehenden und eingetragenen F i r m e n (o. R d n . 6 ff.) im selben B e z i r k (o. R d n . 3 ff.) deutlich unterscheiden. Wichtigste Frage bei der A n w e n d u n g des § 30 ist deshalb, welchen Abstand die neue F i r m a von den bereits bestehenden und eingetragenen, alten F i r m e n einhalten muß.
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Zwei F i r m e n unterscheiden sich dann nicht deutlich, wenn sie verwechslungsfähig sind. Insoweit gilt für § 30 grundsätzlich nichts anderes als für § 12 B G B , § 16 U W G und § 2 4 W Z G ( = § 15 M a r k e n r e c h t s r e f o r m G ) . In einzelnen Beziehungen werden jedoch, schon mit R ü c k s i c h t auf den anderen Ausgangspunkt, die A k z e n t e bei § 3 0 A b s . 1 häufig anders als in den genannten V o r s c h r i f t e n gesetzt. D a s wird bei den f o l g e n d e n Ausführungen deutlich werden. I m übrigen ist wegen sämtlicher Einzelheiten auf die Erläuterungen namentlich zu § 12 B G B und § 16 U W G zu verweisen 2 6 .
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b) Begriff. § 3 0 Abs. 1 verlangt eine deutliche Unterscheidbarkeit der beiden sich gegenüberstehenden Firmen. Voraussetzung dafür ist, daß die Unterschiede zwischen den 19 20
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RG JW 1928, 1214, 1215. S. dazu § 17 Rdn. 9 ff. KG OLGE 43, 281 f; RJA 8, 38 Art. 34 GG in Verb, mit 839 BGB; KG OLGE 43, 281 f; Düringer/Hachenburg § 30 Anm. 2; Staub/Hüffer § 30 Rdn. 12; Straube/Schuhmacher § 30 Rdn. 7.
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RGZ 171, 321, 323; BayObLGZ 1978, 62, 65. S. o. § 17 Rdn. 17, 5 18 Rdn. 5; z.B. OLG München JFG 14, 478, 481; OLG Wien NZ 1982, 9 = HS 12.063. RGZ 75, 370, 372; 103, 388, 392; BGHZ 46, 7, 11 f. S. auch u. § 37 Anh.
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beiden Firmen erheblich genug sind, u m in gewöhnlichen Verkehr Verwechslungen vorzubeugen 2 7 . Maßgebend hierfür ist der G e s a m t e i n d r u c k der Firmen nach ihrem Sinn und Klang, oder - nach einem glücklichen Wort des Reichsgerichts 2 8 - das K l a n g b i l d der Firma, wie es sich A u g e und O h r einprägt. Dabei ist nicht etwa nur auf die Handelskreise abzustellen 2 9 ; ausschlaggebend ist vielmehr der Gesamteindruck der Firmen bei dem allgemeinen P u b l i k u m , das typischerweise Firmen ebenso wie andere Unternehmenskennzeichen nur oberflächlich zur Kenntnis zu nehmen pflegt. Anhand dieses Maßstabes ist sodann zu beurteilen, ob die Firmen einen ausreichenden Abstand voneinander einhalten, wobei von den ü b e r e i n s t i m m e n d e n Merkmalen der Firmen, nicht von ihren Unterschieden auszugehen ist, weil das Publikum vor allem auf die Übereinstimmungen zu achten pflegt 3 0 . Maßgebender Zeitpunkt ist dabei der der Entscheidung des Registergerichts; mögliche spätere Firmenänderungen bleiben außer Betracht 3 1 . Firmen sind häufig mit Rücksicht auf die gesetzliche Regelung sehr lang und umstandlieh. Die Folge ist, daß sie im wirtschaftlichen Verkehr oft nur in abgekürzter F o r m verwandt werden. D a r a u s resultiert die Streitfrage, ob im Rahmen des § 30 von der im Verkehr verwandten abgekürzten F o r m der Firma oder von der v o l l s t ä n d i g e n Firma auszugehen ist, so wie sie im Handelsregister eingetragen ist, da der K a u f m a n n (nur) diese Firma gebrauchen darf 3 2 . D i e deutsche Praxis nimmt überwiegend das letztere an 3 3 , während die österreichische Rechtsprechung durchweg auf die im Verkehr üblicherweise verwandte abgekürzte F o r m der Firma abstellt 3 4 .
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D i e (wenig befriedigende) Folge der deutschen Praxis ist, daß eine Verwechslungsgefahr, die sich aus dem Gebrauch bloßer Firmenschlagworte ergibt, nicht die A n w e n d u n g des § 30, wohl aber gegebenenfalls die des § 12 B G B und des § 16 U W G zu rechtfertigen vermag, sofern nur die vollständigen, nicht abgekürzten Firmen einen genügenden Abstand einhalten. Für diese Praxis läßt sich allenfalls anführen, daß das Registergericht häufig kaum in der L a g e sein dürfte zu überschauen, in welcher abgekürzten F o r m die sich gegenüberstehenden Firmen im Verkehr benutzt werden oder benutzt werden können.
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c) M a ß s t ä b e . O b nach dem Gesagten Verwechslungsgefahr zwischen zwei Firmen besteht, ist in erster Linie eine Frage der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall 3 5 . E s lassen sich jedoch einige Regeln aufstellen, die über den Einzelfall hinaus Gültigkeit besitzen.
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aa) F i r m e n k e r n , Z u s ä t z e , B r a n c h e n n ä h e . Auszugehen ist immer v o m F i r m e n k e r n . Stimmen zwei Firmen in ihrem Kern überein, so werden unterschiedliche Z u s ä t z e nur
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Z.B. O G H EvBl. 1963, 446 = ÖJZ 1963, 603, 604; GesRZ 1972, 50 = NZ 1972, 121; OLG Wien NZ 1982, 9 = HS 12.063 usw. 28 RGZ 104, 341, 342. 29 So die früher h.M., z.B. KGJ 51, 115, 116 und 120, 121; JW 1926, 2001 f; wohl auch RG JW 1928, 1214, 1215. 30 So RGZ 69, 310,311; 100,45 f; 104,341,342; insbes. 171, 321, 323 ff = DR 1943, 1218; BayObLGZ 1927, 291; 1979, 316, 318 f; OLG Frankfurt BB 1963, 108; LG Hamburg BB 1952, 477 usw. 31 OLG Wien NZ 1981, 61 = HS 10.133. 32 S.o. § 17 Rdn. 11. 27
RGZ 20, 71, 72; 171, 321, 323 = DR 1943,1218; RG JW 1928,1214,1215; KG OLGE 6, 338,340; 6, 340, 342 f; KGJ 51, 115, 117;JW 1926, 2001 f; BayObLGZ 1908, 401, 404 f; 1920, 355 f; 1928, 505, 507; 1928, 726, 727 f; 1979, 316, 319. 34 O G H EvBl. 1967 Nr. 304 = ÖJZ 1967, 436, 437; GesRZ 1972,50 = NZ 1972,121; OLG Wien NZ 1982, 9 = HS 12.063; Straube/Schuhmacher § 30 Rdn. 10 m. Nachw.; ebenso z.B. Düringer/ Hachenburg § 30 Anm. 3; Staub/Hüffer § 30 Rdn. 15; anders noch OGH SZ Bd. 22 (1949) Nr. 51, S. 123, 124. 35 BGH WM 1979, 922, 923; BayObLGZ 1979, 316,319.
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selten ausreichen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen 36 . Das gilt insbes. für bloße Gesellschafts- oder Nachfolgezusätze, weil sie in aller Regel nicht am Klangbild der Firma teilnehmen, wie es sich Auge und Ohr einprägt 37 . Dasselbe gilt für andere farblose Zusätze wie „in Liquidation" 38 , „Deutsch" oder „Bayrisch" 39 . 17a
Eine große Rolle spielt außerdem die Branchennähe der sich gegenüberstehenden Handelsgeschäfte. Denn je mehr sich die Tätigkeitsbereiche der beiden Geschäfte überschneiden, desto strengere Maßstäbe sind an die notwendige Unterscheidbarkeit der Firmen anzulegen, während bei einem großen Abstand zwischen den Geschäftszweigen schon geringe Unterschiede in den beiden Firmen den Anforderungen des § 30 Abs. 1 genügen können 40 .
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bb) Vornamen. Verschiedene Vornamen reichen nach der deutschen Praxis, die immer auf die vollständige Firma abstellt (o. Rdn. 15), grundsätzlich aus, um die Verwechslungsfähigkeit zweier im übrigen identischer Firmenkerne auszuschließen. Selbst eine unterschiedliche Abkürzung desselben Vornamens wird häufig schon als genügend angesehen, so daß etwa die Firmen „Hans X " und „Johannes X " nicht verwechslungsfähig sind. Anders verhält es sich jedoch mit bloßen Unterschieden in der Schreibweise: Die Firmen „Herz" und „Hertz" oder „X. Schulze" und „X. Schultze" sind im Regelfall verwechslungsfähig 41 .
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cc) Sachfirmen, Branchenbezeichnungen. Strengere Maßstäbe als bei Personenfirmen gelten für Sachfirmen (§ 4 G m b H G und § 4 AktG), weil hier die Wahlmöglichkeiten der Unternehmen größer als bei den gesetzlich vorgeschriebenen Personenfirmen der § 18 und § 19 sind. Bei der Wahl von Sachfirmen muß daher ein deutlich größerer Abstand von schon bestehenden Firmen eingehalten werden als bei der Wahl von Personenfirmen 42 . Außerdem muß bei Sachfirmen und Sachzusätzen verhindert werden, daß durch die Aufnahme etwa von Branchenbezeichnungen in die Firma diese über § 30 für die älteste Firma monopolisiert und dadurch für alle jüngeren Firmen gesperrt werden 43 . Gattungsoder Branchenbezeichnungen wie „Brauerei, Schuhfabrik oder Textilhaus" sind folglich zwar grundsätzlich zulässig, wenn sie sachlich zutreffen ( § 1 8 Abs. 2) und die Firma genügende Unterscheidungskraft besitzt; aber sie bleiben frei und dürfen daher auch von
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O L G München BB 1971, Beil. 9, S. 19 f. Grdleg. RGZ 104, 341, 342; ebenso z.B. B G H Z 46, 7, 12; KGJ 51, 120, 12 für „KG"; J W 1933, 117,118; O L G Hamburg RJA 10, 269 = KGJ 41, 267; H R R 1930 Nr. 1033; BayObLGZ 1966,337, 343; 1979, 316, 318 f; O L G Wien NZ 1981, 61 = HS 10.133; anders z.B. früher BayObLGZ 1908,401,404 f; 1928, 726, 727 f; KG O L G E 42, 210 f; O L G Hamburg LZ 1907, 518 Nr. 1, 673 Nr. 8 sowie nur für die Rechtsformzusätze AG und GmbH KGJ 51, 115 ff m. Nachw. RGZ 29, 66, 68; KGJ 10, 17, 1 9 f ; J W 1933, 117, 118.
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Z.B. BayObLGZ 1927, 291 = J F G 5, 230 = J W 1927, 2434. O G H SZ Bd. 51 (1978) Nr. 86, S. 398, 402 = GesRZ 1979, 86; O G H GesRZ 1972, 50 = NZ 1972,121; EvBl. 1967, 304 = ÖJZ 1964,436,437; ÖB1. 1980, 80 = HS 10.128; O L G Wien NZ 1982, 9 und 172 = HS 12.063 und 12.065 usw.
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Insbes. O L G Hamburg RJA 10, 49, 269 = KGJ 38 A 111 ; KGJ 41, 267; O L G E 11, 20; ebenso zB RGZ 20, 71, 72; BayObLGZ 1928, 505, 507; 1928, 726, 727 f; - anders aber B G H LM Nr. 1 zu § 16 U W G = NJW 1951, 520, wenn es sich um ganz bekannte Familiennamen handelt; O L G Frankfurt O L G Z 1981, 8, 9 für gemischte Firmen, die hinsichtlich ihrer wichtigsten Bestandteile übereinstimmen; O G H EvBl. 1967 Nr. 304 = ÖJZ 1967, 436 „Heller". 4 2 So grdleg. RGZ 100, 45 f; 171, 321, 323 ff = D R 1943, 1218; BayObLGZ 1927, 291 = J F G 5, 230 = J W 1927, 2434; O L G Frankfurt O L G Z 1981, 8, 9; SZ Bd. 5 (1923) Nr. 7, S. 18; Bd. 51 (1978) Nr. 86, S. 398, 402 = GesRZ 1979, 86; GesRZ 1972, 50 = NZ 1972, 121; OBI. 1980, 80; O L G Wien NZ 1982, 9. «Dagegen mit Recht R G J W 1931, 1916, 1917; O G H EvBl. 1963 Nr. 446 = ÖJZ 1963, 603, 604. 41
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jüngeren Firmen verwandt werden, die dann freilich verpflichtet sind, andere unterscheidungskräftige Zusätze ihrer Firma hinzuzufügen 4 4 . 5. Beispiele a) Unterscheidbarkeit bejaht. Ausreichende Unterscheidbarkeit der Firmen ist z.B. in 2 0 den folgenden Fällen angenommen worden 4 5 : Gebrüder L und Gebrüder L Blusen und Kleider 46 ; Johann Κ Mechanische Faßfabrik und Hans Κ Faßfabrik 4 7 , Bank für Gemeinwirtschaft und Bank für Getreidewirtschaft 4 8 ; Florida International Fruchtsaftgetränke GmbH und Florida International Swimmingpool GmbH 4 9 , sowie Western Store Inhaber X und Western Store Handelsgesellschaft mbH 5 0 . In der jüngsten Praxis zu § 16 U W G ist außerdem Verwechslungsfähigkeit z.B. verneint worden bei den Firmen RTL plus und 1 Plus mit Rücksicht auf die mangelnde Kennzeichnungskraft des Firmenbestandteils „Plus" 51 sowie bei den Firmen „Quelle" und „Getränke Quelle" 5 2 . Ebenso ist in der österreichischen Praxis z.B. entschieden worden für die Firmen „Steirer Funk Grazer Elektrobau Dipl. Ing. SB" und „Steirer Funk Dr. Ing. R.P." 53 , für die Firmen „Eisen- und Stahlhandelsgesellschaft m b H " und „Stahlhandelsgesellschaft mbH" 5 4 sowie „Gesellschaft für Bauinformatik" und „Gesellschaft für Bau-Marktforschung" 5 5 . b) Unterscheidbarkeit verneint. Genügende Unterscheidbarkeit wurde hingegen bei 2 1 den folgenden Firmen verneint: Ostdeutsche Brennstoffvertrieb GmbH und Ostdeutsche Betriebsstoff GmbH 5 6 , Chemphar Chemischpharmazeutische Handelsgesellschaft mbH und Chemopharm GmbH 5 7 , Vereinigte Beinwarenfabrik und Beinwarenfabrik 5 8 , Nitrola Bayerische Nitro-Lack und Farben GmbH und Nitrolack GmbH 5 9 , Rabattsparverein der Vereinigten Geschäftsleute GmbH und Sparverein Vereinigter Geschäftsleute 60 , Hausbau U l m GmbH und HSB Hausbau GmbH 6 1 , Schmidt & Söhne und Schmidt & Sohn KG 62 sowie Brillen X Augenoptikermeister Ha. GmbH und Brillen X Augenoptikermeister Lü. GmbH 6 3 . Aus der jüngsten Praxis zu 16 U W G gehören hierher außerdem etwa noch die Fälle „Südwestfunk" und „RPR Studio Südwest" 6 4 , „Christopherus Stiftung" und „Christopherus VersicherungsAG" 6 5 , „Maritim" und „air Maritim" 6 6 sowie „Commerzbank" im Verhältnis zu „Grundcommerz" oder „Commerzbau" 6 7 .
§ 1 8 Abs. 2, § 3 0 Abs. 1; BGH W M 1979, 922, 923; O G H (Fn. 43). 4 5 Weitere Beispiele bei Bokelmann aaO.; Schönherr/Nitsche § 30 Anm. B; Staub/Hüffer § 30 Rdn. 19; Straube/Schuhmacher § 30 Rdn. 10 ff. 4 6 K G J W 1926, 2001. 4 7 BayObLGZ 1928, 505. 4 8 LG Hamburg BB 1952, 477 f. 4 9 A G Frankfurt Beschl. v. 18.7.1969 bei Bokelmann Tz. 77. 50 O L G München BB 1971, Beil. 9 S. 19. 51 O L G Frankfurt O L G Z 1988, 98, 101. " BGH LM Nr. 37 zu § 11 W Z G = NJW-RR 1990, 295, 296. » O G H SZ Bd. 22 (1949) Nr. 51, S. 123, 124 f. 54 O G H EvBl. 1963 Nr. 446 = ÖJZ 1963, 603, 604. 55 O G H ÖB1. 1982, 42. 44
R G Z 100, 45. R G Z 171, 321 = DR 1943, 1218. 58 R G J W 1922, 1200 Nr. 7 m. Anm. Tietze. 59 BayObLGZ 1927, 291 = JFG 5, 230 = J W 1927, 2434. 60 R G Recht 1908 Sp. 177 Nr. 1048; dazu K G J 51, 119 f. 61 B G H W M 1979, 922. 62 O L G Düsseldorf G R U R 1967, 314. « O L G Frankfurt O L G Z 1981, 8. 64 O L G Karlsruhe NJW-RR 1989, 167. 65 BGHZ 103, 171. 66 B G H LM Nr. 107 zu § 16 U W G = NJW-RR 1989, 808. " B G H LM Nr. 54 zu § 12 BGB = NJW-RR 1988, 553; G R U R 1989, 856 = W M 1989, 1584; anders noch R G Z 103, 388.
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§30 21a
Aus der umfangreichen österreichischen Praxis mögen ergänzend noch folgende Fälle erwähnt werden, in denen eine deutliche Unterscheidbarkeit der Firmen verneint wurde: „Austria H o l z w a r e n f a b r i k A G " und „Austria H o l z e i n f u h r - und Holzindustrie A G " 6 8 , „W. Handelsgesellschaft m b H " und „W. Wohnungseigentumsgesellschaft m b H und C o . K G Handelsgesellschaft" 6 9 , „W. Heller S ü ß w a r e n " und „ G . und W. H e l l e r " 7 0 , „Figurella Figur und Schönheitsstudio G m b H " und „Fiurella" 7 1 , „ H o t e f a G r e i n e r und Riesel H o t e l einrichtungs G m b H " und „ H o t e g a H o t e l t e x t i l i e n v e r s a n d t G e i l h o f e r u n d C o . " 7 2 , „ V i n o t h e k St. Pierre Weinhandel G m b H " u n d V i n o t h e k St. Stephan Weinhandel G m b H " 7 3 , „ G a m m a Beteiligungs G m b H " und „ G a m m a Immobilienmakler G m b H " 7 4 , „Publicitas Werbeagentur G m b H " und „Publicity Werbegesellschaft m b H " 7 5 sowie schließlich „ E x x o n Handels G m b H " und „ E x x e n t Handels G m b H " 7 6 . 6. Gleichnamigkeit
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N a c h § 3 0 A b s . 2 muß im Falle der Gleichnamigkeit von Kaufleuten der jüngeren F i r m a ein unterscheidungskräftiger Zusatz beigefügt werden, u m die G e f a h r einer Verwechslung der F i r m e n auszuschließen. D a h i n t e r steht die Überlegung, daß mit R ü c k s i c h t auf § 18 A b s . 1 niemandem verwehrt werden kann, unter seinem N a m e n am geschäftlichen Verkehr teilzunehmen. Als unterscheidungskräftigen Zusatz läßt es dabei die Praxis zu § 3 0 i . d . R . s c h o n genügen, w e n n der G e s c h ä f t s g e g e n s t a n d in die F i r m a aufgenommen wird, vorausgesetzt, die Kaufleute betätigen sich in verschiedenen Geschäftszweigen 7 7 .
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N a c h § 30 A b s . 3 muß sich eine an einem O r t neu errichtete Zweigniederlassung von allen dort schon bestehenden und eingetragenen F i r m e n durch einen deutlichen Zusatz unterscheiden, w o f ü r der b l o ß e Zusatz „Zweigniederlassung" nicht genügt 7 8 . D i e praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist gering, seitdem anerkannt ist, daß sich die F i r m a der Zweigniederlassung nicht mit der der Hauptniederlassung zu decken braucht, sondern von dieser abweichen darf 7 9 .
7. Zweigniederlassungen
8. V e r f a h r e n s f r a g e n 24
D i e D u r c h s e t z u n g des § 3 0 obliegt den Registergerichten. Ihre Prüfungspflicht beschränkt sich dabei freilich auf ihren B e z i r k 8 0 . E r g i b t diese Prüfung, daß eine angemeldete F i r m a gegen § 30 verstößt, so ist die A n m e l d u n g zurückzuweisen 8 1 . Stellt sich
OGH SZ Bd. 5 (1923) Nr. 7 (S. 18). OGH SZ Bd. 51 (1978) Nr. 120, S. 540, 543. 70 OGH EvBl. 1967 Nr. 304 = ÖJZ 1967, 436. 71 OGH ÖB1. 1980, 159 = HS 10.127. 72 OGH ÖB1. 1980, 80 = HS 10.128. 73 OGH NZ 1981, 123. 74 OLG Wien NZ 1981, 137 = HS 10.134. 75 OLG Wien NZ 1982, 9 = HS 12.063. 7* OLG Wien NZ 1982, 172 = HS 12.065. 77 S. RGZ 170, 264, 270; BGH WM 1993, 1006, 1007 f; KG KGJ 51, 120 f;JW 1926, 2001 f;
68
69
366
wegen aller Einzelheiten s. Knaak aaO. Düringer/Hachenburg § 30 Anm. 5; Staub/Hüffer § 30 Rdn. 22. 7 9 S.o. § 17 Rdn. 28 f; Straube/Schuhmacher § 30 Rdn. 17: „seit langem überholt". 80 OLG Hamm NJW 1961, 2018 mit gewissen Einschränkungen. 81 RGZ 75, 370, 371. 78
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 31
die Unzulässigkeit der Firma hingegen erst nachträglich heraus, so ist gegen die unzulässige Firma im Zwangsgeldverfahren vorzugehen oder die Amtslöschung der Firma zu betreiben 8 2 .
§31 (1) Eine Ä n d e r u n g der F i r m a oder ihrer Inhaber sowie die Verlegung der Niederlassung an einen anderen O r t ist nach den Vorschriften des § 29 zur E i n t r a g u n g in das Handelsregister anzumelden. (2) Das gleiche gilt, wenn die F i r m a erlischt. K a n n die Anmeldung des Erlöschens einer eingetragenen F i r m a durch die hierzu Verpflichteten nicht auf dem in § 14 bezeichneten Wege herbeigeführt werden, so hat das Gericht das Erlöschen v o n A m t s wegen einzutragen. Übersicht Rdn.
Rdn.
1. Überblick
1
c) Verpflichteter
10
2. Änderung der Firma
3
d) Inhalt der Anmeldung
12
3. Wechsel des Inhabers
6
4. Erlöschen der Firma a) Anwendungsbereich
7 7
b) Voraussetzungen
9
5. Verfahrensfragen
13
a) Registerzwang (§ 14)
13
b) Amtslöschung
14
1. Überblick Die Vorschrift des § 31 regelt in Ergänzung des § 29 die Anmeldepflicht bestimmter 1 Veränderungen bei schon bestehenden Firmen. Soweit es um die Verlegung der Niederlassung des Handelsgeschäfts geht, ist jetzt freilich an die Stelle des § 31 die Sonderregelung des § 13c getreten. Die Verlegung von Zweigniederlassungen ist außerdem in § 13a geregelt. Ergänzende Regelungen finden sich für das Amtslöschungsverfahren in den §§ 142 und 144 F G G sowie in dem Gesetz über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9.10.1934'. § 31 gilt nicht nur für Einzelkaufleute, sondern über § 6 Abs. 1 auch für die Personenhandelsgesellschaften sowie gemäß § 13 Abs. 3 G m b H G und § 3 A k t G außerdem für die G m b H und die A G 2 . Jedoch bestehen insoweit zahlreiche Sonderregelungen, z.B. in den §§ 34, 107, 143 und 161 Abs. 2 H G B .
2
2. Ä n d e r u n g der F i r m a a) Anzumelden ist nach § 31 Abs. 1 in Verbindung mit § 29 zunächst jede Änderung der Firma, worunter das Gesetz die Abänderung einer schon bestehenden Firma durch den Inhaber des Geschäfts versteht. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um eine ursprüngliche oder um eine abgeleitete Firma handelt und ob die Änderung freiwillig oder aus Zwang
82
§ 3 7 A b s . 1; § 1 3 2 ff, 1 4 0 , § 1 4 2 F G G ; Dürin-
1
R G B l . I, S. 9 1 4 .
ger/Hachenburg
2
Z . B . K G O L G E 19, 3 7 6 ; B a y O b L G Z 1 9 8 9 , 4 7 4 ,
§ 3 0 A n m . V, Staub/Hüffer
§ 30
Rdn. 20; zu den Rechtsbehelfen des Prioritätsälteren s. schon o. Rdn. 2.
477 = N J W - R R 1990, 868.
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367
3
§31
Erstes Buch. Handelsstand
erfolgt, wobei vor allem an eine Verurteilung aufgrund des § 12 BGB, des § 16 U W G oder des § 37 Abs. 2 zu denken ist3. 4
b) Rechtlich gesehen, handelt es sich bei der Änderung einer Firma um eine Neubildung der Firma nach Maßgabe der §§18 ff 4 . Die Anmeldepflicht trifft in diesem Fall den Inhaber des Geschäfts, im Konkurs den Konkursverwalter 5 . Keine Rolle spielt dabei, ob die frühere abgeänderte Firma bereits im Handelsregister eingetragen war oder nicht; notfalls muß zunächst die fehlende Voreintragung nachgeholt werden 6 .
4a
c) Eine bloße Firmenänderung i.S. des § 31 Abs. 1 wird trotz Inhaberwechsels auch angenommen, wenn in das Geschäft eines Einzelkaufmanns ein neuer Gesellschafter eintritt (vgl. § 24 Abs. 1). Folglich ist in derartigen Fällen nicht etwa ein neues Registerblatt für die Firma anzulegen; vielmehr wird einfach die alte Firma auf dem bisherigen Registerblatt unter Eintragung der neuen Firma der Gesellschaft gerötet 7 . Eine bloße Firmenänderung liegt außerdem vor, wenn der Erwerber im Falle des § 22 die bisherige Firma zunächst fortführt und erst später eine andere Firma wählt 8 oder wenn die Firma in eine andere Sprache übersetzt wird 9 .
5
An einer Firmenänderung fehlt es hingegen, wenn in den Fällen der §§ 22 und 24 die bisherige Firma unverändert fortgeführt wird. Folglich besteht in diesen Fällen auch keine Anmeldepflicht nach § 31 Abs. I 10 . § 31 bietet außerdem keine Handhabe, eine vom Registergericht lediglich für erforderlich gehaltene Firmenänderung zu erzwingen; dafür stehen vielmehr ausschließlich die Verfahren nach § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 140 F G G oder nach § 142 F G G zur Verfügung 11 . 3. Wechsel des Inhabers
6
Anmeldepflichtig ist nach den §§31 Abs. 1 und 29 weiter der Wechsel des Inhabers der Firma ohne deren gleichzeitige Veränderung. Das Gesetz hat hier in erster Linie die Fälle des § 22 im Auge 12 . Dazu gehören auch die Pacht eines Handelsgeschäfts 13 sowie dessen Erwerb von Todes wegen 14 . Die Anmeldepflicht trifft hier nicht nur den Erwerber des Handelsgeschäft 15 , sondern auch den Veräußerer als den bisherigen Inhaber der Firma, so daß eine auf die bloße einseitige Anmeldung des Erwerbers hin eingetragene Änderung des Inhabers von Amts wegen nach § 142 FGG wieder gelöscht werden kann, solange nicht ihre materielle Richtigkeit eindeutig feststeht 16 . Daraus folgt z.B., daß im Falle der Nacherbfolge außer dem Nacherben die Erben des Vorerben ebenfalls anmeldepflichtig sind 17 . 3
Straube/Schuhmacher § 31 Rdn. 4. S. o. § 18 Rdn. 5. 5 S. Staub/Hüffer § 31 Rdn. 4 und 6. 6 Vgl. z.B. RGZ 15, 33, 35; O L G Frankfurt O L G Z 1973, 20, 24 f; Baumbach/Duden/Hopt § 31 Anm. 1; Straube/Schuhmacher § 31 Rdn. 2. 7 S. im einzelnen o. § 22 Rdn. 39 ff; OLG Hamm O L G Z 1977, 438, 440, 442 f; O L G Stuttgart OLGZ 1979, 385, 386. 8 OLG Hamm O L G Z 1977, 438, 442. 9 O G H AC 3127. 10 KG OLGZ 1965, 124, 126; BayObLGZ 1989, 474, 477 = NJW-RR 1990, 868. 4
368
" KGJ 48, 122, 124; OLG Hamm O L G Z 1979, 1, 2 ff = DB 1979, 306 f. 12 BayObLGZ 1989, 474, 477 ff = NJW-RR 1990, 868, 869; für die Fälle des $ 24 vgl. die Sondervorschriften der §§ 106, 107,143,161 Abs. 2 und 162 sowie KG OLGZ 1965, 124, 126. 13 OLG Frankfurt O L G Z 1973, 20, 24 f. 14 Z.B. Straube/Schuhmacher § 31 Rdn. 7, 9 f. mit Hinweisen auf die österreichischen Besonderheiten. 15 So früher KGJ 44, 149, 151. 16 KG OLGE 43, 202; HRR 1934 Nr. 1041; OLG Linz N Z 1961, 140, 183. 17 KG HRR 1934 Nr. 1041.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§31
4. Erlöschen der Firma a) Anwendungsbereich. aa) Anmeldepflichtig ist weiter nach § 21 Abs. 2 S. 1 das Erlöschen der Firma. Die 7 Vorschrift gilt auch für die juristischen Personen des § 33, für die Gebietskörperschaften (§ 36) sowie für die GmbH 1 8 , nicht hingegen für die AG wegen der Sonderregelung in § 273 Abs. 1 AktG. Eine weitere Sonderregelung für o H G und KG findet sich in den §§ 157 und 161 Abs. 2 19 . bb) Die Anmeldepflicht besteht nur, wenn die Voraussetzungen für die Eintragung der 8 Firma zunächst vorgelegen haben und erst später weggefallen sind20. Für die Anwendung der Vorschrift ist hingegen kein Raum, wenn die Eintragungsvoraussetzungen von vornherein gefehlt haben, so daß die Firma unzulässig war; in diesem Fall kommt allein das Amtslöschungsverfahren nach § 142 FGG in Betracht 21 . Dasselbe gilt, wenn die Firma nachträglich unzulässig wird. In einem derartigen Fall ist gleichfalls nicht nach den §§31 Abs. 2 und 14, sondern allein nach § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 140 FGG oder nach §142 FGG zu verfahren 22 . b) Voraussetzungen. Die Firma erlischt, wenn das Handelsgeschäft endgültig und 9 nicht nur vorübergehend eingestellt wird oder auf Dauer auf das Niveau eines minderkaufmännischen Geschäfts absinkt 23 . Die Eintragung des Erlöschens im Handelsregister hat in allen diesen Fällen nur deklaratorische Bedeutung. Ist die Firma tatsächlich nicht erloschen, so kann die Eintragung von Amts wegen nach § 142 F G G wieder gelöscht und die Firma erneut eingetragen werden 24 . c) Verpflichteter. Die Anmeldepflicht trifft den bisherigen Inhaber der erloschenen 10 Firma. Das ist im Falle des § 22 der Veräußerer, sofern der Erwerber die Firma nicht fortführt 25 , sowie im Falle der Pacht der Pächter, wenn er den Betrieb endgültig einstellt, während bei Rückgabe des Geschäfts an den Verpächter Pächter und Verpächter bei der Anmeldung mitwirken müssen 26 . Im Falle des Todes des Geschäftsinhabers muß man unterscheiden: War die Firma 1 0 3 schon vor dem Tode des Erblassers erloschen, so geht die Anmeldepflicht als öffentlichrechtliche Pflicht nicht auf die Erben über, so daß dann nur das Amtslöschungsverfahren nach § 142 FGG in Betracht kommt 27 . Anders hingegen, wenn erst der Erbe nach dem Erbfall das Geschäft endgültig einstellt. Wieder anders ist die Rechtslage im Konkurs: Da hier allein der Konkursverwalter und 11 die Gläubigerversammlung über die Einstellung des Geschäftsbetriebs entscheiden dürfen, ist der Gemeinschuldner jetzt nicht mehr befugt, das Erlöschen der Firma anzumelden. Wird gleichwohl auf seine Anmeldung hin die Firma im Handelsregister gelöscht, so ist die Eintragung nach § 142 FGG von Amts wegen wieder zu löschen 28 .
'8 KG OLGE 19, 376. Für Osterreich s. Straube/Schuhmacher § 31 Rdn. 12. 20 BayObLGZ 1978, 54, 57 ff. 21 BayObLG (Fn. 20). 22 S. o. § 18 Rdn. 18 u. § 3 Rdn. 11 ff; im einzelnen str.; grdleg. RGZ 169, 147, 151 f. 23 S. im einzelnen o. § 17 Rdn. 16 ff, § 22 Rdn. 40 m. Nachw. 19
24
KG KGJ 28 A 42; JW 1938, 747; BayObLG BB 1983, 82. 25 S.o. § 22 Rdn. 40. 26 S. o. § 22 Rdn. 36 ff; KG RJA 11, 36, 38; LG Augsburg Rpfl. 1982, 70. 27 KG JW 1926, 1675 Nr. 1 = JFG 3,190; JW 1931, 2988, 2999; str. 28 S. o. § 17 Rdn. 37; KG JW 1938, 747; BayObLGZ 1932, 154, 155 = JFG 9, 114.
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§32 12
Erstes Buch. Handelsstand
d) Inhalt der Anmeldung. Ein bestimmter Wortlaut ist für die Anmeldung nicht vorgeschrieben. Es genügt vielmehr, wenn sich der Sachverhalt aus der Anmeldung zweifelsfrei ergibt, so daß daraufhin die Eintragung des Erlöschens der Firma von dem Registerrichter verfügt werden kann 2 9 . 5. Verfahrensfragen
13
a) Registerzwang (§ 14). Die Durchsetzung der Anmeldepflicht ist in den in § 31 geregelten Fällen Aufgabe des Registergerichts im Zwangsgeldverfahren nach § 14 in Verbindung mit den §§ 132 bis 140 F G G . Zur Durchführung dieses Verfahrens ist das Registergericht verpflichtet, sobald es von einem der in § 31 erwähnten Fälle Kenntnis erlangt 30 . Festgesetzte Zwangsgelder dürfen jedoch nicht mehr beigetrieben werden, sobald der Anmeldepflichtige seiner Anmeldepflicht nachgekommen ist 31 .
14
b) Amtslöschung. Das Zwangsgeldverfahren nach § 14 ist grundsätzlich, wie § 31 Abs. 2 S. 2 ausdrücklich hervorhebt, auch im Falle des Erlöschens der Firma anzuwenden. Nur wenn dieses Verfahren tatsächlich oder voraussichtlich wirkungslos ist, greift ausnahmsweise das Amtslöschungsverfahren nach § 31 Abs. 2 S. 2 ein 32 . So verhält es sich z.B., wenn die Person des Anmeldepflichtigen unbekannt ist, wenn er sich im Ausland aufhält oder wenn er über keinerlei Vermögen verfügt. Die Einzelheiten des Amtslöschungsverfahrens richten sich nach § 141 F G G 3 3 .
§32 Wird über das Vermögen eines Kaufmanns der Konkurs eröffnet, so ist dies von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen. Das gleiche gilt von der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses sowie von der Einstellung und Aufhebung des Konkurses. Eine öffentliche Bekanntmachung der Eintragung findet nicht statt. Die Vorschriften des § 15 bleiben außer Anwendung. 1
1. § 32 schreibt vor, daß die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Kaufmanns, die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses sowie die Einstellung und Aufhebung des Konkurses von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen sind; gleich steht die Wiederaufnahme des Konkurses 1 . Der Grund für diese Regelung ist darin zu sehen, daß die genannten Vorgänge vom Konkursgericht öffentlich bekannt gemacht und dem Registergericht mitgeteilt werden 2 . Aufgrund dieser Mitteilung erfolgt dann die Eintragung von Amts wegen im Handelsregister, wobei eine Bekanntmachung der Eintragung entbehrlich ist, weil schon eine Bekanntmachung durch das Konkursgericht vorausgegangen ist. Für die Eröffnung und die Beendigung des Vergleichsverfahrens ist entsprechendes in den §§ 23 Abs. 2 und 98 Abs. 3 Vergleichsordnung bestimmt.
29 30 31
32 33
KG OLGE 41, 195; OLGZ 1965, 124, 126. BayObLGZ 1978, 319, 322. KG H RR 1929 Nr. 940; LG Waldshut BB 1962, 386. BayObLGZ 1978, 54, 62. S. auch o. Rdn. 9.
370
1
2
§§198 ff. KO; Denkschrift S. 45; Straube/Schuhmacher § 32 Rdn. 2. S. im einzelnen die §§ 111, 112, 116, 163 Abs. 3, 190 Abs. 3, 198 Abs. 2 und 205 Abs. 2 KO.
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§33
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
2. § 32 gilt für die Einzelkaufleute, für die Personenhandelsgesellschaften (§ 6 Abs. 1),
2
für die G m b H (§ 13 A b s . 3 G m b H G ) , für die A G und die K G A a (§ 3 A k t G ) , für die sonstigen juristischen Personen (§ 34 Abs. 5) sowie für die großen Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit ( § 1 6 V A G ) . Ergänzende Sonderregelungen finden sich für A G in § 263 A k t G , für die G m b H in § 65 A b s . 1 G m b H G sowie für die Genossenschaften in § 1 0 2 G e n G . Keine A n w e n d u n g findet § 32 hingegen auf das E r l ö s c h e n der P r o k u r a im K o n k u r s , so daß sich deren Eintragung allein nach § 53 Abs. 3 richtet 3 , sowie für das etwaige Erlöschen der F i r m a bei A u f h e b u n g des Konkursverfahrens, worauf nur § 31 anzuwenden ist 4 . 3. D a die in § 32 genannten Eintragungen nicht öffentlich bekannt gemacht werden, ist für die A n w e n d u n g des § 15 kein R a u m 5 . D i e Rechtsfolgen der genannten Vorgänge richten sich vielmehr ausschließlich nach der K O bzw. nach der Vergleichsordnung. Einen Schutz des guten Glaubens gibt es insoweit nicht.
3
4. In Ö s t e r r e i c h ist § 32 1992 völlig neu gefaßt worden 6 . § 32 ö H G B verweist jetzt in Abs. 1 auf die Insolvenzgesetze und in Abs. 2 für die Zwangsverwaltung auf § 342 E O . Abs. 2 regelt die Zeichnungspflicht. Zugleich wurde ein neuer § 32 a in das ö H G B eingefügt, der die Eintragung eines Sachverwalters nach § 2 7 3 A B G B sowie des sog. Verlassenschaftsprovisoriums regelt.
4
§33 (1) Eine juristische P e r s o n , deren E i n t r a g u n g in das Handelsregister m i t R ü c k s i c h t a u f den G e g e n s t a n d oder a u f die A r t u n d den U m f a n g ihres Gewerbebetriebes z u erfolgen h a t , ist v o n sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes z u r E i n t r a g u n g a n z u m e l d e n . (2) D e r A n m e l d u n g sind die S a t z u n g der juristischen P e r s o n u n d die U r k u n d e n über die Bestellung des Vorstandes in U r s c h r i f t oder in öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. Bei der E i n t r a g u n g sind die F i r m a u n d der Sitz der juristischen P e r s o n , der G e g e n s t a n d des U n t e r n e h m e n s und die Mitglieder des Vorstandes a n z u g e ben. Besondere B e s t i m m u n g e n der S a t z u n g über die Befugnis des Vorstandes z u r V e r t r e t u n g der juristischen P e r s o n o d e r über die Zeitdauer des U n t e r n e h m e n s sind gleichfalls e i n z u t r a g e n . (3) Die E r r i c h t u n g einer Zweigniederlassung ist d u r c h den V o r s t a n d u n t e r Beifüg u n g einer öffentlich beglaubigten Abschrift der S a t z u n g a n z u m e l d e n . S c h r i f t t u m Demelius Die täglichen Geschäfte der Genossenschaft, FS Kastner, 1972, S. 69; Wünsch Gedanken zur Kaufmannseigenschaft juristischer Personen, FS Kralik, 1986, S. 597.
5 4
Z.B. Schlegelbergerl Hildebrandt KG JW 1938, 1825.
§ 32 Rdn. 4.
5 6
§ 32 S. 4; s. z.B. O G H HS 10.135. BGBl. 1991 Nr. 10, S. 58.
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§33
Erstes Buch. Handelsstand Übersicht
1. Überblick 2. Anwendungsbereich a) Vorrangige Sonderregelungen b) Beispiele 3. Anmeldepflicht a) Voraussetzungen b) Verpflichtete
Rdn. 1 2 2 3 4 4 5
4. Inhalt der Anmeldung a) Überblick b) Verfahren c) Insbesondere die Firma der juristischen Person 5. Eintragung 6. Zweigniederlassungen
Rdn. 6 6 7 8 9 11
1. Überblick 1
In den §§ 33 bis 36 regelt das Gesetz das Firmenrecht derjenigen juristischen Personen des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts, die ein Handelsgewerbe betreiben und für die nicht in anderen Gesetzen oder im H G B Sonderregeln enthalten sind. Die gegenwärtige Fassung des § 33 geht auf das Änderungsgesetz vom 10.8.19371 zurück. Zweck der Regelung ist es, nach Möglichkeit sicherzustellen, daß das Handelsregister eine vollständige Auskunft über alle Personen gibt, die ein Handelsgewerbe betreiben 2 . In Osterreich sind 1991 in Abs. 2 S. 2 die Worte „der Gegenstand des Unternehmens" gestrichen worden (BGBl. S. 59). 2. Anwendungsbereich
2
a) Vorrangige Sonderregelungen. § 33 gilt für alle juristischen Personen des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts, die ein Handelsgewerbe betreiben ( O G H GesRZ 1993, 170, 171). Ausgenommen von seinem Anwendungsbereich sind jedoch die Unternehmen der Gebietskörperschaften, für die nur § 36 gilt, sowie alle sonstigen juristischen Personen, für die in- oder außerhalb des H G B Sonderregeln aufgestellt worden sind. § 33 findet daher insbesondere keine Anwendung auf die G m b H , die A G , die KGaA, die Genossenschaften 3 , die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die Hypothekenbanken, die Bundesbank, die Bundesbahn und die Bundespost (§ 452).
3
b) Beispiele. Der Anwendungsbereich des § 33 umfaßt insbesondere die wirtschaftlichen Vereine des § 22 BGB, die Idealvereine des § 21 BGB, wenn sie einen gewerblichen Nebenbetrieb unterhalten 4 , Wirtschaftsvereine, Stiftungen, wenn sie z.B. Bankgeschäfte betreiben 5 , die in § 89 BGB erwähnten juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie früher die Kolonialgesellschaften und die bergrechtlichen Gewerkschaften. Ausländische juristische Personen gehören ebenfalls hierher, sofern sie im Inland ein Handelsgewerbe betreiben und hier als juristische Personen anerkannt werden 6 . Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so spielt es außerdem keine Rolle, ob die ausländische juristische Person in ihrer Struktur deutschen juristischen Personen entspricht oder nicht 7 . 1 2 3
RGBl. I, S. 897. Wünsch S. 609. In Osterreich ist mit Rücksicht auf die fehlende Regelung der Frage im öGenG umstritten, ob die Genossenschaften unter § 33 fallen (dafür z.B. Avancini FS Demelius, 1973, S. 281; Straube/ Schuhmacher § 33 Rdn. 2; Wünsch S. 599 ff.; dagegen die überwiegende Meinung, z.B. Aicher N Z 1972, 56; Demelius aaO).
372
4 5 6
7
S.o. § 1 Rdn. 33; Wünsch S. 610 f. S. Droese MOR 1973, 25. BayObLGZ 1986, 61, 72 = DB 1986, 1325; O G H SZ Bd. 25 (1952) Nr. 48, S. 133, 134; Düringer/Hachenburg § 33 Anm. 2; Schlegelberger/ Hildebrandt § 33 Rdn. 2. BayObLG und O G H (Fn. 6).
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§33
3. Anmeldepflicht a) V o r a u s s e t z u n g e n . D i e juristischen Personen sind zum Handelsregister anzumelden,
4
wenn ihre Anmeldung mit Rücksicht auf ihren Gegenstand oder auf die Art und den U m f a n g ihres Gewerbebetriebs erforderlich ist (§ 33 Abs. 1). Das G e s e t z nimmt mit dieser Formulierung auf die §§ 1 bis 4 Bezug, so daß für die Voraussetzungen der Anmeldepflicht bei juristischen Personen in jeder Hinsicht dasselbe wie bei Einzelkaufleuten gilt 8 . b) Verpflichtete. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so trifft die Anmeldepflicht nach § 33 Abs. 1 sämtliche Mitglieder des Vorstandes. K o m m e n einzelne Vorstandsmitglieder der Anmeldepflicht nicht nach, so hat das Registergericht dementsprechend (nur) gegen diese nach § 14 i.V.m. §§ 132 ff F G G vorzugehen 9 . Keine Anmeldepflicht trifft hingegen die Mitglieder anderer O r g a n e der juristischen Person, z . B . die Aufsichtsratsmitglieder 1 0 .
5
4. I n h a l t der A n m e l d u n g a) Uberblick. A n z u m e l d e n ist die juristische Person (§ 33 Abs. 1). D e r A n m e l d u n g sind die Satzung der juristischen Person und die U r k u n d e n über die Bestellung des Vorstandes
6
in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen (§ 33 A b s . 2 S. 1). Aus diesen U r k u n d e n müssen sich die Firma und der Sitz der juristischen Person, der G e g e n stand des U n t e r n e h m e n s und die Mitglieder des Vorstandes ergeben (vgl. § 33 A b s . 2 S. 2). Fehlt es hieran, so ist hinsichtlich der genannten U m s t ä n d e eine gesonderte A n m e l d u n g erforderlich. D i e Beifügung der Satzung ist nur entbehrlich, wenn die juristische Person keine Satzung besitzt 1 1 , ein Fall, der heute wohl kaum m e h r v o r k o m m e n dürfte 1 2 . D i e Vorstandsmitglieder sind mit ihrem Familien- und Vornamen sowie mit ihrem B e r u f und W o h n o r t anzumelden. b) Verfahren. F ü r die Anmeldung gelten die §§ 12 und 29. D i e örtliche Zuständigkeit des Registergerichts richtet sich mithin nach dem O r t der Handelsniederlassung der juristischen Person, der nicht notwendig mit dem O r t des Sitzes der juristischen Person übereinzustimmen braucht 1 3 . A u f die Anmeldung hin hat der Registerrichter die vorgelegten U r k u n d e n in materieller und formeller Hinsicht zu prüfen, namentlich auch darauf,
7
o b die juristische Person überhaupt besteht und die Vorstandsmitglieder wirksam bestellt sind 1 4 . Bei ausländischen juristischen Personen ist außerdem zu prüfen, o b sie im Inland anerkannt werden k ö n n e n 1 5 . c) Insbesondere die F i r m a der juristischen P e r s o n . D i e juristische Person ist nach § 33 Abs. 2 S. 2 unter ihrer F i r m a im Handelsregister einzutragen. J e d o c h enthält das G e s e t z keine Regeln über die Firmenbildung bei juristischen Personen i.S. des § 33. Sicher ist daher lediglich, daß auch hier die §§ 18 Abs. 2 u n d 30 entsprechend anzuwenden sind 1 6 .
Vgl. z.B. OLG Dresden OLGE 27, 304 f; 'Wünsch S. 611 f. 9 KG KGJ 21 A 271, 272; 26 A 232, 233 f; RJA 2, 183; 9, 47, 48 f; OLGE 12, 410, 412. 1 0 RG JW 1910, 617 Nr. 9; zur Zeichnungspflicht der Vorstandsmitglieder s. 35. 11 Denkschrift S. 45. 12 Wegen der Anmeldung etwaiger Änderungen s. § 34. 8
S.o. § 29 Rdn. 7. S. o. § 7 Rdn. 4; OLG Dresden AnnSächsOLG 25, 341 = OLGE 8, 254, 382. 15 Ausführlich BayObLGZ 1986, 61 = DB 1986, 1325. 16 Vgl. OLG Dresden OLGE 27, 304; BayObLGZ 1922/1923, 92, 93 f; 1986, 61, 64 = DB 1986, 1325; Wünsch S. 612 f. 13 14
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§33
Erstes Buch. Handelsstand
D a s folgt schon daraus, daß die auf denselben Grundgedanken beruhenden Parallelvorschriften der §§ 3 und 16 U W G unbezweifelbar auch für die juristischen Personen des § 33 gelten. I m übrigen ist der Fragenkreis j e d o c h offen. I m Regelfall wird die Firma der juristischen Person w o h l mit ihrem satzungsmäßigen N a m e n übereinstimmen. N o t w e n d i g ist dies indessen nicht; die juristische Person kann vielmehr mangels Anwendbarkeit des § 18 A b s . 1 für ihren G e w e r b e b e t r i e b auch eine von ihrem N a m e n abweichende F i r m a wählen 1 7 . In Betracht k o m m t in erster Linie eine Sachfirma, die v o m Gegenstand des Geschäfts entlehnt ist. A n w e n d b a r ist außerdem § 22, wenn die juristische Person ein Handelsgeschäft mit Firma erwirbt 1 8 . 5. E i n t r a g u n g 9
a) In das Handelsregister einzutragen sind, wie sich aus § 33 A b s . 2 S. 2 und 3 ergibt, die F i r m a und der Sitz der juristischen Person, ein davon etwa abweichender O r t der Handelsniederlassung, der Gegenstand des U n t e r n e h m e n s , die Mitglieder des Vorstandes sowie besondere Bestimmungen der Satzung über die Befugnis des Vorstandes zur Vertretung der juristischen Person und über die Zeitdauer des U n t e r n e h m e n s 1 9 . M i t den Bestimmungen ü b e r die Vertretungsbefugnis des Vorstands sind hierbei insbesondere s a t z u n g s m ä ß i g e B e s c h r ä n k u n g e n der V e r t r e t u n g s m a c h t der V o r s t a n d s m i t g l i e d e r gemeint, außerdem etwa aber auch Bestimmungen über E i n z e l - oder Gesamtvertretungsmacht des Vorstands 2 0 .
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b) D e r G e g e n s t a n d des U n t e r n e h m e n s ist in der Eintragung möglichst genau und bestimmt zu bezeichnen; b l o ß e allgemeine Angaben wie „Handelsgesellschaft" reichen nicht aus 2 1 . M i t dem Sitz der juristischen Person ist hier der satzungsmäßige Sitz gemeint. Weicht bei ausländischen juristischen Personen der tatsächliche Verwaltungssitz von dem satzungsmäßigen Sitz ab, so ist nach der in Deutschland herrschenden Sitztheorie der tatsächliche Verwaltungssitz maßgebend. D e r O r t der Handelsniederlassung ist hingegen in der Eintragung nur anzugeben, wenn er weder mit dem satzungsmäßigen n o c h mit dem tatsächlichen Sitz der Gesellschaft übereinstimmt, weil sich danach die örtliche Zuständigkeit des Registergerichts richtet. 6. Zweigniederlassungen
11
F ü r die Errichtung von Zweigniederlassungen durch juristische Personen gilt uneingeschränkt § 13. § 33 Abs. 3 regelt lediglich die V e r t r e t u n g der juristischen Person bei der A n m e l d u n g der Zweigniederlassung, indem er zur Vereinfachung des Verfahrens - abweichend von § 33 A b s . 1 - die Anmeldepflicht dem Vorstand als solchem auferlegt. Bei der Anmeldung müssen mithin nur so viele Vorstandsmitglieder mitwirken, wie nach der Satzung zur Vertretung der juristischen Person erforderlich sind 2 2 .
dinger § 56 Einl. 23 Capelle/Canaris § 16 I 1; Habersack JuS 1992, 548, 549; K. Schmidt § 16 V 2; Staub/Joost § 56 Rdn. 7.
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24
Denkschrift zum RJA-E 1, bei Schubert/Schmiedel/Krampe Bd. II 1, S. 48. 25 LG Bremen NJW 1992, 915 m. Anm. Habersack JuS 1992, 548, 549 f; Staub/Joost § 56 Rdn. 44 m.w.N. 26 Canaris S. 190; Schlegelberger/Schröder § 56 Rdn. 3; K. Schmidt § 16 V 3 f; Großkomm/Würdinger § 56 Anm. 4; a.M. Bader S. 157.
Sonnenschein/Weitemeyer
Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§57
Die entsprechende Anwendung des § 54 Abs. 3 hat zum einen Bedeutung, wenn 21 tatsächlich eine Vollmacht besteht, die aber abweichend von § 54 Abs. 1 inhaltlich eingeschränkt ist. Zum anderen greift der Rechtsgedanke des § 54 Abs. 3 in den Fällen ein, in denen keine Vollmacht erteilt ist, wenn der Rechtsschein einer Bevollmächtigung durch deutliche Hinweisschilder oder entsprechende Einrichtungen wie einen Kassenschalter, eine Umtauschkasse oder eine Warenannahme beseitigt wird. Derartige Umstände besagen, daß ein Kunde die entsprechenden Geschäfte nicht mit einem beliebigen Angestellten abschließen darf (auf den Einzelfall abstellend Staub/Joost § 56 Rdn. 45 m.N.). Sie führen dazu, die Regelung des § 56 grundsätzlich auszuschließen, da die Rechtsvermutung in den tatsächlichen Umständen keine Grundlage findet. Handelt es sich jedoch um den Filialleiter, der etwa die Kasse auch selbst übernehmen könnte, ist eine Zahlung an ihn mit befreiender Wirkung außerhalb des Kassenschalters möglich ( O L G Karlsruhe M D R 1980, 849).
V. Erlöschen der Vertretungsmacht Die Vertretungsmacht nach § 56 erlischt nach den allgemeinen Regeln {Staub/Joost 22 § 56 Rdn. 47). Hierbei ist im einzelnen danach zu unterscheiden, ob tatsächlich eine Handlungsvollmacht erteilt worden ist, deren Erlöschen sich nach den Vorschriften des B G B und anderer Gesetze sowie nach handelsrechtlichen Grundsätzen richtet (§ 54 Rdn. 39 ff), oder ob die Vertretungsmacht auf einem Rechtsschein beruht, der nach den hierfür maßgeblichen Grundsätzen zu beseitigen ist. Dies kann insbesondere dadurch geschehen, daß deutliche Hinweisschilder aufgestellt oder Einrichtungen geschaffen werden, die den Rechtsschein beseitigen (Rdn. 21). Das gleiche gilt für die Entfernung des Angestellten aus dem Laden oder Warenlager. In derartigen Maßnahmen kann eine der Sachlage angepaßte öffentliche Kundgebung des Erlöschens der Vertretungsmacht gesehen werden (RG Recht 1923 Nr. 1026).
§57 Der Handlungsbevollmächtigte hat sich bei der Zeichnung jedes eine Prokura andeutenden Zusatzes zu enthalten; er hat mit einem das Vollmachtsverhältnis ausdrückenden Zusätze zu zeichnen.
I. Allgemeines Die Vorschrift entspricht inhaltlich unverändert der früheren Bestimmung des Art. 48 1 A D H G B . Sie enthält zum einen das an den Handlungsbevollmächtigten gerichtete Verbot, mit einem Zusatz zu zeichnen, der eine Prokura andeutet. Zum anderen ergibt sich aus ihr das Gebot, mit einem das Vollmachtsverhältnis ausdrückenden Zusatz zu zeichnen. Damit bezweckt die Vorschrift, Verwechslungen des Handlungsbevollmächtigten und seiner Vertretungsmacht mit der Prokura auszuschließen und im Rechtsverkehr erkennbar zu machen, daß es sich um einen rechtsgeschäftlichen Vertreter mit dem Umfang der Vertretungsmacht aus § 54 handelt. Sie steht in Zusammenhang mit der in § 51 geregelten Zeichnungspflicht des Prokuristen. Sonnenschein/Weitemeyer
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§57
Erstes Buch. Handelsstand
II. Inhalt der Vorschrift 2
1. N a c h dem G e b o t des § 57 Halbs. 2 hat der Handlungsbevollmächtigte mit einem das Vollmachtsverhältnis ausdrückenden Zusatz zu zeichnen.
3
a) Anders als in § 51 für den Prokuristen ist nicht besonders erwähnt, daß der H a n d lungsbevollmächtigte bei der Zeichnung der F i r m a seinen N a m e n beifügen muß. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 51 und dem Z w e c k des § 57, das Vertretungsverhältnis offenzulegen, ist jedoch zu schließen, daß auch der Handlungsbevollmächtigte bei der Zeichnung die F i r m a zu verwenden hat, damit der Geschäftsherr erkennbar wird. 1 D i e Firmenbezeichnung kann gedruckt, als Stempel, in Maschinenschrift oder in anderer F o r m erscheinen ( § 5 1 R d n . 3).
4
b) D e r Handlungsbevollmächtigte m u ß mit seinem N a m e n zeichnen. A u c h dies wird in der Vorschrift nicht ausdrücklich hervorgehoben. D i e Zeichnung mit dem Familiennamen ist ausreichend. D e r N a m e ist eigenhändig zu schreiben. Bei einer G e s a m t h a n d lungsvollmacht müssen alle Vollmachtsträger unterzeichnen.
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c) D e r Handlungsbevollmächtigte hat mit einem das Vollmachtsverhältnis ausdrückenden Z u s a t z zu zeichnen. I m Handelsverkehr haben sich als Zusätze „in V o l l m a c h t " , „in Vertretung" oder abgekürzt „i.V." eingebürgert. F r ü h e r wurde der Zusatz „per" häufiger gebraucht. Auch „im A u f t r a g " oder „i.A." kann verwendet werden.
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2 . N a c h § 57 Halbs. 1 hat sich der Handlungsbevollmächtigte bei der Zeichnung jedes eine P r o k u r a andeutenden Zusatzes zu enthalten. Dieses V e r b o t soll für eine eindeutige Unterscheidung der einzelnen G r u p p e n von Vertretern des Kaufmanns sorgen. D e r H a n d lungsbevollmächtigte darf nicht durch Verwendung der Zusätze „per p r o c u r a " oder ähnlicher Bezeichnungen ( § 5 1 R d n . 5) im Rechtsverkehr den E i n d r u c k erwecken, er sei Prokurist.
III. Bedeutung der Vorschrift 7
1. D i e Regelung wird wie die entsprechende Bestimmung zur P r o k u r a in § 51 (dort R d n . 6) allgemein als b l o ß e O r d n u n g s v o r s c h r i f t angesehen. 2 Dies galt schon für Art. 48 A D H G B als Vorläufer. 3 E i n Verstoß löst deshalb unmittelbar keine Rechtsfolgen aus. So wird die Gültigkeit einer Willenserklärung nicht dadurch beeinträchtigt, daß der H a n d lungsbevollmächtigte nur mit der F i r m a oder unter dem N a m e n des Kaufmanns zeichnet, ohne einen Zusatz oder seinen eigenen N a m e n beizufügen. 4 E b e n s o ist eine Erklärung nicht allein deshalb unwirksam, weil der Handlungsbevollmächtigte nur mit seinem N a m e n zeichnet. D a s gleiche gilt, wenn er einen Zusatz verwendet, der eine P r o k u r a andeutet. Auch in diesem Fall richtet sich der U m f a n g seiner Vertretungsmacht allein nach der tatsächlich bestehenden Handlungsvollmacht.
1
2
Düringer/Hachenburg § 57 Anm. 1; Schlegelberger/Schröder § 57 Rdn. 1; Staub/Joost § 57 Rdn. 3. Schlegelberger/Schröder § 57 Rdn. 1; Staub/Joost § 57 Rdn. 8.
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' ROHG 12, 133; RG JW 1894, 431. 4 ROHG 12,133; RG JW 1894,431; vgl. ROHG 5, 263; 10, 55; 18, 99; OLG Düsseldorf DB 1992, 2080.
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§58
2. Ein Verstoß gegen § 57 kann allerdings mittelbar dadurch Folgen haben, daß das 8 Prinzip der Offenkundigkeit der Stellvertretung nicht gewahrt wird und dadurch die Willenserklärung nicht dem Kaufmann zugerechnet werden kann (§ 164 Abs. 2 BGB). Zu beachten ist aber, daß sich trotz eines Verstoßes gegen § 57 aus den gesamten Umständen ergeben kann, daß der Handlungsbevollmächtigte im Namen des Kaufmanns handelt.
§58 Der Handlungsbevollmächtigte kann ohne Zustimmung des Inhabers des Handelsgeschäfts seine Handlungsvollmacht auf einen anderen nicht übertragen.
I. Allgemeines Die Vorschrift bestimmt, daß der Handlungsbevollmächtigte seine Handlungsvoll- 1 macht ohne Zustimmung des Inhabers des Handelsgeschäfts nicht auf einen anderen übertragen kann. Positiv formuliert wird die Handlunsgvollmacht damit für übertragbar erklärt. Mit diesem Inhalt geht die Vorschrift auf Art. 53 A D H G B zurück, der eine Übertragung der Prokura und der Handlungsvollmacht mit Einwilligung des Prinzipals zuließ. So war es auch in den ersten Entwürfen eines H G B vorgesehen. Der Gesetzgeber hat hieran nur für die Handlungsvollmacht festgehalten, während die Übertragbarkeit der Prokura in § 52 Abs. 2 ausgeschlossen worden ist (dort Rdn. 1, 16). Die Gesetzesverfasser hielten eine ausdrückliche Bestimmung für wünschenswert, um klarzustellen, daß eine Übertragung der Handlungsvollmacht nicht schon von der auf § 54 beruhenden Vertretungsmacht gedeckt ist (Denkschrift zum RJA-E I, bei Schubert/Schmiedel/Krampe Bd. II 1, S. 48). Damit bezweckt der Gesetzgeber einen Schutz des Kaufmanns, da auch die Handlungsvollmacht ein gewisses persönliches Vertrauensverhältnis voraussetzt (RG J W 1891, 556). Die Erteilung einer Untervollmacht wird in § 58 nicht geregelt, sondern hängt vom Umfang der Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten ab (Rdn.6).
II. Übertragung der Handlungsvollmacht 1. Die Vorschrift regelt den Fall, daß der Handlungsbevollmächtigte die ihm erteilte 2 Vollmacht in vollem Umfang auf einen Dritten übertragen und hierdurch selbst seine Vertretungsmacht vollständig aufgeben will. Die auf § 54 beruhende Vertretungsmacht deckt eine derartige Auswechslung des Handlungsbevollmächtigten nicht, da dies nicht zu den Geschäften gehört, die der Betrieb eines Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt (Denkschrift zum RJA-E I, bei Schubert/Schmiedel/Krampe Bd. II 1, S. 48). Der Auswechslung ist eine Unterbevollmächtigung mit dem gleichen Umfang der Vertretungsmacht nicht gleichzusetzen, da hier der ursprüngliche Handlungsbevollmächtigte als Vertreter erhalten bleibt.1 Die Handlungsvollmacht kann nur mit Zustimmung des Inhabers des Handels- 3 geschäfts vollständig übertragen werden. An Stelle des Inhabers kann der gesetzliche
1
Staub/Joost § 58 Rdn. 6; a.M. burg § 58 Anm. 1.
Düringer/Hachen-
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Erstes Buch. Handelsstand
§58
Vertreter oder ein Prokurist zustimmen. 2 Es handelt sich um eine Zustimmung im Sinne des § 182 BGB. Sie kann dem Handlungsbevollmächtigten oder der von ihm zu bevollmächtigenden Person gegenüber erklärt werden. Wird sie als Einwilligung nach § 183 BGB vorher erteilt, ist die Übertragung von Anfang an wirksam. Stimmt der Inhaber erst nachträglich zu, wirkt die Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB zurück, so daß die zunächst schwebend unwirksame Übertragung der Handlungsvollmacht rückwirkend geheilt wird. Hat der neue Vertreter in der Zwischenzeit schon vollmachtlos ein Rechtsgeschäft vorgenommen, wird dies ebenfalls mit Rückwirkung gegenüber dem Inhaber wirksam (Staub/Joost § 58 Rdn. 5). Die Zustimmung kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erklärt werden {SchlegelbergerlSchröder § 58 Rdn. 2). 4
2. Die Regelung des § 58 betrifft nicht die Fälle, in denen der Inhaber des Handelsgeschäfts selbst, sein gesetzlicher Vertreter oder sein Prokurist die Handlungsvollmacht von dem bisherigen Bevollmächtigten auf einen neuen überträgt. Rechtlich ist eine solche Übertragung als Widerruf der bisherigen Handlungsvollmacht und Neuerteilung gegenüber einer anderen Person zu beurteilen. Hierfür sind die allgemeinen Regeln über Widerruf und Erteilung einer Handlungsvollmacht maßgebend (§ 54 Rdn. 41, 5 ff).
III. Erteilung einer Untervollmacht 5
1. Die Erteilung einer Untervollmacht ist in § 58 nicht geregelt, wird aber allgemein für zulässig gehalten. Sie findet ihre Grundlage in der auf § 54 beruhenden Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten, im Namen des Kaufmanns rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben. Hiernach kann der Handlungsbevollmächtigte seinerseits eine Vollmacht erteilen, durch die der Dritte nicht zu seinem Vertreter, sondern zum Vertreter des Kaufmanns wird. Es kann sich um eine weitere Handlungsvollmacht, aber auch um eine rein bürgerlich-rechtliche Vollmacht handeln (a.M. Staub/Joost § 58 Rdn. 9).
6
2. Die Frage, ob die Untervollmacht dem Kaufmann gegenüber wirksam ist, hängt vom Umfang der Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten aus § 54 ab. Soweit diese Vertretungsmacht reicht, ist eine besondere Zustimmung des Kaufmanns zur Unterbevollmächtigung nicht erforderlich. Der Umfang der Vertretungsmacht kann bei der Erteilung der Handlungsvollmacht ausdrücklich auf die Unterbevollmächtigung erstreckt werden. Eine entsprechende Befugnis des Handlungsbevollmächtigten kann sich auch im Wege der Auslegung aus § 157 BGB ergeben, wenn es sich um Geschäfte handelt, bei denen es auf die Person des ausführenden Vertreters, seine Geschicklichkeit oder Zuverlässigkeit nicht ankommt oder bei denen die Ausführung durch einen anderen nach den Bedürfnissen des Handelsverkehrs geboten oder nach den kaufmännischen Gebräuchen üblich ist. Handelt es sich jedoch um Geschäfte, bei denen der Handlungsbevollmächtigte aufgrund schutzwürdiger Interessen des Kaufmanns und des notwendigen persönlichen Vertrauens selbst tätig werden muß, ist auch keine Vertretungsmacht zur Unterbevollmächtigung anzunehmen. 3 Die Vertretungsmacht zur Unterbevollmächtigung kann deshalb nicht generell aus § 54 Abs. 1 entnommen werden, sondern ist auf der Grundlage dieser Bestimmung ganz nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.
2
Schlegelberger/Schröder § 58 Rdn. 2; Großkomm/Würdinger § 58 Anm. 1.
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3
Vgl. RG JW 1891, 556; Gruchot 36, 1156; OLG München ZIP 1984, 815.
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§58
Dies gilt erst recht für die Geschäfte eines Handlungsbevollmächtigten, die nach § 54 7 Abs. 2 einer besonderen Ermächtigung durch den Kaufmann bedürfen, weil hierbei der Schutz des Vertrauens des Kaufmanns in die Person seines Bevollmächtigten wie bei § 58 eine entscheidende Rolle spielt. Die Erteilung einer Untervollmacht zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten durch einen Handlungsbevollmächtigten, der selbst hierzu nach § 54 Abs. 2 ermächtigt ist, kann deshalb ohne ausdrückliche Ermächtigung wirksam sein, wenn die Untervollmacht dem Unterbevollmächtigten keinerlei Spielraum eröffnet ( O L G München ZIP 1984, 815). 3. Der Umfang der Vertretungsmacht richtet sich nach dem Inhalt der Unterbevoll- 8 mächtigung. Der Handlungsbevollmächtigte kann aber keine Untervollmacht erteilen, die weiter geht als seine eigene Vertretungsmacht (Baumbach/Duden/Hopt § 58 Anm. 2). Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Untervollmacht enger sein müßte als die Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten, der sie erteilt.4 Hierfür findet sich im Gesetz keine Grundlage. 4. Da der Unterbevollmächtigte Vertreter des Kaufmanns ist und nicht des Handlungs- 9 bevollmächtigten, ist der Bestand der Untervollmacht von dem Fortbestand der Handlungsvollmacht unabhängig. Für das Erlöschen der Untervollmacht gelten die allgemeinen Regeln (§ 54 Rdn. 39 ff). Fragen des Innenverhältnisses sind nach den Rechtsbeziehungen zwischen dem Unterbevollmächtigten und dem Kaufmann zu entscheiden.
4
A.M. Düringer/Hachenburg § 58 Anm. 1; Schlegelberger/Schröder § 58 Rdn. 3; differenzierend Staub/Joost § 58 Rdn. 8.
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SECHSTER ABSCHNITT Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge Vorbemerkungen Schrifttum Gaul Das Arbeitsrecht im Betrieb, 8. Aufl. 1986; Hueck/Nipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl. 1963, 1967, 1970; Maus (u. a.) Handbuch des Arbeitsrechts (Loseblatt) Nikisch Arbeitsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1961, Bd. 2, 2. Aufl. 1959, Bd. 3, 2. Aufl. 1966 Oehmann/Dietrich (Hrsg.); Arbeitsrecht-Blattei, Handbuch für die Praxis (Loseblatt): Richardi/Wlotzke (Hrsg.) Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 2, 1993, § 176; Schaub Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. 1992; Stahlhacke Handbuch zum Arbeitsrecht (Loseblatt); Wagner Die Besonderheiten beim Arbeitsverhältnis des Handlungsgehilfen, 1993. Übersicht Rdn.
Rdn. I. Systematischer Standort
1
III. Heutiger Regelungsbereich des sechsten Abschnitts
10
2
IV. Die gesetzliche Regelung des Arbeitsverhältnisses des Handlungsgehilfen
17
II. Ursprüngliche Gestalt des sechsten Abschnitts; Novellen
I. Systematischer Standort Das H G B regelt die Rechtsverhältnisse der Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge innerhalb des ersten Buches über den Handelsstand. Das Regelungsanliegen des sechsten Abschnitts wird heute nur mehr in sehr beschränktem Umfang erreicht. Die berufsständisch angelegte Sonderrechtsordnung für das Verhältnis zwischen Kaufleuten einerseits und Handlungsgehilfen bzw. -lehrlingen andererseits ist im Laufe unseres Jahrhunderts von einer anderen Sonderrechtsordnung überlagert und ζ. T. verdrängt worden: der des Arbeitsrechts.
II. Ursprüngliche Gestalt des sechsten Abschnitts; Novellen Das A D H G B von 1861 hatte die Rechtsverhältnisse der „Handlungsgehülfen" in seinen Art. 57 bis 65 geregelt. Die Einteilung des ersten Buches war mit der heutigen fast identisch, die Vorschriften im sechsten Titel waren aber weniger eingehend. Der sechste Abschnitt des H G B von 1896 trat gem. Art. 1 Abs. 2 E G H G B (mit Ausnahme des § 65 H G B ) bereits am 1. 1. 1898 in Kraft, zwei Jahre früher als die übrigen Teile des H G B . Das A D H G B hatte in Art. 57 (ähnlich wie § 59) die Pflichten und Rechte des Handlungsgehilfen bestimmt, in Art. 58 den vertretungsrechtlichen Abstraktionsgrundsatz aufgestellt und in Art. 59 (mit Verweisung auf Art. 56) das Wettbewerbsverbot geregelt (§§ 60 f). Art. 60 hatte den Vergütungsanspruch im Fall der Dienstverhinderung durch Unglück (ehemals § 63) zum Gegenstand, Art. 61 und 62 regelten die fristgemäße und die außerordentliche Kündigung, Art. 63 und 64 besondere Kündigungsgründe (§§ 66 bis 72 H G B a. F.). Art. 65 schließlich entsprach dem heutigen § 83. 474
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
Vor § 59
Die Neufassung des sechsten Abschnitts zog zunächst die Grenze zum fünften Abschnitt (Prokura und Handlungsvollmacht) insofern schärfer, als die Frage der Vertretungsmacht nun ganz ausgeklammert wurde. Andererseits fand das Wettbewerbsverbot seine Regelung nur mehr in den §§ 60 und 61, nicht mehr durch Verweisung auf das Recht der Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten. Mit Ausnahme der später eingefügten §§ 75 g und h regelt der sechste Abschnitt nur das Innenverhältnis, dieses aber auch für den Prokuristen (sofern er Handlungsgehilfe ist).
4
Gegenüber dem A D H G B neu war die Pflicht des Prinzipals, die Gesundheitsbelange des Gehilfen zu berücksichtigen (§ 62), die Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts für die Vergütung (§ 64), die Provisionsregelung (§ 65) und gewisse Einschränkungen der Vertragsfreiheit hinsichtlich der ordentlichen Kündigung (§§ 67 bis 69). Neu waren auch § 73 (Anspruch auf Zeugnis), die §§ 74 und 75 (Wettbewerbsvereinbarungen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses) und - insgesamt - die Vorschriften über die Handlungslehrlinge (§§ 76 bis 82).
5
Bereits die erste Novelle zum H G B betraf das Handlungsgehilfenrecht. Durch Gesetz zur Änderung der §§ 74, 75 und 76 Abs. 1 vom 10. 6. 1914 (RGBl. I 209) wurden nicht nur die genannten Vorschriften geändert, sondern mit Einführung der §§ 74 a bis c, 75 a bis f und 82 a das vertragliche Wettbewerbsverbot sehr viel eingehender geregelt. Im wesentlichen gilt diese Regelung noch heute (zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen einzelne Regelungen s. dort). Die folgenden Jahrzehnte brachten nur kleinere Änderungen des sechsten Abschnitts mit sich. Durch Verordnung vom 23. 10. 1923 (RGBl. I 990) wurden die Gehaltsgrenzen in §§ 68 Abs. 1, 74 a Abs. 2 und 75 b an den Index für die Lebenshaltungskosten gebunden, mit Notverordnung vom 1. 12. 1930 (RGBl. I 517) der Vergütungsanspruch des Handlungsgehilfen im Fall der Dienstverhinderung unabdingbar gemacht (§ 63 Abs. 1 S. 2 a.F., heute aufgehoben). Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. 1. 1934 ( R G B l . I 45) führte zu einer Änderung des § 75 f.
6
Im Zuge der Neuregelung des Handelsvertreterrechts durch Gesetz vom 6. 8. 1953 (BGBl. I 771) wurde die in § 65 H G B für den Provisionsanspruch des Handlungsgehilfen ausgesprochene Verweisung der Fassung des siebten Abschnitts angepaßt. Gleichzeitig wurden zwei Vorschriften über die Vertretungsmacht eingefügt (§§ 75 g und h).
7
Die schwerwiegendsten Eingriffe in den sechsten Abschnitt erfolgten durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz und das Berufsbildungsgesetz, beide vom 14. 8. 1969 (BGBl. 11106 und 1112). Ersteres führte zu einer ersatzlosen Streichung der §§ 66 bis 72, letzteres zur Aufhebung der §§ 76 bis 82. Durch die Herausnahme der Vorschriften über die Kündigung und über Handlungslehrlinge ist der sechste Abschnitt zu einem Torso geworden.
8
Weniger bedeutende Änderungen brachten das BeurkG vom 28. 8. 1969 (BGBl. 11513; Streichung des § 73 Abs. 2), das Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17. 7. 1974 (BGBl. I 1481; Aufhebung des § 75 e) und das Strafrechtsreform-ErgG vom 28. 8. 1975 (BGBl. I 2289; Einfügung des § 63 Abs. 1 S. 2 H G B a.F.).
9
Die Tendenz zur Aushöhlung des 6. Abschnittes setzte sich mit dem Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (PflegeVG) vom 26. 5. 1994 (BGBl. I, 1014 ff) fort, durch das § 63 H G B aufgehoben wurde. Art. 53 des Gesetzes enthält das neue Entgeltfortzahlungsgesetz, das an die Stelle des ehemaligen LohnfG und den Regelungen des B G B (§ 616 Abs. 2 und 3), der GewO, des Feiertagslohnzahlungsgesetzes und § 63 H G B tritt. Damit werden zum ersten Mal die Lohnfortzahlungsansprüche für Arbeiter und Angestellte einheitlich geregelt (vgl. auch Anmerkung zu § 63 H G B a.F.).
9a
Nach Anlage I zum Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990 (B. Kap. III, B G B l . II, S. 959) sind die §§ 62 Abs. 2 bis 4, 63, 64, 73, 75 Abs. 3, 75 b. S. 2, 82 a, 83 in den beigetretenen Ländern nicht anzuwenden.
9b
Henssler
475
Vor § 59
Erstes Buch. Handelsstand
III. Heutiger Regelungsbereich des sechsten Abschnitts 10
11
1. Das in den §§ 59 bis 75 d enthaltene Sonderarbeitsrecht des Handlungsgehilfen regelt - jedenfalls aus heutiger Sicht - nur einzelne Aspekte des Arbeitsverhältnisses. Von großer aktueller Bedeutung sind namentlich die Vorschriften über das Wettbewerbsverbot (§§ 60 f, 74 ff), die auch auf andere Arbeitnehmer (Arbeiter, gewerbliche Angestellte) angewendet werden. Nicht in den Regelungsbereich der Vorschriften fällt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. a) Eine erste Gruppe von Vorschriften bestimmt die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien. § 59 verweist für den Fall, daß besondere Vereinbarungen fehlen, zur näheren Bestimmung der zu erbringenden Dienste und der zu gewährenden Vergütung auf den Ortsgebrauch, hilfsweise auf das Kriterium der Angemessenheit. Die Pflicht des Prinzipals zur Vergütung ist sodann in §§ 64 und 65 näher ausgestaltet (Fälligkeit, Provisionsvereinbarung). An die Stelle von § 63 H G B , der ehemals die Vergütungspflicht regelte, ist das EntgfG getreten (vgl. Rdn. 9a). § 62 verpflichtet den Prinzipal zur Rücksichtnahme auf Gesundheit, Sittlichkeit und Religion des Handlungsgehilfen, § 73 zur Zeugniserteilung. Es sind dies Ausprägungen der allg. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Als ges. Nebenpflicht des Handlungsgehilfen läßt sich das Wettbewerbsverbot in §§ 60 und 61 verstehen.
12
b) Ein zweiter Normenkomplex (§§ 74 bis 75 d, 82 a) regelt die Zulässigkeit und Durchführung vertraglicher Wettbewerbsverbote für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses.
13
2. Die verbleibenden Vorschriften des sechsten Abschnitts betreffen nicht das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen Prinzipal und Handlungsgehilfen, sondern einzelne Aspekte von Drittbeziehungen. § 75 f erklärt Vereinbarungen im Verhältnis eines Prinzipals zu einem anderen für frei lösbar und uneinklagbar. §§ 75 g und h regeln die Vertretungsmacht des Handlungsgehilfen, der mit der Vermittlung von Geschäften außerhalb des Betriebs betraut ist und den in diesen Fällen eingreifenden Gutglaubensschutz zugunsten des Geschäftsgegners. Diese Vorschriften haben in gewissem Umfang die ursprünglich strenge Beschränkung des sechsten Abschnitts auf Regelungsprobleme des Innenverhältnisses wieder aufgehoben.
14
§ 83 schließlich stellt den Anwendungsbereich des sechsten Abschnitts klar, indem er es für andere Mitarbeiter des Kaufmanns als Handlungsgehilfen ausdrücklich bei den „für das Arbeitsverhältnis dieser Personen geltenden Vorschriften" bewenden läßt.
15
Für Arbeiter und technische Angestellte eines Kaufmanns galt neben den Vorschriften der G e w O immer schon das allg. Dienstvertragsrecht (§§ 611 ff B G B ) . Ausschließlich nach allg. Dienstvertragsrecht regeln sich die Beziehungen des Kaufmanns zu Personen, die in einem freien Dienstverhältnis für ihn tätig sind (bspw. Syndici); dahin gehören bei Formkaufleuten auch die besoldeten Mitglieder ihrer Organe, insbesondere die Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer, die im arbeitsrechtlichen Sinn selbst Arbeitgeberfunktionen ausüben.
16
Der im Gegenschluß aus § 83 folgende abschließende Regelungsanspruch des H G B für das Arbeitsverhältnis des Handlungsgehilfen im ganzen ist überholt. Seit der Aufhebung der Vorschriften über die Kündigung ist er auch äußerlich aufgegeben.
476
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§59
IV. Die gesetzliche Regelung des Arbeitsverhältnisses des Handlungsgehilfen Die §§ 59 - 83 H G B sind Ausdruck der vielbeklagten Zersplitterung des Arbeitsrechts. 1 7 Eine gesetzliche Korrektur dieses Zustandes erscheint überfällig. Bereits der systematische Ansatz des 6. Abschnitts, der auf der Trennung zwischen Angestellten und Arbeitern beruht, ist spätestens seit der Rechtsprechung des BVerfG 1 zur Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen überholt. Das Projekt eines Arbeitsvertragsgesetzbuches ist bislang über verschiedene Entwürfe nicht hinausgediehen, vgl. zuletzt den Entwurf des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht (Gutachten D zum 59. Deutschen Juristentag 1992; dazu Henssler J Z 1992, 833 ff; Hromadka NJW 1992, 1985 ff). Neben dem 6. Abschnitt des H G B bleibt eine Vielzahl anderer allgemeiner arbeitsrechtlicher Regelungen auf die Gruppe der kaufmännischen Angestellten anwendbar. Von besonderer Bedeutung sind die §§ 611 ff BGB, sofern die §§ 59 ff HGB keine spezielleren Regelungen enthalten.
§59 Wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist (Handlungsgehilfe), hat, soweit nicht besondere Vereinbarungen über die Art und den Umfang seiner Dienstleistungen oder über die ihm zukommende Vergütung getroffen sind, die dem Ortsgebrauch entsprechenden Dienste zu leisten sowie die dem Ortsgebrauch entsprechende Vergütung zu beanspruchen. In Ermangelung eines Ortsgebrauchs gelten die den Umständen nach angemessenen Leistungen als vereinbart. S c h r i f t t u m Gaul Die nachvertragliche Geheimhaltungspflicht eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers, N Z A 1988, 225; Henssler Der Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes des Arbeitskreises Dt. Rechtseinheit, J Z 1992, 833; H ersehe! Die arbeitnehmerähnliche Person, D B 1977,1185; ders Haupt- und Nebenpflichten im Arbeitsverhältnis, B B 1978, 569; ders Neue Fragen zur arbeitnehmerähnlichen Person, ArbvR 1 9 8 2 , 3 3 6 ; J u n g Mankohaftung aus dem Arbeitsvertrag, 1985; Küstner Das Recht des angestellten Geschäftsvermittlers, 1985; Picker Die Anfechtung von Arbeitsverträgen, ZfA 1981, 1; Säcker Das Verhältnis des Tarifvertrags zu den übrigen arbeitsrechtlichen Rechtsquellen, AR-Blattei, Tarifvertrag I; Schwerdtner Fürsorgetheorie und Entgeltheorie im Recht der Arbeitsbedingungen, 1970; v. Stebut Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis, RdA 1985, 66; Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988; ders Die neue Selbständigkeit, D B 1992, 90. Übersicht Rdn.
Rdn. I. Grundbegriffe
2. Prinzipal und Arbeitgeber
1. Begriff des Handlungsgehilfen a) Anstellung b) Entgeltlichkeit c) Anstellung in einem Handelsgewerbe d) Kaufmännische Dienste 1
2 18 20 25
II. Begründung des Handlungsgehilfenverhältnisses 1. Vertragsschluß 2. Vertragsanbahnung
40 41 41 44
DB 1990, 1565; BGBl. I Nr. 52 vom 14. 10. 1993, S. 1668 ff. Henssler
477
18
Erstes Buch. Handelsstand
§59 Rdn.
Rdn. und Unzumutbarkeit
III. Die Rechtsgrundlagen der vertraglichen Leistungspflichten
47
1. Individualrechtliche Regelungen
47
2. Tarifverträge
48
1. Vergütung
3. Betriebsvereinbarungen
49
2. D e r Grundsatz „ O h n e Arbeit kein L o h n "
IV. Pflichten des Handlungsgehilfen
5. Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers V. Pflichten des Prinzipals
50
und seine Durchbrechungen
86 87 97 98 124
1. Dienstleistungspflicht
50
3. Erlöschen des V e r g ü t u n g s a n s p r u c h s . . . .
135
2. Nebenpflichten
68
4. Sicherung der Vergütungsansprüche . . . .
141
3. Durchsetzung der Dienstleistungspflicht
85
5. Nebenpflichten
145
6. Leistungsstörungen
154
4. Leistungsbefreiung bei Unmöglichkeit
I. Grundbegriffe 1. B e g r i f f des H a n d l u n g s g e h i l f e n 1
D u r c h die A u f n a h m e einer Legaldefinition des Handlungsgehilfen in § 59 wird zugleich der Anwendungsbereich des 6. Abschnitts bestimmt. Das A D H G B hatte in Art. 56 noch auf eine Begriffsbestimmung verzichtet. D e r geltende Begriff enthält vier M e r k m a l e : D i e Anstellung ( R d n . 2) gegen Entgelt ( R d n . 18) in einem Handelsgewerbe ( R d n . 2 0 ) und zur Leistung kaufmännischer Dienste ( R d n . 25). Ζ. T. wird heute der moderne Begriff des kaufmännischen Angestellten vorgezogen. G a n z korrekt ist dies nicht, da kaufmännische Angestellte auch bei Arbeitgebern beschäftigt sein k ö n n e n , die selbst keine Kaufleute sind. D i e §§ 59 ff sind auf solche kaufmännische Angestellte nach dem Regelungswillen des Gesetzgebers jedenfalls unmittelbar nicht anwendbar, auch wenn die Differenzierung nicht zu rechtfertigen ist. Insgesamt gesehen ist die Begriffsbestimmung, wie auch die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten, für das Arbeitsrecht überholt. Sie sollte künftig durch den einheitlichen Arbeitnehmerbegriff ersetzt werden.
2
a) A n s t e l l u n g . D e r Handlungsgehilfe ist Arbeitnehmer. E r ist aufgrund privatrechtlichen Vertrages verpflichtet, abhängige weisungsgebundene A r b e i t zu leisten. M i t der Anstellung ist keine bloße Funktionszuweisung gemeint, sondern der A b s c h l u ß eines Arbeitsvertrages (dazu B A G E 6, 2 3 2 ) . D e r soziale Schutz des Handlungsgehilfen ist durch §§ 5 9 ff nur völlig unzureichend gewährleistet. Ergänzend ist auf die für alle A r b e i t n e h m e r geltenden N o r m e n des allgemeinen Arbeitsrechts zurückzugreifen. A u c h für den Handlungsgehilfenbegriff ist damit die Diskussion über die Arbeitnehmereigenschaft relevant. D a s B A G n i m m t unter überwiegender Z u s t i m m u n g des Schrifttums 1 die Abgrenzung des Arbeitnehmers v o m Selbständigen in ständiger R e c h t sprechung nach dem Kriterium der persönlichen Abhängigkeit vor 2 . Auch das Vorliegen dieses Merkmals läßt sich mangels einer anerkannten Definition nur über Indizien ermitteln. Entscheidendes G e w i c h t k o m m t der Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten hinsichtlich O r t , Zeit und Inhalt der Leistung (vgl. § 84 Abs. 1 S. 2) zu und daneben der Eingliederung in einen B e t r i e b 3 . D i e Weisungsgebundenheit m u ß nicht schon bei Vertragsschluß vereinbart werden. Entscheidend ist die tatsächliche D u r c h f ü h r u n g des Vertrages. F ü r den Handlungsgehilfen ist als aussagekräftiges Indiz insbesondere auf den
1
2
Hueck/Nipperdey § 9 III 3, S. 41; Schaub § 8 II 3; vgl. auch Zöllner/Loritz § 4 III (Unselbständigkeit). Vgl. nur BAG AP Nr. 42, 43, 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit.
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3
Dazu bereits Nikisch § 14 I, an dessen Eingliederungstheorie die neuere Rechtsprechung anknüpft.
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§59
Verzicht auf eigene unternehmerische Marktchancen abzustellen, den auch das B A G als E l e m e n t der persönlichen Abhängigkeit anerkennt 4 . Abgrenzungsversuche aus dem S c h r i f t t u m stellen auf die Ü b e r n a h m e des U n t e r n e h m e r r i s i k o s 5 , auf die soziale Schutzbedürftigkeit 6 oder den Verlust der Dispositionsfreiheit 7 ab. Praktisch relevant wird der Theorienstreit bei wenigen Randgruppen. N i c h t maßgeblich ist die b l o ß e wirtschaftliche Abhängigkeit. Sie kann für sich g e n o m -
3
men allenfalls den Status einer arbeitnehmerähnlichen P e r s o n 8 begründen, nicht dagegen die Handlungsgehilfeneigenschaft. O r g a n e juristischer Personen, namentlich das Vorstandsmitglied einer A G oder der Geschäftsführer einer G m b H 9 , werden aufgrund der mit ihrer F u n k t i o n verbundenen Eigenständigkeit in aller Regel nicht zugleich deren Handlungsgehilfen sein 1 0 . Abgesehen von Sonderfällen, wie sie etwa in abhängigen Konzerngesellschaften gegeben sein k ö n nen 1 1 , fehlt es an der persönlichen Abhängigkeit gegenüber dem Dienstberechtigten. I m Einzelfall ist j e d o c h an die analoge A n w e n d u n g einzelner Vorschriften über den Handlungsgehilfen zu denken; etwa des § 75 a (s. § 75 a R d n . 1). N i c h t zu vereinbaren mit der G e h i l f e n e i g e n s c h a f t ist auch die Stellung als O H G - G e s e l l s c h a f t e r o d e r als K o m p l e m e n t ä r einer K G 1 2 .
4
U m s t r i t t e n ist, o b juristische Personen selbst als Handlungsgehilfen fungieren k ö n nen 1 3 . D i e Frage ist im H i n b l i c k auf das Erfordernis persönlicher Abhängigkeit zu verneinen. D i e bei Bejahung der Handlungsgehilfeneigenschaft anwendbaren N o r m e n des 6. Abschnitts sind fast durchweg auf den Schutz natürlicher Personen zugeschnitten. Einzelne Vorschriften, wie das gesetzliche Wettbewerbsverbot der §§ 6 0 f wird man auf Dienstverträge mit juristischen Personen analog anwenden können.
5
Dienstverträge mit A n g e h ö r i g e n der sog. freien Berufe fallen in der Regel nicht unter die §§ 59 ff. Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer beispielsweise sind schon mangels persönlicher Abhängigkeit kaum j e als Handlungsgehilfen zu qualifizieren. Bei ihnen würde es zudem in der Regel an der Leistung kaufmännischer D i e n s t e fehlen. A b e r auch wenn dieses K r i t e r i u m erfüllt ist, wie bei einem L o h n b u c h h a l t e r , kann die Handlungsgehilfeneigenschaft an fehlender Abhängigkeit scheitern. E s gelten dann nur die § § 6 1 1 ff B G B .
6
Von praktisch erheblicher Bedeutung ist die A b g r e n z u n g des Handlungsgehilfen z u m selbständigen H a n d e l s v e r t r e t e r . Wer für ein kaufmännisches U n t e r n e h m e n als selbständiger H a n d e l s v e r t r e t e r tätig ist, k a n n in diesem U n t e r n e h m e n n i c h t zugleich
7
Handlungsgehilfe sein. § 84 A b s . 1 S. 2 konkretisiert das M e r k m a l der Selbständigkeit, dem als Kriterium zur A b g r e n z u n g des Handlungsgehilfenbegriffs allgemeine Bedeutung z u k o m m t . Maßgeblich ist die Freiheit zur Gestaltung der Tätigkeit, insbesondere im H i n b l i c k auf die Zeit, zu der sie erbracht wird. 4 5
6
7
BAG AP Nr. 20, 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit. Wank Arbeitnehmer und Selbständige, S. 117 ff; vgl. auch § 1 des Diskussionsentwurfs des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht. Rosenfelder Der arbeitsrechtliche Status des freien Mitarbeiters, 1982, S. 165; Beuthien/Wehler RdA 1978, 2. Wiedemann Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, 1966, S. 13 ff; Lieb RdA 1974, 257, 259.
Hueck/Nipperdey § 9 III 3, S. 41; Schaub § 8 II 3; vgl. auch Zöllner/Loritz § 4 III (Unselbständigkeit). 9 BGHZ 79, 291, 293; kritisch Schaub § 14 I 2. 10 Zu Einzelheiten Henssler RdA 1992, 289, 295 m.w.N. 11 Dazu U. Schneider GmbHR 1993, 10; MünchArbR/Richardi § 23 Rdn. 106 m.w.N. 12 G.Hueck ZfA 1985, 25. 13 Dafür Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 6; Baumbach/Duden/Hopt § 59 Anm. 3 B; dagegen RGRK./Würdinger § 59 Anm. 2. 8
Henssler
479
Erstes Buch. Handelsstand
§59 8
Wer unselbständig ständig mit der Vermittlung oder dem Abschluß von Geschäften im fremden Namen betraut ist, gilt gem. § 84 Abs. 1 als Angestellter, er kann also Handlungsgehilfe sein. Daß der unselbständige Geschäftsvermittler in § 84 Abs. 2 nicht als Handlungsgehilfe bezeichnet wird, liegt lediglich daran, daß Handelsvertreter nach der Novelle von 1953 auch sein kann, wer für ein nichtkaufmännisches Unternehmen tätig wird.
9
Die Anstellung erfolgt durch Abschluß eines Arbeitsvertrags. Die §§ 145 ff B G B finden Anwendung. Aus § 59 ergibt sich, daß der Umfang der beiderseitigen Pflichten nicht festgelegt sein muß. Antrag und Annahme sind grundsätzlich formfrei (zu Ausnahmen Schaub § 32 III 3 - 6). Die Wirksamkeit der Erklärungen richtet sich nach allgemeinen Regeln. Sie kann an der fehlenden (bzw. beschränkten) Geschäftsfähigkeit einer Partei (§§104 ff B G B ) oder an der Verbots- oder Sittenwidrigkeit (§§ 134, 138 B G B ) des Geschäfts scheitern. Auch für eine Anfechtung wegen Irrtums, Drohung oder Täuschung ist gegebenenfalls Raum (§§ 119 ff B G B , dazu Picker ZfA 1981, 1). Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit von Arbeitsverträgen weisen Besonderheiten auf, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit bereits aufgenommen hat. Die Unwirksamkeit kann dann regelmäßig nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden. Das faktisch bestehende Arbeitsverhältnis wird nicht (nach Bereicherungsrecht) rückabgewickelt (Einzelheiten bei Schaub § 35 III m.w.N.).
10
Zur Beteiligung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen, zu denen auch die Einstellung zählt, vgl. § 99 BetrVG. Bei sog. leitenden Angestellten ist die Mitbestimmung des Betriebsrats beschränkt (§ 105 BetrVG).
11
Der Grundsatz der Privatautonomie erleidet im Bereich des Arbeitsvertragsrechts zahlreiche Einschränkungen. Die Abschlußfreiheit ist durch Abschluß- und Beschäftigungsverbote beschränkt, die an Merkmale in der Person des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers anknüpfen (vgl. Schaub § 32 IV). Seltener begegnen Abschlußgebote (dazu Schaub § 32 V). Vielfach unterliegt auch die inhaltliche Ausgestaltung von Arbeitsverträgen zwingendem Recht.
12
Als solches kommen neben gesetzlichen Normen (§§ 62 Abs. 3, §§ 2, 3 und 4 EntgfG, 64 S. 2 u. a.) auch zwingende Bestimmungen aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen in Betracht. In deren Anwendungsbereich sind die Arbeitsbedingungen weitgehend durch kollektivrechtliche Vereinbarungen vorgegeben.
13
Tarifverträge haben unmittelbare und zwingende Geltung im Verhältnis zwischen tarifgebundenen Parteien, d. h. zwischen einer der vertragschließenden Organisationen angehörigen oder unmittelbar am Tarifvertrag beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Gleiches gilt, wenn sie für allgemein verbindlich erklärt sind (§§ 4 f TVG). Abweichungen durch Individualvereinbarung sind nur zugunsten des Arbeitnehmers erlaubt.
14
Der zwingende Charakter von Betriebsvereinbarungen ergibt sich aus § 77 Abs. 4 BetrVG. Solche Vereinbarungen können sich allerdings nicht auf Arbeitsbedingungen beziehen, die üblicherweise durch Tarifverträge geregelt werden (§ 77 Abs. 3 BetrVG). Dazu zählen insbesondere Arbeitsentgelte. Im Verhältnis zu bestehenden Tarifverträgen gelten Betriebsvereinbarungen nur subsidiär (vgl. zum ganzen Säcker AR-Blattei, Tarifvertrag IC).
15
Die inhaltliche Gestaltung des Arbeitsvertrags kann ferner durch betriebliche Übung beeinflußt werden. Sie spielt eine Rolle vor allem für die Auslegung einzelvertraglicher Vereinbarungen. Es ergeben sich aus ihr auch Anhaltspunkte für konkludente Erklärungen. 480
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§59
Schließlich wird der Inhalt des einzelnen Arbeitsvertrags durch den sog. 1 6 Gleichbehandlungsgrundsatz mitgestaltet (Schaub § 112 m.w.N.). Eine besondere Ausprägung hat dieser Grundsatz in § 611 a B G B (Verbot der Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen seines Geschlechts) gefunden. Nach dem Gesetz über die Mindestarbeitsbedingungen vom 11. 1. 1952 (BGBl. I 17) 1 7 getroffene Festsetzungen sind für den betroffenen Personenkreis insoweit verbindlich, als kein dem Arbeitnehmer günstigerer Tarifvertrag eingreift. Praktische Bedeutung hat dieses Gesetz im Gegensatz zu dem Heimarbeitsgesetz (i.d.F. vom 29. 10. 1974, BGBl. 1974 I 2879, bereinigt in BGBl. 1975 I 1010 mit Durchführungsverordnung vom 26. 1. 1976, BGBl. 1976 I 221) nicht erlangt. Das Heimarbeitsgesetz dient ebenfalls der Sicherstellung von Mindestarbeitsbedingungen (Einzelheiten bei Schaub § 163). b) Entgeltlichkeit. Die Anstellung des Handlungsgehilfen muß gegen Entgelt erfol- 1 8 gen. Mit diesem Erfordernis entspricht § 59 dem Grundmuster des Dienstvertrags i. S. von § 6 1 1 BGB. Der unentgeltlich tätigwerdende Volontär des Kaufmanns ist nicht Handlungsgehilfe (§ 82 a). Für den kaufmännischen Auszubildenden gelten jetzt anstelle der §§ 76 bis 82 a. F. die Normen des Berufsbildungsgesetzes. Das Merkmal der Entgeltlichkeit kann vor allem bei mitarbeitenden Familienangehörigen problematisch sein. Soweit sich die Mitarbeit im Rahmen der familienrechtlichen Pflichten (§§ 1353,1356, 1619 BGB) hält, ist Entgeltlichkeit zu verneinen. Bei weitergehender Mitarbeit, vor allem bei vollem Einsatz der Arbeitskraft, kommt konkludenter Abschluß eines entgeltlichen Arbeitsvertrags in Betracht. Zu Einzelheiten der Vergütungspflicht, insbesondere den in Frage kommenden Vergütungsarten unten Rdn. 98 ff. Wegen der notwendigen Entgeltlichkeit ist der Arbeitsvertrag des Handlungsgehilfen ein gegenseitig verpflichtender Vertrag. §§ 320 ff B G B sind grundsätzlich anwendbar.
19
c) Anstellung in einem Handelsgewerbe. Sie gehört zum Begriff des Hand- 2 0 lungsgehilfen. Hieraus und aus der Verwendung des Begriffs Prinzipal in weiteren Vorschriften des 6. Titels folgt zunächst, daß § 59 als Arbeitgeber einen Kaufmann voraussetzt. Ob der Unternehmensinhaber dieses Kriterium erfüllt, beurteilt sich nach §§ 1 ff (vgl. dazu Rdn. 4). Bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften ergibt sich die Kaufmannseigen- 21 schaft schon aus der gewählten Rechtsform (§§ 3 und 278 Abs. 3 AktG, 13 Abs. 3 GmbHG, 17 Abs. 2 GenG). Solche Unternehmen können auch dann Prinzipal sein, wenn sie nicht den Betrieb eines Handelsgewerbes zum Gegenstand haben (vgl. aber unten Rdn. 29 ff). Für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit bestimmt § 16 VAG (u. a.) die Geltung der §§ 59 ff (vgl. aber § 53 VAG). § 5 begründet für den Fall der Eintragung einer Firma in das Handelsregister auch 2 2 zugunsten des Handlungsgehilfen die Fiktion der Kaufmannseigenschaft des Eingetragenen. Daneben kann sich der Handlungsgehilfe gegebenenfalls auf einen Rechtsschein berufen, den der Arbeitgeber begründet hat (BAG BB 1979, 1036). Im übrigen hängt der Status des Handlungsgehilfen davon ab, ob die Beschäftigung in 2 3 einem Handelsgewerbe i. S. der §§ 1 bis 3 erfolgt. Im Fall des § 2 ist strittig, ob Handlungsgehilfeneigenschaft des Angestellten von der Eintragung des Soll-Kaufmanns in das Handelsregister abhängt14. Dies ist zu bejahen. Es besteht kein Grund, von der gesetz14
Dafür RGRK/Würdmger § 59 Anm. 4; Bandasch/Etzel § 59 Rdn. 1; Schlegelbergerl Schröder § 59 Rdn. 17; dagegen B A G E 19, 267.
Henssler
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§59
Erstes Buch. Handelsstand
liehen Regelung abzugehen, derzufolge ein gewerbliches Unternehmen, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, erst dann als Handelsgewerbe gilt, wenn die Eintragung (pflichtgemäß) herbeigeführt wurde. Für eine fallweise Korrektur durch Gewährung einer Arglisteinrede zugunsten des Angestellten Schlegelberger/Scbröder § 59 Rdn. 17. § 4 schließt die Anwendbarkeit der §§ 59 ff für den Minderkaufmann nicht aus. Dessen Angestellter kann somit Handlungsgehilfe sein. Auch die vorübergehende Tätigkeit bzw. die Teilzeitbeschäftigung kann ausreichend sein. 24
Die Voraussetzung der Tätigkeit in einem Handelsgewerbe bedeutet nicht, daß ein räumlicher Bezug der Tätigkeit zu der Betriebsstätte gegeben sein muß (dazu Mayer AiB 1990, 64 ff). Entscheidend ist, ob die Anstellung durch einen Kaufmann für dessen Handelsgewerbe erfolgt, was beispielsweise bei einem angestellten Handlungsreisenden zu bejahen ist. Problematisch kann das bei Leih-Arbeitsverhältnissen (dazu Schaub § 120 m.w.N.) und bei mittelbaren Arbeitsverhältnissen (ein Arbeitnehmer fungiert zugleich als Arbeitgeber) sein. O b die Anstellung in einem Handelsgewerbe vorliegt, beurteilt sich in diesen Fällen nach der Kaufmannseigenschaft des vergütungspflichtigen und dienstberechtigten Arbeitgebers ( B A G E 26, 320). Das ist in der Regel der Verleiher bzw. der unmittelbare Arbeitgeber. Die Eingliederung in den Betrieb spielt nur für die Arbeitnehmereigenschaft des Handlungsgehilfen eine Rolle.
25
d) Kaufmännische Dienste. Die entgeltliche Anstellung in einem Handelsgewerbe muß die Leistung kaufmännischer Dienste zum Gegenstand haben.
26
aa) Die Handlungsgehilfeneigenschaft eines Angestellten ist also nicht schon dann zu bejahen, wenn er für das betreffende Handelsgewerbe faktisch wesentliche Funktionen ausübt. So wird die Tätigkeit eines Fahrers nicht dadurch zu einem kaufmännischen Dienst, daß sie für einen Speditionsunternehmer (im Rahmen dessen Handelsgewerbes) erfolgt. Das Gesetz definiert den Begriff der kaufmännischen Dienste nicht. Im Einzelfall kann sich die Abgrenzung zur nichtkaufmännischen Tätigkeit als schwierig erweisen. Abzustellen ist auf den Sprachgebrauch und die Verkehrsauffassung ( B A G E 1, 92). Daraus ergibt sich in gewissem Umfang auch die Möglichkeit eines Wandels im Berufsbild des Handlungsgehilfen. Ältere Rechtsprechung ist daher mit Vorsicht zu verwerten. Für die Verkehrsauffassung maßgeblich sind eine Reihe von zum Teil inhaltlichen, zum Teil formalen Gesichtspunkten.
27
bb) Zur ersten Gruppe zählt die Art der vertraglich geschuldeten und tatsächlich ausgeübten Tätigkeit. Ist die Tätigkeit unmittelbar auf den Umsatz von Waren gerichtet, handelt es sich regelmäßig um kaufmännische Dienste (Verkäufer, Einkäufer). Darüber hinaus wird man allgemein sagen können, daß die rechtsgeschäftliche V e r t r e t u n g des Kaufmanns bei Abschluß und Abwicklung von Handelsgeschäften ein Indiz für kaufmännische Dienste ist. Gleiches gilt aber auch für die bloße Vertragsanbahnung. So wurden der Verkaufsingenieur mit kundenwerbender Haupttätigkeit ( R A G J W 1939, 319), der Abonnentenwerber für eine Zeitschrift ( B A G AP Nr. 4 zu § 63 H G B ) und der (angestellte) Versicherungsagent ( L G Berlin J W 1936, 683; B A G E 20, 123) als Handlungsgehilfen angesehen. Auch die Werbung i.w.S. 15 oder Marktbeobachtung ( B A G E 1, 92) fallen in den Bereich kaufmännischer Dienste.
28
Die Übertragung von Tätigkeiten, die in einem in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb (§ 2) typischerweise anfallen, begründet ebenfalls die Handlungs15
Ζ. B. Schaufenstergestaltung L A G Düsseldorf B B I960, 247; B A G AP Nr. 15 zu § 59 H G B .
482
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge gehilfeneigenschaft.
Dazu
zählt
beispielsweise
eine o r d n u n g s g e m ä ß e
§59 Buch-
bzw.
Kassenführung ( „ K o n t o r g e s c h ä f t e " ; R G R K I W i i r d i n g e r § 59 A n m . 5). Vor allem hier erlangt das Kriterium der Dienste Bedeutung, zu deren Erledigung ein gewisses M a ß kaufmännischer Kenntnisse und Erfahrungen, mindestens aber kaufmännischer Ü b u n g gehört ( R A G 7, 250). D a ß der Handlungsgehilfe eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen hat, wird aber nicht vorausgesetzt ( B A G A P Nr. 3 zu § 59 H G B ) . A u c h bei fehlender kaufmännischer Ausbildung kann der wichtigste Teil der Tätigkeit kaufmännischer A r t sein, so daß der Angestellte Handlungsgehilfe ist ( R A G 7, 2 5 0 ) . Als Kriterium für kaufmännische Dienste sollte man es auch gelten lassen, wenn die betreffende Tätigkeit das gesetzliche W e t t b e w e r b s v e r b o t des § 60 und die Anwendung der Regeln über v e r t r a g l i c h e W e t t b e w e r b s v e r b o t e (§§ 74 ff) sinnvoll erscheinen läßt. D e n n die Bejahung der Handlungsgehilfeneigenschaft führt zur Anwendbarkeit dieser Vorschriften, die das Arbeitsrecht des Handlungsgehilfen wesentlich prägen.
29
D e r Handlungsgehilfe ist nach der Verkehrsauffassung A n g e s t e l l t e r , n i c h t A r b e i t e r . D i e U n t e r s c h e i d u n g hat u. a. für die B e s t i m m u n g der k a u f m ä n n i s c h e n D i e n s t e Bedeutung 1 6 . G a n z anspruchslose Tätigkeiten fallen aus dem Bereich der kaufmännischen Dienste heraus, auch wenn die oben unter R d n . 2 9 ff genannten Kriterien erfüllt sind.
30
Ergänzend wird für die A b g r e n z u n g auch auf den Gegensatz von geistiger und m a n u eller A r b e i t abgestellt (dazu Β A G E 1, 92). D e m n a c h begründet u. U . auch eine Verkaufstätigkeit nicht die Handlungsgehilfeneigenschaft, wenn die dabei zu leistende gedankliche Arbeit sehr gering ist. Es kann dann die mechanische, mit der H a n d geleistete Arbeit überwiegen. Das wird beispielsweise bei einem Kioskverkäufer angenommen, wenn er nur anhand von Zetteln abzurechnen und keine B ü c h e r zu führen hat ( B A G A P Nr. 3 und Nr. 22 zu § 5 9 H G B ) ; ebenso wurden beurteilt: Hilfskraft in der Annahmestelle einer chemischen Reinigung ( L A G Düsseldorf B B 1957, 1072), Kartenverkäufer im K i n o ( R A G J W 1929, 73; R A G 18, 437), Kellner ( R A G 18, 4 3 7 ) , Milchhallenverkäuferin ( R A G 38, 152), Straßenbahnschaffner ( K G O L G 9, 249). N a c h B A G A P Nr. 23 zu § 59 H G B ist der Kassierer in einem Selbstbedienungsladen aber Handlungsgehilfe.
31
Auch t y p i s c h e B ü r o t ä t i g k e i t e n , wie die eines Telefonisten (dazu B A G E 7, 86), fallen nicht unter kaufmännische Dienste, sofern sie b e s o n d e r s e i n f a c h ausgestaltet sind.
32
Ein weiteres Abgrenzungserfordernis besteht im H i n b l i c k auf n i c h t k a u f m ä n n i s c h t e c h n i s c h e T ä t i g k e i t e n ( B A G E 19, 2 6 7 ) . D a z u zählen etwa die H e r s t e l l u n g u n d
33
Bearbeitung von Sachen. Techniker und Ingenieure leisten regelmäßig ebensowenig kaufmännische D i e n s t e wie künstlerische o d e r wissenschaftliche M i t a r b e i t e r ( R G R K /
Würdinger § 59 Anm. 8).
Häufig fehlt es bei technisch-gewerblichen Tätigkeiten zugleich an dem M e r k m a l der geistigen Anforderung. Zahlreiche Hilfsfunktionen in einem Handelsgewerbe fallen in den Tätigkeitsbereich des g e w e r b l i c h e n A r b e i t e r s (Kraftfahrer, Packer, Reinigungspersonal, K o c h u. a.).
34
cc) D i e Verkehrsauffassung berücksichtigt auch f o r m a l e G e s i c h t s p u n k t e . So gibt in Zweifelsfällen die im Arbeitsvertrag gewählte B e z e i c h n u n g des A r b e i t n e h m e r s als Handlungsgehilfe ein Indiz. Anhaltspunkte geben auch §§ 2, 3 A V G mit Verordnung
35
(Berufsgruppenverzeichnis). Freilich steht der Begriff des Handlungsgehilfen nicht zur Disposition der Parteien ( S c h l e g e l b e r g e r / S c h r ö d e r § 59 R d n . 23). Andernfalls könnten die z u m Teil zwingenden Vorschriften des 6. Abschnitts umgangen werden. Weichen die Dazu Schaub § 12 III 1, § 13 II; MünchArbR/ Richardi § 24 Rdn. 9 ff. Henssler
483
Erstes Buch. Handelsstand
§59
tatsächlich zugewiesenen und ausgeführten Tätigkeiten von der vertraglichen Vereinbarung ab, kann zunächst die vertraglich geschuldete Tätigkeit maßgeblich bleiben. Letztlich entscheidet aber die A r t der tatsächlich geleisteten Dienste 1 7 . 36
E i n wesentliches Indiz für die Qualifizierung einer Tätigkeit als solche eines Arbeiters oder Angestellten ergibt sich aus der Bezeichnung in einem einschlägigen T a r i f v e r t r a g ( B A G E 35, 2 3 9 ) . In Grenzfällen kann auch die Anmeldung zur Sozialversicherung der Angestellten oder Arbeiter eine R o l l e spielen ( S c h a u b § 13 I I 1).
37
S t e h t die e i n z e l - oder tarifvertragliche E i n o r d n u n g eines A r b e i t n e h m e r s als Angestellter in Widerspruch zu der Verkehrsanschauung, kann aus ihr doch eine Pflicht des Arbeitgebers folgen, den Arbeiter in einzelnen Beziehungen (ζ. B . hinsichtlich der Kündigungsfristen) wie einen Angestellten zu behandeln ( S c h a u b § 13 I I 3).
38
dd) Häufig obliegen einem A r b e i t n e h m e r verschiedenartige Tätigkeiten. Handelt es sich z u m Teil u m kaufmännische Dienste, z u m Teil u m solche technischer oder (und) manueller Art, entscheidet die überwiegende Tätigkeit 1 8 . Uberwiegen kann nach der Verkehrsanschauung auch ein rein zeitlich untergeordneter Teil der Tätigkeit, wenn er nach dem B e t r i e b s z w e c k die Gesamttätigkeit prägt ( B A G A P Nr. 2 zu § 59 H G B ) . So kann der angestellte Verkaufsfahrer Handlungsgehilfe sein, auch wenn er während des größten Teils seiner Dienstzeit am Steuer sitzt 1 9 . A u c h beim Packer, der die Ware prüft und ein Versandbuch führt, k ö n n e n die kaufmännischen Dienste überwiegen 2 0 . Eine ihrer k o n k r e ten Bedeutung nach untergeordnete kaufmännische Tätigkeit macht den Gewerbegehilfen nicht z u m Handlungsgehilfen 2 1 .
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ee) Ist die Handlungsgehilfeneigenschaft zu verneinen, weil der Arbeitnehmer nicht in einem Handelsgewerbe oder nicht zur Leistung kaufmännischer Dienste angestellt ist, k o m m e n die §§ 611 ff B G B zur Anwendung. F ü r gewerbliche A r b e i t n e h m e r sind daneben die §§ 105 ff G e w O zu beachten. 2. Prinzipal u n d Arbeitgeber
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Als Arbeitgeber i. S. des Arbeitsrechts wird grundsätzlich jeder angesehen, der einen Arbeitnehmer beschäftigt. D a s H G B knüpft in §§ 5 9 ff an den Prinzipal als den Inhaber des Handelsgewerbes an, in dem der Handlungsgehilfe gemäß § 5 9 angestellt sein muß. D e r Arbeitgeber des Handlungsgehilfen ist damit stets Kaufmann i. S. der §§ 1 ff (dazu R d n . 2 0 ff). Inhaber des Handelsgewerbes ist, w e r mit dem Betrieb einen eigenen arbeitstechnischen Z w e c k verfolgt ( B A G E 9, 62, 73). A u c h eine juristische Person kann Inhaber des Handelsgeschäfts und damit Prinzipal i. S. der §§ 59 ff sein. D i e typischen Arbeitgeberfunktionen wie die Ausübung des D i r e k tionsrechts werden hier durch die O r g a n e w a h r g e n o m m e n . B e i P e r s o n e n h a n d e l s gesellschaften sind A r b e i t g e b e r die G e s e l l s c h a f t e n 2 2 . I m K o n z e r n ist A r b e i t g e b e r grundsätzlich nur die Anstellungsgesellschaft. Aufgrund der Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen durch Konzernobergesellschaften k ö n n e n sich jedoch atypische Risiken
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BAGE 19, 267; RGRK/Würdinger § 59 Anm. 6. BAGE 1, 92; 19, 267; BB 1966, 1062. LAG Düsseldorf BB 1960, 1096; vgl. andererseits LAG Hamm DB 1968, 2134: der Fahrer im Getränkeheimdienst ist kein Handlungsgehilfe. RGRK/Würdinger § 59 Anm. 7; dort auch zum Schlachtergesellen, der im Verkauf tätig ist.
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Bandasch/Etzel § 59 Rdn. 11 u. 12; RGRK/ Würdinger § 59 Anm. 5 bis 8; Schlegelbergerl Schröder § 59 Rdn. 23. Anders dagegen bei der BGB-Gesellschaft, bei der das BAG von der Arbeitgeberstellung der Gesellschafter ausgeht, BAG NJW 1989, 1034.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§59
für die Arbeitnehmer der abhängigen Gesellschaften ergeben, denen die Rechtsprechung nur unzureichend R e c h n u n g trägt 2 3 .
II. Begründung des Handlungsgehilfenverhältnisses 1. V e r t r a g s s c h l u ß D i e Anstellung gem. § 59 erfolgt durch A b s c h l u ß eines Arbeitsvertrages, auf den die §§ 145 ff B G B anzuwenden sind. Aus § 5 9 ergibt sich, daß der U m f a n g der beiderseitigen Pflichten nicht festgelegt sein muß. Antrag und A n n a h m e sind grundsätzlich formfrei 2 4 . D i e Wirksamkeit der Willenserklärungen von Handlungsgehilfe und Prinzipal richten sich nach den allgemeinen Regeln. Sie kann an der fehlenden Geschäftsfähigkeit einer Partei (§§ 104 ff B G B , vgl. aber auch § 113 B G B ) oder an der Verbots- oder Sittenwidrigkeit (§§ 134, 138 B G B ) des Geschäfts scheitern. Auch für eine Anfechtung wegen Irrtums, D r o h u n g oder Täuschung ist R a u m (§§ 119 ff B G B ) 2 5 .
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D e r Prinzipal darf dem Einstellungsbewerber die Bekanntgabe all jener D a t e n abverlangen, die in einem Sachzusammenhang mit dem geplanten Arbeitsverhältnis stehen 2 6 . Unzulässig sind danach Fragen nach der weltanschaulichen, politischen und gewerkschaftlichen Ausrichtung des Einstellungsbewerbers 2 7 , nach für die Arbeitstätigkeit irrelevanten Vorstrafen, dem früheren E i n k o m m e n 2 8 oder nach einer vorliegenden Schwangerschaft 2 9 . D i e wahrheitswidrige Beantwortung einer zulässigen Frage berechtigt den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages nach § 123 B G B und kann darüber hinaus eine Schadensersatzpflicht des B e w e r b e r s aus culpa in contrahendo nach sich ziehen 3 0 . D i e Rechtsfolgen der Nichtigkeit von Arbeitsverträgen weisen Besonderheiten auf, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit bereits aufgenommen hat. D i e U n w i r k s a m k e i t kann regelmäßig nur mit W i r k u n g für die Z u k u n f t geltend gemacht werden. Das bestehende faktische Arbeitsverhältnis wird nicht nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen rückabgewickelt (Einzelheiten bei ÌAxmchKrbRIRichardi § 44 R d n . 58 ff). Das faktische Arbeitsverhältnis kann für die Zukunft durch formlose Erklärung o h n e Kündigungsfrist beendet werden ( B A G N J W 1962, 255).
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D e r Grundsatz der Privatautonomie erleidet im Bereich des Vertragsrechts zahlreiche Einschränkungen. D i e Abschlußfreiheit ist durch A b s c h l u ß - und Beschäftigungsverbote
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beschränkt, deren Merkmale in der Person des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers anknüpfen und ihren G r u n d im G e d a n k e n des Arbeitnehmerschutzes haben (vgl. §§ 7 ff, 22 ff J A r b S c h G ) 3 1 . D i e selteneren A b s c h l u ß g e b o t e bestehen namentlich für Schwerbehinderte (§ 5 Abs. 1 S c h w B G ) . 2. V e r t r a g s a n b a h n u n g Schon vor A b s c h l u ß des Arbeitsvertrages kann aufgrund des rechtsgeschäftlichen K o n t a k t s zwischen Prinzipal und Handlungsgehilfen ein gesetzliches Schuldverhältnis (Vertragsanbahnungsverhältnis) entstehen 3 2 . D a s Schuldverhältnis begründet gegenseitige Dazu im einzelnen Henssler Der Arbeitsvertrag im Konzern, 1983; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989. 2 4 Zu Ausnahmen Schaub § 32 III 3 - 6 . 2 5 Dazu im einzelnen M ü n c h A r b K / B u c h n e r § 38 Rdn. 161, 180 ff. 2 B A G A P Nr. 26 zu § 123 B G B . 23
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Moritz NZA 1987, 332; MünchKrbVJ Buchner
§ 3 8 Rdn. 116. « B A G A P Nr. 25 zu § 123 B G B . 2"> B A G AP Nr. 31 zu § 123 B G B . 2
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B A G A P Nr. 6 zu § 276 B G B Verschulden bei Vertragsschluß. Einzelheiten bei Schaub § 32 IV sowie Rdn. 67. Dazu Wiedemann FS Herschel 1982, S. 463;
ÌAànchhrbBJ
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Richardi § 43. 485
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Erstes Buch. Handelsstand
§59
Schutzpflichten, die von Prinzipal und Einstellungsbewerber zu beachten sind. So haftet der Arbeitgeber auf Ersatz des Vertrauensschadens, wenn er den Rechtsschein erweckt, der B e w e r b e r werde eingestellt oder erhalte besondere Vergünstigungen, auf die der B e w e r b e r seine Vermögensdispositionen ausrichtet ( B G H N J W 1975, 1774). Ersatzfähig kann etwa der Schaden sein, den der B e w e r b e r aufgrund der Kündigung seiner sicheren bisherigen Stelle erleidet ( B A G B B 1963, 937). 45
D e r Arbeitgeber haftet gem. § 2 7 8 B G B für ein Verschulden seiner Verhandlungsgehilfen, derer er sich zur Vorbereitung des Vertragsschlusses bedient 3 3 . G e m . § 99 B e t r V G ist der Betriebsrat bei der personellen E i n z e l m a ß n a h m e der Einstellung zu beteiligen.
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Aufgrund des gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses sind beide Teile verpflichtet, Schäden beim jeweiligen Partner zu vermeiden. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Bewerbungsunterlagen sorgfältig aufzubewahren und gegebenenfalls zurückzugeben. Dritten dürfen die D a t e n nur mit Einwilligung des Bewerbers zugänglich gemacht werden. Bei Aufforderung zur persönlichen Vorstellung sind v o m Arbeitgeber die Vorstellungskosten in angemessener H ö h e aus § 6 7 0 B G B zu ersetzen ( B A G A P Nr. 8 zu § 196 BGB).
III. Die Rechtsgrundlagen der vertraglichen Leistungspflichten 1. Individualrechtliche R e g e l u n g e n 47
D e r Inhalt der vertraglichen H a u p t l e i s t u n g s - und Nebenpflichten richtet sich zunächst nach der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages. D i e inhaltliche Gestaltungsfreiheit wird jedoch durch zwingende gesetzliche, tarifvertragliche und betriebliche N o r m e n eingeschränkt. Zwingende gesetzliche N o r m e n z u m Schutz des Handlungsgehilfen enthalten zunächst §§ 62 A b s . 3 und 64 Satz 2 H G B sowie das E n t g f G . D i e Ausgestaltung des Arbeitsvertrages kann ferner durch betriebliche Ü b u n g beeinflußt werden. Hierunter ist die regelmäßige Wiederholung einer bestimmten Verhaltensweise des Arbeitgebers zu verstehen, die das betriebliche L e b e n i. S. einer Gesetzmäßigkeit oder eines zur Ü b u n g gewordenen Brauchs bestimmt und nach allgemeiner Ansicht eine rechtliche Bindung des Arbeitgebers b e w i r k t 3 4 . N a c h der v o m B A G vertretenen Vertragstheorie ist entscheidend, daß aufgrund der wiederholten Verhaltensweise ein Tatbestand vorliegt, der auf einen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers schließen läßt ( B A G A P N r . 5, 8, 9, 11 und 22 zu § 2 4 2 B G B betriebliche Ü b u n g ) . Ü b e r z e u g e n d e r ist es, auf den Vertrauensgedanken zurückzugreifen und i. S. einer „ E r w i r k u n g " den Zurechnungsgrund im schutzwürdigen Vertrauen des Arbeitnehmers auf die Fortsetzung der bisherigen Ü b u n g zu sehen 3 5 . Praktisch bedeutsam wird das Rechtsinstitut der Betriebsübung bei Gratifikationen, bei denen das B A G eine Rechtsbindung annimmt, wenn der Arbeitgeber die Sonderzuwendung vorbehaltlos in drei aufeinanderfolgenden Jahren erbracht hat ( B A G A P Nr. 26 zu § 611 B G B Gratifikation). Als Gestaltungsfaktor des Arbeitsvertrages wirkt ferner der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der auf dem gleichen R e c h t s gedanken wie die Verfassungsbestimmung des Art. 3 Abs. 1 G G beruht. E r verbietet die w i l l k ü r l i c h e Schlechterstellung einzelner A r b e i t n e h m e r aus sachfremden G r ü n d e n " B A G AP Nr. 1, 4 und 9 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluß. 34 BAG AP Nr. 22 u. 27 zu § 242 BGB betriebliche Übung; G. Hueck/Fastrich AR-Blattei Betriebsübung I. 486
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Seyther Die Betriebsübung, S. 134; Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 254 ff.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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gegenüber anderen in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmern ( B A G A P Nr. 4 zu § 242 B G B Gleichbehandlung) und kann daher anspruchsbegründende Wirkung für den Handlungsgehilfen haben 3 6 . Eine besondere Ausprägung hat der Gleichbehandlungsgrundsatz in § 611a B G B (Verbot der Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen seines Geschlechts) gefunden.
2. Tarifverträge Tarifverträge wirken unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse der tarifgebundenen Vertragsparteien ein. Die Bindungswirkung der Inhalts- und Abschlußnormen setzt beiderseitige Tarifgebundenheit (§ 4 Abs. 1 Satz 1 T V G ) voraus, für diejenige der betriebsverfassungsrechtlichen und Betriebsnormen genügt die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers. Tarifgebunden sind neben dem Arbeitgeber, der selbst Partei eines Tarifvertrages ist (§ 3 T V G ) , die Mitglieder der vertragschließenden Koalitionen (Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände). Wirkungen für Außenseiter können aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 T V G ) oder einer Bezugnahme (individualvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung bzw. Betriebsübung) auf den Tarifvertrag entstehen. Für den Handlungsgehilfen günstigere Bedingungen sind entsprechend dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 T V G ) zulässig, ungünstigere nur dann, wenn der Tarifvertrag dies ausdrücklich zuläßt. D e r Tarifvertrag entfaltet Nachwirkung bis seine N o r m e n durch andere Abmachungen ersetzt werden (§ 4 Abs. 5 T V G ) .
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3. Betriebsvereinbarungen D e r Inhalt einer zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung wirkt ähnlich wie der Tarifvertrag unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ein. Betriebsvereinbarungen haben ebenfalls zwingenden Charakter, lassen jedoch für den Handlungsgehilfen günstigere Absprachen im Individualarbeitsvertrag zu. Das B A G stellt dabei ζ. T. auf das kollektive G ü n stigkeitsprinzip ab und läßt es genügen, wenn die Betriebsvereinbarung für die Belegschaft insgesamt günstiger ist ( B A G A P Nr. 46 zu § 77 B e t r V G 1972). Nach § 77 Abs. 3 B e t r V G können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Im Gegensatz zu Tarifverträgen sind Betriebsvereinbarungen einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle, nicht dagegen einer Zweckmäßigkeitskontrolle unterworfen (ständige Rechtsprechung seit B A G A P Nr. 1 zu § 77 B e t r V G 1972 Auslegung; str. a. A. GK/Kreutz § 77 Rdn. 258 ff).
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IV. Pflichten des Handlungsgehilfen 1. Dienstleistungspflicht a) Begründet wird die Dienstleistungspflicht des Handlungsgehilfen durch Arbeitsvertrag. Es gilt § 611 Abs. 1 B G B , der die Pflicht zur Leistung der versprochenen Dienste gesetzlich fixiert. § 59 trifft ergänzende Bestimmungen zu A r t und U m f a n g der von einem Handlungsgehilfen zu erbringenden Dienstleistungen.
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Auch nach § 59 kommt es in erster Linie auf den Inhalt der im Anstellungsvertrag getroffenen V e r e i n b a r u n g an. Die vertragliche Regelung kann jedoch von einer zwingenden tariflichen Regelung (dazu Rdn. 48) nur zugunsten des Handlungsgehilfen abweichen.
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Zu Einzelheiten MünchArbR//?¿cé«r¿¿ § 14. Henssler
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Erstes Buch. Handelsstand
§59 52
In zweiter Linie stellt § 59 auf den Ortsgebrauch ab. Welche Dienste unter den jeweiligen Umständen dem Ortsgebrauch entsprechen, kann erforderlichenfalls durch Gutachten der zuständigen Handelskammer ermittelt werden.
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Sind Art und Umfang der Dienstleistung weder durch besondere Vereinbarung geregelt noch nach dem Ortsgebrauch zu bestimmen, gilt gem. § 59 S. 3 die den Umständen nach angemessene Leistung als vereinbart. Das Gesetz verweist damit auf allgemeine Auslegungsgrundsätze.
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b) Nach der (anwendbaren) Auslegungsregel des § 613 S. 1 B G B hat der Handlungsgehilfe seine Dienste im Zweifel persönlich zu leisten. Wie auch sonst in Arbeitsverhältnissen kommen entgegenstehende Vereinbarungen kaum vor. Delegation (auch einzelner Tätigkeiten) auf Erfüllungsgehilfen ist somit regelmäßig ausgeschlossen.
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Umgekehrt ist auch der Anspruch des Prinzipals auf Dienstleistung im Zweifel unabtretbar (§§ 613 S. 2, 399 B G B ) . Von der Abtretung zu unterscheiden ist die Frage, ob der Prinzipal (im Rahmen seiner Weisungsbefugnis) Dienstleistungen des Handlungsgehilfen an Dritte verlangen kann 37 . Dies ist zu bejahen, sofern der vereinbarte oder gem. § 59 zu bestimmende Rahmen der geschuldeten Dienste im übrigen nicht überschritten wird 38 .
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Im Fall der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Betriebs oder eines Betriebsteiles gilt § 613 a B G B (vgl. hierzu die umfangreichen Literaturhinweise bei Schaub § 118 Fn. 1). Der Anspruch des Prinzipals auf Dienstleistung geht von Gesetzes wegen auf den neuen Inhaber über. Nach B A G AP Nr. 18 u. 38 zu § 613 a B G B erfaßt die Vorschrift grundsätzlich auch den Fall einer Betriebsveräußerung im Konkurs. Zu dem Fall des Betriebsübergangs von einem Pächter auf den anderen vgl. B A G AP Nr. 24 zu § 613 a B G B . Für den Rechtsübergang maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Erwerber in die betriebliche Organisation eintritt ( B A G AP Nr. 4 zu § 613 a B G B ) . Der Arbeitnehmer kann den Anspruchserwerb des Übernehmers durch rechtzeitigen Widerspruch verhindern ( E u G H D B 1993, 230; B A G D B 1992, 2034). In diesem Fall erwirbt er freilich auch seinerseits keine Ansprüche gegen den Übernehmer 3 9 .
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Von dem Anspruchsübergang gem. § 613 a B G B zu unterscheiden ist der Übergang infolge einer Vereinbarung zwischen Veräußerer, Erwerber und Arbeitnehmer. § 613 a B G B gilt nicht in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge. Der Nachfolger tritt hier ohne weiteres in die Rechte aus dem Arbeitsverhältnis ein. Der Handlungsgehilfe ist ihm somit zur Dienstleistung verpflichtet.
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c) Meist wird die A r t der kaufmännischen Dienste, die der Handlungsgehilfe leisten soll, vertraglich näher bestimmt sein (ζ. B. Erledigung der Korrespondenz, Einkauf, Verkauf, Buchhaltung, Reisetätigkeit). Die Dienstleistungspflicht ist dann grundsätzlich auf die vereinbarte Tätigkeit beschränkt. Die Auslegung kann freilich ergeben, daß auch eng zusammenhängende Tätigkeiten geschuldet sind, selbst wenn sie für sich genommen nicht unter die Kategorie kaufmännischer Dienste fallen. Eine reine Botentätigkeit gehört beispielsweise aber nicht in den Tätigkeitsbereich eines Verkäufers. Im Einzelfall entscheiden Ortsgebrauch und Angemessenheit (vgl. oben Rdn. 51 ff). Fehlt es an einer Vereinbarung über die Art der geschuldeten Dienste, ist der Handlungsgehilfe zur Leistung kaufmännischer Dienste schlechthin verpflichtet.
Zu den Besonderheiten der Leiharbeit s. Schaub § 120. 38 Dazu BAG AP Nr. 2 zu § 613 BGB. 37
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Zu Einzelheiten Däubler NZA 1991, 134; Henssler NZA 1994, 913 ff.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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Konkretisiert wird die Leistungspflicht des Handlungsgehilfen durch die Weisungen des 5 9 Prinzipals. Der Umfang des Direktionsrechts (hierzu Reuter BB 1986, 385) richtet sich nach der Art der geschuldeten Tätigkeit. Dabei sind die Grundsätze des billigen Ermessens gemäß § 315 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen (BAG AP Nr. 26, 27, 39 zu § 611 BGB). Über die vertraglichen Grenzen hinaus kann eine Arbeitszuweisung durch das Direktionsrecht nicht erfolgen (BAG AP Nr. 22 zu § 611 B G B Direktionsrecht). Jedoch kann auch der für eine bestimmte Tätigkeit angestellte Handlungsgehilfe eine (vorübergehende) Beschäftigung mit anderen (auch nichtkaufmännischen) Diensten nicht ablehnen, wenn eine solche Beschäftigung durch außergewöhnliche betriebliche Erfordernisse bedingt ist und deshalb objektiv zumutbar erscheint40. Als sachlich gerechtfertigter Grund für die vorübergehende Zuweisung einer an sich nicht geschuldeten Arbeit kommt insbesondere der Ausfall von Kollegen in Betracht, hingegen nicht ein permanenter Mangel an Arbeitskräften (BAG AP Nr. 18 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Es muß ein Notfall vorliegen. Soweit die Zuweisung anderer als der geschuldeten Dienste den beschriebenen Rahmen 6 0 sprengt, liegt in Wahrheit Versetzung vor (vgl. Neumann AR-Blattei, Versetzung des Arbeitnehmers). Eine Veränderung des Aufgabenbereichs durch einseitige Erklärung des Prinzipals ist nur zulässig, wenn sie arbeitsvertraglich (gegebenenfalls durch Tarifvertrag) vorgesehen ist41. Ansonsten bleibt die Möglichkeit einer Anderungskündigung oder einer einverständlichen Vertragsänderung. Bei Versetzungen ist gegebenenfalls das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats zu beachten (§ 99 BetrVG). Kommt der Handlungsgehilfe längerfristig einer ungerechtfertigten Versetzungsan- 61 Ordnung nach, indem er die zugewiesene Tätigkeit verrichtet, kann dadurch eine stillschweigende Vertragsänderung bewirkt werden (BAG AP Nr. 4 zu § 305 BGB). d) Der Ort, an dem der Handlungsgehilfe seine Dienstleistungspflicht zu erfüllen hat, 6 2 ist im Zweifel die Niederlassung des Kaufmanns, für die der Handlungsgehilfe eingestellt wurde. Sie ist dann für beide Teile Erfüllungsort i. S. des § 269 B G B und maßgebend für die subsidiäre Bestimmung der Vertragspflichten nach dem Ortsgebrauch. Eine Versetzung an einen anderen Ort kann nur vorgenommen werden, wenn diese 6 3 im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Praktisch relevant sind Versetzungsvorbehalte für andere Konzernunternehmen. Der Handlungsgehilfe wird regelmäßig für einen bestimmten Betrieb eingestellt. Eine Versetzung innerhalb des Betriebs an einen anderen Ort ist auch durch das Direktionsrecht nicht gedeckt (dazu Hunold BB 1988, 2101). Gleiches gilt für die Versetzung ins Ausland (LAG Hamm DB 1974, 877 f). e) Der Umfang der geschuldeten Dienste ist im wesentlichen eine Frage der 6 4 Arbeitszeit. Während der Arbeitszeit hat der Handlungsgehilfe dem Prinzipal seine volle Arbeitskraft nach Maßgabe der gegebenen Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen. Nicht geschuldet ist grundsätzlich ein bestimmter Arbeitserfolg bzw. eine bestimmte Leistungsqualität oder -quantität. Die „Individualität" der persönlichen Arbeitsleistung steht der Annahme einer Gattungsschuld i. S. v. § 243 B G B entgegen. Die Gewährleistungsregeln der §§ 459 ff B G B finden keine Anwendung. Außerhalb der Arbeitszeit darf der Handlungsgehilfe seine Arbeitskraft grundsätzlich 6 5 anderweitig verwerten42. Ein einzel- oder kollektiwertragliches Nebentätigkeitsverbot 40
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R G LZ 1913, 475; O L G Marienwerder SeuffArch 57, 26; B A G AP Nr. 19 zu § 611 B G B Direktionsrecht. B A G AP Nr. 20 zu § 611 B G B Direktionsrecht;
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AP Nr. 4 zu § 615 B G B Böswilligkeit. B A G AP Nr. 1 zu § 611 B G B Doppelarbeitsverhältnis; zu den Einzelheiten MünchArbR/ Blomeyer § 53 Rdn. 3 ff.
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ist zulässig, sofern der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat ( B A G AP Nr. 68 zu § 626 B G B ) . Unabhängig davon ist eine Nebentätigkeit unzulässig, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Arbeitskraft und damit der Dienstleistung führt. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die gem. § 3 Arbeitszeitrechtsgesetz (BGBl. 1994 I, 1170) zulässigen Höchstgrenzen deutlich überschritten werden. Der zweite Vertrag ist u. U . dann wegen Gesetzesverstoß nichtig (§ 134 B G B ) . Zu dem Verbot von Nebentätigkeiten mit Wettbewerbscharakter vgl. § 60. 66
f) Sofern die Arbeitszeit ihrem Umfang nach weder einzel- noch kollektiwertraglich bestimmt ist, wird im Zweifel die betriebsübliche Arbeitszeit als maßgebliche Bezugsgröße gewollt sein. Daneben bleibt zur Umfangsbestimmung der Rückgriff auf die Kriterien des § 59 (Ortsüblichkeit, Angemessenheit) offen. Die Verteilung der Wochenarbeitszeit auf die Wochentage, die Festsetzung des täglichen Arbeitsbeginns, Arbeitsendes sowie der Pausen fällt in die Weisungsbefugnis des Prinzipals, wenn vertragliche Bestimmungen fehlen.
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Umfang und Lage der Arbeitszeit stehen nur begrenzt zur Disposition der Vertragsparteien bzw. - im Rahmen seines Direktionsrechts - des Prinzipals. Eingeschränkt wird dies durch die Regelungen des am 1. 7. 1994 in Kraft getretenen Arbeitszeitrechtsgesetzes 43 . Gemäß § 18 Abs. 2 A r b Z G gilt für Jugendliche unter 18 Jahren das Jugendarbeitschutzgesetz. Die bisherigen unterschiedlichen Arbeitszeit-, Ruhezeit- und Pausenvorschriften wurden durch einheitliche Regelungen ersetzt und gelten nun für alle Arbeitnehmer in allen Beschäftigungsbereichen, d. h. auch für den Handlungsgehilfen.
2. Nebenpflichten 68
Uber seine Hauptpflicht zur Arbeitsleistung hinaus treffen den Arbeitnehmer Nebenpflichten, die die Wahrung der Arbeitgeberinteressen nach den Geboten von Treu und Glauben zum Gegenstand haben. Zu unterscheiden ist zwischen den mit der Arbeitspflicht verknüpften unselbständigen Nebenleistungspflichten und den darüber hinaus gehenden, selbständigen Schutzpflichten, die jeden Vertragspartner treffen. Für eine Zusammenfassung der Nebenpflichten des Handlungsgehilfen unter dem Oberbegriff der Treuepflicht, die von der älteren Lehre als selbständige dogmatische Kategorie anerkannt wurde, besteht kein Bedürfnis. Wie in jedem Vertragsverhältnis haben auch im Arbeitsverhältnis die Nebenpflichten ihre dogmatische Verankerung in § 242 B G B 4 4 . Zwischen den Parteien des Handlungsgehilfenverhältnisses besteht ein gesetzliches Schutzpflichtverhältnis, aus dem sich Nebenpflichten auch für den Zeitraum vor Beginn und nach Beendigung des Arbeitsvertrages ergeben 45 .
69
a) Verschiedene Nebenpflichten des Handlungsgehilfen konkretisieren lediglich die Hauptpflicht zur Dienstleistung unter Wahrung der verkehrserforderlichen Sorgfalt. An erster Stelle steht hier die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter des Prinzipals.
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Darüber hinaus wird der Arbeitnehmer allgemein für verpflichtet gehalten, den Arbeitgeber auch vor bloßen Vermögensschäden zu bewahren. Er muß etwaige schadensträchtige Fehlerquellen im Betrieb anzeigen, sofern sie in seinem Verantwortungsbereich liegen. Ist der Handlungsgehilfe zur Beaufsichtigung anderer Arbeitnehmer angestellt,
43
BGBl. I, 1170; dazu Zmarlik,
D B 1994, 1082 ff;
Anzinger, BB 1994, 1492 ff; Diller, NJW 1994, 2726. 490
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B A G AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972; Miinch-
K.omm/Söllner § 611 Rdn. 376. Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 38 c und 41 a.
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§59
u m f a ß t seine Anzeigepflicht u. U . auch deren schädigendes Verhalten 4 6 . Anderenfalls besteht eine Anzeigepflicht n u r bei P e r s o n e n - u n d s c h w e r e n Sachschäden ( B A G BB 1989, 649 f). A n z e i g e n z u m Z w e c k der A b w e n d u n g von V e r m ö g e n s s c h ä d e n stehen u n t e r d e m Vorbehalt der Z u m u t b a r k e i t . Eine h e r v o r g e h o b e n e Stellung im Betrieb bedingt einen erweiterten Pflichtenkreis ( B A G D B 1971, 40). Ein leitender Angestellter m u ß auch eigene A n w e i s u n g e n des Prinzipals auf ihre Z w e c k m ä ß i g k e i t ü b e r p r ü f e n u n d gegebenenfalls auf d r o h e n d e Nachteile hinweisen. Z u r V e r m e i d u n g betrieblicher S t ö r u n g e n trifft d e n A r b e i t n e h m e r die Verpflichtung A r b e i t s v e r h i n d e r u n g e n rechtzeitig mitzuteilen. Als G e g e n s t a n d v o n N e b e n p f l i c h t e n k o m m e n nicht n u r V e r m ö g e n s b e l a n g e des 7 1 Prinzipals in Betracht. D e r H a n d l u n g s g e h i l f e ist verpflichtet, die betriebliche O r d n u n g zu w a h r e n . D a z u zählt das Unterlassen s t ö r e n d e r L ä r m e n t w i c k l u n g , nicht dagegen generell d e r V e r z i c h t auf A l k o h o l g e n u ß o d e r R a u c h e n im B e t r i e b ( E i n z e l h e i t e n bei M ü n c h A r b R / B l o m e y e r § 51 I). A u c h r u f - oder kreditschädigende Ä u ß e r u n g e n des H a n d l u n g s g e h i l f e n k ö n n e n eine Pflichtverletzung b e g r ü n d e n . Selbst die Anzeige einer Straftat des Prinzipals k a n n , sofern d e r A r b e i t n e h m e r v o n d e r Tat nicht selbst b e t r o f f e n ist, p f l i c h t w i d r i g sein ( B A G A P N r . 2 z u § 70 H G B ; M ü n c h A r b R / B l o m e y e r § 49). Gleiches gilt f ü r die Einleitung v o n gegen d e n A r b e i t g e b e r gerichteten Verfahren bei anderen B e h ö r d e n . D i e öffentliche Kritik eines ausgeschiedenen A r b e i t n e h m e r s an seinem f r ü h e ren A r b e i t g e b e r kann im H i n b l i c k auf A r t . 5 G G aber gerechtfertigt sein ( B G H Z 80, 25). Wie generell im Bereich des § 242 B G B hat eine I n t e r e s s e n a b w ä g u n g z u erfolgen. b) Eine Reihe v o n N e b e n p f l i c h t e n des H a n d l u n g s g e h i l f e n lassen sich im H i n b l i c k auf g e s e t z l i c h e V o r s c h r i f t e n b e g r ü n d e n . W e g e n des V e r b o t s , m i t d e m P r i n z i p a l in W e t t b e w e r b z u treten, vgl. § 60.
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§ 12 Abs. 2 U W G verbietet es (u. a.) d e m H a n d l u n g s g e h i l f e n , im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil als Gegenleistung d a f ü r zu f o r d e r n , sich versprechen zu lassen o d e r a n z u n e h m e n , d a ß er andere b e i m B e z u g v o n W a r e n o d e r gewerblichen Leistungen b e v o r zugt. U n a b h ä n g i g v o n der Strafbarkeit eines solchen Verhaltens liegt in der A n n a h m e v o n sog. Schmiergeldern die Verletzung einer dienstvertraglichen N e b e n p f l i c h t . Es müssen d a f ü r nicht sämtliche T a t b e s t a n d s m e r k m a l e des § 12 U W G erfüllt sein 4 7 . So m u ß die A u f t r a g s e r t e i l u n g an d e n D r i t t e n f ü r sich g e n o m m e n nicht p f l i c h t w i d r i g sein. F e r n e r erstreckt sich das Verbot d e r S c h m i e r g e l d a n n a h m e auf d e n Fall, d a ß d e r H a n d l u n g s g e h i l f e außerhalb seiner Dienstpflicht A r b e i t a u f g e w e n d e t hat, u m den A b s c h l u ß z u s t a n d e zu bringen ( B A G A P N r . 5 zu § 687 B G B ) .
73
A u c h die aktive B e s t e c h u n g eines anderen d u r c h d e n H a n d l u n g s g e h i l f e n (§ 12 Abs. 1 U W G ) k o m m t als Pflichtverletzung in Betracht. In beiden Fällen stehen nicht n u r Vermögensinteressen des Prinzipals auf d e m Spiel. A u c h sein geschäftlicher Ruf w i r d gefährdet. D i e u n t e r Verstoß gegen § 12 U W G getätigten G e s c h ä f t e sind je nach d e n U m s t ä n d e n nichtig ( R G Z 161, 229) o d e r anfechtbar 4 8 . O b d e n H a n d l u n g s g e h i l f e n allgemein eine Anzeigepflicht trifft, w e n n i h m Schmiergeldangebote gemacht w e r d e n , ist strittig 49 . Mit Hueck/Nipperdey Bd. 1 § 37 F n . 32 ist die Frage zu verneinen. Es k o m m t auf die B e d e u t u n g an, die d e r G e s c h ä f t s g e g n e r u n d das k o n k r e t e G e s c h ä f t f ü r d e n Prinzipal haben.
74
46
BAG AP Nr. 57 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; einschränkend BAG AP Nr. 66 zu § 626 BGB. 47 Schulz RdA 1971, 278; Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 42.
48 49
Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 42 a. Dafür Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 42; Schaub § 53 II 7.
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§59 75
Geringfügige Z u w e n d u n g e n
aus gegebenem Anlaß bleiben außer Betracht.
Die
G r e n z e des Zulässigen ergibt sich aus der Verkehrssitte. 76
Pflichtwidrig a n g e n o m m e n e Vorteile hat der Handlungsgehilfe dem Prinzipal unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsanmaßung (§§ 6 8 7 Abs. 2, 681 S. 2, 6 6 7 B G B ) h e r a u s zugeben 5 0 . D e r B G H hat dasselbe Ergebnis mit §§ 675, 667 B G B aus dem Gedanken der Zusammengehörigkeit von R i s i k o und N u t z e n begründet 5 1 . D i e Gegenmeinung gibt nur S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e ( R G R K / W ü r d i n g e r § 5 9 A n m . 50 m.w.N.). Schmiergelder sind versteckte Provisionen; als solche fallen sie objektiv in den Geschäftskreis des Prinzipals. Das spricht dafür, unredliche Eigengeschäftsführung des Handlungsgehilfen anzunehmen.
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§ 17 U W G verbietet es (u. a.) dem Handlungsgehilfen, ein ihm (in dieser Eigenschaft) anvertrautes o d e r zugänglich g e w o r d e n e s G e s c h ä f t s - o d e r B e t r i e b s g e h e i m n i s zu Z w e c k e n des Wettbewerbs aus Eigennutz oder Schädigungsabsicht (gegenüber dem Prinzipal) an D r i t t e mitzuteilen 5 2 . A u c h eine sonstige Verwertung ist u. U . strafbedroht (§ 17 Abs. 2 U W G ) . Ü b e r den Straftatbestand des § 17 U W G hinaus trifft den Handlungsgehilfen die N e b e n p f l i c h t zur Wahrung von Betriebsgeheimnissen 5 3 . D a s B A G hat als Gegenstand eines Betriebsgeheimnisses solche Tatsachen angesehen, die nach dem Willen des Arbeitgebers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheimgehalten werden sollen. Voraussetzung ist weiter, daß die Tatsachen im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig sind ( B A G E 4 1 , 21: chemisches Rezept). In Betracht k o m m e n u. a.: Kundenlisten, Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Inhalt der Handelsbücher. U n t e r dem G e s i c h t s p u n k t der allgemeinen Pflicht zur R ü c k s i c h t n a h m e k ö n n e n auch sonstige Tatsachen unter das Verschwiegenheitsgebot fallen. In Zweifelsfällen hat bei B e s t i m m u n g der Verschwiegenheitspflicht eine Interessenabwägung zu erfolgen (Schutzbedürftigkeit des Prinzipals, A r t der Kenntniserlangung, A n l a ß der Preisgabe).
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I m allgemeinen endet die N e b e n p f l i c h t zur Wahrung von Betriebsgeheimnissen mit dem Arbeitsverhältnis. Auch o h n e ausdrückliche Geheimhaltungsabrede kann sich ein weiterer zeitlicher R a h m e n aber ausnahmsweise aus der N a c h w i r k u n g des Arbeitsvertrags e r g e b e n 5 4 . W i r d eine G e h e i m h a l t u n g s a b r e d e g e t r o f f e n , unterliegt sie n i c h t den Vorschriften über nachvertragliche Wettbewerbsverbote (§§ 74 ff). Sie ist somit in ihrer Wirksamkeit nicht von der Zusage einer Karenzentschädigung abhängig ( B A G E 4 1 , 21). Andererseits darf das berufliche F o r t k o m m e n des A r b e i t n e h m e r s nicht übermäßig erschwert werden ( G u m p e r t B B 1982, 1795). So ist es dem Handlungsgehilfen nicht generell verboten, während seiner Tätigkeit erworbene Erfahrungen und Kenntnisse für sein eigenes F o r t k o m m e n zu verwerten 5 5 .
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Sofern der Handlungsgehilfe dienstvertraglich mit einer Geschäftsbesorgung für den Prinzipal betraut ist, treffen ihn gem. § 6 7 5 B G B die Pflichten eines B e a u f t r a g t e n . Geschäftsbesorgung bedeutet nach h. M . eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art in fremdem Interesse 5 6 . Aufgrund der Weisungsgebundenheit des Handlungsgehilfen werden
5° BAG AP Nr. 5 zu § 687 BGB; BAGE 11,208; H. Ditcher JZ 1963, 510. 51 Β GHZ 38, 171, 175; vgl. schon RGZ 164, 98. 52 Ausführlich hierzu Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 17 UWG; BAG NJW 1988, 1686; Preis ArbuR 1989, 361 ff. 53 ξ 242 BGB; vgl. Schwarz, AR-Blattei, Geheimnisschutz im Arbeitsrecht I; Monjau DB 1956, 232. 492
5" Gaul NZA 1988, 255 ff; BGH AP Nr. 1 zu § 60 HGB. 55 Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 41a; dort auch zu den schwierigen Abgrenzungsproblemen. 56 BGHZ 45, 223, 228; Latenz II § 56 V; u. A. MiinchKomm/Seiler § 662 Rdn. 9.
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§59
diese Voraussetzungen bei ihm in aller Regel nicht gegeben sein. Sie sind ausnahmsweise dann zu bejahen, wenn einem angestellten Handlungsreisenden hinsichtlich der abzuschließenden Geschäfte ein eigener Spielraum eingeräumt wird. Die Rechtsprechung wendet zum Teil das Auftragsrecht auch analog an, wenn eine Geschäftsbesorgung i. S. d. § 675 B G B nicht vorliegt ( B A G E 12, 15; 19, 83). In Betracht kommen die Pflicht zur Anzeige gem. § 665 S. 2 B G B , die Nachrichts-, Auskunfts- und Rechenschaftspflicht gem. § 666 B G B und die Herausgabepflicht (§ 667 BGB). Die Anzeigepflicht entsteht, wenn der Handlungsgehilfe von den Weisungen des Prinzipals abweichen möchte. Er ist dazu gem. § 665 S. 1 B G B berechtigt, wenn er nach den Umständen mit der Billigung des Prinzipals rechnen darf. Ist ein Zuwarten gefahrlos möglich, muß er freilich nach Erfüllung der Anzeigepflicht die Entscheidung des Prinzipals abwarten.
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Der Umfang der Benachrichtigungspflicht wird oft durch Weisungen des Prinzipals 8 1 festgelegt sein, die freilich nicht schikanös sein dürfen. Bei Fehlen der Bestimmung sind Ortsgebrauch und Angemessenheit maßgeblich. Der Handlungsreisende muß regelmäßig und schriftlich über seine Tätigkeit berichten 57 . Zusätzlich entsteht jederzeit eine Auskunftspflicht auf Verlangen des Prinzipals hin. Gleiches gilt für die Rechenschaftspflicht. Sie ist in der Regel mit der Pflicht verbunden, Belege vorzulegen. Gegebenenfalls muß der Handlungsgehilfe seine Angaben an Eides Statt versichern (§ 259 B G B ) .
82
Die Herausgabepflicht betrifft Gegenstände, die der Handlungsgehilfe entweder zur Erledigung seiner Dienste vom Prinzipal erhalten oder durch seine Tätigkeit erlangt hat. Anders als der typischerweise freie Beauftragte wird der weisungsunterworfene Handlungsgehilfe auf Anforderung des Prinzipals auch vor Beendigung der Geschäftsbesorgung herausgabepflichtig. Von der Pflicht erfaßt werden auch Unterlagen, die der Handlungsgehilfe selbst angefertigt hat ( R G 105, 393; B A G 5, 300). Je nach Natur des Erlangten wird die Herausgabepflicht durch Ubergabe, Ubereignung oder Abtretung erfüllt.
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c) In den Grenzen der Privatautonomie (insbesondere §§ 134, 138 B G B ) können Nebenpflichten des Handlungsgehilfen durch ausdrückliche Abrede begründet werden. Zur Geheimhaltungsabrede oben Rdn. 78. Wegen vertraglicher Wettbewerbsabreden s. §§ 74 ff. Von praktisch erheblicher Bedeutung sind die sog. Mankoabreden (vgl. dazu Reinecke ZfA 1976, 215\Jung Mankohaftung aus dem Arbeitsvertrag, 1985). Mit ihr verpflichtet sich der Handlungsgehilfe dazu, für Fehlmengen oder Fehlbeträge in ihm anvertrauten Warenbeständen oder Kassen aufzukommen. Für den Prinzipal ist eine solche Abrede von Vorteil, weil die Mankohaftung des Handlungsgehilfen nach allgemeinem Haftungsrecht Verschulden voraussetzen würde. Führt die Mankoabrede zu einer unangemessenen Benachteiligung des Handlungsgehilfen, ist sie gem. § 138 B G B oder wegen Verstoßes gegen § 242 B G B unwirksam. Dies wird angenommen, wenn der Risikoübertragung kein wirtschaftliches Äquivalent gegenübersteht 58 . Ein solches Äquivalent kann in einer überdurchschnittlichen Vergütung liegen. Auch die Vereinbarung eines sog. Mankogeldes kommt in Betracht. Die Abrede führt aber u. U. auch dann zu einer unangemessenen Benachteiligung, wenn der betreffende Bestand nicht im alleinigen
84
"Vgl. im einzelnen RGRK/ Würdinger § 59 Anm. 28.
58
BAGE 2,333; BAG AP Nr. 53, 54 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.
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Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers liegt, und dieser deshalb mögliche Fehler nicht wirksam bekämpfen kann 59 . Abweichungen von den allgemeinen Beweislastgrundsätzen zu Ungunsten des Arbeitnehmers sind grundsätzlich zulässig60, jedoch muß auch hier ein angemessener Risikoausgleich vorgenommen werden 61 . 3. Durchsetzung der Dienstleistungspflicht 85
Der Prinzipal kann auf Erfüllung des Anstellungsvertrags durch den Handlungsgehilfen klagen. Zuständig sind die Arbeitsgerichte. Daß die Leistung unvertretbarer Dienste nicht im Wege der Zwangsvollstreckung erzwingbar ist (§ 888 Abs. 2 ZPO), steht nicht entgegen (BAG AP Nr. 27 zu § 620 B G B Befristeter Arbeitsvertrag). Bei vertretbaren Diensten ist Vollstreckung gem. § 887 ZPO möglich (Ersatzvornahme auf Kosten des Schuldners). Der Leistungsanspruch des Prinzipals kann hingegen nicht im Wege einer Klage auf Unterlassen anderweitiger Tätigkeit des Vertragsbrüchigen Handlungsgehilfen verfolgt werden (RGZ 72, 393). Für die Durchsetzung gesetzlicher oder vertraglicher Nebenpflichten gilt diese Einschränkung nicht.
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Die Unmöglichkeit der Dienstleistung oder der Erfüllung von Nebenpflichten führt unter der Voraussetzung des § 275 B G B zur Befreiung des Handlungsgehilfen. Wegen der Vergütungspflicht des Prinzipals in diesen Fällen s. unten Rdn. 130, 155 sowie § 3 EntgfG (dazu vor § 59 Rdn. 9a). Hervorzuheben ist zweierlei: Vorübergehende Leistungshindernisse hinsichtlich der Hauptleistungspflicht führen zu Teilunmöglichkeit. Im Hinblick auf den Charakter der Arbeitspflicht als absolute Fixschuld wird der Handlungsgehilfe mit Zeitablauf frei (Beuthien RdA 1972, 20). Er ist nicht zur Nachholung von Diensten verpflichtet. Annahmeverzug des Prinzipals (Rdn. 125 ff) bedeutet daher i. d. R. zugleich Unmöglichkeit der Dienstleistung. Im Falle von Rechtsgüter- und Pflichtenkollisionen kann sich ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aus § 242 B G B ergeben62. Beispielsfälle bieten die Einberufung zum ausländischen Wehrdienst63, die Pflege eines erkrankten Kindes 64 oder die Leistungsverweigerung aus Glaubens- und Gewissensgründen65. Beim Ausbleiben der Lohnzahlung oder unzumutbaren, persönlichkeitsverletzenden Arbeitsbedingungen hat der Handlungsgehilfe ferner ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Dienste gem. § 273 BGB 6 6 .
4. Leistungsbefreiung bei Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit
5. Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers 87
Vom Handlungsgehilfen zu vertretende Nichtleistung oder Schlechtleistung begründen Schadensersatzansprüche des Prinzipals (§ 325 Abs. 1 BGB, pFV).
88
a) Im Fall vorübergehender oder endgültiger Nichtleistung trifft den Handlungsgehilfen nach allgemeinem Schuldrecht die Beweislast für fehlendes Verschulden (SS 282, 276 BGB). Nach BAG AP Nr. 6 zu § 66 BetrVG kommt im Arbeitsrecht die 59
60
61 62
BAG AP Nr. 67 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers vgl. auch Rdn. 93 zu § 59. BAG AP Nr. 77 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers. Dazu Baumgärtel FS Pleyer, S. 262. Dazu Henssler AcP 190 (1990) 538, 541 ff.
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« Dazu BAG AP Nr. 23 zu § 123 B G B ; AP Nr. 9 zu § 1 KündSchG 1969 personenbedingte Kündigung (Rüthers/Henssler). 6 4 BAG AP Nr. 48 zu § 616 BGB. 6 5 BAG BB 1989, 2538. 66 BAG BB 1985, 2176; LAGE Nr. 2 zu § 611 B G B Persönlichkeitsrecht.
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Schuldtheorie zur Anwendung. Ein Rechtsirrtum des Handlungsgehilfen (ζ. B. hinsichtlich eines Leistungsverweigerungsrechts) läßt den Vorsatz somit unberührt. N i m m t der Prinzipal die Nichtleistung zum Anlaß einer fristlosen Kündigung (§ 626 BGB), kommt eine Schadensersatzpflicht des Handlungsgehilfen gem. § 628 Abs. 2 BGB in Betracht. Der Dienstverpflichtete ist zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.
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Der U m f a n g der Schadensersatzansprüche gem. §§ 325 Abs. 1, 628 Abs. 2 BGB 9 0 bestimmt sich nach §§ 249 ff BGB (Kraft N Z A 1989, 779 ff). Als Schadensfolgen der N i c h t e r f ü l l u n g bzw. Vertragsaufhebung k o m m e n u. a. in Betracht: Infolge des NichtZustandekommens oder der Nichtausführung von Aufträgen entgehender Gewinn; Mehrkosten f ü r die Beschäftigung von Ersatzkräften; Uberstundenvergütungen; Kosten f ü r die Anwerbung von Ersatzkräften 6 7 . Wird der Ausfall des Handlungsgehilfen durch eigene Mehrarbeit oder durch Mehrleistung anderer Betriebsangehöriger ausgeglichen, fehlt es u. U. an einem ersatzfähigen Vermögensschaden. Nach der Lehre vom „normativen Schaden" kann der Arbeitgeber aber den hypothetischen Schaden verlangen, der ohne den Ausgleich entstanden wäre. Eine Begrenzung des Schadensersatzanspruchs ergibt sich insoweit, als sich der Arbeitgeber den ersparten Lohnaufwand im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muß (BAG AP Nr. 7 zu § 249 BGB). Die Ersatzpflicht des Handlungsgehilfen ist auf den Zeitraum beschränkt, während dessen er das Arbeitsverhältnis nicht seinerseits durch Kündigung hätte beenden können (BAGE 35, 179). Zuweilen wird f ü r den Schaden im Fall der Nichtleistung eine Pauschalierungsabrede getroffen. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich damit, den typischerweise entstehenden Schaden in fester H ö h e zu übernehmen 6 8 . Davon zu unterscheiden ist die Vereinbarung von Vertragsstrafen (Schaub § 60). b) Schuldhafte Schlechterfüllung seitens des Handlungsgehilfen liegt vor, wenn er 91 seine Arbeitskraft nicht in dem geschuldeten Maße (Rdn. 64) einsetzt. Häufiger ist die p W von Nebenpflichten (Rdn. 68 ff). Gewährleistungsansprüche des Dienstberechtigten sieht das Gesetz nicht vor. Insbesondere führt Schlechtleistung nicht zur Minderung des Vergütungsanspruchs (BAGE 24, 286). Schadensersatzansprüche des Prinzipals wegen Schlechterfüllung sind von einem 9 2 Verschulden des Handlungsgehilfen abhängig. Anders als im Falle der Nichtleistung ergibt sich die Beweislastverteilung hier nicht ohne weiteres aus § 282 BGB. Grundsätzlich muß der Prinzipal die schuldhafte Schlechterfüllung durch den Handlungsgehilfen beweisen (BAG BB 1986, 464). Eine Beweislastumkehr kommt aber in Betracht, wenn die Schadensursache im Gefahrenbereich des Arbeitnehmers liegt. Für den Entlastungsbeweis soll es dann u. U. genügen, wenn der Arbeitnehmer sein fehlendes Verschulden hinreichend wahrscheinlich macht ( B G H AP Nr. 6 zu § 282 BGB). c) Eine umfassende H a f t u n g des Arbeitnehmers f ü r alle von ihm zu vertretenden 9 3 Schädigungen des Arbeitgebers wäre rechts- und sozialpolitisch nicht tragbar. O b w o h l es an gesetzlichen Vorgaben f ü r ein Haftungsprivileg des Arbeitnehmers fehlt, haben Rechtsprechung und Schrifttum daher bereits früh eine Haftungserleichterung f ü r den Arbeitnehmer bejaht 69 . Die Modifizierung der Haftungsregeln wurde jedoch lange Zeit 67
Ζ. B. eines Inserats, sofern die Kosten nicht auch bei einer ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers entstanden wären; BAGE 35, 179; BAG N J W 1984, 2846.
68
Vgl. dazu B G H NJW 1970, 29 und Beuthien BB 1973, 93. 69 Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. Wacke RdA 1987, 321.
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auf die sog. gefahr- o d e r schadensgeneigten Tätigkeiten des Arbeitnehmers beschränkt. Hierunter wurden jene Tätigkeiten verstanden, bei denen die Wahrscheinlichkeit gelegentlicher Fehlleistungen auch eines sorgfältigen Arbeitnehmers von vornherein zu bejahen war 7 0 . D i e Beschränkung der Haftungserleichterung auf gefahrengeneigte Tätigkeiten ist weder sachgerecht noch praktikabel. Sowohl der G r o ß e Senat des B A G als auch der 6. Zivilsenat des B G H haben sich dieser im Schrifttum inzwischen überwiegend vertretenen Auffassung angeschlossen 7 1 . Aus der tatsächlichen Organisations- und Personalhoheit des Arbeitgebers einerseits und der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers andererseits ergibt sich im R a h m e n des § 2 5 4 B G B ein Mithaftungsgrund des Arbeitgebers. Es reicht daher aus, daß der eingetretene Schaden bei einer betrieblich v e r a n l a ß t e n Tätigkeit entstanden ist. D i e volle Haftung des Arbeitnehmers stellt nach Auffassung des B A G einen u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g e n E i n g r i f f in g r u n d r e c h t l i c h g e s c h ü t z t e P o s i t i o n e n des Arbeitnehmers (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 G G ) dar. Bei den Rechtsfolgen der Haftungsmilderung hat das B A G bislang für wenig Rechtssicherheit gesorgt 7 2 . D i e von der Rechtsprechung vertretene Einteilung in drei verschiedene Stufen (volle Haftung bei Vorsatz und großer Fahrlässigkeit; Schadensteilung bei normaler Fahrlässigkeit und vollständige Entlastung des Arbeitnehmers bei nur leichter Fahrlässigkeit) hat sich in der Vergangenheit zumindest für die Beurteilung der grob fahrlässig verursachten Schäden als zu starr erwiesen. Bei besonders hohen Schäden kann sich die volle H a f t u n g des Arbeitnehmers als unverhältnismäßig erweisen 7 3 . G e b o t e n ist eine Einzelfallwürdigung in deren R a h m e n auf die Kriterien Verschuldensgrad, Grad der Gefährlichkeit der Tätigkeit, H ö h e des Entgelts, Versicherungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber, Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers und die H ö h e des potentiellen Schadens abzustellen ist. D i e rechtspolitisch vernünftige Einführung einer summenmäßigen Begrenzung der A r b e i t n e h m e r haftung setzt das auf diesem Rechtsgebiet längst überfällige Tätigwerden des Gesetzgebers voraus 7 4 . D i e Haftungsbeschränkung erstreckt sich auch auf Ansprüche des Arbeitgebers aus Delikt ( B A G A P Nr. 16 zu § 611 B G B H a f t u n g des Arbeitnehmers). Sie findet aber keine A n w e n d u n g auf die deliktische Außenhaftung des Arbeitnehmers gegenüber betriebsfremden Dritten ( B G H N J W 1994, 852 ff). 94
D i e G r u n d s ä t z e der H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g des A r b e i t n e h m e r s k ö n n e n den Handlungsgehilfen auch von Schadensersatzansprüchen wegen eines Fehlbestandes entlasten (zur M a n k o h a f t u n g s. bereits oben R d n . 84 f). D i e bisherige Rechtsprechung des B A G , die die A n w e n d u n g der Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich ablehnte, weil die vom A r b e i t n e h m e r ü b e r n o m m e n e Aufgabe der sorgfältigen Verwaltung und Verwahrung eines Waren- oder Kassenbestands ihn zur gesteigerten Sorgfalt für die anvertrauten G ü t e r verpflichtet 7 5 , ist überholt. A u c h die Bestandsverluste beim U m g a n g mit Waren- oder Geldbeständen gehören z u m allgemeinen Schadensrisiko des Arbeitgebers. D e r evtl. gegebenen gesteigerten Sorgfaltspflicht des Arbeitnehmers ist im R a h m e n
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Dazu B A G 5, 1; B A G A P Nr. 78 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers; Diitz Gefahrengeneigte Arbeit N J W 1986, 1779. B A G D B 1992, 1424 (Anrufung des gemeinsamen Senats der O b e r s t e n G e r i c h t s h ö f e des Bundes durch den G r o ß e n Senat des B A G ) = Z I P 93, 699 ff. Entscheidung des B G H vom 21. 9. 1993, N Z A 1994, 270 = N J W 1994, 852; Einstellung des Vorlageverfahrens durch den GS, N J W 1994, 856; inzwischen B A G , G S 1/89 [A], 27. 9. 1994, D B 1994, 2237.
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Vgl. den Kurswechsel des B A G von B A G A P Nr! 37 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers zu B A G A P Nr. 82 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers und zurück B A G A P Nr. 93 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers. So auch B A G N Z A 1990, 97. So auch B A G A P Nr. 97 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers; a. A. £)¿'«WÉTNJW 1986, 867, 871. B A G A P Nr. 32, 64, 76 und 77 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers.
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der Einzelfallwürdigung Rechnung zu tragen. Ein vom Arbeitgeber gezahltes Mankogeld in ausreichender H ö h e wird einer Haftungsbeschränkung in der Regel entgegenstehen 76 . Im übrigen trifft den Handlungsgehilfen mit eigenständigem Verantwortungsbereich 9 5 nach h. M. eine Nebenpflicht zur Herausgabe des anvertrauten Bestandes nach Vorbild des Auftrags- und Verwahrungsrechts 77 . Danach ist der Prinzipal verpflichtet, die alleinige Verfügungsmacht des Handlungsgehilfen sowie den Umfang der Einnahmen bzw. Zugänge zu beweisen. Bei Unmöglichkeit der Herausgabe trägt dann der Handlungsgehilfe gem. § 282 BGB die Beweislast für fehlendes Verschulden (BAG A P Nr. 49 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Fehlt das Geschäftsbesorgungselement, verbleibt es bei den oben Rdn. 88 beschriebenen Grundsätzen. Für den zu führenden Verschuldensnachweis kommt dem Prinzipal allenfalls eine Beweiserleichterung unter dem Aspekt der größeren Beweisnähe des Handlungsgehilfen zugute (Krit. MünchArbR/ß/owe;yer § 57 Rdn. 82 f). Die Schadensersatzansprüche des Prinzipals mindern sich bei mitwirkendem Verschulden gem. § 254 BGB. Vor allem bei Ansprüchen wegen Schlechtleistung ist zu beachten, daß der Arbeitgeber selbst durch entsprechende Organisations-, Uberwachungs- und Sicherungsmaßnahmen weitgehend das Geschehen steuern und drohende Schäden abwenden kann (BAG AP Nr. 64 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Ein Eigenverschulden liegt u. U. darin, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer überfordert. d) Sowohl Nichtleistung als auch Schlechtleistung berechtigen den Prinzipal - 9 6 regelmäßig erst nach Abmahnung - nach Maßgabe von § 626 BGB zu einer fristlosen, gegebenenfalls auch zu einer verhaltensbedingten (ordentlichen) Kündigung (§ 1 KSchG). Eine einmalige Fehlleistung des Handlungsgehilfen gibt aber i.d.R. keinen wichtigen Kündigungsgrund ab. Auch rechtfertigt sie nicht ohne weiteres eine ordentliche Kündigung. Wegen Einzelheiten s. die Spezialliteratur zu § 626 BGB und zum KSchG.
V. Pflichten des Prinzipals § 59 regelt nur die Vergütungspflicht. Wegen der Fälligkeit der Vergütung s. § 64, 9 7 wegen Provisionen § 65. Im übrigen gelten die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (vgl. dazu z . B . Zmarlik, DB 1994, 1082). Wegen der Entgeltlichkeit als Voraussetzung eines Handlungsgehilfenverhältnisses s. Rdn. 18. 1. Vergütung a) Die dem Handlungsgehilfen geschuldete Vergütung bestimmt sich - wie Art und 9 8 Umfang der Dienstleistung - in erster Linie nach dem Anstellungsvertrag, hilfsweise nach dem Ortsgebrauch. In letzter Linie bemißt sich die Vergütung nach dem Kriterium der Angemessenheit. Regelmäßig erfolgt die Festsetzung durch Parteivereinbarung. Sie kann auch durch 9 9 Bezugnahme auf einen Tarifvertrag geschehen. Die Parteien bleiben in diesem Fall hinsichtlich der Ausgestaltung im einzelnen aber frei. Eine stillschweigende Vereinbarung kann aus einer länger dauernden Praxis folgen, sofern sie von einem entsprechenden
76
So auch M ü n c h A r b / B l o m e y e r § 57 Rdn. 84 ff.
77
Gegen diese Differenzierung etwa Hueck Anm. zu A P Nr. 54 zu § 611 BGB H a f t u n g des Arbeitnehmers.
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Erklärungswillen der Parteien gedeckt wird 78 . U. U. kommt auch konkludente Vertragsänderung in Betracht, so, wenn dem Handlungsgehilfen längerfristig höherwertige Tätigkeiten zugewiesen werden, und die dafür angemessene Vergütung den Beteiligten erkennbar ist. 100
Zu Beschränkungen der Vertragsfreiheit durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen oben Rdn. 11 ff. Unter den dort beschriebenen Voraussetzungen ist die Vereinbarung einer untertariflichen Vergütung unwirksam. Wegen § 77 Abs. 3 BetrVG kommt die Festsetzung der Vergütung durch Betriebsvereinbarung freilich selten vor. Bei Anwendbarkeit eines Tarifvertrags ist die einzelvertragliche Eingruppierung des Handlungsgehilfen in eine Vergütungsgruppe ohne Bedeutung, wenn die übertragene Tätigkeit die Merkmale einer höheren Gruppe erfüllt. Der Vergütungsanspruch bemißt sich dann nach der letzteren. Gleiches gilt bei nachträglicher Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit, und zwar unabhängig davon, ob die erforderliche Mitwirkung des Betriebsrats stattgefunden hat.
101
Die vertragliche Festsetzung der Vergütung kann wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam sein (§ 138 BGB). In Betracht kommt insbesondere die Vereinbarung einer offenbar unzulänglichen Vergütung79. Lohnwucher (§ 138 Abs. 2 B G B ) liegt beispielsweise vor, wenn der Arbeitnehmer trotz vollen Einsatzes seiner Arbeitskraft nicht den notwendigen Unterhalt verdienen kann (Hungerlohn), der Wert der Arbeitsleistung in einem auffälligen Mißverhältnis zu der versprochenen Vergütung steht (BAG AP Nr. 30 zu § 138 BGB) oder eine unverhältnismäßige Überwälzung des Unternehmerrisikos stattfindet (LAG Hamm BB 1980, 105). Untertarifliche Bezahlung reicht für sich genommen nicht aus (BAG aaO). Die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede führt i.d.R. nicht über § 139 B G B zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags. Vielmehr ist die Vergütung dann nach den Kriterien der Ortsüblichkeit oder Angemessenheit zu bemessen.
102
Ob eine Vergütungsabrede auch wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu Rdn. 151) unwirksam sein kann, ist bestritten. Die h. M. verneint dies für den Fall der ausgehandelten untertariflichen Vergütung von nichtorganisierten Arbeitnehmern im Vergleich zu tarifmäßig entlohnten, organisierten Arbeitnehmern (Nachweise zum Streitstand bei Schaub § 112 III; Wiedemann/StumpfTVG, § 3 Rdn. 125). Dem Grundsatz der Vertragsfreiheit gebührt der Vorrang gemäß § 612 Abs. 3 B G B (vom 13. 8. 1980 BGBl. I 1308), Art. 119 EGV. Unwirksam ist nunmehr bei gleicher Arbeit die vergütungsmäßige Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern verschiedenen Geschlechts. Wegen zulässiger Differenzierungsgründe s. MünchKomm/Schaub (ErgBd.) § 612 Rdn. 18 ff.
103
Fehlt es an einer (wirksamen) ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung über die Vergütung, entscheidet die Ortsüblichkeit. Für eine Anwendung des § 612 Abs. 2 B G B bleibt daneben kein Raum 80 . Verlangt der Handlungsgehilfe die ortsübliche Vergütung, muß er beweisen, daß über die Höhe der Vergütung keine Vereinbarung getroffen ist81. Die Entgeltlichkeitsvermutung des § 612 Abs. 1 B G B hilft ihm insoweit nicht. Bei Bestimmung der ortsüblichen Vergütung sind auch die tariflichen Vergütungssätze zu berücksichtigen (BAG D B 1991, 391). Dem steht nicht entgegen, daß der (nicht allgemein verbindlich gewordene) Tarifvertrag für Arbeitsverhältnisse von 78
79
Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 48 a; vgl. auch LAG Düsseldorf BB 1977, 496; zur Betriebsübung s. oben Rdn. 48. SchlegelbergerlSchröder § 59 Rdn. 48 c; L A G Berlin AP Nr. 14 zu § 65.
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Α. M. anscheinend Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 48 b; Baumbach/Duden/Hopt § 59 Anm. 6
A. 81
M ü n c h K o m m / 5 c i a « ¿ $ 611 Rdn. 221; R G Z 57, 46.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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A u ß e n s e i t e r n nicht u n m i t t e l b a r gilt. Es ist fallweise z u p r ü f e n , o b sich die d e m Tarifvertrag e n t s p r e c h e n d e V e r g ü t u n g ortsüblich d u r c h g e s e t z t hat. Ü b l i c h e V e r g ü t u n g ist aber nicht gleichbedeutend mit Tariflohn ( A r b G Essen BB 1978, 255). So k ö n n e n etwa f ü r eine b e s t i m m t e Tätigkeit üblicherweise übertarifliche Zulagen gezahlt w e r d e n . Maßgeblich sind die Verhältnisse am O r t d e r Niederlassung, bei Geschäftsverlegung (sofern d a n n nicht bereits eine stillschweigende Vereinbarung vorliegt) die des n e u e n O r t s ( R G S e u f f A r c h . 70, 110). Ä n d e r u n g e n in d e r Vergütungspflicht k ö n n e n sich auch daraus ergeben, daß eine neue Tätigkeit zugewiesen w i r d , f ü r die am O r t eine andere Vergütungspraxis besteht. Fehlt es an einem feststellbaren O r t s g e b r a u c h - etwa mangels vergleichbarer Betriebe oder vergleichbarer Tätigkeit anderer A r b e i t n e h m e r - entscheidet die A n g e m e s s e n h e i t . Maßgeblich ist s o m i t eine fallweise Interessenabwägung.
104
b) Die wichtigste V e r g ü t u n g s f o r m ist das nach Zeitabschnitten bemessene feste Gehalt (Zeitlohn). Typisches H a u p t e n t g e l t des H a n d l u n g s g e h i l f e n ist das Monatsgehalt. D a v o n geht auch § 64 aus. D e n A r b e i t g e b e r trifft die öffentlich-rechtliche Pflicht z u r E i n b e h a l t u n g u n d A b f ü h r u n g v o n L o h n s t e u e r n (§ 38 A b s . 3 E S t G ) u n d Sozialversicherungsbeiträgen (§ 28 e Abs. 1 S G B IV; Gesamtversicherungsarbeiten). Vertraglich geschuldet ist regelmäßig das Bruttogehalt. D i e Beweislast f ü r eine - in Tarifverträgen ( B A G A P N r . 2 z u § 1 T V G Tarifverträge) - zulässige N e t t o l o h n v e r e i n b a r u n g trägt der H a n d l u n g s g e h i l f e ( B A G A P N r . 19 zu § 670 BGB). Gegebenenfalls m u ß der Prinzipal die öffentlich-rechtlich b e g r ü n d e t e n A b z ü g e zusätzlich a b f ü h r e n .
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In Handlungsgehilfenverhältnissen eher selten a n z u t r e f f e n sind leistungsbezogene V e r g ü t u n g s f o r m e n wie die A k k o r d v e r g ü t u n g . I h r Z w e c k ist es, das Entgelt e n t s p r e c h e n d d e r geleisteten A r b e i t s m e n g e z u b e m e s s e n ( E i n z e l h e i t e n bei Schaub § 84). D i e A r b e i t s v e r g ü t u n g kann e n t w e d e r d u r c h M u l t i p l i k a t i o n v o n A r b e i t s m e n g e χ G e l d f a k t o r ( G e l d a k k o r d ) o d e r d u r c h Multiplikation v o n A r b e i t s m e n g e χ Vorgabezeit χ G e l d f a k t o r ( Z e i t a k k o r d ) e r m i t t e l t w e r d e n . A u s G r ü n d e n des A r b e i t n e h m e r s c h u t z e s ist die E i n f ü h r u n g der A k k o r d v e r g ü t u n g bei b e s t i m m t e n A r b e i t n e h m e r n unzulässig, so etwa bei Schwangeren (§ 4 Abs. 3 M S c h G ) o d e r bei J u g e n d l i c h e n (§ 23 J A r b S c h G ) .
106
S a c h l e i s t u n g e n w e r d e n r e g e l m ä ß i g n u r als N e b e n e n t g e l t g e w ä h r t . D a s sog. T r u c k v e r b o t des § 115 G e w O gilt f ü r das Handlungsgehilfenverhältnis nicht (§ 154 Abs. 1 N r . 2 G e w O ) . In Frage k o m m e n : K o s t u n d Logis, die Ü b e r l a s s u n g von W o h n r a u m oder K r a f t f a h r z e u g e n (zur privaten N u t z u n g 8 2 ) , die Verschaffung der Gelegenheit z u m E m p f a n g v o n Trinkgeldern, vergünstigter Warenbezug. Eine A n r e c h n u n g auf tarifvertragliche G e haltsansprüche erfolgt nicht. Ist die G e w ä h r u n g oder E m p f a n g n a h m e v o n N a t u r a l leistungen im Einzelfall unmöglich o d e r u n z u m u t b a r , trifft den A r b e i t g e b e r eine w e r t m ä ß i g e A b g e l t u n g s p f l i c h t 8 3 . Diese L e i s t u n g e n k ö n n e n bei Vorliegen eines W i d e r rufsvorbehalts u n d im R a h m e n billigen Ermessens w i d e r r u f e n w e r d e n (SAE 1988, 163).
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V e r g ü t u n g s f u n k t i o n k a n n a u s n a h m s w e i s e auch die Z a h l u n g v o n Spesen haben, s o f e r n mit ihren A u f w e n d u n g e n abgedeckt w e r d e n sollen, die d e r H a n d l u n g s g e h i l f e a n s o n s t e n selbst b e s t r e i t e n m ü ß t e . D a s ist beispielsweise a n z u n e h m e n , w e n n e i n e m H a n d lungsreisenden Tagegelder gewährt w e r d e n , die den vollen L e b e n s u n t e r h a l t w ä h r e n d d e r Reise abdecken. Wegen einzelner Fragen s. Schlegelberger/Schröder § 59 R d n . 70; z u m A u f w e n d u n g s e r s a t z gem. § 670 B G B s. u n t e n R d n . 149.
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!
LAG Rheinl.-Pfalz BB 1990, 1202; DB 1990, B14.
83
BAG AP Nr. 27 zu § 616 BGB; LAG Frankfurt BB 1953, 860.
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Eine Sonderform der Vergütung ist die Gewinnbeteiligung. Sie gibt dem Handlungsgehilfen Anspruch auf Zahlung von sog. Tantiemen. Wie die Provision (§ 65) ist die Tantieme erfolgsbezogenes Entgelt. Der Unterschied liegt darin, daß die Provision am Umsatz (oft auch aus einzelnen Geschäften), die Tantieme am Gewinn bemessen wird (BAG AP Nr. 4 zu § 87 a HGB). Ausnahmsweise erfolgt die Vergütung von Handlungsgehilfen auch ausschließlich in Form von Tantiemen. Der Handlungsgehilfe wird dadurch nicht zum Gesellschafter. Insbesondere erwirbt er keinen Einfluß auf die Geschäftsführung {SchlegelbergerlSchröder § 59 Rdn. 60). Auch ist ihm der Prinzipal nicht unter dem Gesichtspunkt schuldhaft schlechter Geschäftsführung verantwortlich (BAG AP Nr. 1 zu § 611 B G B Tantieme).
110
I.d.R. bemißt sich die Tantieme prozentual am Jahresgewinn des Unternehmens (gegebenenfalls auch nur der Niederlassung). Ist die Höhe der Beteiligung nicht ausdrücklich festgelegt84, gelten die oben Rdn. 103 f dargestellten Grundsätze. Der Jahresreingewinn ergibt sich aus der ordnungsgemäß zu erstellenden Handelsbilanz. Willkürliche Abschreibungen oder Rücklagen bleiben bei Errechnung der Tantiemen unberücksichtigt; gleiches gilt (vorbehaltlich abweichender Abreden) für Verluste aus früheren Jahren oder nachträglich eintretende Verluste (zur zulässigen Rücklagenbildung für den Fall drohender Verluste s. Β AGE 5, 317). Erforderliche Berichtigungen der Bilanz wirken sich auf die Tantiemenberechnung aus.
111
Der Jahresgewinn bleibt auch dann maßgeblich, wenn der Handlungsgehilfe erst während des Geschäftsjahrs angestellt wurde oder vor dessen Ablauf ausgeschieden ist. Der Prinzipal ist im Zweifel nicht verpflichtet, Zwischenbilanzen aufzustellen. Vielmehr hat der Handlungsgehilfe Anspruch auf Gewinnbeteiligung pro parte seiner Tätigkeitsdauer (WarnRspr. 1931, 265; BAG 5, 317; vgl. jetzt aber auch BAG AP Nr. 123 zu § 611 B G B Gratifikation).
112
Die Tantieme wird fällig mit Feststellung der Bilanz (LAG Berlin DB 1976, 636), nicht schon am Ende des Geschäftsjahrs. § 64 und § 614 B G B sind unanwendbar. Abweichendes gilt für die sog. garantierte Gewinnbeteiligung, die als Sonderzuwendung (s. sogleich Rdn. 114) anzusehen ist. Wegen ihrer Erfolgsunabhängigkeit wird sie nicht erst mit Feststellung der Bilanz fällig.
113
Der gewinnbeteiligte Handlungsgehilfe hat Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung. Eine dahingehende Nebenverpflichtung des Prinzipals ergibt sich aus Treu und Glauben (BAG AP Nr. 2 zu § 242 B G B Auskunftspflicht). Die Pflicht geht nur soweit, wie es der Zweck erfordert, dem Handlungsgehilfen die Verfolgung seines Anspruchs zu ermöglichen. U. U. ist der Prinzipal auch verpflichtet, die Uberprüfung seiner Gewinnrechnung durch einen unparteiischen Dritten zu gestatten (Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 64).
114
c) Wachsender Beliebtheit erfreuen sich die Sonderzuwendungen, die dazu verwendet werden, das starre Entlohnungssystem des Tarifvertrages unternehmensbezogen aufzulockern, Leistungsanreize für besondere Anstrengungen der Arbeitnehmerschaft zu bieten und den besonderen sozialen Verhältnissen einzelner Arbeitnehmer Rechnung zu tragen. Der Anspruch kann sich aus tariflicher, betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarung ergeben. Als Zweck der Sonderzuwendung kommt neben dem Entgelt für
84
Etwa durch Verweisung auf die für Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder einer A G geltende Regelung (§§ 86, 113 III AktG).
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bereits erbrachte Leistungen eine Entlohnung der erwiesenen Betriebstreue, die Belohnung der Anwesenheit am Arbeitsplatz, der Anreiz für künftige Betriebstreue und die Entlohnung einer fortwirkenden Betriebszugehörigkeit in Betracht. Auch die Kombination verschiedener Gratifikationszwecke ist möglich (Gratifikationen mit Mischcharakter). Die Bestimmung des Gratifikationszwecks hat Bedeutung für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen, an die die Gratifikationsvergabe geknüpft wird. Im Grundsatz sind all jene Anspruchsvoraussetzungen zulässig, die der Sicherung des oder der vom Arbeitgeber verfolgten Zwecke dienen (dazu BAG EzA § 611 B G B Gratifikation, Prämie, Nr. 84, 85 mit Anm. Henssler; Hanau/Vossen DB 1992, 213). Der vom Arbeitgeber verfolgte Zweck ist aufgrund einer sorgfältigen Auslegung der Gratifikationszusage zu ermitteln85. Zulässig ist es etwa, die Gratifikationsgewährung an den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses während des gesamten Bezugszeitraums zu koppeln. Der Ausschluß des Gekündigten oder vor einem bestimmten Stichtag ausscheidenden Arbeitnehmers von einer freiwilligen Sonderzulage muß jedoch eindeutig vereinbart worden sein (BAG AP Nr. 83, 86 zu § 611 B G B Gratifikation). Das gilt auch für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers (BAG EzA § 611 B G B Gratifikation, Prämie Nr. 84 unter Aufgabe von BAG EzA § 611 B G B Gratifikation, Prämie Nr. 43). Die Beurteilung der Gratifikationsbedingungen differiert je nach der Rechtsgrundlage 1 1 5 der Sonderzuwendung. So findet bei tariflichen Regelungen keine Billigkeitskontrolle des Vertragsinhaltes statt. Vielmehr ist von dem sachgemäßen Gebrauch der den Tarifvertragsparteien eingeräumten Befugnis auszugehen86. Der Gleichheitssatz des Art. 3 G G wird von Tarifvertragsparteien außerdem erst dann verletzt, wenn sie bedeutsame tatsächliche Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse unberücksichtigt lassen87. Die in Betriebsvereinbarungen enthaltenen Gratifikationsbedingungen sind demgegenüber nicht nur auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung, den Gesetzen und den guten Sitten zu überprüfen, sondern auch am Maßstab der Billigkeit gem. § 75 BetrVG zu messen (BAGE 49, 281). Hat sich der Arbeitgeber aufgrund der kollektiven oder einzelvertraglichen 1 1 6 Vereinbarung bzw. nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung für die Zukunft gebunden, so ist ein einseitiger Widerruf des Arbeitgebers nur in seltenen Ausnahmefällen (Existenzgefährdung) möglich. Ansonsten bedarf es des Ausspruches einer Anderungskündigung. In der Praxis wird die Gratifikationsgewährung regelmäßig mit einem Widerrufs- bzw. Anrechnungsvorbehalt verknüpft, in dem sich der Arbeitgeber den Widerruf der Gratifikationszusage bzw. die Anrechnung einer Tariferhöhung auf die übertarifliche Zulage vorbehält. Der Widerruf darf nur nach billigem Ermessen des Arbeitgebers ausgeübt werden (BAG AP Nr. 5, 6 zu § 611 B G B Lohnzuschläge; SAE 1988, 161 (Henssler). Die Entscheidung des Arbeitgebers über Anrechnung oder Widerruf einer Sonderzuwendung unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sofern sich durch die Ausübung des Gestaltungsrechts die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus ein Entscheidungsspielraum für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung verbleibt 88 . Um die Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb zu festigen, werden Gratifikationen vielfach für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers mit einer Rückzahlungsklausel versehen. Die
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BAG AP Nr. 76 zu §611 B G B Gratifikation. BAG AP Nr. 54, 57 zu § 611 B G B Gratifikation. BAG EzA § 242 B G B Gleichbehandlung Nr. 29.
88
B A G GS AP Nr. 51 zu § 8 7 BetrVG 1972 Lohngestaltung; AP 56, 57, 58, 60 zu § 8 7 BetrVG 1972 Lohngestaltung (Henssler).
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Rechtmäßigkeit solcher Rückzahlungsklauseln ist zunächst an den geschilderten Grundsätzen für die Zulässigkeit von Gratifikationsbedingungen zu messen. Darüber hinaus ist auf den Schutz des Vertrauens des Arbeitnehmers zu achten, der häufig im Vertrauen auf das Entgelt zusätzliche Aufwendungen getätigt hat und dessen Kündigungsrecht nicht durch eine übermäßig lange Bindung eingeschränkt werden darf. 117
Die Höhe der Gratifikation ist mangels Vereinbarung gegebenenfalls nach billigem Ermessen zu bestimmen ( B A G E 23, 160). Eine vertraglich bestimmte Gratifikation kann unter Billigkeitsgesichtspunkten (ζ. B. unzumutbare Belastung des Arbeitgebers) reduziert werden ( B A G E 11, 346). Hingegen läßt der Konkurs des Arbeitgebers den Gratifikationsanspruch nicht ohne weiteres entfallen ( B A G E AP Nr. 5 zu § 611 B G B Gratifikation). Ein Leistungsabfall des Handlungsgehilfen stellt grundsätzlich keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage dar, der zu einer Reduzierung der Sonderzuwendungen führen könnte ( B A G AP Nr. 7 zu § 611 Lohnzuschläge).
118
Ein Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen ergibt sich aus den arbeitsvertraglichen bzw. tarifvertraglichen Vereinbarungen. Das neue A r b Z G sieht weder Mehrnoch Uberarbeit vor.
119
Besonderheiten gelten für Auszubildende ( § 1 0 B B i G ) und Jugendliche ( § 2 1 JArbSchG). Lohnzuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit sind meist kollektivrechtlich geregelt (Einzelheiten bei Schaub § 105); wegen der Vergütungspflicht für die Arbeit an Feiertagen s. Rdn. 132.
120
Eine Sonderform der Vergütung stellt schließlich das Ruhegeld dar 89 . Ahnlich wie die Gewährung von Gratifikationen bezweckt das Versprechen von Ruhegehalt aus der Sicht der Arbeitgeber sowohl Belohnung für geleistete wie Motivation für künftige Dienste. Das Ruhegehalt ergänzt typischerweise die gesetzliche oder private Altersversorgung (sog. betriebliche Altersversorgung, vgl. § 1 Abs. 1 BetrAVG). Durch das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung sind u. a. die Unverfallbarkeit von Anwartschaften und die Sicherung der Arbeitnehmeransprüche im Insolvenzfall speziell geregelt worden. Nicht unter den Schutz dieses Gesetzes fallen Personen, deren Tätigkeit im Hinblick auf ihre Gesellschafterstellung oder Kapitalbeteiligung als überwiegend unternehmerisch zu qualifizieren ist ( B G H Z 77, 233).
121
Der Entgeltscharakter des Ruhegelds zeigt sich u. a. darin, daß die Gewährung regelmäßig von langjährigen Diensten abhängig gemacht wird und der Umfang sich an der Höhe des Gehalts orientiert ( B A G AP Nr. 156 zu § 242 B G B Ruhegehalt). Fehlt es an dem Erfordernis zurückzulegender Wartezeiten (beispielsweise bei Versorgungszusagen für den Invaliditätsfall), tritt das Fürsorgemoment in den Vordergrund. Eine Ruhegeldzusage ist weder Schenkung noch Leibrentenversprechen. Der Entgeltscharakter bleibt auch dann erhalten, wenn die Zusage erst nach Eintritt des Versorgungsfalls erteilt wird, oder die Abwicklung über eine Unterstützungskasse erfolgt ( B A G AP Nr. 102 zu § 242 B G B Ruhegehalt; B A G E 32, 56). Eine Verpflichtung zur Zahlung von Ruhegeld folgt nicht schon aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ( B A G AP Nr. 15 zu § 242 B G B Ruhegehalt).
122
Hinsichtlich der Begründung durch Individualvereinbarung gilt folgendes: Es werden sog. Blankettzusagen des Arbeitgebers für ausreichend gehalten. Eine ausdrückliche Annahmeerklärung des Arbeitnehmers ist entbehrlich. Fehlende Bestimmtheit der Zusage 89
Zu Einzelheiten MiinchArbR/'Ahrend/Förster § 101 ff; Schaub § 81 jeweils mit umfangreichen Nachweisen aus der Spezialliteratur.
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führt zur Anwendung des § 315 B G B . Der Arbeitnehmer muß billiges Ermessen walten lassen (BAG AP Nr. 181 zu § 242 B G B Ruhegehalt). Zur Begründung von Ruhegeldansprüchen durch Gesamtzusage (insbesondere Ruhegeldordnung) des Arbeitgebers, betriebliche Übung und unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes s. Schaub § 81 II 2 bis 5; Münch ArbR/Ahrend/Förster § 102. Selten ist die tarifvertragliche Regelung der betrieblichen Altersversorgung. Entsprechend mehr Raum bleibt für Betriebsvereinbarungen. Wegen des Widerrufs von Ruhegeldzusagen, der Kürzung oder Anpassung von Ruhegeldansprüchen, deren Schicksal im Konkurs, der Mitbestimmung des Betriebsrats u. a. wird auf die Spezialliteratur verwiesen. Auch nach Inkrafttreten des BetrAVG spielen Billigkeitsargumente eine große Rolle.
123
2. Der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn" und seine Durchbrechungen Als gegenseitig verpflichtender Vertrag unterliegt das Handlungsgehilfenverhältnis den §§ 320 ff B G B . Der Grundsatz ohne Arbeit kein Lohn wird freilich durch eine Reihe von Sonderregeln modifiziert (vgl. ζ. B. die Regelungen des EntgfG). Es besteht dann Vergütungspflicht des Prinzipals ohne Arbeitsleistung des Handlungsgehilfen.
124
a) Bei Annahmeverzug des Prinzipals (§ 293 B G B ) wird der Handlungsgehilfe regelmäßig von seiner Dienstleistungspflicht frei. Auch wenn der Prinzipal die Unmöglichkeit der Dienstleistung nicht zu vertreten hat (ansonsten gilt § 324 Abs. 2 BGB), kann der Handlungsgehilfe gem. § 615 B G B die vereinbarte Vergütung verlangen. Wegen der Voraussetzungen des Annahmeverzugs s. MünchKomm/Sc¿íi»¿> § 615 Rdn. 9 bis 31. Nach der neueren Rechtsprechung soll es auf ein tatsächliches und wirkliches Angebot der Arbeitsleistung durch den Gekündigten nicht mehr ankommen (BAG N J W 1986, 2846). Der Handlungsgehilfe muß aber tatsächlich und rechtlich zur Dienstleistung imstande (BAG AP Nr. 29 zu § 615 B G B ; zur Erkrankung des Arbeitnehmers während eines Kündigungsschutzprozesses B A G D B 1992, S. 586), leistungswillig und leistungsbereit sein.
125
Der bei Anwendung des § 615 B G B bestehenbleibende Vergütungsanspruch bemißt sich nach der hypothetischen Entwicklung bei ungestörtem Leistungsaustausch. Er umfaßt somit alle Lohnzuschläge (vgl. Rdn. 107 ff), auch den Anspruch auf Weihnachtsgratifikation (BAGE 14, 31). Naturalleistungen sind abzugelten. Auch in sonstiger Hinsicht (Pfändung, Steuer, Sozialversicherung) gelten keine Besonderheiten. Zur Nachleistung der Dienste ist der Handlungsgehilfe nicht verpflichtet.
126
Er muß sich gem. § 615 S. 2 B G B aber anrechnen lassen, was er infolge des Annahmeverzugs des Prinzipals durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt. An der erforderlichen Kausalität fehlt es beispielsweise, wenn der Handlungsgehilfe Nebenverdienste erzielt, die er jedenfalls hätte erzielen können (BAG AP Nr. 3 zu § 13 KSchG). Eine während eines Teils der Annahmeverzugszeit verdiente höhere Vergütung ist auf die Gehaltsfortzahlung für die Gesamtzeit anzurechnen (RGZ 58, 402). U. U. soll sogar ein späterer Erwerb zu berücksichtigen sein, der durch eine Tätigkeit während des Annahmeverzugs vorbereitet wurde ( O L G Düsseldorf D B 1972, 181).
127
Der Prinzipal ist für anderweitigen Erwerb des Handlungsgehilfen beweispflichtig, hat hinsichtlich der Höhe aber einen Auskunftsanspruch (analog § 74 c; B A G AP Nr. 15 und Nr. 16 zu § 242 B G B Auskunftspflicht). Der Anspruch ist nicht selbständig durchsetzbar; die Weigerung des Handlungsgehilfen kann sich aber im Rahmen der Beweiswürdigung zu seinen Lasten auswirken (BAG AP Nr. 3 zu § 13 KSchG 1969).
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Anrechenbar ist ferner der Wert eines böswillig unterlassenen Erwerbs (§ 615 S. 2 BGB; dazu BAGE 6, 306). Der Handlungsgehilfe darf nicht ohne Nachteil auf Kosten des Prinzipals untätig bleiben. Ein nur fahrlässig versäumter Erwerb führt aber nicht zur Anrechnung. Andererseits setzt die Anrechnung keine Schädigungsabsicht des Handlungsgehilfen voraus. Dem Vorwurf der Böswilligkeit setzt sich aus, wer in Kenntnis des Annahmeverzugs, einer zumutbaren Verdienstmöglichkeit und der Leistungspflicht des Arbeitgebers vorsätzlich untätig bleibt. Der Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit durch den Prinzipal braucht der Handlungsgehilfe im allgemeinen nicht zu folgen (BAG AP Nr. 4 zu § 615 BGB Böswilligkeit). Wegen weiterer Einzelfragen vgl. § 74 c Rdn. 9 f. Das dort verwendete Kriterium der Böswilligkeit ist identisch. Vgl. noch die Sonderregelung des § 11 KSchG.
130
b) Ein Lohnanspruch trotz fehlender Arbeitsleistung steht dem Handlungsgehilfen auch bei vorübergehenden persönlichen Leistungshindernissen und unverschuldetem Unglück zu (vgl. § 3 EntgfG).
131
c) Nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre bleibt der Prinzipal zur Zahlung der Vergütung auch dann verpflichtet, wenn die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit auf eine vom Arbeitgeber nicht verschuldete betriebsbezogene Störung des Arbeitsvertrages zurückzuführen ist 90 . Eine solche der Sphäre des Arbeitgebers zuzuweisende Betriebsstörung wurde etwa bei einem Brand der Betriebsstätte 91 oder bei Auftrags- bzw. Absatzmangel angenommen. Neuere Untersuchungen haben überzeugend nachgewiesen, daß es zur Begründung dieses Ergebnisses keiner eigenständigen Betriebsrisikolehre bedarf 92 . Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die betriebsbezogenen Störungen vielmehr bereits über § 615 BGB der Risikosphäre des Arbeitgebers zugewiesen werden. Problematisch bleibt danach allein die Beurteilung des Arbeitskampfrisikos. Der arbeitskampfbedingte Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit kann grundsätzlich zum Wegfall des Lohnanspruchs des Arbeitnehmers führen. Dies gilt nach der neueren Rechtsprechung des BAG jedoch nur dann, wenn die Verweigerung des Lohnanspruchs zur Wahrung der Kampfparität erforderlich ist (BAG AP Nr. 71 zu Art. 9 GG).
132
d) Gewohnheitsrechtlich begründet ist die Pflicht des Arbeitgebers zur Gewährung von Erholungsurlaub (BAG AP Nr. 18 zu § 611 BGB Urlaubsrecht). Den Mindestumfang des Urlaubsanspruchs regelt das BUrlG. Der Anspruch richtet sich (einheitlich) auf Gewährung von Freizeit bei Fortbestehen des Vergütungsanspruchs aus § 611 BGB, § 59 HGB 9 3 . Der Anspruch auf Urlaubsentgelt ist nicht - auch nicht durch Tarifvertrag - abdingbar (§ 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG). Wegen seiner Bindung an den Erholungszweck hat der Anspruch höchstpersönlichen Charakter. Er ist somit unübertragbar (zur Pfändbarkeit Rdn. 142), ferner gem. § 13 Abs. 1 BUrlG in seinem Kern unabdingbar. Der Urlaub muß (i.d.R. zusammenhängend, § 7 Abs. 2 BUrlG) im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Wegen der sechsmonatigen Wartezeit s. § 4 BUrlG. U. U. ist eine Übertragung in das Folgejahr (bis zum 31. 3.) zulässig (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Regelmäßig erlischt der Anspruch, sofern die Ubertragungsvoraussetzungen nicht vorliegen (BAGE 22, 85). Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig (§ 7 Abs. 4 BUrlG; zum Erlöschen des Abgeltungsanspruchs vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 7 BUrlG sowie BAG AuR 1986, 121).
90 91
Vgl. etwa R G Z 106, 272; BAG 3, 346. BAG Nr. 28 zu § 614 BGB Betriebsrisiko.
504
'2 Picker JZ 1988, 62; Rücken ZFA 1983, 1. MünchArbR/Leinemann § 88 Rdn. 1.
93
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§59
Die Mindestdauer des Urlaubs beträgt jährlich 18 Werktage (§ 3 Abs. 1 B U r l G ) einschließlich der Samstage. Tarif- und einzelvertragliche Regelung sehen durchweg deutlich längere Zeiträume vor. Nach Maßgabe des § 5 B U r l G besteht auch Anspruch auf Teilurlaub. Die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts ergibt sich aus § 11 Abs. 1 B U r l G . Maßstab ist der in den letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn bezogene Gesamtverdienst. Die zeitliche Festlegung des Urlaubs obliegt dem Arbeitgeber. Sie hat nach billigem Ermessen zu erfolgen und muß die sozialen Belange des Arbeitnehmers berücksichtigen ( B A G AP Nr. 5 zu § 7 BUrlG).
133
Wegen der Lohnfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen s. das Gesetz zur Regelung der Lohnzahlungen an Feiertagen.
134
3. Erlöschen des Vergütungsanspruchs a) Vergütungsansprüche können, soweit nicht auf kollektiver Vereinbarung beruhend, nach allgemeinen Grundsätzen erlassen werden. D e r Erlaß tariflich erworbener Ansprüche ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich möglich
(S 4
TVG). In der Praxis spielt die Erteilung der sog. Ausgleichsquittung des ausscheidenden Handlungsgehilfen eine wichtige Rolle. Der rechtsgeschäftliche Charakter und die Reichweite einer solchen Quittung ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln ( B A G E 3, 116, 119). Das B A G neigt zu restriktiver Auslegung von Ausgleichsquittungen (vgl. etwa B A G AP Nr. 3 zu § 9 LohnfortzG; B A G E 32, 6). Rechte aus einem vertraglichen Wettbewerbsverbot werden im Zweifel ebensowenig erfaßt wie Ruhegeldansprüche ( B A G E 36, 324; AP Nr. 163 zu § 242 B G B Ruhegehalt). Denn solche Ansprüche werden erst bei oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.
135
136
O b ein Erlaß oder ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 B G B ) gewollt ist, muß gleichfalls die Auslegung ergeben. Voraussetzung ist Kenntnis der Parteien vom Bestehen (oder jedenfalls deren Möglichkeit) der Ansprüche. Ansonsten handelt es sich um ein lediglich deklaratorisches Anerkenntnis, das nur die Beweislast verändert und gegebenenfalls kondizierbar ist ( R G Z 108, 107). Ein in der Quittung evtl. enthaltener Vergleich (§ 779 B G B ) erfaßt grundsätzlich nur solche Ansprüche, mit deren Bestehen die Parteien zumindest rechnen ( B A G AP Nr. 32 zu § 133 B G B ) . Zur Anfechtbarkeit von Ausgleichsquittungen B A G B B 1977, 1401; B A G AP Nr. 33 zu § 133 BGB.
137
b) Sämtliche Vergütungsansprüche des Handlungsgehilfen verjähren in zwei Jahren (§ 196 Abs. 1 Ziff. 8 B G B ) . Die Frist beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem der Anspruch fällig wurde (§ 201 B G B ) , bei Tantiemen also erst am Ende des für die Gewinnrechnung maßgeblichen Jahres (vgl. Rdn. 112, B A G AP Nr. 7 zu § 196 B G B ) . Die Rechtsprechung wendet § 196 B G B auch auf den Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers an, nicht aber auf Bereicherungsansprüche des Arbeitgebers wegen Überzahlung ( B A G AP Nr. 5 zu § 196 B G B ; A P Nr. 5 zu § 195 B G B ) .
138
Mit Ablauf einer tariflichen oder in einer Betriebsvereinbarung verankerten 9 4 Ausschlußfrist erlöschen die Vergütungsansprüche. Als Einwendung ist das Erlöschen von Amts wegen zu beachten ( B A G AP Nr. 10 zu § 611 B G B Lohnanspruch). Durch Einzelabrede wird eine Ausschlußfrist für zwingend kollektiwertragliche Ansprüche nicht begründet (§ 4 Abs. 4 S. 3 T V G , § 77 Abs. 4 BetrVG). Tarifbestimmungen über
139
94
Dazu BAG EzA § 77 BetrVG Nr. 39. Henssler
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§59
Erstes Buch. Handelsstand
Ausschlußfristen sind eng auszulegen (BAG aaO). Auch unabdingbare gesetzliche Ansprüche (z. B. gem. BUrlG) können einbezogen werden (BAG AP Nr. 81 zu § 611 B G B Urlaubsrecht), da die zeitliche Beschränkung nur der Rechtsklarheit dient. Ansprüche, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden (ζ. B. Karenzentschädigung, dazu BAG AP Nr. 25 zu § 74 HGB) fallen im Zweifel nicht unter den Ausschluß. 140
Auch Vergütungsansprüche unterliegen der Verwirkung (BAG AP Nr. 4 zu § 242 B G B Verwirkung). Verwirkung kann eintreten, wenn der Berechtigte über längere Zeit seinen Anspruch nicht ausübt und dadurch für den Schuldner ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, der ihm die Erfüllung unzumutbar macht (BGH AP Nr. 38 zu § 242 B G B Verwirkung). Tarifliche Ansprüche werden grundsätzlich nicht verwirkt (§ 4 Abs. 4 S. 2 TVG). Verwirkungsabreden sind i. d. R. als Vertragsstrafen zu qualifizieren, es gelten die §§ 339 ff B G B (BAGE 10,187). 4. Sicherung der Vergütungsansprüche
141
a) Im Konkurs des Prinzipals zählen die Vergütungsansprüche des Handlungsgehilfen zu den Masseschulden, sofern es sich um Rückstände für die letzten sechs Monate vor Verfahrenseröffnung handelt (§ 59 Abs. 1 Ziff. 3 K O ) oder der Konkursverwalter die weitere Erfüllung des Dienstvertrags verlangt (§ 69 Abs. 1 Nr. 2 KO). Eine zusätzliche Sicherung der Arbeitnehmer bedeutet der Anspruch auf Konkursausfallgeld für die letzten drei Monate vor Konkurseröffnung (§§ 141 a ff AFG). Soweit die rückständigen Vergütungsansprüche nicht schon zu den Masseschulden zählen, sind sie für das letzte Jahr vor Konkurseröffnung gem. § 61 Abs. 1 Ziff. 1 K O vorrangig zu befriedigen. Die Rechtslage in den neuen Bundesländern richtet sich nach §§ 13, 17 GesamtvollstreckungsO.
142
Die bevorrechtigte Forderung muß innerhalb Jahresfrist entstanden sein (BAG AP Nr. 3 zu § 61 KO). Zu den gem. §§ 59, 61 K O privilegierten Vergütungsansprüchen gehören alle Entgeltsansprüche des Handlungsgehilfen, auch Gratifikationen, Ansprüche auf Urlaubsentgelt und -abgeltung, Tantiemen usw. (BAG AP Nr. 10, Nr. 5 und Nr. 9 zu § 59 KO). Bei Stillegung des Betriebes durch den Konkursverwalter gelten die allgemeinen Vorschriften über den Sozialplan (§§ 112 f BetrVG s. dazu das Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren).
143
b) Den Schutz von Vergütungsansprüchen bewirken schließlich die §§ 394, 400 BGB. Soweit eine Forderung im Hinblick auf §§ 850 ff ZPO der Pfändung nicht unterworfen ist, kann sie weder abgetreten, noch kann gegen sie aufgerechnet werden (s. ferner § 1274 Abs. 2 BGB). Für den Fall der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus vorsätzlicher Schadenszufügung durch den Handlungsgehilfen soll das Aufrechnungsverbot des § 394 B G B aber fallweise zurücktreten 95 . Die Verrechnung von Vorschüssen bei der nächsten Gehaltszahlung ist keine Aufrechnung und daher unbeschränkt zulässig; ob § 394 B G B einer Aufrechnung mit Bereicherungsansprüchen wegen irrtümlicher Uberzahlung entgegensteht, ist umstritten. Die Berufung des Handlungsgehilfen auf das Aufrechnungsverbot kann im Einzelfall rechtsmißbräuchlich sein, wenn ihm der Irrtum bekannt war (Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 80).
144
Derselben Beschränkung wie die Aufrechnung unterliegt die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts wegen eines Zahlungsanspruchs gem. § 273 B G B (BAG AP 95
BAG AP Nr. 8 zu § 394 BGB; kritisch hierzu Schlegelberger!Schröder § 59 Rdn. 78; vgl. ferner BAG 16, 228.
506
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§59
Nr. 11 zu § 394 B G B ) . Ansprüche des Prinzipals wegen Herausgabe etc. unterliegen einer Analogie zu § 394 B G B naturgemäß nicht. 5. Nebenpflichten Neben der in § 62 festgelegten Fürsorgepflicht hinsichtlich der Gesundheit des Handlungsgehilfen und der Pflicht zur Gewährung von Erholungsurlaub (dazu Rdn. 132) treffen den Prinzipal diverse arbeitsvertragliche Rücksichtspflichten, die üblicherweise unter den Sammelbegriff der Fürsorgepflicht gebracht werden. Der Begriff hat ebensowenig selbständigen Begründungswert wie der der Treuepflicht (vgl. Rdn. 68 sowie den Uberblick bei Weber R d A 1980, 289). Insbesondere ist der Prinzipal nicht schon unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verpflichtet, Sonderleistungen (wie Gratifikationen oder Ruhegeld) zu erbringen (vgl. aber Rdn. 151).
145
a) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die sachlichen Betriebsmittel und den Arbeitsablauf so zu gestalten, daß eine Gefährdung von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers nach Möglichkeit vermieden wird. Die arbeitsvertragliche Schutzpflicht ist in § 62 Abs. 1 ausdrücklich gesetzlich geregelt (Einzelheiten s. dort). Ferner obliegt dem Arbeitgeber die Verpflichtung, auch das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu achten und vor Beeinträchtigung durch Dritte zu schützen. Dazu zählt die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung und Geheimhaltung der Personalakten des Arbeitnehmers 9 6 , zur Entfernung von unzutreffenden Abmahnungen aus der Personalakte 97 und zur menschenwürdigen Arbeitsgestaltung 98 . Das B D S G statuiert darüber hinausgehend eine Verpflichtung zur Sicherung personenbezogener Daten des Arbeitnehmers. 9 9 b) Den Prinzipal trifft im Rahmen des vertraglichen Kontakts die Pflicht, das Eigentum des Handlungsgehilfen vor Schaden zu bewahren (dazu Monjau D B 1972, 1435). Für eingebrachte Sachen des Handlungsgehilfen muß er im Rahmen der Zumutbarkeit und Erforderlichkeit die sichere Verwahrung gewährleisten. Dabei werden hinsichtlich der persönlich unentbehrlichen Sachen strengere Anforderungen gestellt, als beispielsweise hinsichtlich eines Kraftfahrzeugs auf dem Betriebsparkplatz. Zum Umfang der Sicherungspflicht in diesem Fall Β A G E 18, 190. Die Pflicht des Arbeitgebers findet ihre Grenzen an der Eigenverantwortlichkeit des Arbeitnehmers ( B A G E 17, 229). Ein Haftungsausschluß für eingebrachte Sachen kann wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unwirksam sein ( B A G AP Nr. 26 zu § 611 B G B Fürsorgepflicht).
146
c) Der Prinzipal muß den Handlungsgehilfen von Haftpflichtansprüchen Dritter freistellen, die jener im Rahmen betrieblich veranlaßter Tätigkeit (dazu Rdn. 93 f) auf sich zieht, sofern auch seine eigene Haftung gegenüber dem Arbeitgeber nach den allgemeinen Grundsätzen gemindert würde. In der Person des Drittgeschädigten verwandelt sich der Freistellungsanspruch (nach Pfändung und Uberweisung) in einen Zahlungsanspruch ( B A G AP Nr. 45 zu § 611 B G B Haftung des Arbeitnehmers). Bei Verletzung von Kollegen
147
96
B A G A P Nr. 8 und 14 zu § 611 B G B Per-
98
B A G N Z A 1986, 227.
99
sönlichkeitsrecht.
97
B A G A P Nr. 7 zu § 611 B G B
Persönlich-
keitsrecht; dazu Wriedt BB 1987, 1537.
Dazu Gola/Wronka Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, 1989.
Henssler
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§59
Erstes Buch. Handelsstand
ist die Beschränkung der §§ 636 ff RVO zu beachten, die allerdings nicht für Sachschäden gilt (dazu BAG AP Nr. 16 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). 148
Auch Schäden an arbeitnehmereigenen Sachen können unter dem Gesichtspunkt des Auwendungsersatzes (§ 670 BGB), also verschuldensunabhängig, ersatzfähig sein (BAGE 12, 15; 33, 108), sofern sich ein außergewöhnliches Risiko realisiert hat, mit dem der Arbeitnehmer nicht zu rechnen brauchte 100 . Wegen Kfz-Schäden s. BAG AP Nr. 5 und 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber ist ersatzpflichtig, wenn das Kraftfahrzeug des Arbeitnehmers mit seiner Billigung und ohne besondere Vergütung in seinem Interesse verwendet wurde. Für Personenschäden des Arbeitnehmers gelten die Sonderregeln des Sozialversicherungsrechts über Arbeitsunfälle.
149
Der Nebenanspruch des Handlungsgehilfen auf Aufwendungsersatz besteht nach Maßgabe des § 670 BGB. In der Zwangsvollstreckung steht er dem Vergütungsanspruch nicht gleich, wohl aber hinsichtlich der kurzen Verjährung gem. § 196 Abs. 1 Ziff. 8 BGB (BAG AP Nr. 5 zu § 196 BGB).
150
d) Die Frage, ob der Handlungsgehilfe einen Anspruch auf Beschäftigung habe, wurde früher für den Regelfall verneint (RAGE 2, 140). Nach neuerer Rechtsprechung folgt aus dem Arbeitsvertrag eine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß zu beschäftigen (BAG AP Nr. 4 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Der Arbeitnehmer hat ein berechtigtes Interesse, seine Fertigkeiten anzuwenden und zu erweitern, sowie die in der Arbeit liegende Möglichkeit der Persönlichkeitsverwirklichung nutzen zu können. Er ist somit nicht darauf beschränkt, seinen Vergütungsanspruch gem. § 615 BGB geltend zu machen. Die Beschäftigungspflicht steht unter dem Vorbehalt der Möglichkeit und Zumutbarkeit (BAG aaO und AP Nr. 3 zu § 615 BGB Beschäftigungspflicht). Beispielsweise kann der Verdacht einer strafbaren Handlung die Suspendierung des Arbeitnehmers rechtfertigen. Aus der allgemeinen Schutzpflicht des Arbeitgebers läßt sich eine Pflicht zur Wiedereinstellung nach beendetem Arbeitsverhältnis dagegen nur unter besonderen Umständen herleiten 101 .
151
e) Aus den Machtbefugnissen, die dem Arbeitgeber gegenüber dem Kollektiv der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer eingeräumt sind, folgt schließlich die Pflicht des Arbeitgebers zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer. Es ist ihm verwehrt, unter mehreren in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmern einzelne ohne sachlichen Grund schlechter zu stellen. Die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer ist jedoch zulässig (BAG AP Nr. 5 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). § 611 a BGB enthält ein ausdrückliches, an den Arbeitgeber gerichtetes Verbot der Ungleichbehandlung der Geschlechter im Arbeitsverhältnis bei allen Vereinbarungen und Maßnahmen. Durch das zweite Gleichberechtigungsgesetz wurden die §§ 611a ff BGB neu gefaßt. Gemäß § 611a Abs. 3 besteht bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot kein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Der benachteiligte Bewerber hat lediglich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld i.H.v. höchstens 3 Monatsverdiensten (§ 61 la Abs. 2). Neu ist eine besondere Ausschlußfrist für die Geltendmachung des Entschädigungs-
100
B A G A P N r . 3 zu § 611 B G B G e f ä h r dungshaftung des Arbeitgebers; zum Gedanken der Risikozurechnung Canaris RdA 1966, 41; Genius AcP 173, 481, 504.
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B A G AP Nr. 3, 4 § 611 BGB Fürsorgepflicht; vgl. aber auch L A G H a m b u r g D B 1991, 1180 (nachträglicher Wegfall der betriebl. E r f o r dernisse bei einer betriebsbedingten Kündigung); vom Stein R D A 1991, 85 ff.
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§59
anspruches. Er muß innerhalb von 2 Monaten nach Zugang der Ablehnung geltend gemacht werden (§ 611a Abs. 4) 102 . f) Die Nebenpflichten des Prinzipals entziehen sich schon im Hinblick auf ihre fall- 1 5 2 weise Begründung aus Treu und Glauben einer abschließenden Aufzählung. Zu erwähnen sind noch die nicht nur öffentlich-rechtliche, sondern zugleich arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitgebers zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer, die Pflicht, Proskriptionen zu unterlassen (BAG AP Nr. 13 zu § 847 BGB) und die Pflicht zur sachlichen Beurteilung (gegebenenfalls unter Angabe der Gründe, BAG DB 1979, 2429; dazu auch die Anmerkungen zu § 73). In Betracht kommen ferner diverse Belehrungs- und Hinweispflichten. So hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Anderungs- oder Aufhebungsverträgen auf steuerliche und versorgungsrechtliche Nachteile hinzuweisen, sofern sie ihm bekannt sind und er annehmen muß, daß sie für die Entscheidung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind 103 . An gesetzlich geregelten Pflichten seien die Pflicht zur Gewährung von Einsicht in die 1 5 3 Personalakte (§ 83 BetrVG), sowie die Pflicht zur Gewährung von Freizeit zur Stellensuche (§ 629 BGB) erwähnt. 6. Leistungsstörungen (s. zunächst Rdn. 86 ff) a) Die Vergütungspflicht des Prinzipals erlischt i. d. R. bei Nichtleistung seitens des 1 5 4 Handlungsgehilfen gem. §§ 323, 325 BGB, sofern nicht die in Rdn. 124 ff besprochenen Sonderregeln eingreifen. Gerät der Prinzipal seinerseits in Verzug, können zugunsten des Handlungsgehilfen Schadensersatzansprüche gem. §§ 286 Abs. 1, 326 BGB entstehen. Die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten durch den Prinzipal begründet 1 5 5 Ersatzansprüche aus positiver Forderungsverletzung. Sowohl die Verletzung der Vergütungspflicht als auch die Verletzung von Nebenpflichten können ferner ein Recht des Handlungsgehilfen zur außerordentlichen Kündigung begründen (§ 626 BGB). b) Der Handlungsgehilfe kann seine Dienstleistung gem. § 320 BGB regelmäßig 1 5 6 zunächst nicht zurückbehalten, weil er gem. § 64 vorleistungspflichtig ist. Die Einrede entsteht aber, sobald der Prinzipal seinerseits eine fällig gewordene Vergütung nicht geleistet hat, denn die Vorleistungspflicht des Handlungsgehilfen bezieht sich nur auf den Zeitraum eines Monats. Die Ausübung eines Rücktrittsrechts ist im Arbeitsverhältnis dagegen ausgeschlossen. Die Nichterbringung der Arbeitsleistung zieht wegen ihres Charakters als absolute Fixschuld regelmäßig die Unmöglichkeitsfolgen nach sich. Der Vergütungsanspruch des Handlungsgehilfen kann sich jedoch aus §§ 324 Abs. 1, 615 BGB ergeben. Hinsichtlich der - nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden - Nebenpflichten 1 5 7 bestimmt sich das Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB. Es besteht, sofern sich nicht unter Berücksichtigung von Treu und Glauben aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt. Während der Laufzeit des Vertrags wird man beispielsweise dem Handlungsgehilfen gegenüber dem Herausgabeanspruch des Prinzipals gem. § 667 BGB wegen seiner Vergütungsansprüche kein Zurückbehaltungsrecht an solchen Sachen zubilligen, die für den fortlaufenden Geschäftsbetrieb benötigt werden (ζ. B. Musterkollektionen). Hat
102
BGBl. I, 1994, 1406; dazu Mittmann, 1994, 3048 ff.
NJW
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B A G N Z A 1990, 971; N Z A 1985, 712.
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der Handlungsgehilfe gerade wegen dieser Sachen einen Aufwendungsersatzanspruch, kann ihm dennoch ein Zurückbehaltungsrecht zustehen (§ 273 Abs. 2 B G B ) . Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist das Zurückbehaltungsrecht großzügiger zu beurteilen, unterliegt aber immer noch dem Maßstab von Treu und Glauben (Scblegelberger/Schröder § 59 Rdn. 86).
§60 (1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. (2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart. Schrifttum Buchner Das Wettbewerbsverbot während der Dauer des Arbeitsverhältnisses, AR-Blattei Wettbewerbsverbot II; Dinnies Das Wettbewerbsverbot von Gesellschaftern und Gesellschafter-Geschäftsführern in der GmbH, GmbHR 1989, 450; Gaul Die Wettbewerbsbeschränkung des Geschäftsführers der GmbH innerhalb und im Anschluß an den stillschweigend verlängerten Vertrag, GmbHR 1991, 144; ders Die Abgrenzung nachvertraglicher Geheimhaltungsverpflichtungen gegenüber vertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen, ZIP 1988, 733; Glöckner Nebentätigkeitsverbote im Individualarbeitsrecht, 1993; Weisemann/Schrader Wettbewerbsverbote während der Dauer und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, DB 1980 Beil. 4. Übersicht Rdn. 1. Regelungsinhalt und Normzweck
1
2. Verbotsumfang
5
Rdn. 3. Einwilligung des Prinzipals (Abs. 2)
21
1. Regelungsinhalt und Normzweck 1
a) § 60 ist eine gesetzliche Ausprägung der jeden Arbeitnehmer treffenden allgemeinen Treuepflicht. Aufgrund der allgemeinen aus § 242 B G B abzuleitenden Schutzpflicht ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich nach besten Kräften für die Interessen des Arbeitgebers und Betriebs einzusetzen. Schon aus der Dienstleistungspflicht folgt darüber hinaus, daß ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit keine Geschäfte im eigenen Interesse vornehmen darf. Kaufmännischen Angestellten ist es gemäß § 60 Abs. 1 H G B vorbehaltlich einer Einwilligung des Arbeitgebers untersagt, selbst ein Handelsgewerbe zu betreiben oder im Handelszweig ihres Prinzipals Geschäfte zu tätigen. Für die übrigen Arbeitnehmer bleibt es bei der allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsgrundlage.
2
b) § 60 unterscheidet zwischen dem verbotenen Betrieb eines Handelsgewerbes und der nur im „Handelszweig des Prinzipals" untersagten Vornahme von Geschäften für eigene und fremde Rechnung. Die Unterscheidung hat durch die inhaltliche Angleichung (dazu im einzelnen Rdn. 9 ff) inzwischen erheblich an Bedeutung verloren 1 . Beide 1
Glöckner Nebentätigkeitsverbote im Individualarbeitsrecht S. 46 ff.
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§60
T a t b e s t a n d s a l t e r n a t i v e n b e s c h r ä n k e n sich auf den S c h u t z des A r b e i t g e b e r s v o r W e t t b e w e r b während der Vertragszeit. F ü r die Zeit nach Vertragsende gelten die §§ 74 ff. c) § 60 bezweckt kein generelles V e r b o t von Nebentätigkeiten ( B A G A P Nr. 6 8 zu § 628 B G B ) . D e r A r b e i t n e h m e r hat ein selbständig schutzwürdiges Interesse an der
3
V e r w e r t u n g seiner A r b e i t s k r a f t 2 . D i e h a n d e l s r e c h t l i c h e V o r s c h r i f t will j e d o c h Interessenkollisionen vermeiden, die insbesondere dann drohen würden, wenn der Handlungsgehilfe je nach Belieben als Sachwalter des Prinzipals oder im eigenen Interesse tätig werden könnte. D i e s e r G e f a h r beugt auch das Eintrittsrecht des Prinzipals gemäß § 61 Abs. 1 als spezielle handelsrechtliche Sanktion eines Verbotsverstoßes vor. d) § 6 0 ist dispositives R e c h t . Das Wettbewerbsverbot kann demnach in den G r e n z e n des § 138 B G B durch Parteivereinbarung abbedungen oder erweitert werden ( R G J W 1900, 6 6 2 ) . F ü r den Wegfall genügt eine einseitige E r k l ä r u n g des A r b e i t g e b e r s (Einwilligung, vgl. § 60 Abs. 2). Das verabredete Wettbewerbsverbot gilt im Zweifel auch für den Ruhestand ( B A G A P Nr. 46 zu § 74 H G B ) .
4
2. Verbotsumfang a) P e r s ö n l i c h e r G e l t u n g s b e r e i c h . § 6 0 umfaßt nach seinem Wortlaut nur kaufmännisehe Angestellte i. S. v. § 59. A u f sonstige A r b e i t n e h m e r sind inhaltlich gleiche M a ß s t ä b e anzuwenden. F ü r eine analoge Anwendung der §§ 6 0 f besteht kein Bedürfnis 3 . Sie verbietet sich vielmehr, da technische und gewerbliche A r b e i t n e h m e r anderen Aufgabenstellungen unterliegen als kaufmännische Angestellte 4 . D e r dogmatisch korrekte Ansatz liegt im R ü c k g r i f f auf § 2 4 2 B G B (vgl. R d n . 1). E r ermöglicht die Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Tätigkeit des Arbeitnehmers 5 . A u f Ausbildungsverhältnisse ist § 60 nicht anzuwenden (§ 9 S. 2 Ziff. 6 B B i G ) .
5
b ) Z e i t l i c h e r G e l t u n g s b e r e i c h . D a s V e r b o t des § 6 0 gilt für die D a u e r des Arbeitsverhältnisses. M a ß g e b e n d ist der rechtliche Bestand des Vertragsverhältnisses 6 . D i e Gegenauffassung, die eine Beschränkung auf den tatsächlichen Bestand vornehmen will 7 , vernachlässigt den Bezug z u m vertraglichen Schutzpflichtenprogramm und bezieht sich n u r auf Sonderfälle. D a g e g e n greift w ä h r e n d der D a u e r eines faktischen Vertragsverhältnisses das W e t t b e w e r b s v e r b o t in gleicher Weise wie die sonstigen Verpflichtungen des Arbeitnehmers.
6
T r o t z Fortbestands des Arbeitsverhältnisses k o m m t eine Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers immer dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber selbst zu erkennen gibt, daß er die Arbeitsleistung nicht in Anspruch nehmen will. Das gilt namentlich bei einem A n n a h m e v e r z u g des A r b e i t g e b e r s . B e r e i t s aus § 6 1 5 S. 2 B G B folgt, d a ß d e m A r b e i t n e h m e r hier eine anderweitige Verwendung seiner Dienste obliegt. D i e vertragswidrige Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers - auch nach Ausspruch einer unberechtigten Kündigung durch den Arbeitnehmer - tangiert das fortgeltende Wettbewerbsverbot dagegen nicht. Grundsätzlich würde auch die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber
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2 3 4 5
MünchArbR/ß/omej-er § 50 I 2. A. A. Schaub § 56 Rdn. 3. Röhsler/Borrmann S. 62 ff. Gaul GmbHR 1991, 144 ff; MünchArbR/ Blomeyer § 50 III.
6
7
H. M. BGH AP Nr. 1 zu § 60 HGB; Schaub § 57 I 2; MünchArbR/Blomeyer § 50, Rdn. 7. Hueck/Nipperdey I S. 350; Nikiscb I S. 453 f.
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§60
Erstes Buch. H a n d e l s s t a n d
mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Aufhebung des Wettbewerbsverbotes führen 8 . Unbefriedigend bleibt jedoch, daß sich der Arbeitnehmer trotz seines vertragswidrigen Verhaltens, das Anlaß zur Kündigung gab, auf diese Weise seiner Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb entziehen könnte. Sachgerecht ist es daher auf den Rechtsgedanken des § 628 Abs. 2 BGB zurückzugreifen. Der Arbeitnehmer haftet daher bis zu dem Zeitpunkt, zu dem eine ordentliche Kündigung hätte erfolgen können, dem Arbeitgeber auf Ersatz des Auflösungsschadens 9 . 8
Differenziert zu beurteilen ist die Rechtslage nach Ausspruch einer unberechtigten Kündigung durch den Arbeitgeber. Will der Arbeitnehmer an dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis festhalten, so muß er auch das Wettbewerbsverbot beachten, sofern der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug gerät, wie dies nach der Rechtsprechung regelmäßig der Fall ist 10 . Bietet ihm der Arbeitgeber im Hinblick auf eine erhobene Kündigungsschutzklage Weiterbeschäftigung und Weiterzahlung der Bezüge an, bleibt der Arbeitnehmer an § 60 gebunden 1 1 . Akzeptiert der Arbeitnehmer dagegen die Kündigung, so kann kraft einverständlicher Vertragsbeendigung das Wettbewerbsverbot auch schon vor Ablauf der Kündigungsfrist seine Geltung verlieren. c) Sachlicher Verbotsumfang
9
aa) Der Betrieb eines Handelsgewerbes. § 60 Abs. 1 untersagt dem Handlungsgehilfen nach seinem Wortlaut den Betrieb eines eigenen Handelsgewerbes und damit jede selbständige kaufmännische Tätigkeit i. S. der § § 1 - 4 . Dieser extensive Verbotsumfang läßt sich ersichtlich nicht mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der freien Berufsausübung durch Art. 12 G G in Einklang bringen. Das B A G hat die Vorschrift daher zutreffend verfassungskonform und damit restriktiv interpretiert 12 . Verboten ist nur der Betrieb eines solchen Handelsgewerbes, durch das die Erfüllung der dem Arbeitgeber geschuldeten Dienste beeinträchtigt wird. Solange die Interessen des Arbeitgebers an der Vermeidung von Interessenkollisionen nicht berührt sind, greift § 60 H G B nicht ein. Eine nichtkaufmännische, gewerbliche Tätigkeit wird von § 60 ohnehin nicht erfaßt (RGZ 67, 3).
10
Ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers, demzufolge der Arbeitnehmer die arbeitsfreie Zeit ausschließlich zur Regenerierung der Arbeitskraft zu nutzen hätte, wird weder durch § 60 noch durch § 242 BGB generell anerkannt. Die aus der allgemeinen Rücksichtspflicht des Arbeitnehmers folgende Grenze ist erst dort erreicht, wo der Arbeitnehmer seine vertraglichen Verpflichtungen infolge Übermüdung oder sonstiger Uberbeanspruchung nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann oder zumindest die Gefahr einer Beeinträchtigung der Arbeitsleistung besteht 13 .
11
Im Handelszweig des Arbeitgebers ist dem kaufmännischen Angestellten nicht nur der selbständige Betrieb eines Handelsgewerbes untersagt. Das Verbot erstreckt sich auf die Fälle einer offen oder versteckt fremdbestimmten kaufmännischen Tätigkeit. Unzulässig ist auch der Betrieb durch Bevollmächtigte oder Treuhänder.
8
B A G A P Nr. 28 zu § 628 BGB. B A G A P Nr. 8 zu § 628 BGB; Schaub § 57 I 2. 10 Das B A G wendet auf die Arbeitsleistung § 296 BGB an und gelangt damit regelmäßig zum Vorliegen eines Annahmeverzuges, vgl. B A G EzA § 615 BGB Nr. 43, 44 und 66. u Gmnsky Wettbewerbsverbote, S. 24; Röhsler/
9
512
Borrmann S. 43; zu weitgehend B A G AuR 1992, 59. 12 BAGE 22, 334; a. A. Schlegelberger/Schröder § 60, Rdn. 5. 13 Zur Zulässigkeit von nicht wettbewerbsrelevanten Nebenbeschäftigungen vgl. M i i n c h A r b R / Blomeyer § 53, Rdn. 4 ff.
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§60
bb) Die Vornahme einzelner Geschäfte. Nach der 2. Tatbestandsalternative des § 60 1 2 Abs. 1 ist dem Handlungsgehilfen auch die Vornahme einzelner Geschäfte im Handelszweig des Arbeitgebers untersagt. Das Verbot erfaßt die Tätigkeit im eigenen wie diejenige im fremden Namen. Der sachliche Verbotsgegenstand („Handelszweig") ist nicht abstrakt, sondern entsprechend dem tatsächlichen Geschäftsbetrieb des Prinzipals abzugrenzen ( R G 2 109, 355). Unbeachtlich ist, ob der Arbeitgeber selbst an dem Geschäft interessiert gewesen wäre. Die Beteiligung an einer einschlägig tätigen Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter ist ihm ebenso verwehrt, wie die Tätigkeit als leitendes Organ einer juristischen Person (ζ. B. GmbH-Geschäftsführer; BAG AP Nr. 1 zu § 61). Erlaubt ist hingegen eine bloße Kapitalbeteiligung.
13
Problematisch ist die Abgrenzung von (erlaubten) Tätigkeiten, die den Betrieb eines 1 4 Handelsgewerbes nur vorbereiten, zu dem Bereich verbotener Unternehmertätigkeit (BAG AP Nr. 7 zu § 60). Für zulässig gehalten wurde beispielsweise die Anmietung und Einrichtung von Geschäftsräumen und die Kontaktaufnahme mit Lieferanten, der Abschluß von Verträgen mit künftigen Mitarbeitern (nicht deren Abwerbung), sowie die Gründung einer Handelsgesellschaft14. Auch das Einholen von Informationen, die dem späteren Betrieb des Handelsgewerbes nützlich sind, ist zulässig (BAGE 14, 72). Dabei dürfen aber nicht schon Absatzgeschäfte angebahnt werden (BAG aaO). Dem Bereich verbotenen Wettbewerbs ist auch jede Art von Kundenwerbung zuzurechnen15. Im Einzelfall entscheidet die aktuelle Interessengefährdung aus der Sicht des Prinzipals16. Eine den späteren Betrieb des Handelsgewerbes nur vorbereitende Tätigkeit kann als Konkurrenzgeschäft i. S. von § 60 Abs. 1 2. Alt. unzulässig sein. Zulässig ist der Aufbau einer eigenen Existenz (BB 1958, 165), soweit der Arbeitgeber 1 5 dadurch keine Nachteile erleidet. Im einzelnen erlaubt kann auch die Eintragung eines Warenzeichens und die Betreibung der Berufszulassung sein (BAG BB 1958, 877). Bei Änderungen des Unternehmenszwecks ist der jeweilige Stand maßgeblich, nicht 1 6 etwa der zur Zeit der Anstellung (Scblegelberger/Schröder § 60 Rdn. 8). Eine Geschäftserweiterung führt somit zu einer Verkleinerung des verbotsfreien Bereichs für den Handlungsgehilfen. Für den Fall des Erwerbs weiterer Betriebe durch den Prinzipal wird man dem Handlungsgehilfen hinsichtlich seiner bis dahin zulässigen Tätigkeiten aber Bestandsschutz zubilligen müssen (Schaub § 57 II 2 a. E.). Unter Geschäftstätigkeit ist jede (auch nur einzelfallweise) Teilnahme am 1 7 Geschäftsverkehr zu verstehen, die in der Absicht erfolgt, Gewinn zu erzielen17. Geschäfte zur Befriedigung privater Bedürfnisse fallen ebensowenig unter das Verbot, wie Hilfstätigkeiten zugunsten eines Konkurrenzbetriebs, denen die unternehmerische Komponente fehlt (ζ. B. Schreibarbeiten, Buchführung). Die Tätigkeit braucht nicht auf sofortige Gewinnerzielung gerichtet sein. Auch der 1 8 Abschluß eines erst nach Beendigung des Handlungsgehilfenverhältnisses zu erfüllenden Konkurrenzgeschäfts ist verboten. Ebenso kann der Ankauf von Waren für einen später zu eröffnenden Konkurrenzbetrieb bereits ein unzulässiges Geschäftemachen darstellen;
14
15
Schlegelberger/Schröder § 60 Rdn. 7; s. noch B A G AP Nr. 9 zu § 60: Abschluß eines Franchise-Vertrags. B A G AP Nr. 5 zu § 60; L A G Düsseldorf VersR 1991, 366.
16
Bejaht ζ. B. beim Erwerb eines Warenzeichens von R G J W 1937, 2654; bei öffentlicher Ankündigung der Betriebsgründung von R G J W 1914, 142.
17
B A G AP Nr. 1 zu § 61, B A G AP Nr. 5 zu § 60; Schaub § 57 II 2.
Henssler
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Erstes Buch. Handelsstand
§60
Abs. 1 1. Alt w ü r d e d e n Prinzipal insoweit nicht schützen (vgl. Schlegelbergerl Schröder § 60 R d n . 7). 19
A u c h d u r c h S t r o h m ä n n e r darf der H a n d l u n g s g e h i l f e keine einschlägigen G e s c h ä f t e machen. Allerdings w e r d e n Geschäfte, die d e r H a n d l u n g s g e h i l f e mit d e m Prinzipal als A b n e h m e r o d e r A n b i e t e r schließt, nicht v o n d e m Verbot erfaßt ( B A G E 42, 329).
20
D a s Verbot u m f a ß t die Beteiligung an einzelnen G e s c h ä f t e n eines K o n k u r r e n z u n t e r n e h m e n s , selbst w e n n diese n u r kapitalmäßig erfolgt (vgl. dagegen o b e n R d n . 13; R G J W 1937, 2654). Es m u ß folglich bei allen Tätigkeiten, die nicht u n b e d i n g t W e t t b e w e r b s c h a r a k t e r haben, darauf abgestellt w e r d e n , o b die Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers gefährdet sind. 3. Einwilligung des Prinzipals (Abs. 2)
21
a) D i e v o r h e r i g e Z u s t i m m u n g (§ 183 B G B ) des Prinzipals z u m Betrieb eines H a n d e l s g e w e r b e s o d e r einer Geschäftstätigkeit des H a n d l u n g s g e h i l f e n läßt das gesetzliche W e t t b e w e r b s v e r b o t insoweit entfallen. D e r U m f a n g der Einwilligung ist d u r c h A u s l e g u n g z u ermitteln. A u c h im ü b r i g e n unterliegt die Einwilligung als Willenserklärung d e n Regeln des B G B . Sie k a n n k o n k l u d e n t erteilt w e r d e n ( R G Z 109, 355) u n d ist n u r bis z u r V o r n a h m e d e r e r l a u b t e n T ä t i g k e i t w i d e r r u f l i c h . W u r d e sie z u m B e s t a n d t e i l des Arbeitsvertrags gemacht, k a n n sie einseitig ü b e r h a u p t nicht w i d e r r u f e n w e r d e n . D i e Beweislast f ü r eine Einwilligung u n d deren U m f a n g trägt d e r H a n d l u n g s g e h i l f e ( B A G A P N r . 8 zu § 611 B G B Treuepflicht).
22
N a c h h. M . steht die nachträgliche Z u s t i m m u n g ( G e n e h m i g u n g ; § 184 B G B ) der Einwilligung gleich 1 8 . S t i m m t d e r Prinzipal einer v o m H a n d l u n g s g e h i l f e n bereits aufgen o m m e n e n Geschäftstätigkeit zu, liegt darin in aller Regel eine Einwilligung i. S. v. § 60. Bereits e n t s t a n d e n e A n s p r ü c h e des Prinzipals gem. § 61 entfallen, auch w e n n ein Erlaßvertrag nicht z u s t a n d e k o m m t , weil den Parteien die Existenz der A n s p r ü c h e nicht b e w u ß t ist. I m H i n b l i c k darauf ist eine stillschweigende G e n e h m i g u n g nicht s c h o n d a n n a n z u n e h m e n , w e n n d e r Prinzipal nach K e n n t n i s d e r K o n k u r r e n z t ä t i g k e i t z u n ä c h s t z u w a r tet. D e r A r b e i t g e b e r trägt die D a r l e g u n g s - u n d Beweislast f ü r die Tatsachen, welche die v o m H a n d l u n g s g e h i l f e n b e h a u p t e t e R e c h t f e r t i g u n g d u r c h Einwilligung ausschließen 1 9 .
23
b) F ü r den Sonderfall, d a ß d e m Prinzipal bei Vertragsschluß ein H a n d e l s g e w e r b e des H a n d l u n g s g e h i l f e n b e k a n n t ist, w i r d seine Einwilligung h i e r z u gem. § 60 Abs. 2 ( u n w i derruflich) fingiert. F ü r G e s c h ä f t e i. S. v o n § 60 A b s . 1 2. Alt. gilt die F i k t i o n e b e n s o w e nig wie f ü r andere gewerbliche Tätigkeiten. Es k o m m t insoweit aber eine stillschweigende Einwilligung in Betracht (Rdn. 22).
24
D i e Fiktion der Einwilligung gilt gem. § 60 A b s . 2 letzter H s . n u r d a n n nicht, w e n n die A u f g a b e des H a n d e l s g e w e r b e s a u s d r ü c k l i c h vereinbart w o r d e n ist. Ein einseitiger W i d e r s p r u c h seitens des Prinzipals genügt nicht.
18
Schlegelberger/Schröder § 60 Rdn. 9; Baumbach/ Duden/Hopt § 60 Anm. 2. 19 BAG AP Nr. 7 und 97 zu § 626 BGB. 514
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§61
§61 (1) Verletzt der Handlungsgehilfe die ihm nach § 60 obliegende Verpflichtung, so kann der Prinzipal Schadensersatz fordern; er kann statt dessen verlangen, daß der Handlungsgehilfe die für eigene R e c h n u n g gemachten Geschäfte als für R e c h n u n g des Prinzipals eingegangen gelten lasse und die aus Geschäften für fremde R e c h n u n g bezogene V e r g ü t u n g herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtrete. (2) Die Ansprüche verjähren in drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Prinzipal Kenntnis von dem Abschlüsse des Geschäfts erlangt; sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in fünf J a h r e n von dem Abschlüsse des Geschäfts an. Übersicht Rdn.
Rdn. 1. Wahlrecht des Prinzipals 2. Schadensersatz
1 4
3. Eintrittsrecht
7
4. Weitere Rechtsfolgen eines Pflichtenverstoßes
16
5. Verjährung (Abs. 2)
17
1. Wahlrecht des Prinzipals a) Abs. 1 begründet zugunsten des Prinzipals wahlweise einen Schadensersatz- oder 1 Herausgabeanspruch bzw. ein Eintrittsrecht. Der h. M. zufolge handelt es sich dabei um einen Fall sog. facultas alternativa (Ersetzungsbefugnis) des Gläubigers; durch Wahl des Eintritts trete anstelle des zunächst bestehenden Anspruchs auf Schadensersatz der auf Herausgabe. 1 D a auch der Schadensersatzanspruch erst geltend gemacht werden muß, ist es richtiger, einen Fall elektiver K o n k u r r e n z anzunehmen; das bedeutet, daß erst die Wahl des Gläubigers seinen Anspruch konkretisiert 2 . Jedenfalls gelten die §§ 262 und 264 Abs. 2 B G B (Ubergang des Wahlrechts auf den Schuldner bei Verzug des Gläubigers mit der Wahl) für § 61 nicht. b) Zur Vorbereitung seiner Wahl hat der Prinzipal einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gemäß § 242 B G B (vgl. B A G A P Nr. 12 zu § 242). Dieser Anspruch ist schon bei Bestehen erheblicher Verdachtsgründe für einen Verbotsverstoß gegeben ( B A G A P Nr. 6 zu § 60). Die Offenlegungspflicht des Handlungsgehilfen erstreckt sich auf alle Umstände, von denen der Umfang des Schadensersatz- bzw. Herausgabeanspruchs abhängt, ζ. B. auch die für das verbotene Konkurrenzgeschäft geplanten Preise ( B A G aaO). Ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung kann auch noch im Prozeß um das Eintrittsrecht des Prinzipals geltend gemacht werden ( B A G A P Nr. 14 zu § 611 B G B Lohnanspruch).
2
c) Das Wahlrecht wird durch zugangsbedürftige, einseitige Willenserklärung des Prinzipals ausgeübt (analog § 263 Abs. 1 B G B ) , evtl. konkludent durch gerichtliche Geltendmachung des einen oder anderen Anspruchs. Analog § 263 Abs. 2 B G B gilt die gewählte Leistung als von Anfang an geschuldet ( O L G Hamburg 7 , 1 4 9 ) . Ein Widerruf der Wahl scheidet aus.
3
1
Schlegelberger/Schröder
§ 61 R d n . 4 ; Schaub
I V 3 ; s o j e t z t a u c h MünchhrbK/Blomeyer
§ 57
2
Palandt/Heinrichs
§ 262 Rdn. 6 - 9 .
§ 50
Rdn. 29.
Henssler
515
Erstes Buch. Handelsstand
§61 2. Schadensersatz 4
a) Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs zugunsten des Prinzipals ist zunächst die schuldhafte Verletzung des Konkurrenzverbots durch den Handlungsgehilfen. Das Verschuldenserfordernis ist in § 61 zwar nicht ausdrücklich aufgestellt, es ergibt sich aber aus allgemeinen Grundsätzen der Schadensersatzhaftung. Analog § 282 B G B hat der Handlungsgehilfe zu beweisen, daß er den Verbotsverstoß nicht zu vertreten hat. In Betracht kommt etwa ein - unverschuldeter - Irrtum über das Vorliegen der Einwilligung i. S. des § 60 Abs. 2, ausnahmsweise auch ein Verbotsirrtum.
5
b) Der Verbotsverstoß muß für einen Schaden des Prinzipals adäquat kausal geworden sein. Der Schaden kann beispielsweise in den Aufwendungen liegen, die gemacht wurden, um drohende Nachteile abzuwenden oder zu mindern (BAG AP Nr. 5 zu § 60). Vor allem kommt aber ein dem Prinzipal infolge der unerlaubten Konkurrenzgeschäfte entgehender Gewinn (§ 252 B G B ) in Betracht. Dieser (hypothetische) Gewinn ist von dem Gewinn des Handlungsgehilfen zu unterscheiden. Er ist nur zu ersetzen, wenn der Prinzipal ihn wahrscheinlich gemacht hätte; hätte der Prinzipal hingegen das betreffende Geschäft selbst gar nicht abgeschlossen, bleibt ihm nur die Möglichkeit durch Ausübung seines Eintrittsrechts auf den Gewinn des Handlungsgehilfen Zugriff zu nehmen (RGZ 109, 355). An der erforderlichen Kausalität von Verbotsverstoß zu Schadenseintritt fehlt es, wenn bei korrektem Verhalten des Handlungsgehilfen der Prinzipal von der Geschäftsgelegenheit keine Kenntnis erhalten, und deswegen auch keinen Gewinn erzielt hätte. Darlegungs- und Beweislast für den geltend gemachten Schaden treffen nach allgemeinen Grundsätzen (mit der Erleichterung des § 252 B G B ) den Prinzipal.
6
c) Der Schadensersatzanspruch kann mit einem solchen aus § 826 BGB oder § 1 UWG zusammentreffen, der sich dann u. U. auch gegen Dritte richtet. 3. Eintrittsrecht
7
a) Der Prinzipal kann gem. § 61 Abs. 1 2. Hs. vom Handlungsgehilfen auf eigene Rechnung getätigte, verbotene Geschäfte an sich ziehen bzw. die Herausgabe der (für auf fremde Rechnung getätigte Geschäfte) verdienten Vergütung (bzw. Vergütungsansprüche) verlangen. Für den zweiten Fall ist die übliche Bezeichnung Eintrittsrecht nicht ganz zutreffend, weil die Beziehung zu der anderen Partei des verbotenen Geschäfts für den Anspruch des Prinzipals nicht unmittelbar relevant wird (vgl. auch Baumbach/ Duden/Hopt § 61 Anm. 3). Die einheitliche Bezeichnung ist aber deshalb gerechtfertigt, weil der Prinzipal in beiden Fällen die dem Handlungsgehilfen aus dem Verbotsverstoß erwachsenden Vorteile abschöpfen kann, wirtschaftlich also an dessen Stelle tritt. Diese Wahl bietet sich an, wenn der Gewinn des Handlungsgehilfen höher liegt, als der im Wege des Schadensersatzes liquidierbare, dem Prinzipal entgehende Gewinn (Rdn. 5). Ahnlich wie der Geschäftsherr bei unechter Geschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB) ist der Prinzipal hier u. a. der Beweisschwierigkeiten einer Schadensrechnung enthoben.
8
§ 61 Abs. 1 läßt erkennen, daß der Verbotsverstoß des Handlungsgehilfen die Wirksamkeit sowohl des Konkurrenzgeschäfts selbst als auch des Vergütungsanspruchs gegen den Auftraggeber unberührt läßt. § 60 ist somit keine Verbotsnorm i. S. des § 134 B G B {SchlegelbergerlSchröder § 61 Rdn. 6).
9
Hinsichtlich einzelner, vom Handlungsgehilfen auf eigene Rechnung getätigter Konkurrenzgeschäfte kann der Prinzipal verlangen, wie ein Auftraggeber gestellt zu werden. Wegen des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs s. oben Rdn. 2. Je nachdem, 516
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§61
ob das Geschäft schon abgewickelt ist oder nicht, richtet sich der Herausgabeanspruch des Prinzipals (analog § 667 B G B ) auf den erzielten Gewinn oder auf Abtretung des Anspruchs, den der Handlungsgehilfe gegenüber dem Geschäftsgegner erworben hat (zu Gegenansprüchen des Handlungsgehilfen Rdn. 15). Gegebenenfalls sind auch die zum Beweis der Forderung dienenden Urkunden herauszugeben (§ 402 B G B ) . Es erscheint zweifelhaft, ob der Handlungsgehilfe verpflichtet ist, ein vom Prinzipal in Anspruch genommenes, aber noch nicht durchgeführtes Geschäft zu Ende zu führen (dafür Bandasch/Etzel § 61 Rdn. 9). Bejahendenfalls wird man dem Handlungsgehilfen ein Kündigungsrecht nach Maßgabe des § 671 Abs. 2 B G B zubilligen müssen. Bei Geschäften, die der Handlungsgehilfe auf Rechnung Dritter getätigt hat, bleibt dem Prinzipal der Zugriff auf Ansprüche gegen den Geschäftsgegner verwehrt. Er ist vielmehr auf die Abschöpfung der zugunsten des Handlungsgehilfen eintretenden Vorteile (beispielsweise in Form einer Provision) beschränkt. Ein Anspruch des Prinzipals auf Fortführung solcher Geschäfte (etwa mit dem Ziel, daß Provisionen fällig werden) läßt sich nicht begründen.
10
c) Für den Fall des Verbotsverstoßes durch Betreiben eines Handelsgewerbes war 11 früher streitig, ob Eintrittsrecht bzw. Herausgabeanspruch des Prinzipals davon abhängen, daß das verbotene Gewerbe in den Handelszweig des Prinzipals einschlägt. Der Streit ist überholt, nachdem heute das Betreiben eines Handelsgewerbes nur mehr bei gegebener Konkurrenzsituation für verboten gehalten wird (vgl. § 60 Rdn. 7). Nach wie vor zweifelhaft ist aber, wie das Eintrittsrecht des Prinzipals bei unerlaubtem, auf eigene Rechnung betriebenem Handelsgewerbe des Handlungsgehilfen auszugestalten ist. Nach dem Wortlaut des § 61 Abs. 1 2. Hs. kann der Prinzipal hinsichtlich der einzelnen, im Rahmen des Handelsgewerbes getätigten Geschäfte wählen. Demgegenüber gibt die h. M. im Anschluß an R G J W 1911, 57 nur ein einheitliches Eintrittsrecht für alle zusammenhängenden Geschäfte. Der Prinzipal soll seinen Eintritt nicht auf einzelne, gewinnbringende Geschäfte innerhalb des vom Handlungsgehilfen betriebenen Handelsgewerbes beschränken können {Schlegelberger/Schröder § 61 Rdn. 6 c; MünchArbR/ Blomeyer § 50 Rdn. 34 m.w.N.).
12
In Anbetracht der gebotenen verfassungskonformen Interpretation, der zufolge ein Handelsgewerbe des Handlungsgehilfen überhaupt nur noch im Bereich des Handlungszweigs des Prinzipals verboten ist, erscheint diese Einschränkung nicht mehr gerechtfertigt. Vielmehr sollte der Prinzipal in Ausübung seines Eintrittsrechts für jeden Fall eines Konkurrenzgeschäfts frei sein, gleichgültig, ob die Verstöße des Handlungsgehilfen so gehäuft auftreten, daß man vom Betrieb eines Handelsgewerbes sprechen kann oder nicht. Die Gegenansicht führt zu Wertungswidersprüchen im Vergleich zur Vornahme von Einzelgeschäften, bei der die kritisierte „Rosinenauswahl" für zulässig erachtet wird. Der Normzweck rechtfertigt die Reduktion der Rechtsposition des Arbeitgebers nicht, da schutzwürdige Interessen des Vertragsbrüchigen Arbeitnehmers nicht ersichtlich sind.
13
d) Eine weitere Beschränkung soll gelten, wenn der Handlungsgehilfe sich verbotenerweise an einer konkurrierenden Gesellschaft beteiligt hat. Nach B A G AP Nr. 1 zu § 61 H G B kann der Prinzipal in diesem Fall weder Übertragung der Gesellschafterrechte noch Herausgabe der Gewinnanteile verlangen. Man wird hier zu unterscheiden haben. Einer Übertragung der Gesellschafterstellung des Handlungsgehlifen auf den Prinzipal steht die Natur dieses Rechts entgegen (Schlegelberger/Schröder § 61 Rdn. 6 e). Denn der Prinzipal
14
Henssler
517
§ 61
Erstes Buch. Handelsstand
kann in die damit verbundenen Pflichten nicht einrücken (so schon RGZ 73, 423). Die gleichen Bedenken gelten aber nicht hinsichtlich eines bereits verdienten Gewinnanteils des Handlungsgehilfen. Ein solcher Gewinn ist analog § 667 B G B als Ergebnis der Geschäftsführung herausgabepflichtig. Entgegen Schlegelberger/Schröder § 61 Rdn. 6 e kommt es nicht darauf an, ob der Prinzipal das verbotene Konkurrenzgeschäft selbst getätigt hätte, was z. B. bei Beteiligung des Handlungsgehilfen an einem Konkurrenzbetrieb kaum vorstellbar ist. Darin liegt gerade der Vorteil des Herausgabeanspruchs im Vergleich zum Schadensersatzanspruch (RGZ 109, 355). 15
e) Die Gegenansprüche des Handlungsgehilfen bei Ausübung des Eintrittsrechts durch den Prinzipal sind gesetzlich nicht geregelt. Analog § 670 B G B kann er Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er für das nunmehr als für Rechnung des Prinzipals getätigt anzusehende Konkurrenzgeschäft gemacht hat oder noch machen muß. Von Ansprüchen des Geschäftsgegners hat der Prinzipal den Handlungsgehilfen freizustellen. Gegebenenfalls trifft den Prinzipal analog § 669 B G B auch eine Pflicht zur Vorschußleistung. Der Handlungsgehilfe ist also, anders als der Geschäftsführer im Fall des § 687 Abs. 2 BGB, nicht auf die Geltendmachung von Bereicherungsansprüchen analog § 684 S. 1 B G B beschränkt. Ein zusätzlicher Vergütungsanspruch (Wert der eigenen Tätigkeit als Aufwendung analog § 670 BGB) des Handlungsgehilfen besteht regelmäßig nicht (differenzierend Schlegelberger/Schröder § 61 Rdn. 6 d). Zur Durchsetzung seiner Aufwendungsersatzansprüche hat der Handlungsgehilfe ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB. 4. Weitere Rechtsfolgen eines Pflichtverstoßes
16
Dem Arbeitgeber steht gegen pflichtwidrige Wettbewerbstätigkeit des Arbeitnehmers ein gesetzlich nicht geregelter Unterlassungsanspruch zu3. Voraussetzung ist das Vorliegen von Wiederholungsgefahr. Der Anspruch kann auch per einstweiliger Verfügung gem. § 935 Z P O (Leistungsverfügung) durchgesetzt werden 4 . Der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot kann den Arbeitgeber ferner zum Ausspruch einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung gem. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG 5 , bei schweren Verfehlungen sogar zur fristlosen Kündigung gem. § 626 B G B 6 berechtigen. Die Wirksamkeit des vom Handelsvertreter abgeschlossenen Geschäfts wird durch die Verbotsbestimmung nicht berührt. § 60 hat lediglich verpflichtenden Charakter und ist daher kein Verbotsgesetz i. S. v. § 134 BGB. 5. Verjährung (Abs. 2)
17
a) Abs. 2 enthält eine Sonderregelung der Verjährung, die aber nicht nur für die aus Abs. 1 herzuleitenden Ansprüche gilt, sondern nach allgemeiner Meinung auch für alle damit konkurrierenden Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche des Prinzipals (RGZ 63, 253; B A G BB 1986, 1296) sowie den Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung (BAG NJW 1986, 2527). In gleicher Weise erfaßt die kurze Verjährung
3
R G Z 63, 252; 73, 423; B A G AP Nr. 7 zu § 611 B G B Treuepflicht; L A G Köln L A G E Nr. 1 zu §
611 BGB Treuepflicht; Briiggemann/Würdinger § 60, Anm. 4; MiinchArbR/Blomeyer § 50, Rdn.
4
5 6
LAG
EzA
Nr.
1 zu
L A G Düsseldorf VersR 1991, 366.
42. 518
Hamm
§ 935
MünchArbR/Blomeyer, § 50, Rdn. 42. WlünchkrhK/Blomeyer, § 50, Rdn. 43.
Henssler
ZPO;
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§62
einen gem. §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 B G B begründeten Herausgabeanspruch 7 . Ausgenommen sind Ansprüche, die nicht unmittelbar aus dem Wettbewerbsverstoß herrühren, etwa dem Anspruch auf Schadensersatz wegen einer pflichtwidrigen Verfügung über das Betriebsvermögen. Auf Ansprüche gegenüber anderen Arbeitnehmern (ζ. B. technischen Angestellten; B A G AP Nr. 8 zu § 60 H G B ) ist Abs. 2 unanwendbar. b) Die Drei-Monats-Frist des Abs. 2 läuft ab Kenntnis des Prinzipals von dem Abschluß des verbotenen Geschäfts. Nach h. M. reicht Kenntnis von dem Verbotsverstoß aus (Schlegelberger/Schröder § 61 Rdn. 7), was sich insbesondere im Fall des verbotenen Betriebs eines Handelsgewerbes auswirkt. Der nähere Inhalt der verbotenen Geschäfte braucht dem Prinzipal jedenfalls nicht bekanntgeworden zu sein ( O L G Hamburg 7, 149).
18
In Anbetracht dieser, aus der Sicht des Prinzipals strengen Auslegung des Abs. 2 kommt der Möglichkeit, im Wege einer Stufenklage gem. § 254 Z P O zunächst Auskunft und Rechnungslegung zu verlangen, besondere Bedeutung zu. Denn die Kenntnis von einer verbotenen Tätigkeit des Handlungsgehilfen setzt den Prinzipal regelmäßig noch nicht in den Stand, seinen Hauptanspruch zu wählen und mit ausreichend bestimmtem Antrag zu verfolgen und dadurch die Verjährung zu unterbrechen (zur Verjährungsunterbrechung durch Stufenklage B A G B B 1986, 1296).
19
Zweifelhaft ist, inwieweit dem Prinzipal die Kenntnis von Vertretern zuzurechnen ist. Bei gesetzlicher Vertretung findet die Zurechnung statt. Hingegen kann die Kenntnis eines rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters den Fristlauf nur dann in Gang setzen, wenn die betreffende Vollmacht die Gestaltung des Handlungsgehilfenvertrags, insbesondere die Erteilung einer Einwilligung i. S. des § 60 Abs. 1 umfaßt. Bei Prokura ist dies generell der Fall. Die Kenntnis des verbotswidrig tätigen Handlungsgehilfen selbst (oder eines an dem Verbotsverstoß Beteiligten) ist irrelevant (Schlegelberger/Schröder § 61 Rdn. 7).
20
c) Unabhängig von der Kenntnis des Prinzipals läuft die fünfjährige Verjährungsfrist ab Abschluß der einzelnen Geschäfte. Für den Fall des unerlaubten Betreibens eines Handelsgewerbes soll der Zeitpunkt der Tätigkeitsaufnahme maßgeblich sein (Schlegelberger/Schröder § 61 Rdn. 8). Auch hier ist jedoch auf die Einzelgeschäfte abzustellen (vgl. oben Rdn. 12 sowie Roehsler/Borrmann S. 61).
21
d) Die Fristberechnung erfolgt gem. § 187 ff B G B . § 201 B G B ist unanwendbar.
22
§62 (1) D e r Prinzipal ist verpflichtet, die Geschäftsräume und die für den Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrichtungen und Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten, auch den Geschäftsbetrieb und die Arbeitszeit so zu regeln, daß der Handlungsgehilfe gegen eine Gefährdung seiner Gesundheit, soweit die N a t u r des Betriebs es gestattet, geschützt und die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes gesichert ist. 7
Schaub § 57 IV 6; Bandasch/Etzel § 61 Rdn. 16; BAG NZA 1988, 200; vgl. ferner BAG AP Nr. 3 zu § 687 BGB. Henssler
519
§62
Erstes Buch. Handelsstand
(2) Ist der Handlungsgehilfe in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so hat der Prinzipal in Ansehung des Wohn- und Schlafraums, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen und Anordnungen zu treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit, die Sittlichkeit und die Religion des Handlungsgehilfen erforderlich sind. (3) Erfüllt der Prinzipal die ihm in Ansehung des Lebens und der Gesundheit des Handlungsgehilfen obliegenden Verpflichtungen nicht, so finden auf seine Verpflichtung zum Schadensersatze die für unerlaubte Handlungen geltenden Vorschriften der §§ 842 bis 846 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. (4) Die dem Prinzipal hiernach obliegenden Verpflichtungen können nicht im voraus durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. Übersicht Rdn.
Rdn. I. Einordnung und Bedeutung 1. Gesetzlich geregelte Fürsorgepflicht . . .
1
3. Bedeutung II. Pflichten gem. Abs. 1 1. Gegenständlicher Bereich 2. Inhalt der Pflicht
Gemeinschaft (Abs. 2)
1
IV. Sanktionen bei Pflichtverletzung
2. Verhältnis zu anderen Privatrechtsnormen
III. Fürsorgepflicht bei häuslicher 14 17
2
1. Schadensersatz gem. Abs. 3
17
3
2. Deliktsansprüche
22
7
3. Weitere Sanktionen
23
7
V. Unabdingbarkeit (Abs. 4)
25
10
I. Einordnung und Bedeutung 1. Gesetzlich geregelte Fürsorgepflicht 1
§ 62 gilt als besondere Ausprägung der allgemeinen Fürsorgepflicht des Prinzipals (allg. Meinung, vgl. etwa SchlegelbergerlSchröder § 62 Rdn. 1 sowie oben § 59 Rdn. 142). Er bezweckt die Abwehr von Gefahren, die der Gesundheit des Arbeitnehmers im Rahmen des Vertragskontakts drohen und statuiert damit eine der wichtigsten Nebenpflichten des Arbeitgebers. Die besondere Fürsorgepflicht des § 62 beruht auf Vertrag, ihre Erfüllung liegt aber zugleich im öffentlichen Interesse (RGZ 87, 84, vgl. Rdn. 3 ff sowie Jung NJW 1985, 2729). § 62 ist nicht analogiefähig, kann also nicht zum Schutz von Arbeitnehmereigentum herangezogen werden (BAG AP Nr. 26 zu § 611 B G B Fürsorgepflicht). Abs. 2 bis 4 des § 62 gelten nicht in den neuen Bundesländern (vgl. vor § 59 Rdn. 9b). 2. Verhältnis zu anderen Privatrechtsnormen
2
Inhaltlich entspricht § 62 im wesentlichen den §§ 618, 619 BGB, die insoweit als allgemeinere Regeln durch die Spezialnorm verdrängt werden. Abs. 1 verpflichtet den Prinzipal zu möglichst sicherer Einrichtung und Organisation des Betriebs (Rdn. 7 ff). Anders als §§ 618 Abs. 1 B G B dient § 62 ausdrücklich auch der Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstands. Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 62 wird die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes auf die allgemeine Fürsorgepflicht gestützt1. Für den Fall der Aufnahme des Handlungsgehilfen in die häusliche Gemeinschaft verpflichtet Abs. 2 - in exakter Ubereinstimmung mit § 618 Abs. 2 B G B - den Prinzipal dazu, die gesundheitlichen, sittlichen und religiösen Belange des 1
MünchKomm/Lorercz § 618, Rdn. 2.
520
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§62
Handlungsgehilfen zu berücksichtigen (Rdn. 14 ff). Abs. 3 verweist ebenso wie § 618 Abs. 3 BGB f ü r die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung auf N o r m e n des Deliktsrechts. Abs. 4 erklärt die beschriebenen Pflichten f ü r unabdingbar (ebenso § 619 BGB). 3. Bedeutung Nach heute h. M. sind die in Abs. 1 und 2 geregelten Pflichten des Prinzipals im Wege 3 der Erfüllungsklage erzwingbar 2 . Die Klage auf Herstellung des vertragsmäßigen Zustande der Geschäftsräume usw. ist jedoch nur von geringer praktischer Bedeutung. § 62 wird zunächst durch die öffentlich-rechtlichen N o r m e n des technischen 4 Arbeitsschutzes überlagert. Er konkurriert mit der öffentlich-rechtlichen Befugnis der Gewerbeaufsichtsbehörden, die diejenigen Maßnahmen anordnen, die zur D u r c h f ü h r u n g der Pflichten des § 62 Abs. 1 erforderlich erscheinen (§ 139 g G e w O ; zur Durchsetzung § 147 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 G e w O ) . Das öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzrecht, dessen Vorschriften vielfach bußgeldbeschwert sind, hat sich in der Vergangenheit als effektiv erwiesen. Es läßt für den zivilrechtlichen Arbeitnehmerschutz nur wenig Raum. Hinzu kommt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Angelegenheiten der 5 Unfallverhütung (§ 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG) sowie dessen allgemeine Zuständigkeit in Fragen des Arbeitsschutzes (§ 89 BetrVG). Es wird f ü r den Handlungsgehilfen oft einfacher sein, beim Betriebsrat die Einschaltung der zuständigen Behörden anzuregen, als selbst den Rechtsweg zu beschreiten (s. a. M ü n c h K o m m / L o r e n z § 618 Rdn. 4). Auch der Schadensersatzanspruch des § 62 Abs. 3 wird in der Praxis kaum jemals 6 durchgesetzt. O f t wird der Gesundheitsschaden nämlich durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vermittelt, so daß die N o r m e n des Sozialversicherungsrechts (§§ 548, 551 RVO) eingreifen. Die Ersatzpflicht des Prinzipals ist dann i. d. R. gem. §§ 636 ff R V O ausgeschlossen. Das sog. Haftungsprivileg des Arbeitgebers bei Arbeitsunfällen greift nur dann nicht ein, wenn der Unfall vom Arbeitgeber vorsätzlich herbeigeführt wurde oder sich bei der Teilnahme des Arbeitnehmers am allgemeinen Verkehr ereignet hat 3 .
II. Pflichten gem. Abs. 1 1. Gegenständlicher Bereich Die Pflicht des Prinzipals zur sicheren Einrichtung der Geschäftsräume und der für 7 den Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrichtungen und Gerätschaften ist heute durch die (u. a. aufgrund von § 139 h G e w O ) erlassene ArbstättVO (vom 20. 3. 1975, BGBl. I 729) konkretisiert. Die Verordnung wird ihrerseits durch - allerdings nicht rechtsverbindliche - Arbeitsstättenrichtlinien (abgedruckt bei Nipperdey II) ergänzt. Geschäftsräume i. S. des Abs. 1 sind die d e m Geschäftsbetrieb dienenden 8 Grundstücke, Gebäude und Gebäudeteile, einschließlich der Zugänge und Nebenräume. Voraussetzung ist nur, daß der Handlungsgehilfe anläßlich seiner Dienstleistung (befugtermaßen) mit ihnen in Berührung kommt. Die schon früher anerkannte weite Auslegung 4 ist jetzt durch den Begriff der Arbeitsstätte (§ 2 ArbStättVO) bestätigt, der u. a. Verkehrswege, Lagerräume, Pausenräume und Sanitärräume ausdrücklich einbezieht. 1
3
LAG Düsseldorf BB 1965, 245; Schlegelberger/ Schröder % 62 Rdn. 18. BAG BB 1975, 1640; BAGE 3, 103; OLG
4
Düsseldorf VersR 1972, 389; BGH NJW 1992, 537 ff. Vgl. RG Gruch Betr. 48, 346; RG JW 1906, 460.
Henssler
521
Erstes Buch. Handelsstand
§62 9
U n t e r den Begriff der V o r r i c h t u n g e n und G e r ä t s c h a f t e n i. S. des Abs. 1 (ebenso § 618 Abs. 1 B G B ) fällt alles, was der Prinzipal zur D u r c h f ü h r u n g des Geschäftsbetriebs bereitstellt (Maschinen, Aufzüge, sonstige, auch einfache Arbeitsgeräte wie Stühle). U b e r die an technische Arbeitsmittel zu stellenden Anforderungen vgl. das G e r S i G ( v o m 24. 6. 1968 B G B l . I 717, zuletzt geändert 1986 B G B l . I 265).
10
D e r Prinzipal muß die Geschäftsräume usw. so e i n r i c h t e n und u n t e r h a l t e n , daß Gefahren für die G e s u n d h e i t des Handlungsgehilfen möglichst ausgeschlossen werden. D i e Sicherungspflicht trifft den Prinzipal somit fortlaufend. I h r U m f a n g ist ebenfalls weitgehend durch die A r b S t ä t t V O konkretisiert. Vgl. dort §§ 5 ff (allg. Anforderungen an R ä u m e , Verkehrswege, Einrichtungen, u. a. hinsichtlich Lüftung, Freiheit von Tabakrauch 5 , Raumtemperatur, Beleuchtung, Lärmschutz), §§ 23 ff (besondere Anforderungen an Arbeitsräume, u. a. G r ö ß e ) , §§ 2 9 ff (Pausenräume), §§ 34 ff (Sanitärräume). § 3 Abs. 1 Ziff. 1 A r b S t ä t t V O verpflichtet den Arbeitgeber allgemein dazu, die anerkannten sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen und hygienischen Regeln sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu beachten (vgl. noch § 91 B e t r V G zur D u r c h setzung). D e n Arbeitsschutzvorschriften k o m m t danach eine W i r k u n g zu, sofern die technische N o r m überhaupt Gegenstand einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung sein kann ( B A G A P Nr. 17 zu § 6 1 8 B G B ; vgl. auch §§ 6 f A r b S c h G ) . Sie bilden grundsätzlich die O b e r g r e n z e dessen, was der A r b e i t n e h m e r aus § 62 verlangen kann 6 . N u r bei besonders schutzbedürftigen A r b e i t n e h m e r n k ö n n e n im Einzelfall weitergehende Pflichten zu bejahen sein 7 . Konkretisiert wird die Sicherungspflicht des Arbeitgebers auch durch die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften ( B A G A P Nr. 17 zu § 6 1 8 BGB).
11
D i e Pflicht z u r gefahrensicheren E i n r i c h t u n g u n d U n t e r h a l t u n g b e s t e h t o h n e R ü c k s i c h t darauf, o b die Einrichtung als solche e r f o r d e r l i c h ist. Auch freiwillig zur Verfügung gestellte Sozialräume müssen den Sicherheitsanforderungen genügen.
12
D i e gem. § 62 A b s . 1 dem Prinzipal obliegende Verpflichtung zur gesundheitsschonenden R e g e l u n g des G e s c h ä f t s b e t r i e b s und der Arbeitszeit überschneidet sich mit der in R d n . 10 beschriebenen Pflicht. D e r Prinzipal muß beispielsweise einer gesundheitsgefährdenden Überlastung des Handlungsgehilfen ( B A G E 19, 2 8 8 ) , gegebenenfalls auch einer bestehenden Ansteckungsgefahr vorbeugen. Z u r Regelung des Geschäftsbetriebs gehören auch Vorkehrungen bzw. A n o r d n u n g e n für die Beförderung der A r b e i t n e h m e r v o m oder z u m Arbeitsplatz oder für die Ausführung von Dienstfahrten ( R G Z 77, 4 0 8 ) . Wegen der Verwendung gefährlicher Arbeitsstoffe s. die G e f a h r s t o f f V O (v. 26. 8. 1986 B G B l . I 1470). U b e r § 6 1 8 Abs. 1 B G B hinausgehend gibt § 62 A b s . 1 dem Handlungsgehilfen auch einen Anspruch auf ungefährliche Regelung der Arbeitszeit.
13
D i e Fürsorgepflicht des A b s . 1 besteht nur im R a h m e n des Möglichen „soweit die N a t u r des Betriebs es gestattet". E i n völlig gefahrloser B e t r i e b ist nicht in jedem Fall realisierbar (dazu L A G Düsseldorf B B 1965, 245).
2. Inhalt der Pflicht
5
6
Vgl. hierzu ArbG Berlin DB 1988, 2518; ArbG Hbg DB 1989, 1142. So für § 618 BGB auch Soergel/Kraft § 618 Rdn. 32.
522
7
Zum Schutz gegen Aids-Infektion s. Richardi NZA 1988, 73, 78.
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§62
III. Fürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft (Abs. 2) Bei Aufnahme des Handlungsgehilfen in die häusliche Gemeinschaft trifft den 1 4 Prinzipal eine dem gesteigerten Kontakt entsprechende erweiterte Fürsorgepflicht. Diese Regelung gilt nicht für den Prinzipal in den neuen Bundesländern (vgl. bereits Rdn. 1). Ob darunter auch die Aufnahme in ein Wohnheim oder eine Gemeinschaftsunter- 1 5 kunft fällt, ist zweifelhaft8. Soweit Wohnung und (oder) Kost als Teil des Entgelts gewährt werden, sollte § 62 Abs. 2 zumindest analog angewendet werden. Ansonsten ist der Handlungsgehilfe auf miet- bzw. deliktsrechtliche Ansprüche beschränkt. Uber die Ausgestaltung der hinsichtlich der Wohn- und Schlafräume, der Verpflegung 1 6 und der Erholungszeit zu erfüllenden Pflichten entscheidet im Zweifel die Verkehrssitte. Der Prinzipal schuldet Rücksicht auf die Gesundheit des Handlungsgehilfen im weiten Sinn der W H O ; der dort verwendete Gesundheitsbegriff umfaßt das geistige und soziale Wohlbefinden9.
IV. Sanktionen bei Pflichtverletzung 1. Schadensersatz gem. Abs. 3 a) Nur eine schuldhafte Verletzung der Fürsorgepflicht (für Leben und Gesundheit 1 7 des Handlungsgehilfen) macht den Prinzipal nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung ersatzpflichtig. Ebenso wie die Parallelvorschrift des § 618 Abs. 3 B G B begründet auch § 62 Abs. 3 keinen eigenständigen Ersatzanspruch (vgl. Rdn. 2 sowie Staudinger/Mohnen, § 618 Rdn. 43). Für die Sorgfaltsanforderungen gilt ein strenger Maßstab. Eine Sorgfaltspflichtverletzung kann auch vorliegen, wenn der Gefahrenzustand unter Mitwirkung des Betriebsrats geschaffen worden ist (dazu Scblegelberger/Schröder § 62 Rdn. 3). Der Prinzipal muß die gelegentliche Unaufmerksamkeit oder ein bereits vorhandenes körperliches Leiden in Rechnung stellen (RG GruchBeitr. 62, 111; R G LZ 1917, 1341). b) Das Verschulden von Erfüllungsgehilfen ist dem Prinzipal gem. § 278 B G B zuzu- 1 8 rechnen. Wegen des vertraglichen Charakters der Fürsorgepflicht kann ein Entlastungsbeweis (§ 831 BGB) nicht geführt werden (RGZ 77, 408). c) Der Handlungsgehilfe genügt seiner Beweislast, wenn er den objektiven Tatbestand 1 9 einer Fürsorgepflichtverletzung nachweist. Der Prinzipal muß dann den Beweis fehlenden Verschuldens führen (BAG AP Nr. 1 und 16 zu § 618 BGB). d) Der Schaden wird meist infolge einer Gesundheitsbeeinträchtigung eintreten. Die 2 0 Beweislast für den Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden trägt der Handlungsgehilfe (BAG aaO). Gegebenenfalls kommen ihm dabei die Grundsätze über den Anscheinsbeweis zugute. Wegen des Umfangs der Ersatzpflicht verweist § 62 Abs. 3 auf §§ 842 bis 846 BGB. Die Verletzung einer Vertragspflicht kann hier also ausnahmsweise Schadensersatzansprüche Dritter begründen (§§ 844 f BGB). Mitwirkendes Verschulden mindert den Schadensersatzanspruch des Handlungsgehilfen (§ 254 BGB). 8
Bejahend für § 618 B G B BAG AP Nr. 1 zu § 618 B G B sowie MünchKomm/Lorenz § 618 Rdn. 50 m.w.N.; verneinend Schlegelberger/Schröder § 62 Rdn. 12.
9
In diesem Sinn für § 120 c GewO MünchKomm/ Lorenz § 618 Rdn. 53.
Henssler
523
§ 62
21
Erstes Buch. Handelsstand
e) Der Schadensersatzanspruch folgt im übrigen den Regeln des Vertragsrechts. Er umfaßt somit kein Schmerzensgeld (§ 847 B G B ) und verjährt in der Regelfrist des § 195 BGB. Er nimmt im Konkurs des Prinzipals nicht an dem Privileg der Entgeltansprüche (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 KO) teil (RGZ 87, 82). 2. Deliktsansprüche
22
Als konkurrierender Tatbestand kommt vor allem § 823 Abs. 1 (Gesundheitsverletzung) in Betracht. Das Verschulden des Prinzipals muß sich in diesem Fall auf die Rechtsgutsverletzung selbst (nicht nur den gefährlichen Zustand) beziehen. Ob § 62 zugleich als Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 B G B zu gelten hat, ist umstritten, in Anbetracht der eigenständigen Ausgestaltung der Rechtsfolgen aber zu verneinen10. 3. Weitere Sanktionen
23
a) Ein Verstoß des Prinzipals gegen die Fürsorgepflicht des § 62 berechtigt den Handlungsgehilfen gem. § 273 B G B insoweit zur Zurückbehaltung, als er sich bei Erbringung der Dienste einer konkreten Gesundheitsgefährdung aussetzen würde. Das Zurückbehaltungsrecht kann nicht nach § 273 Abs. 3 B G B durch Sicherheitsleistung abgewendet werden (MünchKomm/Lorenz § 618 Rdn. 68). Die Vergütungspflicht des Prinzipals bleibt gem. § 615 B G B bestehen. Er gerät auch bei Annahmebereitschaft dadurch in Annahmeverzug, daß er die geschuldete Fürsorgepflicht nicht erfüllt (§ 298 BGB).
24
b) Je nach den Umständen entsteht für den Handlungsgehilfen ein Grund zur fristlosen Kündigung (§ 626 BGB). Ein wichtiger Grund liegt beispielsweise vor, wenn der Prinzipal sich weigert, den gefahrdrohenden und pflichtwidrigen Zustand zu beseitigen.
V. Unabdingbarkeit (Abs. 4) 25
Zum Schutz des Handlungsgehilfen und im Hinblick auf das öffentliche Interesse sind vertragliche (auch kollektiv-vertragliche) Einschränkungen der Fürsorgepflicht (i. S. des § 62) unzulässig (vgl. dazu auch Rdn. 2). Entgegen Schlegelberger/Schröder § 62 Rdn. 21 c spielt es keine Rolle, ob der Prinzipal die betreffenden Räume oder Einrichtungen freiwillig zur Verfügung gestellt hat. § 62 gibt für eine derartige Unterscheidung keinen Anhalt. Tarifvertragliche Ausschlußfristen werden von dem Verbot nicht erfaßt (S 59 Rdn. 136).
26
Nach Auffassung des BAG (BAGE 7, 280) können Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der allgemeinen Fürsorgepflicht grundsätzlich abbedungen werden. Wegen der überragenden Bedeutung des Gesundheitsschutzes läßt sich diese Auffassung auf die besonderen Ausprägungen des § 62 jedoch nicht übertragen. Erst nach Eintritt eines Schadensfalls unterliegt der Ersatzanspruch des Handlungsgehilfen der Parteidisposition. Das folgt aus dem offensichtlich auf Prävention beschränkten Regelungszweck des Abs. 4.
10
Vgl. RGRK/Würdinger § 62 Rdn. 12 a. E.; a. M. Schlegelberger/Schröder § 62 Rdn. 17; Nachweis zum Streitstand für § 618 BGB MünchKomm/ Lorenz $ 618 Rdn. 76.
524
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§63
§63 (1 ) Wird der Handlungsgehilfe durch unverschuldetes Unglück an der Leistung der Dienste verhindert, so behält er seinen Anspruch auf Gehalt und Unterhalt, jedoch nicht über die Dauer von sechs Wochen hinaus. Eine nicht rechtswidrige Sterilisation und ein nicht rechtswidriger Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt gelten als unverschuldete Verhinderung an der Dienstleistung. Der Handlungsgehilfe behält diesen Anspruch auch dann, wenn der Arbeitgeber das Dienstverhältnis aus Anlaß dieser Verhinderung kündigt. Das gleiche gilt, wenn der Handlungsgehilfe das Dienstverhältnis aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grunde kündigt, der den Handlungsgehilfen zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt. Der Anspruch kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. (2) Der Handlungsgehilfe ist nicht verpflichtet, sich den Betrag anrechnen zu lassen, der ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer Krankenoder Unfallversicherung zukommt. Eine Vereinbarung, welche dieser Vorschrift zuwiderläuft, ist nichtig. S c h r i f t t u m Becker Unterschiedliche Behandlung von Arbeitern, Angestellten und Dienstschuldnern im Krankheitsfall und verfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot, DB 1987,1090; Becker Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, 2. Aufl. 1987; Denck Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Gurtanschnallpflicht, RdA 1980, 246; Giese Verschuldete Arbeitsunfähigkeit bei Suchterkrankungen, BB 1972, 360; Grunsky Zur Haftung bei Sportunfällen, J Z 1975, 109; Eich Rechtsfragen bei Krankheit des Arbeitnehmers, BB 1988, 197 ff; P. Hofmann Zur Problematik des Verschuldens bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, ZfA 1979, 275; Hunold Krankheit des Arbeitnehmers, 2. Aufl. 1990; Korkhaus Ist Trunksucht eine (selbst) verschuldete Krankheit? BB 1979, 377; Lepke Zur Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer sog. Fortsetzungserkrankung i. S. von § 1 Abs. 1 S. 2 1. HS LohnfortzahlungsG, DB 1983, 447; Lieb Zur Problematik der Provisionsfortzahlung im Urlaubs-, Krankheits- und Feiertagsfall, DB 1976, 2206; Marburger Aktuelle Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Dauer der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, RdA 1984, 28; Moll Dienstvergütung bei persönlicher Verhinderung, RdA 1980, 138; Schneider Lohnfortzahlung bei Selbstmordversuch des Arbeitnehmers, MDR 1975, 111; Schulin Anfängliche Arbeitsunfähigkeit im Lohnfortzahlungsrecht, ZfA 1978, 215; Schwerdtner Unzumutbar hohe Lohnfortzahlungskosten und krankheitsbedingte Kündigung, DB 1990, 375. G e m ä ß Art. 59 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der 1 Pflegebedürftigkeit vom 26. 5. 1994 ( B G B l . 1 1 0 1 4 ) wurde § 63 H G B aufgehoben. An seine Stelle ist das am 1 . 6 . 1994 in Kraft getretene EntgfG getreten (dazu Feldgen D B 1994, 1289 ff; Marschner, Z A P 1994, 241 ff). N a c h Nr. 67 Abs. 1 behält § 63 H G B Gültigkeit lediglich für die Handlungsgehilfen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EntgfG arbeitsunfähig waren. Das gilt aber nur insoweit, als § 63 H G B eine günstigere Regelung traf. Für die Fälle, die noch in den Geltungsbereich der Vorschrift fallen können, wird auf die Kommentierung der Vorauflage verwiesen. Das EntgfG sieht nun eine einheitliche Regelung für alle Arbeitnehmer vor. Neben den Auszubildenden sind alle Arbeiter und Handlungsgehilfen, unabhängig von der Dauer ihrer Beschäftigung und dem Umfang ihrer Arbeitsleistung, in den Anwendungsbereich des EntgfG einbezogen. Gemäß § 3 Abs. 1 EntgfG haben sie wie bisher einen Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen ihren Arbeitgeber bei nicht verschuldeter Arbeitsunfähigkeit im Krankeitsfalle, zeitlich begrenzt auf 6 Wochen. Die H ö h e des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts richtet sich unter Aufrechterhaltung der bislang geltenden Grundsätze gemäß § 4 Abs. 1 EntgfG nach dem sog. modifizierten Lohnausfallprinzip.
Henssler
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2
§64
Erstes Buch. Handelsstand
§64 Die Zahlung des dem Handlungsgehilfen zukommenden Gehalts hat am Schlüsse jedes Monats zu erfolgen. Eine Vereinbarung, nach der die Zahlung des Gehalts später erfolgen soll, ist nichtig. 1. Gegenstand und Anwendungsbereich 1
Die Vorschrift regelt die Fälligkeit des Anspruchs auf Gehalt. Wie die allgemeine Norm des § 614 B G B geht sie von der Vorleistungspflicht des Dienstverpflichteten aus. § 614 S. 2 B G B stellt die Festlegung der Zeitabschnitte, nach deren Ablauf die Vergütung jeweils fällig wird, zur Disposition der Parteien. In Abweichung davon setzt § 64 S. 1 die Fälligkeit (halbzwingend, S. 2) auf den Schluß jedes Monats fest.
2
Gehalt i. S. von § 64 ist nur die feste, laufende Vergütung in Geld. Wechselnde Bezüge, Gratifikationen und Sachbezüge fallen nicht unter die Vorschrift. Wegen der Fälligkeit von Provisionen s. § 65 i. V. m. § 87 a; eine fest zugesagte Mindestprovision ist aber als Gehalt anzusehen. Zur Fälligkeit von Tantiemen s. § 59 Rdn. 106. Eine Pflicht des Prinzipals zur monatlichen Zahlung von Abschlägen hierauf ergibt sich aus § 64 nicht (Schlegelberger/Schröder § 64 Rdn. 2). Ist das Gehalt nach längeren Zeitabschnitten festgesetzt, muß es zur Ermittlung des monatlich fällig werdenden Betrags durch die Zahl der in den Zeitabschnitt fallenden Monate geteilt werden. 2. Fälligkeitszeitpunkt
3
Die Monatsfrist, mit deren Ablauf das Gehalt fällig wird, berechnet sich nach dem vereinbarten Beginn der Dienstleistung bzw. dem letzten Fälligkeitszeitpunkt. Die vereinbarte Zahlung am Ende des Kalendermonats verstößt bei Dienstbeginn im Laufe des Monats aber nicht gegen § 64, weil dadurch der Zeitpunkt der ersten Fälligkeit vorverlegt wird (vgl. § 64 S. 2).
4
Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Monats, ist die (anteilige) Vergütung sofort fällig. Dies ergibt sich aus § 614 S. 1 BGB. Bei Fälligkeit an einem Samstag, Sonn- oder Feiertag gilt § 193 BGB.
5
Da die Leistungszeit kalendermäßig bestimmt ist, kommt der Prinzipal durch Zeitablauf (ohne Mahnung) in Verzug (§ 284 Abs. 2 BGB). 3. Leistungsort
6
Über die Modalitäten der Leistung sagt § 64 nichts. Es gelten die §§ 269, 270 BGB. Gewöhnlicher Leistungsort für die Gehaltszahlungspflicht ist im Hinblick auf die Einheitlichkeit des Leistungsorts bei Arbeitsverhältnissen die Niederlassung des Prinzipals, in der der Handlungsgehilfe beschäftigt wird1.
7
Bei Auswärtsbeschäftigung kann sich gem. § 270 Abs. 1 B G B die Pflicht des Prinzipals zur Übermittlung ergeben. Zur Überweisung (auf seine Kosten und seine Gefahr) verpflichtet ist der Prinzipal auch bei der heute die Regel bildenden Vereinbarung bargeldloser Zahlung. Der Leistungsort bleibt in diesen Fällen aber unverändert (§ 270 Abs. 4 BGB).
1
§ 269 BGB; dazu LAG Berlin AP Nr. 3 zu § 269
BGB; Rewolle BB 1979, 170. 526
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 65
4. Reichweite des S. 2 Leistungsort und Leistungszeit für die Vergütung unterliegen nach allgemeinem 8 Dienstvertragsrecht der Parteidisposition. Die Regelung erfolgt o f t auch d u r c h Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung (Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG). Hingegen kann der Fälligkeitszeitpunkt für das Gehalt (i. S. des § 64) des H a n d - 9 lungsgehilfen keinesfalls, auch nicht teilweise (bei vereinbarter Abschlagszahlung) über die in S. 1 genannte Zeit hinaus verlegt werden. Eine Vorverlegung ist hingegen zulässig. Sie wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn das Gehalt nach kürzeren Zeitabschnitten als einem Monat bemessen ist. Zulässig wäre auch eine Vereinbarung, wonach der Prinzipal vorleistungspflichtig ist (auch teilweise, bei Vereinbarung von Vorschußzahlungen).
10
Schließlich kann das fällig gewordene Gehalt nachträglich gestundet werden (KB 32). 11 Eine gem. S. 2 unwirksame Vereinbarung wird durch die gesetzliche Regelung des S. 1 ersetzt. Sie führt nicht zur Gesamtnichtigkeit des Arbeitsvertrages. 5. Neue Bundesländer § 64 gilt nicht in den neuen Bundesländern (vgl. vor § 59, Rdn. 9b).
12
§65 Ist bedungen, daß der Handlungsgehilfe für Geschäfte, die von ihm geschlossen oder vermittelt werden, Provision erhalten solle, so sind die für die Handelsvertreter geltenden Vorschriften des § 87 Abs. 1 und 3 sowie der §§ 87 a bis 87 c anzuwenden. Übersicht Rdn.
Rdn. 1. Anwendungsbereich der Vorschrift und Umfang der Verweisung
2. Besonderheiten des arbeitsrechtlichen Provisionsanspruchs 3. Provision als Gehaltsbestandteil
10 17
§ 65 gilt i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des H G B (Recht der Handelsvertreter) vom 1 6. 8. 1953 (BGBl. I 771). Das Gesetz hat die Rechte des Handelsvertreters (früher: Handelsagenten) verbessert. Der Handlungsgehilfe hat - im Umfang der ausgesprochenen Verweisung - an der Verbesserung teil. 1. Anwendungsbereich der Vorschrift und U m f a n g der Verweisung a) Die Vorschrift regelt den Provisionsanspruch des Handlungsgehilfen. Provision ist 2 ein erfolgsbezogenes Entgelt. Im Gegensatz zur Tantieme (§ 59 Rdn. 109) orientiert sie sich am Umsatz, nicht am Gewinn. Provision ist eine typische Form des Entgelts f ü r selbständige Geschäftsbesorgung (vgl. im übrigen § 87). Die Bezeichnung ist nicht entscheidend. Auch eine am individuellen Umsatz des Handlungsgehilfen bemessene Erfolgsbeteiligung („Umsatzbonus") hat Provisionscharakter (BAG Nr. 3 zu § 65). § 65 regelt den Sonderfall der Vereinbarung von Provision als Entgelt für unselbständige Dienste, wobei die Provision entweder neben ein Festgehalt treten, oder die einzige Vergütungsform bilden kann. Henssler
527
3
Erstes Buch. Handelsstand
§65 4
Ist dem Handlungsgehilfen eine monatliche Mindesteinnahme aus Provisionen garantiert, darf die Differenz zwischen tatsächlich erarbeiteter Provision und Mindestgehalt im Zweifel nicht durch Uberschüsse aus anderen Monaten verrechnet werden ( B A G AP Nr. 8 zu § 65). Ein tarifvertragliches Mindestgehalt kann durch Vereinbarung eines (für sich genommen unzureichenden) Fixums und einer Garantieprovision abgedeckt werden ( B A G D B 1987, 1257).
5
Auch bei der selteneren zweiten Fallgestaltung - Provision als einzige Vergütung muß es dem Handlungsgehilfen aber möglich sein, durch vollen Einsatz seiner Arbeitskraft in den Genuß eines ausreichenden Einkommens zu gelangen. Anderenfalls verstößt die Vergütungsabrede gegen die guten Sitten 1 . Die Beweislast hierfür trägt der Handlungsgehilfe 2 .
6
§ 65 geht in seinem Wortlaut davon aus, daß eine ausdrückliche Abrede über die Provision getroffen wurde. E r ist aber auch dann anwendbar, wenn sich diese Vergütungsart im Einzelfall erst aus den Kriterien des § 59 (vor allem der Üblichkeit) ergibt. Bei Vereinbarung eines Festgehalts wird das aber kaum je der Fall sein. Eine Provisionspflicht ergibt sich keinesfalls schon daraus, daß der Handlungsgehilfe für den Prinzipal Geschäfte abzuschließen und zu vermitteln hat, ihm also eine Tätigkeit i. S. des § 65 aufgetragen ist. Bei lückenhafter Provisionsvereinbarung kann sich ein weitgehender Anspruch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben ( B A G A P Nr. 10 zu § 65; zu den Anforderungen an einen konkludenten Änderungsvertrag B A G AP Nr. 13 zu §65).
7
§ 65 gilt analog für den Provisionsanspruch anderer Arbeitnehmer, ζ. B. des Angestellten, dessen Handlungsgehilfeneigenschaft an der fehlenden Kaufmannseigenschaft seines Arbeitgebers scheitert.
8
b) Durch die Verweisung auf §§ 87 Abs. 1 und 3, 87 a bis c wird der Provisionsanspruch in den wichtigsten Beziehungen (Voraussetzung, Fälligkeit, Höhe, Abrechnung) dem des Handelsvertreters gleichgestellt. § 65 bezieht sich nur auf den Tatbestand der Vermittlungsprovision i. S. von § 87 Abs. 1. Sog. Bezirks- und Inkassoprovisionen (§ 87 Abs. 2 und 4) können aber auch zugunsten des Handlungsgehilfen vereinbart werden ( B A G AP Nr. 3 zu § 65). In der Zuweisung eines Bezirks an einen Verkaufsleiter liegt eine derartige Abrede aber noch nicht. Zur Auslegung der Provisionsabrede mit einem Bezirksvertreter s. auch B A G AP Nr. 5 zu § 65.
9
Der Provisionsanspruch des Handlungsgehilfen ist wie der des Handelsvertreters durch unabdingbare Vorschriften geschützt (vgl. §§ 87 a und c, jeweils Abs. 5; B A G AP Nr. 2 zu § 65). Trotz dieser weitgehenden Gleichstellung bleibt er aber ein arbeitsrechtlicher Vergütungsanspruch. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen freier Geschäftsbesorgung und abhängiger Dienstleistung sind zu beachten ( B A G AP Nr. 6 zu § 65). 2. Besonderheiten des arbeitsrechtlichen Provisionsanspruchs
10
a) I. d. R. ergänzt die Provision das Gehalt des Handlungsgehilfen. Abreden, wonach der Provisionsanspruch nur zur Entstehung gelangen soll, sofern er der Höhe nach die fixe Vergütung zuzüglich einer Reisekostenpauschale übersteigt, sind daher zulässig.
1
Scblegelberger/Schröder § 59 Rdn. 1; vgl. ferner BAG AP Nr. 9 zu § 65 und § 59 Rdn. 96.
528
2
BAG AP Nr. 14 zu § 65 HGB; LAG Hamm ZIP 1990, 880, 886 m. Anm. Gaul.
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§65
U. U . muß der Handelsvertreter empfangene Provisionen zurückgewähren (§ 87 a 11 Abs. 2). O b solche RückZahlungsansprüche auch zu Lasten des Handlungsgehilfen in eine laufende Rechnung aufgenommen werden dürfen, ist zweifelhaft ( B A G AP Nr. 8 und 9 zu § 65). Bedenken bestehen im Hinblick auf die fehlende Unternehmereigenschaft des Handlungsgehilfen jedenfalls dann, wenn durch die Rückbelastung ein vereinbartes Fixum beeinträchtigt wird. b) Gem. § 87 Abs. 3, der von der Verweisung erfaßt wird, hat der Handelsvertreter Provisionsansprüche auch wegen von ihm angebahnter, aber erst nach Vertragsende abgeschlossener Geschäfte. Die Regelung ist vertraglich abdingbar. Im Hinblick auf den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gem. § 89 b ist dies verständlich. Dem Handlungsgehilfen steht ein solcher Ausgleichsanspruch aber nicht zu. Das B A G hat daher zu Recht die Abdingbarkeit des § 87 Abs. 3 im Handlungsgehilfenverhältnis vom Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig gemacht (AP Nr. 6 zu § 65). Die Rationalisierung der Abrechnung genügt dafür nicht ( B A G AP Nr. 7 zu § 65). Es muß vielmehr ein angemessener Ausgleich zugunsten des Handlungsgehilfen (ζ. B. durch Pauschalabgeltung) gewährleistet sein. Im Hinblick auf den Charakter der Provision als Arbeitsentgelt ist die von der Rechtsprechung geforderte Billigkeitskontrolle gerechtfertigt.
12
c) § 86 a Abs. 2 verpflichtet den Unternehmer (unabdingbar) dazu, den Handelsvertreter davon zu unterrichten, daß er Geschäfte nicht in dem erwarteten Umfang abschließen kann oder will. Die Vorschrift gilt für das Handlungsgehilfenverhältnis nicht. Man wird zu Lasten des Prinzipals aber eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht annehmen müssen, den Handlungsgehilfen vor leerlaufenden Vermittlungsbemühungen zu bewahren.
13
Das Direktionsrecht des Prinzipals muß nach Maßgabe der Provisionsabrede ausgeübt werden. Ist dem Handlungsgehilfen vertraglich ein bestimmter Verkaufsbezirk zugewiesen, führt dies nicht ohne weiteres zur Anwendbarkeit des § 87 Abs. 2 (Bezirksprovision; vgl. oben Rdn. 8). Auch wenn eine Bezirksänderung vorbehalten ist, muß der Prinzipal bei einer solchen Änderung das Interesse des Handlungsgehilfen berücksichtigen ( § 3 1 5 B G B ) . Fehlt es an einem Anderungsvorbehalt, kann dem Handlungsgehilfen sein Bezirk nur im Wege der Anderungskündigung entzogen werden. Betraut der Prinzipal den Handlungsgehilfen vorübergehend mit der Vertretung eines verhinderten Kollegen, was vom Direktionsrecht i. d. R. gedeckt ist, muß er dem Handlungsgehilfen dadurch entgehende Provisionen abgelten ( B A G AP Nr. 13 zu § 63).
14
d) § 87 a Abs. 3 erhält dem Handelsvertreter den Provisionsanspruch für den Fall, daß ein abgeschlossenes Geschäft aus vom Unternehmer zu vertretenden Gründen nicht zur Durchführung gelangt. Die Vorschrift ist unabdingbar (Abs. 5) und gilt auch für das Handlungsgehilfenverhältnis. Eine Vereinbarung, wonach der Prinzipal dem Handlungsgehilfen Provision nur für tatsächlich ausgeführte Geschäfte schuldet, wäre somit unwirksam. Aus welchen (vom Prinzipal zu vertretenden) Gründen das Geschäft unausgeführt bleibt, ist gleichgültig.
15
Beispielsweise behält der Handlungsgehilfe seinen Provisionsanspruch auch dann, wenn die Ausführung wegen einer Unternehmensveräußerung unterbleibt ( B A G AP Nr. 4 zu § 65). Der Prinzipal wird hingegen frei, wenn ihm die Ausführung, insbesondere aus in der Person des Geschäftsgegners liegenden Gründen, nicht zuzumuten ist (§ 87 a
16
Henssler
529
§65
Erstes Buch. Handelsstand
Abs. 3 S. 2; dazu B A G AP Nr. 4 zu § 65 H G B ) . Bloße Annullierungsversuche des Dritten begründen die Unzumutbarkeit aber nicht ( B A G E 20, 123). Gegebenenfalls trifft den Prinzipal eine Nachbearbeitungspflicht ( B A G aaO). 3. Provision als Gehaltsbestandteil 17
a) Provisionen gehören zwar - wegen ihrer wechselnden Höhe und evtl. auch Fälligkeit - nicht zum Gehalt i. e. S. des § 64. Sie sind aber Entgelt i. S. des EntgfG (vgl. zu § 63 a. F. B A G AP Nr. 13 zu § 63 H G B ; B A G B B 1986, 1158). Auch in den übrigen Fällen von Lohn ohne Arbeit (Urlaub, Feiertage, Annahmeverzug) trifft den Prinzipal die Fortzahlungspflicht 3 . Problematisch ist wegen der Erfolgsbezogenheit die Berechnung. Wurde (ausnahmsweise) Bezirksprovision vereinbart, kommt es auf die konkrete Mitwirkung des Handlungsgehilfen am Abschluß der einzelnen Geschäfte ohnehin nicht an (§ 87 Abs. 2). Keinen Einfluß auf den Provisionsanspruch hat auch eine Verhinderung des Handlungsgehilfen im Zeitpunkt der Fälligkeit.
18
Daneben greifen zugunsten des Handlungsgehilfen (gegebenenfalls ergänzend) die einschlägigen Vorschriften über die Lohnfortzahlung ein (§ 59 Rdn. 124 ff). Bei Arbeitsverhinderung durch unverschuldetes Unglück (vgl. § 63 a. F.) ist die mutmaßliche Vergütung für den Verhinderungszeitraum nach Maßgabe vergleichbarer vorangegangener Zeitabschnitte (gegebenenfalls durch Schätzung) zu ermitteln ( B A G AP Nr. 4 zu § 63).
19
Im Fall des Urlaubs gilt für die Berechnung § 11 B U r l G . Bezugsgröße für die Abgeltung pro Urlaubstag ist somit die im Verlauf der letzten 13 Wochen vor Urlaubsantritt durchschnittlich erzielte Provision. Bei stark schwankendem Geschäftsanfall kann der Berechnung im Einzelfall auch ein längerer Zeitraum (12 Monate, vgl. B A G AP Nr. 12 zu § 11 B U r l G ) zugrunde zu legen sein.
20
Auch für die Lohnfortzahlung an Feiertagen ist die Höhe der - hypothetisch - an dem betreffenden Tag erzielten Provisionen maßgeblich, sofern gemäß § 2 Abs. 1 und 3 EntgfG eine Entlohnung zu erfolgen hat. Bei der Schätzung kann das Provisionsaufkommen des Monats, in den der Feiertag fällt, als Berechnungsgrundlage dienen ( B A G AP Nr. 32 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG). In all diesen Fällen tritt die Erfolgsbezogenheit der Provision zugunsten ihres Gehaltscharakters in den Hintergrund (a. A. Lieb D B 1976, 2211).
21
b) Provisionsregelungen auf Betriebsebene unterliegen der M i t b e s t i m m u n g Betriebsrats (vgl. dazu B A G E 29, 103).
22
Als Bestandteil des Gehaltsanspruchs verjährt die Provisionsforderung gem. § 196 Abs. 1 Nr. 8 B G B (nicht: § 88) in zwei Jahren. Die Geltendmachung des Anspruchs auf Abrechnung (§ 87 c) unterbricht diese Verjährung nicht ( B A G B B 1971, 1563). Der Handlungsgehilfe kann aber im Wege der Stufenklage vorgehen ( B A G aaO). Auch im Konkurs des Prinzipals teilt die Provisionsforderung das Privileg des Arbeitsentgelts (§ 59 Rdn. 143). §§ 66 - 72 (aufgehoben)
3
Α. A. Lieb D B 1976, 2211; für Feiertage Zweifel
auch bei Schlegelberger/Schröder § 59 Rdn. 3 b. 530
Henssler
des
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 73
§73 Bei der Beendigung des Dienstverhältnisses kann der Handlungsgehilfe ein schriftliches Zeugnis über die A r t und Dauer der Beschäftigung fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen des Handlungsgehilfen auch auf die F ü h r u n g und die Leistungen auszudehnen. Schrifttum Becker-Schaffner Die Rechtsprechung zum Zeugnisrecht, BB 1989, 2105; Brill Angabe der Betriebsratstätigkeit im Zeugnis? BB 1981, 616; Göldner Die Problematik der Zeugniserteilung im Arbeitsrecht, ZfA 1991,225; dies. Grundlagen des Zeugnisrechts, 1989; Kölsch Die Haftung des Arbeitgebers für nicht ordnungsgemäße Zeugniserteilung, NZA 1985, 11; Ludwig Vorläufiges Zeugnis für Arbeitnehmer im ungekündigten Arbeitsverhältnis, DB 1967, 2163; Schießmann Das Arbeitszeugnis, 13. Aufl. 1993; K. Schmidt Zum Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers im Konkurs einer Handelsgesellschaft, DB 1991, 1930; v. Veenroy Das Dienstzeugnis, 1984; Wenster Zeugnisgestaltung und Zeugnissprache zwischen Informationsfunktion und Werbefunktion, BB 1992, 58. Übersicht Rdn. Voraussetzungen des Zeugnisanspruchs 1. Verhältnis zu dem Anspruch aus § 630 B G B 2. Entstehung des Anspruchs 3. Anspruchsgegner Form und Inhalt
1
1. Ausübung des Wahlrechts 2. Berichtigung und Widerruf
1 2 7
III. Geltendmachung des Anspruchs
22
3. Durchsetzung, Einwendungen und Einreden IV. Haftung des Prinzipals
1. Form 2. Inhalt
Rdn. 19
10
26 32
1. Schadensersatzansprüche des Handlungsgehilfen
32
2. Schadensersatzansprüche Dritter
33
19
I. Voraussetzungen des Zeugnisanspruchs 1. Verhältnis zu dem Anspruch aus § 630 B G B In Abweichung von § 630 B G B , der ein dauerndes Dienstverhältnis voraussetzt, gilt 1 § 73 auch für den nur vorübergehend, etwa aushilfsweise oder auch teilzeitbeschäftigten Handlungsgehilfen (ebenso § 113 G e w O , § 8 BBiG). Im übrigen unterscheidet sich der Zeugnisanspruch des § 73 nicht von dem anderer Arbeitnehmergruppen. Die Vorschrift findet keine Anwendung in den neuen Bundesländern (vor § 59, Rdn. 9b). 2. Entstehung des Anspruchs a) D e r Anspruch entsteht bei B e e n d i g u n g des (auch nur faktischen) Dienstverhältnisses. Analoge Anwendung findet § 73 auf arbeitnehmerähnliche Personen, wie beispielsweise den GmbH-Geschäftsführer, sofern er nicht zugleich Gesellschafter ist 1 . § 73 ist unabdingbar (zur Möglichkeit eines nachträglichen Verzichts unten Rdn. 30).
2
b) Zweifelhaft ist der E n t s t e h u n g s z e i t p u n k t , weil rechtliche und tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht notwendig zusammenfallen. Bei wirksamer fristloser Kündigung durch eine der Parteien entsteht der Zeugnisanspruch sofort.
3
1
OLG Oldenburg BB 1967, 1354; BGH vgl. Schaub § 146 I i ; KG BB 1979, 988; a. A. Ordemann DB 1966, 1815. Henssler
531
§73
Erstes Buch. Handelsstand
Gleiches gilt bei faktischer Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge einer unbegründeten fristlosen Kündigung. In diesem Fall entsteht der Anspruch vor Ablauf der Vertragszeit. 4
Endet das Arbeitsverhältnis infolge ordentlicher Kündigung oder Befristung, fallen rechtliche und tatsächliche Beendigung regelmäßig zusammen. Trotzdem erkennt die h. M. hier einen Anspruch schon für den letztmöglichen Zeitpunkt einer ordentlichen Kündigung an, also vor Beendigung des Dienstverhältnisses2. Im Hinblick auf das Interesse des Handlungsgehilfen, der das Zeugnis i. d. R. für die Stellensuche benötigt, ist dem zuzustimmen.
5
Da andererseits das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung nicht schon beendigt wird und sich die Beurteilung noch ändern kann, geht der Anspruch zunächst nur auf Erteilung eines vorläufigen Zeugnisses. Wird ein solches ausgestellt, kann der Handlungsgehilfe bei Beendigung des Dienstverhältnisses noch ein endgültiges Zeugnis verlangen (Staudinger/Neumann § 630, Rdn. 7).
6
Ob sich über den Fall der bevorstehenden Vertragsbeendigung hinaus ein Anspruch des Handlungsgehilfen auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses begründen läßt, ist umstritten3, bei Vorliegen triftiger Gründe im Einzelfall aber zu bejahen4. Aus § 73 folgt dieser Anspruch freilich nicht. 3. Anspruchsgegner
7
Der Anspruch auf Zeugniserteilung richtet sich gegen den Prinzipal, im Fall der Rechtsnachfolge bei Tod oder Unternehmensveräußerung gegen den zur Zeit der Beendigung des Dienstverhältnisses zuständigen Erben bzw. Ubernehmer. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Konkurs des Unternehmers bleibt dieser zur Erteilung des Zeugnisses verpflichtet. Besteht das Handlungsgehilfenverhältnis zunächst noch fort, trifft die Pflicht den Konkursverwalter (Schlegelberger/Schröder § 73 Rdn. 5). Gegebenenfalls muß der Verpflichtete Erkundigungen einziehen. Im Konkurs einer Handelsgesellschaft richtet sich der Zeugnisanspruch stets gegen den Konkursverwalter, der den Betrieb nach Konkurseröffnung weiterführt5. II. F o r m und Inhalt 1. Form
8
Für die äußere Form gilt § 126 Abs. 1 BGB. Die eigenhändige Namensunterschrift hat grundsätzlich der Prinzipal bzw. sein gesetzlicher Vertreter zu leisten, und zwar unter Verwendung der Firma des Unternehmens (vgl. § § 1 7 Abs. 1, 344 Abs. 1). Es genügt aber auch Unterzeichnung durch einen Prokuristen bzw. Handlungsbevollmächtigten, sofern der Unterzeichner (betriebsintern) im Rang erkennbar über dem ausscheidenden Handlungsgehilfen steht.
9
Seinem Zweck entsprechend muß das Zeugnis auf haltbarem Papier, in dauerhafter und lesbarer Schrift ausgestellt und frei von allen nicht zum Zeugnisinhalt gehörenden Zusätzen sein. Jedenfalls bei einem qualifizierten Zeugnis (Rdn. 13) ist die Verwendung 2
3
Staudinger/N eumann Schlegelberger/Schröder Dafür Ludwig DB Schlegelberger/Schröder
532
§ 630 Rdn. 7; § 73 Rdn. 3 a m.w.N. 1967, 2163; dagegen § 73 Rdn. 3 a.
4
5
Vgl. Schaub § 146 I 4; MünchKomm/ Schwerdtner § 630 Rdn. 27. BAG D B 1991, 1626; K. Schmidt D B 1991, 1930.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§73
von Formblättern unzulässig; es würde sonst der Eindruck eines persönlichen Urteils beeinträchtigt. 2. Inhalt Das Gesetz unterscheidet zwischen einfachem und qualifiziertem Zeugnis. a) Jedes Zeugnis muß die Parteien des Handlungsgehilfenverhältnisses einwandfrei identifizieren sowie Art und Dauer der Beschäftigung erkennen lassen.
10
Die A r t der Tätigkeit ist möglichst genau und in branchenüblicher Weise zu bezeich- 11 nen. Falls der Handlungsgehilfe nacheinander verschiedene Funktionen erfüllt hat, sind diese aufzuzählen, nicht etwa mehrere Zeugnisse auszustellen ( L A G Frankfurt A P Nr. 5 zu § 630 B G B ) . Eine Tätigkeit als Betriebsrat darf nicht angesprochen werden, weil sie nicht Gegenstand der Dienstpflicht ist und damit nicht dem Zeugnis des Arbeitgebers unterliegt 6 . Die Tätigkeitsbeschreibung muß im übrigen gewährleisten, daß sich der künftige Arbeitgeber daraus ein Bild machen kann ( B A G A P Nr. 11 zu § 630 B G B ) . Die D a u e r der Beschäftigung ist nach dem Kalender anzugeben, also mit dem Anfangs- und Endtermin. Kürzere Fehlzeiten, ζ. B. infolge von Krankheit, sind nicht zu erwähnen. Auch der G r u n d der Beendigung gehört nicht zum Inhalt des einfachen Zeugnisses, kann aber auf Wunsch des Handlungsgehilfen aufgenommen werden ( L A G Baden-Württemberg D B 1968, 1319).
12
b) Qualifiziertes Zeugnis. N u r auf Verlangen des Handlungsgehilfen ist das Zeugnis 1 3 auf F ü h r u n g und L e i s t u n g auszudehnen. Das Verlangen ist nicht teilbar: Zusätzliche Angaben nur über die Führung oder nur über die Leistungen kann der Handlungsgehilfe nicht fordern. Das qualifizierte Zeugnis muß wahrheitsgetreu sein und alle für die Gesamtbeurteilung des Handlungsgehilfen bedeutsame Tatsachen enthalten ( B A G E 9, 289). Mutmaßungen und bloße Verdachtsmomente sind auszuscheiden. Andererseits folgt aus der Wahrheitspflicht, daß auch u n g ü n s t i g e Tatsachen erwähnt werden müssen, wenn sie das Gesamtbild mitbestimmen ( B A G aaO). Bei einmaligen Verfehlungen wird das regelmäßig nicht der Fall sein. Eine tätigkeitsbezogene Straftat m u ß aber jedenfalls dann angegeben werden, wenn sie so schwer wiegt, daß sie Anlaß für die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses war (vgl. dazu B A G A P Nr. 10 zu § 630 B G B : sittliche Verfehlung eines Heimerziehers).
14
Als zu erwähnender, positiver U m s t a n d kommt beispielsweise die Beendigung des Dienstverhältnisses auf Wunsch des Handlungsgehilfen in Betracht. Bei bestimmten Tätigkeiten (wie der eines Kassierers) muß auch die Ehrlichkeit des Handlungsgehilfen hervorgehoben werden, sofern kein durch Tatsachen gerechtfertigter Verdacht unredlicher Handlungsweise besteht ( R A G JW 1938, 2424). Auch im übrigen darf das Zeugnis positive Umstände nicht unerwähnt lassen, deren Auslassung im Verkehr negativ gewertet wird ( B A G AP Nr. 6 zu § 630 B G B ) .
15
Der Beurteilung des Prinzipals unterliegt nur das dienstliche Verhalten. Umstände aus dem außerdienstlichen Bereich dürfen nur erwähnt werden, wenn sie sich auf das Verhalten im Dienst ausgewirkt haben, was etwa bei Trunksucht der Fall sein kann.
16
6
L A G Hamm D B 1976, 1112; D B 1991, 1527; ArbG Ludwigshafen D B 1987, 1364; vgl. aber auch Rdn. 17.
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533
Erstes Buch. Handelsstand
§73 17
Eine Mitgliedschaft im Betriebsrat darf anders als beim einfachen Zeugnis ausnahmsweise dann angesprochen werden, wenn sie den Handlungsgehilfen über längere Zeit so stark in Anspruch genommen hat, daß ein Urteil über die dienstliche Leistung nicht mehr möglich ist7. 18 Die Bewertung von Leistung und Führung hat aus der Sicht eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers zu erfolgen 8 . Das Interesse des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen ist zu berücksichtigen. Das bedeutet zwar nicht, daß Ungünstiges in das Zeugnis nicht aufgenommen werden dürfte 9 , jedoch ist der Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers eingeschränkt. Da der Arbeitgeber aber zwangsläufig in der Wahl der Formulierungen frei bleiben muß 10 , hat das Gebot der wohlwollenden Beurteilung in der Praxis zu Fehlentwicklungen geführt. Es hat sich eine eigenständige, für den Arbeitnehmer nicht verständliche Zeugnissprache entwickelt, die nur nach außen den Erfordernissen der Rechtsprechung genügt. Entscheidende Bedeutung kommt verstärkt demjenigen zu, das in einem Zeugnis nicht gesagt wird. Die Technik, Aussagen durch Auslassung zu treffen, verkehrt das zu Gunsten der Arbeitnehmer konzipierte Gebot der wohlwollenden Beurteilung in sein Gegenteil 11 .
III. Geltendmachung des Anspruchs 1. Ausübung des Wahlrechts 19
Hat der Handlungsgehilfe zunächt ein einfaches Zeugnis verlangt (und erhalten), hindert ihn dies nach h. M. nicht, noch den qualifizierten Anspruch zu erheben 12 . Häufig stellt sich ein Bedürfnis hierfür erst nachträglich heraus 13 . Umstritten ist auch die Lösung des umgekehrten Falls, in dem wunschgemäß ein qualifiziertes Zeugnis erteilt wurde. Nach wohl h. A. ist der Zeugnisanspruch - Richtigkeit des Zeugnisses unterstellt - dann durch Erfüllung erloschen 14 .
20
Im Hinblick auf die zunächst bestehende Unsicherheit der Beurteilung erscheint es aber angemessen, dem Handlungsgehilfen den Ubergang zu dem einfachen Verlangen zu erlauben. Dafür spricht insbesondere die Rücksicht auf das Fortkommen des Handlungsgehilfen und die geringe Belastung des Prinzipals, die sich bei Kürzung eines qualifizierten Zeugnisses zu einem einfachen ergibt 15 . Auch die h. M. bejaht den Anspruch auf Erteilung eines einfachen Zeugnisses, wenn das qualifizierte nicht auf Verlangen des Handlungsgehilfen hin ausgestellt worden ist16.
21
In jedem Fall steht dem Handlungsgehilfen letztlich nur ein Zeugnis zu. Er muß das zunächst erteilte somit zurückgeben. 2. Berichtigung und Widerruf
22
a) Enthält das Zeugnis unrichtige Tatsachen oder Urteile, die offensichtlich einer objektiven Grundlage entbehren, hat der Handlungsgehilfe Anspruch auf Berichtigung (LAG Hamm BB 1989,1486). Da in diesen Fällen der Anspruch aus § 73 noch nicht (vollständig) 7
LAG Frankfurt DB 1978, 167; vgl. ferner Brill BB 1981,616. 8 B G H AR-Blattei D Zeugnis, Entscheidungen 4. 9 BAG AP Nr. 1 zu § 73 H G B ; AP Nr. 6 zu § 630 BGB. 10 BAG AP Nr. 6 zu § 630 BGB; Staudinger/ Neumann § 630 Rdn. 20. " Dazu Göldner ZfA 1991, 225. 534
12
Α. M. Scblegelberger/Schröder § 73 Rdn. 5. Hueck/Nipperdey I 469. 14 Schaub § 146 III 2 a; Nachweise zum Streitstand bei Staudinger/Neumann § 630 Rdn. 18. 15 Im Ergebnis wie hier MünchKomm/ Schwerdtner § 630 Rdn. 29. 16 Schlegelberger/Schröder § 73 Rdn. 9. 13
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§73
erfüllt ist, muß regelmäßig ein neues Zeugnis ausgestellt werden. Mit Ausbesserungen der ersten Urkunde braucht sich der Handlungsgehilfe nicht zu begnügen (RAGE 16, 257; Hueck BB 1951, 253). Ein vom Arbeitgeber berichtigtes Zeugnis ist auf das ursprüngliche Datum zurückzudatieren (BAG NZA 1993, 698). Im Streitfall muß der Prinzipal die Richtigkeit der tatsächlichen Angaben beweisen 2 3 und die Schlüssigkeit der Beurteilung dartun ( B A G E 9, 289; a. M. MünchKomm/Schwerdtner § 630 Rdn. 33). Wegen des einheitlichen Charakters des Zeugnisses soll gegebenenfalls die gänzliche Neuformulierung des zu erteilenden Zeugnisses durch das angerufene Gericht zulässig sein (BAG aaO). Im Hinblick auf den Beurteilungs- und Formulierungsspielraum des Prinzipals ist dies fragwürdig. b) Ein irrtümlich unrichtig erteiltes Zeugnis kann der Prinzipal widerrufen. Der 2 4 Handlungsgehilfe ist in diesem Fall zur Rückgabe verpflichtet17. Im Hinblick auf das schützenswerte Interesse Dritter ist der Prinzipal u. U. sogar zum Widerruf verpflichtet (BGHZ 74, 28). Andererseits kann ein bewußt geschöntes Zeugnis im Verhältnis von Prinzipal zu 2 5 Handlungsgehilfen Bindungswirkung entfalten, so daß die nachträgliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Schlechtleistung treuwidrig wäre (BAG AP Nr. 7 zu § 630 BGB; vgl. auch LAG Bremen BB 1984, 473: fristlose Kündigung 2 Tage nach Ausstellung eines wohlwollenden Zeugnisses). 3. Durchsetzung, Einwendungen und Einreden a) Der Anspruch auf Erteilung eines einfachen oder qualifizierten Zeugnisses kann bei 2 6 Nichtleistung ohne nähere Angabe des gewünschten Inhalts gerichtlich geltend gemacht werden. Verlangt der Handlungsgehilfe Berichtigung, muß er die zu berichtigenden Punkte bezeichnen (vgl. im übrigen Rdn. 23). Das aufgrund einer Verurteilung des Prinzipals erteilte Zeugnis darf diesen Anlaß 2 7 nicht zu erkennen geben {Staudinger/Neumann § 630 Rdn. 37). Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach § 888 (nicht § 894) ZPO. Vgl. noch § 61 Abs. 2 ArbGG (dazu Bandasch/Etzel § 73 Rdn. 27). b) Der Anspruch verjährt in der Frist des § 195 BGB. Praktisch wird er meist aber sehr 2 8 viel früher verwirkt sein. Insbesondere das Verlangen nach Ausstellung (oder Berichtigung) eines qualifizierten Zeugnisses kann - je nach den Umständen (Größe des Betriebs, Funktion des Handlungsgehilfen) - bereits nach Ablauf einiger Monate ab Beendigung des Dienstverhältnisses unzulässig werden (BAG AP Nr. 8 zu § 630 BGB). Auch der einfache Zeugnisanspruch ist nur so lange geltend zu machen, als die betref- 2 9 fenden Unterlagen üblicherweise aufbewahrt werden. Begründen läßt sich dies mit § 275 B G B (Schlegelberger/Schröder § 73 Rdn. 3). Ein Anspruch auf Rückdatierung besteht nicht. In den Grenzen des § 138 B G B kann auf den fällig gewordenen Zeugnisanspruch 3 0 nachträglich verzichtet werden18. In der Erteilung einer Ausgleichsquittung liegt i. d. R. noch kein Verzicht auf den Anspruch (BAG AP Nr. 9 zu § 630 BGB).
17
Schlegelberger/Schröder § 73 Rdn. 10 a; Hueck
BB 1951, 253.
18
KG OLG 22, 304; a. M. Staudinger/Neumann
§ 630 Rdn. 40.
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Vor § 74
31
Erstes Buch. Handelsstand
c) Ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) hat der Prinzipal gegenüber dem Zeugnisanspruch grundsätzlich nicht. Das ergibt sich aus der Bedeutung des Zeugnisses für das Fortkommen des Handlungsgehilfen (Staudinger/Neumann § 630 Rdn. 11). Eine Ausnahme gilt nur, wenn durch die Zurückbehaltung die Rückgabe eines bereits ausgestellten (ζ. B. vorläufigen) Zeugnisses erzwungen werden soll (vgl. auch oben Rdn. 21). IV. Haftung des Prinzipals
1. Schadensersatzansprüche des Handlungsgehilfen 32 Für Schadensfolgen haftet der Prinzipal bei schuldhafter Verletzung der Zeugnispflicht nach vertraglichen Grundsätzen (Verzug, Nicht- bzw. Schlechterfüllung). Bei Darlegung und Beweis seines Minderverdienstes kommen dem Handlungsgehilfen zwar die Erleichterungen der §§ 252 S. 2 BGB und 287 Abs. 1 ZPO zugute (BAG AP Nr. 12 zu § 630 BGB). In der Annahme von Erfahrungssätzen für einen Zusammenhang zwischen (Zeugnis-)Pflichtverletzung und Erwerbsschäden hält sich die Rechtsprechung aber zurück 19 . Auch der Schadensersatzanspruch kann verwirkt werden (BAG AP Nr. 8 zu § 630 BGB). 2. Schadensersatzansprüche Dritter 33
Bei mindestens bedingtem Vorsatz des Prinzipals hinsichtlich der Schädigung Dritter, die auf ein unrichtiges Zeugnis vertrauen, kommt eine Haftung gem. § 826 BGB in Betracht (BGH NJW 1970, 2291). Darüber hinaus bejaht BGHZ 74, 281 eine vertragliche Vertrauenshaftung auch im Verhältnis zu späteren Arbeitgebern, wenn eine erforderlich gewordene Berichtigung des Zeugnisses unterblieben ist20. 34 Das gleiche muß für fahrlässig falsche Angaben im Zeugnis gelten. Die Rechtsprechung erfaßt zutreffend die Drittbezogenheit des Zeugnisses. Mit der Erteilung des Zeugnisses wird eine rechtsgeschäftliche Erklärung gegenüber dem Folgearbeitgeber abgegeben. Zum Schutz des besonderen Vertrauens, das im Rechtsverkehr einem Zeugnis entgegengebracht wird, genügt die deliktische Haftung nicht. Häufig wird freilich ein Mitverschulden des Folgearbeitgebers in Betracht kommen 21 .
Vorbemerkungen zu §§ 74 - 75 f S c h r i f t t u m Achterberg Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in verfassungsrechtlicher Sicht, JZ 1975, 713; Bauer Wettbewerbsverbote und Kündigung von Arbeitsverhältnissen, DB 1979, 500; Bengelsdorf Karenzentschädigung und Studium, BB 1983, 905; ders. Auskunft und Nachweis über anderweitiges Einkommen bei Wettbewerbsverbot, BB 1979, 1150; ders. Der A n spruch auf Karenzentschädigung, Entstehung, Verjährung, Verfall, DB 1985, 1585; Büchner Wettbewerbsverbot, 1981; Biisken Mandantenschutzklausel und Mandantenübernahmeklausel, MDR 1985, 898; Durchlaub Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht des früheren Arbeitnehmers bei Karenzentschädigung, BB 1976, 232; Gamilhcheg Gedanken zur Neuregelung der Wettbewerbsvereinbarung, RdA 1975, 13; Gaul Auswirkungen des rechtsgeschäftlich begründeten Betriebsübergangs auf nachwirkende Wettbewerbsvereinbarungen und Geheimhaltungspflichten, N Z A 1 9 BAGE
20, 136; vgl. zum ganzen Konzen
1978, 451.
ZfA
20
Vgl. oben Rdn. 24; Einzelheiten bei Münch-
Komm/Schwerdtner § 630 Rdn. 39 ff.
2' Dazu Schaub 536
Henssler
§ 146 VII 2.
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
Vor § 7 4
1989, 697; ders. Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 2. Aufl., 1987; Grüll D i e K o n k u r r e n z klausel; das vertragliche Wettbewerbsverbot mit Arbeitnehmern, 4. Aufl. 1983; Grunsky Das bedingte Wettbewerbsverbot, Festschrift 25 Jahre, B A G 1979, 153; Gumpen (Urteilsanmerkung), B B 1977, 849; Herschel Allgemeinverbindlichkeit von Wettbewerbsregeln, D B 1978, 1017; Hoffmann/Becking N a c h v e r t r a g l i c h e W e t t b e w e r b s v e r b o t e f ü r V o r s t a n d s m i t g l i e d e r und Geschäftsführer, F S für Karlheinz Q u a c k , 1991, 273; Kracht Wettbewerbsverbot für Arbeitnehmer im K o n z e r n bei Kooperationen, B B 1970, 584; Lüstner/v. Manteuffel Wettbewerbsverbote ohne Entschädigungspflicht des Unternehmers? B B 1987, 413; Laknsen Aktuelle Rechtsprechung z u m nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, N Z A 1985, 802; Lindacher (Urteilsanmerkung), B B 1978, 270; Martens Konzerndimensionaler Wettbewerbsschutz, Festschrift Herschel, 1982, S. 363; Reinfeld D a s nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 1992; Röhsler/Borrmann W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n f ü r A r b e i t n e h m e r und H a n d e l s v e r t r e t e r : Grundlagen und Rechtspraxis, 1981; Schaub Zur Wirksamkeit eines mit einem Dienstnehmer vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, E W i R 1990, 867; Schwabe Verfassungswidrigkeit von Wettbewerbsverbot? J Z 1976, 439; Sieg O p t i o n e n im Arbeits- und Versicherungsvertragsrecht, VersR 1985, 401; Stefan Bedingte Wettbewerbsverbote und Karenzzahlungsansprüche von Ruheständlern, B B 1980, 685; Weiland Durchsetzbarkeit vertraglicher A b w e r bungsverbote, B B 1976, 1179; Weisemann/Schrader Wettbewerbsverbote während der D a u e r und nach B e e n d i g u n g des Arbeitsverhältnisses (Rechtsprechungsübersicht), D B Beilage 4/1980; Wertheimer Z u m Anspruch des Arbeitnehmers auf Karenzentschädigung aus einem für ihn unverbindlichen Wettbewerbsverbot, J Z 1991, 882; Westerfelhaus Ermittlung der Karenzentschädigung bei der G r ü n d u n g eines Gewerbebetriebs durch den Berechtigten, D B 1975, 1185; Winterstein Nachvertragliches Wettbewerbs verbot und Karenzentschädigung, N J W 1989, 1463. Übersicht Rdn.
Rdn.
I. Entwicklung und G r u n d g e d a n k e der
4. Die Geltung der §§ 74 ff außerhalb
heutigen Regelung
1
II. Anwendungsbereich
des Arbeitsrechts
5
1 . D e r unmittelbare Anwendungsbereich der §§ 74 ff H G B
12
III. Uberblick über die gesetzliche Regelung . . 5
1. Wirksamkeitsvoraussetzungen für
7
2. Einzelfragen
2. Die Erstreckung auf andere Arbeitnehmergruppen im Wege der Analogie . . . .
9
5. Abdingbarkeit
Wettbewerbsabreden
13 13 16
3. Die Erstreckung auf Mandantenschutzklauseln
8
I. Entwicklung und Grundgedanke der heutigen Regelung a ) D a s H G B h a t t e s i c h u r s p r ü n g l i c h (in § 74 a. F.; ä h n l i c h § 133 f G e w O ) d a m i t
1
b e g n ü g t , f ü r d a s v e r e i n b a r t e , n a c h v e r t r a g l i c h e W e t t b e w e r b s v e r b o t eine z e i t l i c h e H ö c h s t g r e n z e v o n d r e i J a h r e n a u f z u s t e l l e n . A u ß e r d e m e r k l ä r t e es W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n für unwirksam,
die das
Fortkommen
des
Handlungsgehilfen
unbillig
erschwerten.
G e n e r e l l n i c h t i g w a r e n W e t t b e w e r b s v e r b o t e z u L a s t e n M i n d e r j ä h r i g e r . § 7 5 a. F. enthielt in A b s . 1 eine § 7 5 A b s . 1 u n d 2 n. F., in A b s . 2 eine § 75 c A b s . 2 u n d in A b s . 3 eine § 75 d entsprechende Regelung. b ) D u r c h d i e N o v e l l e v o n 1914 (vgl. V o r b e m e r k u n g e n z u § 5 9 R d n . 6) w u r d e d e r Schutz des Handlungsgehilfen gegenüber vertraglichen Wettbewerbsverboten wesentlich e r w e i t e r t , § § 74 u n d 7 5 n e u g e f a ß t , § § 74 a b i s c s o w i e § § 75 a b i s f e i n g e f ü g t . T r a g e n d e r G e d a n k e d e r N e u r e g e l u n g ist d i e s o g . b e z a h l t e K a r e n z (§ 74 A b s . 2). D i e V e r b i n d l i c h k e i t des
Wettbewerbsverbots
ist
nunmehr
von
einer
Entschädigung
zugunsten
des
H a n d l u n g s g e h i l f e n a b h ä n g i g . D i e z u l ä s s i g e H ö c h s t d a u e r b e t r ä g t z w e i J a h r e (§ 74 A b s . 2). D a r i n liegt eine i m I n t e r e s s e d e s H a n d l u n g s g e h i l f e n als t y p i s c h e r w e i s e Henssler
wirtschaftlich 537
2
Vor § 74
Erstes Buch. Handelsstand
schwächerem Teil gerechtfertigte Einschränkung der Privatautonomie. Daneben besteht eine Reihe weiterer Kautelen. Konsequenterweise kann durch Vereinbarung von den Vorschriften der §§ 74 bis 75 c zum Nachteil des Handlungsgehilfen nicht abgewichen werden (§ 75 d). 3
c) Auch unter der Herrschaft des Grundgesetzes sind Vereinbarungen i. S. des § 74 zulässig (dazu Hillgruber Grundrechtsschutz im Vertragsrecht AcP 191 (1991), 69 ff). Vertragliche Wettbewerbsverbote verstoßen, sofern sie sich im gesetzlichen Rahmen halten, nicht gegen das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG (BAG AP Nr. 20 zu Art. 12 GG). Allerdings sind einzelne Regelungen für verfassungswidrig erklärt worden, so § 75 Abs. 3 (BAG AP Nr. 6 zu § 75), die in §§ 74 a Abs. 2 S. 1 und 75 b S. 2 festgesetzten Verdienstgrenzen (BAG AP Nr. 10 und Nr. 14 zu § 75 b) sowie § 75 b S. 1 (BAG AP Nr. 15 zu § 75 b).
4
Durch Gesetz vom 17. 7. 1974 (BGBl. I 1481) gestrichen wurde § 75 e, der die Behandlung des Entschädigungsanspruchs in Konkurs- und Zwangsvollstreckung geregelt hatte (vgl. jetzt §§ 59 Abs. 1 Nr. 3 b und 61 Abs. 1 Nr. 1 b KO; §§ 141 a bis η AFG). II. A n w e n d u n g s b e r e i c h 1. Der unmittelbare Anwendungsbereich der §§ 74 ff HGB
5
a) N u r solche Vereinbarungen zwischen Prinzipal und Handlungsgehilfen unterliegen den §§ 74 ff, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränken (Wettbewerbsverbote). Bis zur Beendigung gilt das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60. Nachvertraglich unterliegt der Handlungsgehilfe, sofern keine Wettbewerbsabrede getroffen wurde und abgesehen von den Tatbeständen des § 1 U W G und § 826 BGB, keiner Wettbewerbsbeschränkung (BAG AP Nr. 10 zu § 74). Zu Ausnahmen unter dem Gesichtspunkt der nachvertraglichen Treuepflicht und für Arbeitnehmer im Ruhestand vgl. Schaub § 58 I 1. Es hat sich eingebürgert, die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots als Wettbewerbsabrede zu bezeichnen (vgl. auch § 90 a für das Handelsvertreterverhältnis). Unter §§ 74 ff fallen auch Vereinbarungen in einem Auflösungsvertrag, wonach eine Abfindung nur unter der Voraussetzung zu zahlen ist, daß der Arbeitnehmer keine Tätigkeit bei einem Wettbewerber aufnimmt (LAG Bremen, N Z A 1994, 889).
6
b) Wettbewerbsabreden mit Auszubildenden (und gleichgestellten Personen vgl. § 19 BBiG) sind nach Maßgabe des § 5 BBiG unzulässig. §§ 74 ff kommen somit nicht zur Anwendung. § 83 a, der für die Wettbewerbsabrede zwischen Prinzipal und Volontär auf die §§ 74 ff Bezug nimmt, ist überholt. §§ 75 Abs. 3, 75 b S. 2 sowie 82 a und 83 finden keine Anwendung in den neuen Bundesländern (vor § 59, Rdn. 9 b). 2. Die Erstreckung auf andere Arbeitnehmergruppen im Wege der Analogie
7
Unter Aufgabe seiner früheren restriktiven Auslegung hat das BAG die §§ 74 ff zunächst bei der Anwendung des § 133 f G e w O ergänzend herangezogen 1 . Inzwischen unterstellt das Gericht unter Zustimmung des Schrifttums 2 alle Wettbewerbsabreden mit 1
BAG AP Nr. 21 zu § 133 f G e w O .
538
2
Reinfeld Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeits- und Wirtschaftsrecht S. 111 ff (m.w.N.).
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
Vor § 7 4
Arbeitnehmern den Regeln des H G B . Die Gleichstellung ist angesichts der parallelen Schutzbedürftigkeit der sonstigen Arbeitnehmergruppen zwingend. 3. Die Erstreckung auf Mandantenschutzklauseln Eine ähnliche Funktion wie nachvertragliche Wettbewerbsverbote erfüllen sog. 8 Mandantenschutzklauseln. Sie dienen der Aufrechterhaltung des Mandantenstammes des Arbeitgebers. Bei der schon aus berufsrechtlichen Grundsätzen folgenden beschränkten Mandantenschutzklausel ist es dem Arbeitnehmer verboten, sich aktiv um die Mandanten seines ehemaligen Arbeitgebers zu bemühen (Abwerbeverbot) 3 . Ihrer Aufnahme in den Arbeitsvertrag kommt nur deklaratorische Bedeutung zu 4 . Der Vereinbarung einer Entschädigung bedarf es nicht 5 . Die allgemeine Mandantenschutzklausel hindert den ausgeschiedenen Arbeitnehmer auch an der Betreuung solcher Mandanten, die sich aus eigener Initiative an ihn wenden 6 . Das B A G spricht sich seit dem Grundsatzurteil vom 16. 1. 1971 zu Recht für die analoge Anwendung der §§ 74 ff auf diese Klauseln aus7. Sie schränken den Arbeitnehmer in gleicher Weise in seinen Erwerbsmöglichkeiten ein. Auch eine Vereinbarung, nach der einzelne Mandanten nur mit Zustimmung des Arbeitgebers betreut werden dürfen, ist an §§ 74 ff zu messen8. 4. Die Geltung der §§ 74 ff außerhalb des Arbeitsrechts a) Von praktischer Relevanz sind Konkurrenzverbote auch außerhalb des 9 Arbeitsrechts, etwa bei Unternehmenskäufen sowie Praxisübertragungen unter Freiberuflern. Auch ohne besondere Vereinbarung kann der Veräußerer hier nach §§ 157, 242 B G B einem befristeten Wettbewerbsverbot unterliegen, sofern der Erwerber für die Übertragung der Geschäftsbeziehungen des Unternehmens ein Entgelt entrichtet 9 . Die analoge Anwendung bedarf einer am Normzweck der handelsrechtlichen Vorschriften orientierten Einzelfallbeurteilung. b) Organe juristischer Personen haben in aller Regel keinen Arbeitnehmerstatus, da bei ihnen die Weisungsabhängigkeit hinsichtlich der Konkretisierung der Arbeitspflicht und damit das zentrale Element der persönlichen Abhängigkeit nach dem Inhalt des Anstellungsverhältnisses nicht gegeben ist 10 . Wegen der insoweit parallelen Schutzbedürftigkeit kommt jedoch zumindest für den Fremdgeschäftsführer einer GmbH
1
4
5
6
B A G E 23, 382 (für Steuerberater); Büsken M D R 1985, 898. B A G D B 1988, 1020, 1021; dazu auch Becker Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, 1990, S. 21 f. B A G AP Nr. 25 zu § 611 B G B Konkurrenzklausel. Ein zeitlich und örtlich unbegrenztes Wettbewerbsverbot für Mitglieder einer Anwaltssozietät sieht der B G H ( N J W 1986,2944) als sittenwidrig an.
7
8 9
10
B A G AP Nr. 25, 35 zu § 611 B G B Konkurrenzklausel m.w.N.; a. A. Büsken M D R 1985, 898. L A G München N Z A 1987, 600. R G Z 163, 311, 313; MünchKomm/Emmerich vor § 275 Rdn. 238. Dazu im einzelnen Henssler RdA 1992, 289 mit Ubersicht über den Meinungsstand in Fn. 8.
Henssler
539
10
Erstes Buch. Handelsstand
Vor § 74
die analoge A n w e n d u n g der §§ 74 ff in Betracht 1 1 . D e r B G H 1 2 und die Instanzgerichte 1 3 lehnen indes einen Z w a n g zur Karenzentschädigung ab. 11
c) N i c h t erwogen wird von der Rechtsprechung bislang die A n w e n d u n g der § 74 ff auf G e s e l l s c h a f t e r einer P e r s o n e n h a n d e l s g e s e l l s c h a f t 1 4 . A u c h b e i m A u s s c h e i d e n eines Sozietätspartners aus einer Anwaltssozietät verbietet sich ein Rückgriff auf die handelsrechtlichen Vorschriften. Eine absolute Mandantenschutzklausel, die einem aus der Sozietät ausgeschiedenen R e c h t s a n w a l t untersagt, für einen b e s t i m m t e n Z e i t r a u m Mandanten der Sozietät zu betreuen, ist schon wegen Verstoßes gegen § 138 B G B und § 3 A b s . 3 B R A O u n w i r k s a m 1 5 . Z w a r hat der ausscheidende Anwalt für die mitgenommenen Mandate Honoraranteile abzufinden. Entsprechende Abfindungsklauseln lassen sich j e d o c h eher unter § 738 B G B fassen 1 6 . I m Schrifttum wird teilweise die Anwendbarkeit einzelner Bestimmungen, insbesondere die Beschränkung der Verbotsdauer auf 2 J a h r e durch § 74 a Abs. 1 S. 3, sogar bei Unternehmensveräußerungen bejaht 1 7 .
5. Abdingbarkeit 12
D i e §§ 74 ff enthalten zu G u n s t e n des Arbeitnehmers zwingendes R e c h t (§ 75 d S. 1). Von § 74 als „verdeckt tarifdispositivem G e s e t z e s r e c h t " 1 8 kann jedoch durch Tarifvertrag abgewichen werden. Gewisse Mindestanforderung an die Gültigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes sind indes auch tariflich unabdingbar. H i e r z u zählt die N o t w e n d i g k e i t einer Entschädigungspflicht sowie die räumliche und gegenständliche Begrenzung des Verbots ( B A G A P Nr. 28, 3 0 zu § 74 H G B ) . M ö g l i c h , in der Praxis jedoch selten, ist die A u f n a h m e nachvertraglicher W e t t b e w e r b s v e r b o t e in B e t r i e b s v e r e i n barungen. D i e Sperrwirkung des § 77 A b s . 3 B e t r V G ist zu beachten.
III. Überblick über die gesetzliche Regelung 1. WirksamkeitsVoraussetzungen für Wettbewerbsabreden 13
a) D i e handelsrechtliche Regelung ist außerordentlich unübersichtlich und lückenhaft. D a s G e s e t z unterscheidet in §§ 74, 74 a zwischen unverbindlichen und nichtigen Abreden. Unverbindlichkeit bedeutet grundsätzlich, daß sich nur der Handlungsgehilfe, nicht aber der Prinzipal auf die Abrede berufen kann (§ 75 d). Z u m Teil wird die Vereinbarung auch mit einem für den A r b e i t n e h m e r zumutbaren Inhalt aufrechterhalten (vgl. § 74 a Abs. 1 S. 3). § 74 Abs. 2 enthält als gesetzgeberisches K e r n s t ü c k den „Grundsatz der bezahlten K a r e n z " 1 9 . D i e fehlende Entschädigungsvereinbarung bildet nach dem Wortlaut des Gesetzes einen bloßen Unverbindlichkeitsgrund, die Rechtsprechung nimmt hier dagegen 11
So auch die h. M. im Schrifttum: Scholz/ Schneider GmbHG, § 43 Rdn. 135; Hachenburg/ Mertens GmbHG, § 35 Rdn. 204 f; Rowedder/ Koppensteiner § 35 Rdn. 91; Mertens in Kölner Komm z. AktG, § 88 Rdn. 27; Gissel Arbeitnehmerschutz für den GmbH-Geschäftsführer, 1987, S. 136 f; Meyer-Landrut/Miller/Niehus GmbHG, §§ 35- 38 Rdn. 180; a. A. Baumbach/ Hueck/Zöllner GmbHG, § 35 Rdn. 107; Lutter/ Hommelhoff GmbHG, § 6 Anh. Rdn. 25. Zum Ganzen auch Hoffmann-Becking FS Quack S. 273, 278.
12 BGHZ 91, 1, 3 ff. 540
O L G Frankfurt GmbHR 1973, 58 ff; offengelassen von O L G Hamm ZIP 1988, 1254, 1255. 14 Vgl. etwa BGH BB 1990, 2432; dazu Reinfeld Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeits- und Wirtschaftsrecht S. 120. 15 LAG Baden-Württemberg BB 1985, 1534. 16 So auch Steindorff FS Fischer S. 767 f, der in diesem Zusammenhang auf § 90 a verweist. 17 So Hirte ZHR 154 (1990), 443, 452 ff; Reinfeld Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeits- und Wirtschaftsrecht S. 144 ff. 18 Dazu Löwisch/Rieble TVG, § 1 Rdn. 238 m.w.N. 19 Amtl. Beer. S. 728. 13
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§74
Nichtigkeit an 20 . § 74 a Abs. 1 erklärt darüber hinaus Abreden für unverbindlich, sofern sie nicht dem berechtigten geschäftlichen Interesse des Prinzipals dienen oder das Fortkommen des Handlungsgehilfen unbillig erschweren. Das Verbot darf sich nur auf einen Zeitraum von maximal 2 Jahren erstrecken, jedoch führt eine längere Dauer nicht zur generellen Unwirksamkeit, sondern nur zu einer Reduzierung auf 2 Jahre. Die Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede kann sich aus einem Verstoß gegen die 1 4 Formvorschrift des § 74 Abs. 1 ergeben. Unwirksam ist die Abrede ferner in den Fällen des § 74 a Abs. 2 (Minderjährigkeit des Handlungsgehilfen, Versprechen durch Ehrenwort, Verpflichtung eines Dritten anstelle des Handlungsgehilfen). § 138 B G B bleibt unberührt. b) Eine wirksam getroffene Wettbewerbsabrede kann unwirksam werden, wenn der 1 5 Vertrag durch (gerechtfertigte) fristlose Kündigung des Handlungsgehilfen beendet wird (§ 75 Abs. 1) oder der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt (§ 75 Abs. 2). Außerdem steht dem Prinzipal die Möglichkeit eines einseitigen Verzichts nach Maßgabe des § 75 a offen. 2. Einzelfragen a) Die Karenzentschädigung ist jeweils am Monatsende fällig (§ 74 b Abs. 1); sie muß 1 6 mindestens die Hälfte der nach § 74 Abs. 2 zu berechnenden, zuletzt bezogenen Vergütung betragen (§ 74 Abs. 2). Der Handlungsgehilfe muß sich auf die Entschädigung anderweitigen Erwerb gem. § 74 c Abs. 1 anrechnen lassen und über die Höhe dieses Erwerbs auf Verlangen Auskunft erteilen (§ 74 c Abs. 2). b) Eine zu Lasten des Handlungsgehilfen zusätzlich verabredete Vertragsstrafe kann 1 7 der Prinzipal nur nach Maßgabe des § 340 B G B (also nur anstelle der Erfüllung) geltend machen (§ 75 c). c) § 75 f schließlich schützt den Handlungsgehilfen mittelbar vor Sperrabreden unter Arbeitgebern.
§74 (1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer v o m Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen. (2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes J a h r des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
20
B A G A P Nr. 1 zu § 74 H G B , dazu im einzelnen § 74 Rdn. 34.
Henssler
541
18
§74
Erstes Buch. Handelsstand
Rdn. I. W e t t b e w e r b s a b r e d e u n d A r b e i t s v e r t r a g . . . 1. Parteien
1
2. W i r k s a m k e i t des Arbeitsvertrages
2
3. Z e i t p u n k t der W e t t b e w e r b s a b r e d e
3
4. V e r p f l i c h t u n g d u r c h V o r v e r t r a g
7
5. A u f h e b u n g II. G e g e n s t a n d 1. T ä t i g k e i t s b e s c h r ä n k u n g 2. Vereinbarter B e g i n n III. F o r m
Rdn.
1
4. Sanktionen IV. K a r e n z e n t s c h ä d i g u n g ( A b s . 2)
26 27
1. E n t s c h ä d i g u n g s p f l i c h t als n o t w e n d i g e r Bestandteil der W e t t b e w e r b s a b r e d e . . . . 2. H ö h e der E n t s c h ä d i g u n g
8a
27 31
3. Unverbindlichkeit der Wettbewerbsabrede
9
34
V. Ü b e r g a n g der R e c h t e und Pflichten aus
10
der W e t t b e w e r b s a b r e d e
16
V I . D u r c h s e t z u n g und L e i s t u n g s s t ö r u n g e n . . .
18
1. Schriftlichkeit
19
1. L e i s t u n g s k l a g e des Prinzipals
2. A u s h ä n d i g u n g
20
2. L e i s t u n g s s t ö r u n g e n bei in K r a f t
3. U m f a n g des F o r m z w a n g s
24
getretener W e t t b e w e r b s a b r e d e
36 39 39 42
I. Wettbewerbsabrede und Arbeitsvertrag 1. Parteien 1
§ 74 geht davon aus, daß die Wettbewerbsabrede im Rahmen eines H a n d l u n g s g e h i l fenverhältnisses getroffen wird. D e r Schutz des Handlungsgehilfen kann aber nicht dadurch unterlaufen werden, daß die A b r e d e (zugunsten des Prinzipals) zwischen Handlungsgehilfen und einem Dritten erfolgt. D i e §§ 74 ff gelten für eine solche Abrede analog (Schlegelberger/Schröder § 74 Rdn. 3 c). Hingegen wird eine auch nur entsprechende A n w e n d u n g der Vorschriften auf Vereinbarungen zwischen Pächter und Verpächter eines Unternehmens mit Recht abgelehnt ( B G H N J W 1957, 988). 2. Wirksamkeit des A r b e i t s v e r t r a g s
2
Fehlt es an diesem Erfordernis, würde die A u s l e g u n g s r e g e l des § 139 B G B für Nichtigkeit auch einer (für sich betrachtet wirksamen) Wettbewerbsabrede sprechen. Interessengerecht ist dies aber nur im Fall eines noch nicht vollzogenen Arbeitsverhältnisses. H i n g e g e n kann m a n bei s o g . f a k t i s c h e n A r b e i t s v e r t r ä g e n einer Wettbewerbsabrede die Wirksamkeit nicht versagen (Schaub § 58 II 5). E b e n s o läßt die Unwirksamkeit der Wettbewerbsabrede den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses regelmäßig unberührt (Schlegelberger/Schröder § 74 Rdn. 3 b). 3. Z e i t p u n k t der W e t t b e w e r b s a b r e d e
3
a) N u r solche Abreden fallen dem Wortlaut nach unter § 74, die bei A b s c h l u ß oder w ä h r e n d des H a n d l u n g s g e h i l f e n v e r h ä l t n i s s e s „ z w i s c h e n d e m Prinzipal u n d d e m Handlungsgehilfen" getroffen werden. O b das Arbeitsverhältnis zunächst nur auf Probe oder als befristetes gelten soll, spielt keine Rolle 1 .
4
b) N a c h B e e n d i g u n g des Dienstverhältnisses sind die Parteien in der Verabredung von Konkurrenzverboten nur der aus § 138 B G B folgenden Beschränkung unterworfen. D i e von den §§ 74 ff vorausgesetzte Schutzbedürftigkeit des Handlungsgehilfen besteht dann nicht mehr 2 . 1
Dazu BAG AP Nr. 25 zu § 74; BAGE 38, 318.
542
2
Schlegelberger/Schröder § 74 Rdn. 3; Winterstein NJW 1989, 1464.
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§74
Entschädigungslos zulässig ist nach BAG AP Nr. 23 zu § 74 auch eine im Rahmen eines 5 Prozeßvergleichs getroffene Wettbewerbsabrede, wenn dabei das Arbeitsverhältnis rückwirkend für beendet erklärt wird. c) Umstritten ist die Beurteilung der mit einem Aufhebungsvertrag kombinierten 6 Wettbewerbsabreden. So kann im Aufhebungsvertrag ein Wettbewerbsverbot erstmals vereinbart, eine bestehende Abrede geändert oder aber ein bisher unverbindliches oder nichtiges Verbot bestätigt werden 3 . Zum Teil wird hier § 74 nicht angewendet 4 . Die von den §§ 74 ff erfaßte spezifische Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ist jedoch in gleicher Weise gegeben, da sich die „wirtschaftliche Überlegenheit" des Unternehmers 5 auch im Rahmen des Aufhebungsvertrages noch auswirken kann. So sind auch die zwischen Kündigung oder Aufhebungsvertrag und Dienstende vereinbarten Wettbewerbsverbote nach überwiegender Auffassung Abreden im Sinne von § 746. 4. Verpflichtung durch Vorvertrag Sie ist zulässig, muß aber, um einen Anspruch auf Abschluß der Wettbewerbsabrede 7 selbst zu begründen, den gesetzlichen Erfordernissen genügen (BAG AP Nr. 22 zu § 133 f GewO). Lediglich das Dienstverhältnis braucht im Zeitpunkt des Vorvertrags noch nicht zu bestehen (wohl aber im Zeitpunkt der Wettbewerbsabrede). Zulässig ist (unter der gleichen Voraussetzung) auch eine durch das Zustandekommen des Dienstverhältnisses oder das Bestehen der Probezeit aufschiebend bedingte Wettbewerbsabrede ( S c h a u b § 58 II 8). Wegen anderer Bedingungen s. § 75 a Rdn. 8. § 74 soll auch gelten, wenn der Veräußerer eines Handelsgewerbes sich gleichzeitig vom 8 Erwerber anstellen läßt und für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses Karenz verspricht. Die Wettbewerbsabrede ist bei dieser Fallgestaltung also dem Handlungsgehilfenverhältnis (nicht dem Kaufvertrag) zuzuordnen (RGZ 101, 375). 5. Aufhebung Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Wettbewerbsabrede jederzeit aufheben. Bei 8 a vereinbarter Schriftformbedürftigkeit muß die Aufhebung grundsätzlich schriftlich erfolgen, jedoch ist die mündliche Abrede wirksam, wenn die Parteien übereinstimmend die Maßgeblichkeit der mündlich vereinbarten Änderung gewollt haben (BAG N J W 1989, 2149). Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses beeinflußt die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbotes grundsätzlich nicht, jedoch kann sich die Erstreckung der Aufhebungswirkung auf die Wettbewerbsabrede über die Vertragsauslegung ergeben. II. Gegenstand Eine Wettbewerbsabrede i. S. des § 74 liegt nur vor, wenn der Handlungsgehilfe für die 9 Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird. 3 4
Dazu L A G Düsseldorf D B 1974, 1915. R G Z 67, 333 (für den Fall der anschließenden Selbständigkeit des Arbeitnehmers); Schlegelher-
5
ger/Schröder
6
§ 74 Rdn. 3; Bauer Arbeitsrecht-
liche Aufhebungsverträge, 3. Aufl., Rdn. 536.
Zu der hieraus folgenden Schutzbedürftigkeit vgl. BT-Drucks. 1/3856 S. 37 (zur parallelen Vorschrift des § 90 a).
H. M. vgl. etwa Schlegelbergerl Schröder § 74 Rdn. 3; Buchner
Wettbewerbsverbot S. 46; a. A.
Bauer Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 3. Aufl., Rdn. 536.
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§74
Erstes Buch. Handelsstand
1. Tätigkeitsbeschränkung 10
a) Der Umfang der Beschränkung ist gleichgültig (vgl. aber § 74 a). Auch das Verbot, mit den Kunden des Prinzipals Geschäftskontakte aufzunehmen, fällt unter § 74 (BAG AP Nr. 10 zu § 74). Das Verbot kann sich auf selbständige oder abhängige Tätigkeit beziehen.
11
Die bloße Kapitalbeteiligung an anderen Unternehmen zählt freilich nicht als Tätigkeit i. S. des § 74 (Schlegelberger/Schröder § 74 Rdn. 4 b).
12
Zu unterscheiden ist zwischen tätigkeits- und unternehmensbezogenen Wettbewerbsabreden7. Bei letzteren ist dem Handlungsgehilfen die Tätigkeit für alle oder einzelne Konkurrenzunternehmer verboten. Bezieht sich das Verbot nur auf bestimmte Tätigkeiten, kann die Auslegung gleichwohl ergeben, daß davon auch der Eintritt in ein Konkurrenzunternehmen erfaßt wird; so etwa, wenn die dort übertragene Funktion Verbotsverletzungen nahelegt (BAG aaO). Nicht immer ist dem Wortlaut der Wettbewerbsabrede, der grundsätzlich ausschlaggebend ist, zweifelsfrei zu entnehmen, welche Aktivitäten vom Verbot umfaßt werden sollen. Die Auslegung des Verbots richtet sich dann nach §§ 133, 157 BGB, da das Wettbewerbsverbot des § 74 Abs. 1 einen gegenseitigen Vertrag darstellt8. Wegen weiterer Auslegungsprobleme s. § 74 a Rdn. 2 ff, 10.
13
Es macht keinen Unterschied, ob sich die Beschränkung in Form einer Unterlassungspflicht aus der Abrede unmittelbar ergibt, oder ob sie nur mittelbar zur Wirkung kommt. Letzteres wäre der Fall, wenn sich der Prinzipal die Genehmigung der Konkurrenztätigkeit vorbehält (BAGE 22, 324), oder der Handlungsgehilfe bei Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit Teile der bezogenen Vergütung zurückgewähren muß (So zu § 90 a B G H NJW 1973, 144). Bei tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsabreden ist im Zweifel davon auszugehen, daß sie ihre Gültigkeit erst mit Aufnahme der Tätigkeit bei dem Arbeitgeber erlangen (BAG D B 1992, 2300).
14
b) Die Abrede muß, um unter § 74 zu fallen, dem Handlungsgehilfen Beschränkungen auferlegen, denen er nicht ohnehin schon (unter anderen Gesichtspunkten) unterliegt. Die §§ 74 ff gelten also weder für eine rechtsgeschäftliche Verschärfung des gesetzlichen Wettbewerbsverbots (§ 60; vgl. sogleich Rdn. 16) noch für die vertragliche Ausgestaltung der Sanktionen von Verstößen gegen Vorschriften des U W G oder des bürgerlichen Deliktsrechts.
15
Die Wahrung von Betriebsgeheimnissen kann beispielsweise Gegenstand einer nachvertraglichen Nebenpflicht sein (§ 59 Rdn. 71). Nur wenn eine Abrede den Handlungsgehilfen darüber hinaus in seinem Fortkommen beeinträchtigt, ist sein Interesse nach Maßgabe der §§ 74 ff schützenswert (BAGE 41, 21). Zur Verschwiegenheitspflicht als Gegenstand einer Wettbewerbsabrede vgl. R G GruchBeitr. 47, 999, 1002; R G Z 65, 333. Problematisch kann im Einzelfall sein, ob Kundenanschriften die Qualität von Betriebsgeheimnissen haben und Verwertungsverbote daher entschädigungsfrei zulässig sind9. 2. Vereinbarter Beginn
16
a) Nur nachvertragliche Konkurrenzverbote unterliegen den §§ 74 ff (vgl. vor § 74 Rdn. 5). Der Zeitpunkt, in dem die Wettbewerbsbeschränkung in Kraft tritt, ist von dem
7
8
Vgl. BAG AP Nr. 24 zu § 113 f GewO; BAG D B 1992,2300. B A G BB 1986, 462; Grunsky FS Söllner S. 969.
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9
Schlegelberger/Schröder AP Nr. 10 zu § 74.
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$ 74 Rdn. 4 sowie BAG
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74
der Abrede zu unterscheiden. Unbeschränkt zulässig sind Wettbewerbsabreden nach h. M. für den Fall eines Ruhestandsverhältnisses 10 . b) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Inkrafttreten der beiderseitigen Pflichten ist 1 7 regelmäßig die rechtliche Beendigung des Dienstverhältnisses. Bis dahin hat der Handlungsgehilfe seine Vergütungsansprüche und ist seinerseits gem. § 60 zur Unterlassung von Konkurrenz verpflichtet. Das gilt auch im Fall einer unbegründeten fristlosen Kündigung durch den Prinzipal, so daß auch hier die Wettbewerbsabrede in bezug auf Karenzentschädigung und Unterlassungspflicht erst mit Vertragsende Wirkung entfaltet. Vgl. im übrigen ξ 60 Rdn. 21 ff. Keine Wirkungen entfaltet die Wettbewerbsabrede bei einem Vertragsbruch vor Dienstantritt (BAG NZA 1987, 2023); das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber das Vertragsverhältnis schon vor dem vereinbarten Arbeitsbeginn unter Verzicht auf jede Dienstleistung gekündigt hat 11 . III. F o r m Die Wettbewerbsabrede untersteht gem. Abs. 1 dem Schriftformerfordernis. Zusätzlich 1 8 muß dem Handlungsgehilfen eine vom Prinzipal unterzeichnete, die Vereinbarung wiedergebende Urkunde ausgehändigt werden. Der Zweck dieses qualifizierten Formzwangs liegt im Ubereilungsschutz und in der Rechtsklarheit. Das Aushändigungserfordernis soll insbesondere auch die sichere Orientierung des Handlungsgehilfen gewährleisten (Buchner S. 51). Abs. 1 ist auf Wettbewerbsabreden mit anderen Arbeitnehmern analog anwendbar (Schaub § 58 II 1). 1. Schriftlichkeit Die gesetzliche Schriftform der Vereinbarung erfordert eigenhändige Namensunter- 1 9 schrift (bzw. notariell beglaubigtes Handzeichen) beider Parteien und zwar auf ein und derselben Urkunde (§ 126 Abs. 1 und 2 S. 1 BGB). Nur bei Aufnahme zweier gleichlautender Urkunden genügt die jeweilige Unterzeichnung des für den anderen Teil bestimmten Exemplares durch die eine Partei (§ 126 Abs. 2 S. 2 BGB; wegen weiterer Möglichkeiten vgl. §§ 126 Abs. 3,127 a BGB). Briefwechsel reicht ebensowenig aus wie ein einseitiges Bestätigungsschreiben des Prinzipals (RAGE 14, 144). Hingegen soll die Vereinbarung im Rahmen eines Tarifvertrages die Schriftform ersetzen (Baumbach/Duden/Hopt § 74 Anm. 2 B). Die einverständliche Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitiger Gewährung von Versorgungsbezügen begründet kein Konkurrenzverbot (BAG, NZA 1994, 502). 2. Aushändigung a) Es handelt sich um ein eigenständiges Zusatzerfordernis; ihm ist genügt, wenn der 2 0 Handlungsgehilfe im Fall des § 126 Abs. 2 S. 2 BGB das vom Prinzipal unterzeichnete Urkundenexemplar oder im Fall des § 126 Abs. 2 S. 1 BGB die gemeinsam unterzeichnete Urkunde ausgehändigt erhält. Ansonsten muß der Prinzipal zum Zweck der Aushändigung eine eigene Urkunde ausstellen. Mit einer beglaubigten Abschrift kann das
10
Schlegelberger/Schräder § 74 Rdn. 3a; Gaul BB 1984, 346; Schaub BB 1972, 223.
11
Dazu BAG AP Nr. 25 zu § 123 BGB; DB 1992, 1194.
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Erfordernis nicht erfüllt werden, wohl aber im Fall der notariellen Beurkundung (§ 126 Abs. 3 BGB) mit einer Ausfertigung (§ 47 BeurkG; vgl. Schaub § 58 II 2). 21
b) Uber das zeitliche Verhältnis von Erfüllung der Schriftform zur Aushändigung bestimmt das Gesetz nichts. Nach h. M. muß letztere in angemessener Frist erfolgen12.
22
Richtig dürfte es sein, die zeitliche Grenze für die Aushändigung analog § 147 B G B zu ziehen. Zwar ist die Aushändigung durch den Prinzipal keine Annahmeerklärung. Andererseits ist die Wirksamkeit der Abrede insgesamt auch von der Aushändigung abhängig. Diese muß folglich auf Antrag des anwesenden Handlungsgehilfen sofort mit der Annahmeerklärung des Prinzipals, unter Anwesenden in der Frist des § 147 Abs. 2 B G B erfolgen. Eine längerfristige Bindung des Handlungsgehilfen an seine Erklärung wäre nicht gerechtfertigt (a. A. Heymann/Kötter § 74 Anm. 5).
23
Verweigert der Handlungsgehilfe die Entgegennahme der angebotenen Urkunde, gelten die Regeln über die Zugangsvereitelung analog. Für die Anwendbarkeit von § 132 B G B auch RGRK/Würdinger § 74 Anm. 5. Eine verspätete Aushändigung führt nur mit Zustimmung des Handlungsgehilfen zur Wirksamkeit der Wettbewerbsabrede {Schlegelberger/Schröder § 74 Rdn. 10a). 3. Umfang des Formzwangs
24
a) Das Schriftformerfordernis gilt für die Wettbewerbsabrede in ihrem ganzen Umfang, insbesondere auch für die zu vereinbarende Entschädigungspflicht des Prinzipals (BAG AP Nr. 35 zu § 74 HGB) sowie etwaige Nebenabreden (insoweit a. M. Schlegelberger/Schröder § 74 Rdn. 10b). Die Wettbewerbsabrede kann auch im Rahmen eines dem Schriftformerfordernis genügenden Arbeitsvertrags getroffen werden. Die Form ist gewahrt, wenn wegen der Ausgestaltung der Abrede auf die §§ 74 ff Bezug genommen wird (BAG aaO sowie AP Nr. 46 zu § 74 HGB).
25
b) Auch die auszuhändigende Urkunde muß die vereinbarten Bestimmungen enthalten, und zwar vollständig. Die Aushändigung einer schriftlichen Bestätigung des Prinzipals reicht nicht aus, wenn dabei wegen des Inhalts der Vereinbarung auf die schriftliche Abrede nur Bezug genommen wird (RAG ARS 18, 320). Zweck der Aushändigung ist es gerade auch, dem Handlungsgehilfen den Inhalt der Vereinbarung vor Augen zu führen. 4. Sanktionen
26
Ein Verstoß gegen die Formbedürftigkeit oder die unterbliebene Aushändigung führen zur Unwirksamkeit der Abrede (§ 125 S. 1 BGB). Die Berufung auf Formnichtigkeit ist regelmäßig nicht treuwidrig, auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer den Formmangel kannte. Ausnahmsweise soll der Prinzipal, wenn er den Formmangel verschuldet hat, dem sich abredegemäß verhaltenden Handlungsgehilfen aber die zugesagte Karenzentschädigung schulden (RAGE 14, 144). Hingegen begründet es nicht den Vorwurf der Arglist, wenn ein nachträglich erkannter Formmangel nicht aufgeklärt wird (BAG AP Nr. 2 zu § 74). Es bleibt dann bei der Nichtigkeitsfolge.
12
Schlegelberger/Schröder § 74 Rdn. 10a; Baumbach/Duden/Hopt § 74 Anm. 2 B; Schaub § 58 II 2.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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IV. Rarenzentschädigung (Abs. 2) 1. Entschädigungspflicht als notwendiger Bestandteil der Wettbewerbsabrede a) Gem. Abs. 2 muß die Wettbewerbsabrede mit einem Handlungsgehilfen (abweichend § 90 a für den Handelsvertreter) im Ansatz als gegenseitig verpflichtender V e r t r a g ausgestaltet werden; der Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb steht diejenige zur Zahlung der Karenzentschädigung gegenüber. Wegen der Anwendbarkeit der §§ 320 ff B G B s. Rdn. 42. Zur Ausdrücklichkeit einer Karenzentschädigung B A G D B 1995, 50.
27
§ 74 Abs. 2 gilt für alle Wettbewerbsabreden mit A r b e i t n e h m e r n ( B A G A P Nr. 24 zu § 611 B G B Konkurrenzklausel), nach Auffassung des B G H dagegen nicht zwischen G m b H und Geschäftsführer (vgl. B G H N J W 1984, 2366). Die in § 75 b vorgesehenen Ausnahmen von der Entschädigungspflicht sind für verfassungswidrig erklärt worden (s. § 75 b Rdn. 2 und 4). Nach Beendigung des Dienstverhältnisses getroffene Wettbewerbsabreden sind entschädigungslos zulässig ( B A G A P Nr. 23 zu § 74 H G B ) , da der Arbeitnehmer nicht mehr in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Arbeitgeber steht.
28
b) Die Entschädigungspflicht muß v o m Prinzipal selbst übernommen werden. Eine nachträglich zugesagte Entschädigung genügt nicht ( B A G A P Nr. 19 zu § 74 H G B ) . Vielmehr müßte dann eine neue Wettbewerbsabrede getroffen werden. Ungenügend ist auch ein bedingtes Entschädigungsversprechen (vgl. § 75 a Rdn. 8).
29
Das Erfordernis ist u n a b h ä n g i g v o m U m f a n g der durch den Handlungsgehilfen übernommenen Unterlassungspflicht. Es entfällt auch nicht im Hinblick auf eine bereits gesicherte Versorgungsanwartschaft des Arbeitnehmers ( B A G B B 1976, 793).
30
2. Höhe der Entschädigung Abs. 2 sieht als Mindestentschädigung für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen vor. Bleibt das Entschädigungsversprechen dahinter zurück, ist die Wettbewerbsabrede unverbindlich.
31
Maßstab für das Entschädigungsversprechen ist die Vergütung einschließlich aller Zulagen mit Entgeltcharakter (vgl. § 59 Rdn. 100 ff sowie B A G A P Nr. 19 und Nr. 40 zu § 74 H G B ) . Wegen der Berechnung vgl. § 74 b.
32
Eine Abrede, nach der die „Hälfte" der zuletzt erhaltenen Monatsbezüge zugesagt ist, bedarf der Auslegung im Einzelfall (dazu B A G N J W 1990, 1870; L A G Frankfurt D B 1991, 709). D i e Vereinbarung vorweggenommener Teilzahlungen auf die Karenzentschädigung (neben der laufenden Vergütung) genügt dem Erfordernis des Abs. 2 im allgemeinen nicht ( B A G A P Nr. 38 zu § 74 H G B ) , vgl. auch § 75 d S. 2.
33
3. Unverbindlichkeit der Wettbewerbsabrede Bei fehlender Entschädigungszusage geht das B A G entgegen dem Wortlaut zu Recht von der Nichtigkeit der Abrede aus ( B A G A P Nr. 1 zu § 74 H G B ) . Genügt die Karenzentschädigung der H ö h e nach nicht den gesetzlichen Anforderungen oder ist sie mit Bedingungen versehen, so hat der Arbeitnehmer ein Wahlrecht, wie sich aus § 75 d ergibt. Einer ausdrücklichen Erklärung des Arbeitnehmers bedarf es nicht. Der Anspruch auf die vertraglich vereinbarte - nicht die gesetzlich vorgesehene 1 3 - Karenzentschädigung 13
R A G E 25, 69; B A G A P Nr. 10, 19 zu § 74 H G B . Der 3. Senat ( B A G N J W 1990, 1870) hat die Frage nunmehr jedoch ausdrücklich offengelas-
sen, so daß sich ein Kurswechsel anzubahnen scheint.
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Erstes Buch. Handelsstand
entsteht auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer zu Beginn der Karenzzeit endgültig für das Wettbewerbsverbot entscheidet und seiner daraus folgenden Unterlassungsverpflichtung tatsächlich nachkommt ( B A G E z A Nr. 53 zu § 74 H G B unter Aufgabe der früheren strengeren Rechtsprechung). 35
In entsprechender Anwendung des § 264 Abs. 2 S. 1 B G B kann der Arbeitgeber den Handlungsgehilfen auffordern, sein Wahlrecht auszuüben. Nach Ablauf der Frist geht das Wahlrecht auf den Arbeitgeber über (§ 264 Abs. 2 S. 2 B G B ) . Im Falle eines Kündigungsrechtstreites kann die Erklärung bis zur Klärung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachgeholt werden ( B A G VersR 1987, 947).
V. Ubergang der Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede 36
Die Rechte aus einer Wettbewerbsabrede sind nach Maßgabe des § 399 B G B übertragbar. Problematisch ist der Ubergang der Rechte des Prinzipals im Fall der Betriebsveräußerung. Bei noch bestehendem Arbeitsverhältnis gehen die Rechte (und Pflichten) aus der zugehörigen Wettbewerbsabrede gem. § 613 a B G B ohne weiteres auf den Erwerber über (dazu Gaul N Z A 1989, 697, 699). Einer (nach früherer Rechtslage erforderlichen) besonderen Vereinbarung zwischen Prinzipal, Erwerber und Handlungsgehilfen (dazu B A G AP Nr. 18 und Nr. 31 zu § 74 H G B ) bedarf es nicht. Gleiches gilt im Fall der Gesamtrechtsnachfolge auf der Arbeitgeberseite. Der Ubergang kann aber nicht zu einer inhaltlichen Erweiterung des Wettbewerbsverbots führen, etwa im Hinblick auf einen weiteren Geschäftsbereich des Nachfolgers. Zu beachten ist ferner § 74 a Abs. 1 S. 1 (vgl. dort Rdn. 8).
37
Bei Betriebsübergang nach Ausscheiden des Handlungsgehilfen (aber bei bestehendem Wettbewerbsverbot) ist § 613 a B G B seinem Wortlaut nach unanwendbar; die Zulässigkeit einer Analogie ist zu verneinen ( S c h a u b § 58 II 4 m.w.N. zum Streitstand). Allerdings kann der Unterlassungsanspruch des Prinzipals im Rahmen der Betriebsveräußerung an den Ubernehmer abgetreten werden, sofern mit der Abtretung (abgesehen vom Gläubigerwechsel) keine Inhaltsänderung verbunden ist. Isoliert ist der Anspruch des Prinzipals nach dem Zweck der Wettbewerbsabrede nicht übertragbar
(Schlegelberger/Schröder 38
§ 74 Rdn. 6).
Die Verpflichtung des Handlungsgehilfen ist zwar nicht in dem Sinn höchstpersönlich, daß er nicht auch durch von ihm veranlaßte Dritte (dazu unten Rdn. 45) gegen sie verstoßen könnte; sie erlischt aber ihrer Eigenart nach mit dem Tode des Handlungsgehilfen, so daß nur diejenigen Ansprüche und Verbindlichkeiten auf seinen Erben übergehen, die sich aus der Erfüllung oder Verletzung der Abrede bis zum Erbfall ergeben haben.
VI. Durchsetzung und Leistungsstörungen 1. Leistungsklage des Prinzipals 39
Aufgrund einer verbindlichen Wettbewerbsabrede hat der Prinzipal gegen den Handlungsgehilfen in erster Linie einen Erfüllungsanspruch, gerichtet auf Unterlassung abredewidrigen Verhaltens (wegen der Gegenansprüche zugunsten des Handlungsgehilfen vgl. § 74 b). Die Geltendmachung im Wege der Leistungsklage ist möglich, wenn der Handlungsgehilfe Grund zur Besorgnis von Zuwiderhandlungen gibt. Das folgt aus § 259 Z P O , der auf vertragliche Unterlassungsansprüche anwendbar ist ( B G H L M Nr. 2 zu § 241 B G B ) . Die Besorgnis ist beispielsweise begründet, wenn der Handlungsgehilfe seine 548
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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Pflicht leugnet oder bereits in verbotener Weise tätig geworden ist. Läuft die Karenzzeit ab, bevor das Urteil zugunsten des Prinzipals rechtskräftig geworden ist, muß der Leistungsantrag auf Feststellung geändert werden. Die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs erfolgt gem. § 890 ZPO durch (zunächst anzudrohende) Ordnungsmittel. Die Verurteilung zu Ordnungsgeld oder Ordnungshaft darf wegen des strafähnlichen Charakters dieser Mittel nur nach schuldhafter Zuwiderhandlung erfolgen (BVerfG NJW 1981, 2457 m.w.N.). Der Erfüllungsanspruch kann auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend 4 0 gemacht werden (vgl. Heinze RdA 1986, 281). Gegebenenfalls kann mit ihm auch die Beseitigung einer fortbestehenden Störung verlangt werden (Baumbach/Duden/Hopt § 74 Anm. 1 D). In jedem Fall muß die zu unterlassende Handlung genau bezeichnet werden ( O L G 41 Hamm N J W 1980, 1289). Da der Prinzipal oft keine Kenntnis von Art und Umfang der begangenen oder bevorstehenden Zuwiderhandlungen haben wird, ist ihm zur Vorbereitung seines weiteren Vorgehens ein Auskunftsanspruch zuzubilligen. Die Auskunft muß dem Prinzipal die Beurteilung ermöglichen, ob Verstöße gegen die Wettbewerbsabrede drohen. Der Anspruch besteht allerdings nur, wenn auf Seiten des Handlungsgehilfen Gründe vorliegen, die die Annahme abredewidrigen Verhaltens nahelegen (BAG AP Nr. 12 zu § 242 B G B Auskunftspflicht). Ein vorbeugender Schutz ist durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe möglich. Sie ist der einzige Schutz des Arbeitgebers, wenn der Arbeitnehmer die Tätigkeit nach Vereinbarung einer vertraglichen Leistungspflicht erst gar nicht aufnimmt, da das BAG (NZA 1987, 813) der Wettbewerbsabrede bereits Bedeutung zuerkennt. 2. Leistungsstörungen bei in Kraft getretener Wettbewerbsabrede Das H G B regelt nur den Sonderfall einer zu Lasten des Handlungsgehilfen vereinbar- 4 2 ten Vertragsstrafe (§ 75 c). Die Folgen von Nichterfüllung und Verzug bestimmen sich daher nach allgemeinem Schuldrecht. Einschlägig sind insbesondere die §§ 320 ff BGB. Die Pflicht des Prinzipals zur Zahlung der Karenzentschädigung steht zur Unterlassungspflicht des Handlungsgehilfen im Verhältnis der Gegenseitigkeit14. a) Schuldhafte Pflichtverletzung seitens des Handlungsgehilfen führt zur Anwendung 4 3 der § 325 B G B bzw. der Regeln über die pFV, nicht zu vertretende Pflichtverletzung zur Anwendung von § 323 BGB. aa) Der Tatbestand der Pflichtverletzung ist vielfach erst nach Auslegung der 4 4 Wettbewerbsabrede feststellbar15. Hat sich der Handlungsgehilfe beispielsweise verpflichtet, weder ein Konkurrenzunternehmen aufzumachen noch in den Dienst eines solchen zu treten, stellen gelegentlich getätigte Einzelgeschäfte nicht ohne weiteres einen Verbotsverstoß dar (RG J W 1906, 34). Die Wettbewerbsabrede erfaßt im Zweifel nur solche Tätigkeiten, die das Interesse des Prinzipals beeinträchtigen (vgl. dazu noch § 74 a Rdn. 4). So kann der ehemalige Angestellte eines Großhändlers sanktionslos als Einzelhändler tätig werden (RGZ 31, 99). Ob der Handlungsgehilfe bei vereinbartem Verbot der Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen selbst ein solches Unternehmen gründen darf, ist zweifelhaft 16 . Ausnahmsweise kann auch der Verbleib in einem 14
B A G AP Nr. 24 und Nr. 42 zu § 7 4 H G B ; § 58 II 5 m.w.N. Dazu B A G A P Nr. 16 zu § 7 4 H G B und Rdn. 14.
Schaub 15
16
Vgl. einerseits O L G Frankfurt D B 1973, 139; andererseits L A G Hamm B B 1959, 1064.
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Konkurrenzunternehmen verboten sein, wenn der Handlungsgehilfe nach wirksam vereinbarter Wettbewerbsabrede und trotz erfolgter Einweisung in empfindliche Bereiche des neuen Betriebs unter Verletzung des Arbeitsvertrags die Stelle nicht antritt ( B A G AuR 1987, 375). 45
Die Auslegung der Abrede kann insbesondere zur Einbeziehung von Umgehungsversuchen führen. Wer das Unterlassen jeglicher Konkurrenz versprochen hat, darf ein Konkurrenzgeschäft auch nicht durch Angehörige oder Angestellte betreiben lassen ( B G H B B 1970, 1374; R G J W 1910, 279). Bei einem regional begrenzten Verbot kann unzulässige Umgehung darin liegen, daß von einem erlaubten O r t aus Geschäfte überwiegend im verbotenen Bezirk getätigt werden ( R G Recht 1915 Nr. 2550).
46
bb) Der Prinzipal kann gem. § 325 Abs. 1 B G B Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn der Handlungsgehilfe zur Erfüllung seiner Unterlassungspflicht aufgrund von Umständen, die er zu vertreten hat, außerstande ist. Zweifelhaft ist der Umfang der Unmöglichkeit bei zeitlich begrenzten Verstößen. Man wird sich an den monatsweise bemessenen Fälligkeitszeiträumen für die Karenzentschädigung (§ 74 b Abs. 1) zu orientieren haben. Jeder Verbotsverstoß führt dann zur (Teil-)Unmöglichkeit für den betreffenden Zeitabschnitt. Praktisch bedeutsam ist das insbesondere auch, wenn der Prinzipal gem. § 325 Abs. 1 S. 3 B G B i.V.m. § 323 Abs. 1 B G B Befreiung von seiner Gegenleistungspflicht geltend macht. Seine Entschädigungspflicht erlischt nur für den Zeitraum der Zuwiderhandlung 17 . Uberzahlte Entschädigungsleistungen kann er in Form eines Bereicherungsanspruchs zurückverlangen ( B A G AP Nr. 24 zu § 74 H G B ) .
47
Unter der Voraussetzung des fehlenden Interesses an einer teilweisen Erfüllung (§ 325 Abs. 1 S. 2 B G B ) kann der Prinzipal auch Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Wettbewerbsabrede insgesamt verlangen oder von dem ganzen Vertrag zurücktreten ( B A G N J W 1986, 1192). Das gleiche Recht hat er bei endgültiger Erfüllungsverweigerung seitens des Handlungsgehilfen unter dem Gesichtspunkt der pFV (oder analog § 326 Abs. 1 B G B ) ; Fristsetzung und Ablehnungsandrohung sind dann entbehrlich.
48
Der Schadensersatzanspruch des Prinzipals umfaßt auch den ihm entgehenden Gewinn. Ein Anspruch auf Herausgabe des von dem Handlungsgehilfen erzielten Gewinns besteht hingegen nicht. Es fehlt an einer dem § 61 entsprechenden Vorschrift. Zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs steht dem Prinzipal ein Auskunftsanspruch zu (s. oben Rdn. 41).
49
cc) Hat der Handlungsgehilfe ohne Verschulden gegen seine Unterlassungspflicht verstoßen, wird der Prinzipal für den betreffenden Zeitraum gem. § 323 Abs. 1 B G B von der Entschädigungspflicht frei. Im umgekehrten Fall, in dem der Handlungsgehilfe auf Drängen des Prinzipals eine unverbindliche Wettbewerbsabrede zunächst vorübergehend faktisch eingehalten hat, steht dem Prinzipal wegen der insoweit gezahlten Entschädigung kein Bereicherungsanspruch zu ( B A G AP Nr. 37 zu § 74 H G B ) .
50
b) Als Leistungsstörung auf selten des Prinzipals kommt hauptsächlich Verzug in Betracht. Der Handlungsgehilfe hat unter den Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 B G B ein Recht zum Rücktritt bzw. kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Daneben hat er Anspruch auf Ersatz des bereits entstandenen Verzögerungsschadens (§ 286 Abs. 1 BGB).
>7 B A G A P Nr. 16 u. 49 zu $ 74 H G B ; a. A. L A G Baden-Württemberg BB 1962, 337. 550
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74a
War die Wettbewerbsabrede bereits zum Teil durchgeführt worden, tritt an die Stelle 5 1 des Rücktrittsrechts ein Recht zur außerordentlichen Kündigung, da dann ein in Vollzug gesetztes Dauerschuldverhältnis vorliegt (Palandt/Heinrichs § 326 Rdn. 1 - 4). c) Verletzt der Handlungsgehilfe seine Karenzpflicht, kann der Prinzipal (sofern er 5 2 nicht ohnehin schon von der Leistungspflicht frei geworden ist) die Zahlung der Entschädigung zurückbehalten (§ 320 B G B ) . Er hat damit ein Druckmittel zur Durchsetzung seines Erfüllungsanspruchs für die Zukunft. Hingegen eignet sich die Unterlassungspflicht des Handlungsgehilfen bei Zahlungsverzug des Prinzipals nicht als Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts; sie wird unmöglich, indem sie nicht erbracht wird {Schlegelherger/Schröder § 74 b Rdn. 5). Der Handlungsgehilfe darf also trotz Zahlungsverzugs des Prinzipals keinen Wettbewerb betreiben ( B A G AP Nr. 42 zu § 74 H G B ) .
§74 a (1) Das Wettbewerbsverbot ist insoweit unverbindlich, als es nicht z u m Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Es ist ferner unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Gehilfen enthält. Das Verbot kann nicht auf einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an erstreckt werden. (2) D a s Verbot ist nichtig, wenn die dem Gehilfen zustehenden jährlichen vertragsmäßigen Leistungen den Betrag von fünfzehnhundert Deutsche Mark nicht übersteigen. Das gleiche gilt, wenn der Gehilfe zur Zeit des Abschlusses minderjährig ist oder wenn sich der Prinzipal die Erfüllung auf Ehrenwort oder unter ähnlichen Versicherungen versprechen läßt. Nichtig ist auch die Vereinbarung, durch die ein Dritter an Stelle des Gehilfen die Verpflichtung übernimmt, daß sich der Gehilfe nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränken werde. (3) Unberührt bleiben die Vorschriften des § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, die gegen die guten Sitten verstoßen. Übersicht Rdn. I. Unverbindliche Wettbewerbsabrede 1. Fehlen eines berechtigten geschäftlichen Interesses
Rdn.
1
II. Nichtige Wettbewerbsabreden
21
4
1. Wettbewerbsabrede mit Geringbesoldeten
22
2. Unbillige Erschwerung des F o r t k o m m e n s 3. Gesetzliche Höchstdauer
11 13
4. Geltendmachung der Unverbindlichkeit
2. Wettbewerbsabrede mit Minderjährigen.
25
3. Versprechen auf Ehrenwort
27
4. Verpflichtung Dritter III. Sittenwidrige Wettbewerbsabreden
29 31
15
I. Unverbindliche Wettbewerbsabreden § 74 a Abs. 1 statuiert neben der unzureichenden Entschädigung (§ 74 Abs. 2) drei wei- 1 tere Fälle der Unverbindlichkeit von Wettbewerbsabreden. Die Unverbindlichkeitsgründe Henssler
551
§ 74a
Erstes Buch. Handelsstand
stehen nicht isoliert nebeneinander. So kann eine besonders hohe Entschädigung, etwa zur Wirksamkeit eines gegenständlich weitreichenden Verbotes führen. Ebenso wirkt sich eine sehr kurze Verbotsdauer, die deutlich unterhalb der Zweijahresgrenze des § 74 a Abs. 1 Satz 3 liegt, bei der Unbilligkeitspriifung gem. Satz 2 aus 1 . Bei unwirksamen Wettbewerbsabreden stellt sich die Frage nach der Unverbindlichkeit gem. § 74 a Abs. 1 nicht mehr. Auf solche Abreden kann sich auch der Handlungsgehilfe nicht berufen. 2
Vor der Beurteilung anhand der Kriterien des Abs. 1 ist die Wettbewerbsabrede auszulegen. Hierbei ist regelmäßig davon auszugehen, daß die Parteien ihre Erklärungen unter Zugrundelegung der ihnen vorschwebenden zukünftigen Verhältnisse (bei Inkrafttreten der Abrede) abgegeben haben (vgl. dazu R G J W 1913, 593). In Grenzfällen kann im Hinblick auf die sonst drohende Unverbindlichkeit eine einschränkende Auslegung gerechtfertigt sein.
3
Die Vorschrift ist zugunsten anderer Arbeitnehmer analogiefähig ( B A G AP Nr. 22 zu § 711 B G B Konkurrenzklausel). Eine entsprechende Anwendung kommt weiterhin bei einem Praxisübernahmevertrag in Betracht ( O L G Celle O L G Z 1990, 462). 1. Fehlen eines berechtigten geschäftlichen Interesses seitens des Prinzipals
4
a) Verbindlich ist nur die von einem berechtigten geschäftlichen Interesse gedeckte Wettbewerbsabrede (vgl. Begründung 727). Das berechtigte Interesse muß sich sowohl auf den sachlichen Inhalt des Wettbewerbsverbots als auch auf dessen räumliche Ausdehnung erstrecken ( O L G Düsseldorf D B 1990, 1960). Zweck der Abrede muß es sein, den Prinzipal vor möglichen Nachteilen zu schützen, die sich aus einer späteren Konkurrenztätigkeit des Handlungsgehilfen ergeben können. Es genügt somit nicht, daß die Abrede den Handlungsgehilfen lediglich an den Betrieb binden soll 2 . Ebensowenig reicht es aus, wenn einem Konkurrenzbetrieb nur der Gewinn eines tüchtigen Mitarbeiters erschwert werden soll 3 .
5
Vielmehr muß zwischen der verbotenen Tätigkeit und der bisherigen Funktion des Handlungsgehilfen im Betrieb des Prinzipals eine Beziehung bestehen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Handlungsgehilfe an der späteren Verwertung seiner beim Prinzipal erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen oder Kundenkontakte gehindert werden soll ( B A G AP Nr. 4 zu § 74 a H G B ) , soweit diese für das Konkurrenzunternehmen von Interesse sind. Der Arbeitnehmer muß Gelegenheit gehabt haben, bei seinem früheren Arbeitgeber Kenntnisse, Erfahrungen oder Kontakte zu erwerben, die für die Konkurrenz von Interesse sind. Neben Geschäftsgeheimnissen kommen auch Bezugsquellen oder Abnehmerkreise in Betracht. Eine Beschränkung des Konkurrenzverbots auf Unternehmensgeheimnisträger ist mit dem B A G (AP Nr. 2 zu § 74 H G B ) abzulehnen. Im Einzelfall kann, eine Interessengefährdung seitens des Prinzipals vorausgesetzt, auch das Verbot gerechtfertigt sein, überhaupt für die Konkurrenz tätig zu werden, selbst in einer anderen Funktion (zweifelnd Schaub § 58 III 9).
6
Ein nur faktisches Interesse des Prinzipals am Schutz vor Konkurrenz im Rahmen einer illegalen Tätigkeit ist nicht berechtigt i. S. der Vorschrift ( B A G AP Nr. 1 zu § 74 a).
7
b) Das berechtigte geschäftliche Interesse muß ein eigenes des Arbeitgebers sein. Wettbewerbsabreden zugunsten außenstehender Dritter sind unzulässig. Streitfragen erge1 2
Dazu Grunsky S. 96 m.w.N. BAG AP Nr. 21 zu § 133 f GewO; einschränkend Schlegelberger/Schröder § 74 a Rdn. 3c.
552
3
BAG AP Nr. 2 zu § 74 a HGB; Bandasch/Etzel §§ 74 ff Rdn. 37; a. M. Schlegelberger/Schröder § 74 a Rdn. 3a.
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74a
ben sich bei Arbeitgebern, die einem Konzernverbund angehören. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers ist hier zumindest denkbar. D a es aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung zu einem Austausch von technischen oder kaufmännischen Geschäftsgeheimnissen zwischen Konzernunternehmen kommen kann, ist ein konzernweiter Einsatz eines Arbeitnehmers nur dann möglich, wenn sichergestellt ist, daß die Kenntnisse nicht unmittelbar nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers zum Nachteil des Konzerns verwertet werden 4 . Die sachgerechte wirtschaftliche Betrachtungsweise 5 gebietet den Schutz der verbundenen Unternehmen, sofern deren Interessen parallel zu denen des Vertragsarbeitgebers verlaufen 6 . Nach diesen Grundsätzen bleibt die Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes unberührt, wenn der Betriebsteil, in dem der gebundene Arbeitnehmer beschäftigt ist, unter maßgeblicher Beteiligung des Arbeitgebers an der neuen Rechtsperson verselbständigt wird ( B A G A P Nr. 19 zu § 133 f G e w O ) . c) Das berechtigte Interesse des Prinzipals muß zur Zeit der G e l t e n d m a c h u n g der 8 Wettbewerbsabrede gegeben sein 7 . Denn nur bei der Geltendmachung stellt sich die Verbindlichkeitsfrage. So kann etwa eine Geschäftsveräußerung durch den Prinzipal wegen des damit verbundenen Interessenwegfalls dazu führen, daß die Wettbewerbsabrede nachträglich unverbindlich wird 8 . Sofern die Rechte aus der Wettbewerbsabrede auf den Ubernehmer übergehen (dazu § 74 Rdn. 36), kommt es für die weitere Verbindlichkeit auf das Interesse in dessen Person an ( B A G A P Nr. 1 zu § 74 a H G B ) . Gehen die Rechte nicht über, besteht ein Interesse des Veräußerers ausnahmsweise fort, 9 wenn er sich dem Ubernehmer gegenüber verpflichtet hat, für das Unterbleiben von Wettbewerb durch bisherige Angestellte einzustehen ( R G R K / W ü r d i n g e r § 74 a Anm. 1). Auch die Aufgabe bzw. Einschränkung des Betriebs kann zu einer Interessenänderung und damit zur Unverbindlichkeit der Abrede führen. Hingegen bewirkt eine nachträgliche A u s w e i t u n g des Geschäftsbetriebs keine 1 0 Erweiterung der Wettbewerbsabrede; ergibt allerdings deren Auslegung, daß das Konkurrenzverbot gegebenenfalls über den zur Zeit der Vereinbarung bestehenden Interessenbereich hinaus wirken soll, ist bei nachfolgender Interessenerweiterung die Abrede in vollem Umfang verbindlich. 2. Unbillige E r s c h w e r u n g des F o r t k o m m e n s Jedes Wettbewerbsverbot behindert einen gewünschten Arbeitsplatzwechsel und ent- 11 hält daher eine Erschwerung des "Fortkommens" des Arbeitnehmers. Das entscheidende Kriterium bildet damit die Billigkeit der Beschränkung. Abs. 1 S. 2 verlangt eine umfassende Abwägung zwischen der Belastung des Arbeitnehmers durch die Wettbewerbsabrede einerseits und der Entschädigung andererseits 9 . In die Interessenabwägung fließen neben der Höhe der Entschädigung, dem räumlichen, gegenständlichen und zeitlichen Verbotsumfang auch die persönlichen Verhältnisse der am Verbot beteiligten Personen ein 10 . Während das fortgeschrittene Alter des Verpflichteten oder seine langjährige 4
5
Dazu Buchner S. 67; Kracht B B 1970, 584; Henssler Der Arbeitsvertrag im Konzern S. 176 ff; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern S. 131 ff; Martens FS Herschel S. 237, 241 ff. In der Rechtsprechung hat sich auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes im Konzern die wirtschaftliche Betrachtungsweise noch nicht durchgesetzt, vgl. etwa B A G A P Nr. 19 zu §§ 183
GewO; Nr. 2 zu § 74 a H G B . Weitergehend Kracht B B 1970, 584 f. 7 Schlegelherger/Schröder § 74 a Rdn. 3; B A G A P Nr. 18 zu § 74 H G B . 8 BAGaaO. 9 B A G E 3,296; B A G A P Nr. 19 zu § 133 f G e w O . 10 Dazu Hoffmann-Becking FS Q u a c k S. 273, 275. 6
Henssler
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§ 74a
Erstes Buch. H a n d e l s s t a n d
Unternehmenszugehörigkeit gegen ein ausgedehntes Verbot sprechen, ist eine besonders verantwortungsvolle Stelle des Arbeitnehmers und die daraus folgende Gefahr eines besonders hohen Schadens durch eine Konkurrenztätigkeit zugunsten des Arbeitgebers zu werten. Richtiger Ansicht zufolge fließen in das Billigkeitsurteil somit auch die Interessen des Arbeitgebers am Schutz vor Wettbewerb ein 11 . 12
Eine regional umfassende Wettbewerbsabrede ist u. U. doch verbindlich, wenn sie dem Arbeitnehmer nur einzelne Handlungen (wie das Abwerben von Kunden) verbietet, oder nur ganz kurze Zeit gelten soll. Ein vor der deutschen Wiedervereinigung vereinbartes, ursprünglich nur auf die alten Bundesländer bezogenes Konkurrenzverbot soll nach der Rechtsprechung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf die neuen Bundesländer erstreckt werden können 12 . Der örtliche Verbotsumfang kann sich auch aus dem Inhalt des Verbotes ergeben, wenn etwa die Betreuung bestimmter Kunden des Arbeitgebers untersagt wird 13 . Die absolute Zeitgrenze des § 74 Abs. 1 Satz 3 bedeutet nicht, daß die Einhaltung dieser Maximalfrist stets die Billigkeit der Erschwerung des Fortkommens bedingt. Eine kürzere Karenzzeit kann in Verbindung mit anderen Abwägungskriterien das Unbilligkeitsverdikt rechtfertigen 14 . 3. Gesetzliche Höchstdauer
13
Gemäß Satz 3 darf sich die Wettbewerbsabrede nicht über einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an erstrecken. Die Einführung einer absoluten Zeitgrenze dient der Rechtssicherheit. Sie trifft als absolute Wirksamkeitsschranke in der Praxis auf hohe Akzeptanz und entspricht in der Tendenz der Rechtslage in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft 15 . Der in § 84 a Abs. 1 Satz 3 zum Ausdruck gekommene Rechtsgrundsatz wird von der Rechtsprechung auch außerhalb des Arbeitsrechts herangezogen 16 .
14
Der für die Berechnung maßgebliche Zeitpunkt ist der der rechtlichen Beendigung, zu dem die Wettbewerbsabrede auch in Kraft tritt (vgl. § 74 Rdn. 17). Wurde der Handlungsgehilfe nach Beendigung des Dienstverhältnisses zunächst noch als freier Mitarbeiter weiterbeschäftigt, soll ausnahmsweise die Frist ab Ende dieses Verhältnisses gerechnet werden (BAG AP Nr. 4 zu § 74 a HGB). S. 3 führt (wie i. d. R. auch S. 1 und 2) nur zu teilweiser Unverbindlichkeit, d. h. die Wettbewerbsabrede ist, sofern kein anderer Unverbindlichkeitsgrund eingreift, zwei Jahre lang verbindlich 17 . 4. Geltendmachung der Unverbindlichkeit
15
a) N u r der Handlungsgehilfe kann sich auf die Unverbindlichkeit der Wettbewerbsabrede berufen (vgl. § 74 Rdn. 34). Er hat also die Wahl, ob er die Abrede, so wie sie getroffen wurde, erfüllen will oder nicht. Anders als im Fall des unzulänglichen Entschädigungsversprechens (§ 74 Abs. 2), kann er sich in den Fällen des § 74 a Abs. 1 seiner Verpflichtung aber regelmäßig nicht ganz entziehen.
'1 Schlegelberger/Schröder § 74 a Rdn. 4 a; a. A. R G R K / W ü r d i n g e r § 74 a Anm. 3. 12 L A G Berlin BB 1991, 1196. 13 Dazu B G H D B 1990, 213 (Gesellschafter einer Steuerberatungs-GmbH). 14 So auch Schlegelberger/Schröder § 84 a Rdn. 5; Grunsky S. 98.
554
15 16
17
Dazu Heinze BB 1973, 1262, 1266. B G H Z 91, 1, 4 ( G m b H - G e s c h ä f t s f ü h r e r ) ; Reinfeld S. 142 ff. R G Z 101, 376; Schlegelberger/Schröder § 74 a Rdn. 5.
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74a
Die Abrede ist nur insoweit unverbindlich, als sie nicht von einem berechtigten Interesse des Prinzipals gedeckt ist, den Handlungsgehilfen unbillig beschwert oder die Zwei-Jahres-Grenze überschreitet. Die "Zurückführung auf das erlaubte M a ß " ( B A G BB 1968, 504) ist ein Fall einer gesetzlich angeordneten geltungserhaltenden Reduktion 1 8 . N u r in Ausnahmefällen, so etwa w e n n das Interesse des Prinzipals vor Inkrafttreten der Abrede gänzlich entfallen ist, w i r d der H a n d l u n g s g e h i l f e d u r c h B e r u f u n g auf die Unverbindlichkeit frei.
16
b) Umstritten ist, wie der Handlungsgehilfe die (Teil-)Unverbindlichkeit geltend zu machen hat. Insbesondere für den Fall des § 74 a Abs. 1 S. 2 soll der Handlungsgehilfe nach einer Auffassung 1 9 auf den Weg der Feststellungsklage verwiesen werden. Dafür spricht, daß der örtlich-zeitlich-gegenständlich noch angemessene U m f a n g der Wettbewerbsabrede oft nur schwer zu ermitteln ist.
17
Gleichwohl läßt sich diese Einschränkung im Hinblick auf den klaren Wortlaut des 1 8 § 74 a nicht halten. Der Handlungsgehilfe darf der Abrede daher ohne weiteres zuwiderhandeln, soweit sie für ihn unverbindlich ist. Freilich riskiert er dann, daß in einem Rechtsstreit die Grenze der zulässigen Belastung abweichend festgestellt wird 2 0 . Die Wahl des Handlungsgehilfen erfolgt einfach in der Weise, daß er der Abrede in vollem U m f a n g folgt oder nicht. Nach bisheriger Rechtsprechung 2 1 m u ß der Arbeitnehmer seine Wahl bei Inkrafttreten der Wettbewerbsabrede treffen. F ü r den Anspruch auf Karenzentschädigung reicht es nach der neueren R e c h t s p r e c h u n g 2 2 aus, daß der A r b e i t n e h m e r seiner Unterlassungspflicht tatsächlich nachkommt. c) Das Schicksal des auf Entschädigung gerichteten Gegenleistungsanspruchs regelt 1 9 § 74 a nicht. O h n e Zweifel kann der Handlungsgehilfe, der seinerseits eine unverbindliche Wettbewerbsabrede erfüllt, die vereinbarte Karenzentschädigung verlangen ( B A G A P Nr. 3 zu § 74 a H G B ) . Hingegen ist eine Erhöhung der Entschädigung auf ein die Verbindlichkeit der Abrede gewährleistendes M a ß auch im Fall des § 74 a Abs. 1 S. 2 (ebenso w i e im Fall des § 74 Abs. 2, vgl. § 74 Rdn. 31) ausgeschlossen. Bei völliger Unverbindlichkeit gem. § 74 a Abs. 1 und entsprechender Wahl des 2 0 H a n d l u n g s g e h i l f e n entfällt dessen E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r u c h . Beruft sich der Handlungsgehilfe auf teilweise Unverbindlichkeit in örtlich-gegenständlicher Hinsicht, bleibt sein Entschädigungsanspruch nach Maßgabe der Abrede erhalten. Eine Reduktion ist nicht vorgesehen (a. A. anscheinend Schlegelberger/Schröder § 74 Rdn. 4c). Darin liegt ein Ausgleich dafür, daß die den Prinzipal gesetzeswidrig begünstigende Abrede nicht in vollem U m f a n g , sondern nur teilweise unverbindlich ist, und der Handlungsgehilfe das Risiko der Fehleinschätzung trägt (vgl. oben Rdn. 18). Bei Überschreitung der - einfach zu bestimmenden - Zeitgrenze des Abs. 1 S. 3 steht dem Handlungsgehilfen, der die Unverbindlichkeit geltend macht, ein Entschädigungsanspruch insoweit nicht zu 2 3 .
II. Nichtige Wettbewerbsabreden § 74 a Abs. 2 regelt vier U n w i r k s a m k e i t s g r ü n d e . Wegen der A u s w i r k u n g auf den Arbeitsvertrag sowie des Tatbestands der Formnichtigkeit vgl. § 74 Rdn. 2 und 26. 18 19
Dazu Lammet AcP 189 (1989), 244, 265 f. RGRYJWürdinger § 74 a Anm. 4 unter Berufung auf R G Z 77, 402.
20
Schlegelberger/Schröder
§ 74 a Rdn. 4 b; BAG
21
AP Nr. 22 zu § 74 HGB. BAG AP Nr. 36 u. 37 zu § 74 HGB.
22
B A G BB 1991, 625.
23
A. A. Grunsky S. 107.
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21
§ 74a
Erstes Buch. Handelsstand
1. Wettbewerbsabreden mit Geringbesoldeten (S. 1) 22
a) N a c h dem Wortlaut der Vorschrift sind Abreden mit Handlungsgehilfen n i c h t i g , deren vertragsmäßige Bezüge jährlich D M 1 5 0 0 , - nicht überschreiten. D a b e i soll es auf die H ö h e der Entschädigung sowie A r t und U m f a n g des Verbots nicht a n k o m m e n . D e r gesetzlichen K o n z e p t i o n zufolge darf der geringbesoldete Handlungsgehilfe in keiner Weise durch Wettbewerbsabreden gebunden werden.
23
Problematisch war schon bald nach Inkrafttreten der 1914 in das G e s e t z eingefügten Regelung die angegebene G e h a l t s g r e n z e . D u r c h Verordnung v o m 23. 10. 1923 ( R G B l . I 990), die nie außer Kraft gesetzt worden ist, wurde die G r e n z e in der Weise neu bestimmt, daß die Grundzahl von 1500 mit den v o m Statistischen Reichsamt veröffentlichten Indexziffern für die Lebenshaltungskosten (Teuerungszahlen) zu vervielfachen war. N a c h bislang h. A . wird die aktuelle G r e n z e ermittelt, indem unter Zugrundelegung der Teuerungszahl für das J a h r 1938 (Index 125,6) eine weitere Multiplikation mit dem monatlich bekanntgegebenen Lebenshaltungsindex des Statistischen Bundesamts erfolgt. Das P r o d u k t ist durch 10 000 zu teilen. Wegen weiterer P r o b l e m e bei Anwendung der Vorschrift vgl. Heymann/Kötter § 74 a A n m . 7; Schlegelberger/Schröder § 74 a R d n . 6; B A G A P Nr. 17 zu § 74 H G B .
24
b ) N a c h d e m das Bundesarbeitsgericht die analog zu berechnende Gehaltsgrenze in § 75 b S. 2 für v e r f a s s u n g s w i d r i g , weil injustiziabel, erklärt hat ( B A G A P Nr. 10 und Nr. 14 zu § 75 b H G B ) , wird man auch an der Gehaltsgrenze des § 74 a A b s . 2 S. 1 nicht mehr festhalten k ö n n e n 2 4 . Z w a r verfolgen die Vorschriften unterschiedliche Zwecke. W ä h r e n d § 75 b (Ausnahmen von der Entschädigungspflicht) die Wettbewerbsabrede mit H o c h b e s o l d e t e n erleichtern sollte, will § 74 a Abs. 2 S. 1 eine Wettbewerbsabrede mit Geringbesoldeten gänzlich ausschließen. D i e vom Bundesarbeitsgericht ( a a O ) zu § 75 b angestellten Erwägungen gelten in gleicher Weise aber auch hier. D i e Vorschrift verletzt das Verfassungsgebot hinreichender Bestimmtheit. D e n n die maßgebende Verdienstgrenze müßte in komplizierter, aus dem G e s e t z nicht rekonstruierbarer Weise ermittelt werden. D a s Interesse des geringbesoldeten Handlungsgehilfen bleibt auch bei Wegfall der Unwirksamkeitsgrenze gewahrt. So wird eine niedrige, im H i n b l i c k auf § 74 Abs. 2 aber noch ausreichende Entschädigung angesichts des unangemessen niedrigen Betrages i. d. R . gem. § 74 a A b s . 1 S. 2 zur Unverbindlichkeit der Abrede führen. D i e praktische Bedeutung des Streits ist gering, da mit Minderbesoldeten k a u m Wettbewerbsverbote vereinbart werden.
2. Wettbewerbsabreden mit Minderjährigen 25
D e r N i c h t i g k e i t s g r u n d der M i n d e r j ä h r i g k e i t des Handlungsgehilfen (Abs. 2 S. 2 ) hat neben den §§ 106 bis 113 B G B eine eigenständige F u n k t i o n . Auch wenn der minderjährige Handlungsgehilfe die A b r e d e mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 107 B G B ) 2 5 oder im R a h m e n einer Ermächtigung i. S. von § 113 B G B getroffen hat, ist sie unwirksam.
26
E i n e G e n e h m i g u n g durch den volljährig gewordenen Handlungsgehilfen (§ 108 Abs. 3 B G B ) k o m m t nicht in Betracht. E i n e B e s t ä t i g u n g ist als erneute Vornahme zu beurteilen (§ 141
24
BGB);
sie
muß
u. a.
dem
Formerfordernis
Schaub § 58 III 3; Rohster/Borrmann S. 102; a. A. Bauer Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 3. Aufl., S. 163.
556
25
des
§ 74
Abs. 1
genügen
BAG AP Nr. 1 zu § 90 a HGB; AP Nr. 17 zu § 90 HGB.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74a
(SchlegelbergerlSchröder § 74 a Rdn. 7). Ein suspensiv befristetes Verbot für die Zeit der Volljährigkeit ist ebenfalls ausgeschlossen. 3. Versprechen auf Ehrenwort Schon vor Inkrafttreten des § 74 a hatte das Reichsgericht ehrenwörtliche 2 7 Verpflichtungen u. U. als sittenwidrig und damit unwirksam angesehen (RGZ 68, 229). Abs. 2 S. 2 erklärt nur solche Abreden für nichtig, deren Erfüllung der Prinzipal sich ehrenwörtlich (oder unter ähnlicher, ζ. B. eidesstattlicher Versicherung) hat versprechen lassen. Zweifelhaft ist, ob die Vorschrift auch die Fälle erfaßt, in denen der Handlungsgehilfe 2 8 außerhalb der schriftlichen Abrede unaufgefordert oder nachträglich sein Ehrenwort gibt 26 . Der Schutzzweck der Vorschrift rechtfertigt eine solche Ausdehnung nicht. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, eine im übrigen korrekt getroffene Wettbewerbsabrede als unwirksam zu behandeln, weil der Handlungsgehilfe von sich aus zusätzlich, insbesondere nachträglich seine Ehre ins Spiel bringt (ähnlich Schlegelherger/Schröder § 74 a Rdn. 8). 4. Verpflichtung Dritter § 74 a Abs. 2 S. 2 schützt den Handlungsgehilfen (ähnlich wie § 75 f) mittelbar vor einer 2 9 Umgehung der gesetzlichen Mindestbedingungen für Wettbewerbsabreden, indem er Abreden zwischen Prinzipal und Dritten für nichtig erklärt. Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Dritte die Karenz des Handlungsgehilfen garantiert, oder nur verspricht, er werde den Handlungsgehilfen i. S. einer Karenz beeinflussen (.Baumbach/Duden/Hopt § 74 a Anm. 2 C). Die Vorschrift setzt aber voraus, daß es an einer wirksamen Wettbewerbsabrede zwi- 3 0 sehen Prinzipal und Handlungsgehilfen selbst fehlt. Eine bestehende Abrede kann durch das Versprechen Dritter somit verstärkt werden (SchlegelbergerlSchröder § 74 a Rdn. 9). In diesem Fall sind die Interessen des Handlungsgehilfen nicht gefährdet.
III. Sittenwidrige Wettbewerbsabreden a) § 74 a Abs. 3 stellt ausdrücklich klar, daß sich die Unwirksamkeit von 3 1 Wettbewerbsabreden auch aus § 138 BGB ergeben kann. In Betracht kommt dafür insbesondere der Tatbestand einer sittenwidrigen Knebelung des Handlungsgehilfen in seiner beruflichen Bewegungsfreiheit. Für das Verdikt der Sittenwidrigkeit maßgeblich sind die Auffassung der beteiligten Kreise und die Verhältnisse im Zeitpunkt der Abrede (Schlegelberger/Schröder § 74 a Rdn. 10). Ein nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entschädigungsfrei vereinbartes Wettbewerbsverbot verstößt außerdem gegen die guten Sitten, wenn dem Arbeitnehmer dadurch die Berufsausübung unmöglich gemacht wird (LAG München VersR 1987, 218). b) Entgegen dem Wortlaut des § 74 a Abs. 3 sollen die §§ 74 Abs. 2 und 74 a Abs. 1 und 3 2 2 im Verhältnis zu § 138 B G B nach h. M. leges speciales sein27. Soweit einer der genannten Tatbestände verwirklicht ist, bleibt die Vorschrift des § 138 B G B demzufolge unan-
6
Dafür KGKK/Würdinger § 74 a Anm. 8; Schaub § 58 III 6; Baumbach/Duden/Hopt § 74 a Anm. 2 B.
27
BAG AP Nr. 22 zu § 74 HGB; Schaub § 58 III 8; Baumbach/Duden/Hopt § 74 a Anm. 3; Schlegelberger/Schröder § 74 a Rdn. 10.
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Erstes Buch. Handelsstand
§ 74b
wendbar. Im Hinblick auf das Wahlrecht des Handlungsgehilfen (Rdn. 15) und die Möglichkeit einer teilweisen Unverbindlichkeit (Rdn. 16) - beide würden bei Anwendung des § 138 B G B entfallen (vgl. O L G Düsseldorf D B 1990, 1969) - ist der h. M. für diesen Konkurrenzfall zuzustimmen. Denn der Prinzipal soll nach Abschluß einer sittenwidrigen Wettbewerbsabrede nicht besser stehen als im Fall der bloßen Unverbindlichkeit. Auf die mit den Organen juristischer Personen vereinbarten Wettbewerbsverbote wendet der B G H dagegen § 138 B G B an ( B G H N J W 1984, 2366).
§ 74 b (1) Die nach § 74 Abs. 2 dem Handlungsgehilfen zu gewährende Entschädigung ist a m Schlüsse jedes Monats zu zahlen. (2) Soweit die dem Gehilfen zustehenden vertragsmäßigen Leistungen in einer Provision oder in anderen wechselnden Bezügen bestehen, sind sie bei der Berechnung der Entschädigung nach dem Durchschnitt der letzten drei J a h r e in Ansatz zu bringen. H a t die für die Bezüge bei der Beendigung des Dienstverhältnisses maßgebende Vertragsbestimmung noch nicht drei J a h r e bestanden, so erfolgt der Ansatz nach dem Durchschnitt des Zeitraums, für den die Bestimmung in K r a f t war. (3) Soweit Bezüge zum Ersätze besonderer Auslagen dienen sollen, die infolge der Dienstleistung entstehen, bleiben sie außer Ansatz. 1. Berechnung der Entschädigung 1
Die gem. § 74 Abs. 2 zu einer verbindlichen Wettbewerbsabrede gehörende Entschädigungspflicht des Prinzipals bemißt sich nach den festen und den wechselnden vertragsmäßigen Bezügen des Handlungsgehilfen. § 74 b Abs. 1 regelt die Fälligkeit der einheitlichen Entschädigung, Abs. 2 die Berechnung der Entschädigung bei wechselnden Bezügen, d. h. solchen, die von wechselnden äußeren Umständen abhängen ( B A G AP Nr. 19 zu § 74 H G B ) .
2
a) Die Berechnung der Karenzentschädigung bei festen Bezügen ergibt sich (indirekt) aus § 74 b Abs. 1 (monatlicher Zahlungszeitraum) i. V. m. § 74 Abs. 2. Demnach ist die im letzten Bezugszeitraum vor Vertragsbeendigung fällig gewordene feste Vergütung durch Multiplikation mit 12, 52, 365 auf ein Jahr hochzurechnen. Im Fall einer vereinbarten Mindestentschädigung beträgt die monatlich zu zahlende Rate 1/24 des so ermittelten Betrags.
3
Zu den festen Bezügen zählen auch Kost und Wohnung. Sie sind mit ihrem letzten Wert in die Berechnung einzubeziehen (Begründung 720). Gleiches gilt für Zulagen, Gratifikationen oder ein 13. Gehalt, unabhängig davon, ob insofern ein Rechtsanspruch bestand oder nicht 1 .
4
b) Gem. § 74 b Abs. 2 ist bei der Berechnung der Karenzentschädigung für wechselnde Bezüge auf den Durchschnittsbetrag der letzten drei Jahre abzustellen, bei geringerer Vertragsdauer (oder Vertragsänderung hinsichtlich der wechselnden Bezüge) auf den Durchschnitt des entsprechend kürzeren Zeitraums. Die Umrechnung auf Monatsbeträge erfolgt wie bei festen Bezügen über den Jahresdurchschnitt. 1
BAG AP Nr. 1 zu § 74 b HGB; AP Nr. 34 zu § 74 HGB.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74b
Zu den wechselnden Bezügen zählen Provisionen, Tantiemen und sonstige, von 5 äußeren Umständen abhängige Leistungen (BAG AP Nr. 19 und Nr. 30 zu § 74 HGB). Auch die dem Arbeitnehmer geschuldete Gewinnbeteiligung ist unter die vertragsmäßigen Leistungen i. S. d. § 74 Abs. 2 zu fassen. Es kommt nicht darauf an, ob der Anspruch vor oder nach der Beendigung des Dienstverhältnisses fällig oder ausgezahlt wurde 2 . Maßgebend ist, für welche Zeit die fragliche Vergütung gezahlt wird (BAGE 64, 1). Nicht zu den vertragsmäßigen Bezügen zählen dagegen der Krankenversicherungszuschuß (§ 205 SGB V), die freiwilligen Arbeitgeberbeiträge zu einer ersetzenden Lebensversicherung (§ 1 AnVNG 3 ) und die Vergütungen für freie oder gebundene Arbeitnehmererfindungen 4 . c) Die Berechnung der Karenzentschädigung ist nicht nur für den Fall von Bedeutung, 6 daß die gesetzliche Mindestentschädigung vereinbart wurde. Wenn die Karenzentschädigung selbständig festgesetzt wurde, ist durch die Berechnung zugleich der Kontrollmaßstab für die Verbindlichkeit der Abrede i. S. v. § 74 Abs. 2 zu gewinnen. Die Entschädigung muß für die Dauer des Verbots mindestens die Hälfte der gem. Rdn. 2 ff zu errechnenden (gegebenenfalls summierten) Beträge erreichen. d) § 74 b Abs. 3 stellt klar, daß vom Prinzipal ersetzte Auslagen des Handlungsgehilfen 7 nicht zu den Bezügen gehören und daher für die Berechnung der Karenzentschädigung außer Ansatz bleiben. Es ist hier aber zu beachten, daß auch Spesen Vergütungscharakter haben können, wenn sie nicht nur dem Auslagenersatz dienen (§ 59 Rdn. 108). Insbesondere bei pauschal gezahlten, sog. Vertrauensspesen ist durch Abzug der durchschnittlich entstandenen, tatsächlichen Aufwendungen der Vergütungsbestandteil zu ermitteln und für die Berechnung der Karenzentschädigung den festen oder wechselnden Bezügen zuzuschlagen 5 . 2. Fälligkeit Die in Monatsbeträgen zu errechnende Karenzentschädigung wird gem. § 74 b Abs. 1 8 jeweils am Monatsende fällig (vgl. zu der entsprechenden Regelung in § 64 Abs. 1 dort Rdn. 3 ff). Die Monatsfrist ist ab Beendigung des Dienstverhältnisses zu rechnen, muß sich also nicht mit dem Kalendermonat decken. Eine zugunsten des Handlungsgehilfen abweichende Fälligkeitsvereinbarung ist möglich. Es kann beispielsweise wirksam vereinbart werden, daß die gesamte Karenzentschädigung in einem Betrag bei Beendigung des Dienstverhältnisses fällig wird (vgl. BAG AP Nr. 19 zu § 133 f GewO). Eine Abzinsung in Höhe der gesetzlichen Zinsen (§ 246 BGB) entspricht dem wirtschaftlichen Wert der vorgezogenen Leistung. Sie ist daher grundsätzlich zulässig (zweifelnd Schaub § 58 V 2), da eine Benachteiligung des Arbeitnehmers bei entsprechender Aufklärung nicht zu befürchten ist. Wegen der Zahlung von Karenzentschädigung noch während des Bestehens des Dienstverhältnisses vgl. § 74 Rdn. 33. Auf eine zuungunsten des Handlungsgehilfen von § 74 b abweichende Vereinbarung 9 kann sich der Prinzipal nicht berufen. Das bedeutet hier, daß die Karenzentschädigung am Schluß jeden Monats fällig wird.
2
BAGE 64, 1, unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen gegenteiligen Rechtsprechung BAG AP Nr. 20 zu § 74 HGB; anders auch noch die Vorauflage.
3 BAG AP Nr. 40 zu § 74 HGB. 4 Bengelsdorf DB 1989, 1024. 5 RAG JW 1937,3333; LAG Hamm DB 1984, 623; Kommissionsbericht 45.
Henssler
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§ 74c
Erstes Buch. Handelsstand
3. Weitere B e h a n d l u n g des E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r u c h s 10
a) M i t Verstreichen des kalendermäßig bestimmten Termins gerät der Prinzipal in V e r z u g (§ 2 8 4 Abs. 2 S. 1 B G B ) , sofern er die Verzögerung zu vertreten hat. Wegen der Verzugsfolgen vgl. § 74 R d n . 50.
11
b) D e r Entschädigungsanspruch v e r j ä h r t wie der Vergütungsanspruch in der Frist des § 196 Abs. 1 Ziff. 8 B G B ( B A G A P Nr. 44 zu § 74 H G B ) . A u c h in Zwangsvollstreckung und K o n k u r s wird er wie der Anspruch auf Dienstvergütung behandelt 6 . Bei Geltung tariflicher Ausschlußfristen ist die Frist ab Fälligkeit der einzelnen Entschädigungsraten und nicht insgesamt ab Beendigung des Dienstverhältnisses zu berechnen 7 . Eine v o m Handlungsgehilfen erteilte Ausgleichsquittung bezieht sich im Zweifel nicht auf den Entschädigungsanspruch ( B A G A P Nr. 39 zu § 74 H G B ) . N a c h Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der A r b e i t n e h m e r dem Arbeitgeber die Verpflichtung zur Karenzentschädigung erlassen 8 .
§ 74 c (1) D e r Handlungsgehilfe m u ß sich auf die fällige E n t s c h ä d i g u n g a n r e c h n e n lassen, was er w ä h r e n d des Z e i t r a u m s , f ü r den die E n t s c h ä d i g u n g gezahlt wird, d u r c h a n d e r weitige V e r w e r t u n g seiner Arbeitskraft e r w i r b t o d e r zu erwerben böswillig u n t e r l ä ß t , soweit die E n t s c h ä d i g u n g u n t e r H i n z u r e c h n u n g dieses B e t r a g s den B e t r a g der zuletzt v o n i h m bezogenen v e r t r a g s m ä ß i g e n L e i s t u n g e n u m m e h r als ein Zehntel übersteigen w ü r d e . Ist der Gehilfe d u r c h das W e t t b e w e r b s v e r b o t g e z w u n g e n w o r d e n , seinen W o h n s i t z zu verlegen, so t r i t t a n die Stelle des B e t r a g s v o n einem Zehntel der B e t r a g v o n einem Viertel. F ü r die D a u e r der V e r b ü ß u n g einer Freiheitsstrafe k a n n der Gehilfe eine E n t s c h ä d i g u n g n i c h t verlangen. (2) D e r Gehilfe ist verpflichtet, dem Prinzipal auf E r f o r d e r n über die H ö h e seines E r w e r b e s A u s k u n f t zu erteilen. Übersicht Rdn.
Rdn.
I. Anrechnungspflicht des
II. Befreiung des Prinzipals gem. § 74 c
Handlungsgehilfen
Abs. 1 S. 3
1. Tatsächlicher Erwerb (§ 74 c Abs. 1
III. Auskunftspflicht des Handlungsgehilfen .
S. 1 1. Alt.) 2. Böswillig unterlassener Erwerb (§ 74 c Abs. 1 S. 1 2. Alt.) 3. Anrechnungsmodus
17 19
1. Entstehung und Durchsetzung 2. Inhalt und Form
22
9
11
I. Anrechnungspflicht des Handlungsgehilfen 1
D i e Pflicht des Prinzipals zur Zahlung von Karenzentschädigung wird durch § 74 c wesentlich modifiziert. I m Einzelfall kann sie ganz entfallen. D i e Anrechnungspflicht besteht vereinbarungsunabhängig von Gesetzes wegen, für andere A r b e i t n e h m e r als Handlungsgehilfen analog § 74 c ( B A G A P N r . 3 zu § 74 c H G B ; B A G A P Nr. 23 zu § 133 6
§ 59 Rdn. 141; vgl. ferner Bandasch/Etzel 75 d Rdn. 85 ff.
560
§§ 74 -
BAG DB 1985, 658; Schaub § 58 V 2 m.w.N. s L A G Düsseldorf D B 1974, 1915.
7
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74c
GewO). Abweichende Vereinbarungen sind gem. § 75 d nur zugunsten des Handlungsgehilfen wirksam. Die Anrechnungspflicht kann somit (bei vereinbarter Zahlung des Gesamtbetrags im voraus eventuell stillschweigend, vgl. Schlegelberger/Schröder § 74 c Rdn. 5a) abbedungen, nicht aber über das gesetzliche Maß (unten Rdn. 11 ff) hinaus verschärft werden 1 . Grundsätzlich sind all jene Leistungen anzurechnen, die auch in die Berechnung der Karenzentschädigung einfließen (§ 74 b Rdn. 2 ff) 2 . 1. Tatsächlicher Erwerb (§ 74 c Abs. 1 S. 1 1. Alt.) a) Anzurechnen ist der durch anderweitige Verwertung der Arbeitskraft während des 2 Entschädigungszeitraums erzielte Erwerb. In Betracht kommt vor allem die Vergütung aus einem neuen Arbeitsverhältnis. Die Art der Vergütung ist gleichgültig. Neben festen Zulagen und Gratifikationen sind auch wechselnde Bezüge (Provisionen, Tantiemen) anrechnungspflichtig (BAG AP Nr. 34 zu § 74 HGB). Wie bei Berechnung der Karenzentschädigung spielt es keine Rolle, ob die Vergütung freiwillig gewährt wird, oder ein Rechtsanspruch besteht 3 . Anzurechnen ist aber auch der Erwerb aus selbständiger Tätigkeit. Wegen der 3 Anrechnungsmodalitäten s. Rdn. 11. b) Nicht durch Verwertung der Arbeitskraft erzielt und damit unanrechenbar sind 4 Kapitalerträge (BAG AP Nr. 20 zu § 74 HGB). Bei Zusammentreffen von Kapital- und Arbeitseinsatz (Unternehmensgründung) ist die Ermittlung des anrechenbaren Erwerbs zweifelhaft (vgl. Westerfelhaus DB 1975, 1185). Im Interesse der Praktikabilität wird man das steuerpflichtige Einkommen aus Unternehmertätigkeit insgesamt anrechnen müssen 4 . Bezieht der Gesellschafter/Geschäftsführer ein Gehalt, ist nur dieses anrechenbar (BAG AP Nr. 20 zu § 74 HGB). Manipulationen kann durch § 74 c Abs. 1 S. 1 2. Alt. begegnet werden. Umstritten ist die Anrechenbarkeit von Leistungen aus der Sozialversicherung 5 . Sie 5 beruhen nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers, werden daher vom Wortlaut des § 74 c nicht erfaßt. Zweck der Anrechnung ist es jedoch, ein Einkommen, das 110 % bzw. 125 % der früheren Einkünfte übersteigt, auszuschließen und die damit verbundene Besserstellung des Arbeitnehmers zu verhindern. Entscheidend ist daher nur, ob die Leistung funktional dem Arbeitseinkommen gleichzusetzen ist. Arbeitslosengeld 6 und Kurzarbeitergeld sind aufgrund ihrer Lohnersatzfunktion demnach anrechnungsfähig (§ 128 a Abs. 1 S. 3 AFG). Dagegen ist das Übergangsgeld (§§ 20 ff SGB VI) 7 ebensowenig anrechenbar wie gesetzliche Renten 8 , Betriebsrenten 9 und Ansprüche aus privater Versicherung. Die Karenzentschädigung kann jedoch umgekehrt zu einer Minderung der Sozialleistungen führen 10 .
1
2 3
4
Zum Zwecke der Anrechnungspflicht s. Bengelsdorf m 1983,905. Dazu Röhsler/Borrmann S. 91; Schaub § 58 V 4. B A G A P N r . 34 zu § 74 H G B ; a. A. noch Schlegelberger/Schröder § 74 c Rdn. 3 unter Berufung auf B A G A P Nr. 23 zu § 133 f G e w O . Schlegelberger/Schröder § 74 c Rdn. 3a; Röhsler/ Borrmann S. 89; abweichend, nur die nach steuerrechtlichen G r u n d s ä t z e n zu ermittelnde Leistung des Unternehmers für sein Unternehmen ansetzend, Schaub § 58 V 4.
5
B A G A P Nr. 11 zu § 74 c H G B ; L A G Köln N Z A 1984, 91; a. A. Honseil in der Vorauflage m.w.N. 6 BAG N Z A 1990, 397. 7 B A G A P Nr. 46 zu § 74 H G B . 8 Dazu BAG Nr. 30 zu § 611 Konkurrenzklausel; O L G Stuttgart BB 1980, 527; Schlegelberger/ Schröder § 74 c Rdn. 3b; Stefan BB 1980, 685. 9 Vgl. auch B A G AP Nr. 15 zu § 74 c H G B . 10 BSG N Z A 1990, 541.
Henssler
561
§ 74c
Erstes Buch. Handelsstand
6
Nach § 128 a A F G hat der Arbeitgeber dem Arbeitsamt das Arbeitslosengeld vierteljährlich zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Wettbewerbsabrede in seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt ist und deshalb arbeitslos wird. Der Arbeitgeber kann sich von der Erstattungspflicht nur durch eindeutigen Verzicht auf die Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot befreien 11 . Während das B A G 1 2 eine volle Anrechnung des nach § 128 a Abs. 1 S. 3 A F G zu erstattenden Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung ablehnt und die Grenzwerte des § 74 c anwenden will, hält der B G H 1 3 bei vertretungsberechtigten Organmitgliedern § 74 c nicht für übertragbar 14 .
7
Zweifelhaft ist die Anrechnungspflicht bei Erwerb aus Nebentätigkeiten. Dieser beruht zwar auf einer Verwertung der Arbeitskraft. Sofern eine gleichartige Tätigkeit aber bereits während des bestehenden Handlungsgehilfenverhältnisses ausgeübt worden war, fehlt es an dem inneren Zusammenhang zwischen Karenz und Erwerb. Es findet dann keine Anrechnung statt (BAG AP Nr. 23 zu § 133 f GewO für wissenschaftliche Nebentätigkeit; Scblegelberger/Schröder § 74 c Rdn. 3).
8
Hingegen sollte der Erwerb aus einer erst während der Karenzzeit aufgenommenen Nebentätigkeit angerechnet werden, auch wenn diese bereits vorher (als Nebentätigkeit) hätte ausgeübt werden können 15 . Es handelt sich um eine anderweitige Verwertung der Arbeitskraft. Die von der Gegenmeinung vorgenommene Differenzierung zwischen (lediglich) anrechnungspflichtig und anrechnungsfrei verwertbarer, anderweitiger Arbeitskraft findet weder in § 74 c noch in der Interessenlage eine Stütze. 2. Böswillig unterlassener Erwerb (§ 74 c Abs. 1 S. 1 2. Alt.)
9
a) Der Handlungsgehilfe darf nicht im Bewußtsein der Entschädigungspflicht des Prinzipals auf dessen Kosten untätig bleiben. Ahnlich wie dem Arbeitnehmer bei Annahmeverzug des Arbeitgebers auf den Vergütungsanspruch der hypothetische, böswillig unterlassene Erwerb angerechnet wird, muß sich auch der Handlungsgehilfe einen Abzug von seinem Entschädigungsanspruch gefallen lassen. Die Unterlassung ist böswillig, wenn der Handlungsgehilfe von einer zumutbaren Erwerbsgelegenheit Kenntnis hat, und im Bewußtsein des dem Prinzipal drohenden Nachteils gleichwohl vorsätzlich untätig bleibt oder gegen unangemessen niedrige Vergütung arbeitet (BAG AP Nr. 1 zu § 74 c H G B : untertarifliche Bezahlung; AP Nr. 22 zu § 615 BGB). Die Zumutbarkeit einer Erwerbsgelegenheit beurteilt sich nach Treu und Glauben (BAG AP Nr. 7 zu § 74 c H G B ) .
10
b) Im einzelnen wurde es dem Handlungsgehilfen nicht als Böswilligkeit angerechnet, wenn er ein Weiterbeschäftigungsangebot des Arbeitgebers nach Erreichen der vorgezogenen Altersgrenze ablehnt 16 . Auch braucht der Handlungsgehilfe nicht sein Interesse an angemessenem beruflichen Fortkommen dem Interesse des Prinzipals nachzuordnen (BAG AP Nr. 4 zu § 74 c HGB). Er darf unter diesem Gesichtspunkt sanktionslos auch einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz annehmen. Es soll ihm sogar erlaubt sein, eine geringer besoldete Ausbildung oder ein Studium zu beginnen, sofern nur die Entscheidung dafür von vernünftigen Erwägungen getragen wird 17 . Schließlich soll es dem " B A G NZA 1990, 975. BAG NZA 1991, 308; NZA 1992, 800. » BGH EzA Nr. 1 zu § 128 a AFG. 14 Dazu Bauer/Hahn DB 1991, 2591. 15 Α. A. Schaub § 58 V 4; Bandasch/Etzel §§ 74 bis 75 d Rdn. 78; Baumbach/Duden/Hopt % 74 c Anm. 1 A; Bengelsdorf BB 1979, 1150. 12
562
16 17
BAG AP Nr. 1 zu § 74 b HGB. BAG AP Nr. 1,4 und 5 zu § 74 c HGB; vgl. dazu Bengehdorf BB 1983, 905 mit eingehender Analyse.
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§
74c
Handlungsgehilfen nicht zum Nachteil gereichen, wenn er bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vorübergehend geringere Einkünfte in Kauf nimmt, als er sie bei abhängiger Tätigkeit erzielen könnte (BAG AP Nr. 7 zu § 74 c HGB). 3. Anrechnungsmodus a) Anderweitiger Erwerb wird auf die monatliche Karenzentschädigung nicht voll 11 angerechnet, sondern nur, sofern die Summe aus Entschädigungsbetrag und Erwerb die in § 74 c Abs. 1 S. 1 und 2. bezeichneten Anrechnungsgrenzen überschreitet. Im Normalfall (S. 1) liegt diese Grenze bei 110 % der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen. Betrugen diese beispielsweise monatlich DM 5000,- (Anrechnungsgrenze DM 5500,-), und ist die gesetzliche Mindestentschädigung von 50 % der letzten Bezüge vereinbart worden, beginnt die Anrechnung ab einem monatlichen Erwerb von DM 3000,(Anrechnungsgrenze DM 5500,- minus Entschädigung von monatlich DM 2500,-). Ein monatlicher Erwerb von DM 4000,- ist somit in Höhe von DM 1000,- anrechenbar, so daß die Entschädigung nur noch DM 1500,- beträgt. Die Anrechnungsgrenze erhöht sich auf 125 % der letzten vertragsmäßigen Bezüge, 1 2 wenn der Handlungsgehilfe infolge der Wettbewerbsabrede zu einer Verlegung seines Wohnsitzes gezwungen worden ist. Im Beispiel (Rdn. 11) mindert sich die Entschädigungsleistung dann nur um DM 250,- (statt DM 1000,-). Ein Zwang zur Wohnsitzverlegung besteht, wenn der Handlungsgehilfe nur außerhalb seiner bisherigen Wohngemeinde eine adäquate und erlaubte Beschäftigung findet (BAG AP Nr. 2 zu § 74 c HGB). Der Umzug innerhalb einer politischen Gemeinde zählt nicht (Schlegelberger/ Schröder § 74 c Rdn. 6). Die erhöhte Anrechnungsgrenze gilt auch dann nicht, wenn ein Verstoß gegen die Wettbewerbsabrede am Ort des alten Wohnsitzes gar nicht in Betracht kommt (BAG AP Nr. 9 zu § 74 c HGB). Es fehlt in diesem Fall an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen Wettbewerbsverbot und Wohnsitzverlegung18. b) Die Anrechnung des anderweitigen bzw. böswillig unterlassenen Erwerbs erfolgt auf 1 3 die einzelnen, in der Regel monatlich fällig werdenden Entschädigungsraten (zu deren Berechnung § 74 b Rdn. 2). Ebenso wie bei der Ermittlung der monatlichen Entschädigung muß auch bei 1 4 Ermittlung der anrechenbaren Beträge gegebenenfalls (wenn nämlich die Vergütung aus einem neuen Dienstverhältnis nicht oder nicht ausschließlich monatlich bezahlt wird) eine Umrechnung des Erwerbs auf Monatszeiträume erfolgen (BAG AP Nr. 34 zu § 74 HGB). Angerechnet wird also nicht der gesamte, während des Verbotszeitraums erzielte Erwerb auf die gesamte Karenzentschädigung (dafür aber Schlegelberger/Schröder § 74 c Rdn. 4a), sondern der jeweilige Monatserwerb auf die monatliche Entschädigung (BAG AP Nr. 34 zu § 74 H G B und AP Nr. 23 zu § 133 f GewO). Praktische Auswirkung zugunsten des Handlungsgehilfen hat das insbesondere, wenn er zunächst ohne Beschäftigung war, später aber gut verdient hat. Wechselnde Bezüge sind auf die Monate des Zeitraums umzulegen, für den sie gezahlt 1 5 werden, nicht auf die gesamte Karenzzeit. Eine Jahrestantieme beispielsweise wirkt sich auf den monatlichen Erwerb des betreffenden Jahres mit jeweils 1/12 ihres Betrags aus. Für die Anrechnung von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit ist das kalenderjährliche steuerpflichtige Einkommen als Geschäftsführer bzw. der zu versteuernde Betriebsgewinn zu
18
Vgl. ferner B A G B B 1986, 198; N Z A 1989, 142. Henssler
563
§ 74c
Erstes Buch. Handelsstand
ermitteln 19 . Der Arbeitnehmer kann monatliche Abschlagszahlungen verlangen, muß dann aber vorläufige Auskünfte über das Geschäftsergebnis erteilen. Die endgültige Abrechnung erfolgt am Jahresende (BAG AP Nr. 13 zu § 74 c HGB). 16
Nach dem beschriebenen Anrechnungsmodus steht im Zeitpunkt der Fälligkeit der Karenzentschädigung der anrechenbare Erwerb vielfach noch nicht fest. Sofern nicht schon die festen Bezüge des Handlungsgehilfen zu einer Verminderung seines Entschädigungsanspruchs führen, ist die Entschädigung zunächst in vollem Umfang zur Zahlung fällig. Nach endgültiger Feststellung des anrechenbaren Erwerbs steht dem Prinzipal gegebenenfalls ein Bereicherungsanspruch zu (Schlegelberger/Schröder § 74 c Rdn. 5).
II. Befreiung des Prinzipals gem. § 74 c Abs. 1 S. 3 17
§ 74 c Abs. 1 S. 3 stellt die Selbstverständlichkeit klar, daß der Arbeitnehmer bei Verbüßung einer Freiheitsstrafe während der Karenzzeit keinen Entschädigungsanspruch hat. Eine Behinderung des beruflichen Fortkommens ist hier nicht denkbar, der Normzweck des § 74 Abs. 2 somit nicht einschlägig. Die Entschädigungspflicht entfällt nur für die Dauer der Haft.
18
Als Ausnahmevorschrift ist § 74 c Abs. 1 S. 3 nicht analogiefähig. Wenn der Handlungsgehilfe aus anderen Gründen (etwa gesundheitlicher Natur) keinen Erwerb erzielen und auch keine Verstöße gegen die Wettbewerbsabrede begehen könnte, wird der Prinzipal gleichwohl nicht frei (Schaub § 58 II 5 m.w.N.). Auch Leistungsstörung (mit der Befreiungsfolge des § 323 Abs. 1 BGB zugunsten des Prinzipals, dazu § 74 Rdn. 49) liegt nicht vor. Denn seine Pflicht zur Unterlassung von Konkurrenz verletzt der Handlungsgehilfe nicht. Und das Unterlassen anderweitigen Erwerbs schadet ihm nur bei Böswilligkeit, also nicht schon dann, wenn er sich aus gesundheitlichen Gründen oder altersbedingt ganz vom Erwerbsleben zurückzieht 20 .
III. Auskunftspflicht des Handlungsgehilfen 1. Entstehung und Durchsetzung 19
§ 74 c Abs. 2 räumt dem entschädigungspflichtigen Prinzipal gegenüber dem Handlungsgehilfen einen selbständigen Anspruch auf Auskunft ein, damit die Feststellung anrechenbaren Erwerbs erfolgen kann. Dem Auskunftsanspruch steht ebenfalls die Standespflicht zur Verschwiegenheit entgegen 21 . Dementsprechend entsteht der Anspruch nicht vor Beendigung des Dienstverhältnisses und Inkrafttreten der Wettbewerbsabrede 22 . Hat der Prinzipal auf Anrechnung verzichtet, entfällt die Auskunftspflicht des Handlungsgehilfen (BAG AP Nr. 24 zu § 74 HGB).
20
Nach h. A. 23 ist der Handlungsgehilfe vorleistungspflicht, mit der Folge, daß eine Zug-um-Zug-Verurteilung ausscheidet, und der Prinzipal mit seiner Zahlungspflicht bis zur Auskunftserteilung nicht in Verzug geraten kann. Die Auskunftspflicht des 19
Röhsler/Borrmann S. 89; Schlegelberger/ Schröder § 74 c Rdn. 3a; a. A. Schaub § 58 V 4 (Orientierung an steuerrechtlichen Bewertungsmethoden). 20 BAG AP Nr. 1 zu § 74 b HGB; AP Nr. 5 zu § 74 c H G B . 564
21 22
23
BAG AP Nr. 35 zu § 611 BGB; N Z A 1989, 467. BAG AP Nr. 3 zu § 75 a HGB; Bengelsdorf BB 1979, 1150. Schaub § 58 V 5; Schlegelberger/Schröder § 74 c Rdn. 8; BAG AP Nr. 23 zu § 133 f GewO; AP Nr. 6 zu ξ 74 c H G B .
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§75
Handlungsgehilfen steht indes zur Zahlungspflicht des Prinzipals nicht im Verhältnis der Gegenseitigkeit (Anm. Herschel zu B A G AP Nr. 8 zu § 74 c HGB). Der Auskunftsanspruch wird ferner erst auf Verlangen des Prinzipals fällig. Oft wird der Handlungsgehilfe für den laufenden Monat noch keine endgültigen Angaben machen können. Dem Prinzipal steht hinsichtlich seiner am Monatsende fällig werdenden Zahlungspflicht dann kein verzugshemmendes Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) zu. Der Auskunftsanspruch ist selbständig einklagbar; die Vollstreckung erfolgt gem. § 888 21 ZPO (h. M.). 2. Inhalt und Form Der Anspruch richtet sich nur auf Auskunft über den tatsächlichen Erwerb, nicht 2 2 über den böswillig unterlassenen24, obwohl der Prinzipal auch insoweit die Beweislast trägt (BAG AP Nr. 1 zu § 74 c HGB). Die Auskunft muß so vollständig als möglich (vgl. oben Rdn. 16) und einer Uberprüfung zugänglich sein (ζ. B. durch Nennung des neuen Arbeitgebers, Scblegelberger/Scbröder § 74 c Rdn. 8). Selbständige genügen der Auskunftspflicht nach Ansicht des BAG durch Vorlage der Einkommensteuerbescheide. Zur Offenlegung der Gewinn- und Verlustrechnung sind sie dann nicht verpflichtet25. Die Auskunft ist im Hinblick auf ihre Bedeutung in der Regel schriftlich zu erteilen26. 2 3 Gegebenenfalls sind Belege beizubringen (BAG AP Nr. 8 zu § 74 c HGB). Hingegen ist der Handlungsgehilfe nicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (analog § 260 BGB) verpflichtet27. Der Prinzipal ist durch § 263 StGB hinreichend geschützt (Scbaub § 5 8 V 5).
§75 (1) Löst der Gehilfe das Dienstverhältnis gemäß den Vorschriften der §§ 70 und 71 wegen vertragswidrigen Verhaltens des Prinzipals auf, so wird das Wettbewerbsverbot unwirksam, wenn der Gehilfe vor Ablauf eines Monats nach der Kündigung schriftlich erklärt, daß er sich an die Vereinbarung nicht gebunden erachte. (2) In gleicher Weise wird das Wettbewerbsverbot unwirksam, wenn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt, es sei denn, daß für die Kündigung ein erheblicher Anlaß in der Person des Gehilfen vorliegt oder daß sich der Prinzipal bei der Kündigung bereit erklärt, während der Dauer der Beschränkung dem Gehilfen die vollen zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu gewähren. Im letzteren Falle finden die Vorschriften des § 74 b entsprechende Anwendung. (3) Löst der Prinzipal das Dienstverhältnis gemäß den Vorschriften der §§ 70 und 72 wegen vertragswidrigen Verhaltens des Gehilfen auf, so hat der Gehilfe keinen Anspruch auf die Entschädigung.
24
25
Schlegelberger/Schröder § 74 c Rdn. 8; LAG Düsseldorf BB 1968, 1427. BAG AP Nr. 6 zu § 74 c HGB mit Anm. Moritz-, Str. vgl. Durchlaub BB 1976, 232.
26 27
Α. M. Baumbach/Duden/Hopt § 74 c Anm. 2. LAG Hamm DB 1974, 972; a. A. Schlegelberger/ Schröder § 74 c Rdn. 8.
Henssler
565
Erstes Buch. Handelsstand
§75 Übersicht
Rdn.
Rdn. I. Überblick. II. Eigene Kündigung des Arbeitnehmers . . . . 1. Voraussetzung des Widerrufs
3. Außerordentliche Kündigung wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des
6 6
2. Ausübung des Widerrufs
10
3. Wirkung des Widerrufs
Arbeitnehmers IV. Einverständliche Beendigung des
19
13
Arbeitsverhältnisses
20
III. Kündigung des Arbeitgebers
14
1. Anwendbarkeit von § 75 Abs. 1
20
1. Regelungszusammenhang .
14
2. Anwendbarkeit des Abs. 2 . . . .
22
2. A u s n a h m e t a t b e s t ä n d e . . . .
15
I. Überblick 1
§ 75 eröffnet in Abs. 1 und 2 für den Handlungsgehilfen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Wettbewerbsabrede anläßlich der Beendigung des Dienstverhältnisses zu widerrufen. Wegen der anders ausgestalteten Lösungsmöglichkeit für den Prinzipal vgl. § 75 a. Eine ähnliche Regelung trifft § 90 a in Abs. 2 und 3 für die Wettbewerbsabrede im Handelsvertreterverhältnis. § 75 Abs. 3 wurde für verfassungswidrig erklärt ( B A G A P Nr. 6 zu § 75 H G B ; dazu unten Rdn. 20).
2
Das Unwirksamwerden der Wettbewerbsabrede gem. § 75 setzt das Bestehen einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Abrede voraus. Ist die Abrede für den Handlungsgehilfen unverbindlich (§ 74 a Rdn. 1), kann er gegebenenfalls zwischen den Folgen der Unverbindlichkeit und einem Widerruf gem. § 75 wählen. Von diesem zu unterscheiden ist auch der Fall eines Rücktritts infolge Leistungsstörung (dazu § 74 Rdn. 50).
3
§ 75 knüpft ein (auf Widerruf der Abrede gerichtetes) G e s t a l t u n g s r e c h t des Handlungsgehilfen an verschiedenartige Tatbestände. Abs. 1 legt den Fall einer fristlosen Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Handlungsgehilfen zugrunde, Abs. 2 den Fall der Kündigung durch den Prinzipal. Die nach Nichtigerklärung des Abs. 3 (Fall der fristlosen Kündigung durch den Prinzipal) entstandene L ü c k e soll mit einem Gestaltungsrecht (analog Abs. 1) zugunsten des Prinzipals gefüllt werden (Rdn. 20).
4
J e nachdem, von welcher Partei die Kündigung ausgeht und wer den Kündigungsgrund gesetzt hat, kann sich das Schicksal der Abrede verschieden gestalten. Das Gesetz wird damit dem Umstand gerecht, daß die Wettbewerbsabrede zwar im Ansatz mit dem Dienstverhältnis in Verbindung steht, daß sie aber erst nach dessen Beendigung in Kraft treten soll (vgl. dazu § 74 Rdn. 16). § 75 stellt den Z u s a m m e n h a n g zwischen beiden in i h r e m rechtlichen Schicksal voneinander u n a b h ä n g i g e n V e r t r ä g e n noch einmal her.
5
Wegen der analogen Anwendbarkeit auf andere Arbeitsverhältnisse vgl. B A G A P Nr. 19 zu § 133 f G e w O .
II. Eigene Kündigung des Arbeitnehmers (Abs. 1) 1. Voraussetzung des Widerrufs 6
a) D e m Arbeitgeber muß ein vertragswidriges Verhalten zur Last fallen, welches den Handlungsgehilfen zur fristlosen Kündigung berechtigt. Seit Aufhebung der §§ 66 bis 72 (vgl. vor § 59 Rdn. 8) beurteilt sich das Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes nach § 626 Abs. 1 B G B . D e r in § 75 Abs. 1 vorausgesetzte Kündigungsgrund erfordert aber nach wie vor (zusätzlich) ein vertragswidriges Verhalten des Prinzipals, so 566
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§75
daß ein etwaiger außerordentlicher Kündigungsgrund in der Person des Handlungsgehilfen selbst nicht ausreicht. Zweifelhaft ist, ob das eine außerordentliche Kündigung rechtfertigende Verhalten des 7 Prinzipals auf dessen Verschulden zurückzuführen sein muß1. Dafür spricht, daß bei § 628 Abs. 2 B G B (Schadensersatzpflicht des Kündigungsgegners; gleichlautend früher § 70 Abs. 2) unter vertragswidrigem Verhalten allgemein schuldhaftes Verhalten verstanden wird. Der Widerruf der Abrede kann den Prinzipal ebenso hart treffen wie eine Schadensersatzpflicht. Andererseits ist es dem Handlungsgehilfen zumutbar, sich in dem (seltenen) Fall fehlenden Verschuldens des Prinzipals an der getroffenen Abrede festhalten zu lassen. b) Das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers muß zwar der Grund für die 8 Vertragsauflösung durch den Arbeitnehmer sein. Er muß jedoch keine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 B G B ausgesprochen haben. Wählt der Arbeitnehmer - etwa weil er nicht sofort eine andere Arbeitsstelle antreten kann - den Weg über eine fristgerechte Kündigung, so darf sich dies nicht zu seinem Nachteil auswirken. Der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung darf nicht als Indiz gegen die Unzumutbarkeit im Sinne von § 626 B G B gewertet werden. Entscheidend ist allein, daß der von § 75 Abs. 1 vorausgesetzte Auflösungsgrund besteht und der Arbeitgeber den Zusammenhang zwischen seinem eigenen vertragswidrigen Verhalten und der ausgesprochenen Kündigung erkennen kann (BAG AP Nr. 3 zu § 75 HGB). Allerdings ist auch bei der ordentlichen Kündigung die Frist des § 626 Abs. 2 B G B einzuhalten, wenn das Wahlrecht nach § 75 Abs. 1 geltend gemacht werden soll2. c) Jede Kündigung des Handlungsgehilfen, die die beschriebenen Voraussetzungen 9 nicht erfüllt, läßt die Wettbewerbsabrede unberührt (Schlegelberger/Schröder § 75 Rdn. 4). Das gilt auch für die Kündigung gem. § 22 Abs. 1 K O , § 75 Abs. 1 begründet kein Reurecht zugunsten des Handlungsgehilfen. 2. Ausübung des Widerrufs a) Sie erfolgt durch zugangsbedürftige Erklärung, die inhaltlich eindeutig auf 1 0 Lösung der Abrede gerichtet sein muß (BAG AP Nr. 7 zu § 75 HGB). Die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses (mit der die Erklärung freilich verbunden werden kann) genügt für sich genommen nicht (Schlegelberger/Schröder § 75 Rdn. 3 b). b) § 75 Abs. 1 verlangt weiter Wahrung der Schriftform. Ein formwidrig erklärter 11 Widerruf der Abrede kann als Angebot zum Abschluß eines (formlos möglichen) Aufhebungsvertrages interpretiert werden. Der Widerruf muß binnen Monatsfrist erklärt werden. Die Frist ist ab Zugang der 1 2 Kündigung zu berechnen, so daß sie bei fristgemäßer Kündigung aus wichtigem Grund i. d. R. vor Beendigung des Dienstverhältnisses abläuft (Schlegelberger/Schröder § 75 Rdn. 3 a). Im Regelfall der fristlosen Kündigung hat der Handlungsgehilfe bis zu einem Monat die Wahl, sich von dem bereits in Kraft getretenen Wettbewerbsverbot zu lösen. Durch einen Streit um die Wirksamkeit der Kündigung wird der Fristlauf nicht beeinflußt
1
Dafür RGRK/Wiirdinger Schlegelberger/Schröder
§ 75 Anm. 3; dagegen § 75 Rdn. 2 a.
2
Bauer Arbeitsrechtliche Rdn. 521 f.
Henssler
Aufhebungsverträge
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§75
Erstes Buch. Handelsstand
( B A G A P Nr. 4 zu § 75 H G B ) . Dies soll auch dann gelten, wenn im Verlauf des Streits eine einvernehmliche A u f l ö s u n g des Dienstverhältnisses erfolgt 3 .
i . Wirkung des Widerrufs 13
Mit Erklärung des Handlungsgehilfen wird die Wettbewerbsabrede (insgesamt) u n w i r k s a m . D a der Widerruf spätestens bis z u m Zeitpunkt der Fälligkeit der ersten Entschädigungsrate (§ 74 b A b s . 1) erfolgt sein muß, entfällt die Entschädigungspflicht des Prinzipals bei Widerruf ganz. D i e Karenzpflicht des Handlungsgehilfen erlischt mit Zugang seiner Widerrufserklärung.
III. K ü n d i g u n g des Arbeitgebers (Abs. 2 und 3) 1. Regelungszusammenhang 14
D a s Schicksal des Wettbewerbsverbotes bei einer arbeitgeberseitigen K ü n d i g u n g ist gemäß § 75 A b s . 2 eng an der Regelung des A b s . 1 orientiert. D i e Rechtsfolgen sind identisch gestaltet („In gleicher Weise"). D e r Arbeitnehmer hat auch bei der ordentlichen K ü n d i g u n g des Prinzipals die Möglichkeit, das Wettbewerbsverbot z u beseitigen. Hinsichtlich A u s ü b u n g und Wirkung des Widerrufs sei auf Rdn. 10 ff verwiesen. D a s Wahlrecht des Arbeitnehmers kann nicht im voraus ausgeschlossen werden (§ 75 d; vgl. § 75 a Rdn. 8). D a s B A G hat sogar eine Vereinbarung, derzufolge das Wettbewerbsverbot bei ordentlicher K ü n d i g u n g nicht in K r a f t treten soll, für unverbindlich erklärt ( B A G A P Nr. 9 zu § 75 H G B ) .
2. Ausnahmetatbestände 15
D a s G e s e t z sieht zwei Einschränkungen für das Widerrufsrecht des Arbeitnehmers vor. D i e Ausnahmetatbestände sind v o m Arbeitgeber zu beweisen. Stützt der Arbeitgeber seine K ü n d i g u n g auf ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, so geht dessen Widerrufsrecht auf ihn über (Rdn. 18).
16
a) Erheblicher Anlaß in der Person des Arbeitnehmers. Das Widerrufsrecht des Arbeitnehmers entfällt, wenn ein von ihm verursachter „erheblicher Anlaß" für die ordentliche oder außerordentliche K ü n d i g u n g des Arbeitgebers vorlag. Ein „wichtiger G r u n d " i. S. des § 626 B G B oder gar ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers wird nicht vorausgesetzt. E s genügt vielmehr, wenn für die K ü n d i g u n g ein sachlich vernünftiger G r u n d besteht. Sachgerecht ist es, sich an den Voraussetzungen einer personen- oder verhaltensbedingten K ü n d i g u n g gemäß § 1 A b s . 2 S. 1 K S c h G zu orientieren 4 . War die K ü n d i g u n g an sich sozial ungerechtfertigt, hat der Arbeitnehmer jedoch die 3Wochen-Frist des § 4 K S c h G versäumt und ist seine Kündigungsschutzklage aus diesem G r u n d abgewiesen worden, so behält ein rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist erklärter Widerruf seine Wirksamkeit. D i e Wirkung der Fiktion des § 4 K S c h G ist eng auf die Frage der sozialen R e c h t f e r t i g u n g beschränkt, strahlt daher auf die Beurteilung des Wettbewerbsverbotes nicht aus.
3
Bandasch/Etzel §§ 74 bis 75 d Rdn. 58; B A G AP Nr. 4 zu § 75 H G B . Dazu noch unten Rdn. 22.
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4
So auch Bandasch/Etzel §§ 74 bis 75 d Rdn. 6; Schaub § 58 V 4; a. A. Grunsky S. 111.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§75
b) Z u s a g e der vollen K a r e n z e n t s c h ä d i g u n g . D a s Wettbewerbsverbot behält seine Wirksamkeit auch dann, wenn der Arbeitgeber sich bei Ausspruch der Kündigung bereit
17
erklärt, während der K a r e n z den vollen L o h n fortzuzahlen. D i e Zusage ist eine formfreie empfangsbedürftige Willenserklärung, die spätestens zeitgleich mit der Kündigung zugehen m u ß ( R G Z 59, 125). Eine verspätete Zusage kann nur als A n g e b o t für eine einverständliche Neuregelung des Wettbewerbsverbots wirken. Eine den gesetzlichen Erfordernissen genügende Zusage führt zur Beseitigung des W i d e r r u f s r e c h t s und begründet zugleich die Verpflichtung z u r e r h ö h t e n K a r e n z entschädigung. Hinsichtlich der Berechnung verweist das Gesetz auf § 74 b. D a auch die Vergütung gem. Abs. 2 ein Fall einer Karenzentschädigung ist, ist darüber hinaus § 74 c entsprechend anzuwenden 5 .
18
3. A u ß e r o r d e n t l i c h e K ü n d i g u n g wegen eines v e r t r a g s w i d r i g e n Verhaltens des Arbeitnehmers F ü r den Fall einer außerordentlichen Kündigung wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers sollte der A r b e i t n e h m e r nach § 75 Abs. 3 an sich seinen Entschädigungsanspruch t r o t z fortbestehenden Wettbewerbsverbots verlieren. Vergleicht man die Regelung mit den Rechtsfolgen, die eine entsprechende Pflichtverletzung des Arbeitgebers gem. A b s . 1 nach sich zieht, so benachteiligt sie einseitig den Arbeitnehmer. W ä h r e n d der Arbeitgeber lediglich den Widerruf der A b r e d e befürchten muß, wäre der A r b e i t n e h m e r in seinem beruflichen F o r t k o m m e n empfindlich beeinträchtigt. D a s B A G hat die Regelung daher zu R e c h t in der Entscheidung v. 23. 2. 1977 ( A P Nr. 6 zu § 75 H G B ) wegen Verstoßes gegen Art. 3 G G für nichtig erklärt 6 . In den beigetretenen Ländern ist die Vorschrift nicht in Kraft getreten (Anlage I z u m Einigungsvertrag v. 31. 8. 1990, B G B l . II S. 959).
19
D i e entstandene Regelungslücke ist in Analogie zu A b s . 1 zu schließen. D e r Arbeitgeber hat danach die Wahl, sich entweder einseitig von der Wettbewerbsabrede zu lösen o d e r den A r b e i t n e h m e r unter Zahlung einer K a r e n z e n t s c h ä d i g u n g an dem W e t t b e w e r b s v e r b o t festzuhalten. H a t der A r b e i t g e b e r bereits v o r A u s s p r u c h der K ü n d i g u n g auf das W e t t b e w e r b s v e r b o t gem. § 7 5 a v e r z i c h t e t , so entfällt die Entschädigungspflicht ohne weitere Erklärung ( B A G A P Nr. 4 zu § 75 a H G B ) .
20
IV. Einverständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses 1. A n w e n d b a r k e i t v o n § 75 Abs. 1 D a s G e s e t z regelt nur das Widerrufsrecht bei einseitiger Vertragsauflösung durch Kündigung. D i e h. M . 7 wendet § 75 A b s . 1 j e d o c h entsprechend an, wenn der Arbeitsvertrag erkennbar im H i n b l i c k auf ein außerordentliches Kündigungsrecht durch Aufhebungsvertrag beendet worden ist. D e r Kündigungsberechtigte kann innerhalb der Monatsfrist den Widerruf der Wettbewerbsabrede erklären. D a h i n t e r steht die Ü b e r l e gung, daß der Kündigungsberechtigte nicht schlechter stehen soll, wenn er das für den Vertragspartner schonendere Mittel der einvernehmlichen Vertragsauflösung wählt 8 .
5
6 7
H. M. Schlegelberger/Schröder § 75 Rdn. 6 b; a. A. RGZ 114, 418. Dazu Gumpen BB 1977, 849. Schaub § 58 VII 5; vgl. auch Bauer Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge Rdn. 529.
8
BAG AP Nr. 2, 3 zu $ 75 HGB; AP Nr. 25 zu § 74 HGB; Schlegelberger/Schröder § 75 Rdn. 7a.
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Die pauschale Erweiterung des § 75 auf Aufhebungsverträge im Wege der Analogie begegnet Bedenken. Das Schicksal des Wettbewerbsverbotes ist primär durch Auslegung des Aufhebungsvertrages zu ermitteln. Regelmäßig werden die Parteien das ihnen bekannte Wettbewerbsverbot bei der Ausgestaltung des Aufhebungsvertrages berücksichtigen. Die Ausübung des Widerrufsrechts kann in das ausgehandelte Vertragsgefüge eingreifen und dessen Ausgewogenheit verändern. So kann in die Höhe einer vereinbarten Abfindung das unterstellte Wettbewerbsverbot und eine geringe, am Mindestsatz des § 74 Abs. 2 orientierte, Entschädigung eingeflossen sein. Nur dann, wenn der Verzicht auf die außerordentliche Kündigung und der gleichzeitige Abschluß des Aufhebungsvertrages einseitig im Interesse des pflichtvergessenen Teiles erfolgt sind, greift der Normzweck des § 75 ein. 2. Anwendbarkeit des Abs. 2
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Erfolgt die einverständliche Vertragsauflösung aus einem in der Person des Arbeitnehmers liegenden Anlaß, so besteht auch unter Einbeziehung der Wertung des § 75 Abs. 2 kein Widerrufsrecht (Schlegelberger/Schröder § 75 Rdn. 6). Verfehlt ist dagegen der generelle Rückgriff auf § 75 Abs. 2 im umgekehrten Fall, wenn eine einvernehmliche Aufhebung erfolgt ist, ohne daß der Arbeitnehmer einen erheblichen Anlaß zu einer Kündigung des Vertragsverhältnisses gegeben hat. Die Gegenansicht9 verkennt, daß dem Arbeitnehmer hier teilweise von vornherein kein Widerrufsrecht zusteht. Das Wahlrecht des Arbeitnehmers nach § 75 Abs. 2 erklärt sich nur aus dem Umstand, daß die einseitige Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Arbeitgeber allein dessen Sphäre (wie etwa im Fall der betriebsbedingten Kündigung) zuzuordnen ist. Erfolgt die einverständliche Aufhebung auf beiderseitigen Wunsch oder auf Wunsch des Arbeitnehmers, so ist der Normzweck des Abs. 2 nicht einschlägig. Ersetzt der Aufhebungsvertrag dagegen die anderenfalls angedrohte betriebsbedingte Kündigung, so ist ein Rückgriff auf Abs. 2 denkbar, sofern keine abschließende Regelung des Wettbewerbsverbots im Aufhebungsvertrag erfolgt ist.
§75 a Der Prinzipal kann vor der Beendigung des Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, daß er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird.
1
1. Ausübung des Verzichts a) § 75 a erlaubt dem Prinzipal, durch einseitige, empfangsbedürftige Erklärung auf Einhaltung der Wettbewerbsabrede durch den Handlungsgehilfen zu verzichten. Die Vorschrift gilt analog für andere Dienstverhältnisse, so etwa auch für das Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers (BGH EzA Nr. 8 zu § 75 a HGB). Der Verzicht läßt nach Ablauf der Jahresfrist auch den Gegenanspruch des Handlungsgehilfen auf Entschädigung entfallen (gegebenenfalls teilweise, vgl. unten Rdn. 5). Von dem Fall des Verzichts zu unterscheiden ist die (unbeschränkt zulässige) einvernehmliche Aufhebung 9
Bauer Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge Rdn. 529; ähnlich wie hier Baumbach/ Duden/Hopt § 75 Anm. 4 A.
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der Wettbewerbsabrede durch Vertrag (Scblegelberger/Scbröder § 75 a Rdn. 1). Der Verzicht stellt ein Pendant zum Widerrufsrecht des Handlungsgehilfen gem. § 75 Abs. 2 dar. Zwar sind die Voraussetzungen (vor allem hinsichtlich des Zeitpunkts der Erklärung, Rdn. 3) und auch die Wirkung (Rdn. 4) nicht identisch. Beide Behelfe haben aber den Zweck gemeinsam, den Beteiligten die Uberprüfung ihrer Entscheidung für eine Wettbewerbsabrede zu ermöglichen. Der Verzicht ermöglicht speziell dem Prinzipal die Anpassung der Vertragslage bei Wegfall seines Interesses. Dafür besteht ein Bedürfnis, denn die sich dann ergebende Unverbindlichkeit der Abrede gem. § 74 a Abs. 1 S. 1 begünstigt einseitig den Handlungsgehilfen. b) Die Erklärung muß inhaltlich eindeutig auf Dispensierung des Handlungsgehilfen von der Karenzpflicht gerichtet sein ( B A G A P Nr. 7 zu § 75 H G B ) und schriftlich erfolgen. Ein teilweiser Verzicht (ζ. B. in zeitlicher Hinsicht, dazu Schaub § 58 V I I 2) fällt nicht unter § 75 a. Er kann nur im Wege einer Vereinbarung erfolgen (a. A. Schlegelberger/
2
Die einseitige Verzichtserklärung ist nur bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses (dazu § 74 Rdn. 17) möglich. Darin liegt eine wesentliche Beschränkung. Der Prinzipal soll seine Disposition nicht von der beruflichen Entwicklung des Handlungsgehilfen nach Inkrafttreten der Wettbewerbsabrede abhängig machen können. Andererseits soll der Handlungsgehilfe spätestens zu diesem Zeitpunkt Klarheit über den Bestand der Abrede erhalten 1 . Eine verspätete (oder formwidrige) Verzichtserklärung entfaltet nur dann Wirkung, wenn der Handlungsgehilfe sie als Angebot zum Abschluß eines Aufhebungsvertrags akzeptiert.
3
Schröder § 75 a Rdn. 4).
2. Wirkung des Verzichts a) Eine § 75 a genügende Verzichtserklärung bewirkt Befreiung des Handlungs- 4 gehilfen von der Wettbewerbsabrede. Seine (im Verzichtszeitpunkt) noch nicht fällige Unterlassungspflicht kommt nicht mehr zur Entstehung {Bandasch/Etzel §§ 74 bis 75 d Rdn. 55). Das gilt auch dann, wenn der Verzicht im letztmöglichen Zeitpunkt i. V. m. einer fristlosen Kündigung oder gelegentlich einer ex nunc wirkenden einverständlichen Aufhebung des Dienstverhältnisses ausgesprochen wird. Während der Vertragsdauer bleibt der Arbeitnehmer an das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 gebunden. Ein ausdrücklich auf einen späteren Zeitpunkt gerichteter Verzicht wäre als Teilverzicht unzulässig 2 . b) Zugunsten des Prinzipals (Befreiung von der Entschädigungspflicht) wirkt der 5 Verzicht gem. § 75 erst mit Ablauf eines Jahres ab Erklärung. Dadurch erhält der Handlungsgehilfe den erforderlichen zeitlichen Spielraum, um sich auf die neue Lage einzustellen. Bei zeitlichem Zusammenfallen von Erklärung und Vertragsbeendigung bleibt der Prinzipal für ein volles Jahr entschädigungspflichtig. Erklärt er den Verzicht bereits ein Jahr vor Ende des Dienstverhältnisses, gelangt der Entschädigungsanspruch des Handlungsgehilfen nicht mehr zur Entstehung. Je länger die Kündigungsfrist ist, desto stärker kann sich ein Verzicht für den Arbeitgeber aufdrängen 3 . 1
Bauer D B
1979, 500; Schlegelberger/Schröder
2
$ 75 a Rdn. 6; BAG AP Nr. 1 zu § 75 a HGB; AP Nr. 21 zu § 74 H G B ; zur - zulässigen Verbindung des Verzichts mit einer ordentlichen Kündigung vgl. B A G N J W 1987, 2768.
Vgl. oben Rdn. 2; a. A. anscheinend
g er/Schröder § 75 a Rdn. 5.
3
Schlegelber-
Dazu Bauer Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge Rdn. 533.
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3. Vereinbarungen über das Verzichtsrecht 6
a) Sie sind grundsätzlich zulässig, sofern sie zugunsten des Handlungsgehilfen von § 75 a abweichen (§ 75 d); beispielsweise kann im Rahmen der Wettbewerbsabrede von vornherein vereinbart werden, daß ein Verzicht ausgeschlossen ist (zu dem andersartigen Fall einer an die Stelle des Verzichts tretenden vertraglichen Aufhebung der Wettbewerbsabrede oben Rdn. 1). Das Verzichtsrecht kann auch durch schlüssige Erklärung abgegeben werden. U. U. verstößt der Prinzipal, der zunächst den Anschein erweckt hat, das Verzichtsrecht nicht ausüben zu wollen, dann aber doch davon Gebrauch macht, gegen Treu und Glauben 4 . Der Verzicht kann auch dann nach § 242 B G B unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber schon vor Vertragsbeendigung erfahren hat, welche Tätigkeit der Arbeitnehmer künftig ausüben wird 5 .
7
b) Z u m Nachteil des Handlungsgehilfen von § 75 a abweichende Vereinbarungen sind unverbindlich (§ 75 d). Insbesondere kann dem Prinzipal vertraglich nicht das Recht eingeräumt werden, noch nach Beendigung des Dienstverhältnisses oder mit der Folge einer sofortigen Befreiung von der Entschädigungspflicht auf die Abrede zu verzichten ( B G H A P Nr. 27, 36 zu § 74 H G B ) . 4. Umgehungsmöglichkeiten
8
a) Bedingte Wettbewerbsverbote. Die restriktive Behandlung des Verzichtsrechts durch § 75 a ist in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der bezahlten Karenz zu verstehen. Weiterreichende Lösungsmöglichkeiten des Arbeitgebers von der Wettbewerbsabrede begründen die Gefahr, daß der Arbeitgeber sich von seiner Entschädigungspflicht löst, ohne daß sämtliche Nachteile des Arbeitnehmers ausgeglichen werden. Grundsätzlich sind alle Vereinbarungen, die darauf abzielen, die Wertungen der §§ 74 Abs. 2, 75 a zu umgehen, unverbindlich.
9
In der Praxis wird auf vielfältigen Wegen versucht, die kostenträchtige Entschädigungspflicht zu unterlaufen. Von großer Bedeutung sind die bedingten Wettbewerbsabreden, durch die sich der Arbeitgeber das Inkrafttreten des Verbots abweichend von § 75 a vorbehalten will 6 . Die Wirksamkeit der Wettbewerbsabrede wird mit einer späteren Entscheidung des Arbeitgebers verknüpft, sei es, daß die Aufnahme der Konkurrenztätigkeit an seine Zustimmung geknüpft wird 7 oder daß in der Vereinbarung nur die Befugnis des Arbeitgebers begründet wird, im Falle der Vertragsbeendigung bestimmte Konkurrenztätigkeiten zu untersagen 8 . Dem Arbeitgeber bleibt jeweils entschädigungsfrei die Entscheidung vorbehalten, ob er das Verbot in Anspruch nehmen will oder nicht, eine Rechtsposition, die einem partiell entschädigungslosen Wettbewerbsverbot gleichkommt. Die Rechtsprechung betrachtet diese Absprachen mit Recht sämtlich als unverbindlich. Der Arbeitnehmer kann somit entweder an dem (bedingten) Verbot festhalten und die Entschädigung verlangen oder aber unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Klausel eine Konkurrenztätigkeit aufnehmen ( B A G AP Nr. 36 zu § 74).
10
Rechtlich unbedenklich sind Bedingungen, die an ungewisse Ereignisse anknüpfen, bei deren Vorliegen der Zweck eines Wettbewerbsverbotes wegfällt (auflösend) oder erstmals entsteht (aufschiebend). So kommt der Entzug eines bestimmten Arbeitsbereiches 9 als auflösende Bedingung ebenso in Frage wie die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vor Dazu Schlegelberger/Schröder § 75 a Rdn. 3 a. BAG AP Nr. 3 zu § 75 a. ' Dazu BAG AP Nr. 26, 27, 50, 51 zu § 74 HGB. 4
7
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9
BAG AP Nr. 50 zu § 74 HGB. BAG NZA 1991, 263. Vgl. Buchner S. 57 ff.
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Ablauf der Probezeit 10 . Das Wirksamwerden einer Wettbewerbsabrede kann an die aufschiebende Bedingung geknüpft werden, daß der Arbeitnehmer künftig bestimmte geheimhaltungsbedürftige Aufgaben übertragen bekommt. b) Als Umgehung des differenzierten Schutzsystems der §§ 74 ff ist auch die 11 Vereinbarung einer vorzeitigen Auskunftspflicht des Arbeitnehmers hinsichtlich seiner Berufspläne zu werten. Das Verzichtsrecht des Arbeitgebers würde dadurch normzweckwidrig erleichtert (BAG AP Nr. 3 zu § 74 a HGB).
§ 75 b Ist der Gehilfe für eine Tätigkeit außerhalb Europas angenommen, so ist die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots nicht davon abhängig, daß sich der Prinzipal zur Zahlung der in § 74 Abs. 2 vorgesehenen Entschädigung verpflichtet. Das gleiche gilt, wenn die dem Gehilfen zustehenden vertragsmäßigen Leistungen den Betrag von achttausend Deutsche Mark für das Jahr übersteigen; auf die Berechnung des Betrags der Leistungen finden die Vorschriften des § 74 b Abs. 2 und 3 entsprechende Anwendung. Die Vorschrift sah für zwei Fallgruppen eine Ausnahme von dem Grundsatz der 1 Entschädigungspflicht (§ 74 Abs. 2) vor. Wettbewerbsabreden waren auch ohne Vereinbarung einer Karenzentschädigung verbindlich, wenn der Handlungsgehilfe für eine Tätigkeit im außereuropäischen Ausland (S. 1) oder zu einer den angegebenen Betrag (S. 2) übersteigenden Vergütung angestellt worden war. Wegen einzelner Auslegungsprobleme s. Heymann/Kötter § 75 b Anm. 2 und 3 sowie Schlegelberger/ Schröder § 75 b Rdn. 2 und 3. 1. Tätigkeit außerhalb Europas (S. 1) Die Einschränkung der Entschädigungspflicht durch S. 1 wurde in BAG AP Nr. 15 zu 2 § 75 b H G B für verfassungswidrig erklärt, soweit sie sich auf deutsche Arbeitnehmer bezieht. Der ursprüngliche Zweck der Vorschrift, die Exportwirtschaft zu fördern, rechtfertige es nicht mehr, den im Hinblick auf die Art. 12 Abs. 1 S. 1 G G vorrangigen Grundsatz der bezahlten Karenz zu durchbrechen (BAG aaO). Entschädigungslose Wettbewerbsabreden mit deutschen Arbeitnehmern sind demnach auch dann unwirksam, wenn letztere im außereuropäischen Ausland tätig werden. Ob § 75 b S. 1 für nach deutschem Recht zu beurteilende Dienstverhältnisse mit ausländischen Arbeitnehmern noch gilt, ist zweifelhaft (vgl. Briiggemann/Würdinger § 75 c Anm. 5). Eine unterschiedliche Behandlung erscheint nicht gerechtfertigt. Eine Frist zur Anpassung der Wettbewerbsabreden an die neue Rechtslage wurde bis 3 zum 31. 12. 1981 bestimmt (BAG aaO).
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BAGE38, 318. Henssler
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2. Hochbesoldete (S. 2) Auch Wettbewerbsabreden mit solchen Handlungsgehilfen sind nicht mehr entschädigungslos zulässig, die eine jährliche Vergütung von mehr als D M 8000 χ 125,6 χ Lebenshaltungsindex 10000
( z u r Berechnung s. § 74 a Rdn. 25) beziehen.
Nachdem das B A G zunächst diese Verdienstgrenze als verfassungswidrig angesehen hatte (AP Nr. 10 zu § 75 b H G B ) , wurde § 75 b S. 2 im Jahre 1975 wegen seiner Unbestimmtheit insgesamt für unwirksam erklärt ( B A G A P Nr. 14 zu § 75 b H G B ; dazu bereits oben § 74 a Rdn. 26). Eine begrenzte Fortgeltung über die verfassungskonforme Auslegung lehnte das Gericht ab. In den beigetretenen Ländern ist die Vorschrift nicht in Kraft getreten (Anlage I zum Einigungsvertrag BGBl. II, S. 959).
§ 75 c (1) H a t der Handlungsgehilfe f ü r den Fall, daß er die in der Vereinbarung übern o m m e n e Verpflichtung nicht erfüllt, eine Strafe versprochen, so kann der Prinzipal A n s p r ü c h e n u r n a c h M a ß g a b e der V o r s c h r i f t e n des § 340 des B ü r g e r l i c h e n Gesetzbuchs geltend machen. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die H e r a b s e t z u n g einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe bleiben u n b e r ü h r t . (2) Ist die Verbindlichkeit der Vereinbarung nicht d a v o n abhängig, daß sich der Prinzipal zur Z a h l u n g einer E n t s c h ä d i g u n g an den Gehilfen verpflichtet, so kann der Prinzipal, wenn sich der Gehilfe einer Vertragsstrafe der in A b s a t z 1 bezeichneten A r t unterworfen hat, n u r die verwirkte Strafe verlangen; der A n s p r u c h auf E r f ü l l u n g oder auf E r s a t z eines weiteren Schadens ist ausgeschlossen. 1. Regelungsinhalt 1
Vertragsstrafen sind im Arbeitsrecht nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen zulässig. Eine Abrede zu Lasten des Arbeitnehmers setzt ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers an ihrer Vereinbarung voraus 1 . Ein solches Interesse ist grundsätzlich nur anzuerkennen, wenn der Arbeitgeber den Schadensnachweis überhaupt nicht oder nur sehr schwer erbringen kann. Zu diesen Sonderfällen zählt neben dem Geheimnisverrat auch der Verstoß gegen eine Wettbewerbsabrede. Konsequenterweise läßt § 75 c die Sicherung eines Wettbewerbsverbotes durch ein Vertragsstrafenversprechen zu. Das Versprechen unterliegt als Teil der Wettbewerbsabrede der Form des § 74 Abs. 1. Das gilt auch im Fall seiner nachträglichen Vereinbarung. Der Verstoß gegen eine für den Arbeitnehmer unverbindliche oder eine unwirksame Wettbewerbsabrede kann durch eine Vertragsstrafe dagegen nicht sanktioniert werden (vgl. auch § 344 B G B ) . Die Vertragsstrafe verstärkt den Erfüllungszwang zu Lasten des Handlungsgehilfen. Im Interesse einer ausgewogenen Vertragsgestaltung schützt § 75 c den Arbeitnehmer für den Fall einer Leistungsstörung insoweit, als er den Arbeitgeber ausschließlich auf die Rechte des Vertragsstrafengläubigers bei Nichterfüllung verweist (§ 340 B G B ) . Von praktischer Bedeutung ist der vorbeugende Schutz durch eine Vertragsstrafenvereinbarung. Das B A G ( N Z A 1987, 813) spricht einer vertraglichen Wettbewerbsklausel die rechtliche Relevanz ab, wenn der Arbeitnehmer unter Verstoß gegen seine Arbeitspflicht die Tätigkeit erst gar nicht aufnimmt. Hier bietet die Vertragsstrafe eine abschreckende Sanktion. 1
Schwerdtner
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FS Hilger/Stumpf S. 631, 645.
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2. Verwirkung der Vertragsstrafe O b der Handlungsgehilfe durch einen Verstoß gegen die Wettbewerbsabrede die versprochene Vertragsstrafe verwirkt hat, muß die Auslegung der Strafabrede ergeben. § 75 c i. V. m. § 340 B G B sagt darüber nichts. Allerdings lassen diese Vorschriften erkennen, daß nicht jede Zuwiderhandlung - wie in § 339 S. 2 B G B für Unterlassungspflichten allgemein vorgesehen - ohne weiteres als Verwirkungsfall zählt. Als Auslegungsgesichtspunkt für eine Verwirkung schon bei geringfügigen oder kurzfristigen Verstößen kommt insbesondere die geringe Höhe der Vertragsstrafe in Betracht (vgl. Trinkner B B 1973, 41). Aber auch eine hohe Vertragsstrafe kann nach dem Sinn der Abrede schon durch Einzelverstöße verwirkt werden, so wenn das Interesse des Prinzipals durch Preisgabe von Betriebsgeheimnissen sogleich erheblich verletzt wird ( B A G AP Nr. 1 zu § 75 c H G B ) . Umgekehrt spricht die Orientierung der Vertragsstrafe am gesamten Verbotszeitraum gegen eine Verwirkung schon nach einmaligem Verstoß ( B A G AP Nr. 1 zu § 74 a H G B ) .
2
Im letzten Fall kommt aber auch eine Teilverwirkung in Betracht ( B A G AP Nr. 2 zu § 340 B G B ) . Bei klarer Vereinbarung von Verwirkung in jedem Fall der Zuwiderhandlung kann die Auslegung ergeben, daß die Strafe nur für jeden Monat zu zahlen ist, in den eine Zuwiderhandlung fällt ( B A G AP Nr. 1 zu § 75 H G B ) .
3
3. Wahlrecht des Arbeitgebers (§ 75 c Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 340 B G B ) a) Gem. § 340 Abs. 1 B G B kann der Gläubiger die verwirkte Strafe nur statt der Erfüllung verlangen. Bei Wahl der Strafe ist sein Erfüllungsanspruch ausgeschlossen. Die Kombination der Behelfe (vgl. § 341 Abs. 1 B G B ) ist ihm verwehrt. Die praktische Auswirkung der Wahl gestaltet sich für den Prinzipal je nach Ausgestaltung der Vertragsstrafenabrede verschieden. Ergibt deren Auslegung, daß die Strafe durch eine Zuwiderhandlung insgesamt verwirkt ist (vgl. Rdn. 2), führt die Wahl der Strafe durch den Prinzipal zur Befreiung des Handlungsgehilfen von seiner Unterlassungspflicht auch für die Zukunft ( R G Z 112, 366). Kann die Strafe hingegen für einzelne Verstoßfälle oder Zeiträume jeweils neu verwirkt werden, läßt ihre Wahl durch den Prinzipal dessen Erfüllungsanspruch für die Zukunft unberührt. Das Wahlrecht kann dann nach Zeiträumen jeweils neu ausgeübt werden ( B A G AP Nr. 4 zu § 75 H G B ) . Der Ubergang vom Erfüllungsanspruch zur Vertragsstrafe ist dem Prinzipal in keinem Fall verwehrt ( R G J W 1913, 320).
4
b) Der Prinzipal kann sein Vertragsstrafenbegehren mit Schadensersatzansprüchen verbinden, insbesondere die verwirkte Strafe als Mindestschaden geltend machen (§ 340 Abs. 2 B G B ) .
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c) Von den beschriebenen Gestaltungsmöglichkeiten kann durch Vereinbarung nur zugunsten des Handlungsgehilfen abgewichen werden (§ 75 d). So kann die Vertragsstrafe in der Weise versprochen werden, daß der Handlungsgehilfe durch ihre Entrichtung den Erfüllungsanspruch des Prinzipals zum Erlöschen bringt ( R G Z 70, 442; LZ 1911, 543); das Wahlrecht liegt dann praktisch beim Handlungsgehilfen. Auch eine Abrede, die die Rechte des Prinzipals beschränkt (z. B. das Recht, gem. § 340 Abs. 2 B G B die Vertragsstrafe als Mindestschaden zu fordern, ausschließt), ist zulässig.
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4. Herabsetzung der Vertragsstrafe (§ 75 c Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 343 B G B ) Der Handlungsgehilfe kann gem. § 343 Abs. 1 B G B beantragen, daß eine verwirkte, unangemessen hohe Vertragsstrafe herabgesetzt wird. Nach der Entrichtung der Strafe ist Henssler
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die Herabsetzung ausgeschlossen (§ 343 Abs. 1 S. 3 BGB). Bei Beurteilung der Angemessenheit ist jedes berechtigte Interesse des Prinzipals zu berücksichtigen (§ 343 Abs. 1 S. 2 BGB), aber auch die Interessen des Handlungsgehilfen (Scbaub § 58 VIII 4 m.w.N.). Neben den bereits bei Auslegung der Vertragsstrafenabrede zu berücksichtigenden Gesichtspunkten (Rdn. 2f) kommen praktisch alle im Zusammenhang des § 74 a Abs. 1 maßgeblichen Belange in Betracht (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 74 a HGB). Allerdings soll es auf die Angemessenheit der Relation von Vertragsstrafe zu Karenzentschädigung nicht ankommen (BAG AP Nr. 1 zu § 75 c HGB). 8
Die Parteien können die Festsetzung der Vertragsstrafe nicht von vornherein in das Ermessen des Gerichts stellen (BAG AP Nr. 7 zu § 339 BGB). § 343 Abs. 1 S. 2 B G B eröffnet lediglich eine Anpassungsmöglichkeit (a. A. Lindacker BB 1978, 270). 5. Vertragsstrafe bei Wettbewerbs abreden ohne Karenzentschädigung (§ 75 c Abs. 2)
9
Abs. 2 beschränkt den Prinzipal für diesen Fall auf die Geltendmachung der Vertragsstrafe; sowohl Erfüllungs- wie Schadensersatzansprüche sind ausgeschlossen. Da wirksame Wettbewerbsabreden ohne Karenzentschädigung wegen der Verfassungswidrigkeit des § 75 b praktisch nicht mehr vorkommen, ist die Vorschrift obsolet geworden2.
§ 75 d Auf eine Vereinbarung, durch die von den Vorschriften der §§ 74 bis 75 c zum Nachteil des Handlungsgehilfen abgewichen wird, kann sich der Prinzipal nicht berufen. Das gilt auch von Vereinbarungen, die bezwecken, die gesetzlichen Vorschriften über das Mindestmaß der Entschädigung durch Verrechnungen oder auf sonstige Weise zu umgehen. 1. Schutz des Handlungsgehilfen vor nachteiligen Abreden 1
a) Die §§ 74 bis 75 c enthalten zahlreiche Schutzbestimmungen zugunsten des Handlungsgehilfen. Im Hinblick auf das typischerweise gegebene Kräfteungleichgewicht im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien beugt § 75 d einer Entwertung des Schutzes durch Parteiabreden vor. Dieser ratio entsprechend gilt § 75 d nur für Vereinbarungen, die während der Dauer des Dienstverhältnisses getroffen werden.
2
b) Nur dem Handlungsgehilfen nachteilige Abreden sind einer Beschränkung unterworfen. Die Nachteiligkeit beurteilt sich nach den einzelnen Schutzbestimmungen, nicht nach dem Gesamtbild einer den §§ 74 ff entsprechenden Abrede. So wird eine dem Handlungsgehilfen nachteilige Abweichung von § 75 a (ζ. Β. Verzicht des Prinzipals auf die Wettbewerbsabrede bei vorzeitiger Befreiung von der Entschädigungspflicht) nicht durch eine vorteilhafte, weil über das Mindestmaß des § 74 Abs. 2 hinausgehende Entschädigungsleistung kompensiert. Neben den genannten Schutzvorschriften kommen noch in Betracht: § 74 a Abs. 1 (zulässiges Maß der Wettbewerbsbeschränkung), §§ 74 b und c (Fälligkeit und Berechnung der Karenzentschädigung, anrechenbarer Erwerb), § 75 (Lösungsrecht des Handlungsgehilfen) und § 75 c (Vertragsstrafe).
2
Schaub§58
VIII3;
Baumbacb/DudenlHopt%7 5 c
Anm. 2. 576
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75d
c) Z u m Nachteil des Handlungsgehilfen von den §§ 74 ff abweichende Vereinbarungen
3
sind für diesen unverbindlich (dazu schon oben § 74 a R d n . 17 ff); der Prinzipal kann sich auf solche Abreden nicht berufen. Hingegen steht es dem Handlungsgehilfen frei, das Vereinbarte gelten zu lassen. Praktisch wird letzteres hauptsächlich im Fall der das M a ß des § 74 A b s . 2 unterschreitenden Karenzentschädigung. D e r Handlungsgehilfe kann eine ihn subjektiv nicht belastende Wettbewerbsabrede auch gegen eine ungesetzlich niedrige Entschädigung befolgen (§ 74 R d n . 34). Gleiches gilt bei Unverbindlichkeit gem. § 74 a Abs. 1. Steht nicht die Verbindlichkeit der Wettbewerbsabrede als solche in Frage, sondern nur die Verbindlichkeit einzelner den Handlungsgehilfen benachteiligender N e b e n a b r e d e n , tritt die gesetzliche R e g e l u n g o h n e weiteres an die Stelle der Vereinbarung. D e n n der Prinzipal kann aus einer solchen A b r e d e nichts herleiten, und ein Interesse des Handlungsgehilfen an ihrer Aufrechterhaltung scheidet aus.
4
d) Aus u n w i r k s a m e n Abreden kann weder der Prinzipal noch der Handlungsgehilfe
5
vorgehen. D i e Verbindlichkeitsfrage stellt sich hier nicht. 2. U m g e h u n g (S. 2 ) S. 2 stellt klar, daß mit dem Ziel einer U m g e h u n g der Entschädigungspflicht getroffene Abreden für den Handlungsgehilfen ebenfalls unverbindlich sind. Gleiches ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen bei U m g e h u n g der übrigen Schutzvorschriften. Z u r U m g e h u n g des § 75 a durch bedingte Wettbewerbsabreden s. dort R d n . 8.
6
3. Abweichende V e r e i n b a r u n g e n d u r c h T a r i f v e r t r ä g e §§ 74 ff enthalten verdeckt tarifdispositives Gesetzesrecht ( B A G A P Nr. 28 zu § 74). E i n e A b w e i c h u n g v o m gesetzlichen Regelungssystem durch Tarifverträge ist demnach grundsätzlich zulässig. Zu beachten ist j e d o c h , daß ein wesentlicher Teil der A r b e i t nehmer-Schutzvorschriften durch Art. 12 Abs. 1 G G gesichert ist. Zu diesem tariffesten Kernbereich der §§ 74 ff zählt namentlich die Entschädigungspflicht und die N o t w e n digkeit der zeitlichen Begrenzung des Wettbewerbsverbots ( B A G A P Nr. 2 8 zu § 74 H G B m. A n m . Canaris). D a r ü b e r hinaus bedarf der mit jedem nachvertraglichen W e t t b e w e r b s verbot verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der von § 74 a A b s . 1 geforderten Einzelfallabwägung. Fehlt es an einem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers, so verstößt das tarifvertragliche Wettbewerbsverbot gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Wegen der erforderlichen Interessenabwägung im Einzelfall eignen sich Tarifverträge nur schlecht zur Verankerung von nachträglichen Wettbewerbsverboten. D e n k b a r und zulässig ist dagegen die nähere Ausgestaltung vertraglicher Wettbewerbsverbote. So kann etwa durch Tarifvertrag die gesetzliche Höchstdauer für Wettbewerbsverbote von zwei Jahren (§ 74 a A b s . 1 Satz 3) für den Fall eines Vertragsbruchs des Arbeitnehmers u m die Restdauer des gebrochenen Vertrages verlängert werden. Auch die Minderung der Mindestkarenzentschädigung (§ 74 Abs. 2) und die Einbeziehung von geringverdienenden Arbeitnehmern (§ 74 a Abs. 2) dürfte zulässig, j e d o c h in der Praxis kaum durchsetzbar sein 1 .
§75 e
(aufgehoben) 1
Dazu Löwisch/Rieble
TVG, § 1 Rdn. 659 ff, 662. Henssler
577
7
§75f
Erstes Buch. Handelsstand
§ 75 f Im Falle einer Vereinbarung, durch die sich ein Prinzipal einem anderen Prinzipal gegenüber verpflichtet, einen Handlungsgehilfen, der bei diesem im Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen, steht beiden Teilen der Rücktritt frei. Aus der Vereinbarung findet weder Klage noch Einrede statt. 1
Die Vorschrift wurde durch § 69 Abs. 5 A O G (ohne sachliche Änderung) neu gefaßt. Die Fassung ist daher trotz Aufhebung des A O G durch K R G Nr. 40 vom 30.11. 1946 weiterhin maßgeblich (allg. M.).
2
Die Vorschrift bezweckt nach dem Regelungszusammenhang eine Ergänzung des Schutzes, den §§ 74 bis 75 d dem Handlungsgehilfen für sein berufliches Fortkommen gewähren. Der Handlungsgehilfe soll auch mittelbar durch Sperrabreden zwischen Prinzipal und anderen, potentiellen Arbeitgebern keine beruflichen Nachteile erleiden. Sog. geheime Wettbewerbsklauseln sind daher klaglos gestellt. Dabei spielt es schon nach dem Wortlaut der Vorschrift keine Rolle, ob das Versprechen des einen Arbeitgebers dahin geht, einen Arbeitnehmer des anderen gar nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen (ζ. B. Zustimmung des alten Arbeitgebers) einzustellen (s. auch B G H AP Nr. 1 zu § 75 f HGB). Die Vorschrift verstößt nicht gegen Art. 9 GG (BGH aaO).
1. Schutzzweck
2. Anwendungsbereich 3
Der Schutzzweck rechtfertigt die analoge Anwendung auf Sperrabreden zwischen nichtkaufmännischen Arbeitgebern (BGH NJW 1974, 1282; B G H AP Nr. 2 zu § 75 f HGB). Auch Sperrabreden auf Verbandsebene sowie solche zwischen Leiharbeitgeber und Entleiher werden erfaßt (BGH AP Nr. 1 zu § 75 f). Ferner soll die Vorschrift gelten, wenn die Abrede eine künftige Beschäftigung des Handlungsgehilfen als Unternehmer ausschließen soll (BAG AP Nr. 2 zu § 75 f).
4
Zweifelhaft ist die Anwendbarkeit des § 75 f auf Abreden, durch die sich die Arbeitgeber lediglich zur Unterlassung von Abwerbung verpflichten. Entgegen Schlegelbergerl Schröder (§ 75 f Rdn. 2 a) sollte § 75 f auf solche Abreden keine Anwendung finden. Die Entscheidungsfreiheit des Handlungsgehilfen zu einem Arbeitsplatzwechsel wird durch sie nicht beeinträchtigt. Zum vertraglichen Abwerbungsverbot s. Weiland B B 1976, 1179. 3. Unverbindliche und nichtige Sperrabreden
5
a) Bei nichtigen Abreden bleibt für die Anwendung des § 75 f kein Raum. Die Nichtigkeit kann sich aus § 138 B G B (nicht § 134 B G B i. V. m. § 75 f) ergeben, wobei insbesondere an den Fall zu denken ist, daß infolge umfassender Sperrabreden zwischen mehreren Arbeitgebern die freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG) für den Handlungsgehilfen praktisch beseitigt wird1. Sittenwidrigkeit kann auch vorliegen, wenn die Abrede nicht von einem berechtigten Interesse i. S. d. § 74 a Abs. 1 gedeckt ist, sondern anderen Zwecken (ζ. B. der Erhaltung des Lohnniveaus) dient (s. dazu Schaub § 58 X 2).
1
Schlegelberger/Schröder § 75 f Rdn. 1; vgl. auch B G H AP Nr. 1 zu § 75 f H G B .
578
Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75g
b) Von einer gem. § 75 f S. 1 unverbindlichen Sperrabrede können beide Parteien jeder- 6 zeit zurücktreten. Das Rücktrittsrecht ist unabdingbar (Bandasch/Etzel § 75 f Rdn. 4); seine Ausübung kann seitens des Handlungsgehilfen nicht erzwungen werden. Für die Vertragsparteien folgen aus der Abrede weder Erfüllungs- noch Schadensersatzansprüche. Auch die einredeweise Geltendmachung ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 75 f S. 2). Der fehlende Erfüllungszwang kann nicht (mittelbar) durch Vereinbarung von Vertragsstrafen ersetzt werden (BGH NJW 1978, 1282). Die Sperrabrede ist aber erfüllbar; dem Handlungsgehilfen steht kein Unterlassungsanspruch zu (Schlegelberger/Schröder § 75 f Rdn. 2).
7
4. Schadensersatzansprüche gegen Dritte a) Ersatzansprüche des Arbeitgebers. Bei rechtswidriger Abwerbung oder 8 Beschäftigung in Kenntnis des Wettbewerbsverbotes kann sich ein Schadensersatzanspruch des geschützten Arbeitgebers gegen seinen Konkurrenten aus § 826 B G B ergeben. Die Annahme eines Verstoßes gegen die guten Sitten setzt ein den Rechtsverstoß bewußt förderndes Verhalten des Wettbewerbers voraus, wie es beim Verleiten zum Vertragsbruch oder der Übernahme einer Vertragsstrafe gegeben ist. Ein vertraglicher Anspruch aus einer gemäß § 75 f klaglos gestellten Sperrabrede entfällt (offengelassen von BAG BB 1973, 427). b) Ersatzansprüche des Arbeitnehmers. Wird ein Bewerber aufgrund einer 9 Sperrabrede abgewiesen, so können aus § 826 B G B Ersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen die beteiligten Arbeitgeber entstehen. Sittenwidrig wäre insbesondere die Druckausübung zur Durchsetzung einer unwirksamen oder unverbindlichen Sperrabrede. Daneben kommen vertragliche Ansprüche aus pFv gegen den bisherigen Arbeitgeber in Betracht. Der die Einstellung verweigernde Arbeitgeber haftet mangels Vertrauenstatbestandes grundsätzlich nicht aus cic (RAGE 2, 4).
§75 g § 55 Abs. 4 gilt auch für einen Handlungsgehilfen, der damit betraut ist, außerhalb des Betriebes des Prinzipals für diesen Geschäfte zu vermitteln. Eine Beschränkung dieser Rechte braucht ein Dritter gegen sich nur gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen mußte. 1. Systematische Stellung Die Vorschrift begründet für den im Außendienst tätigen Vermittlungsgehilfen eine 1 beschränkte, passive Vertretungsmacht (Entgegennahme von Mängelanzeigen) und eine noch engere aktive Vertretungsmacht (zur Beweissicherung) nach Maßgabe des § 55 Abs. 4. Sie wurde gelegentlich der Reform des Handelsvertreterrechts durch Gesetz vom 6. 8. 1953, BGBl. I 771, eingefügt. Für den Handlungsgehilfen, der mit dem Abschluß (nicht nur der Vermittlung) von 2 Geschäften betraut ist, ergibt sich der (gesetzliche) Umfang der Vertretungsmacht aus §§ 54 und 55, für den Handelsvertreter aus §§ 54, 55 und 91 Abs. 1. § 75 g dient (ebenso wie der entsprechend gestaltete § 91 Abs. 2) dem Verkehrsschutz. Der gutgläubige (vgl. § 75 g S. 2) Geschäftsgegner soll sich in dem beschriebenen Mindestumfang auf die Kompetenz des vermittelnden Handlungsgehilfen verlassen. Die Ausgestaltung des Innenverhältnisses ist für den Geschäftsgegner regelmäßig nicht erkennbar, eine Nachforschung wird ihm nicht zugemutet. Henssler
579
Erstes Buch. Handelsstand
§ 75h 2. Anwendungsbereich
3 Im einzelnen setzt § 75 g voraus, daß ein Handlungsgehilfe (§ 59 Rdn. 1 ff) nur mit der Vermittlung von Geschäften betraut wurde, und zwar im Rahmen einer Tätigkeit außerhalb des Betriebs. 4
a) Die analoge Anwendung auf nichtkaufmännische Arbeitnehmer ist abzulehnen (Schlegelberger/Schröder § 75 g Rdn. 2). Vertretungsmacht solcher Arbeitnehmer kann sich aber aus den Grundsätzen über die Anscheins- oder Duldungsvollmacht ergeben. N u r nach diesen Grundsätzen ist auch die Tätigkeit der Gehilfen von Nichtkaufleuten zu beurteilen1. Es fehlt insoweit an einer dem § 91 Abs. 1 entsprechenden Sonderregelung für den Handlungsgehilfen 2 .
5
b) Wegen der Abgrenzung zwischen Vermittlungs- und Abschlußvertreter (für letzteren gilt § 55 unmittelbar) s. die Kommentierung zu § 84.
6
c) § 75 g gilt nur für Handlungsgehilfen, die außerhalb des Betriebs tätig werden; ansonsten ist die Vertretungsmacht nach § 54 zu beurteilen. Die frühere Unterscheidung (§ 55 a. F.) zwischen Stadtreisenden und Fernreisenden ist nach Neufassung des § 55 und Einfügung des § 75 g überholt. § 75 g ist anwendbar, wenn sich der örtliche Tätigkeitsbereich des Handlungsgehilfen nach dem Inhalt des Auftrages über die Geschäftsräume hinaus erstreckt. Das tatsächliche Tätigwerden außerhalb dieses Bereiches genügt nicht. Bei Kenntnis und Duldung eines solchen Verhaltens durch den Arbeitgeber ist jedoch an eine Genehmigung zu denken. 3. U m f a n g der Vertretungsmacht; Einschränkung durch S. 2
7 Wegen des Umfangs der Vertretungsmacht und der Einschränkung des S. 2 s. die Kommentierung zu §§ 55 u. 54 sowie zu § 91 Abs. 2.
§75 h (1) H a t ein Handlungsgehilfe, der nur mit der Vermittlung von Geschäften außerhalb des Betriebes des Prinzipals betraut ist, ein Geschäft im N a m e n des Prinzipals abgeschlossen, und war dem Dritten der Mangel der Vertretungsmacht nicht bekannt, so gilt das Geschäft als von dem Prinzipal genehmigt, wenn dieser dem Dritten gegenüber nicht unverzüglich das Geschäft ablehnt, nachdem er von dem Handlungsgehilfen oder dem Dritten über Abschluß und wesentlichen Inhalt benachrichtigt worden ist. (2) D a s gleiche gilt, wenn ein Handlungsgehilfe, der mit dem Abschluß von Geschäften betraut ist, ein Geschäft im N a m e n des Prinzipals abgeschlossen hat, zu dessen Abschluß er nicht bevollmächtigt ist.
1
2
A. A. RGRKJWürdinger § 75 g Anm. 1 und § 84 Anm. 11. Im Ergebnis wie hier Schlegelberger/Schröder § 84 Rdn. 35.
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Henssler
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 82a
1. Systematische Stellung Die zusammen mit § 75 g (s. dort Rdn. 1) in den 6. Abschnitt eingefügte Vorschrift 1 betrifft ebenfalls das Außenverhältnis zwischen Prinzipal und dritten Personen. § 75 h regelt für den im Außendienst tätigen Handlungsgehilfen die Wirkung eines Vertragsschlusses ohne Abschlußvollmacht (Abs. 1) bzw. den Fall der Überschreitung der Vertretungsmacht (Abs. 2). In Abweichung von § 177 B G B kann das getätigte Geschäft im Wege der Genehmigungsfiktion wirksam werden. § 75 h stimmt fast wörtlich mit § 91 a überein, der an die Stelle des § 85 a. F. getreten ist. Vertretungsrechtlich ist die Stellung des reisenden Handlungsgehilfen der des Handelsvertreters weitgehend angeglichen worden. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten siehe die Kommentierung zu § 91 a.
2
2. Anwendungsbereich und Wirkungsweise a) § 75 h Abs. 1 gilt nur für solche Geschäfte des Handlungsgehilfen, die er durch Tätigkeit außerhalb des Betriebs vermitteln (nicht abschließen) sollte (§ 75 g Rdn. 5). Entgegen Schlegelberger/Schröder (§ 75 h Rdn. 2) fallen Geschäfte, die durch eine Tätigkeit innerhalb der Niederlassung zu vermitteln sind, nicht unter die Vorschrift (s. auch Bandasch/Etzel § 75 h Rdn. 5). Eine derartige Tätigkeit kann aber durch die Vertretungsmacht des § 56 gedeckt sein.
3
§ 75 h setzt weiter voraus, daß der Handlungsgehilfe das Geschäft o h n e Vertretungsmacht im Namen des Prinzipals abgeschlossen hat, der Geschäftsgegner den Mangel der Vertretungsmacht nicht kannte und der Prinzipal von dem Abschluß (durch den Handlungsgehilfen oder den Geschäftsgegner) benachrichtigt worden ist. In Abweichung von § 177 B G B gilt der Vertragsabschluß als genehmigt, wenn der Arbeitgeber das Geschäft nicht unverzüglich nach Kenntnis ablehnt.
4
b) Gem. § 75 h Abs. 2 tritt dieselbe Folge auch bei Vollmachtsüberschreitung ein. Im 5 Gegensatz zu Abs. 1 kommt es hier nicht darauf an, ob die Geschäftsabschlüsse durch den Handlungsgehilfen außer- oder innerhalb des räumlichen Unternehmensbereichs erfolgen sollten. Im Hinblick auf die in diesem Fall immerhin erteilte Vollmacht ist die weitergehende Ablehnungspflicht (und Genehmigungsfiktion) gerechtfertigt. Vielfach ergibt sich die rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Prinzipals bei vorangegangener Vollmachtserteilung schon aus § 55 i. V. m. § 54, so daß § 75 h Abs. 2 nicht mehr zur Anwendung gelangt.
§§ 7 6 - 8 2 (aufgehoben)
§82 a Auf Wettbewerbsverbote gegenüber Personen, die, ohne als Lehrlinge angenommen zu sein, zum Zwecke ihrer Ausbildung unentgeltlich mit kaufmännischen Diensten beschäftigt werden (Volontäre), finden die für Handlungsgehilfen geltenden Vorschriften insoweit Anwendung, als sie nicht auf das dem Gehilfen zustehende Entgelt Bezug nehmen.
Henssler
581
§ 82a
Erstes Buch. Handelsstand
Schrifttum Knigge AR-Blattei D, Volontär und Praktikant I; Schaub Arbeitsrechtshandbuch § 16 III. 1
§ 82 a enthält eine Legaldefinition des Volontärs, die auf nichtkaufmännische Volontäre entsprechend angewendet wurde. Nach dem Gesetz handelt es sich um Personen, die ohne Abschluß eines Lehr- oder Anlernvertrages zum Zwecke ihrer Berufsausbildung arbeiten und unentgeltlich tätig werden. Im Unterschied z u m Arbeitnehmer trifft den Volontär weder eine Leistungspflicht noch steht ihm ein Arbeitsentgeltanspruch zu 1 . Seit Inkrafttreten des BBiG am 1. 9. 1969 ist der Begriff des Volontärs umstritten. Die Vorschrift gilt nicht in den neuen Bundesländern (vor § 59, Rdn. 9 b).
2
Die Vorschrift erklärt die §§ 74 ff auf Wettbewerbsabreden mit Volontären insoweit für anwendbar, als das Gesetz dort nicht auf das Entgelt Bezug nimmt. Demnach wäre die Wettbewerbsabrede entschädigungslos zulässig. Die Formbedürftigkeit (§ 74 Abs. 1), die Höchstdauer (§ 74 a Abs. 1) und die Widerrufsmöglichkeit (§ 75) wären dagegen nach den gewöhnlichen Regeln zu beurteilen.
3
Nach h. M. ist § 82 a durch Erlaß des BBiG gegenstandslos geworden 2 . § 19 BBiG unterstellt Verträge, die weder auf Berufsausbildung noch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses gerichtet sind, mit geringfügigen Modifikationen den §§ 3 bis 18 BBiG, sofern die Einstellung dem Eintretenden den Erwerb von beruflichen Kenntnissen, Fertigkeiten oder Erfahrungen ermöglichen soll. § 5 Abs. 1 BBiG erklärt Vereinbarungen, die den Auszubildenden f ü r die Zeit nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit beschränken, f ü r unwirksam. Davon ausgenommen ist u. U. die Verpflichtung, ein Arbeitsverhältnis mit dem Auszubildenden einzugehen. D e m BBiG entgegenstehende Vorschriften sind außer Kraft getreten (§ 106 Abs. 1 BBiG).
4
Eine Mindermeinung schränkt demgegenüber den Anwendungsbereich des § 19 BBiG ein und hält Wettbewerbsabreden mit Volontären nach wie vor f ü r möglich (zum Streitstand Schaub § 16 III 2 m.w.N.). Die Vorschrift gelte nur f ü r den Fall, daß zwar kein Ausbildungsverhältnis i. S. des BBiG begründet werde, aber gleichwohl ein systematischer Ausbildungsgang z u m Erwerb beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten geboten werden solle.
5
Die restriktive Auslegung des § 19 BBiG begegnet Bedenken. Gem. § 1 Abs. 2 BBiG ist das Berufsausbildungsverhältnis dadurch gekennzeichnet, daß die beruflichen Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang vermittelt werden. Demgegenüber setzt § 19 BBiG - ebenso wie § 82 a - nur die Einstellung z u m Erwerb beruflicher Kenntnisse voraus. Sofern kein entgeltliches Arbeitsverhältnis begründet wird, sind Wettbewerbsabreden gem. § 19 i. V. m. § 5 BBiG nichtig. Der unentgeltlich mit kaufmännischen Diensten beschäftigte Volontär i. S. d. § 82 a kann somit nicht mehr durch Wettbewerbsabreden gebunden werden. Wegen der im Ausbildungsverhältnis (und in gem. § 19 BBiG gleichgestellten Verhältnissen) zu gewährenden angemessenen Vergütung vgl. § 10 BBiG (dazu Bandasch/Etzel § 82 a Rdn. 2).
6
Gem. §§ 19, 3 Abs. 2 BBiG bleiben die f ü r das Arbeitsverhältnis geltenden Vorschriften anwendbar, soweit sie dem Zweck des BBiG nicht zuwiderlaufen. Der kaufmännische Volontär unterliegt beispielsweise weiterhin dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot des § 60 (vgl. Baumbach/Duden/Hopt § 82 a Anm. 1 C).
' Zur Abgrenzung vom Praktikanten vgl. Schaub § 16 IV; Stuhr/Stuhr BB 1981, 916. 2 Baumbach/Duden/Hopt § 82 a Anm. 2; Schlegel-
582
berger/Schröder Rdn. 1.
Henssler
§ 82 a; Bandasch/Etzel
ξ 82 a
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 83
§83 Hinsichtlich der Personen, welche in dem Betrieb eines Handelsgewerbes andere als kaufmännische Dienste leisten, bewendet es bei den für das Arbeitsverhältnis dieser Personen geltenden Vorschriften. Die Vorschriften des 6. Abschnitts galten nach der ursprünglichen Konzeption (vgl. 1 Rdn. 1 vor § 59) nur für Handlungsgehilfen, für diese aber abschließend. Wegen der analogen Anwendbarkeit insbesondere der §§ 74 bis 75 f auf andere Arbeitnehmer vgl. die Kommentierung der einzelnen Vorschriften. Arbeitsverhältnisse, die auf andere als kaufmännische Dienste (dazu § 59 Rdn. 29 ff) gerichtet sind, folgen allgemeinem Arbeitsrecht bzw. den einschlägigen Sonderbestimmungen (z. B. §§ 105 ff GewO). Da die Aufspaltung des Arbeitnehmerbegriffs in einzelne Gruppen überholt ist, hat die Vorschrift ihre Bedeutung verloren. Sie gilt nicht in den neuen Bundesländern (vor § 59, Rdn. 9 b).
Henssler
583
SIEBENTER ABSCHNITT Handelsvertreter Vorbemerkungen Schrifttum Alff Handelsvertreterrecht, 2. Aufl. 1983; Ankele Harmonisiertes Handelsvertreterrecht für die Europäische Gemeinschaft, D B 1987, 569; ders. Das deutsche Handelsvertreterrecht nach der Umsetzung der EG-Richtlinie, D B 1989, 2211; ders. Auf dem Weg zu einem harmonisierten Handelsvertreterrecht in der Europäischen Gemeinschaft, RdA 1982, 157; Backmann Das neue Recht des Handelsvertreters, 1978; v. Brunn Weitere Zweifelsfragen zum neuen Recht der Handelsvertreter, N J W 1954, 56; ders. Zum Recht des Eigenhändlers, FS 150 Jahre Carl Heymanns Verlag, 1965, S. 327; Bullinger Grundzüge des Handelsvertreterrechts, Jura 1979, 459; Dichtl/Raffée/Niedetzky Die Kommunikation zwischen Handelsvertretung und vertretener Unternehmung, 1985; Eberstein Der Handelsvertretervertrag, 7. Aufl. 1991; ders. Zehn Jahre Rechtsprechung zum neuen Handelsvertreterrecht, B B 1964, 271; Eckert Das neue Recht der Handelsvertreter - Die Umsetzung der EG-Richtlinie in deutsches Recht, N Z A 1990, 384; Evans-v. Krbek Die analoge Anwendung der Vorschriften des Handelsvertreterrechts auf den Vertragshändler, 1976; Finke Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Handelsvertreterrecht, W M 1969, 1122; W M 1972, 1110; v. Gamm Die neuere Rechtsprechung des B G H zum Handelsvertreterrecht, N J W 1979,2489; v. Gierke Das neue Recht der Handelsvertreter, Z H R 117 (1955), 138; Glaser Zusammenstellung der zum neuen Handels- und Versicherungsvertreterrecht ergangenen Gerichtsentscheidungen, Teil I, D B 1957, Beil. 2, Teil II, D B 1960, Beil. 4, Teil III, D B 1962, Beil. 4; Hopt Handelsvertreterrecht, §§ 84 - 92 c, 54, 55 H G B mit Materialien, 1992; Hurstel Umsetzung der Handelsvertreterrichtlinie in Frankreich, D B 1992, 826; Kindler Neues deutsches Handelsvertreterrecht aufgrund der EG-Richtlinie, R I W 1990, 358; Knapp/Ankele Handelsvertretergesetz, 1979; Kränzlin Das Handelsvertreterrecht im deutsch-amerikanischen Wirtschaftsverkehr, Diss. Augsburg 1983; Küstner Der Handelsvertreter, 2. Aufl. 1977; ders. Verträge mit Handelsvertretern, 5. Aufl. 1983; ders. Die neuere Rechtsprechung zum Außendienstrecht, B B 1985, Beil. 12; ders./Koinecke Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 3: Das Recht des angestellten Geschäftsvermittlers im Waren- und Dienstleistungsbereich, 2. Aufl. 1988; ders./ v. Manteuffel Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1 : Das Recht des Handelsvertreters (ohne Ausgleichsrecht), 2. Aufl. 1992; dies. Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 2: Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters. Warenvertreter, Versicherungs- und Bausparkassenvertreter, 5. Aufl. 1988; dies. Die Änderungen des Handelsvertreterrechts aufgrund der E G Harmonisierungsrichtlinie vom 18.12.1986, B B 1990, 291; Kuther Die neuen Handelsvertretervorschriften im H G B , N J W 1990, 304; Maier/Meyer-Marsilius Der Agenturvertrag, 2. Aufl. 1981; v. Manteuffel/Küstner Probleme des Handelsvertreterrechts, Z I P 1988, 63; Meyer Handelsvertreterrecht, 1978; Piper Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Handelsvertreterrecht, 1987; Recken Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Handelsvertreterrecht, W M 1975, 262; G. Reinicke/D. Reinicke Auslegungsfragen zum neuen Recht der Handelsvertreter, N J W 1953, 1609; J. Schmidt Vertragsfreiheit und EG-Handelsvertreterrichtlinie, Z H R 156 (1992), 512; Schmidt-Rimpler Der Handlungsagent, Ehrenbergs Handbuch, Bd. 5 , 1 9 2 6 ; Schober Der Handelsvertretervertrag, 1961; Schönberg Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Handelsvertreterrecht, W M 1978, 102; Schriefers Lagerrücknahme bei Vertragsbeendigung des Händlervertrages, B B 1992, 2158; Schröder Typische Fehler in Handelsvertreterverträgen, D B 1959, 817; Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. I, 1986; Bd. II 1, 1987; Semler Aktuelle Fragen im Recht der Vertragshändler, D B 1985, 2493; ders. Handelsvertreter- und Vertragshändlerrecht - Aktuelle Fragen und Vertragsgestaltung, 1988; Stötter Das Recht der Handelsvertreter, Versicherungsvertreter, Bausparkassenvertreter, Tankstellenvertreter, 584
Sonnenschein/Weitemeyer
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
Vor § 8 4
3. Aufl. 1985; Stumpf Verträge mit inländischen Handelsvertretern, 1961; ders. Der Vertragshändlervertrag unter Einschluß des EG-Kartellrechts, 2. Aufl. 1979; Tscherwinka Das Recht des Handelsvertreters, JuS 1991, 110; Ulmer Der Vertragshändler, 1969; Voss Handelsvertreter-Handbuch, 3. Aufl. 1977; Westphal Neues Handelsvertreterrecht, 1991; Graf v. Westphalen Handelsvertreterrecht und AGB-Gesetz, DB 1984, 2335 und 2392; Wolf Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Handelsvertreterrecht, WM 1982, 30, WM 1986, Sonderbeil. 5. Übersicht Rdn. I. II. III. IV.
Allgemeines
1
Geschichtliche Entwicklung
2
Systematischer Überblick
6
Rdn. V.
Abgrenzung von anderen selbständigen Hilfspersonen
VI.
Internationales Recht
8 14
Sondervorschriften für Handelsvertreter außerhalb des H G B
7
I. Allgemeines Der 7. Abschnitt des H G B regelt mit dem Handelsvertreter einen wirtschaftlich höchst 1 bedeutenden Zweig der Handelsgewerbe. Der Handelsvertreter tritt als Kaufmann nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 im gesamten Wirtschaftsleben in Erscheinung. Er gehört zu den selbständigen Hilfspersonen kaufmännischer oder anderer Unternehmen, die ständig mit der Vermittlung oder dem Abschluß von Geschäften betraut sind (§ 84 Abs. 1). Für den Unternehmer besteht der Vorteil darin, daß ihm die Sachkunde, die Arbeitskraft und die Beziehungen des Handelsvertreters zugute kommen, ohne den Belastungen ausgesetzt zu sein, die eine Arbeitnehmerstellung mit sich bringt. Der Handelsvertreter kann hingegen als selbständiger Kaufmann weitgehend frei seinem Gewerbe nachgehen, ohne das Vertriebsrisiko tragen zu müssen (K. Schmidt § 27 II 2 a). Das tatsächliche Erscheinungsbild ist außerordentlich breit. Es reicht vom arbeitnehmerähnlichen Kleinunternehmer mit einer entsprechenden wirtschaftlichen Abhängigkeit und einem dadurch bedingten Schutzbedürfnis bis hin zum Großunternehmer, der seinen Auftraggebern in der dominierenden Rolle gegenübersteht. So hatten im Jahre 1993 nur 9 v.H. der Handelsvertreter als größere Unternehmen mehr als sechs Mitarbeiter, 20 v.H. waren allein arbeitende Unternehmer und 70 v.H. waren Kleinunternehmen. Die insgesamt rund 60.000 deutschen Handelsvertreter erwirtschafteten im Jahre 1992 einen Umsatz von 400 Milliarden D M . Etwa 30 v.H. der inländischen Warenströme wurden über Handelsvertreter abgewickelt (FAZ vom 5.11.1993, Nr. 258, S. 17).
II. Geschichtliche Entwicklung 1. Das A D H G B enthielt in den Art. 66 ff nur Vorschriften über Handelsmakler als amtlieh bestellte Vermittler für Handelsgeschäfte. Die Rechtsstellung der Handelsvertreter oder Handlungsagenten nach dem früheren Sprachgebrauch war gesetzlich nicht besonders geregelt und wurde in unzureichender Weise nach dem Dienst- und Werkvertragsrecht beurteilt. N u r wenige Grundsätze, die von den Gerichten entwickelt worden waren, fanden allgemeine Anerkennung. Da der Geschäftsbetrieb der Handlungsagenten einen bedeutenden Umfang angenommen hatte, wurde eine ausdrückliche gesetzliche Regelung im H G B von 1897 allgemein für notwendig gehalten. 1 Dies diente auch dem Ziel, die nach 1
Denkschrift zum R J A - E I, bei del/Krampe Bd. II 1, S. 56.
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der damaligen Rechtslage schlechtere Stellung des Handlungsagenten gegenüber dem Handlungsgehilfen zu verbessern. Die ursprüngliche Regelung in den §§ 84 bis 92 beschränkte sich auf neun Bestimmungen. Gleichwohl stellte sie einen bedeutenden Fortschritt in der Gesetzgebung dar, weil sie erstmals das Recht der Handlungsagenten in eine Kodifikation aufnahm. Andere Länder sind dem Beispiel erst später gefolgt (Hopt § 84 Rdn. 2). 3
2. Schon kurze Zeit nach Inkrafttreten des H G B setzten Kritik an der Regelung und entsprechende Reformbestrebungen auf Seiten der Verbände der Handelsvertreter ein. Die Verbände suchten eine klare Abgrenzung der Handelsvertreter von den Handlungsgehilfen, eine Klärung der Rechtsstellung der arbeitnehmerähnlichen Handelsvertreter und generell eine Verbesserung der Rechtsstellung aller Handelsvertreter zu erreichen. Diesen Anliegen wurde zunächst in dem Entwurf eines Handelsvertretergesetzes der Akademie für Deutsches Recht von 1940 Rechnung getragen. Der Entwurf konnte nicht als Gesetz verabschiedet werden, so daß die Reformbestrebungen nach dem zweiten Weltkrieg erneut aufgenommen werden mußten.
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3. Im Jahre 1952 legte die damalige Bundesregierung einen neuen Entwurf vor (BTDrucks. 1/3856), der zu dem Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs (Recht der Handelsvertreter) vom 6 . 8 . 1 9 5 3 (BGBl. I 771) führte. Durch dieses Gesetz sind alle früheren Vorschriften des Handelsvertreterrechts geändert und zahlreiche neue Bestimmungen eingefügt worden. Hierbei ist die Bezeichnung als Handlungsagent durch die des Handelsvertreters ersetzt worden. Ziel des Gesetzes war es, das Handelsvertreterrecht in der Weise neuzugestalten, daß die sozialpolitischen Forderungen der Zeit sowie die Belange der Handelsvertreter und Unternehmer angemessen berücksichtigt wurden. Damit sollte den Handelsvertretern die erforderliche Rechtssicherheit für eine erfolgreiche Arbeit geboten werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 12). Dies ist vor allem durch die Unabdingbarkeit vieler Bestimmungen zu Lasten der Privatautonomie gegangen, obwohl die vom Gesetzgeber angenommene Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters keineswegs generell besteht. Mit dieser Änderung des H G B wurden die früheren Pläne aufgegeben, neben der Kodifikation des Handelsrechts ein Sondergesetz für Handelsvertreter zu schaffen.
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4. In der Folgezeit wurde das Handelsvertreterrecht nur noch punktuell geändert. Durch § 31 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) vom 29.5.1967 (BGBl. I 545) ist § 87 b Abs. 2 S. 3 eingefügt worden. Aufgrund des Gesetzes über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten und den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters vom 13. 5. 1976 (BGBl. I 1197) hat § 89 b Abs. 3 eine neue Fassung erhalten. Die Pläne einer Harmonisierung des Handelsvertreterrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften sind lange Zeit über das Stadium von Richtlinienvorschlägen nicht hinausgekommen.2 Erst mit der Richtlinie des Rates vom 18. 12. 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (86/653/EWG ABl. EG Nr. L 382/17 vom 31.12.1986) wurde die Reform weiterbetrieben und ist mit dem Gesetz zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter vom 23.10.1989 (BGBl. I 1910), das
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ABl. E G Nr. C 13/22 vom 18.1.1977; Nr. C 56 vom 2.3.1979; hierzu Ankele RdA 1982, 157;
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Giefers RVR 1970, 35; Küstner RdA 1980, 196; Steder RVR 1972, 165 u. 193.
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Vor § 84
am 1. 1. 1990 in Kraft getreten ist, realisiert worden. Diese zweite grundlegende Reform hat zwar nur einzelne Bestimmungen der vorhandenen Regelung geändert oder ergänzt. Sie hat aber hinsichtlich der Pflichten des Handelsvertreters und des Unternehmers sowie vor allem für die Provisionspflicht, die Kündigung des Handelsvertretervertrags, den Ausgleichsanspruch, das Wettbewerbsverbot und die Auslandsvertreter zu wichtigen Änderungen geführt. Hiermit ist der Schutz des Handelsvertreters durch zwingende Vorschriften weiter verstärkt worden. 3 Nach Art. 29 E G H G B , der gleichzeitig eingefügt worden ist, sind die §§ 86, 86 a, 87, 87 a, 89, 89 b, 90 a und 92 c, die von den Änderungen betroffen waren, in der am 31. 12. 1989 geltenden Fassung bis zum Ablauf des Jahres 1993 weiterhin auf Handelsvertreterverhältnisse anzuwenden, die vor dem 1.1. 1990 begründet sind und an diesem Tag noch bestehen. Für Altverträge galten damit die genannten Vorschriften in ihrer früheren Fassung als Ubergangsrecht bis zum 31. 12. 1993 fort, während sie für die ab 1. 1. 1990 abgeschlossenen Verträge sofort anzuwenden sind. Die Ubergangsvorschrift des § 29 E G H G B schließt allerdings nicht aus, daß die Parteien die Geltung der neuen Bestimmungen auch für Altverträge im Wege der Vertragsänderung schon vor dem 1. 1. 1994 vereinbaren konnten (Küstner/v. Manteuffel BB 1990, 291, 292).
III. Systematischer Überblick Trotz der Unübersichtlichkeit, die aufgrund der Einfügung zahlreicher neuer Vor- 6 Schriften durch das Handelsvertretergesetz von 1953 (Rdn. 4) eingetreten ist, liegt dem 7. Abschnitt des H G B ein klares System zugrunde (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 13). Auf die einleitende Begriffsbestimmung in § 84 und die Form des Vertrags in § 85 folgen in den §§ 86 bis 86 b die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien im allgemeinen. Die §§ 87 bis 87 d regeln mit Provision, Abrechnung und Aufwendungsersatz die Vergütung des Handelsvertreters. In den §§ 88 und 88 a finden sich mit Verjährung und Zurückbehaltungsrecht Einreden aus dem Vertragsverhältnis. Die verschiedenen Arten der Kündigung und der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach Beendigung des Vertragsverhältnisses werden in den §§ 89 bis 89 b behandelt. Den Anschluß bilden mit den §§ 90 und 90 a das Verbot des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie etwaige Wettbewerbsverbote als nachvertragliche Pflichten. Die §§ 91 und 91 a betreffen das Außenverhältnis. In den §§ 92 bis 92 c sind Vorschriften für bestimmte Arten von Handelsvertretern aufgestellt.
IV. Sondervorschriften für Handelsvertreter außerhalb des H G B Der Versicherungsvertreter unterliegt neben der Regelung des H G B den Sonder- 7 Vorschriften der §§ 43 bis 48 W G hinsichtlich seiner Vertretungsmacht und des Gerichtsstandes. Dieses Gesetz verwendet noch die Bezeichnung als Versicherungsagent.
V. Abgrenzung von anderen selbständigen Hilfspersonen 1. Neben dem Handelsvertreter gibt es andere selbständige Hilfspersonen, die für einen 8 kaufmännischen oder sonstigen Unternehmer tätig sind. Die Bedeutung einer Abgren3
Vgl. im einzelnen Ankele D B 1987, 569; ders. D B 1989, 2211; Eckert NZA 1990, 384; H opt § 84
Rdn. 3; Kindler RIW 1990, 358; Küstner/v. Manteuffei BB 1990, 291; Kuther NJW 1990, 304.
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zung des Handelsvertreters von solchen Personen liegt darin, die im Einzelfall anwendbaren Rechtsvorschriften zu bestimmen. 9
2. Als H a n d e l s m a k l e r ist tätig, wer gewerbsmäßig für andere Personen die Vermittlung von Verträgen über Anschaffung oder Veräußerung von Waren oder Wertpapieren und andere Gegenstände des Handelsverkehrs ü b e r n i m m t , ohne aufgrund eines Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein. E r unterscheidet sich vor allem dadurch v o m Handelsvertreter, daß er nicht vertraglich ständig mit dieser Aufgabe betraut ist. Wird er tätig, tritt er zu beiden Parteien eines Geschäfts in vertragliche Beziehungen. In der Regel fehlt die für den Handelsvertreter typische Reisetätigkeit. Schließt der M a k l e r mit einem potentiellen K u n d e n des U n t e r n e h m e r s einen Maklervertrag ab, muß er die Belange des Kunden gegenüber dem U n t e r n e h m e r wahren ( B G H N J W 1974, 137). D i e Tätigkeit des Maklers ist regelmäßig auf ein bestimmtes O b j e k t bezogen. D e m g e g e n ü b e r ist es für die Handelsvertretertätigkeit typisch, daß der U n t e r n e h m e r mit Hilfe des Handelsvertreters immer wieder neu produzierte O b j e k t e veräußern will. U n b e s t i m m t h e i t und Vielzahl der zu veräußernden O b j e k t e und das Interesse, den U m s a t z zu fördern, sprechen bei einer Abgrenzung deshalb für eine E i n o r d n u n g als Handelsvertreter und gegen eine Maklertätigkeit. 4 F ü r den Handelsmakler gelten die Vorschriften der §§ 93 ff.
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3. D e r K o m m i s s i o n ä r ü b e r n i m m t es gewerbsmäßig, Waren oder Wertpapiere für R e c h n u n g eines anderen in eigenem N a m e n zu kaufen oder zu verkaufen. E r wird wie der Handelsvertreter für fremde R e c h n u n g tätig, handelt aber im Unterschied zu diesem im eigenen N a m e n und nicht aufgrund einer ständigen Betrauung, sondern im Einzelauftrag. D a s Kommissionsgeschäft ist in den §§ 383 ff geregelt.
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4. G e h t der K o m m i s s i o n ä r mit einem Auftraggeber ein dauerndes Vertragsverhältnis ein, ist er also ständig mit dem K a u f oder Verkauf für dessen R e c h n u n g in eigenem N a m e n betraut, wird er z u m K o m m i s s i o n s a g e n t e n . Das Gesetz enthält für diese Rechtsfigur keine ausdrücklichen Vorschriften. Wegen der ständigen Vertragsbeziehung zu dem A u f traggeber und wegen der ähnlichen Interessenlage liegt es nahe, Konflikte zwischen diesen Parteien in entsprechender A n w e n d u n g einzelner Vorschriften des Handelsvertreterrechts zu lösen. Dies hat die Rechtsprechung bejaht etwa für den Bezirksschutz nach § 87 Abs. 2 ( R G J W 1917, 156 Nr. 6), für die Voraussetzungen des Provisionsanspruchs nach § 87 a ( L G Wuppertal N J W 1966, 1129), für die Kündigung nach den §§ 89, 89 a 5 und für den Ausgleichsanspruch nach § 89 b ( B G H N J W 1964, 1952). Abgelehnt worden ist eine entsprechende A n w e n d u n g des § 88 zur Verjährung ( B G H Z 79, 89, 97 = N J W 1 9 8 1 , 9 1 8 , 920).
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5. W e r auf der Grundlage eines Dauervertrags und unter Einbeziehung in das Vertriebsnetz eines Herstellers oder Lieferanten Waren kauft und im eigenen N a m e n und für eigene R e c h n u n g weiterverkauft, ist V e r t r a g s - bzw. E i g e n h ä n d l e r . 6 D a eine besondere gesetzliche Regelung fehlt, der Vertragshändler häufig aber ähnlich wie ein Handelsvertreter Bindungen an einen bestimmten Lieferanten hinsichtlich der A b n a h m e , der Preisgestaltung beim Weiterverkauf und der räumlichen Ausdehnung seiner Verkaufstätigkeit eingeht, stellt sich die Frage einer entsprechenden A n w e n d u n g der Vorschriften des
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B G H WM 1984, 556, 557; N J W 1992,2818,2819. RGZ 69, 363, 365; R G H R R 1934 Nr. 1298.
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« Vgl. S taub/Brüggemann Vor § 84 Rdn. 7 m.w.N.; Ulmer, Der Vertragshändler, 1969.
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Handelsvertreterrechts. 7 Dies wird im G r u n d s a t z weitgehend bejaht, wenn auch die Einzelheiten vielfach umstritten sind. D a s gleiche gilt für die Anwendbarkeit des H a n d e l s vertreterrechts auf Franchiseverträge. 8 D i e Rechtsprechung leitet aus einer entsprechenden Anwendung des § 86 Abs. 1 ein
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Wettbewerbsverbot des Vertragshändlers ab ( B G H N J W 1984, 2 1 0 1 ) und räumt ihm umgekehrt einen Auskunftsanspruch ein, wenn der Hersteller seinerseits gegen ein Wettbewerbsverbot verstößt ( B G H B B 1957, 452). Bei der Frage der Entschließungsfreiheit des U n t e r n e h m e r s gegenüber dem Vertragshändler hinsichtlich der Ausführung von Geschäften wird auf § 86 a zurückgegriffen ( B G H N J W 1958, 1138). D i e fristlose Kündigung des Vertragshändlervertrags wird entsprechend § 89 a zugelassen. 9 Vor allem wird dem Vertragshändler entsprechend § 89 b ein Ausgleichsanspruch zugebilligt, wenn zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten ein Rechtsverhältnis besteht, das über die b l o ß e Beziehung wie zwischen Käufer und Verkäufer hinausgeht, und wenn der Vertragshändler so in die Absatzorganisation des Lieferanten eingegliedert ist, daß er wirtschaftlich in erheblichem U m f a n g dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat. E r m u ß zudem vertraglich verpflichtet sein, seinem Lieferanten bei Beendigung des Vertragsverhältnisses seinen K u n d e n s t a m m zu überlassen. 1 0 E i n e solche Verpflichtung kann dadurch begründet werden, daß die Parteien nach der Kündigung des Vertragshändlervertrags z u m Z w e c k e der Vertragsfortsetzung eine befristete weitere Zusammenarbeit mit der im ursprünglichen Vertrag noch nicht enthaltenen A b r e d e vereinbaren, nach Vertragsende den K u n d e n s t a m m zu überlassen ( B G H B B 1992, 596). Auch die G r ü n d e des § 89 b Abs. 3 für einen Ausschluß des Ausgleichsanspruchs bzw. seinen Fortbestand gelten entsprechend. 1 1 F ü r nicht anwendbar wird hingegen die Regelung des § 87 Abs. 2 ü b e r die B e z i r k s v e r t r e t e r p r o v i s i o n gehalten ( B G H N J W 1 9 8 4 , 2 4 1 1 ) . B e i e i n e m Direktbelieferungsrecht, das hiervon abweichend in einem Formularvertrag vereinbart wird, k o m m t es deshalb darauf an, o b der U n t e r n e h m e r dem Vertragshändler einen angemessenen Ausgleich gewährt ( B G H B B 1994, 885, 887).
VI. Internationales Recht Bei der weltweiten Verflechtung der Wirtschaft gewinnen Fragen des internationalen Handelsvertreterrechts zunehmend an Bedeutung. So hatten im J a h r e 1993 etwa 4 0 v.H. der Handelsvertreter ausländische Waren in ihrem Sortiment ( F A Z v o m 5 . 1 1 . 1 9 9 3 , Nr. 2 5 8 , S. 17). Wenn ein deutsches U n t e r n e h m e n mit ausländischen Handelsvertretern zusammenarbeitet, ein ausländisches U n t e r n e h m e n deutsche Handelsvertreter beauftragt
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Vgl. im einzelnen Evans-v. Krbek, Die analoge Anwendung des Handelsvertreterrechts auf den Vertragshändler, 1976; Staub/Brüggemann aaO m.w.N. Vgl. im einzelnen Martinek Franchising, 1987, S. 318; ders. Moderne Vertragstypen, Bd. II, 1992, S. 105; ders. ZIP 1988, 1362; Matthießen ZIP 1988, 1089. BGH BB 1959, 540; NJW-RR 1993, 678; 1993, 682; vgl. RGZ 65, 37; 78, 385 u. 421; RG WarnRspr. 1918 Nr. 205.
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BGHZ 34, 282 = NJW 1961, 662; BGHZ 68, 340 = NJW 1977, 896; BGHZ 93,29, 59 = NJW 1985, 623, 630; BGH NJW 1983, 1789; 1983, 2877; 1984, 2102; BB 1993, 2399; 1993, 2401; OLG Köln BB 1994, 1881; anders OLG Köln BB 1987, 148; vgl. im einzelnen Foth Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers (1985); ders. BB 1987, 1686; Stumpf/Hesse BB 1987, 1474; s. aber zur Überlassung der Kunden K. Schmidt DB 1979, 2357. BGH NJW 1984,2101; ZIP 1987,1383; BB 1993, 1312.
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§84
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o d e r a u s l ä n d i s c h e H a n d e l s v e r t r e t e r in d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d tätig w e r d e n l ä ß t , stellt s i c h das P r o b l e m d e r m a ß g e b l i c h e n R e c h t s o r d n u n g . 1 2 15
I n e r s t e r L i n i e k ö n n e n die P a r t e i e n das V e r t r a g s s t a t u t d u r c h e i n e a u s d r ü c k l i c h e V e r e i n b a r u n g b e s t i m m e n u n d d e n H a n d e l s v e r t r e t e r v e r t r a g d e m d e u t s c h e n o d e r in d e n G r e n z e n des o r d r e p u b l i c e i n e m a u s l ä n d i s c h e n R e c h t u n t e r s t e l l e n {Staub/Brüggemann
Vor § 84
R d n . 4 2 ) . I n g l e i c h e r W e i s e ist h i e r f ü r e i n e s t i l l s c h w e i g e n d e P a r t e i v e r e i n b a r u n g m a ß g e b lich, w e n n d e r V e r t r a g e i n e d a h i n g e h e n d e A u s l e g u n g z u l ä ß t {Staub/Brüggemann Rdn. 45).
Schließlich
kann
das
Vertragsstatut
auf einen
hypothetischen
Vor § 84 Parteiwillen
g e g r ü n d e t w e r d e n , w o b e i u m s t r i t t e n ist, o b a n d e n S i t z d e s U n t e r n e h m e r s o d e r an die Niederlassung
des Handelsvertreters
anzuknüpfen
ist {Staub/Brüggemann
Vor
§
84
R d n . 4 6 m . w . N . ) . D i e R e c h t s p r e c h u n g t e n d i e r t z u r A n k n ü p f u n g an die N i e d e r l a s s u n g des H a n d e l s v e r t r e t e r s , w e n n in d e m b e t r e f f e n d e n L a n d d e r S c h w e r p u n k t s e i n e r T ä t i g k e i t liegt.13 H i e r v o n kann auch dann ausgegangen w e r d e n , w e n n der Handelsvertreter von s e i n e r N i e d e r l a s s u n g als d e m M i t t e l p u n k t s e i n e r T ä t i g k e i t aus d e n B e r e i c h L ä n d e r b e a r b e i t e t {Staub/Brüggemann
mehrerer
Vor § 84 R d n . 51).
§84 ( 1 ) H a n d e l s v e r t r e t e r ist, w e r als s e l b s t ä n d i g e r G e w e r b e t r e i b e n d e r s t ä n d i g
damit
b e t r a u t ist, f ü r e i n e n a n d e r e n U n t e r n e h m e r ( U n t e r n e h m e r ) G e s c h ä f t e z u v e r m i t t e l n o d e r in d e s s e n N a m e n a b z u s c h l i e ß e n . S e l b s t ä n d i g ist, w e r i m w e s e n t l i c h e n frei seine T ä t i g k e i t g e s t a l t e n u n d seine A r b e i t s z e i t b e s t i m m e n k a n n . ( 2 ) W e r , o h n e s e l b s t ä n d i g i m S i n n e des A b s a t z e s 1 z u sein, s t ä n d i g d a m i t b e t r a u t ist, f ü r e i n e n U n t e r n e h m e r G e s c h ä f t e z u v e r m i t t e l n o d e r in d e s s e n N a m e n a b z u s c h l i e ß e n , gilt als A n g e s t e l l t e r . ( 3 ) D e r U n t e r n e h m e r k a n n a u c h ein H a n d e l s v e r t r e t e r sein. S c h r i f t t u m Bangert D e r selbständige und der unselbständige Versicherungsvertreter, 1983; Bogs D i e Beurteilung der Selbständigkeit von Handelsvertretern als Methodenfrage der Sozialversicherungspflicht - Rechtsprechung, VersR 1977, 197; Brüggemann Das Handelsvertreterrecht im Schnittpunkt personenbezogener und unternehmensbezogener Strukturelemente, Z H R 131 (1968), 1; CDH (Hrsg.), Vor- und Nachteile der Handelsvertreter-GmbH, 2. Aufl. 1983; Dichtl/ Rafée/Niedetzky Reisende oder Handelsvertreter, 1981; Evers D i e Nichtigkeit von Handelsvertreterverträgen wegen zu geringer Verdienstmöglichkeiten und ihre Rückabwicklung, B B 1992, 1365; Fricke D i e Empfangsvollmacht des Vermittlungsagenten bei der Antragsaufnahme und die vergessene Risikoanzeige, VersR 1993, 399; Haumann D e r Handelsvertreter als Arbeitgeber, 1959; Hueck Arbeitnehmer und freie Mitarbeiter, D B 1955, 384; Lange D e r Tankstellenhalter als Handelsvertreter, D A R 1958, 8; Luckey D e r Ausschluß der Empfangsvollmacht des Versicherungsvertreters, V e r s R 1993, 151; Martin O f f e n e Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaften als Versicherungsvertreter, VersR 1967, 824; Melcher D i e Anwendung des Handelsvertreterrechts auf Kapitalanlageberater, B B 1981, 2 1 0 1 ; Müller Rechtliche Einordnung des Sammelbestellers, N J W 1963, 895; Neflin D e r Industriepropagandist in handels- und steuerrechtlicher Sicht, D B 1961, 833; Ordemann Zur Abgrenzung zwischen Handelsvertreter und Ange-
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Vgl. Beitzke D B 1961, 528; Staub/Brüggemann Vor § 84 Rdn. 41; Stumpf Internationales Handelsvertreterrecht, Teil 1: Verträge mit ausländischen Handelsvertretern, 6. Aufl. 1987; Stumpf/Fichna/Dircks Internationales Handelsvertreterrecht, Teil 2: Ausländisches Handels-
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13
vertreterrecht, 4. Aufl. 1986; Sura D B 1269; Wengler Z H R 146 (1982), 30; devisenrechtlichen Beschränkungen Hamm H V R Nr. 674. B G H Z 53, 332 = N J W 1970, 1002 m. Geimer N J W 1970, 2163; B G H D B 1981,
Sonnenschein/Weitemeyer
1981, s. zu OLG Anm. 1279.
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stelltem, BB 1963, 498; Ρauge Handelsvertreter und Makler - Prokura und Handlungsvollmacht, 2. Aufl. 1991; Piper Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Handelsvertreterrecht, 1987; Rehbinder Der Tankstellenvertrag im Blickpunkt der Rechtstatsachenforschung, 1971; Rewolle Die Abgrenzung des Begriffs „Handelsvertreter" zum Arbeitnehmer und die Zuständigkeit der Gerichte, DB 1954, 214; Scholl Versicherungsvertreter - selbständig oder unselbständig? BB 1959, 810; Schröder Zum Recht der Anzeigenvertreter, DB 1970, 1625; den. Handelsvertretervertrag auf bestimmte Zeit, FS Hefermehl, 1976, S. 113; Stötter Abgrenzung zwischen Handelsvertretern und Handelsreisenden, DB 1978, 429; Stolterfoht Die Selbständigkeit des Handelsvertreters, 1973; Tiefenbacher Rechtsprobleme der Handelsvertreter-Firma, BB 1981, 85; Trappe Selbständig oder nicht selbständig? BB 1957, 1224; Trinkhaus Arbeitsrechtliche Probleme des Handelsvertreterrechts, RdA 1958, 11. Übersicht
I. Allgemeines 1. Überblick 2. Entstehung 3. Zweck II. Begriff des Handelsvertreters 1. Selbständiger Gewerbetreibender . . . .
Rdn. 1 1 2 3 4 4
Rdn. 2. Vermittlung oder Abschluß von Geschäften für einen anderen Unternehmer 3. Ständige Betrauung III. Angestellter Vertreter IV. Untervertreter
19 30 39 40
I. Allgemeines 1. Überblick Die Vorschrift enthält in Abs. 1 eine Begriffsbestimmung des Handelsvertreters. 1 Hiernach ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, f ü r einen anderen U n t e r n e h m e r Geschäfte zu vermitteln oder in dessen N a m e n abzuschließen. Dieser Begriff wird neben dem Handelsrecht in gleicher Weise in anderen Rechtsgebieten verwendet, insbesondere im Steuerrecht ( B F H BStBl. III 1959, 357) und im Versicherungsrecht ( O L G Köln VersR 1984, 634). Er ist als Berufsbezeichnung nicht gesetzlich geschützt. In Abs. 2 wird bestimmt, daß der ständige Abschluß- oder Vermittlungsvertreter, der unselbständig tätig ist, als Angestellter gilt. Abs. 3 erweitert den Begriff des Handelsvertreters durch die Regelung, daß der U n t e r n e h m e r auch ein anderer Handelsvertreter sein kann. Auf dieser Grundlage ist die von einem Generalvertreter mit der Vermittlung oder dem Abschluß von Geschäften betraute Person als Untervertreter selbst Handelsvertreter, o b w o h l sie f ü r den Generalvertreter arbeitet u n d nicht f ü r den dahinter stehenden Unternehmer, f ü r dessen Rechnung die Geschäfte zustande k o m m e n (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 17).
2. Entstehung In der u r s p r ü n g l i c h e n Fassung b e s c h r ä n k t e sich die Vorschrift auf eine 2 Begriffsbestimmung des Handelsvertreters mit negativer Fassung in A b g r e n z u n g z u m Handlungsgehilfen und enthielt im übrigen die n u n m e h r in § 86 Abs. 2 geregelte Benachrichtigunge- und Anzeigepflicht. Sie hat durch das Änderungsgesetz von 1953 (Vorbem. Rdn. 4) ihre heutige Fassung erhalten. Hierbei sind der Begriff des Handlungsagenten durch den des Handelsvertreters und der Begriff des Geschäftsherrn unter Verzicht auf das frühere Erfordernis eines Handelsgeschäfts durch den des U n t e r n e h m e r s ersetzt worden. Die Begriffsbestimmung ist seitdem positiv gefaßt.
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3. Zweck 3
Die Vorschrift bezweckt, mit der Begriffsbestimmung des Handelsvertreters den Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung abzugrenzen. Das hervorgehobene Merkmal der Selbständigkeit dient insbesondere der Abgrenzung von den nicht selbständigen Arbeitnehmern des Unternehmers. Mit dem Verzicht auf das frühere gesetzliche Erfordernis, nach dem der Handelsvertreter für das Handelsgewerbe eines anderen tätig sein mußte, sollte der Begriff erweitert werden, da es für die Tätigkeit eines Vertreters keinen Unterschied macht, ob sie für ein kaufmännisches oder ein anderes Unternehmen ausgeübt wird. Durch die Formulierung, daß der Handelsvertreter für einen anderen Unternehmer tätig ist, soll zum Ausdruck gebracht werden, daß er selbst auch Unternehmer ist und dem betrauenden Unternehmer gleichberechtigt gegenübersteht. Dies ließ die frühere Bezeichnung als Geschäftsherr nicht erkennen. Die Bestimmung des Abs. 2 bezweckt, unselbständig tätigen Vertretern den Angestelltenstatus zuzuweisen, da dieser Personenkreis nach der früheren Rechtslage nicht eindeutig den Handlungsgehilfen zugeordnet werden konnte und damit rechtlich weitgehend schutzlos gestellt war. Die Bestimmung des Abs. 3, nach der der Unternehmer auch ein Handelsvertreter sein kann, dient dem Zweck, das Handelsvertreterrecht auf Untervertreter zu erstrecken, da ihre Tätigkeit wirtschaftlich die gleiche ist wie die eines Handelsvertreters, der unmittelbar für den beauftragenden Unternehmer tätig wird (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 14 ff).
II. Begriff des Handelsvertreters 1. Selbständiger Gewerbetreibender 4
Nach § 84 Abs. 1 S. 1 ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Mit dieser Begriffsbestimmung werden zugleich die Voraussetzungen für die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 84 ff festgelegt.
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a) Der Handelsvertreter ist Gewerbetreibender und nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 kraft der Art seines Gewerbebetriebs Kaufmann. Er kann Vollkaufmann oder Minderkaufmann sein, was von einer Gesamtwürdigung der nach § 4 Abs. 1 maßgebenden Verhältnisse seines Betriebs abhängig ist.1 Deshalb müssen die allgemeinen Voraussetzungen eines Handelsgewerbes erfüllt sein. Hierzu wird grundsätzlich die Absicht dauernder Gewinnerzielung verlangt. Unerheblich ist, ob der Handelsvertreter im Einzelfall unentgeltlich tätig wird (Schlegelberger/Schröder § 84 Rdn. 15). Er übt keinen freien Beruf aus, weil er seinen Aufgaben nicht nur durch persönlichen Einsatz, sondern auch mit Hilfe seiner Unternehmensorganisation nachgeht (Brüggemann ZHR 131 [1968], 1, 21 f). So kann auch die hochqualifizierte Beratungstätigkeit eines Ärztepropagandisten, die auf wissenschaftlicher Grundlage beruht, als gewerblich beurteilt werden (Neflin D B 1961, 833). Der Handelsvertreter hat ein eigenes gewerbliches Unternehmen, zu dessen Kapital neben den materiellen Wirtschaftsgütern vor allem die Beziehungen zu seinen Kunden zählen (BVerfGE 46, 224, 233 = NJW 1978, 365). Begrifflich ist es für die Annahme eines Gewerbebetriebs nicht erforderlich, daß Kapital vorhanden ist, so daß der Handelsvertreter sein Unternehmen auch ohne Einsatz von materiellen Wirtschaftsgütern oder Kapital betreiben kann (BGHZ 34, 282, 291 = NJW 1961, 662, 664). Ebensowenig ist ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb notwendig. Unerheblich ist auch, ob der Handelsvertreter ι O L G Oldenburg HVR Nr. 603; LG Rottweil HVR Nr. 490. 592
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sein U n t e r n e h m e n als Eigentümer, N i e ß b r a u c h e r o d e r P ä c h t e r betreibt. Als eingerichteter u n d ausgeübter G e w e r b e b e t r i e b fällt sein U n t e r n e h m e n u n t e r d e n Schutz des § 823 A b s . 1 BGB.2 b) H a n d e l s v e r t r e t e r k a n n jede natürliche oder juristische Person sein. Ist der H a n delsvertreter nicht voll geschäftsfähig, m ü s s e n die gesetzlichen Vertreter f ü r ihn handeln. M i n d e r j ä h r i g e k ö n n e n nach § 112 B G B mit G e n e h m i g u n g des V o r m u n d s c h a f t s g e r i c h t s z u m selbständigen Betrieb eines Handelsvertretergeschäfts ermächtigt w e r d e n . 3 M e h r e r e P e r s o n e n k ö n n e n sich zu einer Personenhandelsgesellschaft z u s a m m e n s c h l i e ß e n u n d das U n t e r n e h m e n u n t e r deren F i r m a als O H G o d e r K G 4 gemeinsam betreiben. H a n d e l s vertreter ist d a n n auch die O H G oder K G als K a u f m a n n , w ä h r e n d bei einer Gesellschaft b ü r g e r l i c h e n R e c h t s die E i g e n s c h a f t als H a n d e l s v e r t r e t e r n u r d e n G e s e l l s c h a f t e r n z u k o m m t . 5 Als juristische P e r s o n e n k ö n n e n auch Kapitalgesellschaften H a n d e l s v e r t r e t e r sein. 6 Bei d e r stillen Gesellschaft ist d e r tätige Teilhaber Handelsvertreter.
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c) Zentrales M e r k m a l f ü r d e n Begriff des Handelsvertreters ist die Selbständigkeit. N a c h § 84 A b s . 1 S. 2 ist selbständig, w e r im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten u n d seine Arbeitszeit b e s t i m m e n kann. D a s E r f o r d e r n i s der Selbständigkeit dient d a z u , d e n H a n d e l s v e r t r e t e r im Sinne d e r §§ 84 ff v o m angestellten Vertreter a b z u g r e n z e n . D i e Selbständigkeit des H a n d e l s v e r t r e t e r s ergibt sich nicht bereits aus seiner K a u f m a n n s eigenschaft (so aber Staub/Brüggemann § 84 R d n . 7), da auch die K a u f m a n n s e i g e n s c h a f t v o n der Selbständigkeit abhängt. Sie ist deshalb in j e d e m Einzelfall b e s o n d e r s festzustellen.
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aa) Inhaltlich ist f ü r das M e r k m a l d e r Selbständigkeit die persönliche Freiheit hinsichtlich der G e s t a l t u n g der Tätigkeit u n d der B e s t i m m u n g der Arbeitszeit entscheidend, nicht aber die wirtschaftliche Freiheit, die bei jeder A r t v o n Vertragsverhältnis vorliegen o d e r fehlen k a n n ( H o p t § 84 R d n . 35). D a die Selbständigkeit als persönliche Freiheit n u r im Verhältnis zu einem b e s t i m m t e n U n t e r n e h m e r beurteilt w e r d e n k a n n , ist sie im G r u n d e relativ.
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bb) Als G r u n d l a g e f ü r die Beurteilung d e r Selbständigkeit k o m m t z u n ä c h s t der Parteiwille in Betracht, der v o r allem in d e r v o n den Vertragsparteien gewählten Bezeichn u n g als Angestellter o d e r als H a n d e l s v e r t r e t e r z u m A u s d r u c k k o m m t . D i e B e z e i c h n u n g als H a n d e l s v e r t r e t e r w i r d im täglichen Sprachgebrauch nicht i m m e r in i h r e m spezifisch handelsrechtlichen Sinne v e r w e n d e t . D e r Parteiwille allein k a n n auch deshalb nicht m a ß geblich sein, weil sonst die G e f a h r einer U m g e h u n g der z w i n g e n d e n handelsrechtlichen S c h u t z v o r s c h r i f t e n o d e r auf der anderen Seite einer U m g e h u n g d e r arbeits- u n d sozialversicherungsrechtlichen B e s t i m m u n g e n z u g r o ß wäre. 7 D a es bei der Frage d e r Selbständigkeit u m die rechtliche Beurteilung eines Vertragsverhältnisses zwischen d e m U n t e r n e h m e r u n d seinem A b s c h l u ß - o d e r Vermittlungsvertreter geht, k a n n es auch nicht ausschließlich auf tatsächliche U m s t ä n d e a n k o m m e n . Ü b e r w i e g e n d stellen R e c h t s p r e c h u n g u n d Schriftt u m deshalb z u Recht auf die vertragliche G e s t a l t u n g u n d die tatsächliche H a n d h a b u n g des Vertrags ab, i n d e m u n t e r W ü r d i g u n g aller U m s t ä n d e das G e s a m t b i l d der Verhältnisse
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OLG Karlsruhe BB 1959, 1006; Brüggemann ZHR 131 (1968), 1,27. SchlegelbergerlSchröder § 84 Rdn. 8; vgl. aber BAGE 15, 335 = NJW 1964,1641; LAG Stuttgart BB 1963, 1193. RFH RStBl. 1940, 174; LG Essen MDR 1982, 852.
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Küstner/v. Manteuffel Bd. 1, Rdn. 279; Tiefenbacher BB 1981, 85, 86. RFHE 3, 290; BFH BStBl. III 1959, 357; 1962, 252; LG Münster BB 1982, 1748. BGHZ 59, 87, 91 = NJW 1972, 1662, 1663; OLG Düsseldorf WM 1985, 524.
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für maßgeblich erklärt wird. 8 Da es hierbei im Ergebnis auf den Schwerpunkt ankommt, ist ein Mischvertrag mit teilweiser Selbständigkeit und teilweiser Unselbständigkeit ausgeschlossen (BFH BStBl. III 1961, 567, 569). 10
cc) Bei der Entscheidung über die Frage der Selbständigkeit im Einzelfall ist auf eine Reihe von Kriterien zurückzugreifen (BAGE 18, 87 = DB 1966, 546). Die Unterscheidung zwischen materiellen Kriterien, d. h. mehr oder weniger zwingenden, unmittelbaren Anzeichen der Selbständigkeit, und formalen Kriterien, die aus der äußeren Form des Vertrags und seiner Steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Behandlung abgeleitet werden (BAG aaO), ist wenig ergiebig, da die formalen Kriterien meist nur die notwendige Folgerung aus der zuvor festgestellten Selbständigkeit ziehen.
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In erster Linie ist auf das Maß der Unabhängigkeit von allgemeinen Weisungen abzustellen. Ein selbständiger Unternehmer unterliegt in seiner Unternehmenspolitik und seiner Betriebsführung nicht den Weisungen eines anderen. Die Selbständigkeit kann deshalb berührt sein durch Weisungen über Art und Umfang der Kundenbesuche 9 , über die Reiseroute 10 , über die Korrespondenz (LAG Bremen DB 1968, 2180) und über einen Mindestumsatz. 11 Zu beachten ist aber, daß auch ein selbständiger Unternehmer, der sich wie der Handelsvertreter zur Besorgung von Geschäften verpflichtet, gewissen Weisungen des Auftraggebers unterliegt, ohne daß dadurch seine Selbständigkeit im Sinne einer persönlichen Freiheit beeinträchtigt wird. Dies gilt nicht nur für Weisungen über die einzuhaltende Vertriebspolitik 12 , sondern auch für Weisungen, die die vertraglichen Pflichten des Handelsvertreters aus § 86 konkretisieren, so etwa für die Ausweitung des Kundenkreises (BGH DB 1981, 1772), die Unterlassung von Verhandlungen mit bestimmten Kunden (BGH BB 1960, 574), die Verbuchung und Abrechnung von Lieferungen (BGH VersR 1964, 331) und für die Verwendung besonderer Vordrucke bei der Anzeige von Geschäftsabschlüssen (BAGE 18, 87, 96 = DB 1966, 546, 547). Das Gesetz verlangt keine unbeschränkte persönliche Freiheit, sondern läßt es nach § 84 Abs. 1 S. 2 genügen, wenn der Handelsvertreter im wesentlichen frei ist. 13
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Ein weiteres Kriterium bildet die Freiheit im Einsatz der persönlichen Arbeitskraft (BAGE 18, 87 = DB 1966, 546). Dies kommt darin zum Ausdruck, daß der Unternehmer keinen Arbeitsplan, keine Mindestarbeitszeit und kein bestimmtes Arbeitspensum vorschreiben kann. 14 Diese Freiheit muß ein Recht des Handelsvertreters sein (BFH BStBl. III 1962, 149, 150), selbst wenn seine Arbeitszeit weitgehend von den Wünschen der Kunden bestimmt wird. 15 Unschädlich ist es mit Rücksicht auf die Berichtspflicht aus § 86 Abs. 2, wenn sich der Handelsvertreter regelmäßig morgens im Büro des Unternehmers einzufinden hat. 16 Gegen die Selbständigkeit spricht es jedoch, wenn der Unternehmer den Handelsvertreter jederzeit kurzfristig in den Innendienst berufen kann ( O L G Düsseldorf WM 1985, 524, 526). Andererseits wird die Selbständigkeit nicht dadurch berührt, daß der Handelsvertreter Bürozeiten einhalten oder zu bestimmten Zeiten telefonisch erreichbar sein muß, wenn dies in seinem eigenen Interesse liegt (BAG AP Nr. 1 zu § 84 H G B « BVerfGE 46, 224, 234 = NJW 1978, 365; BGH VersR 1964, 331; BB 1975, 1409; NJW 1982, 1757; HVR Nr. 556; BAGE 18, 87 = DB 1966, 546; BAG VersR 1966, 382; BFH DB 1970, 862; Küstner/v. Manteuffel Bd. 1, Rdn. 43 ff, 299. 9 BAGE 15, 335, 342 = NJW 1964, 1641, 1642; O L G Stuttgart BB 1970,1112; LAG Bremen DB 1968, 2180. 10 O L G Celle MDR 1958, 341; O L G Stuttgart BB 1970, 1112.
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" O L G Karlsruhe DB 1971, 572; O L G Nürnberg BB 1964, 866. 12 BFH VersR 1954, 519 m. Anm. Lange; Staub/ Brüggemann § 84 Rdn. 9. 13 Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 15; BGH NJW 1966, 882; MDR 1983, 24 Nr. 5. 14 BVerfGE 46, 224, 234 = NJW 1978, 365; LAG Bremen DB 1955, 535. 15 RAG ARS 45, 34, 39; Siebert BB 1949, 746, 747. 16 RAGE 1, 252; O L G München NJW 1957, 1767.
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m. Anm. Küstner). Das gleiche gilt, wenn er sich in einem Auslieferungslager aufzuhalten hat, sich dort aber ohne weiteres vertreten lassen kann (BGH VersR 1964, 331). Ebensowenig entfällt mit Rücksicht auf § 87 Abs. 2 die Selbständigkeit durch Zuweisung eines bestimmten Bezirks oder Kundenkreises (OLG Celle BB 1958, 246). Aus der Freiheit im Einsatz der persönlichen Arbeitskraft ergibt sich die Möglichkeit 1 3 der Mehrfachvertretung. Sie ist dem Handelsvertreter nicht schon kraft Gesetzes ohne weiteres untersagt (BGH NJW-RR 1986, 709, 710). Wer von mehreren Unternehmern betraut ist, kann i.d.R. als selbständig beurteilt werden. 17 Demgegenüber deutet eine Genehmigungspflicht für Nebentätigkeiten auf Unselbständigkeit des Vertreters hin (OLG Düsseldorf WM 1985, 524, 526). Umstritten ist allerdings, ob es dem Handelsvertreter zumindest tatsächlich möglich sein muß, für mehrere Unternehmer tätig zu werden. 18 Dies ist zu verneinen, da das Gesetz in § 92 a Abs. 1 S. 1 den Einfirmenvertreter vorsieht. Auch die vertragliche Verpflichtung des Handelsvertreters, nicht für andere Unternehmer tätig zu werden, schließt deshalb seine Selbständigkeit nicht aus (BGH VersR 1964, 331, 332). Ein Kriterium für die Selbständigkeit besteht ferner darin, daß der Handelsvertreter 1 4 über ein eigenes Unternehmen verfügt. 19 Dies zeigt sich am Betriebskapital, soweit es nach der Natur des Geschäfts erforderlich ist, und an der Unternehmensorganisation. Weitere Anzeichen sind eigene oder gemietete Geschäftsräume 20 , Büroeinrichtung (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 15), Buchführung ( O L G München NJW 1957, 1767), Werbung 21 , Kundenbeziehungen (BVerfGE 46, 224, 233 = NJW 1978, 365) und ein entsprechendes Auftreten im Geschäftsverkehr (KG OLGRspr. 14, 346), insbesondere durch eine Firmenbezeichnung am Geschäftslokal (BGH VersR 1964, 331) und bei der geschäftlichen Korrespondenz. 22 Verfügt der Handelsvertreter über ein eigenes Unternehmen, kann er nicht als Arbeit- 1 5 nehmer in die Geschäftsorganisation des beauftragenden Unternehmers eingegliedert sein.23 Gegen ein eigenes Unternehmen und damit gegen die Selbständigkeit spricht es deshalb, wenn der Vertreter in die betriebliche Altersversorgung des Auftraggebers einbezogen wird, seinen Arbeitsplatz in den Geschäftsräumen des Unternehmers hat (BGH HVR Nr. 556) und zum Innendienst verpflichtet ist, Dienstanweisungen und Arbeitsordnung des Auftraggebers zu beachten hat (ArbG Wilhelmshaven BB 1962, 999), dessen Auszubildende zugewiesen bekommt (LAG Frankfurt/M. VersR 1966,236), an den Betriebsratswahlen sowie an Betriebsausflügen oder Betriebsfesten teilnimmt und in die Urlaubsordnung (OLG Düsseldorf WM 1985, 524, 526) sowie in die Regelungen des Tarifvertrags einbezogen wird. 24 Als letztes Kriterium für die Frage der Selbständigkeit ist auf das Unternehmerrisiko 1 6 abzustellen. 25 Wer über ein eigenes Unternehmen verfügt, den trifft in erster Linie das Investitions- oder Kapitalrisiko hinsichtlich des eingesetzten Betriebskapitals und der 17
Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 17; O L G Celle M D R 1958, 341. 18 Vgl. Stolterfoht Die Selbständigkeit des Handelsvertreters, S. 76 Fn. 94, 95 m.w.N. 19 BVerfGE 46, 224, 233 = N J W 1978, 365; Β A G E 18, 87 = DB 1966, 546. 20 BVerfGE 46, 224, 234 = N J W 1978, 365; O L G München N J W 1957, 1767; O L G Stuttgart VersR 1956, 318. 21 BFH BStBl. III 1962, 259; LAG Hannover BB 1950, 168.
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BAG BB 1980, 1471; Schröder DB 1970, 1625, 1626. 23 Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 14; B G H BB 1982, 1876; O L G München VersR 1964, 235, 236. 24 RAGE 1, 269; B F H BStBl. II 1970, 474, 475; O L G Düsseldorf WM 1985, 524, 526; O L G München N J W 1957, 1767. 25 BVerfGE 46, 224, 234 = N J W 1978, 365; Β AGE 18, 87 = DB 1966, 546.
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Geschäftsunkosten. 26 Dies gilt vor allem für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern und die Last der Vorhaltekosten (OLG Hamm O L G Z 1989,219), die Anmietung von Räumen, Büro- und Reisekosten sowie die Personalkosten. Ein besonderer Kapitaleinsatz ist aber keineswegs typisch und deshalb auch nicht notwendiges Kennzeichen (BGHZ 34, 282,291 = NJW 1961, 662, 664). Zum Unternehmerrisiko gehört darüber hinaus das Vergütungsrisiko. Selbständigkeit besteht dann, wenn die Vergütung im wesentlichen erfolgsabhängig ist.27 Dabei ist es unschädlich, wenn der Handelsvertreter neben der erfolgsorientierten Provision einen festen Spesenzuschuß (OLG Stuttgart BB 1962, 156), eine Mindestprovision 28 oder ein festes Gehalt bezieht (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 21). Bei der Abgrenzung ist aber zu beachten, daß auch Angestellten über Tantiemen gelegentlich eine Erfolgsbeteiligung eingeräumt wird. 17
An formalen Kriterien, denen bei der Gesamtabwägung aber nur unterstützende Wirkung in der einen oder anderen Richtung beigemessen werden kann (Rdn. 10), sind die Bezeichnung als Handelsvertreter und die Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Handelsrechts sowie Führung und Eintragung einer Firma in das Handelsregister zu erwähnen (BAGE 18, 87, 99 = DB 1966, 546, 547), ferner die Zahlung von Umsatz- und Gewerbesteuer durch den Handelsvertreter als selbständigen Unternehmer 29 bzw. die Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen durch den Unternehmer, wenn der Vertreter als Angestellter behandelt wird. 30 Weitere Indizien für Selbständigkeit sind die Erfüllung der gewerberechtlichen Anzeigepflicht bzw. die Erteilung einer Erlaubnis nach den §§ 14, 55 ff GewO 3 1 und die Zahlung von Beiträgen an die IHK (RAG WarnRspr. 1936 Nr. 179).
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dd) Das Ergebnis zur Frage der Selbständigkeit ist in einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Hierbei können bestimmte Umstände für die Selbständigkeit sprechen, andere dagegen. Entscheidend ist, wo der Schwerpunkt liegt. 2. Vermittlung oder Abschluß von Geschäften für einen anderen Unternehmer
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a) Eine Vermittlung von Geschäften ist gegeben, wenn der Handelsvertreter den Abschluß von Verträgen mit dem Unternehmer durch Einwirkung auf einen Dritten vorbereitet, ermöglicht und herbeiführt (BGH NJW 1983, 42). Es genügt, wenn die Tätigkeit des Handelsvertreters für den Abschluß des Vertrags mitursächlich ist.32 Die Mitursächlichkeit ist danach zu beurteilen, welche Mitwirkung nach dem Vertragsinhalt von dem Handelsvertreter zu erwarten ist. Nur ganz geringfügige Beiträge wie die bloße Schreibhilfe (OLG Köln DB 1971, 327) oder Übersetzungshilfe (LAG BW DB 1971,1016) bleiben außer Betracht. Unerheblich ist, ob die Vermittlung absichtlich geschieht. Es reicht aber nicht aus, wenn der Handelsvertreter auf den Unternehmer einwirkt, damit dieser das Abgebot eines Kunden annimmt, das er nicht vermittelt hat (Schmidt-Rimpler in: Handbuch des gesamten Handelsrechts, hrsg. v. Ehrenberg 5. Bd., I. Abt. 1. Hälfte, 1928, S. 138 f). Ebensowenig handelt es sich bei dem bloßen Nachweis von Geschäftsmöglich26
BGH VersR 1964,331,332; BB 1982, 1876,1877; O L G Celle MDR 1958, 341; OVG Lüneburg GewArch. 1955/56, 163, 164. 27 BAGE 18, 87, 102 = DB 1966,546, 548; BFH DB 1962, 150. 28 O L G Celle MDR 1958, 341; O L G München NJW 1957, 1767; OLG Nürnberg BB 1960, 956.
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LAG Frankfurt/M. VersR 1966, 236, 237; Düsseldorf BB 1957, 711. 30 BGH VersR 1964, 331; OLG Düsseldorf 1985, 524, 526. 31 BGH VersR 1964, 331; OLG Celle MDR 341. 32 BGH NJW-RR 1986, 709, 710; BAG BB 492.
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LAG WM 1958, 1971,
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keiten u m Vermittlung, indem Personen namhaft gemacht werden, bei denen die Bereitschaft besteht oder wahrscheinlich ist, einen Vertrag mit dem U n t e r n e h m e r abzuschließen. D e r Handelsvertreter muß vielmehr mit dem Dritten in Verbindung treten und mit ihm über das Geschäft verhandeln. 3 3 D e r Handelsvertreter kann nicht zugleich M a k l e r sein, weil er bei diesen Verhandlungen die Interessen seines U n t e r n e h m e r s wahrnehmen muß und nicht die Belange des Dritten wahren kann. 3 4 D e r Vermittlungsvertreter hat i.d.R. keine Handlungsvollmacht nach § 54. E r ist aber im allgemeinen ermächtigt, als E m p f a n g s vertreter Vertragsangebote D r i t t e r entgegenzunehmen, so daß der U n t e r n e h m e r nur noch die A n n a h m e zu erklären braucht ( B G H Z 82, 2 1 9 , 221 = N J W 1982, 377). I m e i n z e l n e n ergeben sich vor allem P r o b l e m e bei der Abgrenzung zwischen Vermittlung und reiner Werbetätigkeit sowie bei mehrstufigen Vertriebsorganisationen. D i e auf Werbung gerichtete Kontaktpflege und Betreuung ist nicht typisch für die Vermittlungstätigkeit eines Handelsvertreters ( B G H N J W 1983, 42). Beschränkt sich die Tätigkeit auf eine derartige Werbung wie häufig bei Industriepropagandisten, insbesondere A r z t e p r o pagandisten, liegt keine Vermittlung vor. 3 5 Werden jedoch A p o t h e k e n für einen Bezug von Arzneimitteln geworben, handelt es sich u m Vermittlung ( B G H N J W 1984, 2 6 9 5 ) . I m übrigen ist es für die A n n a h m e einer Vermittlungstätigkeit nicht notwendig, daß der Handelsvertreter von sich aus den K o n t a k t mit den K u n d e n begründet. Ausreichend ist eine Mitwirkung, die darin besteht, den Kaufgegenstand in seinen Geschäftsräumen oder an seinem Verkaufsstand bereitzuhalten, so etwa bei einer Selbstbedienungstankstelle 3 6 , einer L o t t o - A n n a h m e s t e l l e 3 7 , einer Konzertkarten-Vorverkaufsstelle ( B G H N J W - R R 1986, 709) und einer Propagandistin mit einem im Kaufhaus angemieteten Stand ( B G H N J W 1982, 1757). F ü r eine Vermittlungstätigkeit ist es nicht erforderlich, daß sie die alleinige U r s a c h e für einen Geschäftsabschluß bildet. D a h e r kann Vermittlung auch vorliegen, wenn ein Bauauftrag erst aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung erteilt wird ( B G H N J W 1 9 8 0 , 1 7 9 3 ) . E b e n s o ist bei mehrstufigen Vertriebsorganisationen Vermittlung anzunehmen, wenn ein Handelsvertreter erst mit Hilfe von Untervertretern an den Geschäftsabschlüssen mitwirkt. 3 8
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b) Ein A b s c h l u ß von Geschäften im N a m e n des U n t e r n e h m e r s liegt vor, wenn der Handelsvertreter selbst an dem Austausch der rechtsgeschäftlichen Erklärungen unmittelbar beteiligt ist. Dies setzt eine entsprechende Handlungsvollmacht voraus, die dem Abschlußvertreter im Außendienst nach Maßgabe des § 55 Vertretungsmacht einräumt. I m G r u n d e ist die Abschlußtätigkeit eine erweiterte A r t der Vermittlung ( L G D o r t m u n d D B 1971, 524), so daß die hierzu gemachten Ausführungen entsprechend gelten (Rdn. 19 f). So ist die in einem M o d e z e n t r u m unterhaltene Textilvertriebsagentur Handelsvertretertätigkeit, wenn die Kleidung nicht b l o ß ausgestellt und ausgeliefert, sondern in fremdem N a m e n verkauft wird ( L G O l d e n b u r g H V R Nr. 705). U n e r h e b l i c h ist, o b der A b s c h l u ß des Geschäfts schon mit der Erklärung des Handelsvertreters zustande k o m m t oder erst mit Eingang der korrespondierenden Erklärung des Kunden, selbst wenn dessen E r k l ä rung unmittelbar dem U n t e r n e h m e r zugeht. I m übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die
21
Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 15; LAG Hamm DB 1959, 236. 34 BGH NJW 1974, 137; 1992, 2818. » OLG Düsseldorf HVR Nr. 706; LG Dortmund DB 1971, 524; LG Münster MDR 1978, 230; Küstner/v. Manteuffel Bd. 1, Rdn. 75; anders Neflin DB 1961, 833 m.w.N.; vgl. BGH NJW 1984, 2695. 33
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BGH BB 1985, 353; s. auch BGHZ 42, 244 = NJW 1965, 248; BGHZ 52, 171 = NJW 1969, 1662; BGH NJW 1981, 1961. BGHZ 43, 108 = NJW 1965, 1132; BGHZ 59, 87 = NJW 1972, 1662; BGH BB 1975, 1409. BGHZ 56, 290 = NJW 1971,1610; BGHZ 59, 87 = NJW 1972, 1662; BGH VW 1978, 503.
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Erstes Buch. Handelsstand
§84
Abschlußtätigkeit für den Handelsvertreter nicht begriffsnotwendig ist, da die reine Vermittlungstätigkeit bereits ausreichend ist (BGHZ 43, 108, 113 = NJW 1965, 1132, 1134). 22
c) Die Art der Geschäfte, die durch den Handelsvertreter vermittelt oder abgeschlossen werden, ist unerheblich. Die Gesetzesverfasser haben ausdrücklich davon abgesehen, den Kreis auf Handelsgeschäfte und auf Rechtsgeschäfte über bewegliche Sachen, Rechte und Arbeiten zu beschränken (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 15). Insbesondere ist deshalb der Begriff der Waren in § 1 Abs. 2 Nr. 1 nicht maßgebend, so daß auch Grundstücksgeschäfte erfaßt werden (BGH BB 1982, 1876). So kommt eine Mitwirkung des Handelsvertreters etwa in Betracht bei Kaufverträgen über Gegenstände jeder Art, bei Mietverträgen im Bereich des Leasinggeschäfts, bei Dienstverträgen, Werk- und Werklieferungsverträgen, auch im Rahmen von Bauvorhaben der öffentlichen Hand nach öffentlicher Ausschreibung (BGH DB 1981, 92), bei Reiseverträgen39, Versicherungs- und Transportgeschäften ( O L G Hamm B B 1968, 1017), Bankgeschäften (Stötter NJW 1983, 1302), Kapitalanlageberatung (Melcher BB 1981, 2101) oder bei Geschäften im Bereich des Urheber- und Verlagsrechts (Hopt § 84 Rdn. 26). Die Tätigkeit des Handelsvertreters kann demnach Sachen, Rechte oder Dienstleistungen betreffen. Auch der Umfang des Geschäfts oder die Qualität geschuldeter Dienste spielt keine Rolle (BGH NJW-RR 1986, 709, 710). Es muß sich aber um Geschäfte handeln, die der Betrieb des Unternehmers im allgemeinen mit sich bringt. Hierzu gehören nicht Abwicklungsmaßnahmen angesichts eines drohenden Konkurses (RGZ 140, 80, 82) oder Vergleichsverträge bei der Abwicklung früher abgeschlossener Geschäfte (KG OLGRspr. 14, 347).
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d) Die Tätigkeit muß für einen anderen Unternehmer ausgeübt werden.
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aa) Der Begriff des Unternehmers ist in § 84 nicht näher bestimmt. Nach der ursprünglichen Gesetzesfassung mußte der Handelsvertreter für das Handelsgewerbe eines anderen und damit für einen Kaufmann im Sinne des H G B tätig sein. Mit der Neufassung durch das Änderungsgesetz von 1953 (Vorbem. Rdn. 4) ist diese Beschränkung aufgegeben worden, um den Geltungsbereich des Handelsvertreterrechts zu erweitern (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 16). Diesem Zweck entsprechend (Rdn. 3) ist der Begriff des Unternehmers weit auszulegen, ohne daß es auf den allgemeinen Sprachgebrauch oder die Verwendung in anderen Gesetzen ankommt. 40 Unternehmer im Sinne des § 84 kann deshalb jeder sein, der eigene Erwerbszwecke im Wirtschaftsleben verfolgt, ohne daß es auf die Eigenschaft als Kaufmann oder gar als Vollkaufmann ankommt (LG Göttingen M D R 1956, 302). Hierzu gehören in erster Linie selbständige Gewerbetreibende, aber auch Land- oder Forstwirte und Freiberufler, soweit bei diesen eine Vermittlungstätigkeit überhaupt in Frage kommt (Hopt § 84 Rdn. 27). Unerheblich ist, in welcher Rechtsform das Unternehmen betrieben wird. Neben den privatrechtlichen Formen beliebiger Art kommt die Rechtsform einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts in Betracht. Entscheidend ist, daß sich der Unternehmer mit Hilfe des Privatrechts am rechtsgeschäftlichen Verkehr beteiligt (BGHZ 43, 108, 111 = NJW 1965, 1132, 1133).
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Unternehmer ist hingegen nicht, wer sich für private Zwecke eines Vertreters bedient. Gibt sich der Auftraggeber dem Vertreter gegenüber fälschlich als Unternehmer aus, kann
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BGHZ 62, 71, 73 = NJW 1974, 852; BGHZ 82, 219, 221 = NJW 1982, 377; BGH NJW 1974, 1242.
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BGHZ 43, 108, 109 = NJW 1965, 1132, 1133; BGH BB 1982, 1876.
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§84
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter im Innenverhältnis Handelsvertreterrecht anwendbar werden § 84 R d n . 14).
{SchlegelbergerlSchröder
bb) E s muß sich u m einen anderen U n t e r n e h m e r handeln. D a m i t bringt das G e s e t z zunächst z u m Ausdruck, daß der Handelsvertreter selbst auch U n t e r n e h m e r ist und dem
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Auftraggeber gleichberechtigt gegenübersteht. Dies wurde durch die frühere Bezeichnung des Auftraggebers als Geschäftsherr verdeckt (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1/3856, S. 16). Ferner folgt daraus, daß der Handelsvertreter rechtlich und wirtschaftlich für einen anderen tätig sein muß. W e r nur wirtschaftlich für einen anderen handelt, ist K o m m i s s i o när oder Kommissionsagent. D e r Eigenhändler ist hingegen weder wirtschaftlich noch rechtlich für einen anderen tätig. Dies ist der Fall, wenn der Absatzmittler die abzusetzenden Waren selbst von dem Geschäftsherrn kaufen muß ( O L G Stuttgart N J W 1957, 1281). Ein Eigenhändler kann auch nicht in bezug auf einzelne Kunden als Handelsvertreter angesehen werden, wenn diese K u n d e n dazu übergehen, direkt v o m Hersteller zu beziehen ( O L G K ö l n B B 1975, 8). O b ein Unternehmer, der im eigenen Laden Waren verkauft, Handelsvertreter oder Eigenhändler ist, richtet sich danach, o b die K u n d e n mit ihm oder mit der Lieferfirma in unmittelbare Rechtsbeziehungen treten. 4 1 I m übrigen kann von einem anderen U n t e r n e h m e r nur die R e d e sein, wenn zwischen Handelsvertreter und U n t e r n e h m e r keine Identität besteht. Dies gilt jedenfalls bei rechtlicher Identität. N i c h t identisch ist der Handelsvertreter mit dem Unternehmer, wenn es sich hierbei u m eine Handelsgesellschaft handelt, an der der Vertreter als Gesellschafter beteiligt ist ( B G H B B 1985, 823). Dies wird auch bei einer wesentlichen Beteiligung angenommen ( B F H B B 1972, 1489). Eine Vermittlungstätigkeit allein auf der Grundlage einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung genügt aber nicht für die Anwendbarkeit des Handelsvertreterrechts ( B G H M D R 1978, 467). Ebensowenig besteht Identität zwischen einer Handelsgesellschaft, die sich als Handelsvertreter betätigt, und ihren Gesellschaftern, für deren U n t e r nehmen sie Geschäfte vermittelt ( B F H B S t B l . I I I 1959, 357).
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cc) A u c h der Handelsvertreter und der K u n d e dürfen nicht identisch sein. Sonst handelt es sich u m ein Eigengeschäft des Vertreters. Aus dem Begriff der Vermittlung folgt, daß ein Drei-Personen-Verhältnis bestehen muß. 4 2 E b e n s o fällt das Selbstanbieten firmeneigener Vermittlungsvertreter nicht unter den Begriff des Handelsvertreters ( K ü s t n e r /
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dd) Teilweise wird aus der gesetzlichen Regelung, nach der U n t e r n e h m e r auch ein N i c h t k a u f m a n n sein kann ( R d n . 24), die A n w e n d b a r k e i t des gesamten Handelsrechts entn o m m e n , insbesondere der Vorschriften über zweiseitige Handelsgeschäfte ( K ü s t n e r / v. Manteuffel B d . 1, R d n . 253). Dieser Schluß ist nicht gerechtfertigt, da die Regelung nur bezweckt, zugunsten des Handelsvertreters die §§ 84 ff o h n e R ü c k s i c h t auf den Status des beauftragenden U n t e r n e h m e r s für anwendbar zu erklären (Rdn. 3). E i n e darüber hinausgehende A n o r d n u n g wollte der Gesetzgeber nicht treffen, wie auch die besondere Vorschrift des § 91 Abs. 1 im H i n b l i c k auf die Handlungsvollmacht zeigt. 4 3
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v. Manteuffel Bd. 1, Rdn. 8).
3. Ständige B e t r a u u n g D e r Handelsvertreter muß ständig damit betraut sein, für einen anderen U n t e r n e h m e r tätig zu sein. E i n e gelegentliche Tätigkeit von Fall zu Fall reicht nicht aus. A n h a n d des Merkmals der ständigen Betrauung ist der Handelsvertreter vom M a k l e r abzugrenzen. 41
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BGHZ 97, 317 = NJW 1986, 2954; BGH NJWRR 1991, 1053. Küstner/v. Manteuffel Bd. 1, Rdn. 825; a.M. Schnitzler DB 1965, 463.
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Hopt § 84 Rdn. 28; Schlegelberger/Schröder § 84 Rdn. 13 a; Staub/Brüggemann § 84 Rdn. 17.
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Erstes Buch. Handelsstand
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a) Der Begriff der Betrauung besagt, daß der Handelsvertreter zu einer bestimmten Tätigkeit beauftragt ist.
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aa) Hieraus folgt zunächst, daß zwischen Handelsvertreter und Unternehmer ein Vertrag bestehen muß. Mit dem rechtlich farblosen Wort der Betrauung sollte der Frage nicht vorgegriffen werden, wie die Rechtsnatur des Vertrags zu beurteilen ist (Begr. z. RegE, BT-Drucks 1/3856, S. 15). Nach h.M. handelt es sich um einen Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat.44 Soweit das Handelsrecht nicht Sonderregelungen enthält, sind deshalb die §§ 611 ff, 675 B G B grundsätzlich anwendbar {Staub/ Brüggemann § 84 Rdn. 31 ). Da der Vertrag gegenseitige Rechte und Pflichten begründet, greifen auch die §§ 320 ff B G B ein (BFH BStBl. II 1984, 299, 300). Sofern im Einzelfall nicht etwas anderes bestimmt ist, kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß ein einheitlicher Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen besteht.45
33
Für das Zustandekommen des Vertrags gelten die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts. Der Vertrag ist formfrei. Er kann deshalb durch schlüssiges Verhalten zustande kommen (BGH NJW-RR 1987, 546). Hiervon kann i.d.R. ausgegangen werden, wenn der Vertrag von den Parteien tatsächlich durchgeführt wird (BGH NJW 1983, 1727, 1728), selbst wenn der Unternehmer die Dienste des Handelsvertreters erstmalig in Anspruch nimmt und dabei zu erkennen gibt, er werde dies auch in Zukunft für eine unbestimmte Zahl von Geschäften ständig tun (BGHZ 62, 71, 74 = NJW 1974, 852). Dies kann auch anzunehmen sein, wenn ein Handelsvertreter zu einem in Konkurs gefallenen Unternehmer in Vertragsbeziehungen stand und nach Konkurseröffnung ohne weitere Absprachen für ein Auffangunternehmen tätig wird ( B G H BB 1990, 303). Dem Vertragsabschluß steht es nicht ohne weiteres entgegen, daß sich die Parteien noch nicht über alle Fragen, etwa im Zusammenhang mit einem späteren Ausgleichsanspruch, geeinigt haben. 46 Unter den Voraussetzungen des § 117 B G B liegt ein nichtiges Scheingeschäft vor. Dies ist anzunehmen, wenn der Unternehmer einen Handelsvertretervertrag mit einer zwanzigjährigen Schülerin abschließt, weil der ursprünglich mit deren Vater geplante Vertrag wegen dessen schlechten Leumunds nicht zustande kam, und anschließend der Vater allein die Vertretertätigkeit ausübt (BAG N J W 1993, 2767).
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Die Wirksamkeit des Vertrags setzt voraus, daß kein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften vorliegt. Diese Gefahr besteht vor allem im Hinblick auf einen Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 BGB, wenn etwa dem Handelsvertreter zu geringe Verdienstmöglichkeiten belassen werden47 oder wenn er auf Dauer das gesamte Absatzrisiko tragen soll ( O L G Stuttgart NJW 1957, 1281). Auch ein auf Täuschung der Kunden angelegter Handelsvertretervertrag kann sittenwidrig sein ( O L G Stuttgart DB 1985, 911). Schließt ein Ausländer, dem durch die seiner Aufenthaltserlaubnis beigefügte Auflage die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit untersagt ist, einen Handelsvertretervertrag ab, so liegt darin kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB. Der Vertrag ist jedoch nach § 138 Abs. 1 B G B nichtig, wenn er bezweckt, die Vorschriften des Ausländergesetzes und des behördlichen Verbots zu umgehen (LG Hamburg NJW 1987, 2165). Ein Verstoß gegen zwingende Vorschriften des Handelsvertreterrechts hat nicht die
BGH NJW 1970, 2294; BAGE 15, 335, 344 = NJW 1964, 1641, 1642; BAGE 18, 87, 90 = DB 1966, 546; KG VersR 1955, 548; Schlegelberger/Schröder § 84 Rdn. 10 b; Staub/Brüggemann § 84 Rdn. 31. 4 5 BGH NJW 1988, 966 m. Anm. Küstner/v. Manteuffel ZIP 1988, 438. 44
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46 47
BGH NJW 1983, 1727; BB 1987, 220. BGH MDR 1982, 200; RAGE 19, 110, 114; s. aber BGH BB 1960, 1221, 1222; BAG AP Nr. 2 zu § 138 BGB; OLG Nürnberg BB 1960, 1261.
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§84
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Nichtigkeit des ganzen Vertrags zur Folge, so daß an die Stelle der nichtigen Einzelabrede die gesetzliche Regelung tritt ( B G H Z 40, 235 = N J W 1964, 350). Dies gilt auch in dem grundsätzlich maßgebenden Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes ( O L G Nürnberg N J W - R R 1986, 782). Auf dieser Grundlage ist eine Inhaltskontrolle der einzelnen Vertragsklauseln möglich. So gilt etwa der Grundsatz, daß durch A G B die Verpflichtung des Gläubigers nicht abbedungen werden kann, auf einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung die aus diesem Grund verwirkte Vertragsstrafe anzurechnen ( B G H Z 63, 256 = N J W 1975, 163), auch für Handelsvertreterverträge ( B G H N J W 1992, 1096). Verpflichtet sich der Handelsvertreter mit dem Vertragsabschluß zur Zahlung einer sog. Vertragssumme, gleichsam eines Eintrittsgeldes, so liegt darin eine unangemessene Benachteiligung nach § 9 AGB-Gesetz, weil ihr keine Gegenleistung des Unternehmers gegenübersteht ( O L G Frankfurt/M. N J W - R R 1987, 548). Wirksam ist dagegen die in einem Formularvertrag übernommene Verpflichtung des Handelsvertreters, für jede Abwerbung eines anderen Mitarbeiters eine Vertragsstrafe zu zahlen ( O L G München B B 1994, 1104). Eine Pflicht des Unternehmers, bei der Vertragsgestaltung alle Handelsvertreter gleich zu behandeln, gibt es nicht ( B G H W M 1971, 561). Für Vertragsänderungen gelten die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts. 3 5 Hiernach ist eine Änderung grundsätzlich nur im Einvernehmen beider Parteien möglich. Die Änderung kann auf schlüssigem Verhalten beruhen. 48 Ein einseitiger Änderungsvorbehalt in A G B ist als unangemessene Benachteiligung unwirksam, wenn der Verwender hierbei mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht ( B G H Z 89, 206, 210 f = N J W 1984, 1182). bb) Aus dem Begriff der Betrauung und dem Charakter als Geschäftsbesorgungs- 3 6 vertrag folgt, daß den Handelsvertreter eine Rechtspflicht trifft, für den Unternehmer tätig zu werden 49 , selbst wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart ist ( B G H Z 59, 87, 93 = N J W 1972, 1662). Ein Handelsvertretervertrag liegt deshalb nicht vor, wenn es im Belieben des Beauftragten steht, ob er tätig wird ( O L G Bamberg B B 1965, 1167). Ein besonderes partnerschaftliches Verhältnis mit dem Unternehmer läßt die Rechtspflicht nicht entfallen ( B G H M D R 1984, 908). Es spielt auch keine Rolle, ob sich der Handelsvertreter verpflichtet hat, vor Aufnahme seiner Tätigkeit für Schulung und Grundausbildung ein Entgelt zu entrichten ( O L G Hamm N J W - R R 1990, 567). cc) Schließlich ergibt sich aus der Betrauung, daß der Handelsvertreter zur Wahrung 3 7 des Unternehmerinteresses verpflichtet ist. Diese Pflicht ist zwingendes Merkmal des Vertrags ( B G H Z 97, 317, 326 = N J W 1986, 2954, 2956). Der Handelsvertreter steht deshalb weder auf der Seite des Kunden, um dessen Interessen wahrnehmen zu müssen, noch nimmt er zwischen den Parteien des abzuschließenden Vertrags eine rechtlich neutrale Stellung ein. Die Betrauung begründet somit ein Vertrauensverhältnis zu dem Unternehmer {Hopt § 84 Rdn. 41). b) Der Handelsvertreter muß mit seiner Tätigkeit ständig betraut sein. Dies ist anzu- 3 8 nehmen, wenn die Betrauung auf eine gewisse Dauer und damit auf eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften gerichtet ist. 50 Die Ständigkeit bezieht sich nicht auf das Tätigwerden, sondern auf den Vertrag als Dauerrechtsverhältnis (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 16). Der Vertrag muß nicht langfristig oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen BGH VersR 1961, 270, 271; vgl. BAG DB 1986, 647. « BGHZ 59, 87, 93 = NJW 1972,1662,1664; BGH BB 1982, 1876, 1877; MDR 1984, 908.
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OLG Bamberg BB 1965, 1167; OLG Nürnberg NJW 1957, 1720.
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sein. Auch eine bestimmte Mindestdauer ist nicht erforderlich. Es genügt der Abschluß für eine Saison, eine Werbekampagne, eine Messe oder Ausstellung ebenso wie für eine sonst fest bestimmte Zeit (Schröder FS Hefermehl S. 113). Unterbrechungen, die durch einen nur zeitbedingten Bedarf begründet sind, stehen nicht entgegen ( O L G Nürnberg NJW 1957, 1720). Eine ständige Betrauung liegt aber nicht vor, wenn nur bestimmte einzelne Geschäfte vermittelt werden sollen, auch wenn dies eine längere Tätigkeit des Beauftragten erforderlich macht ( O L G Bamberg BB 1965, 1167).
III. Angestellter Vertreter 39
Nach § 84 Abs. 2 gilt als Angestellter, wer ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, ohne selbständig im Sinne des Abs. 1 zu sein. Die Vorschrift bezweckt den Schutz solcher Personen, die in einem Verhältnis der Abhängigkeit die einem Handelsvertreter entsprechende Tätigkeit ausüben (Rdn. 3). Insoweit hat die Vorschrift eine klarstellende Funktion. 51 Sie verhindert, daß die Parteien durch eine entsprechende Vertragsgestaltung versuchen, den Vertreter den Bestimmungen des Handelsvertreterrechts zu entziehen, ohne ihn gleichzeitig den Vorschriften des Arbeits- und Sozialrechts zu unterwerfen. Wer nicht selbständig ist, nimmt kraft Gesetzes einen Angestelltenstatus ein, auch wenn die vertragliche Gestaltung an sich dagegen spricht. Dies wirkt sich auch für das Arbeits- und Sozialrecht als maßgeblich aus. 52 Der nicht selbständige Vertreter ist deshalb Handlungsgehilfe, wenn im übrigen die Tätigkeitsmerkmale eines Handelsvertreters erfüllt sind. Handelsgesellschaften sind immer selbständig, so daß § 84 Abs. 2 nicht eingreifen kann (Hopt § 84 Rdn. 40). Die Vorschrift ist nicht durch Parteivereinbarung abdingbar ( O L G Düsseldorf WM 1985, 524, 526).
IV. Untervertreter 40
1. Nach § 84 Abs. 3 kann der Unternehmer auch ein Handelsvertreter sein. Diese Vorschrift erweitert inhaltlich den Begriff des Handelsvertreters, da nicht nur die unmittelbar für den beauftragenden Unternehmer ausgeübte Tätigkeit erfaßt wird, sondern auch die dem Unternehmer mittelbar zugute kommende Tätigkeit für einen anderen Handelsvertreter. Bei dieser Form der echten Untervertretung wird der Handelsvertreter von einem anderen Handelsvertreter als Haupt- oder Generalvertreter beauftragt. Im übrigen müssen sämtliche Voraussetzungen des allgemeinen Handelsvertreterbegriffs erfüllt sein (Rdn. 4 ff). Die Aufteilung der Provision zwischen Haupt- und Untervertreter steht dem nicht entgegen (BGH MDR 1984, 908).
41
Bei der unechten Untervertretung besteht ein Vertragsverhältnis unmittelbar zwischen dem beauftragenden Unternehmer und dem Untervertreter, so daß es insoweit bei der Regelung des § 84 Abs. 1 verbleibt. In diesem Fall beschränkt sich die Aufgabe des Hauptvertreters darauf, die Untervertreter zu führen und zu beaufsichtigen {Staub/Brüggemann § 84 Rdn. 30).
42
2. Die Vorschrift hat nach ihrem Zweck zur Folge, daß das Handelsvertreterrecht im Verhältnis zwischen Haupt- und Untervertreter anwendbar ist. Dies gilt nicht nur für das 51
Dersch RdA 1957, 114, 115; Trinkhaus 1958, 11, 13.
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RdA
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BSG BB 1981, 2074; Staub/Brüggemann Rdn. 27; vgl. aber Schlegelberger/Schröder Rdn. 34.
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§85
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
Bestehen eines Handelsvertreterverhältnisses zwischen diesen Personen, sondern auch für alle Rechte und Pflichten wie Ansprüche auf Provision oder Ausgleich ( B G H Z 91, 370 = N J W 1984, 2881). 3. Von der Frage, zwischen welchen Personen bei der Untervertretung ein Handelsvertreterverhältnis besteht, ist die weitere Frage zu unterscheiden, in wessen Namen und mit welcher Vertretungsmacht der Untervertreter beim Abschluß von Geschäften auftritt. Der echte Untervertreter ist nicht darauf beschränkt, im Namen des Hauptvertreters zu handeln, auch wenn der Wortlaut des § 84 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 dagegen zu sprechen scheint. 53 So kann der Handelsvertreter im Wege der Untervollmacht auch eine solche Vertretungsmacht erhalten, daß ein etwaiger Geschäftsabschluß unmittelbar für und gegen den beauftragenden Unternehmer wirkt.
43
§85 Jeder Teil kann verlangen, daß der Inhalt des Vertrages sowie spätere Vereinbarungen zu dem Vertrag in eine vom anderen Teil unterzeichnete Urkunde aufgenommen werden. Dieser Anspruch kann nicht ausgeschlossen werden. Schrifttum Eberstein Der Handelsvertretervertrag, 6. Aufl. 1986; Kiistner Verträge mit Handelsvertretern, 4. Aufl. 1980; Schröder Typische Fehler in Handelsvertreterverträgen, DB 1959, 817. Übersicht Rdn. I. II.
Allgemeines
1
Voraussetzungen
2
1. Bestehen
eines
Rdn. III.
Handelsvertreterver-
hältnisses
Rechtsfolgen
6
2. Durchsetzung des Anspruchs
8
3. Wirkung IV.
2. Anspruchsinhaber
6
1. Inhalt des Anspruchs
Unabdingbarkeit
9 10
I. Allgemeines Die Vorschrift räumt dem Handelsvertreter ebenso wie dem Unternehmer einen unab- 1 dingbaren Anspruch darauf ein, daß der Inhalt des Vertrags sowie spätere Änderungen in eine von dem anderen Teil unterzeichnete Urkunde aufgenommen werden. Die Regelung war in der ursprünglichen Fassung des H G B noch nicht enthalten, sondern ist erst durch das Änderungsgesetz von 1953 (Vorbem. Rdn. 4) eingefügt worden. Sie bezweckt, den Parteien den Nachweis des Vertragsinhalts zu erleichtern, da bei den über längere Zeit andauernden Vertragsverhältnissen leicht Unklarheiten über den vereinbarten Inhalt entstehen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 18). Dies steht im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, der in der ersten Fassung des Gesetzentwurfs ausdrücklich hervorgehoben war (Begr. z. RegE aaO S. 17 f).
53
K. Schmidt § 27 VI 1 c; a.M. v. § 26 IV 2 b.
Gierke/Sandrock
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§85
II. Voraussetzungen 1. Bestehen eines Handelsvertreterverhältnisses 2
a) Die Vorschrift geht davon aus, daß zwischen den Parteien ein Handelsvertreterverhältnis besteht. Unerheblich ist, ob es sich um einen normalen Handelsvertreter, einen Untervertreter (§ 84 Rdn. 40), einen Einfirmenvertreter (§ 92 a) oder einen Handelsvertreter im Nebenberuf (§ 92 b) handelt.
3
b) Der Vertrag muß bereits zustande gekommen sein. Der Vertragsabschluß richtet sich nach den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts und unterliegt keinem Formzwang (§ 84 Rdn. 33). Verlangt eine Partei schon während der Vertragsverhandlungen die Beurkundung, greift die Vorschrift noch nicht ein. Sie begründet also keinen eigenständigen Formzwang. In diesem Stadium kann der Vertragsabschluß als solcher aber nach dem Parteiwillen (§ 127 BGB) von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig gemacht werden, so daß der Vertrag erst mit der vorgesehenen Beurkundung zustande kommt (§ 154 Abs. 2 BGB). Bei einem formlos abgeschlossenen Vertrag entsteht der Anspruch sofort mit Vertragsbeginn. Die Gesetzesverfasser haben bewußt darauf verzichtet, das Recht auf schriftliche Festlegung des Vertragsinhalts zu befristen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 18). Die Parteien können das Recht deshalb auch während der Dauer des Vertragsverhältnisses jederzeit und selbst nach Jahren reibungsloser Zusammenarbeit erstmalig geltend machen. Ebenso kann verlangt werden, daß jede spätere Vertragsänderung in eine Urkunde aufgenommen wird. Eine Vertragsänderung wird aber nicht dadurch formbedürftig, daß früher ein Vertragsteil von seinem Recht aus § 85 Gebrauch gemacht hat.
4
c) Umstritten ist, ob der Anspruch nur bis zum Vertragsende {Küstner/v. Manteuffel Bd. 1, Rdn. 345) oder auch darüber hinaus bis zur vollständigen Abwicklung des Vertrags besteht.1 Der Gesetzeswortlaut gibt keinen Anhaltspunkt. Endet der Vertrag nach Ablauf einer Kündigungsfrist (§ 89), besteht der Anspruch auf jeden Fall bis zum Ablauf der Frist. Aber auch über den durch Kündigung oder Zeitablauf bestimmten Zeitpunkt der Vertragsbeendigung hinaus ergeben sich i.d.R. noch Rechte und Pflichten der Parteien, etwa hinsichtlich der Provisionen (§ 87), Ausgleichszahlungen (§ 89 b) oder etwaiger Wettbewerbsabreden (§ 90 a). Der Zweck der Vorschrift, den Nachweis des Vertragsinhalts zu erleichtern (Rdn. 1), rechtfertigt eine Anwendung des § 85 bis zur vollständigen Vertragsabwicklung. Deshalb beginnt mit dem formalen Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags noch keine Verjährung nach § 88.2 Einem etwaigen Mißbrauch im Zeitraum der Vertragsabwicklung kann mit dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung aus § 242 B G B begegnet werden. 2. Anspruchsinhaber
5
Der Anspruch steht sowohl dem Unternehmer als auch dem Handelsvertreter zu. Da das Handelsvertreterverhältnis nach § 672 B G B im Zweifel nicht durch den Tod des Unternehmers erlischt, kann der Anspruch auch dessen Erben zustehen oder gegen sie geltend gemacht werden (Schlegelberger/Schröder § 85 Rdn. 5). Durch den Tod des Handelsvertreters erlischt das Vertragsverhältnis hingegen im Zweifel nach § 673 BGB. Es ist deshalb mit seinen Erben abzuwickeln. Der Zweck der Vorschrift (Rdn. 1) rechtfertigt es, 1
Schlegelberger/Schröder Hopt § 85 Rdn. 6.
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§ 85 Rdn. 10; s. auch
2
Hopt § 85 Rdn. 7; a.M. Staub/Brüggemann Rdn. 6.
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§ 85
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
§85
auch in diesem Fall beiden Seiten den Anspruch einzuräumen, um dadurch Beweisschwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung zu vermeiden (a.M. Schlegelberger/Schröder aaO). Die Beweislast für den Inhalt des Vertrags trägt die Partei, die den Anspruch geltend macht.
III. Rechtsfolgen 1. Inhalt des Anspruchs a) Der Anspruchsteller kann verlangen, daß der gesamte Vertragsinhalt in eine 6 Urkunde aufgenommen wird. Mit Urkunde ist ein einfaches Schriftstück gemeint. Die Art der Beschriftung ist nicht vorgeschrieben. Der Vertragsinhalt umfaßt sämtliche Vereinbarungen der Parteien, mit denen der Vertrag im Zeitpunkt seines Abschlusses zustande gekommen ist. Soweit die gesetzlichen Regelungen gelten sollen und keine abweichenden Vereinbarungen getroffen worden sind, genügt ein pauschaler Hinweis. Darüber hinaus gehören alle späteren Änderungen durch die Parteien zum Vertragsinhalt. Jede Änderung begründet einen neuen Anspruch. Hierbei kann der Anspruch auf die Änderung beschränkt werden (Staub/Brüggemann § 85 Rdn. 6). Je nach Lage des Falles, insbesondere bei umfangreichen Änderungen, ist dem Anspruchsteller aber auch das Recht zuzubilligen, daß der gesamte Vertragsinhalt in seiner neuen Fassung in einer einheitlichen Urkunde aufgenommen wird. Das Gesetz läßt offen, wer die Urkunde aufnimmt. Da es einen Anspruch des einen Vertragsteils gegen den anderen Teil einräumt, ist davon auszugehen, daß der Anspruchsgegner die Urkunde herzustellen hat. b) Der Anspruch ist auf Unterzeichnung der Urkunde durch den anderen Teil 7 gerichtet. Hiermit ist nach dem gesetzlichen Sprachgebrauch eine eigenhändige Namensunterschrift im Sinne des § 126 B G B gemeint. Es muß sich um einen individuellen Schriftzug handeln (BGH N J W 1975, 1705), mit dem der Unterzeichner die Richtigkeit des vorstehenden Vertragsinhalts anerkennt. Hat der Anspruchsteller oder ein Dritter die Urkunde aufgesetzt und ist der Inhalt richtig, genügt der Anspruchsgegner seiner Pflicht mit der bloßen Unterzeichnung (Schlegelberger/Schröder § 85 Rdn. 6 b). Da er aber den gleichen Anspruch gegen den anderen Vertragsteil hat, kann er von diesem die Mitunterzeichnung verlangen. Deshalb kann der Anspruchsgegner die Mitunterzeichnung von dem Anspruchsteller auch dann fordern, wenn er die Urkunde selbst hergestellt hat (anders Schlegelberger/Schröder aaO). Dies kann auf der Grundlage der §§ 273, 274 B G B zu einer Leistung Zug um Zug führen. Zur Klarstellung des Vertragsinhalts reicht es aber aus, wenn die Urkunde von einem Teil unterzeichnet ist (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 18). 2. Durchsetzung des Anspruchs Der Anspruch stellt ein im Wege der Klage und Zwangsvollstreckung durchsetzbares 8 Recht dar. Da jedenfalls die Leistung der Unterschrift eine unvertretbare Handlung ist und der Schuldner nicht zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt wird, richtet sich die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO. 3 Die Herausgabe einer bereits hergestellten Urkunde wird nach § 883 ZPO erzwungen. Die Weigerung, den Anspruch zu erfüllen, kann einen Grund zur fristlosen Kündigung nach § 89 a geben ( O L G München VersR 1957, 97). 3
Hopt § 85 Rdn. 9; Schlegelberger/Schröder Rdn. 12.
§ 85
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3. Wirkung 9
Die U r k u n d e hat regelmäßig keine rechtsbegründende, sondern nur rechtsbekundende Wirkung. Sie dient Beweiszwecken ( O L G München VersR 1957, 97) u n d hat die widerlegbare V e r m u t u n g der Richtigkeit u n d Vollständigkeit f ü r sich, w e n n sie v o m Anspruchsteller vorbehaltlos angenommen wird ( L A G Bremen D B 1960, 1212). Hält der Anspruchsteller den in der U r k u n d e wiedergegebenen Vertragsinhalt f ü r unrichtig, m u ß er die A n n a h m e ablehnen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 18). Anderenfalls kann darin nach Lage des Falles u n d unter Berücksichtigung der Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben eine Ä n d e r u n g des Vertrags durch schlüssiges Verhalten liegen, so daß der U r k u n d e sogar rechtsbegründende Wirkung z u k o m m t . 4
IV. Unabdingbarkeit 10
N a c h § 85 S. 2 kann der A n s p r u c h auf schriftliche Festlegung des Vertragsinhalts u n d Unterzeichnung z u m Schutz des Handelsvertreters und im Interesse der Rechtssicherheit nicht vertraglich ausgeschlossen werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 18). Diese Unabdingbarkeit dient in gleicher Weise dem Schutz des Unternehmers.
§86
(1) Der Handelsvertreter hat sich um die Vermittlung oder den Abschluß von Geschäften zu bemühen; er hat hierbei das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen. (2) Er hat dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluß unverzüglich Mitteilung zu machen. (3) Er hat seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. (4) Von den Absätzen 1 und 2 abweichende Vereinbarungen sind unwirksam. Schrifttum Baden Ausschließlichkeitsbindungen von Absatzmittlern in Handels- und Kartellrecht, 1986; Baur Handelsvertretersysteme und § 15 GWB, BB 1985, 1821; Birkhahn Wettbewerbsverbote für Handelsvertreter auch ohne vertragliche Vereinbarung? BB 1961, 1351; ders. Das Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter, BB 1962, 1108; v. Brunn Unzulässige Verhandlungen über die Nachfolge eines Handelsvertreters vor Kündigung seines Vertrages? DB 1964, 1841; ders. Das Wettbewerbsverbot im Handelsvertreterrecht beim Fehlen einer Vereinbarung, AcP 163 (1964), 487; CDH (Hrsg.), Der Handelsbrauch im Handelsvertreterrecht, 1952; Ebenroth Absatzmittlungsverträge im Spannungsverhältnis von Kartell- und Zivilrecht, 1980; ders./Obermann Zweitvertretungsanspruch in Absatzmittlungsverhältnissen aus § 26 Abs. 2 GWB? DB 1981, 829; Gallus Wettbewerbsbeschränkungen im Recht des Handelsvertreters, 1971; Grüll/Janert Die Konkurrenzklausel, 5. Aufl. 1993; Hensen Die kartellrechtliche Mißbrauchskontrolle und das Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters, 1973; Höft Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters und geschäftliche Dispositionsfreiheit des vertretenen Unternehmers, VersR 1969, 875; Hohn Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern, DB 1971, 94; Köhler Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Absatzmittler: Zivilrechtliche und kartellrechtliche Schranken, FS Rittner, 1991, S. 265; Kreis Ausschließlichkeitsbindungen in Tankstellenverträgen, BB 1967, 942; Leo Das Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter, BB 1962, 1106; ders. Das Wettbewerbsverbot 4
Schlegelberger/Scbröder § 85 Rdn. 9; Staub/ Brüggemann § 85 Rdn. 6.
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des Handelsvertreters im Lichte des § 18 G W B , W R P 1969, 85; Maier Das gesetzliche Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter, B B 1979, 500; Möschel Absatzmittler und vertikale Preisbindung, B B 1985, 1477; Oebler „Umgekehrte" Preisbindung zwischen Unternehmer und Handelsvertreter in Agenturvertriebssystemen? B B 1987, 765; Ordemann Die Berichtspflicht des Handelsvertreters, D B 1963,1565; Pfeffer Die Neuordnung der Vertragshändlerverträge in der Automobilbranche, N J W 1985, 1241; Rasch Ausschließlichkeitsbindungen im Handelsvertreterrecht, WuW 1958, 208; Riesenkampff Die Ausschließlichkeitsbindung des Tankstellenhalters für Treib- und Schmierstoffe, B B 1968, 732; den. Die „derivativen" Wettbewerbsverbote und Wettbewerbsbeschränkungen unter besonderer Berücksichtigung des Kommissions- und des Agenturvertrages, B B 1984, 2026; Rittner Handelsvertreterverhältnis und Preisbindungsverbot, D B 1985, 2543; Röhsler/Borrmann Wettbewerbsbeschränkungen für Arbeitnehmer und Handelsvertreter, 1981; Steindorff Vereitelte Ansprüche und Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters, Z H R 130 (1967), 82; Vollmer Die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Preisbindungen bei Absatzmittlungsverhältnissen, D B 1984, 226.
Rdn. I. II.
Allgemeines
Rdn.
1
1. Vermittlung und Abschluß von G e -
Überblick
2
1. Grundlage
2
2. Träger der Pflichten
3
3. Dauer der Pflichten
4
3. Benachrichtigungspflicht
4. Art und Weise der Erfüllung
5
4. Pflichten aus dem Dienstvertrags- und
5. Erfüllungsort
6
III.
Pflichten des Handelsvertreters im allge-
IV.
Gesetzliche Pflichten des Handelsvertre-
meinen ters
schäften 2. Wahrnehmung
Interesses
des
Unternehmers
Auftragsrecht V.
7
8 des
VI.
11 21 24
Rechtsfolgen eines Pflichtenverstoßes . . .
25
Abweichende Vereinbarungen
26
8
I. Allgemeines D i e Vorschrift enthält eine globale Regelung der wesentlichen Pflichten des HandelsVertreters. E r hat sich u m die Vermittlung oder den A b s c h l u ß von Geschäften zu bemühen und hierbei das Interesse des U n t e r n e h m e r s wahrzunehmen. E r m u ß dem U n t e r n e h m e r die erforderlichen N a c h r i c h t e n geben und ihm jede Vermittlung oder jeden A b s c h l u ß von Geschäften unverzüglich mitteilen. Alle Pflichten sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. D i e Regelung war in der ursprünglichen Fassung des H G B im wesentlichen in § 84 enthalten und ist durch das Änderungsgesetz von 1953 (Vorbem. R d n . 4) in die Neufassung des § 86 ü b e r n o m m e n worden. D i e Pflicht des Handelsvertreters, sich u m die Vermittlung oder den A b s c h l u ß von Geschäften zu bemühen, war früher aus dem dienstvertraglichen C h a r a k t e r des Rechtsverhältnisses abgeleitet worden. M i t der Neufassung sollte diese wesentliche Verpflichtung ausdrücklich herausgestellt werden. A u ß e r d e m sollte die Neufassung klarstellen, daß der Handelsvertreter nicht wie ein M a k l e r zwischen dem U n t e r n e h m e r und der Kundschaft steht, sondern daß er die Belange des U n t e r n e h m e r s w a h r n i m m t und für diesen tätig wird (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 / 3 8 5 6 , S. 18 f). D u r c h das G e s e t z zur D u r c h f ü h r u n g der E G - R i c h t l i n i e zur Koordinierung des R e c h t s der Handelsvertreter von 1989 (Vorbem. R d n . 5) ist Abs. 4 hinzugefügt worden. Hiernach sind vertragliche Vereinbarungen, die von den Absätzen 1 und 2 abweichen, unwirksam.
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II. Überblick 1. Grundlage 2
Grundlage sämtlicher Pflichten des Handelsvertreters ist der mit dem Unternehmer abgeschlossene Vertrag, dem die Rechtsnatur eines Dienstvertrags mit Geschäftsbesorgungscharakter beizumessen ist (§ 84 Rdn. 32). Die Pflichten werden deshalb zum einen durch die vertraglichen Vereinbarungen, zum anderen durch die gesetzlichen Bestimmungen des Handelsvertreterrechts des H G B sowie des Dienstvertrags- und Auftragsrechts des B G B festgelegt, soweit das bürgerliche Recht nicht durch Sondervorschriften des H G B verdrängt wird (vgl. hierzu im einzelnen Staub/Brüggemann § 84 Rdn. 31 ff). Darüber hinaus ergeben sich für den Handelsvertreter allgemeine handelsrechtliche Pflichten aus seiner Stellung als Kaufmann. 2. Träger der Pflichten
3
Träger der Pflichten ist der Handelsvertreter als natürliche oder juristische Person. Bei Personenhandelsgesellschaften ist die O H G oder KG gebunden (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2). Mit ihr haften aber die Gesellschafter nach § 128 als Gesamtschuldner (Martin VersR 1967, 824). Der Handelsvertreter hat das Recht, sich eigener Hilfskräfte zu bedienen. Er darf seine Pflichten nach § 613 S. 1 B G B im Zweifel aber nicht übertragen.1 Für ein Verschulden seiner Hilfskräfte haftet er dem Unternehmer nach § 278 BGB. Dies gilt auch für ein Verschulden seiner Untervertreter.2 Auf Eigenhändler, die wie ein Handelsvertreter an den Hersteller oder Lieferanten gebunden sind, ist § 86 entsprechend anwendbar (BGH NJW 1984, 2101). 3. Dauer der Pflichten
4
Die Pflichten des Handelsvertreters bestehen grundsätzlich nur während der Dauer des Vertragsverhältnisses ( O L G Düsseldorf DB 1969, 2077). Aus der Natur der Verpflichtung oder aus der Parteivereinbarung kann sich eine Fortdauer über das Vertragsende hinaus ergeben, so etwa bei einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede nach § 90 a oder der Vereinbarung einer Vertragsstrafe für Abwerbungsversuche (BGH BB 1983, 2136; vgl. O L G München BB 1994, 1104). Vor- oder nachvertragliche Pflichten können sich auch ohne ausdrückliche Vereinbarung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben, so etwa eine Geheimhaltungspflicht beim Scheitern der Vertragsverhandlungen (Staub/ Brüggemann § 86 Rdn. 29) oder eine Unterlassungspflicht hinsichtlich der besonderen Werbemethoden des früheren Auftraggebers (LG Düsseldorf WRP 1969, 462). 4. Art und Weise der Erfüllung
5
Nach § 86 Abs. 3 hat der Handelsvertreter seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. Im Grunde wird damit nichts anderes geregelt als in § 347. Die Vorschrift bestimmt nicht den Inhalt der Pflichten, sondern das Maß der Sorgfalt bei der Pflichterfüllung (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 19). Wenn der Handelsvertreter in einer Kollektion oder in einem Auslieferungslager Eigentum des Unternehmers verwahrt, muß er besonders sorgfältig darüber wachen, daß die Sachen
1
B A G E 18, 87, 89 = D B 1966, 546; Staub/Brüggemann § 84 Rdn. 33.
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2
B G H Z 59, 87, 92 = NJW 1972, 1662, 1663; O L G Hamm MDR 1959, 1016.
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nicht abhanden kommen.3 Je höher der Wert ist, um so größer ist die Sorgfaltspflicht.4 Ein Reisebüro verletzt als Vermittler seine Sorgfaltspflicht gegenüber dem Touristikunternehmen, wenn es die Buchung eines Ausländers vornimmt, der keinen Wohnsitz im Inland hat, ohne die Bezahlung des Reisepreises sicherzustellen oder das Touristikunternehmen vor Annahme der Buchung auf die besonderen persönlichen Umstände des Kunden hinzuweisen (AG Stuttgart NJW-RR 1992, 1252). Die Beweislast für die Anwendung der erforderlichen Sorgfalt obliegt dem Handelsvertreter ( O L G Karlsruhe DB 1969, 741). 5. Erfüllungsort Nach dem Erfüllungsort für die Pflichten des Handelsvertreters richten sich die 6 Feststellung von Handelsbräuchen, der Leistungsort im Sinne des § 269 B G B und damit der Gerichtsstand nach § 29 ZPO. Für den Erfüllungsort ist nach § 269 Abs. 2 B G B entscheidend, wo der Handelsvertreter bei Begründung des Handelsvertreterverhältnisses seine gewerbliche Niederlassung hat. Besteht eine solche Niederlassung nicht, kommt es auf den geschäftlichen Mittelpunkt an (Staub/Brüggemann § 86 Rdn. 2). Haben die Parteien im Einzelfall nicht etwas anderes vereinbart, kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß für die beiderseitigen Leistungen ein einheitlicher Erfüllungsort besteht.5
III. Pflichten des Handelsvertreters im allgemeinen Die Pflichten des Handelsvertreters werden durch den Vertragsinhalt und durch das 7 Gesetz bestimmt. Die gesetzlichen Pflichten, die sich insbesondere aus § 86 ergeben, können durch vertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder erweitert werden. Grenzen ergeben sich hierbei aus Abs. 4 (Rdn. 26), den §§ 138, 242 B G B und aus anderen gesetzlichen Vorschriften wie dem AGB-Gesetz oder dem GWB. Zu vertraglichen Pflichten können alle Aufgaben gemacht werden, die nach dem gesetzlichen Leitbild nicht in den Tätigkeitsbereich des Handelsvertreters fallen. Hierzu gehören etwa die Werbung, Marktpflege, Lagerhaltung, Auslieferung, Einstehen für Verbindlichkeiten (vgl. § 86 b) und das Inkasso (BGHZ 30, 98,102 = NJW 1959,1430,1431), bei Versicherungsvertretern auch die Bestandspflege und die Mitwirkung bei der Schadensregulierung (Staub/Brüggemann § 85 Rdn. 5). Darin liegt kein Verstoß gegen das Verbot abweichender Vereinbarungen aus Abs. 4 (Hopt § 86 Rdn. 51). Unter den vertraglichen Vereinbarungen sind Wettbewerbsverbote von besonderer Bedeutung. Es ist grundsätzlich zulässig, daß der Handelsvertreter ein besonderes vertragliches Wettbewerbsverbot auf sich nimmt, das über die ohnehin bestehenden gesetzlichen Bindungen (Rdn. 16 ff) hinausgeht und ihm etwa verbietet, für weitere Unternehmer tätig zu werden (BGH BB 1963, 448). Eine dahin gehende stillschweigende Vereinbarung ist aber nicht bereits bei einem weit gespannten Aufgabenkreis anzunehmen, der die meiste Arbeitskraft des Handelsvertreters in Anspruch nimmt (a.M. Schlegelberger/Schröder § 86 Rdn. 41). Hierüber kann der Handelsvertreter aufgrund seiner Selbständigkeit frei entscheiden. Eine Kollision vertraglicher Wettbewerbsverbote mit dem Kartellrecht ist nach der Rechtsprechung i.d.R. nicht gegeben, da weder § 1 G W B (BGH BB 1968, 60, 61) noch § 15 G W B (BGHZ 97, 317 = NJW 1986, 2954) auf Handelsvertreterverhältnisse anzuwenden sind. Das gleiche gilt grundsätzlich für § 18 GWB (vgl. Baden S. 142 ff, 202 ff). Geht ein vertragliches 3
BGH BB 1993, 1105; OLG Celle BB 1958, 894.
4
B G H B B 1993, Bd. 1, Rdn. 585.
1105; Küstner/v.
Manteuffel
5
BGH NJW 1988, 966 m. Anm. Küstner/v. Manteuffei ZIP 1988, 438.
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Wettbewerbsverbot aber über die dem Handelsvertretervertrag wesenseigene und zur sachgerechten Interessenwahrnehmung notwendige Bindung hinaus, kann sich die Frage einer mißbräuchlichen Wettbewerbsbeschränkung mit entsprechenden Eingriffsbefugnissen der Kartellbehörde stellen.6 Das Wettbewerbsverbot kann durch eine Vertragsstrafe gesichert werden, die jedoch nicht unangemessen hoch sein darf ( O L G Hamm HVR Nr. 582). Im übrigen müssen Vertragsstrafen hinreichend bestimmt vereinbart sein, was bei der Formulierung „für den Fall eines Vertragsbruchs" wegen der generalklauselartigen Weite nicht anzunehmen ist ( O L G Düsseldorf D B 1992, 86).
IV. Gesetzliche Pflichten des Handelsvertreters 1. Vermittlung und Abschluß von Geschäften 8
a) Nach § 86 Abs. 1 Halbs. 1 hat sich der Handelsvertreter um die Vermittlung (§ 84 Rdn. 19 f) oder den Abschluß (§ 84 Rdn. 21) von Geschäften (§ 84 Rdn. 22) zu bemühen. Wie sich aus der Begriffsbestimmung des Handelsvertreters in § 84 Abs. 1 ergibt, handelt es sich hierbei als Hauptpflicht um seine eigentliche Aufgabe (BGHZ 30, 98, 102 = NJW 1959, 1430, 1431). Im einzelnen richtet es sich nach dem Vertrag, ob die Verpflichtung auf die Vermittlung beschränkt ist oder auch die Abschlußtätigkeit umfaßt. Die Vermittlung reicht von der Suche nach neuen Kunden, mit denen Kontakt aufzunehmen ist und die für den Abschluß eines Geschäfts zu interessieren und geneigt zu machen sind {Staub/ Brüggemann § 86 Rdn. 8), bis zur ständigen Einflußnahme auf den bereits bestehenden Kundenstamm, um ihn immer wieder zu neuen Geschäftsabschlüssen zu bewegen. Die Verpflichtung, sich um den Abschluß von Geschäften zu bemühen, setzt voraus, daß der Handelsvertreter mit einer Abschlußvollmacht ausgestattet ist und damit nach § 55 Handlungsbevollmächtigter ist. Die Vollmacht kann sich aus dem Handelsvertretervertrag ergeben oder nachträglich erteilt werden. Der Vermittlungsvertreter kann für einzelne Geschäfte oder einen bestimmten Kreis von Geschäften Abschlußvollmacht erhalten (LAG Düsseldorf D B 1960, 813), so daß sich seine Hauptpflicht insoweit auch auf die Abschlußtätigkeit erstreckt.
9
b) Im einzelnen ist der Handelsvertreter verpflichtet, den Markt ständig auf seine Aufnahmebereitschaft und auf Änderungen in den Wünschen der Bevölkerung zu beobachten. Er muß sich über die geschäftlichen Verhältnisse der Kunden informieren und die Beziehungen zur Kundschaft pflegen.7 Hierzu gehört ohne besondere vertragliche Vereinbarung nicht die Werbung im Sinne einer allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit. Die Gegenstände, über die Geschäfte zu vermitteln oder abzuschließen sind, können im Handelsvertretervertrag genau bestimmt werden. Unterbleibt eine derartige Bestimmung, umfaßt die Pflicht des Handelsvertreters im Zweifel das gesamte Leistungs- oder Lieferspektrum des Unternehmers. Er muß sich dann auch um den Absatz eines später eingeführten neuen Warensortiments bemühen, wenn der Artikel nicht zu einer völlig andersartigen Branche gehört.8 In diesem Rahmen ist der Handelsvertreter verpflichtet, Marktlücken für den Unternehmer ausfindig zu machen ( O L G Celle BB 1970, 228).
6
7
BGHZ 112, 218, 222 = NJW 1990, 490, 491 m. Anm. Rittner ]Z 1991,524. Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 18 f; O L G Hamm HVR Nr. 432.
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BGH DB 1981, 1772; Staub/Brüggemann Rdn. 7.
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c) Die Intensität, mit der sich der Handelsvertreter um die Vermittlung oder den 1 0 Abschluß zu bemühen hat, hängt von einer etwaigen vertraglichen Regelung und den Umständen des Einzelfalls ab (Staub/Brüggemann § 86 Rdn. 6). Ein Einfirmenvertreter muß sich für seinen Unternehmer mehr einsetzen als ein Mehrfirmenvertreter für jeden einzelnen seiner Auftraggeber. Der Handelsvertreter hat sich im Rahmen seiner tatsächlichen Möglichkeiten zu bemühen und hierbei angemessene Umsätze zu erreichen (Staub/ Brüggemann § 86 Rdn. 21). Er braucht aber nicht so viele Aufträge zu erzielen, wie ihm bei größter Anstrengung möglich wäre ( O L G Celle NdsRpfl. 1959,109). Andererseits darf er seinen Einsatz für den einzelnen Unternehmer nicht auf ein Minimum herabschrauben oder gar die Tätigkeit ganz einstellen. Dies gilt vor allem für einen Bezirksvertreter, dem ein bestimmter Bezirk zur alleinigen Bearbeitung unterliegt ( O L G München BB 1955, 714). Zu beachten ist aber, daß ein geringer Umsatz, besonders zu Beginn der Vertragszeit, nicht ohne weiteres den Schluß auf einen mangelhaften Einsatz gestattet. 2. Wahrnehmung des Interesses des Unternehmers a) Nach § 86 Abs. 1 Halbs. 2 hat der Handelsvertreter bei der Vermittlung oder beim 11 Abschluß von Geschäften das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen. Es handelt sich um eine besondere Nebenpflicht, die aber nicht isoliert neben der Vermittlungs- oder Abschlußtätigkeit als den Hauptpflichten steht. Sie gewinnt gerade bei diesen Tätigkeiten ihre Bedeutung, wie es die Gesetzesformulierung zum Ausdruck bringt. Der Handelsvertreter muß das Gewerbe des Unternehmers dadurch fördern, daß er alles tut, was zu einer erfolgreichen Vermittler- oder Abschlußtätigkeit erforderlich ist (Begr. z. RegE, BTDrucks. 1/3856, S. 19). Die Pflicht zur Wahrnehmung des Interesses geht allerdings über den Bereich dieser Haupttätigkeit hinaus. Sie greift auch nach der Vermittlung oder dem Abschluß des einzelnen Geschäfts zugunsten des Unternehmers ein, so daß der Handelsvertreter nicht auf den Kunden einwirken darf, sich wieder von dem Vertrag zu lösen ( O L G Koblenz BB 1973, 866). Im übrigen enthält die Pflicht zur Interessenwahrnehmung den allgemeinen Grundsatz, daß der Handelsvertreter alles zu tun hat, was im Interesse des Unternehmers erforderlich ist, und alles unterlassen muß, was dessen Interesse widerspricht (BGHZ 42, 59, 61 = N J W 1964, 1621, 1622). Dieser Grundsatz gilt nicht nur etwa bei der Förderung der Konkurrenz durch andere Unternehmer, sondern auch, soweit Maßnahmen des Handelsvertreters dem Unternehmer in anderer Weise Schaden zufügen, so etwa durch Abwerbung von Handelsvertretern seines Unternehmers zugunsten anderer Unternehmer (BGH M D R 1977, 644; O L G München BB 1994, 1104). b) Darüber hinaus wird durch die Pflicht zur Wahrnehmung des Interesses des 1 2 Unternehmers verdeutlicht, daß das Gesetz dem Handelsvertreter eine Stellung auf Seiten des Unternehmers zuweist (Rdn. 1) und ihn nicht zum unparteiischen Makler zwischen den Parteien des abzuschließenden Geschäfts macht (BGH BB 1979, 242). Dies ergibt sich auch daraus, daß der Handelsvertreter nach § 84 Abs. 1 mit seinen Aufgaben von dem Unternehmer betraut ist (§ 84 Rdn. 31 ff). c) Im einzelnen folgt aus der Pflicht zur Wahrnehmung des Unternehmerinteresses 1 3 eine Reihe besonderer Pflichten. Teilweise haben die Pflichten zusätzlich eine eigenständige Rechtsgrundlage, so etwa die Benachrichtigungspflicht in § 86 Abs. 2 (BGH BB 1979, 242) und die Pflicht zur Befolgung von Weisungen, die der Unternehmer schon auf der Grundlage des Handelsvertretervertrags nach den §§ 675, 665 B G B erteilen kann (Küstner/v. Manteuffel Bd. 1, Rdn. 529). Andere Pflichten lassen sich nur aus der allgemeinen Pflicht zur Interessenwahrnehmung ableiten. Sonnenschein/Weitemeyer
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aa) Hierzu gehört zunächst die Pflicht zur Bonitätsprüfung. Der Handelsvertreter muß sich grundsätzlich über die geschäftlichen Verhältnisse sowie über die Vertrauensund Kreditwürdigkeit eines Kunden informieren, zu dem er in geschäftliche Verbindung tritt.9 Eine ständige Uberprüfung bereits früher geworbener Kunden ist nicht zu erwarten (RG LZ 1927, 1269). Nach dem Vertrag kann die Erkundigung auch Sache des Unternehmers sein ( O L G Karlsruhe Justiz 1969, 191).
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bb) Ein Mehrfirmenvertreter hat Folgeverträge i.d.R. dem Unternehmer zuzuführen, dem er auch die vorausgegangenen Verträge vermittelt hat. Dies gilt nicht, wenn der Kunde aus eigenem Entschluß mit einem anderen Auftraggeber des Handelsvertreters abschließen will (LG Lübeck VersR 1950, 182 m. Anm. Bronisch).
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cc) Von besonderer Bedeutung ist das gesetzliche Wettbewerbsverbot, das aus der Pflicht zur Interessenwahrung abzuleiten ist. Nach ständiger Rechtsprechung muß der Handelsvertreter es auch ohne ausdrückliche vertragliche Wettbewerbsklausel unterlassen, seinem Unternehmer durch Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen Nachteile zuzufügen.10 Das gesetzliche Wettbewerbsverbot gilt auch für einen Eigenhändler, der einem Handelsvertreter vergleichbar an den Unternehmer gebunden ist (BGH NJW 1984, 2101). Ein Wettbewerbsverbot kann auch vertraglich in AGB vereinbart werden, indem das Betreiben von Nebengeschäften ohne Zustimmung des Unternehmers untersagt ist und zum wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung erklärt wird ( O L G München BB 1993,1835).
17
Tatbestandlich ist eine Konkurrenzlage erforderlich, bei der sich das vom Handelsvertreter vertriebene Sortiment des einen Unternehmers zumindest teilweise mit dem Sortiment des anderen Unternehmers deckt (BGH VW 1971, 240). Die Waren müssen nicht identisch sein. Vergleichbarkeit nach Art, Qualität und Preis genügt.11 Eine Konkurrenzlage ist nicht gegeben, wenn sich das Warenangebot an verschiedene Käuferkreise richtet, die nicht ohne weiteres austauschbar sind (BGH BB 1968, 60), oder wenn die anderweitige Vertretertätigkeit einen Kundenkreis anspricht, den der Unternehmer nicht bedient ( O L G München HVR Nr. 699). Räumlich besteht eine Konkurrenzlage in dem ganzen Gebiet, auf das sich der Vertrieb des Unternehmers erstreckt (BGH MDR 1977, 289). Auch für einen Bezirksvertreter beschränkt sich das Wettbewerbsverbot nicht auf seinen Bezirk (SchlegelbergerlSchröder § 86 Rdn. 43 a). In zeitlicher Hinsicht kann die Konkurrenzlage auch nachträglich ohne Einflußnahme des Handelsvertreters entstehen, wenn einer der von ihm vertretenen Unternehmer sein Sortiment ausweitet. Maßgebend ist hierbei die Priorität der Vertretung {Staub/Brüggemann § 86 Rdn. 40).
18
Ein Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot liegt nicht erst bei einer Verletzung der Interessen des Unternehmers durch Mitwirkung beim Absatz der Konkurrenzware vor. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses, die in der Übernahme einer anderweitigen Vertretung liegen kann, reicht aus.12 Hierzu genügen auch die Kritik an den Waren des einen Unternehmers und das Lob über die Waren des anderen Unternehmers, die Abwerbung von Handelsvertretern, die Überlassung von Geschäftsräumen sowie die Belieferung oder Beratung (Maier BB 1979, 500). Durch Umgehungsgeschäfte kann mittelbar gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen werden.13 Ein Verstoß liegt aber nicht Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 20; 18,112; BGH BB 1969,1196; O L G Hamm Nr. 432; LG Heidelberg BB 1955, 942. 10 BGHZ 42, 59, 61 = NJW 1964, 1621, BGHZ 52, 171, 177 = NJW 1969, 1662, O L G Hamm NJW-RR 1987, 1114; krit. dorff ZHR 130 (1968), 82.
9
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RGZ HVR
11
12
1622; 1664; Stein-
13
BGH DB 1958, 512; OLG Nürnberg BB 1965, 809. BGH MDR 1977,289; OLG Nürnberg BB 1961,64. BGH BB 1970, 1374; MDR 1977, 644.
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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
§86
vor, wenn der Unternehmer der Konkurrenztätigkeit zugestimmt hat. Die Zustimmung kann durch schlüssiges Verhalten erteilt werden. Zur Herausgabe des Verdienstes aus einem verbotswidrigen Konkurrenzgeschäft entsprechend § 61 ist der Handelsvertreter nicht verpflichtet ( B G H N J W 1964, 817). Die Berufung des Unternehmers auf das gesetzliche Wettbewerbsverbot kann eine nach § 242 B G B unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn der Handelsvertreter ohne den Verstoß einen erheblichen Schaden erlitten hätte ( B G H Z 52, 171, 181 = N J W 1969, 1662, 1665).
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dd) Aus § 90 ergibt sich, daß den Handelsvertreter auch schon vor Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Pflicht zur Verschwiegenheit hinsichtlich der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse trifft, die ihm anvertraut oder durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekanntgeworden sind. Dies ist durch die Pflicht zur Interessenwahrnehmung begründet. Die Verschwiegenheitspflicht ist jedoch während der Vertragszeit weiter, da sie sich auf alle Umstände erstreckt, deren Veröffentlichung für den Unternehmer nachteilig sein könnte. Dies gilt etwa für den Kundenkreis.
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3. Benachrichtigungspflicht a) Allgemein hat der Handelsvertreter nach § 86 Abs. 2 Halbs. 1 dem Unternehmer die 2 1 erforderlichen Nachrichten zu geben. Diese Pflicht folgt zudem aus der Interessenwahrnehmungspflicht des § 86 Abs. 1 Halbs. 2, aus dem gegenseitigen Vertrauensverhältnis ( R G J W 1919, 450 m. Anm. Titze) und aus den §§ 675, 666 B G B ( K G VersR 1955, 548). Eine bestimmte Form ist gesetzlich ebensowenig vorgeschrieben wie feste zeitliche Abstände. In welchen Abständen zu berichten ist, hängt von den Umständen des Falles und der Dringlichkeit des Anlasses ab ( B G H N J W 1966, 882), soweit die Parteien keine vertragliche Regelung getroffen haben. Welche Nachrichten erforderlich sind, richtet sich mangels vertraglicher Bestimmung nach einem objektiven Maßstab, der die Interessen des Unternehmers entscheidend berücksichtigt. Seine subjektiven Vorstellungen sind nicht maßgeblich ( B G H aaO). b) Im einzelnen erstreckt sich die Benachrichtigungspflicht auf die Ergebnisse der Marktbeobachtung, auf die dem Handelsvertreter bekanntgewordenen Gründe mangelhafter Geschäftsverbindung zu Großabnehmern ( L A G Bremen D B 1955, 123), auf das Ergebnis einer Bonitätsprüfung von Kunden 1 4 , auf die Absicht, eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen ( O L G Saarbrücken R V R 1973,100) und auf eine etwaige Erkrankung ( R A G WarnRspr. 1936 Nr. 179).
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c) In § 86 Abs. 2 Halbs. 2 wird hervorgehoben, daß der Handelsvertreter dem Unternehmer von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluß unverzüglich Mitteilung zu machen hat. Der Unternehmer kann verlangen, daß hierbei ein besonderer Vordruck verwendet wird. 1 5 Der Handelsvertreter darf die Mitteilungen nicht sammeln {Staub/Brüggemann § 86 Rdn. 15), sondern muß sie unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 B G B ) , zuleiten. Unter Umständen kann auch ein Zwischenbericht notwendig sein ( O r d e m a n n D B 1963, 1565, 1566). Es ist aber nicht über jede einzelne Maßnahme zu berichten, die einer Vermittlung oder einem Abschluß vorangeht ( O L G Köln D B 1971, 865).
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14
ROHG 22, 117, 121 f; RGZ 18, 112; BGH BB 1969, 1196; Rdn. 14.
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BAGE 18, 87, 96 = DB 1966, 546, 547; BGH BB 1982, 12.
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Erstes Buch. Handelsstand
§86 4. Pflichten aus dem Dienstvertrags- und Auftragsrecht 24
Da der Handelsvertretervertrag ein Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter ist (§ 84 Rdn. 32), trifft den Handelsvertreter eine Reihe von Pflichten aus der Regelung dieser Vertragstypen im bürgerlichen Recht. Nach § 613 S. 1 BGB hat er die Dienste im Zweifel in Person zu leisten (Rdn. 3). Nach den §§ 675, 666 BGB muß er die erforderlichen Nachrichten geben, über den Stand der Geschäfte Auskunft erteilen und über die Ausführung Rechenschaft ablegen. Er ist im Rahmen des Vertragsverhältnisses und unter Berücksichtigung seiner kaufmännischen Selbständigkeit verpflichtet, Weisungen des Unternehmers zu befolgen (§§ 675, 665 BGB). Insbesondere muß der Handelsvertreter nach den §§ 675, 667 BGB alles herausgeben, was er von dem Unternehmer zur Ausführung seiner Tätigkeit erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Dies gilt etwa für Musterkollektionen, Warenproben, Ursprungszeugnisse, Kostenvoranschläge, Zeichnungen, Preislisten, Werbematerial, Geschäftsbedingungen, Kundenkartei und Schriftwechsel. 16 Die Herausgabepflicht betrifft insbesondere die einkassierten Gelder (OLG Stuttgart DB 1962, 405), aber auch Schmiergelder, die der Handelsvertreter von Kunden erhält (Hopt § 86 Rdn. 23), und verbotswidrig angefertigte Aufzeichnungen über Geschäftsgeheimnisse {Staub/Brüggemann § 86 Rdn. 32). V. Rechtsfolgen eines Pflichtenverstoßes
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Die Rechtsfolgen eines Verstoßes des Handelsvertreters gegen seine Pflichten sind in § 86 nicht geregelt. Sie ergeben sich aus den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts und den besonderen Bestimmungen des Handelsrechts. In erster Linie kommt ein Erfüllungsanspruch des Unternehmers in Betracht, der unter Umständen im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbar ist. Dies gilt auch für den Unterlassungsanspruch bei einem Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot. Bei entsprechender Vereinbarung kann sich ein Anspruch auf Leistung einer Vertragsstrafe ergeben.17 Ein Verstoß kann zur Verwirkung des Provisionsanspruchs18 oder zu einem dahin gehenden Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers führen (OLG München BB 1955, 714). Handelt es sich um die Verletzung einer Hauptpflicht (Rdn. 8), kann der Unternehmer aus § 325 oder § 326 BGB einen Schadensersatzanspruch herleiten (BGH BB 1985, 823, 824). Bei Verletzung einer Nebenpflicht (Rdn. 11 ff, 21 ff) kommen Ansprüche auf Schadensersatz aus positiver Forderungsverletzung in Betracht. Hierbei ist ein Mitverschulden des Unternehmers nach § 254 BGB zu berücksichtigen (OLG Karlsruhe Justiz 1969, 191, 192). Der Unternehmer muß darlegen und beweisen, daß ihm durch das pflichtwidrige Verhalten ein Schaden entstanden ist. Der Handelsvertreter trägt die Beweislast für seine Behauptung, er habe die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns walten lassen (OLG Karlsruhe aaO). Unter den Voraussetzungen des § 89 a ergibt sich für den Unternehmer bei Pflichtverletzungen des Handelsvertreters ein Recht zur fristlosen Kündigung. VI. Abweichende Vereinbarungen
26
Nach § 86 Abs. 4 sind Vereinbarungen, die von den Absätzen 1 und 2 abweichen, unwirksam. Hiervon sind die Vermittlungs- und Abschlußpflicht, die Pflicht zur Schlegelberger/Schröder § 86 Rdn. 35 ff; Staub/ Brüggemann § 86 Rdn. 25 f. >7 BGH WM 1972,1095; OLG Hamm MDR 1984, 404; vgl. Rdn. 7. 16
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18
OLG Hamm NJW 1959,677; OLG Koblenz BB 1973,866.
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§86 a
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
Interessenwahrnehmung und die Berichtspflicht betroffen, nicht aber die in Abs. 3 geregelte Sorgfaltspflicht. Die Bestimmung ist durch das Änderungsgesetz von 1989 eingefügt worden (Rdn. 1). Sie wird im Anschluß an die Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 11/3077, S. 7) allgemein in der Weise ausgelegt, daß sowohl Erweiterungen als auch Einschränkungen der gesamten Pflichten unwirksam sind. 19 Diese Auslegung ist in Anbetracht des Wortlauts keineswegs zwingend. So werden etwa im Mietrecht ähnlich neutral gehaltene Verbote abweichender Vereinbarungen, z.B. § 556 a Abs. 7 BGB, so ausgelegt, daß Abweichungen zugunsten des Mieters als des i.d.R. schutzbedürftigen Teils zulässig sind (Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl. 1991, § 556 a Rdn. 58). In anderen mietrechtlichen Vorschriften, etwa in § 564 b Abs. 6 BGB und § 10 Abs. 1 M H R G , wird hingegen ausdrücklich hervorgehoben, daß abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters unwirksam sind. Das gleiche gilt f ü r die neue Vorschrift des § 87 a Abs. 5 H G B bei abweichenden, für den Handelsvertreter nachteiligen Vereinbarungen. Die Gesetzeslage ist also im Handelsvertreterrecht ähnlich wie im Mietrecht. Auch der Gesetzeszweck ist gleich, nämlich durch das Verbot abweichender Vereinbarungen den Handelsvertreter als den regelmäßig schwächeren Vertragspartner zu schützen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 11/3077, S. 6). Entgegen der Entstehungsgeschichte und abweichend von der bisher vertretenen Meinung im Schrifttum ist deshalb davon auszugehen, daß Einschränkungen der in § 86 Abs. 1 und 2 aufgeführten Pflichten des Handelsvertreters, die allein den Unternehmer benachteiligen, zulässig sind. Im übrigen beschränkt sich das Verbot abweichender Vereinbarungen zum Nachteil 2 7 des Handelsvertreters auf den kodifizierten Kerngehalt der Pflichten aus § 86 Abs. 1 und 2. Diese Pflichten dürfen deshalb vertraglich näher bestimmt werden, etwa in welcher Weise sich der Handelsvertreter um die Vermittlung oder den Abschluß von Geschäften zu bemühen hat, wie er hierbei die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen hat und ob das daraus fließende Wettbewerbsverbot durch eine Vertragsstrafe abgesichert wird. Ebenso kann die Berichtspflicht durch den Vertrag im einzelnen ausgestaltet werden. 2 0 Das Verbot betrifft nicht die sonstigen Pflichten des Handelsvertreters, die sich aus den anderen gesetzlichen Vorschriften ergeben, und auch nicht solche Pflichten, die über die normale Tätigkeit eines Handelsvertreters hinausgehen, so etwa Werbung, Lagerhaltung, Auslieferung, Inkasso nach § 87 Abs. 4 und Delkredere nach § 86 b ( H o p t § 86 Rdn. 51).
§86 a (1) Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen. (2) Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die erforderlichen Nachrichten zu geben. Er hat ihm unverzüglich die Annahme oder Ablehnung eines v o m Handelsvertreter vermittelten oder ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Geschäfts und die Nichtausführung eines von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts mitzuteilen. Er hat ihn unverzüglich zu unterrichten, wenn er Geschäfte voraussichtlich nur in erheblich geringerem Umfange abschließen kann oder will, als der Handelsvertreter unter gewöhnlichen Umständen erwarten konnte. (3) Von den Absätzen 1 und 2 abweichende Vereinbarungen sind unwirksam. 19
Ankele D B 1989, 2211; Hopt § 86 Rdn. 50; Küstner/v. Manteuffel BB 1990, 291, 294.
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Hopt § 86 Rdn. 50; Küstner/v. 1990, 291, 294.
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Manteuffel
BB
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§86 a
Erstes Buch. Handelsstand
S c h r i f t t u m v. Brunn Unzulässige Verhandlungen über die Nachfolge eines Handelsvertreters vor Kündigung seines Vertrages? D B 1964, 1841; Höft Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters und geschäftliche Dispositionsfreiheit des vertretenen Unternehmens, VersR 1969, 875; Küstner Verstoßen „Rennlisten" gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen? B B 1984, 1906; Schriefers Lagerrücknahme bei Vertragsbeendigung des Händlervertrages, B B 1992, 2158. Übersicht Rdn. I. II. III.
Allgemeines
1
Ausstattung mit Unterlagen
3
Mitteilungspflichten
7 7
1. Allgemein erforderliche Nachrichten . 2. Mitteilung der Annahme, Ablehnung oder Nichtausführung eines Geschäfts 3. Mitteilung
des
9
j
Sonstige Pflichten
Rdn. 17
1. Allgemeines
17
2. Wettbewerbsverbot
18
3. Verbot sonstiger Schädigungen
19
V.
Grenzen der Pflichten des Unternehmers
VI.
Rechtsfolgen eines Pflichtenverstoßes . . .
20 21
Abweichende Vereinbarungen
22
VII.
Geschäftsabschlusses
in erheblich geringerem Umfang
IV.
11
I. Allgemeines I m A n s c h l u ß an die Pflichten des Handelsvertreters nach § 86 regelt das Gesetz in § 86 a die Pflichten des U n t e r n e h m e r s . Beide Vorschriften umfassen keinen vollständigen Pflichtenkatalog. W ä h r e n d § 86 H a u p t - und N e b e n p f l i c h t e n des Handelsvertreters betrifft, enthält § 86 a nur N e b e n p f l i c h t e n des U n t e r n e h m e r s . D i e Hauptpflicht zur Provisionsleistung folgt in den weiteren Vorschriften. D i e Regelung ist durch das Ä n d e rungsgesetz von 1953 (Vorbem. R d n . 4) in das H G B aufgenommen worden. D u r c h das G e s e t z zur D u r c h f ü h r u n g der E G - R i c h t l i n i e zur Koordinierung des R e c h t s der Handelsvertreter von 1989 (Vorbem. R d n . 5) sind in Abs. 2 die Sätze 2 und 3 geändert und Abs. 3 mit dem Verbot abweichender Vereinbarungen hinzugefügt worden. D e r U n t e r n e h m e r hat den Handelsvertreter dadurch zu unterstützen, daß er ihm die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellt. Ferner muß er dem Handelsvertreter unverzüglich die A n n a h m e oder Ablehnung eines von ihm vermittelten oder ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Geschäfts sowie die Nichtausführung eines von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts mitteilen. Schließlich trifft ihn die Pflicht, den Handelsvertreter zu unterrichten, wenn er Geschäfte voraussichtlich nur in erheblich geringerem U m f a n g abschließen kann oder will, als der Handelsvertreter unter gewöhnlichen U m s t ä n d e n erwarten konnte. Eine bestimmte F o r m ist für die Mitteilungen nicht vorgeschrieben. I m G r u n d e handelt es sich u m Pflichten, die sich auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ableiten lassen. D u r c h die ursprüngliche gesetzliche Regelung sollten diese wesentlichen Pflichten besonders hervorgehoben werden (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 / 3 8 5 6 , S. 19). D a s Änderungsgesetz von 1989 (Rdn. 1) hat sie in Einzelheiten ergänzt und in vollem U m f a n g für unabdingbar erklärt (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 1 / 3 0 7 7 , S. 7). D a r ü b e r hinausgehende Pflichten k ö n n e n sich aus den allgemeinen Regeln über den Dienstvertrag und aus dem Treueverhältnis zwischen beiden Parteien ergeben ( B G H B B 1960, 606). Generell muß der U n t e r n e h m e r auf die schutzwerten Belange des Handelsvertreters R ü c k s i c h t nehmen. 1 Allerdings ist diese Treupflicht wegen der freieren Stellung des Handelsvertreters weniger stark ausgeprägt als in einem von sozialer Abhängigkeit gekennzeichneten Arbeitsverhältnis ( O L G M ü n c h e n B B 1958, 247). 1
BGHZ 26, 161, 164 = NJW 1958, 219; BGH BB 1968, 60.
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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
§86 a
II. Ausstattung mit Unterlagen 1. Nach § 86 a Abs. 1 hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung 3 seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hierzu zählt das Gesetz als Beispiele Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen. Allgemein sind hierzu alle Sachen zu rechnen, die notwendig sind, damit der Handelsvertreter die Ware bei der Kundschaft anpreisen kann. Dies richtet sich im einzelnen danach, was in der betreffenden Branche und in Unternehmen entsprechender Größe üblich ist. Hierbei ist die konkrete Aufgabenstellung des Handelsvertreters entscheidend (Schlegelberger/Schröder § 86 a Rdn. 2). Eine Kundenkartei ist nur dann zu überlassen, wenn sie vorhanden ist und der Handelsvertreter diese Kunden weiterhin betreuen soll (Schlegelberger/Schröder aaO). Mangels einer besonderen Vereinbarung sind die Unterlagen unentgeltlich zu überlassen, da die Überlassung aus der allgemeinen Pflicht des Unternehmers folgt, den Handelsvertreter bei seiner Tätigkeit zu unterstützen. Vorratswaren, die zur Erfüllung der vom Handelsvertreter vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte bestimmt sind, gehören nicht zu den zur Ausübung der Vermittlung oder des Vertragsabschlusses erforderlichen Unterlagen ( O L G Düsseldorf BB 1990, 1086). Da der Handelsvertreter selbständiger Gewerbetreibender ist, muß er für seinen allge- 4 meinen Geschäftsbedarf wie Büroeinrichtung und Büromaterial selbst aufkommen. Dies gilt auch für andere Sachen, die seine Arbeit erleichtern, so etwa für handelsübliche Behältnisse zum Transport der Muster ( O L G Hamburg HVR Nr. 101). 2. Ort und Zeit der Überlassung sind gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Da die 5 Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind, ist der Erfüllungsort dort, wo sich die gewerbliche Niederlassung des Handelsvertreters befindet oder wo er die Unterlagen nach dem Inhalt des Geschäfts benötigt (Schlegelberger/Schröder § 86 a Rdn. 2). Der Zeitpunkt richtet sich nach der Erforderlichkeit. Dies ist bei allgemein notwendigen Unterlagen der Beginn des Handelsvertreterverhältnisses, bei konkretem Bedürfnis die Aufnahme der darauf gerichteten Tätigkeit. Der Unternehmer ist auch dann noch zur Überlassung einer Musterkollektion verpflichtet, wenn das Handelsvertreterverhältnis in wenigen Monaten beendet sein wird, weil dem Handelsvertreter auch während der restlichen Laufzeit des Vertrags die Arbeitsmöglichkeiten uneingeschränkt erhalten bleiben müssen ( O L G Nürnberg HVR Nr. 571). 3. Das Eigentum an den Unterlagen verbleibt im allgemeinen beim Unternehmer, 6 wenn die Parteien nicht einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Erwerb durch den Handelsvertreter vereinbaren. Das Verbot abweichender Vereinbarungen aus § 86 a Abs. 3 steht dem nicht entgegen, da es sich um eine zusätzliche Pflicht für den Handelsvertreter handelt, auch wenn darin eine gewisse Entlastung des Unternehmers liegt. Die formularmäßige Verpflichtung des Handelsvertreters, die Musterkollektion jeweils am Ende der Saison unter Gewährung eines Nachlasses auf den Verkaufspreis käuflich zu erwerben, ist jedoch i.d.R. wegen Verstoßes gegen § 9 AGB-Gesetz als unwirksam zu beurteilen (LG Stuttgart HVR Nr. 690). Im Eigentum des Unternehmers verbleibt auch eine überlassen Kundenkartei, selbst wenn der Handelsvertreter weitere Eintragungen vornimmt (Küstner/v. Manteuffel Bd. 1, Rdn. 602). Als selbständiger Gewerbetreibender wird der Handelsvertreter Besitzmittler der Unterlagen (§ 868 BGB), nicht Besitzdiener (§ 855 BGB).
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§86 a
Erstes Buch. Handelsstand
III. Mitteilungspflichten 1. Allgemein erforderliche Nachrichten 7
Nach § 86 a Abs. 2 S. 1 hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die erforderlichen Nachrichten zu geben. Diese allgemeine Informationspflicht geht dahin, den Handelsvertreter von allen Umständen in Kenntnis zu setzen, die für dessen Tätigkeit bedeutsam sind (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 19). Der Unternehmer soll dem Handelsvertreter nicht ohne weiteres durch unerwartete geschäftliche Maßnahmen den Erfolg seiner Arbeit verkürzen (BGHZ 26, 161, 165 = NJW 1958, 219, 220). Deshalb muß der Handelsvertreter etwa wissen, welche Aufträge der Unternehmer jeweils zu übernehmen in der Lage ist und zu welchen Kunden keine Geschäftsbeziehungen unterhalten werden sollen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 19). Dies gilt auch, wenn der Unternehmer sich entschließt, mit den Kunden des gesamten Gebiets, das er dem Handelsvertreter zur Bearbeitung übertragen hat, keine Geschäfte mehr abzuschließen (BGH NJW-RR 1987, 873). Andererseits sind auch Umstände mitzuteilen, die für die Tätigkeit des Handelsvertreters förderlich sind, so etwa die Ausweitung des Produktionsprogramms oder besondere Erfolge eines Produkts. In zeitlicher Hinsicht wirkt sich die Erforderlichkeit in der Weise aus, daß der Handelsvertreter so bald wie möglich in die Lage versetzt wird, die Mitteilung in der Weise zu verwerten, wie es der Gang der Geschäfte gebietet {SchlegelbergerlSchröder § 86 a Rdn. 10).
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Die Mitteilungspflicht entfällt, wenn der Handelsvertreter bereits auf andere Weise Kenntnis von einem Umstand erlangt hat {Staub/Brüggemann § 86 a Rdn. 9). Im übrigen ist zu beachten, daß die Mitteilungspflicht mit der kaufmännischen Entschließungsfreiheit kollidieren kann. Bedeutsame Fragen der Unternehmenspolitik können eine gewisse Zurückhaltung bei der Mitteilungspflicht als gerechtfertigt erscheinen lassen (Rdn. 20). 2. Mitteilung der Annahme, Ablehnung oder Nichtausführung eines Geschäfts
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a) Nach § 86 a Abs. 2 S. 2 hat der Unternehmer dem Handelsvertreter unverzüglich die Annahme oder Ablehnung eines vermittelten oder ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Geschäfts mitzuteilen. Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters setzt nach § 87 den Abschluß des Geschäfts zwischen dem Unternehmer und dem Kunden voraus. Hat der Handelsvertreter selbst Abschlußvollmacht, ist eine Mitteilungspflicht des Unternehmers gegenstandslos. Die Regelung betrifft insoweit nur den Vermittlungsvertreter. Er hat ein besonderes Interesse daran, unverzüglich über den Erfolg seiner Tätigkeit unterrichtet zu werden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 19 f). Dies gilt auch, wenn er trotz Fehlens einer Vertretungsmacht selbst abschließt, so daß die Wirksamkeit des Geschäfts nach § 177 B G B von der Genehmigung des Unternehmers abhängt (vgl. § 9 1 a). Die Mitteilung über die Annahme eines vermittelten Geschäfts gegenüber dem Handelsvertreter ersetzt nicht die Einigung über den Geschäftsabschluß zwischen den Vertragsparteien. Die Genehmigung eines vollmachtlos abgeschlossenen Geschäfts kann nach § 182 Abs. 1 B G B auch dem Handelsvertreter gegenüber erklärt werden. Die Bestimmung, daß der Unternehmer dem Handelsvertreter die Nichtausführung eines von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts mitzuteilen hat, ist durch das Änderungsgesetz von 1989 (Rdn. 1) eingefügt worden. Diese Information ist für den Handelsvertreter zur Beurteilung seines Provisionsanspruchs wichtig. Nach früher geltendem Recht konnte sich der Handelsvertreter hierüber nur durch einen Buchauszug nach § 87 c Abs. 3 H G B informieren, den ihm der Unternehmer aber erst auf Anforderung zu erteilen hatte (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 11/3077, S. 7). Die Neuregelung führt zu einer rascheren und von einer Nach618
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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
§86 a
frage des Handelsvertreters unabhängigen Unterrichtung. Sie umfaßt auch die teilweise Nichtausführung eines Geschäfts {Küstner/v. ManteuffelBB 1990, 291, 295). b) Der Unternehmer muß seine Entscheidung über das Geschäft unverzüglich mitteilen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB). Die Vorschrift zwingt ihn allerdings nicht zu einer unverzüglichen Entscheidung. Ist er hierzu nicht innerhalb angemessener Zeit in der Lage, muß er dem Handelsvertreter eine Zwischennachricht geben {Staub/Brüggemann § 86 a Rdn. 5).
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3. Mitteilung des Geschäftsabschlusses in erheblich geringerem Umfang a) Nach § 86 a Abs. 2 S. 3 Halbs. 1 hat der Unternehmer den Handelsvertreter zu 11 unterrichten, wenn er Geschäfte voraussichtlich nur in erheblich geringerem Umfang abschließen kann oder will, als der Handelsvertreter unter gewöhnlichen Umständen erwarten konnte. Die Vorschrift ist auf den Vermittlungsvertreter zugeschnitten und betrifft die allgemeine, zukünftige Geschäftsentwicklung des Unternehmers, nicht ein bestimmtes Einzelgeschäft. Der Handelsvertreter soll sich auf einen in Zukunft geringeren Geschäftsumfang einrichten können und von vergeblichen Bemühungen um Kunden abgehalten werden. Auch wenn der Unternehmer bei dem Abschluß von Geschäften völlig frei ist, soll er den Handelsvertreter nicht zwecklos arbeiten lassen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 20). aa) Ausgangspunkt war nach der ursprünglichen Regelung der nach den Umständen 1 2 zu erwartende Geschäftsumfang. Darin lag eine objektive Anknüpfung. Sie ist aufgrund des Änderungsgesetzes von 1989 (Rdn. 1) durch eine subjektive Beziehung ersetzt worden, weil es darauf ankommt, welchen Umfang der Handelsvertreter unter gewöhnlichen Umständen erwarten konnte. Maßgebend sind zunächst der Inhalt des Handelsvertretervertrags und das hierdurch bestimmte Ziel seiner Tätigkeit. Ferner ist das berechtigte Vertrauen auf eine Fortsetzung des bisherigen Geschäftsumfangs zu berücksichtigen. bb) Nur ein erheblich geringerer Umfang der Geschäfte löst eine Mitteilungspflicht 1 3 aus. Wie der Wortlaut zeigt, ist damit ein quantitativer, nicht ein nur qualitativer Rückgang gemeint.2 Soweit eine Verschlechterung der Ware für die Tätigkeit des Handelsvertreters von Bedeutung ist, trifft den Unternehmer die allgemeine Mitteilungspflicht aus § 86 a Abs. 2 S. 1 (Rdn. 7). Ob der Rückgang erheblich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und dem Verhältnis zu dem bisherigen Umfang ab. cc) Die Mitteilungspflicht trifft den Unternehmer bereits bei einem voraussichtlichen 1 4 Rückgang, nicht erst nach dessen tatsächlichem Eintritt. Unerheblich ist, ob dies von der gewollt betriebenen Geschäftspolitik des Unternehmers oder von der objektiven Geschäftslage abhängt. Auf dieser Grundlage muß sich das Wahrscheinlichkeitsurteil aus bestimmten Umständen ergeben, so etwa bei mangelndem Vorrat einwandfreier Ware (BGHZ 26, 161, 167 = N J W 1958, 219, 220), Lieferschwierigkeiten wegen angespannter Rohstofflage (LAG Stuttgart NJW 1951, 374) oder wegen Produktionsausfalls im Unternehmen (Staub/Brüggemann § 86 a Rdn. 9), ferner bei Umstellung der Produktion oder des Vertriebssystems und dadurch eingeschränkten Verkaufsmöglichkeiten des Handelsvertreters (BGHZ 49, 39, 44 f = NJW 1968, 394, 395), Einstellung der Produktion einer bestimmten Ware ( O L G Königsberg HVR Nr. 9) oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmers, die zu einer Betriebsstillegung führen können. Dies gilt jeden-
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Schlegelbergerl Schröder § 86 a Rdn. 17; a.M. Staub/Brüggemann § 86 a Rdn. 8. Sonnenschein/Weitemeyer
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falls dann, wenn die Stillegung beschlossen ist ( B G H N J W 1974, 795). Zu einer vorzeitigen Mitteilung ist der U n t e r n e h m e r nicht verpflichtet ( B G H B B 1960, 606), wenn dadurch etwa Sanierungsversuche gefährdet werden könnten. 15
b) D e r U n t e r n e h m e r muß den Handelsvertreter u n v e r z ü g l i c h unterrichten, d.h. ohne schuldhaftes Z ö g e r n (§ 121 A b s . 1 B G B ) . Dieser zeitliche Maßstab ist durch das Ä n d e rungsgesetz von 1989 ( R d n . 1) zusammen mit den weiteren Ergänzungen des § 86 a Abs. 2 S. 3 H G B (Rdn. 12) eingefügt worden.
16
c) D i e Mitteilungspflicht entfällt, wenn der Handelsvertreter bereits K e n n t n i s von dem bevorstehenden Rückgang des Geschäftsumfangs hat. D e m ist es nicht o h n e weiteres gleichzustellen, wenn er aufgrund ihm bekannter U m s t ä n d e lediglich damit rechnen m u ß (vgl. aber Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 / 3 8 5 6 , S. 20), da für ihn insoweit auch die E n t schließungen des U n t e r n e h m e r s wichtig sind.
IV. Sonstige Pflichten 1. Allgemeines 17
U b e r die in § 86 a hervorgehobenen Pflichten hinaus trifft den U n t e r n e h m e r aus dem Vertragsverhältnis eine allgemeine Treupflicht gegenüber dem Handelsvertreter, alles zu tun, was dessen Arbeit fördert, und alles zu unterlassen, was den Vertreter schädigen kann. Dies k o m m t auch in vor- oder nachvertraglichen Pflichten z u m Ausdruck. So muß der U n t e r n e h m e r den Handelsvertreter schon vor Vertragsabschluß über seine Arbeitsmöglichkeiten zutreffend informieren ( O L G N ü r n b e r g B B 1956, 352) und darf ihn nach Beendigung des Vertrags nicht in seiner weiteren Tätigkeit behindern. 2. W e t t b e w e r b s v e r b o t
18
Aus der vertraglichen Treupflicht des U n t e r n e h m e r s folgt, daß er den Handelsvertreter nicht durch eigenen W e t t b e w e r b schädigen darf ( L G F r a n k f u r t / M . B B 1 9 6 9 , 1 3 2 6 ) . So darf der U n t e r n e h m e r die Stammkunden des Handelsvertreters nicht abzuwerben versuchen, indem er sie z u m D i r e k t b e z u g bei sich oder einem Eigenhändler veranlaßt ( B G H B B 1959, 720). Insbesondere ist es dem U n t e r n e h m e r versagt, im B e z i r k eines Alleinvertreters D i r e k t g e s c h ä f t e a b z u s c h l i e ß e n o d e r einen B e a u f t r a g t e n e i n z u s c h a l t e n . 3 H a t der Handelsvertreter keinen Gebietsschutz, kann er von dem U n t e r n e h m e r verlangen, daß dieser anderen Handelsvertretern nicht gestattet, die Waren zu einem niedrigeren Preis anzubieten ( B G H Z 97, 317, 3 2 7 f = N J W 1986, 2 9 5 4 , 2 9 5 6 ) . E b e n s o gehört es zu den vertraglichen Treupflichten des U n t e r n e h m e r s , im G e b i e t des Handelsvertreters nicht einen weiteren Vertreter oder Händler einzusetzen, dem weit günstigere K o n d i t i o n e n einger ä u m t w e r d e n u n d der sich u m denselben K u n d e n s t a m m b e m ü h t , so daß der Handelsvertreter der K o n k u r r e n z nicht mehr gewachsen ist ( L G Stuttgart H V R N r . 668). M a c h t ihm der U n t e r n e h m e r unzulässigen W e t t b e w e r b , hat der Handelsvertreter einen Auskunftsanspruch ( B G H B B 1957, 452).
3
RG Recht 1920 Nr. 715; BGH DB 1961, 601; OLG Düsseldorf HVR Nr. 468.
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Sonnenschein/Weitemeyer
§86 a
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
3. Verbot sonstiger Schädigungen D i e vertragliche Treupflicht verbietet dem U n t e r n e h m e r jede A r t der Schädigung des Handelsvertreters. So darf der U n t e r n e h m e r nicht Mitarbeiter seines Handelsvertreters zur Aufgabe ihres Vertragsverhältnisses veranlassen oder abwerben. 4 Unzulässig ist es, den
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Handelsvertreter durch unberechtigte geschäftsschädigende Werturteile in der Ö f f e n t l i c h keit oder gegenüber Dritten herabzusetzen. 5 E b e n s o w e n i g darf der U n t e r n e h m e r den Handelsvertreter, der kritische Kundenberichte erstellt hat, durch Weitergabe dieser Berichte an die betroffenen Kunden schädigen ( L G Freiburg B B 1966, 999). Bei entsprec h e n d e r Vertragsgestaltung kann den U n t e r n e h m e r die P f l i c h t treffen, den Handelsvertreter vor geschäftlichen Fehlinvestitionen zu bewahren ( B A G D B 1 9 8 0 , 2 0 3 9 ) .
V. Grenzen der Pflichten des Unternehmers D i e Pflichten des U n t e r n e h m e r s , die aus dem Treueverhältnis zum Handelsvertreter folgen, finden ihre G r e n z e an dem eigenen Schutzbedürfnis und der kaufmännischen Entschließungsfreiheit, die der U n t e r n e h m e r berechtigt für sich in Anspruch nehmen kann. So ist ein Mineralölunternehmen nicht verpflichtet, an der Tankstelle seines Handelsvertreters Einrichtungen zur A b g a b e weiterer Kraftstoffe vorzunehmen, wenn dem Mineralölunternehmen der Verkauf solcher Kraftstoffe an dieser Tankstelle aus Rentabilitätsgründen im R a h m e n einer vertretbaren unternehmerischen Entscheidung als wirtschaftlich nicht zweckmäßig erscheint ( B G H B B 1993, 1549). Bei der Wahrnehmung seiner Interessen darf der U n t e r n e h m e r aber nicht willkürlich und ohne sachlichen G r u n d den schutzwürdigen Belangen des Handelsvertreters zuwiderhandeln. 6
20
VI. Rechtsfolgen eines Pflichtenverstoßes D i e Rechtsfolgen eines Verstoßes des U n t e r n e h m e r s gegen seine Pflichten sind in § 86 a nicht geregelt. Insoweit gilt weitgehend das gleiche wie bei einem Pflichtenverstoß des Handelsvertreters (§ 86 R d n . 25). D a es sich um Nebenpflichten handelt, k o m m t neben oder an Stelle eines durchsetzbaren Erfüllungsanspruchs ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung in Betracht. 7 D e m Handelsvertreter kann gegen den
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Geschäftsführer des U n t e r n e h m e r s zudem ein Schadensersatzanspruch aus § 826 B G B wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung zustehen, wenn auf dessen Weisung provisionspflichtige U m s ä t z e verschwiegen und nicht abgerechnet werden ( O L G Stuttgart H V R Nr. 679). D e m Handelsvertreter kann ferner das R e c h t auf fristlose Kündigung nach § 89 a zustehen, ohne nach § 89 b Abs. 3 einen etwaigen Ausgleichsanspruch zu verlieren. D i e Darlegungs- und Beweislast für einen Schadensersatzanspruch obliegt dem Handelsvertreter ( B G H N J W - R R 1988, 1060).
VII. Abweichende Vereinbarungen N a c h § 86 a Abs. 3 sind von den Absätzen 1 und 2 abweichende Vereinbarungen unwirksam. Diese umfassende Unabdingbarkeit ist durch das Änderungsgesetz von 1989
BGHZ 42, 59, 62 = NJW 1964, 1621, 1622; BGH BB 1982, 1626; krit. v. Brunn DB 1964, 1841. s OLG Düsseldorf HVR Nr. 113; OLG Karlsruhe BB 1959, 1006; LG Dortmund HVR Nr. 44.
4
BGH DB 1981, 987; BB 1983, 1629; VW 1984, 1064; HVR Nr. 606. 8
Sonnenschein/Weitemeyer
§89 a
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter G r u n d für eine fristlose Kündigung
gelten sollen. 1 0 Allein die B e z e i c h n u n g
eines
Umstandes als wichtiger G r u n d zwingt nicht dazu, den Tatbestand als erfüllt anzusehen ( O L G Düsseldorf V W 1978, 144). D i e Vereinbarung muß vielmehr objektiv wesentliche G r ü n d e betreffen ( O L G M ü n c h e n B B 1956, 20). Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen ( B G H B B 1956, 95). Wenn die Parteien schon die ordentliche Kündigung nur bei besonders g r o b e m Vertrauensbruch zulassen wollen, ist an die A n n a h m e eines wichtigen G r u n d e s für eine fristlose Kündigung ebenfalls ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Dies darf aber nicht zu einer unzulässigen Beschränkung des Kündigungsrechts führen ( B G H H V R Nr. 159). D u r c h die Vereinbarung einer übergroßen Zahl von Umständen, die einen wichtigen G r u n d abgeben sollen, k ö n n e n die Kündigungsvorschriften der §§ 89, 89 a nicht umgangen werden ( B G H H V R Nr. 203). b ) D i e Rechtsprechung weist eine reichhaltige S a m m l u n g e i n z e l n e r K ü n d i g u n g s g r ü n d e auf. Wenn die Grundsätze, die in diesen Entscheidungen z u m Ausdruck k o m m e n , auf andere Fallgestaltungen übertragen werden sollen, ist zu beachten, daß immer nur der Einzelfall unter A b w ä g u n g aller ihm eigenen U m s t ä n d e beurteilt werden kann.
12
aa) Ein K ü n d i g u n g s r e c h t des U n t e r n e h m e r s wird in erster Linie durch Vertragsverletzungen des Handelsvertreters begründet. N a c h Lage des Falles muß der U n t e r n e h m e r aufgrund der Treupflicht vor einer fristlosen Kündigung zunächst durch eine A b m a h n u n g versuchen, daß der Vertreter ein vertragswidriges Verhalten abstellt ( B G H D B 1981, 987).
13
D i e V e r l e t z u n g eines W e t t b e w e r b s v e r b o t s wird als Verstoß des Handelsvertreters gegen die ihm vertraglich obliegende Treupflicht grundsätzlich als wichtiger G r u n d zur fristlosen Kündigung beurteilt. 1 1 Dies gilt auch dann, wenn der U n t e r n e h m e r bei verständiger kaufmännischer Beurteilung o h n e konkreten Schadenseintritt befürchten muß, daß seine Belange gefährdet sind. 1 2 Selbst wenn der Vertrag kein ausdrückliches Wettbewerbsverbot enthält, muß der Handelsvertreter den U n t e r n e h m e r von der Ü b e r n a h m e einer weiteren Vertretung in derselben Branche unterrichten. Unterläßt er die Mitteilung, setzt er einen wichtigen G r u n d zur fristlosen Kündigung. 1 3 Insbesondere darf er keine K u n d e n des U n t e r n e h m e r s abwerben ( B G H V e r s R 1986, 1072). Das Wettbewerbsverbot kann durch eine Geschäftsraumpartnerschaft verletzt werden ( B G H V e r s R 1969, 3 7 2 ) und ebenso durch A u f n a h m e der Tätigkeit für ein K o n k u r r e n z u n t e r n e h m e n nach einer unwirksamen Kündigung durch den Handelsvertreter ( B G H V e r s R 1972, 1045). D a s gleiche gilt für einen heimlichen Verstoß, etwa durch G r ü n d u n g einer Scheinfirma ( B G H N J W - R R 1987, 1114), selbst wenn der U n t e r n e h m e r an den anderweitig vermittelten Verträgen kein Interesse hat ( B G H B B 1974, 714) oder wenn der Handelsvertreter trotz eigener Zweifel den U n t e r n e h m e r nicht u m Zustimmung zu der Konkurrenztätigkeit bittet ( L G T ü b i n g e n M D R 1958, 518). Wenn der U n t e r n e h m e r die Konkurrenztätigkeit nur bei einem von mehreren Handelsvertretern beanstandet, ist zu prüfen, o b die Interessen des U n t e r n e h m e r s wirklich beeinträchtigt sind oder o b andere G r ü n d e für die beabsichtigte Vertragsauflösung bestehen ( B G H V W 1978, 810).
14
Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot scheidet als Kündigungsgrund aus, wenn die Beeinträchtigung der Interessen des U n t e r n e h m e r s nicht so schwerwiegend ist, daß eine
15
10
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BGH BB 1988, 1771 m. Anm. Martinek EWiR 1988, 1059; BGH BB 1992,1162; OLG München BB 1993, 1835; a.M. Schwerdtner DB 1989,1757. BGH BB 1954, 647; OLG München BB 1993, 1835; 1995, 168; OLG Nürnberg VersR 1968, 298; LG Hamburg VersR 1992, 743.
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BGH BB 1974, 714; HVR Nr. 164. BGH BB 1974, 714; 1989, 2428; WM 1977, 318; NJW-RR 1992, 481; OLG Stuttgart HVR Nr. 627.
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685
§89 a
Erstes Buch. Handelsstand
Fortsetzung des Vertrags unzumutbar wäre (BGH HVR Nr. 298). Das gleiche gilt, wenn der Unternehmer dem Handelsvertreter eine längere Frist gewährt hat, die Konkurrenztätigkeit einzustellen (OLG Nürnberg BB 1965, 809), oder wenn er seit längerer Zeit von der Tätigkeit weiß, es sei denn, das wirkliche Ausmaß war nicht erkennbar. 14 Ebenso ist eine fristlose Kündigung nicht ohne weiteres gerechtfertigt, wenn sich das andere Unternehmen erst im Laufe der Zeit zu einem echten Konkurrenten entwickelt (BGH VW 1978, 810). Bei Einverständnis des Unternehmers mit einer Konkurrenztätigkeit scheidet bereits eine Vertragsverletzung aus.15 Ebensowenig ist darin ein Vertragsverstoß zu sehen, daß sich der Handelsvertreter schon vor dem Vertragsende an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt, soweit darin nicht zugleich ein Vertrauensbruch liegt (BGH HVR Nr. 485). 16
Auch ohne Verletzung eines Wettbewerbsverbots können unerlaubte Nebentätigkeiten des Handelsvertreters einen Kündigungsgrund abgeben, wenn sie nicht ganz unerheblich sind. 16 Ist die Beeinträchtigung nicht so schwerwiegend, besteht kein Kündigungsgrund (BGH VersR 1969, 995).
17
Die Nichtbefolgung von Weisungen des Unternehmers durch den Handelsvertreter kann einen Kündigungsgrund darstellen 17 , so etwa bei der Forderung nach Rückübertragung der Bestandsverwaltung (BGH VersR 1968, 642), Ausweitung des Warensortiments (BGH DB 1981, 1772), Bestellung eines Untervertreters ( O L G Hamburg BB 1960, 1300), Eintragung der Preise in die Auftragsscheine ( O L G Nürnberg MDR 1974, 144) und Einhaltung der Vorschriften des Unternehmers bei der Ausfüllung von Versicherungsanträgen (BGH VersR 1986, 1072). Bei vereinzelten Verstößen kann es dem Unternehmer jedoch zumutbar sein, das Vertragsverhältnis fortzusetzen ( O L G Frankfurt/M. VersR 1992, 492).
18
Bei einem Verstoß gegen Mitteilungspflichten und gegen das Wahrheitsgebot durch den Handelsvertreter kann der Unternehmer zur fristlosen Kündigung berechtigt sein. Dies gilt etwa, wenn der Handelsvertreter eine mit dem Ziel der Haftungsbeschränkung vorgenommene Änderung der Rechtsform seines Unternehmens (BGH BB 1978, 982), Urlaub und Krankheit (OLG Köln VersR 1970, 809) oder eine anderweitige Tätigkeit bei Interessenkollision ( O L G Düsseldorf BB 1969, 330) nicht mitteilt. Das gleiche ist anzunehmen bei wahrheitswidrigen Behauptungen (BGH DB 1956, 136), unberechtigter Führung eines akademischen Titels (OLG Hamburg BB 1960, 1300) und der Nichtaufklärung des Verbleibs kassierter Versicherungsbeiträge ( O L G Köln VersR 1971, 1170).
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Die pflichtwidrige Untätigkeit des Handelsvertreters und ein darauf beruhender Umsatzrückgang des Unternehmers können einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen. 18 Geringe Umsätze sind für sich allein aber kein Kündigungsgrund, wenn dies nicht auf pflichtwidriger Untätigkeit des Handelsvertreters beruht. 19 Auch wenn der Handelsvertreter in seinen Bemühungen nachläßt, ergibt sich ein Kündigungsgrund erst, wenn es sich um eine andauernde Vernachlässigung seiner Pflichten handelt ( O L G Stuttgart BB 1960, 956). Bei Verletzung der Berichtspflicht durch den Handelsvertreter kommt es darauf an, ob dem Unternehmer hierdurch erhebliche Nachteile entstanden sind (BGH 14
BGH VersR 1961, 52; s. aber OLG München BB 1956,20. 15 O L G Düsseldorf HVR Nr. 106; O L G Hamm HVR Nr. 128; O L G Köln BB 1972, 467. 16 O L G Bamberg BB 1979, 1000; OLG Celle VW 1971,1261; O L G Nürnberg MDR 1959, 929; BB 1963,203; LAG BW VW 1970, 57; BB 1970, 710. 17 BGH BB I960, 574; VersR 1993, 742; OLG Stuttgart BB 1960, 956.
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B G H VersR 1960, 707; DB 1982, 1269; O L G Karlsruhe BB 1977, 1672; O L G Köln VersR 1970, 809; LG Stuttgart VW 1970, 814. ^ O L G Düsseldorf VW 1978, 144; O L G Frankfurt/M. DB 1967, 329; OLG Karlsruhe HVR Nr. 495; LG Duisburg HVR Nr. 103; LG Essen HVR Nr. 27.
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§89 a
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
B B 1988, 12). Verlangt der Unternehmer von dem Handelsvertreter bestimmte Mitteilungen, ohne eine Frist zu setzen, so kann er nicht alsbald wegen behaupteter Untätigkeit kündigen ( O L G Düsseldorf H V R Nr. 538). Beleidigungen und andere S t r a f t a t e n , die der Handelsvertreter begeht, können eine fristlose Kündigung rechtfertigen. 2 0 Dies ist auch anzunehmen, wenn der Handelsvertreter mehr Bestellungen notiert, als die Kunden in Auftrag gegeben haben ( B G H D B 1981, 987), oder wenn er das Ansehen des Unternehmers untergräbt ( O L G Nürnberg VersR 1968, 298). Bei Beleidigungen kann es darauf ankommen, ob sie absichtlich oder in starker Erregung erklärt werden ( B G H VersR 1959, 887).
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U n r e n t a b i l i t ä t und eine dadurch bedingte Betriebseinstellung können für den Unternehmer einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen, da er nicht verpflichtet ist, eine verlustbringende Tätigkeit nur im Interesse des Handelsvertreters fortzuführen. 2 1 Handelt es sich nicht um einen langfristigen Vertrag und waren die Verluste seit langer Zeit vorhersehbar, ist es dem Unternehmer zuzumuten, die bei einer ordentlichen Kündigung einzuhaltende Frist bis zur Beendigung des Vertrags abzuwarten ( B G H N J W 1986, 1931).
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Als sonstige wichtige G r ü n d e für eine fristlose Kündigung kommen in Betracht: berechtigte Beschwerden von Kunden 2 2 , Trunkenheit im Dienst ( O L G Celle VersR 1961, 507), anderweitige Störung des Vertrauensverhältnisses 23 , Verletzung der Aufsichtspflicht über ein Lager 2 4 , unbefugte Benutzung des Firmenwagens ( B G H ZVersWes. 1966, 1061), ohne Wissen des Unternehmers geführte Verhandlungen mit Dritten zwecks Übernahme der Vertretung ( O L G Düsseldorf H V R Nr. 38), nach Lage des Falles die Aufnahme eines Gesellschafters ( B G H V W 1970, 580), Abwerbungsversuche bei Untervertretern ( B G H B B 1977, 1170), unzulässige Teilkündigung durch den Handelsvertreter und entsprechende Nichterfüllung der Pflichten ( B G H H V R Nr. 249), unberechtigte fristlose Kündigung und darauf folgende Arbeitsverweigerung ( O L G Stuttgart D B 1982, 800), Nichteinhaltung der vereinbarten Fortsetzung des Vertrags nach Rücknahme einer ordentlichen Kündigung ( B G H B B 1984, 235). Kein Kündigungsgrund wird hingegen gesetzt, wenn eine Handelsvertretergesellschaft in ein Einzelunternehmen umgewandelt wird und dadurch ein größeres Vertretungsgebiet entsteht, sofern für den vertretenen Unternehmer kein begründeter Anlaß für die Annahme besteht, seine Interessen würden in Zukunft nicht mehr mit der erforderlichen Intensität wahrgenommen ( L G Aachen H V R Nr. 717).
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bb) Auf der anderen Seite stehen auch beim K ü n d i g u n g s r e c h t des Handelsvertreters Vertragsverletzungen des Unternehmers nach der praktischen Bedeutung im Vordergrund. Hier gilt grundsätzlich in gleicher Weise, daß der Handelsvertreter jeweils nach Lage des Falles zunächst versuchen muß, durch Abmahnung seinen Vertragspartner zur Unterlassung der Vertragsverstöße zu veranlassen (Rdn. 13).
23
Vertragsverletzungen kommen in erster Linie bei den Pflichten des U n t e r n e h m e r s in Betracht, die in den §§ 86 a ff geregelt sind. Dies gilt sowohl für eine mangelhafte Unterstützung des Handelsvertreters bei der Ausübung seiner Tätigkeit (§ 86 a) als auch für Verstöße im Zusammenhang mit der Provisionspflicht, etwa durch grundlose Verweigerung eines Vertragsabschlusses mit dem Kunden ( B G H N J W - R R 1992, 481), bei der
24
20 RG JW 1919, 504 m. Anm. Titze; OLG Celle BB
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1963, 711; O L G Hamburg B B I960, 1300; O L G Stuttgart B B 1960, 956. 2 ' RG WarnRspr. 1912 Nr. 121; 1933 Nr. 79; B G H
24
11
R G H V R 1930 Nr. 1035; O L G Nürnberg B B 1960, 956.
OLG Celle BB 1958, 894 m. Anm. v. Lüpke;
O L G Nürnberg H V R Nr. 710.
VersR 1958, 243; L G Bielefeld H V R Nr. 31. O L G Stuttgart B B 1960, 956; vgl. aber B G H H V R N r . 208.
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§89 a
Erstes Buch. Handelsstand
Abrechnung (§ 87 c), der Zahlung bei Fälligkeit (§ 87 a) oder der willkürlichen Vorenthaltung von Provisionen (BGH WM 1974, 867, 870). Auch die unzulässige Verkleinerung des Bezirks kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. 25 Dies ist aber nicht ohne weiteres bei Wegfall eines bedeutenden Kunden und einem dadurch eintretenden Provisionsausfall anzunehmen (BGH DB 1981, 2274). Hingegen stellt der Einsatz eines anderen Handelsvertreters im Bezirk eines Alleinvertreters eine zur Kündigung berechtigende Vertragsverletzung dar (OLG Düsseldorf HVR Nr. 468). 25
Ein Verstoß gegen die Treupflicht liegt vor, wenn der Unternehmer Stammkunden des Handelsvertreters abzuwerben versucht, um sie direkt zu beliefern 26 , oder wenn er den Handelsvertreter dadurch schädigt, daß er dessen Mitarbeiter oder Untervertreter abwirbt. 27 Treuwidrig sind unberechtigte Vorwürfe, der Handelsvertreter habe strafbare Handlungen begangen (OLG Nürnberg BB 1965, 688) oder seine Leistung lasse nach (OLG Karlsruhe HVR Nr. 472). Das gleiche gilt für eine unberechtigte fristlose Kündigung durch den Unternehmer (BGH WM 1974, 867, 870). Ebenso kann die unberechtigte Geltendmachung von Ansprüchen hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit des Handelsvertreters eine Kündigung rechtfertigen (OLG Oldenburg DB 1964, 105).
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Als sonstige Gründe für eine fristlose Kündigung kommen in Betracht die Eröffnung des Vergleichsverfahrens über das Vermögen des Unternehmers (Hopt § 89 a Rdn. 24), dauernde mangelhafte Belieferung von Kunden (RGZ 65, 86, 90) und der Druck, der von dritter Seite auf den Handelsvertreter ausgeübt wird, um das Vertragsverhältnis zu lösen (LG Frankfurt/M. DB 1966, 499). Auch eine von keiner Seite verschuldete vollständige Zerrüttung des Vertragsverhältnisses kann einen Kündigungsgrund darstellen.
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4. Kündigungserklärung Für die Erklärung der fristlosen Kündigung gilt im wesentlichen das gleiche wie zur ordentlichen Kündigung (§ 89 Rdn. 21 ff). Die Erklärung muß allerdings deutlich erkennen lassen, daß es sich um eine fristlose und nicht um eine ordentliche Kündigung handelt. 28 Dies hat nicht zur Folge, daß die Kündigungserklärung zu ihrer Wirksamkeit der Angabe bestimmter Kündigungsgründe bedarf. 29 Da das Gesetz eine derartige Voraussetzung nicht aufstellt, kann die Wirksamkeit der Erklärung nicht davon abhängen. Entscheidend ist allein, daß der Kündigungsgrund objektiv vorliegt. Erweist sich später, daß ein angegebener Grund die Kündigung nicht rechtfertigt, können andere Gründe zur Aufrechterhaltung der früheren Erklärung nachgeschoben werden, die zur Zeit ihres Ausspruchs bereits gegeben waren, selbst wenn der Kündigende sie seinerzeit noch nicht kannte. 30 Entsprechend § 626 Abs. 2 S. 3 BGB muß der Kündigende dem anderen Teil auf dessen Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), schriftlich mitteilen.31 Die Beweislast für das Vorhandensein eines Grundes trägt der Kündigende. 32 25
BGH WM 1971, 561; O L G Stuttgart DB 1982, 800. 26 BGH BB 1959, 720; NJW-RR 1993, 678; 1993, 682. 27 BGH BB 1982, 1626; OLG Düsseldorf HVR Nr. 151; LG Siegen HVR Nr. 238. 28 BGHZ 27, 220, 225 = NJW 1958, 1136, 1137; BGH BB 1961,498. 29 BGHZ 27, 220, 225 = NJW 1958, 1136, 1137; BGHZ 40,13,16 = NJW 1963, 2068,2069; BGH BB 1988, 1771; Hopt § 89 a Rdn. 14; Staub/
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Brüggemann § 89 a Rdn. 16; a.M. O L G Niirnberg HVR Nr. 160; Küstner/v. Manteuffel Bd. 1, Rdn. 1721; Scblegelberger/Schröder § 89 a Rdn. 13. BGHZ 27,220 = NJW 1958, 1136; BGHZ 40,13 = NJW 1963, 2068; vgl. Rdn. 33. LG Köln NJW-RR 1992, 485; Hopt § 89 a Rdn. 14. OLG Karlsruhe DB 1971, 572; VersR 1973, 857 m. Anm. Höft; HVR Nr. 495.
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§89 a
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter 5. Ausschluß des Kündigungsrechts
a) Das Recht einer Partei zur außerordentlichen fristlosen Kündigung kann kraft Gesetzes ausgeschlossen sein. Die Grundlage für einen solchen Ausschluß bildet regelmäßig § 242 B G B , auch wenn in den Entscheidungen der Gerichte häufig bereits bei der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Vertragsverhältnisses und damit beim Begriff des wichtigen Grundes angesetzt wird (Rdn. 9 ff). Dabei ist zu beachten, daß bei der Berufung auf eine vertraglich vereinbarte Möglichkeit zur fristlosen Kündigung (Rdn. 11) ein weit schärferer Prüfungsmaßstab anzulegen ist, als wenn es um das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes im Sinne des Gesetzes geht. 33
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aa) In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß sich eine Partei nach Treu und Glauben unter Umständen nicht vom Vertrag lösen kann, wenn sie selbst vertragsuntreu ist. 34 Bei einem beiderseitigen Vertragsverstoß ist das Kündigungsrecht aber nicht ausgeschlossen, wenn die Gründe in der Person des Vertragspartners so gewichtig sind, daß es dem Kündigenden trotz der eigenen Vertragsverstöße nicht zumutbar ist, noch länger am Vertrag festzuhalten. 35 Dies ist etwa anzunehmen, wenn das Vertrauensverhältnis derart zerrüttet ist, daß ein gedeihliches Zusammenwirken der Parteien nach den gesamten Umständen nicht mehr zu erwarten ist ( O L G Nürnberg B B 1960, 956). Das Mitverschulden des Kündigenden kann aber nach § 254 B G B für den Schadensersatzanspruch aus § 89 a Abs. 2 (Rdn. 39), für den Ausgleichsanspruch nach § 89 b Abs. 3 Nr. 2 und für Wettbewerbsabreden nach § 90 a Abs. 2 und 3 eine Rolle spielen.
29
bb) Das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung kann nach § 242 B G B wegen Verwirkung durch Zeitablauf ausgeschlossen sein. Der Kündigungsberechtigte braucht zwar nicht sofort von seinem Recht Gebrauch zu machen, nachdem er den Kündigungsgrund erfahren hat. Ihm steht vielmehr eine angemessene Frist zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Überlegung zu. 3 6 Die Dauer der Frist ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessen. Die Frist von zwei Wochen, die § 626 Abs. 2 B G B vorschreibt, greift nicht ein (Rdn. 6). Eine Frist von zwei ( B G H B B 1983, 1629, 1630) oder gar vier Monaten ist in aller Regel nicht mehr als angemessen anzusehen ( B G H B B 1992, 1162, 1163). Es sollte sich aber um mehr als drei Tage handeln ( O L G Nürnberg B B 1965, 688). Diese Maßstäbe gelten auch für den Vertragshändlervertrag ( B G H N J W 1994, 722). Wenn die Rechtsprechung teilweise darauf abstellt, das Gewicht eines Kündigungsgrundes nach dem eigenen Verhalten und etwaigen Zuwarten des Kündigenden nach Eintritt des Kündigungsgrundes zu bemessen 37 , oder wenn darin ein konkludenter Verzicht gesehen wird ( O L G Köln B B 1972, 467, 468), kehrt die Verwirkung rechtlich nur in einem anderen Gewände wieder. Ebenso wird ein an sich begründetes Recht zur fristlosen Kündigung verwirkt, wenn der Unternehmer die Kündigungsgründe zunächst nur zum Anlaß nimmt, den Bezirk des Handelsvertreters zu verkleinern, und erst vier Monate später eine hierauf gestützte Kündigung ausspricht ( O L G Nürnberg B B 1963, 447).
30
b) Ein vertraglicher Ausschluß oder eine Beschränkung des Rechts zur außerordent- 3 1 liehen fristlosen Kündigung ist nach § 89 a Abs. 1 S. 2 unzulässig. Diese Regelung der Unabdingbarkeit ist wegen ihrer besonderen Bedeutung ausdrücklich aufgenommen worden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 32). Eine unzulässige Beschränkung kann 33 34
35
BGH BB 1956, 95; 1988, 1771, 1772. BGH BB 1959, 540; HVR Nr. 211; vgl. BGH BB 1981,987. BGHZ 44,271, 275 = NJW 1966,347, 348; BGH BB 1959, 540; VersR 1960, 246.
36
37
BGH BB 1983, 1629, 1630; OLG Bamberg BB 1979, 1000; OLG Nürnberg BB 1960, 956. BGH BB 1983, 1629; OLG München VersR 1957, 97.
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auch darin liegen, daß die Kündigung durch eine Vertragsstrafe und durch den Verfall von Leistungen, die der Kündigende erbracht hat, oder von Provisionsansprüchen, die ihm zustehen, erschwert oder unmöglich gemacht wird, selbst wenn die Vereinbarung noch nicht die Grenze eines Verstoßes gegen die guten Sitten erreicht (LAG Stuttgart BB 1955, 177). Das gleiche kann bei Zahlung von Provisionsvorschüssen über einen längeren Zeitraum angenommen werden, die beim Ausscheiden des Handelsvertreters zu einem hohen RückZahlungsanspruch des Unternehmers führen würden (LG Karlsruhe BB 1990, 1504). Die vertragliche Bestimmung eines wichtigen Grundes ist zulässig, um dem unbestimmten Rechtsbegriff für das Verhältnis der Parteien einen konkreten Inhalt zu geben (Rdn. 11). Gegen § 89 a Abs. 1 S. 2 wird aber verstoßen, wenn das Kündigungsrecht vertraglich auf bestimmte, einzelne Gründe beschränkt werden soll (BGH HVR Nr. 159). Zulässig ist es, vertraglich auf die Geltendmachung eines bereits entstandenen Kündigungsgrundes zu verzichten. Der einseitige Verzicht kann den Einwand der Verwirkung begründen (Rdn. 30). 6. Folgen der Kündigung 32
a) Die außerordentliche fristlose Kündigung führt mit dem Zugang der Erklärung beim Empfänger zur sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses. Es steht dem Kündigenden aber frei, in seiner Erklärung einen späteren Auslauftermin anzugeben, zu dem das Vertragsverhältnis enden soll. Darin liegt nicht ohne weiteres ein Widerspruch zu der mit der Kündigung geltend gemachten Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung.
33
b) Wenn der vom Kündigenden geltend gemachte Kündigungsgrund unberechtigt ist oder wegen seines fehlenden Gewichts die Kündigung nicht trägt, stellt sich die Frage, ob weitere Gründe nachgeschoben werden können. Die grundsätzliche Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen ergibt sich daraus, daß das Gesetz für die Wirksamkeit der Kündigungserklärung nicht voraussetzt, daß bestimmte Gründe angegeben werden (Rdn. 27). Lag ein Kündigungsgrund bereits im Zeitpunkt der ursprünglichen Kündigungserklärung vor, ohne daß sich der Kündigende hierauf berufen hat, kann er den Grund nachschieben, auch wenn er ihn damals noch nicht kannte. 38 Hat der Kündigende aber besondere Gründe angegeben und durfte der Empfänger nach Treu und Glauben annehmen, daß der Kündigende andere ihm bekannte Gründe nicht geltend machen will, kann ein späteres Nachschieben ausgeschlossen sein.39 Wenn der nachgeschobene Kündigungsgrund erst nach der ursprünglichen Kündigung entstanden ist, hält die Rechtsprechung den Vertrag aufgrund der früheren Kündigung in dem späteren Zeitpunkt des Entstehens des nachgeschobenen Grundes für beendet, wenn der neue Grund mit dem früheren in einem inneren Zusammenhang steht. 40 Dieser Auffassung, die der früheren arbeitsrechtlichen Praxis entlehnt wurde, ist nicht zu folgen, da eine fristlose Kündigung nur dann Rechtsfolgen äußern kann, wenn ihre Voraussetzungen in dem Zeitpunkt erfüllt sind, in dem die Erklärung durch Zugang wirksam wird. Eine rückwirkende Heilung gibt es ebensowenig wie eine aufschiebend bedingte Wirksamkeit. Die Kündigung muß nach Eintritt des Kündigungsgrundes wiederholt werden. Diese Neuvornahme kann allerdings auch in der Erklärung liegen, mit der der neue Grund nachgeschoben wird. Zu Recht wird dieser Standpunkt in der Rechtsprechung für den Fall vertreten, daß der nachträglich ent-
38
BGHZ 27, 220, 225 = NJW 1958, 1136, 1137; BGHZ 40,13,16 = NJW 1963,2068, 2069; BGH BB 1961,48.
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BGH BB 1959, 540; O L G Karlsruhe DB 1978, 1396. 40 BGH BB 1954, 647; 1961, 48.
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standene Kündigungsgrund mit dem früher angegebenen Grund nicht in innerem Zusammenhang steht. 4 1 c) Ist eine fristlose Kündigung unwirksam, weil kein wichtiger Grund besteht, kommt eine U m d e u t u n g in eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie beendet das Vertragsverhältnis zum nächstzulässigen Termin, wenn der Kündigende dies bei Kenntnis der Unwirksamkeit in seinen Willen einbezogen hätte. 4 2 Eine ordentliche Kündigung kann aber nicht nachträglich durch das Nachschieben wichtiger Gründe zu einer fristlosen Kündigung umgestaltet werden, da der Empfänger hiermit nicht zu rechnen braucht. 4 3 Insoweit bedarf es einer neuen Kündigungserklärung. In der unbegründeten fristlosen Kündigung kann das Angebot liegen, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen ( O L G München B B 1 9 9 4 , 2 1 6 6 ) .
34
d) D a die fristlose Kündigung das Vertragsverhältnis grundsätzlich mit sofortiger Wirkung beendet, kommt eine R ü c k n a h m e nicht in Betracht. Wird die Kündigung einvernehmlich zurückgenommen, liegt darin der Abschluß eines neuen Vertrags, dem die Parteien unter Umständen Rückwirkung beimessen.
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e) Weitere Folgen einer außerordentlichen fristlosen Kündigung können sich im Hinblick auf den Ausgleichsanspruch nach § 89 b Abs. 3 und eine Wettbewerbsabrede nach § 90 a Abs. 2 und 3 ergeben. Insbesondere kommt ein Schadensersatzanspruch des Kündigenden aus § 89 a Abs. 2 in Betracht (Rdn. 37 ff).
36
IV. Schadensersatzansprüche 1. Allgemeines D e r Kündigende kann nach § 89 a Abs. 2 Ersatz des durch die Aufhebung des Vertragsverhältnisses entstehenden Schadens verlangen, wenn die Kündigung durch ein Verhalten veranlaßt worden ist, das der andere Teil zu vertreten hat. Damit regelt das Gesetz nur den Fall der berechtigten fristlosen Kündigung, die den Vertrag beendet. Erleidet der andere Vertragsteil infolge einer unberechtigten fristlosen Kündigung einen Schaden, ist der Kündigende aus positiver Vertragsverletzung zum Ersatz verpflichtet ( B G H N J W 1967, 248, 250). Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen kann auf der Grundlage des § 242 B G B durch einen Auskunftsanspruch vorbereitet werden ( B G H Z 44, 271, 273 = N J W 1966, 347). D e r Auskunftsanspruch erstreckt sich nicht auf Provisionen, die der Handelsvertreter durch Verstoß gegen eine Wettbewerbsabrede erzielt hat, weil insoweit mangels Anwendbarkeit des § 6 1 ( B G H N J W - R R 1987, 1114, 1115) keine Herausgabepflicht besteht ( B G H B B 1964, 283). Einem Auskunftsanspruch des Handelsvertreters kann der Unternehmer nicht nach § 273 B G B einen eigenen Anspruch auf Auskunft darüber entgegensetzen, ob der Handelsvertreter seine Arbeitskraft anderweitig verwendet hat, weil dies lediglich ein Posten der Schadensberechnung, nicht aber ein selbständiger Anspruch ist ( B G H M D R 1978, 467).
41
B G H B B 1961, 48; vgl. B G H B B 1961, 498.
42
O L G Karlsruhe D B 1971, 572; O L G Stuttgart BB 1960, 956; L G Duisburg H V R Nr. 103; vgl. § 89 Rdn. 29.
43
O L G Nürnberg B B 1957, 561; vgl. L G Bamberg H V R Nr. 88.
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2. Schadensersatz wegen berechtigter fristloser K ü n d i g u n g 38
a) Die Regelung des § 89 a Abs. 2 verlangt an Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch zunächst eine Kündigung. Damit ist eine berechtigte fristlose Kündigung des einen oder des anderen Vertragsteils gemeint. Die Vorschrift wird entsprechend auf den Fall angewendet, daß die Parteien das Vertragsverhältnis einvernehmlich aufheben, sofern darin kein Verzicht des Kündigungsberechtigten auf seine Schadensersatzansprüche zu sehen ist. 44 Das gleiche ist anzunehmen, wenn der Kündigungsberechtigte aus Entgegenkommen statt der fristlosen eine ordentliche Kündigung ausspricht. Die Kündigung muß durch ein Verhalten veranlaßt sein, das der andere Teil zu vertreten hat. Dies entspricht dem vertragswidrigen Verhalten des § 628 Abs. 2 B G B , der als Vorbild gedient hat (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 32). Das Verhalten des anderen Teils muß kausal für die Kündigung gewesen sein. Das Verschulden ist nach den §§ 276,278 B G B zu beurteilen, so daß Fahrlässigkeit ausreicht ( B G H VersR 1972, 1045).
39
b) Die Rechtsfolgen bestehen in der Verpflichtung des Gekündigten, dem anderen Teil den durch die Aufhebung des Vertragsverhältnisses entstehenden Schaden zu ersetzen. Der Umfang der Schadensersatzpflicht richtet sich nach den §§ 249 ff B G B . Der Kündigende ist so zu stellen, als hätte er nicht fristlos zu kündigen brauchen ( B G H WM 1970, 1513). Der Schadensersatzanspruch beschränkt sich auf den Zeitraum bis zum von vornherein vereinbarten oder durch ordentliche Kündigung herbeizuführenden Vertragsende ( B G H N J W 1993,1386). Dies umfaßt auch einen entgangenen Gewinn, der bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist zu erzielen gewesen wäre ( B G H BB 1964, 283). Hierbei kommt eine Vorteilsanrechnung in Betracht. Der kündigende Handelsvertreter braucht sich aber Einnahmen, die er aus einer nach der Kündigung neu übernommenen Vertretung erzielt, nicht anrechnen zu lassen, wenn er nur Arbeitskapazitäten ausnutzt, die im Zeitpunkt der Kündigung noch frei sind ( B G H D B 1984, 2137). Bei der Geltendmachung des entgangenen Gewinns ergeben sich Darlegungs- und Beweiserleichterungen aus § 252 S. 2 B G B und § 287 Abs. 2 Z P O ( B G H BB 1989, 2428). Kann hiernach vermutet werden, daß dieser Gewinn gemacht worden wäre, dann obliegt dem Unternehmer der Beweis, daß dies nach dem späteren Verlauf oder aus anderen Gründen doch nicht der Fall gewesen wäre ( B G H WM 1986, 622, 623). Aus § 254 Abs. 2 B G B kann sich für den Handelsvertreter die Pflicht ergeben, durch Aufnahme einer neuen Tätigkeit den Schaden zu mindern ( B G H D B 1984, 2137, 2138). Die Vorschrift des §254 B G B mit der Folge einer Schuld- und Schadensteilung ist aber grundsätzlich nicht anzuwenden, wenn auch der andere Teil fristlos hätte kündigen können. In diesem Fall steht dem Kündigenden kein Schadensersatzanspruch zu, weil es Treu und Glauben widersprechen würde, den Empfänger der Kündigung schlechter zu stellen, wenn er von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. 45 Ebensowenig läßt sich in dem Ausspruch der Kündigung eine schuldhafte Mitverursachung des Schadens sehen. Die Voraussetzungen des § 254 B G B sind nur dann erfüllt, wenn der Kündigende zuvor durch ein eigenes schuldhaftes Verhalten für den anderen Teil den Anlaß zu dessen Vertragsverletzung gegeben hat ( B G H Z 44, 271, 277 = N J W 1966, 347, 348). Ein Unterlassungsanspruch aufgrund eines für die Dauer des Handelsvertreterverhältnisses vereinbarten Wettbewerbsverbots kann nach Vertragsbeendigung nicht auf einen Schadensersatzanspruch aus § 89 a Abs. 2 gestützt werden, da ein nicht mehr bestehender Erfüllungsanspruch geltend gemacht wird ( L G Krefeld NJW-RR 1988, 1063). 44
B G H Z 44, 271, 274 = N J W 1966, 347; B G H BB 1964, 283; N J W 1982, 2432 zum Vertragshandler; einschr Schlegelberger/Schröder § 89 a Rdn. 22 b.
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B G H Z 44, 271, 277 = N J W 1966, 347, 348 m. Anm. Grunsky J Z 1966, 274.
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3. Schadensersatz wegen unberechtigter fristloser Kündigung Erleidet eine Vertragspartei infolge einer unberechtigten fristlosen Kündigung des 4 0 anderen Teils einen Schaden, ist § 89 a Abs. 2 unanwendbar. Ein solches Verhalten stellt jedoch eine positive Vertragsverletzung dar, das den Kündigenden bei Verschulden nach allgemeinen Grundsätzen entsprechend den §§ 325, 326 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. 46 Das Verschulden ist nach den §§ 276, 278 BGB zu beurteilen. Der Umfang der Schadensersatzpflicht richtet sich nach den §§ 249 ff BGB. Der Anspruch hat deshalb regelmäßig den U m f a n g wie der Vergütungsanspruch bei tatsächlich erbrachten Leistungen (OLG Köln H V R Nr. 718). Zu ersetzen sind vor allem der entgangene Gewinn bzw. entgangene Provisionen abzüglich der ersparten Aufwendungen. Der Schadensersatz kann einen entgangenen höheren Ausgleich i.S. des § 89 b umfassen (BGHZ 53, 150 = N J W 1970, 467). Die Regelung des § 254 BGB ist anwendbar, wenn der andere Vertragsteil durch sein Verhalten schuldhaft Anlaß zu der unberechtigten Kündigung gegeben hat. 47 Widerspricht der Handelsvertreter der unberechtigten Kündigung in eindeutiger Weise und setzt er den Unternehmer in Annahmeverzug, steht ihm ein Vergütungsanspruch nach § 615 BGB zu, so daß auch § 254 BGB nicht anwendbar ist (BGH N J W 1967, 248, 250). Hierbei muß sich der Handelsvertreter anrechnen lassen, was er infolge anderweitiger Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt (OLG Düsseldorf DB 1972, 181).
§ 89 b (1) Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit 1. der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat, 2. der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte, und 3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht. Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht. (2) Der Ausgleich beträgt höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgebend. (3) Der Anspruch besteht nicht, wenn 1. der Handelsvertreter das Vertrags Verhältnis gekündigt hat, es sei denn, daß ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlaß gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann, oder
46
BGH N J W 1967, 248; BB 1979, 242; O L G Karlsruhe DB 1978, 1396.
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B G H N J W 1967, 248; BB 1979, 242.
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der U n t e r n e h m e r das V e r t r a g s v e r h ä l t n i s g e k ü n d i g t h a t u n d f ü r die K ü n d i g u n g ein w i c h t i g e r G r u n d w e g e n s c h u l d h a f t e n V e r h a l t e n s des H a n d e l s v e r t r e t e r s v o r l a g o d e r
3. a u f G r u n d e i n e r V e r e i n b a r u n g z w i s c h e n d e m U n t e r n e h m e r u n d d e m H a n d e l s v e r t r e t e r ein D r i t t e r anstelle des H a n d e l s v e r t r e t e r s in das V e r t r a g s v e r h ä l t n i s e i n t r i t t ; die V e r e i n b a r u n g k a n n n i c h t v o r B e e n d i g u n g des V e r t r a g s v e r h ä l t n i s s e s g e t r o f f e n werden. (4) D e r A n s p r u c h k a n n i m v o r a u s n i c h t ausgeschlossen w e r d e n . E r ist i n n e r h a l b eines J a h r e s n a c h B e e n d i g u n g des V e r t r a g s Verhältnisses geltend z u m a c h e n . (5) Die A b s ä t z e 1, 3 u n d 4 gelten f ü r V e r s i c h e r u n g s v e r t r e t e r m i t der M a ß g a b e , d a ß a n die Stelle d e r G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g m i t n e u e n K u n d e n , die der H a n d e l s v e r t r e t e r g e w o r b e n h a t , die V e r m i t t l u n g n e u e r V e r s i c h e r u n g s v e r t r ä g e d u r c h den V e r s i c h e r u n g s v e r t r e t e r t r i t t u n d der V e r m i t t l u n g eines V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g e s es gleichsteht, w e n n der V e r s i c h e r u n g s v e r t r e t e r einen b e s t e h e n d e n V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g s o w e s e n t lich e r w e i t e r t h a t , d a ß dies w i r t s c h a f t l i c h der V e r m i t t l u n g eines n e u e n V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g e s e n t s p r i c h t . D e r A u s g l e i c h des V e r s i c h e r u n g s v e r t r e t e r s b e t r ä g t a b w e i c h e n d v o n A b s a t z 2 h ö c h s t e n s drei J a h r e s p r o v i s i o n e n o d e r J a h r e s v e r g ü t u n g e n . D i e V o r s c h r i f t e n der S ä t z e 1 u n d 2 gelten s i n n g e m ä ß f ü r B a u s p a r k a s s e n v e r t r e t e r .
S c h r i f t t u m Ahle Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Rücknahme einer zeitweilig übertragenen Zusatzvertretung, D B 1962, 1069; ders. Vorwegerfüllung des Ausgleichsanspruchs der Handelsvertreter, D B 1962, 1329; den. Probleme beim Ausgleichsanspruch nach § 89 b H G B bei Handelsvertretungen durch juristische Personen oder Personengesamtheiten, D B 1963, 227; ders. Der Ausgleichsanspruch nach § 89 b H G B bei Vertretung von Anlagegütern, D B 1963, 1703; ders. Provision und Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Einsatz eines Nachfolgers, D B 1964, 611; Bamberger Zur Frage des Ausgleichsanspruchs, insbesondere der Provisionsverluste des Handelsvertreters bei einer Vertriebsumstellung des Unternehmers, N J W 1984, 2670; ders. Zur Frage der entsprechenden Anwendung des § 89 b H G B auf den Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers, N J W 1985, 33; Baudenbacher Zum Kundschaftsentschädigungsanspruch des Agenten im schweizerischen Recht - Rechtsvergleichende Betrachtungen unter Berücksichtigung des deutschen Rechts, J Z 1989, 919; Bechtold Ausgleichsansprüche für Eigenhändler, dargestellt am Beispiel des Automobilvertriebs, N J W 1983, 1393; ders. Rechtstatsachen zum Ausgleichsanspruch des Automobil-Händlers, B B 1984, 1262; v. Brunn Ausgleichsansprüche bei Eigenhändlerverträgen, D B 1961, 429; Brych Ausgleichsanspruch bei jedweder Art von Eigenkündigung? B B 1992, 8; Eberstein Bemerkungen zu den Urteilen des Bundesgerichtshofes zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, B B 1967, 663; ders. Vorauserfüllung oder Überwälzung des Handelsvertreter-Ausgleichsanspruchs durch vertragliche Regelung, B B 1971, 200; Eckert Die analoge Anwendung des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b H G B auf Vertragshändler und Franchisenehmer, W M 1991, 1237; Ekkenga Ausgleichsanspruch analog § 89 b H G B und Ertragswertmethode. Versuch einer Neuorientierung, A G 1992, 345; Felix Betriebsaufgabe und Ausgleichsansprüche der Handelsvertreter nach § 89 b H G B , B B 1987, 870; Finger Die Stellung des Vertragshändlers bei Beendigung des Vertrages, D B 1970, 141; Foth Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers, 1985; ders. Der Investitionsersatzanspruch des Vertragshändlers, B B 1987, 1270; ders. Neue Kehrtwende der Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers in der Kraftfahrzeugbranche? B B 1987, 1686; Fritz Die Geltendmachung des Ausgleichanspruchs des Handelsvertreters nach § 89 b H G B , N J W 1960, 1653; Gaedertz Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von Markenartikeln, M A 1958, 464; Geilhardt Ausgleichsansprüche der Handelsvertreter und Pensionszusagen, D B 1958,1436; Geßler Zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, B B 1957, 1164; Glaser Steht dem Erben des Handelsvertreters ein Ausgleichsanspruch zu? D B 1955, 1081; ders. Steht dem Generalvertreter ein Ausgleichsanspruch zu? D B 1957, 1173; Görres Der Ausgleichsanspruch der Erben des Handelsvertreters, D B 1955, 681; Grothus Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern der Markenartikelindustrie, M A 1957, 198; Günther Zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, B B 1957, 1058; Haas Wegfall des HandelsvertreterAusgleichsanspruchs gemäß § 89 b Abs. 3 Nr. 1 H G B bei Eigenkündigung ohne besonderen Anlaß 694
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verfassungswidrig? BB 1991, 1441; ders. Noch einmal: Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters auch bei Eigenkündigung? BB 1992, 941; Habscheid Das Ausgleichsrecht des Handelsvertreters, FS Schmidt/Rimpler, 1957, S. 335; Heissmann Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters und Pensionszusage, DB 1967, 395; Hepting/Detzer Die Abdingbarkeit des Ausgleichsanspruchs ausländischer Handelsvertreter und Vertragshändler, insbesondere durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, RIW 1989, 337; Hiekel Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters und des Vertragshändlers, 1985; Höft Ausgleichspflichtiger Provisionsverlust der Versicherungs-(Bausparkassen-) Vertreter (§ 89 b 12 HGB), VersR 1966,104; ders. Ausgleichsanspruch (§ 89 b HGB) der Versicherungs- und Bausparkassenvertreter für künftig zustande kommende Verträge? VersR 1967, 524; ders. Nochmals: Kein Ausgleichsanspruch (§ 89 b HGB) des Versicherungsvertreters für Inkassound sonstige Verwaltungsprovisionen, VersR 1970, 97; Hohn Wirtschaftliche Anspruchsfaktoren beim Ausscheiden des Handelsvertreters, BB 1972, 521; Hollmann Zum Ausgleichsanspruch des Automobil-Vertragshändlers nach § 89 b HGB, BB 1985, 1023; Horn Zum Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers: Kundenstamm und werbende Tätigkeit, ZIP 1988, 137; Kiethe/Fruhmann Probleme des Ausgleichsanspruchs bei Verträgen mit osteuropäischen Handelsvertretern und Vertragshändlern, WiRO 1993, 418; Klinger Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs der Handelsvertreter, DB 1957, 925; ders. Ausgleichsansprüche der Handelsvertreter und Pensionszusagen, DB 1958,1192; Koch Zur Beweislast beim Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, DB 1957, 423; Köhler Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers: Bestehen, Bemessung, Abwälzung, NJW 1990, 1689; Konow Steht dem Erben eines Handelsvertreters, der nach der Kündigung, aber vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses gestorben ist, ein Ausgleichsanspruch zu? NJW 1960, 1655; Kraatz Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung, WM 1982, 498; Kreifeis/Lang Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers, NJW 1970, 1769; Kroitzsch Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers und seine kartellrechtlichen Grenzen, BB 1977, 1631; Küstner Berücksichtigung ersparter Unkosten beim Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, BB 1962, 432; ders. Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB, NJW 1969, 769; ders. Neue Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89 b HGB, BB 1972, 1300; ders. Der Ausgleichsanspruch des Krankenversicherungsvertreters, BB 1975,493; ders. Neufassung des § 89 b Abs. 3 HGB bei altersoder krankheitsbedingter Eigenkündigung des Handelsvertreters, BB 1976, 630; ders. Zum Einfluß des Betriebsrentengesetzes auf die Ausgleichsberechtigung des Handelsvertreters (§ 89 b HGB), BB 1976, 1485; ders. Probleme des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB und seiner Berechnung bei Bausparkassenvertretern, BB 1981, Beil. 12; ders./v. Manteuffel Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2: Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, 5. Aufl. 1988; dies. Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Vertragshändlers, BB 1988,1972; dies. Gedanken zu dem neuen Ausgleichs-Ausschlußtatbestand gem. § 89 b Abs. 3 Nr. 3 HGB, BB 1990, 1713; Kuther Steht den Erben eines Handelsvertreters bei Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Tod des Handelsvertreters ein Ausgleichsanspruch zu? Diss. Frankfurt 1960; Laber Eigenkündigung des Handelsvertreters: Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses des Ausgleichsanspruchs, DB 1994, 1275; Laum Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, BB 1967, 1359; Leuze Entsteht beim Tode des Handelsvertreters ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB? 1955; Lutz Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters und Pensionszusage - Nichtaktivierung der Pensionsansprüche Selbständiger und Pflicht zur Rückstellungsbildung im Unternehmen, DB 1989,2345; Maier Kündigung eines Handelsvertreters wegen Alters oder Krankheit, BB 1978, 940; ders./Paetzold Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers nach deutschem und schweizerischem Recht, 1988; Martin Gesetzlicher Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters und vertragliche Versorgungszusagen, DB 1966, 1837; ders. Offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften als Versicherungsvertreter, VersR 1967, 824; ders. Ausgleichsanspruch (§ 89 b HGB) des Versicherungsvertreters und Wettbewerb zum Nachteil des Unternehmers, VersR 1968,117; ders. Zum Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters, VersR 1970, 796; Matthies Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei kurzer Vertragsdauer, DB 1986, 2063; Meyer Ausgleichsansprüche nach § 89 b HGB beim Vertrieb langlebiger Wirtschaftsgüter, BB 1970, 780; Moritz Zum Wegfall des Ausgleichsanspruchs bei Kündigung durch den Handelsvertreter, DB 1987, 875; Müller-Stein Ausgleichsanspruch gem. § 89 b HGB nach Bestandsübertragungen aufgrund erteilter Makleraufträge? VersR 1990, 561; Neflin Der Industriepropagandist in handels- und steuerrechtlicher Sicht, DB 1961, 833; ders. Sonnenschein/Weitemeyer
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Vorwegerfüllung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters, D B 1962, 1531; Neubeck Nicht entstandener Ausgleichsanspruch nach § 89 b H G B und verdeckte Gewinnausschüttung, BB 1988, 247; Neuburger/Gaa Ausgleichsanspruch und Pensionsanspruch des Handelsvertreters, BB 1968, Beil. 10; Nies Kann einem Eigenhändler der Ausgleichsanspruch des § 89 b H G B zustehen? M D R 1961, 556; Nipperdey Handelsvertreter und Eigen(Vertrags)-Händler. Der Ausgleichsanspruch des § 89 b H G B , FS Hedemann, 1958, S. 207; Noetzel Der Billigkeitsgedanke beim Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, N J W 1958, 1325; ders. Die eigene Kündigung eines Handelsvertreters und sein gesetzlicher Ausgleichsanspruch, D B 1993, 1557; Ordemann Der „Generalvertreter" und sein Ausgleichsanspruch, BB 1964, 1323; Oswald Wie wird der Ausgleich des Handelsvertreters gemäß § 89 b H G B errechnet? VersR 1979, 509; Rau Verbindung von Ausgleichsanspruch und Pensionszusage bei Handelsvertretern, BB 1967, 403; v. Ramdohr Nochmals: Ausgleichsansprüche der Witwe eines Handelsvertreters? G m b H - R d s c h . 1956, 128; Retzer Verfassungsmäßigkeit des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 H G B ? Ausschluß des Ausgleichsanspruchs bei Eigenkündigung des Handelsvertreters? BB 1993, 668; ders. Verfassungsmäßigkeit des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 H G B ? Ergänzung zu BB 1993, 668, BB 1993, 963; Risse Zum Ausgleichsanspruch der Handelsvertreter, BB 1957, 669; Rössler Z u r Verbindung von Ausgleichsansprüchen und Pensionszusagen an Handelsvertreter, D B 1958, 752; Sandrock Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers: der B G H auf den Spuren von Odysseus, FS Fischer, 1979, S. 657; Schief elbein/Höft Beschränkung des ausgleichsberechtigten Erbenkreises für den Fall des Todes des Versicherungsvertreters? VersR 1965, 552; Schlechtriem Ausgleichsansprüche des Hauptvertreters, BB 1971, 1540; Schmalzt Wie wird der Ausgleich des Handelsvertreters gemäß § 89 b H G B errechnet? VersR 1979, 509; H.W. Schmidt Frist zur Geltendmachung des Ausgleichsanspruches des Handelsvertreters, BB 1965, 732; K. Schmidt Kundenstammüberlassung und „Sogwirkung der Marke": taugliche Kriterien f ü r den Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers? D B 1979, 2357; Schneider Die Bemessungsumstände für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gemäß § 89 b H G B , JurBüro 1968, 569; ders. Der Verzinsungsbeginn bei Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, D B 1968, 1613; ders. Die Billigkeit beim Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters (§ 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB), M D R 1970, 976; Schnitzler Zur Vorausregelung des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b H G B , M D R 1958, 556; Schröder Änderung der Vertragsbedingungen und Ausgleichsanspruch im Handelsvertreterverhältnis, D B 1958, 975; ders. Kundenschutz und Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, BB 1962, 738; ders. Zweifelsfragen im Ausgleichsrecht der Handelsvertreter, D B 1962, 895; ders. Wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Ausgleichszahlung? D B 1964, 323; ders. Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs der Versicherungs-(Bausparkassen)Vertreter, FS Nipperdey, 1965, S. 715; ders. Zum Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers, D B 1966, 449; ders. Rechtsgeschäftliche A b w e n d u n g des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b H G B ? DB 1967, 1303; ders. Ausgleichsanspruch nach § 89 b H G B bei Veräußerung und Stillegung des vertretenen Unternehmens, DB 1967, 2015; ders. Abwälzung des Ausgleichsanspruchs auf den Nachfolger des ausgeschiedenen Handelsvertreters, D B 1969, 291; ders. Z u m Begriff der Unternehmervorteile beim Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89 b H G B , D B 1973, 217; ders. Wichtige Gesetzesänderungen im Ausgleichsrecht der Handelsvertreter (§ 89 b HGB), D B 1976, 1269; ders. Zum Begriff „Unternehmervorteile" im Ausgleichsrecht nach § 89 b Abs. 1 Nr. 1 H G B , D B 1976, 1897; Schuler Ausgleichsansprüche bei Beendigung des Handelsvertretervertrages, JR 1957, 44; ders. Der B G H und der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, JR 1958, 94; ders. Die Bemessung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters, N J W 1958, 1113; ders. Z u m Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers und des Handelsvertreters, N J W 1961, 758; Sieg Die Kündigung des Handelsvertretervertrages im Blickpunkt des Ausgleichsanspruchs, A G 1964, 293; ders. Rechtsnatur des Ausgleichsanspruchs des Versicherungsvertreters und Folgerungen hieraus, VersR 1964, 789; ders. Einfluß des Wegfalls der Altersversorgung auf den festgestellten Ausgleichsanspruch, VersR 1968, 105; Stötter Das Verbot des rechtsgeschäftlichen Ausschlusses des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b IV H G B , D B 1971, 709; ders. Vorwegerfüllung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters, BB 1972, 1036; Stumpf/Hesse Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers, BB 1987, 1474; ders./Zimmermann Z u den Voraussetzungen des Anspruchs des Vertragshändlers auf Zahlung eines Ausgleichs, BB 1978, 429; Tbume Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters. Ausgewählte Probleme in der neueren Rechtsprechung, BB 1990, 1645; ders. Der neue Ausgleichs-Ausschlußtatbestand nach § 89 b Abs. 3 Nr. 3 H G B , BB 1991, 490; Veith Z u m Ausgleichsanspruch eines Tankstelleninhabers 696
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nach § 89 b HGB, DB 1965, 65; Veltins Zur analogen Anwendung von § 89 b HGB auf den Ausgleichsanspruch des Eigenhändlers, NJW 1984, 2063; Waldner Zur Verbindung von Ausgleichsansprüchen und Pensionszusagen an Handelsvertreter, DB 1958, 579; Weber Das Verhältnis von Ausgleichs- und Entschädigungsanspruch im Handelsvertreterrecht, BB 1961, 1220; Werner/ Machunsky Probleme und Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs des Vertragshändlers, BB 1983, 338; Graf v. Westpbalen Die analoge Anwendbarkeit von § 89 b HGB auf Vertragshändler unter besonderer Berücksichtigung spezifischer Gestaltungen der Kfz-Branche, DB 1984, Beil. 24; ders. Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers in der Kfz-Branche gemäß § 89 b HGB analog unter Berücksichtigung der neuesten BGH-Judikatur, DB 1988, Beil. 8; Wiegand Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei nicht vom Unternehmer veranlaßter Eigenkündigung, BB 1964, 375; Wittmann Ausgleichsanspruch eines Tankstellenpächters, BB 1965, 472; Wolff Auskunftsrecht des Handelsvertreters zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs, BB 1978, 1246. Übersicht
I. Allgemeines 1. Überblick 2. Entstehung 3. Zweck II. Geltungsbereich 1. Handelsvertreter 2. Vertragshändler 3. Kommissionsagent 4. Sonstige Rechtsverhältnisse 5. Erben des Handelsvertreters III. Beendigung des Vertragsverhältnisses als allgemeine Voraussetzung 1. Beendigung 2. Nichtiges Vertragsverhältnis IV. Regelung des Ausgleichsanspruchs im einzelnen 1. Grundsatz 2. Voraussetzungen a) Erhebliche Vorteile auf Seiten des Unternehmers b) Verlust von Provisionsansprüchen auf seiten des Handelsvertreters . . .
Rdn. 1 1 2 3 6 6 8 10 11 12 15 15 20 21 21 22 22 35
c) Billigkeit 3. Rechtsfolgen 4. Prozessuales Gesetzlicher Ausschluß des Ausgleichsanspruchs 1. Grundsatz 2. Regelung im einzelnen a) Eigenkündigung des Handelsvertreters b) Kündigung des Unternehmers aus wichtigem Grund c) Vertragsübernahme d) Untervertretung VI. Besondere gesetzliche Anforderungen . . 1. Unabdingbarkeit 2. Frist zur Geltendmachung des Anspruchs 3. Verwirkung des Anspruchs VII. Besonderheiten für Versicherungs- und Bausparkassenvertreter 1. Grundsatz 2. Regelung im einzelnen
Rdn. 42 69 79 80 80 81 81 89 95 96 97 97 100 103 104 104 106
I. Allgemeines 1. Überblick Die Regelung des § 89 b räumt dem Handelsvertreter nach Beendigung des 1 Vertragsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf angemessenen Ausgleich ein. Hierfür kommt es nach Abs. 1 auf die Vorteile an, die der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit den vom Handelsvertreter neu geworbenen Kunden oder aus der wesentlichen Erweiterung der Geschäftsverbindung mit früheren Kunden weiterhin hat. Ferner sind die Nachteile entscheidend, die der Handelsvertreter durch den Verlust möglicher Provisionen aus Geschäften mit diesen Kunden erleidet. Schließlich muß die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entsprechen. Der Ausgleich wird nach Abs. 2 grundsätzlich nach dem Durchschnitt der Jahresprovision aus den letzten fünf Jahren der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnet. Nach Abs. 3 wird der Anspruch in bestimmten Fällen ausgeschlossen, in denen das Gesetz nach dem G r u n d f ü r die Beendigung des Vertragsverhältnisses unterscheidet. Abs. 4 erklärt den Anspruch f ü r unabdingbar und befristet seine Geltendmachung. In Abs. 5 wird Sonnenschein/Weitemeyer
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die Regelung des Ausgleichs den besonderen Verhältnissen in der Versicherungswirtschaft und im Bausparkassenwesen angepaßt. 2. Entstehung 2
Die Vorschrift war in der ursprünglichen Fassung des H G B nicht enthalten. Sie ist durch das Änderungsgesetz von 1953 eingefügt worden (Vorbem. Rdn. 4). Der Gesetzgeber folgte damit Vorbildern aus dem österreichischen und schweizerischen Recht sowie früheren deutschen Entwürfen, wich aber im einzelnen erheblich von diesen Vorlagen ab (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 33 ff). Noch im Gesetzgebungsverfahren wurde der Regierungsentwurf in wesentlichen Punkten geändert. 1 Durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten und den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters vom 13. 5. 1976 (BGBl. I 1197) erhielt § 89 b Abs. 3 eine neue Fassung, um die in der Praxis aufgetretenen unbefriedigenden Ergebnisse für einen Handelsvertreter zu vermeiden, der das Vertragsverhältnis aus Krankheits- oder Altersgründen beenden will (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 7/3918, S. 7). Aufgrund der Richtlinie zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter von 1986 (Vorbem. Rdn. 5) sind die Bestimmungen in § 89 b Abs. 3 - 5 durch das Gesetz zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter von 1989 (Vorbem. Rdn. 5) weitgehend neugefaßt worden. Dabei ist der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 11/4559, S. 5 f, 9 f) vom Regierungsentwurf (BT-Drucks. 11/3077, S. 4) im einzelnen noch teilweise abgewichen. 3. Zweck
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a) Durch die Vorschrift sollen Belange des Handelsvertreters gewahrt werden, die in der ursprünglichen Fassung des HGB unberücksichtigt geblieben waren. Sie bezweckt einen Ausgleich der Nachteile, die der Handelsvertreter durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet. Für ihn kann in der Beendigung eine besondere Härte liegen, wenn der Kundenstamm, den er in die Vertretung eingebracht oder später gewonnen hat, bei dem Unternehmer verbleibt. Das gleiche gilt, wenn es dem Handelsvertreter gelungen ist, die Geschäftsbeziehungen mit Altkunden des Unternehmers zu erweitern. Für den Handelsvertreter ist es die entscheidende Grundlage seiner Arbeit und seines Erfolges, einen Kundenstamm zu schaffen und zu erhalten. Der Verlust hat für ihn eine erhebliche wirtschaftliche Einbuße zur Folge. Auf der anderen Seite erwächst daraus dem Unternehmer ein Vorteil. Er kann weiterhin aus den Geschäften mit den bei ihm verbliebenen Kunden wirtschaftlichen Gewinn ziehen, indem er seinen normalen Unternehmergewinn erzielt und zudem die Provision des Handelsvertreters für Nachbestellungen aus § 87 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 einspart.2 Beherrschend für die gesamte Regelung ist damit der Gedanke des angemessenen Ausgleichs nach Maßgabe der Billigkeit.3 Auch durch das Änderungsgesetz von 1989 (Rdn. 2) sollten der Rechtscharakter des Ausgleichsanspruchs als eines von Billigkeitsgründen bestimmten Vergütungsanspruchs und die wesentlichen Grundzüge der Regelung unberührt bleiben. Der Gesetzgeber hat sich bei der durch Art. 17 der EGRichtlinie (Vorbem. Rdn. 5) eröffneten Möglichkeit, zwischen dem bisherigen Ausgleichssystem und dem französischen Entschädigungssystems zu wählen, für die Beibehaltung des Ausgleichssystems entschieden (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 11/3077, S. 9). 1
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Ausschußbericht, BT-Drucks. 1/4604, S. 9; Sten.Ber., Bd. 17, S. 14206, 14207 f. Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 33, 35;
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Ausschußbericht, Sten.Ber., Bd. 17, S. 14206, 14207. BGH DB 1960, 1305; NJW 1983, 1789.
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b) Seinem Zweck entsprechend führt der Ausgleichsanspruch dazu, daß der Handels- 4 Vertreter für einen auf seiner Tätigkeit und Leistung beruhenden Vorteil, der in der Schaffung des Kundenstamms für den Unternehmer liegt, der ihm aber infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr durch laufende Provisionen vergütet wird, eine Gegenleistung erhält.4 Seiner Rechtsnatur nach ist der Ausgleichsanspruch deshalb im Grunde ein vertraglicher Vergütungsanspruch 5 , nicht aber ein gesetzlicher Anspruch auf Schadensersatz etwa wegen einer zu mißbilligenden Kündigung durch den Unternehmer oder ein Bereicherungsanspruch. 6 Ebensowenig handelt es sich um einen Versorgungsanspruch für den Handelsvertreter (BGH NJW 1958, 1966, 1967). Da der Anspruch in seiner Entstehung und Bemessung weitgehend durch Gesichtspunkte der Billigkeit beeinflußt wird, ist er allerdings kein reiner Vergütungsanspruch (BGHZ 24, 214, 222 = NJW 1957, 1029, 1031). Als zukünftiger Anspruch kann er schon vor Beendigung des Vertragsverhältnisses abgetreten und gepfändet werden. 7 Für die Berechnung des Vermögenswerts beim Zugewinnausgleich handelt es sich aber nur um eine Erwerbschance, die vor Vertragsbeendigung nicht zu berücksichtigen ist (BGH NJW 1977, 949, 950). Die Annahme eines bedingten Anspruchs kommt deshalb nicht in Betracht (a.M. Schlegelberger/Schröder § 89 b Rdn. 21 a). c) Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die Regelung des § 89 b nicht 5 (OLG Frankfurt/M. HVR Nr. 428). Dies galt auch für den Wegfall des Anspruchs nach § 89 b Abs. 3 S. 1 a.F. für den Handelsvertreter, der ohne Grund kündigt. 8 An dieser Beurteilung hat sich durch die Neufassung im Abs. 3 Nr. 1 nichts geändert. 9 Ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung, der gegen Art. 12 GG verstoßen könnte, ist nicht zu erkennen, weil der Handelsvertreter durch den Ausschluß des Ausgleichsanspruchs rechtlich nicht an einer Kündigung gehindert wird. Auch im übrigen kann die Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses eine wirtschaftliche Einbuße zur Folge haben. Vertragliche oder gesetzliche Regelungen dürfen die Beendigung lediglich nicht willkürlich erschweren. Dies ist bei der Regelung des § 89 b Abs. 3 Nr. 1 im Hinblick auf den Billigkeitscharakter, der den Ausgleichsanspruch wesentlich mitprägt, nicht anzunehmen. Auch gegen § 89 b Abs. 3 Nr. 2 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, was schon für die frühere Fassung in Abs. 3 S. 2 verneint wurde (OLG Hamm NJW-RR 1992, 364; O L G München BB 1993, 1835). II. Geltungsbereich 1. Handelsvertreter Der persönliche Geltungsbereich der Vorschrift umfaßt Handelsvertreter i.S. des § 84 6 Abs. 1. Unerheblich ist, in welcher Rechtsform das Unternehmen des Handelsvertreters betrieben wird. Ausgleichsberechtigt sind deshalb nicht nur natürliche Personen, sondern 4
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BGHZ 24, 214, 222 = NJW 1957, 1029, 1031; BGHZ 29, 83, 89 = NJW 1959, 144, 145; BGHZ 30, 98, 101 f = NJW 1959, 1430,1431; BGHZ 41, 292, 997 = NJW 1964, 1622, 1623. BGHZ 41, 292, 296 = NJW 1964, 1622, 1623; OLG Karlsruhe HVR Nr. 480. LG Hamburg MDR 1955, 44; Begr. z. RegE, BTDrucks. 1/3856, S. 33. Schuler NJW 1958, 1113, 1115; Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 6.
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OLG Hamm BB 1987, 1761; a.M. Moritz DB 1987, 875. Brych BB 1992, 8; Laber DB 1994, 1275; Ketter BB 1993, 668; a.M. LG Koblenz BB 1991, 2032; Haas BB 1991, 1441; ders. BB 1992, 941; Noetzel DB 1993, 1557; s. aber LG Koblenz NJW 1993, 406.
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auch Kapital- und Personengesellschaften als Handelsvertreter.10 Für Versicherungs- und Bausparkassenvertreter gilt § 89 b nach näherer Maßgabe des Abs. 5. Bei Handelsvertretern im Nebenberuf ist der Ausgleichsanspruch nach der Sonderregelung des § 92 b Abs. 1 S. 1 ausgeschlossen. 7 Hiernach kann ein Ausgleichsanspruch beispielsweise folgenden Handelsvertretern zustehen: Verkaufsleiter11, Bezirksstellenleiter bei Lotto und Toto12, Tankstelleninhaber13, Tankstellenhalter (BGH BB 1985, 353), Tankstellenpächter14, Reisebüro (BGH NJW 1974, 1242), Einkaufsvertreter (OLG Hamburg MDR 1967, 310), Werber eines Adreßbuchverlags (OLG Nürnberg NJW 1957, 1720), Reedereiagent (OLG Hamburg VersR 1973, 572), General-Handelsvertreter (OLG Karlsruhe HVR Nr. 480) und selbständige Propagandisten an einem Verkaufsstand, den der Unternehmer in dem Kaufhaus eines Dritten angemietet hat (BGH NJW 1982, 1757). Nicht ausgleichsberechtigt sind hingegen ÄrztePropagandisten, da sie nicht als Handelsvertreter zu beurteilen sind.15 Ebenso wenig sind angestellte Handelsvertreter i.S. des § 84 Abs. 2 ausgleichsberechtigt. § 89 b ist auf sie auch nicht analog anwendbar.16 2. Vertragshändler 8
a) In der Rechtsprechung wird dem Vertragshändler entsprechend § 89 b ein Ausgleichsanspruch zugebilligt, wenn zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten ein Rechtsverhältnis vorliegt, das über die bloße Beziehung, wie sie zwischen Käufer und Verkäufer besteht, hinausgeht, und wenn der Vertragshändler so in die Absatzorganisation des Lieferanten eingegliedert ist, daß er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat. Er muß zudem vertraglich verpflichtet sein, seinem Lieferanten bei Beendigung des Vertragsverhältnisses seinen Kundenstamm zu überlassen.17 Eine solche Überlassung erfordert nicht, daß von vornherein eine ganz oder im wesentlichen lückenlose Übermittlung der Kundendaten sichergestellt ist (BGH BB 1993, 2401). Ein mittelbarer Zwang zur Offenbarung von Kundendaten, indem hiervon Rabatte abhängig gemacht werden, ist einer Überlassung nicht gleichzustellen (BGH NJW 1994, 657). Auch die Gründe des § 89 b Abs. 3 für einen Ausschluß des Ausgleichsanspruchs gelten entsprechend.18 Das gleiche ist für den Ausschluß abweichender Vereinbarungen nach § 89 b Abs. 4 S. 1 anzunehmen, ohne daß es auf die Schutzbedürftigkeit im Einzelfall ankommt (BGH BB 1985, 1084 m. Anm. Göll). Hierdurch wird nicht ausgeschlossen, den Ausgleichsanspruch mit einem Vertragshändler in der vertraglichen Vereinbarung festzulegen (BGH VersR 1985, 690, 691). Soweit in der 10
LG Düsseldorf NJW 1968, 1143; LG Frankfurt/M. H V R Nr. 197; Ausschußbericht, Sten. Ber., Bd. 17, S. 14206, 14207; Ahle DB 1963,227. 11 B G H Z 56, 290 = N J W 1971, 1610; B G H WM 1974, 867, 869; B G H N J W 1985, 860. 12 B G H Z 59, 87 = N J W 1972,1662; B G H BB 1975, 1409. 13 B G H Z 42, 244 = N J W 1965, 248; B G H HVR Nr. 325. '4 O L G Celle BB 1959, 898; O L G Frankfurt/M. BB 1985, 687. 15 LG Dortmund DB 1971, 524; offengelassen von B G H N J W 1984, 2695. B G H H V R Nr. 195; BAG NJW 1958, 1365; vgl. aber O L G Hamburg M D R 1964, 766. 700
" B G H Z 29, 83 = N J W 1959, 144; B G H Z 34, 282 = N J W 1961, 662; B G H Z 68, 340 = NJW 1977, 896; B G H Z 93, 29 = NJW 1985, 623; B G H NJW 1981, 1961; 1982, 2819 m. Anm. Lang BB 1982, 2068; 1983, 1789; 1983, 2877; 1984, 2102; BB 1992, 596; 1993, 2399; DB 1986, 1069; NJWRR 1986, 661; 1988, 42; 1988, 1305 m. Anm. Martinek EWiR 1988, 903; O L G Hamm NJWRR 1988, 550; O L G München BB 1993, 1472; 1994, 533; anders O L G Köln BB 1987, 148; vgl. im einzelnen Foth Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers, 1985; ders. BB 1987, 1686; Küstner/v. Manteuffel Bd. 2, Rdn. 45 ff. >8 B G H NJW 1984,2101; ZIP 1987,1383; BB 1993, 1312.
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R e c h t s p r e c h u n g die analoge A n w e n d u n g des § 89 b auf Vertragshändler verneint w u r d e , fehlte es an d e n g e f o r d e r t e n Voraussetzungen einer Analogie. 1 9
b) I m S c h r i f t t u m w e r d e n unterschiedliche S t a n d p u n k t e vertreten. D i e h.M. folgt der R e c h t s p r e c h u n g u n d bejaht eine Analogie des § 89 b auf d e n Vertragshändler. I m einzeln e n w e r d e n die A k z e n t e z.T. allerdings anders gesetzt. 2 0 Eine M i n d e r m e i n u n g lehnt die Analogie ab. 2 1 In A n b e t r a c h t der zentralen B e d e u t u n g , die der Ausgleichsanspruch aufg r u n d der ständigen R e c h t s p r e c h u n g inzwischen f ü r d e n Vertragshändler g e w o n n e n hat, u n d w e g e n d e r Möglichkeiten, das Vertriebssystem statt mit H a n d e l s v e r t r e t e r n ü b e r Vertragshändler e n t s p r e c h e n d zu organisieren, ist d e r A u f f a s s u n g d e r R e c h t s p r e c h u n g zu folgen.
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3. K o m m i s s i o n s a g e n t D e r K o m m i s s i o n s a g e n t (Vorbem. R d n . 11) steht d e m im N a m e n u n d f ü r R e c h n u n g des U n t e r n e h m e r s v e r k a u f e n d e n H a n d e l s v e r t r e t e r rechtlich u n d wirtschaftlich näher als der Vertragshändler, der s o w o h l im eigenen N a m e n als auch f ü r eigene R e c h n u n g v e r k a u f t . Eine analoge A n w e n d u n g des § 89 b auf d e n K o m m i s s i o n s a g e n t e n ist d a h e r noch eher zu bejahen als b e i m Vertragshändler. 2 2
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4. Sonstige Rechtsverhältnisse D i e analoge A n w e n d u n g des § 89 b auf Vertragshändler legt es nahe, daß in der Praxis i m m e r w i e d e r versucht w i r d , einen Ausgleich auch bei sonstigen Rechtsverhältnissen d u r c h z u s e t z e n . D i e R e c h t s p r e c h u n g ist d e m b i s h e r e n t g e g e n g e t r e t e n . So ist d e r Ausgleichsanspruch eines Reiseinspektors verneint w o r d e n , der f ü r ein monatliches F i x u m lediglich d e n Bezirksvertreter des U n t e r n e h m e r s u n t e r s t ü t z t e ( O L G O l d e n b u r g BB 1964, 1322). F e r n e r ist der A n s p r u c h abgelehnt w o r d e n f ü r einen Gesellschafter, der seiner Gesellschaft gegenüber z u r Vermittlung v o n G e s c h ä f t e n verpflichtet w a r ( B G H BB 1978, 422). E b e n s o w e n i g steht d e m G e s c h ä f t s i n h a b e r ein Ausgleichsanspruch zu, der nach B e e n d i g u n g des Pachtvertrags das gepachtete G e s c h ä f t an den Verpächter z u r ü c k g e b e n m u ß , w e n n d e r Verpächter gleichzeitig stiller Gesellschafter des G e s c h ä f t s i n h a b e r s w a r ( B G H N J W 1986, 2306). Schließlich ist § 89 b nicht analog a n w e n d b a r auf d e n Vertrag zwischen einem Künstler u n d seinem M a n a g e r u n d P r o m o t o r ( B G H N J W 1983, 1191).
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5. Erben des Handelsvertreters N a c h d e m W o r t l a u t des § 89 b erstreckt sich d e r Geltungsbereich der Vorschrift auf d e n Handelsvertreter, dessen Vertragsverhältnis b e e n d e t ist. Dies schließt nicht aus, auch die E r b e n des H a n d e l s v e r t r e t e r s als anspruchsberechtigt a n z u e r k e n n e n .
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BGH VersR 1960, 653; OLG München BB 1984, 1829; OLG Nürnberg DB 1980, 345; OLG Saarbrücken BB 1980, 905. 20 Vgl. H opt §84 Rdn. 12 ff; Graf v. Westphalen DB 1981, Beil. 12; Sandrock FS Fischer S. 657, 676 f; Schlegelberger/Schröder § 89 b Rdn. 3 c; K. Schmidt DB 1979, 2357.
21
Evans-v. Krbek S. 105; Glaser DB 1957, 1173; Kroitzsch BB 1977, 1631; Mücke MDR 1956, 641; Nipperdey FS Hedemann S. 207, 235; Schuler NJW 1959, 649, 652; Staub/Brüggemann Vor § 84 Rdn. 27 ff, 32; s. auch Bechtold NJW 1983, 1393, 1399. 22 BGH BB 1964, 823; OLG München HVR Nr. 430.
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§ 89 b
Erstes Buch. Handelsstand
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a) So w i r d d e r Tod als B e e n d i g u n g s g r u n d f ü r d e n Vertrag ü b e r w i e g e n d anerkannt. 2 3 D i e Regelung d e r §§ 620, 672, 673 B G B steht d e m w e g e n d e r uneinheitlichen W o r t w a h l in d e n handelsrechtlichen u n d bürgerlich-rechtlichen Vorschriften nicht entgegen ( B G H Z 24, 214, 216 = N J W 1957, 1029, 1030). In gleicher Weise wie bei § 87 Abs. 3 bildet der Ausgleichsanspruch, sobald er bei B e e n d i g u n g des Vertragsverhältnisses entstanden ist, einen v e r e r b b a r e n V e r m ö g e n s w e r t . D i e in § 89 b Abs. 1 S. 1 N r . 2 unterstellte F o r t s e t z u n g des Vertragsverhältnisses steht d e m nicht entgegen, da auch d e r d u r c h K ü n d i g u n g ausgeschiedene H a n d e l s v e r t r e t e r das Vertragsverhältnis nicht m e h r f o r t s e t z e n k a n n ( B G H Z 24, 214, 216 f = N J W 1957, 1029, 1030).
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b) D i e B e r e c h t i g u n g zur G e l t e n d m a c h u n g des A n s p r u c h s d u r c h die E r b e n w i r d nicht e n t s p r e c h e n d § 89 b A b s . 3 ausgeschlossen, w e n n der H a n d e l s v e r t r e t e r Selbstmord begangen 2 4 o d e r seinen T o d fahrlässig verursacht hat ( B G H Z 41, 129 = N J W 1964, 915). Es ist im Einzelfall nach § 89 b Abs. 1 S. 1 N r . 3 zu entscheiden, o b u n d inwieweit die G e w ä h r u n g eines Ausgleichs u n t e r Berücksichtigung aller U m s t ä n d e d e r Billigkeit entspricht. 2 5 I m ü b r i g e n bietet das G e s e t z keinen A n h a l t s p u n k t , d e n Kreis d e r ausgleichsberechtigten E r b e n u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t der Billigkeit etwa auf nahe A n g e h ö r i g e zu beschränken. 2 6 D i e E r b e n treten in vollem U m f a n g in die Rechtsstellung des H a n d e l s v e r treters ein. F ü r etwaige Billigkeitsgesichtspunkte ist deshalb die Stellung des H a n d e l s v e r treters m a ß g e b e n d , die er als A n s p r u c h s b e r e c h t i g t e r e i n g e n o m m e n hätte.
III. Beendigung des Vertragsverhältnisses als allgemeine Voraussetzung 1. Beendigung 15
N a c h § 89 b Abs. 1 S. 1 k a n n d e r H a n d e l s v e r t r e t e r v o n d e m U n t e r n e h m e r nach B e e n d i g u n g des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen. D e r Ausgleichsanspruch besteht grundsätzlich in allen Fällen d e r B e e n d i g u n g ( B G H Z 52, 12, 13 = N J W 1969, 1023). I m einzelnen unterscheidet das G e s e t z bei dieser allgemeinen Voraussetzung nicht danach, aus w e l c h e m G r u n d das Vertragsverhältnis b e e n d e t w o r d e n ist. D e r G r u n d spielt erst im R a h m e n des § 89 b Abs. 3 eine Rolle (Rdn. 80 ff).
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a) D i e allgemeinen B e e n d i g u n g s g r ü n d e sind im H G B nicht vollständig geregelt (§ 89 R d n . 4 ff). Ist das Handelsvertreterverhältnis auf b e s t i m m t e Zeit eingegangen, endet es k r a f t Gesetzes d u r c h Zeitablauf u n d kann grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch z u r Folge h a b e n ( B G H Z 24, 30 = N J W 1957, 871). D a s auf u n b e s t i m m t e Zeit eingegangene Vertragsverhältnis endet im N o r m a l f a l l d u r c h ordentliche K ü n d i g u n g (§ 89 R d n . 13 ff). U n a b h ä n g i g v o n d e r Vertragszeit beendet die a u ß e r o r d e n t l i c h e fristlose K ü n d i g u n g aus w i c h t i g e m G r u n d das Vertragsverhältnis (§ 89 a). H a b e n die Parteien den Vertrag u n t e r einer a u f l ö s e n d e n B e d i n g u n g abgeschlossen, endet er nach § 158 Abs. 2 B G B mit d e m E i n t r i t t der B e d i n g u n g ( H o p t § 89 b R d n . 7). Bei d e r A n f e c h t u n g eines bereits vollzogenen 23
BGHZ 24, 214 = NJW 1957, 1029; BGHZ 24, 223 = NJW 1957, 1028; BGHZ 41, 129, 130 = NJW 1964, 915; BGHZ 45, 385 = NJW 1966, 1965; BGHZ 60, 350 = NJW 1973, 1121; BGH NJW 1958, 1966; 1977, 949, 950; OLG Frankfurt/M. NJW 1961, 514; OLG Hamm NJW 1956, 350; a.M. OLG München BB 1956, 833; LG Arnsberg BB 1956, 834; LG Augsburg BB 1956, 95.
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BGHZ 45, 385 = NJW 1966, 1965; BGHZ 60, 350 = NJW 1973, 1121. 25 BGHZ 45, 385 = NJW 1966, 1965; a.M. Schlegelberger/Schröder 26
Vgl.
aber
§ 89 b Rdn. 32 f.
Schlegelberger/Schröder
Rdn. 17 b; Staub/Brüggemann
Sonnenschein/Weitemeyer
§ 89 b
§ 89 b Rdn. 72.
Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
§ 89 b
Vertragsverhältnisses tritt keine rückwirkende Nichtigkeit ein, so daß auch ein Ausgleichsanspruch in Betracht kommt (§ 89 Rdn. 8). Ebenso ist die einvernehmliche Vertragsaufhebung als Beendigungsgrund anerkannt. 27 Das gleiche gilt für den Tod des Handelsvertreters 28 , während der Tod des Unternehmers im Zweifel nicht zur Folge hat, daß das Vertragsverhältnis erlischt (§ 89 Rdn. 9). Der Konkurs des Unternehmers hat nach § 23 K O ohne Kündigung zur Folge, daß das Vertragsverhältnis beendet wird (§ 89 Rdn. 10). Auf dieser Grundlage kann für den Handelsvertreter ein Ausgleichsanspruch entstehen ( O L G Karlsruhe W M 1985, 235). Auf den Konkurs des Handelsvertreters ist § 23 K O nicht anzuwenden. Die Einstellung des Betriebs durch den Unternehmer beendet den Vertrag hingegen nicht ( O L G Karlsruhe aaO). Hierzu ist eine Kündigung erforderlich. b) Besondere Fallgestaltungen werfen für die Frage der Beendigung des Vertragsverhältnisses gewisse Probleme auf. Die Teilkündigung eines einheitlichen Vertragsverhältnisses ist nach h.M. grundsätzlich unzulässig (§ 89 Rdn. 23). Handelt es sich dagegen um getrennte Verträge oder haben die Parteien vereinbart, daß die teilweise Kündigung eines einheitlichen Vertragsverhältnisses zulässig sein soll, so entsteht bei Ausübung des Kündigungsrechts ein entsprechender Ausgleichsanspruch. 29
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Die einvernehmliche Teilbeendigung des Vertrags ist zulässig. Für diese Fälle wird die Auffassung vertreten, daß ein entsprechender Ausgleichsanspruch ausgelöst werde 30 , so etwa bei einer wesentlichen Verkleinerung des Vertreterbezirks. 31 Eine teilweise Beendigung ist jedoch der in § 89 b vorausgesetzten vollständigen Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht gleichzustellen. Da die teilweise Beendigung nur im Einvernehmen mit dem Handelsvertreter erfolgen kann, sei es auch durch eine entsprechende Klausel bei Abschluß des ursprünglichen Vertrags, ist es seine Sache, für eine entsprechende vertragliche Regelung des Ausgleichs bei teilweiser Beendigung zu sorgen. Ebensowenig ist eine vertragliche Einschränkung des vom Handelsvertreter vertriebenen Sortiments als Teilbeendigung anzusehen. 32 Das gleiche gilt für eine bloße Bestandsverringerung durch Herausnahme bestimmter Verträge aus dem Bestand des Vertreters ( B G H N J W 1994, 193; O L G Hamm VersR 1993, 833). Auch ein vertraglich vereinbarter Bezirkstausch ist kein Beendigungsgrund, der einen Ausgleichsanspruch auslöst, weil das bisherige Vertragsverhältnis fortbesteht ( O L G Hamburg HVR Nr. 481). Handelt es sich um eine Vertretungsgesellschaft, wird das Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer bei einem Gesellschafterwechsel nicht beendet, so daß für den ausscheidenden Gesellschafter kein Ausgleichsanspruch entsteht (LG Düsseldorf VW 1976, 1205).
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Bei einem mehrstufigen Vertreterverhältnis kommt es für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs darauf an, welches der jeweiligen Vertragsverhältnisse beendet wird. Werden ein hauptberufliches Handelsvertreterverhältnis durch Kündigung beendet und anschließend ein neuer Vertrag über eine nebenberufliche Tätigkeit abgeschlossen, so entsteht mit der Beendigung des ursprünglichen Vertrags ein Ausgleichsanspruch ( O L G Nürnberg B B 1958, 1151). Andern sich hingegen allein die tatsächlichen Verhältnisse, die für eine Beurteilung als Handelsvertreter im Nebenberuf oder im Hauptberuf maßgeblich
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27
28 29
BGHZ 52, 12, 15 = NJW 1969, 1023; OLG Nürnberg BB 1959, 318; HVR Nr. 401; LG Zweibrücken VW 1968, 921. BGHZ 24, 214 = NJW 1957, 1029; Rdn. 13. BGH WM 1974, 867, 869; Schröder DB 1958, 975, 976.
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Schlegelberger/Scbröder § 89 b Rdn. 4 c; Staub/ Brüggemann § 89 b Rdn. 23. OLG Frankfurt/M. HVR Nr. 428; H opt § 89 b Rdn. 10; vgl. BGH BB 1965, 434. Schlegelberger/Schröder § 89 b Rdn. 4 b; Staub/ Brüggemann § 89 b Rdn. 23; a.M. Ahle DB 1962, 1069.
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sind, f ü h r t dies nicht zu einer B e e n d i g u n g des Vertragsverhältnisses u n d hat d a m i t auch keine A u s w i r k u n g e n auf einen etwaigen Ausgleichsanspruch. 3 3
2. N i c h t i g e s Vertragsverhältnis 20
W e n n ein H a n d e l s v e r t r e t e r a u f g r u n d eines v o n A n f a n g an nichtigen Vertrags f ü r einen U n t e r n e h m e r gearbeitet hat, soll i h m nach einer im S c h r i f t t u m vertretenen A u f f a s s u n g in A n l e h n u n g an die G r u n d s ä t z e ü b e r das faktische Arbeitsverhältnis ein Ausgleichsanspruch zustehen. 3 4 Sicherlich ist der S t a n d p u n k t recht formal, daß ein Vertragsverhältnis nicht b e e n d e t w e r d e n k ö n n e , das niemals bestanden habe (vgl. Schlegelberger/Schröder § 89 b R d n . 3 a). A n d e r s als bei d e n laufenden Beziehungen, die bei einem tatsächlich vollzogenen, aber nichtigen Vertrag nicht nach B e r e i c h e r u n g s g r u n d s ä t z e n rückabgewickelt w e r d e n sollen, handelt es sich bei d e m Ausgleich u m einen vertraglichen A n s p r u c h , der erst im Z e i t p u n k t d e r rechtlichen B e e n d i g u n g eines Vertragsverhältnisses entstehen kann. D i e G r u n d s ä t z e , die z u r A n e r k e n n u n g eines faktischen Vertragsverhältnisses g e f ü h r t haben, sind deshalb hier nicht in gleicher Weise m a ß g e b e n d . O b es sich bei d e m Ausgleich u m einen Teil d e r V e r g ü t u n g h a n d e l t , k a n n aus diesem G r u n d allenfalls u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t einer ungerechtfertigten Bereicherung des U n t e r n e h m e r s berücksichtigt w e r d e n . A n d e r s ist die A n f e c h t u n g eines Vertragsverhältnisses zu beurteilen (Rdn. 16), w e n n mit d e m hier vertretenen S t a n d p u n k t lediglich eine Vernichtung f ü r die Z u k u n f t angenommen wird.
IV. Regelung des Ausgleichsanspruchs im einzelnen 1. G r u n d s a t z 21
N e b e n d e r B e e n d i g u n g des Vertragsverhältnisses ( R d n . 15 ff) w e r d e n die Voraussetzungen f ü r einen Ausgleichsanspruch im einzelnen in § 89 b Abs. 1 S. I N r n . 1-3 festgelegt. Diese Voraussetzungen m ü s s e n n e b e n e i n a n d e r vorliegen. D i e P r ü f u n g der Billigkeit reicht allein nicht aus. 3 5 Diese Vorschriften bilden die Bemessungsgrundlage f ü r d e n A n s p r u c h . D a n a c h k a n n der Ausgleich nicht h ö h e r sein als die Vorteile des U n t e r n e h m e r s o d e r die Verluste des H a n d e l s v e r t r e t e r s u n d auch nicht h ö h e r als eine d e r Billigkeit ents p r e c h e n d e Z a h l u n g . F ü r d e n auf diese Weise ermittelten Ausgleichsanspruch ist s o d a n n festzustellen, o b er sich innerhalb d e r H ö c h s t g r e n z e des § 89 b Abs. 2 u n d 5 bewegt. 3 6 Dies ergibt sich aus d e r F o r m u l i e r u n g des Gesetzes, nach der Ausgleich verlangt w e r d e n k a n n , w e n n u n d soweit die im einzelnen g e n a n n t e n Voraussetzungen vorliegen. 2. V o r a u s s e t z u n g e n
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a) N a c h § 89 b Abs. 1 S. 1 N r . 1 m u ß d e r U n t e r n e h m e r aus der G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g mit n e u e n K u n d e n , die d e r H a n d e l s v e r t r e t e r g e w o r b e n hat, auch nach B e e n d i g u n g des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile haben. Die erheblichen Vorteile auf Seiten des U n t e r n e h m e r s bilden das z u m Ausgleich verpflichtende E l e m e n t .
33
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§ 92 b Rdn. 13, 14; a.M. Staub/Brüggemann § 92 b Rdn. 9. 34 Küstner/v. Manteuffelüd. 2, Rdn. 170; v. Godin WPg. 1958, 201. 35 BGH VersR 1958, 566; 1985,264; HVR Nr. 595; BB 1992, 2385; vgl. BGH NJW-RR 1986, 661. 704
BGHZ 29, 83, 94 = NJW 1959, 144, 147; BGHZ 55, 45, 54 f = NJW 1971, 462, 464; BGH DB 1981, 1772, 1773; OLG Bremen NJW 1967, 254, 255 f; OLG Hamburg DB 1980, 972, 973.
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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
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aa) Eine Geschäftsverbindung mit neuen Kunden liegt vor, wenn innerhalb eines 2 3 überschaubaren, in seiner Entwicklung noch abschätzbaren Zeitraums Nachbestellungen der vom Handelsvertreter geworbenen Kunden zu erwarten sind (BGH NJW 1985, 859). Kunde ist nur, wer eine Bestellung aufgibt (Meyer BB 1970, 780). Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kann Kunde auch der Architekt sein, der im Namen und für Rechnung des Bauherrn Bestellungen aufgibt. 37 Dritte, die nur für das Produkt werben, ohne es selbst abzunehmen, sind keine Kunden. 38 Für eine Geschäftsverbindung ist es erforderlich, daß der Kunde auch Stammkunde ist.39 Bei der Abnahme langlebiger Wirtschaftsgüter ist eine Geschäftsverbindung möglich, wenn mit dem Abschluß von Folgeverträgen gerechnet werden kann. 40 Im Immobiliengeschäft ist dies regelmäßig nicht der Fall (LG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 1181). Mit der Laufkundschaft entsteht keine Geschäftsverbindung (OLG Stuttgart DB 1980, 1539). Auch wenn das Gesetz auf neue Kunden und damit auf eine Mehrzahl abstellt, reicht 2 4 es aus, wenn der Handelsvertreter einen neuen Kunden gewonnen hat (OLG Hamburg DB 1980, 972, 973). Neu ist ein Kunde, der bisher noch nicht mit dem Unternehmer in Geschäftsverbindung gestanden hat. Er braucht nicht für den Vertreter neu zu sein {Staub/ Brüggemann § 89 b Rdn. 33). Dies gilt etwa, wenn der Handelsvertreter die Kunden seines bisher vertretenen Unternehmers, der in Konkurs gefallen ist, einem neuen Unternehmer zugeführt hat (LG Bielefeld HVR Nr. 608) oder wenn das bisher vertretene Unternehmen von einem Nachfolger übernommen worden ist (OLG München HVR Nr. 640). Auch wiedergewonnene Altkunden sind neu in diesem Sinne.41 Wenn der Handelsvertreter verhindert, daß Altkunden ihre Geschäftsverbindungen zu dem Unternehmer abbrechen, ist dies der Gewinnung von Neukunden nicht gleichzustellen (LG Hamburg ZfG 12 [1962], 78 m. Anm. Herschel). Ebensowenig sind die vom Vorgänger des Handelsvertreters übernommenen Kunden neu, selbst wenn im Einverständnis mit dem Unternehmer eine Abfindung an den Vorgänger gezahlt wird. 42 Die Parteien können dies aber vertraglich bestimmen (OLG Nürnberg HVR Nr. 646). Für den Erben sind die vom Erblasser übernommenen Kunden hingegen neu in diesem Sinne, wenn er den Ausgleichsanspruch des Erblassers nicht geltend gemacht hat (OLG Frankfurt/M. VW 1967, 69). bb) Nach § 89 b Abs. 1 S. 2 steht es der Werbung eines neuen Kunden gleich, wenn der 2 5 Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht. Für die Erweiterung der Geschäftsverbindung kommt nicht nur ein erhöhter Umsatz hinsichtlich der bisher vertriebenen Produkte in Betracht, sondern auch eine Ausweitung auf zusätzliche Erzeugnisse. Der Unternehmer zieht aus beiden Arten der Umsatzsteigerung seine Vorteile.43 O b die Erweiterung wesentlich ist, muß im Verhältnis zu den bisherigen Umsätzen beurteilt werden. Grundsätzlich ist der Handelsvertreter dafür beweispflichtig, daß die Umsatzsteigerung auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist. Trägt der Unternehmer für die Umsatzsteigerung nichts Stichhaltiges vor, kann davon ausgegangen werden, daß sie auf die Bemühungen des Handelsvertreters zurückzuführen ist.44 Damit besteht eine entsprechende 37
OLG Düsseldorf HVR Nr. 504; O L G Hamm HVR Nr. 321; LG Lübeck HVR Nr. 677. 38 BGH NJW 1959, 1677 m. Anm. Schuler· NJWRR 1991,156. 39 BGH NJW 1974,1242; Meyer BB 1970,780, 781. 40 OLG Frankfurt/M. BB 1973, 212; O L G Hamm BB 1978, 1686; O L G Oldenburg HVR Nr. 672; Ahle DB 1963, 1703; vgl. aber BGH NJW 1959, 1677.
41
OLG Nürnberg BB 1959, 317; 1964, 1400; HVR Nr. 571; LG Hannover HVR Nr. 73. « B G H NJW 1985, 58; KG BB 1969, 1062; LG Bielefeld BB 1972, 195; LG Essen MDR 1982, 852; a.M. O L G Hamm DB 1982, 1167. 43 BGHZ 56, 242, 245 = NJW 1971, 1611, 1612; OLG Celle BB 1970,227; O L G Nürnberg HVR Nr. 571; Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 36. « B G H Z 56, 242, 245 = NJW 1971, 1611; O L G Stuttgart BB 1957, 561 f.
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Vermutung. Eine Erweiterung ist hingegen nicht gegeben, wenn die Umsatzsteigerung lediglich auf einer Geldentwertung beruht. 26
c c ) E s muß sich nach § 8 9 b Abs. 1 S. 1 N r . 1 u m Kunden handeln, die der H a n d e l s v e r t r e t e r g e w o r b e n h a t . I m R a h m e n des Abs. 1 S. 2 (Rdn. 2 5 ) genügt hingegen die E r w e i t e rung der Geschäftsverbindung mit Altkunden. D i e Kunden müssen von dem Vertreter in seiner Eigenschaft als selbständiger Handelsvertreter geworben worden sein ( O L G D ü s seldorf N J W 1965, 2352). Eine objektive Mitwirkung bei der G e w i n n u n g der K u n d e n reicht aus. D a s gleiche gilt für eine mittelbare Werbung durch einen Generalvertreter ( O L G B a m b e r g V W 1972, 214). Inserenten, die sich an die einzige Zeitung am O r t wenden, sind durch den Handelsvertreter geworben, wenn sein Verhalten dafür ursächlich ist ( O L G N ü r n b e r g B B 1963, 1313). D i e Werbetätigkeit des Handelsvertreters muß also zumindest mitursächlich gewesen sein. 4 5 Es ist aber nicht in jedem Fall notwendig, daß der Handelsvertreter von sich aus an die Kunden herantritt und sie für einen Geschäftsabschluß zu gewinnen sucht. So reicht es bei einer Selbstbedienungstankstelle aus, daß das Geschäft den Kunden offensteht ( B G H B B 1985, 353). Messekunden werden dem zuständigen Bezirksvertreter ohne eigene M i t w i r k u n g zugerechnet. 4 6 D i e G e w i n n u n g neuer K u n d e n ist dem Handelsvertreter ferner zuzurechnen, wenn ein bei ihm beschäftigter angestellter Reisender für den Warenabsatz eingesetzt ist ( O L G H a m m H V R Nr. 514). Eine eigene Werbung des U n t e r n e h m e r s steht der Werbung durch den Handelsvertreter grundsätzlich nicht entgegen. 4 7 Dies spielt vor allem unter dem Gesichtspunkt der Sogwirkung einer M a r k e eine R o l l e . 4 8 W e n n der Kunde bereits z u m Geschäftsabschluß fest entschlossen ist, so daß der Handelsvertreter lediglich als Empfangsvertreter oder B o t e tätig ist, hat er diesen K u n d e n nicht g e w o r b e n . 4 9
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D i e Beweislast für die W e r b u n g neuer Düsseldorf H V R Nr. 535). Hierbei gilt der Beginn seiner Tätigkeit geworbenen K u n d e n der gesamten Umsatzsteigerung ergibt, sind etwa durch Vorlage einer Kundenliste ( O L G
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dd) D e r U n t e r n e h m e r muß aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden auch n a c h B e e n d i g u n g des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile haben. Ein Vorteil des U n t e r nehmers liegt nicht schon in der Schaffung des Kundenstamms. 5 1 D i e Gesetzesverfasser haben sich in erster Linie unter den Vorteilen die U n t e r n e h m e r g e w i n n e und die ersparten Provisionen aus Nachbestellungen der K u n d e n vorgestellt (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 / 3 8 5 6 , S. 35). D a m i t liegen die Vorteile des U n t e r n e h m e r s darin, daß er die durch den Handelsvertreter geknüpften G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g e n weiterhin nutzen k a n n . 5 2 E i n Mindestumsatz mit den Kunden ist für die A n n a h m e eines Vorteils nicht erforderlich ( L G H a n n o v e r H V R Nr. 73). Es k o m m t deshalb nicht auf eine bestimmte G r ö ß e des Kundenstamms oder eine bestimmte Anzahl von Wiederholungskäufen an ( B G H B B 1991, 1210). E s reicht aus, daß die Geschäftsverbindung weiterhin durch eine K o n z e r n BGH NJW 1985, 859, 860; DB 1986,1069; OLG Düsseldorf HVR Nr. 673. « KG BB 1969, 1062; vgl. LG Hannover HVR Nr. 449. OLG Düsseldorf HVR Nr. 504; OLG Karlsruhe BB 1960, 381; OLG Schleswig VersR 1958, 315. 48 OLG Hamburg DB 1980, 972; OLG Karlsruhe BB 1960, 381. 4 9 OLG Karlsruhe BB 1960, 381; Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 35. 45
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K u n d e n trägt der Handelsvertreter ( O L G Beweis des ersten Anscheins, daß die seit neu sind. 5 0 Wenn sich die N e u w e r b u n g aus keine weiteren Einzelangaben erforderlich, Düsseldorf H V R Nr. 535).
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OLG Celle HVR Nr. 436; OLG Düsseldorf HVR Nr. 504; Nr. 641. BGHZ 49, 39, 43 = NJW 1968, 394, 395; Schlegelberger/Schröder § 89 b Rdn. 6. OLG Bremen NJW 1967, 254; OLG Düsseldorf HVR Nr. 130; Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 39.
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Siebenter Abschnitt. Handelsvertreter
§ 89 b
gesellschaft des Unternehmers genutzt werden kann. 53 Ein Vorteil ist auch dann anzunehmen, wenn nur ein Teil der vom Handelsvertreter geworbenen Kunden bei dem Unternehmer verbleibt (BGH HVR Nr. 319). Ebenso kann ein Vorteil in dem Erhalt eines nutzbaren Verarbeitungskontingents bei einer Betriebsveräußerung (BGH N J W 1960, 1292) und in der Absatzgarantie aufgrund eines Kooperationsvertrags liegen (BGH WM 1977, 115). Ausgleichszahlungen an einen Hauptvertreter können für diesen erhebliche Vorteile darstellen, die einen Ausgleichsanspruch des Untervertreters gegen ihn rechtfertigen (BGHZ 52, 5 = NJW 1969, 1021). Auf der anderen Seite läßt die unabwälzbare Belastung mit einem Ausgleichsanspruch den Vorteil für den Unternehmer nicht entfallen ( O L G Hamm HVR Nr. 514). Erhält ein Mineralölunternehmen von dem Grundstückseigentümer für die vorzeitige Räumung des Pachtgrundstücks eine Abfindung, so kann darin im Verhältnis zu dem als Handelsvertreter tätigen Tankstellenpächter ein Vorteil liegen ( O L G Frankfurt/M. B B 1985, 687). Die Vorteile müssen aus der Geschäftsverbindung mit den vom Handelsvertreter 2 9 geworbenen Kunden herrühren. Es ist daher grundsätzlich notwendig, daß die Geschäftsverbindung mit den Kunden fortbesteht (Schlegelberger/Schröder § 89 b Rdn. 6, 6 a). Dieser Fortbestand wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß ein Rotationsvertriebssystem besteht, das durch einen ständigen Wechsel der Bezirke der Handelsvertreter gekennzeichnet ist und in dem deshalb eine ununterbrochene Betreuung der Kunden durch denselben Handelsvertreter ausgeschlossen ist (BGH NJW 1985, 859, 860). Bleiben Stammkunden infolge des Wechsels des Handelsvertreters weg, entfällt insoweit der Vorteil (BGH NJW 1985, 860). Vom Fortbestand der Geschäftsverbindung kann aber dann noch ausgegangen werden, wenn der Kunde nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses trotz schriftlicher Werbung mehrere Monate keine Bestellung aufgegeben hat ( O L G Schleswig HVR Nr. 219). Brechen Altkunden schon während der Tätigkeit des Handelsvertreters die Geschäftsverbindung ab, mindern sich die nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Handelsvertreter zu berücksichtigenden Vorteile grundsätzlich nicht. 54 Allein in dem Aufbau eines Vertreternetzes ist noch kein Vorteil für den Unternehmer zu sehen, da dies nicht auf einer Geschäftsverbindung mit neuen Kunden beruht. 55 Insgesamt setzt die Annahme eines Vorteils eine Prognoseentscheidung voraus. Hierbei sind die Vorteile des Unternehmers nach der objektiven Sachlage zu ermitteln. Es sind auch Umstände zu berücksichtigen, die erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses eintreten (BGHZ 56, 242, 246 = N J W 1971, 1611, 1612). Die Vorteile des Unternehmers müssen erheblich sein. Dies hängt von den Umständen 3 0 des Einzelfalls ab. Die Erheblichkeit ist nicht nach dem Verhältnis zwischen dem Gesamtumsatz des Unternehmers und dem vom Handelsvertreter vermittelten Umsatz zu bemessen, sondern danach, welchen Umsatz und welchen Gewinn der Unternehmer aus den fortbestehenden Geschäftsverbindungen zieht. 56 Hierbei sind der Umfang der Geschäfte des Unternehmers auf dem Vertretungsgebiet des ausgeschiedenen Handelsvertreters vor Beginn des Vertragsverhältnisses und nach Beendigung desselben unter Berücksichtigung der von ihm zugeführten Kunden gegenüberzustellen (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 35).
53 B G H N J W 1986, 1931; O L G Braunschweig NJW 1976, 2022; hierzu Schröder DB 1976, 1897; einschr. O L G München BB 1988, 2058. 54
O L G Schleswig BB 1958, 246; O L G Stuttgart VersR 1957, 329.
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Schlegelberger/Schröder § 89 b Rdn. 6; vgl. aber O L G München NJW 1958, 1636. O L G Frankfurt/M. HVR Nr. 365; O L G Nürnberg BB 1962, 155.
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§ 89 b
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I m e i n z e l n e n ist darauf hinzuweisen, daß ein U m s a t z r ü c k g a n g nach Ausscheiden des Handelsvertreters i.d.R. vorteilsmindernd zu berücksichtigen ist. 5 7 Ausnahmen sind geboten, wenn der Umsatzrückgang mit den N e u k u n d e n v o m U n t e r n e h m e r willkürlich herbeigeführt wird. E b e n s o entfallen die Vorteile des U n t e r n e h m e r s , wenn er die Geschäftsverbindung zu den v o m Handelsvertreter geworbenen Kunden aus wirtschaftlich vertretbaren Erwägungen einstellt. 5 8 I m Einzelfall ist aber festzustellen, o b aus der Aufgabe eines Bezirks wegen Unrentabilität die Beeinträchtigung der bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen folgt ( L G Kaiserslautern H V R Nr. 81). D i e bewußte Vernachlässigung oder freiwillige Aufgabe bereits bestehender Geschäftsbeziehungen geht zu Lasten des U n t e r nehmers ( L G Kaiserslautern a a O ) . D e r U n t e r n e h m e r kann sich seiner Ausgleichspflicht nicht dadurch entziehen, daß er die ihm durch den Handelsvertreter verschafften Vorteile willkürlich nicht ausnutzt. 5 9
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E i n e Betriebseinstellung aufgrund sachlicher wirtschaftlicher Erwägungen läßt den Ausgleichsanspruch i.d.R. entfallen. 6 0 Erhält der U n t e r n e h m e r jedoch eine Abfindung oder eine Stillegungsprämie, so kann darin ein Vorteil zu sehen sein. 6 1 Bei einer Betriebsveräußerung kann der Vorteil des U n t e r n e h m e r s darin liegen, daß er wegen des K u n d e n stamms einen höheren Erlös erzielt. 6 2 Dies ist auch bei einer Veräußerung durch den K o n kursverwalter anzunehmen ( O L G Karlsruhe W M 1985, 235). E b e n s o wie bei der Veräußerung kann in der Verpachtung des Betriebs ein Vorteil liegen. 6 3
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B e i einer Änderung des Vertriebssystems ist es für einen Vorteil ausreichend, daß bei Beendigung des Vertragsverhältnisses unmittelbare Geschäftsbeziehungen zu den K u n d e n bestanden haben, die später v o m G r o ß h a n d e l beliefert werden, wenn sich die Vorteile des U n t e r n e h m e r s daraus ergeben, daß die K u n d e n weiterhin seine Waren über den G r o ß h a n del abnehmen und dafür die Tätigkeit des Handelsvertreters zumindest mitursächlich ist. 6 4
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D i e B e s t i m m u n g der V o r t e i l e ist im Wege einer Prognoseentscheidung vorzunehmen. D i e Vorteile sind nach der objektiven Sachlage zu ermitteln. E s sind auch U m s t ä n d e zu berücksichtigen, die erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses eintreten. Hierbei kann ein mehrjähriger Zeitraum zugrunde gelegt werden. 6 5 A u f die Möglichkeit der F o r t setzung der Arbeit durch den Handelsvertreter im H i n b l i c k auf sein Alter oder eine E r k r a n k u n g k o m m t es nicht an ( O L G Celle N J W 1968, 1141). Bei der erforderlichen P r o g n o s e kann im allgemeinen von der Vermutung ausgegangen werden, daß die Geschäftsverbindung auch in Zukunft fortbestehen wird. 6 6 Es k o m m t aber immer auf die Verhältnisses des Einzelfalls und vor allem auf die A r t der vertriebenen Erzeugnisse an ( B G H D B 1970, 152). E i n N a c h w e i s späterer Geschäftsabschlüsse ist nicht erforderlich. E i n Wahrscheinlichkeitsurteil reicht aus. 6 7 D i e H ö h e der Vorteile kann durch Einholung BGHZ 56,242,246 = NJW 1971,1611,1612; LG Hannover VW 1979, 1270. 58 BGHZ 49,39 = NJW 1968, 394; LG Münster BB 1960, 1300 m. Anm. Küstner. 59 OLG Hamm HVR Nr. 518; LG Berlin HVR Nr. 188. 60 BGH NJW 1959, 1964; OLG München NJW 1955, 1679; LG Berlin HVR Nr. 126; LG Darmstadt VW 1978, 1318; vgl. OLG Nürnberg BB 1962, 155. 61 OLG Frankfurt/M. BB 1985, 687; Schröder DB 1967,2015, 2016 f. ω BGHZ 49, 39, 43 = NJW 1968, 394, 395; BGH NJW 1960, 1292; VersR 1985, 265; OLG Celle HVR Nr. 436; OLG Hamm HVR Nr. 511; 57
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OLG Nürnberg BB 1962, 155; LG Darmstadt VW 1978, 1318. 63 OLG Hamburg VersR 1958, 688; Schlegelberger/Schröder § 89 b Rdn. 6 f. 64 BGH NJW 1984, 2695, 2696; Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 37; vgl. OLG Düsseldorf HVR Nr. 130; OLG Frankfurt/M. BB 1973,212; anders OLG Oldenburg BB 1963, 8. 65 BGHZ 56, 242, 247 = NJW 1971, 1611, 1612; OLG Celle NJW 1968, 1141. 66 OLG Düsseldorf HVR Nr. 535; OLG Frankfurt/M. HVR Nr. 365; LG Hamburg MDR 1955, 44. ' BGHZ 29, 275 = NJW 1959, 878; vgl. Rdn. 91. 100
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Soweit die Bezirksverkleinerung als Beendigungsgrund anerkannt wird ( R d n . 18), bedeutet dies im R a h m e n der Billigkeitsprüfung nicht notwendig, daß damit auch ein Aus-
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gleichsanspruch entsteht, weil eine Bezirksverkleinerung durch konzentrierten Einsatz der Arbeitskraft des Handelsvertreters zur Folge haben kann, daß sich seine Gesamtprovision erhöht ( O L G F r a n k f u r t / M . H V R N r . 428). I m R a h m e n der Billigkeit kann zugunsten des Handelsvertreters ins G e w i c h t fallen,
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daß er die Z a h l u n g des Ausgleichsanspruchs an seinen Vorgänger ü b e r n o m m e n hat. 1 0 2 cc) F ü r die U b e r p r ü f u n g der Billigkeitserwägungen ist eine Begründung erforderlich, aus der sich ihre rechtliche Haltbarkeit ergibt ( B G H Z 5 5 , 4 5 = N J W 1971, 462). Ansonsten stehen dem Revisionsrichter nur begrenzte Möglichkeiten offen, die Entscheidungen des Tatrichters im R a h m e n der Billigkeitserwägungen zu prüfen ( B G H W M 1970, 1513, 1515).
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3. Rechtsfolgen a) Sind die Voraussetzungen des § 89 b erfüllt, kann der Handelsvertreter einen angemessenen Ausgleich verlangen. Dieser G r u n d s a t z des Abs. 1 wird im einzelnen näher bestimmt durch das M e r k m a l der Billigkeit in Nr. 3 und die Regelung der H ö h e des Ausgleichs in A b s . 2. W ä h r e n d die Billigkeit in erster Linie dazu dient, Gerechtigkeit im Einzelfall zu erreichen, orientiert sich das M e r k m a l der Angemessenheit an allgemeingültigen Maßstäben und bringt z u m Ausdruck, daß der Ausgleich nicht allein rechnerisch zu bestimmen ist (Staub/Brüggemann § 8 9 b R d n . 12). D e r Ausgleichsanspruch entsteht im Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 / 3 8 5 6 , S. 35).
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b) D i e H ö h e des A n s p r u c h s ist zunächst nach § 89 b Abs. 1 S. 1 N r n . 1 bis 3 zu berechnen. 1 0 3
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aa) Hierbei sind im einzelnen die Vorteile des U n t e r n e h m e r s und die Verluste des Handelsvertreters zu bewerten. In der Praxis hat sich für die B e w e r t u n g die Faustregel entwickelt, daß der Vorteil des U n t e r n e h m e r s mindestens in einem gleich hohen P r o z e n t satz des U m s a t z e s besteht, wie ihn der Handelsvertreter als Provision zu beanspruchen gehabt hätte (Staub/Brüggemann § 89 b R d n . 83). F ü r die Bewertung der Verluste ist von der letzten vollen Jahresprovision des Handelsvertreters auszugehen. 1 0 4 Bei kürzerer Vertragsdauer sind die in dem entsprechenden Zeitraum erzielten Provisionen maßgebend. Hierbei werden aber nur die ausgleichsfähigen Provisionen angesetzt (Rdn. 36). D i e so ermittelten Verluste sind auf den Prognosezeitraum ( R d n . 4 1 ) hochzurechnen. D a b e i ist
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die jährliche Abwanderungsquote von K u n d e n zu berücksichtigen. 1 0 5 bb) D e r nach der B e w e r t u n g von Vorteilen und Verlusten ermittelte Betrag ist abzuzinsen. 1 0 6 D i e A b z i n s u n g ist erforderlich, da der Handelsvertreter das Geld sonst über einen längeren Zeitraum verteilt erhalten hätte. E i n einheitlicher Abzinsungsfaktor für alle Fälle ist nicht gegeben (Staub/Brüggemann § 89 b R d n . 88). In der Praxis finden sich etwa als Abzinsungsfaktor 2 0 v.H. bei einer Verteilung über 5 J a h r e ( O L G K ö l n VersR 1968, 9 6 6 , 967), 16 v.H. bei einer Verteilung ü b e r 4 J a h r e ( O L G F r a n k f u r t / M . H V R N r . 4 2 8 ) sowie
LG Bielefeld BB 1972,195,196; vgl. BGH NJW 1985,58. "» BGHZ 55,45 = NJW 1971, 462; BGH BB 1992, 2385. i°4 KG HVR Nr. 558; OLG Köln VersR 1968,966, 967; Küstner NJW 1969, 769, 771. 102
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OLG Köln VersR 1968, 966, 967; OLG Schleswig VersR 1958, 315, 316; vgl. zur Art der Berücksichtigung im einzelnen OLG Karlsruhe BB 1982, 274, 275 m. Anm. Küstner. BGH NJW-RR 1988, 42; BB 1991, 368.
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nur 8 oder 10 v . H . 1 0 7 I m Einzelfall kann die A b z i n s u n g entfallen, wenn der Anspruch erst nach langer P r o z e ß d a u e r realisiert oder in F o r m einer Ratenzahlung getilgt wird. 73
c c ) N a c h § 89 b Abs. 2 beträgt der Ausgleich höchstens eine nach dem D u r c h s c h n i t t der letzten fünf J a h r e der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer D a u e r des Vertragsverhältnisses ist der D u r c h schnitt während der D a u e r der Tätigkeit maßgebend. D u r c h diese Regelung wird ein H ö c h s t b e t r a g festgelegt, der den Anspruch begrenzt, wenn er nach Abs. 1 S. 1 N r n . 1 bis 3 höher wäre. 1 0 8
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D a s G e s e t z erklärt für die B e r e c h n u n g des Höchstbetrags die J a h r e s p r o v i s i o n oder sonstige J a h r e s v e r g ü t u n g für maßgeblich. D a m i t bringt es zum Ausdruck, daß nicht wie bei der B e r e c h n u n g der Verluste nur die Provisionen für die A b s c h l u ß - und Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters entscheidend sind (Rdn. 36), sondern daß alle Arten von Vergütungen zu erfassen sind. 1 0 9 Hierfür sind auch die Geschäfte mit Altkunden des U n t e r n e h m e r s 1 1 0 und die Vergütungen für Regalpflege 1 1 1 sowie für Lagerhaltung und Auslieferung ( O L G N ü r n b e r g H V R Nr. 583) einzubeziehen. Bei Provisionen für die Lieferung von Ersatzteilen k o m m t es darauf an, o b die Lieferung an einen neu geworbenen K u n d e n s t a m m erfolgt ( B G H B B 1 9 9 1 , 1 2 1 0 ) . Durchlaufende Posten wie Miete, Lagergeld und B ü r o u n k o s t e n werden nicht erfaßt. 1 1 2 M a ß g e b l i c h sind die B r u t t o p r o v i s i o n e n einschließlich der Mehrwertsteuer. 1 1 3 Deshalb sind bei der H ö c h s t g r e n z e des Ausgleichsanspruchs eines Hauptvertreters die an einen Untervertreter gezahlten Provisionen nicht abzurechnen, da dies dem N e t t o p r i n z i p entsprechen w ü r d e . 1 1 4 Erfaßt werden alle nach den gesetzlichen Vorschriften verdienten Provisionen. D i e Auszahlung ist schon im H i n b l i c k auf den Gesetzestext unerheblich. A u c h verjährte Ansprüche k ö n n e n deshalb einbezogen werden. 1 1 5
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F ü r die B e r e c h n u n g der durchschnittlichen Jahresprovision erklärt das G e s e t z im Normalfall einen Z e i t r a u m von fünf Jahren für maßgeblich. Hierbei k o m m t es nicht auf Kalenderjahre an, sondern auf den Zeitraum bis zur Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses. H a t das Vertragsverhältnis diese D a u e r nicht erreicht, ist der D u r c h s c h n i t t während der tatsächlichen D a u e r maßgebend. Erreicht diese D a u e r nicht den Zeitraum eines Jahres, ist nach h . M . h o c h z u r e c h n e n . 1 1 6 H a t sich in den letzten fünf Jahren das H a n delsvertreterverhältnis durch Verdoppelung des Provisionssatzes grundlegend geändert, so kann die kürzere D a u e r mit dem erhöhten Provisionssatz zugrunde gelegt werden. 1 1 7
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c) Schuldner des Ausgleichsanspruchs ist nach § 89 b Abs. 1 S. 1 der U n t e r n e h m e r als Vertragspartner. R i c h t e t sich der Anspruch gegen eine Personengesellschaft, wird die BGH BB 1991, 368; OLG Celle BB 1970, 227; vgl. OLG Karlsruhe BB 1982, 274. '»e BGHZ 55, 45 = NJW 1971,462; BGH BB 1991, 368; 1992, 2385. BGHZ 55,45, 53 = NJW 1971,462,463; BGHZ 56, 242, 249 = NJW 1971, 1611, 1613; BGH BB 1957, 1161; WarnRspr. 1966 Nr. 14; OLG Karlsruhe BB 1982, 274 m. Anm. Küstner. 110 OLG Oldenburg DB 1964, 105, 106; anders OLG Celle NJW 1968, 1141, 1142. 111 OLG Celle HVR Nr. 635; LG Saarbrücken HVR Nr. 566. 112 LG Hamburg VW 1970, 812, 813; Hopt § 89 b Rdn. 51. 107
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BGHZ 29, 83 = NJW 1959,144; BGHZ 56,242, 250 = NJW 1971, 1611, 1613; BGHZ 61, 112 = NJW 1973, 1744; OLG Düsseldorf BB 1959, 8; OLG Stuttgart MDR 1957, 44. Hopt § 89 b Rdn. 51; Staub/Brüggemann $ 89 b Rdn. 90; a.M. Schlegelberger/Schröder § 89 b Rdn. 23 c. BGH NJW 1982, 235, 236; Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 91; anders OLG Frankfurt/M. HVR Nr. 428. Hopt § 89 b Rdn. 49; Schlegelberger/Schröder % 89 b Rdn. 24; a.M. Staub/Brüggemann % 89 b Rdn. 89. OLG Karlsruhe OLGZ 1984, 483; zweifelnd Hopt § 89 b Rdn. 49.
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Stellung als Schuldnerin durch einen Gesellschafterwechsel nicht berührt ( L G Düsseldorf V W 1976, 1205). Sie richtet sich nach den Vorschriften über die gesellschaftsrechtliche Haftung. G e h ö r t das U n t e r n e h m e n zu einem K o n z e r n , kann der Ausgleichsanspruch nicht o h n e weiteres gegen andere K o n z e r n u n t e r n e h m e n geltend gemacht werden ( O L G Düsseldorf VersR 1971, 857). Dies ist nur auf der Grundlage besonderer konzernrechtlicher Haftungstatbestände möglich. D i e Verpflichtung z u m Ausgleich kann im Wege der S c h u l d ü b e r n a h m e nach den §§ 414 ff B G B von einem Dritten ü b e r n o m m e n werden. In der Praxis wird die Verpflichtung häufig auf den N a c h f o l g e r des Handelsvertreters abgewälzt ( O L G H a m m B B 1980, 1819). Schuldner bleibt jedoch in diesem Fall auch der Unternehmer, soweit es sich nicht u m eine befreiende Schuldübernahme handelt. 1 1 8 D i e Vereinbarung einer befreienden Schuldübernahme ist wegen der Unabdingbarkeit des Ausgleichsanspruchs erst nach dessen Entstehung möglich. 1 1 9 D i e s e r Interessenlage trägt die durch das Änderungsgesetz von 1989 ( R d n . 2) eingefügte Bestimmung des § 89 b A b s . 3 Nr. 3 R e c h n u n g (Rdn. 95). D e r N a c h f o l g e r wird von dieser Verpflichtung nicht allein dadurch frei, daß sein Vertragsverhältnis nur für eine unvorhergesehen kurze Vertragszeit andauert. D i e ergänzende Vertragsauslegung kann jedoch ergeben, daß sich der Betrag u m die Vorteile des U n t e r nehmers mindert. 1 2 0 H a t der N a c h f o l g e r an den Vorgänger eine Abfindung gezahlt, kann sich ein vertraglicher Anspruch gegen den U n t e r n e h m e r auf teilweise Erstattung der geleisteten Zahlung bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung ergeben, wenn die Parteien bei A b s c h l u ß des Handelsvertretervertrags von einer längeren Vertragsdauer ausgegangen sind ( B G H N J W 1985, 58). I m Einzelfall ist die Ü b e r n a h m e des Ausgleichsanspruchs durch den N a c h f o l g e r von der Abtretung künftiger Provisionen abzugrenzen. 1 2 1
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d) Fälligkeit u n d V e r z i n s u n g des Ausgleichsanspruchs sind im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. D e r Anspruch entsteht mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses (Rdn. 69) und wird nach M a ß g a b e des § 271 Abs. 1 B G B im allgemeinen sofort fällig. 1 2 2 In den G r e n z e n des § 89 b Abs. 4 S. 1 ist es zulässig, die Fälligkeit des Anspruchs vertraglich zu regeln. So k ö n n e n die Parteien etwa ratenweise Zahlung vereinbaren, nicht aber die Fälligkeit an ein Anerkenntnis durch den U n t e r n e h m e r binden. 1 2 3 D e r Ausgleichsanspruch ist nach den §§ 352, 353 mit 5 v.H. zu verzinsen. 1 2 4
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4. P r o z e s s u a l e s D e r Ausgleichsanspruch kann durch eine Klage auf A u s k u n f t über die seiner Bemessung zugrunde zu legenden Provisionen vorbereitet werden ( B G H B B 1960, 796). Dies gilt nicht für Provisionsansprüche, die verjährt sind ( B G H N J W 1982, 2 3 5 , 236). F ü r den Erlaß eines Grundurteils nach § 304 Z P O ist es erforderlich, alle Voraussetzungen des § 89 b festzustellen. 1 2 5 Aus einem Prozeßvergleich über die Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche aus einem Handelsvertreterverhältnis ergibt sich nicht notwendig, daß damit auch ein etwaiger Ausgleichsanspruch abgegolten sein soll ( O L G B a m b e r g H V R Nr. 564). BGH BB 1967, 935; DB 1968, 1486 m. Anm. Sandrock JR 1969, 420; OLG Celle BB 1961, 615; OLG Hamm DB 1982, 1167. BGH BB 1967, 935; Rdn. 98. 120 BGH DB 1968, 1486; OLG Saarbrücken VW 1981, 1136. Vgl. BGH NJW 1975, 1926; OLG Hamm BB 1980, 1819; OLG Stuttgart BB 1960, 264.
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>22 OLG Hamm HVR Nr. 540; LG Aachen VW 1966, 1139. 123 OLG Oldenburg BB 1973, 1281; a.M. Hopt § 89 b Rdn. 71. 124 OLG Köln VersR 1968, 966, 969; 1973, 1063, 1065. 125 BGH NJW 1967, 2153; 1982, 1757; VW 1984, 1064; OLG Frankfurt/M. BB 1968, 809; vgl. Hopt § 89 b Rdn. 83.
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V. Gesetzlicher Ausschluß des Ausgleichsanspruchs 1. Grundsatz 80
Unter den Voraussetzungen des § 89 b Abs. 3 wird der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ausgeschlossen. Das Gesetz geht davon aus, daß der Ausgleich nur gerechtfertigt ist, wenn das Vertragsverhältnis auf Veranlassung des Unternehmers beendet wird, ohne daß in der Person des Handelsvertreters ein wichtiger Grund vorliegt. Hat der Handelsvertreter die Beendigung durch eigenes schuldhaftes Verhalten herbeigeführt, soll er sich die Folgen selbst zuzuschreiben haben (Begr. z. RegE, BT-Drucks. 1/3856, S. 37). Durch das Änderungsgesetz von 1989 (Rdn. 2) sind der gesamte Abs. 3 neu gegliedert und der Ausschlußgrund der Nr. 3 eingefügt worden (Rdn. 95). Das Gesetz greift damit die in Abs. 1 S. 1 Nr. 3 für maßgeblich erklärte Billigkeit wieder auf und konkretisiert sie für bestimmte Fälle (Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 92). Billigkeitserwägungen liegen somit auch der Regelung des § 89 b Abs. 3 zugrunde (BGHZ 45, 385, 386 = NJW 1966, 1965). Solche Erwägungen sind deshalb bei der Auslegung der Vorschrift als maßgeblich heranzuziehen (BGH NJW 1976, 671). Als abschließende Ausnahmevorschrift ist § 89 b Abs. 3 eng auszulegen. 126 Dies ergibt sich daraus, daß solche Gründe, die die Voraussetzungen des Abs. 3 nicht erfüllen, schon im Rahmen der Billigkeit nach Abs. 1 S. 1 Nr. 3 zu berücksichtigen sind. 127 Die Regelung hat zur Folge, daß der Ausgleichsanspruch entweder nicht besteht, d.h. von vornherein nicht zur Entstehung gelangt, oder daß er nach der Neuregelung der Nr. 3 nach Vertragsbeendigung aufgehoben wird (Rdn. 95). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Gründe des § 89 b Abs. 3 auch zum Verlust einer zugesagten Altersversorgung führen (LG Hamburg VersR 1978, 734). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmungen des § 89 b Abs. 3 sind nicht begründet (Rdn. 5). 2. Regelung im einzelnen
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a) In § 89 b Abs. 3 Nr. 1 wird der Ausschluß wegen Eigenkündigung des Handelsvertreters geregelt. Hiernach besteht der Ausgleichsanspruch nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, daß ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlaß gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann. Von der zunächst vorgesehenen Neufassung aufgrund der EG-Richtlinie (Vorbem. Rdn. 5) ist im Gesetzgebungsverfahren Abstand genommen worden. 128
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aa) Das Gesetz stellt auf die Kündigung des Handelsvertreters ab. Dies gilt für die ordentliche und die außerordentliche fristlose Kündigung in gleicher Weise.129 Da das Gesetz den Ausgleichsanspruch nur ausschließen will, wenn der Handelsvertreter die Beendigung des Vertragsverhältnisses selbst veranlaßt hat (Rdn. 80), ist davon auszugehen, daß seine Kündigung rechtlich die Beendigung des Vertragsverhältnisses zur Folge haben muß. Es reicht deshalb nicht aus, wenn ein Handelsvertreter ordentlich gekündigt hat, der Unternehmer hingegen noch vor Ablauf der Kündigungsfrist eine wirksame fristlose Kündigung ausspricht, ohne daß ein schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters vorliegt (anders O L G Köln HVR Nr. 292). 126
127
BGHZ 52,12,14 = NJW 1969,1023; BGH WM 1975, 1111; NJW 1989, 35 m. Anm. Martinek EWiR 1988, 685; OLG Hamm HVR Nr. 514. BGH NJW 1958, 1966, 1967; VersR 1961, 52, 53; 1961, 222; 1972, 534 m. Anm. Höft.
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Art. 1 Nr. 6 b) RegE, BT-Drucks. 11/3077, S. 4; Ausschußbericht, BT-Drucks. 11/4559, S. 9; zur Verfassungsmäßigkeit Rdn. 5. '2 BGH HVR Nr. 399; NJW 1984, 2529.
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bb) Einer Kündigung durch den Handelsvertreter ist es gleichzustellen, wenn er die 8 3 Fortsetzung eines befristeten Vertrags, der mit einer Verlängerungsklausel ausgestattet ist, ablehnt {Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 93). Das gleiche gilt, wenn der Handelsvertreter eine auflösende Bedingung herbeiführt {Staub/Brüggemann aaO). Ist der Vertrag durch Zeitablauf beendet worden, ohne daß eine Verlängerungsklausel vorgesehen ist, braucht sich der Handelsvertreter jedoch nicht auf ein Angebot zur Vertragsfortsetzung einzulassen. 130 Die einvernehmliche Vertragsaufhebung ist der Kündigung nicht gleichzustellen.131 Dies gilt auch dann, wenn die Initiative zur Vertragsaufhebung von dem Handelsvertreter ausgeht.132 Das gleiche gilt, wenn die Kündigung durch den Unternehmer auf eine Initiative des Handelsvertreters zurückzuführen ist (a.M. LAG Frankfurt/M. N 2 A 1992,1034). Hat der Handelsvertreter hingegen eine Kündigung ausgesprochen und erklärt sich der Unternehmer daraufhin mit einer vorzeitigen Vertragsaufhebung einverstanden, ist die Vertragsbeendigung unmittelbar auf das Verhalten des Handelsvertreters zurückzuführen, so daß es unter Billigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt ist, den Ausgleichsanspruch auszuschließen.133 Demgegenüber erfaßt die Vorschrift nicht den Fall, daß sich der Handelsvertreter mit einer vom Unternehmer ausgesprochenen Kündigung einverstanden erklärt (BGH VersR 1963, 556). Ebensowenig ist die Vorschrift auf den Tod, Selbstmord oder selbstverschuldeten Unfall des Handelsvertreters auszudehnen.134 Schließlich ist die Auflösung einer Vertretergesellschaft der Kündigung nicht gleichzustellen. cc) Der Ausgleichsanspruch wird nicht ausgeschlossen, wenn zu der Kündigung des 8 4 Handelsvertreters ein Verhalten des Unternehmers begründeten Anlaß gegeben hat. Der Begriff des Verhaltens des Unternehmers ist unter den maßgeblichen Billigkeitsgesichtspunkten weit auszulegen. Der Begriff erfaßt daher nicht nur ein Tun oder Unterlassen, sondern auch eine aus dem betrieblichen Verhalten des Unternehmers entwickelte wirtschaftliche Lage. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Unternehmer das Ergebnis seiner Maßnahmen verschuldet hat oder nicht. 135 Der begründete Anlaß braucht nicht so schwerwiegend zu sein wie ein wichtiger Grund. Es muß sich jedoch um ein Verhalten handeln, das einen vernünftigen, gerecht und billig denkenden Vertreter unter den gegebenen Umständen des Falles zur Kündigung veranlassen kann, weil ihm die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Dabei ist auch das Verhalten des Handelsvertreters zu berücksichtigen (BGH VersR 1960, 462). Damit ist weder ein vertragswidriges oder sonst schuldhaftes Verhalten erforderlich, noch müssen Gründe vorliegen, die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen würden ( O L G Bremen NJW 1967, 254). Selbst wenn bei isolierter Betrachtung einzelne Verhaltensweisen des Unternehmers die Annahme eines begründeten Anlasses noch nicht rechtfertigen, kann sich im Rahmen der gebotenen Gesamtschau ergeben, daß dem Handelsvertreter ein weiteres Festhalten am Vertrag unzumutbar ist ( O L G Stuttgart HVR Nr. 609). Das Verhalten des Unternehmers braucht nicht das eigentliche Motiv der Kündigung zu sein. Ebensowenig muß es als
OLG Nürnberg VW 1983, 549; Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 93; a.M. Schröder DB 1962, 895, 896. 'J' BGHZ 52, 12 = NJW 1969, 1023; OLG Köln HVR Nr. 401; VW 1981, 1067. i " BGHZ 52, 12 = NJW 1969, 1023; a.M. Schröder DB 1962, 895, 896. 133 BGH VersR 1960, 1111,1112; O L G Hamm BB 1987, 1761; vgl. LAG Frankfurt/M. NZA 1992, 1034. 130
BGHZ 41, 129, 131 = NJW 1964, 915; BGHZ 45, 385, 387 = NJW 1966, 1965; BGHZ 60, 350, 352 f = NJW 1973, 1121, 1122; a.M. Schröder DB 1962, 895, 896. »5 BGHZ 52, 5, 8 = NJW 1969, 1021 f; BGH NJW 1976, 671; krit. Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 96. 134
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Kündigungsgrund in der Kündigungserklärung erwähnt werden. Es reicht vielmehr aus, daß es als nachgeschobener Kündigungsgrund einen begründeten Anlaß zur Kündigung i.S. des § 89 b Abs. 3 S. 1 darstellt ( B G H Z 40, 13 = N J W 1963, 2068). Besteht ein solcher Anlaß, entfällt der Ausgleichsanspruch nicht schon deshalb, weil der Handelsvertreter fristlos gekündigt hat, ihm aber nach den gesamten Umständen eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu einer ordentlichen Kündigung zuzumuten war ( B G H Z 91, 321 = N J W 1984, 2529). Der Handelsvertreter muß die Kündigung aus begründetem Anlaß nicht sofort nach Erlangung der Kenntnis von dem Grund aussprechen. Eine gewisse Uberlegungsfrist ist ihm zuzubilligen ( L G Krefeld H V R Nr. 671). 85
I m einzelnen kann ein begründeter Anlaß in folgenden Fällen vorliegen: mangelhafte Vertragserfüllung durch den Unternehmer ( B G H WM 1986, 622), Eintritt einer wettbewerblichen Konfliktsituation auf Seiten des Handelsvertreters aufgrund einer Sortimentserweiterung durch den Unternehmer 1 3 6 , unberechtigte fristlose Kündigung durch den Unternehmer ( B G H N J W 1967, 248), unberechtigte Provisionsabzüge durch den Unternehmer ( B G H VersR 1960, 462), wirtschaftlich schwierige Lage des Unternehmers 1 3 7 , unberechtigte Verkleinerung des Bezirks durch den Unternehmer ( O L G Düsseldorf H V R Nr. 77), Verkürzung von Provisionschancen ( O L G Celle D B 1962, 94), verspätete Zahlung der Provisionen 1 3 8 , unberechtigter Einbehalt von Provisionen ( B G H B B 1989, 1076), Erschwerung der Tätigkeit und Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Grundlage des Handelsvertreters ( O L G Zweibrücken VW 1981,1201), rechtsmißbräuchliches Verlangen nach wöchentlichen Kundenberichten 1 3 9 , unbegründete Vorwürfe durch den Unternehmer ( O L G Karlsruhe H V R Nr. 472), privates Verhalten eines Vorstandsmitglieds einer A G ( O L G Düsseldorf N J W 1964, 1963), ultimatives Verlangen des Unternehmers nach einer Leistungssteigerung durch den Handelsvertreter ( O L G Nürnberg BB 1964, 866), mangelndes wirtschaftliches Entgegenkommen des Unternehmers ( L G Hamburg VersR 1960, 557). Eine Änderung des Inkassosystems stellt i.d.R. keinen begründeten Anlaß für eine Kündigung dar ( L G Düsseldorf VersR 1980, 1143).
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dd) Der Ausgleichsanspruch wird trotz einer Kündigung des Handelsvertreters nach § 89 b Abs. 3 Nr. 1 ferner dann nicht ausgeschlossen, wenn dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann. Diese Ausnahme bei U n z u m u t b a r k e i t einer V e r t r a g s f o r t s e t z u n g ist erst 1976 in das Gesetz eingefügt worden (Rdn. 2). Damit hat der Gesetzgeber im wesentlichen die frühere Rechtsprechung bestätigt. 140 Bei der Kündigung der durch einen Einzelkaufmann betriebenen Handelsvertretung kommt es hinsichtlich des Alters und einer Erkrankung auf den Inhaber an ( O L G Hamburg H V R Nr. 669). Die Regelung ist wegen ihrer auf natürliche Personen bezogenen Tatbestandsmerkmale nicht auf Kapitalgesellschaften anwendbar, auch wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer aus Altersgründen oder wegen Krankheit kündigt. 1 4 1 Bei Vertretergesellschaften in Form einer Personengesellschaft können die Merkmale hingegen in der Person der einzelnen Gesellschafter erfüllt sein ( L G Berlin H V R Nr. 659). Der Ausgleichsanspruch kann wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen sein, wenn den Handelsvertreter schon bei Abschluß des Vertrags eine
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B G H D B I960, 1305; N J W 1987, 778. B G H N J W 1967, 2153; 1976, 671. O L G Nürnberg R V R 1970, 19; L G Kaiserslautern H V R Nr. 81. O L G Oldenburg D B 1964, 105; vgl. hierzu B G H WarnRspr. 1966 Nr. 14; BB 1989, 1076 Tagesberichte.
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'to Vgl. O L G Nürnberg BB 1969, 933; H V R Nr. 401; L G Berlin N J W 1969, 513 m. Anm. Weiss; L G Hamburg H V R Nr. 403; a.M. L G Düsseldorf N J W 1974, 1289. '"· O L G Hamm H V R Nr. 569; O L G München H V R Nr. 639; L G München BB 1982, 1748.
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Offenbarungspflicht hinsichtlich einer schwerwiegenden Krankheit traf (OLG München HVR Nr. 639). Die Merkmale Alter und Krankheit entziehen sich einer generellen Bestimmung. Sie 8 7 lassen sich häufig auch nicht voneinander trennen, da das Gewicht des einen Grundes durch das Gewicht des anderen Grundes mitbestimmt wird. Eine berücksichtigungsfähige Altersgrenze liegt im allgemeinen bei 65 Jahren. 142 Eine Krankheit, die die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar macht, ist nur bei einer nicht vorübergehenden Gesundheitsbeeinträchtigung anzunehmen. Erwerbsunfähigkeit ist nicht erforderlich. Für eine Einschränkung des Begriffs der Krankheit auf unverschuldete Erkrankungen bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt {Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 18). Ebensowenig läßt sich aus dem Gesetz entnehmen, daß sich der Handelsvertreter bei Ausspruch der Kündigung auf den ausgleichswahrenden Grund berufen muß. 143 Wie bei der Begründung einer Kündigung (§ 89 a Rdn. 27) reicht es aus, wenn der Grund für die Erhaltung des Ausgleichsanspruchs nachgeschoben wird (Rdn. 84). Unzumutbar ist die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Handelsvertreter, wenn er infolge des Alters oder der Krankheit körperlich oder geistig nicht mehr in der Lage ist, seine Vertragspflichten zu erfüllen. ee) Billigkeitserwägungen und die Parallele zum nachgeschobenen Kündigungsgrund 8 8 (Rdn. 87) rechtfertigen es, dem Handelsvertreter den Ausgleichsanspruch auch dann zu erhalten, wenn er ordentlich gekündigt hat, aber noch vor Ablauf der Kündigungsfrist durch das Verhalten des Unternehmers ein nachträglicher Grund für eine fristlose Kündigung gesetzt worden ist. Das gleiche gilt für den nachträglichen Eintritt einer Erkrankung. Ebenso bleibt der Ausgleichsanspruch erhalten, wenn der Handelsvertreter während des Laufs der Kündigungsfrist stirbt. In diesem Fall beendet nicht die Kündigung den Vertrag, sondern der Tod. 144 b) Nach § 89 b Abs. 3 Nr. 2 besteht der Ausgleichsanspruch ferner nicht bei einer 8 9 Kündigung des Unternehmers aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters. aa) Das Gesetz geht von einer Kündigung durch den Unternehmer aus. Durch die 9 0 erst im Gesetzgebungsverfahren vorgenommene Umformulierung der Bestimmung ist klargestellt worden, daß sie sowohl bei fristloser als auch bei ordentlicher Kündigung eingreift (Ausschußbericht, Sten.Ber., Bd. 17, S. 14206, 14207). Es ist deshalb nicht erforderlich, daß der Unternehmer das Vertragsverhältnis durch fristlose Kündigung beendet hat (BGH WM 1975, 856). Die ordentliche Kündigung ist ausreichend, wenn Gründe i.S. des § 89 b Abs. 3 Nr. 2 vorliegen.145 Der Grund der Kündigung braucht in der Erklärung nicht genannt zu werden. 146 Der Begriff des wichtigen Grundes entspricht dem in § 89 a verwendeten Tatbestandsmerkmal. 147 Dies bedeutet zugleich, daß ein wichtiger Grund nur dann anzunehmen ist, wenn die weitere Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Unternehmer unzumutbar ist.148 Ebenso wie der Handelsvertreter (Rdn. 84) muß auch der 142
Hopt § 89 b Rdn. 61; Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 17. 143 A.M. Schröder DB 1976, 1269, 1270; Staub/ Brüggemann § 89 b Rdn. 94. 144 O L G Frankfurt/M. NJW 1961, 514, 515 m. Anm. Konow; a.M. Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 102. B G H N J W 1958, 1966, 1967; O L G Düsseldorf DB 1956, 376; LG Hamburg HVR Nr. 83.
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B G H Z 24, 30, 35 = N J W 1957, 871; O L G Nürnberg VersR 1959, 307. 147 B G H VersR 1961, 52, 53; 1985, 691, 692; § 89 a Rdn. 9 ff. 148 B G H VersR 1961, 53; 1985, 691; WM 1975, 1111; O L G Düsseldorf HVR Nr. 464; O L G Nürnberg VersR 1959, 307; O L G Zweibrücken H V R Nr. 327; LG Hamburg VersR 1993, 1240.
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U n t e r n e h m e r die Kündigung nicht unverzüglich aussprechen, nachdem er von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Das Verhalten des Kündigenden nach Eintritt des Grundes, insbesondere ein längeres Zuwarten bis z u m Ausspruch der fristlosen K ü n d i gung, kann j e d o c h Aufschluß darüber geben, o b der Kündigungsgrund nach Lage der Sache wirklich als wichtig einzuschätzen ist. 1 4 9 91
b b ) D a s G e s e t z läßt nicht jeden wichtigen G r u n d genügen (§ 89 a R d n . 10). D e r w i c h tige G r u n d muß vielmehr gerade in einem s c h u l d h a f t e n V e r h a l t e n des H a n d e l s v e r t r e t e r s liegen. Hierfür k o m m e n alle Vertragsverletzungen durch den Handelsvertreter in Betracht (§ 89 a R d n . 13 ff). Das Verschulden ist nach § 2 7 6 B G B zu beurteilen. D a das G e s e t z auf ein Verhalten des Handelsvertreters abstellt, wird die A n w e n d u n g des § 2 7 8 B G B bei einem schuldhaften Verhalten von Erfüllungsgehilfen des Handelsvertreters zu R e c h t abgelehnt. Dies entspricht dem Z w e c k des Gesetzes, dem Handelsvertreter nur bei eigenem schuldhaften Verhalten den Ausgleichsanspruch zu entziehen. 1 5 0 D i e s e r G r u n d s a t z gilt aber nicht, w e n n der eigentliche Vertragspartner nur als Strohmann vorgeschoben worden ist und ein schuldhaftes Verhalten in der Person desjenigen vorliegt, der die Vertretertätigkeit als Hilfsperson tatsächlich ausübt ( B G H D B 1964, 582). D e r Ausgleichsanspruch wird nicht ausgeschlossen, wenn etwa der Ehegatte des Handelsvertreters eine diesem selbst verbotene Konkurrenztätigkeit aufnimmt. H i e r k o m m t auch eine Z u r e c h nung nicht in Betracht ( O L G Braunschweig V W 1968, 860).
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cc) D e r Kündigung des U n t e r n e h m e r s bei Vorliegen eines wichtigen G r u n d e s ist es gleichzustellen, wenn er es ablehnt, den mit einer Verlängerungsklausel ausgestatteten Vertrag nach Ablauf der Vertragszeit fortzusetzen, weil G r ü n d e i.S. des § 89 b A b s . 3 N r . 2 vorliegen. 1 5 1 Das gleiche gilt, wenn der U n t e r n e h m e r sich mit einer Vertragsaufhebung einverstanden erklärt, o b w o h l er zur fristlosen Kündigung berechtigt wäre ( O L G N ü r n b e r g B B 1959, 318). D a der wichtige G r u n d für eine Kündigung in der Erklärung nicht angegeben werden muß (§ 89 a R d n . 2 7 ) , ist es möglich, auch bei einer ordentlichen Kündigung den wichtigen G r u n d nachzuschieben und damit den Ausgleichsanspruch zu beseitigen ( O L G Karlsruhe J R 1958, 59). D a s gleiche gilt für eine einvernehmliche Vertragsaufhebung, wenn in diesem Zeitpunkt der wichtige G r u n d bereits gegeben war ( B G H V W 1976, 517). D e r Ausschluß des Ausgleichsanspruchs ist jedenfalls gerechtfertigt, wenn der U n t e r n e h m e r ordentlich gekündigt hat und der Handelsvertreter anschließend, jedoch noch v o r Vertragsende, sich eines Verhaltens schuldig macht, das eine fristlose Kündigung durch den U n t e r n e h m e r rechtfertigen würde, von dem dieser aber erst nach Vertragsende erfährt ( B G H Z 48, 222 = N J W 1967, 2154). Erfährt er den wichtigen G r u n d schon v o r Vertragsende nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung, unterläßt er aber gleichwohl eine noch mögliche fristlose Kündigung, so entfällt der Ausgleichsanspruch nicht ( O L G M ü n c h e n B B 1993, 2 4 0 3 ) .
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dd) I m e i n z e l n e n ist ein Ausschlußgrund gegeben, falls der U n t e r n e h m e r fristlos gekündigt hat, selbst wenn der Handelsvertreter vorher seinerseits begründeten Anlaß zur Kündigung hatte. 1 5 2 Aufgrund der entsprechenden Anwendung des § 89 b auf Vertragshändler ist es i.d.R. als ein den Ausgleichsanspruch ausschließender wichtiger G r u n d zur Kündigung anzusehen, wenn der Vertragshändler bei bestehendem Wettbewerbsverbot eine Zweitvertretung ü b e r n i m m t ( B G H B B 1984, 166). H a t der Handelsvertreter das
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BGH DB 1983, 1590; VersR 1985, 691, 692. BGHZ 29, 275, 278 f = NJW 1959, 878, 879; offengelassen von OLG Celle BB 1958, 894 m. Anm. v. Liipke.
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' 5 1 BGHZ 24, 30 = NJW 1957, 871; OLG Stuttgart BB 1960, 957. 152 OLG Hamburg JR 1961, 22, 23; Staub/Brüggemann § 89 b Rdn. 104.
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Vertragsverhältnis gekündigt und eine weitere Tätigkeit abgelehnt, o h n e daß ein wichtiger G r u n d zur Kündigung vorlag, so entfällt ein Ausgleichsanspruch, falls dem Handelsvertreter keine die ungerechtfertigte Verweigerung der Weiterarbeit bis z u m ordentlichen Kündigungstermin entschuldigenden G r ü n d e zur Seite stehen ( O L G M ü n c h e n N J W 1958, 873). Spricht der U n t e r n e h m e r keine fristlose Kündigung aus, ist dies kein Indiz für das Fehlen eines wichtigen G r u n d e s ( O L G Stuttgart V e r s R 1957, 329). Andererseits läßt ein niedriger U m s a t z des Handelsvertreters keinen Schluß darauf zu, daß G r ü n d e i.S. des § 89 b Abs. 3 Nr. 2 vorliegen. 1 5 3 E b e n s o w e n i g stellt es einen wichtigen G r u n d dar, wenn der Handelsvertreter seine Zustimmung zu einer Verkleinerung des B e z i r k s verweigert ( O L G H a m m V W 1968, 374). A u c h eine Verletzung der Berichtspflicht durch den H a n delsvertreter ist nicht o h n e weiteres als wichtiger G r u n d zur fristlosen Kündigung zu beurteilen ( B G H B B 1988, 12). D a s gleiche gilt, wenn die Arbeitskraft des Handelsvertreters aufgrund seines Alters nachläßt und er es ablehnt, sich technisch fortzubilden ( L G B e r l i n - C h a r l o t t e n b u r g H V R Nr. 80). ee) Das G e s e t z geht bei dem Ausschluß des Ausgleichsanspruchs in § 89 b Abs. 3 Nr. 2 davon aus, daß der U n t e r n e h m e r das Vertragsverhältnis gekündigt hat. E n d e t das Vertragsverhältnis aus anderen G r ü n d e n , kann im R a h m e n der Billigkeit nach § 8 9 b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 das Vorliegen eines wichtigen G r u n d e s berücksichtigt werden ( B G H N J W 1958, 1966). Stirbt der Handelsvertreter vor dem Ausspruch einer fristlosen K ü n d i gung, entfällt der Ausgleichsanspruch deshalb nicht nach § 89 b A b s . 3 Nr. 2, sondern kann nur unter Billigkeitsgesichtspunkten nach A b s . 1 S. 1 Nr. 3 beschränkt werden. 1 5 4
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c) N a c h § 89 b Abs. 3 Nr. 3 besteht der Ausgleichsanspruch nicht, wenn auf G r u n d einer Vereinbarung zwischen dem U n t e r n e h m e r und dem Handelsvertreter ein D r i t t e r anstelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt; die Vereinbarung kann nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen werden. D i e Bestimmung über die V e r t r a g s ü b e r n a h m e ist nach M a ß g a b e der E G - R i c h t l i n i e (Vorbem. R d n . 5) durch das Änderungsgesetz von 1989 als neuer gesetzlicher Ausschlußgrund eingefügt w o r d e n (Rdn. 2). Sie beruht auf der Erwägung, daß der Handelsvertreter seine R e c h t e und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis im Einverständnis mit dem U n t e r n e h m e r nur dann auf einen Dritten übertragen wird, wenn er von dem Dritten mit einer entsprechenden Gegenleistung für die Übertragung der Vertretung abgefunden worden ist. 1 5 5 M i t der neuen Bestimmung soll ein diesem Z w e c k widersprechender Ausschluß des Ausgleichsanspruchs im R a h m e n von A G B verhindert werden. D a der Anspruch nach § 89 b Abs. 4
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S. 1 ohnehin nicht im voraus ausgeschlossen werden kann, ist vorgeschrieben, daß die Vereinbarung zwischen dem U n t e r n e h m e r und dem Handelsvertreter nicht vor B e e n digung des Vertragsverhältnisses getroffen werden kann (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 1 / 3 0 7 7 , S. 9). M i t der Beendigung ist allerdings nicht das Erlöschen des gesamten Vertragsverhältnisses gemeint, sondern nur das Ausscheiden des Handelsvertreters, weil an seiner Stelle der D r i t t e im Wege der Vertragsübernahme eintritt. U n e r h e b l i c h ist, o b der fortbestehende Vertrag zwischen dem U n t e r n e h m e r und dem Dritten inhaltlich geändert wird. 1 5 6
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O L G Celle NdsRpfl. 1959, 109; L G Wuppertal H V R Nr. 75.
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Staub/Brüggemann
Küstner/v. Manteuffel BB 1990, 1713; Tbume B B 1991, 490; vgl. Rdn. 77 zur Schuldübernahme.
§ 89 b Rdn. 103; a.M. LG
Hamburg VersR 1978, 734. ' » B e g r . z. RegE, BT-Drucks. 11/3077, S. 9; Ausschußbericht, BT-Drucks. 11/4559, S. 9 f;
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Hopt § 89 b Rdn. 68; Küstner/v. Manteuffel BB 1990, 1713, 1714.
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d) Bei der U n t e r v e r t r e t u n g ist der Ausschluß des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b Abs. 3 in dem jeweiligen Vertreterverhältnis zu prüfen. Kündigt der Untervertreter, weil das Hauptvertretungsverhältnis beendet wurde, so hat der Hauptvertreter dem U n t e r v e r treter begründeten Anlaß zur Kündigung gegeben, wenn dadurch für ihn die Möglichkeit einer erfolgversprechenden Arbeit für den Hauptvertreter nicht mehr gegeben ist ( B G H Z 52, 5, 9 = N J W 1969, 1021, 1022). Dies gilt auch, wenn die Hauptvertretung B e s c h r ä n kungen unterworfen wird oder ein Bezirksschutz für neue Fabrikate wegfällt ( B G H D B 1970, 152). D e r Hauptvertreter gibt auch dann einen begründeten Anlaß für eine K ü n d i gung durch den Untervertreter, w e n n er nach einer Kündigung des Hauptunternehmers dem U n t e r v e r t r e t e r kein A n g e b o t zur F o r t s e t z u n g des Vertragsverhältnisses unter annehmbaren Bedingungen macht ( B G H V e r s R 1984, 1091).
VI. Besondere gesetzliche Anforderungen 1. Unabdingbarkeit 97
a) N a c h § 89 b A b s . 4 S. 1 kann der Anspruch auf Ausgleich nicht im voraus ausgeschlossen werden. M i t diesem G r u n d s a t z trägt das Gesetz der Bedeutung des Anspruchs für den Handelsvertreter R e c h n u n g (Begr. z. R e g E , B T - D r u c k s . 1 / 3 8 5 6 , S. 37). Dies bedeutet, daß die Parteien weder bei A b s c h l u ß des Handelsvertretervertrags noch im Wege der Vertragsänderung den Ausgleichsanspruch ausschließen oder zu Lasten des Handelsvertreters einschränken können. Ein Verzicht des Handelsvertreters auf den Ausgleichsanspruch vor der endgültigen Beendigung des Vertragsverhältnisses ist deshalb grundsätzlich u n w i r k s a m . 1 5 7 Abreden, durch die der Ausgleichsanspruch eingeschränkt oder ausgeschlossen wird, sind deshalb nur wirksam, wenn sie nach Beendigung des Handelsvertretervertrags oder in einer Aufhebungsvereinbarung, die gleichzeitig den Vertrag beendet, getroffen werden. 1 5 8 Sie sind aber unwirksam, wenn der Handelsvertretervertrag erst für einen späteren Zeitpunkt aufgehoben wird, selbst wenn der Handelsvertreter mit sofortiger W i r k u n g von seinen Aufgaben freigestellt wird. 1 5 9 Als ausnahmsweise zulässig wird es allerdings beurteilt, wenn eine Abfindungsvereinbarung zwar vor dem Ablauf der Kündigungsfrist getroffen wird, aber erst nachdem der Handelsvertreter seine Tätigkeit für den U n t e r n e h m e r im gegenseitigen Einvernehmen bereits einige Zeit vor dieser Vereinbarung endgültig eingestellt hat ( B G H Z 55, 124 = N J W 1971, 465). Wenn die Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung des § 89 b Abs. 1 auf das Verhältnis zwischen einem U n t e r n e h m e r und einem Vertragshändler erfüllt sind ( R d n . 8), so ist auch Abs. 4 S. 1 entsprechend anzuwenden, ohne daß es auf die Schutzbedürftigkeit des Vertragshändlers im Einzelfall a n k o m m t ( B G H B B 1985, 1084 m. A n m . Göll).
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b) Ausgeschlossen sind Vereinbarungen, die den Ausgleichsanspruch im Ergebnis mehr oder weniger einschränken ( B G H N J W 1967, 248). Dies ist etwa für eine während der Vertragszeit getroffene Vereinbarung anzunehmen, nach der der Ausgleichsanspruch durch Abfindungszahlungen des Nachfolgers getilgt werden soll. D i e Rechtsstellung des Handelsvertreters würde sich hierbei gegenüber einer sofortigen Inanspruchnahme des U n t e r n e h m e r s verschlechtern. 1 6 0 Unzulässig ist eine Vertragsbestimmung, nach der ein