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German Pages 350 [352] Year 2001
B E I H E F T E ZUR ZEITSCHRIFT F Ü R R O M A N I S C H E P H I L O L O G I E BEGRÜNDET VON GUSTAV GRÖBER HERAUSGEGEBEN VON GÜNTER HOLTUS
Band 311
J O A C H I M GRZEGA
Romania Gallica Cisalpina Etymologisch-geolinguistische Studien zu den oberitalienisch-rätoromanischen Keltizismen
MAX N I E M E Y E R V E R L A G T Ü B I N G E N 2001
Gedruckt mit Unterstützung der Katholischen Universität Eichstätt und der Maximilian Bickhoff Universitätsstiftung Eichstätt.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Grzega, Joachim: Romania Gallica Cisalpina : etymologisch-geolinguistische Studien zu den oberitalienischrätoromanischen Keltizismen / Joachim Grzega. - Tübingen : Niemeyer, 2001 (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie; Bd. 311) Zugl.: Eichstätt, Kath. Univ., Diss. ISBN 3-484-52311 -5
ISSN 0084-5396
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2001 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz: epline, Kirchheim unter Teck Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Heinrich Koch, Tübingen
Vorwort
Die vorliegende Dissertation ist die Frucht mehrerer Jahre sprachwissenschaftlicher Tätigkeit und wäre ohne eine Reihe von Personen nicht möglich gewesen. Mein Dank gilt in erster Linie Herrn Professor Dr. Otto Gsell (Eichstätt), auf dessen Anregung hin diese Arbeit entstanden ist und der mich in den einzelnen Phasen wohlwollend begleitete, und Herrn Professor Dr. Alfred Bammesberger (Eichstätt), der mir als Zweitkorrektur und als mein Chef mit Rat zur Seite stand. Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Hans Hunfeld und Herrn Privatdozent Dr. Jean-Pol Martin (beide Eichstätt), die meine Anschauung von Wissenschaft und Lehre zu einem Großteil mitgeprägt haben. Ich danke Herrn Universitätsdozenten Mag. Dr. Peter Anreiter (Innsbruck) für die Überlassung seiner noch unveröffentlichten Habilitationsschrift und seine freundschaftlichen Ratschläge. Zu großem Dank verpflichtet bin ich Herrn Professor Dr. Dres. h. c. Max Pfister (Saarbrücken) sowie seinem Assistenten, Dr. Gunnar Tancke, die mir Einsicht in noch unveröffentlichte Materialien des LEI gewährten und etymologische Probleme mit mir besprachen. Herrn Professor Dr. Jürgen Uhlich (Dublin) danke ich für Diskussionsbeiträge zur Frage des Lepontischen. Herrn Privatdozenten Dr. Gregor Weber (Eichstätt) danke ich für Hilfe bei der Erstellung des historischen Kapitels. Für Lektorierarbeiten bin ich meinen beiden Freunden Alexander Schöner und Markus Steiner überaus dankbar. In unglaublich hilfsbereiter und teilnahmevoller Weise hat mir Herr Professor Dr. Hans Goebl (Salzburg) farbige Sprachkarten erstellt, wofür ich ihm und seinem Assistenten Dr. Edgar Haimerl meinen tiefen Dank ausspreche; darüber hinaus verdanke ich ihm mehrere Hinweise für meine sprachgeographischen Ausführungen. Herrn Professor Dr. Günter Holtus danke ich für die Aufnahme in die Reihe der Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie. Ich sage denen Dank, die schon früh mein Interesse für Sprachen weckten: meinem ehemaligen Russischlehrer, Studiendirektor i. R. Erich M. Westphal, meinem ehemaligen Deutschlehrer und Großcousin, Studiendirektor Adolf Hochmuth, und meiner Großmutter, Helene Grzega (t). Ich danke meinem Paten, Oberstudiendirektor i. R. Reinhold GrzeV
ga. Ich danke Silvia. Für tagtägliche Unterstützung danke ich jenen, denen dieses Buch gewidmet sein soll - meiner Mutter und meinem Vater. Treuchtlingen/Eichstätt, Silvester 1999
VI
Joachim Grzega
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
V
I. Einleitung 1. Allgemeines zur vorliegenden Studie 2. Historisch-ethnologischer Überblick 2.1. Keltisierungen 2.2. Römische Eroberungen und Romanisierung in der Padania - und in der Transalpina 2.3. Rätien und Noricum 2.4. DieVeneter 2.5. Germanisierungen 3. Das Gallische/Keltische und andere Sprachen als romanisches Substrat 3.1. Die gallische(n) Sprache(n) in Europa 3.2. Substratsprachen und Substratwirkung in der Cisalpina - und in der Transalpina
1 1 2 3 9 12 15 15 17 17 20
II. Etymologieteil 1. Kritische Würdigung von Quellen und Methodik der Substratetymologien 2. Aufbau der Artikel 3. Etymologisches Vocabularium
33 33 42 49
III. Interpretationsteil 1. Verteilung der gallischen Substratwörter 1.1. Liste der gallischen Etyma in der Cis- und in der Transalpina insgesamt 1.2. Liste der gallischen Etyma in der Cisalpina 1.3. Liste der gallischen Etyma, die ausschließlich in der Cisalpina vorkommen 1.4. Die tabellarischen und kartographischen Auszählungen der cisalpinen Keltizismen und deren Aussagekraft 1.4.1. Die Areale 1.4.2. Verteilung der Keltizismen insgesamt 1.4.3. Verteilung der In-loco-Reliktwörter
264 264 264 267 269 269 271 273 274
VII
1.4.4. 1.4.5. 1.4.6. 2.
Verteilung der Verteilung der Verteilung der Die cisalpinen
2.1. 2.2.
des keltischen Reliktwortschatzes Erste Eindrücke: Cisalpina vs. Transalpina Der Po als Scheidelinie oder Isoglosse?
2.3. 2.4. 2.5. 2.6. 3.
genuin keltischen Reliktwörter 275 genuin keltischen In-loco-Reliktwörter .. 276 Keltizismen nach Arealen geordnet 276 (und transalpinen) Gebiete im Lichte
Die beiden cisalpinen (und alpinen) Großregionen: Piemontesisch und Lombardisch Die südlichen und östlichen «Randgebiete»: Ligurisch, Emilianisch-Romagnolisch und Venezisch
V. Bibliographie Abkürzungen Weitere wissenschaftliche Hilfsmittel
VI. Anhang 1. 2. 3. 4.
VIII
280 283
Die nördlichen Randgebiete: die sog. «rätoromanischen» Mundarten 291 Die cisalpinen Keltizismen und die Germanisierungen.. 297 Kommentar zur Klassifikation/Typologie der cisalpinen Mundarten 298
IV. Schlußbemerkungen
1. 2.
277 278 279
Lateinische Quellen Etymologischer Index romanischer Formen Onomasiologischer Index Linguistische Karten
304 307 307 309 330 330 330 334 337
I.
Einleitung
1.
Allgemeines zur vorliegenden Studie1
In seinem Vorwort zum Etymologischen Wörterbuch der romanischen Sprachen schreibt Friedrich Diez (1887: xi-xii): «Die südlichen [italienischen dialecte] lassen manches griechische und einiges arabische erkennen, das den andern abgeht. Durchmustert man aber, über die gränzen des alten Italiens hinausgehend, die nördlichen, die cisalpinischen mundarten, so glaubt man sich in eine andere weit versetzt: in dieser weiten landschaft, zumal in der großen ebene zwischen den Alpen und dem Po, hat die gewaltige römersprache die volksmundarten nicht bewältigen, sich des einflusses andringender barbarensprachen nicht erwehren können. Der zufluß deutscher, zum theil recht merkwürdiger Wörter kann hier nicht überraschen; wer aber celtische reste von einiger erheblichkeit erwartet, wird sich bald getäuscht sehen: das gesammte italienische gebiet möchte deren nur wenige aufweisen, die Schriftsprache enthält vielleicht nicht ein einziges wort dieses stammes, welches sich nicht auch im provenzalischen oder französischen vorfände.»
Besagter Einfluß keltischer Wörter in der Cisalpina ist es, der im Zentrum dieser Arbeit stehen soll. Es soll überprüft werden, wie hoch der Anteil an keltischen Reliktwörtern in der Cisalpina - und darunter seien die oberitalienischen Mundarten sowie die sog. «rätoromanischen» Idiome verstanden - im appellativen Bereich nun wirklich ist, wieweit diese Idiome angesichts der Keltizismen tatsächlich vom Rest der romanischen Dialekte Italiens abweichen und wieweit sie dann in die Nähe der transalpinen Mundarten gestellt werden können. Die vorliegende Arbeit und deren Struktur scheinen mir aus verschiedenen Gründen berechtigt. Zum einen: Während für die Transalpina bereits eine Reihe von quantitativ orientierten Beiträgen zum keltischen Wortschatz vorliegen (cf. Schmitt 1974 und 1997, Müller 1982, Anreiter 1992, Billy 1993 und 1995), stellt die Cisalpina diesbezüglich noch eine terra incognita dar. Zum anderen ist es, wie sich im Verlauf der Arbeit noch zeigen wird, angebracht, neben den cisalpinen keltischen Etyma auch alle transalpinen mutmaßlich keltischen Etyma erneut einzubeziehen, um diese einer kritischen etymologischen Überprüfung zu unterziehen. 1
Die vorliegende Arbeit ist nach der sog. alten Rechtschreibung verfaßt.
1
Die Arbeit gibt zunächst einen historisch-ethnologischen Überblick über die Präsenz und das Zusammenspiel von Kelten, Romanen und Germanen in den Gebieten beidseits der Alpen, einschließlich Rätien und Noricum. Im nächsten Schritt werden dann die einzelnen Substratsprachen vorgestellt, und es wird deren Bedeutung erörtert; in einem eigenen Abschnitt wird der Forschungsstand zum Gallischen (und zu den gallischen Dialekten) in Europa behandelt. Im Mittelpunkt des Hauptkapitels steht die Zusammentragung der keltischen Etyma aus den verschiedenen Quellen der Forschungsliteratur mit Angaben zu deren Verbreitung und etymologischen Diskussionen, wo diese nötig scheinen. Dabei werden neben den genuin keltischen auch solche Wörter ins lexikalisch-etymologische Gefecht geführt, welche letzten Endes aus einer anderen Substratsprache stammen, aber vermutlich über das Gallische/Keltische ins Romanische gerettet worden sind.2 Am Schluß des Kapitels stehen Listen mit den als gallisch/keltisch akzeptierten Lemmata der Trans- und Cisalpina sowie Auswertungen zur Dichte der Keltizismen in den cisalpinen Mundarten in tabellarischer und kartographischer Form. Im letzten größeren Kapitel werden die am Ende des Hauptkapitels aufgezeigten lexikalischen Relationen interpretiert und zu bisherigen Aussagen und Beobachtungen der einzelnen oberitalienischen und «rätoromanischen» Dialekte in Beziehung gesetzt. Dabei wird auch auf die Klassifikation der cisalpinen Mundarten eingegangen. Am Ende des Werkes befinden sich neben dem Literaturverzeichnis mehrere Anhänge: ein Abkürzungsverzeichnis zu den zitierten antiken und mittelalterlichen Quellen, ein etymologischer Index und ein onomasiologischer Index. Ein Verzeichnis der Abkürzungen für Sprach- resp. Dialektbezeichnungen habe ich mir erspart; ich orientiere mich an den im FEW und REW gebräuchlichen Abkürzungen.
2.
Historisch-ethnologischer Überblick
Die hier präsentierten Aussagen beruhen weitgehend auf jüngeren Werken. Ältere Literatur, die in Frankreich nach wie vor als Standard gilt, wie etwa das Buch von Grenier (1945), wird nur ergänzend beachtet, beschränkt sich diese ohnehin nur meist auf die Situation des Hexagons. Bei Grenier sehe ich darüber hinaus den methodischen Fehler, den Aussagen und Beschreibungen der römischen Geschichtsschreiber eine zu hohe Bedeutung beizumessen. Denn solche Quellen bergen die Gefahr der Ungenauigkeiten, der Inkonsequenz und der Ignoranz. Nicht immer sind die Zahlen und Daten der antiken Autoren eindeutig interpretierbar. Nicht immer ist klar, welche Völker und 2
Diese werde ich diagallisch resp. diakeltisch
2
nennen.
welche Sprachen mit welchen Bezeichnungen gemeint sind; so wird zwischen Kelten und Germanen nicht ethnisch, sondern meist geographisch getrennt - dies gilt etwa für Poseidonios und Cäsar (cf. Ternes 1998:274). Ähnliche Kritik läßt sich bei dem Beitrag von Degen (1987) anführen. Allerdings würde ich nicht soweit gehen wie Campanile (1983:27), der der Ansicht ist, daß antike Schriftstücke zur ethnischen und sprachlichen Einteilung «nessun valore» hätten. Für die Kelten und Germanen in Oberitalien ist insbesondere Ciolas (1987) Buch Noi, Celti e Longobardi als ein auch für den Laien leserfreundliches Werk zu nennen. Freilich sollte es besser Noi, Celti e Germani heißen, haben sich doch auch andere germanische Volksgruppen neben den Langobarden in Italien niedergelassen. Der besondere Wert dieses Buches zeigt sich vor allem darin, daß es neben einer Gesamtdarstellung die einzelnen Regionen betrachtet. Die folgenden Abschnitte wollen einen Überblick geben und beschränken sich daher auf wenig detaillierte Beschreibungen; sie werden für einen Vergleich mit den Ergebnissen der späteren Mundartanalysen genügen. 2.1.
Keltisierungen
Geschichte und Archäologie lehren uns, daß wir etwa ab dem 6. vorchristlichen Jahrhundert eine keltische Besiedlung des heutigen Nordfrankreich annehmen können; dabei handelt es sich um die sogenannten Gallier. In Südfrankreich werden sie sich später mit den Ligurern vermischen und sich auch friedlich mit den Griechen das Land teilen (cf. Birkhan 1997:317s.); die keltoligurische Kultur des südlichen Hexagons erstreckt sich dann, so skizziert es Birkhan 3 (1997:89), bis in die westlichen Gebiete Norditaliens. Dabei treten die Gallier übrigens eher als aristokratische Schicht auf (cf. Lafont 1991:18). Auch am Alpenkamm lassen sich Kelten nachweisen (cf. Bernardi 1981:13). Doch von einer keltischen Einheit im nachmaligen Frankreich, falls sie überhaupt je bestanden hat, 4 kann spätestens ab dem 2. Jh. v. Chr. nicht mehr gesprochen werden; Handel mit mediterranen Stämmen bedingte gesellschaftliche Veränderungen (cf. Collis 1987:16). Was die Po-Ebene im 6.Jh.v.Chr. angeht, glaubte man bis vor kurzem, daß sich zu dieser Zeit noch keine Kelten dort aufhielten, sondern vielmehr andere indogermanische und nicht-indogermanische mediterrane Völker nebeneinander lebten. Doch heute weiß man aus von Lejeune (1970 und 1972) als keltisch entschlüsselten Inschriften, 3
4
Die Kelten Oberitaliens bleiben sonst bei Birkhan leider weitestgehend unbeachtet. Zumindest sprachlich darf von einer reichhaltigen Variation des Festlandkeltischen ausgegangen werden (cf. Kap. 1.3.1.).
3
daß sich eine kleine Gruppe von Kelten um das Gebiet der großen Seen niedergelassen hatte: die sogenannten Leponter (cf. e. g. Kruta [1986:37] oder Birkhan [1997:90], cf. auch Kapitel 1.3.1). Die Kelten hatten offenbar eine große Bereitschaft zu Wanderungen, die, so Furger-Gunti (1986), sich nicht zuletzt auf religiöse Vorstellungen gründete. So weist Dobesch, indem er die Ergebnisse archäologischer, linguistischer und historiographischer Forschungen synoptisch betrachtet, in überzeugender Weise nach, daß Kelten schon ab der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts in die Padania eingewandert sein müssen, und zwar vermutlich durch Südfrankreich hindurch, welches einige Zeit lang noch nicht ihr territoriales Interesse fand, über die griechische Kolonie Massalia nach Ligurien (cf. Dobesch 1989:73) und später über die Alpenpässe (cf. Dobesch 1989:71).5 So erinnert er beispielsweise an das Gräberfeld von San Martino [dell'Argine].6 Der Hauptschub an Galliern, die sich an dieser eigentlichen Besiedlung der Padania beteiligten, kam gemäß Peyre (1979:94) im wesentlichen über das Tessin (gem. Grenier [1945:119] zum ersten Mal schon 396 v.Chr.), welches bis zu jenem Zeitpunkt eine wichtige Durchgangspassage für den Handel mit Etruskern und Griechen war, die sich an der Etsch niedergelassen hatten. Birkhan (1997:89) zeichnet ihren Weg «[ü]ber die Alpenpässe im Hinterland von Turin, wahrscheinlich Montgenevre» in die Padania nach. Vor allem aber vermutet Dobesch, daß, wenngleich Padanien zu jener Epoche noch nicht fest in gallischer Hand war, die Kelten zumindest in Randgebieten siedelten, «denn solche Barbaren fühlen sich in der Regel angezogen, ja fasziniert vom Reichtum und Glanz der fremden, überlegenen Welt, sie sind durchaus bereit zu Handelskontakten einerseits, oder [...] zu Raubüberfällen. Das ist aber etwas ganz anderes als ein Besetzen auf Dauer [....] Daher verbleiben Barbaren oft in der Randlage gegenüber dem Hochkulturbereich oder besetzen, wenn sie aktiv werden, gern bloß Randgebiete» (Dobesch 1989:64).
Erst allmählich, nachdem die Gallier sich mit den einzelnen benachbarten Ethnien, vornehmlich den Etruskern, vertraut gemacht haben 5 6
Für die frühe Zeit der keltischen Präsenz in Oberitalien cf. Wernicke 1991. Dobesch (1989:62) warnt allerdings zu Recht vor Überinterpretationen bei Grabstätten: «Abgesehen [von dem Gräberfeld bei San Martino] bleibt grundsätzlich zu beachten, daß wir über die Zahl anzunehmender erster Einwanderer in den ersten Jahrzehnten des 6. Jh. nichts Sicheres sagen können und ebensowenig darüber, wie sich ihre Ansiedlung zu den jeweiligen Einheimischen verhielt, ob sie als geschlossener feindlicher Keil zwischen diese vorstießen oder aber für ihre Niederlassung letztlich irgendeinen modus vivendi mit ihnen fanden. Auch gehörte die Kultur dieser Einwanderer noch durchaus der Hallstattperiode an; von den späteren latenezeitlichen Abkömmlingen wissen wir, daß sie sich schnell und weitgehend der italischen Lebensweise anpaßten und ihre Bestattungen nur in Einzelheiten die fremde Herkunft verraten.» Einen Überblick zu archäologischen Spuren von Kelten in der Trans- und Cisalpina bietet Kruta (1978).
4
und diese Kontakte sollen laut Dobesch (1989:71) schon bis Venetien, Ligurien, Orvieto, ja Rom gewirkt haben , erfolgt die eigentliche Unterwerfung ab dem Ende des 5. vorchristlichen Jahrhunderts. Die etruskische Kultur wird erst in der Transpadana (Gebiete nördlich des Po), dann auch in der Cispadana (Gebiete südlich des Po) unterdrückt - hier schubweise auf verschiedenen Wegen seitens der gallischen Stämme der Boier und der Senonen. Schließlich fallen die Boier auch in Mittelitalien ein. Eine ernste Siedlungsabsicht bestand wohl nicht, obwohl die Kelten Rom (387 v. Chr.) sechs Monate belagerten. Doch sie waren schließlich gezwungen umzukehren (cf. Dobesch 1989:84). Die Ausdehnung der gallischen Ethnie erstreckte sich auch bis Nordostitalien. Im Raum Aquileia wurde ein wichtiges «oppidum» errichtet (cf. Birkhan 1997:344 et 148). Kernsiedlungsgebiet blieb jedoch Nordwestitalien; die archäologischen Funde gruppieren sich in dem Gebiet keilförmig (oder, wenn man will, hinkelsteinförmig): im Westen umschlossen von einer Linie Sankt Bernhard-Val Leventina-Val d'Ossola, vertikal bis zum Po, nach Osten abflachend bis zum Gardasee. Doch haben sich auch in den übrigen Gebieten der Cisalpina gallische Relikte verschiedenster Art erhalten. Die folgende Karte (aus Peyre 1979: hintere Umschlagsinnenseite) zeigt zum einen die nachgewiesenen gallischen Siedlungen (Dreiecke), zum anderen sämtliche Arten von archäologischen Funden gallischen Ursprungs (Kreise) und will somit die besondere Verwurzelung der gallischen Kultur(blüte) in der westlichen Padania untermauern, welche dann gegen Osten hin wie ein liegender Hinkelstein, mit dem Po als Grundlinie, abflacht. Einige Funde sind noch in den einstigen Gebieten der Boier und Senonen sowie in den Regionen der Venostes und Anaunes (Nonsberg) in südlicher Nähe des Brenners zu finden. Die Karte zeigt, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit die heutigen Gebiete Liguriens, Piemonts, der Lombardei, der Emilia-Romagna und des Venetos zumindest teilweise keltisch besiedelt waren. Bedauerlicherweise wird auf dieser Karte jedoch zwischen den einzelnen Funden nicht näher differenziert. Meines Erachtens haben gewisse Funde jedoch weniger Aussagekraft als andere. Vasen und ähnliche Gegenstände etwa können aufgrund ihrer Qualität als Handelsgut auch in Gebiete gelangen, wo sich keine Gallier niedergelassen haben - die Präsenz von McDonald's in Moskau oder Budapest ließe ja auch niemanden auf die Idee kommen, daß an diesen Orten Amerikaner siedelten. Viel weniger «wandern» können dagegen religiöse, kultische Merkmale wie etwa die Art der Gräber. Nach der Expansion der Gallier - die besonders blutig abgelaufen sein muß, wie Campanile (1983:29) anschaulich schildert7 kam es 7
Die Schilderung erfolgt etwa anhand der Übernahme des luganischen Alphabets - ein Vorgang, der laut Campanile eine gewisse Lebensgemeinschaft von 5
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aus der Feder von Jürgen Uhlich (1999 und [im Druck]). Was nun die konkrete Form des gallischen/keltischen sprachlichen Substrates betrifft, so werden in der Fachliteratur vielfach Besonderheiten im lautlichen Bereich hervorgehoben, so schon Ascoli (1873 und 1882), aber auch noch bei Michel (1997:25) und in den zahlreichen einschlägigen LRLArtikeln zu den (cis)alpinen Mundarten. Darunter fallen die Palatalisierungen von g, k und -kt-, aber auch jene von u zu ü, ö und α zu e; des weiteren werden die Sonorisierung der intervokalischen stimmlosen Plosive und die Apokope auslautender Schwachtonvokale genannt. Doch in der Fachwelt herrscht mitnichten Einigkeit darüber, ob die einzelnen Lautwandel tatsächlich auf gallischem Substrat beruhen (cf. zuletzt die ablehnende Haltung von Ternes 1998). Insbesondere die Palatalisierung von u regte aufgrund deren Verbreitung und Datierung in den einzelnen romanischen Gebieten immer wieder zu den verschiedensten Theorien an. Um nur einige Beispiele herauszugreifen: Ascoli (1873 und 1882) geht von keltischem Einfluß aus, Lausberg (1947a und 1947b), Lüdtke (1956:224ss., 264ss.) und Haudricourt/Juilland (1970:108-120) deuten den Wandel aus strukturalistischer, systeminterner Sicht, Bichakijan (1974) erklärt die Palatalisierung von /u/, /o/ und /o/ mittels der generativen Phonologie. 36 Neben Ternes (1998) stammt ein weiterer jüngerer und ausführlicherer Beitrag aus der Feder des Keltologen Enrico Campanile (1983: 3Iss.). Campanile spricht sich in allen obengenannten Fällen gegen die gallische Substratthese aus. Beim Wandel von u > ü etwa gibt er chronologische Gründe an: die inselkeltischen Sprachen zeigten, daß der Lautwandel zu jung sei, um für Oberitalien relevant sein zu können. Außerdem ist meines Wissens ü in keinem der keltischen Idiome belegt. Zwar ist das Ergebnis i < u wohl vorhanden, doch von einem gerundeten velaren Laut, hier u, zu einem ungerundeten palatalen Laut, hier i, muß nicht notwendigerweise über einen gerundeten palatalen Laut, ergo ü, ausgegangen werden; die Zwischenstufe eines ungerundeten velaren Lautes (entspräche phonetisch [i]) ist ebenso möglich. Es darf außerdem gegenüber jeder rein monokausalen Erklärung Skepsis geboten sein, insbesondere wenn sie für ein Gebiet gelten soll, das sich von den Pyrenäen bis zum Appennin erstreckt. Es würde ja auch niemandem einfallen, die Entwicklung von me. /u:/ zu frne. /au/ mit jener von mhd. /u:/ zu frnhd. /au/ in Verbindung zu bringen, obschon sich diese Entwicklungen zeitlich überlagern. Bei Sprache als 'fait social' scheint mir insbesonders eine rein systeminterne Erklärung, sei sie auch noch so überzeugend, wenig realistisch, findet doch Sprachwandel i. d. R. unbewußt und nicht mathematisch 36
Kritische Zusammenfassungen verschiedener Vorschläge finden sich bei Wartburg (1951), Rohlfs (1966), Tekavcic (1972) und zuletzt bei Posner (1996:237ss.).
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statt. 37 Daß der Wandel u > ü in den einzelnen Gebieten unterschiedlich zu bewerten ist, zeigen schon die konträren chronologischen Einordnungsversuche: Für die einen muß der Lautwandel alt sein, weil es Beispiele gibt, bei denen lat. k vor u palatalisiert wird, für die anderen muß der Lautwandel jung sein, weil es Beispiele gibt, bei denen lat. k vor u nicht palatalisiert wird. Die Erscheinung u > ü ist also für jede Region von neuem aufzurollen. Auch die übrigen Wandel erfreuen sich in der Historischen Sprachwissenschaft zahlreicher Deutungsversuche. Bezüglich a > e bringt Campanile (1983:31) erneut chronologische Einwände gegen die gallische These hervor. Zur artikulatorischen Verschiebung von /χί/ zu /it/ schreibt er: «Si tratta, certamente, di uno sviluppo attestato ο presupposto da tutti i dialetti celtici fino da etä predocumentaria; ma, d'altra parte, lo stesso sviluppo si ritrova anche nei dialetti italici (come esplicitamente osservava giä Ascoli), in germanico, in iranico» (Campanile 1983:32; Hervorhebung durch mich, J. G.).
Diese Beobachtung zeigt, daß manche Wissenschaftler - nicht nur Ascoli - vielleicht auch (halb)bewußt bereit waren, aufgrund ihrer Keltophilie, die Augen am Ende vor den linguistischen Tatsachen zu verschließen. Maniet (1963) nennt außerdem die französischen Entwicklungen u- zu gu- und e zu oi (heute uä) als mögliche Folgen des gallischen Substrates;38 aus den Bereichen Syntax, Wortbildung und Suprasegmentalia nennt er aufgrund der Parallelität zu inselkeltischen Spezifika die Periphrase c 'est ... qui, die Vigesimalzählung und SandhiErscheinungen (i. e. die Liaison). Dazu ist folgendes zu vermerken: Die Liaison ist ein Phänomen, das erst mit Fall der Auslautkonsonanten in nicht-vorvokalischer Stellung in Erscheinung treten kann, also etwa erst ab dem 12. Jahrhundert. Die Vigesimalzählung im Inselkeltischen, in romanischen Mundarten und im Dänischen wird seit neuestem von Vennemann (1998a) auf ein alteuropäisches Substrat zurückgeführt, welches er Vasconisch nennt und dessen letzte lebende Varietät im Baskischen zu sehen sei. Einen Bereich, der gemeinhin als sicherer bei der Beweisführung sprachlicher Substrate gilt, stellt die Toponomastik dar. Orts-, Flurund insbesondere Flußnamen gelten als konservativer, als weniger an37
38
Eine Diskussion zum Thema Bewußtheit oder Unbewußtheit von Sprachwandel im allgemeinen kann hier nicht angestrebt werden. Gerade in den letzten Jahren sind aber dazu einige stimmführende Werke erschienen. Stellvertretend genannt seien Keller (1995), Ronneberger-Sibold (1980), Pinker (1995), Dauses (1990), die doch trotz all der unterschiedlichen Ansätze davon ausgehen, daß Sprachwandel vielfach eher unbewußt abläuft. Weitere mögliche Einflüsse keltischer Dialekte auf die französische Phonetik und Phonemik werden von Delattre (1969/70) diskutiert.
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fällig gegenüber sprachlichen Ersetzungen. Doch auch Ortsnamen bergen ihre Schwierigkeiten. So ist es keinesfalls einfach, ein vorrömisches Toponym eindeutig einer Sprache zuzuordnen. Nicht nur in frühen Werken wie jenem von Ettmayer (1925) wird diese Problematik beklagt man behilft sich dann auch mit Ausdrücken wie allogallisch sie zieht sich bis in jüngere Werke hinauf (cf. Doria 1957-59, Desinan 1984, Pellegrini 1990a:106ss.). Diese Schwierigkeit scheint in der Cisalpina größer zu sein als in der Transalpina oder auf der iberischen Halbinsel, wo weniger verschiedene Völker mit doch verwandten Sprachen aufeinandertrafen. Zusätzlich ist gerade in Kontaktzonen zu erwarten, daß Wortbildungsmuster zu Ortsnamenbezeichnungen auch in Nachbarzonen aus Gründen eigener verwandter Affixe oder aus Gründen der Mode übernommen werden.39 Dennoch lassen sich mit einiger Sicherheit für den Großteil der Regionen nördlich des Po - einschließlich der sog. «rätoromanischen Gebiete», vor allem im Piemont und in der Lombardei - keltische Ortsnamen nachweisen. Unsicher ist die Präsenz nur im mittleren und südlichen Veneto (cf. Pellegrini 1989b: 6ss.; 1992a:275s.; 1977b; 1992c). Was die Gebiete südlich angeht, so ist das (weitgehende40) Fehlen keltischer Toponyme in der Emilia schon angeklungen (cf. Bernardi 1981:23), in Ligurien scheinen dagegen einige Ortsnamen keltischer Provenienz zu existieren (cf. Petracco Sicardi/ Caprini 1981:22ss.), wenngleich oftmals die Abgrenzung zum Ligurischen nicht einfach sein dürfte. Zu gallischen Ortsnamen in den sog. «rätoromanischen» Gebieten können wir zusammenfassend bei Schürr (1963:113) nachlesen: «gallische Ortsnamen finden wir hauptsächlich im Westen; vom Gotthard bis zum Brenner fehlen sie dann so gut wie ganz, in Noricum sind sie dann natürlich wieder zu Hause. In Friaul finden wir wieder vereinzelt gallische Ortsnamen.» Inzwischen hat man aber auch zwischen Gotthard und Brenner zahlreiche Ortsnamen gallischer Provenienz etymologisiert (cf. die bei Schmid [1980:162ss.] genannten Ortsnamen, die etwa a u f f r u t a und *betull- zurückgehen). Wie auch in den Bereichen Geschichtsforschung und Erforschung vorrömischer Etymologien fällt bei der vorrömischen Toponomastik auf, daß der Bereich der Gallia transalpina wesentlich besser dokumentiert und analysiert ist als die Gallia cisalpina. Man denke etwa an die Arbeit von Negre (1990). Für die Cisalpina stehen einbändige Enzyklopädien wie 39
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Diesem Umstand wird nicht in allen (top)onomastischen Beiträgen Rechnung getragen. Dessen bewußt ist sich allerdings Fahre (1991:27), wenn er - hier in bezug auf das Okzitanische - schreibt: «Comme on a continue de former des toponymes gaulois apres la conquete romaine, il est plus prudent de parier de formations gauloises, c'est-ä-dire de designations qui appartiennent ä la langue plutöt qu'ä l'epoque gauloise.» In eine ähnliche Richtung gehen Aussagen Pellegrinis. Cf. Desinan (1984:33).
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jene von Pellegrini (1990a) oder Gasca Queirazza (1990) zur Verfügung. Einen Einstieg und Überblick über die keltischen Ortsnamen der Transalpina gewinnt man bei Morlet (1990), Müller (1990) und Fabre (199141). Die Toponymie Italiens insgesamt wird knapp beleuchtet bei Pellegrini (1988), welcher aber im Rahmen dieses LRL-Artikels nur Beispiele keltischer Namen ohne Systematisierung gibt. 42 Im Prinzip scheinen sowohl diesseits wie jenseits der Alpen die gleichen Ortsnamentypen belegbar zu sein, wenngleich natürlich mit unterschiedlicher Dichte. Man denke an die zahlreichen Suffixe, obschon meist mit lateinischer Basis,43 auf -acum, -icum, -anum etc. (cf. Bernardi 1981:27, Könsgen 1930, Tomasini 1960, Hubschmied 1933, de Bernardo Stempel 1995/1996) und die Bildungen auf -briga, -dunum, -magos ersteres aus der antiken Phase, die letzten beiden aus einer jüngeren Phase (cf. die nachstehenden Karten 5-7 aus Rix 1954:103, 104, 106; dazu auch de Bernardo Stempel 1995/1996).44 Nützlich wären sicherlich weitere kartographische Übersichten über die Verbreitung einzelner Ortsnamentypen resp. Ortsnamenbestandteile in der Cisalpina, wie sie etwa für Iberien mit der Arbeit von Untermann (1961) existiert. Auch eine Gesamtübersicht wäre äußerst fruchtbringend. Dies würde dann - in Kombination mit Appellativbefunden und historischen Erkenntnissen - bei der Zuordnung zu bestimmten Substraten und der Romanisierung hilfreich sein. Dies kann und will diese Arbeit jedoch nicht leisten. Sie muß und will sich darauf beschränken, den Wert des Appellativwortschatzes zu zeigen 45 41
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Fabre (1991) hält fest, daß die gallischen Toponyme auf französischem Sprachgebiet wesentlich zahlreicher seien als auf okzitanischem. Ansonsten sei noch die Bibliographie von Granucci (1988) genannt. Für die sog. «rätoromanischen» Gebiete sei für Graubünden neben den Untersuchungen von Hubschmied (e. g. 1924, 1933 und 1938) oder Hopfner (1929) auf die große Arbeit von Schorta (1964) hingewiesen, für das Friaulische ist Desinan (1984) einschlägig, für die Dolomiten kann aus forschungsgeschichtlicher Sicht die löbliche Sammlung von Gasser (1888) genannt werden, die aus linguistischer Sicht jedoch nur für volksetymologische Studien brauchbar scheint. Keltische Ortsnamen der Romania submersa werden beispielsweise bei Anreiter (1996) zusammengetragen. Im übrigen beobachtet Wartburg (1951:26) das Fehlen von -acwm-Namen in den Zentralalpen, woraus er schließt, daß die Gallier/Kelten hier nicht als Siedler, sondern als Adelschicht auftraten. Wartburg (ibid.) will außerdem die völlige Absenz gallischer Ortsnamen in den inneren Alpen um den Brenner feststellen und daraus eine keltische Absenz folgern. Doch fehlen Ortsnamen, die möglicherweise keltischer Herkunft sind, nicht völlig. Und auch Geschichte und Archäologie suggerieren eine gewisse Präsenz an Keltentum. In der Transalpina haben diese dagegen stets keltische Basis (Desinan 1984:4). Zahlreiche Einzelprobleme behandelt Pellegrini (1981). Petracco Sicardi (1981) versucht eine Trennung zwischen ligurischen und gallischen Toponymen. Auch in der cisalpinen Onomastik zeigt sich der keltische Einfluß. Bei Aurelio 28
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51
*akaros 'Ahorn' FEWXXIV:275s.; Gamillscheg 1961; KB415, 420; Gsell 1997:139 ann. 13; JUH33:263s.; AIS 589; ALF 478; LEI 1:365s.; DEI 1:35; IEW:20 okz. und fr. mit frpr. (e.g. Dep. Lot ogar, Pays des Mauges age 'id.', Dauphine ayä 'id.', Dröme ayar 'platane', Civray arjart 'id.; petit arbrisseau qui sert ä faire des haies', St-Seurin ajard 'alisier', einmal im Dep. Herault agas 'Ahorn', Grenoble ayä 'id.', mdauph. ayä 'id.', bdauph. ayar 'id.; houx', Tarn-et-Garonne. agar 'id.'), piem. (e.g. aygro 'id.', ossol. ägar neben äyar 'acero fico'), lomb. (Typen ägar neben äygr 'id.', e.g. mail, agher 'Acer campestre L.', trent. ägar 'acero fico', Valsug. agaro neben ägro 'id.', Val-Antr. adzar 'id.', tess. [Westen]), ven. (aier), ates. (gadertal. äier 'id.', fod. dyer 'id.'), cad. (amp. er 'id.'), frl. (gesamt, Typ äjar), istr. - vereinzelt im Frpr., in den Departements Lot und Herault (meist mit verschiedenen Suffixen), in Oberitalien im alpinen Raum von Istrien bis in die Val Sesia • Die hier angegebenen trans- und cisalpinen Formen sowie die dolomitenladinische Form können lautlich nicht ohne weiteres auf lat. acer zurückgehen. Gamillscheg (1961:295) konstruiert für die transalpinen Formen in Anlehnung des REW eine vulgärlateinische Problemform *ac(e)ra, die dann einen neuen Singular *acru ausgelöst hätte. Vom FEW und Gsell werden die besagten Formen zu kelt. *akaros gestellt. Verschwiegen wird dabei das Problem, wie dieses keltisch vermutete Etymon zu betonen sei? Die ladinisch-oberitalienischen Formen verlangen proparoxytone, die transalpinen paroxytone Betonung. Das LEI stellt daher alle Formen samt und sonders zu lat. acer, schließt aber mit Sganzini für einige lombardische Wortformen die Kreuzung mit einem kelt. *akaros nicht aus. Dies wird vor allem durch das Bestehen von Alternativformen in selbigen Dialekten wahrscheinlich gemacht: hier scheinen demnach die lateinischen und die keltischen Tochterformen noch immer zu konkurrieren. Die keltischen Wörter sind wohl angesichts der Vielfalt der Formen alle in loco entlehnt, was bei dem vorliegenden Sinnbezirk nicht überraschend ist. Im übrigen sind auch die unter *abulos genannten Formen ein zweites Mal hierher zu stellen. *akstino- 'Stechginster' Fleuriot 1978a: 328; IEW 22 fr. (Typ έάίη 'id.': nur bret., Anjou, Maine) • Im FEW finde ich die Formen nicht. Der Typ stammt laut Fleuriot nicht aus dem Bretonischen, sondern ist alt aus dem Gallischen entlehnt. Er verweist auf kymr. eithin 'id.', abret. ethin 'dito'. Das Wort kann aber motiviert durch das bretonische Nachbarwort in den französischen Dialekten überlebt haben. (—> *iougä) 52
*agranio/*agrinio 'Schlehe; Prunus spinosus' LEII: 1367ss.; FEW I: 54; FEW XXIV: 268s.; EWD 1:107s.; REW294; TB 2; Bertoldi 1929:28 ann.6; AIS 602; AIS 605; ALF 1098; Cronenberg 1937:4ss.; Η60:145; Grzega 2000b; DECLC I:355s.; IEW 773; LEIAA-48
sp. (arag.), kat. (incl. Mallorca, Typ aranyo), okz. (e. g. arafion 'Schlehe', Ascou agranu 'cenelle', Toulouse agneroü, agragnoü 'fruit de l'aubepine'), frpr. (nur Ortsname), lomb. (e.g. V-Sass. grignapöri36 'Himbeere'), tess. (e.g. Osco aqgrüan 'rosa canina', Vermiglio angrinela!), ates. (nur gadertal. angröna 'pianta ο foglia del mirtillo rosso'), tosk., kalabr. (< gallorom., e. g. agrena 'pruno selvatico'), kors., siz., bask. auf einem Streifen vom Norden/Nordosten der iberischen Halbinsel über die Gaskogne und Südfrankreich (ohne den frpr. Teil) bis zum Tessin sporadisch verbreitet, in Nordfrankreich nur ganz vereinzelt; es ist Bestandteil zahlreicher Ortsnamen (e.g. Les Agrines [Dep. Aude], Laranhous [Dep. B-Pyrenees]) • Mehrere vorlateinische Wörter bezeichnen in Frankreich die Schlehe: —> dregos im Pikardischen (—» dragenos), ein Typ bolos im Westen (woher?) und just *agranio im Süden. Wie die inselkeltischen Parallelformen zeigen (cf. ir. airne 'Schlehe', kymr. eirinen 'Pflaume'), ist das Wort sicher keltisch. Das LEI ordnet westagrig. ardinolu 'prugnolo' und Lucca ardignolu hier ein. Dies ist aber mit lautlichen Schwierigkeiten verbunden. Ist in diesem Typ vielleicht eher ein kelt. ätro- (oder lat. äter) zu sehen (cf. Grzega 2000d)? Zu *agranio gehören dagegen auch aveyr. angren, agreno 'Stachelbeere' (cf. Budahn 1940:285), welches laut FEW und Budahn zu lat. acer zu stellen sei, doch semantisch durchaus auch von 'Schlehe' abgeleitet verstanden werden kann (cf. die semantischen Parallelfälle unter —> *bullukiä). Die Grundform müßte dann aber eher *agrano- lauten. Eine Formenvielfalt, wie die hier vorliegende, ist typisch für ein keltisches Reliktwort, das jeweils in loco entlehnt wurde. Die gadertalische Form soll gemäß EWD (1:108), das auf einen Vorschlag von Zamboni zurückgreift, «unter den Einfluß von angröna 'Sinngrün' gekommen und [...] mit diesem homophon geworden» sein. Aber ist dies semantisch-sachlich plausibel? Vielleicht handelt es sich eher um eine Art regressive Assimilation wie bei aveyr. a(n)gren! *aibon (gall.?) 'Äußeres, Miene' FEW 1:55; FEW XXIV: 272; REW300; D20:224
okz. ('Äußeres, Miene, Gesicht etc.; Fehler, Gebrechen etc.', e.g. aokz. aip 'qualite, moeurs', queyr. äibo 'qualite'), fr. (alothr. aaivier 'planter [en parlant de vignes]'), frpr. (Lyon aiva 'qualite, race [surtout des arbres et des plantes]', Isere levo 'graine, espece [en parlant des plantes, des 36
«con -port dovuto al vicino ampön ['lampone']» (Bertoldi 1929:28 ann.6)
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arbres]'), lig. (agen. aibo 'sitte, gewohnheit'), ven. (averon. aibo 'sitte, gewohnheit'), cad. (com. äibi 'Scherze') - in Frankreich nur wenige Belege vom Quercy ab östlich, hinein ins Frankoprovenzalische mit Ausläufern bis nach Neufchätel); die obit. Formen sind Einzelbelege (wegen Erhalt des -b- und der Semantik möglicherweise aus dem Okz. entlehnt) • Stellen ir. aib 'das Äußere; Ähnlichkeit; freundliche Haltung' etc. Entsprechungen im Inselkeltischen dar? Wir haben es hier zum Teil mit sehr abstrakten Bedeutungen zu tun, so daß es wunder nimmt, hier ein angeblich gallisches Substratwort vorzufinden. Und das REW notiert: «Befremden erregt das frühe Vorkommen und die leicht abweichende Bedeutung im Prov. [= Okz.] und Nordit.». Im LEI ist das Wort, soweit ich sehe, nicht verzeichnet. Meyer-Lübke schlägt als Etymon für die angegebenen romanischen Formen arab. caib 'Fehler, Gebrechen' vor, was ebenfalls nicht unproblematisch ist. Wartburg merkt hier zuletzt an, daß nur für die Formen der Provence eine Kreuzung von gall. *aibom mit arab. caiba 'Fehler, Gebrechen' in Betracht kommt (cf. FEW XXIV: 272). Bei Holder (ACS 1:63) ist das Etymon *aibä verzeichnet, welches seine Entsprechungen in air. aeb [ohne Bedeutungsangabe] haben soll, im LEIA aber dort nicht verzeichnet ist (cf. die entsprechende Seite LEIA O-14). Das Wort kann aufgrund der mangelnden Zuordenbarkeit und seiner Bedeutungssphäre nicht als gallisch angesehen werden und wird daher in den nachfolgenden Analysen nicht weiter miteinbezogen. Seine Herkunft muß zunächst im Dunkeln bleiben. *alamos 'Ulme' Anreiter 1992:30s.; AIS 584
pg. (älamo 'Pappel'), sp. (älamo 'Pappel'), okz. (e. g. Vendöme alain, bearn. aume), bdr.?, ostemil.? (cf. nachstehenden Kommentar) • Einige Bezeichnungen für die Ulme auf einem südlichen Streifen der Galloromania stricto sensu gehen nicht auf *ulmus zurück, sondern auf eine Vorform *alamos, die Anreiter - basierend auf einer Deutung Corominas' - als höchstwahrscheinlich keltisch ansieht. Ebenfalls augenfällig sind im AIS auf Karte 584 («olmo/Ulme») verzeichnete Formen mit ua- (so P. 142 [Bruzolo], 143 [Ala di Stura], 152 [Pramollo], bdr.) oder au- (ostemil., wo vorkonsonantisches / normalerweise erhalten bleibt [cf. Rohlfs 1966: 343]). Woher die Diphthongierung? auist vielleicht durch Assimilation an vorkonsonantisches / entstanden und könnte daher ebenfalls zu *alamos gestellt werden.
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*alb- 'weiß' Grzega 2000d; IEW 30
(cf. nachstehenden Kommentar) • Man kann sich fragen, ob einige der LEI-Formen unter albus nicht besser zu einem gallischen Etymon *alb- zu stellen sind (cf. akymr. elbid 'weiß'), da sie aus dem botanisch-agrarischen Sachbereich stammen und auf die ehemals gallisch/keltisch besiedelten Gebiete beschränkt bleiben. Hiebei handelte es sich um die Typen tess. mail, alba 'albagia, alterigia', fass. 4lba 'parete rocciosa', tess. älbes 'uovo'. Angesichts der Verbreitung kann man auch versucht sein, den sonst in der Romania nicht vorhandenen bündnerromanischen Typ alb, alv 'weiß' hier einzuordnen. Andererseits haben sich keltische Farbadjektive in der Regel nur in übertragener Bedeutung erhalten (—»*ätro, —> *alousa, —»*dubos, —» *glast—> *leuka, —» *mel). *albardia (gall.?) 'Bärentraube; Arctostaphylos Uva-ursi L.' FEW XXI: 44; KB 205
kat. (Pallars albarjal 'id.'), okz. (verschiedene lautliche Untertypen zur Bezeichnung der 'Bärentraube': aubaro, auwaro, aubarzo, auwarzo, abarzo, aurazo) - die Verbreitung ist insgesamt sporadisch • Es weist nichts auf gallischen Ursprung hin: weder spricht die Verbreitung dafür, noch gibt es Parallelformen in den übrigen keltischen Idiomen, noch wird das Wort in der antiken Literatur verwendet. Baldinger segmentiert das Wort als al-bardia, ohne eine Etymologie angeben zu können. Die Herkunft der romanischen Formen muß einstweilen im Dunkeln bleiben; das Wort kann nicht weiter als Keltizismus miteinbezogen werden. Ein Gedanke zur Etymologie soll dennoch zu Papier gebracht werden. Die Blätter der Bärentraube werden im Frühjahr gesammelt, getrocknet und dann für Blasen- und Nierentees verwendet. Die Pflanze mit ihren weißen (oder leicht rötlichen) krugförmigen Blüten ist für die Menschen demnach im Frühjahr einigermaßen wichtig gewesen, vielleicht mehr als im Sommer mit ihren roten Beeren. Wenn die Bärentraube sich im Frühjahr nur durch die Blüten von anderen Pflanzen unterschied (aber welchen?), dann ließe sich das Wort auch aufspalten als kelt. alb- 'weiß' + -ardia. Doch ist andererseits -ardia kein gängiges Suffix des Keltischen. *albena/*albuläna (gall.?) 'Schneehuhn; weißes Huhn; Bergvogel' LEII: 1493s.; LEII: 1511s. [«albulus 'bianchiccio'»]; FEWI:60; FEW XXIV: 300; REW319b; TB6; DEI 1:108, Ills., 269, 379; Stampa 1937:32; Bertoldi 1936: 184; H91:20
erste Variante: okz., frpr. incl. aost. (e. g. Genf albine), piem. (arbena, 55
albeina, arbeyna, berna), bask.; zweite Variante: lomb. (erbolana, erborina, arborana, so auch im Tess.), lad.anAunis (amblana), bdr. (e. g. eng. ravulauna, obw. amblana), bair. - in Frankreich auf das südliche Frankoprovenzalisch und einige direkt benachbarte okzitanische Dialekte beschränkt, in Oberitalien nur vereinzelt im Piemontesischen und noch weniger in den übrigen angegebenen obit. Mundarten; stets zur Bezeichnung des Schneehuhns • Es fehlen Entsprechungen in den übrigen keltischen Mundarten. Bolelli hält das Wort nicht für typisch gallisch. Schon Bertoldi bemängelt, daß weder die Basis noch das Suffix noch der Sinnbezirk zwingend auf gallischen Ursprung deuteten: «le nostre conoscenze del lessico alpino, in particolar modo per quanto riguarda la fauna e la flora tipicamente alpine, hanno dimostrato quanto largo sia il contributo di nomi indigeni accolti nell'uso delle popolazioni soprawenute, galliche ο romane» (Bertoldi 1936:184). Er schlägt als Kompromißlösung vor, das Wort, wenn in letzter Instanz auch vorgallisch, doch als einstigen Bestandteil der gallischen Sprache anzusehen, also als «diagallisch». Bei der Bedeutung 'Schneehuhn' kann man berechtigterweise auch an lat. albus 'weiß' denken; im Ligurischen oder Iberischen scheint es indes auch eine Wurzel alb- 'Berg, Anhöhe' zu geben (cf. FEW, Bertoldi 1936:184), die dann als Ausgangsbasis dienen könnte, später von den Galliern übernommen und zur kelt.-lat. Wurzel alb- 'weiß' umgedeutet worden wäre; das Suffix -ena, gelegentlich durch -ineα ersetzt, weist aufs Keltische - zumindest keltischen Einfluß. Das Wort wird aufgrund der zahlreiche lautlichen Varianten selbst innerhalb eines Gebietes wie des Lombardischen in loco entlehnt sein, was auch angesichts des bezeichneten Objektes nicht verwunderlich ist. (—» *kalabria) *albükai (gall.?) 'Waldrebe; Clematis vitalba' FEW XXIV: 301s.; REW324a; TB 7; FEW 1:61; AIS 615
okz. (e.g. Η-Alpes ubkias, durblwas 'id.'), frpr. (e.g Vaux darbwi f.pl. 'clematite des haies [clematis vitalba]', Rhone darbwi 'id.', Bobbio arbüa 'id.', Grenoble darbieu 'id.') - nur im südlichen Frpr. und im östlichen Okz. • Es handelt sich laut FEW (XXIV: 302) um eine Umformung von lat. albucium 'Klematis', wobei das Suffix -üka auf keltischen Einfluß zurückführbar wäre. Die Formen weisen zum Teil Metathese auf, sowie teilweise einen dentalen Vorschlag, dessen Herkunft ich nicht zu deuten weiß. Läßt sich das u in einigen Formen als Assimilation an das u der Folgesilbe erklären? Auch die Formen mit -rbl- sind äußerst sonderbar. Man darf wohl von mehreren Wortkreuzungen und Remotivierungen ausgehen. Das Wort ist nach Wartburg jedenfalls nicht Bestandteil der gallischen Sprache gewesen. In der Tat fehlen Entsprechungen im 56
Inselkeltischen, und auch die areale Distribution läßt nicht unbedingt auf gallische Herkunft schließen. Das Wort bleibt daher bei den späteren Analysen unberücksichtigt. *albüka2 (gall.?) 'mergelhaltige Erde' FEW XXIV: 301; KB 160; KB 132; REW 325; TB 8; D20:225
okz. (nur Rouergue) und fr. (e.g. afr. aubue 'terre argileuse', Vienne aubue 'terrain cretace de couleur blanchätre', Yonne 'terre forte et glaiseuse', Fr-Comte 'terre franche un peu argileuse') - als Appellativum im Zentrum, Morvan, in der Franche-Comte, im Massif central, als Toponym in etwas weiterer Verbreitung • Meyer-Lübke geht von einem ligurischen Wort aus, das FEW spricht sich aufgrund des Suffixes und der Verbreitung für gallische Provenienz aus; dieser letzten Auffassung will ich mich hier anschließen. Man vergleiche auch die Ausführungen zur Basis —> *alb-, *albusta 'Funke' H50:60
Centre albouffe neben albouste 'Funke' • Das Wort ist wohl zur keltisch(-lateinischen) Wurzel —> alb- 'weiß' zu stellen. *alika (gall.?) 'Eisbeere; Frangula' FEW XXIV: 318s.; ALF 1429
okz. (Typ aliga), fr. (Typ alle 'fruit d'alisier', Typ alise 'alisier', mfr. elorce 'alise'), frpr., ?bdr. ('Alkirsche, Traubenkirsche, Prunus padus', e.g. eng. alossa, obw. laussä), ?ates. (fass, läusa 'Faulbeere (eßbar)') weite Verbreitung in der Transalpina • Das FEW (XXIV: 319) schreibt: «Da in den kelt. sprachen kein anhaltspunkt vorliegt, muss die Wortfamilie aus einer anderen vorröm. Sprache stammen.» Diese vorrömische Sprache ist aber wohl indogermanisch, da man in der Basis des Etymons den Stamm al- 'bitter' entdecken kann (cf. IEW: 33). Vom FEW hierher gestellt wird der Typ eng. alosa, obw. laussa 'Traubenkirsche', der sich durch die Alpen bis ins Dolomitenladinische erstreckt. Semantisch einleuchtend, bereitet der Ansatz indessen lautliche Probleme. Hubschmid (1950a: 56ss.) hatte diese daher zu —»alousa gestellt (cf. dortigen Kommentar), was hingegen semantisch fragwürdig ist. Die Herkunft der Formen kann also einstweilen nicht geklärt werden. Das Lemma ist vorgallisch, kann aber über das Gallische übertragen worden sein. Dafür spricht auch das Suffix -ika.
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*alousaW'(2)'(3) (gall.?) '[Farbadjektiv]' > (1) '[Fischart]'; (2) ?'Veratrum album L.'; (3) ?'Faulbeere' LEI 1:1464; H50:56s.; REW314; DRGI: 189ss.; Ernout/Meillet 1967:20; Pirona 1935:506; DEI 1:142; DELI 88; DECLC 1:224s.
kat. (alosa 'peix de la familia dels clupeyds', alova [selten]), okz. (alauzo 'Maifisch'), fr. (alose 'Maifisch'), it. ('[Fischart]' < fr.), ?bdr. ('Alkirsche, Traubenkirsche, Prunus padus', e. g. eng. alossa, obw. laussa), ?ates. (fass, läusa 'Faulbeere (eßbar)'), ?frl. (laussäc, laussän 'elabro bianco, veladro, Veratrum album L., weißer Germer') • Die aus dem vierten Jahrhundert belegte Nachfolgeform diente zur Bezeichnung der Alse und dient noch heute zur Bezeichnung eines Fisches, und zwar von Katalonien bis Süditalien (ist also nicht spezifisch westromanisch). Davon zu trennen sind die friaulischen Formen. Separat zu behandeln sind auch die bündnerromanischen und die dolomitenladinischen Formen, welche zur Bezeichnung von Früchten dienen. Dennoch sind diese Lexeme gemäß Hubschmid zum selben Etymon zu stellen, und es wird daher - so Hubschmid - eine Farbbezeichnung zugrundeliegen, gemäß dem IEW albho- 'weiß'. Dies mag auf die einzelnen Fischarten und den weißen Germer zutreffen. Der friaulische Beleg wird daher neben den transalpinen Formen in die nachfolgenden Analysen aufgenommen. Welche Motivation aber gibt es, weiß zur Bezeichnung der Faulbeere/Ahlkirsche heranzuziehen? Eventuell die Blütenfarbe? Aber hebt sich diese so sehr von anderen Kirschblüten ab? Läßt sich so die Herkunft von (a)lous(s)a bestimmen? Da die gallische These an den fehlenden Keltizitätsindikatoren scheitert, können diese Formen in den nachstehenden Analysen nicht berücksichtigt werden. Neben der gallischen These kann man meines Erachtens aber von folgender Theorie ausgehen: In (a)l- könnte der gleiche Stamm stecken wie in dt. Ahlkirsche - «Der erste Bestandteil gehört wohl zu nd. adel, äl (dazu bair. al und adelig 'faulig stinkend')» (Marzell 1943-1979: 111,1138) - oder zu germ. *alizo, *aliso 'Erle' (cf. die Bezeichnungen für die Ahlkirsche bei Marzell 1943-1979: 111,1139). Ungeklärt bleibt dabei freilich der zweite Bestandteil. ?*altione (gall.?) 'Heidelbeere' Stampa 1937:81s.
Veltlin, V-Bregaglia, Bacino del Mera, bdr. • Das Wort darf wohl zu *atriuono 'id.' (-» *ätro-) gestellt werden (Metathese und Lambdazismus). amalocia (gall.?) 'Stinkkamille' / amalusta (gall.?) 'Art Kamille' FEW XXIV: 383s.; REW395; REW396; Fare 396; LEIII:495ss. («amarus»)
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okz. und fr. mit frpr. (e.g. afr. ameruche 'anthemis cotula', Agen marousso 'camomille', Vendöme marouste 'maroute', pik. amourette des champs 'camomille', Nice amarun 'anthemis arvensis', CharenteInferieure marqt 'päquerette', Char, marotte 'marguerite', fr. maroute, Blois amerüs, lothr. emerot; mit Suffixerweiterung: ostfr. amerel, Morvan ameral), lig. (gen. amaeta), zlad. {(g)iamaita 'chenopodium') - das Wort bezeichnet neben der Kamille auch den Thymian, das Maßliebchen und andere Pflanzen; ist in ganz Frankreich verbreitet, aber nur sehr vereinzelt in den westlichen Regionen; in einigen Formen wurde gemäß FEW und REW unter dem Einfluß von amarus (oder amore) -/durch -r- ersetzt • Das Wort wird im Index des REW als gallisch bezeichnet, das FEW (XXIV: 384) hingegen sieht es als lateinisches Wort an («wird vom Pseudo-Apuleius (4. jh.) als bezeichnung der stinkkamille in Kampanien erwähnt; in der gleichen quelle ist für Dakien die Variante amalusta bezeugt»). In der Tat kann Gallizität durch nichts gesichert werden; man wird alle Formen am besten zu amarus stellen. Auch für die Deutung der Suffixe muß nicht auf keltische Wortbildungselemente zurückgegriffen werden. *ambi-lätium 'Jochriemen' FEWXXIV: 406ss.; REW408b, TB 11; LEI II: 545ss.; H54:19s.; FEWI:83s.; Bracchi 1983:18; Mörgeli 1940:151ss.; Kühebacher 1971:68
okz. [spärlich], fr. (e. g. afr. amblais 'id.'), frpr., piem. (anboläs 'chiovolo del doppio giogo da buoi'), lomb. (e. g. veltl. imbalaz), tess. (murats 'id.' [< spätgall. *ammilätio-]), bdr. (e. g. obw. amblaz, umblatz 'id.', ueng. umblaz 'id.'), schwdt., tirol., kärntn. - «das wort erstreckt sich in einem langgezogenen streifen durch die mitte Frankreichs von west nach ost und setzt seine zone in gleicher richtung fort durch die obit., deutschen und rät. alpenmda, bis nach Kärnten und jenseits des Rheins» (FEW XIV: 408) • Im FEW XXIV wird das Etymon als angegeben. Das Wort hängt sicher mit *latta zusammen. Dennoch muß aus lauthistorischen Gründen für alle Formen von einer Form mit einfachem t ausgegangen werden, wie zuletzt Anreiter (1992:43s.) richtig feststellt. Das Schwanken zwischen einfachem und doppeltem Konsonanten läßt sich vielleicht durch den Ansatz einer Form *lat(t)-o-n lösen, welche für keltische und vorkeltische Wörter nicht ungewöhnlich wäre. Das auslautende -n müßte gemäß Lührs (1985) Beobachtungen Gemination eines vorangehenden Okklusivs, in unserem Falle t, auslösen, vielleicht ist diese jedoch in einigen Mundarten im Sinne einer Hyperkorrektion unterblieben. Es liegen folglich zum Teil Wortwanderungen, zum Teil Entlehnungen in loco vor. 59
*am-bosta (< *ambi-bosta) 'was man mit beiden Händen fassen kann' LEIH: 586s.; FEWI:85s.; FEWXXIV:411s.; REW411b; TB 12; DEII:157; DRG II: 422; H60:144; Jud 1920b; DECLC III:280ss.
sp. (e. g. ambuesta, almuerza), kat. (e. g. ambosta, almosta, embosta [ist aufgrund des ο von Lehnwörtern auszugehen?]), okz. (e. g. aokz. amosta 'jointee (contenu des mains jointes)', bearn. mouste 'jointee'), fr., frpr. incl. aost. (e. g. alyon. emboutie 'ce qu'on peut saisir avec la main; une grosse poignee'; afrpr. ambota 'droit pergu sur les bles mis en vente publique', aost. imboutä 'plein les deux mains ensemble'), piem. (apiem. ambosta '[Maßeinheit]', piem. anbösta 'id.'), lig. (lambustäna 'sacco ο lenzuolo ο altro di simile contenente grano, fagioli, ecc.'), bdr. (e. g. eng. obw. böffa 'poignee; jointee; petite quantite de foin') - auf transalpinem Gebiet konzentriert sich das Wort (vor allem die Ableitungen auf -ata) in der frankoprovenzalischen und okzitanischen Zone, dem westlichen Oberitalienischen und Bündnerromanischen, eine zweite Zone stellt das Sp. dar; hauptsächliche Bedeutung der Nachfolgeformen ist 'jointee'. • Das Wort hat Parallelen im Inselkeltischen. Es liegt eine Zusammensetzung aus ambi 'rings herum' (—> *ambilattium) und *bosta 'hohle Hand' (—» *bostia) vor. Da das Kompositum sich aber über ein wesentlich größeres Gebiet erstreckt und auch seine ganz eigene Bedeutungsentfaltung zeigt, stelle ich es wie Wartburg und Meyer-Lübke nicht zum Simplex, sondern billige ihm einen eigenen Eintrag zu. Hinsichtlich der Verteilung der Lauttypen zeigt Jud (1920b) auf, daß sich -^-Formen in Spanien, -/-Formen 37 im Engadinischen und Obwaldischen, -^/-Formen im südlichsten Teil des Departements Basses-Pyrenees und -/-Formen im Südostfranzösischen finden lassen. Es ist von kleinräumigen Wortwanderungen auszugehen. Meines Erachtens werden kat. almosta und insbesondere sp. almuerza zu Unrecht hierhergestellt, obwohl sich auch das DCECH (1:205, 239s.) und das DECLC (III: 280) letztendlich dem FEW anschließen. Corominas' Erklärung der spanischen Form: «no es claro si habrä ahi una diferenciacion en la fase -sG- ο un influjo de ALMUERZO. [....] En cuanto a la -l- secundaria de almuesta, almuerza, etc., no indica influjo aräbigo; es caso muy frecuente (vid. ALMENA, ALMENDRA, ALMEJA [...])» (DCECH 1:239). Um das m zu erklären, muß man keine etymologische Variante *amosta annehmen. Der Wandel ließe sich innerromanisch erklären: -mb- > -mm- > -m-. Denn dieser Wandel ist nämlich nicht nur auf oskisches Substrat zurückzuführen (cf. Menendez Pidal 1926:295). Die bündnerromanischen Formen stelle ich aus semantischen Gründen bewußt hierher und nicht zum Simplex —» *bost(i)a, das sonst nur Maßeinheiten bezeichnet.
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Gall, -st- kann über -00- regelmäßig zu -/- werden (cf. e. g. —» *aru96ä).
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*amp- (vorgall.) 'rötlich (?); Himbeere' LEI II: 919ss.; FEWXXI:93s.; FEWL494; FEWXV,1:239; H50:15ss.; ALF609; REW1269; REW4133; Fare 1269; DRGI:243ss.; HWRI:53s.; AIS 611; AIS 608; ASLEF3755; ASLEF 3756; Stampa 1937:79s.; Grzega 2000b
okz. (Typ ampone), fr. (Typus äpwa\ wallon. ambe 'id.'; westlich der Rhöne mit sekundären Suffixen, e.g. forez. ampouin 'id.', Puy-de-D. ämpuro 'id.', südfr. amüro 'id.'), frpr. (Typen ampone, äpwa), piem. (iämpola 'id.', Norden: (l)ampitn 'id.'; monf. amre 'fragole silvestre', piele 'pere cervine'), lig. (gesamt: empara 'id.', ämpola 'id.', ämpua 'id.', piele 'id.'?, piöe 'id.'?, ampoline 'id.', lanpun 'id.', Oltregiogo (Torriglia) puette 'mirtilli (Vaccinium myrtillus L.)'?, Oltregiogo ampyöne 'dito', lig.centr. pelle 'mirtilli'?), lomb. (westlomb. lampuq 'id.', ostalpinlomb. ämpule 'id.', westalpinlomb. lampug 'id.', ostlomb. ampoma 'id.', bresc. ämbros 'frutto del lampone', lomb. ampia 'brama, voglia ardente', mail, ampj 'afa, noia', ostlomb. ampia 'ansia, ansietä', bresc. ampia 'afa', westlomb. nimpola 'sorta di ciliegio d'innesto il cui frutto e piü piccolo della ciliegia duracina', veltl. änci 'smorfie', lomb. ampomula 'coccole [del ginepro]', ostlomb. ampirle 'pero cervino'), tess. (ampule, impuy, amporj, amponela 'id.'), trent. (ämpule, pombara 'id.'; incl. Fleimstal, e.g. ampömola; westtrent. apla 'afa; fastidio'; osttrent. ampomoler 'pianta del biancospino'), emil. (bol. lampin 'id.', piac. ampi 'smanie'), rmgn. (Typ (l)ampone 'id.'), ven. (südven. sampone 'id.', nordven. ampom(a) 'id.'), bdr. (e.g. eng. amp(u)a 'id.', obw. (am)puauna 'id.'), lad.anaun. ambrosine 'frutti del mirtillo rosso (Vaccinium vitis Idaea L.); rovo di monte'?, ates. (e.g. ampom), tosk. (lampone), abruzz., südit. (vereinzelt < oberit.?) - in Nordfrankreich, Südostfrankreich, Graubünden (ohne Surselva) und fast ganz Oberitalien (ohne die südliche Lombardei) sowie in der Toskana reich belegt, weniger im Okzitanischen; die hier angegebenen Formen referieren fast alle auf die Himbeere, daneben bezeichnet der Typ aber auch 'mirtillo (specie rosso)', 'uva orsina', 'rovo di montagna', 'bacca [in genere]' und andere Pflanzen sowie übertragen 'Begehren'; an etymologischen Varianten sind für Italien anzusetzen *amb- und *amp• Das Wort ist wohl vorindogermanischen Ursprungs. Aber aufgrund der Verbreitung ist der Typ wohl vermittelst des Gallischen ins Romanische gedrungen. Hubschmid unterscheidet drei Haupttypen: (1) amb-, (2) amp-, (3) amm- (nicht in Gallien stricto sensu). 38 Die einzelnen 38
Die Wurzel amp- könnte sich auch verbergen in dt. Himbeere, das Seebold (Kluge 1995: 374) aufgrund des üblichen althochdeutschen Belegs von hintaperi als «Hinden-Beere» deutet, «obwohl das Benennungsmotiv unklar bleibt». Die Bezeichnungen der Himbeere sind wohl stets im Zusammenhang mit jenen der Brombeere zu sehen, daher deutet Loewe (1913:33) die Bezeichnung aufgrund der Stachellosigkeit der Himbeersträucher im Gegensatz
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Untertypen weisen verschiedene Suffixe auf. Die Formen auf -pom zeugen von Einfluß seitens lat. pomum 'Frucht'. Das LEI listet auch piem. ambrune 'mirtillo', ambrüna 'mirtillo nero', brunsun 'mirtillo nero' hier auf. Diese sind aber wohl zu —» *ande-brüna 'dito' zu stellen. Den Bedeutungswandel erklärt das LEI (II: 932) «con certe macchie color lampone che molti portano fin dalla nascita e che vengono popolarmente attribuite al desiderio, non soddisfatto, della gestante di mangiar dei lamponi (Salvoni, ZrP [= Zeitschrift für romanische Philologie] 22, 465); cfr. voglia di fragola (Jaberg, RPh [= Romance Philology] 10, 321); questa spiegazione e sostanzialmente accolta dal Ghirlanda [...] che cita il grig.centr. (Domat) ömpega Voglia materna' e ömp 'ca 'lampone'.»
Der Formenreichtum zeigt, daß es sich eher um ein In-loco-Substratwort handelt, sofern die Umbildungen nicht alle sekundär aufgrund mangelnder Motiviertheit sind (cf. dazu die Ausführungen in Grzega 2000b). Bemerkenswert ist die Bedeutungsentwicklung zu den abstrakten Konzepten in einigen lombardischen Dialekten. Erklärung? ancorävus (gall.?) 'Hakenlachs' FEW XXIV: 544; REW445; TB 13; FEW 1:93; Anreiter 1992:48ss.; Ernout/ Meillet 1967:31s.; IEW:46
fr. (nur im Norden: awall. ancrawe 'femelle du saumon', apik. ancr(o)eu(l)x, lütt, ancrawe 'dito', Frm. ancre 'saumon becard; espece de spare') • Bei antiken Autoren genannt, aber nicht eindeutig als gallisch. Anreiter (1992:48) macht darüber hinaus zu Recht darauf aufmerksam, daß das sachliche Keltizitätsindiz (Vorkommen des Fisches im Rhein) ein zu geringes sei, um das Wort als gallisch anzusehen. Außerdem sei zu beachten, daß man ja noch über ein gemeinkeltisches Wort für den Lachs verfüge, nämlich gall, esox (cf. air. έό). Doch zeigt Anreiter (1992:49ss.) auf, daß auch andere bislang vorgebrachte Etymologisiezu den dornigen Ranken des Brombeerstrauches. Loewe zieht zur Beweisführung die mundartliche Bezeichung Hirschbeere 'Brombeere' heran. Dazu ist kritisiert worden, daß diese Bezeichnung auf einem nur sehr beschränktem Gebiet vorkommt, während «Hinden-Beere» sich im ganzen deutschen Sprachgebiet findet. Nun zeigt uns die entsprechende Karte im DWA (X: Karten 4 und 5), daß die Form Him-Beere im gesamten nördlichen deutschen Sprachraum üblich ist. Das Mittel- und Oberdeutsche zeigen hingegen eine Fülle von lautlichen Varianten: Vokalschwankungen, mit und ohne anlautendem h-, so daß man hier geneigt ist, eher an ein vorgermanisches Wort zu denken. Hier würde sich nun meines Erachtens besagte Wurzel amp- anbieten (die sich mit hinta- gegenseitig zum sprachgeschichtlichen Erfolg hochgeschaukelt haben mag). Leider kann dieser Vorschlag durch die chronologische Belegsituation bislang nicht erhärtet werden. Es fehlen frühe Belege ohne anlautendes h- oder mit dem Vokal -a-, so daß der hier aufgezeigte Vorschlag zunächst nur hypothetisch bleiben kann.
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rungsvorschläge39 morphologische und/oder semantische Bedenken aufkommen lassen. Das angesetzte Lemma zumindest als «diagallisch» anzusehen fällt aufgrund der auf den Norden begrenzten Verbreitung ebenfalls schwer. *ande- 'herum' • Ist der romanische Typ andare doch auf ein keltisches Etymon zurückzuführen, wie es Thurneysen (1884:18) formuliert hatte? (Cf. auch die nachfolgenden Komposita mit *ande-.) *ande-banno 'Schutzdach' FEW XXIV: 545ss.; IEW:97; J23:392ss.
okz. und fr. mit frpr. (aokz. amban 'sorte de parapet ou de galerie de fortification', aokz. envant 'maison', afr. avan 'auvent', afr. auvant 'echafaudage (hourd) formant galerie, place sur les remparts') - Belege sind nur im Okz. sowie um Lyon herum dicht verbreitet (—> bannon); das Determinatum ist Bestandteil vieler Ortsnamen auch in der Cisalpina [Desinan 1984:25] • Die Gallizität wird durch Entsprechungen der beiden Bestandteile im Inselkeltischen gesichert (cf. air. benn 'pignon, pinacle, creneau', bret. bann 'rampe, parapet; volet de fenetre'). Die Wechsel des Affixes zeigen, daß es sich hier um Entlehnungen in loco gehandelt haben kann. *ande-brukka 'Heidelbeere' (-» brük(k)os) *ande-brüna 'Heidelbeere' (—»brüna) ande-cingos 'Umgang' oder 'Feld, in dem ein Schritt [als Maßeinheit] Platz hat' FEW XXIV: 547; REW447; Anreiter 1992:56ss.
fr. (nur afr. mfr. ansenge 'mesure agraire pour les terres labourables, les vignes et les bois, valant, suivant les epoques, jusqu'ä Wi arpent) Nachfolgeformen dienten im Alt- und Mittelfranzösischen zur Bezeichnung eines Flächenmaßes, in anderen Bedeutungen lebt das Wort nicht fort 39
Dazu zählen unter anderem Schuchardts Vorschläge einer alten Basis *ankor(cf. gr. αγκυρα) und - für ihn, Schuchardt, weniger wahrscheinlich - einer Zusammensetzung aus *anko- 'gekrümmt' und *räko- 'vorne', Schräders Ansatz einer romanisch-germanischen Mischform (wobei der zweite Bestandteil zu dt. Hagen 'Tiermännchen' zu stellen sei), Guyonvarc'hs These der germanischen Zusammensetung aus ahd. anko 'Butter' und mhd. rinanke 'aus dem Rhein gefangener Fisch'.
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• Anhand von Parallelbeispielen (ande-camulos 'in dem der Camulus ist', ande-com-bogius 'in dem ein Krieger steckt') zeigt Anreiter auf, daß die traditionelle Bedeutungsangabe 'Umgang' zu korrigieren ist in '[Art Längenmaßeinheit]'. *andera, (-os) (gall.?) '(junge) Frau; Färse, Ziege; Bock' FEWXXIV: 548ss.; JP52:418ss.; REW449; TB 15; FEWI:94; A L F 1787 [Karte zeigt allerdings nur Südosten]; Benoit 1924:393ss.; D20:227; LEIAA-76
kat. (e.g. anders 'macho cabrio'), okz. (e.g. ande(r)s 'Dreifuß', okz. enders 'Nabelkraut'), fr. (e. g. landier 'Feuerbock', afr. mfr. andier 'dito', dial. 'Mohn'), frpr. (alyonn. andier 'etrier de la cheminee ou gros chenet') - über ganz Frankreich hinweg verbreitet mit Ausläufern im Kat. • Verwandte Formen finden sich in den inselkeltischen Mundarten (cf. kymr. anner 'junge Kuh', ir. ainder 'junges Weib'). Für die romanischen Formen ist dann noch ein entsprechendes Maskulinum anzusetzen. Doch das keltische Wort stammt gemäß Pokorny (1952) letzten Endes aus einer vorindogermanischen Sprache. Auffallend sind die vielen lautlichen Unregelmäßigkeiten, die das FEW (XXIV: 550) für die Dialekte feststellt. Bezüglich der Bedeutungsentwicklung präzisiert Benoit, daß aufgrund der Bibrakte-Funde von Feuerböcken, welche nicht Stierköpfe, sondern Widderköpfe trugen, für *anderos auch 'junger Bock' angesetzt werden müßte. Dies scheint mir keine Probleme zu bereiten. *apsa (gall.?) 'Wasser' FEW XXI: 7s.; H50: 52; DEI 1:378
?Pail (= NO-Mayenne) asa m. 'averse', ?Charost (= Bourges) assat 'dito', ?Berry (Centre) assat d'eau 'dito', lomb. (e.g. amail. avixium 'acquitrino', mail, äves 'braccia sotterra ove trovi acqua che rampolla dalla ghiaja', trevigl. aes 'sorgente, acquitrino, livello delle acque sotterranee' [zwischen Mailand und Bergamo], Val San Martino aes, naves 'sorgente', Val Imagna ares 'dito', Val Vestino aes 'sorgente'), ates. (fass. alveis, veisc 'Flußbett') • Die angegebenen Formen enstanden gemäß Wartburg «vielleicht aus einem gall. *APSA 'wasser' (+ -ACEU), das sich eventuell erschliessen lässt aus kymr. ach 'fluss' in bachnamen» (FEW XXI: 7). Für die cisalpinen Formen ging Hubschmid aufgrund der Verbreitung von einem paläovenetischen Etymon aus, das FEW stellt sie hierher. Die lautlichen Probleme sind nicht zu übersehen. Amail. avixium paßt kaum hierher. Die fassanische Form könnte eher verwandt sein mit —> *aues-ä 'Flußbett', doch ist dieses Etymon nur auf einige transalpine Bezeich64
nungen für die Weide beschränkt, falls es sich dabei nicht um bloße Varianten eines Basisetymons *äpesa handeln sollte. Das / in fass, alveis erklärt Hubschmid mit Einfluß von lat. alveus 'Mulde'. Am besten scheint mir, für die cisalpinen Formen lat. apex als Ausgangspunkt anzusetzen, wie es auch das DEI für die lombardischen Formen tut; die oberitalienischen Formen sind damit nicht zu den Keltizismen zu rechnen. Auch die transalpinen Formen lassen sich nicht ohne weiteres auf *apsa zurückführen. Die Form ares ist vielleicht verdruckt für aves. *ar(a)ua (> *älaua) 'Föhre, Arve' FEWXXV: 84s.; JUH33:91; NJ45:172ss.; H49:28ss.; FEWI: 151; AIS 571
okz. (einschließlich der okz. Mundarten des Piemonts; e.g. Η-Alpes ärva 'auves, fruit d'auvier', ervu 'pin silvestre, pin blanc, sapin, meleze; arbre qui porte de gros pignons, pas le pin cembro', Quercy evour 'bois de sapin'), fr. (spärlich), frpr. (einschließlich der frpr. Mundarten des Piemonts; e.g. sav. alvo, arüla [< suffigierte Nebenform *ariilla\) 'pin cimbro') incl. aost. (arula, arola), piem. (elvu, ervu 'pin cimbro'), bdr.,40 (rum.?41), hd. - verbreitet in den Zentralalpen und umliegenden Arealen, aber nicht flächendeckend • Das übrige Oberitalien und die «rätoromanischen» Gebiete setzen einen Typ *dzembro- fort. Für genuine Keltizität fehlen die notwendigen Indizien. Das Wort kann aber sehr gut über das Gallische (in loco) vermittelt worden sein. *ardesia (< *aritisia) (gall.?) 'Schiefer' REW621; TB 16; FEWI: 132s.; Anreiter XXV: 148; FEW XXV: 152ss.; LEIAA-87
1992:67;
PYL94:187;
FEW
fr. (> frpr., okz., it., pg.) - das Wort ist spezifisch nordfranzösisch, die übrigen bezeugten Formen sind gemäß FEW XXV Entlehnungen • Das REW schreibt: «Ursprung unbekannt, das Suffix erinnert an gall, cerevisia, auch der Begriff könnte sehr wohl gall. sein». Bolelli schreibt dagegen zur keltischen Hypothese Meyer-Lübkes, «non puo in nessun modo essere provata», aber der morphologische Ausgang macht wahrscheinlich, daß das Wort zumindest einmal gallisch war. Das FEW (XXV: 156) setzt ein belegtes Etymon arduensis (< arduennensis Arduenna) im Sinne von 'pierre des Ardennes' an. Es wäre dann als romanische Ableitung nicht weiter miteinzubeziehen. Anreiter (1992:67) weist daraufhin, daß die Basis des Etymons mit kymr. arddu 'sehr schwarz' etc. zusammenhängen könnte (ergo —» *ätro-). Natürlich ist bei Gesteinsbezeichnungen auch denkbar, daß das Wort von den Gal40 41
Cf. die Ausführungen bei Hubschmid. «[Es] klingt seltsam an * A R U A an rum. arvele 'pommes de pin'» (FEW
1:151).
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liern aus einer anderen Sprache entlehnt und mit einem heimischen Suffix versehen worden ist. Für vorgallische, sogar vorindogermanische Herkunft spricht sich Hubschmid (1965:160) aus. Doch das Suffix ist im Indogermanischen durchaus präsent. Aus romanischer Sicht hätte man es dann mit einem gallischen Substratwort zu tun. Lambert (1994:187) konstruiert ein gallisches Etymon *aritisia («apparente au lat. paries, parieties»), welches meines Erachtens lautlich und semantisch sehr überzeugt. arduenna 'abschüssiger Ort' FEW XXV: 152ss.; Söll 1967:190; LEIAA-87
okz., fr., frpr. - da sämtliche Appellativa wohl von einem Toponym, Arduenna, gebildet sind, sind sie nicht weiter miteinzubeziehen, obschon das Toponym auf das Gall, zurückzuführen ist • Entsprechungen sind im Inselkeltischen (cf. ir. ard 'erhaben, hoch, aufrecht') zu finden. arependis (< arepennis) '[Ackermaß]' REW634; TB 17; FEWI:135s.; D20:228; Ernout/Meillet 1967:45; LEIA A-39s.
okz. [> pg.], fr., sp. (asp.) • Die Zusammensetzung findet ihre inselkeltische Entsprechung in ir. airchenn 'mesure de superficie' < *are 'vorne, davor' + cenn 'Kopf, Haupt'. Schon in der Antike wird das Wort dem Gallischen zugerechnet (Colum. r. r. 15, 1, 6). Das Etymon ist im Romanischen nur als Akkermaßeinheit gebräuchlich und nicht als Appellativum und wird daher in den nachfolgenden Studien nicht mitberücksichtigt. *arno- (gall.?) '[Pflanzenname]' H54-.18
galiz. arnio, arnaz '[cierta variedad de tojo]', Gerona am 'paliurus australis', okz. (e.g. aokz. am 'paliure', Toulouse arnigo 'genet velu', Nice arnaveu) • Nichts kann die gallische These Hubschmids untermauern. Die Sprachgeographie ist hier ein zu schwaches Indiz. *artika (gall.?) 'frisch gepflügtes Land' FEW XXV: 387ss.; REW686a; TB 18; H54:18, 51; Hubschmid 1965:117; DECLC 1:438ss.
sp. (arag., navarr.), kat. (artiga 'tros de terra en que han arrabassat les mates i bosc, per conrear-lo'), okz., fr. (nur wall.: [aler] en artiu 'aller 66
labourer, aller aux champs', arer les ertuz 'labourer', faire laburs en erceu 'aller labourer, aller aux champs') - kommt in den Pyrenäen und ganz Südfrankreich vor, außerdem im Wallonischen, falls dessen Form überhaupt hierher gehört 42 • Trotz inselkeltischer Parallelformen liegt der Ursprung des Wortes für Bolelli - und weitgehend auch für Coromines - im Dunkeln, da etwa kymr. aredig eine Vorstufe *aratika verlangt. Nach Anreiter (1992:79) wird die Keltizität aufgrund zweier Faktoren wahrscheinlich: zum einen aufgrund des Suffixes -ika, zum anderen aufgrund des Sinnbezirkes (Bodennutzung; —> *gaskaria, —» *sauareton, —» *uerkaria). Zwar sind dies allein keine sicheren Keltizitätsgaranten - auch ist unklar, ob das Suffix nicht eher iberisch ist (cf. DECLC 1:439) dennoch scheint mir die Keltizitätsthese durch die wallonischen Fortsetzer nicht abwegig. *aru60a (spätgall.) 'Getreideballen' FEW XXV: 395; Hubschmid 1965:157s.
okz. (okz. aroufo 'balle d'avoine', Nice aroufa 'id.', lang, aröfo 'id.', Herault arofo 'id.', Narb. arofo 'id.', Tarn arofo 'balle de ble ou d'avoine', Castres arofo 'balle du ble et surtout de l'avoine') - gering verbreitetes Wort im südlichen Okzitanien • Der Vorschlag eines gallischen Etymons für die okzitanischen Wörter stammt von Hubschmid (cf. FEW). Doch bis auf die Sprachgeographie fehlen aussagekräftige Anhaltspunkte. Zumindest wird das Wort über das Gallische vermittelt worden sein, und zwar über das Spätgallische, sonst wären wohl irgendwo Formen mit -st- neben -/- zu erwarten. Der Vokalismus ließe sich gemäß FEW und Hubschmid durch Sekundäreinfluß von lang, balofo 'balle de ble' erklären. *äsk(u)o- '(Futter-)Weide' H51:10; DRGI:441s.; HWRI:72; Bracchi 1983:15
bdr. (westlich, e.g. obw. as-ch e pas-ch 'Wunn und Weide'), tess., alpinlomb. (Hubschmid [1951:10] gibt als Verbreitungsgebiet lediglich «Zentralgebiet der Alpen» an) • Das Wort ist laut Hubschmid (1951:10) «das echt gallische Gegenstück» zu vorröm. alpis, doch gibt er keine entsprechenden Formen aus 42
Cf. FEW (XXV:388s.) zu Hubschmids Vorschlag, unter Berücksichtigung des Wallonischen statt eines iberischen Etymons ein gall. *artika anzusetzen: «outre les difficultes formelles [...], il faut convenir que la distribution geographique (Sud-Ouest - cat. - arag. et Wallonie, avec solution complete de continuite) ne dessine guere la configuration d'un mot gaulois. [...] On a recemment propose (Billy) de mettre ä part le groupe wallon, ramene ä aha. art 'labour'.»
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anderen keltischen Sprachen an. Die Verbindung mit lat. pascuum mag wohl stimmen, so daß das fehlende p- auf keltische Herkunft hinweist. Doch könnte angesichts der Verbreitung auch eine andere vorrömische unbekannte Sprache vorliegen, bei welcher sich die gleiche Lauterscheinung zeigt. Gegen die gallische Herkunft spräche nämlich, daß -kunicht zu -p- geworden ist (wobei natürlich auch Assimilation an nachfolgendes pascuum denkbar wäre). «Der Zwillingsausdruck as-ch e pas-ch, ascua et pascua [in mittellateinischen Urkunden von Bormiese bis Ivrea] weist darauf, daß in der Tat bei den Galliern ein *asko- oder *askwo- 'Weide' (aus vorkelt. *pasko oder *paskwo-) üblich war [...], das die Romanen übernommen haben» (DRG 1:442).
Die Verbreitung - wie sie sich auch durch die mittellateinischen Urkunden ergibt - scheint ausreichend, um ein diagallisches Wort anzunehmen. *ätro- 'schwarz' (> *ätriuono 'Heidelbeere') JUH33:266; (REW753); Fare 753; AIS 613; AIS 614; Sganzini 1934:269ss.; Grzega (2000d); LEI IV: 2024ss.; FEWI: 166; Pellegrini 1976
okz. (im Massif central und den Cevennes, auch mit Suffixwechsel *ätraüno\ Η-Alpes erze < ätrik-), piem. (im Alpinpiem., nordöstl. Piem.: e.g. läriun, aira, erze), lomb. (Westen), tess. (e.g. la(d)rion < *ätnwono + Agglutinierung des Artikels, cf. V-Magg. Ιψίόϊ 'Heidelbeere') - der vorliegende Typus zur Bezeichnung der Heidelbeere liegt in den südlichen transalpinen Gebieten sowie westlich der Valle Leventina und ab den um den Lago Maggiore liegenden Gebieten Richtung Westen vor • Eine Entsprechung der Wurzel findet sich etwa in kymr. arddu 'nerissimo'. Sganzini (1934:269ss.) spricht sich aufgrund etlicher lautlicher und morphologischer Probleme gegen die Annahme eines Etymons *ätriuono für einige von Hubschmieds zitierten Formen aus, insbesondere was jene aus dem östlichen Piemont und der westlichen Lombardei betrifft: «Come si spiegano allora le anomalie che presentano le altre voci dell'area rispetto alle voci ricondotte ad *ATRJÖNE, *ATRJÖNI? Come si spiegano le forme senza la dentale dei territori dove il nesso -TR- non si semplifica in -R? In che rapporto stanno le voci che hanno nella protonica o, ü con quelle che hanno dl Come si deve giudicare infine il /- che talora sta all'inizio delle voci per e talora manca?» (Sganzini 1934:275).
Für diese Formen sei ein Etymon *lorriöne anzusetzen, über dessen Herkunft sich Sganzini nicht weiter äußert; es handelt sich dann wohl um eine vorkeltische Substratsprache. Oder ist hier von einer Verballhornung unseres Lemmas auszugehen: *atriuono > *atrione [Triphthong > Diphthong] > *arrione [Parallelfall petra > pierre, tess.] > *larrione / 68
*lorrionel Östlich der obengenannten Gebiete sind Fortsetzer des Etymons -» *glast- zu finden (zum Teil gekreuzt mit anderen Wörtern). Fare sieht wie Wartburg in den Formen für 'mirtillo' (verzasch., valmagg., vallanz.) und 'prugnolo' (siz. (a)trigna, kalabr.) Ableitungen zu lat. ater. Es fällt auf, daß die beiden seman tischen Gebiete 'mirtillo' und 'prugnolo' geographisch deutlich getrennt sind: ersteres ist nur oberitalienisch, zweiteres nur unteritalienisch und kann somit nicht in den nachfolgenden Analysen miteinbezogen werden. Der Reichtum an Formenvariation spricht für In-loco-Entlehnungen. at-tegia (—> tegia) avedone (gall.?) 'Königskerze' LEI 111,2:2624s.; REW816a; TB 19; DEI I: 376s.; AIS 626
okz. (e. g. fyu ά'Ιϊύη), frpr. (e. g. Ιανϊύη), piem. (e. g. erba d luvion, liun), lig. (e. g. lüviun, vaentün, Ιςναηίύη), lomb. (avedon, lavadonn, lavadone, mail, avedun, bresc. ladü), tess., trent., 43 ven. (aven. avedon [< lomb?]) gemäß LEI auf einer großflächigen alpinen Zone vom Veneto über Oberitalien44 einschließlich Ligurien bis nach Burgund verbreitet • Bei den zitierten lombardischen Formen liegt eine Umdeutung nach «lava-donne» vor (die Pflanze diente zur Blondierung von Haaren); bei den piemontesischen und lombardischen Formen nimmt das LEI außerdem Einfluß durch die entsprechenden Wörter für 'Löwe' an; meines Erachtens handelt es sich lediglich um eine Agglutinierung des Artikels (denn es ist fraglich, ob die Ähnlichkeit «Löwenmähne» mit dem Wuchs der Königskerze - dies soll wohl das auslösende Moment sein - zur Umdeutung genügt) (cf. Grzega 1997b: 68). Die genuine Keltizität ist nicht gesichert. Manche denken auch an ligurisches Substrat (cf. den forschungsgeschichtlichen Kurzüberblick im LEI). Aufgrund der Verbreitung und der Morphologie darf man aber von keltischer Übertragung in loco ausgehen. *aues-ä 'Flußbett?' Gamillscheg 1923: 545; (FEWI: 185)
fr. (e. g. osier 'Lorbeerweide', afr. bret. ozye 'dito', Lüttich wgzir d'osiers') - nur im Fr. ohne einen • Gamillscheg stellt die im FEW 43
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osiere 'branche d'osier; osier', norm, 'dito', Morvan oüillee 'lieu plante östlichen Teil vertreten (1:185) unter dem im 8. Jahrhundert
Für das Trentinische und das Tessinische finden sich im LEI leider keine genauen Formenangaben. Für das Trentinische und Tessinische werden jedoch keine eigenen Formen angegeben.
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belegten Lemma mit. auseria (< frk.) 'Weide' aufgeführten Formen zu einem gallischen Etymon, das mit bret. aoz 'Flußbett' verwandt sei. Aus lautchronologischen Gründen müsse das Etymon ein altes au haben und könne daher nicht auf germ, halster 'Lorbeerweide' zurückgehen. Das neu postulierte Etymon ist vielleicht mit —> *apsa urverwandt oder vielleicht nur eine Variante (Grundform *äpesa>). Zu klären bleibt die Bedeutungsfiliation: die Lorbeerweide als Baum, der an Flüssen wächst? *bakka/*bakkos 'Wassergefäß' und *bakkinum (wohl gall.) 'Becken' LEIIV: 181ss.; FEW 1:197; FEWI:199ss.; DRGII:246s.; REW862; REW 866; REW 860; DEI 1:3, 395, 397s.; DELI163; Gamillscheg 1923:548s., 552ss„ D20:230
kat., okz., fr. einschließlich frpr. (lyonesisch > piem., mail.), obit., bdr., ates., frl., aber auch umbr., abruzz., sard, das Wort ist als Simplex auf das Galloromanische stricto sensu beschränkt; auf der Appenninenhalbinsel finden sich nur Nachfolger eines Stammes bakkin-, diese aber bis in den Süden • Ist das Wort gallisch? Es fehlen Parallelformen aus dem Keltischen (zur keltischen Hypothese cf. die Bedenken, die Lambert [1994:187] und schon REW 863b äußern).
baccar '[ein Pflanzenname]' > 'Zyklame, Alpenveilchen' LEIIV: 132ss.; REW863a; TB21; DEII:391ss.; Prati 1968:7; D20:230; Ernout/Meillet 1967:63; Biondelli 1853:251
lig. (e.g. ostlig. bakö 'varietä di uva nera, di importazione recente'), lomb. (Typ bäkare 'ciclamino [Cyclamen europaeum L.]', mail.gerg. baccalin 'ritrovo di bevitori, caffeuccio'), trent. (osttrent. bächera 'ciclamino'), emil. (baraccä 'gozzovigliare'), rmgn. (sbraccarar 'ridere fortemente'), ven. (venez. bacarär 'gozzovigliare', bakarön 'tubero del ciclamino, usato dai ragazzi nei giochi', südven. üa bäkara 'coccole del sambuco', ven. bäkaro 'vino locale produtto con uva dagli acini piccoli; vino di bassa qualitä; vino delle Puglie ο dell'Italia meridionale', nordund zentralven. bakarön 'tubero del ciclamino, usato dai ragazzi nei giochi'), ates. (bäkaro 'vino da poco, vinello'), frl. (bäcaro 'vino pugliese'), tosk., umbr. laz. baccajä 'brontolare, leticare, gracchiare' • Dottin und das REW sehen das Wort als gallisch an. Es ist dann wohl zu ir. bachar 'lady's glove; an acorn' stellen. Auch Dioscorides (1,18) klassifiziert das Wort als gallisch. Nach Bolellis Ansicht und nach Ansicht von Ernout/Meillet handelt es sich jedoch um ein Wort griechischen (lydischen) Ursprungs: βάκκαρις. Dies heißt dann wohl, daß das Wort von Massilia aus ins Romanische gelangte. Einige der hier angeführten Laut- und Bedeutungstypen sind sehr auffällig: wie erklärt sich 70
das sbr- der romagnolischen Form? Wie erklärt sich dessen Bedeutung? Wie erklärt sich das Semem 'gozzovigliare' im Venezischen und Emilianischen, wie das Sem 'vino' in etlichen Mundarten? Auch das LEI (IV: 137) stellt sich diese Fragen. Diese Wörter sind wohl anderen Ursprungs. Insgesamt sind die hier aufgeführten Formen nicht in die Analysen miteinzubeziehen. *bakkinum (wohl gall.) 'Becken' (—> *bakka) *bago 'Arm' Hubschmied 1937:29ss.; KB 950
e. g. fr. bayart 'Bahre' - vor allem in der nördlichen Transalpina weit verbreitet • Für keltische Herkunft lassen sich keine Indizien finden. Das Wort ist meines Erachtens zu fr. bailler 'porter, saisir' zu stellen, welches auf ein lat. baiulare 'porter sur son dos ou dans ses bras' zurückgeht. Das Lemma ist zu streichen. *baita (gall.?) 'Bauernhaus' REW884; DEI 1:409; Stampa 1937:132s.
gemäß Stampa «su tutto il versante meridionale delle Alpi, dai Pirenei al Friuli» • Für gallische Annahme genügt der Reliktwortcharakter, wie er offenbar für das REW und Stampa entscheidend ist, nicht. Es fehlt eine entsprechende Anschlußmöglichkeit. Das Wort scheint nur auf Gebirgsrückzugsregionen beschränkt. Das DEI sieht eine mögliche Verbindung zu bask, baita 'in casa, presso' und zu arab. bait 'Haus' und hält mediterrane Herkunft für denkbar. Der Worttyp ist letztendlich vorgallisch und bald über das Keltische, bald direkt ins Romanische gelangt. *baläkon 'Vorsprung' FEW 1:209; REW 890; TB 22
okz. und fr. (e. g. afr. balet 'galerie couverte par un toit en saillie appuye contre un bätiment, et qui met ä l'abri ceux qui sont aux fenetres et les passants; auvent, petit toit de planches en saillie au-dessus de la porte d'une boutique», Angeres ballet 'auvent, toiture, hangar couvert de paille', Aunis balai 'auvent', gask. balet 'räteau de bois') - taucht überwiegend in der westlichen Hälfte Frankreichs auf • Keltische Herkunft wird durch Parallelformen in anderen Mundarten gesichert, e.g. kymr. balog 'Zinne, Türmchen'. Die Tochterformen
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zeigen relativ einheitlich einen Lauttyp balg. Dies könnte ein Hinweis auf vermehrte Wortwanderungen sein, was bei architektonischen Bezeichnungen nicht abwegig wäre. *balaium 'Ginster' (—> *banatlos) *balkos 'hart, stark; getrockneter Lehm' FEW 1:211s.; REW899; TB 23; Gamillscheg 1920:134s.; Gamillscheg 1923: 558; Anreiter 1992:99ss.; D20:230; LEIAB-12
okz. (e.g. baucas 'große Grasbüschel', baucasso 'dichtes Gras', aokz. bale 'lehmig'), fr. (e.g. afr. bauge, bauche 'Lehmhütte, stallähnliche Behausung für gewisse Tiere', nfr. bauchier 'Lehmarbeiter'), frpr. incl. aost. (e. g. lyon. bauches 'Cyperngras', Schweiz, bäche 'mauvais foin de marecage') - über ganz Frankreich hinweg verstreut, mit Konzentration im westlichen Okz. und im Frpr., insgesamt aber nicht übermäßig zahlreich belegt; dient zur Bezeichnung von Pflanzen, die sich durch ihre starken, harten Stengel und Blätter auszeichnen; ist Bestandteil etlicher Ortsnamen • An innerkeltischen Parallelformen könnte man nennen: air. bale 'stark, kräftig', kymr. balch 'stolz, glänzend, stark, tapfer; arrogant, anmaßend'. Zur semantischen Entwicklung von 'stark, hart' zu 'Lehm' vergleiche man in einigen romanischen Mundarten lat. fortis 'stark, tapfer' > 'dicht, dick' > 'hart' > (seit dem 13. Jh.) 'lehmig' (cf. Anreiter 1992:101). Wie aber ist die Entwicklung zu 'Grasbüschel' zu erklären? Die Formen sprechen nicht für größere Wortwanderungen. *ballos/*balios 'weiß(gefleckt)' Gamillscheg 1923:552ss.; D20:230; FEWI:202, FEW 1:217
fr. und frpr. (e. g. Typ baille 'mit einem weißen Fleck', Lyon, Normandie, Doubs) - ganz vereinzelt im Fr. und Frpr. belegt • Während Wartburg keltische Herkunft der Formen ablehnt und den Typ gleichzeitig zu lat. badius stellt 45 und zu germ, balla 'weißgefleckt' und dies im selben FEW-Band - , hält Gamillscheg ein Etymon *ballos für wahrscheinlicher, denn er sieht hier eine Verbindung zu mir. ball 'mit einem weißen Fleck auf der Stirn', schott. ir. ball 'Fleck' und erklärt den Palatal im Galloromanischen dadurch, daß das keltische / als solches rezipiert worden sei (wobei er sich auf Aussagen von keltologischer Seite beruft). Diese Deutung scheint mir überzeugend. (Ist das Wort urver45
Wartburgs zweifelhafte Begründung (FEW 1:202): «Gerade die rotbraunen pferde haben häufig einen weißen flecken auf der stirn, daher schon afr. baille 'avec une tache sur le front'; Esternay baillet 'marque d'une pelote ou d'une etoile blanche sur le front (des chevaux de couleur jaune, noire, rouge)' [etc.]».
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wandt mit kelt. *belos/belisia 'Funke', welches panromanisch verbreitet ist [cf. Kap. II.2.]?) balma (> balua) (gall.?) 'Höhle; überhängender Fels, natürliche Grotte' LEI 1:910ss.; FEW 1:223s.; H51:16s.; H54:14; JUH38:121; REW912; TB 25; DEI 1:417; Merlo 1929:302; CM56b:158; AIS424; AIS424a; D20:230; Aschenbrenner 1986:105s.; DECLC I:604ss.
kat., okz., fr., frpr. (hier in der Bedeutung 'coteau escarpe') incl. aost., piem. (balma 'Balm': westl. Hälfte und alpinpiem.), lig. (Typ barma, balma, nur westlichster Teil in der Bedeutung 'Balm', nur sehr vereinzelt 'Höhle'), lomb. (Typ balma: nur alpinlomb.: Brissago), tess. (balma 'Balm'), trent. (in Ortsnamen), ates. (nur in Ortsnamen), südbair. - als Appellativum (stets Typ balma) und Ortsname über die ganze französische Schweiz und Ostfrankreich bis Besangon, das östliche Südfrankreich (aber auch Katalonien), das Wallonische, dem Piemont, Ligurien und dem Tessin gut verbreitet, als Ortsname gar bis nördlich der Loire; Einzelbelege reichen bis in die Gaskogne und nach Valencia sowie nördlich bis nach Belgien; die Tochterformen zeigen keine lautlichen Besonderheiten und bedeuten in der Regel 'Höhle' und 'steil abfallender Ort', sekundär aber auch 'unterirdischer Wasserkanal' etc., als Verb 'graben' etc. • Das DEI denkt an ligurische Herkunft, während andere eine gallische These verfechten. Die Quellen bieten keine sicheren Indizien für gallische Provenienz (cf. a. Lambert 1994:188) - es ist fraglich, ob korn. bal 'Minde' hierzu gehört. Das Wort ist vermutlich wie andere Geländebezeichnungen vorkeltisch (e.g. —»barica, —> *bernos, —> *lanka). Auch Pokorny (1948/1949:227) schreibt: «Der Gedanke nichtidg. Herkunft ist trotz des com. bal 'Mine' nicht von der Hand zu weisen, da auch dies nichtidg. sein kann.» Letztendlich muß das Wort aber über das Gallische ins Volkslatein gekommen sein. Wortwanderungen scheinen mir angesichts des Sinnbezirkes unwahrscheinlich. *balu- 'Schote' (> *balusta 'Spelzen') Gamillscheg 1923:564; (FEW 1:219)
okz. und fr. mit frpr. incl. aost. - gesamttransalpin zur Bezeichnung der Spreu • Schott, balan 'Schote, Hülse' schafft die innerkeltische Verankerung. Der Worttyp - einschließlich balle de ble - ist nach Gamillscheg ursprünglich im Westen zu Hause, wobei das Suffix auf ein vorrömisches Etymon weise, für das sich am ehesten das gallische *balu eigne, das mit schott. balan 'Schote, Hülse' verwandt sei. Das FEW stellt diese Wortfamilie zu ballare 'tanzen': «Speziell wird das verbum verwendet, um das
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wannen und worfeln des getreides zu bezeichnen, daher afr. baier 'vanner'. Davon das Verbalsubstantiv apr. bala 'balle de ble'» (FEW 1:219). Doch scheint mir das Ableitungsmuster «Nullableitung für Ergebnis» weniger überzeugend als Gamillschegs Ansatz. Volksetymologische Kreuzungen sind natürlich nicht abwegig. *banatlos/*balaium 'Ginster' FEW 1:232s.; KB 417; REW897; TB 26; BlWbg:53
okz., fr., frpr. (Typ balai 'Ginster; Besen') - heutzutage in zwei getrennten Gebieten, nämlich Loire-Inf. einerseits und Nievre, Alier, PuydeDöme, H.-Loire, östlich bis Dröme und Isere andererseits; früher wohl wesentlich weiter verbreitet, aber dem REW zufolge durch genista verdrängt; «*banatlo [...] devenu par metathese *balatno, dont la terminaison anormale a ete adaptee, cf. toutefois l'a. fr. balain(s) [...] et des formes analogues balan, balain, de la region lyonnaise» (BIWbg: 53) • Parallelformen finden sich in kymr. banadl 'Ginster', bret. balazn 'dito'. Wartburg hält die Annahme eines gallischen Wortes für einleuchtender als Meyer-Lübke, der darin ein bretonisches Lehnwort gesehen hatte. An letztere Theorie denkt aber auch Lambert (1994:187), denn «les Bretons d'Armorique etaient reputes au Moyen-Age comme balayeurs et eboueurs.» Dieser zweite Ansatz klingt überzeugend, und das Wort ist daher nicht weiter zu berücksichtigen. *bannon 'Horn' FEW 1:238ss.; LEIA B-35
FEWXX/1:287;
REW934;
TB27;
D20:231;
H60:146;
kat., okz., frpr. (—> *ande-bannon); taucht auch in Ortsnamen auf - ist im wesentlichen okz. (ohne Gaskogne) und frpr. (ohne Aostatal) • Genuine Keltizität wird durch inselkeltische Formen gestützt (cf. ir. benn 'pointe, corne'). ?*barda/*barta (gall.?) 'Zaun; Abgrenzung' Gamillscheg 1923:570s.; Hubschmid 1965:67
okz. (nur sporadisch, e. g. barta 'Gebüsch', agask. barta 'foret'), fr. (nur lütt, bardahe 'gaule') • Gamillscheg bringt leider keine genaueren Angaben und auch keine Entsprechungen aus dem Inselkeltischen. Aufgrund der Semantik möchte ich die romanischen Formen zu dem panromanischen *barros 'buschiges Ende, Schöpf stellen (cf. Kap. II.2.). Das Lemma ist somit zu streichen.
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bardala (gall.?) 'Haubenlerche' FEW 1:253s.; FEW XXI; D20:231; Ernout/Meillet 1967:66
okz. (nur Languedoc bardal 'alouette', Angeres berluche 'alouette lulu') • Neben den inselkeltischen Schwesterformen und der Zuordnung im Corpus Glossarium Latinum (11,25 et 28) spricht zu einem gewissen Grade auch die Bedeutung für Gallizität, denn die Bezeichnung für eine andere Lerchenart, —» *alauda, entstammt ebenfalls dem Keltischen. Vokalismus und Ausgang der Form berluche sind allerdings schwer zu erklären. Ein Fall von Volksetymologie? Lautmalerei? Ist diese Bezeichnung für die Haubenlerche als afr. *ber-luche zu deuten, von *bar-luscus «blinder (eigentlich: schielender) Herr»? Besteht eine Verbindung zu kelt. *barros 'Schöpf? *barga/*barka/*barkos (gall.?) 'Hütte' oder 'Wand' LEI IV: 1630ss.; FEW 1:253s.; EWDI:274s.; Stampa 1937:136; NJ45:192s.; REW958; TB31; AIS 1081; AIS 1074; AIS 1401; ASLEF3350; Fleuriot 1978a: 327; Lambert 1994:188; Anreiter 1992:122; Mäfera 1971/1972:74; DRGII: 179ss.; DEI 1:439s.; DELI182; Thurneysen 1946:191
pg., sp. (barga 'Strohhütte', astur, bärganu 'Pfahl einer Einhegung'), okz. (e. g. aokz. barsol 'petite meule de forrage'), fr. (e. g. Centre barge 'tas de paille de chaume', H-Vienne 'meule ou grenier ä foin'; die Formen in der Bretagne, Marne und Anjou [Typ barge, bargee] können laut Fleuriot ebenfalls aus dem Gallischen stammen und müssen nicht aus dem Bretonischen entlehnt sein), lig. (e. g. gen. barca 'Strohschober'), piem. (nur Vicoforte barkür) delfäq 'Heuscheune'), lomb. (e.g. mail, barch 'Schuppen'; barkesa 'Heuscheune', cremask.), tess. (barch 'ricovero per il bestiame, generalm. sui pascoli di montagna; cascinotto per la conservazione del latte'), emil. (als Toponym, in Derivaten auch als Appellativ: barkesa 'tettoia a uso di fienile, costruzione rustica annessa alia casa colonica per custodirvi i covoni di grano; portico rurale per il ricovero degli attrezzi e delle riserve di legna, paglia, ecc.'), rmgn. (berch 'Heugarben'), ven. {barkesa 'Wetterdach', venez. barco 'tetto del pagliaio sostenuto da quattro stili', bellun. barko 'fienile di montagna', bark 'tettoia quadrata, alzata su 4 pali, a riparo delle biche'), bdr. (e. g. obw. bargia 'gedeckter Eingang zum Haus oder Heustall; Heuschober', obw. bargun 'Alpenhütte'), ates. (bercia 'Hütte'), cad. (com. barek 'Heustadel'), frl. (nur San Stino di Livenza barko 'Heuscheune'), tirol., schwdt. - weit verbreitet, auch als Toponym; das Femininum *barka muß die Vorstufe für die zitierten ates., mail., gen. und rmgn. Formen sein • Ungeachtet vieler Tochterformen, die sich regelmäßig auf eine der drei Lemmavarianten zurückführen lassen, habe ich einige Wörter aufgezählt, die lautlich und/oder semantisch auffallen und dennoch zu 75
diesem Lemma gestellt worden sind: wie erklären sich mail, barch, rmgn. berch, com. barek, aokz. barsol, Centre 'tas de paille de chaume'? Für die drei oberitalienischen Formen bedarf es wohl eines Ansatzes *barkos (mask.) - es sei denn, man nimmt innerromanische Motion an; für die Bedeutung der Form aus dem Centre ließe sich immerhin metonymische Übertragung annehmen. Nun zur eigentlichen Etymologisierung. Das REW fragt «woher», Bolelli und das DEI denken an mediterrane Herkunft. Jokl plädiert für illyrischen Ursprung. Das FEW entschied sich seinerzeit für gallische Entlehnung (wobei die Nebenform mit -k- außer im Okzitanischen hauptsächlich in Oberitalien auftaucht); dieser Meinung will ich mich aufgrund der Verbreitung über die gesamte Galloromania lato sensu und die Iberoromania hinweg anschließen. Zusätzlich ist der Sinnbezirk der Behausung und des Aufbewahrungsortes ein Indiz für Gallizität (cf. —> tegia, —» *büta, —> *müla, *müsgauda). Aber lassen sich auch direkte Anknüpfungspunkte im Keltischen finden? Lambert (1994:188) verneint dies. Anreiter (1992:122) schreibt, daß barga nicht als 'Aufbewahrungsort' zu deuten sei, sondern trotz kleiner lautlicher Probleme zu air. fraig 'Wand', nir. fraigh 'Wand aus Flechtwerk, Hürde, Dach' zu stellen sei. Dies paßt auch besser zur Erklärung manch anderer romanischer Formen, etwa astur, bärganu 'Pfahl einer Einhegung' (die Wände gallischer Hütten bestehen ja aus Holzpfählen). Anreiters These wird man derzeit wohl als die wahrscheinlichste annehmen dürfen. barica 'Uferböschung' FEW 1:254; REW 957; TB 32; DEDI:251s.; Gamillscheg 1923:569; D20:231
pg., sp., fr. (nur drei Belege: fr. berge 'Uferböschung', Clairvaux se berger 'se ployer, se tordre, se bomber (d'un fond de cuve, de tonneau)', Bresse Louhannaise aberger 'aborder'), lomb.-trent.,46 tosk., ?umbr., march. • Ist mit den romanischen Formen kymr. bargod 'Dachtraufe; Rand' verwandt? Da das Wort hinaus über das eigentliche gallische Gebiet auch in Umbrien gut verbreitet ist, scheint dieses gallische Lexem schon in klassischer Zeit aus dem Gallischen entlehnt worden zu sein. Dieser Typ wird daher in dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt. Es ist außerdem aus semantischen Gründen meines Erachtens unwahrscheinlich, daß abruzz. vrägnie 'locale dove si pigia l'uva e si cuoce il mosto' (DEDI:251s.) hierherzustellen ist.
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Cf. die Ausführungen bei Gamillscheg.
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bascauda 'Art Gefäß' LEIIV: 175Iss.; EWD1:240; FEWI:267s.; REW861a; TB20; DEII:448; D20:231; Ernout/Meillet 1967:67
okz. und fr. mit frpr. (e.g. afr. mfr. bascho(u)e 'vaisseau de bois ou d'osier; espece de baquet; hotte d'osier serre ou de bois; tine, pour porter la vendange pilee', Lyon 'barque', mosel. 'ruche', wall., norm., Maine; zahlreiche suffigierte Ableitungen), piem. (apiem. bacausa 'eherne Schüssel'), tess. (e.g. 'spezie di solaio nella stalla sopra il fienile'), trent. (mit Sekundäreinfluß: e. g. bäscher 'coglia, scroto'), emil. (baschera 'baroccio'), ven. (mit Sekundäreinfluß: Belluno bäscher 'carniera, tasca per la selvaggina'), ates. 47 ( [ F E W I : 279s.] gadertal. baschira 'Arbeitsgepäck der Bergmäher') - über ganz Frankreich und fast ganz Oberitalien hinweg verstreut, wenngleich insgesamt dünn gesät; die am häufigsten vorkommende Bedeutung ist 'Korb, [Korbart, häufig geflochten]' • Die keltische Herkunft des Wortes ist nicht gesichert, da die Verwandtschaft zu ir. base 'rund' nicht geklärt ist und die Zuordnung zum Keltischen bei Martial (XIV,99) nicht als ausreichend angesehen werden kann. Der Wort typ kommt aber außerhalb Frankreich und Oberitalien nicht vor. Darüber hinaus weist das FEW daraufhin, daß das Stichwort einem Wortfeld angehört - Gefäßbezeichnungen - , in welchem auch andere Bezeichnungen aus dem Keltischen entlehnt wurden (e. g. bacca, tunna). Es kann sich hier um eine Ableitung von —> *baskia handeln. Wenngleich noch nichts Schlußendliches gesagt werden kann, so ist doch zumindest ein Etymon anzusetzen, das einmal Vokabel des Gallischen war. Von den Formen und vom Sinnbezirk her könnte es sich hier um ein Wanderwort handeln. *baskia 'Last, Ausrüstung' FEW 1:268; TB 35
okz. und frpr. (e. g. lyon. embaisso, embaicho 'Verpackung, Leergut; Sack; Tragnetz') - das Wort zeigt spärliche Verbreitung im okz. und frpr. Gebiet, ζ. T. ist dabei von einem derivativen Etymon *am(bi)baskia auszugehen • Im Inselkeltischen finden sich Parallelformen (cf. kymr. baich, bret. beae'h 'id.'). *basire 'erstarren; sterben' LEIIV: 1714ss.; FEWI:271s.; REW974; TB36; DEII:451; D20:232; DECLC I:696ss.; Pirona 1935:935; LEI A B-l
47
DEIV:3352;
Der gadertalische Beleg wird vom LEI hierher gestellt. Das EWD sieht die Form als Ableitung zu lat. bastum 'Saumsattel'. 77
kat. (basarda 'Angst'), okz. (e. g. abasa 'mettre ä bas; demolir; combler'), fr. (e.g. mfr. 'crouler, tomber', 'mourir de faim'), frpr., (ait. [bascire 'uccidere', basire 'finire; svenire']), piem. (e.g. viver. basi 'sfinito per digiuno; smorto', vercell. basi 'battere i denti dal freddo'), lomb. (e. g. Bormio basir 'patir fame, morir di fame', comask. sbazi 'erbleichen'), tess. (e. g. sbasi 'morire'; α süm bgla bazida 'sono impressionata [da una storia]'), trent. (e.g. sbasir 'morire'), emil. (e.g. sbasi 'morire'), rmgn. (e.g. sbisi 'morire'), ven. (e.g. Belluno sbasi 'ammazzato'), frl. (sbasi 'farsi sparuto'), tosk., istr. (bazir 'soffrire per fame'), umbr. (Spoleto basseleca 'timore', Spoleto sbascitu 'instolidito') - das Wort ist über einen Großteil Frankreichs verbreitet (mit Ausnahme des extremen Nordens und der Gaskogne), besonders stark aber im östlichen Okz., daneben auch in Oberitalien vertreten • Für Coromines ist die Herkunft des Lexems nicht bestimmbar. Das LEI hegt zwar geringe Zweifel an der Keltizität des Etymons, doch scheint mir ein Hinweis auf die altirische Wurzel ba- 'sterben' (cf. ir. bas 'Tod') völlig ausreichend. Die Formen mit s- scheinen alle sekundär zu sein. Ursprüngliche Formen ohne s- sind nur belegt für das östliche Alpinlombardisch, Istrisch, Altitalienisch, vereinzelt fürs Piemont, für das östliche Tessin, Spoleto und Aretino. Die Formen mit sb- können dem Aussehen und dem Inhalt nach alle Wanderwörter sein. Auch bei den übrigen Formen scheinen zum Teil Wortwanderungen stattgefunden zu haben. Woher die Formen in Spoleto? Gehört die erste angesichts des Wortinhalts überhaupt hierher? *baua 'Kot, Schlamm' FEW 1:302; KB 410; REW1000; PYL94:189; D20:232 okz. und fr. incl. frpr. (e. g. fr. boue 'Schlamm', pik. baue, beue 'dito', afr. bouete 'boue'), emil. (Modena boba 'Fango') - einzelne Belege über Frankreich verstreut, mit Ausnahme der Gaskogne und einem OstWest-Streifen südlich des Croissants • Gallische Herkunft ist unter Hinweis auf kymr. baw 'Schlamm' anzunehmen. Nicht zu diesem Etymon gehören laut Wartburg (im Gegensatz zum REW) puschlavisch boga 'Schlamm' und andere alpine Formen, wohl aber der emilianische Fortsetzer. Zunächst zur puschlavischen Form: In der Tat scheint gemäß Dottin (1920) ein Schwanken zwischen -g- und -u- inschriftlich nicht belegbar zu sein, und auch Hubschmid (1938:104) zeigt einen Wandel gall, u > g nur im Wortanlaut auf (cf. Dottin 1920:232). Den emilianischen Fortsetzer als im Oberitalienischen isolierten Fortsetzer von *baua anzusehen, überzeugt nicht recht.
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*bebro-/*bibro-
Biber'
LEI V: 1401s.; REW1012; PYL94:188; H54:16; FEWI: 304a; DEII: 503
pg. (bibaro 'id.'), sp. (asp. befre 'id.', nsp. bibaro 'id.'), okz. (vibre 'id.', bivre 'id.'), fr. (afr. bievre 'id.'), ?Brianza bevera 'rivo ο torrente povero d'acque', aferrar. bivaro 'id.', biver 'id.', avenez. bieveri 'id.', alucch. bievora 'Biber', it. (ait. bevero) - in zahlreichen Ortsnamen • Das REW geht davon aus, daß die romanischen Formen aus dem Germanischen stammen; doch Lambert hegt Zweifel, da seinerzeit nicht beachtet worden sei, daß es eine gallische Siedlung namens Bibracte nahe Autun gab. Das DEI gibt beide Thesen als möglich an. Auch Priscianus (V,4) und Iuvenal (XII,34) ordnen das Etymon dem Gallischen zu. Inselkeltische Entsprechungen lassen sich aber nicht aufzeigen. Das Wort wird also nicht genuin keltisch sein. Die Verbreitung bis ins Portugiesische kann aber für gallische Vermittlung sprechen, sofern nicht allzu viele Wortwanderungen vorliegen. Die Form aus Brianza muß wohl eher zu —> bedo- gestellt werden. bedo- 'Graben, Kanal' LEI V: 819ss.; FEWI: 312s.; FEWXX/1:279; REW 1016; Fare 1016; TB41; DEI 1:474; AIS 1426; PYL94:188; D20.232
okz., fr. (dial, bief, biez 'Mühlgraben'), frpr. (sav. byala 'Bacharm') incl. aost. {bi^le 'canale di legno dentro cui scorre acqua'), piem. (Süden, e. g. byal, byalera 'Mühlgraben', biora 'corso d'acqua, gorello'), lig. (gesamt, e.g. byiu, bio, beu 'Bewässerungskanal', beudu 'gora del mulino', bea 'ruscello per irrigare'), lomb. (bexera 'rigagnolo, rivo'; > siz.), emil. (byit, beu 'canaletto d'irrigazione'), (rmgn. nur in Toponymen) - ist in Oberitalien und Frankreich zuhauf belegt mit Ausnahme der Pikardie, Westfrankreich und fast der gesamten Gaskogne; in Ortsnamen (e. g. Friaul [Desinan 1984:6]) • Genuine Keltizität wird durch die inselkeltischen Entsprechungen (ζ. B. kymr. bedd 'Graben, Grab') gesichert. Die Formen mit -/- lassen sich wohl nur über eine suffigierte Form *bedula erklären. Zum lombardischen Typ vergleiche man auch den Kommentar unter —> *bebro-, *beiöne (gall.?) 'Harz' LEI V: 835s.; FEW 1:316; H54:54; TB42 4 8
okz. (Queyres 'terebenthine de sapin', okz. bijoun 'resine du sapin'), fr. (nur mfr. nfr. standardsprachlich bijon 'resine qui coule du pin'), frpr. (e.g. sav. bedzon 'resine du sapin') incl. aost., lig. (zentral bigiün 'resina 48
Das Lemma fehlt im REW und wird von Bolelli in seinen etymologischen Besprechungen selbst hinzugefügt.
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d'abete'), piem. (bigidn 'Umschlag, Pflaster'), westemil. (bzon 'catrame') - das Wort findet sich vorwiegend in den frpr. und okz. Alpenmundarten (daneben aber auch vereinzelt im Obit.) • Wartburg ist bei der Etymologisierung vorsichtig: «Vielleicht gehört der typus *BEJONE zu einem kelt. *BEI- 'kien'» (FEW 1:317). Das LEI will das Etymon eher als vorrömisch ansehen, vielleicht sogar als vorindogermanisch, da Pokorny (IEW) eine geeignete indogermanische Wurzel nicht bekannt sei. Die Verbreitung könnte zwar für gallische Herkunft sprechen, inselkeltische Anknüpfungspunkte fehlen aber für die Annahme genuiner Keltizität. belenium (gall.?) Ί . Bilsenkraut, 2. Herbstzeitlose' REW1022; Anreiter 1992:150ss.; D20:232; Bertoldi 1923:98, 100s„ 141; Ernout/Meillet 1967:68
pg., sp., bdr. (?obw. vilomna 'Nieswurz', dagegen für 'Herbstzeitlose; colchico': bäloma, balümas, vilomia, valdmi, bulomias), ?nonsberg. belumäte 'colchico', sulzberg. beline 'colchico'; daneben gab es auch eine belegte Form belinuntia (gemäß Dioscorides [IV,68] gallisch), die allerdings im Romanischen keine Fortsetzer findet (—> mflimindrum) • Trotz mangelnder innerkeltischer Reflexe und einiger morphologischer Schwierigkeiten hält Anreiter (1992:155) das Lemma als Ableitung zu dem keltischen Heilgott Belenos - der Pflanze sei in alter Zeit große Heilkraft zugeschrieben worden - für sehr wahrscheinlich gallisch. Gehören die bündnerromanischen und die nonsbergischen Formen mit -m- resp. -mn- hierher (so fragt schon das R E W für vilomna)? Man vergleiche darüber hinaus das synonyme, paronyme —» *bilisa. *belitio 'Wacholder' JUH33:265
lomb. (brinset 'id.' und weitere Diminutivformen) • Die von Hubschmied erwähnten Formen des Typus brinset lassen sich lautlich nur schwer mit dem aus dem Inselkeltischen gefolgerten *belitio verbinden. Hubschmied überzeugt also nicht. Vielleicht besteht ein Zusammenhang mit germanisch-deutsch brennen; Wacholderästchen werden oft als Brennmaterial verwendet (cf. —> *brusia; cf. auch gleichbedeutendes —» iuppos) benna 'Korb; Korbwagen; Korbschlitten' und *bennio 'kleiner Korb' LEI V: 117Iss.; FEWI:325ss.; E W D 1:268; REW 1035; REW 1037; Fare 1035; TB45; DEI1:422, 487; Brinkmann 1938:109ss.; D E S F 1:202; KB 1039; KB 1864; Stampa 1937:123ss.; Prati 1968:14; Legros 1969: 81ss.; DRGII: 301; DRGII: 308ss.; Bracchi 1983:15; AIS 1220; AIS 1220a; AIS 1222; D20:233; Ernout/Meillet 1967:69; DELI203; Kühebacher 1971:69
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sp., kat. (akat. banastes), okz. und fr. mit frpr. (e. g. 'Wagen'; 'Korb' [e. g. fr. banne 'grande manne d'osier']; 'Bienenkorb' [e.g. Avranches bene]; 'Wiege' [e. g. Marne ban]·, 'Hütte' [e. g. Yonne banne]·, 'Bütte' [e. g. Lyon benna Vaisseau de bois dont on se sert pour ramasser la vendange']; 'Scheunenraum' [e. g. Belmont, bgn 'verschlag für holz und heu in der scheune oder über dem kuhstall; Zimmerdecke']; 'Hütte' [e. g. Bessans benna 'chalet']; 'Fischreuse' [e.g. abress. benna]; 'Wagendecke' [e.g. fr. banne]; Ableitungen mit den Bedeutungen 'Korb', 'Bienenkorb', 'Biene' [e.g. limagn. Puy-de-Döme begne 'abeille']; 'Wiege', 'Hütte', 'Krippe', 'Fischereigerät', 'Decke'), piem. (e.g. bona 'cestone', bena 'capanna di paglia dove i contadini pongono gli strami e sim.; tugurio di contadino', V-Sesia benna 'dito'), lig. (e. g. bgna 'cesta assai grande, fatta di vimini, per il trasporto del letame ο altro, posta per lo piü sul carro ο sulla slitta', Genua benna 'carretta da viaggio'), lomb. (e. g. bresc. bena 'cestone', ostlomb. benna 'carro a 4 ruote', ostlomb. bena 'assito di tavole orizontale, alto un metro da terra, coperto da poco fieno'), tess. (e.g. bena 'cestone'), trent. (e.g. bena 'cestone'), emil. (e.g. Modena banna 'cestone', Bologna benna 'carro a 4 ruote'), rmgn. (selten), ven. (südven., nordven. [e.g. bellun. bena 'misura per la calce spenta'], Verona bena 'cestone'), bdr. (e. g. eng. 'Mistschlitten'), ates. (e. g. grödn. byena 'cesta', buch, bäna 'dito'), cad. φέηα 'cestone'), frl. (selten; bene 'cestone'; bellun. bäna 'misura per la calce spenta'), tosk. (e. g. westtosk. benda 'cestone', Lucca benna 'slitta, traino, treggia'), dt. (an den Rändern zur Romania von den Niederlanden bis in die Steiermark) - das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von den Pyrenäen über das fr. Sprachgebiet bis südlich von Siena; die ibrom. und istr. Fortsetzer können nur auf eine Kreuzung *banast(r)a aus benna und canaster (cf. LEIV: 1181) zurückgehen • Das Etymon ist sicher keltisch: man vergleiche akymr. benn, kymr. men. In den antiken Quellen schreibt Paulus Festus (32M) das Wort keltischer Abstammung zu. Campanile (1965:35) rechnet das Wort zu den frühen Entlehnungen (cf. supra antiken Beleg), bemerkt aber selbst, daß man in der lateinischen Literaturtradition sonst keine Belege findet. Auch die auf die Cis- und Transalpina beschränkte Verbreitung des Wortes spricht gegen diese Annahme. Einige Wörter weichen semantisch stark von der Urbedeutung ab: 'Scheunenraum', 'Hütte', 'Fischreuse', '(Wagen-)Decke', können aber zumindest für das Oberitalienische ('cestone', 'traino, carro con cestone', 'rastrielliera', 'gabbia; capannone; tettoia; giaciglio') nachvollzogen werden. Die Grundbedeutung des Wortes, 'Korb' bzw. 'Korbschlitten', ist in der Basisform benna weit verbreitet. Es werden zahlreiche Wortwanderungen stattgefunden haben.
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*bernos 'Wasser, Sumpf Gamillscheg 1920: 139s.; Sturm 1938:75
okz. (lang, bernat-l'ermito 'Einsiedlerkrebs', nokz. bernat-blanc 'Silberreiher', bernat-verd 'Wildente', bernatas 'Sumpf, Gebüsch'), fr. (nfr. brente 'Ringelgans') • Das Wort ist sicher eng mit —> *uar- verwandt. Da aber die Nachfolgeformen semantisch und lautlich davon eindeutig getrennt sind, scheint es sich schon um eine separate Bildung im Keltischen zu handeln. Daher steht *bernos als eigenes Lemma. *bertium / *britium 'Korb, Wiegenkorb, geflochtene Wiege' LEIV: 1264ss.; FEWI:336ss.; R E W 1052a; Fare 1052a; TB47; TB48; KB 1441; DEI 1:491, 497; CM56b: 177; Jaberg 1939:173; Hubschmid 1968:319; H60:138; D E C L C II: 216ss.; L E I A B ^ 2 s .
pg. (bergo 'cuna', brigo 'dito', galiz. berzo 'dito'), sp. (Typ bres 'cuna', Typ brizo 'dito'), kat. (Typ bres 'dito'), okz. (Typ bers 'dito'), fr. (e. g. berceau 'Wiege'), frpr. (brets, westschw. b^rOa 'treille') incl. aost., lig. (ab Genua westlich, e. g. bresd 'cullare'), piem. (e. g. bersö 'pergolato fatto di strutture lignee ο metalliche ricoperte di rampicanti; capannino in giardino ο nel parco; chiosco; pergolato della vite'), lomb. (e. g. bersela 'gerla, carico sulle spalle dell'ombrellaio, berci 'cappello'), tess. (e.g. b^rsQ 'pergolato fatto di strutture lignee ο metalliche ricoperte di rampicanti; capannino in giardino ο nel parco'), trent. (barsö), emil. (e. g. Modena bercia 'cestone di vimini a forma di culla', bersö [< fr.?]), rmgn. (e. g. barzoccia '(gerg. muratori) vassoio, vaso, scifo'), ven. {bersö, > fr.?), tosk., siz. (< obit.) - auf dem gesamten transalpinen Gebiet reichlich vertreten, ebenso auf der Pyrenäenhalbinsel, wobei der Typ bert- (im wesentlichen) fr. und der metathetische Typ bret- (im wesentlichen) okz. und frpr. ist; in Oberitalien ist das Wort ein wenig spärlicher, aber dennoch fast auf dem gesamten Gebiet nachweisbar; der Typ *brit- geht gemäß Hubschmid (1960c: 138) auf eine schwundstufige Bildung *bhr-tio- zurück; die Bedeutungen in den modernen Dialekten umfassen im wesentlichen die Sememe 'wiegen', 'Korb', 'Wagen', 'Wagenleiter', 'Gartenlaub', 'culla'; die sekundäre Bedeutung 'capanna; paretaio' ist typisch für Oberitalien • Innerkeltische Verankerungen sind nicht ganz gewiß, evtl. ist das Wort gemäß einigen Quellen an ir. bertaim '(ich) erschüttere, schüttle, schwinge, schwenke' 49 anzubinden. Gemäß Coromines (DECLC II: 220) sei an einen vorrömischen Stamm bert- 'llitera' zu denken, der später von kelt. *breto-/*berto- beeinflußt wird. Nach Lambert (1994:188) gehört das Lexem jedoch zu air. bertaigid 'il brandit, il agite' (< bert 49
Zur Bedeutungsentwicklung cf. —» *krottiare.
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'fadeau'). Die Vielfalt der Tochterformen ist typisch für ein keltisches Reliktwort, dennoch können ζ. T. auch Wortwanderungen stattgefunden haben, e. g. beim Typ berso, der über ganz Oberitalien verbreitet ist. Auch der Sinnbezirk spricht ja für Wort Wanderungen. Das Piemont, Ligurien, die Lombardei und die Emilia zeigen aber auch In-locoEntlehnungen in der Cisalpina. *berura/berula 'Brunnenkresse' FEWI: 338s.; REW1054; TB49; D20:233; Ernout/Meillet 1967:69
pg. (galiz.), sp., okz. (e. g. Montbelard bione 'id.', aokz. berum 'sium angustifolium'; Reims berle 'chervis'), fr. (e.g. mfr. berle 'id.', afr. belle 'veronique cressonniere', poit. berne 'id.'), frpr. (e.g. Wallis barla 'id.', bern. berle 'id.'), bask. - Belege finden sich in den verschiedensten Regionen Frankreichs und Spaniens verstreut (aber nicht sehr zahlreich); zu den einzelnen Bedeutungsentfaltungen schreibt Wartburg (FEW 1:339): «die bed. [muß im gallorom.] zuerst 'kresse' oder 'brunnenkresse' gewesen sein. Fränk. KRESSO hat dann B E R U L A in sekundäre bed. gedrängt. [....] Alle pflanzen, auf die der name übertragen wurde, bewohnen teiche oder sümpfe, finden sich oft mit brunnenkresse gemischt und haben, wie diese, gefederte blätter.»
• Die gallische These wird gestützt durch Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. kymr. berwr) sowie die Zuordnung bei Marcellus Empiricus (XXVI,51). Die Form berum erklärt sich mittels Dissimilation. Die Form bione läßt sich lautlich sehr schwer erklären. Selbst wenn diese Form aber nicht hierhergehört, ändert dies nichts an der grundsätzlichen Verbreitung von *berura. In manchen Regionen findet sich auch ein Typ bele. In-loco-Entlehnungen scheinen neben gelegentlichen Wanderformen zu stehen. *besena (gall.?) 'Bienenkorb' REW1058; TB 50; Brinkmann 1938: 145; Legros 1969:43 ann.69; D20:233
okz. (nur nordostgask. bizino), fr. (nur afr. besaine, Poitevin, Vendee, Ardennen), bdr. (obw. bazeina, mazeina) - kaum nachzuweisen • Den Eintrag habe ich im FEW nicht gefunden. Meines Erachtens gibt es zu wenig Anhaltspunkte für die Annahme eines keltischen Etymons. Brinkmann stellte die Formen zu einer onomatopoetischen Wurzel *bis-. Eine neuere Theorie sieht in den romanischen Formen Fortsetzer eines hd. *bi-zeina (cf. Legros 1969:43s. ann.69); in diesem Falle mutete allerdings die Verbreitung im Gaskognischen seltsam an. Bislang kann somit die genaue Herkunft des postulierten Lemmas nicht überzeugend
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erhellt werden. Die Verbreitung spricht aber dafür, daß das Wort über das Gallische ins Romanische gelangt ist. *betu-/betulla/*bettulla/*betulnea etc. 'Birke' LEIV: 1380ss.; FEWI:345ss.; EWD 1.261; REW1067; REW 1069; REW 1070; REW 1070a; Fare 1069ss.; TB 52; KB 210; KB 230; DEI 1:474s., 490, 502, 513, 524; Stampa 1937:67ss.; Jud 1908/1910:68 ann. 121; Prati 1968:24; Bracchi 1983:15; PYL94:189; AIS 579; ASLEF571; HWRI:82; D20:234; Η60: 142; Pirona 1935:49; DECLC I:744ss.; Ernout/Meillet 1967:70
pg. ('Pappel'), sp., kat. (beg 'id.', bedoll 'id.'), okz., fr. (e.g. afr. biez 'bouleau'), frpr. (sav. 'Weide'), piem.50 (gesamtpiem., Typen biola 'id.'), lig. (zentral, Typ beüla 'id.'), lomb. (gesamtlomb., Typen bedul, bedula 'id.'), tess. (e. g. Typ bidol 'id.'), trent. (e. g. Typen bedöla, bogola, bedollo 'id.'), emil. (e.g. westl. Hälfte Typ bdol, östl. Hälfte Typ bdola 'id.'), rmgn. (e.g. Typ bdola 'id.'), bdr. (westl., e.g. obw. badugn 'Birke'), ven. (gesamtven., e.g. Typ betüla 'id.'), ates. (Typ b(e)doi: gadertal., grödn., fass.), cad. (bedol, beduöin, budoi), frl. (Typ bedöi), tosk.?, siz.? zahlreiche Suffixerweiterungen (maskulin und feminin) mit ζ. T. unterschiedlichen, aber auch sich überschneidenden Verbreitungsgebieten: so kommt etwa ein Typus *betulnea nur im Bündnerromanischen und Tessinischen vor; das Etymon ist weit verbreitet auf der iberischen Halbinsel, dem Hexagon und in Oberitalien. (—> *botuska) • Die These der keltischen Herkunft speist sich aus den Entsprechungen im Inselkeltischen (e. g. kymr. bezv-enn 'betulla', mir. beithe 'bosso') und der Zuordnung bei Plinius (XVI, 174). Lambert (1994:189) schreibt: «Be tu- devait etre le nom de la 'poix', obtenue en chauffant de jeunes arbres pleins de seve». Die zahlreichen unterschiedlichen Suffigierungen sind Zeichen von In-loco-Entlehnungen. *bikos 'Biene' REW 1014; TB 40; DEDI: 30; Heiermeier 1960:130ss.; Hubschmid 1960b: 135; AIS 1152; LEIV:887ss.; DEI 1:475; D20:232; Fleuriot 1968/1971:559; Grzega 2000c
okz. (beko, Limousin bek 'guepe', Creuse b^ka: 'Wespe' gem. Heiermeier und Hubschmid, aber 'Biene' und dial, 'eleveur d'abeilles' gem. Lambert), emil. (westl. und östl. Teil: e. g. biga 'id.' - gehört dazu auch der westemil. Typ btzia, bizlai), ?tosk. (falls der lautlich schwer erklärbare Typ büzin am nördlichsten Punkt der Toskana und pecca in der nördlichen Toskana hierherzustellen sind?) • Zunächst einmal sollen folgende inselkeltische Formen festgehalten 50
Einen anderweitig unbeachteten Beleg für das Piemontesische finde ich bei Bertoni (1916:7).
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werden: ir. bee 'id.', air. bech 'id.', kymr. beg-egyr 'Wespe'. Es haben sich verschiedene Etymologisierungsmöglichkeiten für die romanischen Formen aufgetan. Heiermeier (1960:130s.) erwähnt, daß gemäß Thomas die okzitanischen Formen mit der Bedeutung 'guepe' nicht zu einem kelt. *bekos - wie es das REW tut (und daran anschließend später auch das DEI) - zu stellen seien, sondern vielmehr über becs < besca < guesca zu lat. vespa. Die lautliche Entwicklung bedürfte aber einer Erklärung. Wo sonst treten Fälle auf, in denen lat. -sp- zu -sk- wird; wo sonst wird guzu b-Ί Das Wort könnte trotz seiner sehr beschränkten Verbreitung keltisch sein, da man im Irischen Verwandte findet. Allerdings meldet hier erneut Heiermeier Bedenken an, da man gemäß den innerkeltischen Verhältnissen nicht von *bekos, sondern von *bikos (auch hier verweist sie auf Thomas) ausgehen müsse, worauf Hubschmid (1960b: 135) entgegnet, daß auch eine Form mit -i- den emilianischen Formen Genüge leiste. Doch ist schon erstaunlich, daß sich der mutmaßliche keltische Worttyp nur in der Emilia erhalten haben soll, die sich - wie sich noch herausstellen wird - durch eher wenige Keltizismen auszeichnet? Handelte es sich bei der Biene als Erzeugerin und Spenderin des Honigs um eine Art TabubegrifT, der von den romanisierten Kelten schnell durch die lateinische Bezeichnung ersetzt wurde? Eine ganz andere These vertritt das LEI, demzufolge die angegebenen Formen zusammen mit anderen Insektenbezeichnungen (i. e. im wesentlichen für Würmer) zu einem onomatopoetischen Stamm bek- zu stellen seien. Für eine etymologische Entscheidungsfindung gilt es, zunächst folgende Beobachtungen anhand der LEI-Materialien festzuhalten: (1) sämtliche hier angeführten romanischen Bezeichnungen sind feminin; das keltische Ausgangswort hingegen ist maskulin; (2) zur Bezeichnung der Biene wäre eher ein lautmalerischer Stamm bes-, nicht bek-, zu erwarten - man beachte dazu die Formen unter dem Lemma bes- im REW (No. 1057); (3) der Großteil der im LEI angeführten Bezeichnungen für andere Insekten ist außerdem maskulin und scheint daher von den Bezeichnungen der Biene zu trennen zu sein. Sind die hier zur Diskussion stehenden Formen von beiden Vorschlägen fernzuhalten? Oder genügt es, ihr Genus durch Einfluß von lat. apis, apicula zu erklären? Ich möchte hier einen neuen Vorschlag wagen. Wie auf der Karte des AIS ersichtlich, befindet sich im Ostligurischen, Ostpiemontesischen, Ostlombardischen und Westemilianischen ein Typ άνΐα. Dieser kann zurückgehen auf ein lat. *apica (cf. auch Benincä 1987:60). Nach meinem Dafürhalten dürfte dieses *apica auch den obengenannten Formen lautlich, semantisch und sprachgeographisch genügen (cf. Grzega 2000c): *apica > *abega (Sonorisierung der intervokalischen Plosive) > *bega (Aphärese des α wegen fälschlicher Analyse als Teil des Artikels in Kombination mit Akzentumsprung). Schwierigkeiten bereiten zwar die südfranzösischen Formen, weil hier -k- sonorisiert werden sollte. 85
Doch lassen diese sich vielleicht durch sekundären Einfluß von beccare (< beccus) erklären, welches in etlichen romanischen Idiomen zur Bezeichnung von 'stechen' diente. Das Lemma scheidet somit aus den weiteren Analysen aus. 51 *bid- (gall.?) 'klein' FEW 1:353s.; REW 1085; TB 53; KB 1498
okz. (nur Dauphine) und fr. mit frpr. (e. g. mfr. nfr. bidet 'petit cheval de seile, trapu') - bezeichnet primär Pferdearten, sekundär auch bestimmte Spielkarten, den Grashüpfer, ein Toilettenmöbel und anderes • Ich denke wie Bolelli (1941:156), «che si tratta di una formazione onomatopeica» und nicht um ein gallisches Etymon. *bflia/*bflia 'Baumstrunk' FEWI: 364ss.; OGs89a:284; OGs93a:118; Sganzini 1933:276; REW 1104; TB54; KB 1050; KB 1397; KB6; DEII:517; PYL94:189; Brinkmann 1938:120; H54:23 ann.2; AIS537; H60:137; Kuen 1977:124; LEIAB-50s.; Thurneysen 1946:46, 162, 195
okz. (e. g. bilha 'Stock', bihoun 'Baumstrunk; Walze, um die Erde zu ebnen' 52 ), fr. (e.g. bille 'Schößling am Baumstrunk; Holzblock; Teigwalze; Wurzelschößling', billon 'die erhöhte Erde zwischen zwei Furchen; Metallbarre; Münze aus einer Legierung von Silber und Kupfer'; billard; wallon. bili 'Holz spalten'; nfr. habiller 'mettre des pieds et des anses ä un vaisseau de terre', afr. mfr. abiliier 'equiper (surtout pour la guerre)' [cf. hierzu ALF 1381], mfr. nfr. rhabiller 'remettre un os demis, un membre fracture', St.-Pierre-Port biyaev 'Bienenkorb'), frpr. incl. aost., piem. (gesamtpiem., e. g. bia 'pedale del fusto d'albero', V-Sesia bia 'tronco d'albero che si fa calare dai monti sulla neve'), lig. (nur Sassello [AIS P. 177] byyn 'Stück Rundholz'), lomb. (bia), emil. (bilia 'legni storti coi quali si serrano le legature delle some' 53 ), ?bdr. (im Flurnamen Biglion), ates. (nur noch in Fluß- und Ortsnamen), m^rch.? (billa 'tortore') - direkte Nachfolger und Ableitungen des Etymons sind in der gesamten Trans- und westlich-südlichen Cisalpina reich belegt • Es scheint mir semantisch fragwürdig, die vom FEW hierher gestellten transalpinen Verben wirklich als Nachfolgeformen von 'Baumstrunk' zu sehen. Die Etymologisierung der romanischen Formen ist nicht unumstritten. Auf genuine Keltizität weist evtl. ir. bile 'Baum51
52 53
Zur letztendlichen Herkunft des Worttyps bi- (wie auch des Worttyps im-, cf. dt. Imme) cf. neuerdings Vennemann (1998b), der zeigt, daß es sich hierbei wohl um Entlehnungen aus semitischen Mundarten handelt. Schreibfehler in Quellen des FEW? (bilhoun)? Gemäß Sganzini (1933:276) ist es die emilianische Form, die später ins «italiano letterario» eingegangen ist.
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stamm' 5 4 (cf. auch DEI). Dazu bemerkt allerdings Anreiter (1992:184s.), daß das Wort nicht notwendig mit air. bile 'Baum' oder mit idg. *bheiH- 'schlagen' zusammenhängen muß, sondern vor mythologischen Hintergründen auch zu air. bith 'Welt' von idg. *gweiHs'leben' gestellt werden könnte. Auch aufgrund des Sinnbezirkes («Baum mit seinen Bestandteilen», *bunia) wirkt keltischer Ursprung wahrscheinlich, wenigstens ist aus dem Keltischen wohl unmittelbar entlehnt worden. bilisa (gall.?) 'Herbstzeitlose' (FEWI: 369); REW1106; TB 55; Bertoldi 1923:97s.,
sp., kat. (velesa 'Bilsenkraut'), okz. (nur aokz. belsa 'jusquiame') • Ich halte es aufgrund der Verbreitung des Wortes und aufgrund fehlender Entsprechungen im Inselkeltischen für fragwürdig, das Wort als gallisch anzusehen. Auch das Suffix ist kein Indikator für keltische Herkunft. Wartburgs Vorschlag, von einem westgotischen Etymon auszugehen, scheint mir daher vorzuziehen zu sein. Man vergleiche andererseits aber auch den Eintrag —»belenium. *bistlos 'Galle' FEW 1:384; REW1133; TB 57; Duraffour 1943:386 ann. 1; D20:234
okz. (nördlicher Streifen: aokz. nokz. bescle 'Milz', Languedoc biscli 'Milz', Dröme s e™bseklä '(d'un animal isole, et plus souvent d'un troupeau) prendre une maladie (qui se traduit souvent par un epaississement de la rate); (d'une personne) tomber malade, en particulier d'une Pneumonie', Creuse eibikl'ia 'atteindre un coup de flancs', Ardeche besklero 'appendicite'), fr. (Ardennen bescle 'Leber'), frpr. - nur mehr sehr sporadisch verbreitet • Gallische Herkunft wird durch kymr. bustl 'Galle' etc. gesichert. «Seltsam ist aber die bedeutungsverschiebung zu 'milz'», bemerkt das FEW (1:384). Doch ist die lexikalische Verwechslung innerer Organe gar nicht so untypisch; man vergleiche etwa okz. renmo neben bila für 'Galle' (cf.a. Duraffour 1943). *blak(k)- '[Pflanze]' Vendryes 1940/41:367ss.; (FEWI: 393)
okz. und frpr. ('[Art Eiche']) - im Südosten Frankreichs zu belegen, und zwar von der Provence bis ins Jura mit Ausläufern im Languedoc (Herault, Aveyron, Lozere) 54
Das LEIA schreibt hierzu: «rapport possible avec fr. bille 'section de tronc d'arbre non equarrie'».
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• Vom ThLG als «gall.» eingeordnet, vom FEW als «got.» - Vendryes untermauert, daß aufgrund der typischen Existenz zweier Ausgangsbasen im Keltischen, bei der eine Form geminierte Konsonanz zeigt, die andere einfache, das Wort wahrscheinlich (trotz der altisländischen Form) nicht gotischer Herkunft ist (*blakk- 'glänzend'), wie Wartburg glaubt, sondern aus dem Keltischen stammt. Darüber hinaus kann er Entsprechungen aus den inselkeltischen Mundarten anführen (kymr. blagur 'the budding of a tree or herb, buds, gem, germs, sprouts, blossom, young sprigs or twigs, tender branches', ir. blaicce, blaicne 'etre jeune dans toute la vigueur de son age'). *bläros (gall.?) 'mit weißem Fleck' FEW 1:401; REW1153a; PYL94:189 okz. (aokz. blar 'glaucus', rouerg. 'hellblau [Augen]'), fr. (e. g. afr. bleron 'Bläßhuhn', afr. blaire 'foulque', fr. blaireau 'Dachs', afr. esblare 'bleich; kahlköpfig', boul. bier 'Kuh mit weißgeflecktem Kopfe', pik. wall, 'verwirrt; erschreckt') - verbreitet im Fr. und im Okz. mit Ausnahme der Gaskogne und einem südlichen Streifen • «Gall. *blaros [...] und anfränk. blar [...] kommen gleichmäßig in Betracht. Die geographische Verbreitung [i.e. bis ins Wallonische] spricht eher für letzteres», wie Meyer-Lübke (REW 1153a) meint. Für Wartburg sprechen geographische und lautchronologische Gründe dagegen für gallische Herkunft. Man beachte auch die Existenz von kymr. blawr 'grau', gäl. blar 'mit hellem Fleck auf der Stirn'. Im folgenden soll von keltischem Ursprung ausgegangen werden. *bläuos 'gelb' FEW 1:404s.; Woll 1975:357ss. okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. afr. aokz. bloi 'blond', mfr. blave 'pale', Puis, blafe 'blafard', Metz biäve 'bleme, blafard', perig. blave 'livide, bleme', aost. blayo 'pale') - punktuelle Verbreitung im Galloromanischen engeren Sinnes • Innerkeltische Verankerung ist durch air. mir. bid 'gelb' gegeben. Lautlich-semantisch abzulehnen ist angesichts der Verbreitung des Typs Wölls These: Woll will unter Nennung von Parallelbeispielen aufzeigen, daß der Typ afr. bleu 'blau' und der Typ afr. bleu 'blond' zusammengehören und nicht zu trennen sind. Er sieht all diese Wörter als Tochterformen von lat. ßavus. *bleg- (gall.?) 'sengen' FEW XXI: 48s.
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okz. (nur Nice blagi 'se faner, se fletrir', Provenceßegi 'se faner, se fletrir, commencer ä se secher (plantes)', Albi se blagui 'se fletrir') • Der Worttyp «kann auf gall. *bleg- 'sengen' beruhen. Der anlaut von pr. ßegi erklärt sich durch kreuzung mit dem anlaut von faner oder flerir, Albi blagui erinnert an npr. blaqui 'defaillir; se faner, se fletrir'» (FEW XXI: 49). Es fehlen jedoch innerkeltische Anhaltspunkte und andere Keltizitätsindikatoren. Das Wort kann somit einstweilen nicht als Keltizismus akzeptiert werden. *bligikäre 'melken' LEI VI: 298; FEW 1:409; H51:23s.; REW 1169a; TB 58; J20:477; J26: 330s.; LEIAB-59; LEIAM-57
okz. (Quercy blechar 'melken'), fr., frpr. (Südvogesen 'kneten'), aost. (byetse), piem. (nur V-Sesia bletsä 'mungere' und blicche 'le ultime stille di latte che si mungono', canav. arbyucär 'mungere per la seconda volta'), tess. (bechei 'schiuma di latte prodotta dalla mungitura', by^za 'latte allungato con acqua usato come bevanda'), lad.anaun. (zblitär git 'palpeggiare i capezzoli d'una mucca per avviare il latte'), schwdt. - nur auf einem relativ kleinen Gebiet erhalten, und zwar dem Frpr. und limitrophen Gebieten sowie im Anaunischen • Die keltische Herkunft wird durch Entsprechungen im Inselkeltischen gestützt (cf. kymr. blith 'latte', ir. blegim, air. blicht, mlicht 'Milch', air. blig- 'melken'). Es wird sich zumindest im cisalpinen Raum um In-locoEntlehnungen handeln. *blitta (< *blfta) (gall.?) 'Sproß' H51:21, 57
nur in einem Teil der dauphinesischen und piemontesischen Alpen (bletun 'Lärche') • In anderen Quellen finde ich das Wort nicht. Es fehlen Verankerungen im Keltischen. Auch die Sprachgeographie spricht dafür, das Wort nicht als Keltizismus aufzunehmen. *bodika (gall.?) 'Brachfeld' FEW 1:424; REW 1184; TB 59; Gamillscheg 1920:519s.; Gamillscheg 1923:561ss.; H54:19, 51; H60:139; Lejeune 1954/1955:284; Meier 1984:190ss.; DECLC II:45ss.
kat. (boi'ga 'tierra recien roturada, artiga'), okz. (e. g. aveyr., lim. buizo 'abgeholzter Waldboden mit Gestrüpp'), fr. (neben direkten Fortsetzern wie Centre bouige 'terre labourable restee depuis quelque temps sans culture', poit. 'terre inculte et couverte de petite brande'; auch Ableitungen: ebaucher 'aus dem Groben herausarbeiten; Unkraut jäten 89
[cf. Dep. Charente]', dibaucher 'von der Arbeit abziehen', afr. esbochier 'jäten', mfr. soi desbauchier 'sich vergnügen') - das Wort ist mäßig belegt, seine Nachfolgeformen konzentrieren sich entlang des Croissants (nördlich bis ins Poitou; Okzitanien ohne Gaskogne) • Die Herkunft des Wortes ist umstritten. Bolelli schreibt, es gebe keinerlei Anhaltspunkte, die für gallische Herkunft sprächen. Lejeune ist der Ansicht, es könne auch einem anderen indogermanischen Substrat, wo idg. *bhed- zu *bed- wird, entstammen. Die gallische These wird aber untermauert erstens durch die Verbreitung und durch den Sachbereich, dem das Wort angehört ('Brachfeld': —> *sauareton, *gaskäria, —> *bragnikare), zweitens durch das Suffix -ika (cf. —> *artika); daher werden die genannten Ableitungen von Gamillscheg (1920:519s., 1923:561ss.) hierher gestellt. Es bestehen daneben zahlreiche weitere Erklärungsversuche, die bei Meier zusammengefaßt werden. Meier selbst schlägt vor - und dies nicht unüberzeugend - , als Ausgangsformen der hier zitierten romanischen Tochterformen Sekundärformen von vertere, versare mit einem Stammvokal -o- anzunehmen. Dessen Existenz könne durch das reiche Dialektmaterial in den jeweiligen FEW-Artikeln angenommen werden: «Lautlich stellt ein zu d l v o r s a r e gebildetes lat. * d i s v o r s i c a r e eine ganz unanstößige Grundform für frz. debaucher und seine Familie dar, und was die Bedeutung betrifft, so erweist die semantische Verwandtschaft zwischen dibauche und dem späten lat. diversio, -önis, das als Latinismus mit der Bedeutung 'Ablenkung, Vergnügen' in die meisten romanischen Sprachen übernommen worden ist, daß hier keine schwierigen semantischen Knäuel zu entwirren sind, sondern eine sehr einfache und einleuchtende Bedeutungsverbindung vorliegt» (Meier 1984:192).
In der Tat läßt sich d0baucher 'von der Arbeit abziehen; sich vergnügen' semantisch schlecht mit 'Brachfeld' zu verbinden, weil eben 'Brachfeld' gerade nicht mit 'Arbeit' in Verbindung steht. Hier kann man sich Meiers Überlegungen anschließen. Die restlichen Formen sind jedoch meiner Ansicht semantisch von Meiers Ausgangswort zu weit entfernt und davon getrennt zu halten und dürfen doch als gallisch erachtet werden. Für gallische Herkunft plädiert auch Coromines, der die Wörter zu einer Wurzel *boud- 'guanyar; conquerir; vencer' stellt. *bola (gall.?) 'Sumpf REW 1191b; TB 60; AIS 432; DEI 1:551
piem., tess. (arbed.): Typ bola • Im REW wird das Wort als gallisch oder ligurisch ausgezeichnet Bolelli schließt eine eindeutige Zuweisung ebenso aus. Das DEI schreibt zum Oberitalienischen «cfr. calabr. vullu, vuddu pozza ο ricettacolo d'acqua che sorge, vortice d'acqua, probab. dal lat. bulläre ribollire». 90
Doch angesichts des engen Verbreitungsareals von bola sind die kalabrischen Formen wohl davon getrennt zu betrachten. Aufgrund fehlender Entsprechungen im Inselkeltischen und fehlender Erläuterungen bei den antiken Autoren ist meines Erachtens nach von einem nicht-gallischen, alpinen Etymon auszugehen. *bolium (vorröm.) 'Gefäß' Legros 1969:92s.; FEW 1:617; DRGII: 573ss.; REW 1193b; AIS 854; HWR 1:102; Stampa 1937:116; Hubschmid 1955; Brinkmann 1938:90s.
kat., okz. [spärlich], fr., frpr. incl. aost. (e. g. sav. boye 'Kufe', Genf hol' 'Tragkorb'), piem. (südl.), lig. (e.g. gen. boggio 'bütte'), lomb. (südl., Veltlin e. g. bui 'Waschtrog'), tess. (boga 'Gefäß, in welchem die Milch der verschiedenen Bauern gesammelt wird; Vereinigung mehrerer Viehbesitzer; Kuhherde auf der Alpe'), emil. (gesamt, e. g. Parma bui 'Waschtrog'), bdr. (eng. bügl, obw. begl 'Trog'), sard., Schweiz. - die Nachfolger dieses Etymons durchlaufen teilweise sehr große Bedeutungsentwicklungen, nämlich zu 'Waschtrog', 'Kufe', 'Schlauch', 'Tragkorb', 'Kuhherde', 'Vereinigung mehrerer Viehbesitzer' in Form mancherlei Ableitungen; «[d]as Wort gehört dem Alpengürtel von der Lombardei bis in den Jura an, strahlt etwas nach dem französischen Zentrum aus, fehlt dem Provenzalischen fast ganz, tritt aber wieder in tortos., menork., mallork. auf. [....] Ursprung unbekannt, wohl vorröm. Alpenwort» (REW 1193b) • Legros (1969:92s.) spricht sich betreffs der französisch-frankoprovenzalischen Typen bouille resp. bouillot in Anlehnung an Hubschmid für ein gallisches (bzw. «diagallisches») Etymon *but(t)ula aus. Dazu werden auch die bündnerromanischen Formen gezählt: «Schorta, dans le Dicziunari rumantsh-grischun, a bien montre ä son tour l'independance du prelatin *BÜLI-, typiquement alpin (Vaud, Valais romand, Grisons romanches, versant sud des Alpes de la vallee d'Aoste ä la Valteline), qui donne par exemple le romanche bügl 'auge' (proprement creusee dans un tronc d'arbre), le suisse romand bui, boue, bouly, etc., et pour lequel *BOLIUM du REWou *BU-LLJ- du FEW ne peuvent convenir, non plus que *BULLIUM de Salvioni. Pour bouille gallo-roman central et oriental, *BUTTULA, diminutif de BUTTIS 'tonneau', adopte notamment par Gamillscheg, ne peut non plus convenir. Aussi Hubschmid [...] propose *BUTULA [...], corroboree par l'existence en Lombardie d'un type bogia, de *BOTULA, correspondant Ä *BOTTIA [...] rempla^ant * B U T T I A . »
Unklar bleibt dabei die Beziehung zu lat. buttis 'Faß', vlat. *buttia 'id.' (REW 1425, 1427). *bonda / *bonna 'Boden' (—> *bunda)
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*bonu- 'Grundlage, Gründung' (—> *bunia, zusammen mit voranstehendem Eintrag) *borb- 'Flüssiges; Schmutz' FEWI: 442ss.; EWD 1:320; JUH38:119ss.; Gamillscheg 1920:135s.; PYL 94:190; ALF154; AIS 850; LEI VI: 1052s.; D20:235; H60:136s.; Fare 1213a; (vs. REW1386 «bullare»); DEI 1:435
pg., sp., kat., okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. Typ bourba 'boue' mit sekundären Entwicklungen: e. g. Thones 'ecume, mousse', sav. 'epi de ma'is', Albertville borbelä, 'touffe d'herbe ou de ble qui s'eleve au-dessus des autres tiges', Usseglio bormou 'pustule', aost. barbote 'bredouiller'; etliche Ableitungen), piem. (monf. burb 'vino feccioso, torbido'), lomb. (puschlav. burbac' 'fondo di caffe'), tess. (westl.: bürbora 'minestra di zucca e fagioli'), trent. (Osten: e. g. VSug. börba 'pozza, pozzanghera [in una strada]'), ates. (gadertal. borba 'Schmutz, Unrat; frischer Rinderkot; etc.', gadertal. s'imburbe 'sporcarsi'), cad. (amp. borba 'escremento fresco dei bovini'), lad.agord. {borba 'cibo fatto male; sudiciume', (i)nborbä(r) 'insozzare, sporcare con fango'), laz. (Norden und Zentrum: voreva), abruzz. (Westen: vürvo 'pozzanghera'), it. barbottare (< fr.) - fast in ganz Frankreich (vor allem im Osten) und der Westromania mit Ausnahme eines westlichen und südlichen Streifens und auf der iberischen Halbinsel • Das Wort ist mit dem Namen des keltischen Bädergottes, Borvo oder auch Bormo, unmittelbar verwandt. Zu Recht bemerkt das LEI: «Le forme abr. e laz. disturbano la distribuzione geolinguistica che ci si aspetterebbe da una voce del sostrato gallico, che pare risalire alla radice ie. *bherw- dalla quale viene anche il lat. FERVERE. Se nel nord italiano possano esserci sopravvivenze galliche, per l'Italia centrale si puo forse richiamare l'esistenza del greco βόρβορος 'fango' di probabile origine preindoeuropea.»
Insofern kann das Wort als für die Westromania charakteristischer Keltizismus in die nachfolgenden Analysen miteinbezogen werden. Es handelt sich eher um ein In-loco-Lehnwort, wobei es vereinzelt sicher auch Wortwanderungen gegeben hat. Auffällig sind die Bedeutungsentwicklungen 'epi de ma'is' und 'touffe d'herbe ou de ble qui s'eleve audessus des autres tiges'. *bormo- (—> *borb) *borna (gall.?) 'Loch' REW 1220a; Legros 1969: 57ss.; Brinkmann 1938:73ss.
okz., fr., frpr. - auf einem diagonalen Streifen von den Departements Vendee, Deux-Sevres und Vienne zu den Departements Herault und 92
Gard in der Bedeutung 'Bienenkorb', darüber hinaus in anderen Bedeutungen wie 'Dachfenster' (lyon. boirni, bürg, burnat), 'wilde Biene' (sav. borneta), 'kleine Höhle' (sav. burnala) punktuell zu belegen • Der Ursprung wird in den Quellen als unbekannt angegeben. Für Gallizität spräche nur der Sinnbezirk Bienenzucht; doch dieser ist sekundär. Wir haben somit kein ausreichendes Indiz, das Wort als Keltizismus zu betrachten. Besteht möglicherweise ein Zusammenhang mit —» *bornius 'einäugig' (ergo «hohläugig»?). *bornius (gall.?) 'einäugig' REW1221; TB61; Fare 1221; (FEW1:569ss.); AIS 188; DECLC II: 123ss.
DEII:566s.; ALF 1468;
(pg., sp. ?), kat. (borni 'einäugig'), gesamttransalpin: okz. und fr. mit frpr. incl. aost. ('einäugig': e.g. fr. borgne, aokz. borni, Moselle bwan, Montbel. bone, neuch. bouöne, lang, borgne, rouerg. borlhe; vielerorts auch 'blind', e.g. aveyr. bouorlhe, sav. bornio\ afr. mfr. bornier 'etre chassieux; loucher; bornoyer', Lyon bourgnon-bleu 'qui ne voit absolument rien', aost. borneye 'faire de gros yeux; bouder'; fr. lorgner 'blinzeln',55 fr. bournoyer 'schielen; visieren; abstecken'; zahlreiche Bezeichnungen für Tiere, die dem Volksglauben nach blind sind, e.g. 'Schnecke', 'Blindschleiche' [e. g. frcomt. borgne, Moselle bun], 'Meise', 'Zaunkönig', 'Maikäfer', 'Art Schnepfe'), piem. ('blind': e. g. borgnu-, borgnet 'Zaunkönig', nur im Zentrum, Westen, Südwesten), lig. (äußerster Westen), lomb. (nur mail, sborgnä 'betrachten' und Umgebung), emil.56 • Die Sprachgeographie weist auf keltischen Ursprung hin. Doch es fehlen Parallelformen in anderen keltischen Sprachen sowie Hinweise in den antiken Quellen. Auch der Sinnbezirk der Grundbedeutung ist kein typischer Bereich vorrömischer Lehnwörter. Das REW fragt «woher?». Coromines (DECLC II: 123) schreibt: «d'origen incert, probablement pre-romä». Wartburg (FEWI: 569ss.) listet das Wort als Ableitung eines got. brunna 'Brunnen' auf und schreibt hierzu: «In sekundärer bed., besonders ['einäugig'], reicht die sippe allerdings weit über das ehemals von Goten besetzte gebiet nach Norden. Doch können da sehr wohl sekundäre ausstrahlungen stattgefunden haben» (FEWI: 571). Sekundäre Ausstrahlungen mag es gegeben haben, doch scheitert Wartburgs Interpretation an der fragwürdigen semantischen Entwicklung von 'Brunnen' zu 'einäugig'; Wartburg sieht das Bindeglied in der Bedeutung 'Höhlung, Höhle' (e. g. Schweiz borna 'trou en terre', frcomt. borne 'grotte, caverne'). Aber ist dies eine einleuchtende Motivation für den 55 56
Mit /- durch Einfluß von luscus (cf. REW 1221)? Den Hinweis aufs Emilianische findet man im LEI, allerdings ohne genaue Formenangabe.
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Begriff 'einäugig'? Ein weiteres Problem, welches im FEW gar nicht thematisiert wird, ist die Lautung. Wie sollen sich aus brunna Formen mit -ή- entwickeln? 57 Das gleiche Problem stellt sich bei den im FEWArtikel unter den Punkten 10 und 11 genannten Formen des Bedeutungsbereiches 'Reuse' und 'Korb'. Entweder man setzt ein germ. *brunnia an, wie es wohl auch das LEI tun wird - jedenfalls fehlt ein Lemma *bornius - , oder sucht nach einem unabhängigen Etymon. Was die Formen für 'einäugig; blind' angeht, so hält Bolelli aus sprachgeographischen Gründen ein gallisches Etymon für möglich, obschon eine Anknüpfung an neukeltische Sprachen nicht möglich ist. Typisch für ein gallisches Substratwort wäre jedoch neben der arealen Distribution der Artenreichtum der Formen. Der lapidare Hinweis Fares, daß die piemontesischen Formen aus dem Französischen stammten, ist formal nicht zwingend. In anderen Quellen wird das Wort leider nicht erwähnt, auch nicht in einer von Hubschmids Arbeiten, was natürlich auch Ausdruck dafür sein könnte, daß er das Wort nicht für gallisch hält. Für diese Arbeit soll von einem vorrömischen Wort ausgegangen, das zumindest «diagallisch» ist. (Ist das Lemma mit —» *borna zu verknüpfen?) *boruo 'Flüssiges; Schmutz' (—> *borb) *bost(i)a 'was man mit der Hand anfassen kann' FEW 1:454s.; REW 1228a; TB 63; TB 64
und bosta 'hohle Hand' FEW 1:454; Gamillscheg 1920:140; Hubschmid 1965:147 58
okz. ('[Getreidemaß]', nokz. boustieu 'fagot de javelle'), fr. (mfr. '[Getreidemaß]', Poitou betuse '[acht Scheffel umfassendes Hohlmaß]'), frpr. (Lyon boisi 'Bündel H a n f ) • Die Keltizität des Etymons wird durch andere keltische Formen wie mir. boss 'innere Handfläche' gefestigt. Echte Appellativa sind nur der lyonesische und der neuokzitanische Fortsetzer, während der übrige Teil 57
58
Die Formen im Wortfeld 'schlecht sehend' weisen ζ. T. -n- auf (rouchi., St-Pol, Thaon, Vire, Morvan, Bourber, Urim., Dombras, Vosges, neuch., frb.), meistens jedoch -n- (fr., aokz., lütt., lang., Giv., Dombras). Von der Gironde bis zu den Alpen erstreckt sich außerdem ein Streifen, wo -n- durch -λ- ersetzt wird («vielleicht infolge einwirkung irgendeines andern, bedeutungsverwandten wortes»; FEW 1:569). Hubschmid verknüpft das gallische Etymon mit bask, bost 'fünf. Vielleicht kommt dieses aber aus dem Gallischen. Auch Numerale können entlehnt werden (man vergleiche finnisch seitsemän '7', das sich zusammensetzt aus einer Tochterform des indogermanischen *septm '7' plus einer unbekannten Wurzel).
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der Galloromania Nachfolgeformen des Etymons nur als Maßeinheit kennt. Gehört hierher auch piem. bü 'manico dell'aratro' (cf. Biondelli 1853:564)? (-» *ambosta, welches ich nicht mit bost(i)a zusammenstelle, da die Nachfolgeformen sich semantisch eindeutig voneinander absetzen); und *bostusia 'Maßeinheit (Hohlraum)' FEW XXIII: 219
frpr. (awaadt. bessia 'mesure de capacite pour les grains', besse 'dito', bessellet 'mesure pour le ble', awallis. bisseiet und Ormonts basale 'recipient en bois, en forme de baquet ä lait, ou on tenait le pain et le fromage sur la table de famille, recouverts d'une petite nappe') • Die angegebenen Formen erscheinen im FEW in den Materialien unsicherer und unbekannter Herkunft. Das gallische Etymon wird vom ThLG konstruiert. Dem ist im Prinzip zuzustimmen, doch ist nicht recht einzusehen, warum die Wörter nicht gleich zu *bostia gestellt werden sollen. *bö-tege- 'Rinderstall' FEW1:463; FEWXX/1:256, 282; Kleinhans KB 1145; KB 1802; J26: 341ss.
1926; REW1229a; TB65;
gesamtfrpr. incl. aost. • Das Etymon ist im Keltischen gut verankert (cf. ir. bothigh 'kleine Hütte', kymr. beudy) und gehört zu —» *tegia. Es handelt sich hier aber nicht um eine Derivation von —> *tegia, sondern um ein bereits gallisches Kompositum; daher werte ich es als separates Lemma, (cf. auch —> *süteg-) *botina (gall.?) 'Grenzzeichen' FEWI:465ss.; REW 1235; TB 66; Bracchi 1983:15; PYL94:189; Thurneysen 1946:103
kat. (botil), okz. (e. g. Languedoc, Gaskogne), fr. (e. g. afr. botne, bosne, borne, bone, nfr. borne 'Grenze', Neufch. bonde 'dito'), frpr. - über fast ganz Frankreich verbreitet; im Okz. ist -ina vielfach durch -ila ersetzt worden • Für Bolelli ist gallische Herkunft nicht gesichert. Die Verbreitung des Wortes schließt zumindest die Möglichkeit gallischer Vermittlung ein. Auch die Tatsache der Formenvielfalt spricht dafür. An keltischen Verwandten würde sich gemäß Lambert air. buiden, kymr. byddin 'Armee' (cf. LEIAB-114) anbieten, wobei der semantische Wandel von 'Armee' zu 'Grenze, Grenzzeichen' (oder umgekehrt) dann über eine metonymische Zwischenstufe '*Armee, die die Grenze bewacht' gelaufen sein müßte. Nur schwer lassen sich die Formen bosne und borne 95
erklären. Die Semantik läßt aber kaum zu, diese Belege von den anderen zu trennen. Zu trennen ist dagegen meines Erachtens Bormio born 'scheggia; risalto di roccia'. Das Suffix -ina taucht auch in —»crocina, —> *galoxina, —> *glastina, —> trozdis/drezdina auf, doch sind auch diese Wörter nicht mit letzter Sicherheit dem Keltischen zuordenbar; das Suffix ist somit kein guter Keltizitätsindikator. Insgesamt spricht meines Erachtens mehr dafür als dagegen, das Wort als genuin keltisch zu erachten. *bottos 'Radnabe' (-> *buttos) *botuska/*betuska (gall.?) (< *betuä 'Harz; harziger Holzspan') 'Wachs' FEW 1:471; EWDI:276s.; REW1242; TB 68
kat. (nur Perpignan akat. cera bedoscha 'frisch gewonnenes Wachs'), okz. (hauptsächlich 'Wachs' [e.g. aokz. bodosca 'marc de cire'], 'Wabentreber', 'Schote, Hülse', ?'Kot' [e. g. b-lim. boudouroustso 'excrement qu'on tire des latrines, sediment'?]), frpr. (nur Var), ates. (e. g. gadertal. berdiscura 'abgefallenes Lärchenästchen', buch, berdüscole 'Reisig', unterfass. berdiskora 'dürres Reisig'), agord. (vedüscole, berdüscole, breduscole 'ramoscelli') • Bezüglich *botuska/*betuska haben wir es mit einer ungewöhnlichen Verbreitung zu tun. Außer im Altkatalanischen und Okzitanischen (und dem Departement Var) scheint sich das Wort nur noch im Ladinischen belegen zu lassen. Morphonologisch auffallend ist b-lim. boudouroustso·, hier ist man geneigt, an sekundären Einfluß eines anderen Wortes zu denken. Doch frage ich mich auch, ob angesichts der Bedeutungen die sellaladinischen und die transalpinen Formen wirklich zusammengehören. Erstens wäre die Lautfolge -rd- schwer zu erklären; zweitens läßt sich auch semantisch keine rechte Brücke zur Ausgangsbedeutung bauen. Steckt hinter den cisalpinen Formen unter Umständen lat. perditus 'verloren'? Aber wie erklärt sich dann das Suffix? Jedenfalls möchte ich die ladinischen Formen hier nicht miteinbeziehen. Zu den transalpinen Formen: REW und FEW versehen den Versuch, ein gallisches Etymon anzusetzen, mit einem Fragezeichen, denn es fehlen direkte Entsprechungen im Inselkeltischen. Darin - wie das EWD eine Ableitung zu einem *betuä zu sehen, das etwa 'Harz; harziger Holzspan' bedeutet, überzeugt nur bedingt.59 Die Herkunft des Wortes muß daher einstweilen im Dunkeln bleiben. Es ist lediglich an gallische Übermittlung zu denken. (—» *betu) 59
Die Form dieser Ausgangsbasis erinnert stark an die schon erwähnte Wurzel *betu- 'Birke' (cf. FEW I: 345); in einer früheren Sprachstufe mag das Wort eventuell 'Baum [allgemein]' bedeutet haben. 'Harz' würde dann in metonymischer Weise damit zusammenhängen.
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*bou- (gall.?) Ochse' KB 549; FEW XXI: 195; DEI I: 558
sp. (arag.), okz. (beam, boumague 'luzerne epineuse; centauree; fausse scabieuse', Gedre 'bugrane', Armagnac boulumäyno 'anemone pulsatile', beam, boumäyne 'centauree; luzerne epineuse; fausse scabieuse'), lomb. (alomb. bonaga 'ononis spinosa', V-Tell.), emil. (e.g. bunega 'ononis spinosa'), tosk. (atosk. bulinacca 'ononis spinosa') • Im LEI finde ich die cisalpinen und toskanischen Formen nicht, auch nicht unter den Lemmata bos und bovinus. Das DEI führt sie mit tosk. vilumacola 'bulimaca' auf lat. *volüminäca (von volümen bzw. volvere) doch was ist die Motivation? Hubschmid schreibt im FEW, daß es sich bei diesen Bezeichnungen für den Ochsenbrech (auch Haubreche genannt) um eine vorrömische Wortfamilie handeln dürfte, wobei bo-, sofern eine Zusammensetzung zugrunde liegt, als gall. *bou- Ochse' angesehen werden könnte. Auf lexikalisch-semantische Parallelentwicklungen im Romanischen macht Baldinger unter Hinweis auf die Lemmata boveretina (FEW 1:476) und retrobove (FEW X: 346) aufmerksam.60 Der zweite Bestandteil wird nicht geklärt. Zunächst einmal ist festzuhalten, daß es sich bei den transalpinen, die durchgehend -maufweisen, möglicherweise um einen anderen Worttyp handelt als bei den cisalpinen Formen. Auch der toskanische Worttyp läßt sich wegen -kk- und des ersten Bestandteiles nicht direkt mit den oberitalienischen Formen verbinden. Möglicherweise ist für die italienischen Formen eine Ableitung *ononaca von ononis denkbar, welches dann folgendermaßen weiterentwickelt wurde: *bononaca (b- in sekundärer Anlehnung an bos, bovis agglutiniert) > *bonaca (Haplologie!) > bonega. Allerdings müßte die Wortbildung noch motiviert werden; und auch die übrigen romanischen Formen sollten nicht völlig von den oberitalienischen Formen getrennt werden. Daher soll einstweilen doch von einer Bildung mit gallischem Element ausgegangen werden. *boua (gall.) 'Erdsturz' Stampa 1937:149s.; DEI 1:578
tess. (südl.) bis ven.: Typ bo(v)a 'id.' • Es fehlen innerkeltische Entsprechungen und sonstige Hinweise auf keltischen Ursprung. Auch die Sprachgeographie spricht dafür, daß das Wort eher aus dem Paläovenetischen seinen Weg ins Romanische fand. Das DEI spricht von mediterraner Herkunft. 60
Das FEW (1:476) schreibt: «[Die bezeichnung] erklärt sich dadurch, daß die ochsen beim ziehen des pfluges durch die zähen und verwickelten wurzeln des grases gehemmt wurden. Ähnlich wird die pflanze benannt durch zuss. von ARRESTARE, *STANTICARE, P A R A R E » .
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?*bou-sku- (gall.?) 'Rinderweide' Söll 1967:6ss.
transalpin (Typ bois 'Wäldchen') • Für die in der Fachliteratur mehrheitlich als Nachfolger eines germ. *bosk- betrachteten Formen setzt Söll in seiner Monographie zu den Bezeichnungen des Waldes ein kelt. *bou-sku- an. 61 Er verweist dabei auf kelt. *boustu-, das sich in iberoromanischen Appellativa sowie in südwestfranzösischen und vermutlich lombardischen Toponymen findet. Seine Argumentation soll hier in extenso zitiert werden: «Der Schlüssel liegt im nordwestspanischen bus to [....] Die Basis ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein kelt. *BOU-STU- 'Rinderweide'. [....] Ein kelt. BOU-STU- ist also nahezu sicher in Nordwestspanien und in Südwestfrankreich, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit in der Lombardei und vielleicht auch in anderen Teilen Frankreichs zu erschließen, alles Gebiete mit ausgeprägtem keltischen Substrat. Wenn für boscus ebenfalls keltische Herkunft angenommen werden soll, dann bietet sich der Ansatz eines gallischen *BOU-SKU- an. Der Stamm *BOU- bereitet keine Schwierigkeit, er ist auch sonst in der Galloromania gut bezeugt, Ableitungen sind nach Pedersen II, 18f. im Keltischen zahlreich belegt, wenn auch das Suffix in historischer Zeit nicht mehr produktiv ist. [....] Die primäre Bedeutung von boscus müßte demnach 'Rinderweide', und das heißt auch 'mit Bäumen und Buschwerk bestandene Weide' gewesen sein. Von der Komponente 'Rind' verrät die Überlieferung nichts, doch kann die Verallgemeinerung der Bedeutung ohne weiteres schon im Keltischen erfolgt und sogar abgeschlossen worden sein. Nimmt man für *BOU-SKU- an, was für *BOU-STU- evident zu sein scheint, nämlich Stammvarianten, und außerdem die bekannten Schwankungen des Vokalismus im Romanischen, so lassen sich die bereits besprochenen Probleme von boscus im Romanischen verstehen.» (Söll 1967:45ss.)
Ein keltiberisches bou-sto- darf nun durch die Inschrift von Botorrita als gesichert gelten.62 Mag somit die Lautform auch ausreichend erklärt sein, so bereitet doch die «dame semantique», die hier wieder einmal vernachlässigt wird, große Probleme. Wie soll sich 'Rinderweide' zu 'Wäldchen' entwickelt haben? Für diesen Wandel lassen sich meines Wissens nirgends Parallelen finden. Die angenommene Zwischenbedeutung 'mit Bäumen und Buschwerk bestandene Weide' ist nicht plausibel. Mag es also auch ein keltisches bousto 'Rinderweide' geben, dieses scheint nicht die Vorstufe von Formen mit dem Inhalt 'Wäldchen' zu sein. Das Lemma ist daher zu streichen. *boussa 'Bauch' FEW XXI: 303ss.; DEI 1:641; LEIAB-112 61
62
Weitere zahlreiche Deutungsversuche faßt Söll (1967) auf den Seiten 6 bis 15 zusammen, Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Bammesberger. 98
pg. (büzara 'Wanst'), okz. und fr. mit frpr. (den Belegen zufolge nicht auf einem äußeren Halbkreis von der Gaskogne über Nordfrankreich bis in die Schweiz), piem. (buseca 'intestini'), lomb. (nur alomb. buseche 'budella', mail, büseca 'budella; trippa; ventre'), tess. (e.g. büz^tsa 'ventre'), emil. (nur Piacenza bäz\i 'stomaco dei porci') • Das angesetzte Etymon ist wohl gallisch, wie die Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. ir. büas 'id.') zeigen. Problem: Die romanischen Tochterformen verlangen eigentlich einfaches statt geminiertes -s-. Nicht hierher kann aus semantischen Gründen meiner Ansicht nach (im Gegensatz zur Ansicht des FEW) der oberitalienische Typ ambossi 'capovolgere, rovesciare' gestellt werden. Nicht ganz abzuweisen ist aber auch der Vorschlag des DEI, die Formen zu lat. vessica Vescica, bussica' zu stellen, doch scheint mir letzten Endes der semantische Sprung zu groß zu sein. bracis 'Spelt; Getreideart, aus der Malz bereitet wird' > braciare 'malzen' FEWI: 483s.; REW 1253; TB 70; KB 21; PYL94:190; Ernout/Meillet 1967:75; LEIAM-66 fr. mit frpr. (e. g. fr. brais 'orge preparee pour fabriquer la biere', wallon. bra 'ble prepare pour faire de la biere ou du genievre', Neufch. brau 'malt', ard. brac 'orge' - die Nachfolgeformen konzentrieren sich in der nördlichen Hälfte des Fr. sowie im Frpr. (hauptsächlich fr. Staatsgebiet, teilweise auch Schweiz) • Keltizitätsindizien sind die Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. air. mraich 'Malz', mkymr. brag-awd 'Bier') sowie die Zuordnung bei Plinius (XVIII,62). Einige Verben, die das F E W hier verzeichnet (e.g. bres'ner 'chipoter', Vendee brassailler 'retourner en tout sens', rbräcie 'faire retourner, retourner'), sind nach Meier (1986:76s.) (dieser zitiert Greive) als Tochterformen von per-actiare zu sehen, so auch Niort brasser 'remuer, tourner, melanger', Poitevin 'remuer', nfr. brasser le cidre 'remuer les pommes ä demi ecrasees dans l'eau', rasser 'pratiquer, negocier en secret, faire', was in der Tat vor allem semantisch besser paßt. Auch die lautlichen Schwierigkeiten weiß Meier zu überwinden: per- > ρ V- > pr- > br- (läßt sich gelegentlich beobachten). Selbst wenn wir die besagten Verbformen von den übrigen Formen getrennt wissen wollen, ändert sich doch nichts Grundlegendes an dem Verbreitungsgebiet von bracis. Die Formen sind wohl zum Teil in loco entlehnt, zum Teil gewandert. *bragnikäre 'brachen' FEW XXII,2:51; REW 9648; TB 72; J26: 330s.
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fr. (nur Poitevin brangeai, Chef-Boutonne branger) • Man findet Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. kymr. braenar 'Brachfeld'). Die weitere Geschichte von kelt. brag-no- ist unklar. *bram- (> *bramita) 'Heidekraut, Ginster' Gamillscheg 1920:145s.; BlWbg:86; FEWXV, 1:243s.
fr. (e.g. nfr. brande, Poitou) - im ganzen Südwesten und im Zentrum Frankreichs zu belegen • Die gallische These stammt von Gamillscheg. Doch steht diese auf schwachen Beinen (e. g. wegen des Fehlens von inselkeltischen Entsprechungen). Nach Bloch/Wartburg und FEW ist das Wort zu westgerm. *brand 'brennendes Holzscheit' zu stellen, da die dünnen Heidekrautstauden als leicht brennbares Material zum Anfeuern verwendet wurden (FEW XV,1:251). *bregetos 'das Nasse' FEW XXI: 319
okz. (nur hdauph. breidou 'urine, pissat, eau sale', M.-Dauph. brayde 'urine', Dröme brecfa 'purin', Ardeche bride 'purin') • Es wird nicht begründet, warum dieses Wort aus dem Keltischen stammen soll. In der Tat gibt es keinerlei Hinweise darauf. Das Wort muß daher aus den weiteren Studien ausgeschlossen bleiben. *brenga / *brenua 'Lärche' FEWI: 517; REW 1282a; ALF 1850; Jud 1908/1910:44 ann. 51; Jud 1936:202
frpr. incl. aost. (breva 'id.'), piem. (canav. brengola 'id.', vsoan. brenva 'id.') • Für (Dia-)Gallizität fehlen hinreichende Indizien. *brenta (vorgall.) 'Tragkorb für Trauben und Wein; Kufe' FEWI: 517; EWDI:344s.; H50:36ss.; REW 1285; Fare 1285; Stampa 1937:86, 107; AIS 854; AIS 1203; AIS 1319; ASLE 3829; Jud 1948:558s.; Prati 1968:25; DEII:595; HWRI:121; DRGII:490ss.; DESF 1:265; Pirona 1935:74; Kühebacher 1971:66
okz. (brindo), frpr., piem. (brinda), lig. (gen. brinta), lomb. (e.g. com. mail, brenta 'Weinfaß', Bormio brenta 'Holzgefäß'), tess. (e.g. brentin 'kleiner Kessel', brinta 'Traubenkufe'), trent. (e. g. la brentQ 'Aufrahmgefäß'), emil., 63 ven. (venez., zentral- und nordven.; 'brenta', in den Randzonen in der Bedeutung 'Traubenkufe', 'gran quantitä d'acqua che scorre per il terreno ο nel letto di un torrone), bdr. (gesamt, Typ brenta 63
Den Hinweis auf das Emilianische finde ich bei Elwert (1943:207).
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'[auf dem Rücken getragene] Milchtanse'), ates. (gesamt 'Brunnentrog', e. g. gadertal. brenta), cad. ('Brunnentrog', e. g. amp. brento, -a), frl. (e. g. brente 'bigoncia', brentele 'Bewässerungsgraben', brenta 'brenta'), obd., serbokroat. - das Wort ist beidseits der Alpen auf rom. wie germ. Gebiet weit verbreitet und kommt sowohl als Femininum als auch als Maskulinum vor • Das Lexem scheint mit Ausnahme der Romagna überall in Oberitalien aufzutauchen. Das Wort wird daher nicht paläovenetisch gewesen sein, sondern ist vorkeltisch und vorvenetisch, vielleicht auch vorindogermanisch (wie es, so stellt Hubschmid [1950a: 36, 39] heraus, bei Gefäßnamen häufig der Fall ist). Wenn wir aber nun davon ausgehen, daß es vor Ankunft der Römer eine großräumige gallische und eine großräumige paläovenetische Sprachgemeinschaft gegeben hat, dann spricht das Verbreitungsareal eher für eine Entlehnung via das Gallische. Die Verbreitung der Lauttypen läßt darauf schließen, daß es sich bei brenta um ein typisches Wanderwort handelt. Ein neuerer Vorschlag von Meier (1986:89s.) stellt den Typus brenta zusammen mit breta und beta (cf. AIS 1319; auch transalpin, e.g. Languedoc breto 'hotte; hotte de bois, servant ä transporter le vin', REW9405) zu lat. ν Uta 'Kopfband' (> 'Kopf-Trageband, mit dem dann später auch die Tragekufen getragen worden sein sollen'). Hierbei sei von einem *vittulina(re) auszugehen (—>birrus), welches über *bret'na(r) zur Vermeidung des Nexus -t'n- zu brenta umgeformt worden wäre. Die lautliche Variation brenta ~ brinta und -nt- ~ -nd- erklärt sich Meier durch das Nebeneinander von lat. vftis und vitta. Der Vorschlag verlangt jedoch zu viele phonetische und semantische Ausnahmen und ist deshalb wenig wahrscheinlich. Es wird daher die gallische Hypothese verfochten. Die Verteilung der Lautformen läßt vermuten, daß neben einzelnen In-loco-Entlehnungen viele Wortwanderungen vorliegen. *breu (gall.?) 'vor Kälte starr' (—> *maruo-) *brikkosi (gall.?) 'Berg, Felswand, Bergspitze, Fels' FEW 1:525; REW 1300a; Fare 1300a; Fare 1297; Caldarini Molinari 1970:161; AIS421; AIS422; DEII: 593; DELI245; DRGII:499ss.
zur Bezeichung von örtlichen Gegebenheiten: okz. (e.g. queyr. bic 'aiguille de rocher', BAlpes brek 'cime', Cantal bric ~ brec, argva. bretsi 'montagne'), piem. (vereinzelt im Piemont, insbes. südl. des Pos in der Bedeutung 'Hügel', aber auch brich 'luogo selvaggio, scosceso'), lig. (ans Piem. anschließende Gebiet und gen. bricco 'monte erto'), lomb. (um Cremona: brich 'abschüssige, hochgelegene Stelle', mail., Valcava), trent. (e. g. zbrik 'Abhang'), emil. (e. g. Piacenza bric 'Hügel'), ?bdr. (bricha), ates. (gadertal. brech, buch, brich 'Steilhang, Abhang'), tosk. {breccia) 101
im Okz. bis auf den Westen bezeugt, ebenso in weiten Gebieten Oberitaliens (östlich bis in die Emilia und ins Trentino) • Beruht queyr. (bic) auf einem Schreib- resp. Druckfehler? Gehört hierher auch lomb. brief a) ~ brig 'bricciolo, nulla, punto, mica'? Zum Etymon *brikko- bemerkt Meyer-Lübke, daß es aus lautlichen (und auch semantischen) Gründen nicht zu gall. *brigos 'Berg' passe. Es fänden sich auch keine Anhaltspunkte in den modernen keltischen Sprachen. Auch das DEI spricht lieber von einer mediterranen Wurzel. Meines Erachtens ist aber vielmehr *brikko- als alleiniges Etymon für alle Formen anzusetzen, und nicht *brig- - und erst recht nicht briga.64 Nichtsdestoweniger mag es im Gallischen brigos durchaus gegeben haben. Das zumindest auditive Schwanken von -kk k- ~ -g- wird bei Dottin (1920:63s.) illustriert. Die Formen lassen sich gut mit kymr. brig 'Gipfel', kymr. korn. bre 'Hügel', ir. bri 'dito' verknüpfen. Fare stellt einen Zusammenhang mit REW4283 *imbriceus 'aus Ziegeln bestehend' (it. breccia 'Geröll', kalabr. vricciu 'breccia, ghiaja', neap, abruzz. vreccia vercce 'ciottolo, sasso' etc.) und REW4284 imbriculus 'kleiner Ziegel' (pg., nordit., südit., e.g. camp, vrecchiame 'ciottolo') her und verweist auch auf das DEI und Devoto, die it. breccia und sämtliche andere Formen über ein lat. *brikkia auf eine mediterrane Wurzel *brikk- zurückführen. Ich stimme mit Fare überein, daß das Wort letzten Endes vorkeltisch, im Protokeltischen jedoch - dies zeigen die inselkeltischen Parallelformen - sicher einmal präsent war. Die Nachfolgeformen lassen auch auf unterschiedliche Entlehnungsperioden schließen, bezeichnen doch die süditalienischen Formen nur Gesteinsarten, die galloromanischen hingegen die Lage eines Ortes. Die Wurzel *brikk- ist somit in dieser zweiten Bedeutung weiterhin in die Analysen miteinzubeziehen und nicht als panromanisch zu betrachten. Die Formen scheinen zum Teil gewandert, zu einem gut Teil aber wohl doch in loco entlehnt (man denke etwa an die Variation i ~ e im Cantal) zu sein. *brikkos2 (gall.?) 'gefleckt, bunt' FEW 1:522; REW1293; TB 75; D20:237
fr. (nur Poitevin breche 'vache bigarree' und Ableitungen sowie Gätine 'bigarre' - hinter Centre brigaille 'bigarre', Doubs, Vaudioux brigoule 'chamarre' und limagn. bricala 'bigarre' verbergen sich Wortkreuzungen) • Eine Entsprechung im Inselkeltischen liegt mit ir. breac 'bunt' etc. vor. Dennoch bleibt das Wort aus weiteren Analysen ausgeschlossen, da ich Bolellis (1941:165) kritischen Anmerkungen zustimme: «consideran64
Auch aus keltologischer Sicht sei - wie mir Herr Bammesberger mitteilt *briga nicht möglich. 102
do la limitissima diffusione geografica della voce, in un dipartimento accanto alia Bretagna, mi pare che sia ρϊύ giusto pensare ad un prestito dal bretone anzi che ad una voce antica gallica.» Wie Anreiter (1992:250s.) zu Recht schreibt, schließt dies jedoch nicht grundsätzlich aus, daß es auch einmal im Gallischen den Worttyp gegeben hat. *brig- 'Berg' (—> *brikkos\) *briga (gall.?) 'Kraft' (-» *bnua) FEW XV,1:265; EWD 1:345s.; EWDIII:36; D20.237; H60: 144; REW1299; DESF 1:267; DEI 1:599; DELI 247; DRGII:459; Pirona 1935:74
okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. afr, broiier 'ecraser, reduire en parcelles, en poudre', aokz. bregar 'broyer, froisser', Vienne breye 'moudre [le cafe]', mfr. broiier 'degraisser', mfr. nfr. broyer 'ecraser la päte avec la brie', aost. broye 'petrir [le beurre pour en faire sortir le petit lait]' etc. 65 ), trent. (briga 'impiccio, molestia, briga'), bdr. (ueng. [ausgestorben] braja, obw. breigia 'Mühe') ates. (bria 'Mühe, Umständlichkeit; Notwendigkeit, Mühe, Sorge, Pflicht'; gadertal. deburiäda 'zusammen, gemeinsam'), cad. (briga 'impiccio, briga, fastidio, pensiero'), frl. (brie 'Mühe, Unannehmlichkeit') • Auffällig ist, daß ein abstraktes Substantiv aus dem Gallischen entlehnt worden sein soll. Es werden in der Fachliteratur die phonetischen Probleme bei der Herleitung der betroffenen romanischen Fortsetzer aus gall, briga (von welchem es keine direkten Parallelen in den inselkeltischen Idiomen gibt) erwähnt, und das FEW entscheidet sich daher für germanische Herkunft: germ. *brekan 'zermalmen'. Einen innerlateinischen Ansatz bietet Meier (1986:78). Er sieht in den Formen Nachfolger von *bullmus (< bulla 'Wasserblase; Buckel; K n o p f ) und weist dabei auf andere Fälle hin, in denen b Ί- zu br- geworden ist. Große Probleme sehe ich jedoch bezüglich einer semantischen Verknüpfung. Interessant ist auch, daß trotz der nicht abzuweisenden, verblüffenden Bedeutungsähnlichkeit zwischen *brlga und *brigos (cf. Einleitung von Kap. II.2.) weder das REW (N° 1297) noch das FEW (cf. FEW 1:542s.: *brivos) (noch Meier?) einen Zusammenhang sehen und letzteres als separates, und zwar gallisches (!), Etymon auflisten. Auch ich will zwar die beiden Formen getrennt auflisten, da brigos sprachgeographisch eindeutig separat zu behandeln ist. Eine Verbindung der beiden Lemmata scheint mir aber eindeutig gegeben, so daß ich auch *briga als Keltizismus 65
Die Formen erscheinen im FEW unter dem Lemma «*brekan (germ.) brechen» mit den vier Hauptbedeutungen 1.'zermalmen', 2.'(Hanf) brechen', 3. 'plappern', 4. 'kneten'. Meines Erachtens können nur die Formen (und Ableitungen) der Bedeutung 1 und jene der Bedeutung 4 zu einem keltischen Etymon mit dem Semem 'Kraft' gestellt werden.
103
werte, wobei zwei unterschiedliche Bedeutungsstränge angenommen werden sollen: 1. ein Aktionsverb 'zermalmen; kneten' (transalpin), 2. ein Nomen 'Mühe' (ostcisalpin). *briga 'Berg' FEWI: 525; Gsell 1997:139 ann. 13 (-» *brikkos\)
brigantes 'Milben, Würmer' FEWI:525; REW 1294b; TB76; DEI 1:600; J20:475ss.; Bertoldi 1929:16ss.; Gamillscheg 1923:571; H60:146; Hubschmid 1968:349; Anreiter 1997:34ss.; DECLC II: 229ss.; Ernout/Meillet 1967:76
kat. (briant 'Milbe', briä 'Flechte', brians 'herpes'), okz. (aokz. Toulouse brian 'ciron', lang, brian, beam, braguen 'petite plaie d'un caractere dartreux', gask. bragun 'flechtenartige Wunde'), fr. (Maine-et-Loire bourghignon 'tanacetum volgare' 66 ), lomb. (veltl. briantz 'Absint' und V-Camonica), bdr. (obw. bargiel, bargiols 'pustola'), it. brigante - nur vereinzelte Belege im transalpinen Raum, im sog. Rätoromanischen und den angrenzenden Gebieten des Lombardischen • Keltizität legen Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. kymr. gwraint 'Hautwürmer') und die Zuordnung bei Marcellus Empiricus (VIII, 127) nahe. Lyon, bardoire 'Maikäfer' (cf. Gamillscheg) kann aus lautlichsemantischen Gründen meines Erachtens nicht hierher gehören. *brillos (vorgall.?) 'Weide' REW 1300b; Fare 1300b
lomb. (nur Puschlav bril 'piccoli frammenti di legna di fuoco', brila 'legna da fuoco' und Brescia brinar 'Weidengehölz; Flußrand'), emil. (berleda, berleida 'mit Weiden bewachsenes Flußufer; trockenes Flußbett'), rmgn. (e. g. brel 'Weide'), Campodolc. briö 'fuscelli' • Die inselkeltischen Mundarten bieten keine Anhaltspunkte. Die Verbreitung spricht nicht für gallische Vermittlung. Ist das Wort eventuell aus dem Paläovenetischen ins Romanische gelangt? Aus den nachfolgenden Analysen muß es jedenfalls ausgeschlossen bleiben. Auffällig ist die brescianische Form mit -n-, *brinos (gall.?) 'Rute' FEW I: 528ss.; REW 1304; TB 78; KB 1928; KB 1813; DECLC II:227ss.; Meier 1984:62ss.; Meier 1986:79s.
pg. {brim 'Segeltuch'), sp. (brin 'Faser; Zwilch; Zwiebeltuch'), kat. 66
Diese Form wird von Bertoldi (1929:19 ann. 3) hierher gestellt als Remotivation «sotto il velo dell'interpretazione popolare (quasi «il borgongne»!)».
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(bri(n) 'Halm'), okz. und fr. mit frpr. (zahlreiche schwer erklärbare Bedeutungsübertragungen: e.g. auf dünne tierische und pflanzliche Substanzen, 'kleines Stück irgendeines Gegenstandes' [e.g. Lille brin 'chose quelconque que l'on demande, p.ex. un morceau de pain', Gren. brin 'un peu'], 'Halm' [e.g. frcomt. sav. brin 'tige', fr. brin], 'Splitter'; SufFigierungen mit -ia [e.g. norm, bringe 'verge', Mayenne brenge 'couleur noire et brune, ou noir et rouge (bete ä corne)', dauph. brigno 'plante herbacee tres fine, qu'on emploie quelquefois en guise de bruyere pour ramer les vers ä soie' - -ia ist typisch für Pflanzennamen] und -ica [e. g. St-Pol breg 'lambeau', bringues 'morceaux, pieces', Cantal bringar 'fendre en pieces', neuch. bringuer 'quereller, chercher chicane; importuner, ennuyer'], Bedeutungsübertragungen wie 'Schindmähre' [e. g. nfr. centr. bringue, sav. bringa], 'schlecht gebautes, unordentliches Frauenzimmer' [Bouillon bringue, pik. grande bringue, St-Pol breg] oder Cantal brina 'terme general designant l'aune, le tremble, les diverses especes de saule'), piem. (e.g. brin 'pelo, capello', Alessandria bren 'ciocca'), bresc. (sbri 'Weidenrute') • Im Inselkeltischen treffen wir auf die Formen kymr. brwyn, bret. broen 'Binse', welche allerdings auf ein gall. *brenos hinwiesen (cf. REW). Der Zusammenhang der jeweils aufgelisteten Formen ist also phonetisch nicht ganz unproblematisch, aber auch semantisch nicht. Die postulierte Ausgangsbedeutung ist 'Rute', die inselkeltischen Formen bezeichnen die Binse, die Zentralbedeutung der romanischen Formen ist wohl 'Halm'. Sicher scheint, daß die Ursprungsform auf etwas Kleines, Unscheinbares referiert haben muß. Eine jüngere These stellt Meier (1984:62ss; 1986:78s.) auf. Er stellt die fraglichen Formen zur Wortfamilie von lat. pürus, puräre und setzt *puriginäre an. Die Anfangssilbe ist wie in einigen anderen Fällen, wo der Vokal von einem Liquid gefolgt wird, erst zu ρ 'r synkopiert und dann sonorisiert worden. Zur Bedeutungsentfaltung schreibt Meier (1986:79): «Das 'reinigen', d.h. 'befreien von Unreinlichkeiten, Überflüssigem [...]' findet Anwendung auf das Putzen und Lichten der Bäume, auf die Beseitigung von Unkraut oder Gestrüpp, auf die Reinigung des Flachses, auf das Schälen oder Enthülsen von Gemüse, das Schälen oder Entkernen von Obst, das Beschneiden des Weinstocks, das Entrinden oder Säubern von Baumstämmen oder Brettern u. v. a. m., Bedeutungen, wie sie die Wörterbücher des Lateinischen und der beteiligten romanischen Sprachen registrieren und die dann in den deverbalen Substantiven ihren Niederschlag finden.»
Meier weist auf parallele Entwicklungen in der Wortfamilie von lat. excussulare hin: 'von etw. Störendem, Überflüssigem befreien' > 'Getreide dreschen; Hanf reinigen; Bäume u. a. auslichten'. Selbst für die abstrakte Bedeutungsentwicklung in kat. esbrinar 'posar en clar, adquirir ο donar coneixement minutiös' findet Meier eine Parallelform in dem durchsichtigen sp. apurar 'averiguar ο desentranar la verdad ahincada105
mente ο exponerla sin omision'. Doch Meiers Versuch krankt daran, daß er für die zentralen Bedeutungen 'Halm' und 'Kleinigkeit' keine Entwicklungsparallelen nennen kann und zu viele lautliche Sonderentwicklungen ansetzen muß. Die gallische These erscheint daher immer noch als die beste. Doch können die Formen Mayenne brenge 'couleur noire et brune, ou noire et rouge (bete ä corne)' und bringuer 'quereller, chercher chicane; importuner, ennyer' hierher gehören? *bris-/*bris-/*brisk-/*brüs(s)-/*kalabrüs-: *bris-/*bris- 'zerbrechen' FEWI: 531ss.; REW1310; TB79; Fare 1310; DEII:599; Jud 1924:199ss.; CM56b: 178; Gamillscheg 1920:147s.; Bracchi 1983:17; PYL94:191; ALF 1162; D20:237; H60:142; Gregor 1986:6
und *brusi- 'zerbrechen' FEWI: 576; Hubschmid 1968:356 ann. 106; D20:238; REW1343
und *brusta 'das Zerkrümelte' DRGII: 530; AIS 1219
und *brisko- 'brüchig' Jud 1946:354; FEWI: 536
und *brouso- 'zerbrochen' Hubschmid 1968: 356 ann. 106
und *brisiloFEW XXII, 1:259
kat.? (akat. breca 'Stücke geronnener Milche' 67 ), okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. aveyr. brdusil 'broutilles, brandes, menus bois, debris qui jonchent Pemplacement d'un bücher', Bearn esbrusa, fr. briser 'zerbrechen', afr. bruisier 'froisser, blesser', Verb mundartlich sehr wenig verbreitet, Westschweiz bretse 'petits morceaux de lait coagule, lait gate qui sort du pis de la vache', Schweiz bretsi 'gerinnen [von der Milch]', aost. breussa 'ce qui vient sur le petit lait pret ä bouillir'), piem. (nur südwestl. Rand Typ brüs 'Ziger' und Vico Canavese [AIS P. 133] broffa 'dito'), lig., lomb., tess., emil., ven., bdr. (e.g. untereng. braus 'angefault, stockrot [von Baumstämmen]', obw. brausei 'schwach, gedämpft, leise, heiser [von der Stimme]', obw. bruffa, obereng. buort 'Ziger- oder Buttermasse, die sich nicht bindet'), frl. (sbris 'lacero'), it. sbricio, tosk. brincello! (so Fare), siz. -
67
Das REW (N° 1281) will die altkatalanische Form zu ahd. brecha 'Bruch' stellen.
106
und *briska (gall.?) 'Honigwabe' FEW 1:535s.; REW 1309; TB 80; Fare 1309; Brinkmann 1938:139, 173; Meier 1984:7Iss.; Meier 1986: 52s.; Legros 1969:77ss.; ALF 1174; DECLC II: 212ss.
sp., kat. (bresca 'wabe'), okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e.g. aveyr. breskaso 'Korb', afr. bresche, Aude breskye 'Bienenstand'), lomb., emil. (,breska 'id.', Piacenza besca68 'id.'), rmgn., (aus dem Norden: sard., siz., kalabr.) - in der Bedeutung 'Wabe' im ganzen ehemals keltischen Gebiet der Romania bezeugt, in der metonymischen Bedeutung 'Bienenkorb' findet sich das Wort nur sporadisch auf französisch-okzitanischem sowie oberitalienischem Boden; die Bedeutung 'Wabe' wird auch übertragen auf das Material, aus dem die Wabe besteht; das Wachs wiederum wird gegenüber dem Honig als Rückstandsprodukt angesehen und daher dann auch auf andere Ausscheidungen übertragen; aufgrund der regelmäßigen Struktur der Wabe wird das Wort auch zur Bezeichnung gewisser Flechten herangezogen; des weiteren dient es mancherorts zur Bezeichnung des Bienenkorbs und überschneidet sich so mit den Nachfolgern von *rüska und *brisia (< *brmsial) 'Schneefall' FEW XXI: 5s.; EWDI:347s.; DRGII:544s.; H50: 59s.; DELI246s.; ASLEF 115; (REW 1305; FEWI: 531; DESF 1:268)
pg., sp., kat., okz. (e.g. 'leicht regnen, leicht schneien'), fr., frpr., piem. {(zjbrfza 'Rauhreif), lomb., ates., frl. (brise 'brina; brezza') • Auf einen möglichen Zusammenhang der hier zusammengetragenen Lemmata (oder zumindest eines Teils der Lemmata) wird in der Fachliteratur an verschiedenen Orten direkt oder indirekt hingewiesen. Es muß daher im folgenden ausführlicher kommentiert werden als bei anderen Lemmata. Die romanischen Formen geben lautlich, semantisch und areallinguistisch ein differenzierteres und diffiziles Bild, das zu interpretieren einen eigenen, ausführlicheren Artikel wert wäre. In dieser Arbeit kann nur grob auf die Problematik eingegangen werden. Aus dem Inselkeltischen bieten sich air. brissid 'il brise', air. brui'd 'il ecrase', air. bruim 'ich zerschmettere', mir. brusc 'Krümchen, Kehricht', mkymr. breu 'gebrechlich', ?mbret. brusum 'Krümchen' und andere als verwandte Wörter an. Die romanischen Formen zeigen ein lautliches Gerüst der Form br-V-s, wobei die Position von V ursprünglich entweder durch (Γ?), ϊ, ü oder ü besetzt war. -Γ- und -ü- lassen sich auch durch die inselkeltischen Formen bestätigen, -«- scheint auf das Romanische beschränkt. Ein -i- in den romanischen Sprachen läßt sich entweder durch -Γerklären oder durch /-Umlaut: *bris-iäre > *bres-iar > *bris(i)ar. Dieses 68
Zu Recht fragt Fare: «perche manca il r?» Druckfehler in der Quelle (welche leider nicht mitangegeben ist)? Sporadischer Lautwandel (cf. queyr. bic
*brikkosi). 107
i kommt dann aber auch in Formen vor, bei denen nicht unbedingt von einer Vorform auf -ia(re) auszugehen ist, etwa frl. brisa 'brina', piem. (z)briza 'Rauhreif. Also gab es auch eine Ausgangsvariante mit f? Die Variations Vermehrung im Vokalismus kann auf Kreuzungen (cf. afr. bruiser [< *bruisiare]) oder dem Nebeneinander der keltischen Formen beruhen: man vergleiche air. brise 'fragile, faible' neben air. brü- 'briser, ecraser, detruire'. Aufgrund der Verbreitung der Variation in den romanischen Mundarten muß selbige schon im Gallischen existiert haben. Die Kernbedeutung des Großteils der Nachfolgeformen scheint sich jedenfalls im Sinnbezirk des Zerbrechens, des Zerbrechlichen oder des Zerbrochenen zu bewegen. Aus diesen ersten Beschreibungen fallen folgende Formen lautlich (und zum Teil semantisch) heraus: Faverges brilioune 'litiere formee de mousse et de fines branches d'epicea', briyoune (cf. FEW XXII, 1: 259), ferner der Typ broudacho 'broussailles' in St.-Pierre und im Perigord. Die Formen mit der Bedeutung 'Bergwachholder' und 'fieno scadente (per bruciare)' sind wohl dem Verb bruciare 'brennen' zuzurechnen, denn Wacholder, Heidekraut und Alpenrose werden als Brennmaterial verwendet. Auch bei den Belegen mit den Bedeutungen 'Reif (cf. fass, frl. ven. Typ broja < brüsia; piem. frl. Typ briza < bris-) und 'Frost' (fass. Typ broja < brüsia) kann man sich fragen, ob diese nicht eher zum Konzept brennen statt zum Konzept zerbrechen zu stellen sind (man denke etwa an nhd. Gefrierbrand). Andere Formen können dagegen relativ leicht mit bris- (resp. bris-) oder brüs- '(zer-)brechen' lautlich und semantisch verknüpft werden: Dazu gehören Wörter für 'leise, schwach' (cf. air. brise, kymr. breu 'gebrechlich' [< bris], obw. brausei 'schwach, gedämpft, leise, heiser' [< brüs-]), 'angefault' (cf. ueng. braus 'angefault, stockrot' [< brüs-]), 'Holzteilchen' (cf. air., aveyr. brousil 'broutilles, brandes, menus bois, debris qui jonchent l'emplacement d'un bücher' [< brüs-]) und 'Krumen' (cf. mir. brusc 'dito' [< brü(s)-], lomb. emil. sav. Typ brisa). Vom letzten Typ wiederum lassen sich die metaphorischen(-metonymischen) Bedeutungen 'GraupeF (f-Typus im Okzitanischen und Oberitalienischen, Typ calabrüsia im Katalanischen, in Brescia, im Trentino, in der Emilia69), 'Schneegestöber' (ί-Typ im Val Müstair, in der Lombardei, im Atesino, in der Iberoromania und in der nördlichen Transalpina), und davon wiederum 'Hexe' (cf. sp. gask. Typ calabrosa) ableiten. Die Bildung calabrus(i)a scheint mir in der Bedeutung 'Rauhreif eher zu —> *brusiäre zu stellen zu sein. Liegt hier eine Wortkreuzung vor? In den nachfolgenden Analysen wird dieser als eigener Eintrag gewertet werden. Eine Gruppe Wörter bezeichnet die Honigwabe (cf. emil. breskä), den Bienenstand (cf.
69
Cf. Biondelli 1853:256.
108
afr. bresche, Aude breskye) oder den (Bienen)-Korb (cf. aveyr. breskaso).70 Dazu könnte auch fr. breche 'Zahnlücke' gehören, welches gemäß Bloch/ Wartburg (1994:87) zwar zu dt. brechen zu stellen sei, aber gemäß Vendryes (cf. LEIAB-91) auch, vielleicht sogar besser, zu kelt. bri'sk'brechen' passe. Denkbar ist auch eine Kontamination aus kelt. briskund germ. brek-/bre%-, wie sie auch bei anderen hier diskutierten Möglichkeiten in Betracht gezogen werden sollte. Semantisch weniger motiviert scheinen die Bedeutungen 'gerinnen; geronnene Milche' und 'Ziger'. Können diese zu 'brechen' gestellt werden? Darüber hinaus bereiten etwa aost. breussa 'ce qui vient sur le petit lait pret ä bouillir' und obereng. buort 'Ziger' auch lautliche Schwierigkeiten. Es scheint nun sinnvoll, im folgenden von nachstehenden etymologischen Varianten auszugehen: *bris-^ 'zerbrechen' (fr., frpr. [vor allem auch Schweiz], okz. ohne Westen, piem., ait., alomb., ven., gen., frl. - In-locoReliktwort) *brfs-W 'Krumen 71 [< zerbrechen] > Graupel, Schneegestöber, Hexe' (Lille, frpr., okz., lomb., emil., it. - wohl teils gewandert, teils in loco entlehnt) *(kala)brüs- 'Graupel, Schneegestöber, Hexe' (okz., Bergeil, eng., trent.) - im Sinne von 'Rauhreif cf. —> *brisiäre *brüs(s)-(^ 'zerbrechen; zerbrechlich; zerbrochen, gebrochen (e.g. Holzteilchen)' (afr. Wanderungen und bearn. in loco), *brüs(s)-W 'Milchprodukt' (zentrale Alpengebiete, Faverges), *brisk-^ 'Wabe etc.' (arag., kat., fr., frpr. incl. aost., okz., lomb. (alomb., V-Ses.), emil., romagn. [aus dem Oberital. in angrenzende Gebiete und in den Süden entlehnt]) - In70
71
Für eine neuere Etymologisierung geht Meier (1984:71 ss.; 1986:52s.) vom katalanischen Verbum brescar 'fer bresques; tallar ο treure bresques del ruse; foradar de molts de forats; trencar-se l'orde de batalla; espargir-se un exercit; perdre la bona formacio' aus. Das Verbum bezeichne unter anderem das Herausschneiden von Waben. Gemäß Meier hätte sich dann hier eine spezielle Bedeutung aus einer allgemeineren entwickelt. Dies führt ihn zu einem lat. persecare 'völlig auf-/ausschneiden, operieren, sezieren; durchschneiden' als Etymon (parallel zu dissecare, resecare). Dieser Ansatz werde noch dadurch unterstützt, daß die Honigwabe im Asturischen seita, enseita, setön oder seta heißt und somit den Perfektstamm von secare enthält. Der Wechsel zwischen -sg- und -sk- sei im Westromanischen gut verbreitet und rühre von den verschiedenen Akzentverhältnissen in den einzelnen grammatischen Formen her (cf. REW 7241 resecare). Diese Etymologisierung überzeugt jedoch aufgrund des Widerspruchs zwischen kurzer Chronologie und weiter Verbreitung des Typus nicht. Ζ. T. mit sekundärem Einfluß von mica, e. g.: Cantal brica 'miette', gask. briko 'dito'.
109
*brisk-W
loco-Entlehnungen in der Transalpina, in der Cisalpina dagegen ein einheitlicher (gewanderter?) Lauttyp 'Zahnlücke' (fr. breche).
*briska (gall.?) 'Honigwabe' (—> *brfs-) *brisia (< *brlusia?) 'Schneefall' (—> *brfs-) brittula 'Schnittlauch, Narde' FEWI: 538; REW1315; JUH38:105; Ernout/Meillet 1967:76
fr. und frpr. (e. g. Metz brate 'ciboule', Vosges brotte 'dito', Vaudioux bretala 'dito', wallon. brelle 'dito') - hauptsächlich im Frpr. belegt, aber auch im Fr. bis in die Wallonie • Im REW ist das Wort nur im Index als gallisch ausgezeichnet; im Hauptteil sowie im FEW gilt die Herkunft des Lemmas als unbekannt. Auch mir scheint aufgrund fehlender Entsprechungen im Inselkeltischen gallische Herkunft (wie auch Übertragung) unwahrscheinlich. Das Wort ist wohl direkt aus einer (auf engem Raum begrenzten) Substratsprache entlehnt worden. *briua 'Brücke' FEW 1:542; DEDI: 39; LEI0; DEI 1:603; D20:237; IEW 173; Desinan 1984:9
lomb. briva 'id.' - auch in oberital. sowie in fr. Toponomastik • Das Wort kann ich im REW nicht finden. Keltizität wird gesichert durch air. bri 'id.'. *broga
'Grenze'
REW 1323; TB 82; Fare 1323; DEI 1:613; JUH38:146, 149; FEW I: 555; PYL94:190; ALF 1592; D20:238; LEIAM-67
okz. (aokz. broa 'unbebautes Land, das zwei Felder trennt; Hecke; Ufer'), fr., frpr., piem. (bru(i)a 'Ufer, Rand', V-Sesia bruva 'Ufer, Rand'), lomb. (Typ brua, brü(i)ä), tess. (V-Levent. brüga 'Steinhaufen, der beim Reinigen der Wiesen zusammengetragen wird'), cad. (com.
72
Zum Ansatz dieser Form cf. Lambert (1994:190): «Les dictionnaires citent le mot gaulois sous la forme brogä: mais toutes les comparaisons convergent vers une forme brogi [....] La forme attestee dans les Scholies ä Juvenal, brogae, doit representer *brogi > broge, avec ouverture du -i final en -e, comme cela arrive dans certains preverbes, *upsi- > uxse-, ari- > are-, etc.).» Diese «ouverture» ist wohl als Art Abschwächung des unbetonten Vokals zu deuten.
110
bruga); schwdt. - ganz vorwiegend im Okz. und in den lomb. und piem. Alpendialekten verbreitet • Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. ir. mruig 'Mark, Landschaft' [< bruig], bret. bro 'pays, contree') und die Zuordnung zum Gallischen bei Iuvenal (Schol. VIII,234) untermauern die gallische Herkunft. Der Sinnbezirk spricht für In-loco-Entlehnungen. Im DEI werden die oberitalienischen Formen als Entlehnungen aus dem Okzitanischen gesehen, was nicht notwendigerweise angenommen werden muß. *bronia (gall.?) 'Brünne' (—» *brunna) *brouso- 'zerbrochen' (—> brusi-) *brük(k)os (gall.?) 'schwarz; Heidelbeere' und brücus (gall.?) / *uroikos 'Heidekraut' (mit späterer Übertragung auf andere Pflanzen) REW1333; Fare 1333; TB 84; J26:337ss.; Gsell 1997:139 ann. 13; FEW 1:557ss.; KB407; J26:337ss.; DEI1:614s.; Hubschmid 1968; Fleuriot 1978a: 328; Prati 1968:27s.; PYL94.191; AIS617; Bracchi 1983:16; DRG II: 539ss.; DRGII:522; DESF 1:272; D20:238; JUH33:257; Cronenberg 1937:78, 89; Biondelli 1853:61; H60:142; Pellegrini 1976; Ercolani 1994:77; Desinan 1984:9; DECLC II:283ss.
kat. (bruc 'Erica arborea'), okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e.g. nfr. bruyere,73 aokz. agask. bruc 'Heidekraut', aost. bruvak 'airelle', sav. amborzala 'dito', gask. grigu 'Schlehdorn', gask. brok 'Schwarzdorn'?), piem. (brü(k) 'Heidekraut'), lig. (e.g. brügu 'dito'), lomb. (e.g. ostlomb. grüza 'prunelle'; Brescia brojer 'cespuglio, macchia'), tess. (e. g. broy 'Heidekraut'), trent. (e.g. broc, brocon 'Erika'), emil. (e.g. Piacenza brus 'dito', Parma zbrüsa 'dito'), rmgn. (broj 'brolo, cespuglio', bröja 'erba nocca, scirpus maritimus L.'), ven. (nicht im Süden; e.g. veron. brusco 'pugnitopo'), bdr. (bruoch 'Heidekraut', eng. auch bröl 'dito'), ates.?, frl.? (brucuncesare 'specchio di Venere, specularia speculum L.' 74 ), Salerno (brugo 'erica'), kalabr. (brughera 'erica') - in Ortsnamen häufig bezeugt; in Oberitalien gut verbreitet, außer östl. Emilia, Romagna, südl. Veneto, Sellaladinien und Friaul • Diese gaskognische Form ist wohl hier besser aufgehoben als bei panrom. *brokkos 'Spitze', wo Cronenberg (1937:89) sie hinstellte. Fare stellt auch frl. bradäs 'scopa' hierher, was besser ist als die vom DESF (1:258) angebotene Lösung: «Considerato un derivato del got. 73
74
Im Französischen sind nach Aussage Hubschmids (1968:324) fast nur Ableitungen des Typs bruyere bezeugt. Gemäß DESF (1:272) «brucun- forse dal lat. B R U C C U S per B R Ü C U S Ο da * B R A U C U S , REW 1333, e da -cisare dal lat. CICERE».
111
b n d REW1294 'tavola, asse di legno', da una forma suffiss. * b r i d a s c a con passaggio di i ad a in atonia, favorita dalla vicinanza di -r-». Fraglich scheint mir auch, ob gadertal. borbela 'Erika', grödn. burvel 'dito', oberfass, bruel 'dito' hierherzustellen sind - Kramer nimmt folgende Entwicklung an: *brucellu > urlad. *bruel (wieso Ausfall von kl) > *bruvel (Hiatustilgung) > burvel > borbela (konsonantische Fernassimilation + Übergang ins Femininum unter Einfluß von lisüra 'Erika'). Verlangt dieser Ansatz nicht zu viele Ausnahmen, um glaubhaft zu wirken? Ist nicht besser von folgender Entwicklungskette auszugehen: brucus > *bruk- —> *brug-iel, *bruv-iel > buroell Bezüglich des gesamten Typs überhaupt wendet Bolelli ein, daß die Verbreitung desselbigen im Süditalienischen (Kalabrien) gegen keltisches Substrat spreche, sondern eher für paläovenetisches. Es ist aber zu beobachten, daß der Worttyp im Kerngebiet des Paläovenetischen fehlt, i.e. Venezien und ein Teil Friauls, in Ligurien dagegen wieder präsent ist. Die sehr spärlichen süditalienischen Formen stammen vielleicht aus dem Norden oder Frankreich (cf. die Beziehungen wie sie bei Lüdtke [1968:8Iss.] beschrieben sind) und hindern daher nicht an der Annahme, daß das Wort schon vor der Romanisierung ins Gallische Norditaliens gelangt sein könnte. Der beste Garant für die Gallizität sind schließlich die inselkeltischen Formen: e. g. bret. brug 'Heidekraut', mir. fraich 'Heidekraut, Erika'. Die trentinischen Formen müssen auf eine Vorform *braukos/ *broukos zurückgehen, die aus innerkeltischer Sicht lautlich nicht unproblematisch ist. Doch letztendlich wissen wir über gallische Dialekte, insbesondere jene der Cisalpina, sehr wenig. Ganz allgemein fällt jedenfalls auf, daß die Lautstruktur der Nachfolgeformen vielfältig ist, was typisch für In-loco-Entlehnungen ist: zahlreiche, verschiedene Suffigierungen und Nebenformen mit kurzem oder langem, offenem oder geschlossenem Stammvokal, geminiertem wie einfachem -k, gr- statt wrresp. br- im Anlaut 7 5 (Nachfolgeformen dieses letzten Typs bezeichnen i. d. R. 'Schlehe', ζ. T. auch 'Heidelbeere' [—» *ätro-]). Viele dieser Formen sind, wie Hubschmid (1968) aufzeigt, lautlich nicht immer einfach zu deuten. Hubschmid stellt außerdem alle Formen, die auf einen Typ *brousso- zurückgehen, hierher, denn: «Wie Corominas betont, kann diese Wortfamilie nicht auf *bruscia beruhen (so F E W 1, 572), sondern nur auf einer Basis mit -cj- (oder -ccj-, -ttj-) B R Ü C I A oder ähnlich. Dies wird durch die ältesten Belege bestätigt» (Hubschmid 1968:326). Und weiter lesen wir: «Eine spezielle Bedeutung zeigen frcomt. brousses 'miettes, debris' [...], Schweiz brosse 'restes de foin que les vaches dedaignent et laissent dans la creche' [...] Gren. brusse 'restes d'un 75
Cf. hierzu neuerdings Lambert (1997:401s.). Cronenberg (1937:89) fügt bei den mit gr- anlautenden Formen einen Hinweis auf REW 3832 «graecus» an, der mir völlig überflüssig erscheint. 112
repas' [....]» (ibid.327). Diese Formen sind aber wohl besser zu —»brisiäre zu stellen. 76 Und zu einer angeblichen Ableitung *brüskia stellt er «außerhalb des Gebietes von gall. * B R Ü K O — grödn. brusa 'Land mit viel Gesträuch und niedrigen Bäumen', enneb. abt. brüsa 'Gehölz' [...] ampezz. brusciei 'mirtilli rossi ο vite d'orso', cador. brussie sg. 'uva ursina', brusyey pl. 'mirtilli rossi' (AIS 614, P. 316, 317) [....]» (Hubschmid 1968: 327s.).
Auch diese Formen sind wohl eher zu
*bnsiäre zu stellen.
brücus (gall.?) / *wroikos 'Heidekraut' (mit späterer Übertragung auf andere Pflanzen) (—» *brük(k)os) *brumos (gall.?) 'Garbe' FEW XXII,2:48
nur b-lim. brumeu 'gerbe de ble' • Es fehlen innerkeltische Verankerungen. Das Wort kann mit keinerlei Berechtigung dem Gallischen zugeordnet werden. brüna/*ande-brüna (gall.?) 'schwarz; Heidelbeere' JUH33:257; AIS 613; AIS 614
frpr. (Genf, Savoyen, Valais), piem. (vereinzelt auf einem westl. Streifen: (l)ambrüna), bol. (lombruna 'centaurea nigra') - in zahlreichen Ortsnamen • Das einzige Indiz für keltische Herkunft liegt wohl in der Bedeutung. Nicht wichtig scheint mir aber auch die Verbreitung mit der bolognesischen Exklave. Doch ist dies wohl zu wenig, um ein gallisches Etymon anzusetzen. *brunna (< *brusnä) 'Brust' FEW 1:566; LEIAB-104s.; Thurneysen 1946:209
fr. und frpr. (e. g. norm, brongnes 'mamelles des laies, des chiennes, des chattes', brenes, brunes 'tetines des truies', Bray brongnes 'dito', Percy branes 'mamelles de la truie', hmanc. bronne 'mamelle', Mayenne bronnes 'le pis, les trayons de lavache, de la chevre etc.', Yonne berne 'tetine de la truie', [mit agglutiniertem «halben Artikel»:] ang. abron 'tetine', Centre bron 'piece de fer ou de bois qui sert ä fixer l'essieu au corps de la charrette')
76
Dort wird auch auf den Vokalismus eingegangen.
113
und *bronia (gall.?) 'Brünne' REW1339; 1970:155ss.
Fare
1339;
FEW 1:572;
D20:238;
LEIAB-104s.;
Birkhan
fr. und okz. (nur afr. mfr. broigne 'cuirasse', aokz. bronha 'id.', mfr. brongnee 'coup', afr. > siz. brogna 'mamella') • Beim Hauptlemma denkt Dottin an ein mögliches germanisches Etymon. Ich jedoch will mich dem FEW anschließen: «Da das kerngebiet der gallorom. Wortsippe östlich ans bret. anschließt, liegt es nahe, entlehnung aus bret. bronn anzunehmen [cf. auch air. bruinne 'Brust, Busen', J. G.], dies um so mehr, als vor dem 19.jh. jeder beleg fehlt. Doch bleibt dann die Verbreitung bis in die Schweiz unerklärt. Aus diesem grund muß mit der möglichkeit gerechnet werden, daß die westfr. formen aus dem bret. stammen, die übrigen aber ein gall. *brunna fortsetzen» (FEW I: 566).
Zum zweiten Lemma, *bronia, gibt es ebenfalls mehrere Deutungsversuche. Die gallische These wird von Meyer-Lübke propagiert. Wartburg plädiert für ein germanisches (i. e. fränkisches) Etymon brunnia, welches erstens aus sachlichen Gründen näher liege und zweitens belegt sei und nicht erst konstruiert werden müsse. Auch Dottin geht eher davon aus, daß das Germanische Spender für das Keltische war. Dagegen schreibt Birkhan (1970:155s.) meines Erachtens überzeugend: «Von einem idg. *bhreus- 'schwellen' [...] konnte nur im Kelt, mit -n-ios ein nomen air. bruinne 'Brust' gebildet werden (dazu mkymr. nkymr. bryn(n) 'Hügel'; 'Brüste' und Brustwarzen als Hügel sind eine häufige Metapher in der inselkelt. Toponymie), denn nur hier gab -s-n- > -nn-, Germ. Wortbildung hätte entweder zu *bruss- geführt, zu *bruzn- > *brurn-, oder bei Stammsilbenakzent zu *brusn.»
Es scheint somit eher der Fall zu sein, daß das germanische Wort aus dem Keltischen entlehnt worden ist. *brus-/*bruskia (gall.?) 'Gestrüpp; Auswüchse an Pflanzen' Hubschmid 1968: 325ss.; FEWI:572ss.; FEW XXII, 1:274; Alessio 1936:66; Prati 1968:28; REW 1340a; Azzolini 1836/1976:208; DECLC II: 273ss.; LEIA B-97
sp. (broza 'Abfälle von Baumrinde; Reisig; abgefallenes dürres Laub'), kat. {brossa 'Gestrüpp; Überreste von Pflanzen'), okz. und fr. mit frpr. (e. g. broisse 'bogue de chätaigne; instrument ä nettoyer', aokz. brosa 'broussailles, lieu rempli de ronces et de bruyeres; petit bouquet d'arbre', pik. broce 'bruyere', Lyon brosses 'terrain inculte en broussailles', Usseglio brouse 'pustules'), piem. (brossa 'Abfall von Heu'), lomb. (e.g. bergamask. bröscatel 'kleines Geschwür', VTell.), trent. (broza 'la materia putrida di certe pustule, ο piaghette'), ven. (nur venez. und bellun., e. g. brussa 'pruneto'), bdr. (e. g. eng. bruostsa 'Abfall von Heu', eng. brüsche 'Hautausschlag'), ates. (e. g. gadertal. brüscia 'Gehölz', gadertal. 114
grödn. broscia 'Futterrest'), cad. (com. brusä), frl. (brüsk 'Furunkel', bros'ciai), kalabr. (cosent. frusa 'specie di asparago selvatico e spinoso') - in Frankreich, der Schweiz und Oberitalien weit verbreitet • Das FEW lehnt die gallische These, bei welcher das Lemma zu ir. brosna 'kleines Reisig', air. brosnae 'bois sec, fagot' (< *bhreu(s)- 'brechen; Lärm machen') gestellt würde, aus lautlichen Gründen ab: «Man müßte mindestens neben * B R U S S A [für den rom. Typ broisse] noch ein * B R U S S I A annehmen» (FEW 1:574). Wartburg sieht die Formen daher als Ableitungen zu lat. bruscum 'knorriger Auswuchs am Stamm des Ahorns' (cf. Ernout/Meillet 1967:7677). Doch ist dies meiner Meinung nach mit unüberwindbaren semantischen Schwierigkeiten verbunden. Die Verankerung mit ir. brosna scheint doch stimmig; warum nicht eine Form mit einem Suffix -ia (und geminiertem 5), also *brussia, annehmen? Wie bereits des öfteren schon zu sehen war, zeigen gerade gallische und vorgallische Wörter eine Vielfalt lautlicher und morphologischer Subtypen. Dennoch bedürfen einige Formen noch der genaueren lautlichen Aufklärung. Hubschmid (1968:329) schreibt: «Da
[...] im G a l l o r o m a n i s c h e n
*BRÜCA ' H e i d e k r a u t '
und
*BRÜCIA
'Ge-
strüpp' höchst wahrscheinlich durch Kreuzung von *BRÜKO- mit BRÜSCIA 'Gestrüpp' entstanden sind, liegt es nahe, für die Vertreter von *BRÜCU 'Heidekraut' im Rätoromanischen und in angrenzenden Mundarten des Tessins eine Kreuzung mit *BRÜSKA 'Gestrüpp' zu vermuten. In ähnlicher Weise hat sich *BRÜKO- mit BRÜSCIA vermengt, daher *brüscia (> gask. brucho)».
Nach Zamboni (1981:49) handelt es sich dagegen eher um eine Kreuzung zwischen rüscum 'Mäusedorn' oder rüstum (dieses Wort konnte ich aber in keinem lateinischen Wörterbuch verifizieren) und evtl. gall. *brükus. *bruskia2 'Trümmer' (—> brusi-) *brusiäre 'brennen' und *brusia (gall.?) 'Brand; Frost, Reif REW9097; Fare 9097; H50:60; H54:22s.; JUH38:133; EWDI:375s.; EWD 1:353s.; DRGII: 213ss.; Stampa 1937:166; Prati 1968:27; Coromines 1937:162; AIS 375; DESF 1:274; DEI 1:614; DELI 253; DECLC II:289ss.
pg. (galiz.), sp. (e.g. bruja 'Hexe', arag.), kat.( bruixa\ (kala)broza7S), okz. (e.g. gask. broucho 'sorciere'), fr., lig., lomb. (e.g. mant. bresc. 77
78
Ernout/Meillet (1967:76) schreiben zu dem bei Plinius belegten bruscum·. «Mot etranger, peut-etre celtique? Bruscus est un nom propre celtique. [...] Le frioul. brüsk «furoncle» presente le meme developpement de sens que dans fürunculus.» Den Hinweis auf (kala)broza entdeckt man in einer Fußnote bei Hubschmied (1938:133): «(kala)broza 'Rauhreif darf kaum getrennt werden von catal. calabruixö 'Hagel'; die Verbreitung spricht für gall. Ursprung.» (-» *gälä) 115
calabrosa 'rugiada gelata, brina, nebbia ο gelo, nevischio'), trent. (calabrosa 'specie di pioggia che assai nuoce alle viti, melume'?; sulzb. briizin 'ginepro', sulzb. brügini 'rododendri', nonsb. brügini 'Erica carnea; Calluna vulgaris'), emil. (Piacenza scalabrüsa 'brina, brinata'), ven. (gesamtvenez. als 'brennen; Brand', e. g. brufar(e) 'bruciare'; ohne einen westl. Ring als 'Reif, e. g. Vas [AIS R 345] brQza), bdr. (e. g. V-Müstair brüs-cha 'Schneegestöber', obw. burschin 'Bergwacholderstrauch, Heidekraut; koll.: die holzigen Vertreter der Ericaceen und Juniperus', bergeil. bruzlna 'fieno scadente che si raccoglie sui prati ombrosi in mezzo ai castagni'), ates. (e.g. fass, broja 'Frost; Reif), cad. (amp. brogiorada 'erica; viene raccolta e seccata serve per il letto delle bestie'), frl. (broja, brose 'Reif), tosk., südit. • Das Stichwort fehlt bei Bolelli. Für Coromines bleibt die Herkunft im Dunklen. Direkte inselkeltische Entsprechungen gibt es meines Wissens nicht. Zu klären ist, wie eine semantische Brücke zwischen 'Frost; Reif (so einige alpine Formen) und 'Brand' zu bauen ist? Liegt eine ähnliche Übertragung wie in dt. Gefrierbrand vor? Das von Hubschmid genannte fass, broja hat lediglich die Bedeutung 'Frost; Reif und gehört daher zu zlad. und frl. broja etc. 'Reif, Rauhreif, welches Kramer im EWD auf ein vorlat. calabrösia zurückführt. Ein formal gleiches Substantiv mit der Bedeutung 'Brand' wäre sicherlich zu dem in der Etymologie noch immer umstrittenen Verb *brusiäre 'brennen' zu stellen, das Hubschmid für keltisch, einige für erbwörtlich (< perustulare), andere für germanisch () halten. 79 Ein Zusammenhang besteht aber unter Umständen zwischen 'Frost, Reif und gall, brisia (< brlusia) 'Schneefall', was die These gallischen Ursprungs dann unterstützen würde. Hubschmid (1951/1952:118): «Zweifellos sind alle hier angeführten Wörter gallischen Ursprungs. Sie sind mit dem ursprünglich lautnachahmenden Stamm idg. *bhreus/*bhrü-s zu vereinigen [....] Aus dem allgemeinen Begriff 'brausen, wallen' erklären sich die Wörter für 'Sturm, Sturm mit Niederschlag' oder bloß 'Niederschlag' (Rauhreif, Reif, Hagel, Schnee, Regen). In diesen Bedeutungen läßt sich der mit verschiedenen vorromanischen Suffixen erweiterte Stamm gall. *brüs/ *brös- in ladinischen, oberitalienischen, katalanisch-aragonesischen Mundarten und im Galizischen nachweisen. Nur im Gallischen der Iberoromania und der Gaskogne wurde *bruskia, eigentlich 'die Daherstürmende', auf die 'Hexe' schlechthin übertragen. Die im Anschluß an die Ausdrücke für 'Sturm, Regen, Rauhreif behandelten Wörter für 'brennen' beruhen auf einer sehr alten, vorhistorischen Bedeutungsdifferenzierung.»
Hubschmid (1968:329s.) stellt - meines Erachtens zu Recht - folgende Formen hierher, zum Verb brüsiäre, und nicht zu —> brücus, —» *bruskia (so Wartburg) oder ->brusi-: sulzb. brüzin 'ginepro', sulzb. brügini 79
Einen ausführlichen Abriß zur Forschungsgeschichte des französischen Wortes bietet Kramm 1975.
116
'rododendri', nonsb. brügini 'Erica carnea; Calluna vulgaris', amp. brogiorada 'erica; viene raccolta e seccata serve per il letto delle bestie', obw. burschin 'Bergwacholderstrauch, Heidekraut; koll.: die holzigen Vertreter der Ericaceen und Juniperus', bergell. bruzina 'fieno scadente che si raccoglie sui prati ombrosi in mezzo ai castagni', denn «Wacholder, Heidekraut und Alpenrosen werden als Brennmaterial verwendet. Genaue semantische Parallelen liegen vor in apr. branda 'bruyere' [...] (zu germ, brand 'Feuerbrand' [...] bair. zunder 'Zunder, Zwergkiefer; Alpenrosenstrauch' [...]» (Hubschmid 1968:330). Im folgenden werde ich von zwei unterschiedlichen Etyma ausgehen, dem einem, nichtkeltischen mit der Bedeutung 'Brand', dem anderen, keltischen mit der Bedeutung 'Frost; Reif. Zu letztem gehört wohl auch der Neben typ calabrosa 'Rauhreif (der trentinische Fortsetzer 'specie di pioggia che assai nuoce alle viti' könnte allerdings semantisch eher zu —> *brfsgestellt werden. Vielleicht haben auch Wortkreuzungen stattgefunden. Der erste Bestandteil ist vielleicht zu —> *gälä- oder zu —> *kal- 'weiß' zu stellen. (—> *brfs) *brusi- 'zerbrechen' (—» *bnsiare) *brusta 'das Zerkrümelte' (—> *brfsiare) *bruto- (gall.?) 'Gestrüpp' FEW XXI: 63, 92; KB 377; Hubschmid 1970:290 ann.23
St-Pierre broudicho 'broussailles', Perigord broudacho 'id.', froudacho 'fourree, broussailles' • Für die wenigen hier angegebenen Formen gibt es keine Entsprechungen im Inselkeltischen. Die gallische These steht auf sehr wackeligen Füßen. Eine Verbindung zu ~^bruskia\ 'id.' herzustellen ist zunächst denkbar, aber schwierig. *bud- (gall.) 'Feuer' Gamillscheg 1921:504s.; Spitzer 1922:19ss.
okz. (spärlich aokz. esbuscar 'einen Graben vom Gehölz reinigen'), Südwesten des Fr. (e. g. ebuard 'starker Holzkeil, der in Baumstrünke hineingetrieben wird, um diese zu spalten', fr. ecobuer 'ausreuten') • Gamillscheg vermutet einen unmittelbaren Zusammenhang mit —» *bodika. Gegen Gamillschegs Deutung spricht sich Spitzer (1922:19ss.) aus, der als Grundbedeutung des Verbums nicht 'verbrennen', sondern 'ausreuten' ansieht und somit alle Formen als Ableitungen zu westfr. cobe, *gobe 'Schlag' von gr.-lat. colaphus sieht. Meines Erachtens ist icobuer in formaler Hinsicht von den übrigen Formen zu 117
trennen. Der Typ aokz. esbuscar erinnert eher an germ. *bosk-;80 dem wären dann wohl auch die westfranzösischen Formen der Bedeutung 'Holzkeil etc.' hinzuzustellen. Das Wort ist demnach kein Keltizismus. bugillöne (gall.?) (—» *bugiön) *bugiön- (gall.?) 'blaue Blume; [blau]' REW 1375a; TB 85; Fare 1375a; DEI 1:571; Bertoldi 1929:25s.; Bertoldi 1933:329; : Ernout/Meillet 1967:77; LEIAB-112
fr. (sehr vereinzelt: e. g. afr. bouillon 'verbasco'), (?okz. [Provence], ?frpr. [Vaud]),81 piem. (bozom 'blauer Lippenblütler'), lig. (bozom 'blauer Lippenblütler', gen. buzommu 'salvia horminum'), lomb. (bresc. böza 'una specie di veronica'), trent. (V-Rendena bofel 'dito'), emil. 82 - die Belege finden sich in Oberitalien verstreut vom Sturabecken bis zum ligurischen Golf sowie zwischen Monza und Treviglio; die heutigen Fortsetzer bezeichnen den blauen Lippenblütler und verschiedene Varietäten von salvia silvatica • Gallische Herkunft scheint durch air. buga 'nom d'une fleur bleue' gesichert. Unter Umständen handelt es sich bei dem Ausgangswort wie bei —»alousa um einen reinen Farbterminus. Die einzelnen Lauttypen scheinen kleinregional gewandert zu sein. Die oberitalienischen Formen werden vom DEI als Entlehnungen aus dem Provenzalischen gedeutet und als 'erba dei buoni uomini' - dies scheint mir jedoch eine Volksetymologie zu sein. *bullukia / bulluca (gall.?) 'kleine Pflaume, Schlehe' REW 1390; REW 1390a; Fare 1390; TB 87; TB 88; FEWI:623ss.; Tuaillon 1986:214ss.; Budahn 1940:275; Cronenberg 1937:13ss.; ALF 1097; ALF 1099
fr. (afr. beloce, belorce 'Schlehe', Varennes breloce 'dito', Creuse und HVienne Typ beloce 'Stachelbeere', wallon. bilok 'Schlehe'), frpr. incl. aost. (e.g. bloche 'Pflaume', bdr. (obw. ploga 'Pflaume', untereng. paluoga) - innerhalb eines Gebietes, das ein Dreieck mit den Eckpunkten Ile-de-France, Creuse, Engadin bildet • Laut Bolelli sind die inselkeltischen Formen bret. polos, bolos, kymr.
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Wo das FEW dieses Wort einordnet, habe ich nicht ausfindig machen können. Unter *bosk- ist es, soweit ich sehe, nicht aufgeführt. Der Vorschlag, den provenzalischen und frankoprovenzalischen Typ buon uomo blu als volksetymologisches Konstrukt hierher zu stellen, stammt aus Bertoldis (1929:25) Feder. Ich finde nur bol. bossel 'arbusto di perpetua verdura, che suol servire per contorno alle aiuole de' giardini' (cf. Ferrari 1853:140); doch ist dieses hierher zu stellen?
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bwlas, ir. buloss aus dem Französischen entlehnt. Fare bespricht in seinem Artikel einige Formen (leider ohne Bedeutungs- und Quellenangaben), die fälschlicherweise zu bulluca gestellt worden seien, deren Ausgangspunkt er aber in einem balanus sieht. Das hier angeführte Areal bewahrt Formen, die im Auslaut -k, -s, -s oder - / aufweisen; auch Vokalismus und Anlaut zeigen Variation. Schwierig zu erklären sind die Formen belorce, breloce (südfranzösisch und südostfranzösisch): woher das r?83 Cronenberg (1937:23) geht davon aus, daß es sich angesichts vieler Wörter, die ein Schwanken zwischen -rs- und -sszeigen und deren Etymon -rs- enthält, um eine Art Hyperkorrektion handeln muß (cf. auch Hasselrot 1937/38:188). Doch wäre es schön gewesen, wenn sie einige Parallelbeispiele aus der Pflanzenwelt hätte nennen können. Außerdem haben wir ursprünglich ein -ts- ((c)) und nicht -SS-. Die aufgezeigte Formenvielfalt ist für ein gallisches Etymon nicht untypisch. Das Wort scheint also zumindest «diagallisch» sein. bunda 'Boden; Sohle' REW1392; REW1394; Fare 1392; TB 89; DEI 1:559; JUH38:58; DRGII: 124; HWRI:88; FEWI:626s.; CM56b: 169; Jud 1946:372
kat. (bonda 'Spund'), okz. (e. g. bonda 'Zapfen; Schleuse', B-Limousin aboundi 'combuger une futaille'), fr. (südfr. bondo 'sumpfiges Land'; fr. bonde 'Zapfen; Schleuse'), frpr. incl. aost. {bödä 'far gonfiare, tenendole sott'acqua', Fribourg bona 'wässern', sav. bonnä 'dito', aost. bondi 'mettre de l'eau dans une auge, afin qu'elle ne perde pas'), piem. (nur V-Sesia bonda 'verborgener Ort, Couloir', canav. bunda 'Spund'), lomb. (nur comask. boldon), bdr. (obw. bandun 'Spund, Zapfen des Brunnentrogs'), schwdt., alem. - in zahlreichen Toponymen Oberitaliens und der Westschweiz, bei den Appellativen zahlreiche, z.T. schlecht erklärbare Bedeutungsübertragungen wie 'ouverture du fond d'un etang', 'piece de bois servant ä lächer l'eau d'un etang pour le mettre en peche', 'pierre aussi ronde que possible, pouvant etre lancee d'une main', so daß evtl. von einer anderen Grundbedeutung auszugehen ist • Das REW hatte die Formen mit der Bedeutung 'Zapfen; Schleuse' zunächst zu ahd. bunde 'Spund' gestellt, zweifelte aber bereits, ob diese nicht zu einem gallischen Etymon zu stellen wären (so auch Bolelli und das DEI). Man denke etwa an ir. bonn 'Sohle', kymr. bond 'Boden'. Äußerst wichtig scheint mir aber der Hinweis Lamberts, daß das Wort auch von lat. ab-undäre abstammen könne, wobei dieses dann reanalysiert worden wäre als a-bundäre (cf. fr. debonder). Dies paßt nicht nur lautlich, sondern vor allem nun auch semantisch wesentlich besser zu 83
Ein ähnliches Phänomen liegt vor bei der Variation *kamok— (—> camox).
*kamork-
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den romanischen Tochterformen. Ich ziehe es daher vor, das Wort nicht als Keltizismus anzusehen. *bünia (1) 'Baumstrunk'; (2) 'Beule'; (3) 'Art Kuchen' REW 1396; Fare 1396; TB 90; Gsell 1997:139 ann. 13; Brinkmann 1938:123s.; DRG II: 345: 593; FEW 1:628s.; DEI 1:630s.; DELI259; VDSI1146; AIS 685; Legros 1969:76s.; DECLC II:336ss.; LEIAB-117
(1) okz. und fr. mit frpr. (e. g. okz. buno 'Baumstamm', afr. frcomt. bugnon 'Bienenstock'), piem. ('Bienenkorb'), tess. ('Bienenkorb'), ven. ('Bienenkorb'), frl. (nur Ruda [Prov. Udine, AIS P. 359] bonoy 'Baumstrunk'), istr., sard. ('Bienenkorb'), kors. (buno 'Bienenschwarm; Wolken, Wind', 'Bienenkorb'), tosk. ('Bienenkorb'), it. (e.g. bugna 'Korb aus Stroh', bugno 'Bienenstock', bugnolo 'Korb aus Stroh', bugliolo 'kleiner Zuber', bugnone 'Gestrüpp'), schwdt. - mitunter Bedeutungsübertragung zu 'Bienenkorb' 84 (e. g. bunek); (2) kat. (bunyol 85 ), okz., fr., frpr., lig. (e.g. gen. bügna 'tumore accompagnato d'infiammazione'), lomb. (bün(a)), tess. (bügn(a) 'pasta del formaggio, cacio fresco', bügnon 'pustola, bubbone, foruncolo; protuberanza, bitorzolo'), rmgn. (bon 'Pustel, Pickel'), ven. (veron. bunon 'Stoß; Beule'), bdr. (e. g. eng. bügna 'Beule; Holzknorren'), ates. (buch, bügnola 'Beule, Auswuchs'); (3) okz., fr. (> mail., piem.), frpr., ibrom. • Schon andernorts (Grzega 1997b: 69s.) habe ich mich bezüglich der Bedeutungstypen für eine etymologische Trennung ausgesprochen, solange sich nicht eine alle Nachfolgebedeutungen erklärende Grundbedeutung finden läßt; schon unter (1) fragt man sich, ob 'Korb aus Stroh', 'Bienenstock', 'Bienenschwarm' von 'Baumstrunk' kommen können - 'Baumstrunk' wird wohl angesetzt wegen air. bun 'souche, base, partie posterieure', mir. bun 'stock, bottom, bole, trunk of tree', mkymr. bon 'bottom, base, root, stump, trunk, stock, stem' - , unter (2), ob 'Pickel', 'Ohrfeige', 'Art Kuchen', 'Kuhfladen' von 'Beule' abgeleitet werden können. Dabei habe ich auch Bolellis Annahme eines ahd. bungo 'Knolle' aus lautchronologischen Gründen verworfen: der Wandel ü < ü hätte nicht mehr eintreten dürfen. Coromines sieht das Lemma als vorromanisch an. Im DEI wird bugna als spätlateinisch (unbekannten Ursprungs) gesehen. Brinkmann (1938:123) verzeichnet auch Belege in 84
85
Zu dieser Bedeutungsveränderung schreibt Hubschmid (1968:350): «Die Bedeutungsentwicklung von 'Auswuchs beim Ahorn' zu 'Bienenstock' erklärt sich nicht durch die Annahme, daß Bienen in solchen Auswüchsen ursprünglich ihr Nest gehabt haben (denn dies ist nirgend nachzuweisen und auch kaum möglich, da sich das Maserholz durch größte Härte auszeichnet). Vielmehr ist daran zu erinnern, daß das Holz dieser Auswüchse (Maserholz) seit jeher zu Gefäßen verarbeitet wurde. So erklärt sich auch afr. mazere 'coupe de madre' < anfrk. maser 'knorriger Auswuchs am Ahorn'.» Das REW gibt als kat. Form banyol an, doch cf. DECLC.
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Lucca (bugno 'arnia, cassetta, rocchio d'albero bugio ο votato, perche ci faccino il mele le api') und Umbrien (Pozzuolo bugno); das Wort gehört somit nicht zu den rein westromanischen Keltizismen (—> *bilia 'Baumstrunk'). Desweiteren erinnert it. bugliolo 'kleiner Zuber' (welches im DEI als Entlehnung aus dem Oberitalienischen ansieht) lautlich und semantisch an —» bolium. *burra/*purra (gall.?) 'runder Holzklotz; (Loch)' REW1411; REW 1411a; REW1414; REW1415; REW1224; REW 1224a; Fare 1214; DEI 1:561; DEDI:42; H50:61; H54:23; EWD 1:318; DRG II: 666ss.; DESF 1:247s.; Prati 1968:28; FEW 1:435s.; KB 950; KB 17667; KB 1063; KB434; AIS537; H54:23; Mäfera 1971/72:79
sp., kat., okz. (e.g. aokz. borra 'masse du fer'), fr. (e.g. bourree 'Reisigbündel'), frpr. (e. g. sav. borra 'gros tronc de bois') incl. aost., piem. (nur alpinpiem. böra 'Stück Rundholz'), lomb. (e.g. bora 'gefällter Baumstamm'; zahlreiche Ableitungen: borela 'Kniescheibe', mail, borin 'Brustwarze', nur velt. borela 'Wacholderbeere', bresc.), tess. (Typ bora 'Stück Rundholz'), trent. (Typ bora 'fusto, tronco; pedale; toppo, ceppo'), emil. {bora 'gefällter Baumstamm'), ven. (gesamtven., e.g. bora 'pedale tagliato'), bdr. (obw. buora 'Sägeblock', eng. buorra 'dicker Stamm, Erdscholle, Schneeball'), ates. (Typ bora 'Baumknorpel; abgeschnittener Baumstamm'), cad. (e. g. Typ bora 'dito' und burin 'bambino grasso'), frl. (bore 'rocchio di faggio, della lunghezza di cinque piedi ο della metä, per ardere'), tosk. (burlün 'sasso') - dieses Etymon läßt sich vor allem in Graubünden und Oberitalien zurückverfolgen • Nach Ansicht des F E W kann nicht an air. mir. borr 'geschwollen; groß; stolz; Schwellung; Klumpen; Büschel' (< *bhorso-7) etc. etymologisch angeknüpft werden. Die Schwierigkeit liegt in der Bedeutungsentfaltung von 'runder Holzklotz' zu den einzelnen romanischen Bedeutungen. Die Bedeutung 'Holzklotz' ist belegt in der Wallonie, in den Vogesen, in Zentral- und Ostoberitalien (lomb., emil., ven.) und in Graubünden. 'Loch' ist etwas weiter verbreitet in Nordfrankreich (südlich bis zu den Ardennen), im Aostatal, in Graubünden und in der Lombardei. Nur sporadisch verbreitet sind die Bedeutungen 'Brustwarze' (mail, borin), 'Wacholderbeere' (veltl. borela), 'Kniescheibe' (lomb. borela), 'Reisigbündel' (cf. fr. bourree). Zu dem semantischen Übergang von 'Holzklotz' zu 'Loch' habe ich schon an anderer Stelle festgehalten, wo auf den entscheidenden Beleg ven. sborir 'ausströmen' hingewiesen wird: «Die Belege bei Gamillscheg zeigen metonymische Bedeutungsentwicklung von 'Spund' zu 'Faßloch', was den Einträgen unter Absatz 2 bei Wartburg entspricht. Vielleicht haben sich die Entwicklungen der beiden hier zur Debatte stehenden Etyma, gall. *burra 'Holzklotz' und germ. *bor- 'Spund'
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[so lautete Gamillschegs Deutung], teilweise gekreuzt; Holz bzw. Holzklötze dienen ja oft zur Herstellung von Spunden» (Grzega 1997b: 70).
Wie aber läßt sich eine semantische Brücke zu den übrigen Formen bauen? Und ist wirklich ein gall. *burra in der Bedeutung 'runder Holzklotz' anzusetzen? Es ist wohl von zwei Bedeutungstypen auszugehen, nämlich (1) 'Holzstamm', (2) 'Ballen, Beere'; beide sind als diagallisch zu betrachten (cf. auch DEI für Typ 1), und zwar je nach Bedeutung als wahrscheinliches Wanderwort oder wahrscheinliche Entlehnung in loco. Möglicherweise stammen die auf 'Ballen, Beere' zurückgehenden Formen aber auch von lat. burra 'Scherwolle; Tierhaarbüschel' ab (cf. die Bedeutungsentwicklungen im F E W I : 637ss.). *büstis 'Büste' Hubschmid 1970:116; AIS 1616; DRGII:720; DEII:643; DELI264
okz. (aokz. bust 'tronc du corps', Queyr. bust 'gilet'), frpr. (Savognin best 'Pflugbaum', Var bus 'haie de la charrue, Pflugbaum'), piem. (büst 'fusto'), ven. (Verona busto 'fascetta delle donne'), bdr. (engadin. büst, obw. best, best 'Rumpf, Leib'), ates. (fass, bust 'Mieder'), Entraunes, it. busto 'tronco del corpo' (seit Dante) - zahlreiche Wortwanderungen sind zu belegen: nach dem Osten und Süden Italiens und auf die Pyrenäenhalbinsel; cisalpin ist das Wort nur vereinzelt belegt (östliches Piemont, Veneto - in loco oder gewandert?), dicht jedoch in Graubünden • Im DEI wird der Worttyp auf lat. büstum 'crematorio, luogo in cui si inceneriva il cadavere' zurückgeführt, was jedoch semantisch nicht überzeugt (der umgekehrte Weg wäre noch eher denkbar). Die Verbreitung könnte für gallische Übermittlung sprechen. Ob das Wort jedoch wirklich genuin keltisch ist, kann nicht beantwortet werden. Es fehlen Entsprechungen in den keltischen Sprachen. Möglicherweise ist das Wort mediterranen Ursprungs. Es wird jedoch über das Gallische ins Romanische gelangt sein. Semantisch auffällig sind die genannten frankoprovenzalischen Formen. Sind diese wirklich hierherzustellen? *buta 'Hütte' REW 1422a; TB92; FEWI:653s.; KB 1802
(okz. und fr. mit) frpr. incl. aost. (e. g. Chatonnay boye 'ecurie pour les moutons', Grenoble boyiet 'ecurie du cochon ou de la chevre', aost. bouat 'bercail', Saint, boui-boui 'miserable taudis') - im Frpr. und adjazenten Gebieten erhalten, in der Regel in der Bedeutung 'Stall für Kleinvieh, Schweine' • Die Keltizität ergibt sich aus ir. both 'id.' etc. und der Verbreitung.
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*buttos 'Radnabe (< rundes Gefäß?)' LEI VI: 1455-1603 (speziell p. 1507s.); REW 1239b; TB67; DEII:549, 575, 577, 645; FEW 1:663; Hubschmid 1955:42; Lecoy 1973:285; Anreiter 1992:220; Tappolet 1923; ALF 87; AIS 1231; DECLC II: 179s.
kat. (botö 'gemola ο poncella d'un vegetal; pega plana ο bombada d'os, metall, etc., que serveix per cordar vestits'), okz. (excl. Gaskogne; e.g. nokz. boutou 'id.', lim. bouton 'id.'), fr. (e.g. Vionnanz bo 'moyen de la roue', bayouc 'moyeu'?), frpr., piem. (ohne nördlichsten Teil, aber e. g. V-Sesia butt 'id.'), ?lomb. (but, büt, böt 'bourgeon, germe'), lig. (nur vereinzelt im Westen [Airole, Calizzano bütu: AIS P. 184, 190]), lad. anaun. (botac 'id.'), tosk. (bottöne 'id.'), rum. (bute) - im Frpr. sowie dem gesamten okz. Raum mit Ausnahme der Gaskogne (excl. ALF R 688) verbreitet, in der westlichen Hälfte der Cisalpina und der Toskana belegt • Die romanischen Belege werden im REW und im FEW mit kymr. both 'rundes Gefäß' etc. verknüpft, was mir in semantischer Hinsicht nicht ganz unproblematisch scheint; doch soll das kymrische Wort gemäß Tappolet auch in der Bedeutung 'Radnabe' vorkommen. Das DEI setzt ein fränkisches *buttön 'battere, germogliare' an. Das LEI führt die cisalpinen und toskanischen Formen auf ein onomatopoetisches vorlat. *bot(t)- 'gonfiore, cavitä' zurück. Gegen die gallische These spräche nämlich gemäß LEI vor allem die Existenz von rum. bute, «[che] prove che l'evoluzione di'botte' > 'mozzo della ruota' e giä antica e non ci sono ragione per postulare due etimi diversi» (LEI VI: 1601). Doch ist der Worttyp sonst so sehr auf das ehemals gallische Gebiet beschränkt, daß man bei dem dakoromanischen Wort an eine Entlehnung aus dem Galloromanischen denken kann. In der Westschweiz kommt ein Typ abo 'Nabe' vor; dieser wäre gemäß Hubschmid auf ein gall. *ad-buttis zurückzuführen. Doch mangelt es an unmittelbaren Vergleichsformen im Keltischen. Es scheint mir aus lautlichen Gründen auch fragwürdig, die Form bayouc hierherzustellen. Coromines filtiert aus den zusammengestellten Bedeutungen einen teilweisen Zusammenhang mit dem Keltischen heraus (DECLC II: 179): «En el sentit de 'boto de la roda del carro', hi ha mots anälegs en celtic, i documentats alli des d'antic [...]. En tot cas, en tots altres sentits sembla secur l'origen germänic» *botän 'empenyer, donar un cop' (cf. DECLC II: 159). *kabrostos 'Geißblatt' (-» *gabros) caio 'Umwallung' REW 1480; Fare 1480; TB 93; FEW 11,1:46s.; PYL94:198; ThLG (Beleg in Glossen); D20:239; ALF 203
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okz. (wenige Belege, e. g. nokz. cai 'Kai', Marseille quey, Languedoc que, aokz. chai chai 'vaste cellier pour les vins', gask. tyay 'dito'), fr. (wenige Belege, e.g. afr. cai 'rivage d'un port oü l'on charge et decharge les marchandises' > piem., it., pg., ndl., dt., engl.; nfr. chai 'Weinkeller'), frpr. (Vienne-Rhöne sg 'mur de pierres seches pour soutenir des terres en pente, spec, dans des vignes en coteau', Lyon chai 'dito') - die Nachfolgeformen beinhalten zwei Bezeichnungsspektren: 'Kai' (breitet sich als Terminus der Schiffahrt von der Normandie her aus) und 'Weinkeller' (breitet sich als Weinterminus vom nordöstlichen Teil Bordeaux' aus, auch nach Süden) • Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. kymr. cae 'Feld; Hecke') und die Zuordnung im Glossar von Vienne sind ausreichende Keltizitätsindikatoren. Die beiden Bedeutungstypen sollen auch in den nachfolgenden Studien getrennt behandelt werden. *kal- (wohl vorgall.) 'weiß' FEW XXII, 1:229; H49:26
nur Vendee, DSevres calau 'boeuf qui a les cornes droites et inclinees sur le cou', Lastic kaläu '[nom propre du boeuf]' • «Certainement ä l'origine denomination de couleur» (FEW XXII, 1:229). (cf. -» *kalabria) *kalabria (gall.?) 'Schneehuhn' REW 3713a; DEI 1:665; H51:20; H49:18ss.; JUH38:132; FEW II, 1:51; Bertoldi 1936:185; AIS 511; Anreiter 1992:560
okz., frpr. (e.g. sav. jalabre, sav. chalobro 'rododendro', aost. [Sauze di Cesana, Rochemolles, Noasca]), piem. (Pontechianale kaläbriä 'Schneehuhn', ähnlich Sauze und Rochemolle [beide Torino]) - nur sehr vereinzelte (Wander-?)Belege im Frpr. und südlich angrenzenden Gebieten (Dingy-St-Clair in Annecy und Hte-Savoie) • Wartburg sieht im ersten Bestandteil des Wortes ein erbwörtliches *kala 'Abhang', folglich bedeutete *kalabria 'Vogel, der Abhänge bewohnt'; erst später hätten die Gallier es volksetymologisch umgedeutet zu einer wohl vorgallischen Wurzel —» *kal-, die Hubschmid mit 'weiß gescheckt' übersetzt. Anreiter (1992:560) kommt zu dem Schluß, daß keltischer Ursprung aufgrund zahlreicher lautlich-morphologischer Problemfälle mitnichten gesichert sei. Eine schon frühe Kompromißlösung findet sich bei Bertoldi (1936), der das Wort zwar nicht als genuin keltisch, aber doch zumindest bezüglich des Romanischen als aus dem Gallischen entlehnt betrachtet. Auffällig ist die Bedeutung 'Rhododendron, Alpenrose' in den Savoyen. (—» *albena/*albuläna)
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caliom / caliävom 'Stein' REW 1519a; FEW II, 1:95ss.; Gamillscheg 1920:161 ;86 Gamillscheg 1921; Anreiter 1997:32; D20:239; DECLC 11:436; LEIAC-50 pg., kat. (callau), okz. (e. g. aokz. calhol 'petite pierre', Cantal cail, cal 'pierre'), fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. Vienne say 'gravier', norm, gal, gau 'Stein', afr. cattle 'caillou rond' ( - «VC, cm
CM
OJ £
—
t)
*krakos 'Stein' gehören. Jedenfalls gibt es keine Indizien für Gallizität. *kraganno- 'Art Muschel' FEW 11,2: 1266
okz. und fr. (nur mfr. nfr. cravan 'anatife', nfr. gravan, Vendee, Saintonge, Marseille, Toulon) • Nach Anreiter könnte das Wort zu den Ableitungen von —> *krakos 'Stein' gehören. crlma 'Sahne' REW2294; Fare 2294; TB 118; Stampa 1937:100s.; LE; EWDI:337s.; FEW 11,2:127Iss.; DEI II: 1149s.; AIS 1204, AIS 1205; ASLEF 3993; ASLEF 3994; PYL94:193; DRG VII: 687ss.; LEI0; DECLC IV: 608
kat. (gramada 'Rückstand, der sich in der Buttermilch nach der Fabrikation des Rahmkäses bildet'), okz. und fr. einschließlich frpr. mit aost. (e. g. beam, grama 'Schaum', afr. apik. aflandr. craime 'creme du lait', bearn. esgrame 'ecume'; Bedeutungen e.g. 'Rahm' [stets mit er-], 'Schaum' [er- ~ gr-], übertragen: 'Gesundheit', 'personne, chose excellente'), lig. (zentral Typ kramä), piem. (nördlich Typ kramer, Süden anscheinend nur skr^mä '[Milch] abrahmen'), lomb. (e. g. V-Tell. gramosta 'crema, panno del latte', comask. crama 'Rahm'), tess. (nördl.; Typ skramin), trent. (nördl.), bol. (kramma), rmgn., bdr. (engad. gramma 'Rahm, Sahne, Rahmschicht auf gelagerter Milch, Haut auf heißer Milch; das Auserlesene, das Beste', Bergün groma, ueng. gromma), ates. (grödn. brama, fass., fod.), cad. (com. brama), frl. (brume neben sbrume: im Süden hauptsächlich 'Sahne', im Norden hauptsächlich 'Milchrahm'), siz. (Südosten), kors., schwdt. - reich belegt auf transalpinem und bündnerischem Gebiet, spärlicher in Oberitalien; zur Anlautsonorisierung, die auch bei —»craxantus, —>crödios, —>crottiare, —>carrüca zu beobachten ist, cf. Reichenberger (1964), Figge (1966) und Meier (1986:49), deren Ursprung sie als freie oder satzphonetische Varianten bei den Lautverbindungen cra-, cro-, cru-, ca-, co-, cu-, ce-, cri-, cl-, qu- ansehen. 93 • Ob das Wort zu kymr. crammen 'croüte sur une plaie' zu stellen ist, 93
Figge (1966) bietet auch Beispiele für Anlautsonorisierung bei p- und t-.
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scheint fragwürdig. Anreiter (1992:421) meldet bei den inselkeltischen Parallelformen, die das FEW angibt, in Anlehnung an Meier Bedenken an. Die zentralladinischen Fortsetzer sowie diejenigen des Comelico sind wohl durchweg mit vorlat. *brüma, das im benachbarten Friaul vorkommt (frl. brume 'Sahne'), gekreuzt worden (cf. EWDII: 337ss.). Meier (1988:15ss.) will neuerdings alle Einträge zu lat. *spümula 'Schaum' stellen, da seiner Ansicht nach die geographische Verbreitung der angeblich keltischen Ausgangsform und seine Zugehörigkeit zum bäuerlichen Wortschatz in diesem Falle keine ausreichend gewichtigen Indizien seien. Zur Erklärung der verschiedenen Anlaute greift er auf Burrs Arbeit (1975) und Metathese zurück. Das Nebeneinander von brume und synonymem sbrume im Friaulischen erkläre sich folgendermaßen. Das α in der ersten Silbe mancher Formen stamme von Wörtern, bei denen der ursprüngliche Vokal in unbetonter Stellung stand (Verben und Partizipia) und zu α werden konnte, und sei dann auf familien- und bedeutungsverwandte Wörter übertragen worden. Sein Vorschlag scheitert jedoch an der großräumigen geographischen Verbreitung des Worttyps; denn sämtliche Sonderentwicklungen hätten ja dann schon früh im Lateinischen stattfinden müssen, wofür es keine Anhaltspunkte gibt. Der Vorschlag könnte nur für Friaul annehmbar sein, wo der Typ splüma auftaucht. Lambert (1994:193) schließlich sieht die Formen als Kreuzungen zwischen lat. chrisma 'creme' (< gr. χρίσμα 'onction') und einer gallischen Wurzel *kram- 'croüte'. Die Deutung kann dann stimmig sein, wenn man annimmt, daß *kram- die Bedeutung von chrisma mit annahm. Aber warum fehlt bei den modernen Formen jede Spur eines Semems 'croüte'? Daher spricht einiges für Alessios Vorschlag. Statt eines keltischen oder lateinischen Etymons schlägt dieser griechische Provenienz vor: κάρμα 'cream skimmed off und/oder κραμαι 'spittle, expectoration' gekreuzt mit κρδμα 2 'mistura'. Die Formen von cräma deutet er somit als Gräzismen von Massilia aus, den Typ gräma als denjenigen der Magna Graecia; doch in ganz Mittelund Süditalien gibt es nur zwei craraa-Belege, und zwar in Nordsizilien (aus der Cisalpina?); der Rest des Gebietes zeigt vorwiegend den Typ panna. Die gr-Formen sind also als normale sonorisierte Formen aufzufassen, wie sie - wie oben angedeutet - im Romanischen häufiger auftreten. Das Wort wird somit nicht als Keltizismus gewertet. *kraukos (gall.?) 'unfruchtbar, steinig' REW 2304a; TB 120; FEW 11,2:1295 («*kraw- - Stein»); Meier 1981:185ss.
okz. und fr. (afr. groue, groie 'steiniges Land', aokz. crauc 'dito', mfr. terre crave 'meuble', wallon. crawe (f.) 'pierre tendre, bleuätre, qui est au-dessous de la marne', aokz. crauc 'sterile, aride (du terrain), Cantal graue 'lande couverte de cailloux', aokz. grauca 'terre sterile', Toulouse 143
crauc 'vide, creux') - zahlreich belegt, meist in der Bedeutung 'unbebaubares, unfruchtbares Land', die lautlichen Grundtypen zeigen crund gr• Bolelli bezweifelt zu Recht die gallische These Meyer-Lübkes, die zunächst höchstens durch die Verbreitung schwach gestützt wird. Meier (1981:186) führt meines Erachtens die hier angeführten Formen zu Recht zusammen. Diese dann zu einem postulierten lat. *cauucula und *cauula von cava 'Höhle' mit Metathese und Rhotazierung des Z94 zu stellen, würde für ein Wort geringer Verbreitung noch einleuchtend erscheinen. Eine derartig vielfache Dismotivierung aber für einen so großen Teil der (schon mittelalterlichen) Galloromania anzunehmen überzeugt nicht. Auch die inhaltlichen Probleme sind zu groß. Für einige Formen (wie afr. groue, groie, wall, crawe) dürfte ein Etymon grava nicht abwegig sein. craxantus (gall.?) 'Kröte' REW 2304b; TB 119; FEW 11,2:1295; Ernout/Meillet 1967:148 kat. (e. g. gresandu 'Kaulquappe'), okz. (e. g. graissan 'crapaud'), fr. (e. g. mfr. gresset 'rainette', mfr. nfr. graisset) - lebt in der angebenen Form nur im Okz. und Kat. weiter, mit dem Suffix -itta in einem größeren westfr. und nordfr. Gebiet und in den Vogesen 95 • Die Herkunft des Wortes liegt im Dunkeln; für keltische Herkunft sprächen die Endung -antus (cf. —> trucantus), die geographische Verbreitung und die keltischen Namen Craxa, Caraxanius und Craxantus. Das Wort ist wohl zumindest über das Gallische vermittelt worden. *krenos 'wildes Tier; wilder Hund' FEWXXI/1: 3; Hubschmid 1953:285; Stampa 1937:164 Centr. verdch. corniau 'nuage noir que l'on voit avant l'orage', Uchon carniau, Allier kärno 'nuage', bourbonn. cregniau 'petite pluie', Moulins cregnaud 'averse, giboulee', Allier krino 'averse', piem., lomb. krina 'nebbia sui fianchi dei monti' • Man vergleiche dazu die Entsprechungen im Inselkeltischen: e. g. mir. crian 'wilder Hund'. Zur Bedeutungsentfaltung vergleiche man —> *kanauö. crienta 'Abfall beim Sieben' / crientäre 'sieben' REW 2324a; REW2324b; Fare 2324a; TB 121; DEIII:1157; Stampa 1937:86s.; CM58b: 11; Gsell 1997:139 ann. 13; FEW 11,2: 1335s.; J23:399ss.; 94 95
Meier (1981:181) verweist dazu auf pisan. chiava < *clava < *cavula. Den vogesischen Beleg finde ich bei Reichenberger (1964: 59). 144
Bracchi 1983:17; Hubschmid 1960a: 139; H60:139; Haust 1943:390s.; Ernout/Meillet 1967:151; LEIO; LEIAC-233s.; Thurneysen 1946:79
fr. (e. g. afr. crincier 'tamiser; frissoner legerement, se crisper', Lüttich Typ crind 'mouvoir [le petit van] de droite ä gauche et inversement; [dann auch in verschiedener übertragener Bedeutung, e.g.:] se secouer, remuer les epaules pour cause de demangeaison', fr.dial. serancer), frpr. incl. aost. (e. g. Valtournanche ekreet% 'pula del grano'), piem. (alpine Regionen, e. g. grinsse 'spiche e baccelli smallati'), lomb. (alpine Regionen, e. g. Puschlav krienta 'buccia del grano', V-Sass. grinetä 'vagliare'), tess.,96 trent. (Typ criente 'vagliatura del grano'), bdr. (obw. carjentas 'das beim wannen abgenommene schlechtere körn', ueng. griaintas, criainta 'scopatura dell'aia'), ates. (?ampezz. segrentes 'semola grossolana'), cad. (?comel. sigentär 'crusca, semola'), ?istr. ($kreär 'incignare') - lebt gut belegt im östlichen und belgischen Fr., Frpr. und Bündnerrom. sowie in alpinlomb. und alpinpiem. Mundarten • Daß das Wort gallisch ist, ist durch etliche inselkeltische Formen wie air. criathar 'Sieb', akymr. cruitr 'dito' (< *krei- < *ker- 'trennen') 97 erwiesen - daher verwundert die Aussage des DEI «di origine sconosciuta» - , aber Anreiter (1992:430) weist auf morphologische und lautliche Probleme hin: gemäß den Belegen sei es klar, «daß damit [i.e. mit crienta] ursprünglich weder das Gerät selbst noch das verwertbare Ausgesiebte gemeint sein kann, sondern quasi die unbrauchbaren Rückstände im Sieb. Die *secent- (cf. dazu in semantischer Hinsicht fr. son 'dito' < lat. secundusj! Wie erklärt sich amp. segrentes? Hängt dies direkt mit der Form aus dem Comelico zusammen (mit zusätzlicher Wortkreuzung)? Oder ist dafür eine eigene Deutung zu suchen? Eventuell lat. *ex-cretus mit eingefügtem η in Anlehnung an den Präsensstamm? *krinos 'Schwein' FEW 11,2:1345; AIS 1088; REW3820; Biondelli 1853:264, 566; D E S F II: 519; LEIO; LEIAC-222 96
97
Cf. die zahlreichen umliegenden Belege bei Stampa (1937:86s.), die einen tessinischen Fortsetzer sehr wahrscheinlich machen. Mit Recht schreibt allerdings das REW: «Ob und wie friaul. skrear 'zu gebrauchen anfangen' damit zusammenhängt, ist schwer zu sagen»; auch ich bin der Ansicht, daß das Wort aus semantischen und lautlichen Gründen (woher der Schwund der beiden wurzelschließenden Konsonanten?) besser nicht hierherzustellen ist.
145
okz. (Bruzolo Roaschia kriri 'id.'), fr. (cran), frpr. incl. aost. {kriri 'id.'), piem. (nördlicher Teil: e. g. Cuneo, Turin kriri 'id.'), emil. (piac. grein 'porco', grinein 'majaletto'), zlad. (crigna), frl. (krma [isoliert, < obit.?] [ASLEF P. 3a, neben klic] 'stalla per un porco'), ?kalabr. (kuräddu 'Kosenamen des Schweins', kurällu 'dito', kiriddu 'porcellino', kiri-kiri, kurä-kurä, kurate-kurate '[Lockruf für Schweine]') - lebt im Piem. und Aost. und ragt in die westl. angrenzenden Sprachgebiete hinein • Das Wort fehlt in den übrigen Quellen, seine weitere Herkunft ist nicht geklärt. Es ist wohl von einem onomatopoetischen Stamm auszugehen, der sehr gut auf vorindogermanische Zeit zurückgehen kann (cf. auch Hubschmid 1982:31s.). Eine Verbindung zwischen dem angesetzten Etymon und der alt- und mittelirischen Form cräin 'Schwein' (< urkelt. *kräkni 'grunzend') verläuft nicht reibungslos. Für Gallizität kann aber auch der Sinnbezirk sprechen, cf. —> *su-teg, —> *banuos. Gehören zu diesem Etymon auch die von Hubschmid (1950a: 53) unter *krina 'Futterkasten; Schweinestall' resp. *krinare aufgeführten Formen frl. crigne 'porcile; stalletta, ovile', gallur. krina 'separater Saustall', lig. grin^lo 'Schaf-, Saustall, als Abteilung in einem Groß- oder Kleinviehstall', evtl. sogar alle Formen der Bedeutungssphäre 'Pferch, Verschlag'? Von diesem Lemma fernzuhalten sind nach meiner Überzeugung die kalabrischen Formen. Sie verlangen nach einer eigenen Erklärung, die vielleicht lautmalerischer Natur ist. crocina 'Haut' Anreiter 1992:434ss.
nur mlat. Belege aus pik. und Pariser Gebiet • Das Wort hat Entsprechungen im Inselkeltischen. Romanische Belege habe ich nicht ausfindig machen können. *kros-nos 'Höhlung' (—> *krosu) *krosu/-a/-ia 'hohl' / *kros-nos 'Höhlung' H50:63; Stampa 1937:40s.; FEW 11,2: 1362ss.; FEW 11,2: 1361s.; KB513; KB75; Biondelli 1853:266; DRGIV:269ss.; Bracchi 1983:15; LEIO
okz. und fr. (e. g. mfr. nfr. creux 'profond', mfr. creuse 'coquille de noix', mfr. grole98 'vase, en forme de flacon, ä une poignee', aokz. croza 'trou; grotte', sav. cräsa 'vallon') mit frpr. incl. aost. (crosatä 'marque de la veröle'), piem. (e. g. creuz 'tief; hohl', V-Anz. krass 'Schlucht mit Bergbach'), lig. (e.g. agen. croso 'tief, gen. creuzo 'Höhlung [e.g. hohle Hand]'), lomb. (Typ krass 'hohl', auch als Sb., e. g. V-Ses. kroes 'Schlucht 98
Zu dieser und anderen Formen mit Anlautsonorisierung cf. die Arbeit von Burr (1975) und die Hinweise sub —> crama.
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mit Bergbach'; im Alpinlombardischen in der Bedeutung 'Schale'), tess. (Arbedo crös 'profondo, incavato'), emil. (e.g. piac. incrös 'profondo, cavo'), bdr. (obereng. krös 'Schale [von Eiern, Schnecken]', obw. crös 'Eierschale, Nußschale; Stein [des Steinobstes]; Schneckenhaus'), ates. (e. g. fass, krosa 'Eierschale, harte Hülle') - Fortsetzer sind in ganz Frankreich sowie in Oberitalien mit Ausnahme des östlichsten Teils (Rmgn., Ven., Cad., Frl.) belegt • Hubschmid (1950a: 63) unterstreicht, daß die geographische Verbreitung der Wortfamilie zwar eindeutig auf gallische Herkunft weise, das zu konstruierende Ausgangswort jedoch keine weiteren Verwandten in anderen indogermanischen Idiomen kenne und daher letzten Endes aus einer vorindogermanischen Sprache stamme. Er akzeptiert also nicht, die romanischen Formen mit mir. crö, kymr. crau, mbret. cräo - allesamt Bezeichnungen für das Nadelöhr - zu verbinden. Wie auch immer die letztendliche Vorgeschichte des Wortes gewesen sein mag, es müßte hier miteinbezogen werden, da es doch sehr wahrscheinlich einmal Bestandteil des gallischen Wortschatzes gewesen ist. Doch gibt es noch einen lateinischen Etymologisierungsversuch. Gunkel (1975) will die eingetragenen Formen zu rota 'Rad' stellen und postuliert eine Form *korroteare. «Morphologisch dürften keine Bedenken bestehen, zumal Komposita mit con- im Lateinischen zu den sehr gängigen zählen» (Gunkel 1975:156). Doch wie sieht es mit der Endung aus? Der erste Bedeutungsstrang, 'Höhle' etc., ist «in der rota-Familie zwar nicht so stark vertreten, doch trifft man immerhin auf poit. Sologne rouere 'petit fosse'» (Gunkel 1975:156); die Bedeutungen 'Schale, Hülse' von Früchten und deren Inhalte könnten in der Erklärung liegen, «daß mit einem rotierend schleudernden Gegenstand kernhaltige Früchte aufgeschlagen wurden, wobei der Inhalt heraustrat und die leere zerstörte Schale zurückblieb. [....] Der Vorgang der Schalenentfernung spiegelt sich in Verben wie centr. decrousille 'debarrasser de la coquille' [...], das sich ohne Schwierigkeiten lautlicher Art auf ein * c o r r o t i c a r e zurückführen läßt» (Gunkel 1975:157).
Ich schlage vor, die beiden Bedeutungsstränge zu trennen und nur die Bezeichnungen, die sich auf 'Höhle' zurückführen lassen, als «In-locoRelikte» zu einem gallischen Etymon zu stellen, den zweiten Strang zu rota. Allerdings bereiten dann die französischen und «rätoromanischen» Formen auf -s(a) Schwierigkeiten. Auf welche Ableitung von rota ließen sich diese zurückführen? *krottiare 'schütteln' FEW 11,2:1366; KB 1435; KB 1436; ALF 126; ALF 127
okz. und fr. mit frpr. ('schütteln' - an weit auseinanderliegenden Orten zu belegen, also offensichtlich die ältere Bedeutung 'wiegen'), piem. 147
(nur V-Sesia croggi 'wiegen'), lomb. (V-Anzasca krudzä 'wiegen', VAntrona 'dito') - einige Nachfolgeformen zeigen Anlautsonorisierung" (e. g. Grenoble grossii 'remuer', nant. grousser 'remuer') • Ob die oberitalienischen Formen zu diesem Etymon zu stellen seien, sei - wie Wartburg schreibt - unklar; doch die lautlichen und semantischen Bedenken sind meines Erachtens sehr gering (der Bedeutungswechsel 'schütteln' zu 'wiegen' findet sich ja auch in der Transalpina und im Keltischen, cf. kymr. crut 'wiege'). Zur Bedeutungsentwicklung vergleiche man außerdem *bertiare (—> *bertium). Aufgrund der Sprachgeographie und der Gestalt der Formen ist anzunehmen, daß die Wörter in loco entlehnt worden sind. *kröka/*krouka 'Gipfel' REW2340; TB 123; H54:13; FEW 11,2:1366s.
pg. (galiz. crouca 'Kopf), sp., okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. mfr. cruon 'objet rond, p.ex. le cräne d'un homme', Ain krqn 'rouleau de foin', Guyennes krüg 'Scheitel', afr. cuche 'Haufen, Heuschober', dauph. kütso 'kleiner Erdhügel'), trent. (crucol 'cocuzzolo'), bdr., 100 frl. (cruciul 'Berggipfel') - nur wenig belegt (Streubelege in den beiden Gallien); der ursprüngliche Diphthong ist je nach Zeit der Latinisierung zu δ oder ü monophthongiert worden, das -k- ist häufig geminiert worden. • Die genuine Keltizität wird gesichert durch Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. kymr. crug 'Erdhügel'). *kuks- 'Frost; kalter, eisiger Wind' / *kisampa / *kisoHamp 1986a:254; H49:40ss.; CM57b: 166; FEWXXI:11; Jud 1937a:242; ALF 133; FEW II,1:711; FEW 11,2:1492; DEI II: 962; LEIAC-280
okz. und fr. mit frpr. (e. g. Chamonix kwi 'vent d'avalanche', Sav. i kgse 'il neige', aost. couis 'tourmente de vent qui empörte la neige en tourbillons', Clerm. cisampa 'bise froide', bearn. cisampe 'dito', Valence sisampo 'dito', aveyr. sisompo 'dito', Alpes-Mar. sürämpa 'dito', Lyon cisampa 'bise froide', Montpellier, dauph. sisampa), piem. (küs 'Schneesturm', cisanpa 'rugiada congelata'), lomb.-tess. (VAntr. tsis, levent. küs/ tsüs), frl. (dzis 'nevischio, neve minutissima, e rada quasi nebbia gelata'), evtl. lucc. disämpola 'leichter Wind', schwdt. (gux 'Schneesturm') - das Lexem ist nicht sehr zahlreich belegt (ohne Suffix: Frpr. mit Ausläufern in adjazenten Gebiete, nach Osten gar bis ins Lomb. und Tess. hinein; mit -amp-: Südostfrankreich, im Forez, in den fr. Westalpen, im Languedoc, in Lucca und im Piemont; nur Stamm: lomb., tess., frl.); es 99
Zu diesem Problem cf. die Hinweise (auch zu weiterführender Literatur) sub
—> crama. 100
Cf. die Ausführungen bei Hubschmid (und im FEW).
148
kommt auch in übertragenen Bedeutungen vor: 'neige qui tombe en petite quantite', 'tourmente de neige', 'femme dont les vetements sont en desordre' • Das Wort fehlt im REW. Es darf aufgrund von ir. cuisse 'gefroren', mir. cuisne 'Eis, Frost' angenommen werden, daß das Wort genuin keltischer Natur ist. Für die weiteren Studien ist von zwei Lemmata auszugehen: (1) kuks- (ohne zweiten Bestandteil), (2) kuks-amp- (mit zweitem Bestandteil, ohne daß klar ist, woher dieser rührt). *küditäre (gall.?) 'verbergen' FEW 11,2: 1461s.; D20:249 sp. (cucar 'blinzeln'), okz. und fr. (1.'verbergen', e.g. afr. mfr. cuter 'cacher', mfr. cute 'cachette', Cantal cuta 'cabane, taniere', mit der Nebenbedeutung 'sich bücken', e.g. Vendee se cutrer 'sich bücken'; 2. 'blinzeln', dieses nur auf einem beschränkten südlichen Gebiet: Typ cugar ~ cucar und cuter, aokz., lang., hauv., lim., aveyr.), zlad. (< fr.?: cuche 'verstecken'), frl. (< fr.?: cucä 'verstecken') • Vermutlich ist das angenommene gallische Etymon etwa mit kymr. cuddio 'id.' < kelt. *cud- 'verbergen' zu verknüpfen. Doch selbst wenn es keine gänzlich gesicherten inselkeltischen Entsprechungen gibt, so darf aufgrund des Verbreitungsgebietes angenommen werden, daß das Wort über das Gallische ins Romanische getragen wurde. Die Bedeutung 'blinzeln' erklärt das FEW über das Versteckspielen. Bei einigen Formen ist ein ursprüngliches Suffix -care statt -tare anzunehmen. Die -care-Nachfolgeformen könnten lautlich-morphologisch auf Wortwanderungen hinweisen, doch ist dies bei einer Bedeutung wie 'verbergen' unwahrscheinlich, es sei denn, die Bezeichnung gehe wirklich auf ein bestimmtes Versteckspiel «ä la gauloise/celtique» zurück. *kularä 'Gurke' JUH33:260; D20:249 fr. (nur dauph. kurla 'courge') • Dieses isolierte Wort scheint gallisch zu sein. Im Inselkeltischen findet sich der Typ cularän 'id.'. *kulisos 'Stechpalme' (—> *kolino) cumba 'Tal, Schlucht; Talkessel; (> Trog)' (—> *kumbos)
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*kumbos vs. *kanip-\ *kumbos/*kambos 'gekrümmt' REW 2387; TB128; H50:63s.; Stampa 1937:114; EWDIII:457; FEW 11,1:125ss.; FEW 11,2:1526;101 PYL94:192; D20:249; Chambon 1978: 222s.; Bracchi 1983; LEIO; 15; LEIA: C-28s.; Thurneysen 1946:94
pg., sp. (e.g. combo 'gekrümmt', combos 'fassläger'), okz. (e.g. aokz. com, comba 'courbe (du terrain)', aokz. com 'cheval qui a le dos creux', Centre combe 'jeunes arbres sur l'ados d'un fosse, que l'on entaille et que l'on courbe pour les forcer ä pousser horizontalement en s'entrela^ant'), fr. (e. g. B-Manche kom 'courbe irregulierement'), frpr. incl. aost. (e.g. Sav. koba 'provin'), lig. (gamba 'kleines enges Tal'), piem. (gonba 'curvatura che prendono i legni ecc. per effetto di fuoco'), lomb. (comask. gomb 'krumm', Bormio nur Toponyme), trent. (in Ortsnamen), bdr. (in Ortsnamen), ates. (e.g. fass, gomb(o) 'adlernasig, gekrümmt', gadertal.), cad. {gomb 'convalle stretta fra dossi e schiene di monti'), frl. (gombo 'Grasbuckel an einem Hang, Vorsprung an einem abfallenden Kamm') - in Frankreich, Oberitalien und der Schweiz (mit Ausnahme der Emilia-Romagna und des Tessins) fortgesetzt, in der Iberoromania hauptsächlich in Form von Toponymen; die Formen mit -u- finden sich hauptsächlich im nördlichen Okz. und Frpr. sowie im Oberitalienischen und cumba 'Tal, Schlucht; Talkessel; (> Trog)'/*kambos 'Feld' REW2386; TB 127; H50:64; H60:141; FEWII,1:127; FEW 11,2: 1524ss.; Anreiter 1992:453ss.); PYL94:193; AIS428; AIS428a; DEIII:1026; DECLC II: 848ss.
kat. (e. g. coma 'Talgrund'), okz. (e. g. aokz. comba 'Bodeneinschnitt, Bergschlucht', aokz. cambon 'champ'), fr. (nfr. combe 'Bodeneinschnitt, Bergschlucht'), frpr., piem. (comba Valle, depressione'), lig. {gamba 'kleines enges Tal'), lomb. (Sant'Omobono [AIS P. 244] kymba 'Einsenkung im Gelände', Como gomb(a) 'kleines Tal zwischen Hügeln und kleineren Bergrücken'), trent. (in Ortsnamen), it. - in der Bedeutung 'Talkessel' in der ganzen Westromania, in der Bedeutung 'Kessel' in einer kleinen nordkat. Zone (einschließlich gaskognischer Täler), in der Bedeutung 'Trog' auf einem Areal, welches Savoien, das Wallis und ein Stück der Waadt umfaßt; *kambos lebt besonders südlich der Loire und westlich der Rhone in Toponymen weiter, nicht aber in der Gaskogne; in Oberitalien finden sich nur «-Formen und cambita 'Radfelge' 101
Im FEW erscheinen zwei Stichwörter, zum einen gall. *cambo- 'gekrümmt' (dort aufgelistet sind auch cambita 'Radfelge' und cumba 'Tal; Trog'), zum anderen *cumbos 'gekrümmt' (dort erscheint erneut cumba 'Tal, Trog').
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REW 1542; TB 97; FEW II, 1:125ss. [-> *kumbos\, ALF 1602; AIS 1230; AIS 1191; PYL94:195s.
pg., sp., kat., okz. (e.g. lim. sambizo 'Pflug'), fr. (jante '(Rad)felge aus Holz oder Metall'), frpr. incl. aost., piem. (alpin: gambiz(a) 'Glokkenhalsband der Kühe'; ganbossa 'Radfelge'), lig. [cf. Kommentar], lomb.-trent. [cf. Kommentar], emil. (Parma gamöl 'Radfelge', Parma gambli 'Schlittendeichsel', im Westen Typ gambiza 'Halsband der Glocke'), rmgn., ates.; Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. bret. kämmet, bret. kämm 'courbe, tordu') und *kanipa 'Krummholz' REW 1591; FEW 11,1:125 [cf. Eintrag «*kumbos»]; Gamillscheg 1950:68; Mörgeli 1940:121; ASLEF 3266; AIS 1240
pg. (e. g. gaiba, gamba 'Joch'), sp. (astur, kamba 'Radfelge'), okz. und fr. mit frpr. (e. g. aokz. cambeta 'id.', Lyon chambetta 'id.', mfr. chambige 'id.'), lig. (nur Airole [AIS P. 190] kanävura 'Halsband der Glocke'), piem. (westlicher Teil, e. g. kanäwla 'Halsband der Glocke'), lomb. (Veltlin kanove 'kreisförmiger Schwaden beim Mähen'), tess. (Bergeil kanva 'rundes Holz, in welches die Knie der Kühe eingesteckt werden, wenn sie sich nicht melken lassen wollen, oder die Füße der Schafe, wenn sie geschoren werden'), bdr. (e.g. eng. kanva 'hölzernes Halsband; Reif, um Ziegen oder Schafe anzubinden', kanvella 'Knöchel', obw. kanvau 'kreisförmiger Schwaden beim Mähen'), ates. (grödn. kyanva 'Glockenband', canvel 'Schwade; Strecke, die ein Mähder einnimmt'), frl. (kävine, känive 'hölzernes Halsband, mit dem die Ochsen ans Joch gebunden werden'), ven. (nördliche Hälfte Typ kanäwla 'Halsband der Glocke'), sard. (kamedda 'arco del giogo dei buoi'), schwdt., tirol. - in der gesamten westlichen Romania mit Ausnahme der Gaskogne (mangels Quellen?) zu belegen: die Bedeutung 'Radfelge' findet sich im wesentlichen im Ibrom., im Gallorom. stricto sensu sowie im Piem., 'Krummholz' ist etwas weniger weit verbreitet, 'Halsband' läßt sich dann vor allem im östlichen Teil Frankreichs sowie im alpinen und cisalpinen Raum nachweisen • Alle hier angeführten Formen werden in den meisten einschlägigen Quellen in unmittelbare Beziehung gesetzt. Nach einer Zusammenschau der geographischen, semantischen und lautlichen Verhältnisse ist aber wohl doch von (mindestens) zwei getrennten Etyma auszugehen. Das erste darf als *kumb- wiedergegeben werden, dessen Grundbedeutung 'gekrümmt' ist. Die romanischen Typen lauten dann im wesentlichen cumba, cumbos, gumba, gumbos - Indiz direkter Entlehnung in loco. Die Tochterformen lassen sich alle semantisch von 'gekrümmt' (cf. sp. combo) ableiten: aokz. com(ba) 'courbe du terrain', aokz. com 'cheval qui a le dos creux', Centre combe 151
'jeunes arbres sur l'ados d'un fosse, que l'on entaille et que l'on courbe pour les forcer ä pousser horizontalement en s'entrelagant', sav. köba 'provin', piem. gomba 'curvatura che prendono i legni ecc. per effetto di fuoco', fass, gomb(o) 'adlernasig, gekrümmt'. Dieser Typ ist vom Spanischen bis ins Friaulische gut und fast flächendekkend belegt; er fehlt nur in der südlichen Lombardei, im Veneto und in der Emilia-Romagna völlig. Nicht hierher gehören aus lautlichen wie semantischen Gründen wohl aokz. cambon 'champ', alyon. chambon 'dito' etc., wie das FEW meint. Sind darin nicht doch besser direkte Ableitungen zu lat. campus zu sehen (zusammen mit den zahlreichen Ortsnamen südlich der Loire, westlich der Rhone ohne Gaskogne). Lautlich fällt außerdem lig. gamba 'Tal' heraus. Aufgrund der Stellung vor Nasal wäre im Ligurischen eher ο oder u zu erwarten (cf. Rohlfs 1966:151). Die Gallizität scheint gewährleistet durch eine Reihe von inselkeltischen Formen: air. camm 'courbe; courbe, tordu', kymr. camu 'courber, todre', kymr. kamog 'objet ou personne courbee, jante de roue', bret. kämm 'courbe, tordu, de travers', ir. cum 'Gefäß', bret. komm 'Trog; Auge', bret. komb 'Tal', kymr. cwm 'Tal', bret. kamm(et) 'courbe, tordu'. Der zweite Typ, der als separates Ausgangswort anzusetzen wäre, ist ein Stamm *kanip-. Für diesen Stamm finde ich im Keltischen keine weiteren Entsprechungen. Doch scheint die moderne Verbreitung des Worttyps deutlich für zumindest gallische Vermittlung zu sprechen. Der Stamm kann zur Bedeutungsdifferenzierung unterschiedliche Suffixe annehmen, die geographisch verhältnismäßig beschränkt sind. Dabei können ein und derselben Bedeutung je nach Region Formen mit verschiedenen Suffixen entsprechen: -itta, -ossa, -itia etc. Auch hier handelt es sich demnach um In-loco-Entlehnungen. Trotz der lautgeschichtlichen Schwierigkeiten scheinen nichtsdestoweniger fast all diese Wörter einen gemeinsamen Vorfahren zu haben, auch wenn das REW (No. 1591) hier Bedenken anmeldet. Die häufigsten romanischen Bedeutungen sind 'Radfelge', 'Glockenhalsband' (cf. ven. kanawla 'Halsband der Glocke', frl. känive 'hölzernes Halsband, mit dem die Ochsen ans Joch gebunden werden' und eng. kanva 'hölzernes Halsband; Reif um Ziegen/Schafe anzubinden') und 'Joch' (cf. aokz. cambeta 'Krummholz'). Weniger weit verbreitet sind 'Pflug' (cf. fr.), 'rundes Holz, in welches unwillige Tiere eingespannt werden, wenn sie bestimmte Arbeiten an sich nicht verrichten lassen wollen' (tess., bdr.). Dies läßt vermuten, daß die ursprüngliche Kernbedeutung des Stammes *kanip- so etwas wie 'rundes, gebogenes Holz' gewesen sein muß. Fraglich scheint allerdings, ob Formen mit der Bedeutung 'Schwade' hierherzustellen sind (cf. grödn. cianvel 'Schwade; Strecke, die ein Mähder einnimmt', obw. kanvau 'kreisförmiger Schwaden beim Mähen') - liegt eventuell eine Kreuzung 152
mit —»*gabella 'Garbe, Holzbündel' vor? Zweifel darüber äußert bereits Gamillscheg (1950 und 1920:190 ann. 7), welcher die Formen zu *cannabula (cf. afr. chanole 'Abzugsröhre') stellen will. Doch scheint mir Gamillschegs Vorschlag semantisch auch nicht besser. Auch eng. kanvella 'Knöchel' wird vom FEW hierhergestellt. Doch welches soll die semantische Motivation sein? Zwar gibt es im Engadinischen auch kanva 'hölzernes Halsband; Reif, um Ziegen/ Schafe anzubinden' und man könnte sich eine Art Metonymie vorstellen, falls der Reif die Knöchel umschloß'; gerade bei Wörtern mit Diminutivsuffixen lassen sich relativ häufig metaphorische und metonymische Umsprünge feststellen102 - jedoch: diese verlaufen meist in die umgekehrte Richtung vom Körperteil zum Instrument. Das Wort soll daher, und damit schließe ich mich dem REW an, zu —»*k(o)noua gestellt werden. Zur sardischen Form schreibt das DES (1:274): «Siccome la radice CAMB- e senza dubbio di origine celtica, e difficile credere che le voci sarde siano indigene.» Das Wort wird wohl in der Zeit des Sprachkontakts mit dem Norditalienischen nach Sardinien gelangt sein. Zur Keltizität schreibt Hubschmid (1950a: 64): «Die geographische Verbreitung ist in jeder Beziehung typisch für ein Wort gallischen Ursprungs; insbesondere im Iberoromanischen stimmt die Beschränkung des toponomastischen Ausdruckes auf Katalonien [...] und Galizien (mit Portugal) sehr schön zu dem, was wir aus anderen Quellen über die Intensität der gallischen Siedlung der iberischen Halbinsel wissen.»
*kurukos (gall.?) 'Boot' Hubschmied 1924:172
ohne Verbreitungsangaben • Hubschmied verzeichnet weder Verbreitungsangaben, noch gibt er Aufschluß über eine innerkeltische Verankerung. Das Wort kann daher im folgenden nicht zu den Keltizismen gerechnet werden. *dakulos i *dalgis (gall.?) 'Sense' REW 2458; FEW 3:2s.; Gamillscheg 1920:517s.; AIS 1403; DECLC III: 12ss.; LEIAD-48
Sadecky-Aufderhaar
1975;
sp., kat. (dall 'Rebmesser'), okz. (e.g. aokz. dalh 'faux', aokz. dalha 'dito', gask. dai 'id.', aveyr. doillosous 'temps oü l'on fauche', centr. dailler 'courir gä et lä, se disperser'), fr. (e.g. mfr. dail 'id.', pik. dard 102
Nach Hakamies (1951:7ss.) sind Ausdruck der Ähnlichkeit (Metapher) und der Zugehörigkeit (Metonymie) sogar die ursprünglichen Funktionen der sogenannten Diminutivsuffixe gewesen.
153
'faux'), frpr. (e. g. sav. date 'faux', sav. dar 'faux', Grenoble daillou 'fer de faux', Lyon dailli 'faucher'), piem. (daj, dagn 'id.'), lig. (Pigna daiu 'falce fienaia'), bask. - reicht vom Kast. (allerdings nur einmal im Akast. belegt) bis ins Piem., im Fr. weniger stark vertreten (pik. und wall.) • Eine befriedigende Erklärung der Formen ist bislang noch nicht gefunden. Die bisherigen Theorien umfassen ligurische Herkunft (so das REW, auf Niedermann beruhend), gallisch (so Gamillscheg und Hobi [1926]), germanisch (e. g. Littre [zu dt. teilen]), lateinisch (so Diez [zu daga], Schuchardt [zu daca, ergo 'dakisches Schwert'] und zuletzt Sadecky-Aufderhaar 1975 [zu rotare])! Die Verbreitung spräche durchaus für keltische Herkunft. Die von manchen Autoren angegebenen inselkeltischen Formen (cf. air. delg 'Dorn, Tuchnadel' [oder eher zu —»*dragenosl], mkymr. dala, dal 'Biß, Stich' [beide < idg. *dhelg-]) lassen sich semantisch schlecht mit den romanischen verbinden. Sadecky-Aufderhaars Vorschlag eines lat. rota(re) *rotacula(re), das sich dann über remotiviertes *re-taculum zu *re-dac'lum und schließlich zu dac 'lum entwickelt hätte, scheint semantisch überzeugend, denn «Sichel und Sense leiten sehr häufig ihre Bezeichnung von Verbalstämmen ab, die 'schneiden' oder 'sägen' bedeuten», unter anderem von rotare (Sadecky-Aufderhaar 1975:311). Man muß sich jedoch fragen, ob die Verbreitung des Typs sich mit der großen Summe der angesetzten lautlichen Unregelmäßigkeiten noch vereinen läßt. Einstweilen scheint es mir berechtigt, das Wort nicht als Keltizismus zu werten und aus den Analysen auszuschließen. *dägisia (vorröm.) / ?*dagl(i)a 'Föhre; Tannenreiser' REW 2460c; DEI II: 1212; EWDIII:25; Stampa 1937:72s.; JP48:241; H49:66ss.; NJ45:151ss.; H50:60; H60:140; CM57b:181; Bracchi 1983:16; Bracchi 1991:7, 10; H91:17s.; FEWIII:19; [FEWIII: 7?]); LEI0; AIS583; AIS 572; ASLEF 602; Aschenbrenner 1986:115; Klausmann/Krefeld 1986:129s.; Cortelazzo/Marcato 1998:173; DESF 11:574; Kühebacher 1971:70; LEIAD-41
fr., frpr. incl. aost., piem. (alpinpiem.), lomb. (nordöstl. Viertel, Typ daza 'Tannenast'), tess. (daza 'Tannenäste; Lärchenäste'), trent. (östl. Teil; Typ dasa 'id.'), ven. (nur ans Trentinische und Ladinische anschließender Teil und Verona), bdr. (e. g. Typ dasa, daneben aber auch obw. tieu, untereng. tiou), ates. (e. g. gadertal. dascia 'Nadelholzzweige, Streu', enn. dascia 'grüner Fichtenzweig'), cad. (e. g. com. dasa 'Tannenzweig'), frl. (dasce 'traino formato di rami d'albero', däsa 'Bergkiefer, pinus mughus scop.), obd., ?salent. däso 'bosco' - das Wort lebt im Frpr. mit Ausläufern in benachbarten fr. Gebieten, in Graubünden, im Lad., im Alpinlomb., im Frl. sowie in deutschen Alpenmundarten • Es kann nicht als sicher gelten, daß inselkeltisch 'Stöckchen' (< 'Trennung, Teilung'; cf. air. deil [< idg. *del-] sich zu 'Föhre; Tannenreiser' 154
stellen läßt. Das Suffix -isia würde die gallische These unterstützen. Lautlich gesehen stößt man je nach Mundart auf unterschiedliche Entlehnungswege. Für die Formen des Atesino, des Trentino, des Fleimstals, Graubündens und Nonsbergs - bald mit stimmhaften, bald mit stimmlosen Sibilanten - ist die an erster Stelle angeführte Form zu rekonstruieren. Vor einigen Jahren bestätigte Hubschmid noch einmal, daß letztendlich von einem vorrömischen/vorgallischen Etymon auszugehen sei (cf. Hubschmid 1991:17s.), ohne auszuschließen, «che il gallico abbia preso *dagisja e *dagla da una altra lingua indoeuropea» (Hubschmid 1991:39). Zugegebenermaßen deutet die Verbreitung im Galloromanischen (es scheint nur im Alpengebiet vorkommen) zunächst auf unmittelbare Übertragung aus einem vorrömischen Idiom hin, andererseits ist der keltische Reliktwortschatz in den alpinen Mundarten ebenfalls nicht zu unterschätzen. Hubschmid (1950a: 36ss.) rechnete das Wort zu den veneto-illyrischen Elementen. Erstaunlicherweise ist es aber gerade im eigentlichen Veneto nicht zu belegen; lediglich im Mischgebiet Fleimstal finden sich Fortsetzer. Da das Wort auch in Ligurien auftaucht, ist eher noch an genuin mediterrane Herkunft zu denken. Dennoch sei das Wort für spätere Analysen mitaufgenommen, denn es darf zumindest angenommen werden, daß es über das Gallische vermittelt worden ist. Den Formen nach könnte es als Wanderwort betrachtet werden; man fragt sich jedoch, wieso die Bezeichnung für Tannenreiser, Tannenzweig etc. gewandert sein soll? Wie erklärt sich das t- in den bündnerromanischen Formen? Ist bei diesen Formen doch von einem anderen Etymon auszugehen? *dalgis (—> * dakulos) *dania (gall.?) 'Hanfstengel' REW 2470a; FEW III: 13
okz. und fr. incl. frpr. (centr. deigne 'chenevotte, brin de chanvre', Clairvaux daigne 'id., quand le chanvre est arrache', Doubs digne 'dito', sav. dagne 'dito', grey, dagne 'clocher', sav. dagne 'fleche (de clocher)', Montbelard digne 'aiguille d'horloge', Grenoble dagnet 'botte de chanvre') - die wenigen Belege treten hauptsächlich im Frpr. auf, reichen aber auch ein wenig ins Zentrum des Hexagons hinein • Einen auffälligen Vokalismus zeigt die Form digne (Doubs). Bemerkenswert sind auch einige Bedeutungsentwicklungen, nämlich jene zu 'Kirchglockenturm' (nur grey, dagne) und 'Uhrzeiger' (Chäten. digne, sav.). Wie soll hier eine semantische Brücke gebaut werden? Ist hier am Ende von einem eigenen Wort auszugehen? Es scheint mir folgende Entwicklungskette denkbar: lat. digitus 'Finger' > digita (belegt im Itiner. Antonini) > *digina (mit Suffixwechsel! - cf. dazu auf -n aus155
lautende Formen unter digitus in FEW IV: 76s.); die metaphorische Verwendung von 'Finger' als 'Zeiger einer Uhr' (und schließlich die metonymische Verwendung von 'Zeiger' für 'Uhr') dürfte kaum bedenklich stimmen. Selbst wenn wir dann die eben besprochenen Wörter als lateinisch erachten wollen, ändert sich nichts Grundsätzliches am Verbreitungsgebiet von *dania. Die Herkunft ist nach FEW unbekannt. Das Verbreitungsareal könnte für gallische Herkunft sprechen. Entsprechungen im Inselkeltischen scheint es aber nicht zu geben. Aufgrund des Sinnbezirkes ist wohl von In-loco-Entlehnungen auszugehen. darpus/*darbos (gall.?) 'Maulwurf (?)' REW2473; 1967:164
TB 129; FEWIII:13s.;
AIS447;
ALF 1286;
Ernout/Meillet
okz. und fr. mit frpr. (Typ aokz. darbon, sav. darbo), piem. (i/ar-Formen im westlichsten/okzitanischen Teil; sonst tar-Formen - falls diese nicht zu talpa zu stellen sind - auch weiter im Zentrum und im gesamten Süden), lig. (nur Noli [AIS P. 185] tärpa) - die Formen sind auf die Franche-Comte, Frpr. und den östlichen Teil des Neuokzitanischen beschränkt; sie gehen auf einen Typ *darbone zurück und zeigen fast durchgehend -rb-, selten -rv-, nie -rp-; sie bezeichnen vor allem im Südostfr. und im Frpr. den Maulwurf, gelegentlich aber auch die Maulwurfsgrille, die Wald-, die Spitzmaus, die Ratte und andere 103 [für LEIO scheint talpa = darbo und daher nicht auf Westromania beschränkt] • Ernout/Meillet schreiben: «Nom latin.» Das FEW kommentiert unter dem Lemma *darbo\ «Der älteste beleg findet sich bei Polemius Silvius; seine form D A R P U S verdankt wohl ihr ρ einem durch lt. TALPA verursachten Schreibfehler.» Rheinfelder (1976) sind außer bei griechischen Lehnwörtern keine Fälle bekannt, in denen -rp- zu -rb- wird; bei Fouche werde ich ebenfalls nicht fündig. Bolelli und FEW sprechen sich für vorrömischen, doch indogermanischen Ursprung aus (cf. lat. talpa). Allein die sprachgeographische Situation könnte für gallischen Ursprung sprechen (cf. Anreiter 1992:460s.). Sehr wahrscheinlich ist es jedenfalls diagallisch. Das Wort soll daher weiter miteinbezogen werden. darsus (gall.?) 'Lauben (?), [Fisch]' REW2480; TB 130; FEW III: 18; D20:250
fr. (e. g. afr. mfr. dars 'vandoise', nfr. dard) - nur wenig belegt • Smaragdus (Expositio) ordnet das Wort dem Gallischen zu. Doch ist es ohne sichere Entsprechungen im Inselkeltischen und ohne weitere 103
Zu lexikalischen Verwechslungen von Maus, Ratte und Maulwurf in der Italoromania cf. Blank (1997:207ss. und 1998).
156
Keltizitätsindizien, die nötig wären, um das Wort als Teil des Gallischen zu sehen. Das Wort kann nicht als gallisch oder «diagallisch» betrachtet werden. derbita '[Hauterkrankung], Flechte' REW2580; Fare 2580; TB 131; DEIII:1254; Stampa 1937:176s.; FEW III: 46s.; PYL94:194; D20:251; AIS 683; Ernout/Meillet 1967:170
okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. aokz., okz. derti 'dartre', Queyr. sdarbear 'gratter la terre avec les pieds, comme les poules', Cantal dervese, afr. mfr. dertre, nfr. dartre 'lichia glanca [Name eines Seefisches]', poit. endarde 'id.', bour. dficö 'Hühnerauge', Grenoble dgrbi, Usseglio erbje [leider ohne Bedeutungsangabe!]), (ait.), lig. (e.g. gen. zerbia und laut AIS die ans Piem. angrenzenden Gegenden), piem. (laut AIS in der östlichen Hälfte verstreut, e. g. derbis, Alessandria d^rbya), lomb. (laut AIS in der westl. Hälfte sowie im nordöstlichsten Teil, e. g. mail, derbeda 'Flechte, Schorf, Hautausschlag'), tess. (dicht verbreitet, e. g. Arbedo derbat), emil. (Piacenza derbga; im AIS keine Belege), bdr. (gut verbreitet, e.g. eng. derv/dert 'Flechte, Schorf, Hautausschlag; Hexenring auf Wiesen', obw. diervet), siz. (Carpeneto derbie [ *dregos 'rot') *derua (> *d(e)rullia, derulla) 'Eiche; Holz' REW2585b; TB 133; FEWIII:50; FEWXXI:70; Gamillscheg 1920:532ss.; H54:17; KB 311; D20:251; Lejeune 1954/1955:284; LEI0; Desinan 1984:12
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okz. und fr. mit frpr. (npr. darut 'tölpelhaft', Centre drouille 'chene blanc', afr. daru 'derb, kräftig', afr. dervie 'chenaie', nfr. durelin, evtl. südfr. droui 'quercus pseudocoferica', wall. [Malmedy] deve 'ecorce de bouleau', 1 0 4 Var droui 'chene noir, ä l'ecorce rugueuse, ä la vegetation tardive', Genf afrib. derbel 'petit sapin, sapin rabougri') - das Lemma ist auch Bestandteil vieler Toponyme in der Champagne, im gesamten Süden Frankreichs sowie bis nach Ostoberitalien; der appellative Typ drüi eignet dem Zentrum und dem Südosten des fr. Sprachgebietes sowie dem Tess., der Typ drui ist im Westen und im Zentrum zu Hause, die bloße Basis ist im gesamten angegebenen Gebiet verbreitet • Zu den eigentümlichen Bedeutungsentwicklungen bei transalpinen Ableitungen (welche auf eine Grundform *darütu oder *derütu, cf. air. daude 'Eichen', zurückgehen) ist festzuhalten, daß es sich hier um eine «Bedeutungsentwicklung [handelt], die der von lat. robustus, zu robur 'Eiche' genau entspricht. Die Grundbedeutung ist 'klobig, klotzig', daher 'tölpelhaft'» (Gamillscheg 1950:282). Im folgenden wird von einem Grundwort *derua ausgegangen. Für die verschiedenen Ableitungen werden keine eigenen Einträge reserviert. Die Keltizität wird gesichert durch inselkeltische Entsprechungen: cf. bret. deruenn 'id.', die Lejeune zu übersehen scheint. Es ist von verschiedenen In-loco-Entlehnungen auszugehen. dolva (gall.?) 'Art Wurm' REW2729; TB 135; FEW III: 122; Ernout/Meillet 1967:182
okz. und fr. ('Leberegel': e.g. nfr. douve, norm, duve, B-Manche d(EV\ 'Sumpfhahnenfuß' [der im Volksmund als Überträger der durch den Leberegel verursachten Krankheit gilt]: e. g. nfr. douve, Montbel. dorve, B-Alpes endervo, Correze oho) - nur sehr wenig belegt • Gallischer Ursprung ist nicht gesichert, aber durch das Verbreitungsareal und die semantisch-lexikologische Seite (Insektenbezeichnung wie —>brigantes) nicht unwahrscheinlich. Ob das Wort wirklich zu air. dolbfajid 'formen, bilden' (cf. LEIAD-160) zu stellen ist, wie Bolelli meint, scheint mir sehr fraglich. Die Formen lassen vermuten, daß die lautlichen Verschiedenheiten sekundär sind. Es ist stets von
104
Hierzu schreibt das FEW (III: 50): «Diese [semantische] Übertragung wäre erfolgt, weil die birkenrinde gleich wie die eichenrinde zum gerben verwendet wird. Das wort ist in der form daver auch in der deutschen mundart von Eupen bekannt; es war auch schon mndd.: daver »bäum-, besonders birkenrinde«. Das macht die etym. sehr fraglich, um so mehr, als der schwund des -r- wohl in modernen wallon. mundarten, nicht aber im mndd. verständlich wäre.» Dieser Einwand betrifft jedoch nur die wallonische Form. Für die übrigen romanischen Formen ist sicher *derua als Etymon anzusetzen.
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dolva auszugehen. Aufgrund des Sinnbezirks und der modernen Verbreitung des Wortes soll von Entlehnungen in loco ausgegangen werden. *doratia (< doro) '(Gitter-)Türe' REW 2749a; TB 136; Stampa FEW III: 139; D20:254
1937:135; CM57b: 169; Bracchi
1983:17;
fr., frpr. incl. aost. (e. g. Waadt deliza, deraise, delaise 'porte champetre ä claire-voie', Freiburg dlej 'porte de jardin, d'enclos', Valtournanche daefe 'balustrata dell'altare maggiore'), lomb. (e.g. Bormio dreza, puschlav. draza) - das Wort lebt im Frpr. sowie nördlich benachbarten fr. Gebieten als auch in alpinlombardischen Dialekten; Nachfolgeformen bezeichnen Gattertürchen und Zaundurchgänge • Keltizität kann aufgrund der inselkeltischen Parallelen, e.g. akorn. darat 'Tür' angenommen werden. Die oberitalienischen Formen sind wohl Wanderwörter. Die frankoromanischen Formen können dagegen eher als «In-loco-Formen» angesehen werden. *dosto 'Büschel' Gamillscheg 1920:529; BlWbg:202; FEW III: 144-148; LEIAD-182
fr. (nur nfr. dosse 'flache Schwarte, an deren Rand sich noch die Baumrinde befindet; ein Holzstück, das von einem Baumstrunk quer abgesägt wird, bevor es von der Baumrinde befreit wird [Zimmereiausdruck]' • Gamillscheg sieht aus semantischen Gründen in dem französischen Wort nicht eine feminine Ableitung zu fr. dos 'Rücken' (so steht es etwa im Bloch/Wartburg), sondern vermutet einen Zusammenhang zu ir. dos 'Büschel'. Doch dies vermag meines Erachtens semantisch nicht recht zu überzeugen. Die semantischen Eigenschaften von dosse sind wohl [flach], [abgesägt], [Stück Holz] und, vielleicht der wichtigste Marker, [mit Baumrinde]. Wo sollen die Gemeinsamkeiten mit «Rücken» liegen? 105 dosse wird daher nicht als Wort gallischen Ursprungs betrachtet. Seine Etymologie muß einstweilen ungeklärt bleiben. *drakone (grch.) 'Drache' H50:19; JUH38:62; LEI0
(fr. nur in Toponymen), frpr. (sav. dröna 'plötzliches Anschwellen eines Flusses'), lomb. (bergamask. drag, dragü 'Wildbach; Bergsturz, Erdrutsch'), bdr. (obw. dargün 'Bergbach'); außerdem obit, und südit. in verschiedensten Bedeutungen, e.g. ven. '[Pflanzenname]', siz. 'diventar cattivo', kalabr. 105
Nur mit «Buckel» würde sich meines Erachtens eine Verbindung zu [mit Baumrinde] herstellen lassen.
159
• Hubschmi(e)d senior und junior, die nur die westromanischen Formen in der Bedeutung 'Wasserlauf oder ähnliches untersuchten, denken an Übermittlung des griech. δράκων durch die Kelten. Dem kann man sich anschließen, da auch andere Flußbezeichnungen von dämonischen Wesen abgeleitet sind (—> *bebro-, —» *garunna). Bei den lombardischen und obwaldischen Formen könnte es sich formal um Wanderwörter handeln; doch ist dies bei dem vorliegenden Wortinhalt wahrscheinlich? Die übrigen Bedeutungsstränge, welche auf δράκων 'Drache' zurückgehen, werden hier nicht einbezogen; sie kommen ja auch panromanisch vor und entstammen wohl einer anderen Entlehnzeit, einem anderen Entlehnungsweg. *dragenos 'Dorn' REW2762; Fare 2762; TB 137; FEW III: 152s.; Biondelli 1853:65; Cronenberg 1937: 37ss.; (EWDVII: 182); LEIAD-89s.
?fr. (nur wenige Ableitungen und Zusammensetzungen wie afr. mfr. pik. fourderaine 'prunelle'), ?tess. (V-Maggia dren 'Himbeere'), ?lomb. (e. g. comask. dren 'Himbeere', bergamask. drene 'dito'), ?ates. trognora (—»*trugn- 'Schnauze'), ?cad. (com. trona 'nocciole' [—> *trugn- 'Schnauuze']), ?lad.agord. trona 'cespuglio basso e denso, con particolare riferimento alle macchie di mirtilli nella loro varietä') • Zu dem angesetzten Lemma finden sich Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. air. draigen 'epine noire, prunellier; prunelle', kymr. draen 'buisson epineux', evtl. air. delg 'Dorn, Tuchnadel'). Der Typ ist auf der AIS-Karte 613 leider nicht verzeichnet. Auffällig ist die Bedeutungsentwicklung zu 'Himbeere' im Val Maggia und im Comaskischen. Ich will diese Formen eher zu —> *dregos 'rot' stellen. Keineswegs einfach zu erklären ist die Morphologie von fourderaine. Cronenberg (1937:38) sieht im ersten Element einen Zusammenhang mit der keltischen Vorsilbe *uor-, *uer-, «die verstärkenden, vergrößernden Charakter hat [...]: mcymr.for-derg 'sehr rot \for-seng 'sehr schlank' [...]». Der Typ fourderaine scheint mir aber dann nicht als for-dragenos zu deuten sein. Gemäß den inselkeltischen Formen wäre ja ein Adjektiv zu erwarten, und sehr dornig sind Himbeeren oder Himbeersträucher (im Gegensatz zu Brombeersträuchern) ohnehin nicht. Viel eher bietet sich daher meiner Meinung nach eine Ausgangsform for-dreg- 'sehr rot' im Sinne von 'dunkellrot' an (cf. Grzega 2000b). Die Lautfolge -rdr- wurde dann per Svarabhakti-e vereinfacht. Zur Diskussion stellen möchte ich außerdem die Zugehörigkeit der atesinischen und piemontesisch-lombardischen Formen, die ich hierher gestellt habe. Dazu sei aber zugegebenermaßen festgehalten, daß der Vorschlag, trognora 'Staude; Strauch; Hecke' zu dragenos zu stellen, lautlich und semantisch nicht besser ist als Christian Schnellers und Ernst Gamillschegs Vorschlag, diesen Typ zu germ. 160
purnja 'Dorn' zu stellen. Für die hier vorgenommenen Auswertungen kann somit keine einzige Form anerkannt werden. Das Lemma dragenos ist zu streichen. *dragiu- (gall.?) 'Sieb' REW 2762a; Fare 2762a; EWD III: 133s.; DEI II: 1391; Stampa 1937:122; Bracchi 1983:17; FEW III: 153; ALF 354; HWR 1:267; DESF 11:643; LEIO okz. (e.g. aokz. drai 'grand crible de peau', lang, draja 'cribler des chätaignes'), fr. (e.g. awallon. rege 'crible', Vosges rejer 'passer au crible', alothr. regeur 'cribleur'), frpr. (e. g. Lyon dräyi 'grand crible de peau', Schweiz rethi 'separer le bon grain du mauvais'), lig. (draia 'id.'), piem. {draia 'traccia formata da valanga ο da simili cause'), lomb. (alpinlomb., e.g. Veltlin ragg 'id.', Bormio drey 'id.', aber auch drFormen, cf. bresc., VTell, VVers., W e s t . , VAnz.), trent. (dräz 'vaglio'), ven. (Süden und Belluno zdrai 'acquazzone'), bdr. (Bergün drets 'id.', obereng. dreg, obw. dratg 'Kornsieb; Reiter'), ates. (e.g. gadertal. dra 'id.', grödn. drats 'id.', grödn. draze 'vagliare', unterfass, dre 'Reiter; Kornsieb', agord.), cad. (drai, drei 'vaglio da grano'), frl. (draz 'crivello') - in Oberitalien fast nur in alpinen Regionen zu belegen, in der Galloromania stricto sensu jedoch von den Alpen auf einem östlichen Streifen - wenn auch nicht durchgehend - bis ins Walion. hinauf • Das Lemma fehlt bei Bolelli. Eine eingehende Untersuchung zu diesem Wort, die über eine bloße Vermutung gallischer Herkunft hinausgeht, fehlt bislang immer noch. Ein Blick auf die Verbreitung (französisch, lombardisch, trentinisch, west-, zentral- und ostladinisch) erhärtet aber trotz fehlender keltischer Parallelformen die keltische These. Die Formen mit fehlendem d- sind gemäß Wartburg noch nicht ausreichend erklärt. Bei Fouche (1961:684) findet sich zwar als Parallelfall *dracunc(u)lu > afr. raoncle neben draoncle, allerdings mit dem Zusatz «sous Taction dissimilatrice du groupe combine interieur» was in unserem Fall wohl nicht zutrifft.. Es fällt auf, daß sich all diese FEW-Belege auf Gebieten befinden, die in direktem Kontakt zum Deutschen/Germanischen stehen. Sollte sich hier der Einfluß eines sekundären (germanischen) Wortes verbergen? Hier scheint sich mir dann ahd. redan 'sieben' anbieten. Angesichts der relativen Formeneinheit und des Sachbereiches steht zu vermuten, daß es sich um ein Wanderwort handelt. *dras(i)ka (gall.?) 'Darrmalz' REW 2767; TB 139; FEW III: 156s.; PYL94:194 okz., fr. (afr. dräsche 'residu du malt qui a servi ä brasser', nfr. dreche 'dito', nfr. drecher 'jeter les glands dans une fosse, les arroser d'eau salee,
161
les enterrer et les laisser germer, pour engraisser les pores', nfr. dreche), frpr. (e. g. Schweiz dras 'Abschaum ausgelassener Butter') - im wesentlichen auf nördlichem und östlichem transalpinen Areal zu finden • Es mangelt zwar an der innerkeltischen Verankerung, doch liegt gallische Herkunft aus soziokulturellen und areallinguistischen Gründen nahe, da es sich um einen Ausdruck des Brauereiwesens handelt. Da Wartburg in Anlehnung an Kurylowicz Meyer-Lübkes *drasika in *draska ändert, befremdet ihn das Schwanken zwischen -a- und -e-. Dieses Schwanken erklärt sich aber, wenn man zwei Ausgangsvarianten ansetzt, (1) *draska (frühe Synkope des /'!) und (2) *drasika, bei welchem das a, da in freier Tonsilbe, offenbar noch zu e verschoben werden konnte. Neben Entlehnungen in loco werden klein- bis mittelräumige Wortwanderungen stattgefunden haben. dravoca < *drabukä (gall.?) 'Lolch' FEW III: 157s.; REW2768; TB 140; Hubschmied 1978a: 328; PYL94:194; Ernout/Meillet 1967:184
1924:171;
Fleuriot
okz. (nur in den dem Französischen unmittelbar benachbarten Zonen) und fr. (e. g. dial, droue 'Lolch', afr. drave 'fourrage de grains meles', ard. graviere 'vesce', wallon. draw) mit frpr. (e.g. sav. dravasse 'bardane ä grosse tete', Grenoble drivä 'plante commune dont les feuilles sont larges et epaisses') - taucht zwar auch in der Normandie und der Bretagne auf, lebt im wesentlichen aber in der östlichen Hälfte Frankreichs (dort besonders im Südosten) fort; dient zur Bezeichnung verschiedener Pflanzen; im Galloromanischen sind drei verschiedene Lautentwicklungstypen zu beobachten: (1) dravoka > drauka (e.g. afr. droe, norm. droue, wallon. draw, westschw. drütsa, sav. durtss), (2) drav'g (e.g. afr. dragiee, fr. dragee, pik.), (3) dravig- > dravy (e. g. südfr. drouio, drauvio) • Folgende Indikatoren sprechen für keltische Provenienz: die Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. bret. draok, dreok 'id.', kymr. drewg 'id.'? 106 ), die morphologische Vielfalt der Nachfolgeformen (i.e. es handelt sich zumindest teilweise um Entlehnungen in loco), der bäuerliche Sinnbezirk. *draus(s)o- (gall.?) 'Strauch; Alpenerle' REW 2767a; Fare 2767a; DEI II: 1396; JUH38: 89ss.; Jud 1908/10:42s.; Stampa 1937:65, 74; NJ45:157ss.; H50:84; CM57b: 187; DEDI:89; Bracchi 1983:16; OGs93b: 109; Gsell 1997:139 ann. 13; FEWIII:157; AIS518; AIS 582; ASLEF 607; HWR: 1:267; LEI0; Aschenbrenner 1986:112
106
Ernout/Meillet (1967:184) schreiben zu diesem Lemma: «Sans doute gaulois. Mais bret. draoeh, gall, drewg semblent provenir du latin.» Die genuine Keltizität kann dann nur mit Vorbehalt angenommen werden.
162
okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (sav. drouza, Vinadio drauzo, Vd'Ill. dryqewza 'alnus viridis), piem. (gemäß AIS: nördl. Hälfte, Typ dros(a)), lig. (ganz vereinzelt, nicht im AIS), lomb. (laut AIS NW-Rand, Typ dros; außerdem Puschlav, Bormio), trent. (Typ drosa), tess. (Typ drgsa), ven. (Typ drosa), bdr. (obw. draus(sa) 'Bergerle, Grünerle', surm., suts.), ates. (gadertal. raus 'Alpenrose'), Livigno raus 'ericacee in generale, rododendro', Val Vestino raus 'erica scoparia', cad. (com. ruses 'rododendri'), frl. (um Prato Carnico: räuz di mont 'Rhododendron ferrugineum L. [pl.]'), alem., bair. - das Wort erstreckt sich nach Osten bis ins Bündnerromanische und obere Fassatal, nach Westen bis nach Savoyen, die französische Schweiz und Piemont; ist Bestandteil zahlreicher Ortsnamen, gerade im alpinen Raum, als Appellativum kommt es ganz überwiegend im oberitalienisch-«rätoromanischen» Raum vor, während das Frpr. diesbezüglich nur wenige Belege kennt; das östliche Verbreitungsgebiet ist durch den Typ mit -s- gekennzeichnet, das westliche durch -z- (mit Ausnahme des Teils, der den Typ raus zeigt) • Das Etymon wird nur von Hubschmied als gallisch angegeben, FEW, REW und DEI sprechen von einem vorrömischen bzw. mediterranen Wort und schließen sich somit Jud (1908/1910:43) an, da das «Verbreitungsgebiet deutlich auf [...] Herkunft aus der Sprache der vorrömischen Alpenbewohner hinweist.» Es kann aber einmal Bestandteil des Keltischen gewesen sein, worauf die Verbreitung ebenfalls hinweisen könnte, sofern man nicht ausschließlich lateinische Wortwanderungen annehmen möchte: es ist in ganz Frankreich und Oberitalien verbreitet. Gsell schwankt, ob zlad. raus hier zu nennen sei oder ob diese Formen eher auf tir. rausch 'haarige Alpenrose' beruhten; für Hubschmied (sen.) ist es zum gallischen Etymon hinzuzustellen, für Hubschmid (jun.) und für mich - zur bairischen Form, denn für dr- > r- gibt es meines Wissens keine weiteren gesicherten Parallelen. Der Typ drous(s)o- ist zum Teil gewandert, zum Teil sicher auch in loco entlehnt (man beachte die Schwankungen zwischen stimmhaftem ζ und stimmlosen s und das Suffix, welches in einigen Fällen -ia statt -a gelautet haben muß). *dregos 'rot' REW 2582a; TB 132; LEIAD-57s.; Thurneysen 1946:174
und *dergila 'Roterde' Gamillscheg 1920:524s.; Biondelli 1853:65
okz. (und benachbarte fr. Orte) mit frpr. (e.g. okz. drouille 'Eisbeere', drelo 'Eisbeere', Cantal driie 'sorbier', nfr. drouiller 'Eisbeerbaum', sav. drälyi 'alisier'; da zweite angegebene Etymon nur wall.: derle 'Porzellanton'), lomb. (nur Comasko dren 'Himbeere'), tess. (nur V-Maggia dren 'Himbeere') 163
• Für das postulierte Lemma darf zunächst Keltizität angenommen werden: man vergleiche air. derg 'rouge, sanglant; [parfois d'une couleur brune ou orange foncee]', derc 'baie, petit fruit'. Meyer-Lübke schreibt, daß sich die romanischen Formen der Bedeutung 'Eisbeere' sowohl zu —> *derkos 'Beere' als auch zu *dregos stellen ließen, weist aber in beiden Fällen auf die lautlich-morphologischen Schwierigkeiten hin. Wartburg nimmt an, daß ein /-Suffix angetreten ist. Doch auch der Vokalismus -«in manchen Formen bleibt ungeklärt. Zum Verhältnis zwischen —> *derkos und *dregos ist im LEI A (D-56) nachzulesen: «Pokorny a d'abord cru le mot [derc 'baie'] issu de derg 'rouge' [...]. Mais l'ecossais dearcag ayant un -k-, cette comparaison a ete abandonnee [...] et Pokorny a tente de tirer derc 'baie' de derucc, reanalyse (sous les formes dercu, dercan) comme un derive de *derc. Pourrait etre, plutöt, un emploi particulier de derc 'ceil'».
Die These des LEI Α bleibt durch die semantischen Probleme schwach. Es sollte nicht ausgeschlossen werden, daß ein Zusammenhang zwischen 'Beere' und 'rot' besteht. Dieser kann jedoch entgegengesetzt zu Pokornys vermuteter Ableitungsrichtung sein: 'rot' wäre dann von 'Beere' abgeleitet und gewissermaßen als 'beerenfarbig' zu deuten. Es wird einleuchten, daß prototypische Beeren rot sind (Himbeeren, Erdbeeren, rote Johannesbeeren) - gerade sie heben sich am besten vom Grün der Pflanzen ab. 107 Eine metaphorische Verbindung mit 'Auge' ist bei der Eisbeere nicht ganz abwegig. Ich kann aber keine romanischen Parallelformen - auch nicht deutsche oder englische - finden. Zusätzlich zu den in den Quellen aufgelisteten Formen stelle ich den Typ V-Maggia und comask. dren 'Himbeere' hierher, der bislang unter —> *dragenos 'Dorn' zu finden war. 108 Hier wäre dann von einem n-suffigierten Wort auszugehen. Wall, derle ist als eigener Typ zu betrachten, der lediglich zu *dregos 'rot' gestellt werden kann. Im folgenden wird von zwei «Inloco-Typen» auszugehen sein: (1) 'Elsbeere'-Formen mit /-Suffix und (2) 'Himbeere'-Formen mit «-Suffix. *driuo- 'springen' Gamillscheg 1920:535s.; LEIAD-190s.
fr. mit frpr. (e. g. Doubs druger 'hüpfen, springen, sich freuen', lyon. drugi 'springen, hüpfen', norm, druger 'sich unterhalten', forez. driga 'Sprünge machen', angev., poitev. drugesse 'Lebhaftigkeit', B-Maine) sporadisch im Ost- und Südostfr. 107
108
Man denke an die Kontraste gemäß der Farbenlehre: rot vs. grün, blau vs. orange, gelb vs. violett, schwarz vs. weiß. Wenn bei *derkos 'Beere' noch eine klare Verbindung zu 'Auge' verspürt worden sein sollte, dann ist wahrscheinlicher, daß die 'Himbeere'-Formen eher auf *dregos 'rot' zurückzuführen sind (cf. Grzega 2000b).
164
• Aufgrund der forezischen Form trennt Gamillscheg die Formen mit der Bedeutung 'hüpfen' von jenen mit der Bedeutung 'sprießen' (—» *drütos 'stark') und stellt erstere zu dem hier angegebenen gallischen Etymon, wenngleich selbiges sich wohl schon früh mit *drütikäre verschmolzen hat. Die Gallizitätsthese soll etwa durch bret. άτέο 'heiter', ir. dreän 'Zaunkönig' genährt werden. *drullia 'Abfälle' REW2778; TB 141; FEW III: 163; Fleuriot 1978a: 324; PYL94:194; Biondelli 1853:559, 567
okz. (nur queyr. dourilio 'petit morceau de bois'), frpr. (e. g. Isere drouilli 'copeaux', sav. druli 'Holzspäne', afr. drille 'lambeau d'etoffe', weitere Bedeutungsübertragungen), piem. {(an)drügia 'letame') - sehr enges Verbreitungsgebiet (die nordwestfr. Entsprechungen entstammen gemäß Fleuriot dem Bretonischen) • Das rekonstruierte Lemma läßt sich möglicherweise mit kymr. dryll 'Stück' verbinden. Die Bedeutung der Form aus dem Queyras wirft die Frage auf, ob sich nicht ein historischer Zusammenhang zwischen d(e)rullia und derua herstellen ließe? Die Bedeutung ist aber dennoch eindeutig von den unter —> derua aufgelisteten Formen zu trennen. Die piemontesischen Formen, die ich bei Biondelli finde, dürften nach deren Semantik ebenfalls hierzu gehören. *drütos/*dlütos 'stark' REW 2779b; Fare 2779b; TB 144; CM56:187; FEWIII: 164ss.; FEW XXII,2:28; Gamillscheg 1920:535s.; PYL94:194; J26:313ss.; Jud 1911:68; Kohlhaas 1975:196ss.; DRGV:431s.; D20:252; LEIAD-206s.
okz., fr. (afr. dru 'wohlgenährt; dicht von Gras', afr. dru 'Geliebter' 109 ), frpr. (sav. vadrü 'fruchtbar') incl. aost., piem. (drü 'fett, fruchtbar; dicht (vom Gras)', e. g. V-Sesia), lig. (e. g. agen. druo 'reich', ngen. drün 'dick, grob'), lomb. (amail. drudo 'üppig'), tess. (westlicher Teil), ven. (Belluno, aven., Vicenza), istr., bdr. (eng. drüda 'Beischläferin, Kebsweib'), tosk. (atosk., Siena, LaSpezia), asiz., kalabr., südit. - die Fortsetzer konzentrieren sich im wesentlichen in Frankreich • Es sind semantisch zwei Typen deutlich zu trennen: 'Geliebter' und 'üppig, fett'. Kohlhaas schlägt vor, die Formen der Bedeutung 'üppig, fett' zu *trudicare von trudere 'treiben, wachsen lassen' zu stellen. Doch die lautlich-morphologische Herleitung ist nicht klar. Ein Adjektiv würde man aus dem Partizip Präteritum zwar erwarten; wie aber gelangt man von *trudicatum zu dru etc. Die Formen sind dann wohl besser mit air. dru(i)th 'luxurieux, lascif in Verbindung zu bringen. Auch die 109
Gehört afr. dru 'Geliebter' wirklich hierher?
165
Verbreitung legt nahe, daß es sich um ein vorrömisches Wort handelt, das zumindest über das Gallische vermittelt worden ist. Zum Inhalt 'Geliebter' schreibt das LEIA (D-205s.): «Les mots celtiques - malgre Thurneysen Keltoromanisches 56-8 - sont proches du roman *drudo 'cheri' et 'voluptueux, gros, epais' (d'oü vient fr. dru, bret. druz 'gras'), mais il est vrai que le germanique a pu aussi exercer son influence sur les langues romanes. [....] En tout cas la racine est celle de l'arbre, du chene, et de la force, *deru-.»
Ist angesichts der Richtung der literatur- und kulturgeschichtlichen Einflüsse nicht eher davon auszugehen, daß ahd. trüt, drüt, mhd. trüt 'Geliebter' aus dem Französischen stammen? *dubos 'schwarz' REW2782; TB 145; D20:253; LEIAD-201s.; Thurneysen 1946:42, 173, 227
fr. {sapin double 'Schwarztanne'), aost. (dubluna '[Holzart]') - bei den genannten Belegen handelt es sich um die einzigen in der Romania. • Laut REW2782 geht der französische Ausdruck sapin double 'Schwarztanne' auf diese gallische Basis zurück; dies bleibt im FEW unerwähnt. Parallelformen sind im Inselkeltischen vorhanden: cf. air. dub 'schwarz, dunkel'. *dui-beriä (gall.?) 'Tragbahre für zwei' JUH38:95s.; LEIO
fr. (e.g. nfr. civiere 'Tragbahre [für Mist, Steine etc.]'), oberit. (e.g. tsivera, tsivera 'Tragbahre; bara che si porta a braccia da due persone' etc.), bdr. (e. g. eng. tschiviergia 'Schubkarren'), tosk. civera, civea, civeo • Die angeführten Wörter, so bemängelt Hubschmied zu Recht, passen weder lautlich noch semantisch zu dem traditionell angesetzten Etymon cibus 'Speise' (so auch weiterhin BIWbg [135]: «Probabi. lat. pop. cibaria, fem. pris substantiv. de l'adjectif cibärius, der. de ci-bus 'civiere', c'est-ä-dire 'vehicule servant au transport des provisions (fourrage, etc.)'». Besser ist seiner Meinung nach - und dies scheint überzeugend - von einem gallischen Kompositum aus dem Wort für 'zwei' und der Wurzel gall. *ber- 'tragen' auszugehen; zur lautlichen Entwicklung von *du- cf. die Anmerkungen sub —» *tsigros. Im LEI wird das Lemma voraussichtlich zu germ. *beran 'tragen' gestellt werden. Beide Zuordnungen scheinen formal möglich (und gehen letztendlich auf idg. *bher- 'tragen' zurück). Aufgrund des Sinnbezirkes und der Entwicklung des Anlauts soll in dieser Arbeit aber von einem gallischen Wanderwort ausgegangen werden.
166
*dui-bros (gall.?) 'Gefäß mit zwei Handhaben' JUH38:96ss.; REW8753; LEIO; Pirona 1935:1016
Typ 1 = *tipro-: okz. und fr. (afr., lim., Creuse, H-Vienne, Aveyron, Charente, Charente-Inf.; Typ 2 = *tsibro: okz. und fr. (Creuse, Allier, Puy-de-Döme cibre 'seau', okz. cibre 'vaisseau de bois dans lequel les bergers transportent le lait, au moyen d'un baton qu'ils passent dans deux douves percees, petit cuvier'); Typ 3 = *tsibro-: frl. (e.g. sevre 'Zuber'), trent. (e.g. zever 'Zuber'), bdr. (e.g. tseiver 'Gelte, Zuber; Backtrog [in Graubünden wird als Backtrog meist ein länglicher Zuber benutzt, aus Dauben zusammengefügt, mit zwei Handhaben]'); Typ 4 = *ts[bbro: mlat., piem., lomb. (e. g. seber 'Zuber (meist mit zwei Handhaben)', mail, ziber 'dito'), lig. (e.g. sebru 'dito') 110 • Zu diesem Eintrag stellen möchte ich auch lim. tribe, trübe, welches das REW auf tiprum 'Kufe, Schaff zurückführt. «[D]ie alemannischen Ausdrücke der Milchwirtschaft sind zu einem schönen Teile romanischen oder gallischen Ursprungs», wie Hubschmied (1936:97) richtig feststellt, «mit Gamillscheg Einfluß der alemannischen Milchwirtschaft bis nach der Provence und bis ins Ligurische und Friaulische anzunehmen, ist mehr als bedenklich.» Daher erscheint Hubschmieds Etymologisierung - mit dem gleichen Lautwandel, der bei —> *dui-beria und ->*tsigros anzutreffen ist - wesentlich überzeugender. Im LEI wird das Wort gemäß Herrn Pfister unter germ, beran verzeichnet werden. Beide Zuordnungen scheinen formal möglich (und gehen letztendlich auf idg. *bher- 'tragen' zurück). Aufgrund des Sinnbezirkes (Gefäße) und der Entwicklung des Anlauts soll in dieser Arbeit von einem keltischen Wanderwort ausgegangen werden. dünon 'Hügel' FEW III: 180s.; D20:254; LEIAD-221ss.; Thurneysen 1946:178
okz. und fr. (nur Η-Loire dun 'colline', Cantal dun 'colline' [mit ganz wenigen Ableitungen]) - Appellative sehr vereinzelt; hauptsächlich in Ortsnamen • Genuine Keltizität wird untermauert durch Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. ir. dün 'colline', air. dün 'fort, forteresse' [< *dhüno- 'ce qui a ete verse, le remplai', hierher auch air. duma 'monticule, colline, talus' [< *dhou-]7) und die Zuordnung zum Gallischen im Glossar von Vienne.
110
Zu Alternationen von -p- und -bb- schreibt Hubschmied (1936:99): «verschiedene romanische oder germanische Lehnwörter aus dem Gallischen weisen darauf, daß in spätgallischen Mundarten Verschlußlaute inlautend verstärkt wurden, namentlich vor r». Allerdings fehlen günstige Beispiele.
167
*duria/*durisia 'Wasser' H49:109ss.; FEW III: 192
pg., sp., okz. und fr. mit frpr. (Westalpen und angrenzende Gebiete, e. g. Typ diüra, afr. doure 'fosse', champ, dours 'Wasserlauf, sav. drou 'trombe d'eau'; auch 'tröpfeln', 'stark regnen', 'weinen') incl. aost. ('Jauche'), piem. (doira 'rigagnolo'), lig. (ddria, döjra 'corso d'acqua'); (weitgestreute Toponyme) - als Appellativum offenbar nur in der Champagne, Alby, in Savoyen, im frankoprovenzalischen Piemont und in Ligurien • Es ist von In-loco-Entlehnungen auszugehen, zum Teil ohne i im Suffix. Das Suffix -isia ist gallisch. *durnos 'Faust' und *durnia 'Auswuchs an Bäumen' REW2807; Hamp 1986a: 253; FEW III: 192; H49:13ss.; D20:254
okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. aokz. dorn 'mesure contenant 4 doigts', afr. dor 'dito', aokz. torn 'Handbreit' [gekreuzt mit tornael]), mittellat. - die knapp zwei Dutzend Belege im FEW zum ersten Lemma verstreuen sich über ganz Frankreich, das zweite ist im wesentlichen in den Westalpen zu finden • Innerkeltische Verankerung wird durch kymr. dyrnfedd '4-inch-Handbreit', kymr. dwrn 'knob, handle' hergestellt. Hamp (1986a: 253) stellt durnia zu durnos: «The use of Welsh dwrn (masc.) for 'knob, handle' (dwrn drws 'door knob') matches closely *durnja/o- [...] for growths on trees and various kinds of swellings, including knots in wood. [....] *durno- was a normal element of the lexicon, meaning 'fist, knob; measure of 4 fingers or inches, which could be expanded by the extended thumb'.»
düsius 'Alp, Elf REW2809; Fare 2809; TB 147; FEW III: 195; HWRI:250; Ernout/Meillet 1967:189; LEIO
fr. (wall. [Malmedy] dühon 'gnome', Ardennes dusion 'demon incube'), frpr. (Vosges 'cauchemar'), piem. (dosseul 'allocco; Waldkauz'), bdr. (eng. dischöl 'Teufel, Alpdrücken', obw. derzalett 'Alpdrücken, Alptraum'), westfäl. • Keltizität wird durch Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. kymr. dwrn) und die Zuordnung zum Gallischen durch Augustinus (XV,23) und Isidor (or. VIII,11,103) indiziert. Fare möchte auch obw. derzalett 'incubo' hierherstellen, was jedoch lautlich Sekundäreinfluß fordert (evtl. von derzer 'umkippen, umstoßen; gießen, schütten'?). Es handelt sich mehrheitlich um Entlehnungen in loco.
168
*ena 'Wasser' FEW XXI: 27; JP48:246
nur Bresles en (f.) 'mare' • «Trotz der Vereinzelung wohl aus gall. *ena» (FEW XXI: 27). Man vergleiche dazu die Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. mir. en 'Wasser'), aber es ist auch möglich, daß die romanische Form letztendlich vorgallisch ist, wenn es sich um die gleiche Wurzel handelt wie in den Hydronymen Inn, Enns etc. ?*fell- (< *uell-) 'betrügen' Gamillscheg 1921:633; REW3356; BlWbg:258, 265, 271; FEWXV,2:123ss.
okz. und fr. (e. g. ßatter 'schmeicheln', felon 'Schurke', fou 'verrückt') • Bloch/Wartburg, das FEW und das REW stellen flatter zu anfrk. flat 'flach', felon zu anfrk. *fillo 'schinder' (< fillen '(aus)peitschen') und fou zu follis. Abzuweisen sind Gamillschegs Vorschläge, eine Verbindung zu schott. foil 'Betrug' zu suchen, allerdings zunächst nicht. Zu flatter schreibt Gamillscheg: «Die ursprüngliche Bedeutung wird wohl, wie im Provenzalischen, 'betrügen' sein.» Das ist semantisch mindestens genauso gut wie die Ausgangsbedeutung 'flach'. Lautlich ist aber der germanische Ansatz der bessere. Auch die Annahme von fou als Tochterform eines *fell- 'betrügen' ist denkbar, wäre da nicht die bis zum 16. Jahrhundert belegte Bedeutung 'soufflet', die somit die herkömmliche Deutung als Nachkomme von lat. follis 'Schlauch, Blasebalg' wieder als am wahrscheinlichsten erscheinen läßt. Der germanische Ansatz für felon schließlich wird durch die Endung -on wahrscheinlicher gemacht, auch wenn dies nicht allein ausschlaggebend ist. Das Wort wird daher nicht weiter berücksichtigt. ?*flandos 'glänzend' H54:23; Lejeune 1954/1955:284
nur bearn. (flandi 'briller, avoir de l'eclat dans l'epanouissement, la floraison', flandi-s 's'epanouir brillamment', flandide 'epanouissement de la fleur') - sonst nur in den Toponymen Flandru und Flend.ru (zwei Bäche im Waadtland) • Laut Hubschmid (1954:23) sei das keltische Etymon «vom selben Stamm wie lat. splendere». Direkte Entsprechungen im Inselkeltischen gibt es nicht. Selbst gallische Vermittlung kann aufgrund des sehr eingeschränkten Verbreitungsgebietes nicht angenommen werden. Darüber hinaus macht Lejeune darauf aufmerksam, daß lat. spl- kelt. sl-, nicht fl-, entspreche. Allerdings könnte (spät)gall. fl- gut auf ein kelt./ gall, sl- zurückgehen, so wie fr- auf sr- zurückgeht (cf. —> *frogna,
169
*fruta). In unserer Etymasammlung gibt es aber keine Beispiele für diese Entwicklung (—>*[s]leda). *frauos 'Rabe' Lecoy 1948/1949:145ss.
transalpin (e. g. afr. frou, frayon, nfr. freux) • Ist das Wort zu kelt. *bran(n)os zu stellen (cf. Birkhan 1970:475ss.)? Lecoy führt die angeführten Formen, die auf der Wendung plus noir que froid, im Gegensatz zu anderen Autoren (e. g. Gamillscheg, Wartburg) nicht auf fränk. hrök zurück, sondern auf ein gallisches *frauos (cf. e. g. korn. frau 'id.', bret. frao 'id.'), denn: «il ne peut remonter qu'ä un etymon qui rendra compte d'une tonique finale en -ou avec ο ouvert. Cet etymon existe; c'est le gaulois *fravos» (Lecoy 1948/1949:146). frisco, -öne / brisgo 'Stechpalme; Mäusedorn' REW3517; TB 149; FEW III: 806s.; Anreiter 1992:523
okz. (BAlpes, Dordogne, nokz., Tarn, Gironde), fr. (Charente-Inf., norm., Vendee, HVienne) - im Süden Frankreichs tauchen mehrheitlich Formen mit br- auf (Kreuzung mit lat. briscusl), in einigen Gegenden findet sich auch der Anlaut gr-, welchen Wartburg durch Einfluß von lat. acrifolium erklärt • Eine innerkeltische Verankerung ist gegeben. Auch die Verbreitung kann die gallische These unterstützen. Die Formen mit gr- lassen sich als assimilierte Formen oder durch Sekundäreinfluß deuten. Bei den Formen mit br- vermutet das FEW Kreuzung mit lat. briscus. Oder handelt es sich doch um ursprüngliche Variation? Wir werden es dann wohl mit Entlehnungen in loco zu tun haben. *frogna 'Nüstern' REW3529; Fare 3529; FEW III: 816s.; PYL94:194; LEIAS-187s.; Thurneysen 1946:41
okz., fr. (> piem. anfrugnä; afr. fronchier 'schnauben, schnüffeln', soi fronchier 'etre reveche', esfronchier 'sich räuspern', froignier 'sich bäumen', nfr. renfrogner 'die Stirn runzeln'), frpr. incl. aost. - Kerngebiet der Belege ist Nordfrankreich, viele südliche Formen sind von dort entlehnt • Die Keltizitätsthese wird durch kymr. ffroen 'Nüstern', ir. air. sron 'Nase' [< *sroknä] sowie die Verbreitung gestützt. Im gleichen Wortfeld sind —>gauta, —> trugna und gesamtromanisch beccus, broccus entlehnt worden. Lautlich lassen sich zwei Entwicklungen beobachten: zum einen jene Formen, die auf *frogn(i)are zurückgehen müssen, zum
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anderen solche - mit -ndz- - , welche ein *frugnicare voraussetzen. Trotz der unterschiedlichen Suffixe scheint es zahlreiche Wortwanderungen gegeben zu haben. *fruta 'Bach' REW3545; Fare 3545; TB 149; Meier 1981:94; AIS431; LEIO; LEIAS-189
aost. (Ossol. froä 'gocciolare'), piem. (nur V-Anz.frola 'ruscello'), lomb. (fruda, fro(d)a, fru(v)a, fodra 'Wildbach'), tess. (e.g. V-Leventina, Roveredo), schwdt. - Tochterformen am Südhang des Alpenhauptkamms von Bormio bis an die Sesia, «ungefähr längs der Achse Tessin-Reußtal» und in schwdt. Mundarten und Toponymen bis zum Vierwaldstätter See und ins Allgäu. • Nicht unberechtigt fragt Meier (1981:94), «warum ein keltisches Substratwort so elementarer Bedeutung weder in Flußnamen noch in Appellativen der französischen Galloromania», sondern nur auf sehr beschränktem oberitalienischen Boden zu finden ist. Er schlägt vor, nach Zusammenhängen mit lat. ßutare/fluitare zu suchen, weist aber selbst bereits auf die Schwierigkeit, die sich bei der Erklärung fl- > frergibt, hin. Lautliche Erklärungsprobleme ergeben sich auch für das -/der piemontesischen Form (nur Assimilation? andere Herkunft?). Im folgenden sollen daher nur die lombardischen und tessinischen Formen als Keltizismen gewertet werden, und zwar als genuine Keltizismen. Man vergleiche die Entsprechungen im Inselkeltischen: ir. sruth 'torrent, cours d'eau', abret. frot 'torrent', kymr. ffrwd 'torrent' (< *sru-tu < *sreu- 'couler', unter Umständen gekreuzt mit *spreu-, cf. nhd. sprudeln1U). gabalus 'Gabel; Galgen' und *gabalakkos 'Wurfspeer' REW3624; TB 152; FEWIV:12; PYL94:196; D20:257; 1967:265; Azzolini 1836/1976:526; DECLC IV:886; LEIO
Ernout/Meillet
ibrom. ( *brusia) *galia 'Kraft' FEW IV: 30s.; Gamillscheg 1921:514s.; Gamillscheg 1922:25; PYL94:194; DRGVII: 122ss.; EWGtIV:25; LEI0; Thurneysen 1946:171
okz. (e. g. Queyr. gaillard 'vigoureux, bien portant', aokz. galhart 'couurageux, vaillant', ?aveyr. ego ja 'mausern'), fr. (e.g. mfr. gaillard 'vif, rejoui, plein d'entrain', fr. gaillard 'vigoureux, sain, courageux, vaillant', ?fr. egoger 'von einem Kalbsfell Ohren, Schwanz, Klauen usw. lostrennen' > obit.: lomb., ven.; it.), frpr., ates. (gaiert 'stark'), bdr. (e.g. eng. giagliard 'kühn, tapfer, verwegen, mutwillig; vermessen, frech, stark, tüchtig, wacker', obw. gagliard 'dito') - die oberitalienischen Formen sind Lehnwörter, auf französischem Gebiet sind die Nachfolgeformen fast flächendeckend verbreitet (excl. Gaskogne); zum Teil ist die Bedeutung noch sehr nah am Etymon, zum Teil schon relativ entfernt (wie e. g. nfr. gaillardin 'un peu libre (de propos)', mfr. gaillardet 'cubitiere ä revers allongee sur le bras et l'avant-bras'), meist zur Bezeichnung einer menschlichen Eigenschaft und davon abgeleitete Substantive, in verbaler Form meist mit re- in der Bedeutung 'stark / fröhlich / mutig [oder ähnliches] machen' • Innerkeltische Verankerung wird gesichert durch air. gal 'fureur guerriere', kymr. gallu 'Kraft', bret. galloud 'dito'. Den Typ egoger würde Gamillscheg (1922:25) «lieber, als es von einem so allgemeinen und erst konstruierten *exgalicare (zu einem gall. *galä 'Macht'), das doch nur 'entkräften' bedeuten konnte, abzuleiten, zu REW2999 *excuticare 'enthäuten' (tosk. scoticare 'die Schwarte abziehe', ecoucher 'Hanf und Flachs brechen' nach Thomas' Etymologie) stellen. Das südfrz. egoja [...] 'mausern' gehört wohl nicht hierher.»
Ich unterstütze Gamillschegs Ansatz und will ihn noch durch einen morphologischen Hinweis untermauern: Keine der im FEW verzeichneten Tochterformen von *galia ist mit ex- gebildet; und wenngleich auch Gamillschegs Anmerkung, *ex-galicare könnte nur 'entkräften' bedeuten, nicht generell zuzustimmen ist, so laufen die semantischen Entwicklungen doch in eine Richtung von Konzepten, die bar jedes Sems [+/-Kraft] sind. Die Formen des Typs gaillard 'tapfer' scheinen mit der höfischen Literatur gewandert zu sein (cf. EWGt IV: 25).
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*gallre (gall.?) 'schleudern' (< *gali 'sieden') FEWIV:31s.; F E W X X I I , 1:205; Meier Thurneysen 1946:171
1980:157ss.;
PYL94:195;
LEIO;
fr. mit frpr. (e. g.jaillir, pik. galir 'stürzen, [herab]springen'), lig. (nur San Remo) - im fr.-frpr. Raum streuartig verbreitet • Berechtigterweise äußert Meier dem gallischen Ansatz gegenüber die Kritik, daß keine der romanischen Formen im unmittelbaren Umkreis der Bedeutung 'sieden' stehe, welches die Ausgangsbedeutung sein soll (cf. air. gal 'Dampf; Wut', kymr. gal 'Wut', schott. goil 'sieden'). Außerdem will er die pikardische Form aus lautlichen und semantischen Gründen von hier getrennt wissen und greift auf Casaneuves Vorschlag, lat. salire als Etymon anzusehen, zurück. Gerade lautlich gibt es allerdings kaum Probleme (lat. ga- bleibt in der Pikardie unverschoben). Aus semantischer Sicht kann man sich aber fragen, ob das Konzept des Stürzens und Springens (nach unten gerichtete Bewegung, volutiv112 [Springen]) mit dem des Herausspritzens (nach außen/oben gerichtete Bewegung, nicht volutiv) so leicht zu vereinbaren ist. Jedenfalls nimmt Meier (1980:159s.) dabei folgende lautliche Entwicklung an: Aus einem *exsalire entstünden im Romanischen Formen mit -s- und -s- nebeneinander, wobei ersteres überwiegend im Galloromanischen stricto sensu erscheine, letzteres eher in Italien und Katalonien. In einer zweiten Stufe sei dann bei Zusammensetzungen wie *de-exsalire oder *re-exsalire das -s- sonorisiert worden, da den Sprechern die Kompositionsfuge nicht mehr bewußt gewesen wäre (cf. fr.dial. zonner [< resonner] neben sonner, pg. jörro/chörro 'grande jacto; saida impetuosa de um liquido; fluencia'; alambor'). Meiers Vorschlag kann akzeptiert werden. *gallos 'Stein' REW3654; TB 155; FEWIV:42ss.; F E W X X I : 3 6 6 ; F E W X X I I , 1:196; KB 1690; KB 1695; D20:258;
okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (neben der Grundform 'Stein' [e. g. afr. gal 'caillou', fr. galet, mfr. nfr.jalet, lang, galet 'petit caillou'] gibt es eine Reihe von Bedeutungsübertragungen: 'Fladen' [e. g. anorm. gal 'gäteau plat, fait ordinairement de farine, de beurre et d'ceuf, fr. galette, nokz. galetaire 'marchand de biscuits'], 'KorkspieP [e. g. Lille galoche 'jeu du bouchon', Perig. galhe 'jeu du bouchon'], 'Art Schuhe' [e. g. fr. galoche], 'Stelzen' [e. g. mfr. galloche], 'Stollen' [ang. centr. Moselle galoche 'masse 112
Zum Bestimmen der Volutivität wäre es wichtig, definitiv zu wissen, ob pik. galir wirklich 'stürzen' bedeutet oder vielmehr 'sich stürzen'. Ich habe die Form aber in keinem der mir zur Verfügung stehenden pikardischen Wörterbücher (darunter Corblet 1851, Flutre 1970 und Debrie 1984) nachweisen können.
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de neige adherent ä la chaussure']) - in ganz Frankreich belegt, in Nordfrankreich häufig, in Südfrankreich eher selten • Die Basis *gallos läßt sich auch anhand von ir. gall 'Stein, Fels' erschließen. Die ursprüngliche Bedeutung hat besonders im Pikardischen, Normandischen und Westfranzösischen Verbreitung gefunden. Verbirgt sich dahinter der gleiche Stamm wie in —>calioml Die beiden Wörter sind aber in jedem Falle aufgrund der eindeutigen formalsemantischen Eigenständigkeit als separate Lemmata zu werten. Die Tatsache, daß es im Französischen Formen mit j- und Formen mit ggibt, weist darauf hin, daß sich In-loco-Entlehnungen mit Entlehnungen aus okzitanischen und nördlichen französischen Mundarten mischen. galoxina (gall.?) 'die beiden Hände voll' REW 3664a; FEW IV: 48
okz. und fr. (Typ galeyne 'jointee') - taucht vorwiegend im Fr. auf, vor allem im Norden und Westen • Gemäß REW und FEW wohl gallisch. Allerdings fehlen innerkeltische Entsprechungen. Die Sprachgeographie und der Sinnbezirk legen aber nahe, daß es gallisch vermittelt worden ist. *gansko 'Ast' und *gaskäria (gall.?) 'Brachland' FEW IV: 53s.; Gamillscheg TB 157; KB 2566
1921:639s.;
Anreiter
1992:554;
REW 3698;
fr. (nur im Norden und Nordwesten: e.g. flandr. pik. norm, gaskiere 'terre labourable qu'on n'a pas ensemencee, pour la laisser reposer', fr. jachere, afr. jacherez 'Brachmonat; Juni', alieg. geskerez 'Brachmonat', Normandie, Pikardie gakiere) • Das REW schreibt: «wohl gallisch». Alessio deutet das Wort als lateinisch *cascäria von lat. cascus '(ur)alt' «in contrapposto a *noväria 'novale', presupposto dal sie. nuara 'orto' [...] top. sie., piem. Novara» (Alessio 1976:195). Anreiter (1992: 554) schreibt, daß das Wort sich aus —> *gansko ['Pflug'] + -aria zusammensetzen könnte. Zu Alessio wäre folgendes zu sagen: Die eigentlich formal logische Erklärung scheitert vor allem an der sprachgeographischen Situation (der Typ novaria wäre in einem völlig anderen Gebiet als cascaria zu Hause). Semantisch ist der Vorschlag aber denkbar, solange man annimmt, daß cascarius zunächst zu 'alt' verblaßte, 113 denn eine besondere Betonung des «Uralten» scheint mir nicht nachvollziehbar. Für gallischen Einfluß sprächen dagegen auf jeden Fall der Sinnbezirk und die Endung -äria. Das von Anreiter konstruierte Etymon stellt in dieser Hinsicht formal kein 113
Man beachte die Einträge unter REW 9293 «vetustus 'alt'»: bol. bdost 'Brachfeld', log. terra bedusta 'Acker, der im Vorjahr bebaut war'.
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Problem dar (cf. ir. gesca 'Ast'). Weniger leicht zu erklären ist die semantische Motivation. Warum sollen ausgerechnet Pflüge mit der Bezeichnung für Äste benannt werden, wo es doch auch andere Gerätschaften aus Ästen resp. Holz gab? Somit ist dem lateinischen Ansatz der Vorzug zu geben. *garrika 'Steppe' Gamillscheg 1921:505
okz. und fr. (aokz. garriga 'Steppe', afr.jarrie 'dito', angev. jarrie 'Busch von Schößlingen', Poitevin jarige 'schlechter, unbebauter Boden') • Für genuine Keltizität fehlen entsprechende Indikatoren. Das sprachgeographische Bild und das Suffix können jedoch auf Diagallizität hinweisen. Die punktuelle Verbreitung spricht für Entlehnungen in loco. Es scheint mir fragwürdig, angev. jarrie 'Busch von Schößlingen' hierher zu stellen. *garun(n)a / *gerun(n)a (> *gerundä) 'Kranich' H54:14ss.
sp. (nur montan, guarena 'praderia en la que abundan los regatos ο las fuentes' und salmant. guarena 'ribera, arroyo; charca, cahozo, prado en que abundan los regatos y cahozos'), okz. (gask. garouno 'cours d'eau', Var Vaucluse garouno 'canal de dessechement') - als Toponym noch wesentlicher weiter verbreitet, sogar bis nach Oberitalien (e.g. Mare Gerundo) • Zur Bedeutung schreibt Hubschmid: «Bisweilen mag die Benennung erfolgt sein nach wirklichen Kranichen am Flusse, bisweilen nach dämonischen Wesen in Kranichgestalt, die man sich im Fluß hausend dachte» (—> *draköne, —> *bebro). Doch woher nimmt er die Gewißheit, daß es sich um ein keltisches Wort handelt? Es ist sicher nicht (dia)gallisch und daher aus unseren Analysen auszuschließen, doch auch das Keltiberische muß in Anbetracht der engen Verbreitung nicht unbedingt Gebersprache gewesen sein. Unter Umständen ist auf ein Lemma *garunna ganz zu verzichten und die Formenreihe zu —» *uar- zu stellen. *gelamo- 'gelb' FEW XXI: 481
nur dauph. dzelme 'Eigelb' und *gelimo 'Garben' FEW XXII,2:48
nur mittellat. 177
und gelisia '[Pflanzenart]' FEW XXI: 107s.; KB 421
nur beam, gelise 'genet des teinturiers', bearn. gelise 'genetiere' • «Aus gall. *gelamos 'gelb'?» fragt das FEW. In der Tat weist die lautlich-semantische Verbindung zu kymr. gell 'gelb' darauf hin. Auch die Endung -isia ist vielen gallischen (und diagallischen) Etyma eigen. Der Sachbereich ist typisch für ein vorrömisches/gallisches Wort. Das Lemma kann als genuiner Keltizismus gewertet werden. gelima 'Garben' (—> *gelamo) *geniska 'Hexe' REW 3732b; Anreiter 1992:565; FEW III: 66s.
fr. (nur afr. genesche 'Hexe', afr. geneschier 'Hexenmeister' und lothr. snah 'id.') - äußerst spärlich und geographisch sehr beschränkt belegt • Im Gegensatz zur Keltizismus-These des REW hält Anreiter (1992:565) als Ausgangspunkt für die romanischen Formen ein *Dianisca am wahrscheinlichsten, «von Diana, der ursprünglichen Göttin der Jagd und des Mondes, später besonders des Waldes [...] cf. apr. jana 'Alpdruck, Alptraum', atoskan. jana 'strega', sard, jana 'Fee'; Hexe', astur, xana 'Quellgeist, Nymphe', asp. jana 'Fee', rum. ζίηά 'Fee' u. a.»
Diesem Vorschlag, den auch das FEW schon unterbreitete, wird hier der Vorzug gegeben, schließlich dürfte auch das Simplex afr. gene auf Diana zurückgehen. *gerb- 'Gras; Rasen' Jud 1937b: 273s.
okz. (e. g. gerb 'herbe, gazon'), oberit. (Typ zerp, e. g. frl., und Typ dzerb, zwischen Adda und Tessin),114 tosk. (nur Norden) - durch fast ganz Oberitalien bis nach Südfrankreich belegbar • Die Formen können aus lautlichen Gründen nicht auf lat. herba zurückgehen, sondern sind wohl auf ein urverwandtes vorrömisches (diagallisches) Etymon zurückzuführen oder (eher?) zu —> *geruo/*garuo 'rauh' zu stellen. *gerg- (vorröm.) '[eine Pflanze]; Wicke' REW3686; H50:25ss.; Gsell 1997:139 ann. 13; FEWXXI: 142ss.; KB 16; KB 810; KB 1699; Pirona 1935:1307 114
Gehört hierher auch lomb. gerb, zerb 'sodaglia, terreno sterile' (Biondelli 1853:67)?
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kat., okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (fr. gerzeau 'Kornrade', afr. jargerie, jarzerie 'Taumellolch', aost. dardillon 'terre-noix'), piem. (garojta 'Lathyrus sativus; cicerchia'), ates. (e.g. gadertal. serjo 'Ackerunkraut', oberfass, jerjen 'das dürre Unkraut, das auf dem Felde zusammengeharkt worden ist und verbrannt wird'), cad. (Comelico derdin 'polygonum aviculare'), frl. (zerzi 'specie di gramigna') - in Frankreich und Katalonien weit verbreitet, in Oberitalien nur sporadisch vertreten • Nach Hubschmid (1950d: 291) ist auch fr. gerzeau 'Kornrade' hierherzustellen, welches Bloch/Wartburg als Fortsetzer von vorröm. *gargellum sehen, dessen Verwandtschaft zum Stamm *gerg- wiederum nicht klar ist (cf. Hubschmid 1950a: 29). Die Verknüpfung zwischen den transalpinen und den cisalpinen Formen sowie deren letztendliche Herkunft sind völlig ungeklärt, so daß nicht einmal als gesichert gelten kann, daß die cisalpinen Formen auf gallische Übertragung zurückgehen. Darüber hinaus stellen sich zahlreiche lautliche und zum Teil semantische Probleme. *geruo-/*garuo- 'rauh' DRG VII: 96; FEWIV:125; Hubschmied ALF 1600; AIS 1267; AIS 1417
1939:221;
Biondelli
1853:67;
okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. Noasca dzqrp 'jachere', Nice gerb 'terrain inculte', aokz. agerbatjar 'faire paitre', awald. gerbar 'gazonnner'), piem. (e. g. gerb 'luogo incolto'), lig. (gen. zerbo 'piota, luogo erboso'), lomb. (ggrb 'herb'), ven. {garbo 'herb'), bdr. (obw. gherb, gerp 'herb (vom Geschmack), unreif (von Heu)', aeng. gerbezza 'Schärfe, Herbheit'), frl. (grap 'herb'), nordwesttosk. - ist überwiegend im Okz. und Frpr. belegt; die romanischen Tochterformen dienen nicht nur zur Bezeichnung für 'rauh, herb', sondern beidseits der Alpen auch für 'Brachfeld' • Im REW konnte ich das Wort nicht ausfindig machen. Eventuell besteht ein direkter Zusammenhang zum Stichwort —> *geuero 'Kaltes; Frostiges; Winterliches'. In semantischer Hinsicht liegen keine unüberwindbaren Probleme vor. Die lautlichen Hindernisse lassen sich überwinden, wenn man statt bloßer Metathese an Einfluß durch das semantisch nahe —> *maruo- 'starr vor Kälte' denkt (auch hier wechseln ja a ~ e). Man beachte auch, daß —» *gerb- sich für viele der hier aufgelisteten Formen als Etymon anbietet. Auch Gallizität wird auf jeden Fall durch ir. garb 'rauh', bret. garo, garv 'apre, rude, raboteux' signalisiert. Trotz der Gleichheit der Formen ist beim 'Brachfeld' eher von «In-loco-Lehnwörtern» auszugehen. *geuero-/*giuero- (vorlat., spätgall.) 'Winterliches' JUH38:130; CM57b: 191; FEW IV: 129s.; JP48:255; LEI0; DECLC IV:444ss.
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kat. {gebre, gebra), okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. mfr. joivre 'givre', nfr. givre 'gelee blanche qui se forme sur les arbres, etc., par les nuits froides d'automne ou de printemps', Frcomt. gevrigni 'couvert de givre', Lyon jitrio 'givre'), piem. (nur V-Sesia dzevru 'reif und Novellara dzävra 'dito'), lomb. (nur V-Antr. dzgvar 'gefrieren'), emil. (nur Modena giavra 'bufera'), kors. (givru 'brina') - der -e-Typus wird im Bourg., Champ., Lothr., vereinzelt im Okz. und im größten Teil des Frpr. sowie im Oberitalienischen fortgesetzt, der -F-Typus im übrigen Südfrankreich • Coromines schreibt «probablement celtic». Das F E W stimmt mit Hubschmied überein, daß das Wort einmal gallisch war, der eigentliche Ursprung aber doch in einer anderen Substratsprache zu suchen sei. Es handelt sich dann um einen Diakeltizismus. Ein gewisser Zusammenhang mit *geru- scheint mir nicht unwahrscheinlich. Handelt es sich einfach um eine metathetische Form? Lautliche Bedenken zu der angegebenen Etymologie von *geuero- äußert Pokorny (1948/1949:255), doch weiß auch er keine bessere Erklärung vorzustellen. *glasina 'Heidelbeere' (-» *glas(t)-) *glas(t)-: glastum (1) 'Waid'; (2) ""Heidelbeere' REW 3779b; EWDII:64; Stampa 1937:81ss.; FEW IV: 150; AIS 613; AIS 614; ASLEF612; ASLEF613; D20:259; Sganzini 1933-1934; Bertoldi 1924/1925; LEI 0; Pellegrini 1976; Thurneysen 1946:96
okz. (nur Languedoc glas 'bleu pale), lomb. (e. g. puschl. glazon 'mirtillo', bresc. glasu. 'bache di mirtillo'), tess. (sistron, güstrün), trent. (e. g. judik. glastin / glastoni), ven. (e. g. Belluno), ates. (gadertal. castrün, buch.), cad. (amp.) und *glasina 'Heidelbeere' REW 3779a; TB 161; EWDIII: 110s.; Prati 1968:75; LEI0
fr. (nur Loire-Inferieure glezin 'clupea sardina'), bresc., ven. (im ganzen Veneto außer Venedig; e. g. trevis. bell, giäfena, gäzine), ates. (gadertal. castrün, dlasenes; glezenies), cad. (e. g. amp.), frl. (glasine, -ime, -igne 'mirtillo nero'), tirol. und *lustera 'Heidelbeere' REW 9692; TB 189; J26: 332ss.
frpr. (lutra, lostra, lusra, lutra), aost., piem. und *uolostra / *uolostrone 'Heidelbeere' REW 9433a; Fare 9433a (verweist auf 3779b); TB 266
tess. (güstrun, sistrun) • Es gibt keine direkten semantischen Entsprechungen im Inselkelti180
sehen, man vergleiche aber ir. glaisin 'Waid', air. glass 'blue, green'. Darüber hinaus wird das Wort bei Plinius (XXII,2) gallisch genannt. Die vier oben genannten, in der Literatur zu findenden Etyma sind bereits an anderer Stelle zusammengebracht worden (cf. Grzega 1997b: 71ss.). Diese Zusammenstellung soll im folgenden noch einmal kurz in Augenschein genommen werden. Aus lautlichen Gründen (die jedoch nicht ganz überzeugen) lehnt Bolelli ein Etymon glast-, das den Wechsel zwischen stimmlosem und stimmhaftem s nicht erklären könne, ab und setzt für die Vorstufe von *glasina ein germanisches Etymon *gläsa ~ *gläza 'Glanz; Glänzendes' an, welches dann - wie andere Farbadjektive (e.g. *blank-) - ins Romanische entlehnt worden wäre. Semantisch ist der Ansatz nicht unvernünftig, ist es doch ein Merkmal der Heidelbeere, daß sie, wenn man sie abreibt, glänzend wird (ähnlich wie die Pflaume). Es fällt bei dem sicherlich kelt. glast-um 'Waid' von kelt. glast- 'grünblau' auch auf, daß im Lateinischen eine Bedeutung 'Heidelbeere' gar nicht zu belegen ist. Doch kann ein germ. *gläsa ins Vorlateinische, also Gallische, entlehnt und dann mit dem keltischen Farbadjektiv glast- gekreuzt worden sein - zumindest in Oberitalien, wo Tochterformen von glastum in der Bedeutung 'Heidelbeere' auftauchen. Zur Deutung einiger Formen: Im Gadertal hätte * glastum wohl eine Form *dlast oder *dlaf (wenn gall, -st- > spätgall. -/-) geben müssen. Das Wort ist laut Kramer mit der Bezeichnung des Hammels gekreuzt worden. Doch welches wäre die semantische Motivation? Der Suffixwechsel, wie er auch in den tessinischen Formen zu belegen ist, ließe sich auch keltologisch erklären (cf. sub). Unter dem Stichwort lustera schreibt das REW: «Die Formen mit /' [ergo Ä] sind nicht erklärt.» Für mich erklären sie sich jedoch leichter als die Formen mit /. Meiner Ansicht nach ist es nicht nötig, ein eigenes Lemma *lustera zu konstruieren. Man kann auch hier von einer Basis glast- ausgehen. Für den Initiallaut ist dann eine Zwischenstufe *gÄ(vor keltischem palatalen a) anzusetzen, die sich dann im Veneto über *dÄ > *di zu dz- (und evtl. zu ζ > s > s wie im Tessinischen) weiter entwickelt hätte (cf. supra), in Savoyen dagegen zu A- (und schließlich wieder zu / — weil dann vor velarem a - entpalatalisiert). Anreiter (1992:660) weist zwar auf kymr. llus 'Heidelbeere' [!] und abret. lus 'dito' [!] hin, deren Herkunft ist jedoch unsicher; zu Juds Etymon für sav. loutra 'Preiselbeere', nämlich *lust- + kelt. Suffix -Vra, schreibt er: «Diese Rekonstruktion erscheint mir vertretbar, nicht akzeptabel finde ich hingegen die Herleitung gewisser tessin. Formen [...] aus *volostra (über *gwostra und *glostra bzw. Überführung in den «-Stamm *gloströne). Auf den ähnlichen Lautwandel von initialem *v- im Kymrischen kann hier meiner Meinung nach kaum rekurriert werden» (Anreiter 1992:660).
So sind wir bei der Klärung des vierten angesetzten Etymons angelangt.
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Ich teile Anreiters Ansicht, denn die tessinischen Formen güstrun, sistrun ('Heidelbeere', 'Preiselbeere') lassen sich doch ebenso gut wie güstrün, sistron (alle im R E W unter Nos. 3779b und 9433a verzeichnet) von *glast- nach dem vorgestellten Muster ableiten. Auch Sganzini (1934:282) sieht hier wenig Probleme und geht dabei auch auf den Typ magüstron ein, «un incrocio secondario con magostra 'fragola'.» 1 1 5 Aus synchroner und areallinguistischer Sicht scheint es sinnvoll, von zwei Formen auszugehen: glast- 'Heidelbeere' und einer jüngeren, /vokalisierten und mit r-Suffix versehenen Form giastr- 'Heidelbeere', (cf. außerdem —> *ätro-, —» *brüna und zum Typ sistron das Lemma —> *maiostä) glennäre 'Ähren lesen' REW3784; TB 163; FEWIV: 152ss.; PYL94: 195; Fleuriot 1978a:328; Weinrich 1975; Meier 1986: 74ss.; D20:259; H60:145s.; DECLC IV: 524s.; Ernout/ Meillet 1967:276
kat. (glenya 'Bündel Ähren'), okz. und fr. mit frpr. (Typ glaner/glener) auf einem weitem Gebiet der Transalpina einschließlich des Kat., aber ausschließlich des Gask. verbreitet • Meines Erachtens sind die Existenz der inselkeltischen Formen (cf. air. glenn 'choisir, amasser', digleinn 'er liest aus') sowie der Sinnbezirk für die Annahme eines gallischen Etymons durchaus ausreichend. Doch Weinrich (1975), der auch einen ausführlichen Überblick zur Forschungsgeschichte gibt, weist auf mit glaner zusammenhängende Formen der Bedeutung 'Büschel, Bündel, Handvoll' hin (cf. nfr. glane 'groupe d'oignons attaches autour d'un baton, de petites poires rangees autour d'une branche etc.', frcomt. glaine '2 petits poissons pris ensemble ä la ligne; moissine de raisins' etc.) sowie solche der Bedeutung 'glisser'; diese ließen sich seines Erachtens schlecht mit 'Ährenlese, Ährenbüschel' als Ausgangsbedeutung verbinden. Er schlägt daher ein lat. *colliginare 'sammeln' als Etymon vor, mit Anlautsonorisierung von synkopiertem c'l, welches gelegentlich in Anlautsilben auftaucht, bei denen der Vokal von einem Liquid gefolgt wird (cf. auch Meier 1986:74ss.). Der Bedeutungswandel von allgemeinem 'sammeln' zu 'Ähren lesen' wäre nicht ungewöhnlich. Man vergleiche lat. ponere 'setzen, stellen, legen' zu fr. pondre 'Eier legen', lat. trahere 'ziehen' zu fr. traire 'melken'. Allerdings läßt sich fragen, ob zwei sporadisch auftauchende Lautwandel - auch wenn Meier und seine Schüler behaupten, diese seien ungeahnt häufig - über die gesamte Transalpina Lexeme der Bedeutung 115
Nicht ganz auszuschließen ist die Möglichkeit, daß die lexalischen Typen magüstron und magostra (—»*maiosta) auf den gleichen Ursprung, *mag-, zurückgehen, später aber die vermeintliche Vorsilbe ma- bei ersterem fiel, damit dieser Typ besser vom zweiten unterschieden werden konnte.
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'Ähren lesen' bilden können. Ich zweifle nicht daran, daß sporadisch auftauchende Formen, wie sie Weinrich aufzählt, auf sporadische Lautwandel von *colliginare zurückgehen können. Was die Formen der Bedeutung 'Ähren lesen' betrifft, scheint jedoch die Annahme des gallischen Etymons nach wie vor überzeugender. Die Tochterformen sind einheitlich und scheinen daher vielfach gewandert zu sein. *gEsa/*glesa 'weiß; glänzend' REW3788; TB 164; FEW IV: 156; PYL94:194
okz. (gleza 'Tonerde'), fr. (glaise, glise 'Tonerde') - taucht fleckenartig in verschiedenen Gebieten Frankreichs auf (ohne Frpr.); ähnlich wie bei anderen Lemmata (—»*geuero/*gTuero) gibt es auch hier zu postulierende Schwankungen zwischen -e- und -f-, wobei zweiteres hauptsächlich im Westen, insbesondere in der Normandie zu finden ist • Bei Plinius wird gliso-marga '[Art Mergel]' als typisch gallisch bezeichnet. Die romanischen Lexeme sind evtl. «gestutzte» glisomargaFormen (—» *margä). Die dargelegten Schwankungen im Vokalismus zeigen, daß teilweise Wanderwörter, teilweise In-loco-Entlehnungen vorliegen. ?*glousa 'Treibsand' FEW XXI: 31
nfr. glouze 'affaissement dans un banc de sable', nokz. gouso 'dito' • Soll ausgerechnet ein gallisches Wort im sog. Standard erhalten bleiben und in den Mundarten untergehen? Die vom FEW hergestellte Verbindung mit ir. glüaisum Ί go, pass, move' überzeugt mich daher nicht ganz. Der Worttyp kann wohl nur mit Vorbehalt dem gallischen Substrat zugerechnet werden. *gobbo- 'Schnabel, Mund' FEW IV: 177ss.; REW3814; KB 731; PYL94:195; D20:260
okz. und fr. mit frpr. (e. g. afr. gobet 'bissen, stück', afr. gobelet 'becher, trinkgefaß', nfr. gobeletier 'glaswarenhändler', nfr. gobelot 'kneipe', gobette 'kleine weinration für gefängnisinsassen' afr. soi gober 'sich rühmen', nfr. goberger 'es sich gut gehen lassen', fr.-frpr. gober 'gierig herunterschlucken', fr.-frpr. degobiller 'sich übergeben, erbrechen', lang, digoubi'a 'jaser', sav. göbä 'etre attrape' etc.) - zahlreiche Bedeutungsentwicklungen: 'sich rühmen', 'schnappen', 'sich erbrechen', 'Bissen, Stück', 'Lumpen', 'Rasenscholle', 'Trinkgefäß' • Das Wort ist gallisch; darauf weisen die Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. ir. gop 'id.') und die Sprachgeographie hin. Die einzelnen 183
Bedeutungen können sehr wohl unabhängig voneinander entstanden und dann gewandert sein. *gor- 'sehr heiß' H60:143 iberorom. (e. g. asp. engorar 'incubar los huevos', port, gorar 'no hacer polluelo'), sonst nur St.-Pierre a buono goro de soulei 'en plein soleil tres ardent' • Die isolierte Form aus dem Perigord (St.-Pierre) entstammt möglicherweise dem Iberoromanischen. Die These der keltischen Herkunft des Wortes wird durch kymr. gori 'incubar', bret. gor 'Hitze' gestützt. *gormo- 'das Hervorstechende' FEW XXII,2:50
Michery, Plessis-St-Jean gorme 'chaume, pied des cereales laissees en terre apres la moisson', Mäcon gorme 'gros bout des tiges coupees de ble, d'avoine, d'orge', Tournus gorm 'base de la paille coupee', Reyssouze, Ain, Robert-Juret, Vaux, Vers., Lant. • Aufgrund der fehlenden Entsprechungen im Inselkeltischen ist die genuin keltische Herkunft des Wortes nicht gesichert. Das Verbreitungsgebiet kann darüber hinaus nicht als groß genug angesehen werden, um keltische Vermittlung anzunehmen. Das Wort muß von den nachfolgenden Analysen ausgeschlossen bleiben. *gortia 'Hecke' REW3823; TB 166; FEWIV:200; FEWIV:200s.; Bertoldi D20:260; LEI0
1933:335ss.;
okz. und fr. (agask., Centre gorse 'Kastanienwald', Creuse saotängQrss 'Geißblatt'), frpr. (nur abress.), lomb. (e.g. gorz 'siepe > erica', emil. gorzola 'erica'), ven. (abellun. gorz 'sassaja, riparo di sassi', nördlichzentral gorz 'grande cesta che si mette sul carro, tolte le scale, per portare sassi, concime ecc.; benna'), cad. - abgeleitete Toponyme finden sich im nördlichen Südfrankreich, Appellativa sind heute beschränkt auf Saintognes, Limousin, Perigord, Marche, Auvergne und die Lombardei • Eine inselkeltische Entsprechung findet sich in dem irischen Suffix -gort 'enclos'. Zur Deutung des semantischen Wandels von 'Hecke' zu 'Heidekraut' gibt Bertoldi Parallelbeispiele (e.g. it. madreseha). Es ist schwer zu entscheiden, ob es sich um Wanderwörter oder direkte Entlehnungen handelt. Wie erklären sich die Bedeutungen der venezischen Formen?
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*grennos (< *grannos) 'Haar, Bart' REW3862; TB168; AIS 115; FEWIV:267s.; KB860; PYL94:195; D20:261; H60:143; Mäfera 1971/72:76 pg. (agaliz. grefion 'Bart', apg. grenhon), sp. (> pg., siz.), okz. und fr. (e. g. aokz. gren 'moustache', Cantal grinia 'Kinn', afr. grenon 'bart der Oberlippe und des kinns'), piem. (Canavese gernun 'Kinn', AIS P. 146 [Montanaro], 144 [Corio], 131 [Noasca] garniti) 'Kinn'), ven. (gesamtven., e.g. ven. veron. grana 'Schnurrbart', veron. sgrendenon 'zerzausen'), bdr. (cf. sub), frl. (e. g. sgrendenä 'zerzausen'), tosk., siz. (ingrignari 'accapigliarsi') - auch Teil mancher französischer Ortsnamen • Durch air. grend 'Bart' etc. dürfte gallische Herkunft gesichert sein. Hierher gehören wohl auch AIS 115, P. 17 [Lenz/Lantsch] und P. 25 [Reams/Rion] bdr. gron 'Kinn'. Der Sinnbezirk läßt Wortwanderungen erwarten (etwa innerhalb Piemonts, innerhalb Ostoberitaliens), doch muß es bei Augenschein der Formen auch In-loco-Entlehnungen gegeben haben. *grika 'Schlehe' (—»brücus) ?*grizuano 'kalt, kahl, rauh' Hubschmied 1939:221; Stampa 1937:148; DEI III: 1867 ?cad. (amp. grebano 'scabrositä, accidentalitä di terreno'), frl. (greban 'greppo, dirupo'), lomb. (nur veltl. sgreben 'campo magro e sterile') etc. • Es fehlen Entsprechungen in den übrigen keltischen Mundarten. Ebenso fehlen Belege bei den antiken Autoren. Auch die Verbreitung spricht eher für anderweitige Herkunft. Evtl. paläovenetische Herkunft? Im R E W (N° 3857) findet sich das slovenische Lemma greben 'Fels', unter welches Meyer-Lübke die Formen venezian. veron. gribano 'Absturz', bresc. greben 'Felsen' (PL), borm. zgreben 'Geröll', Val-Blen. grebel 'Heide' und gen. gribanu 'ungehobelter Mensch' sowie it. grebiccio 'unfruchtbares, sandiges Erdreich' reiht (letztetes führt das D E I aber auf eine mediterrane Wurzel *graba-/*greba- 'roccia, parete scoscesa' zurück). Einige dieser Wörter ließen sich auch hier einreihen. Oder sind alle hier im Eintrag genannten Wortformen der vorrömischen Wurzel krapp- 'Stein' (cf. R E W 4759) zuzuschlagen? *grodare (gall.?) 'brüten' FEW IV: 270s.; Meier 1980:193ss. okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (e.g. Typ grou(v)er), dann auch Typ agrouer/acrouer 'accroupir') - lebt im südlichen fr. und fast im gesamten okz. Sprachgebiet weiter; das Wort taucht vereinzelt in der Bedeutung 'wimmeln' auf 185
• Sind die angeführten romanischen Formen mit kymr. gori 'brüten' (< kelt. *gritu- 'Hitze') verwandt? Schon Wartburg bemerkt, daß sich in den modernen Formen keine Fortsetzer von einem keltischen -t- finden. Formen wie mfr. acroud 'accroupir' (das FEW nimmt Einfluß von accroupir an), B-Rhöne s'agrouche (woher -s-7), Alais grouge etc. (-gvon *grodiare1) bereiten Probleme. Auch semantisch sind nach Meier einige Formen mit sekundären Entwicklungen schlecht zu verbinden (i. e. insbesondere 'wimmeln', aber auch 'paresser', 'tarder', 'grand nombre', 'petite charrue', 'ecraser', 'ramasser' etc.), wobei ich allerdings nicht sehe, warum ein Wandel 'brüten' zu 'sich niederhocken' «höchst problematisch» (Meier 1980:194) sein soll; man vergleiche (Fricke 1975:138ss.). Meier schlägt jedenfalls als Ausgangsbasis lat. rota(re), vielmehr *corrota(re), vor und bringt als semantische Parallelbeispiele Formen aus den einzelnen Lemmata der Familie von rota. Lautlich deutet er zunächst die beiden Typen grouer und grouler als Reflexe von *corrotare und *corrotulare; beim Typus mit -er- hat sich einfach die nicht-sonorisierte Form erhalten; -/- und -g- erklären sich aus einer Nebenform *corroticare heraus. «Nur die schon von von Wartburg erwähnte Schwierigkeit des Schwundes des -t- von * c o r r o t a r e auch in einigen der Mundarten bleibt einstweilen bestehen» (Meier 1980:197). Insgesamt überzeugt Meier hier besser als die Vertreter der gallischen Hypothese, trotz der zugegebenermaßen etwas hohen Anzahl an vorauszusetzenden Ausnahmen auf einem verhältnismäßig großen Gebiet; somit scheidet das Lemma als Keltizismus aus, bis bessere Keltizitätsindizien gefunden sind. gunna (vorröm.) 'Pelz (> Pelzrock)' FEW IV: 325ss.; EWDIII:413; REW3919; TB 170; Dottin 1920:261
okz. und fr. (> iberorom.) mit frpr. incl. aost. (Typen gönne und gonnelle 'esp. de manteau [d'homme, de femme, d'enfant]', daneben aucn andere Suffigierungen), lomb. (e. g. alomb. gunela), trent. (gonela 'gabbanella'), ven. (e.g. bellun. gonel 'gonnellina'), ates. (Typ gonela 'kleiner Rock; Unterrock", tosk. (alucch. conella), kors., abruzz. • Das REW gibt eigenartigerweise keine Belege zum cisalpinen Gebiet. Für das FEW ist das Wort keinesfalls gallisch, für Bolelli aber auf jeden Fall indogermanisch. Die Verbreitung spricht für diagallische Herkunft. Es dürfte sich angesichts des Sinnbezirkes um ein Wanderwort handeln. Die italienischen Formen können gut aus dem Französischen/Okzitanischen entlehnt sein (wie auch die iberoromanischen Fortsetzer). Das FEW stellt auch zahlreiche unteritalienische Formen, die mit un-, bun-, oder mun- beginnen, hierher. Dies scheint mir aber lautlich nicht schlüssig.
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*iesmenom- (gall.?) 'Treber' REW 3734a; TB 159; FEW Y: 34s.
frpr. (zahlreich belegt, Typ genne 'marc de raisins'), fr. (nur afr. gein 'marc de raisins', mfr. genne 'dito') • Bolelli merkt an, daß jeglicher Anknüpfungspunkt zum Keltischen fehle. Zwar tauchen Keltizismen im Frankoprovenzalischen zahlreich auf, doch kann es sich bei einem derartigen Verbreitungsgebiet um ein alpines Reliktwort handeln. Das Wort kann nicht als Keltizismus angesehen werden. *iesta (> *iefa) 'Schaum' FEW V: 35; Jud 1924:204s.
okz., frpr. (e.g. Wallis dze 'ecume de lait', Varennes jime 'Weinmost; Stammwürze des Bieres') - in zwei getrennten Gebieten erhalten: (1) Frpr. und Franche-Comte, (2) Westfr. • Das Wort ist mit kymr. ias 'Aufkochen' verwandt, welches auf ein ursprüngliches *iesta hinweist. Der Wandel -st- > -/- im Spät gallischen ist nicht ungewöhnlich; in den an das Frankoprovenzalische angrenzenden Gebieten finden sich etliche Belege des Typs jume, welchen Hubschmied als Kreuzung zwischen lat.-rom. *espuma (cf. —> crama) und gall. *iefa erklärt. Bei Wörtern des vorliegenden Sinnbezirks kann man von In-loco-Entlehnungen ausgehen. *iollos (gall.?) '[Fisch]' REW 4590a; TB 171; FEW V: 63
nur Garf, Herault jol 'gobo fluviatilis', Genf δοΐά 'jeune coregonus fera', jolerie 'petite perche', Lavaux joulleri 'fretin', St-Gingolph dzolä • Das REW schreibt: «Wohl gall.». Doch es handelt sich angesichts der Verbreitung und fehlender Parallelen in den übrigen keltischen Sprachen wohl eher um ein nicht-gallisches Wort. Auch Wartburg schreibt: «Ein gall. *jollos [...] wird nirgends gerechtfertigt.» Gemäß Anreiter (1992:611) ist das Lexem griechischen Ursprungs (gr. 'ίούλος). *iorkos 'Reh' REW 9678; TB 172; FEWV:50; D20:263; DECLC III: 258ss.
kat. (eixorc 'unfruchtbar'), okz. (e.g. Languedoc jhor 'gaule', Herault Palavas jorca 'plie qui a jete son frai', Puiss. jorgo 'prostituee'; okz. eisorc 'unfruchtbar') - lebt im Kat. und zentralen Okz. • Das Lemma ist zu bret. yorc'h 'unfruchtbar' und anderen zu stellen und vermutlich vor Ort entlehnt worden. Wie kommt es zur Bedeutung 'gaule; lange Stange, Angelstock' im Languedoc? Der katalanische187
okzitanische Typ eisorc 'unfruchtbar' wird von Coromines zu einem Etymon *exorcos gestellt, dessen Ursprung unbekannt ist, aber welches Ähnlichkeiten mit indogermanischen Bezeichnungen für die männlichen Hoden aufzeige (i. e. Tochterformen der Wurzel *orgh-). *iougä 'Stechginster' REW4579; FEW V: 51
okz. und fr. (ganz vereinzelte und verstreute Belege: Land, yäoga 'ulex europaeus', Medoc, Gir., Toulouse, Gaskogne) • Wegen fehlender innerkeltischer Verankerung und fehlender Zuordnung bei den antiken Autoren wird das Wort zwar nicht genuin keltisch sein, kann aber sehr wohl in loco über das Gallische vermittelt worden sein. (cf. gleichbedeutendes —> *akstino-) *iua / *iuos '(1) Schafgarbe; (2) Eibe, taxus baccata' REW4559; REW4560; Fare 4560; TB 173; FEWIV:826; PYL94:195; D20:263; Bertoldi 1928:155ss.; LEI0; Kühebacher 1971:70; DEI 111:2130
okz. und fr. einschließlich frpr. (e. g. fr. ive 'Günsel' [> pg., sp., it. iva], nfr. if' Eibe', Grenoble i 'dito', nam. ζ//'dito', Indre-Loire riif' dito', okz. lieu 'dito', Cantal ibe, St-Germain bwee-d'i 'thuya', Blon. qsq 'taxus baccata'), piem. {if, lif 'Eibe'), ven. (iva 'erba perenne'), istr., bdr., tosk. (nur Florenz), tirol. - das Etymon lebt sowohl in der Transalpina bis auf den Südosten (wo heute entlehntes if vorkommt) fort als auch im Piemontesischen und Bündnerischen • Die beiden Etyma werden vom REW diachron zusammengebracht. Verwandte Formen sind etwa in ir. eo, kymr. yw 'id.' zu sehen. Von den Inselkelten wurde zur Konstruktion von Scheidewänden in Häusern Eibe verwendet. Für die romanischen Formen wird letztendlich von einem Stamm *iu- auszugehen sein, der dann unterschiedliches Genus, meist Maskulinum, entwickelt hat. Angesichts der Formen und des Sinnbezirkes steht zu vermuten, daß hier gelegentlich Wortwanderungen stattgefunden haben, wobei verschiedentlich unbestimmter und bestimmter Artikel sekundär agglutiniert worden sein. Die Variation im Stamminneren und am Stammende läßt aber auch auf einen nicht geringen Anteil von In-loco-Entlehnungen schließen. iuppos (gall.?) 'Wacholder' REW 4628a; Fare 4628a; TB 175; Stampa 1937:64; AIS 581; AIS 599; D20:263; Kühebacher 1971:70
alpinlomb. (nur veltl. giüp, giub), tess. (jüp, gip, giub), bdr. (in ganz Romanischbünden: e. g. untereng. giok 'Alpenrose', Schleins/Tschlin yyk
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'Wachholder', obereng. giop 'Wacholder'), kalabr. {goppinu 'specie di ginepro fenicio'), schwdt., tirol. • Das Wort ist zum ersten Mal belegt bei Dioscorides (1,103) in der Form ιουπικέλλους. Das Aufkommen des finalen -k für -p in einigen bündnerromanischen Formen ist nicht selten (cf. auch flak neben flap). Bei der unterengadinischen Form muß man allerdings aufgrund der Bedeutung fragen, ob diese Form überhaupt hierherzustellen ist. Die gallische Herkunft wird von niemanden bestritten, kann aber auch von niemandem untermauert werden. Laut Bolelli war das Wort wohl ursprünglich ligurisch, bevor es eventuell ins Gallische kam; im heutigen sog. ligurischen Mundartgebiet gibt es jedoch keine Fortsetzer mehr. Die vorliegende Verbreitung scheint mir als Gallizitätsindikator nicht zu genügen (man bedenke die dem Kalabrischen eigene Wortformation), auch nicht als Indikator für Diagallizität. (cf. gleichbedeutendes —> *belitio) iuris (gall.?) 'Bergwald' FEWV: 82; Söll 1967:117ss.; H49:105ss.; ALF594; ALF 145; D20:263
frpr. incl. aost. (e. g. aneuch. jour (f.) 'foret', neuch. joux 'foret, surtout foret de montagne', sav. orä Vent d'ouest', Doubs dze 'canton plante de bois', Doubs joux 'montagne boise de sapins, tout bois de resineux epais et sombre') - in zahlreichen Ortsnamen über ganz Frankreich hinweg erhalten, als Appellativum im wesentlichen in der Westschweiz und einer angrenzenden piemontesischen Zone • Die Form aus den Savoyen dürfte aus semantischen Gründen nicht hierher gehören, sondern zu lat. aura. Ist das Wort zu mkymr. ior 'Haupt (< Gipfel?)' zu stellen? Der keltischen These, die von Hubschmied sen. stammt und von seinem Sohn verfochten und ausgebaut wurde - wobei letzterer davon ausgeht, daß das Wort letzten Endes vorindogermanisch sei - , wird in der Fachwelt mehrheitlich zugestimmt. 116 iutta Brühe' REW4636; Alessio 1936:67; Stampa AIS 948; Ernout/Meillet 1967:330
1937:85; FEWV:90ss.; KB 1591;
fr. einschließlich frpr. (e. g. Poitevin joute 'melange de choux, d'orties ou d'autres plantes, et de son, que l'on donne aux oies', awall. jouttes 116
Eine ligurisch-veneto-illyrische Hypothese, die von Muret und später Pokorny vertreten wurde, wird bei Söll (1967:119) zusammengefaßt; Söll selbst spricht sich für die keltische These aus: «Wenn man nun bedenkt, daß die Entwicklung 'Berg' > 'Wald' oder die Kombination 'Berg' + 'Wald' auch sonst bei keltischen Substratwörtern und Substratnamen häufig zu beobachten ist, wird man für die Waldbezeichnung JUR eher die spezifische Sicht der Kelten als das Faktum bewaldeter Berge verantwortlich machen» (Söll 1967:120).
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'legumes', afr. joute 'feuille verte de bette'), lomb. (AIS P. 286 [Bozzolo] zyta 'Abwaschwasser'), emil. (AIS P. 453 [Sologno (Villa Minozzo)] zyta 'Abwaschwasser', Parma 'minestra'), bdr. (gesamt, e. g. aobeng. giuotta 'Gerstensuppe'), frl. (jdta 'sorta di minestra'), kors. (ghjotta 'Spülwassser'), südit. (e. g. kalabr. AIS 948, P. 750 [Verbicaro] a yQtt3 'Abwaschwasser'), tirol. - ist in Italien nur vereinzelt zu belegen, aber auch im Süden (nicht nur Sizilien und Südkalabrien), wie Silvestri (1977) gezeigt hat, und daher hier als nicht spezifisch westromanisch zu werten • Ist das Lemma zu kymr. yot 'Speise', ir. it 'dito' zu stellen? Das REW lehnt dies wegen des doppelten -tt- im Gallischen ab. Doch ist gerade bei der Opposition Geminata vs. einfache Konsonanz Vorsicht vor voreiligen Schlüssen geboten, unsere Kenntnis über das cisalpine Gallisch ist gering. Das Stichwort ist im REW als mlat. ausgezeichnet, das FEW dokumentiert jedoch schon aus dem 6. Jahrhundert ein Substantiv iotta 'Brühe', gallischen Ursprungs. *lakäre (gall.?) 'biegen' FEW V: 132
okz. und fr. (e.g. Toulouse lagä 'ployer', BRhöne lague 'lame de la charrue perfectionnee', Cantal laga Versoir', Moselle liete 'versoir', Tarn s'alaga Verser [du ble]'), emil.-rmgn. (e.g. bol. laega 'piegaia, lo spazio vuoto lasciato dalla fetta rivoltata dall'aratro, e che corre fra il terreno ancor sodo e quello giä mosso; solco, e lo spazio vuoto lasciato fra due fette di terra smossa e rovesciate dall'aratro', mant. laga 'la terra capovolta dal vomero nel fare il solco', ferrar. laga 'solco; porca; capezzaggine') - ist in der Transalpina mäßig belegt, und zwar im zentralen und östlichen okz. Sprachgebiet plus anliegenden fr. Gebieten sowie im Departement Moselle; in der Cisalpina sind einige Belege in emilianisch-romagnolischen Dialekten zu verzeichnen • Für das FEW ist das Wort gallisch; es sieht eine Verbindung mit *plek- 'flechten, falten'. Anreiter (1992:617s.) unterstreicht jedoch, daß die Gallizität des Wortes durch nichts gesichert sei, es «unterschreitet [...] eine gewisse Wahrscheinlichkeitsschranke» (Anreiter 1992:618). In der Tat kann die Sprachgeographie hier kein ausschlaggebender Garant sein. Denn gerade in der Emilia-Romagna würde man eher keine Keltizismen erwarten, wenn sie nicht auch im Piemont und in der Lombardei zu finden wären (cf. die Diskussion sub —> *bikos). Woher aber kann dann ein Wort dieser Verbreitung kommen? Da der Typ überwiegend im Süden des Hexagons zu Hause ist, ist an mediterranes Substrat zu denken.
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*lake 'Steinplatte' FEWV: 132s.; FEWXXIII:42
okz. und frpr. incl. aost. (e. g. Courm. Igse 'foyer', aost. lesse 'ardoise epaisse du foyer de la cheminee, ardoise du toit', Praz-de-Fort li 'paroi de rocher'), piem. (e. g. canav. las 'Steinplatte') und lastra (gall.?) 'Steinplatte' EWDIV: 173ss.; FEWV: 196s.; H50:32ss.; H54:32; DEI III: 2170; LE
pg. (galiz.) und sp. (Typ lastra 'Steinplatte'), St-Luc (Schweiz) läfra 'pierre plate qu'on met au fond du bisse', Miege läfra 'dalle', lig. (lastra, arastre 'ginestra spinosa', alig. arastra 'pianta spinosa' hierher?), trent. {lasta 'lastra, lamina, cristallo'), ven. (lastra 'lastra'), bdr. (e.g. eng. lastra 'ofenplatte, Ofenblech'), ates. (Typ lasta 'Steinplatte'), cad. (Typ last(r)a 'Steinplatte'), frl. (lastre), tosk. {lastra 'Steinplatte'), mitteilt, und südit. (< nordit.; Typ lastra 'Fensterscheibe'), siz. (alastra 'ginestra spinosa' hierher?), bask. - in Oberitalien einschließlich «Rätoromania» und auf der iberischen Halbinsel reich bezeugt, vielfach auch in Toponymen • Von inselkeltischen Parallelformen ist auszugehen, wenn das Lemma zu —»löke gehörte. Die Formen mit der Bedeutung 'pianta spinosa' können wohl kaum hierher gehören. Welches wäre die semantische Verknüpfung? Da das Wort, das in einer Reihe von Toponymen auftaucht, meist Steinplatten für den Bau von Kirchen, Fußböden, Straßen etc. verwendet wurde, so das EWD, kann es fallweise zu einer Kreuzung mit lastricare 'pflastern' gekommen sein. «Die entsprechenden mittelund süditalienischen Formen tauchen erst spät auf und sind in der Toponomastik selten; sie sind daher wohl aus dem Norden entlehnt» (Hubschmid 1950a: 33). Es liegt nahe, das Wort als Ableitung zu *lake zu sehen. *laggos 'weich' Gamillscheg 1920:524 (vs. FEW IV: 225 «laxare»)
nordfr. (e. g. afr. delaier 'aufschieben, hinhalten'), nordit., bdr., dolomitenlad., frl. 117 • Gamillscheg lehnt die ihm vorangehenden Erklärungsversuche aus sprachgeographischen und (laut)chronologischen Gründen ab und schlägt vor, die betreffenden Formen zu einem gallischen Etymon zu stellen; die Bedeutungsentwicklung liefe dabei ähnlich ab wie bei lat. laxus 'schlaff zu laxare '(nach)lassen'. Ist am Ende delaier ohnehin zu laxare zu stellen, wie es das FEW tut? Dabei bleiben jedoch lautliche 117
Gamillscheg gibt leider keine konkreten Formen an, an welche er denkt.
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Probleme bestehen, denn ein *de-laxare müßte afr. delaissier ergeben. Somit hätte man sich in der Tat für das gallische Etymon zu entscheiden, welches heute etwa noch in ir. lag 'schwach' fortlebt. *lanka (gall.?) 'Vertiefung im Gelände; Flußbett; lange steile Wiese' FEW V: 151; Hamp 1986a: 253s.; REW4877; H49:34ss.; TB 176; NJ45:172
frpr. (e.g. sav. läjye 'nach unten sich verengernder Felskamin; stark abfallender, schmaler Streifen Landes', sav. läsi 'Gehölz zwischen Felsen oder Abhängen', sav. läts 'pre ou champ de forme etroite et allongee', Genf läOs 'herbe coupee, rätelee, ramassee dans le sens de la longueur du champ, qu'on retourne avant de ramasser'), lomb. (Typ lanka e. g. mail, 'lama, lancuna, luogo basso e paludoso ridutto d'acqua morta, traboccata da vicin flume in occasione di piene'), tess. (e.g. V-Sass. 'anfratto di monte donde spira vento montanino', V-Leventina 'nach einem Regenguß mit Kot und Wasser gefüllte Vertiefung im Straßenbett'), emil. (Typ lanka), schwdt. (lauch 'Bergübergang durch die Lücke eines Felsgrates etc.'), bair., ahd., mhd. - die Nachfolgeformen konzentrieren sich im Frpr. (Ausläufer in adjazenten Gebieten) sowie im Lomb. und dem Emil. • Die zahlreichen Diskussionen, ob gallische, ligurische oder illyrische Herkunft anzusetzen sei, werden von Hamp (1986a: 253s.) im Rahmen der Revision einiger Hubschmidscher Etymologien lapidar kommentiert: «Hubschmid's discussion of this term is now outdated, and the ample Slavic evidence should be integrated. [...] there is no need to reckon this etymon with Alessio, Gerola and Bolelli as a simple 'voce alpina' to pre-Indo-European.» Aber dies reicht nicht aus, um das Wort als keltisch zu erachten. Das Wort ist somit einstweilen nicht als Keltizismus zu werten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht (Ur-)Verwandtschaft zu gall. -> *löke 'steile Grashalde zwischen Felsen' und einem *kal-anka 'Abhang' besteht. *lantäna (gall.?) '[Schlinggewächs]' REW 4895a; Fare 4895a; TB 179; Meyer-Lübke 1928; FEW V: 166
frpr. mit angrenzenden fr. Gebieten (e. g. mfr. lantane 'viburnum lantana', aost. lätäna 'dito', Var lantano 'dito'), lig. (e.g. gen. lantana 'viburnum lantana'), piem. (lata), lomb. (Typ (l)antä; > tosk.), emil. und ven. (Typ (l)antana 'Schneeball [Busch]'), frl. (Typus litana 'specie di frutice'), ?tosk. (lentaggine 'viburnum lantana'), siz. (läntanu 'specie di frutice'), schwdt. • Bolelli weist darauf hin, daß gallische Herkunft aufgrund des sizilianischen Fortsetzers nicht völlig gewährleistet sei. Doch das Wort könnte während des Einflusses des Piemonts im späten Mittelalter nach Sizilien 192
gekommen sein (cf. die Erklärung für *kassanos in FEW 11,1:461, ebenso Lüdtke [1968:8Iss.])? Das FEW propagiert gallischen Ursprung und gibt als Bedeutung des Etymons *lantana 'Schneeball (Busch)' an. Allerdings fehlen sichere innerkeltische Verwandte, und auch das Suffix ist kein Indikator für gallische Herkunft. Ich verweise noch auf Anreiter (1992:635), für den ein Zusammenhang zwischen *lantäna mit dem inselkeltischen Paar *lent-/*lnt- aufgrund dreier Faktoren möglich scheint: «(1) die Abbildung *-n—> -an- (sonst im Gallischen gesichert); (2) den Wortteil -ana (in nicht genuin lateinischen Pflanzennamen nachzuweisen, aber gallische Herkunft nicht gesichert); (3) die Semantik (ursprünglicher Ansatz '*biegsam[e Pflanze]' zumindest diskutabel)». Diese Punkte rechtfertigen jedoch meiner Ansicht nach noch nicht die Annahme keltischen Ursprungs. lappa 'Schlamm' / *luppa 'Schlamm' FEW V: 173, 457
sp. (lapa 'Pflanzenschicht an der Wasseroberfläche'), okz. (nur Alais lapo 'boue provenant du debordement des eaux d'une riviere, d'un torrent contenant du menu sable et du limon', land, lapo 'argile non compact formant le sous-sol impermeable des plus mauvaises terres' sowie einige Ableitungen: Alais, Land., Bareges, beam.), fr. und frpr. (nur wenige Belege: Lyon loupe 'argile, terre grasse, terre adherente', Isere lloupa 'id.', Allevard löpa 'boue liquide, lie au fond des tonneaux', Dauphine loupa 'argile, terre grasse, glaise', La Chapelle-en-Valgaudemar lüpa 'sable et schiste d'un torrent deborde', Freissinieres, Besangon loppe 'salope'), bask. • Das Wort, das auch Verwandte im Inselkeltischen hat (cf. ir. lap 'id.' allerdings Maskulinum), dient zur Bildung zahlreicher Ortsnamen. «Vielleicht handelt es sich um eine Wortfamilie vorindogermanischen ursprungs, bei der der lautnachahmende character teilweise noch ersichtlich ist» (Hubschmid in FEW V: 173). Es handelt sich um ein Wanderwort, was wohl auch der Beliebtheit als Toponymensuffix zu verdanken ist. *lastra 'Steinplatte' (-» *läke) *laukka '[Fisch], [Schnecke]' PYL94:197
fr. (loche 'Schmerle; [westfr.] 'Schnecke') • Doch eher zu —> *leuka zu stellen?
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lausiae/*lausa 'Steinplatte; Schieferstein' REW4946; TB 181; JUH38:102s.; H50:32s.; Bracchi 1983:15; FEWV:211s.; H60:136; AIS 866; DECLC V:270ss.
pg. (lousa), sp. (losa), kat. (llosa), okz. und frpr. incl. aost. (Typ lauza 'Fliese; flacher Stein zum Decken der Dächer', e. g. aokz. lauza 'pierre plate servant ä couvrir les maisons, ardoise, dalle', asav. louze 'dalle en pierre de taille'; Ableitungen) sowie lothr., piem. (Typ Ιρζα 'Steinplatte'), bask. - als Toponym bis Bormio verbreitet • Die Form des Etymons und seine Herkunft sind heiß diskutiert worden. Coromines drückt sich vorsichtig aus: «pre-romä». Da die Ausgangsbasis gemäß Wartburg sicherlich einmal Bestandteil des keltischen Wortschatzes war (cf. FEW V: 212), sind Versuche, ihre Vorvergangenheit aufzuarbeiten, für die Aufgabenstellung dieser Abhandlung unerheblich. Lambert (1994:196): «Vient probablement du celtique, *lausa.» Variation im Wortausgang, was auf Entlehnungen in loco hinweist, aber auch Wortwanderungen scheinen teilweise vorzuliegen. *lemo- 'Ulme' FEW V: 248; JUH38:261; D20:265
lebt nur in Ortsnamen weiter, diese allerdings in reichlicher Zahl • Verwandte Formen liegen etwa in ir. lern 'id.', kymr. llwyf 'id.' vor. Evtl. direkt zu —> *alamos zu stellen, mit Akzentumsprung? *lepparo- 'Hase' FEW V: 258; Hubschmi[e]d 1943
okz. (nur aokz. lepareu 'levraut') • Warum will das FEW den altokzitanischen Beleg von fr. lapereau, lapin (ein Typ, der bis ins Piemontesische und nach Mailand reicht) getrennt wissen? Es läßt sich doch die Form mittels Metathese leicht erklären - und eine Anknüpfung an ein inselkeltisches Wort ist ohnehin nicht möglich. Der galloromanische Typ geht gemäß Hubschmi[e]d auf ein portugiesisches Wort zurück, das auf einen Stamm *lappo- 'Höhle?; Steinplatte?' zurückgeht, der letztendlich mit —» *libba verwandt ist. leuca 'Meile' REW 9689; TB 182; FEW V: 262; PYL94:196; DECLC V:134s.; D20:265; Ernout/Meillet 1967:352
pg., sp. kat., okz., fr. (> it.) • Die hohe Keltizitätswahrscheinlichkeit speist sich aus der Sprachgeographie, der Zuordnung bei mittelalterlichen Autoren (e. g. Hieronymus
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Joel 111,18) und den Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. bret. led). Es handelt sich um ein typisches Wanderwort. *Ieuka 'die Weiße' FEW V: 262s.; ALF 110; PYL94:197; AIS 459; AIS 461; ASLEF 659; ASLEF 660; ASLEF 661; ASLEF 662
okz., fr. (Typ loche 'Schmerle' - diese Bedeutung ist über ganz Frankreich verbreitet - , Typ ligoche 'Schnecke' - frpr., im Gebiet der oberen Loire), kalabr., siz. (Ortsnamen) • Im FEW (V: 262) ist zu lesen: «loche 'schnecke' ist geographisch so eng und scharf umgrenzt, dass man doch nicht die im ganzen gallorom. verbreitete bed. 'schmerle' als daraus übertragen wird auffassen können. Daher wird wohl auch bei der schmerle die helle färbe die benennung verursacht haben, und a und b werden voneinander unabhängig entstanden sein.»
In den nachfolgenden Analysen wird daher von zwei Typen auszugehen sein: *leuka^ 'Schmerle' und *leukd2) 'Schnecke' Nach Lambert (1994:197) gehört loche zu -+*laukka '[Fisch, Schnecke]'. Er fügt jedoch keinerlei Begründung an. Die Ausführungen des FEW (helle Farbe) klingen doch überzeugend. Gehört dazu auch der friaulische Typ (la)käP. (cf. auch —> *leuxos) *leuga (gall. < paläoven.) 'Sumpf FEW XXI: 27
nur bearn. Iheugue 'lieu humide' • Für Keltizität gibt es keinerlei Hinweise; das Wort muß einstweilen im etymologischen Dunkel bleiben. ?leuxos 'hell7*Iouketon 'Blitz' (gall.?) REW5131b; OGs92:132; Gsell 1997:140 ann. 13; AIS391; AIS392; FEW V: 263ss.; KB 235; Stampa 1937:169; D20:265, 267; H60:141
pg. (galiz.), sp., okz., fr., piem. (gesamt, e.g. zlüdi 'Blitz'), lig. (nur äußerster Westen), lomb. (e. g. ?Isolaccia [Val di Dentro]; ohne Süden), tess. (Cavergno [AIS P. 41]), trent. (?Predazzo [AIS P. 323]), ven. (Cencenighe [AIS P. 325]), bdr. (e. g. ueng. lütschaider 'Blitz', Münstertal litskyder 'dito', ?Bivio/Beiva [AIS P. 35]), ates. (Typ tarlüi 'Blitz'), frl. (tarlup) - zur genaueren Verbreitung cf. anschließende Diskussion • Ist auch piem. slüa, splüa 'scintilla, favilla' (cf. Biondelli 1853:574) hier einzureihen (< *ex-lükan*)l Zur Entscheidungsfindung - ist das Wort gallisch oder nicht? - gilt es, folgende Faktoren zu beachten. 118
Evtl. hängt splüa aber auch mit lat. splenäere zusammen.
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Zunächst wären die inselkeltischen Formen ir. loche 'Blitz', kymr. lluched 'Blitze', ir. litach 'brillant', kymr. llug 'Licht' etc. zu beachten. Wie im REW zu lesen ist, paßt *louketon nicht zu gleichbedeutendem kymr. lluchet und ir. lochet, welches mit einem gall. *loukant- verknüpft werden könnte. Das FEW (V:266) schreibt in Fußnote 14: «Zu diesem ansatz [i.e. *leuxos\ bemerkt Kleinhans [...]: *ligita)
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*Egita/*Hgitia 'Schlamm' REW 5029; TB 185; DEDI: 160; Stampa 1937:161s.; Gsell 1997:140s.; FEW V: 332; Bracchi 1983:15; Prati 1968:87; AIS419; D20:266
okz. und fr. (e.g. afr. Use 'terre molle', nfr. Use 'boue des sables mouvants', nfr. s'enliser 'perdre peu ä peu toute activite, toute initiative, ä cause d'un vice qu'on prend', bearn. lilse 'weißer Schaum auf dem Wein'), piem. (gesamtpiem., e. g. Turin nita 'Schlamm; Kot'), lig. (nur Calizzano [AIS P. 184] und Rovegno [AIS P. 179]), lomb. (ohne südöstl. Viertel; e.g. bergamask. leda, Uta 'Verunreinigung'), tess. (Typ leda, vereinzelt), trent. {lea), emil. (nur Westen, e. g. ledga), rmgn. (nur sehr vereinzelt), ven. (nur nordven., Padua, Venedig; e. g. venez. lea 'melletta, melma', bellun. leda 'dito'), bdr. (e. g. 'Froschlaich'), ates. (grödn. ledam 'Schmutz', Buchenstein ledam 'sporcizia, spazzatura; erbaccia'; nida), cad. (Typ Ιξάα 'melma'), frl. (Norden), istr., ?abruzz. (e.g. lire 'melma, beletta'), ?kalabr. (liddu 'belletta', Urdu 'dito') - die romanischen Formen gehen großteils auf die etymologischen Varianten *ligüa, *Utiga oder Hlgitia zurück • Für Gallizität sprechen die Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. kymr. Ilaith 'Feuchtigkeit'). Doch können meines Erachtens die süditalienischen Formen aus lautlichen und semantischen Gründen nicht hierher gehören. Zu klären wäre auch die piemontesische Form nita-, möglicherweise ist folgende Formenbiographie anzusetzen: *lftiga > *lita > / wird als vermeintlicher bestimmter Artikel deglutiniert, η wird vom unbestimmten Artikel agglutiniert > nita. Auch die Form bearn. lilse ist keineswegs einfach zu erklären. Zu den bei Stampa verzeichneten Formen (lomb. tess.) schreibt Bolelli, daß diese sich nur schlecht mit *ligita verbinden ließen. Zuletzt führt aber Gsell wieder alle Formen sowie neuerdings einige dolomitenladinischen Formen, die bisher auf andere Weise etymologisiert waren, auf dieses Etymon zurück (i.e. grödn. ledam 'Schmutz', buch, ledam 'sporcizia, spazzatura; erbaccia' mit Ableitungen); vielleicht kann man diese auch auf —» *liga plus -ita zurückführen. Die Formen mit n- sind im Piemont (ohne Norden), in Ligurien und der westlichen Emilia verbreitet. Es handelt sich um ein typisches «In-loco-Etymon». (—> *liga) *Tfm-/*lem- 'Querholz' FEW V: 247s.
pg., sp., okz. (e. g. nokz. limandä 'garnir de limandes (planches plates)', gask. limandä 'garnir de tablettes'), fr. (e. g. afr. limon 'supports d'un lit', nfr. limon 'chacune des 2 pieces de bois droites, fixees au-devant d'une voiture lourde, et entre lesquelles on attelle le cheval'), frpr., bask. - in
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ganz Frankreich mit Ausnahme eines südlichen Streifens vor allem in Ableitungen verbreitet • Entsprechungen im Inselkeltischen sind vorhanden (cf. ir. lim, kymr. llwyf). Besteht ein Urzusammenhang mit —»alamos? *liska (gall.?) 'Lische' FEW V: 372s.; FEW XXI: 430; Biondelli 1853:268; DECLC V: 164ss. sp. (arag.), kat., okz. (aokz. lesca 'tranche mince (surtout de pain)'), fr. (afr. lesche 'carex', afr. mfr. lesche 'tranche mince (surtout de pain)', apik. lesque 'carex'); Champagne, Bourgogne, Westrand der FrancheComte: lös neben lös), frpr. incl. aost. (letsassu 'marecageux'), piem. (Typ lesca 'Schilf), lig. (Typen lisca, resta 'Schilf), lomb. (Typen lisca, resta 'Schilf), emil. (piac. lisca 'alga, carice'), Metauro [=Marche], frl. (lescula; les'cie 'Art Gras') - ist von Nordspanien bis Oberitalien verbreitet und überwiegend in der nördlichen Hälfte und im östlichen Teil Frankreichs einschließlich der fr. Schweiz belegt • Die Herkunft des Wortes war Gegenstand einiger Diskussionen: germanisch (Diez, Gamillscheg) oder vorlateinisch (Jud)? Das F E W (V:374) resümiert mit Blick auf den Vokalismus der verschiedenen Formen: «Es ergibt sich so die notwendigkeit, das wort mit seinen drei Varianten [*liska, *liska, *loska] als vorrömisch und vorgermanisch anzusehen.» Für unser Gebiet kann keinesfalls eindeutig entschieden werden, ob das Wort über gallische oder germanische Vermittlung ins Romanische gelangte. D a ß das Wort auf der iberischen Halbinsel nur auf einem Nordsaum verbreitet ist, könnte eher für gallische Herkunft sprechen. Die Varianten deuten an, daß neben einigen Wortwanderungen sicher auch in loco Entlehnungen stattgefunden haben. *löke 'steile Grashalde zwischen Felsen' REW 5094c; TB 186; H54: 54; FEW V: 399s. frpr. (e. g. Wallis Iwi 'longue pente de gazon, pente lisse d'une montagne ou d'un roc'; hier und im Tessin auch als Ortsname), tess. (oberes Tessin löyta, lüyta), lomb. (VAntrona Igtsa) - existiert als Appellativum in den waadtländischen Alpen, im Wallis bis Ayent-Evolene - auf dem gleichen Gebiet finden sich auch Toponyme, die auf diesem Lemma basieren • Gehört hierher auch läk 'Wiese' im nordwestlichen Lombardisch? *Iokuä 'See' JUH38:54ss.; H54: 53; FEW V: 400 frpr. (sav. louie 'fondriere, flaque d'eau', Isere löys 'dito'), ahd. - neben den wenigen belegten Appellativen in den Departements Ain, Isere,
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Savoie und der Westschweiz gibt es noch eine Reihe von Ortsnamen, die auf dieses Etymon zurückgehen • Aufgrund des Erhalts von -ku- statt Entwicklung zu -p- müßte das Wort letztendlich aus einer vorgallischen Sprache entlehnt sein. Es sollte aber erwähnt werden, daß in einigen wenigen belegten Wörter (e.g. Sequana, eqvos) -ku- erhalten geblieben ist (cf. Lambert 1994:19); sollte dieses Lemma dazugehören? Ist es zu ir. loch 'Wasser' zu stellen? *lotta (gall.?) 'Quappe' REW5130; TB 187; FEW V: 424s.; PYL94:197
pg., sp., fr. (e.g. wallon.), frpr. (Savoyen, Schweiz, Lyon) • Gallische Herkunft ist nicht gesichert, wird aber in allen vier Quellen für wahrscheinlich gehalten - hauptsächlich deswegen, weil die Alternativthese der mittelhochdeutschen Herkunft (mhd. rüte und Kreuzung mit einem einheimischen Wort, so Schuchardt) wegen des mittelhochdeutschen Langvokals nicht überzeugt. Doch dies reicht wohl nicht aus, um von einem Etymon gallischer Herkunft auszugehen. Aufgrund der Verbreitung läßt sich jedoch Vermittlung über das Gallische annehmen. *lustera 'Heidelbeere' (—> *glas(t)-) magos O r t , Stelle' FEW VI,1: 51; D20:269; LEIAM-8; Thurneysen 1946:50, 216
lebt nur als Ortsname weiter, dies aber sehr häufig • Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. air. mag 'Feld', kymr. ma 'Platz, Ort') *maiosta (< mag-) (gall.?) 'Erdbeere' REW 5249a; FEW VI,1:19ss.; Stampa 1937:80s.; H54:40ss.; Hubschmid 1965:60; AIS 610; ALF 608; DEI III: 2314
sp., okz. (e. g. aokz. majossa 'fraise', For. mailloussa 'framboise', Barcelonette amäoussa 'müre noire des ronces', B-Alpes moufa 'fraise des bois'), frpr. (e.g. LyonArr mayQsa 'fraise'), piem. (e.g. Alessandria magiustra 'id.'), lomb. (e.g. bergamask. magüster 'id.', mail, maöla 'id.'), tess. (magüstron 'Heidelbeere'), emil. (e.g. magostra 'id.'), frl. (mautse 'Heidelbeere' [nicht im ASLEF612 verzeichnet]), it. {magiostra 'Gartenerdbeere'), kalabr. (nördl., majürsula), serbokroat. (mäginja 'wildwachsende Erdbeere') - die Nachfolgeformen bezeichnen meist die Walderdbeere, gelegentlich die Gartenerdbeere, wobei in den Quellen nicht immer genau unterschieden wird; im Fr. ist das Wort kaum vertreten (cf. FEW VI, 1:20); in Oberitalien finden sich Nachfolgeformen vereinzelt im Westen Piemonts, im Alpinpiemontesischen, stark 200
vertreten im Lombardischen (mit dem südlichen Tessin, ohne Trentino) sowie in der nordwestlichen Emilia; in der Transalpina konzentriert sich das Wort im südlichen Frpr. und im östlichen Okz. • Das Wort fehlt bei Bolelli. Meyer-Lübke spricht von einem gallischem Wort, für Wartburg und Hubschmid ist es vorindogermanisch. Das DEI spricht sich für mediterrane Herkunft aus. Das FEW gibt hier auch zlad. müia 'Himbeere' an, was durchaus denkbar ist, wenn man von einer Farbbezeichnung, die etwa das Spektrum 'rot' bezeichnet, ausgeht - nicht ganz geklärt bleibt dabei die Lautung; somit ist müia vielleicht besser zu lat. mullea zu stellen (cf. auch LEI II: 932 ann. 36, Gsell 1992b: 183; vergleiche außerdem Grzega 2000b). Weitaus schwieriger liegt aber der Fall frl. mautse, sowohl in ausdrucksseitiger als auch in inhaltsseitiger Hinsicht. Es ist wohl davon auszugehen, daß dieser Worttyp nicht hierher gehört. Die alpinen Formen auf -giustr- erinnern an den tessinischen Typ sistron 'Heidelbeere' von —»*glas(t). Hier haben sich die beiden Wörter gekreuzt. Zum Teil dienen die Formen ja auch zur Bezeichnung der Heidelbeere. Bezüglich der Herkunft des hier angesetzten Etymons ist völlig offen, ob das Wort genuin keltisch oder diakeltisch ist. Dabei liegen teilweise Wortwanderungen, überwiegend jedoch In-loco-Entlehnungen vor. Erwähnt werden soll hier noch magoia, das im Sellaladinischen und Engadinischen die Mohnkapsel bezeichnet. Zwar hat Kramer (EWDIV: 283) wohl recht, wenn er den Typ auf ahd. mägo 'Mohn' zurückführt. Die letztendliche Herkunft des Wortes scheint aber bislang nicht ganz klar (cf. Kluge [1995:565]). Vielleicht ist hier eine Urverwandtschaft zu suchen. (—» *ιηαίηθθα) *mandu- (gall.?) '*kleines, junges Pferd' H54:28; H60:143; (REW5289) von der Iberoromania über das okzitanische Sprachgebiet bis Nizza, meist in der Bedeutung 'steril, zeugungsunfähig' (leider ohne genaueren Angaben) • Das vorrömische *manno < *mandu entstammt gemäß Hubschmid letzten Endes dem Illyrischen, «pero serian los galos quienes lo llevarian a la Peninsula Iberica» (Hubschmid 1960c: 143). Das Verbreitungsareal spricht nicht eindeutig für Diagallizität. Das Wort ist wohl eher einem mediterranen-ligurischen Substrat entnommen. Darüber hinaus ist auf *mandiu- und seine Fortsetzer im Rumänischen, Italienischen, Engadinischen und Wallonischen hinzuweisen (cf. REW 5289), das zumindest verwandt, wenn nicht bloße Wortbildungsvariante ist. Die Verbreitung im Rumänischen läßt die gallische These ebenfalls weniger überzeugend erscheinen.
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*margalio- (vorröm.) 'Lolch' FEW VI, 1:323; H54: 39; DECLC V:485ss.
sp. (aragon. margallo 'id.'), kat. {margall 'lolium italicum'), okz. (Typ margät), frpr. (Typ margel, margäl) - lebt im südlichen Frpr., in der Provence, längs der Küste im Languedoc, bis hinaus über die sp. Grenze • Aufgrund der Verbreitung ist sehr fraglich, ob das vorrömische Wort über das Gallische ins Romanische gelangt ist. Das Wort bleibt von den nachfolgenden Studien ausgeschlossen, (zur Semantik cf. dravoca) margila/marga 'Mergel' FEW VI: 330ss.; PYL94:197; D20:270; Ernout/Meillet 1967:387
okz. und fr. mit frpr. - vorwiegend in okz. Dialekten, mit in den zentralund ostfr. Mundarten lautlicher Entwicklung von marla zu mama (Dissimilation!); bis auf Cantal (marga 'boue') ist das Simplex durch Nachfolgeformen von margila verdrängt worden • Folgende Indikatoren sprechen für Gallizität: Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. bret. marg 'id.'), die Sprachgeographie (wenn auch erstaunt, daß sich so wenig Formen im Französischen nachweisen lassen), die Zuordnung bei Plinius (XVII,42). Zu den einzelnen Bedeutungstypen kann im FEW nachgelesen werden, daß in der Wallonie der Mergel zur Auflockerung des Bodens verwendet wird. Da der Mergel an der Luft grauweiß wird, bezeichnet er in einigen Gebieten den Rauhreif. Da Mergel auch als Dünger diente, wird mit dem gleichen Wort heute in den normannischen und adjazenten Gebieten der Mist bezeichnet; schließlich ist der Mergel auch ein sehr lockeres Gestein, so daß sein Name zur Bezeichnung von Kot (evtl. gekreuzt mit lat. merda), Schlamm und Nasenschleim herangezogen werden konnte. Wenn wirklich die Bezeichnungen für den Nasenschleim hierher gehören, dann ist auch der dolomitenladinische Typ marj0la dazuzustellen. Für dessen Herkunft aber gibt es zwei alternative Ansätze: (1) lat. näricella 'Näschen, Nasenöffnung', (2) lat. margella 'Perle' (cf. Gsell 1993b: 179). Eine Entscheidung fällt schwer; die Formen mit der Bedeutung 'Nasenschleim' sollen einstweilen nicht in weitere Auswertungen einbezogen werden. *marr- (vorröm.) 'Widder' REW5374; FEW VI,1:373ss.; KB 272; Meier 1984:124ss.; DECLC V:496ss.
sp., kat. (marra 'id.'), okz. und vereinzelt frpr. (e.g. agask. maro 'belier', Lang, marol 'belier', nokz. marran 'tuf, terre tufiere, terre blanche et seche') - ist nur im Süden und Südosten Frankreichs belegt, mit zahlreichen Bedeutungsübertragungen in den Ableitungen
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• Gallisch ist das Wort auf keinen Fall. «Wohl vorröm., da der Wechsel von -rr- und -rd- sich in Wörtern in bask. Ursprungs mehrfach findet» (REW5374). Außerdem lassen sich zu keiner der indogermanischen Sprachen Beziehungen herstellen (cf. DECLC). Sprachgeographische Gründe legen selbst gallische Vermittlung nicht sehr nahe. Meier (1984:124ss.) denkt in Anlehnung an Garcia de Diego und Diez an einen Zusammenhang mit mas, maris 'Lebewesen männlichen Geschlechts'. Man muß sich jedoch fragen, warum das generische Wort gerade auf das männliche Schaf eingeschränkt werden soll. Sollte es sich dabei um den Prototypen eines männlichen Haustiers handeln? Diese Überlegung wäre nicht unvernünftig, wäre diese semantische Entwicklung in einem zusammenhängenden Areal zu verzeichnen. Aufgrund der punktuellen Verbreitung wird jedoch die Frage nach einer anderen Lösung laut. Das Wort läßt sich wohl als Variante der panromanischen (vorrömischen) Wurzel -^*berr- 'id.' ansehen. Die neuokzitanischen Formen dürften zu *marra 'Geröll' (cf. REW5369) gehören. *maruo- 'tot' REW 5387a; TB 191; J20:465ss.; OGs93b: 179s.; Gsell VI, 1:423; D20:270; H60:147
1997:139;
FEW
okz. und fr. (e. g. okz. märfi 'steif vor Kälte; welk; bleich', Centre marfe 'engourdi par le froid [mains], afr. esmarve 'glace d'effroi', Ronco marf 'pourri', Ollon marQδι 'dormir comme une marmotte', marfle 'Winterschlaf halten', Ambert marfie 'qui a l'onglee', Aurillac marfi 'engourdissement [des membres]'), piem. (marfel 'steif vor Kälte'), bdr. (e.g. eng. marv 'starr; gefühllos [vor Kälte]', obw. marvel, amarv 'steif vor Kälte'), ates. (imarmori), ven. (marwoli), schwdt. und *breu- (gall.?) 'vor Kälte starr' REW 1289a; Fare 1289a; TB 7; DEI 1:604; DEDI250
okz. (e.g. gask. breu 'kalt; trocken' 120 ), piem. (V-Ses. breviu 'starker Ostwind'), lig. (abreiu 'dito'), lomb. (e.g. breva 'dito'), tess. (brevat 'dito'), it. (brivido 'Kälteschauer') - zwei Grundbedeutungen haben sich im Romanischen entwickelt: 'starr; kraftlos' und 'starker Wind' • Im DEI wird it. brivido auf eine mediterrane Wurzel *brevido- zurückgeführt. Gibt es eine bessere Lösung? Fares Vorschlag, *breu zu frigidus zu stellen, überzeugt nicht. Wie bereits andernorts erwähnt (cf. Grzega 1997b: 68s.), können die beiden, in der Regel getrennt aufgeführten Etyma zusammengestellt werden. Zum einen sticht die semantische Nähe hervor, zum anderen bestehen auch lautlich kaum Verbin120
Das Wort ist im FEW nicht aufgeführt, auch nicht unter dem Stichwort «*marwo-». Selbst Wartburg scheint somit den Zusammenhang zwischen den beiden Etyma nicht zu erkennen.
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dungsschwierigkeiten. Die Lautkombination Vokal + Liquid unterliegt oft metathetischen Prozessen. Ein Schwanken von m und b wird fürs Gallische auch bei Dottin (1920:62) illustriert. Es handelt sich somit um etymologische Doubletten mit zwei Entlehnungswegen. Meyer-Lübkes Frage «brev [...] woher?» kann somit mit «aus dem Gallischen» beantwortet werden. Dafür sprechen letztendlich auch die inselkeltischen Formen: cf. kymr. marw 'tot'. Außerdem ist die lautliche und semantische Nähe zu —> *geruo- ~ *garuo- 'rauh' und —> *geuero 'Kaltes; Winterliches' hervorzuheben. (Über den Zusammenhang zwischen diesen beiden Formen untereinander, cf. ibi; vielleicht ist *geuero- die ursprünglichere Form, während *garuo-/*geruo- bereits eine Kreuzung mit *maruo- darstellt, sofern man darin nicht wieder eine bloße metathetische Variante sehen will.) Für die nachfolgenden Studien scheint es sinnvoll, von zwei Einheiten auszugehen: *maru'steif (vor Kälte); kraftlos' und maru-W [= *breu-] 'starker Wind'. *ma-skar-pa 'Ziger' (—» *skar-) ?mataris / *mattaris [Betonung?] 'Wurfspieß' REW5402; Fare 5402; TB 192; EWDVI:275s.; Prati 1968:96; FEW VI,1:463ss.; Bracchi 1983:17; AIS452; KB968; AIS984; D20:271; Ernout/ Meillet 1967:389; Mäfera 1971/1972:83; DEI III: 2393; DECLC V:545s.
kat. {maträs 'kolben der armbrust; türriegel'), okz. und fr. einschließlich frpr. (e.g. nfr. matelas, mereau 'Spielmarke', marelle 'brettspiel', nokz. marreu 'segment, trongon, morceau; touife, cepee', nfr. materas 'lourdaud, sot', nokz. matras 'coup que l'on se donne maladroitement', Rem. matla 'morceau de bois qui sert ä tendre les pieges appeles sauterelles', alang, matras 'levier de pont-levis', nfr. matrasser 'assommer, mettre en piteux etat', nfr. matere 'javelot des anciens Gaulois'), (ait. mattero 'Teigrolle, Mangelholz'), lomb. (e.g. crem, marel 'Scheit, Knüppel, Pfeil'), emil. (bol. mant. marass 'serpente'), rmgn. (ferr. marass 'serpente'), ven. (nordven., Padua, Venedig; e. g. marelo 'der Teil des Rückgrates, an dem der Lungenbraten sitzt', pad. venez. marasso 'saettone; natrice tessellata', avenez. marelo 'Scheit'), ates. (e. g. gadertal. smarle sot y sura 'durcheinanderbringen', buch, smarde 'aus den Händen fallen lassen', grödn. smardle 'battere la porta'), cad. (amp. smadarlä 'verprügeln, laut schlagen, laut arbeiten'), frl. (madrak 'Otter; Viper') - zu den einzelnen Formen cf. den anschließenden Kommentar; in ganz Frankreich verbreitet mit Ausnahme des Gaskognischen und der nördlichen Randzonen, ebenso in ganz Oberitalien bis auf einen schmalen südlichen Streifen • Das Wort ist gemäß den Quellen evtl. mit kymr. med.ru 'viser' zu verknüpfen. Es bieten sich aber auch mir. matan 'Keule', kymr. mathru 204
'niedertreten, stampfen' als Bindeglieder an. Das Lexem wird von Livius Andronicus (VII,24,3) und Nonius (556) dem Gallischen zugeordnet. Gemäß Campanile (1965:39) gehört das Wort zu den frühen Entlehnungen. Dennoch zeichnet es sich durch beschränkte Verbreitung auf die Galloromania stricto sensu, die «Rätoromania» und die «Padania» aus. Dem gegenüber fallen die stark vom Etymon abweichenden Bedeutungen in den romanischen Mundarten auf. So schreibt Fare: « N o n ritengo che l'it. martello e corrispondenti forme dialettali ritornino a questa base sia per le scarse connessioni semantiche, sia per la scarsa diffusione nella latinitä della voce gallica strettamente tecnica; evidenti ragioni semantiche e geografiche [...] mi fanno propendere per una derivazione dal n.5211 [= mactra 'madia'], ma il problema [...] e per me ancora lontano da una soluzione sicura.»
Man muß sich in der Tat fragen, ob die Quellen die einzelnen Formen zu Recht zu *mat(t)aris stellen. So scheint mir nicht gesichert, daß die Benennungen für 'Schlange, Viper' (Typ marass) wirklich hierher gehören. Ebenso unklar bleiben die Typen marelo 'Teil des Rückgrates (Lungenbraten)' und matras 'cornue, vase de terre'. Auch die Formen der Bedeutung 'lourdaud' lassen sich nur schwer mit 'Wurfspieß' verbinden; vielleicht ist an eine Verknüpfung mit lat. mattus 'niedergeschlagen, traurig; feucht' zu denken (man vergleiche ähnlich gelagerte Entwicklungen: obit. [> awald. aokz. aost.] mfr. lad. mat 'verrückt' 121 ). Hinter einigen Formen könnte sich lat. martellus 'Hammer' - zum Teil mit früher Metathese von -rt- - verstecken: lomb. marel 'Knüppel'. Auch mattero 'Teigrolle, Mangelholz'. Hinter anderen Formen kann man lat. marra 'Hacke zum Ausjäten des Unkrautes' vermuten: nokz. marreu 'segment, trongon, morceau, touffe, cepee' [Metonymie!]. Der ladinische Typ smarde 'aus den Händen fallen lassen' ist vom Typ smadarlä 'verprügeln, laut arbeiten' besser zu trennen. Ähnliche Probleme bereitet transalpines matrasser 'assommer'. Sehr gut mit *mat(t)aris lassen sich dagegen die Typen maturas(se) 'trait d'arbalete', marosso 'Pfeil' und marel 'Pfeil' verbinden (die übrigen Bedeutungen 'Scheit', 'Knüppel' gehören wohl nicht zu einer Polysemie, sondern sind Homonyme). Die Bezeichnungen für die Brettspiele und 'Spielmarke' hängen metonymisch zusammen. Letztendlich werden sie auf eines der hier angebotenen Etyma zurückgehen. Die Entscheidung für eine Etymologie wird hier von der ursprünglichen Form des entsprechenden Spieles resp. der Spielmarken abhängen. Auf diese kann aber im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Überhaupt sind sämtliche Formen, die von den einzelnen Forschern hier eingereiht werden, in einem eigenen Beitrag kritisch zu beleuchten. Für die vorliegende Arbeit werden nur die Formen mit der Bedeutung 'Pfeil', 'Armbrust', 'Stab' als relevant ange121
Cf. FEW VI, 1: 524ss.
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sehen. Es handelt sich dann dennoch um ein relativ großes Verbreitungsgebiet, das sich vom Katalanischen über fast die gesamte Transalpina und die Cisalpina bis nach Venetien erstreckt, die sog. rätoromanischen Gebiete aber ausschließt. *matu66a (< *matustä) (voridg.) 'Erdbeere' FEW XXI: 95; AIS 610; AIS 611; Grzega 2000b
Murat, Dienne madoufe 'fraise des bois', Vinz. mädufä 'dito', Correze madufe 'dito', lomb. (laut AIS nur P. 244 [Sant'Omobono] matü 'Himbeeren') • Im AIS finde ich auf der Karte für die Himbeere den Ausdruck matu. Es hat den Anschein, als ob dieser auch hierher gehöre. Natürlich bezeichnet er eine andere Beerenart, doch sind beide Beeren rot. Schwieriger ist die lautliche Deutung. Ein oberitalienisches -t- verlangt normalerweise eine Vorstufe -tt- außer in der Wortkomposition. Es ist dann von einem Etymon matusta mit der Variante mattusta auszugehen, die bei vorrömischen/gallischen Lexemen nicht unüblich wäre (cf. auch Grzega 2000b). *medä 'Waage' REW 5450a; TB 193; FEW VI,1:570; LEIAM-27
okz. (aokz. mazantar 'soupeser, agiter', lim. mazentar 'palper, peloter', gask. masant 'tapage'), frpr. (ebenfalls mit -z-, daher evtl. aus dem Okz.]; e. g. Lyon mesantö 'soupeser, lever la terre') • Keltizität ist aufgrund der Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. ir. med 'id.') anzunehmen. *meina / *mena / *mlna 'rohes Metall' FEW VI, 1:64Iss.; Bracchi 1983:15; DECLC V: 564ss.; LEIAM-29
Anreiter
1992:685;
DEI IV: 2463;
pg., kat. (mena, minä), okz., fr. (> pg., sp., it.), frpr., piem. - als Toponym auch weiter östlich verbreitet (e. g. Bormio) • Man vergleiche die Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. ir. miin 'Erz' [< meini-]). Laut Anreiter (1992:685) gehen apiem. mena, adauph. mena, akat. mena, galiz. mea [und wohl auch aokz. mena] auf *mena 'Mine' zurück, afr. mine, kat. mina, asp. mina hingegen auf *mma; zahlreiche Belege lassen sich auf dem gesamten galloromanischen Boden finden. *mel-i 'zermalmen' FEW VI, 1:653s.
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frpr. (Typ imiluer 'ecraser, briser' nur wenig belegt: Pontarlier, Neuchätel, Waadt, Blon., Ollon, Gruyeres) • Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. ir. melim 'molö', commelim 'zerreibe') weisen auf genuine Gallizität der Ausgangsform. *mel-2 (-ix, -ike, -atiä) 'Lärche' [enthält idg. Wurzel für 'rötlich'] REW 5481a; H51:21; FEWVI,1:654; JUH33:256 okz. (evtl. erst mittelbar aus dem Französischen entlehnt), fr. einschließlich frpr., piem. (merze, malezu), (verwandt auch rum. molid 'Lärche') auf transalpinem Boden vom Mittelmeer bis zum Berner Jura verbreitet, auf italienischer Seite nur im Piemont • Beim standardfranzösischen Ausdruck, mileze, handelt es sich nach FEW um einen «Dauphinismus», und zwar gallischen Ursprungs. Das REW hatte das Wort lediglich als vorrömisch bezeichnet; die Sprachgeographie und der Sinnbezirk (Baumbezeichnung) scheinen jedoch ausreichende Keltizitätsindikatoren zu sein. Vielleicht sind zu dieser Wurzel auch die bei Hubschmid (1950a: 19s.) verzeichneten Wörter für 'Vogelbeerbaum' zu stellen (e. g. fass, melester, Belluno melestrego, frl. meless), für welche das EWD (VI:314ss.) drei Deutungsmöglichkeiten anbietet: (1) mediterranes *mal-/*mel- 'Berg', (2) mediterranes mal- 'Apfel', (3) lat. melum. Hiermit käme noch eine vierte, gallische These hinzu. *mello- 'Hügel' FEW VI, 1:683; D20:272; LEIAM-33 fr. (nur anorm. emmelloter 'entasser (du chanvre)' und Toponyme) - in der Cisalpina nur in Toponymen • In ir. mell 'Hügel' findet sich eine genaue Entsprechung. Doch läßt die Verbreitung darauf schließen, daß die Normandie den Terminus aus der Bretagne entlehnt hat. mercasius (gall.?) 'Sumpf REW 5515a; TB 196; Sturm 1938:5s.; D20:272; FEWXVI: 52Iss. [«*marisk», anfrk.] fr. (Typ marsg) - bezeichnet in einigen Randgebieten nicht den Sumpf, sondern die Pfütze. • Das REW und Sturm sehen im angegebenen Lauttyp ein keltisches Etymon. Nichts stützt diese These. Es ist wohl mit Wartburg (FEW) eher an ein germanisches Etymon zu denken.
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*mes(i)gus 'Molken' REW 5537; Fare 5537; TB 197; Stampa 1937:102; FEW VI,2:43; Haust 1943:395; PYL94:197; D20:272; LEIAM-28; Thurneysen 1946:134
okz. und fr. (vor allem Pikardie, Westfrankreich, Limousin, Marche, Auv. cev., aber auch im Osten; fr. dial, megue 'Molken'), lomb. (bergamask. mesec, Veltlin (unteres und mittleres) segotol 'siero che sgocciola dal formaggio'?) • «Air. medg [< urkelt. *mezgo-], kymr. maidd führen auf gall, medga [...], so daß man also Wiedergabe des gall. - *milinuntia (erste Fernassimilation) > *milimuntia (zweite Fernassimiliation) > 208
*milimintia (dritte Fernassimiliation); doch bleibt «in jedem Falle das Problem des Wortausganges» (Anreiter 1992:157). Zusätzlich schwierig bleibt die Semantik: wie käme man von 'Krokus' zu 'Bilsenkraut' und umgekehrt? Die beiden Lemmata sind vielleicht doch besser zu trennen. Zu trennen sind demnach auch die iberoromanischen Formen ('Bilsenkraut') und die cisalpinen Formen ('Krokus'), denn trotz Kramers einigermaßen einsichtiger lautlicher Deutung *milmindrus > *mtlmindula > *milindula (die eigentlich zu erwartende Entwicklung -nd- > -nn- > -n- sei hier durch die nasale und liquide Umgebung verhindert worden) sind die semantischen Schwierigkeiten unüberbrückbar. Die Formen auf -» *belenion zurückzuführen birgt ebenfalls mehrere Probleme in sich: vielleicht läßt sich b > m noch als Assimilation deuten; wie aber erklären sich vortoniges -i- (welches nur auf lat. Γ zurückgehen könnte) und -nd(welches lautgerecht nur durch Synkope eines lat. Vokals hätte entstehen können)? Es ist nach einem anderen Etymon zu suchen. Die genannten Belege sind aus dieser Arbeit auszuklammern. ?*misg- 'mischen' FEW XXI: 480s.
Meuse migueilne 'toute mixture liquide pour patisserie, sauces etc.; päte epaisse de farine grossiere', Isle miguinne 'melange d'oeufs et de creme', Moselle, Urim., Fim., Fraize, St-Nab., Cleurie, Vagney • Das FEW ist vorsichtig: «Zu gall. *misg-, idg. *meisg- 'mischen'; späte ablt. auf -äna, daher g nicht palatalisiert?» Die Formen scheinen auf ein Kompositum zurückgehen, dessen erster Bestandteil eine (Neben-)Form von lat. miscere (evtl. ein onomatopoetischeres *misquere) sein könnte. *morga 'Grenze; Steinhaufen' JUH38:139ss.; FEW VI,3: 130s.
?frpr. (e. g. Gruyere mwärdzs 'crasse epaisse qui se forme sur le fromage', St. Maurice mördze 'cire des oreilles') incl. aost., schwdt. • Meines Erachtens dürfte *morga historisch zu —> *broga zu stellen sein; dennoch ist im folgenden aufgrund von Lautung und Semantik der Tochterformen ein eigenständiger Typ anzusetzen. Wie lassen sich die hier angeführten Appellativa mit der Bedeutung 'Grenze, Steinhaufen' verbinden? Das FEW schreibt, man hätte von einer Grundbedeutung 'Rand' auszugehen. Denkbar, doch nicht unbedingt überzeugend. Denkbar ist auch eine Verknüpfung, die Pokorny (1948/1949:265) für Schweizer Flurnamen eines Typs *morga herstellt. In diesen sieht er einen Zusammenhang mit lett. murga 'Pfütze' oder alb. murk 'dunkel,
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schwarz', rum. murg 'braunrot'. Im folgenden soll von der Theorie des FEW ausgegangen werden. mukorno 'Glied' REW 5723a; TB 200; FEW VI, 1:76
okz. Typ magorn 'verstümmeltes Bein' (aokz., agask. RufF.) • Die Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. kymr. migwrn 'Knöchel') sowie der Sinnbezirk legen den Grundstein für die Annahme der genuinen Gallizität. Das FEW stellt die okzitanischen Formen sowie PuyD. Vinz. Ambert magör 'maladroit; de mouvements embarrasses' zu einem voridg. *makorr 'verstümmelt', schreibt aber, daß es möglich sei, diese zur kymrischen Form zu stellen. *mugia (vorrom.) 'Färse' OGs93b: 183; FEW VI,3: 187ss.; Stampa 1937:47; AIS 1047; AIS 1048
okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (Typ möge 'genisse' und Ableitungen im gesamten Frpr. sowie den angrenzenden Regionen), piem. (e. g. mougia 'vitella giovine, giovenca', V-Sesia), lomb. (e. g. bresc. modz 'manzetto', Bormio mots 'vitello di due anni'), bdr. (e. g. obw. miigia 'zweieinhalbjähriges weibliches Rind'), obd. - vor allem im Frpr. als auch im Obit, (östlich bis Sulzberg, südlich bis Bergamo) reich belegt, zur Bezeichnung eines jungen Rindes • Obwohl das Wort vorkeltischen, alpinen Ursprungs ist, spricht das Verbreitungsgebiet für eine Vermittlung über das Gallische. Es ist schwer zu entscheiden, ob ein in loco entlehntes Wort oder ein Wanderwort vorliegt. ?*müla (gall.?) 'Heuschober' REW 5724a; TB 201; Anreiter 1992:697 fr. mit frpr. (Typ mule) - spärlich belegt • Aus dem Inselkeltischen lassen sich keine sicheren Entsprechungen aufzeigen; air. mul 'Klumpen, Kugel' [LEIA M-74] wirft lautliche Probleme [weist auf altes -«-] und semantische Probleme auf. Die Indizien für keltische Herkunft sind somit sehr gering. Das Lemma kann in dieser Studie nicht als Keltizismus angesehen werden. Wo sind die Formen im FEW versteckt? *multo, -öne (gall.?) 'Hammel / [männliches Tier]' REW 5739; Fare 5739; Stampa EWDIV: 476s.; Prati 1968:106;
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1937:45ss.; TB 202; LE; DEI IV: 2504; FEW VI,3:205ss.; H60:146; AIS 1069;
PYL94:197; Pellegrini 1992b; Mattioli 1879:399; ALF 124; ALF 886; DECLC V: 766ss.; LEIAM-62; Birkhan 1970:464; Kühebacher 1971:65
kat. (moltö), okz. (ohne gask.) und fr. mit frpr. incl. aost. (e.g. afr. multun 'belier', aokz. mouto 'dito', alyon. mo (I) ton, Η-Marne monton, St-Etienne mo(u)nton, Limousin moutou, Valtournanche muto, nfr. moutonne 'brebis (qu'on engraisse pour la boucherie)'; zahlreiche metaphorische und metonymische Übertragungen wie nfr. moutons 'vagues blanches d'ecume, nfr. mouton 'monnaie d'or portant l'image de l'Agneau pascal avec la legende: Ecce Agnus Dei, frapee d'abord sous SaintLouis', fr. mouton 'belier, machine de guerre pour enfoncer les portes et abattre les murailles'), piem. (gesamtpiem., e. g. V-Sesia mutun), lig. (e. g. agen. multone, muntone), lomb. (e. g. alomb. mouton, abergamask. molto, amail. moltone, mail, motön, bresc. montü, sowie die Randgebiete im Westen, Osten, Südosten), trent. (monton), tess. (nur Bergeil maltiuj), emil. (amant. molton, mant. monton, bol. muntön, Modena), rmgn. (montön), ven. (gesamtven., e.g. bellun. molton), bdr. (nur Bergell maltiiif), ates. (e. g. gadertal. grödn. buch, mot 'Widder' [laut FEW eine Rückableitung], fass, mutön 'Widder, Hammel', ampezz. moltön 'Widder; Schafskopf), cad. (multön, com. montön), frl. (montön), südbair. • Kramer hat nicht ganz recht, wenn er behauptet, daß sich keine Fortsetzer in Graubünden finden lassen (EWDIV: 477); das FEW verzeichnet einen Beleg im Bergell. Möglicherweise besteht bei diesem Etymon ein Zusammenhang zu dem von Hubschmid (1950a: 40ss.) angeführten mula 'hörnerlose Ziege', welches er als veneto-illyrisch betrachtet; er weicht damit als einziger der angegebenen Autoren von der keltischen These ab. Aufgrund der inselkeltischen Entsprechungen (cf. mir. molt 'Widder', kymr. mollt etc.) wird das Wort als genuin keltisches Lemma aufgenommen. Es sind hier vor allem die Fortsetzer des Dolomitenladinischen und seiner Nachbaridiome aufgezählt, da es hier eines wichtigen Kommentars bedarf. Kramer schreibt: «[Es] gehen die Formen des Fassatals problemlos auf *MULTÖNE zurück. Die Formen der anderen Talschaften könnte man [...] zum vorlateinischen *MUTT- 'abgestumpft, hornlos' stellen, was lautlich problemlos wäre, aber doch bedeuten würde, daß man zwei völlig verschiedene Etyma zur Bezeichnung desselben Tieres einerseits im Fassatal, andererseits in den anderen Regionen annehmen würde. Es erscheint aber wahrscheinlicher zu sein, [...] eine Rückbildung von urladinisch *motön aus anzunehmen, [...] als die Zweikasusflexion noch funktionierte» (EWD IV: 477).
Für mich stellt sich die Situation jedoch anders dar. Zunächst einmal ist zu bemerken, daß die Bezeichnung ein und desselben Referenten mit zwei unterschiedlichen Etyma in den fünf Sellatälern nichts Außergewöhnliches wäre (es kommen ja auch Referenten mit drei Bezeichnungstypen vor, e. g. 'Kartoffeln' gadertal. soni, grödn. patac, fass, pomes de 211
terra; 'Frosch' gadertal. arosch, grödn. crot, fass, rena; 'Möhren' gadertal. res ghei, grödn. carotes, fass, ravasales). Die Fortsetzer des Gadertalischen, Grödnischen und Buchensteinischen gehen somit meines Erachtens eindeutig auf *mutt- 'stumpf' zurück, während sich die Formen in Ampezzo, im Cadore, in Belluno und in Trient auf *multozurückführen lassen. Die fassanische Form geht nun gerade nicht problemlos aus *multöne hervor. Ich schlage vor, hier von einer Art «Übergangszone» resp. «Mischzone» auszugehen, in welcher die beiden Etyma gekreuzt wurden. Zu den Formen mit -n- schreibt das FEW (VI,3: 209), daß hier nicht volksetymologischer Einfluß von montare vorliege, da dieses in diesem Kontext erst spät belegt sei, sondern es sich um einen regelmäßigen [besser: häufigen] Lautwandel von vorkonsonantischem l zu η handle, wie er gerade in der Emilia und den Marken vorkomme. Ähnliche Formen in Frankreich erklärten sich aus einer Nasalisierung aufgrund des vorhergehenden Nasals, wie sie besonders in Ostfrankreich bekannt sei. Die Formen montone in Mittel- und Süditalien stammen letztlich aus dem Norden. *mutt-2) *müsgauda (wohl gall.) 'Vorratskammer' REW5776
okz., fr. (leider ohne genauere Bedeutungs- und Verbreitungsangaben) • Wo finden sich die Formen im FEW? *mutt-i (vorröm.) 'Bodenerhebung' REW 5785a.; JUH38:103; DECLC V: 817ss.
FEW VI,3:294ss.;
KB 588; KB 52; AIS 422;
Typ motta und Ableitungen: (pg., sp., kat.: < fr.), okz., fr., frpr., piem., lig., lomb., mail., tess., emil., ven., bdr., schwdt. - kommt im Westokz. nicht vor, beschränkt sich auf das Fr., Frpr. und Obit.; zahlreiche Bedeutungsübertragungen, die in fast allen Gebieten vorkommen: 'Haufen' (e.g. nfr. motte 'levee de terre, tertre isole, quelquefois de main d'homme, emplacement eleve oü Ton a bäti un chateau', emil. mot a 'mucchio'), 'Hügel' (afr. mfr. motele 'colline', tess. mQta 'collina', alpinpiem., ostemil.), 'Erdscholle' (e.g. piem. mota, muta), 'Klümpchen', 'Butterballen' [vereinzelt im Fr., Lomb., Bdr.] (e. g. puschl. mötä), 'Käseleib' [vereinzelt im Frpr. und V-Magg.=tess.] (e.g. V-Magg. mota), 'Schneeball' [vereinzelt, hauptsächlich okz. und VAnz.=piem.] (e.g. VAnz. mQta), 'gepreßte Gerberlohe' [letzteres in Frankreich] (e.g. nfr. motte 'petite masse de residu de tan, de tourbe sechee, etc. servant de combustible') • Obwohl das FEW dieses und das folgende Stichwort als ein einziges Etymon ansieht, scheint eine Trennung aus semantischen Gründen 212
sinnvoll. Die Motivation der äußeren Form für einen Zusammenhang zwischen 'Bodenerhebung' und 'stumpf (FEW VI,3:299) scheint weder ausreichend, noch einleuchtend zu sein. Es handelt sich hierbei um unterschiedliche, sogar gegensätzliche Konzepte, die auch durch die Bedeutungsentwicklungen der vermuteten Tochterformen nahegelegt wird. Eine Erhebung ist eine in die Höhe gehende Abweichung eines ebenen oder nahezu ebenen Objektes, das Konzept «stumpf» geht eher in die Gegenrichtung, ist gerade die Abflachung eines spitzen Objektes. In den inselkeltischen Mundarten fehlen zwar Hinweise auf die Existenz eines gallischen Etymons *mutt- 'Bodenerhebung', die Verbreitung macht aber wahrscheinlich, daß das Wort einmal Teil des Gallischen gewesen sein wird - auch wenn Coromines dafür plädiert, sich hier nicht festzulegen. Gleiches gilt auch für —> *mutt-2*mutt-2 (gall.?) 'stumpf REW5788; REW5791; REW5792; REW5793; Stampa 1937:46ss.; EWD IV: 476s.; FEW VI,3:294ss.; FEW VI,3:293s.; AIS 1069; AIS 1082d; DECLC V: 817ss.
Typ motte: okz., fr., frpr. incl. aost., lig. (gesamtlig., aber nicht sehr dicht), piem. ('ohne Hörner': nördl. Piemont, e. g. Pancalieri müt 'Mann ohne Arm'), lomb. (nur vereinzelt im Norden ab Mailand), tess., rmgn. (einzelne Belege eines Typs muka 'ohne Hörner'), bdr. (gut belegt), ates. {mula 'ohne Hörner'), cad. (mula 'ohne Hörner'), frl. (mule), ven.? (mula 'ragazza') istr. (mula), schwdt., österr. (mule 'ohne Hörner') - die Formen konzentrieren sich auf transalpinem Gebiet im frpr. Raum, reichen aber von Lothringen und dem Zentralmassiv bis ins Sellaladinische und tauchen hauptsächlich in der Bedeutung 'ohne Hörner' resp. 'hörnerloses Tier' auf • Zur Trennung vom vorhergehenden Eintrag, siehe dort. Auch hier fehlen Entsprechungen in den übrigen keltischen Mundarten, doch die Verbreitung spricht für Vermittlung durch das Gallische. Insgesamt scheinen etliche Wortwanderungen vorzuliegen. Bei den sporadischen Formen mit -k- in der Romagna könnte Sekundäreinfluß seitens der Wurzel von —» *mugia 'Färse' vorliegen. Die Formen des Lauttyps mula sind wohl eher nicht hier aufzuzählen. Doch woher stammen diese? *nantu-/nanto 'Tal' REW5818; TB 203; H49:107s.; FEW VII: 7; PYL94:197; Anreiter 1992:699; D20:274
fr., frpr. (e.g. sav. nä '(Sturz-)Bach; Schlucht, in der das geschägerte Holz zu Tal transportiert wird'), piem. (nant), schwdt., Vorarlberg. - als Appellativum in den Alpen Savoiens und einiger adjazenter Gebiete sowie in piemontesischen Mundarten nachweisbar, in Ortsnamen auf 213
einem viel weiteren Gebiet verbreitet: Ariege, Rouergue, Wallis, Bourgogne, Piemont, Tessin, Veneto, Graubünden, Vorarlberg • Die Gallizitätsthese wird durch keltische Entsprechungen gestützt (cf. akorn. nant 'Tal', kymr. nant 'Bach') sowie durch die Zuordnung in Endlichers Glossar. *naska 'Band' FEW VII: 28; Bertoldi 1933:327ss.; Fleuriot 1978a: 326; D20:221, 274; LEIA N-3
okz. (nur Provence nasko 'clematite'), frpr. (Var, Vaucluse 'clematite'), fr. (in dem Bretonischen benachbarten Mundarten, aber nicht aus dem Bret, entlehnt [cf. Fleuriot]), lig. (zur Bezeichnung verschiedener Pflanzen, e. g. nasche pi. 'inula viscosa') • Auf Gallizität weisen vor allem Entsprechungen im Inselkeltischen (cf. ir. nasc 'bague', bret. nasc 'Band' [< idg. *nedh- 'binden' + Suffix -sk]) und die Sprachgeographie. Es handelt sich wohl um ein Wanderwort. *nasiäre (gall.?) 'Hanf rösten' REW 5832a; Fare 5832a; TB 204; JUH38:109; FEW VII: 24s.; AIS 1496; HWR 11:521
okz. (ab Languedoc östlich) und fr. mit frpr. incl. aost. (e. g. mfr. naiser 'id.'), piem. (nasi 'id.'), bdr. (surm. nascher 'rösten', suts. naschar 'dito') - die Nachfolgeformen lassen einen westlichen Teil Frankreichs aus und konzentrieren sich im Frpr. und limitrophen Gebiete (westliches Piemont, Graubünden) • Das REW schlägt keltischen Ursprung vor, was von Bolelli wegen fehlender Entsprechungen in den keltischen Sprachen angezweifelt wird. 122 Gallische Vermittlung kann jedenfalls gut eine Rolle gespielt haben. Hubschmieds Versuch, das Wort auf *nas- 'Nase' zurückzuführen, hat Wissenschaftler der nachfolgenden Generationen aus semantischen Gründen zu Recht nicht überzeugt. Das FEW schlägt vor, vorsichtig von einem vorrömischen Wanderwort zu sprechen. *nauda (gall.?) 'Sumpfgegend' REW 5853; Fare 5853; TB 205; JUH38:115; FEW VII: 53s.; Sturm 1938:74; LEIA S-154
okz. und fr. (Typ noe 'id.; prairie humide et grasse'), piem. (monferr. noua 'palude, gorgo') - vertreten im Piemont (Monferrato, Saluzzo) 122
Auch bei Uffer (1963/1964:217) ist es unreflektiert als Wort keltischer Herkunft verzeichnet.
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sowie in der gesamten Galloromania stricto sensu mit Ausnahme des frpr. Sprachgebietes und der östlichen Provence • Das Wort läßt sich möglicherweise an air. snüad 'Wasserlauf (< *sneu-d- < *snä/*sn-eu- 'fließen') anbinden. *näu-to- 'Mulde' FEW VII: 58
sp., okz. (ein Typ naut(a), nur sehr spärlich im westlichen Okzitanien belegt: e. g. agask. naut 'auge', daneben auch andere Arten von Behältern) - vom Etymon abgeleitete Ortsnamen finden sich auf der iberischen Halbinsel, in Gallien und in Oberitalien • Für genuin keltischen Ursprung gibt es keine Hinweise. Aufgrund seiner Verbreitung als Ortsnamensuffix wird das Wort aber zumindest diagallisch gewesen sein. *nesta (gall.?) 'Bach' FEW VII: 105; H54:51s.
okz. (als Appellativum nur in den Departements Vendee [nete 'ruisseau, large fosse'], H-Garonnes, Η-Pyrenees [neste 'torrent']; darüber hinaus in Ortsnamen und Bachnamen) • Ein Hinweis auf —» *fruta und —»rfno als sichere Entlehnungen aus dem Wortfeld «fließendes Wasser» genügt nicht für hohe Keltizitätswahrscheinlichkeit. In diesem Wortfeld können viele Entlehnungen vorgallisch, ja gar vorindogermanisch sein. Das Lemma kann nicht in das gallische Substratkorpus aufgenommen werden. nlta (gall.?) 'Buttermilch' JUH38:116s.; Jud 1924:203; Gsell 1997:139 ann. 13; EWDV:49s.
tess. (nida 'Rahm der Milch'), ven. (Belluno nida 'siero'), ates. (Typ nida 'id.'), cad. (e. g. amp. nida 'id.'), obd. • Während Kramer von einer vorrömischen Wurzel ausgeht, sprach sich Hubschmied für gallische Herkunft aus. Es handelt sich hier um ein Wort, das allein im Tessinischen, Dolomitenladinischen und Bellunesischen vorzukommen scheint. Auch im Galloromanischen stricto sensu ist es nicht beheimatet; nur süddeutsche Mundarten kennen noch Nachfolgeformen. Die Erläuterungen Hubschmieds, der unter Angabe paralleler Bedeutungsentwicklungen in anderen Sprachen eine keltische Wurzel *sm- 'spinnen, weben' über gall, (s)m-tlo 'Webprodukt' > 'Tuch' > 'Rahm' im Tessinischen und evtl. weiter zu 'Buttermilch' im Dolomitenladinischen als Etymon sieht, sind nicht unlogisch. Die sehr beschränkte Verbreitung in den Ostalpen (Tessin, Veneto, ohne Lom-
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bardei, ohne Piemont, ohne Transalpina) legt jedoch nahe, daß es sich eher nicht um ein (dia)gallisches Wort handelt - in Venezien taucht das Wort ja nur in Belluno auf. 123 odocos 'Attich' FEW VII: 324s.; REW6039; Hubschmied 1924:170; D20:276
pg., sp., okz. (e. g. aokz. olegue 'Attich', Nice alegue 'asphodele', lang. augui 'hieble', lang, egou 'dito'), frpr. (e.g. Lyon huguo 'hieble', Vaux wiargo 'dito'), bresc. {dies, üles 'ebbio'), emil. (Piacenza antica ülas 'ebbio') 124 - lebt nur sehr eingeschränkt fort: im Südosten Frankreichs, in einem kleinen Teil der Lombardei, in einem beschränkten Gebiet der Emilia • Das Wort wird bei Marcellus Empiricus (VII, 13) gallisch genannt. Zu den Formen mit -/- schreibt das FEW (VII: 325): «Die formen verlangen einen stamm *ol-, der wohl wegen des starken geruchs der pflanze unter dem einfluss von ÖLERE 'riechen' aus öd- entstanden ist.» Zu denken wäre aber auch an Einfluß von lat. ebulum 'Attich' (REW2821) oder auch an kohyponymische Übertragung von lat. ülex (REW9034). Dies erklärt aber nicht alle Formen. Wie kann man beispielsweise den Vokalismus in Nizza alegue, lang, augrn, emil. ülas begründen? Assimilation durch /? olca 'pflügbares Land' REW6050; TB 207; FEW VII: 339ss.; PYL94:197; Ernout/Meillet 1967:460
pg. (galiz.-pg., e. g. olga 'Streifen Land, zwischen Hügeln gelegen'), sp. (nur astur.), okz. und fr. mit frpr. (e.g. aokz. oscha 'eingefriedeter Garten', afr. ouche 'umfriedeter Garten; bebaubares Gebiet [allg.]', pik. oke) - fehlt in einem Großteil Frankreichs: südlich der Linie Bordeaux-Rhone-Ardeche-Mündung-Alpenkamm und in der Wallonie; das Wort tritt auch in Ortsnamen auf • Das Wort ist mit hoher Wahrscheinlichkeit keltisch. Es wird bei Gregor von Tours (glor. conf.) dem Gallischen zugeordnet. Es ist mit engl, fallow 'Brachland' verwandt, idg. p- ist lautgerecht geschwunden. Auch der Sinnbezirk spricht für gallische Herkunft (—> *gaskaria, —> *sauareton, —» bodlka, —> *artika).
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Gehören hierzu auch ueng. netga 'Rahmkelle (allg.); Milchmass (arch.)', suts. netga ~ neptga 'dito', zu deren Herkunft das HWR (II: 256) schreibt: «Ungeklärt; Herleitung aus germ. *hnapp 'Napf wäre semant. plausibel; dieses lebt in it. nappo, anappo 'Trinkgefäss', fr. hanap 'Humpen' weiter»? Auch dt. Attich könnte von gall, odocos stammen (cf. dazu Marzeil 19431979: IV, 58).
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omasum / *omassum (gall.?) 'Rinderkaldaunen' Anreiter 1992:725s.; D20:276; Ernout/Meillet 1967:461
fr. (nur nfr. omase 'dritter Ventrikel des Wiederkäuermagens') • Nach Anreiter ist keltischer Ursprung kaum gesichert, wenngleich in einer Glosse die Zuordnung zum Gallischen erfolgt und es bei Plinius genannt wird. Die Chronologie der Belege spricht außerdem dafür, daß es sich um ein «mot savant» handelt. *orka (gall.?) 'Föhre' FEW VII: 417
frpr. (auf einem kleinen Gebiet im Departement Ain), piem. (olca 'pinus cembra') • Darf man annehmen, daß aufgrund des Ausfalls des anlautenden pdas Wort trotz fehlender Verankerungen in den keltischen Sprachen aus dem Gallischen stammt? Das Verbreitungsareal scheint mir fast zu klein zu sein. Kann man eine innerkeltische Verankerung mittels des Trentinischen porca 'id.' herstellen? Stammt dieses aus dem Lepontischen, ein keltisches Idiom, wo p- nicht geschwunden ist, oder stammt dieses tatsächlich aus dem Illyrischen, wie Hubschmid (1950a: 40) glaubt? *öska (gall.) 'Kerbe' FEW VII: 431s.; Jud 1922a: 451; DECLC VI: 135ss.
pg. (galiz. osca 'Kerbe', galiz. moscar 'einen Einschnitt in die Rinde der Kastanie machen'?, pg. mosca 'Kerbe'?), sp. (e. g. astur, güezca 'Kerbe', astur, muezca 'Kerbe'?, sp. muesca 'Kerbe'?), kat. (osca 'Scharte'), okz., fr. (e.g. osche 'coche, entaille faite pour marquer ou arreter qc', afr. o(s)che 'entaille qu'on fait avec un couteau sur un baton pour servir de marque, afr. oschier, aokz. oscar 'entailler, ebrecher'), frpr., lig. (e. g. gen. osca 'Fuge der Bretter'), piem. {osca 'Kerbe') • Warum Wartburg (FEW) das Wort in der Lemmazeile als «vorromanisch» auszeichnet und nicht eindeutig als gallisch, wie er es ja auch in seiner etymologischen Diskussion tut, ist mir nicht verständlich. Es bieten sich ja eindeutige inselkeltische Formen an: e.g. kymr. osg 'Kerbe', bret. aska 'eine Kerbe schneiden'. Insofern verwundert auch Coromines' Ansatz «d'origen incert, probablement pre-romä». Fraglich bleibt indes, ob alle hier aufgeführten Formen wirklich diesem Etymon zuzurechnen sind, denn woher stammt das m- in einigen iberoromanischen Formen? Das DCECH (IV: 144) stellt diese Formen zu sp. morder 'beißen'. Es fehlt aber letztendlich an einer überzeugenden lautlichen Erklärung für diesen weit verbreiteten Worttyp.
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*ouxamo- (gall.) 'oben' FEW VII: 445; JUH38:96; Hubschmied 1924:173 ann.7
frpr. (nur sav.-genf. iü^sdm, iüäzoms 'Stiel des Dreschflegels, der Sense' und Abondance [H-Savoie] isma 'manche de fleau') - als Bestandteil zahlreicher Ortsnamen nachzuweisen • So eindeutig gallisch wie Hubschmi(e)ds glauben - von Hubschmid jun. stammt der Artikel im FEW - scheint das Lemma nicht, fehlen doch eindeutige inselkeltische Entsprechungen. Auch das Verbreitungsgebiet spricht eher gegen die gallische These. Das Wort soll in den nachstehenden Analysen nicht berücksichtigt werden. paraveredus 'Nebenpferd, Beipferd, Zelter' FEW VII: 640
sp. (nur asp.), fr. (palefroi) - die übrigen Formen (okz., iberorom., obit.) entstammen dem Mittellatein Oberitaliens • Das Wort wird bei Iustinian (IV,232) keltisch genannt. *pätü 'Nahrung' FEW VIII: 51
okz. (nur gask. Typ padouir 'faire paitre; couper ou ramasser du bois', Typ padouence 'bois communal') • Ist die gaskognische Form wirklich mit kymr. pawr 'Weide' zu verbinden, wie das FEW behauptet? Die semantische Verbindung ist nicht ganz klar. Auch die Sprachgeographie spricht eher gegen solche Annahme. *petru 'Vierfüßer' FEW VIII: 329; DEI IV: 2863; D20:278
pg., sp. {perro 'Hund', okz. und fr. mit frpr. (Typ perre 'Hund': Var, Agen, npr., Carlat, Ytrac, bearn., Gers, Puiss., Vd'Ill.), piem. (perro 'cagnolino; porcello d'India'; < okz.?), sard. (< sp.? transalpin?) - die Bedeutung 'Vierfüßer' ist meist zu 'Hund' verengt worden, in Einzelfallen auch in eine andere Richtung (wie beispielsweise dem piemontesischen 'Meerschweinchen') • Das FEW geht in Anlehnung an Balmori von gallischem Ursprung aus. Der Anlaut des Wortes weist die typische p-keltische Entwicklung von ku- zu p- auf. Doch zeigt ein panindogermanischer Vergleich, daß der Anlaut von Zahlwörtern besonders anfällig ist für Assimilationen. So lassen sich als Basen für die Numeralia '4', '5', '9', '10' etwa folgende indogermanische Formen annehmen: *kvetvores, *penk-e, *neun, *dekm. '4' und '5' lauten im Lateinischen quattuor, quinque [!], im Deutschen 218
vier [!], fünf, '9' und '10' lauten im Russischen djevjat' [!], djesjat'. Demzufolge muss ein petru- nicht ein regelmäßiges keltisches Wort sein; es kann auch unregelmäßiger Fortsetzer aus einer anderen indogermanischen Sprache sein und dann mit der Bezeichnung gewandert sein. Der Bedeutungswandel von 'Vierfüßer' zu 'Hund' wäre im Sinne der Prototypentheorie leicht zu erklären. Hunde sind für den Menschen die prototypischen Vierbeiner; sie sind die ältesten Haustiere Europas. *pinna/*punna 'Käse' H54:21; AIS 1219; ASLEF4008; Ricci 1904:334; DEIIV:2988
okz. (HPyr. pino 'petit fromage du lait de brebis ou de chevre', Ariege pünägu), lomb. (nur im östlichsten Streifen: e. g. veltl. pQt, pQta 'ricotta', alpinlomb. poina 'formaggio dolce', Bormio ρρί 'formaggio casalingo'), trent. (poina 'ricotta'), emil. (moden. puina 'ricotta'), ven. (puina 'ricotta'), bdr. (engadertal. puonna 'ricotta'), ates. (fass, poina 'ricotta'), frl. (Süden: puina 'ricotta') • Gehört der Typ pot überhaupt hierher? Im DEI wird der Worttyp auf lat. ρορΐηα 'bettola, taverna, osteria' mit späterer Kreuzung mit lat. popanum 'focaccia' bezogen. Dies überzeugt jedoch wenig. Hubschmid leitet den Typ puina von gall, pop-, entsprechend lat. coquere, ab; «[d]as Pyrenäenwort pino weist auf eine gallische Grundform *pmna» (Hubschmid 1954:21). Hubschmid selbst gibt die lautlichen Schwierigkeiten zu. Auch mangelt es an Entsprechungen im Inselkeltischen. Und die cisalpine Sprachgeographie spricht eher für paläovenetische Herkunft. Freilich ist der okzitanische Fortsetzer auffällig. Handelt es sich um ein vorindogermanisches Rückzugswort? Das Lemma kann jedenfalls nicht als Keltizismus betrachtet werden. *purra 'Geschwulst' (—> *burra) *randa/*ranna 'Rand; Grenze' Jud 1922b: 523; FEWX:56ss.; KB647; Fleuriot 1978a: 327; D20:280; AIS 1418; LEIAR-7; Desinan 1984:26s.; (DECLC VII:92ss.; REW7042; DEI V: 3205)
sp. (aragon.), kat., okz. und fr. mit frpr. (Typ rande 'furche, Schwaden [nur Westfrankreich]; haie, haie vive [nur Südfrankreich]; rand [besonders okz., frpr.]'), lig. (randa), piem. (randa, rande 'scolmare [la misura]') - in den frangais ruraux weit verbreitet; die Bedeutungsentwicklungen umfassen 'Furche, Schwaden', 'Hecke', 'Rand', 'Streichmaß', 'Stange'; in der Transalpina lebt das Wort in der Bedeutung 'Furche; Schwaden' als Simplex nur in Westfrankreich, als Ableitung auf -on nur im Osten; die Bedeutung 'Hecke' eignet Südfrankreich; die allgemeine Bedeutung
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'Rand' ist ebenfalls im Okz. und Frpr. zu finden und ist auch ins Sp. und It. entlehnt worden; das Wort ist auch in etlichen Toponymen konserviert • Im AIS ist der Worttyp nicht verzeichnet. Das Lemma könnte mit ir. bret. rann 'Teil' (ur)verwandt sein. Gehört hierher auch aost. rädo 'raso [di scodella, ecc.]', welches Merlo (1956a: 4; 1978b: 219) mit Val Sesia rangute 'borbottare', okz. rangoulä 'respirare con affanno, rantolare' zu got. *randa stellt? Die gotische These wird von manchen auch für alle hier angegebenen romanischen Formen vertreten. Zur Herkunft des aber auch möglicherweise keltischen Worttyps allgemein schreibt das LEIA: «II est difficile de reconstituer le prototype dont sont issues ces formes celtiques, car on n'en trouve nulle part l'exact correspondant; on peut cependant partir d'une forme *prsnä [...], et supposer un certain rapport avec lat. pars». *randia 'Spitze' Hubschmied 1939:220; Stampa 1937:123; AIS 1403; LEIAR-31s.
lomb.-piem. (randza 'falce') • Hubschmied setzt für den oberitalienischen Typ ein gall. *randiä an, «ablautend zu ir. rind m. 'Spitze', 'aculeus'; cf. lit. dalgis 'Sense', zu ir. delg 'Dorn, TuchnadeP». ratis 'Farnkraut' FEWX: 120; Anreiter 1997:32; AIS 618; D20:280; Ernout/Meillet 1967:565
fr. (nur B-Manche retür 'fougeres et ronces qu'on coupe sur les haies pour en faire de la litiere') • Das Wort ist zwar nur in einem einzigen Departement zu finden, dennoch ist von echter Gallizität auszugehen. Dafür sprechen die Parallelformen im Inselkeltischen (cf. mir. raith 'id.') und die Zuordnung bei Marcellus Empiricus (XV,37). Der AIS verzeichnet unter P. 397 [Rovigno/Istrien] radega 'Farn'; dieses kann meiner Ansicht nach ebenfalls hierhergestellt werden, falls man darin nicht einen Fortsetzer zu lat. radix 'Wurzel' sehen will (cf. frl. radis-dolce 'dito'). red- ""marschieren, in Bewegung sein' (—> reda) FEW XXI: 108:205
Nam. rille 'efeu', nokz. reoula 'dito', frld. reole 'glechoma hederacea', H-Garonne redülo 'bruyere' • Es fehlen parallele semantische Entwicklungen in den inselkeltischen Formen. Viel naheliegender scheint mir eine Anknüpfung an lat. hedera (etwa (h)edera > *redera [Assimilation] > *redela [Metathese] > *redula
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[Dissimilation, damit Anbindung an bekanntes Suffix]). Semantisch fällt die Form der Haute-Garonne, redülo, heraus. Auch deren Akzentstruktur weicht von den übrigen Formen ab. Liegt hier eine Kreuzung mit —» *rigulla 'Winde [Pflanze]' vor? reda 'Reisewagen' FEWX: 171; D20:281; Ernout/Meillet 1967:567; LEIAD-58
fr. (nur wallon. roye 'charette' [ganz isoliert]) • Das Wort wird schon von Quintilian (1,5,57 & 1,5,68) mit dem Gallischen in Zusammenhang gebracht. Entsprechung im Inselkeltischen ist etwa ir. de-riad 'char ä deux chevaux'. (—> *red-) redo '[ein grätenloser Fisch], Aalruppe, Quappe' FEWX: 180; Ernout/Meillet 1967:567
fr. (nur Moselle reni 'junger Lachs' und Dompaire rene 'junge Forelle') • Ob kymr. rhwydd 'esox lucius' und ähnliche hierherzustellen sind, ist fraglich. Lautung und Akzentstruktur machen eine Verbindung zwischen den romanischen Formen und dem angenommenen Etymon schwierig. Das Wort kann nicht weiter mit einbezogen werden. Die Herkunft der romanischen Formen kann einstweilen nicht geklärt werden. *rik(k)a (gall.?) 'Furche' REW7299; TB213; FEWX:386ss.; FEWXXII, 1:221; KB 1317; KB851; AIS 1418; PYL94:198; D20:281; H60:145; DECLC VII: 190ss.
(kat. rega 'sole'), okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (Typ reie, e. g. afr. reie 'sillon produit par le soc de la charrue'), lig. (Typ reo), piem. (canav. raya/rea 'ciglione erboso di monte') - ist in der gesamten Galloromania stricto sensu (am frühesten in Westfrankreich und einem größeren Teil der Gaskogne) sowie im Canavesischen reich belegt, mit zwei semantischen Strängen: 'Furche' und 'Strich' • Das italienische und das sog. rätoromanische Sprachgebiet werden von lat. sulcus beherrscht. Gallische Herkunft ist nicht gesichert, da wie das REW vermerkt - kymr. rhych 'id.' den Vokal nicht erklären könne. Doch handelt es sich vielleicht um eine dialektale Variante im Gallischen. Die lautlichen Probleme scheinen mir jedenfalls aufgrund der ohnehin mangelnden Kenntnis des cisalpinen Gallisch eher (cf. Kap. 1.3.) gering. Das Lemma kann als Keltizismus gewertet werden. Lediglich die piemontesische Form fällt lautlich und semantisch aus der Reihe und wird daher hier nicht mit einbezogen.
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*rigulla (< *reig- 'binden') 'Winde [Pflanze]' FEW XXI: 199; LEIAR-33
pg. (galiz.), sp. (arag., astur.), frpr. incl. aost. (und angrenzende fr. Gebiete) (H-Sav. riola, Genf riole, Sav. rwäla) • Das FEW weist auf ir. adring 'alligö' als inselkeltischen Verwandten hin. Dazu läßt sich wohl auch air. ring- 'tordre, torturer' stellen. *rino-/*reno- 'Bach, Fluß' REW7327; TB214; Stampa 1937:159; H49:115s.; H54: 52; Bracchi 1983:15; Gsell 1997:139 ann. 13; FEW X: 410; HWRII:658; D20:281
fr. und frpr. incl. aost. (Typ rtn, als Appellativum nur vereinzelt in einigen westlichen, nördlichen, östlichen fr. Mundarten sowie im Frpr. belegt), lig. (Typ rig), lomb. (Typ rig und Bormio rinöri), ven. (nur bellun. ren 'ciglio per il lungo del zei [prato naturale tra due filari d'alberi]'), bdr. (Typen rein 'Fluß, Bach' und ragn, e.g. surm. ragn 'Talfluß'), cad. (com. riq) - vor allem in Toponymen • Das Wort ist gallisch: cf. ir. rian 'Meer' [< urkelt. *rei-no-]. Es taucht vor allem in Toponymen auf. Bei den Appellativen ist angesichts des Sinnbezirkes zu erwarten, daß es sich um In-loco-Entlehnungen handelt. Auffallend ist die Bedeutungsentwicklung im Bellunesischen. *risk(i)a (gall.?) 'Korb' REW7333; FEWX:417s.; FEWX:418; FEWXXII, 1:256; AIS 1168; ALF 348
fr. mit frpr. ('Korb', 'forme ä fromage', 'corbeille ä pain', 'creche', 'contenu de la creche', 'table ä presser le fromage'), aost. (Brusson [AIS P. 123], e.g. r£ts[ 'Krippe; greppia') - es ist vor allem im Frpr. belegt, aber auch in den fr. Mundarten verstreut • Zum Eintrag *riscia 'Korb' schreibt Wartburg: «Lt. RISCUS, aus gr. ρίσκος entlehnt, bezeichnet einen aus weiden geflochtenen und mit feil überzogenen behälter für kleider usw. Vielleicht stammt das wort aus dem galatischen» (FEW X: 418). Die Femininendung kann einfach durch Kreuzung mit -» *rüska entstanden sein. Sind die beiden Wörter vielleicht sogar urverwandt? Das Wort kann jedenfalls im Rahmen dieser Arbeit nicht als Keltizismus gewertet werden. ?*rosisku- (gall.?) 'völlig ausgetrocknet' FEW XXII, 1:222s.; ALF 214
Westschweiz (auf einen Stamm *rosk- zurückgehende Formen, e.g. awallis. ruchines 'echafaudages au devant d'une grange ä serrer les gerbes, pour faire secher les recoltes ou les rameaux garnis de feuilles 222
qui servent ä nourrir les betes') und Tessin (auf einen Stamm *reskzurückgehende Formen, e. g. Val-Leventina reskäna 'kornkiste') - zahlreiche Belege zur Bezeichnung der Scheune und davon abgeleiteten Bedeutungen • Bei dieser Problematik darf man sich Hubschmid (FEW XXII, 1:222s.) anschließen: «Auszugehen wäre [...] nach J.U. Hubschmied von gall. *rö-sis-käna. Man versteht aber nicht, warum die ablt. in diesem fall nicht *rosiskuäna (entsprechend *ro-siskuareto-) lautete, warum nicht ro-siskuäna betont wurde und wie sich dann die auf *resk- hinweisenden tessinischen formen erklären. Es ist daher vorsichtiger, die zweifellos miteinander verwandten Wörter *raskuäreto (assimiliert aus roskuäreto-), *roskäna und *reskäna vorläufig nicht weiter zu analysieren.»
Die Wörter können nicht weiter berücksichtigt werden. *rukska 'Baumrinde' REW7456; TB 215; DEI V: 3298; Gsell 1997:139 ann. 13; Hubschmid 1968:340s.; Brinkmann 1938:129ss., 149, 178; Bracchi 1983:16; AIS 226; AIS 564; FEWX:581ss.; D20:283; Biondelli 1853:277; H60:146; Klausmann/Krefeld 1986:126; DECLC VII: 538ss.; LEIAR-54; (HWRII:670); Kühebacher 1971:69
kat. (rusca 'escorga de certs arbres, sobretot l'alzina surera'), okz. und fr. mit frpr. incl. aost. (meist auf rüska, bisweilen auch auf die Variante mit Kurzvokal, willkürlich distribuiert: 'Baumrinde', 'Gerberlohe', 'Bienenkorb' [z.T. < Kreuzung mit *briska], 'Schiffsrumpf, 'Reuse', 'Rüsche', 'Korb' (< Kreuzung mit *riskä), 'Käseform', 'Bottich', '[Hohlmaß]', 'Mühlkasten', 'Schlitten', 'Rotz'), piem. (e. g. Typ rüskie 'Späne' im Nordwesten, rüska 'Rinde' im Norden; V-Anz. riskä), lig. (Einzelbeleg Noli [AIS R 185] 'Rinde'; Typ rüska 'Tannenzweige' im West- und Ostlig. mit Ausläufer im Piem.), lomb. (nur nördlich einer Linie Mailand-Brescia 'Rinde, Schale, Haut [von Früchten]', e.g. Veltlin rusker 'arbeiten, entrinden'), emil. (rüsca 'corteccia d'albero macinata', 'Gerberlohe'), tess. (rüskm 'trucioli'), ven. (nur Bellunesisch), bdr. (obw. rustgar 'zusammenraffen, zusammenscharren', V-Müstair rusciä), cad. (amp. ruscd 'kratzen'), kalabr.-siz.-sard. (< piem.?), tirol. - das Wort ist in allen angegebenen Teilgebieten reich belegt, wobei allerdings in semantischer Hinsicht einige der oben genannten Bedeutungen auf nur sehr beschränktem Areal fortleben (e. g. 'Schiffrumpf nur in nfr. ruche, 'Reuse' nur in nfr. rusche, 'Rüsche' nur im Dauphine und in nfr. ruche, 'Schlitten' nur Ustou rüsk, 'Rotz' und ähnliches nur in den Regionen Berry, Allier, Varennes-sur-Allier, Tarn, Uchon, Aveyron • Die Annahme gallischer Herkunft beruht zunächst nur auf der geographischen Verbreitung des Wortes, denn wenigstens einige der inselkeltischen Fortsetzer (bret. rusk 'Rinde', korn. rusc 'dito') scheinen 223
gemäß FEW galloromanische Lehnwörter zu sein. Und kymr. rhysgl Wartburg hält letztendlich vorgallischen Substrateinfluß für wahrscheinlich. Der landwirtschaftliche Sinnbezirk des Wortes erhöht die Keltizitätswahrscheinlichkeit. Es soll sich daher Hubschmid (1960c: 146) angeschlossen werden: «II faut partir du [diajcelte *RÜK-SKA». Vom Sinnbezirk her dürfte es sich um Entlehnungen in loco handeln. Bemerkenswert ist jedoch die Entwicklung zu den Bedeutungen 'Schlitten' und 'Rotz'. (—> *briska, *risk(i)a) *rüska 'Baumrinde' (—> *rükska) *rusia 'Gletscher' (gall.?) FEWX: 586s.; KB 80; Pult 1946: 35ss.
frpr. incl. aost. (rwfze 'id.') - kommt fast ausschließlich in den frpr. Dialekten des Piemonts vor • Gallische Herkunft wird zunächst durch nichts untermauert. Hubschmied (cf. die Zusammenfassung bei Pult 1946:36) hatte ursprünglich germanischen Ursprung angenommen, *rusia aus *rosa 'Eiskruste, Eis' (cf. anord. *hriosa 'schaudern'?), später aber dann an ein gall. *ngusia 'die Mächtige' gedacht, denn - so Hubschmid jun. (1950c: 267) in anderem Zusammenhang - es werden Naturerscheinungen wie Gletscher oder Lawinen oftmals als Lebewesen aufgefaßt, wie «ein dämonisches Wesen, das in Quellen und Flüssen wirkte und auch in der Gletscherwelt hauste». Die Verbreitung steht zu dieser These nicht im Widerspruch, so daß die genannten romanischen Formen durchaus mit gall. *rfgusia 'die Mächtige' in Zusammenhang stehen können. ?*säba (vorröm./gall.) < *stäma/*stäba (gall.) 'dicker Zaunpfahl' H50:62; OGs91a: 132; Gsell 1997:139s. ann. 13; HWR II: 695; (vs. EWDVI:214; EWGtVII: 15)
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1937:135;
lomb. (nur Veltlin sava 'Tragbalken') bdr. (gesamtbdr.: sava 'Türpfosten; Schwelle'), ates. (gesamtates.: seva 'Zaunpfahl, Tagbalken'), schwdt. • Gemäß Hubschmid (1950a: 62) ist *säba ein vorromanisches oder spätgallisches Wort, das wiederum aus einem gall. *stäma entstanden sein könnte. Doch die gallische These wird durch nichts gestützt. Es gibt keinerlei Parallelformen in den inselkeltischen Mundarten noch spricht die Verbreitung für (dia)gallische Herkunft. Das Wort ist somit in die weiteren Untersuchungen nicht miteinzubeziehen. Ist der Worttyp am Ende doch zu lat. saepes 'Hecke' zu stellen wie es das EWD für seva glaubt? Schließlich bedeutet lat. saepes nicht nur 'Hecke, Gehege', sondern (hauptsächlich?) auch 'Zaun'. Von 'Zaun' ist eine metonymi-
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sehe Bedeutungsübertragung zu 'Pfosten, Pfahl' oder 'Schwelle' (dann weiter zu 'Tragbalken') leicht denkbar. *sabolos 'sommerlich' (—> *sauareton) *salikas (gall.?) 'Weide' H50: 57; FEW XXI: 56; D20:284; AIS 600; ASLEF519; LEIAS-13
pg., sp. (e.g. arag.), okz. (ganz vereinzelt), ates. (unterfass, sälies, oberfass. silies, grödn. selies 'aquitrino in poggio, costa erbosa umida'), frl. (Typ salgär) • Mit Hubschmid (1950a: 57) und FEW (XXI: 56) hier für die genannten romanischen Formen ein gallisches Etymon anzusetzen (mit Hinweis auf ir. sail 'id.' etc.), scheint mir unnötig. Das FEW (XI: lOOss.) bietet neben klassisch-lateinischem salix 'Weide' eine Nebenform *salika an (cf. auch Prati 1968:150 «lat. pop. *salica»), von der etwa auch lomb. saletsa 'Weide' abstammt. Diese genügt auch dem atesinischen Typ, welcher allerdings eine bemerkenswerte Bedeutungsentfaltung zeigt. Das Wort wird nicht weiter miteinbezogen. Zu Hubschmids Ansatz kann man bei Keller (1966:246 ann. 8) außerdem lesen, daß «Formen wie mir. sailech (Genitiv zu sail 'Weide', cf. auch ahd. sal(a)hä) uns keineswegs berechtigen, deswegen automatisch auf ein gall. Suffix -ike zu schließen.» *samna (gall.?) 'Gaumen; Speiseröhre' REW 7563b; TB 218; J20:468; FEW XI: 138
fr. (nur Yonne), frpr. (Typ säna), lomb. (e. g. mail., bergamask. sanela 'esofago', VTell. saneli 'canna della gola per la respirazione'), schwdt. Nachweise in einem Gebiet zwischen Savoyen, schweizerisch-romanischen Dialekten und Norditalien • Die romanischen Fortsetzer bezeichnen einheitlich die Speiseröhre. Die von Jud vorgeschlagene Verbindung zu stamena 'Gaumen, Kinnbacken' (cf. kymr. safn 'Kinnlade', bret. staon 'Gaumen') halte ich für verfehlt; die Metonymie ist zu ungewöhnlich. Das Wort entspringt wohl letztendlich einer vorrömischen Sprache, kann aber angesichts des Verbreitungsareals sehr gut über das Gallische vermittelt worden sein. *samo- 'Sommer' (—> *sauareton) *san- 'melken' H51:23; H54:22; FEWXI: 144s.; FEWXI: 183;125 FEWXI: 186s.; AIS 1198 125
Die entsprechenden Formen erscheinen im FEW unter gall. *sania 'Melkgeefäß' und auch in einer Fußnote bei *kumbos.
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sp. (arag.), okz. (e. g. aokz. sanga 'seau ä traire', Poutr., Η-Gar., Aran, Bagneres, Ferrere, Lavedan, Lourdes, beam.), lomb. (Bergell; Puschlav sona Vaso da mungere' [cf. Kommentar]), bdr. (gesamtbdr., incl. suona 'Melkeimer' [cf. Kommentar]), obd., bask. (