Richten, Strafen und Vertragen: Rechtspflege der Universität Freiburg im 16. Jahrhundert [1 ed.] 9783428514588, 9783428114580

Über die Verfahrensweise und die Methoden der Konfliktlösung frühneuzeitlicher Untergerichte ist noch recht wenig bekann

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Richten, Strafen und Vertragen: Rechtspflege der Universität Freiburg im 16. Jahrhundert [1 ed.]
 9783428514588, 9783428114580

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Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 47

Richten, Strafen und Vertragen Rechtspflege der Universität Freiburg im 16. Jahrhundert

Von Bettina Bubach

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

BETTINA BUBACH

Richten, Strafen und Vertragen

Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Neue Folge · Band 47

Richten, Strafen und Vertragen Rechtspflege der Universität Freiburg im 16. Jahrhundert

Von Bettina Bubach

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 3-428-11458-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Wer aber solches nicht wil glauben / der forsch und frage bey den Gerichten nach / lese auch ire Acta, wirdt er befinden / daß dem (darvon ich schreib) also ist ... Georg am Waldt, Gerichts Unordnung, S. 2 f.

Vorwort Diese Arbeit wurde im Jahr 2003 von der Juristischen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität als Promotion angenommen. Sie entstand in den Jahren 1999 bis 2003 am Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung in Freiburg im Breisgau. Dank gebührt vor allem Prof. Nehlsen-von Stryk, meiner Doktormutter, für die Betreuung dieser Dissertation: Sie gewährte mir die wissenschaftliche Freiheit, eingeständig zu arbeiten, und war dennoch stets bereit, mich durch Gespräche und Ratschläge zu unterstützen. Prof. Kroeschell danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und dafür, als Vorgänger von Prof. Nehlsenvon Stryk auf dem Lehrstuhl für deutsche Rechtsgeschichte, mein Interesse an diesem Fach geweckt zu haben. Weiterhin danke ich den Mitarbeitern des Universitätsarchivs Freiburg und seinem Leiter Dr. Speck sowie den immer freundlichen und liebenswürdigen Mitarbeiterinnen des Sonderlesesaals der Freiburger Universitätsbibliothek. Für ihre Unterstützung möchte ich mich besonders bei allen Mitarbeitern und Kollegen am Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung bedanken, speziell bei Frau Kornelia Blum und Frau Heide Wegele. Die Freiburger Rechtshistorische Gesellschaft hat die Veröffentlichung dieser Arbeit durch einen Druckkostenzuschuß gefördert, hierfür bedanke ich mich ebenfalls. Last but not least möchte ich den Menschen danken, ohne die ich diese Doktorarbeit nicht hätte schreiben können: Dr. Margret Obladen für wissenschaftliche und persönliche Gespräche und für ihre Freundschaft, Herrn Christoph Belafi für seinen Beistand in allen Schwierigkeiten und meinen Eltern für ihre finanzielle und moralische Unterstützung. Freiburg, im Herbst 2004 Bettina Bubach

Inhalt Einführung

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§ 1 Forschungsziel und Methode ....................................................................................17 I. Forschungsziel ...................................................................................................17 II. Methodische Grundsatzfragen............................................................................19 1. Die Quellenauswahl .....................................................................................19 2. Die Interpretation .........................................................................................21 a) Begriffsbildung: Leitbilder gestern und heute .......................................21 b) Methoden und Theorien.........................................................................22 § 2 Grundlagen ...............................................................................................................24 I. Geschichte der Universitäten und ihrer Gerichtsbarkeit.....................................24 1. Die Ursprünge der Hohen Schulen...............................................................24 2. Die Universitäten des Spätmittelalters .........................................................27 II. Literaturübersicht und Wissenschaftsgeschichte................................................28 1. Grundlegende Werke ...................................................................................29 2. Wissenschaftsgeschichte: Der Streit um den „klerikalen“ Charakter...........30 3. Weitere Werke im Überblick .......................................................................36 III. Rahmenbedingungen des 16. Jahrhunderts ........................................................38 1. Freiburg und Vorderösterreich.....................................................................38 2. Academia Friburgensis Brisgoiae ................................................................40 a) Größe und Geschichte der Freiburger Universität .................................40 b) Fächer, Lehrer, Schüler..........................................................................49 3. Münzen und Geldwerte im Breisgau des 16. Jahrhunderts ..........................53 Erster Teil Die Gerichtsorganisation der Universität

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§ 1 Quellen und Editionen ..............................................................................................56 I. Bestände des Universitätsarchivs .......................................................................56 1. Urkunden der Universität.............................................................................56 2. Statuten ........................................................................................................56 3. Beschreibende Privatarbeiten.......................................................................60 4. Senatsprotokolle...........................................................................................61 II. Editionen ............................................................................................................62 § 2 Gerichtsbarkeit nach dem Stiftungsbrief und den Verträgen ....................................63 I. Stiftungsbrief......................................................................................................63 1. Kontext ........................................................................................................64

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Inhalt

2. Die Einleitung und die ersten drei Artikel....................................................65 3. Der vierte Artikel: Wir wellen auch vnd gebieten ernstlich ... ...............68 a) Festnahmeverbot....................................................................................68 b) Ledig lassen on entgelten.......................................................................70 c) Wer aber die vrsach als groß ... ........................................................72 d) Auslieferung an den Bischof..................................................................73 4. Der zwölfte Artikel: So geben wir auch eim yetlichen Rector ... ...........75 5. Der dreizehnte Artikel: WIr haben auch alle freyheit ... .........................79 6. Exkurs: Der „Kleriker“ im Stiftungsbrief ....................................................80 7. Schluß ..........................................................................................................81 II. Verträge zwischen Stadt und Universität ...........................................................81 1. Der Vertragsentwurf von 1494.....................................................................82 2. Die Verträge des 16. Jahrhunderts ...............................................................83 a) Recht geben und nehmen: Artikel zwölf in den Verträgen des 16. Jahrhunderts...............................................................................83 b) Das Malefitz berührend: Artikel vier .....................................................85 III. Ergebnis und Ausblick .......................................................................................87 § 3 Gerichtsorganisation in der Praxis ............................................................................88 I. Das Consistorium ...............................................................................................88 1. Das Consistorium im Gefüge der Ausschüsse und Beiräte ..........................88 a) Anfänge der Universitätsverwaltung .....................................................88 b) Die Gremien im 16. Jahrhundert............................................................94 2. Aufgabe und Kompetenz des Consistoriums ...............................................96 a) Die sachliche Zuständigkeit...................................................................97 b) Persönliche Zuständigkeit (Gerichtsstand) ..........................................101 3. Zusammensetzung......................................................................................113 a) Die Herren Consistoriales....................................................................113 b) Iudex ....................................................................................................114 c) Notar und Pedell ..................................................................................115 II. Senat, Convocatio, Universitas ........................................................................116 1. Zusammensetzung......................................................................................116 2. Gerichtliche Aufgaben des Senats..............................................................117 a) In der Anfangszeit der Universität .......................................................118 b) Im 16. Jahrhundert ...............................................................................120 aa) Verlesung der Verhöre .................................................................120 bb) De Poenis delinquentium..............................................................123 cc) Das Ius incarcerendi .....................................................................128 3. Exkurs: Grenzen der Zuständigkeit............................................................130 III. Der Rektor........................................................................................................132 IV. Schlußfrage: Wer war das „Universitätsgericht“? ............................................134 § 4 Zwang und Zusammenhalt......................................................................................136 I. Zwang durch Selbstbindung: der Eid ...............................................................136 1. Eid und Obrigkeit.......................................................................................137 a) Immatrikulation ...................................................................................137 b) Funktionen des Eids.............................................................................138 c) Verhöre beim Eid.................................................................................138 2. Die Gefahr des Meineids............................................................................141

Inhalt

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a) Eid und Wahrheitssicherung ................................................................141 b) Eid und Strafe ......................................................................................143 II. Zwang von Außen: Haft und Arrest .................................................................144 1. Inhaftierung in carcer und Kollegium ........................................................144 a) Haft vor und während eines rechtlichen Verfahrens ............................144 b) Haft und Strafe.....................................................................................146 c) Haft nach Schuldanerkenntnis .............................................................147 d) Haftkosten............................................................................................149 2. Arrest und Sicherung .................................................................................151 a) Inhalt des Arrestgebots ........................................................................152 b) Arrestgründe ........................................................................................156 c) Voraussetzungen..................................................................................158 Zweiter Teil Die Ausübung der Strafgewalt

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§ 1 Literatur und Quellen..............................................................................................160 I. Literaturübersicht und Forschungsstand...........................................................160 II. Die Quellen und ihre Erfassung .......................................................................162 § 2 Ermittlung und Aburteilung der Delinquenz...........................................................165 I. Verfahrensregeln? ............................................................................................165 1. Elemente von Akkusationsverfahren und Inquisitionsverfahren................165 2. Ergebnis .....................................................................................................172 II. Die Verhöre......................................................................................................172 1. Ablauf ........................................................................................................172 a) Wahrheitssicherung .............................................................................173 b) Generalinquisition................................................................................174 c) Die Befragung zur Sache .....................................................................175 2. Strategien der Befragten.............................................................................176 a) Gestehen ..............................................................................................176 b) Rechtfertigung und Schutzbehauptungen ............................................177 c) Juristische Verteidigung ......................................................................180 III. Die Delikte in den Statuten und Protokollen ....................................................181 1. Vergehen mit individuellem Geschädigten ................................................182 a) Verletzung des Körpers .......................................................................182 b) Verletzung der Ehre.............................................................................184 c) Delikte mit Eigentumsbezug................................................................187 aa) Wegnahmedelikte.........................................................................187 bb) Sachbeschädigung ........................................................................188 cc) Schuldenmachen ..........................................................................188 2. Vergehen ohne individuellen Geschädigten...............................................189 a) Noctivagi und nächtlicher Tumult .......................................................189 b) Wirtshausbesuch und Alkoholkonsum.................................................190 c) Religionsvergehen ...............................................................................191 d) Sexualdelikte .......................................................................................192 e) Weitere Verstöße gegen die akademische Lebensordnung ..................193 aa) Allgemein: Unvleiß und Übelhalten.............................................193

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Inhalt

bb) Sonstige Delikte ...........................................................................194 IV. Die Entscheidungen von Rektor und Senat ......................................................196 1. Decretum – Strafe ohne Urteil ...................................................................196 2. Poena und mulcta.......................................................................................197 a) Strafrechtsgeschichtliche Einordnung..................................................197 b) Penis a iure communi institutis ............................................................199 c) Strafzwecke – Parallelen zu städtischen Gerichten..............................200 § 3 Behandlung malefitzischer Sachen .........................................................................201 I. Auslieferung an den Bischof von Konstanz .....................................................201 II. Konfliktbeilegung in Freiburg..........................................................................203 1. Flucht und Asyl..........................................................................................203 2. Strafe, Einigung und Fürbitte.....................................................................206 Dritter Teil Das Verfahren vor dem Consistorium

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§ 1 Literatur und Quellen..............................................................................................212 I. Literaturübersicht .............................................................................................212 II. Quellenbericht und Quellenerfassung ..............................................................214 § 2 Rahmenbedingungen des Verfahrens......................................................................216 I. Vorbilder und Quellen des Verfahrensrechts ...................................................216 1. Formen des gelehrten Prozesses in der frühen Neuzeit ..............................217 a) Ordo solennis iudiciarius im kanonischen Prozeßrecht........................217 b) Clementina Saepe und Summarischer Prozeß......................................217 c) Älterer Kameralprozeß (bis zum Jüngsten Reichsabschied 1654) .......219 2. Normative Quellen zum universitären Verfahrensrecht .............................220 a) Freiburger Quellen...............................................................................220 b) Tübinger normative Quellen ................................................................222 II. Merkmale des Verfahrens in der Praxis ...........................................................224 1. Schriftliches oder mündliches Verfahren? .................................................224 2. Sitzungsablauf: Die Audienz......................................................................226 3. Auftreten von Sachwaltern.........................................................................229 a) Gewalthaber und Prokuratoren ............................................................229 b) Advokaten............................................................................................231 c) Der Sachverstand der Sachwalter ........................................................232 III. Ergebnis ...........................................................................................................233 § 3 Von der Verfahrenseinleitung bis zur litis contestatio ............................................234 I. Ladung und Ladungsungehorsam.....................................................................234 1. In der Anfangszeit der Universität: Citatus per rectorem...........................235 2. Im 16. Jahrhundert .....................................................................................236 a) Ladungen durch den Pedell..................................................................236 b) Bei Gericht beantragte, schriftliche Citationen ....................................242 c) Ursprung und Funktion der beiden Ladungsformen ............................254 II. Klage................................................................................................................256 III. Anerkenntnis vor der Litiskontestation: Terminus Juris...................................257 1. Fristsetzung nach Anerkennung der Schuld ...............................................257

Inhalt

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2. Vollstreckung nach terminum iuris ............................................................258 3. Parallelen ...................................................................................................259 IV. Sachwalter und Sicherheiten ............................................................................260 1. Sachwalter..................................................................................................260 a) Prokuratorenbestellung ........................................................................260 b) Sicherheitsleistungen der Sachwalter und Prokuratoren ......................262 2. Sicherheitsleistungen der Parteien .............................................................263 § 4 Von der litis contestatio bis zur sententia definitiva ...............................................264 I. Litis contestatio ................................................................................................264 1. Vorkommen ...............................................................................................264 2. Einreden vor und nach der Litiskontestation..............................................266 II. Iuramentum calumniae.....................................................................................267 III. Beweisverfahren...............................................................................................269 1. Zuständigkeit zum Beweis .........................................................................269 2. Die Beweismittel........................................................................................271 a) Zeugen .................................................................................................271 aa) Eidliche Bekräftigung der Aussage ..............................................272 bb) Interrogatoria generalia, gemeine fragstück .................................274 cc) Interrogatoria specialia, spezielle oder sondere fragstück ............276 b) Sachverständige ...................................................................................277 c) Urkunden .............................................................................................278 d) Eid und Treu an Eidesstatt ...................................................................280 3. Exceptiones gegen Beweise .......................................................................282 IV. Verhandlung.....................................................................................................283 1. Verhandlungsleitung und Contumacia .......................................................283 2. Rechtliches Vorbringen der Parteien und Conclusio in Causa ...................284 § 5 Der Abschluß des Verfahrens .................................................................................285 I. Urteil und Appellation......................................................................................285 1. Sententiae interlocutoriae...........................................................................285 2. Sententiae definitivae.................................................................................286 II. Kosten ..............................................................................................................290 1. Umfang der Kosten ....................................................................................290 2. Gerichtskosten ...........................................................................................291 a) Gebühren .............................................................................................291 b) Sondersitzungen auf Antrag der Parteien.............................................293 3. Kostenentscheidungen in Endurteilen ........................................................294 III. Vollstreckung ...................................................................................................295 1. Vollstreckung durch Zugriff auf den Verurteilten und seinen Besitz.........295 2. Vollstreckung in Sicherheiten ....................................................................297 IV. Alternativen zum Urteil: Vergleich, Vertragung, Aufhebung ..........................298 Vierter Teil Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

300

§ 1 Schulden .................................................................................................................301 I. Möglichkeiten der Gläubiger............................................................................302 1. Abwesende Schuldner: Schriftliche, bei Gericht beantragte Citationen.....302

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Inhalt

2. Anerkannte Schulden: Terminus Juris .......................................................304 3. Bestrittene Schulden: Normales Verfahren ................................................305 II. Ausschluß der Schuld durch Schutzbestimmungen..........................................306 § 2 Auslegung und Abwicklung von Verträgen............................................................309 I. Mietverträge .....................................................................................................309 II. Weitere Verträge ..............................................................................................312 1. Bürgschaft..................................................................................................312 2. Kaufverträge ..............................................................................................312 § 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum .................................................314 I. Ehrverletzungen ...............................................................................................315 1. Zivile Injurienklagen vor dem Consistorium .............................................316 a) Die Klagen: Formel und Inhalt ............................................................316 aa) Schätzung und Taxierung.............................................................317 bb) Gegenklagen.................................................................................318 cc) Die geforderten Summen..............................................................320 dd) Schilderung der Ehrverletzung .....................................................322 ee) Widerruf .......................................................................................322 b) Urteile in Injuriensachen......................................................................323 c) Fallbeispiel: Die Injurienklage der Stadt gegen Stephan von Lalosch .323 2. Streitbeilegung ohne Urteil ........................................................................326 a) Einigung und einverständliche Aufhebung ..........................................326 b) Aufhebung ex officio............................................................................328 3. Kriminalklage und Bestrafung durch die Universität.................................329 4. Ergebnis: Funktion der Injurienklagen bei Ehrverletzung..........................330 II. Körperverletzungen..........................................................................................333 1. Zivile Klagen vor dem Consistorium .........................................................333 a) Inhalt der Klagen .................................................................................334 aa) Wollt er lieber verloren haben, dann solchen Schaden empfangen ....................................................................................336 bb) Das er sein handtwerck wie zuovor nit treiben könne ... ........337 cc) Daran tat er unrecht ... ............................................................338 dd) Sampt abtrag costens und schadens..............................................339 b) Die Sententiae definitivae des Consistoriums......................................340 c) Wertung der Urteilselemente ...............................................................346 aa) Theorie und Praxis .......................................................................346 bb) Die Bestandteile der Consistoriumsurteile ...................................348 cc) Verhältnis der Urteilsbestandteile zueinander ..............................353 2. Einigungen .................................................................................................354 a) Gerichtlicher Vergleich........................................................................354 b) Private Einigung ..................................................................................356 c) Exkurs zur Bedeutung der Asyle .........................................................366 d) Wertung und Gründe der Einigungen ..................................................367 III. Tötungen ..........................................................................................................369 1. Keine Klagen vor dem Consistorium .........................................................369 2. Private Einigung bei Totschlag ..................................................................371 IV. Beschädigungen an Sachen ..............................................................................372 1. Zivile Klagen auf Schadensersatz ..............................................................373

Inhalt

15

a) Klagen..................................................................................................373 b) Urteile ..................................................................................................379 2. Einigungen .................................................................................................379 § 4 Sonstige Streitstoffe................................................................................................380 I. Erbschaftssachen ..............................................................................................380 II. Verführung und Kindesunterhalt......................................................................382 1. Zivile Klage ...............................................................................................383 2. Einigung.....................................................................................................387 § 5 Einfluß des Erziehungsauftrags im Zivilrecht.........................................................388 Schluß

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§ 1 Konfliktlösungsmodelle..........................................................................................391 I. Beschleunigung und Effizienz ............................................................................391 II. Konfliktlösung zwischen Urteil und Vertrag....................................................393 1. Einverständliche oder einseitige Streitbeilegung?......................................394 2. Effektivität des Vergleichs.........................................................................395 § 2 Rechtsverständnis ...................................................................................................397 I. Zivilrecht und Strafrecht ..................................................................................397 1. Trennung und Überschneidung ..................................................................397 2. Vergleich und gerichtliches Selbstverständnis...........................................400 II. Recht und Norm ...............................................................................................402 Anhang

406

Häufigkeit der Inquisitionsfälle und der Prozesse vor dem Consistorium ...................406 Verteilung der Delikte in den Verhörprotokollen .........................................................407 Verteilung der Verfahren in den Consistorialprotokollen.............................................410 Quellenreproduktionen .................................................................................................412 Quellen und Literatur

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I. Quellen.............................................................................................................414 Gedruckte Quellen ...........................................................................................414 Ungedruckte Quellen .......................................................................................415 II. Literatur............................................................................................................416 Monographien und Aufsätze ............................................................................416 Sammelwerke und Lexika................................................................................430 Sachverzeichnis...........................................................................................................432

Abkürzungsverzeichnis AoR d D f. ff.

FDA fl fol. HRG IG LexMa LI 1 LI 2 LI 3 LS 1618 LSR 1581 LSS r RKG RKGO S. S 1460 ß UAF v X ZRG GA

Articuli officii Rectoris academia F. B. Pfennig (denarius) Digesten folgende Seite, Spalte, etc. folgende Seiten, Spalten, etc. Freiburger Diözesanarchiv Gulden (florinus) folium (Seite) Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, hrsg. von Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann. Index generalis in literas, acta et scripta academiae huius Friburgensis, ab eiusdem exordio usque ad finem anno 1600. Lexikon des Mittelalters, München, Zürich 1977 ff. Liber Inquisitionum 1., von 1524 bis 1563. Liber Inquisitionum 2., vom 21.07.1561 bis zum 05.02.1597. Liber Inquisitionum 3., vom 05.02.1597 bis zum 15.03.1610. Liber Statutorum Academiae Friburgensis Brisgoiae A.D. MDCXVIII. Liber Statutorum Academiae Friburgensis renovatus Anno MDLXXXI. Liber Statutorum Academiae Friburgensis Brisgoiae secundus, De his qua Rectorem Regentes cæterosque Officiarios Academicos attinent. rectum, Vorderseite eines einseitig paginierten Blatts Reichskammergericht Reichskammergerichsordnung Seite Statuta alme universitatis friburgensis in brisgow Constancientis Diocesis. 1460 concorditer sanctita per omnes eiusdem regentes. Schilling (solidus) Universitätsarchiv Freiburg versum, Rückseite eines einseitig paginierten Blatts Liber Extra Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Germanistische Abteilung

Einführung § 1 Forschungsziel und Methode An den Universitäten bietet die Vergangenheit der Gegenwart die Hand; ... Halbvermoderte Pergamente, von Mäusen beschmutzt und von Würmern durchlöchert, werden aus langer Dunkelheit an das neue Licht gezogen.1

I. Forschungsziel Am Beginn dieser Arbeit stand die Neugier auf die vielen nicht edierten Quellen der Freiburger Universität, die Akten, Protokolle, Statuten und Verträge: das Staunen über einen vom Erzherzog vermittelten Vertrag oder einen wahrhaftig geschworenen Kalumnieneid. Natürlich gehörte auch das Schmunzeln über Verhörprotokolle dazu, in denen von Studenten berichtet wird, die vor über 400 Jahren in die heute noch fließenden Freiburger Bächle gefallen sind. Am Abschluß soll nun aus all diesen Mosaiksteinen ein möglichst umfassendes und strukturiertes Bild der Rechtspflege in der Mitte des 16. Jahrhunderts zusammengesetzt werden, das große Linien erkennen läßt, ohne die farbenfrohen, kuriosen Steinchen unter den Tisch fallen zu lassen. Mit Hilfe von Quellen aus dem Gerichtsalltag soll der Ablauf des Verfahrens und der Konfliktbeilegung rekonstruiert werden.2 Die Untersuchung der gerichtlichen Praxis der Freiburger Universität hat rasch ergeben, daß die Schublade „Universitätsgeschichte“ in mancher Hinsicht zu eng ist. Die Konflikte gleichen ebenso wie die Lösungsansätze dem, was 1

Auszug aus der Eröffnungsrede des ersten Freiburger Rektors Matthäus Hummel von 1460, nach der Übersetzung von Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, S. 22. 2 Mit der Berücksichtigung von Quellen „straf“- und „zivil“rechtlicher Herkunft kommt meine Arbeit einem schon lange, z. B. 1992 von Schwerhoff, Devianz, S. 405, erhobenen Forschungsdesiderat nach. Signori, Ein „ungleiches Paar“, S. 292, schreibt Straf- und Zivilgerichtsbarkeit ergänzen sich, fließen nahtlos ineinander, was letztlich ein kritisches Licht auf die gängige Forschungspraxis wirft, die beiden Bereiche strikt von einander zu trennen. Dies gilt um so mehr, wenn sich die Entscheidungsgremien personell überschneiden, was an der Universität – sicher aber auch in manchem Rat – der Fall war.

18

Einführung

man über andere Untergerichte der frühen Neuzeit weiß. Durch diese Prämisse unterscheidet sich die vorliegende Arbeit teilweise vom herkömmlichen Bild, denn viele Werke über die Geschichte der Universität(en) – vor allem aus dem 19. Jahrhundert – heben auf die Besonderheiten und Ausnahmeerscheinungen im akademischen Leben ab. Gelehrte und städtische Welt, town and gown erscheinen als verschiedene Gegenspieler,3 und diese Sichtweise bestimmte häufig den Blick auf die Jurisdiktion der Universitäten. Die Untersuchung der gerichtlichen Praxis in Freiburg förderte jedoch in der Mehrzahl alltägliche Fälle und vor allem Ähnlichkeiten mit anderen Gerichten zu Tage: die Rechtsprechung der Universität befaßte sich mit kleineren vermögensrechtlichen Streitigkeiten oder leichten Delikten, mit Alltagskonflikten, und bewältigte diese in ähnlicher Weise wie die Stadtgerichte. Die Erwartung, in der Geschichte der Universitäten etwas Besonderes und vom Gewöhnlichen Abweichendes vorzufinden, hat Fragestellungen und Forschungsansätze in verschiedenster Weise beeinflußt. Als sich beispielsweise herausstellte, daß die Universitäten keine objektive und unabhängige Strafrechtspflege betrieben, sondern ihre eigenen Interessen, wie Besucherzahlen und guten Ruf, fest im Blick hatten, suchte man die Erklärung vor allem in den speziellen Bedingungen an den Hohen Schulen. Das ähnliche Verhalten anderer Gerichtsherren im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit blieb dabei häufig außer Betracht. Gerade auf die Ähnlichkeiten und Parallelen zu städtischen Gerichten soll – soweit dies im hier gesetzten Rahmen zu leisten war – hingewiesen werden. Noch eine andere Lücke möchte diese Arbeit füllen: Die ersten Assoziationen beim Lesen des Schlagworts „akademische Gerichtsbarkeit“ sind wahrscheinlich Studentenstreiche und Karzerstrafen. Verständlicherweise, denn bei Untersuchungen der akademischen Gerichtsbarkeit lag die privatrechtliche Seite oft weniger im Zentrum des Interesses. Universitätsgerichte wurden, wenn überhaupt, unter dem Gesichtspunkt der Straf- und Disziplinargerichtsbarkeit untersucht. Oft diente ihre Behandlung aber vor allem zur anekdotischen Unterfütterung der Darstellung des akademischen Lebens. Auch die neuere historische Forschung beschäftigt sich eher mit der Devianz, dem abweichenden Verhalten und den dahinterstehenden Verhaltensmustern; angesprochen ist das große Forschungsgebiet Kriminalitätsgeschichte, das auch in die Geschichte der Universitäten ausstrahlt. Dies könnte den Eindruck erwecken, die Disziplinargerichtsbarkeit habe den Schwerpunkt der akademischen Gerichtstätigkeit ausgemacht. Die ursprüngliche Jurisdiktion der Universitäten ging aber über den Bereich des Disziplinarrechts hinaus. Das Interesse am Leben der Studenten beginnt erst langsam, sich auch auf die doch alltäglichen privatrechtlichen 3

Rexroth, Bürgertum und Universitätsstiftung, S. 15 m.w.N., vor allem auf die Sittengeschichte(n) des deutschen Studententums (so der Titel eines Werks von Bauer), die sich hauptsächlich mit den Besonderheiten der akademischen Kultur und der Burschenschaften beschäftigen.

§ 1 Forschungsziel und Methode

19

Streitigkeiten zu erstrecken.4 Diese Vernachlässigung – Untersuchungen der privatrechtlichen Praxis sind nicht nur für Universitätsgerichte selten – könnte durchaus darin wurzeln, daß es kaum edierte Quellen aus diesem Bereich gibt. Nur die Arbeit mit Gerichtsakten verspricht hier neue Erkenntnisse, doch haben der damit verbundene Zeitaufwand und die stellenweise mühsame Erfassung fraglos abschreckende Wirkung. Akten, die den Verlauf eines römischkanonischen Zivilprozesses dokumentieren, erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Hat man die anfänglichen Hürden aber erst überwunden, dann eröffnen diese Quellen einen unmittelbaren Einblick in die Gerichtspraxis. Sie ermöglichen die Rekonstruktion der Verfahrensregeln und bieten Antworten auf die Fragen, worum gestritten wurde und welche Mechanismen der Konfliktlösung zur Verfügung standen. Neben und hinter der Darstellung des Verfahrensablaufs und der verschieden Streitstoffe verlaufen stets die Grundthemen von Konfliktaustrag und -bewältigung: Welche Lösungen gehen vom Gericht aus, wo sind es die Parteien, die einen autonomen Ausgleich erreichen? Kommt es – um mit klassischen Deutungsmodellen5 zu sprechen – zu einer Verrechtlichung der Konflikte und wächst die Überzeugungskraft juristischer Argumente durch eine Verwissenschaftlichung des Rechtslebens? II. Methodische Grundsatzfragen 1. Die Quellenauswahl Die Erforschung der Gerichtswirklichkeit hat für das Mittelalter wie für die frühe Neuzeit eine erhebliche Diskrepanz zwischen Rechtsnormen und Rechtspraxis aufgezeigt, die eine Konzentration auf Prozeßakten geboten erscheinen läßt,6 wenn man Aussagen über die Rechtspflege treffen möchte. In diesem Zusammenhang wird der Rechtsgeschichte immer noch vorgeworfen, sie richte sich nach wie vor zu sehr an normativen Quellen aus, betrachte neben Gesetzen allenfalls noch juristische Literatur.7 Obwohl dies für manche Zeiträume und einige – leider auch heutige – Arbeiten durchaus zutreffend ist, haben namhafte Rechtshistoriker schon lange die Bedeutung und den Wert rechtspraktischer Quellen erkannt. Wenn man sich von der Annahme verabschiedet, Normen 4 Ein Aspekt hat immerhin bereits Beachtung gefunden, nämlich der des Schuldenmachens der Studenten, wenn er auch hauptsächlich aus soziologischer oder disziplinarischer Perspektive betrachtet wird. 5 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 131 und Schulze, Die veränderte Bedeutung sozialer Konflikte, S. 276-308. 6 Solche Untersuchungen liegen bisher vor allem auf dem Gebiet der Strafrechtspflege vor, z. B. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, S. 350; Schuster, Eine Stadt vor Gericht, S. 313; zum Ganzen Eibach, Recht – Kultur – Diskurs, S. 109 m.w.N. 7 Z. B. Schwerhoff, Devianz, S. 388.

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Einführung

spiegelten unbedingt die Rechtswirklichkeit wider, so rückt die Frage nach ihrem Verhältnis zueinander, nach der Anwendung der Normen und ihrer Rolle bei der Konfliktlösung in den Vordergrund. Um das Jahr 1550 ist die Quellenbasis im Universitätsarchiv breit genug, um eine Momentaufnahme des alltäglichen Betriebs der akademischen Gerichtsbarkeit zu zeichnen, die nicht durch Sonderfälle verzerrt wird. Wählt man jedoch bestimmte Quellen aus einem begrenzten Zeitraum zur Untersuchung aus, besteht immer die Gefahr, andere Aspekte auszublenden und sich zu verhalten wie jemand, der seinen verlorenen Schlüssel nachts unter einer Laterne sucht, nicht weil er ihn dort verloren zu haben meint, sondern weil es dort hell ist.8 Die Quellenlage läßt sich nicht ändern, aber im Bewußtsein dieses Fallstricks wurde versucht, möglichst offen an die Akten und Protokolle heranzutreten. Am Beginn der Untersuchung standen keine festgefügten Thesen, die nur noch belegt werden sollten, sondern es ging darum, die Inhalte der Quellen herauszuarbeiten und darzustellen, also zu berichten, was im Lichtkegel der Laterne zu finden war. Man kann das Bild der Straßenlaterne auch auf die generelle Quellenauswahl beziehen. Die Verfasserin ist sich bewußt, daß die fast ausschließliche Verwendung von Quellen der Freiburger Hohen Schule Risiken birgt. In seinem Aufsatz Aspekte und Dimensionen älterer deutscher Universitätsgeschichte bringt Peter Moraw die Kritik am, wie er ihn bezeichnet, vertikalen Forschungsansatz in der Universitätsgeschichte so auf den Punkt: es wird gleichsam in einem engen Tunnel in die Vergangenheit zurückgetrieben.9 Mit der Beschränkung auf universitäre Quellen gehe die Einbindung der jeweiligen Hohen Schule in ihr Umfeld verloren. Daß neuere Universitätsgeschichten bisher übersehene gegenseitige Abhängigkeiten und Beziehungsgeflechte zwischen Hohen Schulen, Landesherren und Kirche aufdecken konnten, zeigt die Berechtigung dieser Einwände. Allerdings versteht sich die vorliegende Arbeit nicht als Universitätsgeschichte! Vielmehr geht es um die Geschichte eines Gerichts, für welche primär seine Akten als Quellen maßgeblich sind. Man kann davon ausgehen, daß sich die akademische Gerichtsbarkeit unter Verwendung universitärer Quellen umfassend darstellen läßt. Außerdem finden sich in den Senatsprotokollen Hinweise auf den Einfluß und das Verhalten des Bischofs, der Stadt und der landesherrlichen Regierung. Betrachtet man die Universität von vornherein nicht als autonome Körperschaft, so bleibt der Blick für Abhängigkeiten und Beziehungen offen.

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Theuerkauf, Interpretation Historischer Quellen: Schwerpunkt Mittelalter, S. 32. Moraw, Universitätsgeschichte, S. 4, mit Bezug auf die Beschränkung auf universitäre Quellen. 9

§ 1 Forschungsziel und Methode

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2. Die Interpretation a) Begriffsbildung: Leitbilder gestern und heute Rechtshistoriker leisten im Rahmen der Juristenausbildung einen Beitrag zum Verständnis des geltenden Rechts. Die Jurisprudenz ist eine praxisnahe Wissenschaft und als Folie für die Schau in die Geschichte dient dementsprechend häufig das heutige, das moderne Recht.10

In dieser mit milder Kritik versehenen Bemerkung eines Historikers erscheint die Rechtsgeschichte noch ein wenig in einer Denkweise gefangen, die aus dem 19. Jahrhundert stammt. Damals glaubten viele Forscher, der historische Stoff lasse sich, bei aller Verschiedenheit, im großen und ganzen in die moderne Systematik einordnen und unter den Gesichtspunkten der aktuellen Dogmatik diskutieren. Dahinter stand die programmatische Konzeption der Historischen Rechtsschule, eine geschichtliche Rechtsdogmatik zu entwerfen,11 ihr Glaube an die Einheit von Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik. Inzwischen hat sich die moderne Rechtsgeschichte von der juristischen Dogmatik emanzipiert. Man ist sich der zeitgebundenen Fragestellungen und Leitbilder12 des 19. Jahrhunderts bewußt, betrachtet sie aber auch nicht als ein Problem dieser Zeit oder dieser Forschungsrichtung allein.13 Auch heute sind Wissenschaftler stets gefordert, sich Rechenschaft über ihre Fragestellungen und Leitbilder abzulegen. Gerade in der Universitätsgeschichtsschreibung besteht noch heute die Gefahr, idealisierte Erscheinungsformen und Wesenszüge der modernen Hochschulen in der Vergangenheit „wiederzuentdecken“, weil viele Bezeichnungen – man denke nur an Student, Rektor, Fakultät und Universität – über 800 Jahre die gleichen geblieben sind. Diese Ähnlichkeiten verdekken auf den ersten Blick die Entwicklungen und Unterschiede und verführen 10

Eibach, Recht – Kultur – Diskurs, S. 105. Hagemann, Basler Rechtsleben I, S. 147; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 424. 12 Formulierung geprägt von Böckenförde, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert: zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder, vgl. auch die Vorbemerkung zur 2. Auflage 1995, S. I, IV. 13 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, S. 56: methodische Leitlinien: das geltende öffentliche Recht weder als methodische Leitlinie noch als perspektivischer Fluchtpunkt, auf den am Ende alles zuläuft (zu verwenden) ... Ihre Orientierung findet [die Darstellung] vielmehr, soweit möglich, an der Perspektive der beschriebenen Zeit selbst ... Karl Kroeschell schreibt schon 1968: Es kann nicht genügen, die mittelalterlichen Quellen statt auf Rechtsbegriffe des 19. Jahrhunderts nun auf moderne Allgemeinbegriffe vom menschlichen Zusammenleben hin zu interpretieren. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob der Forscher bereit ist, sich auf die Begriffswelt der Quellen soweit einzulassen, daß seine eigenen Vorstellungshorizonte dadurch aufgebrochen und verwandelt werden. Kroeschell, Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, S. 50. 11

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dazu, Kontinuitäten auch im Inhalt zu vermuten.14 Jedoch sind dies in den meisten Fällen Trugschlüsse, ist doch die heutige Universität im wesentlichen ein Produkt des 19. und 20. Jahrhunderts. Ein weiteres Phänomen fällt bei der Literatur zur Universitätsgeschichte ins Auge: Zu runden Jubiläen einer Hochschule erscheinen auf einen Schlag große Mengen von Publikationen, da Universitätsgeschichte oft anlaßgebunden betrieben wird. Nicht immer geht dann das Forschungsinteresse über bloße Beschreibung hinaus, häufig werden lediglich ältere Werke und edierte Quellen noch einmal ausgewertet oder zusammengefaßt. Dies lenkt den Blick auf ein anderes mögliches Leitbild, eine Tendenz zur Selbstvergewisserung und grundsätzlich positiven Wertung der Geschichte der eigenen Universität.15 Schließlich möchte kaum einer – und ausgerechnet zum Jubiläum – als Nestbeschmutzer seiner Alma mater dastehen. b) Methoden und Theorien Die größte methodische Herausforderung dieser Arbeit bestand in der Frage, wie man mit dem überaus umfangreichen Quellenmaterial, welches die Gerichtsakten, Verhör- und Senatsprotokolle bieten, umgehen und wie man es darstellen sollte. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Einmal die tabellarische Erfassung möglichst aller in den Quellen enthaltener Informationen, zum anderen die eher impressionistische Schilderung einzelner Eindrücke und Fälle nach der Quellenlektüre, also entweder ein primär analytischer oder hermeneutischer Ansatz. Der Konflikt zwischen Beschreibung und Quantifizierung, Mikro- und Makrogeschichte, Bedeutung und Tabelle16 stand im Brennpunkt einer jüngeren Methodendiskussion im Bereich der neueren Geschichte, des Streits zwischen Historischer Sozialwissenschaft und New Cultural Studies. Da es nur wenige Untersuchungen privatrechtlicher Gerichtsakten gibt, findet eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Positionen im Hinblick auf rechtliche Quellen vor allem in der historischen Kriminalitätsforschung statt, die sich mit Zeugenbefragungen und Strafurteilen beschäftigt. Die Sozialgeschichte in der Ausprägung als Historische Sozialwissenschaft legt mehr Gewicht auf Umstände und Strukturen, deshalb propagiert sie in erster Linie die Verwendung quantifizierender Methoden.17 Dagegen stellen die neuen 14

Schwinges, Der Student in der Universität, S. 181; Moraw, Sozialgeschichte, S. 46. Moraw, Universitätsgeschichte, S. 2. 16 Schwerhoff, Devianz, S. 407. 17 Vgl. Eibach, Kriminalitätsgeschichte, S. 686; Schwerhoff, Devianz, S. 407. Ein großer Verfechter statistischer und quantifizierender Untersuchungen im Bereich 15

§ 1 Forschungsziel und Methode

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„Bindestrich-Geschichten“, also Alltags-, Kultur-, und Mentalitätsgeschichte, die Individuen als die Handelnden in den Vordergrund. Man hat sich das Ziel gesteckt, das Agieren und Denken der Menschen zu rekonstruieren und die kulturell aufgeladene Symbolik der Lebenswelt zu entziffern. Die gemeinsame Grundvorstellung lautet hier, daß individueller Ausdruck in vorgefundenen Strukturen von Sprache, Gesellschaft und Kultur stattfindet. Solche Strukturen will man ausfindig machen und so die Logik der Lebensweise entschlüsseln.18 Methodisch soll dies auf dem Weg der dichten Beschreibung oder MikroHistorie19 geschehen, also durch ausführliche und lebensnahe Fallschilderungen und die Konzentration auf überschaubare, kleinräumige Lebenswelten. MikroHistorie, historische Anthropologie und Kulturgeschichte gehen davon aus, daß Kulturen anderer Epochen andersartig sind20 und man deshalb aus der Geschichte keine Grundkonstanten menschlichen Verhaltens herauslesen kann. Folgerichtig lehnen ihre Anhänger zumeist Modernisierungstheorien, wie zum Beispiel die Zivilisationstheorie von Norbert Elias21 ab. Hinter dem methodischen steht also bis zu einem gewissen Grad auch ein theoretisch-ideologischer Gegensatz. Allerdings ist auf dem Feld der Kriminalitätsgeschichte zu beobachten, daß man in methodischer Hinsicht den Wert beider Perspektiven, Quantifizierung und dichter Beschreibung erkannt hat und sie nebeneinander zur Geltung kommen läßt. Auch in dieser Arbeit wird methodisch vereinigend davon ausgegangen, daß eine rein quantitative Datenerfassung nicht ausreicht, um soziales Verhalten zu erklären, aber eine Forschung ohne Quantifizierung ebenfalls unmöglich ist. Zur Auswertung und Darstellung der Quellen werden also Statistiken ebenso wie Fallbeschreibungen verwendet, weil nur beides rechtlicher Quellen ist Martin Schüßler, vgl. nur Quantifizierung, Impressionismus und Rechtstheorie, S. 271. 18 Zu den verschiedenen theoretischen Konzepten und ihrem Zusammenhang mit der gewählten Methode Schwerhoff, Aktenkundig, S. 70. 19 Geertz, Dichte Beschreibung, S. 10 ff., zum Ganzen Eibach, Kriminalitätsgeschichte, S. 687. 20 Eibach, Kriminalitätsgeschichte, S. 689, Im Unterschied zu Thomas Nipperdey, der [1976] in einer Historischen Anthropologie überzeitliche Grundbedingungen menschlicher Existenz thematisieren wollte, betonen die Herausgeber [der Zeitschrift Historische Anthropologie] ... gerade die Vielfalt und Widersprüchlichkeit ... Mit der Mikrohistorie als bevorzugter Methode sollen nicht etwa anthropologische Konstanten, sondern die individuell und kulturell verschiedene ... Erfahrung, Praxis und Lebenswelt rekonstruiert werden. Wer Lebenswirklichkeit und soziale Sinnkonstruktionen sucht, muß Modernisierungtheorien ablehnen, weil sie nach seiner Auffassung den Blick auf die andersartige eingeborene Weltdeutung verstellen und wird in Anlehnung an den Ethnologen Clifford Geertz eine Annäherung an diese mittels „Dichter Beschreibung“ versuchen. So z. B. Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 13 f. 21 Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Kritisch z. B. Schwerhoff, Köln, S. 313 f.

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gemeinsam ein plastisches Bild der Rechtspflege entstehen läßt. Als Stellungnahme zu den theoretischen Gegensätzen mögen die folgenden Ausführungen genügen: Ohne anzunehmen, das geltende Recht sei die Krone der Schöpfung und der notwendige Endpunkt der geschichtlichen Entwicklung, gehe ich dennoch von einer Kontinuität rechtlicher Gestaltungsaufgaben22 aus. Insofern trifft Eibachs anfangs zitierte Formulierung über den Versuch der Rechtsgeschichte, einen Beitrag zum Verständnis des geltenden Rechts [zu leisten], auch auf die vorliegende Arbeit zu. Dabei wurde allerdings versucht, das moderne Recht nicht als Folie für die Schau in die Geschichte zu verwenden, sondern auf parallele Probleme des rechtlichen Konfliktaustrags hinzuweisen. Obwohl das primäre Ziel in rechtsgeschichtlichen Erkenntnissen lag, waren es immer wieder die Forschungsansätze und -ergebnisse der Nachbardisziplinen, die Lösungswege aufzeigen konnten. Schließlich verbirgt sich der Schlüssel zum Verständnis von Verhalten und Motiven bei Streit und Versöhnung – noch heute – oft in der außerrechtlichen Lebenswelt.

§ 2 Grundlagen The institutions which the Middle Age has bequeathed to us are of greater and more imperishable value even than its cathedrals.23

I. Geschichte der Universitäten und ihrer Gerichtsbarkeit 1. Die Ursprünge der Hohen Schulen Wenn ein Mann von höherem Lehrtriebe erregt, eine Anzahl lernbegieriger Schüler um sich versammelt hatte, so entstand leicht eine Reihenfolge von Lehrern, der Kreis der Zuhörer erweiterte sich, und so war ganz durch inneres Bedürfniß eine bleibende Schule gegründet.24

22 Kroeschell, Haus und Herrschaft, S. 56; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, S. 56: Die Zeitdimension macht [heutige] Fragen begreifbarer ... Der Historiker kann frühere Lösungen bzw. früheres Scheitern zugänglicher und verständlicher machen. 23 Rashdall, The Universities of Europe in the Middle Ages, S. 3. Dieser Satz läßt sich gefährlich leicht dahingehend verstehen, die Institution Universität hätte sich seit dem Mittelalter so wenig verändert wie die Kathedrale von Salisbury. 24 Savigny, Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, Dritter Band, S. 155. Recht idealisierend beschreibt er mit diesen Worten den Ursprung der abendländischen Universitäten. Denifle, Entstehung der Universitäten, S. 62, weist auf andere wesentliche Faktoren wie die neuen Lehrmethoden und Quellen, sowie die Privilegienerteilung hin.

§ 2 Grundlagen

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Das Wort „Universität“ leitet sich von lateinisch universitas, Gesamtheit ab. Heute meinen wir damit eine wissenschaftliche Hochschule, welche die gesamte Breite der Geistes- und Naturwissenschaften in Forschung und Lehre umfaßt.25 Anfangs bezog sich universitas aber nicht auf die Vollständigkeit des Fächerspektrums, sondern der Anknüpfungspunkt war die Gemeinschaft der Universitätsmitglieder.26 Der Begriff universitas wurde im 12. Jahrhundert durch die Rechtswissenschaft geformt und bezeichnete nun eine Personengesamtheit, insbesondere einen korporativ organisierten Personenverband.27 Die ersten Universitäten, die im Europa des 12. und 13. Jahrhunderts entstanden, waren solche Zusammenschlüsse, universitates scolarium et magistrorum.28 Doch konnte der Begriff nicht nur eine Lehranstalt, sondern jede Art von Gemeinschaft beschreiben. Eine solche Korporation zeichnete sich vor allem durch die Selbstverwaltung der eigenen Angelegenheiten aus; wesentliche Aspekte davon waren die Satzungsgewalt, die interne Wahl eines Leiters und die Gerichtsgewalt. Als älteste Universitäten des Abendlands gelten Bologna und Paris, deren unterschiedliche Organisationsformen Modellcharakter für die späteren Gründungen erlangen sollten. In Bologna entwickelten sich Korporationen der Studenten. Ihr Ausgangspunkt war die ursprüngliche Form des Rechtsstudiums, bei der ein oder mehrere Schüler ihren Unterricht selbst organisierten.29 Gegen Ende des 12. Jahrhunderts bildeten sich aus den landsmannschaftlichen Verbindungen der Scholaren (nationes) genossenschaftliche Verbände. In Paris handelte es sich dagegen um einen Zusammenschluß von Schulen, hier waren es die Lehrenden, die magister, die sich zur Bildung der universitas zusammenVgl. auch Verger, Grundlagen, S. 59; Coing, Die juristische Fakultät (im Mittelalter), S. 52. 25 Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, Universität, S. 417; vgl. auch Moraw, Universitätsgeschichte, S. 1. 26 Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, Universität, S. 417, fährt fort: spätmhd. universitet, „Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden“ (1365), lat. universitas, „Gesamtheit, Gemeinschaft von Lehrern und Schülern (mlat.)“; Grundmann, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, S. 16; Classen, Die hohen Schulen und die Gesellschaft im 12. Jhd., S. 2; Rashdall, The Universities of Europe in the Middle Ages, S. 5. 27 Isenmann in LexMa VIII, Universitas, Sp. 1247 f.; Coing, Die juristische Fakultät (im Mittelalter), S. 65. 28 Vgl. dazu Verger in LexMa VIII, Universität, Sp. 1249f; Verger, Grundlagen, S. 51 f. Ältere Werke: Denifle, Entstehung der Universitäten, S. 29; G. Kaufmann, Die Geschichte der deutschen Universitäten; Rashdall, The Universities of Europe in the Middle Ages. 29 Vgl. das einleitende Savigny-Zitat. Prodi, Sakrament der Herrschaft, S. 187, betont die Bedeutung des Eides und vergleicht die Anfänge der Hohen Schulen mit den städtischen coniurationes.

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fanden.30 Folglich wählten hier sie – und nicht die Studenten wie in Bologna – den Leiter, den Rector. Die ersten Spuren der akademischen Gerichtsbarkeit finden sich in einem von Friedrich I. im Jahr 1158 erlassenen Privileg für auswärtige Scholaren, das nach seinem Anfangswort Habita31 genannt wird. Den Anlaß zu seiner Errichtung scheinen Übergriffe der Stadtobrigkeit gegen ortsfremde Studenten in Bologna gebildet zu haben. In der Habita wurde dem, qui causa studiorum peregrinatur freies Geleit und Schutz vor ungerechter Behandlung am Studienort versprochen. Außerdem verbot das Privileg, auswärtige Studenten für die Schulden und Vergehen eines Landsmannes haftbar zu machen.32 Am wichtigsten war die Bestimmung, in der den scolares die Möglichkeit eingeräumt wurde, im Fall einer gerichtlichen Anklage die Jurisdiktion der Stadt abzulehnen, und sich statt dessen dem Urteil ihres Lehrers oder des Stadtbischofs33 zu unterwerfen. Es handelte sich also um ein Wahlrecht und nicht um eine Exemtion der Studenten von der städtischen Gerichtsbarkeit.34 Dies unterscheidet die Habita von späteren Universitätsprivilegien, ebenso, daß Begünstigte und Adressaten die einzelnen Studenten waren und nicht die universitas als Korporation.35 Die Notwendigkeit, den Studenten diese Sonderstellung einzuräumen, ergab sich aus der ungünstigen Stellung, die viele Stadtrechte Fremden zuwiesen.36 Um

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Verger, Grundlagen, S. 61; Denifle, Entstehung der Universitäten, S. 68; Rashdall, The Universities of Europe in the Middle Ages, S. 283; Coing, Die juristische Fakultät (im Mittelalter), S. 53. 31 Abdruck der Habita in MGH, Const. 1, S. 249, Nr. 178; sowie bei Stelzer, Scholarenprivileg, S. 165. Unter der Bezeichnung Authentica fand sie Aufnahme in die Novellen des Corpus Iuris Civilis. Zu Inhalt und Datierung (z.T. 1155) vgl. Stelzer, Scholarenprivileg, S. 146-153; Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 12-17. 32 Classen, Libertas scolastica, S. 249, 251. 33 Huius rei optione data scolaribus eos coram domino aut magistro suo vel episcopo quibus hac iurisdictionem dedimus. 34 Mißverständlich hier Coing, Die juristische Fakultät (im Mittelalter), S. 64, der von einer Exemtion der Studenten von allen kommunalen Gerichten spricht. 35 Die sich zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch gar nicht gebildet hatte, vgl. Verger, Grundlagen, S. 59; wie er auch schon Wetzell, Civilproceß, S. 443, Die academischen Gerichte. Dennoch wurde zeitweise die „goldene Habita“ als Palladium der akademischen Freiheit, als Grundlage der Autonomie der Universitäten gefeiert, berichtet Grundmann, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, S. 32; vgl. auch Ullmann, Medieval Interpretation, S. 102 f. 36 Classen, Libertas scolastica, S. 249 f.; häufig stellten Stadtrechte Fremde prozessual schlechter als Einheimische, z. B. waren sie in einer ungünstigeren Beweisposition. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, S. 218 f. zu den strafrechtlichen Nachteilen. Auch die augenscheinlich bestehende Praxis, Studenten für die Schulden ihrer Landsleute in Anspruch zu nehmen, verdeutlicht, um welche Probleme es sich handeln konnte.

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die Studienbereitschaft und die Universitäten zu fördern,37 sollten diese Nachteile ausgeglichen werden. 2. Die Universitäten des Spätmittelalters Während sich die frühen Universitäten ohne eigentlichen Gründungsakt als Personenzusammenschlüsse formierten, sahen die Anfänge der spätmittelalterlichen Hohen Schulen im deutschen Reichsgebiet anders aus: Sie entwickelten sich nicht selbständig, sondern wurden planmäßig von der Kirche, Städten oder – in den meisten Fällen – vom Landesherren ins Leben gerufen.38 Der Stifter bemühte sich um ein päpstliches oder kaiserliches Privileg für die licentia ubique docendi39 und stattete seine Gründung mit Pfründen aus, die ihr wirtschaftliches Überleben sicherten. Bald gehörte eine Universität zu den Attributen einer Landesherrschaft, und so folgte eine Stiftung auf die andere. Da die Untertanen eines Landes nun primär „ihre“ Hohen Schulen besuchten, begann auf diese Weise die Territorialisierung des Universitätswesens,40 die mit der zweiten Gründungswelle Mitte des 15. Jahrhunderts einen Höhepunkt erlebte. Die Gründungen des deutschen Spätmittelalters wurden in ihren Stiftungsoder Freiheitsbriefen von Anfang an mit eigener Gerichtsbarkeit ausgestattet, die nun der Universität selbst verliehen wurde. Sie umfaßte bei den meisten Hohen Schulen privatrechtliche Streitigkeiten und leichtere Delikte, manche hatten sogar die vollständige Gerichtsgewalt über ihre Mitglieder inne.41 Eine Zuordnung dieser Jurisdiktion zur weltlichen oder kirchlichen Gerichtsbarkeit 37

Vgl. Ullmann, Medieval Interpretation, S. 104 f. zu den Motiven. Coing, Die juristische Fakultät (im Mittelalter), S. 44; Willoweit, Die Universitäten, S. 371, konstatiert für die Gründungen nach dem Basler Konzil, daß sie als Gebilde des sich formierenden Obrigkeitsstaats geschaffen worden seien, für welche der politische Wille des Landesherren maßgebend geworden sei. Vgl. auch Hammerstein in HRG 5, Universitäten, Sp. 496 und Verger in LexMa VIII, Universität, Sp. 1253 zur gewichtigen Rolle des Landesherren. 39 Coing, Die juristische Fakultät (im Mittelalter), S. 64, sie sicherte die allgemeine Anerkennung der von einer Universität verliehenen wissenschaftlichen Grade und machte sie so zum studium generale. Denifle, Entstehung der Universitäten, S. 22, es setzte sich die Auffassung durch, sie könne nur von den höchsten Gewalten, also dem Papst oder Kaiser verliehen werden, vgl. auch Verger in LexMa VIII, Studium, Sp. 256. 40 Willoweit, Die Universitäten, S. 372; vgl. auch Schubert, Universitätsgründungen des 15. Jahrhunderts, S. 15 f. 41 Vgl. Aufzählung und Einteilung bei Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 60 f.: die volle Zivilgerichtsbarkeit und die niedrige Straf- bzw. Disziplinargerichtsbarkeit, bei einem Teil auch die hohe Strafgerichtsbarkeit ... 38

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wirft Probleme auf: Im 14. und frühen 15. Jahrhundert waren die Studenten noch zum Großteil geistlichen Standes, auch wenn viele nur die niedrigen Weihen besaßen. Schon von Anfang an gab es aber auch Laienstudenten, deren Zahl im 15. und 16. Jahrhundert zunahm. Folglich gehörten die Studenten unterschiedlichen Rechtskreisen an,42 denn für Kleriker waren kirchliche, für Laien weltliche Gerichte zuständig. Zur Errichtung einer einheitlichen, eigenständigen Gerichtsbarkeit wären somit Exemtionen von geistlicher und weltlicher Seite erforderlich gewesen. Sollte es sich jedoch um einen Unterfall der geistlichen Gerichtsbarkeit gehandelt haben, wäre lediglich eine Exemtion der Laien nötig gewesen. Wenn eine Universität nicht die Kompetenz für schwere Kriminalsachen besaß, kam es bei der Zuständigkeitsbestimmung grundsätzlich wieder auf den Rechtskreis des Delinquenten an: Nach allgemeinen Regeln mußten Geistliche sich vor dem Ordinarius Loci, dem nach Kirchenrecht als Richter berufenen Ortsbischof verantworten. Für Laienstudenten kamen hingegen die Gerichte der Universitätsstadt oder ein anderes weltliches (Land)gericht in Betracht. Die tatsächliche Kompetenzverteilung und die Gründe dafür wurden in der Forschung kontrovers diskutiert. Die Einordnung der akademischen Gerichtsbarkeit in das komplizierte System der verschiedenen Jurisdiktionen hängt untrennbar mit der Frage nach der institutionellen Natur der Universitäten zusammen. Bei Durchsicht der älteren Literatur gewinnt man den Eindruck, der „Charakter“ der Universitäten sei die entscheidende Streitfrage dieses Forschungsgebietes gewesen, die bis heute ihrer Klärung harrt. II. Literaturübersicht und Wissenschaftsgeschichte Die Literatur, die bei einer Untersuchung der akademischen Gerichtsbarkeit herangezogen werden kann, stammt aus verschiedenen Forschungsgebieten, treffen doch hier die Geschichte der Universitäten und der Gerichte aufeinander. Beide Felder werden von verschiedenen Disziplinen, von Forschern mit unterschiedlichen Ansätzen und Erkenntnisinteressen beackert. Dieses breite Spektrum, das sich durch die Untersuchung von zivil- und strafrechtlichem Tätigkeitsgebiet noch erweitert, läßt es geboten erscheinen, die einzelnen Teile der Arbeit jeweils mit einem Überblick über die relevanten Forschungen zu beginnen. In dieser ersten Literaturübersicht sollen vor allem übergreifende Werke zur akademischen Gerichtsbarkeit und zur Freiburger Universität vorgestellt werden.

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Woeste, Akademische Väter, S. 9.

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1. Grundlegende Werke Grundlegend und bis heute unverzichtbar43 für jede Beschäftigung mit der Freiburger Universitätsgeschichte ist die Arbeit von Heinrich Schreiber44 aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dieses Werk weist ihn als exzellenten Kenner der Freiburger universitätsgeschichtlichen Quellen aus, der insbesondere mit den Senatsprotokollen gut vertraut war. Eine Schwäche seiner Geschichte der Freiburger Universität liegt allerdings in der Tendenz, Strukturen und Probleme seiner Gegenwart in die Vergangenheit zurückzuprojezieren. Für Schreiber waren akademische Freiheit und universitäre Selbständigkeit in seiner wissenschaftlichen Arbeit und seinem Leben von großer Bedeutung. Deshalb legte er einen starken Akzent auf die Autonomie der geschichtlichen Universität Freiburg und stellte sie als selbständige Körperschaft dar, die erst im Laufe der Zeit unter den Einfluß des österreichischen Landesherren kam.45 Zur Gerichtsbarkeit der Universität äußerte sich Schreiber nur wenig und an verschiedenen Stellen. Unter anderem dienten ihm einige Fallbeispiele aus unserem Untersuchungszeitraum zur Illustration des Lebens der Professoren und Studenten an der Albertina im 16. Jahrhundert.46 Ein weiterer Wissenschaftler, der sich um die Erforschung der Freiburger Universitätsgeschichte sehr verdient gemacht hat, ist Hermann Mayer. Zum einen realisierte er die hochgelobte Edition der Matrikelbücher von 14601656,47 zum anderen verfaßte er zahlreiche Aufsätze zu verschiedenen universitäts- und stadtgeschichtlichen Themen, deren Spannweite vom Bursenleben bis zu den Pestausbrüchen im Freiburg des 16. Jahrhunderts reicht. Ebenso grundlegend für diese Arbeit wie die Schreibersche Universitätsgeschichte scheint auf den ersten Blick das für lange Zeit einzige Übersichtswerk zur Universitätsgerichtsbarkeit zu sein. Ende des 19. Jahrhunderts hielt der Zivilrechtsprofessor Friedrich Stein seine Antrittsvorlesung über Die akademische Gerichtsbarkeit in Deutschland, welche er später zu einer Monographie ausarbeitete. Allerdings machen einige Aspekte dieser Arbeit sie aus moderner Sicht methodisch angreifbar. Im Vorwort formulierte Stein Sätze, die geradezu als Bilderbuchbeispiel für das evolutive Geschichtsverständnis des 43

Speck, Heinrich Schreiber, S. 111. Heinrich Schreiber, Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau in drei Theilen, erschienen 1857, 1859, 1860. 45 Speck, Anfänge der Universität Freiburg, S. 111, derselbe, Heinrich Schreiber, S. 112. 46 Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 67 ff. 47 Mayer, Die Matrikel der Universität Freiburg im Breisgau von 1460-1656, zwei Bände, Freiburg 1907-1910; positiv über die Aufbereitung und die Tabellen im Registerband Schwinges, Deutsche Universitätsbesucher im 14. und 15. Jahrhundert, S. 156. 44

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19. Jahrhunderts gelten können: Ziel seiner Arbeit sei es, die Gerichtsbarkeit und die Rechtspflege unserer Universitäten ... darzustellen und ihr Emporblühen wie ihren Verfall und Untergang als geschichtliche Nothwendigkeiten zu begreifen.48 Hinter solchen Wendungen steht die Annahme, Geschichte und Recht hätten sich, mit dem vorläufigen End- und Höhepunkt des gegenwärtigen Zustands, quasi zwangsläufig weiterentwickelt. Ebenfalls bereits im Vorwort stößt man auf ein weiteres Problem dieser Gesamtdarstellung, nämlich die Materialauswahl.49 Stein stützte sich hauptsächlich auf Sekundärliteratur, also auf Werke zur Geschichte einzelner Universitäten. Darunter war kein einziges, das sich ausschließlich oder auch nur hauptsächlich mit der akademischen Gerichtsbarkeit befaßte! Viele Autoren äußerten sich – wie Heinrich Schreiber – nur beiläufig oder in Anekdoten, gründliche Auseinandersetzungen in eigenen Kapiteln waren eher selten. Diese Basis kann aus heutiger Sicht für eine übergreifende Untersuchung, die selbst kaum Quellen verwendete, nicht als ausreichend angesehen werden. Mit der Schwierigkeit fehlender Vorarbeiten kämpft auch das neue Übersichtswerk über die akademische Gerichtsbarkeit von Klaus Michael Alenfelder.50 Zwar wertet er etliches an neuem Quellenmaterial aus, dennoch fehlen für eine umfassende Übersicht m.E. noch die Grundlagen. 2. Wissenschaftsgeschichte: Der Streit um den „klerikalen“51 Charakter Die verschiedenen Aussagen zur universitären Gerichtsbarkeit arbeitete Stein in seine übergreifende Theorie ein.52 Zu Beginn der deutschen Universitätsge48

Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. V. Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. V: Neues Urkundenmaterial habe ich nicht verwerthet, obwohl mir einzelnes zur Verfügung stand. 50 Alenfelder, Akademische Gerichtsbarkeit, näher dazu Erster Teil § 2 II. 3. 51 Stein verwendet den Ausdruck clerical, um differenzieren zu können: das Wort geistlich steht für ihn in Zusammenhang mit der Seelsorge, kirchlich passe für religiöse Orden. S. 45, Fn. 2. Allerdings ist er in der Begriffsverwendung nicht konsequent. Die Kritik faßt seine Auffassung dahingehend zusammen, er habe die Universitäten als „kirchliche Anstalten“ betrachtet. 52 Dieses Einarbeiten kann man zum Teil geradezu als Hineinpressen bezeichnen. So entdeckt man in Steins zweitem Kapitel Bis zur Reformation, S. 48, Fn. 23, ein Zitat aus dem zweiten Teil der Schreiberschen Geschichte der Freiburger Universität, das sich nicht nur auf Vorgänge aus dem Jahr 1581 bezieht, sondern außerdem inhaltlich nicht paßt. Stein schreibt von der wenn nicht rechtliche(n), so doch thatsächliche(n) Verpflichtung aller Lehrer zum Cölibat, bei Schreiber steht auf der zitierten Seite, Universität Freiburg, S. 69: Schon Anfang des 16. Jahrhunderts befanden sich 20 verehelichte an der Universität; darunter vier Doctoren der Rechte, zwei der Medizin, vier Meister der freien Künste, Syndicus, Notar, sogar Studenten! Was Stein wohl meint – trotz seiner Formulierung in der Fußnote, in Freiburg sei die Zölibatsverpflichtung statutenmäßig 49

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schichte hätten weder Landesherren noch Städte versucht, Einfluß in Universitätsangelegenheiten zu nehmen,53 folglich habe zu dieser Zeit vollständige korporative Autonomie bestanden. Da im Mittelalter der überwiegende Anteil der Studenten und Lehrer Kleriker waren, die geistlichen Habit tragen und klösterlichen Bildungs- und Verhaltensidealen nacheifern sollten und da der wirtschaftliche Unterhalt der Universitäten zum Großteil aus geistlichen Pfründen stammte, folgerte Stein: So standen in Deutschland die Universitäten als Genossenschaften ganz auf dem Boden der Kirche.54 Aus dem scharf ausgeprägtem klerikalen Charakter hätte sich dann von selbst die Notwendigkeit die Corporationen als Ganzes und ihre Mitglieder sammt und sonders von den weltlichen Gerichten zu eximieren55 ergeben. Stärkeres landesherrliches Engagement sei erst durch die innere Zerrüttung der autarken Universitäten im Lauf des 16. Jahrhunderts notwendig geworden. Ursächlich für die Krise der Hohen Schulen seien verschiedene Faktoren gewesen, darunter der Streit von Nominalisten und Realisten an den Philosophischen Fakultäten und die Emanzipation der Wissenschaft von der Kirche durch den Humanismus. Die innere Verfall habe auch die Disziplin zunichte gemacht. Mit der Reformation sei der klerikale Charakter endgültig zerbrochen, wobei er sich in den katholischen Ländern naturgemäß länger habe halten können.56 Im Verlauf der dargestellten Entwicklung seien die Universitäten allmählich zu staatlichen Bildungsanstalten geworden, die ihre Gerichtsbarkeit immer stärker unter erzieherischen Gesichtspunkten ausübten. Dies habe die Autorität ihrer Urteile weiter geschwächt und den Landesherren, die im Zuge des Staatsausbaus alle Gerichtsgewalt an sich ziehen wollten, noch mehr Angriffspunkte geboten. Steins Thesen fanden großen Nachhall; etliche spätere Darstellungen zur Universitätsgerichtsbarkeit verließen das von ihm festgesteckte Terrain nicht,57 sondern übernahmen die Idee von der Universität als klerikaler Körperschaft, ohne sie zu hinterfragen. Für Freiburg versuchte Hermann Mayer, die These festgeschrieben – sind die vergeblichen Ermahnungen des Senats (aus dem Jahr 1581) an die Lehrer der Artistenfakultät, sich nicht zu verehelichen. 53 Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 57, [die Landesherren] hatten nicht den Ehrgeiz, Herren ihrer Schöpfungen zu sein, ... Und noch weniger versuchten das die Stadtobrigkeiten, ... 54 Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 47. 55 Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 57. 56 Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 91. 57 V.a. Maack, Grundlagen des studentischen Disziplinarrechts, in den Anfangskapiteln, vgl. S. 30 f., S. 37, S. 39 f.; Mayer, Die Frage nach dem klerikalen Charakter, S. 152-183; in der Einleitung Hohl, Die akademische Gerichtsbarkeit in Württemberg, der ansonsten zu eigenständigen Ergebnissen kommt. Unabhängig von Stein findet sich auch bei Denifle, Die Entstehung der Universitäten, S. 792ff, eine gewisse Betonung der kirchlichen Verdienste um die Universität, allerdings geht er von einer wunderbaren Harmonie zwischen Kirche und Reich, Geistlichem und Weltlichem aus, S. 795.

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vom klerikalen Charakter der Universität anhand von Quellen nachzuweisen.58 Zur akademischen Gerichtsbarkeit merkte er in dieser Schrift lediglich an, daß dort die Sache am verwickeltsten stehe59 und die Ordnungen der Universitäten hier große Verschiedenheiten aufwiesen. Dieser lapidaren Feststellung mag man zwar aus vollem Herzen zustimmen, weiterführend ist sie aber nicht. Mayer behauptete, die ursprünglich an allen Universitäten bestehende Forderung, der Rektor müsse Kleriker sein, sei stets damit begründet worden, daß er nur dann über die zahlreichen Kleriker die Jurisdiktion ausüben könne.60 Gerade in Freiburg, dies blendete er dabei aus, gab es jedoch schon früh etliche Rektoren, die nicht dem geistlichen Stand angehörten. Insgesamt wurde dieser Aufsatz, vor allem wegen eklektizistischer Verwendung des historischen Materials, stark kritisiert:61 Nur was Steins Thesen stützte, habe Mayer ausgewählt, anderes bewußt oder unbewußt übersehen. Schon früh erhoben sich Stimmen gegen die Vorstellung der klerikalen Universität. Georg Kaufmann widmete in seiner Geschichte der deutschen Universitäten der ablehnenden Reaktion und ihrer detaillierten Begründung einen eigenen Anhang62 an das Kapitel über die akademische Gerichtsbarkeit. Seiner Meinung nach wurde der Anspruch auf Exemtion der Universitätsangehörigen nicht aus dem kanonischen Recht, sondern aus einem Naturrecht der Korporation und aus der Gerechtigkeit gegen ... Fremde63 abgeleitet. Kaufmann argumentierte, wenn die Universitäten kirchliche Anstalten gewesen wären, so wären sie gleich durch die Gründung ipso facto mit dem geistlichen Rechte und Gerichtsstand bewidmet worden. Es wäre dann überflüssig, gar unmöglich gewesen, daß die Landesherren ihren Gründungen die Gerichtsbarkeit im Stiftungsbrief verliehen. Dies war aber der Fall, ebenso wie verschiedene 58

Mayer, Die Frage nach dem klerikalen Charakter der mittelalterlichen Universitäten, unter besonderer Berücksichtigung von Freiburg i. Br., S. 152-183, ausdrücklich Stein folgend S. 158. 59 Mayer, klerikaler Charakter, S. 169 f. 60 Gerade an dieser Aussage besteht heftige Kritik: Zwölfer, Stiftungsbrief, S. 72: schon Matthäus Hummel, der erste Rektor, war verheiratet und kein Kleriker. Ausführlicher zur Problematik der Begriffs clericus Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 218 ff. Mayer habe angenommen, dieses Wort würde zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichem Kontext stets dasselbe bedeuten. Mayer selbst wies in einem Aufsatz von 1897 (!), Mitteilungen aus den Matrikelbüchern der Universität Freiburg im Breisgau (XV. und XVI. Jahrhundert), S. 46 f., auf die Verflüchtigung des geistlichen Charakters hin und auch auf die verheirateten Rektoren. 61 Ausdruck bei Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 18 und Reinhardt, Die Beziehungen von Hochstift und Diözese Konstanz zu Habsburg- Österreich in der frühen Neuzeit, S. 306; weitere Detailkritik bei Zwölfer, Stiftungsbrief, S. 71 f. 62 G. Kaufmann, Die Geschichte der deutschen Universitäten, S. 106-110. 63 G. Kaufmann, Die Geschichte der deutschen Universitäten, S. 91 f.

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Eingriffe und Umgestaltungen der Gerichts- und Universitätsverfassungen durch die Landesherren,64 die bei kirchlichen Anstalten nicht möglich gewesen wären. Zwischen den Universitäten und der Kirche und ihren Einrichtungen hätten zwar enge Analogien bestanden, doch kirchlich seien sie nicht gewesen: Niemand, so faßte G. Kaufmann zusammen, wurde durch die Zugehörigkeit zur Universität geistlich, und die Hohe Schule als solche unterstand nicht den kirchlichen Behörden. Neuere Forschungen scheinen die Universitätsgerichte als Institutionen sui generis, weder kirchlich noch weltlich, zu begreifen. Unter dieser Prämisse sieht Peter Woeste65 den Grund der akademischen Gerichtsbarkeit in der Eigenschaft der Universitäten als Zusammenschlüsse von Personen mit verschiedenen Gerichtsständen und sozialen Schichten: die Funktionsfähigkeit der „Korporation Universität“ war aber nur durch die weitgehende Zuordnung zu einer einzigen Gerichtsinstanz möglich.66 Dieser Lösungsansatz beruht neben den Ausführungen G. Kaufmanns vor allem auf den Ideen Herbert Grundmanns,67 der die mittelalterlichen Universitäten als eine Art sozialen Schmelztiegel beschrieb. Zwar wissen wir inzwischen, daß eine derartige idealisierende Sichtweise unzutreffend ist,68 doch leuchtet Woestes Argumentation weiterhin ein: Eine einheitliche Gerichtsbarkeit an der Universität mußte – jedenfalls bezüglich einfacher Vergehen und kleinerer Streitigkeiten – organisatorisch wünschenswert, gar notwendig erscheinen. Natürlich betrachteten sowohl die weltliche als auch die geistliche Seite die Abgabe von Gerichtsrechten als Machtverlust, was immer wieder zu Kompetenzstreitigkeiten führte. Sehr ausführlich setzte sich in jüngerer Vergangenheit Joachim Köhler mit den Theorien zur Natur der mittelalterlichen Hohen Schulen auseinander. Das Thema seiner theologischen Habilitation ist die Universität Freiburg in ihren 64

G. Kaufmann, Die Geschichte der deutschen Universitäten, S. 107. Als weitere Stütze seiner Argumentation führte er Beispiele an, in denen zu Gunsten des Rektors nicht nur eine Exemtion der Laien von der weltlichen, sondern auch der Geistlichen von der kirchlichen Gerichtsbarkeit erfolgte: In Prag sprach König Wenzel als Landesherr 1392 die Exemtion von der weltlichen und 1397 der Papst von der geistlichen Gerichtsbarkeit aus, G. Kaufmann, Die Geschichte der deutschen Universitäten, S. 100 und 109. Auf ähnliche Argumente stützt auch Alenfelder, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 56, seine Ablehnung der alten These von der Universität als kirchlicher Anstalt. 65 Woeste in HRG 5, Universitätsgerichtsbarkeit, Sp. 507; ausführlicher derselbe, Akademische Väter, S. 9 ff. 66 Woeste in HRG 5, Universitätsgerichtsbarkeit, Sp 507. 67 Grundmann, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, vgl. die Zitate bei Woeste, Akademische Väter, S. 14 f. 68 Vor allem durch Schwinges, Deutsche Universitätsbesucher im 14. und 15. Jahrhundert, derselbe, Der Student in der Universität, erschienen vor Woestes Monographie.

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Beziehungen zur geistlichen und weltlichen Obrigkeit. Köhler kritisiert die Auffassung, die Hohe Schule sei rein kirchlich oder klerikal gewesen, ebenso wie die Vorstellung, sie sei unabhängig von ihrem fürstlichen Stifter gewesen. Die Idee der Autonomie sei eine Rückprojektion Schreibers gewesen, eine Fehlvorstellung, die vor allem dadurch ausgelöst worden sei, daß er nur universitäre Quellen, nicht aber österreichische Regierungs- und Verwaltungsakten verwendet habe.69 Die Vermutung einer stärkeren gegenseitigen Beeinflussung der beteiligten Kräfte wird durch neuere Untersuchungen von Dieter Speck70 zur Gründungsgeschichte der Freiburger Universität nachdrücklich bestätigt: Er arbeitet personelle Verzahnungen zwischen Universität und Landesherrschaft heraus. Neben der Bedeutung der fürstlichen Räte71 betont er auch die Interaktionen zwischen Universität, Stadt72 und Bischof. Köhler argumentiert, der klerikale Charakter sei,73 wenn er von der Universität oder der Geistlichkeit ins Feld geführt werde, im Grunde eine Art Schutzbehauptung gewesen, um eigene Interessen zu wahren. Letztlich habe Steins Sichtweise den Blick auf Konflikte zwischen Universität, Kirche und Landesherrschaft verstellt.74 Die Universität und ihre Gerichtsbarkeit habe sich in einem Spannungsfeld der verschiedenen Mächte und Einflußsphären befunden. In diesem Zusammenhang unterstreicht er den Einfluß, den der Landesherr über die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim auf die Universität nahm. Sein Ergebnis ist schließlich die Individualität75 jeder einzelnen Hohen Schule auf Grund der von Ort zu Ort verschiedenen Machtverhältnisse. Insgesamt ist zur Streitfrage des klerikalen Charakters etwas anzumerken, was auf viele dogmatische Diskussionen zutrifft, deren Wurzeln im 19. Jahrhundert liegen: Wer sich auf die Argumente einläßt und versucht sie zu gewichten, verstrickt sich leicht in Scheingefechte, weil er plötzlich selbst mit anachronistischen Begriffen operiert. Manche Streitfrage ist untrennbar mit 69

Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 11 und 18. Speck, Anfänge der Freiburger Universität; zuletzt als Landesherrschaft und Universität; derselbe ebenfalls zum Einfluß der Habsburger, Freiburg – eine (vorder)österreichische Universität. 71 Speck, Anfänge der Freiburger Universität, S. 76 f., S. 110. Beispielhaft verkörpert der Gründungsrektor Matthäus Hummel, der zugleich fürstlicher Rat war, diese Verflechtungen. 72 Speck, Anfänge der Freiburger Universität, S. 103. Die Stadt Freiburg sprang als Vorfinanzier ein und ermöglichte so die Aufnahme des Lehrbetriebs. Vgl. auch Rexroth, Bürgertum und Universitätsstiftung, S. 27. 73 Vgl. Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 226, 229. 74 Ablehnung Steins bei Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 187 f. 75 Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 246: Bisher bemühten sich Freiburger Autoren, das lokale Material zur Unterstützung großer Theorien zu liefern. Jetzt sprengen lokale Überlieferungen großangelegte Theoreme. 70

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einer verzerrten Sichtweise der geschichtlichen Abläufe verbunden, in unserem Fall einer Überzeichnung der „Kirchlichkeit“. Einerseits könnte man mit Fug und Recht behaupten, das gesamte Mittelalter sei klerikal gewesen, beeinflußten doch Geistliche und Kirche alle Lebensbereiche. In diesem universellen Sinn waren sicher auch die Hohen Schulen kirchlich und klerikal. Andererseits gab es im Mittelalter und der frühen Neuzeit keinen einheitlichen Klerikerstand.76 Im Gegenteil, die Bezeichnung clericus umfaßte einen sehr heterogenen Personenkreis, weil innerhalb des geistlichen Standes erhebliche Unterschiede zwischen den Trägern der höheren und niedere Weihen bestanden.77 Minoristen durften heiraten, folglich konnte es innerhalb der unteren Weihegrade clerici conjugati, verheiratete Kleriker geben. Eine strenge Differenzierung ist an der Universität nach Köhler erst für Personen mit höheren Weihen nachweisbar, wenn z. B. clericus als zusätzliche Qualifikation für bestimmte Funktionen wie Vorsteher eines Stiftungskollegs oder Ordinarius an der theologischen Fakultät gefordert wird. Im weiteren Sinne konnte ein „Kleriker“ an der Universität sowohl ein verheirateter Professor mit mehreren Kindern als auch ein Priester sein, der an der theologischen Fakultät Vorlesungen hielt. Kaum vorstellbar, daß ein so heterogener Personenkreis stets dieselben Interessen verfolgte oder nach außen einheitlich wirkte! Dieser Hintergrund entlarvt die Geschlossenheit, die ältere Ansätze suggerieren, als Illusion. Von Kirchengegnern und -befürwortern wurden Scheingefechte ausgetragen, wobei beide Seiten meinten, klerikale Züge ihrer Zeit in der Vergangenheit zu finden. Darum wird man sagen müssen, daß die traditionsreichste Streitfrage der deutschen Universitätsgeschichtsschreibung anachronistisch ist, überträgt sie doch politische Streitfragen, die zur Zeit der verschiedenen Beiträge aktuell waren, ins Spätmittelalter mit seinen gänzlich anderen Verfassungsbedingungen.78

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Vgl. zu diesem Problem Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, Exkurs I „Clericus“ im universitären Bereich, S. 218 f. Köhler meint, daß an der Universität Freiburg zur gleichen Zeit verschiedene Definitionen von clericus verwendet wurden: eine weite, wenn es nützlich schien als einheitliche Körperschaft aufzutreten oder sich die Vorteile einer eigenen Jurisdiktion zu sichern, eine engere, auf die Inhaber höherer Weihen begrenzte, wenn es sich um die Bestimmung einer spezifischen Qualifikation handelte. 77 Vgl. Häußling in LexMa VIII, Weihe, -grade, -hindernisse, Sp. 2104 f.: Höhere Weihen sind erforderlich zum Vollzug der Liturgie. Maioristen sind Diakone, Priester und Bischöfe, später wurde der Subdiakon wegen der auch ihn betreffenden Zölibatsverpflichtung hinzugezählt. Inhaber der niederen Weihen (Minoristen) wurden in unterstützender und dienender Funktion tätig. 78 Moraw, Sozialgeschichte, S. 55: Von den Universitätsbesuchern und Universitätslehrern her gesehen sind ... stets auf Personen zugeschnittene konkrete kirchliche u n d weltliche Bauelemente bei der Existenz kirchlicher und weltlicher Organisationsformen schlechterdings nicht zu trennen. Es geht nicht um ein Entweder-Oder, sondern um ein

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3. Weitere Werke im Überblick Während in älteren universitätsgeschichtlichen Werken die Beschäftigung mit Sitten und Bräuchen der akademischen Kultur im Vordergrund stand,79 arbeitet die moderne Sozialgeschichte mit einem anderen Ansatz: erforscht wird die soziale und wirtschaftliche Situation der Universitätsangehörigen. Als beispielhaft können hier die Forschungen von Peter Moraw und Rainer Christoph Schwinges gelten. Die Reihen universitätsgerichtlicher Forschungen sind lichter. Hin und wieder erscheinen neuere Aufsätze über die Gerichtsbarkeit einzelner Universitäten,80 die sich meistens jedoch vor allem auf edierte Quellen und ältere Untersuchungen stützen. Alenfelders neues Übersichtswerk über die akademische Gerichtsbarkeit steht vor der Schwierigkeit, daß Verallgemeinerungen auf der normativen Ebene kaum möglich sind, weil an den einzelnen Universitäten so viele unterschiedliche Verfassungsformen bestanden.81 Diese Problematik schlägt sich auch in den Abschnitten über die akademische Gerichtsbarkeit in Gesamtdarstellungen zur Universitätsgeschichte nieder: Auf Grund der Verschiedenheit der einzelnen Hohen Schulen müssen die übergreifenden Aussagen notwendigerweise allgemein, gar vage bleiben. Zur Praxis der Gerichte gibt es kaum neuere Untersuchungen, auf deren Grundlage eine Darstellung in der Rechtswirklichkeit sicherlich vorhandener Gemeinsamkeiten möglich wäre.82

kleinteiliges Sowohl-als-Auch. Er bezieht sich auf die Frage, ob die Hohen Schulen kirchliche oder staatliche Anstalten gewesen seien. 79 Vgl. für viele Bauer, Sittengeschichte des deutschen Studententums. 80 Hoyer, Die Gerichtsbarkeit der Universität Leipzig bis zum Ende des 15. Jahrhunderts; Oberdörfer, Bemerkungen zur Geschichte der akademischen Gerichtsbarkeit in Heidelberg. 81 Alenfelder, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 302. Diese Zersplitterung führt dazu, daß es für Alenfelder trotz sorgfältiger Literaturauswertung schwierig war, einheitliche Entwicklungslinien herauszuarbeiten, was ihm gleichwohl stellenweise gelungen ist. Dennoch sei angemerkt: Die Thesen von Stein und Maack haben bereits andere widerlegt, und schon Köhler hat eindrucksvoll dargelegt, warum es „die“ akademische Gerichtsbarkeit nicht geben kann. 82 Es gibt einige neuere Monographien zur akademischen Gerichtsbarkeit in späterer Zeit, wie die Arbeiten von Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit (für das 19. Jahrhundert an der Universität Kiel) und Woeste, Akademische Väter als Richter: Universität Marburg, 18. und 19. Jahrhundert. Besonders hervorzuheben ist die Dissertation von Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert. Manche Autoren befassen sich in einzelnen Kapiteln oder Teilen ihrer Arbeiten eingehender mit der Gerichtsbarkeit bestimmter Universitäten: Beispielsweise enthält Arno Seiferts Statuten- und Verfassungsgeschichte der Universität Ingolstadt ein ausführli-

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Diese erste Literaturübersicht soll durch den Hinweis auf verschiedene Aufsätze und Monographien zur Freiburger Universitätsgeschichte abgeschlossen werden. Ernst Klotz schrieb über Die akademische Gerichtsbarkeit in alter und neuer Zeit, wobei dieser Aufsatz fast vollständig auf Schreibers Universitätsgeschichte beruht. Thomas Herzig widmete der Rechtsstellung der Universität in der Stadt Freiburg in der Frühzeit eine kurze Abhandlung. Mit der Disziplinarund Strafgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert beschäftigt sich die Monographie von Ekkehart Meroth.83 In letzter Zeit ist die Erforschung der Universität in der frühen Neuzeit vorangetrieben worden. Während sich ein unlängst erschienener Aufsatz von Dieter Speck, Freiburg – eine (vorder) österreichische Universität, mit der Einbindung Freiburgs in den österreichischen Herrschaftsverbund auseinandersetzt, befassen sich zwei Monographien mit den Interna der Hohen Schule: Kim Siebenhüner84 untersucht in ihrer Magisterarbeit universitäre Inquisitionsprotokolle des 16. Jahrhunderts aus alltags- und kriminalhistorischem Blickwinkel. Die Basis dieser Untersuchung bilden Verhörprotokolle aus den Jahren 1561 bis 1577, der Schwerpunkt liegt auf Devianzverhalten und akademischer Kultur. Erst als meine Arbeit weit fortgeschritten war, erschien Horst Ruths Darstellung des Personen- und Ämtergefüges der Freiburger Universität im 16. Jahrhundert, die vor allem auf den Statuten, dem Index Generalis und den Senatsprotokollen beruht. Diese Monographie, die sich als Wegweiser durch das Material des Universitätsarchivs versteht,85 wird zukünftigen Forschern sicher die Orientierung in den universitären Quellen dieser Epoche erleichtern. Keine dieser Arbeiten befaßt sich mit den Akten des Consistoriums zu privatrechtlichen Streitigkeiten, die in der vorliegenden Untersuchung erstmals Forschungsgegenstand waren.

ches Kapitel zur akademischen Gerichtsbarkeit, S. 358-406. In ihrer Dissertation über Fremde in der Stadt widmet Claudia Seiring den Studenten einen eigenen Teil, S. 181207, insbesondere zur Universität Basel (ihre Darstellung der Rechtsstellung Auswärtiger erfolgt anhand von mittelalterlichen und neuzeitlichen Quellen der deutschsprachigen Schweiz); ein kurzer Überblick zur akademischen Gerichtsbarkeit findet sich auf S. 187 f. 83 Meroth, Disziplinar- und Strafgerichtsbarkeit der Universität Freiburg im 19. und 20. Jahrhundert. 84 Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen. Für Einzelheiten vgl. den Literaturüberblick zum Zweiten Teil, Zweiter Teil § 1 I. 85 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 7 f. Beim institutionellen Teil dieser Arbeit ergeben sich gewisse Überschneidungen, vgl. Erster Teil § 1 I. 2. und § 3, allerdings gelangt die Verfasserin teilweise zu anderen Ergebnissen.

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III. Rahmenbedingungen des 16. Jahrhunderts 1. Freiburg und Vorderösterreich Das 16. Jahrhundert war eine Zeit des Umbruchs und Wandels,86 geprägt von gelungenen und gescheiterten Reformen, Hoffnung, Unsicherheit und Anspannung. In den ersten Jahrzehnten blühten unter der Herrschaft Kaiser Maximilians I. Humanismus und Reformbewegungen auf. Doch der Tod des „letzten Ritters“ und die beginnende religiöse Spaltung machten die Aufbruchsstimmung zunichte. Die Welt schien aus den Fugen zu geraten, als Reformation und Bauernkrieg die Menschen erschütterten. In Freiburg hatten sich Ende des 15. Jahrhunderts die inneren Verhältnisse stabilisiert:87 zwischen dem mit Kaufleuten und Patriziern besetzten Rat und der restlichen, in Zünften organisierten Bürgerschaft bestand Einigkeit. Trotz der Politik des Rats, reformatorische Lehren wegen ihrer sozialen Sprengkraft von Anfang an zu bekämpfen, blieb Freiburg nicht von den aufkommenden Unruhen in der ländlichen Bevölkerung, die in den Bauernkriegen eskalierten, verschont.88 Die reformationsfeindliche Haltung war auch außenpolitisch motiviert. Die Stadt verdankte ihren Einfluß vor allem der Stellung im vorderösterreichischen Herrschaftsverbund und war von der Gunst und Förderung der habsburgischen Landesherren abhängig. Als sich Erzherzog Ferdinand in der Konfessionsfrage für ein rigoroses Festhalten am alten Glauben entschied, war darum klar, daß diese Entscheidung auch in Freiburg befolgt werden würde.89 Buszello, Mertens und Scott mutmaßen in der Geschichte der Stadt Freiburg allerdings, daß nicht nur äußere Umstände zu diesem Beharren führten: Die geistig kulturellen Rahmenbedingungen hätten die Reformation in Freiburg verhindert; in der zunftregierten Mittelstadt habe es an einer humanistisch gebildeten Bürgerschicht gefehlt, die neben der Universität Träger der Refor86 Vgl. dazu Hammerstein, Die historische und bildungsgeschichtliche Physiognomie des konfessionellen Zeitalters, S. 57-101. 87 Buszello/Mertens/Scott, Zwischen Reformation, Bauernkrieg und katholischer Reformation, S. 35 f. Im 15. Jahrhundert hatte es Unruhen gegeben, die im zeitweisen Verbot der Zünfte gipfelten. Bader, Freiburg, Band 1, S. 487 f.; Schreiber, Freiburg, S. 185. 88 Da es innerhalb der Stadt keine bedeutenden Träger der aufständischen Bewegung gab, konnte Freiburg aber erst nach der Besetzung durch Bauernhaufen für kurze Zeit zur deren Unterstützung gezwungen werden. Buszello/Mertens/Scott, Zwischen Reformation, Bauernkrieg und katholischer Reformation, S. 48; Bader, Freiburg, Band 2, S. 25f; Schreiber, Freiburg, S. 288 f. 89 Zum Verhältnis von Stadt und Universität zur Reformation Buszello/Mertens/Scott, Zwischen Reformation, Bauernkrieg und katholischer Reformation, S. 36 ff. Aus katholischer Sicht idealisierend, Bader, Freiburg, Band 2, S. 51.

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mation hätte sein können. Die Hohe Schule verhielt sich in der lutherischen Frage gespalten und unsicher, so daß ihre Stimme kein Gewicht entfalten konnte. Die Gegenreformation verlief unter erheblicher Beteiligung der weltlichen Obrigkeiten, also des Landesfürsten und der Ensisheimer Regierung.90 Das Erstarken der Landesherrschaft und die effektivere Herrschaftsausübung mittels der Regierungen beraubte Freiburg – und andere Städte – im Laufe des 16. Jahrhunderts eines Teils ihrer Unabhängigkeit. Für das Säkulum davor beschreibt Brunner die Beziehungen zwischen Stadtherren und Städten in Österreich noch als „außenpolitische“, bei denen der Landesfürst nur dann eingriff, wenn er um Rat oder Hilfe angesucht wurde. Dies änderte sich nun: Seit 1557 durfte in Freiburg kein Ratsmitglied und Zunftmeister ohne die Zustimmung einer Wahlkommission der Ensisheimer Regierung aufgenommen werden.91 Die Reformation löste zwar in den vorderösterreichischen Gebieten, die ohne Unterbrechung katholisch blieben, weniger Wirren aus als in anderen Territorien, aber die Miseren der frühen Neuzeit, also Pest und andere Seuchen, Teuerungen, Hungersnöte und kriegerische Unruhen traten im Freiburg des 16. Jahrhunderts immer wieder auf.92

90 Zur Gegenreformation, der Stabilisierung der alten Kirche durch Abwehr und eigene Reformen vgl. Buszello/Mertens/Scott, Zwischen Reformation, Bauernkrieg und katholischer Reformation, S. 53. In Folge intensivierte sich der Einfluß dieser Instanzen in kirchlichen Angelegenheiten auch in den altgläubigen Gebieten. Zu den Regierungen, von denen für Freiburg die Vorderösterreichische Regierung in Ensisheim zuständig war, vgl. Link, Die Habsburgischen Erblande, die böhmischen Länder und Salzburg, S. 483 und 503. Zur Bedeutung von „Regierung“ in der frühen Neuzeit, nämlich der Erfüllung der Gesamtheit der öffentlichen Aufgaben im weitesten Sinn siehe Brunner, Städtische Selbstregierung, S. 225. 91 Brunner, Städtische Selbstregierung, S. 231; Quarthal, Süddeutsche Städte, S. 227; zum Zustimmungserfordernis Brunner, Städtische Selbstregierung, S. 237. 92 Eine genaue Angabe der Einwohnerzahl Freiburgs in der frühen Neuzeit ist schwierig, weil die Quellen nur die Haushaltsvorstände überliefern und die Zahl der Personen in einem Haushalt umstritten ist. Neuere Forschungen rechnen um 1500 mit einer Einwohnerzahl nicht über 6000. Für die Zeit bis zum Dreißigjährigen Krieg geht man, trotz häufiger Epidemien, von einem generellen Anstieg der Bevölkerungszahl aus, die bei Kriegsbeginn dann um 8000 gelegen haben mag. Insgesamt zählte Freiburg mit einer Einwohnerzahl von über 5000 im 16. Jahrhundert zu den größeren Mittelstädten in Deutschland. Buszello/Schadek, Alltag der Stadt – Alltag der Bürger, S. 70 f. Zu den epidemischen Krankheiten vgl. Mayer, Geschichte der Pest im 15. und 16. Jhd., S. 22 f.; derselbe, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 25. Die Häufung von Pest, Hunger und Krieg ruft noch beim heutigen Betrachter Assoziationen an die apokalyptischen Reiter hervor.

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2. Academia Friburgensis Brisgoiae a) Größe und Geschichte der Freiburger Universität Die Universität Freiburg, deren Privilegien aus dem Jahr 1457 datieren und die den Lehrbetrieb 1460 aufnahm, gehört zur zweiten Welle deutscher Universitätsgründungen. Sie ist ein Beispiel dafür, wie eine neue Hohe Schule im Spätmittelalter nach dem Willen des Stifters geplant und errichtet wurde.93 Im deutschen Reichsgebiet gab es um das Jahr 1500 fünfzehn Universitäten. Wien, Köln und Leipzig waren die drei größten. Die Freiburger Hohe Schule zählte, 43 Jahre nach ihrer Gründung, zu den kleinen Universitäten. Ihr Einzugsgebiet war von eher regionalem Zuschnitt, die Mehrzahl der Studenten stammte aus Süddeutschland, der Schweiz und dem Elsaß.94 Im Lauf des 16. Jahrhunderts übertraf die Freiburger Studentenzahl Erfurt und Heidelberg, zog mit Köln, Rostock, Marburg, Jena (und selbst Wien) etwa gleich und mußte nur hinter Leipzig, Ingolstadt, Wittenberg und Frankfurt an der Oder mit deutlicherem Abstand zurückstehen.95 Aber was bedeutet klein oder groß im 16. Jahrhundert in absoluten Zahlen? Für das Jahr 1581 gibt es in den Freiburger Senatsprotokollen eine genaue Angabe über die Zahl der Studenten: An der Fronleichnamsprozession sollen 168 Paare von Studenten teilgenommen haben.96 Die Prozession war eines der Großereignisse im Jahr, welches – wie andere Umzüge – von Stadt und Universität zur Selbstdarstellung genutzt wurde.97 Da die 93 Schubert, Universitätsgründungen des 15. Jahrhunderts, S. 16. Es zeigt sich hier, daß eine allzu strenge Unterscheidung in städtische und fürstliche Gründungen zu schematisch ist, da sich die Städte an letzteren aus eigenen wirtschaftlichen Interessen beteiligten, S. 27. 94 Seifert, Das höhere Schulwesen Universität und Gymnasien, S. 198f; Schwinges, Deutsche Universitätsbesucher im 14. und 15. Jahrhundert, S. 155-163 für die Zeit von 1460-1505. In dieser Phase hatte Freiburg Platz 10 von 12 Universitäten im Reichsgebiet inne, S. 159. 95 Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 30; Freiburg hat ab 1531 nach den bei Eulenburg abgedruckten Fünfjahresschnitten (Eulenburg, Frequenz, S. 54 f., 100 f.) regelmäßig mehr Immatrikulationen als Köln, im 16. Jahrhundert waren Wittenberg und Leipzig nach diesen Tabellen die beiden größten Universitäten, Kölns Immatrikulationszahlen sanken beträchtlich. 96 Mayer, Frequenz der Universität Freiburg im 16. und 17. Jhd., S. 125; A 10/10, fol. 236, 26.05.1581, Nota in circuitu ad festum SS. Corporis Christi habito numerati studiosi et reperti a loco, quem tenuit notarius, 168 paria studiosorum. Mit der Randanmerkung: Numerus studiosorum in festo corporis Christo. Dies widerlegt die (unbelegte) Behauptung Joseph Baders, Freiburg, Band 2, S. 51, es habe Ende des 16. Jahrhunderts an der Freiburger Universität nahezu 1000 Studenten gegeben. 97 Buszello/Mertens/Scott, Zwischen Reformation, Bauernkrieg und katholischer Reformation, S. 66 f. zur Fronleichnamsprozession. Vgl. dazu die Regeln in den Statuten: A 10/1, fol. 9v-12v, S 1460, Abschnitt 25 und A 4/2, LSR 1581, 2. De Publicis Proces-

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Teilnahme verpflichtend war und das Fernbleiben bestraft wurde, kann man davon ausgehen, daß die Zahl von 336 Teilnehmern sehr nahe an die damalige Studentenzahl herankommt. Eine direkte Angabe ist ein Glücksfall, weil sie Seltenheitswert hat. Die Hauptquellen für statistische Fragen sind natürlich die Matrikeln der Universität, in die sich jeder Student bei Studienbeginn einschreiben lassen mußte. Die Pflicht zur Einschreibung gründete auf fiskalischen und juristischen Interessen.98 Zum einen sollte sie der Universität die Kontrolle der Privilegierten und die Erfassung ihrer Namen ermöglichen, zum anderen war die Immatrikulationsgebühr eine wichtige Einnahmequelle für die Hohen Schulen. Jedoch kennt man lediglich die Zahlen der je Semester neu Immatrikulierten, weil keine Exmatrikulation erfolgte, wenn ein Student die alma mater verließ. Die Neueinschreibungen liegen im Freiburg im 16. Jahrhundert zwischen null im Wintersemester 1526/27 und 130 im Sommersemester 1559. Eine „große“ Universität wie Leipzig kam auf Zahlen zwischen durchschnittlich 50 von 1526-1530 bis durchschnittlich 283 von 1591-1595.99 Läßt sich die darüber hinaus gehende Frage beantworten, wieviele Studenten im 16. Jahrhundert jeweils gleichzeitig an der Universität studierten?100 Neuere sionibus / et stationibus in Ecclesia Parochiali: praesertim ea quæ celebratur in sanctissimo festo Corporis Christi ebenso A 4/6, LS 1618, II. Wer an welcher Stelle gehen durfte, war von so großer Bedeutung, daß über die Rang- und Reihenfolge Streitigkeiten ausbrachen und Regelungen darüber in den Universitätsstatuten getroffen werden mußten. Vgl. Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 42, ein weiteres Beispiel auf S. 113: Der Hofmeister eines adligen Franzosen stieß einen anderen edlen Studenten von der Seite des Rektors, um den Ehrenplatz für seinen Herrn freizumachen; A 4/2, LSR 1581, XXIII. De loco, et ordine eorum, qui publicis processionibus, et conventibus Academicis adsunt ... primum locum ... habebit Academiæ Rector. Hunc sunt ordine mox sequentur omnes Academici Senatus conisiliarii ... Quibus deinde cæteri Doctores, ordine succedent: primum Theologi, deinde Iureconsulti, tertio Medici ... etc. Deutlich erkennt man die Rangfolge der Fakultäten. Vgl. dazu auch Schwinges, Der Student in der Universität, S. 189, der Lokationsordnungen für die verschiedensten Gelegenheiten erwähnt. 98 Schwinges, Die Zulassung zur Universität, S. 166 f., bes. 169 und 173; A 4/6, LS 1618, IV. De Inscriptione studiosorum: Quicunque ad Academiam hac studiorum gratia confert, curabit ut intra proxima quindenam in Album studiosorum inscribatur, sub arbitraria senatus Academici mulcta. Qui ergo sic inscribitur, dabit tres solidos, monetæ hic receptæ. 99 Nach den Tabellen bei Eulenburg, Frequenz, S. 54 und 100. Er gibt die Summe der Immatrikulationen im Zeitraum von jeweils fünf Jahren, also 10 Semestern an, die durch zehn geteilt werden mußten. Schon an diesem Beispiel erkennt man die erheblichen Unsicherheiten und möglichen Verzerrungen, die mit der Verwendung solcher Statistiken verbunden sind. 100 Der Leipziger Nationalökonom Franz Eulenburg war bei seiner Beschäftigung mit der Frequenz Anfang des 20. Jahrhunderts noch davon ausgegangen, diese Frage beantworten zu können. Eulenburg, Frequenz der Deutschen Universitäten in früherer

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Forschungen zur Sozialgeschichte und Frequenz101 der Studierenden im Spätmittelalter kommen zu dem Schluß, daß dies nicht möglich ist. Um von den Immatrikulationen auf die Studentenzahlen schließen zu können, müßte man die durchschnittlichen Aufenthaltszeiten kennen. Deren Ermittlung ist noch heute, trotz ganz anderer und geregelterer Bedingungen, ein schwieriges Problem der Hochschulstatistik. Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit wird sie durch zusätzliche Unsicherheitsfaktoren so gut wie undurchführbar gemacht. Nur ein Teil der Studenten strebte einen Universitätsabschluß an: Viele studierten nur einige Zeit an der artistischen Fakultät, ein weiterer, kleinerer Teil noch einige Semester an den höheren Fakultäten, nur ein Bruchteil davon legte tatsächlich die Prüfungen ab.102 Dazu kommt, daß etliche Scholaren an mehreren Universitäten studierten. Auch in Freiburg gab es solche Wechsler, die nach einigen Semestern abreisten oder dort ihre Studien weiterführten. Für manche, vor allem Adlige und Patrizier mit ihrem Gefolge, war Freiburg nur eine Zwischenstation auf ihrer peregrinatio academica, der Studienreise durch Europa.103 Die Länge des Universitätsstudiums veränderte sich im Laufe des Zeit (Vorstudie 1897), S. 487-491; Eulenburg, Frequenz (1904), S. 31-39. Für die Universität Heidelberg ist aus den Jahren 1401 und 1588, für Wittenberg 1592 ein Großteil der Studenten namentlich identifizierbar. Eulenburg bestimmte mit den Matrikeln ihre durchschnittliche Aufenthaltszeit und versuchte, die Ergebnisse mit weiteren Rechenoperationen zu verifizieren; hierbei hielt er es für überflüssig ... für jede Universität und womöglich auch für jede Epoche den eigentümlichen Koeffizienten besonders [zu] bestimmen. Nach seinen Berechnungen betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Studenten 21 Monate. Auf diese Angaben stützte sich Hermann Mayer, um aus den Freiburger Immatrikulationen Aussagen über die dortige Gesamtfrequenz zu machen. Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 27 ff.; derselbe, Mitteilungen aus dem 3. Matrikelbuch (1585-1656), S. 39. Auch in einem weiteren Punkt folgte er Eulenburgs Vorbild: Er bildete zuerst Fünfjahresdurchschnitte der Immatrikulationen. Aus den so gewonnen Durchschnitten berechnete er dann für bestimmte Zeitpunkte die Zahl der in diesen fünf Jahren durchschnittlich anwesenden Studenten. Er nennt für das 15. Jahrhundert Höchstwerte von 159 Studenten; die Frequenz steigt dann in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts auf über 200, sinkt im dritten Jahrzehnt auf durchschnittlich 77. Ab 1540 schwankt sie zwischen 200 und 300, in der zweiten Hälfte der 50er Jahre sogar deutlich über 300, ab 1585 liegt sie dann bei 200-230. 101 Schwinges, Deutsche Universitätsbesucher im 14. und 15. Jahrhundert, S. 22 m.w.N.; derselbe in einem früheren Aufsatz, Deutsche Universitätsbesucher im späten Mittelalter – Methoden und Probleme ihrer Erforschung. Vgl. auch Uiblein, Mittelalterliches Studium an der Wiener Artistenfakultät, S. 45 f. 102 Verger, Die Universitätslehrer, S. 141 schätzt, daß nur 30-40 % der Studenten das Bakkalaureat und nur 10 % den Magistergrad erreichten, vgl. dazu auch Schwinges, Der Student in der Universität, S. 215 f. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 73 Fn. 543, ermittelt für Freiburg tatsächlich 10 % Magisterpromotionen. 103 Vgl. Sauthoff, Adliges Studentenleben und Universitätsstudium zu Beginn des 16. Jahrhunderts, S. 16 f., Müller, Studentenkultur und akademischer Alltag, S. 265.

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16. Jahrhunderts, weil die Anforderungen daran und seine Ausgestaltung einen erheblichen Wandel erlebten.104 Schwinges kommt zu dem Schluß, daß eine Berechnung der Anzahl gleichzeitig immatrikulierter Studenten, die mit einiger Wahrscheinlichkeit stimmt, ausgeschlossen ist.105 Nach diesen Ergebnissen sollte sich die neuere Forschung auf die Interpretation der Zahlen beschränken, die aus den Matrikeln unmittelbar ablesbar sind. Schließlich wirft auch die Anzahl der pro Semester vorgenommenen Immatrikulationen Licht auf die Geschichte der Freiburger Universität. Deutlich korrespondieren Einbrüche in diesen Zahlen mit Krisen, wie dem Auftreten epidemischer Krankheiten, die im 16. Jahrhundert häufig wüteten.106 So läßt sich der Tiefstand der Immatrikulationen im Wintersemester 1526/27 mit einem schweren Pestausbruch107 erklären. Die ebenfalls niedrigen Zahlen in den Semestern davor und danach sind auf die Belagerung und Kapitulation Freiburgs im Bauernkrieg 1525 zurückzuführen. Als sich in Basel 1528/29 die Reformation durchsetzte, verlegte das Domkapitel gezwungenermaßen seinen Sitz nach Freiburg. Da auch Erasmus von Rotterdam und mit ihm weitere Gelehrte und Buchdrucker zu den Reformationsflüchtlingen zählten, kann man die Universität 1529 als Reformationsgewinnlerin108 bezeichnen. Doch gilt dies primär im Hinblick auf den Zuwachs an wissenschaftlichen Kapazitäten, weil sich der Gewinn akademischer Qualität kaum in den Immatrikulationszahlen spiegelte; hier setzte sich lediglich die Erholung nach dem Tiefstand fort. 104 So wuchsen sie nach dem Tridentinischen Konzil erheblich, Rexroth, Die Universität bis zum Übergang an Baden, S. 500. 105 Schwinges, Deutsche Universitätsbesucher im 14. und 15. Jahrhundert, S. 22; so auch Uiblein, Mittelalterliches Studium an der Wiener Artistenfakultät, S. 46. Für den Zeitraum um 1581, für den wir die Zahl von 336 Studenten in den Senatsprotokollen überliefert finden, berechnete Eulenburg eine Frequenz von 212. Eulenburg, Frequenz, S. 100; Mayer, Frequenz der Universität Freiburg im 16. und 17. Jhd., S. 126 bemerkte die Diskrepanz der überlieferten Zahl zur Berechnung Eulenburgs, die sonst vieles für sich hat. 106 Siehe Anhang, Bild 1. Man muß also in einem weiteren Punkt von Eulenburgs Methode Abstand nehmen. Er (und ihm folgend Mayer) bildete jeweils Fünfjahresdurchschnitte der Immatrikulationen. Diese sind allerdings kontraproduktiv, weil sie die starken kurzfristigen Schwankungen überdecken, die im 16. Jahrhundert immer wieder durch Pest, Hunger und Krieg ausgelöst wurden und gerade kennzeichnend sind. Vgl. auch Schwinges, Deutsche Universitätsbesucher im 14. und 15. Jahrhundert, S. 22. 107 Nulli sunt incorporati propter sequentem pestem apud Friburgios. Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 21. In den Jahren zwischen 1526 und 1530 weisen, bedingt durch die religiösen und sozialen Unruhen, alle Universitäten im Reichsgebiet Tiefstände in den Immatrikulationszahlen auf, di Simone, Die Zulassung zur Universität, S. 247. 108 Buszello/Mertens/Scott, Zwischen Reformation, Bauernkrieg und katholischer Reformation, S. 22; zum Einfluß der Reformation vgl. auch Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 93 f.

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Die Konfessionalisierung band die einzelnen Universitäten an ein Bekenntnis; Lehrer und Studenten mußten sich in den Immatrikulationseiden zur Religion der jeweiligen Hohen Schule bekennen.109 Das katholische Freiburg befand sich nach der Reformation in einer Binnenlage, weil es von neugläubigen Territorien umgeben war: Seine Universität war die einzige in Vorderösterreich. 1548 bestimmte Kaiser Ferdinand ausdrücklich, daß Untertanen des Hauses Habsburg nur in Wien, Ingolstadt oder Freiburg studieren durften.110 In der Konsequenz verstärkte sich der Charakter Freiburgs als Landesuniversität, was sich an den Herkunftsorten und Heimatdiözesen der Scholaren ablesen läßt, die oft in den Matrikeln vermerkt wurden. Das ganze 16. Jahrhundert hindurch kam fast die Hälfte der Freiburger Studenten aus der Diözese Konstanz und damit aus dem Bistum, in dem Freiburg lag.111 Die Beschränkung auf die nähere Umgebung verstärkte sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts, wobei die vorderösterreichischen Besitzungen des Hauses Habsburg – zumal nach dem oben erwähnten Mandat – das Hauptkontingent der Studenten stellten. Was die Immatrikulationszahlen angeht, befand sich die Universität Freiburg etwa vom ersten Drittel des 16. Jahrhunderts an in einem erfreulichen Aufschwung ... und hatte ihre Lebensfähigkeit bewiesen.112 Das Maximum der Frequenz in diesem Jahrhundert fällt abweichend von dem anderer Universitäten in die 50er Jahre113 und erreicht Werte zwischen 74 und 130 Immatrikulationen pro Semester. Dennoch war die Situation im 16. Jahrhundert kritisch, denn die Universität kämpfte mit erheblichen Problemen, deren Ursachen vielschichtig sind. Die finanzielle Lage war angespannt, was teilweise auf die Reformation und ihre Folgen zurückzuführen ist.114 Sie löste häufige Pfarrer109 Coing, Die juristische Fakultät, S. 8; zu den Religionseiden vgl. Schreiner, Iuramentum Religionis, S. 211-246. 110 Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 82 mit Nachweisen über gedruckte Exemplare des Mandats; vgl. auch Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 39; Eulenburg, Frequenz, S. 61. 111 Die Diözese Konstanz war erheblich größer als heute, sie umfaßte das badische Oberland (nördlich etwa bis Ettenheim und Hornberg), den südlichen und mittleren Teil von Württemberg, einen Teil des Allgäus und die nordöstliche und mittlere Schweiz. Mayer, Mitteilungen aus dem 3. Matrikelbuch (1585-1656), S. 42. Zur Herkunftsfrage ausführlich Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 31. Der Anteil von circa 50 % blieb konstant, Mayer, Mitteilungen aus dem 3. Matrikelbuch (1585-1656), S. 42; laut Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 33, führte 1472 die Gründung Ingolstadts zu einer Verlagerung des Einzugsgebietes weiter in den Südwesten. Zur weiteren Entwicklung Eulenburg, Frequenz, S. 61; Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 35. 112 Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 30. 113 Eulenburg, Die Frequenz der Deutschen Universitäten, S. 113. 114 Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 81 f., S. 180 f.; Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 68 (16), 69 (17), 74 (22).

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wechsel auf den Universitätspfarreien aus. Die ständigen Neubesetzungen rissen Löcher in den Etat, weil die höheren Erstabgaben, die sogenannten primi fructus viel häufiger fällig wurden als in der Zeit zuvor. Nicht nur dies senkte die Erträge der Pfarreien, sondern auch die Gehaltserhöhungen, die in dieser Zeit des Priestermangels erforderlich waren.115 Überdies stand die Universität in lang andauernden Auseinandersetzungen über Abgaben und Rechte mit den Herrschaften, in deren Gebiet die Universitätsgüter und -pfarreien lagen. Klagen über fortschreitende Geldentwertung in Freiburg und dem Breisgau belegen, daß auch die allgemeine wirtschaftliche Lage ungünstig war. Die ständige Finanznot schränkte die Universität in ihren Versuchen ein, mit attraktiven Gehältern bekannte Professoren anzuwerben, zumal es generell einen gewissen Mangel an katholischen Universitätslehrern gab; die Besetzungsprobleme bei den Lehrstühlen zwangen den akademischen Senat immer wieder dazu, Kompromisse eingehen, um Vakanzen zu vermeiden. Auch andere Projekte, wie der Neubau der 1562 eingestürzten Burse und der Erwerb weiterer Gebäude, wurden durch die permanente Geldnot erschwert. Das Urteil der Zeitgenossen über die Freiburger Universität fällt wenig freundlich aus. Die oberösterreichische Regierung in Innsbruck bemerkte in einem Bericht von 1570, daß sich die Immatrikulationszahlen nach den schweren Einbrüchen der Reformationszeit zu langsam erholten.116 Sechs Jahre später schrieb der päpstliche Nuntius Bartholomäus von Portia, es seien nur circa 250 Studenten immatrikuliert. An den Professoren läßt er kaum ein gutes Haar: es handle sich fast nur um einheimisches Gewächs, dessen Lehreifer und Gelehrsamkeit gering sei.117 Gerade im Jahr 1576 war allerdings auch der Höhepunkt einer langen Phase verschiedener epidemischer Krankheiten erreicht,118 weshalb von November dieses Jahres bis Mai 1577 der Universitätsbetrieb nach Radolfzell verlegt wurde. Solche Auslagerungen behinderten die Lehre und 115

Die Pfarreien werden überall an Zehnten, Jahreszeiten, Beicht- und Opfergeld geschmälert, die Priester theurer; alle fünf oder sechs Jahre ist eine Pfründe ledig, wodurch die Universität zur Zahlung der ersten Früchte ohne Nachlaß angehalten wird; Pfarrhöfe und Kirchen sind im Abgang ... Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 52. Er zitiert aus einer Beschwerdeschrift der Universität aus dem Jahr 1549 anläßlich der Wirtschaftsprüfung. 116 Bücking, Reformversuche an der Universität Freiburg um 1600, S. 75. 117 Zitiert nach Bücking, Reformversuche an der Universität Freiburg um 1600, S. 75. Auch der Nuntius führt die Probleme zu einem guten Teil auf die Finanzschwäche der Universität zurück. 118 Die Verbreitung epidemischer Krankheiten erreichte im 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt: Insgesamt traten in diesem Jahrhundert in Freiburg 15 mal Seuchen auf. Mehrere Male wurde der Universitätsbetrieb wegen der Epidemien an andere Orte wie Mengen, Radolfzell oder Villingen verlegt. Mayer, Geschichte der Pest im 15. und 16. Jahrhundert., S. 25 ff.; derselbe, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 25.

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führten zu Einbrüchen in der Frequenz. Obwohl die Immatrikulationszahlen in den folgenden Jahren wieder etwas anstiegen, äußerte die Universität in den Senatsprotokollen vom 18. März 1580 selbst Klagen über unzulängliche Besucherzahlen und den schlechten Ruf der Hohen Schule.119 Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich für das Wintersemester 1579/80 wirklich nur 42 Stundeten eingeschrieben.120 Insgesamt kam es in diesem Semester dann zu 57 Neuimmatrikulationen, einer Zahl, die unter dem Durchschnitt der davor und danach folgenden Semester liegt. Ein Grund für die durchweg negative Bewertung der Immatrikulationszahlen, auch durch die oberösterreichische Regierung, mag der Vergleich mit anderen, in der Nähe liegenden Universitäten wie Tübingen oder Ingolstadt gewesen sein. Diese wuchsen im Verhältnis zu Freiburg nämlich ungleich stärker. Ingolstadt, eine andere katholische Universität der zweiten Gründungswelle, entwickelte sich gar zu einer der größten Hochschulen im alten Reich! Festzuhalten bleibt, daß trotz der grundsätzlich positiven Entwicklung der Immatrikulationszahlen, das 16. Jahrhundert keine gute Zeit für die Freiburger Universität darstellte. Nicht weil sie katholisch war oder eine Landesuniversität121 – dies trifft auf das florierende Ingolstadt schließlich auch zu –, sondern eher auf Grund chronischen Geldmangels und wegen Nachlässigkeit oder 119

Mayer, Frequenz der Universität Freiburg im 16. und 17. Jhd., S. 124; A 10/10, fol. 76, 18.03.1580. Sie belegen die Konstanz der Probleme: Dominus D. Michael Hager proponit nostram scholam sinistra quadam fama apud exteros laborare ... primo magistri et baccalaurei hoc promoti ... ut multi ex ipsis vix grammaticé loquantur ... secundo quod omnia hic magno costarent ... Insgesamt werden fünf Punkte aufgezählt, neben den genannten die Nachlässigkeit der Professoren der Artistenfakultät, das Fehlen einer Buchdruckerei und die unzureichenden Lateinkenntnisse der Studenten. Teilweise wurden Lösungsvorschläge vermerkt, z. B. sollte die als fünftes angeprangerte Lateinschwäche durch ein Mandat, Magister und Studenten dürften überall und jederzeit nur Latein sprechen, bekämpft werden. In der Burse war dies allerdings schon durch die ersten Bursenordnungen aus dem 15. Jahrhundert vorgeschrieben gewesen. Item statuit quod quilibet scolarium in comunitatibus bursaris / loquat latinum / Sub pena unius obului… A 10/1, fol. 13r. 120 Mayer, Frequenz der Universität Freiburg im 16. und 17. Jhd., S. 124. 121 Zur Warnung vor solchen Kurzschlüssen vgl. das Plädoyer von Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 80 f. mit Verweis auf die eingefahrenen Argumentationsstrukturen von ganz unterschiedlichen Parteien: von der vorderösterreichischen Regierung zur Legitimation der Visitationen (im 16. Jahrhundert), von jesuitischen Professoren bei der Behauptung gegen weltliche Professoren (im 17. Jahrhundert), später die jesuitenfeindliche Einstellung verschiedener Autoren (im 18. und 19. Jahrhundert), darunter wohl auch Heinrich Schreiber. Köhler selbst ist katholischer Theologe. Immerhin löste die Reformation auch an anderen Universitäten Krisen aus. Coing, Die juristische Fakultät, S. 3: Tatsächlich hat der Beginn der Reformation in Deutschland zunächst fast zu einer Auflösung der Universitäten geführt.

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Unvermögens des Lehrkörpers. Um die Krise zu meistern, versuchten Landesherr und Regierung stärkeren Einfluß auf die Leitung der Universität zu nehmen. Mittel waren Visitationen122 und die Besetzung von Professorenstellen.123 Gerade Letzteres stieß, ebenso wie erste Versuche, Teile der Universität im Jahr 1577 unter jesuitische Leitung zu stellen, auf den Widerstand des akademischen Senates. In diesem Widerstand zeigte sich das Selbstverständnis der Universität als eigenständige Körperschaft.124 Auch wenn man sich der vielen Abhängigkeiten bewußt war, wollte man doch bestimmte Rechte und Freyheiten und eine gewisse Selbständigkeit bewahren. Die Universität versuchte, durch Reformen aus eigener Kraft die Talsohle zu überwinden. Hubert Knaupp125 bezeichnete deshalb diese Krisenzeit auch als Phase von Aktivität und Reformen in gesteigerter Selbstverantwortung. Fraglos lösten allerdings immer wieder landesherrlichen Impulse diese Aktivität aus.126 Die Reformversuche wurden in verschiedenen Etappen unternommen: 1572/73 stellte man nach dem Muster reformierter Universitäten dem eigentlichen Studium ein vierklassiges Pädagogium voran. Es handelte sich dabei um eine Art Vorschule, die der Entlastung des artistischen Unterrichts von Grundlagen dienen sollte und sich später zum Gymnasium Academicum entwickelte. Gleichzeitig wurde der Lehrplan der Artistenfakultät erneuert.127 Bei Inhalt und Lehrmethoden orientierte man sich nun am jesuitischen Modell, das auf Grund seiner größeren Praxisausrichtung als vorbildlich galt. Im Jahr 1575 wurden dann die Statuten und Lehrpläne aller Fakultäten ergänzt und überarbeitet.128 Auch die Universitätsorganisation versuchte man zu ordnen und auf klare Grundlagen zu stellen: 1579 erteilte der Senat den Professoren Jodocus Lorichius und Ulrich Holtzapfel den Auftrag zur Überarbeitung und Neufassung der 122

Rexroth, Die Universität bis zum Übergang an Baden, S. 499; vgl. hierzu ausführlich Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 83 ff. 1549/50 kam es zu einer ersten Wirtschaftsprüfung, 1558 und 1575 zu landesherrlichen Visitationen. 123 Vgl. den Fall Olzignanus: 1562 wurde der italienische Professor durch die Landesregierung berufen, anschließend kam es zum Streit über das Recht der Universität, Lehrstühle selbst zu besetzen, Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 64 f. (12 f.); Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 342 ff. Der Universität gelang es schließlich, den von Anfang an ungeliebten Mann wieder loszuwerden, Schreiber, a.a.O., S. 345; dazu auch Siebenhüner, Zechen Zücken Lärmen, S. 50, ohne auf die Vorgeschichte einzugehen. Zum ius praestandi vgl. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 96 ff. 124 Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 63 (11). 125 Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 68 (16). 126 Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 248 f. 127 Rexroth, Die Universität bis zum Übergang an Baden, S. 500; Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 77 (25). Zu den Vorbildern vgl. di Simone, Die Zulassung zur Universität, S. 238. 128 Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 77 (25).

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Statuten.129 Zeitgleich begann Lorichius mit der Erfassung und Systematisierung der Urkunden und Privilegien der Universität; dieser Arbeit verdanken wir die ersten Archivkataloge.130 Ein weiterer Anlauf zur Reform der Fakultätsstatuten und der Verbesserung der Lehrdisziplin wurde im Jahr 1595 unternommen.131 Insgesamt zeigten jedoch all diese Versuche der eigenständigen Reform nicht genügend Durchschlagskraft, um die Situation der Universität entscheidend zu verändern. Speck merkt hierzu treffend an, daß die Universität allein schon die Erkenntnis der Reformbedürftigkeit als Reform betrachtete.132 Aber auch der Landesherr und die Regierung besaßen im 16. Jahrhundert noch nicht die Durchsetzungsfähigkeit oder den Willen, die Lage in Freiburg selbst in die Hand zu nehmen. Dies änderte sich nach dem Tod Erzherzog Maximilians und der Regierungsübernahme Leopolds im Jahr 1619: Schon ein Jahr später wurden die Jesuiten an der Universität eingeführt. Der Orden übernahm die artistische Fakultät und die meisten Lehrstühle der Theologie. Gleichzeitig wurde die Finanzsituation der Universität verbessert und Immatrikulationszahlen und Lehrqualität stiegen rasch an. Doch 1632 beendeten die Wirren des Dreißigjährigen Krieges – Freiburg wurde von den Schweden belagert – diese kurze Blütezeit.

129 A 10/10, Convocatio 11. Novembris [1579], fol. 4. Der Senatsbeschluß erwähnt auch den Juraprofessor Holtzapfel neben Lorichius, doch scheint letzterer die Hauptarbeit getan zu haben, schließlich taucht nur sein Name in der Überschrift des LSR 1581 auf. Knaupp sah in der Tatsache, daß sich die Universität zum ersten Mal seit 120 Jahren wieder mit ihren Statuten befaßte, einen Beleg dafür, daß man die Notwendigkeit klarer Rechtsverhältnisse nach innen und außen erkannt habe. Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 80 (28). 130 Vgl. dazu Schaub, Geschichte des Archivs der Universität Freiburg i. Br., S. 466499; Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 82 f. (30 f.). Er vermutet einen Zusammenhang mit der peinlichen Episode einige Jahre zuvor, als die Universität der Regierung gegenüber behauptete, eine Urkunde von Kaiser Maximilian über seinen Verzicht auf das ius praestandi erhalten zu haben, diese aber dann nicht finden konnte, S. 64 (12). 131 Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 78 f. (26 f.). In das Sommersemester dieses Jahres fällt auch die höchste Immatrikulationszahl des letzten Viertels des Jahrhunderts. Sie ist darauf zurückzuführen, daß zum ersten Mal Schüler des oben erwähnten Gymnasiums in die Universitätsmatrikel aufgenommen wurden. Mayer, Mitteilungen aus dem 3. Matrikelbuch (1585-1656), S. 28. 132 Speck, Freiburg – eine (vorder)österreichische Universität, S. 246.

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b) Fächer, Lehrer, Schüler Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie durchaus studiert, mit heißem Bemühn ...133

Als klassische Universität bestand die Freiburger Hohe Schule aus vier Fakultäten, entsprechend dem traditionellen Fächerkanon einer unteren, der philosophischen (Artes), sowie den höheren für Medizin, Jurisprudenz und Theologie.134 Diese Rangfolge hatte sich schon in Paris entwickelt. Nach den jährlichen Auslagen für die Besoldung135 gab es an der Freiburger Universität Mitte des 16. Jahrhunderts zwei Theologieprofessuren, vier juristische und zwei medizinische Lehrstühle. An den höheren Fakultäten lehrten also acht Professoren. Dazu kamen fünf festgesetzte Lehrstühle an der Artistenfakultät, außerdem noch eine unbestimmte Anzahl höherer und niederer Dialektiker. Der Studienablauf war in den Statuten der einzelnen Fakultäten geregelt.136 Sie enthielten Bestimmungen über den Erwerb der akademischen Titel, die genau festschrieben, welche Vorlesungen ein Student hören und welche Dispu133

Goethe, Werke: Band 3, Faust, 1. Akt, 1. Szene. de Ridder-Symoens, Organisation und Ausstattung, S. 141. Nur mit diesen vier Fakultäten galt eine Universität außerhalb Italiens als vollständig. Die Fakultätseinteilung hatte sich an der Pariser Universität entwickelt. Diesem Vorbild folgte man in Freiburg auch in andere Hinsicht: von Anfang an handelte es sich nicht um eine von den Studierenden geleitete Universität; nach Frijhoffs Typologie wäre sie als ProfessorenUniversität mit nach Fakultäten gegliedertem Unterrichtssystem, das die Professoren nach Fächern gliederte einzuordnen, vgl. Frijhoff, Grundlagen, S. 69. Zur Rangfolge der Fakultäten: Vandermeersch, Die Universitätslehrer, S. 206 f. 135 Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 51. Vgl. zum Personalstand auch Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 66 (Theologen, in der Regel drei), S. 68 f. (Juristen, vier bis fünf). Laut Schreiber begann die Artistenfakultät mit vier Professoren, bald kamen zwei weitere dazu, schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts gab es bis zu dreißig lehrende und regierende Meister, Universität Freiburg, I. Theil, S. 42. 136 Vgl. den zweiten Artikel der Albertina, Gerber, Der Wandel der Rechtsgestalt, S. 29, = Schreiber, Urkundenbuch, S. 449. Vgl. zu den Fakultätsstatuten Ruth, Personenund Ämtergefüge, S. 11 ff., ab S. 63 zur theologischen Fakultät, ab S. 67 zur juristischen, ab S. 70 zu medizinischen, und S. 73-86 zu philosophischen; sowie Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, zu den Statuten: S. 43 f. (Artisten), S. 103 f. (Theologen), S. 170 f. (Juristen), S. 216 f. (Mediziner). Weiterhin enthielten die Statuten eine Art Geschäftsordnung, also unter anderem Bestimmungen über die Wahl und Wählbarkeit zum Dekan und dem Rat der Fakultät. Den dritten Bereich bildeten schließlich die Disziplinarvorschriften für die scolares, für die überwiegend auf die Bestimmungen der Gesamtuniversität zurückgegriffen wurde. Schließlich wurden in diesen Statuten die Schutzpatrone und Festtage der Fakultäten festgesetzt. 134

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tationen er ablegen mußte, um den untersten Grad, das Baccalaureat, zu erlangen. Der baccalaureus durfte selbst Vorlesungen halten und konnte dann, je nach Fakultät, zum Licentiaten137 bzw. Magister oder Doktor promoviert werden. Damals wie heute war das Semester die zeitliche Grundeinheit des Universitätslebens. Die Wahlen zu den wichtigsten Universitätsämtern fanden jeweils an der vigilia omnium sanctorum und der vigilia SS Philippi et Jacobi apostolorum, am 31. Oktober und 30. April138 statt. Die Semester und damit die Amtszeit begannen jedoch erst am Tag darauf: das Wintersemester also an Allerheiligen, am 1. November, und das Sommersemester am 1. Mai, dem Fest der Apostel Philippus und Jakobus.139 Gerade mit dem Wort „Student“ verbinden sich heute viele Vorstellungen, die auf die scolares des 16. Jahrhunderts nicht zutreffen.140 Die augenfälligste Diskrepanz zeigt sich beim Alter. Angaben darüber sind teilweise in den Matrikeln enthalten, weil die Studenten den Immatrikulationseid in Freiburg erst nach Vollendung des 14. Lebensjahrs ableisten durften.141 Wer jünger war, konnte nicht selbst schwören, sondern ein Prokurator, Lehrer oder anderer Erwachsener mußte es für ihn tun. Dies wurde dann in den Matrikeln festgehalten, mit Zusätzen wie quod minorennis oder puer erat. Solche Vermerke finden sich häufiger, und auch ein Blick in Gelehrtenviten vermittelt den Eindruck, vor allem die Begabteren hätten das Studium regelmäßig in jungen Jahren begonnen. Johann Fichard nahm sein juristisches Studium mit 16 Jahren auf, Johann 137

Zu den Titeln vgl. Verger in LexMa VI, Magister, Sp. 91; LexMa III, Doctor, Sp. 1155 f.; LexMa IV, Grade, universitäre, Sp. 1630 f.; derselbe, Die Universitätslehrer, S. 139 f. Für das Doktorat war keine weitere akademische Qualifikation erforderlich, der Erwerb im Anschluß an das Licentiat war lediglich kostspielig. Deshalb verzichtete mancher auf das Doktorat, obwohl damit ein höheres Prestige verbunden war. 138 A 4/6, LSS: Primum De Rectoris electione, Invocato divino auxilio, primum omnium sanciuit Academicus Senatus: ut quolibet anno omnes eiusdem Consiliarii super Electione noui Rectoris consultaturi, duos conventus celebrarent: Priorem in Vigilia seu præfesto Apostolorum Philippi et Jacobi: Posteriorem in vigilia omnium Sanctorum. Nisi dies Dominica aut festum aliud impediret. Nam tunc electio pridie eius diei fieri consuevit. Hervorhebung BB. 139 Mayer, Matrikeln, Band I, S. XXI. 140 Deshalb schlagen manche Autoren vor, nach Möglichkeit neutrale Begriffe wie „Universitätsbesucher“ oder „Studierender“ zu verwenden, z. B. Schwinges, Der Student in der Universität, S. 181; Moraw, Sozialgeschichte, S. 48. 141 AoR, ed. König, Rectorat, S. 72, Qui nondum attigerunt annum aetatis decimum cum dimidiato, iurabuntur per Procuratorem seu Praeceptorem vel alium: monebitque eos Rector, ut cum ad praescriptam aetatem attigerint, redeant ad Rectorem tunc temporis, et iuramentum praestent ipsi. Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 53. Die Festsetzung der Eidmündigkeit bzw. Volljährigkeit auf das vollendete 14. Lebensjahr entspricht den Bestimmungen des kanonischen Rechts und war auch an anderen Universitäten gebräuchlich, Schwinges, Die Zulassung zu Universität, S. 170.

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Sichard war 15, als er an die Universität kam. Reuchlin, Wimpfeling, Melanchton: keiner von ihnen war bei Studienbeginn älter als 15 Jahre. Die einzige Studienvoraussetzung waren ausreichende Lateinkenntnisse, um den Vorlesungen folgen zu können. Doch selbst diese konnte man sich noch an der Universität aneignen.142 Grundsätzlich begann man das Studium an der Artistenfakultät, sie bildete die Pforte zu den höheren Fakultäten.143 Die typischen Artesstudenten waren 14 bis 16 Jahre alt, hatten zuvor an einer Lateinschule oder privat Grundkenntnisse erworben und vertieften diese an der Universität. Diese Gruppe machte die Mehrzahl, nach Schätzungen bis zu ¾ der Universitätsbesucher aus, und der größere Teil von ihnen verließ die Universität nach ein bis anderthalb Jahren ohne einen Abschluß, die meisten anderen mit dem Grad eines Baccalaureus artium im Alter von etwa 16 bis 19 Jahren. Viel kleiner ist die Zahl der Studenten, die den Titel des magister anstrebten und anschließend an den höheren Fakultäten studierten, noch weniger wollten dort mit einem akademischen Grad abschließen. Obwohl im Lauf des 16. Jahrhunderts vermutlich die Zahl der Fachstudenten an den höheren Fakultäten anstieg, stellt Ruth für die Jahre von 1520 bis 1620 an der Freiburger Universität immer noch eine recht niedrige Abschlußquote fest: die Magisterpromotionen machten nur 10 % der Immatrikulationen aus.144 Das jugendliche Alter der meisten Besucher erklärt die internatsähnlichen Bestimmungen an der Universität, wie z. B. die grundsätzliche Pflicht, in Bursen unter dem – zumindest laut den Bursenordnungen – strengen Regiment von Conventoren zu leben.145 In Freiburg wohnte man in der Pfauen- und 142 Seifert, Das höhere Schulwesen Universitäten und Gymnasien, S. 199; di Simone, Die Zulassung zur Universität, S. 238; Moraw, Sozialgeschiche, S. 49. 143 Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 51; di Simone, Die Zulassung zur Universität, S. 238. Zu den Zahlen vgl. Schwinges, Der Student in der Universität, S. 182 ff. Seine Ausführungen beziehen sich auf das 14. und 15. Jahrhundert, treffen allerdings im großen und ganzen auch noch auf das 16. Jahrhundert zu. Moraw, Sozialgeschichte, S. 49, vergleicht die Ausbildung an der Artistenfakultät mit Gymnasialbildung, die Abschlüsse Bakkalaureat und Magisterium mit Mittlerer Reife und Abitur. 144 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 73, Fn. 543. 145 Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, S. 35 ff.; Rexroth, Die Universität bis zum Übergang an Baden, S. 489; Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 86. Es gibt in S 1460 eine Vorschrift, in der den Studenten geboten wird, nur in von der Universität genehmigten Bursen Quartier zu nehmen: A 10/1, fol. 9v-12v, (13) Item quod ullus iure universitate suppositum / in domo / bursa / camea / aut expensis teneat / vel ad actas scolasticas / quovis non recipiat / vel admittat / a iuro consocio / et iuris privilegis exclusum / et solemniter non reconciliatum / sine racionabili causa / per rectorem universitate / et magistrum bursam approbata / sub gravis pene / per ipsam universitate infligenda. Die Bursen wurden von sogenannten Conventoren oder Regenten geleitet, die auf die Befolgung der Bursenstatuten zu achten hatten und dazu verpflichtet waren,

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Einführung

Adlerburse,146 die unter der Verwaltung der philosophischen Fakultät stand. Obwohl die Studenten für Unterkunft und Mahlzeiten Bursenzins entrichten mußten, litt die Freiburger Burse unter der chronischen Geldnot der Universität: Die Gebäude waren marode und immer wieder beschwerten sich Kostgänger über das nicht nur einfache, sondern auch schlechte Essen.147 Zwar bemühte sich die Universität ständig um eine Reform und Verbesserung der Zustände, insbesondere der häufig als beklagenswert bezeichneten Disziplin,148 doch hatten diese Versuche nie durchschlagenden Erfolg. Ein beträchtlicher Anteil vor allem der reicheren Studenten nahm bald in Privathäusern von Professoren, in Gasthäusern oder bei Bürgern Quartier.149 Wenn die Universität diese zahlungskräftige Klientel halten wollte, konnte sie den Bursenzwang nicht streng durchsetzen. Für die ärmeren Studenten entstanden bald auch Stiftungen, in denen Stipendiaten freie Kost und Logis gewährt wurde, wie das domus Carthusianorum, collegium Sapientiae, Battmannnicum, Pacis und andere.150 Schon in der Art der Unterkunft gab es also erhebliche Unterschiede zwischen den Studenten. Hatte die ältere Forschung – vor allem Herbert Grundmann151 – die Universität noch als sozialen Schmelztiegel, als elitäre und egalitäre Gemeinschaft angesehen, so nimmt man heute an, daß sich die soziale

für Ordnung und Ruhe zu sorgen. Die älteste Bursenordnung findet sich in A 10/1, fol. 13r. 146 Ricker, Freiburg, S. 55; Flamm, Geschichtliche Ortsbeschreibung, S. 9 f.; Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, S. 37. 147 A 12/2 (LI1), fol. 437r, Inquisition vom 28.07.1554, Jacobus Molitor sagt ... sey der Kotter etlich mal zu Inen vber Irn Tisch kummen ... [und habe sich wegen des Essens beschwert] vnd derwegen ein ayer kuchen von der köchin extra begert, der ime gebakken worden, als derselbig ime auch nit gefallen, ain handvol darvon genommen, vnd Inen vff Irn tisch geworffen, vnd über dazuo gefluocht. Der Vorfall wirft zugleich auch ein Licht auf die „Disziplin“ in der Burse. 148 Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 70 (18). 149 A 10/9, fol. 611 ff., 01.02.1576, findet sich eine Liste aller 31 privat wohnenden Studenten. 150 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 91, zitiert den Bericht des päpstlichen Nuntius Portia von 1575 mit der Feststellung, von 250 Studenten lebten 80 in Stiftungen, d. h. fast ein Drittel der Studenten, und zwar vor allem die Landeskinder. Auch die Stiftungen hatten „Hausordnungen“, ein besonders schönes Beispiel sind die bebilderten Statuten des Collegium Sapientiae, verfaßt von seinem Stifter Johannes Kerer. 151 Grundmann, Die Entstehung der Universitäten im Mittelalter, S. 17 ff. Dort heißt es u.a.: An den mittelalterlichen Universitäten waren alle sozialen Schichten, Stände und Klassen ... gleicherweise und gleichberechtigt beteiligt ohne Rücksicht auf ihre Herkunft (S. 17), es gab keine Vorrechte der Geburt (S. 19), das Studium an den höheren Fakultäten konnte ein Mittel des Erwerbs, der Bereicherung, des wirtschaftlichen und sozialen Aufstiegs sein (S. 23).

§ 2 Grundlagen

53

Schichtung152 der Gesamtgesellschaft auch unter den Universitätsbesuchern widerspiegelte: Man war an erster Stelle adlig und dann erst Scholar.153 Studenten von Adel strebten in der Regel keinen Abschluß an, weil die Teilnahme an einer Prüfung nicht mit ihrem Stand vereinbar gewesen wäre. Der Adelsanteil an der Freiburger Universität war leicht überdurchschnittlich und stieg im Lauf des 16. Jahrhunderts weiter.154 Neben sozialen Abschichtungen bestanden innerhalb der Universität auch familia-Strukturen, nämlich Klientelen unter dem Patronat eines Universitätslehrers oder vornehmen Studenten.155 Hierbei spielten nicht primär die Abstufung nach der besuchten Fakultät und dem erreichten Abschluß eine Rolle, sondern es kam vor allem auf den gesellschaftlichen Status an. 3. Münzen und Geldwerte im Breisgau des 16. Jahrhunderts Die in den Statuten aufgeführten Geldstrafen werden in Gulden, Schilling und Plappart angegeben. Der Senat verhängte aber auch Strafen in Kronen und Freiburger Pfund, das Consistorium verurteilte in Gulden, daneben in Kronen und Thalern. Die Einschätzung der in den Quellen erwähnten Geldbeträge ist schwierig, denn es tauchen verschiedene Währungen auf, zwischen denen keine festen Wechselkurse festgelegt waren. Teilweise änderte sich wegen des schwankenden Gold- und Silberanteils der Münzen sogar das Umrechnungsverhältnis innerhalb einer Währung.

152

Schwinges, Deutsche Universitätsbesucher im späten Mittelalter – Methoden und Probleme ihrer Erforschung, S. 50f; derselbe ausführlich, Deutsche Universitätsbesucher im 14. und 15. Jahrhundert, S. 341 ff.; ebenso in Der Student in der Universität, S. 189 f. Dort formuliert er plastisch: Man sah in der genauen und geziemenden Beachtung des persönlichen Rangs geradezu eine Garantie für den Bestand der Hochschule, weil keine Gemeinschaft ohne ein solches Regelwerk des Unterschiedes vernünftigerweise existieren konnte.; etwas zurückhaltender Rexroth, Die Universität bis zum Übergang an Baden, S. 491 f. 153 Moraw, Sozialgeschichte, S. 51. 154 Laut Schwinges, Rektorwahlen, S. 31, gehörte Freiburg im 15. Jahrhundert zu den führenden süddeutschen Adelsuniversitäten. Vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kamen vermehrt adlige Scholaren aus Burgund und Lothringen nach Freiburg. Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 113 ff.; Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern (XV. und XVI. Jhd.), S. 35 f. Generell kam es im 16. Jahrhundert zur „Aristokratisierung“ der Universität, vgl. di Simone, Die Zulassung zur Universität, S. 254. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen war das Studium für den Adel nun von größerer Bedeutung. 155 Moraw, Sozialgeschichte, S. 51. Zu solchen Adelscliquen vgl. auch Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 107.

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Einführung

Die wichtigste Münzart war der Rheinische Gulden, auch florin oder lateinisch florenus, der mit fl oder g abgekürzt wird. Die nächst kleineren Recheneinheiten sind Schilling und Pfennig. Der Schilling wird lateinisch als solidus (abgekürzt s oder ß) bezeichnet. Pfennig heißt denar(ius), hier lauten die Kürzel d oder pf. Auch der Batzen ist eine Münz- und Recheneinheit, die auf den Gulden bezogen ist. In einer Kostenaufstellung, die am 15.05.1568 erfolgte, lesen wir: 16 batz bottenlohn, 7 batzen 2 d für zwo citationen, und 2 batzen 4 denar procuratorlon, thuot zusammen 1 fl 10 batzen 6 d.156 25 Batzen entsprechen also einem Gulden und zehn Batzen, was bedeutet, daß 15 Batzen einen Gulden ergeben. Dieses Rechenverhältnis entspricht den Angaben von Huggle/Ohler, nach denen man für einen Gulden im Breisgau vom 16.18. Jahrhundert 15 Batzen oder 12 Schilling und sechs Pfennige bekam.157 Teilweise stößt man auch auf Wertangaben in Pfund, zuweilen präzisiert als Freiburger Pfund, libra friburgensis. Hierbei handelt es sich um eine Gewichtsund Recheneinheit für Münzen. Ein Pfund entsprach ursprünglich 240 Pfennigen (oder 20 Schillingen). Wegen des Wertverlustes und der geänderten Legierungen stieg die Zahl der Pfennige, wobei ein Pfund Pfennige dann als Gewichtsangabe gebraucht wurde. 1655 entsprach es einem Gulden und 9 Schillingen oder 24 Batzen158 und war somit jedenfalls nicht mehr wert als zwei Gulden. Eine weitere in Freiburg öfter vorkommende Münze ist der Blappart oder Plappert. In einem Urteil des Consistoriums vom 10.09.1552 wird der Beklagte zur Zahlung von vierzig und fünff gulden rheinischer, 25 plappart für den gulden159 verurteilt. Andere zuweilen erwähnte Münzen sind Kronen und T(h)aler. Eine Krone war in Vorderösterreich um 1600 27 rauhe Batzen160 wert, das entspricht fast zwei Gulden. Für einen Thaler bekam man 1551 72 Kreuzer, 1606 in Württemberg 18-21 Batzen,161 also etwas mehr als ein Gulden. Die Abschätzung der Kaufkraft dieser Münzen ist schwierig, weil man auf eher zufällige Angaben angewiesen ist. Auch diese Werte konnten wegen der häufigen Teuerungsphasen erheblichen Schwankungen unterworfen sein. Nach Bader herrschte beispielsweise im Jahr 1560 eine Teuerung, ein Maß Anken (Butter) kostete drei Batzen, ein Pfund Wachs das gleiche. 1580 waren die Preise viel niedriger, der Preis für Butter lag bei einem Batzen. In dieser Zeit 156

A 14/2, fol. 82v. Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen, Gulden, S. 66; Batzen, S. 55. Sauthoff schreibt: der Verfasser (er meint wohl nicht sich selbst, sondern den Führer des Rechnungsbuches) rechnet 1 Gulden = 32 Batzen. Möglicherweise wird hier jedoch der Goldgulden als Recheneinheit verwendet, der mehr wert war als der normale Gulden. 158 Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen, Pfund, S. 83. 159 A 14/1, fol. 324. 160 Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen, Krone (Silbermünze), S. 74. Zum ganzen Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 44. 161 Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen, Thaler, S. 94 f. 157

§ 2 Grundlagen

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der Wohlfeile verdiente eine Wäscherin einen Schilling am Tag.162 Acht Gulden waren 1563 der Jahreslohn für eine Dienerin, die allerdings wahrscheinlich Wohnung und Verpflegung umsonst hatte.163 1550 betrug der Mietpreis für ein Haus 25 Gulden pro Jahr, knapp zwanzig Jahre später wurde ein Haus für 200 Gulden verkauft.164 Auch für die Lebenshaltungskosten der Studenten ist man zum großen Teil auf Zufallsfunde angewiesen. Mayer berichtet, ein durchschnittlicher Student habe Anfang des 16. Jahrhunderts einen halben Gulden pro Woche für Kost und Logis in der Burse ausgeben müssen, also 2 Gulden im Monat. Ende des 16. Jahrhunderts seien es etwas mehr als 3 Gulden respektive 50 Batzen gewesen.165 Über die Ausgaben eines reicheren Studenten gibt das von Sauthoff edierte Ausgabenbüchlein des Grafen Conrad von Castell, der von Mai 1536 bis Mai 1538 an der Freiburger Universität studierte, Auskunft. Wie die meisten Wohlhabenderen und Adligen wohnte er nicht in der Burse, sondern in einem Privathaus. Für einen nicht näher bestimmten Zeitraum zahlte er Joachim Mynsinger von Frundeck, der zu dieser Zeit in Freiburg Professor der Institutionen war, 43 Gulden und 6 Batzen für Kostgeld und Bett.166 Der Führer des Rechnungsbuches, wahrscheinlich sein Hofmeister oder Praeceptor, vermerkt, er habe für seine Unterkunft für zwei Jahre 10 Gulden ausgegeben.167 Schwinges gibt als Mindestjahresbudget ab 1500 20 Gulden an: Studenten, die weniger Geld hatten, wurden als pauperes anerkannt, denen Gebühren erlassen wurden. Diese Summe entsprach dem Jahreseinkommen eines Handwerkers oder Dienstleisters der unteren Mittelschicht. Für Adlige und reichere Bürgerssöhne galten 50 Gulden als untere Grenze.168

162

Bader, Freiburg, Band 2, S. 95. A 14/2, fol. 60v, 27.11.1563, Oltzignanus hab sie gedingt ein gantz Jar umb acht guldin pro famula. 164 A 14/2, fol. 86v, 03.09.1569, Haus zum Schwartzen Creütz. A 14/1, fol. 241, 17.05.1550. 165 Mayer, Die alten Freiburger Studentenbursen, S. 65. 166 Sauthoff, Adliges Studentenleben, S. 22, 89. 1538 wechselte von Castell wohl die Wohnung, denn es werden 7 Gulden für die Miete eines Hauses und 12 Gulden 9 Batzen Kostgeld für drei Personen im Wirtshaus zum Salmen notiert, S. 28, 90. 167 Sauthoff, Adliges Studentenleben, S. 26, 30, 91. 168 Schwinges, Der Student in der Universität, S. 217 und 219. 163

Erster Teil

Die Gerichtsorganisation der Universität § 1 Quellen und Editionen I. Bestände des Universitätsarchivs 1. Urkunden der Universität Die Bestände A 1 bis A 3 des Universitätsarchivs umfassen die Urkunden zur Gründung und den Pfründen der Universität, vornehmlich ihre Privilegien und die Stiftungen, die ihrer wirtschaftlichen Ausstattung dienten. Für diese Untersuchung ist vor allem der Stiftungsbrief von Interesse; hier finden sich nämlich die normativen Grundlagen der akademischen Gerichtsbarkeit.1 Mehrfach führten die widerstreitenden Interessen von Stadt und Universität zu Konflikten, die zum Teil durch Klagen und Prozesse, zum Teil durch Verträge beigelegt wurden. Die und Urkunden hierzu verwahrt das Universitätsarchiv in den Beständen A 53 Prozesssachen Freiburg und A 5 Privilegien, worunter einige Verträge eingeordnet wurden. 2. Statuten Vollständige, zweifelsfrei datierte Statuten, die sowohl die Verwaltungsorganisation, das Ämtergefüge als auch Verhaltensregeln für die Universitätsmitglieder umfassen, sind in Freiburg erst aus dem Jahr 1618 erhalten. Sie bestehen aus zwei Teilen, von denen der eine zur öffentlichen Verlesung bestimmt war, prima parte statutorum Academiae:quae consueverunt publice legi. Dieser regelte vor allem das äußere Bild der Universität, wie sie sich den Studenten präsentierte. Der andere Teil befaßte sich dagegen ausschließlich mit der Universitätsorganisation und wurde nur in den Gremien zu Beginn der Amts-

1 Hingegen ist der Bestand A 59 Gerichtsbarkeit und Rechtsverordnungen für die frühere Universitätsgeschichte wenig ergiebig, weil er vor allem Mandate aus späterer Zeit, etwa ab dem 17. Jahrhundert, enthält.

§ 1 Quellen und Editionen

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zeit vorgelesen.2 Für die frühere Zeit ist die Überlieferungssituation unübersichtlich, weil Statutenteile nicht überliefert oder undatiert sind. Die ältesten Statuten, 1460 zum Vorlesungsbeginn vom ersten Rektor Matthäus Hummel entworfen, enthalten keine direkten Bestimmungen zur Universitätsverfassung. Vielmehr handelt es sich um „Disziplinargesetze“,3 um sanktionsbewehrte Ge- und Verbote für das Verhalten der Universitätsangehörigen. Man findet sie im ersten Band der Senatsprotokolle mit der Signatur A 10/1.4 Daß Organisationsstatuten auch in dieser Zeit für notwendig erachtet wurden, zeigt das Beispiel der verwandten5 Universität Tübingen. Dort sind aus dem Gründungsjahr 1477 Statuten6 mit ausführlichen Regelungen über das Ämtergefüge und die Organisation der Hohen Schule überliefert. Die Überlieferungslücke in der Freiburger Frühzeit versuchten Autoren wie Nauck7 und Metzger8 durch den Hinweis, organisatorisches Modell sei die Wiener Universitätsverfassung gewesen, zu schließen. Wie bei anderen im 15. Jahrhundert neugegründeten Hohen Schulen habe man die Statuten und Einrichtungen eines berühmten Vorbilds übernommen. Ruth kritisiert in seiner Arbeit über das Personen- und Ämtergefüge der Freiburger Universität zu

2 De his qua Rectorem Regentes cæterosque Officiarios Academicos attinent. Die Ausfertigung A 4/6 enthält, wie auch A 4/23, Randnotizen an den einzelnen Bestimmungen: legitur, non legitur, oder z. B. legitur a Notario in primo concessu Consistorii. 3 A 10/1, fol. 9v, Statuta alme universitatis friburgensis in brisgow Constancientis Diocesis. 1460 concorditer sanctita per omnes eiusdem regentes, abgekürzt S 1460. Die Bezeichnung Disziplinargesetze stammt wohl von Schreiber, Universität Freiburg , II. Theil, IV. Kapitel, S. 30 ff. und wurde beibehalten von Mayer in seinem Aufsatz Kulturbilder aus dem Freiburger Studentenleben im Anschluß an die ältesten Disziplinargesetze der Universität Freiburg im Breisgau; den Begriff verwenden dann auch Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 191; Schiewe, Sprachenwechsel, S. 150; und Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 35. 4 S 1460: A 10/1, fol. 9v-12v = A 10/2, fol. 26-35 (Kopie aus dem 18. Jahrhundert). 5 Die Privilegien der Universitäten Heidelberg, Freiburg und Tübingen weisen ähnliche Regelungen auf, sie gehören zu einer sogenannten Statutenfamilie. Näheres dazu bei der Interpretation des Stiftungsbriefs, Erster Teil § 2 I. 3. b) und d). Der Freiburger Senat beantwortete mehrmals Anfragen aus Tübingen, was das Vorhandensein der Statuten dieser Hohen Schule im hiesigen Archiv erklären mag. Diese „Oberhoffunktion“ deutet darauf hin, daß Freiburg das Vorbild für Tübingen war. 6 Reyscher, Universitätsgesetze, S. 20-41; übersetzt bei Teufel, Universitas Studii Tuwingensis, Anhang II, S. 250-279; zu den Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit Hohl, Die akademische Gerichtsbarkeit in Württemberg, S. 20 ff. 7 Nauck, Pedellenamt, S. 185, im Bezug auf die Funktionen der Pedelle. Er weist in diesem Zusammenhang auf die im UAF (A 4/1) vorhandene Ausfertigung der Wiener Statuten hin. 8 Metzger, Beamten und Wirtschaftsorganisation, S. 3, ohne Nachweise.

58

Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

Recht Naucks pauschalen Verweis auf Wien.9 Zwar waren enge Beziehungen10 zur Wiener Universität für Freiburg nur natürlich, handelte es sich doch um die beiden ersten habsburgischen Universitäten. Doch belegt dies ebensowenig wie das Vorhandensein der Wiener Statuten im Freiburger Universitätsarchiv eine tatsächliche Vorbildfunktion. Die Zweifel an dieser These verstärkt m.E. auch ein Vergleich der Universitätsorganisationen, bei dem schon auf den ersten Blick erhebliche Unterschiede auffallen; in Wien gab es eine Nationenverfassung nach Bologneser Vorbild.11 Die Vorsteher der Nationen, Prokuratoren genannt, wählten den Rektor, der ebenso wie sie ein Magister artium sein mußte. Dieses Modell fand in Freiburg zu keinem Zeitpunkt Anwendung. Außerdem oblag nach Uiblein12 die Entscheidung von Rechtsfragen dem Wiener Stiftungsbrief zufolge dem Rektor und den Prokuratoren, deren Amt es in Freiburg mangels Nationen gar nicht geben konnte. Das nächste für die Statutenfrage relevante Ereignis fällt in das Jahr 1469. Schreiber13 berichtet, daß mit vier neuen Professoren aus Wien auch die dortigen Universitätsgesetze nach Freiburg kamen. Eine Universitätsversammlung lehnte die formelle Übernahme der Wiener Statuten jedoch ab – nostra statuta deberent manere – und beschloß, sie nur dort anzuwenden, wo es an den eigenen etwas zu verbessern gebe.14 Man könnte die Formulierung nostra statuta als Hinweis auf die Existenz von Statuten über die interne Organisation werten. Allerdings befassen sich die Senatsbeschlüsse, die Schreiber als Beispiele für mögliche Übernahmen zitiert, bis auf eine Ausnahme nicht mit der Universitätsverfassung. Aus dem Jahr 1469 liegen jedenfalls nur neue Disziplinarregeln vor. Ob es einen Statutentext gab, läßt sich letztlich nicht feststellen, jedenfalls ist er im Universitätsarchiv nicht nachweisbar.15

9

Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 10. Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 11, spricht von Abhängigkeit, wobei er bedauert, daß es keine Untersuchungen dieser Beziehungen in verfassungsmäßiger oder personeller Hinsicht gibt. 11 Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, S. 109 f.; vgl. auch Steindl, Die Akademischen Nationen an der Universität zu Wien. 12 Uiblein, Mittelalterliches Studium an der Wiener Artistenfakultät, S. 49. 13 Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, S. 40, A 10/1, fol. 18r f.: Conclusum est, quod nostra statuta deberent manere, et non deberent assumi statuta universitatis Viennensis in forma, sic tamen, quod si in nostris essent defectus, quod fieret suppletio, et si qua essent corrigenda, quod illa corrigentur. 14 Hervorhebung BB. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 9, betont zutreffend die Freiburger Eigenständigkeit, die sich in diesem Vorfall manifestierte. 15 Mertens/Speck, Rektoramt, S. 9 f.; Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 9. 10

§ 1 Quellen und Editionen

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Die älteste Freiburger Quelle im Bestand A 4 Statuten ist der Liber statutorum academiae Friburgensis renovatus von 1581,16 der im Rahmen der universitären Reformbemühungen von Jodocus Lorichius im Auftrag des Senats verfaßt wurde. Er enthält Regelungen zur Organisation der Universität, die über das Wenige, was sich aus den Statuta von 1460 erschließen läßt, hinausgehen.17 Schon das Wort renovatus in der Überschrift deutet an, daß es sich bei diesen Statuten nicht um eine Neuschöpfung Lorichius’, sondern lediglich um eine Überarbeitung handelt. Dafür spricht auch der Senatsbeschluß, in welchem der Theologieprofessor mit der Neufassung beauftragt wurde: Er weist vor allem auf das barbarisch schlechte Latein der alten Statuten hin,18 nicht aber auf die Notwendigkeit inhaltlicher Korrekturen. Der Schluß dieser Statuten von 1581 Finis prima parte statutorum Academiae: quae consueverunt publice legi,19 der sie als ersten Teil bezeichnet, weist auf die Existenz eines zweiten, der Organisation gewidmeten Teiles, hin. Mittels der Senatsprotokolle läßt sich die Fertigstellung dieses zweiten Statutenkomplexes auf das Jahr 1583 datieren.20 Auch bei diesem steht im Protokoll lediglich alio stylo concepto und nichts von einer neuen Zusammenstellung oder inhaltlichen Änderungen. Es scheint sich also auch hier um die primär stilistische Überarbeitung, in diesem Fall der nicht überlieferten ältesten Organisationsstatuten,21 zu handeln. Dieser zweite Teil der Statuten ist im UAF nicht aus dem Jahr seiner Fertigstellung erhalten. Die ältesten Abschriften stammen aus dem Jahr 1618: Der Liber Statutorum Academiae Friburgensis Brisgoiae secundus, De his qua Rectorem Regentes cæterosque Officiarios Academicos attinent,22 befaßt sich ausschließlich mit der Universitätsorganisation, den verschiedenen Ämtern und 16

A 4/2, Liber Statutorum Academiae Friburgensis renovatus Anno MDLXXXI, abgekürzt LSR 1581. 17 Beispielsweise über die Bursen, XIX. De Administratione Collegii publici et aliorum und XX. De Personis et officio Regentium Collegii Academici, quod hactenus Bursam dixerunt. Der 24. Abschnitt trifft Bestimmungen De Iudiciis academicis über die akademische Gerichtsbarkeit, der 25. handelt vom gerichtlichen Prozeß, De Iudicario processu und der 31. vom Lohn des Pedellen, De Pedelli academici mercede. 18 A 10/10, fol. 4, 11.09.1579: cum statuta Universitatis barbaro admodumque crasso stylo errata sint, ut non solum adversa audientibus, sed etaim cuius legenti taedium afferant ... si aliquibus eleganti styli assuetis comitteretur, ut ea non tam ordine meliori quam tersiori elegantori dictione et oratione conscriberentur. Auch bei der Vorstellung seiner Arbeit in der Convocatio am 21.04.[1581], A 10/10, fol. 216, lautet die Randanmerkung Dr. Lorichius exhibet statuta Universitatis renovata suo stylo. 19 Im Umschlag ist ebenfalls pars 1 vermerkt und das Inhaltsverzeichnis spricht von Titulorum primæ partis. 20 A 10/10, fol. 369, Convocatio am 25.01.1583. 21 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 10, Fn. 30. 22 Überliefert u. a. unter A 4/6, als zweiter Teil eines Liber Statutorum Academiae Friburgensis Brisgoiae A.D. MDCXVIII ohne eigene Datumsangabe, abgekürzt LSS.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

Gremien. Ruth geht zutreffend davon aus, daß 1618 die Fassung von 1583 übernommen wurde, u.a. weil im Ämtergefüge ausweislich der Senatsprotokolle keine Änderungen erfolgten.23 Zudem hat mein Vergleich des ersten Teils der Statuten von 1618 Liber Statutorum Academiae Friburgensis Brisgoiae A.D. MDCXVIII24 mit dem entsprechenden Teil von 1581 nur geringfügige Unterschiede ergeben,25 was dafür spricht, daß 1618 keine Neuredaktion erfolgte. Sicher weichen die Statuten von 1581/83 in gewissen Punkten von ihren 120 Jahre älteren Vorgängern ab. Dennoch handelt es sich bei diesen Texten nicht um Neuregelungen, sondern um die Aufzeichnung der geübten Verwaltungspraxis. Dies ergibt sich aus der Arbeitsweise Lorichius’, wie sie sich auch im IG und den AoR manifestiert. Er richtete den Blick stets zurück, beschrieb die gewachsene Verwaltungspraxis der Universität und belegte dies mit den Akten, die er sorgfältig studiert hatte. Dies spricht m.E. dafür, daß seine Statuten von 1581/83 die Verwaltung und Organisation der früheren Zeit widerspiegeln26 und nicht gestaltend wirken wollten. 3. Beschreibende Privatarbeiten Im ersten Jahrhundert ihres Bestehens wurden die wichtigsten Dokumente der Universität in einer Kiste aufbewahrt, ungeordnet und ohne Inventar.27 Ende des 16. Jahrhunderts beschloß der Senat im Zuge der universitären Reformbemühungen, dies zu ändern und beauftragte den Theologieprofessor

23

Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 10 f. Ebenfalls im Bestand A 4 unter der Einzelsignatur A 4/6, abgekürzt LS 1618. 25 Ich habe dazu die Ausfertigungen A 4/2 LSR 1581 und den ersten Teil vom A 4/6 LS 1618 verwendet. Soweit nicht gesondert gekennzeichnet, stimmen alle zitierten Stellen überein. Auch Mayer ging davon aus, Matrikeln, Band I, S. XX: die Statuten der Universität – neu redigiert von Jod. Lorichius ums Jahr 1581 – erhalten darüber [Rektorwahl] folgendes, sein dann folgendes Zitat Primum: De rectoris electione, ist wortgleich mit Artikel eins des LSS (des zweiten Statutenteils). Der erste Artikel des LSR 1581 bezieht sich auf Gottesdienste. In Fn. 3 merkte Mayer an: Zweimal im Stadtarchiv, einmal im Universitätsarchiv erhalten, wobei nicht klar ist, ob er sich auf die hier verwendete, wohl aus dem Jahr 1618 stammende Fassung stützte. 26 Auch Schaub, Geschichte des Archivs, S. 476, formulierte, wenn auch ohne weitere Begründung, daß 1581 zumeist ältere Übung kodifiziert wurde. 27 Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 82 (30); Schaub, Geschichte des Archivs, S. 467. 24

§ 1 Quellen und Editionen

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Jodocus Lorichius28 mit der Durchsicht und Ordnung der Urkunden.29 In mancher Hinsicht war Lorichius der erste Freiburger Universitätshistoriker, dessen Arbeit seine heutigen Nachfolger viel verdanken. Er verfaßte nicht nur das erste Archivverzeichnis, sondern auch die ältesten erhaltenen vollständigen Universitätsstatuten und mehrere Privatarbeiten zum Gebrauch in der Universitätsverwaltung. 1591 stellte Lorichius den Index literarum für das Archiv fertig und im Jahr 1600 den Index generalis,30 der alle Fragen, die im Geschäftsablauf der Universität auftauchen konnten, behandeln sollte. Nach verschiedenen Gesichtspunkten zusammengefaßt und geordnet, bietet der IG vor allem Verweise auf Senatsprotokolle, in denen die Verwaltungspraxis der Universität dokumentiert ist, und ermöglichte es dem damaligen Benutzer, Präzedenzfälle aufzufinden. Eine andere wichtige Quelle aus der Feder von Lorichius31 sind die Articuli officii Rectoris academia F. B. In 28 Artikeln beschreibt er die Aufgaben, Rechte und Pflichten dieses Amtes. Wie beim IG handelt es sich um eine Privatarbeit, die dazu dienen sollte, neuen Rektoren ihre Arbeit zu erleichtern. Natürlich gibt es große Übereinstimmungen mit LSR 1581 und LSS, einzelne Artikel lesen sich wie prägnante Zusammenfassungen der Statuten. 4. Senatsprotokolle Da der akademische Senat die Verwaltungsgeschäfte führte, ermöglichen seine Protokollbände den Vergleich der Statuten mit der Praxis. Sie reichen von 1463 bis 1946. Die heutigen Signaturen der ledergebundenen Folianten entsprechen nicht mehr den bei der ersten Archivierung im 16. Jahrhundert verge28

Vgl. Ehses, Jodocus Lorichius, katholischer Theologe und Polemiker des 16. Jahrhunderts, zu Lebenslauf und Werkeverzeichnis; sowie Knaupp, Lorichius und die Reformversuche. 29 Unter A 62 bewahrt das Universitätsarchiv eine bunte Mischung loser Blätter auf, deren Zuordnung die Universität wohl schon im 16. Jahrhundert versäumt hat. Neben Mustern für Citationen, Klageschriften und Kommissionsberichten des Notars, die dem Consistorium zuzuordenen sind, finden sich auch Verhörprotokolle, die in Beziehung zum Bestand A 13 stehen. 30 A 23/24: Index generalis in literas, acta et scripta academiae huius Friburgensis, ab eiusdem exordio usque ad finem anno 1600 multo labore collectus et conscriptus a Jodoco Lorichio s. theol. doctore et professore eiusdem in academia hac, ab anno 1574, vgl. dazu Knaupp, Lorichius und die Reformversuche, S. 83 (31); Schaub, Geschichte des Archivs, S. 472. Transkription des ersten Teils bei Ruth, Personen- und Ämtergefüge, Anhang, S. 16-60. 31 Aus dem Jahr 1580, ediert von Joseph König 1893, erschienen im FDA zusammen mit seinem Aufsatz Rectorat und Prorectorat, abgekürzt AoR.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

benen Nummern, weil die zu manchen Bänden existierenden Copialbände aus dem 18. Jahrhundert hinter den jeweiligen Originalen eingeordnet wurden. Die hauptsächlich verwendeten Protokollbände Prot. Senatus Academici Pars IV (30.04.1539 bis 01.09.1547), Prot. Senatus Academici Pars V (07.09.1547 bis 14.07.1561), Prot. Senatus Academici Pars VI (25.07.1561 bis 22.10.1579) und Prot. Senatus Academici Pars VII (30.10.1579 bis 23.04.1593) tragen deshalb die Signaturen A 10/6 (entspricht pars IV), A 10/7 (pars V), A 10/9 (pars VI) und A 10/10 (pars VII),32 obwohl sie unmittelbar aneinander anschließen. Sie sind abwechselnd in lateinischer und deutscher Sprache verfaßt: Latein überwiegt bei den Beschreibungen des Sitzungsablaufes, während die Wiedergabe von Redebeiträgen und Beschlüsse auf deutsch erfolgt.33 Das größtenteils ordentliche Schriftbild deutet darauf hin, daß es sich – wie bei den anderen universitären Protokollen auch – um nach den Sitzungen angefertigte Reinschriften des Notars handelt. II. Editionen Von den zahlreichen Quellen, die im Universitätsarchiv lagern, sind außer den Matrikeln nur wenige vollständig ediert. Die Geburtsurkunde der Universität, der Stiftungsbrief, liegt selbstverständlich in gedruckter Form vor.34 Des weiteren sind etliche Urkunden, welche die wirtschaftliche Ausstattung betreffen, von Riegger,35 Gerber36 und Schreiber37 ediert worden. Neben den Statuten der Theologischen Fakultät hat Joseph König auch die Articuli officii Rectoris von Jodocus Lorichius herausgegeben. Von seinem Index Generalis findet man im Anhang zu Ruths Arbeit zwar keine kritische Edition, aber doch eine Teil32

Die Seiten der Protokollbände IV, V, VI und VII sind im Original paginiert und zwar sowohl beid- als auch einseitig, so daß die rechten Seiten jeweils zwei Bezeichnungen tragen. In dieser Arbeit wird jeweils die beidseitige Paginierung zitiert. 33 Vgl. dazu Schiewe, Sprachenwechsel, S. 244 f. Er vermutet, daß vor allem im Kontakt mit Außenstehenden die deutsche Sprache Anwendung fand, während die Professoren in den Sitzungen untereinander Latein sprachen. Tatsächlich werden Unterredungen des Rektors mit den Heubtern der Statt Freyburg auf deutsch referiert. Dennoch wechselte m.E. die Konversation, ebenso wie der Schreiber, vom deutschen ins lateinische und wieder zurück. Schließlich führte die Universität gegen den italienischen Professor Olzignanus ins Feld, er sei u.a. deshalb ungeeignet, weil er nicht deutsch spreche und darum an Senatssitzungen nicht sinnvoll teilnehmen könne. Vgl. dazu Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 342 f.; Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 100. 34 A 1/120, es gibt im Universitätsarchiv verschiedene Abschriften; Editionen von Riegger, Analecta Academiae II, S. 227 ff., Schreiber, Urkundenbuch, S. 447 ff., Gerber, Der Wandel der Rechtsgestalt, S. 27 ff. 35 Riegger, Analecta Academia II. 36 Gerber, Der Wandel der Rechtsgestalt, Band II: Urkundenanhang. 37 Schreiber, Urkundenbuch.

§ 2 Gerichtsbarkeit nach dem Stiftungsbrief und den Verträgen

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transkription.38 In diesen Anhang hat er ebenfalls eine Transkription des zweiten Teils der Universitätsstatuen aufgenommen,39 wobei ihm als Vorlage eine Abschrift aus dem 19. Jahrhundert diente. In meiner Arbeit habe ich den älteren Kodex A 4/6 aus dem Jahr 1618 verwendet, die Unterschiede zwischen den beiden Fassungen sind, soweit ich Ruths Transkription überblicke, allerdings nur marginal. Ansonsten findet man, in Monographien oder Aufsätzen verstreut, nur Abdrucke einzelner Ausschnitte. So hat Mayer in einem Aufsatz über die Disziplinargesetze der Universität große Teile der ältesten Statuten von 1460 und ausgewählte Änderungsmandate teils im lateinischen Original, teils in Übersetzung verwendet. Schreiber zitiert in seiner Geschichte der Universität Freiburg immer wieder Quellen aus dem Universitätsarchiv und bietet dazu häufiger Auszüge aus dem Originaltext, beispielsweise aus den Disziplinar- und Bursenstatuten, vor allem aber aus den Senatsprotokollen.

§ 2 Gerichtsbarkeit nach dem Stiftungsbrief und den Verträgen I. Stiftungsbrief Das wir darumb haben vnder allen andern guten wercken vns vßerwelt ein hohe gemein schule vnd vniuersitet, vnd die selbigen in vnser Stat Fryburg im Breisgow, Costenzer Bisthums furgenommen zustiften ...40

Mit ihrem modernen Namen erinnert die Freiburger Albert-LudwigsUniversität an Albrecht VI. von Österreich als ihren Begründer.41 Am 38

Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 18. IG im Anhang, S. 17-60. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, Anhang S. 6-16: Zweiter Teil der Universitätsstatuten des Jodocus Lorichius von 1581 (1. Teil) bzw. 1583 (2. Teil) nach der unpaginierten Abschrift des Universitätssyndicus Dr. Ferdinand Biecheler vom 30.5.1845, UAF A 4/23. 40 Gerber, Rechtsgestalt, S. 28 = Schreiber, Urkundenbuch, S. 448. 41 Der Stiftungsbrief beginnt: Wir Albrecht von Gottes gnaden Ertzhertzog zu Oesterrich ... Rexroth, Bürgertum und Universitätsstiftung, S. 26 f., vermutet einen starken Einfluß des fürstlichen Rates und Gründungsrektors Matthäus Hummel. Die Datierung der Urkunde auf den Matthäustag sei ein Indiz hierfür, ebenso die Bestimmung über die Approbationspflicht der Freiburger Ärzte bei der medizinischen Fakultät (Hummel war auch Doktor der Medizin). Die Vermutung, Ehefrauen (und Kinder) der Universitätslehrer seien in das Privileg mit einbezogen worden, weil Hummel bereits seine Hochzeit mit einer Freiburgerin plante, erscheint wenig überzeugend. Schließlich ist dies eine Regelung von enormer Tragweite, die zu lang andauernden Zwistigkeiten mit der Stadt führte – und sie ist keineswegs einzigartig für die Freiburger Universität. In seiner 39

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21. September 1457 erließ er den Stiftungsbrief, der in Anlehnung an seinen Namen Albertina oder von den Zeitgenossen, den Inhalt charakterisierend, schlicht die Freyhait genannt wird. Da in diesem Privileg neben anderen Vorrechten42 die Grundlagen der akademischen Gerichtsbarkeit niedergelegt wurden, dient es als Ausgangspunkt ihrer Rekonstruktion. 1. Kontext Der Freiburger Stiftungsbrief43 soll nicht für sich allein, sondern im Bezugsrahmen anderer Universitätsprivilegien betrachtet werden. Zum Vergleich werden die Privilegienbriefe der Universitäten von Heidelberg44 und Tübingen,45 also ein älterer und ein jüngerer, herangezogen. Die Wahl fiel auf diese beiden Urkunden, weil die Heidelberger Rechte und Freiheiten die Hauptvorlage für den Freiburger Stiftungsbrief46 waren, welcher seinerseits wiederum als Vorbild für die Privilegien der 1477 von Eberhart im Bart gestifteten Universität Tübingen diente.47

ausführlichen Auseinandersetzung mit der Gründungsgeschichte bezweifelt Speck diese Thesen, Anfänge der Freiburger Universität, S. 79 f. Er weist nach, daß Hummel versuchte, seine Rolle bei der Universitätsgründung für die Nachwelt wichtiger erscheinen zu lassen, als sie es war. 42 Neben der Gerichtsbarkeit umfaßten die mittelalterlichen Universitätsprivilegien den Erlaß von Statuten, das Recht zur Selbstverwaltung, sowie die Befreiung von Abgaben und Zöllen, de Ridder-Symoens, Organisation und Ausstattung, S. 146. 43 Im folgenden wird jeweils auf die beiden jüngsten Editionen von Schreiber, Urkundenbuch, S. 447 ff. und Gerber, Rechtsgestalt, S. 27 ff. verwiesen. 44 Winkelmann, Urkundenbuch Heidelberg, Bd. 1, Nr. 4-8, deutsche Zusammenfassung: Nr. 9. 45 Freiheitsbrief in Reyscher, Württembergische Universitäts-Gesetze, S. 14 ff. 46 Zwölfer, Stiftungsbrief, S. 70; Schiewe, Sprachenwechsel, S. 141 ff. Es kamen zwar viele Professoren der jungen Freiburger Hohen Schule aus Wien, wie man aber aus Schreibers Zusammenstellung der Professoren und ihrer Herkunft, Universität Freiburg, I. Theil, S. 49 f. (artes), 109 f. (Theologie), S. 170 (Jura), S. 211 (Medizin) entnehmen kann, stammte auch ein erheblicher Teil aus Heidelberg. 47 Teufel, Die Gründung der Universität Tübingen, S. 23; derselbe, Universitas Studii Tuwingensis, S. 19. Zwischen der Freiburger und der Tübinger Hohen Schule bestehen nicht nur statutenmäßige, sondern auch persönliche Beziehungen: Eberhart war der Sohn aus der ersten Ehe der Erzherzogin Mechthild, die zur Zeit der Freiburger Universitätsstiftung in zweiter Ehe mit Albrecht verheiratet war. Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, S. 6. Neuere Forschungen (v.a. von Speck) haben allerdings ergeben, daß Mechthild nicht, wie früher angenommen, eine wichtige Rolle bei der Freiburger Universitätsstiftung gespielt hat.

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Die Heidelberger Hohe Schule besitzt aus ihrem Gründungsjahr 1386 verschiedene lateinische Privilegien über Mietpreise, Zölle und Gerichtsbarkeit sowie eine deutsche Zusammenfassung ihrer Rechte. Der ebenfalls auf deutsch verfaßte Tübinger Freiheitsbrief ähnelt der Albertina sehr, obwohl eine Art Systematisierung im Vergleich zum Vorbild auffällt. Beispielsweise stehen die zum Teil wortgleichen Artikel über die Gerichtsbarkeit nicht an verschiedenen Stellen wie in Freiburg, sondern unmittelbar hintereinander. Da insgesamt zwischen den Dokumenten große Übereinstimmungen herrschen, sind einzelne Unterschiede um so auffallender. Die Untersuchung folgt dem Aufbau des Freiburger Stiftungsbriefes. Er beginnt mit einer Einleitung, in der unter anderem die Motive für die Stiftung und die Gründe für die Privilegien dargestellt werden. Den Hauptteil der Urkunde bilden sechzehn Artikel48 mit verschiedenen Gnaden, Rechten und Freiheiten, aus denen die für die akademische Gerichtsbarkeit relevanten herausgegriffen werden sollen. 2. Die Einleitung und die ersten drei Artikel Die Präambel begründet die Sonderstellung und Begünstigung der Universitätsangehörigen damit, daß sie ir eigen fründe und vatterland verlassen hätten, um zum Studium nach Freiburg zu kommen. Doch nur wenn dort Frieden und Sicherheit garantiert seien, würden viele Studenten die neue Hohe Schule besuchen wollen. Die gewählten Formulierungen erinnern – sicherlich nicht unabsichtlich – an die Habita. Die Anknüpfung an bedeutende Traditionen setzt sich im ersten Artikel49 fort. Der Hohen Schule selbst und ihren einzelnen Mitgliedern werden alle Rechte, Freiheiten und Gnaden der Universitäten Paris, Heidelberg und Wien verliehen. Diese Aufzählung nennt die großen Vorbilder beim Namen. Heidelberg und Wien waren mit Prag die ältesten Universitäten im alten Reich, Paris sogar noch älter und zudem Modell für die Freiburger Verfassung. Die Pariser Freiheiten können noch auf einem weiteren Weg Eingang gefunden haben, nämlich über das inhaltliche Vorbild des Freiburger Privilegs, den Heidelberger Stiftungsbrief. 1386 hatte Pfalzgraf Rupert den Auszug deutscher Studenten und Professoren aus der Universität Paris als günstige Gelegenheit zur Etablierung einer neuen Hohen Schule ergriffen. Folgerichtig verlieh er seiner Grün48 Eine Artikelzählung findet sich in den Editionen von Riegger und Schreiber, nicht aber bei Gerber. Die Numerierung korrespondiert mit den Capitteln, in welche die Freyhait in den Verträgen zwischen Stadt und Universität unterteilt wird. 49 Gerber, Rechtsgestalt, S. 29 = Schreiber, Urkundenbuch, S. 449.

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dung die friheiten rechte und gewohnheiten als sie die hochgeborn künige und fursten von Franckenrich gehabt haben und noch hant zu Pariße ...50 Die Erwähnung des Wiener Stiftungsbriefs lag hingegen nahe, weil Albrecht die zweite habsburgische Universität, die er im vorderösterreichischen Freiburg stiftete, selbstverständlich in der Tradition der ersten Universitätsgründung der Habsburger sah.51 Da die Verfassungsformen dieser drei Hochschulen zum Teil erheblich voneinander abwichen,52 wird man sich ein praktisches Nebeneinander ihrer Rechte kaum vorgestellt haben. Vielmehr legt gerade die Nachzeichnung der Verbindungslinien den Schluß nahe, daß mit diesen Verleihungen weniger die Übertragung konkreter Einzelrechte als die Herstellung eines übergreifenden Traditionsrahmens beabsichtigt war. Der zweite Artikel des Stiftungsbriefs gewährt der Universität und den einzelnen Fakultäten das Satzungsrecht für sich und alle Meister, Schüler und alle die In zuosteen: Wir geben auch gantzen vollen gewalt vnser vniuersitet vnd ainer yeglichen facultet in sunderheit ... eigen Zymliche vnd redlich gesetztden vnd Statut ... zuo ewigen zeiten uffzusetzen vnd zu Statuieren vnd wider abzethuon ...

Eingeschlossen war das Recht, Strafen für die Nichtbefolgung der gesetzten Vorschriften vorzusehen.53 Dieser Artikel ist die Grundlage für die Disziplinarstatuten und Mandate, die häufigsten Formen der universitären Rechtssetzung. Auch die Tübinger Universität besaß die Satzungsgewalt für ihre eigenen Angelegenheiten,54 allerdings findet sich die entsprechende Bestimmung in den Universitätsstatuten,55 welche die innere Verfassung der Universität regeln. Sie unterlag jedoch einem Vorbehalt: Für neue Statuten war die Zustimmung des Landesherren und die Anhörung des Kanzlers erforderlich. In Freiburg gab es eine solche Einschränkung nicht.

50 Winkelmann, Urkundenbuch Heidelberg, Nr. 9; zur Gründung der Heidelberger Universität Wolgast, Universität Heidelberg, S. 1. 51 Speck, Freiburg – eine (vorder)österreichische Universität, S. 237. 52 Insbesondere Wien mit seiner Nationenverfassung ist in diesem Kontext zu erwähnen. 53 Gerber, Rechtsgestalt, S. 29: Vnd alle die in zugehoren mit penen wie in eben ist, soliche statut und ordnungen zu halten, vnd wider die nit zuo thun zuo verbinden. = Schreiber, Urkundenbuch S. 449. 54 Teufel, Universitas Studii Tuwingensis, S. 74 f. 55 Aus dem Gründungsjahr 1477. Reyscher, Württembergische Universitäts-Gesetze, S. 41; übersetzt bei Teufel, Universitas Studii Tuwingensis, S. 279 (Nr. 115).

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Die Albertina spricht das Satzungsrecht der Universität und den Fakultäten als solchen zu, ohne das Verfahren oder Beschlußgremium näher zu regeln. Überhaupt trifft der Stiftungsbrief keine Bestimmungen über die Organisation der Universität, zum Beispiel wird die Existenz der Fakultäten einfach vorausgesetzt. Vielleicht sah man solche Regelungen als überflüssig an, weil es allgemeine Vorstellungen über den Aufbau einer Universität gab. Da das Grundmodell allen klar vor Augen stand, erschienen nähere Bestimmungen darüber unnötig. Die Garantie von Sicherheit und Frieden für auf Reisen befindliche Universitätsangehörige wird im dritten Artikel wieder aufgenommen, wobei die Anklänge an die Habita noch deutlicher sind als in der Präambel.56 Alle Lehrer und Schüler werden in sunderlichen schirm geleit vnd behütung des Landesherren genommen, zugleich wird allen Untertanen geboten, ihnen keinerley gewalt, schand, schmochheit, leid, letzung oder vnrecht, ouch keinerley betrubnüß, mißhanndlung oder vebels zuzufügen.57 Die Mißachtung dieses Gebots soll nach dem Stiftungsbrief verschiedene Folgen nach sich ziehen: Als erstes werden der Verlust der landesherrlichen Huld und die hohe Geldsumme von 100 rheinischen Gulden aufgeführt. Das Geld soll zur Hälfte an den Stifter und zur Hälfte an die Stadt Freiburg on gnade zu peen fallen. Diese Sanktionen, so heißt es weiter, sollen die peen, die nach der Stadt Freiburg und des Landes Recht und Gewohnheit zu leisten ist, aber nicht verdrängen. Weiterhin vnd dennoch nit minder soll der Verletzer demjenigen, dem er schade oder schmacheit zugefügt hat, ouch bessern nach dem rechten und gantz ablegen. Insgesamt werden also drei Arten der Sanktion erwähnt: Huldverlust und eine peen von 100 Gulden nach dem Freiheitsbrief, die peen nach Recht und Gewohnheit des Landes und der Stadt Freiburg und eine Art Ausgleich zwischen dem Schädiger und dem Verletzten.58 Nach dem ausdrücklichen Wortlaut schließen sie sich gegenseitig nicht aus, sondern kommen kumulativ zur Anwendung. Schon im Stiftungsbrief kann man somit ein mehrgleisiges Sanktionensystem ausmachen. Nun folgt eine Bestimmung zur Zuständigkeit: Vber solichs [das bessern nach dem rechten] vnd anders, so maister vnd studenten zu schaffen gewynnen mit den vnsern, sollen ouch unser amptlüt und Schultheis in

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Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 190. Gerber, Rechtsgestalt, S. 30 = Schreiber, Urkundenbuch, S. 450. Aus der Garantie sicheren Weges in der Habita hatte man den Anspruch auf Zollfreiheit für Gelehrte und ihren Besitz abgeleitet, Classen, Libertas scolastica, S. 255. 58 Nach rechtshistorischer Terminologie handelte es sich hierbei um eine Buße, die der Schädiger an den Verletzten zu zahlen hatte. 57

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität vnser Stat Fryburg, oder an den andern enden, da sichs geburt ... vßtreglich recht sprechen.59

Neben dem Ausgleich zwischen Verletztem und Schädiger bezieht sich die Regel auch auf andere Konflikte, die zwischen Universitätsangehörigen und den vnsern, also den anderen Untertanen Albrechts, auftreten. In diesen Fällen sollen die Freiburger Behörden, oder, wenn der Übergriff auf der Reise erfolgte, die sonst zuständigen Personen, rasch und ohne Aufschub Recht sprechen. Einige Zeilen später wird ihnen eingeschärft, an obgemelten penen nichts zu schencken noch faren lassen, um die Ernsthaftigkeit des Schutzversprechens nochmals hervorzuheben. 3. Der vierte Artikel: Wir wellen auch vnd gebieten ernstlich ... Während im dritten Abschnitt den Universitätsmitgliedern landesherrlicher Schutz gegen Angriffe von außen zugesprochen wird, schließt sich im vierten Artikel die Privilegierung der Universität mit eigener Gerichtsbarkeit an. Detailliert steckt diese Bestimmung den Rahmen der universitären Jurisdiktion ab. a) Festnahmeverbot Als erstes wird ein allgemeines Verbot der Gefangennahme von Universitätsangehörigen ausgesprochen: Wir ... gebieten ernstlich allen vnsern Burgermeistern, Raeten, Schultheissen, Amptluten, Statknechten gebutteln und andern vnsern vnderton, ... das Sye keinen Meister oder schuler dem studio zugehorend fahen60 oder fahen lassen, noch yemands gestatten, hand oder gewalt an sie zulegen, in deheinerley weise vmb61 59

Gerber, Rechtsgestalt, S. 30 = Schreiber, Urkundenbuch, S. 450. Das Wort vßtreeglich taucht auch im Tübinger Stiftungsbrief auf. Als Austräge wurden Entscheide eines Schiedsgerichts bezeichnet. Möglicherweise steckt in der Verwendung dieses Adjektivs schon ein Hinweis auf die Präferenz gütlicher Einigungen, die sich später im Rahmen der universitären Rechtssprechung feststellen lassen, um eine Schiedsgerichtsbarkeit handelte es sich aber grundsätzlich nicht. 60 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 3, Sp. 1237: fangen. Menschen fahen meint eine handgreiflliche Festnahme, bei Grimm illustriert u.a. durch die Gefangennahme Jesu, die Luther als fahen übertragen hat. 61 Hier las Schreiber anders und was im Satz aber keinen Sinn ergibt. Auch im Tübinger Freiheitsbrief heißt es in deheinerley wyse umb deheinerley schuld, Reyscher, Württembergische Universitäts-Gesetze, S. 16.

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deheinerley schuld, mißtat oder verwurckung. Sunder diß lassen geschenen von dem rector der vniuersitet oder den dis von der schulen empfolhen wurt nach Irem willen und geuallen.62

Da die Immunität der Universitätsangehörigen die Voraussetzung für eine unabhängige Gerichtsgewalt war, ist das Verbot des unmittelbaren Zugriffs auf diesen Personenkreis ein entscheidender Punkt, der folgerichtig an den Anfang des Regelungskomplexes gestellt wird. Das Bild, das sich zur Illustration dieser Textpartie fast aufdrängt, ist das einer nächtlichen Straßenschlägerei: Die herbeigeeilten Stadtwachen sollen die beteiligten Universitätsangehörigen nicht gefangen nehmen, und weiterhin dafür sorgen, daß die geschädigten städtischen Teilnehmer nicht ihr Recht oder ihre Rache selbst in die Hand nehmen. Nahezu Wort für Wort identische Bestimmungen finden sich in den Privilegien von Heidelberg und Tübingen, bei letzteren mit der Beschränkung auf Straftaten, die in der Stadt oder dem Amt Tübingen verübt wurden. Weiter heißt es in der Albertina: Wer aber das Ir einer gefangen wurde, das wir doch verbieten on redlich vrsach oder vmb solich sach darumb ein ley mit kleinem von kainen mocht63 oder das sust die mißtat nit groß wer, So gebieten wir ... das Sie denselben meister oder studenten zustund ledig lassen on entgelten. Wer aber die vrsach als groß, das er billich solt straf liden, So gebieten wir doch bei obgemelter penen denselben ... zustund Irem Rector ... an alle widerrede vnd mißhanndlung ... zu antwurten, dem selbigen in sein straf zegeben und zu lassen, vor demselben soll er burgen setzen gnug zu sein dem rechten.

Zur ersten Unterteilung werden bei der eigentlich verbotenen Festnahme zwei Fallgruppen unterschieden, deren zweite im Text bei Wer aber die ursach als groß beginnt. Die Delikte der ersten Gruppe werden gemeinhin als „Bagatellfälle“ angesehen, bei denen keine „Strafverfolgung“ aufgenommen werden sollte.64 Zur Konkretisierung listet der Stiftungsbrief drei Beispiele auf: Eine von vornherein unbegründete Verhaftung sowie eine nur geringe Missetat sind dabei als Kategorien leicht verständlich, nicht jedoch die zweite darumb ein ley ... Zur Erhellung dieser Stelle kann das Heidelberger Privileg, das hier wieder fast wortgleich ist, beitragen. Dort heißt es nämlich da ein leie mit 62

Gerber, Rechtsgestalt, S. 30 f. = Schreiber, Urkundenbuch, S. 451. Schreiber las von kumen möchte. 64 Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 28; Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 190; Zwölfer, Stiftungsbrief, S. 68. Ich möchte den Begriff „Strafe“, der in seinem juristischen Sinngehalt ein öffentliches, staatliches Vorgehen impliziert, vermeiden und vorzugsweise neutrale Begriffe verwenden, solange nicht geklärt ist, ob es sich bei der Reaktion auf diese Vergehen tatsächlich um Strafen im heutigen Verständnis handelte. 63

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kleinem gelt von queme,65 was die Deutung des zweiten Beispiels als Vergehen, bei welchem ein Laie mit einer kleinen Geldstrafe davonkäme, nahelegt. Das hier vermutete Fehlen eines Wortes im Freiburger Text ist nicht so ungewöhnlich oder überraschend, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, da Stiftungsbriefe oft aus verschiedenen Vorbildern zusammengesetzt wurden und die verwendeten Vorlagen nur Abschriften waren.66 Auf solchen Überlieferungswegen können sich rasch Ungenauigkeiten und Fehler einschleichen. Der Laie erscheint somit in dieser Bestimmung des Freiburger Stiftungsbriefs als Maßstab, mit dessen Hilfe die Schwere des Vergehens umschrieben wird.67 Die Gegenüberstellung von das Ir (der Universitätsangehörigen) einer und dem Laien, die sich in der Satzkonstruktion manifestiert, ist einer der Anhaltspunkte dafür, daß die Albertina alle Studenten und Meister als Kleriker etikettiert. Für Kleriker, die kirchlichem Recht unterlagen, gab es andere Strafen als für Personen weltlichen Standes, weshalb die geringe Geldstrafe, die ein Laie im entsprechenden Fall verwirkt hätte, hier als Richtschnur herangezogen wird. b) Ledig lassen on entgelten Kehren wir zum Ausgangspunkt, dem ersten Unterfall des vierten Artikels, zurück: Bei näher bestimmten kleineren Vergehen soll man den Festgenommenen ledig lassen on entgelten. Wenn ein Beispiel für diese kleineren Vorfälle solche Delikte sind, bei denen ein der Stadt Unterstellter, ein Laie, eine kleine (Geld)strafe leisten muß, so handelt es sich dabei um eine außerordentliche Privilegierung der Universitätsangehörigen. Bemerkenswerterweise fehlt eine parallele Vorschrift in Tübingen und Heidelberg. Im Tübinger Freiheitsbrief ist der entsprechende Artikel anders aufgebaut. Dort findet sich kein absolutes Festnahmeverbot, vielmehr wird bestimmt, daß eine Verhaftung zulässig ist, wenn der Student sich friedlicher Anmutung für den Rector mit In zekomen frävelich widert.68 Dann, heißt es weiter, soll man den Täter zu stund sinem 65

Winkelmann, Urkundenbuch Heidelberg, Nr. 9, S. 12; in der lateinischen Langfassung findet sich levem culpam decernentes, propter quam laicus si eam commisisset, facili emenda pecuniaria deberet condempnari, Winkelmann, Urkundenbuch Heidelberg, Nr. 8, S. 10. 66 Vgl. Seifert, Universität Ingolstadt, S. 41 f. 67 Wenn in dieser Vorschrift auch mit den leyen Universitätsangehörige gemeint wären, würde hier eine Ungleichbehandlung innerhalb der Universität festgeschrieben. Bei Vergehen, die bei Laienstudenten mit einer geringen Geldstrafe abgeurteilt würden, müßte man Klerikerstudenten ledig lassen on entgelten. Da dies kaum beiläufig im Nebensatz festgesetzt würde, ist vielmehr anzunehmen, daß in der Vorschrift alle Universitätsangehörigen den Laien gegenübergestellt wurden. 68 Reyscher, Württembergische Universitäts-Gesetze, S. 16.

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Rector ..., sover es sin mag zuantworten, demselbigen In sein strauff zugeben und zu lassen. Hier gibt es also eine Lösung für die naheliegende Frage, was die Stadtwachen denn mit lärmenden Studenten machen sollen, bei denen Ermahnungen auf taube Ohren stoßen. Auffallend ist aber, daß auch das Vorbild, der Heidelberger Artikel, bei aller Ähnlichkeit einen entscheidenden Unterschied aufweist, nämlich: daß sie denselben meinster [sic] oder schuler zu stund ledig laßen und antwurten [d. h. ausliefern] irem rectori, und soll burgen seczen dem rechten gehorsam zu sein.69

Parallel zur Tübinger Regelung wird bestimmt, daß die Stadtwachen Studenten zwar nicht selbst in Haft nehmen, sie aber dem Rektor übergeben dürfen. Über den Grund für die anderslautende Freiburger Regelung kann man nur spekulieren. Am einfachsten wäre es, den Verfassern ein Versehen zu unterstellen, nämlich das Vergessen eben jenes Halbsatzes, daß man die Delinquenten dem Rektor überantworten solle. Allerdings fehlt diese Stelle nicht nur, sondern es heißt ausdrücklich ledig lassen on entgelten, und das folgende Wer aber die vrsach als groß das er billich solt straf liden baut einen Gegensatz zu diesem Satzteil auf. Wenn die Bestimmung absichtlich abweicht, stellt sich die Frage, ob eine derartige Privilegierung sinnvoll und praktikabel war. Gerade die leichteren Vergehen wie nächtliches Herumziehen und Lärmen sorgten schließlich für Konflikte mit der Stadt und gefährdeten den Frieden. Insgesamt scheint dieses Privileg aber keine nachhaltige Wirkung auf die Praxis ausgeübt zu haben: Eine Freistellung für Bagatelldelikte wird nie erwähnt. Obwohl immer wieder Beschwerden der Stadt auftauchen, die Universität sei nicht streng genug mit studentischen Delinquenten und zu lasch bei der Verfolgung nächtlichen Unsinns, beruft sich der Senat nie auf diese für die Universität sehr günstige Regelung des Freiheitsbriefs.70 Die Praxis glich in Freiburg den Beschreibungen der anderen Privilegien. Es bestand ein grundsätzlicher Konsens darüber, daß die Scharwacht Studenten ergreifen durfte, um sie zum Rektor zu bringen.71 Es war lediglich verboten, sie sofort ins Stadtgefängnis zu bringen. Die Studenten beriefen sich häufig auf dieses Vorrecht, indem sie vorbrachten, man dürfe sie nicht direkt ins Gefängnis führen, sondern müsse sie – auch mitten in der Nacht – zunächst dem Rektor vorführen. 69

Winkelmann, Urkundenbuch Heidelberg, Nr. 9, S. 12. Hervorhebung BB. Vgl. dazu unten die Verträge zwischen Stadt und Universität, Erster Teil § 2 II. 71 A 13/1, fol. 228, Inquisition am 18.01.1566, welchermaßen Hans Hettinger gestrigen nachts Von der scharwacht zuo dem herrn Rector gefenklich gefürt worden. 70

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c) Wer aber die vrsach als groß ... Wenn das Vergehen als strafwürdig eingeschätzt wird, soll der Delinquent dem Rektor übergeben werden, dem selbigen in sein straf zegeben und zu lassen. Somit wird – im Unterschied zu der fast einhundert Jahre älteren Bestimmung aus Heidelberg72 – in Freiburg (wie auch in Tübingen) dem Rektor eindeutig die Zuständigkeit für die Aburteilung der mittelschweren Delikte zugeschrieben. Für den Fall einer solchen Überantwortung wird im folgenden die Frage behandelt, wie sichergestellt werden konnte, daß der Angeschuldigte die Entscheidung der Sache abwartete. Gerade ein Student konnte leicht alle Brücken hinter sich abbrechen, die Stadt verlassen und so versuchen, der Strafe zu entgehen. Um dies zu verhindern, soll er Bürgen stellen gnug zu sein dem rechten, und wenn er keine finden kann, dem Rektor geloben auszuharren. Falls der Angeschuldigte also leichtvertig gehalten wäre, daß der Rektor einem solchen Gelöbnis nicht vertrauen will, kann er ihn bis zum Entscheid festhalten: so mag In der Rector sust Inhalten vntz73 zu vßtrag der sachen. Zumindest bis zu diesem Punkt regelt die Albertina nur die Haft vor dem Urteil, also den Freiheitsentzug aus Untersuchungs- und nicht Sanktionszwecken. Ob sich die anschließende Anordnung erträglicher Haftbedingungen74 auch auf Strafhaft bezieht, ist m.E. nicht erkennbar.75 Jedenfalls erwähnt der Stiftungsbrief die Möglichkeit, daß delinquente Universitätsangehörige nach einer – wohl rein formalen – Übergabe in die Gewalt des Rektors auch von den vnsern, der Stadt, auf Geheiß der Rektors gefangen gehalten werden konnten. Dies war nötig, so lange die Universität noch kein eigenes Gefängnis hatte. In diesem Zusammenhang wurden außerdem noch die Haftkosten geregelt; der Gefangene mußte lediglich seine Unterhaltskosten tragen: sol er nit mer ... betzalen, dann was er in gefengkniß verzert hat on geuerde.

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Weisert, Verfassung der Universität Heidelberg, S. 23, geht davon aus, daß mit der Heidelberger Bestimmung keine Aburteilung durch den Rektor geregelt war. Für Freiburg wird aus der leicht abweichenden Formulierung der Albertina ganz deutlich, daß dem so war. 73 unz ist als Präposition Vorgänger des späteren gleichbedeutenden bis, Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 24, Sp. 2262. 74 Ob auch einer als gröplich wer verleumdet, vnd mit worheit schuldig worden vmb vbeltat, den sol doch ein Rector zu ziten ... erberlich vnd bescheidenlich on alle mißhandlung gefenglich halten, Gerber, Rechtsgestalt, S. 31 = Schreiber, Urkundenbuch, S. 452. 75 So aber Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 28, die hier die Verurteilung zu Geld- und Gefängnisstrafen sieht.

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d) Auslieferung an den Bischof Im Anschluß an die Bestimmungen zur Haft folgt der letzte Regelungskomplex des Artikels: Wurde aber einer an solicher frischer tat funden, darumb er einem Bischoff zu antwurten wer billichen, So soll derselb doch vorhin dem Rector vnd demnach mit eins Rectors geheiß und willen vnd sust nit eim Bischoff geantwurt werden ...

Die Frage ist nun, welche Art von Missetat hier gemeint ist: alle schweren Vergehen oder lediglich kirchliche Delikte? Meint also die Formulierung darumb er ... die kirchliche Sachkompetenz76 oder die persönliche Zuständigkeit des Bischofs für Kleriker? Wiederum kann der Blick in die Heidelberger Stiftungsurkunden weiterhelfen: Eines der fünf lateinischen Gründungsprivilegien beschäftigt sich ausschließlich mit der Gerichtsbarkeit.77 Über die Zwischenstation des deutschen Heidelberger Privilegs wurde die Urkunde zur Grundlage des vierten Artikels der Albertina. Die lateinische Fassung ist wesentlich ausführlicher und bietet eine wertvolle Hilfe zum Verständnis der deutschen Kurzfassung. Ihr erster Teil regelt die Festnahme von clericorum criminosorum studii nostri durch den Bischof von Worms als ihren iudex ordinarius, ein weiterer die Ergreifung von magistri vel scolares durch Schultheiß und Vogt von Heidelberg. Für beide Fallgruppen werden ganz ähnliche Regelungen getroffen:78 Man soll Universitätsangehörige nicht grundlos verhaften, sie bei leichtem Verdacht gegen Sicherheitsleistung freilassen etc. Zumindest für die Klerikerstudenten wird auch die persönliche Zuständigkeit des Bischofs klar festgehalten.79 Nur der zweite Komplex findet sich als gebieten wir unseren voit und amptluden ... zu Heidelberg ... daz sie keinen meinster [sic] noch schuler nit fahen80 in der deutschen Zusammenfassung wieder. Allein dieser wurde in die Albertina übernommen, die als Vorlage wahrscheinlich nur die deutsche Version verwendete. 76

Für eine Zuständigkeit des Bischofs wegen der Deliktsqualität (Kirchendelikte) wohl Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, die S. 28 mit Blick auf diesen Artikel formuliert: gehörten die Delikte in den Bereich des forum ecclesiasticum, in diesem Fall also des Bischöflichen Gerichts ... und diese später als Delikte im geistlichen Bereich bezeichnet. 77 Winkelmann, Urkundenbuch Heidelberg, Nr. 8, S. 9-11. 78 Weisert, Verfassung der Universität Heidelberg, S. 23. Er folgert aus der Aufspaltung, daß zu dieser Zeit in Heidelberg die Kleriker unter den Studenten auf dem Gebiet der Strafgerichtsbarkeit dem Bischof unterstanden, die Laien dem Vogt und Schultheißen von Heidelberg. Ebenso, ihm folgend, Wolgast, Universität Heidelberg, S. 4. 79 Winkelmann, Urkundenbuch Heidelberg, Nr. 8, S. 9: epsicopus Wormaciensis iudex ordinarius clericorum studii nostri. 80 Winkelmann, Urkundenbuch Heidelberg, Nr. 9, S. 11.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

Im lateinischen Privileg folgt dann die Bestimmung, falls der wegen des schweren Verdachts auf ein Verbrechen von der Stadt Ergriffene ein Kleriker sei, solle er dem Bischof übergeben werden.81 Sie wird in die deutsche Fassung übernommen, etwas verkürzt als und worde er an frischer dath erfunden in sachen, darumbe er were billiche einem bischof zu antworten.82 Nach seiner Herkunft aus dem lateinischen Privileg bezieht sich das „er“ in Heidelberg also auf die Kleriker unter den Studenten, die bei schweren Vergehen an den Bischof auszuliefern sind. Obwohl in der lateinischen Heidelberger Urkunde zwischen Klerikern und Laien unterschieden wird,83 ist dies schon in der deutschen Urkunde, in der die Rechte und Privilegien des neuen studiums zusammengefaßt werden, nicht mehr zu erkennen. Die Formulierung item si detentus ... fuerit clericus, die im lateinischen klar auf eine Zuständigkeit des Bischofs als iudex ordinarius für den Kleriker hinweist,84 ist in der deutschen Verkürzung unklar oder scheint gar auf eine Zuständigkeit wegen der Deliktsqualität hinzuweisen. Und diese Wendung taucht dann fast wortgleich im Freiburger Stiftungsbrief als das oben zitierte Wurde aber einer ... auf, wodurch dort die Doppeldeutigkeit entsteht. Da unbekannt ist, ob die lateinische Urkunde aus Heidelberg bei der Abfassung der Albertina verwendet wurde, kann man die aus der Vorlage gewonnenen Erkenntnisse nicht einfach übertragen. Der Regelungsinhalt – die Anordnung der persönlichen Zuständigkeit – mag allerdings bekannt gewesen sein. Dann könnte man die ausschließliche Erwähnung der Auslieferung an den Bischof in Freiburg als ein Indiz dafür werten, daß zumindest in der Gründungsphase die Studenten Kleriker waren: Die aus Heidelberg übernommene Vorschrift wurde als passend angesehen, weil alle Studenten, und damit auch der in flagranti Ertappte, clerici waren. Schon bald gab es aber auch Laien an der Universität, und spätestens dann klaffte eine erste Lücke zwischen Norm und Wirklichkeit. Nicht außer Acht zu lassen ist die Möglichkeit, daß man mit solchen Überlegungen die damaligen Vorgänge überinterpretiert. Vielleicht wurde die Heidelberger Vorschrift einfach abgeschrieben, ohne daß man sich überhaupt einen Beispielsfall dazu vorstellte oder überlegte, auf welchen 81

Item si detentus magister vel scolaris vehemter seu graviter suspectus de crimen repertus fuerit clericus, mandamus quod episcopo ... per officiatos nostros presentetur, Winkelmann, Urkundenbuch Heidelberg, Nr. 8, S. 10. Hervorhebung BB. 82 Auffallend ist übrigens, daß – schon in Heidelberg – das Lateinische graviter seu vehementer suspectus als Ertappen auf frischer Tat übersetzt wird: im 14. Jahrhundert war wohl nur dies ein ausreichend schweres Verdachtsmoment, und durch die Übernahme findet sich die Formulierung in Freiburg im 15. Jahrhundert wieder. 83 Vgl. oben Weisert und Wolgast, Fn. 78; so auch Zwölfer, Stiftungsbrief, S. 72. 84 Vgl. die ausdrückliche Feststellung im Privileg, oben Fn 79. Soweit keine Exemtionen (z. B. der Klöster) bestanden, erstreckte sich die persönliche Zuständigkeit der Bischöfe auf alle Kleriker ihrer Sprengel, Plöchl, Kirchenrecht, Band II (1955), S. 332; Trusen, Gerichtsbarkeit der Kirche, S. 469, 472.

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Personenkreis die Formulierung zuträfe. In Tübingen fehlte übrigens eine Bestimmung über die Auslieferung an den Bischof, was dort als Verleihung der vollständigen Gerichtsgewalt an die Universität verstanden wurde.85 Die Freiburger Praxis spricht jedenfalls klar für eine Sachzuständigkeit, denn die Verträge zwischen Stadt und Universität86 bezeichnen schon ab 1494 den vierten Artikel der Albertina als den betreffend die Malefitzhändel,87 also die schweren Verbrechen. Ebenfalls in diesem ersten Vertrag ist auch schon von geistlichen und weltlichen Universitätsangehörigen die Rede. Zumindest auf dem Papier des Stiftungsbriefes wird der Universität ein weitreichendes Einflußrecht auch für diese schwerwiegenden Fälle zugeschrieben, denn es wird weiter bestimmt, daß der Bischof den Delinquenten nach der vniuersitet Rat vnd willen straffen soll. Auch in diesem Artikel wird als zuständiges Organ für gerichtliches Handeln innerhalb der Universität primär der Rektor genannt. Ihm soll man die Universitätsangehörigen ausliefern, er soll sie strafen, und er kann ihre Bürgschaften annehmen oder ablehnen. Es gibt Hinweise auf Delegationsmöglichkeiten, z. B. wenn es heißt, niemand solle Hand an Meister oder Schüler legen, außer dem rector der vniuersitet oder den dis von der schulen empfohlen wurt, nach irem willen und geuallen,88 was sich auf die Pedelle beziehen könnte. Am Ende, wenn es um die Bestrafung durch den Bischof geht, ist dann allerdings vom Rat und Willen der Universität die Rede, vielleicht weil sie hier als Gesamtheit mit der Außenwelt in Kontakt tritt. 4. Der zwölfte Artikel: So geben wir auch eim yetlichen Rector ... Mit der akademischen Gerichtsbarkeit beschäftigt sich erst wieder der zwölfte Artikel des Stiftungsbriefes, wo es heißt: 85 Hohl, Die akademische Gerichtsbarkeit in Württemberg. Im 16. Jahrhundert saß die Universität tatsächlich über einen Fall von Kindsmord zu Gericht und verurteilte die Täterin, die Tochter eines Professors, zum Tode. Ausführlich dazu Göz, Ein Justizakt der Universität Tübingen am Ende des 16. Jahrhunderts. 86 A 73/1. 87 Malefitz: Verbrechen, daß vor peinlichem Gericht zu verhandeln ist, Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 12, Sp. 1500; wie hier auch Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 191: Wenn im Stiftungsbrief als zuständiges Gericht für Kapitalverbrechen nur das bischöfliche erwähnt wird, so wird mit einer Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, daß Universitätsangehörige „Kleriker“ und somit der Gerichtsbarkeit des Bischofs unterstellt waren ... Die Praxis der Rechtsprechung bei Kapitalverbrechen zeigt, daß die Scheidung in weltliche und geistliche Gerichtsbarkeit, je nach Standeszugehörigkeit, beachtet bzw. gefordert wurde. Allerdings liefert er keine Nachweise hierfür. 88 Gerber, Rechtsgestalt, S. 30 f. = Schreiber, Urkundenbuch, S. 451.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität So geben wir auch eim yetlichen Rector Zu Ziten ... gantz vollen gewalt vßrichtung vnd recht zu sprechen, vnd zuthun vber alle vnd yeglich sachen die meister und schuler vnder ainander vszutragen haben ...89

Schon die Regelung in einem neuen, räumlich abgetrennten Abschnitt spricht dafür, daß diese Bestimmungen etwas anderes zum Gegenstand haben als der vierte Artikel, der sich mit der Ahndung von Delikten befaßt. Während dort davon die Rede ist, dem Delinquenten sein straf zegeben, was einseitige Strafoder Disziplinarmaßnahmen impliziert, scheint hier an einen rechtlichen Konflikt zwischen zwei Parteien, nämlich meister und schuler vnder ainander, gedacht zu sein. Ein solches Aufeinandertreffen zweier gleichrangiger Parteien kennzeichnet bei formaler Betrachtungsweise das Privatrecht.90 Im weiteren beschäftigt sich der Stiftungsbrief mit der Zuständigkeit im Fall von Konflikten zwischen Universitätsangehörigen und Laien:91 Ob aber ein ley mit einem studenten zu schaffen hette, sol Im der student antwurten vor sinem Rector ...

Da im vorhergehenden Satz Fälle von Streit zwischen meister vnd schuler vnder ainander geregelt wurden, ist ganz deutlich, daß hier mit ley die nicht der Universität angehörenden Stadtbewohner gemeint sind, zumal abschließend formuliert wird: die studenten under in vnd die studenten den leyen. Die Verwendung des Verbs antwurten ist ein weiteres Indiz für ein rechtliches Verfahren zwischen privaten Parteien, die in der damaligen Zeit üblicherweise als cleger und antworter bzw. beclagter bezeichnet werden. In der dargestellten Fallkonstellation befindet sich der Student in der Position des Angegriffenen, des Beklagten. Eine solche Klage wird vom Stiftungsbrief dem Gericht der beklagten Partei, also dem Rektor, zugewiesen. Zur Klage gegen Universitätsangehörige heißt es weiterhin: Amtleute sollen, wenn Studenten vor sie geladen werden, den Fall an den Rektor zurückverweisen. Falls sie dies versäumen, droht ihnen der Verlust ihres Amtes und eine peen von 100 Gulden.

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Gerber, Rechtsgestalt, S. 33 = Schreiber, Urkundenbuch, S. 456. Auch Teufel, Universitas Studii Tuwingensis, S. 81 sieht eine Bestimmung der Tübinger Statuten, die dem Tübinger Stiftungsbrief an dieser (mit der Albertina identischen) Stelle entspricht, als Regelung der Zivilgerichtsbarkeit an. Selbstverständlich ist hierbei zu beachten, daß die inhaltlichen Grenzen zwischen den Rechtsgebieten im 16. Jahrhundert anders verliefen als heute. Durch Sühneverträge wurden Sachverhalte privatrechtlich zwischen den Konfliktparteien geregelt, die später strafrechtlich verfolgt wurden. Näher dazu Zweiter Teil § 3 II. 2. sowie Vierter Teil § 3 III. 2. 91 Es wird im folgenden davon ausgegangen, daß die Albertina mit leyen die Stadtbewohner meint. 90

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Das neue Freiburger Stadtrecht von 1520 bestimmte im dritten Titel des ersten Traktats, daß Stadtfremde der Freiburger Gerichtsbarkeit bei Klagen mit Bezug auf hier geschlossene Verträge oder hier begangene unerlaubte Handlungen92 unterlagen: ... die sind schuldig ... vmb solche hendel vor vnserm Stattgericht recht zu geben und zu nemen.93 Davon waren die Universitätsangehörigen dank ihres eigenen Gerichtsstands ausgenommen. Was galt aber, wenn Universitätsangehörige gegen Stadtbewohner vorgehen wollten? Hier drückt sich die Albertina etwas vage aus, wenn sie formuliert: Also das die studenten vnder in vnd die studenten den leyen vnd die leyen den Studenten Recht geben vnd nemen. Nemen und geben Sye alle und Ir yetlicher vor sinem geordneten Richter nach Innhalt gemeiner geschribener rechten.94

Zwar meint Recht geben und nehmen, wie auch die Stelle aus dem Freiburger Stadtrecht nahelegt, allgemein das Auftreten vor Gericht. Betrachtet man jedoch die beiden Sätze im Zusammenhang, so wird sofort klar, daß der Gerichtsstand des Beklagten entscheidend ist,95 entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, daß die Klage dem Beklagten an sein Gericht zu folgen hat.96 Das Vorhandensein dieser Regel zumindest auch im römischen Recht stellt den Bezug zum Innhalt gemeiner geschribener rechten her, mit welchen der Stiftungsbrief die Kompetenzverteilung begründet. Außerdem gehörte es zu den städtischen Grundrechten und -freiheiten, daß sich die Bürger nur vor den

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Nassall/Winterer-Grafen, Rechts- und Gerichtswesen, S. 373. Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 41, I. Tractat, III. Titel Von dem bequemlichen richter, 6. So ein frembder hie conrahiert oder frevelt / so ist er dem gerichtßzwang vnderworffen ... 94 Gerber, Rechtsgestalt, S. 34 = Schreiber, Urkundenbuch, S. 456, Gerber hat geordenten, wohl Druck/Lesefehler. 95 A.A. wohl Köhler, S. 191. Er deutet die Passage „die Studenten den Laien und die Laien den Studenten“ offenbar dahingehend, daß Universitätsangehörige Bürger und Einwohner der Stadt Freiburg vor dem Universitätsgericht verklagen konnten: Es war also gleich ob ... Studenten Laien oder Laien Studenten recht gaben oder nahmen, zuständig für den Rechtsstreit war der Rektor. Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, meinte S. 68 f. mit Blick auf die Konservatorengerichte, dies sei an manchen Universitäten möglich gewesen. 96 Wetzell, Civilproceß, S. 482, Actor sequitur forum rei. C. 3, 13, 2 und 5. Zasius, Opera Omnia, A, col. 454, 28. [Iudex] qui non est utrisque partibus competens, quia est iudex rei, non actoris, quo casu actor sequitur forum rei ... Für das kanonische Recht vgl. Trusen, Anfänge des Gelehrten Rechts, S. 34 ff. Der gleichlautende gemeinrechtliche Grundsatz wird deutlich bei Am Waldt, GerichtsUnordnung, Gerichtlicher Prozeß: Der ein recht Sach will fahen an / soll zuvor ein ansuchung han / Bey dem Richter so hat gewalt / über den Beklagten. Als bald / ... 93

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

eigenen Gerichten verantworten mußten: Aufgrund der städtischen Privilegien saßen dort die geordneten Richter der Freiburger.97 Daß die Albertina von diesem Grundsatz ausging, wird noch an einer anderen Stelle, im dritten Artikel, deutlich:98 Vber solichs vnd anders [Schädigung von Universitätsangehörigen] so maister und studenten zu schaffen gewynnen, mit den unsern sollen ouch unser amptlüt vnd Schultheis in vnser Stat Fryburg ... vßtreglich recht sprechen on alles vertziehen oder vfschieben ...99

Da die universitätsfremden Personen, die Studenten und Meister angegriffen und geschädigt haben, vor Gericht die Beklagten sind, muß die Klage vor den Amtleuten und dem Schultheiß in Freiburg stattfinden. Auch an der Universität von Tübingen richtete sich die Zuständigkeit in privaten Rechtsstreitigkeiten nach dem Beklagten. Dort wird die Aufteilung allerdings deutlicher formuliert; so findet sich der Satz über die verklagten Leyen direkt in der Artikel 12 entsprechenden Regelung.100 Hier gab es eine Einschränkung der universitären Jurisdiktion, die man in Freiburg nicht kannte: Streitigkeiten um ligende güter erbfall oder derglych sachen, die sollen berechtet werden an den enden da sie gevallen und gelegen sint, auch wenn sie unter Meistern und Schülern entstanden sind.101

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Nassall/Winterer-Grafen, Rechts- und Gerichtswesen, S. 392; Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 59. 98 Klotz, Die akademische Gerichtsbarkeit, S. 42, vermutet ebenfalls eine derartige Kompetenzverteilung. 99 Gerber, Rechtsgestalt, S. 30 = Schreiber, Urkundenbuch, S. 451. 100 Reyscher, Württembergischen Universitäts-Gesetze, S. 16 f. So geben wir ouch ainem yeglichen rector zu zyten ... gantzen vollen gewalt vßrichtung vnd recht zusprechen vnd zutun über all und yeglich sachen, die maister vnd studenten vnder ainander vßzutragen Haben, ... Ob aber ein lay mit ainem maister oder studenten zu schaffen Het, soll Im der maister oder student antworten vor sinem rector, und würd ainem studenten für vnsern amptman gebotten, [so soll er ihn bei Strafandrohung wieder vor den Rektor schicken] Widerumb wo maister oder studenten mit den Vnsern zu schaffen gewynnen, sollend sie die vnsern ouch beliben lassen vor vnsern amptlüten, Also das die studenten den leyen recht, und die leyen den studenten recht geben und niemen, niemen und geben sie all und Ir ieglicher vor sinem geordnetten richter, Nach Innhalt Gemeiner geschriebenn recht, ... Hervorhebung BB. So auch Thümmel, Universität und Stadt Tübingen, S. 50: klarer ... als in der Freiburger Urkunde war ausgesprochen worden, daß für Klagen von Universitätsangehörigen gegen Stadtbürger nur das Stadtgericht zuständig sei. 101 Reyscher, Württembergischen Universitäts-Gesetze, S. 16. Teufel, Die Gründung der Universität Tübingen, S. 11 f., führt die Beschränkung auf Verhandlungen über die

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Abgeschlossen wird der zwölfte Artikel der Albertina durch eine Aufforderung an die städtischen Amtleute, dem Rektor auf sein Begehren hilf vnd bystand zu thun mit Iren Knechten, wenn ihm ein Meister oder Schüler nicht gehorchen will. Wie im vierten Artikel bezeichnet der Stiftungsbrief den Rektor als das zuständige Organ innerhalb der Universität. Auch die privaten Streitigkeiten zwischen Universitätsangehörigen fallen in seine Entscheidungsgewalt. 5. Der dreizehnte Artikel: WIr haben auch alle freyheit ... In Artikel 13 wird der Personenkreis, für den die Universitätsprivilegien gelten, erweitert beziehungsweise überhaupt erst definiert: ouch gnedeclichen gegeben in kraft dis briefs allen Iren elichen Wiben, Kindern, die sie verwalten, knechten, megdten, dienern, pedellen, Vnd wer Zu In vnd allein in Ir verbott gehorig ist vngeuerlich.102

Hier finden wir nun alle aufgezählt, die der Universität angehören und in den Quellen als der hohen schul verwandt oder suppositi universitatis bezeichnet werden. Sie bilden den Rechtskreis der Universität. Da zu den Privilegien auch Zoll- und Steuerfreiheit gehörten, lag in der Ausweitung auf Frauen und Kinder der Professoren Konfliktpotential mit der Stadt. Zum einen, weil sich dadurch bei grundstücks-, erbschafts- und familienrechtlichen Streitigkeiten103 konkurrierende Gerichtsbarkeiten ergaben, zum anderen mußte die Stadt erhebliche Steuereinbußen befürchten, falls viele Professoren Freiburgerinnen zur Frau nahmen. Brachten die Bürgerinnen Grundstücke mit in die Ehe, verlor Freiburg den Anspruch auf den Grundstückszins, wenn das Ehepaar die akademischen Freiheiten genoß. Aus den gleichen Gründen war der Stadt auch die Ausweitung des zollfreien An- und Verkaufs von Wein durch eine zu große Anzahl Privilegierter ein Dorn im Auge.

Anerkennung der Privilegien mit Graf Ulrich, dem Herrscher des Stuttgarter Landesteils, zurück. 102 Gerber, Rechtsgestalt, S. 34 = Schreiber, Urkundenbuch, S. 456. 103 Vgl. Zwölfer, Stiftungsbrief, S. 71, der hierin den Grund für die oben erwähnte Einschränkung der Jurisdiktion in Tübingen vermutet.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

6. Exkurs: Der „Kleriker“ im Stiftungsbrief Die Zeitgenossen bezeichneten die Universitätsangehörigen als Pfaffen oder Halbpfaffen, denen die Stadtbürger als Laien gegenüberstanden.104 Ganz handgreiflich spiegelt sich diese Sichtweise in der Tatsache, daß Pfaff ein Schimpfwort105 der Stadtbewohner für Studenten war! Der Stiftungsbrief scheint diese Sichtweise zu teilen: Im vierten Artikel dient die Bestrafung eines Laien als Maßstab für die Schwere des Vergehens eines Universitätsangehörigen, womit impliziert wird, daß an der Universität eben keine Laien eingeschrieben sind. An einer anderen Stelle, im zwölften Artikel, erscheinen die Laien als nicht der Universität angehörende Klagegegner der Studenten in privaten Rechtsstreitigkeiten. Augenscheinlich ging die Albertina demnach von der Vorstellung aus, es seien nur Kleriker im weitesten Sinne an der Universität eingeschrieben gewesen. Andere Quellen legen aber nahe, daß diese Prämisse nicht mit der Realität übereinstimmte, weil es zumindest bald nach der Gründung Laien an der Freiburger Hohen Schule gab.106 Warum erwecken dann aber die Formulierungen des Stiftungsbriefes den wahrscheinlich falschen Eindruck, es seien nur Kleriker eingeschrieben gewesen? Diese Diskrepanz hängt mit der Art und Weise der Übernahme von Textteilen aus dem Heidelberger Vorbild zusammen. Dort erwähnten die lateinischen Fassungen clerici und laici an der Universität und unterschieden zwischen ihnen, in die Albertina übernommen wurden aber nur Partien aus der deutschen Zusammenfassung, die vor allem auf Kleriker bezogene Stellen enthält.107 Deshalb ergibt eine isolierte Interpretation des Freiburger Privilegs, daß (zumindest in der Anfangszeit) alle Universitätsangehörigen Kleriker waren, obwohl vermutlich schon zu diesem Zeitpunkt Laien in Freiburg studierten.

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Mayer, Geschichte des Rektorats, S. 34; Hinweise für eine Gleichsetzung von clericus/scolaris sowie laicus/civis oder burgensis findet Classen schon für das 13. Jahrhundert in französischen Königsurkunden. Classen, Die Hohen Schulen und die Gesellschaft im 12. Jahrhundert, S. 17, (und ebd. Anm. 53). Er weist in diesem Zusammenhang auch auf die schon im 12. Jahrhundert beginnende Verwässerung der Begriffe clericus, laicus illiteratus etc. hin. 105 Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 58. 106 Zwölfer, Stiftungsbrief, S. 72 u. 74. Schon der erste Vertragsentwurf zwischen Stadt und Universität aus dem Jahr 1494 kennt Studenten, die Laien und weltlich sind, Erster Teil § 2 II. 1. 107 Bei der Frage nach der Auslieferung an den Bischof werden diese Überlieferungszusammenhänge dargestellt, Erster Teil § 2 I. 3. d).

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7. Schluß Der Stiftungsbrief schließt mit der Zustimmung der Stadt zur Errichtung der Universität. Dabei wird angeordnet, daß im Fall von Streitigkeiten über Bestimmungen der Freiheit zunächst eine gütliche Lösung gesucht werden soll. Wenn dies nicht gelingt, sollen Stadt und Universität durch vnsern gnedigen herren von Osterrich &c. oder siner gnoden lanuogt vnd Rät miteinander ... entricht und entschieden werden. Es wird also die Entscheidungsinstanz für diese möglichen Streitfälle festgelegt, was sich schon bald als vorausschauende Regelung erweisen sollte. II. Verträge zwischen Stadt und Universität Im Universitätsarchiv findet sich eine in Buchform gebundene Zusammenstellung der Verträge oder Konkordate zwischen Universität und Stadt,108 in der die einzelnen Verträge chronologisch geordnet und numeriert sind. Hieraus kann man ersehen, daß es innerhalb der ersten 18 Jahre nach Aufnahme des Vorlesungsbetriebs schon zweimal zu Streitigkeiten kam, welche die Parteien untereinander nicht lösen konnten. Deshalb wandten sie sich um Vermittlung und Entscheid an Erzherzog Sigmund als in der Albertina vorgesehene Schlichtungsinstanz. Anlaß waren einmal der Inhalt der Eide, welche die Vertreter der Stadt der Universität zu leisten hatten, im anderen Fall die Bestimmungen über die uxorati, die mit Freiburgerinnen verheirateten Universitätsangehörigen. Die Entscheide wurden in Form von Verträgen109 umgesetzt, in denen die Konfliktpunkte zunächst jeweils aus der Sicht der Parteien geschildert und anschließend ihre Lösung durch den Vermittler niedergelegt wurden. Diese Art der Konfliktbeilegung durch einen Vertrag, der von einer mit Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Autorität vermittelt wird, ähnelt der Beilegung eines gerichtlichen Verfahrens durch Vergleich. Die in den Konkordaten verwendeten Formulierungen wie fruntlich und gutlich eingung erinnern dabei an die Vergleichsverträge aus Zivilprozessen der damaligen Zeit. Schließlich konnte es, wenn keine Einigung erzielt wurde, tatsächlich zum Prozeß zwischen Stadt und Universität kommen.110 Gerade im Bereich der Vergleichsvermittlung verschwimmt die Grenze zwischen politischer und juristischer Konfliktlösung, und das um so mehr, wenn es sich um Streitigkeiten auf der Korporationsebene – Stadt contra Universität – handelt.

108

A 73/1, Konkordate zwischen Stadt und Universität. A 73/1, erster und zweiter Vertrag, fol. 1r-3r; fol. 3r-5r. 110 A 53, Prozeßsachen Freiburg. 109

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

Ein Konfliktstoff zieht sich wie ein roter Faden durch viele der Verträge: Immer wieder stößt man auf Beschwerden der Stadt über Universitätsangehörige, die uffrouren oder unfug111 anrichteten und so den Stadtfrieden störten. Zwar wird für diesen Sachverhalt, der unter den vierten Artikel der Albertina fällt, nie eine Änderung des Freiheitsbriefs gefordert oder festgesetzt, aber seine häufige Erwähnung zeigt, daß er eine wichtige Rolle in den Beziehungen zwischen Stadt und Universität spielte. Es handelt sich hier nicht um ein Problem mit den Regelungen an sich, sondern um Fragen ihrer Umsetzung in der Praxis. Ständige Reibungspunkte auf normativer Ebene waren hingegen die Zoll- und Steuerfreiheit sowie die Ausweitung des privilegierten Personenkreises der Universitätsangehörigen durch Ehen.112 Immer wieder ging es auch um die unklare Zuständigkeitsverteilung der städtischen und universitären Gerichte.113 Auf diesen Bereich wird sich die folgende Betrachtung der Konkordate beschränken. Wie wurden die Bestimmungen der Albertina in der Auseinandersetzung mit der Stadt konkretisiert und modifiziert? 1. Der Vertragsentwurf von 1494 Die erste Erwähnung von Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit findet man in einem Vertragsentwurf114 aus dem Jahr 1494, bei dem der Landvogt als Vermittlungsinstanz fungierte. Besonders bedeutsam sind die Aussagen zu dem vierdt Capitel Irer Freyheit das Malefitz berüerendt, wo es heißt: wo ein Student einen Handel beging, des das Leben oder das Blut antreff und die von Freyburg den fiengen sollen sie ihn unverzogen lut der Universitet Freyhait dem Rector antworten. Ist dann der Student ain geweihter so soll ihn der Rector dem Bischoff von Constanz antworten, ist aber der Student ein Lay undt weltlich so soll ihn der Rector nur dem Landtvogt zuschicken damit die ihrer mißhandlung nach mit Recht gestrafft werden.115

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A 73/1, fol. 58v, Vertragsentwurf 1494. Tatsächlich war die Rechtsstellung der mit Freiburgerinnen verheirateten Universitätsangehörigen einer der langwierigsten und wichtigsten Streitpunkte zwischen Universität und Stadt. Vgl. Zwölfer, Stiftungsbrief, S. 72 f. Grundsätzlich war festgelegt, daß eine nur bestimmte Anzahl der sogenannten Uxorati mit ihren (ehemals) Freiburger Frauen im Genuß der Privilegien bleiben durfte. Weitere Universitätsangehörige mußten, wenn sie eine Freiburgerin heiraten wollten, aus der Hohen Schule ausscheiden und der Stadt den Eid schwören. 113 Vgl. Rexroth, Bürgertum und Universitätsstiftung, S. 15. 114 A 73/1, fol. 55v-60v, aus der Überschrift ergibt sich, daß er nicht angenommen wurde, fol. 55v. 115 A 73/1, fol. 58r/58v, ediert von Zwölfer, Stiftungsbrief, S. 74; nach dieser Wiedergabe Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 194. 112

§ 2 Gerichtsbarkeit nach dem Stiftungsbrief und den Verträgen

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Drei Punkte sind hier wichtig. Zum einen, daß der vierte Artikel mit solicher frischer tat tatsächlich die Vergehen meint, die das Leben oder das Blut betreffen116 und auch als Malefitzhändel bezeichnet werden. Zum zweiten wird in dieser Textpartie ganz selbstverständlich davon ausgegangen, daß es „echte“ Laien an der Universität gibt und drittens ordnet der Vertragsentwurf eine Aufspaltung der Zuständigkeit in schweren Kriminalsachen zwischen diesen und den Klerikern an. Zwar wurde der Vertragsentwurf laut seiner Überschrift nicht angenommen, doch unter den Ablehnungsgründen tauchen die Bestimmungen über die Malefitzhändel nicht auf.117 Vermutlich wurde diese Regelung vor allem deshalb festgehalten, weil sie vom Wortlaut des Stiftungsbriefes abwich, und nicht, weil sie umstritten war. 2. Die Verträge des 16. Jahrhunderts a) Recht geben und nehmen: Artikel zwölf in den Verträgen des 16. Jahrhunderts Schon im Vertragsentwurf von 1494 beschreibt die Stadt Zuständigkeitsprobleme, die mit Artikel zwölf der Albertina in Verbindung standen. Die Studenten, so heißt es, würden die der Stadt Zugehörigen vor fremden Gerichten belangen in Fällen, die sich in Freiburg zugetragen hätten und billigerweise dort verhandelt werden müßten. Hierbei wird deutlich, was der Freiburger Rat fürchtete: Prozesse gegen Stadtbewohner, die vor den Heimatgerichten der Universitätsangehörigen anhängig gemacht würden. Dagegen scheinen Klagen gegen Städtische vor dem Universitätsgericht weniger im Blickpunkt zu stehen. Im dritten Vertrag aus dem Jahr 1501118 wird dieser Punkt wieder aufgenommen und geregelt: [So haben] rector und Regenten ... bewilliget und zuogesagt daß zuo anfang so die studenten intituliert und ihnen das Jurament von Rector gegeben bey und in dem selben eid schweren sollen umb aller sachen, und handel so sich allhier in Freyburg verlaufen und begeben inn zeyt ihrer beywohnung Inn der ersten Instanz recht zu geben und zu nemen. gegen gemeiner stadt Freyburg [Unterstehende]119 ... daselbs zu Freiburg vor ihrem wissentlichen Richter laut der Freyhait und sunst 116 Womit das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Täters, die durch die Strafen betroffen werden, und nicht die des Opfers gemeint sind. 117 UAF A 73/1, fol. 60r-61v. 118 UAF A 73/1, fol. 5r-9r, nach der (originalen) Zählung in A 73/1 der dritte Vertrag. 119 Es folgt eine Aufzählung der verschiedenen Gruppen, die der Stadt zugeordnet sind: ihren bürgern allen, zunfftigen, hinderseßen, Inwohnern, und gemeinlich gegen allen denen, die inen zu versprechen standt.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität nieort anderstwo, ... doch also daß ein ieden studenten so also das recht zu Freyburg suochen wurde sicher zugang und trostung zum recht, und wider davon ahn Ihr gewarsam geben werde.120

Da die ordentlichen Richter für Stadtbewohner die städtischen Gerichte sind, sollen sie in erster Instanz dort verklagt werden. Die Formulierung laut der Freyhait deutet darauf hin, daß diese Regelung lediglich als Präzisierung des Stiftungsbriefs verstanden wurde. Tatsächlich gibt es im Immatrikulationseid eine Passage über die Gerichtsbarkeit, welche die erwähnten Formulierungen enthält.121 Nach dem Vertragstext – verwilliget und zuogesagt – wurde die fragliche Bestimmung auf Verlangen der Stadt eingefügt. Ihr Interesse an dieser Regelung ist evident: Sie konnte Versuche, ihr unterstehende Personen an fremde Gerichte zu ziehen, nicht tolerieren, da dies nicht nur einen schweren Souveränitätsverlust bedeutet hätte, sondern auch für die Betroffenen überaus beschwerlich und gefahrvoll gewesen wäre. Deshalb besteht die Stadt darauf, daß Angehörige der Universität die Zuständigkeit der Stadtgerichte für Klagen gegen Einwohner und Bürger akzeptieren. Ihre Beschwerden und die Regelung im Vertrag zeigen, daß ein eigentlich anerkannter Grundsatz im Fall der Universität den Rechtssuchenden eingeschärft werden mußte. Mit der Zusicherung doch also daß ein ieden studenten so also das recht zu Freyburg such wurd sicher zugang und trotzung zum recht, und wider davon on Ihr gewarsam geben werde, wollte man wohl den Scholaren den Zwang, vor städtischen Gerichten klagen zu müssen, erträglicher gestalten. Im umgekehrten Fall, in dem ein Städter in der Rolle des Klägers auftritt, brachte der Gerichtsstand der Universitätsangehörigen an der Hohen Schule durchaus auch Vorteile für die Freiburger: wollte man einen Studenten verklagen, so konnte man dies in der eigenen Stadt tun und mußte nicht vor das Heimatgericht des Beklagten ziehen. Dies war eine erhebliche Erleichterung für städtische Kläger. Ohne die universitäre Gerichtsbarkeit wären nach dem Grundsatz, daß der Beklagte vor seinem Gericht verklagt werden muß, viele verschiedene und verstreute Gerichte zuständig gewesen. Im vierten Vertrag von 1509 wird auf die gerade geschilderten Bestimmungen über das Recht nehmen und geben verwiesen.122 Im fünften Vertrag von 120

UAF A 73/1, fol. 6v/7r mit der Randbemerkung de Jurisdictione, der Abschnitt beginnt mit betreffend Capitel 12 „So geben wir auch einem yeglichen Rector“ etc ... 121 Immatrikulationseide überliefert in LSS 1618 und LSR 1581, UAF A 4/6 und A 4/2. In LSR 1581 heißt es bei den Articuli Iuramenti eorum qui in Album studiosorum petunt inscribi unter Sextus ac postremus: Ad sevandam iuris ac quique debitum; promittet etiam inscribendus: in causa litis, ... velle se iudicio isti primo, tam agendo quam respondendo, in civitate hac Friiburgensi, coram iudice ordinario seu competente; et non in loco alio: quemadmodum id privilegiis Academicis cautum est. Näheres dazu unten unter persönlicher Zuständigkeit des Consistoriums, Erster Teil § 3 I. 2. b). 122 A 73/1, fol. 13r, Randbemerkung: de competente foro.

§ 2 Gerichtsbarkeit nach dem Stiftungsbrief und den Verträgen

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1517 werden sie fast wörtlich wiederholt,123 ob zur Bekräftigung oder wegen erneuten Streits läßt sich nicht feststellen. Jedenfalls ergeben sich im Bezug auf diesen Artikel für das 16. Jahrhundert keine Änderungen mehr.124 Eine ganz ähnliche Problem- und Interessenlage im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit überliefern uns die Tübinger Gründungsstatuten.125 Die dortige Bestimmung ist zwar mit De poenis delinquentium suppositorum überschrieben, doch regelt sie – nach einigen einführenden Sätzen – eindeutig die Gerichtszuständigkeit in bürgerlichen Sachen.126 Dort wird, trotz der detaillierten Ausführungen zu diesem Punkt im Freiheitsbrief, nochmals ausdrücklich festgeschrieben, daß Universitätsangehörige Tübinger Bürger und Einwohner nur vor städtischen Gerichten verklagen dürfen. Man kann die verwirrende Überschrift, Teufel folgend, damit erklären, daß eine Nichtbeachtung der festgelegten Gerichtszuständigkeit bestraft werden sollte, um die Tübinger davor zu schützen, an auswärtigen Gerichten verklagt zu werden. Die Strafbewehrung belegt jedenfalls eindeutig die Wichtigkeit dieser Bestimmungen, denen wie in Freiburg Nachdruck verliehen werden mußte. b) Das Malefitz berührend: Artikel vier Ebenfalls im schon erwähnten Vertrag von 1509127 findet sich eine wichtige Ergänzung zum vierten Artikel der Albertina. Im Einklang mit den Regelungen des Freiheitsbriefs wird zunächst ausgeführt, daß Personen, die der universitet verwandt sind, nach einer Festnahme dem Rektor zu überantworten sind. Wenn die Tat nicht des malefitz gebürt, soll er den Täter strafen nach gestalt eines jedliche mißhandel und gelegenheit der personen. Weiterhin wird betont, daß Stadt und Universität niemanden schonen, sondern die Strafen vollziehen sollen, wie es sich gebührt. Dann wendet sich der Vertrag dem Fall zu, daß ein handel des malefitz [bedarf], also das ein student einen totschlag oder ein anderen malefitzischen handel begangen [haben] soll. Dieser Fall wird zunächst genauso geregelt, wie in dem oben zitierten Vertragsentwurf von 1494 vorgesehen:128 ist der Täter ein Geistlicher, so soll ihn der Rector dem Bischof von Konstanz überantworten. Handelt es sich dagegen um einen Laien, ist er 123

A 73/1, fol. 23r. Vgl. auch IG, A 23/24, fol. 124, De citationibus ad Iudicia seu Iudice competenti: Studentes citandi ad Consistorium Academicum: subditi huius oppidi, ad iudicium fovente eiusdem, in prima, ut loquimur, Instantia. Concord. Anno 1501 ... 125 Reyscher, Württembergische Universitäts-Gesetze, S. 32, unter De poenis delinquentium suppositorum, Übersetzung bei Teufel, Universitas Studii Tuwingensis, S. 267. 126 So auch Teufel, Universitas Studii Tuwingensis, S. 81, v.a. Fn. 170, mit Verweis auf den Wortlaut der Bestimmungen, wo es „verklagen“, „Klaggrund“ etc. heißt. 127 A 73/1. fol. 9r-14v. 128 A 73/1, fol. 11v. 124

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

dem Landvogt oder dessen Statthalter zu Ensisheim auszuliefern.129 Aber es bleibt nicht bei dieser Bestimmung! Folio 11v ist überschrieben mit Declaratio eius (im Zusammenhang bezieht sich eius auf den Landvogt): so sollen sy denselben [Malefitztäter] ainem rector ... uberantwurten und soll der rector den selben malefitzthater er sye geistlich oder weltlich, er sye von der universitet oder statt angenommen einem bischoff von Constanz gefengklich uberantwurten und praesentieren seinen gnaden, den handel des malefitz eroffnen und daruff sin gnad den selben malefitzthäter nach sinem verschulden und gestalt des handels rechtlich straffen lassen ...

Hiermit wurden die vorher getroffenen Regelungen revidiert.130 Die nun geltende Zuständigkeitsverteilung entspricht dem Wortlaut der Albertina: jeder der Universität angehörende Malefitztäter soll dem Bischof von Konstanz übergeben werden. Wahrscheinlich war aber dort noch nicht an ein Abweichen von den hergebrachten Grundsätzen, nach denen für Laien der Landvogt der zuständige Richter gewesen wäre, gedacht worden.131 Eine Begründung für die divergierende Regelung findet sich in den Quellen nicht, also auch kein Wort von einer insgesamt kirchlichen Gerichtsbarkeit der Universität. Da Bischof Hugo von Konstanz dieser Lösung erst fünf Jahre später, am 7. Juni 1514,132 unter Bekunden eines gewissen Widerwillens zustimmte, läßt sich auch vermuten, daß er nicht die treibende Kraft war. In seinem Bericht über die Geschehnisse führte Schreiber aus: Die Universität bemühte sich jedoch sehr bald, einen für sie so ungünstigen Punkt [die Aufspaltung der Zuständigkeit bei Malefitzhändeln] wieder rückgängig zu machen; brachte es auch, unter Zustimmung des ihr geneigten Landvogts Wolfgang Grafen zu Fürstenberg dahin, ... [es folgt die Neuregelung vom 26. Mai].

Warum aber Schreiber diesen Punkt als ungünstig ansah, erläuterte er nicht näher. Vielleicht hielt er das Verfahren beim Bischof für vorteilhafter oder meinte, daß die Universität die Aufspaltung der Gerichtszuständigkeit als ihre 129 Zitiert bei Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 48 (erg. 14. Mai) ohne genaue Quellenangabe; dem folgend Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 195. 130 So auch Siebenhüner, S. 29, v.a. Anm. 46; Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, erwähnt diese Änderung nicht. Hervorhebung BB. 131 Vgl. die Ausführungen oben, Erster Teil § 2 I. 3. d). A.A. allerdings ohne Beachtung des Zusammenhangs Heidelberg-Freiburg Seifert, Universität Ingolstadt, S. 361. 132 A 59/6, ... und wiewol uns [dem Bischof] schwär ist, sollich cappittel und verträg, von wegen der Layen studenten inmassen uns die im Buchstaben überantwurtt sind, anzunehmen, nochdann damit Ir mit unseren freunden von fryburg ouch sy herwidernis mit uch furterhin dester in besserer einigkeit ...

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körperschaftliche Einheit störend empfand. Vielleicht fürchtete man auch, daß mit der alten Regelung in Einzelfällen Diskussionen über die Einordnung von Universitätsangehörigen als geistlich oder weltlich aufkommen könnten, die eine rasche Abwicklung dieser heiklen Fälle erschweren würden.133 Im Jahr 1517 wird im vierten Vertrag nochmals festgestellt, daß der Bischof von Konstanz für das Malefitzgericht über geistliche und weltliche Studenten zuständig sein soll,134 und zwar mit den gleichen Worten, die oben aus der Declaratio eius zitiert wurden. Die Parteien bestätigen dann im siebten Vertrag von 1524 ein weiteres Mal, daß sie den Artikel das Malefitz betreffend bei den getroffenen Vereinbarungen verbleiben wollen,135 mit dem Zusatz, daß der Bischof von Konstanz nochmals um neuer verwilligung für sich und sein nachkhommen zu zeiten in den gemelten Artickel ersucht werden solle. Danach wird dieser Punkt nicht mehr erwähnt bis zum vorletzten Vertrag der Zusammenstellung aus dem Jahr 1605,136 wo es heißt, man solle in Malefitzfällen vorgehen nach den Privilegien und dem hellen und claren Vertrag von 1517. Also war nach 1509 die Zuständigkeitsverteilung für schwere Kriminalsachen festgelegt und blieb im 16. Jahrhundert normativ unverändert. III. Ergebnis und Ausblick Bei der Untersuchung der akademischen Gerichtsbarkeit, wie der Stiftungsbrief und die Verträge zwischen Stadt und Universität sie darstellen, kristallisieren sich zwei unterschiedliche Gebiete heraus.137 Auf der einen Seite geht es um schuld, mißtat oder verwurckung von Universitätsangehörigen und deren Ahndung durch die Universität oder den Bischof von Konstanz, wobei die Sanktion immer wieder als straff bezeichnet wird. Die Quellen nennen den Geschädigten weder als Kläger noch als Empfänger einer Entschädigung; als Verfahrensbeteiligte erscheinen nur Täter und strafende Obrigkeit. Dies sind Anzeichen für das jüngere, öffentliche Verständnis der Strafe, wonach die 133 Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, S. 144 f. beschreibt in anderem Zusammenhang einen Fall aus dem Jahr 1509. Gaudenz von Blumeneck, ein adliger Priester, tötete einen angesehenen Theologieprofessor und floh. Diese Vorgänge ereigneten sich im April und damit vor Abschluß des Vertrages (dieser datiert auf vocem jocunditatis, also fünf Wochen nach Ostern). Die Universität erwirkte einen Haftbefehl gegen den Täter. Die Verfolgung blieb aber, unter anderem wegen Streitigkeiten mit dem Bischof von Konstanz, der die Auslieferung des Geistlichen Blumenecks forderte, ohne Erfolg. 134 A 73/1, fol. 26v. 135 A 73/1, fol. 30v/31r. 136 A 73/1, fol. 61v-67v. 137 Die Trennung manifestiert sich in der Albertina durch die verschiedenen Capitel, das vierte und das zwölfte, in denen sich die entsprechenden Regeln befinden.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

Sanktion nicht dem Ausgleich zwischen Täter und Opfer dient, sondern primär Reaktion der Gemeinschaft auf die Verletzung der Ordnung und des Friedens ist. Innerhalb des Strafrechts unterscheiden Stiftungsbrief und Verträge weiter zwischen Vergehen, die nicht des malefitz bedürfen und durch die Universität abgeurteilt werden und Taten, die ein malefitz(gericht) erfordern. Letztere werden mit der Umschreibung die das Leben oder Blut angehen konkretisiert. Für die Bestrafung dieser Delikte war der Bischof von Konstanz zuständig und zwar sowohl für Geistliche als auch für Laien. Dem Bereich des Strafrechts stehen die Konflikte gegenüber, mit denen sich der zwölfte Artikel des Stiftungsbriefs beschäftigt. Auch wenn Universitätsangehörige untereinander oder mit Städtern zu schaffen gewynnen, sich also zwei private Parteien gegenüberstehen, ist der Rektor die Entscheidungsinstanz, falls der Beklagte der Universität angehört. Wie wichtig in diesem Zusammenhang die Beachtung der Zuständigkeit durch die Gerichtsunterworfenen war, zeigen die Verträge. Zwar finden sich zum Gegenstand der Konflikte in den bisher untersuchten Quellen keine näheren Angaben, doch spricht die Parteienkonstellation und die Gegenposition zum anderen, strafrechtlichen Bereich der Gerichtsbarkeit dafür, daß es sich hierbei um privatrechtliche Streitigkeiten handelte. Für die weitere Gliederung scheint sich auf den ersten Blick die Einteilung nach den Rechtsgebieten anzubieten. Sie könnte sich aber als zu schematisch erweisen und insofern den Blick auf Schattierungen und Grenzgebiete innerhalb der Praxis der verschiedenen rechtlich tätigen Gremien verstellen. Schließlich kann die Feststellung einer Trennung und Unterscheidung zwischen Privatund Strafrecht in heutigem Sinne nicht Voraussetzung, sondern höchstens Ergebnis der Arbeit sein. Aus diesem Grund richtet sich die Gliederung nach den verschiedenen universitären Gremien, deren Akten und Protokolle die Ausübung der gerichtlichen Aufgaben der Universität überliefern.

§ 3 Gerichtsorganisation in der Praxis I. Das Consistorium 1. Das Consistorium im Gefüge der Ausschüsse und Beiräte a) Anfänge der Universitätsverwaltung Wer sich mit dem Verhältnis der verschiedenen universitären Kollegien und ihrer Aufgabenteilung vor den Statuten von 1581/83 auseinandersetzt, wird Ruths Aussage, es handle sich um das schwierigste Kapitel dieser Phase der

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Universitätsgeschichte,138 aus vollem Herzen zustimmen. Dabei wirkt Schreibers Aufzählung der Universitätsgremien für die Zeit von der Kirchenreformation bis zur Aufhebung der Jesuiten einfach und übersichtlich: Dem Rector standen zwei Senatsmitglieder (wovon eines der vorige Rector) als engster B e i r a t h zur Seite („Consiliarii, Assessores Rectoris“); dazu kamen in der Regel noch zwei andere (wovon eines der jedesmalige Decan der ArtistenFakultät), welche zusammen, unter dem Vorsitz des Rectors den gewöhnlichen R a t h d e r U n i v e r s i t ä t („Senatus, Consistorium“) oder deren R e g e n t s c h a f t ausmachten.139

Seine Darstellung wurde von vielen, selbst heutigen Autoren übernommen, obwohl gerade in der späteren Zeit, ab Mitte des 16. Jahrhunderts, vieles gegen die Gleichsetzung von Consistorium und Senat spricht.140 Ein deutliches Zeichen sind die ab 1548 nachweisbaren getrennten Akten, die sich in Aufbau und Inhalt stark voneinander unterscheiden. In der Anfangszeit der Universität hingegen ist die Eigenständigkeit der beiden Kollegien nicht eindeutig nachweisbar. So ist nicht sicher, ab wann und mit welcher Aufgabenstellung das Consistorium existierte, weil mangels Organisationsstatuten aus der Frühzeit Aussagen über die Verwaltungsstruktur schwierig und mit Ungewißheiten behaftet sind. Vielleicht war die Universität in den ersten Jahren nach der Gründung noch so klein, daß der Rektor alle anfallenden Rechtsfälle allein entscheiden konnte. Durch das Aufblühen der Hohen Schule entstand erst im Laufe der Zeit die Notwendigkeit, das gerichtliche Prozedere auf mehrere Gremien zu verteilen und im Wortsinn zu institutionalisieren.141 Die wenigen Stellen in den Senatsprotokollen, die Hinweise auf die Entstehung und frühe Organisationsform der verschiedenen Gremien enthalten, hat bis heute fast jeder Forscher in anderer Weise interpretiert.142 Metzger mutmaß138

Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 30, über die verschiedenen Beiräte. Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 45, Hervorhebungen im Original. 140 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 30, meint hierzu: Der in dieser Vermengung von Senatsausschüssen mit dem Senat selbst liegende Irrtum ist offensichtlich, beispielsweise anhand der regelmäßig in den Senatsprotokollen aufgeführten Quästurrechnungslegungen. 141 So berichten auch Hoyer, Gerichtsbarkeit der Universität Leipzig, S. 137 und Oberdörfer, Gerichtsbarkeit der Universität Heidelberg, S. 476, daß einige Zeit verging, bis die Gerichtsbarkeit eine dauerhafte Organisationsform annahm. Diese Entwicklungsvorgänge darf man, trotz der weniger evolutiven Entstehung der deutschen Universitäten, nicht aus den Augen verlieren. Manche Formulierung über die Verordnung der Gerichtsgewalt in den Stiftungsbriefen suggeriert irreführenderweise, die Universitäten seien – wie Athene aus dem Haupt ihres Vaters – vollendet aus den Privilegien hervorgegangen. 142 Und, da schwer entzifferbar, auch anders ediert! 139

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

te in seiner Monographie über die Verwaltungsorganisation der Freiburger Universität, der Senat habe schon seit der Gründung bestanden;143 den ältesten Quellenbeleg für seine Existenz sah er in einem Beschluß aus den Rektoratsprotokollen des Jahres 1472.144 Nach der Festlegung, der engste Beirat des Rektors solle aus zwei Mitgliedern des Consiliums der Universität bestehen,145 heißt es dort: Consequenter conclusum est, ut alios duo extra consilium universitatis eligantur, qui dumtaxat pro honestate rectoris in consistorio rectoris assedent, debent et ei consulere ...146

Es sollten zwei Personen von außerhalb der Versammlung der Universität ausgewählt werden, die im Consistorio des Rektors beisitzen und ihn beraten. Senat und Consistorium fielen nach Metzgers Interpretation zusammen, zum Consilium äußerte er sich nicht näher. Moderne Forscher vertreten hingegen die wohl eher zutreffende Ansicht, beim Consilium handle es sich um den Senat und bei dem Vierergremium nur um einen Ausschuß. Ob das Consistorium schon zu diesem frühen Zeitpunkt als Gericht fungierte,147 ist allerdings zweifelhaft. Schließlich verrät der Beschluß nicht, welche Fragen in dem genannten Ausschuß erörtert werden sollten. Da im universitären Rahmen Organe mit ganz unterschiedlichen Aufgaben „Consistorium“ genannt wurden,148 folgt die 143 Metzger, Beamten- und Wirtschaftsorganisation, S. 26. Auch er setzt Senat und Consistorium gleich. Das Kapitel 3. Das Konsistorium, S. 31 ff. beschäftigt sich mit den 1767 durch die Josephinische Reform geschaffenen Gremien. 144 Mertens/Speck, Rektoramt, S. 10, und ihnen folgend Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 31, weisen auf eine frühere Stelle aus dem Jahr 1470 hin (A 10/1, fol. 38, 01.05.1470), in welcher der neugewählte Rektor Friedrich Meckenlocher die Wahlmodalitäten beschreibt: er erwähnt dabei vier assessores, die vom Senat (sic) als Vertreter der Fakultäten gewählt werden, und die anschließend den Rektor wählen. Schon hier taucht also der erste Senatsausschuß auf. 145 Ex parte consiliariorum rectoris sive assessorum placuit, ut duo de consilio universitatis eliguntur, quorum unus sit rector antiquus, quos rector in rebus universitatis tractandis vocare debent. 146 Hervorhebung BB. Metzger, Beamten- und Wirtschaftsorganisation, S. 27, Protokoll vom 22.10.1472, weiter heißt es, poterit tamen rector, ... etiam alios consiliarios vocare secundum exigentiam factorum et quantitatem negotiorum pro tempore existentium sive currentium in consistorio. 147 So Mertens/Speck, Rektoramt, S. 10: als die assessores rectoris in consistorio, dem Gericht der Universität, sollten sie ... auf die judizialen Aufgaben beschränkt bleiben. 148 In Tübingen hatte das Consistorium gerichtliche Aufgaben, Hohl, Die akademische Gerichtsbarkeit in Württemberg, S. 23; Reyscher, Württembergische UniversitätsGesetze, S. 25-27. Ebenso war es in Heidelberg, Weisert, Verfassung der Universität Heidelberg, S. 56, 66 f. Das Heidelberger Universitätsgericht hieß im 16. Jahrhundert Consistorium und tagte unter dem Vorsitz des Rektors. Die Beisitzer wurden als assessores consistorii rectoris oder assessores consistoriales bezeichnet. In seinem Vorwort

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gerichtliche Funktion nicht zwingend aus dieser Bezeichnung. Auch Ruth sieht in dieser Stelle noch keine Beschreibung des späteren Consistoriums, geht er doch davon aus, es habe sich erst in der Folgezeit aus dem hier beschriebenen Viererrat entwickelt.149 Konkreter in bezug auf die Aufgabenstellung eines Vierergremiums wird die folgende Stelle aus den Senatsprotokollen des Jahres 1495, in der allerdings die Bezeichnung „Consistorium“ nicht auftaucht: Item. In convocatio habita quarta post epiphaniam domini anno nonagesimo quinto conclusum est per universitate in rectoratu venerabilis magistri Nicolai Locherer, quod deinceps futuris temporibus debent esse quatuor assessores et condeputati rectori pro tempore, qui secum iudicialiter discernant singulis sabbatis, nisi fuerit dies celebris, si saltem aliquo expediendum venerit ...150

berichtet Weisert, daß die Akten des consistorii universitatis im 19. Jahrhundert fälschlicherweise unter „engerer Senat“ abgelegt wurden: Auch dort war die Funktion des Consistoriums lange Zeit unklar. An anderen Universitäten nahm ein Kollegium gleichen Namens Verwaltungsfunktionen wahr: An der Wiener Hohen Schule fungierte es zunächst als Rechtsprechungsorgan, gewann dann aber weitere Aufgaben dazu und ersetzte bei Leitung und Verwaltung der Hohen Schule schließlich die Vollversammlung, Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, S. 114: Ab 1481 galten Beschlüsse des Consistoriums als von der gesamten Universität gefaßt. An manchen Hohen Schulen bezeichnete „Consistorium“ schließlich die Generalversammlung, de Ridder-Symoens, Organisation und Ausstattung, S. 155. In Freiburg wurde 1767 durch die Josephinische Universitätsreform, in der die akademische Verwaltung vollständig umgestaltet wurde, der Senat als oberste universitäre Behörde durch ein mehrgliederiges Gremium ersetzt, das ebenfalls Consistorium hieß, König, Rectorat, S. 84; Schreiber, Universität Freiburg, III. Theil, S. 35 f. Nur eine Untergliederung, das Consistorium juridicum, hatte allein rechtsprechende Funktion. Der Namenswechsel des Hauptverwaltungsorgans 1768 erklärt die Bezeichnung der Signatur A 10, deren Bestände bis ins 20. Jahrhundert reichen, als „Senats- und Konsistorialprotokolle“. 149 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 31, durch diesen Beschluß habe man die Konstruktion eines vierköpfigen Kernsenats aufgeweicht ... und zwar durch die Aufnahmen von Nichtsenatoren, wohl um die Artisten angemessen zu beteiligen. Dies war aber nur eine Zwischenlösung, denn im Lauf der nächsten beiden Jahrzehnte wurden aus dem ungleich besetzten Viererrat zwei Ausschüsse mit unterschiedlichen Aufgaben, jeweils unter Beteiligung der Artisten: Die Quästur mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsverwaltung und das Konsistorium als Universitätsgericht. 150 A 10/1, fol. 352, bei Schreiber, Metzger und Ruth Editionen einer inhaltlich identischen Stelle, die allerdings bei Metzger, Beamten und Wirtschaftsorganisation, S. 28, auf quarta post epiphaniam domini anno nonagesimo quinto, bei Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, S. 135, auf den 05.01.1495 datiert wird. Auch Ruth, Personen- und Ämtergefüge, druckt die Stelle quarta post epiphaniam ab, allerdings unter dem Datum

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

In der convocatio beschließt die Universität, daß künftig der Rektor vier Assessoren und Beigeordnete haben solle, die gemeinsam mit ihm gerichtlich entscheiden, wenn etwas anliegt. Die Textstelle handelt also zunächst von gerichtlichen Aufgaben, fährt dann aber fort: et etiam, quod sint sibi adjutores pro executione statutorum Universitatis151 et observantia eorundem atque pro aliis causis emergentibus quibuscunque eisdem diebus expediendis ...

Die assessores et condeputati sollten dem Rektor auch beim Vollzug der Universitätsstatuten und anderen dringenden Angelegenheiten, die an diesen Tagen erledigt werden müssen, helfen. Bedauerlicherweise ist diese wichtige Stelle wegen Verfärbungen und der Handschrift schwer zu entziffern. Schreiber ließ die folgende, kaum lesbare Passage in seiner Edition aus. Was Metzger vorschlug, ist zwar grammatikalisch nachvollziehbar, sachlich und im Vergleich mit dem Schriftbild jedoch keineswegs zwingend.152 Wahrscheinlich enthalten die nicht lesbaren Sätze eine genauere Definition der dringenden Fälle. Die Stelle endet mit Bestimmungen über die Auswahl und Besetzung des Beirates: Et in omni mutatione rectoratus debent duo antiqui manere et duo novi eligi ita, quod talis numerus quaternarius per quattuor facultates semper servetur.153

Zu jedem Rektoratswechsel sollten zwei assessores neu gewählt werden, während die anderen beiden im Amt blieben. Außerdem sollte jede der vier Fakultäten durch ein Mitglied im Gremium vertreten sein. An der Bedeutung dieses Beschlusses scheiden sich die Geister: Schreiber sah hier die Geburtsstunde des Senats. Die anfallenden Geschäfte hätten sich des 09.01.1495. Mertens/Speck, Rektoramt, S. 11, beziehen sich ebenfalls auf diese Stelle, geben als Datum aber den 08.01.1495 an. 151 Bei Metzger, Beamten- und Wirtschaftsorganisation, S. 28, quod sint sibi adiutores sub debito, quo universitatis et observantia eorundem atque pro aliis ... Bei Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 49 Fn. 337, quod sint [?] (BB sic) sibi adjutores sub debito quo universitati astricti sunt, pro executione ststutorum (BB sic) universitatis et observantia eorum atque pro aliis ... Schreibers Version wirkt am plausibelsten. 152 Nisi causa esset talis quae moram aliquam non tolerare posset ... Gerade nisi ergibt m.E. wenig Sinn. Allerdings folgt Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 49 Fn. 337, der Metzgerschen Version. Da aber Ruth die Stelle lediglich im Original wiedergibt und im Text nicht auf diesen Teil der Quelle eingeht, wird nicht klar, ob er Argumente für diese Version vorzubringen hat. 153 A 10/1, fol. 352, gewählt wurden Quare presenti quoque in rectoratu electi sunt Domini Doctores Georgius Northofer, Udalricus Kraft, Johannes Widman et Dominus Licentiatus Zurzach ...

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vervielfacht, auch sei es zu ersten Verlegungen der Universität wegen Epidemien gekommen, so daß die Erledigung aller Angelegenheiten durch eine Vollversammlung unpraktisch, gar unmöglich geworden sei.154 Wie Metzger zeigte, gibt es jedoch etliche Hinweise in den Protokollen, daß der Senat schon früher existierte. Er war der Auffassung, die Universität habe hier lediglich den Geschäftskreis und den Wahlmodus des Senats genauer festgelegt, außerdem führte er diese Stelle als Beleg für die Einführung des Quaterniats, der universitären Wirtschaftsverwaltung, an.155 Ruth zitiert diesen Protokolleintrag im Abschnitt über die Quästur, wobei er allerdings die Auffassung vertritt, Metzgers Einordnung der Stelle in diesen Kontext sei unrichtig und sie betreffe eigentlich das Consistorium. Vermutlich möchte er sich auch im Kapitel über die Assessoren (des Consistoriums) auf diese Stelle beziehen, die entscheidende Fußnote ist leider unrichtig.156 Als Belege für die Zuordnung zum Consistorium führt er die Aufgabenbeschreibung iudicialiter decernant,157 die Vierzahl und den Wahlmodus an. Er setzt sich allerdings nicht mit der ebenfalls erwähnten Erweiterung auf andere Verwaltungsgeschäfte auseinander. Diese Zuständigkeit pro aliis causis veranlaßt Mertens und Speck dazu, in der besagten Quellenstelle die Übertragung der umfassenden Unterstützung des Rektors in Gericht und Verwaltung an die Assessoren zu sehen.158 In der Tat lassen sich m.E. aus dieser Quellenstelle für das 15. Jahrhundert noch keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Differenzierung der Universitätsorgane in Gericht und Verwaltung feststellen. Da sich die einzelnen Kollegien erst im Aufbau befanden, wollte dieser Beschluß vermut154

Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, S. 134 f. Metzger, Beamten- und Wirtschaftsorganisation, S. 28, zum Quaterniat, S. 83 (Fn. 3). Ablehnend hierzu Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 50. 156 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, Abschnitt Assessoren, S. 41-42. Die entscheidende Fußnote 280 auf S. 41, die sich auf einen schon zitierten Senatsprotokolleintrag beziehen soll, verweist auf S. 64 Anm. 333, was offensichtlich unrichtig ist. (Fn. 333 befindet sich auf Seite 49 und bezieht sich auf den Quästor, S. 64 enthält die Fn. 463472 und beschäftigt sich mit dem Gefüge der Theologischen Fakultät). Wahrscheinlich meint Ruth S. 49 Fn. 337, die besagte Stelle aus dem Jahr 1495, obwohl es sich bei dieser nicht um einen zuvor, sondern anschließend (S. 49) zitierten Senatsprotokolleintrag handelt. Da Ruth im Kapitel Assessores keine Jahreszahl zu der Quelle angibt, kann ich dies nur auf Grund der Formulierung auf S. 41, Danach sollte dem Rektor ein vierköpfiger Rat aus Vertretern der vier Fakultäten zur jeweils samstags stattfindenden Rechtsprechung und Durchsetzung der Statuten zur Seite treten. mutmaßen. Er könnte sich aber auch auf die Stelle aus dem Jahr 1472, Personen- und Ämtergefüge, S. 31 Fn. 223 (Verweis auf Metzger) beziehen, in der ja vom consistorio rectoris die Rede ist. 157 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 49 f., liest decernant statt discernant wie hier und bei Metzger und Schreiber. Der Unterschied spielt keine Rolle, da beide Verben mit „(gerichtlich) entscheiden“ übersetzt werden können. 158 Mertens/Speck, Rektoramt, S. 11. 155

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

lich lediglich die gerichtlichen Kompetenzen, die dem Rektor im Stiftungsbrief verliehen worden waren, auf seinen Beirat ausweiten.159 Für diese Interpretation spricht vor allem der erste Teil mit der Formulierung futuris temporibus debent esse quatuor assessores, qui secum iudicialiter discernant. Dies ist der früheste Ausschnitt aus den Senatsprotokollen, in dem man eine so eindeutige Formulierung gerichtlicher Funktionen eines universitären Kollegiums entdeckt. Für die Anfangszeit der Freiburger Universität160 bleibt die Verwaltungsstruktur ebenso wie das gerichtliche Verfahren somit im Dunkel der Geschichte verborgen. b) Die Gremien im 16. Jahrhundert In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist die Quellenlage bezüglich der Freiburger Universitätsorganisation erheblich besser; Consistorium und Senat treten uns nun als klar getrennte Kollegien entgegen. In den AoR fallen die Bezeichnungen der Gremien und ihrer Mitglieder161 deutlich auseinander, ebenso wie die von Lorichius angegebenen Sitzungstermine. Das Consistorium tagte nämlich samstags,162 die Senatssitzungen hingegen sollten grundsätzlich freitags163 stattfinden, wobei für dringende Angelegenheiten außerplanmäßige Termine anberaumt werden konnten.

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So auch Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 192, mit Verweis auf Metzger. 160 Ein Gegenbeispiel ist die Universität Tübingen, deren Statuten aus dem Gründungsjahr 1477 bereits klare Regeln zur Gerichtsorganisation treffen: Habeat praeterea rector pro tempore jurisdictionem singulorum doctorum magistrorum et supossitorum universitatis, Et pro causis expediendis quatuor teneat et habeat consiliarios a repraesentantibus universitatis electos ... Reyscher, Württenbergische Universitätsgesetze, S. 25, de officio et potestate rectoris. Übersetzung bei Teufel, Universitas Studii Tuwingensis, S. 256, Nr. 18. Diese Bestimmung enthält zudem bereits detaillierte Regeln zum gerichtlichen Verfahren. 161 AoR, ed. König, Rectorat. Artikel vier befaßt sich mit dem Senat und ist mit De Consilio Academico sine [wohl: sive] Senatu, quas dicunt Convocationes überschrieben. Die Mitglieder des Senats werden in den AoR (u.a.) Domini Consiliarii Academici genannt. Über Artikel 18 steht De Consistorio, seu foro Judiciale. Neben dem Rector tauchen dort Assessores, Beisitzer, auf. 162 AoR, ed. König, Rectorat, S. 77, 18. indicet per Pedellum tam assessoribus, quam partibus diem Sabathi negotiosum, non festum ... Der Samstagstermin wird auch im LSS, A 4/6, unter IV. De Assessoribus Consistorialis erwähnt. 163 AoR, ed. König, Rectorat, S. 70, 4. Rector conuocabit Academicum Senatum ordinarie, qualibet sexta Feria, horis pomeridianis ... Vrgente autem necessitate; potest omni die et hora Senatum congregare ...

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Auch in den Protokollbänden manifestiert sich die Unterscheidung: Der Senat bezeichnete seine Zusammenkünfte convocationes, und die Beschlüsse wurden häufig als „von der universitet getroffen“ festgehalten. Wenn in Consistorialakten eine Sache an die Universität deferiert wurde, tauchte sie anschließend regelmäßig in den Senatsprotokollen auf.164 Der Senat erscheint also als Vertretung der gesamten Universität, das Consistorium als Ausschuß. Dies ergibt sich auch aus dem Wahlmodus für dieses Gremium, den Lorichius im vierten Abschnitt des LSS beschreibt: IV. De Assessoribus Acad. Judicii, quod vocant Consistorium: Posteaquam Rectori novo Consiliarii adiuncti sunt, mox ex omnibus Consiliariis Acad. Senatus denuo eliguntur quatuor: qui in Acad. Iudicio quod Consistorium appellant, Rectori assident quoties opus fuerit ...165

Nachdem dem Rektor seine neuen Consiliarii beigeordnet worden sind, werden aus allen Consiliarii des akademischen Senats von neuem vier ausgewählt, die im akademischen Gericht, das Consistorium genannt wird, dem Rektor beisitzen. Diese Passage demonstriert die typische Vielzahl der Beiräte und die Flut der teilweise synonymen Bezeichnungen. Die verschiedenen Consiliarii lassen sich folgendermaßen zuordnen: Die Acad. Consiliarii waren die Mitglieder des Senats, Lorichius verwendete für diesen Personenkreis auch in den AoR die Bezeichnung Domini Consiliarii Academici.166 Sie sind nicht zu verwechseln mit den Consiliarii Rectoris, welche den aus zwei Personen bestehenden engsten Beirat des Rektors bildeten. Auf sie bezieht sich die Formulierung Posteaquam Rectori novo Consiliarii adiuncti sunt, ihre Wahl wird nämlich in der vorhergehenden, dritten Bestimmung des LSS167 geregelt.

164 A 14/2, fol. 62v, 12.02.1564, Creditores Blonai, haec res deferetur ad Universitatem, dann in A 10/9, fol. 114, 24.02.1564. Am Rand: Blonay. Creditores Gabrielis de Blonay ... petunt ... 165 A 4/6, LSS, unter IV. De Assessoribus Consistorialis. Hervorhebung BB. 166 AoR, ed. König, Rectorat, S. 71; auch in der Bestimmung über die Einberufung von Senatssitzungen im LSS wird diese Bezeichnung verwendet: A 4/6, II. De Rectoris potestate et officio, ... Convocaturus itaque Rector Senatum mittet Pedellum ad singulos Consiliarios, eisque mandabit ut hac vel illa hora in loco solito, vel quo vocati fuerint, conveniant. Ebenso Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 33. Wegen der Vieldeutigkeit des Begriffes consiliarius bezeichnet er die Senatsmitglieder in seiner Arbeit als „Senatoren“. 167 A 4/6, LSS, III. De duobus Rectoris Consiliariis : Electo, constitutoque Rectore novo, confestim eliguntur ex Acad. Consiliariis duo, quorum alter esse debet Rector antiquus, si fieri omnino poterit, alter vero eligendus est ex cæteris Consiliariis. Die beiden Consiliarii Rectoris werden nach der Wahl und Amtseinsetzung des neuen Rektors aus den Acad. Consiliariis gewählt, einer von beiden soll der vorherige Rektor sein. Ihre Aufgabe ist es, dem Rektor bei der Verwaltung seines Amtes zu helfen und

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Also wählte der Senat aus seiner Mitte die Beisitzer des Consistoriums.168 Eine solche Wahl ergab selbstverständlich nur dann einen Sinn, wenn es sich nicht um denselben Personenkreis handelte! Folglich ist die Annahme von Personenidentität zwischen Senat und Consistorium, zumindest für das spätere 16. Jahrhundert, nicht haltbar. Allerdings trifft es zu, daß alle Mitglieder des Consistorium auch im Senat saßen.169 Die abschließenden Bestimmungen über die Zusammensetzung des Consistoriums gleichen denen, die 1495 in den Senatsprotokollen für das vierköpfige Beratungsgremium getroffen worden waren: Hi eliguntur ex singularum facultatum Consiliariis, si commodum videbitur. Et duobus ex prioribus confirmatis duo tantum novi constituerunt.170

2. Aufgabe und Kompetenz des Consistoriums Im öffentlichen Teil der Statuten von 1581 (LSR 1581) liest man eine eindeutige Bezeichnung und Aufgabenzuordnung: Postulante necessitate, ut partes litigantes in iudicio audiantur, Rector et Assessores Academici Iudicii, quod vocant Consistorium, convenient, et de proposita lite diiudicabunt.171

Wenn es nötig ist, streitende Parteien vor Gericht zu hören, sollen der Rektor und die Beisitzer des akademischen Gerichts, das man Consistorium nennt, zusammenkommen und über den vorgetragenen Streit urteilen. Bisherige Arbeiten ließen es meist bei der hiernach offensichtlichen Feststellung bewenden, daß der Tätigkeitsschwerpunkt des Consistoriums in der Rechtsprechung lag. Auf diese Weise wurden nicht nur Consistorium und Senat irrtümlich gleichgesetzt, sondern auch ihre jeweiligen judiziellen Aufgaben. Wenn man sie, wie beispielsweise Köhler und Siebenhüner für ein und dasselbe Gremium hält, läßt sich dies nicht vermeiden. Aber auch wenn man zwischen beiden ihn in allen Angelegenheiten der Universität zu unterstützen. Vgl. den entsprechenden Abschnitt bei Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 39-40. 168 So, als praktisch einziger vor Ruth, bereits König, Rectorat, S. 64, weiter wurden aus diesen (cons. sen.) auch vier Assessores genommen, welche unter dem Vorsitz des Rectors das Universitätsgericht (consistorium) bildeten. 169 Der regelmäßig ins Consistorium berufene Dekan der Artisten nahm in seiner Amtszeit – wenn auch als consiliarius non perpetuus – als Vertreter seiner Fakultät an den Senatssitzungen teil. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 33 ff. 170 A 4/6, LSS, unter Quartum De Assessoribus Consistorialis (im Inhaltsverzeichnis). 171 A 4/2, LSR 1581, unter XXV. De Iudicario processu.

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differenziert, darf man nicht alle im Stiftungsbrief verliehenen rechtlichen Kompetenzen dem Consistorium als dem akademischen Gericht172 zuordnen, wie die genauere Betrachtung zeigen wird. a) Die sachliche Zuständigkeit Die rechtlichen Kompetenzen der Universität umfaßten nach dem Stiftungsbrief die Bestrafung leichterer Delikte und die Entscheidung in Streitfällen. Sie werden primär dem Rektor zugeordnet, und noch in den AoR finden wir die ganze Bandbreite rechtlicher Zuständigkeit anhand der Aufgaben des Rektors dargestellt. Die Artikel 13 bis 18 behandeln nach der Zusammenfassung des Herausgebers Joseph König gerichtliche Vorkommnisse,173 wobei Artikel 13 bis 15 eine Mitwirkung des Senats erwähnen. Dieser Umstand trägt m.E. dazu bei, daß auch neuere Autoren glauben, der Senat müsse das einzige rechtlich tätige Gremium und darum identisch mit dem Consistorium sein.174 Tatsächlich liegt 172 So wohl Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 29, bei den Aufgaben des Rektors: Einen weiteren Komplex bilden die disziplinarischen und jurisdiktionellen Aufgaben wie die grundlegende Kontrolle und gegebenenfalls Mahnung aller Universitätsangehörigen, ... Verhöre von Beschuldigten, ... und schließlich der Vorsitz im Konsistorium, dem akademischen Gericht. Auch hier ... gibt [er] nur bei Stimmgleichheit den Ausschlag. Diese Jurisdiktion erstreckte sich auf Zivil- und Disziplinarsachen, für Kriminalsachen war der Bischof von Konstanz als Ordinarius loci zuständig. Worauf im vorgehenden Satz sich „diese Jurisdiktion“ bezieht, ist nicht ganz klar, wahrscheinlich ist aber die des Consistoriums gemeint. 173 König, Rectorat, S. 65. 174 Beispielsweise führt Siebenhüner, Zechen Zücken, Lärmen, S. 30 Fn. 53, zum Beleg des Satzes Verurteilungen wurden vom Senat ausgesprochen den Artikel 18 Rector non iudicat ... sed assessorum sententias colligit ... an. Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 193, unterscheidet in Anlehnung an die verschiedenen Regelungsinhalte der AoR zwischen Vergehen einzelner, für die der Rektor zuständig ist (Art. 13-15) und Rechtshandel innerhalb der Universität, die unter Artikel 18 fallen und bei welchen er die assessores, d. h. den Senat einberufen mußte. Er setzt zwar Senat und Consistorium gleich, der Unterschied zwischen Artikel 13 und 18 entgeht ihm jedoch nicht. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 33 Fn. 231, meint mit Bezug auf Köhler: Mögliche Basis der Vermengung ist die Interpretation der Albertina im Index generalis, die [sic] anders als die Albertina „de iurisdictione rectoris et senatus“ handelt. Köhler hat in der enstprechenden Passage den IG allerdings nicht zitiert. In dieser Frage trägt der IG tatsächlich eher zur Verwirrung bei. In der Zusammenfassung des Stiftungsbriefs, fol. 107 f., spricht Lorichius bei Artikel vier und zwölf vom Senat; in letzterem von der Iurisdictione Rectoris et Senatus Academici. Im ebenfalls nach den Privilegienartikeln gegliederten Abschnitt über die Verträge mit der Stadt überschreibt er beide Artikel mit De Iurisdictione Academiae. Dies hängt m.E. aller-

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die Lösung aber in einer Aufteilung der rechtlichen Aufgaben und Kompetenzen zwischen Senat und Consistorium! Schon bei rascher Durchsicht der Bestimmungen der AoR, in denen der Senat vorkommt, zeigt sich, daß sie das im vierten Artikel der Albertina geregelte Gebiet des Straf- und Disziplinarrechts zum Gegenstand haben.175 In den Abschnitten 16 und 17, die sich mit den Eiden und dem Interdikt oder Arrest befassen, spielt keines der beiden Gremien eine Rolle. Artikel 18 de Consistorio hebt sich bereits durch die Wortwahl ab. Dort heißt es: Rector ... conabitur ut partes concilientur. Zum einen stehen hier keine delinquentes, sondern partes, also Parteien, vor dem Rektor und zum anderen soll er sie nicht bestrafen, sondern den Beteiligten helfen, sich zu einigen und zu versöhnen. Auch in den Bestimmungen der LSR 1581 und LSS,176 die sich mit dem Consistorium beschäftigen, tauchen partes litigantes und der Vorrang einer Einigung auf. Die Allgegenwart von Parteien ist desgleichen einer der ersten Punkte, der bei der Betrachtung der Consistorialprotokolle ins Auge springt: Die Fälle werden am Seitenrand nach zwei Personen, getrennt durch ein contra oder gegen, aufgeführt.177 Die Streitenden, in der Quelle oft als Kläger und Beklagter bezeichnet, können durch namentlich genannte rechtliche Sachwalter vertreten oder unterstützt werden. Die Kompetenzverteilung zwischen den universitären Kollegien läßt sich besonders gut an Sachverhalten verdeutlichen, die eine Schnittmenge zwischen verschiedenen Rechtsgebieten bilden. Herausgegriffen werden im folgenden Injurienklagen.178 Ehrverletzungen stellten einen solchen Grenzbereich dar, weil die Jurisprudenz zwischen zwei Formen der Injurienklage unterschied, dings damit zusammen, daß Lorichius zusammenfassend arbeitete und fast alle Informationen zur Gerichtsbarkeit in den Verträgen unter Artikel 4 sammelte. Da sich die zitierten Vertragsteile eindeutig auf Artikel 12 beziehen, z. B. de Jurisdictione betreffend Capitel 12 „So geben wir auch einem yegliche Rector“ etc soll dies capitel treulich und erbarlich gehalten werden ... (A 73/1, fol. 6vf., aus dem Vertrag von 1501, der keine Regelungen zu Artikel 4 enthält), handelt es sich wohl um eine Ungenauigkeit im IG. 175 Zu den gerichtlichen Funktionen des Senats vgl. Erster Teil § 3 II. 2. 176 A 4/2, LSR 1581, XXV. De iudicario processu; A 4/6, LSS, IV. De Assessoribus Consistorialis. 177 A 14/1, fol. 256, 12.07.1550: In sach zwischen Hans Gebwein als vollmechtiger anwalt und gewalthaber des ersamen Dietrich Neben in nhamen und von wegen Hansen Neben seines sons clegeren an einem. So dan dem wohlgelehrt M. Jacob Plowe als vollmechtig anwalt und gewalthabers Philipps Krausen beclagt anders teils ... Die Hervorhebung von Parteien erinnert an den zwölften Artikel des Stiftungsbriefes, in dem es heißt: recht zu sprechen, vnd zuthun vber alle vnd yeglich sachen die meister und schuler vnder ainander vszutragen haben, Gerber, Rechtsgestalt, S. 33 = Schreiber, Urkundenbuch, S. 456. 178 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht, S. 513 ff. Zu Injurienklagen vor dem Consistorium, Vierter Teil § 3 I. 1.

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nämlich der actio civilis und der actio criminalis.179 Die Kriminalklage sollte bei schwerwiegenden Formen erhoben werden und zielte auf die Verhängung einer öffentlichen Strafe.180 Wenn auch die Existenz einer förmlichen Kriminalklage an der Universität zweifelhaft ist, unterlagen Beleidigungen als Delikte ohne Frage ihrer Strafgewalt. Ehrkränkungen tauchen in den Inquisitionsprotokollen häufig auf, und die Senatsprotokolle belegen, daß die Hohe Schule sie aburteilte.181 Im zivilen Injurienprozeß ging es dagegen um eine Geldsumme, die der Beleidigte als Ausgleich und Wiedergutmachung für die Ehrverletzung verlangte. Die Existenz alternativer Verfahrensmöglichkeiten führte vor dem Consistorium zuweilen zur Notwendigkeit, eine Klage zu erläutern. Unter anderem verlangte das Gericht dies in der Rechtssache Franz Waffenschmid contra Christoph Herpfer aus dem Jahr 1555: Zunächst berichtet Waffenschmid den Anlaß seiner Klage. Herpfer habe ihn ganz ohne Grund beleidigt und herausgefordert,182 ihn mit einem Stein beworfen und nachmals widerum gesagt „du schelmiger pfaff, Ich will dich zeichnen das du kein hergot mehr fressen solst“. Dann folgt das Klagebegehren, anfänglich so formuliert: welches alless Ime cleger unleidlich, beger der wegen Ime ex officio zu straffen.

Obwohl der Kläger eindeutig eine Bestrafung verlangt, erklärt das Consistorium dieses Begehren für unklar und fordert ihn auf, seine Klage zu präzisieren:

179 Inst. 4, 4, 10. Coing, Europäisches Privatrecht, S. 515; Fuchs, Um die Ehre, S. 51. Auch das Freiburger Stadtrecht unterschiedet zwischen schmachklagen, die nit lyb oder leben antreffen und Klagen in pynlichen sachen. Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 52, I. Tractat, VIII. Titel Von klag gegen klag vnd antwurt wie die geschehen sollen, 2. Wie die klag in schmach/hendeln geschehen soll. Nach dem römischen Recht schlossen sich die beiden Klagen gegenseitig aus, Coing, Europäisches Privatrecht, S. 515. 180 Dreßler, Beleidigungsrecht, S. 116, der allerdings die These aufstellt, es habe die actio criminalis nur in der Theorie gegeben. 181 Siebenhühner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 51 und 150; A 10/9, fol. 263, 14.02.1568, M. Erasmus Oswaldus Schreckenfuchsius propter iniuriam Basiliensibus [gemeint sind die Basler Domherren] irrogatam ... mulctatur ab Universitate in decem coronatis. Inquisition zu diesem Vorfall A 13/1 (LI2), fol. 264 ff., 14.04.1567. 182 Herstus pfaff, bistu Eren wert so kum heraus schlach dich mit mir! Hörst Du, Pfaff, wenn Du ehrenwert bist, dann komm heraus und schlag Dich mit mir! A 14/1, fol. 379, Sexta Juli (erg:1555).

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität Die weil aber auß diser clag nit verstanden mögen werden, ob er peinlich oder burgerlich procedieren wölte ist er hierüber gefragt worden, darumb dann cleger sein clag erleutert ...183

Dieser Quellenausschnitt zeigt, wie geläufig dem 16. Jahrhundert die Unterscheidung zwischen peinlichen und bürgerlichen Klagen war. Da dem Kläger bei der Injurienklage zwei Möglichkeiten offenstehen, um sein Anliegen gerichtlich zu verfolgen, muß er deutlich machen, welche Art von Klage er führen möchte. Vielleicht handelt es sich bei der Nachfrage des Gerichts um eine Art richterlichen Hinweis, die Klage anders und korrekt zu artikulieren. Jedenfalls antwortet Waffenschmid: daß er vil lieber hundert reinischer gulden geben oder verlieren wolt dann sollich schmach geduld und liegen lassen, begert deshalben die herren wöllen erkhennen das er im die darfür zu erlegen schuldig seye mit abtrag costens und schad doch den heren tax vorbehalten.

An der nun eingefügten Geldforderung erkennt man jetzt die Klageformel der zivilrechtlichen Injurienklage, die auf Geldersatz wegen Beleidigung gegen den Verletzer gerichtet ist. In diesem Gewand wird die Klage vom Consistorium angenommen und der Fall weitergeführt. Noch deutlicher wird die Kompetenzaufteilung in einem anderen Fall, der zum ersten Mal am 05.09.1562 verhandelt wurde. Hans Balthasar Rauch als anwalt Hans Walen clagt zo Sebastian Sautter, als sein principal und der beclagt verscheinen suntag spatzieren gangen, sich sampt anderen gesellen aller sach halben erspracht, hab der belcagt zu seinem principal ... gesagt, Er Suter glaube wann er Hans Wal nit daheim seye, das Hieronymus Strowmeyer by seiner Hans Walen frawen lige, – für welche schmach er begere seinem principal und deße fraw ker und wandel beschehe nach seiner Ehren nottdirfft ...184

Der Kläger Hans Wal läßt also durch seinen Anwalt Hans Balthasar Rauch darlegen, daß ihn der Beklagte Sebastian Sautter auf einem gemeinsamen Sonntagsspaziergang beleidigt habe, indem er behauptete, die Ehefrau des Klägers habe ein Verhältnis mit einem anderen Mann. Für diese Beleidigung verlangt der Kläger Kehr und Wandel, eine Formel, die möglicherweise in

183

Ebenso in der Sache Loffler gegen Lamboldt. Der Kläger legt am 13.03.1557 eine schriftlich schmachklag ein, A 14/1, fol. 427. Im Consistorium am 20.03.1557, A 14/1, fol. 428, ist Ime [dem Anwalt des Klägers] ufferlegt er solle sein clag dermassen erleuttern dis man eigentlich verstön mög, ob er criminaliter oder civiliter clag ... 184 A 14/2, fol. 35v f., 05.09.1562.

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Zusammenhang mit der Kriminalklage steht oder den Widerruf meint.185 Darauf antwortet der Beklagte: Reus begert das cleger sein clag einfuore nach brauch des Consistorii, sunst sei er antwurtt zuogeben nit schuldig, dan solche clag criminalis.

Er verlangt, der Kläger solle seine Klage so einbringen, wie es am Consistorium Brauch sei. Andernfalls müsse er sich auf sie nicht einlassen, weil es sich um eine Kriminalklage handle. Also beruft sich Sautter ausdrücklich auf die Nichtzuständigkeit des Consistoriums für peinliche Klagen. Das Gericht teilt die Auffassung des Beklagten und urteilt: Ist erkannt, das cleger sein clag nach brauch und gewonheit diß loblich Consistorii fürbringen solle.186

Diese Stelle belegt eindeutig, daß im Bereich der Injurien das Consistorium nur für die actio iniuriarum civilis, nicht für die criminalis zuständig war. Da die Universität grundsätzlich auch die Kompetenz zur strafrechtlichen Beurteilung von Beleidigungen besaß, manifestiert sich in der Beschränkung des Consistoriums auf die bürgerlichen Klagen die Aufteilung der Zuständigkeiten innerhalb der Hohen Schule: Wer civiliter prozessieren möchte, geht zum Consistorium, dagegen gehören Klagen, die criminales sind, vor ein anderes Gremium. Auch für die Bestrafung, die neben der zivilen Klage möglich ist, ist das Consistorium grundsätzlich nicht zuständig. b) Persönliche Zuständigkeit (Gerichtsstand) Für die im 12. Artikel geregelten Rechtshändel enthalten weder der Stiftungsbrief noch die Verträge eine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung. Ihre Interpretation hat jedoch ergeben, daß sich die persönliche Zuständigkeit in den dort behandelten privatrechtlichen Streitigkeiten nach dem Gerichtsstand des Beklagten richtete, was allgemeinen Grundsätzen entsprach. Anhand der verschiedenen Statuten des 16. Jahrhunderts läßt sich dies verifizieren. Erste Hinweise auf Gerichtszuständigkeiten geben die darin überlieferten Immatrikulationseide. Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung mit der Stadt über den 12. Artikel des Stiftungsbriefs187 umfaßte der Eid eine Passage, in der sich

185

Zur Kriminalklage vgl. Vierter Teil § 3 I. 3. Auch in diesem Fall handelte es sich um eine Injurienklage, die der Klägeranwalt schließlich durch die Schätzung der Ausgleichssumme als zivilrechtlich kennzeichnete: Actoris procurator schlacht dise schmach und iniuri für 50 guldin ahn. 187 Vgl. dazu Erster Teil § 2 II. 2. a). 186

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

die Universitätsangehörigen verpflichteten, rechtliche Streitigkeiten vor Ort auszutragen: Si quid litis ei oriatur cum aliquo ex Academicis Proceribus aut subditis: vel cum Magistratu aut Civibus incolisque huius oppidi, sive Actoris sive Rei partes sustineat; in prima actione vel instantia, non alibi, sed hic apud Judicem competentem causam agat. Nisi tamen ea Iudicem alium postulet ispique maneat libera facultas abeundi et redeundi donec actio litis finiatur.188

Der einzuschreibende Student versichert in seinem Eid, er werde einen aufkommenden Streit sowohl mit Universitätsangehörigen als auch mit dem Rat oder den Bürgern und Einwohnern Freiburgs – gleich ob er Kläger oder Beklagter189 sein werde – in erster Instanz hier beim zuständigen Richter verhandeln. Die Erwähnung von Streit und Klagen (lis, actio) zwischen zwei Parteien bestätigt, daß sich die Passage auf private Streitigkeiten bezieht, für die sachlich das Consistorium zuständig ist. Auf Seiten der Universität ist damit der Rektor als Vorsitzender dieses Kollegiums der Richter, den der Eid erwähnt. Dennoch enthält die Bestimmung, Studenten sollen sowohl als Kläger wie auch als Beklagte apud Iudicem competentem verhandeln, keine eindeutige Kompetenzregelung, da sie den Richter nicht eindeutig bezeichnet. Auch LSR 1581 äußert sich im Abschnitt über die akademischen Richter zum Gerichtsstand für die erstinstanzliche Klage: Ad præcavendum pericula plurima inimicitiarum, iurgiorum, privatæque vindictæ inter eos qui hic comorantur; statutum ab Academico Senatu est: ut omnes eius subditi; actionem litis, inter ipsos, et alios quoscunque Academiae coniunctos hic ortae, etiam in oppido hoc Friburgensi coram Rectore, eiusque Assessoribus, primo190 proponant, et recepto more prosequantur.191

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A 4/6, LS 1618, Juramenti eorum, qui in Album studiosiorum petunt inscribi, Sextus et postremus; ebenso (ausführlicher) UAF A 4/2, LSR 1581, gleiche Überschrift, Sextus et postremus ... promittet etiam inscribendus: in causa litis, (inter ipsum, et quamcunque Facultatem, omnesque ac singulos Academiæ Primores et subditos: similiter inter ipsum et Magistratum, omnesque ac singulos cives, subditosque oppidi huius) velle se iudicio isti primo, tam agendo quam respondendo, in civitate hac Friiburgensi, coram iudice ordinario seu compentente; et non in loco alio: quemadmodum id privilegiis Academicis cautum est. Nisi fortasse, controversa acto: Iudicem alium, superioremve postulaverit. Dumodo quoque ei ab huius oppidi Magistratu concedatur libera facultas abeundi redeundique donec lis finiatur. 189 Auch in den Consistorialprotokollen wird die Bezeichnung reus für den Beklagten verwendet. Folglich ist ihre Bedeutung im Gebrauch der Universität nicht auf das Strafrecht beschränkt. Auch im klassischen kanonischen Zivilprozeß wurden Kläger und Beklagter als actor und reus bezeichnet, Plöchl, Kirchenrecht, S. 355. 190 LS 1618, A 4/6, hat prima (ut dicitur) instantia.

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Um die vielen Gefahren von Feindseligkeiten, Zänkereien und privater Rache zwischen denen, die hier verweilen, zu verhindern, hat der Senat folgendes beschlossen: Seine Untergebenen sollen alle Klagen wegen Streitigkeiten untereinander und mit anderen Universitätsangehörigen, die an der Universität und auch in der Stadt Freiburg entstanden sind, vor dem Consistorium in der ersten Instanz vortragen, und nach anerkannter Sitte verfolgen. In dieser Passage ist nur die Rede von Klagen gegen Universitätsangehörige, die vor dem Rektor und seinen Assessoren zu erheben sind. Es ist nämlich davon auszugehen, daß etiam in oppido den Entstehungsort der Streitigkeiten meint, schließt es doch direkt an hic ortae an. Selbst wenn sich Studenten in der Stadt streiten, sollen sie vor dem Rektor klagen. Da nur von Streit inter ipsos et alios coniunctos Academiae die Rede ist, könnte man e contrario argumentieren, eine Zuständigkeit für den nicht erwähnten Personenkreis habe nicht bestanden. Bemerkenswert ist, wie parallel die Bestimmungen des Freiburger Stadtrechts von 1520 die Zuständigkeit der Stadtgerichte für Bürger und Einwohner beschreiben: Wir setzen und ordnen das vnsre burger und inwoner ein andern niendert anderswo / weder vor geistlichen oder weltlichen hoff oder landsgerichten mit recht fürnemen / angriffen / noch bekümmern sollen ... / dann allein vor unserem statt gericht ... / vnd ob glichwol die vnsern miteinander an frömbden stetten oder orten / contrahiert oder ander pflicht gethon hetten / wöllen wir das sollich hendel ... / vor vnserm Statgericht oder vor vns / vnd sonst gentzlich an keinem ort / in der ersten Instanz gerechtuertigt werden.192

Gerade der Schluß könnte als Vorbild für das universitäre in prima actione vel instantia, non alibi, gedient haben. Auch die städtische Bestimmung konzentriert sich allein auf Konflikte zwischen Personen, die klar dem eigenen Rechtskreis angehören. Gleichwohl erkannte das Stadtgericht die Zuständigkeit anderer Gerichte an, darunter fiel auch die besondere Gerichtsbarkeit der Universität.193 Untersucht man die Kläger und Beklagten in den acta consistorialia, so bezeugt auch die Praxis der Universität eine solche Kompetenzaufteilung. Oft verrät schon das Klagebegehren den Beklagten als Studenten, handelt es sich doch bei einem erheblichen Teil der Fälle um die Einforderung von Schulden, 191

A 4/2, LSR 1581, XXIV. De iudiciis academicis. Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 39, I. Tractat, III. Titel Von dem bequemlichen Richter, Vorw. 193 Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 48, bringt ein Fallbeispiel aus den Gerichtsakten: diewyl die sach von der vnniversitet angefangen soll sy die selbst vsfueren ... zum I. Tractat, III. Titel Von dem bequemlichen Richter, § 1; bei Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 39, Vorw. In Köblers Abdrucksanmerkung entspricht Nassalls „§ 1“ dem „Vorw.“. 192

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

wie sie typisch für studiosi der damaligen Zeit sind: Wirte verlangen dischgelt und kostgelt von privat untergebrachten Scholaren, der Verwalter der Burse fordert rückständigen Mietzins ein und Buchbinder klagen um ihren Arbeitslohn. Über die Kläger finden sich häufiger Vermerke, die sie als Personen außerhalb der Universität kennzeichnen,194 bei den Beklagten nicht. Soweit eine Zuordnung möglich ist, erweisen sie sich durchweg als Universitätsangehörige.195 Die Feststellung der fehlenden persönlichen Zuständigkeit erfolgt äußerst selten. Meistens ging sie vom Gericht und nicht von den Parteien aus. Am 17.11.1548 erklärte das Consistorium zur Klage auf Schadensersatz gegen M. Jonas Danckwart, der Angeklagte unterstehe nicht der Gerichtsbarkeit der Universität,196 und wies sie ab. In den Quellen aus der Rechtspraxis findet sich

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Beispiele aus A 14/1: fol. 5, Christoff Schowman Bürger von Strasburg; fol. 9, Franz der Stattbot; fol. 16, Fridrich Blywysser und Paul Nissel, Schuchmacher; fol. 27, Hans Gog, Bürger allhie; fol. 36, Bernhard Rot, Schneider; fol. 75, Hans Disser, Wirt zum Camelthier; fol. 297, Fridlin Bliwißer, Zunfftmeister ... 195 Bei einer Stichprobe aus den ersten 125 Fällen im Band A 14/1 ließen sich circa 86 % der Beklagten (es kommen Personen mehrfach vor) mittels der Matrikelbücher, oder weil sie in der Burse wohnten, der Universität zuordnen. Bei ungefähr 7 % ist die Zuordnung unklar (es gibt etliche Namensschreibweisen, verschiedene Vornamen, die zeitliche Zuordnung paßt nicht), die restlichen 7 % sind eindeutig nicht immatrikuliert. Da die Matrikeln unvollständig sind, ist die Aussagekraft dieser Zahlen beschränkt. So bekennt beispielsweise Georg Vogelmeyer in einer Inquisition am 24.12.1599, daß er nit Ingeschrieben beyr Universitet, ... doch die Lectiones gehört, beym sindico zuo tisch gangen, vnd die Universitet Jederzeit für seine Oberkhait hallte vnd habe. Er wird by derselben trew darmit er die Universitet erkhennt befragt, A 13/2 (LI3), fol. 138. Insgesamt zeigt sich eine deutliche Mehrheit von offenkundigen Universitätsangehörigen in der Beklagtenrolle. 196 A 14/1, fol. 12, 17.11.1548: Petrus Remigius Lotharingus accusavit M. Jonas Danckwart. Quod equum ... taliter presserit et devastaverit, quod ipsi iam non possit esse usui, eoquem de petere tam pro damno ... quinque florenos. Quinquidem autem M. Jonas sui copia coram Dominus non fecit, iidem decreverunt. Quis accusatus non sit sub iurisdictione Universitatis, necnon et causa illa de qua eundem accusavit, in eodem tempore, q non fuerit sub iurisdictione universitatis, acciderit. Quod Actor eum coram competenti suo iudici querere possit. Hervorhebung BB. Allerdings taucht ein M. Jonas Dankwart in den Matrikeln auf. Es ist außerdem anzunehmen, daß er identisch mit dem aus Freiburg stammenden M. Jonas Dankwart ist, der 1549 bis 1552 Notar der Universität war. Metzger, Beamten- und Wirtschaftsorganisation, S. 105, führt den entsprechenden Notar zwar als „Dankraft“, in den Protokollen steht aber definitiv Dan(c)kwart(h). In den Senatsprotokollen, A 10/7, finden wir auf fol. 396 die letzte Notiz des vorherigen Notars Götz, fol. 397 ist leer, fol. 398 beginnt Jonas Danckwart de dicto Freiburgo artium magister et sacra imperiali authoritate publicum ... notarium am 7. April 1549 als Notar.

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nun, anders als in den Statuten, die ausdrückliche Aussage, nur wenn der Beklagte sub iurisdictione Universitatis stehe, sei das Consistorium zuständig. Vor dem Hintergrund, daß aus der Gruppe der Universitätsangehörigen vor allem Studenten verklagt wurden, fallen Klagen gegen Frauen besonders ins Auge. Da nur Männer studieren durften, liegt eine Überprüfung der Kompetenz in diesen Fällen besonders nahe. Zwar weitete der Stiftungsbrief die Privilegien der hohen Schule auf die Ehefrauen und Kinder der Meister und Schüler aus, so daß grundsätzlich auch eine Frau als Universitätsangehörige gelten und vor dem Consistorium verklagt werden konnte. In den untersuchten Quellen kommt es allerdings nur zweimal tatsächlich zu einem Prozeß gegen eine Frau.197 In den anderen Fällen beklagter Frauen finden sich Bemerkungen zur persönlichen Zuständigkeit. Am 27.03.1557198 forderte Lucas Wimpff von Anna Höfin die eheliche Beiwohnung. Das Gericht ging auf das ungewöhnliche Klagebegehren nicht näher ein, sondern verwies Wimpff an den richter dahien diße sach geherig. Die Nichtzuständigkeit kann in diesem Fall allerdings statt auf der beklagten Person auch auf der Klageart beruhen. Ein weiterer Fall, in dem möglicherweise die persönliche Zuständigkeit eine Rolle spielt, stammt aus der Sitzung vom 16.12.1564.199 Auch hier sollte nach dem Vortrag des Klägers Paulus Mang eine Frau, nämlich die Ehefrau M. Michel Schwagers, verklagt werden. Sie war nicht zur Verhandlung erschienen, weshalb der Kläger beantragte, sie als abwesend contumacem zu erkennen. Darauf beschied ihm das Gericht: Die Inquisitions- und Senatsprotokolle belegen, daß ein Jonas Dankwarth früher einmal unter der Disziplinargewalt der Universität stand, A 12/2 (LI1), fol. 218r, am 12.04.1546, Inquisition Dankwarts auf fol. 218v. Dankwart wurde wegen Verspottung des Taufsakraments – er hatte mit Freunden in der Fastenzeit ein Mahl gefeiert und den Hauptgang, eine Gans, vor dem Verzehr zum Scherz getauft – zu fünf Tagen carcer bei Wasser und Brot und vier Gulden Strafe verurteilt. Vgl. Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 109 f. Die Formulierung in den Consistorialakten in eodem tempore, q non fuerit sub iurisdictione universitatis, acciderit spricht ebenfalls dafür, daß Dankwart in der Zwischenzeit als nicht mehr der Universität angehörend gesehen wurde. 197 Einmal in der Erbstreitigkeit zwischen Margarethe Götz bzw. M. Johann Bosch als ihrem rechtgesetztem Vogt als Klägerin mit den Erben Dr. Paul Götzens. Eine dieser verklagten Erben war Anna Arbosterin mit ihrem Vogt Dr. Georg Hauenstein, A 14/1, fol. 362, Sitzung vom 02.07.1554. Wegen Schulden wurde D. Johann Rotenburgers Hausfrau mit ihrem Vogt M. Hans Bosch von Andreas Belbinger und Regina Füchsin am 15.11.1561, A 14/2, fol. 11v, verklagt. Das Urteil erging in derselben Sitzung, A 14/2, fol. 12v. In einem weiteren Fall mit einer Frau als Beklagter handelte es sich um eine Provokationsklage. Vgl. zu dieser Klageart Dick, Kameralprozeß, S. 102 f. Im Fortgang des Prozesses wechselte Schwester Otilia in die Rolle der Klägerin. A 14/1, 02.09.1553, fol. 352. 198 A 14/1, fol. 429, clagt nach Anna Höfin, mit Ime zu kirchen und straß gangen als sein ehlich weib, soll sy Ime eliche beywonung thuen ... 199 A 14/2, fol. 66r.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität er möge M. Micheln alhär citieren laßen, oder aber sein frawen allhie verbieten laßen, oder sie vor der stat allhie mit Recht fürnemen und ersuochen.

Augenscheinlich geht das Consistorium davon aus, die Frau sei nicht ordnungsgemäß geladen worden, denn sonst müßte es sie für säumig erkennen. Die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten, die es dem Kläger vorschlägt, enthalten etliche Merkwürdigkeiten. Zum einen ist es eigentümlich, ihm die Wahl zwischen einer Citation des Mannes und seiner Ehefrau anzubieten. Dies erweckt den Eindruck, M. Schwager könne für seine Frau auftreten, müsse es aber nicht. Ungewöhnlich ist das deshalb, weil eine Frau zumindest in der häufiger vorkommenden Rolle als Klägerin nach der Praxis des Gerichts in der Regel einen Vormund oder Vertreter benötigte.200 Ebenfalls seltsam ist, daß das Consistorium als Alternative eine Klage vor der Stadt nennt, obwohl doch eigentlich ausschließende Konkurrenz zwischen diesen Gerichten besteht. Nach den Bestimmungen über die Zahl der uxorati, der verheirateten Universitätsan200 Eine genaue Unterscheidung zwischen diesen Instituten läßt sich aus den Akten nicht entnehmen. Das grundsätzliche Erfordernis wird besonders deutlich in einem Fall aus der Sitzung vom 15.11.1561, A 14/2, fol. 12r, Elsbet Weißgerberin gegen M. Hans Bosch. Obwohl die Frau zunächst als Klägerin, actrix, bezeichnet wird, und rechtlich handelt (Bosch contestat litem negative, Actrix defert Juramentum Reo), entscheidet das Gericht schließlich, sie dürfe nicht allein auftreten: Uff das ist erkannt, will die fraw Recht, so soll sie Iren mann bringen. Witwen dagegen konnten ohne Vertreter gerichtlich handeln. A 14/1, fol. 108, 04.05.1549. Balthasar Gansers selig verlaßne Wittib klagt Schulden bei Andreas Bun ein. A 14/1, fol. 154. In der Sitzung vom 16.11.1549 klagen – ebenfalls um Schulden – Conrat Hoffman selig wittib gegen Jacob Wack und Margreth, Gregor Stockemans Wittib gegen Martinus Stuber. A 14/1, fol. 185, 14.12.1549, klagt Hans Krießboms selig Wittib gegen Balthasar Leich. Am 17.11.1565, A 14/2, fol. 70r, erhält Hartman Morlins Wittib die erste Citation gegen Hans Schäublin. Alle diese verwitweten Frauen treten allein auf. Zuweilen akzeptiert das Consistorium auch gerichtliche Handlungen von Frauen, die nicht als Witwen gekennzeichnet sind, v.a. von Wirtinnen. A 14/1, fol. 271, 31.01.1551, Barbara N. Wirtin zum Kiel hatt prima contumacia erlangt contra Henricus Arnsperg. A 14/1, fol. 336, 29.10.1552, Es ist erschienen die würtin Zum Schwert ... [ist] dißer bescheid gefallen, ... mag sy Ine citieren und beclagen [sobald der Schuldner aus der Haft entlassen wird]. Am 21.11.1556, A 14/1, fol. 417, erhält Anna Schmidin, die Wirtin zum Ochsen, zwei Citationen. Entweder gab es Sonderregeln, nach denen diese Frauen für Geschäfte, die mit ihrem Gewerbe zusammenhingen, als voll geschäftsfähig galten, oder das Consistorium hatte einen Ermessenspielraum hinsichtlich der Entgegennahme von rechtlichen Erklärungen durch Frauen, den es im Fall der Weißgerberin (erstes Zitat) zu ihrem Nachteil ausübte. Vgl. allgemein zur prozessualen Rechtslage bzgl. der rechtlichen Handlungsfähigkeit von Frauen Koch, Die Frau im Recht der frühen Neuzeit, S. 85; sowie dieselbe, Maior dignitas, S. 84 ff. Die Quellen ergeben kein einheitliches Bild, in der Regel benötigten allerdings vor allem verheiratete Frauen vor Gericht einen Stellvertreter.

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gehörigen, müßte bekannt sein, ob M. Schwager und seine Frau der Universität unterstellt waren oder nicht. Da der Kläger den Fall – zumindest vor dem Universitätsgericht – nicht mehr verfolgte, liefern die Consistorialprotokolle keine weiteren Antworten auf die Fragen, die diese Passage aufwirft. Auch über die Aktiv- und Passivlegitimation beim Tod von Parteien finden sich Informationen in den Gerichtsprotokollen: Wenn ein Kläger starb, nachdem er begonnen hatte, Citationen201 gegen einen Schuldner zu beantragen, konnten seine Erben das Verfahren weiterführen. Dies belegen verschiedene Fälle: Problemlos beantragte und erhielt beispielsweise Gilg Schmidlins sälig fraw die vierte Citation gegen Georg Müller. Die ersten drei hatte ihr zwischenzeitlich verstorbener Mann beantragt.202 Ebenso war es möglich, einen Prozeß nach dem Tod eines Universitätsangehörigen gegen seine Erben vor dem Consistorium anzustrengen, wenn diese keine Einwände erhoben. Als Beispiel kann das Verfahren gegen Augustin Bidermann und Panthaleon Ruöger, die Rechtsnachfolger des Conventors M. Wendelin Ruöger,203 dienen. Am 13.10.1565 hatte Bidermann zu Prozeßbeginn noch folgenden Vorbehalt geäußert: wiewol er vor diesem Consistorio dem Kleger zuoantwurtten von Rechts wegen nit schuldig, so welle er sich doch guotwillig allhie ins Recht begeben und einlaßen.204

Sein Argument gründet wahrscheinlich darauf, daß er nicht der Universität angehörte und das Consistorium somit für eine Klage gegen ihn nicht zuständig war. Da Bidermann und Panthaleon Ruöger gleichzeitig in verschiedenen 201

Zu den beim Gericht beantragten Citationen vgl. Dritter Teil § 3 I. 2. b). A 14/2, fol. 66r, 17.02.1565. Er hatte am 10.06.1564 bereits die vierte Citation gegen Müller erhalten, A 14/2, fol. 64r. Dies schien aber weder seine Witwe noch das Gericht zu bemerken. Es handelt sich um ein weiteres Beispiel einer selbständig vor Gericht auftretenden Witwe. 203 Anfangs tritt Augustin Biderman als anwalt Pantaleon Rueger weiland M. Wendel Ruegers gewesenen Conventors säligen vatters auf, A 14/2, fol. 67v, 02.06.1565. Er klagt in verschiedenen Fällen Schulden, die beim verstorbenen Conventor W. Rüger gemacht wurden, ein. Am 13.10.1565, fol. 69r, heißt es dann über Bidermann als eingesetzen Erben M. Wendel Ruögers, des Conventors säligen. Am 16.02.1566, fol. 72r, wird die beklagte Partei mit M. Hans Frey als anwaldt Augustin Bidermanns in namen M. Wendel Ruögers säligen Erben bezeichnet, im Endurteil vom 21.06.1567 erscheint Dr. Johann Frey als afteranwalt Panthaleon Ruögers, weylund M. Wendel Ruögers säligen vatter und erb beclagten anderstheils. Die Durchstreichungen im Original legen nahe, daß auch beim Consistorium eine gewisse Verwirrung im bezug auf die Parteien herrschte. Wahrscheinlich hatte Panthaleon Ruöger den Biderman mit seiner Vertretung beauftragt, welcher wiederum Frey als Anwalt bestellt hatte. Die Anwaltskonstitution ist jedoch in den Akten nicht erhalten. 204 A 14/2, fol. 69r. 202

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Verfahren, welche die Hinterlassenschaft W. Ruögers betrafen, als Kläger vor dem Consistorium verhandelten, betrachteten sie es wohl als zweckmäßig, auch dieses Verfahren dort abzuwickeln. Auch der Gerichtsentscheid betont, Bidermann habe sich freiwillig auf die Klage eingelassen. Im folgenden Prozeß, der sich länger als anderthalb Jahre hinzieht,205 spielt diese Frage keine Rolle mehr. Die Situation stellte sich anders dar, wenn eine Klage erstmalig gegen die Erben erhoben werden sollte und diese nicht einverstanden waren. So konnte ein Gläubiger die Erben seines Schuldners, die nicht zu den Universitätsangehörigen zählten, nicht citieren lassen: Am 17.02.1565 beantragte M. Conrad Frick die erste Citation gegen M. Georg Hutmacher sälig, dessen Erben und Verwandte. Auf dieses Ersuchen wird geantwortet: respondetur: [er] möge die erben des verstorbenen umb die schuld ahn ortten und enden sie geseßen ersuochen, dann man die Erben nit citieren könnde.206

Vermutlich sah das Gericht im beschriebenen Fall die mangelnde persönliche Zuständigkeit für die Erben als Hinderungsgrund an, zumal in diesem Fall nicht zu erwarten war, daß sie sich freiwillig auf eine Verhandlung vor dem Consistorium einlassen würden. Eine Fallkonstellation, in der ein Beklagter stirbt und das Verfahren gegen die Erben weitergeführt werden soll, taucht im untersuchten Quellenmaterial nicht auf. Wenn das Verfahren zu Lebzeiten einer Person, die ihren Gerichtsstand an der Universität hatte, begonnen wurde, ist aber davon auszugehen, daß dies möglich war.207 Insgesamt bestätigt der universitäre Quellenbefund die obige Interpretation des Stiftungsbriefs: Das Consistorium war zuständig für Klagen gegen Universitätsangehörige, der Kläger konnte sowohl innerhalb wie außerhalb der Hohen Schule stehen. Diese Kompetenzverteilung war klar und bekannt, deshalb mußte sie nicht ausdrücklich angeordnet werden und war so gut wie nie Streitpunkt oder Thema vor Gericht. Einen Sonderfall bildeten die sogenannten Wider- oder Gegenklagen, die zuweilen vom Beklagten gegen den Kläger erhoben wurden. Bei den Injurienklagen, wo sie besonders häufig waren, wurden die Reconventiones vom Consistorium problemlos angenommen, auch wenn der Gegenbeklagte kein 205

Bis zum 21.06.1567, A 14/2, fol. 78v. A 14/2, fol. 66r, 17.02.1565. 207 Die hier geschilderte Praxis des Universitätsgerichts stimmte auch mit den Regeln des Freiburger Stadtrechts zu dieser Frage überein: Begeb sich das einer in hangendem rechten abstürb / so sind sine erben schuldig / in dem rechten fürzufaren ... Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 55, I. Tractat, VIII. Titel Von klag gegen klag vnd antwurt wie die geschehen sollen, 16. Wie erben in rechtlichen hendlen schuldig sind zu vollfaren. 206

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Universitätsangehöriger war. Dies entspricht den Regeln des römischen Rechts,208 nach denen der Gerichtsstand der Widerklage am für die Hauptsache zuständigen Gericht begründet war. Folgerichtig verhandelte man sogar die Gegenklage des Hofmeisters von Lalosch, die sich gegen die Stadt Freiburg wandte,209 ganz selbstverständlich am Consistorium. Ulrich Zasius stellte diese Rechtsfrage in seinen Vorlesungen, die als Kommentare zu den Digesten, In Titulos aliquot Digesti veteris commentaria, gehalten wurden, zu D. 1, 2 De jurisdictione dar. Tertio quando diuersæ summæ uia conuentionis & reconuentionis petuntur à iudice qui non est utrisque partibus competens, quia est iudex rei, non actoris, quo casu actor sequitur forum rei: hoc loco si reus reconueniat actorem, causa debet tractari coram eodem iud. & erit hoc casu cometens iud. Illud tertium adiecit Imper. de nouo in d.l. cum Papinianus. hoc non fuit prouisum per iura Digestorum, quod actor cogeretur respondere coram iudice non suo:210

Zum dritten [erweiterten die Novellen die Zulässigkeit von Gegenklagen], wenn verschiedene Geldsummen mittels Klage und Gegenklage von einem Richter begehrt werden, der nicht für beide Parteien kompetent ist, weil er der Richter des Beklagten, nicht aber des Klägers ist, in welchem Fall der Kläger dem Gerichtsstand des Beklagten folgt. Wenn nun an diesem Ort der Beklagte eine Gegenklage gegen den Kläger einbringt, muß die Sache vor eben diesem Richter verhandelt werden, und er ist der zuständige Richter für diesen Fall. Nun folgt ein Beispiel, welches Zasius, für seine anschaulichen Vorlesungen bekannt, direkt aus der Lebenserfahrung der Studenten griff: & ita quotidie fit in Consistorio nostro, cum laicus impetit scholarem sub suo iudice, sub rectore, scholaris si habeat querelam contra actorem laicum, potest cum eum reconvenire coram rectore. Propterea non sunt audiendi laici, quando uolunt subterfugere iurisdictionem in casu reconventionis, quia hoc salubriter est provisum per Imp. in d.l. cum Papinianus. cum Authent. seq.

Und so geschieht es täglich vor unserem Consistorium, wenn ein Laie einen Scholaren bei dessen Richter, dem Rektor verklagt. Sollte der Scholar eine Beschwerde gegen den klagenden Laien haben, kann er gegen ihn Gegenklage 208

Wetzell, Civilproceß, S. 507 f., das forum reconventionis war für jede Klage begründet, die während eines anhängigen Prozesses bei dem für diesen zuständigen Gericht vom Beklagten gegen den Kläger eingereicht wurde. 209 Klage der Stadt, A 14/2, fol. 47r, 06.02.1563, wegen der Verletzung eines ihrer Stadtwächter. 210 Zasius, Opera Omnia, A, col. 454, 24. (=Band I, S. 229), Beginn A, col. 450. A, col. 409-483 beziehen sich auf D. 2,1 De iurisdictione, Es handelt sich um von Zasius nach 1520 gehaltene Vorlesungen, Rowan, Zasius, S. 246 (Appendix A).

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vor dem Rektor erheben. Aus diesem Grund soll den Laien kein Gehör geschenkt werden, wenn sie sich der Jurisdiktion des Rektors bei Gegenklagen entziehen wollen, denn das ist zweckdienlich geregelt per Imp. in d.l. cum Papinianus. cum Authent. seq. Zasius spricht hier vom Freiburger Universitätsgericht und schildert genau das Problem, mit dem wir uns befassen! Selbst häufiger Beisitzer am Consistorium,211 konnte sich der scharfzüngige Professor den Seitenhieb auf Stadtbürger, die der Gerichtsgewalt der Universität entwischen wollen, nicht verkneifen. Um so bemerkenswerter ist es, daß sich in den untersuchten Consistorialprotokollen, kaum 30 Jahre nach Zasius, Verfahren finden, in denen das Gericht gegen Stadtbürger gerichtete Widerklagen abwies. Es handelt sich dabei meist um Fälle, in denen ein vor dem Consistorium verklagter Schuldner versuchte, seinen Gläubiger im Wege der Aufrechnung zu befriedigen, und der Kläger die gegen ihn behauptete Forderung bestritt. Der Streit zwischen Caspar Reppich und Christan Bürge wurde am 14.11.1562 zunächst mit einer gütlichen Handlung beigelegt: Der Beklagte C. Bürge erhielt einem Monat Zeit, um seine Schulden zu begleichen. Er versprach in manu Rectoris, diese Frist einzuhalten und der Kläger zeigte sich mit dieser Lösung zufrieden.212 Einen Monat später beschwerte sich Reppich, die Schuld sei trotz des Versprechens noch nicht bezahlt worden. Bürge entgegnete, er hab es erlegt vnd legt es nochmaln also bar daher, verlangte aber zugleich reconveniendo vom Kläger zwei Thaler, mit der Begründung, ein Dritter habe ihm diese Forderung gegen seinen (vormaligen) Gläubiger abgetreten.213 Auf diese Gegenklage erwiderte Reppich: die Reconvention hab nit mer hie stat, begert für sein ordenliche oberkeit deßhalb gewisen zu werden.

Das Gericht schloß sich seiner Auffassung an und entschied, der Beklagte solle den Kläger vor dem Stadtgericht verklagen,214 wenn er diese Forderung gerichtlich geltend machen wolle. Möglicherweise wurde die nachträgliche Aufrechnung vom Consistorium nicht mehr akzeptiert, weil mit der gütlichen

211

Zuletzt im SS 1525, A 10/5, fol. 144, 29.04.1525. A 14/2, fol. 42v. Das hat der Reppich guott laßen sein. 213 A 14/2, fol. 45r, 19.12.1562, 2 thaler, so er Reppich Frantzen von Hotzfeld umb ein verlorene büchs schuldig, vnd er Frantz ime Bürge dise schuld übergeben, laut einer handschrifft. 214 Ist erkant Christan Bürge möge den Reppich deßhalben vor dem statgericht ersuochen. 212

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Handlung bereits eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache ergangen war und der Beklagte das geschuldete Geld erstattet hatte.215 Allerdings gibt es einen weiteren Fall, in welchem das Gericht ähnlich urteilte, obwohl noch keine Entscheidung ergangen war. Am 05.09.1562 klagte Dr. Stephan Burger gegen Dr. Jacob Wack auf Zahlung von ausstehendem Kaufpreis. Der Beklagte gestand die Schulden und wollte sie mit einer eigenen Forderung gegen den Kläger verrechnen oder nur Zug um Zug leisten.216 Burger stritt die gegen ihn behauptete Forderung ab. Das Consistorium urteilte wie folgt: Ist uff clag, antwortt gegen und widerred, auch allem fürbringen zuo recht erkannt, das der beclagt dem cleger seine ansprach vnd vorderung der 12 gulden, deren er bekanntlich ... beZalen solle; Wo dan beclagter einiche ansprach gegen den cleger zuohaben vermeint, mag er ine ahn gebürdenden ortth darumben ersuochen wie Recht ist.217

Der Beklagte appellierte gegen diese Entscheidung, doch ohne Erfolg, die appelation ist uß ursach abgeschlagen und nit deferiert. Der Grund für dieses Urteil könnte in den Zulässigkeitsvoraussetzungen, die eine Widerklage erfüllen mußte, liegen. Im vorliegenden Fall fehlte es an einem Zusammenhang zwischen Klage und Gegenklage. In der oben zitierten Zasius-Stelle tauchte ein solches Erfordernis nicht auf, obwohl es ebenfalls um gegeneinander aufzurechnende Forderungen ging. Die Frage, ob derartige Konnexität erforderlich ist, wurde in der gemeinrechtlichen Wissenschaft und Praxis allerdings unterschiedlich beantwortet. Während – auf der höchsten gerichtlichen Ebene – die Reichskammergerichtsordnungen sich nicht eindeutig äußerten, bejahte die reichskammergerichtliche Praxis die Notwendigkeit eines rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhangs.218 Auf der anderen Seite maßen die gemein-

215

Wetzell, Civilproceß, S. 508. Die Widerklage muß während der Rechtshängigkeit der Hauptklage erhoben werden. Manche Autoren des gemeinen Rechts setzen den Zeitpunkt bereits mit der Litiskontestation an, z. B. Zasius, Opera Omnia, H, 258, 3. (=Band VI, S. 131) certi iuris est, quod post litem contestatam non est locum reconuentioni. 216 Reus bestat die schuld, sagt aber D. Stephan sy im auch schuldig, so er ime bezal well er Wack auch zalen, vnd begert Rechnung. Der Ausdruck miteinander rechnen bedeutet in den Akten stets ein Zusammen- und Aufrechnen der gegenseitigen Forderungen, mit dem Ergebnis einer einheitlichen Forderung oder, häufig, einer gütlichen Einigung. 217 A 14/2, fol. 36v, im selben Termin. 218 Mynsinger, Singularium Observationum, Cent. I, Obs. 10; Danz, Ordentlicher Prozess, S. 622 Anm. (e); Wetzell, Civilproceß, S. 845; Dick, Kameralprozeß, S. 162. Ob, wie Wetzell und Danz ausführen, dies auch das Verständnis des römischen Rechts

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rechtliche Lehre und etliche Partikulargesetze der Konnexität keine Bedeutung zu.219 Das Freiburger Stadtrecht hingegen neigte der zuerst geschilderten Auffassung zu, indem es bestimmte, ein Kläger müsse sich auch ohne gesonderte Ladung auf eine Gegenklage einlassen, wenn die reconvention darzu die erst klag einer natur syent und vß einandern volgen.220 Nach diesem Verständnis ist die enge Verbindung von Klage und Gegenklage der Grund dafür, beide am selben Gericht zu verhandeln. Fehlt sie, entfällt zugleich das tragende Argument für den einheitlichen Gerichtsstand. Da das Universitätsgericht seine Entscheidung nicht begründete und auch die Parteien nicht mit juristischen Topoi arbeiteten, läßt sich leider nicht feststellen, inwieweit diese Begründungen eine Rolle spielten. Das Consistorium zeigt jedenfalls in dem zitierten Urteil keine Neigung, seine Zuständigkeit auszuweiten, indem es Forderungen und damit Klagen verbindet, die nicht eindeutig voneinander abhängen. Eher deutet die Entscheidung auf ein generelles Mißbehagen hin, sich in fremde Gerichtszuständigkeiten einzumischen. Soweit sich aus den wenigen Urteilen ein Befund ziehen läßt, liegt die universitätsgerichtliche Praxis mit der Forderung von Konnexität auf der Linie des Freiburger Stadtrechts, das von anderen normativen Rechtsquellen und der wohl herrschenden Lehre des gemeinen Rechts abweicht, aber im Einklang mit dem Verfahren am Reichskammergericht steht.

war, kann (und muß auf Grund des völlig verschiedenen Verfahrensablaufes, vgl. dazu Kaser, Römisches Zivilprozeßrecht, S. 264, 478 Anm. 26) dahingestellt bleiben. 219 Wetzell, Civilproceß, S. 845 sowie besonders S. 507, Fn. 69; Danz, Ordentlicher Prozess, S. 622 Anm. (e); Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 65; vgl. auch Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 98. 220 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 54, I. Tractat, VIII. Titel Von klag gegen klag vnd antwurt wie die geschehen sollen, 10. Wie die gegenklag statt haben mag. Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 64, folgert aus dieser Bestimmung, eine Gegenklage sei nur bei Sachzusammenhang mit der Hauptklage zulässig: Da nach dem Stadtrecht die Widerklage nur bis zur Litiskontestation erhoben werden durfte, müsse es sich um eine reconventio propria (eigentliche Widerklage) handeln, die Konnexität erforderte. Ebenso Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 98 ff., der mit Belegen aus der Freiburger Rechtsprechung nachweist, daß die Praxis mit Sicherheit Konnexität verlangte. Da ihm die identische Praxis des Reichskammergerichts nicht geläufig ist, kommt er zu der wohl unzutreffenden Auffassung, die Freiburger Regelung sei singulär.

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3. Zusammensetzung a) Die Herren Consistoriales Das Gericht bezeichnet sich selbst als die herrn Consistoriales. Hin und wieder führt ein Schreiber nach den Neuwahlen zu Semesterbeginn die Besetzung auf. Das erst Consistorium ist gehalten worden uff Sambstag 20 Octobris 1548, Iudex Dominus Rector Doctor Martinus Kugelin, Assessores D. Valentinus Fabri, D. Joannes Venatorius, D. Sebastianus Austrius, M. Balthasarus Wurer, decanus [facultatis artium].221

Die neugewählten assessores wurden stets in den Senatsprotokollen vermerkt. Anhand der Aufzeichnungen aus dem Untersuchungszeitraum222 läßt sich ersehen, daß in der Praxis die Forderung der Statuten, jede Fakultät müsse vertreten sein, in der überwiegenden Zahl der Semester erfüllt wurde. Folglich war fast immer mindestens ein Juraprofessor und damit ein im gelehrten Recht ausgebildeter Jurist Mitglied des Consistoriums. Meistens waren aber die juristischen Laien in der Überzahl. Die Frage nach dem Ansehen und der Autorität des Gerichts ist eng mit dem Status der Professoren verknüpft. Innerhalb der Universität hing dieser von der Fakultät und dem Dienstalter ab. Die Frage nach der gesellschaftlichen Stellung der Professoren läßt sich nicht eindeutig beantworten, unter anderem deshalb, weil sie aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammten und keine homogene Gruppe bildeten.223 Zwar galt der juristische Doktortitel als eine Art Adelstitel, aber sozialer Status bemaß sich auch nach der finanziellen Situation, und die war in Freiburg für das Gros der Professoren nicht allzu rosig. Dennoch sollte man die Autorität, die ein aus fünf Professoren bestehendes Gremium – jedenfalls ordentlichen Studenten gegenüber – ausstrahlte, nicht gering schätzen. Dieser Faktor mag dem Consistorium geholfen haben, die Parteien in seinem Sinne zu beeinflussen. 221

A 14/1, fol. 2; A 14/2, fol. 1r: Judex D. Jacobus Imenhaber Rector, Assessores D. Christophorus Caseanus. D. Johannes Artopaeus. D. Gallus Streittstainer. M. Marcus Teggingerus Decanus facultatis artium. 1561, Zinstag der 24. Juni; ebenso beim Wechsel des Notars: A 14/1, fol. 289, Das erst Consistorium ist gehalten worden vff Sambstag den 15 Januarii anno 1552. Iudex Dominus Rector Doctor Theobaldus Bapst, Assessores D. Andreas Faller, D. Paulus Götz, (absens) M. Martinus Ob Decanus, M. Jacobus Immenhaber. Es handelte sich bei dieser Sitzung um die dritte im Wintersemester 1552/53, allerdings um die erste mit Gervasius Bawmann als Notar. 222 Vgl. die Tabellen bei Ruth, Personen- und Ämtergefüge. 223 Vandermeersch, Die Universitätslehrer, S. 207 ff.

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b) Iudex Im Artikel 18 der AoR, De Consistorio, seu foro Judiciale, lesen wir über die Urteilsfindung am Consistorium: Rector non iudicat, sed assessorum sentenias colligit, nisi pares utrinque certent.224

Die Textstelle bestimmt die Position des Rektors näher, der in den Quellen schlicht als Iudex bezeichnet wird. Er ist Richter, urteilt aber grundsätzlich nicht selbst, sondern leitet lediglich die Verhandlung und sammelt die Voten der Beisitzer. Diese Art der gerichtlichen Aufgabenteilung in Richter und urteilende Beisitzer kennt man von ganz verschiedenen Gerichtsgremien. Sie begegnet uns sowohl im alten deutschen Rechtsgang in der Gestalt von Richter und Urteilern, aber auch bei den Spruchkollegien des gelehrten Rechts.225 Anders war es allerdings bei den kirchlichen Gerichten, wo der Offizial als selbsturteilender Richter tätig wurde. Im übrigen entspricht die Regelung der Freiburger Statuten für die Urteilsfindung des Consistoriums auch dem Abstimmungsmodus im akademischen Senat: Stimmrecht hatte der Rektor hier ebenfalls nur in Pattsituationen. Schwinges stellt bei der Untersuchung der Freiburger Rektoren des 15. Jahrhunderts ein „Sich-durchsetzen“ der Juristen auf Kosten der anderen Fakultäten226 fest. Diese Aussage ist insgesamt kritisch zu werten, für das 16. Jahrhundert, wo sie für die Einschätzung des Rektors als Richter relevant sein könnte, trifft sie keinesfalls zu. Die meisten Rektorate entfallen auf die Theologen, insbesondere gibt es eine Häufung bei den Dres. Immenhaber und 224

AoR, ediert König, Rectorat, S. 77, Judicata per notarium partibus præleguntur. Nonnulla Rector indicat, monetque; iuxta Assessorum iussa. Der Notar verliest den Parteien die Urteile. Manche verkündet auch der Rektor und spricht, nach Anordnung der Assessoren, Ermahnungen aus. 225 Zumindest formal besteht hier eine Parallele. Zu den inhaltlichen Unterschieden vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 183. Im gemeinrechtlichen Prozeß hatte der Richter auch die sachliche Prozeßleitung inne, arbeitete also mit den Beisitzern bei Verhandlung, Beschlußfassung und Urteilsfindung eng zusammen. Darum konnte er nach der Freiburger Regelung in Pattsituationen als Zünglein an der Waage fungieren. 226 Schwinges, Rektorwahlen, S. 29 f. Er betrachtet 40 Jahre, in 80 Semestern wurden 43 Personen zum Rektor gewählt. Ein Fakultätenturnus oder eine andere Reihenfolge läßt sich nicht beobachten, Juristen und Theologen beherrschten das Wahlgremium und den Zugang zu Führungsamt. Die klare Überzahl der Juristen kommt auch dadurch zu Stande, daß Schwinges diese Kategorie zu weit faßt: Als „Juristen“ sieht er z. B. vier Bakkalare an, die als Fachstudenten aus der Artistenfakultät herauswuchsen, diese aber noch vertreten konnten. Auch etliche Adelsrektoren, von denen er irrtümlich annimmt, sie hätten die Geschäfte selbst geführt, zählt er zu den Juristen. „Juristische“ Rektoren ermittelt Schwinges in 41 Fällen (51,3 %).

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Eliner.227 Von den 40 Rektoraten des Untersuchungszeitraums entfielen über 60 % auf Theologen und 30 % auf Juristen. c) Notar und Pedell Ab Anfang des 16. Jahrhunderts beschäftigte die Universität Freiburg einen hauptamtlichen Notar.228 Die Ernennung von Notaren erfolgte ursprünglich nur durch den Papst oder Kaiser;229 Spuren hiervon finden sich noch in den Selbstbeschreibungen der Notare in den Vorreden, mit denen sie die von ihnen geführten Akten beginnen. ... mich Gervasium Bawmann, freier künsten meyster auß hailigen Bäpstlichen vnnd Kayserlichen gwalt offen und geschworenen notarien ...230

Im 16. Jahrhundert gehörte zu den Hauptobliegenheiten des Notars neben der Beurkundung auch die Vernehmung und unter Umständen die Vereidigung von Zeugen. Teilweise wurde der Notar hier im Auftrag von Parteien tätig, die im damaligen Zivilprozeß in stärkerem Maße als heute selbst Beweis führten. Vielfach verhörten die Notare auch im Auftrag der Gerichte auswärtige Zeugen.231 Auch in Freiburg wird der Notar auf Antrag der Parteien als Commissar für Zeugenverhöre bestimmt.232 Obwohl sich neue Amtsinhaber zum Teil durch deutlich ein anderes Schriftbild abheben, bleibt der Stil einheitlich, nüchtern und objektiv. Nur selten, dafür aber um so bemerkenswerter für den Leser, erlaubt sich ein Schreiber einen Kommentar über den strepitus iuris: Pius Conradinus rei procurator multa locutus haec in effectu dicit233 oder, direkter

227

Vgl. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 79, sowie den Anhang, Tabellen Rekto-

ren.

228

Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 44 zu Personen, S. 45 zu Schreibtaxen. Metzger stellte eine Liste der Universitätsnotare zusammen: Metzger, Beamten- und Wirtschaftsorganisation, S. 104 f. Teilweise sind die Angaben kritisch zu bewerten, M. Jonas Dankwart firmiert als M. Jonas Dankraft, und bei diesem Notar sind auch die angegeben Daten zweifelhaft. 229 Döhring, Rechtspflege, S. 174. 230 A 14/1, fol. 289, 16.01.1552. Vgl. A 14/1, fol. 1, 20.10.1548, ... mich Johann Götz von Balingen ... von keyserlicher macht offenen Notarien ... 231 Döhring, Rechtspflege, S. 175. 232 A 14/2, fol. 3v, Baldung actor petit admitti ad probandum, nominat Commissarium M. Blasium Weidenkeller [den Notar] ad examinandum testes q etiam admittitur a reo. 233 A 14/2, fol. 62r, am 18.12.1563.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

nach langem unnotwendigen fürbringen,234 nach vielen wortten unvonnöten zu schreiben.235 Der Pedell236 fungierte neben seinen anderen Beschäftigungen als Gerichtsdiener beim Consistorium. Im Rahmen dieser Aufgabe war er für die Ladung der Parteien und Botengänge zuständig. Auch andere seiner Tätigkeiten weisen einen Bezug zum Consistorium auf: Er war für die Aufbewahrung von Pfandgegenständen verantwortlich und sollte eine Liste der arrestierten Personen führen.237 II. Senat, Convocatio, Universitas Omnia ... facultates ... senatus academici iurisdictioni potestatique subiiciuntur, nam ab ipso seu a capite membra omne suum robur, decus authoritatemque accipient.238

1. Zusammensetzung239 Auch beim Senat sind sichere Aussagen über die Auswahl der Mitglieder erst mit den Statuten von 1581/83 möglich. Wie die Darstellung der Ursprünge des Consistoriums zeigte, ist bereits die genaue Identifikation des Gremiums in der Frühzeit schwierig. Vermutlich wurden alle Fakultäten zunächst durch ihre Dekane vertreten. Später erfolgte eine Umstrukturierung, nach der in der Regel 234

A 14/2, fol. 81v, am 09.02.1568; A 14/2, fol. 72v, 16.03.1566, vnd als sie zuo beden theilen viel vnnotwendig ding vorgebracht, ist inen weiter dilation ir sach fürzuobringen gegeben worden. 235 A 14/2, fol. 45v, am 19.12.1562. 236 Vgl. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 55 ff. Nauck, Pedellenamt, S. 183-220. Beide betonen die Polizeifunktion des Pedellen. 237 A 4/6, LSS, Quartum: De Assessoribus Consistorialis ... Officium: 4. Absatz.: Si dedit pignora, custodientur a Pedello Acad. aut alio de fide digno ... A 4/2, LSR 1581, XXVI. De transgressoribus Inhibitionis, quam Arrestum vocant, 3. (letzter) Absatz. Pedellus denique nomen eius, cui inhibitionem denunciavit, simulque et diem in peculiarem chartam conscribet: ut numerus dierum, et hebdomadarum decursarum certus cognosci possit. 238 A 4/6, LSS, XIII. De collegiis seu facultatibus in genere. In den Senatsprotokollen sagt das Gremium über sich selbst: Hieruff zeigt Universitas ahn, sie seye magistratus vnnd alle facultates seyen allein membra. A 10/9, fol. 273, die St. Jacobi, 25.07.1568. Stammt aus dem Konflikt über das Ius incarcerandi. 239 Vgl. zum Senat das entsprechende Kapitel bei Ruth, Personen- und Ämtergefüge: S. 33-37.

§ 3 Gerichtsorganisation in der Praxis

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alle Ordinarien der höheren Fakultäten in den Senat aufgenommen wurden.240 Nur bei der Artistenfakultät blieb es bei der Repräsentation durch ihren Dekan, wobei die Vertretung der unteren Fakultät durch weitere Räte aus ihren Reihen immer wieder zu Diskussionen im Senat führte. Zeitweise pendelte sich die Bestellung zweier weiterer Consiliarii aus den Reihen der Artistenfakultät ein, allerdings wurde dies nie ausdrücklich festgehalten.241 In den AoR und den ab 1581 vorhandenen Statuten finden wir die Bezeichnung Consiliarii Academici Senatu für die Senatsmitglieder. Schon vor diesem Zeitpunkt stößt man in den Senatsprotokollen hin und wieder auf eine Auflistung von zehn oder mehr Personen, die als Consiliarii Universitatis242 bezeichnet werden. Sie umfassen fast alle Professoren der höheren Fakultäten und eine wechselnde Zahl von Artisten. In der Regel wurden die Ordinarien der höheren Fakultäten nach einer Probezeit in den Senat aufgenommen, um die Verwaltungsarbeit auf möglichst vielen Schultern zu verteilen.243 2. Gerichtliche Aufgaben des Senats Auf diesem Gebiet betreten wir Neuland, denn Ruth, der als einziger moderner Forscher Consistorium und Senat als getrennte Gremien behandelt, verneint ausdrücklich eine jurisdiktionelle Funktion des Senats.244

240

Über den Zeitpunkt dieser Änderung besteht keine Einigkeit. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 35, datiert sie früher als Mertens/Speck, Rektorat, S. 11, welche die 60er Jahre des 16. Jahrhunderts angeben. 241 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 36. 242 A 10/9, fol. 403, am 31.10.1572; fol. 472, am 31.10.1573; fol. 492, am 30.04.1574. An den Daten erkennt man, daß die Aufzeichnung jeweils zu Semesterende geschah. 243 Jodocus Lorichius erhielt im Juni 1574 einen theologischen Lehrstuhl (A 10/9, fol. 504), wurde im November desselben Jahres ordentlicher Professor und am 28. April 1575 (A 10/9, fol. 555) als dauerndes Mitglied in den Senat aufgenommen. Sicherlich lief in diesem Fall alles reibungslos und rasch, weil sich Universität und Herrschaft in der hohen Meinung über Lorichius einig waren. Bei Franciscus Olzignanus, den die Universität ablehnte, argumentierte sie, er sei u.a. deshalb nicht geeignet, weil er als Italiener den Senatssitzungen nicht folgen könne und deshalb der Universität nicht mit Rat und Tat dienen könne, wie es von einem Professor normalerweise zu erwarten sei. Vgl. Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 344, Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 37. 244 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 33 Fn. 231, mit Verweis auf König, Rectorat, S. 70 f. (Vermutlich bezieht er sich auf die dort abgedruckten Artikel 4 und 5 der AoR, übersieht aber, daß der Senat u.a. auch in Artikel 13, De Inquisitione, S. 75, auftaucht.) Er fährt fort: Die von Köhler, [Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 193, oben zitiert unter sachliche Zuständigkeit] beschriebene jurisdiktionelle Funktion des Senats beruht auf einer Verwechslung mit dem Konsistorium, das schon Schreiber,

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

a) In der Anfangszeit der Universität Da Organisationsstatuten und Gerichtsakten aus der Frühzeit fehlen, lassen sich gerichtliche Aufgaben des Senats nur indirekt aus Quellen schließen, die primär andere Sachverhalte regeln wollen: Die ersten Statuten, die der Gründungsrektor Matthäus Hummel verfaßte, beschäftigen sich hauptsächlich mit Verhaltensregeln und Sanktionen,245 so daß sich die Bezeichnung Disziplinargesetze für diesen Text eingebürgert hat. Sie beantworten die Frage, welches Benehmen unter welcher Strafandrohung verboten sein sollte, und weniger, wer eine angedrohte p(o)ena verhängen und einziehen sollte.246 Nur ein Teil der Vorschriften enthält Angaben darüber, und zwar vor allem dann, wenn bei der Höhe der Strafe ein Spielraum bestand: (3) Item / q nullus de die v(e)l denocte / facie peregrina / velata / aut larvata / v(e)l alias in habitu indecenti incedere ... / aut cla(m)ores insultu / v(e)l insolencias faciat / sub pena qui(n)qe plapardores / et graviori per ipsam universitatem iuxta qualitatem excessu infligenda. (19) Item q ullus sine licencia rectoris / visitet dedicationes / in aliquo loco circa unu miliare / ab hoc oppido distante / sub pena unius floreni alterius vel gravis pene / per ipsam universitatem imponende.247

Wer maskiert oder hinter einer Larve verborgen umherzieht, lärmt und Unverschämtheiten schreit, wird von der Universität mit einer Geldstrafe von fünf

Universität II, S. 45, mit dem Senat in eins setzte. Ruth fällt gewissermaßen in das andere Extrem, indem er dem vom Consistorium getrennten Senat jegliche rechtliche Kompetenz abspricht. 245 Deshalb wurde diese Quelle bisher für die Untersuchung der Universitätsorganisation noch nicht fruchtbar gemacht. 246 A 10/1, fol. 9v-12v, S 1460, (2) Item / q nullus de die vel denocte / cum armis ... incedat / sub poena medii floreni / confiscacionis q armores / nisi ex legitima causa licencia rectoris obtenta. (11) Item q ullus ludat / perse / vel alium sub pena unius medii floreni / et sub pena unius floreni / ullus luedntes in domo qua habitat / teneat / aut ludere permittat. Niemand soll mit Waffen umhergehen bei Strafe eines halben Guldens und der Konfiskation der Waffen. Unter der gleichen Sanktion steht die Teilnahme an Glücksspielen, das doppelte muß bezahlen, wer das Spielen ermöglicht. Vgl. Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 29 und 34. Ähnliche Formulierungen in den Vorschriften (1), (6), (7), (8) sowie (14)-(17). 247 A 10/1, fol. 9v-12v, S 1460; Vgl. Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 30; ebenso (4) vel duos florenos et maiori pena / per eandem universitatem / et iure dispositos secundum qulitatem excessus infligenda, (12) sub pena per universitatem infligenda, (13) sub ... gravis pena / per ipsam universitatem infligenda, (18) sub pena unius floreni et garviori per ipsam universitatem iuxtam qualitatem excessus infligenda.

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Plappert oder mehr, je nach Schwere des Vergehens, belegt. Die Universität verhängt auch die Strafe für unerlaubtes Entfernen vom Studienort. Ganz überwiegend wird in diesen Vorschriften die Universität als Strafende genannt, wobei Universitas den Senat oder die Vollversammlung meint, die seine Aufgaben wahrnahm, bevor es dieses Gremium gab. Seltener erwähnen Bestimmungen den Rektor und seine Beiräte im Zusammenhang mit der Aburteilung delinquenter Studenten. Eine davon befaßt sich allgemein mit der Umwandlung von Geld- in Haftstrafen,248 während eine andere von unterschiedlichen Sanktionen handelt. Bei Verstößen gegen die universitäre Kleiderordnung findet sich der deutlichste Hinweis auf eine poena, die im Ermessen des Rektors und seiner Räte steht: (29) Item statuimus / sub pena duos plappardores / ... vel graviori iuxta arbitrium rectoris / et consiliariis iure universitate infligenda / q quilibes scolaris / incedat in vestibus clericalibus / et honestis ...249

Schon in der Anfangszeit der Universität gibt es somit Anzeichen für die (Teil-)Zuständigkeit des Senats bzw. seines Vorläufers für die Reaktion auf Statutenverstöße.

248 A 10/1, fol. 9v-12v, S 1460, (32) Item statuimus / si quod iure universitate suppositus / non habens solve mere / excesserit / ne impune evadat ... / q rector pro tempore / cum suis consiliariis / pena qcumque peccuniaria / in pena carcere tali supposito conmutare possit ... / libertate in electione peccunie vel carcere / semper apud universitatem remanente / Si quis veo ullam penares sustinere voluit / a nostra universitate excludat. Die Umwandlungsmöglichkeit wird damit begründet, Mittellose könnten sonst straflos gegen Regeln verstoßen. Vgl. zu Übersetzung und weiteren Information Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 41. Außerdem erwähnen durch den Rektor zu verhängende Strafen (23), (26), (31) und (33). Gerade die Bestimmungen am Ende sind allgemeiner und zusammenfassender Natur. 249 A 10/1, fol. 9v-12v, S 1460, die genaue Beschreibung der erlaubten und verbotenen Bekleidung macht diese Bestimmung zu einer der längsten: non ricenent more cutherores accustate / aut incisis / divisis / vel biptite / non stragulate / nec cum torqtibus / aut crivilibus more / sive militai / circulis aut sibulis / sive monibibus de aurate / vel auricalceis / nec pedibus / aut tibybus nudis more balucatores / nisi veste talari / undique obtectus / nec calcis rostrate / rubeus / vel alio q nigro colore colorate ... zu Übersetzung und Bedeutung vgl. Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 41.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

b) Im 16. Jahrhundert aa) Verlesung der Verhöre Wie wir gesehen haben, hatte spätestens im 16. Jahrhundert das Consistorium die Entscheidung privatrechtlicher Streitigkeiten übernommen, welche auf Grund des zwölften Artikels des Stiftungsbriefs unter die Gerichtskompetenz der Universität fielen. Mit dem anderen Teil der universitären Gerichtsbarkeit, den im vierten Artikel beschriebenen leichteren Delikten, beschäftigen sich die Artikel 13 bis 15 der AoR. In Artikel 13 wird zunächst der Ablauf der Verhöre, die der Rektor gemeinsam mit dem Notar durchführt, näher erläutert. Dann heißt es: Inquisitionem factam proximo conuento Academico Senatu exhibebit.250

Die Verhöre der Universitätsangehörigen sollen also laut den AoR dem Senat zur Kenntnis gebracht werden. Tatsächlich entdeckt man in den Aufzeichnungen der Inquisitionen teilweise Vermerke darüber, daß die Aussagen verlesen wurden. Im Protokollband A 13/1 (LI2) tauchen diese Eintragungen häufiger auf, man liest dort vor allem lecta in consilio . In den Inquisitionsprotokollen des Bandes A 13/2 (LI3) von 1597 bis 1610 findet sich eine solche Notiz fast zu jeder Inquisition. Hier lautet die gängige Formulierung lecta in convocatio .251 Bei den frühen Inquisitionsprotokollen des ersten Bandes fehlen solche Vermerke vollkommen.252 Die einzige derartige Notiz ist ein Lecta in Consistorio253 aus dem Jahr 1542. Die Nachforschung in den 250

AoR, ed. König, S. 75, 13. De inquisitione in delinquentes. Einmal begegnet dem Leser sogar ein lecta in senatu. A 13/2 (LI3), am 23.06.1606, fol. 422. 252 Sie finden sich in A 12/2 nur bei den am Schluß des Bandes angefügten Inquisitionen der heimlichen Räte, eines städtischen Gremiums. Dort liest man lecta in consilio (Universitatis)-Vermerke, die Befragungen gehören zeitlich allerdings zu Inquisitionen des Bands A 13/1. 253 A 12/2 (LI1), fol. 57r-58r, 03.03.1542. Hatt her Rector Martinus Amelium, so im Kercker gelegen, vber nachuolgende artickel gefragt und inquiriert. Es folgen neun sehr unterschiedliche Fragen, darunter warum er auf Anweisung des Pedells nicht in den carcer gegangen sei (1.), ob er gesagt habe der Teuffel gebe Ime geltz genug (7.) und ob er ein büchlin hab darjnn des teuffels arbeitt und werck siye (8.). Als letztes wird er gefragt, wie er sein Mutter halte, ob er Iren auch gehorsam siye, hatt geantwurt er wüß es nit. Auf das Consistorium weist möglicherweise die dritte Frage hin, was er herrn wolphen klammer gethan, das er böß vber Ine gewesen und Ine wellen verklagen (3.). Amelius antwortet, er sei betrunken gewesen und wisse daher nicht mehr, was er getan habe. Er wüß aber woll das er ungeschickt gewesen. Es läßt sich also nicht ausmachen, um welche Art von Klage es sich handelte. 251

§ 3 Gerichtsorganisation in der Praxis

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Senatsprotokollen ergab aber, daß die Inquisition dort verlesen wurde.254 Entweder erfolgte eine Aufspaltung der Gremien in Senat und Consistorium erst nach 1542 und die Bezeichnungen waren vor dieser Trennung noch synonym.255 Oder – und dies ist wahrscheinlicher – der Notar hat sich verschrieben, zumal es sich um den einzigen Verweis auf Verlesungen im Consistorium handelt.256 Es stellt sich also die Frage, von welchem Zeitpunkt an sich die Inquisitionen den Senatsprotokollen zuordnen lassen. Nach nur einem Protokoll aus dem Jahr 1524 folgt in A 12/2 (LI1) der Liber Inquisitiones 1542-47.257 Die erste Inquisition ist mit dem oben erwähnten Vermerk lecta in consistorio versehen. Für die Jahre von 1548 bis 1551 sind keine Befragungen überliefert, sie beginnen wieder am 10.09.1552.258 Sofort findet sich im Protokoll der Senatssitzung vom 11.09.1552 mit der Randbemerkung Inquisitio: Lecta inquisitio tumultus orti ante aedes Ambrosii Suther conclusum ...259

Die Namen der Verhörten werden nicht erwähnt. Der Senat beschloß, zusätzliche Befragungen zu diesem Vorfall durchzuführen, und tatsächlich tauchen am 22.09.1552 weitere Inquisitionen in A 12/2 (LI1) auf!260

254

A 10/6, fol. 604 f., 04.03.1542. Lecta inquisitione super Martino Amelio habita est conclusum quod ... [schwer lesbar] in carcerre mancipetur et propter malos mores et inobedientiam arciter eius corrigetur et admoneatur. Amelius soll in den carcer geführt und wegen seines schlechten Betragens und Ungehorsams scharf ermahnt werden. Ein Hinweis auf das Consistorium oder eine anhängige Klage findet sich nicht. 255 Dies ist allerdings unwahrscheinlich, zumal Lorichius im IG von Consistorialprotokollen ab 1535 spricht. Diese sind allerdings im UAF nicht nachweisbar, A 14/1 beginnt erst 1548. 256 1552 heißt es zweimal Inquisition gehalten post Consistorium A 12/2 (LI1), fol. 389r, 05.11.1552; fol. 392v, 25.11.1552. Es wird nicht deutlich, ob dies nach Gericht oder nach Senat heißen soll, schließlich mußten die an den Inquisitionen Beteiligten, Notar und Rektor, bei den Sitzungen beider Gremien anwesend sein. 257 A 12/2 (LI1), fol. 55r. 258 A 12/2 (LI1), fol. 380r ff., Inquiriert den Zehenden Septembris In collegio, M. Leomannus Schilter, M. Casparus Krüschlin, M. Wilhelmus Löscher der Cantor, Cansilius Beyer, Laurentus Bösch, Conradus Becht, Bartholomeus feslin, ... 259 A 10/7, fol. 712, Convocatio habita undecima die Septembris [1552]. 260 A 12/2 (LI1), fol. 382r ff., z. B. sagt Benedictus Sattler aus, er sey mitt M. Leoman, Cunradt Becht, Laurentz Bösch, dem Cantor und meister Casparn gangen, und [er] mit M. Casparn wöllen heim gan, als sy vor gangen haben die andern dahinden ein lermen angefangen, sey er hinzugeloffen vnd wöllen fridmachen ...

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

Im folgenden reichen die Verhörprotokolle von 1552-1557 und nach einer Lücke von 1558-1561. Mit Beginn der überlieferten Inquisitionen 1558 lassen sich sogleich wieder Parallelstellen in den Senatsprotokollen finden: Inquisitione super delictum adversus Georgium Feler à Carnifice huius oppidi facto lecta palcuit Dominis ut eadem Magistratui Vrbis offeratur, petaturque ut ex officio cui magistratus possidet, carnificem coerceat q inique studiosum laeserat.261

Diese Stelle bezieht sich auf die Inquisitionen der Studenten Feler, Wey und Augst vom 01.12.1558262 wegen einer Schlägerei. Da der Senat von ihrer Unschuld überzeugt scheint, verlangt er die Bestrafung des beteiligten Freiburger Henkers durch die Stadt. Ab 1561 ist die Zuordnung der verlesenen Inquisitionen zu den Senatsprotokollen in der Regel möglich. Als Beispiel mögen zwei Vorfälle von Beginn des Jahres 1562 dienen. Am 15.01.1562 lesen wir in den Verhörprotokollen Inquisitionen wegen eines künigreichs so von etlichen studenten gehalten.263 Befragt wurden die Studenten Beatus Höltzlin, Vitus Necker, Joannes Restlin und Antonius Greiner, die alle an dem inkriminierten Trinkgelage teilgenommen hatten, noch dazu in weiblicher Gesellschaft. In der Überschrift ist vermerkt lecta am 01.02.1562. Folgerichtig finden sich im Protokoll der Senatssitzung dieses Tages die vier Delinquenten unter der Randanmerkung KünigReich. Einige Tage später lesen wir Inquisitionen wegen unerlaubter Beywohnung bei gemeinen Frauenzimmern264 und dann am angegebenen Datum der Verlesung in den Protokollen des Senats: Lecta sunt inquisitiones Jacobi Stössel, Julii Herdern, Joannis Gross et M. Joannis Nöpplin super negotio habito cum quibusdam communibus faemina in aedibus M. Joannis Frey et in Stipendio Battmannico.265

261

A 10/7, fol. 1078 f., Convocatio 23. Decembris [1558]. A 12/2 (LI1), fol. 299rf., Inquisitio durch hern Rector und Notarium Vniuersitatis den ersten tag Decembris anno lviii beschehen, In sachen so sich zwüschen Georg Feler, vnd der Statt Freyburg Nachrichter Cornelio zugetragen hatt. 263 A 13/1 (LI2), fol. 56. In den Senatsprotokollen ist das Königreich als sub titulo regis in diversoriis publicis convivium, als Trinkgelage unter dem Vorsitz eines „Weinkönigs“ näher erläutert. Vgl. dazu auch Sauthoff, Adliges Studentenleben, S. 27. Es wurde eine Königswahl und das anschließende Krönungsmahl nachgestellt, wobei der König und die Inhaber der Hofämter meist ausgelost wurden. 264 A 13/1 (LI2), fol. 63-68, Inquisitionen am 25.02.1562. 265 A 10/9, fol. 30, Convocatio 26. Februarii. 262

§ 3 Gerichtsorganisation in der Praxis

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bb) De Poenis delinquentium Der nächste Artikel der AoR behandelt die Reaktion der Universität auf Fehlverhalten ihrer Angehörigen: Rector potest nonumquam ex officio mero, certam pecuniarum, aut carceris poenam irrogare delinquentibus: Si crimen est notorium.266

Bisweilen kann der Rektor eine bestimmte Geld- oder Gefängnisstrafe kraft seines Amtes verhängen, nämlich dann wenn das Verbrechen notorisch, also allbekannt ist. Auch das kanonische Recht kannte bei offenkundigen Taten Verfahrenserleichterungen zu Lasten des Delinquenten.267 Da bei notorischen Verbrechen an der Universität die Beweislage in der Regel eindeutig war,268 entfiel zudem die Ermittlung des Tatablaufes, was dem Rektor die rasche Entscheidung über die Bestrafung erleichterte. Der Artikel fährt fort: Quatenus autem fieri potest, antea quam id faciat, communicabit cum suis Consiliariis: praesertim in poenis pecuniariis.269

Insoweit der Rektor aber Strafen verhängen darf, soll er sich zuvor mit seinen Consiliarii beraten, besonders bei Geldstrafen. Lorichius formuliert nicht präzise, ob der Rektor den Senat oder seinen engeren Beirat zu Rate ziehen soll. Suis Consiliariis deutet wohl eher auf letztere hin. Demnach hätte der Senat, anders als sich aus den Statuten von 1460 schließen ließ, nun keinen Anteil an der Strafgewalt mehr gehabt. Für eine Beteiligung des Senats sprechen aber die jüngeren Statuten! Während der LSR lediglich Bestimmungen über die Aufnahme neuer Mitglieder in den Senat enthält, finden sich in LSR 1581 und LS 1618, wiederum bei einzelnen Strafbestimmungen, Hinweise auf den Senat als die Instanz, die Fehlver266

AoR, ed. König, S. 76, 14. De poenis in delinquentium. Erler in HRG 3, Notorietät, Sp. 1062 f.; ebenfalls zum Begriff und den prozessualen Auswirkungen eines „offenkundigen“ Vergehens Plöchl, Kirchenrecht, S. 359; Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 440 und Trusen, Strafprozeß und Rezeption, S. 65. Man empfand notorische Verbrechen als schwerwiegend, da sie die Ordnung und das äußere Ansehen der Korporation in besonderer Weise störten, vgl. Jerouschek, Inquisitionsprozeß, S. 341. Diese Besorgnis um den äußeren Schein prägte teilweise die Strafverfolgung. 268 Im kanonischen Prozeß konnte mitunter die Frage, ob Notorietät vorlag, zu schwierigen Beweisfragen führen. Vgl. Lévy, La Hiérarchie des preuves, S. 32 ff. 269 AoR, ed. König, S. 76, 14. 267

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

halten aburteilt oder Strafen nach Ermessen ändert. Schon das Versäumen der Immatrikulation steht sub arbitraria Senatus Academici mulcta.270 Die Statuten legen Wert darauf, daß die eingeschriebenen Studenten auch Vorlesungen hören. Vor allem soll sich niemand der universitären Privilegien erfreuen, der gar nicht studiert. Für die Einhaltung dieser Bestimmung haben die einzelnen Professoren Sorge zu tragen. Wenn alle Ermahnungen nichts fruchten, sollen sie renitente Studenten beim Senat anzeigen.271 Immer wieder begegnet im Lauf der Statuten das Ermessen des Senats, unter anderen bei den Vorschriften über Sitten und Lebensführung der Universitätsangehörigen: XI. De moribus ac vita Academicorum Regentium, pariter et Subditorum: ... Debent igitur omnes Academici morem honestatem, eum literarum doctrina semper coniungere. Quod primum omnium praestare studebunt Regentes et professores ... Hæc omnia et singula ab omnibus diligenter cavebuntur, sub mulcta floreni dimidiati, aut totius, aut plurimum, iuxta Academici Senatus arbitrariam æstimationem.272

Auch die Störung von Ruhe und Frieden, auf deren Bewahrung die Statuten großen Wert legen, wurde vom Senat abgeurteilt. XIII. De Tranquillitate, et Pace: Prætera mandat Academicus Senatus: ne qui ex suis subditis perniciosarum dissensionum, rixarum, conflictationumque autores, aut consortes inveniantur; ... Quapropter etiam serio prohibentur omnes conspirationes atque concursus, tam nocturni quam diurni ... sub poena senatui servata.273

270

A 4/2, LSR 1581, IV. De Inscriptione studiosorum; ebenso A 4/6, LS 1618. Bei Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, z. B. S. 111, findet sich zum Teil die Schreibweise muleta, wahrscheinlich weil das c der Schreiber manchmal stark nach einem e aussieht. 271 A 4/2, LSR 1581, IX. De audiendis Lectionibus: Quoniam Academici omnes literarum addiscendarum gratia hic vivunt: ideo nullus è numero discentium, privilegiis Academicis unquam gaudebit, nisi alicui studii seu Facultatis lectiones, quotidie cum debita diligentia audierit. Qua in re singuli professores, suos discipulos cognoscent, observabuntque: et quos deprehenderint negligentiores, monebunt iterum, iterumque: et tandem eos apud Academicum Senatum accusabunt, ut adhibita correctione emendentur, aut domum dimittantur. Hervorhebung BB. Ebenso A 4/6, LS 1618. 272 A 4/2, LSR 1581, XI. Hervorhebung BB. Unter anderem verboten, wie schon 1460 in verschiedenen Bestimmungen: ... vitabunt omnino Cauponas, aliaque loca parum commoda et honesta [LS 1618: Tabernas, aliaque loca parum utilia et honesta] ... Adhac nulli Academici publicos ludos Sagittariorum, aliorum in hoc oppido adeant exerceantq. Nec aucupiis et piscationi operam dabunt: nullosque fructus recentes decerpent. Tandem et à publicas choræis non recedent ... 273 A 4/2, LSR 1581, XIII. Ebenso A 4/6, LS 1618. Hervorhebung BB.

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Gesondert aufgeführt wird das vom Senat verhängte Verbot des häufigen Waffentragens.274 Wieder gibt es – wie schon in S 1460 – eine Bestimmung, die allgemeine Regelungen über liederliche und unpassende Personen enthält.275 Sie zu strafen oder von der Universität auszuschließen, obliegt dem Senat. Sogar Bereiche, die in S 1460 noch dem Rektor und seinen Räten zugeschrieben wurden, ordnen die Statuten nun der Convocatio zu. So heißt es bei Verstößen gegen die Kleiderordnung: XIIX. De vestitu tam Regentium, quam Subditorum Academiæ: ... Quare Academici ommnes more vestientur et incedent eo, qui viros graves ac doctos decet. Nominatim autem interdicitur ... plumis ac cristis in pileos: sub poena Senatui Academico servata.276

Auch über die Umwandlung von Geld- in Haftstrafen bestimmt laut jüngerer Statuten der Senat.

274 A 4/2, LSR 1581, XIV. De armis vetitis: Similiter, ut studiosi tranquillitatis servandæ semper sint memores, vetat Senatus frequentem gestationem gladiorum; præsertim intra mœnia ... Omnem præterea usum bombardarum, globorum ferorum et similium vetitorum armorum. Qui contra fecerint; primum satis [LS 1618: serio] mulctentur: et si parere contempserint, protinus ab Academia repellantur. Hervorhebung BB. Vgl. auch Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 30, Anm. 5. 275 A 4/2, LSR 1581, XVII. Constitutio generalis quoslibet flagitiosos: Longum nimis esset: singulis quibusque sceleribus peculiares contexere dehortationes, cominationes, et mulctarum, aliarumque animadversionum decreta. Idcirco de gravioribus omnino, et quam studiosissime vitandis, voluit Academicus Senatus simul ac comprehensum præcipere. Scilicet: ut omnes inobedientes, obmurmurantes, rebelles, degeneres, percussores, contentiosi, noctivagi, ebriosi, voluptatibus dediti, Luxores, Mimi, et qui Musicis Instrumentis imoderate utantur: Præterae aliorum seductores et qui honorem debitum Doctoribus, magistris, aliisque suis superioribus detrectant: Perturbatores etiam publicæ pacis, fures, et in alienas domos impetu irruentes, et horum similes. Ut nimirum huiusmodi omnes, ad Academico Senatus placidum, primo mulctis, dein carcere plectantur: et nisi se ipsos corrigant protinus ab Academia repellantur: insuperque et nomina ipsorum in studiosorum Albo obliterentur, si transgressionibus atrocitas ita commercatur. Ebenso A 4/6, LS 1618. 276 A 4/2, LSR 1581, XIIX. Das Verbot des Larventragens findet sich nun in dieser Bestimmung: Nulli etiam in publicum prodeant larvati, aut in morem histrionum amieti: sub mulcta floreni dimidiati, aut maiori. Qui autem in his obedire detrectaverit, citò repellatur. Ebenso A 4/6, LS 1618, XVIII.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität ... censuit Senatus: pecuniarias pœnas seu mulctas nonnunquam commutandas esse in iniectionem in carcerem; iuxta eiusdem æstimationem, atque sententiam [LS 1618 statt iuxta ... nur ut videlibitur].277

Insgesamt zeigt der Blick in die Statuten den Senat als das Gremium, das bei der Bestimmung der Strafen die Hauptrolle spielt. Seine Protokolle bestätigen dieses Bild: Nach der Verlesung der Verhöre bestimmte der Senat zusammen mit dem Rektor die Strafen. Aus der großen Materialfülle sollen einige Fälle zur Illustration herangezogen werden. In Inquisitionen, die im Dezember 1558 im Senat verlesen wurden, erscheinen sowohl Studenten als auch der städtischen Obrigkeit Unterstellte als Verursacher eines Handgemenges untereinander: Inquisitio super tumultu studentum cum filiis grunda civium friburgensium in foro piscario die 17. Decembris facto lecta est decretumque cum studentibus universitatis dominos iuxta statuta et consuetudines suas acturos. Dum tamen Magistratus huius oppidi suos subditos debitem qq prius coerceat.278

Die Convocation beschloß in diesem Fall, die Studenten nach den Statuten zu behandeln, ebenso sollte der Stadtrat seine Untertanen strafen. Im Senatsprotokoll wird anschließend die Strafe, jeweils ein Gulden und die Konfiskation der Waffen, festgehalten. Mulctati sunt singuli in florino integro et ommissione armarum quibus in proxime dicto tumulto abusi sunt: Christophorus Straub, Philippus Schuoch, Erasmus Birckle, Joannes Ludovicus Wonecker.279

In den oben zur Dokumentation der Inquisitionsverlesung zitierten Fällen aus dem Jahr 1562 folgte ebenfalls die Aburteilung der Verlesung der Inquisitionen auf dem Fuß. Alle Studenten, die an dem verbotenen Trinkgelage teilgenommen hatten, wurden ermahnt, der Hauptschuldige Höltzlin sollte außerdem einen Gulden bezahlen.280 Nach der Verlesung von Verhören wegen des statu277 A 4/2, LSR 1581, XXIIIX. De commutatione mulctarum in pœnas alias, mit der gleichen Begründung wie in S 1460. Die Bestimmung endet: Si quis autem utramque pœnam detrectaverit; protinus ab Academia reppellatur: et rebellio ipsius more solito publicaretur. 278 A 10/7, fol. 1078 f., davor liest man: Inquisitio super facto Jacobi Engesser cum Joanne Stoll farnicatore lecta est, decreturque siquidem ex inquisitionibus utriusque constet, eidem Joannem Stoll inique laessisse studentes. Petatur ut Senatus huius oppidi suos subditis dignem suos mulctet, Vniuersitate poestea identidem cum studentibus aeque acturos. Auch hier soll eine Bestrafung durch Stadt und Universität erfolgen. 279 A 10/7, fol. 1078 f., Convocatio 23. Decembris [1558]. 280 A 10/9, fol. 29, Convocatio am 01.02.1562. Oben erster Teil § 3 II. 2. b) aa).

§ 3 Gerichtsorganisation in der Praxis

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tenwidrigen Einschmuggelns von Frauen in die universitären Gebäude notierte der Schreiber: Decretum est quemlibet per 14 dies incarcerandum. Postea vocati ad Universitatem increpabuntur haec in eos.281

Immer wieder lesen wir mit Bezug auf die Sanktionen decretum, womit in den Senatsprotokollen Einzelfallentscheide des Gremiums bezeichnet werden.282 Wenn der Schreiber von Handlungen des Rektors oder anderer Einzelpersonen berichtet, bringt er dies klar zum Ausdruck. Es ist also das Kollegium, das über die Strafe entscheidet, und zwar über alle der Universität zur Verfügung stehenden Formen, von der Geldzahlung bis zum Ausschluß. Auch für die seltene Verhängung der Prügelstrafe finden sich Nachweise, u.a. heißt es am 24.02.1564: Decretum ... Oswaldus Schäffer per 8 dies incarceratur. Wolffangus Carolus à Leichtlin et Ferdinandus à Leichtlin fratres, quia non sint eius aetatis ut incarcerentur, virgis castigandi a praeceptore M. Melchiore Wiel ... Ad petitionem Convedatoris domus theutonicae Jacobus à Schawenstein non incarceretur, debet autem eium virgis à Ludimoderatore castigandi.283

Wegen des Besuchs im Frauenhaus284 wurde einer der Studenten zu acht Tagen im carcer verurteilt. Die Brüder von Leichtlin waren für die Inhaftierung zu jung, weshalb der Senat die körperliche Züchtigung durch ihren Lehrer anordnete. Auf Fürsprache eines Mönches aus dem Deutschen Haus wurde auch bei Jacob von Schawenstein die Inkarzerierung durch Schläge ersetzt. Die Stelle deutet neben anderen Anhaltspunkten285 darauf hin, daß die Haft im 281

A 10/9, fol. 30, Convocatio 26. Februarii. Anhand der Urfehde läßt sich in diesem Fall übrigens auch feststellen, wann die vier wieder aus dem carcer entlassen wurden: am 09.02.1562, also 12 Tage später. A 10/9, fol. 31, Eodem die et hora [die 9 Martii hora 12 post meridiem] emissi e carceribus M. Joanne Nöpplin, Jacobo Stossel, Julio Herden et Joanne Gross iuraverunt more consueto iisdem testibus praesentibus. 282 So auch Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 10 Fn. 29. 283 A 10/9, fol. 114 f., inquisitio de his qui lupanari fuerunt etc ... 284 Lupanari, Inquisitionen zu diesem Vorfall finden sich in A 13/1 (LI2), fol. 157, 21.02.1564, wegen Besuchs des Frauenhauses werden die vier oben genannten Studenten verhört. 285 So bittet am 16.12.1561 Caspar Rhegius um die Umwandlung einer Haftstrafe im carcer in eine Geldstrafe: Rhegius iussus est ire ad carceres, à poena indicta provocat et appellat deqe innocentia protestate, und will gern sehen, wen er beleidigt, dem will er zuo recht sein. Secundo per Juramento requisitus ut poena(m) iustè decretam subeat, begert er zuo wissen, was er gethan hab, supplicat etiam ut haec corporalis poena commutetur in pecuniara. Als ime tertio geboten würt begert er Gnad, demnach ime zum vierdten mal gebotten worden da er nit darumb gehen wellen, zwen Stadtknecht beschickt worden ime zuo fuoren, doch ist er zuletzt selber gangen. Hervorhebung BB.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

carcer als körperliche Strafe angesehen wurde. Insofern sollte man den universitären carcer des 16. Jahrhunderts – für den im übrigen als deutsche Entsprechung in den Quellen allein das Wort kerker auftaucht – nicht mit einem durchaus komfortablen „Hotel zu akademischen Freiheit“, einem Universitätskarzer des 18. und 19. Jahrhunderts gleichsetzen.286 Da die AoR die Strafgewalt dem Rektor zuordnen, während die Statuten und Protokolle diese Aufgabe beim Senat sehen, scheinen sich die genannten Quellen zu widersprechen. Dieser Gegensatz läßt sich auflösen, wenn man annimmt, Artikel 14 befasse sich ausschließlich mit notorischen Delikten. Schließlich heißt es im Hinblick auf die Beratung des Rektors mit seinem Beirat quatenus autem fieri potest – soweit er strafen darf, was man auf die zuvor erwähnte Notorietät crimen notorium beziehen kann. Über die anderen, die nicht offenkundigen Vergehen, wurde dann nach der Verlesung des Verhörs im Senat entschieden. Der Regelfall wird in den AoR nicht gesondert erwähnt, vielleicht, weil er nicht den Rektor betrifft, an dem sich diese Zusammenstellung orientiert. Zwar unterstellt man den AoR damit eine Ungenauigkeit, andererseits könnte die hier vermutete Aufteilung zwischen Rektor und Senat auch erklären, warum etliche Vorfälle, welche die Inquisitionsprotokolle überliefern, nicht in den Akten des Senats auftauchen. cc) Das Ius incarcerendi Mit dem 15. Artikel der AoR schließt sich der Kreis der Vorschriften, die sich mit der Strafgewalt der Universität befassen. Darin berichtet Lorichius, dem Senat müsse es in jedem Fall angezeigt werden, wenn jemand im carcer A 10/9, fol. 22. Dies ist einer der ganz seltenen Fälle, in denen der Beschuldigte vor dem Senat erscheint, um sich zu verteidigen. Rhegius war Prokurator am Consistorium und die Beleidigungen, derentwegen er in den carcer sollte, waren in Gerichtsverhandlungen vorgefallen. Zuletzt trat er am 13.12.1561, A 14/2, fol. 18r, als anwalt Marc Vorburgers auf, wobei der Schreiber keine besonderen Vorfälle vermerkt. Vorburger bestellt am 19.12.1561, fol. 19r, D. Jacob Bilonius als neuen vollmechtigen gewalthaber, Dweil Casparus Rhegius als sein constituirter anwalt in Rechtssachen wider D. Guott Erben Vögt uß ursachen vor dem Consistorio nit alweg handlen möchte. 286 Um diese Assoziationen zu vermeiden, ist in dieser Arbeit auch von carcer statt Karzer die Rede. Das Gefängnis der Freiburger Universität befand sich in der Adlerburse. Der wegen der Verwundung eines Stadtwächters länger inhaftierte Stephan von Lalosch wurde durch die Haftbedingungen so krank, daß man um sein Leben fürchtete und ihn aus dem carcer ins Kollegium verlegte. A 10/9, fol. 43, 24.05.1562, Retulit Dominus Rector, Stephanum à Laloschen iam fere per sex septimanas in carceribus catenas constrictum male habere, adeo, ut, si diutius ita custodiatur, verendum sit, ipsum citius moriturum q vulneratum.

§ 3 Gerichtsorganisation in der Praxis

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inhaftiert werde.287 Es scheint weiterhin, als hätte der Senat bei disziplinarischen Anordnungen der Fakultäten ein Letztentscheidungsrecht über diese Art der Strafe gehabt. Am 13.01.1563 zeigte die Facultas artium in der Senatssitzung288 an, Conradus Brüning und ein weiterer Student, so beide magistrieren wellen, seyen propter mores retardiert worden, d. h. von der Prüfung zurückgestellt. Als man ihnen diese Entscheidung mitgeteilt habe, hätten sie coram tota facultatis regentia unverschämterweise geäußert, facultas ... [sei] ex odio et insulte mit inen so verfahren. Wegen dieser Reden habe die Fakultät die beiden in carcerem condemniert, derwegen bitten sie umb den Kerker. Die Universität beschloß, die Vorfälle zunächst selbst zu untersuchen, was mit einer Inquisition Brünings289 am 19.01.1563 auch geschah. Am selben Tag wurde dann das Verhörprotokoll im Senat verlesen und Brüning, letztlich den Bitten der Artistenfakultät entsprechend, zu zwei Tagen Haft im carcer verurteilt.290 Im Jahr 1568 kam es über das Ius incarcerendi zum Konflikt mit der Artistenfakultät.291 Diese behauptete, nach den Regeln ihrer eigenen Statuten selbst Haftstrafen verhängen zu können. Ihre Vertreter machten darüber hinaus geltend, ihr auf diese Statuten geleisteter Eid verbiete es ihnen, der Universität, sprich dem Senat, überhaupt mitzuteilen, wegen welcher Vergehen sie ihre Studenten strafen wolle. Für das Recht auf eigene Statuten beriefen sie sich explizit auf den entsprechenden Artikel der Albertina.292 Doch die oberen Fakultäten, dies kristallisierte sich rasch heraus, stützten den Senat als Lei287

AoR, ed. König, Rectorat, S. 76, 15. De Coniectis in Carcerem. Quoties Rector aliquem in Carcerem ire iussit; proximo quoque tempore Academico Senatui indicabit. 288 A 10/9, fol. 82. 289 A 13/1 (LI 2), fol. 103, 19.01.1563, wegen übelhaltung und Rebellion gegen die Artistenfakultät. 290 A 10/9, fol. 84, 19.01.1563, Audita propria confessione Joannis Conradi Breuning, Super facultatits artium accusatione et petitione, ad duos dies naturales adiudicatur in Carceri. 291 Erwähnt bei Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 36 wegen des folgenden Ausschlusses der Artistenvertreter. Vgl. S. 35 zu einem früheren Streit über die Zahl der Räte. 292 Artikel zwei: Wir geben auch gantzen vollen gewalt vnser vniuersitet vnd ainer yeglichen facultet in sunderheit ... eigen Zymliche vnd redlich gesetztden vnd Statut ... zuo ewigen zeiten uffzusetzen vnd zu Statuieren vnd wider abzethuon ... Dabei äußerten die Artistensenatoren M. Christoph Angerer als Dekan, D. Johann Frey und M. Erasmus Schreckenfuchs, sie wollten lieber selbst in den carcer, als die Akten ihrer Fakultät preiszugeben (f. 273, die St. Jacobi, 25.07.1568). Der Senat drohte, wenn sie sich nicht fügten, würde die Artistenfakultät als Rebellisch und ein ungehorsame facultet zu halten sein. Der (Rest)Senat/Rektor entschied am 27.07.1568, fol. 274, dieweil [die genannten drei] sich proxime vernehmen lassen, Sie wellen eher in Kerker, dann der Universitet hierinn gehorsam sein, solle sie alle drey ein zeitlang zuo straff ad consilia Universitatis nit kommen.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

tungsgremium, so daß die Artisten nachgeben mußten. Die Universität schrieb mit folgenden Beschluß den Status quo fest: Es soll weder facultas artium noch ein andere facultet Jus carceris haben, sunder allein Universitas als caput und magistratus.293

3. Exkurs: Grenzen der Zuständigkeit Wir haben unsere Betrachtung bisher auf das Gebiet der leichteren Delikte beschränkt, für das die Universität nach dem Stiftungsbrief und den Verträgen die Zuständigkeit besaß. Auch der IG geht von der dort getroffenen Regelung aus,294 wobei Lorichius die Auslieferung an den Bischof von Konstanz nun von einem Beschluß des Senats abhängig macht: Si causa criminalis, reus post Acad. Senatus decretum mittendus est ad Episcopum Constant.295

Im Stiftungsbrief war die Entscheidung über die Auslieferung noch dem Rektor zugeschrieben worden. Immer wieder findet man im Hinblick auf die Zuständigkeit der Universitäten in der Literatur den Hinweis, mit Begehen eines schweren Verbrechens gehe der Täter durch die Tat der akademischen Privilegien verlustig und falle aus der Jurisdiktion der Universität.296 Gestützt wird dies für die Freiburger Hohe

293

A 10/9, fol. 274, Convocatio am 27.07.1568; weiter: Wann Universitas etliche consiliarios zuo den Convocationibus cuiuscunque facultatis verordnet, so sollen facultates dieselbigen in ihren consultationibus zuhören lassen ... 294 A 23/24, IG, fol. 125, aus der Zusammenfassung der Akten und Verträge, die sich auf die Privilegien beziehen. De Art. 4 Privilegiorum, qui est de Iurisdictione Academiae: De Causis criminalibus: studentes in his delinquentes mittendi sunt ad Episcopum constantiensem, Clerici an Laici sint. 295 A 23/34, IG, fol. 107f, aus der Zusammenfassung der Privilegien, Artikel 4. 296 Zum Beispiel Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 191; diesen „Grundsatz“ beschreibt auch G. Kaufmann, Die Geschichte der deutschen Universitäten, S. 94. Kaufmann meint, diese Regel manifestiere sich in der an vielen Universitäten bei schweren Verbrechen üblichen Auslieferung an ein höheres Gericht. Möglicherweise verkennt er hierbei den Unterschied zwischen mangelnder Gerichtskompetenz für malefizische Sachen und einem Ausschluß aus der Universität. Ein Student kann schließlich an ein anderes Gericht übergeben werden, ohne die Privilegien zu verlieren. Ein Beispiel aus Freiburg ist der Fall Reginaldus de Sancto Fonte, Zweiter Teil § 3 I.

§ 3 Gerichtsorganisation in der Praxis

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Schule vor allem auf eine Vorschrift aus den S 1460297 über den Ausschluß verbrecherischer Personen. Einen ähnlichen Regelungsgehalt scheint auch der 32. Abschnitt der LSR 1581 zu haben: De Laicis qui in Album studiosorum non sunt inscripti. Ut graviora committendi scelera auferretur occasio; neccessarium iudicavit Academicus Senatus observatu: ut cum Persona aliqua Laica, quæ ob famulitium apud Academicos privilegiis gaudet iisdem; flagitium quodpiam committat, dignum infamia publica, aut supplicio extremo (a quo Deo unumquemque clementer custodiat;) protinus omni gratia Academicorum privilegiorum excidat: posseque tunc à civili Magistratu in eum impuné animadverti.298

Zur Verhütung schwerer Verbrechen hat der Senat folgendes beschlossen: Wenn ein Laie, der allein deshalb das akademische Bürgerrecht besitzt, weil er in Diensten Universitätsangehöriger steht, irgendein schweres Verbrechen begeht, das öffentliche Schande oder die Todesstrafe nach sich ziehen kann, soll er sofort die akademischen Privilegien verlieren, so daß der Rat der Stadt ihn ohne Verstoß gegen die Universitätsprivilegien bestrafen kann. Für einen eingeschränkten Personenkreis, nämlich bei Universitätsangehörigen dienende, nicht immatrikulierte Laien, wird hier tatsächlich ein Ausschluß ipso facto festgelegt. Da dies aber nur für eine bestimmte Gruppe gilt, legt diese Vorschrift im Gegenschluß nahe, daß bei den übrigen Universitätsangehörigen ein solcher Ausschluß nicht erfolgte.299 Ganz in diesem Sinne argumentiert der IG: Die Auslieferung an den Bischof wird als akademisches Privileg betrachtet, das nur Studenten, nicht Famuli autem & famulæ Academicorum300 zusteht. Diese können bei schweren Verbrechen der Stadt zu Aburteilung übergeben werden. Die Praxis des Gerichts entspricht diesen Regelungen: Es gibt – selbst in schweren Fällen – keine Anhaltspunkte für den Ausschluß von Studenten. Die Verhandlung verschiedener Klagen auf Schadensersatz wegen schwerer Körperverletzung vor dem Consistorium belegt, daß die Beklagten noch unter der Gerichtsbarkeit der Universität standen. Zudem wäre ein derartiges Vorgehen auf erhebliche Schwierigkeiten gestoßen: Da bei Verbrechen der Tathergang oft

297

A 10/1, fol. 9v-12v, (5) Item quodn ullus manifestus / vel publicus leno, Infamis, fur seu errabundus de nocte, fractor ostiorum / raptor mulierum / seu alias de gravi crimine convictus privilegiis universitatis gaudeat / sed ipso facto sit exul eiusdem. 298 A 4/2, LSR 1581, XXXII. Ebenso A 4/6, LS 1618. 299 Die Bestimmungen über lasterhafte Personen (noctivagi, ebriosi, voluptatibus dediti, luxores), S 1460 (31) und LSR 1581, XVII. Constitutio generalis quoslibet flagitiosos, sehen einen Ausschluß erst nach Ermahnungen, Geld- und Haftstrafen vor. 300 A 23/24, IG, fol. 125, De Causis criminalibus ... Famuli autem & famulæ Academicorum, non studentes huiusmodi criminis rei, exclusi sunt ab hoc privilegio, iuxta ult. statutum primæ partis ...

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

unklar war, hätte die Universität nicht ipso facto, sondern erst nach einer Untersuchung feststellen können, wen sie ausschließen sollte. III. Der Rektor301 Schon von Anfang an bestand die Forderung, der Rektor müsse unverheirateter Kleriker sein, in Freiburg nur in der Theorie, war doch schon der erste Amtsinhaber Matthäus Hummel ein verheirateter Familienvater. 1512 wurde dann durch einen Senatsbeschluß festgehalten, quod clerici conjugati, non bigami deinceps in rectores possint eligi,302 also daß auch einmal verheiratete Kleriker Rektor werden konnten. Natürlich meint bigami nicht die Ehe mit zwei Frauen zur gleichen Zeit im Sinne der heutigen Bigamie. Vielmehr bezeichnet der Begriff Witwer, die nach dem Tod ihrer ersten Frau erneut heirateten. Nur sie waren ausgeschlossen. Selbst nach der geschilderten Lockerung erwiesen sich die Anforderungen noch als zu streng. 1550 bis 1570 kam es deshalb zu einer Konzentration des Rektoramtes auf die Theologische Fakultät. In dieser Zeit bemühte sich der Senat um eine Änderung der Situation, 1570 erlangte die Universität ein päpstliches Privileg, das Laien und wiederverheirateten Witwern den Zugang zum Rektoramt ermöglichte.303 Der Rektor wurde vom Senat gewählt.304 Auch in Freiburg bestimmte man von Zeit zu Zeit aus Prestigegründen Adlige zum Rektor.305 Die Geschäfte führte dann ein Vizerektor, weil es sich nur um ein Ehrenamt handelte.306 Als im Wintersemester 1548/49 Johannes Comes de Manderscheidt zum Rektor 301

Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 25-29. A10/4, Convocatio am 14.04.1512. 303 So legte man 1553 einem Mediziner nahe, vor der Hochzeit die niederen Weihen zu empfangen, damit er anschließend für das Rektoramt geeignet sei, Ruth, Personenund Ämtergefüge, S. 26. Vgl. zur Darstellung der gesamten Entwicklung: Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 26 und Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 222 f. 304 Zum Wahlmodus vgl. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S 28 und Mertens/Speck, Rektorat, S. 10, sowie ihre Kritik an der Darstellung bei Schwinges, Rektorwahlen, S. 17. 305 Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, S. 31; König, Rectorat, S. 83; zu diesem usus de Ridder-Symoens, Organisation und Ausstattung, S. 151. 306 IG, A 23/24, fol. 7; ebenso Art. 27 der AoR, ed. König, S. 79; kritisch zu der anderslautenden Aussage bei Schwinges, Rektorwahl, S. 31, (für die Zeit von 1460 bis 1500), daß den Freiburger Adelsrektoren keine Vizerektoren beigegeben werden mußten, weil sie durchweg Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren [waren] und folglich in der Lage ihres repräsentativen Herrenamtes selbst zu walten, ebenfalls ablehnend Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 27. 302

§ 3 Gerichtsorganisation in der Praxis

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gewählt wurde, mußte er neben dem Amtseid geloben, gutes Benehmen zu zeigen, schlechte Gesellschaft zu meiden und stets in angemessener (in habitus clericali et longiori tunica) Kleidung aufzutreten. Ausdrücklich heißt es dann: Quinquidem autem idem M. dominus Rector solum nomine dignitatis et honoris portet titulum, Vicerector autem pro ferendis et subeundis laboribus ei sufficiatur. Domini elegerunt in vicerectore ... Doctorem Sebastianus Austrius.307

Diese Formulierung taucht im nächsten Semester bei der Ernennung des Grafen Iburg zum Ehrenrektor fast wortgleich wieder auf. Wer für die Universitätsgeschäfte von Bedeutung ist, zeigt sich auch in den Überschriften der Seiten der Senatsprotokolle, die normalerweise den Namen des Rektors enthalten: dort heißt es in diesen Semestern D. Doctore Sebastiano Austrio vicerectore. Selbstverständlich war es auch Austrius, der in dieser Zeit als iudex des Universitätsgerichts fungierte.308 Der Senat selbst betonte – etwas indigniert – den ehrenamtlichen Charakter,309 nachdem einer dieser adligen Herren, Graf Conrad von Castell, 1537 in einer Senatssitzung erschienen war und eine flammende Rede zur Verteidigung von Hüten mit Federschmuck gehalten hatte. Wie die bisherige Untersuchung der rechtlichen Aufgaben gezeigt hat, liefen beim (Vize-)Rektor alle Fäden zusammen: Er saß dem Senat und dem Consistorium vor. Zwar hatte er in beiden Gremien nur in Pattsituationen Stimmrecht, aber er leitete die Zusammenkünfte. Im Consistorium wurde er als Iudex geführt, als Haupt der Korporation nahm er die Immatrikulations- und Amtseide entgegen. Im Bereich des Disziplinar- und Strafrechts führte er gemeinsam mit dem Notar die Verhöre verdächtiger Universitätsangehöriger durch und konnte gewisse Vergehen allein aburteilen. Wenn ein Konflikt in verschiedenen universitären Quellen auftaucht, ist es der Rektor – und daneben der Notar – der in jedem Stadium, in jedem Gremium präsent ist. Obwohl er wenige Entscheidungen alleine treffen konnte, hatte er die Möglichkeit, auf Grund seines Überblickes in den verschiedenen Kollegien großen Einfluß zu nehmen.

307

A 10/7, fol. 280, Convocatio vigilia omnium sanctorum. ultima mensis Octobris 1548. Hervorhebung BB. 308 A 14/1, fol. 7: Überschrift: Acta Consistorialia sub domino Doctore Sebastiano Austrio pro tempore Vicerectore: Sambstag nach aller heyligen tag, den dritten Novembris anno 1548 hat der erenwürdig hochgelert Herr Sebastian Austrius der mediciis Doctor und Ordinarius allhie, dieser Zeit vice rector, das erst Consistorium besessen. 309 Metzger, Beamten- und Wirtschaftsorganisation, S. 18 f.; Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 355f; der Senat äußerte im Laufe der Affäre, der Ehrenrektor habe sich nicht um die Geschäfte der Universität zu kümmern; Sauthoff, Adliges Studentenleben, S. 15 f.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

IV. Schlußfrage: Wer war das „Universitätsgericht“? Die Hinweise und Spuren, die bei der Untersuchung der Geschäftsverteilung zu Charakter und Selbstverständnis der Kollegien auftauchten, werden abschließend zusammengeführt und auf die Frage hin verdichtet, welches Gremium als eigentliches Gericht angesehen wurde. Von den Fäden, die hier zusammenlaufen, soll zunächst der Inhalt der verschiedenen Quellen aufgegriffen werden: Die Senatsprotokolle überliefern den gesamten Geschäftsanfall der Universität. Rechtssachen stellten davon nur einen Ausschnitt dar. Denn im Rahmen der Selbstverwaltung befaßte sich die convocatio auch mit der Auswahl und Einstellung neuer Professoren, dem reibungslosen Ablauf des Vorlesungsbetriebs und der Beaufsichtigung der Finanzverwaltung. Von rechtlicher Prägung sind Berichte über Verhandlungen und Prozesse mit der Stadt Freiburg und der vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim, Mitteilungen über Testamente, Vormundschaftsbestellungen für Angehörige von Professoren und dergleichen mehr. Neben all diesen Geschäften wurden in den Senatssitzungen die Inquisitionen delinquenter Universitätsangehöriger verlesen und im Zusammenhang damit Sanktionen und Urfehden vermerkt. Im Gegensatz dazu bestehen die acta consistorii ausschließlich aus Protokollen von Gerichtsverhandlungen. Auch im Vergleich mit der rechtlichen Tätigkeit des Senats wirken die acta consistorii „juristischer“, findet man darin doch Beweisartikel, Urteile, Appellationen und von Advokaten verfaßte Klagelibelle. Eine andere Spur liefert die sprachliche Formulierung der rechtlichen Entscheidungen. Das Consistorium beginnt seine sententiae definitivae stets in ähnlicher, formeller Weise: sprechen und erkennen wyr noch clag, Antwort, Red, widerred, beschenher litis contestation, ... rechtsatz und aller andere in rechten fiergewendter handlung ...310

Dagegen wird die Aburteilung von Fehlverhalten im Senat wie jeder andere Beschluß schlicht mit decretum eingeleitet. Weiterhin ist ein Verfahren hier kaum auszumachen, der Delinquent meldet sich nur selten zu Wort, in den meisten Fällen waren die Beschuldigten wahrscheinlich gar nicht anwesend. So mutet die Bestrafung wie eine Verwaltungstätigkeit neben anderen an. Während der Senat die allgemeinen Geschäfte der Universität besorgte, war das Consistorium auf die Rechtsprechung in zivilen Sachen beschränkt. Zugespitzt formuliert erscheint die convocatio als lenkendes, politisches Kollegium, das Consistorium hingegen als judikatives. Die Bezeichnungen der Gremien in den Quellen verstärken diesen Eindruck. So verbinden mehrfach auftauchende Formulierungen wie das akademische 310

A 14/1, fol. 168, 23.11.1549.

§ 3 Gerichtsorganisation in der Praxis

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Gericht, das man Consistorium nennt,311 dieses Kollegium mit Rechtsprechung, während solche Konnotationen für den Senat fehlen. Er bezeichnete sich des öfteren selbst als die Universität, was seinen Vertretungsanspruch für alle Angelegenheiten der Hohen Schule herausstellt. Dies spricht dafür, daß auch die Zeitgenossen vor allem die Aufgaben des Consistoriums als juristische, rechtliche, ansahen. Aber wird der Senat, wenn er Strafen verhängt, nicht auch als Gericht tätig? Diese Frage reicht in die Themenkomplexe Strafverfahren und -verständnis hinein, die später ausführlicher besprochen werden.312 An dieser Stelle nur so viel: Im weitesten Sinne handelt es sich um eine gerichtliche Tätigkeit, nicht aber, wenn man diese über das Vorhandensein eines Verfahrens definiert.313 Zwar deuten die verhängten poenae und mulctae als an die Universität zu entrichtende Geldstrafen materiell schon auf ein öffentliches Verständnis der Strafe hin,314 doch fehlt es auf prozessualer Seite an einer gerichtlichen Verfahrensweise. Nur weil man aus heutiger Perspektive die Disziplin innerhalb von Korporationen als Vorläufer oder Wegbereiter des modernen Strafrechts ansieht, bedeutet dies noch lange nicht, daß die Menschen im 16. Jahrhundert diese Sichtweise teilten. Und nur weil ein Gutteil der Statutenverstöße nach heutigen Kategorien strafrechtlich zu beurteilen wäre, kann man nicht davon ausgehen, sie müßten im schon 16. Jahrhundert vor einem „Gericht“ verhandelt worden sein. Vor diesem Hintergrund ist der pauschalen Aussage Ruths, der Senat habe keine jurisdiktionelle Funktion gehabt, sogar teilweise zuzustimmen: die Aufgabe, Statutenverstöße zu ahnden, wäre zwar nach heutigem Verständnis gerichtlich, wurde jedoch vom Senat nicht als solche begriffen, denn die Strafrechtspflege der Universität spielte sich eher im Rahmen der Verwaltung ab.315

311 Iudicium academicum, quod vocant Consistorium in A 4/6, LSS, IV. De Assessoribus Acad. Iudicii, quod vocant Consistorium, ebenso A 4/2, LSR 1581, XXV. De Iudicario processu und A 4/6, LS 1618 (gleiche Bestimmung) sowie auch De Consistorio seu foro iudiciale in AoR, ed. König, Rectorat, S. 77, 18. 312 Vgl. Erster Teil § 4 I. 2. b) zur Bedeutung der Eide; Zweiter Teil § 2 I. zum „Verfahren“ und Zweiter Teil § 2 IV. 1. zur Rechtsanwendung. 313 Beachte hierzu die Ausführungen von Ebel, die Willkür, S. 56 f. 314 Hierbei ist auch die oben zitierte Regelung über die Umwandlung von Geld- in Haftstrafen durch den Senat aufschlußreich, weil sie das Wort mulcta als Geldstrafe identifiziert: pecuniarias pœnas seu mulctas. Oberländer, Lexicon Juridicum, S. 480: Mulcta: Straffe am Geld. Zur Einordnung der universitären Sanktionen bei der Ausübung der Strafgewalt vgl. Zweiter Teil § 2 IV. 2. 315 Diese Vermutung wird auch durch die Ähnlichkeiten der „Disziplinargesetze“ mit damaligen Policeyordnungen bestärkt. Vgl. dazu Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 39: [Das Disziplinarrecht] erfüllte nun in den sich entwickelnden

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

Bei Taten, die des malefitz[gerichts] bedürfen, wäre die Lage vielleicht anders, aber sie fielen im Strafrecht nicht unter die Kompetenz der Universität. All das kann erklären, warum allein das Consistorium, das sich nur mit Privatrecht316 und nicht mit Statutenverstößen befaßte, in den Quellen als Universitätsgericht317 bezeichnet wird.

§ 4 Zwang und Zusammenhalt Es ist geradezu eine Binsenweisheit, daß eine Gemeinschaft ihre Regeln und Gesetze ohne Zwangsmittel nur schwer durchsetzen kann. Bei der Frage nach den Durchsetzungsmöglichkeiten der universitären Gerichtsgewalt stoßen wir auf Elemente, die uns in allen rechtlichen Aufgabenbereichen der Hohen Schule begegnen und deshalb hier vor die Klammer gezogen werden sollen. Letztlich geht es um ihren Zusammenhalt, um die geistige und manifeste Zwangsgewalt, die sie stützte und trug. Dabei fällt der Blick zunächst auf den Eid, der als Ursprung der Bindung an die Universität immer wieder als Verpflichtungsgrund in unterschiedlichen Kontexten auftaucht. Während es beim Eid der elementare Charakter des Instituts ist, der zu seinem Einsatz in unterschiedlichen Bezugsrahmen führte, ist es bei Arrest und Haft die Ambivalenz der Lebenssachverhalte: eine Person einzusperren und festzuhalten konnte – sogar gleichzeitig – ganz verschiedenen Zwecken dienen. I. Zwang durch Selbstbindung: der Eid Mit der Frage nach der metaphysischen Begründung gesellschaftlichen Zusammenlebens ... in der ständischen Gesellschaft rückt der Eid in’s Zentrum des Interesses ...318

Staaten der frühen Neuzeit ähnliche Funktionen wie die Polizeiverordnungen gegenüber der übrigen Bevölkerung. 316 Vielleicht spielte unterschwellig auch eine Rolle, daß der zivile Streitaustrag zwischen zwei Parteien dem alten Rechtsgang näher stand als das jüngere öffentliche Strafgericht. 317 Insofern ist der von Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen gewählte Untertitel Studenten vor dem Freiburger Universitätsgericht fragwürdig: Sie behandelt ausschließlich strafrechtliche Fälle, welche nicht vor das Consistorium gelangten, sondern von Rektor und Senat abgestraft wurden. Allerdings hält sie den Senat irrigerweise auch für das Consistorium. 318 Holenstein, Seelenheil und Untertanenpflicht, S. 12.

§ 4 Zwang und Zusammenhalt

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1. Eid und Obrigkeit a) Immatrikulation Zumindest die Bezeichnung universitas erinnerte noch im 16. Jahrhundert an die korporativen Ursprünge der Hohen Schulen. Ein wesentliches Element, das sie mit anderen Personenverbänden gemeinsam hatten, war der Eid als Verfassungselement. Voraussetzung der genossenschaftlichen Organisation war der gewillkürte Eintritt, der bei der Universität durch die Immatrikulation erfolgte. Die wichtigste Handlung bei der Einschreibung war das Ablegen des Eides, der die Bindung an die Universität begründete.319 Vielfach werden in der Literatur die Parallelen zwischen den verschiedenen Schwurverbänden, insbesondere Städten und Universitäten hervorgehoben.320 Auch in den Freiburger Akten stößt man auf solche Ähnlichkeiten. Vor allem fällt immer wieder eine Formulierung auf, mit der die Beziehung einer Person zu der Institution, die ihre Obrigkeit ist, umschrieben wird. Die Quellen sprechen vom Eid, mit dem ein Student der Universität und ein Bürger der Stadt verwandt ist. Zugleich weisen diese Worte auf einen anderen Aspekt der geschworenen Gesellschaft321 hin. Der Eid bedeutet nicht nur die Unterwerfung unter eine Herrschaft, sondern auch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Dennoch beginnt die ursprüngliche Coniuratio zu verblassen und ein neues, obrigkeitliches Verständnis zieht herauf. Im Freiburger Eid zeigen sich – anders als bei den Schwüren der frühen Universitäten – Züge einer landesherrlichen Gründungsuniversität: auch die Treue zum Hause Österreich ist Bestandteil der Eidesformel.322

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Miethke, Der Eid an der mittelalterlichen Universität, S. 55. Vgl. auch di Simone, Die Zulassung zur Universität, S. 235 f. Der Eid blieb bis zum Ende des 18. Jahrhunderts der wichtigste Akt der Immatrikulation. In der Praxis und in der Literatur spielte sich allerdings im Lauf der Zeit eine langsamer, aber stetiger Bedeutungsverlust ab. 320 Studenten schworen ihrer Universität wie Neubürger ihrer Stadt, Kaufleute ihrer Gilde oder Handwerker ihrer Zunft. Schwinges, Die Zulassung zur Universität, S. 170; di Simone, Die Zulassung zur Universität, S. 237; Thümmel, Universität und Stadt Tübingen, S. 36, begründet die Ähnlichkeiten zwischen Stadtschreiber und Universitätsnotar, Bürgereid und Immatrikulationseid, Bürgermeistereid und Rektoreid mit der Entwicklung der Universitätsverfassung nach dem Vorbild der Stadtverfassung. 321 Prodi, Sakrament der Herrschaft, S. 141. Die körperschaftlich organisierte, die „geschworene“ Gesellschaft erlebte ihren Höhepunkt vom 13. bis Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Bedeutung der Eide an der Universität Freiburg ist noch im 16. Jahrhundert nicht gering zu schätzen. 322 A 4/2, LSR 1581, Articuli Juramenti eorum, qui in Album studiosiorum petunt inscribi: ... Tertius. Ne contra Serenis Austria Archiduces fundatores et Patrones Academiæ totamque domus Austriacam quippiam sinistri moliatur, dum hic apud Academiam morabitur. Vgl. Prodi, Sakrament der Herrschaft, S. 230 f. und 284. In

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b) Funktionen des Eids Trotz politischer und konfessioneller Komponenten des Eids blieb für die Praxis auch im 16. Jahrhundert das klassische promissorische Element, mit dem vor allem äußere Verhaltensweisen wie Gehorsam gegen Statuten und Autoritäten bezweckt wurden, von erheblicher Bedeutung: Primus est Academiæ Archiducalis statuta universa unacum privilegiis eiusdem servet atque custodiat.323 Die Aufforderung und Ermahnung beim Eid war ubiquitär: per iuramentum wurden Studenten vor Gericht und Rektor zitiert, zur Zahlung von Schulden oder zum Schweigen über eine Aussage aufgefordert. Beim Eid wurde in nächtlichem Aufruhr der Frieden geboten, und auch Zeugenaussagen beruhten auf eidlichen Verpflichtungen. c) Verhöre beim Eid Das enge Verhältnis von Eid und Obrigkeit324 manifestiert sich besonders in den Verhören. Allerdings wurde eine Aussage nicht immer eigens beschworen. Vor allem im Rahmen der disziplinarischen Verhöre325 betrachtete man in der Regel eine Ermahnung, bei dem Eid, mit dem man der Universität oder der Stadt verwandt war, die Wahrheit zu sagen, als ausreichend.326 Hierbei schienen beide Korporationen grundsätzlich davon auszugehen, eine solche Mahnung könne nur der aussprechen, auf den der Eid geschworen worden war. Der seinem großen Überblick beschreibt er den Bedeutungswandel, den der Eid mit dem Übergang vom Spätmittelalter, der Zeit der Lehenseide, Einungen, Coniurationes und Schwurgemeinschaften zur Ausformung der Landesherrschaften erfuhr. Den Beginn dieser Entwicklung macht er an den Universitäten aus, an denen man zuerst in großem Stil begann, mit dem Eid die Zugehörigkeit zu einer Schule, später zu einer Landesherrschaft und einer Religion zu beschwören. Neben die promissorischen Elemente des Eides treten somit ideologische. 323 A 4/2, LSR 1581, Articuli Juramenti eorum, qui in Album studiosiorum petunt inscribi: ... Auch der Gehorsam gegen konkrete Weisungen wurde erwähnt: Quartius ut iussis atque mandatis Rectoris, pariter et Senatus Academici prompte obediant eosque omnes et singulos. 324 Obrigkeit wird – so könnte man schlußfolgern – im Verständnis der Untertanen vorwiegend über die Gerichtskompetenz definiert. Schulze, Zur Ergiebigkeit von Zeugenbefragungen und Verhören, S. 324. 325 Vgl. Zweiter Teil § 2 II. 1. a). Bei den Verhören vor dem Consistorium war der Eid häufiger, Dritter Teil § 4 III. 2. a) aa). 326 Die Unterscheidung zwischen assertorischen und promissorischen Eiden stammt aus späterer Zeit. Die Einheitlichkeit des Eides zeigt sich hier, wenn die Erinnerung an den Versprechenseid den Gelöbniseid ersetzt. Vgl. Dilcher in HRG 1, Eid, 3. Versprechenseide, Sp. 866.

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Rektor konnte also einen Handwerker nicht bei seinem Bürgereid befragen. Besonders streng wurde dieser Grundsatz bei den Verhören durchgehalten, in denen es um strafbares Verhalten ging. Darum herrschte Irritation über einen Mann, der keiner Obrigkeit geschworen war.327 In einem anderen Fall lesen wir über Dr. Johann Bernhart Klump, er sei ein Satzbürger bey der Statt und daher nit von Herrn Rector zu examinieren.328 Wenn also zu einem Vorfall auch Einwohner und Bürger zu befragen waren, übernahmen dies die heimlichen Räte, ein städtisches Gremium.329 Die Senatsprotokolle dokumentieren, daß sich in solchen Fällen Rat und Senat gegenseitig um Abschriften der Verhöre baten. Da diesen Anfragen in der Regel entsprochen wurde, sind in A 12/1 (LI1) etliche Verhöre der heimlichen Räte vorhanden.330 Sie erfolgten unter Ermahnungen bei städtischen Eiden, beispielsweise wurden Jacob Baumer der Zoller, bei seinem aidt, darmit er ein Rath verwandt, Jacob Vischlin, bei seinem aidt, darmit er der Statt verwandt und Heinrich Ritter bei seinem hindersässen aidt verhört.331 Das System der Gerichtszuständigkeiten wurde also von innen, durch den Eid als Bindemittel der jeweiligen Gemeinschaften, getragen. Nicht nur, weil er nicht zuständig war, konnte der Bürgermeister keine Studenten verhören, sondern auch, weil ihm die Einbindung in den Eid fehlte, der den Aussagen Glaubhaftigkeit verlieh. Allerdings gab es – vor allem vor dem Consistorium – Abweichungen von diesem Prinzip. Auch hier wurden Universitätsangehörige bei ihrem Immatrikulationseid befragt. Bezüglich städtischer Zeugen war es durchaus üblich, daß die Stadt ihren Bürgern und Einwohnern die Aussage erlaubte. Dann konnte sich der Universitätsnotar oder das Consistorium bei der Befragung auf den Bürgereid stützen:

327

A 13/1 (LI2), fol. 126, 1563, Item einem Rat anzuzeigen, das diser Scipio allhie liege und keiner Obrigkeit gelobt und geschworen sein solle ... 328 A 13/2 (LI3), Inquisition am 25.08.1603, fol. 322. 329 Zusammenfassend Nassall/Winterer-Grafen, Rechts- und Gerichtswesen, S. 394 f. sie agierten als öffentliche Ankläger und Ermittlungsrichter. Vgl. zu den heimlichen Räten Willmann, Heimliche Räte, S. 160 ff. Er sieht allerdings ihre Aufgabe schwerpunktmäßig als eine Art Staatsanwaltschaft der Rates in Malefitzfällen. Die Protokolle der heimlichen Räte in A 12/2 (LI1) umfassen aber auch leichtere Fälle. Entweder war ihr Tätigkeitsfeld doch größer, oder die Auseinandersetzungen mit der Universität wurden als so wichtig empfunden, daß man sie den heimlichen Räten übergab. 330 A 12/2 (LI1), fol. 471r, Sonntag Misericordia Domini (15)55 haben die ersamen und weisen Herren Lienhart Ruoff, Wolff Ferveler und Dietrich Nebb als die haimlichen Redt Kunschafft uffgehebt ... A 12/2 (LI1), fol. 565r-650v fast durchgehend. Die Verhöre beziehen sich zum Teil auf Vorfälle, zu denen sich die Inquisitionen von Seiten der Universität in A 13/1 (LI2) finden. 331 A 12/2, fol. 491r, 491v, 492r, Vorfall am 02.06.1559.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität Erstlich haben die herren die nachbemelten Zeugen gefragt, ob sie all statt allhie geschworen Ob inen alle daher geboten, und der eid von ir oberkeith entschlagen sei. wellicher geantwort Ja ...332

Indes finden wir auch Verhöre durch eine fremde Obrigkeit, wenn strafbares Verhalten untersucht wurde. Auf diesen Sonderfall weist der IG eigens hin: Nach Schlägereien zwischen Studenten und Bürgern kam man in einzelnen Fällen überein, der Senat solle die Stadtbewohner und der Rat die Universitätsangehörigen befragen.333 Die Formulierung der Senatsprotokolle Civitas ... petierit, ut ipse dominus Vicerector praedictis nobilibus et eorum praeceptorum mandaret, coram secretis oppidi consiliariis eos inquisituris deponendum deutet darauf hin, daß die Universität den Studenten zunächst auferlegen mußte, vor den heimlichen Räten auszusagen.334 Sowohl im Straf- als auch im Privatrecht schien eine Erlaubnis oder Aufforderung der eigenen Obrigkeit erforderlich gewesen zu sein, um beim Immatrikulations- oder Bürgereid vor einer anderen Stelle aussagen zu können. Nun gab es aber auch Personen, die keiner Obrigkeit geschworen waren, ohne deshalb unehrenhaft zu sein. Zu denken ist hier einmal an Frauen, die keinen Bürgereid schworen und zum anderen an Universitätsbesucher, die noch nicht immatrikuliert waren.335 Da man auf ihre Aussagen nicht verzichten wollte, finden sich in der Praxis weitere Ausnahmen. Frauen waren in Zivilprozessen als Zeugen zugelassen und traten auch häufig auf. Sie wurden meist nicht bei einem Eid, sondern bei iren weiblichen trewen und eren336 befragt. Auch in Strafsachen konnten weibliche Zeugen befragt werden.337 Die Verhöre 332

A 14/1, fol. 121-128, 06.07.1549. A 23/24, IG, fol. 67. De inquisitionibus delinquentium Olim in quadam digladiatione inter studentes, & et cives huius oppidi, convenit inter utrumque Magistratum, ut Academicus inquireret cives, & oppidianus inquireret studentes, &c. Act. part. 4. pag. 446, Act. part. 5. pag. 156. 168. 189b. Die zitierten Stellen aus den Senatsprotokollen befassen sich tatsächlich mit Verhören von Studenten durch das städtische Gremium der heimlichen Räte. 334 Bsplw. 189b, also A 10/7, fol. 378 (=189v), 14.03.1549, der Notar sollte beim Rat um Abschriften dieser Verhöre nachfragen. 335 A 12/2, fol. 172v, 01.12.1545, Johannes Hech, ein junger schüler seins alters uff die funffzehen Jar ... wiewohl er sich der Universität nie incorporiert noch nie Eidespflichten verwandt hat er doch nach Erinnerung meineids so Ime begegnen möchte wo sich befunde, daß er die unwahrheit anzeigt ... 336 A 14/1, fol. 209, Barbara Kutterle von dem Herrn Rector verhört by Iren weiblichen trewen. A 14/1, fol. 210, spricht eine Agatha bei gethonem Eid, allerdings ein Einzelfall. 337 Koch, Maior dignitas, S. 87. Es galt die Einschränkung, daß die Wankelmütigkeit und Verlogenheit des weiblichen Geschlechts bei der Wertung der Aussagen zu berücksichtigen war. Nam varium et mutabile testimonium semper femina producit, CIC, X. 5, 40, 10. Ob aber die Gerichte tatsächlich eine glaubwürdige Aussage weniger gewichte333

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in den Inquisitionsprotokollen erfolgten ebenfalls bei weiblichen Ehren und Treuen, einer Formel, die auf den engen Zusammenhang von Eid und Ehre als Komponenten einer integren Person hinweist.338 2. Die Gefahr des Meineids Das Wort meineid, periurium bezog sich sowohl auf einen wahrheitswidrigen assertorischen Eid als auch auf den Bruch eines Versprechenseids.339 Der Vorwurf des Eidbruchs reichte weiter, bevor man zwischen assertorischen und promissorischen Eiden unterschied. a) Eid und Wahrheitssicherung Der Eid bezieht seine Kraft aus der engen Koppelung von Diesseits und Jenseits, die der Zivilisation des Mittelalters und der frühen Neuzeit zu eigen war. Eine Gefährdung des ewigen Seelenheils durch die selbstverantwortete Verfluchung bei einem Meineid oder Eidbruch war real und bedrückend.340 Auch im 16. Jahrhundert hatte der Eid seine Eignung als Druckmittel in Verhören nicht verloren: Zu Beginn der Befragung wurde der Verhörte an seinen Eid erinnert und daran, was Im Unrats eruolgen mechte baide an Seel und leib, so er die

ten, kann man nicht sagen, weil uns Aussagewürdigungen nicht überliefert sind. Das Freiburger Stadtrecht schloß das Zeugnis von Frauen und Personen unter 20 Jahren aus, so man vmb lib vnd leben / oder vmb ere verlierung klagt. Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 60, I. Tractat, IX. Titel Von bewysung, 13. 338 Holenstein, Seelenheil und Untertanenpflicht, S. 28 f. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang die Inquisition von vier Prostituierten, gemein frawen, durch die Heimlichen Räte am 01.09.1562, A 12/2 (LI1), fol. 603v ff. Sie wurden nicht bei ihren weiblichen Ehren und Treuen sondern bei irer Seel heyl oder ihrer Seligkeit befragt. Hier scheint die Eid- und Ehrentauglichkeit weniger eine Rolle zu spielen als die Ausrichtung auf das Jenseits, dessen Hochschätzung man auch bei gesellschaftlichen Außenseiterinnen voraussetzt. 339 Hagemann, Basler Rechtsleben I, S. 251. Ebel, Bürgereid, S. 158, Dilcher in HRG 1, Eid, 3. Versprechenseid, Sp. 866. 340 Vgl. Holenstein, Seelenheil und Untertanenpflicht, S. 12 und 27 zur schreckenden und abschreckenden Wirkung des Eides. Vor diesem Hintergrund wird auch seine Bezeichnung als „geistige“ Folter nachvollziehbar. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 431 – im Bezug auf den Reinigungseid im gemeinen Strafprozeßrecht.

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vnwahrheit anzaigt haben erfunden wurde.341 Solche Worte wurden nicht als leere Drohung empfunden, wie die folgenden Stellen belegen mögen: Constantinus Schlech wiewol er erstlich ungeachtet der gethanen Eidspflicht mit der sprach nit heraus wollen, als er aber vom Rector des maineids zum höchsten verwarnt worden, mit bedrawung der schweren straff so er bei gott und der vniuersitet gewertig sein müße, wo man befunden, daß er vber gelübd und Eidt die warheit verschwiegen, vnd die vnwahrheit eröffnet hett, hat gesagt auff den anzug wie volgt ...342

Noch deutlicher wird die Kraft des Eides bei einem anderen Verhör, in dem der Befragte seine Aussage unter dem Eindruck der Ermahnung ändert: Der Cantor gefragt ob er mit nemblich[en] Im frawen Haus mitt einer geygen gewesen sagt nein vnd als er des Juraments erInnert, bekennt er vnd zeigt an es sey nit mer dann einmal geschehen und [er] sey bezecht gewesen, wöls fürther nitt mer thun ...343

Natürlich wäre es naiv anzunehmen, jeder hätte beim Eid die Wahrheit gesagt oder eidliche Aufforderungen seien stets befolgt worden. Pointiert formuliert Prodi, bei der inflationären Verbreitung von Eiden in der frühen Neuzeit hätte zumindest die Hälfte der europäischen Bevölkerung Zeige- und Mittelfinger einbüßen müssen.344 Die Wahrheit wird in der Mitte liegen: Da man bei kleineren Delikten und leichteren Strafen kaum sein Seelenheil aufs Spiel setzen wollte, erwies sich in diesen Fällen der Eid als sehr wirkungsvoll. Bei harten Strafen oder wenn die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel stand, wurde der innere Konflikt größer und möglicherweise reichte dann der Eid als Druckmittel nicht mehr aus. 341

A 12/2 (LI1), fol. 195r, Inquisition am 08.01.1546. Ein anderes Beispiel: A 14/1, fol. 121: vor und ehe ime des producenten anzug ... fürgehalten, der schwere und burd meineyds zu hechsten verwarnet und erinnert ... 342 A 12/2 (LI1), fol. 262av, Inquisition am 20.12.1546, Beginn der Inquisitionen in dieser Sache auf fol. 261v. Bei den ausführlichen Verhören verschiedener Personen ging es um nächtliche Besuche der Studenten Schlech, Schweitzer und Ulinus beim inhaftierten Waldenberger im carcer. Schlech gesteht, er sei in die zwo oder drey nacht zu dem Waldenberger durch das haimlich gemach in den garten zu dem Kercker gestigen. Er habe dies getan, weil Waldenberger ihn darum gebeten habe: Lieber Kum schwetz mit mir damit mir die weil kurtz werde, fol. 262av. Unter anderem werfen die Fragstücke den Inquirierten vor, sie hätten dem Inhaftierten Wein und Licht mitgebracht. 343 A 12/2 (LI1), fol. 382v, Inquisition am 22.09.155. Noch im 18. Jahrhundert beobachtet Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 99, derartige Reaktionen auf die Forderung, einen Eid zu leisten. 344 Prodi, Sakrament der Herrschaft, S. 235. Auch im Freiburger Stadtrecht wird das Abhauen der Schwurfinger als Strafe für offenen Meineid aufgeführt, Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 217, V. Tractat von Freveln schmach und malefitz hendeln, 15.

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b) Eid und Strafe Ausgehend von Wilhelm Ebels Forschungen345 ist für die städtischen Einungen und Ordnungen immer wieder festgestellt worden, daß die Wurzeln der Strafen, die für ihre Verletzung angedroht wurden, in der eidlichen Anerkennung der Statuten durch den einzelnen lagen. Grund für die Strafe war also die Nichteinhaltung der eidlichen Pflichten. Diese Beobachtungen lassen sich, wie bei der Frage nach der „gerichtlichen Funktion“ des Senats bereits angedeutet,346 auch auf die Strafgewalt der Hohen Schule übertragen. Das Fehlen eines gerichtlichen Verfahrens und einer Begründung der Strafe mögen darauf zurückgehen, daß es sich bei den Delikten um Verstöße gegen die Universitätsstatuten handelte. Mit seinem Immatrikulationseid hatte der Student geschworen, diese einzuhalten. In extremo zeigt sich diese Vorstellung bei der Periuriumerklärung durch das Consistorium. Die letzte Reaktionsmöglichkeit bei hartnäckigem Ladungsungehorsam bestand darin, den Schuldner für periurie, meineidig zu erklären, weil er den bei seinem Eid ausgesprochenen Aufforderungen, vor Gericht zu erscheinen, nicht entsprochen hatte.347 Hier zeigt sich der Eid in seiner Doppelnatur, zum einen als Versprechen, das gebrochen wird, zum anderen als Verfassungselement der Hohen Schule. Da der Eid die Unterwerfung unter das Gericht begründete, war Ladungsungehorsam auch Eidbruch. Auf dieser Einheit basierte noch in der frühen Neuzeit das Verwaltungssystem der Hohen Schule, was sie in die Reihe vieler mittelalterlicher Korporationen stellt.

345

Ebel, Die Willkür, S. 56 ff.; derselbe, Bürgereid, S. 180 f. Erster Teil § 3 IV. 347 Dritter Teil § 3 I. 2. b) am Ende. A 14/2, fol. 39v, 24.10.1569: [Wir] erklären ine, das er ... bei dem Eyd, so er uns als er von uns zuo einem studenten aufgenommen worden uff das heilig Evangelium geschworen, meineidig und schließen Ine deshalb von unserer Universitet, derselben Matrikel und freyheiten gentzlich auß. Vgl. zu Ladungen beim Eid auch Miethke, Der Eid an der mittelalterlichen Universität, S. 56 f. 346

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II. Zwang von Außen: Haft und Arrest 1. Inhaftierung in carcer und Kollegium a) Haft vor und während eines rechtlichen Verfahrens Es war geradezu üblich, aus Angst vor rechtlicher und tatsächlicher Verfolgung nach einem schwerwiegenden Delikt, die Flucht zu ergreifen.348 Wie die Senatsprotokolle berichten, waren diese Versuche zwar oft, aber nicht immer erfolgreich: Die Brüder Abraham und Arnolphus de Monte hatten bei einem Hochzeitstanz M. Martin Has, ebenso wie sie Student, seer übel und auf den tod verwundt. Wie nun die zwen bruder aus der Stadt entlaufen wellen, seind sie in der Schneckenvorstadt von etlichen Bürgern in der stadt gefeknus St. Martins Turm gefenklich geführt worden.349

Man nahm die Delinquenten fest, bevor eine Klage erhoben wurde, um die Tat wirksam verfolgen zu können. Für die weitere Entwicklung spielten offensichtlich zwei Faktoren eine Rolle: zunächst, wie sich der Gesundheitszustand des Opfers entwickelte und im folgenden, welcher Art die vom Geschädigten geplante Klage war. Bei den Brüdern de Monte begründete die Universität hiermit ihre Bitte um weitere Verwahrung im Stadtgefängnis: dweil die Sach des verwundten halb also mißlich beschaffen. Im Fall des französischen Hofmeisters von Lalosch, der einen Stadtwächter schwer verletzt hatte, Decrevit Universitas, dweil die sach so mißlich soll man acht und sorg haben, das der gefangen und woll bewacht.350 Beide Male wurde über eine Freilassung der Inhaftierten erst verhandelt, nachdem die Verletzten außer Lebensgefahr waren. Die Bittsteller für von Lalosch erklärten ausdrücklich, dieweil kein gfahr mher sey das Bartlin Wägelin der gestochen wachtmeister sterbe, könne man den Hofmeister aus der Haft entlassen. Bevor sie auf das Anliegen einging, zog die

348 Nicht nur für Studenten, vgl. Schwerhoff, Köln, S. 292 und die Regeln des Freiburger Stadtrechts, Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 215, V. Tractat, 6. Todschlags halb. Näher dazu Zweiter Teil § 3 II. 1. 349 A 10/9, fol. 305, 02.07.1569. Die Tat geschah Uf dunstag den letzten Juni. Da die Universität offenbar das Stadtgefägnis für sicherer hält als ihren carcer, bittet sie die Stadt, die beiden französischen Adligen zunächst im Turm zu behalten: und wiewol ein ersamer Rat der stadt Freiburg diß zwen studiosen der Universitet in ihren Kerker als gefangene ze liefern begert, hat doch universitas an den Rath begehrt, dweil die Sach des verwundten halb also mißlich beschaffen, das man die beiden Gefangenen in der Sadt Turm erhalten wolle, diß hat ein ersamer Rath also bewilligt. 350 A 10/9, fol. 34, 15.04.1562.

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Universität Erkundigungen ein, ob es dem verletzten Wägelin wirklich besser gehe.351 Has erhob zwei Monate nach dem folgenschweren Hochzeitsfest eine Klage auf Entschädigung und Zahlung von 1400 Gulden vor dem Consistorium. Nachdem er seine Klage eingebracht hatte, beantragte der Anwalt der Beklagten deren Freilassung: Uff sollich eingfürtt libell sagt anwalt der beclagten dweil die clag und action nit Criminalis sunder Civilis, möge man die beclagt uf genugsame caution der gefenknus erledigen.352

Diese Argumentation erwies sich als tragfähig: Nachdem die Brüder de Monte Bürgen gestellt hatten, die für Beendigung des Prozesses Sicherheit gaben, wurden die beiden freigelassen.353 Im Fall von Lalosch wurde zwar ganz ähnlich argumentiert, doch bestand bei der Entscheidung, ob ein Inhaftierter freigelassen werden sollte, ein Spielraum für die Universität. Wenn sie die Bürgschaft nicht als ausreichende Sicherheit anerkannte oder die Fluchtgefahr besonders groß war, blieb der Tatverdächtige in Haft: Wan der hofmeister ein deutscher hie zuo land seßhaft, bekannt und im uff sein zusag dem Rechten ausßzuwarten, zuovertrauen were, So wurde Universitas ine der gefenknus gestracks erlaßen, Dan es causa civilis,354

Haft wurde also unter normalen Umständen nur in causae criminales angeordnet. Auch in seiner später gegen die Stadt erhobenen Injurienklage berief sich von Lalosch darauf, man habe ihn wegen einer zivilen Klage nicht im

351 A 10/9, fol. 40, 14.05.1562, Uff dies begeren und erbietten hat Universitas von den medicis und sunst erkundiget, das die sach zimblich wol umb den verwundeten stat, also das sich deße nit zubesorgen ... 352 A 14/2, fol. 86r, 03.09.1569; fol. 87v benennen sie Bürgen für 700 fl. 353 A 10/9, fol. 308, 14.09.1569, Als Abraham und Arnolph de Monte seidher in St. Martinsturm auf der Universitet begern gefangen gelegen und aber die partheyen vor dem Consistorio rechtlich handeln, auch die gefangnen bürgschafft ins Recht gebenn, will Universitet die gefangene mit einer urfehdt ledigen, und iren den frävel dißer Zeit vorbehalten haben. vides fol. 149; 149r=305, oben zitiert. Nota: Sie sind gelediget worden den 15.09., seind 11 Wochen gefangen gewesen und haben dem stadtknecht uf befelh derUniversitet geben 6 guldin. Die Kosten der Haft mußten also (zunächst) die Gefangenen tragen. 354 A 10/9, fol. 45, 02.06.1562. vnd möchte alwegen solche gefenknus gegen ... einen burger begert werden, welches wider alle Recht und der Universitet unleidenlich und hoch beschwerlich sein wurde.

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Gefängnis halten dürfen.355 Die Universität begründete die Haft in diesem Fall mit Besonderheiten eines ausländischen Beschuldigten, die sie notwendig machten, damit der Beklagte dem Rechten ausswarten werde. In keinem dieser Fälle hinderte die übereinstimmende Bezeichnung als causa Civilis die spätere Ahndung der Tat durch eine an die Universität zu leistende Geldsumme, die neben der Zahlung an den Verletzten zu entrichten war. Bei den Brüdern de Monte behielt sich die Universität eine Bestrafung ausdrücklich vor, als sie freigelassen wurden. Dies spricht dafür, daß der Begriff der causa criminalis Sachen bezeichnete, in denen es nicht nur um Geldstrafen, sondern um andere, auch körperliche Strafen ging. b) Haft und Strafe In der Regel wurden Statutenverstöße mit Geldzahlungen an die Universität geahndet, aber bei schwereren Vergehen konnte der Senat auch Haft im carcer anordnen.356 In diesen Fällen entschied das Kollegium beispielsweise, den Delinquenten per 8 dies incarceratur. Zu einer solchen Bestrafung konnte es auch kommen, wenn der Täter nicht in der Lage war, eine Geldstrafe zu bezahlen und diese in Haft umgewandelt wurde: XXIIIX. De commutatione mulctarum in pœnas alias: Ne qui pauperiores impune peccent: putentus cum ipsi tum alii, Academicum Senatum nummos potius quærere, quam optare ut delinquentes emendentur. Idcirco censuit Senatus: pecuniarias pœnas seu mulctas nonnunquam commutandas esse in iniectionem in carcerem;357

Als Begründung diente die Befürchtung, Arme könnten sonst ungestraft gegen die Regeln verstoßen. In dieser Konstellation verurteilte der Senat zu Haft im carcer statt zu einer Geldleistung und die Strafe wurde durch die Haft abgegolten. Auch der IG kennt dieses Prinzip, heißt es doch dort im Bezug auf die peen von 100 Gulden, die im Stiftungsbrief für Angriffe auf Studenten angedroht wird:

355

A 14/2, fol. 47r, 06.02.1563, wiewoll auch keiner umb bürgerliche sachen willen in gefenknus gehalten werden solle, hat die Stadt ihn in Haft gehalten, Obwohl er gebürliche bürgschaft habe stellen wollen. 356 Zu den Kompetenzen des Senats, Erster Teil § 3 II. 2. b). 357 A 4/2, LSR 1581, XXIIIX.

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Art. 3 In percussores studentium: qui mulctam dabunt centum florenum: & si non habeant in ære, luent in corpore.358

Der Schlußsatz ist ein lateinisches Rechtssprichwort, das eigentlich Luat in corpore, qui non luat in aere lautet: Mit dem Leib soll büßen, wer nicht mit Geld büßen wird. Wer also eine Geldstrafe nicht entrichtet, kommt in Strafhaft.359 Während hier präzise die Abgeltung der Strafe durch die Haft formuliert wird, wirkt die Bestimmung in den AoR mehrdeutig: Qui poenas iniunctas persoluere noluerint, per Rectorem monendo sunt, ut reddant. Sin, mandabit ut ad carcerem eant vel ducantur.360 In diesem Kontext könnte das Ziel der Haft auch sein, den Betroffenen zur Zahlung zu bewegen. c) Haft nach Schuldanerkenntnis Eine Inhaftierung konnte auch als Druck- oder Sicherungsmittel eingesetzt werden. Diente sie diesem Zweck, so minderte sich die geschuldete Summe durch den Aufenthalt im carcer nicht. Ein solcher Hintergrund der Haft ist zu vermuten, wenn sie bei zugestandener Schuld von den Gläubigern beantragt wurde, wie im Fall des hochverschuldeten Studenten Westernach. Am 28.06.1566 findet auf Kosten der sechs Gläubiger Hans Ruögers von Westernach ein Consistorium extraordinarium gegen ihn statt,361 in dem sie ihre Forderungen darlegen. Seine Schulden belaufen sich auf insgesamt ungefähr 190 Gulden, eine sehr hohe Summe. Westernach erkennt die Außenstände an und erhält vom Gericht 14 Tage ad solvendo. Am 17.08.1566 begeren [die Kläger] gerichtlich, dieweil sie noch nit bezalt, den Westernach uff iren costen gefenklich einzulegen.362 Westernach führt aus, er habe bereits einen Bürgen gesetzt und begehrt weiteren Aufschub. Da die Gläubiger ihr Einverständnis bekunden, dieweil die Creditores ime Westernach noch 8 tag termin ... vergunndt, laßen die herrn Consistoriales sollichs zuo. Als er jedoch bis zum 358

A 23/24, IG, fol. 107. Tatsächlich steht im Stiftungsbrief am Ende des dritten Artikels, Schreiber, Urkundenbuch, S. 453 = Gerber, Rechtsgestalt, S. 30: Were aber yemands vnder den, die solich vnser gebot brechen, vnd der doch nit mit guot möchte gnuog thuon den vorgeschriebenen penen oder dem rechten. Derselb sol solichs mit seinem lib erarnen, bessern vnd gantz ablegen. Hervorhebung BB. Hier kann sich das Absitzen der Geldzahlung auch auf das daneben stehende „Bessern nach dem Rechte“, die Zahlung an den Verletzen, beziehen. 359 Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, S. 114, Nr. 73. D. 48, 19, 1, § 3 a.E., Ulp. 360 AoR, ed. König, Rectorat, S. 76, 14. 361 A 14/2, fol. 75r: ist von nachgeschribnen personen uff Hans Ruögern von Westernach ein Consistorium umb ein guldin kaufft. 362 A 14/2, fol. 75r

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

10.09.1566 immer noch nicht bezahlt hat, fordern die Gläubiger erneut, ihn ins Gefängnis zu stecken. Westernach bittet, wo er sollte eingelegt werden, das man ihn in seiner habitation sein und bleiben lasse,363 doch das Gericht beschließt, das der beclagt ... seiner einred unverhindert, uff der Creditorn begern und Costen per Iuramentum ietzo gestracks in des Pedelln stube gan, und dasselbst der notturfft nach, ahn einer kettin bis uff weitern bescheid verwart werden solle.

Diese Haft ist keine Strafe, vielmehr scheint es sich um Personalvollstrekkung in Form von Schuld- oder Sicherungshaft364 zu handeln. Sie verhindert eine Flucht des hochverschuldeten Studenten und dient als Druckmittel gegen ihn und seine Verwandten und Freunde, wobei die Kosten ausdrücklich den Gläubigern zur Last fallen sollen. Für die Funktion als Druckmittel spricht auch, daß man in manchen Fällen die Zahlung durch eine Verschärfung der Haftbedingungen erreichen wollte. So lesen wir in den Aufzeichnungen über das Consistorium am 12.02.1564: Creditores Gabrielis de Blonai zeigen ahn, Sie haben ietz ein lange Zeit ine Blonai in dem Collegio ahn einer ketten gefencklich erhalten, dweil er aber nicht thuo dan baußen [d. h. saufen] und braßen, und seine eltern auch nit begeren zuobezalen, Seye ir begern Man soll im wider in kerker legen, Auch ein fürschrifft ahn den vatter ertheilen.365

Das Consistorium beschloß, den Fall an die Universität zu verweisen, haec res deferetur ad Universitatem. Am 24.02.1564 lesen wir in den Senatsprotokollen, man habe den Wünschen der Gläubiger entsprochen.366 Warum dieser Fall an die Universität verwiesen wurde, verraten die Protokolle nicht. Möglicherweise war das Consistorium mit seinem Latein am Ende und hoffte, die Autorität des Senats werde einen stärkeren Eindruck bei Blonai und seinem Vater hinterlassen. 363

A 14/2, fol. 75r E. Kaufmann in HRG 4, Schuldknechtschaft, Sp. 1515. Im späten Mittelalter wurde die abdienende Form der Schuldknechtschaft durch die Schuldhaft abgelöst, die ein Druckmittel ist, das den Schuldner oder Dritte zur Leistung zwingen soll. Das Risiko liegt allerdings beim Gläubiger, der für die Kosten der Haft aufkommen muß. Ebenso Erler in HRG 4, Schuldhaft, Sp. 1513. 365 A 14/2, fol. 62v 366 A 10/9, fol. 114, Convocatio am 24.02.1564, Am Rand: Blonay: Creditores Gabrielis de Blonay qui iam per 18 septimanas in collegio fuit detentus in vinculis petunt ... Dweil die Zalung nit ervolgt, er vil verzertt vnd mit großen costen erhalten württ, man welle im widerumb in Kerker legen, Secundo, Welle Vniuersitas deßen vatter schreiben, das er vmb schulden willen gefangen. Ist alles vergundt vnd zuogelaßen. 364

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In einem anderen Fall sprechen die Quellen die Funktion der Haft als Druckmittel und Vollstreckungshilfe offen aus. Der Beklagte Georg Hecht hatte am 20.08.1552 einen Teil der Schulden um disch und buecher367 gestanden, und für diesen Teilbetrag terminum juris, also 14 Tage zur Zahlung oder Pfandhinterlegung erhalten. Nachdem er bis zum 08.10.1552 nicht bezahlt hatte, forderte der Kläger Thomas Neff die Vollziehung des Urteils. Darauf erkannte das Gericht, Hecht solle binnen 24 Stunden zahlen oder anderer execution gewertig sein.368 Unter demselben Datum wird die Sache nochmals erwähnt: Das Consistorium ordnete an, den verurteilten Schuldner in den carcer zu legen donec exsolvat,369 bis er bezahlt hat. Am 28.10.1552 gelangte die Sache vor den Senat,370 weil Hecht den Gehorsam verweigerte und deshalb von „der Universität“ in den carcer geschickt werden mußte. Diesem Befehl beugte er sich endlich: Als ihn am 29.10.1552 die Wirtin des Gasthauses „Zum Schwert“ wegen Schulden verklagen wollte, riet ihr das Consistorium, sie solle ihn, sobald er aus dem Kerker ist citieren und beclagen.371 d) Haftkosten Abschließend soll am Beispiel des sieben Monate lang inhaftierten Studenten Johann von Schonaich aufgezeigt werden, welche Komplexität die Fragen nach Ziel und Funktion der Haft gewinnen, wenn die Interessen mehrerer Parteien zusammentreffen. Als wichtiger Faktor erweisen sich die Haftkosten: Zum einen, weil sie indizieren können, auf wessen Betreiben und in wessen Verantwortung ein Verfahren abläuft. Zum anderen beeinflußten sie ab einer gewissen Höhe selbst die Entscheidungen der Beteiligten. Die Inhaftierung von Schonaichs war am 01.12.1568 auf Verlangen von Christoph Baldung erfolgt, der ihn des Ehebruchs mit seiner Frau beschuldigt hatte.372 Obwohl Baldung eine Klage gegen von Schonaich angekündigt und sich darum bereit erklärt hatte, 367

A 14/1, fol. 320, 20.08.1552. A 14/1, fol. 329. 369 A 14/1, fol. 330, zwischen den beiden Aufzeichnungen zur Sache Thomas Neff gegen Georg Hecht ist keine weitere Überschrift, die auf einen neuen Termin hinweisen würde. Möglicherweise fehlt sie, denn die zweite Stelle beginnt Ist erschienen Thomas Neff anzeigt das nechst zwüschen Ime und Georgen Hecht ergagenem urtheil noch dhein volg beschehen als ob es sich um eine neue Sitzung handele, und zwar nachdem Hecht die Frist von 24 Stunden verstreichen ließ. 370 A 10/7, fol. 725, Indicatum item praesenti concessum dominus Rectore quod pedellus iuxta consistoriale decretum (quia sententia latae satisfuerus neglexerit) Georgiu Hechten de Wolffeck per Iuramentum Iusserit ingredi in carcerem. 371 A 14/1, fol. 336. Am 07.11.1552 wurde er aus dem carcer entlassen. A 10/7, fol. 728. 372 Zu diesem Vorfall siehe auch Zweiter Teil § 2 I. 1. 368

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

die Kosten der Haft zu tragen, war die Verhaftung ex officio erfolgt. Die Universität konnte ihn schließlich davon überzeugen, auf eine Klage zu verzichten und ihr die Strafe zu überlassen. Am 16.12.1568 relegierte sie von Schonaich und verhängte eine Geldstrafe von 40 Kronen. Zugleich forderte sie seine Gläubiger, die Herren Mangen, Manduck, Ingolstetter und M. Notter auf, wegen seiner Geldschulden gerichtlich gegen ihn vorzugehen. Zwei Tage später erscheinen sie als Kläger vor dem Consistorium. Da über von Schonaich in den Akten vermerkt wird, so in der Universitet gefenknus liegt, war er seit dem Urteil in der Ehebruchssache nicht aus der Haft entlassen worden. Der Beklagte bestadt der schulden, begert der gefencknus erledigt zu werden, damit er sich um Geld bewerben und bezahlen kann. Die creditores wellen, das Beclagt weitter uff iren costen in der gefencknus gehalten werde.373 Die Verwendung des Wortes weitter scheint anzudeuten, daß von Schonaich schon zuvor auf Kosten und Begehren der Gläubiger wegen seiner Schulden im Gefängnis war. Ein Monat später, am 16.01.1569, wird dem immer noch inhaftierten von Schonaich die Hälfte seiner Strafe wegen des Ehebruchs erlassen.374 Eine weitere Notiz in Sachen von Schonaich lesen wir eine Woche später. Der Notar schreibt nieder, der auf Verlangen seiner Gläubiger festgehaltene Student solle die Urfehde schwören und die Universität verlassen, sobald er seine Schulden gezahlt habe: qui si creditoribus suis, ad quorum petitione iam diu captivus detinetur, satisfecerit, relegandus est, datis literis abiuratae ultionis.375 Doch offensichtlich gelingt es von Schonaich nicht, das notwendige Geld aufzutreiben, denn fast drei Monate später sitzt er immer noch im Gefängnis und seine Schulden sind immer noch nicht bezahlt. Die Universität beschließt, 10 Kronen Strafe von ihm zu verlangen und ihn nach einem schriftlichen Anerkenntnis dieser Schuld ziehen zu lassen, damit der dißer straff halb von der Universitas nit weitter ihres theils gefangen liege.376 Obwohl es oben hieß, er sei auf Bitten der Gläubiger in Haft, erweckt diese Stelle den Eindruck, die Haftkosten fielen wegen der noch nicht gezahlten mulcta in der Ehebruchssache der Universität zur Last. Zumindest war sie wohl in Vorleistung getreten, da er in ihrem Gefängnis saß. Offenbar möchte die Universität die Angelegen373

A 14/2, fol. 83v, 18.12.1568. Der Fall taucht in den Consistorialakten nicht mehr

auf.

374

A 10/9, fol. 290, Domini Universtatis putant Johanne à Schonaich adhuc detentum in vinculis mulctandum esse in Quadraginta florenis, si vero supplex fuerit remittetur dimidium. 375 A 10/9, fol. 291, 23.01.1569. Offenbar wird die Geldstrafe erneut festgesetzt: Recordati domini Universitatis Johannes à Schonaich incarcerati, putant ipsum denuo puniendum in viginti florenis ... 376 A 10/9, fol. 297 f., 10.03.1569.

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heit endlich zu Ende bringen. Sie erläßt von Schonaich ¾ der Strafe und will für diesen Rest ein Schuldanerkenntnis akzeptieren, obwohl seine Geldknappheit offensichtlich ist! Es kommt ihr offenbar vor allem darauf an, ihn nicht mehr in ihrem Namen – und damit auf ihre Kosten – gefangen zu halten. Das Dilemma ist offensichtlich: Wenn die Universität für den Gefängnisaufenthalt eines insolventen Studenten aufkommen muß, können diese Kosten ab einer gewissen Dauer die Strafe übersteigen. Obwohl dieser Fall alle Voraussetzungen für eine Umwandlung der mulcta in eine Haftstrafe aufzuweisen scheint, ist nie davon die Rede, von Schonaich solle die Geldstrafe in corpore ableisten. Wegen des Interesses der Gläubiger, die darauf drangen, ihn weiter festzuhalten, hätte man ihn auch kaum entlassen können. Möglicherweise spielte die zu diesem Zeitpunkt schon vier Monate andauernde Haft aber dennoch eine Rolle beim Straferlaß durch die Universität. Gleichwohl kommt von Schonaich noch lange nicht frei. Am 22.03.1569 vertröstet die Universität die Gläubiger von Schonaichs, die seine Rückverlegung in den carcer forderten, um acht oder zehn Tage.377 Drei Monate später, am Johannistag (24.06.)1569, bewahrheitet sich schließlich eine schon lange gehegte Befürchtung der creditores: von Schonaich feilt die Kette, an der er gehalten wird, durch und flieht. Allerdings stellt er sich sofort dem Rektor, um vorzuschlagen, er werde einen Eid leisten, in einem Wirtshaus zu bleiben, bis alle Sachen erledigt seien. Doch die Eskalation ist nicht mehr aufzuhalten. Als von Schonaich nämlich merkt, daß der Senat beschlossen hat, ihn wieder ins Gefängnis führen zu lassen, flieht er in die Freiheit ghen oberiett in das kloster.378 Von dort aus suppliciert er an die Regierung in Ensisheim. Die Universität fühlt sich durch seine Äußerungen, die ihr hinterbracht werden, verleumdet und beschließt am 29.09.1569, ihre Darstellung der Geschichte bei der Regierung vorzubringen.379 Mit diesem Paukenschlag enden die Einträge in den Senatsprotokollen, die sich mit dem Fall von Schonaich beschäftigen. 2. Arrest und Sicherung Heute dient der dingliche oder persönliche Arrest dazu, die künftige Zwangsvollstreckung zu sichern; er ist der Generalzugriff auf das Schuldnervermögen, die Pfändung dagegen der Einzelzugriff. Gerade auf dem Gebiet der Vollstrek377

A 10/9, fol. 298. Bericht über die erste Flucht: A 10/9, fol. 304, 25.06.1569; Zweite Flucht: A 10/9, fol. 305. 379 A 10/9, fol. 308: Hans von Schonaich hat an die Regierung suppliciert und universitatem vervnglipfft neben der wahrheit, als wenn die darvor seye, das ime nit Recht gedeyen möge ... Am 25.07.1569 (Die Sancti Jacobi Apostoli) A 10/9, fol. 306, hat die Universität von der Supplik erfahren und beschließt, Erkundigungen anzustellen. 378

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

kung ist der Mangel an dogmatischen Vorarbeiten auf heutigem methodischem Stand besonders schmerzlich.380 Der Ursprung der zum Arrest führenden Entwicklungslinie wird in der älteren Literatur in begangenem Unrecht gesehen: Ein flüchtiger Schuldner wurde mit einem Dieb gleichgesetzt. Allmählich genügte Fluchtgefahr, die bei Zahlungsunfähigkeit vermutet wurde, als Arrestgrund. Die Voraussetzungen für den sogenannten Fremdenarrest waren weniger streng, hier reichte es aus, daß ein Fremder oder Gast auf Mahnung nicht leistete. Beim Sacharrest gegen Fremde, die im Gerichtsbezirk nur Fahrnis besaßen, verwischte sich die Grenze zwischen Pfändung und Arrest.381 Für das Freiburger Stadtrecht geht Nassall davon aus, der Arrest sollte dazu dienen, es dem Gläubiger zu ermöglichen, seine Ansprüche in einem ordentlichen Verfahren geltend zu machen. Er betont allerdings, das gemeine Recht des 16. Jahrhunderts kenne noch keine sicher leitenden Prinzipien für das Arrestverfahren.382 Dies muß man auch für das Verfahren an der Universität feststellen: Aus den wenig reflektierten Rudimenten, die sich in den Quellen finden, lassen sich nur Grundlinien rekonstruieren. a) Inhalt des Arrestgebots In den normativen Quellen wird der Arrest synonym als Interdictum (AoR) und Inhibitio (LSR 1581 und LSS) bezeichnet.383 Auf Arrestanordnungen stößt man sowohl in den Consistorial- als auch in den Inquisitionsprotokollen, wobei sich aus diesen Quellen nicht eindeutig ergibt, ob beides dasselbe meint. Eben-

380 Vgl. für viele Planitz, Germanische Rechtsgeschichte, S. 228 f.: Der Arrest geht auf die handhafte Tat zurück ... Wurde der Schuldner aber auf handhafter Tat der Flucht betreten, so konnte ihn der Gläubiger festnehmen und vor Gericht bringen. Und auch das gesamte Vermögen des Schuldners war dem Gläubiger zweckbeschränkt friedlos geworden ... Diese 1936 zur Entwicklung des Arrests im Mittelalter geschriebenen Sätze lesen wir wortgleich auch bei Planitz/Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 233 in der 3. Auflage von 1971. 381 Buchda in HRG 2, Kummer, Sp. 1259 ff. 382 Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 59; Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 42, I. Tractat, III. Titel Von dem bequemlichen Richter, 8. und 9.; Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 57 f. Grundsätzlich geht das Stadtrecht von Sacharrest aus: 9. Wie es mit dem arrest gehalten sol werden. Item so einer ... by vns verpott oder arrest uff eins andern hab vnd guet fürnimpt ... Nach altem Stadtbrauch konnte ein säumiger auswärtiger Schuldner bei Betreten der Stadt festgenommen und zu einem Gelöbnis zu zahlen oder sich dem Freiburger Gerichtszwang zu unterwerfen, veranlaßt werden. Diese Regel konnte auf Studenten nicht angewendet werden. 383 AoR, ed. König, Rectorat, S. 77, 17. De Interdicto, quod uocant Arestum; LSR 1581 XXVI. De transgressoribus Inhibitionis, quam Arrestum vocant; der LSS spricht nur von Inhibitio. Das Freiburger Stadtrecht nennt den Arrest auch verpott.

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so unklar ist, ob der Arrest jeweils gleichbedeutend mit Haft ist.384 Für den privatrechtlichen Arrest weisen schon die Statuten darauf hin, daß der Personenarrest lediglich das Verbot (interdictum) bedeutete, die Stadt zu verlassen. Im LSR 1581 gibt der XXVI. Abschnitt Auskunft über die Behandlung von Arrestbrechern. Cuiuscunque subditi Academici res aut persona, Rectoris mandato inhibetur; is omnino caveat se, suaque bona alio transferre; nisi Actor permittat; sub poena privationis Academicorum privilegiorum, aliisque gravioribus. Insuperque ipsius periurium, si Academico Senatui ita videatur ...385

Wenn die Güter oder die Person eines Universitätsangehörigen vom Rektor inhibiert worden sind, soll derjenige sich hüten, sich oder seine Güter an einen anderen Ort zu bewegen, es sei denn, der Kläger gestattet es. Die Zuwiderhandlung wird mit dem Verlust der akademischen Privilegien oder schwererer Strafe geahndet. Überdies wird der Arrestbrecher für meineidig erklärt, wenn es dem Senat angemessen erscheint. Der Kern des Arrests ist nach dieser Vorschrift das Verbot, beim Sacharrest Wertsachen, beim Personenarrest sich selbst, aus dem Freiburger Gerichtsgebiet zu entfernen. In den AoR lesen wir die Bestimmung, Arrestbrecher sollen aufgeschrieben und vom Syndikus im Namen der Universität vor das akademische Gericht geladen werden.386 Aus den hin und wieder in den Consistorialprotokollen zu findenden Vermerken über solche Ladungen läßt sich ein weiteres Argument für den Arrest als bloße Aufenthaltsbeschränkung ziehen, weil in den entsprechenden Senatsprotokollen kein Ausbruch aus dem carcer beschrieben wird.387 384

Siebenhüner verwendet das Wort arretiert und meint damit wohl verhaftet. A 4 /2, LSR 1581, XXVI. De transgressoribus Inhibitionis, quam Arrestum vocant: 1. Absatz. Ebenso A 4/6, LS 1618, XXVI. Der letzte Satz Idem fiet quoque in aliis ubi data fides frangitur, dasselbe geschieht auch in anderen Fällen, wenn gegebene Treue gebrochen wird, könnte sich auf die allgemeine Meineidigkeit beziehen. 386 AoR, ed. König, Rectorat, S. 77, 17. Interdicti transgressores notentur, et a Syndico nomine Vniuersitatis, huc ad Academicum forum Judicale citentur. Das akademische forum iudiciale war nach Artikel 18 der AoR das Consistorium. Ebenso im IG, A 23/24, fol. 64, Contra violatores Arresti: Hi iudicaliter accusari & citari debent per Syndicum Academicum. Vgl. zum Syndikus Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 53, Metzger, Beamten- und Wirtschaftsorganisation, S. 76 ff. 387 Vgl. die Citation gegen Martin Blaß wegen Arrestbruchs am 20.10.1548. Keine Vermerke A 10/7, fol. 262, 03.10.1548; fol. 264, 11.10.1548; fol. 267, 12.10.1548. Ebenso Hochwart: A 14 /2, fol. 64v, 08.07.1564, violati arresti 1. Citation conessa. Keine Vermerke A 10/9, fol. 126 f., die Sancti Jacobi (25.07.)1564; fol. 127, 26.07.1564; fol. 127 f., 01.08.1564. Ein Ausbruch aus dem carcer wird z. B. berichtet bei von Schonaich, A 10/9, fol. 302, 25.06.1569 und Westernach, A 13/1 (LI2), fol. 256, Inquisition 03.04.1567, lecta 05.04.1567 = A 10/9, fol. 239, 05.04.1567. 385

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität

Eindeutig ergibt sich dies auch aus der Klage gegen Bartolomäus Grummer. Am 19.09.1562 erteilt das Consistorium dem Universitätssyndikus die erste Citation gegen ihn wegen violatum arrestum.388 Zwei Monate später befaßt es sich mit einem Brief seines Vaters. Görg Crummer fürstlich Castner zuo Chrantsperg im Land zu Beyern, hat ahn die herrn Consistoriales geschriben, ... Vnd pittet, Vniuersitas welle die ansprach Violati arresti so gegen seinen son Bartholomaeo Grumer fürgenommen fallen lassen, vide fo. 38. Mit anzeigung sein son seye nit hienweg zogen, habe alle ding zuo vor abzalt, bezeuge sich sollichs mit dem württ Zum Kamelthier etc begertt ein gnedige antwurtt.389

Der Vorwurf violati arresti bezieht sich laut dieses Schreibens also lediglich auf das Verlassen der Stadt trotz einer verhängten Inhibition. Als Entschuldigung führt der Vater an, sein Sohn habe sämtliche ausstehenden Forderungen beglichen. Dahinter steht die Argumentation, damit sei das Verbot, die Stadt zu verlassen, seines Grundes beraubt, und darum müsse der Vorwurf des Arrestbruchs entfallen. Grundsätzlich erkennt das Gericht diese Rechtfertigung an: Wenn der junge Grummer tatsächlich alle Schulden inklusive der Kosten bereinigt habe, sollen die Vorwürfe gegen ihn nicht weiter verfolgt werden. Auch im Anschluß an einen Teil der von Rektor und Notar durchgeführten Inquisitionen,390 also in Strafsachen, wurde über die Verhörten ein Arrest verhängt. Wenn dieser, anders als der bisher behandelte, Haft bedeutete, müßten in den Senatsprotokollen Vermerke über die Freilassung der Arrestierten aus dem carcer zu finden sein. Aus den AoR wissen wir nämlich, daß der Rektor jede carcer-Strafe dem Senat anzeigen mußte.391 Der Urfehdeschwur bei der Entlassung sollte in Anwesenheit des Notars und zweier Zeugen geleistet werden, was regelmäßig in den Protokollen festgehalten wurde. Solche Vermerke lassen sich für den Arrest, der nach Verhören verhängt wurde, nicht nachweisen. Im Gegenteil enthalten die Senatsprotokolle Hinweise, daß auch dieser Arrest nur eine Aufenthaltsbeschränkung bedeutete. Nach einem tumult, A 14/2, fol. 50r, 06.03.1563 beauftragt das Consistorium einen Gläubiger, der nicht sicher ist, ob ein Arrestbruch vorliegt, Nachforschungen anzustellen. 388 A 14/2, fol. 38r. Aufgrund einer voranstehenden Citation wissen wir, daß Grummer sich in Freisingen aufhält. In den Senatsprotokollen der drei folgenden Sitzungen (am 20.09.1562, A 10/9, fol. 58 f.; am 22.09.1562 (fol. 59 f.) sowie am 31.09.1562 (fol. 61 f.)) wird nichts von einem Ausbruch aus dem carcer berichtet, die ganze Angelegenheit wird gar nicht erwähnt. 389 A 14/2, 28.11.1562, fol. 44r. 390 Während sich in A 12/2 (LI1) und A 13/1 (LI2) die Arrestanordnungen nur in ca. 5 % der Verhöre finden, haben sie in A 13/2 (LI3) einen Anteil von knapp über 20 %. 391 AoR, ed. König, Rectorat, S. 76, 15. De Coniectis in Carcerem. Quoties Rector aliquem in Carcerem ire iussit; proximo quoque tempore Academico Senatui indicabit.

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einer Schlägerei mit Handwerkern, arrestierte der Rektor die am 13.12.1560 verhörten Studenten, Oberndorfer, Rotmeyer, Schwintz ad instantia Universitatis. Sechs Wochen später wurden die Inquisitionen im Senat verlesen: M. Valentinus Rotmeyer. Georgius Oberndorffer et Joannes Jacobus Schwintzer, qui die 8. Decembris Anno 60 nocte per plateas oberrant ... cumque sutore rixati armisque congressi sunt; puniantur in singulis florenis dimidiis et armorium omissione. Georgius Oberndorffer quatuor dies ad haec detinbitur in carcere (superioribus 9 diebus ab aliam causam) sibi indictam poenam. Magsitro Valentino Rotmeyer exprobiatur insolentia suique admonetur offici hoc ut faciat diligentius.392

Da mit Oberndorffer nur einer der drei Arrestanten – sechs Wochen nach der Inhibitio – mit vier Tagen carcer bestraft wird, war der Arrest nicht schon selbst Haft.393 In dieselbe Kerbe schlägt die Strafanordnung für die zuvor arrestierten Studenten Strizelius und Rieher: ... adeoque prohibetibus statutis diversorium accedere minime veriti, et propterea carceris aut alia graviorem poena promeriti, singuli tamen pro hac Vice dimidio mulctantur floreno ...394

Wenn der Senat für dieses Mal ausdrücklich auf den carcer verzichtet, kann der bereits verhängte Arrest keine Haft gewesen sein.395 Deutlich wird dies auch an einer Serie von Vorfällen aus dem Jahr 1601. Wegen der Beteiligung an einer Schlägerei wurde Conradus Hiltenbrand nach seiner Aussage am 05.07.1601 zusammen mit anderen Delinquenten arrestiert. Schon zwei Tage später verhörte der Rektor den anscheinend Unverbesserlichen erneut, und zwar anläßlich eines Vorfalls am Abend des 05.07.1601, an dem vormittags über Hiltenbrand der Arrest verhängt worden war. Der kundschafft können wir 392

A 10/7, fol. 1240, 23.01.1561; A 12/2 (LI1), fol. 361r, Verhör: 13.12.1560, Vorfall: 08.12.1560. 393 Ebenfalls eine Divergenz zwischen Arrest und späteren Haftstrafen im carcer: A 12/2 (LI1), fol. 364r, Inquisition: 29.01.1561, Vorfall: 09.10.1560, Schlägerei in der Burse. Rösch, von Freyberg, von Hupen, Lendle werden ad instantia Universitatis arrestiert. Bei Rösch heißt es z.B. am Ende des Verhörs: mehr wüsse er derhalb nit anzuzeigen, est arrestatus ad instantia Universitatis. A 10/7, fol. 1241, 30.01.1561, der Senat straft Rösch, Michael, Schnitzer und Seitz mit drei Tagen Haft, arrestati sunt ad instantiam Universitatis (zusätzlich); Ottho von Friberg wird mit 5 Tagen carcer oder 20ß gestraft. 394 A 13/1 (LI2), fol. 620, lecta 01.12.1577: der Rektor arrestiert Strizelius und Rücher=Rieher. A 10/9, fol. 726, 01.12.1577. Strizelius muß außerdem sein Schwert abgeben, alle Beteiligten werden gewarnt und ermahnt. 395 Dafür spricht bereits die Anordnung von Haft im carcer neben Arrest: A 13/1 (LI2), fol. 624, lecta 24.02.1578, arrestiert der Rektor Maler, Busch, Schaller, A 10/9, fol. 749, 24.02.1578, lesen wir Verurteilungen zu carcer.

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entnehmen, daß er am Abend keineswegs im carcer lag, weil er nämlich zum Cronenberg getanzt hatte!396 b) Arrestgründe Bei der Festlegung der Dauer des Arrests äußert sich der LSR zu seiner Funktion: Facta autem inhibito [LS 1618 ergänzt: seu Arrestum denunciatum] non ligat ultra quatuor hebdomadas: In quibus Actor suam debet accusationem prosequi, nisi ob urgentem causam ei permittatur etiam inhibitio altera. Nonnumquam tamen secundum causæ statum ligat inhibitio tempore interminato.397

Eine verhängte Inhibition dauert nicht länger als vier Wochen. In dieser Zeit muß der Kläger seine Anschuldigung verfolgen, wenn ihm nicht wegen dringender Sache ein weiterer Arrest erlaubt wird. Der Arrest wird in Verbindung zu Kläger und Anklage gebracht, ohne daß dies näher erläutert wird. In diesem Fall würde er dazu dienen, den Beklagten bis zum Beginn des Prozesses am Verlassen der Stadt zu hindern. Im LSS findet sich die Inhibition als Tätigkeit des Rektors im Abschnitt De Inquisitione et Inhibitione. Inhibitiones Rectoris extra huius Oppidi mænia vim non habent. Alioqui intra mænia potest subditorum Academiae res, et Personas inhibere, cum opus fuerit ... Cumque inhibitio rerum ad damni compensationem satis valet, parcendum est personæ.398

396 A 13/2 (LI3), fol. 240, Inquisition 05.07.1601, Frieauf, Seger, Brunner, Locherer, Rieher, Hiltenbrand (f. 244), Wirt, Dietrich und Wart werden arrestiert. Zweite Aussage Hiltenbrands, fol. 246. 397 A 4 /2, LSR 1581, XXVI. De transgressoribus Inhibitionis, quam Arrestum vocant, 2. Absatz; die Dauer von vier Wochen bestätigen auch die AoR, ed. König, Rectorat, S. 77, 17. ... Interdictum in personas, et res latum, unicum duntaxat mensem durat, nisi iteretur. Der Arrest des Freiburger Stadtrechts galt für zwei Wochen. 398 A 4/6, LSS, II. De Rectoris potestate et officio, (7. Unterüberschrift:) De Inquisitione et Inhibitione. Zuerst zu Verhör: Cum Rector super transgressionibus atque delictis Subditorum Acad. Inquisitionis processum instituit, adiunctum sibi habebit Notarium, qui responsa excipiat. Interrogatus quilibet ex Juramenti debito, veritatem dicet, nec aliquid eorum, quæ aut interrogatus est, aut ad interrogata respondit, ulli prodet, sub obligatione. Dann folgen die zitierten Bestimmungen zur Inhibition, abschließend Regelungen zur Entlassung aus dem carcer: E carceribus emittendi iurant, præsente Notario et Testibus duobus: numquam se ulturos in quoquam eam correctionem ac pœnam, quam postulante Iustitia sustinere debuerit.

§ 4 Zwang und Zusammenhalt

157

Die Inhibitionen des Rektors gelten nur innerhalb der Stadtmauern, wo er Güter und Personen der Universitätsangehörigen inhibieren kann, wenn es nötig ist. Reicht die Arrestierung von Sachen zur Kompensation des Schadens aus, soll man die Person verschonen. Während in LSR 1581 keine Trennung zwischen Personen und Sacharrest vorgenommen wird, steht hier ausdrücklich, der Sacharrest solle als milderes Mittel vorgehen. Als Zweck der inhibitio erscheint hier die Kompensation von Schaden (damnum, nicht debitum für Schulden), was auf den nach Verhören verhängten Arrest hindeutet. Dennoch ähnelt die Bestimmung in wichtigen Zügen den anderen Beschreibungen des Arrests: Auch in den AoR wird festgehalten, daß die Inhibitionen des Rektors nur innerhalb der Stadtmauern gelten.399 Diese Quelle scheint sich aber grundsätzlich auf den Arrest wegen Schulden zu beziehen, denn dort heißt es: Si Reus satisfacit, Rector potest Interdictum laxare; wenn der Beklagte zahlt, kann der Rektor den Arrest aufheben.400 In den Verhör- und Senatsprotokollen steht meist, der Arrest werde ad instantiam Universitatis verhängt. Doch finden sich auch Fälle, in denen daneben ein Verletzer als Nutznießer des Arrests genannt wird. Am 17.01.1560 kam es zu einer Schlägerei zwischen Studenten und Schreinern (Kistlern, scrinatores). Schon vor den Verhören beschloß der Senat, omnibus solemniter mandanda esse pacem ... et singulos ad instantiam Universitatis arrestandos esse.401 Nach den Inquisitionen wurden einige der Verhörten arrestiert, namentlich Johannes von Hentschuochsheim ad instantiam Universitatis, Werner Hector von Freyberg est is arrestatus ad instantia des Kistlers et Universitas sowie Ottho von Freyberg ad instantiam Universitatis und des verwundeten auf heut datum arrestiert. Der Arrest galt zu Gunsten der Universität und des Geschädigten, des verwundeten Schreiners Mathias Huober. Ein späterer Vermerk verdeutlicht sowohl seinen Einfluß als auch die Funktion des Arrests, der ihm eine Klage vor dem Consistorium ermöglichen sollte:

In dieser Vorschrift ist der Zusammenhang der drei Regelungsgegenstände, Verhör, Inhibition und Haftentlassung undurchsichtig, vor allem da wir gesehen haben, daß im privatrechtlichen Bereich der Arrest sicher nicht gleichbedeutend mit Haft war. Insofern könnte man auf den Gedanken kommen, im Strafrecht sei der Arrest nach Verhören carcer-Haft gewesen. Allerdings legen die Senatsprotokolle eindeutig ein Verständnis der inhibitio als bloße Aufenthaltsbeschränkung nahe. 399 AoR, ed. König, Rectorat, S. 77, 17. Rector interdictum ferre non potest extra Vrbis moenia. 400 AoR, ed. König, Rectorat, S. 77, 17. 401 Beschluß des Senats: A 10/7, fol. 1168, 18.01.1560; Verhöre: A 12/2 (LI1), fol. 344v ff. Verhöre am 19.01.1560. A 10/7, am 25.01.1560, fol. 1168, keine Erwähnung. Am 01.02.1560, fol. 1170 werden die Inquisitionen verlesen, ohne daß eine Entscheidung des Senats über die Ahndung notiert wird.

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Erster Teil: Die Gerichtsorganisation der Universität Wernhero Hector abituro non remittit indictum arrestum cum nollet consentire Mathias Huober scriniator laesus ... Si [scrinator] putet se quod iuris habere adversus studiosos arrestatos ad proximum Consistorium iure expectatur. Hoc indicatur Wernhero Hectori à Freyberg, Ottoni à Freyberg et Bartolomaeo Faslin.402

Ohne Erlaubnis des verletzten Schreiners darf Werner Hector von Freyberg nicht fortziehen, doch soll der Berechtigte seine Klage rasch vorbringen.403 Bei den herausgearbeiteten unterschiedlichen Anwendungsgebieten läßt sich ein einheitlicher Arrestgrund kaum erkennen. Insgesamt kann man lediglich festhalten: Der Arrest war Sicherungsmittel, wobei er sowohl für schon feststehende Ansprüche und Forderungen verhängt werden konnte, als auch dazu diente, solche erst zukünftig vor Gericht geltend zu machen. c) Voraussetzungen Aus der Vorschrift über Arrestbrecher in LSR 1581 lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, unter welchen Voraussetzungen ein Arrest über Sachen und Personen verhängt werden konnte. Cæterum huiusmodi in inhibitio a nemine mandatur, absque Rectoris iussu, nisi reus fugam subito moliatur: Nam tunc et Regentibus aliis, et Pedello etiam soli eam mandare licebit.404

Nur der Rektor darf die Inhibition auferlegen, es sei denn, eine plötzliche Flucht des Beklagten ist zu befürchten. Dann dürfen auch die anderen Regenten, und auch allein der Pedell sie anordnen. Da Fluchtgefahr nur als Grund für eine Kompetenzerweiterung genannt wird, ist sie nur eine hinreichende, nicht 402 A 10/7, fol. 1174, 19.02.1560. Ebenso: A 13/1 (LI2), fol. 1206, Inquisition 03.03.1593, bei etlichen französischen Studenten wird Arrest, ausdrücklich de rebus et corpora, verhängt. Im vermutlich darauf bezogenen Senatsprotokoll A 10/10, fol. 1220, 04.03.1593, – die Rede ist von Gallos – lesen wir, sie seien obligaturos, ad instantiam adversarii laesi, de iudicio sisti et iudicatum solvi. Hier stellt die Cautio iudicium sistere den Bezug zu einem zukünftigen Prozeß her. 403 Obwohl aus der Zwischenzeit keine Consistorialakten erhalten sind, kann man eine Klage vermuten: Am 16.08.1561, A 14/2, fol. 5v, beantragt Mathias Huober in der Rechtfertigung zwüschen Ime vnd dan Otho von Fryberg sampt seinen consorten, dweil Hans von Hendschuhheim und Erasmus Bürcklin nit geappelliert, man woll gegen den Zweyen Execution fürnemen. Sie geht in einen normalen Prozeß gegen von Hentschuhheim über. 404 A 4 /2, LSR 1581, XXVI. De transgressoribus Inhibitionis, quam Arrestum vocant, 2. Absatz

§ 4 Zwang und Zusammenhalt

159

aber eine notwendige Bedingung für den Arrest. Genaueres findet sich in den Bestimmungen nicht; man kann annehmen, daß das Vorliegen eines Arrestgesuchs ausreichte, um eine vierwöchige Aufenthaltsbeschränkung auszusprechen. Vielleicht lagen die Hürden so niedrig, weil das Vorbild für den universitären Arrest der Fremdenarrest war, der grundsätzlich rascher verhängt werden konnte. Bei der Suche nach einem übergreifenden Arrestgrund zeigt sich eine Konzentration der Quellen auf die Form. Die materiellen Gründe für den Arrest hielt man offensichtlich für bekannt und ihre Aufzeichnung darum für weniger bedeutsam.

Zweiter Teil

Die Ausübung der Strafgewalt Cum Sterni leuchtunt, Mondus quoque scheinit ab Himmlo, / Gassatim lauffunt per omnes Compita, Gassas, / cum Geigis, Cytharis, Lautis, Harfisque spilentes, / Haujuntque in Steinos, quod Feurius springit ab illis. / Tunc veniunt Waechteri cum Spiessibus, atque reclamant: / ite domum Gaesti, schlaxit iam Zwölfius Uhra.1

§ 1 Literatur und Quellen I. Literaturübersicht und Forschungsstand Die ältere Universitätsgeschichte, fasziniert von akademischen Sitten und studentischem Brauchtum, schenkte der Disziplinargerichtsbarkeit große Aufmerksamkeit.2 In jeder Sittengeschichte des deutschen Studententums finden sich Kapitel dazu, es gibt burschenschaftliche Erzählungen, ganze Bildbände mit Karzerzeichnungen und erzählerische Kulturbilder aus dem Studentenleben.3 Oft zeigt sich hier ein Hang zur Anekdote oder Verklärung, der beinahe ein Markenzeichen der Universitätsgeschichte zu sein scheint.4 Im Vergleich dazu ist die Auseinandersetzung mit der universitären Strafgewalt im

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Johann Michael Moscherosch, Gesichte Philanders von Sittewald, Drittes Gesicht. Straßburg 1677, zitiert nach Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 108. 2 Auch Steins Monographie legte den Schwerpunkt auf die Strafgewalt der Universitäten. Dabei wollte Stein die vor allem belegen, daß im Laufe der Zeit die Universitätsgerichtsbarkeit immer stärker unter disziplinarischen, erzieherischen Gesichtspunkten gehandhabt worden sei. Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 100 ff. 3 So der Titel eines Aufsatzes von Hermann Mayer: „Kulturbilder aus dem Freiburger Studentenleben im Anschluß an die ältesten Disziplinargesetze der Universität Freiburg im Breisgau“ mit aufschlußreichen Illustrationen. Im Übrigen vgl. für viele Bauer, Sittengeschichte des deutschen Studententums; Bickert, Marburger Karzer-Buch. Mohl, Geschichtliche Nachweisung über Sitten und Betragen. 4 Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 26 mit weiteren Beispielen.

§ 1 Literatur und Quellen

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15. und 16. Jahrhundert in der neueren universitätsgeschichtlichen Forschung noch nicht weit gediehen.5 Allerdings ist man nicht auf Werke dieses Fachgebietes allein angewiesen, vielmehr können auch strafrechtsgeschichtliche Untersuchungen aus vergleichbaren Bereichen wie der städtischen Untergerichtsbarkeit herangezogen werden. Bei älteren rechtshistorischen Werken stellt sich allerdings häufig das Problem der überholten Methodik, das sich leider nicht in der Konzentration auf normative Quellen erschöpft: Etliche Autoren behandeln den historischen Stoff im Korsett jüngerer Dogmatik.6 Viele neue Impulse stammen aus der Kriminalitätsgeschichte oder historischen Kriminalitätsforschung, einem blühenden Forschungszweig der Geschichtswissenschaften. Herangezogen wurden insbesondere die Arbeiten von Gerd Schwerhoff und Peter Schuster über Köln und Konstanz im 15. und 16. Jahrhundert.7 Im Zuge einer weltweiten Strömung nehmen sich inzwischen auch in Deutschland Forscher im Rahmen kriminalhistorischer Untersuchungen vermehrt der sogenannten petty crimes, also der weniger schweren Delikte an. Zur Freiburger Universität existiert eine Arbeit aus der Schnittmenge von historischer Kriminalitätsforschung und Universitätsgeschichte: Zechen, Zücken, Lärmen, die Magisterarbeit von Kim Siebenhüner befaßt sich mit den Verhören studentischer Delinquenten aus den Jahren 1561-1577. Der Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt nicht auf 5

Für die spätere Zeit gibt es mehr Material, vgl. dazu die allgemeine Literaturübersicht, Einführung § 2 II. 3. Für die frühere Zeit finden sich neben Hohls Untersuchung zu Tübingen entsprechende Erörterungen v.a. in Aufsätzen wie denen von Oberdörfer, Hoyer oder in Sammelwerken. Vgl. insbesondere zur universitären Disziplinargerichtsbarkeit de Ridder-Symoens, Organisation und Ausstattung (4. Kapitel), S. 155, mit weiteren Literaturhinweisen v.a. aus den Niederlanden. 6 So überrascht Schindler, Verbrechen und Strafen in Freiburg, (1937) mit einem Allgemeinen Teil, der Kapitel wie Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft umfaßt. Einen identischen Aufbau (entsprechend dem Reichsstrafgesetzbuch von 1871 mit allgemeinem und besonderem Teil) wählte auch Segall für die Darstellung des Strafrechts der Reichspolizeiordnungen (1914) und Knapp, Nürnberger Kriminalrecht (1896). Um so positiver hebt sich die jüngere Studie von Hans-Rudolf Hagemann zum Basler Rechtsleben im (Spät)mittelalter ab, Hagemann, Basler Rechtsleben I. Sein Untersuchungszeitraum reicht bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, Band I befaßt sich mit der Strafrechtspflege. 7 Schwerhoff, Köln, befaßt sich mit den Turmbüchern des 16. Jahrhunderts (drei Stichprobenzeiträume: 1568-1572, 1588-1592, 1608-1612), in denen die Verhöre der Gefangenen protokolliert sind, S. 33 f. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, untersucht die Rats- und Strafbücher der Stadt Konstanz zwischen 1430 und 1460, S. 70. Eine neue „Statistische Untersuchung des Verbrechens in Nürnberg von 1285-1400“ hat Martin Schüßler 1991 vorgelegt. Sein rein quantifizierender Ansatz ohne quellenkritische Elemente sieht sich, m.E. zu recht, erheblicher Kritik ausgesetzt; z. B. von Schuster, Stadt vor Gericht, S. 63 f.

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Verfahren und Bestrafung, sondern auf den Fragen nach den begangenen Delikten und nach den in diesen Vergehen erkennbaren Verhaltensmustern. Die Verhörprotokolle werden als Zeugnisse von alltäglichen Konflikten, kulturellen Gewohnheiten und Rollenverhalten, von Kommunikationsformen und sozialer Interaktion8 gelesen. Primär geht es also um die einzelnen Delikte und die Aufdeckung der dahinterliegenden sozialen Strukturen. Mittels Statistiken und Fallbeschreibungen stellt Siebenhüner die studentische Devianz dar. Diese entstand, wie sie kriminologischen labeling-Theorien9 folgend ausführt, erst durch definierende Normen und ... Instanzen, die rechtswidrige Handlungen wahrnahmen und als solche bestraften. So verstandene historische Kriminalitätsforschung steht interdisziplinär der Kriminologie näher als der Rechtsgeschichte, was sich auch in Siebenhüners Ergebnissen niederschlägt.10 II. Die Quellen und ihre Erfassung Die Quellen, denen man Informationen über die Ahndung von Fehlverhalten durch die Universität entnehmen kann, weisen eine ungleiche Gewichtung auf: Während der ermittelnde Teil der Verfahren sehr ausführlich dokumentiert ist, berichten die Senatsakten vom eigentlichen Entscheidungsprozeß nur in Form eines verkürzten Ergebnisprotokolls. Über eine Verteidigung der Beschuldigten – falls sie überhaupt stattfand – erfährt man in der Regel ebensowenig wie über die Beweggründe und Argumente für eine bestimmte Bestrafung. Dieses Ungleichgewicht spiegelt sich auch in den normativen Quellen wieder. Zum Ablauf der Verhöre findet man dort einige Aussagen, aber nur wenig zur Verhängung der Strafen, und gar nichts zum Entscheidungsverfahren.11 Die Verhöre sind im UAF in drei Foliobänden überliefert: Liber Inquisitionum 1. 1524-156312 (LI1) ist dem Korrespondenzband A 12/2 (Liber Epistola8

Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 13 Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 148; Schwerhoff, Aktenkundig, S. 77 f.: Etikettierungstheorien. 10 Die Stärken dieser Arbeit liegen (dementsprechend) in der Darstellung und Erläuterung der einzelnen Delikte. Mit großem Gespür deckt Siebenhüner die verborgenen Verhaltensmuster auf, macht die sozialen Strukturen von Ehre, Sittlichkeit und Rollenverhalten sichtbar. Die Einleitungskapitel über Gerichtsorganisation, Verfahren und rechtsgeschichtliche Begrifflichkeiten überzeugen weniger, was bereits mit dem irreführenden Untertitel Studenten vor dem Freiburger Universitätsgericht beginnt, vgl. Erster Teil § 3 IV. 11 Bestimmungen zum Verfahren beziehen sich stets auf das Consistorium, welches nicht für die Statutenverstöße zuständig war, Erster Teil § 3 I. 2. a) sowie II. 2. b) bb). 12 Wie bereits bemerkt, Erster Teil § 3 II. 2. b) aa), weisen die an A 12/2 angebundenen Inquisitionen große zeitliche Lücken auf, der Band ist offensichtlich falsch gebun9

§ 1 Literatur und Quellen

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rum et Conceptuum 2. 1524-1526) angebunden, wobei die Korrespondenz nur von fol. 1r-43r reicht, während die Inquisitionen fol. 49r-650v füllen. Die Bände zwei und drei tragen wegen dieser Merkwürdigkeit die Signaturen A 13/1 (21.07.1561-05.02.1597) und A 13/2 (05.02.159713 bis zum 15.03.1610) des Bestandes A 13 Verhörprotokolle. Insgesamt enthalten die drei Bände von 1524 bis 1610 über 830 Fälle: A 12/2 (LI1) dokumentiert 289 Vorfälle in 40 Semestern,14 A 13/1 (LI2) 389 in 73 Semestern und A 13/2 (LI3) 156 in 27 Semestern, die beiden letzteren ohne größere Lücken.15 Die Unwägbarkeiten einer Statistik, die auf frühneuzeitlichen Gerichtsakten beruht, sind wohlbekannt und oft genug dargelegt worden.16 Als Schlagworte sollen nur Dunkelziffern und Überlieferungslücken genannt werden. Auch bei den Verhörprotokollen muß man von nicht entdeckten oder verfolgten Delikten ausgehen, und die nicht immer chronologische Reihenfolge der Inquisitionen läßt, ebenso wie ganze Semester oder gar Jahre ohne Verhöre, auf Lücken im Quellenbestand schließen. Natürlich nimmt der heutige Leser die Delinquenz durch die Gerichtsakten mit den Augen der Zeitgenossen wahr: Nur was sie für strafwürdig halten, finden wir dort wieder. Daraus folgt letztlich, daß wir nur das Spiegelbild der „realen“ Kriminalität, das die Verhörprotokolle festhalten, beschreiben können.

den. Darum sind Verhöre, soweit sie im Original nicht mit einem Datum versehen sind, nachträglich kaum datierbar. Es gibt aus dem Jahr 1524 ein einziges Verhör, darauf folgt der Liber Inquisitiones 1542-47, A 12/2 (LI1), fol. 55r. Die Inquisitionen reichen nur bis Juli 1547, und für die Jahre 1548 bis 1551 sind keine Befragungen überliefert. Erst ab September 1552, A 12/2 (LI1), fol. 380r ff., Inquiriert den Zehenden Septembris, finden sich wieder Eintragungen. Im folgenden reichen die Verhörprotokolle bis 1557 und nach einer Lücke von 1558-1561. Am Ende enthält dieser Band noch etliche Inquisitionen der heimlichen Räte (also der Stadt) aus den Jahren 1561 bis 1563. Da die universitären Inquisitionen in A 12/2 (LI1) mit einer vom 16.07.1561, fol. 372r, enden (der Band ist stark verbunden, die Inquisitionen der Jahre 1552-1554, 1555 und 1556 kommen erst danach), gehören die Verhöre der heimlichen Räte zeitlich zu A 13/1 (LI2). 13 Eine Inquisition ist doppelt, in beiden Bänden (vermutlich Konzept und Reinschrift) erhalten. 14 Gerechnet 1542-1561, ohne die Lücke von 1524-1542 und ohne die zeitlich zu A 13/1 (LI2) gehörenden Inquisitionen der heimlichen Räte, die bis 1564 reichen. Dieser Band ist, wie oben erwähnt, der lückenhafteste. 15 Einzelheiten der Quantifizierung im Anhang, zur graphischen Darstellung der Verteilung auf die Semester siehe Anhang, Bild 1. 16 Schuster, Stadt vor Gericht, S. 64. Zur Bedeutung der Quellenkritik und der Ablehnung von Schüßlers rein quantifizierendem Ansatz (z. B. dargelegt in seinem programmatischen Aufsatz Quantifizierung, Impressionismus und Rechtstheorie). Schwerhoff, Devianz, S. 397f.

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Auf Grund des meist ebenmäßigen Schriftbildes, der Länge und Variabilität der Satzkonstruktionen ist, wie Schiewe herausarbeitet,17 bei den Verhörprotokollen davon auszugehen, daß es sich nicht um Mitschriften, sondern um eine ausgearbeitete Nachschrift der Notizen handeln muß.18 Die Befragungen wurden auf deutsch geführt. Dafür sprechen nicht nur die von Schiewe gesammelten Indizien, wie das Auftauchen von umgangssprachlichen deutschen Ausdrücken und eingestreuten lateinischen Fachbegriffen, sondern auch das Vorhandensein einiger lateinischer Inquisitionen. Diese finden sich vor allem dann, wenn die verhörten Personen Franzosen und darum des Deutschen vermutlich nicht mächtig waren. Geordnet sind die Protokolle nach Vorfällen, wobei zu einer Angelegenheit in der Regel mehrere Personen verhört wurden.19 Oft, aber nicht immer, versah der Schreiber die Verhöre mit einer Überschrift, die verschiedene Elemente enthalten kann: Eine nähere Umschreibung des Anlasses für die Inquisition, ihr Datum sowie Ort und Zeit des Vorfalls, den Namen des Verhörten, die anwesenden Personen und den Ort des Verhörs. Daneben vermerkte der Schreiber manchmal nachträglich, wann die Inquisition in der convocatio vorgelesen wurde. Auf diese Weise ist eine grundsätzliche Zuordnung der Inquisitionsprotokolle zum Senat als Entscheidungsinstanz möglich: An den genannten Daten finden wir häufig in den Senatsprotokollen20 die Notiz lecta inquisitio, die sich – soweit genauere Angaben erfolgen – in vielen Fällen dem entsprechenden Verhör zuordnen läßt. Meist notierte der Schreiber dann auch knapp das Urteil des Senats. Bei der Datensammlung stellte sich jedoch bald heraus, daß die Zuordnung der Inquisitionen zu den Senatsprotokollen zwar grundsätzlich möglich, die Lokalisierung der Verlesung jedes einzelnen Verhörs aber nicht durchführbar und praktikabel ist. Die Schwierigkeit liegt zum einen darin, zeitversetzte und in unregelmäßigen Abständen erfolgende Vermerke unter allen anderen Einträgen ausfindig zu machen, was wegen stark variierender Namensschreibweisen mühsam und zeitaufwendig ist. Wenn aber in den Senatsprotokollen die Namen der Verhörten vollkommen fehlen und das Vergehen nur als tumult oder unhandel bezeichnet wird, ist die Zuordnung fast unmöglich. Weiterhelfen könnte in solchen Fällen allein das Datum der Verlesung, das aber nur für einen Teil der Verhöre aufgezeichnet wurde. Hinzu kommt eine nicht zu unterschätzende 17

Schiewe, Sprachenwechsel, S. 238. Im Band 12/2 finden sich sogar Mitschriften, fol. 530r-534r enthalten zum Teil durchgestrichene Konzepte. 19 Beispielsweise kommen in A 12 /2 auf 289 Fälle über 1200 Verhöre, in A 13 /1 sind es bei 389 Fällen über 1400. 20 A 10, im Untersuchungszeitraum A 10/6, A 10/7, A 10/9 und A 10/10. Quellenüberblick: Erster Teil § 1 I. 4. 18

§ 2 Ermittlung und Aburteilung der Delinquenz

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Ausfallquote: Manche Inquisitionen tauchen in den Senatsprotokollen gar nicht auf oder vorhandene Notizen finden keine Entsprechung in den Verhörprotokollen. Die Abwesenheit eines rechtsförmigen Verfahrens legt zudem den Schluß nahe, daß die zu erwartenden Erkenntnisse in keinem Verhältnis zu der aufwendigen Zuordnungsarbeit stünden. Denn für welches Verhalten welche Strafe verhängt wurde, läßt sich keinesfalls erschließen. In einer Inquisition tauchen fast immer diverse Delikte in unterschiedlichen Kombinationen auf, die alle gemeinsam abgeurteilt werden. Eine umfassende quantifizierende Untersuchung der Regeln des Sanktionsverzichts21 zum Beispiel bei der Frage nach der Behandlung adliger und wohlhabender Studenten oder Wiederholungstätern läßt die Quellensituation nicht zu. Ebenso verhindert die Bildung von ermessenbestimmten Gesamtstrafen den Vergleich der Ahndung mit den statutenmäßig vorgesehenen Sanktionen. Ohne ausgeprägteres Verfahren ist eine Regelhaftigkeit der Entscheidungspraxis nicht nachvollziehbar.

§ 2 Ermittlung und Aburteilung der Delinquenz I. Verfahrensregeln? 1. Elemente von Akkusationsverfahren und Inquisitionsverfahren Als verfahrensrechtliche Vorbilder kommen für den Senat Akkusations- und Inquisitionsprozeß in Frage. Das akkusatorische Verfahren wurde durch einen privaten Kläger geführt, das inquisitorische von Amts wegen. Da die Verhöre und Senatsprotokolle nur wenig Anhaltspunkte für ein rechtsförmiges Verfahren irgendeiner Art enthalten, kann man strenggenommen weder von akkusatorischem noch von inquisitorischen Verfahren sprechen. Freilich stoßen wir auf Spuren beider Prozeßformen. Dieses Neben- und Durcheinander verschiedener Verfahrensprinzipien läßt sich auch für andere Instanzen feststellen, deren Strafgewalt auf einem Eid der Rechtsunterworfenen beruht.22 Die Auffassung, den Akkusationsprozeß kennzeichne etwa ab dem 16. Jahrhundert nur eine andere Form der Verfahrenseinleitung, wird heute 21

Schwerhoff, Devianz, S. 391. Schwerhoff, Köln, S. 83, 86, stellt für Köln im 16. Jahrhundert fest: das Verfahren vor dem Kölner Rat sei wenig rechtsförmig, Merkmale seien aber Offizial- und Instruktionsmaxime. Ebenso Hagemann, Basler Rechtsleben I, für die Strafjustiz des Basler Rats im (Spät)Mittelalter, S. 174. Beide mit Bezug auf Ebel, Die Willkür, S. 56 ff. Hagemann schreibt: Die eidesrechtlichen Wurzeln kennzeichneten die Grundsätze der Ratsjustiz. Auch die Strafjustiz der Basler Gerichte, S. 199, war laut Hagemann von einem Neben- und Durcheinander verschiedener Verfahrensprinzipien geprägt. 22

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

kaum mehr vertreten. Der private Kläger spielte im gesamten Akkusationsprozeß eine wichtige Rolle, er übernahm die Vorermittlungen und stellte die Befragungsartikel auf.23 Im Falle eines Freispruchs mußte er den Beklagten entschädigen und die Kosten für Gericht und Haft übernehmen. Er trug also ein erhebliches Risiko, was letztlich dazu führte, daß der Akkusationsprozeß mehr und mehr an Bedeutung verlor. Es war nämlich möglich, einen Inquisitionsprozeß ad instantiam partis, nicht durch förmliche Anklage, sondern durch Denunziation, in Gang zu bringen.24 Akkusationsverfahren mit echtem Kläger lassen sich in städtischen Quellen des 15. und 16. Jahrhunderts nachweisen.25 Finden wir sie auch in den Freiburger Akten? Verhöre, die – wie sehr oft – nach der Vorführung des Delinquenten durch die Scharwacht oder den Pedellen erfolgten, scheiden hier ebenso aus wie Inquisitionen auf Grund von kursierenden Gerüchten. Vielmehr geht es um Klagen und Anzeigen der Stadt, einer 23

Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 126, vertrat die Auffassung, in der Carolina sei das Akkusationsverfahren ein solches nur noch der Einleitungsformel nach. Zur Kritik an Schmidt vgl. Trusen, Strafprozeß und Rezeption, S. 112, der Schmidts Ausführungen zum Verhältnis von Akkusations- und Inquisitionprozeß (schon 1984) als völlig falsche Deutung bezeichnet; ebenso Kleinheyer, Akkusationsprozeß, S. 16: Das Verfahren lag weit stärker in der Hand des Anklägers, als es nach den Darlegungen von Schmidt erscheinen mag. Je nach Auffassung wird die Verpflichtung des Klägers, den Beklagten für den Fall eines Freispruchs zu entschädigen und dafür Bürgschaft zu stellen, unterschiedlich interpretiert. Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 32 f. geht irrigerweise davon aus, „die Rechtsgeschichte“ betrachte vor allem die Verfahrenseinleitung als Unterscheidungskriterium. Dieses Mißverständnis entstand – wie die entsprechende Fußnote belegt – durch die Verwendung des HRG. Sie zitiert Buchda in HRG 1, Anklage, Sp. 173, wobei sie jedoch die zusätzlichen Anforderungen an den Kläger übersieht, die Buchda durchaus erwähnt. Insgesamt folgen die HRG-Artikel, auch Schlosser in HRG 2, Inquisitionsprozeß, Sp. 381, eher der älteren Auffassung Schmidts. Dem heutigen Stand der Forschung näher sind die entsprechenden Artikel im LexMa von Zapp, Band I, Akkusationsprozeß, Sp. 253; sowie von Trusen, Band V, Inquisitionsprozeß, Sp. 441 f. Konsequent unterscheidet Siebenhüner zwischen „Akkusationsverfahren“, wenn der Rektor das Verhör aufgrund einer Klage und „Inquisitionsverfahren“, wenn er das Verhör von Amts wegen einleitet, weil die begründete Annahme besteht, daß ein Student ein Vergehen begangen habe. Hinzu kommt, daß sie „Klage“ sehr untechnisch versteht und darunter auch bloße Beschwerden subsumiert. 24 Härter, Strafverfahren, S. 464; Jerouschek, Herausbildung des Inquisitionsprozesses, S. 342; Trusen, Strafprozeß und Rezeption, S. 116. 25 CCC Art. 12. Zum traditionellen akkusatorischen Verfahren vgl. Härter, Strafverfahren, S. 462. Schwerhoff, Köln, S. 88 ff. weist für Köln im 16. Jahrhundert solche Akkusationsprozesse z.T. mit tatsächlicher Gefangennahme des Klägers nach. Er vermutet mit Hinweis auf die Lückenhaftigkeit der Informationen über die Existenz oder Person eines privaten Klägers, die Zahl der Akkusationsverfahren liege höher als die von ihm einwandfrei identifizierten 11,4 %. Auch für Basel lassen sich inquisitorisches und akkusatorisches Verfahren feststellen, letzeres grundsätzlich mit einem privaten Kläger, Hagemann, Basler Rechtsleben I, S. 210.

§ 2 Ermittlung und Aburteilung der Delinquenz

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Handwerkszunft oder von Einzelpersonen. Wegen der wenig präzisen Begriffsverwendung in den Quellen muß man genau differenzieren:26 Es finden sich immer wieder „Klagen“ der Stadt, die keine Klagen im rechtlichen Sinn, sondern bloße Beschwerden sind: clag von den Häuptern der Stadt, etliche studenten ... [würden] sich rotten vnd wider die Schuchknecht vnd Bäcker seien.27 Näher an einer Klage ist der Verfahrensbeginn durch Anzeigen. In den Inquisitionsprotokollen des Jahres 1572 beklagte sich eine Mutter darüber, daß ihr universitätsangehöriger Schwiegersohn ihre Tochter mißhandele. Die anschließende Befragung fand vor dem Senat statt.28 Zehn Jahre später zeigte eine Wäscherin an, Studenten hätten sie in der Burse absichtlich die Treppe heruntergestoßen und dadurch verletzt.29 Solche Anzeigen sind jedoch im 26

Siebenhüners Beispiele für „Klagen“ stammen v.a. aus den Senatsprotokollen und sind in der Mehrzahl unglücklich gewählt. Beim ersten stimmen Datum und Folio nicht überein, Fn. 66: „A 10/9, fol. 148r, 09.05.1569“ fol. 148r sind die Sitzungen vom 28.05.und 23.06.1569. Vom 09.05. gibt es keine Aufzeichnungen, lediglich 10.05.1569, fol. 147r, ohne Klagen. In einem weiteren Beispiel fordert die Bäckerszunft gar keine Bestrafung, sondern Schadensersatz: Die BeckhenZunfft hatt sich etliche mal gegen dem herrn Rector beklagt, das etliche studiosi uff den 26. Januarii in beschehnem tumult uff der Beckhenstuben die fenster fast verworffen. Ist ir begern, bemelte studiosen dahien zuhalten, das sie den schaden bezalen. Decretum: Mit den ihenigen so die fenster verworffen zuoreden, das sie die bezalen, im fal aber sie sollichs nit thuon wellen, als dan der Zunfft deß Rechtens seyen. A 10/9, fol. 128r, 14.02.1568. Wollte Bäckerszunft mit diesem Ziel klagen, müßte sie das vor dem Consistorium tun. 27 A 12/2, fol. 508r, 08.02. Die Jahresangabe fehlt, nach Senatsprotokollen vermutlich 1557. 28 Katharina Armbrusterin ... zeigt auf des herrn Rectoris befragen ahn, das M. Johann Seitz, ir tochtermann, ir tochter gar übel tractiere vnd mißhandle, sunderlich aber werd sie von ir tochter kläglichen bringen, das nächtsverückten Donerstags ... A 13/1 (LI2), fol. 398, 26.01.1572, Ratione saevitiei M. Johann Seitz, qui in suam vxorem exercuit. M. Seitz hatte seine Frau mehrfach ins Gesicht geschlagen, ohne Anlaß, wie die drei Zeuginnen (Mutter, Opfer, Dienstmagd) übereinstimmend erklären, zuletzt als er vom Pedell vor das Consistorium geladen wurde. Offensichtlich meinte M. Seitz, seine Frau habe ihn verklagt, sagte doch die Magd, er hätte nach dem Fausthieb geschrien, er well sie lernen, das sie ine verklage. A 10/9, fol. 364, 31.01.1572, folgt der Bericht, wie M. Johann Seitz nächstverschiner Convocation vor den Senat bestellt und die Zeugen befragt wurden, samt Verlesung von städtischen Inquisitionen. Da M. Seitz trutzig und rebellisch die Stadt und seine Obrigkeit verlassen hat, ordnet die Universität seine Festnahme an. Da sich keine weitere Eintragungen finden, konnte man ihn wohl nicht ergreifen. 29 A 13/1, fol. 851, 02.11.1582, Bartlin Holtzmessers Tochter Klag. Weitere Bspl.: A 13/1, zwischen fol. 490 und fol. 491 Anzeig D. Jacob Streits, dazu fol. 744, Sommer 1579, eine Inquisition Innamen Hern Dr. Jacob Streitten. Bei der Befragung geht es um üble Nachrede, die gemein sag der gantzen Statt gewesen, Herr Doctor Streit habe seiner Base der Stingin den dolchen ans hertz gesetzt, vnd sie darmit bezwungen dem Hans Jacob Schmidlin die versprochene Ehe zuo leugnen ... Es handelt sich um die einzige Inquisition im Namen einer Privatperson. A 13/1, fol. 713, Anzeige durch den

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Vergleich zu anderen Verhörsursachen selten. Außerdem bleibt unklar, ob es sich wirklich um klagevorbereitende Anzeigen und nicht nur um Denunziationen handelt. Noch seltener sind Hinweise auf Klagen30 und die Beteiligung eines Klägers am Verfahren. Sie liegen z. B. vor, wenn Verhörte selbst Beweis führen möchten: Im Jahr 1590 hatte M. Blasius Eiteleisen nachts von der Straße aus Nicolaus Maffrey in seinem Quartier beschimpft mit fluchen, schweren, schänden, schelten und schmähen, Er Maffrey sey ein erloser schelm dieb vnd böswicht, ja ein Lait betrieger, dan er nur hieher kommen, die Leuth vmb das irig zuobetriegen, dan er wol wisse das weder er noch seine Eltern, samt gantzer freundschafft nit des vermögens, das sein schulden darauß beZalt werden mochten.31

Maffrey zeigt dies an und verlangt, das er [Eiteleisen] eintweders ime einen offentlichen widerruof thun oder aber solche stück auf ihn probieren solle. Da er nur den Widerruf und keine Geldsumme für die Beleidigung fordert, handelt es sich nicht um eine zivile Injurienklage, für die das Consistorium zuständig gewesen wäre. Das Verfahren ist aber nicht rein amtlich, denn auch Eiteleisen, der die Sachlage anders als Maffrey schildert, tritt Beweis an: verhoffe dise fürgestellt Zeugen sollen Ime wol sagen, als seinem widersacher. Diese Hoffnung trügt, denn die insgesamt neun Zeugen beider Seiten bestätigen Maffreys Version. So sagt M. Andreas Zimmermann, Priester und Präsident im CarthauConventor und einen Mitregenten der Artistenfakultät wegen eingeworfener Fenster an der Burse. A 13/1, fol. 726, Vorfall vom 08.02.1579, Casparus Maler bringt Magnifico domino Rectori klaglich vor bei seinem Jurament. 30 A 13/1 (LI2), fol. 723 f., [WS 1578/79] sein sag beschließend mit vorbehalt seiner notwendigen klag des zugefuögtem Schadens. Die Klage auf Ersatz des Schadens müßte vor dem Consistorium geltend gemacht werden. A 12/2 (LI1)r, fol. 454, ohne Datum. Inquisition Simon Geradtwol so beklagt worden vor mir D. Christophero Eliner vicerectore von Hansen Böcken factori einer Mißhandlung halb die er am kindlin Tag begangen hätte 1554. Keine entsprechende Klage in A 14/1, allerdings dort auch keine Einträge vom 15.12.1554 bis 11.05.1555. Es geht um einen Konflikt zwischen Studenten und Schneidern. 31 A 13/1 (LI2), fol. 1066, Inquisition, anzug vnd gründtlicher Bericht, wie sich die sachen ... am 20. Februarii [1590] ... zugetragen. Beginnt mit anzug Nicolai Maffrey, Eiteleisens Darstellung auf fol. 1068. Ein weiterer Fall findet sich A 12/2 (LI1), 548r, als Joannes Petermann beweisung auf sich genommen, daß er nie gezückt habe. Vier kurze lateinische und ein deutsche Aussage. A 13/1 (LI2), fol. 1266, 15.04.1595, Johann Sommervogel ... Erstliches über die generalia Interrogatoria befragt; durchnummeriert 1.-10., 1. zur Person, Alter, Geburtsort; bei 5.-7. steht nur: sagt nein dazu, ohne Aufzeichnung der Frage (es müßte sich um die Frage nach Verwandschaft oder Freundschaft mit den Parteien handeln). Es folgen Probatorial Articull und Special Fragstück, bei denen ebenfalls nur die Antworten notiert wurden.

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ser Haus, Eiteleisen habe Maffrey von der Straße aus beschimpft und gefordert; Eiteleisen wurde von der Scharwacht von wegen getrieben unbescheidenheit abgeführt. Der studiosus Johannes Pfeffer, ein Bursant, bezeugt, Eiteleisen habe Maffrey als Bettler beschimpft, worauf Maffrey erwiderte ob er schon nit vil habe, so seye er doch noch nie für die convocation citiert worden schulden wegen. Dieser Fall fand ein Echo in den Senatsprotokollen: Eiteleisen leistete in der Convocation Abbitte und mußte zur Strafe sein Schwert abgeben. Beiden Beteiligten wurde Frieden geboten und die Beleidigungen aufgehoben, so daß zu weiterer Klage kein Anlaß mehr bestand.32 Die Elemente von Anzeige, Ankündigung der Beweisführung und Klage finden wir auch in einem Ehedrama aus den Jahren 1568/69, in dem die Frau Christoph Baldungs und der schlesische Student von Schonaich als Liebende, der Patrizier Christoph Baldung als gehörnter Ehemann auftreten. Am 01.12.156833 erscheint Baldung aufgebracht vor dem Senat und bezichtigt seinen Kostgänger Johann von Schonaich des Ehebruchs mit seiner Frau: Er habe adulterium mit iren comitiert, deß vermeint Baldung geherig und nach notturfft zuobeweisen.34 Außerdem habe von Schonaich ihm gedroht, er werde ihn erschießen oder erstechen. Baldung verlangt, daß der Student verhaftet wird, Universitas welle uff seinen Costen gefenklich den Schonaich einlegen, Dann er Baldung den Schonaich umb hieoben angezeigter sachen willen Rechtlichen beclagen welle. Die entscheidende Frage ist, welcher Art dieses rechtliche Beklagen sein sollte. Auf einen Akkusationsprozeß weisen das 32

A 10/10, fol. 862, 23.02.1590, M. Basius Eiteleisen coram constitutus obiurat de peracta petulantia, factumque temerarium contra alium Nicolaus Mafre praesentem ex domo Notarii hospites eiusdem, gladio stricto ... aliquot Mafre id negaret, sic mutuas verborum correctationes invicem regerrent et quisque Ira intentione probare intenderet. Placet ulterius de ipsorum causa inqueredum et M. Eiteleisen haec vice punitur galdui mandatur pax utriuque et mutua iniuriae hinc inde emissae. autoriate magistratus sublatae ita re cuique nocerat tandem ex inquisitione facta de pro merita poena statuendum. Die Randglosse lautet: M. Eiteleisen contra Maffre. Hervorhebung BB. Derartige Personengegenüberstellungen gibt es sonst in den Senatsprotokollen kaum. Es handelt sich um einen Sonderfall, weil Maffrey keine zivile Injurienklage erhoben hat. 33 S. auch Erster Teil § 4 II. 1 d); vgl. zu diesem Fall auch: Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 114 ff.; Schreiber, Universität Freiburg, S. 204 f. 34 A 10/9, fol. 283, 01.12.1568, ebenfalls ediert bei Schreiber, Universität Freiburg, S. 204 in der Anmerkung *** Christoff Baldung Herrn Hartungi dochtermann dißtags vor der Universitet ernstlich beclagt ob einem studioso genanndt Hans von Schonaich uß Schlesien ... Am nächsten Tag bringt er schon die ersten Beweise an: Baldung legt dem Senat Liebesbriefe vor, die von Schonaich und seine Frau einander geschrieben haben. Er berichtet, wie er den Abort aufgebrochen hat, in den seine Frau die Briefe geworfen hatte, bevor sie zu ihrem Vater floh. A 10/9, fol. 283 f., 02.12.1568. Als sich Hartung für seine Tochter einschaltet, mahnt ihn die Universität, wegen dieser inkriminierenden Briefe behutsam aufzutreten.

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Einbringen der Klage und vor allem die Ankündigung Baldungs hin, er wolle den Ehebruch beweisen. Hierfür spricht grundsätzlich auch seine Erklärung, er werde für die Kosten der von ihm geforderten Haft aufkommen.35 Der Senat rät ihm jedoch, das er hierinn behuotsam vnnd still handle, sich woll bedenkhe, ehe dann er dise handlung anfahe, dann sie mißlich vnnd causa difficilissimae probationis. Man warnt ihn also vor einer Klage und den Schwierigkeiten der Beweisführung, die ihn treffen würden. Folgerichtig wird Inhaftierung und Befragung von Schonaichs ex officio und nicht ad instantiam Baldungs beschlossen.36 Obwohl der Senat die Sache an sich gezogen hat, spielt Baldung weiterhin eine wichtige Rolle. Am 06.12.1568 wird er in der Senatssitzung gefragt, Ob er leiden möge, das in diser seiner sach in der guöttigkeit gehandelt werde.37 Unter Vorbehalt stimmt Baldung zu. Man spricht ihm als Initiator der Untersuchung offenbar die Herrschaft über den Fortgang des Verfahrens zu, nicht aber – wie sich kurz darauf zeigt – über die Haftbedingungen: Als von Schonaich die Universität bittet, in ein weniger schweres Gefängnis verlegt zu werden, wird dem entsprochen, ohne Baldung zu konsultieren; der Stadtknecht soll den Studenten aus dem carcer in das Kollegium führen und dort in der Stube an eine Kette legen.38 Am 16.12.156839 versucht die Universität, die Angelegenheit voranzutreiben, zumal nun auch noch verschiedene Gläubiger von Schonaichs vor dem Consistorium ihre Ausstände einfordern. Sie teilt Baldung mit, nachdem von Schonaich bisher nomine Universitatis gefangen gwesen, werde Universitas ine nit mher also fenklich halten. Wenn Baldung wünscht, daß von Schonaich weiter inhaftiert bleibt, soll er die Kosten tragen.40 Dann Universitas werde pro suo interesse ein straff abnemen und der gefenkhnus entledigen. Allerdings bleibt Baldungs angekündigte Klage von Bedeutung, wie sich aus folgender Stelle ergibt: Diß hat Universitas den Creditoribus deß 35

Wie wir allerdings gesehen haben, wurde die Regel, daß Haft bei zivilen Klagen unzulässig war, nicht konsequent angewendet, vgl. Erster Teil § 4 II. 1. a). 36 Uff diß ist Schonauch dißen tag eingelegt worden. Im carcer fanden Verhöre statt: A 13/1 (LI2), fol. 314, Inquisitionen in carcerem am 02.12.1568, 04.12.1568 und 18.12.1568. Neben von Schonaich werden M. Michel Braun und der Bruder des betrogenen Ehemanns, Johann Baldung, verhört. 37 A 10/9, fol. 284. 38 A 10/9, fol. 285. 39 A 10/9, fol. 285 f., Warum zwei Tage später, am 18.12.1568 eine weitere Inquisition von Schonaichs erfolgt – auf weiter anzug vnd begehr des C. Baldung ist Johannes von Schonaich weiter befragt – A 13/1 (LI2), fol. 322, ist unklar. Eigentlich müßte die Angelegenheit mit der Entscheidung der Universität vom 16.12.1568 beendet sein. Falls sich Baldung anders entschieden hat, taucht in den Senatsprotokollen dazu nichts auf. 40 Vgl. Schwerhoff, Köln, S. 91, zur Grauzone zwischen Akkusation und Inquisition: Personen wurden freigelassen, wenn sich im Lauf des „Verfahrens“ herausstellte, daß kein Kläger existierte und der Rat kein Interesse hatte, die Sache zu verfolgen. Die Universität mußte allerdings wegen der strengen Statutenbestimmungen an den meisten denkbaren Delikten ein Interesse haben.

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von Schonaich auch anzeigen lassen, und auch ahn den Baldung begert, das er sein action gegen den Schonaich fallen lassen und der Universitet ime zuostraffen befelhen welle. Da Baldung vor dem Consistorium keine Klage erhoben und sie vor dem Senat nur angekündigt hatte, ist die Formulierung unpräzise und meint offensichtlich die erwartete Klage. Dies ergibt sich auch aus Baldungs Reaktion. Er fordert, von Schonaich solle im Gefängnis bleiben, dann er genn imme Rechtlich zuo procedieren bedacht, desgleichen sagt er, welle er gegen seiner frawen rechtlichen handeln. Die Universität versucht weiterhin, ihn davon zu überzeugen, von einer Klage abzusehen. Zugleich wird deutlich, daß sie keine Entscheidungsgewalt hat: doch darneben vermeldt wo vern er ine Rechtlich handlen welle, könne man ime Recht nit abschlagen. Nach den wiederholten Warnungen zieht Baldung nun aber doch in Erwägung, nach einer Bestrafung von Schonaichs durch die Universität auf seine Klage zu verzichten. Allerdings nur, wenn sein Rachebedürfnis befriedigt wird; er fragt nämlich, Wie und welcher gestalt universitas den Schonaich straffen werde, so welle er iren die straff übergeben und heimsetzen. Diese Formulierung deutet nochmals darauf hin, daß die Möglichkeit der Universität, von Schonaich zu strafen, in dieser Konstellation vom Einverständnis des Geschädigten abhängt. Da Verfahren vor dem Consistorium keinen Einfluß auf die universitäre Strafgewalt haben,41 wäre die angekündigte Klage wohl nicht dort zu erheben gewesen. Der Senat will sich bezüglich der Strafe nicht festlegen, antwortet aber, man wolle von Schonaich unter anderem der Universität verweisen. Daraufhin stimmt Baldung zu, die sach und straff den herrn heimzustellen, vnd wider den Schonaich rechtlich nicht zu handeln. Sogleich folgt die Straffestsetzung durch den Senat: Neben der angekündigten Relegation soll von Schonaich 40 Kronen an die Universität zahlen.42 Obwohl sich in diesem Fall der Betroffene weit stärker engagiert hatte als üblich, gelang es der Universität schließlich doch, ihn von einer Klage abzubringen; ihre Warnungen verraten uns, daß sie einen Prozeß in dieser Sache für unangenehm gehalten hätte. Nach dem Verzicht des Geschädigten konnte sie mit seinem Einverständnis ohne weiteres Verfahren eine Strafe verhängen. Die Vorgehensweise der Universität in diesem Fall, die vermutlich ihre grundsätzliche Einstellung zu solchen Prozessen spiegelte, mag der Grund dafür sein, daß es nie zu voll ausgeprägten Verfahren mit privatem Kläger vor dem Senat kam.

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Vgl. Vierter Teil § 3 II. c). Seine Gläubiger werden von dieser Entwicklung informiert und aufgefordert, im nächsten Consistorium gegen von Schonaich Rechtlich zu handeln. Obwohl von Schonaich relegiert ist, sieht sich das Universitätsgericht noch zuständig für diesen Fall. Rechtlich Handeln erscheint als neutrale Formulierung, die auch einen Prozeß vor dem Consistorium meinen kann. 42

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

2. Ergebnis In der Regel strafte die Universität nach schlichtem Senatsbeschluß ohne rechtliches Prozedere. Ein Verfahren mit akkusatorischen Elementen, mit dem der Geschädigte eine Bestrafung durch die Universität verlangte, bildete die Ausnahme. Meist scheuten die Hohe Schule und die Betroffenen den Aufwand und es blieb bei der formlosen Bestrafung durch die Universität, die auch neben einer zivilen Verurteilung zu Ersatzleistungen vor dem Consistorium erfolgen konnte. Das Verfahren an der Universität bewegte sich flexibel zwischen den Polen von Inquisition und Akkusation. Es war so ungeregelt und biegsam, daß man einem Beschwerdeführer, falls er darauf bestand oder der Senat es für sinnvoll hielt, einen stärkeren Einfluß einräumen konnte. Generell wollte sich dennoch die Universität – selbst in Fällen begründeten und offensichtlichen Interesses wie bei Maffrey und Baldung – die Initiative nicht von Einzelpersonen aus der Hand nehmen lassen. Sie war darauf bedacht, Untersuchungen und Verhöre nach ihrem Gutdünken durchzuführen.43 Verfahrenstechnisch könnte man also von der Herrschaft von Instruktions- und Offzialmaxime sprechen, wobei zur Ermittlung der Täter „rationale“ Beweismittel – zumeist der Zeugenbeweis – verwendet wurden. II. Die Verhöre 1. Ablauf Über den Ablauf der Befragungen enthalten die AoR einige Bestimmungen, deren Befolgung sich in den Verhörprotokollen erkennen läßt. Si quid ab Academicis peccatum fuerit; Rector, adhibito Notario Academico, rem omnem serio perquiret, citato ad se delinquente.44

Die Verhöre wurden vom Rektor gemeinsam mit dem Notar geführt. In einigen, vor allem schwerwiegenden Fällen, waren auch Consiliarii Rectoris anwesend. Befragt wurden nicht nur Verdächtige und Geschädigte, sondern auch Zeugen, die nicht an den strafbaren Handlungen beteiligt waren.

43 Die Verhöre fanden in der Regel im Interesse der Universität mit dem Ziel einer Bestrafung von Amts wegen statt. A 14/1, fol. 396, 11.07.1556, Überecker ./. Dr. Guth. Der Beklagte verlangt copias der Inquisition damit er erfahren möcht, wer Ine beleidigte; ist ime abschlagen dann vniuiersitas nit vm seinet oder jemans anderen wegen, sonder pro suo interesse et publica vindicta inquiriert. 44 AoR, ed. König, Rectorat, S. 75, 13. De Inquisitione in delinquentes.

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a) Wahrheitssicherung Bei den Befragungen versuchte man, die Zeugen vor allem mit Hilfe von Eiden zu einer wahrheitsgemäßen Aussage anzuhalten.45 Inquisitio bedeutete im universitären Sprachgebrauch nicht die Anwendung der Folter; diese war ja auch generell auf die Aufklärung schwerer Verbrechen begrenzt.46 Ein Druckmittel, das nicht auf dem Eid basierte, könnte allerdings bei Inhaftierten die Androhung sein, weiter im carcer bleiben zu müssen. In solchen Situationen fanden oft mehrfache Verhöre im Abstand einiger Tage statt, was dafür spricht, daß man versuchte, den Gefangenen durch die Haft zu zermürben.47 In der Regel geschah die Wahrheitssicherung jedoch allein durch die eidliche Bekräftigung der Aussage. Die AoR gehen davon aus, daß ein Zeugnis nicht eigens beschworen werden mußte. Der Verhörte sollte vielmehr an seinen Eid erinnert und dazu aufgefordert werden, bei diesem bereits geleisteten Schwur die Wahrheit zu sagen: Antequam inquiratur quispiam, monebitur, ut sub iuramenti debito vero loquatur.48

Häufig erscheinen in den Inquisitionsprotokollen Formulierungen wie bei dem Eid mit dem er der Universitet verwandt und zugetan, ermahnt die Wahrheit zu sagen, oder auf Latein per Iuramentum, die sich auf den Immatrikulationseid beziehen. Fast bei jeder Inquisition vermerkt der Schreiber, eine solche oder ähnliche Ermahnung habe stattgefunden. Wenn der Befrager Zweifel an der Aussage hatte oder die Angelegenheit schwerwiegend war, pflegte man den Zeugen besonders ins Gewissen zu reden und ihnen die Folgen eines Meineides zu schildern, der auch vorlag, wenn der 45

Zu Verhören beim Eid vgl. Erster Teil § 4 I. 1. c) und § 4 I. 2. a). Von einer begrifflichen Identität geht z. B. Willmann, Heimliche Räte, S. 160, aus: Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts haben die heimlichen Räte die inquisitio vorzunehmen, die peinliche Befragung des Beschuldigten zwecks Feststellung des Sachverhalts. Es wird nicht deutlich, ob Willmann nur wegen der Verwendung des Wortes inquisitio auf die Folter schließt. Die in universitären Akten erhaltenen Protokolle der heimlichen Räte sind ebenfalls Befragungen beim Eid und enthalten keine Anhaltspunkte für Folter. 47 Zumindest der Stadt war diese Motivation nicht fremd. Das belegt die Inquisition von Agnes Brennerin, famula des Dr. Johannes Zinck, A 12/2 (LI1), fol. 121v, ohne Datum. Sie war von der Stadt in Haft genommen worden und sollte nach ihrer Freilassung berichten, was sie durch die Herrn von Freiburg befragt worden sei, die Antwortet man hab sie befragt und bei peyn das sie länger im Gefängnis liegen müß wenn sie die Wahrheit nicht anzeige ... 48 AoR, ed. König, Rectorat, S. 75, 13. De Inquisitione in delinquentes. 46

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Ermahnung per iuramentum nicht Folge geleistet wurde.49 Diese eindringlichen Erinnerungen, bey den Pflichten vnd Aydt, den er der Universitet gethan und geschworen, die warheit zuosagen vnd nicht zuverschweigen. Niemande zuo Lieb noch zuolaidt, weder vmb freund: oder feindschafft, Neid oder Haß, mieth oder gab ...50

sind allerdings selten. Die hier zitierte stammt aus einem Verhör, in dem – ebenfalls ungewöhnlich – vorformulierte Fragen verwendet wurden. Der zweite Teil der zusätzlichen Ermahnung gleicht im Wortlaut dem Zeugeneid, wie er in den Consistorialprotokollen zu finden ist. Vielleicht griff man auf vertraute Formulierungen zurück, um den Zeugen den Ernst der Lage möglichst klar vor Augen zu stellen. Noch seltener stoßen wir in den Inquisitionsprotokollen auf tatsächlich aus Anlaß der Verhörs geleistete Eide.51 b) Generalinquisition Im kanonischen Prozeß war vor der eigentlichen Befragung zur Sache eine inquisitio generalis vorgesehen, durch die Name, Alter, Herkunft und Beziehung des Zeugen zu anderen Tatbeteiligten ermittelt werden sollten.52 Bei den Befragungen durch den Rektor war eine umfangreiche Generalinquisition nicht üblich,53 zumindest wurde sie nicht aufgezeichnet. Häufig wird ein Verhörter als studiosus bezeichnet, Adelsbezeichnungen und akademische Titel werden in der Regel aufgeführt, manchmal auch der Herkunftsort. Außerdem fügt der Schreiber universitäre Ämter und Funktionen an. Vereinzelt findet sich auch die Information, wie alt der Befragte ist. Häufig handelt es sich dann um jüngere Personen von 10, 11 oder 14 Jahren. In diesen Fällen mag die Frage nach dem Alter dazu gedient haben, die Eidesmündigkeit festzustellen und die kundschafft besser zu würdigen.54 Wenn hingegen, was vor allem bei folgenschweren Vorfällen vorkommt, die Aussage selbst mit der Nennung von Na49

Dieses Vorgehen war immer wieder erfolgreich, vgl. Erster Teil § 4 I. 2. a). A 13/2 (LI3), fol. 406, Inquisition am 11.05.1606. 51 Vor allem in A 13/2 (LI3) gegen Ende, fol. 484, 19.01.1607, bei handgebner treue und leiblichen Jurament; fol. 532, 17.12.1607, bei handgegeben gelübt und eid. Vor dem Consistorium waren Zeugeneide häufiger, Dritter Teil § 4 III. 2. a) aa). 52 Vgl. dazu Fuchs, Protokolle von Zeugenverhören als Quellen zur Wahrnehmung von Zeit und Lebensalter in der frühen Neuzeit, S. 143. 53 Anders beim Consistorium, vgl. Dritter Teil § 4 III. 2. a) bb). 54 Eidesmündig war man ab 14 Jahren, vgl. A 13/1 (LI2), fol. 355, 29.11.1569, Wilhelm von Knippenhausen, so 13 Jar alt. Befragung ohne Verweis auf einen Eid; fol. 657, 17.06.1578, Christoff Strauß, der Universität verwandt und 15 Jahre alt wird beim Jurament befragt. 50

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men, Herkunftsort und Alter beginnt, könnten nicht überlieferte interrogatoria generalia der Hintergrund sein.55 c) Die Befragung zur Sache Der Notar fertigte die Niederschriften der Verhöre als „summarische Protokolle“56 an, die in indirekter Rede den Kern der Aussage fixieren. Teilweise ist auch in den Freiburger Inquisitionsprotokollen die Dialogform noch erkennbar, in der die Frage- und Antwortform beibehalten wird. Meist erscheinen die Protokolle aber als durchgehende Erzählungen des Vorgefallenen, in denen man nur selten Nachfragen und damit Aspekte erkennen kann, die für die Strafinstanz von Bedeutung waren.57 Artikel, die man dem Befragten vorlegte, sind der absolute Sonderfall,58 vorbereitete Fragen teilt der Notar so gut wie nie mit. Bei der Verfahrensdichte wäre dies auch ein zu großer Aufwand für in der Regel geringfügige Delikte gewesen.

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A 13/1 (LI2), fol. 1109 ff., 05.10.1591, Fall des getöteten M. Johann Marcus Schludnus, sowohl Johann Heinricus Sessler als auch M. Jacob Hau beginnen ihre kundschafft mit der Angabe ihres Alters; Sessler sagt, er sey bey zwey oder drey vnd zwainzig Jar alt ... 56 Schnabel-Schüle, Ego-Dokumente im frühneuzeitlichen Strafprozeß, S. 299 57 A 12/2 (LI1), fol. 320v, Inquisition am 19.07.1559. M. Georg Neser wird zu einem Streit in der Burse befragt: hab er sagender allein whol gehört das der president gesagt, ob dann er einem Jeglichen Narren Zunacht müsse uffthon. Die nach Abschließen der Türen heimgekommenen fragen darauf, ob er sye für narren halt, er seye selbst ein narr, haben sich ... viel wortt verloffen, deren er sagender nit mehr indegenk, hab aber wohl gehört, daß der Riecker und der president einander heißen liegen und bachant gescholten, wisse aber nitt warumb, auch [nicht] welcher den andern erstlich also mit Wortten angetast ... Hervorhebung BB. Offensichtlich war der Hintergrund der Beleidigungen erfragt worden und wer begonnen hatte. 58 Bei über 3000 Verhören finden wir nicht mehr als fünf Fälle, die eher am Ende des Untersuchungszeitraums liegen. A 13/1 (LI2), fol. 1259, undatiert, 1593: 1. Quae inter ipsos fuerit exorta rixa Brisaci, 2. Quae causa istius rixae, 3. Cur armis ingressus fit conclave ipsius N quaesiverit ... 5. Cur unus ex ipsis disploserit Bombardam, 6. Cur toties accurrerint ad monasterium armati ... Insgesamt neun Fragen. A 13/2 (LI3), fol. 404 f., 11.05.1606, ist nachgemelter [famulus Marcus Aden] über volgende Interrogatoria examiniert vnd befragt worden. Aus den notierten Fragen ergibt sich, daß er offenbar verdächtigt wurde, seinen Herrn mit dem Wissen über dessen ehebrecherische Affäre zu erpressen: Item warumb der Pfarrherr Ime famulum im Studieren verlege,do er doch dem Pfarherrn umb khein har verwandt. Ob er Pfarrherr Ine nit darumb verlege, daß er nichts von Ime sage oder außbringe. Ob er Ime Zeug nitt verbotten, gott geb wie hoch man Ine frag, daß er nichts von Ime und der Bürchnerin schwatzen soll.

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Die meisten Aussagen schließen mit der formelhaften Wendung, mehr sei ihm nicht zu wissen. Am Ende einer Befragung liest man regelmäßig, dem Verhörten sei stillschweigen ufferlegt wie recht.59 Auch dies wird im einschlägigen Artikel der AoR vorgeschrieben. Peracta inquisitione, moneatur qui dixit, sub pari obligatione, ne cui dicat, quae interrogatus fuit; aut quae respondit.60

Wie die Formulierung sub pari obligatione andeutet, die sich auf die Ermahnung sub iuramenti die Wahrheit zu sagen bezieht, wurde zuweilen ausdrücklich Stillschweigen beim Eid befohlen.61 Das Schweigegebot sollte wohl zur Verhinderung von Absprachen dienen, wenn mehrere Zeugen nacheinander verhört wurden. Zudem ließ es die Vernommenen im Unklaren darüber, ob die anderen gestanden hatten oder nicht.62 2. Strategien der Befragten a) Gestehen Beim Durchlesen der Verhöre fällt auf, wie oft die Studenten unbefangen von Verhaltensweisen erzählen, die nach den Statuten der Universität verboten waren. Insbesondere beginnen Aussagen über tumult und Schlägereien auf den nächtlichen Straßen regelmäßig mit dem Bericht, man habe den schlaftrunck in öffentlichen Gasthäusern eingenommen. Doch diese hätten die Studenten gar nicht, und zu später Stunde erst recht nicht, aufsuchen dürfen. Bei Bagatelldelikten wird die Erklärung für das bereitwillige Gestehen darin liegen, daß dieses Verhalten zwar durchaus verboten, andererseits aber völlig üblich war und – in Maßen – toleriert wurde.63 Zudem wogen wohl in den Augen der Befragten die 59 Formulierungsbeispiele aus A 13/1 (LI2), fol. 1-14, 21.07.1561, stillschweigen ufferlegt, zu verschweigen geboten, mandatum silentium, stillschweigen einpunden, silentium mandirt. 60 AoR, ed. König, S. 75, Art. 13, De Inquisitione in delinquentes. 61 Allerdings selten. A 13/1 (LI2), fol. 618, 16.10.1577, stillschweigen bey dem eid eingebunden. 62 A 13/2 (LI3), fol. 103, 26.03.1599, Vnd haben Zum Erstenmahl, allß sie auff denn Kirchof geflohen, zuosamen gesagt, daß man nur kheinen vnder Inen khennente vnd daß kheiner auch vom andern sagen sollt, wisse aber doch nit welcher solches geredt. Der Student Johannes Jacobus Buol, der dies berichtete, nannte allerdings die Namen aller, die in die Schlägerei mit der Wacht verwickelt waren. 63 Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 144. Vgl. zu anderen Erklärungsansätzen Schwerhoff, Köln, S. 104 f. Z.T. gestehen Beschuldigte – bei schweren Delikten – ohne erkennbar durch Folter oder drückende Beweislast dazu veranlaßt zu sein. Er zieht eine

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Geld- und verhältnismäßig kurzen Haftstrafen, die in der Regel drohten, eine mögliche Gefahr für das Seelenheil durch eine Falschaussage nicht auf. Das mangelnde Schuldbewußtsein führt dazu, daß ein Bekenntnis eher selten mit einer Entschuldigung oder der Bitte um Gnade und milde Bestrafung verbunden wird, wie es der wegen Beleidigungen verhörte Jacob Waibel tut: weiß allso waß er geredt nit zuoentschuldigen, sonder wo er Jemanden beleidigt bittet er vmb gnad vnd Verzeihung.64

Die meisten Verhörten hielten solches nicht für nötig. b) Rechtfertigung und Schutzbehauptungen Wenn auch Vieles zugestanden wurde, heißt dies noch lange nicht, daß alle Studenten rückhaltlos die Wahrheit sagten. Vielmehr lassen sich etliche Strategien ausmachen, um sich oder andere nicht zu belasten. Am häufigsten ist der Rückzug auf Nichtwissen. So geben die Verhörten an, sich nicht zu erinnern, wer als erster gezückt habe oder behaupten, sie hätten den Täter oder Verursacher eines Streits nicht erkannt: seyen in der gaßen vor der Burß etliche gestanden, welche ime vnd seinen gsellen etliche male nachgeschrawen Schelm Schelm, vnd seyen derselben so also geschrawen drey gewesen, die er sagender nit kendt.65

Zumindest teilweise muß man an der Wahrheit solcher Aussagen zweifeln. Da Universität und Stadt von überschaubarer Größe waren, handelt es sich sicher in etlichen Fällen um eine Ausrede.66

Parallele zur Beichte, die Missetat wird als Sünde verstanden. Ebenso Schnabel-Schüle, Ego-Dokumente im Frühneuzeitlichen Strafprozeß, S. 300. 64 A 13/2 (LI3), fol. 356, 27.04.1604. Ebenso A 13/2 (LI3), fol. 385, 21.01.1606, Johann Baptist Reichlin endet sein sag vnd sagt es seye Ime Laydt daß diß geschehen, er seye aber in trunckhenheit allso provociert worden, begert die sachen zum besten zu richten. 65 A 13/1 (LI2), fol. 368, 27.04.1571. Es kommt zu einer Schlägerei mit Verletzungen. Mit allen Wassern gewaschen scheint dieser Student: A 13/1 (LI2), fol. 894, 24.10.1584, Joannes Gebel studiosus ... bekhendt das er zum tumult andte aedes Rectoris kommen, ... waiß nitt wer die geweßen, so er alda coram Magnifici Rectoris aedibus mit gezuckhtem wehr antroffen, bekhennt das er die laternen uff den boden geworffen, waiß nit ob er gezuckht, wan er aber dessen überwißen, welle er die straff unbeschwert geben.

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Zum Teil wird das Nichtwissen oder Nichterinnern mit Trunkenheit begründet. Dies war zwar auch ein Vergehen gegen die Statuten, aber wahrscheinlich in Anbetracht der Häufigkeit und Üblichkeit ein nicht allzu schwerwiegendes. Die Behauptung, betrunken, beweint oder bezecht gewesen zu sein, entsprach ohne Zweifel in vielen Fällen der Wahrheit.67 Trunkenheit wird nicht nur als Entschuldigung für mangelnde Erinnerung an Vorgefallenes, sondern auch für strafbare Handlungen an sich vorgebracht,68 obwohl sie nicht zwangsläufig zur Entlastung der Täters führte.69 Ob ihm ein solches Vorbringen zu gute gehalten wurde, hing von den Umständen und dem Ermessen der Strafenden ab. Immerhin konnte ein Vollrausch Planung und Vorsatz, die schwerer geahndet wurden, ausschließen.70 Dies war für die strafrechtliche Beurteilung von Bedeutung, sollten sich die Verletzungen als schwer oder gar tödlich erweisen. In diesem Zusammenhang lautete eine andere Entschuldigung bei Verletzungen, man habe ohne Gefährde (ohne böse Absicht) gehandelt. Sogar der Geschädigte selbst gab in einem Fall an, er sei unabsichtlich verletzt worden: [Sie haben] ohne allen Zanckh, Neidt oder widerwillen mit bloßen wehren mit einander gescherzt. Vnd ohne alle gefahr sagender von Ime Glasmann verletzt und

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Simon-Muscheid, Simon, Gerichtstexte, S. 25: In Zeugenaussagen folgen auf ausführliche Passagen lückenhafte und ausweichende. Solche Antworten können mit tatsächlichem Nichtwissen erklärt werden. Dieses simple Erklärungsmuster verkennt aber die komplexen Solidaritäts- und Abhängigkeitsverhältnisse in dörflichen und (klein)städtischen Verhältnissen. ... deshalb geht man besser von einer Strategie des Nichtwissens und aktiven Nicht-Erinnern-Wollens aus. Vgl. zu handlungsleitenden Interessen in Zeugenaussagen auch Schnabel-Schüle, Ego-Dokumente im Frühneuzeitlichen Strafprozeß, S. 300. Schuster beobachtet für Gewaltverbrechen in Konstanz, daß die Zeugen einer Tat in der Regel nicht bereit waren, präzise Aussagen zu machen. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, S. 155. 67 A 13/2 (LI3), 29.10.1603, fol. 328, sei trunken gewesen und wann es ime an seinem Leben stünde, könnt er nichts weiters sagen ... Ganz konsequent: Franciscus Helmner ist am 26.07.1605 wegen Trunkenheit gar nicht zur Aussage in der Lage: ebrius, dimissus est quia loqui non potuit. A 13/2 (LI3), fol. 368. 68 A 13/1 (LI1), fol. 176. Ein Student hat im Rausch eine Tür beschädigt; er sagt aus, er erinnere sich nicht mehr, und falls er etwas getan habe, tue es ihm leid. Vgl. auch Schwerhoff, Köln, S. 294. 69 Die zivilrechtliche Ersatzpflicht für in Trunkenheit begangene Schädigungen bejaht Zasius, T. 1 Dig. h.t.n. 7, mit einer der actio libera in causa ähnlichen Konstruktion: zwar sei die Ersatzpflicht nach der actio legis Aquiliae an ein Verschulden gebunden, doch habe der Täter schließlich die Trunkenheit verschuldet. 70 Schwerhoff, Köln, S. 106 f.; bei Schindler, Verbrechen und Strafen in Freiburg, S. 28, zeigt sich, daß die Reaktion wohl im Ermessen der Richter stand: Sinnlose Trunkenheit wirkt strafmildernd, nicht strafbefreiend, in anderen Fällen kann sie aber auch außer acht bleiben.

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in Halls getroffen worden. Seye Im darumb gar nit feindt, sondern nochmahlen und vorhin Jederzeit sein guetten gesell gewesen.71

In diesem Fall kennen wir die Reaktion des Senats nicht, aber im Fall Sancto Fonte, in dem eine ähnliche Ausgangslage zum Tod des Verletzten geführt hatte, sprach der Bischof von Konstanz den Täter, der on alle geferd gehandelt hatte, vom Tötungsvorwurf frei. Die Behauptung, die Strafbarkeit nicht gekannt zu haben, war keine taugliche Entschuldigung. Denn was verboten war, bestimmten die Statuten, auf die man bei der Immatrikulation seinen Eid ablegte. Zusätzlich wurde auch die Abwesenheit bei der Statutenverlesung bestraft! Dennoch beruft sich ein Student bei Verbreitung eines Pasquills darauf, er habe die Statuta nie hören lesen oder gewußt das es verboten.72 Seltener versuchen Verhörte, die Schuld direkt auf anderen zu schieben, indem sie angeben, sie seien zur Tat verführt oder verleitet worden.73 Allerdings berichten Studenten immer wieder, sie seien provoziert worden und hätten lediglich reagiert.74 Offensichtlich, dies zeigen die zuweilen erkennbaren Leitfragen in Verhören, war es für die Strafe von Bedeutung, wer einen Streit begonnen, wer den Gegenpart zuerst beleidigt, wer zuerst seine Waffe gezückt hatte. Da es gesellschaftlich weithin akzeptiert war, auf eine Beleidigung gewalttätig zu reagieren, ist anzunehmen, daß ein provozierter Täter mit mehr Verständnis rechnen konnte. Bei den vielfältigen Möglichkeiten, andere durch Gesten, Worte, gar den Tonfall zu reizen und herauszufordern, bot sich für den Aussagenden viel Spielraum, sein eigenes Verhalten als harmlos darzustellen.

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A 13/2, (LI3), fol. 232, 21.05.1601. Ein Pasquill ist ein Schmachgedicht. A 13/2 (LI3), fol. 470, 02.09.1606, vnd seye diß Paßquill, [welches] der Herr Rector habe, durch den Cabelius geschriben worden ... vnd behalt bey seinem Aydt, daß von Inen nichts Ehr verletzliches hinein gesetzt. Es handelte sich um Gedicht von den Junckhfrawen ... welche zu tadeln und zu loben, das weitergereicht und abgeschrieben wurde. 73 A 13/1 (LI2), fol. 14, 23.07.1561, bringt der Täter gleich zwei Entschuldigungen vor, indem er sagt, er habe, wenn überhaupt, in betrunkenem Zustand gehandelt und außerdem habe ein anderer ihn angestiftet. 74 A 13/2 (LI3), fol. 413, 21.05.1606. Der Verhörte sagte aus, er habe einer Gruppe Bürger vor der Stadt zugerufen: Gott gebe Euch einen gueten Abendt miteinander. Die Antwort habe Danckh euch Gott, Ir gersten Seckh, gelautet, behauptet der Deponent, und weiter: sie fortgehendt nichts gesagt, derselb sich nochmahlen vmbgewendt vnd Aber gesagt, Seht die gerstenfräßer, wie sie da hinauß Lauffendt. Es kam zu einer Schlägerei. Das Schimpfwort „Gerstenfresser“ für Studenten bezog sich auf die Mahlzeiten aus Getreidebrei, die in der Burse üblich waren. 72

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Generell versuchten die Täter natürlich, ihre Vergehen in möglichst günstigem Licht erscheinen zu lassen. Ein Beispiel solcher Schönfärberei lieferte Georg Schnell, der ein vor dem Münster aufgestelltes Steinbild umgeworfen hatte. Er gab zu Protokoll, er habe nur ein wenig ahn das bild geruörtt vnd gerwacklet, sye es gleich vmbgefallen. Zu seinem Pech klangen die Aussagen der restlichen Zeugen völlig anders. Jodocus Grettler sagte aus, sy der Schnell wol bezecht [gewesen] ... sye Schnell zuo dem bild gangen, das selbig umbfellen wellen, hab er sagend im sollichs gewertt, der Schnell aber hab gesagt, es muoß umb, Es muoß umb, darmit das bild frevenlich vmbgestoßen, hab er sagend sich deßen geschembt vnd sey in kirch geeilt.75

Auch der ebenfalls anwesende Johannes Sick bestätigte diese Version der Ereignisse. Gerade wenn mehrer Zeugen verhört wurden, empfahl es sich also, nicht zu weit vom tatsächlichen Ablauf abzuweichen. c) Juristische Verteidigung Ein Verhör fällt aus der Reihe, weil sich der Inquirierte mit rechtlichen Mitteln verteidigen möchte. Dieser Sonderfall verdeutlicht, was normalerweise gerade nicht geschah. Justus Octavianus Prombach76 vermeint man solte Im was die andern deponiert vorlesen von punct zu punct, so könnte er auch darüber sagen, oder Im Eh dann sy befragt worden, die sach angezeigt haben, damit er sich mit fragstücken auch verfassen mögen, dann er werde auch gelert leut dazu brauchen ...77

Schon die Forderung, der Notar solle ihm die anderen Verhöre vorlesen, ist ungewöhnlich, weil sie dem üblichen silentium mandatum völlig zuwiderläuft. Für das weitere Begehren, ihm zu erläutern, was man ihm vorwerfe, gab es allerdings prominente Fürsprecher wie den Klagspiegel, der rechtlichen Laien 75 A 13/1 (LI2), fol. 178, Verhöre am 28.07.1564, Johannes Sick, ein Schüler, der zweite Zeuge, sagt dem Grettler ganz gleich. Er bestätigt auch, daß Grettler den Schnellen ein mal mit gewalt vom bild zogen, welcher sich dann aber losgerissen habe. 76 Sein Bruder Pius Conradinus Prombach ist Sachwalter vor dem Consistorium, wo er u.a. Stephan von Lalosch vertritt, A 14/2, fol. 52r, 22.05.1563. A 12/2 (LI1), fol. 513r werden die Brüder gemeinsam verhört. 77 A 12/2, (LI1), fol. 516v. fol. 516r: Justus Octavianus Prombach vnd Conrad gebrüdern Fried geboten [gegen Kaltenbach] per dominum Rectore. Die Datumsangabe des Vorfalls, Sonntag, 16.05. läßt sich mit einer Ermittlung der Jahre, an denen der 16.05. ein Sonntag war (Grotefend) und den Senatsprotokollen auf 1557 präzisieren: A 10/7, fol. 993, 19.05.1557, wird der Vorfall erwähnt.

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helfen wollte, sich im Strafverfahren zu verteidigen.78 Offensichtlich möchte der Verhörte ein rechtsförmiges Verfahren anstrengen, weshalb er auch Rechtsbeistand verlangt, um eigene Fragstücke aufzustellen. Auch mit seiner Verhaftung ist Prombach nicht einverstanden: Er wöllte gern wüssen vnd hören, was er than, das man Ine also mit den schergen gefangen, welches ime zum höchsten verschmach vnd er wolt iii gulden seins gewertigen vetterlichen erbs dafür geben, hätte man ihn durch den pedellen beschickt oder heißen per Juramentum ad carcerem gen er wolte nit zu einem schelmen darob worden sein.

In der Formulierung, er wolle drei Gulden dafür geben, wenn man ihn nicht verhaftet, sondern manierlich aufgefordert hätte, deutet sich sogar die Schätzungsformel einer Injurienklage an. Sie stellt einen weiteren Hinweis auf juristische Kenntnisse des Befragten dar. Leider enthalten die Inquisitionsprotokolle keinen Hinweis darauf, wie man auf diese Forderungen reagierte. Vermutlich gar nicht, denn dem dramatischen Vorspann schließt sich eine durchschnittliche Aussage an. Auch in den Senatsprotokollen werden Prombachs Forderungen nicht erwähnt, der Rektor berichtet sogar, man habe eine kurze Haftstrafe im carcer gegen ihn verhängt.79 Offenbar stieß das juristisches Vorbringen auf taube Ohren, und vielleicht war das Wissen um diese Einstellung der Grund, daß andere Beschuldigte solches erst gar nicht versuchten. III. Die Delikte in den Statuten und Protokollen Siebenhüners detaillierte Beschreibung der einzelnen Delikte und ihrer Hintergründe ermöglichte in dieser Arbeit die Konzentration auf das Verfahren und den rechtlichen Inhalt der Aussagen. Der sich überschneidende Bereich konnte knapp gefaßt und ein Schwerpunkt auf die auch im Zivilrecht vorkommenden Konfliktstoffe gelegt werden. Die Gliederung orientiert sich an der Frage, ob durch das Fehlverhalten ein Individuum geschädigt wurde. Insgesamt machen solche Delikte gut zwei Drittel der Vergehen aus, die in den Verhören vorkommen.80

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Sellert, Strafrechtspflege, S. 194; Trusen, Strafprozeß und Rezeption, S. 88. A 10/7, fol. 993, 19.05.1557, wird vom Rektor berichtet, Justus Octavianus Prombach habe Kaltenbach, obwohl ihm der Frieden gegen diesen geboten worden sei, aufgesucht und gefordert. Darum ist dem Rektor verursacht, ine durch die stattknecht zusuchen und zubefengen lassen, welches beschehen, vnd nachmals als genugsamlich inquiriert, vnd straff im kerker von im genommen, mit einer verschribnen vrphed vßgelassen worden. 80 Zur Verteilung der Delikte siehe Anhang, Bilder 2-5. 79

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Bei der Darstellung soll – soweit möglich – auf die Statutenbestimmungen verwiesen werden, die sich mit dem inkriminierten Verhalten befassen.81 Schon vorweg ist auf ein Ungleichgewicht hinzuweisen: In den Statuten ausführlich geregelte Punkte korrespondieren nicht mit den Schwerpunkten der Delinquenz, wie sie sich in den Verhören manifestiert. Besonders auffallend ist dieses Mißverhältnis bei den Gewaltdelikten. Sie tauchen nur in S 1460 auf, in denen das Verbot ausgesprochen wird, andere Personen, besonders im Dienst der Stadt stehende, anzugreifen und zu verletzen.82 Viel eingehender befassen sich die Statuten mit den Ursachen gewalttätiger Auseinandersetzungen, also dem Waffentragen, Provokationen und Beleidigungen, sowie dem nächtlichen Ausgang. Der Grund dafür könnte sein, daß die Statuten vor allem Verhalten sanktionieren wollen, das nach gemeinem Recht nicht strafbar gewesen wäre,83 um so das Übel an der Wurzel zu packen. Dennoch muß sich der Rektor in den Verhören immer wieder mit Schlägereien und nächtlichen Krawallen auseinandersetzen. 1. Vergehen mit individuellem Geschädigten a) Verletzung des Körpers Wie in anderen Städten des deutschen Sprachraums im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit nehmen Gewaltdelikte in den untersuchten Verhören den ersten Rang ein.84 Fast die Hälfte aller Vergehen sind Schlägereien, die zum Teil mit Schwertern, Hellebarden oder Messern ausgetragen wurden, zum Teil aber auch mit bloßen Fäusten. Studenten berichten von Rangeleien und Ohrfeigen, vom Stoßen in die Freiburger Bächle und vom Bewerfen der Kontrahenten mit Steinen oder anderen Gegenständen. Die Beobachtung, daß in der hauptsächlich aus Studenten bestehenden Untersuchungsgruppe mit Abstand der häufigste Regelverstoß aus Gewalttätigkeiten bestand, bestätigt die These, Gewalt sei kein auf gesellschaftliche Randgruppen beschränktes Phänomen gewesen. Schwerhoff macht für Köln einen Schwer81

Ebenfalls herangezogen wurden die Reichspolizeiordnungen in der Neuedition von Martin Weber, wegen der inhaltlichen Nähe der universitären Strafkompetenz zum damaligen Polizeirecht. 82 S 1460 (4) Item / q nullus de die vel denocte / quemcum hominem invadet / aut laedet / ... percones / et vigiles / ac ceteros officiales / et famulos oppidi ... 83 Zum Verhältnis der Statuten zum gemeinen Recht vgl. Zweiter Teil § 2 IV. 2. b). 84 Siehe Anhang, Bilder 2-5. Schuster, Stadt, S. 71, wenn man die männliche Delinquenz betrachtet. Schwerhoff, Köln, S. 290; Hagemann, Basler Rechtsleben I, S. 287; Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 64, bei ihr machen die Gewaltdelikte ein Drittel der untersuchten Fälle aus.

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punkt gewalttätigen Verhaltens bei jungen, ungebundenen Männern aus. Vor allem Handwerksgesellen und -knechte, Nacht- und Kettenwächter (oft Gesellen, die für ihren Meister den Wachtdienst übernahmen) und eben Studenten waren in Schlägereien verwickelt.85 Nachts gehörten die städtischen Straßen ihnen: Den strengen Kontrollen von Meistern, Burse und Tischherren entkommen, entlud sich übersteigertes Geltungsbedürfnis in provozierendem Verhalten und mutwilliger Gewalt.86 Häufig begannen die Auseinandersetzungen mit regelrechtem Revierverhalten. Man jauchzte, grölte, schrie Beleidigungen und nahm die ganze Gassenbreite für sich in Anspruch. Andere Formen der Herausforderung waren das Umherlaufen mit gezogener Waffe und das in die Steine Hauen, bei dem man mit dem Degen gegen Pflastersteine und Hauswände schlug, bis Funken sprühten. Auf solche Provokationen folgte geradezu zwangsläufig das Zücken87 und darauf oft ein Kampf. Selten war es, darauf deuten die Hintergründe der Gewalt hin, das Ziel einer körperlichen Auseinandersetzung, den Gegner schwer zu verletzen oder gar zu töten. Daß es vielmehr um jugendliches Kräftemessen und den Beweis der eigenen Stärke ging, zeigt sich auch bei der genaueren Aufschlüsselung der Gewaltstruktur.88 In den Inquisitionsprotokollen werden in der Zeit von 1542161089 17 Todesfälle vermerkt, was 3,3 % der Gewaltdelikte und 1,5 % der Gesamtdelinquenz ausmacht. Bezogen auf die gesamten Gewaltdelikte haben die schwereren, gesondert erwähnten Verwundungen einen Anteil von 14 %, auf die gesamten Vergehen sind es 6,5 %.90 Insgesamt entfallen 8,1 % auf die schwerere Gewaltkriminalität, als ca. jedes zwölfte Delikt. In Anbetracht der Häufigkeit von gewalttätigem Verhalten ist dies ein recht geringer Anteil. Schwere und tödliche Verletzungen sind oft ungewollte Folgen einer Schläge-

85

Schwerhoff, Köln, S. 304 ff. Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 68 und 77; Schwerhoff, Köln, S. 307. 87 Nach altem Stadtbrauch war das Zücken einer Waffe an sich bereits ein strafbares Vergehen. Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 215, V. Tractat von Freveln schmach und malefitz hendeln, 5. so zwen über einandern zucken / sollen beid den frevel geben. In den Verhöprotokollen ist es regelmäßig der Auftakt zur Auseinandersetzung und wird selten per se verfolgt. Allerdings ist für die Rechtfertigung offenbar ausschlaggebend, wer als erster vom Leder gezückt hat. 88 Auch viele städtische Rechte unterschieden zwischen (trockenen) Schlägen und blutigen Wunden: Schindler, Verbrechen und Strafen in Freiburg, S. 242, Knapp, Nürnberger Kriminalrecht, S. 192. 89 In ca. 120 Semestern, für die Eintragungen vorhanden sind. 90 Der zunächst „impressionistisch“ gewonnene Eindruck, daß in den späteren Inquisitionen des Bandes A 13/2 Verletzungen und Todesfälle verstärkt auftreten, bestätigte sich bei der Auswertung: Hier beträgt der Anteil der schweren Gewaltdelikte an der Gesamtzahl 12,1 %. Bezogen auf die Zahl der Gewaltdelikte gibt es 18,5 % schwerere Verwundungen und 6,5 % Verletzungen mit tödlichem Ausgang. 86

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rei,91 und vorsätzlicher kaltblütiger Mord ist überaus selten.92 Schwerhoff erklärt die stellenweise Zuspitzung der Gewalt in Tötungen und schweren Verletzungen mit verschiedenen Faktoren, wie der enthemmenden Wirkung des Alkohols und der Omnipräsenz von Waffen. Teils liegt sie auch in der Art der Verwundungen begründet: Die Schwere von Stichverletzungen läßt sich schlecht einschätzen, weshalb die Verletzten die Bedrohlichkeit der davongetragenen Wunde oft zu spät bemerkten. Hinzu kommen die unterschiedlichen Fähigkeiten der herbeigerufenen Scherer, so daß viel von Glück und Zufall abhing.93 b) Verletzung der Ehre Nach Gewalttätigkeiten sind Ehrverletzungen94 mit ungefähr 15 % das zweithäufigste Delikt, wobei man davon ausgehen kann, daß Gewalt so gut wie immer ihren Ursprung in Beleidigungen hatte.95 Grundlose Schläge und unprovozierte Herausforderungen waren Erfindungen der Verhörten. In der frühen Neuzeit war die Grenze zwischen Gewalt und Beleidigungen fließend, ein Angriff auf die Ehre konnte als ebenso schwere Attacke gegen die Unversehrtheit der Person gewertet werden wie ein tätlicher Angriff. Umgekehrt konnte dieser auch eine Beleidigung sein: Eine Ohrfeige, in den Verhören Mauldäsche genannt, war sowohl Gewaltanwendung als auch Beleidigung. Diese Grauzone führt bei der Erfassung zu Zweifelsfällen,96 die auf Grund der Vielfalt von 91

A 13/1 (LI2) fol. 1056, Inquisition gehalten im Kloster Oberriedt ... der handlung halb, darInnen ein Küeffer Knecht ... dötlichen verwundt. fol. 1059, der verhörte focht mit dem Küfer: ein streich oder SechZehen zusammen gethan beiderseits, entlichen alls sagender noch ein streich gegen Ine fürgenommen, er kuöffer aber friden begehrt, habe er nachgelassen, vnd eingesteckt, entlichen der Callenberger hinder Ime deponenten herfür uf Ime kuöfer geeilt, ob er aber denselben geschlagen oder nit oder er sagender den Kuöffer zuvor verletzt ... seye Ime gentzlich nit bewüßt. 92 Nach der damaligen Unterscheidung, CCC 137 Mord: vorsätzlich, Totschlag aus gescheyt und zorn. Tengler, Laienspiegel, S. 102a. 93 Schwerhoff, Köln, S. 292 f. A 13/1 (LI2), fol. 917, volgendts er herein in die Statt zum Scherer gangen, sich verbinden laßen, dan ime sehr blöd worden, von wegen deß mächtigen bluottens. 94 LSR 1581, XII. De mutua inter Academicos concordia …nec alter atrum verbis, aut gestibus sugillare, deridereque unquam ausit, sub mulcta floreni dimidiati aut maiori, quotiescunque contra factum fuerit. 95 LSR 1581, XIII. …De tranquillitate et pace …Prætera mandat Academicus Senatus: ne qui ex suis subditis perniciosarumque dissensionum rixarum, conflictationumque authores, aut consortes inveniantur ... 96 Siebenhüner komt auf 20 %. Sie faßt nämlich auch Gesten und symbolische Handlungen unter Verbalinjurien, z. B. das Spritzen mit Wasser. Das Werfen von Schneebällen wäre also Beleidigung, das von Steinen Gewalt (oder beides: A 13/1 (LI2), fol. 999,

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Beleidigungen einen erheblichen Teil der Delikte betreffen. Da wird mit Schneebällen, Dreck und Steinen geworfen, gezielt der Nachttopf auf Passanten geleert,97 mit Bächlewasser gespritzt, dem Kontrahenten Hut und Mantel weggenommen oder ihm die Kopfbedeckung heruntergestoßen.98 Natürlich finden wir auch Schimpfworte wie Lecker, Lauer, Schelm, Lügner und dergleichen mehr. Eine Beleidigung forderte nach der „Logik der Ehre“ eine Gegenbeleidigung, was leicht eine Eskalationsspirale in Gang setzte, die oft in Gewalt mündete.99 Die folgende Situation begann harmlos, indem der Verhörte einen Scharwächter nach der Uhrzeit fragte – Lieber, was hat es geschlagen? – und darauf Hans Mock, ein Zunftmeister antwortete: zele es, so wirstu es auch wissen, diesem hab Starck geantwurt, gleicher weis thu auch du, darauff weiter Mock gesagt, du Lauer ich red doch nit mit dir, volgends Starck diß widersprochen, ... ich [bin] kein Lauer, sundern du bist einer, darauf Mock geredet, Ich will dich bald aus der gassen bringen, ... ins Haus gegangen, ein Hellebarden erwischt, mit der auff den Starck gefahren und gestochen, aber nit getroffen, dißem Strack ein wenig entwichen und auch vom Leder sich zu beschirmen gezogen ...100

Während sich hier die Situation spontan verschärfte, wurden zuweilen Beleidigungen bewußt zur Provokation eingesetzt: bekennt auch daß er die ander nacht den [Bäckersknecht] lachend hab geheißen Im Hindern küssen vnd aus dem Haus gefordert.101

17.07.1588, soviel das geschediget steinwerfen darmit er jemanden beleidigen vnd schaden sollte ...). Daß Siebenhüner weniger Gewalt- und mehr Beleidigungsdelikte zählt mag an unterschiedlicher Interpretation der Grenzen liegen. 97 Mehr als einmal! A 12/2 (LI1), fol. 598r f., Verhör 04.08.1561, ein Student schüttet (Nacht)Wasser aus dem Fenster und trifft Passanten, den Bürger Paulin Walter, sei er hin gangen, den Vogt gefagt ob es gut oder bös Wasser sei, hab er gesagt es schmeckt übel. „Schmecken“ kann im alemannischen Dialekt auch noch heute „riechen“ bedeuten. 98 Vgl. zur Einordnung derartigen Verhaltens als Injurie durch die Wissenschaft Bartels, Ehrverletzung, S. 108 ff. 99 A 12/2 (LI1), fol. 320v, Inquisition 19.07.1559: Nachdem der President der Burse zu später Stunde noch zwei Studenten einlassen mußte, fragte er, ob er denn jedem Narren nachts noch aufschließen müsse. Darauf ereiferten sich die Studenten, ob er sie für Narren halte, er sei doch selbst ein Narr. Der Streit setzte sich fort: als baldt Riecker den president bei den achseln erwuscht, fragend: Heyßtu mich lügen? Heysse mich noch einmal liegen, Vnd ein Faust zuckt, aber nitt geschlagen, hab er sagender sye von einander gezogen ... 100 A 12/2 (LI1), fol. 205r f., Verhöre am 10.01.1546. 101 A 12/2 (LI1), fol. 445r, Tumult zu Oberlinden am 19.11.1554. A 12/2 (LI1), fol. 409r, Sonntag nach uffart 1553, Veit Schaffner der Schmied sagt aus, ein betrunkener Student hab gar übel geschworen, hab der stattknecht ine darumb gestrafft, daruff der

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Oft lesen wir von Studenten oder Handwerkern, daß sie – wie der hier Verhörte – andere zum Kampf aus dem Haus auf die Straße forderten. Weigerte sich der Geforderte, entluden sich zuweilen die aufgestauten Aggressionen gegen Haustüren und Fenster. Man findet nicht nur Ehrkränkungen unter Studenten und ihren städtischen Kontrahenten, sondern auch Beleidigungen der Universität, des Senats102 oder einzelner Amtsträger und Professoren. In diesem Bereich erscheinen auch die ehrwürdigen Herren selbst als Täter, dem Universitätssyndikus Georg Kleiner verdanken wir gar die phantasievollsten Schmachreden der Verhörprotokolle: Er habe in genere Spötlich von der Universitet geredt vnd gesagt, es sei ein Schand, daß es also zugehe ... seye mehr ein diversität als universität zunennen, Herrn Dr. Lorichius hab er den Pfaffen In der langen Juppen genannt, Herrn Dr. Hänlin den stoltzen Schwaben im kraußen Haar, Herrn Dr. Maier ein Krautskopf, Herrn Notarium Knottarium ...103

Ebenfalls unter Beleidigungen fallen die Pasquille,104 eine gefürchtete Form der schriftlichen üblen Nachrede. Es handelte sich um anonyme Spottgedichte oder -schriften, die man verfaßte und weitergab, indem man sie aushängte, vorlas oder abschrieb. In beiden Statuten werden die scripti famosi gesondert erwähnt und unter Androhung der schärfsten Strafe, des Universitätsausschlusses, gestellt.105 Der Grund für solche Strenge mag die vermutete politische und

student (mit zücken) gesagt er solle ine Im Loch lecken. Sey der Stattknecht heruß kommen vnd hab den student in Hals geschlagen, das er an Rücken gefallen. 102 Grundstätzlich konnte auch eine Korporation beleidigt werden und wegen Beleidigung klagen. (Vgl. die Injurienklage der Stadt Freiburg, Vierter Teil § 3 I. 1. c). Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 53 konnte in ihrem Untersuchungszeitraum keine Beleidigungen der akademischen oder städtischen Obrigkeit ausmachen. In einem größeren Sample tauchen sie aber durchaus auf: A 13/2 (LI3), fol. 500, 01.03.1607, ein Student berichtet, der Stadtknecht habe gesagt, die Stadt sei stärker als die Universitet, man solle der Universitet das Hochgericht nehmen und alle Universitätischen daran hängen und die Stadt habe auch mehr Freyheiten als die Universität. 103 A 13/1 (LI2), fol. 1295f, 09.06.1597, wegen des Mgr. Georg Cleiners syndici universitatis ausgetoßener Schmachreden. Ein andere Zeuge berichtet, er habe sich beklagt, daß die Universität andere nicht so hart strafe wie seine Söhne. 104 Vgl. aus städtischer Sicht, Schindler, Verbrechen und Strafen in Freiburg, S. 255; Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 213, V. Tractat von Freveln schmach und malefitz hendeln, 7. Von straff so einer den andern mit gevarlichen schrifften schmächt. 105 S 1460 (7) Item qu e nullus libellum sive carmen famosum / hoc fame alterius detractorium / perse vel alium scribat / dictet / publicet… Dircecte vel indirecte / publice vel occ(u)lte / sub pena exclusionis… Die Weiterverbreitung steht ebenfalls unter strenger Strafandrohung: sub pena carcerem per integrum mensem. Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 33. LSR 1581 XVI. De scriptis famosis ... Aliqui ipso

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religiöse Brisanz dieser Schriften gewesen sein. In den Verhören tauchen sie nur sehr selten auf. In der hohen Strafdrohung scheint der Grund dafür aber nicht zu liegen: Ein Student, der wegen der Verbreitung eines Gedichts verhört wurde, gab nämlich an, er hätte gar nicht gewußt, daß dies verboten sei.106 c) Delikte mit Eigentumsbezug Um der Verschiedenheit dieser Delikte in Unwertgehalt und Motivation gerecht zu werden, sollen Diebstahl, Sachbeschädigung und Schulden getrennt behandelt werden.107 aa) Wegnahmedelikte Obwohl die Gerichtskompetenz der Universität sich eigentlich nicht auf schweren Diebstahl als malefitzische Tat erstreckte, wurden zumindest zur Ermittlung des Tatablaufes Verhöre durchgeführt. Folgerichtig lesen wir auch Inquisitionen, die sich mit schweren Diebstählen befassen.108 Häufiger waren allerdings leichtere Diebstähle und Bannverstöße, die insofern zusammengehören, als in den meisten Fällen Lebensmittel zum sofortigen Verzehr gestohlen wurden, also Trauben und Nüsse auf dem Feld, Federvieh und Wein in der

facto Rei censebuntur periurii et perpetuæ exclusionis ab omnibus privilegiis aliisque benficiis Academiæ. Das libel famoß ist die einzige Beleidigungsform, die in der Carolina auftaucht, § 110, was für die Schwere dieses Delikts spricht. Zu Beleidigungen durch Schriften vgl. Dreßler, Beleidigungsrecht, S. 47 f. Auch die Reichspolizeiordnungen stellen das Verfassen und Verbreiten von Schmächschriften ... Gedichten / und anschlägen unter Strafe, z. B. RPO 1577, 35. Titul, Weber, Reichspolizeiordnungen, S. 263. 106 A 13/2 (LI3), fol. 471, Philippus Miller, 02.09.1606: er habe die Statuta Nie hören Leßen, oder gewißt, daß es verbotten ... 107 Zusammen machen sie 8,4 % der Delikte aus. Dies entspricht der bei Siebenhüner zusammengefaßten Kategorie Eigentumsdelikte, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 121, auf die in ihrem Sample 8 % der Delinquenz entfallen. 108 A 12/2 (LI1), fol. 485r ff. berichten Studenten, wie sie in der Burse des Nachts einen Dieb gefangen haben. A 13/1 (LI2), fol. 728 ff., in der Überschrift: Summa allen, was er [Conrad Seyfried] zu sieben unterschiedlichen Malen genommen hat: 26 florin, 11 batzen, 9 schilling. A 13 /1, 21.10.1588, fol. 1021 ff., Andreas Heinzman hat dem Propst zu Allerheiligen 50 Gulden entwehrt und genommen. Meist geht es um Bargeld, eine Ausnahme bildet A 13/1 (LI2), fol. 1258, 14.10.1593, der Buocher halb, so Im stipendio ex Bibliotheca hinweg khommen. Der Verhörte gesteht, daß er acht Bücher genommen hat.

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Stadt.109 Vogel- und Fischfang war ebenso wie das Pflücken von Feldfrüchten verboten.110 Meist kamen die Studenten mit einer leichten Strafe und der Auflage, die Besitzer zu entschädigen, davon. Insgesamt machen die Wegnahmedelikte ungefähr 4 % der Vergehen aus. bb) Sachbeschädigung 3 % der Delikte waren Sachbeschädigungen. Sie tauchen in den Protokollen oft in Zusammenhang mit nächtlichem Tumult und Unruhe auf. Meistens handelte es sich um das Einwerfen oder Einschlagen von Fenstern, das in Zusammenhang mit den bereits geschilderten Herausforderungsritualen stehen konnte.111 In diesem Bereich stoßen wir öfter auf Klagen und Beschwerden der Hausbesitzer, die von der Universität verlangten, die Schädiger zu ermitteln. cc) Schuldenmachen Studentische Schulden, die vor dem Consistorium den mit Abstand größten Teil der Fälle ausmachen, erscheinen selten (1,5 %) als eigenständiges Thema einer Inquisition. Dazu kam es vor allem dann, wenn sich Beschwerden häuften oder die völlige Zahlungsunfähigkeit bevorzustehen schien. In solchen Befragungen mußte der Verhörte angeben, bei wem er Schulden in welcher Höhe hatte.112 Teilweise redete der Rektor den Schuldnern ins Gewissen und ermahnte sie, sich um Geld und die Zahlung ihrer Ausstände zu bemühen.

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A 12/2, fol. 112r, 1543, werden 19 Studenten wegen zwei Vorfällen von Geflügelund Fischdiebstahl verhört, fol. 118r werden Entschädigungen für die Eigentümer festgesetzt. A 12/2 (LI1), fol. 551r, undatiert, geht es um eine Gans. A 13/2 (LI3), fol. 477, 18.09.1606, haben Studenten eine Gans und eine Ente genommen und aufgegessen. 110 S 1460 (16) Item q ullus capere praesumat pisces / aviculas / aves seu feras… Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 35 f.; LSR 1581, XI. De moribus ac vita academicorum, ... Nec aucupiis et piscationis operam dabunt… S 1460 (15) verbietet Häuser, Scheunen, Gärten und Weinberge zu betreten und Schaden anzurichten, Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 35. LSR 1581, XI. De moribus ac vita academicorum, ... nullosque fructus recentes decerpent… 111 Schwerhoff, Köln, S. 318 f. stellt fest, daß die Obrigkeit diese Aktionen gegen das Haus des Gegners als schwerwiegende Verletzungen eines Sonderfriedens ansah, die über bloße Sachbeschädigung hinausgingen. 112 A 13/1 (LI2), fol. 867, 17.12.1582, geht es um die Schulden des M. Steffan Burger; A 13/1 (LI2), fol. 918, 27.12.1585, Johann Oswaldus Krederer wird aufgefordert, anzuzeigen und nichts zu verhalten, was er in Wirtshäusern, Weinschenken oder anderswo schuldig ... Neben Wirten gibt der Student als seine Gläubiger auch Schneider,

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2. Vergehen ohne individuellen Geschädigten a) Noctivagi und nächtlicher Tumult Es verstieß gegen die Statuten, sich nach dem Türenschließen außerhalb des Quartiers aufzuhalten.113 Explizite Bezugnahmen auf dieses Verbot machen 5 % der erwähnten Delikte aus. Manchmal bildete das nächtliche Fernbleiben den Anlaß für Inquisitionen, wenn die Universität den Eindruck hatte, dieses Verhalten häufe sich in einem Quartier und darum Befragungen über die allgemeine Disziplin in einem Stipendium oder der Burse vornahm. Als Entschuldigung für nächtliche Aufenthalte in den Straßen diente oft die Behauptung, man habe am Abend die inneren Stadttore (oder die Tür der eigenen Behausung) verschlossen vorgefunden.114 Eine gute Ausrede war das aber nicht, denn die Türen waren nur deshalb bereits abgeschlossen, weil sich die betreffenden Studenten verbotenerweise noch in Schenken und Wirtshäusern aufgehalten hatten. Da sich viele Vergehen und Konflikte auf den bei Nacht im öffentlichen Raum abspielten, setzten sie oft den nächtlichen Aufenthalt auf den Straßen voraus, ohne daß in den Verhören explizit danach gefragt wurde. Denknotwendige Voraussetzung ist die Nachtschwärmerei für nächtliche Ruhestörung,115 die ebenfalls ca. 5 % der Vergehen ausmachte. Meist begaben sich die Studenten nicht ruhig und gesittet zu ihrem Quartier, sondern wollten allen ihre Anwesenheit kundtun: Sie jauchzten, schrieen und grölten. Ein gewisser Petrus Perrent gab beispielsweise zu, als ein anderer Student zu jauchzen angefangen [habe], er gleichfalls ein winzigen Jauchzer gelassen.116 Teilweise veranstalteten die studiosi nachts regelrechte Umzüge, bei denen auf

Schuhmacher, Scherer und Facultas artium (für Tischgeld) an; A 13/1 (LI2), fol. 1275, 05.07.1596, werden vier Studenten jeweils gefragt, was sie überall schuldig seien. 113 S 1460 (4) Item q ullus extra bursam pernoctet / absque licentia conventore… LSR 1581, XV. De domibus noctis claudendis ... sub mulcta integri floreni, et exclusionis ab habitatione domus, cum persolutione pensionis annua totius. LSR 1581 XV De domibus noctis claudendis ... sub mulcta integri floreni, et exclusionis ab habitatione domus, cum persolutione pensionis annua totius. 114 Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 78. 115 LS 1460 (1) Inprimis alma nostra universitatis statuit ... / Nullum eius suppositum, post pulsum campane de nocte / vulgaliter die mordglock dicte / incedat per plateas sine lumi(ne) / ... sub poena medii floreni. Dagegen richtet sich auch das Verbot S 1460 (3) Item / q nullus de die v(e)l denocte / facie peregrina / velata / aut larvata / v(e)l alias in habitu indecenti incedere praesumat / aut cla(m)ores, insultum / vel insolencias faciat ... vermummt umherzuziehen und zu schreien und zu grölen. 116 A 13/1 (LI2), fol. 996, Vorkommnis am 11.07.1588.

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Lauten und Zithern gespielt und gesungen wurde.117 Wie bereits erwähnt, handelte es sich bei diesem Verhalten nicht um ein auf Studenten begrenztes Phänomen, sondern das nächtliche Lärmen und Raufen stellte einen Ausschnitt der spezifischen Jugendkultur im frühneuzeitlichen Europa dar.118 b) Wirtshausbesuch und Alkoholkonsum Besuche im Wirtshaus119 wurden wie das nächtliche Umherziehen oder Aufenthalte im Frauenhaus von den Verhörten eher beiläufig gestanden. Nur selten scheinen sie der eigentliche Grund eines Verhörs zu sein. Von Alkoholgenuß berichten die Befragten sehr häufig, vor allem vom Schlaftrunk, den man offensichtlich regelmäßig nach dem Nachtessen einnahm. In Anbetracht der Tatsache, daß Bier und Wein beinahe als Lebensmittel angesehen wurden und ihr Genuß zuweilen gesünder als das Trinken von Wasser zweifelhafter Qualität war, ist Toleranz von Seiten der Universität wahrscheinlich.120 Nicht jeder Schlaftrunk resultierte in einem Vollrausch, aber dennoch berichten Studenten immer wieder, sie seien bezecht oder beweint gewesen. In der Regel werden diese Angaben zutreffen, obgleich man einen gewissen Hang zur Übertreibung in Rechnung stellen sollte, weil Alkoholkonsum immer wieder als Entschuldigung für schwerere Delikte vorgebracht wurde.121 Anlaß für Inquisitionen, die ohne Bezug zu anderen Vergehen stattfanden, gaben in dieser Kategorie vor

117 Im Januar 1598 waren es Weihnachtslieder, wobei über die Qualität des „Gesangs“ unterschiedliche Auffassungen bestanden. A 13/2 (LI3), fol. 53, 14.01.1598, Geschrey in der Pfaffengasse. Jacob Freix wird befragt, ob er nicht dieser Weyenächt zeit auf der Gasse herumgezogen und puer natus zu etlich unterschiedlichen malen gesungen. Er sagt, er hab es mehr als einmal nit gesungen ... 118 Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 76; Schwerhoff, Köln, S. 307. 119 S 1460 (21) Item q ullus praesumat visitare Zechas publicas / et ordinarias / sub pena medii floreni… Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 39. A 4/2, LS 1581, XI De moribus ac vita academicorum, ... Praeterea ommes ac singuli, cuiuscunque dignitatis ac status, vitabunt omnino Cauponas [LS 1618: Tabernas], aliaque loca parum comoda [LS 1618: utilia] et honesta… 120 Vgl. Schwerhoff, Köln, S. 295 f. Insofern ergibt sich ein Erfassungsproblem, wo man die Grenze zum verbotenen Alkoholgenuß zieht. Die unterschiedliche Häufigkeit der „Trinkerei“, die bei Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 116, auf Platz drei der Delikte landet und hier mit ca. 7 % deutlich weniger ausmacht, ist m.E. auf verschiedene Grenzziehung zurückzuführen. 121 Vgl. oben Zweiter Teil § 2 II. 2. b). Er müßte in vielen Fälle aus verbotenem Wirtshausbesuch resultieren, doch wird dies in den Verhören nicht durch weiteres Nachfragen verfolgt.

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allem studentischen Trinkgelage, die sogenannten Königreiche.122 Außerdem verfolgten Universität und Stadt mit Mandaten und Strafandrohungen das Zutrinken,123 den Brauch mit einem Zechgenossen immer wieder anzustoßen, bis er völlig betrunken war. c) Religionsvergehen Selbst wenn auf die Vergehen mit religiösem Hintergrund nur 2,2 % der Gesamtzahl entfallen, verdient diese Gruppe im Jahrhundert der Reformation nähere Betrachtung. Auffallend ist dabei, daß ausdrückliche Verstöße oder Reden gegen die katholische Lehre nur einen kleinen Teil dieser Kategorie ausmachen. Zumeist handelt es sich um Verstöße gegen die Fastengebote, also den Verzehr von Fleisch oder anderen verbotenen Nahrungsmitteln in der Fastenzeit.124 Die strenge Überwachung der Fastengebote in Stadt und Universität hatte zwar durchaus gegenreformatorische Züge, weil in der genauen Beachtung der Regeln eine Selbstvergewisserung der alten Religion lag. Doch viele Studenten gaben ausdrücklich an, sie hätten aus Schwäche und wegen leibs blödigkeit verbotene Speisen gegessen, während Zweifler und Freidenker den Sinn der Gebote an sich in Fragen stellen mochten.125 Einen größeren Anteil an den Religionsvergehen haben weiterhin Berichte über gotteslästerliches Fluchen, übles schwören.126 In dieser Gruppe finden wir aber auch verein122

Bei diesen Gelagen wurde die Königswahl nachgespielt. A 12/2 (LI1), fol. 507r ff., undatiert, berichten Studenten von einer Alternative: sie stellten die Wahl des Rektors nach. 123 Schindler, Verbrechen und Strafen in Freiburg, S. 28: städtische Verordnungen über Zutrinken. Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 219, V. Tractat, 25. Von gotslestern vnd dem muotwilligen zuotrinken. Auch die Reichspolizeiordnungen widmeten sich diesem Thema. Weber, Reichspolizeiordnungen, S. 227 (1577) VIII. Von ubermessigem trinkken und vom zutrincken. Auch in den Ordnungen von 1530 und 1548 befaßte sich der achte Titel mit der Trunkenheit. 124 A 12/2 (LI1), fol. 348r, Inquisition am 17.04.1560. Ein Student sagt, er habe vor drey Wochen von leibs blödigkeit [Schwäche] wegen fleisch gessen, sonst aber nicht und der zweite bekennt, er habe die fast ein tag oder zwen fleysch gessen, Vrsach seye seins Leibs blödigkeyt gewesen, sunst habe er die gantz fast nie fleysch oder verpotten speise gessen. 125 Dem refomatorisch verdächtigen Dr. Apollonius Burckhart legte ein Student die Aussage in den Mund, Man förchte sich fast übel, wann einer ein Ey in der fasten eße, aber sich voll weins trinken halte man für kein sünd, auch were es viel beßer und gesünder, daß man in der fast fleisch eße, dann andere Speiß. A 12/2 (LI1), fol. 575r. 126 S 1460 (17) Item q ullum iure universitate suppositum / per facia membra Christo / eius q gloriose virginis maria / aut alios sanctos / iurat seu pocius blasphemae praesumat / sub pena duas libras cere irremissibi persoluendas. Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 38. Gotteslästerung und Lästerung der Mutter Gottes und der Heiligen ist

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

zelt sehr merkwürdige Fälle, wie den Vorwurf, in der Kirche onaniert oder sich nach dem Empfang der Kommunion übergeben zu haben. Die seltenen Inquisitionen mit explizit gegenreformatorischem Hintergrund warfen den Befragten unter anderem Äußerungen gegen den Papst oder die Heiligen und unkatholisches Kommunizieren vor. Hier liest man wiederum Verhöre von und über Lehrende und Professoren; zehn Studenten werden 1564 über Gerüchte befragt, das sich D. Apollinaris Burckhart offentlich in Lectionibus vnd sunsten vernemen laße, das er der newgläubigen Lautherischen sect angehengig, vnd sage offtermaln ding, so unser alten Catholisch Religion vnd lehr zuowider.127

Nach den gegen ihn erhobenen Vorwürfen verließ der Medizinprofessor Burckhart schließlich die Universität, allerdings geschah dies erst etliche Monate nach den Inquisitionen.128 d) Sexualdelikte Die Orientierung an den Quellen führt dazu, Sexualdelikte (4,1 %) als Vergehen gegen Sitte und Moral zu behandeln.129 Für das häufigste Delikt, den Besuch im Frauenhaus, ist diese Einteilung auch unproblematisch. Entführung, Vergewaltigung und Nötigung sind nach heutigem Verständnis jedoch Gewaltdelikte. Sie unterscheiden sich auch im 16. Jahrhundert von den moralgeprägten Delikten, da es zuweilen zu Klagen und Ersatzforderungen der Betroffenen

ausführliches Thema in den RPOen. Weber, Reichspolizeiordnungen, S. 132 ff. (1530), S. 169 ff. (1548), S. 218 ff. (1577), dazu Segall, Reichspolizeiordnungen, S. 144 ff. Vgl. zu städtischen Regelungen dieses Delikts Hagemann, Basler Rechtsleben I, S. 248 ff.; Knapp, Nürnberger Kriminalrecht, S. 277; Schindler, Verbrechen und Strafen in Freiburg, S. 207. 127 A 12/2 (LI1), fol. 574r, 17.04.1564. Er soll u.a. gesagt haben: Es seye wol nit fast zuo verachten, das man die todten begrabe vnd bestatte, Aber das man für die abgestorbnen viel bete, vnd sie erst in Himmel bringen welle, das seye vergebens ... Es seye nichts werdt, das man mit den palmen vnd geweihten liechtern in der kirchen umgange, Vnd Wallferten thuoe, ... vnd das man die götzen in der kirchen bekleide, dan es friere sie nit ... die von zehn verhörten Studenten angezeigten lutherischen Reden weisen Übereinstimmungen auf, die ihre Authentizität nahe legen. 128 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, Anhang, Biogramme, S. 19 f. Dr. Burkhart wurde noch am 31.10.1564 als Assessor in das Consistorium gewählt. 129 Die RPOen verbieten leichtfertige beywohnung: RPO 1577, 26. Titel, Weber, S. 256, erfaßt werden wilde Ehen, öffentlicher Ehebruch und Kuppelei.

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kam.130 Vergewaltigung und sexuelle Nötigung finden wir in den Protokollen nicht, wohl aber – wenn auch selten – heimliche Eheversprechen und Ehen.131 Der Hauptanteil der Vergehen in dieser Kategorien entfällt wie gesagt auf verbotene Besuche im Frauenhaus.132 Sie kommen oft nur deshalb ans Licht, weil das gemeine Haus häufig Ort von Konflikten wie Schlägereien mit anderen Besuchern oder Streit mit der Frauenwirtin war. Das größte Aufsehen mit der Folge von vielen und mehrfachen Verhören erregten hingegen Ehebruchsfälle, insbesondere wenn es sich um die Frauen einflußreicher Männer handelte.133 In diesen Fällen zeigte sich die Universität unnachgiebig und verhängte harte Strafen. e) Weitere Verstöße gegen die akademische Lebensordnung aa) Allgemein: Unvleiß und Übelhalten Trotz unspezifischer und in Einzelfällen unterschiedlicher Delikte läßt sich ein eigener Typ von Inquisitionen ausmachen, in denen Studenten befragt werden, deren Verhalten die Universität insgesamt mißbilligte (3,3 %). Solche Verhöre haben verschiedene Punkte studentischen Übelhaltens zum Gegenstand. Dies reichte von in anderen Kategorien erfaßtem Fehlverhalten, wie Schlafen außerhalb des Quartiers, Besuch von Wirtshäusern oder dem gemeinen Haus, bis zu allgemeiner Aufmüpfigkeit, Mißachtung der universitären Autoritäten, Fehlen bei Lektionen sowie unvleiß beim Studieren. Über den Studenten Georg Kiefer berichtete der ehrenhaft und wohlgelehrt M. Johannes Arnold, der Bursen Regent, in einer solchen Inquisition: daß er gantz vnfleißig vnd vngeschickht in seinem Studieren, vnd zuo kheinen exercitien gebracht khündt werden, seye er in moribus allso boshafftig vnd Frech, daß er vmn kheine guete wahrnungen nichts geben. Seye auch zu mehrmalen voller 130

Der Fall Baldung ./. von Schonaich zeigt, daß bei Ehebruch auch eine Klage des betrogenen Mannes denkbar war. 131 A 13/1 (LI2), fol. 362, 13.09.1562, heimliche Ehe zwischen Martin Rapp und Ursula Gaßlerin; A 13/2 (LI2), fol. 1101, 30.10.1590, Inquisitionen über die Romanze eines französischen Studenten mit einem Klosterfräulein, offenbar war eine Entführung geplant. 132 S 1460 (22) Item q ullus in loco publico infamato / hoc est prostibulo seu lupanari / aut alias suspecto / praesumat de die / vel denocte ... Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 39. LSR 1581 erwähnt die Bordelle nicht mehr ausdrücklich, sie sind jedoch sicher immer noch verbotene Orte, als loca parum comoda [LS 1618: utilia] et honesta… in XI. De moribus ac vita academicorum etwas feiner umschrieben. 133 von Schonaich, A 13/1 (LI2), fol. 314, 02.12.1568; Würtzgarten, A 13/2 (LI2), fol. 404, 11.05.1606; Georg Hurn, A 13/2 (LI2), fol. 550, 05.03.1608.

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt Weins heimbkhommen, vnd allen commensalibus überlästig, mit worten zanckhen vnd schlagen, den anderen überlästig auch in seiner Völlerey etc. gotts Jämmerlich geschworen, daß solches zuohören erschröckhenlich ...134

Auch besuche er nicht die heilige Messe, sondern verbringe Sonn- und Feiertage lieber im Bett. Außerdem habe er sich mit übernatürlichen Dingen befaßt: Im Visitieren bey Ime schrifften befunden, DarInnen khünsten135 gesetzt, daß eine [Frau] einem müeßte holdt werden ...

Nur sehr selten werden Magie und zauberische khünste in den Verhörprotokollen erwähnt. Ob die Universität diese Punkte ernstnahm und bestrafte oder sie als Aberglauben abtat, erfahren wir bedauerlicherweise nicht. Das allgemeine Fehlverhalten versuchte sie mit Ermahnungen und der Androhung des Ausschlusses zu bekämpfen. bb) Sonstige Delikte Unter die sonstigen Delikte, die jeweils etwa 1 % der Delikte ausmachen, fallen zum einen Befragungen wegen Glücksspielen, was vor allem Würfelspiele betraf.136 Außerdem wurde über Besuche im carcer und Ausbrüche137 aus der Haft inquiriert. Die Inhaftierten sollten keinen Besuch empfangen, natürlich erst recht nicht, wenn er Licht, Essen und Wein mitbrachte oder gar bei der Flucht half. Auch über den Besitz von Schußwaffen138 gibt es immer wieder 134 A 13/2 (LI3), fol. 626, Inquisition 21.08.1609. Andere Fälle A 12/2 (LI1), fol. 65r, 1542; A 13/1 (LI2), fol. 58, 19.02.1562, übelhalten des Jacob Stöcklin. 135 Bei den einer Khunst, das legt ein anderer zauberischer Fall nahe, handelt es sich wohl um einen niedergeschriebenen Zauber(spruch), der dem Benutzer z. B. die Gunst einer Frau verschaffen soll. 136 S 1460 (11) Item q ullus ludat / perse / vel alium sub pena unius medii floreni… 1,1 %, in A 12/2 (LI1) taucht es mit 2,1 % überdurchschnittlich oft auf. 137 0,7 % S 1460 (23) Item q ullus in arrestacione positus recedat / sub pena rectore tale recedente / universitati ad excludend denucciae poteit et debebit… Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 39, geht davon aus, daß diese Bestimmung den Ausbruch aus dem Arrestlokal meint. Dafür spricht m.E. die schwere Strafe der exclusio, welche S 1460 hier vorsieht 138 1460 (2) Item / q nullus de die v(e)l denocte / cum armis / cuicumque speciei incedat / sub poema medii floreni / confiscacionis q armores ... Waffenbesitz ist an sich nicht verboten, sondern das Tragen von Waffen. Vgl. Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 30. Bemerkenswert die Änderung in LSR 1581 XIV. De armis vetitis : Similter, ut studiosi tranquilitatis servandæ semper sint memores, vetat Senatus frequentem gestationem gladiorum; præsertim intra mœnia omnes præterea usum bombardarum, globorum ferreorum et similium vetitorum armorum. Qui contra fecerint primum satis

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Inquisitionen, weil Studenten außerhalb der Stadt ihre Büchsen oder Pistolen abfeuerten und, schlimmer noch, weil sie dabei versehentlich auf andere Personen schossen.139 Mit nur 0,3 % wird die universitäre Kleiderordnung auffallend selten in Verhören thematisiert. Diese Seltenheit steht in Diskrepanz zu den detaillierten und langatmigen Schilderungen der erlaubten Kleidung in den Statuten.140 Aus diesem Befund kann man aber nicht schließen, die Kleiderordnung sei allgemein befolgt worden, denn oft drängt sich bei Kleider- und Luxusverboten der Eindruck auf, daß sich die Adressaten nicht allzusehr davon beeindrucken ließen. Außerdem schildert Schreiber Konflikte wegen verbotener Barette und Federn, die vor dem Senat ausgetragen wurden. Der Grund wird eher darin zu suchen sein, daß der Rektor die Strafen für derartige Verstöße sofort, ohne vorherige Inquisition, verhängte. Ein offenkundigeres Vergehen als das unerlaubte Tragen auffälliger, bunter Kleidung kann es schließlich kaum geben!141

[LS 1618 : serio] mulctentur: et si parere contempserint, protinus ab Academia repellantur. Hervorhebung BB. Nun wird nur noch das häufige Tragen eines Degens, sowie der Einsatz bestimmter (Wurf)Waffen verboten. Dieses Verbot, stets bewaffnet herumzulaufen, erklärt auch, warum Studenten manchmal, wenn Streit ausbrach nach Hause rannten, um Waffen zu holen. A 13/1 (LI2), fol. 111, (26.04.)1563. 139 0,9 %. Feuer- und Schußwaffen dürfen nach Titel 32 der RPO von 1530 (1548 und 1577 kennen diese Bestimmung nicht mehr) nicht bei sich geführt werden (nur zur Verteidigung im Haus). Ausnahme: zur Jagd, 32, 3. Weber, Reichspolizeiordnungen, S. 160. In einem Fall gab ein Verhörter an, er besitze zwar eine Büchse, bewahre sie aber stets in seiner Stube auf. 140 S 1460 (29) und (30), vgl. Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 41. LSR 1581 XVIII. De vestitu tam Regentium quam Subditorum Academiae ... Quare Academicos ommnes more vestientur et incedant eo, qui viros graves et doctos decet. Es folgen ausführliche Beschreibungen. Solche Bestimmungen entsprechen dem Zeitgeist. Kleiderordnungen sollten nicht nur die Ständeordnung nach außen sichtbar machen, sie entsprangen auch dem Bedürfnis der Obrigkeiten, mehr und mehr Lebensbereiche zu regeln. Vgl. hierzu die umfassenden Kleidervorschriften der Reichspolizeiordnungen, z. B. RPO 1577 Titel 9-14. Weber, Reichspolizeiordnungen, S. 228 ff. 141 Anhaltspunkt dafür ist eine „spontane“ Bestrafung für unziemliche Kleidung, die vom Consistorium (wahrscheinlich vom Rektor als Iudex) vorgenommen wurde. In der Sitzung vom 11.05.1549 waren die Professoren über einen statutenwidrig gekleideten Studenten so erzürnt, daß im Protokoll steht ist auch bemelter Hieremias Vickell, so daß er vor den Herren in einem kurzen Rock erschienen, umb ein Schilling gestrafft worden, obwohl dies nicht Aufgabe des Consistoriums war und auch sonst nie vorkommt; A 14/1, fol. 110. Döhring, Rechtspflege, S. 222, schildert, unangemessene Kleidung sei auch an anderen Gerichten als Störung empfunden worden.

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IV. Die Entscheidungen von Rektor und Senat 1. Decretum – Strafe ohne Urteil In der Regel findet sich die Entscheidung, wie ein Delinquent bestraft werden sollte, nicht in den Verhörprotokollen.142 Dort wurden nur sofortige Anordnungen des Rektors, wie die Aufforderung, eine statutenwidrig eingesetzte Waffe abzuliefern, festgehalten. Häufiger wurde beim Eid der Frieden geboten,143 manchmal unter Drohung, Strafen zu verhängen, wenn der Streit trotzdem wieder aufflammen sollte. Meist konnte der Rektor aber alleine keine Entscheidung treffen, weil er nach der Zuständigkeitsverteilung nur offenkundige, notorische Vergehen ohne Mitwirkung des Senats aburteilen durfte.144 Dies zeigt sich auch in dem einzigen Fall, in dem die Inquisitionsprotokolle eine direkte Ahndung durch den Rektor überliefern: vngeacht Irer aller deposition, weil man wüße was für unfuor und geschrey durch sie getrieben worden und sie darmit den Kercker wol verschuldet hetten [wolle man dieses Mal Milde walten lassen] ... vnd alle gleichlich ... ein halben Gulden Zur Straff bezaln.145

Sobald langwierige Verhöre geboten schienen, handelte es sich natürlich nicht mehr um offenkundige Vergehen. Da der Rektor dann nicht allein zuständig war, finden sich die Reaktionen der Universität auf das in den Inquisitionen ans Licht gebrachte Fehlverhalten überwiegend in den Senatsprotokollen. Leider wissen wir nicht, wie dort die Entscheidungsfindung ablief, weil die Strafe nach der Verlesung der Inquisitionen lediglich mit einem decretum festgesetzt wurde, ohne den Beschuldigten noch einmal zu hören. Das Fehlen solcher Informationen ermöglicht aber Rückschlüsse auf das Verständnis des Strafens als eher verwaltenden und weniger rechtsförmigen Umgang mit der Delinquenz. Dies zeigt sich auch darin, wie die normativen Vorgaben gehandhabt wurden: Der Senat bezog sich bei seinen Straffestsetzungen nicht auf die Ge- und Verbote aus S 1460 und S 1581, denn die Universität wendete ihre Statuten nicht wie ein Gesetz oder wie moderne Tatbestände an. Man subsumierte also nicht das Verhalten unter die Einzelbestimmungen und entnahm die Strafe den einschlägigen Vorschriften. Im Gegenteil – nur in Ausnahmefällen

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A.A. Schiewe, Sprachenwechsel, S. 238. Allerdings hält er das Ganze für Gerichtsprotokolle und widmet der Problematik nur wenige Sätze Er sieht in der Beschlußformel, endet sein sag und ist Ime stillschweigen eingebunden auch das Urteil. 143 Zum gebotenen Frieden vgl. E. Kaufmann in HRG 1, Friede, Sp. 1288 f. 144 AoR, ed. König, S. 76, 14.; vgl. Erster Teil § 3 II. 2. b) bb). 145 A 13/1 (LI2), kein Datum, Vorfall Vigilia St. Maria Magdalena (22.07.)1592, fol. 1150: hieruf disen allen per Dominum Rectorem gesagt: [obiges Zitat].

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wurde überhaupt auf die Statuten Bezug genommen!146 Diese Beobachtung lenkt die Aufmerksamkeit wiederum auf die bereits erörterten eidlichen Wurzeln der Strafgewalt: Nicht die einzelnen Statutenbestimmungen erscheinen als rechtliche Grundlage für Verfolgung und Aburteilung, sondern die eidliche Unterwerfung unter Statuten und Universität.147 Die disziplinarischen Reaktionen erfolgten meist rasch, in der Regel wurden die Verhöre spätestens ein bis zwei Wochen nach den Vorfällen verlesen, selten verstrich mehr als ein Monat bis zur Entscheidung. 2. Poena und mulcta a) Strafrechtsgeschichtliche Einordnung Die Grundzüge der einschneidenden Veränderung von materiellem und prozessualem Strafrecht, die vom Hochmittelalter bis zur Schwelle der Neuzeit stattfand, sind mittlerweile Allgemeingut und werden als Entwicklung hin zu einer öffentlichen Strafrechtspflege umschrieben. Nach rechtshistorischem Verständnis unterscheidet sich die „öffentliche Strafe“ von der „privaten Buße“ vor allem durch die Interpretation des Delikts, die sich von der Schädigung des Einzelnen und seiner Familiengruppe zur Verletzung des allgemeinen Friedens wandelte. Diese veränderte Vorstellung wurde durch Korporationen – vor allem durch die Kirche – gefördert. Sie begriff Fehlverhalten ihrer Mitglieder schon früh als Störung der inneren Ordnung und des äußeren Bildes.148 Vor diesem Hintergrund ist Disziplinarrecht von seinem Grundgedanken her Strafrecht. Auch an den Universitäten war ein solches Deliktsverständnis ausgeprägt, notorische Delikte waren besonders schwerwiegend, weil sie den Ruf und damit die Besucherzahlen schädigten. Da man Delikte nicht mehr als Angriff 146 Meist mit der Formulierung, man wolle einen Delinquenten „nach den Statuten“ bestrafen. In den frühen Protokollen findet man in einzelnen Fällen die Aussage, die Studenten würden wegen des Besuchs von Wirtshäusern bestraft, der nach den Statuten verboten sei. 147 Erster Teil § 3 IV. und § 4 I. 2. b). Vgl. Schwerhoff, Köln, S. 469. Dieses Verständnis der Strafenden erschwert dem heutigen Forscher die Bildung von Deliktskategorien. 148 So bereits Stein: in jener Zeit [bis zur Reformation] rang sich eben erst gegenüber der altgermanischen Auffassung, dass das Verbrechen wesentlich den Verletzten als Einzelnen treffe, der Gedanke durch, dass in der Strafthat vor Allem eine Schädigung der Interessen der Gesammtheit liege, gegen welche diese einzuschreiten Recht und Pflicht habe. Gerade die Kirche hat diesem Gedanken ... zur Anerkennung verholfen und dabei den naturgemässen Entwicklungsgang durchlaufen, dass sie den Clerikern gegenüber zuerst die Störung ihrer inneren Ordnung betonte, d. h. den disciplinären Gesichtspunkt ..., Akademische Gerichtsbarkeit, S. 76.

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

auf Einzel-, sondern auf Allgemeininteressen definierte, änderte sich auch die Reaktion darauf. Im frühmittelalterlichen Kompositionensystem wurde die Ahndung des Vergehens zwischen Verletzer und Geschädigten ausgehandelt. Sie bestand in einer Geld- oder Naturalleistung, die dem Verletzten und seiner Familie zufloß, um Verluste und Rachebedürfnis zu kompensieren. Durch das öffentliche Strafrecht verschwand das Opfer aus dem Blickfeld, denn das Strafen wurde zur Angelegenheit zwischen Obrigkeit und Täter. Haft- und Köperstrafen sind per definitionem moderne Strafen, weil sie dem Geschädigten keinen materiellen Nutzen bringen. Auch Geldzahlungen, die nicht an das Opfer, sondern an die strafende Instanz geleistet werden, sind im technischen Sinne Strafen. Insofern ist terminologisch zwischen Bußen im Kompositionensystem, die als Ausgleich an den Verletzten entrichtet werden und Geldbußen, die als Strafe an das Gericht gezahlt werden, zu unterscheiden.149 Nach dieser Begriffsklärung ist eindeutig, daß es sich bei den durch die Universität verhängten Sanktionen um Strafen im modernen Verständnis handelte.150 Der Senat verurteilte nicht zu Leistungen an den Verletzten, denn im Rahmen der Aburteilung erhielt das Opfer nichts. Bei der Anordnung von Haft oder Schlägen als Reaktion auf Fehlverhalten versteht sich dies von selbst. Doch auch die Geldstrafen (mulctae) fließen in die Universitätskasse und beschlagnahmte Waffen fallen in der Regel an den Rektor.151 Es handelt sich 149 Das alte Privatklagensystem beruhte auf der Auseinandersetzung von Opfer und Täter und zielte auf einen Ausgleich zwischen ihnen (bzw. ihren Familien) durch Bußenzahlung an den Verletzen. Vgl. E. Kaufmann in HRG 1, Buße, Sp. 576 [Buße] ist ... keine Strafe im modernen Sinne. Sie kann vielmehr mit einem zivilrechtlichen Schadensersatz verglichen werden. Sp. 575, Im technischen Sinne versteht man unter Buße die Leistung des Rechtsbrechers an den Verletzten, im Gegensatz zu der an die öffentliche Gewalt zu zahlenden Summe. 150 Anderer Auffassung ist Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 43 f. Sie bezeichnet die Sanktionen der Universität als Bußen. Allerdings ist fraglich, ob sie die „Begrifflichkeiten der Rechtgeschichte“ vollständig durchdrungen hat, da sie schreibt: Der überwiegende Teil der Delikte sollte durch Geldbußen bestraft werden. Das akademische Gericht [sie meint damit den Senat] folgte insofern dem Konzept der Bußgerichtsbarkeit. Die Bußgerichtsbarkeit beruhte auf dem Gedanken des Ausgleichs für die begangene Rechtsverletzung. Die Buße bezeichnete die Leistung an den Verletzten und an die öffentliche Gewalt ... Im System der Bußgerichtsbarkeit war nach Leistung der Buße die Rechtsordnung wiederhergestellt und der Büßer wieder vollwertiges Mitglied der Rechtsgemeinschaft. Siebenhüner scheint Strafe an Entehrung festzumachen: Strafen hätten im Unterschied zu Bußen darauf abgestellt, den Täter moralisch zu bewerten und sozial auszugrenzen. Folglich argumentiert sie, die Karzerstrafe [blieb] im Rahmen der Bußgerichtsbarkeit, denn die Haft führte weder zur Stigmatisierung ... noch brachte der Arrest eine Entehrung mit sich. Diese Differenzierung soll nicht entwertet werden, rechtshistorisch ist ihre Einordnung der universitären Strafen aber unrichtig. 151 AoR, ed. König, Rectorat, S. 76, 14. Arma, quibus delinquentes abusi sunt, cedunt Rectori: nisi Acadenicus Senatus aliter censeat. Poenae pecuniariae numerantur

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bei den von der Universität verhängten Sanktionen, ob sie nun poena oder mulcta heißen, folglich um Strafen und nicht um Bußen. b) Penis a iure communi institutis In einer der abschließenden Bestimmungen der ältesten Statuten S 1460 wird zusammengefaßt, welches Verhalten die Universität nicht dulden will.152 Nach der weitschweifigen Aufzählung verschiedenster Laster wendet sich die Vorschrift den Repressionsmitteln der Universität zu: si non destiterint / per magistros suos / vel alias admoniti / iuxta facti qualitatem / salvis etiam penis / a iure communi per huius criminibus / et enormitatibus institutis / pena suspensionis, privatione privilegiorum / vel retardationis a promotionibus / in omni facultate per rectorem / et consiliarios suos veniant puniendi.

Bemerkenswert ist die Erwähnung der penis a iure communi. Bedeutet dies, die Universität habe Strafen des gemeinen Rechts verhängt?153 Abgesehen davon, daß das Ius Commune keine Strafe ebriosi, clamorosi und noctivagi cum instrumentes musicis oder andere aufgezählte Verhaltensweisen kannte, scheint mir die Formulierung salvis etiam eher auf einen Vorbehalt, eine salvatorische Klausel hinzudeuten. Falls das gemeine Recht eine Strafe vorsah, konnte sie neben der Ahndung durch die Universität verhängt werden. Betrachten wir die Parallelbestimmung aus dem LSR 1581, so heißt es dort nach einer sehr ähnlichen Enumeration lasterhafter Zeitgenossen:154

Rectori, qui eas in Indicem acceptorum refert, daturus Rationem, cum cesserit officio ..., S. 80, 28. über die Rechnungslegung des Rektors: Am Ende seiner Dienstzeit soll er unter Accepta, also den Einnahmen der Universität ... Tertio accepta: ex mulctis delinquentium, den Ertrag aus den Geldstrafen auflisten. Ebenso A 4/6, LSS, II. De Rectoris potestate et officio, (9. Unterüberschrift) De Calculo Dati, et accepti ... Calculum totius accepti (scilicet ex studiosorum Inscriptione, mulctis, et aliis undecunque) ... Hervorhebungen BB. 152 S 1460, (31) Item statuius / quod brigosi / clamorosi / rixosi / luxuriosi / rebelles / inobedientes doctoribus vel mgris / aut aliis honestis personis secularibus / vel spirtualibus irrevere(n)tiam / verbis / vel factis exhibentes / ebriosi / discoli / noctivagi / cum instrumentes musicis / aut alias nocte temporibus / pro sompno datis / vagantes / et percipue Incolares huius oppidi offensores / lusores / honestores scolares seductores… 153 S 1460, (33), vgl Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 163: trotz Ermahnung und Anwendung der Strafen des gemeinen Rechts. Mayer, Die ältesten Disziplinargesetze, S. 41, übersetzt [die Übeltäter] verfallen ... unbeschadet der Strafen, die nach gemeinem Recht für solche Vergehen vorgeschrieben sind, der Suspension, der Beraubung der Privilegien ... etc. 154 XVII. Constitutio generalis quoslibet flagitiosos ...

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt Perturbatores etiam pacis publica, fures, et in alienas domos impetu irruentes, et eorum similes. Ut nimium huiusmodi omnes, ad Academico Senatus placidum primo mulctis, dein carcere plectantum: et nisi se ipsos corrigant protinus ab Academia repellantur: insuperque et nomina ipsorum in studiosorum Albo obliteretur, si transgressionibus atrocitas ita commercatur.

Die Hinzunahme von Störern des öffentlichen Friedens, Dieben, und Personen, die in fremde Häuser eindringen, erweiterte den Kreis der in S 1460 aufgezählten um etliche schwerwiegende Delikte. Doch auch hier galt : Die Delinquenten wurden nicht sofort mit der schwersten Strafe der Universität, dem Ausschluß, bedroht. Vielmehr sollte ihnen die Möglichkeit der Besserung eingeräumt werden. In der sich steigernden Auflistung der Reaktionsmöglichkeiten werden die Strafen des gemeinen Rechts nicht mehr erwähnt, obwohl mit Diebstahl und Störung des öffentlichen Friedens nun Delikte aufgeführt werden, für die es Strafbestimmungen gab. Allerdings wäre nach den normativen Grundlagen die Aburteilung eines solchen schweren Diebstahls nicht von der gerichtlichen Kompetenz der Universität umfaßt. All dies läßt darauf schließen, daß die gemeinrechtlichen Strafen in S 1460 eher zu Ergänzung und Abschreckung genannt, aber nicht praktisch angewendet wurden. c) Strafzwecke – Parallelen zu städtischen Gerichten Der akademischen Disziplinargerichtsbarkeit wurde von der älteren Forschung oft vorgeworfen, sie sei zu milde gewesen und habe sich in den Dienst möglichst hoher Besucherzahlen stellen lassen. Ihr Ziel sei nicht eine effektive und gleichmäßige Strafverfolgung, sondern der Schutz der Universität, ihrer Frequenz und ihres Ansehens gewesen.155 Diese Vermutungen sind nicht falsch,156 allerdings wurden sie oft aus ihrem Kontext gerissen: Die Universitätsgerichte bildeten mit solchem Verhalten gerade im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit keinesfalls eine Ausnahme! Neuere Forschungen konnten nachweisen, daß milde Urteile gegen Gemeinschaftsmitglieder, für die das

155 Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, sieht vor der Reformation ihr Hauptziel im Erhalt des klerikalen Charakters der Universität, S. 73. Weil dieser im 16. Jahrhundert verloren ging, wandelte sie sich seiner Auffassung nach zu Disziplinargerichtsbarkeit der Professoren über die Studenten, S. 106. 156 Vgl. Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 425: Ein Fall von sexuellem Mißbrauch eines Neunjährigen durch einen Studenten wurde (allerdings auf Betreiben der Regierung, die Universität war für eine harte Bestrafung) unter den Teppich gekehrt, um das Ansehen der Universität zu schützen.

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reibungslose Funktionieren des eigenen Gemeinwesens als Motiv angesehen werden kann, in dieser Zeit häufig waren.157 Siebenhüner bezeichnet das Raufen und Lärmen der Studenten als akademische Subkultur, die von der Universität als studenten-typisch toleriert wird, solange gewisse Grenzen nicht überschritten wurden. Sie zieht aber auch Parallelen zur städtischen Jugendkultur,158 die von der Stadt ebenfalls in einem gewissen Rahmen akzeptiert wurde. Eingegriffen wurde von beiden Obrigkeiten dann, wenn sie die Grundregeln der Gemeinschaft gefährdet sahen. In ihrem von der Diskurstheorie beeinflußten Fazit kommt Siebenhüner zu dem Schluß: Solange sie die Universität nicht entscheidend destabilisierte, bestand Devianz somit als integrativer Teil der akademischen Kultur.159 In gewisser Weise schließt sich mit dieser Schlußfolgerung wieder der Kreis zur alten Sittengeschichte, nach der Zechen, Zücken und Lärmen aus dem Studentenleben nicht wegzudenken sind.

§ 3 Behandlung malefitzischer Sachen Da sich die Gliederung dieser Arbeit an den Universitätsgremien orientiert, lassen sich Überschneidungen bei Lebenssachverhalten, mit denen sich Senat und Consistorium befassen mußten, nicht vermeiden. Eine Darstellung, die statt dessen nur den Sachverhalten folgt, hätte allerdings zu einer für den Leser komplizierten Zertrennung der Zusammenhänge geführt. Das folgende Kapitel betrachtet Malefitzsachen aus der Perspektive der strafenden Universität. Die Interaktionen von Opfer und Täter und die private Konfliktbeilegung in diesen Fällen werden im Vierten Teil (§ 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum) behandelt. I. Auslieferung an den Bischof von Konstanz In nur einem Fall läßt sich in den untersuchten Quellen eine Auslieferung an den Bischof von Konstanz nachweisen. Reginaldus de Sancto Fonte verletzte im November 1564 versehentlich seinen Kommilitonen Justus Gabilonis bei einem zum Scherz ausgetragenen Duell: non maligno animo ... neque dolo sed ioco inter ludendum casu. Der Stich ins Auge führte unmittelbar zum Tod. Die 157

Schuster, Eine Stadt vor Gericht, S. 314; Schwerhoff, Köln, S. 442 f.; Eibach, Recht – Kultur – Diskurs, S. 110; schon früh Gudian, Geldstrafrecht, S. 273-288. 158 Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, den devianten Verhaltensweisen lagen jugendspezifische Funktionen zu Grunde, S. 15. 159 Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 149.

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Universität stellte fest, ihr fehle die Entscheidungskompetenz in diesem Fall und verwies den Täter an den Bischof von Konstanz. Sie erläuterte dem Ordinarius ihre Entscheidung und den Vorfall in einem Brief, in dem sie außerdem feststellte, Reginaldus de Sancto Fonte habe nicht vorsätzlich gehandelt: auß keinem bösen hertzen oder neid und haß, auch vß keinem Zorn ... vnd one alle gefährdt. Und aber wir vermög und in krafft vnserer habenden fürstlichen freyheiten in malefitzischen sachen vnd peinlichen handlungen, so durch unserer Zuogethanen und angehörigen, sie seyen gleich geisltich oder weldtlich begangen werden, nichts zuohandlen, zuosprechen und zuoerkennen. Das wir derowegen ine Reginaldus des Sancto fonte für den hochwürdigen fürsten vnd herrn Marc Sittichen ... Bischoffen zuo Costanz, oder irer hochfürstlichen gnaden vicarium und stathalter, als in sollichen malefizischen sachen ... vnserer hohen schuol verwandten ordinarium und gebürlich Richter remittiert, Vnd gewiesen haben ... sich [vor Euch] zu purgieren, und bitten [Euch] gnädiglich zu erteilen entscheiden und folgen lassen.160

Nach Senatsberichten sprach der Bischof Sancto Fonte vom Vorwurf des Totschlags frei. Später verhängte die Universität eine Strafe wegen verbotenen Fechtens,161 die allerdings mit 10 Kronen zehnmal höher angesetzt wurde als die in den Statuten vorgesehenen Regelstrafen. Daher liegt die Vermutung nahe, daß die Universität die schwere Folge des verbotenen Tuns mit einbezog, obwohl sie damit bei strenger Auslegung ihre Kompetenzen überschritt. Sancto Fonte protestierte zwar gegen die Bestrafung, er sei doch Constantiae apud ordinarii Consistorium liberatus est ab omni culpa et poena, vom bischöflichen Gericht in Konstanz von jeglicher Schuld und Strafe losgesprochen worden, hatte damit aber keinen Erfolg.162

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A 13/1 (LI2), fol. 187 f., 01.12.1564. Konzept eines Briefes an den Bischof von Konstanz. Auch gegenüber Sancto Fonte erklärt die Universität, nicht entscheiden zu können: A 10/9, fol. 144, 01.12.1564. Arnoldus Nollens nomine Reginaldo de Sancto fonte petit ei dari testimonium ab Universitate quod ipse Reginaldus non maligno animo neque ex irarandia neque dolo sed ioco inter ludendum casu interfecit Justum Gabilione. Responsum. Quia Universitas hac in re decernere non possit sed ad ordinarium Episcopum Constantiense devolui debeat, liberum esse Gabilioni secundum iuris ordine coram eo se purgare. Hervorhebung BB. Möglicherweise war der Brief eine Reaktion auf diese Bitte. Inquisitionen A 13/1, fol. 185 f., Vorfall 26.11.1564, Sancto Fonte und Matthias Priamont betonen, Täter und Opfer inter se fuerant ut fratres. 161 A 10/9, fol. 160, 15.03.1565, Reginaldus de Sancto Fonte, qui ante aliqot Septimanas Justum Gabilonum studiosum inter digladiandum casu interfecerit, punitur in 10 coronatis, eo quod ludu digladiatorium iure et in statutis Universitatis prohibitum exercuerit. 162 A 10/9, fol. 162, 05.04.1565. Außerdem war er wohl besorgt, die Zahlung einer so hohen Buße könnte als Schuldanerkenntnis in einem privaten Verfahren angesehen werden: item erga amicos occisi Gabilionis valde per iudicale fore, et speciem per se

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II. Konfliktbeilegung in Freiburg Der Fall Sancto Fonte ist aber beileibe nicht der einzige malefitzhandel, von dem die Quellen berichten. Was geschah in den anderen Fällen, wenn man die Täter nicht, wie in den Statuten und Verträgen bestimmt, nach Konstanz auslieferte? 1. Flucht und Asyl Der gerber wisse nit anders dan er habe Ine sagenden erstochen, dernhalb er gerber auch durch die dreysam wie thausent teufel ghen Lytenweyler geloffen.163

In vielen Fällen scheiterte das Regelverfahren schon daran, daß man den Delinquenten gar nicht in Gewahrsam hatte. Zuweilen gelang es der Universität nicht, die Täter zu ermitteln, sie kam – mangels Exekutivgewalt oder Nachdruck – nicht über das Feststellen vager Verdächtigungen und Gerüchte hinaus.164 Doch selbst wenn man den Täter kannte, scheint man seiner in Tötungsfällen sehr oft nicht habhaft geworden zu sein. Manche verschwanden sofort und endgültig, andere verschanzten sich in einem Asyl, das auch als Zwischenstation vor dem Verlassen des Freiburger Einzugsgebiets dienen konnte. Wie diese zur Erleichterung privater Einigungen beitrugen, wird bei diesen165 näher ausgeführt. Nicht nur Studenten flohen, wenn sie einen anderen schwer verletzt oder getötet hatten. Die Bestimmungen des Freiburger Stadtrechts zum Totschlag beginnen mit der Aburteilung flüchtiger Täter, erst die zweite Vorschrift befaßt sich damit, wie ein Totschläger, den man fassen konnte, zu bestrafen sei!166 Auch das einleitende Zitat aus den Inquisitionsprotokollen verdeutlicht ferre, quasi confitere se reum, quando mulcta tam grande persolveret. Si vero quiescere nolint Universitatis domini, se laboratureum pro sententia declaratione an mulctam sibi impositam exolvere teneatur. Der Senat beschloß jedoch, mit einer leider schlecht lesbaren Begründung, daß die Geldstrafe einzufordern sei. 163 A 12/2 (LI1), fol. 356v, 15.05.1560. 164 Beim Mord oder Totschlag an Caspar Merck, A 13/1 (LI2), fol. 22, 07.09.1561, wird von mehreren Zeugen ein namentlich nicht bekannter Rittersknab als Täter bezeichnet. Die Stadt scheint kein Interesse an der Strafverfolgung zu haben. Am 18.09.1561, A 10/9, fol. 11, hält der Senat fest, Cum iterum fieret mentio homicidii nuperrime commisi, interogatur cora(m) Thomas Ringler nu(m) ex lictore audierit qui ad Vilgiles civitatis dixerit Sie sollen den totschleger nit fahen bis uf weiter bescheid ... Die Universität drängt zwar auf eine weitere Untersuchung, doch ohne Erfolg. 165 Vierter Teil § 3 II. 2. c). 166 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 215, V. Tractat, 6. Todschlags halb. befaßt sich mit Entflohenen: Welcher ... einen zuo tod schlecht / do kein mort mitlouffet / vnd entwychet / über den sol der Schultheiß ... mit der glocken richten ... 7. Von straff des todschlegers

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die Üblichkeit einer solchen prophylaktischen Flucht: Nach Schlägereien mit Schwerverletzten nahmen die Beteiligten Reißaus und flüchteten sich vorzugsweise in Asyle, sogenannte freyheiten.167 Es gab in Freiburg etliche dieser Freistätten, die beliebtesten waren das Oberrieder Kloster des Wilhemiterordens und das Deutschordens-Haus.168 Um den Mißbrauch der Asyle zu verhindern, schloß die Stadt Anfang des 16. Jahrhunderts einen Vertrag mit dem Deutschordens-Haus.169 Das Recht des Klosters, jeden, der sich dorthin flüchtete, aufzunehmen und zu schützen, blieb grundsätzlich erhalten. Doch sollte zukünftig die Tür verschlossen sein und nur geöffnet werden, wenn der Täter verschiedene Fragen verneinte: Ob er einen vorsätzlichen Totschlag begangen oder die Stadtwachen angegriffen habe, ob er ein Mörder, Brandstifter, Kirchendieb, Ketzer oder Hochverräter sei. In der Praxis blieb es aber dabei, daß ein Geflüchteter im Asyl vor dem Zugriff der Wachen sicher war. Bei Studenten war allerdings eine Befragung durch den Rektor in der Zufluchtsstätte durchaus üblich.170

/ so der gefangen würdt. Würd aber der todschleger behendigt vnd gefangen / so sol zu jm mit dem schwert gericht werden / vnd nichtdestminder von sinem guot / die zehen pfund pfennig zuo freuel an d herrschaft stab verfolgt / wie ouch von alter harkomen ist. 167 Natürlich flohen Verfolgte auch in Schenken oder Häuser. A 13/2 (LI3), fol. 268, Inquisition am 19.02.1602: die Wächter folgen einem Studenten zu einem Haus, doch der Hausherr Dr. Martini will sie nicht einlassen, weil sie ihn zuvor angegriffen hatten. Diese Zufluchtsstätten boten jedoch nicht immer ausreichende Sicherheit. Es gibt einen Bericht darüber, A 13/2 (LI3), fol. 334f, Inquisition am 07.11.1603, wie die Wächter einen Delinquenten in einem Haus verhafteten, nachdem sie mit Gewalt Einlaß begehrten und ihnen schließlich von einer Magd geöffnet wurde. In einem anderen Fall durchsuchte die Wacht ein Haus und verlangte gar den Schlüssel zu einer Kammer, in der sich die gesuchte Frau versteckt hatte A 12/2 (LI1), fol. 280r, die Inquisition vom 05.02.1547 beginnt fol. 279r. Der Schlüssel wird heraus gegeben, obwohl die Hausbewohner zuvor versucht hatten, die flüchtige Frau zu decken. 168 Ausführlich Schindler, Verbrechen und Strafen in Freiburg, S. 165; allgemeiner Klotz, Die akademische Gerichtsbarkeit, S. 44. Das Wilhelmiter-Kloster hieß Oberriedter Closter nach dem Nebenkloster zu Oberried, das Stadtkloster befand sich an der äußeren Stadtmauer der Schneckenvorstadt (heute Adelshauserstr.) Zum Deutschen Haus vgl. Flamm, Historische Ortsbeschreibung, S. 28, 52. 169 Schreiber, Geschichte der Stadt Freiburg, III. Theil, S. 195 f. Der Vertrag vom 25.01.1514 wurde 1516 durch Kaiser Maximilian genehmigt und zum Vorbild für Konkordate mit anderen Klöstern. 170 Etliche Inquisitionen in schweren Fällen beginnen mit einem Hinweis wie gehalten im Kloster Oberried im Beisein M. L. Schreckenfuchs, der Mathematik vnd Hebräischen Sprachen Professor und M. Theobaldus Heintteg als dazu Verordneten. A 13/1, fol. 1056, 01.12.1589, betreffend die Handlung, darinnen ein Küfferknecht tödlich verwundet.

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Zuweilen behinderten die Geltungskämpfe und Rangeleien zwischen Stadt und Universität171 die Verfolgung und erleichterten so den Tätern das Entkommen. Nach einem Handel mit der Scharwacht spricht der Freiburger Hans Seboldt im März 1564 beim Rektor vor. Er war in eine Schlägerei geraten, in der ein Wächter verwundet worden war, und stand nun deswegen unter Verdacht. So doch Joannes Conradus Menne und Georgius Hagk diß getan so studiosi, und damit hab er Seboldt begehrt, man sollte diese zween studiosi arrestieren, doch ihne nit dabei vermelden. Da Seboldt ungenannt bleiben möchte und auch noch kein clag gekommen von dem Rath der Stadt, unternimmt die Universität nichts. Am nächsten Tag kommen Ingolstetter, der oberst meister und der Stadtschreiber M. Johann Federer zum Rektor und berichten ihm von diesem Vorfall, und [sie haben] nomine Civitatis begehrt, das man die zween genannten studiosos ... gefenklichen einlegen wellte. Die Universität bringt ihre Verwunderung zum Ausdruck: Was die ursach sei, das ein Rath erst heut am freitag solliches der Universitet clage und fürbringe, und aber sollich handel sich am sunntag davor zugetragen, und die sach so mißlich dieweil die Stadt in anderen Sachen gleich läuft und clagt und nicht also lang dazu stillschweigt, wanns die Universität eher gewüßt, würde sie wohl anderst und zeitlich ghandelt ... haben.172

Nun erst beschließt sie, man solle die zwei Studenten suchen und arrestieren und so sie deßen verdacht gefencklich annemen laßen. Wie nicht anders zu erwarten, ist es jetzt zu spät. Keiner der Verdächtigen ist mehr aufzufinden. Zwei Tage später lesen wir vom ergebnislosen Ausgang der Verfolgung. Hans Seboldt ist in dem deutschen Haus in der freiheit, Görg Hagk ist hienweg, so ligt der Menne zun Oberriedtern in der freiheit, der sagt in seiner inquisition, der Hagk habe dem wächter den Streich geben, Decretum: Universität laßt die sach bis auf weiteres anhalten auf sich beruhen173

171 Schuster, Eine Stadt vor Gericht, S. 316, bemerkt treffend, wenn auch etwas überspitzt, die Einzelfallgerechtigkeit habe in der spätmittelalterlichen Strafrechtspflege hinter ihren sozialen und politischen Funktionen zurückgestanden. Der Schutz eigener (Konstanzer) Bürger vor der Bestrafung durch fremde Gerichte wog zuweilen schwerer als die moralisch-rechtliche Beurteilung ihres Rechtsbruchs. 172 Wie das vorgehende A 10/9, fol. 116, 17.03.1564. Universitas super hac re diligenti deliberatione habita, valde miratur, ... Außerdem verlangt sie ein Verhör Hans Selbolds, Dieweil aber [sie] von weittem vernimbt, das [er] dieser Sach die mhererst ursach. 173 A 10/9, fol. 117, 19.03.1564. Nun handelt es sich um Totschlag, denn der verwundt wächter ist gestern gestorben. Die Inquisition findet sich in A 13/1 (LI2), fol. 162, am 17.03.1564, also noch am Tag der städtischen Eingabe. Offensichtlich nahmen

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Immer wieder kam es vor, daß die Stadt die Asylvorrechte beschneiden wollte, während die Universität die Unantastbarkeit ihrer Angehörigen in den Freistätten verteidigte.174 2. Strafe, Einigung und Fürbitte Die Zusammenstellung von Strafe, Einigung und Fürbitte mag seltsam erscheinen, doch hängen diese Elemente eng miteinander zusammen. Bei der Verfolgung schwerer Taten gab es zwei Möglichkeiten: Entweder die peinliche Strafe – nach einer Auslieferung – oder eine bürgerliche Klage auf Schadensersatz und daneben eine Geldstrafe, die dann von der Universität verhängt wurde. Welcher dieser Wege eingeschlagen wurde, entschied sich nach einem informellen Verfahren, in dem das Zustandekommen einer Einigung zwischen den Parteien und Fürbitten eine wichtige Rolle spielten. Eine nähere Beschäftigung mit diesen Einigungen und ihrer Bewertung findet im Vierten Teil dieser Arbeit statt.175 Bei der Behandlung der Strafgewalt soll zunächst die Frage im Vordergrund stehen, wo die Grenze für Delikte angesiedelt wurde, bei denen man durch einen Ausgleich an den Verletzten oder seine Erben die peinliche Strafe abwenden konnte. Die Antwort der Constitutio Criminalis Carolina scheint eindeutig: eyn jeder mörder oder todtschläger, wo deßhalb nit rechtmessig entschuldigung außführen kan, hat das leben veres die klösterlichen Freistätten mit der Bestimmung, niemanden aufzunehmen, der die Wacht angegriffen hatte, nicht zu genau. 174 1555 wurde in einem Raufhandel zwischen Schneiderknechten und Studenten einer der Schneider getötet. Inquisitionen A 12/2 (LI1) fol. 477r, Vorfall: Montag nach Michaelis (29.09.). Der dringend tatverdächtige Student Sigmund Vehus floh in die Freiheit zu den Oberriedern. Die Stadt versuchte, ihn durch Wächter aus dem Asyl zu holen, doch der Prior, unterstützt von Studenten, wehrte dies ab. Der Prior hatte zunächst eine Botschaft an den Obristen Meister geschickt, er solle ihm die Wächter aus dem Kloster schaffen. Wenn er dort die Wacht haben wolle, solle er sie vor dem Kloster postieren. Als die Stadt nicht reagierte, wurde der Prior zornig und führt die vier Wächter selbst hinaus. Inquisitionen der Heimlichen Räte A 12/2, fol. 468r, Donnerstag nach Michaelis. A 10/7, fol. 924, 06.10.1555, begehrte die Stadt vom Senat, die Studenten aufs hechste zu straffen. Es folgen Inquisitionen der Universität am 07.10.1555, A 12/2, fol. 481v. In der Senatssitzung vom 12.10.1555, fol. 932, verteidigte die Universität das Verhalten der Studenten: befunden nit allein des priors vnd seiner gehelfften Vnschuld, sondern daß sy sollichs von rechts wegen wol thuon megen, daß es sagen gemeine geschribne recht, daß einem yeden zugelassen sein habende possession ... zu beschirmen. Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 111. Laut dem Vertrag über das Deutschordensasyl war eine Bewachung durch die Stadt zulässig. Schreiber, Geschichte der Stadt Freiburg, III. Theil, S. 196. 175 Vierter Teil § 3 II. 2. und III. 2.

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würckt.176 Nur bei Körperverletzungen war es also noch möglich, von einer peinlichen Strafe abzusehen. Obwohl es sich um Reichsrecht handelte, setzte sich diese Regelung nur langsam durch; auch nach 1532 lassen sich noch viele Totschlagssühnen nachweisen. Wann sich die Gewichte zu Gunsten der peinlichen Strafe und des öffentlichen Strafanspruchs verschoben, ist von Ort zu Ort verschieden. Auf den ersten Blick scheint in den universitären Quellen das Leben oder Sterben des Opfers der entscheidende Faktor zu sein.177 Doch finden wir auch nach einem Totschlag eine private Einigung in den Protokollen, nach deren Abschluß der Täter nur noch mit einer Geldstrafe belegt wurde. Insgesamt ergab sich somit – nicht nur an der Universität – innerhalb einzelner Gerichtsgebiete ein uneinheitliches Bild,178 weil die Wahl zwischen den Alternativen nicht nach dogmatischen Erwägungen oder strengen Regeln, sondern nach den Umständen des Einzelfalls getroffen wurde.179

176 Frauenstädt, Blutrache und Todtschlagssühne, S. 175, führt aus, die Carolina bestimme in Art. 137, daß der gütliche Ausgleich nur noch die zivilrechtliche, nicht mehr aber die strafrechtliche Folge der Tat beseitigen kann. Zwar steht in Art. 137 nichts von gütlichem Ausgleich, aber die Nichterwähnung als Entschuldigungs- oder Strafmilderungsgrund läßt, zusammen mit der kategorischen Bestimmung eyn jeder mörder oder todtschläger ... hat das leben verwürckt ... Frauenstädts Rückschluß zu. 177 A 10/9, fol. 342, 23.08.1571, Michel Bitrolff von Ulm studiosus, so kurtzverscheinener Zeit zuo nacht iff der gaßen mit Hans Knollen, Herrn Caspar Ingolstetters stieffsun gehauen und Ime Knollen ein Aug ausgestochen etc. zeigt an, Nach dem er ein gute Zeit in der freiheit gelegen, und es aber umb den Knollen des Lebens halb kein Gefaar mehr, So habe er sich uß der freiheit than, begehrt sich wie Recht zu stellen, dem Knollen deß Rechten zu sein, und Juratorium cautione zu tun. 178 Hoffmann, Außergerichtliche Einigung bei Straftaten, S. 567, am Beispiel von Augsburg. Bei der Zurückdrängung der Sühneverträge im Bereich der schweren Delikte ergibt sich hier ein Unterschied zwischen Tötung und (auch schwerster) Verwundung. Bei Tötung kam es früher zur peinliche Strafe. Seit Mitte 16. Jahrhunderts wurde Totschlag von Amts wegen verfolgt, S. 568, zuvor stand es dem Kläger offen, ob er peenlich oder burgerlich klagen wollte. Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts nahm die Bedeutung der privaten Einigung bei Totschlagsfällen ab bzw. verschwand völlig. In der Folgezeit beruft sich der Augsburger Rat auf die peinliche HGO, welche die Todesstrafe vorsieht. Vgl. zur Ablösung der peinlichen Strafe durch Sühnevertrag Riggenbach, Die Tötung, S. 93 und 131 f. An anderen Orten bestanden die Alternativen noch bis ins 17. Jahrhundert nebeneinander, vgl. Schwerhoff, Devianz, S. 404; derselbe, Köln, S. 280 f.; Schuster, Eine Stadt vor Gericht, S. 265 ff. Martin, Nürnberger Chronik, S. 101, macht die Grenze in den Chroniken des Spätmittelalters noch zwischen Totschlag (Buße) und Mord (peinliche Strafe) fest. Weitere Beispiele bei Jerouschek, Herausbildung des Inquisitionsprozesses, S. 359. 179 Auch das Freiburger Stadtrecht sieht die peinliche Strafe für Totschlag vor und akzeptiert als Entschuldigung nur Notwehr und ähnliches. Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 149. Aber die letzte Bestimmung dieses Abschnitts, 33.

208

Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Die Universität nahm für sich in Anspruch darüber zu entscheiden, ob sie den Täter auslieferte oder nicht. Wenn es ihm gelang, sich mit dem Opfer oder seiner Familie auf eine private Entschädigung zu einigen, blieb die Sache in Freiburg. Davon in hac re decernere non possit, in malefitzischen Sachen nichts verfügen zu können, ist nicht mehr die Rede. Im Gegenteil stößt man wieder und wieder auf die Bemerkung der Universität, sie verzichte aus Gnade darauf, einen Delinquenten auszuliefern, während sie zugleich eine (Geld)Strafe verhängte, weil sie mit dem Ausschluß der peinlichen Strafe ihre Zuständigkeit begründet hatte. Dieses Vorgehen soll an einigen Beispielen illustriert werden: Im Jahr 1560 tötete der Student Stephan Rümelin einen Freiburger und leistete darum eine Ausgleichszahlung an dessen Witwe. Daneben verlangte der Stadtrat noch 100 Gulden von Rümelin pro publica mulcta. Die Universität verbot seinen Freunden, diese Summe zu bezahlen und verhängte selbst gegen den Täter eine Geldstrafe von zehn Pfund: Is autem Rümelin Universitati pro mulcta dabit decem libras friburgensis.180 Zehn Pfund Pfennige waren auch nach Neuem Freiburger Stadtrecht der bei Totschlag zu zahlende frevel.181 Nach grober Umrechnung war ein Pfund nicht mehr als zwei Gulden wert,182 die Strafe der Universität lag also unter 20 Gulden und betrug weniger als ein Fünftel des von der Stadt geforderten Betrags. Trotz ihrer Differenzen zogen aber sowohl Stadt als auch Universität lediglich eine Geldstrafe in Betracht, weder eine Auslieferung an den Bischof in Konstanz noch eine von ihm oder einer anderen Stelle zu verhängende peinliche Strafe wurden diskutiert. Die Brüder de Monte183 mußten für die schwere Verwundung eines anderen Studenten 10 Kronen an die Welcher der Statt amptlüt vnd die gevarlich verletzte oder hinderte. S. 221 f., enthält eine Klausel, die für alle Bestimmungen des V. Tractats von freueln vnd malefitzhendeln zu gelten scheint: Doch behalten wir vnd vßdrucklich beuor / dise obgemelten oder andre mißthaten / so in vnser Statt ... geschehen burgerlich oder pynlich / nach strenge der recht oder nach barmherzigkeit zu straffen / wie vns nach gestalt der Löufft vnd sachen yezuziten nutz vnd not bedücht. Hervorhebung BB. 180 A 10/7. Am 22.03.1561, fol. 1250, bitten Amici Stephani Rümelin inen an der straff ... Stephano Rümelin ufferlegt etwas nachzuolaßen. Nihil his remissus est dabunt 10 Coronatos. Zur Einigung Vierter Teil § 3 III. 2. 181 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 215, V. Tractat von Freveln schmach und malefitz hendeln, 7. Von straff des todschlegers. Der Frävel entspach laut dem Rechtstext altem Herkommen. 182 Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen, Pfund, S. 83, ein Pfund entsprach ursprünglich 240 Pfennigen (20 Schillinge), wegen des Wertverlustes mußte man bald mehr als 240 Pfennige geben. 1655 entsprach es 1 Gulden 9 Schilling oder 24 Batzen. 183 A 10/9, fol. 316, 27.02.1570, Abrahamus et Arnolphus fratres propter tumultu(m) excitatu(m) cu(m) M. Martino Has, de quo v. folio 149 punitur ab Universitate in viginti coronatis, ad ipsoru(m) tu(m) petitione(m) decem sunt remissi, et dece(m) soluti. M. Martinus debebat exoluisse tres coronatos, qui nisi unu(m) et arma pro poena dedit.

§ 3 Behandlung malefitzischer Sachen

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Universität zahlen. Dies entspricht der Strafe, die gegen Sancto Fonte nach dem oben geschilderten Fechtunfall verhängt wurde. Stefan von Lalosch, der einen Stadtwächter schwer verletzt hatte, wurde von der Stadt mit einer Klage überzogen, die Auslieferung nach Konstanz forderte allerdings auch in diesem Fall niemand. An die Universität mußte von Lalosch 10 Pfund Rappen als Strafe zahlen, damit bewegen sich die jeweiligen Geldstrafen in einem ähnlichen Bereich. Das gleiche Bild zeigt sich auch bei den anderen eigentlich malefitzischen Delikten, den schweren Diebstählen: Conrad Seyfrid hatte seinen Tischherren bzw. dessen Witwe bestohlen, weswegen vom 10.05.1579 bis 23.05.1579 verschiedene Studenten mehrfach verhört wurden. Laut den Senatsprotokollen wurde der Stadt mitgeteilt, quod Universitas ad ordinarium Constantiensem delegatura esset, quo pro delicto commisso secundum iuris dictamen puniret ... Offensichtlich war der Bischof damit einverstanden, der Universität die Beurteilung dieses Falls zu überlassen. Hierzu sollte die geschädigte Witwe gefragt werden, si querelam aliquam instituere vellet ..., was sie zwei Tage später verneinte: declarat quod furti actionem contra ispum intendere nolit.184 Am 18.05.1579 wurde dann die Verschonung beschlossen: Dernach erkannt, sobald die interessierend mit der verschreibung desß entwehrten gelts verglichen, wiewol doch hochsträflich mißhandlung, er billich dem bischof sollte zugeschickt sein worden, jedoch von wegem der interceßion [ein Ritter von Überlingen hatte sich für den Täter verwandt] ... wolle Universitas in uff ein geschworene urvehd erlassen vnd uß der statt verweisen ...185

Dank der Fürbitte und des Verzichts der Witwe auf eine Klage kam der Täter mit der Leistung von Schadensersatz und Stadtverweis davon. Ganz ähnlich lief das Verfahren in einem anderen Fall von schwerem Diebstahl ab.186

184

Verhöre: A 13/1 (LI2), fol. 728 ff., in der Überschrift: Summa allen, was er zu sieben unterschiedlichen Malen genommen hat: 26 florin, 11 batzen, 9 schilling. Mitteilung an die Stadt: A 10/9, fol. 878, 13.05.1579. Witwe: A 10/9, fol. 879, 15.05.1579. 185 A 10/9, fol. 880 f. Die Urfehde erfolgte am 21.05.1579. Am 27.05.1579 , fol. 882, verhängte die Universität eine Strafe über seine Helfer: Poena consortium Seyfried: Qui participes fuerunt ... increpati et ad modestiam adhortati dimittuntur. 186 A 13 /1, 21.10.1588, fol. 1021 ff., Andreas Heinzman hat dem Propst zu Allerheiligen 50 Gulden entwehrt und genommen, erkannt: soll dem Propst angezeigt werden, und der soll entscheiden, wie weiter zu verfahren sei. A 10/10, fol. 767 f., 26.10.1588. Auch hier wurde auf die Entscheidung des Geschädigten gewartet, und dieser setzte sich sogar für den Täter ein, bat um seine Freilassung. Darauf die Universität: Man well den Gefangenen soviel möglich dißer fürbitt gemeß laßen. Man khünde aber disen nit weiter verweisen, dann allein von der Vniuersitet excludieren vnd zuo der Statt außziehen

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Zweiter Teil: Die Ausübung der Strafgewalt

Dem Studenten Laurentz Erb warfen die Inquisitions- und Senatsprotokollen latrocinium also Raub, Bedrohung und Beleidigung vor.187 Aber selbst er kam glimpflich davon, was er vor allem den Fürbitten seines einflußreichen Onkels, des Abtes von St. Peter, verdankte. Am 01.12.1563 befaßte sich die Universität ausführlich mit dem Fall: Refert dominus Rector: Als der abt zuo St. Peter vernomen das seines bruoder sun Lorentz Erb noch im Kerker bekümbere er sich fast seye darüber krank worden, bitte die Vniuersitet fründtlich, Man solle ine ... weitter hie in der stat wonen vnd bleiben lassen ...188

Dies kam allerdings nicht in Betracht, hatte doch das Opfer des Überfalls, M. Peter Bellersheimer die Universität wissen lassen, wenn Erb nicht ausgewiesen werde, wolle er die Stadt verlassen, dan er werde sich seins leben vor diesem erben nit verhuötten es stand kurtz oder lang werde er in umbbringen. Außerdem forderte Bellersheimer Schadensersatz wegen der Verwüstungen, die Erb in seinem Haus angerichtet hatte und Tertio hab der Erb ine fast geschmächt iniuriert vnd gescholten begert keer vnd wandel nach seiner Eheren notturfft.

Diese Formulierung könnte auf eine criminale Injurienklage hindeuten, die ihm die Universität aber ausredete, weil Erb nicht ernstzunehmen sei: soll die Iniurii nit achten seye von diesem mensch nit gescholten. Hinsichtlich der Bestrafung beschloß die Universität, an ihrem zuvor gefällten Urteil, Erb nach einem Monat carcer aus der Stadt zu verweisen, festzuhalten. Vnd dem Abt anzuzeigen, die Vniversitet hab in disem sein wol verschonet, Vnd ime wol bedacht, sunst würde man disen sein vettern dem bischoff von Costanz als maleficiorum Judicii geschickt haben, dan er maleficium vnd als viel als ein Latrocinium begangen ...

heißen. Es folgte die Entscheidung über die Strafe: Ist dem Gefangenen Zehen kronen für den begangnen frevel vfferlegt. 187 Inquisition A 13/1 (LI2), fol. 133-139, am 05.11.1563, lecta 07.11.1563, A 10/9, fol. 104: Laurentz Erb hat sich understanden M. Peter Bellersheim umb leib vnd leben zuobringen, hatt in erstechen oder erschießen wellen, die thür ufftreten ... Der Abt zuo St. Peter, deßen verwandter laßt die Universitet bitten man welle in nit Excludieren sunst mag er leiden, das man in ander weg genougsame straff fürnemem. Decretum: Dißer Erb soll ein monat im Kerker ligen, darnach ein vrphed schweren. Man will in nit Relegieren, dem abt anzuzeigen, das er im sunst, so bald erder fengknus erlediget hienweg neme. 188 A 10/9, fol. 106 f., Dominca Adventis (01.12.)1563.

§ 3 Behandlung malefitzischer Sachen

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Außerdem sollte er M. Bellersheim den Schaden ersetzen, und weil er keine Reue zeigte, zwei weitere Wochen im carcer liegen.189 Da Erb zunächst keine Bürgen stellen konnte, erfolgte die Entlassung erst im Januar, nach über zwei Monaten Haft.190 Zusammenfassend ist festzuhalten, daß sich die Verhängung einer peinlichen Strafe gegen Universitätsangehörige im Untersuchungszeitraum nicht nachweisen läßt,191 obwohl entsprechend schwere Delikte vorkamen. Voraussetzung für die Universität, auf eine an sich gebotene Auslieferung nach Konstanz zu verzichten, war neben Fürbitten offensichtlich eine gerichtliche oder private Einigung von Täter- und Opferseite, auf die im Gebiet des Privatrechts näher eingegangen wird.192

189

So dan soll er alle ding in dem haus durch ine Zerbrochen bezalen, Vnd dweil der Erb im Kerker nochmals vernemen laßt, Es rewe in nit das er diß gethan, wolt das er beßer arbeit gemacht hette ..., soll er noch 14 tag ligen vnd ehe dan er härauß kombt bürgschafft geben. von Erbs Reuelosigkeit wußte der Senat auch aus einer Inquisition, A 13/1, fol. 138, ein Student hörte ihn sagen: es rewe in nit das er dem presidenten eins ins maul geben, Vnd er wollte gar gern im kerker ligen ... 190 A 10/9, fol. 111, 03.01.1564/08.01.1564. Tractatum est denuo de Laurentio Erb adhuc incarcerato. Et quandoquidem non habeat fideiussores, dimittendus est nihilominus, datis tamen pro more literis abiuratae Ultionis, ... Emissus est autem die 8 Januarii. 191 Inwieweit diese überhaupt vom Bischof hätte verhängt werden können, ist wegen des Grundsatzes ecclesia non sitit sanguinem ohnehin fragwürdig. 192 Vierter Teil § 3 II. 2. Dort wird auch der Versuch einer Wertung unternommen, d).

Dritter Teil

Das Verfahren vor dem Consistorium ... alle acta consistorialia und gerichts handlungen In ein besunder buch mitt vleiß zu registrieren ...1

§ 1 Literatur und Quellen I. Literaturübersicht Obwohl Stein in seiner Monographie über die akademische Gerichtsbarkeit hervorhob, daß alle deutschen Universitäten neben der Disziplinargewalt auch die volle Zivilgerichtsbarkeit inne hatten, äußerte er sich nur kurz zur Zuständigkeit und zu Verfahrensregeln.2 Das Übersichtswerk steht mit seiner stiefmütterlichen Behandlung des privatrechtlichen Tätigkeitsfeldes der Universitätsgerichte nicht allein, beschränken sich doch viele – auch neuere – Arbeiten von vornherein auf Disziplinar- und Strafrecht.3 Insofern bildet Stefan Brüdermann4 beinahe eine Ausnahme: In seiner umfassenden Betrachtung des studen1 A 14/1, fol. 289, 13.01.1552. Mit diesen Worten begann ein neuer Schreiber jeweils seine Aufzeichnungen in den Consistorialprotokollen. 2 Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 60. Er meinte allerdings, dass die abgeschlossene Lebensführung der Magister und Scholaren thatsächlich die rein geschäftlichen Beziehungen zu Bürgern zur Seltenheit gemacht haben mag, eine Ansicht, welche die Consistorialprotokolle als Irrtum entlarven. S. 71 äußerte er sich zum Verfahren, S. 109 zum disziplinären Charakter der Zivilgerichtsbarkeit unter dem Aspekt der Kreditedikte. 3 Dies trifft für alle größeren Arbeiten über die Freiburger Universitätsgerichtsbarkeit zu: Maack, Grundlagen des studentischen Disziplinarrechts; Meroth, Disziplinar- und Strafgerichtsbarkeit der Universität Freiburg im 19. und 20. Jahrhundert. Auch die Magisterarbeit von Kim Siebenhüner befaßt sich mit diesem Themenkreis. In seinem Aufsatz Die akademische Gerichtsbarkeit in alter und neuer Zeit erwähnt Klotz zwar die Zuständigkeit für Civilrechtsstreitigkeiten, legt aber den Schwerpunkt ebenfalls auf das Disziplinarrecht. 4 Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert. Obwohl auch bei ihm der Schwerpunkt auf dem Diszplinarrecht liegt, S. 100, der Zivilprozeß war in der Gerichtsbarkeit über Studenten nur selten von Bedeutung.

§ 1 Literatur und Quellen

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tischen Lebens in Göttingen behandelt er unter anderem verschiedene Aspekte des Schuldenmachens, Injurienklagen, Alimentationsprozesse und Schadensersatzklagen. Auch bei Peter Woeste bilden privatrechtliche Fragen in den Kapiteln schuldrechtliche Forderungen, Injurien und Fornicationsfälle wichtige Teile seiner Untersuchung. Aus der älteren Literatur ist vor allem die Arbeit von Karl-Eugen Hohl aus dem Jahr 1944 zu nennen, die sich mit allen drei Tätigkeitsfeldern der akademischen Gerichtsbarkeit an der Universität Tübingen auseinandersetzt.5 Neben Forschungen zur Universitätsgeschichte waren schwerpunktmäßig Werke zum frühneuzeitlichen Zivilverfahren heranzuziehen, wobei sich vor allem die Literatur zum gemeinen Zivilprozeß aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die sich ausführlich mit älteren Quellen auseinandersetzte, als wertvolles Hilfsmittel erwies.6 Das Hauptgewicht neuerer verfahrensrechtlicher Forschungen liegt eher bei den höchsten Reichsgerichten, dem Reichskammergericht und dem Reichshofrat.7 Die dort gewonnen Erkenntnisse stellen allerdings nur einen Orientierungsrahmen dar, denn am Freiburger Universitätsgericht war weder die Zahl der Fälle noch ihre Komplexität vergleichbar. Folglich waren Untersuchungen über Untergerichte, die leider weniger zahlreich sind, stärker einzubeziehen.8 Als fruchtbar haben sich Vergleiche mit dem Neuen Freiburger Stadtrecht von 1520 erwiesen. Es wurde von Ulrich Zasius,9 einem Professor der Rechte 5

Hohl, Die akademische Gerichtsbarkeit in Württemberg. Insbesondere Wetzell, System des gemeinen Civilprocesses, 3. Auflage 1878. Daneben aber auch: Briegleb, Einleitung in die Theorie der Summarischen Processe, 1859. Bayer, Vorträge über den gemeinen ordentlichen Civilproceß, 1856. Danz, Grundsaeze des gemeinen, ordentlichen, bürgerlichen Prozesses, 1791; derselbe, Grundsaeze der summarischen Prozesse, 1798. Für das kanonische Prozeßrecht ist die neuere (1974) Darstellung von Budischin, Der gelehrte Zivilprozeß in der Praxis geistlicher Gerichte des 13. und 14. Jahrhunderts im deutschen Raum, hilfreich. 7 Vgl. u.a. Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495 bis 1555; Sellert, Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat im Vergleich mit den gesetzlichen Grundlagen des reichskammergerichtlichen Verfahrens. Auch die entsprechenden Artikel im HRG rekurrieren häufig auf die höchsten Gerichte. 8 Besonders hervorzuheben ist die Untersuchung über Basel von Hans Rudolf Hagemann, die sich allerdings auf das Spätmittelalter konzentriert. 9 Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg im Pryszgow gelegen, Neudruck mit Artikelzählung, Einführung und wertvollem Register von Gerhard Köbler. Zasius’ Autorenschaft steht inzwischen wieder außer Zweifel, vgl. Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 51 f.; Köbler, Nüwe Stattrechten, S. XIX; Rowan, Zasius, S. 128: Few legal documents of the size have so individual a personality, and the personality throughout is that of Ulrich Zasius, speaking on behalf and in persona of the Freiburg town council. Er weist daneben, S. 134, auf den Einfluß des 6

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

der Juristischen Fakultät, als gelungene Synthese von einheimischem und römisch-kanonischem Recht geschaffen. Zasius’ Doppelstellung – einerseits Professor und Beisitzer im Consistorium, andererseits städtischer Syndikus – ließ es besonders reizvoll erscheinen, der universitären Praxis das Neue Stadtrecht gegenüberzustellen. Mit der Durchsetzung und Bewährung des Neuen Freiburger Stadtrechts befaßt sich die Dissertation von Wendt Nassall. Bei ihm steht allerdings nicht die Gerichtspraxis im Mittelpunkt, sondern die Anwendung der Stadtrechtsreformation als Gesetz. Dazu ordnet er den einzelnen zivilrechtlichen Vorschriften der ersten beiden Traktate Beispiele aus der Rechtsprechung des Stadtgerichts zu.10 Dieser Aufbau ist zwar wenig leserfreundlich, bietet aber als eine Art Kommentar zum Neuen Freiburger Stadtrecht einen wertvollen, Vorschrift für Vorschrift nachschlagbaren Vergleich mit der Praxis. II. Quellenbericht und Quellenerfassung Für diesen Teil der Untersuchung wurde aus den Protokollbänden des Consistoriums, die im Universitätsarchiv im Bestand A 14 lagern, ein Teil zur Untersuchung ausgewählt. Die Fülle des Materials machte diese Einschränkung unumgänglich. Laut Bestandsübersicht des Archivs umfaßt A 14 0,3 Meter in 6 Einheiten, von 1548 bis 1636.11 Die ersten beiden Foliobände reichen von 1548 bis 1580. Band eins (1548-1558) umfaßt 448 handgeschriebene Seiten,12 Band zwei (1561-1580) ist nur bis Folio 90r einseitig paginiert. Vom Umfang her machen die Seiten bis Folio 90r etwas mehr als ein Drittel des Bandes aus, der ein wenig dicker ist als der erste Band. A 14/2 ist im hinteren Teil stark

Rates hin, der seine Vorstellungen of governmental patriarchal control im Stadtrecht durchzusetzen wußte. 10 Nassall, Freiburger Stadtrecht. Er verwendet zur Kommentierung der Vorschriften des Zivilprozeß- und Vertragsrechts Fallbeispiele aus den Gerichtsprotokollen der Jahre 1554-56, 1563-66, 1575, 1585, 1595. Da es ihm nicht um eine Darstellung der Praxis geht, findet sich leider keine Übersicht über die Häufigkeit einzelner Klagen oder andere Auswertungen der untersuchten mehreren tausend Entscheidungen. 11 Im IG spricht Locher von drei Bänden acta consistorii, die laut Schaub, Geschichte des Archivs, S. 473, 1925 noch vorhanden waren. 12 A 14/1 wurde durchgehend nachträglich paginiert. Dabei beginnt die Zählung auf der ersten beschriebenen rechten Seite mit 1, es sind jeweils die rechten Seiten mit ungeraden Zahlen beschrieben. A 14/2 ist bis Folio 90r im Original paginiert, bis Folio 16r gibt es A 14/1 entsprechende Seitenzahlen, die mit Bleistift angebracht wurden. Diese Zählung beginnt zwei Blätter vor der Originalnummerierung: auf Seite eins finden sich stichwortartige Angaben, auf welchen folii sich bestimmte Klagen befinden, auf Seite drei stehen die Formeln für Kalumnien- und Zeugeneid. Seite fünf entspricht Folio 1r, Folio 16r damit der Bleistiftseitenzahl 37.

§ 1 Literatur und Quellen

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verbunden, die chronologische Reihenfolge der Eintragungen läßt sich nur schwer feststellen, da bei den Datumsangaben die Jahreszahlen fehlen und es keine Seitenzahlen mehr gibt.13 Erfaßt wurden die Aufzeichnungen vom 20.10.1548 bis 13.11.1557, der gesamte Band A 14/1, sowie die Eintragungen in A 14/2 vom 05.07.1561 bis zum 07.04.1571, jeweils 20 Semester.14 Das Material wurde nach Semestern unterteilt, nach der Zeiteinheit, die schon damals das Leben der Universität bestimmte. Auch für das Consistorium bedeutete der Beginn eines neuen Semesters einen Einschnitt, weil zum 1. Mai und zum 1. November ein neuer Rektor und neue Beisitzer gewählt wurden. Zudem lassen sich so Parallelen zu den semesterweise nach Rektoraten zusammengefaßten Immatrikulationszahlen herstellen. In den 20 Semestern, zu denen A 14/1 Aufzeichnungen enthält, wurden 436 Prozesse vor das Gericht getragen, in die ersten 20 Semester von A 14/2 fallen 455 Klagen. Die Zeiträume von jeweils fast 10 Jahren und die Zahl von 891 Verfahren ermöglichen einen repräsentativen Ausschnitt aus dem Gerichtsalltag, bei dem viele rechtliche Konflikte bis zum ihrem Ergebnis verfolgt werden können. Nachdem ein erster Überblick über den Inhalt der Quellen gewonnen war, wurde ein Raster erstellt, um die wesentlichen Informationen über die Konflikte Termin für Termin erfassen zu können. Die Notare legten keine eigenen Einzelakten für die jeweiligen Fälle an, sondern erstellten fortlaufende Aufzeichnungen aller Verfahren gemeinsam, gegliedert nach den Consistoriumsterminen.15 Neben den Daten der Sitzungen sind die wichtigsten Informationen die Namen von Kläger und Beklagtem, da sie die einzelnen Fälle identifizieren. Sie dienten auch den Zeitgenossen zur Orientierung, wurden sie doch vom Schreiber am Rand notiert, um einen Prozeß auffinden zu können. Natürlich geschah dies nicht immer, teils fehlt eine solche Randglosse völlig, teils findet sich nur ein Name. Dazu kommen die für die frühe Neuzeit typischen Varianten der 13

Im Einband stellt ein Archivar des Jahres 1843 fest, daß bestimmte Blätter an eine andere Stelle, weitere wiederum in Band drei gehört hätten, der von 1577 bis 1593 reicht. 14 A 14/1: Sommersemester 1548 – Wintersemester 1557/58. Da die Aufzeichnungen für das erste und letzte Semester nicht komplett überliefert sind, entsprechen 20 Semester nur etwas mehr als neun Jahren. Auch aus A 14/2 wurden die ersten 20 Semester, Sommersemester 1561 bis einschließlich Wintersemester 1570/71, untersucht. Die Erfassung von A 14/2 wurde mit dem Ende des Wintersemesters 1570/71 abgebrochen, begonnene Prozesse nicht weiterverfolgt. Dies entspricht dem in A 14/1 durch die Quelle vorgegebenen Muster: Der Folioband endet abrupt, etliche Fälle werden nicht zu einem Abschluß gebracht. 15 Insofern handelt es sich bei den Consistorialprotokollen um Serienakten, in denen die einzelnen Handlungen der aktenführenden Stelle, des Universitätsgerichts, chronologisch aufgezeichnet wurden.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Namensschreibweisen. Zuweilen war ein gewisser Spürsinn erforderlich, wenn z. B. eine Person plötzlich Agricola statt Paur oder Molitor statt Miller genannt wird oder ein Handwerker mal unter seinem Nachnamen, mal unter der Berufsbezeichnung geführt wird, die bei einem Bäcker bheck oder zur Abwechslung auch pfister lauten kann. Doch ließ sich über weitere Angaben zum Prozeßgegenstand fast immer eine eindeutige Zuordnung treffen.

§ 2 Rahmenbedingungen des Verfahrens I. Vorbilder und Quellen des Verfahrensrechts Einige generelle Parameter, in denen sich das Verfahrensrecht der akademischen Gerichte bewegt, ergeben sich aus der inneren Struktur der Universitäten. Die Sprache der Hohen Schulen war Latein, ihre juristischen Fakultäten pflegten und verbreiteten das kanonische und römische Recht und an ihnen lebten und lehrten viele Kleriker. Insgesamt waren die Universitäten in mancher Hinsicht von kirchlichen Formen beeinflußt. All dies läßt ein gelehrtes, auf Grundlagen des römischen und kanonischen Rechts beruhendes Zivilverfahren erwarten. Schon die Existenz umfangreicher Gerichtsprotokolle stützt diese Vermutungen. Will man aber über diese Ebene der Gemeinplätze hinausgehende Aussagen treffen, stößt man auf Schwierigkeiten, weil die meisten Universitäten, darunter auch Freiburg, keine expliziten Regelungen des Gerichtsverfahrens kannten. Schon Friedrich Stein stellte fest: Man begnügte sich meist damit, die schleppenden Formen des canonischen Prozesses abzulehnen und eine schleunige Jusitz mit den seit der Clementina Saepe stereotyp gewordenen Worten, es solle simpliciter et de plano, sine figura et strepitu judicii vorgegangen werden, oder auch nur die Beschleunigung mit der allgemeinen Anordnung eines summarischen Verfahrens anzustreben.16

Wie sahen die schleppenden Formen des kanonischen Prozesses und das summarische Verfahren nach der Clementina Saepe aus, die hier als Gegenpole aufgezeigt werden, zwischen denen sich die akademischen Gerichte mit ihrem Verfahren bewegten?

16 Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 71 f. Auch wenn die Überschrift des Kapitels, aus dem dieses Zitat stammt, allgemein Die Rechtspflege lautet, bezieht sich die von Stein erwähnte Clementina Saepe auf den römisch-kanonischen Zivilprozeß.

§ 2 Rahmenbedingungen des Verfahrens

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1. Formen des gelehrten Prozesses in der frühen Neuzeit a) Ordo solennis iudiciarius im kanonischen Prozeßrecht Zum formellen Prozeßgang hatte sich durch die kanonische Praxis, die ihrerseits auf römischem Recht basierte, schon im 12. Jahrhundert ein vollständiges System von Regeln ausgebildet, ein sehr genau bestimmter, strenger ordo judiciarius oder judiciorum.17 Zu seinen Hauptmerkmalen zählten Schriftlichkeit, Verhandlungsmaxime sowie ein System fester Termine. Obwohl die Verhandlungsmaxime den Parteien großen Spielraum einräumte, sollten die Prozeßhandlungen in logischer Reihenfolge stattfinden, was durch die sogenannten Substantialtermine gewährleistet wurde. Die schriftlich eingelegte Klage enthielt zunächst nur Rechtsbehauptungen. Erst nach der Litiskontestation, mit der der Beklagte die Klage zurückwies und seine Bereitschaft zum Rechtstreit bekundete, brachte der Kläger die klagbegründenden Tatsachen vor, wobei er den Sachverhalt in einzelne Positionen untergliederte. Auf diese Einzelpunkte antwortete der Beklagte und über bestrittene Tatsachen wurde Beweis erhoben. Da keine Eventualmaxime galt und Appellationen gegen alle gerichtlichen Entscheidungen – auch Beweisurteile – möglich waren, gestalteten sich die Prozesse häufig langwierig. b) Clementina Saepe und Summarischer Prozeß Schon bald versuchte man, das sowohl schwerfällige als auch kostspielige reguläre Verfahren zu vereinfachen und zu verkürzen. Diese Bemühungen führten zum summarischen Prozeß, der durch eine Dekretale Clemens’ V. aus dem Jahr 1306, die sogenannte Clementina Saepe,18 päpstliche Billigung und Ordnung erfuhr. In der juristischen Wissenschaft bürgerte sich später die Unterscheidung zwischen unbestimmten und bestimmten summarischen Verfahren ein, da die neu entwickelten speziellen Formen des Exekutiv-, Arrest-, und Mandatsprozesses19 nach einer eigenen Kategorie verlangten. Obwohl die weltlichen Gerichte die Regeln zur Vereinfachung und Beschleunigung übernahmen und weiterentwickelten, blieb die Hauptquelle für 17 Briegleb, Summarische Processe, S. 15, charakteristisch war die Abfolge einer Reihe von Substantialterminen, die auf die volle Ausnutzung aller Verteidigungsmittel ausgerichtet waren und die Möglichkeiten richterlicher Prozeßleitung einschränkten. Zur Praxis vgl. Budischin, Zivilprozeß geistlicher Gerichte. 18 Clementina Saepe de verb., sign. d. i. cap. 2. Clem. 5, 11; abgedruckt bei Briegleb, Summarische Processe, S. 27 f. 19 Buchda in HRG 1, Gerichtsverfahren, Sp. 1556.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

den unbestimmten summarischen Prozeß das kanonische Recht, namentlich die Clementina Saepe. Sie enthielt spezielle Vorschriften darüber, welche Handlungen und Formen weggelassen werden durften.20 Im einzelnen waren laut der päpstlichen Dekretale vor allem mündliche Vorträge zuzulassen; der Richter durfte Fristen und Termine abkürzen und zusammenlegen, außerdem sollte er in jeder Lage des Rechtsstreits zur Aufklärung der Sache geeignet scheinende Fragen stellen. Die Verhandlungsmaxime blieb allerdings ebenso unangetastet wie die grundsätzliche Abfolge der Rechtshandlungen.21 Eine Litiskontestation war nach dem Wortlaut der Dekretale nicht erforderlich, heißt es doch ausdrücklich litis constestationem non postulet. Das Beweisverfahren hingegen unterschied sich kaum vom ordentlichen Prozeß: Non sic tamen judex litem abbreviet, quin probationes necessariae admittantur,22 es blieb also bei der vollen, materiell unverkürzten Kognition. Allerdings war der Richter angehalten, einen Termin zur Produktion aller Beweismittel festzusetzen.23 Der Regelungsgehalt dieser Bestimmung wurde freilich im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlich rezipiert. Briegleb gelang es, eine deutliche Divergenz zwischen dem tatsächlichen Inhalt der Dekretale und dem Ablauf des in späterer Zeit oft formelhaft angeordneten Verfahrens nach der Clementina Saepe aufzuzeigen.24 Gerade im 17. und 18. Jahrhundert herrschte eine naturrechtliche

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Bayer, Summarische Processe, S. 17. Bayer, Summarische Processe, S. 121 f.; Der Richter mußte die Anträge und petita der Parteien beachten und dem Angegriffenen volle Verteidigung gestatten. Auch auf die förmliche Ladung zu Beginn des Verfahrens sollte nicht verzichtet werden: citationem vero per commissionem hujusmodi intelligimus non excludi. Vgl. auch Danz, Summarische Prozesse, S. 12. 22 Zwar wurde beim Zeugenbeweis manchmal auf die Einteilung in Artikel verzichtet, allerdings gestattete auch die Clementina aus Rücksicht auf das Herkommen Beweisartikel und Positionen, Bayer, Summarische Processe, S. 125 f. Der Beschleunigung diente die Aufforderung, eine überflüssige Häufung von Zeugen zu verhindern: testem superfluam multitudinem refraenando. 23 Erst mit dem Jüngsten Reichsabschied von 1654 wurde diese Forderung auch für den regulären Prozeß aufgestellt. 24 Briegleb, Summarische Processe, S. 69 f., 119. Obwohl sein Werk, wie er selbst im Vorwort zugestand, etliche Polemik enthielt, die gar in rechtspolitischen Vorwürfen gegen historische Institutionen gipfelte, (gerade am Reichskammergericht und seinen Gerichtsordnungen ließ er kaum ein gutes Haar, S. 113 f.), nahm er doch insgesamt geschichtliche Entwicklungsprozesse deutlicher in den Blick als andere Autoren seiner Zeit. So widmete er der Rezeption und dem historischen Wandel des summarischen Prozesses nach der Clementina Saepe ein eigenes Kapitel, in dem er nach verschiedenen Zeitabschnitten differenzierte. S. 80 merkte er kritisch an, der von Bayer und anderen Autoren beschriebene summarische Prozeß unterscheide sich kaum vom zeitgenössischen regulären Prozeß. Der Grund sei die Entwicklung des regulären Verfahrens hin zur Beschleunigung und Vereinfachung, welche die kritisierten Autoren ausblendeten, 21

§ 2 Rahmenbedingungen des Verfahrens

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Interpretation vor, welche die Dekretale lediglich als Grundlage eines summarischen Prozesses nach der Natur der Sache betrachtete, der mit den Worten sine strepitu ... umschrieben und angeordnet wurde. Diese Formel bezog sich dann nicht auf die Einzelbestimmungen der Clementina Saepe, sondern meinte schlicht einen beschleunigten Prozeß, in dem als überflüssig betrachtete Formalien nach richterlichem Ermessen entfallen konnten.25 c) Älterer Kameralprozeß (bis zum Jüngsten Reichsabschied 1654) Die Reichskammergerichtsordnungen, die von 1495 bis 1555 in größerer Zahl ergingen, normierten den römisch-kanonischen Zivilprozeß in seiner ordentlichen, schwerfälligen Form. Bei der RKGO von 1555 handelt es sich um das vollständigste Zivilprozeßrecht des heiligen römischen Reiches deutscher Nation,26 bildlich gesprochen ist sie der normgewordene ältere Kameralprozeß. Seine wichtigsten Grundsätze waren die Verhandlungsmaxime, die Schriftlichkeit und der Artikelprozeß,27 wobei die Formalien aus dem römischkanonischen Prozeß wie Litiskontestation, Kalumnieneid und Conclusio in causa – zumindest im 15. und 16. Jahrhundert – weitgehende Anwendung fanden.28

wenn sie eine Gegenüberstellung des regulären mit summarischen Verfahren nach der Clementina versuchten. 25 Geschildert beispielsweise Mitte des 17. Jahrhunderts bei Carpzov, Jurisprudentia forensis, I. 2. definitio 17. num. 2. 4. 7: Summarie proceditur absque strepitu judicii, hoc est quando pleraque, quae ad processum ordinarium spectant, negliguntur, ac sola facti veritate inspecta proceditur. – Nam tamen putandum est, summarium processum adeo esse tumultarium, ut tractatione causarum nil observari oporteat; nec enim substantialia processus a jure naturali inducta omitti possunt, cum et in causis summariis aliqua esse debeat cognitio, etc. Noch Danz leitete Ende des 18. Jahrhunderts seine Darstellung mit folgenden Worten ein: über das Verfahren liefert das kanonische Recht eine sehr ausführliche Verordnung, welche vereint mit der Natur der Sache folgende Regeln bewährt ..., Danz, Summarische Prozesse, S. 11. Hervorhebung BB. 26 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 456. Der Gemeine Zivilprozeß, der bis ins 19. Jahrhundert das Verfahren vor Gericht bestimmte, entwickelte sich erst im 17. Jahrhundert durch die Umgestaltung des reichsgerichtlichen Zivilprozesses durch den Jüngsten Reichsabschied unter dem Einfluß des sächsischen Prozesses, vor allem durch die Einführung der Eventualmaxime. Buchda in HRG 1, Gerichtsverfahren, Sp. 1558; Sellert in HRG 5, Zivilprozeß, Sp. 1744. 27 Auch als Positionalverfahren bezeichnet, Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 457. 28 Vgl. Dick, Kameralprozeß, S. 14 f.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

2. Normative Quellen zum universitären Verfahrensrecht a) Freiburger Quellen Das Freiburger Consistorium besaß weder eine eigene Gerichtsordnung, noch enthalten die vorhandenen normativen Quellen detaillierte Regelungen zum Prozeßablauf. Hinweise finden sich im LSS, dessen vierter Abschnitt sich mit den Beisitzern des akademischen Gerichts befaßt. Zunächst beschreibt die Vorschrift ihre Wahl, dann folgen Bestimmungen zur Amtsführung, welche der Notar in der ersten Sitzung des neugewählten Consistoriums verlesen sollte.29 Dabei handelt es sich jedoch nicht um ausführliche Anweisungen, denn ihre Aufgabe wird lediglich mit Rectori assidere, dem Rektor beisitzen, umschrieben. Zur Streitbeilegung, so fährt der Text fort, ist eine gütliche Einigung anzustreben, während triviale Klagen vom Rektor sofort abgewiesen werden können.30 Anschließend wendet sich die Quelle der Festlegung der Sitzungstermine zu,31 und erst im nächsten Abschnitt findet sich eine konkretere Aussage zum Prozeßrecht selbst: In ipso deinde Iudicario processu Rector et Assessores communia Legum ac Iuris præcepta sequentur. In constituendis vero diebus quibus Reus actori satisfaciat, non obligabuntur ad communia intervalla; sed quod æquum videbitur definient.32

Beim gerichtlichen Prozeß folgen der Rektor und die Beisitzer den communia Legum ac Iuris præcepta. Bei der Festsetzung der Frist, in welcher der Beklagte den Kläger zufriedenstellen soll, sind sie aber nicht an die communia intervalla gebunden, sondern können bestimmen, was ihnen billig erscheint.

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A 4/6, LSS, Quartum: De Assessoribus Consistorialis ... Officium: Ad hos pertinet Rectori assidere, cum lis, seu actio controversa mota fuerit, de qua merito debeat in Judicio tractari; alioqui Rector sua authoritate partes conciliabit, aut dimittet. 30 Ganz ähnlich formulieren die AoR im Artikel 18 De Consistorio, seu foro Judiciale: Rector quoad licet, conabitur ut partes concilientur: nonullasque querelas, sua authoritate irritabit. Wo es möglich ist, versucht der Rektor, die Parteien zu versöhnen, andere Klagen weist er mit seiner Autorität ab. AoR, ed. König, Rectorat S. 77. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 41, übersetzt unrichtig und sich dabei in seiner Autorität nicht beirren lassen. 31 A 4/6, LSS, Sabbathi die horis pomeridianis. Die AoR weisen eine kleine Abweichung auf, ed. König, Rectorat, S. 77, 18. Postulante autem necessitate indicet per pedellum tam assessoribus, quam partibus diem Sabathi negotiosum, non festum: ut conueniant in loco destinati ore meridiana. Falls es aber erforderlich ist, läßt er durch den Pedell sowohl den Parteien als auch den Assessoren einen Samstag, der kein Feiertag ist, als Verhandlungstermin anzeigen, damit sie am bestimmten Ort zur Mittagszeit zusammenkommen. 32 A 4/6, LSS, Quartum: De Assessoribus Consistorialis ... Officium: 3. Absatz.

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Was haben wir unter communia Legum ac Iuris præcepta zu verstehen? Eine eindeutige Übersetzung dieses zentralen Terminus bereitet Schwierigkeiten: allgemeine Lehren der Gesetze und des Rechts? Ebenso denkbar wäre es, communis als „gemeinsam“ und praecepta als „Regeln“ oder „Vorschriften“ zu übertragen. Das Wort Ius bezeichnete laut Coing33 im Verständnis der damaligen Zeit die Gesamtheit aller Normen. Auf den ersten Blick wirkt die Formulierung der Statuten unbestimmt, fehlen doch näher kennzeichnende Schlüsselworte wie ius scriptum oder ius commune. Auch auf eine genauere Definition der leges verzichtet der Text. Dennoch ist der Assoziationsrahmen abgesteckt: Communia erinnert, auch wenn es sich grammatikalisch nicht auf Iuris bezieht, an Ius Commune,34 gemeines Recht. Wenn man communia nicht mit „allgemein“ übersetzt, könnte sich der Ausdruck in der Bedeutung gemeinsame Lehren auf die Synthese zwischen weltlichem und geistlichem Recht beziehen und den römisch-kanonischen Zivilprozeß umschreiben. Jedenfalls hatten die Statuten gelehrtes, universales Recht im Sinn, also römisches oder kanonisches Recht. Für diese Interpretation spricht – neben der anfangs formulierten fundata intentio, an Universitäten gelehrtes Recht zu finden – die Verwendung der Ausdrücke praecepta und leges sowie das Fehlen der Gegenbegriffe für städtisches oder von der Universität gesetztes Recht. Gestützt wird diese Vermutung durch den zweiten Satz, der eine Abweichung von den communia praecepta gestattet. Dem akademischen Gericht wird es freigestellt, sich bei der Fristbestimmung über die communia intervalla hinwegzusetzen und für die Befriedigung des Klägers eine Zeitspanne nach eigenem Ermessen festzulegen. Die (all)gemeinen Zeitabschnitte, diese Vermutung liegt nahe, beziehen sich auf das festgefügte Terminsystem des römischkanonischen Zivilprozesses. Mit der ausdrücklich angeordneten Möglichkeit der Fristverkürzung finden wir ein erstes Element der Prozeßbeschleunigung im Verfahren des Freiburger Universitätsgerichts. Der letzte Abschnitt aus dem oben zitierten Quartum: De Assessoribus Consistorialis ... Officium befaßt sich bereits mit einem speziellen Thema, der Befriedigung des Gläubigers durch Pfandgabe. Auch die im LSR 1581 enthaltene Bestimmung de iudicali processu behandelt vornehmlich Spezialfragen: Ladung und Ladungsungehorsam, sowie wiederum die Pfandbestellung durch Schuldner. Der letzte Teil der Vorschrift über Pfänder könnte allgemeiner Natur sein, dort heißt es: 33

Coing, Europäisches Privatrecht, S. 85 ff. Unter der Überschrift Grundbegriffe stellt er auch die anderen, im folgenden erwähnten Termini dar. 34 Coing, Europäisches Privatrecht, S. 7: Ius Commune ist das gemeinsame Recht der Länder West- und Mitteleuropas vom Spätmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Inhaltlich handelt es sich, vereinfachend gesprochen, um das römische und kanonische Recht; vgl. auch Thieme in HRG 1, Gemeines Recht, Sp. 1506.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium Etenim in his aliisque huc pertinentibus, vult Academicus Senatus observari omnia, quæ Iure communi sunt recepta. Ideoque etiam inhibet contentiones ac iurgia, quæ ad rem non pertinent, neque iuvant: sub mulcta Senatui arbitraria.35

Auch in andern Sachen will der Senat alles beachten, was durch das gemeine Recht aufgenommen wurde. Daher verhindert er auch Streitereien und Wortwechsel, die nichts zur Sache tun, unter Androhung einer im Ermessen des Senats stehenden Geldstrafe. Letzteres könnte die Grundlage für Ordnungsstrafen darstellen. In dieser Textstelle verwenden die Statuten ausdrücklich den Begriff Ius Commune, wenn auch im Bezug auf den Senat. b) Tübinger normative Quellen Da Statuten und Organisation der Universitäten von Freiburg und Tübingen auf Grund ihrer Verwandtschaft Ähnlichkeiten aufwiesen, soll kurz auf die verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die in den ersten Tübinger Statuten von 1477 enthalten waren, eingegangen werden. Die Freiburger Praxis wird sich an vergleichbaren Grundsätzen orientiert haben. Obwohl die normativen Quellen der Universität Tübingen einige Regelungen zum Prozeß enthalten, kann auch dort von einer umfassenden Verfahrensordnung nicht gesprochen werden.36 In einer Aufzählung der verschiedenen, primär rechtlichen Aufgaben des Rektors der Tübinger Hohen Schule lesen wir: Et singulorum querelis, parvi sicut magni, pauperis sicut divitis, absque personarum acceptione, aut alia quacunque pervertente judicium affectione, coram se admittere, plene judicare, celeriterque atque gratis justitiam facere ...37

35 A 4/2, LSR 1581, XXV. De Iudiciali processu, 3. Absatz. Im ersten und zweiten Absatz ist die Rede von Rector et Assessores Academici Iudicii, quod vocant Consistorium, bei der Ahndung von Fehlverhalten spricht die Vorschrift dann vom Senat. 36 Hohl, Die akademische Gerichtsbarkeit in Württemberg, S. 26. 37 Reyscher, Württenbergische Universitätsgesetze, S. 24 f. de officio et potestate rectoris ... Rursum rectoris officium sit, pro posse et nosse, tueri et observare privilegia, Statuta et ordinationes universitatis et iuxta ipsa juste judicare, [obiges Zitat] Abusores privilegiorum et transgressores ordinationum et statutorum unversitati propalare et juxta eorum consilium corrigere, et poenas exigere, literas quoque privilegiales et testimoniales iuxta ordinationem sigillare, Novitios intitulare, juramenta recipere, ... Übersetzung bei Teufel, Universitas Studii Tuwingensis, S. 255, Nr. 17. Ferner sei es die Aufgabe des Rektors, nach bestem Wissen und Können die Privilegien, Statuten und Ordnungen der Universität zu schützen und zu bewahren und gemäß denselben gerecht zu urteilen und Klagen jeder einzelner, seien sie groß oder klein, arm oder reich, ohne Ansehung der Person oder welch einer andern ein Urteil verderbender Gesinnung auch immer vor ihm zuzulassen und vollständig darüber zu urteilen und schnell und kostenlos

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Der Rektor soll Klagen, die durch Universitätsangehörige vorgebracht werden, unparteiisch, vollständig, rasch und kostenlos entscheiden. Während die meisten Adjektive auch im 16. Jahrhundert noch die angestrebte Rechtspflege umschreiben könnten, ist jedenfalls von kostenlos – wie der eigene Abschnitt Gerichtskosten zeigen wird – später nicht mehr die Rede. Vielleicht erwies sich erst nach einiger Zeit und mit wachsendem Geschäftsanfall, daß zumindest kostendeckende Gebühren unumgänglich waren. Von Anfang an wurden dem Gericht neben Unparteilichkeit auch Effektivität (plene) und Schleunigkeit (celeriter) als Leitlinien vor Augen gestellt. Nun folgt die Passage, die tatsächlich Bestimmungen über das Verfahrensrecht enthält: Et, ut evitetur vexationes et supposita universitatis a studio non distrahant, volumus et statuimus, ut omnes causae coram cis simpliciter et de plano, sine strepitu et figura judicii tractentur, partesque per se vel procuratores verbo duntaxat proponant et non scripto Nisi causa huiusmodi communi existimatione, quiquaginta florenorum excederet valorem, extunc enim si partes aut earum altera petierit, strepitum Juris admittimus.38

Und, damit Quälereien (körperliche Strapazen) vermieden und die Untergebenen der Universität nicht vom Studium abgehalten werden, wollen und setzen wir fest, daß alle Angelegenheiten in einfacher Weise, auf ebener Erde und ohne lärmende und förmliche Verhandlung behandelt werden, die Parteien selbst oder durch Bevollmächtigte, selbstverständlich nicht schriftlich, sondern mündlich ihre Meinungen vortragen, wenn nicht nach allgemeiner Schätzung die Angelegenheit den Wert von 50 Gulden überschreitet. Alsdann lassen wir, wenn die Parteien oder eine derselben es beantragen wird, eine förmliche Gerichtsverhandlung zu. Die Quelle bestätigt Steins Behauptung der Anordnung des summarischen Prozesses mit den Schlagworten aus der Clementina Saepe.39 Simpliciter et de plano, sine strepitu et figura judicii soll an der Universität Tübingen verhandelt werden und folglich mündlich. Allerdings normie-

Recht zu sprechen, Mißbrauch der Privilegien und Übertretungen der Ordnungen und Statuten der Universität offenbar zu machen und gemäß deren Beschluß zurechtzuweisen und Strafen zu verhängen, Privilegienbriefe und Beweisurkunden ordnungsgemäß zu siegeln, Neuankömmlinge einzuschreiben, Eide abzunehmen, ... 38 Reyscher, Württenbergische Universitätsgesetze, S. 25, de officio et potestate rectoris. Übersetzung bei Teufel, Universitas Studii Tuwingensis, S. 256, Nr. 18. Auf die Stelle Bezug nehmend, Hohl, Die akademische Gerichtsbarkeit in Württemberg, S. 28. 39 Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 71. Er schließt den Abschnitt mit dem Satz: Dem gleichen Zwecke diente auch das Verbot der Schriftlichkeit und der Prokuratoren. Wie die Stelle aus den Tübinger Statuten zeigt, handelte es sich dort jedenfalls nicht um ein absolutes Verbot des schriftlichen Verfahrens, und Vertreter waren zugelassen.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

ren die Tübinger Statuten sofort eine Ausnahme von dieser Regel, nämlich die Zulässigkeit des schriftlichen Verfahrens ab einer gewissen Streitwerthöhe. II. Merkmale des Verfahrens in der Praxis 1. Schriftliches oder mündliches Verfahren? Am Freiburger Consistorium wurde, wie auch die Tübinger Statuten es beschreiben, grundsätzlich mündlich prozediert.40 Selbst wenn die Parteien von sich aus Schriftsätze einreichten, bestand das Consistorium auf mündlicher Verhandlung: vermög einer schriftlich eingelegten clag, welche das Consistorium, als wann die mundtlich beschehen angenommen ...41

Nach einer derartigen Umdeutung einer Klageschrift in einen mündlichen Vortrag, die in der Praxis keinen Einzelfall darstellt, ermahnte das Gericht die Parteien meistens, von nun an mündlich zu prozedieren, wie es der Brauch an diesem löblichen Consistorium sei.42 Die Tübinger Regelung sah vor, ab einer Streitwertgrenze von 50 Gulden auf Antrag der Parteien ein schriftliches Verfahren zu gestatten. Diese Möglichkeit existierte in Freiburg auch, wobei hier jedoch keine feste Wertgrenze, sondern die Bedeutung des Falles sowie seine Komplexität als Maßstab herangezogen wurden. Ein Beklagtenanwalt forderte in diesem Sinne, Sytenmal beschehne clag, schwär, tunckel, wytläuffig vnd ettwas befinstert wär, Sölt der cläger rechtlich angehalten werden, sin clag in geschrifft fürzubringen, damit er derselben dester komlicher vnd stattlicher mit antwurt begegnen mög.43

Das Consistorium entsprach diesem Antrag, dieweil die sach äben wichtig und groß und ließ schriftliche Klage und Antwort zu. 40

Selbstverständlich wurde auch darüber ein zusammenfassendes Protokoll geführt. A 14/2, fol. 94r, 27.01.1571. Cordula Eckhbergerin, weylund herrn Joseph Rhören saligen dienerin, klagte mit ihrem Prokurator M. Heinrich Duocher gegen D. Jacob Bilonius als Erben Joseph Rhörens auf 69 Kronen Arbeitslohn. 42 So legte auch bei der Klage des verwundeten Stadtknechts Wägelin der Klägeranwalt die Klage schriftlich ein. Das Gericht erteilte der Gegenpartei zwar eine Abschrift, entschied aber gleichzeitig soll aber hernach mündlich procediert werden ... A 14/2, fol. 31v, 20.06.1562. 43 A 14/1, fol. 17, 15.12.1548. Hans Neff der Pfister hat durch Johann Gebwein sinen erloupt fürsprecher, ein lange, wyte vnd vmbschweyffende clag wider Philippium Kraus, einer wundthat halb, fürtragen lassen. 41

§ 2 Rahmenbedingungen des Verfahrens

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Die Argumente gegen ein schriftliches und damit langwierigeres Verfahren werden besonders eindringlich in einem Fall aus dem Jahr 1549 vorgetragen. Die Magd Elisabeth Sutterin bezeichnet den Studenten Jacobus Maurer als Vater ihres Kindes und verlangt, daß er das kindt nheme oder Unterhalt zahle. Der Beklagtenanwalt M. Jacob Plaw möchte den Prozeß schriftlich führen, weyl die Sach wichtig weitleuffig und ouch seinem principal [Mandant] an seiner ehren nitt wenig nachteilig. Außerdem könne er beim schriftlichen Verfahren seinen Mandanten leichter auf dem Laufenden halten. Hiergegen repliziert der klägerische Anwalt, würde man die Klägerin, die gut arm fraw ... zwingen ir sach in Schrifften darzethun, dan sie ein arme dienstmagt [und] hette nietz, und vermechte solchs nit und wurde dadurch also umgefürtt, und gar an bettelstab gericht werden.44

Da dem Gericht die Vollmacht Plaws zweifelhaft erscheint, kann erst eine Woche später fortgefahren werden. Dann entscheidet das Consistorium interloquendo trotz der Schwere und Schwierigkeit des Falles auf mündliche Verhandlung: Plaw soll unangesehen seines begerens auff die eingefürte clag mündtlich antworten und den krieg Im recht beuestigen.45 In anderen Fällen war das Gericht durchaus bereit, Ausnahmen zu gestatten, selbst wenn der Prozeß eine schriftliche Verfahrensführung nicht per se notwendig erscheinen ließ. Dies geschah zum Beispiel in der Klage des Wirtes zum Salmen, Herrn Wiprecht Lintz, gegen Dr. Martin Weiß.46 Am 27.02.1552, mehr als einen Monat nach Beginn des Verfahrens, beantragt Hans Stör als Anwalt des nicht mehr in Freiburg wohnhaften Beklagten das schriftliche Verfahren, domit er zu Jeden Zeiten seynem principaln möcht die sachen wie die beschaffen zuschicken, die weil er hie kein advocaten hath. Das Gericht gibt diesem Antrag statt: Haben die Herren gesprochen, das schriftlich repliciert werden soll.47 In einem anderen Fall wich das Consistorium von der mündlichen Prozeßführung ab, weil der Beklagte als ein gallus die clag nit verstat.48 Am Freiburger Consistorium bestand zwischen mündlichem und schriftlichem Verfahren also ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, wobei die Entscheidung 44

A 14/1, fol. 163, 16.11.1549. A 14 /1 , fol. 165, 23.11.1549. Zuvor hatte Elisabeth Sutterins Anwalt die Befürchtung geäußert, sie welten die gut arm fraw also lang umher ziehen, daß sie die hendt ober dem kopf müß zusammen schlagen. Zu diesem emotional aufgeladenen Fall siehe auch Vierter Teil § 4 II. 1. 46 Das Verfahren begann am 21.09.1551 mit der ersten Citation, A 14/1, fol. 281 f., nach der dritten Citation reagierte der Beklagte am 16.01.1552 und ließ sich auf die Klage wegen Schulden ein. 47 A 14/1, fol. 296, 27.02.1552. 48 A 14/1, fol. 381, 13.07.1555. 45

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

im Ermessen des Gerichts stand, das in seiner Praxis Flexibilität in beide Richtungen bewies. Ob es nun gerade das Fehlen einer Prozeßordnung war, das eine solche Offenheit ermöglichte, läßt sich nicht sagen, da es noch nicht genügend Untersuchungen über die Implementierung von Prozeßordnungen in der frühen Neuzeit gibt. Im summarischen Prozeß versuchte man, die Zahl der Schriftsätze gering zu halten, und, soweit möglich, mündlich zu verhandeln.49 Auch das Neue Freiburger Stadtrecht normierte das Verhältnis von mündlicher und schriftlicher Verhandlungsführung in ähnlicher Weise, dort sollte schriftlich nur in schwerwiegenden Angelegenheiten prozediert werden: Es mag auch einer sin sach so vern die schwer und etwas daran gelegen ist / schriftlich oder mündlich darthuon / aber in mittelmessigen und kleinfügigen hendeln sol mündtlich procediert werden / vnd die erkantnuß allweg zu vns vnd dem gericht stan / wenn es mündtlich oder schrifftlich zu zelassen sey.50

Letztlich wird die Frage nach den Wurzeln einer Verfahrensweise mit der Aufdeckung dieser Parallelen nur auf eine andere Ebene gehoben, weil das Freiburger Stadtrecht selbst eine Mischung aus städtischem und römischkanonischem Recht ist.51 Der Grundsatz des mündlichen Verfahrens diente jedenfalls auch der rascheren Abwicklung der Prozesse. 2. Sitzungsablauf: Die Audienz Die jeweils unter einem Sitzungstermin zusammengefaßten Klagen sind nicht im gesamten untersuchten Material gleich angeordnet. Im ersten Folioband A 14/1 erscheint jeder Fall pro Termin nur einmal, alle Rechtshandlungen und Entscheidungen in einer Sache wurden hintereinander aufgezeichnet. Im Gegensatz dazu trennte der Schreiber am Anfang von A 14/252 Petitiones und 49

Danz/Gönner, Summarische Processe, S. 10: Summarisch nach Natur der Sache sind die meisten Streitigkeiten vor Untergerichten, so weit sie nicht verworren oder wichtig sind; S. 12, man bedient sich im summarischen Prozeß, wo möglich, protokollarischer Verhandlung, um weitschweifige Communicationen abzuschneiden. 50 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 54, I. Tractat, VIII. Titel Von klag gegen klag vnd antwurt wie die geschehen sollen, 4. In schweren sachen mag schrifftlich gehandelt werden. Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 93. 51 Zur Frage der Ursprünge und Quellen des Freiburger Stadtrechts gibt es etliche Arbeiten, die teilweise konträre Positionen beziehen. Im Bezug auf die ausnahmsweise Gestattung des schriftlichen Verfahrens meint Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 65, das Freiburger Stadtrecht hänge hier noch dem älteren mündlichen Verfahren an, die rein schriftliche Praxis des Reichskammergerichts sei nicht rezipiert worden. 52 Ab fol. 13v werden auch in A 14/2 unter einem Datum wieder alle Parteihandlungen und Gerichtsbeschlüsse, die in einer Sache ergingen, zusammengefaßt.

§ 2 Rahmenbedingungen des Verfahrens

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Sententia, Parteihandlungen und gerichtliche Entscheidungen, die er nacheinander protokollierte: Erst führte er alle gestellten Anträge aus sämtlichen im entsprechenden Termin verhandelten Fällen auf. Unter diese mit Petitiones überschriebene Kategorie wurden auch Rechtshandlungen wie die Vorlage von Beweisartikeln oder Litiskontestationen gefaßt. Anschließend notierte er die Gerichtsbeschlüsse zu allen Anträgen.53 Diese Art der Aufzeichnung entspricht dem Ablauf des Kameralprozesses: Bei der Audienz genannten gemeinsamen Verhandlung mehrerer Klagen zog sich das Gericht immer wieder zur Beratung über sämtliche Anträge zurück, die en bloc gestellt werden mußten.54 Die unterschiedlichen Aufzeichnungsformen bedeuten aber keine Änderung im der Ablauf der Gerichtsverhandlungen. Verschiedene Aspekte stützen die Vermutung, daß immer in der Audienzform des Kameralprozesses verhandelt wurde, auch wenn die Notare die Protokolle in der Regel anders, nämlich zusammengefaßt und geordnet, aufzeichneten. Ein erstes Argument hierfür sind Äußerungen, die von M. Jacobus Raßler in den Inquisitionsprotokollen überliefert sind. Im Jahr 1564, aus dem dieses Verhör stammt, war der Notar in A 14/2 wieder zur Aufzeichnungsform, bei der alle Rechtshandlungen eines Falles hintereinander aufgeführt wurden, übergegangen. Er hab ... gehört, das D. Apollinaris Burckhardus Lautherisch vnd das er sich etwan deßhalben seltzamer Reden in lectionibus vernemen laße, derwegen er sagend uff einen sambstag einmaln als er vor dem Consistorio gewesen und zuogeloßt, vnd als man abtretten, seye er bedacht worden, bis man die partheyen wiederumb für das Consistorium beruöffe, ein wenig hinauf für das auditorium zu gehen vnd zuozelosen, was doch er doctor Apollinaris sage, ...55

Raßler nutzte die Zeit, in der die Prozeßbeteiligten darauf warteten, wieder vor das Consistorium gerufen zu werden, um seine Neugierde über die ketzerischen Reden eines Professors zu befriedigen. Wenn sich das Gericht nach den Anträgen immer wieder zur Beratung zurückgezogen hätte, würde dies auch erklären, warum es zu seinem Ärger manchmal vorkam, daß Antragsteller fortgingen, bevor über ihr Begehren entschieden worden war. So liest man im Protokoll vom 20.02.1552, die Kläger seien weggegangen, ohne die Antwort des Gerichts abzuwarten. Darum wird beschlossen, sie, wenn sie mit ihrem

53

Diese Art der Aufzeichnung, bei der die einzelne Verfahren in einem Sitzungsabschnitt mehrfach vorkommen, ist für den Leser recht mühsam. Sie erschwert die quantifizierenden Datenerfassung, zumal die Reihenfolge der Verfahren in einem Termin nicht immer eingehalten wird. 54 Zur kammergerichtlichen Audienz vgl. Dick, Kameralprozeß, S. 83-87. 55 A 12/2 (LI1) fol. 574r, Inquisition am 17.04.1564.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Begehren wiederkommen sollten, unverrichteter Dinge heimzuschicken.56 Dies geschieht am 19.03.1552 dann tatsächlich: Uf anrüffen Gabriel Waffenschmid Kremer umb ein citation auch Cunradt Wolff, Scherer und bürger allhie contra Johannes Schellenkopff ... Ist erkennt die weil sy vormals auch ein citation begert und der sentenz nit erwartet, sind on angezeigt hinweg gangen, das sy jetzund auch Irer bitt nit gewert, und aber so sie verner anrüffen, soll inen was recht ud billich erthailt werden.57

Eine Woche später erhalten Waffenschmid und Wolff endlich die erste Citation.58 In einem anderen Fall liest man nach einem Gerichtsentscheid: diße urtheyl ist nit geoffnet worden, abwäsens halb des clägers und Hans Stören [des Klägeranwalts], deßhalb soll Stör Hansen gesagt werden, wann er fürhin mehr also hinweg gan, und der urtheil nit warten, werd er geburlich darumb gestrafft werden.59

Beide Beispiele stammen aus dem ersten Aktenband A 14/1: Man muß daher annehmen, daß sich der Notar die Mühe machte, die in mehreren Abschnitten verhandelten Einzelsachen zusammenzufassen.60 Das Freiburger Stadtgericht hielt seine Sitzungen ebenfalls auf diese Weise ab: Im neuen Stadtrecht wird eine Strafe von 3 Schilling für Personen festgesetzt, welche die Gerichtsverhandlungen vor der Urteilsverkündung verlassen.61 Auch in der Gerichtsordnung von 1580 findet sich eine Bestimmung zu diesen Vorgängen, die deutlich macht, daß das gleiche Problem wie vor dem Universitätsgericht gemeint war: Es solle auch ein jeder, der vor gericht zue schaffen hat, bey vorgemelter straaff der 3 ß der urthel abwarten. Item wann daß gericht gesessen ist, und die parteyen ir sach und handlung durch ire fürsprechen und redner, wie sich gepeürt fürbringen,

56

A 14/1, fol. 296. A 14/1, fol. 299. 58 A 14/1, fol. 306, 26.03.1552: Uff begern Gabriel Waffenschmid und Cunradt Wolff ist Inen citatio prima ertheilt worden contra Johannen Schellenkopf ... 59 A 14/1, fol. 9, 17.11.1548. 60 Das umgekehrte Vorgehen, eine Zeit lang die zusammen verhandelten Einzelfälle auseinanderzuziehen, wäre nicht nur arbeitsaufwendig, sondern auch sinnlos, da es das Nachlesen und Nachschlagen einzelner Fälle erheblich kompliziert. Dies bedeutet auch, daß es sich bei den Consistorialakten um Reinschriften handeln muß, denn sonst wäre eine fortlaufende Aufzeichnung nicht möglich. 61 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 38, I. Tractat, II. Titel Von den ungehorsami, 8. welcher on erloupt vom Gericht gat; vgl. auch Nassall, Neues Stadtrecht, S. 44. 57

§ 2 Rahmenbedingungen des Verfahrens

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und man daß erstemahl abdritet, und darauf zum ersten mahl die urthlen eröffnet hat ...62

Wie bei der ausnahmsweisen Schriftlichkeit der Prozesse könnte also auch hier das Vorbild des consistorialen Gerichtsgebrauchs im Freiburger Stadtrecht zu suchen sein. 3. Auftreten von Sachwaltern a) Gewalthaber und Prokuratoren Im Rahmen seiner Ausführungen zum universitären Verfahrensrecht behauptete Stein, an den akademischen Gerichten seien Prokuratoren verboten gewesen, um den Prozeßverlauf zu beschleunigen.63 Für das Freiburger Consistorium trifft dies keineswegs zu, im Gegenteil: auf Kläger- und Beklagtenseite traten ganz selbstverständlich Sachwalter auf. In den Akten des Untersuchungszeitraums stoßen wir auf eine Zäsur: Aus dem Jahr 1567 ist ein Beschluß der Universität in den Senats- und Consistorialakten überliefert, mit dem sie das Amt der Universitätsprokuratoren einführte. Es haben die Herrn der Universitet für guott angesehen, das man hienfür etliche gewüße procuratores habe, So dem herrn Rector deßhalben geschworen, durch welche auch alle die sachen im Consistorio sollen fürtragen werden. Seind derowegen uff diß mal zwen Jurati procuratores angenommen, M. Heinrich Duocher und M. Conrad Schrag.64

Nach diesem Erlaß vertraten bis zum Ende des Untersuchungszeitraums tatsächlich fast nur noch die erwähnten Magister Duocher und Schrag Parteien vor

62

Zitiert nach Nassall, Neues Stadtrecht, S. 7. Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, S. 71 f. Wie wir gesehen haben, stimmt diese Aussage auch für die Tübinger Universität nicht. 64 A 14/2, fol. 79v, 12.08.1567. Randglosse: Procuratores Consistorii. A 10/9, fol. 249, 08.08.1567. Vgl. dazu Ruth, Personen- und Ämtergefüge, S. 45 f. Er zitiert aus den Senatsprotokollen, in denen der gleiche Beschluß auf Latein notiert wurde: visum est dominis ut in universitatis consistorio duo vel tres certi habeantur procuratores, artium magistri vel alii iuris studiosi affigendum est, ut si aliqui sint qui iurati procuratores esse cupiant sese domino rectori significent. Ruth vermutet, diese Prokuratoren hätten eine Mittelstellung zwischen echten Universitätsbeamten und den nur ad hoc zu berufenden Rechtsvertretern der Universität eingenommen. Es muß allerdings klargestellt werden, daß die Prokuratoren keinesfalls die Universität, sondern ausschließlich Parteien vertraten. 63

230

Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

dem Consistorium.65 In der davorliegenden Zeit herrschte eine größere Vielfalt, vor allem bedienten sich die Parteien, die nicht der Universität angehörten, mit Vorliebe städtischer Sachwalter.66 Zudem wurden diese noch nicht durchgehend als Prokuratoren, sondern auch als fürsprecher, redner, gewalthaber oder anwelt bezeichnet.67 Die Funktion der Sachwalter schien noch nicht scharf umrissen zu sein, sondern bewegte sich zwischen bloßem Stellvertreter der Partei und rechtskundigem Berater. Mit der Beschränkung auf zwei geschworene Prokuratoren endeten die vielfältigen Bezeichnungen, und wahrscheinlich trat eine gewisse Professionalisierung ein. Schließlich studierten die späteren procuratores consistorii, die Ruth in seinen Biogrammen aufführt, in der Regel an der juristischen Fakultät.68 Da es jedoch weder vor noch nach dem Erlaß einen Vertretungszwang gab, stoßen wir immer wieder auf Parteien, die selbst vor Gericht handelten.69

65 Vgl. hierzu Dritter Teil § 3 IV. 1. a). Neben Duocher und Schrag tritt nur noch der spätere Notar M. Georg Brunner ab dem 26.08.1570, fol. 92r, in zwei Fällen auf. 66 Als Anwälte für Freiburger Kläger traten häufig auf Johann Gebwein (auch Gäbwein, Gewein), Hans Neff und Hans St(h)ör, A 14/1, fol. 2, 20.10.1548, der Ersam Hans Stör als procurator Baruch Schott; fol. 291, 16.01.1552, M. Hans Stör fürsprech alhie produciert ein gewalt. Sie sind weder in den Martikeln oder in Ruths Biogrammen zu finden. Universitätsangehörige überließen ihre Vertretung zu Beginn des Untersuchungszeitraums häufiger M. Johann Ulrich Beitzer, A 14/1, fol. 154, fol. 261, vgl. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, Anhang, S. 11: später Dr. jur. und M. Jacob Blaw (auch Plaw, Blau). 67 A 14/2, fol. 21r, 24.01.1562, Dominus J. Hartung will den Hendschuochsheimer [Beklagter] vertreten und M. J. Molitor in procuratore subsituieren ... Zwüschen Mathis Huober ... vnd ... Hartung als anwalt Johann Hendschuochsheimers ... A 14/1, fol. 311, 07.05.1552, wird Johann Kercher als redner des städtischen Klägers bezeichnet. A 14/1, fol. 441, 18.09.1557, und A 14/2, fol. 11v, 15.11.1561 traten Andres Früvff bzw. Jacobus Wursteisen als Gewalthaber für Freiburger Bürger auf. A 14/1, fol. 187, 14.12.1549, finden wir Hans Gewein als procurator oder redner, fol. 187 wird er (im gleichen Fall) als anwalt bezeichnet. A 14/1, fol. 366, 31.07.1554, M. Georg Alman erschienen als anwald und die herren aus seiner eigenen bekanntnus erfunden, das er noch nit 25 Jar alt und zu der anwaldschafft untauglich. Das Freiburger Stadtrecht verwendet eine eigenwillige Terminologie: Der VI. Titel des ersten Traktats befaßt sich mit Gewalthabern, die auch als anwelt bezeichnet werden, der VII. Titel mit Fürsprechern, für welche die Synonyme Redner und Advokat gebraucht werden, obwohl Advokaten normalerweise nicht vor Gericht auftraten. Vgl. Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 61 f. Bei den Gewalthabern scheint es sich um normale Stellvertreter zu handeln, die Fürsprecher hingegen nahmen die Funktionen von Prokuratoren wahr. 68 Ruth, Personen- und Amtergefüge, Teil II, Biogramme. 69 A 14/1, fol. 366, 31.07.1554, bestimmte das Gericht ausdrücklich, die Parteien sollten durch sich selbst oder taugliche procuratorn handeln.

§ 2 Rahmenbedingungen des Verfahrens

231

b) Advokaten Die gemeinrechtliche Unterscheidung zwischen Prokuratoren, die als Vertreter vor Gericht auftraten und Advokaten, welche die Schriftsätze verfaßten, stammt aus dem kanonischen Recht.70 Advokaten tauchen in den Akten nur selten auf, weil sie nicht vor Gericht erschienen. Hin und wieder gibt es dennoch Hinweise auf ihre Tätigkeit für Parteien, die am Consistorium prozessierten. In einer Kostenaufstellung lesen wir: Item dem Herrn advocat vie sein gehapte mhie und arbeith dieser handlung 3g.71 Da der vor Gericht auftretende Prokurator des Klägers gesondert erwähnt wird – Item Hansen Gebwein als anwalt fir sein gehapte arbeith in dieser Handlung 2 g – belegt diese Stelle, daß die Consistorialakten der klassischen Terminologie folgen. Auch in anderen Fällen lassen sich Prokurator und Advokat nebeneinander nachweisen: Am 27.02.1552 beantragte Prozeßanwalt des Beklagten, Hans Stör, ein schriftliches Verfahren, domit er ... seynem principaln möcht die sachen wie die beschaffen zuschicken, die weil er hie kein advocaten hath.72 Eine genaue Aussage darüber, wie oft sich die Parteien eines Advokaten bedienten, ist auf Grund dieser Quellenlage allerdings nicht möglich. Wenn sich ein Unterzeichner der überlieferten Schriftsätze feststellen läßt, handelte es sich zumeist um den vor Gericht auftretenden Beistand der Parteien. Trotz der terminologischen Unschärfe kann man vermuten, daß damit vor dem Universitätsgericht bereits die Entwicklung einsetzte, an deren Ende Prokuratoren in der Regel auch die Schriftsätze verfaßten.73 Dennoch mag die Beschränkung auf zwei geschworene Prokuratoren einige Parteien dazu bewogen haben, sich einen Advokaten zu nehmen, den sie frei wählen konnten.

70

Döhring, Rechtspflege, S. 119 ff. Zur abweichenden Terminologie des Freiburger Stadtrechts vgl. oben a). 71 A 14/1, fol. 257, 12.07.1550, auch unten bei Prozeßkosten, Dritter Teil § 5 II. 1. 72 A 14/1, fol. 296. Das Consistorium folgte diesem Antrag: die herren haben gesprochen, das schriftlich repliciert werden soll. 73 A 14/1, fol. 51. Ab 1557 konnten und sollten die Prokuratoren am Reichskammergericht auch die Aufgabe der Advokaten übernehmen, also sowohl die Schriftsätze verfassen als auch vor Gericht auftreten. Auch an den unteren Gerichten verwischte sich die Unterscheidung im Laufe des 16. Jahrhunderts. Buchda in HRG 1, Anwalt, Sp. 184 f.; Döhring, Rechtspflege, S. 121.

232

Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

c) Der Sachverstand der Sachwalter Eine wichtige Quelle für die Rechtskenntnis der Praktiker ist die populäre Literatur des römisch kanonischen Rechts in Deutschland.74 Am Waldt führte in seiner 1588 erschienenen Streitschrift über die Mißstände des zeitgenössischen Prozesses beredte Klage über den mangelnden Sachverstand der so ausgebildeten Prokuratoren: Aber sie ... wöllen lang nicht für ungeschickt gehalten werden / sondern vermeynen / sie wissen auß irem Pernerder eben so vil oder mehr / als offt mancher der etlich Jahr auff den Academiis und hohen Schulen in den Rechten gestudiert ...75

In Wahrheit, so schrieb er weiter, fehlte es so manchem aber an elementarsten Kenntnissen, was zur Verschleppung der Verfahren und Konfusion vor Gericht führe. Doch auch Am Waldt schloß sein Pamphlet mit einer Darstellung des gerichtlichen Prozesses wie er in gemeinen geschriebenen Bäpstliche und Keyserlichen Rechten gegründet und jetziger zeit in Teutschland vblich / aufs kürzest mit allen seinen Substantialien in Reimen verfaßt. Sicher wurden entsprechende Werke auch von Freiburger Sachwaltern konsultiert. Vor dem Consistorium traten schließlich – vor dem Prokuratorenerlaß – nicht nur Studenten der Rechte auf, sondern auch Angehörige anderer Fakultäten76 und von städtischer Seite u.a. ein Tuchscherer und Zunftmeister. Alles in allem sollte man die juristische Bildung aus der Anschauung, die ein Sachwalter durch häufiges Auftreten vor Gericht erwarb, nicht gering schätzen.77 Für viele der einfacheren Fälle, wie sie vor einem Untergericht verhandelt wurden, waren ihre praktischen Kenntnisse des Gerichtsgebrauchs mehr als ausreichend.

74

Stinzing, Deutsche Rechtswissenschaft, 75 ff., 559 ff. Man denke nur an Sebastian Brants Laienspiegel und Klagspiegel. Große Wirkung erzielte auch Abraham Sawr, der in Marburg als Advokat und Hofgerichtsprokurator lebte, mit seinen Sammelwerken, u.a. über den Eid. Zur großen Bedeutung der ungelehrten und halbgelehrten Juristen im deutschen Rechtsleben vgl. Döhring, Rechtspflege, S. 290 f. 75 Am Waldt, Gerichts Unordnung, Der dritt Tractat / von den Juristen, Aduocaten und Procuratorn, S. 2 f; beim Perneder handelt es sich wohl um den 1545 erschienenen „Gerichtlichen Prozeß“ von Andreas Perneder, ein anderes populäres Handbuch. Am Waldt bringt haarsträubende Beispiele: wie gar sie auf die Orthographiam nicht achtung geben. Dann es gilt ihnen gleich, sie sagen oder schreiben Phisparament oder Instrument ... Sprincifal oder Principal, Vos oder Dos, Phiphernal oder Paraphernal, Gus oder Ius ... 76 U. a. der spätere Medizinprofessor und fünfmalige Rektor Gallus Streitsteimer, A 14/1, fol. 109, 04.05.1549. 77 Döhring, Rechtspflege, S. 120, sie waren bloß geschäftskundig und hatten ihren Beruf von der Pike auf aus der Praxis gelernt. Schwierigere Schriftsätze sollte ein Advokat entwerfen.

§ 2 Rahmenbedingungen des Verfahrens

233

III. Ergebnis Zwar gibt es keine erschöpfenden prozessualen Bestimmungen in den Freiburger Universitätsstatuten oder gar eine eigene Verfahrensordnung für das Consistorium, aber die vorhandenen Quellen deuten – wie anfangs vermutet – auf einen gelehrten, römisch-kanonischen Prozeß hin, der in manchen Fragen vom Freiburger Stadtrecht beeinflußt wurde. Das Fehlen universitärer Verfahrensordnungen im 16. Jahrhundert, als das Verfahrensrecht das eigentlich Neue im Rechtsleben78 war, ist bemerkenswert, weil es dem allgemeinen Trend widerspricht: Das Reichskammergericht erhielt immer neue Verfahrensordnungen, Städte und Länder entwarfen Reformationen, die große verfahrensrechtliche Teile enthalten.79 Ein häufiges Motiv dieser Regelungstätigkeit, die Aufnahme und Anpassung des römischen Rechts, entfällt an den vergleichsweise jungen Universitäten, die kein eigenes, gewachsenes Recht kannten. Ein anderer Grund für das Fehlen solcher Verfahrensordnungen mag die Präsenz gelehrter Juristen im Spruchkörper gewesen sein, für die der Rückgriff auf die Quellen, auf das von ihnen gelehrte römische und kanonische Recht selbstverständlich war. Obwohl sich in Freiburg – anders als an der Universität Tübingen – keine ausdrückliche Anordnung eines summarischen Prozesses mit den Schlagworten der Clementina Saepe findet, zeigt die gerichtliche Praxis Merkmale eines beschleunigten Verfahrens, wie die Zusammenlegung von Terminen und die Möglichkeit, Fristen zu verkürzen. Andererseits läßt sich manche verfahrensrechtliche Eigenart in der Rechtsprechung des Universitätsgerichts ebenso gut als Parallele zum oder Übernahme aus dem Neuen Freiburger Stadtrechts erklären. Nach dieser Lesart hätte das Vorbild eigene Regelungen obsolet gemacht. Da das Stadtrecht selbst eine Synthese aus altem städtischen und gemeinem, römisch-kanonischen Recht ist, überschneiden sich die möglichen Quellen in vielfältiger Weise. In dieser Gemengelage läßt sich der Ursprung einer Verfahrensweise oft kaum aufklären.80

78

Ebel, Goslarer Ratsurteilsbuch, S. 45, die Gerichtsordnungen, angefangen von den Verfahrensordnungen des RKG bis hin zu den zahllosen territorialen und städtischen Gerichtsordnungen, beherrschen das Feld der Gesetzgebung im 16. Jahrhundert. 79 Dies gilt auch für das Freiburger Stadtrecht: Der prozeßrechtliche erste Tractat enthält die meisten Titel. Nach dem Familien- und Erbrecht (dritter Tractat) ist er der umfangreichste, länger als die restlichen 3 Traktate zusammen. 80 Vor diesem Hintergrund kann Seiferts Bemerkung, hier liege kein erkennbares Problem, ohne Kommentar bleiben: Er begründet seine apodiktische Behauptung, das Ingolstadter Universitätsgericht habe als geistliche Instanz seine Verfahrensformen dem kanonischen Recht entliehen folgendermaßen: Auch der juristische Laie trifft bei der kursorischen Lektüre (sic!) des CIC Schritt für Schritt auf Bestimmungen, die von den Universitätsstatuten entweder ähnlich wiederholt oder offensichtlich vorausgesetzt wurden. Seifert, Universität Ingolstadt, S. 395.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Zudem läßt sich schwer sagen, wie denn genau eine „Rezeption“ des Stadtrechts oder des römisch-kanonischen Rechts am Consistorium abgelaufen sein könnte, weil explizite Begründungen oder die Bezugnahme auf Normen in den Akten kaum vorkommen. Zwar werfen diese Rechtsquellen immer wieder Schlaglichter auf die Praxis des Consistoriums, letztlich ist aber vielleicht gerade der Verweis auf einen amorphen, aber konsensualen Gerichtsgebrauch anstelle einer präzisen, der Subsumtion zugänglichen Rechtsgrundlage als Kennzeichen des universitären Prozesses anzusehen. Aus diesem Grund sollte man auf keinen Fall den Einfluß, den die am Gericht tätigen Menschen – seien es Professoren, Schreiber und vor allem Prokuratoren – auf den Ablauf des Verfahrens hatten, unterschätzen. Sie waren es schließlich, die den prauch dis löblich Consistoriums prägten, auf den zur Begründung von verfahrensrechtlichen Entscheidungen immer wieder verwiesen wurde. In gewisser Hinsicht stellt sich hier natürlich die nie zu beantwortende Frage nach Ursache und Wirkung: Argumentierten die Sachwalter in einer bestimmten Weise, weil sie dem Gerichtsgebrauch folgten, oder bildete sich der Gerichtsgebrauch, weil die beim Consistorium auftretenden Personen eine Vorbildung von anderen Gerichten und deren Prozeßordnungen mitbrachten?

§ 3 Von der Verfahrenseinleitung bis zur litis contestatio I. Ladung und Ladungsungehorsam

Man würde die Aufforderung, vor Gericht zu erscheinen, schwerlich für einen übermäßig komplizierten Vorgang halten, an dem sich noch dazu Sonderentwicklungen aufzeigen lassen. Doch für das Freiburger Consistorium täuscht diese Erwartung, denn die Untersuchung dieses Komplexes entpuppte sich als überraschend diffizil, und die Ergebnisse strahlen weit in andere Gebiete aus. Ein Phänomen und seine Erklärung ziehen sich wie ein roter Faden durch die Darstellung: In der Praxis des 16. Jahrhunderts lassen sich zwei unterschiedliche Ladungsarten, mündlich und schriftlich, beobachten. Obwohl es sich formal bei beiden um Vorladungen handelt, verfolgen und erreichen die Kläger mit den vom Gericht erlassenen schriftlichen Citationen Ziele, die über eine Aufforderung, zum Termin zu erscheinen, hinausgehen. Es bestehen also auf funktionaler Ebene erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Formen. Zugleich erweist sich die schriftliche Ladung als eine wichtige – vielleicht sogar die wichtigste – Aufgabe in den Gerichtsgeschäften. Beide Arten der Vorladung werden in den Akten in der Regel lateinisch als Citatio(n) bezeich-

§ 3 Von der Verfahrenseinleitung bis zur litis contestatio

235

net, daneben wird die eingedeutschte Verbform citieren häufiger verwendet.81 Als deutsches Äquivalent lesen wir, wenn auch seltener, eine Partei habe eine andere vertagt. 1. In der Anfangszeit der Universität: Citatus per rectorem Schon in den ersten Statuten des 15. Jahrhunderts beschreibt Matthäus Hummel die Aufforderung an Universitätsangehörige, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem Rektor zu erscheinen: Item quod si citatus per rectorem / vel vicerectorem pro tempore / non apparuit / [schwer lesbar] in tertio praefixo / prima vice puniat in duobus solidis denarios / secunda in quatuor solidis denarios / ... In tertio vero termino / si contumax iudicatus fuit / ... cum omnibus bonis suis / usque ad condigna satisfactos / actori / et universitati arrestu / quod si actori / et universitati hoc modo satisfieri non valeat / a vera universitate publice excludat82

Wenn ein vom (Vize)Rektor Geladener zum dritten festgesetzten Zeitpunkt nicht erscheint, wird er beim ersten Vorfall mit einer Geldstrafe in Höhe von zwei, beim zweiten Mal vier Schillingen belegt. Folgt er auch beim dritten Termin der Aufforderung nicht, wird er mit allen seinen Gütern zur angemessenen Befriedigung des Klägers und der Universität arrestiert. Falls er den Kläger und die Universität auf diese Weise nicht zufriedenstellen kann, wird er aus der Universität ausgeschlossen.83 Während die Passage zunächst offenläßt, vor welchem Gremium der citatus erscheinen soll, stellen die Erwähnung eines Klägers sowie der Befriedigung einer Schuld den Bezug zu gerichtlichem Vorgehen wegen ausstehender Forderungen her. Ebenfalls in diese Richtung weist die angedrohte Arrestierung des Geladenen und seiner Güter, die dem Wortlaut der Bestimmung nach sowohl der Befriedigung des Gläubigers als auch dem Strafinteresse der Universität dienen soll. In diesem Kontext läßt sich die eigentümliche Fristverdoppelung in tertio pfixo ... prima vice durch die 81

Diese synonyme Wortverwendung für beide Formen erschwerte zu Anfang die Differenzierung. Im Laufe des Aktenstudiums gewann die Verfasserin den Eindruck, das Substantiv bezeichne tendenziell eher die schriftliche Ladung, während die mündliche Einbestellung häufiger mit dem Verb ausgedrückt wurde. 82 A 10/1, fol. 9v-12v, Abschnitt 24. 83 Schreiber, Universität Freiburg, I. Theil, S. 35: Wer sich vor dem Rektor oder Vizerektor auf ergangene Ladungen, zur bestimmten Frist nicht stellt, zahlt zweimal Geldstrafe, das drittemal verfällt er mit Allem, was er besitzt dem Kläger und der Universität zur Haft; kann er auf diese Weise nicht genüge leisten, so wird er öffentlich relegiert. Mayer, Disziplinargesetze, S. 40, stellt excludat richtig: der Schuldner wird ausgeschlossen und nicht nur im Studium zurückgestellt.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

gemeinrechtliche Übung erklären, in Vorladungen jeweils drei Termine anzuberaumen und zu einer Frist zusammenzufassen. Nach C. 7, 43, 9 galt nämlich erst die dritte Ladung als peremptorisch, also als strafbewehrt. Allerdings war es dem Richter erlaubt, schon in der ersten Ladung eine dreifache Frist festzusetzen und diese dann zusammenfassend für peremptorisch zu erklären.84 Als Folge dreimaligen Nichterscheinens nennt Hummel zunächst die Arrestierung des Schuldners und seiner Besitztümer. Ob eine weitergehende Sicherung durch die Einsetzung der Gläubiger in die Güter – etwa in Form der gemeinrechtlichen missio in bona85 – erfolgen sollte, regeln die Statuten ebensowenig wie andere Einzelheiten des Verfahrens. Konnten die Forderungen endgültig nicht erfüllt werden, verwies man den Schuldner von der Universität und strich ihn aus der Matrikel. Mayer erklärte diese harte Reaktion vor allem mit der im beharrlichen Nichterscheinen liegenden Gehorsamsverweigerung,86 sei doch die oberste mit dem Immatrikulationseid beschworene Pflicht der Studenten Gehorsam gegenüber Weisungen des Rektors gewesen. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte daneben m.E. der Brauch anderer Gerichte, an denen Ladungsungehorsam der Gerichtsunterworfenen einen schweren Rechtverstoß darstellte. Richtig ist allerdings, daß bei den Universitätsausschlüssen im 16. Jahrhundert der Schuldner für periurie, meineidig erklärt wird, weil er der bei seinem Eid ausgesprochenen Aufforderung zu erscheinen nicht entsprach.87 Insofern stellte das Gericht tatsächlich eine Verbindung zum Immatrikulationseid her, der die Bande an die Universität knüpfte und die Zuordnung der Studenten zu ihrer Jurisdiktion begründete. 2. Im 16. Jahrhundert a) Ladungen durch den Pedell Im LSR 1581 gibt es eine Bestimmung zur Citation, die inhaltlich an die Regelungen aus dem 15. Jahrhundert anknüpft. Sie findet sich im Abschnitt über den gerichtlichen Prozeß und hat die Ladung vor das Consistorium zum Gegenstand. 84 Danz, Gemeiner Prozeß, S. 197; Zasius, Opera Omnia, I, S. 130: Actor per intervalla tribus vicibus citare debet et erit ultima citatio peremptoria ... 85 Vgl. dazu Wetzell, Civilproceß, S. 617. 86 Mayer, Disziplinargesetze, S. 40. 87 Formulierungsbeispiel: A 14/2, fol. 39v, 24.10.1569: [Wir] erklären ine, das er ... bei dem Eyd, so er uns als er von uns zuo einem studenten aufgenommen worden uff das heilig Evangelium geschworen, meineidig und schließen ine deshalb von unserer Universitet, derselben Matrikel und freyheiten gentzlich auß.

§ 3 Von der Verfahrenseinleitung bis zur litis contestatio

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Rector, et Assessores Academici Iudicii, quod vocant Consistorium, convenient, et de proposita lite diiudicabunt. Pridie autem eius diei, ante salutationis Deiparatis Virginis pulsum, citandae sunt partes; ut in loco destinato horâ constituta adsint.88

Es wird festgelegt, bis zu welcher Uhrzeit am Tag vor der Verhandlung die Ladung erfolgt sein muß. Der Artikel 18. De Consistorio der AoR erwähnt ebenfalls einen bestimmten Glockenschlag als zeitliche Grenze, bis zu welcher der Pedell im Auftrag des Rektors den Parteien (und Assessoren) die am nächsten Tag bevorstehende Gerichtssitzung ankündigen soll.89 Nach der Entschlüsselung eines zunächst kryptisch wirkenden Aktenverweises Lorichius’ in Königs Edition der AoR90 stieß ich auf einen Beschluß in den Senatsprotokollen aus dem Jahr 1552,91 der sich mit dieser Frage befaßt und den Punkt markiert, bis zu welchem Lorichius den in den AoR angegebenen Zeitpunkt zurückverfolgt hatte. Freilich vermitteln die Gerichtsakten den Eindruck, daß dieser Beschluß nicht in letzter Konsequenz befolgt wurde. So wendete 1563 der Beklagte Franz von Hatzfeldt ein, ime seye nit gester wie sunst in ordinariis consistoriis breuchlich, sunder erst heut vertagt worden, vermeint derhalb nit antwurtt zuogebn schuldig sein.92

Das Consistorium beachtete diese inred nicht und verhandelte in der Sache, fällte sogar ein Teilurteil. Möglicherweise lag jedoch ein Sonderfall vor, weil es sich um ein vom Kläger beantragtes consistorium extraordinarium handelte. In

88

A 4/2, LSR 1581, XXV. De iudicario processu, 1. Absatz. Ebenso A 4/6, LS 1618. AoR, ed. König, Rectorat, S. 77, 18. De Consistorio: ... Postulante autem necessitate [Rector] indicet per Pedellum, tam assessoribus, quam partibus ... Indictio fiat pridie, ante Salutationem Angelicam. Hier scheint – wie in den Statuten des 15. Jahrhunderts (citatus per rectore) – der Rektor die Aufgabe zu haben, die Citationen zu veranlassen. 90 Königs Edition: Actorum 5, fol. 367, 6. Es muß m.E. nicht „6“ sondern „b“ heißen, so bezeichnete nämlich Lorichius die Rückseite eines Blattes! Dies belegen verschiedene Angaben vor Beginn von A 10/9, dort finden wir öfters fol. 12 b, oder 119 lat. b, was jeweils die Rückseite meint – dafür spricht auch, daß fol. 79r als 79a bezeichnet wird. Zudem mußten die Unterschiede der Originalzählung mit den heutigen Signaturen in Betracht gezogen werden. Pars V der Senatsprotokolle entspricht A 10/7. 91 A 10/7 (Prot. Sen. Acad. Pars V.), fol. 712 = 367v, 11.09.1552: Infra quod tempus citandum: Quo ortum fuit dubium quo tempore vel infra quo debit pedellus citare partes ad consistoria, conclusum quod die veneris incipiente pulsum salutationis angelicae, wenn man In das salve leuthet neminem ad seque consistorium citari debet amplius. 92 A 14/2, fol. 55r, 17.07.1563. Es handelt sich um einen auf Antrag und Kosten des Klägers außer der Reihe abgehaltenen Termin: Hans Bathasar Rauch, so ein Consistorium umb einen guldin erkaufft, clagt nochmals zuo Frantzen von Hatzfeldt umb 51 guldin ... begert Zalung. 89

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

anderen Fällen ordnete das Gericht die Vertagung auf die nächste Sitzung an. Dies geschah im folgenden Beispiel: Petitiones: ... Matthis Weinzieher [Kläger] hatt befolhen, den Schreckenfuchs zuo citirenn, welches nit beschehen. Pedellus oblitus est. Weinzieher propterea petit à Pedello duos florenos ... Sententiae: ... Pedello wirtt gesagt, das er in seinem Officio vleißiger sey, nichts weiters vergeß, Vnd uff nechst den Schreckenfuchs Citire.93

Außer der Ermahnung des Pedells traf das Gericht keine Entscheidungen in der Sache, schließlich war allein der Kläger anwesend. Insofern hatte der Beklagte im zuerst erwähnten Fall vielleicht einen taktischen Fehler gemacht, indem er zur Sitzung gekommen war. Nachdem beide Parteien erschienen waren, sah das praktisch denkende Consistorium keinen Grund, den Prozeß nicht weiterzuführen. Die Erwähnung des vergeßlichen Pedells legt im Übrigen den Schluß nahe, daß die Ladung der Parteien, wie in AoR und Senatsprotokollen angedeutet – per Pedellum indicet bzw. debit pedellus citare – in der Praxis tatsächlich in seinen Aufgabenbereich fiel. Eine Beauftragung oder sonstige Mitwirkung durch den Rektor wird in den Akten nicht erwähnt, die Parteien konnten also direkt beim Pedell vorstellig werden. Offen bleibt in den Statuten die Frage, zu welchen Gerichtsterminen jeweils eine Ladung der Parteien erfolgen mußte. Nach den Fallbeispielen war dies jedenfalls nicht nur zu Beginn, sondern auch in fortgeschrittenen Stadien des Verfahrens der Fall. Im gemeinrechtlichen Prozeß war eine gesonderte Vorladung der Parteien immer dann erforderlich, wenn sich ihre Pflicht zu erscheinen nicht aus einem gerichtlich festgesetzten Termin ergab.94 Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde dies am Consistorium ebenso gehandhabt. Die oben zitierte Bestimmung aus dem LSR 1581 beschreibt auch die Konsequenzen des Ladungsungehorsams: Qui noluerit, contempseritque adesse, duobus [darüber, dünn, tribus; LS 1618 duobus] solidis mulctetur. Si et secundo pari petulantia abfuerit, duplum mulctæ prioris pendet. quod totum inter se partientur Rector eiusque Assessores.

Reagierte ein Aufgeforderter auf die Ladung nicht, so wurde er durch das Gericht für ungehorsam, lateinisch contumax erkannt. Für ein derartiges Vorgehen gibt es etliche Beispiele aus den Quellen. Die Contumaxerklärung erfolgte meist ad instantia oder deutsch auf Beger der Gegenpartei. In solchen 93

A 14/2, fol. 5r, 12.07.1561. Bsplw. zur Kundschaftseröffnung, Wetzell, Civilprocess, S. 901 und 922. Dem entspricht vermutlich die am Universitätsgericht auftauchende citation apud acta, A 14/2, fol. 81r, 13.12.1567. 94

§ 3 Von der Verfahrenseinleitung bis zur litis contestatio

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Fällen erfährt man aus den Akten häufig nicht, welches Anliegen der Kläger mit der Ladung im Grunde verfolgte,95 weil nur lapidar vermerkt wurde ist citiert und nicht erschienen, wird auf Anlang des Clegers contumax erklärt. Auch die Strafe von zwei Schillingen taucht vereinzelt in den Akten auf, in der Regel heißt es aber schlicht, ist contumax erkannt oder wird pro contumacie gestraft.96 Dabei scheint der zu zahlende Betrag nicht in jedem Fall der statutenmäßigen Strafe zu entsprechen. Allerdings lassen sich die Beträge nicht immer genau bestimmen, weil teilweise Gesamtsummen (Schulden, Botenlohn, Contumacia) ohne Nennung der Rechnungsposten gefordert werden. Nach dem dritten Ungehorsam sollte nach den Statuten die Einsetzung des Gläubigers in die Güter des Schuldners folgen: Qui autem citationem quoque tertiam contemptu habuerit; mittatur in eius bona Actoris possessum iuxta quantitatem adiudicati debiti.97

Dieses Vorgehen entspricht grundsätzlich dem Verfahren im gemeinen Prozeß.98 Die juristischen Feinheiten der missio in bona, wie die Besonderheiten bei Herausgabeklagen oder der Zeitpunkt des Ungehorsams vor oder nach der Litiskontestation,99 spielen in den Statuten keine Rolle. Sie äußern sich auch nicht zur Dauer der Einweisung und zur Frage, ob der Kläger vor dem Verkauf der Güter seine Klage beweisen muß. Vielleicht wären solche Regelungen in den Augen des Verfassers Haarspaltereien gewesen, denn eine Einsetzung in Güter eines ungehorsamen Schuldners kommt in den untersuchten Akten nur ein einziges Mal vor; noch dazu folgt sie nicht auf Contumaxerklärungen, sondern wird im Rahmen der Vollstreckung eines am Consistorium ergangenen Urteils angeordnet.100 Die Erklärung liegt in den besonderen Verhältnissen des 95 Etliche Fälle enden nach ein oder zwei Contumaxerklärungen ohne ein greifbares Ergebnis; diese Gruppe macht immerhin 7,7 % der Gesamtfälle aus, 8,3 % in A 14/1 und 7,3 in A 14/2; vgl. Anhang Bild 6-8. 96 A 14/1, fol. 254, 28.06.1550; fol. 265, 25.10.1550; fol. 268, 13.12.1550; A 14/2, fol. 3v, 05.07.1561; fol. 9r, 04.10.1561; fol. 27v, 11.04.1562. 97 A 4/2, LSR 1581, XXV. De iudicario processu. Ebenso A 4/6, LS 1618. 98 Am Waldt, Gerichts Unordnung: So aber Beklagter nicht erscheint / und keine ehehafften da seind / So er fürwendt als soll und mag / Der Kläger (wann anderst die Klag / Auff Güter gestellet ist) / von stund an auff ein Jares frist / in deß ungehorsamen Güter / gsetzt werden als ein verhüter. 99 Wetzell, Civilprocess, S. 614 f., zu dinglichen Klagen S. 615; Budischin, Zivilprozeß geistlicher Gerichte, S. 45 ff. Zur entsprechenden Regelung im Freiburger Stadtrecht, Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 56. 100 A 14/1, fol. 257, 31.01.1551: erkannth, das Schlebeck (Condemnatus) durch den Pedellen sein spruchvorderung und intereße der parthey und der Universitet, arrestiert werden und seine guoter so er hat hinder den Herrn Recor erlegt werden und cleger in dieselbig noch recht und pruch des Consistoriums eingesetz werde ... Hervorhebung

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

universitären Rechtskreises: Ein studentischer Schuldner, der sich einer Klage nicht stellen wollte oder zahlungsunfähig war, verließ wohl noch vor der dritten Ladung mit Sack und Pack den Einflußbereich des Consistoriums.101 Regelungsmechanismen aus dem Rechtsleben außerhalb der Universität funktionierten nicht, weil die universitären Schuldner102 meist keinen dauerhaften Wohnsitz oder schwer transportable Habe in Freiburg hatten, auf die Gläubiger und Gericht hätten zugreifen können. Die Passage schließt mit folgender Bestimmung: Sed et cætera eius bona inhibeantur, quamdiu negligit reddere mulctas, quæ ob contumaciam, seu pertinacem rebellionem ipsi iniunctæ sunt. Si vero non habeat, unde mulctas persolvat; pensabit easdem pœna carceris ad Academici Senatus arbitrium.103

BB. Nach dem Urteil wurde der Verurteilte (condemnatus) zwei Mal wegen der Nichtbefolgung des Richterspruchs contumax erkannt! Da das Consistorium auch bei abwesendem Kläger stets zur Sache verhandelte, folgte es jedenfalls nicht mehr deutschrechtlichen Grundsätzen, vgl. dazu Planck, Gerichtsverfahren II, S. 268 f. 101 In seltenen Fällen meldeten Gläubiger Anspruch auf zurückgelassene Güter an, woraufhin das Gericht allerdings keine Einsetzung aussprach, sondern einen curator für die Güter bestellte. Dieser setzte sich dann mit den Forderungen der Kläger auseinander. Vgl. A 14 /1, fol. 411, 24.10.1556: D. David Schmidlin als curator der verlassnen Güter Würtzgarters. Das ist auch der Hintergrund des Falls Schowman ./. Borer. Der Kläger hatte den Beklagten wegen einer Beleidigung vor das Hofgericht in Rottweil zitiert. Als er dreimal nicht erschien, wurde er dort in Acht und Bann getan und der Kläger in die Güter eingesetzt, A 14/1, fol. 137, Abschlußschrift des Klägeranwalts Hans Stör vom 17.08.1549. Als er dies für die in Freiburg befindlichen Gegenstände durchsetzen will, trifft er auf den Curator. Anfangs will er dies nicht akzeptieren und meint, die Universität müsse sein Urteil, die missio in bona des Rottweiler Hofgerichts, vollstrecken: dieweil nun das geistlich und weltlich schwärt einander rem iudicata zu exequiren beholffen sein sollenn vnd diese vniuersität von dem weltlichen richter güttigklich, wie sich geburt, darumb eruordert worden. fol. 55, 09.02.1549. Als ihm aber bedeutet wird, daß die Gläubiger zuvor in den curator verwilligt haben, sagt er, er könne sich nicht weiter sperren und reicht seine Klage ein. Sie beruht aber allein auf dem Spruch des Hofgerichts. 102 Es sind in der Regel die (fremden) Studenten und nicht die ortsansässigen Professoren, die Schulden machen. Hier wirkt sich die vom städtischen Durchschnitt abweichende Sozialstruktur der Rechtsunterworfenen aus: vor allem von Eltern abhängige, zu hohen Ausgaben neigende Scholaren (oder mittellose Stipendiaten) und angesehene Lehrer mit festem Einkommen. Bei den Citationsformularen ist dieser Regelfall so selbstverständlich, daß sie als formula citandi studiosos bezeichnet werden. 103 A 4/2, LSR 1581, XXV. De iudicario processu. Ebenso A 4/6, LS 1618.

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Die Güter des Schuldners werden arrestiert,104 solange er die Geldstrafen, die ihm wegen des Ladungsungehorsams von der Universität auferlegt wurden, nicht bezahlt hat. In den ersten Statuten diente der Sach- und Personenarrest ebenso wie die Ausschlußdrohung den Interessen des Gläubigers und der Hohen Schule. Da der LSR nun eine Befriedigung des Gläubigers durch die missio in bona vorsieht, bezieht sich die inhibitio nur noch auf die gegen den Schuldner verhängten Geldstrafen wegen des Ladungsungehorsams. In der Praxis verhängte das Gericht den Arrest auch auf Antrag von Gläubigern, wahrscheinlich weil dieses Sicherungsmittel bei Studenten generell mehr Erfolg versprach. Abschließend heißt es, wenn der Schuldner nicht genügend Geld hat, um die Strafen zu bezahlen, soll er diese nach Ermessen des Senats im carcer absitzen. Diese Vorschrift stellt einen Spezialfall der allgemeinen Regel dar, nach der eine Umwandlung einer mulcta in eine Haftstrafe möglich ist.105 Da als Grund für die Inhaftierung ausdrücklich die Ableistung der nichtbezahlten Contumazialstrafe im carcer genannt wird, handelt es sich nicht um Schuldhaft, bei der die Haft als Druckmittel genutzt wurde. Dennoch waren die Sicherung der Schuld und der handgreifliche Anreiz, sich um Geldmittel zu bemühen, ohne Frage erwünschte Nebeneffekte dieser Inhaftierung. Der Universitätsausschluß, der im 15. Jahrhundert als Folge des dritten Ladungsungehorsams genannt wird, taucht in dieser Regelung nicht mehr auf, vermutlich weil in der Praxis mündlich geladene Personen entweder erschienen oder die Stadt verließen, woraufhin eine andere Form der Citation gewählt werden mußte. Bei diesem alternativen Ladungsverfahren gegen Abwesende kam es durchaus vor, daß ungehorsame Schuldner aus der Universität ausgeschlossen wurden. Insgesamt entspricht die Regelung aus den LSR 1581 der Praxis des 16. Jahrhunderts weniger als die von 1460. Einerseits gibt es nämlich in den Akten keine Hinweise auf eine Gütereinsetzung als Folge bloßen Ladungsungehorsams, wie sie in den Statuten beschrieben wird. Der Universitätsausschluß eines ungehorsamen Studenten andererseits, den die normativen Quellen nicht mehr erwähnen, war in dieser Zeit noch gebräuchlich. Es wirkt fast, als habe auf dem Papier der Statuten eine Rezeption allgemeiner Vorschriften stattgefunden, die in der Praxis nicht angewendet wurden, weil sie auf die besonderen Verhältnisse der Universität nicht paßten. Diese Beobachtung, die man bei Reformationsgesetzen dieser Zeit öfter machen mag, beschränkt sich an der Freiburger Hohen Schule freilich auf einen kleinen Ausschnitt der Bestimmun-

104 Der Arrest wird im LSR 1581 synonym als Inhibitio bezeichnet: XXVI. De transgressoribus Inhibitionis, quam Arrestum vocant. 105 A 4/2, LS 1581, XXIIIX. De commutatione mulctarum in pœnas alias: ... pecuniarias pœnas seu mulctas nonnunquam commutandas esse in iniectionem in carcerem.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

gen, die ansonsten stark auf die Praxis zugeschnitten sind oder ihr durch Lükken große Freiräume lassen. b) Bei Gericht beantragte, schriftliche Citationen Neben diesen in den Statuten beschriebenen Ladungen begegnen uns in den Consistorialprotokollen auch Citationen,106 die in der Sitzung beim Gericht beantragt werden mußten. Schon dadurch unterscheiden sie sich von den bisher behandelten, welche die Parteien vor dem Gerichtstermin beim Pedell veranlaßten und bei denen das Consistorium erst tätig wurde, wenn der Geladene nicht erschien. Hauptquelle für diese zweite Art der Ladung sind die Gerichtsakten. Glücklicherweise gibt es aber außerdem im Bestand A 62 Citationsformulare secundum usum consistorii. Diese Vorlagen für den Universitätsnotar belegen, daß die beim Consistorium beantragten Ladungen schriftlich und in Briefform ergingen. Da die Gerichtsprotokolle kein ausformuliertes Beispiel einer Citation enthalten, vermitteln uns allein die Muster eine Vorstellung vom ihrem Inhalt. Die Forma Prima Citationis lautet nach einleitenden Grußworten des Gerichts107 wie folgt: Congregatis nobis in loco nostri Judicalis fori comparuit N. N. huius oppidi Incola et N: graviter querens: te ante tuum abitum et hinc sibi debuisse et etiam num debere, NN florenos: & Proindeque Nobis se (humiliter vel officiose) supplicavit: ut pro autoritate et officio nostro ordinario te ad eiusdem debiti solutionem *monere, pq Juris ordinem tantum non compellere *dignaremur. Conscii ergo nobis, non esse iustitiam denegandam his, qui haud suo merito ab aliis damnum, iniuriamque patiuntur: te solemnis iuramenti tui, in die inscriptionis in Album nostrum praestiti religione, primo, secundo, tertio, ac peremptorie monemus ac citamus: ut intra dies novem, proxime post harum literarum exhibitione tibi legitime factam; (quo quidem tres pro primo, tres pro secundo, tres pro tertio ac peremtorio termino tibi statuimus et nominamus) eidem N. N. totum debitum una cum expensarum

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Grundsätzlich sind die Bezeichnungen Ladung, Fürgebot und Citation synonym. Dies erschwerte die Orientierung in den Quellen und die Bildung von Kategorien. Zur begrifflichen Klarstellung werden hier Adjektive schriftlich, mündlich hinzugefügt, wenn Zweifel bestehen können, von welcher Ladungsform die Rede sein soll. 107 A 62/8, Nos rector et Assessores Consistorii Academiae Friburgensis Brisgoiae: Erudito et honesto adolescento (vel viro N) Albo nostro academico inscripto salutem. Diese Grußformel stellt zusammen mit der Überschrift Formula Citandi studiosos universitate secundum usum consistorii die eindeutige Verbindung zwischen den in den Consistorialakten beantragten Citationen und diesem Mustertext her.

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necessarium factae cum summa omnino reddas. aut te alias cum eodem amanter conciles.108

In der Gerichtssitzung ist der Einwohner N. N. dieser Stadt aufgetreten und hat eine schwerwiegende Klage erhoben. Der Adressat der Citation habe bei ihm vor seinem Weggang Schulden in Höhe von nn Gulden gehabt und sei das Geld immer noch schuldig. Aus diesem Grund bittet der Kläger, seinen Schuldner mittels gerichtlicher Autorität zur Zahlung zu ermahnen. Das Consistorium erkennt, daß dem Kläger, dem unverdient Schaden und Unrecht widerfährt, die Gerechtigkeit nicht verwehrt werden kann. Deshalb wird der Student bei dem feierlichen und ernsthaften Eid, den er am Tag seiner Immatrikulation geleistet hat, zum ersten, zweiten, dritten und peremptorischen Mal ermahnt und aufgefordert, innerhalb von neun Tagen (davon drei für den ersten, drei für den zweiten, etc. Termin), dem N. N. die gesamte obengenannte Summe, einschließlich seiner notwendigen Auslagen, zurückzuzahlen oder eine freundschaftliche Einigung mit dem Gläubiger zu erzielen. Der Text, dies belegt vor allem die Formulierung ante tuum abitum, geht davon aus, daß der Adressat sich nicht mehr in Freiburg aufhält. Darum wird beispielhaft eine Frist von neun Tagen nach Erhalt des Briefs gesetzt. Die mündlich vom Pedell citierten Personen wurden hingegen erst am Tag vor dem Gerichtstermin vorgeladen, folglich weilten sie offensichtlich noch in der Stadt. Sehr deutlich läßt diese Passage die Unterteilung der gesamten Zeitspanne von neun Tagen in drei Abschnitte tres pro primo, tres pro secundo, tres pro tertio ac peremptorio termino erkennen, die innerhalb einer Ladung die Festsetzung eines ersten, zweiten, und schließlich dritten strafbewehrten Termins ermöglicht. Vielsagend ist, daß die formula citandi nach der Hälfte des Textes das Auftreten vor Gericht noch nicht erwähnt hat! Der Student wird zunächst gar nicht zum Erscheinen, sondern zum Bezahlen der Schuld aufgefordert: monemus ac citamus ... ut ... totum debitum ... reddas. Bis zu diesem Punkt erweckt der Brief den Eindruck, der Anspruch des Gläubigers stehe außer Zweifel, wobei die Formulierung vom unverdient Nachteile leidenden Bürger beinahe einer Vorverurteilung gleichkommt. Insoweit unterscheidet sich die Mustercitation von einer gewöhnlichen Ladung, die primär den Befehl enthält, sich an einem bestimmten Termin vor Gericht einzufinden.109 Parallelen zu diesem Vorgehen findet man hingegen beim Mandatsverfahren, einer Form des summarischen

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A 62/8, undatiert, Formula Citandi studiosos universitate secundum usum consistorii. Enthält Formulare für die erste bis vierte Citation. 109 Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses, S. 923; Danz, Gemeiner Prozess, S. 201 ff., S. 210 (zusammenfassend); vgl. auch mit einem Beispiel, Urbach, Processus iudicii, S. 46. Die kurze Citatio ordinarii per litteras enthält lediglich die Bezeichnung des Gerichts und die Aufforderung zu erscheinen.

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Prozesses des gemeinen Rechts.110 Der erste Teil der formula citandi ähnelt einem Mandat insofern, als in ihm ohne Prüfung der Sach- und Rechtslage dem Beklagten durch das Gericht ein Handeln aufgegeben wird.111 Mandate sine clausula waren allerdings nur in eingeschränkten Fällen zulässig, vor allem bei Gefahr im Verzug oder eindeutig rechtswidrigem Handeln. Zumeist blieb auch bei Befolgung des Mandats noch Raum für eine gerichtliche Klärung der Ursachen bzw. der Hauptsache. Das in der Citation geforderte Verhalten, die Zahlung, würde aber den Rechtstreit endgültig beenden. Insofern könnte sich eher der Vergleich mit dem bedingten Mandat, bei dem auch Einreden in der Sache zulässig waren, als tragfähig erweisen. Erst im zweiten Abschnitt wendet sich das Formular der Frage zu, was geschehen sollte, wenn der Citierte die Schuld bestritte. Si vero hac te querela *nostroque hoc mandato *iniuste gravatum putes: proxime sabbato postquem dictos novem dies exactos, si iudicalis dies fuerit; alioqui alio sabbato iudicali mox frequenti, coram nobis, in iudicalis nostri fori solito loco congregatis, tu ipse, vel tuo nomine Procurator quispiam omnibus modis ut convenit et leges iubent, instructus compareat: et de omnibus his apte, recteque respondeat. Nam sive tu ipse, aut Procurator tuus coram nobis adfueritis, sive non; et nihil quod excusationem absolutionemque mereatur, allegatum fuerit: pro certo te scire volumus: Nos nihilominus ad dicti creditoris tui iteratum querelam ac postulationem, contra te ad poenam contumaciae, aliasque graviores, servato iuris ordine processuros.112

Wenn sich der Adressat durch die Klage und die gerichtliche Aufforderung zu Unrecht beschwert fühlt, so soll er auf sie in rechter Weise antworten, indem er am nächsten Gerichtstag, nach Ablauf der neuntägigen Frist, in eigener Person oder durch einen mit allen notwendigen Vollmachten ausgestatteten Prokurator vor Gericht auftritt. Falls er nicht erscheint oder keine substantiierte Erwiderung auf die Klage vorbringt, droht ihm das Consistorium, bei Wieder-

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Danz, Summarische Prozesse, S. 29: Ein Mandat ist diejenige richterliche Verfügung, durch welche blos auf des Klägers Vorbringen, ohne den Gegentheil gehört zu haben, diesem ... eine Handlung untersaget, oder anbefohlen ... wird. Vgl. auch Uhlhorn, Mandatsprozeß, S. 11. Grundsätzlich galt die Regel, im ordentlichen Prozeß werde das Petitorium, im summarischen das Possessorium verhandelt. Im Falle städtischer Unruhen konnte beispielsweise ein Mandat ergehen, Frieden zu geben. Im ordentlichen Prozeß wurde dann geklärt, ob der Aufstand gerechtfertigt gewesen war. 111 Das Formular bezeichnet die Zahlungsaufforderung unten – allerdings wohl untechnisch – sogar als mandatum nostrum. 112 Das Muster fährt noch fort: In superque te absentem, publico scripto, in foribus templi Parochalis ecclesiae nostrae affixo, citaturos; post habita omni excusatione tuae absentiae, ... [etc.], Datum in Consistorio nostro, sub Rectoratus sigillo, Anno Domini ...

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holung der Klage und Forderung durch den Kläger, die Contumazialfolgen oder härtere Strafen an, wie sie im Recht vorgeschrieben sind. Nun erst wird von der Zahlungsaufforderung zur Möglichkeit des Prozesses übergeleitet. Mit Bezug auf die Forderungen des ersten Abschnittes verwendet das Formular die Worte querela et mandato nostro, was darauf hindeutet, daß man sich des Hinausgehens über eine normale Ladung bewußt war. Die gerichtliche Zahlungsaufforderung erging dabei offenbar ohne Prüfung der Sachund Rechtslage, was Danz als Kennzeichen des Mandatsverfahrens hervorhob. Sein Beispiel eines reichsgerichtlichen mandatum cum clausula weist große Ähnlichkeiten mit der universitätsgerichtlichen formula citandi auf.113 Der Schuldner, der eine solche Citation erhielt, hatte also die Wahl: Er konnte entweder die geforderte Summe bezahlen oder in einen Prozeß eintreten, falls er den Anspruch nicht anerkennen wollte. Diese Zusammenfassung verdeutlicht gewisse Ähnlichkeiten der schriftlichen Citationen mit dem heutigen Mahnverfahren. Während das Musterformular einfach eine Frist von neun Tagen festlegt, fallen die Fristen in den Akten sehr unterschiedlich aus. Eines ist ihnen allerdings gemeinsam, in der Regel114 ergeben sich durch drei teilbare Zahlen für den peremptorischen, eben dritten Termin. Die kürzeste Frist beträgt drei Tage, die längste drei Monate bzw. 90 Tage. Größtenteils bewegen sie sich zwischen zwei und drei Wochen, der Median115 liegt bei den Terminen aus A 14/1 und A 14/2 jeweils bei 15 Tagen.

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Danz, Summarische Prozesse, S. 32 f.: Im Fall ihr aber durch diese unser kaiserliches Gebot beschweret zu seyn ... vermeinen solltet; alsdann heischen und laden wir euch ... hiermit auf den sechzigsten Tag, den nächsten nach Ueberantwort und Verkündigung dieses, deren wir euch zwanzig für den ersten, zwanzig für den anderen, und zwanzig für den dritten, letzten und endlichen Rechtstag sezen und benennen peremtorie, oder ob derselbe kein Gerichtstag seyn würde, den nächsten Gerichtstag hernach durch einen gevollmächtigt Anwald an diesem unseren kaiserlichen Kammergericht zu erscheinen, solche eure beständigen Ursachen und Eindreden ... vorzubringen ... 114 Von 423 vermerkten Fristen wichen nur 12 von dieser Regel ab. Möglicherweise hat der Schreiber in diesen Fällen versehentlich nur die einfache Frist notiert. Dafür spricht die Kürze dieser Termine, häufig handelt es sich um ein, zwei, vier oder fünf Tage. 115 Der Median ist der mittlere Meßwert einer Verteilung: Die eine Hälfte der Meßwerte ist größer als der Median, die andere Hälfte ist kleiner. Der Median reagiert weniger stark auf Extremwerte als das arithmetische Mittel. Er eignet sich daher insbesondere zur Charakterisierung der zentralen Tendenz bei schiefen Verteilungen. Da die Verteilung der Fristen durch einige Fälle mit sehr langen Terminen solche Extremwerte aufweist (in A 14/1 gibt es 12 Fälle einer dreimonatigen Frist bei insgesamt drei Schuld-

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Wonach sich die Länge der Frist bestimmte, geht aus den Freiburger Akten nicht unmittelbar hervor. Laut Brüdermann wurde beim Gericht der Göttinger Universität im 17. und 18. Jahrhundert bei der Fristsetzung vor allem die finanzielle Situation des Schuldners und die Höhe der Schuld berücksichtigt.116 Hingegen scheinen in Freiburg diese Momente keine Rolle gespielt zu haben. Vielmehr legen die Consistorialprotokolle nahe, daß der entscheidende Faktor die räumliche Distanz des Schuldners von Freiburg war: Je weiter er fort war, umso länger die gewährte Frist. Des öfteren liest man bei Citationen im Folioband A 14/2 vor der Fristbestimmung jeweils den Aufenthaltsort des Schuldners.117 Daß die geschuldete Summe im Gegensatz zur Entfernung eine untergeordnete Rolle spielte, läßt sich beispielsweise an Hand einiger Citationen vom 15.12.1565 demonstrieren. M. Hans Frey beantragte im Namen der Artistenfakultät primam citationem gegen vier verschiedene Schuldner, die mit unterschiedlichen Summen in der Kreide standen. Obwohl Theobald Hamman mit 39 Gulden mehr als fünfmal so hoch verschuldet war wie Johannes Scheiblin mit 7 Gulden, und die anderen beiden der Burse noch weniger schuldeten, erhielten alle einen Termin von 18 Tagen: alle vier hielten sich zu Speir118 auf. Die Consistorialprotokolle lassen sogar eine nähere Bestimmung der Relation von Entfernung und Frist zu. Im Protokoll der Sitzung vom 06.03.1563119 finden sich folgende Vermerke: contra Stoffel Buck zuo Groß Engstingen, ist 13 meil, terminus datus 12 tag beziehungsweise contra Balthasar Reming zuo

nern), ist der Median hier aussagekräftiger. Der Mittelwert beträgt in A 14/1 20 und in A 14/2 18 Tage. In A 14/1 fanden sich 190 Fristangaben (bei 231 ersten Citationen), in A 14/2 233 Fristangaben (bei 259 ersten Citationen). Die Zahlen sollen nur der groben Einordnung dienen. Näheres zur Zahl der Citationen, Vierter Teil § 1 I. 1. Die Fristangaben finden sich hauptsächlich, aber nicht ausschließlich bei ersten Citationen. 116 Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 319. Es sind Protokolle über die Beratungen und Verhandlungen erhalten. 117 A 14/2, fol. 21v, 24.01.1562, der Schuldner hält sich in Speyer auf, es wird eine 18tägige Frist angeordnet; bei einem anderen heißt es: nescit [der Antragssteller] ubi sit, sein muotter ist zu Vlengen, 15 dies; ebenso, fol. 73v, zweimal 15 tag zuo Baden, außerdem Marksdorff 15 tag, Streußlingen, 12 tag, Villingen 6 tag. 118 A 14/2, fol. 70v. Stichprobe am Beispiel Speyer: 21 mal wird die Domstadt als Aufenthaltsort abwesender Schuldner erwähnt. In 19 Fällen wird eine Frist genannt, 17 mal beträgt sie 18 Tage. In den beiden abweichenden Fällen haben wir terminum 21 Tage, wobei der genaue Aufenthaltsort einmal Lach bei Speyer ist. Die Schuld beträgt bei der Citation mit 21 Tagen Termin 39 Gulden; im Fall mit der höchsten Summe, 80 Gulden, wird 18 Tage Frist gesetzt, ebenso wie bei der niedrigsten von 2 Gulden. Dreimal haben wir mehrere Citationen an einen Schuldner, je einmal handelt es sich um zwei, drei und vier Schuldner, die Frist ist bei allen die gleiche. 119 A 14/2, fol. 49v und fol. 50r.

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Weil der stat ist 15 meil.120 Terminus 15 tag. Ähnliches lesen wir am 23.10.1563: petunt primam citationem contra Joannem de Salles à Gombernaulx, Ist zuo Gombernaulx, ungefahr 5 tagesreisen. Terminus peremptorius 30 dies.121 In diesen Passagen wird ein ausdrücklicher Bezug zwischen der Entfernung von Freiburg und der Länge der Frist hergestellt. Die Entfernung in Meilen scheint dabei als Orientierungspunkt gedient zu haben, wobei die Faustregel gilt, daß die Anzahl der Meilen der peremptorischen Frist in Tagen entspricht.122 Man kann an bekannten Orten die größtenteils konsequente Durchführung dieses Prinzips nachweisen: Von Speyer nach Freiburg sind es ca. 175 km, als Standardtermin werden 18 Tage zugesprochen. Die Entfernung zwischen Freiburg und Konstanz bemißt sich auf ungefähr 120 km, die Frist beträgt im Regelfall zwölf Tage. Die Städte Offenburg und Basel liegen jeweils etwa 60 km von Freiburg entfernt, und das Consistorium setzt in der Regel eine Frist von sechs Tagen fest.123 Die Anpassung der Ladungsfrist an die jeweilige Entfernung des Beklagten zum Ort des Gerichts war keine Erfindung des Freiburger Consistoriums. Auch das Reichskammergericht kannte flexible Fristsetzungen nach diesem Prinzip,124 obschon eine Frist von 30 Tagen dort die Regel war. Die Citationen mußten dem Schuldner zugestellt – insinuiert – werden, um gültig zu sein. Insinuation bedeutete im gemeinen Prozeßrecht die Zustellung von Schriftsätzen, insbesondere von Ladungen und Urteilen.125 In Freiburg übernahm der öffentliche Bote, der stattbot,126 die Zustellung der Citationen. Zum Beweis der ordnungsgemäßen Insinuation konnte später sein Zeugnis

120 Das östlich von Stuttgart liegende Weil der Stadt ist ca. 150 km von Freiburg entfernt. Dies deutet darauf hin, daß eine meil im Sprachgebrauch des Consistoriums etwa 10 Kilometern entspricht. Vgl. Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen, Meile, S. 17: Im 16. Jahrhundert wurde in Vorderösterreich zwischen kleiner und großer Meile unterschieden, wobei die kleine ca. 7,4 km und die große ca. 11 km entsprach. 121 A 14/2, fol. 59v. 122 A 14 /2, fol. 80r, 20.08.1567, contra Matheum Michel zuo Erma in Wallis ... soll 28 meil dahien sein. Concessa termin ist geben 27 tag. Sowie fol. 24v, 28.02.1562, die Notiz ist zuo Üfriane soll 70 meil von dannen sein. [Erste Citation] Ist im erkant vnd terminus peremptorius 75 tag zuogelassen. 123 Alle Beispiele A 14/2: Konstanz: fol. 41r, 14.11.1562; fol. 51v, 08.05.1563; Speyer/Speir, fol. 52v, 22.05.1563; Offenburg, fol. 10r, 22.05.1563; Basel, fol. 51r, 22.05.1563. 124 Sellert in HRG 2, Ladung, Sp. 1345. 125 Sellert in HRG 2, Insinuation (4.), Sp. 386. 126 So auch das Formular der zweiten Citation: eademque citatio tibi per Nuncium, ob eam rem solum conductum, transmissa sit legitimeque exhibita ... A 62/8.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

herangezogen werden.127 Die Zustellung erfolgte im Auftrag des Gläubigers und nicht des Gerichts. So stellte das Consistorium fest: Weil dann die [ersten Citationen] legitimé exequiert128 vnd die termini verstrichen, seind Ime [dem Kläger] die anderen [d. h. zweiten] Citationen gegönndt vnd wie preuchlich zu exequieren beuolhen worden.129

Nur einmal nimmt sich ein Kläger die Freiheit heraus, das Gericht zu bitten, eine Citation für ihn zuzustellen, die weil es Ime beschwerlich die erlangte citation seinem gegentheil ... Zu insinuieren lassen. Prompt erhält er von den Herren Consistoriales zur Antwort, daß inen als richter nit gepüren wölle, will er so mög er wol für sich selbs schreiben vnd so die citation wie recht exequieren.130 Grundsätzlich gab es zwar die Möglichkeit einer öffentlichen Citation, die an den Kirchentüren ausgehängt wurde, wenn der Schuldner gar nicht auffindbar war. Allerdings stößt man in den Akten nur auf wenige Beispiele für solche Ladungen.131 Häufiger forderte das Consistorium Gläubiger auf, Nachforschungen über den Aufenthaltsort ihres Schuldners anzustellen,132 was ohnehin mehr Erfolg versprach als eine öffentliche Ladung in Freiburg oder am letzten Aufenthaltsort. Wenn der Beklagte auf die erste Citation weder zahlte noch den Anspruch bestritt, kam es nicht sofort zur Vollstreckung oder zum Universitätsausschluß. 127

A 14 /2, fol. 24r, 28.02.1562. Die Gläubiger Schweinitzers beantragen die zweite Citation. Dieweil aber nit zuowüßen ist ob die citationes primae Insinuirt vnd überantwurt worden, dann nicht daruff rechts geschriben auch kein bott ernennet etc, erhalten die Gläubiger die zweite Citation noch nicht. Sie legen einen Brief von Schweinitzers Mutter vor, der dem Gericht aber nicht ausreicht. Stattdessen sollen sie den Boten zum Rektor schicken. Als Creditores ein Briefflin fürlegten, das deß Schweinitzers muotter deshalben inen geschrieben haben soll by dem botten ist weiter erkannt, das dise creditorn den botten so die citationes vberlieffert zuo dem Rector bringen sollen vnd uff das nechst consistorium wider erscheinen, soll weiter beschehen was recht ist. Im nächsten Termin, am 07.03.1562, fol. 25v, erhalten sie die zweite Citation. 128 Exequiren: zustellen. Eine Ladung durfte durch niemand den Parteien exequirt werden als den Notar und die geschworenen Boten. Sellert in HRG 2, Ladung, Sp. 1344. 129 A 14/1, fol. 363, 02.07.1554. 130 A 14/1, fol. 296, 20.02.1552, Borer gegen Rogerius. 131 A 14/2, fol. 80v, 04.10.1567, Anmerkung: in valvis Ecclesiae Exequiert den 19. October 1567. 132 A 14/1, fol. 232, 26.04.1550, Bursa ./. Pontanus. M Matthis hat den herren anzeugt wie er Georgio Pontano die 4. Citation ... überlieffern wellen lassen, war Pontanus aweg zogen ... Darum beschlossen, das er soll erkundigen, wo er sey vnd ime die 4. Citation loß insinuiren. Da keine weiteren Einträge folgen, war die Suche wohl nicht von Erfolg gekrönt.

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Vielmehr sahen alle Statuten drei Citationen als Voraussetzung für eine solche, das Verfahren abschließende Sanktion vor. Da die Gläubiger aber mehr als drei Versuche unternehmen konnten, reichen die dokumentierten Aufforderungen bis zur fünften. Reagierte ein Schuldner auf eine Zahlungsaufforderung nicht, suchte der Kläger um die nächste Citation nach. Obwohl diese meist ohne eine vorige ausdrückliche Contumaxerklärung gewährt wurden, deutet das Formular der Citationen, in dem die poena contumaciae angedroht wird, darauf hin, daß die Geldstrafen trotzdem anfielen. In wiefern wichen die zweite und die weiteren Zahlungsaufforderungen inhaltlich von der ersten ab? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir wieder auf die Vorlage aus der formula citandi zurückgreifen, die Konzepte für die erste bis vierte Citation umfaßt. Der Unterschied liegt vor allem im schärfer werdenden Tonfall und in der von Citation zu Citation steigenden Eindringlichkeit der Ermahnungen: Das Exemplum secunda citationis beginnt zunächst genauso wie das erste, mit Grußworten und dem Bericht, wie der Gläubiger vor Gericht erscheint und seine Klage vorbringt. Diese lautet nun, er habe vor etlichen Tagen eine rechtmäßige Citation vom Consistorium erhalten, in welcher der Schuldner bei seinem feierlichen Eid auf die Religion und die Universitätsstatuten zur Bezahlung seiner Schulden und der Auslagen des Gläubigers ermahnt worden sei. Diese Citation sei ihm von einem eigens dafür ausgesandten Boten übergeben und ordnungsgemäß zugestellt worden.133 Te tamen eandem, in gravem Iurisdictionis contemptu, et tuae animae periculum non exiguum hac tenus temere neglexisse ...134

Dennoch habe der Student die Ladung in schwerer Mißachtung der universitären Gerichtsgewalt unter Gefährdung seines Seelenheils nicht befolgt. Der Vorwurf an den Studenten hat sich ausgeweitet, neben der Nichtzahlung seiner Schulden wird ihm ausdrücklich auch die Nichtbefolgung der ersten Citation vorgehalten. Nach Lage der Dinge hat sich zudem die Gefahr, meineidig zu werden, verstärkt. Wenn der citierte Student nämlich seinen eidlich bekräftigten statutenmäßigen Verpflichtungen nicht nachkommt, bricht er seinen Eid. In diesem Zusammenhang versucht der Text, psychischen Druck auf den Citierten auszuüben, indem die Konsequenzen eines Eidbruchs für die unsterbliche Seele deutlich angesprochen werden. Auch die Aufzählung der Strafen wird erwei133 Quaerens, cum superioibus diebus contra te publicem citationem a nobis iure optimo obtinuisset: qua solemnis iuramenti tui, in die inscriptionem in Album nostrum praestiti religione, et sub statutosque in quo pariter quoque iurasti, poenis, ad eiusdem vel eorumdem debitores debitum, una cum summae expensarum redditi omnem te monuerimus ac citaverimus: eademque citatio tibi per Nuncium, ob eam rem solum conductum, transmissa sit legitimeque exhibita. 134 Exemplum secunda Citationis, A 62/8.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

tert, ad poenam contumaciae et deletionis nominis tui ex Academiae nostra albo processuros ... Neben der Contumazialstrafe wird nun die drohende Streichung aus der Matrikel erwähnt, obwohl diese Folge, wie wir gesehen haben, in den Statuten gar nicht mehr vorkam! Die dritte Citation verschärft den Tonfall noch weiter, neben poenam contumaciae et deletionis nominis stellt sie ausdrücklich den exclusum Academiae, obwohl die Löschung aus der Matrikel dies bereits implizierte.135 Nun schreibt das Consistorium nunc tertio et ultimo monemus et citamus, obwohl in der Praxis sehr wohl – wenn auch zuweilen ex (super)abundantibus bezeichnet – eine vierte Citation erfolgt. Diese liegt sogar ebenfalls als Muster vor,136 in welchem in besonderem Maße betont wird, man könne den ungehorsamen Schuldner eigentlich bereits für meineidig erklären, gebe ihm aber unverdientermaßen und als Zugeständnis des Gläubigers eine allerletzte Chance. Wenn man weiß, daß in den Akten in entsprechenden Fällen nicht nur fünfte Citationen, sondern häufig auch Bitt- und Mahnbriefe an Verwandte und gar die Heimatstädte verschickt wurden, wirkt das ganze wie eine etwas überzogene Drohgebärde. So ernst, wie die formula citandi Glauben machen will, ist die Lage zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Es scheint, als versuche das Gericht, fehlende Exekutivkraft durch Drohungen und Überredungskunst zu kompensieren. Letztlich beruhte das Funktionieren dieses Verfahrens in der Tat zu einem Gutteil auf gerichtlicher Autorität und freiwilligem Gehorsam. Ebenso wie bei der ersten Citation wurde das Gericht auch bei den folgenden allein auf die Aussagen des Gläubigers hin tätig, was sich in den Musterformulierungen durch die Verwendung des Konjunktivs ausdrückt. Wie die Gerichtsakten belegen, überprüfte das Consistorium in der Praxis allerdings zumindest, ob die gesetzte Frist bereits abgelaufen und die ordnungsgemäße Zustellung durch Bericht des Boten oder auf andere Weise nachgewiesen war. Auch wenn manche Gläubiger das nicht so eng sehen wollten, achtete das Consistorium um so genauer auf die Einhaltung dieser Voraussetzungen. Am 28.11.1562 verweigerte es einem Gläubiger die zweite Citation,

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Weitere Beispiele für den verschärften Tonfall: flagitaret ..., duplum elapsus ... atque hanc alteram citationem per Notarium nostrum publicum iuratum in forbibus parochialis ecclesiae huius oppidi ..., pertinaciter negligere ... 136 A 62/8, 4. Citation Ad haec durante tua pertinaci rebellione ac contumaciam se tertiam monitionem et citationem a nobis impetrasse ... officiossissime supplicare ... Et licet iamiam te in periurium elapsum declarere potuissemus: ipsius tamen actoris concessione et absensu nunc quarto ... ex abundanti, ad conuincendam omne tuam malitiam ... monemus et postulamus ... Der Schluß fehlt, weil das Pergament eingerissen ist. Mehrfach kann man allerdings noch das Wort periurii ausmachen.

§ 3 Von der Verfahrenseinleitung bis zur litis contestatio

251

Quia nondum elapsus fuit terminus 12 dierum. Citatio enim prima insinuata est 23 huius mensis, et hodie terminum est dies sextus.137

Gerade in A 14/2 findet sich häufiger die Anmerkung, [actor] petit tertiam citationem contra [reum], praesentat secundam executam et insinuatam oder [actor] producit primam citationem executam contra [reum], et petit secundam.138 Im Hinblick auf die Beachtung von Fristen und Terminen beinahe amüsant ist das übereifrige Auftreten von Bernhard Winter, Sixt Clemli, Jacob Greimagel, Ludwig Buchbinder und Charius Ruff, die alle Gläubiger des Studenten Franciscus Battam waren. Sie hatten am 12.10.1549 die erste und am 16.11.1549 die zweite Citation gegen ihn erreicht,139 dann die Sache aber fast drei Monate auf sich beruhen lassen. Am 08.02.1550 verlangten sie nochmals die erste Citation, die ihnen mit 18 Tagen terminum peremptorie erteilt wurde. Als sie am 01.03.1550 die zweite beantragten, entschied das Gericht, dieweil aber der ersten Citation termin noch nit zu endt geloffen, Ist Inen solchs des mal aberkannth.140 Da die Frist erst mit der Zustellung zu laufen begann, war sie hier noch nicht verstrichen. Unverdrossen versuchten es die Gläubiger in der nächsten Consistoriumssitzung eine Woche später ein weiteres Mal, nur um wieder den Bescheid zu erhalten, die Frist sei immer noch nicht abgelaufen! Dieses vergebliche Vorsprechen ist merkwürdig, weil sie doch eigentlich besser oder zumindest ebenso gut wie das Gericht wissen mußten, wann die Zustellung erfolgt war. Immerhin zahlte sich noch eine Woche später, am 15.03.1550, die Hartnäckigkeit der fünf Herren aus, endlich vergönnte ihnen das Gericht die zweite Citation gegen ihren Schuldner.141 Aber auch das umgekehrte Verhalten konnte einem Gläubiger zum Nachteil gereichen: Ließ er zwischen zwei Zahlungsaufforderungen zu viel Zeit verstreichen, bestand die Gefahr, daß Citationen verfielen. Sie waren dann, wie es der Quästor der Artistenfakultät bildhaft ausdrückte, circumduciert, dodt und ab.142

137

A 14/2, fol. 43r, 28.11.1562. Die erste Citation wurde dem Schneider Peter Morgen gegen Marc Buobenhoffer am 14.11.1562 mit 12 Tagen Termin erteilt, fol. 41r. 138 A 14 /2, fol. 11r und 11v, 15.11.1561, Rhegius contra Württenberger, dritte Citation; Huober gegen Hendschuochsheim, zweite Citation; jeweils concessa est. 139 A 14/1, fol. 142, erste Citation mit 15 Tagen Termin; fol. 154, zweite Citation. 140 A 14/1, fol. 216, 01.03.1550, das Gericht verweist auf seine Entscheidung im Fall Meyer ./. Herpstheim, in welchem die Gläubiger ebenfalls vor Ablauf der Frist erschienen waren. Zweite Citation gegen Battam: A 14/1, fol. 212, 08.02.1550. 141 A 14/1, fol. 217, zweiter Versuch: dieweil aber der termin noch nit zu endt geloffen, ist erkannth das er [Vertreter der Gläubiger] solchs erwart. Auf fol. 229 wird dann die zweite Citation zuerkannt. 142 A 14/1, fol. 297, 27.02.1552: Ist erschienen M. Wolffgan Widmann facultatis artium quaestore legt In 4tam Citationem contra Pelagium Knippe, mit anzeigen daß die selbig pp homicidium comissum et fugam rei nit hab mögen insinuiert werden, er fragt

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Nüchterner erläutert die gemeinrechtliche Wissenschaft den Begriff circumduciert als das Aufgeben eines Termins mit beiderseitiger Zustimmung.143 In der Praxis des Consistoriums bestand ein solches Einverständnis zwischen den Parteien allenfalls als Fiktion. Wenn der Gläubiger seine Ansprüche eine gewisse Zeit auf sich beruhen ließ, wurde ihm unterstellt, er wolle das Verfahren nicht weiter führen. Die Entscheidung, ab welchem Zeitpunkt dies der Fall war, lag beim Gericht. Hatte es eine Citation für circumduciert erklärt, mußte der Gläubiger mit den Zahlungsaufforderungen wieder von vorne beginnen. Immerhin verlor er mithin nur eine prozessuale Position und nicht etwa den Anspruch selbst. Da also bereits exequierte Citationen durch Zeitablauf ungültig werden konnten, waren im Lauf der Verfahrens getroffene Stundungsvereinbarungen nicht nur eine Sache zwischen den Parteien. Wenn sich Gläubiger zu einer Stundung der Schuld bereit fanden, informierten sie in der Regel das Consistorium mit den Worten, sie wellen Iren rechten on schaden contra [den Beklagten] mit der andern citation stillstan.144 Das Consistorium genehmigte dann diesen Aufschub, und der Kläger verhinderte so die Circumduction der bereits ergangenen Citationen.145 Vor diesem Hintergrund wird ebenfalls verständlich, warum Gläubiger das Gericht auch von privaten Briefen und Verhandlungen mit Verwandten in Kenntnis setzten. Zu derartigen Einwirkungsversuchen neben den Citationen kam es vor allem, wenn sich das Verfahren im fortgeschrittenen Stadium befand. Wie im Formular der vierten Citation vorgezeichnet, wird zu diesem Zeitpunkt auch in den Akten immer wieder betont, die vierte oder fünfte Citation geschehe, obwohl der Gläubiger dazu nicht verpflichtet sei, ex (super)abundanti.146 Dem Schuldner soll vermittelt werden, man übe unverdiente Nachsicht und warte mit der Meineidigerklärung aus Gnade noch ab. Gerade an diesen Stellen tritt in den Akten die oben erwähnte Widersprüchlichkeit im Verhalten von Gericht und Gläubigern deutlich zu Tage: Obwohl man dem Schuldner drohte und sich milde gab, wird dennoch deutlich, daß weder das Consistorium gern zur extremen Maßnahme des Uni-

an, ob die circumduciert dodt und ab sey, daruff die herren gesprochen daß sy noch In rechten, vnd wo die wie recht Insinuiert soll weitter geschehen was recht sey. 143 Wetzell, Civilprocess, S. 607. 144 A 14/1, fol. 423, 13.02.1557. Andere Stundungen: A 14 /1, fol. 420, 05.12.1556; A 14 /2, fol. 94r, 27.01.1571. 145 Nachdem Peter Beidler am 13.02.1552, A 14/1, fol. 295, gegen Conrad Schoppel wegen geliehen gelts die erste Citation erlangt hatte, teilte er dem Gericht mit, der Beklagte habe die Hauptsumme hinterlegt, mit vertröstung die costen werden nacher kummen. Er wollte stillstehen, wo er nit in sorgen stiend das prima citatio cicrumduciert würde. Daraufhin ist erkannth, das ers seinen rechten ohne schad wol tun mag, fol. 297, 19.03.1552. 146 A 14 /2, fol. 5v, 16.08.1561, 4. Citatio vergundt ex superabundanti; fol. 67v, 26.05.1565, petunt quinta citatione ex superabundanti.

§ 3 Von der Verfahrenseinleitung bis zur litis contestatio

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versitätsausschlusses griff, noch sich die Gläubiger dadurch ihrer Einflußmöglichkeiten auf den Schuldner begeben wollten.147 Wenn aber alle Wege und Mittel erschöpft waren, war man in etlichen Fällen am Ende doch konsequent. Nach Verstreichen der Frist der letzen Citation wurde der Schuldner auf Antrag des Gläubigers meineidig, periurie148 erkannt, aus der Hohen Schule ausgeschlossen und aus ihrer Matrikel gestrichen. Zumindest im Einflußbereich der vorderösterreichischen Landesuniversität hatte dies nicht allein symbolische Bedeutung.149 Einer der fünf im Untersuchungszeitraum für meineidig Erklärten erwirkte sogar eine kaiserliche Intervention, um rehabilitiert zu werden.150 Das Gericht hatte keine Wahl und verfügte die Wiederaufnahme in die Matrikel. Es begründete sie jedoch nicht hauptsächlich mit dem kaiserlichen Befehl, sondern vor allem juristisch, vielleicht um den Schein der Eigenständigkeit zu wahren: Dem Schuldner seien die Citationen nicht persönlich, sondern über seinen Stiefvater zugestellt worden, weshalb man den Vorwurf des schweren Ungehorsams fallen lassen könne.151

147 Die Initiative für ein weiteres Abwarten und zusätzliche Briefe geht dementsprechend sowohl vom Consistorium – wie in A 14/2, fol. 54r, 26.06.1563; fol. 56v, 21.08.1563 (derselbe Fall!); 62v, 12.02.1564 – als auch von den Klägern aus: A 14/1, fol. 261, 23.08.1550: wiewol termin abgelaufen, aber die so fründlich schriben, so beger er inen noch ein zeitlang stillzestehn. 148 Die Meineidigerklärung geschah in Gestalt eines Endurteils: A 14/1, fol. 275, 21.02.1551, Also haben die Herren volgender maß definiert: In Sach zwischen dem ersamen ... Herrn M. Wolfgang Widman der artisten facultät ... quaestor ... an ayner. So dann Alexum metzger ... am anderen thaile declarieren vnd erkennen wyr gemelt Alexium metzger von wegen das er zum 4.mal permeptorie und entlich by dem aydt, so er uns als er zu ainem student von uns aufgenhomen, auf daß haylige evangelium geschworen, ... citiert worden, ungehorsam ausgebliben, weder durch sich selbst noch Jemandt anderen genugsam Zuo recht verfaßt erschienen, mayneidig und schließen ine deshalb von unserer Universitet und derselbigen matricul gentzlich aus. Andere Beispiele, A 14/1, fol. 335, 29.10.1552; A 14/2, fol. 67v, 12.05.1565. 149 Miethke, Eid an der mittelalterlichen Universität, S. 59 f., weist nach, daß noch Anfang des 15. Jahrhunderts der auf die Universität abgelegte Eid als lebenslang bindend angesehen wurde. Um Loyalitätskonflikten aus dem Weg zu gehen, wollte sich ein königlicher Rat von seinem Eid entbinden lassen, was die Universität verweigerte. 150 Daß ein Eingreifen von so hoher Stelle erforderlich war, legt der IG nahe: A 23/24, IG, fol. 15, Consistorium Academicum, De periuris: Qui ob contumnaciam, aut rebellionem, sententia consistorii periurus declaratur, debet a Principe nostro, vel Cæsarea Maiestate in integrum restitui. Act. part. 5. pag. 556b. 151 A 14/2, fol. 46r, 16.01.1553: Ist uff sein Frantz [von Rosenfels] supplicieren ahn die kayserliche Majestät, von irer Majestät der Universität ein schreiben zuokommen, in welchem geschrieben, das er von Rosenfels famae restituiert und das die Universität Ine wiederumb in matriculam schreiben solle ... Seine Vertreter bitten, dem zu enstprechen und der Universität sigel aller arten abschrifft diser gantz sach halben uff sein von

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

c) Ursprung und Funktion der beiden Ladungsformen Woher stammten die zwei verschiedenen Formen der Ladung und in welchen Fallgestaltungen fanden sie jeweils Anwendung? Grundsätzlich war das Nebeneinander schriftlicher und mündlicher Ladungen an einem Gericht nichts Ungewöhnliches: Die beiden Formen waren sowohl im römischen als auch im gemeinen Recht bekannt. Während für ältere Autoren oft noch die mündliche Ladung den Regelfall darstellte, gewann mit der Zeit und der stärkeren Verbreitung des kammergerichtlichen Prozesses die schriftliche Ladung mehr und mehr die Oberhand. So differenzierte Claproth Ende des 18. Jahrhunderts zwischen der gewöhnlichen mündlichen und einer schriftlichen Ladung an Edelleute und Doctoren.152 Bei Danz heißt es 20 Jahre später, lediglich Personen geringen Standes würden mündlich geladen, und auch nur im summarischen Verfahren.153 Während im römischen Recht und im Schrifttum zum gemeinen Recht die Differenzierung in der Regel auf Rangunterschiede und Ehrerbietung gegenüber hochstehenden Persönlichkeiten zurückgeführt wurde, spielte diese Argumentation am Consistorium offensichtlich keine Rolle: Schriftliche Citationen ergingen gegen gewöhnliche Studenten ebenso wie gegen Grafen und andere Adlige. Auch das Freiburger Stadtrecht kannte zwei Formen der Ladung, die Regel war dort eine mündliche Ladung durch die Stadtknechte under ogen.154 Nur Edelleute und andere Ausbürger erhielten eine schriftliche Ladung, die das Neue Stadtrecht als Citation oder Tagsatzung bezeichnete: Wolt yemants den Edlen so vnsere burger synd / vnd vsserhalb der Statt sitzen / oder andern vnsern vßburgern fürbieten / der sol inen ein schrifftlich Citation oder tagsatzung vnder vnser Statt / oder des Schultheissen insigel mit einem geschwornen vnserm Stattbotten vnder ougen oder wenn er nit zuo im kommen

Rosenfels costen zu geben. Von Rosenfels war am 24.10.1562 periurie erklärt worden, fol. 39v. 152 Claproth, Sumarische Processe, S. 27 f. 153 Danz, Gemeiner Prozeß, S. 194; er kennt auch noch die mündliche Ladung, S. 207: Bei mehreren niederen Gerichten ist es zwar herkömmlich, daß der Gerichtsdiener, blos auf das Ansuchen des Klägers, ohne besonderen Befehl des Richters abzuwarten, die Gerichtspflichtigen vorfordert ... Hervorhebung BB. Er hielt dies allerdings für eine Unsitte und vertrat die Aufassung, durch solche eine Ladung könne niemand zum Erscheinen verpflichtet werden, allein wenn nicht besondere Landesgeseze, oder Prozeßordnungen hierüber etwas bestimmen. 154 Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 53.

§ 3 Von der Verfahrenseinleitung bis zur litis contestatio

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möchte / zu huß vnd hoff verkünden / vnd sol im solcher gestalt ouch drymal fürgebotten werden.155

Zwar gehören auch hier adlige Personen zur Gruppe der schriftlich zu Ladenden, aber als entscheidender Faktor erscheint nicht der Rang, sondern der auswärtige Aufenthaltsort. Zum einen spricht der Text einschränkend von adligen Bürgern, soweit sie außerhalb wohnen und zum anderen soll die schriftliche Tagsatzung nicht nur bei ihnen, sondern auch bei anderen außerhalb der Stadt wohnenden Personen Anwendung finden. Der Aufenthaltsort war auch für das Consistorium der ausschlaggebende Aspekt. Besonders augenfällig zeigt dies die folgende Quellenstelle, die den Übergang von einer Ladungsform zur anderen festhält. Der Kläger begehrte den Beklagten contumacem zu erkennen. Vnd dweil er absens und dißen winter nit mher allhär kommen württ, begert er primam citationem. Ist contumax erkanndt. Und sagen die herren, Facultas [Klägerin] möge noch stillstehn und nachgonds im arrestieren lassen.156

Daß der Beklagte schon contumax erkannt wurde, bevor die erste schriftliche Citation gewährt wurde, bestätigt das Nebeneinander der beiden Ladungsformen. Die mündliche Ladung durch den Pedellen kann also nicht identisch mit der beantragten Citation sein. Der Beklagte wurde wahrscheinlich zunächst für ungehorsam erklärt, weil er vom Pedellen noch angetroffen und mündlich geladen worden war, dann aber abreiste und nicht vor Gericht erschien. Da er es versäumt hatte, einen Anwalt oder Vertreter zu bestellen, wurde er contumax erkannt. Anschließend wollte die Fakultät zu schriftlichen Citationen übergehen, weil ihrer Meinung nach weitere Versuche der persönlichen Ladung zwecklos wären. Die beim Consistorium beantragten Citationen fanden also dann Anwendung, wenn der Schuldner sich nicht mehr in Freiburg aufhielt.157

155 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 32, I. Tractat, I. Titel Von fürpieten und ladungen, 4. Wie man den Edlen vnd vßburgern fürpieten sol. 156 A 14/2, fol. 70r, 17.11.1565. 157 Wenn man von dieser Konstellation der zwei Citationsformen ausgeht, wird auch Lorichius’ auf den ersten Blick wirr erscheinende Darstellung der Ladung im IG verständlich: A 23/24, IG, fol. 14, Consistorium Academicum, De Citationibus: Nullus ad Consistorium citabitur post Salutationis Angelicae pulsum vespertinum [Aktenverweis]. Nec possunt citari qui sunt extra mœnia per solum pedellum Act. part. 2. pag. 42 Possunt autem omnes citari ad Consistorium qui iurati sunt aut fuerunt Academiæ donec satisfecerint. Niemand darf nach dem Angelusläuten vor das Consistorium zitiert werden. Ebensowenig können Personen, die sich außerhalb der Stadtmauern befinden, allein durch den Pedellen citiert werden. Aber alle, die der Universität eidlich verpflich-

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Dies erklärt noch nicht, welche Gründe hinter dem Festhalten an beiden Ladungsformen standen. Folgte man mit den mündlichen Ladungen nur Traditionen, obwohl sie, wie Danz meinte, Unordnung in dem gerichtlichen Verfahren erzeugt[en]158? Die Kritik an der mündlichen Ladung stammt aus einer Zeit, in der das Reichskammergericht anerkanntes Vorbild im Verfahrensrecht geworden war. Dort waren Ladungen nur wirksam, wenn sie vom Gericht erlassen worden waren.159 Zudem finden sich in den Quellen zur RKGO natürlich nur schriftliche Ladungen, waren doch die dort prozessierenden Parteien so gut wie nie am Gerichtsort wohnhaft. In einer früheren Zeit, in der das Verfahren noch nicht völlig verschriftlicht war, mußte eine mündliche Ladung einfacher erscheinen. Gerade an einem Untergericht entsprach sie bei geringfügigen Streitigkeiten dem Bedürfnis der Parteien nach rascher Abwicklung. In einer überschaubaren Stadt wie Freiburg, mit kurzen Wegen, überforderte sie die Parteien auch nicht. Die Consistorialakten belegen zudem, daß es nur selten zu Streit über die Modalitäten der Ladung kam. Die schriftlichen, vom Gericht erlassenen Citationen waren am Universitätsgericht hingegen mehr als eine Vorladung. Gericht und Gläubiger handhabten sie als eine Art Mahnung. Befolgte der abwesende Schuldner die Zahlungsaufforderung, mußte er sich nicht selbst auf die Reise nach Freiburg machen. In dieser Ausformung entsprachen die schriftlichen Citationen den Besonderheiten des universitären Rechtskreises, in dem man es überdurchschnittlich oft mit abwesenden Personen zu tun hatte. II. Klage Die vor dem Consistorium erhobenen Klagen mußten Klagegrund und -summe enthalten. Auf eine unlautere und unverständliche Klage mußte der Gegner nicht antworten bzw. das Gericht konnte sie verwerfen. Entsprechend der Praxis der Freiburger Stadtgerichte gab man dem Kläger allerdings häufig die Gelegenheit, seine Klage zu spezifieren.160 Obwohl das mündliche Verfahren den Regelfall darstellen sollte, erschienen dennoch immer wieder Parteien mit einem Klagelibell, das vom Gericht meistens wie ein mündlicher Vortrag angenommen wurde.

tet sind oder waren, können zum Consistorium citiert werden, bis sie ihre Schulden begleichen. Zuerst spricht er von der mündlichen Ladung, ab possunt autem omnes beschreibt er die beim Consistorium beantragten Citationen. 158 Danz, Gemeiner Prozeß, S. 207. 159 Sellert in HRG 2, Ladung, Sp. 1344. 160 Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 92; Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 52, I. Tractat, VIII. Titel, Von klag gegenklag vnd antwurt wie die beschehen sollen. Mit den einzelnen Klagen befaßt sich der Vierte Teil der Arbeit.

§ 3 Von der Verfahrenseinleitung bis zur litis contestatio

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III. Anerkenntnis vor der Litiskontestation: Terminus Juris 1. Fristsetzung nach Anerkennung der Schuld Beim terminus iuris handelte es sich um eine Frist von 14 Tagen zur Zahlung einer anerkannten Schuld. Wenn der beklagte Schuldner vor dem Consistorium erschien und Bestehen und Höhe der Schuld anerkannte, gewährte ihm das Gericht terminum iuris. Er erscheint als Gegenstück zum terminus deliberandi, den der Beklagte erbat, um einer Klage entgegenzutreten. Häufig beantragten mithin die Schuldner selbst den terminum iuris als gerichtliche (Nach)frist zur Zahlung ihrer Schulden. In den meisten Fällen liest man eine Formulierung wie diese: Reus bestadt die schuld begert terminum iuris zuo der Zahlung, Ist erkannt soll im in 14 tagen mit gelt oder Pfand bezalen.161

Oder, in einer noch deutlicher formulierten Passage: Es haben die herrn Consistoriales dem beclagten terminum iuris, das ist 14 tag, in welchen er bezahlen solle, zuogelassen.162

Wenn ein Schuldner die Frist eines ihm gewährten terminum iuris verstreichen ließ, ohne seiner Zahlungsverpflichtung nachzukommen, entschied das Gericht in der Regel auf eine weitere kurze Nachfrist von 24 Stunden. Im Fall Ingolstetter ./. Gluitz bezieht sich die Frist von 24 Stunden eindeutig auf einen verstrichenen terminum iuris. Am 22.08.1551 entschied das Gericht, als Ingolstetter Schulden um allerlei whar geltend gemacht hatte, weil antworter der schuld geständig, ist ime terminum iuris zugeloßt. Einen Monat später, am 21.09.1551 beschwerte sich Ingolstetter, die Schuld sei immer noch nicht bezahlt. Nun wurde dem Beklagten eine Frist von 24 Stunden gesetzt, um beim Rektor ein ausreichendes Pfand zu hinterlegen.163 Die Studenten Franck und Stuber hatten am 17.08.1549 vor dem Consistorium ihre Mietschulden bei der Burse eingestanden und terminum iuris zur Zahlung erhalten. Als der Conventor der Burse am 31.08.1549, also exakt nach Ablauf der zweiwöchigen Frist, mitteilte, die beiden hätten ihre Schulden noch nicht beglichen, entschied auch

161

A 14/2, fol. 58v, 23.10.1563; A 14/1, fol. 317, 14.05.1552, erkennt, dieweil antworter der schuld anred vnd gestendig, das antworter den cleger In 14 tagen ... bezal oder genuogsame pfand hinder herrn Rector erlege. 162 A 14/2, fol. 35r, 22.08.1562. 163 A 14/1, fol. 278 und 281.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

hier das Gericht auf die kurze Nachfrist von 24 Stunden.164 Eine derartige Frist wurde auch verhängt, wenn andere vereinbarte oder angeordnete Zahlungstermine nicht eingehalten wurden, unter anderem tauchte sie bei der Vollstreckung von Urteilen auf.165 2. Vollstreckung nach terminum iuris Johann Maier hatte die von M. Johann Stock gegen ihn erhobene Forderung anerkannt und terminum iuris erhalten, um den Gläubiger durch Zahlung oder Pfandgabe zu befriedigen.166 Am 26.11.1552 forderte M. Stock, der Beklagte solle der urthel genug tun. Dies ordneten auch die Herren Consistoriales an und setzten Maier dafür die Nachfrist von 24 Stunden, wobei die straff des ungehorsam den herren vorbehalten bleiben sollte.167 Drei Wochen danach, viel zu spät also, hinterlegte der Beklagte Bücher als Pfand. Wegen dieser Contumacia wurde er zu 24 Stunden im carcer verurteilt.168 Auch in der Folgezeit konnte Maier offensichtlich kein Geld auftreiben, um seine Schulden zu bezahlen. Am 28.01.1553 findet sich jedenfalls die gerichtliche Entscheidung, daß das hinterlegte Pfand verkauft und der Kleger seiner Summ vernügt169 werden soll. Dies ist einer der wenigen Fälle, in denen die Akten von der Verwertung eines Pfandes berichten. Im LSS gibt es beim Amt der Assessoren eine Bestimmung zum Pfand, die sich auf den terminum iuris beziehen könnte: Ut plurimum tamen constituent Reo quindenam, in qua Actori numis, aut pignoribus satisfaciet. Si dedit pignora, custidentur a Pedello Acad. aut alio fide

164

A 14/1, fol. 138. (beide Termine). Teilweise wurde die Kürze dieses Termins mit dem Versäumen der ersten Frist erklärt. A 14/2, fol. 81v, 24.01.1568, dieweil der Beclagt vorlangst diser Schuld bestanden und ime durch den herrn Rector zuo bezahlen gebotten, Ist ime uff dißmal so ein kurtzer termin ad solvendum assigniert worden. Das erwähnte Schuldanerkenntnis ist in den Gerichtsakten nicht auffindbar. Es ist denkbar, daß der Rektor den Schuldner außerhalb eines Gerichtstermins ermahnt hatte, seine Außenstände zu begleichen. 165 A 14/1, fol. 329, 08.10.1552. Auf Johann Neffs Forderung nach Vollziehung der Urthel fordert das Consistorium den Schuldner auf, er solle binnen 24 Stunden bezahlen. 166 A 14/1, fol. 333, am 22.10.1552. 167 A 14/1, fol. 340. 168 A 14/1, fol. 342, am 13.12.1552. 169 A 14/1, fol. 345.

§ 3 Von der Verfahrenseinleitung bis zur litis contestatio

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digno, ad hebdomas sex, et tres dies. Quibus exactis licebit pignora non redempta, divendere, donec Actor satis habeat.170

Meistens werden die Assessoren dennoch – im Absatz davor hatten die Statuten sie von der Einhaltung der communia intervalla entbunden – dem Beklagten 15 Tage festsetzen, in welchen er den Kläger mit Geld oder Pfand zufriedenstellen soll. Das Pfand wird sechs Wochen und drei Tage vom Pedell oder einer anderen vertrauenswürdigen Person aufbewahrt. Wenn es bis dann nicht ausgelöst wird, soll es verkauft und der Gläubiger vom Erlös befriedigt werden. Die zu Befriedigung durch Zahlung oder Pfandgabe gesetzte Zeit entspricht in etwa dem terminum iuris. Hin und wieder finden wir in den Protokollen im Lauf solcher Verfahren die Notiz, erlegte Pfand und Güther sollen nach ordnung der statuten verkaufft und ime Kleger soweit gelangen mag bezahlung werden.171 Im anfangs berichteten Fall des Schuldners Maier kennen wir ausnahmsweise wegen der Strafanordnung den genauen Termin der Pfandgabe. Hier läßt sich feststellen, daß zwischen der Pfandgabe am 13.12.1552 und der Verwertungsanordnung am 28.01.1553 tatsächlich genau sechs Wochen verstrichen waren. 3. Parallelen Die Frist von 14 Tagen entspricht der deutschrechtlichen rechten Zeit, die einem Schuldner zur Zahlung von – durch Urteil oder Anerkenntnis – vor Gericht gewonnener Schuld blieb.172 Darin erschöpfen sich Anklänge an einheimisches Recht. Im Freiburger Stadtrecht beschreibt der XIIII. Titel des ersten Tractats die Beitreibung anerkannter Schulden und das Konkursverfahren.173 Das dortige Verfahren, von dem umstritten ist, ob und wie genau es durchgeführt wurde, weist keine Ähnlichkeiten mit dem terminus iuris am Consistorium auf.

170

A 4/6, LSS, Quartum: De Assessoribus Consistorialis ... Officium: 4. Absatz. A 14/1, fol. 291, 16.01.1552. Ingolstetter ./. Gluitz. A 14/1, fol. 278, 22.08.1551, weil antworter der schuld geständig ist ime terminum iuris zugeloßt. Ebenso A 14/1, fol. 345, 28.01.1553, Stock ./. Meier, erkannt, daß hinterlegte Pfand verkauft und Kläger seiner Summ vernügt. Terminum iuris: fol. 333, 22.10.1552, Pfandgabe 13.12.1552. In beiden Fälle folgte die Pfandhinterlegung erst auf weitere Forderungen und Drohungen von Kläger und Gericht. 172 Planck, Gerichtsverfahren II, S. 239 f. 173 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 82, I. Tractat, XIIII. Titel, Wie umb bekanttlich Schulden angriff beschehen soll; Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 74; Nasall/Winterer-Grafen, Rechts- und Gerichtsverfahren, S. 374. 171

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Größere Parallelen bestehen zu einem Sonderverfahren für Schuldsachen, das Hohl für die Universität Tübingen schildert.174 Im Stiftungsbrief heißt es,175 wenn sich ein Citierter bereit erklärt, seine Schulden zu bezahlen, soll er bei einer Strafe von zwei Schillingen eine Zahlungsfrist von 15 Tagen erhalten. Auch die Folgen weiterer Zahlungsunwilligkeit werden dort geregelt: Wer auch innerhalb einer ebensolangen zweiten Frist seinen Gläubiger weder durch Zahlung noch durch Pfandstellung befriedigt oder sich mit ihm vergleicht, soll ins Gefängnis wandern, bis er dies tut oder die Befriedigung soll durch den Verkauf des Schuldnervermögens erfolgen. Abweichend von diesen Bestimmungen läßt sich eine Strafe zusammen mit der Gewährung eines terminus iuris in den Freiburger Akten meist nicht feststellen, der Fall Maier, in dem sogar eine Haftstrafe verhängt wurde, stellt eine Ausnahme dar. IV. Sachwalter und Sicherheiten 1. Sachwalter a) Prokuratorenbestellung176 Zwar brauchte man vor dem Consistorium keinen fürsprecher oder Prokurator,177 aber wenn man sich eines solchen bediente, benötigte er umfassende Vertretungsmacht. Die Vollmacht, für einen anderen vor Gericht aufzutreten, wurde als gewalt bezeichnet und konnte vor dem Prokuratorenerlaß von 1567178 offenbar jedem erteilt werden. Allerdings mußte sie dem Gericht schriftlich vorgelegt werden.179 Um Zweifel an der Legitimation des Gewalthabers auszu174

Hohl, Die akademische Gerichtsbarkeit in Württemberg, S. 28 f. Reyscher, Württenbergische Universitätsgesetze, S. 34: Denique statuimus ..., quod quilibet citatus ad rectorem universitatis, si solutione careat, debeat habere quindenam pro primo termino sub poena duorum solidorum, secundo iterum quindenam, ita tamen quod infra eandem quindenam per pecunias aut pignora actori seu creditori satisfaciat, aut se amicabiliter componat cum eodem, alioquin incarceretur ... vel distrahantur at vendantur eius bona secumdum loci consuetudinem. 176 Zasius, Opera Omnia, Band I, c. 87, n. 3, (S. 46). n. 1: Est autem procurator, qui aliena negotia mandato domini administrat. 177 Vgl. auch Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 72. Er vermutet, daß im Gegensatz dazu vor den Freiburger Gerichten niemand ohne Fürsprecher (offizieller Vertreter) auftreten konnte, der Fürsprecher aber mit einer Vollmacht auch Gewalthaber (einfacher Vertreter) sein konnte. Vgl. zur Entwicklung in Basel Hagemann, Basler Stadtrecht, S. 24 f. 178 Vgl. Dritter Teil § 2 II. 3. a). 179 A 14/1, fol. 196, 25.01.1550, Hans Gebwein hat ein gewalt eingelegt für den Kläger. A 14/2, fol. 45v, 14.01.1563, Paul Windgg als Syndikus der Stadt Freiburg legt 175

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schließen, bestimmten viele Parteien ihren Vertreter vor dem Notar, der den Vorgang in die Consistorialakten eintrug.180 Während diese Bestellungen zu Beginn des Untersuchungszeitraums knapp gehalten sind, werden sie in A 14/2 ausführlicher und man stößt des öfteren auf die Bezeichnung constitutio procuratoris, mit der offensichtlich bestimmte Formeln verbunden waren. So constituierte Stephan von Lalosch 1562 M. Hans Frey als anwaldt, da er von wegen Bartlin Wägelins des verwundt wachtmeisters für die herren deß consistorii ... citiert were worden und aber deshalb das er ein gefangener man were nit selbs ... erscheinen mochte, derhalb gäb er seinen volkommenen gewalt dem ersamen M. hans Fryen zugegen, versprach mit mund und hand alles, was M. Hans in seinem namen handlen wurde, war stet und vest zuo halten, cum omnibus aliis clausulis in optima forma. Bat mich Notarium ich wolte sollich sein costitutionem procuratoris ad acta schreiben.181

In den ausführlicheren Prokuratorenbestellungen finden wir in der Regel die hier vorkommenden Punkte: Die Erklärung, man könne oder wolle nicht vor Gericht erscheinen, die Bestimmung eines Anwalts oder Prokurators – diese Begriffe werden hier synonym verwendet – und das Versprechen, die gerichtlichen Handlungen des Sachwalters gegen sich gelten zu lassen. Abschließend bestätigte der Notar die constitutio, zu der in der Regel zwei weitere Zeugen hinzugezogen wurden. An dieser Form änderte sich auch nach dem Prokuratorenerlaß nichts. Im Fall Has ./. Brüder de Monte benötigten Kläger und Beklagte einen Prokurator: Has lag schwer verletzt im Haus seines Arztes, Abraham und Arnolph de Monte im Martinsturm. Nachdem Has M. Schrag constituiert hatte, blieb für seine Prozeßgegner nur M. Tucher.182 Die förmlichen Bestel-

gewalt ein für die Klage der Stadt gegen von Lalosch. Ein Fall unzureichender Vollmacht begegnet uns A 14/1, fol. 441, 18.09.1557: assessores haben seine gewalt ersehen, er soll falls er der Klage nit rüwig mit ausreichender Gewalt wiederkommen. 180 A 14/2, fol. 60r, 13.11.1563. Der Kläger gibt Bernhart Iselin dem Küfer Gewalt. A 14/2, fol. 34r, 20.08.1562, Jöslin Jud von Sultzburg gibt Mathis Heß dem geschworenen statknecht allhie vollmächtig gewalt, so das er in seinem namen im Recht erscheinen [kann]. 181 A 14/2, fol. 31r, 20.06.1562. Und sind diese ding beschehen im beysein J. Hospitis und G. Bernhardi als gezeugen. Attesto ego M. Blasius Weidenkeller Juratus universitatis praedictae Notarius manu propria. 182 A 14/2, fol. 85v, 27.08.1569. Der verletzte Kläger Michel Has bestellt M. Schrag, den geschworenen Prokurator des Consistorii zu seinem Anwalt: mir als gedacht hoheschul geschworenen Notarien [Blasius Weidenkeller] mit handgegebener trew ahn eidsstatt gelobt und geschworen alles ratum et firmum zuohalten was also durch seinen anwalt gehandelt werde, et quod ipse velit Judicatum solvere et Judicium sistere cum omnibus et singulis clausulis necessariis et consuetis ... dabei waren Zeugen obernannter Claus Müller der Scherer [der Arzt, in dessen Haus der Verwundete gepflegt wird] und Peter Lintzer der Zeier zuo sollicher sach sunderlich erbetten. Den Beklagten bleibt

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

lungen, die der Notar in den Consistorialakten aufzeichnete, wiesen alle Elemente auf, die wir schon bei der constitutio M. Freys durch von Lalosch feststellen konnten. b) Sicherheitsleistungen der Sachwalter und Prokuratoren In den Prokuratorenbestellungen finden wir regelmäßig das Versprechen, der Principal wolle alles einhalten und befolgen, was für ihn gehandelt werde. Die Notwendigkeit, trotzdem neben der Vollmacht eine Sicherheit zu stellen, hängt möglicherweise mit dem Ursprung der prozessualen Vertretung zusammen. Im römischen Verfahren per legis actiones konnte nur auftreten, wer am streitigen Recht persönlich beteiligt war. Wenn eine Partei verhindert war und einen Vertreter benötigte, so trat dieser als dominus litis in Prozeß und Rechtsverhältnis ein und das Urteil wurde auf seinen Namen gestellt.183 Die Urteilsformeln, in denen Partei und Vertreter gemeinsam verurteilt wurden, belegen Reste eines solchen Verständnisses vor dem Consistorium: definitive entlich erkannth ..., das dem beclagt solche beschedigung ... gegen den cleger nit gebürt hab und deshalb bemelter Philipp Kraus als antwortter und M. Jacob Plow als procurator in nhamen seines principals in zwelf gulden zu condemnieren seien, wie wir sie ouch hiemitt condemnieren.184

Vor dem Universitätsgericht bestand dennoch Übereinstimmung, daß die Parteien und nicht die Sachwalter zahlen sollten. Die ausformulierten Vollmachten und cautionen, vor allem die cautio iudicium sisti et iudicatum solvi, die der Repräsentant beibringen mußte, sollten dies sicherstellen. In den Consistorialakten vermischen sich die Sicherheitsleistungen der Prokuratoren teilweise mit denen der Parteien, wobei es hauptsächlich um das Versprechen des eigentlichen Gegners ging, er werde dem Urteil Folge leisten.185

keine Wahl; sie nehmen am 01.09.1569, fol. 86r, M. Henrich Duocher geschwornen Procurator des Consistoriums der Hoheschuol zu anwalt, Actum St. Martins Turm. 183 Wetzell, Civilprozeß, S. 69 f. Vgl. auch Budischin, Zivilprozeß gelehrter Gerichte, S. 147. 184 A 14/1, fol. 256, 12.07.1550. Hervorhebungen BB. 185 A 14/1, fol. 381, 13.07.1555, entscheidet das Consistorium, der Kläger soll sein person legitimieren oder Bürgschaft bringen. Ebenda, 17.08.1555, auf beger des clegers tut der beclagt cautione Iuratoria de stando Iuri p(er) se aut procuaratore suo legitime. Vgl. Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 61 f. Schon im kanonischen Prozeß des 13. und 14. Jahrhunderts lassen sich gewisse Unschärfen feststellen, so wird die juratorische Kaution cautio iudicium sisti et iudicatum solvi von einer Partei gestellt. Budischin, Zivilprozeß geistlicher Gerichte, S. 147.

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Vor diesem Hintergrund muß man das häufige Anzweifeln des iustum mandatum eines anwalts oder gewalthabers sehen: Was auf den ersten Blick als zeitraubende Formalität erscheint, mit der man das Verfahren verschleppen konnte, war tatsächlich von essentieller Bedeutung, wenn man nicht seine Zeit und sein Geld mit einer Klage gegen den Falschen verschwenden wollte oder im umgekehrten Fall sich als Beklagter nicht einer erneuten Klage gegenübersehen wollte. Vor dem Universitätsgericht mit seinen mobilen Gerichtsunterworfenen spielten diese Fragen naturgemäß eine wichtige Rolle und wurden häufig diskutiert. 2. Sicherheitsleistungen der Parteien Neben Sicherheitsleistungen und Vollmachten für die Prokuratoren tauchen auch Kautionen der Parteien auf. Zusätzlich zu dem Versprechen, das Urteil zu befolgen, wurde auch Sicherheit dafür verlangt, daß der Kläger den Rechtsstreit bis zum Ende durchführen und der Beklagte solange ausharren werde.186 Dabei wurde die Sicherheitsleistung des Klägers vom Beklagten häufig zur Bedingung für die Litiskontestation erklärt.187 Dr. Julius Gut verlangte von dem Studenten Jörg Überecker, der ihn wegen einer vermeintlichen Injurie auf 1000 Gulden verklagt hatte, ausreichende Bürgschaft: weil Überecker dhein domicilio vnd ligende güter allhie hatt, das er werde angehalten, genugsame bürgschaft zuo geben, das er sein ... clag wolle aufführen vnd den zehend teil dessen so er In der clag begert Im fal so wider Ine geurteilt werden solt erstatten.188 Cleger hofft als ein adelsperßon vnd der vniuersitet vnderthan vnd geschworen ... sollichs zu thun nit Schuldig.189

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Das Freiburger Stadtrecht sah eine Sicherheitsleistung durch stadtfremde Kläger vor: Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 46, I. Tractat, V. Titel, 8. Wie frembd lüt sicherheit thuon sollen damit sy klagen mögen. Wer ouch das frembd vnerkannt lüt ... kemen vn vnsre verwandten mit recht fürnemen woellten ... so mag der antworter genugsam sicherheit von inen begeren / vmb kosten vnd schaden / ob er mit recht ledig erkennt wird / vnd vmb all interesse genuog zethuon / sunst ist er im nit schuldig antwurt zuo geben. Allerdings kann das Gericht vß mercklichen vrsachen den Kläger von der Sicherheitsleistung entbinden. Zu den Kautionen der Parteien im gemeinen Recht vgl. Wetzell, Civilproceß, S. 316 ff. 187 A 14/2, fol. 30r, 13.06.1562. Im Verfahren Huober ./. Hendschuochsheimer mußte nur der Kläger auf Verlangen des Beklagten eine Bürgschaft stellen, das er der rechten ganz auswarten werde, dann erfolgte die Litiskontestation durch den Beklagten. Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 72: In der Freiburger Rechtspraxis konnte der Kläger nur Sicherheit verlangen, solange er sich noch nicht auf die Klage eingelassen hatte. 188 Diese Forderung des 10. Teils könnte auf Gai. 4, 177 f. beruhen! Für den Fall, daß eine Injurienklage abgewiesen werden sollte, erhielt der Beklagte eine Gegenklage

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Das Gericht schloß sich der Auffassung Übereckers an und entschied, daß der Beklagte ohne Rücksicht auf seine exception dem Kläger auf seine Klage antworten und den Krieg im Recht befestigen soll. In einem anderen Fall forderte der Student Caminga, der am 29.01.1569 von einem Goldschmiedegesellen auf Geldersatz wegen Körperverletzung verklagt wurde, der Kläger solle satisfactionem iudicio sisti et iudicatum solvi stellen. Dieser verlangte dasselbe von seinem Prozeßgegner. Daraufhin entschied das Gericht interloquendo, beide sollten handgegebner trewe geloben der rechten auszuwarten.190 Statt der dogmatischen Durchdringung stand für das Gericht der Fortgang der Verfahrens und die Beilegung des Konfliktes an erster Stelle. Teilweise traten die Sicherungsmittel nebeneinander auf. Am 07.02.1562 forderte ein Kläger, dweil der beclagt alle tag wegfertig und vnbleiblich, das er geloben solle dem Rechten auszuwarten. Der Beklagte erklärte, er wolle einen Anwalt stellen, bevor er die Stadt verlasse. Das Gericht stimmte dieser Lösung zu, vnd solle arrestiert sein bis das sollichs beschicht.191 Zwar genügte es grundsätzlich, einen bevollmächtigten Vertreter zu stellen, doch bis dahin war die zusätzliche Sicherung durch den Arrest erforderlich.

§ 4 Von der litis contestatio bis zur sententia definitiva I. Litis contestatio 1. Vorkommen Die Litiskontestation markiert die Zäsur zwischen dem formellen und materiellen Teil des Verfahrens, den Übergang vom Austausch der Klage- und Antwortschriften zur Beweiserhebung.192 In den Consistorialprotokollen begegnet

(contrarium iudicium) auf ein Zehntel der in der taxatio genannten Bußsumme, Kaser, Römisches Privatrecht, S. 625. 189 A 14/1, fol. 396, 11.07.1556. 190 A 14/2, fol. 83v, 29.01.1569. 191 A 14/2, fol. 23v, 24.02.1562. 192 Sellert in HRG 3, Litis contestatio, Sp. 18; Dick, Kameralprozeß, S. 144 ff.; Buchda in HRG 1, Gerichtsverfahren, Sp. 1555, Der Kläger bekräftigte hierzu die Behauptung seines Anspruchs, der Beklagte bestritt diesen und erklärte so seine Bereitschaft zum Rechtsstreit. Auch die Bezeichnungen Streit- oder Kriegsbefestigung waren verbreitet.

§ 4 Von der litis contestatio bis zur sententia definitiva

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sie uns regelmäßig, wenn es heißt, die Beklagten sollen litem negative contestieren193 oder den Krieg im Rechten befestigen: auf Anlang der Kläger hat Hans Stör den Krieg rechtens negatione contestiert und gsagt er sei In namen seins principals keiner burgschafft anred unnd gestendig194

Ist die Üblichkeit der Litiskontestation ein Indiz dafür, daß in diesem Punkt nicht nach den Regeln des summarischen Prozesses verfahren wurde? Nach der Clementina Saepe sollte sie im beschleunigten Verfahren entfallen. Ob die Gerichte der frühen Neuzeit diese Vorschrift aber jemals streng angewendet hatten, war umstritten: Bayer195 behauptete, die Litiskontestation im frühen 14. Jahrhundert, auf die sich die Dekretale beziehe, sei noch nicht – wie ab dem 16. Jahrhundert – eine bestimmte und deutliche Antwort auf die Hauptbestandteile des Klagegrundes gewesen. Mit diesem Argument begründete er seine Meinung, auch nach der Clementina Saepe sei eine litis contestatio erforderlich gewesen. Briegleb widersprach dieser Ansicht vehement. Mit solchen Scheinargumenten versuche man nur, die Unterschiede zwischen summarischem und regulärem Prozeß zu eskamotieren. Aus heutiger Perspektive ist der Wortlaut eindeutig und damit an der ursprünglichen Bedeutung der Clementina kaum zu rütteln: litis constestationem non postulet. Allerdings begann, darauf weist gerade Briegleb hin, bald ein freierer Umgang mit dieser Vorschrift, der sich vom Wortlaut löste. Dies konnte ohne weiteres zu einem summarischen Prozeß mit Litiskontestation führen. Folglich schließt ihre Notwendigkeit vor dem Universitätsgericht nicht die Annahme eines summarischen kanonischen Verfahres aus. Immerhin wurde hier – insofern gibt es durchaus einen Unterschied zum ordo solemnis, der den Prozeß beschleunigt – auf einen eigenen Termin meist verzichtet: In verschiedenen Fällen schnitt das Consistorium Beklagten, die versuchten die Litiskontestation hinauszuzögern, ihre Einwände ab und zwang sie mit einem Interlokut, die Rechtshandlung noch im selben Termin vorzunehmen: Rhegius excipiert, diese clag sei nit formlich eingeführt, müsse darauf nicht antworten. / Erkannt, Beklagter soll unangesehen seiner Exception den Krieg im Rechten versahen. / Rhegius begert terminum deliberandi nechst Consistorio. / Cleger verhofft, der Beclagt soll zu ja oder nein auff die Clag antwortten, / Erkannt, 193 A 14/2, fol. 2r, 05.07.1561, M. Paulus Windeck apud acta constitutus procurator deß von Knoringen contestatur litem negative. 194 A 14/1, fol. 323, 10.09.1552, Lintz ./. Weiß. 195 Bayer, Summarische Processe, S. 124, Fn. 13. Dem widersprach Briegleb ausdrücklich, S. 48. Seiner Meinung nach schrieb die Clementina Saepe sehr wohl einen Verzicht auf die Litiskontestation vor. Die Differenz zwischen den beiden Autoren läßt sich mildern, wenn man beachtet, daß Briegleb vor allem auf den Wortlaut der Clementina Saepe abstellte, während Bayer ihre praktische Anwendung im Auge hatte. Diese wich, wie auch Briegleb zugab, vom Ideal ab.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium das Beclagt ungeacht seines Begerens uff diesmals zu ja oder nein litem contestieren solle. / Als nun reus der clag in maßen die eingefürt nit gestendig und also litem negative contestiert ...196

Eher als bei der Frage nach dem rechten Mandat eines Vertreters hat man bei solchem Verhalten der Beklagten das Gefühl, einer Variante der berühmtberüchtigten gemeinrechtlichen Prozeßverschleppung ins Auge zu sehen. 2. Einreden vor und nach der Litiskontestation Der Effekt der Litiskontestation war unter anderem die Präklusion des Beklagten mit bestimmten dilatorischen Einreden, vor allem mit den declinatoriae iudicii.197 Auf diese Regel berief sich das Consistorium in einem Fall ausdrücklich, reus bringt foris exceptionem vor, weil aber das post litis contestatione beschehen haben die herren die nit angenommen.198 Gerade in der speziellen Prozeßsituation ist dieser Bescheid bemerkenswert, weil das Gericht damit eindeutig eine Regel befolgte, die seinen Interessen zuwiderlief. Es hatte nämlich in den ersten beiden Terminen versucht, das Verfahren an die Universität zu deferieren und die Parteien zu einer privaten Einigung gedrängt. Obwohl es sich offenbar lieber nicht mit dieser Sache befaßt hätte, wies es die exceptio foris als verspätet zurück. Peremptorische Einreden hingegen sollten nach der Litiskontestation vorgebracht und bewiesen werden.199 Auch hieran scheint sich das Consistorium in der Mehrzahl der Fälle zu halten. In einem anderen Verfahren hatte der Beklagte hartnäckig gegen die rechtliche Grundlage der Klage excipiert, die nach seiner Rechtsauffassung keine Forderungen des Klägers gegen ihn tragen konnte. Hier entschied das Gericht nach zwei Terminen, er solle endlich den

196

A 14/2, fol. 23v, 07.02.1562. Budischin, Zivilprozeß geistlicher Gerichte, S. 121 ff. und S. 149. Die declinatoriae iudicii richteten sich gegen die Jurisdiktion oder die Personen der Prozeßbeteiligten, Klagelibell und Gerichtsort. Auch bei der oben zitierten Einrede Rhegius’ diese clag sei nit formlich eingeführt handelte es sich um eine declinatoria iudicii, die Einrede richtete sich gegen die Form der Klage. Vgl. Budischin, Zivilprozeß geistlicher Gerichte, S. 135. Es war also korrekt, sie vor der Litiskontestation vorzubringen. 198 A 14/1, fol. 347, 25.02.1553. 199 Budischin, Zivilprozeß geistlicher Gerichte, S. 140. Abgesehen von den peremptoriae litis ingressum impedientes, mit denen dargetan wurde, der Streit sei schon entschieden oder anderweitig anhängig. 197

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Streit befestigen, zumal es ihm unbenommen bleibe, diese exceptiones später vorzubringen.200 II. Iuramentum calumniae Die Formel für das Iuramentum Calumniae oder den Eid für Gefährde, die im Folioband A 14/2 niedergeschrieben ist, verdeutlicht besser als alle theoretischen Erklärungen die Funktion dieses Eides: Es soll jede Partei einen gelehrten Eid leiblich zu Gott und den Heiligen schwören wie nachfolgt: Das er vermeine getzo in diesem Gericht ein aufrechte redliche sachen zuofüoren. / Zum anderen Das er so offt und viel er dieser Sache halb gefragt wird die Wahrheit anzeigen wölle. / Zum dritten das er niemand ichzig [nichts] der halben verheißen oder geben hab, weder dem er von Rechts wegen verheißen oder geben mag.201 / Zum vierdten Das er sich in diser sach keins geforlichem uffzugs gebrauchen wölle202 / Zum fünfften Das er sich keiner falschen Beweisung gebrauchen wolle.203

Der Eid sollte die Parteien zu lauterer und rechtmäßiger Prozeßführung und zur Wahrhaftigkeit anhalten. Um querulatorische und unredliche Klagen auszuschließen, mußten die Parteien versprechen, nicht wider besseres Wissen Ansprüche geltend zu machen.204 Der Plastizität halber sprach der Eid ver200

A 14/2, fol. 46v, 16.01.1563. Die Kosten blieben bis zum Urteil eingestellt. Dies ist folgerichtig, da das Consistorium nach eigenen Angaben nicht über die exception entschieden hatte, obwohl sie später nicht mehr vorgebracht wurde. Falls ein Urteil über exceptiones vor der Litiskontestation erging, konnte bereits eine erste Kostenentscheidung ergehen. Budischin, Zivilprozeß geistlicher Gerichte, S. 139 f. 201 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 55, I. Tractat, VIII. Titel, Von klag gegen klag vnd antwurt, 14. Form des eyds für geverd. (letzter Punkt) ouchs niemants geffarlicher wyse mit gaben oder schencken bewegen wöll; Am Waldt, Gerichts Unordnung, 2. Tractat / von den Klägern und Beklagten, Zum dritten müssen sie schweren / daß sie niemandts nichts weder gegeben haben / noch geben wöllen / anders dann sich gebüret / seiner sach zuhelffen oder zu befürdern ... Es ging also um die Verhinderung von Bestechungsversuchen. 202 Köbler, Nüwe Stattrechten, a.a.O., (zweiter Punkt) das sy ouch dheinen verzug begeren wöll zuo geverlicher verlengerung der sach; Am Waldt, Gerichts Unordnung, a.a.O. Zum fünfften und letzten müssen sie auch schweren keinen auffzug und verlengerung dem Gegentheil zum nachteil und betrug oder den Span und Krieg auffzuhalten bitten oder begeren ... 203 A 14/2, ein Blatt vor fol. 1, Juramentum Calumniae. 204 Sellert in HRG 2, Kalumnieneid, Sp. 566 f. Grundsätzlich gab es zwei Formen des Kalumnieneides, zum einen das iuramentum calumniae generale, nach der Litiskontestation geleistet und auch als Eid für Gefährde bezeichnet, sowie das iuramentum

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

schiedene Aspekte ausdrücklich an. Das Muster eines Kalumnieneides, das im neuen Stadtrecht enthalten ist, umfaßte die gleichen fünf Punkte wie der universitäre Schwur: Die Überzeugung von der Redlichkeit der eigenen Sache, die Verpflichtung zu Richtigkeit und Wahrheit bei eigenen Aussagen und eingebrachten Beweismitteln, sowie die Auflage, es zu unterlassen, das Verfahren zu verzögern oder seinen Ablauf durch Gaben und Geschenke zu beeinflussen. Die unterschiedliche Reihenfolge belegt, daß es sich beim universitären Eid nicht um eine Abschrift aus dem Stadtrecht handelte. Immer wieder verlangten die Parteien vor dem Consistorium, ihre Prozeßgegner sollten den Kalumnieneid persönlich schwören und nicht deren Prokurator.205 M. Paulus Windeck [der Anwalt des Beklagten von Knorigen] se offert nomine principalis sui ad praestandu Juramentum Calumniae, petit ut idem etiam praeset Schabhart pars adversia. Actor non vult [ut] iuret Windeck sed vel adsit principalis der von Knöringen, vel ut donat mandatum speciale aquod iurare possit ad debeat.206

Das Consistorium entschied interloquendo etwas vage, es solle Das Juramentum Calumniae von Beiden theilen erstattet werde[n]. Der Kläger hakte nach und bestand darauf, den Calumnieneid nur unter oben genannten Bedingungen zu leisten.207 Obwohl der Anwalt des Beklagten der Meinung war, sein Mandat reiche aus, haben die herren Consistoriales zuo recht interloquendo erkant Das M. Paulus uff nechst Consistorium solle mit ime bringen ein mandatum speciale ad praesentandum iuramentum calumniae oder solliches seinen Principalen selbs personlich erstatten laßen.

calumniae speciale, welches vor besonders wichtigen Prozeßhandlungen zu schwören war. In den Consistorialakten erscheint nur das generelle iuramentum calumniae. Auch das Freiburger Stadtrecht kannte nur diese Form, Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 64 f. 205 Vgl. Am Waldt, Gerichts Unordnung, Gerichtlicher Prozeß, VIII., Diesen [Eyd für gefährdt] aber soll, mag, noch kann / kein Anwaldt schweren, er hab dann / von seiner Principal Parthey / einen befelch der lauter sey. 206 A 14/2, fol. 2r, 05.07.1561. Hintergrund: R. Schabhart contra Hans Egloff von Knöringen, den er verklagt das er im Roß gelihn welches dan übel verderbt, das für Schabhart [Leerstelle] gulden begert. Anderes Beispiel: A 14/2, fol. 80v, 15.11.1567, Klage eines Auftragnehmers auf Aufwendungsersatz. 207 Petitiones: R. Schabhart non vult praestare iuramentu Calumniae nisi ad hoc videat M. Paulus Windegk habere mandatum speciale vel principalis Knöringer ipse praesens iuret.

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Damit präzisierte das Consistorium seine Entscheidung im Sinne des Klägers. In diesem Fall war es die Hartnäckigkeit des Klägers, die einen zusätzlichen Termin erforderlich machte. Der ordentlich legitimierte Eid war wichtiger als ein rascher Fortgang des von ihm angestrengten Verfahrens. Dennoch glaube ich nicht, daß es sich bei derartigen Anträgen um eine Spielart der dem Vernehmen nach im gelehrten Prozeß schon fast als Kunstform betriebenen Verzögerungstaktik handelte. Zum einen waren es ja auch die Kläger, die dies forderten. Zum anderen stellte die Frage, wer einen Eid ablegen mußte, in der damaligen Wahrnehmung keine Bagatelle dar. Schließlich konnten wir bereits beobachten, welcher Aufwand auf die präzise Ausgestaltung des Vertretungsverhältnisses zwischen Sachwalter und Principal aufgewendet werden mußte und in welche Gewissensnöte ein Schwur die Menschen stürzen konnte.208 Vor diesem Hintergrund wird die Forderung, der Gegner solle persönlich schwören, nachvollziehbar: Vermutlich war das Gefühl der Absicherung größer, wenn die Gegenpartei selbst den Eid für Gefährde schwor, und nicht der Anwalt, der von manchen Details der Rechtssache keine Kenntnis hatte.209 Anfänge eines Bedeutungsverlusts des Kalumnieneides wegen einer zunehmenden Rationalität der Prozeßbeteiligten210 kann man daher in den Consistorialprotokollen nicht beobachten. Im Gegenteil, er erscheint gerade nicht als leere Formalität, sondern immer noch als integraler Bestandteil des Verfahrens. III. Beweisverfahren 1. Zuständigkeit zum Beweis Im römisch-kanonischen Recht mußte grundsätzlich der Kläger, der einen Anspruch behauptete, diesen beweisen. Mißlang ihm der Beweis, wurde der Beklagte freigesprochen. Dieser wiederum führte nur für von ihm vorgebrachte Einreden Beweis, während der Kläger deren Wegfall oder Nichtbestehen beweisen konnte.211 Viele Fälle deuten darauf hin, daß das Consistorium 208

Vgl. hierzu Erster Teil § 4 I. 2. Vielleicht spielte auch hier die Problematik des Prokurators als Stellvertreter eine Rolle, vgl. Dritter Teil § 3 IV. 1. Wenn der Eid nicht auf den Principal durchschlüge, würde dessen Bösgläubigkeit nicht schaden. 210 Sellert in HRG 2, Kalumnieneid, Sp. 568. 211 Budischin, Zivilprozeß geistlicher Gerichte, S. 184; Bayer, Civilproceß, S. 725f: necessitas probandi incumbit ei, qui agit sowie ei incumbit probatio qui dicit, non qui negat. Vgl. auch Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 115 f., Exkurs Beweislast: Grundsätzlich folgte die Freiburger Rechtsprechung den Regeln des gemeinen Rechts. Einzelheiten erläutert Nassall nur an Spezialfällen, da die Beweislast – jedenfalls nach heutiger Auffassung – eine Frage des materiellen Rechts ist. Seine vereinzelten Anmerkungen zum 2. (schuldrechtlichen) Traktat sind schwer ausfindig zu machen. 209

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

grundsätzlich von diesen Regeln ausging: Wenn der Beklagte alles abstritt, mußte der Kläger seinen gesamten Anspruch beweisen. Trug hingegen der Beklagte exceptiones gegen die Klage vor, hatte er diese zu belegen.212 In einem Verfahren erkannte das Gericht ausdrücklich, das cleger sein Clag und Reus sein Exception beweisen soll.213 Schwieriger wird es, wenn der Beklagte Teile der Klage, deren Summe sich gerade bei Schulden oft aus verschiedenen Posten zusammensetzte, zugestand und andere nicht. In manchen Fälle wertete man die Teilzahlung als exceptio: Als ein Beklagter excipierte, er habe schon einen Teil seiner Schulden beglichen, entschied das Gericht, er habe die Teilzahlung durch Zeugen bewiesen.214 Es gab aber auch Verfahren, in denen trotz eines teilweisen Zugeständnisses der Kläger insgesamt seine Forderung beweisen sollte. So behauptete beispielsweise ein Beklagter, er schulde insgesamt weniger und das Gericht entschied, der Kläger solle die Schuld probieren wie recht.215 In einem weiteren Verfahren trug der Beklagte vor, er habe nicht 7 Bücher à 9 Batzen, sondern 6 Bücher à 7 Batzen gekauft und auch hier sollte allein der Kläger seine Forderung beweisen. Zwischen den Fällen läßt sich durchaus ein Unterschied feststellen: Während in den beiden letzten Beispielen die Beklagten die klägerischen Forderungen im Ganzen bestritten, wurden sie im ersten Prozeß vollständig anerkannt. Dort beruhte die Verteidigung auf einem anderen Ereignis, der späteren Teilzahlung. Insgesamt wird eine systematische Einordnung aber dadurch erschwert, daß gerade in den Fällen, in denen es zu einem Beweisverfahren kam, oft bereits eine Gegenklage erhoben worden war. Nun mußten beide Parteien ihre jeweiligen Klagen und exceptiones beweisen. Trotz der Doppelrollen behielt der Schreiber häufig die ursprünglichen Bezeichnungen als Kläger und Antworter entsprechend der zuerst erhobenen Klage bei. Anschaulich zeigt dies ein Verfahren aus dem Jahr 1571, in dem die Dienerin Cordula Eckbergerin von Dr. Bilonius als Erben ihres vormaligen Dienstherren 69 Kronen ausstehenden Arbeitslohn forderte. Dieser antwortete auf die Klage mit der Behauptung, gar nicht Erbe zu sein und reichte eine Gegenklage ein. In den Akten wurde folgendes vermerkt: Zwüschen M. Heinrich Duocher als anwalt Cordula Eckhbergerin als vorcläger ahn einem und M. Görg Brunner als anwalt Herrn D. Jacob Bilonii antwortter 212 Vgl. u. a. A 14/1, fol. 433, 29.05.1557, die weil antworter solutionis exceptionem fürwendt, ist Im die zubeweisen ufferlegt worden. 213 A 14/2, fol. 73r, 06.04.1566, Kremer ./. Martin Bogerin. 214 A 14/2, fol. 79r, 12.07.1567, Görg Walters des Schneiders Hausfrau ./. Martin Bogerin. 215 A 14/2, fol. 44r, Burse ./. am Berg; Holl ./. Bürge.

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andertheils, ist ersternandter Duocher, seinem begern nach, zuo beweißung der Convention gelaßen, [andere Fälle] ... Uff obenangehörte Interlocutorien hatt M. Heinrich Duocher als anwalt Cordula Eckhbergerin litem negative constestiert in reconventione, daruff gegenanwalt begert in dißer Reconvention ad probandum gelaßen zuo werden, ist zuogelaßen ...216

Somit waren zum nächsten Termin beide Parteien, jeweils als Kläger, zum Beweis aufgefordert. Bei unklarer Zuordnung der Prozeßrollen läßt sich die Darlegungs- und Beweislast rückblickend nicht mehr vollständig aufklären. 2. Die Beweismittel a) Zeugen Das beliebteste und am häufigsten auftauchende Beweismittel waren Zeugen. Die Verhöre wurden oft, aber nicht immer, durch einen dazu beauftragten Kommissar geführt. Am Universitätsgericht nahm diese Funktion meistens der Notar wahr.217 Da die Parteien den Gegenstand der Verhöre bestimmten, indem sie die Fragen zusammenstellten, hatten sie, und nicht das Gericht, die Kontrolle über das Beweisverfahren. Die Partei, die den Beweis führen mußte, wählte die Zeugen aus und verfaßte (producierte) einen in Artikel gegliederten Text, der die zu beweisenden Tatsachen Punkt für Punkt enthielt. Der Gegenpartei war es gestattet, diesen Artikeln, die anschaulich als Fragstücke bezeichnet wurden, eigene Fragen hinzuzufügen218 Dabei wurden die Artikel des Klägers in der Regel positiones oder Positionalartikel, die des Beklagten defensiones bzw. Defensionalartikel genannt. Mit dieser Vorbereitung war allerdings die Beteiligung der Parteien an der Beweisaufnahme abgeschlossen, denn die 216

A 14/2, fol. 95r, 17.03.1571; Klage erhoben am 27.01.1571, A 14/2, fol. 94r; Reaktion am 03.02.1571, fol. 94v. 217 So wird A 14/2, fol. 2r, 05.07.1561, in der Beleidigungsklage Baldung ./. von Kienburg der Universitätsnotar als Kommissars zum Zeugenverhör bestellt. Ebenso A 14/2, fol. 6v, 23.08.1561, der Kläger Hans Koch will fünf Zeugen stellen contra Jacobum metzler et Christanum Vögelin, petit me notarium in commissarium ad examinadum testes, In hoc et consentium ambo rei; fol. 22r, 24.01.1562, Böschen ./. Textor: Actor petit ad probandum admitti, admissus est, Daruff begert Neff [Klägeranwalt] M. Weidenkeller [den Universitätsnotar] in Commissarium. Ist im zuogelassen. 218 A 14/1, fol. 121 ff., 06.07.1549, Neff ./. Kraus: Volgends haben die herren consistoriales je ein zeugen in abwesens des andern firgenommen, ... auff M. Jacobi plawen des Antwortters anwalt fragstuck, ... derglichen auff Hans Geweins als clegers anzug, den wye einem iedem zeugen verstendig firgehalten examiniert, welche gesagt wie hernach volgt ... A 14/1, fol. 209, Nachmals vber den anzug, als dem 6. und 7. des antworters defensional articul gesagt wie volgt ... Vgl. auch Fuchs, Gott läßt sich nicht verspotten, S. 321.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Zeugen wurden einzeln und in Abwesenheit der Parteien verhört. Nach dem Verhör wurde den Zeugen Stillschweigen über ihre Aussage geboten.219 Hier dient das Schweigegebot dazu, den Parteien Chancengleicheit zu gewähren: Die schriftlich aufgezeichneten Verhöre der Kommission wurden im nächsten Termin vor Gericht geöffnet und verlesen, wobei die Parteien auf Wunsch Abschriften erhielten.220 Das Freiburger Stadtrecht sah eine formalisierte Zeugenbefragung, wie sie vor dem Consistorium die Regel war, nur für schwerwiegende Fälle vor. In geringfügigeren Angelegenheiten war ein öffentliches Verhör der Zeugen vor Gericht, wie es früher in Freiburg allgemein üblich war, weiterhin zulässig.221 aa) Eidliche Bekräftigung der Aussage Bei den Zeugenaussagen, die in den acta consistorii erhalten sind, stoßen wir, wie in den Inquisitionsprotokollen, auf zwei Formen der Wahrheitssicherung mit Hilfe von Eiden.222 Häufiger als bei den Strafverhören findet sich der Zeugeneid, der in folgender Form überliefert ist: Es soll ein jeder Zeug geloben und darnach einen leiblichen gelerten Eid zu Gott und den heilgen schwören das er auf ingelegten anzug und frag ein gantz lautere wahrheit und kuntschafft sagen wölle, vill ime darumb kundt und wüßen ist, Niemand zu lieb noch leid, weder durch miedt, gab, gunst, neid oder haß, freundschaft noch feindschaft und das keins wöll unterlaßen, dadurch die wahrheit und gerechtigkeit erschwert noch untertruckt werde. Auch kein Falschheit darin, sondern allein das Jhenig, so zuo fürderung der [***] Gerechtigkeit auch auf mein Fragen gebühren. [***] Wie er dan solliches am Jüngsten gericht vor [Gott dem] almechtigem als strengem und gerechten R[ichter verant]wurtten württ sollen und muoßen.

Nachdem der Notar dem Zeugen dies vorgelesen hatte, folgte mit erhobenen Schwurfingern, Elevatis digitis, der eigentliche Eid: 219 A 14/1, fol. 205, 01.02.1550, Verhör von Dr. Johann Artopeus; ebenso A 14/1, fol. 185, nach der Aussage Ist ir stillschwieg by beuehr irer weiplich ehren bis zu eröffnung der kundschafft aufferlegt. 220 A 14/2, fol. 6v, 23.08.1561, Grub ./. Wonegger. Der Beklagte legt sein Kundschafft ein; ambo partes petunt apertura attestationum. A 14/2, fol. 7v, 30.08.1561, erkennt das Gericht im Verfahren Koch ./. Metzler und Vögelin auf apertura attestationes,er wird iedem teil abschrift zuogelassen. 221 Köbler, Nüwe Stattrechten, I. Tractat, IX. Titel Von bewysung, 27. So wen kuntschafft in kleinfügigen sachen gestelt würde. Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 66. 222 Vgl. dazu Zweiter Teil § 2 II. 1. a).

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Als mir fürgehalten ist, und ich wol verstanden, dem will ich trewlich nachkommen, also schwör ich, das mir Gott also helf und alle Hayligen.223

Leiblicher Eid lautete die damalige Bezeichnung224 für einen Schwur mit uffgehebten Fingern in feierlichem Zeremoniell. Natürlich flößte dieses Ritual dem Schwörenden noch mehr Ehrfurcht ein als die Erinnerung an einen früher geleisteten Eid. Vermutlich gab es bei allen Beteiligten eine gewisse Scheu: Obwohl wir etliche Beispiele für leibliche Zeugeneide finden, kam es immer wieder vor, daß die Parteien einverständlich einem Zeugen den Eid erließen, ihn bei seinem Eid bleiben lassen. auch hab inen der Stattknecht aus bevelh des obersten meisters allen daher geboten haben die herren auch die widerpartei bei bemeltem eid laßen pliben ...225

Die Aussage erfolgte dann unter Erinnerung an der Immatrikulations- oder Bürgereid, bei Universitätsangehörigen also mit der Ermahnung bei dem Eid, mit dem man der Universität verwandt die Wahrheit zu sagen. Vielleicht lag in dieser Praxis, keinen zusätzlichen Schwur zu fordern, schon ein Versuch, der Entwertung des Eides durch seine übermäßige Verwendnung entgegenzutreten und dieses scharfe Schwert nicht durch zu häufigen Gebrauch stumpf werden lassen.226

223 A 14/2, Blatt vor fol. 1, Juramentum testium. In der unteren Hälfte ist das Blatt eingerissen, *** bedeuten mögliche Fehlstellen, in Klammern sinngemäß ergänzter Text. 224 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 12, leiblicher Eid, Sp. 606, ist der feierliche, mit anrührung der körper der heiligen oder mit zu gott emporgerichteten fingern geschworen. Die Bezeichnung eines Eides als leiblich taucht in den Consistorialakten in der Regel auf, wenn von Eidesleistungen die Rede ist: A 14/1, fol. 424, 13.02.1557, bei der Eröffnung einer Kundschaft heißt es, der Zeuge habe vor Rector und Notar einen leiblichen eid geschworen. Aber auch mit Bezug auf Kalumnieneide, A 14/1, fol. 243, 14.06.1550 oder den Kosteneid eines Anwalts, A 14/1, fol. 167, 23.11.1549. 225 A 14/1, fol. 121-128, 06.07.1549; fol. 406, 10.10.1556, Hans Gotthart der würt zum kiel des zierlichen eids erlassen von beyden theilen hatt er bey dem eidt den er dem bürgermeister geschworen gesagt ... A 14/2, fol. 1r ff., 05.07.1561, der Beklagte Schreckenfuchs will diße zwei Zeugen auch pleiben lassen bei dem Eid so sie Ir oberkeit geschworen. Er verzichtet also auf einen leiblichen Zeugeneid und beläßt es bei einer Erinnerung an ihren Bürgereid. 226 Vgl. zu dieser Enwicklung auch Fischer in HRG 5, Zeugen, Sp. 1689 f.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

bb) Interrogatoria generalia, gemeine fragstück Barbara Werberzer von Simmering dienstmagd zu dem schnabell Erstlich nach verwarnung des meineids auf alle gemeine fragstück so ein zeug in rechten befragt werden soll, examiniert sich in den allen erbar recht und wol gehalten.227

Die Zeugenaussagen der Freiburger Consistorialakten weisen die klassische Trennung zwischen gemeinen und speziellen Fragestücken auf. Jeweils zu Anfang des Aussageprotokolls wurde vermerkt, der Zeuge habe sich der gemeinen fragstucke erbar gehalten oder er sei uber die gemeinen fragstück als er beym eid gefragt recht erfunden. Von Barbara Kutterle, der Wirtin zum Kiel, heißt es sie sei auff die gemeinen fragstück befragt sich darin als dem recht gemäs gehalten.228 Die interrogatoria generalia sollten dazu dienen, untaugliche Zeugen auszuschließen, wobei die Tauglichkeit fein differenziert wurde: Die gemeinrechtliche Prozeßwissenschaft bewertete in Anlehnung an das kanonische Recht die testes als vollgültige classes, verdächtige suspecti oder zeugnisunfähige inhabiles. Vorbestrafte, Freunde und Verwandte konnten zwar als Zeugen benannt werden, erbrachten aber allein keinen vollen Beweis.229 Die Artikel der gemeinen Fragstücke, die sich aus Befragungen des Consistoriums erschießen lassen, wirken in dieser Hinsicht strenger: Der erst gezeug / M. Nicolaus Heß Scherer und Zunfftmeister allhie zu friburg sagt er sei keiner parthei verwandt, hab keinem theil in diser sachen geraten, seit nit befragt, noch underwißen was, oder wie er sagen soll, hab sich mit niemandts kundschaft zu sagen vorhin underredt, wiße dißer sach weder zu genießen noch zuentgehen, und gonne so recht hat zu obsigen, und kheinem mer rechts dan dem andern Zu dem sei er weder in ocht noch bann230 Der dritt Zeug / Erhart Voll seines handwerks ein beck und zinftig allhie sagt das er keiner parthei mit fründtschafft oder anderlei weg verfangen, günde der parthei so recht hapt den sig, sei keinem mehr mit gunst oder ungunst dann anderm geneigt, habe auch kein gesellschaft oder sonderliche unteredung mit producenten gehapt In

227

A 14/1, fol. 245, 14.06.1550. A 14/1, fol. 209 ff., Sutterin ./. Mauerer. 229 Fischer in HRG 5, Zeugen, Sp. 1687. 230 A 14/1, fol. 121-128, 06.07.1549, sechs Zeugen. Aus dem Examen der gezeugen, so von Hansen Gewein als vollmechtigem anwalt Dietrich Neben in namen und von wegen seins sons Hansen Neben gegen und wider M. Jacob Plawen als vollemechtiger anwalt Philipp Krusen produciert und fürgestelt. Verfahren Neff ./. Kraus, Klage auf Geldersatz wegen Körperverletzung. 228

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den anderen fragstuckhen sich erbar und geschicklich wie ein zeug in rechten sein soll gehalten.231

In verschiedenen Aspekten mußten sich die Zeugen als unvoreingenommen und objektiv erweisen. Sie durften keinen Vorteil aus dem Ausgang der Rechtssache ziehen, und mußten angeben, der Partei, die im Recht sei, den Sieg zu wünschen. Daneben sollte sichergestellt werden, daß die Aussage mit keiner Partei abgesprochen war. Bis zu diesem Punkt konnte ein redlicher Zeuge in den interrogatoria generalia fraglos bestehen. Ob aber viele der ersten Anforderung gerecht werden konnten, muß bezweifelt werden: Die Zeugen sollten mit keiner Partei verwandt, befreundet oder anderlei weg verfangen sein. Bei strenger Beachtung dieses Maßstabs wären in einer frühneuzeitlichen Stadt kaum Zeugen übriggeblieben, weil Konflikte und Streitigkeiten meist im persönlichen Umfeld der Parteien ausbrachen. Wenn bei Schlägereien Gruppen von Studenten und Handwerkern aufeinandertrafen, standen fast alle Anwesenden in engerer Beziehung zu einer der Parteien. Aus diesem Grund war man zumindest bei der Befragung großzügig: Obwohl die Kläger Vater und Sohn Neb Bäcker waren, wurde Erhart Voll seines handwerks ein beck und zinftig allhie als ihr Zeuge gegen den Beklagten vernommen und seine Angabe, er sei er keiner parthei mit fründtschafft oder anderlei weg verfangen akzeptiert. Während die Formeln der gemeinen Fragstücke Personen aus dem näheren Umkreis der Parteien eine neutrale Aussage nicht zutrauten, zeigte sich die Praxis weniger streng und verhörte immer wieder auch ihre Freunde und Bekannten oder Personen, die bei ihnen in Lohn und Brot standen. Zwischen der Generalinquisition und dem Zeugeneid bestehen Ähnlichkeiten. In letzterem wurde gelobt, Niemand zu lieb noch leid, weder durch miedt, gab, gunst, neid oder haß, freundschaft noch feindschaft auszusagen. Auf die gemeinen Fragstücke hin versicherten die Zeugen, der Partei, die Recht habe, den Sieg zu gönnen. Manchmal tauchen dort sogar die gleichen Worte ouch well sie niemandt zu lieb oder zu leid sagen auf.232 Diese Parallelen ergeben sich daraus, daß sich die Funktion der beiden Institute deckte, nämlich wahrheitsgemäße Angaben sicherzustellen. Der Zeugeneid konzentrierte sich dabei auf die Aussage, die Generalinquisition auf den Aussagenden. Noch heute trennt das Zivilprozeßrecht diese Fragen, und so könnte man als Bild moderne 231

A 14/1, fol. 121-128. A 14/1, fol. 185. Also seien diese zwei wyber durch den magnificus dominus Rector und consistoriales verherdt / Erstlich Anna Meyerin Lazari byrbom des becken housfrowe. auff die gemein Interrogatoria gefrogt sagt by iren wiplichen trewen hatt sich deme wie eine gezeugin wol anstahlt erbarlich gehalten. / Sey keiner parthey weder mit freundschafft fündschafft gefatterschaft noch anderly verwandt. Sey nit was sie sag soll underweysen worden ... gonne dem so recht hab obzeligen und kheinem mher dann dem anderen, ouch well sie niemandt zu lieb oder zu leid sagen etc. 232

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

prozessuale Begriffe heranziehen und formulieren, der Eid sollte die Glaubhaftigkeit, die Generalinquisition die Glaubwürdigkeit gewährleisten. Das Freiburger Stadtrecht kennt zwar keine Generalinquisition oder einen vorformulierten Zeugeneid, enthält aber eine detaillierte Aufzählung zeugnisunfähiger Personen,233 die Familie, Verwandte und Verschwägerte bis ins vierte Glied, aber auch Feinde umfaßt und damit ähnliche Funktionen erfüllt. Allerdings wird hier, abweichend vom Gemeinen Prozeßrecht, ein Verhör dieser Zeugen von Anfang an ausgeschlossen.234 In diesem Punkt besteht ein erheblicher Unterschied zur Praxis des Consistoriums, bei der die Einwände gegen Zeugen erst nach der Befragung geltend gemacht wurden. cc) Interrogatoria specialia, spezielle oder sondere fragstück Wenn das Verfahren schriftlich war, lagen dem Notar die Positional- und Defensionalartikel für das Verhör vor. Daneben finden sich aber auch Beispiele mündlicher Verhandlung, wie im Fall Glaitz ./. Schlebeck.235 Der Kläger hatte zwei Zeugen zur Sitzung citieren lassen, um seine Klage zu beweisen. Seine positions articul wurden mit Zustimmung des Beklagten in der Sitzung gefaßt, er poniert wie folgt ... Schlebeck antwortete auf die articul und setzte seine defensionales. Selbst im mündlichen Verfahren mußte also der Befragungsgegenstand vor dem Verhör ausführlich niedergelegt werden. Anschließend wurden die Zeugen des Klägers – mit Vorbehalt des Beklagten, später Einreden gegen sie geltend zu machen, mit der protestatio seiner einred und exceptio – zugelassen und in Gelübde genommen. Mit handgegebener treue an eidsstadt bei weiblich eren sagten zwei weibliche Zeugen aus. Dazu wurden ihnen die Artikel vorgelesen, die sie mit wahr oder nit wahr, an manchen Stellen aber auch ausführlicher beantworteten.236 Auch im Verfahren Matthis Weinzieher gegen M. Oswald Schreckenfuchs237 um Schadensersatz für ein abgerittenes Pferd producierte der Kläger Zeugen, um seine Klage zu beweisen. Zu diesem Zweck hatte er sie vorladen lassen und gab nun an, was sie jeweils bezeugen sollten: Weinzieher zeugt uff den ersten Zeugen Adam Frosthauer im sy woll wüßendt in welchem Zustand Schreckenfuchs das Pferd zurückgebracht habe, denn es hab er zeug söllich Roß geartztet. Auch der Beklagte machte Angaben, 233 Köbler, Nüwe Stattrechten, I. Tractat, IX. Titel Von bewysung, 1.-18., besonders 8.-11. und 16.-18.; vgl. Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 66. 234 Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 121 f. 235 A 14/1, fol. 243 ff., 14.06.1550. 236 Vor allem in A 14/1 sind solche Aussagen in den Akten, in A 14/2 liest man öfter, die Verhöre seien auf einem sunderen zedel oder verzeichnis notiert, der nicht im Folioband enthalten ist. 237 A 14/2, fol. 1r ff., 05.07.1561.

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er zeugt uf des producenten Zeugen. Unter anderem wollte Schreckenfuchs den Zeugen befragen lassen, ob dem Roß der Schad allein an den Füßen oder auch anderswo gewesen sei. Selbstverständlich macht man sich Gedanken über den Wahrheitsgehalt der Aussagen, über Realität und Fiktion in den Quellen.238 Diese Neugierde läßt sich allerdings nicht befriedigen, denn wie soll man das damalige Geschehen ohne weitere Urkunden aufklären? Immerhin befindet man sich in guter Gesellschaft, schließlich ist es dieselbe Frage, die sich das Consistorium stellen mußte. Fuchs bemerkt zu seinen reichskammergerichtlichen Zeugenprotokollen, daß sich die damaligen Richter wegen des schriftlichen Prozesses in einer ähnlichen Situation befanden wie der heutige Historiker. Dies gilt – mit gewissen Abstrichen – auch für das Consistorium. Wenn dort Verhöre komissarisch durch den Notar geführt wurden, lagen dem Gericht die Aussagen nur schriftlich vor; es kannte aber, im Gegensatz zu uns, die Zeugen und ihr Umfeld. Für den Rechtshistoriker wäre ohne es ohnehin von größerer Bedeutung, in Erfahrung zu bringen, wie das Gericht die Aussagen würdigte. Leider ist auch diese Frage wegen der fehlenden Urteilsgründe in der Regel kaum zu beantworten. b) Sachverständige Der Beweis durch Sachverständige239 trat vor dem Consistorium in Form der Befragung der geschworenen Wundärzte zur Beurteilung oder Schätzung eines Schadens auf.240 Am 28.02.1568 forderte Hans Haß der Scherer von Conrat Wanner ausstehenden Schererlohn. Der Beklagte erwiderte darauf, Haß habe ihn nicht ordentlich behandelt und geheilt, er wolle, um dies zu belegen, dem geschworenen Wundarzt241 vorgestellt werden. Das Gericht erkannte

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Fuchs, Um die Ehre, S. 91 ff. Buchda in HRG 1, Gerichtsverfahren, Sp. 1554, unter der Überschrift Verfahren im Mittelalter bis zur Rezeption. Schon im Spätmittelalter (ab 1500) rückten Wahrnehmungszeugen und Urkunden in den Vordergrund. Es gab Augenscheinsnahme, sog. leiblichen Beweis und wo besonderer Sachverstand gefordert war, bahnte sich der Sachverständigenbeweis an, die Wundschau durch geschworene Ärzte. 240 Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 144 ff., obwohl im Stadrecht nicht vorgesehen, wurden auch in der Praxis der Freiburger Gerichte Sachverständige herangezogen; hier traten neben den Scherern auch vereidigte Meister anderer Zünfte auf, z. B. die Meister des Metzgerhandwerks im Streit um den Wert einer gekauften Kuh. 241 Vgl. hierzu Nauck, Freiburger Wundärzte, S. 31 f. In der Freiburger Schererordnung von 1509 wurde die Wahl von vier geschworenen oder geordneten Meistern festgesetzt. Diesen oblag die Begutachtung von Verwundungen, die Beratung ihrer Berufsgenossen und die Prüfung der Gesellen. 239

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium das die sach des zugefuögten schadens, So ... der principal schuldner durch einen faal erlitten, für die geschworne Wundartzet, Zuo erkundigen ob er Recht geheilet, gewisen werden soll.242

In einer anderen Sache, ebenfalls wegen ausstehendem Schererlohn, beantragte der Beklagte Johannes von Schonaich, die meister Scherer Handwerks sollen die sach taxieren, was sie sprechen, welle er zahlen.243 Der klagende Scherer, der 12 fl verlangt hatte, war mit dieser Taxierung einverstanden. Diese Verfahrensweise findet sich ein weiteres Mal, bei der Klage des Scherers Hans Müller auf Zahlung seines Arztlohns in Höhe von vier Kronen. Der Beklagte Abraham de Monte war zunächst nur bereit, zwei Thaler zu entrichten. Nach der Verhandlung vermerkte der Notar Seind bede partheyen uff ir begeren für die Meister gewisen.244 Im ersten Aktenband hatte das Gericht in einem solchen Streitfall die Parteien zu einer gütlichen Einigung gedrängt, wozu der Notar anmerkte, haben die herren eines medicus arbeit nit taxieren wöllen.245 In anderen Fällen erstatten die geschworenen Meister ein Gutachten darüber, wie schwer die Verletzung war. Auf ihrer Schätzung beruhte dann das Urteil, mit dem eine Kompensation für die Wunde zugesprochen wurde. c) Urkunden Etliche Male versuchten Gläubiger, ihre Ansprüche mit Schriftstücken zu beweisen. In der Consistoriumssitzung am 15.11.1561246 behauptet Jacobus Wursteisen als Gewalthaber von Hans Andreas Belbinger und dessen Frau Regina Füchsin einen Anspruch gegen Dr. Johann Rotenburgers Hausfrau, vertreten durch ihren Vogt M. Hans Bosch. Der soll ihm zalen 10 kronen und 40 gulden laut zweyer handschrifften. Wursteisen legt dem Gericht seine Vollmacht und die Urkunden vor. Der Vogt der Beklagten erwidert, die Handschriften thuon kein meldung das er oder sein vogtfraw diß gelt schuldig sey oder bezalen sollte. Der Kläger meint, die Handschrift sei klar zu erkennen und ihr Inhalt eindeutig, Actor referirt sich uff die schrifft. Daraufhin argumentiert M. Hans Bosch, es sei privata scriptura, begert absolvirt werden, mit abtrag costens. Im selben Termin ergeht das Endurteil: zuo recht erkant, dweil der cleger sein clag nit wie recht erwisen, das der beclagt dem cleger by gethaner clag nicht zu [tun] schuldig...

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A 14/2, fol. 82r, 28.02.1567. A 14/2, fol. 83r, 18.12.1568. 244 A 14/2, fol. 88v, 29.10.1569. 245 A 14/1, fol. 345, 28.01.1553. 246 A 14/2, fol. 11v petitiones, 12v sententia. 243

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Das Consistorium scheint sich somit der Ansicht der Beklagtenanwalts angeschlossen zu haben. Können wir aus dieser Entscheidung folgern, private Schriftstücke hätten keinen Beweiswert gehabt? Nach dem Freiburger Stadtrecht konnte nicht nur mit versigelt brieff ... formlich vnd ordenlich vffgericht Beweis geführt werden, sondern auch mit hantschrifften. Einschränkend galt hier nur, daß diese allein zum Beweis gegen den Aussteller dienen konnten und ihre Echtheit auf Nachfragen bewiesen werden mußte, was durch Vergleich mit anderen Schriftstücken des vermeintlichen Verfassers geschehen konnte.247 Andere Fälle aus den Consistorialakten legen den Schluß nahe, daß diese Regeln auch hier galten, und die Abweisung der Klage im oben geschilderten Verfahren auf den Inhalt der dort vorgelegten Handschriften zurückging. Am 08.11.1561 präsentiert Marc Vorburg dem Gericht zum Beweis verschiedener Forderungen etliche Schriftstücke, nämlich ein heurathsbrief siben quittungen und drey missiven. Die beklagten Vögte begehren Inspectionem, post inspectionem Excipieren sie nicht wider die schrifften dan es D. Julius hand, laßen beschehen was recht, doch sagen sie wieder ein quittung excipendo Sy sei nit besiglet,248

Darauf erwidert der Kläger es hab ein notarius und gerichtsschreiber sie geschrieben. Die hier vorgenommene Würdigung der Schriftstücke entspricht den auf gemeinem Recht beruhenden Freiburger Regeln: Bei öffentlichen Urkunden kam es auf Siegel und ordentliche Errichtung an, bei privaten Schriften hingegen auf die Echtheit, zu erkennen an der Handschrift des Ausstellers. Lagen diese Voraussetzungen vor, erbrachten solche Urkunden vollen Beweis. Andere Schriften, mit denen Parteien Beweis führen möchten, sind die Rechnungs- oder Schuldbücher von Wirten und Kaufleuten.249 Am 23.10.1563 verlangen Hans Deidisheim, der Wirt zum Schwert und der Kaufmann Hans Wal die Bezahlung von Schulden, die der Student Landenberg bei ihnen hat. Reus excipiert, er wisse nicht, wie sich die Forderungen zusammensetzten. Das Gericht entscheidet, die Kläger sollen die Schuld in specie vorlegen. Dies tun die Gläubiger mittels ihrer Schuldbücher. Im Fall Wal gesteht Landberg die 247

Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 64 f., I. Tractat, IX. Titel Von bewysung, 30. Besigelt brieff nach vnserm Stattrecht geben guot kuntschafft. 31. Wie hantschrifften bewisung thuond. Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 131; Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 67. 248 A 14/2, fol. 10ar, 08.11.1561. Vgl. die Regel des Neuen Stadtrechts, Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 66, I. Tractat, IX. Titel Von bewysung, 36. Onbesigelt Copeyen vnd zedel sind nit gloubwürdig. 249 Auch hierzu gibt es Regeln im Freiburger Stadtrecht, Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 65 f., I. Tractat, IX. Titel Von bewysung, 34. Wie koufflüt vnd handtwercher ir schulden mit irn buechern küntlich machen vnd bewisen moegen. 35. legt die Anforderungen, die an die Schuldbücher zu stellen sind, dar.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Schuld und erhält terminum iuris. Vom Schuldbuch begehrt sein Anwalt eine abschrift, die ihm gewährt wird.250 Da die Parteien nicht mehr erscheinen, ist davon auszugehen, daß der Schuldner gezahlt hat. Ob das Schuldbuch zum Beweis der Schuld genügt hätte, läßt sich aus diesen Fällen nicht ersehen. Andere Verfahren, in denen neben dem Schuldbuch auch Zeugen benannt werden,251 machen dies unwahrscheinlich. Jedenfalls wurde es als ausreichende Spezifikation252 der Schuld angesehen. d) Eid und Treu an Eidesstatt Der Eid genügte in der Regel nicht als selbständiges Beweismittel für die Hauptforderung: Am 22.10.1552 erhebt M. Johann Stock eine Art Drittwiderspruchsklage gegen die Universität. Er bringt vor, er habe Christian Strube zwei Bücher, nämlich biblia und forma animae, geliehen, die mit dessen Gütern arrestiert worden seien. Nun verlangt er ihre Herausgabe aus dem Arrest. Das Consistorium entscheidet, er solle Eigentum und Leihe beweisen, seinen Eid als Beweis lehnt es jedoch ab. In der nächsten Sitzung, eine Woche später, erscheint Stock wieder und erklärt, er wisse nicht anders zu beweisen, dann allein wöll er treu oder eid darum tun. Die Herren Consistoriales pleiben bei Interlocutorien, er beweis das zu recht genug. Die kompromisslose Haltung des Gerichts in dieser Frage zeigt Wirkung, beim nächsten Termin am 05.11.1552 nennt Stock verschiedene Personen, die bezeugen könne, daß die Bücher ihm gehören. Daraufhin wird erkannt, er soll die erwenten personen zum nachst consistorio herpringen und sollen verhört werden.253 In anderen Fällen forderte das Gericht selbst – häufig unmittelbar vor dem Endurteil – die Parteien auf, ihre Treu an Eidesstatt auf einen fraglichen Punkt

250

A 14/2, fol. 59r, 23.10.1563; 60v, 27.11.1563; 61v, 18.12.1563. A 14/2, fol. 70v, 26.01.1566, Flader ./. Burck, Beweisführung des Klägers: Er produciert sein gaden oder schuldtbuoch; dazuo stellt er drei Zeugen, auf die zeucht er: Inen sei wohl zu wissen, daß der beclagt mit Ime gerechnet und Ime die Summe laut dem Schuldbuch schuldig geblieben und dieser Schuld bekanntlich gewesen sei. Der Anwalt des Beklagten läßt diesen Punkten hinzufügen, auch zu fragen, wie genau die Rechnung geschehen sei, und ob sie dabei gewesen seien. Nassall stellt fest, daß in der Freiburger Praxis in jedem Fall eine eidesstattliche Bekräftigung der Schuldbucheintragungen verlangt wurde, Freiburger Stadtrecht, S. 132. 252 Dies ist nicht allein für die Bestimmtheit der Klage von Bedeutung. Da nach den Kreditedikten Darlehen an Studenten in gewissem Umfang verboten waren und nicht zurückgefordert werden konnten, spielte der Schuldgrund auch eine Rolle für die Einklagbarkeit der Forderung, vgl. Vierter Teil § 1 II. 253 A 14/1, fol. 333, 22.10.1552; fol. 334, 29.10.155; fol. 339, 05.11.1552. 251

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zu geben.254 Zumeist wurden hierdurch allerdings nur andere Beweismittel ergänzt. Diese eidliche Bestätigung ähnelt folglich dem notwendigen Eid des gemeinen Rechts, mit dem das Gericht, falls es nach der Beweisaufnahme noch zu keiner vollständigen Überzeugung über die Tatsachen gelangt war, den Beweis komplettieren konnte.255 Auch das Freiburger Stadtrecht enthält entsprechende Regelungen, wobei das Gericht den Eid als ergänzendes Beweismittel oder in schwierigen Beweislagen, wann der handel allein in vermutungen gründ fordern durfte. Hierbei sollte das Gericht den Eid der Partei auferlegen, gegen welche[r] ... die wahrheit der sach sich me[r] neygt.256 Solche Überlegungen stellte wohl auch das Consistorium an. Im Erbschaftsstreit Winter ./. Beitzer ergeht die Aufforderung sogar an beide Parteien: erkhennen die herren, so vern cleger über die verhörte kundtschafft trew an eydsstatt geben mag, daß hern antwurters hausfraw den beclagten mantel hingetragen ... So dann [in der Gegenklage] So vern der herr gegencleger über die gehörte kundschaft trewe an aidsstatt geben mag, daß das paternoster seiner hausfrauen vnd anna irer schwerster, auch das vaß seiner hausfrawen allein zugethailt worden ... so soll weiter ergan was recht sein würt.257

Wieder zeigt sich, daß das Geben einer Treue an Eidesstatt – ebenso wie eine tatsächliche Eidesleistung – keine bloße Formalität war, hat doch hochgelert Doctor Johann Vlrich [Beitzer, der Gegenkläger] sich trew zugeben gewaigert. Daraufhin fiel in diesem Punkt das Urteil zu seinen Ungunsten aus. Abweichend vom bisher ausgeführten wurde in Kostenfragen der Eid als selbständiger Beweis anerkannt. Mehrfach finden wir Prokuratoren, die ihre Auslagen vor der taxation durch das Gericht durch einen Eid oder mit handgegebner trew an eidstat bestätigen. Auch Johann Schowman mußte eidlich bestätigen, daß er von den Gerichtskosten, die er als Hauptforderung vom Beklagten verlangte, noch keinen Teilbetrag erhalten habe.258

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Auch hier wurde statt einer leiblichen Eidesleistung immer wieder die Treu an Eidesstatt als ausreichend angesehen. Nassall stellt das gleiche Phänomen in der Praxis des Freiburger Stadtgerichte fest. Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 134 f. Er denkt zur Begründung an religiöse Motive, verwirft diese Erklärung aber selbst wieder. 255 Wetzell, Civilprozeß, S. 276. 256 Köbler, Nüwe Stattrechten, I. Tractat, IX. Titel Von bewysungen, 37. Eins mans kuntschafft wan die bewysung thuot. Wenn die Aussage glaubwürdig erscheint und der Kundschaftssteller ehrenwert, so sol im ein eyde / in supplementum gegeben werden. Zitat aus 40. Bewysung mit dem eyd in schwierigen Beweislagen. 257 A 14/1, fol. 357 f., 09.12.1553. Ein Paternoster war eine Gebetskette. 258 A 14/1, fol. 140f, 12.10.1549, Der Anwalt des Klägers sollte schwören das 37 gulden etc. in sach rechtens zwischen Ime und Borer und keiner anderer geschäft ... in costen ausgegeben wie eingelegt sowie erkennen wir interloquendo: will gedachts

282

Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Eine andere beweisrechtliche Besonderheit des gemeinen Rechts, das Zuschieben von Eiden, taucht kaum auf.259 Nur an zwei Stellen ist von deferierten Eiden die Rede; in beiden Fällen reagierte das Gericht nicht darauf. Am 28.11.1562 hatte der Bäcker Hans Klump M. Conrad Schrag, den spätereren Prokurator am Consistorium, wegen ausstehenden Kaufpreises für Wein verklagt. Es stellte sich heraus, daß nicht die gesamte Summe, sondern lediglich 2 Kronen streitig waren, von denen Schrag behauptete, sie bereits bezahlt zu haben. Das Gericht forderte ihn zum Beweis auf, worauf M. Schrag in der nächsten Sitzung erklärte, er könds mit niemand beweisen, dan sie bede allein gewesen, defert actori Juramentum. Ohne darauf einzugehen, fällte das Consistorium sein Urteil, das der beclagt dem cleger die bergertten 2 kronen zuo bezahlen schuldig sein solle, mit abtrag costens vnd schadens, in welchem Schrag sogar die Verfahrenskosten auferlegt wurden.260 3. Exceptiones gegen Beweise Ohne begriffliche Trennung261 bezeichnete das Gericht alle Einwände gegen das Vorbringen der Gegenpartei als exceptio. Besonders häufig lesen wird exceptiones beider Parteien gegen Beweismittel, vor allem gegen Zeugen der Gegenseite. Zum einen richteten sich diese Einreden gegen deren Tauglichkeit, wenn etwa behauptet wurde, sie seien wegen Verwandschafts- oder Freunschaftsbeziehungen zum Beweisführer keine geeigneten Zeugen. Ein anderer Einwand bezog sich auf ihre Anzahl: Auch vor dem Consistorium beriefen sich die Parteien auf die Regel des gemeinen Rechts, nach der mindestens zwei Zeugen zur Erbringung des Beweises erforderlich waren: unus testis nullus testis.262 Manchmal wandten sich die Parteien auch gegen den Inhalt einer Aussage, z. B. indem sie vorbrachten, es handle sich nur um einen Zeugen vom Hörensagen, dessen Aussage nicht beweiskräftig sei: anwalt schweren, das er an den 31 gulden nichts empfangen. Am 23.11.1549, fol. 167 leistete ein Prokurator den von ihm geforderten Eid leiblich. 259 Vgl. Wetzell, Civilprzeß, S. 285. Die beweispflichtige Partei konnte eine Tatsache auf den Eid des Gegners stellen, der den Eid leisten oder zurückschieben mußte, um nicht beweisfällig zu werden. Die Eideszuschiebung ist auch im Freiburger Stadtrecht unbekannt. Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 133. 260 Klage: A 14/2, fol. 43v. Urteil: fol. 44v, 05.12.1562. 261 Zu den späteren Unterscheidungen vgl. Wetzell, Civilprozeß, S. 157 f. 262 A 14/1, fol. 358, 16.09.1553. In der conclusio: cleger hab sein clag nit genugsam erwisen, quia unus homo nullus homo. A 14/2, fol. 57r, 04.09.1563. A 14/1, fol. 203, verschiedene Argumente gegen die Beweisführung, darunter zum andern sey es ein eintziger Zeug. Köbler, Nüwe Stattrechten, I. Tractat, IX. Titel Von bewysung, 19. Zwo personen sind genuog zo zügknuß. Vgl. auch Fischer in HRG 5, Zeugen, Sp. 1688 und zur Zeugenzahl D. 22, 5, 12 Ulp.

§ 4 Von der litis contestatio bis zur sententia definitiva

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M. Stefanus als anwalt M. Rysingers [des auf Schadensersatz Beklagten] excipiert contra Hans Heberlin [einen Zeugen des Klägers] darum das er des clegers Gesell, auch wider der andern personen sag, das sy nichts gesehen sundern uf heren kundschafft gesagt, daruff cleger repliciert das es nit anders sein gesell dann das er bey und neben im gedient die anderen haben gesagt, was sie gehört und gesehen.263

Die Erwiderung ging nicht auf die Rechtsfrage ein, ob Zeugen vom Hörensagen an sich zulässig seien, sondern reagierte mit einer Tatsachenbehauptung: Die Zeugen hätten sehr wohl etwas gesehen. Aufschlußreich ist die Reaktion auf die exception, einer der Zeugen sei ein gesell des Beweisführers. Bei den strengen Anforderungen der Generalinquisition und des Zeugeneides drängt sich die Frage förmlich auf, ob sich in einer mittelgroßen Stadt überhaupt taugliche Zeugen finden ließen. Heids Anwalt wollte diesem Dilemma entgehen, indem er für die Qualität der Beziehung, die einen Zeugen ausschließen sollte, eine enge Auslegung propagierte: Nur bei einem besonderen Freundschaftsverhältnis sei ein Zeuge als untauglich zu betrachten. Wie sich das Gericht zu dieser Frage stellte, erfahren wir leider nicht. Allerdings ist zu vermuten, daß man in dieser Hinsicht eine Würdigung der Aussagen vornahm, denn hätte man jeden Zeugen, der eine streng ausgelegte Generalinquisition nicht bestand, ausschließen wollen, wäre ein Zeugenbeweis fast unmöglich gewesen. Wären die Aussagen solcher Zeugen grundsätzlich nicht anerkannt worden, hätten die Parteien vermutlich nicht immer wieder Bekannte, Kommilitonen, Mitgesellen oder Meister benannt. IV. Verhandlung 1. Verhandlungsleitung und Contumacia Der Begriff der contumacia umfaßte neben dem Ladungsungehorsam auch andere Fälle, in denen die Parteien prozeßleitenden richterlichen Anordnungen nicht Folge leisteten.264 Vor dem Universitätsgericht wurde contumax erkannt, wer auf Citation oder Ladung nicht erschien oder nicht ordentlich vertreten, also rechtlich nicht anwesend war. Das Gericht verhängte die Ungehorsamsstrafe aber auch, wenn es zur Auffassung gelangte, ein Prozeßbeteiligter habe sich nicht genug um den Fortgang des Verfahrens – z. B. die Herbeischaffung 263 A 14/1, fol. 322. Ganz ähnliche exceptiones lesen wir in einem anderen Fall: Metzler et consors litis excipiunt contra testes [des Klägers] Koch, der viert und fünfft zeug seien des actoris schwöger, die andern dry haben nicht gesehn nur von hör sagen ... A 14/2, fol. 8v, 06.09.1561, Koch ./. Metzler und Vögelin. 264 Buchda in HRG 1, Contumacia, Sp. 637; Dick, Kameralprozeß, S. 185 f., zur contumacia de non comparendo und contumacia de non agendo; zum Ungehorsam im deutschen Recht vgl. Planck, Gerichtsverfahren II, 268 ff.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

seiner Zeugen bemüht. Die Entscheidung stand im gerichtlichen Ermessen: Man konnte einer Partei eine weitere dilation gewähren, um es ihr zu ermöglichen, Zeugen und weitere Beweise ausfindig zu machen oder die petitio auf Vertagung mit einer Contumaxerklärung beantworten.265 Dies galt ebenfalls, wenn sich die Sachwalter oder Parteien nicht vorbereitet hatten und aus diesem Grund um einen neuen Termin baten.266 In der Regel erfolgte die gerichtliche Feststellung der contumacia auf Antrag (ad instantiam) des Prozeßgegners. Es gibt aber auch einen Vermerk, nach dem ambae partes, beide Teile contumax erklärt wurden!267 Hier lag natürlich kein Antrag vor, sondern die Feststellung geschah ex officio. Als Folge der contumacia wurde eine Strafgebühr fällig, die für den Ladungsungehorsam in den Statuten auf zwei Schillinge festgesetzt wird, teilweise aber auf die anderen Fälle übertragen wurde. 2. Rechtliches Vorbringen der Parteien und Conclusio in Causa Der mit den Worten Disputationes und allegationes bezeichnete Austausch rechtlicher Argumente kommt in den Akten nur selten vor. Da zumeist über Beweisfragen gestritten wurde, fand eine Diskussion eher im Rahmen von exceptiones gegen Zeugen statt. In manchen Fällen wurden auch rechtliche Argumente für die Unbegründetheit der Klage vorgebracht, die das Gericht ebenfalls als exceptiones bezeichnete. Unter der Herrschaft der Verhandlungsmaxime mußten die Parteien ausdrücklich erklären, daß ihre Beweisführung und Argumentation abgeschlossen sei und sie nichts weiter vorzubringen hätten. Die sogenannte conclusio in causa taucht in den Consistorialakten regelmäßig auf, nicht aber der terminus ad producendum omnia instrumenta, acta et munimenta, der eigentlich davor liegen müßte. Ein Kläger beantragte 265

A 14/2, fol. 73r, 23.03.1566, dilation erteilt; A 14/1, fol. 354, 09.09.1553, Als Bernhart Winter abermals erschinen vnd mit seiner kundschafft nit gefaßt ... ist er contumax erkent worden vnd soll die pen der statuti erlegen. 266 A 14/2, fol. 72v, 16.03.1566, Bürge ./. M. Ruögers Erben, und als sie zuo beiden theilen viel unnotwenig ding fürbracht, ist inen weiter dilation ir sach fürzuobringen gegeben worden. A 14/1, fol. 306, 26.03.1552, bat der Prokurator um Aufschub, damit ihm sein Principal einen Advokaten zur Seite stellen könne. Der Bitte wurde entsprochen, allerdings mit der Warnung, sollte er weiterhin nicht vorbereitet erscheinen, würde er als contumax gestrafft werden. A 14/1, fol. 318, 25.06.1552 ist Rysingers anwaldt erschinen doch nit gefaßt auch In der sach nit fürtgeschritten ... contumax erkennt, soll die mit ii ß bießen. 267 A 14/2, fol. 47r, 23.01.1563.

§ 5 Der Abschluß des Verfahrens

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concludendo wie er zu endt seiner clag gemeldet, und weil antwortter sein gegenclag nit erwysen verhofft er, darvon absolviert zu werden. Dagegen M. Stefan [bzgl. der Gegenklage] anzeigt, genugsamlich erwysen das er [ein Messer] nach ime geworfen und also seinem leben nachgestellt. Und also zu beiden teilen beschlossen und ulteriori productioni et allegationi renunciert, habe die herrn der urteil genommen zu bedenken.268

Sogar bei der conclusio in causa zeigt sich die Fixierung der Parteien auf den Beweis, da sie in der Regel nur äußerten, sie hätten ihre Forderungen bewiesen oder der Gegenpartei sei der ihr obliegende Beweis nicht geglückt.269

§ 5 Der Abschluß des Verfahrens I. Urteil und Appellation 1. Sententiae interlocutoriae Zwischenurteile konnten verschiedene Gegenstände haben. Wir finden interloquendo Beweisbeschlüsse, das Zurückweisen von exceptiones oder die Aufforderung, sich zu vertragen.270 Im römisch-kanonischen Prozeß war die Appellation das Hauptrechtsmittel. Sie war nicht nur gegen Endurteile, sondern auch gegen Zwischenurteile möglich und konnte deswegen, so liest man immer wieder, zur Prozeßverschleppung mißbraucht werden.271 In Freiburg läßt sich dieses Phänomen kaum beobachten, vielleicht weil es den Sachwaltern an Erfahrung mangelte oder weil diese Taktik vor dem Consistorium in der Regel nicht aufging. Als Dr. Julius Guth von Jörg von Überecker wegen Beleidigung verklagt wurde, drängt sich allerdings der Eindruck auf, daß der gute Doktor mit allen Mitteln versuchte, das Verfahren in die Länge zu ziehen. Im ersten Termin wandte Guth ein, der Kläger sei minderjährig und brauche einen Vogt, zu welchem dann Dr. Artopeus bestellt wurde.272 Vor der Litiskontestation forderte Guth eine Bürgschaft für den Fall, daß die Klage abgewiesen werden 268

A 14/1, fol. 322. A 14/2. fol. 8r, 06.09.1561, Koch ./. Metzler & Vögelin: ... verhoffend actor hab nit genug erwiesen, Actor vermeint genoug bewiesen zu haben, Utraque pars concludit in causa. 270 A 14/2, fol. 8r, 06.09.1561, Sententiae: ... weisen die herren beide partheyen guotlich zusammen, Und wo sie nit mögen eins werden sollen sie uff nechst Consistorium wieder erscheinen und die urtheyl anhören wie recht ist. Koch ./. Metzler & Vögelin. 271 Buchda in HRG 1, Gerichtsverfahren, Sp. 1556. 272 A 14/1, fol. 392, 27.06.1556. Der Beklagte excipiert, cleger sei minor (und sich befunden, das er nicht mehr dann 22 Jahr alt) ist cleger auf sein begehr mit D. Artopeus bevegtiget worden. 269

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

sollte. Als das Consistorium diese Sicherung interloquendo für unnötig erklärte, kam es zu ersten Appellation: welcher urtheil D. Julius sich beschwert vnd appeliert im fußstapfen mit begerung der apostell ... Es ist auch diß appellation durch die herren als frevel nichtig vnd den rechten zu wider aberkannt vnd soll bei dem urtheil pleiben, Vnd die weil diße partheien etwaß vnbescheiden mit worten seind, ißt inen angezeigt das sy sich deren fürohin enthalten, oder gepürend straff gewarten.273

Nachdem er einen Termin entschuldigt versäumt hatte, forderte Dr. Guth in der nächsten Sitzung die Zustimmung der Eltern zur Bestellung des Vogts für den Kläger. Das Gericht lehnte dies ab, ebenso wie die hiergegen gerichtete Appellation des Beklagten: Er soll uf die clage antworten.274 Im folgenden Termin äußerte der Beklagte, als er nochmals zur Fortführung des Verfahrens aufgefordert wurde, er habe doch gegen die letzte Entscheidung appelliert. Nun riß dem Gericht endgültig der Geduldsfaden: D. Julius ist contumax erkannt, wo er hinfür sich solcher frewelicher appellationen gebrauche, wölle Universitas in nit ungestrafft lassen.275

Nach diesem Machtwort endeten die Appellationen Guths. Normalerweise mußte das Gericht nicht derartig durchgreifen, denn in den meisten Fällen reichte seine Autorität aus: Schlug es eine Appellation gegen ein Zwischenurteil ab, fügten sich die Parteien und leisteten den weiteren Anordnungen Folge. 2. Sententiae definitivae Endurteile wurden durch eine formalisierte Einleitung kenntlich gemacht, die in der Regel länger war als die Sachentscheidung. Zunächst wurden sämtliche Verfahrensbeteiligten, zusammen mit ihren Anwälten und Gewalthabern aufgelistet. In sach zwischen Hans Gewein als vollmechtiger anwalt und gewalthaber des ersamen Dietrich Neben in nhamen und von wegen Hansen Neben seines sons clegeren an einem. So dan dem wohlgelehrt M. Jacob Plowe als vollmechtig anwalt und gewalthabers Philipps Krausen beclagt anders teils.276

273

A 14/1, fol. 396, 11.07.1556. A 14/1, fol. 398, am 29.08.1556, allegat ad hoc l fi C de bonis y lib. 275 A 14/1, fol. 399, am 26.09.1556. 276 A 14/1, fol. 256, 12.07.1550. 274

§ 5 Der Abschluß des Verfahrens

287

Das Gericht faßte anschließend alle Verfahrenshandlungen nochmals zusammen, um den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zu bekräftigen und zu bestätigen: Haben die Herren Rector und Consistoriales nach verherter clag, antwortt, red, widerred, beschehner litis constestatio, verherter kundschafft, gethaner rechtsatz, ingelegter costen und darüber beschehner exceptio und einred und all anderen im recht fürgebrochten handlung definitive entlich erkannth und gesprochen,

Erst dann folgte die eigentliche Entscheidung: das dem Beklagten solche beschedigung und handlung gegen den Kläger nit gebürt hab und [er] deshalb ... in zwelf gulden zu condemnieren sei, wie wir ... [ihn] ouch hiemitt condemnieren.

Zu jedem Endurteil gehörte eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits.277 Eine nähere Begründung, warum und wie das Gericht zu seinem Spruch kam, enthielten die Urteile nicht, weil es noch nicht üblich war, den Parteien die Entscheidungsgründe mitzuteilen. Falls eine Gegenklage erhoben worden war, entschied das Gericht über diese im selben Termin, wobei zwei Urteile mit zwei Kostenentscheidungen aufgezeichnet wurden: In sachen der Reconvention zwischen Abraham und Arnolphus de Monte gegen clägern und M. Martin Has gegen beclagtem, ... ist erkannt, das der gegenbeclagt ... den gegenclägern ... uff ir eingefürtten gegeclag nichts zuothuon oder zuobezahlen schuldig sunder von deselben zuo absolvieren seye wie man auch ime hiemiet absoviert und ledig erkennt, und sie gegencläger den gerichtscosten diser reconvention hab ufferloffen dem gegenbeclagten nach rechlticher mäßigung widerlegen und abtragen sollen.278

277

Hierzu Dritter Teil § 5 II. A 14/2, fol. 90v, 01.03.1570. Randglosse: Sententia diffinitiva. Das Urteil war zuvor ergangen, ebenfalls mit Randglosse Sententia diffinitiva: in sachen der convention zwüschen M. Martin Has Cleger, Abraham und Arnophus de Monte beclagt ist ... zuo recht erkannt, das den Beclagten ... den Cläger geclagter maßen zuoschlagen, ahn seinem leib und haubt zuoverwunden und zu schadigen, keins wegs gebürtt, sunder darahn zuoviel und unrecht gethan, und deßhalben ime dem Cläger ... für den schaden ime in dem haubt zuogefuögt acht hundert guldin sampt dem schererlon und costen so von seinetwegen in curatione vulnerum auffgangen zuoerlegen ... schuldig, auch ime dem Kläger würcklichen erlegen und bezahlen, darzuo aller diser sachen halben ufferloffnen kosten nach Richterlicher tax und mäßigung erstatten und abtragen sollen ... 278

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Appellationen gegen Endurteile waren häufig, fast ein Drittel der durch sententia definitiva entschiedenen Fälle ging in die nächste Instanz. Während es in Freiburg überhaupt keine niedergeschriebenen Regeln zur Appellation gab, bestimmten die ersten Statuten der Universität Tübingen279 immerhin, daß die appellierende Partei zwei rheinische Gulden beim Rektor hinterlegen und zusätzlich ausreichende Kaution stellen sollte. Im römisch-kanonischen Prozeß galt folgendens: Die Appellation – auch Provokation gennannt – hatte Suspensiveffekt, d. h. sie verhinderte den Fortgang des Verfahrens und die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils. Sie wurde mündlich oder schriftlich beim Ausgangsgericht eingelegt. Dieses mußte dann die Akten mit einem Bericht, dem sogenannten Apostel- oder Abschiedsbrief an die nächste Instanz schicken. Auf Antrag des Appellanten erließ diese sogenannte litterae inhibitoriales, die der Verhinderung weiterer prozessualer Handlungen durch den Ausgangsrichter dienten. Litterae compulsoriales forderten die erste Instanz auf, die Akten rascher zu übersenden.280 Das Consistorium entschied auch bei Endurteilen zumindest theoretisch, ob die Appellation zulässig war.281 In einer Klage wegen Schulden erkannte das Gericht in der ersten Sitzung, der Beklagte solle zahlen und seine vermeintlichen (Gegen-)Ansprüche vor dem Gericht des Klägers geltend machen. Hiergegen wehrte sich der Beklagte: Reus Appellat, die appellation ist uß ursach abgeschlagen und nit deferiert.282 Auch in der Sache Scherer ./. Luog, Hopp, Müller, Strang auf Schadensersatz wegen Körperverletzung ließ das Gericht die Appellation nicht zu. Von diser urtheil haben die Beklagten appelliert. Ist der Appellation nit deferiert, sundern die uß ursach abgeschlagen.283 Unter diesen Gesichtspunkten handelte es sich beim Referieren der Appellation und der Gewährung der Aposteln nicht um reine Formalitäten. Wenn die Appellation abgeschlagen wurde, hieß das aber nicht zwangsläufig, daß das Urteil akzeptiert und befolgt wurde – im letzten Fall zahlten die Beklagten einfach nicht. Da die Zwangsvollstreckung schwierig war, verhandelten die Parteien erneut 279 Reyscher, Württenbergische Universitätsgesetze, S. 25 (de officio et potestate rectoris): Quod si aliqua partium praetendens gravamen a sententia et decreto huiusmodi provocaverit et appelaverit, mox illa duos florenos renenses apud rectorem universitatis pro tempore deponat, et nihilominus de prosequenda lite et satisfactione expensarum (si succubuerit) parti appellatae impendenda, cautionem praestet sufficientem. 280 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 462. 281 A 14/2, fol. 41r, Huober ./. Hendschuochsheimer, nach dem Endurteil, in dem der Beklagte zu Geldersatz verurteilt worden war: Hendschuochsheimer substitutus procurator audita sententia lata appellat ad Episcopum Constantiensem, Et petit apostolos ... sibi dari, Domini Consistoriales appellationem deferre nolentes, pro tempore apostolos petitos sunt concessuri. 282 A 14/2, S. 36r, 05.09.1562. 283 A 14/2, fol. 93v, 02.12.1570.

§ 5 Der Abschluß des Verfahrens

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miteinander. Auch in anderen Verfahren gaben sich die unterlegenen Parteien nicht mit der Verweigerung der Appellation zufrieden. Im Prozeß um die Frage, ob sich der beklagte Universitätsanghörige Arnold Nollentz dem Freiburger Caspar Ingolstetter wirksam als Bürge verpflichtet hatte,284 erging am 12.05.1565 das Endurteil. Das Gericht verurteilte Nollentz zur Zahlung. Dieser so ietz selbs zuogegen begert zuo appellieren, die appellation ist abgeschlagen. Dennoch gelang es dem Verurteilten, eine inhibition vom Bischoff zuo Constanz in sach der appellation zu erwirken. Als Ingolstetter vor dem Consistorium erschien, um sein Urteil vollstrecken zu lassen, erhielt er zur Antwort, dweil Arnoldus Inhibitiones auspracht gehöre ietzund diese sach für den Bischoff zu Constanz.285 In den bisher behandelten Fällen fungierte der Bischof von Konstanz als Appellationsinstanz.286 Doch ebenso wie einflußreiche Parteien eine Ablehnung der Appellation umgehen konnten, indem sie sich selbst an ein höheres Gericht wandten, kommt es vor, daß sie – entsprechende Beziehungen vorausgesetzt – die Appellationsinstanz bestimmen. Im Prozeß mit dem höchsten Streitwert des Untersuchungszeitraums wurden die Brüder Arnolphus und Abraham de Monte zu einer Geldleistung von 800 Gulden an den von ihnen verletzten M. Martin Has verurteilt. Nach angehörten diesen Sentenzen haben die bede de Monte für und ahn den hochwürdigen fürsten und herrn, herrn Marckh Sittichen Cardinal und Bischoff zu Constenz sich beruöfft und appelliert auch apostolos begert etc. haben auf ihr anhalten die herrn Cons zu unterthenigsten ehren und gefallen hochstgedachts herrn ... als Juidicis apud quem dieser bemelten appellation degeriert, doch das die appellanten diese appellation innerhalb zweyer monaten anbringen und dessen 284

A 14/2, fol. 65v, 19.08.1564. Endurteil: fol. 67r, 12.05.1565. A 14/2, fol. 86r, 02.06.1565. Selbst wenn noch keine Inhibition bestand, sah sich das Gericht nicht gezwungen, einen Fall wiederaufzunehmen, in dem Appellation angekündigt war und der Appellant sie noch verfolgen wollte: A 14/2, fol. 30r, 13.06.1562. Nach Verlesung des Urteils appelliert M. Michel Textor [Beklagter] für und ahn den Bischoff zu Constanz, Neff [Klägeranwalt] vermeint die appellation soll nit zugelassen werden. Die herren wellen die appellation deferieren und apostolos Reverentiales zuolassen. A 14/2, fol. 36r, 05.09.1562, als fast drei Monate lang nichts geschieht, erscheint der Kläger, der in der ersten Instanz gewonnen hatte und begert execution der urtheil, da der Beklagte noch keine Inhibition erlangt habe. Der Beklagte wird aufgefordert, seine Appellation nun rasch zu betreiben. 286 Vgl. Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 196. Es gibt eine Aufzählung von Fällen, die als Appellationen beim Bischof von Konstanz anhängig gemacht worden waren. Köhler zitiert sie im Rahmen der Vorstellung Kardinal Rodts, der im 18. Jahrhundert den gerichtlichen Einfluß des Bischofs nachweisen wollte. Aus dem Untersuchungszeitraum stammt lediglich der zweite Fall, das eben behandlte Verfahren Ingelstätter ./. Nollents. Zum Prozeß Gut ./. Gut 1559 (wohl ein Erbschaftsstreit) fehlen die Akten. 285

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium glaubwürdigen urkund dem Consistorio fürlegen sollen, acta und apostoli zuogelassen.287

Allerdings gelangte der Prozeß nie zum Bischof von Konstanz.288 Offensichtlich überlegten es sich die Brüder de Monte anders, denn eine Nota teilt uns mit, die Appellation sei am 17.03.1570 by dem pfaltzvogt anhängig gemacht worden. II. Kosten 1. Umfang der Kosten Die Prozeßkosten bestehen nach heutigem Verständnis aus Gerichtskosten, also Verhandlungs- und Urteilsgebühren und außergerichtlichen Kosten, wie Anwaltsgebühren und anderen zur Rechtsverfolgung und -verteidigung notwendigen Aufwendungen.289 Neben der Entscheidung in der Hauptsache befaßte sich das Consistorium auch mit diesen Punkten: Item vie abschrifften und citationen so anwalt dem notario geben 12 ß 2 rf / und vie verherte kundschafft dem notario geben 10 ß / Item Hansen Gewein als anwalt fir sein gehapte arbeith in dieser Handlung 2 g / Item vie citire gelt dem pedellen und stattknecht gegeben 2 ß 10 rf / Item vie des so den 4 meistern gegeben als sie Hansen neb besichtigt 2ß / Item vie die constitutio als Dietrich Neb sein anwalt geordet 1ß / Item dem Herrn advocat vie sein gehapte mhie und arbeith dieser handlung 3g.290

Diese Kostenentscheidungen reichten weiter als die heutigen, denn sie beschränkten sich nicht auf die durch das Verfahren oder die Rechtsverfolgung entstandenen Ausgaben. Schon die Formel sampt kosten und schaden, die in Klagen häufig verwendet wurde, deutet auf ein weites Verständnis der Kosten hin. In seiner genauen Bedeutung ist der Ausdruck allerdings schwer zu fassen. Mit damnum et impensas umschrieben die Insitutionen Schadens- und Kostenersatz für böswilliges Prozessieren, expensas und damnum oder kosten und schaden konnten auch die Ersatzpflicht des Schuldners im Verzug meinen.291 In der Praxis wurde die Formel fexibel ausgelegt und meinte einen umfassenden 287

A 14/2, fol. 90v, 01.03.1570, Unterstreichung original. Er findet sich auch nicht in Rodts Aufzählung, Köhler, Die Universität zwischen Landesherr und Bischof, S. 196. 289 Sellert in HRG 4, Prozeßkosten, Sp. 49. 290 A 14/1, fol. 256, 12.07.1550. Neff ./. Kraus. 291 Gerichtskosten: Sellert, Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozeßerfolg, S. 520; Verzugskosten, Hagemann, Basler Rechtsleben II, S. 283. 288

§ 5 Der Abschluß des Verfahrens

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Ersatz von bezifferbaren Auslagen. Bei Klagen wegen Körperverletzung enthielten die zugesprochenen Positionen neben den Gesamtkosten des gerichtlichen Verfahrens auch die Kurkosten. Falls eine solche Entscheidung erging, taxierte das Gericht die Kosten – sofern nicht appelliert wurde – in der Regel unmittelbar nach dem Urteil. 2. Gerichtskosten a) Gebühren Es gibt in der Praxis des Consistoriums einige Beispiele für pauschal erhobene Gebühren, vor allem bei schriftlichen Citationen. Wenn ein Gläubiger diese gerichtliche Zahlungsaufforderung gegen seinen Schuldner beantragte, mußte er zunächst die entsprechende Summe an das Consistorium und den ausstellenden Notar entrichten: Citation erkannt auf seine Kosten lautet in diesen Fällen immer wieder die Entscheidungsformel.292 Darüber hinaus mußte der Gläubiger auch die Kosten für die Zustellung der Ladung tragen. Bereits das Musterformular für die Citationsbriefe geht aber davon aus, daß die Gläubiger diese Positionen anschließend zur Schuld hinzuaddieren durften, eidem N. N. totum debitum una cum expensarum necessarium factae cum summa omnino reddas.293 Die Gerichtsakten bestätigen dies und ermöglichen die nähere Bestimmung der notwendigen Auslagen des Gläubigers. Am 12.10.1549 hatte Mathias Ob, der Conventor der Burse nomine facultatis artium die erste Citation gegen Georg Pontanus wegen Schulden von 9 fl, 10 ß, 9 d erlangt. Am 01.12.1549 beantragte er die zweite Citation wegen Schulden in obengenannter Höhe sampt darum erloffnen costen: 3 fl botten lohn, 3 batzen wart gelt, 3 ß per citationem primam sampt den ietzig costen.294 Die gerichtlichen Gebühren für die erste Citation wurden hier mit 3 Schillingen beziffert. Im Fall Hauser contra Freiherren von Kriechingen aus den Jahren 1549/50 zahlte der Vater der adligen Studenten nach der dritten Citation die Hauptschuld von 33 Gulden um allerlei war, nicht aber die Kosten. Wegen dieser, die mit 12 Gulden und einem Schilling angegeben wurden, erteilte das Consistorium am 23.08.1550 die 292

A 14/1, fol. 142, 12.10.1549: citation auf sein [des Klägers] Costen erkannt und dem Beclagten 21 tag terminum geben; A 14/1, fol. 151, Datum fehlt, citationes auf ihre costen erkannt, 36 tag peremptorie; A 14/1, fol. 166, 23.11.1549, Erteilung von 11 Citationen auf Kosten der Kläger. 293 A 62 /8, Formula Citandi. 294 Erste Citation A 14/1, fol. 142; zweite Citation samt Kosten A 14/1, fol. 170; dritte Citation A 14/1, fol. 194, 18.01.1550. Es wurde auch noch die vierte Citation erteilt. Als sich herausstellte, daß inzwischen Pontanus’ Aufenthaltsort unbekannt war, wurde der Kläger damit beauftragt, ihn ausfindig zu machen, um die vierte Citation zustellen zu können. A 14/1, fol. 232, 26.04.1550. Dies ist die letzte Eintragung in diesem Fall.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

vierte Citation, am 20. Oktober desselben Jahres die fünfte mit einem Zahlungstermin von 42 Tagen.295 Danach finden sich keine weiteren Aufzeichnungen zu diesem Fall. Da sich der Kläger als außerordentlich hartnäckig erwiesen hatte – die Universität wollte zunächst kein Verfahren gegen die Freiherren einleiten,296 doch Hauser sprach immer wieder vor – kann man eine Zahlung vermuten. Andernfalls wären nämlich weitere Beschwerden und die Forderung, die Beklagten periurie zu erklären, nicht ausgeblieben. Obwohl die Kosten erst nach der Hauptschuld entstanden sind, wird nicht erneut mit der ersten Citation begonnen, sondern fortgefahren. Dies war aber nicht immer so, was unter anderem der Fall Bürge ./. Kirßmeyer zeigt. Nach drei Citationen zahlte hier der Beklagte die Schuld, nicht aber die Kosten. Der Kläger schlüsselte diese wie folgt auf: 16 batzen bottenlohn, 7 batzen 2 d für zwo citationen, und 2 batzen 4 d procuratorlon, thuot zusammen 1 floren 10 batzen 6d. Deswegen begert er de novo ein citation, die ihm auch zugestanden wurde.297 Hier fuhr man nicht mit der vierten Citation fort, sondern begann von vorn.298 Im letzten Fall überstiegen die Kosten die eigentliche Schuld, allein der Botenlohn betrug mit 16 Batzen so viel wie das eingeforderte Geld um bücher. Dies ist kein Einzelfall, auch im folgendem Fall, verhandelt am 03.02.1571, waren Kosten in extremer Höhe zusammengekommen: So viel aber die tax belangt, ... haben die herrn erkandt wann die Creditores bey trew ahn Eidstatt mögen behalten, das sie mher und nit weniger dan sechs und 295

Erste Citation 01.12.1549, A 14/1, fol. 179; zweite Citation nach verschiedenen Anläufen am 26.04.1550, A 14/1, fol. 231. Dritte Citation erkannt am 14.06.1550, A 14/1, fol. 242; Bericht des Boten über die Bezahlung am 28.06.1550, A 14/1, fol. 252; vierte Citation A 14/1, fol. 260; fünfte Citation A 14/1, fol. 265. 296 Dann es Universitas ... mechte nit ferstendig zesein solche herren also offentlich ad valuas zu citieren ... A 14/1, fol. 195, 18.01.1550. Dieses Zögern erklärt auch die lange Zeit zwischen der ersten und zweiten Citation. 297 A 14/2, fol. 82v, 15.05.1568; erste Citation am 12.07.1567, fol. 79r wegen 16 batzen um bücher; zweite Citation am 15.11.1567, fol. 81r; dritte Citation am 13.12.1567, ebenda. 298 Auch im Rahmen der Zahlungsaufforderungen konnte sich die bei der ersten Citation festgelegte Summe im Laufe des Verfahrens ändern, ohne daß von vorne begonnen wurde. In einem Beispiel hatte der Schuldner mehr als die Hälfte des ausstehenden Tischgelds gezahlt: A 14/2, fol. 94r, 27.01.1571: Idem Schwartz begertt auch secundam citationem contra Michael Strang. Concessa. Nota er ist ime allein noch Neunthalben [d. h. 8 ½] guldin schuldig, das übrig hatt er zalt. Nach A 14/2, fol. 93r betrug die Schuld, für die am 27.10.1570 die erste Citation erging, 18 Gulden. In einem anderen Fall entschied das Consistorium: dieweil diser etlich gelt geschickt, mag ... umb das noch ußstandig gelt prima citatione fürgenommen werden, obwohl der Gläubiger die zweite Citation erbeten hatte. A 14/2, fol. 72v, am 16.03.1566, M. Hans Frey nomine Facultatis Artium contra Johannes Scheublin. Ebenso wie bei den Kosten läßt sich kein Muster erkennen. Es handelte sich möglicherweise um Ermessenentscheidungen, deren Hintergründe wegen fehlender Informationen in den Akten nicht mehr aufzuklären sind.

§ 5 Der Abschluß des Verfahrens

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neüntzig guldin, drey schilling und neun pfennig kosten erlitten und also bar ausgegeben, So soll inen der costen uff gedacht summa taxiert und Hausman inen den zu widerlegen schuldig sein solle, Diß haben die Creditores erstattet, Ist inen ein taxbrieff sub sigillo zuogestellt.299

Eine gerichtliche Taxierung der Kosten sollte erneuten Streit um diese Position verhindern. Hier hatte der Schuldner Hausman schriftlich ahn das consistorium begert, zuo taxieren, darby er auch pleiben wolle, also erklärt, die gerichtlich festgesetzte Summe anerkennen und zahlen zu wollen. Auch für andere Gerichtshandlungen entstanden Kosten, die allerdings selten in den Akten notiert wurden. Zumeist handelte es sich dabei um Gebühren, die an den Notar für dessen Dienste zu entrichten waren.300 b) Sondersitzungen auf Antrag der Parteien Im zweiten Band der Consistorialakten gibt es einige Sitzungsaufzeichnungen, die mit kaufft Consistorium überschrieben sind. Diese Termine fanden außer der Reihe auf Betreiben einer Partei statt, die einen schnelleren Prozeßfortschritt wünschte301 und für den Sondertermin eine Gebühr von einem Gulden entrichtete.302 Eine Bestimmung hierzu ist die einzige in den Statuten, die sich mit Gerichtskosten befaßt:

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A 14/2, fol. 94v. Die vier Gläubiger hatten die erste Citation gegen Philip Jacob Hausman von Namendey, Thoumherren zuo Trier (ist jetzund zuo Tholl) am 02.06.1565, also fünfeinhalb (!) Jahre zuvor erlangt. Insgesamt schuldete er ihnen 169 fl, 8 ß, 4d. A 14/2, fol. 68r. Hans Gnedig allein bezifferte seine Schuld mit 124 fl, einer der höchsten Schuldsummen, die überhaupt vorkommen. Nur deshalb waren die Kosten hier nicht höher als die Schulden. In den folgenden Jahren kam es zu vier Citationen und zwei ermahnenden Briefen, der letzte am 03.12.1569, A 14/2, fol. 89v, als die Creditores beantragten, dweil Hausman vielfaltiger weiß contumax, das man ime periurium erkennen welle. Uff sollichs haben die herrn so viel mit inen geredt, das sie nochmaln einen botten hienab schickhen wellen, welcher die haubtsumma empfahen, und von wegen deß costens ein bekandtnuß, sollich künftig zuerlegen, begeren solle. 300 Zum Beispiel für Abschriften der Endurteile. A 14/2, fol. 28r, 18.04.1562. Nota: Decretum est a dominis consistoriales ut pro publicanda sententia definitiva in posterum semper utraque pars et actrix et rea Notario dare debeat quatuor nummos. 301 Solche „gekauften“ Termine beschreibt auch Hagemann, Basler Rechtsleben II, S. 116. 302 A 14/2, fol. 55r, 17.07.1563 (Samstag), Hans Balthasar Rauch, so ein Consistorium umb einen guldin erkaufft; fol. 55v, 21.07.1563 (Mittwoch), Hans Gotthart hat ein Guldin umb ein Consistorium zu halten erlegt.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium Huiusmodi deinde consessus, cum opus fuerit, Sabbathi die horis pomeridianis fient, loco solito; nisi festivitas aliqua impediat. Sed cum necessitas postulaverit, poterunt etiam alio die non festo convenire ad Iudicium; tamen impensis litigantium.303

Die regelmäßigen Gerichtssitzungen sollten, wenn kein Feiertag war, am Samstag Nachmittag stattfinden. Wenn es nötig war, konnte das Gericht auch an einem anderen Tag zusammentreten, aber auf Kosten der Parteien. Dies ist die Grundlage für die Consistorii extraodrinarii. Sie fanden allerdings teilweise auch Samstags statt: Vielleicht mußten die Parteien für den Termin bezahlen, wenn sonst keine Verfahren anstanden. 3. Kostenentscheidungen in Endurteilen Heute folgen Kostenentscheidungen dem Erfolgsgrundsatz, der die Akzessorietät zwischen Kostentragung und Prozeßausgang festschreibt. Von diesem Prinzip gingen sowohl das deutsche als auch das römisch-kanonische Recht aus.304 Doch zwischenzeitlich lockerte die gemeinrechtliche Lehre und Rechtsprechung diese strenge Regel: Ab der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts findet sich häufig – auch in Kostenentscheidungen des Reichskammergerichts – die Formulierung, aus bewegenden ursachen würden die Kosten compensiert und verglichen, also gegeneinander aufgehoben.305 Genau diese Worte lesen wir auch immer wieder in den Freiburger Consistorialakten: und seind in beiden sachen [Klage und Gegenklage] aus beweglich ursach die gerichtscosten verglich also das yder theil den seine an im selbst haben und tragen soll.306

Im zitierten Fall Conrat Angler ./. Johannes Andreas Bebling, können wir eindeutig Angler als Prozeßgewinner identifizieren, denn seine Klage hatte 303

A 4/6, LSS, Quartum: De Assessoribus Consistorialis ... Officium, 2. Abschnitt. Sellert, Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozeßerfolg, S. 516 f. und 520 f. Zwar kannte das deutsche Recht keine eigentlichen Gerichtskosten, aber die Gewette und Strafgelder wurden zumeist dem Unterlegenen abverlangt. Dem Erfolgsgrundsatz folgten nach Hagemann auch die Basler Gerichtsordnungen des 15. Jahrhunderts. Hagemann, Basler Rechtsleben II, S. 104. 305 Ebel, Goslarer Ratsurteilsbuch, S. 25; Sellert, Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozeßerfolg, S. 517; derselbe in HRG 4, Prozeßkosten, Sp. 49 ff. 306 A 14/1, fol. 206, 01.02.1550. Sententia Diffinitiva: nach clag antwortt ... Beklagter soll Kleger vermeg bekanntlich rechnung unverzüglich zahlen ... [Gegenklage] nach beider partheyen kundschafft, geschworene rechtssatz ... C. Angler von der Gegenklag ledig erkannth ... 304

§ 5 Der Abschluß des Verfahrens

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Erfolg, während die Gegenklage abgewiesen wurde. Dennoch sollte jede Partei ihre Aufwendungen selbst tragen. Was war der Hintergrund solcher Entscheidungen? Das Gericht führt nicht aus, welche beweglichen Ursachen das Urteil in dieser Frage motivierten. Aus dem zeitgenössischen Schrifttum läßt sich die Regel iusta causa litigandi excusat ab expensis ableiten.307 Für eine iusta causa gab es viele Beispiele, unter anderem wurde sie angenommen, wenn das Urteil von der Entscheidung einer streitigen, noch ungeklärten Rechtsfrage abhing, oder wenn die Position des Unterlegenen durch die opinio communis oder günstige Rechtsauskünfte gestützt worden war. Auch in Prozessen zwischen nahen Verwandten oder wenn Geistliche oder angesehene Personen beteiligt waren, sollten die Ausgaben kompensiert werden. Außerdem mußte, wer böswillig, säumig oder verzögerlich prozessierte, für die dadurch entstehenden Kosten selbst aufkommen. Obwohl das gemeine Recht am Grundsatz quod victus victori in expensis condemnari debeat festhielt,308 standen dem Gericht viele Ausnahmetatbestände zur Auswahl, so daß die Kostenentscheidung zur Ermessenfrage wurde. Für das Consistorium trifft Sellerts Vermutung, in der gemeinrechtlichen Gerichtspraxis sei die Kompensation die Regel gewesen,309 jedenfalls fraglos zu. In manchen Fällen verurteilte das Universitätsgericht dennoch eine Partei dazu, die Kosten ihres Prozeßgegners zu tragen. Häufig geschah dies bei zu Gunsten des Klägers entschiedener Klagen auf Ersatz wegen Körperverletzungen. In derartigen Fällen erscheint diese Lösung beinahe zwingend, weil durch die Formel costen und schaden die Prozeßkosten mit den Kurkosten gekoppelt waren. Abgesehen von dieser Fallgruppe wurde vor allem bei Gegenklagen häufiger eine Kostentragungspflicht des Gegenklägers angenommen. Der Grund hierfür könnte sein, daß die Reconvention in etlichen Fällen eher Verteidigungsstrategie als juristisch substantiierte Klage war. Wenn sie im nachhinein ganz unbegründet erschien, mußte der Gegenbeklagte die dadurch entstandenen Kosten nicht tragen. III. Vollstreckung 1. Vollstreckung durch Zugriff auf den Verurteilten und seinen Besitz Entscheidend für die Vollstreckung war, welche Zugriffsmöglichkeiten auf den Verurteilten bestanden, ob er sich also noch in Freiburg aufhielt. Es gibt 307 Gail, Practicarum observationum, Lib. I, Obs. 152, S. 267. Zum folgenden Sellert, Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozeßerfolg, S. 523. 308 Gail, Practicarum observationum, Lib. I, Obs. 152, S. 267. 309 Sellert, Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozeßerfolg, S. 528.

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Anhaltspunkte dafür, daß die Vollstreckung gegen Abwesende wie die Einforderung anderer Schulden durch vom Gericht ausgestellte schrifliche Zahlungsaufforderungen geschah. Diese wurden Citationen oder zur Differenzierung Executoriales genannt, wobei beide Begriffe nebeneinander auftauchen können. Die Versuche Dietrich Neffs, ein zu seinen Gunsten am 12.07.1550 ergangenes Urteil über ca. 31 Gulden zu vollstrecken, sprechen Bände über die fehlende Exekutivkraft des Gerichts. Am 06.06.1551 beginnen die Bemühungen auf anlang Dietrich Neb per executionae suae contra Philip Kraus seind ime executoriales ... erkannt und per Iura satisfacendi terminus 4 dies.310

Am 21.09.1551 lesen wir von einem moritorium, obwohl dem Verurteilten zugleich mit der Meineidigerklärung gedroht wird. Neff versucht auch, seinem Schuldner etwas entgegenzukommen, um eine Einigung zu erzielen: Im Januar des folgenden Jahres bietet er eine Stundung an, Kraus soll 20 Gulden zu Ostern und den Rest zu Weihnachten bezahlen. Am 27.08.1552 erkennt das Gericht auf die 3. Citation gegen Kraus, obwohl sie ad declarationem periurii wol hetten. Schließlich verliert der Prozeßgewinner die Geduld und wohl auch die Hoffnung, je Geld zu sehen. Am 29.10.1552 läßt er Kraus für meineidig erklären, obwohl der in einem Brief nun gütlich termin und Ratenzahlung angeboten hat. Neff interessiert dies nicht mehr, er begert nach Ordnung und Gebrauch der Statuten fortzufahren. Daraufhin erkennen Rektor und Consistorium Philipp Kraus wegen vielfältigem ungehorsam meineidig und periurie.311 Wenn der Verurteilte nicht zahlte und den Freiburger Einzugsbereich mit Sack und Pack verlassen hatte, blieb der Ausschluß aus der Universität das letzte Mittel. Mehr als moralische Befriedigung konnte der Prozeßgewinner allerdings dadurch nicht erreichen. Hatte der Flüchtige Güter zurückgelassen, konnten die Gläubiger darauf zugreifen. Diese Fälle waren allerdings sehr selten: Der Student Schlebeck wurde zur Zahlung von 27 Gulden wegen Körperverletzung verurteilt. Es wurde weiterhin erkannth, das Schlebeck durch den Pedellen sein wegen der spruchvorderung im intereße der parthey und der Universitet, arrestiert werden und seine guter so er hier hat hinder den Herrn Rector erlegt werden und cleger in dieselbig noch recht vnd pruch des Cons eingesetz werd.312

310

A 14/1, fol. 278, 06.06.1551. A 14/1, fol. 281, 21.09.1551; fol. 291, 16.01.1552; fol. 322, 27.08.1552; fol. 335, 29.10.1552. 312 A 14/1, fol. 271, 31.01.1551. 311

§ 5 Der Abschluß des Verfahrens

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Da jedoch weitere Gläubiger Schlebecks zuvor entstandene Forderungen geltend machten, schlug die Vollstreckung in diesem Fall letztlich fehl. Befand sich der Verurteilte noch im Freiburger Einzugsgebiet, war es grundsätzlich möglich, ihn zu arrestieren oder zu inhaftieren. Im Anschluß an Urteile geschah dies jedoch so gut wie nie, nur bei anerkannten Schulden wurde zu diesem Mittel gegriffen.313 2. Vollstreckung in Sicherheiten Da es statthaft war, ein Pfand an Stelle einer Geldzahlung zu geben, konnte ein Schuldner nicht nur vor dem Urteil ein Pfand als Sicherheit hinterlegen, sondern ebenso alternativ zu Zahlung oder Pfandgabe verurteilt werden. Auch beim terminus iuris lautete die Formulierung regelmäßig, das antworter dem cleger innerhalb 14 tagen bezahl oder genugsame Pfand hinder herrn rector erlege.314 Zu Sicherung durch Pfandhinterlegung finden wir in den Freiburger Statuten von 1581 folgendes: Praterea, qui ad danda pignora condemnatus est; protinus ea ponat, antequam denuo accusetur. Nam sive ita fecerit, seu neglexerit; nihilominus consuetum tempus à die sententiæ latæ computabitur: Ita ut nisi intra proximas sex septimanas, et tres dies eadem redemerit; protinus, si Actor voluerit, etiam absque nova Rectoris, eiusque Assessorum sententia, vendantur ...315

Wer zur Pfandgabe verurteilt wird, soll das Pfand unverzüglich stellen, bevor er von neuem angeklagt wird. Ob er so verfährt oder nicht, in jedem Fall wird die gewöhnliche Zeit vom Tag des Urteils an gerechnet. Wenn er das Pfand nicht in den nächsten sechs Wochen und drei Tagen auslöst, wird es sofort, wenn der Kläger will, auch ohne neues Urteil des Rektors und der Assessoren, verkauft. In den Consistorialprotokollen sind Berichte über den Verkauf von Pfändern sehr selten. Vielleicht weil, sobald ein Pfand gestellt worden war, der endgültige Verkauf laut Statuten ohne weitere Beteiligung des Gerichts geschehen konnte. Wie wir oben gesehen haben, findet sich vor allem bei der Vollstreckung anerkannter Forderungen nach einem terminum iuris die gerichtliche Anordnung, ein gestelltes Pfand zu Gunsten des Gläubigers zu verwerten.

313

Erster Teil § 4 II. 1. c). Zum Terminum Iuris vgl. Dritter Teil § 3 III. 315 A 4/2, LSR 1581, XXV. De Iudiciali processu, 3. Absatz. 314

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Dritter Teil: Das Verfahren vor dem Consistorium

Obwohl nachgewiesenermaßen die Parteien in einigen Fälle Cautionen und Bürgschaften für den Fall stellten, daß sie ihren Prozeß verlieren sollten, erfahren wir aus den Consistorialprotokollen nichts über einen Zugriff auf solche Sicherheiten nach einem Endurteil. IV. Alternativen zum Urteil: Vergleich, Vertragung, Aufhebung Ein Endurteil war beleibe nicht die einzige Form, einen Rechtsstreit zu beenden. Daneben – vom Consistorium gefördert und bevorzugt – begegnet uns die Konfliktbeilegung durch einen Vergleich zwischen den Parteien, sei er gerichtlich vermittelt oder privat zu Stande gekommen. Im Rahmen der gerichtlich initiierten Vergleiche lassen sich unterschiedliche Spielarten mit verschieden starker Einmischung des Gerichts beobachten.316 Auf der einen Seite des Spektrums, als massive Intervention des Gerichts, ist die bei Injurienklagen vorkommende Aufhebung gegenseitiger Beleidigungen und die Beendigung des Streits ex officio zu nennen. Im anderen Extremfall vertagte das Consistorium einen Termin und schickte die Parteien mit der Auflage, untereinander zu rechnen oder zu (ver)handeln noch einmal nach Hause. Wenn sie sich in einer Woche nicht geeinigt hätten, heißt es dann in den Entscheidungen, könnten sie wiederkommen, um den Prozeß fortzuführen. Natürlich gab es auch Vergleichsformen, die zwischen diesen Polen lagen. Zum Beispiel lesen wir im Fall Eckhbergerin ./. Bilonius, wie Deputierte bestellt wurden, die auf beiden Seiten die Verhandlungen führen sollten. Zunächst lud das Gericht die Parteien persönlich zum nächsten Termin, um unmittelbare Vergleichsverhandlungen zu ermöglichen.317 In dieser Sitzung wurden dann rechtskundige Unterhändler bestimmt318 und deren Verhandlungen führten zum 316

Da die Form (und die Häufigkeit) des Vergleichens stark vom Streitgegenstand geprägt wurde, folgen Einzelheiten hierzu bei den jeweiligen Konfliktstoffen. Vgl. zum Ganzen Hagemann, Basler Rechtsleben II, S. 106 f. Seine Beispiele weisen große Ähnlichkeiten zu den Vergleichen und Vergleichsversuchen in den Consistorialakten auf. Im 15. Jahrhundert beobachtet er eine Zunahme der gerichtlichen Aufforderungen zur Einigung, wobei er als einen Grund den verstärkten Einfluß des kanonischen Gütegedankens vermutet. 317 A 14/2, fol. 96v, 19.05.1571: Als die bede procuratores in sachen Cordula Eckhbergerin gegen und wider herrn Doctor Jacob Bilonien erscheinen, und Juramentum Calumniae erstatten wellen, haben die herrn Consistoriales bedacht, bede partheyen in der guotte zuovergleichen. derowegen ist den procuratoribus befolhen, das ir ieder in künfftigem Consistorio sein principaln selbs allhär beruöffen solle, werden die herrn sehen, Ob sie sunst guöttlich mögen vertragen werden. 318 A 14/2, fol. 96v, 16.06.1571, Cordula Eckhbergerin und Herr D. Jacob Bilonius haben bede zuogegen bewilliget, guottlich in der hangenden Rechtsferttigung zwüschen

§ 5 Der Abschluß des Verfahrens

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Erfolg, wie der lakonische Vermerk Ist vertragen, den der Schreiber ans Ende des Eintrags setzte, belegt. Ferner stößt man auf Protokolle, in denen sich das Gericht selbst als hartnäckiger und raffinierter Unterhändler erwies: Getrennt feilschte es mit den Parteien um die zu zahlende Summe, wobei es beide Seiten an die Unwägbarkeiten und Gefahren eines Rechtsstreits erinnerte.319 Auf diese Weise wollte man Vergleichsbereitschaft herstellen und die Akzeptanzgrenzen der Streitenden ausloten. Bei formellerer Durchführung wurden die Parteien nämlich zunächst gefragt, ob sie mit einer Vertragung einverstanden seien. Stimmten sie zu, zog sich das Gericht zur Beratung zurück. Vor der Verkündung des gütlichen Spruchs mußten die Prozeßgegner geloben, sich mit der Lösung des Gerichts zufriedenzugeben und ihren Streit zu beenden: vor und ehe dis entscheid verlesen, haben beyde partheien gelopt und an aidstat versprochen bei dem spruch zu pleiben und darwider nit mehr zu thun.320

Da Konflikte trotz eines solchen Versprechens wieder aufflackern konnten, wenn der Schiedsspruch die Parteien nicht zufriedenstellte, war die vorherige Sondierung essentiell für eine erfolgreiche Streitbeilegung.

inen handlen zuolaßen, Seind deputiert worden darunder zuo handlen uff der Cordula seitten D. Jacob Streit und D. Ulrich Holtzapffel, uff deß Bilonii seitten D. David Schmidlin und D. Johann Frey. Nach dem Senatsprotokoll waren die Deputierten nicht etwa das Consistorium: Holtzpafel (decan facultatis artium 1570/71, ebenso 1571, ab 1572/73 als Jurist.) und Jacob Streit (Jurist) waren Mitglieder des Gerichts, Schmidlin und Frey, ebenfalls Juristen, aber nicht. 319 Zu den Einzelheiten siehe Vierter Teil § 3 II. 2. a). 320 A 14/1, fol. 366, 31.07.1554.

Vierter Teil

Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium Wenn wir uns in diesem Teil der Arbeit den Inhalten der Konflikte zuwenden,1 die vor dem Consistorium ausgetragen wurden, müssen wir uns mit der bisher implizierten These auseinandersetzen, es handle sich um zivile Klagen. Bezieht sich auch Thiemes Diktum von der Zeit der Einheit allen Rechts2 auf das Mittelalter, so ist der Begriff des Zivilrechts auch für die frühe Neuzeit keineswegs unproblematisch. Die Gretchenfrage lautet also: Wie halten wir’s mit dem Zivilrecht? Vorgreiflich ist die Klärung, wie man die Grenze zwischen Strafrecht und Zivilrecht ziehen möchte. Eine Unterscheidung, die auf dem heutigen System und Inhalt der Rechtsgebiete beruht, wird in der geschichtlichen Betrachtung schnell an ihre Grenzen stoßen, da sie von einer erst später entstandenen Dogmatik ausgeht. Sie kann das damalige Recht als entwicklungsgeschichtlich offenes Geflecht konfliktregulierender und integrierender Mechanismen3 nicht erfassen. Will man sich der modernen Kategorien bedienen, so definiert man sie besser auf formelle Weise: Eine privatrechtliche Klage ist gegeben, wenn eine Privatperson oder Körperschaft auf Leistung an sich klagt.4 Das sächsisch1

Zur Verteilung siehe Anhang, Bild 6-8. Thieme in HRG 1, Deutsches Privatrecht, Sp. 707 f. [Die Trennung von privatem und öffentlichem Recht setzt] erst mit dem Werden des modernen Staates ein. 3 Willoweit, Vertragen, Klagen, Rügen, S. 196. Er weist darauf hin, daß sich die Inkompatibilität des Systemdenkens insbesondere bei der vormaligen Behandlung der Sühneverträge zeige, die im Bürgerlichen Recht unter „außergerichtliche Vergleiche“ abgedrängt werden, obschon es sich um eine zentrale Konfliktlösungsoption auch bei Tötungsdelikten handelte. 4 So auch Gudian, Klage mit Schadensformel, S. 121, Das Wort Delikt ist in diesem Sinne neutral, seine Folgen können auch nach heutigem Recht sowohl zivil- wie auch strafrechtlicher Art sein. Letztlich geht diese Differenzierung auf die fundamentale Scheidung zwischen öffentlichem und privatem Interesse entsprechend der berühmten Ulpian-Stelle D 1.1.1.2 zurück. Eine Zwischenstellung nimmt in dieser Hinsicht der Akkusationsprozeß ein: Zwar handelte es sich um eine Klage in privatem Interesse, aber nicht auf Leistung an den Kläger, sondern mit dem Ziel der öffentlichen Strafe. Ansätze von akkusatorischen Klagen finden sich an der Universität vor allem bei den Fallgruppen, in denen die 2

§ 1 Schulden

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magdeburgische Recht bezeichnet solche Klagen als bügerliche. In diesem Sinne wurde bisher unterschieden und danach handelte es sich bei allen Consistoriumsprozessen um privatrechtliche. Bewußt wurde die Frage, ob Konfliktstoffe und Regelungsaufgaben eine Rolle spielten, die nach heutigem Verständnis im Strafrecht anzusiedeln sind, bisher offen gelassen. Ob man sie beantworten kann und soll – wenn sie nämlich nicht zur Begriffswelt der damaligen Menschen paßt, erscheint dies zweifelhaft – werden die jeweiligen Betrachtungen zeigen.5

§ 1 Schulden Im 16. Jahrhundert wandelte sich mit der Aristokratisierung der Universität der akademische Lebensstil, er wurde luxuriöser, modebewußter und aufwendiger – kurz: teurer. Aus diesem Grund war das Schuldenmachen ein Problem aller europäischen Universitätsstädte der frühen Neuzeit.6 Hier bestätigt sich ein Klischee über die akademische Gerichtsbarkeit, denn Fälle, in denen es um studentische Schulden geht, sind bei weitem in der Überzahl. Die statistische Auswertung der Freiburger Consistorialakten ergibt, daß sich das Gericht in beinahe drei Viertel seiner Fälle mit dem Einziehen von Schulden zu befassen hatte.7 Schuldner waren meist Studenten, Gläubiger dagegen Einwohner der Stadt oder die Burse, deren Conventor ausstehende Zahlungen für Miete und Verpflegung einforderte. Die Aufgabe des Gerichts bestand überwiegend nicht in einer rechtlichen Beurteilung, sondern darin, einen zahlungsunwilligen oder -unfähigen Studenten oder seine Verwandten dazu zu bewegen, seine Schulden zu begleichen. Als Reaktion auf das Ausmaß und den Zuschnitt der Fälle begegnet man hier zwei Verfahrensformen, die sich vom normalen Gerichts-

Kläger eher eine persönliche als eine finanzielle Motivation hatten, also bei Ehebruch und ähnlichem, vgl. den Fall von Schonaich, Zweiter Teil § 2 I. 1. 5 Kompliziert ist die Situation v.a. im Gebiet der heutigen unerlaubten Handlungen. Bei diesen Konfliktstoffen stellt sich immer wieder die Frage nach – auch – pönalen Funktionen einzelner Urteilsbestandteile, vgl. zu den Klagen wegen Ehrverletzungen Vierter Teil § 3 I. 4. und wegen Körperverletzungen Vierter Teil § 3 II. 1. c). 6 di Simone, Die Zulassung zur Universität, S. 254; Müller, Studentenkultur und akademischer Alltag, S. 280. 7 Terminum iuris und Citationen wegen Schulden machen gemeinsam 64,3 % aus, mit bestrittenen Schulden sind es 74,5 % der Fälle. Vgl. Anhang, Bild 8. Woeste stellt fest, daß in Marburg im 18. und 19. Jahrhundert Klagen wegen nicht beglichener Schulden fast 50 % aller Verfahren vor dem akademischen Gericht ausmachten, Akademische Väter, S. 59, 62 f.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

prozedere unterscheiden: den schriftlichen Ladungen und dem sogenannten terminum iuris.8 I. Möglichkeiten der Gläubiger 1. Abwesende Schuldner: Schriftliche, bei Gericht beantragte Citationen Bei über der Hälfte der Fälle9 in den Consistorialakten handelt es sich um beim Gericht beantragte Citationen gegen Schuldner, die Freiburg verlassen hatten. Wie beim Verfahrensablauf beschrieben, wurden den Gläubigern die Zahlungsaufforderungen zuerkannt, ohne daß das Consistorium den zugrundeliegenden Anspruch prüfte.10 Die Kläger gaben dazu zunächst ihren Namen und den des Schuldners an, darauf folgte die geschuldete Summe11 und manchmal der Schuldgrund. Meist handelte es sich um noch nicht bezahltes Tischgeld, ausstehenden Arbeitslohn von Handwerkern oder geliehenes Geld. Wenn die Citation gewährt wurde, vermerkte der Notar häufig, welche Frist dem Schuldner zur Zahlung gesetzt wurde. Ihre Länge, die primär von der Entfernung des Schuldners von Freiburg abhing, schlug auf die Dauer der Verfahren durch, weil erst nach Ablauf der Frist die nächste Citation erteilt wurde. Von den 436 in A 14/1 erfaßten Verfahren waren 225, also 51,6 %, erste Citationen.12 Zweite Citationen finden sich 53, also folgte auf 23,6 % der ersten Citationen eine zweite. Als Bezugspunkt wurde die Anzahl der Citationen des vorhergehenden Verfahrensschrittes gewählt, um eine Aussage über die Dauer und mutmaßliche Effektivität der Verfahren treffen zu können. Es gab 38 dritte Citationen, das sind 71,7 % der zweiten. In 73,7 % einer dritten kam es auch zur vierten Citation (28 Fälle), in 25 % bzw. sieben Fällen zur fünften. Schon nach der vierten Citation konnte der Schuldner für meineidig erklärt werden, weil die fünfte Citation für den Gläubiger nicht verpflichtend war. Elf Fälle endeten mit dem Ausschluß des Schuldners aus der Universität, was sieben 8

Auch Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 317, beschreibt, wie sich im 18. Jahrhundert dieselben Umstände in gestrafften Sonderverfahren niederschlugen. 9 In den untersuchten 891 Fällen hat diese Verfahrensart einen Anteil von 54,1 %. 10 Vgl. Dritter Teil § 3 I. 2. b). 11 Lorichius betont im IG die Notwendigkeit, ein kurzes Verzeichnis der Schulden anzugeben: A 23/23, IG, fol. 14, Consistorium Academicum, De Citationibus: Creditores debent edere indiculos debitorum priusquam Citatio decernatur. 12 Beantragt wurde eine erste Citation 241 Mal. Abzuziehen waren die doppelt beantragten (iterum, erneut, de novo) und in einen Prozeß übergehendenen der Fälle, die unter den streitigen Verfahren erfaßt wurden. Bei den zweiten Citationen ergaben sich mit zwei- oder dreifach beantragten 61.

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Personen betraf. A 14/2 umfaßt 455 Fälle, davon handelte es sich bei 257 um erste Citationen.13 Also sind hier 56,5 % aller Verfahren schriftliche Ladungen. Zu diesen ersten Citationen gab es – nach Abzug einer doppelten – 102 zweite, also kam es in 39,7 % der Fälle zu diesem nächsten Verfahrensschritt. Dritte Citationen gab es 73, sie erfolgten also in 71,6 % der zweiten Citationen. Bei den vierten traten wieder doppelte Fälle auf. Nach Abzug dieser ergab sich eine bereinigte Zahl 36, also 49,3 % von den dritten. Es lassen sich 13 fünfte Citationen ausmachen, d. h. 36,1 % der vierten Citationen. Mit dem Ausschluß aus der Universität endeten fünf Fälle, betroffen waren zwei Studenten, von denen jeder mehrere Gläubiger hatte. Einer der beiden wurde nach einer Petition wieder in die Matrikel aufgenommen. Obwohl es in A 14/2 deutlich mehr zweite Citationen gibt, beträgt ihre Zahl insgesamt weniger als ein Drittel (31,6 %) der ersten Citationen. Unter der Voraussetzung, daß die Hartnäckigkeit der Rechtsverfolgung grundsätzlich gleich war,14 führten somit die ersten Citationen häufig das gewünschte Ergebnis herbei, der Schuldner zahlte. Blieb aber der Erfolg der ersten offiziellen Ermahnung aus, mußte meist – jeweils in über 70 % der Fälle – auf die zweite eine dritte Citation folgen. Auch eine vierte Aufforderung erfolgte danach öfter, als die Beantragung einer zweiten Citation nach der ersten. Wer also nicht direkt reagierte, war meist hartgesotten oder wirklich zahlungsunfähig. Die Anzahl der fünften Citationen und der Universitätsausschlüsse ist im Vergleich zu den dritten und vierten Ladungen niedrig. Allerdings erfahren wir nach der zweiten oder dritten Citation häufiger von Bemühungen, den Schuldner außerhalb des gerichtlichen Verfahrens zur Zahlung zu bewegen. So bat eine Klägerin, das Consistorium welle zu überfluß, dem Bartlin Ergentzinger, caplan zuo Rottenburg, als bruoder des Müllers [Beklagter] schreiben, das er dise schuld zalt ehe er periurius werde.15 Da sich Ergentzinger vor einem Jahr dem Consistorium gegenüber bereit erklärt hatte, für seinen Bruder einzustehen, wurde der Brief verfaßt. Trotz der Vermutungen, die man somit über die Effektivität der ersten Citationen anstellen kann, ist der weitergehende Schluß, die geringe Zahl an Ausschlüssen korrespondiere mit einer niedrigen Zahl an letztlich nicht bezahlten Schulden wohl unzulässig. Da die periurie-Erklärung dem Gläubiger keinen monetären Nutzen brachte, mag manch einer das Verfahren vorher aufgegeben haben, weil das Gericht keine Lösung des Problems in Form einer effektiven 13

Komplettzählung 276, abzuziehen waren de novo (13), Teilbeträge (1), Executoriales (1), in Prozesse übergegangene (3) und Kostenforderungen (1). Da die Aufzeichnungen vor Beginn von A 14/2 fehlen, beginnen acht Fälle bereits in einem fortgeschrittenen Stadium des Citierens. Sie wurden den jeweiligen Citationen zugerechnet. 14 Für diese Annahme spricht, daß etliche Kläger mehrfach auftraten. Die Höhe der Schulden spielte dabei wohl eine untergeordnete Rolle: Auch geringe Summen wurden eifrig eingeklagt. 15 A 14/2, fol. 67r, 12.05.1565.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

Zwangsvollstreckung gegen Abwesende anbieten konnte.16 Ebenso wird sich eine gewisse Anzahl mit einer Teilzahlung oder einer anderen Vereinbarung mit dem Schuldner begnügt haben: Mit jeder weiteren Citation entstanden dem Kläger Kosten, die er vorstrecken mußte. Falls der Schuldner nicht zahlen sollte, bestand das Risiko, den Verlust immer weiter zu vergrößern. 2. Anerkannte Schulden: Terminus Juris Fälle, in denen der Beklagte bei Gericht erschien und eine Forderung anerkannte oder das Gericht sie für so eindeutig hielt, daß sie den Schuldner sofort zur Zahlung verurteilte, haben einen Anteil von 10 % an den Gesamtfällen. Warum sich die Parteien in diesen Fällen überhaupt vor Gericht treffen mußten, um dieses Ergebnis zu erzielen, ist nicht eindeutig zu erklären. Vielleicht war der Gerichtstermin notwendig, um die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit der Zahlungsforderung klarzustellen, oder es kam den Schuldnern auf den zusätzlichen Aufschub von zwei Wochen an, den der terminus iuris gewährte.17 Es wäre auch denkbar, daß die Gläubiger das gerichtliche Anerkenntnis nutzten, um die möglicherweise zweifelhafte Höhe der Schuld feststellen zu lassen.18 In der Regel hielten die Schuldner diesen Termin wohl ein. Wenn auch sicher nicht in allen Fällen gezahlt wurde, gelang es den Parteien dann aber augenscheinlich, sich außergerichtlich auf eine Stundung oder Ratenzahlungen zu einigen. Schließlich erschienen nur in einem kleinen Teil – weniger als 10 % – der Fälle die Kläger erneut, um sich wegen eines nicht eingehaltenen terminus iuris zu beschweren. Das Gericht reagierte dann häufig mit der Gewährung einer kurzen Nachfrist von 24 Stunden. Anschließend konnten eventuell gesetzte Pfänder verkauft werden. Über die Häufigkeit von Pfandgabe und -verkauf 16

Das Verfahren Neff ./. Kraus zeigt, wie die Vollstreckung eines Urteils erfolglos bleiben konnte, wenn der Schuldner den Freiburger Einzugsbereich verlassen hatte. Der Ausschluß aus der Universität und die Meineidigerklärung waren dann nur ein schwacher Trost. Wenn überhaupt, waren Zwangsmittel wie Haft und Arrest der Güter nur bei noch in Freiburg befindlichen Schuldnern wirksame und gangbare Wege, an sein Geld zu kommen. 17 Vielleicht waren 14 Tage aber auch schlichtweg die übliche Frist zur Zahlung einer gerichtlichen festgesetzten Schuld. Diese Vermutung sieht den terminus iuris in Parallele zur rechten tiet, der 14tägigen Frist zur Zahlung gerichtlich festgestellter Geldschulden des sächsischen Rechts. Vgl. Planck, Gerichtsverfahren, S. 240; zum terminus iuris Dritter Teil § 3 III. 18 Erler in HRG 4, Schuldanerkenntnis (prozessual), Sp.1510 f. Bei den Verfahren der Ingelheimer Haderbücher, die hauptsächlich Schuldanerkenntnisse enthalten, vermutet die Forschung diesen Hintergrund. Zur Praxis der gerichtlichen Schuldanerkenntnisse in Basel vgl. Hagemann, Basler Rechtsleben II, S. 49 ff.

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lassen sich keine Aussagen treffen, weil sie in der Regel nicht in den Akten vermerkt wurden. 3. Bestrittene Schulden: Normales Verfahren Hierunter wurden die Fälle gefaßt, in denen die Schuld an sich bestritten wurde oder die Schuldner Bezahlung oder Stundung behaupteten, so daß sich der Streit auf beweisrechtliche Fragen konzentrierte.19 Sie machen insgesamt ca. 10 % der Fälle aus. Verfahren, in denen Inhalt und Auslegung vertraglicher Vereinbarungen vor das Gericht getragen wurden, die sich also nicht allein auf die Zahlung von vertraglich geschuldeten Summen richteten, wurden der Kategorie Verträge zugeordnet. Wenn ein Universitätsangehöriger vor Gericht erschien und die gegen ihn erhobenen Ansprüche ganz oder teilweise bestritt, kam es zu einem normalen Verfahren. Manchmal führten auch die schriftliche Citationen dazu, daß der Citierte zum Consistorium kam, um den Forderungen entgegenzutreten.20 Überwiegend war dies aber nicht der Fall, denn wer sich auf ein Verfahren einlassen wollte, kam in der Regel sofort und mußte auch nicht schriftlich geladen werden, weil er noch in Freiburg wohnte. Häufig endeten die Prozesse um bestrittene Schulden nach nur einem oder zwei Terminen, was darauf hindeutet, daß die Parteien trotz Klageerhebung weiter nach privaten Lösungen suchten. Die Studenten werden nämlich in der Regel nicht die Stadt verlassen haben, nur um sich solcher Ansprüche zu entziehen: Zum einen waren die Beträge oft zu niedrig, um allein deswegen das Studium abzubrechen.21 Zum anderen wäre ein Gläubiger, der bereits ein Verfahren angestrengt hatte, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zu schriftlichen Citationen übergegangen, wenn sein Schuldner die Stadt verlassen hätte. Andere Fälle waren unkompliziert und 19

A 14/1, fol. 397, 22.08.1556. Ingolstetter klagt gegen D. Johann Rottenburger wegen 7 Gulden um allerlei whar, der Beklagte befrembdt sich der clag, da er nicht weiß, woher dies Schulden stammen sollen. Am 24.10.1556 legt Ingolstetter zum Beweis der Schuld sein stattbuch vor. Zwar wird dem Beklagten auf sein Verlangen nochmals terminum deliberando erteilt, doch die Parteien erscheinen nicht mehr. 20 A 14/1, fol. 291, 16.01.1552, Luitz ./. Weiß. Nach der dritten Citation tritt Hans Stör als Vertreter des Beklagten (zunächst angemaßt später mit nachgewiesener Vollmacht) auf. 21 A 14/1, fol. 27, 19.01.1549. Hans Gog klagt gegen Matheus Hugo auf Zahlung von 7 ß, der Beklagte streitet die Schuld ab. Keine weiteren Einträge. Am 17.05.1550, fol. 242, forderte Margerethe Metzgerin von Thomas Neff zwei Gulden. Neff gestand die Hälfte der Schuld und erhielt terminum iuris, bezüglich des Rests bestimmt das Consistorium, die Parteien sollen sich gütlich einigen oder wiederkommen. Keine weiteren Einträge.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

erforderten deswegen nicht mehr Termine: Am 11.09.1557 verlangt M. Joannes Hartung nomine Joannes Artopeus von Sebastian Presberger ausstehendes dischgelt.22 Der Beklagte erkennt seine Verpflichtung grundsätzlich an, meint aber, der Betrag sei zu hoch, da er einige Zeit zu Hause und nicht in Freiburg gewesen sei. Das Consistorium fällt sofort ein abschließendes Urteil, wonach Presberger nur einen Teil der geforderten Summe zahlen muß. Hier erscheint die Anrufung des Gerichts eher als ein Teil der Verhandlungen zwischen den Parteien, als ein weiteres Druckmittel, das Gläubiger anwenden, um an ihr Geld zu kommen. II. Ausschluß der Schuld durch Schutzbestimmungen Die größten Abweichungen vom städtischen Recht, welche die Forschung für das materielle Recht der Universitätsangehörigen herausgearbeitet hat, liegen in den Schutzbestimmungen, mit denen man die Studenten vor leichtfertigem Schuldenmachen bewahren wollte.23 An der verwandten Universität Tübingen gab es solche Vorschriften schon im 16. Jahrhundert: Abschluß und Inhalt von Mietverträgen waren reguliert und es war verboten, auf Bücher zu leihen oder Kredite und Bürgschaften zu gewähren; zuwiderlaufende Verträge waren nichtig. Solche Verbote bzw. die daraus resultierende Unwirksamkeit verbotener Verträge, tauchen in der Freiburger Gerichtspraxis allerdings seltener auf, als man erwarten könnte. Nur in wenigen Fällen wurden Ansprüche gegen Studenten nicht anerkannt, weil die zugrundeliegenden Verträge gegen ein universitäres Verbot verstießen, das als interdict bezeichnet, aber nicht näher erläutert wird. In A 14/1 finden sich drei Fälle aus dem Jahr 1549, in denen Hans Disser, der Wirt zum Camelthier, versucht, Schulden bei drei Studenten namens Jacob Wack, Beatus Blarer und Balthasar Achantius einzutreiben.24 Wack und Blarer geben sich zahlungsbereit, ersterer läßt sich ein, er habe Geld hinterlegt, das die Universität nicht freigegeben habe. Wack begehrt terminum iuris wie er der schuld bekanntlich ... wär. Doch das Gericht geht darauf nicht ein, sondern gibt zu Protokoll, die clag sei unluter und gemein und müsse specifiziert werden. Der Kläger kommt dem nach, daraufhin erläßt das Consi22

A 14/1, fol. 440. Thümmel, Universität und Stadt Tübingen, S. 52 f. Thümmel behauptet, daß die Tübinger Statuten in prozessualer und materieller Hinsicht Abweichungen vom Stadtrecht aufwiesen, vor allem, was Rechtsgeschäfte mit Studenten anging. Er spricht in diesem Zusammenhang von eingeschränkter Vertragsfreiheit, da es die Möglichkeit gab, Mietpreise festzusetzen. Für die spätere Zeit vgl. Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 323 f.; Woeste, Akademische Väter, S. 63 f. 24 A 14/1, Klage wurde erhoben am 21.02.1549, fol. 75. Das Haus zum kleinen Kameeltier lag in der Salzstraße 34 und gehörte 1549 Hans Disser, Flamm, Geschichtliche Ortsbeschreibung, S. 237. 23

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storium ein beyurteil, sich zu bedenken. Achantius ist nicht erschienen und wird contumax erkannt. In der nächsten Consistoriumssitzung25 werden alle drei Klagen entschieden. Im Fall Wack ist nach clag, antwurt, gehaptem bedacht und in erwägung der verwarnung die Universitas ime dem wirt zuvor getan zu recht erkannt, das gemelter Beklagter die 14 batzen die beim baccalaureat verzerht vnd die 27 batzen 4 pf [geliehenes Geld] ußrichten und bezahlen und der übrigen summa, so er unnutzlich und vergeblich bei ihm verzehrt ... nichts zutun schuldig sondern ledig vnd absolviert sein sölle.

Ebenso lautet die Entscheidung im Bezug auf Achantius’ und Blarers Schulden, bei jedem von beiden urteilt das Gericht, daß er nichts zuthun schuldig sondern davon ledig und absolviert sein sölle. Dann folgt ein weiterer Beschluß: Nach verlesung diser vrtheylen, ist benannt Jacob Wack und Balthasaro Achantio durch den herrn Vicerector Imnamen der vniuersität verbotten worden, das sy disem cläger um gemelte summa ... nichts geben, sich mit ihm derenhalb vereinen oder vertragen, weder yetz noch In künfftiger zyt.

Der Kläger gibt nicht auf, er wendet ein, das er ein Inred in sollich Urteil hab. Nämlich, das dise beclagten Ime den mehrertheyl diser Summa vor und eh Ime das Interdict beschehen schuldig gewäsen seyen, vnd sey nit vil über ein halb Jar, das Ime die verwarnung beschehen.26 Darauf beschließt das Gericht, der Vizerektor solle dem Wirt, der schon fortgegangen ist, mitteilen: sich in actis consistorii erfunden, daß uff 25 Februarii [erg. 1549] ein Jar gewäsen, das man auch mit Ime am Consistorio zeschaffen gehept, da hett er auch angezeigt, er wüßte nitz von keinem Verbot, daumb mög er yetzund nit sagen, das es nit vil über ein halb Jar sey, das Ime die verwarnung beschehen, Zu dem erfinde sich in actis Universitatis, das er vnd all ander würt alhie, vor dreyen Jaren dessen verwarnt worden ...

Aus diesen Gründen hält das Consistorium an allen drei für den Wirt nachteiligen Urteilen fest. Obwohl die besagten Akten aus dem Februar 1548 heute leider nicht mehr erhalten sind, zeigt diese Stelle, wie nützlich Schriftlichkeit und ordentliche Aktenführung für ein Gericht sein konnten. Ein an die Freiburger Wirte gerichtetes Verbot taucht zwar unter den in den AoR aufgezählten

25

A 14/1, fol. 81, am 16.03.1549. Zuerst hatte er sogar behauptet, nichts von einer Verwarnung oder einem Verbot zu wissen, doch dann änderte er in instantia sein Vorbringen. 26

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

universitären Anordnungen nicht auf,27 aber in den Senatsprotokollen findet sich ein Mandat contra Kauffleut, in dem es heißt: von wegen der Kremer, württen, weinschenkhen und anderer, so den studiosen das ir unnutzlich anhenckhen, leihen vnd uff borg geben, ein mandat ahn die statt freyburg ... geschickt worden28

Obwohl der Inhalt nicht näher ausgeführt wird, geht es offensichtlich darum, den Kaufleuten sowie auch den Wirten und anderen, die Geschäfte mit den Studenten machen, zu untersagen, diesen Kredite zu gewähren. Nur ein weiteres Mal stoßen wir auf einen ähnlichen Fall, und zwar im Jahr 1561: Am 05.07.1561 verlangt Rochus Schabhart von M. Jacob Zoller vor Gericht, er solle seine Schulden in Höhe von zwei Gulden begleichen. Gut einen Monat später, nach Rechnungsstellung durch den Kläger, entscheidet das Consistorium, das der Beklagt by der erforderte summ der 2 gulden, so um schlaftrunk, abendzech und unnottwendige morgensupp sollte sein ... nichts zu bezahlen schuldig.29 Weiterhin binden auch die herren Consistoriales dem Beklagten per iuramentum ein, der obgenannten schuld halb nicht weiter zu zahlen. Ein Verbot der Universität wurde in diesem Fall nicht erwähnt. Allerdings könnte der Ausdruck „unnotwendige Morgensuppe“ auf einen über das erlaubte Maß hinausgehenden Konsum hindeuten, denn auch bei Wack hatte sich das Gericht ähnlicher Wendungen bedient. In allen Fällen wurde den Studenten – Zoller sogar bei seinem Eid – befohlen, ihre Schulden nicht zu bezahlen! Offensichtlich versuchte das Gericht, den Anordnungen des akademischen Senats Geltung zu verschaffen. Studenten, dies ist auffallend, beriefen sich nicht auf die zu ihren Gunsten geltenden Schutzbestimmungen.30 Die Initiative stammte – auch in den Fällen, in denen ein Vertrag für nichtig erklärt wurde – vom Gericht.31

27

AoR, ed. König, Rectorat, S. 74, 11. De mandatis publicis. A 10/9, fol. 331, 08.02.1571. Vgl. auch A 23/24, IG, Consistorium Academicum, Observent Mandatum Principis contra Mercatores etc. Act. part. 8. pag. 196b. Teil 8 der Akten entspricht A 10/11, folglich wurde das Mandat, auf das sich Lorichius bezieht, erst nach unserem Untersuchungszeitraum erlassen. 29 A 14/2, fol. 2r, 05.07.1561; fol. 6v, 16.08.1561. 30 Auch noch im 18. Jahrhundert. Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 323, 326. Sogar die Göttinger Professoren waren der Meinung, nach der Honetteté sei man verpflichtet, seine gesamten Schulden zu bezahlen. 31 In einem letzten Fall dieser Art wird ohne Angabe von Gründen ein Mietvertrag kassiert: Die herren haben disen contractum caßerit und für nichtig ... erkannt. A 14/2, fol. 44v. Für die Zeit, in welcher der Beklagte die Mietsache in Besitz hatte, mußte er aber einen anteiligen Mietzins entrichten. Vielleicht wurde der Vertrag nur aufgehoben, weil man fürchtete, der Beklagte werde am Ende der Mietzeit von einem Jahr nicht 28

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§ 2 Auslegung und Abwicklung von Verträgen Die Streitigkeiten um die Auslegung oder Ausführung von Verträgen bilden ein Gebiet mit vielfältigem Inhalt,32 das insgesamt aber nur einen geringen Anteil an den Gesamtverfahren ausmacht: 6 Fälle in A 14/1 und 10 in A 14/2, ergeben insgesamt unter 2 % (ohne Sachbeschädigungen). Im Vergleich zu anderen Streitstoffen stößt man hier jedoch verhältnismäßig häufig auf Parteien, die Argumente, auch juristischer Art, austauschen. Dies liegt in der Natur derartiger Konflikte, denn es geht schließlich um Meinungsverschiedenheiten, wie eine Vereinbarung zu verstehen sei. Bei Vertragsklagen und Schuldforderungen vor dem Consistorium verlangen die Kläger, soweit sich dies erkennen und beurteilen läßt, lediglich die vereinbarten bzw. ausstehenden Summen. Darüber hinausgehende Forderungen, die mit einer Schadens- oder Injurienformel hätten vorgebracht werden können, finden sich nicht.33 Allein in der unbestimmten Formel sampt costen und schaden, die bei verschiedenen Klagen auftaucht, könnten sie verborgen sein. Da diese aber durch gerichtliche Schätzung, die stets auf konkrete Kostenpunkte bezogen war, präzisiert wurde, konnte der Kläger ihre Höhe nicht einseitig festsetzen. I. Mietverträge Mietverträge machen den größten Anteil dieser Kategorie aus. Auch der Streit, der Bonaventura Furwein, den Schaffner des Oberrieder Klosters und Johann Conrad von Neuneck vor das Consistorium führt, wurzelt in einer Mietvereinbarung, in diesem Fall über ein Pferd. Über weitere Punkte herrscht keine Einigkeit, vor allem nicht darüber, wer eigentlich Vertragspartner geworden sei. Der Kläger trägt durch seinen Fürsprecher Johann Gebwein vor:

zahlen können. Es ist auch denkbar, daß die Lösung einfacher erschien, als sich auf ein langes Beweisverfahren, ob tatsächlich Mietzahlung im Voraus vereinbart war, einzulassen. 32 Am ausgefallensten ist der Streit um die Beschaffung eines päpstlichen Dispenses: Der Kläger sagt, er habe für den Beklagten ein Bäpstlichen Dispens (damit dieser, obwohl er bigamus, verwitwet und wieder verheiratet war, geistlichen Stand haben könne) beschafft und dafür 25 Dukaten ausgegeben. Nun fordert er vom Beklagten die Erstattung seiner Auslagen sampt Kosten und Schaden. A 14/2, fol. 79v, 20.08.1567. 33 In der Regel noch nicht einmal Zinsforderungen bei Schulden; in einem Fall begehrten die Gläubiger auch von dem schuldigen gelt ein Interesse, welches inen abgeschlagen. A 14/2, fol. 94v, 03.02.1571.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium wie es sich vor einem, zweyen oder dreyen monaten dis lauffenden Jars zutragen vnd begeben hab, das diser versprecher zu Im kommen und Ime gebetten hab, Ime ein tag oder vier sein roß zuleihen, das hab er gethan und Im ein gutt roß zuhanden gestellt, welches er nit allein vier tag, seinem fürgeben nach, sondern sechs und vierzig tag gebraucht, ... welche taglön von dem roß sich lauffen hiß in die fünff gulden.34

Da eine gütliche Einigung fehlschlug, fordert er den Beklagten nun vor Gericht auf, Ime ... umb gedachte fünff gulden ein bezalung zuthun, mit sampt abtrag costens und schadens. Die Forderung beläuft sich also auf fünf Gulden, die nach Angaben des Klägers anzunehmende Pferdemiete für 46 Tage. Die Formel samt Kosten und Schaden meint hier wohl den Ersatz der Gerichts- und Rechtsverfolgungskosten. Der Beklagte antwortet, er habe das Pferd nicht selbst gemietet, sondern den Kläger gefragt, ob er dem wernawer seinem vettern ein roß entlehnen wölle, Er aber hab dem cläger darumb nit versprochen den roßlon zubezalen, Derhalb verhoff er von des clägers clag ledig erkhandt zu werden.

Hiergegen repliciert der Kläger, das er nit gestünde, das er einichem andern sein roß entlehnt hette, dann Ime Neunegker, gott geb wem ers darnach zu reiten undergeben hab. Wogegen wiederum der Beklagte dupliciert, daß er nit gestünde, das der cläger Ime das roß entlehnt, oder das er antwurter Ime den roßlon versprochen hab, Sonder sei allein der antrager und fübitter gewäsen. Das Gericht entscheidet, der Kläger solle sein clag und vorderung beweisen, doch es finden sich keine weiteren Termine in dieser Sache: Vielleicht hatte Furnwein sein Glück nun doch beim Vetter des Beklagten versucht. Verhältnismäßig häufig stritt man um die Vermietung von Häusern, insbesondere um die Ein- und Auszugstermine und die Höhe des Mietzinses. Bei den regelmäßig auf ein Jahr befristeten Verträgen bestand häufig Uneinigkeit, ob bei einer Überziehung ein Entgelt pro rata oder mehr zu entrichten sei. Zum Teil forderten die Vermieter sogar die ganze Jahresmiete. Für diese Position hätten sie sich auf das Freiburger Stadtrecht stützen können, taten dies aber – zumindest explizit – nicht.35

34

A 14/1, fol. 13 f., 24.11.1548. Ebenso die folgenden Zitate. A 14/2, fol. 77r, 14.12.1566; fol. 83v, 29.01.1569. Die Regelung, mehr als pro rata zahlen zu müssen, findet sich auch in S 1460, (27) Studenten, die aus der Burse oder dem Haus eines Lehrers ausziehen, müssen laut dieser Vorschrift die Miete für ein halbes Jahr entrichten, wenn sie länger als 8 Tage dort gewoht haben. Das Freiburger Stadrecht geht davon aus, daß Mietverträge über Häuser jeweils auf ein Jahr geschlossen werden: ierlich bestand / vmb ierlich pension. Wenn der Mieter nicht auszieht oder kündigt, soll die Sache behandelt werden, als ob sy beid von nüwem vmb die alt pension 35

§ 2 Auslegung und Abwicklung von Verträgen

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Im Prozeß zwischen Michel Branrers selig Wittib und Matheus Lutzelburger, der vor allem aus der Vermietung eines der Klägerin gehörigen Hauses resultiert, macht diese verschiedene Forderungen geltend. Als ersten Punkt führt sie an, der Beklagte sei drei Wochen zu spät in das Haus eingezogen und habe dann, am Ende die Mietzeit, um drei Wochen überzogen, ohne ihr dafür zusätzlichen Mietzins zu zahlen. Dann folgen Forderungen wegen Sachbeschädigungen sowie ausstehendem Arbeitslohn aus einem pact.36 Hier ist von einer gütlichen Einigung der Parteien auszugehen, da beide Teile andeuten, sie wollten sich vertragen. Ein anderer Prozeß dreht sich um Kündigungsfristen und unberechtigte Unter- und Weitervermietung. Der Kläger führt aus, man habe vereinbart, das Jeder teil dem andern die lehenschafft ein vierteil Jar zuovor uffsag und abkünden solle, Dweil nun M. Hans [Frey] aus dem Haus zogen und nit die lehenschafft inhalt der abred uffgesagt, auch einen andern namblich eine goldtschmid in das haus gesetzt, welcher dem cleger nit gesellig oder leidenlich, So begert anwaldt, den beclagten dahin gehalten zuo werden den gantzen zins [zu] bezahlen und den goldschmid wieder aus dem haus [zu] schaffen, sampt abtrag costens.37

Der Beklagte befestigt den Krieg im Recht, und es werden vom Notar zwei Zeugen des Klägers verhört. Leider sind die Aussagen nicht erhalten und alle weiteren Notizen zum Fall ebenso dürr und inhaltsleer wie die conclusio in causa: M. Hans Frey Excipit generalibus contra attestationes ... Ambae parte concludunt in causa. Die Klage wird abgewiesen, mit der Begründung, sie sei zu früh erhoben worden, dweil der cleg vor verscheinung des jars clagt, ist ... erkannt, das der beclagt dieser zeit dem cleger by gethaner clag nicht zuthun schuldig, doch soll dem cleger sein ansprach zu gebürender zeit onbenommen.38

Vermutlich hatte Rebman die Klage vor Ablauf der Mietzeit eingereicht. Wenn dem so war, konnte er – die Richtigkeit seines Vorbringens unterstellt – der gegen seinen Willen erfolgten Untervermietung zu diesem Zeitpunkt noch nichts entgegensetzen.

ein jarlang gedingt hetten. Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 98, II. Tractat, V. Titel, 2.; für die Praxis bestätigend Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 299. 36 A 14/1, fol. 241, 17.05.1550. 37 A 14/2, fol. 21r, 24.01.1562. 38 A 14/2, fol. 26r, 14.03.1562. Die Gerichtskosten wurden kompensiert.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

II. Weitere Verträge 1. Bürgschaft Während wir bei den studentischen Schulden beobachten konnten, daß die scolaren sich nicht auf die zu ihrem Schutz bestehenden Mandate beriefen, baut in einem der seltenen Fälle zur Bürgschaft der Anwalt des Beklagten seine Argumentation explizit auf Schutzvorschriften für Studenten und Minderjährige auf. Die exception des beklagten Arnold Nollentz gegen das Bestehen der Bürgschaft stützt sich auf verschiedene Punkte: Excipit, Es möge kein studiosus bürg werden dann allein in commmodum studiorum, Nun seye diße bürgschafft nit also etc. So dann sy er Nollens sub patria potestas habe nichts eigenes. Ergo möge nit bürg werden, Tertio Seye diße bürgschafft nit in seinem nutz verwendt etc. ergo die bürgschafft seye gar nichtig, zuodem er auch minorennis.39

Auf dieses juristische, wenn auch nicht ganz stringente Vorbringen, geht der Kläger Christoph Würck, genannt Ingolstetter, in der Replik nicht ein: Replicat gratia, sagt er sy einmal Rechter bürg, produciert des Arnoldts handschrifft darinn ers bekenndt etc. Sind gratia hin und wider geredt und die bürgschafft brieff verlesen ...

Dieser Bürgschaftsbrief ist nach Ansicht des Consistoriums offenbar ein schwerwiegendes Beweismittel, denn die Bürgschaft wird für gültig befunden und der Beklagte zur Zahlung verurteilt,40 wobei ihn seine gebürig rechtmäßig ansprach gegen den Hauptschuldner vorbehalten bleiben sollen. 2. Kaufverträge Während der Prozeß Ingolstetter ./. Nollentz in der juristischen Argumentation Beziehungen zum universitären Sonderrecht aufweist, wirken viele Kaufverträge – vor allem über Immobilien – ganz wie die Fälle eines Stadtgerichts. Nach dem Verkauf eines Hauses entsteht zwischen Sigmund Feistlin und dem Käufer Dr. Artopeus Streit über die Zinsverpflichtung und das mitverkaufte Zubehör. Der Apotheker Feistlin klagt, er habe Artopeus ein Haus für 380 39

A 14/2, fol. 66v, 12.05.1565. A 14/1, fol. 67r, 12.05.1565, von den herren zuo recht erkannt, das der beclagt die 29f 5s 5d für die er bürgte entrichten muß. Die Kosten wurden kompensiert, Nollentz appellierte gegen das Urteil. 40

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Gulden verkauft, wobei nach seiner Darstellung ein Teil des Kaufpreises in bar zu entrichten und der Rest zu verzinsen war. als er vor pfingsten kommen und die marchzahl [d. h. den Zinssatz] verrechnet sollt er 18ß gerechnet haben, hab nur 8 gerechnet und für dieselben auch nur fünff genommen oder nemen wöllen, aus guttem willen, weil aber gegentheil sölliches nit erkent, hofft er sey in die vollig marchzahl schuldig inhalt des ergangenen kauffs. begert reus söll zu bezahlung der selben rechtlich gewisen werden.41

Dr. Artopeus erhebt eine Gegenklage mit der Behauptung, der Kläger habe aus dem Haus Zubehör entfernt, das ihm zustehe: Reconveniendo sagt antwortter, der cleger hab ime des kauffs nit wie sich gepürt liverung gethan, dann was nit und nagel hat solle dem käuffer pliben, dessen onangesehen hab des steinhausers magt zwen ingemauert kessel hinweg genommen.42

Außerdem bestreitet er offenbar die vom Kläger behauptete Zinsvereinbarung: Constat litem negative und sagt er sey nit geständig das er im einichen Zins schuldig. Das Gericht entscheidet, das zum nechst consistorio cleger sein clag und antworter sein reconvention wie recht erweisen sollen. Fast ein Jahr später, am 27.06.1556 ergeht das Endurteil, ganz im Sinne des Klägers: Der Beklagte muß ihm die begehrte Marchzahl, so sich trifft 18 ß bezahlen. Obwohl er von der Gegenklage absolviert wird, soll yeder theil in beyden sachen seinen costen an Im selbst haben und tragen. Doch dazu kam es nicht, weil der unterlegene Beklagte beim Bischof von Konstanz gegen das Urteil appellierte.43 Nicht immer war ein Urteil erforderlich, um den Konflikt beizulegen. In einem Streit um einen Kaufvertrag über Mist gelang es dem Gericht, die Parteien, den Schuhmacher Andreas Seitz und Dr. Jacob Immenhaber zu vertragen. Der Kläger behauptete, er hab D. Jacoben mist zuokauffen geben umb 6 gulden, stande im noch uß 2 g 6 ß, begert zahlung. Im Gegenzug machte der Beklagte geltend, der Kläger habe nicht genug Mist geliefert: er hab im 60 karren vol zu kauffen geben, aber nit mer dan 40 geliffert, Vnd sey der mist kein nütz gewe-

41

A 14/1, fol. 380, 13.07.1555. Der Gegenbeklagte hierzu: Sygmund verhofft, er sey im der kesselhalb nichts schuldig, seyen die hin mög er die person darumb ersuchen So die genommen. Graf/Dietherr, Deutsche Rechtssprichwörter, S. 64 f., Nr. 12 und 13, Zum Haus gehört, was Niet und Nagel begreift. Was genietet und genagelt ist, folget dem Hause. 43 A 14/1, fol. 394. Als diese urtheiln gesprochen hatt Artopeus appelliert in co(nstan)tineti ad ordinarius haben im die herren apostolos reverentiales mitgetheilt. 42

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

sen.44 Mit dem Kompromiß, Immenhaber solle noch einen Thaler nachzahlen, konnte der Streit beigelegt werden.

§ 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum Die Prozesse wegen Injurien, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen machen etwas über sechs Prozent der gesamten Verfahren aus. Zusammen bilden sie die größte Gruppe unter den Verfahren, in denen das Gericht keine Schulden eintrieb, nämlich mehr als ein Drittel. Auf die Wahl einer eleganteren Überschrift wie „unerlaubte Handlungen“, „Privatdelikte“ oder „Schadensersatz“ wurde bewußt verzichtet, weil jeder dieser Ausdrücke bereits rechtliche Wertungen enthält, die nicht vorweggenommen werden sollten. Der Ausgleich von Körper- oder Ehrverletzungen und Sachbeschädigungen durch Geldzahlungen ist noch heute ein dogmatisches Minenfeld, auf das sowohl Straf- als auch Zivilrecht Ansprüche anmelden. Auch die historische Entwicklung von Schadensersatz, Interesse und Privatstrafe ist in vielen Punkten noch umstritten oder unerforscht, insbesondere was die Rezeption des römischen Rechts in der Praxis angeht. Im Gegensatz dazu ist die jahrhundertelange wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Fragen besser aufgearbeitet.45 Nach klassischem römischen Recht befinden wir uns im Sachgebiet der Delicta privata. In den Digesten waren dies furtum, damnum iniuria datum und iniuria, wobei Injurien Körper- und Ehrverletzungen umfaßten. Sie berechtigten zur privaten Klage, mit der man als poena einen den Schaden einschließenden oder zu ihm hinzukommenden Geldbetrag – regelmäßig in Höhe eines Vielfachen des Sachwertes – verlangen konnte.46 Das Kompositionensystem des einheimischen Rechts sah für die Verletzung fremder Rechtsgüter feste Bußtaxen vor. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes wurde das alte System aber nicht einfach ersetzt. In mancherlei Hinsicht bedeutete die Rezeption zunächst „alten Wein in neuen Schläuchen“, weil vor allem die Formen des römischen Rechts übernommen wurden. Inhaltliche Veränderungen erfolgten erst im Laufe der Zeit und wurden nicht allein durch das römische Recht, sondern mindestens ebenso sehr durch gesellschaftlichen Wandel verursacht. Hinzu kommt eine Divergenz zwischen Theorie und Praxis: 44

A 14/2, fol. 57v, 04.09.1563. Ganze Monographien befassen sich mit Schadensersatz und Privatstrafe und stellen den Meinungsstand von Ulpian bis Carpzov, von Azo bis Donellus dar. Vgl. dazu Wieling, Interesse und Privatstrafe; Lange, Schadensersatz und Privatstrafe; H. Kaufmann, Actio legis Aquilia; Herrmann, Schutz der Persönlichkeit. 46 Kaser, Römisches Privatrecht, S. 614 ff.; Holzhauer in HRG 3, Privatstrafe, Sp.1995. 45

§ 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum

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Die juristische Wissenschaft, die ja erst mit der Rezeption entstand, nahm das gelehrte Recht rasch und nachhaltig auf, während die Gerichte noch lange an ihren gewohnten Verfahrensweisen festhielten. Da viele bisherige Untersuchungen jedoch ihren Schwerpunkt auf die wissenschaftliche Literatur von Azo bis Zasius legten, konnte die Forschung diese Kluft lange Zeit nicht wahrnehmen. Der Blick in die Consistorialakten ermöglicht es, einige Unterschiede und Reibungspunkte zwischen Theorie und Praxis aufzudecken. I. Ehrverletzungen In A 14/1 finden sich vierzehn Prozesse, in denen es um Beleidigungen geht, in A 14/2 sind es sieben. Auf die Gesamtverfahren ergibt das 2,4 %, wobei sie gemeinsam 14,2 % der Prozessen ausmachen, die sich nicht mit Schulden befassen. In einem Teil der Fälle verursachten Beschimpfungen vor Gericht den neuen Konflikt um die Ehrverletzung: Im Rahmen eines Prozesses mit anderem Streitgegenstand vergriffen sich die Parteien im Eifer der mündlich geführten Verhandlung im Ton, worauf der Gegner mit einer Injurienklage reagierte. Es gibt aber auch Verfahren, die allein auf Grund von Beleidigungen angestrengt wurden. Gegenstand waren in der Regel verbale Ehrkränkungen, wie die Bezeichnungen Lügner oder Dieb, lecker vnd bub, bankhart oder schelm. Manchmal trat das aus den Inquisitionsprotokollen bekannte Provokationsritual hinzu, einen anderen zum Kampf auf die Straße zu fordern. Im Fall Morgen ./. Strobach berichtete der Kläger, der Beklagte habe geschrien, er lüge wie ein Schelm, ihn aus dem Haus gefordert und ein dieb und bößwicht gescholten.47 In anderen Fällen führten ehrverletzende Briefe zur Klage; Schriftstücke zählten als iniuria scriptis neben der iniuria oralis zu den Verbalinjurien.48 Der Gegenbegriff hierzu sind Realinjurien, Ehrverletzungen durch körperliche Angrifffe. Diese waren seltener Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung.49 Ob solche Attacken als Beleidigungen zu werten waren, hing dogma-

47

A 14/2, fol. 4v, 12.07.1561. Bartels, Ehrverletzung, S. 90. 49 Darunter einer der beiden Fälle, in dem ein Student als Kläger auftritt, Arnolphus Montanus studiosus Lotharingus. Hier bestand die Injurie in einer Kombination aus verbalen und tätlichen Angriffen: Montanus berichtet, der Kläger habe gefragt, wann er abreisen wolle. Darauf sprach der Beklagte: wann er Kleger sage daß er Rümelin hinwegziehen woll, so spare er die Wahrheit. Anschließend habe sich Montanus mit seinen Freunden auf französisch unterhalten, woraufhin Rümelin gesagt habe, sie reden von ime und verraten ine, und die welschen haben die deutschen verraten, später habe er ihm eine Mauldäsche gegeben und ihn mit dem Schwert schlagen wollen. Dieser Ablauf 48

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

tisch betrachtet von der Einstellung des Täters ab, vom Vorliegen des animus iniuriandi. Vor Gericht war aber auch entscheidend, wie der Verletzte den Vorfall wertete, ob er Ersatz für die Verletzung seiner Ehre oder seines Körpers50 forderte. Die Unterscheidung läßt sich an der Klage der Stadt Freiburg gegen Stephan von Lalosch verdeutlichen, in welcher ... [die Stadt] vom Laloge begert 1000 gulden, das er iren scharwächter verletzt hat uff der wacht.51 Dieser Konflikt ist nicht den Körperverletzungen zuzuordnen, obwohl der Wächter schwer verwundet wurde und sein Bein verlor. Die klagende Stadt konnte durch die Verwundung ihres Wächters höchstens in ihrer Ehre verletzt sein, denn Ersatz für den körperlichen Schaden durfte nur der unmittelbar Geschädigte verlangen. 1. Zivile Injurienklagen vor dem Consistorium a) Die Klagen: Formel und Inhalt Die Formeln, mit denen in ihrer Ehre verletzte Personen ihre Klagen vor dem Consistorium einbrachten, ähneln einander in größerem Maße, als dies bei allen anderen Streitstoffen der Fall ist. Die vollständige Klageformel, die vor dem Freiburger Universitätsgericht verwendet wurde, lautete: Wie wol beyde im geistlichen und weltlichen rechten versehen, daß keiner den anderen seiner Ehren schwechen oder verletzen soll, Er [der Kläger] sich ... dermassen gehalten, das dheiner mitt der Wahrheit unehr von im sagen kann, auch von niemands anders dann Erlich gehalten worden So hab doch sollichs on angesehen [der Beklagte eine den Kläger beleidigende Handlung vorgenommen], das er vil lieber hundert rheinischer gulden geben oder verlieren wollt dann sollich schmach gedulden und liegen lassen, begert deshalben die herren wöllen erkhennen

zeigt, wie fließend die Übergänge zwischen den Beleidigungsformen waren. Vgl. dazu auch Fuchs, Um die Ehre, S. 138. Opfer des zweiten tätlichen Angriffs war Hans Neff, der Wirt zum Kiel. Er trägt vor, der Beklagte habe ihn Schelm und Dieb gescholten und am Bart gezogen. A 14/1, fol. 448. 50 Obwohl man sich in der Wissenschaft des gemeinen Rechts (verstärkt ab dem 17./18. Jahrhundert) um eine eindeutige Trennung bemühte, zeigen die InjurienFormeln, die in den Consistorialakten bei Klagen auf Schadensersatz wegen Körperverletzung verwendet werden, noch einen weiten Anwendungsbereich der Injurienklagen. Die Verengung war eine Tendenz des gemeinen Rechts: Im antiken römischen Recht war auch eine Körperverletzung, die sich nicht gegen die Ehre richtete, eine Injurie. vgl. Bartels, Ehrverletzung, S. 125. 51 A 14/2, fol. 38r, 10.10.1562.

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das er im die 100 Gulden zu erlegen schuldig sey mit abtrag costens und schad, doch den herren tax vorbehalten.52

Wir finden in dieser Klage verschiedene Komponenten, die in Beleidigungsklagen immer wiederkehren: Die geistlichen und weltlichen rechte als Grundlage der Forderung, das Ansetzen einer Geldsumme, die der Kläger lieber verlieren als die Beleidigung erdulden wollte, und schließlich der Vorbehalt gerichtlicher Schätzung dieser Summe. aa) Schätzung und Taxierung Die Klagen wegen Beleidigungen erfolgten offensichtlich im Gewand einer rezipierten Klage, der actio iniuriarum. Das Consistorium war ausschließlich für zivile Injurienklagen zuständig,53 mit denen der Beleidigte eine Geldentschädigung als Kompensation für die Verletzung seiner Ehre geltend machte.54 Die Höhe dieser Entschädigungssumme bestimmte er in seiner Klage selbst, weshalb sie als actio iniuriarum aestimatoria bezeichnte wurde. Die Schätzung ist also das hervorstechende Merkmal dieser Klagen; meist erscheint sie in einer formelhaften Wendung: Der Kläger erklärt, er wolle eine bestimmte Geldsumme lieber verlieren, als die Kränkung erlitten zu haben. Mittels der Injurienklage fordert er die so veranschlagte Summe ein. Bereits in der Glosse finden wir ein Muster für die Schätzungsformel, die in der Klageschrift verwendet werden soll:

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A 14/1, fol. 378, 06.07.[1555] aus dem Prozeß Waffenschmid contra Herpfer; sie weist starke Ähnlichkeiten mit der Klagformel auf, welche Fuchs, Um die Ehre, S. 52, aus einem Formularbuch aus dem Jahr 1561 zitiert. Angefangen mit der Formulierung, der Kläger habe sich stets ehrlich verhalten und sei dennoch geschmäht worden bis hin zur Schätzung N. gülden / die ich nit nehmen / odder lieber vonn den meinen verlieren / dann solch schmahe erlitten haben. 53 Vgl. Erster Teil § 3 I. 2. a). 54 Zur actio civilis Fuchs, Um die Ehre, S. 43 f., S. 52; Dreßler, Beleidigungsrecht, S. 105 f. Vgl. zur Injurie im klassischen römischen Recht Kaser, Römisches Privatrecht, S. 623 f. Zur universitären Behandlung von Beleidigungen in späterer Zeit, als die ästimatorische Klage außer Gebrauch gekommen war vgl. Woeste, Akademische Väter, S. 94 und Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 256 ff. Indem die Klagen der Bürger in den meisten Fällen als Disziplinarsachen verhandelt wurden, wurde auf die Interessen der Kläger weniger Rücksicht genommen – die Klagen der Bevölkerung wurden zunächst nach den Belangen der Universitätdisziplin verfolgt, nicht um dem Rechtsempfinden Genüge zu leisten.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium et fiet haec aestimatio per sacramentum agentis: qui iuret quod tantum de suo potius amisisset, quam hanc iniuriam esset passus: et non se passurum iniuriam pro tanto, vel nolle esse tantum lucratum.55

In so gut wie allen Injurienklagen vor dem Consistorium, bei denen die Formulierung der Klage überliefert ist, erscheint eine derartige Schätzung der Ersatzsumme.56 Häufig wurde die Forderung allerdings mit den Worten doch richterlich tax vorbehalten in das Ermessen des Gerichts gestellt. Dieses Vorgehen bürgerte sich bei der rezipierten Injurienklage im Laufe der Zeit allgemein ein.57 bb) Gegenklagen In Verfahren, die sich mit Ehrverletzungen befassen, sind Gegenklagen besonders häufig. Nicht nur, weil Beschimpfungen regelmäßig auf Gegenseitigkeit beruhten, sondern auch, weil es ebenfalls als Beleidigung galt, eine nicht 55 Gl. iniuriarum aestimatio zu D. 47, 10, 21. Eine solche Formel zeichnete auch im sächsischen gemeinen Recht die Injurienklagen aus: Chilian König, Processus vnd Practica der Gerichtsleuffte: nach sechsischem Gebrauch, aus bepstlichen, keiserlichen vnd sechsischen Rechten aus dem Jahr 1541, cap. III, nota 3. Die Klage uider iniurien sachen wird nach den gemeinen Rechten darauf gestellet / das der kleger seine schmach vnd iniurien achten mag auff eine summa geldes / vnd sagen / er wölle viel lieber souiel vnd mehr von seinen gütern verlieren / wo er so stadthafftig were / denn die schmach vnd iniurien dulden. 56 Beispielsweise A 14/1 fol. 361, ... und wollten vil lieber 50 gulden rheinisch verlieren und geben dann sölliche infamien gedulden, begert Ime [der Beklagte dem Kläger] hierin condemniert zu werden ... doch die richterlich tax vorbehalten ... A 14/1, fol. 364, die Gegenklage hierzu: vnd welt vil lieber so er daß an aignem gut vermöcht 200 Gulden reynischer mangeln und verlieren, dann sölliche Injurien leiden vnd gestatten ... A 14/1, fol. 442, es geht um eine schriftliche Beleidigung. Der Kläger gibt zu Protokoll, er wolle vil lieber 100 flo verlieren dann sollichs gedulden, doch tax richterliche tax vorbehalten. A 14/1, fol. 392 ff., 27.06.1556, wollte die [Schmach] so die widerpringlich gern mit 1000 gulden abschaffen, ... wollten zurecht sprechen ... das der Beklagt damit zu vil than soll auch Ime der halben mit 1000 gulden freiburger rechnung ein abtrag thun ... richterliche tax vorbehalten. A 14/2, fol. 47r, die Gegenklage des Hofmeisters Stephan von Lalosch: schmach vnd schaden angeschlagen umb 1000 französische kronen, die er viel lieber geben wolt dan im diß also widerfaren ... mit abtrag costens, doch richterliche tax vorbehalten. Wenn Klagen von diesem Muster abweichen, so nur in geringem Maße. A 14/2, fol. 84v, 18.06.1569, für die Iniurii verlangt er 100 kronen. A 14/2, fol. 36r, 05.09.1562, Actoris procurator schlacht dise schmach und iniuri für 50 guldin ahn. Die Kürzung der Formel hat möglicherweise erst der Schreiber vorgenommen. 57 Fuchs, Um die Ehre, S. 53.

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gerechtfertigte Injurienklage zu erheben.58 Hinzu kommt, daß gerade hier die Gegenklage als erfolgversprechende Verteidigungsstrategie erscheinen konnte. Wenn der Gegner versuchte, den Beklagten durch eine hohe Forderung einzuschüchtern, zahlte er es ihm mit gleicher Münze heim. In sechs der zwanzig Verfahren, in denen es um Beleidigungen geht, wurde eine formelle Gegenklage erhoben. Je länger ein Prozeß dauerte, um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß der Beklagte eine reconvention einreichte. Während Klage und Gegenklage meistens auf Beleidigungen beruhen, weicht ein Verfahren von diesem Muster ab. Auf eine Klage des Schneiders Waldvogel auf Schadensersatz wegen Körperverletzung antwortet Dr. Artopeus, der Anwalt des Beklagten Frankenmundt, mit einer Injurienklage: hab der schneider über in [den Beklagten] gerumpft und in vberloffen, es gepür sich nit das ein junger rotznaß, ein schneider solle also in ein königlichen statt ein freye adelßperßon schmechlich verrumpfen, wolle lieber 50 gulden in gold darfür geben dann solliche schmach gedulden ...59

Hierbei wird nicht behauptet, der Kläger habe die Verletzung unmittelbar provoziert; vielmehr geht es um ein zeitlich davor liegendes, ehrkränkendes Verhalten. In einem Fall direkter Reaktion auf eine Schmähung sah die Verteidigung anders aus. Der italienische Professor Dr. Olzignanus60 wurde von einer ehemaligen Dienerin auf Geldersatz wegen Körperverletzung verklagt, weil seine Frau sie geschlagen habe.61 Er leugnete die Schläge nicht, trug aber vor, seine Frau habe auf die Beleidigung reagiert, alle Italienerinnen seien gemeine weiber. Dies bedeutete auf gut deutsch, daß die Professorengattin nach Ansicht der Magd ebenfalls eine Hure war. Obwohl das Gericht dies als Injurie bezeichnete, erhob Olzignanus keine Gegenklage, sondern brachte die Provokation durch die Magd als exception ein. Die Art und Weise, wie Dr. Artopeus im Verfahren Waldvogel ./. Frankenmundt die Beleidigungsklage im Namen seines Mandanten vorgetragen hatte, hatte ein Nachspiel: In der nächsten Sitzung erhob der Beklagte seinerseits eine Injurienklage gegen Artopeus, den Rechtsbeistand seines Prozeßgegners. Rede und Gegenrede verdeutlichen, zu welchen Eskalationen es kommen konnte. Der Beklagte trägt vor, demnach Dr. Artopeus Ime ... offentlich vor dem consistorio verschmecht und ein lausigen Schneider ... gescholten darfür er (so er vermecht) 100 flo geben wolte,

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Fuchs, Um die Ehre, S. 48; Bartels, Ehrverletzung, S. 114. A 14/1, fol. 400, 03.10.1556; Waldvogel ./. Frankenmundt. 60 Wie Artopeus ein Professor der Rechte. Dr. Olzignanus war Legist, Dr. Artopeus Kanonist. 61 A 14/2, fol. 60v, 27.11.1563. 59

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium begert er und hoff Ime hirinn condemniert zu werden, will auch vorbehalten haben von wegen des ganzen handwerks die schmach Ime zugefügt ... zuerörtern.62

Sofort reagiert der Anwalt, nun seinerseits getroffen, mit einer reconvention: Hingegen clagt D. artopeus umb 1000 flo das er Ime also beger zu schmehen vnd super iniuriis fürzunemen. Artopeus begründet seine Klage wohl damit, daß es als Injurie galt, böswillig einen Rechtsstreit anzustrengen. Beide Klagen wurden vom Gericht beigelegt. cc) Die geforderten Summen Wie bei Injurienklagen üblich,63 verlangten die Beleidigten auch vor dem Consistorium runde und hohe Summen. Die Forderungen bewegen sich zwischen fünfzig Gulden und 1000 Kronen. Schon die niedrigste Summe erweist sich als erklecklich, wenn man sie in Bezug zu damaligen Preisen setzt. Die Jahresmiete für ein Haus betrug ungefähr 25 Gulden, für ein Reitpferd mußte man 20 Gulden ausgeben und Kost und Logis eines adligen Studenten beliefen sich für ein Jahr auf eben diese Summe. Im einzelnen verteilten sich die Forderungen folgendermaßen: 50, 100 und 1000 Gulden wurden je viermal verlangt, 200 Gulden dreimal. Jeweils ein Kläger forderte 100 und 1000 Kronen.64 Bei Gegenklagen fällt auf, daß die Forderungen die Summe der ursprünglichen Klage in jedem Fall übertreffen. Auf 50 Gulden folgt beispielsweise die Forderung von 200 Gulden, gegen 1000 Gulden werden 1000 Kronen ins Feld geführt. Diese Beobachtung stützt die These, Gegenklagen hätten als Verteidigungsmittel und zur Affirmation der Ehre des Beklagten gedient. Eine Beziehung zwischen der Höhe der Forderung und der Schwere der Beleidigung läßt sich nicht eindeutig nachweisen. Allerdings wurden die Klagen mit den höchsten Summen auf Grund schwerwiegender Vorfälle erhoben, neben verbale Angriffe traten hier meist Drohungen oder wirtschaftliche Einbußen: Stephan von Lalosch klagte wegen widerrechtlicher Gefangenschaft, woraus wiederum Krankheit und Verlust eines jährlichen Salärs resultierten. Johann Georg Überecker wurde mit einer Schußwaffe bedroht, ausführlich berichtete er von seinem Zusammenstoß mit Dr. Julius Guth am 15.06.1556. 62

A 14/1, fol. 439, 11.09.1557. Fuchs, Um die Ehre, S. 85; E. Kaufmann, Schadensersatzrecht und „actio iniuriarum aestimatoria“, S. 122 f. 64 Laut Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen, Krone, S. 74, war sie etwas weniger wert als zwei Gulden. Bei acht Klagen fehlt eine genaue Angabe. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, daß die Klagen schriftlich eingereicht wurden, die Klagelibelle aber nicht mehr in den Akten vorhanden sind. 63

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Der Beklagte habe ihn mit einer Büchse bedroht, worauf er ihn gefragt habe: Seit ir ein Doctor? Auf die positive Antwort habe der Kläger zu ihm gesagt: gebürt sich euch ein adels person dermassen by nechtlicher weil In einer freien khüniglichen statt mit einer ungepürlichen wehr zu vberlauffen?, was nur zu weiteren Drohungen seitens Guths geführt habe.65 Die empörte Frage Überekkers deutet bereits an, daß der Status der Verletzten die Schwere der Kränkung und damit die Höhe der Summe beeinflussen konnte. Immerhin zählte auch die Stadt Freiburg zu den Klägern, die eine so hohe Summe verlangten. Sie befand sich in mehr oder weniger illusterer Gesellschaft mit dem Edlen und hochgelehrten Hans Jörg Überecker, einer adels person, und dem leicht reizbaren Freiburger Patriziersohn Christoph Baldung.66 Eine des Diebstahls beschuldigte Magd setzte diese Beleidigung mit 50 Gulden in der niedrigsten Gruppe an, obwohl man ihr eine strafbare Handlung vorwarf. Hierbei mag jedoch die delikate Situation, in der die Beleidigung geschah, eine Rolle gespielt haben: Laut Aussage des Beklagten hatte man bei der Klägerin einen vermißten Schleier gefunden, und die Ehrverletzung bestand in der Forderung des Beklagten, im was gestolen solt wider geben.67 Bei der Bestimmung der Entschädigungsforderungen wurden also, wie von der gemeinrechtlichen Wissenschaft postuliert, die Tatumstände und der Status der beleidigten Person68 zumindest in Ansätzen berücksichtigt. Diese Regeln

65

A 14/1, fol. 392 f. Das er ine aus dem haus soll gefordert haben dafür Baldung 1000 g begert iuxta acta antiqua. Christoph Baldung begegnet dem Leser der universitären Akten immer wieder: Schon vor der Affäre seiner Frau mit dem Studenten von Schonaich hatte er mit seinem Schwiegervater, dem Griechischprofessor Johann Hartung, wegen der Mißhandlung seiner Frau vor dem Senat gestritten. Vgl. Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 203 f. Aus dem Rahmen fällt die von Dr. Artopeus im Streit mit der Gegenpartei spontan erhobene Klage auf 1000 Gulden. Dort ist die hohe Summe aus der überhitzten Situation zu verstehen. 67 A 14/1, fol. 384, 31.08.1555, im was gestolen solt wider geben, sy also an eren verletzt. Generell galt in der Wissenschaft der Vorwurf strafbarer Handlungen, wie auch die Beschimpfung als Dieb oder Mörder, als geradezu klassische Ehrverletzung. Vgl. Bartels, Ehrverletzung, S. 93. Auch in der Praxis waren diese Vorwürfe häufig, vgl. Helm, Konfliktaustragung, S. 61 (Gerichtsprotokolle des 17. Jahrhunderts aus dem oberpfälzischen Auerbach). Die wissentlich falsche Anschuldigung wurde als Calumnie besonders hart geahndet, Bartels, Ehrverletzung, S. 173 ff. Im zitierten Fall beharrt der Beklagte auf der Wahrheit seines Vorwurfs: sein magdt ein schleier verloren welcher hinder ir [der Klägerin] gefunden, verhoffe er sei ir deshalb dhein abtrag zuthun schuldig. Diese Strategie war klug, schloß er doch auf diese Weise den Vorwurf einer calumnia aus: iusta causa dicendi ... excusat ab calumnia. Bartels, Ehrverletzung, S. 178. 68 Vgl. Fuchs, Um die Ehre, S. 53, circumstantia et qualitas injuriae et personarum. 66

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sollten, wie der Vorbehalt richterlicher Taxierung, maßlose Forderungen verhindern. dd) Schilderung der Ehrverletzung Die Schilderung der Ehrverletzung nimmt in manchen Klagen im Vergleich zu den formelhaften, austauschbaren Bausteinen einen schmalen Raum ein. Immerhin drängte die Empörung einige Kläger dazu, einen genauen Bericht des Vorfalls zu geben, durch welchen sie sich zum Gang vor Gericht genötigt fühlten. Besonders dramatisch schildert M. Caspar Geißlin seinen Streit mit Sebastian Meier. Er habe seine Schulden bei diesem – so rasch er konnte – bezahlt, auch angesehen, daß er Bastian [Meier] sollichs mit weinenden Augen begert. Trotzdem habe Meier sich auch in offenen Zechen vnd bey erhren leuten hören lassen, daß er [Geißlin] ein verlogener Magister und bachant, vnd die cleider so er antrag, seien nit sein sunder des clegers [Meiers], welches (als er dessen in erfarung kummen) er zu hertzen gefürt ...69

Der Ausdruck, man habe sich eine Beleidigung sehr zu Herzen genommen, stammt wieder aus dem Repertoire der Standardformulierungen. Der Prozeß Überecker ./. Dr. Guth verdeutlicht allerdings, daß eine nähere Erörterung auch später, im Beweisverfahren erfolgen konnte, wenn um die Ursachen und den genauen Ablauf der beleidigenden Handlung gestritten wurde. ee) Widerruf Inwieweit neben der Geldsumme auch Widerruf und Ehrenerklärung gefordert werden konnten, ist heute in der Wissenschaft umstritten; in den römischen Quellen gab es sie nur bei Kriminalklagen. In der frühneuzeitlichen Praxis hingegen wurden sie auch in zivilen Klagen gefordert und zugesprochen.70 In den Consistorialakten gibt es allerdings nur eine Injurienklage, in welcher der Kläger neben der Geldsumme auch den Widerruf der ehrkränkenden Äußerung forderte.71 Dieses Institut spielte augenscheinlich in der Freiburger Rechtspra69 A 14/1, fol. 364, 02.07.1554, das er im ein widerruf thu, et petit pro iniuria illata 200 gulden ... 70 Fuchs, Um die Ehre, S. 54; abweichend Winkelbauer, Injurien, S. 143, in den von ihm untersuchten ober- und niederösterreichischen Quellen zeichnet sich die Kriminalklage durch die Forderung von Bestrafung und Widerruf aus. 71 A 14/2, fol. 4v, 12.07.1561.

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xis keine große Rolle, zumal im einzigen Prozeß, in dem ein Widerruf zur Debatte stand, kein Urteil erging. b) Urteile in Injuriensachen Zu keiner Injurienklage wegen Ehrverletzungen gibt es ein Urteil, mit dem auch nur ein Teil der geforderten Summe zugesprochen wurde. Die Akten enthalten im Untersuchungszeitraum lediglich ein Endurteil in diesem Bereich, aber die sententia devinitiva in der Sache Schowman ./. Borer fällt aus der Reihe, weil sie sich lediglich auf die Kosten einer Injuriensache bezieht.72 Während in zwei Fällen wegen verlorener Akten eine Aussage über das Schicksal des Prozesses nicht möglich ist, enden von den restlichen Verfahren sechs ohne Abschluß, entweder weil die Parteien das Interesse verloren oder den Konflikt durch private Einigung lösten. Doch auch das Gericht beendete Verfahren, ohne ein Endurteil zu fällen. Dies geschah in acht Fällen, dreimal mittels gütlicher Einigung, fünfmal durch ein „Aufheben“ der Beleidigungen.73 c) Fallbeispiel: Die Injurienklage der Stadt gegen Stephan von Lalosch Die Stadt Freiburg prozessierte gegen den französischen Hofmeister Stephan von Lalosch wegen Verletzung des Stadtknechtes Bartolomeus Wägelin in Ausübung seines Dienstes.74 Der Beklagte antwortet am 24.10.1562 auf die Klage: Es gebüre der stat Fryburg von wegen deß verwundten wachtmeister kein Action deshalben wider Ime, dann, So seye in den Rechten heilsamlich versehen, das keiner so eines herren knecht, ambtman oder diener etc verletzet, verwundet oder schmälet etc dem herren darumb einen abtrag zuthuon schuldig seye, Es were dan sach, das solliche schmach oder verletzung dem herrn zu trutz und zuo schmach fürsatzlich und muotwilliger weiß beschehen, Nun, obschon er beclagter deren von 72

A 14/1, fol. 169, 23.11.1549: und das volgens vorgedochter Christoff Schowman aus demselbig gut soviel es reichen mag ... vie dem achtene [wegen der Acht entstandene] costen in sachen der schmach sib und dreißig gulden noch abzug der sib gulden 3 schilling strasburger werung so er hievor daruff empfang, gericht werden soll, ... Die Schmachsache selbst wurde nicht verhandelt, da der Beklagte nie vor Gericht erschien und es um die Vollstreckung in die Güter ging, die er zurückgelassen hatte. 73 Zur Streitbeilegung ohne Urteil siehe unten Vierter Teil § 3 I. 2. 74 Zur Vorgeschichte und der Klage des Wächters gegen von Lalosch unten, Vierter Teil § 3 II. 2. b), A 14/2, fol. 38r, 19.09.1562, uff das legt er ein seiner herren principaln (in namen eines ersamen Rathes der Stat Freyburg) clag in schrifften, in welcher er vom Laloge begert 1000 gulden das er iren scharwächter verletzt hat uff der wacht.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium Fryburg wachtmeister uff der wacht beschedigt haben solte, deßen doch er noch nit rechtlich überwisen worden, So seye doch sollichs denen von Fryburg nit zuo trutz und schmach beschehen, Dan er das gemuött nie gehabt, die scharwächter zuo verletzen, viel weniger das sollichs zur schmach der stat beschehe.75

Eine derartig ausführliche Verteidigung und inhaltliche Auseinandersetzung mit der Grundlage einer Klage findet sich in den Consistorialakten überaus selten. Von Lalosch bzw. seine Anwälte Frey und Prombach tragen vor, die Verletzung eines Amtsträgers oder Dieners könne nur dann eine Injurienklage des Herren begründen, wenn sie mit dem Vorsatz geschehen sei, den Herrn dadurch zu beleidigen. Solches habe der Beklagte – abgesehen davon, daß seine Täterschaft nicht erwiesen sei – nie im Sinn gehabt. Die Argumentation orientiert sich an der Rechtslage im römischen Recht. Dort galt die Verletzung eines Sklaven nur dann als Beleidigung des Herren, wenn sie in der Absicht geschah, diesen zu kränken. Allerdings konnte der Eigentümer, falls sein Sklave ohne animus iniuriandi verletzt wurde, immerhin mit der actio legis Aquiliae Ansprüche gegen den Verletzer geltend machen. Am 14.11.1562 folgt die Replik von Hans Balthasar Rauch in namen der stat Freyburg auf die exceptiones des Beklagten, die im Vergleich zu von Lalosch Eloquenz etwas ungelenk wirkt. Die stat Freyburg begere keinen fräwel von im Lalosche, Es gange auch die stat nicht ahn das er sich mit dem wachtmeister vertragen, dan der stat ir Recht vnd zuospruch iren selbs vorbehalten,76 Ob nun der hoffmeister dergestalt vß dem haus gangen die wacht zuoschedigen seye hie nit zuo disputieren, Es seye aber in Rechten versehen, wan ein scharwächter oder wachtmeister uff der wacht geschediget, so gebüre einer stat wider den thäter actio iniuriarum. Der hoffmeister hab mit andern ein lerman angefangen, da syen die wächter by iren eydem frid zuomachen schuldig gewesen, In dem der beclagt den wachtmeister geschediget. Es möge auch nit stat haben das Lalosche fürgibt es seye noch nit kuntbar wer den stich gethan, dan es sich in presum causae wol befinden werde.77

Die Replik geht auf den juristischen Kern der Verteidigung, den fehlenden animus iniuriandi nicht ein. Der Beklagte weigert sich aber, den Streit zu befestigen und dupliciert: 75 A 14/2, fol. 40r, 24.10.1562. Zudem führt er an, er sei angegriffen worden und habe sich lediglich verteidigt: Er seye auch nit deshalb aus dem haus die selbig nacht gegangen, die scharwacht zuobewaltigen, sonst wurde er vielleicht viel stercker und gewaltig auch viel gerüsteter uff die gaßen zogen sein, Zuodem habe er die scharwacht oder den wachtmeister nit angriffen, sunder er seye von Inen angriffen worden, ... 76 Von Lalosch hatte auch excipiert, das so er sich mit gedachtem wacchtmeister guöttlich diser sach für alle ansprech vertragen ... 77 A 14/2, fol. 41v, 14.11.1562.

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Es gebüre der Stat kein action Dan sollich faal nit in contumelia civitatis beschehen, allegat: Sed si inst de Iniuriis, Item apud Labeone ff eo Cap. in si non conicii quest 4 eodem titulum etc, Repetit sua exceptionem ...

In der Duplik lesen wir eines der seltenen Digestenzitate, das den römischrechtlichen Hintergrund dieser Argumentation bestätigt. Zwei Monate später entscheidet das Gericht Interloquendo, daß von Lalosch auf die Klage antworten und den Krieg im Recht befestigen muß, obwohl seine Anwälte die Anspruchsgrundlage negieren: Die Verteidigung dringt mit ihren gelehrten Argumenten nicht durch. Immerhin führt das Gericht aus, es bleibe ihnen unbenommen, diese und andere exceptiones nach der Litiscontestation geltend zu machen.78 Die für den Beklagten ungünstige sententia interlocutoria ist doppelt bemerkenswert: Zum einen, weil seine Argumentation einleuchtend wirkt und es der Gegenseite nicht gelingt, das rechtliche Vorbringen zu entkräften. Zum anderen könnte man wegen der Vorgeschichte des Falls erwarten, daß das Consistorium die Gelegenheit ergreifen würde, die Klage der Stadt abzuweisen. Schließlich hatten die Freiburger, zum Mißfallen der Universität, ihre Gerichtsbarkeit über von Lalosch angezweifelt. Von Lalosch wechselt nun die Verteidigungsstrategie und greift zum Mittel der Gegenklage, die sich seine Prokuratoren schon mehrfach vorbehalten hatten: wie wol in geschriebnen rechte versehen, das keiner den andern ahn seinen leiben, leben, eheren vnd guott schädigen, schwächen oder verletzen solle, wiewoll auch keiner umb bürgerliche sachen willen in gefenknus gehalten werden solle, So haben doch sollichs ungeacht die herrn eines Ersamen Raths ine Stephan 19 Wochen in hartter schwärer gefenknus ahn kettin gebunden gehalten, Obwohl er gebürliche bürgschaft habe stellen wollen So haben doch die von Freyburg sollich gefenknus nit erlaßen wellen, dadurch er in verlierung Eheren, leibs vnd guotts geraten.79

Seinen dreifachen Verlust an Ehre, Leib und Gut führt er weiter aus: Wegen der Gefangenschaft sei er in seiner Heimat verleumdet worden, als sollte er umb einer unerlich sach gefangen sein gelegen. Des weiteren habe die Haft seine Gesundheit beeinträchtigt, er habe große krankheiten von diser band wegen ahn seinem leib erlitten. Zum dritten habe er durch die Angelegenheit seine jarliche provision und salarium von der französischen Krone verloren. welche schmach vnd schaden er zuo hertzen gefuört, vnd die angeschlagen umb 1000 frantzösische kronen (die er viel lieber geben wollte, dan das im diß also widerfaren). 78 79

A 14/2, fol. 46v, 16.01.1563. A 14/2, fol. 47r, 06.02.1563.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

Die Stadt als Gegenbeklagte erhält terminum deliberandi. In den Sitzungen vom 06.03.1563 und 22.05.1563 wird jeweils der Notar als Kommissar zum Verhör verschiedener Zeugen bestellt, am 19.06.1563 werden die Kundschaften eröffnet.80 Das Verfahren beginnt sich in die Länge zu ziehen, es kommt zu diversen Vertagungen, unter anderem wegen Krankheit des Beklagten. Am 18.12.156381 bringt sein Anwalt exceptiones gegen die Kundschaften der Stadt vor, dann brechen unvermittelt die Aufzeichnungen ab. Auch in den Senatsprotokollen finden sich keine Anhaltspunkte dafür, was geschehen ist. So können wir nur mutmaßen, daß von Lalosch die Stadt verlassen hat oder in Folge seiner angegriffenen Gesundheit gestorben ist. Versöhnlicher ist die Vorstellung, die Parteien hätten sich endlich geeinigt. 2. Streitbeilegung ohne Urteil Zwar erging kein Endurteil in Klagen wegen Ehrverletzung, aber acht der vierzehn Klagen wurden durch gerichtliche Initiative beigelegt. a) Einigung und einverständliche Aufhebung Die gütlichen Einigungen und Aufhebungen von Beleidigungen bezeichnet das Consistorium auch als Vertragung oder gütlichen Spruch. Ihre Formulierungen ähneln einander und weisen auf den Einfluß des Gerichts hin. Im Rechtsstreit zwischen Jacob und Jörg Schorp clegern eins, und Wilhelm Marwuard der rechten doctor antwortter und gegencleger anderen teilen hebt das Gericht mit einem gütlichen spruch Klage und Gegenklage auf: wöllen die herren in gütlicheit und aus crafft richterlichs ampts, die ingführte clag und gegenclag, ob gleich wol die wort in den selben gemelden, also beschehen und geredt, gentzlich ufgehept und hingelegt haben, ... [wie sie dann getan] der gestalt, das die selbigen dheinen teil an seinen Ehren vergrifflich oder nachtheilig sein, sonder sich fürter gegeneinander in freundschaft und einigkeit wie hervor erzeigen und halten ...82

80

A 14/2, fol. 49v, 51v, 53r. A 14/2, fol. 61v, producit Exceptiones contra attestationes civitatis. 82 A 14/1, fol. 388, 07.03.1556. Ebenso A 14/1, fol. 366, 31.07.1554: wollen die herren in gütlicheit und in crafft richterlichen ampts die ingelegte clag und gegenclag, ob gleich wol die wort in den selben gemelt, also ergangen weren, gentzlich ufgehept und hingelegt haben, der gestalt, das die selbigen kainen teil an seinen Ehren vergrifflich oder nachtheilig sein, ... sollen füderhin in Freundschaft halten etc. Ganz ähnliche 81

§ 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum

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Es spielte also keine Rolle, daß die gegenseitigen Beleidigungen, die den Rechtsstreit ausgelöst hatten, nach der Auffassung des Gerichts tatsächlich gesprochen worden waren. Eine weitere Aufhebung finden wir im Verfahren Zwüschen dem Edlen und hochgelehrten Hans Jergen Überercker clegern eins und Herrn D. Julius Gut antwortter anderntheilen. Der Kläger hatte wegen Bedrohung auf offener Straße 1000 Gulden verlangt. So wöllen die Herren Vicerector und consistoriales in gütlicheit und aus crafft richterlichs ampts dis schmach clag und vorderung, so ein teil derwegen an den anderen gehapt und zu haben vermeint, uffheben hinlegen und hiemit abthun, [wie sie dann getan] also und der gestalt, das dise handlung dheinen teil an seinen Ehren ... nachtheilig sein, und deshalben fürhin wie vor verlauffung solcher handlung gut freundt sein und pleiben.83

Während in den anderen Verfahren das Gericht entschied, jede Partei solle ihre Kosten selbst tragen,84 wich der dritte gütliche Spruch von diesem Muster ab. Dort heißt es, und das Herr antworter den costen so uff comission und verhör der Zeugen ufferloffen zu erstatten und der cleger den übrigen ... an Im selbs haben und tragen sölle. Wie meist kann man über die Hintergründe der Kostenentscheidung nur spekulieren. Der Prozeß war am weitesten fortgeschritten, Kläger und Beklagte stellten positiones bzw. defensionales auf, es wurden drei Zeugen verhört und der Beklagte äußerte sich selbst zum Ablauf der Auseinandersetzung.85 Bevor es zum Austausch weiterer Argumente und der conclusio in causa kommen konnte, wurde die Sache vertragen. Aufgrund der Zeugenaussagen ist davon auszugehen, daß das Gericht zu der Auffassung gekommen sein mußte, der Vorfall sei so abgelaufen, wie Überecker es beschrieben hatte. Zwar hinderte dies eine Aufhebung nicht, aber weil der Beklagte die Beweiserhebung verursacht hatte, mußte er die Kosten tragen. Ein weiterer Grund mag darin liegen, daß er den Rechtsstreit durch diverse Appellationen und mehrfaches Nichterscheinen verlängert hatte. Formulierungen findet auch Winkelbauer, Injurien, in Urteilen ober- und niederösterreichischer Patrimonialgerichte, S. 143 miteinander zu vertragen; S. 147 und 150 baide thail zu gueten freundten gesprochen; S. 148 daß es auch inkhunfftig kheinem thaill an seinen ehren praejudicierlich sein soll. 83 A 14/1, fol. 421, 12.12.1556. 84 A 14/1, fol. 366, vnd das jeder der costen im in diser handlung ufferloffen an Im selbs haben und tragen sölle; A 14/1, fol. 388, vnd das yeder theil den ufferloffnen costen an Im selbs haben und tragen soll. 85 Positiones des Klägers (fol. 404) und eine Kommission des Klägers, die zwei Zeugen verhört hatte, auch über defensionales (fol. 406). Der Beklagte antwortet auf die Positionales den ersten glaub ich wahr ... etc. (fol. 412); bringt dann seine exceptio vor; seine positiones finden wir fol. 414-417.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

b) Aufhebung ex officio Massiver wog die gerichtliche Intervention, wenn Klagen von Amts wegen aufgehoben wurden. Während bei den gütlichen Sprüchen die Parteien in der Regel der Vertragung im Vorhinein zugestimmt hatten, war dies hier nicht der Fall. Zum Mittel der ex-officio-Aufhebung griff das Consistorium zum einen bei spontanen Beleidigungen vor Gericht, wie sie beispielsweise in der Klage Reppich ./. Bürge86 vorkamen. Eigentlich dreht sich der Prozeß aus dem Jahr 1562 um Schulden und ein zwischen den beiden abgemachtes verding, nach welchem Bürge Ratenzahlungen erlaubt sein sollten. Der Beklagte äußert in der mündlichen Verhandlung, der Preis, den Reppich für das Einbinden der Bücher verlangt habe, sei viel zu hoch. Bei anderen Berufsgenossen müsse man erheblich weniger bezahlen. Darauf erwidert der Kläger: Wer sagt, daß ein buchbinder das für 8 batzen mache, der luög wie ein Schelm. Der Beklagte, der sich durch dies geschwächt [in seiner Ehre] fühlt verlangt für diese Injuria 100 Gulden. Jedoch läßt sich das Gericht auf solche Klagen gar nicht ein: die herren haben die Iniuriam ex officio uffgehebt und dann zwischen den Parteien wegen der Geldforderungen einen gütlichen Vergleich herbeigeführt. Ähnlich bereinigte das Consistorium die Eskalation zwischen dem lausige[n] Schneider Waldvogel und dem gegnerischen Rechtsbeistand Dr. Artopeus, wobei es bei diesen Streithähnen ungehaltener reagierte.87 Aber auch wenn die Ehrverletzungen nicht vor Gericht stattgefunden hatten, war die Aufhebung ex offcio eine Option. Am 05.09.1562 verklagt Hans Wal den Sebastian Sautter,88 weil dieser ihm gegenüber behauptet hatte, Wal werde von seiner Frau mit Hieronymus Strowmeyer betrogen. Darauf antwortet der Beklagte: dise clag befromde in, dan als sie allerley schimpf reden uff gedacht tag miteinandern getriben, und Hans Wal zuo ime beclagt gesagt Er beclagt seye by der Hasenbaderin gelegen, hab er gesagt, Er Reus glaube wie in der clag vermelt, und damit nur geschimpfft, auch sey härnach Hans Wal mit ime wol zufriden gewesen, mit ime zuo abend zehrt geeß und getrunck etc begert ledig erkannt zuowerden.

86

A 14/2, fol. 42v, 14.11.1562. A 14/1, fol. 439, 11.09.1557: erkannt ... (soviel die beide vermeinte schmachsachen anbelangt) dheinen teil an dem anderen anspruch und action gebüre ... sollen hiemit deren halb rüwig sein und füro sich solcher anzügigen hitzigen wort vor dem loblich consistorio enthalten, wo nit so werden die herren gepürlich straf wider sy fürnemen und aber in der hauptsach soll wie recht fürgefaren werden ... 88 A 14/2, fol. 35v–36r, 05.09.1562. 87

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Es liegen also nach seiner Aussage gegenseitige Beleidigungen vor, die – wie er meint – doch eher zum Scherz geschehen seien. Schließlich habe es kein böses Blut gegeben und man habe anschließend friedlich zusammen zu Abend gegessen. Das Gericht löst die Sache wie folgt: Dise Schmachhandlung haben die herrn Consistoriales ex officio und uß Richterlichem ambt, uffgehabt, doch das solche sach keiner parthey ahn irer eheren nachteilig oder verletzlich, und den herren die gebürend straff gegen dem beclagt vorbehalten sein solle.

Gerade bei den Aufhebungen ex officio lesen wir oft den Vorbehalt des Gerichts, die Universität werde die Parteien möglicherweise noch bestrafen. 3. Kriminalklage und Bestrafung durch die Universität Grundsätzlich käme für den Beleidigten als Alternative zur zivilen Injurienklage die Kriminalklage in Betracht. Es gibt Hinweise, daß die Klageformel kehr und wandel nach seinen Ehren mit ihr in Zusammenhang steht.89 Im zuletzt besprochenen Fall hatte Wal seine Klage zunächst mit diesen Worten vorgetragen, woraufhin sich der Beklagte weigerte, sich vor dem Consistorium darauf einzulassen.90 Weder in diesem noch in irgendeinem anderen Fall läßt sich in den Senatsprotokollen eine Kriminalklage nachweisen. Für den beklagten Sebastian Sautter sollte der Fall, obwohl die zivile Injurienklage durch Aufhebung ex officio beendet wurde, ein strafrechtliches Nachspiel haben. Der Schreiber vermerkte abschließend: Reus super hunc causam ad bidium adiudicatur Carceri. Das Consistorium verhängte die Strafe, die sich die Herren ausdrücklich vorbehalten hatten. Damit ignorierte es die organisatorische Rollenverteilung und wurde anstelle des Senats tätig, der eigentlich für die Bestrafung zuständig gewesen wäre. Zugleich zeigt sich, daß die Universität in einer zivilen Injurienklage keine Sperre für ihre Strafgewalt sah.91

89

Ob dies einen Widerruf meint, geht aus den Quellen nicht hervor. Zu Widerruf und Kriminalklage vgl. Erster Teil § 3 I. 2. a). Die Widerrufsforderung in der zivilen Klage ist jedenfalls anders formuliert. 90 Für welche schmach er begere seinem principal und deße fraw ker und wandel beschehe nach seiner Ehren nottdrifft, A 14/2, fol. 35v–36r, 05.09.1562. Vgl. Erster Teil § 3 I. 2. a). In den Senatsprotokollen fordert ein Verletzter ebenfalls ker und wandel von einem Inhaftierten, der ihn bedrängt und bedroht hatte. A 10/9, fol. 107, Dominica Adventis (01.12.)1563. 91 Nur eine Kriminalklage des Verletzten hätte nicht parallel erfolgen können. Vgl. auch Winkelbauer, Injurien, S. 146. Das Vorbehalten einer Strafe erscheint hier geradezu als feststehende Formulierung und übliche Vorgehensweise der Gerichte.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

Ähnlich verhielt sich das Gericht in einem anderen Fall, in dem die gegenseitigen Beleidigungen aufgehoben wurden. Lucas Reimbold trug vor, daß Johannes Strum ihn in einem Schreiben lecker und buben gescholten habe; Strum antwortete, der Kläger habe seine Schulden nicht bezahlt. Eine Woche nach Klageerhebung erging das Endurteil: Der Kläger sollte dem Beklagten den geforderten Thaler geben; und [die Herren] haben demnach diß schmach sach ex officio uffgehept also das sy dheinem teil an seinen eren nachteilig sein solle und dheiner an den anderen deshalb weiter zuspruch haben, doch sollen sy die sach im kerker yeder 4 tag ablegen und die schmach also purgieren.92 Man darf die Vermutung wagen, daß die Parteien mit diesem Ausgang nicht gerechnet hatten! Während es normalerweise das Gericht war, das sich die Bestrafung vorbehielt, sprach auch einmal ein Rechtssuchender in den Schlußworten seiner Klage ganz offen von dieser Strafe: verhofft, daß der Beklagte, über die Straff so jedem In der hohenschul gegebenen freiheiten uffgesetzt, Ime dieselben 200 gulden, doch richterlicher tax vorbehalten, bezalen solt.93

Ohne heikle Zuständigkeitsfragen zu berühren, erinnerte der Kläger mit dieser Formulierung dezent an die Möglichkeit einer zusätzlichen Bestrafung. So konnte ein Kläger doch die Wirkungen von ziviler und strafrechtlicher Injurienklage erzielen. Daß die Täter in diesen Fällen regelmäßig von der Universität bestraft wurden, erklärt auch, warum nur wenig Bedürfnis für die Kriminalklage bestand. 4. Ergebnis: Funktion der Injurienklagen bei Ehrverletzung Mit den hohen, runden und darum bußenartigen Summen, die mit den Injurienklagen eingefordert wurden, begründete die Forschung lange Zeit den Strafcharakter dieser Klagen. Zugleich warfen solche Forderungen in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung immer wieder die Frage auf, ob man einen immateriellen Schaden an der Ehre wirklich schätzen könne und wie sein Ersatz zu rechtfertigen sei. Sorgenvoll weist Hans Heinrich Dreßler in seiner Monographie über das deutsche Beleidigungsrecht des 16. und 17. Jahrhunderts auf die Probleme hin, die seiner Meinung nach entstehen, wenn man eine Beleidigung durch eine Geldzahlung kompensieren möchte: Eine Buße sei grundsätzlich nicht geeignet, weil ihr Symbolgehalt nur bei ehrenwerten Bür92 93

A 14/1, fol. 447, 09.10.1557. A 14/1, fol. 364.

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gern bestehen bleibe. Schließlich könne nur bei ihnen kein Zweifel entstehen, daß es nicht um den schnöden Mammon, sondern um den symbolischen Ausgleich gehe.94 Diese Ausführungen stehen ganz auf dem Boden des bürgerlichen Ehrverständnisses des 19. Jahrhunderts, obwohl sie 1967 geschrieben wurden. Leider sind sie beispielhaft für vieles, was zu dieser Frage geäußert wurde. Die traditionelle Quintessenz lautete: Da ein Ausgleich immateriellen Schadens durch Geld grundsätzlich nicht möglich ist, kann die zu zahlende Summe kein Ersatz sein und muß folglich Strafcharakter haben. Wenn man sich vom Dogma des Vermögenswertes der Obligation und dem daraus folgenden Zirkelschluß löst, gewinnt die Frage nach dem Wert der Ehre andere Dimensionen. In den Vordergrund tritt das Verständnis der historischen Akteure: Hielt man im 16. Jahrhundert eine nachvollziehbare Schätzung der Ehre für möglich? Um diese Frage beantworten zu können, muß man untersuchen, nach welchen Kriterien die Gerichte die Urteilssummen in Injurienverfahren bestimmten. Die zugesprochenen Beträge, diese Tendenz zeigt sich deutlich, lagen weit unter den horrenden Forderungen. E. Kaufmann konnte zwar nachweisen, daß der Ingelheimer Oberhof bei Injurienklagen wegen Beleidigungen noch im Spätmittelalter zu den geforderten hohen Summen verurteilte.95 Dies stellt jedoch eher einen Sonderfall dar, denn an anderen Orten wurde in der Regel nur zu geringeren Summen verurteilt. Für westfälische Beleidigungsprozesse am Reichskammergericht im 16. und 17. Jahrhundert konstatiert Fuchs, daß starke Diskrepanzen zwischen den ästimierten und den zugesprochenen Summen bestanden.96 Die Forderungen, vermutet er deshalb, hatten symbolischen Charakter oder sind als Drohgebärden der Parteien einzuschätzen. Eine Diskussion der Urteilssummen ist für das Consistorium nicht möglich, weil durch ein gerichtliches Urteil kein Kläger für eine Ehrverletzung auch nur einen Pfennig erhalten hat.97 Die Frage, ob und wie das Consistorium eine Ehrverletzung in Geld ansetzen würde, muß also offen bleiben. Pönale Aspekte bei der Behandlung von Ehrverletzungen finden wir höchstens, wenn ein Kläger auf eine Bestrafung durch die Universität spekulierte. Die Freiburger Praxis, in der Injurienklagen zumeist vom Gericht aufgehoben wurden, führt weg von der anachronistischen Streitfrage, ob sich Ehre in Geld aufwiegen läßt. Die Geldsumme war vermutlich gar nicht der primäre Zweck einer Injurienklage. Vielmehr ging es manchen Klägern offenbar um eine für jedermann sicht-

94

Dreßler, Beleidigungsrecht, S. 108. E. Kaufmann, Schadensersatzrecht und „actio iniuriarum aestimatoria“, S. 134 f. 96 Fuchs, Um die Ehre, S. 85 ff. Er stellt fest, daß die zugesprochene Summe oft nur ein Zehntel oder weniger der in der Klage geforderten betrug. 97 Obwohl es eine „Strafsumme für immateriellen Schaden“ im Rahmen von Beleidigungen hier nicht gab, sind die aufgeworfenen Fragen für die weitere Untersuchung (und m.E. auch für zukünftige Forschungen auf diesem Gebiet) von Bedeutung. 95

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

bare Reaktion98 auf die Ehrverletzung, indem sie ein Gerichtsverfahren anstrengten. Damit demonstrierten sie Selbstsicherheit und bewiesen öffentlich, sich eines für sie günstigen Ausgangs gewiß zu sein.99 In solchen Konstellationen hatten die Parteien mit der Einreichung der Klage oder Gegenklage ihr Ziel erreicht, denn so wurde symbolisch, und nicht durch Geld, die Ehre wiederhergestellt.100 Auf den ersten Blick scheint es sich bei der Alternative „Klagen statt Schlagen“ um ein markantes Beispiel für die Verrechtlichung von Konflikten zu handeln. Statt den Kontrahenten wegen einer Beleidigung tätlich anzugreifen, erhob man Klage. Doch dieser Schluß würde die Situation unzulässig simplifizieren, weil die Inquisitionsprotokolle eindeutig belegen, daß die gewalttätige Art der Konfliktaustragung noch überaus gebräuchlich war. Im Rahmen der Klagen vor dem zivilen Gericht spielten Ehrverletzungen, betrachtet man die absoluten Zahlen, eine viel geringere Rolle als in den Inquisitionsprotokollen. Die Handwerkergesellen und Studenten, die beleidigt wurden, antworteten üblicherweise nicht mit einer Klage.101 Offenbar beeinflußten Alter und Stand die Reaktion auf eine Beleidigung, vor allem ältere Personen mit höherem Status erhoben Klage.102 Jüngere Männer hingegen beantworteten Angriffe auf 98

Viele neuere historische Arbeiten postulieren die Notwendigkeit einer solchen Reaktion auf Ehrkränkungen. Sie basieren auf Bourdieus Thesen von der Ehre als sozialem Kapital, das gewahrt werden mußte, um die gesellschaftliche Stellung zu erhalten, Schwerhoff, Köln, S. 312 ff., Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 15. Die Logik der Ehre verlangt, einer Provokation entgegenzutreten. Auf diese Weise wird, im Widerspruch zu Elias zivilisatorischen Thesen, der gewalttätigen Reaktion auf Beleidigungen ein sozialer Sinn zugeschrieben. Differenzierend Fuchs, Um die Ehre, S. 326, der berechtigterweise anmerkt, ein langfristiger Gewinn sozialen Kapitals sei durch Prozesse nicht zu erreichen. Er beschreibt die paradoxe Haltung der Gesellschaft bezüglich Ehrstreitigkeiten: zwar wurde eine Reaktion auf Beleidigungen erwartet, doch prozessierende oder ständig im Streit liegenden Personen waren ebenfalls nicht sehr angesehen. 99 Fuchs, Um die Ehre, S. 330. 100 Winkelbauer, Injurien, S. 156, und Helm, Konfliktaustragung, S. 55 und 62, weisen darauf hin, daß Gerichte mit ihrer Fähigkeit, Beleidigungen aufzuheben und sie damit ungeschehen zu machen, eine wichtige Funktion für die Streitenden wahrnahmen. 101 Obwohl die Voraussetzungen für eine Klage vorlägen. Wenn man bei Bartels, Ehrverletzung, S. 109 ff. in der Kasuistik der Injurien blättert, fallen immer wieder Beispiele ins Auge, die in den Inquisitionsprotokollen behandelt werden: das Geben einer Ohrfeige, das Schlagen des Hutes vom Kopf, das Begießen der Kleidung mit ekelerregenden Stoffen, das Nichterwidern eines Grußes, das Androhen von Tätlichkeiten durch Aufheben eines Stockes oder Steines und durch Zücken einer Waffe. 102 Unter den Klägern finden wir Christoph Schowman, Bürger und Kaufherr von Straßburg und einen Pfarrherrn zu Umkirch, daneben zwei Frauen, für die eine körperliche Reaktion gegenüber männlichen Angreifern ebenfalls nicht in Frage gekommen wäre. Geklagt wird u.a. gegen Dr. Marquard und gegen Dr. Guth.

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ihre Ehre eher mit Gegenbeleidigungen oder Tätlichkeiten, insbesondere wenn der Gegner ein Alters- und Standesgenosse war. Zum hier untersuchten Zeitpunkt wählten vor allem die Personen den Klageweg, für die ein tätlicher Angriff keine Option gewesen wäre. Aber nicht nur sie entschieden sich dafür, wie die ebenfalls anzutreffenden Klagen einiger Studenten belegen. II. Körperverletzungen Im Untersuchungszeitraum finden sich insgesamt siebzehn Klagen, die sich mit schweren Körperverletzungen befassen: sieben in A 14/1 und zehn in A 14/2. Ganz überwiegend verlangten die Betroffenen Schadensersatz wegen vorsätzlicher Verletzungen, nur in einem Fall handelte es sich um einen Unfall; ein anderer Kläger forderte, nachdem er sich mit dem Verletzten privat vertragen hat, Ausgleich von weiteren Schädigern.103 1. Zivile Klagen vor dem Consistorium Bei den Klagen wegen Körperverletzung wurde keine einheitliche Formel verwendet, sondern wiederkehrende, aber jeweils verschieden formulierte Elemente. Wenn wir auch hier die formellen Vorbilder der Klagen im römischen Recht zu suchen haben, was nach den Beobachtungen bei den Ehrverletzungen wahrscheinlich ist, könnte dies auf die Ausformung zurückzuführen sein, welche die in Frage kommenden Klagen, die actio legis Aquiliae und die actio iniuriarum, im Lauf ihrer Rezeption angenommen haben. Ursprünglich war die actio legis Aquiliae (utilis) als Pönal- und Ersatzklage wegen Sachbeschädigungen konzipiert, doch ihr Anwendungsbereich erweiterte sich bereits im klassischen römischen Recht, so daß mit dieser Klage auch Ersatz der Kurkosten und des Erwerbsausfalls bei Körperverletzungen gefordert werden konnte. Klageformeln zur lex Aquilia sind nicht überliefert, auch nicht zu den prätorischen Erweiterungsklagen, den actiones utiles (ad exemplum legis Aquilae) und den actiones in factum. Für die Letzteren weiß man immerhin, daß an das konkrete Vorbringen des Klägers angeknüpft wurde.104 Im Laufe der Rezeption entwickelte sich die lex Aquilia zu einer allgemeinen Schadenser-

103

A 14/2, fol. 80v, 15.11.1567. A 14/1, fol. 139, 31.08.1549, Ferler & Reuter ./. von Dießbach & Mör. 104 Hausmaniger, lex Aquilia, S. 37 f.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

satzklage, wobei die ursprüngliche Einteilung in drei Kapitel und die klassische Unterscheidung in actio directa, utilis und in factum aufgegeben wurden.105 Auf Körperverletzungen konnte auch mit der actio iniuriarum reagiert werden, weil sie in bestimmten Fällen als Beleidigungen, sogenannte Realinjurien, zu qualifizieren waren. Der Anwendungsbereich wurde nach der subjektiven Einstellung des Täters ermittelt: Wenn er mit animus iniuriandi handelte, griff die actio iniuriarum.106 Bezüglich der Klagenkonkurrenz setzte sich in der Wissenschaft im Laufe des 16. Jahrhunderts die Auffassung durch, die actio iniuriarum sei neben der actio legis Aquiliae zulässig, weil letztere auf Schadensersatz, erstere auf Privatstrafe gerichtet sei.107 Advokaten begannen, die actio legis Aquiliae als eine Art Anhängsel der actio iniuriarum zu betrachten, und pflegten die beiden bei auf dolus beruhenden Verletzungen miteinander zu verbinden. Beim wenig dogmatischen Umgang der Praktiker mit den rezipierten Klagen mußte diese Mischung fast zwangsläufig zu uneinheitlichen Klageformulierungen führen, wie wir sie vor dem Consistorium beobachten können. a) Inhalt der Klagen In einer Schlägerei zwischen Studenten und Bäckergesellen wurde am 18.09.1549 der junge Bäcker Hans Neff am Kopf verwundet.108 Drei Monate später reichte sein Vater Dietrich Neff wegen der wundtat eine schriftliche Klage gegen Philipp Kraus ein, die in die Consistorialakten hineingelegt wurde. Unterzeichnet hatte sie Hans Gebwein, der Rechtsbeistand Dietrich Neffs. Einerseits verkörpert diese Klage geradezu beispielhaft die wiederkehrenden Elemente, zugleich geht sie aber ausführlich auf den zugrundeliegenden Sachverhalt ein. Lassen wir uns von den Topoi des gemeinen Rechts in die Gerichtspraxis des 16. Jahrhunderts versetzen, und betrachten wir die Konfliktlö-

105

Coing, Europäisches Privatrecht, S. 509, H. Kaufmann, Actio legis Aquiliae, S. 125. Da man die Rückberechnung beim Wertersatz aufgegeben hatte, entfiel auch der Grund für die Unterscheidung der einzelnen Kapitel der lex Aquilia. 106 Coing, Europäisches Privatrecht, S. 506. 107 H. Kaufmann, Actio legis Aquiliae, S. 104; Stryk, Usus modernus, Tomus I, Ad D. 9, 2, legem Aquiliam, § 16; zu den Klagekonkurrenzen im klassischen römischen Recht, vgl. Hausmaniger, lex Aquilia, S. 42f und Levy, Konkurrenz der Aktionen, S. 182 f. Auch hier konnten die beiden Klagen in bestimmten Fällen nebeneinander zur Anwendung kommen. Zur Entwicklung Wieling, Interesse und Privatstrafe, S. 255. 108 Inquisitionen in A 12/2 (LI1) sind hierzu nicht überliefert. Drei Tage später, am 21.10.1549, A 10/9, fol. 279, diskutierte der Senat darüber, ob Wilhelmus à Schwende und Philippus Kraus ad instantia Senatus huius oppidi propter laesione in pistore zu verhaften seien, entschied sich aber dagegen.

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sungsmodelle der vormodernen Gesellschaft aus der Perspektive eines Bäckers, dessen Sohn schwer verletzt worden war: Wiewol in den gaistlichen und weltlichen Rechten, ... vnd Satzungen so zu ... erhaltung guter policey ... versehen, daß menglich er seyche hochs oder gerings stands, den Anderen ... solle belaidigen, vil weniger etwas nachtailigen, schaden mit gefarlichem argem fürsatz weder an leybe noch gut zufiegen ... So hat doch sollichs hieoben gemelt alles vngeacht der beclagt Philipuss Kraus one Ainiche vorgende verursachung ... und mit arglistigem fürsatz ..., allhie zu Freyburg an dem hellen tag, auff freyen strassen und gassen bey der beck stuben, als er sein des clegers sun aus dem selbigen zunffthaus ... gen wöllen Zu Ruck vuersehentlich mit einem entblößten were, In sein Haupt wund und blut vlüssig geschlagen ... zu kainer gegenwer nicht komen mögen und also für halb thott in das Scherhaus gefiertt und gehandelt worden ... Wo glicher beschedigung halb er vil lieber So Er Eines sollichen vermögens an seinen zeittlichen habe und güttern zweyhundert gulden fürstatten wollt, dan den gleychen schaden an seinem leyb zu empfahen und ein grösseres darfür geben damit er deß empfangenen schadens von dem beclagten uberhhaben, In Ansehung das Ime durch solliche verwundung an seiner zeitlichen narung und sunderlich an dem gebrauch seines handwerks zu wellichem ime der vatter ... mit arbeit und kosten gezogen, einen freffenlichen Schaden und abgang zugefügt,109 ... begert demnach obgedachter cleger an statt seines suns durch Ewer Erwürde und gunst richterlichen Spruch, wie er auch verhofft erkennt zu werden, das dem beclagten, der zugefiegten mutwilligen beschedigung gegen sein des clegers sun sich zu gebrauchen mit kainen fugen noch rechten zu gestanden oder gebürt haben und derohalben in die begert sunen gelts der zweyhundert gulden von wegen sollich ... beschedigung vilgedachten beclagten Ime des clegers sun als den beschedtigten zu kondemnieren und ab zu richten schuldig sein, sprechen und erkennen neben außrichtung aller versaumnuß Artzetlon und allen anderen erlittenen Costen so ime deshalben auffgangen und künfftiglich uffgan würden.110

Die aus dem Original übernommenen Unterstreichungen stammen wohl vom Verfasser der Klage oder vom Universitätsnotar, der in der seitenlangen Klageschrift wichtige Aspekte hervorheben wollte. Neben diesen fallen zwei bereits vertraute Formulierungen ins Auge: Die anfängliche Umschreibung der Rechtsgrundlage, der weltlichen und geistlichen Rechte, sowie die Schätzungsformel er vil lieber zweyhundert gulden fürstatten wollt, wie sie bei Injurien109

Wird weiter ausgeführt: dann einmal kuntlich daß ein becker zur threibung seines handwerks ... der werme und des feuers sich gebrauchen, auch one dasselbe nichts rechtes ausrichten. So seie aber sein des cleger sun Hans Neb wegen der Kopfverletzung nicht mehr im Stande, die Hitze auszuhalten. 110 A 14/1, fol. 19, am 15.12.1548. Daß die Personenkonstellation an die oft zitierte Stelle D. 9,1,7 pr. erinnert – ein Vater klagt wegen Verletzung seines Haussohns auf Schadensersatz wegen ihm entgehender Einkünfte und der Heilungskosten – ist zwar ein Zufall, aber dennoch bemerkenswert.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

klagen verwendet wurde. Alle diese Elemente tauchen auch noch 1563 in der Klage von Gallus Beitzer gegen Jacob Cornes auf: Obwohl es in rechten verboten sei, habe ihn der Beklagte ohne Ursache oder Rechtfertigung auf offener Straße angegriffen und verwundet. Die Verletzung sei nicht nur schmerzhaft gewesen, als Folge könne er auch sein erlerntes Handwerk dauerhaft nicht mehr ausüben. Beitzer forderte 30 Gulden für schmertz, schaden und iniurii sampt allen costen so darauf gangen und noch gehen möchten, die er gern hergeben würde, wenn ihm dafür die Verletzung nicht widerfahren wäre.111 aa) Wollt er lieber verloren haben, dann solchen Schaden empfangen Diese Formulierung, die der Schätzungsformel bei Injurienklagen entspricht, findet sich noch in weiteren Klagen. So gibt der Küfer Michel Heid, der im Jahr 1552 in einer Auseinandersetzung mit M. Johann Rysinger eine Stichverletzung in der Bauchgegend erlitten hatte, zu Protokoll: wegen zugefügter schmach und empfangenem Schaden, artzlohn etc 200 gulden Reinisch, die wollt er lieber verloren haben oder ein viel höheres wann ers in vermegen hett, geben und bezahln, dann solchen schaden emfangen, doch ... richterlich tax und mutmaßung in allweg vorbehalten.112

111

A 14/2, fol. 54r, 26. Juni 1563: wiewol in rechten verboten, das keiner den anderen thätlicher weiß anfassen letzen oder verwunden soll so habe doch sollichs ungeacht Jacob Cornes ime cläger uff den achten Juni des lauffenden Jares allhie vor dem Falckenberg antroff, Ime unverschuldeter sach mit ploßer wher ahn dem haubt, angesicht und linken hand dermaßen verwundt und geschedigt, das man ime etlich hefft geben und er große schmertzen leiden muößen, und durch solliche verwundung, so ime an der hand beschehen sein wolerlernt handtwerck seiner lebtag nit treiben und wie zuovor brauchen mögen, Kläger viel lieber 30 g geben oder nit haben, ... begert zuoerkenne, das der beclagt ime 30 g für sollich schmertz, schaden und iniurii sampt allen costen so darauf gangen und noch gehen möchten. 112 A 14/1, fol. 298, 19.03.1552, Michel Heid, der Küffer ./. M. Johann Rysinger. Den Vorfall schildert der Kläger so: Ime cleger gleich uff den Kopff geschlagen das im sein hietlin empfallen und als sich der Kläger danach bückt das waidmesser im hinden in sein leib geworffen und bis uf den tod verwundt wie im dan die scherer kein leben zugesagt und sich des öffentlich hören lassen ... Heid macht nicht geltend, er könne sein Handwerk nicht mehr ausüben wie vorher, sondern verlangt nur Verdienstausfall. Aus einer Zeugenaussage in diesem Verfahren wissen wir, daß dies vermutlich den Tatsachen entsprach: und hab der Michel wol ein zeither etwas vom werken müssen abstan das er so schwach gewesen, stand aber jetzund nit mer ab ... A 14/1, fol. 312ff, 07.05.1552.

§ 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum

337

Wegen einer schweren Hiebverletzung am Bein klagt Sebastian Glaitz folgendermaßen vor dem Consistorium: die schmach und schad yme an seim leib zugefügt, für welche er kleger fordert 40fl. Im selben Atemzug korrigiert er die Summe nach oben, falls er nicht völlig genesen sollte, was nach Meinung seines Arztes zu befürchten sei: so anders möglich zuo widerlegen das er ganz fehig were als vorhin gewesen, geb er kleger gern 100 floren aus, [denn] der wundarzt sagt, er wollte ynen heißen, 100 floren und mehr dafür geben, dann es werde yme grossen schaden bringen ...113

bb) Das er sein handtwerck wie zuovor nit treiben könne ... Etliche Geschädigte trugen vor, die Verletzung habe das betroffene Körperteil dauerhaft geschädigt. Jacob Waffenschmid geht 1557 sogar noch etwas weiter, indem er behauptet, der Kläger habe ihm das Haupt dermassen verwundt das er seiner vernunft nit mege gebrauchen wie hievor.114 Häufig wird fortgefahren, diese Schädigung habe zu vorübergehendem oder dauerhaftem Verdienstausfall geführt, da der Verletzte sein Handwerk oder seine Arbeit nicht so ausüben könne wie vorher. Von dem Bäcker Hans Koch hört das Gericht, die beklagten Studenten Metzler und Vögelin hätten dem bedauernswerten Kläger fünff zen uß dem mund gschlagen, von welchem er ahn seiner sprach gehindert werde und ahn seiner arbeit seines handwerks versaumbt. Dafür fordert er 100g sampt bekerung costens, und schadens, auch schererlon und versaumbtnuß.115 Auch Lienhart Scherer, der in eine Schlägerei mit gleich vier Studenten geriet, war ein Bäcker. Er schildert seine Verletzung wie folgt: sie haben ihn unverschuldeter sachen den vierten diß Monats augusti uff seiner Schwesters acker angefallen, ime geschlagen, ... und in diesem tumult hab einer dieser vieren einer ime den mittelfinger ahn der Rechten hand dermaß geschedigt und verbißen, das er beck sein handtwerck wie zuovor, nit treiben könne, für diesen unwiderbringlichen schaden begertt er zweyhundert guldin ime zuorerkenndt werden, sampt abtrag kostens, ...116

Während die beiden Bäcker dauerhafte Beeinträchtigungen geltend machen, finden wir ähnliche Formulierungen auch für zeitweisen Verdienstausfall und 113

A 14/1, fol. 237, im Klaglibell, eingereicht 10.05.1550. A 14/1, fol. 438, 04.09.1557, begert deshalb xx gulden. Daß Waffenschmid den Beklagten an erster Stelle zur Zahlung seiner Schulden auffordert, dann erst zur Verletzung kommt und für seinen Verstand nur 20 Gulden veranschlagt, läßt Zweifel an der Schwere der Verletzung aufkommen – oder gerade nicht ... 115 A 14/2 , fol. 4r, 12.07.1561. 116 A 14/2, fol. 91v, 12.08.1570. 114

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

Aufwendungen. Darauf zielt beispielsweise die Klage von Agnes Haffnerin gegen Dr. Hieronymus Olzignanus ab: So dan klagt sie, der Doctor und sein fraw haben sie fast geschlagen vnd mißhandlet, ir die Kleider verrißen etc. deshalb sie krank geworden, vnd sunst das sie nit dienen mögen in Verlust kommen, verzeren muoßen etc begert dafür 6 guldin.117

cc) Daran tat er unrecht ... Andere Klagen enthalten lediglich die Behauptung, der Beklagte habe den Kläger rechtswidrig verletzt. So behauptet der Schneiderknecht Wolff Waldvogel von Hugo von Frankenmundt, das er ime verwundt, und ligenden geschlagen zum theil, deshalb begert er xx gulden für alle ansprach, weil er ihm daran unrecht gethan ...118

Hier faßt sich der Notar und wohl auch der Kläger in Sachverhaltsschilderung und Klagebegründung gleichermaßen kurz. Wie wir später auch bei den Klagen wegen Sachbeschädigung sehen werden, reicht dies zur Erhebung der Klage und zum Beginn eines Verfahrens aber völlig aus. Ausführlicher formuliert der Schreiner Mathis Huober seine Klage, wobei er das Unrecht des Beklagten aus einer loblichen Rechtsvorschrift ableitet: wie woll loblich versehen, das keiner den andern on erortteret Rechtens verletzen soll, etc. so habe doch Johann von Hendschuochsheim Ine clegeren uff Anthoni im 60. Jahr119 mit sampt vieren consorten übel verletzt ... Dafür begert er von dem

117 A 14/2, fol. 60v, am 27.11.1563. Mit der Klage werden zwei unterschiedliche Forderungen geltend gemacht. Neben dem Ersatz für die körperliche Beeinträchtigung streiten die Parteien über die vereinbarte Dauer und Bezahlung des Arbeitsvertrages der Dienerin. Im übrigen erscheint die geforderte Summe recht hoch, gemessen an der vermutlichen Schwere der körperlichen Beeinträchtigung. Aus dem Rest der Klage ergibt sich nämlich, daß die Haffnerin als Jahreslohn acht Gulden bekommen hätte. 118 A 14/1, fol. 437, 21.08.1557; ausführlicher dargestellt und begründet im nächsten Termin, 04.09.1557, fol. 438, in welchem Cunradt Hüttschler in seinem Namen schließt: Hoff es werd erkennnt das er daran vnrecht than vnd ime deshalb solle für versaumbnis, artzlon costen vnd schaden xx gulden bezalen. Antworter bekhent wol das er ine geschlagen, aber nit ligende, bestende im fallen und er sei wol bezecht gewesen; im nächster Termin wurde wegen Injurien eine Gegenklage auf 50 Gulden erhoben. 119 17.01.1560: A 12/2 (LI1), fol. 344v ff. Inquisitionen am 19.01.1560. Zum vorangegangenen Arrest siehe Erster Teil § 4 II. 2. b).

§ 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum

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Henschuochseimer 50 thaler, mit bekerung und abtrag costens und schaden, auch schererlon und versaumbtnus.120

Der Goldschmiedegeselle Bestell hingegen streicht besonders deutlich den Zusammenhang zwischen der Unrechtmäßigkeit der Verletzung und der Verpflichtung zum Schadensersatz heraus: Es hab sich uff den andern Januarii ... gegen abend begeben das er Goldtschmid von ime Caminga ... angethast, frävenlich erfordert und unschuldigerweiß geschlagen und verwundt worden, habe er dem scherer so ime geheilet sechs guldin geben muoßen, dweil er Caminga hierinn gefrävelt und unrecht gethan, seie sein ... begeren, mit Recht zuoerkennen, das er Caminga ime die sechs guldin schererlon abtragen und bezalen solle, sampt abtrag costens und schadens.121

Dies ist im Übrigen der einzige Fall vorsätzlicher Verletzung, bei dem sich der Kläger auf die Forderung von Kostenersatz für die Heilung und Rechtsverfolgung beschränkt und nichts für die Verwundung an sich verlangt. dd) Sampt abtrag costens und schadens Wie auch immer die Forderung der Hauptsumme formuliert ist, regelmäßig findet sich der ergänzende Zusatz sampt abtrag122 costens und schadens, der zum Teil auch zukünftige Schäden umfassen soll. In manchen Klagen wird er noch weiter präzisiert mit bekerung und abtrag costens und schaden, auch schererlon und versaumbtnus, um ausdrücklich auf die verletzungsbedingten Kosten hinzuweisen.

120

A 14/2, fol. 21r, 24.01.1562. Als er nach etlichem Hin und Her um die Vertretung der Beklagten am 11.04.1562, fol. 27v, seine Klage wiederholt, fügt auch er an, die Verletzung sei im Zum hochst ahn seinem handtwerck nachtheilig. 121 A 14/2, fol. 83v, 29.01.1569. Randanmerkung: dise sach ist vertragen. Inquisitionen hierzu am 04.01.1569, A 13/1 (LI2), fol. 334 ff. 122 Zum Begriff Abtrag vgl. Ebel, Goslarer Ratsurteilsbuch, S. 54. In der Terminologie dieser Quelle bezeichnet der Abtrag die an die Obrigkeit zu entrichtende Strafe bei Körperverletzungen. Aus Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 1, Sp. 140 ergibt sich allerdings eher die allgemeine Bedeutung „Bezahlung“ und zwar sowohl einer Strafe als auch einer Schuld, hier findet sich sogar ein rechtliches Beispiel: losprechen mit kosten und schaden abtrag.

340

Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

b) Die Sententiae definitivae des Consistoriums In siebzehn vor dem Consistorium ausgetragenen Konflikten ergingen acht Urteile.123 In vier Fällen läßt sich eine Einigung der Parteien nachweisen, in einem Fall kam es nach der Klageaufforderung des Schädigers nicht zum Prozeß.124 Bei vier Konflikten ist in den Akten kein Abschluß festzustellen, bei zweien davon am Ende von A 14/1 könnte dies an Überlieferungslücken liegen. Der Zeitraum zwischen Klageerhebung und Urteil fiel unterschiedlich lang aus. Ein Konflikt wurde sofort entschieden, allerdings handelte es sich um eine versehentliche Verletzung und um einen verhältnismäßig geringem Streitwert. In den anderen Fällen vergingen zwischen 9 und 82 Wochen bis zum Endurteil. Zwei Prozesse dauerten über ein Jahr, drei etwas unter einem halben,125 zwei wurden nach ungefähr vier bzw. zwei Monaten entschieden. Betrachten wir die Urteile des Consistoriums genauer: Inwieweit wurde den Forderungen der Kläger entsprochen? Grundsätzlich umfassen die Verurteilungen wegen Körperverletzungen drei Teile. Erstens wird in der Regel eine Kompensation für die Verletzung zugesprochen, zweitens wird dem Beklagten die Zahlung von Kosten und Schaden des Klägers auferlegt, und drittens behält sich die Universität eine Strafe für die Delinquenten vor. Dietrich Neff hatte im Namen seines Sohnes Hans wegen einer schweren Kopfverletzung 200 Gulden von Philipp Kraus gefordert. Nach über anderthalbjährigem Rechtsstreit entschied das Consistorium, das dem Beklagten solche beschedigung und handlung gegen den Kleger nit gebürt hab und deshalb bemelter Philipp Kraus als antwortter vnd M. Jacob Plow als procurator ... in zwelf gulden zu condemnieren seien, wie wir sie ouch hiemitt 123 Eines davon betraf den Ausgleich unter mehreren Schädigern, A 14/1, fol. 139, 31.08.1549. Alle vier hatten einen Handel mit einem Goldschmiedegesellen, der verletzt wurde; die beiden Kläger haben sich mit ihm vertragen und für alle costen, schaden vnd ansprach 14 Gulden bezahlt, sie wollen nun einen Ausgleich von den anderen beiden Schädigern, daß sie als billich inen an den 14 erlegt gulden als mittdether gleiche bürden dragen sollten. 124 A 14/2, fol. 76v, 29.10.1566, Kaufft Consistorium von Evander und Merula, den „Beklagten.“ Kepner wurde am 13.10.1566 von etlichen Personen auf der Gasse geschlagen und verwundet und hat Evander und Merula dessen in argwon und arrestieren lassen. Diese behaupten nun, sie seien unschuldig, er soll uff sie bede clagen so er zu klagen hat. Es handelt sich um eine Art Provokationsklage. Der Arrest gegen Evander und Merula wird aufgehoben, nach der Bestellung eines Prokurators dürfen sie sogar die Stadt verlassen. Nachdem der Prokurator den „Kläger“ zweimal ergebnislos vor das Consistorium zitiert hat, brechen die Aufzeichnungen ab. 125 Darunter die Klage auf Ausgleich unter den vier Schädigern. 31.08.154908.02.1550, ca. 23 Wochen.

§ 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum

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condemnieren und allweg costens, atzung, und schererlons, die wir nachfolgende maß taxiert haben ... [es folgt eine ausführliche Auflistung aller Auslagen] Wellen die herren der Universitet ir straff gegen Philipp Kraus, dem Beklagten, in allweg vor behalten haben.126

Die gerichtliche Kostenfestsetzung enthielt die Ausgaben für die ärtzliche Behandlung, den verletzungsbedingten Verdienstausfall und Lebensunterhalt während der Genesung. Hinzu kamen die Kosten der Rechtsverfolgung, welche Botengeld, Kosten für Rechtsbeistände, Gebühren für Ladungen, Zeugenverhöre, Anwaltsbestellung und die sachverständige Schätzung der Verwundung umfaßten. Alle Posten lassen sich – im Wortsinn – auf Heller und Pfennig beziffern. Glücklicherweise hat der Schreiber das Ergebnis seiner Addition, 31 Gulden, 6 Schillinge und 6 Pfennige am Rand notiert, was uns die komplizierte Umrechnung erspart. Die zu zahlende Summe setzte sich aus 12 Gulden für die beschedigung und handlung und 19 Gulden costen, atzung, und schererlon zusammen. Zu den in der Klage – zusätzlich zur Kostenerstattung – geforderten 200 Gulden ergibt sich folglich ein himmelweiter Unterschied. Der Beklagte zahlte nicht und wurde nach etlichen Citationen und Executoriales periurium erklärt.127 Damit war das Verfahren vier Jahre nach der Verletzung beendet, was für einen vor dem Consistorium ausgetragenen Konflikt eine sehr lange Zeitspanne ist. Das Urteil in der Sache Glaitz ./. Schlebeck ähnelt dem gerade besprochenen sehr, obwohl die Klagformel und der Verfahrensablauf abweichen. Glaitz hatte sich im Bezug auf die Summe, die er für seine Beinverletzung128 einklagen wollte, nicht genau festgelegt und und 40 bzw. 100 Gulden je nach Schwere der Spätfolgen verlangt. Außerdem sollte der Beklagte seine Kosten übernehmen. 126 A 14/1, fol. 256, 12.07.1550. Die Kosten, die Neff wegen der Verwundung und dem Rechtsstreit entstanden sind: Erstlich vie die versampnus und atzung die 8 woch 4 g / Item vie den erkannth lon von den meisteren deß handtwergs den zweien scherern so ine Hans Neff geheilt 8 g / Item vie das bottgelt den meistern des schererhandtwerks geben 4 batze 2 rf / Item vie abschrifften und citationen so anwalt dem notario geben 12 ß 2 rf / und vie verherte kundschafft dem notario geben 10 ß / Item Hansen Gewein als anwalt fir sein gehapte arbeith in dieser Handlung 2 g / Item vie citire gelt d pedellen und stattknecht gegeben 2 ß 10 rf / Item vie des so den 4 meistern gegebn als sie Hansen neb besichtigt 2ß / Item vie die constitutio als Dietrich Neb sein anwalt geordet 1ß / Item dem Herrn advocat vie sein gehapte mhie und arbeith dieser handlung 3g. 127 A 14/1, am 29.10.1552, vier Jahre nach der Verletzung. Kraus hatte in einem Brief, gütlich termin und Ratenzahlung angeboten, doch der Kläger wollte dies nicht annehmen: begert nach Ordnung und Gebrauch der Statuten fortzufahren, Rektor und Consistorium erkannten Kraus wegen viefältigen Ungehorsams meineidig und periurie. 128 A 14/1, fol. 234ff, der schenkel ist mir schier abghauen ... Aus seiner Petition: der scherer war übel besorgt er müßt sterben aber mit der hilf gottes geheilt worden, wird aber sein Leben lang hinken.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

Zunächst wurde ein gerichtlicher Vergleich geschlossen.129 Nachdem aber der Beklagte die vereinbarten Bedingungen nicht eingehalten hatte, begann das streitige Verfahren erneut und wurde am 05.07.1550 durch Endurteil entschieden: das beklagtem solche Beschedigung gegen den cleger nit gezimpt noch gebürt hab und deshalb beklagter dem cleger seiner clag halb in 10 gulden zu condemnieren sei wie wir ouch mit diesem unserem rechtlich spruch condemnieren und fellig erkennen sampt abtrag der beschedigung und dieser rechtfertigung halb auferloffene costen und schad, doch derselbig tax und maßigung uns hiemit zusampt der geburlich straf gegen den mißhandler vorbehalten.130

Wie im ersten Fall behielt das Gericht der Universität eine Bestrafung des Täters vor.131 Die Urteilsbegründung ist auch hier mager; sie besteht in der schlichten Feststellung, die Verletzung sei unrechtmäßig erfolgt und habe darum dem Täter nicht gebührt. Insofern ist sie das Spiegelbild eines wiederkehrenden Klagebestandteils, in dem behauptet wird, der Beklagte müsse Ersatz leisten, weil er mit der Schädigung Unrecht tat. Wiederum gliedert sich die Urteilssumme in zwei Teile, zum einen 10 Gulden für die Verletzung, zum anderen alle Auslagen des Klägers, also die Heilungs- und Rechtsverfolgungskosten. Wie im Fall Neff ./. Kraus nahm das Gericht sogleich die Kostenfestsetzung vor,132 und wie dort übersteigen die Kosten mit ca. 17 Gulden den anderen Teilbetrag, wobei jeweils Heilungskosten und Verdienstausfall den größeren Anteil von 12 bzw. 15 Gulden ausmachen. Insgesamt sollte Schlebeck ungefähr 27 Gulden an den Kläger zahlen, wofür er terminum iuris, also 14 Tage, zur Zahlung oder Pfandhinterlegung erhielt. Da er nicht zahlte, mußte der Kläger versuchen, das Urteil zwangsweise vollstrecken zu lassen.

129

A 14/1, fol. 240, 10.05.1550. A 14/1, fol. 257 f. 131 Diese erfolgte auch. Im Fall Schlebeck A 10/7, fol. 529, 15.07.1550, Super exceßu Absalon Schlebeck contra Sebastianus Glaitz et super eiusdem excessu ... feria pentecostas propter lupanare ... punitus pena carceris in 6 diebus. Im Fall Kraus, fol. 531, diesselbe Sitzung, unleserlich. acta consistorialia admissit punatur contra digne. Da sich eine Entlassung aus dem carcer zwar für Schlebeck, fol. 539, 25.07.1550, nicht aber für Kraus nachweisen ließ, wurde gegen ihn wohl keine Haftstrafe verhängt. 132 A 14/1, fol. 258. Und seindt die gerichts costen lauth obergang diffinitiva ... volgend maß taxiert ... worden: Item dem scherer vie verwundung und atzung 6 wochen: 12 g / Item vie die atzung in dem wirtzhus 10 tag: 2 g / Item vie die appotek 1 g vie artzney / Item sein vatter zeholen bottlohn 17 batz / Item vie arrest und citation bottlon 1 ß / Item dem Scherern so In zuerst besehn 2 ß / Item dem Scherern bottgelt 4 batz / Item dem procuratori 4 ß / Item dem Notario 2 batz. Alles zusammen ergibt (1f=15b=12ß6d) ca. 17 Gulden. 130

§ 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum

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Mathis Huober der Kistler hatte von Johannes von Hendschuochsheim 50 thaler, mit bekerung und abtrag costens und schaden, auch schererlon und versaumbtnus133 verlangt. Im Urteil wurde ihm die Hälfte dieses Betrags zugesprochen, Heilungs- und Gerichtskosten werden in diesem Fall wieder als gesonderter Posten hinzugeschlagen.134 Der Beklagte appellierte gegen das Urteil. Die höchste Summe wurde im Fall M. Martin Has ./. Abraham und Arnolph Montanus gefordert: dweil die beclagten den cläger ... uff den tod verwundt und geschädigt, das sie ime für diesen schaden vorbehalten Richterliche tax, 1400 floren zu geben schuldig.135 Auch das Urteil lag in seiner Höhe weit über allen anderen: ist nach ... und schetzung deß angeclagten schadens136 zuo recht erkannt, das Beklagten den Kleger geclagter maßen zuoschlagen, ahn seinem leib und haubt zuoverwunden und zu schadigen, keins wegs gebürtt, sunder darahn zuoviel und unrecht gethan, und deßhalben ime dem Cläger ... für den schaden ime in dem haubt zuogefuögt acht hundert guldin sampt dem schererlon und costen so von seinetwegen in curatione vulnerum auffgangen zuoerlegen ... schuldig, auch ime dem Kläger würcklichen erlegen und bezahlen, darzuo aller diser sachen halben ufferloffnen kosten nach Richterlicher tax und mäßigung erstatten und abtragen sollen.137

Neben 800 Gulden für den schaden ime in dem haubt zuogefuögt, sollten die Beklagten Heilungs- und Rechtsverfolgungskosten nach gerichtlicher Festsetzung bezahlen. Hinzu kamen die Gerichtskosten für die erfolglose Gegenklage der Brüder de Monte, die ihnen allein auferlegt wurden.138 Trotz dieser exorbi133

A 14/2, fol. 21r, 24.01.1562. A 14/2, fol. 39v, 24.10.1562, uff clag, antwurtt, fürgebracht vnd verhörtter kunfschafft, Exception, Replic Duplic etc vnd allem fürbringen auch gethanem Rechtssatz, zuo Recht erkannt das der beclagt dem Kläger für diese Ansprach 25 thaler zuogelten ... schuldig sein solle, mit Bekerung und abtrag costens und schadens doch richterlicher tax und mutmaßung vorbehalten. Die Taxierung findet sich in diesem Fall nicht in den Akten, wahrscheinlich weil der Beklagte sofort appellierte. 135 A 14/2, fol. 86v, 10.09.1569, vermög libels weitteren inhalts. Die Klageschrift ist in den Akten nicht erhalten. 136 Vor der sententia diffinitva vermerkt der Notar: Als die scherer M. Martin Hasen beschedigung uff ein dausent guldin gewürdiget, Ist uff heutigen tag volgender sentenz von dem Consistorio eröffnet worden. 137 A 14/2, fol. 90v, 01.03.1570. 138 [Rand: Sententia diffinitiva] In sachen der Reconvention zw Abraham und Arnophus de Monte gegen clägern und M. Martin Has gegen beclagtem ... ist erkannt, das der gegenbeclagt ... den gegenclägern ... uff ir eingefürtten gegenclag nichts zuothuon oder zuobezahlen schuldig sunder von derselben zuoabsolvieren seye wie man auch ime hiemiet absolviert und ledig erkennt, und sie gegencläger den gerichtscosten diser 134

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

tanten Summen dauerte der Prozeß nur 23 Wochen und war damit erheblich kürzer als die Verfahren Neff ./. Kraus oder Heid ./. Rysinger mit viel geringerem Streitwert. Auch im Fall Has ./. de Monte appellierten die unterlegenen Beklagten. Dem Vermerk über die Appellation entnehmen wir, daß sie sofort nach der Urteilsverlesung eingereicht wurde.139 Bei der strafrechtlichen Beurteilung wurden beide Parteien vom Senat bestraft, wobei der Verletze Has mit einer niedrigeren Geldstrafe davonkam.140 Lienhart Scherer der beck klagte 1570 auf 200 Gulden sampt abtrag kostens, weil ihm einer der Beklagten den Mittelfinger der rechten Hand derartig verletzt habe, das er beck[er] sein handtwerck wie zuovor nit treiben könne. Im Urteil heißt es, es habe den Beklagten keins wegs gezimbt noch gebürt [den Kläger zu schädigen] sunder daran unrecht gethan ... derhalben zu abtrag des Schadens 40 guldin, wie dan die geschworenen meister und wundartzt allhie solchen schaden nach besichtigung ... geschetzt ... erlegen und bezahlen darzuo auch den schererlon außrichten und allen diser sach halben ufferloffnen gerichtscosten nach richterlicher tax ... abtragen und erstatten sollen.141

Die so Verurteilten appellierten zwar nicht, aber sie befolgten das Urteil auch nicht, so daß der Kläger die Vollstreckung betreiben mußte. In einem Fall aus dem Jahr 1552 wurden die Kosten in die Gesamtsumme mit aufgenommen. Im Verfahren Michel Heid ./. M. Johann Rysinger142 hatte der durch ein Messer im Leib verletzte Küfer für schmach und schaden 200 Gulden gefordert, wie Lienhart Scherer 18 Jahre später. Das Consistorium entschied das gedachter M. Hans Rysinger dem vogt namens seines vogtsons [i.e. Michel Heid] für schererlon, atzung, schmertzen, versaumbnus, angezogne schmach und

reconvention halb ufferloffen dem gegenbeclagten nach rechtlicher mäßigung widerlegen und abtragen sollen. 139 Nach angehörten diesen Sentenzen haben die beiden de Monte für und ahn den hochwürdigen fürsten und herrn, herrn Marckh Sittichen Cardinal und Bischoff zu Constenz sich beruöfft und appelliert auch apostolos begert etc. 140 A 10/9, fol. 316, 27.02.1570, Abrahamus et Arnolphus fratres propter tumultum excitatum cum M. Martino Has, de quo s folio 149 punitur ab Universitate in viginti coronatis, ad ipsorum tum petitionem decem sunt remissi, et decem soluti. M. Martinus debebat exoluisse tres coronatos, qui nisi unum et arma pro poena dedit. 141 A 14/2, fol. 93v, 02.12.1570. 142 A 14/1, fol. 298, 19.03.1552.

§ 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum

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alle ansprach und vorderung wie die in der convention bestimmt ... bezalen sölle vierzig und fünff gulden rheinischer 25 plappart für den gulden143

Die Gerichtskosten sollten die Parteien jeweils selbst tragen. Die Gegenklage wurde abgewiesen,144 und die dafür entstandenen Kosten sollten dem Gegenbeklagten Heid erstattet werden. Nachdem die Prozeßgewinner monatelang auf die zugesprochene Summe gewartet hatten, verlangten sie am 14.01.1553 die Vollstreckung des Urteils. Im Gerichtstermin einigten sich die Parteien auf Ratenzahlung.145 Die Klage wegen einer versehentlichen Verletzung fällt in mehrfacher Hinsicht aus der Reihe. Zum einen wegen ihres Gegenstandes, aber auch, weil sie sofort entschieden und ihr vollständig stattgegeben wurde. Die Vorgeschichte ist rasch erzählt: Zwei Studenten hatten kurtzweilet und mit stecken spilt, wobei der eine den anderen mit dem Stock am Auge verletzt hatte. Nun klagte M. Johann Kailt als praeceptor des verletzten Reinharts von Dienheim gegen Johann Heinrich Vogel auf Ersatz der Arztkosten in Höhe von 23 Batzen, ca. 1 ½ Gulden, samt Abtrag für erlittenen schmertz. Der Beklagte erwiderte sollichs seye ungeferd hinderwertz mit dem stecken beschehn und der verletzt seye selbs ursach ahn sollich.146 Das Gericht entschied sofort, der Beklagte soll 23b artzlohn sampt abtrag diß Consistoriums ufferloffen Costen und schaden bezahlen. Ob damit auch das Schmerzensgeld zugesprochen wurde, ist nicht eindeutig zu erkennen. Es scheint nicht der Fall zu sein, da der abtrag den Ersatz der Gerichtskosten meint und das Gericht keinen Betrag für die Schmerzen festlegte. Möglich wäre allerdings, daß das Schmerzensgeld in den 23 Batzen enthalten war. Die andere Besonderheit dieses Urteils ist seine Bestandskraft: Es ist das einzige, das weder mittels einer Appellation angefochten, noch zwangsweise vollstreckt wurde.

143

A 14/1, fol. 324, 10.09.1552. Das Veit Geßler In namen und von wegens seines vogtsons [Heid] M. Steffen im Namen seines principaln [Rysinger] ... nichts zuthun schuldig sunder von derselben ledig und absolviert sein sollt, ... und das M. Stephan als Anwalt, gedachtem Geßler den costen Ime dieser gegenclag halb ufferloffen nach unser rechtlicher tax und mutmaßung ... erstatten sölle. 145 A 14/1, fol. 343. 146 A 14/2, fol. 80v, 15.11.1567. 144

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

c) Wertung der Urteilselemente aa) Theorie und Praxis Die von der Wissenschaft seit dem 19. Jahrhundert aufgeworfenen Fragen nach Spuren eines pönalen Charakters ziviler Klagen stellen sich bei deliktischem Handeln in besonderem Maße: Findet sich in den Urteilen des Consistoriums eine Verknüpfung von Entschädigungs- und Straffunktion wie sie für die Privatstrafe typisch ist? Ein Überblick über den Forschungsstand wird dadurch erschwert, daß gerade in den entscheidenden Wertungsfragen keine Einigkeit besteht. Schon der ursprüngliche Sinn der Buße in den Germanenrechten ist umstritten. Stellte sie eine Bestrafung oder einen Ausgleich dar?147 Wahrscheinlich vereinigte die Buße mehrere Funktionen, schließlich ist die Leistung einer Gruppe an eine andere beides zugleich, denn der Ausgleich für die einen bedeutete Verlust und Einbuße für die anderen. So verbanden sich Genugtuungs- und Ersatzfunktion, die in der historischen Betrachtung unterschiedlich stark hervorgehoben und jeweils als charakteristisch angesehen wurden und werden. Auch auf dem Gebiet des römischen Rechts stoßen wir auf offene Fragen. Bis heute ist nicht geklärt, ob bereits im klassischen römischen Recht auch Ansprüche wegen der Verletzung freier Menschen geltend gemacht werden konnten oder ob es sich bei den darauf hindeutende Stellen um Interpolationen handelt.148 Sicher ist allerdings, daß weder Narben- oder Verunstaltungsgeld noch das damit verwandte Schmerzensgeld verlangt werden konnten,149 da man die Gaius-Stelle D. 9, 3, 7: Cicatricum autem deformitatis nulla fit aestimatio, quia liberum corpus nullam recipit aestimationem auf die lex Aquilia bezog. 147

Da die Zahlung der Buße erst Fehdehandlungen, dann die peinliche Bestrafung abwenden konnte, liegt es nahe, sie funktional als eine Art Strafe zu verstehen. Schild in HRG 5, Wergeld, Sp. 1269, sieht ihren Sinn in der Einbuße an Bedeutung, Rang, Ehre, sozialem Ansehen der leistenden Sippe. Er bezeichnet die Ansicht von E. Kaufmann, ebenfalls in HRG 1, Buße, Sp. 576, die Buße könne mit einem zivilrechtlichen Schadensersatz (der auch die Kränkung als immateriellen Schaden mit einschloß) verglichen werden, als schief. 148 Zur lex Aquilia im römischen Recht vgl. Hausmaninger, lex Aquilia, sowie Kaser, Römisches Privatrecht, S. 161 und 619 f. S. 622 führt Kaser aus, die aquilische Haftung sei bereits in klassischer Zeit auf die Verletzung freier Personen mindestens in Ansätzen erstreckt worden. A. A. Hausmaninger, Lex Aquilia, S. 36. Spätestens durch die Kompilatoren Justinians wurde diese Erweiterung aber vollzogen. 149 Nehlsen-von Stryk, Schmerzensgeld ohne Genugtuung, S. 120.

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Allein im Rahmen der Injurienklage, die eine vorsätzliche Begehungsweise voraussetzte, war bis zu einem gewissen Grad der Ersatz einer immateriellen Beeinträchtigung möglich gewesen. Sowohl die actio iniurarum als auch die actio legis Aquiliae waren im römischen Recht Strafklagen, d. h. sie waren zumindest neben dem Ersatz entstandener Schäden auch auf eine poena gerichtet. Von rein sachverfolgenden Klagen unterschieden sie sich in verschiedenen Aspekten, vor allem durch Kumulation bei passiver Personenkonkurrenz und die passive Unvererblichkeit.150 Hinzu kommt – von manchen Autoren als entscheidend herausgestellt – , daß durch die poena mehr als der Schaden der Verletzten ausgeglichen, nämlich der Schädiger spürbar ärmer gemacht werden sollte. Bei der actio legis Aquiliae manifestierte sich der Strafcharakter in der Leugnensstrafe und in dem möglichen Mehrwert, den der Geschädigte durch die Rückberechnung des Sachwertes erzielen konnte. Schon die Glossatoren begannen damit, den Strafcharakter abzuschwächen.151 Auch mit ihrer Befürwortung einer Haftung für Tötung auf Grundlage der lex Aquilia und der Einführung eines Unterhaltsanspruchs der Hinterbliebenen wichen sie von den römischen Quellen ab.152 Im Zuge der fortschreitenden Rezeption gewann der sachverfolgende Charakter der actio legis Aquiliae mehr und mehr an Gewicht, während die pönalen Elemente zurückgedrängt wurden.153 Sie richtete sich primär auf Schadensersatz, konnte aber mit der actio iniuriarum, die noch Pönalklage war, kombiniert werden.

150 Kaser, Römisches Privatrecht, S. 502, 612. Wieling, Interesse und Privatstrafe, S. 240 f. Solche Strafelemente lassen sich am Consistorium nicht nachweisen. Klagen gegen den Erben des Verletzers kommen nicht vor. Der Bäcker Lienhart Scherer hatte vier Studenten verklagt; sie werden als consorten bezeichnet und im Urteil gemeinsam verpflichtet, zuo abtrag des zuogefügten schadens viertzig guldin, wie die geschwornen meister vnd wundartzet ... sollichen schaden ... geschetzet zu zahlen, wobei von einer gemeinsamen Schuld ohne Kumulation auszugehen ist, A 14/2, fol. 93v, 02.12.1570. Aus der Ausgleichsklage zwischen vier Schädigern, von denen sich zwei mit dem Opfer vertragen hatten, ergibt sich mittelbar, daß der Grund, zu einer Zahlung an den Verletzten verpflichtet zu sein, darin lag, Mittäter und causa principalis der Verwundung gewesen zu sein. Grundsätzlich teilten sich mehrere Schädiger die Gesamtsumme. A 14/1, fol. 203, 01.02.1550, im strittigen Fall hatten nur zwei dem Vertrag zugestimmt, ein Dritter behauptete, an der Verletzung unschuldig zu sein. 151 Lang, Schadensersatz und Privatstrafe, S. 130. 152 Wieling, Interesse und Privatstrafe, S. 132 f.; Lange, Schadensersatz und Privatstrafe, S. 59 f. Beide zitieren Durantis, Spec. Lib. 4, Pratic. 4, de iniuriis et damno dato § 2. seq. n. 3. 153 Wieling, Interesse und Privatstrafe, S. 254, Lange, Schadensersatz und Privatstrafe, S. 133; etwas vorsichtiger H. Kaufmann, Actio legis Aquiliae, S. 21 f. Zasius, Opera Omnia, E, c. 124, n. 10 f. (Band IV, S. 64) bezeichnet sie noch als actio mixta ex re & poena und argumentiert mit der Leugnensstrafe und der Rückrechnung. Bei der Klagenkonkurrenz schreibt er allerdings Actio iniuriarum ex affectu datur, Lex vero Aquilia ad damnum. Zasius, Opera Omnia, C, c. 1005, n. 3 (Band III, S. 506).

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Zum Zeitpunkt unserer Untersuchung sind die unterschiedlichen Wurzeln der Urteilsbestandteile noch dicht unter der Oberfläche der Gerichtspraxis spürbar. Neben, oder besser in den rezipierten Klagen lebten die alten Bußen fort. Dabei zeigt sich, noch deutlicher als bei den Klageformeln, die Spannung zwischen romanisierter Theorie und bodenständigerer Praxis. Da die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Spannung ein Leitmotiv des usus modernus pandectarum war, lassen sich die Urteile des Consistoriums anschaulich mit eine Stelle aus Carpzovs Practica Nova illustrieren. 100 Jahre nach unserem Untersuchungszeitraum versuchte er, gelehrter und praktischer Jurist zugleich, römisches und einheimisches Recht sowie Praxis und Theorie zu harmonisieren. Bei der Behandlung der Realinjurien führte Carpzov aus, der Verletzer sei zu dreierlei verpflichtet, zur Buße, zum Interesse und zur Strafe: Ad tria nempe vulnerans obligatus est, scilicet ad Emendam, Interesse, et Poenam.154

Diese drei Punkte korrespondieren mit den am Consistorium festgestellten Urteilsbestandteilen. bb) Die Bestandteile der Consistoriumsurteile Am leichtesten fällt das Verständnis des zweiten Postens, den Carpzov mit Interesse, unsere Urteile mit „Kosten und Schaden“ bezeichnen. Secundo, tenetur quoque vulnerator ad INTERESSE, quia aequissimum est, ut vulnerator resarciat vulnerato mercedes medicorum & impensas curatione factas, una cum operis, quibus ipse caruit, & adhuc cariturus est per tempus vitae suae, propter debilitationem membrorum ...155

Hierunter fallen in den Entscheidungen des Universitätsgericht der Arztlohn, sonstige Heilungskosten156 und Verdienstausfall. Während seltener eine Summe für die Schmerzen beziffert wurde, kamen in allen Fällen die Rechtsverfolgungskosten hinzu, die manchmal genauer aufgeschlüsselt wurden. Die Positionen waren – anders als später bei Carpzov – alle vergangenheitsbezogen und betrafen allein Kosten, die bereits entstanden waren.

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Carpzov, Practica Nova, Pars II, Quaest. XCIX De Injuriis Realibus n. 28 f. (S. 425). 155 Carpzov, Practica Nova, Pars II, Quaest. XCIX De Injuriis Realibus n. 44. 156 Auch von der rezipierten lex Aquilia wurden Heilungskosten und entgangener Arbeitsertrag umfaßt. H. Kaufmann, Actio legis Aquiliae, S. 29.

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Auch die bei Carpzov erwähnte poena findet eine Entsprechung, denn in den meisten Fällen behielt sich das Consistorium eine Strafe vor. Meist verhängte es sie allerdings nicht selbst, sondern überließ dies, den universitätsinternen Zuständigkeiten gemäß, dem Senat. Problematisch – und spannend – ist vor allem der Geldbetrag, den Kläger und Gericht als Kompensation für die Verletzung ansahen und der neben dem Ersatz der Aufwendungen und Kosten zugesprochen wurde. Bei Carpzov hieß er Buße: Primum est Emenda die Buße sive aestimatio mutilati membri et corporis. quae de iure Saxonico vulernato debetur ratione doloris, iniuriaeque illatae ac corporis lacerati ...157

In der ältesten Körperverletzungsklage des Untersuchungszeitraums wurde der entsprechende Betrag als sunen gelt bezeichnet. Mit Sühnegeld assoziiert der Rechtshistoriker Wergeld und Bußen. Mit altertümlichen Bußkatalogen hat dieses sunen gelt aber nichts mehr gemein, denn feste Taxen, das zeigen die verschiedenen Urteile deutlich, kannte das Consistorium nicht. Insofern scheint es sich bei diesem sunen gelt um ein Fragment aus der kollektiven Erinnerung der Rechtskundigen zu handeln: Man wußte noch, daß die Geldsumme, die als Kompensation für eine Verwundung zu zahlen ist, in dieselbe Kategorie fiel wie das alte Sühnegeld. Eine derartige Kompensationsleistung taucht in den meisten Verfahren158 wegen Körperverletzungen auf. In unterschiedlichen Formulierungen veranschlagte der Kläger eine Summe für die Verletzung bzw. für schmertz, schaden und iniurii. Weder in Klagen noch in Urteilen kann man diesen Posten eindeutig mit einer der rezipierten Klagen in Verbindung bringen. Anhand der Consistorialakten läßt sich also die These, die Verurteilung zur „Buße“ beruhe auf der actio iniuriarum,159 nicht bestätigen, denn die Praxis scheint bezüglich dieser dogmatischen Fragen indifferent gewesen zu sein.

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Carpzov, Practica Nova, Pars II, Quaest. XCIX De Injuriis Realibus n. 28 f. Das erste ist die emenda, die Buße oder Schätzung des verstümmelten Gliedes oder Körpers. Sie wird nach dem sächsischen Recht für den Schmerz geschuldet und für die zugefügte Injurie und den verletzen Körper. 158 Von diesem Grundsatz weicht allein die Klage Bestell ./. Caminga ab, in der nur Kostenersatz gefordert wird. 159 Vgl. E. Kaufmann in HRG 1, Buße, Sp. 575 ff.: Als Ersatz für den „zivilrechtlichen“ Teil der Buße wird im Spätmittelalter in deutschrechtlicher Modifikation die actio iniuriarum rezipiert, welche es erlaubt, die Beleidigung und die Körperverletzung mit einer in das richterliche Ermessen gestellten Buße zu belegen.

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Häufig wird der Strafcharakter eines zugesprochenen Betrages an seinem Überschreiten des „wirklichen“ Schadens festgemacht. Eine Schwierigkeit liegt hierbei schon in der Verständigung über die Grundlagen: Es herrscht zwar Einigkeit, daß ein Strafcharakter anzunehmen sei, wenn der zugesprochenene Ersatz den „wirklichen Schaden“ übersteige. Denn dann handle es sich um einen dem – wohlgemerkt heutigen – Zivilrecht fremden Zweck, weil er über den Ausgleich hinausgeht. Aber die bei diesem Ansatz entscheidende Frage, wie ein „wirklicher Schaden“ zu definieren sei, wird häufig nicht thematisiert. Unausgesprochene Prämisse ist möglicherweise, die Verpflichtung zum Ersatz eines immateriellen Schadens sei an sich „pönal“. Ob man aber hiervon ausgehen kann, ist zweifelhaft. Letztlich beruht diese Gleichsetzung auf dem Dogma vom Vermögenswert der Obligation und dem daraus gezogenen Schluß, die Verletzung nicht vermögenswerter Güter könne grundsätzlich nicht durch zivilrechtlichen Schadensersatz wiedergutgemacht werden. Es stellt sich aber die Frage, ob diese Vorstellung frühneuzeitlichen Wahrnehmungen entspricht. Schließlich sollte die Auffassung der Quellen dafür maßgebend sein, ob auch ein immaterieller Schaden „wirklicher Schaden“ sein kann. Vielleicht findet man wegen eines Gespürs für diese Reibungen kaum übereinstimmende oder präzise Definitionen des „wirklichen Schadens“. Lange sieht einen Strafcharakter in der Zubilligung einer festen Summe an den Beklagten ohne Rücksicht auf den „effektiven Schaden“. Munzel formuliert: Die typisierten Schadensersatzsummen deuten darauf hin, daß die „Schadensklage“ auch Elemente der privaten Buße enthält, da die Höhe des Schadens oft in keinem Verhältnis zum zugrundeliegenden Ereignis steht. Der Schadensersatz diente nicht nur dem Ausgleich der Vermögensbeschädigung sondern konnte eine Privatstrafe umfassen.160 Mit so weitreichendem Geltungsanspruch läßt sich dies für unsere Urteile nicht feststellen, denn ohne Frage standen die Urteilssumme und die Schwere der Verletzung in Zusammenhang: In den beiden Fällen mit detaillierten 160 Munzel in HRG 4, Schadensklage, Sp. 1340-1342. Dieser Artikel entspricht nicht mehr dem heutigen Forschungsstand. Munzel erläutert, mit der Schadensklage habe man einen privatrechtlichen auf Geldzahlung gehenden Anspruch wegen behauptetem Unrecht eingeklagt. In dieser Weise seien fast alle privatrechtlichen Ansprüche vor Gericht geltend gemacht worden. Die Ausführungen scheinen primär auf H. Kaufmanns Aufsatz zur actio iniuriarum aestimatoria zu beruhen, da die Auffassung vertreten wird, der Kläger könne die Höhe des Schadensersatzes selbst bestimmen, so daß dieser eine Privatstrafe umfassen konnte. Am Ende heißt es: die beschriebene Schadensklage dürfte keine lokale Sonderentwicklung [erg. am Ingelheimer Oberhof] sein, was nach Gudians Forschungen in entscheidenden Aspekten doch der Fall war. Gudian, Klage mit Schadensformel, S. 143. [An anderen Orten, z. B. Neustadt, Babenhausen, Fürth] hatte man gegenüber der Freiheit, die die Schadensformel dem Kläger einräumte, das Korrektiv, daß der Beklagte materiellrechtlich nur zum Ersatz des vom Kläger nachgewiesenen Schadens verpflichtet war.

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Kostenfestsetzungen werden die Beträge für die Verletzung vom Aufwendungsersatz übertroffen, weil Heilungskosten und Verdienstausfall dazu gehören und den größeren Teil ausmachen. Die Kompensation für die Verletzung scheint sich mit 12 bzw. 10 Gulden an diesen Posten (12 bzw. 15 Gulden) auszurichten. Auch in den anderen Prozessen wurde nicht zu den geforderten hohen Summen, sondern eher zur Hälfte oder zu einem Viertel des Betrags verurteilt. Außerdem läßt das Gericht, wenn Heilungskosten und Verdienstausfall nicht ausdrücklich beziffert sind, in der Regel eine Schätzung der Verletzung durch Sachverständige, nämlich die Meister des Schererhandwerks, vornehmen.161 Nach dieser Schätzung richtet sich dann der Urteilsbetrag. Obwohl sich nicht rekonstruieren läßt, anhand welcher Kriterien die Ärzte den Betrag für eine Verletzung bezifferten, spricht allein die Durchführung einer Schätzung dafür, daß auch in diesen Fällen die Kompensationszahlung Ersatzelemente enthielt und auf die Schwere der Verwundung bezogen war.162 Schließlich kann ein pönaler Charakter dieses Urteilsbestandteils nicht allein deshalb angenommen werden, weil er neben dem Aufwendungsersatz zugesprochen wurde. Dieser umfaßte nämlich nach der gerichtlichen Taxierung lediglich die zurückliegenden Ausgaben des Klägers und nicht seinen zukünftigen Verdienstausfall. Ein solcher wurde aber in vielen Klagen gefordert, machten die Geschädigten doch immer wieder geltend, ihr erlerntes Handwerk nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausüben zu können.163 Da das Gericht

161 Nauck, Freiburger Wundärzte, S. 32, schließt aus der Freiburger Schererordnung von 1509, daß die geschworenen Meister jede gewaltsame Verwundung als amtliche Zeugen begutachten sollten. 162 In der höchsten Urteilssumme von 800 Gulden, die den Rahmen der anderen weit übersteigt, muß wohl ein Strafanteil enthalten gewesen sein. Allerdings handelt es sich um einen Sonderfall, auch danach veruteilte das Consistorium wieder zu gewöhnlichen Summen von ca. 40 Gulden. 163 Hierin liegt wohl der Sinn derartiger Formulierungen. Eine andere Interpretation wäre, sie als Ausdruck der „Harmonisierung“ des römischen Rechts mit dem einheimischen zu verstehen. 100 Jahre später bereitete das offensichtliche Abweichen der Praxis von der römischrechtlichen Sentenz, der Körper eines Freien dulde keine Schätzung (Gaius), der Wissenschaft gewisses Kopfzerbrechen. Carpzov löste die Frage, wie sich Buße und Schmerzensgeld damit vereinbaren lassen, wie folgt: Cui [der Buße] non obstat, quod liberum corpus aestimationem non recipiat ... Nam hoc verum est, quoad ipsum corpus sive membra hominis, quae nullis bonis et dominio sunt, digniorique ac praestantiora, quam quod pretium aliquod condignum eis respondere, vel comparari possit. Secus vero quod dolores et operationes, per vulnerationes impeditas, quae omnino valent deduci in taxatione ... Carpzov, Practica Nova, Pars II, Quaest. XCIX De Injuriis Realibus n. 28 f. Dem steht nicht entgegen, daß der freie Körper keiner Schätzung zugänglich ist ... Denn dies ist wahr, daß der Körper und die Glieder des Menschen, die in niemandes Eigentum stehen, würdiger und vortrefflicher sind, als daß irgendeine Geldsumme ihnen entsprechen könnte oder vergleichbar wäre. Anders aber, was Schmerzen oder Verrichtungen betrifft, die infolge der Verwundung nicht mehr

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den Kompensationsbetrag weder aufschlüsselte noch begründete, läßt sich nur vermuten, daß zukünftige Nachteile eine Rolle spielten. Zumindest ein Teil des Betrags wird aber auf diese sonst nicht abgedeckten Schadensposten zu beziehen sein. Es zeigt sich, wie wichtig es ist, die richtigen Fragen zu stellen: Bei den Injurienklagen erwies sich, daß das Problem, was die Ehre in Geld wert ist, sich dem Consistorium nicht in der Form stellte, wie man später vermutete. Und im Bereich der Körperverletzungen kann eine Untersuchung der Praxis zu den dogmatischen Fragen nach Buße und Privatstrafe nur wenig Erhellendes beitragen, weil die Dichotomie von Schadensersatz und Privatstrafe ein Produkt des 19., und nicht des 16. Jahrhunderts ist. Die Urteile weisen durchaus pönale Elemente auf, doch werden diese oft zu stark betont und verstellen den Blick auf das Nebeneinander der verschiedenen Urteilsbestandteile. Zu diesen zählt auch das Schmerzensgeld, das vor dem Consistorium ganz selbstverständlich gefordert und zugesprochen wird. Es scheint in der Regel Bestandteil der Kompensation für die Verletzung zu sein.164 Zwar formulierte das Gericht oft nicht eindeutig, zu welchem Posten es gehören sollte, aber Formulierungen, wie „für schmertz, schaden und iniurii“ legen die Zugehörigkeit zur Kompensationssumme nahe. Die Diskussion über die Natur und Funktion des Schmerzensgelds als Instrument des Ausgleichs oder der Genugtuung lebt immer wieder auf. Oft gehen die „historischen“ Argumente allerdings am Kern der Sache vorbei, da es sich in Wahrheit um Rückprojektionen handelt. Im Gebiet des deutschen Rechts entstand das Schmerzensgeld in der Gerichtspraxis.165 Die gemeinrechtliche Wissenschaft, insbesondere der Usus modernus Pandectarumm verstand es als gewohnheitsrechtliche Erweiterung der actio legis Aquiliae und qualifizierte es damit als Ersatzanspruch. Noch in der wissenschaftlichen Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts findet kaum eine dogmaausgeübt werden können; diese können in die Schadensschätzung aufgenommen werden. 164 Vgl. die Formulierung Beitzer ./. Cornes A 14/2, fol. 54r, 26.06.1563, für schmertz, schaden und iniurii. Anders aber Christoph Betz(lin) in seiner Klage gegen Adam Kerkermeier bursae famulus, das er ine clegern verwundt also das er dem Scherer 1 gulden geben und für Speis 1 gulden verthan, welches er verhoffe Im zubezahlen schuldig sein, sampt 20 gulden für den schmertzen, begert condemnari in illis cum refusione expensaes. Hervorhebung BB. A 14/1, fol. 387, 18.01.1556. Ursache war ein tumult in der Burse, A 12/2 (LI1), fol. 462r ff. sechs Inquisitionen, in dem der Famulus Adam Kerkermeier Christoph Betzlin geschlagen hatte. Das Gericht forderte die Parteien auf, sich privat zu einigen. Wohl mit Erfolg, da sie nicht wiederkommen. 165 H. Kaufmann, Actio legis Aquiliae, S. 30. Nehlsen-von Stryk, Schmerzensgeld ohne Genugtuung, S. 120. Autoren des 16. Jahrhunderts äußerten sich kaum dazu, Herrmann, Schutz der Persönlichkeit, S. 28 (Fn. 72); H. Kaufmann, Actio legis Aquiliae, S. 37.

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tische Auseinandersetzung mit diesem Institut statt, etwa mit der Frage des Ersatzes von immateriellem Schaden.166 Vielmehr wird die Verurteilung zu Schmerzensgeld regelmäßig schlicht mit der Gewohnheit oder dem Gerichtsgebrauch begründet. Die mangelnde Reflektion, noch 100 Jahre nach der hier untersuchten Zeit, verstärkt den Verdacht, daß auch diese Diskussion anachronistische Züge aufweist. cc) Verhältnis der Urteilsbestandteile zueinander Am 07.04.1571 verlangt Lienhart Scherer die Vollstreckung eines Urteils, das Hugo Müller zu einer Geldzahlung wegen einer Körperverletzung verpflichtete: bitt, dweil er nit zuobezalen, man welle ime gefencklich einlegen ut quod non habeat in aere luat in corpore.167 Das Gericht wird aufgefordert, Müller inhaftieren zu lassen, weil er kein Geld hat. Die Frage ist nun, ob sich die Haft auf die zugesprochene Summe auswirken sollte. Auch das Verhältnis der Urteilsbestandteile zueinander wird bei Carpzov im Abschnitt über Körperverletzungen behandelt, wobei er dasselbe Rechtssprichwort zitiert: Existimo igitur, vulneratorem, qui propter inopiam, emendam atque expensas, in curatione factas, vulnerato solvere nequit severiori poena plectendeum & poenam qua alias tenetur, hoc casu exasperandam esse, ita ut luendo duriorem poenam, judici simul & vulnerato satisfaciat. Generalis siquidem regula est, quod non habet in ære, luat in corpore.168

Der Verletzer, der die Buße oder den Ersatz nicht leisten kann, wird zu einer härteren Strafe verurteilt, um so den Richter und den Geschädigten zufriedenzustellen. Die Strafe kann nicht durch die Buße abgelöst werden, aber sie fällt härter aus, wenn die emenda oder das Interesse nicht entrichtet werden kann. Allerdings ist zweifelhaft, ob auch Lienhart Scherer das Sprichwort in diesem Sinn verstanden wissen wollte, ob er wirklich eine den Schadensersatz ersetzende Gefängnisstrafe wünschte. Man muß sich nämlich fragen, inwieweit man beim Kläger bzw. seinem Rechtsbeistand einen dogmatischen Hintergrund, wie er Carpzovs späterer Erörterung zugrundeliegt, unterstellen kann. Schließlich versuchte der Kläger weiterhin, die Streitgenossen Müllers zur Zahlung zu 166 Die Sühne- oder Strafnatur der Schmerzensgelds ist ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts und resultiert aus der Lehre von der Nichtersetzbarkeit von Nichtvermögensschäden. Nehlsen-von Stryk, Schmerzensgeld ohne Genugtuung, S. 121. 167 A 14/2, fol. 95v. An dieser Stelle erfahren wir auch, was mit den anderen Beklagten war. Nota: Executoriales an Luog und Hopp, Strang hat sich mit ime vertragen. Zur Klage vgl. Vierter Teil § 3 II. 1.b) gegen Ende. 168 Carpzov, Practica Nova, Pars II, Quaest. XCIX De Injuriis Realibus n. 51 (S. 427).

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bewegen, und es war durchaus üblich, einen nicht zahlungswilligen oder -fähigen Schuldner in Haft nehmen zu lassen,169 ohne daß diese Haft auf die zu zahlende Schuld angerechnet wurde. Vielleicht wurde eine eindrucksvolle lateinische Formel bei scheinbar passender Gelegenheit hervorgeholt, ohne die dogmatischen Konsequenzen des römischrechtlichen Satzes zu erfassen. Was auch immer der Kläger mit diesem lateinischen Argument bezwecken wollte, Wirkungen zeigte es keine: Das Gericht gewährte dem verurteilten Müller weiteren Aufschub, um Geld aufzutreiben, ohne auf die Forderung einzugehen, ihn zu inhaftieren. Da dies die einzige Stelle ist, die sich mit dem Zusammenhang von Haft und Geldleistungen befaßt, kann man vermuten, daß am Consistorium die einzelnen Urteilsbestandteile voneinander unabhängig waren, nachdem sie in der sententia definitiva festgelegt worden waren. 2. Einigungen a) Gerichtlicher Vergleich Gerade bei Klagen wegen Körperverletzungen bemühte sich das Gericht in allen Stadien des Verfahrens darum, den Rechtsstreit durch einen Vergleich zu beenden.170 In manchen Fällen schickte es die Parteien gleich im ersten Termin mit der Aufforderung, sich zu vertragen, nach Hause.171 Gerade bei einer solchen Vorgeschichte kann man, wenn die Kontrahenten nicht wieder erscheinen, vom Erfolg der privaten Verhandlungen ausgehen. Ein Beispiel für einen vom Gericht unternommenen Vergleichsversuch vor dem Kalumnieneid stammt aus dem Prozeß Glaitz ./. Schlebeck. Aus den petitiones ergibt sich, daß die Parteien vor der Klageerhebung erfolglos verhandelt hatten. Um doch noch eine gütliche Einigung zu vermitteln, fragte das Consistorium zunächst den Kläger, der 40 Gulden für die Verletzung forderte, was er vie costen der krankheit erlitten, und ließ anschließend den Beklagten in der gutlich vnderhandlung schildern, wie die Schlägerei abgelaufen sei.172 Da 169

Vgl. Erster Teil § 4 II. 1. b) und c). Auch im Bereich der Körperverletzung ist beim Consistorium nicht zu beobachten, daß es versuchte, private Einigungen zu verhindern. Dies stellt aber Winkelbauer, Injurien, S. 134, für die Behandlung von Injurien durch Patrimonialgerichte in Oberund Niederösterreich fest. 171 Vgl. A 14/1, fol. 387, 18.01.1556, Decretum sy sollen sich vertragen, wo nit zu nechsten consistorio wider erscheinen und die entlich Urtheil hören. 172 A 14/1, fol. 249 f., 10.05.1550. Ebenso die weiteren Zitate. 170

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sein Bericht nicht mit dem des Klägers übereinstimmte, wies das Gericht auf die Gefahr eines Meineides und seine Konsequenzen hin: Einer der beiden müsse ja Unrecht haben und könne darum keinen redlichen Kalumnieneid schwören.173 Das weitere Vorgehen beschrieb der Notar wie folgt: den cleger allein sonder berüfft ime (mit vorgehender warnung des kriegs ausgang im recht) befragt woruff ers setzen wolt das er vier sein anspruch nemen welt. hat er sich (doch kummerlich) auff die 20 g begeben also bar ime zuzahlen sein oder die 10 auf pfingsten nechtskünftig und 10 auf Martini doch wolte er bürgschaft darum haben.

Auch mit dem Beklagten führte das Consistorium ein Einzelgespräch174 und entschied dann: das sie die gütlich handlung angenommen wellen haben und soll der antwortter burgschaft umb 24 g ad octavia pring so dan solchs bestee wolt sie zwischen inen concludieren, wo nit soll reus ... alsdan antwort geben.

Zunächst schienen die Bemühungen von Erfolg gekrönt zu sein, da der Beklagte sogleich Bürgen nannte. Jedoch wurde die Bürgschaft nicht gestellt,175 und das streitige Verfahren begann erneut. Beachtenswert sind die verschiedenen Geldbeträge, die aus diesem Verfahren überliefert sind: Der Kläger würde bei einem Vergleich die Hälfte der klagweise geforderten Summe von 40 Gulden akzeptieren. Für den Vertrag nahm das Gericht eine Summe von 24 Gulden an und verurteilte schließlich zu 27 Gulden, in denen aber Gerichtskosten enthalten waren. Bei der Zustimmung Glaitz’ zu dem Vergleichsangebot handelt es sich um ein Indiz dafür, daß sich die Kläger auch mit einem deutlich unter der geforderten Summe liegenden Ergebnis begnügen würden und wohl gar nicht ernsthaft mit antragsgemäßen Urteilen rechneten.

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Und wie wol sie zu beiden seitz vleißig von dem Herrn Rector ermahnt die wahrheit anzuzeigen domitt sie mechten vertragen werden ... Doch verharren sie beide constanter. Das kanonische Recht ermahnte den Richter, er solle die Partei, von der ein Meineid zu befürchten ist, nicht zum Eid zulassen. Corpus Iuris Canonici, X. 2, 24. 174 Nachgehends haben sie den beclagt auch in sonder gerüfft Ime mit gleicher Verwarnung befragt was er geben wolt ... Antwort: 17g, ... daran er welt ii par geben. Über die Aufteilung der Zahlung besteht zunächst noch Uneinigkeit. 175 A 14/1, fol. 241, 17.05.1550.

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b) Private Einigung ... die Schweitzer hätten sich berühmt, daß viel hie seien und daß wenn sie schon einen entleibten, sie wohl tausend gulden für ihn könnten geben ...176

Diese provozierende und gewiß übertriebene Äußerung, die ein verhörter Student einem Schweizer Kommilitonen in den Mund legte, zeigt, daß die Ablösung von schweren Delikten durch eine Geldzahlung auch im universitären Rechtskreis üblich war.177 Mit den strafrechtlichen Reaktionen der Universität auf diese Taten hat sich bereits das dritte Kapitel des Zweiten Teils (Behandlung malefitzischer Sachen) auseinandergesetzt,178 wobei dort der Schwerpunkt auf den Gründen für den Verzicht auf peinliche Strafen und der stattdessen verhängten Geldstrafen lag. Eine genaue Aussage über die Zahl der außergerichtlichen Einigungen und ihr Verhältnis zu den Urteilen ist schwierig, da man in diesem Bereich von einer erheblichen Dunkelziffer ausgehen muß. Einigung führten dazu, daß die Parteien einen Rechtsstreit nicht weiter verfolgten oder daß Streitende das Gericht gar nicht anriefen, weil sie sich privat einigten.179 Da solche Verträge nicht von öffentlichen Stellen protokolliert werden mußten, lassen sie sich heute nur selten nachweisen. Im Fall des verwundeten Wachtmeisters Wäglin180 176

A 13/3 (LI3), fol. 397, Inquisition am 26.04.1606. Klotz, Die akademische Gerichtsbarkeit, S. 44, führt für die Freiburger Universität aus: Vielfach wurde auch von den Hinterbliebenen eines bei Streithändeln Getöteten auf kriminelle Bestrafung verzichtet und dafür eine Geldabfindung vereinbart, die in der Regel nicht über 200 Gulden, meistens erheblich weniger betrug! Leider bietet er keine Nachweise bezüglich dieser Vereinbarungen. Wahrscheinlich stützte er sich auf Schreiber und dessen Hinweise auf die Praxis, sich auch bei schwerwiegenden Fällen von Körperverletzung oder bei Totschlägen mit dem Schädiger zu vergleichen. Universität Freiburg, II. Theil, S. 111, 116, 121, 123; III. Theil, S. 91. 178 Zweiter Teil § 3 II. 2. 179 In vier der 17 Prozesse ist eine Einigung nachgewiesen oder zumindest äußerst wahrscheinlich, in weiteren fünf findet sich kein Endurteil. Daneben gibt es aber auch eine Dunkelziffer von Konflikten, mit denen das Consistorium nie befaßt wurde. Beispielsweise wurde in keinem der sechs in Senats- und Inquisitionsprotokollen erwähnten Tötungsfällen Klage erhoben, obwohl auch bei diesen private Einigungen möglich waren, siehe Vierter Teil § 3 III. 2. Vgl. auch Dinges, Justiznutzungen als soziale Kontrolle, S. 541. Die Klage ist nur ein Mittel der Konfliktlösung neben anderen, welche die Parteien parallel einsetzen. Hagemann, Basler Stadtrecht, S. 164, nimmt an, daß die größere Zahl der Fälle durch Schiedsverfahren oder Vergleich erledigt wurde. Vgl. auch derselbe, Basler Rechtsleben II, S. 17, zu Schiedsverfahren vor dem Rat. 180 Vgl. zu diesem Fall Siebenhüner, S. 51, die allerdings irrigerweise davon ausgeht, der Vergleichsvertrag sei ein Urteil, mit dem die Universität von Lalosch zu Schmerzenslohn verurteilt habe. Ebenfalls zum Fall Wägelin ./. von Lalosch Schreiber, Univer177

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ist glücklicherweise die Quellenlage sehr günstig, Senats- und Consistorialakten überliefern uns den Vertrag und den Weg dahin. Zudem beleuchtet der Fall schlaglichtartig die Verflechtungen zwischen Senat, Consistorium und dem Rat der Stadt, aber auch die Interaktionen zwischen den Parteien, ihren Freunden und Gönnern. Die Senatsprotokolle berichten, wie die Bürger Stephan von Lalosch am Morgen nach dem folgenschweren Zusammenstoß mit der Scharwacht aus seinem Bett holen: Stephanus à Laloschen, Henrici Caroli Antonii Comitis de Ligny Baronis de aureo ramo, hoffmeister, vergangene nacht den wachtmeister in der scharwacht Bartlin Wegelin genanndt mit dem Rapier in ein Schenkel gestochen, also das seines lebens zuobesorgen, derhalben haben die Bürger Ine hoffmeister heut morgens ahn dem Bet in Herrn Erasmi Eschlins haus uffgehabt, den dem Rector geliffert und darnach in den Kercker gelegt.181

Die aufgebrachten Bürger befolgen trotz ihres Zorns die Regeln des Stiftungsbriefs, indem sie von Lalosch erst dem Rektor übergeben. Wegen der offenbar klaren Sachlage stemmt sich die Universität nicht gegen die Inhaftierung von Laloschs. Im Gegenteil, es wird wegen der Befürchtung, der Verwundete könne seinen Verletzungen erliegen, sogar eine besonders sorgfältige Bewachung beschlossen, um ihn an der Flucht zu hindern.182 Von Laloschs Dienstherrn, den Grafen de Ligny, straft die Universität vatterlich und ermahnt ihn, zukünftig auf seinen Lebenswandel zu achten.183 Einige Tage danach werden die Inquisitionen verlesen:

sität Freiburg, II. Theil, S. 116. In den Matrikeln finden wir Thomas Monstureulx, Mayer, Matrikeln, Band 1, S. 462, 17.02.1562 Bysontinus (also Besançon) clericus und den Dienstherren von Laloschs, 11. November 1561. 181 A 10/9, fol. 34, 15.04.1562. Ebenso die folgenden Einträge. 182 ... dweil die sach so mißlich, soll man acht und sorg haben, das der gefangen woll bewacht, soll ime ein kettinen angelegt werden, Auch zwen nachtwächter bestellen, die des kerckers warten, damit die andern welsch nicht anfahn, und mit vleiß achten das dem gefangenen kein meßer oder sunst etwas werde damit er nit außkomme, das soll auch der stat angezeigt werden. 183 Henricus Carolus Antonius Comes de Ligny Baro de aureo ramo zuogegen, württ von den herrn der Universität Vatterlich gestrafft und mit wortten ermanet, das er hienfurtt in processionibus publicis und conviviis publicis et privatis nit so unzüchtig seye, wie bis här, auch sich des weins etwas enthalt, und nit trunck werde, sunder studiere und sich halte wie einem herrn gebürt und einem Grawen woll anstat und gezimbt.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium Lecta sunt inquisitiones et civitatis et Universitatis super praedicto tumultu inter Stephan à Lalosch et suis sociis cum Vigilibus civiatis habito.184 Decretum Quia huius tragoedia causa fuerint Nicolaus Lombarus et Thomas Monstureulx, eos quoqe incarcernados esse simul cum Stephan à Lalosch.185

Da die Universität den Eindruck gewinnt, zwei weitere Studenten, Lombardus und Monstureulx, hätten den Vorfall mitverursacht, läßt sie auch diese inhaftieren. Zur Klärung der Affäre kommt es zu etlichen Gesprächen mit Vertretern der Stadt, unter anderem am 27.04.1562. Wie üblich finden die Treffen im Münster statt: Seind auf anlangen derer von Freiburg nach mittag in der Kirchen erscheinen Dominus Rector D. Christopherus Eliner, D. Jacob Streit und notarius Universitatis. So dann von der Stadt Herr Johann Muölich, Herr Michel Meyer und der Stadtschreiber. Aus dem Bericht, den der Rektor dem Senat erstattet, erfahren wir, daß die Räte wegen angeblicher Besuche beim Inhaftierten besorgt waren und um medizinische Hilfe bei der Versorgung des Verletzten nachsuchten.186

184 Die Inquisitionen der Stadt / Heimlichen Räte finden sich in A 12/2 (LI1), fol. 643r ff., 15.04.1562, der verwundung halben so der Statt Wachtmeistern vnd Wechtern, zehn Verhöre, darunter das Opfer, das am 21.04.1564, fol. 646r, der verwundung oder stichs halben ... uff der Nacht wacht von einen welschen studenten, wohnend bey Erasmus Eßlin vnd Hofmeister eines welschen Grafen nochmals befragt wird. Die der Universität in A 13/1 (LI2), fol. 69 ff., 15.04.1562, veruor vnd mißfall, zehn Inquisitionen, verhört wurde auch von Lalosch selbst, sein Dienstherr, sowie Nicolaus Lombarus und Thomas Monstureulx ; vier weitere fol. 78 ff. 185 A 10/9, fol. 36, 27.04.1562. Zuvor waren Fürbitten, den Hofmeister aus dem Gefängnis zu entlassen auf taube Ohren gestoßen: Henricus Carolus Antonius Comes de Ligny etc. mit ettlichen freyherrn seinen vetteren, der selben p(rae)ceptores auch Herr Erasmus Eschlin etc. bitten, man solle den hoffmeister der gefenknus erlassen, dan der Graff welle für ime gnuogsam verbürgen. Die Universität lehnt die Bürgschaft aus verschiedenen Gründen ab: Quod tamen non potest de iure cum est minoremis, sub patria potestate, nec habeat hic bona immobilia, und ist auch die Bürgschaft und caution nit begert oder aestimirt noch angeschlagen, zuodem ist auch zuo besorgen der Vulneratus sterbe dieses Stichs. Decretu(m) Sie die petitores sollen verschaffen, das der verwundt der Universitet durch etliche leut anzeigen laße, das sein will und meinung seie, dißer Gefangene ledig gelaßen zu werden und bürgschaft anzunehmen, Als dan würdet universitas auch weit(er) der gebür nach handlen. Wieder erweist sich, daß der Geschädigte in der Frage der Haft ein wichtiges Wort mitzureden hatte. 186 A 10/9, fol. 38, 27.04.1562. Es komme einem Rath für wie das viel welsch von und zugang haben zu Stefan von Lalosch im Kerker, derhalben ir beger, man soll sölliches nit gestatten ... Zum anderen, So stande es gar mißlich umb den verwundt, das zubesorgen man muoße im den Schenkel darin er gestoch abhauen, damit nun solches debita prudentia beschehe ... So seye eines Rahts begeren, daß Universitats etliche medicos verordnen welle, welche den wundartzten Räthliche hilf in diesem fal erzeigen ...

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Am 30.04.1562 werden Lombardus und Monstureulx gegen Bürgschaft aus der Haft entlassen.187 Auch um die Freilassung von Lalosch bemühen sich weiterhin etliche einflußreiche Personen, so treten sein Dienstherr, sein Tischherr und Doktor Wack für ihn ein und bieten sich als Bürgen an,188 doch die Universität vertröstet sie auf einen späteren Zeitpunkt. Nach zwei Wochen erscheinen die Franzosen wieder vor dem Senat:189 Stephanus Benbefort p(rae)ceptor Comitis à Ligny sampt zweien welschen zeigen abermals pitsweiß ahn, ... So welle man doch Stephanus à Lalosch, den hofmeister der schweren gefenknus und der kettenen erlaßen, darwegen erbieten sie sich dausent guldin für ime verbürgen, Mit verner anzeigung, Sie seyen diese tagen vor dem rath der stat Freyburg gewesen und sich gleich gestalt erbotten, hab ein Rath 1000 kronen für die Bürgschaft begert, welches doch gar zuviel etc.

Bevor die Universität auf das Anliegen eingeht, wirft sie den Bittstellern vor, sie hätten sich mit dem Rath der stadt als der unordenlichen oberkeit einlassen wellen, indem sie dort – nach eigenen Angaben – vor einigen Tagen ebenfalls Bürgschaft für die Freilassung angeboten hätten. Eigentlich, so fährt die Universität fort, hätte sie nicht eine derartig hohe Kaution verlangen wollen. Nachdem die Welschen sie nun aber angedient hätten, würde man sie akzeptieren. Ehe von Lalosch freigelassen werden könne, müsse er jedoch den Pedellen und die Nachtwächter, die bei seiner Bewachung halfen, entschädigen, der Universität den frävel abtragen und gebürlich eid, also die Urfehde schwören. Respondit domnius Rector, Dieser Sach sei der Universitet herzlich leid. Uf den ersten articul sagt er, Universitet habe gut sorg zu dem gefangenen, So sei erst gestern der pedell bei seinem Eyd deshalb befragt worden, welch gesagt, Es seien nie keine welsch für den Kerker oder auch darin kommen, allein schreyen die welsch aus dem D. Hans Rotenburgers Haus härüber, und kommen viel in die Burs, die schreyen zu dem Gefangenen und reden welsch, Den anderen articul will man an die Universitet gelangen lassen. 187 A 10/9, fol. 38, 30.04.1562. Barones ac Nobiles discipuli duorum p(rae)ceptorum carceribus mancipatorum nempre Nicolai Lombardi et Thomae Monstureulx, supplicant pro eiusdam praeceptoribus ... captivitatem relaxare dignet(ur). Nach sorgfältiger Überlegung beschließt die Universität dies gegen Bürgschaft zu tun. Die welschen haben gleich herzu bracht Lux Rietern als Bürgen für Nicolaus Lombardus, Auch Stephan Rappolt den Kauffherrn als bürgen Thomas Monstureulx, Welche Bürgen sich anders nit einlasßen wellen, dan jeder für den seinen umb hundert guldin. Deßn sich die Universität settigen laßen , Und sollen bürgschaft brieff uffgericht werden. Es folgt der Vermerk, daß die beiden gegen Urfehde entlassen wurden. 188 A 10/9, fol. 39, 02.05.1562, Henricus etc. Comes de Ligny, Dominus Erasmus Eschlin, Doctor Jacobus Wack et alii nonulli, rursus intercedentes pro Stephanus à Lalosch adhuc in carceribus detento, petunt pro ipso fideiubere etc… Quibus respodit Universitas Man lasse die sach uff diesmal by nechtstem bescheid beruowen. Die Universität lehnte damit schon zum zweiten Mal eine Freilassung ab. 189 A 10/9, fol. 40, 14.05.1562, ebenso die folgenden Zitate.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

Die wälschen entschuldigen sich, sie hätten allein mit dem Rath gehandlet uß anstifftung Doctor Jacob Wacken, welch ohn iren willen sich selbs für 1000 guldin als Bürge erbotten. Dieser habe nun aber einen Rückzieher gemacht190 und wolle nicht mehr bürgen. Zerknirscht bitten sie darum, die Summe geringer anzusetzen, aber die Universität bleibt hart, sie will einmaln für 1000 g bürgschaft haben. Außerdem fordert sie, wenn die Franzosen Bürgen stellen wollen, so sollen sie haben solch bürgen, die Reich seien, die wohl zu Recht mögen bracht werden, Und die irem foro renuncieren mögen und könden. Auch hier folgt das Verfahren den Regeln des Stiftungsbriefs: Die Universität entscheidet darüber, ob ein Verdächtiger gegen Bürgschaft freigelassen werden kann und welche Qualität die Bürgen haben müssen. Die Bittsteller versprechen, sich um Bürgen, wie die Universität sie verlangt, zu bemühen. Doch sie sind nicht schnell genug: Zehn Tage später haben die Haftbedingungen im carcer von Laloschs Gesundheit so angegriffen, daß man nun um sein Leben fürchten muß. Da der verletzte Wachtmeister nicht mehr in Todesgefahr schwebt, beschließt die Universität, den Hofmeister in leichtere Haft zu nehmen.191 Bei einem weiteren Treffen der häubter der Universitet und der stadt am 01.06.1562 berichten die Freiburger vom bisherigen Verlauf der Verhandlungen: Joß Hauser und Jörg Alman als deßhalb verordnete von einem Rath, in namen des wachtmeisters mit dem gefangenen hoffmeister handlen umd ine fragen laßen, ob er sich mit dem wachtmeister nochmaln, wie er sich vorhien erbotten haben solle, vertragen wölle.192

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Die Universität weiß auch warum: Sie werde bericht das domins Erasmus Eschlin dem D. Jacob Wagger versprochen er solle nur bürg werden, So welle er Erasmus gelt sein und geben, darauf dominus Erasmus hinweggeritten, kein gelt geben, oder etwas weiters abgeret, darum wolle D. Jacob auch abstan. 191 A 10/9, fol. 43, 24.05.1562, Retulit Dominus Rector, Stephanum à Laloschen iam fere per sex septimanas in carceribus catenas constrictum male habere, adeo, ut, si diutius ita custodiatur, verendum sit, ipsum citius moriturum q vulneratum etc. Domini consyderantes non esse amplius periculum mortis in vulneratu Bartholomeo Wägelin, decreverunt captivum catenis liberandum. cumqe carcere superiori includendum. Dieser Vorfall zeigt die Berechtigung der Mahnung des Artikels 11 CCC: daß die gefencknuß zu behaltung, vnd nit zu schwerer geuerlicher peinigung der gefangen sollen gemacht vnd zugericht sein. Der Verletzte wird angehalten, für eine Verbesserung der Haftbedingungen zu sorgen: Dem wachtmeister anzeigen, welle er hienfür den hoffmeister im kerker haben, soll er ine mit Eßen und trincken gebürlich halten, Auch soll er die sach nit mher so lang uffziehen sund zurecht mit im handlen und iff in clag wie er vermeine fuog zu haben, Sunst werde Universitas deßhalb fürnemen und handlen wie sich gebürt ... 192 A 10/9, fol. 45, 01.06.1562. Ebenso die folgenden Zitate.

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Zur Verhandlungsführung werden Dritte eingeschaltet. Obwohl der Verletzte wahrscheinlich noch nicht dazu in der Lage war, selbst tätig zu werden, wird das nicht der einzige Grund gewesen sein. Auf beiden Seiten wird das soziale Netz mobilisiert, um den Ansprüchen mehr Gewicht zu verleihen. Außerdem können nicht unmittelbar betroffene Verordnete leichter eine Lösung finden als Täter und Opfer selbst. Zu diesen Aspekten, die auch bei anderen Verhandlungen zu beobachten sind,193 kommt hier dazu, daß die Stadt als Dienstherrin Wägelins möglichst direkt beteiligt sein will, um für ihn ein günstiges Ergebnis zu erzielen. Aber die Verhandlungen sind zunächst schwierig, denn der Hofmeister antwortet auf die Frage, ob er sich mit Wägelin vertragen will: Es neme in wunder was man doch mit im in der gefenknus mache, Er hab doch niemand beleidigt, wüße sich mit niemand zuvertragen, hab sich deßen auch nie angeboten, möge das Recht woll leiden ...

Von Lalosch zeigt also keine Neigung, sich zu gütlich zu einigen, sondern behauptet seine Unschuld. Da seine Freunde und Unterstützer dem Rat offensichtlich Vergleichsbereitschaft signalisiert haben, gibt sich die Stadt erstaunt über diese ablehnende Antwort. Von Lalosch soll noch ferner auf eines Raths costen in der gefenknus erhalten zuowerden. Der Rat fordert nicht nur, daß der Hofmeister im Gefängnis bleibt, er möchte nun sogar die ganze Angelegenheit unter seine Gerichtsbarkeit ziehen. Von Laloschs Status als nicht immatrikulierter Diener eines Studenten bietet ihr hierzu einen Ansatzpunkt: Vermeinen Universitas werde inen den gefangenen Hofmeister in der Stadt gefenknus antwurtten, dan er hofmeister nit in matricula Universitatis inscriptus, sundern allein des Graven diener welcher dan hien weg geritten, und also hab dieser dienst schon uffgehört ...

Am nächsten Tag formuliert die Universität ihre Antworten auf die städtischen Forderungen. Zur Frage der weiteren Haft führt sie aus, sie werde fortbestehen, aber nur, weil bei von Lalosch als Ausländer die Fluchtgefahr erheblich sei. Wäre er ein Deutscher und hier seßhaft, müsse man ihn freilassen, dan es causa civilis.

193 A 14/1, fol. 188, berichtet Philipp Rotpartt, der Zunftmeister, wie ihn sein Geselle, der in einer Schlägerei mit Studenten verletzt worden war, fragte, wie er Ersatz bekommen könne. Er antwortete: lieber gßell du bist arm hast nicht in deinem vermegen daß du daß recht mechtest zuo endt füren. Aber Ich will zuvor luogen ob ich mechte ein vertrag anbringen. Also auß verwilligung deß clegers zuo herrn Conratt Ferler gang, Ime die handlung fürgehalten, welcher sich bewilliget zuo einem vertrag behilflich zesein domitt seins bruders son herr Ludwig Ferler [einer der Täter] auß der sach keme. Unter Hinzuziehung weiterer Personen wird später ein Vertrag abgeschlossen. Wir erfahren von diesen Vorgängen, weil die Schädiger untereinander auf Ausgleich klagen.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium Dieweil aber der hofmeister nit deutsch etc. so will in Universitas sumptibus civitatis weit(er) gefangen halten, und den kerker verhuöten laßen personas Universitati iunctas. Doch das das Recht mit ime fürderlich gebraucht werde ...194

Wenn man ihn weiter festhalte und bewache, müsse aber auch endlich Klage erhoben werden. Unter der gleichen Bedingung stimmt sie der erneuten Arrestierung Monstureulx’ und Lombardus’ zu, die wegen von Laloschs Unschuldsbeteuerungen wieder in den Blickpunkt des Interesses geraten waren. Gegen die Forderungen, den Hofmeisters in das städtische Gefängnis zu verlegen, verwahrt sich die Universität entschieden: Das dan die stat jetzmaln den hofmeister in ir gefenknus begert, hatt sie sich woll zu wißen, das sollicher fal under der Universitet vnd als der graff noch hiegeweßen und der hoffmeister ime gedient, sich begeben und zuogetragen derwegen hat praeventio hie stadt, und mögen die von Freyburg den hofmeister nit begeren.

Stringent legt die Universität dar, es spiele keine Rolle, wie die gegenwärtige Position des Hofmeisters zu beurteilen sei. Entscheidend sei sein Status zum Zeitpunkt des strittigen Vorfalles, und in diesem gehörte er als Diener des immatrikulierten Grafen de Ligny eindeutig der Universität an. Diese Differenzierung widerspricht zwar der Regel, die in den Statuten zwanzig Jahre später für solche Fälle festgelegt werden sollte, wird aber zu diesem Zeitpunkt von der Stadt nicht weiter angegriffen.195 Der Rat läßt zwei Tage später mitteilen, man solle von Lalosch weiter – wenn auch milder – gefangen halten, und kündigt an, man wolle mit ihm baldmöglichst guotlich oder rechtlich handlen laßen.196 Von weiteren privaten Verhandlungen erfahren wir nichts, aber am 20.06.1562, etwas mehr als zwei Monate nach der Verwundung, beginnt der Prozeß vor dem Consistorium:197 M. Paulus Windegg als anwalt Bartlin Wägelin ... clagt zuo Stephan von Laloschen, Thomam Monstureulx und Nicolaum Lombardus, das uff den 14 Apirilis nechsthin 194

A 10/9, fol. 45, 02.06.1562. Ebenso die folgenden Zitate. A 4/2, LSR 1581, XXXII. Ebenso A 4/6, LS 1618. Vgl. Erster Teil § 3 II. 3. Nicht immatrikulierte Diener sollten danach bei Malefitztaten der städtischen Gerichtsbarkeit unterliegen. 196 A 10/9, fol. 46, 06.06.1562, keine Senatssitzung, nur diese Notiz. Scheint vom Consistorium entschieden und in Senatsprotokollen vermerkt worden zu sein. Refert dominus Rector assessoribus Consistorii, Herr Hans Baldung hab ime anzeigt, Ein Rath welle den hofmeister weiter im Kerker erhalten, und mit ime auf das ehist guotlich oder rechtlich handlen laßen, Auch möge ein Rath leiden, daß er in ein stuben gelegt werde, Conclusum est à Consistorialibus. Man soll den hoffmeister noch diesen tag in das new collegium ahn ein kett in die stuben legen, quod factum ... 197 A 14/2, fol. 31r, 20.06.1562, umb zehen uhrn vor mittag. 195

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zuo nacht er Bartlin von Inne sey in ein schenkel gestochen worden, also das man Ime den abschneiden muoßen, begert für diesen schaden 1000 gulden sampt schererlon, costen und schaden, und des hoffmeisters Laloschen underhaltung198

Die für den Schaden verlangte Summe ist die zweithöchste für Körperverletzungen geforderte und liegt weit über den nächst niedrigeren von 200 Gulden. Neben (Gerichts-)Kosten und Schaden erscheint der Unterhalt von Laloschs als gesonderter Posten, den der Kläger ebenfalls auf den Beklagten abwälzen will. In der nächsten Sitzung, eine Woche später, verlangt der Klägeranwalt die Litiskontestation. Der Schwerpunkt der Verhandlungen liegt aber eine ganze Weile auf dem Streit, ob von Lalosch nun freigelassen werden könne oder nicht. Während der klägerische Anwalt dies wegen Fluchtgefahr beharrlich ablehnt, kommt das Gericht dem Beklagten etwas entgegen, indem es entscheidet, eine Freilassung sei gegen ausreichende Bürgschaft möglich. Von Laloschs Anwalt petit admitti ad iuratoriam cautionem, quia non possit fideiussores dare. Der Kläger weigert sich, eine solche eidliche Kaution zu akzeptieren, iuratoria negat accipienda quia sit de fuga suspectus, und das Gericht hält an seiner Entscheidung fest.199 Auch in den beiden folgenden Terminen am 09.07.1562 und 11.07.1562 geht es hauptsächlich um die Fragen von Bürgschaft und Freilassung.200 Das im zweiten Termin erlassene Interlokut wollen die potentiellen Bürgen nicht akzeptieren, und M. Frey, der Anwalt von Laloschs, legt sein Mandat nieder. Daraufhin reagiert der Stadtrat, der offenbar in dieser Situation unmittelbar mit einem Fluchtversuch rechnet, mit der Forderung, die Universität solle von Lalosch an mher dan ein ketten legen und beßer verwaren.201 Weitere Ketten will die Universität zwar nicht zulassen, aber sie gestattet der Stadt, zur Bewachung zwei Bürger abzustellen, Doch sollen solche huöter in dieser sach der Universitet gelobt und geschworen sein.202 Die nächste Gerichtsverhandlung findet erst mehr als einen Monat später statt, am 22.08.1562.203 Der Klägeranwalt Windegg repliziert auf eine excepti198

A 14/2, fol. 31v, 20.06.1562, Randglosse: Clag Wachtmeister contra Hoffmeister & consortes. 199 A 14/2, fol. 32v, 27.06.1562. 200 A 14/2, fol. 33r, 09.07.1562, Beklagtenanwalt: weil sein principal wider die Stadt Freiburg vnd deren wachtmeister im Recht stand, will kein Bürger die Bürgschaft übernehmen. Von Lalosch kann mit seinen Consorten 300 Gulden zusammenbringen, was dem Kläger zu wenig ist. A 14/2, fol. 33v, 11.07.1562. 201 A 10/9, fol. 49, 11.07.1562. Demnach uff die heutige Interlocutorien der Herrn Consistorialium zwüschen dem Hoffmeister und Wachtmeister ertheilt, die bürgen sich des Hoffmeisters gantz nicht mher annemen wellen, er auch kein p(ro)curatore(m) mher habe, und also außkommen möchte dweil iunge leut als studenten verwaren etc. 202 A 10/9, fol. 49, 13.07.1562. 203 A 14/2, fol. 34v, 22.08.1562.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

on von Lombardus und Monstureulx vom 11.07.1562, sie könnten den Wachtmeister gar nicht verletzt haben, weil zur Zeit der Verwundung ihre Waffen bereits beschlagnahmt gewesen seien. Obwohl es in diesem Protokoll keinerlei Anzeichen für eine baldige Lösung des Konfliktes gibt, einigen sich von Lalosch und Wägelin noch am gleichen Tag. Drei Tage später, am 25.08.1562, wird der Sühnevertrag in den Senatsprotokollen aufgezeichnet und bestätigt: Demnach verscheinen Sambstag den 22. Augusti Bartlin Wägelin der wachtmeister und dan Stephan von Laloschen der Hofmeister sich obberverter handlung verglichen und vertragen, also das der hoffmeister dem Wägelin funffthalbhundert204 guldin für den abgehauenen Schenkel geben und Jed(er) seinen costen ahn im selbst haben und tragen solle etc.205

Der eigentliche Vertrag ist überaus knapp und karg gehalten. Die Formulierung, der Geldbetrag werde „für den amputierten Schenkel“ gezahlt, gleicht den Urteilen des Consistoriums in Ersatzklagen wegen Körperverletzung. Er liegt zwar um mehr als die Hälfte unter dem in der Klage geforderten Betrag, aber dennoch weit über den meisten Urteilssummen. Das Verhältnis von Forderung und Ergebnis hingegen entspricht dem in anderen Fällen beobachteten. Viel mehr Raum als der Vertrag an sich nimmt der Streit zwischen Stadt und Universität über eine von der Stadt eingefügte Klausel ein, am Rand mit Nota hervorgehoben: Das sie [die Freiburger] Inen die gerechtigkeit so sie zuo dem Hofmeister zu haben vermeinen, vorbehalten und unbenommen haben wellen etc. das hat die Universitas keinerlei weg in dem Vertrag wellen pleiben lassen, dan die von Freiburg gantz und gar nicht ahn den Laloschen dißer begangenen sach halben zuosprechen, welches die stat fallen laßen, also das der vertrag ab Universitate confirmirt worden.

Offenbar versucht die Stadt immer noch, die Gerichtsbarkeit über von Lalosch an sich zu ziehen. Erst nachdem die umstrittene Klausel aus dem Vertrag gestrichen worden ist, bestätigt ihn die Universität. Endlich besteht nun Hoffnung für den Gefangenen, freigelassen zu werden. Da er mit dem Wachtmeister eine Einigung erzielt hat, möge ein Rath samt dem Wägelin leiden, das der Hoffmeister ledig gemacht werde. Die Universität ist einverstanden, stellt aber einige Bedingungen: doch zuovor solle er ein urphedt schweren, dißer sach halben niemend anderswo dan vor der Universitet hienfuoro gegen die stat oder gegen anderen Recht zu 204

Vgl. dazu Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen, Artikel anderthalb, ist aufzulösen als ander, also zwei-t-halb: 1½ nämlich ½ zur 2. Folglich bedeutet fünfthalbt 4½ und fünfthalbhundert 450. 205 A 10/9, fol. 54, Convocatio am 25.08.1562, Randglosse: Vertrag zwüschen Hoffmeister und Wachtmeister.

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geben und zu nemen, Auch solle er Universitats zehen pfund Rappen zuofrevel geben,206 zuo dem soll für das er im kerker komen pedello ein schillling und alle tag dweil er drinnen gelegen einen vierer, aber alle tag dweil er im collegio ahn der Kettene gelegen einen schilling gebe, ohne das den wechtern so ime alle nacht im kerker in der Burs verhuottet gebüret, Welches alles Herr Erasmus zu zahlen versprochen.

Der Inhalt der Urfehde stellt klar, daß die gerechtigkeit, die sich die Stadt in der umstrittenen Klausel vorbehalten wollte, tatsächlich Gerichtskompetenz und nicht nur Ansprüche meinte. Die Kosten für seine Bewachung und Versorgung während der Haft muß er selbst tragen.207 Aus der Formulierung des Vertrags, daß Jed(er) seinen costen ahn im selbst haben sollte, ergibt sich diese Lösung nicht eindeutig, zumal im Verlauf der Verhandlungen die Stadt immer wieder gefordert hatte, man solle von Lalosch auf Kosten der klägerische Seite gefangen halten. Nach dieser Einigung wurde einen Monat später auch die Klage gegen Monstureulx und Lombardus fallen gelassen.208 Doch der Konflikt war noch nicht ausgestanden, denn just an diesem Tag strengte die Stadt eine Injurienklage gegen von Lalosch an: indem er ihren Wächter verwundet habe, habe er zugleich sie als dessen Dienstherrin beleidigt.209 Die Hartnäckigkeit mag damit zusammenhängen, daß in diesem Konflikt Stadt und Universität immer wieder versuchten, ihre Kompetenzen gegeneinander abzugrenzen und zu verteidigen.

206 Und wiewohl gebett worden den halben frevel nachzuolaßen, Ist es doch bei dem ganzen pliben. Ein rappen entsprach zwei Pfennigen. Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen, Rappen, S. 84. Eine Aussage über den Wert ist kaum möglich, da nicht erkennbar ist, ob ein Gewichtspfund oder Zählpfund gemeint ist. Ein Pfund Pfennige entsprach vermutlich etwas weniger als zwei Gulden. 1561 verlangte die Universität als mulcta für einen Totschlag decem libras friburgensis, im Fall Rümelin, Zweiter Teil § 3 II. 2. 207 Dieses Ergebnis entspricht den Bestimmungen des Stiftungsbriefs über Gefangenschaft, die sich zwar nicht auf zivile Klagen beziehen, doch in diesen sollte es ja eigentlich auch keine Haft geben. Auch im Hinblick auf Bürgschaft oder eidliche Kaution hatte man diese Regeln angewendet. 208 A 14/2, fol. 36v, 12.09.1562, Monstureulx und Lombardus begeren von Bartlin Wägelin zuowüßen, dweil er sich mit dem Hoffmeister vertragen, ob er weitter wider sie beide handlen welle ... Wäglin verzeicht sich aller ansprach gegen den zweyen diser sach halben. Diße Zwen begeren deß Ein urkundt, die ist inen uff ire kosten kosten zugeben erkannt worden. 209 Vierter Teil § 3 I. 1. c).

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

c) Exkurs zur Bedeutung der Asyle Bisher haben wir uns mit den Handlungsmöglichkeiten des Geschädigten befaßt. Bei den schwerwiegenden Fällen werden wir allerdings mit einer Reaktion des Täters oder Verdächtigen konfrontiert, die das Verfahren in starkem Maß beeinflußte. Oft flüchteten sie sich nämlich in Asyle, in denen sie vor dem Zugriff der Wacht sicher waren. Während die Freistätten bei der Behandlung der Strafgewalt der Universität vor allem als Hemmnis erschienen,210 zeigt sich hier ihre andere Seite: Da sich die Schädiger weiterhin in der Stadt aufhielten, ermöglichten die Asyle Gespräche zwischen den Beteiligten oder vereinfachten sie zumindest.211 Die Täter konnten verhandeln, ohne sich der Festnahme und Haft im carcer oder gar der öffentlichen Strafverfolgung auszusetzen. Aus der kundschaft eines gewissen Jacobus Metzler erfahren wir, daß er sich etliche Zeit lang versteckt hielt, nachdem er an Fastnacht einen Bäcker verwundet hatte. Nachdem Versuche, sich über verschiedene Vermittler zu vergleichen, fehlgeschlagen waren, kehrte er in die Stadt zurück, um die Angelegenheit persönlich zu regeln: als verschinen faßnacht der Beck[er] Hans Koch verwundet wurd und er sagender auch bei der handlung gewesen, sich allein deßhalben mitt dem becken zuuertragen begert, den Probst in der Burs angesprochen, auch andre hierin zu handlen vnd zu erkunden was doch der Beck für sein ansprach er zu Ime sagenden zuhaben vermeynt in alwegk nemen wolte, damit vnd diese Sach sie merhalb hingelegt würde, Vnd aber sich die Jhenieng er hierin angelangt dieser sachen nitt under nehmen wollen, sei er letzlich selbs fürein in die Statt gang sich mit dem becken zu vergleichen und zum Löwen eingegkehrt ...212

Als Metzler in eine Schlägerei geriet, ließ er sich widerstandslos festnehmen, weil er glaubte, es ginge noch um die alte Sache!213 Augenscheinlich hatte der Senat an dem Vorfall an Fastnacht kein Interesse mehr, denn Metzler wurden diesbezüglich keine Fragen gestellt, so daß die Verwundung des Bäckers Hans Koch in den Inquisitionsprotokollen nur zufällig auftaucht. Doch das Consistorium befaßte sich bereits mit einer Klage des Bäckers, was die Citation gegen

210

Vgl. Zweiter Teil § 3 II. 1. Schwerhoff, Köln, S. 277 f.; vgl. auch Becker in LexMa I, Asyl, Sp. 1158; Riggenbach, Die Tötung, S. 141. 212 A 12/2 (LI1), fol. 368v, Inquisition geschehen am 09.05.1561 im Kercker Von wegen der Handlung sich den 6. Mai allhie im gemeynen frawen haus zugetragen. 213 A 12/2 (LI1), fol. 369r/v: Er sagender aber hab nitt anders vermeynth dan er werde von wegen Hans Koch des hieuor verwundt becken gefengklich einzogen, sunst wolte er whol daruon kommen sein, seye derhalb guotwilligklich mit den Scharwächtern gangen Vnd zum Herrn Rector kommen ... 211

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Metzler, die in den Inquisitionen vom 05.05.1561 erwähnt wird, erklärt.214 Der Bäcker hatte vorgetragen, die Beklagten hätten ime fünff zen uß dem mund gschlagen, wofür er 100g sampt bekerung costens, und schadens, auch schererlon und versaumbtnuß verlange. Zu Beginn des Verfahrens hatte das Consistorium die Parteien aufgefordert, sich zu vertragen. Durch einen weiteren Zufall erfahren wir, daß die privaten Verhandlungen Erfolg hatten. Da sich Metzler nicht an die Abmachungen des Vergleichsvertrags hielt, kam der Bäcker nochmals zum Consistorium, um die Exekution des Vertrags zu verlangen.215 d) Wertung und Gründe der Einigungen Wir lesen mit Staunen die Nachweise wie man Mord und Todtschlag mit Geldstrafen büsste oder sich gar auch ohne diese an der Geldabfindung mit den Erben des Verletzten genügen ließ ...216

Wenn manche Autoren des 19. Jahrhunderts private Einigungen und Vergleiche bei Verbrechen beschreiben, sind negative Konnotationen spürbar. Mit einer Einstellung zum historischen Recht, die uns heute fremd ist, übten sie Kritik an Instituten, die sie als Anzeichen einer ineffektiven Strafrechtspflege interpretierten. Da diese Wissenschaftler ihre Rechtsordnung als Zielpunkt der von ihnen angenommenen historischen Evolution begriffen, in der sie das peinliche Strafrecht als notwendigen Entwicklungsschritt ansahen, konnten sie das geschichtliche Recht danach bewerten, wie „fortschrittlich“ es war.217 In 214 A 12/2 (LI1), fol. 367r, 05.05.1561, Inquisition Im Kerker von wegen etlich trewung sich gegen einen Potten, so ein citation an Jacobus Metzler Im Brunnacker zu vberantwurtten, zugetragen. Die verhörten Johannes Schnitzer und Georg Brunner sagen auch aus, Metzler habe schon zu diesem Zeitpunkt vorgehabt, sich mit Koch zu vertragen: fol. 367v, (Schnitzer) sie wolten zum verwundt becken hans Kochen ghan vnd mit demselbigen handlen ob er ein leidenlichen vertrag einghan wölte, dan er Jacob Metzler sich zuuertragen begert ... 215 A 14/2, fol. 14v, 29.11.1561. Sie haben einen Vertrag gemacht, das Metzler und Vögelin im cleger für die zugefügte schaden sollen 20 g und 20ß geben, ... nun soll Metzler seinen teil zahlt haben, ist nicht geschenen, begert executione. 216 Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, im Kapitel Die neuere Zeit, Der disciplinäre Character, S. 112 f. Diese Äußerungen erfolgten mit Blick auf die von Schreiber für Freiburg aufgeführten Beispiele von privaten Einigungen. 217 So auch Frauenstädt, Blutrache und Todtschlagssühne, S. 174: Es ist merkwürdig, dass ... das seiner Natur nach schwerste Verbrechen [Totschlag] erst nach fast zweitausendjährigem Ringen die ihm im Strafrecht gebührende Stellung zu erstreiten vermochte ... S. 168 stellt er die Frage, warum die Totschlagssühne ungeachtet ihres der Idee der Rechtsordnung widersprechenden Charakters bis über das 15. Jahrhundert hinaus begünstigt wurde; Stein, Akademische Gerichtsbarkeit, im Kapitel Die neuere Zeit, Der disciplinäre Character, S. 112 f. bezeichnet das in der frühen Neuzeit gebräuchliche

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solchen Denkmustern ist es geradezu zwingend, auch die Asyle abzulehnen, weil sie die Verfolgung und Aburteilung von Straftätern behinderten. Diese Form der rückblickenden Bewertung führte dazu, daß kaum tragfähige Erklärungen dafür gefunden werden konnten, warum Vergleiche angestrebt wurden und noch lange neben dem öffentlichen Strafrecht existierten. Inzwischen versucht man, diese Phänomene – rechtlich wie tatsächlich – im Kontext ihrer Zeit zu betrachten. Die peinliche Strafe gründet auf Ablehnung und Ausgrenzung eines Verhaltens. Dem steht eine gesellschaftliche Praxis entgegen, die Gewalt weithin als Mittel des Konfliktaustrags akzeptiert. Zugleich erklärt sie die Häufigkeit erfolgreicher Fluchten und die Unterstützung einer konsensualen Lösung.218 Auch die Gerichte betrachteten noch lange Zeit die private Einigung als Aussöhnung der Parteien als vorrangig.219 Vermehrt werden von der neueren Forschung auch die positiven Effekte von Sühneverträgen und Entschädigungsleistungen in den Blickpunkt gerückt.220 Sie dienten nicht nur der Entschädigung und Versorgung des Opfers bzw. seiner Angehörigen, sondern auch der Gemeinschaft, indem sie das weitere friedliche Zusammenleben der Parteien ermöglichten. Letzteres lag, wenn es sich bei den Tätern um angesehene Gemeinschaftsmitglieder handelte, im Interesse aller. Für die vorliegende Untersuchung muß man gewisse Abstriche machen: Die Erhaltung guter Nachbarschaft ist ein Motiv, das auf den einzelnen, stadtfremden Studenten weniger zutraf. Außerdem schlug sich die Ungebundenheit der Scholaren möglicherweise in einer höheren Zahl endgültiger Fluchten nieder.221 Dennoch zahlten wohlhabende und angesehene Eltern sicher lieber eine Entschädigung, Gnadenbitten als Unsitte. Noch 1916 schreibt Riggenbach, Die Tötung, S. 141, von der schädlichen Wirkung des Asyls. 218 Im Hinblick auf die Tolerierung des Asyls und die Häufigkeit erfolgreicher Fluchten leuchten die Thesen ein, die dies mit der gesellschaftlichen Akzeptanz gewalttätigen Konfliktverhaltens erklären. Die üblichen aggressiven Reaktionen auf Beleidigungen werden mit der Wichtigkeit der Ehre in der tradtitionalen Gesellschaft erklärt, beruhend auf Bourdieus Verständnis der Ehre als sozialem Kapital, das unbedingt gewahrt werden muß. Schwerhoff, Köln, S. 312-322; Fuchs, Um die Ehre, S. 140 und 142. Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 56, wendet diese Ansätze auch auf die in den Inquisitionsprotokollen beschriebenen Beleidigungen an. 219 His, Strafrecht der deutschen Mittelalters I, S. 310-313. Zum Teil forcierte man die Einigung durch Zwangsmaßnahmen, z. B. Verbannung bis Einigung erfolgt ist. Vgl. dazu Hoffmann, Außergerichtliche Einigung bei Straftaten, S. 577. Kriterium, wann eine Einigung erzwungen wird, ist die Bedeutung des Delikts für städtischen Frieden. 220 Selbstverständlich sollte man sich vor dem anderen Extrem, Einigungen als ausschließlich positiv zu begreifen, hüten. Äußerungen wie die einleitend zitierte, man könne einen Menschen erschlagen, wenn man das Geld habe, sich freizukaufen, werden auch von den Zeitgenossen als provokant empfunden worden sein. 221 An dieser Stelle ist das Fehlen einer Untersuchung der Freiburger Gerichtsbarkeit in besonderem Maße zu bedauern.

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als die Studienzeit ihrer Söhne mit einem solchen Eklat enden zu lassen. Auch von Seiten der Stadt bestand ein generelles Interesse an einer gutbesuchten Universität, weil sie von finanzkräftigen Studenten wirtschaftlich in erheblichem Maß profitierte. Darum war in solchen Fällen auch bei Beteiligung von Universitätsangehörigen eine konsensuale Lösung von Vorteil. Insgesamt müssen die privaten Einigungen und Vergleiche im System der verschiedenen Konfliktlösungsmechanismen betrachtet werden, in dem sie, ebenso wie peinliche Strafen und Geldstrafen, ihre Funktion erfüllten.222 III. Tötungen 1. Keine Klagen vor dem Consistorium Die Inquisitions- und Senatsprotokolle berichten im Zeitraum der untersuchten Consistorialakten von schweren Verwundungen und Tötungen, die darin nicht auftauchen. Zum Teil ist dies auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten zurückzuführen: Wenn ein Student durch einen Freiburger Einwohner verletzt oder getötet worden war, mußte vor den städtischen Gerichten geklagt werden,223 weil dem Consistorium die persönliche Zuständigkeit fehlte. Aber auch 222

Willoweit, Vertragen, Klagen, Rügen, S. 199. Hoffmann, Außergerichtliche Einigung bei Straftaten, S. 568. Hoffmann begreift die außergerichtlichen Einigungen als Element horizontaler sozialer Kontrolle, S. 578. Er betrachtet sie aus der Perspektive der Obrigkeit. Da die Einigung entscheidend für die Bestimmung des Strafmaßes oder das weitere Schicksal des Täters war, räumte die Obrigkeit der Aussöhnung eine große Bedeutung für die Wiederherstellung des Stadtfriedens ein und integrierte so das Opfer und sein Umfeld in den Prozeß des öffentlichen Strafens. Herkömmlicherweise nimmt man an, das öffentliche Strafen habe dazu geführt, das Opfer mehr und mehr vom Strafverfahren auszuschließen. Hoffmann scheint davon auszugehen, daß die städtischen Obrigkeiten die Definitionsmacht über die Einigungen hatten, wie sie heute ein Gericht hat, das einen Täter-Opfer-Ausgleich anordnet. 223 Hierunter fällt der Vorfall vom 30.08.1562, als der Student Athanasius Ströwlin im gemeinen Haus getötet wurde. Einen Tag später befaßte sich der Senat mit der Angelegenheit, A 10/9, fol. 56 und beschloß, einen Rath allen ernsts zu ermahnen, daß der thäter vleißig gesuocht, in der sach inquiriert und dann ire inquisitiones der Universität übergeben werden. Die heimlichen Räte inquirierten in dieser Sache, die Universität erhielt die Inquisitionen: A 12/2 (LI1), fol. 601r, 01.09.1562. Am 13.09.1562 wurden sie im Senat verlesen, woraufhin der Beschuß erging, einen Rath wiederum anmahnen, das der thäter gesuocht und gebürlich gestrafft werde. Offensichtlich geschah in dieser Richtung wenig, ein Jahr später, am 01.08.1563, A 10/9, fol. 95 vermerkte der Notar, Michel Bremer, Bürger zu Basel Athanasius Ströwlin seelig Verwandter bringt für, daß er und sein fründschafft den totschlag an gedachtem Athanasius begang gegen den Täter mit ordenlichem Rechten erörrtern wellen, und bittet Univertas welle Ime die Inquisition dieser Sach halber uffgehaben mitteilen, sich deren zu gebrauch haben. Die

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in keinem der Tötungsfälle mit universitärem Täter oder Tatverdächtigen erhoben die Angehörigen eine Klage vor dem Universitätsgericht. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Oft konnte man den Täter gar nicht ermitteln oder mangels energischer und mit der Stadt koordinierter Verfolgung nicht festnehmen.224 Wie dargestellt, trug auch die Akzeptanz gewalttätigen Konfliktverhaltens dazu bei, daß so vielen Tätern die Flucht aus der Stadt oder in Asylstätten gelang. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte sich an dieser Situation noch nicht viel geändert. Johann Casparus Pridler nannte am 03.10.1600 die Motive für seinen Aufenthalt in der Freiheit des Oberrieder Klosters klar beim Namen: etliche Tage nach dem tumult hat er sich hierher [in das Kloster Oberried], als er gehört, daß Jordanus Stoffel und der Spittelmeister wider ihn malefizisch klagen wollen, zu seiner Sicherheit begeben, wo er bleiben und abwarten will, wer gegen ihn klagen wird ...225

Die Angst dieses Studenten vor einer malefitzischen Klage führt uns zum nächsten Aspekt, der für das Fehlen von Verfahren um Geldleistungen wegen Tötung ursächlich sein könnte. Sie ergaben nur dann für beide Parteien einen Sinn, wenn sich malefitzische Klagen noch durch eine Sühne an die Hinterbliebenen abwenden ließen. Das Fehlen ziviler Klagen wegen Tötungen legt auf den ersten Blick die Vermutung nahe, die Grenze, bis zu der eine zivile Entschädigung die peinliche Bestrafung verhindern konnte, sei in Freiburg bereits zwischen Tötung und Körperverletzung verlaufen. Allerdings läßt sich eine private Einigung noch aus dem Jahr 1561 nachweisen. Bei der Untersuchung der Behandlung malefitzischer Taten zeigte sich außerdem, daß sich die Grenzziehung nicht abstrakt bestimmen läßt, da die Entscheidung von einem System informeller Regeln abhing und stark von den Umständen des Einzelfalls, dem Status der Beteiligen und anderen Faktoren beinflußt wurde.226 Wahrscheinlich wollte Pridler deshalb abwarten, wie sich die Situation entwickeln würde. Das Fehlen von Klagen bei der gleichzeitigen Möglichkeit privater Einigungen legt Universität beschloß, die Inquisitionen der Heimlichen Räte nicht herauszugeben und antwortete: Universitas hab niemand inquiriert dieser Sach sunder allein die Stadt, dann kein student dabei gewesen. 224 Nur selten – man denke an die Brüder de Monte oder Stephan von Lalosch – schafften es die Freiburger, die Täter festzusetzen. Gerade in jenen Fällen überlebten allerdings die Opfer. Dies mag Zufall sein, eher noch als die Tatsache, daß es in beiden Fällen französische Studenten waren, die von den Bürgern gefangen genommen wurden. Zu Animositäten zwischen Einheimischen und Fremden vgl. Schwerhoff, Köln, S. 308 f. Wenn auch Schreibers Äußerungen, Universität Freiburg, II. Theil, S. 113, vom nationalen Kampf gegen die Franzosen übertrieben sind, scheint es eine Ablehnung der Welschen tatsächlich gegeben zu haben. 225 A 13/2 (LI2), fol. 202, Inquisition am 03.10.1600. ... sagt er sei bezecht gewesen und könne sich an nichts erinnern auch nitt daran, wer ine an der Hand verwundet ... 226 Zweiter Teil § 3 II. 2.

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folgende Vermutung nahe: Die reichsrechtliche Regelung der Carolina, die für den Totschlag zwingend eine peinliche Strafe vorsah, hatte sich insoweit durchgesetzt, daß man private Verträge zwar noch tolerierte, zivile Klagen auf Ersatz wegen Tötung aber nicht mehr. 2. Private Einigung bei Totschlag Am 18. April 1560 wendet sich Urban Drautman, dessen Bruder von den Studenten Stephan Rümelin und Erasmus Bürcklin getötet worden war,227 um Rat und Hilfe an den Senat: Es wölle Ime Vniuersitas berathen vnd beholfen sein damit vnd seins entleibten bruders selig kindern der pillichkeyt nach was ergetzlichkeit von diesen studenten widerfahre.228

In der Antwort des Senats begegnet uns wieder die Problematik von Flucht und Asyl: Inen seye dießer unselig fall herzlich leyd, Sie wissen aber Ime uff sein gethan begeren gar dheins wegs weder zu rahten noch zuhelffen, dieweyl der ein thäter von hienen hienweg vnd der andere alhie zu den Oberriettern In die freyheyt entwichen.

Sollten die Täter ihr übergeben werden, werde sie mitt dem oder denselbigen aller gepuer nach whol wissen zuhandeln. Drautman gibt sich mit dieser Auskunft nicht zufrieden, sondern versucht beim Stadtrat die Auslieferung oder Festnahme des im Asyl befindlichen Täters zu erreichen. Doch die Universität bleibt in dieser Frage hart. Selbst auf Anfragen der Ensisheimer Regierung, an die der Stadtrat supplicierte, erklärt sie, der Täter müsse sich freiwillig stellen,

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Am 17.04.1560 findet sich eine Inquisition, in der neben anderem von diesem Vorfall die Rede ist. A 12/2 (LI1), fol. 348v, Philippus Schuoch sagt, nach Angaben zum Verzehr von fleysch oder verpotten speiße, die sach des Jerg Drautmann so thödlich verwundt belangend, Sagt er seye nitt bey dieser handlung gewesen habe aber von andren gehört das Bircklin vnd Stephanus Rimelin haben söllichs gehan. 228 A 10/7, fol. 1180, Convocatio 18.04.1560. Dominus Urbanus Drautman cuius frater Georgius Drautman die 15. Aprilis hoc anno à Stephano Rümelin Hoendengensi et Erasmo Bürcklin Gegenbachensis studentibus graviter in capito vulneratus interfectus rogat. Vgl. Schreiber, Universität Freiburg, II. Theil, S. 111. Es handelt sich um den seltenen Fall, bei dem sich bei Schreiber eine falsche Quellenangabe findet, er schreibt, im März 1561 erschlug Stephan Rümelin den Georg Trautmann ... Zwar finden wir am 19.03.1561, A 10/7, fol. 1245, die Notiz über die Einigung, der Vorfall ereignete sich aber fast ein Jahr zuvor.

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denn man könne das Asyl nicht antasten.229 Am 19.03.1561 erfahren wir aus den Senatsprotokollen, Stephan Rümelin habe sich mit der Frau und den Kindern des Getöteten geeinigt und ihnen wegen der Tötung 140 Gulden gezahlt.230 Leider fehlen gerade aus diesem Zeitraum die Consistorialakten, so daß sich nicht ermitteln läßt, ob vor dieser Einigung eine Klage stattfand oder nur privat verhandelt wurde. IV. Beschädigungen an Sachen In unserem Sample lassen sich in A 14/1 zehn und in A 14/2 sechs Fälle identifizieren, in denen sich die Klage unter anderem auf Geldersatz für die Wertminderung an einer Sache richtete. Dies sind etwas weniger als 2 % der gesamten Konflikte. Ganz überwiegend entzündeten sich die Klagen daran, daß verliehene oder vermietete Sachen beschädigt wurden;231 in acht Fällen handelte es sich dabei um Pferde mit Sattel- oder Zaumzeug232 und in fünf Verfahren um Häuser sowie das mitvermietete Mobiliar. Oft wurde nicht nur um Schadensersatz, sondern auch über die Auslegung des Vertrags, über ausstehenden Mietzins oder die Rückgabe der Mietsache gestritten. Wie bei den anderen unerlaubten Handlungen fällt auch bei den Sachbeschädigungen auf, daß etliche Fälle, die in den Inquisitionen auftauchen, nicht vor das Consistorium gelangten. Da bei nächtlichem Vandalismus die Täter häufig unerkannt blieben, mag dies die geringere Zahl von Klagen auf Schadensersatz erklären. Auffallend ist die niedrige Quote an Endurteilen. Bei acht Klagen, also der Hälfte, brechen die Aufzeichnungen ohne Ergebnis ab. Drei Konflikte wurden durch gerichtlichen Schiedsspruch, zwei durch sofortigen Entscheid beendet. Für zwei weitere Prozesse sind sententiae definitivae überliefert. Die

229 A 10/7, 25.04.1560, fol. 1184. Literis Regiminis in Ensisheim ad supplicationem magistratus friburgensis, sie sollen ihn aus der Freiheit ex asylo monasterii herausholen. fol. 1198, 26.06.1560, verweisen die Notizen auf einen Rechtsstreit in Ensisheim zwischen der Stadt und der Universität wegen Bürcklin. 230 A 10/7, fol. 1245. 231 Nur in einem Fall bestand definitiv kein Vertrag zwischen den Parteien: der Kläger verlangt Wertersatz oder die Herausgabe seines Degens, den ein anderer Student verwechselt und irrtümlich an sich genommen hatte. 232 Noch 200 Jahre später fällt an der Universität Göttingen auf, wie viele Schadensersatzklagen wegen vermieteter Pferde erhoben wurden, Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 356.

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geringe Fallzahl läßt keine verallgemeinernden Aussagen über die Dauer der Verfahren zu.233 1. Zivile Klagen auf Schadensersatz a) Klagen Sollte die Rechtsgrundlage für die Klagen wegen Sachbeschädigungen aus dem römischen Recht stammen, müßte es sich um die actio legis Aquiliae bzw. um entsprechende actiones utiles handeln. Diese verdrängten nämlich im Lauf der Rezeption die anderen Klagen wegen Sachbeschädigung.234 Die actio legis Aquiliae war nach römischem Recht auch dann anwendbar, wenn zwischen dem Schädiger und dem Verletzen bezüglich der beschädigten Sachen ein Schuldverhältnis bestand.235 Sie differenzierte also nicht zwischen außervertraglichen Schädigungen und Beeinträchtigungen einer gemieteten oder geliehenen Sache und könnte in unseren Fällen zur Anwendung kommen. Das Freiburger Stadtrecht sah ausdrücklich eine Haftung für Beschädigungen im Rahmen von lyhe oder bestandnus umb ierlich pension vor und bestimmte sogar eine Haftungserleichterung für letztere.236 Die Kläger nahmen aber nicht auf diese materiellen Regeln Bezug;237 auch eine Erörterung des Verschuldensgrades begegnet uns in den Consistorialakten nicht. Wie bei den Klagen wegen Körperverletzungen finden sich wiederkehrende Komponenten in unterschiedlichen Kombinationen, wobei sich bei außervertraglichen Schädigungen keine Abweichungen feststellen lassen. Die formalisiertesten Wendungen erinnern an Injurienklagen. Die typische Schätzungsformel, der Kläger wolle so und soviel Geld lieber geben als den Schaden erlitten zu haben, ist aber selten. Unter anderem taucht sie in einer 233

Man trifft die längste und kürzeste Zeitspanne bei den Endurteilen, es vergehen 42 bzw. drei Wochen bis zur sententia. Die anderen Streitigkeiten dauerten zwischen 4 und 16 Wochen. 234 H. Kaufmann, Lex Aquilia, S. 105. 235 H. Kaufmann, Lex Aquilia, S. 11. 236 Köbler, Nüwe Stattrechten, II. Tractat, II. Titel Von lyhe vmb gelt oder vergebens, 1. ... vnd würd es vß dem mindesten vnflyß geschwechet / das mueßt er abtragen, ebenso 4., S. 91. II. Tractat, V. Titel, Von bestentnuß der güter, 1. ... was durch irn vnflyß verwarloset würdt / oder abgeet / das sind sy schuldig zu bezalen / es ist aber genuog so sy ein gemeinen guoten flyß thuond / den ein yeder flyssiger hußvatter in sinen eigen hendeln thett ... Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 81 f. und 91 f. 237 Auch bei Nassall, Freiburger Stadtrecht, S. 239 ff. und 292 ff. finden sich keine Beispiele entsprechender Schadensersatzforderungen bei lyhe oder bestandnus aus der Freiburger Praxis.

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Klage auf Miete und Schadensersatz aus dem Jahr 1554 auf. Im Verfahren zwischen Lienhart Bley, dem Zunftmeister gegen M. Claudius Boquetin deren von Mundfort paedagogus geht es um die Kündigungsfrist eines Mietvertrags über Wohnraum. Als weiteren Punkt bringt der Kläger vor, zum andern haben sy im ein bett verwüst, wolt ein cronen darfür geben.238 Der Beklagte gesteht diesen Punkt zu und bittet das Gericht um Schätzung des Schadens, Daruff antworter der clag gestendig, ... Den schaden deß betts soll man taxieren waß sich billich befind wölle er abtragen. Eine Schadensschätzung durch das Gericht begegnet uns bei Injurienklagen öfter, und eine solche erfolgt im Urteil, das drei Wochen später ergeht: und für den zugefügten schaden am bett so umb iii ß angeschlagen worden geben vnd bezahlen, und soll der cost yedem theil ufferloffen compensiert vnd uffgehept sein.239

Es handelt sich hierbei um das einzige in A 14/1 überlieferte Urteil zu Sachbeschädigungen. Da eine Krone zwei Gulden entsprach und ein Gulden circa zwölf Schillingen,240 hatte der Kläger nach grober Umrechnung nur ein Achtel der von ihm veranschlagten Summe erhalten. Eine ähnliche Formulierung verwendet Hans Gebwein als procurator von Michel Braurers Witwe in der Klage gegen Matheus Lutzelburger. Ein Streitpunkt ist die vereinbarte Mietdauer; daneben erhebt die Witwe Forderungen wegen diverser Sachbeschädigungen: Item so hab sie ime geliger gelihen die habe ir seine buben also verwiest und verletzt daß sie x gulden darum wolt geben begert dafür 12 gulden (sic!). Item so haben sie Ire den herdt und fenster zerbrochen begerdts wider gemacht zewerden.241

Ein Urteil zum ersten Schadensposten gibt es nicht, da sich die Parteien darüber untereinander einigen. Die zweite Forderung scheint keinen Geldbetrag, sondern die Wiederherstellung in Natur zum Gegenstand zu haben.242 Ähnliches verlangen auch andere Kläger, zum Beispiel Johannes Küfer, der über den hochgelehrt Herr Melchior Millhuser, doctor der artzney folgendes zu berichten hat: 238

A 14/1, fol. 372, 24.11.1554, ein behausung bestanden mit dem geding ... A 14/1, fol. 377, 15.12.1554. 240 Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen, Krone, S. 74. 241 A 14/1, fol. 241, 17.05.1550. 242 Später erklärt sich der Beklagte allerdings bereit, die Glaserrechnung zu übernehmen. A 14/1, fol. 254, 28.06.1550. um x batz dem glaser vie die fenster zuobezalen ... bekenn die x batz vie die fenster. 239

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Er hette im ein roß gelihen das hett er ime dermaß ... zugeritten, daß es um 3 oder 4 gulden ... minderwert gewesen, daß hab er nit wellen annhemen sonder es werde dan Ime wider wie er es Im gelihen zu gestelt also guth und werth. daß hab er in deß wertz haus gestelt so lang biß er antwortter Im solches wider wie billich sollt heimschicken und heimstellen cum expensarum refusione.243

Der Vermieter verweigert also die Rücknahme seines Pferdes in schlechtem Zustand. Bonaventura Fürwin klagt, Christoph Stor habe bei ihm ein Pferd entliehen und Es also abgeritten und also mager widerpracht, daß ers nit mer zebruchen noch auf heutigen tag, begert Ime willen darum geacht werde daß ers also muß erhalten oder daß ers nheme und Ime 20 gulden dafir gebe.244

Fürwin möchte, daß der Beklagte das Pferd gesund pflegen bzw. die Unterhaltskosten tragen soll, bis es wiederhergestellt sei. Alternativ schlägt er eine Art großen Schadensersatz vor, bei dem er dem Schädiger das abgerittene Pferd gegen vollen Wertersatz überlassen will. Zu beiden letzteren Klagen ist kein Urteil überliefert. Zwei Klagen sind ursprünglich auf die Herausgabe einer Sache gerichtet, wobei der Kläger aber von Anfang an Wertersatz als Alternative anführt: er hab ime ein Roß gelihen das beger er wider oder 28 thaler darfür.245 In diesem Fall verurteilte das Gericht zu einer Geldzahlung, allerdings war das Pferd inzwischen verendet. zuo Recht erkandt, das der Beklagte dem Cleger für das abgangen Roß zweintzig gulden zu entrichten schuldig, und solle der gerichts Cost uß beweglich ursach compensiert sein246

Im zweiten Fall klagte Sebastian Isel gegen Jacob Metzler, er hab im ein wher on sein vorwüßen vß dem Brunnacker tragen, derhalb begert er das wher widerumb oder ein guldin darfür.247 Nach der Aufforderung des Gerichts zur 243

A 14/1, fol. 260, 23.08.1550. Dies bleibt der einzige Gerichtstermin in dieser Angelegenheit. 244 A 14/1, fol. 293, 25.10.1550. Stor streitet jedoch alles ab: das Pferd sei, do ers allweg geritten also ellend gewesen, daß die leut seiner gespottet haben. Er berichtet zudem, daß die Frau des Vermieters schon bei der Rückgabe behauptet habe, daß Pferd sei an allen vier Beinen lahm. Darauf hätten sie es einem Schmied vorgeführt, der erklärt habe, es handle sich nur Altersschwäche, die keins Reiters schuld. Deshalb verlangt er, von der Klage freigesprochen zu werden. Keine weiteren Sitzungen. 245 A 14/2, fol. 1v, 05.07.1561. 246 A 14/2, fol. 28r, 18.04.1562. 247 A 14/2, fol. 11v, 15.11.1561.

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Litiskontestation gesteht der Beklagte, er habe Bastian Isels wher mitgenommen, allerdings habe – offensichtlich lag eine Verwechslung vor – der Kläger auch sein wher. Die Streitsache habe inzwischen der Rektor beschlagnahmt. Der Kläger erklärt sich nun bereit, dem Beklagten dessen Waffe zurückzugeben. Im selben Termin entspricht das Gericht der Klage: Metzler soll Isel sein wher oder einen Gulden geben, mit abtrag costens vnd schadens. Die meisten Geschädigten verlangten einfach Schadensersatz in Geld. Ein Topos in ihren Klagen ist die Aussage, die beschädigte Sache sei zeitweise oder dauerhaft nicht mehr zu gebrauchen gewesen. Zum Beispiel formuliert Mathis Weinzieher seine Teilforderung wegen verderbung der Roßen gegen M. Oswald Schreckenfuchs so: darneben er ime ein Roß verderbt, welches er in 4 wochen nie mögen brauchen, für diß begert er zwen gulden.248 Lienhart Foi, der Wirt zum Adler, klagt gegen Johannes Schenkbecher als Pancratii Saurimpfer apud acta constituiert anwalt. Nachdem er dem Beklagten für fünf oder sechs Tage ein Pferd geliehen habe, habe er, als er cleger nochmals ... in den stall kommen, den sattel gantz zerbrochen befunden, daß der nitt mer zebruchen gewesen. Hab er glich den anttwortter darum angesprochen, Ime bekherung darumb zethun. Die weil nhun er iii gulden an dem sattell vermacht und Antworter Ime umb solche auff sein fründlich ansuchen kein abtrag thun wellen. So beger er ... [den Beklagten] Ime umb die 3 gulden fellig erkennth zu werden.249

Im Jahr 1556 klagt Gilg Nilius der borer gegen Wernher Schiller auf Wertersatz für ein zu Schanden gerittenes Pferd: Er hab Ime vor oder bey Zwey jarn ungefar ein roß gelihen, welches uff 15 thaler wert gewesen, welches er gebraucht das es Im abgangen also daß er dessen beraubt und mangeln mieß, begert Ime umb bezahlung desselben condemniert werde.250

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A 14/2, fol. 1v, 05.07.1561. Die eigentliche Klage ist nicht erhalten, der Notar faßt sie so zusammen: Weinzieher, welcher den Schreckenfuchs anclagt hatte umb etlich fuorlon und verderbung der Roßen ... Aus einem Zeugenverhör kann man aber die oben zitierte Klageformulierung erschließen. 249 A 14/1, fol. 263 f., 20.09.1550. Der Beklagtenanwalt bestreitet, daß sein principal von einem Schaden am Sattel auch nur gewußt habe. Auch die Höhe der Ersatzforderung greift er an: Dazu sey kum zu glauben daß man auff ein 3 pl roß ein sattell umb 3 gulden lege. Auf die Beweisaufforderung des Gerichts an den Kläger folgen keine weiteren Termine. 250 A 14/1, fol. 402, 03.10.1556.

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Die Klage von Petrus Remigius gegen M. Jonas Dankwart, den späteren Universitätsnotar, wurde wegen Unzuständigkeit abgewiesen. Sie ist die einzige in lateinischer Sprache verfaßte: Quod equum ... taliter presserit et devastaverit, quod ipsi iam non possit esse usui, eoquem de petere tam pro damno ... quinque florenos.251

Einige Klagen sind noch einfacher formuliert, wenn der Kläger die Ersatzverpflichtung einfach daraus ableitet, daß eine bestimmte Person einen Schaden angerichtet hat. In der Klage M. Jacob Wack als Anwalt Agnes Schmidins gegen David Schmidlin, den curator der verlassenen Güter Julius Wützgarts, heißt es einfach, der Geflüchtete sei ihr für bett- und hauszins, fenster und anderes so er Ir im haus zerbrochen und verwüst, schuldig vi floreni ungefar. Diesen Schaden soll der curator bezahlen.252 Im Sachverhalt komplizierter, aber in der Formulierung ebenso einfach, ist das nächste Beispiel. Der Kläger, Nicolaus Monfanco, hat dem Beklagten Christoph von Brantscheid ein Rapier geliehen. Als er es zurückforderte, antwortete der Beklagte, er habe die Waffe an einen anderen weiterverliehen, und der habe sie zerschlagen. Der Kläger führt nun aus, der Schädiger habe dem Beklagten 18 Batzen für das Rapier gegeben, die von Brantscheid behalten habe, deshalb beger er von den herren consistorialibus, ihn ... Brandtschyd zu condemnieren Ime vie das rapire i lb zu bezahlen schuldig sein.253 In A 14/2 fehlen bei den ersten Verfahren die ursprünglichen Klagen, überliefert sind nur die kurzen Erläuterungen des Gerichts. In einem Fall lesen wir ... Hans Egloff, dem er Roß geliehen, welchers dan übel verderbt, da für Schabhartt [Leerstelle] gulden begert.254 Ähnlich knappe Forderungen finden wir auch später in erhaltenen Klagen:

251 A 14/1, fol. 12, lateinisch deshalb, weil der Kläger lotharingus ist, und sie deshalb möglicherweise nicht auf deutsch vorgebracht hat. Der Notar schreibt auf Latein auch das Urteil weiter, vielleicht aus Gewohnheit, oder, weil in lateinischer Sprache verhandelt wurde. 252 A 14/1, fol. 411. Im nächsten Termin will Schmidlin den Streit im Recht befestigen. Der Klägeranwalt behauptet, der Geflüchtete habe die Kleider und Bücher als Pfand hinterlassen und möchte den Beweis dafür antreten. A 14/1,f. 419. Hiermit enden die Aufzeichnungen zu diesem Fall. 253 A 14/1, fol. 214, 15.02.1550; am 15.03.1550 beendet durch gütlichen Spruch, fol. 229, Also erkannth, daß Brendschid dem cleger soll vie alle ansprach erlegen ein gulden also aller sach halb vertragen sein. 254 A 14/2, fol. 2r, 05.07.1561.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium Erhartt Baur begert von ... Arnoldo [Nolentz] 8 schilling für das er im den sattel uff dem Roß verderbt. So dan ein schilling für ein halffter.255

Ebenso kurz gefaßt ist eine weitere Klage auf Schadensersatz vom 18.01.1567: Caspar Reppich clagt contra Johann Laurentium. Er sampt seinen iungen so in seinem haus gewont, haben verbrochen und verwuöst, ein beth darfür begert er 2 kronen, ein sessel iii fl, 2 blatten 8 ß, ein seil i fl, ein kentlin 3 ß, ein glas g d, vier scheiben 1 batz, hackmesser ii ß.256

Zum Abschluß soll eine Sachbeschädigung geschildert werden, die zum Schmunzeln reizt. Claus Rock klagt gegen Georgius Fälscher, der sein Kostgänger war. er antworter hette Im unangesehen, das er Im sein Haushaltung vertrawt ... [nachdem er in den Keller eingedrungen sei] den wyn truncken und das vaß mit wasser gefült, den wyn also verderbt, begert darumb abtrag.257

Obwohl der Beklagte zugibt, von dem Wein getrunken zu haben, bestreitet er mit der Haushaltung beauftragt gewesen zu sein und das Faß überhaupt angerührt zu haben.258 Das Gericht weist diese Schadensersatzklage im selben Termin ab: antwortter des weins halb absolviert, cleger solle ein andermal uffsehen, wem er sein haushaltung vertraw. Häufig wird also gar keine Anspruchsbegründung genannt, zum Teil fällt sie knapp und karg aus. Wer etwas zerstört, muß für den Schaden aufkommen: Das scheint so selbstverständlich, daß über den Grund für diese Verpflichtung nicht diskutiert wird. Vielleicht handelt es sich tatsächlich um Reste der deutschrechtlichen Traditionen, nach denen die Klage auf Unrecht beruht. Dargelegt wird deshalb das Fehlverhalten des Beklagten und nicht die Beschreibung des Rechtes, auf das sich die Klage stützt.259

255 A 14/2, fol. 65v, 19.08.1564. Die Verteidigung des Beklagten konzentriert sich darauf, nachzuweisen, daß nicht er es war, der den Sattel beschädigt hat. 256 A 14/2, fol. 77v, es folgen nur noch Anmerkungen zum Fortgang des Verfahrens: Reus bestadts nit. Actor soll beweisen. 257 A 14/1, fol. 293, 06.02.1552. 258 Er hette wol ein maß [Wein] oder vier helfen trinken, aber were zu dem vaß nie kumen sunder das meittlin [dem nach seiner Version die Haushaltung aufgetragen worden war] habe den Wyn uffgetragen. 259 Buchda in HRG 2, Klage, Sp. 840. Der Schwerpunkt lag nicht auf dem Rechtsgrund, sondern auf dem Begehren des Klägers. Aus diesem Grund unterteilen die mittelalterlichen deutschen Rechtsquellen die einzelnen Klagen nach diesem Aspekt,

§ 3 Beeinträchtigung von Ehre, Körper und Eigentum

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Ein über den Ersatz des Schadens hinausgehendes „pönales Element“ läßt sich in der Regel nicht erkennen, niemand scheint an eine Rückberechnung des Wertes oder an das duplum zu denken. Hätte allerdings ein Kläger eine Sachbeschädigung als Injurie, als Beleidigung verstanden, hätte ihm mittels der Injurienklage durchaus der Weg zu einer Klage auf mehr als den Wertersatz offengestanden. Obwohl es zu Sachbeschädigungen im Kontext der Ehre kam, wenn beispielsweise beim Fordern aus dem Haus die Fenster eingeworfen wurden, findet sich eine derartige Klage nicht. Meistens wurde auch nicht die Ehre der Hausbesitzer, sondern die ihrer studentischen Kostgänger angegriffen. b) Urteile Zwei erhaltene Urteil lassen keine Gesamtbetrachtung zu. Zwar wurde in beiden Fällen zu einer geringeren Summe als in der Klage gefordert verurteilt, aber bei den Klagen auf Wertersatz war in der Regel auch der ursprüngliche Wert und das Ausmaß der Beschädigung umstritten. Deshalb läßt sich nicht rekonstruieren, warum die Urteilssumme niedriger ausfiel. 2. Einigungen Die wenigen Urteile sprechen dafür, daß private Einigungen zwischen den Parteien auf diesem Gebiet häufig waren, obwohl sie nicht erhalten sind. Dies läßt sich vermutlich mit der geringeren Tragweite und dem niedrigeren Streitwert dieser Klagen erklären, die keinen schriftlichen Vertrag erforderten. Zumindest Indizien finden wir in den Quellen, zum Beispiel signalisierten im Fall Michel Branrers Wittib ./. Lutzelburger die Parteien schon früh Einigungsbereitschaft. Bereits im ersten Termin sagt der Anwalt des Beklagten, er wolle sich gütlich vertragen, welches die Klägerin willig angenhommen.260 Vor Gericht geschlossene Vergleiche sind hingegen durchaus in den Protokollen überliefert. Am 20.03.1557, ein halbes Jahr nachdem Gilg Nilius Klage auf Schadensersatz in Höhe von 15 Thalern für ein eingegangenes Pferd erhoben hatte, wurde der Rechtsstreit durch einen Vertrag beigelegt:

z. B. im sächsischen Landrecht die Klagen um ungerichte, up erve, uppe gut etc. Es zeigen sich noch Reste der frühmittelalterlichen Auffassung, nach der jede Klage auf einem Unrecht des Verklagten beruhte. 260 A 14/1, fol. 241, 17.05.1550.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium ist die sach durch der Herren unterhandlung vertragen worden, namblich das antworter dem cleger vi [schwer lesbar] cronen für das roß geben soll und yeder seine costen selbst haben, und also gericht und geschlicht sein.261

Da die Geldbeträge in verschiedenen Währungen beziffert werden, ist eine Umrechnung erforderlich, die durch schwankende und teilweise nicht überlieferte Wechselkurse erschwert wird.262 Kronen waren jedenfalls mehr wert als Thaler, nach grober Umrechnung263 sind 15 Thaler ca. 11 Kronen. Die zugesprochenen 6 Kronen entsprächen etwas mehr als 8 Thalern, also hat der Kläger nach diesen Berechnungen ungefähr die Hälfte seiner Forderung erhalten. Auch bei einer anderen Einigung läßt sich der Einfluß des Gerichts erkennen: Die herrn Consistoriales haben ahn Weinzieher [Kläger] vnd Schreckenfuchs begert sie sollen die sach in der guotte laßen verdädingen, Vnd als die beiden partheyen die Sach den herrn übergeben auch gelobt in manus Rectoris das sie wellen by der herrn guotlichen spruch pleiben, haben die herren in guotlichkeit gesprochen Das Schreckenfuchs solle dem Weinzieher für alle ansprach summarum geben siben guldin.264

In diesem Fall war der Prozeß mit der conclusio in causa fast bis zum Endurteil fortgeschritten, das die Parteien noch vor dem Vergleich verlangt hatten – reus etiam petit sententiam pronunciari. Ein Vergleich der Summen ist in diesem Fall nicht möglich, weil neben der Beschädigung, für die Weinzieher zwei Gulden verlangt hatte, auch noch Fuhrlohn und Futterkosten eingeklagt wurden.

§ 4 Sonstige Streitstoffe I. Erbschaftssachen In A 14/1 gibt es einen erbrechtlichen Fall, in A 14/2 sind es einundzwanzig. Diese Diskrepanz hängt damit zusammen, daß sich das Consistorium in den

261

A 14/1, fol. 427. Zu den Münzen und Geldwerten vgl. Einführung § 2 III. 3. 263 Auf der Basis der Angabe beider Münzwerte in Batzen bei Huggle/Ohler, Maße, Gewichte und Münzen. Eine Krone, S. 74, entspricht 27 Batzen, ein Thaler, S. 95, 18-21 Batzen. 264 A 14/2, fol. 10v, 25.10.1561. 262

§ 4 Sonstige Streitstoffe

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Jahren von 1561 bis 1566265 immer wieder mit dem Nachlaß von Dr. Julius Guth auseinandersetzen mußte. Es lassen sich 19 Fälle ausfindig machen, in denen die Vögte der Erben Dr. Julius Guths verklagt werden. Gegenstand ist hier allerdings nicht die Erbauseinandersetzung, sondern die Haftung der Erben für Verbindlichkeiten des Erblassers. Der eigentliche Sachstreit ist in einigen Fällen bereits entschieden, in anderen nur schwer zu herauszuarbeiten. Ab einem gewissen Zeitpunkt gehen die Vögte sachlich nicht mehr auf die Klagen ein, sondern wiederholen bei jeder neuen Klage nur noch, es sei kein Geld mehr da.266 Nur in drei Fällen dreht sich der Rechtsstreit um Fragen der Erbauseinandersetzung. Im Jahr 1553 verlangt M. Bernhard Winter von seinen Schwager Dr. jur. Johann Ulrich Beitz die Herausgabe verschiedener Gegenstände, darunter Kleidungsstücke und eine Uhr, die zu einem ebenfalls eingeklagten Erbteil gehören. Der Beklagte ist nicht geständig, will aber dennoch den Erbteil an den Kindsvogt auszahlen.267 Das Endurteil lautet: das herr antwurter dem cleger iii gulden v batz erbtheil und den beclagten Mantel zalen vnd behandigen soll vnd das Anturter der übrige Ingefüerten clag puncten halb ledig ... sein soll ... [zur Gegenklage] das antworter dem cleger das schwarz par hosen, das röschfarb Schamlottin wames, das ... liblin vnd das liderlin wames zum halben theil vnd die vhren Zum vierden theil zu antworten schuldig sein soll, der übrigen in der gegenclag bestimpten puncten halb ledig sein sol.268

In seiner nächsten Sitzung legt das Gericht auf Antrag der Parteien die Restitution für die Abnutzung der Kleider fest.269 Die Parteien kommen dem Urteil

265 A 14/2, fol. 8r, am 06.09.1561 wird von M. Jacob Molitor die erste Klage gegen D. Julii Guth Erben Vögt eingereicht, am 26.01.1566, fol. 71r, von Paul Mang die letzte dokumentierte. 266 Schon am 22.08.1562, A 14/2, fol. 34v: Die Beklagten können und mögen nicht zahlen, dan sie nicht haben, und well der margraff nicht volgen lassen, legen darum uff des Cantzlers handschrifft. Noch vorhandene Güter waren vom Markgrafen arrestiert worden, der diesen Arrest nicht aufhob. Das Gericht bestimmt, sie sollen zahlen uff das ehist Inen möglich. Ebenso am 26.06.1563, 54v, die beklagten Vögte bringen vor, es sei kein Geld mehr da, wie fol. 34v, sie sollen zahlen, sobald es ihnen möglich ist. 267 A 14/1, fol. 348, 11.03.1553. 268 A 14/1, fol. 358, 09.12.1553. Bei Klage und Gegenklage wurden die Kosten kompensiert. Der Rechtsstreit hatte ein dreiviertel Jahr gedauert. 269 A 14/1, fol. 360, 17.01.1553. Schätzung der Abnutzung, da ein Kleidungsstück sieben Jahre getragen wurde. Immerhin war das liderlin wames noch einen Thaler, das lyblin gar zwei Gulden wert.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

allerdings nicht nach, so daß sich das Gericht etliche Male um seine Vollziehung bemühen muß.270 Am 19.08.1564 klagt Heinrich Schuler, vertreten durch M. Michel Textor gegen Wonnegker als Erben Glareans auf die Auszahlung eines Vermächtnisses in Höhe von 200 Gulden, so Ime vermög des Testaments zugehörig.271 Der Beklagte will sich mit Schuler guötlich vertragen, was den Parteien wohl geglückt ist, da sie nicht wieder vor dem Consistorium erscheinen. Die zweite Erbschaftssache aus A 14/2 datiert vom 16.12.1564. Paulus Götz fordert von einem nicht näher genannten Beklagten, möglicherweise Hieronymus Götz oder der Universität als Nachlaßverwalterin sein Erbteil. Das Gericht antwortet ihm, er soll caution geben wie seine Miterben, so werd mans im folgen lassen. Der Notar verweist für den weiteren Fortgang der Sache auf die Senatsakten.272 Offensichtlich waren Erbschaftssachen kein Kernpunkt der gerichtlichen Tätigkeit. Dies hängt zum einen damit zusammen, daß die Gerichtsunterworfenen in der Mehrheit ledige junge Männer waren, denn etliche der verheirateten Professoren unterstanden der Stadt. Professorennachlässe konnten durchaus kompliziert sein, wobei die Schwierigkeiten jedoch meist in den politischen Bereich fielen. Häufiger kam es beispielsweise zu Auseinandersetzungen mit der Stadt um Nachlaßverzeichnisse,273 die aber nicht beim Consistoriums stattfanden, sondern vom Senat ausgefochten wurden. II. Verführung und Kindesunterhalt Auch hier ist auffällig, daß ein Themenbereich, der in den Inquisitionsprotokollen immer wieder auftaucht, viel seltener Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen war.274 Die meisten Sexualdelikte waren allerdings Besuche im Frauenhaus; Eskalationen finden wir in Ehebruchsfällen, die aber strafrechtlich verfolgt wurden. Dies läßt darauf schließen, daß die Studenten ziemlich genau

270 Die letzte Notiz in dieser Sache lesen wir am 02.07.1554, A 14/1, fol. 363, immer noch geht es um den Wert der Sachen. 271 A 14/2, fol. 65r. Vom Gericht wurden für die Einigung 10 Tage angesetzt. 272 A 14/2, fol. 66r, mit dem Vermerk Vide in actis Universitate. 273 Z. B. A 10/9, fol. 109, 22.12.1563, D. Jonas Dankwarts wittib laßt anzeigen, sie hab mit iren kinden theilt, und irer verlaßenschaft das Inventarium, was den kinden gehorig, vor dem Rath der Stat, wie sich gebürtt, eingelegt, Hab ein Rath das ietzig Inventarium nit annemen wellen ... 274 Zum zivilrechtlichen Umgang der Universitäten mit Fornicationsfällen in späterer Zeit vgl. Woeste, Akademische Väter, S. 125 ff. und Brüdermann, Göttinger akademische Gerichtsbarkeit, S. 405 ff.

§ 4 Sonstige Streitstoffe

383

wußten, mit welchen Frauen sie sich gefahrlos einlassen konnten, oder sie wollten eine ernsthafte Bindung eingehen.275 1. Zivile Klage Nach kanonischem Recht konnte eine verführte Jungfrau Ansprüche gegen den Verführer geltend machen. (1) Si seduxerit quis virginem, nondum deponsatam, dormieritque cum eam: dotabit eam, et habebit uxorem. (2) si renunuendum putaverit, corporaliter castigatus, excommunicatusque, in monasterio, in quo agat poenitentiam, detrudatur ...276

Diese Regelung wurde in das gemeine Zivilrecht übernommen, allerdings insoweit modifiziert, daß dem Verpflichteten die Wahl zwischen Heirat und Mitgiftstellung gelassen wurde.277 Auch der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes beruhte auf kanonischem Recht, das im Rahmen der Frührezeption durch die geistlichen Gerichte aufgenommen wurde.278 Fast alle partikulären Rechte des 15. und 16. Jahrhunderts enthalten Bestimmungen über die Alimentation nichtehelicher Kinder, so auch das Neue Freiburger Stadtrecht. Es unterscheidet zwischen ledigen naturlichen kindern, die von zwei ledigen Personen abstammen und vom Vater anerkannt sind. Die andere Gruppe bilden Kinder, die im Rahmen von Ehebruch, Verstoß gegen geistliche Gelübde oder Inzest gezeugt wurden, die sogenannten unflatskinder,279 welche nur Anspruch auf Notunterhalt haben.280 Im Freiburger Stadtrecht umfaßt die Kategorie der

275

Wie Martin Rapp mit Ursula Gaßlerin von Bregenz. Am 13.09.1570 sagte er aus, er habe mit der Dienstmagd in vneheren gar nicht gehandlet, sunder dieweil sie ime nachgestelt, hab er sie zuo der Ehe genommen, welle sie auch Ehelich, wie sich gebürtt zuo kirchen vnd straßen fuören vnd was er iren zuogesagt halten ... A 13/1 (LI2), fol. 362. 276 Corpus Iuris Canonici, X. 5, 16, 1 und 2. 277 Koch, Die Frau im Recht der frühen Neuzeit, S. 85; Wieling, Interesse und Privatstrafe, S. 134 und 143. Vgl. zum Ganzen aus der Sicht des gemeinen Rechts, Busch, Rechte geschwächter Frauenspersonen, S. 57 ff. Er befürwortet ein alternatives Klagerecht auf Ehe oder Mitgift ad dotendum aut ducendum für eine verführte Jungfrau, Witwe oder geschiedene Frau, soweit eine Ehe zwischen ihr und dem Verführer möglich gewesen wäre. 278 Leineweber, Nichteheliche Kinder, S. 129. 279 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 183, III. Tractat, VIII. Titel, Von ledigen kinden, 1. 280 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 184, III. Tractat, VIII. Titel, Von ledigen kinden, 4. ledige naturlichn kinder, ... doch sollen sy [Vater und Mutter] dieselben schuldig sin zu erzoehen und zu erneren wie nehst obbgeriffen ist. und S. 185 f., 9. Von den unflats kindern, ... doch sind Vatter und mutter vß naturs ordnung schuldig dieselben kinder /

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

ledigen natürlichen Kinder, abweichend von anderen Rechtsordnungen, auch Kinder von Frauen, die mit verschiedenen Männern Geschlechtsverkehr hatten. Voraussetzung ist, das sy dem kind wiß den vatter zu nennen / vnd der vatter eintweders solich kind guetlich angenommen / vnd für sin eigen kind erkent hab oder das es jm mit recht zu erteilt syge ...281

Sowohl die gütliche Anerkennung eines Kindes und als auch die Forderung, der Vater müsse das Kind aufnehmen und für seinen Unterhalt aufkommen, finden sich in den zwei Kindschaftsprozessen vor dem Consistorium wieder. Im Untersuchungszeitraum ist nur eine Klage einer ledigen Mutter gegen den vermeintlichen Vater ihres Kindes erhalten. Elisabeth Sutterin, eine Dienstmagd aus Konstanz klagt am 16.11.1549 gegen Jacobus Maurer aus Speyer. Der Beklagte habe sie mit guten fründlich oder schmechlich wortt überredt mit ihm Geschlechtsverkehr zu haben und sie eins kündts von Ime schwanger gemacht.282 Nun soll er daß kundt nhemen, daßselbig [möge] Ime sampt der versamptnus vnd expens ... so sie gehapt ... zugesprochen werde(n).283 Außer um Unterhalt und Entschädigung könnte es Elisabeth Sutterin auch um die Anerkennung ihres Kindes als ledigem naturlichen kind gehen, als solches hätte es nämlich – nach Freiburger Recht – eine bessere erbrechtliche Stellung.284 Am 01.12.1549 trägt der Anwalt des Beklagten in mündlicher Verhandlung verschiedene Punkte zur Verteidigung vor. Mauerer gibt zwar zu, mit der Klägerin verkehrt zu haben,285 doch sei bekannth daß sie sich meniglich einem yeden prosterniert vnd gewillfardt hab ... in jenem achtungvierzigsten iar, ob und ehe sie gravidam worden. Zudem habe sie, als man sie während der alldiewil sy vnder irn iaren sind / von hungers not zu erneren ... Diese Regelung gab es auch in anderen Reformationen. Leineweber, Nichteheliche Kinder, S. 130. 281 Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 183, III. Tractat, VIII. Titel, Von ledigen kinden, 1. Die Einteilung wird mit diser Statt Friburg louff / vnd gewohnheit begründet. 282 A 14/1, fol. 163. Dies sei vor etwa einem Jahr geschehen. Da hab sie der beclagt angesucht, er wolle ire dry oder vier gulden geben, daß sie ine nitt sollt verklagen oder verschreien. Dann sei er fortgezogen, da er aber nun wieder in Freiburg sei, erhebe sie Klage. Das Kind ist zu diesem Zeitpunkt etwa zwei Monate alt. 283 Der Vater konnte (und mußte nach manchen Polizeiordnungen) seine Unterhaltspflicht auch dadurch erfüllen, daß er das Kind in seinen Haushalt aufnahm. Leineweber, Nichteheliche Kinder, S. 130 f. Allgemein zur Unterhaltspflicht Koch, Maior dignitas, S. 64 ff. 284 Leineweber, Nichteheliche Kinder, S. 134 f.; Knoche, Zasius und das Freiburger Stadtrecht, S. 142 f. 285 A 14/1, fol. 170. Sie sei in einer Nacht, als sie mit zwei anderen Frauen ihn und einige Kommilitonen beim Schlaftrunk angetroffen habe, noch dem Schalfftrunck zu Ime kommen ... by ime pliben vnd Ir belonung darumb empfangen.

§ 4 Sonstige Streitstoffe

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Schwangerschaft gefragt habe, von wem das Kind sei, zuerst unverholen geantwortt, waß gath daß ander leutt an. Eß ist doch nur ein freien edelmans. Später habe sie gegenüber Dr. Johannes Artopeus den adligen Wilhelm von Schwende, der Freiburg verlassen hatte, als Vater bezeichnet: Jo Ich habs gesagt Es sei deß von Schwenden, wie kan oder will ich Ime nochziehen diewyl er aweg. Auf das Angebot Artopeus, ihr Geld zu geben, damit sie dem rechten vater mög nachziehen, sei sie nicht eingegangen. Der Anwalt der Klägerin erwidert, seine Mandantin wolle lieber ihre Seele versetzen als das Kind einem zu geben, dem es nicht zugehörig sei. Sie als Mutter wisse aber zu aller besten ... weß das kindt sei, von wem sie es empfangen. Gegen das Vorbringen, sie sei auch anderen dienstbar gewesen, führt er ins Feld, wie sich der Beklagte während der Schwangerschaft verhalten habe: Durch seine Neugierde, ob es ein Junge oder Mädchen sein werde und das Erbieten, der Klägerin Geld für das Wochenbett zu geben, habe er sich als Vater zu erkennen gegeben. In den Positionalartikeln bestätigt sich, daß der Beklagte zwar zugibt, sexuell mit der Klägerin verkehrt zu haben, aber dennoch behauptet, nicht der Vater zu sein.286 Dies läßt Rückschlüsse auf die Rechtslage zu, denn anders als in manchen späteren Rechten, ist offensichtlich nicht jeder potentielle Vater Unterhaltsschuldner. Im Gegenteil, darauf weisen die Defensionalartikel hin, konnte eine Vaterschaftsklage abgewehrt werden, wenn der Beweis gelang, daß die Frau auch mit anderen Männern geschlafen oder einen anderen als den Vater bezeichnet hatte.287 Ob es sich hierbei rechtlich schon um die später so bezeichnete Mehrverkehrseinrede bzw. die Einrede der Bescholtenheit288 handelt, läßt sich nicht eindeutig feststellen. Der Beklagte bezeichnet seine Einwände nicht so und außerdem ist nicht bekannt, ab wann das Beweisrecht derartig ausgestaltet war.289 Möglicherweise teilten die Beteiligten die Auffassung der Klägerin, eine Mutter wisse, von wem das Kind sei. Die Defensionales stellen nämlich besonders auf ihre Äußerungen ab, es sei keiner da, dem sie das Kind geben möchte, denn es sei von einem Adligen, dem von Schwende, dem sie 286

A 14/1, fol. 182, 14.12.1549. Erstlich setzt und sagt wahr sein, daß Jacob Friedrlich Murer solche werk mit ire clegerin volbracht daraus ein kindt hat werden. Auf solche articul antwortt M. Jacob Plaw, ... Er sei bestendig sein Pricipal solche werke mit ir gethan, aber daß deß gegenwertig kindt so man ime wolt obtrundieren und auftreiben nit daraus ... erwachsen. 287 A 14/1, fol. 183f, 14.12.1549 Defensionalarticul, insbesondere 5 und 10-13. 288 Die Mehrverkehrseinrede exceptio congressus cum pluribus richtet sich gegen die Alimentationsklage des Kindes, vgl. Busch, Rechte geschwächter Frauenspersonen, S. 303 f. Die Bescholtenheitseinrede(n) gegen die Klagen der Frau, u.a. die exceptio malae famae, vgl. Busch, Rechte geschwächter Frauenspersonen, S. 128 f. 289 Über die Durchsetzung der Ansprüche der nichtehelichen Kinder und ihrer Mutter, insbesondere über den Beweis der nichtehelichen Vaterschaft enthalten die Rechtsaufzeichnungen des 16. Jahrhunderts – auch das Freiburger Stadtrecht bildet hier keine Ausnahme – keine Bestimmungen. Leineweber, Nichteheliche Kinder, S. 136.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

nicht folgen könne. Schließlich fordert auch das Freiburger Stadtrecht, die Mutter müsse ihrem Kind den Vater nennen können,290 um seine Anerkennung als lediges natürliches Kind zu erreichen. Obwohl wir immer wieder dramatische Appelle der Klägerin auf Beschleunigung und eine Art vorläufigen Rechtsschutz291 finden, zieht sich der Prozeß ein halbes Jahr hin. Nach dem Tod des Kindes, von dem wir am 25.01.1550 erfahren, entfällt allerdings auch die besondere Dringlichkeit. Die Klägerin verlangt nun für das sie es 12 wochen nach der geburt gezogen vnd für all ir ansprach zehn gulden.292 Am 08.02.1550 reicht der Anwalt des Beklagten Articuli additionales ein,293 in der Folge werden etliche Zeugen in der Sache verhört, wobei es primär um die Aussagen und das Verhalten der Parteien während der Schwangerschaft geht.294 Das Gericht scheint Mitleid mit der Klägerin zu haben: Dies zeigt nicht nur die anfängliche Anordnung des mündlichen Verfahrens auf ihre Bitten hin, sondern auch der Versuch eines gerichtlichen Vergleichs, trotz der für sie ungünstigen Beweislage. Die Herren schlagen am 22.03.1550 eine freundliche Transaction vor, die der Antworter aber nicht akzeptieren will, weil er unschuldig sei.295 Schließlich, nach einiger Bedenkzeit, ergeht am 10.05.1550 das Endurteil: haben die herren Rector und consistoriales definitive entlich erkannth vnd gesprochen, Daß der beclagt von der clegerin clag ledig und iren ... nichts zethun noch schuldig sein soll. Es solle auch Jeder theil sein echtt costen diser sach halb

290

Doch das sy dem kind wiß den vatter zu nennen ... Köbler, Nüwe Stattrechten, S. 183, III. Tractat, VIII. Titel, Von ledigen kinden, 1. 291 A 14 /1, fol. 181. Am 14.12.1549 heißt es in den Akten, die Klägerin fürchtet mitsampt irem kind zu verhungern, bittet Herren etwas zu erkennen. Allerdings ist keine Reaktion auf diese Bitte festgehalten. 292 A 14/1, fol. 198, 25.01.1550. Nach gemeinem Recht zählten Entbindungs- und Wochenbettkosten zu den Ansprüchen der Frau gegen den Vater (und nicht zu den Alimentationsansprüchen), da sie auch dann geltend gemacht werden konnten, wenn die Frau eine Fehlgeburt erlitt. Busch, Rechte geschwächter Frauenspersonen, S. 198 ff. 293 A 14/1, fol. 208 f. 294 A 14/1, fol. 204 f., 01.02.1550, Dr. Artopeus. A 14/1, fol. 209 ff., 08.02.1550, Barbara Kutterle die Wirtin zum Kiel, Agatha Bucherin, Heinrich Fritz Lazarus Becks Diener, Georg Rüsch Jacob Scherers Diener, Placitus Betz ein Student, A 14/1, fol. 215, 15.02.1550, Caspar Ingolstetters hausfraw. 295 A 14/1, fol. 230.

§ 4 Sonstige Streitstoffe

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aufferloffen aus bewegend ursach an ihm selbst haben ... Wellen aber inen die herren ire ansprech und straff gegen bemelt antwurtter vorbehalten haben.296

Die Ansprüche und Strafe der Herren beruhen wahrscheinlich auf der eingestandenen sexuellen Beziehung Jacob Maurers, die nach den Statuten verboten war. Obwohl das Consistorium diese sexuellen Kontakte Maurers zur Klägerin als erwiesen ansehen mußte, stand einer Verurteilung zu Aufwendungsersatz wohl entgegen, daß er nicht der einzige potentielle Vater war, und daß Elisabeth Sutterin ihn nicht von Anfang an klar und eindeutig als den Erzeuger des Kindes benannt hatte. 2. Einigung Doch einer ledigen Mutter stand nicht nur der Klageweg offen, um ihre eigenen und die Ansprüche ihres Kindes geltend zu machen. In etlichen Fällen, vor allem wenn die Frau eine bessere soziale Stellung und eine sie unterstützende Familie hatte, einigte man sich gütlich.297 Dies zeigt ein Vertrag aus dem Jahr 1563, der die Folgen einer Schwängerung regelt. Wir erfahren von der Einigung, weil ihre Einhaltung eingeklagt wird. Margret Buöchelerin sampt ierer dochter zuogegen clagt zuo Hans Jacob Haßen von Lucern; ... demnach er Hans Jacob Haß ir dochter geschwecht und eines kinds schwanger gemacht, hab er sich hernach ... deshalb vertragen und guöttlich bewilligt, Irer dochter fünffzig guldin zuo geben für den bluomen oder schwechung, und sechs guldin für die kindbet, und wan das kind uff dise welt kombt, das ers haben und erziehen welle, Und dweil aber er Has ietzunder disen vertrag nit halten sundern davon schreitten welle, Sei ir und irer dochter Rechtlich begeren ine Hasen dahien zuohalten, das er den eingegangenen und bewilligten vertrag halte.298

Da eine Zahlung von 50 Gulden „für die Blume“299 vereinbart wurde, sollte das Mädchen für den Verlust ihrer Jungfräulichkeit entschädigt werden. Der recht hohe Betrag spricht dafür, daß es sich hierbei tatsächlich – wie im kanonischen Recht geregelt – um eine Art Mitgiftstellung handelte. Zu diesem Betrag 296 A 14 /1, fol. 234, 10.05.1550; eine Bestrafung in den Senatsprotokollen ließ sich nicht nachweisen. 297 A 14/2, fol. 81r, 15.11.1567, beantragt Agatha Müllerin die erste Citation gegen Hans Schmid, er habe sie 14 tag nach Ostern diß Jars schwanger gemacht, wie sollichs der augenschien mitpringe; er soll herkommen, damit er mit iren sich deß costen und anderer sach halben vertrage. 298 A 14/2, fol. 53v, 19.06.1563. 299 Zur Entschädigung für den Verlust der Jungfräulichkeit Koch, Maior dignitas, S. 96.

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

kamen sechs Gulden Entbindungs- und Wochenbettkosten, die im voraus entrichtet werden sollten. Beide Beträge übersteigen die Forderungen der Sutterin um ein erhebliches, was nicht allein mit Geldentwertung erklärt werden kann: Offenbar beeinflußten der Ruf und die Unbescholtenheit einer geschwängerten Frau ihre Behandlung und ihre Entschädigungsansprüche in hohem Maß. Da auch in diesem Fall der Vater sein Kind aufnehmen und so für seinen Unterhalt aufkommen soll, scheint dies in Freiburg eine übliche Vorgehensweise gewesen zu sein. Der Konflikt zwischen Margret Buöchelerin und ihrer Tochter mit Hans Jakob Has zieht vor dem Consistorium keine Kreise. Der Beklagte petit terminum deliberandi, verlangt also einen Termin, um der Klage entgegenzutreten. Das Consistorium bewilligt ihn und läßt beide Parteien in den Akten als für den nächsten Termin zitiert vermerken. Da der Fall aber nicht mehr auftaucht, kann man vermuten, daß sich die Streitenden ein zweites Mal gütlich geeinigt haben. Die Senatsprotokolle berichten für diesen Fall von einer Strafe der Universität gegen Johann Jakob Has.300

§ 5 Einfluß des Erziehungsauftrags im Zivilrecht Unser Überblick über die Rechtsprechung des Consistoriums ermöglicht es, den Einfluß erzieherischer Momente auf die universitäre Zivilrechtspflege zu verfolgen. Dieser war weniger ausgeprägt, als man gemeinhin annehmen möchte. Meistens haben die Professoren die verschiedenen Funktionen, die sie als Mitglieder des Senats und des Consistoriums wahrnahmen, klar getrennt. Dennoch stoßen wir auf gewisse Verwerfungen im privatrechtlichen Tätigkeitsfeld des Consistoriums, die nur zum Teil auf unscharfe Grenzen der Rechtsgebiete zurückzuführen sind. Ein schlichter Bruch mit der Rollenverteilung liegt vor, wenn die Herren in Beleidigungsfällen eine vorbehaltene Strafe selbst verhängten, statt sie dem Senat zu überlassen. Es handelte sich dennoch nicht um Kriminalklagen, weil diese Bestrafung eindeutig nicht im Interesse des Klägers erfolgte, sondern für die Universität ausgesprochen wurde.301 Normalerweise beachtete man aber die Aufgabenteilung zwischen den Gremien: Der Senat entschied über die Strafe, die das Consistorium im Urteil vorbehalten hatte. In anderen Fällen überschritt es seine Kompetenzen, ohne daß ein Zusammenhang mit der eigentlich zu verhandelnden Sache bestand. Am 03.02.1571 gewährt es Andreas Mußkai 300

A 10/9, fol. 92, 30.06.1563. Joannes Jacobus Has Luceranus quia virginem defloravit eamque gravidam effercerit, punitur carcere per duas septimanas et tribus coronatis Universitatis fisco applicandis. 301 In einem dieser Fälle wurden – nach Aufhebung der Beleidigung ex officio – Kläger und Beklagter in den carcer geschickt.

§ 5 Einfluß des Erziehungsauftrags im Zivilrecht

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wegen der 2 Gulden, welche er der Artistenfakultät pro prandio als er Baccalaureus geworden ist schuldete, eine Zahlungsfrist von einem Monat. Dann fährt das Gericht fort: Und dweil er dissolutissimus ist, haben die herren per sex dies carceri adiudiciert.302 Zur Überraschung des Lesers verhängt es also auch noch eine Haftstrafe wegen Frechheit und Liederlichkeit! Ähnlich ist ein anderer Fall einzuordnen, in dem die Parteien wegen ihrer statutenwidrig kurzen Röcke mit einer Geldstrafe belegt wurden. Auch hier setzten sich die Gerichtsmitglieder über die Aufgabenteilung hinweg – es strafte ausdrücklich das Consistorium, und nicht der Rektor, der dies Kraft seines Amtes vermocht hätte. Häufiger diente die Strafe oder ihre Androhung aber dazu, die Aufgaben des Gerichts zu erfüllen, wenn es beispielsweise ankündigte, es werde einen Studenten bestrafen, falls er seine Schulden nicht bezahle: Marta, Bernhardt Rots Frau, klagte am 20.03.1563 gegen M. Michel Schwager wegen Schulden in Höhe von 10 Gulden. Der Beklagte erkannte die Forderung an und versprach, sie bis zum nächsten Tag zu begleichen. Das Gericht ermahnte ihn, wirklich zu bezahlen, sonst würde ime by einer gelt straff sollichs zuo thuon gebotten werden.303 In einem anderen Fall wurde ein Schuldner, der seinen terminum iuris nicht eingehalten hatte, tatsächlich zu einer 24stündigen Haft verurteilt.304 Gerade am Phänomen des studentischen Schuldenmachens wurde bisher der Einfluß erzieherischer Momente auf die akademische Rechtspflege verdeutlicht. Sie manifestierten sich auch in Freiburg im Kreditedikt und in den Inquisitionen wegen Schulden, sowie Aufenthalten im carcer aus diesem Grund. Einerseits versuchte man, verschwenderisches Verhalten zu verhindern, indem man durch Kreditedikte die Möglichkeit zum Schuldenmachen einschränkte. Andererseits griff die Universität im öffentlichem Interesse ein, wenn einzelne Studenten es zu weit trieben. Insgesamt waren diese Interventionen aber selten: Verhöre wegen Schulden machen einen geringen Prozentsatz aus, und lediglich in Einzelfällen lehnte das Consistorium einen Anspruch wegen des Mandats gegen Kredite ab. Obwohl es sich nur selten einmischte, war das Gericht doch stets wachsam. Moralische oder erzieherische Bedenken führten in zwei Fällen zur Rechtsverweigerung, von welcher bemerkenswerterweise beide Male derselbe Kläger, Johannes Barret, betroffen war. Einmal scheiterte er mit dem Eintreiben einer Wettschuld,305 im anderen Fall versuchte er, von seinem Kommilitonen Johan302

A 14/2, fol. 94v, 03.02.1571. A 14/2, fol. 50v, 20.03.1563. 304 A 14/1, fol. 342, 13.12.1552. 305 A 14/2, fol. 7v, am 30.08.1561: Dominus Johannes Barret contra Simon Hannus, er sey ime zwen thaler schuldig von wegen eins gewets, das er ein beinlin an einem Nestel nit hab können uffthuo. Das Gericht mahnte, sie sollen sollich und der gleichen 303

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Vierter Teil: Die Konfliktstoffe vor dem Consistorium

nes Nonardus Arztlohn einzuklagen. Hierzu begehrte er am 20.08.1552 die erste Citation für Schulden in Höhe einer Krone für arzet lon und derglichen gelt artzney zu khouffen. Das Gericht forderte, das cleger die schuld specificier und luther anzeig, worum er Ime ein cronen schuldig.306 In der nächsten Consistoriumssitzung307 legte Barett einen Zettel mit der Spezifikation vor, was er zu artzney praucht Joannen Nonardum zu heilen, doch das Gericht verweigerte die Citation, Die weil artzney und sollich cur nit seine profession und die schuld allein daher kumpt. Die fehlenden medizinischen Kenntnisse wurden als Begründung dafür angegeben, die Citation nicht zu erteilen, mit dem anhang, das er fürter solcher artzney muessig gang und seinem priesterlichen ampt außwarte.308 Das Consistorium schloß die Abweisung des Anspruchs also mit einer Ermahnung an den Kläger zu ordentlicherer Lebensführung.

liederlich sachen nit vor das Consistorium pringen, sunder die herrn damit unbemuöt laßen. Als der Kläger zur nächsten Sitzung am 06.09.1561, fol. 8r, nochmals erschien und ein zedelin zum Beweis seiner Forderung – welchem [dem Beklagten] er ein thaler mit wetten angwonnen hett – vorlegte, antwortete das Gericht verärgert, wenn der Beklagte etwas habe, was dem Kläger gehöre, solle er es ihm geben, und wann sie mer mit disem kommen, wöll man sie straffen. 306 A 14/1, fol. 320. 307 A 14/1, fol. 321, eine Woche später am 27.08.1552. 308 Am 22.04.1553, mehr als ein halbes Jahr später, unternahm Barret noch einen Versuch, an sein Geld zu kommen. Er trug vor, er cleger hab Ime [dem Beklagten] ein geschwer geheilet und costen mit Im gehapt darfür er Ime ein cron verheissen; das Gericht blieb bei seiner Entscheidung vom 27.08.1552, auf die ausdrücklich verwiesen wurde, und bekräftigte, daß der Beklagte nichts bezahlen müsse, A 14/1, fol. 350.

Schluß § 1 Konfliktlösungsmodelle Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.1

I. Beschleunigung und Effizienz Manche Autoren haben versucht, anhand weniger Fälle Aussagen zur Effizienz der akademischen Gerichtsbarkeit zu machen. Ihr Urteil fällt in der Regel positiv aus, obwohl vermerkt wird, die fehlende Exekutivgewalt habe sich als problematisch erwiesen.2 Zumeist wird die Frage nach der Effizienz vor allem im Bezug auf die Dauer der Verfahren gestellt. Während in Freiburg hinsichtlich der Strafgewalt des Senats zu konstatieren ist, daß in den meisten, in der Regel einfach gelagerten Fällen, die Strafe tatsächlich rasch auf das Verhör und seine Verlesung folgte, ergab die Untersuchung einer Vielzahl von Fällen im Privatrecht – nicht unerwartet – ein differenzierteres Bild. Für die Dauer eines Verfahrens am Freiburger Consistorium bis zum gerichtlichen Abschluß läßt sich kein einheitliches Ergebnis feststellen. Durchschnittlich vergingen bis zum Endurteil ungefähr 20 Wochen, bis zu einem gerichtlichen Vergleich in A 14/1 circa 11, in A 14/2 circa 6 Wochen. Die Länge der Verfahren unterlag starken Schwankungen, es gibt viele Prozesse, die rasch 1

Matthäus, 5, 9. Hohl, Die akademische Gerichtsbarkeit in Württemberg, S. 53 ff. Zwar arbeitet Hohl nicht mit Gerichtsprotokollen, aber es gibt für Tübingen einen edierten zivilrechtlichen Fall aus dem Jahr 1563, den er bespricht und anhand dessen er einige Thesen aufstellt. Quellen: Haller, Anfänge der Universität Tübingen, S. 70-73 und 152-157. In seinem Aufsatz über die Gerichtsbarkeit der Universität Leipzig schildert Siegfried Hoyer eine Klage um Schuld unter Studenten aus dem 15. Jahrhundert, die nach einem Monat mit dem Ausschluß des Schuldners endete. Obwohl er anerkennt, daß die Lösung dem Gläubiger nicht weiterhalf, kommt er – die Klage disziplinarisch betrachtend – zu ähnlichen Ergebnissen wie Hohl: die zivile Rechtspflege an den jeweiligen Universitätsgerichten sei rasch, effizient und vernünftig gewesen. Hoyer, Die Gerichtsbarkeit der Universität Leipzig bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, S. 138 f. Quellen: Stammler, Deutsches Rechtsleben in alter und neuer Zeit, S. 25-35; Zarncke, Causa Nicolai Winter. 2

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Schluß

beendet waren. Der Median liegt bei sieben Wochen, die Hälfte aller Fälle war also in weniger als zwei Monaten abgeschlossen. Die längsten Verfahren zogen sich über eineinhalb Jahre hin. Wenn man noch die Vollstreckungsdauer hinzurechnet, ergeben sich in Extremfällen Zeiträume von vier Jahren. Die Verfahrensdauer hing von vielen Faktoren ab. Zum Teil lassen sich die Unterschiede mit der Natur der Streitigkeiten vor dem Consistorium erklären: Wie an anderen Untergerichten wiesen viele Verfahren in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht kaum Schwierigkeiten auf und konnten darum rasch entschieden werden. Wenn der Sachverhalt klar und unstreitig war, entfiel das komplizierte und langwierige Beweisverfahren, was den Prozeß erheblich verkürzte. Komplexe Prozesse waren seltener, dauerten dafür aber um so länger. Außerdem verhielt sich das Consistorium nicht in jedem Verfahren gleich. Bisweilen arbeitete das Gericht zielstrebig auf ein rasches Urteil hin,3 während es in anderen Fällen unfähig wirkte, etwas gegen die offensichtliche Verschleppungstaktik einzelner Parteien oder Rechtsbeistände zu unternehmen. Pflichtbewußte Studenten konnte das aus Professoren bestehende Gericht mit seiner Autorität dabei eher beeinflussen als Kollegen oder selbstbewußte Bürger. In manchem Verfahren erscheint das Consistorium aus Rücksicht auf bedeutende Parteien sogar selbst als bremsende Kraft, wenn beispielsweise verfahrensverzögernde Rücksichtnahme auf adlige Studenten gegenüber städtischen Klägern offen angesprochen wird. Das Ansehen eines Beklagten konnte umgekehrt auch zur Beschleunigung führen, um das unangenehme Verfahren zu einem raschen Abschluß zu bringen: Als eine Magd ihren ehemaligen Dienstherren, den Professor der Rechte Hieronymus Olzignanus verklagte, weil er ihr angeblich Lohn schuldete und sie mißhandelt hatte, wollte das Gericht kein ausgedehntes Verfahren: Consistoriales wollen Universität fragen, ob man der magd ein lohn schöpff vnd iniuria uffhebe.4 Obwohl Olzignanus bei seinen Kollegen nicht beliebt war, sollte die Sache schnell beendet werden. Selbstverständlich galt für alle Verfahren im übrigen, was auch heute noch festzustellen ist: Bei hohem Streitwert oder starker persönlicher Betroffenheit versuchten die Parteien, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, und verlängerten auf diese Weise den Rechtsstreit. Wie die Beobachtungen bei den Injurienklagen gezeigt haben, war auch das Prozeßziel der Parteien ein wichtiger Faktor für die Verfahrensdauer. Da der 3

Beispielsweise verweigerte es in einer Herausgabeklage dem Beklagten einen eigenen terminum deliberando, um sofort in der Sache fortfahren zu können. Auch bei der Litiskontestation ließ es ihm keinen Spielraum (solle zuo ja oder nein uff dißmall antwurt geben) und entschied den Fall noch in derselben Sitzung. A 14/2, fol. 11v, 15.11.1561. 4 A 14/2, fol. 62v, 15.01.1564. In den Senatsprotokollen finden sich keine Vermerke zu dieser Sache, sie taucht aber auch vor dem Consistorium nicht mehr auf.

§ 1 Konfliktlösungsmodelle

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tatsächliche Zweck der Klage wegen Beleidigung oft nicht die veranschlagte Summe, sondern der symbolische Ausgleich der Ehrkränkung war, konnte es in manchen Fällen schon genügen, nach einer öffentlichen Beleidigung angemessen auf die Herausforderung reagiert zu haben. Sobald die Kontrahenten ihr Ziel erreicht hatten, gab es keinen Grund, sich einer raschen Beendigung des Rechtsstreits zu widersetzen. Das Argument reicht über die Beleidigungsklagen hinaus: Die hohe Quote von Fällen, deren Akten in der frühen Neuzeit vor dem Urteil abbrechen, wirft die Frage auf, inwieweit es den Parteien überhaupt auf einen endgültigen Richterspruch ankam.5 Wenn ihr Ziel aber nicht notwendig ein Urteil war, kann die nackte Prozeßdauer nicht allein Kriterium für die Effizienz eines Gerichts sein.6 Sie sagt nämlich nichts darüber aus, ob der Konflikt beigelegt war, was doch das eigentliche Ziel eines Rechtssystems sein sollte. Weg von der Fixierung auf Urteile führt ferner die Feststellung, daß ein Streit auch ohne Urteil durch Vergleich oder Vertrag friedlich und dauerhaft beendet werden konnte. Gerade bei den oft langwierigen Klagen wegen Körperverletzung führte ein Urteil meist nicht zur Befriedung, weil fast keine sententia definitiva befolgt und akzeptiert wurde und die Konflikte weiter schwelten. II. Konfliktlösung zwischen Urteil und Vertrag Der Referent quälte sich und das Gericht mit einem schweren verwickelten Handel, und zuletzt fand sich Niemand, der das Urteil einlösen wollte. Die Parteien hatten sich verglichen, auseinander gesetzt, waren gestorben, hatten den Sinn geändert.7

5

Für das Reichskammergericht verneint dies Diestelkamp, Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, S. 476: die pazifizierende Wirkung von Reichskammergerichtsprozessen, in denen es auf ein Urteil gar nicht mehr ankam; ebenso Ruthmann, Religionsprozesse, S. 12. Ruthmann meint, aufbauend auf den vielen nicht entschiedenen Reichskammergerichtsprozessen und der hohen Zahl außergerichtlicher Vergleiche, im 16. und frühen 17. Jahrhundert habe den Parteien keineswegs ein Endurteil als Prozeßziel vorgeschwebt, sondern zumindest gleichrangig seien andere Möglichkeiten der Streitschlichtung in Betracht gekommen – nicht rein tatsächlich, sondern von Anfang an gewollt. Abgeschwächt Fuchs, Um die Ehre, S. 330, der – für Injurienprozesse – darauf hinweist, daß die Unentschiedenheit für beide Seiten von Vorteil sein konnte. 6 Ebensowenig aussagekräftig sind Erledigungszahlen für das 16. Jahrhundert. Diestelkamp, Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, S. 475. Auch bei modernen Effektivitätsuntersuchungen wird der Befriedungseffekt berücksichtigt, S. 477. 7 Goethe, Werke: Band 5, Dichtung und Wahrheit, 12. Buch des III. Teils, S. 476.

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Schluß

1. Einverständliche oder einseitige Streitbeilegung? In den Consistorialakten stößt man immer wieder auf außergerichtliche Streitbeilegungen und die – oft erfolgreichen – Versuche des Gerichts, eine gütliche Einigung zu erzielen. Sieht man von den Verfahren ab, in denen lediglich Schulden eingetrieben wurden und läßt auch die Fälle von Arrest, Unzuständigkeit etc. weg, so kam es lediglich in etwa einem Fünftel der Fälle überhaupt zu einem echten Prozeß. Für diese tatsächlich erhobenen Klagen ist nur für ungefähr die Hälfte ein Abschluß in den Gerichtsakten zu finden, was vor allem an der hohen Abbruchquote bei bestrittenen Schulden liegt. Es erging in ca. 30 % der Fälle ein Endurteil, je 10 % wurden durch das Gericht vertragen oder endeten nach einer direkten Aufforderung des Gerichts an die Streitenden, sich privat zu einigen. Vieles deutet darauf hin, daß von den über 50 % der begonnenen Rechtsstreitigkeiten, für die kein Abschluß in den Akten zu finden ist, der überwiegende Teil ebenfalls durch private Einigungen beigelegt wurde. Auf die Gesamtzahl der Konflikte gerechnet, liegt ihr Anteil wohl noch höher, weil sich in etlichen Fällen die Streitenden schon einigten, bevor sie überhaupt den Gang vor Gericht erwogen. Da vor- und außergerichtliche Einigungen nicht in den Akten auftauchen, ist man in dieser Hinsicht allerdings auf Schätzungen angewiesen. Betrachtet man solche Zahlen, so drängt sich die Schlußfolgerung auf, daß auch am Consistorium die Parteien ein Endurteil nicht als absolutes Verfahrensziel ansehen konnten. Es ist also unumgänglich, verschiedene Formen der Konfliktregulierung gleichberechtigt nebeneinanderzustellen und sich von der Urteilszentristik zu lösen, um die Befriedungsfunktion eines Verfahrens wahrnehmbar zu machen.8 Überspitzt könnte man für das Universitätsgericht dann formulieren, daß ein Endurteil gerade das Versagen des normalen Weges der einverständlichen Streitschlichtung bedeutete. Ein gerichtlicher Austrag schuf in jedem Fall die Möglichkeiten für weitere Verhandlungen und den geordneten Austausch von Argumenten. Hier erwies sich die Schwerfälligkeit des Verfahrens durchaus als positiver Faktor: Wenn die Emotionen sich im Lauf der Zeit abkühlten, konnte eine Versachlichung eintreten, die den Weg für einen gerichtlichen Vergleich oder eine private Einigung ebnete.9 Zwischen den Terminen boten sich im kleinen Freiburg immer wieder Verhandlungsmöglichkeiten, und es stand den Parteien frei, das 8

Schwerhoff, Aktenkundig, S. 71 f. Für das Reichskammergericht: Diestelkamp, Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, S. 476; Ruthmann, Religionsprozesse, S. 12; Fuchs, Um die Ehre, S. 330. Ähnlich stellte sich das Bild im mittelalterlichen kirchlichen Verfahren dar, Nehlsen-von Stryk, Der römisch-kanonische Zivilprozeß, S. 318. 9

§ 1 Konfliktlösungsmodelle

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Verfahren zu jedem Zeitpunkt abzubrechen und durch eine gütliche Einigung zu beenden. 2. Effektivität des Vergleichs Kaum zu übersehen ist die geringe Bestandskraft der Urteile: Bei über einem Drittel appellierte die unterlegene Partei oder befolgte die sententia definitiva nicht. Die Konsequenz waren – oft erfolglose – Bemühungen, die gerichtliche Entscheidung zwangsweise zu vollstrecken oder erneute Verhandlungen. Insbesondere bei Klagen wegen Körperverletzungen sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: Von acht Urteilen wurde nur eines von beiden Parteien akzeptiert. Grob gesagt gilt die Faustregel, je länger das Verfahren dauerte, desto wahrscheinlicher schloß sich eine Appellation an. Die häufigen Vergleiche erscheinen vor diesem Hintergrund als Funktionsersatz für die mangelnde Exekutionsgewalt des Gerichts: Eine „juristische“ Streitbeilegung war häufig ineffektiv, weil sie von den Parteien nicht als Konfliktlösung akzeptiert wurde und in der Tat auch häufig keine Lösung des eigentlichen Konflikts10 war. Die Vorteile einer gütlichen Einigung lagen auf der Hand: Auf diese Weise wurde der Streit rascher und folglich mit geringeren Kosten beendet. Zugleich hatte die einverständliche Lösung zumindest potentiell eine längere Lebenserwartung als Urteile, die oft schon angefochten wurden, ehe die Tinte getrocknet war, mit der sie der Notar zu den Akten nahm. Scheiterte eine Einigung, konnte sich der Prozeß endlos lange hinziehen. Selbst wenn endlich das Urteil erging, lag darin meist nicht das Ende des Rechtsstreits, weil der Verlierer – gerade bei hohem Engagement und Streitwert – mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Appellation einreichte. Ein Teil des Problems der juristischen Lösung lag demnach in der Anerkennung der Urteile. Schließlich mußte die unterlegene Partei akzeptieren, daß sie – nach Auffassung des Consistoriums – unrecht hatte, weshalb das Ansehen des Gerichts von Bedeutung war. Eine freiwillige Unterwerfung unter ein Urteil, hinter dem nur die geistige oder moralische Autorität eines Gerichts, aber keine Zwangsgewalt steht, mag dem Zyniker utopisch erscheinen. Aber dennoch gehen wir mit Recht davon aus, daß im Laufe der Zeit die Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen wuchs, weil ihre Begründung logisch nachvoll10

In der Mediation setzt sich heute die Erkenntnis durch, daß es den Parteien oft nur äußerlich um einen rechtlichen Streit geht. Der eigentliche Konfliktstoff liegt auf einer anderen Ebene, eine erfolgreiche Streitbeilegung ist nur möglich, wenn auch diese Gründe mitbearbeitet werden, vgl. Blankenburg, Recht als gradualisiertes Konzept, S. 87.

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ziehbar war und sie auf einer anerkannten Rechtsgrundlage beruhten. Diesen Anforderungen konnten die Urteile des Universitätsgerichts noch nicht entsprechen, weil Rechtsgrundlagen noch nicht im modernen Sinn verwendet wurden und das Mitteilen der Entscheidungsgründe noch nicht üblich war. Wer allerdings gehört hat, wie noch heute Parteien und Anwälte den Satz „vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ im Munde führen, mag vermuten, daß das Anzweifeln ungünstiger richterlicher Entscheidungen eine menschliche Eigenart ist,11 die auch begründete, nachprüfbare Urteile nicht völlig beseitigen können. Das Consistorium war innerhalb seiner Rahmenbedingungen effektiv, wenn es ihm gelang, die Parteien für einen Kompromiß zu gewinnen und sie in gerichtliche oder außergerichtliche, zum gütlichen Ausgleich führende Verfahren einzubinden. Natürlich waren die Vorteile einer Vergleichslösung auch in der geringen Durchsetzungsmacht des Gerichts begründet. Es kannte so gut wie die Parteien die Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten einer zwangsweisen Vollstreckung: Im universitären Rechtskreis stellte es immer noch den sichersten Weg zur Rechtsverwirklichung dar, eine einverständliche Lösung zu erzielen. Das Universitätsgericht erscheint noch als Teil einer mittelalterlichen Rechtskultur, die ungleich stärker auf Ausgleich und Schlichtung angewiesen war als auf die Autorität rechtlicher Normativität und Zwangsgewalt.12 Auch die Konkordate zwischen Stadt und Universität gehören zu dieser Art der einverständlichen, ausgehandelten Konfliktlösung, denn die Verträge ähneln von ihrem Zustandekommen und ihrer Wirkung einem Vergleich: Wenn beide Teile zu einem Kompromiß beitragen, handelt es sich, auf welcher Ebene auch immer, um eine ausgehandelte, „politische“, nicht primär rechtliche Lösung.

11 Solche Seufzer über unwägbare Gerichtsentscheide haben Tradition. Winkelbauer, Injurien, S. 130, zitiert eine Klage aus dem 17. Jahrhundert: einen rechtshandel anfangen ist ... nicht anderes als daß man dem Herzen Ursach gibt zum Seuffzen, den Augen zum Weinen, den Füssen zum Gehen, der Zungen zum Klagen ... [das Recht macht] die Reichen arm, den Fröhlichen betrübt, den Freyen aigen ... 12 Nehlsen-von Stryk, Der römisch-kanonische Zivilprozeß, S. 326. Die Situation ähnelt frappierend Rechtsstreitigkeiten vor geistlichen Gerichten im 13. Jahrhundert, in denen die Kirche nicht als vollstreckungsmächtige ecclesia triumphans, sondern als Friedensstifterin auftrat. Endurteile, vor allem gegen adlige Parteien wurden vermieden. Gelang es nicht, sie für eine gütliche Streitbeilegung zu gewinnen, so waren die Aussichten auf einen normalen Prozeßverlauf und erst recht auf ein reguläre Erfüllung des Endurteils offenbar gering. Die ... intensiven Bemühungen des geistlichen Gerichts um eine vergleichs- oder schiedsweise Beendigung des Verfahrens müssen insofern auch auf diesem Hintergrund gesehen werden.

§ 2 Rechtsverständnis

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Letztlich führen uns diese Überlegungen zu der Grundsatzfrage, was Recht – damals und heute – leisten kann und wo seine Grenzen liegen. Schon im 16. Jahrhundert zeigen sich Schwächen der gerichtlichen, oder besser juristischen Konfliktlösung: Sie ist der einvernehmlichen Beilegung, sei sie privat oder gerichtlich vermittelt, unterlegen, wenn das Kriterium die größtmögliche Zustimmung zur Lösung ist. Diese Zustimmung ist in besonderem Maße erforderlich, wenn es an der Möglichkeit einer effektiven Vollstreckung fehlt. Ein Kompromiß, bei dem beide Seiten gewinnen und verlieren wird in der Regel zu mehr Akzeptanz führen als ein Urteil, das eine Partei zum Verlierer erklärt. Die juristische Konfliktlösung ist hingegen überlegen, wenn es auf eine klare Streitentscheidung ankommt. Schließlich gibt es immer Konflikte, in denen die Parteien zu keiner Einigung bereit sind oder in denen eine Rechtsfrage eindeutig geklärt werden soll. Abschließend bleibt festzustellen, daß die Problematik noch heute besteht und daß, trotz grundsätzlich vorhandener Durchsetzungsmacht der Gerichte, Vergleich, Schlichtung und Mediation als alternative Wege steigendes Ansehen genießen. Ein augenfälliges Beispiel dafür ist die 2002 in Kraft getretene Reform der ZPO, die nach der Regierungsbegründung dem Motto „Schlichten ist besser als richten“ (sic) folgt.13

§ 2 Rechtsverständnis I. Zivilrecht und Strafrecht 1. Trennung und Überschneidung Betrachtet man die Zuständigkeiten der verschiedenen Universitätsgremien, so zeigt sich, daß formal eine Unterscheidung zwischen actiones civiles und criminales, zwischen privatem und öffentlichem Interesse durchgeführt wurde. In der Praxis war aber eine funktional-inhaltliche Trennung noch nicht vollzo-

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Bundestagsdrucksache 14/4722 (27.11.2000), Begründung des Regierungsentwurfes, S. 83, zu Nummer 41. Ein Hauptanliegen des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.2001 (ZPO-RG) war es laut der Regierungsbegründung, zur Entlastung der Zivilgerichtsbarkeit ein stärkeres Augenmerk auf gütliche Einigungen zu legen. In der Begründung wird außerdem die Vergleichsquote in erstinstanzlichen Verfahren, die 1998 am Amtsgericht im Bundesdurchschnitt 9,4 % und am Landgericht 16,4 % betrug, als unbefriedigend bezeichnet. Um diese zu verbessern, wurde der obligatorische Gütetermin (§ 278 ZPO) eingeführt. Wenn auch über Sinn und Unsinn dieser Maßnahmen viel gestritten wird, gegen den Vergleich als Mittel der Konfliktlösung richtet sich die Kritik nur selten.

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Schluß

gen.14 Noch heute geführte Debatten über die richtige Grenzziehung zwischen Zivil- und Strafrecht werfen die Frage auf, ob eine scharfe Unterscheidung überhaupt möglich ist: Es soll nur an die Diskussionen um die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und den Immaterialgüterschutz erinnert werden. Im Rahmen der anglo-amerikanischen punitive damages dehnt sich das Zivilrecht in extremer Weise aus, privater Schadensersatz wird zum Instrument der Strafe. Dabei scheinen sich zwei entgegenlaufende Entwicklungen zu kreuzen, da es anderenorts Ansätze gibt, das öffentliche Strafrecht zurückzudrängen, was Schlagworte wie Repersonalisierung oder die Forderung nach der stärkeren Fokussierung auf das Opfer einer Straftat belegen mögen.15 Diese Denkanstöße versuchen, oft unter Verwendung historischer Argumente, die alte Gemengelage von Schaden, Rache, Ausgleich und Genugtuung neu zu bewerten: Eine Geldzahlung an das Opfer wirkt auf den Täter als Strafe, kann aber auch der Wiedergutmachung und materiellen Milderung der Tatfolgen dienen, was für den Geschädigten ebenfalls von großer Bedeutung ist. Lange Zeit ging man davon aus, das öffentliche Strafrecht habe ab dem Hochmittelalter die privaten Schadensklagen auf Buße und Ersatz verdrängt bzw. ihren pönalen Charakter entfallen lassen.16 Immer mehr Mosaiksteine belegen aber, daß gütliche Einigungen und Sühneverträge auch für schwere Körperverletzungen und Tötungen noch wesentlich länger ein akzeptierter Weg der Konfliktbeilegung waren. Dieses Nebeneinander von privatem Ausgleich und öffentlichem Strafrecht bestand mancherorts über das 16. Jahrhundert hinaus. Auch die Untersuchung der Freiburger Universitätsakten förderte zivile Urteile und Verträge in diesem Bereich zu Tage. Obwohl der Strafcharakter bei dieser Art der Konfliktbeilegung nach Auffassung der Verfasserin oft zu stark betont wurde, handelte es sich doch um eine Lösung, die funktionell die Buße

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Lenman/Parker, Community and Criminal Law, S. 12, the modern distinction between the criminal and the civil aspects of a wrongful act, and thus between punishment and compensation, was foreign to almost all European legal systems before 1800. 15 Roxin, Zur Wiedergutmachung im Sanktionensystem, S. 248; Baumann, Zur Repersonalisierung des Strafrechts, S. 43 f.; Däubler-Gmelin, Verbrechensbekämpfung, S. 341. Zur berechtigten Kritik an der z.T. wenig reflektierten Verwendung historischer Argumente in der Strafrechtspolitik vgl. Jerouschek, Herausbildung des peinlichen Inquisitionsprozesses, S. 329f und S. 332: Wer das Kompositionensystem als Vorbild für den Täter-Opfer-Ausgleich ansieht, verkennt, daß es bei den Bußzahlungen zum Großteil um verwandschaftliche Einstandspflichten ging. Jerouschek bemerkt außerdem, S. 338, gerade in der Geburt der Strafe, die persönliche Verwantwortung voraussetze, habe die Wiedergeburt des abendländischen Individuums gelegen. 16 Zur Kritik vgl. Gudian, Klage mit Schadensformel, S. 122. Er zitiert für die 1972 h.M. u.a. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 425; Planitz/Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 218.

§ 2 Rechtsverständnis

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und Privatstrafe ersetzte, bzw. noch Elemente davon – in der Kompensation für den Schaden – in sich trug. Die Berücksichtigung sowohl straf- als auch zivilrechtlicher Quellen ermöglichte einen Einblick in das Ineinandergreifen der Konfliktbewältigungsmechanismen. Nach dem Stiftungsbrief und den Verträgen fehlte der Universität die Kompetenz zur strafrechtlichen Beurteilung von Malefitztaten, und nur die zivilrechtlichen Folgen unterlagen ihrer Gerichtsbarkeit. In Fällen schwerer Körperverletzung, Tötung und schweren Diebstahls sahen diese Quellen eine Auslieferung an den Bischof von Konstanz vor. Doch die Praxis stellte sich anders dar: Nur in einem Fall wurde ein Student zum Bischofsgericht geschickt, das ihn – erwartungsgemäß – wegen fehlenden Vorsatzes freisprach.17 Andere schwerwiegende Fälle, die es im Untersuchungszeitraum durchaus gab, wurden in Freiburg beigelegt. Hierbei entschied die Universität nicht nur den privaten Rechtsstreit zwischen den Beteiligten, sondern behielt sich regelmäßig eine Bestrafung vor und verhängte sie oftmals auch! Allerdings handelte es sich dabei nicht um die reichsrechtlich für Totschlag, Diebstahl und schwere Körperverletzung vorgesehenen peinlichen Strafen der Hinrichtung oder Verstümmelung, sondern nur um Geldstrafen sowie Stadt- und Universitätsverweise. Manchmal kamen noch einige Wochen Haft im carcer hinzu, was am ehesten in die Kategorie der peinlichen Strafen fällt, aber dennoch an die in der Carolina festgeschriebenen Sanktionen nicht heranreicht. Insofern begegnet uns an der Freiburger Universität eine Facette der in neueren Forschungen herausgestellten Polarität der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Strafrechtspflege mit Schlichtung und Milde auf der einen und Strafspektakel18 auf der anderen Seite. Die harten Körperstrafen waren nur ein Teil der damaligen Strafrechtswirklichkeit, die vor allem Ortsfremde und Gewohnheitsverbrecher trafen oder bei außergewöhnlichen Missetaten verhängt wurden. Innerhalb der Gemeinschaft überwogen andere Reaktionen: Sühneverträge blieben noch lange bewährte Konfliktlösungen, deren gesellschaftliche Akzeptanz der Durchsetzung des peinlichen Strafrechts im Wege stand. Zwar waren die Studenten nicht in dem Maße in das soziale Gefüge der Stadt integriert wie angesehene Bürger, aber etliche von ihnen hatten einflußreiche Verwandte oder Freunde und entstammten höheren Gesellschaftsschichten. Dies belegen unter anderem die zahlreichen Bürgen und Fürsprecher Stephan von Laloschs oder der Einsatz des Abtes von Sankt Peter für seinen Neffen Laurentz Erb.19 Außerdem hatte letzten Endes, aller Klagen zum Trotz, auch die Stadt wirtschaftliche Vorteile von einer gutbesuchten Universität. 17

Der Fall Sancto Fonte, Zweiter Teil § 3 I. Schuster, Eine Stadt vor Gericht, S. 314; Schwerhoff, Köln, S. 281 f.; Lenman/Parker, Community and Criminal Law, S. 28 (IV). 19 von Lalosch: Vierter Teil § 3 II. 2. b); Erb: Zweiter Teil § 3 II. 2. (am Ende). 18

400

Schluß

Obwohl – isoliert betrachtet – die „normativen Grundlagen“ an der Universität Garanten für die Einhaltung der Grenzen zum peinlichen Strafrecht zu sein schienen, sah die Wirklichkeit so aus wie in den Städten, die von vornherein beide Gerichtsformen in der Hand hatten. Für eine Beilegung in Freiburg entschied die Universität nach den Umständen des Einzelfalles, wobei angesehene Fürsprecher und eine gerichtliche oder private Einigung zwischen Schädiger und Verletztem die entscheidenden Faktoren waren. Offensichtlich beeinflußte der Konsens zwischen den Parteien die Bewertung des Delikts: Obwohl die Universität selbst davon ausging, in malefitzischen Sachen nicht zuständig zu sein, entschied sie sich ausdrücklich gegen Auslieferung, wenn Verhandlungen oder ein Verfahren zwischen den Beteiligten im Gang waren. Auch die Stadt, sonst sehr um die Rechte ihrer Einwohner und Bürger besorgt, akzeptierte diese Praxis. Bei der Konfliktbeilegung in Freiburg wurde viel Zeit und Verfahrensaufwand in die privatrechtliche Lösung investiert. Die öffentliche Verfolgung war eher schwach ausgeprägt, etlichen Tätern oder Verdächtigen gelang die Flucht, und viel hing von der Initiative der Geschädigten ab. Das peinliche Strafrecht als Reaktion auf jeden schweren Vorfall hatte sich im 16. Jahrhundert im Rechtskreis der Freiburger Universität noch nicht durchgesetzt. Der Grund lag nicht allein in den Schwächen der Strafverfolgung, sondern vor allem in der Einstellung der Betroffenen: Für sie war die Zahlung an den Verletzten in Form zivilrechtlichen Ersatzes oder einer privat ausgehandelten Entschädigung wichtiger als eine im öffentlichen Interesse verhängte Strafe. 2. Vergleich und gerichtliches Selbstverständnis Das oben geschilderte Verhalten der Universität im Bezug auf an sich malefitzische Taten wirft jedoch eine Frage auf: Müßten wir nicht schon im 16. Jahrhundert Ansätze dazu sehen, außergerichtliche Einigungen bei Straftaten zurückzudrängen und den Schwerpunkt hin zum öffentlichen Strafrecht zu verschieben? Die Antwort liegt meines Erachtens in der Besonderheit der akademischen Gerichtsbarkeit. Um diese zu verstehen, ist ein Blick auf die parallele Entwicklung in den Städten notwendig. Peter Schuster geht für die Reichstadt Konstanz davon aus, daß sich im Laufe des 15. Jahrhunderts der Strafverfolgungswillen der städtischen Räte zunehmend bildete und zugleich damit begann, sich vom Willen der Konfliktparteien zu lösen.20 Ziel war nach Schusters Quellenstudien dabei nicht die Verschärfung der Strafen, wie früher zum Teil angenommen,

§ 2 Rechtsverständnis

401

sondern eine effektivere Strafverfolgung. Die Gründe für diese Entwicklung waren laut Schuster vielfältig: Impulse gingen vom Versagen informeller Regelungsmechanismen aus, von der Unfähigkeit, tragfähige private Einigungen zu erzielen. Entscheidend war aber das gewandelte Herrschaftsverständnis der Obrigkeiten, das sich auch in der neuartigen Regelungsdichte der Polizeiordnungen widerspiegelte.21 Auch andere Forscher sehen in einem neuen Herrschaftsverständnis die Wurzel der Sozialdisziplinierung. Um diese durchzusetzen, begannen die obrigkeitlichen Gerichte damit, private Vergleiche zurückzudrängen, weil nun jeder Streit durch die Obrigkeit entschieden werden sollte.22 Wenn das Versagen privater Einigungen zur öffentlichen Strafe führte, könnte man für die Universität mutmaßen, daß umgekehrt eine schwach ausgeprägte Strafgewalt stärker zur Suche nach privaten Lösungen motivierte. Der Hauptunterschied lag aber mit Sicherheit im gänzlich anderen Selbst- und Herrschaftsverständnis von Consistorium und Senat.23 Da das Gericht über den ganzen Untersuchungszeitraum hin keine Einwände gegen private Einigungen erhob, scheint Sozialdisziplinierung zumindest im Hinblick auf die Durchsetzung der gerichtlichen Entscheidung aller Streitfälle nicht das Ziel der Universität gewesen zu sein. Sie tolerierte private, parteiautonome Einigungen nicht nur, sondern das Consistorium forderte die Parteien sogar ausdrücklich auf,

20

Schuster, Eine Stadt vor Gericht, S. 140. Für den davor liegenden Zustand beschreibt auch er Gerichte als Schiedsinstanzen. Ziel der Rechtswahrung war die Aussöhnung durch privaten Ausgleich. 21 Schuster, Eine Stadt vor Gericht, S. 148 ff. und 312. Die Schwäche der privaten oder gruppeninternen Konfliktbeilegung erklärt er mit der zunehmenden Anonymisierung in den wachsenden Städten. Den Wandel im Selbstverständnis der Obrigkeiten (ein Begriff, der sich in dieser Zeit bildet) beobachten auch andere Forscher für die frühe Neuzeit. Vgl. Winkelbauer, Injurien, S. 156 f. zum Bestreben der Grundherren die Kompetenz zur Streitbeilegung im Lauf des 16. und 17. Jahrhunderts an sich zu ziehen, das er in den Kontext der Beschränkung dörflicher Selbstverwaltung und Sozialdisziplinierung stellt. 22 Winkelbauer, Injurien, S. 134 ff. In den untersuchten ober- und niederösterreichischen Dörfern standen private, außergerichtliche Einigungen bei Injurien unter Strafe. Hauptgrund waren nach Winkelbauer nicht die Einnahmeverluste des Gerichtsherren. Vielmehr ging es um die umfassende(n) Unterwerfung der bäuerlichen Gemeinden unter ihre Obrigkeiten, S. 138 f. 23 Auffallend ist nämlich auch, daß es immer wieder die Stadt ist, die sich gegen das Asyl wendet, einmal durch den Versuch innerhalb der Freiheit Wachen zu postieren, ein anderes Mal durch Einschaltung der Regierung in Ensisheim. Einschränkend muß man anmerken, daß in diesen Fällen Bürger betroffen waren. Vielleicht hätte die Universität im Fall auch eine andere Einstellung an den Tag gelegt, wenn ein Bürger, der einen Studenten getötet hatte, in einer Asylstätte Zuflucht gesucht hätte.

402

Schluß

sich privat zu einigen und schickte Rechtssuchende vor einem Verfahren noch einmal zu privaten Verhandlungen nach Hause. Obwohl die Universität die Lebensführung ihrer Zöglinge beeinflussen wollte, erstreckte sich dieser Ansatz nicht auf die Zivilgerichtsbarkeit, in der erzieherische Momente wenig ausgeprägt waren. Anders als die Ratsherren, die sich in jeder Hinsicht als Obrigkeit zu definieren begannen, traten die Professoren nicht ganz aus ihrer Rolle in der Korporation heraus. Schon seit Innozenz III. hatte die Kirche die Vorzugswürdigkeit einer Einigung durch Schiedsspruch oder außergerichtlichen Vergleich betont. Eine solche friedliche Lösung entspreche eher dem christlichen Lebensideal, als unnachgiebig sein Recht zu verfolgen.24 Nun sind nicht nur die Wurzeln der Universität kirchlich, im Untersuchungszeitraum war außerdem stets ein Theologieprofessor, meist ein Priester, Mitglied des Gerichts, und oft stellte die theologische Fakultät zusätzlich den verhandlungsleitenden Richter. Daneben treten originär universitäre Züge: Im Herzen waren die Mitglieder von Senat und Consistorium Lehrer, die ihre Hauptaufgabe nicht in der Verwaltung sahen. Studenten sollten studieren, und nicht prozessieren. Zudem hätte die peinliche Bestrafung eines Studenten einen immensen Ansehensverlust bedeutet, der sich fatal auf die Besucherzahlen der Universität hätte auswirken können.25 II. Recht und Norm Die Paradigmen gesellschaftlicher Entwicklung im Hinblick auf Recht26 und Gericht, wie sie von der (rechts-)geschichtlichen Forschung für die frühe Neuzeit formuliert werden, sind die Verrechtlichung sozialer Konflikte und die gleichzeitig erfolgende Verwissenschaftlichung des Rechts.27 Da das wieder24

Nehlsen-von Stryk, Der römisch-kanonische Zivilprozeß, S. 317. Möglicherweise spielte auch das Selbstbild der Professoren als akademische Väter, wie es aus Formulierung, man habe einen Studenten vatterlich gestrafft ersichtlich wird, eine Rolle: Die deutsche Hausväterliteratur sah es als eine väterliche Pflicht an, die Familienmitglieder – im Falle des adligen Hausvaters die Untergebenen – durch Vergleich und Versöhnung miteinander zu vertragen. Winkelbauer, Injurien, S. 140 verweist mit Bezug darauf, wie stark Vergleiche in der Patrimonialgerichtsbarkeit (15.17. Jahrhundert) angestrebt wurden, auf die sog. deutsche Hausväterliteratur (z. B. Wolf Helmhard von Hohberg). Einen Vergleich anzustreben war Teil des Pflichtenkanons des (adligen) Hausvaters. 26 Zum vielschichtigen Begriff des Rechts vgl. Hagemann, Basler Rechtsleben I, S. 127 ff. 27 Sailer, „Verwissenschaftlichung“ und Rechtspraxis, S. 111, stellt im Hinblick auf städtische Verfassungskonflikte fest, daß sich die Begriffe der Verrechtlichung und Verwissenschaftlichung, die Geschichte und Rechtsgeschichte verwenden, auf dasselbe 25

§ 2 Rechtsverständnis

403

entdeckte römische Recht, so kann man den Konsens verkürzend darstellen, rationaler und systematischer war als das einheimische, bewirkte die Romanisierung des Rechtslebens seine wissenschaftliche Durchdringung. Ganz zur Entfaltung kamen diese Entwicklungen mit der Vollrezeption des römischen Rechts, die auf das Ende des 15. und das 16. Jahrhundert datiert wird. Zugleich gewannen die Gerichte an Überzeugungs- und Durchsetzungskraft, und da man sich ihrer aus diesen Gründen immer häufiger zum Streitentscheid bediente, wurden Konflikte vermehrt juristisch und mit Argumenten ausgetragen. Noch heute ist Wieackers Charakterisierung der Rezeption als Verwissenschaftlichung maßgebend. Er verstand sie als intellektuelle Rationalisierung des gesamten öffentlichen Lebens: den Austrag politischer und privater Konflikte nicht mehr durch Gewalt, Emotionen oder unreflektierte Lebenstradition, sondern durch logische Erörterung der autonomen juristischen Sachproblematik.28

In Teilen ist dieses Bild durch neuere Forschungen korrigiert worden,29 weil es den deutschrechtlichen Lösungen, den Schöffen und Bürgern zu pauschal Rationalität und Logik absprach. Doch mit verschobenen Akzenten beschreibt „Verwissenschaftlichung“ immer noch das Wesen der Rezeption. Hervorgehoben wird nun, daß an den Juristen die Geschmeidigkeit der Argumentation neu war, die sich auf allgemeine Rechtsprinzipien stützte und es ermöglichte, ein soziales oder politisches Problem auf abstrakter Ebene wahrzunehmen und durch Austausch rationaler Argumente zu erörtern.30 Auch auf einer anderen Ebene hat sich der Blickwinkel verändert. Wieacker definierte gelehrte Rechtsprechung als Rechtsanwendung und formulierte, die vormalige „Rechtsfindung“, bei der Richten und Urteilen als Ordnungsakt erschienen seien, habe sich zur Anwendung von Rechtssätzen mittels einer logischen Operation gewandelt.31 Diese Rechtsanwendung nach juristischer Methode, betonen

Phänomen beziehen. Zur Verwissenschaftlichung: Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 131; zur Verrechtlichung sozialer Konflikte Schulze, Die veränderte Bedeutung sozialer Konflikte, S. 279. 28 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 131. 29 Z. B. anhand der „Rationalität“ des Reinigungseids: Nehlsen-von Stryk, Krise des „irrationalen“ Beweises; insgesamt vgl. Sailer, „Verwissenschaftlichung“ und Rechtspraxis, S. 111; Willoweit, Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, S. 370. 30 Willoweit, Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, S. 381; vgl. für ein Beispiel, wie dies in einem Konflikt zwischen Untertanen und Obrigkeit aussehen konnte Sailer, „Verwissenschaftlichung“ und Rechtspraxis, S. 154. 31 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 188.

404

Schluß

neuere Forschungen, setzt einen Rechtstext voraus.32 Gerade die sich immer weiter ausdehnende Schriftlichkeit, vermutet Willoweit, führte zur Rezeption. An einem so angewendeten Rechtstext fehlte es in der Praxis des Consistoriums sowohl in materieller wie auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Ohne schriftliche Prozeßordnung entsprach das Verfahren zwar in vielen Punkten dem Freiburger Stadtrecht. Aber statt bei komplexeren Problemen darauf oder auf eine andere normative Ordnung Bezug zu nehmen, wurde in Zweifelsfällen auf einen unbestimmten Gerichtsgebrauch verwiesen. Dem prauch dis loblich consistoriums entspricht im materiellen Zivilrecht die Formel in beiderlei rechten heilsamlich versehen. Die Vorstellungen von Gericht und Parteien über materiellrechtliche Regelungen scheinen oft vage zu sein.33 Zur Begründung eines Anspruchs lesen wir immer wieder, es sei in weltlichen und geistlichen Rechen heilsamlich versehen, sich in bestimmter Weise zu verhalten.34 Bei solchen Rechtsgrundlagen ist eine Subsumtion im heutigen Sinne nicht möglich. Aber da die Streitpunkte meist einfach waren, bestand vielleicht gar kein Bedürfnis für komplexe materielle Regelungen. Oft ging es allein um Beweisfragen, wobei auch hier weniger prozessuale Probleme als die Glaubwürdigkeit der Zeugen diskutiert wurden. Selbst im Strafrecht, in dem mit den Strafvorschriften der Statuten ein Rechtstext vorlag, subsumierte der Senat nicht das Verhalten der Delinquenten unter die Normen. Juristische Argumentation im heutigen Sinn hängt bis zu einem gewissen Grad von einem schriftlichen Rechtstext ab, über dessen Auslegung gestritten werden kann. Insofern ist es nicht erstaunlich, daß solche Diskussionen in der überwiegenden Zahl der Consistoriumsverfahren nicht stattfanden. Hin und 32

Sailer, „Verwissenschaftlichung“ und Rechtspraxis, S. 112, 153. Willoweit, Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, S. 381 ff. 33 Auch Ebel stellt fest, daß die Untersuchung der Urteile des Goslarer Ratsurteilsbuchs des 16. Jahrhunderts hauptsächlich Ertrag für die Geschichte des Gerichtsverfahrens bringt, während Aussagen über den materiellen Rechtszustand nur in geringerem Maße möglich sind. Ebel, Goslarer Ratsurteilsbuch, S. 45. 34 A 14/1, fol. 378, 06.07.[1555] wie wol beyde im geistlichen und weltlichen rechten versehen, daß keiner den anderen seiner Ehren schwechen oder verletzen soll ... A 14/1, fol. 364, 02.07.1554 wiewohl in beiden geistlichen und weltlichen rechten heilsamlich verstehen, das keiner dem andern sein ehr und gutte lümbden abschneiden und hinderücks entziehen soll, wie wohl auch M. Bastian [Meier, der Beklagte der Gegenklage] den stattfrieden gegen Im gehapt ... A 14/1, fol. 392 ff., 27.06.1556 wie wohl in beiden geistlichen und weltlichen rechten versehen, daß niemand ... Auch Fuchs, Um die Ehre, S. 57, weist auf derartige nebulöse „Rechtsgrundlagen“ hin: folgende heilsam und stadtlich in beschriebenen rechten versehen, statuirt und verordnet ... Mit solchen Verweisen rekurrierte man im wesentlichen auf dieses in sich sehr heterogene Gemisch an antiken und mittelalterlichen Rechtssätzen, klugen Gelehrtenmeinungen, reichsobrigkeitlichen Verordnungen und anderem.

§ 2 Rechtsverständnis

405

wieder taucht in den Akten eine lateinische Rechtsregel oder ein Digestenzitat auf, gleichsam rechtliche Bildungsbrocken, die dem Gericht vorgeworfen wurden.35 Aber meist versanken diese, ohne Wellen zu schlagen im Gerichtsgebrauch, weil schlicht so verfahren wurde wie es üblich war, ohne sich durch messerscharfe oder gewagte Argumente aus der Ruhe bringen zu lassen. Sollte man bei Beteiligung von mindestens einem gelehrten Juristen auf Seiten des Gerichts nicht etwas anderes erwarten? Waren nicht gerade die an den Universitäten ausgebildeten Juristen die Träger der Rezeption? Zunächst ist hierzu anzumerken, daß nach Zasius’ Ausscheiden die Freiburger Juristische Fakultät – sieht man von Mynsingers kurzem Gastspiel ab – sich lange Zeit nicht mehr mit berühmten Namen schmücken konnte. Entscheidender ist aber, daß Mitte des 16. Jahrhunderts die Zeiten, in der unmittelbare Impulse für die Rezeption von einem Universitätsgericht ausgehen konnten, wohl vorüber waren. Freiburg hatte schließlich schon seit 1520 sein Neues Stadtrecht, an dem sich auch die Universitätsgerichtsbarkeit orientierte. Innovationen gingen nicht mehr von der universitären Rechtspflege aus, nun waren es die universitären Rechtsgutachten und das Institut der Aktenversendung, durch das die juristischen Fakultäten ihren Einfluß auf die Rechtsentwicklung nahmen. Wenn man die Verwissenschaftlichung des Rechts an der Anwendung von Rechtstexten mißt, so war diese Entwicklung im 16. Jahrhundert am Freiburger Universitätsgericht noch nicht weit fortgeschritten. Es zeigt sich dennoch die befriedende Wirkung eines geregelten Verfahrens, das den Parteien die Möglichkeit gab, Argumente auszutauschen, zu verhandeln und eine Lösung zu suchen. Als moderner Jurist sollte man sich hüten, auf die „unwissenschaftliche“ Rechtspflege der frühen Neuzeit herabzusehen, denn wer in der Praxis tätig ist, wird rasch feststellen können, daß sich auch heute noch die wenigsten Rechtsstreitigkeiten durch reine Subsumtion beilegen lassen.

35 Z. B. A 14/1, fol. 111, 11.05.1549 in der Abschlußschrift Fallers, der bezüglich der Kosten schreibt: welcher Vitricem sententia erhalten hette mögen, Nam iustus interi in expensis condemnari solet, dum ergo obscuri est uter ex iis interioria potiri potuisset, so dann ... Bezeichnenderweise zeigt sich der Klägeranwalt etwas verwirrt und begert copias (angesehen, daß ettlich lateinische Worth vnd sentenz ihm nit kündtlich eingefuhrt). Es handelt sich also noch nicht einmal um ein gemeinsames Repertoire an Worten und Sentenzen.

Anhang Häufigkeit der Inquisitionsfälle und der Prozesse vor dem Consistorium 140 120

Anzahl

100 80 60 40 20

Immatrikulationen

Inquisitonsfälle

1569 SS

1568 SS

1567 SS

1566 SS

1565 SS

1564 SS

1563 SS

1562 SS

1561 SS

1560 SS

1559 SS

1558 SS

1557 SS

1556 SS

1555 SS

1554 SS

1553 SS

1552 SS

1551 SS

1550 SS

1549 SS

1548 SS

0

Consistoriumsfälle

Bild 1. Häufigkeit der Immatrikulationen, Inquisitionsfälle und Prozesse vor dem Consistorium

Das Diagramm verdeutlicht die starken Schwankungen, denen die Zahl der Immatrikulationen pro Semester unterworfen war. Die einschneidenden Ereignisse, die dieses Auf und Ab verursachten, schlugen teilweise auch auf die Zahl der vor dem Consistorium erhobenen Klagen und der Vorfälle, wegen der Verhöre abgehalten wurden, durch. Soweit Consistorialakten vorhanden sind, lassen sich pro Semester fast durchgehend mehr Prozesse vor dem Universitätsgericht als Inquisitionsfälle ausmachen. Vor diesem Hintergrund kann nicht die Rede davon sein, daß die disziplinarische Tätigkeit in Freiburg die universitäre Rechtspflege dominiert hätte.

407

Anhang

Verteilung der Delikte in den Verhörprotokollen A 12/2 (LI1) umfaßt, mit erheblichen Lücken, die Jahre 1524 bis 1563. Zusammenhängend finden wir von 1542-1561 289 Vorfälle in 40 Semestern. A 13/1 (21.07.1561 bis 05.02.1597) enthält 389 in 73 Semestern und A 13/2 (05.02.1597 bis 15.03.1610) 156 in 27 Semestern.1

S e xu a ld e lik te 2 ,6 % A lk o h o lk o n s u m 7 ,9 %

U n fle iß u n d Ü b e lh a lte n 4 ,7 % R e lig io n s v e rg e h e n 3 ,1 % S o n s tig e s 5 ,2 %

D e lik te m it E ig e n tu m s b e z u g 8 ,7 %

N o c tiv a g i u n d R u h e s tö ru n g 1 2 ,6 %

E h rv e rle tz u n g 1 3 ,1 %

G e w a ltd e lik te 4 2 ,0 %

Bild 2. Delikte in A 12/2 (03.04.1542 bis 15.06.1563)

S e xu a ld e lik te 5 ,3 % A lk o h o lk o n s u m 5 ,8 % D e lik te m it E ig e n tu m s b e z u g 8 ,4 %

U n fle iß u n d Ü b e lh a lte n 2 ,1 % R e lig io n s v e rg e h e n 1 ,9 % S o n s tig e s 2 ,7 %

N o c tiv a g i u n d R u h e s tö ru n g 8 ,0 %

E h rv e rle tz u n g 1 6 ,3 %

G e w a ltd e lik te 4 9 ,4 %

Bild 3. Delikte in A 13/1 (21.07.1561 bis 05.02.1597)

1

Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, verwendet für ihre Untersuchung den mittleren Teil des dokumentierten Zeitraumes, die Jahre 1561-1571. Dabei kommt sie auf 200 Fälle, ohne genaue Angabe des Datums der ersten Inquisition.

408

Anhang

A lk o h o lk o n s u m 7 ,6 %

S e xu a ld e lik te 4 ,0 %

U n fle iß u n d Ü b e lh a lte n 3 ,6 % R e lig io n s v e rg e h e n 1 ,3 %

D e lik te m it E ig e n tu m s b e z u g 6 ,7 %

S o n s tig e s 1 ,3 %

N o c tiv a g i u n d R u h e s tö ru n g 9 ,9 %

E h rv e rle tz u n g 1 7 ,0 %

G e w a ltd e lik te 4 8 ,4 %

Bild 4. Delikte in A 13/2 (05.02.1597 bis 15.03.1610)

A lk o h o lk o n s u m 6 ,9 %

S e xu a ld e lik te 4 ,1 %

U n fle iß u n d Ü b e lh a lte n 3 ,3 % R e lig io n s v e rg e h e n 2 ,2 %

D e lik te m it E ig e n tu m s b e zu g 8 ,1 %

S o n s tig e s 3 ,3 %

N o c tiv a g i u n d R u h e s tö ru n g 9 ,9 %

G e w a ltd e lik te 4 6 ,7 %

E h rv e rle tzu n g 1 5 ,4 %

Bild 5. Gesamtdarstellung der Delikte

Da ein vollständiges Bild der Konflikte gezeichnet werden soll, die uns die Verhörprotokolle überliefern, beschränkt sich die Statistik nicht auf Fälle, in denen Studenten als Täter erscheinen. Beleidigung, Körperverletzung und Tötung wurden auch dann aufgenommen, wenn Studenten das Opfer waren oder – gerade bei Beleidigungen und Angriffen – sich als Opfer stilisierten. Zudem wurden Delikte auch erfaßt, wenn der Befragte sie leugnete. In den meisten Fällen ist nämlich offensichtlich, daß es sich nicht um eine grundlose Inquisition handelte; das anlaßgebende Geschehen ist sicher überliefert, auch wenn der Befragte möglicherweise nicht beteiligt war. In manchen, vor allem schwerwiegenden, Fällen wurden zu einer Angelegenheit mehrere Inquisitionen durchgeführt. Wie bei Siebenhüner wurden Vorfälle und nicht Verhörte ge-

Anhang

409

zählt.2 Da in einem Verhör regelmäßig verschiedenes, nach den Statuten verbotenes Verhalten beschrieben und zugestanden wurde, übersteigt die Zahl der Vergehen die absolute Zahl der Verhöre um ein Erhebliches.3 Wenn mehrere Inquisitionen vorlagen, habe ich den Vorfall aus den verschiedenen Verhören rekonstruiert und die verwirklichten Delikte jeweils einmal gezählt. Natürlich beeinflussen die dabei getroffenen Wertungen die Statistik und lassen es geboten erscheinen, sie nur als grobe Skizze und nicht als akribische Detailstudie der tatsächlichen Deliktsstruktur zu betrachten. Ein weiteres Problem der statistischen Auswertung liegt in der Bildung von Deliktstypen. Die einleuchtendste Art der Kategorisierung, die Übernahme der Deliktsbezeichnungen aus den Überschriften der Verhöre, scheitert: Selbst wenn die Überschriften durchgängig vorhanden wären, die häufig vorkommenden verschwommenen Sammelbegriffe wie (un)handel oder tumult eignen sich nicht zu einer näheren Bestimmung der Vergehen. Da der Senat die Statuten nicht als Subsumtionsgrundlage verwendete, ist auch eine durchgehende Orientierung an den Strafvorschriften nicht fruchtbar. Im großen und ganzen wurde die von Siebenhüner gewählte Einteilung4 übernommen. Abweichungen ergeben sich bei folgenden Kategorien: Auf eine Trennung von Nachtschwärmerei und Musizieren, die Siebenhüner zur Besprechung selbst wieder zu Ruhestörung zusammenfaßt, wurde verzichtet, ebenso auf die Kategorie „Tanz“.5 Statt dessen wurden der Oberbegriff „Noctivagi und Ruhestörung“ gebildet. Die Quantifizierung beschränkt sich auf einfache deskriptive Statistik, d. h. die Vergehen wurden gezählt und ihre prozentuale Verteilung auf die Gesamt2

Für die Zählung von Verhafteten/Verhörten hat sich, mit beachtlichen Argumenten Schwerhoff, Köln, S. 34, entschieden. Allerdings sollte bei meiner Zählung die Vergleichbarkeit mit Siebenhüner zumindest in dieser Hinsicht gewahrt bleiben. 3 Auf 834 Vorfälle kommen über 1100 Delikte. Auch bei Siebenhüner übersteigen die Delikte die Vorfälle, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 49 f. Zu den Problemen der Kategorienbildung und der doppelten Repräsentierung vgl. auch Schwerhoff, Aktenkundig, S. 59. 4 Sie hat folgende zehn Kategorien gebildet: Nachtschwärmerei, Gewaltdelikte, Beleidigungsdelikte, Musizieren, Tanz, Sexualdelikte, Trinkerei, Glücksspiel, Eigentumsdelikte, Sonstiges. Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 49 sowie im Anhang, S. 150. 5 Das beschriebene Verhalten, das Teilnehmen an oder Stören von Tanzveranstaltungen, erscheint nicht als scharf umrissenes Delikt. Auch die entsprechenden Statutenbestimmungen faßten verschiedene Veranstaltungen zusammen. S 1460 (18) Item q ullus eorum pice lapidem / saltae / luctaie /corisae / neque choreas visitare / dimicare / vel alia / honestate scolastica non decentia ... LSR 1581 XI. Adhac nulli Academici publicos ludos Sagittariorum, aliorum ludentium ... Tandem et publicas choreas non adeant ... Der bloße Besuch wird in den Protokollen nur selten erwähnt, meist steht er im Zusammenhang mit anderen Delikten wie Beleidigungen, die eigenständig erfaßt wurden.

410

Anhang

zahl berechnet.6 Insgesamt können und sollen diese Prozentangaben lediglich der groben Orientierung dienen, welche Delikte häufiger und welche seltener vorkamen. Verschiebungen gegenüber Siebenhüner belegen keine Veränderung, sondern leicht unterschiedliche Kategorienbildung oder -interpretation.7

Verteilung der Verfahren in den Consistorialprotokollen Insgesamt ergeben sich bei A 14/1 und A 14/2 jeweils um Fallzahlen über 400: 435 Klagen im Zeitraum vom 20.10.1548 bis 13.11.1557 und 451 vom 05.07.1561 bis zum 07.04.1571.

E rb s c h a ft 0 ,2 % V e rträ g e (m it S a c h b e s c h ä d ig u n g e n ) 3%

N u r C o n tu m a c ia 8 ,3 %

E h rv e rle tz u n g e n 3 ,2 %

K ö rp e rv e rle tz u n g e n 1 ,6 % A b g e w ie s e n e K la g e n 2 ,5 % K in d s c h a ft 0 ,2 %

S o n s tig e s 4 ,8 %

B e s tritte n e S c h u ld e n 1 0 ,3 %

T e rm in u s Iu ris 1 4 ,2 %

S c h riftlic h e C ita tio n e n 5 1 ,6 %

Bild 6. Konfliktstoffe vor dem Consistorium in A 14/1 (20.10.1548-13.11.1557)

6

Siebenhüner, Zechen, Zücken, Lärmen, S. 49, schreibt, sie würde die Prozentangaben der Delikte auf die Zahl der Fälle beziehen. Dies wäre mathematisch falsch, da es weniger Fälle als Delikte gibt und Prozente sich auf die Summe der Teile beziehen müssen. Bei ihrer Vorgehensweise müßte die Summe der Einzelangaben am Ende mehr als 100 % ergeben. Da dies bei aber nicht der Fall ist, ist der Satz wahrscheinlich falsch. Ich beziehe mich jedenfalls auf die Zahl der Vergehen! 7 Daraus folgt auch, daß diese Aufstellung m. E. nicht zum Detailvergleich mit anderen Universitäten oder Gerichten geeignet ist. Ein solcher Vergleich ist nur dann aussagekräftig, wenn einheitliche Deliktskategorien verwendet werden.

411

Anhang E h rv e rle tz u n g e n 1 ,5 %

K ö rp e rv e rle tz u n g e n 2 ,2 %

E rb s c h a ft 4 ,6 %

A b g e w ie s e n e K la g e n 0 ,9 % K in d s c h a ft 0 ,2 %

V e rträ g e (m it S a c h b e s c h ä d ig u n g e n ) 3%

S o n s tig e s 6 ,8 %

N u r C o n tu m a c ia 7 ,3 %

B e s tritte n e S c h u ld e n 1 0 ,1 % S c h riftlic h e C ita tio n e n 5 6 ,5 %

T e rm in u s Iu ris 6 ,4 %

Bild 7. Konfliktstoffe vor dem Consistorium in A 14/2 (05.07.1561-07.04.1571)

E rb s c h a ft 2 ,5 % V e rträ g e (m it S a c h b e s c h ä d ig u n g e n ) 3% N u r C o n tu m a c ia 7 ,7 %

E h rve rle tzu n g e n 2 ,4 %

K ö rp e rve rle tzu n g e n 1 ,9 % A b g e w ie s e n e K la g e n 0 ,9 % K in d s c h a ft 0 ,2 %

S o n s tig e s 5 ,8 %

B e s tritte n e S c h u ld e n 1 0 ,2 %

T e rm in u s Iu ris 1 0 ,2 %

S c h riftlic h e C ita tio n e n 5 4 ,1 %

Bild 8. Gesamtdarstellung der Konfliktstoffe vor dem Consistorium

Die Klagen vor dem Consistorium zeichnen sich in der Regel durch ein klar erkennbares Hauptanliegen wie die Einforderung von Schulden oder Schadensersatz aus. Nur in seltenen Fällen ergeben sich Schwierigkeiten bei der Zuordnung, vor allem bei Prozessen um die Abwicklung von Mietverhältnissen, in denen Fragen der Vertragsauslegung mit Ersatzforderungen für die Verschlechterung der Mietsache kombiniert auftreten. Hier habe ich mir mit der Bildung einer übergreifenden Kategorie „Verträge“ für die Gesamtstatistik beholfen. Drei Fälle aus A 14/2 enthielten neben einem Streit um Zahlungsmodalitäten bzw. die Ausgestaltung einer Arbeitsvereinbarung eigenständige Klagen wegen Beleidigung oder Körperverletzung, in einem aus A 14/2 wurde die Klage auf Schadensersatz wegen Körperverletzung mit einer Beleidigungsklage beantwortet. Diese Fälle wurden doppelt gezählt, was zu einer erhöhten Gesamtzahl von 436 bzw. 455, insgesamt 891 Konfliktstoffen führt.

412

Anhang

Quellenreproduktionen

Bild 9. Senatsprotokolle: A 10/9, fol. 34, April 1562; vgl. Dritter Teil § 3 III. 2. b).

Anhang

Bild 10. Inquisitionsprotokolle: A 13/1 (LI2), fol. 69, März / April 1562.

413

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Quellen und Literatur

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Sachverzeichnis Antrag 115, 224ff., 23I, 237, 24I, 253,

Abtrag 339,345

294,299,293,391

Abwesende 241, 296, 302, 344

Acht 55,74,240,323 actio 99, I01 ff., I78, 220, 3I7 , 320, 324, 33r,333 ff.,34J ,349 ff .,352,373 Actor 7-l , I04, I53, 156, 236, 259, 268, 271,2J8,285,297 ,378 Adel 53 adhlbito 172

Advokat 234 ff. Akkusationspro zeß 165 ff. , 169 , 300

Akten 17, 19 ff ., 37 , 60, 88 ff., 91, 106 ff., lrl, 115, l28tf., r37,150, 166, L73, , 23r , 234, 238 ff ., 241 , 245 ff ., 248, 25A, 252, 258, 260, 27A, 2J6, 284, 288 ff. ,292 ff., 305, 307 tr., 320 ff .,,323, 340, 343, 386, 388, 393 ff ., 405

229

Aktenführung 307

Aktiv- und Passivlegitimation Akzessorietät 290,

29

4

107

ft.

Alimentation 383 Alimentationsprozesse 213

Alkoholkonsum 190 Alltags-, Kultur-, und Mentali tät s g e s chichte 23

Amt 58, 69, 92, 220, 229,258 Amtseid 133 Amtsführung 220 Amtszeit 50, 5l ,96 Anerkenntnis 150, 257 , 259, 304 Angehörige 84, L34,232

Angeklagte I04 Anspruch 26,, 32, 67, 79, 183, 208, 240,

243, 245, 248, 252, 269, 278, 302, 350, 383, 389 Anspruchsgrundlage 325

Antwort 134, I79, 206, 224, 227, 248, 265, 2gg, 32r, 355, 36r, 3J r, 400 Antworter 270,338, 3J 6,386 Anwalt 100, IaJ, 145, 225, 23I, 255, 26I, 264, 26gff., 290ff., 293, 312, 319ff., 326, 345, 363, 377 , 379 , 394, 396

Anwaltsbestellung 341 Anwaltsgebühren 290 Anzeige 167, 169 Apostel- oder Abschiedsbrief 288

Appellation 285 ff., 288 ff .,344ff .,395 Appell ation sin s tanz 289

Arrest 98, 136, I44, 151 ff., 198, 217, 24I, 264, 290, 304, 339, 340, 3g 1, 394 Arrestbruch 154

Arrestgrund I52, 158 ff.

Artikel 49, 60ff.,

78tf ., gzff., 95,

65 ff., 70, 73, 75ff., g7 ff., 94, 97 ff ., 101,

lL4, ItJ, l2A, 123, I2gff., 153, 166, Ll5tf ., 2r3, 2lg, 2,20, 237, 27r, 2J4,

216,350,364 Artikelprozeß 2I9 Arztkosten 345 Assessoren 92ff., 103,

II4,

220,

23'7,

259ff.,297 Asyl 203, 206, 366, 37I, 401

Audienz 226ff . Aufhebung 89, 298, 326ff., 388

Aufrechnung 110 Aufwendungen 290, 295, 338, 349 Aufwendungsersatz 268, 351, 387

Ausgleich 19, 67 ff.,88, 99, 198, 206ff.,

3I4, 33L, 333, 340, 346, 350, 361, 369, 393, 396, 3gg, 40r Ausgleichszahlung 208

Sachverzeichnis

Auslieferung 73ff., 80, 87, 130ff., 201,

2ll, 371,399 tf 32,88, 105, II4, I32,

206, 208,

Aussage 139

135, 178,,

181, lgl, lg7, 220, 229, 23r, 2l2ff ., 2'75, Z81ff., 302, 32L, 323, 329, 356, 365,376 Austrag 394,403 Azo 3t4tf

322,,

Bischof 32,34ff ., 44, 46ff ., 5l ff, 6J, 69, 73 ff .,90, 92, g5 ff., 94, 97 , IIJ , 130 ff., ll9, 20rff., 20gff., 2rI, 2ggff.,, 313, 399

Bischofsgericht 399 Bistum 44

.

Bagatelldelikte 71 Baldung 115, I49, 169ff.,

IJz, I93,271,

32r,362 Bannverstöße 187

Basel 3J, 43, t66, 2t3, 247, 260, 304, 369

Bedingung 159, 263, 362 Bedrohung 210,327 Beisitzer 90, 94, 96, 110, IL4, 2I4 ff ., 220 Beklagter 98, L02, 105, 108, 230, 239, 263, 265, 27 0, 289, 294., 303, 30J, 3gg Beleidigung 100, 168, I79,184, 186, 210,

240, 285, 3L7 ff., 322, 324,330, 332,

349, 379, 388, 393, 408, 4Ll Beleidigungsklage 27 I, 3L9, 47I Beschleunigung 216 ff., 386 ,391 ff. Beschluß 90ff., 93, 130, I34, 157, 223, 229, 237 , 347 Beschuldigte I28, t76, I8I Beschwerde 109 Beschwerdeführer I72 Besitz 67 , 794,295, 308 Bestandskraft 345, 395 Besucherzahlen 18, 46, 197 ,200, 402 Beurkundung 115

Bevollmächtigte 223 Beweis 115, 168, 183, 217,247,269,271, 274, 277, 27gff ., 285, 305, 377, 385,

Bologna 25 ff . Bote 247 Botenlohn 239, 292 Brandstifter 204 Bürge 110, 270,284,289, 292, 328,360

Bürger 39, 77 , 84 ff., 103 ff., I37 , I39, I79, 195, 205, 230, 243, 311, 332, 35J, 363, 369, 392, 3gg tf .

Bürgereid 137 , I39 tt., 143,273 Bürgermeister 139 Bürgerrecht

13

1

Bürgschaft 745, 166, 262ff., 285, 3I2, 355, 359 ff ., 363, 365 Bürgschaftsbrief 3I2 Burse 45ff ., 52, 55, I04, 155, L6l ff ., IJ5, l7g, 193, 195, rg7, 1gg, 246, 257, 27A,

29r,301,310,352 Bursenordnungen 46,51 Bursenzwang 52 Buße 6l ,

l9l

ff .,202,20J ,330,346,348 ff.,

398

carcer 105, l20ff., L27 ff., 142, I44, r46ff., r4g, rst,l53 ff., r70, r73,191, L94, 2L0ff., 24L, 259, 342, 360, 366, ff., 3gg

3gg

carcer-Strafe I54 Carolina 166, L87 ,206ff ., 371,399 Carpzov 2I9, 3I4, 348 ff., 35I, 353

Circumduction 252

390

Citation 106 ff.,

Beweisartikel 134,2I8 Beweisaufnahm e 27

Beweisverfahren 2I8, 269ff., 309, 392

,

ff., 142, 155 ff., 168, r13 ft.,

433

I,

28L

Beweisbeschlüsse 285

153 ff., 225, 228, 236, 24ltt., 293, 2gIff., 296, 302, 304ff.,

366,39J ,390

Beweismittel 1J2, 2I8, 27I,280 ff ., 312

Citation sformul

Beweisrecht 385 Beweisurteile 217

Consiliarii 50, 89,94ff ., 117,, 123, 172 Consistorialprotokolle 98, 107, 2I2, 246

ar

e 242

434

Sachverzeichnis

Consistorium 53, 6L, 85, 88 ff., 93 ff ., 116ff ., I20ff ., 129, I3I, 133 ff., 139 ff., 143, L45, l4l tf ., 153 ff., 157 ff ., 162,, 167

ff., I70ff., IJ4,

190, 1gg,

20Iff., 2I2, 2I4ff., 227,

229 ff

.,

252ff., 262,

lg2, Ig5,

22A, 222, 224ff., 236ff ., 242ff ,, 247 ff .,

272,

265 ff .,,

277

, 279 ff .,

285, 2gg, 290 ff ., 295 ff ., 2gg ff ., 302ff ., 305, 301 ff .,3L6ff .,320, 325 ff .,32gff ., 33r, 333ff., 337, 340ff., 344, 347 ff., 351

ff., 354ff .,362,366, 369,372,390,

382, 394, 3gl tr., 394, 396, 4Al ff ., 406, 410 ff. Consi

s

torium extraor dinanum I 47

Consistoriumss itzung 25

l,

27

8, 307, 390

Consi storiumsverfahre n 40 4

Contumacia 239, 258, 283 Contumaxerklärung 238, 249, 284 Contum azialstr afe 241,

25

Convocatio 48, 59, 116,

0

IZIff.,

130, r32ff., l4g, 364,, 37 r

I25ff.,

Darlegungs- und Beweislast 27 I Decretum 127, 167, 196, 205, 210, 293, 354,359 Defensionalartikel 27I, 27 6,385 Dekan 49, 96, lI7 , I29 Delikt L44, 183 ff., L92,300, 409

Deliktsstruktur 409 Deliktstypen 409 Deliktsverständnis

1

97

Disziplin 3 l, 52, I35, 189, I9J , 212 Disziplinargerichtsbarkeit 18, 27, 160 ff., 200

Disziplinarrecht 135,

L97

,212

Disziplinarstatu ten 66

Drittwi derspruchsklag e 28A Duell 201

Duplik 325

l4l,

162, 184,, 20I, 27J,

31,4,

316ff ., 325, 329,330 ff ., 346, 352, 369, 379, 393 ff ., 404 Ehrenrektor 133 Ehrverletzung 99, L85, 315 ff., 3I9, 32I ff ., 326,330 ff.

Eid 92,

101

ff., l2g, r36ff ., r40ff .,151,

165, Il3ff., 176, l7g, 196, 232, 236, 243, 249, 253, 26',7, 269, 272ff ., 276, 2g0ff., 309, 355 Eidbruch I4I, 143 Eidesformel I37 Eidesleistung 281 Eidesmündigkeit 17 4 Eidesstatt 280 ff. Eigentum 201, 28A, 314,35I Eigentümer 188, 324 Einigung 81, 98, 111, 206ff.,

2II,

220,

243, 266, 279, 296, 299,310ff., 323, 326, 340, 354,356, 364ff., 369 ff., 390, 3g2,3gl ,3g4ff .,39J , 400, 402

Einrede 266,385

Endurtell I07, 27 8, 280, 287 ff., 298, 3L3, 323, 326, 330, 340., 342, 356, 390 ff., 386, 3gL,3g3 ff . Entbindungs- und Wochenbettkosten 386, 388

Diebstahl 1 87, 200, 209, 399 Digesten 109, 3I4

g L42, 196

Ehre 99,

Entschädigung 87, I45, 208, 368, 370, 384,397,400

Delinquenz 163, 165,182, I87,196 Denunziation 166

Drohun

Ehe 64, 79 , l3Z, 16'7 , I93, 359 , 3 83 Ehebruch 110, I92tt, 30I,383 Eheversprechen 193

Entschädigungsansprüche

38

8

Entschädi gung sforderu ngen 32L

Entschädigungsleistungen 3 68 Entscheidung s fo rmel 29 I Entschuldigung I54, Il7 ff., 189 ff., 201 Erbe 270 Erblasser 381 Erbschaftssache 382

Erbteil 381ff. Erfolgsgrundsatz 294

Erfurt 40 Ergebnisprotokoll 162 Ermessen 1 19, I24, l7 8, 2I9, 22L ff., 226,

24I,294,318, 349

Sachverzeichnis

435

Freiheit 26,29,36,,81, 128, 151, 206, 249,350, 370, 312, 40r

Ersatzanspruch 352 Ersatzelemente 351 Ersatzklagen 364

Freiheitsentzu g 72 Freilassung 144 ff ., I54, I73,

Ersatzpflicht 178,290 Erweiterungsklagen 333 Erwerbsausfall 333 Eventualmaxim e 217, 219 Excepti on 265, 2J0,343 Executoriales 296, 303, 34I, 353

Exekution 367

253,257 ff.,302,304 Fristbestimmun g 221, 246 Fristverdoppelung 235

Exmatrikulation 4I ex- officio-Aufhebung 328

Frührezeption 383

Fristverkirzung 22I

Fahrnis 152 Fakultät 2L,, 25ff., 35, 42, 44., 46,49ff., 52ff., 62ff.,99,93,96, ll3, LrJ, l2g, 132, 2r4, 230, 255, 4A2, 405 Fakultätsstatuten 48 ff.

Fürbitte 206,209 Fürsprache I27 Gebote 191 Gebühr 293 Gefangennahme 68, 166

Gefangenschaft 320, 325, 365

Falschaussage 177

Gefängnis 7lff., I28, 146, 148, 150ff., 170, 173,260,359, 361 ff.

Fälscher 378 Fastengebote 191 Festnahme 68 ff .,'13, 85, 1 67 , 366, 371

Festnahmeverbot 68, 70

Flucht 144, I48, 151ff., 158, I94,203ff., 357,370 ff., 400 Folter I4I, Il3, 176 Formah en 2L9

Formalirft 263,269, 28I

I4I, 2I9, 267, 290, 295, ff., 316, 319,333,354, 404

Formel 100,

FornicationsfälLe 2I3 Fragstü cke I42, 1 8 I , 27

l,

27 4 ff

.

Freiburg Il ff ., 29 ff ., 37 ff ., 62ff ., '7 | ff ., 14,7',1ff., 93, g5 ff., gg, gt, 93, 103 ff., 109, ll3, 115, lI7, I24, 130, I32ff., 137, r44, 160ff., 169, 173, 179, 193, 186, 1g1ff., 203ff., 206, 209, 2l2ff,, 216, ZZ2, 224ff., 233, 235, 24A, 243, 246 ff ., 255 ff ., 260, 272, 295, 2gg, 295 ,

302, 304ff ., 316, 321,, 323, 363 ff., 367, 31 }ff., 394,399 ff .,405 ff.

, 359, 363

Frieden 65, 67, 71, 124, 138, 169, 181, 196,244,369,391 Frist 1 10, 149, 220, 235 ff ., 243 ff ., 250 ff .,

Exekutionsgew alt 395 Exemtion 26,28,32ff , exequieren 248

309

2A9

Fremde 26,32,37, 152 Fremdenarrest I52, 159 Frequenz 40ff ., 46,200

3

g4

356 ff., ff., 3gg ff., 3gI,

Gefängnisaufenthalt 1 5 1 Gefängnisstrafe I23, 353 Gegenbeleidigung 185 Gegenklage 109ff., 263, 2J0, 28L, 285, 287 , 294 ff ., 3I3, 3 1g ff., 325 ff ., 332, 339, 343,345,391, 404 Gegenreformation 39 Gehorsam 1 38, I49, 236, 250 Geldbußen 198 Geldentschädigung 3I7 Geldforderung 100

Geldstrafe 150

J0, 1 18, IZJ ,

ff., 203,

135,,

146 ff .,

206 ff ., 222, 235, 344, 3gg

gemeines Recht

22I

Generalinquisition L7 4,215 ff ., 283 Genugtuungsfunktion 39 8

Gericht 19, 26, I5 ff ., 84, 90, 93, 95 ff., 99, 101, 104 ff.

,I2I,

130, I34ff ., 139, 143,

I47, r49, r52ff., 159, 16r, L63, 166,

I78, 1gg, 20lff., 205, 20J, 2r5, 2lg, 221, 223ff., 221 ff, 230ff., 234, 236, 238,240 ff .,246, 249 ff .,259 ff .,263 ff .,

436

Sachverzeichnis

266ff., 210ff.,

zllff., 286ff., 29L, Haft 71ff., 106, lZJ, lZ9, 136, I44ff., ff.,3L9ff., 153 ff., I5J, 166, Il0, IJ3, lg4, 1gg,

294ff.,298,301 ff., 310, 313

322ff.,325tf.,33J.,342,345,349ff., 211,235,,24I,304,325,353ff.,359ff.,

365 ff., 3gg, 3gg 363, 369, 374ff ., 378ff ., 381 ff., 396, HaftkostenJ2, I49 ff . ,392ff .,396,399,401 ff., 404ff . Gerichtsakten L9,22, 103, 118, 163,237, Haftstrafe I27, 151, 181, 24I, 260, 342, 389 ff.

242,250,259,291,394 226ff. GerichtsbezirkllZ Gerichtsdiener 1L6,254 Gerichtsentscheid 108,228 Gerichtsgebrauch 234, 353, 404tf .

3gg

Hartung 169,230,306,32I

Gerichtsbeschlüsse

Gerichtskosten 223 , 28I , 290 ff ., 293 ff .,

311,343,345,355 Gerichtsmitglieder 389 Gerichtsordnun g 220, 228

ff.,

162

108 ff .,

lI2

Gerichtstermin 242ff.,304,345,375 Gesamtstrafen 165 Geschäftsverteilung 134 Gesetz 196,214 Gewaltanwendung 184 Gewaltdelikte I82ff ., 192,409 Gewalthaber 229 ff .,260,278

Gewaltkriminalität 183 Gewaltstruktur 183 Gewohnheitsverbrech er

Heilungskosten 335 , 342, 348, 357 Heirat 383

Hinrichtung 399

Gerichtsorganisation 56, 88, 94, Gerichtsort 256,266 Gerichtsstand 32,77,84, 101

Has l44ff ., 208, 261, 287, 289, 343ff., 387 ff. Heidelberg 36, 40, 42, 57 , 64ff ., 69 ff .,, 86, 89 ff.

Hochvercäter 204 Hörensagen 282tt. Humanismus 31,38

immaterieller Schaden 350 Immatrikulation 124, I37 , 179, 243

Immatrikulationseid 50, 84, I37,I39, L43, 173,236 Immatrikulationszahlen 40, 43 ff ., 48, 2L5 Immobilien 312 Ingolstadt 36, 40, 44, 46,70, 86, 233 Inhaftierung 127, 144, I47, 149, 170,24L, 357

399

Inhibiti o 152, 155, 24L

147 ff., 150ff., 154, inhibitoriales 288 236,240,,243,248tf.,,256, Injurie 185, 263,315 ff.,319ff.,349,379

Gläubiger 108, 110,

I10ff.,

188,

258ff., 2JBff., 29Iff., 296ff.,

309,391

Glaubwürdigkeit

27

347 317

6,

301

ff.,

404

Glosse

394ff.

186, 210, 263, 315, 3r1 tf., 322ff.,

329 ff ., 347

Glossatoren

Glücksspiele LL9, t94 Gnade 177,208,252 Grundstücke 79 Grundstückszins 19 Gutachten 278 Güter L53, 157, 235 ff ., 239 ff ., 296, 323,,350, 317 , 381 Gütereinsetzun g 241 gütliche 8t, 207 ,, 22a,310, 327 , 354,

Injurienklage 98, 100 ff.., I45, 168ff., 181,

,365, 319

Injurienprozeß 99 Innsbruck 45

Inquisitionsprotokolle 37, I28, 164, 181, 196,332, 413

304, 384,

Inquisitionspro zeß 123, 165 ff. Inquisitionsverfahren 165 ff. Inquisitionsverlesung 126 Insinuation 247 Instanz 83 ff., 102ff, 123, 198, 233,288 ff. Instruktions- und Offzialmaxime I72 Instrument 232, 352,398

Interdikt 98

Sachverzeichnis

Interesse 18, 56, 84, L70,

172,203,300,

309, 3L4, 323, 334, 347 ff., 353 ,

368, 383, 388 ff .,397,

400

Interlokut 265 , 363 Interrogatoria 168, Il5,2l4ff

366,

ZB, 31

ff.,

35 ,

7

0, 7 3 tf ., 80, l3Z,

216

Köln 19, 23, 40, I44, 161, 165ff., IJ\, 176, l7g, Lgzff., 1gg, Ig0, lg'7, 20I,

Iudicium I35, 294 Iuramentum 44, 148 ff., 173, 267 Ius 116, L28 ff ., I99, 22I ff ., 232

207, 332,, 366, 369, Kommissar Z7l, 326 Kommission 212,321

Jena 40

37

0, 3gg, 409

Kompensation 157, 278, 295, 317, 340,

Jesuiten 48, 89

Jungfräulichkeit 387 Jurisdiktion 18, 26ff., 32, 35, 68, 78 ff ', 97, 110, 130,236,266 Kalumnieneid 17,2L9,261 ff ., 354 Kameralprozeß 105, llI, 219, ZZ7,

264,

Kaufvefirag 3I3 Kaution 262, 288, 359,, 363, 365 kehr 329 Ketzer 204 Kindesunterhalt 382 Kindschaftsprozesse 384 Kirche 2A, 27 ,, 3I, 33 ff ., 39, '7 4, I92, I9J

,

396,402 Kirchenrecht 28,7 4, 102, I23

27

.,261,263 ff.,

4, 2J 6,

27 g

tf ., 2gZ,

284ff., 2gg, 294ff., 300, 306, 311., 3I4ff., 317 ff., 323ff., 329ff., 33gff., 345, 34gff., 352ff., 356, 362, 364ff., 370,372,374ff., 391, 393 ff., 3gg, 391, 393,396,399, 4ll Klageart 105 Klageaufforderung 340 Klagebegründung 338 Klageerhebung 305, 330, 340,354 Klageformel 100, 316, 329

Klagelibell 256,266 Klagenkonkurr enz

33

4, 3 4J

Konkordate 81 ff. ,204,396

Konnexitär

111

ff.

3I2, 323, 32J, 33gff ., 344ff ., 34gff ., 363,365,391, 395,405

Kostenentscheidung 267,

Klage 16tt., 99 ff ., 104, 106 ff., III, l20ff ., l44ff ., t4g, r54, 157 ff ., 166ff ., l7I, 193, 206, 209, 2I7, 224ff., 232, ff .,

Kompetenzstreitigkeit en 33 Kompetenzverteilung 28,'7'7 ff., 98, 108

Körperstrafen 399 Körperv erletzvng I3L, 264, 2l4, 288, 29I, 296, 316, 3lg, 333, 349, 353 ff., 356, 364, 370, 393, 3gg, 409, 4Ir Körperverletzungsklage 3 49 Kosten II4, 145 , 147 ff ., 150 ff. , I54, 166, LJJ, 237 , 267 , 297 , 290 ff ., 304, 309 ff.,

kanonisches Recht 221

239 ff .,243 ff ., 249, 256ff

349,351 ff. , 3gg Kompensationsleistun g 3 49

Konflikrausrrag 19

283

27 0

Klageschrift 224,3IJ,335,343 Kleiderordnung 1 1 9, I25,, L9S klerikaler Charakter 32

Kleriker .

Iudex J7 , 113 ff. , I33, I95

266, 268,

437

Kostenfestsetzun g

29

5, 321

34I tt.

Kredite 306,309, 3gg Kreditedikt 389 Kriminalklage 99, l0I, 322, 329 ff . Kriminalsachen 28, 83, 87 , 97 Kulturgeschichte 23 Kündigungsfri st 314 Kurkosten 291, 295, 333

Ladung ILZ, LL6, 2I8, 22L, 234ff., 240, 242 ff . , 245 , 247 ff ., 254 ff ., 293 ,, 29 I Ladungsformen 254tt. Ladungsfrist 247 Ladungsungehorsam 143, 221, 234, 236, 283 ff

.

Ladungsverfahren 24I Lue 70, 109, 131,233

438

Sachverzeichnis

Lalosch 109, I28, I44ff ., 180, 209,261ff

316, 318, 320, 323 ff ., 356

3J0,399

.,

ff., 361ff .,

69, l3Z,

Landesherr 32ff ., 44, 46ff ., 57 ff ., 67,

75, 82, 86, 94, 9J,

tt.

289 Landvo gt 82,

II7,

130,

86

Latrocinium 2L0 Legitimation 46,260

Leip2i936,40,89,391 341

Leugnensstrafe

Litiskontestation

111 ff.

263 ff ., 295 , 363,

37

nächtliche Ruhestörung 189 Narben- oder Verunstaltungsgeld 346 Nationenverfassung 58, 66

Nichterscheinen236,32i Nichtzuständigkeit 101, 105 Noctivagi 189, 409 Norm 7 4, 402 normativ 87 Notar 30, I04, 113 ff., L20ff., I33, I40, 150, 154, 172, 1'75, 180, zz0, zz7 ff.,

,217 ff .,239,25'7,

230,248,26I,211ff .,2i6ff .,291,293, 302, 3lI, 326, 338, 343, 355, 369,

6,

316

392

ff., 3 gz, 395

Lorichius 44, 47 ff ., 52, 59 ff., 94ff ., 97, NötigunS I92 117, I2I, 123, I28, 130, 186, 237, Notorietät 123,128 255, 302,

308

Notunterhalt

Magistratus

126

Oberhof 33I,350 objektiv 1 15, 27 5 Obrigkeit 34, 97, 126, r3-l ff., L67, 1g6,

Mahnung 97 , 138, I52, 256., 360

Malefitz75,82,85,87 Malefitzfälle 8l , r39 Malefitzhändel7 5, 83 Malefitzsachen 201 Mandant2z5

Mandat 44, 46, 56, 66, 244, 266,

308, 312,363 Mandatsverfahren 243 Marburg 36, 40,232,30I Matrikelbücher 29, lA4 Mehrverkehrseinrede 385

Meineid L41 ff., 355 Meineidigerklärung 252ff ., 296, Miete 55, 301 ,3!0,374

268,

Montanus

3

15,

343

83

1gg, 1gg, 339, 369,401 ff, Offenburg 247 öffentli ch 235,332, 336 olzignanus 4'7, 62, 1IJ,319,338,392 Ordnungsstrafen2Z2 Organisationsstatuten 57,59,,89, 118 Ortsbischof 28 Papst 27 , 33, ll5 , l9Z Paris 25, 49,65

304

Parteihandlungen226ff. Pasquille 186 Pedetl 115 259

Mietsache 308, 372,411 Mietschulden 257 Mietzins 104, 308, 3II,372 Mikro- und Makrogeschichte 22

minderjährig 285 Mitgiftstellung 383, 381 Monstureulx 357 ff .,362,364ff

3

ff., 158, 16J,220,236ff.,242ff

peinliche Strafe 206ff., 356,368,37I peremptorisch 236

periurie-Erklärung 303 Personalvollstreckung 148 Personenarrest I53,

.

Mord 184,203,207,367 mulcta 4I, l24ff., 135, 150, 184,

z4I

Petition 303,341

189,

197, 199,203,208,222,24I,365 mündliches Verfahren224 Mynsinger 55, 111

Pfalzgraf 65 Pfand 257 ff .,,297,3J7

Pfandbestellung2}l Pfändung 151 Pferdemiete 310 Poena L97 ,209

.,

Sachverzeichnis

439

Polizeiordnung en 384, 40I pönale 352 Pönalklage 347

Rechtsnachfolg er 107

Positionalartikel 271

Rechtsverfolgungskosten

Prag 33,65

Rechtsverweigerung 389 Reconvention 110, 27 I, 287,, 295, 343 Referent 393

II2, 234, 37 8 Rechtssprichwort I47, 353

Rechtsquellen

Präklusion 266 Privatdelikte 314 Privatre cht J 6,,98 ff. , L36, I40, 22I, 264, 300, 3T4, 3LJ, 334, 346 ff., 39r Privatstrafe 314, 334, 346ff., 350, 352, 383, 399

Privileg 26 tt., 63 ff.,, 69, "7 I, J 4,

13 1

ff.

protestatio 2l6 227, 246, 306,

3

1

8, 336, 364

Provokation 185, 288,3t9, 332 Prozeßanwalt 23I Prozeßbeginn 107 Prozeßbe s chleu nigung 22L

l, 407

Reichskammergericht Il2, 213 , 218, 23I, 233,247 ,256, 331,393 ff . Rektor 21,, 32, 5l ff ., 7I ff., 7 5 ff ., 85, 88 ff., 92ff., 102ff., 109, Il4, 119ff., 123, r25 ff ., r2gtf ., r32ff., 136,139 ff., 151,

ff.,

157 ff

217 , 220, 247 , 216

Richter 28, 36, l1 ff ., 83 ff., 86, I02ff., 109, Il4, 152, l1B, 202, 2Ig, 236,

2I0

Realinjurien 315, 334, 348 Recht 19, 2L, 24, 30, 32, 35, 47, 58, 64,

66ff., 77, 82tt., 99,

,, 166, I72, 174, 191 ff.,

ff., 1gg, 2}4ff.,215,220,223,

34I,351 ff.,376,399

Radolfz ell 45

106

ff.,

111,

rr3,

123, 129, 145,, 151 ff., rJl, L82, lgJ, I99, 201, 204, 207, 2I4, 216 ff ., 221 ff ., 226, 23r, 233, 245, 254, 259, 261ff.., 269, 27 4 ff ., Zl8 ff ., 283,, 294 ff ., 300, 306, 3ll, 314, 316ff,, 324ff ., 333ff ,, 339, 343, 346, 348 ff., 355, 360 ff., 367, 313, 3'75, 377, 383 ff., 386 ff., 395ff ., 402

Rechtsanwendung 1 35, 403 Rechtsbeistand 181 , 319, 328, 334, 353 Rechtskraft 288 Rechtskreis 28, 7 9 , 103 , 356, 396, 400 Rechtskultur 396

Regierung 20, 34, 39, 45ff., 134, 151,

Relegation 171 Religionsvergehen 191 Rezeption I23, 166, 181, 218, 234, 24I, 27J , 3I4, 333, 34J , 3',73, 403, 405

Prügelstrafe 127

Raub

Regent 193

232, 235, 231 ff ., 249, 251 ff ., 2gg, 296,

Prozeßordnung 226, 234, 254, 404

2I3,

Regelstrafen 202

188, 195

Prozeßhandlung en ZIJ , 268 Prozeßkosten 23I, 290, 294 ff . Prozeßrecht

I9I,

197,,200

153

Prozeßdauer 393

0, 342ff., 348

Reformation 30ff., 38ff., 43ff., 46,

200,31

Protokoll 59, 90, I2.I tt., 180, I95, 224,

31

277 , 353, 355, 402 Rottenburg 303

Rümelin 208, 315,365,37Iff Rysinger 336,344ff . Sacharrest 152ff ,,

.

lsJ

Sachbeschädigung 187 ff., 338, 373,378 ff. Sachwalter 98, 180, 229

ff., 232, 234, 260,

262,269,294 Sanktion 6J, 87, II8, 249 Sanktionensyst em 67, 398 Satzungen 335

Satzungsgewalt 25, 66 Schaden 157, 188, 2lI, 243,309 ff ., 314,

316, 330 ff., 335 ff ., 340, 346 ff ., 350, 353,363,373,376 ff., 3gg ff.

Sachverzeichnis

444

Schadensersatz 104,

I3I,

167, 198, 246,

209ff., 216, 283,288, 314, 316, 319, 333 tr.,339,346ff., 350, 352ff., 372ff ., 378tr.,398,

4ll

Schadensersatzklage 334,

37 8

Sicherheitsleistung I 3, 263 Sondersitzungen 293 S onderverfahr en 260, 302 Speyer 246 ff ., 384 Stadt 19ff.,26,34,37 ff., 56, 63, 65, 67,

Schadensersatzsummen 350

69ff., J4ff.,

Schadensklage 350

106, 109 ff. ,

Schadensschät nrng 352,

37

4

Scharwacht J I, 166, 169,205,351 Schätzungsformel 18 I, 3t7 , 335 ff ., 373 Schiedsspruch 299, 372, 402 Schlichtung 396 ff ., 399 Schmachreden 186 Schmerzensgel d 345 ff., 351 ff. Schöffen 4A3 Schonaich l49ft., 153, 169ff., I93, 278, 301, 321 schriftliches Verfahr en 224, 23 I Schriftsätze 224,,226,23I ff . Schuldanerkenntnis I47, I5I, 202, 258, 304 Schuldbuch 280 Schulden 26, 103, 105 ff., 110 ff., 138, 147 ,

L49 tr., 154, r57 , 187 ff., 225 , 239 ff ., 243, 249, 256ff., 270, 279, 288, 291, 293, 296ff.,, 301 ff. , 3r2, 3l4ff ., 322, 328,330, 33J,389 ff., 394,41r

Schuldforderungen 309 Schuldverhältni s 313 Schwangerschaft 3 85 ff. Schweigegebot L76,272 Schwur t73,268ff .,273

Semester

lft.,

46, 50,

2r5,406

ff., 87, 97, 101,

103,

l44ff, r52tr.,

156, 16l, 163, 166ff ., 173, 177 ff ., l8z, 186, 188, l9I, 1,95, 20L,203 ff.,228,241,243,247 ,255 ff ., 260, 264, 275, 293, 301, 305ff., 316, 32r, 323, 325ff., 340, 357 ff., 36lff ., 369 ff .,372,392,,396,399 tt. Stadtrat 126, 208, 363, 37 I

I52,

II2,

L4I ff ., l'l ff ., 99, 103, 201 ff ., 2l3ff ., 226, 228ff ., 233,

Stadtrecht

239, 254, 256, 259ff., 262ff ., 268ff., 2',72,

216ff,, 2Jgff., 306, 310ff., 356,

373,383 ff.,404ff.

Stadtverweis 209 Stadtwachen 69, 7 1, 204 Statuten 17, 36ff ., 40, 47 ff., 52ff.,56 ff., 66,76,88, 93 ff .,96, 101, 105, 113 ff., 116, 119, r23ff ., L2gff ., 139, L43, 153,

LJ6, 179 ff., 191 ff., 196, 1gg, 195 ff., 199, 202ff ., 2r3, 221 ff ., 235 ff ., 241 ff.,

249 ff ., 259 , 294, 2gg, 293, 296 34t,362,397 , 404, 409

ff., 306,

Statutenverlesung 179 Stellvertreter 106, 230, 269 Stiftungsbrief 32, 56, 58, 62ff., 67 ff .,72, 74ff., 79 ff., 87, 94, 97, 101, 105, 130,

ll3,

133, t63,

7 I, 89 ff., 93 ff., 103, rL4, 116ff., Lr9ff., 131ff., r39ff.,

Senat 45, 47, 53, 57,60 ff.,

146, r49, 151, 153 ff., r57, L64ff ., 167, tTLff ., 195 ff., 198, 201,203,206, 2Ir, 222, 32r, 334,, 344, 349, 351 ff., 366, 369, 3Jl, 382, 388, 401 ff., 404, 169,

409

146 ff ., 260, 3gg

Strafandrohun g 78, 118, 186

Strafcharakter 330, 34J ,,350, 398 Strafe 69, 72, 87, 99, 105, 118 ff., L26ff., L35, I42ff., 146 ff., 150, I53, 165, 169, lJ9, 186 ff., I94, I96ff ., 202,

lJl,

206ff., 228, 239, 260, 300, 329ff., 339ff ., 346, 349 ff., 353, 387 ff ., 39r,

398, 400 ff.

Strafgebühr 284

Senatsakten 162,382 Senatsbeschluß 48,59,

7J

I22, 126, r3L, L34, L37 ff.,

I32, 172

Sententia 227 , 287 , 294,343 Sexualdelikte 192, 382, 409

Strafgewalt 99, T23, t28, 135, I43, 160, 165, I7

l,

I97 , 2A6, 329, 366, 391, 401

Strafklagen 347

Sachverzeichnis

Strafrecht 88, 702, 136, I51 , I9"7, 212, 300, 367 ff.,397 ff., 400 , 404 Strafrechtswirklichkeit 399 Strafverfahren I35, 166, 181, 369

Strafverfolgung 69, I23, 200, 203, 366, 400 ff. Strafzwecke 200 Streitgegenstan d 298, 3 1 5 Stundun g 252, 296, 304 ft. S

ub stantialterm ine

2I7

Subsumtion 234,404ff. Subsumtionsgrundlage 409 Sühnev ertrag 207 , 364 Summarischer Prczeß

Tagsatzung

Termin

2Il

1.96

III , I49 , 215 , 218 , 226 ff ., 234 ff .,

269, 27

|

tr., 248, 25I, 259, 265,

ff ., 27 8, 280, 284 ff ., 294, 298,

304, 338, 354, 363, 37 6 tt., 389 Terminsystem 221 Todesstrafe l3l, 207 Totschlag I84, 203, 205, 207 ff., 365, 367, 37 L, 3gg

Tötungen 184, 369 ff., 398 Tötungsfrille 370

Tötungsvorwurt I79 Trunkenheit I78, l9I Tübing en 46, 57 , 64, 69 ff ., 72, 7 5, 18 ff ., 90,94, L37 , 16r,2r3,222ff .,233,260, 288, 306,391 Tumult 185, 188 ff.

Urteilsgründe 217 Urteilsverkündung 228 Urteilszentristik 394 Vaterschaftsklage 385

Verbalinjurien I84, 3 15 Verbot 38, 68 ff., 125, 153

lg5, 223, 306 ff.

ff., I82,

189,

VerdienstausfalL 336 ff ., 341 ff., 348, 35I Vereinbarung 101, 304, 309 Verfahren 67 ,7 6, 86, 94, 107 ff ., 110, ll2,

r34ff ., r4g, 152, 162,

r7 | ff .,

165

ff.,

169,

202, 206, 209, 2I2, 215 ff ., 2L9, 221, 225ff., 232, 239, 249, 252, 254, 256, 259, Z6Zff ., 265 ff ., 269, 270, 272, 2J4, 276ff ., 279 ff ., 295, 2gg ff ., 1g 1,

292, Zg4, 301

ff., 3r4tr., 31gff.,

323,

ff., 344, 349 , 355, 360, 366, 310, 372ff., 3J1 , 391ff., 3g4ff., 400, 402,404,4I0

Ungehorsamsstrafe 283 Universitätsangehörige 103

ff.

326 ff .,, 336, 34r

Übehalten 193 Überlingen 209

82,85, 88,

405

Universitätsgeschichtsschreibung 21, 35 Untergericht 232,256 Unterhalt 37, 225 , 363 , 384, 3 88 Unterhaltsanspruch 383 Urfehde IzJ , 150, 209, 359, 365 Urfehdeschwur 154

340 ff ., 347 , 351, 356, 37 4 ff ., 377 , 379, 381, 3gg, 3gr ff., 395, 397 urreilsbestandteile 30 1, 348., 352 tt. Urteilsformeln 262

254ff.

237 ff ., 243, 245

Universitätsgericht 71 , 83, 90 ff ., 96, 107 , 1 10, rl2, I34, 136, 162, lJ I , 2r3 , 229, 23r, 233, 239, 256, 262ff., 265, 2Jr, 283, 295, 316, 349, 370, 394, 396,

Urteil 26, 45, 54, 72, 105, 111ff., 150, 764, 196, 2I0, 222, 240, 259, 262ff., 267, 279, 2gI ft., Zg5, 297 ff., 2gI, 295ff ., 306 ff., 3l2ff ., 323, 326, 331,

Suspensiveffekt 288 Sutterin 225, 2J 4, 384,387 ff.

Tatbestände

441

ff.,

67

,70,

lzff .,I 5 ff .,

108, 139, 21.I,223,

230,235

Universitätsarchiv 20, 56, 58, 60 214 Universitätsausschluß 241, 248

ff., 8 1,

Verfahrensdauer 392 Verfahrensdich te I7 5

Verfahrenseinleitung 165 ff. ,234 Verfahrenserleichterun gen L23 Verfahrensordnu ng 222, 233 Verfahrensrecht 216, 220, 223, 229, 233, 256

442

Sachverzeichnis

Verführung 382 Vergewaltigung I92 Vergleich 46,58, 60 ff.,64ff., 81,92, I34, 160, 165, 168, 2L3ff.,244, zJg, 298,

303, 309, 322, 324, 328, 342, 354ff., 380, 391,393 ff .,396 ff., 400, 402,

4I0

Vergleichsvermittlung 8 1 Verhaftung 69 ff., 150, 181 Verhandlungs- und Urteilsgebühren 290 Verhör 22,9J, T20, 126, 133, 138 ff. , 142,

r54ft,,

r87

L61

ff., L70,, r72ff., 190, 185,

, L92ff ., 196, 205, 209,

227 , 27

r ff .,

ff., 326, 358, 389, 39r, 406, 409 Verhörprotokoll I29 27 6

Vermächtnis 382 Vermögensbeschädigung 350 Vernehmung 115 Verrechtlichung L9, 332, 402 Verschuldensgrad 313 Versprechensei

d l4I

Vertagung 238,284 Vertrag LJ,75,81, 83 ff., 87, 98,204,206, 308, 34J, 355, 357, 361, 364, 367, 3J2, 379, 387 , 393

Vertragsklagen 309 Vertreter 81 , 90, 96, 106, 129, 223, 231, 251, 253 , 255 , 260 ff ., 264, 305 Vertretungsmacht 260 Vertretungszwang 230 Verurteilung 72, I72, 349, 353, 387 Verwertungsanordnun g 259 Verwissenschaftlichung 19, 402 ff . Verzug 244,290 Vizerektor 132, 235, 307 Vogel- und Fischfang 188 Vollmacht 225, 260 ff ., 278, 305

Vollrezeption 403 Vollstreckung I52, 239, 248, 258, 295, 297, 304, 323, 344 ff ., 353, 396 ff . Vollstreckungsdauer 392 Volls treckun g sh ilf e 1 49 Vorladung 234,238,256 Vormund 106 Vormundschaftsbestellungen 1 34

Wachen 204,40L Wächter 204 ff ., 316, 365 Waffentragen 182 Wägelin I44, 224, 323, 356, 360 ff ., 364 ff .

Wahrheit 138, 142., IJ3, I'16ff.,232, 261 ff .,2'.73, 315 ff .,321,352, 393

Wegnahmedelikte 1 87 ff. weltlich 33, 80, 82,86ff .,240 Wergel d 346, 349 Werters atz 334, 372, 37 5 ff ., 379 Wettschuld 389 Widerklage 109, 111 ff. Widenuf 101, 168, 322,329 Wiedergutmachung 99, 398 Wirtshausbesuch 190 Worms 73 Zahlungsfrist 260,389 Zahlungsunfähigkeit 1 52, 1 8 8 Zasius 7l ff., 109 ff., I52, IJ8, 20J, 2L3, 226, 230, 236, 239, 254, Z5gff ,, 262,

268, 272, 276, 279, 315, 347, 373, 384,405 Zeuge 115,

I39ff,, 154, 167 ff., IJZff., 776, rJg, 190, 196, 203, 2lg, 26I, 2l0ff ., 290, 2g2ff ., 3ll, 326ff ., 351, 386, 404

Zeugenaussagen 138, 178, 272,

27 4, 321 Zeugenbefragung 22, 138, 212 Zeugenbeweis 17 2, 2I8, 283 Zeugeneid 17 4, 2I4, 272ff ., 215 ff . zeugnisunfähig 274 Zins 3L3 Zinsvereinbarung 313 zivlle Klage 300, 365,37I Zivllgerichtsbarkeit I'l , 27, 76, 85, 2lZ, 397, 402

Zivtlprozeß I02, 115, 2I2ff.,2l6ff .,2I9, 22I, 239, 262, 266ff., 269, 394, 396, 402 ZiviLpr ozeßr echt

ll2,

2I9,, 21 5

Zivtkecht 181, 300, 3I4, 350, 383, 388, 3gt ff .,404 zivilrechtlich 100, 198, 214, 346, 349 ff ., 382,39r,3gg ff .

Sachverzeichnis

Zivilverfahren 213,216 Zulässigkeit 109, 224

111 I85,232,361,374 Zuständigkeit 67 , 72ff ., 7 6, 78, 83 ff., 86, 88, 93, 97 , I0I, 103 ff., 108, 112, Il7 , 119,130, 208,212,269,369 Zuständigkeitsbestimmung 28 Zulässigkeitsvoraussetzungen Zunftmeister 39,

443

Zuständigkeitsfragen 330 Zuständigkeitsprobleme 83 Zuständigkeitsregelung 101 Zuständiekeitsverteilun g 82,86 ff., 196 Zwang 84, 136, 144

Zwangsmittel L36,304 Zwangsvollstreckung 151, 288,304

Zwischenurteil 286