Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden: Zugleich ein Beitrag zum Rechtsschutzsystem des 8. Buchs der ZPO [1 ed.] 9783428485161, 9783428085163


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Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden: Zugleich ein Beitrag zum Rechtsschutzsystem des 8. Buchs der ZPO [1 ed.]
 9783428485161, 9783428085163

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ULLRICH R. SCHULTHEIS

Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden

Schriften zum Prozessrecht Band 127

Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden Zugleich ein Beitrag zum Rechtsschutzsystem des 8. Buchs der ZPO

Von Dr. Ullrich R. Schultheis

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schultheis, Ullrich: Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden : zugleich ein Beitrag zum Rechtsschutzsystem des 8. Buchs der ZPO / von Ullrich Schultheis. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum Prozessrecht ; Bd. 127) Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1994/95 ISBN 3-428-08516-7 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-08516-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Meinen Eltern und meiner Frau

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 1994/1995 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. als Dissertation angenommen worden. Sie geht auf eine Anregung von Herrn Prof. Dr. Manfred Wolf zurück, dem ich für seine Unterstützung und die weitere Betreuung der Arbeit herzlich danke. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich Herrn Prof. Dr. Eckard Rehbinder für die Erstellung des Zweitgutachtens. Die Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. e. V. unterstützte die Veröffentlichung dieser Dissertation durch einen Druckkostenzuschuß. Auch ihr gilt mein Dank. Tatkräftige Unterstützung habe ich von meinem Freund, Herrn Assessor Markus Dohr, sowie meinem Vater, Herrn Verwaltungsdirektor Horst-Dieter Schultheis, erfahren. Bei beiden bedanke ich mich ganz herzlich für die Durchsicht des Manuskripts sowie weiterfuhrende Anregungen. Mein Dank gilt ferner meiner Frau Esther, die mit Geduld und steter Anteilnahme auf ihre Weise zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Danken möchte ich nicht zuletzt auch meinen Eltern, die mich in der Vergangenheit sowohl moralisch als auch wirtschaftlich unterstützt haben. Ihnen und meiner Frau widme ich dieses Buch. Freundlicherweise hat der Verlag Duncker & Humblot die Arbeit in seine Reihe "Schriften zum Prozessrecht" aufgenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis zum Abschluß der Arbeit im Juli 1994 berücksichtigt.

Friedrichsdorf, im Juli 1995 Ullrich R. Schultheis

Inhaltsverzeichnis Einleitung

29

Erstes Kapitel Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems

34

A. Verfahrensabschnitte

34

B. Systematisierimg der Rechtsbehelfe

38

I. Unterschiede zwischen den Rechtsbehelfen des Klausel Verfahrens und denen des ZwangsvοllstreckungsVerfahrens

38

II. Gemeinsamkeiten der Rechtsbehelfe des Klausel Verfahrens mit denen des Zwangsvollstreckiuigsverfahrens

38

III. Vergleich der Beschwerden, Erinnerungen und Klagen im Klauselund Zwangsvollstreckungsverfahren anhand der möglichen Mängel, die mit diesen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können . . .

39

1. Einteilung der in Betracht kommenden Mängel

39

2. Zuordnung der Rechtsbehelfe zu den Mängelgruppen

40

a) Dualistischer Aufbau des Klausel- und ZwangsvollstrekkungsVerfahrens

40

b) Dualistischer Aufbau des Rechtsbehelfssystems

42

c) Erinnerungen und Beschwerden als verfahrensinterne Rechtsbehelfe

46

d) Klagen als verfahrensexterne Rechtsbehelfe

48

e) Vergleich der verfahrensinternen mit den verfahrensexternen Rechtsbehelfen

49

Zweites Kapitel Fehlerquelle: Anspruch A. Der Begriff des "Anspruchs" I. Kurzer Abriß der geschichtlichen Entwicklung: Unterscheidung zwischen materiellrechtlichem und prozessualem Anspruchsbegriff. 1. Der materiel lrechtliche Anspruch

52 52 52 52

10

nsverzeichnis

2. Der prozessuale Anspruch

53

II. Der Begriff des prozessualen Anspruchs

55

1. Die Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff

56

2. Die Lehre vom eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff

56

3. Die neuen materiellrechtlichen Lehren

57

4. Die Lehren von der Relativität des Streitgegenstandes

58

5. Stellungnahme

59

III. Verhältnis von materiellem und prozessualem Anspruch

61

IV. Der "Anspruch" i. S. d. § 794 I Nr. 5 ZPO

62

V. Unterscheidung zwischen Mängeln des prozessualen Anspruchs und solchen des materiellen Anspruchs

66

B. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs im nachfolgenden Klauselund Zwangsvollstreckungsverfahren

67

I. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs bei der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung

68

1. Begriff der vollstreckbaren Ausfertigung und Zuständigkeit für deren Erteilung

68

a) Begriff

68

b) Zuständigkeit

68

2. Allgemeines zum Prüfungsumfang im Klausel ver fahren

70

a) Grundsätzlicher Prüfungsgegenstand des Klauselerteilungsverfahrens

70

b) Ausdehnung des Prüfungsumfangs auch auf das Bestehen des materiellen Anspruchs

72

aa) Formalisierungsprinzip und materieller Anspruch

72

bb) Berücksichtigung von Bedingungen, Befristungen, Betagungen, künftigen Ansprüchen und Veränderungen der Sach- oder Verfugungsbefugnis

72

(1) Berücksichtigung von Bedingungen (2) Berücksichtigung von Befristungen, und künftigen Ansprüchen

72 Betagungen 78

(3) Berücksichtigung von Rechtsnachfolge und sonstigen Veränderungen der Sach- oder Verfugungsbefugnis

80

(4) Sonderproblem: Nachweisverzicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

81

nsverzeichnis

(a) Anwendbarkeit des AGBG

82

(b) Inhaltskontrolle nach dem AGBG

83

(c) Kosequenzen eines Verstoßes des Nachweisverzichts gegen das AGBG

91

(d) Beachtung der Unwirksamkeit der Verzichtsklausel im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren

92

cc) Berücksichtigung des materiellen Anspruchs im Klauselverfahren über die zuvor genannten Fälle hinaus

93

(1) Die gesetzliche Regelung

96

(2) Lösung über das Verfassungsrecht oder den Grundsatz von Treu und Glauben

96

(3) Kritik an einer Lösung über das Verfassungsrecht oder den Grundsatz von Treu und Glauben

98

(4) Lösung über das Antragsbedürfnis und Kritik hieran

102

(5) Zwischenergebnis

104

3. Weitergehender Prüfungsumfang bei vollstreckbaren Urkunden .

105

a) Prüfungspflichten nach Ansicht der Literatur

106

b) Stellungnahme

107

II. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs im Vollstreckungsverfahren

108

1. Grundsätzliches zum Prüfungsumfang im Vollstreckungs ver fahren

108

2. Möglichkeit der Berücksichtigung des materiellen Anspruchs . .

109

III. Zwischenergebnis

112

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe I. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Schuldners zur machung materiellrechtlicher Mängel

112 Geltend113

1. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Klauselerteilungsverfahrens

113

a) Die in Betracht kommenden verfahrensinternen Rechtsbehelfe

113

b) Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt

116

c) Der bei § 732 ZPO geltende Prüfungsumfang

117

aa) Meinungsstand

117

bb) Stellungnahme

119

12

nsverzeichnis

d) Rechtsbehelfe gegen die Erinnerungsentscheidung

122

2. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens .

123

a) Die Abgrenzung von § 766 I ZPO und § 793 ZPO

124

b) Grundbuchbeschwerde nach § 71 GBO

125

c) Das Verhältnis der §§ 766, 793 ZPO, 71 GBO zur Rechtspflegererinnerung

126

aa) Verhältnis zwischen § 766 ZPO und § 11 RPflG

127

bb) Verhältnis zwischen § 793 ZPO und § 11 RPflG

127

cc) Verhältnis zwischen der beschränkten Grundbuchbeschwerde gem. § 71 I I 2 GBO und § 11 RPflG

128

II. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Gläubigers, falls die von ihm begehrte Verfahrenshandlung wegen materiellrechtlicher Mängel abgelehnt wurde

130

1. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe bei Ablehnung der Klauselerteilung

130

a) Die in Betracht kommenden verfahrensinternen Rechtsbehelfe

132

aa) Der zuständige Notar lehnt die Klauselerteilung ab . . . .

132

bb) Das zuständige Gericht lehnt die Klauselerteilung ab . . .

132

cc) Das zuständige Jugendamt lehnt die Klauselerteilung ab

133

(1) Problemstellung und Meinungsstand

133

(2) Stellungnahme

134

b) Prüfungsumfang und maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt

..

138

c) Eigenes Beschwerderecht des Schuldners

139

d) Beteiligung des Schuldners am Beschwerdeverfahren des Gläubigers

141

aa) Beteiligtenstellung des Schuldners und Recht auf vorheriges rechtliches Gehör

141

bb) Recht des Schuldners zur weiteren Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG bei erfolgreicher Beschwerde des Gläubigers

145

2. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens .

146

III. Konkurrenz- und Präklusionsprobleme 1. Klauselerinnerung gem. § 732 ZPO nach durchgeführtem Beschwerdeverfahren gem. §§ 54 BeurkG, 20 ff FGG a) Problemstellung

148 148 148

nsverzeichnis

b) Problemlösung

150

aa) ΒindungsWirkung der Beschwerdeentscheidung analog §318 ZPO

150

bb) Ausschluß der Klauselerinnerung wegen entgegenstehender Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung . . .

150

(1) Rechtskraftfahigkeit der BeschWerdeentscheidung .

151

(2) Grenzen der materiellen Rechtskraft einer Entscheidung über die weitere Beschwerde nach §§ 54 BeurkG, 27 ff FGG

153

(3) Unzulässigkeit der Klauselerinnerung nach einer Entscheidung über die weitere Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG

154

cc) Ausschluß der Klauselerinnerung Rechtsschutzbedürfnisses

wegen

fehlenden

c) Zwischenergebnis

157

2. Erneuter Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nach durchgeführtem Erinnerungsverfahren gem. § 732 ZPO a) Entgegenstehende Rechtskraft scheidung

155

der

157

Klauselerinnerungsent-

b) Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis

158 162

3. Konkurrenz- und Präklusionsprobleme zwischen den auf das Vollstreckungs ver fahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfen des Gläubigers und denen des Schuldners

162

4. Konkurrenz- und Präklusionsprobleme zwischen verfahrensinternen Rechtsbehelfen, die sich auf das Klauselerteilungsverfahren und solchen, die sich auf das Vollstreckungsverfahren beziehen

165

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe I. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Schuldners 1. Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO)

166 166 166

a) Die Bedeutung der Vollstreckungsgegenklage bei der vollstreckbaren Urkunde

166

b) Rechtsnatur und Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage

169

aa) Die Vollstreckungsgegenklage als prozessuale Gestaltungsklage

169

14

nsverzeichnis

bb) Die Vollstreckungsgegenklage als "Rechtsmittel-" oder "Widerspruchsklage"

170

cc) Die Vollstreckungsgegenklage als Feststellungsklage

..

172

(1) Die Vollstreckungsgegenklage als materielle Feststellungsklage

172

(2) Die Vollstreckungsgegenklage als prozessuale Feststellungsklage

173

dd) Die Vollstreckungsgegenklage als "condictio"

174

ee) Die Vollstreckungsgegenklage als materiellrechtliche (quasi-) negatorische Unterlassungs- bzw. Beseitigungsklage

175

ff)

Stellungnahme zur Rechtsnatur der Vollstreckungsgegenklage

178

gg) Der Streitgegenstand der (prozessual gestaltenden) Vollstreckungsgegenklage

181

(1) Materielles privates Gestaltungsrecht oder subjektiv öffentliches Recht des Klägers auf Gestaltung

182

(2) Antrag und Gestaltungsgrund als Streitgegenstand .

182

(3) Die Ansicht der Rechtsprechung und der "herrschenden Lehre"

184

(4) Stellungnahme zum Streitgegenstand der Vollstrekkungsgegenklage

190

(5) Verteidigung gegen Einwände

195

c) Die Wirkungen der Vollstreckungsgegenklage

199

d) Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage

200

aa) Zuständigkeit

200

(1) Sachliche Zuständigkeit und Zuständigkeit für nicht unter § 13 GVG fallende Ansprüche

200

(2) Örtliche Zuständigkeit bei einer durch Streitgenossen erhobenen Vollstreckungsgegenklage

202

(3) Örtliche Zuständigkeit für eine Vollstreckungsgegenklage bei einer gegen den jeweiligen Eigentümer vollstreckbaren Urkunde

205

bb) Rechtsschutzbedürfnis

209

e) Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage aa) Zulässigkeit aller materiellrechtlichen ohne zeitliche Beschränkung

214 Einwendungen 214

nsverzeichnis

(1) Keine Präklusion gem. § 767 I I ZPO

214

(2) Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage in den Fällen, in denen der Vollstreckungstitel fur zukünftige Vollstreckungen noch gebraucht wird

214

(3) Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde nach Erlaß eines in seiner Gestaltungswirkung beschränkten Vollstreckungsgegenklageurteils

218

bb) Auswechselung des Unterwerfungsgegenstandes vollstreckbaren Urkunde

der 220

cc) Vertraglicher "Verzicht" auf die Erhebung der Vollstrekkungsgegenklage dd) Innerprozessuale Präklusion gem. § 767 I I I ZPO

222 227

2. Negative Feststellungsklage (§ 256 ZPO)

231

3. Klauselgegenklage (§ 768 ZPO)

232

a) Bedeutung des § 768 ZPO

232

b) Rechtsnatur und Streitgegenstand

236

c) Zuständigkeit und Rechtsschutzbedürfnis

237

d) Begründetheit

239

4. Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung

240

a) Bedürfnis fur eine Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung

240

b) Anspruchsgrundlage

243

aa) Analoge Anwendung des § 757 I ZPO

243

bb) Analoge Anwendung des § 371 BGB

245

c) Zeitpunkt der Klageerhebung 5. Bereicherungs- und Schadensersatzklagen a) Bereicherungs- und Schadensersatzklagen während des laufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens

247 250 250

b) Materiellrechtliche Ausgleichsansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung c) Die Bereicherungs- und Schadensersatzklagen im einzelnen .

251 254

aa) Vertragliche Schadensersatzansprüche

254

bb) Gefährdungshaftung analog § 717 I I 1 ZPO

255

cc) Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung und Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung

255

nsverzeichnis

16

6. Abänderungsklage (§ 323 ZPO) und Vereinfachtes Verfahren (§§ 641 1 ff ZPO) a) Die Abänderungsklage (§ 323 ZPO)

257 257

aa) Die von § 323 IV ZPO erfaßten vollstreckbaren Urkunden

258

bb) Anwendbarkeit von § 323 I - I I I ZPO auf vollstreckbare Urkunden

259

(1) Wortlaut des § 323 IV ZPO

260

(2) Entstehungsgeschichte des § 323 IV ZPO

261

(3) Entsprechende Anwendung des § 323 I und I I ZPO .

263

(4) Entsprechende Anwendung des § 323 I I I ZPO

....

(5) Verteidigung gegen systematische Bedenken

266 268

cc) Umfang der Abänderung

269

b) Vereinfachtes Verfahren, §§ 641 1 ff ZPO

270

II. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Gläubigers

271

1. Klauselklage gem. § 731 ZPO

271

a) Rechtsnatur

272

aa) Klauselklage als Leistungsklage

272

bb) Klauselklage als prozessuale Feststellungsklage

275

cc) Die Klauselklage als prozessuale Gestaltungsklage

....

b) Streitstoff

275 276

aa) Klauselklage lediglich als Surrogat für den fehlenden Urkundennachweis

277

bb) (Lediglich) Prüfung Klauselerteilung

278

aller

Voraussetzungen

für

die

cc) Umfassende Prüfung der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel

278

dd) Stellungnahme

282

c) Zulässigkeitsprobleme

286

aa) Rechtsschutzbedürfnis

286

bb) Wirksamkeit des Titels als Zulässigkeitsvoraussetzung .

292

cc) Sonstiges

293

2. Leistungs- oder positive Feststellungsklage

294

3. Abänderungsklage (§ 323 ZPO) und Vereinfachtes Verfahren (§§ 641 1 ff ZPO)

296

nsverzeichnis

III. Konkurrenz- und Präklusionsprobleme

296

1. Präklusion einer zweiten Vollstreckungsgegenklage

296

2. Präklusion einer zweiten Klauselgegenklage

299

3. Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) und Klauselgegenklage (§ 768 ZPO)

301

a) Verbindung beider Klagen

301

b) Konkurrenzverhältnis von Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) und Klauselgegenklage (§ 768 ZPO)

302

4. Materiellrechtliche Ausgleichsansprüche und Vollstreckungsgegenklage

306

a) Bereicherungsklage und Vollstreckungsgegenklage

307

b) Schadensersatzklage und Vollstreckungsgegenklage

308

5. Positive Feststellungsklage des Gläubigers und Vollstreckungsgegenklage des Schuldners

309

6. Leistungsklage des Gläubigers nach erfolgreicher kungsgegenklage des Schuldners

311

Vollstrek-

7. Abänderungs- und Leistungsklage des Gläubigers

311

a) Problemstellung und Meinungsstand

311

b) Stellungnahme

313

8. Verhältnis der Vollstreckungsgegenklage zur Abänderungsklage des Schuldners

316

9. Klauselklage des Gläubigers (§ 731 ZPO) und verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Schuldners

317

E. Konkurrenzprobleme zwischen verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen

320

I. Zusammentreffen von verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen des Schuldners

321

II. Zusammentreffen von verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen des Gläubigers

324

III. Zusammentreffen von verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen auf unterschiedlichen Seiten

325

Drittes Kapitel Fehlerquelle: Unterwerfungserklärung A. Mängel der Unterwerfungserklärung I. Rechtsnatur der Unterwerfungserklärung

2 Schultheis

326 326 326

nsverzeichnis

18

II. Voraussetzungen einer fehlerfreien Unterwerfungserklärung

327

1. Erklärung des Schuldners

327

2. Ordnungsgemäßes Beurkundungsverfahren

328

3. Die prozessuale Dispositionsbefugnis des Schuldners als Wirksamkeitsgrenze der Unterwerfungserklärung

329

a) Prozessuale Grenze der (prozessualen) Dispositionsbefugnis .

329

aa) Parteibezogene Voraussetzungen

330

bb) Voraussetzungen, die den prozessualen Anspruch und das Rechtspflegeorgan betreffen b) Materielle Grenze der (prozessualen) Dispositionsbefugnis

331 .

333

4. Kein Verstoß gegen zwingendes Gesetzesrecht

336

.5. Wirksam werden

336

III. Auswirkungen der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auf die vollstreckbare Urkunde

337

1. Übertragung der Lehre vom Nichturteil und wirkungslosen Urteil auf die vollstreckbare Urkunde

338

a) Darstellung der Lehre vom fehlerhaften Zivilurteil

338

b) Unübertragbarkeit

340

2. Beurkundungsmängel

341

3. Tatbestandsmängel

341

4. Individualisierungsmängel

342

5. Sonstige Mängel, bei deren Vorliegen auch ein Urteil nicht vollstreckt werden dürfte

343

6. Sonstige Mängel der Unterwerfungserklärung

344

a) Wortlautauslegung

345

b) Systematische Auslegung

346

aa) Vergleich der vollstreckbaren Urkunde mit dem Prozeßvergleich

347

bb) Vergleich mit dem Anerkenntnisurteil

348

c) Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte

351

IV. Zwischenergebnis B. Berücksichtigung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung nachfolgenden Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren

352 im

I. Berücksichtigung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung bei der Klauselerteilung

352 352

nsverzeichnis

II. Berücksichtigung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung im Vollstreckungsverfahren

354

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung

355

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung

355

I. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Schuldners

355

1. Vollstreckungsgegenklage, § 767 ZPO

356

a) Auslegungsgrundsätze im Bereich des Zivilprozeßrechts

...

b) Wortsinngrenzen des Begriffs "Einwendung"

357 360

c) Wortsinngrenzen des Begriffs "Anspruch"

360

2. Klauselgegenklage, § 768 ZPO

362

3. Feststellungsklage, § 256 ZPO

362

4. Gestaltungsklage, § 767 ZPO analog

364

a) Rechtliche Schutzwürdigkeit des Schuldners, die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geltend zu machen . . . aa) Vergleich mit rechtskräftigen Urteilen

364 367

bb) Vergleich mit nicht rechtskräftigen Anerkenntnisurteilen und Prozeß vergleichen

369

(1) Die Situation bei Anerkenntnisurteilen

370

(2) Die Situation bei Prozeßvergleichen

373

cc) Grundsatz der Waffengleichheit

373

dd) Wertungsgesichtspunkte

375

ee) Zwischenergebnis

378

b) Numerus clausus der Gestaltungsklagen

378

c) Vergleichbarkeit der Interessenlagen

379

d) Urteilswirkungen

382

5. Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung II. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Gläubigers

383

Viertes Kapitel Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

385

A. Fälle der Unwirksamkeit des Titels B. Berücksichtigung der Unwirksamkeit des Titels im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren

382

385 nachfolgenden 386

nsverzeichnis

20

I. Berücksichtigung im Klauselerteilungsverfahren II. Berücksichtigung im Zwangsvollstreckungsverfahren C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

386 390 392

I. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe gegen die Ablehnung der Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung bei Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde

392

II. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Schuldners gegen die Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung bei Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde

393

1. Prüfungsumfang im Rahmen der verfahrensinternen Rechtsbehelfe hinsichtlich der Titelunwirksamkeit

393

2. Verhältnis der verfahrensinternen Rechtsbehelfe zueinander . . .

394

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe bei Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde

398

I. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Schuldners bei Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde

398

1. Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO a) Wirksamkeit des Vollstreckungstitels als Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsgegenklage aa) Auffassung der bislang h. M bb) Kritik der Literatur

398 398 398 400

(1) Erschwerung des Rechtsschutzes für den Schuldner.

401

(2) Rechtliche Bedenken

402

cc) Entscheidung des BGH vom 14. 5. 1992

405

dd) Stellungnahme

406

b) Prüfung der Titelwirksamkeit im Rahmen der Begründetheit. aa) Meinungsstand

412 412

(1) Keine Prüfung der Titelunwirksamkeit im Rahmen der Begründetheit

412

(2) Titelwirksamkeit ist Voraussetzung für die Begründetheit

412

(3) Begründetheit einer wegen Einwendungen gegen den Anspruch erhobenen Vollstreckungsgegenklage aus Gründen der Unwirksamkeit des Vollstrekkungstitels

414

(4) Vollstreckungsgegenklage allein wegen Unwirksamkeit des Titels

415

nsverzeichnis

bb) Wortsinngrenze des § 767 ZPO

417

2. Klauselgegenklage, § 768 ZPO

419

3. Feststellungsklage, § 256 I ZPO

420

a) Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde

420

aa) Meinungsstand und Stellungnahme

420

bb) Verteidigung gegen mögliche Einwände

422

(1) Rechtspraxis zu § 620 f ZPO

422

(2) Feststellungsstreit bei Unwirksamkeit eines Prozeßvergleichs

422

(3) Feststellungsklage über die Auslegung des Titelinhalts

423

(4) Anerkennung ausländischer Entscheidungen

424

b) Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des Vollstrekkungsanspruchs

424

4. Unterlassungsklage

428

5. Unwirksamkeitsklage, § 767 ZPO analog

428

a) Rechtliche Schutzwürdigkeit des Schuldners, die Titelunwirksamkeit im Rahmen einer Klage geltend zu machen . . .

428

b) Vergleichbarkeit der Interessenlagen

429

c) Urteilswirkungen

430

6. Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung

431

II. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Gläubigers

432

III. Konkurrenz- und Präklusionsprobleme

435

E. Konkurrenzprobleme zwischen verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen

Fünftes Kapitel Exkurs: Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtung, sich der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen

436

439

A. Auswirkungen der Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtung auf die urkunden- und anspruchsbezogenen Mängel

439

B. Geltendmachung der Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtung

440

..

22

nsverzeichnis

Sechstes Kapitel Mehrere Fehlerquellen - zugleich eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

442

A. Rechtsbehelfe des Gläubigers

444

B. Rechtsbehelfe des Schuldners

446

I. Die einzelnen Rechtsbehelfe des Schuldners II. Umfassende Geltendmachung von Einwendungen gegen den materiellen Anspruch sowie die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung und der vollstreckbaren Urkunde im Rahmen einer Klage . . . 1. Klagenhäufung

446

449 450

a) Kumulative oder eventuelle Klagenhäufung und Streitwert

450

b) Auslegung des Klageantrags

452

2. Präklusionsprobleme

Literaturverzeichnis

452

454

Abkürzungsverzeichnis a. Α.

anderer Ansicht

a. a. Ο.

am angegebenen Ort

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

a. E.

am Ende

a. F.

alte Fassung

AG

Amtsgericht

AGBG

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

allg.

allgemein

Alt.

Alternative

Anh.

Anhang

Anm.

Anmerkung

AnwBl

Anwaltsblatt

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

BAG

Bundesarbeitsgericht

BauR

Baurecht

BayObLG BayObLGZ

Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen

BayVBl

Bayerische Verwaltungsblätter

BayVGH

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

BB

Betriebsberater

Bd.

Band

Bern.

Bemerkung

Beschl.

Beschluß

BeurkG

Beurkundungsgesetz

24

Abkürzungsverzeichnis

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHR

BGH-Rechtsprechung, herausgegeben von den Richtern des Bundesgerichtshofes

Β GHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BNotO

Bundesnotarordnung

BRAGO

Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung

BSG

Bundessozialgericht

BT-Drucksachen

Drucksachen des Bundestages

BtMG

Betäubungsmittelgesetz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

bzw.

beziehungsweise

c. i. c.

culpa in contrahendo

CPO 1877

Civilprozeßordnung vom 30. 1. 1877 (RGBl S. 83 ff)

DAVorm

Der Amtsvormund

DB

Der Betrieb

ders.

derselbe

DGVZ

Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung

d. h.

das heißt

Diss.

Dissertation

DNotZ

Deutsche Notar-Zeitschrift

DRiG

Deutsches Richtergesetz

DRpflZ

Deutsche Rechtspfleger-Zeitschrift

Einl.

Einleitung

entspr.

entsprechend

EuGVÜ

Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

f

folgende

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

Abkürzungsverzeichnis

ff

fortfolgende

FG

Festgabe

FGG

Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

FS

Festschrift

Fußn.

Fußnote

gem.

gemäß

Gem S OGB

Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe Bundes

GG

Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland

ggf.

gegebenenfalls

GKG

Gerichtskostengesetz

grds.

grundsätzlich

Grundz

Grundzüge

GSZ

Großer Senat für Zivilsachen

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

GVGA

Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher

GVO

Gerichtsvollzieherordnung

HGB

Handelsgesetzbuch

h. L.

herrschende Lehre

h. M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

h. Rspr.

herrschende Rechtsprechung

HS

Halbsatz

i. d. F.

in der Fassung

i. d. R.

in der Regel

i. e.

im einzelnen

i. e. S.

im engeren Sinne

insbes.

insbesondere

i. S.

im Sinne

i. S. d.

im Sinne des / der

i. S. v.

im Sinne von

i. ü.

im übrigen

des

26

Abkürzungsverzeichnis

i. w. S.

im weiteren Sinne

IZPR

internationales Zivilprozeßrecht

IZVR

internationales Zivilverfahrensrecht

JA

Juristische Arbeitsblätter

JMB1NRW

Justizministerialblatt

für

das

Land

Nordrhein-

Westfalen JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

JurBürο

Das j uri sti sehe Büro

JuS

Juristische Schulung

Justiz

Die Justiz, Amtsblatt des Ministeriums für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten Baden-Württemberg

JW

Juristische Wochenschrift

JWG

Gesetz für Jugendwohlfahrt

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

KG

Kammergericht

KJHG

Kinder- und Jugendhilfegesetz

KonsularG

Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse (Konsulargesetz)

KriegswaffenG

Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen)

KTS

Zeitschrift für Insolvenzrecht (Konkurs, Treuhand, Sanierung)

Lfg.

Lieferung

LG

Landgericht

Lit.

Literatur

LM

Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs (hrsg. von Lindenmaier und Möhring)

m. Anm.

mit Anmerkung

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m. E.

meines Erachtens

MittBayNot

Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern

Abkürzungsverzeichnis

MittRhNotK

Mitteilungen der Rheinischen Notar-Kammer

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

n. F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungsreport Zivilrecht

Nr.

Nummer

o. ä.

oder ähnliche(s)

obiter

obiter dictum (= beiläufig bemerkt)

OLG

Oberlandesgericht

OLGRspr.

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts

OLGZ

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit

PStG

Personenstandsgesetz

pW

positive Vertragsverletzung

Rdnr.

Randnummer

RG

Reichsgericht

RGBl

Reichsgesetzblatt (1871 - 1921)

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RpflBl

Rechtspflegerblatt

Rpfleger

Der Deutsche Rechtspfleger

RPflG

Rechtspflegergesetz

Rspr.

Rechtsprechung

RzW

Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht

S.

Satz, Seite

SGB V I I I

Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) Kinderund Jugendhilfe

s. o.

siehe oben

sog.

sogenannte(r/s)

StGB

Strafgesetzbuch

str.

streitig

sub

unter

u.

und

u. a.

unter anderem

28

Abkürzungsverzeichnis

unstr.

unstreitig

Urt.

Urteil

u. U.

unter Umständen

v.

vom, von

VerglO

Vergleichsordnung

VersR

Versicherungsrecht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

Vorbem

Vorbemerkung

VRspr

Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

WM

Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen, Teil IV

WuB

Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht

z. B.

zum Beispiel

ZfBR

Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht

Ziff.

Ziffer

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZPR

Zivilprozeßrecht

z. T.

zum Teil

zugl.

zugleich

ZVG

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

ZVR

Zwangsvollstreckungsrecht

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung Eine Voraussetzung fur jede Zwangsvollstreckung ist das Vorliegen eines Vollstreckungstitels. Dabei hat in der Praxis die vollstreckbare Urkunde eine besondere Bedeutung. Sie ermöglicht dem Gläubiger die Zwangsvollstrekkung, ohne daß sein Anspruch zuvor in einem gerichtlichen Urteil oder einem sonstigen Verfahren festgestellt wird. Diese prozeßersetzende Funktion1 der vollstreckbaren Urkunde erspart dem Gläubiger Zeit. Dem Schuldner erspart sie zumindest teilweise die Kostenlast, denn selbst wenn er die Beurkundungskosten übernimmt, ist dies fur ihn erheblich kostengünstiger als ein verlorener Prozeß2. Daher unterwirft er sich in der Praxis häufig der Zwangsvollstreckung, wenn das Bestehen des Anspruchs nicht streitig ist und die Erfüllung nur an seinen Zahlungsschwierigkeiten scheitert oder sich der Gläubiger hiervor verfahrensrechtlich absichern will. Heute erfolgen schätzungsweise 90 % der Zwangsvollstreckungen aus dinglichen Rechten aufgrund vollstreckbarer Urkunden3. Obgleich die vollstreckbare Urkunde regelmäßig zu einem Zeitpunkt abgegeben wird, in der keine Partei konkret mit dem Aufkommen von Streitigkeiten rechnet, führt eine spätere Zwangsvollstreckung aus ihr in gleicher Weise wie bei anderen Vollstreckungstiteln zu schwerwiegenden hoheitlichen Eingriffen in Grundrechte des Schuldners. Dies gilt nicht nur für den Vollstreckungszugriff selbst, der z. B. bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in den Schutzbereich des Art. 14 GG eingreift. Auch zur Durchfuhrung der Vollstreckung sind den zuständigen Organen weitreichende Eingriffskompetenzen in grundrechtlich geschützte Bereiche eingeräumt worden (vgl. etwa § 758 ZPO, Art. 13 II GG). Doch nicht nur auf Seiten des Schuldners geht es um die Verwirklichung von Grundrechten, sondern auch auf Seiten des Gläubigers: Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG umfaßt alle "Vermögenswerten Rechte"4 und damit auch die materiellrechtliche Forderung des 1

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 171 f; Sauer, Bestimmtheit, S. 1.

2

Der Kostenaufwand beträgt bei der vollstreckbaren Urkunde meist noch nicht einmal ein Zehntel der Kosten, die bei einer gerichtlichen Klage mit sofortigem Anerkenntnis anfallen wurden; MünchKommZPOAVolfsteiner, § 794 Rdnr. 124. 3

Genaue Zahlen fehlen; vgl. MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 124.

30

Einleitung

Gläubigers, derentwegen er die Zwangsvollstreckung betreibt und derentwegen sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Wegen des staatlichen Vollstreckungsmonopols ist der Gläubiger auf hoheitliche Hilfe angewiesen, denn Selbsthilfe ist ihm verboten. Bei der Zwangsvollstreckung kommt es daher zu einer Grundrechtskollision zwischen den Grundrechten des Schuldners und denen des Gläubigers5. Wegen dieser Grundrechtsrelevanz der Zwangsvollstreckung bedarf es eines effektiven Rechtsschutzes auf beiden Seiten6. Die gegensätzlichen Interessen des Gläubigers, der eine möglichst rasche und umfassende Durchsetzung seines titulierten Anspruchs erstrebt, und des Schuldners an einem Schutz vor rechtswidrigen Maßnahmen der Vollstreckungsorgane oder unberechtigter Inanspruchnahme durch den Vollstrekkungsgläubiger sind auszugleichen. Die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs entfällt bei vollstreckbaren Urkunden auf Seiten des Schuldners auch nicht deshalb, weil dem Titel eine (einseitige) Unterwerfungserklärung des Schuldners zugrunde liegt. Der Schuldner will damit nämlich weder auf Grundrechte, noch auf einen effektiven Rechtsschutz im Rahmen der Zwangsvollstreckung verzichten. Im Gegenteil: bei dem häufigsten Fall der vollstreckbaren Urkunde in der Praxis - der dinglichen und persönlichen Zwangsvollstreckungsunterwerfung im Zusammenhang mit der Bestellung von Grundpfandrechten - unterwirft sich der Schuldner regelmäßig nur auf Verlangen des wirtschaftlich stärkeren Gläubigers - häufig einer Bank - der Zwangsvollstreckung. Da der Erstellung der vollstreckbaren Urkunde kein gerichtliches Verfahren vorausgeht, in dem der Schuldner Einwendungen vorbringen könnte, hat dieser erstmals im Rahmen der Rechtsbehelfe des Zwangsvollstreckungsrechts die Möglichkeit, gerichtlichen Schutz zu erlangen. Gerade deshalb ist auch hier ein effektiver Rechtsschutz nötig. Effektiv ist der Rechtsschutz aber nur, wenn er eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen Instanzen7 und bezüglich aller Verfahrensabschnitte gewährleistet. Effektivität des Rechtsschutzes setzt insoweit immer eine gewisse Überschaubarkeit des Rechtsbehelfssystems voraus. Rechtsschutzbarrieren, die durch unklare Konkurrenzverhältnisse oder dadurch entstehen, daß die Zulässigkeit des einen Rechtsbehelfs von dem Erfolg oder Mißerfolg eines anderen Rechtsbehelfs abhängt, stehen daher im Widerspruch 4

Vgl. etwa BVerfGE 45, 142 (179); Maunz/Dürig/Herzog/Papier, Art. 14 Rdnr. 150, 190 m. w. N.

5

Gerhardt, ZZP 95 (1982), 467 (487); Lippross, Vollstreckungsschutz, S. 137; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 11; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 3 III 4 (S. 19). 6

BVerfG, NJW 1978, 368 (369); Lippross, JA 1979, 9.

7

BVerfG 40, 272 (275); Lippross, JA 1979, 9.

Einleitung

zum verfassungsrechtlichen Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Ob das achte Buch der ZPO dem gerecht wird mit seiner Vielfalt von Rechtsbehelfen, deren Abgrenzungsprobleme schon fast zu einer "eigenen Wissenschaft der Konkurrenzen"8 geführt hat, erscheint fraglich. Die Qualität des Rechtsbehelfssystems wird durchaus unterschiedlich bewertet. Dabei reichen die Meinungen von "gut durchdacht und praktisch bewährt"9 bis "verworren und undurchsichtig .. und dessen Ergebnisse so schwer vorhersehbar daß die Grenzen des rechtsstaatlich Zulässigen wenn nicht überschritten, so doch annähernd erreicht" seien10. Darüber hinaus lassen sich die "Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden"11 auch nicht auf diejenigen im achten Buch der ZPO beschränken. Faßt man nämlich im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes den Begriff "Rechtsbehelf weit, so ist hierunter im Verfahrensrecht "jedes verfahrensrechtliche Mittel zur Verwirklichung eines Rechts"12 (hier: des Schuldners auf Schutz vor bzw. des Gläubigers auf Durchfuhrung der Zwangsvollstreckung) zu verstehen. Folglich müssen auch Klagen, Beschwerden und Erinnerungen außerhalb des achten Buchs der ZPO in Betracht gezogen werden. Doch gleichgültig ob das Rechtsbehelfssystem als "gut durchdacht" oder "verworren und undurchsichtig" anzusehen ist, so müssen de lege lata Rechtsprechung und Lehre es dennoch anwenden. Es ist ihre Aufgabe, dabei den Rechtsschutz im Rahmen dieses Systems so effektiv als möglich zu handhaben. Dabei bietet gerade die Beschäftigung mit rechtskraftlosen Titeln (wie der vollstreckbaren Urkunde) die Chance "zu klareren und plausibleren Erkenntnissen zu gelangen, als dies der auf rechtskräftige Urteile fixierten klassischen Zivilprozeßlehre gelingt"13. Die folgende Untersuchung will einen Beitrag zur Klärung des Rechtsschutzes bei vollstreckbaren Urkunden leisten. Ihr Schwerpunkt liegt bei der Systematisierung der vom Gesetz vorgesehenen oder durch Analogie gewonnenen Rechtsbehelfe und deren Verhältnis zueinander. In diesem Rahmen ist es häufig notwendig, allgemeine Problemen der einzelnen Rechtsbehelfe (wie etwa hinsichtlich Rechtsnatur und Streitgegenstand) zu behandeln und hierzu 8

Gaul, ZZP 85 (1972), 251 (259).

9

Bruns/Peters, ZVR, I I 3 vor § 14 (S. 82).

10

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 2.

11

Entsprechendes gilt auch bei anderen Titeln.

12

G. Köbler, Jur. Wörterbuch, Stichwort "Rechtsbehelf'; ähnlich auch Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort "Rechtsbehelf'. Zu eng dagegen Deutsches Rechts-Lexikon, Stichwort "Rechtsbehelf', wo der Begriff nur als "eine prozessuale Möglichkeit mit dem Ziel der Änderung einer gerichtlichen Entscheidung" definiert wird. Danach wäre etwa - mangels einer vorausgehenden gerichtlichen Entscheidung - noch nicht einmal die Vollstreckungsgegenklage gegen eine vollstreckbare Urkunde ein Rechtsbehelf. 13

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 605 (606).

32

Einleitung

Stellung zu nehmen. Nur dies ermöglicht Rückschlüsse auf die Handhabung der Rechtsbehelfe sowie deren Konkurrenzverhältnisse bei vollstreckbaren Urkunden14. In einem ersten Teil wird daher zunächst ein allgemeiner Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems gegeben. Eine Analyse der Rechtsbehelfe einerseits und der Fehlerquellen, die mit diesen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können, andererseits wird zeigen, daß in vergleichbarem Maße Fehlerquellen und Rechtsbehelfe in jeweils zwei Gruppen zusammengefaßt werden können, die miteinander korrespondieren: Der Gruppe der "urkunden- und anspruchsbezogenen Mängel" stehen die verfahrensexternen, der Gruppe der "verfahrensbezogenen Mängel" die verfahrensinternen Rechtsbehelfe gegenüber. Besonderheiten bei vollstreckbaren Urkunden treten dabei nur auf, sofern ein "urkunden- und anspruchsbezogener" Mangel vorliegt, nicht dagegen bei reinen Verfahrensfehlern, wie sie im Zusammenhang mit der Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung auch bei anderen Titeln auftreten können. Dementsprechend behandeln die folgenden drei Kapitel als einzelne Quellen dieser urkunden- und anspruchsbezogenen Mängel das Nichtbestehen des Anspruchs, die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung und die des Titels. Nach einer ersten Begriffsbestimmung bzw. Erläuterung, was unter der jeweiligen Fehlerquelle zu verstehen ist und wann sie vorliegt, wird im Rahmen eines jeden dieser drei Kapitel zunächst untersucht, wie sich diese Fehler auf das Klauselerteilungs- und Zwangsvollstreckungsverfahren auswirken. Das ist notwendig, da die verfahrensinternen Rechtsbehelfe als Korrektiv für fehlerhaftes Handeln der zuständigen Organe aufzufassen sind. Demgemäß 14

Der hierdurch bedingte weite Themenkreis bedarf andererseits (um die Arbeit nicht ausufern zu lassen) der Eingrenzung. Soweit zu allgemeinen Problemen der einzelnen Rechtsbehelfe (die häufig bereits selbst Gegenstand separater umfangreicher wissenschaftlicher Arbeiten waren) Stellung genommen werden muß, kann der Meinungsstand nicht in allen Verästelungen aufgerollt werden, sondern muß sich auf die Darstellung der im wesentlichen vertretenen Ansichten sowie einer Stellungnahme hierzu beschränken. Darüber hinaus können schließlich all diejenigen Probleme der Zwangsvollstreckung nicht erörtert werden, die fur die Systematik der Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden überhaupt keine Bedeutung haben und nicht anders zu behandeln sind wie bei anderen Vollstreckungstiteln auch. Hierzu zählen die Probleme des einstweiligen Rechtsschutzes. Da diese sich an den Hauptsacherechtsbehelfen orientieren, treten keine Besonderheiten bei vollstreckbaren Urkunden auf. Ferner unterbleibt eine Erörterung von Rechtsbehelfen Dritter, da diese erst hinsichtlich eines Vollstreckungsaktes Bedeutung gewinnen und es fur den Dritten gleichgültig ist, aufgrund welchen Titels die Zwangsvollstreckung betrieben wird. Des weiteren erübrigt sich eine Erörterung von Rechtsbehelfen bei sonstigen Verfahrenskonstellationen, die gleichermaßen bei anderen Vollstreckungstiteln auftreten können (so z. B. Rechtsbehelfe gegen eine weitere vollstreckbare Ausfertigung, gegen die Art und Weise des konkreten Vollstreckungsvorgangs, Vollstrekkungsschutz gem. § 765 a ZPO, Rechtsbehelfe im Verteilungsverfahren usw.). Schließlich ist auch eine Erörterung der bei vollstreckbaren Urkunden keine Besonderheiten aufweisenden formlosen Rechtsbehelfe (Gegenvorstellungen, Aufsichtsbeschwerden) entbehrlich.

Einleitung

können sie bei den hier interessierenden urkunden- und anspruchsbezogenen Mängel nur erfolgreich eingesetzt werden, wenn in dem zu überprüfenden Verfahrensabschnitt solche Mängel zu unrecht nicht berücksichtigt bzw. entgegen der Prüfungskompetenz des zuständigen Organs berücksichtigt wurden. Den einzelnen fur den Schuldner und für den Gläubiger in Betracht kommenden verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen sowie ihr Verhältnis zueinander widmen sich die anschließenden Abschnitte des jeweiligen Kapitels. Dabei kann es nicht nur innerhalb der verfahrensinternen bzw. verfahrensexternen Rechtsbehelfe zu Konkurrenz- und Präklusionsproblemen kommen. Auch zwischen beiden Rechtsbehelfsgruppen sind Konkurrenzfalle denkbar, so vor allem, wenn ein urkunden- und anspruchsbezogener Mangel zugleich einen im Klausel- bzw. Zwangsvollstreckungsverfahren zu beachtenden Umstand darstellt, dieser aber nicht beachtet wurde. Es stellt sich dann die Frage, ob verfahrensinterne und -externe Rechtsbehelfe sich gegenseitig ausschließen oder ob sie nebeneinander geltend gemacht werden können. Im letzten Teil der Arbeit wird schließlich der Frage nachgegangen, wie es sich auf die Rechtsbehelfe auswirkt, wenn mehrere Fehlerquellen (hinsichtlich des materiellen Anspruchs, der Unterwerfungserklärung oder des Vollstreckungstitels) vorliegen bzw. die Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung wegen verschiedener angeblicher Fehlerquellen abgelehnt wurde. Zu untersuchen ist dabei insbesondere, ob im Rahmen eines umfassenden Rechtsbehelfsverfahrens die Prüfung aller Fehlerquellen möglich ist.

3 Schultheis

Erstes Kapitel

Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems A. Verfahrensabschnitte Die Struktur der Rechtsbehelfe - nicht nur bei vollstreckbaren Urkunden läßt sich am leichtesten erschließen, wenn man sich die einzelnen Verfahrensabschnitte, die die vollstreckbare Urkunde nach ihrer Beurkundung bis zum Abschluß der Zwangsvollstreckung durchläuft, vor Augen hält. Es sind dies dieselben wie bei anderen Vollstreckungstiteln auch: das Klauselverfahren und das Vollstreckungsverfahren. In jedem Verfahrensabschnitt gibt es eigene Rechtsbehelfe, die sich sowohl objektiv nach dem Gegenstand der mit ihnen verfolgten Einwendung als auch subjektiv danach unterscheiden, welchen Personen die Einwendung zusteht. Diese Zweiteilung des Verfahrens beruht auf dem System der strikten Aufgaben- und Verantwortungsteilung, das die Zivilprozeßordnung verfolgt. In Anlehnung an die Regelung in Frankreich und in bewußter Abkehr vom gemeinrechtlichen und altpreußischen Exekutionsverfahren, bei dem die Exekution in den Händen des Prozeßgerichts lag, wurde das Vollstreckungsverfahren organisatorisch isoliert und besonderen Organen übertragen1. Je nach dem zu vollstreckenden Anspruch und dem Vollstreckungsgegenstand sind zuständig der Gerichtsvollzieher (vgl. § 753 ZPO), das Vollstreckungsgericht (vgl. § 764 ZPO), das Grundbuchamt (vgl. § 867 ZPO) oder das Prozeßgericht (§§ 887 ff ZPO). Mit der Übertragung von Aufgabenbereichen des Richters auf den Rechtspfleger (vgl. § 20 Nr. 12, 13, 16, 17 RPflG) durch das RPflG von 5. 11. 1969 und speziell bei vollstreckbaren Urkunden durch die Zuständigkeit des Notars für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung (vgl. § 797 II 1 ZPO) traten im Klauselverfahren und im Vollstreckungsverfahren noch weitere Differenzierungen hinzu, an denen sich das Rechtsbehelfssystem orientieren muß2.

1

Zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung vgl. näher Gaul, ZZP 85 (1972), 251 (270 ff) und Rpfleger 1971, 81 (90 ff). 2

Lippross, JA 1979,9(10).

A. Verfahrensabschnitte

35

Das Motiv für diesen Grundsatz der "organisatorischen Isolierung des Vollstreckungsverfahrens" 3, fur den sich der Gesetzgeber der CPO von 18774 entschied, lag zum einen in dem Gedanken der "Reinhaltung des Richteramtes" von allen Geschäften, die nicht Streitentscheidung waren. Zum anderen hatte sich die Vollstreckung durch das Prozeßgericht im gemeinen und altpreußischen Exekutionsverfahren als zu schwerfällig erwiesen, denn dort mußte die eigentliche Ausfuhrung der Exekution Unterbeamten überlassen werden, und durch die notwendigen Rücksprachen zwischen diesen Beamten und dem Gericht verzögerte sich die eigentliche Vollstreckung5. Von der Dezentralisierung und Isolierung der Zwangsvollstreckung erhoffte man sich dagegen einen unmittelbaren, rascheren und energischeren Vollstreckungszugriff. Dies machte es aber auch notwendig, die Prüfungspflicht im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu begrenzen. Als Anknüpfungspunkt und Voraussetzung für das Tätigwerden(dürfen) der Vollsreckungsorgane kam daher nur ein formaler, urkundlich leicht nachprüfbarer Tatbestand in Frage. Dieser Grundsatz der "Formalisierung der Vollstreckungsbedingungen"7 zeigt sich vor allem darin, daß Grundlage der Zwangsvollstreckung nach unserem Vollstreckungssystem ein in die Form einer öffentlichen Urkunde gekleideter Vollstreckungstitel ist8. Nicht mehr zu prüfen ist, ob der titulierte Anspruch auch tatsächlich nach materiellem Recht besteht. Soweit der Zwangsvollstreckung ein rechtskräftiges Urteil zugrunde liegt, ergibt sich dies - zumindest hinsichtlich des Entstehens des materiellrechtlichen Anspruchs - bereits aus der Rechtskraft. Bei nicht rechtskraftfähigen Titeln wie der vollstreckbaren Urkunde folgt dies hingegen aus dem auf der Funktionsteilung beruhenden Formalisierungsprinzip9. Da dem Vollstreckungsorgan regelmäßig auch die Prozeßakten nicht zur Verfugung stehen, war es ferner notwendig, die Prüfung der Vollstreckbarkeit des Titels ebenfalls aus dem eigentlichen Exekutionsverfahren zu eliminieren und einem eigenständigen Verfahren - dem Klauselerteilungsverfahren - zuzuweisen, in dem anhand der zugänglichen Akten die Vollstreckbarkeit des Titels geprüft wird 10. Außerdem war und ist das Klauselerteilungsverfahren not-

3

R. Schmidt, ZPR, § 138 I I (S. 877).

4

RGBl S. 83 ff.

5

Vgl. Hahn, Materialien, S. 422.

6

Vgl. Hahn, Materialien, S. 436: damit nicht nutzlose Schikanen und Verzögerungen zur Kraftlosigkeit des Exekutionsverfahrens fuhren." Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 5 I 2 (S. 36); Gaul, Rpfleger 1971,81 (90). 7

R. Schmidt, ZPR, § 138 I I I (S. 878).

8

Gaul, Rpfleger 1971, 81 (90).

9

Gaul, Rpfleger 1971, 81 (90).

3'

36

1. Kap.: Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems

wendig, um eine einheitliche Beurteilung von Rechts- und Tatsachenfragen durch eine zentrale, ausschließlich zuständige (vgl. §§ 802, 724 II ZPO) Instanz zu gewährleisten. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß die jeweils räumlich und sachlich für die einzelnen Vollstreckungshandlungen verschiedenen zuständigen Organe zu unterschiedlichen Beurteilungen kommen, ohne daß die ZPO eine einheitliche ^ β φ η ί ή η ^ η ^ ΐ ι ^ β ΐ ΐ vorsehen würde11. Deshalb findet gem. § 724 ZPO die Zwangsvollstreckung auch nur "auf Grund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung" statt. Das Klauselerteilungsverfahren stellt somit quasi die "Brücke"12 zwischen dem Verfahren, in dem der Titel erstellt wurde (Urteilsverfahren, Beurkundungsverfahren bei der vollstreckbaren Urkunde usw.) und dem Vollstreckungsverfahren dar. Es erfüllt dabei jedoch nicht nur eine Zeugnisfunktion, indem es amtlich bescheinigt, daß die Zwangsvollstreckung zulässig ist, wovon das Vollstrekkungsorgan grundsätzlich bei Vorliegen einer Klausel auch ausgehen muß13, sondern auch eine Schutzfunktion für den Schuldner: Da dem Gläubiger grundsätzlich nur eine vollstreckbare Ausfertigung ausgehändigt wird (vgl. § 733 ZPO, der ein besonderes Verfahren für die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung vorschreibt), Teilleistungen auf der vollstreckbaren Ausfertigung vermerkt werden müssen und diese nach der Befriedigung des Gläubigers dem Schuldner zurückzugeben ist (vgl. § 757 I ZPO)14, besteht regelmäßig nicht die Gefahr mehrfacher Zwangsvollstreckung15. Während die einfache Vollstreckungsklausel rein deklaratorische Bedeutung hat und nur wegen des Formalisierungseffektes besteht, kommt der titelergänzenden oder titelübertragenden (sogenannten qualifizierten) Klausel darüber hinaus eine konstitutive Wirkung zu. Diese wird aufgrund des Nachweises von außerhalb der Urkunde liegenden Tatsachen erteilt. Doch ist es erforderlich (aber auch ausreichend) diese Tatsachen - sofern keine Offenkundigkeit vorliegt - durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen (vgl. §§ 726, 727 ZPO), so daß auch insoweit dem Formalisierungsgrundsatz Rechnung getragen ist16.

10 Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 16 I 3 (S. 182);Gaul, Rpfleger 1971, 81 (90); vgl. näher unten 2. Kap. Β. I. 2. a). M

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 724, Rdnr. 2; vgl. auch Gaul, Rpfleger 1971, 81 (86).

12

Gaul, ZZP 85 (1972), 251 (291); Lippross, JA 1979,9(10).

13

Zöller/Stöber, § 724 Rdnr. 1, 14; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 103; Saenger, JuS 1992, 861 (861); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 16 I 3 (S. 182). 14

Vgl. auch unten 2. Kap. D. I. 4. a), b) (1).

15

Saenger, JuS 1992, 861 (861); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 16 I 3 (S. 182); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 104. 16

Gaul, Rpfleger 1971, 81 (90).

Α. Verfahrensabschnitte

37

Aber nicht nur bei den Voraussetzungen des Tätigwerdens der Vollstrekkungsorgane, sondern auch bei den einzelnen Zugriffsvoraussetzungen findet eine Anknüpfung an formale Tatbestände unter Ausklammerung der Untersuchung der tatsächlichen rechtlichen Lage statt17. Eine differenzierte Prüfung, ob das Vollstreckungsobjekt zum Schuldnervermögen gehört, würde nämlich hier ebenfalls einer straffen Durchfuhrung der Zwangsvollstreckung entgegenstehen. Betrachtet man nun die einzelnen Verfahrensabschnitte, die die vollstreckbare Urkunde nach ihrer Beurkundung bis zum Abschluß der Zwangsvollstrekkung durchläuft, so zeigt sich, daß die Formalisierung stufenweise fortschreitet. Während im Klauselerteilungsverfahren einerseits die Frage der Vollstreckbarkeit des Titels noch anhand aller zur Verfügung stehenden Unterlagen zu prüfen ist, andererseits aber das tatsächliche Bestehen des materiellen Anspruchs jedenfalls unmittelbar18 nicht mehr geprüft werden darf, erschöpft sich die Prüfung durch die an die Vollstreckungsklausel gebundenen Vollstreckungsorgane darin, anhand formaler Kriterien zu untersuchen, ob die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen - wozu insbesondere ein "nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeigneter und zudem mit der Vollstreckungsklausel versehener"19 Vollstreckungstitel gehört - und ob der formale Sachverhalt für die jeweilige Vollstreckungsmaßnahme erfüllt ist. Die Zulässigkeit der Klauselerteilung unterliegt demgemäß nicht mehr der Nachprüfimg durch die Vollstreckungsorgane20. Mit fortschreitender Formalisierung tritt damit zunehmend ein äußerer Anknüpfungspunkt (die Titulierung des Anspruchs, die vollstreckbare Ausfertigung, der Gewahrsam) an die Stelle der eigentlich bestehenden Rechtslage (Bestehen des Anspruchs, Vollstreckbarkeit des Titels, Vermögenszugehörigkeit), d. h. "der Schein tritt an die Stelle des Seins"21. Aus diesem Grunde ist aber auch die Gefahr, daß Fehlerquellen wegen der Formalisierung der Zwangsvollstreckung unberücksichtigt bleiben, besonders groß22. Es ist daher ein umfassendes Rechtsbehelfssystem nötig.

17

Gaul, Rpfleger 1971, 81 (91); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 5 IV 2 (S. 46 f); Geißler, JuS 1986, 280 (281).

18

Zur mittelbaren Prüfung im Rahmen von Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen siehe unten 2. Kap. Β. I. 19

BGH, NJW 1992, 2160 (2161); vgl. auch Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 249.

20

Statt aller Β au man n/Brehm, ZV, § 10 II 1 a (S. 157); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 103; A. Biomeyer, ZVR, § 15 I 1 (S. 45); Jauernig, ZVR, § 4 I a. E. (S. 24); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 16 I 2 (S. 181); Thomas/Putzo § 724 Rdnr. 3; Zöller/Stöber, Rdnr. § 724 Rdnr. 1,14; Stein/Jonas/Münzberg, § 724 Rdnr. 2; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 228; Saenger, JuS 1992, 861.

21

Vgl. J. Blomeyer, Rpfleger 1969, 279 (280).

22

Arens/Lüke, Jura 1982, 455.

38

1. Kap.: Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems

B. Systematisierung der Rechtsbehelfe I. Unterschiede zwischen den Rechtsbehelfen des Klauselverfahrens und denen des Zwangsvollstreckungsverfahrens Bei der Einteilung der Klagen und sonstigen Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung wird allgemein zunächst zwischen Rechtsbehelfen des Klauselverfahrens und solchen des Zwangsvollstreckungsverfahrens getrennt23. Dies hat durchaus seine Berechtigung, da letztere ebensowenig zur Verhinderung oder Erreichung einer Vollstreckungsklausel geeignet sind wie erstere zur Verhinderung einer konkreten Vollstreckungsmaßnahme. Die Klauselrechtsbehelfe beziehen sich eben ausschließlich auf das Klauselerteilungsverfahren, die Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren eben auf dieses.

II. Gemeinsamkeiten der Rechtsbehelfe des Klauselverfahrens mit denen des Zwangsvollstreckungsverfahrens Eine Systematisierung sollte jedoch nicht starr betrieben, sondern immer im Hinblick auf das konkrete Problem vorgenommen werden. Da zum einen mit den Klauselrechtsbehelfen ebenso wie mit den Rechtsbehelfen des Vollstreckungsverfahrens der Schuldner grundsätzlich24 eine Zwangsvollstreckung verhindern oder zumindest beschränken bzw. der Gläubiger eine solche durchsetzen will und da zum anderen sich der zeitliche Anwendungsbereich der auf das Klausel- und auf das Zwangsvollstreckungsverfahren bezogenen Rechtsbehelfe überschneiden kann, erscheint ein Vergleich der einzelnen Rechtsbehelfe sinnvoll. Sowohl im Klauselverfahren als auch im Zwangsvollstreckungsverfahren gibt es Erinnerungen (vgl. §§ 732, 576 ZPO einerseits, § 766 ZPO andererseits), Beschwerden (vgl. § 54 BeurkG einerseits, § 793 ZPO andererseits) und Klagen (vgl. §§ 731, 768 ZPO einerseits, §§ 767, 771, 805 ZPO andererseits). Eine gewisse Sonderstellung nimmt der besondere Rechtsbehelf des § 11 RPflG ein, der an die Person des an Stelle des Richters handelnden Rechtspflegers (vgl. § 20 Nr. 12, 13, 16, 17 RPflG) anknüpft, sowohl im Klausel- als auch im Zwangsvollstreckungsverfahren in Betracht kommt und das beim Erlaß des RPflG bereits vorhandene Rechtsbehelfssystem der ZPO überlagert, indem er die dortigen Rechtsbehelfe zum Teil verdrängt, zum Teil aber auch 23

Vgl. etwa Gaul, ZZP 85 (1971), 251 (255); Lippross, JA 1979, 9 (10); Renkl, JuS 1981, 514; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 36 I (S. 421); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1159.

24

Vgl. jedoch zur Einlegung der Beschwerde nach §§ 54 BeurkG, 20 ff FGG durch den Schuldner unten 2. Kap. C. II. 1. c).

Β. Systematisierung der Rechtsbehelfe

39

hinter diese zurücktritt 25. Da die Rechtspflegererinnerung sich wegen dieser Überlagerung der (bereits von ihr vorgefundenen) Rechtsbehelfe nicht bruchlos in das System der ZPO-Rechtsbehelfe einordnen läßt und deshalb weitere, zusätzliche Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich bringt, soll sie zunächst bei dem folgenden Vergleich außer Betracht bleiben.

III. Vergleich der Beschwerden, Erinnerungen und Klagen im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren anhand der möglichen Mängel, die mit diesen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können 1. E i n t e i l u n g der in Betracht k o m m e n d e n M ä n g e l

An Mängeln leiden können zunächst die vollstreckbare Urkunde, die in ihr titulierte Unterwerfungserklärung oder der Anspruch. So kann ζ. B. der materielle Anspruch nicht oder nicht mehr bestehen oder es können Einwendungen gegen ihn vorgebracht werden, die titulierte Forderung kann unbestimmt sein bzw. einen nicht mehr von § 794 I Nr. 5 ZPO gedeckten Anspruchsinhalt aufweisen, die Unterwerfungserklärung kann unwirksam sein26 oder der Titel als solcher wegen eines Beurkundungsfehlers. Da diese Fehlerquellen nicht auf dem nach der Urkundenaufnahme folgenden Klausel- und Zwangsvollstrekkungsverfahren beruhen, seien sie im folgenden in Abgrenzung zu den nachgenannten "verfahrensbezogenen Mängeln" als "urkunden- und anspruchsbezogene Mängel" bezeichnet. Als Fehlerquelle kommen aber nicht nur der Titel selbst bzw. die Unterwerfungserklärung oder der Anspruch in Betracht, sondern auch die Nichtbeachtung von im Klauselerteilungs- und Zwangsvollstreckungsverfahren beachtlichen Umständen, die im folgenden als "verfahrensbezogene Mängel" bezeichnet werden. Die verfahrensbezogenen Mängel können entweder dadurch entstehen, daß das jeweils tätige Rechtspflegeorgan einen Verfahrensfehler verursachte, indem es eine Verfahrenshandlung (Klauselerteilung oder Vornahme der Zwangsvollstreckung) entgegen gesetzlicher Vorschriften vorgenommen bzw. - obgleich kein Ablehnungsgrund vorlag - abgelehnt hat oder indem in dem betreffenden Verfahrensabschnitt beachtliche Umstände erst später zu Tage treten und daher nicht berücksichtigt werden konnten. Inwieweit die oben genannten "urkunden- und anspruchsbezogenen Mängel" auch zu "verfahrensbezogenen Mängeln" fuhren können, hängt davon ab, inwieweit 25 26

Vgl. hierzu genauer 2. Kap. C. I. 1. a); 2. Kap. C. I. 2. c); 2. Kap. C. II. 1. a) bb).

Zu der Frage, ob die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung immer auch zur Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde als solche fuhrt, vgl. unten 3. Kap. A. III. 6.

40

1. Kap.: Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems

in dem jeweiligen Verfahrensabschnitt (Klauselverfahren oder Ζwangsvollstreckungsverfahren) diese Fehler noch zu beachten oder inwieweit sie wegen des Formalisierungsgrundsatzes 27 unbeachtlich sind. Verfahrensbezogene Mängel, die auf "urkunden- und anspruchsbezogenen Mängeln" beruhen, liegen danach vor, wenn ein im Klausel- oder Zwangsvollstreckungsverfahren noch beachtlicher "urkunden- und anspruchsbezogener Mangel" übersehen wurde oder unbekannt geblieben ist und die Verfahrenshandlung deshalb vorgenommen wurde oder wenn die Vornahme der Verfahrenshandlung deshalb unterblieb, weil zu Unrecht das Vorliegen eines "urkunden- und anspruchsbezogenen Mangels" angenommen oder zu Unrecht von der Prüfungskompetenz hinsichtlich eines solchen Mangels ausgegangen wurde. Vereinfacht läßt sich sagen: Wegen des Formalisierungsgrundsatzes fuhrt ein "urkunden- und anspruchsbezogener Mangel" nur dann zu einem verfahrensbezogenen Mangel, wenn diesbezüglich in dem betreffenden Verfahrensabschnitt auch eine Prüfungskompetenz besteht.

2. Zuordnung der Rechtsbehelfe zu den Mängelgruppen

a) Dualistischer Außau des Klausel· und Zwangsvollstreckungsverfahrens Daß verfahrensbezogene Mängel nur dann vorliegen, wenn das zuständige Organ in dem betreffenden Verfahrensabschnitt (Klausel- oder Zwangsvollstreckungsverfahren) auch eine entsprechende Prüfungskompetenz zur Berücksichtigung der gerügten Umstände hat, weist darauf hin, daß das gesamte Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren dualistisch gedeutet werden kann. Es gibt in beiden Verfahrensabschnitten zwei Zulässigkeitsstufen: Die erste Stufe bezieht sich auf das Handeln der in dem betreffenden Verfahrensabschnitt jeweils tätigen Organe und regelt die Frage, ob die entsprechende Handlung (Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung) zulässigerweise vorgenommen werden darf. Dies ist immer dann der Fall, wenn die formalisierten Voraussetzungen für den jeweiligen Verfahrensabschnitt vorliegen28. Im Klauselverfahren ist das gegeben29, wenn ein entsprechendes Gesuch gestellt wurde, ein äußerlich wirksamer Vollstreckungstitel vorliegt 30, die voll27

Siehe oben 1. Kap. A.

28

Vgl. 1. Kap. A.

29

Vgl. etwa Renkl, JuS 1981, 514 (515); MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 724 Rdnr. 26 ff, § 797 Rdnr. 17 ff; Mönch, Vollstreckbare Urkunde, S. 213 und genauer in den folgenden Kapiteln.

30

Also bei der vollstreckbaren Urkunde diese äußerlich wirksam ist und eine ordnungsgemäße

Β. Systematisierung der Rechtsbehelfe

41

streckbare Urkunde weder zwischenzeitlich aufgehoben, noch die Zwangsvollstreckung aus ihr gem. § 775 Nr. 1 ZPO für unzulässig erklärt wurde31 und Vollstreckungsreife eingetreten sowie insbesondere bei der Notwendigkeit von titelergänzenden bzw. -übertragenden Klauseln der Nachweis in der dafür erforderlichen Form geführt wurde. Im Zwangsvollstreckungsverfahren wird von den zuständigen Organen an formalisierten Voraussetzungen vor Erlaß eines Vollstreckungsaktes grundsätzlich nur geprüft 32, ob ein (formloser) Antrag einer durch Vollstreckungsklausel oder -titel legitimierten Person vorliegt (§§ 753, 754 ZPO), ob der Titel nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstrekkung geeignet und mit einer Vollstreckungsklausel versehen ist33 sowie das Vorliegen der allgemeinen Verfahrens- und der besonderen vollstreckungsrechtlichen Erfordernisse. Liegen diese soeben beschriebenen formalisierten Voraussetzungen im Klausel- bzw. Zwangsvollstreckungsverfahren vor, ist das zuständige Organ nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, die bei ihm beantragte Handlung vorzunehmen. Diese Zulässigkeitsstufe läßt sich daher als "Vornahmezulässigkeit" bezeichnen34. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die entsprechende Verfahrenshandlung des Klauselerteilungs- bzw. Zwangsvollstreckungsorgans auch vom Ergebnis her zulässig ist. Das ist bei der Zwangsvollstreckung (und als deren vorbereitender Akt auch bei der Klauselerteilung) nur der Fall, wenn der Vollstreckungsgläubiger eine wirksame vollstreckbare Urkunde mit wirksamer Unterwerfungserklärung gegen denjenigen hat, der zur Herbeiführung des mit der Vollstreckungsmaßnahme erstrebten Zustands materiellrechtlich verpflichtet ist35. Diese Zulässigkeitsstufe läßt sich auch als "Ergebniszulässigkeit" bezeichnen36. Vergleicht man die beiden Zulässigkeitsstufen mit den zuvor beschriebenen beiden Mängelgruppen, so ist die "Vornahmezulässigkeit" immer dann gegeben, wenn keine verfahrensbezogenen Mängel, die "Ergebniszulässigkeit", wenn keine urkunden- und anspruchsbezogenen Mängel vorliegen. SoUnterwerfiingserklärung dokumentiert, vgl. MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 724 Rdnr. 27, § 797 Rdnr. 18,21. 31

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 724 Rdnr. 39, § 794 Rdnr. 156 ff.

32

Vgl. insoweit statt vieler Thomas/Putzo, vor § 704 Rdnr. 38 ff.

33

BGH, NJW 1992, 2160(2161).

34

Vgl. J. Blomeyer, Erinnerungsbefugnis, S. 51 f (insbesondere Fußn. 5), der dort - jedoch nur für die Rechtsbehelfe des Zwangsvollstreckungsverfahrens - eine vergleichbare Einteilung vornimmt; vgl. ferner ders., Rpfleger 1969, 279 (282).

35

Wobei insoweit eine in einem vorausgegangenen Urteilsverfahren rechtskräftig festgestellte Verpflichtung der einer tatsächlich bestehenden gleichzustellen ist.

36

Vgl. J. Blomeyer, Erinnerungsbefugnis, S. 51 f; J. Blomeyer, Rpfleger 1969, 279 (282).

42

1. Kap.: Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems

mit decken sich die Fragen der "Vornahmezulässigkeit" und der "Ergebniszulässigkeit" ebensowenig, wie die verfahrensbezogenen Mängel einerseits und die urkunden- und anspruchsbezogenen Mängel andererseits. Das Verhältnis läßt sich hier wie dort mit zwei sich teilweise überschneidenden Kreisen vergleichen: Umstände die zur "Ergebnisunzulässigkeit" der Zwangsvollstrekkung fuhren, berühren die "Vornahmezulässigkeit" nur, wenn sie im Klauselbzw. Zwangsvollstreckungsverfahren aufgrund des dort geltenden formalisierten Prüfungsmaßstabes hätten beachtet werden müssen (so z. B. die Unwirksamkeit des Titels mangels Bestimmtheit; nicht dagegen etwa der weder im Klausel- noch im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigende Untergang der materiellrechtlichen Forderung des Gläubigers). Wird aber die "Ergebnisunzulässigkeit" bei der Prüfung der "Vornahmezulässigkeit" nur berücksichtigt, wenn dies anhand formalisierter Kriterien erkennbar ist, so bedarf es hinsichtlich der Mängel, die nur zur "Ergebnis-" nicht aber zur "Vornahmeunzulässigkeit" fuhren, eines Gestaltungsurteils, um die erststufig zulässige (also "vornahmezulässige") Klauselerteilung bzw. Vollstreckungshandlung in eine erststufig unzulässige zu verwandeln37. Nur aufgrund der Wirkungen des Gestaltungsurteils ist es möglich, daß die Klauselerteilungs- bzw. Vollstrekkungsorgane diese (nur zur "Ergebnisunzulässigkeit" führenden) Umstände im Rahmen ihrer Vornahmezulässigkeitsprüfung beachten können und müssen. Entscheidendes Kriterium für die Notwendigkeit eines Gestaltungsurteils ist allgemein die Unzulässigkeit von Inzidentbeurteilungen der Gestaltungsvoraussetzungen38. Wenn aber die jeweils zuständigen Organe Umstände, die zur Ergebnisunzulässigkeit führen, nicht beachten dürfen, wenn diese nicht anhand formalisierter Kriterien erkennbar werden (und damit auch zur Vornahmeunzulässigkeit führen), so heißt das nichts anderes, als daß ihnen die Inzidentbeurteilung dieser Umstände versagt ist. Ist ihnen aber die Inzidentbeurteilung dieser Umstände versagt, so kann nur ein Gestaltungsurteil hierüber hinweghelfen; nur so kann erreicht werden, daß diese ursprünglich lediglich zur Ergebnisunzulässigkeit führenden Umstände nun auch von den in dem jeweiligen Verfahrensabschnitt zuständigen Organen beachtet werden können und müssen.

b) Dualistischer Aufbau des Rechtsbehelfssystems Vergleicht man nun die Rechtsnatur der Rechtsbehelfe, die dem Gläubiger und dem Schuldner im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren zur Verfügung stehen, so fällt auf, daß es sich bei den Klagen (§§ 731, 768 ZPO be37

Ähnliche Überlegungen auch bei J. Blomeyer, Erinnerungsbefugnis, S. 52.

38

Schlosser, Jura 1986, 130 ( 131 ).

Β. Systematisierung der Rechtsbehelfe

43

züglich des Klauselverfahrens, §§ 767, 771, 805 ZPO bezüglich des Zwangsvollstreckungsverfahrens, ferner § 323 ZPO bei auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen gerichteten Titeln) allesamt um Gestaltungsklagen handelt39. Sie sind daher generell geeignet, der "Ergebniszulässigkeit" zum Durchbruch zu verhelfen, insbesondere soweit sich diese nicht mit der Vornahmezulässigkeit deckt und deshalb ein Gestaltungsurteil notwendig ist, um die erststufig zulässige (also "vornahmezulässige") Klauselerteilung bzw. Vollstreckungshandlung in eine erststufig unzulässige zu verwandeln. Anders dagegen bei den Erinnerungs- und Beschwerdeentscheidungen des Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahrens: Sie stellen keine Gestaltungsurteile dar. Formell sind sie freilich schon deshalb keine Gestaltungsurteile, weil sie in Beschlußform ergehen. Jedoch läßt sich der Begriff des "Gestaltungsurteils" auch in einem materiellen Sinne auffassen 40, so wie man generell zwischen Urteilen im "materiellen" und "formellen" Sinne unterscheiden kann41. Damit ist nichts weiter gemeint, als daß es nicht darauf ankommt, ob das Gesetz für den gestaltenden Gerichtsakt die Beschluß- oder Urteilsform vorsieht. Entscheidend ist, ob den Entscheidungen auch (materiell) die Funktion und Wirkung eines "Gestaltungsurteils" zukommt. Gestaltungsurteile sind aber immer dann nötig, wenn die Gestaltungsvoraussetzungen (d. h. die Gestaltungsgründe) nicht inzident berücksichtigt werden dürfen, wenn also aus den Gestaltungsgründen erst dann Rechtsfolgen geltend gemacht werden können, wenn die vom Gericht begehrte Gestaltung vorgenommen und wirksam geworden ist42. 39

Für die Klagen gem. §§ 767, 768, 771, 805 ZPO ist das ganz h. M.; vgl. statt aller etwa Thomas/Putzo, § 767 Rdnr. 1, § 768 Rdnr. 1, § 771 Rdnr. 1, § 805 Rdnr. 1. Siehe zur Rechtsnatur der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) auch ausfuhrliche unten 2. Kap. D. I. 1. b) m. w. N. Aber auch die Klauselklage gem. § 731 ZPO muß entgegen der h. M. als prozessuale Gestaltungsklage qualifiziert werden, vgl. insoweit etwa Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 8; Schuschke, § 731 Rdnr. 2 und ausfuhrlich unten 2. Kap. D. II. 1. a) m. w. N. Die Abänderungsklage gem. § 323 ZPO ist zwar kein typischer Rechtsbehelf des Klausel- bzw. Zwangsvollstreckungsverfahrens, erfüllt aber in ihrem Anwendungsbereich eine ähnliche Funktion. Dies zeigt sich insbesondere auch in der mit unter schwierigen Abgrenzbarkeit von der Vollstreckungsgegenklage (siehe unten 2. Kap. D. III. 8.). Auch sie ist nach ganz h. M. eine Gestaltungsklage (vgl. nur Thomas/Putzo, § 323 Rdnr. 1 und unten 2. Kap. D. I. 6. a) vor aa) mit Fußn. 948). Ebenso erfüllt der Beschluß nach § 641 ρ ZPO, der - soweit gem. § 323 V ZPO die Abänderungsklage durch die §§ 641 1 f f ZPO verdrängt wird an die Stelle eines Abänderungsurteils nach § 323 ZPO tritt, materiell alle Voraussetzungen eines Gestaltungsurteils (siehe hierzu sogleich unten Fußn. 42 in diesem Kapitel und 2. Kap. D. I. 6. b)). 40

Vgl. zur Unterscheidung zwischen Gestaltungsurteilen im formellen und materiellen Sinne Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 41 ff.

41 42

Zu dieser Terminologie vgl. Bettermann, FS Lent, S. 17 (24).

Schlosser, Jura 1986, 130 (131). Beispiel fur ein Gestaltungsurteil im formellen und materiellen Sinne: "Kündigt" der Gesellschafter einer OHG und klagt dann sein Auseinandersetzungsguthaben ein, kann das Gericht nicht inzident prüfen, ob ein wichtiger Grund zur Auflösung der Gesellschaft

44

1. Kap.: Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems

Dieses Charakteristikum der Gestaltungsurteile (im materiellen Sinne) fehlt aber den Erinnerungs- und Beschwerdeentscheidungen des Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahrens. Für die das Zwangsvollstreckungsverfahren betreffende Vollstreckungserinnerungsentscheidung (§ 766 ZPO) und die Entscheidung über eine sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO43 ergibt sich das bereits aus der (zutreffenden) allgemeinen Auffassung 44, daß mit diesen Rechtsbehelfen das Handeln des jeweils tätigen Vollstreckungsorgans überprüft wird. Die Zwangsvollstreckung wird bei Erfolg dieser beiden Rechtsbehelfe nur aus solchen Gründen fur unzulässig erklärt, die das zuständige Vollstreckungsorgan ohnehin hätte beachten müssen. Die Berücksichtigung der zum Erfolg der gerichtlichen Entscheidung fuhrenden Umstände war somit im Gegensatz zu der Situation bei Gestaltungsurteilen - gerade nicht unzulässig, sondern sogar geboten. Es wird nur jenen Umständen Beachtung verschafft, die sowieso Voraussetzung für ein Handeln des Zwangsvollstrekkungsorgans gewesen sind. Es entspricht damit im Ergebnis allgemeiner Ansicht, daß mit diesen Rechtsbehelfen nur die fehlende Vornahmezulässigkeit gerügt werden kann. Aber ebensowenig wie den Rechtsbehelfen nach § 766 ZPO und § 793 ZPO kommen auch denen das Klauselverfahren betreffenden Erinnerungs(vgl. §§ 732, 576 ZPO) und Beschwerdeentscheidungen (vgl. § 54 BeurkG) die oben beschriebenen charakteristischen Merkmale eines Gestaltungsurteils (im materiellen Sinne) zu. Dies mag auf den ersten Blick insbesondere angesichts der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) in zweierlei Hinsicht überraschend erscheinen: Zum einen, weil die stattgebende Erinnerungsentscheidung allgebestand. Der Kläger muß zuvor ein die Gesellschaft auflösendes, also gestaltendes Urteil erwirken. Klagt er unmittelbar auf Auszahlung seines Auseinandersetzungsguthabens, so ist die Klage unbegründet. Die Auflösung durch gerichtliche Entscheidung gem. § 133 HGB stellt daher sowohl formell (da in Urteilsform erlassen) als auch materiell ein Gestaltungsurteil dar (vgl. Schlosser, Jura 1986, 130 (131)). Beispiel für ein "Gestaltungsurteil" im materiellen Sinne in Beschlußform: Der Schiedsspruch nach § 1040 ZPO entfaltet - wenn auch eingeschränkt - materielle Rechtskraft. Vollstreckbar wird er aber erst, wenn er durch das Gericht für vollstreckbar erklärt wird, was gem. § 1042 a I ZPO auch durch Beschluß geschehen kann. Vor der Vollstreckbarerklärung ist er im Klausel- und Vollstreckungsverfahren unbeachtlich (vgl. Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 41 ff, 98). Ein weiteres Beispiel für ein materielles Gestaltungsurteil in Beschlußform bietet § 641 ρ I ZPO: Vor Erlaß des Beschlusses nach § 641 ρ ZPO kann und darf die sich aus der Anpassungsverordnung nach § 1612 a I I BGB ergebende Veränderung der Unterhaltshöhe von den im Klauselund Zwangsvollstreckungsverfahren zuständigen Organen nicht berücksichtigt werden (siehe hierzu auch unten 2. Kap. D. I. 6. b)). 43

Entsprechendes gilt für die Grundbuchbeschwerde nach § 71 GBO, die - sofern das Grundbuchamt Vollstreckungsorgan ist - die §§ 793, 766 ZPO verdrängt. Siehe hierzu unten 2. Kap. C. I. 2. b).

44

Vgl. statt aller Stein/Jonas/Münzberg, § 766 Rdnr. 12 ff ( Rdnr. 12: Der Schuldner kann nach § 766 "alle Einwendungen geltend machen, welche die von den Vollstreckungsorganen zu prüfenden formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung betreffen") und § 793 Rdnr. 4 mit Verweisung auf § 766 Rdnr. 12 ff.

Β. Systematisierung der Rechtsbehelfe

45

mein genauso tenoriert wird wie das stattgebende Urteil bei einer Gestaltungsklage nach § 768 ZPO (Klauselgegenklage)45, zum anderen weil nach h. M. angeblich mit der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) nicht nur formelle, sondern auch sogenannte "materielle" Einwendungen - fur die auch der Klage weg nach § 768 ZPO offensteht - gegen die Klauselerteilung vorgebracht werden können46. Um die Erinnerung nach § 732 ZPO aber als Gestaltungsklage im materiellen Sinne ansehen zu können, wäre erforderlich, daß die Entscheidung hierüber in Rechtskraft erwächst. Die Situation bei Gestaltungsurteilen ist dadurch charakterisiert, daß Rechtsfolgen aus dem Gestaltungsgrund erst geltend gemacht werden können, wenn die vom Gericht begehrte Gestaltung vorgenommen und wirksam geworden ist. Dies setzt aber notwendig die Unanfechtbarkeit und damit die formelle Rechtskraft der Entscheidung voraus47. Die erstinstanzliche Erinnerungsentscheidung erwächst jedoch nicht in formelle Rechtskraft, denn gegen sie ist die unbefristete einfache Beschwerde nach § 567 ZPO gegeben48. Formelle Rechtskraft kann daher niemals von selbst nach der erstinstanzlichen Klauselerinnerungsentscheidung eintreten, denn die formelle Rechtskraft setzt Unanfechtbarkeit voraus49, diese ist aber bei der Klauselerinnerung wegen der unbefristet bestehenden Beschwerdemöglichkeit grundsätzlich erst mit der zweitinstanzlichen Beschwerdeentscheidung gegeben50. Tritt aber nur ausnahmsweise51, nicht aber grundsätzlich (etwa wegen Unanfechtbarkeit oder Ablaufs der Beschwerdefrist) bei der Entscheidung über eine Klauselerinnerung formelle Rechtskraft ein, so fehlt ihr eine Voraussetzung, um dieselben Wirkungen wie ein Gestaltungsurteil (im materiellen Sinne) hervorzubringen. Gleiches gilt für die ebenfalls nur mit der unbefristeten einfachen Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen über eine Erinnerung nach § 576 I ZPO52 oder eine Beschwerde nach § 54 BeurkG i. V. m. §§ 20 ff 45

Vgl. Zöller/Stöber, § 731 Rdnr. 15; Zöller/Herget, § 768 Rdnr. 2.

46

Hierzu und zur Ablehnung dieser h. M. siehe unten 2. Kap. C. I. 1. c).

47

Vgl. Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 231 ff.

48

H. M., vgl. nur Thomas/Putzo, § 732 Rdnr. 10 und unten 2. Kap. C. I. 1. d).

49

H. M.; vgl. hierzu B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 40 ff mit zahlreichen weiteren Nachweisen und eingehender Untersuchung hinsichtlich der formellen Rechtskraft von Beschlüssen. Danach kann bei Beschlüssen, die der einfachen Beschwerde unterliegen, der erstinstanzliche Beschluß nur dann in formeller Rechtskraft erwachsen, wenn ein Rechtsmittelverzicht vorliegt, prozessuale Überholung eingetreten (str.) oder das Anfechtungsrecht verwirkt (str.) ist. Vgl. B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 46 ff. Es müssen also mithin immer noch besondere Umstände hinzutreten, damit der erstinstanzliche Beschluß formell rechtskräftig wird. 50

Damit ist der Beschwerdeweg erschöpft, denn es findet wegen § 568 II ZPO keine weitere Beschwerde statt; vgl. OLG Köln, Rpfleger 1992, 206 (206 f); Thomas/Putzo, § 732 Rdnr. 10.

51

Siehe oben Fußn. 49 in diesem Kapitel.

52

Es findet gegen die Erinnerungsentscheidung die einfache unbefristete Beschwerde nach §§ 576

46

1. Kap.: Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems

FGG53. Da diese Entscheidungen nicht dieselben Wirkungen entfalten können wie ein Gestaltungsurteil (im materiellen Sinne), helfen sie auch nur in den Fällen weiter, in denen verfahrensbezogene Mängel, also das Fehlen der "Vornahmezulässigkeit", geltend gemacht wird. Somit ergibt sich sowohl im Klausel- als auch im Zwangsvollstreckungsverfahren ein dualistischer Aufbau des Rechtsbehelfssystems: Mit Erinnerungen und Beschwerden wird in beiden Verfahrensabschnitten das Fehlen der "Vornahmezulässigkeit" (wegen verfahrensbezogener Mängel) geltend gemacht54, mit den Klagen dagegen die "Ergebnisunzulässigkeit" (insbesondere dann, wenn es sich um solche Mängel handelt, die weder im Klausel- noch im Ζwangsvollstreckungsverfahren berücksichtigt werden können).

c) Erinnerungen und Beschwerden als verfahrensinterne

Rechtsbehelfe

Daraus, daß Erinnerungen und Beschwerden im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren (nur) dazu dienen, verfahrensbezogene Mängel geltend zu machen, ergibt sich zugleich auch eine Beschränkung ihres Prüfungsumfanges. Da sie keine gestaltende Wirkung entfalten, stellen sie letztlich nur fest, was das Klauselerteilungs- bzw. Vollstreckungsorgan aufgrund seiner Prüfungskompetenz auch hätte feststellen und berücksichtigen können bzw. müssen. Die Prüfungskompetenz im Rahmen dieser Rechtsbehelfe reicht mithin nicht weiter als die Prüfungskompetenz des in dem zu überprüfenden Verfahrensabschnitt zuständigen Organs. Somit können die Beteiligten bei diesen Rechtsbehelfen nur mit solchem Vorbringen gehört werden, das auch in dem entsprechenden Verfahrensabschnitt hätte berücksichtigt werden müssen55. II, 567 ff ZPO statt (vgl. Thomas/Putzo, § 576 Rdnr. 6). Die weitere Beschwerde ist wegen § 568 II ZPO nicht möglich. 53

Gegen die Beschwerdeentscheidung nach §§ 54 BeurkG, 20 f f FGG findet die (unbefristete) weitere Beschwerde nach § 27 FGG statt. 54

Wann konkret die Erinnerung und wann die Beschwerde der richtige Rechtsbehelf ist, ist zum Teil umstritten. Eine übergreifende Konzeption für die Wahl des Gesetzgebers zwischen diesen beiden Rechtsbehelfen, die sowohl im Klausel- als auch im Zwangsvollstreckungsverfahren gültig wäre, läßt sich nicht finden und ist an dieser Stelle auch noch nicht von Bedeutung. 55 So im Ergebnis für den Prüfungsumfang bei § 732 ZPO MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 732 Rdnr. 1, § 797 Rdnr. 19 u. 32; Olzen, DNotZ 1993, 211 (216); Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 58. 3 u. allgemeiner Rdnr. 54.4. Α. A. die h. M. zu § 732. Danach sollen im Rahmen des § 732 ZPO sowohl "formelle" Einwendungen (also Fehler des Klauselverfahrens) als auch "materielle" Einwendungen, mit denen die materiellen Voraussetzungen der Klauselerteilung bestritten werden, geltend gemacht werden können. Dies wird aus dem Vorbehalt in § 768 ZPO a. E. geschlossen. Wie noch zu zeigen sein wird (vgl. unten 2. Kap. C. I. 1. c) bb)), ist diese Schlußfolgerung jedoch nicht zwingend. Vielmehr ist wegen des Charakters und der systematischen Stellung

Β. Systematisierung der Rechtsbehelfe

47

Das gilt auch fur den Vortrag neuer Tatsachen. Diese Begrenzung hinsichtlich Prüfungsgegenstand und -umfang rechtfertigt es, Erinnerungen und Beschwerden des Klauselerteilungs- und Zwangsvollstreckungsverfahrens als verfahrensinterne Rechtsbehelfe zu bezeichnen. Die Qualifizierung der Erinnerungen und Beschwerden des Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahrens als verfahrensinterne Rechtsbehelfe und die Kongruenz hinsichtlich des Prüfungsumfangs im Rahmen dieser Rechtsbehelfe mit denen des betreffenden Organs im jeweiligen Verfahrensabschnitt sollte jedoch nicht dazu führen, den Staat bzw. dessen Organe als Rechtsbehelfsgegner aufzufassen 56. Zwar ist die Vornahme staatlicher Zwangsvollstreckung und als deren vorbereitender Akt auch die Klauselerteilung - Ausübung öffentlicher Gewalt57. Die verfahrensinternen Rechtsbehelfe sind daher Bestandteil des durch Art. 19 IV 1 GG gewährleisteten (wenn auch vorkonstitutionellen) Rechtsschutzes, so daß es an sich naheläge, gegen die tätigen Organe oder den Staat als deren Träger vorzugehen58. Der Gesetzgeber hat sich jedoch für ein anderes Rechtsschutzmodell entschieden. Rechtsbehelfsgegner der verfahrensinternen Rechtsbehelfe ist nicht der Staat, sondern der Vollstreckungsgegner, also der Vollstreckungsschuldner oder der Vollstreckungsgläubiger (je nachdem, wer den Rechtsbehelf eingelegt hat). Art. 19 IV GG zwingt insofern auch nicht zu einem Umdenken: zwar kann man das Schwergewicht der Rechtsbeziehungen im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren in den Rechtsbeziehungen des Schuldners bzw. Gläubigers zum Staat sehen, so daß de lege ferenda gegen den Staat gerichtete Klausel- und Zwangsvollstreckungsrechtsbehelfe durchaus denkbar erscheinen. Dennoch liegt ein dreiseitiges, die Parteien und den Staat umschließendes Rechtsverhältnis vor, im Zivilprozeß das Prozeßrechtsverhältnis 59, in der Zwangsvollstreckung das Vollstreckungsrechtsverhältnis 60. Somit bestehen auch (vom materiellen Rechtsgrund unabhängige) rechtliche Beziehungen zwischen Vollstreckungsschuldner und -gläubiger und eben diese hat der Gesetzgeber in den Vordergrund gestellt61. auch bei § 732 ZPO davon auszugehen, daß nur das Verfahren betreffende ("formelle") Einwendungen geltend gemacht werden können. 56

So aber A. Hein, ZZP 69 (1956), 231 (246 m. Fußn. 35), der davon ausgeht, daß bei der vom Schuldner erhobenen Vollstreckungserinnerung "der Staat (hier Vollstreckungsbehörde) und nicht der durch den Hoheitsakt begünstigte Dritte (Gläubiger) als Anfechtungsgegner" aufzufassen sei. In diese Richtung wohl auch Geißler, JuS 1986, 280 (281), wonach sich die vollstreckungsinternen Rechtsbehelfe gegen das jeweils tätige Vollstreckungsorgan richten sollen. 57

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 1 III (S. 6), "Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt".

58

Vgl. insoweit für die Vollstreckungserinnerung die Überlegungen von K. Schmidt, JuS 1992, 90 (91). 59

Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 2 (S. 8 ff).

60

Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 8 (S. 66 ff).

48

1. Kap.: Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems

Hiergegen ist im Hinblick auf Art. 19 IV 1 GG nichts einzuwenden, denn die verfahrensinternen Rechtsbehelfe bilden eigentlich nur Teilverfahren eines ausschließlich in seiner Gesamtheit zutreffend zu erfassenden Vollstreckungsverfahrens. Die formelle Parteistellung von Gläubiger und Schuldner wird daher durch ihr materielles Interesse gestützt, im Gesamtverfahren prozessuale Vorteile zu erlangen62. Letztlich beruht die Sichtweise, die als Gegner von Erinnerungen und Beschwerden im Zwangsvollstreckungsrecht den Staat ansieht, auf der unzutreffenden Einordnung bzw. dem nur bedingt tauglichen Vergleich der Zwangsvollstreckung mit dem Verwaltungsrecht. Hierbei wird jedoch der Unterschied übersehen, daß der Vollstreckungszugriff im Interesse des Gläubigers bei der Zwangsvollstreckung etwas völlig anderes ist als der Enteignungseingriff im Interesse der Allgemeinheit. Während der Enteignungseingriff ausschließlich dem Gemeinwohl dient, hat der Vollstrekkungseingriff ausschließlich die Rechtsschutzinteressen des Gläubigers im Auge; der Staat setzt dabei seine Machtmittel also nur zur Durchsetzung eines titulierten Individualanspruchs ein63. Als Rechtsbehelfsgegner auch der verfahrensinternen Rechtsbehelfe ist daher allein der Vollstreckungsgegner, also der Vollstreckungsschuldner bzw. der Vollstreckungsgläubiger, anzusehen.

d) Klagen als verfahrensexterne

Rechtsbehelfe

Im Gegensatz zu den verfahrensinternen Rechtsbehelfen werden mit den Klagen keine Verfahrensverstöße geltend gemacht, sondern solche Fehlerquellen, die nicht auf einem Mangel im Klausel- oder Zwangsvollstreckungsverfahren beruhen. Daher können sie als verfahrensexterne Rechtsbehelfe bezeichnet werden. Die in der ZPO geregelten Klagen des Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahrens sowie die Abänderungsklage nach § 323 ZPO haben dabei vorwiegend die Korrektur materiellrechtlicher Fehlergebnisse zum Ziel, die wegen der formalisierten Konzeption des Vollstreckungsrechts entstehen können64: Mit den Klagen, die das Klauselverfahren betreffen, macht entweder der Schuldner (vgl. § 768 ZPO) geltend, daß trotz des Nachweises durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden bzw. entgegen der vom Gericht angenommenen "Offenkundigkeit" (vgl. § 727 I ZPO) die "materiellen Voraussetzungen" für eine qualifizierte Vollstreckungsklausel nicht vorliegen - oder umgekehrt der Gläubiger (vgl. § 731 ZPO), daß die materiellen Voraus61

Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 8; vgl. für die Vollstreckungserinnerung K. Schmidt, JuS 1992, 90 (91). 62

Vgl. Windel, ZZP 102 (1989), 175 (214) m. w. N.

63

Vgl. zum ganzen Gaul, Rpfleger 1971, 41 (42).

64

Vgl. für die Klagen im Zwangsvollstreckungsverfahren Geißler, JuS 1986, 280 (281).

Β. Systematisierung der Rechtsbehelfe

49

Setzungen für die Erteilung einer qualifizierten Klausel vorliegen, obgleich ein urkundlicher Nachweis nicht möglich (aber wegen fehlender "Offenkundigkeit i. S. d. § 727 I ZPO erforderlich) ist. Mit den Klagen, die das Zwangsvollstreckungsverfahren betreffen, wird dagegen geltend gemacht, daß der materielle Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner nicht (mehr) besteht oder ihm Einwendungen entgegenstehen (§ 767 ZPO), daß die in Beschlag genommenen Gegenstände nicht zum Schuldnervermögen gehören (§ 771 ZPO) oder daß der Kläger im Vergleich zum pfandenden Gläubiger ein Pfand- oder Vorzugsrecht besseren Ranges hat (§ 805 ZPO). Die Abänderungsklage dient schließlich dazu, einen Titel, der auf zukünftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen lautet, den veränderten materiellrechtlichen Verhältnissen anzupassen.

e) Vergleich der verfahrensinternen mit den verfahrensexternen Rechtsbehelfen Diese dualistische Einteilung des Rechtsbehelfssystems in (nur der Überprüfung der "Vornahmezulässigkeit" dienende) verfahrensinterne Rechtsbehelfe einerseits und verfahrensexterne Rechtsbehelfe andererseits findet ihre Entsprechung auch in den Rechtsschutz- und Verfahrensgarantien, die diese Rechtsbehelfe gewähren: Die Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren weisen gegenüber den Klagen eine eingeschränkte Rechtsschutzmöglichkeit auf, denn es findet bei ihnen eine mündliche Verhandlung nur fakultativ statt (vgl. § 732 I 2 ZPO; §§ 766, 764 III ZPO; § 54 BeurkG i. V. m. § 12 FGG; §§ 576 II, 567 ff, 573 I ZPO; §§ 793, 577, 573 I ZPO). Eine förmliche Beweisaufnahme mit anschließender Erörterung des Beweisergebnisses durch die Parteien wird wenn nicht ohnehin die Beweismittel in dem betreffenden Verfahren beschränkt sind65 - daher die Ausnahme sein. Eine dennoch durchgeführte Beweisaufnahme richtet sich zwar auch dann nach den allgemeinen Regeln des Strengbeweises, wenn keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, denn daß die Mündlichkeit einer Verhandlung entfällt, rechtfertigt nicht, Unmittelbarkeit und Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme (§§ 355, 357 ZPO) als Garantien für eine erfolgreiche Wahrheitsfindung preiszugeben66. Doch zeigt die Praxis, daß die Gerichte häufig das schriftliche Verfahren vorziehen, um die Zeit für eine Sitzung zu ersparen67. Die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme wird aber von den Beteiligten oft überhaupt nicht oder nicht genügend genutzt68. Eine Beweisaufnahme bleibt daher regelmäßig auf der Strecke. 65

So bei § 732 ZPO, siehe unten 2. Kap. C. I. 1. c) bb).

66

Stein/Jonas/Leipold, § 128 Rdnr. 44; MünchKommZPO/Peters, § 128 Rdnr. 18.

67

MünchKommZPO/Peters, § 128 Rdnr. 15.

4 Schultheis

50

1. Kap.: Überblick über die Systematik des Rechtsbehelfssystems

Zumindest aber entfallt eine Erörterung eines etwaigen Beweisergebnisses mit den Parteien, wenn das Gericht von einer mündlichen Verhandlung absieht. Dies wiegt umso schwerer, da die Ablehnung der mündlichen Verhandlung nicht beschwerdefähig ist und daher von den Beteiligten auch nicht erzwungen werden kann69. Die mehr summarische Natur der Verfahren fuhrt daher zu Entscheidungen, die nicht dieselbe Richtigkeitsgewähr wie Urteile bieten. Darüber hinaus sind die Rechtsschutzmöglichkeiten durch Erinnerung und Beschwerde auch dadurch eingeschränkt, daß häufig ein weitergehender Instanzenzug wegen § 568 II ZPO ausscheidet70. Für den Rechtsschutz gegen verfahrensbezogene Mängel erscheint dies aber gerechtfertigt. Die Prüfimg in den einzelnen Verfahrensabschnitten ist auf formale, leicht nachprüfbare Tatbestände beschränkt. Bei der Überprüfung, ob dabei dem tätigen Organ Fehler unterlaufen sind oder ob Umstände, die im Klausel- bzw. Zwangsvollstrekkungsverfahren hätten berücksichtigt werden müssen, zumindest im Zeitpunkt der Entscheidung über den Rechtsbehelf vorliegen, werden wohl nur selten Schwierigkeiten hinsichtlich der Feststellung des Tatbestandes auftreten. Daher spielt die Wahrheitsfindung in diesen Verfahren kaum eine Rolle71. Somit erscheint auch eine (nur) in das Ermessen des Gerichts gestellte mündliche Verhandlung als ausreichend. Anders dagegen bei solchen Umständen, die nicht im Klausel- bzw. Zwangsvollstreckungsverfahren hätten berücksichtigt werden können. Da sie eines formalisierten Nachweises regelmäßig nicht zugänglich sind, werden hier häufig bereits Schwierigkeiten bei der Feststellung des Tatbestandes bestehen. Eine mitunter umfangreiche Beweisaufnahme sowie die Erörterung des Beweisergebnisses und dessen Würdigung werden fast immer nötig sein. Hierfür erscheinen aber die Verfahrensgarantien eines Klageverfahrens - insbesondere wegen des Grundsatzes der mündlichen Verhandlung - weitaus besser geeignet als die des Erinnerungs- oder Beschwerdeverfahrens. Da der Prüfungsumfang im Rahmen der verfahrensinternen Rechtsbehelfe kongruent ist mit der Prüfungskompetenz des zuständigen Organs in dem zu 68

Peters, ZZP 90 (1972), 145 (149).

69

Stein/Jonas/Leipold, § 128 Rdnr. 40; MünchKommZPO/Peters, § 128 Rdnr. 16.

70

Lediglich gegen die Beschwerdeentscheidung nach § 793 ZPO und nach § 54 BeurkG i. V. m. § 19 f f FGG ist die Möglichkeit einer weiteren Beschwerde gegeben (vgl. § 793 I I ZPO bzw. § 27 FGG).

Die Rechtsschutzmöglichkeit der verfahrensinternen Rechtsbehelfe ist schließlich auch dadurch eingeschränkt, daß in den meisten Fällen die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Rechtskraft erwächst (vgl. Gaul, ZZP 85 (1972), 251 (300 f)); eine Ausnahme machen insoweit nur § 766 und § 793 ZPO, da beide lediglich mit der befristeten Beschwerde bzw. weiteren Beschwerde angreifbar sind und somit mit Fristablauf zumindest formell rechtskräftig werden. 71

Vgl. Fezer, Funktion der mündlichen Verhandlung, S. 47.

Β. Systematisierung der Rechtsbehelfe

51

überprüfenden Verfahrensabschnitt, hängt die Abgrenzung der verfahrensinternen Rechtsbehelfe untereinander und von den verfahrensexternen Rechtsbehelfen von eben dieser Prüfungsbefugnis ab. Überprüft wird mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen lediglich, ob das in Frage stehende Verfahrensstadium zu Recht erreicht bzw. versagt wurde. Ebenso wie durch den Formalisierungsgrundsatz und seine Auswirkungen auf das Klausel- und Zwangsvollstrekkungsverfahren Doppel- und Dreifachprüfungen vermieden werden und hierdurch das gesamte Verfahren prozeßökonomisch aufgeteilt wird, ermöglicht diese Beschränkung des Prüfungsumfangs bei den verfahrensinternen Rechtsbehelfen eine sinnvolle Abgrenzung der einzelnen Rechtsbehelfe voneinander und vermeidet Mehrfachprüfungen mit der Gefahr der Entscheidungsdivergenz.

Zweites Kapitel

Fehlerquelle: Anspruch A. Der Begriff des "Anspruchs" Die Besonderheiten der Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden kommen insbesondere bei den urkunden- und anspruchsbezogenen Mängeln1 zum Tragen, während die verfahrensbezogenen Mängel, die nicht auf den urkunden- und anspruchsbezogenen Mängeln beruhen2, keine Besonderheiten im Vergleich zu anderen Titeln aufweisen. Als erste Quelle für Mängel der erstgenannten Art wird im folgenden der "Anspruch" untersucht.

I. Kurzer Abriß der geschichtlichen Entwicklung: Unterscheidung zwischen materiellrechtlichem und prozessualem Anspruchsbegriff 1. Der materiellrechtliche Anspruch

Der Begriff des "Anspruchs" im modernen Sinne geht auf Bernhard Windscheid und dessen im Jahre 1856 erschienene Schrift "Die Actio des römischen Zivilrechts vom Standpunkt des heutigen Rechts" zurück3. Der in den römischen Quellen nicht einheitlich gebrauchte Begriff der "Actio" läßt sich nur umschreiben, da ein entsprechender Ausdruck der heutigen Rechtssprache fremd ist. Er hat in erster Linie prozessualen Charakter und bezeichnet "das Rechtsmittel, das dem Kläger zur gerichtlichen Verfolgung eines von der Rechtsordnung (allgemein oder für den Einzelfall) anerkannten privat1

Als urkunden- und anspruchsbezogene Mängel wurden solche bezeichnet, die auf der Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde selbst, der in ihr enthaltenen Unterwerfungserklärung oder auf Einwendungen gegen den Anspruch beruhen. Vgl. oben 1. Kap. B. III. 1. 2

Verfahrensbezogene Mängel beruhen dann auf urkunden- und anspruchsbezogenen Mängeln, wenn letztere im Klausel- oder Zwangsvollstreckungsverfahren nicht berücksichtigt wurden, obgleich sie beachtlich waren, oder umgekehrt in diesen Verfahrensabschnitten zu Unrecht das Vorliegen eines "urkunden- und anspruchsbezogenen Mangels" angenommen oder von der Prüflingskompetenz hinsichtlich eines solchen Mangels ausgegangen wurde; siehe oben 2. Kap. B. III. 1. 3

Vgl. zur Entwicklung des Anspruchsbegriffs insbesondere die Darstellung von Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 37 - 60 mit ausführlichen weiteren Nachweisen.

Α. Der Begriff des "Anspruchs"

53

rechtlichen Begehrens zur Verfugung steht"4. Die römische "Actio" ist somit "die Befugnis, seinen Willen durch gerichtliche Verfolgung durchzusetzen"5. Aus diesem einheitlichen Begriff der "Actio" entwickelten sich später die getrennten Begriffe "Anspruch" und "Klagerecht", die in getrennten Wissenschaftszweigen unterschiedlich behandelt werden6. Windscheid vertrat die Auffassung, daß das materielle Recht dem Prozeßrecht vorausgehe und der Prozeß nur die Aufgabe habe, das bereits außerprozessual vorhandene und auch ohne Prozeß erfüllbare materielle Recht zu verwirklichen. Hiermit schuf er aus dem primär prozessualen Begriff der "Actio", der für die Römer noch selbständiger Ausdruck des Rechts war, einen materiellrechtlichen, dessen gerichtliche Verfolgbarkeit nach Windscheids Auffassung bloße Konsequenz seiner rechtlichen Anerkennung ist7. Der Begriff des materiellen Anspruchs ist heute im Anschluß an die Lehre Windscheids in § 194 I BGB gesetzlich definiert als ein Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.

2. Der prozessuale Anspruch

Ursprünglich ging der Gesetzgeber der Reichszivilprozeßordnung noch davon aus, daß Gegenstand des Prozesses der materiellrechtliche Anspruch sei8. Dies hatte seinen Grund darin, daß man bei der Schaffung der ZPO nur Klagen im Auge hatte, mit denen ein materieller Anspruch verfolgt wurde. Auch bei der Feststellungsklage ging man ursprünglich davon aus, daß mit ihr ein aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis fließender besonderer Feststellungsanspruch im Sinne eines gegen den Beklagten gerichteten Anspruchs auf Anerkennung verfolgt wird. Diese Sichtweise stieß jedoch bei der in der ZPO nicht ausdrücklich erwähnten Gestaltungsklage9 und besonders bei der gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen negativen Feststellungsklage auf Schwierigkeiten, da in der Verneinung eines Rechtsverhältnisses nicht mehr die Geltendmachung eines materiellen Anspruchs gesehen werden konnte. Ein weiteres Problem der völligen Gleichsetzung des materiellen Anspruchs mit dem prozessualen Anspruch liegt darin, daß es im Zivilprozeß nur um behauptete, nicht aber um bestehende Ansprüche geht. Ob der Anspruch tatsächlich 4

Käser, röm. ZPR, § 32 I I 2 (S. 172) m. w. N.

5

Windscheid, Actio des römischen Civilrechts, S. 3.

6

Mönch, Vollstreckbare Urkunde, S. 42.

7

Vgl. Mönch, Vollstreckbare Urkunde, S. 42 f f m. w. N.; Lange, Lexikon des Rechts, 1 / 90, S. 1.

8

Vgl. hierzu und zum folgenden Mönch, Vollstreckbare Urkunde, S. 46 f; Löke, Lexikon des Rechts, 18/370, S. 2.

9

Jedoch versuchte man auch hier das Klagebegehren als materiellen Anspruch aufzufassen; vgl. Horn, JuS 1992, 680 (681).

54

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

gegeben ist, wird erst im Prozeß entschieden. Ein Streitgegenstand muß aber immer vorhanden sein10. Vor allem aber konnte das Problem der Anspruchskonkurrenz nicht gelöst werden: Wird dasselbe Klageziel auf mehrere materiellrechtliche Ansprüche (z. B. aus Vertrag, Delikt und Gefährdungshaftung) gestützt, so läge bei einer Identität von materiellem und prozessualem Anspruch eine Klagenhäufung vor und es müßte - wenn nur ein Teil der Anspruchsgrundlagen zum Ziel fuhrt - die Klage "im übrigen" abgewiesen werden11. Wegen dieser Schwierigkeiten versuchte daher als einer der ersten Adolf Wach mit seiner Lehre vom Rechtsschutzanspruch eine vom materiellen Recht unabhängige, eigenständige Bestimmung des "Prozeßanspruchs" und damit des Streitgegenstandes zu finden. Der Rechtsschutzanspruch stellt nach der Auffassung von Wach einen öffentlich-rechtlichen Anspruch des Klägers gegen den Staat auf Erlaß eines für ihn günstigen Urteils dar, wenn die dafür erforderlichen materiellrechtlichen und prozessualen Voraussetzungen vorliegen (bzw. einen öffentlich-rechtlichen Anspruch des Beklagten auf Klageabweisung, wenn die Klage unzulässig oder unbegründet ist)12. Da der Kläger mit seiner Klage aber vorwiegend nicht einen Anspruch gegen den Staat verfolgt, sondern sich primär gegen den Beklagten wendet und somit der Richter einefremde und nicht seine eigene Angelegenheit entscheidet, ist heute allgemein anerkannt, daß der Rechtsschutzanspruch nicht mit dem im § 253 II Nr. 2 ZPO erwähnten Prozeßanspruch identisch ist. Vor allem aber spricht gegen eine Gleichsetzung des Rechtsschutzanspruchs mit dem prozessualen Anspruch, daß den Parteien die Dispositionsbefugnisse über den Streitgegenstand versagt werden müßten, wenn sich der prozessuale Anspruch (als Rechtsschutzanspruch) gegen den Staat richten würde. Es ließe sich dann nämlich weder erklären, wie die Parteien einen Vergleich schließen, noch den Rechtsstreit für erledigt erklären könnten, wenn der Anspruch nicht zwischen ihnen, sondern zwischen einer Partei und dem Staat bestünde13. Es wurden daher immer wieder neu Versuche unternommen, den Begriff des prozessualen Anspruchs zu definieren. Er ist jedoch bis zur heutigen Zeit umstritten geblieben. Allgemein wird unter dem Prozeßanspruch oder Streitgegenstand heute das Klagebegehren schlechthin verstanden, wobei viele Einzelheiten streitig sind14. Insbesondere besteht keine Einigkeit darüber, ob der Streitgegenstands10

"

Baumgärtel, JuS 1974, 69 (70); Schwab, JuS 1965, 81 (82). Horn, JuS 1992, 680 (681 f); Schwab, JuS 1965, 81 (82).

12

Wach, Handbuch, § 2 IV (S. 19 ff); vgl. auch Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, § 27 I 3 (S. 267); Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 47, 48. 13

Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 3 II 2 (S. 15).

14

Vgl. hierzu etwa die Übersicht bei Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 48 - 60 m. w. N.

Α. Der Begriff des "Anspruchs"

55

begriff für alle Klagearten einheitlich gebildet werden kann15 oder nur variabel16, ob es sich um ein Begehren17 des Klägers an das Gericht um Entscheidung oder eine an den Beklagten gerichtete Rechtsbehauptung18 handelt, ob er rein prozessual19 oder (auch) materiellrechtlich 20 zu bestimmen ist und schließlich ob - geht man von einem prozessualen Streitgegenstandsbegriff aus - der Streitgegenstand allein durch den Klageantrag oder auch durch den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt mitbestimmt wird und wie im letzteren Falle dieser Lebenssachverhalt zu definieren und abzugrenzen ist. Ein bestimmtes Recht ist - wie insbesondere die negative Feststellungsklage zeigt mit diesem Anspruchsbegriff nicht mehr verbunden.

II. Der Begriff des prozessualen Anspruchs Der Streitgegenstandsbegriff bzw. der synonym verwendete Begriff des prozessualen Anspruchs - das "Lieblingskind der Begriffsjurisprudenz" 21 - war bereits Gegenstand zahlreicher Abhandlungen22. Eine umfassende Klärung dieses Begriffs im Rahmen dieser Arbeit würde zu weit führen. Im folgenden soll nur ein kurzer Abriß über die im wesentlichen vertretenen Ansichten ge15 So die h. M., vgl. statt aller: MünchKommZPO/Lüke, vor § 253 Rdnr. 33; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 95 III 2 (S. 532). 16 So Jauernig, Verhandlungsmaxime, S. 6, 7 und passim, der von einem "Phantom des Einheitsbegriffs" spricht (S. 7 a.a.O.); ders., ZPR, § 37 V I I I (S. 141 ff); Rimmelspacher, Streitgegenstandsprobleme, S. 175 ff; Baumgärtel, JuS 1974, 69 (73 ff); Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 283 sub d, 285 ff; A. Blomeyer, ZPR, § 40 (S. 231 ff, insbes. 234 f). 17 So etwa Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 95 IV 1 (S. 533 f). Dies fuhrt zur Einbeziehung der Rechtsschutzform in den Streitgegenstand. 18

So etwa Habscheid, Streitgegenstand, S. 141 ff.

19

So die h. M., vgl. statt aller: Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 95 III 4 (S. 533); Arens, AcP 170 (1970), 392 f f (insbes. 423 ff); Schwab, JuS 1976, 69 (71 ff, insbes. 73); Habscheid, Streitgegenstand, S. 221. 20

So insbesondere die Vertreter der neuen materiellrechtlichen Lehren. Vgl. (mit Unterschieden im Einzelnen) im Anschluß an Nikisch, AcP 154 (1955), 269 (281 ff): Larenz, Allgemeiner Teil, § 1 4 I V (S. 263 ff); ders., Schuldrecht, Bd. II, § 75 V I (S. 689 ff) m. w. N.; Georgiades, Anspmchskonkurrenz, S. 239 ff; Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 262 ff; Grunsky, Verfahrensrecht, S. 27 ff; Hesselberger, Streitgegenstand, S. 257 f f (insbes. S. 292 ff). Zusätzlich zur prozessualen Bestimmung fließen materiellrechtliche Aspekte bei der Streitgegenstandsbestimmung auch bei den Vertretern ein, die von der Relativität des Streitgegenstandsbegriffs ausgehen; vgl. insoweit Baumgärtel, JuS 1974, 72 (73 ff) (hinsichtlich Rechtshängigkeit und Rechtskraft bei der Leistungsklage); noch stärker ist die materiellrechtliche Ausprägung bei A. Blomeyer, FS Lent, S. 43 ff. 21

Ekelöf, ZZP 85, 145 ff.

22

Vgl. insoweit die Nachweise in den vorangegangenen und folgenden Fußnoten.

56

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

geben werden, um den Begriff, wie er heute wohl überwiegend aufgefaßt und dann auch hier verwendet wird, zu umschreiben.

1. D i e L e h r e vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff

Nach heute überwiegend vertretener Auffassung 23 bestimmt sich der Streitgegenstand jedes Verfahrens aus zwei konstitutiven Komponenten: dem vorgetragenen Sachverhalt und dem Antrag des Klägers. Der Streitgegenstand läßt sich danach definieren als das durch den vorgetragenen Sachverhalt gekennzeichnete, auf rechtskräftige Feststellung einer Rechtsfolge (an das Gericht) gerichtete Begehren24 bzw. die durch den vorgetragenen Sachverhalt gekennzeichnete an den Gegner gerichtete Rechtsbehauptung25 des Klägers. Bei mehreren Anträgen oder mehreren vorgetragenen Sachverhalten i. S. v. mehreren historischen Ereignissen liegt danach auch eine Mehrheit von Streitgegenständen vor. Hingegen handelt es sich nur um einen prozessualen Anspruch, wenn aus einem Sachverhalt mehrere auf das gleiche Ziel gerichtete materielle Ansprüche entstanden sind. Damit werden die Schwächen der auf der Gleichsetzung von materiellem und prozessualem Anspruch beruhenden ursprünglichen materiellen Theorie vermieden. Einigkeit besteht auch insoweit, daß der Kläger nicht dazu verpflichtet ist, alle Tatsachen erschöpfend vorzutragen. Ausreichend ist, wenn die zur Abgrenzung des Sachverhalts von anderen Lebensvorgängen notwendigen Tatsachen vorgebracht werden26.

2. D i e L e h r e vom eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff

Zum Teil wurde der "Lebenssachverhalt" als zusätzliches Merkmal des Streitgegenstandsbegriffs als zu unscharf kritisiert und die Annahme einer Mehrheit von Streitgegenständen in Fällen, in denen aus mehreren Sachverhalten dasselbe Ziel angestrebt wurde, als unbefriedigend empfunden 27. Diese 23

Statt aller: BGHZ 7, 268 (271); BGHZ 79, 245 (248 f); BGH, NJW 1981, 2306; BGH, NJW 1983, 388 (389); BGH, NJW-RR 1987, 683 (684); BGH, NJW 1989, 393 (393 f); BGH, NJW 1990, 1795 (1796); BGH, NJW 1994, 460; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 2691; Thomas/Putzo, Einl II Rdnr. 25; MünchKommZPO/Lüke, vor § 253, Rdnr. 31; Schilken, ZPR, Rdnr. 229; Baur/Grunsky, ZPR Rdnr. 37, 116; Habscheid, Streitgegenstand, S. 221; Arens/Lüke, ZPR, Rdnr. 162; Luke, JZ 1960, 203 (204); Schellhammer, Zivilprozeß, Rdnr. 310. 24

So etwa Arens/Lüke, ZPR, Rdnr. 162.

25

So Habscheid, Streitgegenstand, S. 141 ff.

26

Vgl. Jauernig, ZPR, § 37 II 4 (S. 134).

27

Rosenberg/Schwab, ZPR, 14. Aufl., § 96 III 2 (S. 566); anders jetzt Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 95 III 3 (S. 532 f).

Α. Der Begriff des "Anspruchs"

57

Kritikpunkte versucht die eingliedrige Streitgegenstandslehre zu vermeiden. Nach ihr soll lediglich der Antrag das bestimmende Merkmal fur den Inhalt des prozessualen Anspruchs sein: Dem Kläger gehe es schließlich nur darum, daß das Gericht im Sinne seines Antrags entscheide. Daher sei der Antrag auch alleiniger Gegenstand des Rechtsstreits28. Für die Fälle, in denen dem Antrag nicht zu entnehmen ist, ob eine oder mehrere Leistungen begehrt werden, greift die Lehre vom eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff dennoch auf den vorgetragen Sachverhalt zurück. Dies spielt insbesondere eine Rolle bei Gattungs- und Geldschulden. Im Unterschied zur zweigliedrigen Streitgegenstandslehre wird aber der Sachverhalt nur zur Auslegung, nicht aber als konstitutive Komponente des Streitgegenstandsbegriffs herangezogen29.

3. Die neuen materiellrechtlichen Lehren

In Abkehr von einer rein prozessual verstandenen Bedeutung des Streitgegenstandes bei der ein- und zweigliedrigen Streitgegenstandslehre versuchen die neueren materiellrechtlichen Lehren30 wieder eine Übereinstimmung oder zumindest Annäherung zwischen dem bürgerlichrechtlichen und dem prozeßrechtlichen Anspruchsbegriff herzustellen, indem sie grundsätzlich vom materiellen Anspruch ausgehen und diesen neu bestimmen. Die Wege, die dabei beschritten werden, sind verschieden. Gemeinsam ist aber allen neuen materiellrechtlichen Lehren, daß sie die Schwierigkeiten der ursprünglichen materiellrechtlichen Lehre - insbesondere im Falle der Anspruchskonkurrenz - dadurch zu vermeiden versuchen, daß sie mehrere materiellrechtliche Anspruchsgrundlagen zu einem materiellen Anspruch zusammenfassen. Dabei haben sich im wesentlichen zwei Hauptströmungen herausgebildet31: Nach der Ansicht von Nikisch n sind mehrere materielle Anspruchsnormen dann zu einem einzigen materiellrechtlichen Anspruch zusammenzufassen, wenn sie aus einem Sachverhalt entstanden sind. Nach der Ansicht von Henckel 33 ist darauf

28

Schwab, JuS 1965, 81 (83 f); Rosenberg/Schwab, ZPR, 14. Aufl., § 96 III 3 (S. 567).

29

Rosenberg/Schwab, ZPR, 14. Aufl., § 96 III 3 (S. 567); Schwab, JuS 1965, 81 (83).

30

Nikisch, AcP 154 (1955), 269 (281 ff); Larenz, Allgemeiner Teil, § 14 IV (S. 263 ff); Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 239 ff; Grunsky, Verfahrensrecht, S. 27 ff; Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 262 ff; Hesselberger, Streitgegenstand, S. 257 ff (insbes. S. 292 ff).

31

Diese Hauptströmungen werden freilich wiederum im einzelnen in zahlreichen Varianten vertreten. 32

Nikisch, AcP 154 (1955), 269 (281 ff); ihm folgen im wesentlichen Larenz, Allgemeiner Teil, § 14 IV (S. 263 ff); ders., Schuldrecht, Bd. II, § 75 V I (S. 689 ff) m. w. N.; Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 167 ff, 239 ff.

58

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

abzustellen, ob mehrere materielle Ansprüche ein einheitliches Verfugungsobjekt bilden können. Ein solches sei gegeben, wenn ein gleicher Sachverhalt mehrere Ansprüche erzeuge. Der Streitgegnstand ist somit nach den Merkmalen zu bestimmen, nach denen auch das Objekt einer materiellrechtlichen Verfügung festgelegt werden muß. Bilden mehrere materielle Ansprüche ein einheitliches Verfugungsobjekt, so liegt auch nur ein Anspruch im prozessualen Sinne vor.

4. Die Lehren von der Relativität des Streitgegenstandes

Die Lehren von der Relativität des Streitgegenstandes - innerhalb derer es wiederum unterschiedliche Auffassungen gibt - wenden sich, im Gegensatz zu den bisher besprochenen Auffassungen, gegen einen für die gesamte ZPO geltenden einheitlichen Begriff des Streitgegenstandes. Auch hier lassen sich zwei Hauptströmungen unterscheiden: a) Nach einer insbesondere von Blomeyer 34 und BaumgärteP 5 vertretenen Ansicht ist vom Zweck der jeweiligen prozessualen Bestimmung, bei der der Streitgegenstandsbegriff bedeutsam wird, auszugehen. Bei denjenigen ZPOBestimmungen, die stärker durch das materielle Recht beeinflußt werden insbesondere bei der Frage der Rechtshängigkeit, der materiellen Rechtskraft und der Zuständigkeit - wird bei der Leistungsklage der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff zugrundegelegt und zusätzlich i. S. d. materiellrechtlichen Lehre Henkels überprüft, ob ein einheitlicher materieller Verfugungsgegenstand vorliegt. Bei den Normen, die vorwiegend der Prozeßökonomie dienen insbesondere Klageänderung und Klagenhäufung - wird dagegen (rein am formellen Recht orientiert) der eingliedrige Streitgegenstandsbegriff angewendet. Den Feststellungsklagen wird hingegen grundsätzlich der eingliedrige Streitgegenstandsbegriff zugrundegelegt: Da hier als Verfugungsgegenstand nur das Recht (bzw. das Rechtsverhältnis) als solches, nicht aber der Erwerbsgrund in Betracht komme, sei nur auf den Antrag des Klägers abzustellen. Gleiches gelte für die Gestaltungsklage: Da der Streitgegenstand nur durch das Gestaltungsrecht geprägt werde, auf das sich der Kläger berufe, bleibe auch insofern der Antrag des Klägers entscheidend36.

33

Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 262 ff, 277. Ihm folgen im wesentlichen wohl Grunsky, Verfahrensrecht, S. 31 ff; Hesselberger, Streitgegenstand, S. 283 ff.

34

A. Blomeyer, ZPR, § 40 (S. 231 ff).

35

Baumgärtel, JuS 1974, 69 (73 ff).

36

Baumgärtel, JuS 1974, 69 (73 ff); z. T. abweichend A. Blomeyer, ZPR, § 80 V (S. 234).

Α. Der Begriff des "Anspruchs"

59

b) Jauernig dagegen stellt zur Bestimmung des Streitgegenstandes bei Leistungs- und Gestaltungsklagen auf die unterschiedlichen Prozeßmaxime ab: In denjenigen Zivilprozessen, in denen der Untersuchungsgrundsatz gelte, solle ein globaler Streitgegenstandsbegriff Anwendung finden, der allein durch den Antrag gebildet werde. Dies folge aus der Ermittlungspflicht des Gerichts. Wenn dieses ohnehin den gesamten Sachverhalt berücksichtigen müsse, könne das Vorbringen neuer Tatsachen durch den Kläger nur Sachverhaltsergänzung sein37. Dagegen komme es bei Verfahren, in denen die Verhandlungsmaxime gelte, neben dem Antrag auch auf den vorgetragenen Sachverhalt an, denn das Gericht sei in diesen Verfahren an den vorgetragenen Prozeßstoff der Parteien gebunden. Die Streitgegenstandsbestimmung erfolge daher in diesen Fällen nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff 98. Hingegen stellt Jauernig bei Feststellungsklagen - zumindest dann, wenn es um die Feststellung absoluter Rechte geht - immer allein auf den Antrag ab und wendet somit den eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff an, da sich aus dem Sachverhalt nur ein Erwerbsgrund ergebe, der die Art des festzustellenden Rechts nicht berühre 39.

5. Stellungnahme

a) Die Relativität des Streitgegenstandsbegriffs ist abzulehnen. Dies gilt insbesondere für die von Jauernig vertretene Auffassung: Der globale Streitgegenstandsbegriff bei den Verfahren mit Untersuchungsmaxime fuhrt im Falle der Klageabweisung durch die globale Rechtskraftwirkung zu einer erheblichen Rechtsschutzeinschränkung beim Kläger und verstößt damit gegen die verfassungsmäßig verankerte Rechtsschutzgarantie fur den Kläger40. Darüber hinaus gehen Verhandlungs- und Untersuchungsmaxime in der Praxis wegen der Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO ohnehin nahezu ineinander über, so daß bereits deshalb eine Differenzierung anhand dieser Kriterien zweifelhaft erscheint.41 Doch sind die Lehren von der Relativität des Streitgegenstandsbegriffs insgesamt schon aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit abzulehnen. Zwar hat es etwas für sich, Sinn und Zweck der prozessualen Vorschriften bei der Streitgegenstandsbestimmung zu berücksichtigen, und es ist Baumgärtel 37

Jauernig, Verhandlungsmaxime, S. 55 ff.

38

Jauernig, Verhandlungsmaxime, S. 44 ff.

39

Jauernig, ZPR, § 37 V I I I 3 (S. 143).

40

Baumgärtel, JuS 1974, 69 (72).

41

Baumgärtel, JuS 1974, 69 (72).

60

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

zuzugeben, daß die "Relativität der juristischen Begriffe ... eine bekannte Erscheinung ist"42. Sie ist aber weder eine allzu häufige 43 noch eine erwünschte und sollte nicht ohne Not herbeigeführt werden. Die Vermischung des einund des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs 44, macht eine Streitgegenstandsbestimmung nicht klarer, sondern führt zu einer Verwischung jeglicher Konturen. Unter dem im Rechtsstaatsgedanken verankerten Grundsatz der Rechtssicherheit und -klarheit kann daher die Relativität ein und desselben Begriffs - hier des Streitgegenstands - nur aus zwingenden Gründen in Ausnahmefällen hingenommen, nicht aber zur Regel gemacht werden45. An solchen zwingenden Gründen fehlt es aber, denn die übrigen, von einem einheitlichen Streitgegenstandsbegriff ausgehenden und deshalb klareren Lehren fuhren in den allermeisten Fällen ebenfalls zu befriedigenden Ergebnissen und müssen allenfalls in wenigen Einzelfällen aus Billigkeitsgründen korrigiert werden. Ihnen ist daher der Vorzug zu geben. b) Abzulehnen sind auch die materiellrechtlichen Lehren. Sie kommen zwar grundsätzlich zu befriedigenden Ergebnissen und bewahren einen einheitlichen Streitgegenstandsbegriff. Da sie aber alle auf der Zusammenfassung mehrerer Anspruchsgrundlagen zu einem materiellrechtlichen Anspruch basieren (dessen Behauptung sie dann mit dem prozessualen Anspruch gleichsetzen46), ergeben sich vor allem bei der Verjährungsfrage Schwierigkeiten, denn einerseits kann Gegenstand der Verjährung nur der Anspruch sein, andererseits können bezüglich ein und desselben Anspruchs nicht unterschiedliche Verjährungsfristen gelten. Welche Verjährungsfrist soll sich aber durchsetzen, wenn Ansprüche aus deliktischer und vertraglicher Haftung zusammengefaßt werden? Darüber hinaus können sich Schwierigkeiten aus der Zusammenfassung verschiedener Anspruchsgrundlagen zu einem materiellrechtlichen Anspruch auch hinsichtlich der Regelung des Haftungsumfanges, der Beweislast und der Zulässigkeit der Aufrechnung ergeben47. Angesichts dieser Probleme kann den materiellrechtlichen Auffassungen nicht gefolgt werden. c) Zu folgen ist daher den Lehren (vom ein- bzw. zweigliedrigen Streitgegenstand), die den Streitgegenstandsbegriff rein prozessual bestimmen. Ob dabei der Sachverhalt als konstitutives Element des prozessualen Anspruchs 42

Baumgärtel, JuS 1974, 69 (73).

43

Horn, JuS 1992, 680 (685 mit Fußn. 70).

44

Bei Baumgärtel treten sogar noch Grundsätze der neueren materiellrechtlichen Theorie hinzu. Vgl. Baumgärtel, JuS 1974, 69 (73).

45

Ähnlich wie hier auch Horn, JuS 1992, 680 (685).

46

Grunsky, Verfahrensrecht, S. 31 und oben Fußn. 30 in diesem Kapitel.

47

Rosenberg/Schwab, ZPR, 14. Aufl., § 96 III 4 (S. 569); Horn, JuS 1992, 680 (685).

Α. Der Begriff des "Anspruchs"

61

anzusehen ist, mag im Hinblick auf die vollstreckbare Urkunde selbst als reine "Geschmacksfrage" erscheinen, da bei den typischerweise in vollstreckbaren Urkunden titulierten Geldschulden auch nach dem eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff der Sachverhalt zumindest als Auslegungskriterium mit herangezogen werden muß48. Im Hinblick auf die bei vollstreckbaren Urkunden in Betracht kommenden Rechtsbehelfe kann dagegen eine Entscheidung zwischen dem ein- und dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff nicht offen bleiben, denn bei diesen geht es nicht (nur) um titulierte Geldschulden. Dabei ist der Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand als der letztlich konsequenteren Lösung der Vorzug zu geben: Auch der eingliedrige Streitgegenstandsbegriff muß an den Bewährungspunkten der Klagenhäufung, Klageänderung, Rechtshängigkeit und Rechtskraft zur Feststellung der Identität der Anträge bei Geld- und Gattungsschulden auf den Sachverhalt zurückgreifen 49, mag dieser Rückgriff auf den Sachverhalt auch als " Auslegungsmittel" entschuldigt werden. Braucht man aber in vielen Fällen den zugrundeliegenden Sachverhalt neben dem Antrag zur Bestimmung des Streitgegenstandes doch, so zeigt dies gerade, daß er aus diesen beiden Elementen besteht50 - mag die Abgrenzung, wann im Einzelfall noch ein und derselbe Lebenssachverhalt vorliegt, auch schwierig sein.

III. Verhältnis von materiellem und prozessualem Anspruch Ist - wie bisher gezeigt wurde - der Begriff des prozessualen Anspruchs unabhängig vom materiellen Anspruchsbegriff zu definieren, so bleibt zu klären, in welchem Verhältnis diese beiden "Ansprüche" zueinander stehen. Bestimmt man den prozessualen Anspruch wie hier als Antrag oder Rechtsbehauptung, dem bzw. der ein bestimmter Sachverhalt zugrunde liegt, so zeigt sich hierin die Unabhängigkeit des prozessualen vom materiellen Anspruch auch hinsichtlich der Anforderungen, die an seine Wirksamkeit zu stellen sind. Dies darf aber nicht dazu fuhren, daß beide Anspruchsbegriffe als Gegensätze aufgefaßt werden. Die Aufteilung des ursprünglich einheitlich verstandenen Zivilrechts in materielles Recht und Prozeßrecht ist ausschließlich eine Sache rechtstechnischer Zweckmäßigkeit. Die zivilprozessualen Vorschriften und Institute haben gegenüber dem materiellen Recht lediglich eine dienende Funktion. Sie sollen helfen, eben dieses materielle Recht durchzusetzen51. Daher ist auch der prozessuale Anspruch - trotz seiner begrifflichen 48

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 52.

49

Schwab, Streitgegenstand, S. 190 f.

50

Thomas/Putzo, Einl II, Rdnr. 25.

51

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 605 (606).

62

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Eigenständigkeit - letztlich nur das "Vehikel" mit dem das subjektive Recht zur Geltung gebracht werden soll52. Er ist damit nicht Selbstzweck, sondern methodisches Hilfsmittel. Der prozessuale Anspruch ist eine reine Zweckschöpfung, um die sich aus den Fragen der Rechtshängigkeit, materiellen Rechtskraft, Klageänderung, Klagenhäufung usw. ergebenden Probleme insbesondere auch in den Fällen einer Konkurrenz materieller Ansprüche bzw. Anspruchsgrundlagen befriedigend lösen zu können53. Daß es letztlich immer um das materielle Recht geht, zeigt sich zum einen bereits in der Frage, welcher Anspruch z. B. durch eine Erfüllung oder Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung betroffen ist, zum anderen darin, daß sich der Vollstrekkungszweck (das Ziel, das der Gläubiger mit der Zwangsvollstreckung verfolgt) letztlich auf die Befriedigung des materiellen Anspruchs richtet54. Der prozessuale Anspruch als (prozessuales) Hilfsmittel zur Durchsetzung materiellen Rechts ist somit an der Schnittstelle zwischen materiellem und Prozeßrecht angesiedelt. Die eigenständige Begriffsbildung des prozessualen Anspruchs einerseits, die dienende, rechtstechnische Funktion gegenüber dem materiellen Anspruch andererseits wirft die Frage auf, welcher "Anspruch" als Unterwerfungsgegenstand in § 794 I Nr. 5 ZPO gemeint ist55.

IV. Der "Anspruch" i. S. d. § 794 I Nr. 5 ZPO Nach Ansicht der h. M. handelt es sich bei dem in § 794 I Nr. 5 ZPO genannten Anspruch, dem Unterwerfungsgegenstand, um den materiellrechtlichen Anspruch56. Dies hängt eng mit der von der h. M. vertretenen Auffassung zusammen, Gegenstand der Zwangsvollstreckung sei der materielle Anspruch, der im Stadium der Zwangsvollstreckung häufig auch als "vollstreckbarer" 52

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 150.

53

Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (228).

54

Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (228).

55

Diese Frage war bereits Gegenstand der ausführlichen Arbeit von Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch. Sie muß daher nicht in allen Verästelungen erneut aufgegriffen werden. Für die Problemstellung der vorliegenden Arbeit genügt daher der folgende Überblick. 56 Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 13 I I 2 c (S. 130); Kleinfeiler, AcP 137 (1933), 129 (136, 147); Nikisch, Streitgegenstand, S. 41 mit Fußn. 4; Gräntzel, vollstreckbare Urkunde, S. 25; Bettermann, Vollstreckung des Zivilurteils, S. 25; Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 4 III 1 g (S. 48); Gerhardt, Grundbegriffe, Rdnr. 49; Meyer-Stolte, Rpfleger 1987, 118. Im übrigen wird zwar von der h. M. zur Rechtsnatur des "Anspruchs" in § 794 I Nr. 5 ZPO praktisch keine ausdrückliche Stellungnahme abgegeben. Da jedoch nach ihrer Auffassung der "vollstreckbare Anspruch" mit dem materiellen gleichzusetzen ist, geht sie stillschweigend von einem materiellen Verständnis des Anspruchsbegriffs in § 794 I Nr. 5 ZPO aus. Zu allen früheren, heute nicht mehr vertretenen Auffassungen zur Rechtsnatur des Anspruchs in § 794 I Nr. 5 ZPO vgl. Münch, § 4 I-III, S. 61-76.

Α. Der Begriff des "Anspruchs"

63

Anspruch57 o. ä.58 bezeichnet wird. Gestützt wird diese Ansicht insbesondere auf die nur dienende Funktion der Zwangsvollstreckung, die ja die Befriedigung des materiellen Anspruchs zum Ziel hat59, und die (scheinbar) fehlende Notwendigkeit eines selbständigen Begriffs des prozessualen Anspruchs: Da in der Zwangsvollstreckung die typischen Bewährungspunkte des prozessualen Anspruchsbegriffs (Klageänderung, Klagenhäufung, Rechtshängigkeit usw.) nicht mehr auftreten können, wird der prozessuale Anspruchsbegriff hier fur entbehrlich gehalten60. Danach scheint es, als sei die Bedeutung des eigenständigen prozessualen Anspruchsbegriffs auf das Erkenntnisverfahren beschränkt. Begreift man aber den prozessualen Anspruch als das, was er wirklich ist, nämlich rechtstechnisches Hilfsmittel zur Verwirklichung des materiellen Anspruchs, so kann er auch im Vollstreckungsverfahren wertvolle Dienste leisten. Insbesondere stellt es keinen Widerspruch zum Zweck des Vollstreckungsrechts (die Befriedigung des materiellen Anspruchs zu ermöglichen) dar, wenn der prozessuale Anspruch als Vollstreckungsgegenstand angesehen wird. Denn auch im Erkenntnisverfahren geht man heute allgemein vom prozessualen Anspruch aus, obgleich es hier ebenso wie bei der Zwangsvollstreckung letztlich um die Verwirklichung materiellen Rechts geht. Dennoch würde hier niemand auf die Idee kommen, wieder den herkömmlichen materiellen Anspruchsbegriff zur Umschreibung des Streitgegenstandes heranzuziehen61. Es erscheint auch konsequenter, in dem prozessualen Anspruch (als rechtstechnisches Hilfsmittel des materiellen Anspruchs) den Vollstreckungsgegenstand zu sehen. Dies gilt insbesondere im Falle einer materiell ungerechtfertigten, aber titelgerechten Zwangsvollstreckung. Die "Bestandsfunktion"62 des prozessualen Anspruchs zeigt sich dabei vor allem in der Unabhängigkeit der Zwangsvollstreckung vom tatsächlichen Bestehen des materiellen Anspruchs: dieser ist ja weder Voraussetzung der Zwangsvollstreckung, noch wird er von den Vollstreckungsorganen geprüft. Der Begriff des prozessualen Anspruchs ist somit letztlich Ausdruck des im Vollstreckungsverfahren herrschenden Formalisierungsprinzips. Es wird durch ihn möglich, eine materiell 57

Thomas/Putzo, vor § 704, Rdnr. 3.

58

Vgl. die Aufzählung m. w. N. bei Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 155.

59

Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 166.

60

Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 159.

61

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 166.

62

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 168. Dazu, daß der prozessuale Anspruch auch hinsichtlich seiner "Analogiefunktion" und seiner "Abgrenzungsfiinktion" im Vollstreckungsverfahren wertvolle Dienste zu leisten vermag, vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 167, 169 ff; ähnlich auch Gilles, ZZP 83 (1970), 61 (77 ff).

64

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

ungerechtfertigte, aber dem Titel gemäße Vollstreckung damit zu erklären, daß diese als Vollstreckungsgegenstand immerhin einen prozessualen Anspruch gehabt hat63. Münzbergs Kritik 64 hieran, dies könne auch mit materiellrechtlicher Terminologie erklärt werden, ist zwar zutreffend. In der Tat kann die materiell ungerechtfertigte, aber titelgerechte Vollstreckung auch als lediglich vorläufige gesetzliche Unterstellung eines Anspruchs gedeutet oder die Vollstreckung als lediglich "prozessuale Technik" aufgefaßt werden, die eine Befriedigung etwaiger dem Titel zugrundeliegender Ansprüche nur für den Fall ermöglichen will, daß diese auch tatsächlich bestehen. Trotz dieser anderen möglichen Deutungsversuche erscheint eine Erklärung mit Hilfe des prozessualen Anspruchs überzeugender und konsequenter. Hat der Gläubiger Klage erhoben, so wird im Urteilsverfahren (nur) über den Streitgegenstand, den prozessualen Anspruch also, entschieden. Dieser und nicht der materielle Anspruch wird dann auch tituliert. Im Zwangsvollstreckungsverfahren kommt es aber wegen des Formalisierungsprinzips nur auf die Titulierung an. Somit erscheint es nur konsequent, wenn man davon ausgeht, es werde der titulierte prozessuale Anspruch vollstreckt, er sei mithin Vollstreckungsgegenstand. Dies steht, wie bereits gesagt, nicht im Widerspruch dazu, daß die Zwangsvollstreckung letztlich der Befriedigung materiellrechtlicher Ansprüche dient, denn der prozessuale Anspruch ist lediglich rechtstechnisches Hilfsmittel des materiellen Anspruchs. Stellt es sich - wie gezeigt - bei Urteilen als wertvolle Hilfe, wenn nicht gar als Notwendigkeit dar, den prozessualen Anspruch sowohl als Entscheidungs- als auch als Vollstreckungsgegenstand anzusehen, so fragt sich, ob der prozessuale Anspruch nicht auch bei auf Parteiakten beruhenden Titeln, insbesondere bei vollstreckbaren Urkunden, ähnliches zu leisten vermag. Hierfür spricht insbesondere, daß der dem Gesetz aufgrund der noch zivilistischen Prozeßrechtsauffassung des Gesetzgebers der ZPO ursprünglich unterlegte materielle Anspruchsbegriff auf anderen Gebieten längst durch eine prozessuale Denkweise überholt ist65. Zwar kann man nicht sagen, die vollstreckbare Urkunde habe selbst einen Streitgegenstand, denn bei der Urkundenaufhahme befinden sich Schuldner und Gläubiger gerade noch nicht im Streitstadium. Jedoch enthält der Klageantrag, der das prozessuale Streitstadium einleitet, neben der an das Gericht gerichteten Rechtsschutzbitte zugleich auch immer eine Rechtsbehauptung gegenüber dem Gegner. Definiert man daher den prozessualen Anspruch als Rechtsfolgenbehauptung, die durch einen bestimmten Lebenssachverhalt indi63

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 168.

64

Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (229).

65

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 156.

Α. Der Begriff des "Anspruchs"

65

vidualisiert wird 66 , so kann man ihn auch der vollstreckbaren Urkunde nutzbar machen. Er kann dann als Surrogat fur den bis zur Erhebung der Vollstrekkungsgegenklage fehlenden Streitgegenstand angesehen werden67. Dafür, daß es sich bei dem in § 794 I Nr. 5 ZPO genannten "Anspruch" um den prozessualen68 und nicht um den materiellen handelt, sprechen insbesondere69 die folgenden Argumente: "Schuldner" i. S. d. § 794 I Nr. 5 ZPO ist - wie auch sonst - deijenige, gegen den sich der Vollstreckungstitel richtet. Es kommt daher, wie bei den anderen Titeln auch, nicht darauf an, ob der materiellrechtliche Anspruch tatsächlich besteht70. Versteht man aber unter dem "Anspruch" i. S. d. § 794 I Nr. 5 ZPO den materiellrechtlichen, so läßt sich die allgemeine Meinung, daß das Bestehen des materiellen Anspruchs selbst nicht Voraussetzung der Vollstreckbarkeit der Urkunde als Titel sei71, ohne Inkonsequenzen praktisch nicht erklären. Denn obgleich der materiellrechtliche Anspruch Unterwerfungsgegenstand sein soll, muß er mittels Abstraktion doch wieder aufgegeben werden72. Dann erscheint es aber überzeugender, von einem in seiner Existenz vom materiellen Anspruch unabhängigen prozessualen Anspruch auszugehen. Ein weiteres Argument ergibt sich aus dem Zweck der vollstreckbaren Urkunde, eine Vollstreckungsmöglichkeit ohne vorherigen Prozeß und ohne vorausgehendes Urteil zu schaffen. Sie eröffnet dabei in gleicher Weise wie ein Urteil die Möglichkeit der staatlichen Zwangsvollstreckung. Insoweit hat sie - wie auch insbesondere § 794 I Nr. 5 S. 2 ZPO und § 794 II ZPO zeigen - prozeßersetzende Funktion73. Diese Nähe zum Erkenntnis verfahren wird zusätzlich noch durch die Regelung des § 797 V ZPO unterstrichen: Durch die Urkundenaufhahme und den damit verbundenen vorläufigen Rechtsschutzver66

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 60.

67

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 176 und unten 2. Kap. D. I. 1. a).

68

So - entgegen der wohl h. M. - Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 21. 2 ff, 14.1 auf den diese These zurückgeht. Ferner Münch, der diese These in seiner Arbeit "Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch" eingehend und überzeugend untersucht hat, sowie (weniger deutlich) ders., ZZP 98 (1985), 470 (473); ders., ZIP 1991, 1041 (1043 f); MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 179; Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 82 mit Fußn. 306; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 232; Stürner, ZZP 93 (1980), 233 (234 f); Hager, ZZP 97 (1984), 174 (192); S. Weber, MittRhNotK 1987, 37 (43); Magis, MittRhNotK 1979, 111 (116, 125). Wohl ebenso auch Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 794 Rdnr. 21 f u n d Nieder, NJW 1984, 329 (332), die beide für die Bestimmtheit auf § 253 I I Nr. 2 ZPO zurückgreifen. 69

Vgl. zu weiteren Argumenten die Arbeit von Münch, Vollstreckbare Urkunde und prozessualer Anspruch. 70

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 107, 159.

71

So etwa Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 13 I I 2 c (S. 130), wo ausdrücklich gegen ein prozessuales Anspruchsverständnis bei § 794 I Nr. 5 ZPO Stellung genommen wird.

72

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 179.

73

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 171 f.

5 Schultheis

66

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

zieht soll dem Schuldner nicht die ihm günstige örtliche Zuständigkeit, die bei einer vorausgehenden Leistungsklage des Gläubigers gegeben wäre, verloren gehen, nur weil er sich erst nachträglich in einem Klageverfahren (mit verfahrensexternen Rechtsbehelfen also) gegen die Zwangsvollstreckung wehrt74. Diese prozeßersetzende Funktion sowie die Nähe zum Erkenntnisverfahren sprechen ebenfalls für einen Rückgriff auf den im Prozeß bewährten prozessualen Anspruchsbegriff 5. Unter "Anspruch" i. S. d. § 794 I Nr. 5 ZPO ist daher der prozessuale zu verstehen.

V. Unterscheidung zwischen Mängeln des prozessualen Anspruchs und solchen des materiellen Anspruchs Aus dem Umstand, daß einerseits der Unterwerfungsgegenstand, der "Anspruch" i. S. d. § 794 I Nr. 5 ZPO, als prozessualer Anspruch aufzufassen ist, andererseits der prozessuale Anspruch nur eine rechtstechnische Hilfsfunktion zur Verwirklichung des materiellen Anspruchs hat, folgt, daß auch hinsichtlich der Mängel zwischen prozessualem und materiellrechtlichem Anspruch unterschieden werden muß. 1. Mängel des prozessualen Anspruchs liegen etwa vor, wenn dieser zu unbestimmt ist oder er sich auf einen der Zwangsvollstreckungsunterwerfung nicht zugänglichen materiellrechtlichen Anspruch bezieht. Da der prozessuale Anspruch im Titel dokumentiert ist, bewirken Mängel des prozessualen Anspruchs zugleich immer auch die Fehlerhaftigkeit der vollstreckbaren Urkunde als solche. Mängel des prozessualen Anspruchs sind damit aus der Urkunde selbst ersichtlich. Sie sind im nachfolgenden Klauselerteilungs- und (im eingeschränkteren Maße auch im) Zwangsvollstreckungsverfahren grundsätzlich von den jeweils zuständigen Organen zu beachten. Ihre Mißachtung führt daher zu verfahrensbezogenen Mängeln, die mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen geltend zu machen sind. Da somit Mängel des prozessualen Anspruchs zur Fehlerhaftigkeit der vollstreckbaren Urkunde führen, werden die insoweit in Betracht kommenden Rechtsbehelfe im Zusammenhang mit den bei Mangelhaftigkeit des Titels möglichen Rechtsbehelfen (im 4. Kapitel) erörtert. 2. Mängel des materiellen Anspruchs liegen dagegen aus der Sicht des Schuldners etwa vor, wenn dem materiellen Anspruch Einwendungen im weiteren Sinne (also rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen sowie Einreden) entgegenstehen, die Zwangsvollstreckung entgegen einer Befristung des Anspruchs droht oder eine auflösende Bedingung eingetreten bzw. 74

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 115.

75

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 171 f.

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

67

eine aufschiebende Bedingung76 nicht eingetreten ist. Aus der Sicht des Gläubigers kann zwecks Durchsetzung des materiellen Anspruchs ein Anlaß zu Rechtsbehelfen ζ. B. gegeben sein, wenn Mängel des materiellen Anspruchs in einem Verfahrensabschnitt zu Unrecht berücksichtigt und die entsprechenden Verfahrenshandlungen deswegen abgelehnt wurden oder eine aufschiebende Bedingung77 zwar eingetreten ist, dies aber nicht mit den für die Klauselumschreibung notwendigen Urkunden nachgewiesen werden konnte. Da der materielle Anspruch weder Voraussetzimg einer fehlerfreien Unterwerfungserklärung noch einer fehlerfreien vollstreckbaren Urkunde als Titel ist, bedarf es insoweit einer gesonderten Untersuchung. Mängel des materiellen Anspruchs sind regelmäßig nicht aus der Urkunde zu ersehen. Sie sind daher auch weder im nachfolgenden Klauselerteilungs- noch im Vollstreckungsverfahren unmittelbar zu beachten, sondern fuhren nur zur "Ergebnisunzulässigkeit" der Zwangsvollstreckung, nicht aber zur "Vornahmeunzulässigkeit"78. Somit kommen vorwiegend die rechtsgestaltenden verfahrensexternen Rechtsbehelfe in Betracht. Ob darüber hinaus in Ausnahmefällen Mängel des materiellen Anspruchs auch mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können, hängt von der Berücksichtigungsfähigkeit dieser Mängel im nachfolgenden Klauselerteilungs- und Zwangsvollstreckungsverfahren ab.

B. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs im nachfolgenden Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren Da mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen nur die das Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren betreffenden Mängel geltend gemacht werden können, ist es fur die Beantwortung der Frage, inwieweit diese Rechtsbehelfe auch bei Mängeln des materiellen Anspruchs eingesetzt werden können, von entscheidender Bedeutung, ob der materielle Anspruch noch in diesen Verfahrensabschnitten einer Prüfung unterzogen wird.

76

Bei bedingten Ansprüchen ist zu unterscheiden, ob (nur) der materielle Anspruch bedingt (i. S. d. § 158 BGB) oder ob nach dem Inhalt des titulierten prozessualen Anspruchs (auch) die Vollstreckbarkeit vom Eintritt einer Bedingung abhängig ist (i. S. d. § 726 ZPO). Je nachdem stehen unterschiedliche Rechtsbehelfe zur Verfügung. Siehe hierzu unten 2. Kap. C. vor I.; 2. Kap. D. vor I. 77

Vgl. vorstehende Fußn. 76.

78

Zu den Begriffen siehe oben 1. Kap. B. III. 2. a).

5'

68

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

I. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs bei der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung 1. Begriff der vollstreckbaren Ausfertigung u n d Zuständigkeit für deren E r t e i l u n g

a) Begriff Die Begriffe "Vollstreckungsklausel" und "vollstreckbare Ausfertigimg" werden in der Praxis häufig synonym verwendet, da die Klausel nicht ohne eine Ausfertigung des Titels "existieren" kann. Streng genommen sind aber beide voneinander zu unterscheiden: Unter einer "Ausfertigung" ist nämlich jede amtliche Abschrift eines amtlichen Schriftstücks zu verstehen, die im Rechtsverkehr die Urschrift vertritt (vgl. § 47 BeurkG)79. Erst die Ausfertigung von Titel und Klausel, die mit dem Wortlaut des § 725 ZPO oder einem diesem voll entsprechenden Wortlaut unter die Ausfertigung des Vollstrekkungstitels gesetzt ist, ergeben zusammen die vollstreckbare Ausfertigung 80. Hinsichtlich der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe ist es freilich gleichgültig, ob der Schuldner sich gegen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung oder (nur) gegen eine Klauselerteilung auf einer vom Gläubiger vorgelegten einfachen Ausfertigung wendet bzw. der Gläubiger eine solche Erteilung begehrt. Deshalb werden im folgenden die Begriffe Klausel und vollstreckbare Ausfertigung der Einfachheit halber synonym verwendet.

b) Zuständigkeit Die Zuständigkeit orientiert sich in fast allen Fällen danach, wer die Urschrift der vollstreckbaren Urkunde verwahrt 81: Notarielle Urkunden werden regelmäßig von dem Notar, der sie errichtet hat, in Verwahrung gehalten (vgl. § 25 I BNotO), der damit gem. §§ 797 II ZPO, 52 BeurkG zur Klauselerteilung zuständig ist. Verwahrt ein anderer Notar ausnahmsweise die Urschrift (so gem. § 45 I 1 BNotO), so ist dieser fur die Klauselerteilung zuständig. Wird die notarielle Urkunde vom Amtsgericht verwahrt, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat (so etwa gem. §§ 45 I oder III BNotO), so ist dessen Zuständigkeit gegeben82. Funktionell zuständig ist der Urkundsbeamte der 79

BGH, NJW 1981, 2345 (2346).

80

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 16 I 1 (S. 180); Jauernig, ZVR, § 4 1 (S. 24).

81

Vgl. hierzu ausführlich Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 39.1 f f sowie ders., in: MünchKommZPO, § 797 Rdnr. 5 ff, 44 ff.

82

Nach der Ansicht von Thomas/Putzo, § 797 Rdnr. 5 ergibt sich die Zuständigkeit in diesem Fall

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

69

Geschäftsstelle, an dessen Stelle in den Fällen von § 20 Nr. 12 und 13 RPflG der Rechtspfleger tritt (vgl. § 45 IV 2 BNotO). Gleiches gilt, wenn ein Staatsarchiv die Urschrift der notariellen Urkunde in Verwahrung hat (vgl. § 51 V BNotO) und es sich um eine echte Verwahrung (d. h. eine Verwahrung in der Weise, daß kein Notar mehr zuständig ist83) handelt: auch in diesem Fall ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hatte (§51 V 2 2. Alt. BNotO)84. Bei einer von einem Amtsgericht errichteten vollstreckbaren Urkunde - dessen Zuständigkeit beschränkt sich nach Inkrafttreten des BeurkG nur noch auf die in § 62 BeurkG genannten Fälle - ist gem. § 797 I ZPO ebenfalls das die Urschrift verwahrende Gericht zuständig. Die funktionelle Zuständigkeit des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 797 I ZPO) wird auch hier wieder in den Fällen von § 20 Nr. 12, 13 RPflG von der des Rechtspflegers verdrängt. Wurde hingegen die vollstreckbare Urkunde nach § 10 KonsularG von einem Berufskonsul oder einem anderen ausdrücklich ermächtigten konsularischen Beamten vorgenommen, so ist - damit eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden kann - nach § 10 III Nr. 5 S. 2, III Nr. 4 S. 2 KonsularG die Urschrift dem Amtsgericht Schöneberg in Berlin zur amtlichen Verwahrung zu übergeben. Dessen Zuständigkeit zur Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigimg ergibt sich dann in entsprechender Anwendung von § 797 I, II 2 ZPO i. V. m. § 45 BNotO85; funktionell ist wiederum der Urkundsbeamte bzw. in den Fällen von § 20 Nr. 12, 13 der Rechtspfleger zuständig. Bei von Urkundspersonen des Jugendamtes errichteten Urkunden (§§ 59, 60 SGB VIII) sind - gleichgültig, ob es sich um die Erteilung einer einfachen oder einer qualifizierten Klausel handelt - diejenigen Beamten oder Angestellten, die im Zeitpunkt der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung aufgrund der ihnen gegebenen Ermächtigung (§ 59 III SGB VIII) zur Urkundenaufhahme nach § 59 I 1 Nr. 3 oder 4 SGB VIII befugt sind, auch zur Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung zuständig (§ 60 I 3 Nr. 1 SGB VIII) 86 .

aus einer analogen Anwendung des § 797 I I I ZPO. Dies überzeugt - ohne daß sich am Ergebnis etwas ändern würde - nicht, denn die Analogie kann durch eine weite Auslegung des § 797 I I 2 ZPO vermieden werden, wenn man mit Wolfsteiner annimmt, der Begriff der "Behörde" in § 797 I I 2 ZPO umfasse auch die Gerichte; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 6; vgl. auch § 45 I I BNotO. 83

Vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 39. 3; ders., in: MünchKommZPO, § 797 Rdnr. 6.

84

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 6.

85

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 47.

86

Vgl. MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 46, dort noch zur Geltung der entsprechenden Vorschriften des KJHG.

70

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

2. Allgemeines zum Prüfungsumfang im Klauselverfahren

a) Grundsätzlicher Prüfungsgegenstand des Klauselerteilungsverfahrens Wie oben bereits dargestellt87 beruht die Notwendigkeit eines Klauselverfahrens auf der organisatorischen Trennung des Vollstreckungsverfahrens vom Erkenntnis verfahren und dessen Übertragimg auf besondere Organe. Es dient in seiner Funktion als "Brücke" zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren der Feststellung der Vollstreckbarkeit des Titels, denn den Vollstrekkungsorganen liegen regelmäßig die Prozeßakten nicht vor, so daß ihnen eine solche Prüfung nicht möglich ist. Dies gilt nicht nur für Urteile, sondern für alle Titel. Die einfache Vollstreckungsklausel hat dabei rein deklaratorische Bedeutung, denn sie bestätigt nur die Vollstreckbarkeit. Den qualifizierten Klauseln kommt dagegen eine konstitutive Wirkung zu, denn nur aufgrund des Eintritts von außerhalb der Urkunde liegender Tatsachen wird der Titel fur den Gläubiger vollstreckbar. Da jedoch die Feststellung dieser Tatsachen außer im Fall der Offenkundigkeit 88 - grundsätzlich durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden muß (vgl. §§ 726, 727 ZPO)89, ist indessen auch insoweit dem Formalisierungsgrundsatz Rechnung getragen.90 Somit ergibt sich grundsätzlich fur das Klauselverfahren als Prüfungsstoff lediglich die Vollstreckbarkeit des Titels, nicht aber das Bestehen des materiellen Anspruchs. Auch in den Fällen, in denen eine qualifizierte Klausel zu erteilen ist, wird nur geprüft, ob der Bedingungseintritt, von dem im Titel die Zwangsvollstreckung abhängig gemacht wurde, bzw. ob die Rechtsnachfolge usw. mit ordnungsgemäßen Mitteln nachgewiesen ist. Nicht geprüft wird dagegen, ob der Anspruch tatsächlich besteht oder ob der Nachweis auch der materiellen Rechtslage entspricht91. Eine umfassende "Beweiswürdigung" i. S. d. § 286 ZPO hinsichtlich des tatsächlichen Eintritts der Umstände, von denen die Erteilung einer qualifizierten Klausel abhängt, findet im Klauselverfahren nämlich nicht statt92. Freie Beweiswürdigung setzt nämlich nach § 286 ZPO voraus, daß das Gericht sich seine Überzeugung unter Berücksichtigung des 87

Siehe oben 1. Kap. A.

88

Vgl. § 727 I ZPO und hinsichtlich § 726 I ZPO Thomas/Putzo, § 726 Rdnr. 6.

89

Zu der umstrittenen Frage, ob der Schuldner bei seiner Vollstreckungsunterwerfung auch die Möglichkeit hat, geringerer Anforderungen an die Form des Nachweises zu stellen, siehe unten 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

90 91

Gaul, Rpfleger 1971,81 (90).

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 726 Rdnr. 34; vgl. auch MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 732 Rdnr. 1.

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

71

"gesamten Inhalts der Verhandlung" und nach dem "Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme" bildet. Das erfordert jedoch eine kontradiktorische Verhandlung sowie rechtliches Gehör auf beiden Seiten. Dies ist aber im Klauselverfahren wegen der nur ins Ermessen des Gerichts gestellten Anhörung des Schuldners (§ 730 ZPO) nicht gewährleistet. Im übrigen würde auch die Formstrenge der "Beweisführung" (besser: Nachweisfuhrung) im Klauselverfahren der freien Beweiswürdigung widersprechen93. Deshalb findet dort nur eine summarische Prüfung statt94: geprüft wird lediglich, ob die vorgelegten Nachweise formgerecht und zur Bezeugung der jeweils nachzuweisenden Tatsachen geeignet sind95. In diesem Fall muß die Klausel grundsätzlich auch dann erteilt werden, wenn das zuständige Organ Zweifel hat, ob der Nachweis der tatsächlichen Rechtslage entspricht. Etwas anderes gilt nur, wenn der Schuldner im Rahmen seiner Anhörung nach § 730 ZPO (oder später im Rahmen des Klauselerinnerungsverfahrens) seinerseits in gleicher Form einen Gegenbeweis erbringt, der den Beweiswert der vom Gläubiger vorzulegenden Urkunden erschüttert 96. In diesem Fall erweisen sich dann die vom Gläubiger vorgelegten Urkunden nicht mehr als objektiv geeignet, das Vorliegen aller Klauselerteilungsvoraussetzungen zu bezeugen, so daß die Klauselerteilung mangels ausreichenden Nachweises abgelehnt werden muß. Grundsätzlich gilt aber: Wegen des stufenweisen Fortschreitens der Formalisierung in den einzelnen Verfahrensabschnitten 97, die die vollstreckbare Urkunde durchläuft, ist - außer dem Antrag einer legitimierten Person - anhand der zugänglichen Akten nur zu prüfen, ob ein wirksamer Titel mit vollstreckungsfahigem Inhalt vorliegt und ob der Eintritt der (fur das Klauselverfahren relevanten98) VollstreckbarkeitsVoraussetzungen (§§ 726 ff ZPO) ordnungsgemäß nachgewiesen wurde99. 92

So MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 726 Rdnr. 33; Unklar dagegen z. T. die h. L., die zu diesem Problem regelmäßig nicht explizit Stellung nimmt: vgl. etwa Thomas/Putzo, § 727 Rdnr. 6, der als Voraussetzung der Klauselerteilung fordert, daß eine Rechtsnachfolge (tatsächlich?) eingetreten ist; zutreffend sprechen dagegen vom "Nachweis" der Umstände als Voraussetzung für die Klauselerteilung etwa Zöller/Stöber, § 726 Rdnr. 1, Lippross, Vollstreckungsrecht, S. 19; Jauernig, ZVR, § 4 III 1; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 259. 93

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 726 Rdnr. 33.

94

Vgl. Barkam, Erinnerung und Klage, S. 68; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 726 Rdnr. 34.

95

Dies ist nur der Fall, wenn der Nachweis direkt gefuhrt werden kann, denn für einen Indizienbeweis ist das Klauselerteilungsverfahren aus den zuvor genannten Gründen nicht geeignet (MünchKommZPO/ Wolfsteiner, § 726 Rdnr. 36). 96

Münzberg, Rpfleger 1991, 161 (163); Stein/Jonas/Münzberg, § 727 Rdnr. 37; Schuschke, § 732 Rdnr. 7 sowie unten 2. Kap. C. I. 1. c) bb) mit Fußn. 316.

97

Siehe oben 1. Kap. A.

98

Hierzu gehören nicht die in §§ 751, 756, 765 ZPO genannten Umstände.

72

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

b) Ausdehnung des Prüfungsumfangs auch auf das Bestehen des materiellen Anspruchs aa) Formalisierungsprinzip und materieller Anspruch Einer Prüfungsbefugnis und -pflicht hinsichtlich des materiellen Anspruchs im Klauselverfahren würde nicht von vornherein der Formalisierungsgrundsatz widersprechen. Da das Klauselverfahren ein eigenständiges Verfahren ist, in dem erst die endgültige Formalisierungsgrundlage fiir die spätere Zwangsvollstreckung geschaffen wird, ist die Berücksichtigung materiellen Rechts wegen des Formalisierungsgrundsatzes nicht grundsätzlich ausgeschlossen100. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, daß das fur die Klauselerteilung zuständige Organ durch den Titel fremdbestimmt ist: Nicht dieses Organ, sondern der Richter bzw. bei auf Parteihandlungen beruhenden Titeln die Parteien selbst bestimmen den Titelinhalt und damit auch, welche materiellen Gesichtspunkte im Klauselverfahren über § 726 ZPO noch Berücksichtigung finden sollen. Auch § 767 ZPO zeigt, daß die Anspruchsprüfung bei allen Titeln grundsätzlich erst auf Klage des Schuldners in einem nachträglichen Erkenntnisverfahren erfolgen soll (und dies auch nur, soweit - wie bei § 797 IV ZPO - nicht § 767 II ZPO entgegensteht). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll sich daher das klauselerteilende Organ bezüglich des materiellen Anspruchs jeglicher Entscheidung enthalten. Eine Berücksichtigung materiellen Rechts kann daher im Klauselerteilungsverfahren allenfalls auf Ausnahmefälle beschränkt sein.

bb) Berücksichtigung von Bedingungen, Befristungen, Betagungen, künftigen Ansprüchen und Veränderungen der Sach- oder Verfugungsbefugnis (1) Berücksichtigung von Bedingungen Der materielle Anspruch kann sowohl unter einer aufschiebenden als auch unter einer auflösenden Bedingung stehen (§ 158 BGB). Unter Bedingung ist dabei ein zukünftiges, ungewisses Ereignis zu verstehen, von welchem die Parteien eines Rechtsgeschäfts dessen Wirkungen abhängig machen: bei der aufschiebenden Bedingung hängt der Eintritt, bei der auflösenden das Fortbestehen der Rechtswirkungen des materiellen Anspruchs von dem zukünftigen

99

Vgl. Olzen, DNotZ 1993, 211 (216).

100

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 226, 227.

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

73

Ereignis ab101. Zu untersuchen ist, inwieweit diese Bedingungen im Klauselverfahren berücksichtigt werden müssen. Unproblematisch ist dabei der Fall, daß der Schuldner eine aufschiebende Bedingung des materiellen Anspruchs zugleich als ausdrücklichen Vorbehalt der Unterwerfungserklärung beifügt. Da allein der Schuldner durch seine Unterwerfungserklärung den Inhalt des Titels bestimmt und er somit die Vollstreckung vom Nachweis irgendwelcher Tatsachen abhängig machen kann102, ist es ihm auch möglich, alle aufschiebenden Bedingungen des Anspruchs i. S. d. § 158 I BGB der Unterwerfungserklärung als Vorbehalt beizufügen. Damit wird als Voraussetzung für den Fortgang des Vollstreckungsverfahrens gem. § 726 I ZPO die Klauselerteilung abhängig vom Nachweis des Bedingungseintritts. Anders dagegen bei auflösenden Bedingungen. Sie werden bereits vom Wortlaut des § 726 ZPO nicht erfaßt 103 und bleiben daher im Klauselerteilungs- und Vollstreckungsverfahren unbeachtlich104. Dem Schuldner ist es nach wohl h. M. 105 (bei aufschiebenden Bedingungen) auch möglich, geringere Anforderungen an den Nachweis zu stellen als die in § 726 ZPO genannten Beweismittel und etwa bloße Glaubhaftmachung zur Beweisführung ausreichen zu lassen. Abzulehnen ist daher die Auffassung, der Schuldner könne - außer Offenkundigkeit - nur die in § 726 ZPO aufgeführten Nachweise für zulässig erklären 106. Soweit - wie etwa bei Verfallklauseln - der Schuldner die Beweislast trägt 107, ergibt sich die Möglichkeit ,0

' Palandt/Heinrichs, Einf. v. § 158, Rdnr. 1.

102

Der Schuldner kann nach Belieben der Unterwerfungserklärung Vollstreckbarkeitsbedingungen beifügen, mögen diese sich aus der materiellrechtlichen Rechtslage ergeben oder nicht; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 196. 103

In § 726 ZPO ist zum einen davon die Rede, daß die Vollstreckung vom "Eintritt" einer Tatsache " abhängen" soll, so daß diese Formulierung bereits gegen die Berücksichtigung auflösender Bedingungen spricht. Ferner trifft den Schuldner hinsichtlich auflösender Bedingungen die Beweislast, da der Gläubiger bis zum Bedingungseintritt berechtigt ist (vgl. Palandt/Heinrichs, Einf. v. § 158 Rdnr. 24; Zöller/Stöber, § 726 Rdnr. 10), so daß auch aus diesem Grunde^ 726 ZPO nicht anwendbar ist (vgl. den Wortlaut "... durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt...") Dies spricht ebenfalls fur die Unbeachtlichkeit auflösender Bedingungen im Klauselerteilungs- und Zwangsvollstreckungsverfahren. 104

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 199; Stein/Jonas/Münzberg, § 726 Rdnr. 10; Zöller/Stöber, § 726 Rdnr. 10. 105 Stein/Jonas/Münzberg, § 726 Rdnr. 19; Zöller/Stöber, § 726 Rdnr. 6; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 726 Rdnr. 5; OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, 549 (für Vergleich); LG Mannheim, Rpfleger 1982, 72 (73). 106

So aber Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 26.15; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 16 V 3 (S. 209 f); Wieczorek, § 726 Anm. Ε II; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 206, der sich zu Unrecht auf Stein/Jonas/Münzberg beruft. 107

Eine Verfallklausel liegt ζ. B. vor, wenn der Schuldner die gesamte restliche Verbindlichkeit

74

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

auch eines einfacheren Nachweises bereits daraus, daß § 7261 ZPO auf diesen Fall nicht anwendbar ist und folglich sein Wortlaut auch nicht entgegensteht108. Die Fälle dagegen, in denen der Gläubiger zwar die Beweislast trägt, in denen der Schuldner aber geringere Nachweise als die in § 726 ZPO aufgeführten zugelassen hat, werden freilich nicht mehr vom Wortlaut des § 726 I ZPO erfaßt. Dies widerspricht aber einer entsprechenden Anwendung des § 726 ZPO nicht. Es wäre bloße Förmelei, nicht auch einfachere Beweismittel zuzulassen, wenn der Schuldner diese in seiner Unterwerfungserklärung für zulässig erklärt. Kann der Schuldner nämlich anerkanntermaßen auf einen Nachweis nach § 726 I ZPO in der vollstreckbaren Urkunde völlig verzichten109, so muß ihm erst recht möglich sein, die Nachweisanforderungen zu lokkern. Erforderlich ist nur, daß diese Nachweise formalisiert sind, d. h. ihr Vorliegen anhand sicherer Kriterien festgestellt werden kann. Diese Notwendigkeit eines formalisierten Nachweises ergibt sich aus der Struktur des Klauselerteilungsverfahrens, daß ohne eine mündliche Verhandlung mit einer Erörterung von eventuellen Beweisergebnissen auskommen muß. So kann etwa die Vollstreckung nicht von einem bestimmten Baufortschritt, der Bedingung für den materiellen Zahlungsanspruch ist, abhängig gemacht werden, weil zum Nachweis dieser Bedingung eine u. U. umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt werden müßte. Wohl aber kann der Schuldner in der Unterwerfüngserklärung die Vollstreckung etwa davon abhängig machen, daß der Architekt oder eine andere benannte Person eine bestimmte Erklärung hinsichtlich des Baufortschritts abgibt. Insoweit eine notariell beurkundete oder beglaubigte Erklärung anstatt einer einfachen schriftlichen Erklärung zu verlangen, erscheint - wenn der Schuldner sich in seiner Unterwerfungserklärung ausdrücklich mit diesem Nachweis begnügen will - als in unnötiger Weise förmlich. Problematisch sind jedoch die Fälle, in denen der materielle Anspruch zwar bedingt ist, in denen aber in der vollstreckbaren Urkunde eine ausdrückliche Regelung des Inhalts fehlt, daß der Bedingungseintritt auch für die Vollstreckbarkeit des Titels maßgeblich sein soll. Da die h. M. davon ausgeht, daß Unterwerfungsgegenstand der vollstreckbaren Urkunde der materielle Anspruch ist 110 , geht sie auch grundsätzlich davon aus, daß die Bedingungen des materiellen Anspruchs zugleich Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen sind111. sofort zu leisten hat, wenn er mit einem Teilbetrag in Rückstand kommt. Wie sich aus §§ 345, 363 BGB ergibt, trägt in diesen Fällen der Schuldner die Beweislast für die rechtzeitige Erfüllung, so daß der Gläubiger den "Verfall" nicht beweisen muß. § 726 gilt aber nur für vom Gläubiger zu beweisende Tatsachen, vgl. Stein/Jonas/Münzberg, § 726 Rdnr. 2, 6, 7; Saenger, JuS 1992, 861 (862). 108

Stein/Jonas/Münzberg, § 726 Rdnr. 19.

109

Siehe hierzu sogleich die folgenden Ausfuhrungen.

1.0

Siehe hierzu bereits oben 2. Kap. Α. IV.

1.1

Nur so lassen sich die umfangreichen Prüfungspflichten, von denen die h. M. bei der Klauseler-

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

75

Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die vollstreckbare Urkunde einen sogenannten Nachweisverzicht enthält, d. h. eine Erklärung des Schuldners, daß "... dem Gläubiger auf seinen einseitigen Antrag eine vollstreckbare Ausfertigung auch ohne den Nachweis derjenigen Tatsachen erteilt werden soll, von deren Eintritt die Fälligkeit der Forderung oder die Entstehung bedingter Leistungen abhängt"112 oder eine ähnliche Formulierung. Erklärt wird dieses Phänomen mit der Abstraktheit der Zwangsvollstreckungsunterwerfimg 113. Zwangloser und überzeugender läßt sich dies aber mit der hier vertretenen Auffassung erklären: Da Unterwerfungsgegenstand der prozessuale und nicht der materielle Anspruch ist, muß sich die Unterwerfungserklärung nicht notwendig mit dem materiellen Anspruch decken. Folge hiervon ist, daß eine Vollstreckungsbedingung grundsätzlich nur angenommen werden kann, wenn diese als Bedingung auch im prozessualen Anspruch bzw. der Unterwerfungserklärung (die sich auf den prozessualen Anspruch bezieht) zum Ausdruck gekommen ist. Dies muß aber nicht ausdrücklich der Fall sein: Meist wird der Wille des Schuldners nämlich dahin gehen, die Bedingungen des materiellen Anspruchs auch zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen zu erheben114. Es ist daher von einer Auslegungsregel des Inhalts auszugehen, daß die Vollstrekkung abhängig sein soll vom Nachweis all der Umstände, die der Gläubiger zur schlüssigen Begründung einer Klage mit gleichem Inhalt wie die vollstreckbare Urkunde zusätzlich vortragen müßte und fur die er im Prozeß die Beweislast trägt 115. Es besteht also eine dahin gehende Vermutungsregel, daß sich nach dem Willen des die Unterwerfung erklärenden Schuldners materieller und prozessualer Anspruch bzw. Unterwerfungserklärung decken sollen. Bei dieser Auslegung müssen jedoch Umstände des materiellen Rechts außer Betracht bleiben, die nicht aus der Niederschrift hervorgehen, in der auch die vollstreckbare Urkunde enthalten ist 116 , denn nur dann kann die Auslegung auf sichere Kriterien gestützt werden. Die Berücksichtigung von Umständen außerhalb der Urkunde wäre nur aufgrund einer Beweisaufnahme und - W ü r d i gung hinsichtlich dieser Umstände möglich. Eine solche findet aber im Klauselerteilungsverfahren nicht statt. teilung bei vollstreckbaren Urkunde, S.233.

Urkunden ausgeht, erklären; vgl. auch Münch, Vollstreckbare

112

Vgl. Zöller/Stöber, § 726 Rdnr. 17.

1.3

Vgl. etwa O. Werner, DNotZ 1969, 713 (721 f) m. w. N.

1.4

Α. A. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 235 ff.

1.5

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 200.

1.6

Auch nach h. M., die ja den materiellen Anspruch als Vollstreckungsgegenstand ansieht und damit dessen Entstehung und Fälligkeit zwangsläufig als Vollstreckbarkeitsvoraussetzung auffaßt, haben außenirkundliche Umstände außer Betracht zu bleiben; vgl. RGZ 72, 22 (24 f); RGZ 134, 156 (162); Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 8.

76

2. Kap.: Fehlerquelle: A n s p r c h

An diesem Punkt setzt die Kritik Münchs an, der die eben beschriebene Auslegungsregel ablehnt und von einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung 117 nur ausgeht, wenn diese ausdrücklich in der Unterwerfungserklärung enthalten ist: Die prinzipielle Unabhängigkeit des Vollstreckungsrechts und die stets betonte Nichtanwendbarkeit des § 139 BGB auf die Unterwerfungserklärung mit der Folge, daß deren Wirksamkeit vom Bestand des zugrundeliegenden materiellen Rechts unabhängig sei, sei andernfalls ein bloßes Lippenbekenntnis. Ob (materielle) Anspruchsentstehung und Fälligkeit auch zugleich als Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen aufgefaßt werden müßten, hänge so lediglich von der Zufälligkeit ab, ob das materielle Recht auch in der Niederschrift dokumentiert sei. Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden. Auch prozessuale Willenserklärungen - und eine solche ist die Unterwerfungserklärung - sind auslegungsfähig und -bedürftig 118. Daß - mangels eines (sicheren) Auslegungskriteriums - in den Fällen eine Auslegung ausscheiden muß, in denen die materielle Grundlage nicht in derselben Urkunde enthalten ist wie die Unterwerfungserklärung, darf nicht umgekehrt zum Anlaß genommen werden, eine Auslegung auch in den Fällen zu unterlassen, in denen eine Auslegung der Prozeßhandlung möglich wäre. Dies würde den Interessen des Schuldners nicht gerecht werden. Für eine Auslegung im oben beschriebenen Sinne spricht vielmehr, daß heute immer noch die h. M. und die notarielle Praxis davon ausgehen, die Bedingungen des materiellen Anspruchs - der in derselben Urkunde wie die Unterwerfungserklärung dokumentiert ist - fanden von selbst im Sinne eines Vorbehalts in die Unterwerfungserklärung Eingang und daß dadurch automatisch der Schuldner durch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen vor einer die Bedingungen des materiellen Rechts außer acht lassenden Vollstreckung geschützt sei119. Da h. M. und Praxis aber - aufgrund ihres abzulehnenden dogmatischen Ansatzes vom materiellen Anspruch als Unterwerfungsgegenstand - nach wie vor von einem solchen Schutz ausgehen, würde es den Willen des Unterwerfungsschuldners völlig verfälschen, wenn man unter Verzicht auf eine Auslegung nur ausdrücklich in der Unterwerfungserklärung enthaltene Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen akzeptieren wollte. Im Zweifel ist daher davon auszugehen, daß der Schuldner auch alle (aus der Nieder117

Münch (Vollstreckbare Urkunde, S. 233) spricht von "Vollstreckungsbedingungen". Die Terminologie ist nicht einheitlich. Vgl. zu der uneinheitlichen Verwendung der Begriffe "Vollstreckungsvoraussetzung", "Vollstreckbarkeitsvoraussetzung" und "Vollstreckbarkeitsbedingung" auch Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 10 I I 2 c (S. 87 ff); Wolfsteiner, Rpfleger 1985, 449. 118 Vgl. statt vieler: Thomas/Putzo, Einl. IV, Rdnr. 16; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Grundz § 128, Rdnr. 52; Zöller/Greger, vor § 128 Rdnr. 25. 119

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 605 (607).

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

77

schrift ersichtlichen) materiellen Bedingungen zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen erheben will. Zu beachten ist aber dabei stets, daß es sich (nur) um eine Auslegungsregel fur Zweifelsfälle handelt120 und nicht um den (zwingenden) Inhalt des Vollstreckungstitels121. Diesen bestimmt allein der Schuldner durch seine Unterwerfungserklärung und die Formulierung des prozessualen Anspruchs. Gegen eine solche Auslegungsregel spricht auch nicht das weitere von Münch angeführte Argument 122, die hier vertretene Auslegungsregel führe zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes beim Schuldner. Es ist zwar zutreffend, daß durch diese Auslegungsregel eine Verlagerung des Rechtsschutzes von § 767 ZPO zu § 768 ZPO stattfindet. Doch fuhrt dies keineswegs zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes. Im Gegenteil: Der Rechtsschutz wird vorverlagert. Immerhin muß der Gläubiger den Bedingungseintritt im Klauselverfahren durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen. Diese wird er in den allermeisten Fällen auch nur dann bekommen, wenn die Bedingungen auch tatsächlich eingetreten sind. Ist die Bedingung hingegen nicht eingetreten, so wird er regelmäßig auch keine (inhaltlich falsche) öffentliche (bzw. öffentlich beglaubigte) Urkunde über den Bedingungseintritt erlangen können. Eine drohende Zwangsvollstreckung ist damit bereits im Klauselverfahren gestoppt, ohne daß der Schuldner überhaupt etwas tun müßte. Folgte man dagegen der Auffassung Münchs, wonach auch nicht im Wege der Auslegung von der Bedingtheit des materiellen Rechts auf eine Vollstreckbarkeitsvoraussetzung geschlossen werden kann, so obläge dem Schuldner die Last, sich mit einer Vollstreckungsgegenklage gegen die drohende Zwangsvollstreckung zu schützen. Doch auch da, wo eine Klage nach § 768 ZPO notwendig wird, weil die im Klauselverfahren vorgelegten Urkunden entgegen der wahren Tatsachen- und Rechtslage den Bedingungseintritt dokumentieren, kommt es zu keiner Verkürzung des Rechtsschutzes. Das Klauselgegenklageurteil spricht zwar nur die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der (konkret bezeichneten) vollstreckbaren Ausfertigung aus. Wie noch zu zeigen sein wird 123 ginge aber auch der Rechtsschutz über eine Vollstreckungsgegenklage nicht weiter, wenn (wie nach der Auffassung Münchs) die Bedingtheit des materiellen Anspruchs nicht als Vollstreckbarkeitsvoraussetzung ausgelegt wird: In diesem Fall muß nämlich die Gestaltungswirkung des Vollstrekkungsgegenklageurteils begrenzt werden, in dem ζ. B. die Zwangsvollstrek120

Die Auslegungsregel greift daher ζ. B. nicht ein, wenn die vollstreckbare Urkunde einen Nachweisverzicht enthält. 121

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 605 (607); ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 200.

122

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 237 ff.

123

Siehe unten 2. Kap. D. I. 1. e) aa) (2), (3); 2. Kap. D. III. 3. b).

78

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

kung nur fur "zur Zeit" unzulässig erklärt oder indem eine Formulierung gewählt wird, aus der hervorgeht, ab wann die an sich bedingungslose Klausel erneut die Beitreibung erlaubt. Ein solcher Ausspruch fuhrt dann nicht zu einer völligen Entwertung des Titels als Vollstreckungsgrundlage, sondern bewirkt letzten Endes nur, daß der Gläubiger vor einem (erneuten) Vollstrekkungsversuch in einem erneuten Klauselverfahren den Eintritt der Bedingung nach § 726 I ZPO nachweisen muß bzw. - falls ihm dies nicht gelingt - eine Klage nach § 731 ZPO durchzufuhren hat. Die Wirkung ist damit dieselbe wie die eines stattgebenden Klauselgegenklageurteils124. Von einer Verkürzung des Rechtsschutzes kann daher keine Rede sein. Als Zwischenergebnis läßt sich somit festhalten, daß grundsätzlich allein die Unterwerfungserklärung (bzw. der prozessuale Anspruch, auf den sie sich bezieht) und nicht das materielle Recht dafür maßgeblich ist, ob Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen vorliegen, die ein qualifiziertes Klauselerteilungsverfahren nach § 726 I ZPO nötig machen. Ist jedoch der in derselben Niederschrift wie die Vollstreckungsunterwerfung dokumentierte materielle Anspruch aufschiebend bedingt, so besteht eine dahin gehende Auslegungsregel, daß die Bedingungen des materiellen Rechts zugleich auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO sein sollen. Dies ist aber nur ein Auslegungskriterium fur Zweifelsfälle - mehr nicht.

(2) Berücksichtigung von Befristungen, Betagungen und künftigen Ansprüchen Unter einer Befristung versteht man - im Unterschied zur Bedingung - ein gewisses zukünftiges Ereignis, von welchem die Parteien eines Rechtsgeschäfts dessen Wirkungen abhängig machen125. Anders dagegen bei betagten Ansprüchen: sie werden - im Gegensatz zu den bedingten und befristeten nicht erst in der Zukunft, sondern bereits mit Abschluß des Rechtsgeschäfts wirksam, lediglich ihre Fälligkeit ist hinausgeschoben126. Gemeinsam ist den bedingten, betagten und befristeten Ansprüchen, daß sie allesamt auf einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis beruhen und damit bereits entstanden sind, mag ihre Wirksamkeit oder Fälligkeit auch positiv oder negativ noch vom Eintritt weiterer Ereignisse abhängen. Dadurch unterscheiden sie sich von den künftigen Ansprüchen. Obgleich letztere noch nicht entstanden sind, ist deren

124

Siehe unten 2. Kap. D. I. 1. e) aa) (3).

125

Palandt/Heinrichs, Einf. v. § 158 Rdnr. 2.

126

Palandt/Heinrichs, § 163 Rdnr. 2.

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

79

Entstehung aber in einem gewissen Grad wahrscheinlich, da bereits einzelne Elemente des Rechtsgeschäfts vorliegen127. Für die Berücksichtigung des materiellen Rechts bei Befristungen, Betagungen und künftigen Ansprüchen gilt das zuvor fur die Bedingung Ausgeführte entsprechend128, d. h. sie sind grundsätzlich nur beachtlich, wenn sie bei vollstreckbaren Urkunden - im prozessualen Anspruch bzw. der Unterwerfungserklärung im Wege eines Vorbehalts berücksichtigt wurden oder ein solcher Vorbehalt im Zweifelsfall durch Auslegung anzunehmen ist. Jedoch sind sie - im Unterschied zu aufschiebenden Bedingungen, die stets unter den Anwendungsbereich des § 726 I ZPO fallen und deshalb immer im Klauselverfahren zu berücksichtigen sind - zum Teil erst im Vollstreckungsverfahren beachtlich. Dies hängt mit der unterschiedlichen Begriffsbildung der ZPO im Vergleich zum BGB zusammen. Die ZPO unterscheidet allgemein nur zwischen der Abhängigkeit der Zwangsvollstreckung vom Eintritt eines Kalendertages (§ 751 I) bzw. vom Ablauf einer Frist seit Zustellung des Titels (§ 798 ZPO), von einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung (§§ 756, 765, ggf. 726 II ZPO), von einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung (§ 751 II ZPO) und von sonstigen vom Gläubiger zu beweisenden Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen (§ 726 I ZPO). Fanden die materiellrechtlich erheblichen Umstände im Wege eines Vorbehalts im prozessualen Anspruch bzw. der Unterwerfungserklärung der vollstreckbaren Urkunde ihren Ausdruck, so findet bei aufschiebend befristeten Ansprüchen - obwohl sie materiell erst künftig Rechtswirkungen entfalten - § 7511 ZPO ebenso Anwendung wie bei betagten (ζ. B. gestundeten) Ansprüchen, soweit in beiden Fällen eine kalendermäßige Bestimmung getroffen werden kann. Diese Umstände werden daher gem. § 751 I ZPO erst im Vollstreckungsverfahren und nicht bereits im Klauselverfahren berücksichtigt. Dasselbe gilt für Ansprüche, die nur Zug um Zug 129 zu erfüllen sind (§§ 756, 765 ZPO)130. Bei einer Abhängigkeit von einem nicht kalendermäßig bestimmten Umstand (ζ. B. von einer Kündigung) kommt dagegen in diesen Fällen § 726 I ZPO zur Anwendung; die Klausel kann daher erst bei entsprechendem Nachweis des Eintritts des Umstands erteilt werden131. 127

Roth, ZZP 98 (1985), 287 (294 f.); Mönch, Vollstreckbare Urkunde, S. 276.

128

Auch die auflösende Befristung ist aus den gleichen Gründen wie die auflösende Bedingung im Klauselerteilungs- und Zwangsvollstreckungsverfahren unbeachtlich. 129 Da die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB), die eine Erfüllung Zug um Zug sichern soll, eine dilatorische Einrede ist, handelt es sich bei den zugrundeliegenden Forderungen materiellrechtlich ebenfalls um betagte Ansprüche. 130

Der Fall des § 726 I I ZPO wird bei vollstreckbaren Urkunden nicht relevant.

131

Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 278.

80

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Auch bezüglich künftiger Ansprüche kann nach heute ganz h. M. 132 eine vollstreckbare Urkunde errichtet werden, sofern sie hinreichend bestimmt sind. Auch hierbei ergibt regelmäßig eine Auslegung des Titels (wie bei den aufschiebend bedingten und unbestimmt aufschiebend befristeten bzw. betagten Ansprüchen), daß die Klauselerteilung gem. §§ 795, 726 I ZPO nur erfolgen soll, wenn die Umstände, von denen die Entstehung des (materiellen) Anspruchs abhängt, nachgewiesen wurden - es sei denn, der Schuldner hat schon bei der Urkundenaufhahme auf den Nachweis verzichtet und den Gläubiger ermächtigt, sich jederzeit eine vollstreckbare Ausfertigung erteilen zu lassen. Nach der hier vertretenen Auffassung von einer Anwendung des prozessualen Anspruchsbegriffs auf die vollstreckbare Urkunde bedarf diese Sichtweise jedoch der gleichen Korrektur, wie sie oben bereits bei aufschiebend bedingten und unbestimmt aufschiebend befristeten bzw. betagten Ansprüchen vorgenommen wurde: Der prozessuale Anspruch im Sinne einer durch einen bestimmten Lebenssachverhalt individualisierten Rechtsfolgenbehauptung kann selbst nicht künftig sein, denn die Rechtsfolgenbehauptung wird mit ihrer Protokollierung in der Niederschrift gegenwärtig - mag sie sich auch auf eine künftige (von einem künftigen materiellen Anspruch abhängige) Rechtsfolge beziehen. Die Unterwerfung hinsichtlich künftiger materieller Ansprüche ist daher immer dann möglich, wenn den Bestimmtheitsanforderungen an einen prozessualen Anspruch (hinsichtlich Lebenssachverhalt, Höhe sowie Person des Schuldners und des Gläubigers) Rechnung getragen werden kann133. Ist dies der Fall, so richtet es sich wieder ausschließlich nach dem (auszulegenden) prozessualen Anspruch bzw. der Unterwerfungserklärung, ob die Umstände, unter denen der künftige materielle Anspruch entsteht, zugleich auch nach § 726 I ZPO zu berücksichtigende Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen sein sollen.

(3) Berücksichtigung von Rechtsnachfolge und sonstigen Veränderungen der Sach- oder Verfügungsbefugnis Nach der Titulierung eingetretene Veränderungen der Rechtslage, die dazu fuhren, daß der Anspruch (auch) zwischen anderen als den im Titel genannten Personen geltend gemacht werden kann, sind nur auf entsprechenden Antrag des Gläubigers und nur aufgrund eines formalisierten Nachweises im 132

BGHZ 88, 62 (65); BGH, NJW 1981, 2756 (2757); BGH, NJW 1976, 567 (568); Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 31.1; Wolpers, Vollstreckbare Urkunde, S. 4; Bamberg, Vollstreckbare Urkunde, S. 8 ff; Gräntzel, Vollstreckbare Urkunde, S. 26 f; Lüdicke/Dietrich, Vollstreckbare Urkunde, S. 24, 43 f; Sauer, Bestimmtheit, S. 24 ff. A. A. die frühere Vertragstheorie, vgl. hierzu Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 279 f. 133

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 31.1; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 282.

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

81

Klauselverfahren zu berücksichtigen, vgl. §§ 727, 728, 729, 738, 742, 744, 745 II, 749 ZPO. Geprüft wird nur, ob der Nachweis formal in Ordnung und dazu geeignet ist, den Umstand zu bezeugen, nicht dagegen ob er auch tatsächlich mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt. Besonderheiten im Vergleich zu anderen Titeln bestehen bei der vollstreckbaren Urkunde insoweit nicht134.

(4) Sonderproblem: Nachweisverzicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Besondere Probleme treten auf, wenn die vollstreckbare Urkunde und der in ihrer Unterwerfungserklärung enthaltene Nachweisverzicht formularmäßig erstellt werden. Dies kommt in der Praxis insbesondere bei Bauträgerverträgen vor: Der Veräußerer (Bauträger) besteht häufig darauf, daß sich der Erwerber des Grundstücks und des darauf noch zu errichtenden Gebäudes wegen aller Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterwirft. Darüber hinaus hat der Erwerber im Rahmen eines solchen Vertrags zu erklären, daß der beurkundende Notar dem Bauträger die vollstreckbare Ausfertigung ohne den Nachweis der Fälligkeit, die in der Regel vom Baufortschritt oder sonstigen Umständen abhängt, erteilen darf. Die im Zusammenhang mit einer formularmäßigen Abgabe solcher Erklärungen auftretenden rechtlichen Probleme, die in den vergangenen Jahren Gegenstand zahlreicher widersprüchlicher Entscheidungen135 und wissenschaftlicher Erörterungen136 waren, sollen hier kurz angesprochen werden, da sie auch Einfluß auf die bei solchen Sachverhalten in Betracht kommenden Rechtsbehelfe haben.

134

Deshalb wird im folgenden auf diese Fälle auch nicht mehr gesondert eingegangen.

135

Vgl. insbesondere BGH, NJW 1987, 904; BGH, NJW-RR 1990, 246 (247); OLG Nürnberg, NJW-RR 1990, 1467; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1151 (1152); OLG Hamm, BB 1991, 865 (865 f); OLG Celle, NJW-RR 1991, 667; OLG München, NJW-RR 1992, 125; LG Mainz, DNotZ 1990, 567 ff; LG Waldshut-Tiengen, NJW 1990, 192; LG Köln DNotZ 1990, 570 (570 f); LG München II, NJW-RR 1990, 1465; LG Mönchengladbach, NJW-RR 1991, 696; AG Köln, DNotZ 1990, 579 f. 136 Vgl. insbesondere Rastätter, NJW 1991, 392; Münch, NJW 1991, 797; Wolfsteiner, NJW 1982, 2851 (2853); ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 126 ff; Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 11 Nr. 15, Rdnr. 24; Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 93; Kollhosser, JA 1979, 263; Stürner, JZ 1977, 431 jeweils mit weiteren Nachweisen.

6 Schultheis

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

82

(a) Anwendbarkeit des AGBG Zunächst stellt sich die Frage, ob auf die formularmäßige Vollstreckungsunterwerfung und den Nachweisverzicht das AGBG angewendet werden kann. Dem könnte der Wortlaut des § 1 I 1 AGBG entgegenstehen, der von "Vertragsbedingungen" spricht. Sowohl bei der Vollstreckungsunterwerfimg als auch beim Nachweisverzicht handelt es sich aber um einseitige Erklärungen, die überdies nicht einen materiellrechtlichen Vertrag, sondern das Verfahrensrecht betreffen. Aus diesem Grund wird zum Teil bereits die Anwendung des AGBG abgelehnt137. Darüber hinaus erscheint die Anwendbarkeit des AGBG auch deshalb fraglich, weil die Erklärungen unter Einschaltung eines Notars zustandegekommen sind und es deshalb am Erfordernis des "Stellens" fehlen könnte138. Indös hält die h. M. 139 zu Recht das AGBG auch auf die Fälle der formularmäßigen Vollstreckungsunterwerfung mit Nachweisverzicht fur anwendbar. Schon begrifflich steht der Anwendbarkeit des AGBG nicht entgegen, daß die Vollstreckungsunterwerfung auf einer einseitigen Erklärung beruht. Vertragsbedingungen" i. S. d. § 1 I 1 AGBG liegen nämlich immer schon dann vor, wenn derartige Erklärungen notwendige Voraussetzung einer Einigimg und wesentlicher Inhalt des gesamten Rechtsgeschäfts sind140. Eine am Schutzzweck und an § 7 AGBG orientierte Auslegung des § 1 I AGBG kann nur dahin gehen, unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen alle Regelungen im Rahmen einer Geschäftsbeziehimg zu verstehen, die mit dem Vertragsschluß zumindest wirtschaftlich zusammenhängen und auf einer einseitigen Gestaltungsmacht eines Geschäftspartners beruhen - gleichgültig, ob die Parteierklärungen unmittelbar im Kontext mit Erklärungen der Gegenseite stehen oder rechtlich als einseitig angesehen werden müssen und ob sie materiellrechtliche oder verfahrensrechtliche Bedeutung haben141. Rein wirtschaftlich stellen die hier in Frage stehenden Erklärungen - obgleich rechtlich selbständig letztlich auch nur "Anhängsel" eines Vertragsschlusses dar 142, dessen zwangsvollstreckungsrechtliche Durchsetzung fur einen Vertragspartner erleichtert 137

So Dietlein, JZ 1977, 637 (638); Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 9.1 mit Fußn. 1; ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 126 m. w. N. in Fußn. 176. 138

Vgl. Münch, NJW 1991, 795 (798) m. w. N. in Fußn. 21.

,3

' Vgl. statt vieler: Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 1 Rdnr. 10, § 9 Rdnr. G 209 m. w. Ν.; Stürner, ZZP 93 (1980), 233 (235 f). 140

Stürner, JZ 1979, 639.

141

Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 1 Rdnr. 10; Stürner, JZ 1977, 431, Kollhosser, JA 1979, 263 (263

f)· 142

Münch, NJW 1991, 795 (798).

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

83

werden soll, so daß die Anwendung des AGBG insbesondere auch von dessen Schutzzweck her gerechtfertigt erscheint. Auch die Einschaltung eines Notars steht der Anwendbarkeit des AGBG nicht entgegen: In der Regel macht nämlich der Verwender (Bauträger, Kreditinstitut usw.) in einer Vielzahl von Fällen den Vertragsabschluß mit seinen jeweiligen Geschäftspartnern von der Vollstreckungsunterwerfung und dem Nachweisverzicht abhängig und legt bereits der notariellen Verhandlung seine Formulare zugrunde143. Vollstreckungsunterwerfung und Nachweisverzicht werden so faktisch zu einseitig auf Veranlassung des Verwenders beruhenden und damit von ihm vorformulierten und gestellten Bedingungen. Der Notar häufig der "Hausnotar" des Verwenders - erscheint insoweit lediglich als Vermittler 144. Einer Inhaltskontrolle anhand der Vorschriften des AGBG widerspricht zu guter Letzt auch nicht die Qualifizierung von Unterwerfungserklärung und Nachweisverzicht als Prozeßhandlungen145, obgleich fur diese grundsätzlich andere Wirksamkeitsgrenzen gelten als im materiellen Recht146. Das AGBG ist nämlich Ausdruck einer letztlich auf dem Treu-und-GlaubenPrinzip beruhenden Inhaltskontrolle, an dem sich auch prozessuales Parteiverhalten messen lassen muß147.

(b) Inhaltskontrolle nach dem AGBG (aa) Einer Inhaltskontrolle der Unterwerfungs- und der Verzichtserklärung steht § 8 AGBG nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei der Vollstreckungsunterwerfung - im Gegensatz zur Erklärung über den Nachweisverzicht - an sich um einen gesetzlich geregelten Tatbestand, so daß insoweit eine Kontrolle nach §§ 8 ff AGBG fraglich sein könnte. Doch gilt die Vollstreckungsunterwerfung nicht automatisch, sondern lediglich dann, wenn sie von den Parteien gewählt wird. Es handelt sich mithin um eine rechtsergänzende Erklärung. Solche werden aber nach Wortlaut und Sinn des § 8 AGBG nicht von der Inhaltskontrolle ausgenommen, da ihre Wahl im konkreten Fall atypisch und unangemessen sein kann148. 143

Kollhosser, JA 1979,263.

144

Münch, NJW 1991, 795 (798). Allerdings ist das AGBG nicht anwendbar, wenn der Notar als neutraler Dritter die Klausel einführt, denn § 1 AGBG verlangt sowohl seinem Wortlaut als auch seinem Sinn und Zweck nach ein Stellen von Seiten des Verwenders. Bauträger, Kreditinstitute usw. benutzten jedoch meist über den Notar ihre Klauseln mehrfach und bestehen auf deren Verwendung, so daß von einer AGB auszugehen ist; vgl. Wolf, WuB IV B. § 1 AGBG 2.91, S. 743. 145

Siehe hierzu näher unten 3. Kap. Α. I.

146

Vgl. statt vieler Thomas/Putzo, Einl. III Rdnr. 10 ff.

147

Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 65 VI, V I I (S. 362 f); Münch, NJW 1991, 795 (798).

6*

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

84

(bb) Im Rahmen einer Inhaltskontrolle ist zunächst zu untersuchen, ob nicht bereits die formularmäßige Erstellung der vollstreckbaren Urkunde fur sich allein (d. h. ohne den formularmäßigen Fälligkeitsverzicht) gegen das AGBG verstößt. Hiervon scheinen die Entscheidungen des LG Mainz149 und des LG Waldshut-Tiengen150 unter Berufung auf ein Urteil des BGH vom 25. 6. 1981151 auszugehen. Der BGH vertrat in dieser Entscheidung die Ansicht, daß der Schuldner im Rahmen einer gegen eine vollstreckbare Urkunde gerichteten Vollstreckungsgegenklage auch die Beweislast fur das Nichtvorliegen anspruchsbegründender Umstände trage. Diese Beweislastumkehr hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen entnahm der BGH dem Wesen der Vollstreckungsgegenklage152, was zur Folge hat, daß nach dieser Auffassung die Unterwerfungserklärung in einem späteren Erkenntnisverfahren nach § 767 ZPO automatisch immer zu einer Umkehr der Beweislast für Einwendungen des Schuldners gegen die Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs fuhrt. Gestützt auf diese Entscheidung folgerten die beiden Landgerichte, daß eine formularmäßige Unterwerfungserklärung gegen § 11 Nr. 15 AGBG verstoße. Dies überzeugt aber selbst bei Zugrundelegung der vorgenannten BGHRechtsprechung nicht: Die (angebliche153) Beweislaständerung beruht dann nämlich nicht auf einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, sondern auf der Anwendung eines gesetzlich anerkannten Rechtsinstituts - der Unterwerfungserklärung. Ist die Beweislaständerung aber lediglich weitere Folge der Auswahl eines Rechtsinstituts, das besondere Voraussetzungen zum Inhalt hat, ist also die Beweislaständerung nicht unmittelbar Regelungsgegenstand der in Frage stehenden Klausel, so findet nach allgemeiner Meinung § 11 Nr. 15 AGBG keine Anwendung154, denn § 11 Nr. 15 AGBG will nicht unterschiedslos den formularmäßigen Gebrauch aller gesetzlichen Rechtsinstitute verbieten, deren Vereinbarung eine Beweislaständerung zum Nachteil des Vertrags148

Palandt/Heinrichs, § 8 AGBG Rdnr. 8; Kollhosser, JA 1979, 263 (264).

149

DNotZ 1990, 567 (568 f).

150

NJW 1990, 192.

151

NJW 1981,2756.

152

Nur hilfsweise entnahm der BGH zusätzlich auch dem zugleich erklärten Nachweisverzicht den Willen zur Beweislastumkehr; NJW 1981, 2756. 153 Dazu, daß die Vollstreckungsunterwerfung richtiger Ansicht nach überhaupt keine Beweislaständerung bewirkt, sogleich. 154

OLG Celle, NJW-RR 1991, 667; LG Mönchengladbach, NJW-RR 1991, 696; OLG Hamm, BB 1991, 865; Löwe/v.Westphalen/Trinkner/v.Westphalen, AGB-Gesetz II, § 11 Nr. 15 Rdnr. 45; Kollhosser, JA 1979, 263 (264); Rastätter, NJW 1991, 391 (394); Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (546). Entsprechende Argumentation ferner bei OLG München, NJW-RR 1992, 125 (126). Ähnlich auch die Begründung bei Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 11 Nr. 15 Rdnr. 1, 5.

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

85

partners des Verwenders zur Folge hat155. Es liegt hierin auch keine durch § 7 AGBG verbotene Umgehung des § 11 Nr. 15 AGBG, weil § 11 Nr. 15 AGBG gerade nicht die Benutzung gesetzlich geregelter Institute verbieten will 156 . Andernfalls müßte etwa auch die formularmäßige Bestellung einer Sicherungsgrundschuld oder eines abstrakten Schuldanerkenntnisses157 verboten sein, denn auch sie haben zur Folge, daß der Schuldner den Mangel der Kausalforderung beweisen muß, wenn er sich gegenüber diesen Rechtsinstituten darauf beruft 158. Darüber hinaus ist aber entgegen der oben zitierten BGH-Rechtsprechung mit einem großen Teil der Literatur 159 und Rechtsprechung der Instanzgerichte 160 davon auszugehen, daß die Vollstreckungsunterwerfung nicht zu einer Veränderung der Beweislast fuhrt. Die Vollstreckungsunterwerfung als reine Prozeßhandlung verändert lediglich die prozessuale (indem sie dem Schuldner die Last zur rechtzeitigen Verteidigung aufbürdet), nicht hingegen die materielle Rechtslage oder die an das materielle Recht anknüpfende Beweislastverteilung. Eine Beweislastumkehr kann nämlich nur durch einen dem materiellen Recht angehörenden161 Vertrag vereinbart werden. Bei der Vollstreckungsgegenklage gegen ein Urteil muß zwar der Gläubiger wegen des Eintritts der materiellen Rechtskraft und wegen der Präklusionswirkung des § 767 II ZPO das Entstehen seiner Forderung nicht mehr beweisen. Bei der vollstreckbaren Urkunde gilt aber anderes: Der Schuldner kann hier auch das Entstehen der titulierten Forderung bestreiten, was zur Folge hat, daß der Gläubiger insoweit beweispflichtig wird, da er sich auf die nur einem Urteil zugängliche materielle Rechtskraft nicht berufen kann (§§ 797 IV, 767 II ZPO) und die Beweislast

155

Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 11 Nr. 15 Rdnr. 12 m. w. N.; Kollhosser, JA 1979, 263 (264).

156

Kollhosser, JA 1979, 263 (264); Dietlein, JZ 1977, 637 (639).

157

Ob die formularmäßige Vereinbarung eines abstrakten Schuldanerkenntnisses gegen § 11 Nr. 15 AGBG verstößt, war allerdings ebenso umstritten; vgl. Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 11 Nr. 15 Rdnr. 12 m. w. N.; Löwe/v. WestphalenAnnkner/v.Westphalen, § 11 Nr. 15 Rdnr. 44 ff. 158

Kollhosser, JA 1979, 263 (264).

159

Ausfuhrlich Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 389 f f m. w. N.; ders., NJW 1991, 795 f f (insbesondere 800 f); ders., DNotZ 1994, 59 (63); Wolf, WuB IV Β. § 1 AGBG 2.91, S. 743; ders. in: Wolf7Horn/Lindacher, § 11 Nr. 15 Rdnr. 24; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (546); ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 128; Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 93 mit Fußn. 386; Kniffka, ZfBR 1992, 195 (197); Basty, MittBayNot 1992, 311. 160 OLG Hamm, DNotZ 1994, 57 (59); OLG Hamm, BB 1991, 865 (866) m. w. N.; OLG Celle, NJW-RR 1991, 667; LG München II, NJW-RR 1990, 1465 (1466); LG Mönchengladbach, NJWRR 1991, 696. 161 Vgl. insoweit etwa Zöller/Greger vor § 284 Rdnr. 23; A. Blomeyer, ZPR, § 70 IV 3 (S. 378) i. V. m. § 69 I I 1 c (S. 364).

86

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage - wie auch sonst162 - unabhängig von der konkreten Parteirolle zu bestimmen ist163. Der formularmäßigen Erstellung einer vollstreckbaren Urkunde für sich alleine steht auch nicht § 9 AGBG entgegen: Der Gläubiger macht ja nur von einem gesetzlichen Rechtsinstitut Gebrauch164, was insbesondere deshalb nicht unangemessen ist, weil der Verwender ein anerkennenswertes Interesse an einer Vollstreckungsunterwerfung hat und der Schuldner nicht unbillig benachteiligt wird 165 : Störungen bei der Vertragsabwicklung, die eine Zwangsvollstreckung nötig machen, beruhen nämlich typischerweise auf einer Vermögensverschlechterung beim Schuldner. Deswegen besteht ein berechtigtes Interesse des Verwenders (der i. d. R. vorleistungspflichtig ist), durch die vorformulierte Vollstreckungsunterwerfung Vorsorge dafür zu treffen, daß Vollstreckungsmaßnahmen ohne vorheriges zeitraubendes Erkenntnisverfahren ergriffen werden können. Der Schutz des Schuldners wird durch das Erfordernis notarieller Beurkundung und der damit verbundenen notariellen Belehrungspflichten sowie durch die gegenüber Urteilen erweiterten Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners (vgl. § 797 IV ZPO) in ausgewogener Weise gewährleistet166. (cc) Anders muß dagegen möglicherweise die Vereinbarkeit eines formularmäßigen Nachweisverzichts mit dem AGBG beurteilt werden. Diskutiert und verneint wird von einer stark vertretenen Meinung vor allem ein Verstoß gegen § 11 Nr. 15 AGBG mit der Begründung, daß auch mit einem Nachweisverzicht keine Beweislaständerung verbunden sei167. Dies ist zutreffend: Nach 162

So ist beispielsweise die Beweislast im Rahmen der positiven Feststellungsklage eines Gläubigers identisch mit der bei einer negativen Feststellungsklage des Schuldners. 163

LG München II, NJW-RR 1990, 1465 (1466); OLG Celle, NJW-RR 1991, 667; Stürner, JZ 1977, 431 (432); Stein/Jonas/Leipold, § 286 Rdnr. 48; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 117 III 2 d (S. 677); Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 93 mit Fußn. 386; ausführlich Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 397 ff m. w. N. 164

Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 11 Nr. 15 Rdnr. 24; BGH NJW 1987, 904 (906).

165

A. A. Stürner, JZ 1977, 431 (432) sowie JZ 1977, 639 (639 f) hinsichtlich der dinglich nicht beschränkten sog. "persönlichen" Zwangsvollstreckungsunterwerfung in das gesamte Schuldnervermögen. Hiergegen etwa Kollhosser, JA 1979, 263 (264); Dietlein, JZ 1977, 637 (638). Es ist zwar nicht zu beanstanden, daß Stürner in der Reihenfolge "Rechtsstreit vor Vollstreckung" ein gesetzliches "Leitbild" sieht, soweit er damit zum Ausdruck bringt, daß es der Gesetzgeber als "Normalfall" ansah, wenn der Zwangsvollstreckung ein Rechtsstreit vorausging (siehe hierzu unten 2. Kap. D. I. 1. a) mit Fußn. 516). Soweit er jedoch daraus Schlußfolgerungen im Hinblick auf einen Verstoß gegen § 9 AGBG ziehen will, kann ihm aus den genannten Gründen nicht gefolgt werden. 166

BGH, NJW 1987, 904 (906); Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt/Brandner, Anh. § § 9 - 1 1 Rdnr.

285. 167 Vgl. etwa OLG Celle, NJW-RR 1991, 667; LG München II, NJW-RR 1990, 1465 (1466); Rastätter, NJW 1991, 392 (394); Basty, MittBayNot 1992, 311; Reithmann, WuB V I E. § 794 ZPO

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

87

der hier vertretenen Auffassung greift zwar die Nachweispflicht des § 726 I ZPO nur dann ein, wenn im Titel die Klauselerteilung und damit das weitere Zwangsvollstreckungsverfahren vom Vorliegen bestimmter Umstände abhängig gemacht wurde. Jedoch ist im Wege der Auslegung des Titels168 grundsätzlich davon auszugehen, daß dem Gläubiger eine Nachweispflicht fur solche Tatsachen obliegt, von denen auch Entstehung und Fälligkeit des dem Titel zugrundeliegenden materiellen Anspruchs abhängen und fur deren Vorliegen er daher nach materiellem Recht beweispflichtig ist. Mit seinem Verzicht169 entbindet der Schuldner den Gläubiger aber nur von der Last, fur die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung bestimmte u. U. schwer zu erlangende urkundliche Nachweise erbringen zu müssen - die eigentliche Beweislast des Gläubigers für Tatsachen i. S. d. § 726 I ZPO bleibt dagegen insbesondere in einem später nachgeholten Erkenntnisverfahren nach § 767 ZPO bestehen, nur die Nachweisanforderungen werden in einem bestimmten Verfahrensstadium gelockert bzw. aufgehoben 170. Es kann allein aus der Verzichtserklärung nicht gefolgert werden, der Schuldner habe die Beweislast des Gläubigers hinsichtlich des Anspruchs obendrein auch in einem nachfolgenden Prozeß nach § 767 ZPO übernehmen wollen, zumal dort die im Klauselverfahren geltende Beweisbeschränkung auf Urkunden gerade nicht besteht und es insofern auch zu keinen unbilligen Nachweisschwierigkeiten kommen kann171. Auch ein Verstoß des Nachweisverzichts gegen § 9 AGBG wird wohl überwiegend verneint172. Argumentiert wird etwa dahin, daß durch das Erfor1.92, S. 341. Obgleich (unzutreffend) von einer an die Parteirolle anknüpfenden Beweislastverteilung im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage ausgehend im Ergebnis ebenso LG Mönchengladbach, NJW-RR 1991, 696. A. A. etwa OLG Nürnberg, NJW-RR 1990,1467 (1468); OLG Stuttgart, NJW-RR 1993, 1535; LG Mainz DNotZ 1990, 567 (568 f); LG Köln, DNotZ 1990, 570 (571); LG Waldshut-Tiengen, NJW 1990, 192; Wolf, WuB IV B. § 1 AGBG 2.91, S. 743; Kniffka, ZfBR 1992, 195 (197). 168

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

169

Nach der hier vertretenen Auffassung hat die Verzichtsklausel ohnehin nur Bedeutung im Rahmen der Auslegung des Titels hat; siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1). 170 Unzutreffend ist es daher auch, wegen der Entbindung des Gläubigers von der urkundlichen Nachweispflicht von einer Beweislastumkehr im Klauselerteilungsverfahren zu sprechen; so aber OLG Stuttgart, NJW-RR 1993, 1535. Für das Klauselerteilungsverfahren stellt sich die Frage nach einer Beweislastumkehr überhaupt nicht. Wird auf den Nachweis verzichtet, ist § 726 ZPO nicht anwendbar, vielmehr ist damit klargestellt, daß kein Titel geschaffen werden soll, der vom Nachweis der Fälligkeit des Anspruchs abhängt; vgl. Basty, MittBayNot 1992, 311. Nicht die Beweislast wird also geändert, sondern nur das Nachweiserfordernis in einem bestimmten Verfahrensstadium (nicht aber endgültig) aufgehoben. Dies kann aber aus den genannten Gründen nicht gegen § 11 Nr. 15 AGBG, sondern nur gegen § 9 AGBG verstoßen (dazu sogleich im Text). 171

OLG Hamm, DNotZ 1994, 57 (59); LG München II, NJW-RR 1990, 1465 (1466); Münch, NJW 1991, 795 (801); ders., DNotZ 1994, 59 (62); a. A. BGH, NJW 1981, 2756 (2757).

88

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

demis notarieller Beurkundung, die damit verbundene notarielle Belehrung und die gegenüber Urteilen gem. § 797 IV ZPO erweiterten Verteidigungsmöglichkeiten der Schuldner vor unangemessener Benachteiligung geschützt sei173. Dies ist jedoch in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Wie oben dargestellt, muß der Gläubiger im Regelfall den Eintritt derjenigen Umstände nachweisen, von denen nach der Urkundenprotokollierung Entstehung und Fälligkeit des materiellen Anspruchs noch abhängen, da die Auslegungsregel besteht, daß hiervon auch der Schuldner im Rahmen seiner Unterwerfungserklärung die Zwangsvollstreckung abhängig machen wollte. Diese Vermutungsregel wird jedoch durch die formularmäßige und vom Verwender der AGB dem Geschäftspartner auferlegte Verzichtserklärung des Schuldners widerlegt 174. Durch den Nachweis verzieht begibt sich daher der Schuldner des durch § 726 I ZPO gewährleisteten Schutzes vor einem vorzeitigen Vollstreckungszugriff 175. Zwar kann er sich mit der Vollstreckungsgegenklage 172 Was sich darin zeigt, daß dieses Problem unter dem Blickwinkel des § 9 AGBG meist schon gar nicht mehr erörtert wird. 173

Vgl. Rastütter, DNotZ 1987, 459 (462).

174

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1). Nach h. M., die davon ausgeht, daß Gegenstand der Unterwerfungserklärung nicht der prozessuale, sondern der materielle Anspruch ist, bewirkt sogar ausschließlich die Verzichtserklärung des Schuldners, daß die Nachweispflicht des Gläubigers nach § 726 I ZPO für alle anspruchs- und falligkeitsbegründenden Tatsachen entfallt. 175 Für den Nachweisverzicht werden meist Klauseln wie "der Gläubiger wird ermächtigt, sich vom Notar auf Anforderung eine vollstreckbare Ausfertigung erteilen zu lassen, ohne die Voraussetzungen der Fälligkeit im einzelnen nachweisen zu müssen" (vgl. den Fall OLG Celle, NJW-RR 1991, 667), "dem Gläubiger kann jederzeit eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden" (vgl. den Fall LG Mönchengladbach, NJW-RR 1991, 696) oder ähnliche Formulierungen verwendet. Der Nachweisverzicht bezieht sich demnach immer nur auf das Klauselverfahren als erster Stufe des formalisierten Vollstreckungsverfahrens im weiteren Sinne, nicht dagegen auf die zweite Stufe - die eigentliche Zwangsvollstreckung. Aus diesem Grunde stellen die üblichen Nachweisverzichtsklauseln auch nur eine Abweichung von der Vorschrift des § 726 I ZPO dar, nicht dagegen von den §§ 751, 756, 765 ZPO. Die letztgenannten Vorschriften haben nämlich ausschließlich Bedeutung für den Zeitpunkt des zulässigen Beginns von Vollstreckungsakten (und damit für die eigentliche Zwangsvollstreckung). Dementsprechend sind sie auch nur von den Vollstreckungsorganen zu beachten. Im Klauselverfahren spielen sie dagegen nie eine Rolle, weswegen die Vollstrekkungsklausel immer (auch ohne Nachweisverzicht) unabhängig vom kalendermäßigen Fälligkeitstag oder einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers erteilt werden kann. Die üblicherweise für den Nachweisverzicht verwendeten Klauseln (s. o.) können deshalb auch keine Abweichungen von den §§ 751, 756, 765 ZPO darstellen, denn diese Vorschriften beziehen sich nur auf das eigentliche Zwangsvollstreckungsverfahren - und nicht wie die oben angeführten Nachweisverzichtsklauseln auf das vorgelagerte Klauselverfahren. Darüber hinaus gibt es im Falle des § 751 I ZPO (kalendermäßige Fälligkeit) auch nichts mehr nachzuweisen, auf das verzichtet werden könnte. Ist daher ausweislich der Unterwerfungserklärung die Vollstreckbarkeit vom Eintritt eines Kalendertages oder einer vom Gläubiger Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung abhängig, so ist dies auch dann von den Vollstreckungsorganen zu beachten, wenn der Schuldner einen Nachweisverzicht im oben beschriebenen Sinne erklärt hat (vgl. auch Münzberg, Rpfleger 1987,

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

89

oder einer einstweiligen Anordnung nach § 769 ZPO gegen diesen ungerechtfertigten Zugriff zur Wehr setzen. Es wird ihm aber die Last rechtzeitiger Verteidigung aufgebürdet - und zwar in einem weiteren Umfang als bei der (zulässigen176) formularmäßigen Zwangsvollstreckungsunterwerfung ohne Nachweisverzicht, denn wegen der Verzichtserklärung können nun über das qualifizierte Klauselverfahren nach § 726 I ZPO nicht mehr die Fälle herausgefiltert werden, in denen mangels Entstehens bzw. Fälligwerdens des materiellen Anspruchs der fur die Klauselerteilung erforderliche Nachweis nicht beigebracht werden konnte. Es steigt folglich die Gefahr, daß eine dem materiellen Recht widersprechende Zwangsvollstreckung stattfindet und sich der Schuldner hiergegen mit der Vollstreckungsgegenklage (oder einer einstweiligen Anordnung nach § 769 ZPO) wehren muß. Dies erscheint im Hinblick auf § 9 I, II Nr. 1 AGBG bedenklich, denn der Gesetzgeber - der im übrigen ja noch nicht zwischen materiellem und prozessualem Anspruch differenzierte 177 - ging davon aus, daß alle bei der Titulierung noch ungewissen Voraussetzungen und Bedingungen des Anspruchs sowie seiner vollstreckungsrechtlichen Durchsetzbarkeit (von den §§ 756, 765 ZPO einmal abgesehen) spätestens im Klauselverfahren nachgewiesen werden müssen, so daß weitgehend sichergestellt erschien, daß sich Zwangsvollstrekkung und materielle Rechtslage decken. Von diesem Leitbild wird aber abgewichen, wenn der Schuldner im Zusammenhang mit einer Vollstreckungsunterwerfung einen Nachweisverzicht erklärt 178. Diese Abweichung verstößt nur 207 gegen Meyer-Stolte, Rpfleger 1987, 118.). Von diesem "Normalfall" wird bei den folgenden Ausführungen ausgegangen, weswegen auch nur auf eine Abweichung von § 726 I ZPO abgestellt wird. Zumindest denkbar ist es aber, daß der Schuldner formularmäßig auch auf die Beachtung der §§ 751, 756, 765 ZPO durch das Vollstreckungsorgan verzichtet (etwa durch eine Klausel wie "Die Zwangsvollstreckung ist unabhängig von dem in der Urkunde angegebenen Fälligkeitstag zulässig" o. ä.). Liegt ein solcher weitergehender Verzicht vor, so gelten die folgenden Ausführungen (erst recht) entsprechend. Vgl. zu solchen weitergehenden Verzichtsklausel Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, x § 1 1 Nr. 15 Rdnr. 24. 176

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4) (b) sub (bb).

177

Siehe oben 2. Kap. Α. I. 2.

178

Der Annahme, daß ein Nachweis der Fälligkeitsvoraussetzungen und sonstigen Bedingungen des materiellen Anspruchs im Klauselverfahren Leitbildfunktion hat, steht die hier vertretene Auffassung, daß lediglich im Wege der Auslegung diese Umstände zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen werden, nicht entgegen, da zu den wesentlichen Grundgedanken i. S. d. § 9 II Nr. 1 AGBG auch Auslegungsregeln zählen, weil in ihnen die vom Gesetz in typischen Fällen für sachgerecht gehaltene Regelung zum Ausdruck kommt (vgl. Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 9 Rdnr. 67). Dies gilt für die hier vertretene Auslegungsregel insbesondere auch deshalb, da sie die Brücke zwischen der allgemein vertretenen und vom Gesetzgeber vorausgesetzten Gleichsetzung von materiellem Anspruch und Unterwerfungsgegenstand zum hier vertretenen prozessualen Anspruchsbegriff bei der vollstreckbaren Urkunde schlägt.

90

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

dann nicht gegen wesentliche gesetzliche Grundgedanken i. S. d. § 9 II Nr. 1 AGBG mit der Folge der Unwirksamkeit der Verzichtserklärung, wenn sie durch überwiegende oder zumindest gleichwertige Interessen auf der Seite des AGB-Verwenders gerechtfertigt ist179. Wird die Nachweisverzichtsklausel im kaufmännischen Verkehr verwendet, so bestehen hiergegen keine Bedenken, da auf beiden Seiten des Vertrages dann geschäfts- und meist auch prozeßerfahrene Parteien stehen. In diesem Fall erscheint es aufgrund der häufigen Schwierigkeiten, Nachweise im Sinne des § 726 I ZPO zu erlangen, und dem Interesse des Verwenders an einem möglichst raschen Vollstreckungszugriff bei Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit seines Vertragspartners gerechtfertigt, diesen mit der Verzichtsklausel in die Angreiferrolle zu drängen. Zu einer anderen Wertung kann man dagegen bei Nichtkaufleuten kommen, da diese erfahrungsgemäß eine Prozeßführung scheuen, weil für sie durch die notarielle Vollstreckungsklausel der Schein der Rechtmäßigkeit erweckt wird 180. Fraglich erscheint, ob auch hier das Interesse des Verwenders, die Schwierigkeiten bei der Erlangung von Urkunden i. S. d. § 726 ZPO durch einen Nachweisverzicht zu vermeiden, die Schutzinteressen des Vertragspartners, nicht gegen eine materiell ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung klagen zu müssen, tatsächlich überwiegt. Dies hängt von der konkreten Vertragsausgestaltung im Einzelfall und der Schwierigkeit der Beschaffung der Nachweise i. S. d. § 726 I ZPO ab. Im Rahmen der Interessenabwägung ist dabei zu berücksichtigen, daß in den Fällen, in denen sich öffentliche Urkunden zum Nachweis nicht eignen (so insbesondere bei Bauträgerverträgen, wenn die Fälligkeit der einzelnen Raten vom Bautenstand abhängt), häufig auch anstelle eines Nachweisverzichts eine Abschwächung der Nachweisanforderungen situationsgerechter wäre 181. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, daß auch gegenüber Nichtkaufleuten immer ein anerkennenswertes Bedürfnis fur einen einschränkungslosen Nachweisverzicht besteht. Dies hat zur Folge, daß im Einzelfall die Verzichtserklärung des Schuldners gegen § 9 I, II Nr. 1 AGBG verstoßen kann182.

179

Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 9 Rdnr. 80.

180

Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 11 Nr. 15 Rdnr. 24. Dazu, daß ein und dieselbe Klausel im kaufmännischen Verkehr unbedenklich, bei Verträgen mit Nichtkaufleuten hingegen gegen § 9 AGBG verstoßen kann, siehe Palandt/Heinrichs, AGBG § 9 Rdnr. 4; Wolf/Horn/Lindacher/Wolf § 9 Rdnr. 120. 181

So besteht bei Bauträgerverträgen etwa die Möglichkeit, anstelle der öffentlichen Urkunden die Bestätigung eines Architekten über den Bautenstand zu verlangen; Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 11 Nr. 15 Rdnr. 24; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 207. Dazu, daß der Schuldner auch die Nachweisanforderungen lockern kann, siehe bereits oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1). 182 Die Bildung von Fallgruppen muß im Rahmen dieser Arbeit unterbleiben. Entscheidend ist aber, daß im Einzelfall der Nachweisverzicht durchaus gegen das AGBG verstoßen kann. Für eine

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

91

(c) Kosequenzen eines Verstoßes des Nachweisverzichts gegen das AGBG Zu untersuchen ist im folgenden, welche Auswirkungen ein Verstoß des Nachweisverzichts gegen das AGBG hat. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das AGBG ist grundsätzlich die Unwirksamkeit der unangemessenen Klausel. Da der Nachweisverzicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Unterwerfungserklärung abgegeben wird und als deren Bestandteil angesehen werden kann, liegt deshalb der Schluß nahe, im Falle eines Verstoßes des Nachweisverzichts gegen das AGBG die gesamte Unterwerfungserklärung als unwirksam anzusehen. Indes kann diese Konsequenz meines Erachtens nicht gezogen werden. Zwar ist nach allgemeiner Meinung auch bei einem nur teilweisen Verstoß der AGB-Klausel diese grundsätzlich im ganzen unwirksam, da eine geltungserhaltende Reduktion dem Gesetzeszweck des AGBG zuwiderlaufen würde 183. Eine Ausnahme von der Gesamtunwirksamkeit wird jedoch dann gemacht, wenn die Klausel sprachlich und inhaltlich teilbar ist und neben der unwirksamen auch inhaltlich unbedenkliche, aus sich heraus verständliche Bestimmungen enthält184. Ob dies der Fall ist wird nach dem sogenannten "bluepencil-test"185 ermittelt: Der unwirksame Teil der Klausel wird einfach herausgestrichen. Bleibt danach noch eine sinnvolle und angemessene, aus sich heraus verständliche Regelung übrig, die auch keine von der bisherigen Gestaltung völlig abweichende und neue Regelung enthält und sich dem Vertragszweck sach- und interessengerecht einfugt, so ist diese wirksam. Dies hat - da der weggestrichene Teil weder ergänzend noch modifizierend ausgelegt wird mit einer verbotenen geltungserhaltenden Reduktion nichts zu tun186. Wendet man diese Regeln auf das vorliegende Problem an, so ist nur der gegen § 9 AGBG verstoßende Nachweisverzicht unwirksam, nicht aber die Unterwerfungserklärung im übrigen 187: Die Unterwerfungserklärung ist - in aller Regel zumindest188 - von der Nachweisverzichtserklärung trennbar und für sich gesegrundsätzliche Unwirksamkeit des Nachweisverzichts wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 11 Nr. 15 Rdnr. 24. 183

Vgl. statt aller Palandt/Heinrichs, Vorbem. vor AGBG § 8 Rdnr. 9 m. w. N.

184

Vgl. statt aller: BGH, NJW 1992, 2759 (2760); Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 9 Rdnr. 157 m. w. N.; Palandt/Heinrichs, Vorbem. vor AGBG § 8 Rdnr. 11 m. w. N. 185

Palandt/Heinrichs, Vorbem. vor AGBG § 8 Rdnr. 11 m. w. N.

186

Vgl. Wolf/Horn/Lindacher/Wolf, § 9 Rdnr. 157.

187

So auch OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1151 ( 1152); Wolf, WuB IV Β. § 1 AGBG 2.91, S. 743; ders., in: Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 15 Rdnr. 24. 188 Würde es allerdings ausnahmsweise einmal an der Trennbarkeit fehlen, so wäre die Unterwerfungserklärung insgesamt unwirksam. Zu den Folgen, die sich aus einer Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung selbst ergeben siehe unten Kapitel 3.

92

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

hen auch sinnvoll, erspart sie doch in jedem Fall dem Gläubiger die Mühe, sich einen Vollstreckungstitel erstreiten zu müssen. Ist aber nur der Nachweisverzicht, nicht aber die Unterwerfungserklärung unwirksam, so greift wieder die Auslegungsregel ein, daß der Schuldner im Rahmen der Vollstreckungsunterwerfung die Zwangsvollstreckung vom Nachweis all deijenigen Umstände abhängig machen wollte, von denen nach der Urkundenprotokollierung Entstehung und Fälligkeit des materiellen Anspruchs noch abhängen - eine Verzichtserklärung, die diese Vermutungsregel widerlegen könnte, existiert ja nach ihrer Streichung nicht mehr. Überdies kann nicht daraus, daß eine - wenn auch unwirksame - Verzichtsklausel einmal in der Unterwerfungserklärung enthalten war, auf einen Verzichtswillen des Schuldners geschlossen werden, denn dies hieße, auch der unwirksamen Klausel Geltungskraft zu verleihen, was mit dem Gesetzeszweck des AGBG nicht vereinbar wäre. Als Zwischenergebnis läßt sich somit festhalten, daß ein Verstoß des Nachweisverzichts gegen § 9 AGBG nur zur Konsequenz hat, daß die Verzichtserklärung unwirksam ist und die vollstreckbare Urkunde im übrigen so ausgelegt werden muß, als wäre eine Verzichtserklärung nicht abgegeben worden. Ergeben sich somit keine (weiteren) gegenteiligen Anhaltspunkte aus der Urkunde, so ist davon auszugehen, daß der Schuldner im Rahmen der Vollstreckungsunterwerfung die Zwangsvollstreckung vom Nachweis all derjenigen Umstände abhängig machen wollte, von denen nach der Urkundenprotokollierung Entstehung und Fälligkeit des materiellen Anspruchs noch abhängen.

(d) Beachtung der Unwirksamkeit der Verzichtsklausel im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren Etwas überraschend mag die Frage erscheinen, ob denn überhaupt die Unwirksamkeit der Verzichtsklausel von den jeweils zuständigen Organen im Rahmen des Klausel- bzw. Vollstreckungsverfahrens geprüft und berücksichtigt werden kann. Auf den ersten Blick liegt es nahe, zumindest bei den Klauselerteilungsorganen von einer dahingehenden Prüfungskompetenz auszugehen. Immerhin scheint von der Frage der Wirksamkeit der Verzichtsklausel abzuhängen, ob eine einfache vollstreckbare Ausfertigung nach §§ 724, 725 ZPO erteilt werden kann oder ob das qualifizierte Klauselerteilungsverfahren nach § 726 I ZPO stattfinden muß. Geht man von einer Prüfungspflicht im Klauselverfahren hinsichtlich der Wirksamkeit der Verzichtsklausel aus und hätten die zuständigen Organe einen Verstoß dieser Klausel gegen das AGBG übersehen und deshalb lediglich eine einfache Klausel nach §§ 724, 725 ZPO statt einer qualifizierten nach § 726 I ZPO erteilt, so hätte dies auch zur Folge, daß sich der Schuldner gegen die Zwangsvollstreckung mit der Klauseierinne-

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

93

rung nach § 732 ZPO (ggf. § 732 II ZPO) wehren und diese damit begründen kann, daß die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung unter Verstoß gegen § 726 ZPO erfolgt sei189. Ob aber die im Klauselverfahren zuständigen Organe tatsächlich die Wirksamkeit der Nachweisverzichtsklausel zu prüfen haben, hängt davon ab, welche Prüfungskompetenzen ihnen hinsichtlich der Unterwerfungserklärung zustehen, als deren Teil die Nachweisverzichtserklärung des Schuldners angesehen werden muß. Wie im dritten Kapitel noch zu zeigen sein wird, haben die Klauselerteilungsorgane den Titel jedoch (entgegen der Ansicht der h. M.) nur daraufhin zu untersuchen, ob in ihm eine (ordnungsgemäße) Unterwerfungserklärung dokumentiert ist, nicht hingegen, ob diese auch materiell wirksam abgegeben wurde. Folglich kann der Verstoß des Nachweisverzichts gegen das AGBG nicht im Klauselverfahren berücksichtigt und als weitere Folge hiervon auch nicht mit der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO190 geltend gemacht werden191.

cc) Berücksichtigung des materiellen Anspruchs im Klauselverfahren über die zuvor genannten Fälle hinaus Wie oben192 bereits erwähnt, kann generell materielles Recht im Klauselerteilungsverfahren allenfalls in Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Ein solcher Ausnahmefall könnte aber vorliegen, wenn dem klauselerteilenden Organ die Befriedigung des Gläubigers oder das Nichtbestehen des Anspruchs aus sonstigen Gründen bekannt ist. In diesen Fällen besteht nämlich der naheliegende Verdacht, daß die erstrebte vollstreckbare Ausfertigung zu rechtswidrigen, gegen die guten Sitten verstoßenden Zwecken (in bewußter Ausnutzung eines der materiellen Rechtslage widersprechenden Titels) eingesetzt werden soll. Unter dem Aspekt, das Prozeßrecht dürfe sich "nicht in den

189

So die Argumentation bei OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1151 (1152).

190

Da bei den verfahrensinternen Rechtsbehelfen der Prüfungsumfang derselbe ist wie im jeweils zu überprüfenden Verfahrensabschnitt (sich also die Prüfungskompetenzen des im überprüften Verfahrensabschnitt zuständigen Organs und die des Rechtsbehelfsgerichts decken, siehe oben 1. Kap. B. III. 2. c)), kann auch mit der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO der Verstoß des Nachweisverzichts gegen das AGBG nicht gerügt werden. Siehe näher unten 2. Kap. C. I. 1. c) aa) mit Fußn. 307; 3. Kap. Α. II. 4.; 3. Kap. Β. I.; 3. Kap. D. I. vor 1. mit Fußn. 141. 191 Der Schuldner kann die Unwirksamkeit der Nachweisverzichtsklausel aber mit der Gestaltungsklage analog § 767 ZPO geltend machen. Siehe hierzu unten 3. Kap. D. I. vor 1. mit Fußn. 141; 3. Kap. D. I. 4. 192

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) aa).

94

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Dienst eines Erfolges stellen, den das Privatrecht als Verstoß gegen die guten Sitten mißbilligt" 193 könnte sich in diesen Fällen die Notwendigkeit der Durchbrechung des Formalisierungsprinzips aus Billigkeitsgründen ergeben. Dogmatisch könnten diese "Billigkeitserwägungen" auf verschiedene Grundlagen gestützt werden. So könnte der Klauselantrag des Gläubigers dem Einwand der prozessualen Arglist 194 ausgesetzt sein bzw. man könnte aus dem Grundsatz von Treu und Glauben195 eine Pflicht der zuständigen Organe zur Ablehnung der Klauselerteilung ableiten. Als allgemeines Rechtsprinzip gilt der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) auch im Zivilprozeßrecht 196. Dort ist er nicht nur von den Parteien, sondern auch vom Gericht 197 und den sonstigen im Rahmen der Rechtspflege tätigen Organen zu beachten und besagt insoweit vor allem, daß prozessuale Möglichkeiten nicht mißbräuchlich ausgenutzt werden198 und die staatlichen Organe ein von ihnen als mißbräuchlich erkanntes Verhalten nicht noch durch ihre Mithilfe unterstützen dürfen. Ebenso denkbar wäre es, in den hier in Frage stehenden Fällen wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses das Antragsbedürfhis des Gläubigers zu verneinen und deshalb die Klauselerteilung zu verweigern. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Voraussetzung eines jeden Rechtsschutzgesuchs, mithin auch für den Antrag auf Klauselerteilung. Es fehlt unter anderem, wenn das betreffende Verfahren aus rechtsmißbräuchlichen Motiven in Anspruch genommen wird 199 . Schließlich könnte eine Ablehnungspflicht des Klauselerteilungsorgans auch unmittelbar aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit200 oder direkt aus dem (allgemeineren) Rechtsstaatsprinzip abgeleitet werden. So ließe sich etwa argumentieren, daß die zuständigen Organe trotz ihrer grundsätzlichen Bindung an den Titel - die "Augen vor offensichtlichen Unrichtigkeiten" - auch hinsichtlich der materiellrechtlichen Forderung nicht verschließen dürften und daß "die notwendige Formstrenge der Zwangs-

193

RGZ 118, 171 (176), jedoch in etwas anderem Zusammenhang.

194

Vgl. Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 166 ff, 172 - 178.

195

Vgl. Schönke, Rechtsschutzbedürfnis, S. 33 ff; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 242. 196 Vgl. etwa BGH, BB 1983, 278; NJW 1983 1423 f; Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 243; Münzberg, DGVZ 1988, 81 (82). 197

OLG Köln NJW 1976, 1101 (1102); Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 243.

198

Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 242.

199

Vgl. Stein/Jonas/Schumann, vor § 253 Rdnr. 118.

200

Vgl. ausfuhrlich zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Zwangsvollstreckung Weyland, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, insbesondere S. 148 ff, wo er fur die hier interessierenden Mißbrauchsfalle auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip i. e. S. abstellt.

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

95

Vollstreckung .. nicht blind" machen dürfe "vor Besonderheiten, die evident" seien201. All diese zuvor genannten "dogmatischen Einbruchstellen" können dazu dienen, die mißbräuchliche Ausnutzung formaler Positionen zu verhindern anstatt sie - "zähneknirschend" - als "formal in Ordnung" hinzunehmen202 und damit an einer als rechtswidrig erkannten Handlung mitzuwirken 203. Sie kommen daher auch in Betracht, um eine Prüfungskompetenz der Klauselerteilungsorgane hinsichtlich des materiellen Anspruchs in Ausnahmefallen dogmatisch abzusichern. Bevor aber auf allgemeine Prinzipien wie Treu und Glauben oder das Rechtsstaatsprinzip mit seinen einzelnen Ausprägungen zurückzugreifen ist oder bevor im Rahmen des Antragsbedürfhisses Umstände geprüft werden, die nach der Systematik in diesem Verfahrensstadium eigentlich gerade nicht zu berücksichtigen sind, müssen speziellere Normen und Rechtsprinzipien des betreffenden Verfahrensabschnitts untersucht werden. Lassen sich solche finden, sind sie zur Lösung heranzuziehen, es sei denn, der zu beurteilende Sachverhalt liegt erkennbar weit jenseits des vom Gesetz ins Auge gefaßten Normalfalls 204. Erfüllen in diesem Fall die spezielleren Normen und Rechtsprinzipien bei deren Anwendung auf den Ausnahmefall ihren Normzweck nicht, so dürfen sie auch nicht herangezogen werden. Es ist dann im Wege der teleologischen Reduktion eine Gesetzeslücke entstanden205. Diese ist so zu schließen, wie wenn von vorneherein kein spezielles Gesetz in Betracht käme. In diesem Zuge kann dann auch auf Generalklauseln und allgemeine Prinzipien wie Treu und Glauben oder das Rechtsstaatsprinzip zurückgegriffen werden. Dabei darf jedoch eine vom Gesetz getroffene Wertung nicht umgangen werden206.

201

So die Argumentation im Sondervotum Böhmers, BVerfGE 49, 228 (239). Böhmer führte diese Argumente zwar für eine erweiterte Prüfungspflicht der Vollstreckungsorgane an. Wenn aber die Vollstreckungsorgane aus diesen Gründen ausnahmsweise den materiellen Anspruch prüfen dürfen, so muß das für die Klauselerteilungsorgane (die ja die endgültige Formalisierungsgrundlage noch schaffen) erst recht gelten. 202

Vgl. Vollkommer, Rpfleger 1982, 1 (7).

203

Vgl. MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 724 Rdnr. 40, wonach die Klauselerteilungsorgane generell dann die Klauselerteilung abzulehnen haben, wenn "absolut liquide" sei, daß der materielle Anspruch nicht (mehr) bestehe, wobei bei rechtskräftigen Titeln allerdings nur Umstände in Betracht kämen, die zeitlich nach Titelerlaß lägen. Dies ergebe sich aus "Gründen der Prozeßökonomie" und "von Verfassungs wegen".

204

Bittmann, ZZP 97 (1984), 32 (40); vgl. zum materiellen Recht BGH, DB 1982, 2615 (2617).

205

Larenz, Methodenlehre, S. 377, 391 ff.

206

Bittmann, ZZP 97 (1984), 32 (40) m. w. N.

96

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

(1) Die gesetzliche Regelung Wie aus der gesetzlichen Regelung des § 767 ZPO zu entnehmen ist, wird der materielle Anspruch - mit Ausnahme des oben beschriebenen Falles, daß materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch den Titel zu vollstreckungsrechtlich erheblichen Tatsachen erklärt wurden207 - weder im Klausel- noch im Zwangsvollstreckungsverfahren beachtet. Gem. § 767 ZPO ist es vielmehr erforderlich, daß der Schuldner die Initiative ergreift und die Vollstreckungsgegenklage erhebt, damit in einem ordentlichen Erkenntnisverfahren vom Prozeßgericht darüber entschieden werden kann, ob nach materiellem Recht noch in der Höhe vollstreckt werden darf, die der Titel ausweist208. Eine weitergehende Berücksichtigung des materiellen Anspruchs im Klausel- bzw. Vollstreckungsverfahren sieht das Gesetz nicht vor 209.

(2) Lösung über das Verfassungsrecht oder den Grundsatz von Treu und Glauben Fraglich ist, ob von dieser Berücksichtigungsunfähigkeit materiellen Rechts im Klausel- und ggf. auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen zumindest dann eine Ausnahme gemacht werden muß, wenn das Nicht(mehr)bestehen des materiellen Anspruchs offensichtlich ist, sei es etwa, weil das zuständige Organ (i. d. R. der Notar, § 797 II ZPO) selbst eine Zahlung des Schuldners vermittelt hat, der Gläubiger einräumt, vom Schuldner befriedigt worden zu sein, oder sich aus sonstigen, leicht erkennbaren Gründen ergibt, daß der Titel einen Anspruch ausweist, der materiellrechtlich inzwischen untergegangen ist oder nie bestanden hat. In diesen Fällen liegt ja der Verdacht nahe, daß die erstrebte vollstreckbare Ausfertigung zu rechtswidrigen, gegen die guten Sitten verstoßenden Zwecken eingesetzt werden soll210. Bei einer Mitwirkung hieran könnten die im Klauselverfahren tätigen Organe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder - allgemeiner - gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen, denn das Verfahrensrecht dient der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger, aber auch gerechter Entscheidungen211. Die Zwangsvollstrek207

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

208

Münzberg, DGVZ 1988, 81 (82, 83); Bittmann, ZZP 97 (1984), 32 (34).

209

Etwas anderes gilt nur für den bereits genannten Fall, daß materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch die Vollstreckungsunterwerfung zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. §§ 726 I, 751 I, 756, 765 ZPO erklärt wurden. Nur über diesen "Umweg" sind die dann sowohl materiellrechtlich als auch vollstreckungsrechtlich relevanten Tatsachen zu berücksichtigen. 2,0

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) cc) vor (1).

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

97

kung selbst - und als vorbereitender Akt letztlich auch die Klauselerteilung ist hoheitlicher Eingriff von Seiten des Staates und bedarf daher einer Ermächtigungsgrundlage. Diese ergibt sich zwar aus den Vorschriften der ZPO. Sie findet ihre Grenze jedoch in verfassungsrechtlichen Vorschriften 212, an denen sich auch vorkonstitutionelles Recht wie die ZPO messen lassen muß. Insofern stehen die Vorschriften der ZPO unter dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck213. Staatlicher Zwang darf daher nicht eingesetzt werden, um einem anderen Schaden zuzufügen. Dies gilt auch, wenn das Gesetz einem hoheitlich handelnden Organ keinen Ermessensspielraum hinsichtlich der Verweigerung seiner Tätigkeit einräumt, denn (in gewissen Grenzen) muß durch eine "verfassungskonforme Auslegung" eine dahingehende inhaltliche Veränderung der Vorschriften erfolgen 214, daß in Mißbrauchsfällen die Organe ihre Mitwirkung ablehnen können. Aus diesem Grunde ließe sich möglicherweise in den oben genannten Ausnahmefällen trotz Bindung an den Vollstreckungstitel eine Pflicht der Klauselerteilungsorgane annehmen, die vollstreckbare Ausfertigung zu verweigern 215. Gleiches könnte auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gefolgert werden, soweit er sich an die in der Zwangsvollstreckung tätigen Organe wendet und ihnen insofern gebietet, ein von ihnen als mißbräuchlich erkanntes Verhalten nicht noch durch ihre Mithilfe zu unterstützen216. Die Ableitung einer Pflicht zur Verweigerung der Klausel in den oben beschriebenen Ausnahmefällen aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. dem Grundsatz von Treu und Glauben führt dazu, daß eine - wenn auch auf Evidenzfälle beschränkte - neue Zuständigkeit für die Prüfung materiellen Rechts geschaffen wird, die anstelle oder neben die gerichtliche Zuständigkeit aus § 767 I ZPO (i. V. m. § 797 V ZPO) tritt 217 . Des weiteren hat die Anwendung dieser Grundsätze zur notwendigen Folge, daß bei - zumindest evidenter - Diskrepanz zwischen Titel und materieller Forderung eine Prüfung von Amts wegen stattfinden muß. Für den Grundsatz von Treu und Glauben ergibt sich eine Prüfungspflicht von Amts wegen aus dem an die zuständigen Organe 2.1

BVerfGE 42, 64 (73).

2.2

Vgl. Böhmer, BVerfGE 49, 228 (231).

213

Böhmer, BVerfGE 49, 228 (235).

2.4

Münzberg, DGVZ 1988, 81 (81, 82); vgl. ζ. B. auch BVerfG, NJW 1966, 243 (244) (zur Auslegung des § 112 IV StPO). 2.5

So Böhmer, BVerfGE 49, 228 (235).

2.6

Vgl. Schneider, DGVZ 1977, 129 (131 ff).

2.7

Vgl. Schneider, DGVZ 1978, 85 (86), wonach der Anwendungsbereich von Treu und Glauben "selbstverständlich nicht durch formale Zuständigkeitsregeln eingeschränkt werden" könne.

7 Schultheis

98

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

gerichteten Gebot, ein als mißbräuchlich erkanntes Verhalten nicht noch unterstützen zu dürfen 218, für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darüber hinaus aus dem Umstand, daß jeder Eingriff durch die öffentliche Gewalt auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung - der verfassungsrechtlichen Legitimation bedarf 19.

(3) Kritik an einer Lösung über das Verfassungsrecht oder den Grundsatz von Treu und Glauben Gegen eine Ablehnung der Klauselerteilung unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder den Grundsatz von Treu und Glauben bestehen jedoch erhebliche Bedenken. Beide stellen zwar ein allgemeines Gerechtigkeitsprinzip dar und gebieten insofern eine sachgerechte Abwägung gegenläufiger Interessen. Sie sind jedoch beide anderen Rechtsgebieten entlehnt, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem öffentlichen Recht, der Grundsatz von Treu und Glauben dem materiellen Zivihecht. Damit die strukturellen Eigenheiten der Rechtsgebiete, auf denen diese Grundsätze wirken, nicht verwischt werden, muß demgemäß die Konkretisierung dieser Grundsätze bei den einzelnen Rechtsgebieten auch unterschiedlich ausfallen. Eine Abwägung im Bereich des öffentlichen Sicherheits- und Ordnungsrechts muß sich notwendigerweise an anderen Kriterien orientieren als im Bereich des Erkenntnisverfahrens der ZPO und dort wiederum anders als im Vollstreckungsrecht. Der Grundsatz von Treu und Glauben fordert im Bereich des materiellen Zivilrechts - wo überwiegend noch "Vertragsatmosphäre" herrscht - weitergehende Rücksichtnahme auf den Partner als im Bereich des Zivilprozesses, wo aus den Partnern Parteien geworden sind, die im Streit miteinander stehen220. Es besteht daher durch einen raschen Griff auf diese allgemeinen Grundsätze die Gefahr, daß die Strukturen des Vollstreckungsrechts ohne ausreichende Berücksichtigung der verfahrensrechtlichen Interessenlage an einem Maßstab gemessen werden, der anderen Rechtsgebieten entlehnt ist221. Wie oben gezeigt, hat die ZPO in § 767 ZPO ein besonderes gerichtliches Erkenntnisverfahren zur Überprüfung des materiellen Rechts vorgesehen. Hieraus folgt dann aber auch, daß im normalen Fortgang des Vollstreckungsverfahrens im weiteren Sinne, also bei der Klauselerteilung und bei der ei2.8

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) cc) vor (1).

2.9

Vgl. Böhmer, BVerfGE 49, 228 (236, 238 f)·

220

Aus diesem Grunde muß der Grundsatz von Treu und Glauben im Verfahrensrecht noch vorsichtiger angewendet werden als im materiellen Recht; vgl. Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 243.

221

Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (296).

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

99

gentlichen Zwangsvollstreckung, der materielle Anspruch bzw. dessen Nichtbestehen nicht mehr geprüft werden darf, erst recht nicht von Amts wegen222. Hielte man demgegenüber aber die Klauselerteilungsorgane für befugt, unter Berufung auf Treu und Glauben oder das Verhältnismäßigkeitsgebot zumindest in evidenten Fällen das Nichtbestehen des materiellen Anspruchs zu berücksichtigen, so würde die in § 767 ZPO (i. V. m. § 797 IV ZPO) zum Ausdruck gebrachte Zuständigkeitsordnung umgangen und den allgemeinen Grundsätzen zusätzlich (zur Erweiterung des Prüfungsumfangs) die Kraft beigemessen werden, neue Zuständigkeiten zu schaffen. Für eine solche Systemwidrigkeit besteht aber kein Bedürfnis, da ja bereits eine umfassende Prüfung durch das Prozeßgericht gewährleistet ist223. Darüber hinaus erscheint es aber auch systemwidrig, über diese allgemeinen Grundsätze zu einer Prüfung von Amts wegen hinsichtlich des materiellen Anspruchs zu kommen. Es überzeugt nicht, im Erkenntnisverfahren einerseits die Dispositionsmaxime in weitem Umfang zu respektieren, hingegen im Vollstreckungsverfahren von einem staatlichen Eingriffsverhältnis auszugehen, das denselben verfassungsrechtlichen Maßstäben standhalten muß wie etwa ein Eingriff im Bereich des Polizeirechts. Man kann daher die Einfuhrung von Elementen des Offizialprinzips im Vollstreckungsverfahren zum Schutz des Schuldners nicht mit der angeblich stärkeren Eingriffsintensität im Vergleich zum Erkenntnisverfahren begründen224, denn in beiden Verfahren besteht ein dreiseitiges Prozeßrechtsverhältnis, das auf derselben Interessenbewertung basiert. Letzten Endes dient das Erkenntnisverfahren der Vorbereitung des Vollstreckungsverfahrens 225. Hält man im Vollstreckungsverfahren das Offizialprinzip fur notwendig, so muß man konsequenter Weise in den entsprechenden Fällen auch im Erkenntnisverfahren den Dispositionsgrundsatz durch die Offizialmaxime ersetzen. Dennoch erscheint es zugegebenermaßen unbillig, auch dann ohne weiteres auf Antrag des Gläubigers die Vollstreckungsklausel zu erteilen und Vollstreckungsmaßnahmen durchzufuhren, wenn das Fehlen eines materiellen Anspruchs offensichtlich ist. Doch verlangt weder die Zuständigkeitsordnung der ZPO noch der weitgehend auch im Vollstreckungsrecht geltende Dispositionsgrundsatz, daß die beteiligten Organe den Schuldner wider besseres Wissen hilflos einem ungerechtfertigten Vollstreckungszugriff aussetzen. Im Gegen222

Münzberg, DGVZ 1988, 81 (83).

223

Gegen eine Zuständigkeit der Vollstreckungsorgane zur Beachtung des materiellen Anspruchs in Evidenzfallen u. a. auch BVerfG, NJW 1981, 2111; Brehm, JZ 1978, 262 (263); Bittmann, ZZP 97(1984), 32(42).

224

So aber Böhmer, BVerfGE 49, 228 (231, 236).

225

Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (300, 301).

*

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

100

teil: ebenso wie im Erkenntnisverfahren § 139 I ZPO die unter Umständen aus dem Dispositionsgrundsatz gerade für unerfahrene Parteien folgenden Härten abmildert 226, vermag eine Aufklärung über die Rechtsschutzmöglichkeiten auch im Zwangsvollstreckungsrecht Unbilligkeiten zu vermeiden, ohne die gesetzliche Systematik aufgeben zu müssen. § 139 I ZPO gilt - was oft übersehen und von den meisten im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren tätigen Organen nicht beachtet wird - auch im Vollstreckungsverfahren 227. Dies ergibt sich schon aus seiner systematischen Stellung im Ersten Buch der "Allgemeinen Vorschriften", die damit grundsätzlich auch im Achten Buch der ZPO, der "Zwangsvollstreckung", Gültigkeit haben228. Hieraus folgt, daß (obgleich in § 139 ZPO nur vom "Vorsitzenden" die Rede ist) auch alle im Rahmen des Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahrens tätigen Organe die Aufklärungspflicht zu beachten haben229. Andernfalls würde die prinzipiell auch im Vollstreckungsverfahren geltende Parteidisposition den Grundsätzen eines fairen Verfahrens, wie sie das BVerfG den Grundrechten i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip entnimmt230, nicht gerecht werden können231. Diese Hinweispflicht kann - je nach Lage des Einzelfalles - verschieden weit gehen. Zwar sind die Klauselerteilungs- und Zwangsvollstreckungsorgane grundsätzlich ebenso wie der Richter im Erkenntnisverfahren zur Unparteilichkeit verpflichtet, doch ist die Unparteilichkeit - wie das BVerfG zu Recht betont232 kein wertfreies Prinzip, sondern an den Grundwerten der Verfassung orientiert, da § 139 ZPO einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Die oben beschriebenen Wertentscheidungen der Verfassung führen daher zwar nicht zu einer Prüfung von Amts wegen hinsichtlich des materiellen Anspruchs, finden aber Berücksichtigung bei der Bestimmung des Umfangs der Aufklärungspflicht. Liegt das Fehlen des materiellen Anspruchs und damit ein mißbräuchliches Vorgehen des Gläubigers nahe, so sind aufgrund der oben angeführten rechtsstaatlichen Erwägungen die Klauselerteilungsorgane zumindest verpflichtet, den Schuldner über die Möglichkeit einer Klage nach § 767 I ZPO (i. V. m. § 797 V ZPO) sowie des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 769 ZPO zu belehren, ggf. auch auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozeßkosten226

Wobei streitig ist, ob § 139 den Dispositionsgrundsatz erst richtig erfüllt, da Information Voraussetzung für eine freie Entscheidung ist (so Stürner, Richterliche Aufklärung, Rdnr. 11, 13) oder ob § 139 ZPO zugunsten der Partei(en) als Einbruchstelle der Offizialmaxime verstanden werden muß (so Baur, Zivilprozeßrecht, Rdnr. 39).

227

Vgl. BVerfGE 42, 64 (75 f, 78).

228

Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (300).

229

So für die Vollstreckungsorgane Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (300).

230

Vgl. etwa BVerfG 69, 126 (140); 57, 117 (120); 55, 171 (180 ff).

231

Stürner, FS Baur, 1981, 647 (654, 655); vgl. auch Münzberg, DGVZ 1988, 81 (89).

232

BVerfGE 42, 64 (78).

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

101

hilfe (§§ 114 ff ZPO) aufmerksam zu machen. Darüber hinaus erscheint auch - sofern keine vernünftigen Zweifel mehr daran bestehen, daß der titulierte (prozessuale) Anspruch materiellrechtlich nicht (mehr) besteht - ein Hinweis auf die (guten) Erfolgsaussichten der oben genannten Rechtsbehelfe angebracht. Legt man den Umfang der Belehrungspflicht in den Mißbrauchsfällen im Lichte der Verfassung weit aus, so gelangt man auf diese Weise auch unter Beachtung der strukturellen Eigenheiten des Klausel- und Zwangsvollstrekkungsverfahrens (Prüfung des materiellen Anspruchs in einem gerichtlichen Erkenntnisverfahren ausschließlich aufgrund der Initiative des Schuldners, § 767 ZPO) zu befriedigenden Ergebnissen. Sieht nämlich der Schuldner trotz eingehender Belehrung von einer Vollstreckungsgegenklage ab, so ist es dessen freier Wille, den Fortgang des (materiell nicht gerechtfertigten) Zwangsvollstreckungsverfahrens zu erdulden, denn es ist nicht ersichtlich, welches übergeordnete öffentliche Interesse bestehen soll, den Gläubiger von Amts wegen an einer Zwangsvollstreckung zu hindern, die der Schuldner dulden will. Dies entspräche nicht der heutigen Staatsauffassung, die Initiative des Einzelnen zu fördern und seiner Handlungsfreiheit (nur) dort Schranken zu setzen, wo es "zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens" nötig erscheint233. Dem kommt nämlich eher entgegen, dem Schuldner einerseits die Verantwortimg und Initiative fur seine Verteidigung zu belassen und ihm andererseits von Staats wegen so zu helfen, daß er diese Verantwortung tragen kann (§ 139 ZPO)234. Eine Verweigerung der Zwangsvollstreckung von Amts wegen in diesen Fällen liefe letztlich auf eine Bevormundung des Schuldners hinaus, denn dieser kennt ja aufgrund der Belehrung durch die zuständigen Klauselerteilungsorgane seine prozessualen Möglichkeiten und deren gute Erfolgsaussichten. Den Schuldner aber wider dessen eigenen Willen schützen zu wollen, überzeugt nicht, zumal er auch in einem Prozeß die Freiheit hätte, einen materiellrechtlich nicht bestehenden Anspruch anzuerkennen mit der Folge, daß vom Urkundsbeamten (§ 724 II ZPO) die Vollstreckungsklausel für ein daraufhin ergehendes Anerkenntnisurteil erteilt werden müßte235. Schuldnerschutz ist zwar ein Recht des Schuld233

BVerfGE 4, 7 (16).

234

Vgl. Jauernig, ZPR, § 25 V I I I 3 (S. 85 0. allerdings dort nur zur Wahrheitspflicht der Parteien im Prozeß.

235

Zwar darf nach (zutreffender) allgemeiner Meinung (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, § 307 Rdnr. 4 und unten 3. Kap. Α. II. 3. b)) ein Anerkenntnisurteil nicht ergehen, wenn der Kläger eine gesetzund sittenwidrige Leistung begehrt. (Eine solche ordre-public-Kontrolle findet auch bei der Aufnahme der vollstreckbaren Urkunde statt, siehe hierzu unten 3. Kap. Α. II. 3. b)). Ein gleichwohl ergangenes Anerkenntnisurteil wäre aber dennoch wirksam (vgl. Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (537)), mit der Folge, daß der Urkundsbeamte eine Vollstreckungsklausel erteilen müßte - mag der Sitten- oder Gesetzesverstoß auch noch so offensichtlich gewesen sein. Eine Evidenzkontrolle steht dem Klauselerteilungsorgan somit hier ebenfalls nicht zu.

102

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

ners, aber er setzt eben seine verfahrensrechtlichen Schritte voraus, um Übergriffe abzuwehren. Als Zwischenergebnis läßt sich somit festhalten, daß die Prüfung des materiellen Anspruchs in ein nur auf Initiative des Schuldners stattfindendes Erkenntnisverfahren weder gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, noch das Rechtsstaatsprinzip oder den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. Diese Grundsätze fordern nur, daß den Rechten des Schuldners ein vollwertiger Schutz zuteil wird, nicht dagegen, in welchem Verfahren dieser Schutz stattfinden muß und ob zu dessen Einleitung die Initiative des Schuldners erforderlich ist. Dies ist der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen236, der die Prüfung des materiellen Anspruchs nach der Titulierung ausschließlich in das Verfahren nach § 767 ZPO verwiesen hat, auf dessen Rechtsschutzmöglichkeiten und die Notwendigkeit seiner Klageerhebung der Schuldner in den oben beschriebenen Evidenzfallen hinzuweisen ist.

(4) Lösung über das Antragsbedürfnis

und Kritik hieran

Zulässig und geboten sein könnte aber unter Umständen eine (beschränkte) Prüfung des materiellen Anspruchs durch die Klauselerteilungsorgane im Rahmen der Frage, ob das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Klauselerteilung gegeben ist. So ließe sich etwa argumentieren, das Rechtsschutzbedürfnis entfalle, wenn das betreffende Verfahren aus rechtsmißbräuchlichen Motiven in Anspruch genommen werde237 oder wenn das Erlöschen des materiellen Anspruchs urkundlich nachgewiesen sei, weil in diesem Fall auch die Zwangsvollstreckung eingestellt werde (§§ 775 Nr. 4 u. 5, 776 ZPO)238. Eine Verneinung des Rechtsschutzinteresses in diesen Fällen erscheint auch deshalb verlockend, weil auf den ersten Blick die beiden Schwächen der zuvor aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten - Schaffung neuer Zuständigkeiten und Prüfung von Amts wegen - vermieden werden: Für die Prüfung des Rechtsschutzbedürfhisses als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsschutzgesuchs ist nämlich immer das Organ zuständig, das über den 236

Das BVerfG hat daher zu Recht klargestellt, daß ein gültiger Vollstreckungstitel nicht unter Berufung auf die Verfassung anzuzweifeln sei (BVerfGE 51, 97 (113); BVerfG, NJW 1981, 2111; ebenso Peters, FS Baur (1981), S. 550) Vgl. Münzberg, DGVZ 1988, 81 (83) zur Frage einer Evidenzkontrolle durch Vollstreckungsorgane. 237

Vgl. allgemein zum Rechtsschutzbedürfnis im Falle eines Rechtsmißbrauchs Stein/Jonas/Schumann, vor § 253 Rdnr. 118.

238

Vgl. LG Koblenz, DNotZ 1972, 190 (191); Wolfsteiner, DNotZ 1978, 681 (681) gegen LG Kleve, DNotZ 1978, 680; anders aber ders., in: MünchKommZPO, § 724 Rdnr. 39.

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

103

Antrag (hier: auf Klauselerteilung) zu befinden hat und das Fehlen des Rechtsschutzbedürfhisses ist - da Zulässigkeitsvoraussetzung - stets von Amts wegen zu beachten. Somit scheint sich eine Prüfung des materiellen Anspruchs im Rahmen des Rechtsschutzbedürfhisses zumindest in den oben beschriebenen Evidenzfällen harmonisch in die Struktur des Zwangsvollstrekkungsrechts einzufügen. Da zudem im Vollstreckungsrecht dann der Beibringungsgrundsatz gilt, wenn Anträge gestellt werden239, könnte man hieraus folgern, daß der Gläubiger sein - grundsätzlich gegebenes - Rechtsschutzbedürfnis für die Klauselerteilung näher darlegen muß, wenn seitens des Klauselerteilungsorgans nicht unerhebliche Zweifel an der Existenz des materiellen Anspruchs bestehen. Entgegen diesen Überlegungen überzeugt dennoch eine Prüfung des materiellen Rechts im Rahmen der Antragsbefugnis nicht, denn die Harmonie mit der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung im Rahmen des Zwangsvollstrekkungsrechts ist nur eine scheinbare: Ebensowenig, wie über den Grundsatz von Treu und Glauben oder das Rechtsstaatsprinzip die strukturellen Eigenheiten des Klauselverfahrens und des Rechtsbehelfssystems überspielt werden dürfen, da andernfalls die Gefahr besteht, daß eine Rechtsumbildung gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers stattfindet, ebensowenig darf dies über eine Verneinung des Rechtsschutzbedürfhisses geschehen. Da der Gesetzgeber durch § 767 ZPO klargestellt hat, daß Entscheidungen über den materiellen Anspruch nur in einem Erkenntnisverfahren getroffen werden sollen und den für die Klauselerteilung zuständigen Organen diesbezüglich die Prüfungskompetenz verwehrt hat, kann eine solche Prüfungsbefugnis nicht über die "Hintertür" des Rechtsschutzbedürfhisses doch wieder zugestanden werden. Fehlt den im Klauselverfahren tätigen Organen nach dem gesetzgeberischen Willen die Prüfungskompetenz hinsichtlich des materiellen Anspruchs, so fehlt sie ihnen völlig und muß folglich auch bei der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses ausgeklammert werden. Schließlich kann auch nicht in den Fällen, in denen eine Urkunde nach § 775 Nrn. 4, 5 ZPO vorgelegt wird, das Rechtsschutzbedürfnis verneint werden mit der oben angeführten Begründung, auch die Zwangsvollstreckung führe in diesem Fall zu keinem Ergebnis240. Denn zum einen steht es dem Gläubiger immer zu, die Echtheit dieser Urkunden zu bestreiten241, zum anderen geht es bei §§ 776 , 775 Nrn. 4, 5 ZPO nicht allein um die Interessen des Schuldners, sondern mindestens ebenso um das Interesse des Gläubigers, nicht 239

Vgl. zum Beibringungsgrundsatz im Vollstreckungsrecht Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (308 f).

240

So aber LG Koblenz, DNotZ 1972, 190 (191); Wolfsteiner, DNotZ 1978, 681 (681); anders aber ders., in: MünchKommZPO, § 724 Rdnr. 39.

241

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 724 Rdnr. 39.

104

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

die Kosten einer Klage nach § 767 ZPO tragen zu müssen, nur weil er vielleicht von einer Zahlung des Schuldners noch keine Kenntnis erlangt oder diese übersehen hat242. Vor allem aber wird in den Fällen des § 775 Nr. 4, 5 ZPO die Zwangsvollstreckung nicht endgültig eingestellt, sondern der Gerichtsvollzieher muß hier die Zwangsvollstreckung fortsetzen, wenn der Gläubiger dies von ihm verlangt243. Im Gegensatz dazu führt aber die Verneinung des Rechtsschutzbedürfhisses für den Antrag auf Klauselerteilung zu einem völligen "Aus" für den Gläubiger hinsichtlich seiner Vollstreckungsabsicht aus dem konkreten Titel. Ihm würde von vorneherein die Möglichkeit genommen, unter Bestreiten der Echtheit der Urkunde und unter Inkaufnahme des Risikos einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners die Zwangsvollstreckung doch noch rasch und zügig durchzusetzen244. Deshalb kann auch beim Vorliegen von Urkunden i. S. d. § 775 Nr. 4, 5 ZPO das Rechtsschutzbedürfnis nicht verneint werden.

(5) Zwischenergebnis Wegen der Entscheidung des Gesetzgebers, den materiellen Anspruch nach der Titulierung ausschließlich245 in einem durch Klage des Schuldners eingeleiteten Erkenntnisverfahren nach § 767 ZPO überprüfen zu lassen, ist es den Klauselerteilungsorganen verwehrt, einen Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung wegen Fehlens des materiellen Anspruchs abzulehnen - selbst dann, wenn dessen Nichtexistenz offensichtlich ist und ein Mißbrauch seitens des Gläubigers naheliegt. Anders verhält es sich jedoch, wenn die titulierte Rechtsfolge selbst gesetz- oder sittenwidrig ist. Dies wird in der Praxis zwar kaum vorkommen, 242

Brehm, JZ 1978,262 (263).

243

H. M., vgl. statt aller: Thomas/Putzo, § 775 Rdnr. 17; Stein/Jonas/Münzberg, § 775 Rdnr. 32; Zöller/Stöber, § 775 Rdnr. 12. 244

Als Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Klauselerteilung bliebe dem Gläubiger bei vollstreckbaren Urkunden ja nur die Beschwerde nach § 54 BeurkG i. V. m. §§ 20 ff FGG (unter Umständen mit vorgeschalteter Erinnerung nach § 11 RPflG bzw. § 576 I ZPO; siehe genauer unten 2. Kap. C. II. 1. a) bb)). Mit diesen kann aber - es handelt sich lediglich um verfahrensinterne Rechtsbehelfe (siehe oben 1. Kap. B. III. 2. b), c)) - nur das überprüft werden, was auch das zuständige Organ im Klauselerteilungsverfahren hätte beachten müssen. Folglich würde es dem Gläubiger dieser Rechtsbehelf nichts nützen, wenn tatsächlich eine Urkunde i. S. d. § 775 Nr. 4, 5 ZPO vorgelegen hätte, denn das Gericht müßte dann ebenso wie das Klauselerteilungsorgan das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Klauselerteilung verneinen. 245

Ausgenommen wieder den oben behandelten Sonderfall, daß materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch den Titel zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO gemacht werden; siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

105

da in diesen Fällen bereits die Errichtung des Titels abgelehnt werden wird. Denkbar sind sie aber dennoch. In Betracht kommen ζ. B. Titel, die die Leistung von (bei der vollstreckbaren Urkunde: vertretbaren) Sachen zum Gegenstand haben, deren Besitz oder Abgabe bereits gegen gesetzliche Verbote verstößt, so etwa im Falle fehlender Erlaubnis bei Kriegswaffen (vgl. §§ 19 ff KriegswaffenG) oder Betäubungsmitteln (vgl. §§ 29 ff BtMG) 246 . In diesen Fällen müssen die zuständigen Organe ihre Tätigkeit verweigern, denn an Gesetz- und Sittenwidrigem mitzuwirken ist ihnen schon aus originären Gründen aufgrund ihrer Amtsstellung unmittelbar verboten. Bei genauerer Betrachtung stellen diese Fälle aber keine Ausnahme von dem Grundsatz dar, daß der materielle Anspruch von den Klauselerteilungsorganen nicht247 zu beachten ist. Was diese beachten, ist ausschließlich die Rechtsfolge, die sie herbeiführen sollen. Sie haben nur zu prüfen, ob die mit der Zwangsvollstreckung verfolgte Zustandsänderung, die vollstreckungsrechtliche Durchsetzung also, wegen ihres Inhalts gesetzlich verboten ist. Daß daneben auch der materielle Anspruch nicht besteht, ist wegen §§ 134, 138 BGB gesetzlich Folge, aber nicht der Grund für die Ablehnung des Klauselantrags.

3. Weitergehender Prüfungsumfang bei vollstreckbaren U r k u n d e n

Von dem oben dargestellten Verbot der Ablehnung der Klauselerteilung wegen Nichtbestehens des materiellen Anspruchs könnte jedoch bei vollstreckbaren Urkunden eine Ausnahme zu machen sein, da sie im Gegensatz zu Urteilen weder der materiellen Rechtskraft fähig sind, noch (anders auch als Prozeßvergleiche) im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits zwischen den Parteien geschaffen wurden. Es greift auch nicht der bei Urteilen geltende Grund ein, daß eine materiellrechtliche Prüfung bereits in einem vorangegangenen Erkenntnisverfahren durch ein Gericht stattgefunden hat, weshalb die darüber ergangene gerichtliche Entscheidung nicht im nachfolgenden Klauselverfahren - noch dazu von einem nichtrichterlichen Organ - wieder obsolet gemacht werden darf. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß die Parteien in einem Streitverfahren zwar ihre Interessen auch ohne staatliche Hilfe mit ausreichendem Nachdruck vertreten werden; ob das der Schuldner aber bei einer Vollstreckungsunterwerfung ebenfalls tut, erscheint nicht in gleichem Maße sicher, denn immerhin wird die Unterwerfungserklärung typischerweise in ei246 247

Wobei es bei diesen Sachen wohl meist schon an der Vertretbarkeit i. S. d. § 91 BGB fehlt.

Ausgenommen wieder den oben behandelten Sonderfall, daß materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch den Titel zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO gemacht werden; siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

106

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

nem Klima der Harmonie erklärt und zu einer Zeit, in der keine Partei konkret mit dem Aufkommen von Streitigkeiten rechnet248.

a) Prüfungspflichten

nach Ansicht der Literatur

Die Literatur und die notarielle Praxis mißt bei der vollstreckbaren Urkunde denn auch dem Notar (ob dies auch für die anderen Klauselerteilungsorgane zu gelten hat, wird regelmäßig nicht erörtert) im Klauselverfahren in einem weiter als oben beschriebenen Umfang Prüfungsrechte und -pflichten bezüglich des materiellen Anspruchs bei. Die insoweit vertretenen Ansichten weichen allerdings in vielen Einzelheiten voneinander ab, beruhen häufig auf praktischen Erwägungen und lassen meist eine dogmatische Begründung vermissen249. Hervorgehoben sei jedoch die Ansicht von Münch, der für die Bestimmung des Prüfungsumfangs im Klauselverfahren eine dogmatische Begründung liefert und methodisch darauf abstellt, daß der Notar bei der Klauselerteilung in zwei verschiedenen Pflichtenkreisen tätig werde: einmal habe er die Prüfungspflichten zu beachten, die die Prozeßordnung an ihn herantrage, zum anderen die fur das Notariatswesen geltenden Amtspflichten 250. Das Prozeßrecht gebiete ihm - ebenso wie anderen Klauselerteilungsorganen auch - nur die Kontrolle, ob ein wirksamer Vollstreckungstitel vorliege und erlaube eine weitergehende Prüfung nur dann, wenn der Schuldner bei der Urkundenaufhahme die Zwangsvollstreckung ausdrücklich von bestimmten Bedingungen i. S. d. § 726 ZPO abhängig gemacht habe251. Das Dienstrecht des Notars erfordere dagegen in gewissen Grenzen eine Evidenzkontrolle hinsichtlich des Anspruchs(fort)bestandes zur Abwehr erkennbar unredlicher Zwecke252. Dies 248

Vgl. - allerdings in etwas anderem Zusammenhang - MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 203.

249

Vgl. hierzu den Überblick bei Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 213 ff.

250

Ausführlich: Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 222 ff. Ihm folgt im wesentlichen Olzen, DNotZ 1993,211 (217).

251

Nach der Auffassung von Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 232, folgt allerdings aus den Prozeßpflichten eine Ablehnungspflicht hinsichtlich der Klauselerteilung - gleiches gilt für eine Ablehnung des Vollstreckungsantrags durch die Zwangsvollstreckungsorgane (a. a. O., S. 249) - , wenn der Gläubiger zugesteht, wegen des materiellen Anspruchs bereits befriedigt zu sein [zustimmend insoweit Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (236 f); vgl. ebenso hinsichtlich einer Ablehnungspflicht der Vollstreckungsorgane OLG Köln, OLGZ 1988, 214 (216) m. w. N.; ähnlich auch bereits J. Blomeyer, Rpfleger 1969, 279 (282).]. Dem kann jedoch aus den oben genannten Gründen nicht gefolgt werden (s. o. 2. Kap. Β. I. 2. b) cc) (3), (4)): Will der Schuldner trotz Belehrung über die Möglichkeit einer Vollstreckungsgegenklage diese nicht erheben, so besteht kein Bedürfnis, ihn gegen seinen Willen zu schützen und die Anträge des Gläubigers abzulehnen. 252

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 222 f f und insbes. S. 241; ebenso KG, DNotZ 1991, 764 (764 f).

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

107

ergebe sich für die Klauselerteilung in erster Linie aus § 14 II BNotO und nicht aus § 4 BeurkG, da der Notar bei der eigentlichen Klauselerteilung nicht mehr im Rahmen eines Beurkundungsverfahrens tätig werde (arg. § 52 BeurkG), sondern die Klauselerteilung zu seinen sonstigen hoheitlichen Tätigkeiten gehöre253.

b) Stellungnahme Die Trennimg zwischen den beiden Pflichtenkreisen des Notars, den notariellen Pflichten aufgrund seiner Amtsstellung einerseits und den prozessualen andererseits, hat einiges für sich, insbesondere soweit es um die Pflichten des Notars bei der Beurkundung der Vollstreckungsunterwerfimg geht254. Sie führt aber im Rahmen des Klauselerteilungsverfahrens nicht zu einer Erweiterung der Prüfungskompetenzen hinsichtlich des materiellen Anspruchs. Der Notar ist nämlich - wie Münch zutreffend bemerkt255 - bei der Klauselerteilung zu einer vollstreckbaren Urkunde ebenso durch den Titel fremdbestimmt wie der Urkundsbeamte durch den Richterspruch: Nicht der Notar, sondern der Schuldner bestimmt durch seine Unterwerfungserklärung den Titelinhalt und damit auch, welche materiellen Gesichtspunkte im Klauselverfahren über § 726 ZPO noch Berücksichtigung finden sollen256. Ebenso wie bei anderen Titeln ist aber auch bei vollstreckbaren Urkunden die Kompetenzverteilung durch §§ 767, 795, 797 IV, V ZPO dahingehend geregelt, daß im übrigen die materiellrechtliche Forderung nur in einem auf Initiative des Schuldners durchgeführten Erkenntnisverfahren überprüft werden soll. Daran vermag auch § 14 II BNotO nichts zu ändern. Diese Vorschrift erfüllt im Bereich der Amtspflichten nämlich eine ähnliche Aufgabe wie das Gebot von Treu und Glauben im Prozeßrecht 257: Es soll die mißbräuchliche Ausnutzung rein formalen Vorgehens verhindert werden. Ebensowenig wie durch den Grundsatz von Treu und Glauben dürfen aber durch § 14 II BNotO die strukturellen Eigenheiten des Klauselverfahrens und des Rechtsbehelfssystems überspielt und dadurch Entscheidungen über materielle Ansprüche gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers (vgl. §§ 797 IV, 767 ZPO) in das Klausel verfahren eingeführt werden. Folglich müssen auch diese Fälle aus dem weitergehenden 253

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 224.

254

Hierzu ausführlich Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 192 ff.

255

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 229.

256

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 230.

257

Vgl. Seybold/Hornig, § 14 Rdnr. 19, der allerdings in Rdnr. 21 - anders als hier vertreten - von einer weitergehenden Prüfungskompetenz des Notars hinsichtlich des materiellen Anspruchs ausgeht.

108

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Bereich des § 14 II BNotO ausgeklammert werden258. Etwas anderes würde bei der vollstreckbaren Urkunde auch nur zu eine unverständlichen Diskrepanz hinsichtlich des Prüfungsumfangs bei der Klauselerteilung durch einen Notar einerseits und durch andere Klauselerteilungsorgane andererseits fuhren 259. Schließlich hängt doch die Schutz(un)würdigkeit des Schuldners nicht davon ab, ob zufällig fur die Klauselerteilung bei der vollstreckbaren Urkunde nach § 797 II 1 ZPO der Notar oder nach § 797 II 2 ZPO eine die Urkunde verwahrende Behörde zuständig ist. Bei vollstreckbaren Urkunden bestehen daher hinsichtlich des materiellen Anspruchs im Klauselerteilungsverfahren im Vergleich zu anderen Titeln keine weitergehenden Prüfungspflichten und -befugnisse.

IL Berücksichtigung des materiellen Anspruchs im Vollstreckungsverfahren 1. Grundsätzliches zum Prüfungsumfang im Vollstreckungsverfahren

Die Vollstreckungsorgane prüfen 260 vor der Durchfuhrung eines Vollstrekkungsaktes grundsätzlich nur das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für das Vollstreckungsverfahren (das sind neben Zuständigkeit und Antrag einer durch Vollstreckungsklausel oder -titel legitimierten Person das Vorliegen der allgemeinen Prozeßvoraussetzungen261), die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (also ob der Titel nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeignet und mit einer Vollstreckungsklausel versehen262, sowie die Zustellung erfolgt ist), die besonderen Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen der §§ 751, 756, 765 ZPO, das Fehlen von Vollstreckungshindernissen (insbesondere nach § 775 ZPO) sowie die Voraussetzungen für den jeweiligen Vollstreckungsvorgang (vgl. z. B. §§ 808 ff; §§ 828 ff; §§ 864 ff ZPO). Keine Voraussetzung für das Tätigwerden der Vollstreckungsorgane ist nach ganz h. M. dagegen das Bestehen bzw. Fortbestehen des materiellen Anspruchs263. 258

Ähnlich wie hier, jedoch fur eine Berücksichtigung des Fehlens des materiellen Anspruchs, in dem einen Ausnahmefall, daß der Gläubiger zugesteht, wegen des materiellen Anspruchs befriedigt zu sein, Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (236). 259

Zur Zuständigkeit siehe 2. Kap. Β. I. 1. b).

260

Vgl. insoweit statt aller: Thomas/Putzo, vor § 704 Rdnr. 38 ff; Zöller/Stöber, vor § 704 Rdnr. 13 ff.

261

Vgl. statt aller: Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 23 (S. 288 ff), Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 18 ff, sowie unten 3. Kap. B. II. mit Fußn. 135.

262

BGH, NJW 1992,2160(2161).

263

Statt aller: Thomas/Putzo, vor § 704 Rdnr. 50; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 154; Rosen-

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

109

Dies hat seinen Grund in der oben beschriebenen Kompetenzverteilung und der aus dem Dispositionsgrundsatz folgenden Initiativlast des Schuldners sowie dem Formalisierungsprinzip 264, zu dessen eigentlichen Anwendungsbereich das Vollstreckungsverfahren ja gehört: Der materielle Anspruch ist im Titel und dessen Vollstreckbarkeit durch die Vollstreckungsklausel formalisiert, so daß die Grundlage für den Vollstreckungsvollzug gelegt ist 265 .

2. Möglichkeit der Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

Grundsätzlich kann nach dem zuvor Gesagten der materiellrechtliche Anspruch von den Vollstreckungsorganen nicht beachtet werden. Eine gewisse Ausnahme gilt jedoch für Fälle, in denen die Fälligkeit bzw. Durchsetzbarkeit des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages bzw. einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung des Gläubigers abhängig ist. Diese Umstände sind von den Vollstreckungsorganen nach §§ 751 I, 756, 765 ZPO zu beachten - allerdings auch hier 266 nur dann, wenn diese materiellrechtlich erheblichen Umstände durch die Unterwerfungserklärung (bzw. den prozessualen Anspruch, auf den sie sich bezieht) zu vollstreckungsrechtlich erheblichen Tatsachen erklärt wurden bzw. hiervon im Wege der Auslegung auszugehen ist. Vereinzelt 267 wird jedoch immer wieder postuliert, das materielle Recht müsse in Ausnahmefällen auch darüber hinaus beim Vollstreckungsvollzug von Amts wegen berücksichtigt werden und in evidenten Fällen des Fehlens des materiellen Anspruchs zur Einstellung bzw. Ablehnung der Zwangsvollstreckung fuhren. Hiergegen sprechen jedoch dieselben Argumente, die auch schon gegen eine Prüfung der materiellrechtlichen Forderung im Klauselerteilungsverfahren gesprochen haben: die Vollstreckungsorgane sind aufgrund ihrer amtsrechtlichen Stellung ebenso an die Verfassung gebunden wie die Klauselerteilungsorgane und müssen daher ebenso wie diese gem. § 139 ZPO den Schuldner bei einem drohenden Mißbrauch des Titels durch den Gläubiger über die Möglichkeiten einer Vollstreckungsgegenklage bzw. des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 769 ZPO belehren268. Da der Schuldner somit berg/Gaul/Schilken, ZPR, § 5 IV 1 (S. 45). Für die vollstreckbare Urkunde: Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 49. 14 - 16; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 244 (m. w. N. in Fußn. 277 ff). 264

Siehe oben 1. Kap. A.

265

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 245.

266

Vgl. zur entsprechenden Situation bei der Klauselerteilung oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

267

Vgl. etwa LG Traunstein, NJW 1963, 55 (56); AG Wattenscheid, DGVZ 1971, 94 (95 f); AG Braunschweig, DGVZ 1975, 12; Schneider, DGVZ 1977, 129 (132); umfangreiche Nachweise bei Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 247 Fußn. 292.

110

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

über seine rechtlichen Möglichkeiten belehrt wird, besteht aber auch im Vollstreckungsverfahren kein Bedürfnis von der Kompetenzverteilung des Vollstreckungsrechts, die die Prüfung des materiellen Anspruchs ausschließlich den Prozeßgerichten zuweist (§ 767 I ZPO i. V. m. § 797 IV, V ZPO), und der Initiativlast des Schuldners abzuweichen. Für eine Ablehnung der Zwangsvollstreckung in evidenten Fällen des Fehlens des materiellen Anspruchs läßt sich auch nicht ins Feld fuhren, das Vollstreckungsorgan habe ansonsten ebenfalls bei evidenten Fällen die Zwangsvollstreckung einzustellen. Als solche evidenten Fälle ließe sich freilich einerseits die Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Vorlage von Urkunden i. S. d. § 775 Nr. 4, 5 ZPO anfuhren, andererseits das Unterlassen einer Pfändung von Sachen, die sich zwar im Gewahrsam des Schuldners befinden, aber ganz offensichtlich im Eigentum eines Dritten stehen269. In beiden Fallgruppen soll nämlich nicht nur der Schuldner bzw. ein Dritter geschützt, sondern auch der Gläubiger davor bewahrt werden, ohne Not das Kostenrisiko einer Vollstreckungsgegen- bzw. Drittwiderspruchsklage 270 tragen zu müssen. In beiden Fällen ist die Einstellung der Zwangsvollstreckung daher auch nur eine vorläufige (vgl. § 776 S. 2 ZPO fur die Fälle der § 775 Nr. 4, 5 ZPO) und auf ausdrückliches Verlangen des Gläubigers nach h. M. 271 fortzusetzen 272. Die Ablehnung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsorgan wegen evidenten Fehlens des materiellen Anspruchs hätte aber im Gegensatz dazu (ebenso wie im Klausel verfahren 273) zur Folge, daß der Gläubiger - selbst wenn er unter Inkaufnahme des Risikos einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners den Eintritt der Umstände bestreitet, aus denen angeblich evident das Fehlen des Anspruchs folgt - keine zügige Durchfuhrung der Zwangsvollstreckung mehr erreichen kann. Deshalb darf aus § 775 Nr. 4, 5 ZPO nicht gefolgert werden, die Vollstreckungsorgane dürften auch gegen den erklärten 268

Siehe genauer oben 2. Kap. Β. I. 2. b) cc) (3).

269

Vgl. zu diesen Fällen statt aller: Zöller/Stöber, § 808 Rdnr. 3; Thomas/Putzo, § 808 Rdnr. 8, 9; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 259, 1204.

270

Für die Vorlage von Urkunden i. S. d. § 775 Nrn. 4, 5 ZPO siehe bereits oben 2. Kap. Β. I. 2. b) cc) (4); Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 257.

271

Für die Fälle der Vorlage einer Urkunde i. S. d. § 775 Nrn. 4, 5 ZPO vgl. etwa Thomas/Putzo, § 775 Rdnr. 17; Stein/Jonas/Münzberg, § 775 Rdnr. 32.

Für die Fälle des evidenten Dritteigentums vgl. § 119 Nr. 2 S. 2 G VGA; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 51 I 1 c (S. 601); Zöller/Stöber, § 808 Rdnr. 3. 272

Indem der Gläubiger auf seinem Pfandungsauftrag beharrt und Anspruchsuntergang bzw. Drittrecht bestreitet, zeigt er, daß er das Risiko einer Vollstreckungsgegen- bzw. Drittwiderspruchsklage in Kauf nehmen will. Dann soll aber auch dem sichernden Zugriff nichts mehr im Wege stehen; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 257. 273

Siehe hierzu oben 2. Kap. Β. I. 2. b) cc) (4).

Β. Berücksichtigung des materiellen Anspruchs

111

Willen des Gläubigers wegen (angeblich) evidenten Fehlens des materiellen Anspruchs die Durchfuhrung der Zwangsvollstreckung verweigern. Schließlich läßt sich auch dem § 765 a ZPO keine Befugnis der Vollstrekkungsorgane entnehmen, die Vollstreckung bei offensichtlicher Nichtexistenz des materiellen Anspruchs abzulehnen. Einerseits fällt der offenkundige Anspruchsuntergang nach ganz h. M. 274 nicht unter § 765 a I ZPO. Andererseits läßt sich aus § 765 a ZPO auch nicht ableiten, der Gerichtsvollzieher sei im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu einer umfassenden Interessenabwägung befugt und müsse daher in den vorgenannten Fällen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die Zwangsvollstreckung ablehnen275. Denn zum einen kann dieser Grundsatz weder die Zuständigkeit der Vollstreckungsorgane für die Prüfung des materiellen Anspruchs schaffen, noch den Schuldner von seiner Initiativlast entbinden276. Zum anderen gibt § 765 a ZPO dem Gerichtsvollzieher keine endgültige Befugnis, die Vereinbarkeit einer Vollstreckungsmaßnahme mit den guten Sitten zu beurteilen. Gem. § 765 a II ZPO kann er nämlich lediglich die Herausgabevollstreckung (i. S. d. §§ 883 - 885 ZPO) um eine Woche aufschieben, wenn dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war. Gerade diese zeitlich und sachlich enge Beschränkung der Kompetenz, die ohnehin Ausnahmecharakter hat, spricht gegen eine Berücksichtigung auch evidenter Fälle des Anspruchsuntergangs durch die Vollstreckungsorgane. Ebenso wie die Klauselerteilungsorgane müssen jedoch die Vollstrekkungsorgane die Tätigkeit verweigern, wenn die titulierte Rechtsfolge selbst gesetz- und sittenwidrig ist, denn an Gesetz- und Sittenwidrigem mitzuwirken ist ihnen schon aus originären Gründen aufgrund ihrer Amtsstellung unmittelbar verboten277. Diese Fälle stellen aber keine Ausnahme von dem Grundsatz dar, daß der materielle Anspruch von den Vollstreckungsorganen nicht278 zu beachten ist, denn sie müssen ihre Tätigkeit nur deshalb verweigern, weil die mit der Zwangsvollstreckung verfolgte Zustandsänderung gesetzlich verboten ist 279 , nicht jedoch weil es (wegen §§ 134, 138 BGB zwangsläufig) an einem wirksamen Anspruch fehlt. 274

Vgl. OLG Hamburg, M D R 1970, 426; OLG Koblenz, NJW 1957, 1197 m. w. N.; LG Frankenthal, Rpfleger 1984, 68 (69); Stein/Jonas/Münzberg, § 765 a Rdnr. 8; Zöller/Stöber, § 765 a Rdnr. 14; Thomas/Putzo, § 765 a Rdnr. 5; Wieczorek, § 765 a, Anm. A I I a.

275

So aber anscheinend Schneider, DGVZ 1977, 129 (131).

276

Siehe zu diesen Argumenten bereits oben 2. Kap. Β. I. 2. b) cc) (3).

277

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 262.

278

Ausgenommen wieder der Sonderfall, daß materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch den Titel zu vollstreckungsrechtlich erheblichen erklärt werden, so bei §§ 751 I, 756, 765 ZPO; siehe oben in diesem Abschnitt.

112

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

III. Zwischenergebnis Das materielle Recht findet auch bei der vollstreckbaren Urkunde im Klausel-280 und Vollstreckungsverfahren nur über den "Umweg" Berücksichtigung, daß der Schuldner durch die Unterwerfungserklärung bzw. den prozessualen Anspruch materiellrechtlich erhebliche Tatsachen zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. §§ 726 I, 751 I, 756, 765 ZPO erklärt. Ansonsten können die Klauselerteilungs- und Vollstreckungsorgane auch dann ihre Tätigkeit nicht verweigern, wenn evident ist, daß der materielle Anspruch nicht (mehr) besteht.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe Oben281 wurde bereits ausgeführt, daß der Prüfungsumfang im Rahmen der verfahrensinternen Rechtsbehelfe kongruent ist mit der Prüfungskompetenz des zuständigen Organs in dem zu überprüfenden Verfahrensabschnitt. Es ergab sich ferner, daß die Klauselerteilungs- und Zwangsvollstreckungsorgane materielles Recht nur mittelbar beachten können. Im Klauselerteilungsverfahren findet es - neben den hier nicht weiter interessierenden Fällen der titelumschreibenden Klauseln (§§ 727, 728, 729, 738, 742, 744, 745 II, 749 ZPO)282- Berücksichtigung lediglich unter der Voraussetzung, daß die noch nicht eingetretenen materiellrechtlichen Umstände durch die Unterwerfungserklärung (bzw. den prozessualen Anspruch, auf den sie sich bezieht) zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO erklärt wurden. Die Vollstreckungsorgane können sogar nur prüfen, ob ausweislich des titulierten (prozessualen) Anspruchs die Fälligkeit vom Eintritt eines Kalendertages (vgl. § 751 I ZPO) bzw. die Durchsetzbarkeit von einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung des Gläubigers (vgl. §§ 756, 765 ZPO) abhängig ist. Darüber hinaus wird der Eintritt dieser Umstände nicht mit allen Beweismitteln umfassend geprüft, sondern nur dahin gehend, ob er ordnungsgemäß nachgewiesen wurde. Die Überprüfung des materiellen Rechts durch die Klauselerteilungs- und Zwangsvollstreckungsorgane ist damit in zweifacher Weise beschränkt. Zum einen ist eine Prüfung (im Rahmen der hier interessierenden § 726 I ZPO bzw. §§ 751 I, 756, 765 ZPO) nur über den "Umweg" möglich, daß die materiellrechtlich erheblichen Tatsachen durch die Unter279

Genauer siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) cc) (5).

280

Von den hier nicht weiter interessierenden §§ 727 - 729, 738, 742, 744, 745 II, 749 ZPO einmal abgesehen; siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (3).

281

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. c).

282

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (3).

113

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

werfiingserklärung zu vollstreckungsrechtlich erheblichen erklärt wurden; zum anderen stehen als Prüfungsmittel nur urkundliche Nachweise283 zur Verfugung. Wegen der Kongruenz des Prüfungsumfanges ist in gleicher Weise auch die Überprüfungsmöglichkeit des materiellen Rechts mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen beschränkt. Sie sind daher bei Mängeln des materiellen Anspruchs nur in den zuvor erwähnten Fallgruppen einsetzbar284.

I. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Schuldners zur Geltendmachung materiellrechtlicher Mängel 1. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Klauselerteilungsverfahrens

Nach dem zuvor Gesagten kann der Schuldner Mängel des materiellen Anspruchs mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen des Klauselverfahrens nur insoweit geltend machen, als es um den Nichteintritt von Umständen geht, die Voraussetzung für Entstehung, Fällig- oder Durchsetzbarkeit des materiellen Anspruchs sind und zugleich (was ggf. im Wege der Auslegung zu ermitteln ist 285 ) zu VollstreckbarkeitsVoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO erhoben wurden.

a) Die in Betracht kommenden verfahrensinternen

Rechtsbehelfe

Als verfahrensinterner Rechtsbehelf gegen die Klauselerteilung kommt nach heute h. M. 286 ausschließlich die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO in 283

Eine Nachweispflicht entfallt allerdings ausnahmsweise im Fall des § 726 I ZPO bei Offenkundigkeit und ausdrücklichem Zugeständnis des Schuldners (h. M.; vgl. statt aller Thomas/Putzo, § 726 Rdnr. 6 m. w. N.) und bei § 756 ZPO, wenn der Gerichtsvollzieher die Gegenleistung selbst anbietet, sowie (naturgemäß) im Fall des § 751 I ZPO.

284

Die verfahrensinternen Rechtsbehelfe kommen hauptsächlich zur Anwendung, wenn der Vollstreckungstitel selbst unwirksam ist (die verfahrensinternen Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens darüber hinaus natürlich in den im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter interessierenden Fällen der Überprüfung des jeweiligen Vollstreckungsvorganges). Trotz der nur beschränkten Ersetzbarkeit bei Mängeln des materiellen Anspruchs wird im folgenden die Systematik der verfahrensinternen Rechtsbehelfe bereits an dieser Stelle behandelt. 285

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

286

OLG Karlsruhe, Rpfleger 1983, 118; OLG Stuttgart, MDR 1984, 591; OLG Celle, AnwBl 1984, 215 (216); OLG Stuttgart 1986, 549; OLG Hamm, Rpfleger 1990, 287; LG Frankenthal, Rpfleger 1983, 31; ausführlich Baltzer, DRiZ 1977, 228 (229 ff); Schneider, JurBüro 1978, 1118; Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 4; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 732 Rdnr. 6; Stein/Jonas/Münzberg, § 732 Rdnr. 9; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 17 III 2 d (S. 222); Wetzel, JuS 1990, 198 (200); Renkl, JuS 1981, 514(518).

8 Schultheis

114

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Betracht. Sie sei die speziellere Norm im Vergleich zu den beiden anderen, zumindest theoretisch noch in Betracht kommenden Rechtsbehelfen nach § 576 I ZPO (bei Zuständigkeit des Urkundsbeamten) und § 11 RPflG (bei Zuständigkeit des Rechtspflegers). Hierfür spricht bereits, daß bei einem Vorrang von § 576 I ZPO bzw. § 11 RPflG im Falle gerichtlicher Zuständigkeit zur Klauselerteilung § 732 ZPO nur noch dann anwendbar wäre, wenn der Richter über die Klauselerteilung entscheidet. Dessen Zuständigkeit beschränkt sich aber lediglich auf die Fälle der §§ 5 ff RPflG sowie die Klauselerteilung bei erfolgreicher (erstinstanzlicher) Erinnerung des Gläubigers gegen die Ablehnung der vollstreckbaren Ausfertigung 287. § 732 ZPO wäre damit seines wesentlichen Anwendungsbereichs beraubt. Für einen Vorrang wenigstens des § 11 RPflG 288 ließe sich allerdings der Satz lex posterior derogat legi priori anfuhren. Hiernach würde die Rechtspflegererinnerung als die später erlassene Vorschrift die Klauselerinnerung verdrängen. Eine solche Argumentation übersieht jedoch, daß nach den Regeln der temporalen Normenkollision die zeitlich jüngere Vorschrift dann nicht die ältere verdrängt, wenn diese spezieller ist (lex posterior generalis non derogat legi priori speciali)289. Dies aber ist im Verhältnis zwischen § 732 ZPO und § 11 RPflG der Fall: Während § 11 RPflG jede Tätigkeit des Rechtspflegers betrifft, gilt § 732 ZPO (speziell) für den Fall der Klauselerteilung. Doch selbst wenn man § 732 ZPO nicht als den spezielleren Rechtsbehelf gegenüber § 11 RPflG ansieht290, so muß man doch aus Rechtsschutzgründen von einem Vorrang des § 732 ZPO ausgehen291: Will der Richter einer Erinnerung nach § 11 RPflG nicht stattgeben, so braucht er die Sache (nur) dem Beschwerdegericht vorzulegen (§ 11 II 4 RPflG). Eine Begründung für seine Auffassung muß der Richter dagegen nicht kundtun. In der Regel genügt der lapidare Satz "Ich helfe nicht ab". Ob eine genaue Prüfung vorgenommen wurde oder sich der Richter lediglich auf die formale Weiterleitung beschränkt hat, wird nicht erkennbar 292. Zumindest aber erhält der Schuldner 287

Siehe hierzu unten 2. Kap. C. II. 1. a).

288

Hierfür etwa L A G Hamm, M D R 1971, 612 (612 f m. w. N.); OLG Karlsruhe, Rpfleger 1977, 453 m. w. N.; OLG Hamburg, FamRZ 1981, 980; Wieczorek, § 732 Anm. C.

289

Baltzer, DRiZ 1977, 228 (232); Renck, JZ 1970, 770 m. w. N. und fur das Verhältnis zwischen § 766 ZPO und § 11 RPflG Neumüller, Vollstreckungserinnerung, S. 98.

290

Dies ließe sich etwa damit begründen, daß vom Verhältnis der Spezialität zweier Vorschriften streng genommen nur ausgegangen werden kann, "wenn der Anwendungsbereich der spezielleren Norm völlig in dem der allgemeineren Norm aufgeht, wenn also alle Fälle der spezielleren Norm auch solche der allgemeineren Norm sind", vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 267 und zum Problem der Abgrenzung zwischen § 766 ZPO und § 11 RPflG Kunz, Erinnerung und Beschwerde, S. 291.

291

Vgl. Baltzer, DRiZ 1977, 228 (230); Neumüller, Vollstreckungserinnerung, S. 98 f, für das Verhältnis von § 766 ZPO zu § 11 RPflG.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

115

keine schriftlich fixierte Begründung und erfährt im Falle der Ablehnung nicht, warum gegen seinen Antrag entschieden wurde. Erst das sich anschließende (gerichtsgebührenpflichtige) Beschwerdeverfahren fuhrt zu einer (ersten) richterlich begründeten Entscheidung. Eine zweite kann er nicht mehr erreichen, da wegen § 568 II ZPO der Weg einer weiteren Beschwerde verschlossen ist. Anders dagegen bei der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO: hier erreicht der Schuldner bereits in erster Instanz (gerichtsgebührenfrei 293) eine Entscheidung mit richterlicher Begründung und im Falle einer Beschwerde nach § 567 ZPO hiergegen sogar eine zweite. Somit gewährt § 11 RPflG nicht denselben Rechtsschutz wie eine Erinnerung nach § 732 ZPO, weswegen letzterer der Vorrang einzuräumen ist. Insgesamt läßt sich somit feststellen, daß als verfahrensinterner Rechtsbehelf gegen die Klauselerteilung ausschließlich § 732 ZPO in Betracht kommt294. Die Klauselerinnerung hat den Zweck, dem Schuldner nachträglich das ihm zunächst vorenthaltene rechtliche Gehör (vgl. § 730 ZPO) zu gewähren (Art. 103 I GG)295. Sie soll darüber hinaus innerhalb derselben Instanz aufgrund der Einwendungen des Schuldners einen Weg zur Überprüfung und ggf. zur Korrektur einer bereits getroffenen gerichtlichen Maßnahme oder Entscheidung eröffnen. Schließlich soll sie den Vorrang der richterlichen Entscheidung ermöglichen296. Zuständig ist gem. § 797 III, I ZPO bei gerichtlichen (und konsularischen297) Urkunden das Amtsgericht, das die Vollstrekkungsklausel erteilt hat, bei notariellen Urkunden gem. § 797 III ZPO das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat298 und bei Jugendamtsurkunden gem. § 60 I 3 Nr. 2 SGB VIII das fur das Jugendamt zuständige Amtsgericht.

292

Die Erhöhung des Geschäftsanfalls bei den Beschwerdegerichten seit Einführung der Durchgriffse rinne rung spricht eher für letzteres (vgl. Gaul, ZZP 85 (1972), 251 (278)). 293

Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 18.

294

Streitig, aber im Rahmen dieser Arbeit nicht näher zu erörtern ist, inwieweit das Klauselerteilungsorgan der Erinnerung abhelfen kann. Vgl. hierzu den Überblick über den Meinungsstand bei Barkam, Erinnerung und Klage, S. 23 ff; Baltzer, DRiZ 1977, 228 ff.

295

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 732 Rdnr. 1.

296

Palm, Rpfleger, 1967, 365 (367).

297

Bei konsularischen Urkunden wird die vollstreckbare Ausfertigung vom Amtsgericht BerlinSchöneberg erteilt, siehe oben 2. Kap. B. I. 1. b).

298

Das Amtsgericht ist selbst dann für die Entscheidung über die Erinnerung nach § 732 ZPO zuständig, wenn der in der notariellen Urkunde titulierte Anspruch, würde er streitig geltend gemacht, zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gehörte, denn § 797 I I I ZPO erklärt ausdrücklich die Amtsgerichte für zuständig (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 18; Schuschke, § 797 Rdnr. 9; Münzberg, ZZP 87 (1974), 449 (453)).

8*

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

116

b) Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt Streitig ist, ob Gründe, die nach der Erteilung der Klausel entstanden sind, auf den Erfolg der Klauselerinnerung Einfluß haben. Wie ist zu entscheiden, wenn im Zeitpunkt der Klauselerteilung die Klausel nicht hätte erteilt werden dürfen, weil es an einem urkundlichen Nachweis i. S. d. §§ 726 ff ZPO fehlte, der Gläubiger aber nun im Erinnerungsverfahren diese Urkunden nachreicht? Oder was gilt im umgekehrten Fall, wenn die Klausel seinerzeit zwar ordnungsgemäß erteilt wurde, im Zeitpunkt der Erinnerungsentscheidung aber nicht mehr hätte erteilt werden dürfen, weil die Vollstreckbarkeit inzwischen weggefallen ist? Nach heute h. M. 299 ist der Zeitpunkt der Erinnerungsentscheidung maßgebend, weil das Gericht so zu entscheiden habe, wie das für die Klauselerteilung zuständige Organ im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung richtigerweise zu entscheiden hätte. Nach anderer Ansicht300 kommt es dagegen auf die Zulässigkeit der Klausel im Zeitpunkt der Klauselerteilung an, da die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung als Hoheitsakt nicht nachträglich wirksam werden könne. Sie bleibe vielmehr unwirksam, weil es im Rahmen der §§ 726 ff ZPO nicht auf den Eintritt bestimmter Tatsachen, sondern auf den Nachweis durch besondere Beweismittel ankomme. Die besseren Gründe sprechen für die erstgenannte Ansicht. Ließe man mit der zuletzt genannten Auffassung Umstände, die nach der Klauselerteilung eingetreten sind, unberücksichtigt, so stünde dies im Widerspruch zu § 570 ZPO301, wonach die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden kann. Dies muß für das Erinnerungsverfahren, dem sich ja ein Beschwerdeverfahren anschließen kann, gleichfalls gelten. Das Klauselerteilungsverfahren ist mit der Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht abgeschlossen, vielmehr setzt sich die Rechtmäßigkeitsprüfung hinsichtlich der Klausel im Verfahren nach § 732 ZPO einschließlich des Rechtsmittelzugs fort. Folglich ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der der gerichtlichen Entscheidimg und nicht der der Klauselerteilung. Eine Abweichung vom Grundsatz des § 570 ZPO läßt sich auch nicht daraus herleiten, daß es bei §§ 726 ff ZPO nicht um den Eintritt von Tatsachen, sondern um den Nachweis ihres Eintritts durch besondere Beweismittel geht; denn bei dem Nach299 KG, NJW-RR 1987, 3 (4); Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 15; Thomas/Putzo, § 732 Rdnr. 7; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 732 Rdnr. 4; Schuschke, § 732 Rdnr. 9; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 58.9; Jansen, BeurkG, § 52 Rdnr. 39; Stein/Jonas/Münzberg, § 732, Rdnr. 9 mit Fußn. 25. 300 RGZ 81, 299 (302); OLG Nürnberg, M D R 1960, 318 (318 f); wohl auch MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 732 Rdnr. 2 a. E. 301

KG, NJW-RR 1987, 3 (4).

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

117

weis des Eintritts von Tatsachen durch besondere Beweismittel bleibt es auch dann, wenn diese erst in einer Rechtsmittelinstanz vorgelegt werden302. Für die h. M. sprechen schließlich auch Sinn und Zweck der Klauselerinnerung: Mit ihr soll nicht ein bestimmtes Verhalten der klauselerteilenden Stelle sanktioniert werden. Aus diesem Grund ist ihr Erfolg auch unabhängig von einem Verschulden des Klauselerteilungsorgans. Die Klauselerinnerung dient - als Fortsetzung des Klauselerteilungsverfahrens - derselben Aufgabe wie das urkundliche Klauselerteilungsverfahren, nämlich entweder durch die Klauselerteilung den Vollstreckungsorganen ein Zeugnis über die Vollstreckbarkeit des Titels zu geben und dem Gläubiger so die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen oder den Schuldner vor einer Zwangsvollstreckung ohne vollstreckungsfähigen Titel zu schützen303. Maßgeblich, um dieser Schutzfunktion gerecht zu werden, ist aber nicht die Frage, wie sich die Sach- und Rechtslage vormals im urkundlichen Klauselerteilungsverfahren darstellte, sondern wie sie sich jetzt im Beurteilungszeitpunkt des Gerichts zeigt. Ein anderer Beurteilungszeitpunkt wäre auch prozeßunökonomisch, denn zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen könnten nicht berücksichtigt werden. Der Schuldner müßte dasselbe Rechtsbehelfsverfahren noch einmal neu durchführen, wenn lediglich im Zeitpunkt der Klauselerteilung die Erteilungsvoraussetzungen vorlagen, diese aber später wegfielen, bzw. im umgekehrten Fall müßte der Gläubiger erneut eine Klausel beantragen, wenn das Gericht - ungeachtet dessen, daß nun die Erteilungsvoraussetzungen vorliegen - wegen deren anfänglichen Fehlens die Zwangsvollstreckung aus der Klausel fur unzulässig zu erklären hätte.

c) Der bei § 732 ZPO geltende Prüfungsumfang aa) Meinungsstand Nach h. M. stellt die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO einen umfassenden Rechtsbehelf gegen die Klauselerteilung dar und ist bei Erfolg geeignet, über §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO die Zwangsvollstreckung zu verhindern. Einhellig wird angenommen, daß Einwendungen, die den materiellen Anspruch selbst betreffen, die Erinnerung nicht begründen können, da § 732 ZPO vorwiegend dazu diene, das Fehlen der formellen Voraussetzungen für die Erteilung der Klausel geltend zu machen304. Zu den mit § 732 ZPO geltend zu machenden 302

KG, NJW-RR 1987, 3 (4.).

303

Zur Zeugnis- und Schutzfunktion des Klauselverfahrens siehe oben 1. Kap. A.

304

Statt aller: Thomas/Putzo, § 732 Rdnr. 7; Stein/Jonas/Münzberg, § 732 ZPO Rdnr. 3; Baur/Stür-

118

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Rügen der formellen Voraussetzungen werden Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit des Titels (z. B. wegen dessen Unwirksamkeit oder Unbestimmtheit) ebenso gerechnet wie der Einwand, der Nachweis der Rechtsnachfolge oder des Eintritts einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung sei nicht ordnungsgemäß durch öffentliche Urkunden geführt worden. Darüber hinaus wird jedoch überwiegend aus einem Umkehrschluß aus § 768 ZPO a. E. gefolgert, mit § 732 ZPO könne auch gerügt werden, der in den Fällen der §§ 726 I, 727 729, 738, 742 744, 745 II, 749 ZPO als bewiesen angenommene Eintritt der Voraussetzungen für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung liege tatsächlich nicht vor (der Bedingungseintritt oder die Rechtsnachfolge sei also entgegen dem durch öffentliche Urkunden erbrachten Nachweis tatsächlich nicht eingetreten usw.). Bezüglich dieser Einwendungen habe der Schuldner ein Wahlrecht zwischen § 732 und § 768 ZPO305. Folgt man dieser Auffassung, so können Mängel des materiellen Anspruchs mit § 732 ZPO zwar nicht im Regelfall geltend gemacht werden. Ausnahmen davon wären jedoch nach dem zuvor Gesagten in zwei Fällen möglich: Zum einen kann - da nach h. M. der materielle Anspruch Unterwerfungsgegenstand ist und im Falle von aufschiebenden Bedingungen oder aufschiebend unbestimmten Befristungen des materiellen Anspruchs folglich automatisch das qualifizierte Klauselerteilungsverfahren nach § 726 I ZPO stattzufinden hat306 - mit § 732 ZPO der Nichteintritt der Bedingung des materiellen Anspruchs oder der fehlende Fristablauf geltend gemacht werden307, selbst ner, ZVR, Rdnr. 271; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 17 III 2 a (S. 220); Jauernig, ZVR, § 5 V 2 (S. 27 f); Wetzel, JuS 1990, 198 (200); Saenger, JuS 1992, 861 (863). 305

Statt vieler Stein/Jonas/Münzberg, § 732 Rdnr. 6; Thomas/Putzo, § 732 Rdnr. 8; MünchKommZPO/ Schmidt, § 768 Rdnr. 4; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 278; OLG Düsseldorf, FamRZ 1978, 427 (428); Saenger, JuS 1992, 861 (863); Renkl, JuS 1981, 514 (518); Lippross, Vollstrekkungsrecht, S. 24.

306

Nach der hier vertretenen Auffassung findet das qualifizierte Klauselerteilungsverfahren gem. § 726 I ZPO nur dann statt, wenn zumindest die Auslegung des Titels ergibt, daß die für Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs materiellrechtlich erheblichen Tatsachen zugleich auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO sein sollen. Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1). 307

Etwas anderes gilt nach h. M. nur in den Fällen, in denen der Schuldner im Rahmen der Unterwerfungserklärung auf den Nachweis des Bedingungs- oder Fristeintritts verzichtet hat. Die h. M. mißt ja dem sogenannten Nachweisverzicht konstitutive Wirkung bei (siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1)). Ist aber dieser Nachweisverzicht aus materiellen Gründen - insbesondere wegen eines Verstoßes gegen das AGBG - unwirksam, so kann auch dies nach wohl h. M. einer Klauselerinnerung zum Erfolg verhelfen (vgl. OLG Celle, NJW-RR 1991, 1151 (1152)). Denn in diesen Fällen wäre j a - wurde die materielle Unwirksamkeit der Nachweisverzichtserklärung im Klauselerteilungsverfahren nicht erkannt - die Vollstreckungsklausel unter Verstoß gegen § 726 ZPO erteilt worden. Auch im Falle einer unwirksamen Nachweisverzichtserklärung ist es demgemäß nach h. M. möglich, mit der Klauselerinnerung zu rügen, eine aufschiebende Bedingung des materiellen Anspruchs sei noch nicht eingetreten bzw. eine aufschiebend unbestimmte Befristung sei noch nicht abgelaufen, so daß die Klausel noch nicht habe erteilt werden dürfen. (Anders dagegen nach

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

119

wenn diesbezüglich ein dahin gehender Nachweis in einem qualifizierten Klauselverfahren erbracht worden war. Zum anderen kann in den Fällen der Rechtsnachfolge oder sonstiger Umstände, aufgrund derer der Anspruch durch eine angeblich nach der Titulierung eingetretene Veränderung auch von bzw. gegenüber einer nicht im Titel, wohl aber in der qualifizierten Klausel genannten Person geltend gemacht können werden soll, nach der h. M. nachgeprüft werden, ob der bei der Klauselerteilung erbrachte urkundliche Nachweis auch der tatsächlichen materiellen Rechtslage entspricht. Diese Auffassung der h. M. ist auf Kritik gestoßen308. Da für materielle Einwendungen gegen die Klauselerteilung bereits die Klauselgegenklage nach § 768 ZPO zur Verfügung stehe, sei es nicht sinnvoll, hierfür zusätzlich noch das Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO zu eröffnen. Dies führe nur zu prozeßunökonomischen Überschneidungen. Im Rahmen des § 732 ZPO sei daher die Prüfung auf die formellen Klauselerteilungsvoraussetzungen beschränkt und erstrecke sich nicht auf die Übereinstimmung von urkundlichem Nachweis und tatsächlicher Rechtslage.

bb) Stellungnahme Es spricht viel dafür, im Rahmen des Klauselerinnerungsverfahrens nur formelle Rügen zuzulassen. Das Klauselerteilungsorgan hat die titelergänzende bzw. titelübertragende Klausel ja bereits dann zu erteilen, wenn der Bedingungseintritt oder der Übergang der Sach- und Verfügungsbefugnis durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen (oder offenkundig) ist. In diesem Fall muß die Klausel erteilt werden, wenn die Beweiskraft der Urkunden hierfür ausreicht - mag auch das Klauselerteilungsorgan persönlich Zweifel daran haben, ob die urkundlich nachgewiesenen Umstände tatsächlich eingetreten sind -, denn die "Vornahmezulässigkeit"309 ist gegeben. Mit dem Einwand, der urkundliche Nachweis entspreche nicht der wirklichen Sach- und Rechtslage, rügt dagegen der Schuldner die "Ergebnisunzulässigkeit" 310 . Dies ist aber in den Fällen, in denen es nicht zugleich auch an der der hier vertretenen Auffassung, wonach die Unwirksamkeit des Nachweisverzichts als Bestandteil der Unterwerfungserklärung von den Klauselerteilungsorganen nicht zu beachten ist und auch nicht mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden kann. Siehe hierzu oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4) (d) mit Fußn. 190 und unten 3. Kap. A. II. 4.; 3. Kap. Β. I.; 3. Kap. D. I. vor 1. mit Fußn. 141.) 308

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 17 III 1 (S. 219 f); Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 58.3; ders., in: MünchKommZPO, § 732 Rdnr. 1 u. 2, § 726 Rdnr. 34; Gaul ZZP 85 (1972), 251 (293 mit Fußn. 194); Wetzel, JuS 1990, 198 (200); Olzen, DNotZ 1993, 211 (216); Schuschke, § 768 Rdnr. 2, § 732 Rdnr. 2; wohl ebenso Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 12.

309

Siehe hierzu oben 1. Kap. B. III. 2. a).

120

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

"Vornahmezulässigkeit" fehlt, nur mit Hilfe von Gestaltungsklagen möglich 311 . Hierzu zählt aber die Klauselerinnerung nicht312. Folglich können mit ihr auch nicht die sogenannten "materiellen" Einwendungen gegen die Klauselerteilung vorgebracht werden. Darüber hinaus wird regelmäßig dann, wenn der Beweiswert einer vorgelegten Urkunde in Zweifel gezogen wird, eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig werden. Hierzu eignet sich aber weder das urkundliche Klauselerteilungsverfahren noch das Klauselerinnerungsverfahren. In beiden Verfahren sind die Beweismittel auf Urkunden beschränkt313 und die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung besteht nur (fakultativ) im Erinnerungsverfahren, wovon jedoch in der Praxis kaum Gebrauch gemacht wird 314 . Zwar läßt sich sagen, daß hinsichtlich der in § 768 ZPO genannten Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen der Prüfungsgegenstand - der Eintritt bestimmter Umstände - bei der Klauselgegenklage derselbe ist wie bei der Klauselerinnerung. Keine Identität besteht aber hinsichtlich der zulässigen Beweismittel: im Verfahren nach § 768 ZPO besteht keine Beschränkung auf den Nachweis durch Urkunden; im Verfahren nach § 732 ZPO dagegen wird nur (formell) überprüft, ob die vorgelegten Urkunden als ausreichender Nachweis angesehen werden können. § 732 ZPO und § 768 ZPO stehen so in einem Ergänzungsverhältnis. Mit § 768 ZPO werden nur bestimmte, im Klauselerteilungs· oder Erinnerungsverfahren bereits geprüfte und dort aufgrund der vorgelegten Urkunden als bewiesen angenommene Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen nochmals einer Prüfung mit umfassender Beweisaufnahme zugeführt. Geprüft wird also dort, ob die Umstände, von denen nach dem Inhalt des titulierten prozessualen Anspruchs die Vollstreckbarkeit abhängig gemacht winde, auch tatsächlich eingetreten sind. Hinsichtlich derselben Umstände kann mit § 732 ZPO dagegen nur nachgeprüft werden, ob deren Eintritt ordnungsgemäß durch Urkunden nachgewiesen ist. Hierzu gehört auch die Frage, ob die Urkunden überhaupt geeignet sind, den Eintritt der in Frage stehenden Tatsache nachzuweisen. Das ist z. B. nicht der Fall, wenn es dem Schuldner im Erinnerungsverfahren 315 gelingt, durch andere Urkunden den

3.0

Siehe hierzu oben 1. Kap. B. III. 2. a).

3.1

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. b).

3.2

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. b).

3.3

Münzberg, NJW 1992, 201 (204); ders., Rpfleger 1991, 161 (162); Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 12; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (538).

3.4 315

Vgl. Peters, ZZP 90 (1977), 145 (149).

Maßgebender Beurteilungszeitpunkt ist ja der der gerichtlichen Entscheidung, siehe oben 2. Kap. C. I. l . b ) .

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

121

Beweiswert der vom Gläubiger vorgelegten Urkunden so zu erschüttern 316, daß diese keinen ausreichenden Nachweis mehr darstellen317. Für die Beschränkung auf diese rein formale Prüfung im Rahmen der Klauselerinnerung spricht auch die systematische Stellung der Vorschrift 318: § 732 ZPO schließt sich unmittelbar an die Formbestimmungen über die Klauselerteilung an, während § 768 ZPO im unmittelbaren Zusammenhang mit den Bestimmungen zur Geltendmachung sachlichrechtlicher Einwendungen steht319. Schließlich besteht auch kein Bedürfnis, den Prüfungsumfang im Klauselerinnerungsverfahren über diese rein formale Prüfung hinaus auszudehnen. Nach h. M. kann ja wegen der nur summarischen Prüfting im Rahmen des § 732 ZPO selbst noch nach erfolglos durchgeführtem Verfahren gem. § 732 ZPO das Klageverfahren gem. § 768 ZPO über dieselben Einwendungen durchgeführt werden320 - auch dann, wenn die Entscheidung über die abweisende Klauselerinnerung von Seiten des Schuldners erfolglos mit der Beschwerde angegriffen wurde und damit - wegen Unanfechtbarkeit (vgl. § 568 II ZPO) - in Rechtskraft erwachsen ist 321 . Dann hat es aber auch keinen Sinn, die Prüfung im Klauselerinnerungsverfahren über eine rein formale Prüfung hinaus auszudehnen.

316

Dazu, daß der Schuldner auch im Falle eines ordnungsgemäßen Nachweises des Gläubigers in gleicher Form Gegenbeweis erbringen kann, um so den Beweiswert der Urkunden zu erschüttern vgl. Schuschke, § 732 Rdnr. 7; Münzberg, Rpfleger 1991, 161 (163); Stein/Jonas/Münzberg, § 727 Rdnr. 37. Siehe bereits oben 2. Kap. Β. I. 2. a).

317

Dies hat zur Folge, daß der Schuldner ebenfalls mit seiner Erinnerung obsiegt, da eine Klausel nicht hätte erteilt werden dürfen. Aufgrund des Beibringungsgrundsatzes gehen j a im Klauselerteilungsverfahren Zweifel zu Lasten des Antragstellers (= Gläubigers).

3.8

Demgegenüber läßt sich den Gesetzesmaterialien weder eine eindeutige Aussage zugunsten der h. M. noch eine zugunsten der hier vertretenen Auffassung entnehmen. Zwar heißt es dort, § 732 ZPO diene in erster Linie der Rüge, "daß eine der formellen gesetzlichen Voraussetzungen bei der Ertheilung der Vollstreckungsklausel nicht vorhanden gewesen" sei, während "dagegen eine materielle Entscheidung über die bestrittene Existenz der Bedingung oder der Rechtsnachfolge ... nur im Wege des kontradiktorischen Verfahrens" nach § 768 ZPO zu erreichen sei (Hahn, Materialien, S. 436). Andererseits heißt es jedoch (im Widerspruch zum vorhergehenden), daß die Einwendungen nach § 732 ZPO "auch materieller Natur sein" können (Hahn, Materialien, S. 436). 3.9

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 17 III 1 (S. 219).

320

RGZ 50, 373 (374 ff); BGH, L M Art. 101 GG Nr. 19 = BGH, M D R 1976, 837 (838); Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 768 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Münzberg, § 732 Rdnr. 6; Zöller/Herget, § 768 Rdnr. 1; Wieczorek, § 768 Anm. A I a; MünchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 4; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 17 III 3 (S. 223); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 143; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 279; Saenger, JuS 1992, 861 (864). 321

Zur Rechtskraftwirkung dieser Entscheidung vgl. genauer unten 2. Kap. C. III. 2. a); 2. Kap. Ε. I.

122

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Im Rahmen des § 732 ZPO können daher nur solche Umstände gerügt werden, die auch bereits das Klauselerteilungsorgan hätte beachten müssen (wenn sie ihm bekannt gewesen wären322). Die Verweisung in § 768 ZPO a. E. kann dann sinnvollerweise nur bedeuten, daß sich der Schuldner - wenn er sowohl formelle Rügen als auch solche gegen den Eintritt der bei der Klauselerteilung als bewiesen angenommenen Tatsachen erheben will 323 - sich auch mit einer rein formellen Prüfung im Rahmen des § 732 ZPO begnügen kann. Nur wenn er ein vollwertiges Beweisverfahren in Gang setzen möchte, muß er das Klageverfahren nach § 768 ZPO wählen324.

d) Rechtsbehelfe gegen die Erinnerungsentscheidung Weist das Gericht die Einwendungen zurück, so kann sich der Schuldner nach h. M. 325 hiergegen mit der einfachen Beschwerde nach §§ 567 ff ZPO wehren. Die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO kommt dagegen nicht in Betracht, weil es sich bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel und der Entscheidung der in diesem Verfahren eingelegten Erinnerung nicht um Entscheidungen im Zwangsvollstreckungsverfahren i. S. v. § 793 ZPO handelt, sondern um Handlungen, die dem Vollstreckungsverfahren vorgeschaltet sind und erst seiner Vorbereitung dienen326. Ist dagegen die Erinnerung des Schuldners erfolgreich, so hat hiergegen der Gläubiger das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde nach §§ 567 ff ZPO327. 322

Denn maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der der gerichtlichen Entscheidung, siehe oben 2. Kap. C. I. 1. b).

323

So etwa, wenn der Schuldner geltend macht, die Urkunde könne den Bedingungseintritt nicht beweisen und sei überdies gefälscht. 324

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 726 Rdnr. 34; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 17 I I I 1 (S. 220).

325

Statt aller: Thomas/Putzo, § 733 Rdnr. 10; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 732 Rdnr. 13, § 724 Rdnr. 45; Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 16; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 732 Rdnr. 8; Stein/Jonas/Münzberg, § 732 Rdnr. 11.

326

A. A. heute soweit ersichtlich nur Barkam, Erinnerung und Klage, S. 8 ff. Dessen vorwiegend historische Begründung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Mit § 54 BeurkG, wonach als Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Klauselerteilung ausdrücklich die (einfache) Beschwerde benannt ist (siehe dazu sogleich), wird deutlich, daß der Gesetzgeber die jahrelange Rechtsprechung nicht korrigieren wollte, nach der Entscheidungen hinsichtlich der Klauselerteilung nicht zum Vollstrekkungsverfahren gehören und folglich nicht mit der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO angegriffen werden können. Im Rahmen des § 732 ZPO, der sich spiegelbildlich zu § 54 BeurkG verhält (siehe hierzu unten 2. Kap. C. III. 1. a)) kann nichts anderes gelten. 327

Vgl. statt aller: Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 16; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 732 Rdnr. 13; Thomas/Putzo, § 732 Rdnr. 10; Stein/Jonas/Münzberg, § 732 Rdnr. 11; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 732 Rdnr. 8.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

123

2. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens

Oben wurde bereits ausgeführt, daß die Vollstreckungsorgane hinsichtlich des Anspruchs lediglich prüfen können, ob ausweislich dessen Titulierung die Fälligkeit vom Eintritt eines Kalendertages (vgl. § 751 I ZPO) bzw. die Durchsetzbarkeit von einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung des Gläubigers (vgl. §§ 756, 765 ZPO) abhängig ist. Lediglich der fehlende Eintritt dieser Voraussetzungen des materiellrechtlichen Anspruchs kann - sofern die Voraussetzungen in der vollstreckbaren Urkunde zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen erhoben wurden - mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen des Vollstreckungsverfahrens vom Schuldner geltend gemacht werden. In Betracht kommen dabei vier Rechtsbehelfe: § 766 I ZPO, § 793 ZPO, § 71 GBO und § 11 RPflG. Maßgebend für die Begründetheit sind bei ihnen - ebenso wie bei den auf das Klauselerteilungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfen 328 - die Verhältnisse zur Zeit der Entscheidung329, denn auch hier geht es ja nicht darum, ein bestimmtes Verhalten der Vollstreckungsorgane zu sanktionieren330, sondern um die Überprüfung, ob die jeweiligen Vollstreckungsakte wegen Unrechtmäßigkeit fur unzulässig erklärt und aufgehoben werden müssen. Abgegrenzt werden die Rechtsbehelfe voneinander nach h. M. nicht aufgrund des Inhalts des angegriffenen Vollstreckungsaktes, sondern nach der Art ihres Zustandekommens und danach, welches Vollstrekkungsorgan im konkreten Fall tätig wurde. Besonderheiten ergeben sich bei der vollstreckbaren Urkunde im Vergleich zu anderen Vollstreckungstiteln hinsichtlich dieser Abgrenzung nicht. In Betracht kommen sie, um eine materiellrechtlich ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung zu verhindern, nur in den zuvor beschriebenen Fällen. Da die Abgrenzung der verfahrensinternen Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens bereits mehrfach Gegenstand ausfuhrlicher Untersuchungen war 331 und bei der vollstreckbaren Urkunde keine Besonderheiten aufweist, beschränkt sich die folgende Darstellung auf eine kurze Skizzierung der Problematik.

328

Siehe oben 2. Kap. C. I. 1. b) und unten 2. Kap. C. II. 1. b).

329

Vgl. statt aller: Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1233, 1262, 1286, 1306; Thomas/Putzo, § 766 Rdnr. 23; Baur/Störner, ZVR, Rdnr. 726; Zöller/Stöber, § 793 Rdnr. 7.

330

Der Erfolg der Rechtsbehelfe ist ja von einem Verschulden der Vollstreckungsorgane unabhän-

gig· 331

Vgl. insbesondere Kunz, Erinnerung und Beschwerde; Neumüller, Vollstreckungserinnerung, Vollstreckungsbeschwerde und Rechtspflegererinnerung.

124

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

a) Die Abgrenzung von § 7661 ZPO und § 793 ZPO Abgrenzungsprobleme zwischen der sofortigen Beschwerde (§ 793 ZPO) und der Vollstreckungserinnerung treten auf, wenn ein Beschluß des Vollstreckungsgerichts einen Vollstreckungsakt beinhaltet. Im wesentlichen werden zwei Konzepte erörtert 332: Das eine Modell geht vom objektiven Inhalt aus. Nach einer Auffassung 333 soll dabei allein der Beschlußtenor maßgeblich sein. Beinhalte dieser eine Vollstreckungsmaßnahme, so sei § 766 ZPO immer der richtige Rechtsbehelf - auch dann, wenn der Schuldner sich gegen den Beschluß wende und vor der Beschlußfassung gehört worden sei. Danach könnte der Schuldner immer die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO einlegen, wenn eine Vollstreckungsmaßnahme unter Mißachtung der §§ 751 I, 756, 765 ZPO erfolgte. Einen entgegengesetzten Lösungsweg vertritt Kunz? 34. Er will die wünschenswerte Vereinfachung der Abgrenzungsproblematik dadurch erzielen, daß er im Richter- und Rechtspflegerbereich die Vollstreckungserinnerung völlig ausschließt zugunsten einer - durch eine begrenzte Abhilfebefugnis modifizierten 335 - sofortigen Beschwerde. Dem Schuldner stünde demnach in den hier in Frage stehenden Fallgruppen nur bei einem Verstoß des Gerichtsvollziehers gegen §§ 751 I, 756 ZPO die Vollstreckungserinnerung, sonst immer die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO zur Verfugung. Im Gegensatz zu den beiden zuvor beschriebenen Auffassungen geht die h. M. 336 von einem anderen Konzept aus und läßt fur die Abgrenzung nicht den objektiven Inhalt maßgeblich sein, sondern blickt auf das den Beschluß des Vollstreckungsgerichts vorausgegangene Verfahren: Eine Entscheidung i. S. d. § 793 ZPO liege danach vor, wenn der Beschluß unter Abwägung der fur und gegen den Antrag sprechenden Gründe zustande gekommen sei. Dies setze regelmäßig voraus, daß rechtliches Gehör gewährt wurde 337. 332

Eine zwischen beiden Konzepten vermittelnde Auffassung vertritt K. K. Schmidt, JuS 1992, 90 (93 ff); ders., in: MünchKommZPO, § 766 Rdnr. 7, mit seiner "Sowohl-als-auch-Lösung", die davon ausgeht, daß sich die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs sowohl aus der Art der angefochtenen Entscheidung als auch aus dem vorangegangenen Verfahren ergeben kann. Zwischen den danach in Betracht kommenden Rechtsbehelfen bestehe ein Wahlrecht.

333

Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 717; ähnlich (mit Abweichungen im einzelnen) auch Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 14 I 1 a(S. 199 f); Neumüller, Vollstreckungserinnerung, S. 91 ff.

334

Erinnerung und Beschwerde, S. 110 ff.

335

Durch teleologische Reduktion des § 577 I I I ZPO bzw. § 11 I I 1 i. V. m. I 2 RPflG in den "Gehörfallen".

336

Vgl. statt aller: Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1177 ff; Stein/Jonas/Münzberg, § 766 Rdnr. 3 ff; Thomas/ Putzo, § 793 Rdnr. 3; Zöller/Stöber, § 766 Rdnr. 2; Schuschke, § 766 Rdnr. 5; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, § 766 Rdnr. 3; Schreiber, Jura 1992, 25 (26).

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

125

Der h. M. ist zu folgen, denn sie fuhrt zu interessengerechten Ergebnissen. Hat der Richter die Vollstreckungsmaßnahme erst nach Anhörung des Schuldners angeordnet338, erscheint es nicht sinnvoll, dasselbe Gericht noch einmal im Wege der Erinnerung über denselben Sachverhalt entscheiden zu lassen. Ist dagegen dem Schuldner vor Erlaß des Vollstreckungsaktes kein rechtliches Gehör gewährt worden, so fehlt es an einer für gerichtliche Entscheidungen notwendigen Richtigkeitsgewähr, so daß dem Schuldner nicht die Erinnerungsinstanz genommen werden darf 939. Demnach stehen dem Schuldner in den hier in Frage stehenden Fallgruppen folgende verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens zur Verfügung: § 766 ZPO falls der Gerichtsvollzieher §§ 751 I, 756 ZPO mißachtet bzw. das Vollstrekkungsgericht ohne vorherige Anhörung des Schuldners gegen §§ 751 I, 765 ZPO verstoßen hat; wurde dagegen der Schuldner zuvor vom Vollstreckungsgericht angehört, ist nur die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO statthaft. Gegen eine Entscheidung nach § 793 ZPO findet unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 568 II 2, III ZPO gem. § 793 II ZPO die sofortige weitere Beschwerde statt. War hingegen § 766 ZPO der statthafte Rechtsbehelf, so ist - da nun eine "Entscheidung" vorliegt - zunächst die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO und hiergegen die sofortige weitere Beschwerde (unter Beachtung des § 568 II 2, III ZPO) gegeben.

b) Grundbuchbeschwerde

nach § 71 GBO

Die Grundbuchbeschwerde nach § 71 GBO kommt von vorneherein nur bei Zuständigkeit des Grundbuchamts zur Zwangsvollstreckung in Betracht. Dies ist ausschließlich der Fall, wenn eine Zwangshypothek eingetragen werden soll (§ 867 ZPO). Die Beschwerde nach § 71 GBO verdrängt als lex specialis in ihrem Anwendungsbereich die §§ 766, 793 ZPO340, denn trotz des 337

Zum Teil wird auch als ausreichend erachtet, daß vor der Vollstreckung - auch wenn der Schuldner nicht gehört wurde - gesetzlich eine Interessenabwägung vorgesehen ist (so insbesondere bei §§ 758, 761, 825 ZPO). Vgl. etwa Stein/Jonas/Münzberg, § 761 Rdnr. 3; Thomas/Putzo, § 761 Rdnr. 9; Lippross, Vollstreckungsrecht, § 19 I (S. 125 f); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 26 III 1 b (S. 337); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1184.

338

Entsprechendes gilt, wenn der Richter einen Antrag des Gläubigers zurückgewiesen hat.

339

Lippross, Vollstreckungsrecht, § 19 I (S. 125 f); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1181.

340

Η. Μ . , vgl. statt aller: BayObLG, Rpfleger 1976, 66 (67); OLG Hamm, OLGZ 1975, 305 (307); LG Essen, Rpfleger 1975, 315; Thomas/Putzo, § 867 Rdnr. 19; Schuschke, § 766 Rdnr. 3; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1166, 1294; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 37 IV 4 (S. 437). A. A. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 867 Rdnr. 18; Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 11 I I 1 (S. 153), wonach die Rechtsbehelfe der GBO und der ZPO wahlweise zulässig seien; bei erfolgter Eintragung komme allerdings nur die grundbuchmäßige Beschwerde als der umfassendere Rechts-

126

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Doppelcharakters der Eintragung als Vollstreckungsmaßnahme und als Akt des Grundbuchwesens werden allein die grundbuchrechtlichen Rechtsbehelfe den Sicherheitsanforderungen gerecht, die für das Grundbuch gelten müssen. Soweit sich der Schuldner gegen die Eintragung der Zwangshypothek wendet, ist jedoch § 71 II GBO zu beachten: Da einerseits diese Vorschrift von ihrer Zweckbestimmung her verhindern will, daß einem gutgläubigen Erwerber die Grundlage für den Erwerb entzogen wird 341 , andererseits auch ein gutgläubiger rechtsgeschäftlicher Erwerb einer Zwangshypothek möglich ist (§§ 1154 III, 873, 892 BGB) 342 , ist der vom Schuldner eingelegte Rechtsbehelf gegen die Eintragung der Zwangshypothek als beschränkte Beschwerde nach § 71 II 2 GBO auf Eintragung eines Widerspruchs auszulegen343. Will also der Schuldner in den hier in Frage stehenden Fällen rügen, eine Zwangshypothek habe nicht eingetragen werden dürfen, da ein nach dem Kalender bestimmter Fälligkeitstag noch nicht eingetreten sei oder der Gläubiger im Falle einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung die Befriedigung des Schuldners bzw. dessen Annahmeverzug nicht ordnungsgemäß nachgewiesen habe, so steht ihm nur die beschränkte Beschwerde nach § 71 II 2 GBO zur Verfügung. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts findet unter den Voraussetzungen der §§ 78 ff GBO die weitere Beschwerde statt; eine einstweilige Anordnung richtet sich nach § 76 GBO.

c) Das Verhältnis der §§ 766, 793 ZPO, 71 GBO zur Rechtspflegererinnerung Da dem Rechtspfleger nach §§ 3 Nr. 3 a, 20 Nr. 17 RPflG fast alle Aufgaben des Vollstreckungsgerichts und gem. § 3 Nr. 1 h RPflG die Grundbuchsachen übertragen sind, werden die vorgenannten Rechtsbehelfe teilweise von der Rechtspflegererinnerung überlagert, teilweise verdrängen sie jedoch auch die Erinnerung nach § 11 RPflG:

behelf in Betracht. Soweit also der Schuldner sich gegen die Eintragung einer Zwangshypothek wendet, kann die Entscheidung des Meinungsstreits ohnehin offenbleiben, da beide Auffassungen zum selben Ergebnis fuhren. Für einen Vorrang des § 71 GBO spricht jedoch, daß sie den auch bei der Zwangshypothek zu beachtenden grundbuchrechtlichen Besonderheiten am besten Rechnung trägt; vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 37 IV 4 (S. 437). 341

BGHZ 64, 194 (196); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1298; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 43 I 1 (S. 300); Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann/Kuntze, § 71 Rdnr. 24.

342 343

BGHZ 64, 194 (196 f); OLG Hamm, OLGZ 1975, 305 (307); Palandt/Bassenge, § 892 Rdnr. 8.

Statt aller: OLG Stuttgart, W M 1985, 1371; Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann/Kuntze, § 71 Rdnr. 9; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1298.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

12

aa) Verhältnis zwischen § 766 ZPO und § 11 RPflG Das Verhältnis zwischen § 766 ZPO und § 11 RPflG im Falle einer Vollstreckungsmaßnahme des Rechtspflegers ist mindestens ebenso umstritten344 wie das zwischen § 732 ZPO und § 11 RPflG. Für ein Zurücktreten der Rechtspflegererinnerung gegenüber der Vollstreckungserinnerung sprechen aber hier letztlich dieselben Argumente wie fur einen Vorrang des § 732 ZPO gegenüber § 11 RPflG 345: § 766 ZPO ist ebenso wie § 732 ZPO als die speziellere Vorschrift gegenüber der Durchgriffserinnerung nach § 11 II 5 RPflG anzusehen. Der Rechtspfleger ist lediglich an die Stelle des Richters getreten und auch gegen dessen Vollstreckungsmaßnahme wäre allein § 766 ZPO statthaft 346. Andernfalls würde fur § 766 ZPO praktisch kein Anwendungsbereich mehr bleiben, denn außer in den Fällen der §§ 5 - 7, 8 I RPflG hätte der Richter kaum noch eine Gelegenheit, eine Vollstreckungsmaßnahme zu erlassen347, so daß es praktisch gegen Vollstreckungsmaßnahmen nur noch die Rechtspflegererinnerung mit anschließender Beschwerde gäbe. Schließlich erreicht der Schuldner nur über die Vollstreckungserinnerung, nicht dagegen über die Durchgriffserinnerung nach § 11 II 5 RPflG eine erstinstanzliche (gerichtsgebührenfreie 348) Entscheidung mit richterlicher Begründung und im Falle der sofortigen Beschwerde (§ 793 I ZPO) hiergegen sogar eine zweite.

bb) Verhältnis zwischen § 793 ZPO und § 11 RPflG Die befristete Rechtspflegererinnerung nach § 11 I 2 RPflG findet statt gegen "Entscheidungen"349 des Rechtspflegers: soweit Entscheidungen durch

344

Für einen Vorrang der unbefristeten Rechtspflegererinnerung gegenüber der Vollstreckungserinnerung: Kümmerlein, Rpfleger 1971, 11 (12); Habscheid, KTS 1973, 95 (101); Kunz, Erinnerung und Beschwerde, S. 297 ff; LG Trier, JurBüro 1972, 333.

Für einen Vorrang der Vollstreckungserinnerung gegenüber der Rechtspflegererinnerung (h. M.): LG Bochum, Rpfleger 1971, 409; OLG Köln, Rpfleger 1972, 65; OLG Koblenz, Rpfleger 1972, 220 (221); KG, Rpfleger 1973, 32 (32 ff); OLG Hamm, Rpfleger 1973, 222; LG Frankenthal, Rpfleger 1982, 231; Geißler, JuS 1986, 280 (282); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1274; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 37 IV 2 (S. 435); Stein/Jonas/Münzberg, § 766 Rdnr. 4; Schuschke, § 766 Rdnr. 6. Vgl. auch den Überblick zum Meinungsstand bei Kunz, Erinnerung und Beschwerde, S. 286 ff. 345

Siehe oben 2. Kap. C. I. l . a ) .

346

Thomas/Putzo, § 766 Rdnr. 2.

347

Geißler, JuS 1986, 280 (282 f).

348

Thomas/Putzo, § 766 Rdnr. 30.

12

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

das Rechtspflegergesetz vom Richter auf den Rechtspfleger übertragen wurden, ist die befristete Durchgriffserinnerung der sofortigen Beschwerde (§ 793 ZPO) vorgeschaltet350. Der Rechtspfleger ist dabei zur Abhilfe nicht befugt (§ 11 I 2 i. V. m. § 11 II 1 RPflG). Gem. § 11 II 5 RPflG gilt die Erinnerung automatisch als sofortige Beschwerde, wenn der Richter die Erinnerung für unzulässig oder unbegründet erachtet. Entscheidet hingegen der Richter über die Erinnerung gem. § 11 II 3 RPflG im Sinne des Rechtsbehelfsführers, so hat der Rechtsbehelfsgegner hiergegen ebenfalls die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO. Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ist unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 568 II 2, III ZPO die sofortige weitere Beschwerde gegeben (§ 793 II ZPO).

cc) Verhältnis zwischen der beschränkten Grundbuchbeschwerde gem. § 71 II 2 GBO und § 11 RPflG Wie oben festgestellt wurde, kann der Schuldner gegen die Eintragung einer Zwangshypothek nur die beschränkte Grundbuchbeschwerde nach § 71 II 2 GBO einlegen. Dies gilt jedenfalls, wenn der Richter tätig geworden ist. Wegen § 3 Nr. 1 h RPflG ist das aber nur noch dann der Fall, wenn der Rechtspfleger die Sache nach §§ 5, 6 RPflG dem Richter vorgelegt oder der Richter selbst die Sache an sich gezogen hat (vgl. § 8 RPflG). Hat - wie im Regelfall - der Rechtspfleger die Eintragung der Zwangshypothek vorgenommen, so ist umstritten, ob anstelle der beschränkten Beschwerde zunächst nur eine beschränkte Rechtspflegererinnerung nach § 11 RPflG statthaft ist, die erst dann als beschränkte Beschwerde gilt (§ 11 II 5 RPflG), wenn der Richter ihr nicht abhilft und sie dem Rechtsmittelgericht vorlegt. Selbst dann, wenn es sich bei der Eintragung im Einzelfall mangels Anhörung des Schuldners um eine Vollstreckungsmaßnahme handelt, ist die Rechtspflegererinnerung (anders als im Verhältnis zwischen § 766 ZPO und § 11 RPflG 351) nicht bereits im Wege der Spezialität durch § 71 II 2 GBO ausgeschlossen. Denn während § 71 II 2 GBO gegenüber § 766 ZPO als speziellerer Rechtsbehelf vorgeht 352, besteht zwischen § 71 II 2 GBO und § 11 RPflG kein 349

Zur Abgrenzung zwischen "Vollstreckungsmaßnahme" und "Entscheidung" siehe oben 2. Kap. C. I. 2. a).

350

Insoweit unstreitig; vgl. statt aller: AG Maulbronn, FamRZ 1991, 355; Schuschke, § 793 Rdnr. 1; Thomas/Putzo, § 793 Rdnr. 1; Zöller/Stöber, § 793 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 793 Rdnr. 5; Stein/Jonas/Münzberg, § 793 Rdnr. 3; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 38 II 1 a (S. 447).

351

Siehe hierzu oben 2. Kap. C. I. 2. c) aa).

352

Siehe oben 2. Kap. C. I. 2. b).

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

129

Spezialitätsverhältnis. Die vorgeschaltete Rechtspflegererinnerung fuhrt lediglich dazu, daß der Rechtspfleger vor einer Entscheidung des Rechtsmittelgerichts selbst abhelfen kann353. Bedenken gegen die Statthaftigkeit der Rechtspflegererinnerung bestehen jedoch im Hinblick auf § 11 V 1 RPflG. Danach sind Erinnerungen gegen gerichtliche Verfugungen, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werde können, unzulässig. Hieraus folgt jedoch unmittelbar nur, daß gegen Eintragungen, an die sich (wie bei der Zwangshypothek354) gutgläubiger Erwerb anschließen kann, die unbeschränkte Erinnerung mit dem Ziel der Löschung unzulässig ist. Fraglich ist aber, ob gegen die Eintragung einer Zwangshypothek eine nach Maßgabe des § 71 II 2 GBO beschränkte Rechtspflegererinnerung statthaft ist. Die h. M. 355 lehnt auch dies unter Hinweis auf den Wortlaut des § 11 V RPflG ab und läßt stattdessen nach § 71 II 2 GBO die beschränkte Beschwerde unmittelbar zu. Folge davon ist, daß der Rechtspfleger nicht durch Eintragung eines Amtswiderspruchs abhelfen kann. Überzeugender erscheint jedoch die Gegenansicht356: Weder der Wortlaut des § 11 V 1 RPflG noch dessen Zweck schließen eine nach Maßgabe des § 71 II 2 GBO beschränkte Rechtspflegererinnerung mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs aus. Eine Eintragung, die als richterliche Eintragung mit der beschränkten Beschwerde angegriffen werden kann, ist gerade nicht unabänderbar i. S. d. § 11 V 1 RPflG, sondern beschränkt abänderbar durch die Eintragung eines Amtswiderspruchs. Deshalb kann durch § 11 V 1 RPflG auch nur die unbeschränkte, auf Löschung gerichtete, nicht dagegen die beschränkte, auf Eintragung eines Amtswiderspruchs abzielende Rechtspflegererinnerung ausgeschlossen sein. Der Unterschied zwischen der einfachen Beschwerde und der unbefristeten Rechtspflegererinnerung besteht ja nur darin, daß bei der Beschwerde dem Rechtspfleger eine Abhilfemöglichkeit nicht zusteht und statt dessen der Richter sofort entscheidet. Sachliche 353

Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1299. Hingegen würde die Anwendung der Rechtspflegererinnerung in den Fällen, in denen eigentlich § 766 ZPO statthaft wäre, dazu fuhren, daß wegen § 11 I I 5 RPflG dem Schuldner die ihm eigentlich zustehende erstinstanzliche, gerichtsgebührenfreie richterlich begründete Entscheidung verloren geht; siehe oben 2. Kap. C. I. 2. c) aa). 354

Vgl. BGHZ 64, 194 (196 f); OLG Hamm, OLGZ 1975, 305 (307); Palandt/Bassenge, § 892 Rdnr. 8; siehe oben 2. Kap. C. I. 2. b).

355

Vgl. statt aller: KG, NJW-RR 1987, 592; BayObLGZ 1975, 398 (402); Horber/Demharter, § 71 Rdnr. 8; Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann/Kuntze, § 71 Rdnr. 8; Kohlhosser, JA 1984, 714 (721 f) m. w. N.

356

Bassenge/Herbst, RPflG § 11 Anm. 2 c aa; Weiß, DNotZ 1985, 524 (536 ff); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1299; Wetzel, JuS 1990, 198 (204); Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rdnr. 521.

9 Schullheis

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Gründe dafür, warum der Rechtspfleger keine Abhilfemöglichkeit haben soll, sind aber nicht ersichtlich 357. Hilft er nicht ab, so entscheidet ohnehin der Richter. Da ein Grund aber fur die Einfuhrung der Durchgriffserinnerung die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit des Rechtspflegers war, ist es aber nicht einsichtig im Falle der beschränkten Beschwerde nach § 71 II 2 GBO dem Rechtspfleger die Abhilfemöglichkeit zu versagen.

II. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Gläubigers, falls die von ihm begehrte Verfahrenshandlung wegen materiellrechtlicher Mängel abgelehnt wurde 1. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe bei Ablehnung der Klauselerteilung

Inwieweit verfahrensinterne Rechtsbehelfe erfolgreich eingesetzt werden können, wenn der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung wegen (angeblicher) Mängel des materiellen Anspruchs abgelehnt wurde, hängt von dem Grund der Ablehnimg ab: So stellt es z. B. keinen Verfahrensfehler dar, wenn die Klauselerteilung abgelehnt wird, weil der Eintritt einer aufschiebenden Bedingimg des materiellen Anspruchs, die zugleich auch zur Vollstreckbarkeitsvoraussetzung erklärt wurde 358, nicht ordnungsgemäß durch Urkunden nachgewiesen werden konnte. In diesem Fall durfte das Klauselerteilungsorgan die Vollstreckungsklausel nicht erteilen, da es am Nachweis des Eintritts einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung fehlte. Dementsprechend können auch verfahrensinterne Rechtsbehelfe nicht mit Erfolg eingelegt werden, denn aufgrund der fehlenden Nachweismöglichkeit fehlt es an der "Vornahmezulässigkeit" für die Klauselerteilung. Um der eventuell dennoch gegebenen "Ergebniszulässigkeit" zum Durchbruch zu verhelfen und die erststufig unzulässige (vornahmeunzulässige) Verfahrenshandlung in eine erststufig zulässige zu verwandeln, bedarf es eines gestaltenden, verfahrensexternen Rechtsbehelfs: der Gestaltungsklage nach § 731 ZPO359. Dies erscheint auch 357

Dies sehen auch Teile der h. M., die deshalb annehmen, eine in ihren Augen unstatthafte Rechtspflegererinnerung gegen die Eintragung könne als Anregung an den Rechtspfleger auf Eintragung eines Amtswiderspruchs ausgelegt werden, gegen dessen Ablehnung dann die Rechtspflegererinnerung gem. § 11 RPflG gegeben sei; KG, NJW-RR 1987, 592 (592 f); Horber/Demharter, § 7 1 Rdnr. 8; Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann/Kuntze, § 71 Rdnr. 9. Durch diese Konstruktion kann zwar dasselbe Ergebnis erreicht werden wie nach der hier vertretenen Auffassung; doch ist dazu notwendig, daß unter Umständen zweimal gegen die Entscheidung des Rechtspflegers vorgegangen werden muß: einmal im Wege der Anregung auf Eintragung eines Amtswiderspruchs und bei dessen Ablehnung erneut im Wege der Rechtspflegererinnerung. Dies erscheint unnötig kompliziert, weswegen dem Weg einer beschränkten Erinnerung der Vorzug zu geben ist. 358

Siehe hierzu oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

359

Siehe hierzu unten 2. Kap. D. II. 1.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

131

sachgerecht, denn wegen der fehlenden Nachweismöglichkeit bedarf es einer umfassenden Prüfung des Tatbestandes, wozu eine Beweisaufnahme mit anschließender Erörterung des Beweisergebnisses durch die Parteien notwendig wird. Anders dagegen, wenn das Klauselerteilungsorgan zu Umecht annimmt, eine Bedingung des materiellen Anspruchs sei zugleich auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzung360, obgleich die Unterwerfungserklärung des Schuldners nicht dahingehend ausgelegt werden kann. Hält es wegen dieses Irrtums eine qualifizierte Klausel für nötig und lehnt es deren Erteilung mangels eines urkundlichen Nachweises ab, so erfolgte im Klauselverfahren eine falsche rechtliche Bewertung. Es liegt ein Verfahrensfehler vor (auch dann, wenn tatsächlich der materiellrechtliche Anspruch von einer Bedingung abhängen und diese noch nicht eingetreten sein sollte), denn das zuständige Organ verkannte die aufgrund der unbedingten Unterwerfungserklärung und des unbedingten prozessualen Anspruchs gegebene Vornahmezulässigkeit für die Klauselerteilung. Ebenso verhält es sich, wenn das Klauselerteilungsorgan trotz ordnungsgemäßen Nachweises des Bedingungseintritts die Klauselerteilung ablehnt, weil nach seiner Auffassung z. B. bereits kein wirksamer Vertrag geschlossen worden sei, weswegen auch nach "Bedingungseintritt" ein Anspruch nicht entstanden sein könne oder weil die Bedingung entgegen dem urkundlichen Nachweis tatsächlich nicht eingetreten sei. Gleichgültig, ob diese Auffassung der materiellen Rechtslage entspricht, liegt ein Verfahrensfehler vor, denn wegen des Formalisierungsgrundsatzes waren vom Klauselerteilungsorgan der materielle Anspruch überhaupt nicht und die nach der Titulierung eingetretenen Veränderungen nur im Umfang des § 726 I ZPO361 zu berücksichtigen. Reicht danach formal der Beweiswert der vorgelegten Urkunden aus, um die nach § 726 I ZPO für die Klauselerteilung relevanten Umstände zu bezeugen362, so muß das Klauselerteilungsorgan die vollstreckbare Ausfertigung erteilen363. Folglich stehen verfahrensinterne Rechtsbehelfe zur Verfügung, wenn die Klauselerteilung dennoch abgelehnt wird. Allgemein läßt sich somit festhalten, daß der Gläubiger bei einer Ablehnung der Vollstreckungsklausel wegen angeblicher oder tatsächlicher Mängel 360

Zur Unterscheidung von Bedingungen des materiellen Anspruchs und Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des prozessualen Anspruchs siehe oben 2. Kap. Α. V. mit Fußn. 76; 2. Kap. Β. I. 2. b) bb)(l). 361

Bzw. der hier nicht weiter interessierenden §§ 727, 728, 729, 738, 742, 744, 745 II, 749 ZPO; siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (3).

362

Hieran fehlt es, wenn der Schuldner seinerseits Urkunden vorlegt, die den Beweiswert der Urkunden des Gläubigers erschüttern können.

363

91

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. a).

12

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

des materiellen Anspruchs grundsätzlich verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Klauselverfahrens mit Erfolg einlegen kann, es sei denn, es wurde verfahrensfehlerfrei die Klauselerteilung wegen fehlenden urkundlichen Nachweises einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung abgelehnt. In diesem Fall kommt lediglich der verfahrensexterne Rechtsbehelfe der Klauselklage nach §731 ZPO in Betracht364.

a) Die in Betracht kommenden verfahrensinternen

Rechtsbehelfe

aa) Der zuständige Notar lehnt die Klauselerteilung ab Lehnt der Notar die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung 365 ab, so findet gem. § 54 BeurkG die Beschwerde nach Maßgabe der Bestimmungen des FGG (§§ 20 ff FGG) statt366. Zuständig ist gem. § 54 II 2 BeurkG das Landgericht, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat.

bb) Das zuständige Gericht lehnt die Klauselerteilung ab Ist das Gericht für die Klauselerteilung zuständig367, so gilt grundsätzlich dasselbe wie bei der Zuständigkeit des Notars. Es ist mithin ebenfalls die Beschwerde nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG gegeben. Dies folgt aus § 1 II BeurkG, der die Vorschriften des Beurkundungsgesetzes für entsprechend anwendbar erklärt, wenn andere Stellen als der Notar zuständig sind368. Eine Besonderheit besteht jedoch insofern, als - im Unterschied zur Verweigerung der vollstreckbaren Ausfertigung durch den Notar - nicht unmittelbar die Beschwerde eingelegt werden kann, sondern - insoweit wie bei einer Verweige364

Siehe zu diesem verfahrensexternen Rechtsbehelf unten 2. Kap. D. II. 1.

365

Entsprechendes gilt auch bei Ablehnung einer einfachen Ausfertigung; vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56.1; Keidel/Kuntze/Winkler, BeurkG, § 54 Rdnr. 5; Huhn/v.Schuckmann, § 54 Rdnr. 4.

366

Vgl. zu dem im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter relevanten, weiterführenden Problem, inwieweit die Klauselerteilungsorgane bei dem Rechtsbehelf des Gläubigers die Befugnis oder Pflicht zur Abhilfe haben, statt aller: Huhn/v.Schuckmann, § 54 Rdnr. 7; Palm, Rechtspfleger 1967, 365, jeweils mit weiteren Nachweisen. 367

Das ist auch der Fall, wenn die vollstreckbare Urkunde von einem konsularischen Beamten aufgenommen wurde oder es sich um eine echte Verwahrung durch ein Staatsarchiv handelt, siehe oben 2. Kap. Β. I. l . b ) . 368

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56. 14; Zöller/Stöber, § 797 Rdnr. 6; Keidel/Kuntze/Winkler, BeurkG, § 54, Rdnr. 1; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 13 I I 2 h (S. 135); Thomas/Putzo, § 797 Rdnr. 11; Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 5.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

1

rung von Vollstreckungsklauseln bei anderen gerichtlichen Titeln - erst noch ein Erinnerungsverfahren vorgeschaltet ist: Bei Ablehnung durch den Urkundsbeamten ist daher zuerst das Gericht anzurufen (§ 576 I ZPO analog), bei Ablehnung durch den Rechtspfleger zunächst die Beschwerde als einfache Erinnerung nach § 11 RPflG zu erheben, die im Falle ihrer Nichtabhilfe gem. § 11 II 5 RPflG als Beschwerde nach § 54 BeurkG gilt 369 . Bei vollstreckbaren Urkunden soll also - wenn das Gericht zur Klauselerteilung zuständig ist nichts anderes gelten als bei anderen Vollstreckungstiteln auch. Daß gegen die ablehnende Entscheidung des Notars unmittelbar die Beschwerde nach § 54 BeurkG gegeben ist, gegen die des Urkundsbeamten oder Rechtspflegers dagegen nicht, läßt sich damit begründen, daß die Erinnerungen nach §§ 576 ZPO, 11 RPflG dem Zweck dienen, die Entscheidungen von "Unterorganen" (Urkundsbeamter, Rechtspfleger) durch das "Hauptorgan" (Richter) überprüfen zu lassen, um so die schon einmal entschiedene Frage einer die Instanz abschließenden (zweiten) Entscheidung zuzuführen 370. Lehnt aber der Notar selbst als einziges und damit auch Hauptorgan die Klauselerteilung ab, so wurde bereits "instanzbeendigend" entschieden. Einer vorgeschalteten Erinnerung bedarf es daher nicht mehr.

cc) Das zuständige Jugendamt lehnt die Klauselerteilung ab (1) Problemstellung und Meinungsstand Handelt es sich um eine Urkunde nach §§ 59 I S. 1 Nr. 3 oder 4, 60 SGB VIII, so sind diejenigen Beamten oder Angestellten, die im Zeitpunkt der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung aufgrund der ihnen gegebenen Ermächtigung (§ 59 III SGB VIII) zur Urkundenaufnahme nach § 59 I 1 Nr. 3 oder 4 SGB VIII befugt sind, auch zur Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung zuständig (§ 60 I 3 Nr. 1 SGB VIII) 371 . Problematisch erscheint deshalb bei der Frage des Rechtsschutzes im Falle der Verweigerung der Klauselerteilung der Rechtsweg. Da es sich bei dem Jugendamt um eine Verwaltungsbehörde handelt, wird überwiegend372 angenommen, es sei gem. § 40 I VwGO der Weg zu den Ver369

Zöller/Stöber, § 797 Rdnr. 6; Keidel/Kuntze/Winkler, BeurkG, § 54 Rdnr. 6; Mecke/Lerch, § 54 Rdnr. 5.

370

Vgl. Windel, ZZP 102 (1989), 175 (207).

371

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 46; vgl. bereits oben 2. Kap. B. I. 1. b).

372

BT-Drucks. V 3282, S. 41; Keidel/Kuntze/Winkler, BeurkG, § 54 Rdnr. 1; Jansen, BeurkG, § 54 Rdnr. 3; Mecke/Lerch, § 54 Rdnr. 3; O. Weber, DRiZ 1970, 45 (49).

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

1

waltungsgerichten eröffnet und somit nur ein Rechtsbehelf der VwGO einschlägig. Nach anderer Ansicht373 findet auch hier die Beschwerde nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG statt, da die in § 1 II BeurkG enthaltene Verweisung auf § 54 BeurkG eine "ausdrückliche" Zuweisung an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit i. S. d. § 40 I VwGO enthalte.

(2) Stellungnahme Der amtlichen Begründung zu § 54 BeurkG374 ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber wegen der Seltenheit der Fälle, die sich bei Behörden meist im Dienstaufsichtswege erledigen ließen, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnen wollte. Dies spricht für die erstgenannte Auffassung. Jedoch ist nach heute ganz h. M. 375 der Wille des Gesetzgebers allein nicht entscheidend. Zwar darf dieser Wille nicht völlig außer Betracht bleiben. Jedoch ist "maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes .. der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers"376. Die subjektiven Absichten des Gesetzgebers sind somit nur eines von mehreren Auslegungselementen. Im vorliegenden Fall sind sie sogar nur ein sehr schwaches Auslegungskriterium: Die Annahme des Gesetzgebers, die ohnehin nur seltenen Fälle ließen sich meist im Wege der Dienstaufsicht erledigen, ist unzutreffend. Die Urkundspersonen des Jugendamtes sind nämlich sowohl bei der Beurkundungstätigkeit als auch bei den Amtshandlungen nach § 60 I 3 Nr. 1 SGB VIII sachlich unabhängig und Weisungen ihres Arbeitgebers nicht unterworfen, soweit sie aus sachlichen Erwägungen die Erteilung von Ausfertigungen und Vollstreckungsklauseln verweigern 377. Der amtlichen Begründung kann daher für die Rechtswegfrage kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich bei dem Begehren um Erteilung der Vollstreckungsklausel durch das Jugendamt überhaupt um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit i. S. d. § 40 I VwGO handelt. Allein daraus, daß eine 373

LG Berlin, DA Vorm 1971, 160 (161); Huhn/v.Schuckmann, § 54 Rdnr. 5; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56.15 mit Fußn. 17; Kurtze, Beurkundung, Kap. Ρ Rdnr. 26 ff (S. 100 ff), Kap. Q Rdnr. 17 ff (S. 108 f).

374

BT-Drucksache V / 3282, S. 41.

375

Vgl. statt aller: BVerfGE 79, 106 (121); Schmalz, Methodenlehre, Rdnr. 248 m. w. N.; Larenz, Methodenlehre, S. 316 ff.

376 377

BVerfGE 79, 106(121).

LG Berlin, DA Vorm 1971, 160 (161); Huhn/v.Schuckmann, § 54 Rdnr. 5; Kurtze, Beurkundung, Kap. Ρ Rdnr. 30 (S. 102).

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

15

Behörde gehandelt bzw. eine Handlung unterlassen hat, kann noch nicht der Schluß auf das Vorliegen einer solchen Streitigkeit gezogen werden. Der Begriff der "öffentlich-rechtlichen" Streitigkeit ist vielmehr materiell zu bestimmen378. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist gegeben, wenn sich das Begehren als Folge eines Sachverhalts darstellt, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist 379 . Der Streitgegenstand - hier das Begehren auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel - muß sich also nach Maßgabe des öffentlichen Rechts beurteilen lassen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die streitentscheidende Norm dem öffentlichen Recht angehört. Eine Norm, die expressis verbis einen Anspruch auf Klauselerteilung gewährt, findet sich weder im SGB VIII noch in der ZPO. Vielmehr werden dort ausdrücklich nur die Zuständigkeiten zur Klauselerteilung geregelt (§ 60 I 3 Nr. 1 SGB VIII; §§ 797 I, II, 724 ff ZPO ggf. i. V. m. § 20 Nr. 12 RPflG). Wendet man auf diese Vorschriften die heute überwiegend vertretenen Theorien380 zur Einordnung einer Norm in den Bereich des öffentlichen oder privaten Recht an, so zeigt sich kein einheitliches Bild: Nach der Sonderrechtstheorie, gemäß der Rechtsnormen als öffentlichrechtlich zu qualifizieren sind, wenn Berechtigter oder Verpflichteter der Norm ausschließlich ein Träger der hoheitlichen Gewalt ist, ließe sich das Begehren auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung als öffentlichrechtlich qualifizieren, denn die Vollstreckungsklausel kann ausschließlich von einem mit hoheitlicher Gewalt ausgestatteten Träger erteilt werden. Zum gleichen Ergebnis käme man wohl auch bei Anwendung der Subordinationsoder Subjektionstheorie, die dann ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis annimmt, wenn zwischen den Beteiligten ein Über- / Unterordnungsverhältnis besteht. Weniger eindeutig fällt dagegen die Einordnung aus, wenn man der sog. Interessentheorie folgt, nach der es sich um öffentliches Recht handelt, wenn eine Rechtsnorm überwiegend dem Interesse der Allgemeinheit dient. Sicherlich werden mit dem Kinder- und Jugendhilferecht auch gewichtige Interessen der Allgemeinheit verfolgt. Gerade aber hinsichtlich der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung, die der Ermöglichung der Zwangsvollstreckung dient, darf jedoch nicht übersehen werde, daß der Staat bei der Zwangsvollstreckung seine Machtmittel nur zu dem Zweck einsetzt, einen titulierten Individualanspruch des Gläubigers gegen seinen Schuldner durchzusetzen. Es läßt sich daher ebensogut vertreten, die Klauselerteilung diene auch in den in § 59 I 1 Nr. 3, 4 SGB VIII genannten Fällen überwiegend Individualinteressen, so daß eine privatrechtliche Streitigkeit vorläge.

378

Stein/Jonas/Schumann, Einl. V I I A 1 Rdnr. 342.

379

Vgl. statt aller: MünchKommZPO/Wolf, GVG § 13, Rdnr. 5; Kopp, § 40 Rdnr. 6 m. w. N.

380

Vgl. hierzu die Darstellung bei MünchKommZPO/Wolf, GVG § 13 Rdnr. 6 ff; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 44 ff.

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2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Im Kern stellt sich daher die Frage, ob es sich bei der Zwangsvollstrekkung - und als vorbereitender Akt möglicherweise auch bei der Klauselerteilung - nicht im Grunde um "vollziehende Gewalt"381, um eine materiell letztlich der Verwaltung zugehörende Tätigkeit382 handelt. Gegen diese Ansicht spricht jedoch bereits, daß Gegner der Rechtsbehelfe des Gläubigers im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren nicht der Staat oder das jeweils handelnde staatliche Organ ist, sondern der dem Gläubiger gegenüberstehende Schuldner383. Das Handeln der Klausel- und Vollstreckungsorgane muß im Blick auf den Vollstreckungszweck gesehen werden. Alles andere liefe einer gerade im Verfahrensrecht gebotenen teleologischen Betrachtungsweise zuwider. Das in erster Linie verfolgte Ziel sowohl im Klauselverfahren, als dem vorbereitenden Verfahren, als auch im Vollstreckungsverfahren ist jedoch die Durchsetzung subjektiver Privatrechte. Die Klauselerteilung und Zwangsvollstreckung stellen somit letztlich nur besondere Verfahrensstadien der Justizgewährung dar 384 und sind Akte der Rechtspflege. Dies gilt nicht nur, wenn die Gerichte handeln, sondern auch dann, wenn andere Stellen zuständig sind. Bei der Klauselerteilung nach § 60 I 3 Nr. 1 SGB VIII wird das Jugendamt ebenso als Rechtspflegeorgan tätig wie der Notar bei der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung oder der Gerichtsvollzieher bei einer Pfändung. Wenn aber die Tätigkeit bzw. Verweigerung des Tätigwerdens von Notar und Gerichtsvollzieher der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugerechnet werden, warum sollte es dann bei der Weigerung des Jugendamtes, eine Vollstreckungsklausel zu erteilen, anders sein, obgleich es doch insoweit dieselbe Funktion in der Rechtspflege ausübt? Das Jugendamt wird bei der Klauselerteilung nicht als Verwaltung tätig. Der grundlegende Unterschied zur Verwaltungstätigkeit liegt darin, daß dort der Staat durch die Verwaltungsbehörde in eigener Sache handelt, indem er eine staatliche Aufgabe als Selbstzweck verfolgt. Bei der Klauselerteilung dagegen - auch wenn das Jugendamt tätig wird - und in der Zwangsvollstrekkung handelt der Staat aber durch die Rechtspflegeorgane infremder Angelegenheit als unbeteiligter Dritter und verfolgt gerade keinen Selbstzweck. Das 381

So Wertenbruch, RpflBl 1965, 57 (61).

382

So Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. I, S. 74 f. Vgl. auch Enneccerus/Nipperdey, AT, § 224 II 2 (S. 1375), wonach der Staat im Zivilprozeß eine "allgemeine Verwaltungsaufgabe" erfülle.

383

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. c). Selbst wenn im Fall des § 766 II ZPO der Schuldner (ggf. verfahre n s fehlerhaft, siehe unten 2. Kap. C. III. 3. mit Fußn. 501) nicht gehört, also am Verfahren nicht beteiligt wurde, richtet sich das Verfahren nicht gegen den Staat. In diesen Fällen wird vielmehr angenommen, es liege eine Erinnerung ohne Verfahrensgegner vor; vgl. K. Schmidt, JuS 1992,90 (91).

384

Gaul, Rpfleger 1971, 41 (50).

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

1

Interesse des Staates besteht an der Zwangsvollstreckung also nur als funktionsfähiger Institution, nicht aber an der Exekution eines bestimmten privaten Rechts385. Wird aber das Jugendamt bei der Klauselerteilung nicht als "Verwaltung" tätig sondern in gleicher Funktion wie die anderen Rechtspflegeorgane 386, über deren Handeln oder Verweigerung ihrer Tätigkeit die ordentlichen Gerichte urteilen, so muß auch bei der Ablehnung der Klauselerteilung durch das Jugendamt der ordentliche Rechtsweg gegeben sein. Etwas anderes wäre auch im Hinblick auf die Regelung des § 60 I 3 Nr. 2 SGB VIII unverständlich. Danach sind die Amtsgerichte zuständig sowohl für Entscheidungen über Einwendungen, die die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel betreffen, als auch für Entscheidungen über die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung 387. Warum aber dann über einen Rechtsbehelf wegen Verweigerung der ersten vollstreckbaren Ausfertigung die Verwaltungsgerichte entscheiden sollen, ist nicht einzusehen, denn es geht bei den in § 60 I 3 Nr. 2 SGB VIII genannten Einwendungen gegen die Klauselerteilung um dieselben Fragen, die auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Verweigerung der ersten vollstreckbaren Ausfertigung zu prüfen sind388. Entgegen der überwiegend vertretenen Ansicht389 kann auch in § 54 II i. V. m. § 1 II BeurkG eine abdrängende Sonderzuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit gesehen werden390. Es fehlt insoweit nicht an der "Ausdrücklichkeit" der Zuweisung i. S. d. § 40 I I VwGO. Eine "ausdrückliche" Zuweisung ist nämlich nicht gleichbedeutend mit einer "unmittelbaren" Zuweisung an ein anderes Gericht. "Ausdrücklich" ist die Zuweisung vielmehr auch dann, wenn sie sich aus dem Gesamtgehalt einer Regelung und dem Sachzusammenhang in Verbindung mit der "Sachnähe" der betroffenen Materie hinreichend deutlich ergibt 391. Gerade dieser Aspekte spricht aber für eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte: Für das Jugendamt gelten gem. § 1 II BeurkG die Vorschriften des Beurkundungsgesetzes gleichermaßen wie für den Notar, der ebenso wie das Jugendamt in den in § 59 I Nr. 4, 5 SGB VIII genannten Fällen zur Beurkundung befugt gewesen wäre. § 54vBeurkG (auf 385

Vgl. Gaul, Rpfleger 1971, 41 (50).

386

Ebenso Kurtze, Beurkundung, Kap. Ρ Rdnr. 29 (S. 101).

387

Eine entsprechende Regelung fand sich bereits in § 60 I 3 Nr. 2 KJHG bzw. § 50 I 2 Nr. 2 JWG, die vor Inkrafttreten des SGB V I I I galten.

388

Siehe auch unten 2. Kap. C. III. 1. a).

389

BT-Drucks. V 3282, S. 41; Keidel/Kuntze/Winkler, BeurkG, § 54 Rdnr. 1; Jansen, BeurkG, § 54 Rdnr. 3; Mecke/Lerch, § 54 Rdnr. 3; O. Weber, DRiZ 1970, 45 (49).

390

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56.15 mit Fußn. 17; Huhn/v.Schuckmann, § 54 BeurkG Rdnr. 5; Kurtze, Beurkundung, Kap. Ρ Rdnr. 27, 28 (S. 101).

391

Kopp, § 40 Rdnr. 49 mit zahlreichen weiteren Nachweisen.

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

den § 1 II BeurkG verweist) stellt aber wiederum klar, daß für die Beschwerde gegen die Ablehnung der Klauselerteilung die Vorschriften des FGG gelten (§ 54 II 1 BeurkG) und das Landgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die "Stelle", die die Klauselerteilung verweigerte, ihren Sitz hat (§ 54 II 2 BeurkG). Damit wird die Streitigkeit zwar nicht unmittelbar, wohl aber "ausdrücklich" i. S. d. § 40 I 1 VwGO den ordentlichen Gerichten zugewiesen. Für die Eröffnung des Zivihechtswegs spricht schließlich auch der Wortlaut des § 60 I 3 SGB VIII, der fur die "Zwangsvollstreckung" der Jugendamtsurkunden "die Vorschriften, die fur die Zwangsvollstreckung aus gerichtlichen Urkunden nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozeßordnung gelten", mit wenigen Änderungen für "entsprechend" anwendbar erklärt. Daß dabei unter "Zwangsvollstreckung" nicht nur das eigentliche Vollstreckungsverfahren, sondern auch das Klauselerteilungsverfahren gemeint ist, wird aus § 60 I 3 Nr. 1 SGB VIII deutlich. Sind aber die für gerichtliche Urkunden geltenden Vorschriften - nicht nur die der ZPO (!) - entsprechend anwendbar, so gilt dies auch für § 54 BeurkG, der auf das Beschwerdeverfahren des FGG verweist.

b) Prüfungsumfang

und maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt

Hinsichtlich des Prüfungsumfangs und des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes gelten die im Zusammenhang mit der Klauselerinnerung gemachten Ausführungen entsprechend. Im Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG sind somit nur solche Gründe beachtlich, die auch der Notar bei der Klauselerteilung hätte berücksichtigen müssen oder doch zumindest berücksichtigen können, wenn sie ihm bekannt gewesen wären392. Dies ergibt sich auch hier u. a. aus der Natur der Beschwerde als verfahrensinterner Rechtsbehelf: es können ja mit solchen Rechtsbehelfen nur solche Umstände geltend gemacht werden, die auch in dem zu überprüfenden Verfahrensabschnitt hätten berücksichtigt werden können393. Ebenso wie bei der Klauselerinnerung ist auch bei der Beschwerde nach § 54 BeurkG neues Vorbringen nicht ausgeschlossen: gelingt etwa erst im Beschwerdeverfahren dem Gläubiger durch Urkunden der erforderliche ordnungsgemäße Nachweis einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung, konnte also der Notar den Nachweis nicht berücksichtigen, da er ihm noch nicht vorlag, so hat die Beschwerde dennoch Erfolg 394. Sie richtet sich nicht gegen den Notar 395, der selbst nicht Verfahrensbeteiligter ist 396 , sondern dient der Überprü392

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56. 2.

393

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. c).

394

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56.2.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

1

fling, ob jeweils zu Recht das in Frage stehende Verfahrensstadium erreicht bzw. dessen Erreichen versagt wurde. Folglich ist auch der Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG derselbe wie der in einem Klauselverfahren. Hieran ändern auch §§ 12, 23 FGG nichts: Zwar gilt im Beschwerdeverfahren gem. §§ 54 II 1 BeurkG, 23, 12 FGG der Amtsermittlungsgrundsatz. Jedoch fuhrt das nicht dazu, daß das Beschwerdegericht Beweise, die dem Notar versagt sind, erheben und aufgrund eines solchen Beweisergebnisses die Klauselerteilung anordnen kann. Verfahrensgegenstand ist nämlich ausschließlich die Frage, ob nach den im urkundlichen Klauselerteilungs- wie Beschwerdeverfahren gleichermaßen beachtlichen Umständen der Notar die Klauselrichtigerweise erteilen müßte397. Wird dem Beschwerdeantrag des Gläubigers nicht stattgegeben398, so steht ihm die weitere Beschwerde gem. §§ 52 II 1 BeurkG, 27 ff FGG zu. Da es sich um eine Rechtsbeschwerde handelt, ist sie nur begründet, wenn die angefochtene Beschwerdeentscheidung auf einer Gesetzesverletzung beruht (§§ 54 II 1 BeurkG, 27 I 1 FGG)399. Besonderheiten ergeben sich insofern bei vollstreckbaren Urkunden nicht.

c) Eigenes Beschwerderecht des Schuldners Fraglich ist, ob auch der Schuldner die Möglichkeit hat, nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG Beschwerde gegen die Ablehnung der Klauselerteilung einzulegen. Hieran kann er insbesondere dann z. B. ein Interesse haben, wenn er schuldrechtlich gegenüber seinem Kreditgeber nicht nur zur Titulierung des 395

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. c).

396

Der Notar hat lediglich die Stellung einer Verfahrensinstanz. Aus diesem Grunde steht ihm auch gegen die Anweisung des Landgerichts im Falle einer erfolgreichen Beschwerde kein eigenes Beschwerderecht zu; OLG Hamm, DNotZ 1952, 444 (445); KG, DNotZ 1971, 494 (496); Keidel/Kuntze/Winkler, BeurkG, § 54 Rdnr. 9; Mecke/Lerch, § 54 Rdnr. 4, 6; differenzierend: Huhn/v.Schuckmann, § 54 Rdnr. 12 ff.

397

Vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56. 2; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 225, Fußn. 190.

398

Wird der Beschwerde dagegen stattgegeben, so darf das Beschwerdegericht die Klausel nicht selbst erteilen, da fur die Klauselerteilung der Notar (§ 802 ZPO analog) ausschließlich zuständig ist; vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56.13; ders., in: MönchKommZPO, § 797 Rdnr. 5 .

399

Entgegen dem mißverständlichen Wortlaut des § 27 I 1 FGG ist die Behauptung einer Gesetzesverletzung keine Zulässigkeitsvoraussetzung der weiteren Beschwerde. Die Frage der Gesetzesverletzung betrifft vielmehr ausschließlich die Begründetheit; vgl. OLG München, RzW 66, 543; Bumiller/Winkler, §27 Rdnr. 11; Baur/Wolf, Grundbegriffe, Kap. 5 IV. 2. b) (S. 122); Knöringer, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 61.

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Anspruchs nach § 794 I Nr. 5 ZPO verpflichtet ist, sondern darüber hinaus die Auszahlung des Kredits auch davon abhängt, ob der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung erlangt hat. Inwieweit dem Schuldner die Beschwerdemöglichkeit offensteht, hängt von seiner Beschwerdebefugnis ab. Diese richtet sich bei Ablehnung der Klauselerteilung nach § 20 II, I FGG400, da es sich bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel um ein Antragsverfahren handelt. Demnach muß zunächst der Schuldner durch die Ablehnung der Klauselerteilung in einem subjektiven materiellen Recht betroffen sein (§ 20 I FGG)401. Das ist der Fall, denn auch der Schuldner hat ein eigenes Antragsrecht auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung 402. Nach § 20 II FGG ist ferner erforderlich, daß der Antrag zurückgewiesen wurde. Umstritten dabei ist jedoch, ob auch derjenige nach § 20 II FGG beschwerdebefugt ist, der zwar zur Antragstellung berechtigt gewesen wäre, den Antrag aber nicht gestellt hat403. Für die Ansicht der h. M., wonach auch alle potentiellen Antragsteller beschwerdebefugt sind, die den gleichen Antrag in 1. Instanz hätten 400

Nach ganz h. M. gibt § 20 II FGG kein selbständiges Beschwerderecht, sondern schränkt § 20 I FGG ein: § 20 II FGG muß zusätzlich neben § 20 I FGG gegeben sein; vgl. statt aller: Baur/Wolf, Grundbegriffe, Kap. 5 II. 2. c) (S. 112); Jansen, FGG, § 20 Rdnr. 24; Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FGG, § 20 Rdnr. 50; Bassenge/Herbst, FGG § 20 Anm. 3; Knöringer, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 39; a. A. Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 32 III 3 (S. 234).

401

Zwar muß die Rechtsbeeinträchtigung nach § 20 I FGG an sich grundsätzlich tatsächlich vorliegen und ggf. mit einer Beweisaufnahme usw. festgestellt werden, um eine Popularbeschwerde auszuschließen. Eine Ausnahme wird jedoch in den sehr häufigen Fällen der sogenannten doppelrelevanten Tatsachen (d. h. Tatsachen, die sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der Beschwerde betreffen) gemacht. Hier genügt es fur die Zulässigkeit der Beschwerde nach h. M., wenn eine Rechtsbeeinträchtigung als möglich erscheint; vgl. hierzu statt aller: Baur/Wolf, Grundbegriffe, Kap. 5 II. 2. c) (S. 111); Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 32 I I 1 (S. 228); Knöringer, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 38.

402

H. M., vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 34.10; Jansen, BeurkG, § 52 Rdnr. 23; Mecke/Lerch, § 52 Rdnr. 4; Huhn/v.Schuckmann, § 52 Rdnr. 26; Hornig, DNotZ 1954, 553 (553); OLG München, DNotZ 1954, 552 (552). A. A. möglicherweise Petermann, Vollstreckbare Ausfertigung, S. 64 und KG, DNotZ 1934, 422, wo allerdings auf ein mögliches Antragsrecht des Schuldners nicht näher eingegangen wird. Streitig ist nur, ob der Schuldner eine Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigung an sich selbst verlangen kann (so Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 34.10) oder nur die Erteilung an den Gläubiger (so Jansen, BeurkG, § 52 Rdnr. 23). Der Streit kann hier dahinstehen, denn entscheidend ist, daß der Schuldner überhaupt ein Recht hat, die Klauselerteilung zu verlangen.

403

Dieses Problem der Beschwerdebefugnis im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann hier nur kurz angerissen werden. Dafür, daß nur der konkrete Antragsteller beschwerdebefugt ist: Jansen, FGG, § 20 Rdnr. 25; Bassenge/ Herbst, FGG § 20, Anm. 3 a. Dafür, daß auch alle potentiellen Antragsteller beschwerdebefiigt sind, die h. M.: BayObLGZ 1991, 235 (237); KG, MDR 1990, 1023 (1024); Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FGG, § 20 Rdnr. 51 m. zahlreichen w. N.; Bumiller/Winkler, § 20 Rdnr. 8.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

1

stellen können, ihn aber nicht gestellt haben, spricht, daß es nur unnötiger Formalismus wäre, vom Beschwerdeführer zu fordern, er solle seinerseits erst einen gleichlautenden Antrag stellen, um dann gegen die zu erwartende abweisende Verfugung Beschwerde einlegen zu können. Folgt man der h. M., so kann der Schuldner die Beschwerde mit dem Ziel der Anordnung der Klauselerteilung auch dann einlegen, wenn in erster Instanz nur der Gläubiger einen Klauselantrag gestellt hat und damit abgewiesen wurde404.

d) Beteiligung des Schuldners am Beschwerdeverfahren

des Gläubigers

Eine andere Frage ist, ob und inwieweit der Schuldner im Beschwerdeverfahren des Gläubigers beteiligt werden muß. Für die Beschwerde gelten gem. § 54 II 1 BeurkG die Vorschriften des FGG, so daß der Schuldner möglicherweise als Beteiligter gem. Art. 103 I GG zu hören ist.

aa) Beteiligtenstellung des Schuldners und Recht auf vorheriges rechtliches Gehör Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird unterschieden zwischen den sog. formellen Beteiligten - das sind alle, die zur Wahrnehmung sachlicher Interessen am Verfahren teilnehmen oder zu ihm zugezogen werden405 - und materiell Beteiligten - das sind alle, deren Rechte und Pflichten durch die Regelung der Angelegenheit unmittelbar betroffen werden können, ohne Rücksicht darauf, ob sie an dem Verfahren teilnehmen und damit auch formell Beteiligte sind406. Dies gilt nicht nur im Anordnungs- oder Verfugungsverfahren sondern auch im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens. Im Vordergrund steht dabei der Begriff des materiell Beteiligten: Wer durch eine Maßnahme des Gerichts in seinen Rechten beeinträchtigt werden kann, ist materiell beteiligt und soll als formell Beteiligter seine Beteiligungsrechte ausüben können407. Entscheidend ist daher nicht, ob der Schuldner im Be404

Folgt man der Gegenansicht, so ist der Schuldner nur beschwerdebefugt, sofern er mit einem eigenen Klauselantrag abgewiesen wurde.

405

Bumiller/Winkler, vor § 13 Anm. 1 b; Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, § 6 Rdnr. 18; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 14 I I 5 (S. 96), Knöringer, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 9; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 218 ff; Pawlowski/Smid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 153 ff

406

Bumiller/Winkler, vor § 13 Anm. 1 a; Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, § 6 Rdnr. 18; Knöringer, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 8; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 214 ff; Pawlowski/ Smid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 158 ff.

407

Baur/Wolf, Grundbegriffe, Kap. 2 I. 1. (S. 43), Kap. 2 II. 3. (S. 48 f).

12

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

schwerdeverfahren tatsächlich als "Antragsgegner" formell zugezogen wurde, sondern ob er materiell am Verfahren beteiligt ist und deshalb zugezogen werden muß. Ob nun der Schuldner im Beschwerdeverfahren des Gläubigers nach §§ 54 II 1 BeurkG, 20 ff FGG Beteiligter im materiellen Sinne ist, wird von der h. M. zwar nur selten ausdrücklich erörtert, im Ergebnis aber wohl abgelehnt408. Dies ergibt sich daraus, daß sie dem Schuldner gegen die Anweisung des Landgerichts (vgl. § 54 II 2 BeurkG) an den Notar, die vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen, die weitere Beschwerde versagt. Ihm stünden stattdessen die allgemeinen Rechtsbehelfe der §§ 732, 768, 797 III, V ZPO zur Verfugung, die ausreichend seien409. Im urkundlichen Klauselerteilungsverfahren ist der Schuldner nicht notwendig zu beteiligen410. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 730 ZPO. Danach wird der Schuldner vor Erteilung einer einfachen Klausel nie 411 und vor Erteilung einer qualifizierten Klausel nur nach Ermessen des zuständigen Organs gehört412. Die Vorschrift geht davon aus, daß auch das nachträglich gemäß § 732 ZPO oder § 768 ZPO gewährte Gehör des Schuldners genügen kann. Aus Art. 103 I GG ergibt sich zwar der Grundsatz des vorherigen rechtlichen Gehörs413. Ausnahmen sind jedoch im Hinblick auf Art. 19 IV GG bei "sachnotwendigem" Überraschungseffekt möglich. Bei Vollstreckungsakten ist deshalb das Prinzip des aufgeschobenen rechtlichen Gehörs anerkannt: um der Schlagkraft der Zwangsvollstreckung willen ist es zur Gewährleistung eines wirksamen Vollstreckungszugriffs (Art. 19 IV GG) mit Art. 103 I GG vereinbar, daß dem Schuldner lediglich die Möglichkeit bleibt, 408

So ausdrücklich Jansen, BeurkG, § 54 Rdnr. 7; ders., DNotZ 1966, 263 (267).

409

BayObLG, DNotZ 1964, 252 (254); OLG Düsseldorf, DNotZ 1974, 99 (100); BayObLG, DNotZ 1971, 497 (498); Keidel/Kuntze/Winkler, BeurkG, § 54 Rdnr. 12; Jansen, BeurkG, § 54 Rdnr. 10 m. w. N. in Fußn. 15; Jansen, DNotZ 1966, 267 (273); Münzberg, Rpfleger 1991, 209 ff; Stein/Jonas/Münzberg, § 724 Rdnr. 16, § 732 Rdnr. 5; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 17 II 1 (S. 215), § 17 I I I 2 b (S. 221); Mecke/Lerch, § 54 Rdnr. 7; Huhn/v.Schuckmann, § 54 Rdnr. 11. A. A. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56; ders., in: MünchKommZPO, § 724 Rdnr. 45; OLG Hamm, Rpfleger 1990, 286 (286 f); im Ergebnis auch Barkam, Erinnerung und Klage, S. 26 ff.

4.0

Gleiches läßt sich annehmen, wenn der Beschwerde nach § 54 BeurkG das Erinnerungsverfahren nach § 576 I ZPO bzw. § 11 RPflG vorgeschaltet ist, denn die erste Instanz wird dann erst mit der richterlichen Erinnerungsentscheidung nach § 576 I ZPO oder der Nichtabhilfe nach § 11 I I 3, 4 RPflG beendigt.

4.1

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 730 Rdnr. 3; Thomas/Putzo, § 730 Rdnr. 1.

4.2

Zum Einfluß von Art. 103 I GG auf die in § 730 ZPO ins Ermessen des Klauselerteilungsorgans gestellte Anhörung des Schuldners vgl. OLG Hamm, Rpfleger 1991, 161; Münzberg, Rpfleger 1991, 161 ff; Zöller/Stöber, § 730 Rdnr. 1.

4.3

Statt aller Maunz/Dürig/Herzog/Schmidt-Aßmann, Ait. 103 Rdnr. 92.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

1

sich nachträglich mit Rechtsbehelfen Gehör zu verschaffen 414. Dieses Prinzip läßt sich auch beim urkundlichen Klauselerteilungsverfahren als Wertung zugrundelegen, da der Vollstreckungserfolg schon in diesem Stadium ebenso gefährdet sein kann wie nach der Klauselerteilung415. Auch ließe sich beim urkundlichen Klauselerteilungsverfahren anführen, daß die Klausel nicht selbst die Vollstreckbarkeit des Titels schaffe, sondern diese nur als formelle Vollstreckungsvoraussetzung bescheinige416. Diese Argumente lassen sich jedoch im Rechtsbehelfszug wegen Versagung der einfachen oder qualifizierten Vollstreckungsklausel nicht mehr aufrecht erhalten. Wurde nämlich die urkundliche Klauselerteilung abgelehnt, so handelt es sich im Rechtsbehelfszug nicht mehr um eine bloße Beurkundung der Vollstreckungsreife des Titels, sondern um die Entscheidung einer Streitsache417. Darüber hinaus kann das Ziel eines raschen Vollstreckungszugriffs ohnehin nicht mehr erreicht werden, weil die Klauselerteilung durch das zuständige Organ abgelehnt wurde und der Gläubiger Beschwerde einlegen muß. Es besteht daher auch kein rechtfertigender Grund mehr, vom Prinzip des vorherigen rechtlichen Gehörs eine Ausnahme zu machen. Aus § 730 ZPO läßt sich daher weder der Ausschluß rechtlichen Gehörs noch die fehlende Stellung des Schuldners als materiell Beteiligter im Beschwerdeverfahren des Gläubigers ableiten. Gegen die Beteiligtenstellung des Schuldners spricht ferner nicht, daß er nach den gesetzlichen Vorschriften grundsätzlich keinen "vorbeugenden Rechtsschutz" gegen die Klauselerteilung genießt. Letzteres ergibt sich zwar aus dem Wortlaut der §§ 732, 768 ZPO, die davon ausgehen, daß die Vollstreckungsklausel bereits erteilt ist 418 . Die Frage, wer im materiellen Sinne Beteiligter am Beschwerdeverfahren ist, beurteilt sich jedoch nach den allgemeinen, im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Grundsätzen, sofern wenigstens ein Berechtigter das Beschwerdeverfahren eingeleitet hat419. Der Schuldner ist daher als materiell Beteiligter anzusehen, wenn seine Rechte durch die Beschwerdeentscheidung unmittelbar betroffen sein können. Es 4.4

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 5 V I 4 a (S. 51); vgl. auch BVerfGE 9, 89 (98); 57, 346 (358); Maunz/Dürig/Herzog/Schmidt-Aßmann, Art. 103 I GG Rdnr. 92, 93; Amelung, ZZP 1975, 74 (88); Barkam, Erinnerung und Klage, S. 30 f.

4.5

Münzberg, Rpfleger 1991, 161 (162).

4.6

So Zöller/Stöber, § 730 ZPO Rdnr. 1.

4.7

So auch Barkam, Erinnerung und Klage, S. 31 m. Fußn. 91.

4.8

Vgl. Münzberg, Rpfleger 1991, 210.

4.9

Baur/Wolf, Grundbegriffe, Kap. 2 II. 3. (S. 49); Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56.4; vgl. auch Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 536; Pawlowski/Smid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 158.

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

muß sich dabei stets um eine Rechtsbeeinträchtigung handeln. Die Beeinträchtigung nur wirtschaftlicher oder ideeller Interessen reicht nicht aus420. Ob aber eine "unmittelbare" Beeinträchtigung von "Rechten" in Frage steht, ist durch Auslegung zu ermitteln. Von einer möglichen Rechtsbeeinträchtigung ist auszugehen, wenn die den Sachverhalt regelnden Vorschriften - hier also die Vorschriften über das Klauselverfahren - zumindest auch dem Interesse der Person, dessen Beteiligtenstellung in Frage steht, zu dienen bestimmt sind421. Das Klauselverfahren dient aber gerade auch den rechtlichen Interessen des Schuldners. Da im Klauselverfahren die Vollstreckbarkeit des Titels, die von den Vollsreckungsorganen nicht mehr geprüft wird 422 , Untersuchungsgegenstand ist 423 , dienen dieser Verfahrensabschnitt und die ihn regelnden Vorschriften dem Schutz des Schuldners davor, einer Zwangsvollstreckung ausgesetzt zu sein, obgleich kein vollstreckbarer Titel (mehr) vorliegt. Da aber somit einerseits das Klauselverfahren dem Schutz des Schuldners dient, andererseits mit der Beschwerde die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung erreicht werden soll (genauer gesagt, die Anordnung an den Notar die Klausel zu erteilen), kann die Rechtsstellung des Schuldners durch die Beschwerdeentscheidimg unmittelbar betroffen sein. Diese Beeinträchtigung ist auch nicht eine bloß mittelbare. Zwar ließe sich argumentieren, erst der eigentliche Vollstreckungszugriff bringe für den Schuldner den Rechtsverlust. Jedoch können Rechtsverlust und Rechtsbeeinträchtigung nicht gleichgesetzt werden. Die Rechtsbeeinträchtigung liegt vielmehr bereits darin, daß mit der Anordnung der Klauselerteilung dem Schuldner ein Schutz vor der ihm drohenden Zwangsvollstreckung verlorengeht: die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Vollstreckbarkeit und Vollstreckungsreife des Titels. Nach der Klauselerteilung kann er eine solche Überprüfung nur noch durch die Einlegung von Rechtsbehelfen erreichen. Der Schuldner ist mithin im Beschwerdeverfahren des Gläubigers nach § 54 BeurkG als materiell Beteiligter anzusehen. Ihm ist deshalb auch vorheriges rechtliches Gehör zu gewähren.

420

Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, § 6 Rdnr. 18; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 215; Baur/Wolf, Grundbegriffe, Kap. 2 1. 1. b) (S. 44); Knöringer, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 8.

421

Baur/Wolf, Grundbegriffe, Kap. 2 1. 1. b) (S. 44); Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr.

216. 422 423

Ausgenommen die §§ 751, 756, 765 ZPO.

Stein/Jonas/Münzberg, vor § 704 Rdnr. 56; ders., § 724 Rdnr. 5; vgl. auch oben 2. Kap. B. I. 2. a).

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

145

bb) Recht des Schuldners zur weiteren Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG bei erfolgreicher Beschwerde des Gläubigers Wie bereits oben erwähnt, steht nach h. M. 424 dem Schuldner gegen die auf erfolgreiche Beschwerde des Gläubigers ergehende Anweisung an den Notar, die vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen, das Recht der weiteren Beschwerde nicht zu. Die Rechtsbehelfsmöglichkeiten nach §§ 732, 768, 795, 797 III, V ZPO seien insoweit ausreichend. Diese Auffassung steht jedoch im Widerspruch zur Stellung des Schuldners als materiell Beteiligter im Beschwerdeverfahren des Gläubigers. Die Berechtigung zur weiteren Beschwerde hat nämlich nicht nur der Erstbeschwerdeführer, wenn seine Beschwerde erfolglos blieb, sondern jeder materiell Beteiligte, in dessen Rechtsstellung die Beschwerdeentscheidung eingreift, auch wenn er dadurch erstmals in das Verfahren eintritt 425. Entscheidend ist daher allein, ob der Schuldner im Falle einer dem Begehren des Gläubigers stattgebenden Beschwerdeentscheidung gem. § 20 FGG, der gem. § 29 IV FGG auch für die weitere Beschwerde gilt, beschwerdebefugt ist. Da dem Antrag des Gläubigers stattgegeben wurde und somit die Voraussetzungen des § 20 II FGG nicht vorliegen 426, richtet sich die Beschwerdebefugnis ausschließlich nach § 20 I FGG. Entscheidend ist also, ob es möglich erscheint, daß der Schuldner durch die Beschwerdeentscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist 427 . Wie auch schon beim Begriff des materiell Beteiligten kommt es fur das die Beschwerdeberechtigung verleihende Recht darauf an, ob die den Sachverhalt regelnde gesetzliche Vorschrift dem Interesse des Beschwerten zu dienen bestimmt ist. Dafür genügt es, daß die Vorschrift neben anderen Interessen auch den Schutz der Interessen des Beschwerten bezweckt (sog. Schutznormtheorie) 428. Dies ist hier aus denselben Gründen zu bejahen, 424

BayObLG, DNotZ 1971, 497 (498); BayObLG, DNotZ 1964, 252 (254); OLG Düsseldorf, DNotZ 1974, 99 (100); Jansen, BeurkG, § 54 Rdnr. 10 m. w. N. in Fußn. 15; ders., DNotZ 1966, 267 (273); Münzberg, Rpfleger 1991, 209 ff; Mecke/Lerch, § 54 Rdnr. 7; Keidel/Kuntze/Winkler, BeurkG, § 54 Rdnr. 12; Huhn/v.Schuckmann, § 54 Rdnr. 11.

425

Knöringer, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 61; Baur/Wolf, Gnindbegriffe, Kap. 5 II. 2. a) (S. 109).

426

§ 20 I I FGG ist, wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, nur dann für die Frage der Beschwerdebefugnis von Bedeutung, wenn ein Antrag zurückgewiesen wurde.

427

Da es sich bei der Frage, ob die Klauselerteilungsvoraussetzungen vorlagen und demzufolge die Beschwerdeentscheidung zu Recht erging, wieder um eine doppelrelevante Tatsache handelt, ist die weitere Beschwerde bereits dann als zulässig anzusehen, wenn die Rechtsbeeinträchtigung möglich erscheint, d. h. nicht offensichtlich und eindeutig unmöglich ist (s. o. 2. Kap. C. II. 1. c) Fußn. 401 m. w. N.). Begründet ist die Beschwerde dann, wenn die Rechtsbeeinträchtigung tatsächlich vorliegt.

428

Baur/Wolf, Gnindbegriffe, Kap. 5 II. 2. b) (S. 109 f).

10 Schullheis

16

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

die auch die materielle Beteiligtenstellung des Schuldners begründeten429. Der Schuldner ist, will er die Klauselerteilung verhindern, mithin im Falle einer der Beschwerde des Gläubigers stattgebenden Entscheidimg zur Einlegung der weiteren Beschwerde gem. §§ 29 IV, 20 I FGG befugt 430. Für eine eigene Beschwerdemöglichkeit des Schuldners schon gegen die Anordnung der Klauselerteilung im Rechtsbehelfszug des Gläubigers läßt sich schließlich auch der Gesichtspunkt der "Waffengleichheit" anführen 431: hat der Schuldner nach einer Klauselerteilung an den Gläubiger mit seiner Erinnerung nach § 732 ZPO Erfolg, so kann nach zutreffender h. M. 432 der Gläubiger seinerseits hiergegen durchaus Beschwerde (nach § 567 ff ZPO) einlegen. Gleiches muß dann aber auch dem Schuldner im Rechtsbehelfszug des Gläubigers nach § 54 BeurkG zugestanden werden.

2. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens

Hat ein Vollstreckungsorgan einen Antrag des Gläubigers unter Hinweis auf fehlende Entstehung oder Fälligkeit des materiellen Anspruchs abgelehnt, so führen die auf das Vollstreckungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfe des Gläubigers fast immer zum Erfolg. Lediglich insoweit, als die Fälligkeit des Anspruchs noch vom Eintritt eines Kalendertages (vgl. § 751 I ZPO) bzw. dessen Durchsetzbarkeit von einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung des Gläubigers (vgl. §§ 756, 765 ZPO) abhängig ist und eine Auslegung des Titels ergibt, daß diese Voraussetzungen zugleich auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen sein sollen, darf dies von den Vollstreckungsorganen (und damit auch im Rahmen der verfahrensinternen Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens) berücksichtigt werden. Hat der Gläubiger den Eintritt der vorgenannten Umstände ordnungsgemäß nachgewiesen bzw. ist im Fall des § 751 I ZPO der kalendermäßig bestimmte Fällig429

Siehe oben 2. Kap. C. II. 1. d) aa).

430

Im Ergebnis ebenso wie hier OLG Hamm, Rpfleger 1990, 286 (286 f); Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56. 8 ff; ders., in: MünchKommZPO, § 724 Rdnr. 45 mit Fußn. 103, 104; Barkam, Erinnerung und Klage, S. 29 ff. Dem hier vertretenen Ergebnis läßt sich auch nicht entgegenhalten, bei dem Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG handele es sich um ein privatrechtliches Streitverfahren (siehe dazu unten 2. Kap. C. III. 1. b) bb) (1)), weshalb der Beschwerdeführer auch formell beschwert sein müsse. Die Voraussetzung der formellen Beschwer gilt nämlich bei privatrechtlichen Streitverfahren nur fur den Antragsteller, nicht jedoch fur den Antragsgegner. Vgl. zum ganzen Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 32 I I 2 a (S. 229 f). 431

Vgl. Barkam, Erinnerung und Klage, S. 31; OLG Hamm, Rpfleger 1990, 286 (287).

432

Siehe oben 2. Kap. C. I. l . d ) .

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

147

keitstag abgelaufen, so darf die Zwangsvollstreckung wegen Umständen, die den Anspruch betreffen, überhaupt nicht mehr abgelehnt werden. Als verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens auf Seiten des Gläubigers kommen § 766 II ZPO, § 793 ZPO, § 71 GBO und § 11 RPflG zur Anwendung. Hinsichtlich der Abgrenzung dieser Rechtsbehelfe voneinander gelten mit wenigen Ausnahmen die bereits oben bei den verfahrensinternen Rechtsbehelfen des Schuldners gemachten Ausführungen entsprechend433. Auf die Besonderheiten soll im folgenden kurz eingegangen werden: Für den Gläubiger kommt die Erinnerung nach § 766 II ZPO nur in Betracht, wenn der Gerichtsvollzieher den Vollstreckungsauftrag ablehnt oder wenn er es ablehnt, den Vollstreckungsauftrag nach den Weisungen des Gläubigers auszuführen. Bei Ablehnung seiner Anträge durch das Vollstreckungsgericht hat dagegen der Gläubiger die sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO (bei Zuständigkeit des Richters) bzw. die befristete Rechtspflegererinnerung gem. § 11 I 2 RPflG (bei Zuständigkeit des Rechtspflegers), denn es liegt dann eine "Entscheidung" vor 434. Wurde der Schuldner vor Zurückweisung des Antrags nicht gehört, so handelt es sich zwar um ein einseitiges Verfahren 435, in dem die Argumente der Gegenseite nicht berücksichtigt wurden. Maßgeblich für die Annahme einer Entscheidung ist jedoch, daß der Gläubiger als allein von der Ablehnung Betroffener gehört wurde. Wurde der Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek zurückgewiesen und liegt somit gegenüber dem Gläubiger eine "Entscheidung" des Grundbuchamtes vor, so ist die Beschwerde gem. § 71 I GBO 436 der richtige Rechtsbehelf. Da nach § 3 Nr. 1 h RPflG die Grundbuchsachen in vollem Umfang dem Rechtspfleger übertragen sind, findet jedoch zunächst immer der besondere Rechtsbehelf der Rechtspflegererinnerung nach § 11 RPflG statt. Da noch keine Eintragung vorliegt und somit § 11 V RPflG von vorneherein nicht in Betracht kommt, ergeben sich hinsichtlich deren Anwendbarkeit (anders als auf Seiten des Schuldners) keine Probleme: Im Falle der Nichtabhilfe gilt die Erinnerung als Beschwerde gem. § 71 I GBO (vgl. § 11 II 5 RPflG). 433

Siehe oben 2. Kap. C. I. 2.

434

Vgl. statt aller: Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1177 ff; Stein/Jonas/Münzberg, § 766 Rdnr. 3 ff; Thomas/ Putzo, § 793 Rdnr. 3; Zöller/Stöber, § 766 Rdnr. 2; Schuschke, § 766 Rdnr. 5; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, § 766 Rdnr. 3; Schreiber, Jura 1992, 25 (26). Siehe hierzu bereits oben 2. Kap. C. I. 2. a).

435 436

Siehe oben 2. Kap. C. II. 1. a) cc) (2) mit Fußn. 383.

Anders beim Schuldner: richtet sich dessen Beschwerde gegen die Eintragung der Zwangshypothek, so findet nur die beschränkte Beschwerde gem. § 71 I I 2 GBO (im Regelfall mit vorgeschalteter beschränkter Rechtspflegererinnerung) statt; siehe oben 2. Kap. C. I. 2. b), c) cc).

10

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

III. Konkurrenz- und Präklusionsprobleme 1. K l a u s e l e r i n n e r u n g gem. § 732 Z P O nach durchgeführtem Beschwerdeverfahren gem. §§ 54 B e u r k G , 20 f f F G G

a) Problemstellung Die vorhergehende Untersuchung hat gezeigt, daß als verfahrensinterner Rechtsbehelf hinsichtlich der Klauselerteilung auf Seiten des Gläubigers nur §§ 54 BeurkG, 20 ff FGG437 und für den Schuldner nur § 732 ZPO in Betracht kommt. Problematisch ist jedoch das Verhältnis beider Rechtsbehelfe zueinander, wenn der Gläubiger die Klausel erst aufgrund eines zuvor durchgeführten Beschwerdeverfahrens erlangt hat. Das Gesetz scheint nach seinem Wortlaut das Problem zwar eindeutig zu lösen, denn § 732 I ZPO unterscheidet nicht zwischen Vollstreckungsklauseln, die vom jeweils zuständigen Klauselerteilungsorgane direkt kraft eigener Entscheidung und solchen, die erst nach Beschwerde des Gläubigers auf Anweisung des Gerichts erteilt wurden. Darüber hinaus kann man dem Wortlaut der §§ 732, 768 ZPO entnehmen, daß grundsätzlich erst nach Erteilung der Vollstreckungsklausel über die Einwendungen des Schuldners gegen diese Klausel entschieden werden soll438. Die fehlende Differenzierung legt deshalb den von der h. M. 439 gezogenen Schluß nahe, der Schuldner könne auch nach durchgeführtem Beschwerdeverfahren nach §§ 54 BeurkG, 20 ff FGG die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO einlegen. Dies erscheint jedoch bedenklich, da § 732 ZPO und §§ 54 BeurkG, 20 ff FGG denselben Verfahrensgegenstand haben. Beide sind verfahrensinterne Rechtsbehelfe und haben sowohl denselben Prüfungsgegenstand als auch denselben Prüfungsmaßstab: In beiden Verfahren werden die Voraussetzungen für die Erteilung der einfachen oder qualifizierten Klausel geprüft. Maßstab sind jeweils nur solche Umstände, die auch der Notar bei der Klauselerteilung hätte berücksichtigen müssen oder doch zumindest berücksichtigen können, wenn sie ihm bekannt gewesen wären; deshalb sind in beiden Verfahren auch die Beweismittel auf Urkunden beschränkt. Darüber hinaus ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen der Klauselerteilungsvoraussetzungen 437

Wobei u. U. das Erinnerungsverfahren nach § 11 RPflG bzw. § 576 I ZPO vorgeschaltet ist, siehe oben 2. Kap. C. II. l . a ) b b ) .

438 439

Hieraufstellt Munzberg, Rpfleger 1991, 210 ab.

BayObLG, DNotZ 1964, 252 (254); BayObLG, DNotZ 1971, 497 (498); OLG Dusseldorf, DNotZ 1974, 99 (100); Jansen, BeurkG, § 54 Rdnr. 10; ders., DNotZ 1966, 267 (273); Münzberg, Rpfleger 1991, 209 ff; Mecke/Lerch, § 54 Rdnr. 7; Keidel/Kuntze/Winkler, BeurkG, § 54 Rdnr. 12 m. w. N.; Huhn/v.Schuckmann, § 54 Rdnr. 11.

C. Verfahrensintere Rechtsbehelfe

1

bei beiden Rechtsbehelfen der der gerichtlichen Entscheidung. Beide Verfahren verhalten sich damit spiegelbildlich zueinander440, mit dem einen Verfahren wird jeweils das kontradiktorische Gegenteil zum anderen Verfahren begehrt. Läßt man die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO unabhängig von einem zuvor durchgeführten Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG zu, so kann es - da es sich um getrennte Verfahren handelt - zu einem absurden Verfahrenszug mit sich einander widersprechenden Verfahrensergebnissen kommen, wie das folgende Beispiel zeigt441: Der Notar gelangt bei der Auslegung der vollstreckbaren Urkunde zu dem Ergebnis, daß die Vollstreckbarkeit vom Nachweis des Eintritts einer Bedingung abhängen soll 442 und verweigert die vollstreckbare Ausfertigung mit der Begründung, dieser Nachweis sei nicht ordnungsgemäß in der Form des § 726 I ZPO geführt. Der Gläubiger, der der Auffassung ist, der Auslegung der vollstreckbaren Urkunde könne keine Vollstreckbarkeitsbedingung entnommen werden, legt hiergegen Beschwerde ein, die vom Landgericht, das sich der Auffassung des Notars anschließt, zurückgewiesen wird. Auf weitere Beschwerde des Gläubigers hin weist das Oberlandesgericht, das der Auffassung des Gläubigers folgt, den Notar nun an, die Klausel zu erteilen. Dies vollzieht der Notar. Erhebt nunmehr der Schuldner hiergegen Erinnerung nach § 732 ZPO mit der Begründung, die Vollstreckbarkeit sei vom Nachweis des Eintritts einer Bedingung mittels öffentlicher Urkunden abhängig, so entscheidet nunmehr der Amtsrichter über diese Frage. Schließt er sich der Auffassung des Schuldners an, so kann hiergegen der Gläubiger - im anderen Falle der Schuldner - Beschwerde gegen die amtsrichterliche Entscheidung einlegen. Auf die Beschwerde entscheidet nun wiederum das Landgericht und zwar diesmal endgültig, da eine weitere Beschwerde wegen § 568 II ZPO ausgeschlossen ist. Das Landgericht hatte aber bereits auf die anfängliche Beschwerde des Gläubigers dahingehend entschieden, daß eine Klausel nicht erteilt werden dürfe. Folgt man der h. M., so kann es nun, da es sich hinsichtlich der amtsgerichtlichen Erinnerungsentscheidung um ein neues Beschwerdeverfahren handelt, wieder die gleiche Entscheidung wie im Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG treffen und die vollstreckbare Ausfertigimg sowie die Zwangsvollstreckung aus ihr für unzulässig erklären. Rechnet man die zweimalige Entscheidung des Notars mit, so befindet sich das ganze Verfahren nach sechs Instanzen wieder im gleichen Stadium wie schon nach der ersten Beschwerdeinstanz. Dabei hat sich sonderbarerweise im 440

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 58.1.

441

Vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56. 7, dessen dort angeführtes Beispiel leicht abgewandelt wurde.

442

Vgl. hierzu oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Ergebnis auch noch die Rechtsauffassung des Landgerichts gegen die abweichende Auffassung des ihm übergeordneten Oberlandesgerichts durchgesetzt. b) Problemlösung Der soeben beschriebene denkbare und rechtlich mögliche, zugleich aber absurde Verfahrenszug läßt sich nur verhindern, wenn die Möglichkeit einer Klauselerinnerung nach durchgeführtem Beschwerde verfahren gem. §§54 BeurkG, 20 ff FGG beschränkt ist. Ob dies rechtlich möglich und vertretbar ist, bedarf einer näheren Untersuchung.

aa) Bindungswirkung der Beschwerdeentscheidung analog § 318 ZPO Wurde im Rechtsbehelfszug des Gläubigers gem. §§ 54 BeurkG, 20 ff FGG der Schuldner beteiligt, so könnten widersprüchliche Entscheidungen dann nicht auftreten, wenn die im Rechtsbehelfszug nach §§ 732, 567 ff ZPO zuständigen Gerichte analog § 318 ZPO443 an die Entscheidung im Rechtsbehelfszug des Gläubigers gebunden wären444. Jedoch fehlt die für eine Analogie notwendige Vergleichbarkeit der Interessenlagen. § 318 ZPO bewirkt auch im Urteilsverfahren eine Bindung immer nur innerhalb desselben Verfahrens 445. Bei dem Klauselerinnerungsverfahren nach § 732 ZPO und dem Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG handelt es sich jedoch um verschiedene Verfahren. § 318 ZPO (analog) kann daher zu keiner Bindungswirkung fuhren. Der Frage, ob diese Vorschrift überhaupt auf Beschlüsse analog angewendet werden kann446, ist daher nicht weiter nachzugehen.

bb) Ausschluß der Klauselerinnerung wegen entgegenstehender Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung Oben447 wurde festgestellt, daß die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO das kontradiktorische Gegenteil zur Beschwerde nach § 54 BeurkG darstellt, denn 443

Da es um die Frage geht, inwieweit eine Bindungswirkung im Klauselerinnerungsverfahren nach § 732 ZPO besteht, ist § 18 FGG insoweit von vorneherein nicht einschlägig.

444

So Barkam, Erinnerung und Klage, S. 32 f.

445

Münzberg, Rpfleger 1991, 209 (2IC); Zöller/Vollkommer, * 318 Rdnr. 13 f; Thomas/Putzo, §318 Rdnr. 1; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 318 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Leipold, § 318 Rdnr. 1; B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 10 ff.

446

Vgl. zu diesem Problem ausführlich B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 52 ff.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

15

es werden in den beiden Verfahren dieselben Behauptungen gegeneinander, nur in gegensätzlichen Parteistellungen erhoben. Deshalb könnte einer Klauselerinnerung des Schuldners eine zuvor ergangene Beschwerdeentscheidung nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG entgegenstehen. Voraussetzung wäre dafür, daß die Beschwerdeentscheidung überhaupt in materielle Rechtskraft erwächst. Die Beschwerdeentscheidung ergeht aber gem. § 54 II 1 BeurkG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ob und in welchem Umfang dort Entscheidungen in materielle Rechtskraft erwachsen, ist jedoch sehr umstritten448.

(1) Rechtskraftfähigkeit

der Beschwerdeentscheidung

Voraussetzung für den Eintritt der materiellen Rechtskraft ist insoweit unstreitig das Vorliegen einer formell rechtskräftigen Entscheidung449. Formelle Rechtskraft tritt nur ein, wenn eine Entscheidung durch Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar ist mit der Folge, daß die Entscheidung durch eine höhere Instanz nicht mehr geändert werden kann. Vorliegend ist jedoch gegen die Beschwerdeentscheidung nach §§ 54 II 1 BeurkG, 20 ff FGG die nicht befristete weitere Beschwerde nach §§ 27 ff FGG gegeben. Formelle Rechtskraft tritt daher - außer im Fall des Rechtsmittelverzichts aller Beteiligten und der Verwirkung des Beschwerderechts - erst nach Ausschöpfung des Rechtsmittelzugs ein. Obsiegt dagegen der Gläubiger bereits mit seiner Beschwerde vor dem Landgericht und hat der Schuldner die weitere Beschwerde nicht eingelegt, so kann schon mangels Unanfechtbarkeit keine materielle Rechtskraft eintreten. Somit kommt ein Ausschluß des Klauselerinnerungsverfahrens wegen entgegenstehender Rechtskraft eines vorhergehenden Beschwerdeverfahrens ohnehin nur in Betracht, wenn der Gläubiger oder der Schuldner die weitere Beschwerde erhoben haben und darüber entschieden wurde 450. Wie aber ist es, wenn eine Entscheidung im Rahmen der vom Gläubiger oder Schuldner451 betriebenen weiteren Beschwerde erging? Eine materielle 447

Siehe oben 2. Kap. C. III. 1. a).

448

Vgl. hierzu etwa die Arbeit von Bösenecker, Die materielle Rechtskraft in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1982.

449

Vgl. statt aller: Baur/Wolf, Grundbegriffe, Kap. 4 IV. 2. (S. 101); Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 456. 450

Entsprechendes gilt, wenn die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung ausnahmsweise wegen eines beidseitigen Rechtsmittelverzichts bzw. einer Verwirkung des Beschwerderechts rechtskräftig wurde. Für diesen Ausnahmefall, der im folgenden der Einfachheit halber nicht näher erwähnt wird, gilt dasselbe wie fur die unanfechtbar gewordene Entscheidung über die weitere Beschwerde.

451

Siehe oben 2. Kap. C. II. 1. d)bb).

12

. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Rechtskraft ist in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur ausnahmsweise gegeben, weil es in der Regel an einem rechtskrafltfähigen Gegenstand fehlt 452. Anerkanntermaßen tritt sie aber nach h. M. 453 bei formell rechtskräftigen privatrechtlichen Streitsachen ein. Kennzeichnend für diesen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, daß sich hier regelmäßig wie im Zivilprozeß zwei Beteiligte (oder Gruppen von Beteiligten) mit entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen und ein Bedürfnis nach verbindlicher gerichtlicher Entscheidung über behauptete subjektive Rechte besteht454. Wären diese Angelegenheiten nicht ausdrücklich in die freiwillige Gerichtsbarkeit verwiesen, so würden sie im Zivilprozeß (oder im Verwaltungsstreitverfahren) geregelt werden455. Genauso verhält es sich aber bei dem Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG. Die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigimg ist (als vorbereitender Akt) Sache der Zwangsvollstreckung und damit eigentlich der streitigen Gerichtsbarkeit 456. Nur aufgrund der ausdrücklichen Verweisung in § 54 II 1 BeurkG 457 richtet sich das Beschwerdeverfahren nach dem FGG. Bei anderen Vollstreckungstiteln als der vollstreckbaren Urkunde finden dagegen die Vorschriften der ZPO (§§ 567 ff ZPO, ggf. § 576 I ZPO bzw. § 11 RPflG) Anwendung, obgleich es der Sache nach doch hier wie dort um dasselbe Problem geht. In dem Besch werde verfahren nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG stehen sich auch Vollstreckungsgläubiger und -Schuldner mit gegenläufigen Interessen gegenüber, und es besteht ebenfalls ein Bedürfnis nach verbindlicher gerichtlicher Klärung, ob die Klausel, die Voraussetzung einer Zwangsvollstreckung ist, erteilt werden darf. Aus diesem Grunde läßt sich auch das Beschwerdeverfahren nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG der Kategorie der echten privatrechtlichen Streitentscheidungen des FGG zuordnen458 und entfaltet mit Eintritt der formellen auch materielle Rechtskraft. 452

Bumiller/Winkler, § 31 Anm. 3.

453

Statt aller: Baur/Wolf, Grundbegriffe, Kap. 4 IV. a) (S. 102); Bumiller/Winkler, § 31 Anm. 3; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 455; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 28 IV 1 (S. 209); Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, § 31 Rdnr. 18; Jansen, FGG, § 31 Rdnr. 10; Stein/Jonas/ Leipold, § 322 Rdnr. 293; Bösenecker, Rechtskraft, S. 86 ff (insbes. S. 92 m. w. N. Vgl. auch S. 92 ff zur Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Ansichten).

454

Statt aller: Bumiller/Winkler, § 1 Anm. 3 a; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 54; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 7 I (S. 37 f); Bösenecker, Rechtskraft, S. 72 f.

455

Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 28 IV 1 (S. 209).

456

So ausdrücklich Schneider, DNotZ 1966, 16 (19) zur Rechtslage vor Erlaß des BeurkG.

457

Die Verweisung auf das FGG wird z. T. sogar als regelwidrig angesehen; vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 13 II 2 h (S. 135).

458

Denkbar wäre es auch nach der von Bösenecker entwickelten Terminologie die Entscheidung als "privatrechtsfeststellende streitentscheidende Maßnahmeentscheidung" zu qualifizieren; vgl. Bösenecker, Rechtskraft, S. 74 f. Ändern würde sich hierdurch am Ergebnis jedoch nichts, denn die

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

15

(2) Grenzen der materiellen Rechtskraft einer Entscheidung über die weitere Beschwerde nach §§ 54 BeurkG, 27 ff FGG Die Grenzen der materiellen Rechtskraft von echten Streitentscheidungen verlaufen entsprechen denen eines Urteils 459. Die objektive Grenze wird durch den Entscheidungsgegenstand, der sich aus dem gestellten Antrag und den zugrundeliegenden Sachverhalt bestimmt, gezogen; in subjektiver Hinsicht erstreckt sich die materielle Rechtskraft auf alle formell Beteiligten (Gläubiger und Schuldner460) und ihre Rechtsnachfolger. Fraglich und umstritten ist die Tatsachenpräklusionsgrenze. Im Zivilprozeß erfaßt die Präklusion alle Tatsachen, welche vor Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bereits bestanden haben, unabhängig davon, ob die Parteien in der Lage waren, die betreffenden Tatsachen in den Prozeß einzuführen. Namentlich Habscheid 461 hat jedoch für die freiwillige Gerichtsbarkeit eine davon abweichende Beurteilung der Präklusion vorgeschlagen: Der Antragsteller sei in einem zweiten Verfahren nur mit schuldhaft nicht geltend gemachten Tatsachen ausgeschlossen. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen462. Eine solche subjektive Präklusionsgrenze würde dem Interesse der Beteiligten, insbesondere dem des Obsiegenden, an der Endgültigkeit und Maßgeblichkeit der streitbeendigenden Entscheidung nicht gerecht werden. Die Rechtssicherheit wäre zu stark gefährdet, denn durch eine subjektive Präklusionsgrenze drohen Zweitverfahren, in denen verbissen um die Frage des Verschuldens des Nichtvorbringens einer Tatsache gestritten wird. Zieht man danach die Tatsachenpräklusionsgrenze objektiv, so steht mit der Entscheidung über die weitere Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG rechtskräftig fest, ob die Klauselerteilung nach dem im Klauselerteilungsverfahren geltenden Prüfungsmaßstab im Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz (im landgerichtlichen Beschwerdeverfahren also) zu Recht versagt wurde oder ob sie erteilt werden muß. Die einzelnen Einwendungen des Schuldners im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind dagegen lediglich Vorfragen und werden daher von der Rechtskraft nicht erfaßt 463. v "streitentscheidenden Maßnahmeentscheidungen" sind in gleicher Weise der materiellen Rechtskraft fähig wie die privatrechtlichen Streitentscheidungen; vgl. Bösenecker, Rechtskraft, S. 166 f. 459

Baur/Wolf, Grundbegriffe, Kap. 4 IV. 5. (S. 103); Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 457 f; eingehend Bösenecker, Rechtskraft, S. 96 ff.

460

Zur Beteiligtenstellung des Schuldners siehe oben 2. Kap. C. II. 1. d) aa).

461

Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 28 IV 4 (S. 211 f); ebenso Jansen, FGG, § 31 Rdnr. 13.

462

Ebenso Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, § 31 Rdnr. 22 b; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 460; eingehend Bösenecker, Rechtskraft, S. 114 f f m. w. N.

463

Münzberg, Rpfleger 1991, 209 (211).

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

1

(3) Unzulässigkeit der Klauselerinnerung nach einer Entscheidung über die weitere Beschwerde nach §§ 54 BeurkG, 27 ff FGG Oben wurde bereits festgestellt, daß mit der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO das kontradiktorische Gegenteil zum Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG geltend gemacht wird. Ebenso wie dort ist bei der Erinnerung nach § 732 ZPO Verfahrensgegenstand die Frage, ob die Klausel nach dem im urkundlichen Klauselerteilungsverfahren geltenden Prüfungsmaßstab zu Recht erteilt wurde, wobei die einzelnen Einwendungen des Schuldners gleichfalls lediglich Vorfragen darstellen. Folglich steht die Rechtskraft einer Entscheidung über eine weitere Beschwerde gem. § 54 II 1 BeurkG, 27 ff FGG der Entscheidung einer (späteren) Klauselerinnerung nach § 732 ZPO entgegen. Gegen diese Lösung spricht entgegen der Auffassung Münzbergs 464 nicht, daß hierdurch eine eventuell später erhobene Klage nach § 768 ZPO465 teilweise leerlaufen würde. Nach der hier vertretenen Ansicht von dem bei § 54 BeurkG und § 732 ZPO geltenden Prüfungsumfang ist das nicht der Fall. Da sich Verfahrensgegenstand und Rechtskraft nach dem im Klauselverfahren geltenden formalen Prüfungsmaßstab richten, mithin also nur eine erneute Überprüfung anhand derselben Prüfungskriterien ausgeschlossen ist, bleibt auch eine Klage nach § 768 ZPO unbeschränkt möglich. Prüfungsgegenstand der Klauselgegenklage - als verfahrensexterner Rechtsbehelf - sind ja gerade solche Umstände, die jenseits der Prüfungskompetenz der Klauselerteilungsorgane lagen. Alle Beweismittel sind dort zugelassen. Die Rechtskraft einer Entscheidung im Rahmen der weiteren Beschwerde nach §§ 54 II 1 BeurkG, 27 ff FGG kann somit einer späteren Klage nach § 768 ZPO nicht entgegenstehen, so daß trotz vorheriger Entscheidung über sie im Rahmen des § 768 ZPO unbeschränkt nachprüfbar bleibt, ob der als bewiesen angenommene Eintritt bestimmter Umstände der wirklichen Rechts- und Tatsachenlage entspricht. Bedenken gegen die hier vertretene Lösung466 könnten sich auch dann ergeben, falls eine Entscheidimg über die weitere Beschwerde (nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG) dem Schuldner im Falle seines Obsiegens einen geringeren Schutz bieten würde als eine Entscheidung über die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO. Ist der Gläubiger sowohl in der landgerichtlichen Beschwerdeinstanz als auch mit seiner weiteren Beschwerde auf Klauselerteilung nicht 464

Rpfleger 1991, 209 (211).

465

Entsprechendes gilt fur die Klage nach § 731 ZPO, wenn der Schuldner im Verfahren der weiteren Beschwerde nach §§ 54 BeurkG, 27 f f FGG obsiegte.

466

Ausschluß der Klauselerinnerung infolge Rechtskraft der Entscheidung über die weitere Beschwerde nach §§ 54 BeurkG, 27 f f FGG.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

15

durchgedrungen, so kann er eine Klauselerteilung nur noch über § 731 ZPO erreichen. Die Gefahr, welcher der Schuldner mit § 732 ZPO entgegentreten kann - nämlich daß nach dem im urkundlichen Klauselerteilungsverfahren geltenden Prüfungsmaßstab zu Umecht eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt wird - ist endgültig beseitigt. Was aber ist, wenn der Notar 467 aufgrund der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts die vollstreckbare Ausfertigung bereits erteilt hat und danach erst der Schuldner mit seiner weiteren Beschwerde nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG beim zuständigen Oberlandesgericht Erfolg hat? In diesem Fall kann sich das Oberlandesgericht nicht mit einer Aufhebung der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung und Zurückweisung der Beschwerde des Gläubigers begnügen, sondern muß wegen des kontradiktorischen Verhältnisses von § 54 BeurkG und § 732 ZPO darüber hinaus klarstellend aussprechen, daß die Zwangsvollstreckung aus der bereits erteilten vollstreckbaren Ausfertigung unzulässig ist 468 . Auf diese Weise gewährt die Entscheidung über die weitere Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG auch im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO denselben Schutz wie eine Entscheidung über die Klauselerinnerung.

cc) Ausschluß der Klauselerinnerung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfhisses Zu untersuchen bleibt der Fall, daß der Gläubiger bereits in der Beschwerdeinstanz obsiegte, der Schuldner hiergegen keine weitere Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG einlegte und die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung auch nicht wegen eines Rechtsmittelverzichts oder einer Verwirkung des Beschwerderechts unanfechtbar wurde 469. Kann der Schuldner in diesem Fall noch die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO erheben? Materielle Rechtskraft steht dem - wie oben bereits festgestellt wurde - jedenfalls nicht entgegen. Jedoch fehlt es für eine Klauselerinnerung nach § 732 ZPO am Rechtsschutzbedürfnis 470. Glaubt der Schuldner, seine Einwendungen im Beschwerdeverfahren des Gläubigers nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG seien nicht richtig gewürdigt worden, so steht es ihm (sogar unbefristet) frei, hiergegen die weitere Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG einzulegen. Kein schützens467

Gleiches gilt fur andere Klauselerteilungsorgane.

468

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 56.10.

469

In diesen Ausnahmefällen gilt ja dasselbe wie bei einer Entscheidung über die weitere Beschwerde. Siehe oben 2. Kap. C. III. 1. b) bb) (1) mit Fußn. 450.

470

Ebenso wie hier OLG Hamm, Rpfleger 1990, 286; Palm, Rpfleger 1967, 365 (367 f).

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

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wertes Interesse aber hat der Schuldner daran, nach der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung gem. §§ 54, 20 ff FGG mit denselben Einwendungen471 nun noch einmal im Klauselerinnerungsverfahren nach § 732 ZPO beim Amtsgericht gehört zu werden, also dieselben Einwendungen von einer unteren Instanz noch einmal überprüfen zu lassen. Die drei Zwecke, denen die Klauselerinnerung hauptsächlich dient - Gewährung nachträglichen, rechtlichen Gehörs, Überprüfung der Klauselerteilung innerhalb derselben Instanz und Verwirklichung des Vorrangs der richterlichen Entscheidung472 - sind bereits durch die Beteiligung des Schuldners am Beschwerdeverfahren des Gläubigers nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG erreicht worden: Angesichts der landgerichtlichen Prüfung der Klauselerteilungsvoraussetzungen im Verfahren nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG erscheint eine erneute Überprüfung durch das Amtsgericht im Verfahren nach § 732 ZPQ entbehrlich, und rechtliches Gehör wurde dem Schuldner bereits im Beschwerdeverfahren des Gläubigers gewährt, in dem auch der Vorrang der richterlichen Entscheidung verwirklicht wurde 473. Bedenken gegen den hier vertretenen Lösungsweg474 könnten sich daraus ergeben, daß der Schuldner auf diese Weise gezwungen ist, bereits in der landgerichtlichen Beschwerdeinstanz alle Einwendungen gegen die Klauselerteilung vorzubringen, die im Rahmen der verfahrensinternen Rechtsbehelfen beachtlich sind. Im Verfahren der weiteren Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG kann er, da es sich um eine reine Rechtsbeschwerde475 handelt, keine neuen Einwendungen mehr vortragen. Selbst dann, wenn etwa der Gläubiger mit seiner Beschwerde z. B. nur um die Anerkennung des Beweiswertes einer Urkunde nach §§ 726 ff ZPO kämpft, muß der Schuldner auch solche Einwendungen, die damit nichts zu tun haben, vorbringen. Entgegen der Auffassung Münzbergs m stellt dies jedoch nach der hier vertretenen Ansicht vom Prüfungsumfang bei § 54 BeurkG bzw. § 732 ZPO keine unbillige Belastung des Schuldners dar: Mit § 732 ZPO können im wesentlichen ohnehin nur formale Einwendungen geltend gemacht werden und nur bezüglich dieser droht ein Ausschluß. Der Gläubiger muß aber bereits zur Begründung seiner Be471

Gleiches gilt fur Einwendungen, die im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits objektiv vorlagen; siehe oben 2. Kap. C. III. 1. b) bb) (2).

472

Siehe oben 2. Kap. C. I. 1. a).

473

Vgl. Palm, Rpfleger 1967, 365 (367 f).

474

Verneinung des Rechtsschutzbedürfhisses fur eine Klauselerinnerung, weil der Schuldner gegen die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG die weitere Beschwerde einlegen kann.

475

Siehe oben 2. Kap. C. II. 1. b).

476

Rpfleger 1991, 209 (211).

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

15

schwerde schon alle formalen Voraussetzungen fur eine Klauselerteilung dartun. Es wird daher regelmäßig keine Punkte geben, aus denen sich Einwendungen fur eine spätere Klauselerinnerung ergeben könnten, die nicht ohnehin bereits im Beschwerdeverfahren angesprochen wurden. Zumindest werden sie dem Schuldner bekannt sein, da sich die Prüfung auf formale, leicht nachweisbare Umstände beschränkt. Es ist daher nicht unbillig, wenn er sie bereits im Beschwerdeverfahren vorbringen muß. Er steht letztlich nicht schlechter, als wenn dem Gläubiger bereits auf seinen Antrag hin die Klausel erteilt worden wäre. Dann nämlich hätte der Schuldner ebenfalls seine Einwendungen vorbringen müssen - nur eben in einem Verfahren nach § 732 ZPO.

c) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis läßt sich mithin festhalten, daß dem Schuldner das Klauselerinnerungsverfahren nach § 732 ZPO nicht mehr zur Verfügung steht, wenn dem Gläubiger die Klausel erst aufgrund einer Anordnung im Beschwerdeverfahren nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG erteilt wurde: Erging eine Entscheidung über die weitere Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG, so steht deren Rechtskraft der Klauselerinnerung entgegen477, erging nur eine nicht rechtskräftige landgerichtliche Beschwerdeentscheidung, so fehlt für eine Klauselerinnerung das Rechtsschutzbedürfnis, da der Schuldner die weitere Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG einlegen kann.

2. Erneuter Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nach durchgeführtem Erinnerungs ver fahren gem. § 732 ZPO

Zuvor wurde die Frage behandelt und verneint, ob der Schuldner noch erfolgreich ein Klauselerinnerungsverfahren nach § 732 ZPO auf solche Einwendungen stützen kann, die bereits in einem vom Gläubiger erfolgreich 477

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Schuldner verfahrensfehlerhaft im landgerichtlichen Beschwerdeverfahren nach §§ 54 BeurkG, 20 ff FGG nicht gehört und dem Gläubiger erst aufgrund seiner weiteren Beschwerde die Klausel erteilt wurde. Da der Schuldner dann niemals als formell Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen wurde, erstreckt sich auch die Rechtskraft der Entscheidung über die weitere Beschwerde nach §§ 54 BeurkG, 27 ff FGG nicht auf ihn. Wurde hingegen der Schuldner zwar verfahrensfehlerhaft in der landgerichtlichen Beschwerdeinstanz nicht gehört, dem Gläubiger aber bereits aufgrund dieser Entscheidung die Klausel erteilt, so kann der Schuldner hiergegen - als materiell Beteiligter - nur die weitere Beschwerde nach § § 5 4 BeurkG, 27 ff FGG einlegen. Diese hat dann in jedem Fall zumindest insofern Erfolg, als der Schuldner in der landgerichtlichen Beschwerdeinstanz in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde und dies wegen § 27 I 1 FGG im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht mehr geheilt werden kann. Das Gericht der weiteren Beschwerde (§ 28 FGG) wird deshalb die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung aufheben und an das Landgericht zurückverweisen.

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

durchgeführten Beschwerde verfahren nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG geprüft wurden oder dort hätten vorgetragen werden können. Entsprechendes muß auch für den umgekehrten Fall gelten, daß der Schuldner zunächst erfolgreich gegen eine dem Gläubiger erteilte Klausel Erinnerung nach § 732 ZPO eingelegt hat und später der Gläubiger erneut einen Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung stellt (sowie ggf. das Beschwerdeverfahren nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG durchfuhrt), ohne die Mängel beseitigt zu haben, wegen derer der Schuldner mit seiner Erinnerung nach § 732 ZPO Erfolg hatte. Auch hier darf dem Gläubiger im Ergebnis keine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden.

a) Entgegenstehende Rechtskraft

der Klauselerinnerungsentscheidung

Ein zuvor erfolgreich durchgeführtes Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO würde in dem oben beschriebenen Fall dann einer erneuten Klauselerteilung entgegenstehen, wenn diese Entscheidung materielle Rechtskraft entfalten könnte. Dann wäre ihr Inhalt maßgeblich auch für das nun vom Gläubiger neu eingeleitete Verfahren auf Klauselerteilung. Die erstinstanzliche Klauselerinnerungsentscheidung kann aber bereits deshalb nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, weil sie noch nicht einmal formell rechtskräftig wird 478 . Gegen sie ist die unbefristete Beschwerde nach § 567 ff ZPO gegeben. Anders dagegen, wenn das Beschwerdeverfahren durchgeführt worden ist. Da die Statthaftigkeit einer weiteren Beschwerde an § 568 II ZPO scheitert, wird diese Entscheidung formell rechtskräftig. Damit ist aber noch nicht festgestellt, daß sie auch materielle Rechtskraft entfaltet. Die materielle Rechtskraft(fähigkeit) zivilprozessualer Beschlüsse ist im einzelnen sehr umstritten479. Jedoch besteht heute im wesentlichen Einigkeit darüber, daß auch Entscheidungen über prozessuale Fragen der materiellen Rechtskraft fähig sind. Dieser Erkenntnis folgend wird auch die materielle Rechtskraftfähigkeit von Beschlüssen im Grundsatz anerkannt480. Als Voraussetzung wird jedoch neben der hier mit Erlaß der Beschwerdeentscheidung gegebenen formellen Rechtskraft der Entscheidung noch deren Innenbindung481 gefordert sowie ein 478

Vom Fall des Rechtsmittelverzichts oder der Verwirkung des Beschwerderechts einmal abgesehen. Daher unzutreffend MünchKommZPO/Wolfsteiner,§ 732 Rdnr. 15.

479

Vgl. hierzu die Arbeit von B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung zivilprozessualer Beschlüsse im Erkenntnis- und summarischen Verfahren.

480

Statt aller: MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 28; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 329 Rdnr. 21; Zöller/Vollkommer, vor § 322 Rdnr. 9; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rdnr. 60, jeweils m. w. N.

481

B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 33.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

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"rechtskraftfähiger Inhalt"482, ein "Bedürfnis" 483 nach materieller Rechtskraft bzw. ein "Wirkungsraum" 484 für die Entscheidung. Das Erfordernis einer Innenbindung, die dem erkennenden Gericht die Abänderung seiner einmal erlassenen Entscheidung verbietet, ergibt sich daraus, daß von einer durch die materielle Rechtskraft bewirkten Maßgeblichkeit der gerichtlichen Entscheidung für ein weiteres Verfahren dann keine Rede sein kann, wenn dieser Entscheidung die Aufhebung oder Abänderung durch den erkennenden Richter droht 485. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Entscheidung Innenbindung entfaltet, ist zu berücksichtigen, daß die Innenbindung ebenso wie die (formelle und materielle) Rechtskraft rechtstechnische Hilfsmittel sind, um den Konflikt dreier widerstreitender Ziele lösen zu können: der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit und der Zweckmäßigkeit486. Um der Gerechtigkeit willen muß zwar einerseits ein Verfahren zur Verfugung gestellt werden, das eine möglichst hohe Richtigkeitsgewähr der Entscheidung bietet; andererseits ist es um der Rechtssicherheit willen nötig, daß das Verfahren einmal einen endgültigen Abschluß findet, jenseits dessen die Entscheidung nicht mehr geändert wird; die Zweckmäßigkeit erfordert schließlich, daß das Verfahren nicht unerträglich lange andauern darf, nur um das letzte Quentchen Ungerechtigkeit auszuschließen. Legt man diese Kriterien zugrunde, so ergibt sich die Innenbindung des Gerichts an seine hier in Frage stehende Beschwerdeentscheidung bereits aus der Ausschöpfung des Instanzenweges. Der Gesetzgeber versuchte zumindest dem Grundsatz nach durch Einführung der Rechtsmittel eine verstärkte Gewähr für die Richtigkeit der Entscheidung zu erzielen487. Es widerspräche daher dem Wesen des hierarchischen Rechtsmittelzuges, wenn das erstinstanzliche (über die Klauselerinnerung entscheidende) Gericht trotz der Tatsache, daß eine - theoretisch gesehen - richtigere Entscheidung des Rechtsmittelgerichts vorliegt, diese seinerseits ändern könnte. Gleichfalls widerspräche es aber auch dem Wesen des hierarchischen Rechtsmittelzugs, wenn das letztinstanzliche Beschwerdegericht eine Abänderungsmöglichkeit hätte. Die Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit erfordern eine Begrenzung des Rechtsmittelzuges; der Rechtsstreit muß einmal ein Ende, das letztinstanzliche Gericht "das letzte Wort" in der Sache haben und seine Entscheidung deshalb Bestand haben488. 482

MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 28; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 329 Rdnr. 21 ; Zöller/ Vollkommer, vor § 322 Rdnr. 9; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rdnr. 60.

483

So etwa J. Blomeyer, Erinnerungsbefiignis, S. 134 ff.

484

So etwa B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 92 ff.

485

B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 33.

486

B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 90.

487

Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 134 I I vor 1 (S. 803).

16

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Von dieser grundsätzlichen Innenbindung nach Ausschöpfung des Instanzenzuges wird jedoch fur letztinstanzliche Beschlüsse dann eine Ausnahme gemacht, wenn die erstinstanzliche Entscheidung nur mit der einfachen Beschwerde anfechtbar war. Diese Beschlüsse hätten nämlich nicht das gleiche Gewicht wie Urteile oder der sofortigen Beschwerde unterliegende Beschlüsse. Dies zeige sich daran, daß der Gesetzgeber den erstinstanzlichen Beschlüssen wegen ihrer minderen Bedeutung auch keine formelle Rechtskraft zukommen lassen wollte. Aufgrund dieser Wertung müsse das Gebot der Rechtssicherheit der Entscheidung hinter dem Gebot der Gerechtigkeit zurücktreten, so daß auch ein letztinstanzlicher formell rechtskräftiger Beschluß in diesem Fall gerichtlicherseits abänderbar sei489. Folgt man dem, so wäre eine über die Klauselerinnerungsentscheidung ergehende Beschwerdeentscheidung mangels Innenbindung der materiellen Rechtskraft nicht fähig. Doch trifft das gegen eine Innenbindung herangezogene Argument, die Entscheidung habe nicht das gleiche Gewicht wie ein Urteil oder ein der sofortigen Beschwerde unterliegender Beschluß, zumindest auf die Klauselerinnerungsentscheidung (und die hierüber ergehende Beschwerdeentscheidung) nicht zu. Dies zeigt ein Vergleich mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO). Gegen jene ist die sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO) gegeben. Trotzdem hat die stattgebende Entscheidung über die Klauselerinnerung vom Ergebnis her weiterreichende Wirkungen als die stattgebende Vollstreckungserinnerungsentscheidung, denn bei ersterer wird die gesamte Zwangsvollstreckung aus der konkret erteilten vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig erklärt, was zur Folge hat, daß alle490 bisher getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen über §§ 775 Nr. 1 , 776 S. 1 ZPO aufgehoben werden. Bei einer stattgebenden Vollstreckungserinnerungsentscheidung dagegen wird nur eine konkrete Zwangsvollstrekkungsmaßnahme fur unzulässig erklärt und auch nur diese über §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO aufgehoben. Es läßt sich mithin also durchaus nicht sagen, die Entscheidimg über die Klauselerinnerung habe nicht dasselbe Gewicht wie ein der sofortigen Beschwerde unterliegender Beschluß (z. B. über eine Vollstrekkungserinnerung). Damit ist fiir den hier in Frage stehenden Fall einer Beschwerdeentscheidung im Rahmen eines Verfahrens nach § 732 ZPO auch das Argument widerlegt, letztinstanzliche Beschlüsse unterlägen dann nicht der Innenbindung, wenn die erstinstanzliche Entscheidung nur mit der einfachen Beschwerde anfechtbar sei. Mithin bewirkt auch eine über die Klauseler-

488

B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 25.

489

B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 66.

490

Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise (vgl. § 733 ZPO) zwei vollstreckbare Ausfertigungen erteilt wurden und nur die Zwangsvollstreckung aus einer von beiden fur unzulässig erklärt wurde.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

1

innerungsentscheidung ergehende Beschwerdeentscheidung eine Innenbindung des Gerichts. Soweit fur die materielle Rechtskraft zivilprozessualer Beschlüsse als Voraussetzung ein "rechtskraftfähiger Inhalt"491 der Entscheidung, ein "Bedürfnis" 492 nach materieller Rechtskraft oder ein "Wirkungsraum" 493 gefordert wird, läuft dies trotz Unterschiede im Detail494 darauf hinaus, daß zumindest theoretisch für die beschwerte Partei die Möglichkeit bestehen muß, durch erneuten Antrag den gleichen Sachverhalt nochmals dem Gericht zu unterbreiten. Charakteristisch für die materielle Rechtskraft ist ja die Maßgeblichkeit einer Entscheidung in einem neuen Verfahren. Nach dieser Maßgeblichkeit zu fragen, ist aber nur dann sinnvoll, wenn der Zielkonflikt zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit dadurch zu entstehen droht, daß in einem neuen Verfahren bei streitidentischem Sachverhalt eine neue Entscheidung gefordert wird 495 . Dann hat die Entscheidung einen "rechtskraftfähigen Inhalt" bzw. einen "Wirkungsraum", und es besteht eine "Bedürfnis" nach materieller Rechtskraft, die eintreten muß, sofern auch formelle Rechtskraft und Innenbindung vorliegen. Genau so verhält es sich aber bei der über eine Klauselerinnerung ergehenden Beschwerdeentscheidung: Stellt der Gläubiger bei identischer Sachlage, und ohne neue Nachweise in der Form von öffentlichen bzw. öffentlich beglaubigten Urkunden zu erbringen, erneut einen Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel oder führt er bei dessen Ablehnung ggf. sogar das Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG durch, so besteht ein dahingehendes Bedürfnis, daß der im Beschwerdeverfahren über die Klauselerinnerung siegreiche Schuldner nicht wieder seinen Erfolg durch eine erneute Klauselerteilung an den Gläubiger trotz identischen Sachverhalts einbüßt. Die über die Klauselerinnerung ergangene Beschwerdeentscheidung kann und muß mithin für das durch die Antragstellung eingeleitete neue Klauselerteilungsverfahren maßgeblich sein. Ihre materielle Rechtskraft ist - da sie auch formelle Rechtskraft und Innenbindung entfaltet - daher anzuerkennen. Wurde deshalb im Rahmen des Klauselerinnerungsverfahrens in der Beschwerdeinstanz die Zwangsvollstreckung aus der bereits an den Gläubiger erteilten vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig erklärt, so steht bei identischem Sachverhalt und ohne neue urkundliche Nachweise des Gläubigers die materielle Rechts491

MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 28; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 329 Rdnr. 21; Zöller/Vollkommer, vor § 322 Rdnr. 9; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rdnr. 60.

492

So etwa J. Blomeyer, Erinnerungsbefugnis, S. 134 ff.

493

So etwa B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 92 ff.

494

Vgl. hierzu B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 86 ff.

495

Vgl. B. Werner, Rechtskraft und Innenbindung, S. 98.

11 Schultheis

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2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

kraft dieser Entscheidung einer erneuten Klauselerteilung an den Gläubiger entgegen.

b) Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis Wurde die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der dem Gläubiger bereits erteilten vollstreckbaren Ausfertigung aufgrund der erstinstanzlichen Klauselerinnerungsentscheidung ausgesprochen, so kann, mangels formeller und damit auch materieller Rechtskraft, die Entscheidung inhaltlich für einen erneuten Klauselantrag des Gläubigers nicht maßgeblich sein. Dennoch muß dessen Antrag zurückgewiesen werden - zwar nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft, wohl aber wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfhisses. Da dem Gläubiger im Klauselerinnerungsverfahren wegen Art. 103 I GG rechtliches Gehör zu gewähren ist 496 und ihm die Möglichkeit der Beschwerde nach §§ 567 ff ZPO gegen die Erinnerungsentscheidung zusteht497, hat er die Möglichkeit, den Streit um die Zulässigkeit der Klauselerteilung dort weiter auszutragen. Glaubt er, die von ihm vorgelegten Unterlagen und Urkunden reichten zur Klauselerteilung nach dem im Klauselerteilungsverfahren geltenden Prüfungsmaßstab aus, so kann er dies durch die Beschwerdeentscheidung verbindlich (rechtskräftig) klären lassen. Kein Rechtsschutzbedürfnis besteht aber, es mit den gleichen Mitteln noch einmal im urkundlichen Klauselerteilungsverfahren zu versuchen.

3. K o n k u r r e n z - und Präklusionsprobleme zwischen den a u f das Vollstreckungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfen des Gläubigers u n d denen des Schuldners

Als weiteres Konkurrenz- und Präklusionsproblem ist zu untersuchen, wie sich die auf das Vollstreckungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfe des Gläubigers und des Schuldners zueinander verhalten. Relevant wird dies insbesondere, wenn der Gläubiger nur aufgrund eines solchen Rechtsbehelfs (§§ 766 II, 793 ZPO, 1112 RPflG, 71 I GBO) die Durchführung der von ihm begehrten Zwangsvollstreckung erreicht hat. Es stellt sich dann die Frage, ob der Schuldner gestützt auf Umstände, die bereits im Rechtsbehelfsverfahren des Gläubigers geprüft wurden498 seinerseits noch er496

H. M., vgl. statt aller: Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 14; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 732 Rdnr. 8.

497

Siehe oben 2. Kap. C. I. 1. d) und statt aller: Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 16; MünchKommZPO/ Wolfsteiner, § 732 Rdnr. 13; Thomas/Putzo, § 732 Rdnr. 10; Stein/Jonas/Münzberg, § 732 Rdnr. 11; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 732 Rdnr. 8.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

163

folgreich verfahrensinterne Rechtsbehelfe (§§ 766 I, 793 ZPO, 1112 RPflG, 71 II GBO) einlegen kann. Auch dieses Problem löst sich über die materielle Rechtskraft der Entscheidung: Hat der Gläubiger gegen die Weigerung des zuständigen Vollstreckungsorgans die Vollstreckungserinnerung (§ 766 II ZPO) oder die sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO) bzw. befristete Rechtspflegererinnerung (§ 11 1 2 RPflG) 499 eingelegt, so wird die Entscheidung mit Ablauf der Rechtsmittelfrist 500 formell rechtskräftig. Auch das Gericht ist an seine Entscheidung gebunden und kann diese nicht abändern (§ 577 III ZPO). Darüber hinaus entfaltet die Entscheidung zwischen den Beteiligten501 materielle Rechtskraft 502: 498

So z. B. die Frage, ob der Titel dahingehend auszulegen ist, daß die Zwangsvollstreckung erst nach dem Ablauf eines Kalendertages (§ 751 I ZPO) beginnen darf.

499

Zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Rechtsbehelfe voneinander siehe oben 2. Kap. II. 2.; 2. Kap. C. I. 2. Zur Situation bei der Grundbuchbeschwerde nach § 71 I GBO siehe sogleich unten in diesem Abschnitt. 500 Gegen die Entscheidung über die Vollstreckungserinnerung ist die sofortige Beschwerde (§§ 793 I, 577 ZPO, Frist: 2 Wochen) gegeben. Gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde findet (im Rahmen der § 568 I I 2, III ZPO) die sofortige weitere Beschwerde (§§ 793 II, 577 ZPO, Frist: 2 Wochen) statt. Entsprechendes gilt bei der befristeten Rechtspflegererinnerung, sofern der Richter nicht abhilft; sie gilt gem. § 11 I I 5 RPflG dann als sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO. Hilft dagegen der Richter der Entscheidung ab - dem Rechtspfleger ist dies wegen § 11 II 1 2. HS RPflG nicht möglich - so hat der Schuldner hiergegen wieder die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO.

501 Beteiligt ist - selbstverständlich - immer der Rechtsbehelfsführer (beim vorliegenden Problem also immer der Gläubiger). Darüber hinaus ist auch der Rechtsbehelfsgegner (hier: der Schuldner) Verfahrensbeteiligter, wenn ihm rechtliches Gehör gewährt wurde. Dies muß wegen Art. 103 I GG m. E. zumindest dann immer geschehen, wenn eine fur ihn nachteilige Entscheidung ergehen soll; so auch Brox/Walker, JA 1986, 57 (63); Stein/Jonas/Münzberg, § 766 Rdnr. 39; a. A. wohl Zöller/Stöber, § 766 Rdnr. 27. Wurde dagegen der Rechtsbehelfsgegner - wenn auch verfahrensfehlerhaft - nicht gehört, war er also nicht Verfahrensbeteiligter, so kann die Entscheidung ihm gegenüber auch keine Wirkungen und damit auch von vorneherein keine materielle Rechtskraft entfalten. 502

So auch die h. M. zu § 766. Entsprechendes muß für § 793 ZPO gelten. Vgl. statt aller etwa: OLG Stuttgart, Justiz 1983, 301 (301 f); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1248; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 731; A. Blomeyer, ZVR, § 31 V I I 1 (S. 122); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZPR, § 37 IX 2 (S. 444, 445); MünchKommZPO/Schmidt, § 766 Rdnr. 55; Zöller/Stöber, § 766 Rdnr. 38; Stein/Jonas/Münzberg, § 766 Rdnr. 50 m. w. N.; Koch, JR 1966, 416 (416); Brox/Walker, JA 1986, 57 (65); ausfuhrliche Untersuchung bei J. Blomeyer, Erinnerungsbefugnis, S. 128 ff. A.A. Peters, ZZP 90 (1977), 145 (148 ff) sowie ders., in: Bruns/Peters, ZVR, § 14 V I I 1 (S. 87 ff), dessen auf die summarische Natur des Erinnerungsverfahrens gestützten Bedenken gegen die materielle Rechtskraft allerdings nicht durchgreifen, wenn man der Rechtskraft des in diesem Verfahren ergangenen Beschlusses keine Präklusionswirkung beimißt, die über seinen Verfahrensgegenstand hinausgeht. Verfahrensgegenstand ist aber (nur) die Frage, ob nach dem im Vollstreckungsverfahren geltenden Prüfungsmaßstab die (konkrete) Vollstreckungsmaßnahme hätte erfolgen dürfen. Die Entscheidung kann daher (nur) dann präjudizierend wirken, sofern die dort entschiedene Frage Vorfrage für die Entscheidung über den Gegenstand eines zweiten Verfahrens ist und hinsichtlich dieser Vorfrage

11

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2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Die Entscheidung hat einen "rechtskraftfähigen Inhalt" und es besteht ein "Wirkungsraum" bzw. "Bedürfnis" 503 nach materieller Rechtskraft, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß der Schuldner mit Einwendungen, die er bereits im Rechtsbehelfsverfahren des Gläubigers vorgetragen hat, nun ein neues eigenes Verfahren mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen des Vollstreckungsverfahrens durchführen will. Um für diesen Fall prozeßunökonomische Doppelprüfungen mit der Gefahr der Entscheidungsdivergenz vermeiden zu können, ist von der Maßgeblichkeit und damit der materiellen Rechtskraft der Entscheidungen nach § 766 II ZPO bzw. § 793 ZPO (ggf. nach vorgeschalteter befristeter Rechtspflegererinnerung, § 11 I 2 RPflG) auszugehen. Der Schuldner kann deshalb, sofern er durch die Gewährung rechtlichen Gehörs an dem vom Gläubiger eingeleiteten verfahrensinternen Rechtsbehelfsverfahren des Vollstreckungsrechts beteiligt wurde 504, seinerseits keine auf das Vollstreckungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfe einlegen, wenn diese Gründe bereits im Rechtsbehelfsverfahren des Gläubigers behandelt wurden505. Entsprechendes gilt auch, wenn der Gläubiger erst mit der Grundbuchbeschwerde nach § 71 I GBO die Eintragung einer Zwangshypothek erreicht hat und der Schuldner hiergegen unter Berufung auf bereits im Rechtsbehelfszug des Gläubigers geprüfte Umstände mit der beschränkten Beschwerde nach § 71 II 2 GBO vorgehen will. Zwar erwächst die Beschwerdeentscheidung selbst wegen der (nach Maßgabe der §§ 78 ff GBO) unbefristeten Möglichkeit Prüfungsgegenstand und -maßstab gleich sind. Siehe hierzu unten 4. Kap. E. und ähnlich auch Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 37 EX 2 (S. 445). 503

Zu den Erfordernissen eines "rechtskraftfahigen Inhalts", eines "Wirkungsraumes" bzw. eines "Bedürfnisses" nach materieller Rechtskraft siehe bereits oben 2. Kap. C. III. 2. a). 504 505

Siehe oben Fußn. 501 in diesem Abschnitt.

Die objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft sind wiederum streitig (diskutiert wird das soweit ersichtlich - nur fur die Vollstreckungserinnerung). Nach einer Ansicht bewirkt die Rechtskraft der Entscheidung eine dem § 767 I I ZPO entsprechende Präklusion mit allen Einwendungen, die objektiv im Entscheidungszeitpunkt vorlagen; LG Stuttgart, ZZP 69 (1956), 451 (454); Falkmann/Hubernagel, § 766 Anm. 10 d. Nach a. A. ist die Rechtskraft "punktuell" auf die jeweils erhobene Verfahrensrüge auch dann beschränkt, wenn die Mängel bereits während des laufenden Erinnerungsverfahrens vorlagen und vom Erinnerungsführer schuldhaft nicht geltend gemacht wurden (wohl h. M.); vgl. etwa Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1248; Stein/Jonas/Münzberg, § 766 Rdnr. 50 m. w. N. Letzteres überzeugt jedoch insbesondere deshalb nicht, weil nach h. M. im Rahmen der Vollstreckungserinnerung konkrete Rügen überhaupt nicht geltend gemacht werden müssen, sondern das Vollstreckungsgericht immer umfassend zu prüfen hat, ob alle Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorlagen; Schuschke, § 766 Rdnr. 26; MünchKommZPO/Schmidt, § 766 Rdnr. 46; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1211; Koch, JR 1966, 416 (417). Dann muß aber auch dementsprechend Streitgegenstand und Rechtskraftumfang global (also entsprechend § 767 I I ZPO) bestimmt werden. Eine umfassende Untersuchung ist hier jedoch nicht erforderlich. Es genügt, fur das vorliegende Problem festzuhalten, daß jedenfalls über die konkret erhobenen Verfahrensriigen materiell rechtskräftig entschieden wird.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe

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einer weiteren Beschwerde grundsätzlich nicht in Rechtskraft. Die rechtliche Lage entspricht jedoch der oben erörterten Situation einer Klauselerinnerung nach § 732 ZPO nach Durchfuhrung der Beschwerde nach § 54 BeurkG 506. Die Führung des Grundbuchs ist eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Streit um die Zulässigkeit der Eintragung einer Zwangshypothek ist gleichfalls als privatrechtliche Streitigkeit 507 aufzufassen. Dies zeigt sich unter anderem daran, daß die Beschwerde nach § 71 I bzw. II 2 ZPO insoweit an die Stelle des § 766 II bzw. I 1 ZPO tritt 508 . Die letztinstanzliche Entscheidung über die weitere Beschwerde nach §§78 GBO vermag daher materielle Rechtskraft zwischen dem Gläubiger und den wegen seiner materiellen Beteiligtenstellung509 auch formell zu beteiligenden Schuldner zu entfalten 510. Der nochmaligen Prüfung von bereits im Beschwerdeverfahren des Gläubigers erörterten Gründen im Rahmen des § 71 II 2 GBO steht daher die materielle Rechtskraft entgegen. Erging dagegen nur die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung, so fehlt einer auf bereits geprüfte Gründe gestützten Beschwerde des Schuldners nach § 71 II 2 GBO das Rechtsschutzbedürfnis, denn als materiell Beteiligter hat er die Möglichkeit, den Streit um die Zulässigkeit der Eintragung einer Zwangshypothek im Rahmen der weiteren Beschwerde (§§ 78 ff GBO) zu Ende auszutragen511.

4. K o n k u r r e n z - u n d Präklusionsprobleme zwischen verfahrensinternen Rechtsbehelfen, die sich a u f das Klauselerteilungsverfahren und solchen, die sich a u f das Vollstreckungsverfahren beziehen

Wie mehrfach festgestellt, wird der materielle Anspruch im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren und damit auch im Rahmen der entsprechenden verfahrensinternen Rechtsbehelfe nur über den "Umweg" berücksichtigt, daß materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch die Vollstreckungsunterwerfung zu vollstreckungsrechtlich erheblichen Tatsachen erklärt wurden und dann auch nur im Rahmen der §§ 7261, 751 I, 756, 765 ZPO. Was jedoch über § 726 I ZPO im Klauselerteilungsverfahren zu berücksichtigen war, fin506 507

Siehe oben 2. Kap. C. III. 1.

Oder als privatrechtsfeststellende 2. Kap. C. III. 1. b) bb) (1) Fußn. 458. 508

streitentscheidende Maßnahmeentscheidung, siehe oben

Siehe oben 2. Kap. C. I. 2. b); 2. Kap. C. II. 2.

509

Vgl. hierzu die Erörterung der entsprechenden Problematik im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach § 54 BeurkG oben 2. Kap. C. II. 1. d) aa).

510

Vgl. allgemein zur materiellen Rechtskraft von Entscheidungen in Registersachen Bösenecker, Rechtskraft, S. 180 ff. 5,1

Vgl. insoweit zur parallelen Problematik bei § 54 BeurkG oben 2. Kap. C. III. 1. b) cc).

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2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

det keine Beachtung mehr im Vollstreckungsverfahren und was nach §§ 751 I, 756, 765 ZPO von den Vollstreckungsorganen zu prüfen ist, war im Klauselerteilungsverfahren bedeutungslos. Konkurrenz- und Präklusionsprobleme zwischen den auf das Klauselerteilungsverfahren und den auf das Vollstrekkungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfen können daher insoweit512 nicht auftreten.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe Wie bereits ausgeführt, kann der materielle Anspruch im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren wegen des Formalisierungsprinzips nur über den "Umweg" berücksichtigt werden, daß materiellrechtlich erhebliche Tatsachen513 im Rahmen der Unterwerfungserklärung zu VollstreckbarkeitsVoraussetzungen (im Sinne der §§ 726, 751, 756, 765 ZPO) erklärt werden. Folglich sind auch die verfahrensinternen Rechtsbehelfe mit ihrem durch den jeweiligen Verfahrensabschnitt begrenzten Prüfungsumfang und -maßstab für eine umfassende Überprüfung der materiellen Grundlagen nicht geeignet. Anders verhält es sich dagegen mit den Klagen des Klausel- und Zwangsvollstrekkungsverfahrens, denn diese haben vornehmlich die Korrektur materiellrechtlicher Fehlergebnisse zum Ziel, die wegen der formalisierten Konzeption des Vollstreckungsrechts entstehen können514.

I. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Schuldners 1. Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO)

a) Die Bedeutung der Vollstreckungsgegenklage bei der vollstreckbaren Urkunde Die Vollstreckungsgegenklage hat - wie die anderen Klagen des Klauselund ΖwangsvollstreckungsVerfahrens auch - die Aufgabe, die Formalisierung der Zwangsvollstreckung auszugleichen. So wie die Vollstreckung als Staatsakt durch den Titel gerechtfertigt ist, so rechtfertigt sich die Vollstreckung als Akt der Gläubigerbefriedigung allein durch den materiellen Anspruch515. Mit 5,2 Siehe aber zu den Konkurrenz- und Präklusionsproblemen, soweit es um die Frage der Titelwirksamkeit geht, unten 4. Kap. C. II. 2. 513

Außer in den hier nicht weiter interessierenden Fällen der §§ 727, 728, 729, 738, 742, 744, 745 II, 749 ZPO. 514

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. d).

. V e r f a h r e n s e r n e Rechtsbehelfe

1

ihr erhält der Schuldner die Möglichkeit, auch in der Zwangsvollstreckung "Einwendungen, die den ... Anspruch selbst betreffen..." (§ 767 I ZPO) geltend zu machen. Der vom Gesetzgeber geregelte "Normalfall" einer Vollstrekkungsgegenklage betrifft die Situation, daß der materiellrechtliche Anspruch bereits in einem vorausgegangenen Erkenntnisverfahren vom Gericht geprüft wurde. Aus diesem Grunde sind ihm in diesem Fall auch Einwendungen gegen den materiellen Anspruch abgeschnitten, die er in dem vorangegangenen Urteilsverfahren hätte geltend machen können (§ 767 II ZPO). Anders dagegen bei der vollstreckbaren Urkunde: Sie folgt nicht dem gesetzlichen Leitbild "Rechtsstreit vor Vollstreckung"516. Ihr Zweck ist es ja gerade eine Vollstreckungsmöglichkeit ohne vorherigen Prozeß zu schaffen. Sie hat mithin eine prozeßersetzende Funktion517. Diese prozeßersetzende Funktion fuhrt jedoch nicht zu einem endgültigen Rechtsschutzverzicht. Ein solcher wäre auch mit rechtsstaatlichen Grundsätzen kaum zu vereinbaren, denn letztlich käme dies einer Selbsthilfe kraft einverständlicher Parteivereinbarung gleich. Gerichtsschutz aber ist zumindest für den Schuldner nicht im voraus verzichtbar, sondern nur dadurch, daß im konkreten Einzelfall davon kein Gebrauch gemacht wird 518 . Die prozeßersetzende Funktion der vollstreckbaren Urkunde führt aber zu einer Umkehr des gesetzlichen Leitbildes, daß der Vollstreckung ein Rechtsstreit vorausgeht. War dieses Leitbild geprägt vom Anspruch des Schuldners auf präventiven Rechtsschutz, indem der Gläubiger 515

MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 1.

5.6

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 173; Stürner, JZ 1977, 431 (432); Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 1 a. E. mit Rdnr. 3. Dagegen, daß die Reihenfolge "Rechtsstreit vor Vollstreckung" ein gesetzliches "Leitbild" darstelle, etwa BGH, NJW 1987, 904 (906); Kollhosser, JA 1979, 263 (264); Dietlein, JZ 1977, 637 (638). Zu beanstanden ist der Begriff des "Leitbildes" jedoch nur, soweit daraus gefolgert wird, die Vollstreckungsunterwerfung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoße an sich schon gegen § 9 AGBG (siehe hierzu oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4) (b) sub (bb) Fußn. 165). Hier dagegen soll mit dem Begriff des "Leitbildes" nur ausgedrückt werden, daß es der Gesetzgeber als "Normalfall" ansah, wenn der Zwangsvollstreckung ein Rechtsstreit vorausgeht. Dies läßt sich nämlich der vom Gesetzgeber gewählten Systematik der §§ 704 ff ZPO entnehmen: Er hat diese Vorschriften gerade auf die Fälle eines vor der Zwangsvollstreckung erlassenen Urteils zugeschnitten. Dies zeigt sich darin, daß die §§ 704 ff ZPO hinsichtlich der in § 794 ZPO genannten Titel nur "entsprechend anwendbar" sind - und dies auch nur, soweit speziellere Vorschriften (nämlich §§ 795 a - 800 ZPO) keine anderen Regelungen treffen (§ 795 ZPO). Zwar ist Kollhosser, JA 1979, 263 (264), insoweit Recht zu geben, daß die in § 794 ZPO genannten Vollstreckungstitel gleichwertig neben den Urteilen stehen, also keine "minderwertigen" Titel sind. Dem widerspricht es aber nicht, die Reihenfolge "Rechtsstreit vor Vollstreckung" als den vom Gesetzgeber angenommenen Normalfall und nur insofern als "Leitbild" anzusehen. Selbst Dietlein, JZ 1977, 637 (638), der den "Leitbild"-Begriff kritisiert, erkennt an, daß "das Endurteil den Grundtypus der Vollstreckungstitel" bildet. 5.7

Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 4 III 1 g (S. 49); Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 172.

5.8

Dütz, Gerichtsschutz, S. 152 ff; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 177.

16

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

die Initiativlast trug, weil er gezwungen war einen Prozeß zu betreiben, um sein materielles Recht zur Geltung zu bringen, so wandelt sich dieser Rechtsschutz des Schuldners durch die vollstreckbare Urkunde in einen repressiven Rechtsschutz: Er trägt nun die Last, einen Prozeß in die Wege leiten zu müssen, um sein materielles Recht durchsetzen zu können; dieses materielle Recht besteht darin, infolge von Einwendungen nicht leisten zu müssen519. Der Zusammenhang zwischen Vollstreckungsgegenklage und vollstreckbarer Urkunde läßt sich daher auf die Formel bringen, die Vollstreckungsunterwerfung bewirke einen Verzicht auf präventiven Rechtsschutz, der durch repressiven Rechtsschutz ersetzt werde520. Die zeitliche Aufeinanderfolge, nicht aber die Inhalte, haben sich dadurch geändert: Der Rechtsstreit dient nicht der Ermöglichung der Zwangsvollstreckung und geht dieser daher nicht voraus, sondern der Rechtsstreit dient vielmehr der Verhinderung der Exekution. Die prozeßersetzende Funktion der vollstreckbaren Urkunde ist daher keine endgültige, sondern nur eine vorläufige 521. Da die vollstreckbare Urkunde zu den rechtskraftlosen Vollstreckungstiteln zählt, ist die materielle Überprüfung im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage auch nicht durch Rechtskraftwirkungen begrenzt. Im Gegensatz zu der Situation bei Urteilen ist daher die Berücksichtigung von Einwendungen gegen den materiellen Anspruch unabhängig von ihrer zeitlichen Entstehung möglich (vgl. §§ 797 IV, 767 II ZPO). Die Vollstreckungsgegenklage hat somit bei der vollstreckbaren Urkunde die Aufgabe, den titulierten Anspruch erstmals auf seine Vereinbarkeit mit dem materiellen Recht zu überprüfen und stellt damit letztlich ein nachgeholtes Erkenntnisverfahren dar 522. Unterschiede zur "normalen" Leistungsklage bestehen jedoch zumindest rein äußerlich hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zum einen ist die Parteistellung vertauscht: nicht der Gläubiger ist Kläger, sondern der Schuldner trägt die Prozeßführungslast; hinsichtlich ihres Ziels unterscheiden sich die beiden Klagen in ihrer Richtung: mit der Leistungsklage will der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners erreichen, mit der Vollstreckungsgegenklage dagegen soll eine eben solche Vollstreckung verhindert werden; bei der Vollstreckungsgegenklage gibt es ferner die besondere Präklusions Vorschrift des § 767 III ZPO523. Schließlich erscheint es äußerst fraglich, ob und inwieweit der Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage mit der der "normalen" Leistungsklage 5,9

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 173 f.

520

Stürner, ZZP 93 (1980), 233 (234).

521

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 173.

522

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 175.

523

Vgl. bei der "normalen" Leistungsklage dagegen die §§ 282 I, 296, 582 ZPO.

. V e r f a h r e n s e r e Rechtsbehelfe

1

übereinstimmt524. Um die Bedeutung der Vollstreckungsgegenklage, die Möglichkeiten, die sie dem Schuldner gewährt, die Wirkungen und das Zusammenspiel mit anderen Rechtsbehelfen zu erkennen, ist es unerläßlich, zunächst die Rechtsnatur und den Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage zu bestimmen. Hiervon hängen insbesondere auch Fragen der Klageänderung, Klagenhäufung, Rechtshängigkeit und Rechtskraft ab, was wiederum das Verhältnis der Vollstreckungsgegenklage zu den anderen Rechtsbehelfen beeinflußt, da sie diese etwa wegen entgegenstehender Rechtshängigkeit oder Rechtskraft ausschließen oder präjudizieren kann.

b) Rechtsnatur und Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage aa) Die Vollstreckungsgegenklage als prozessuale Gestaltungsklage Nach Ansicht der h. M. 526 handelt es sich bei der Vollstreckungsgegenklage um eine prozessuale Gestaltungsklage. Das Fundament hierfür wurde maßgeblich gelegt von Friedrich Stein, auf den auch die Trennung zwischen materiellem Anspruch und Vollstreckungszulässigkeit zurückgeht. Da der "Titel die Vollstreckungskraft ... trotz des Wegfalles seiner materiellen causa, des Anspruchs, noch besitzt"527, sei das Urteil über eine Vollstreckungsgegenklage "ein rechtsgestaltendes, dessen unmittelbarer Gegenstand die Zulässigkeit der ZV [Zwangsvollstreckung] für die Zukunft, nicht der materielle Anspruch selbst ist .." 528 . Der Titel werde daher "nicht ... aufgehoben, es wird ihm nur die Vollstreckbarkeit genommen..."529. Dieser Auffassung zur Rechtsnatur der Vollstreckungsgegenklage als prozessualer Gestaltungsklage ist die gegenwärtig praktisch einhellige Meinung gefolgt. Ziel der Vollstreckungsgegenklage 524

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 179.

525

Vgl. zur dogmatischen Einordnung der Vollstreckungsgegenklage mit umfassender Darstellung des Meinungsstandes auch die Arbeiten von Kainz, Funktion und dogmatische^ Einordnung der Vollstreckungsgegenklage in das System der Zivilprozeßordnung, sowie Janke, Über den Gegenstand der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO). 526

BGH, ZIP 1987, 945 (946); BGH, W M 1978, 439 (439); OLG Frankfurt, DB 1985, 751 (752); MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 3; Thomas/Putzo, § 767 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 6 f; Zöller/Herget, § 767 Rdnr. 1; Arens/Lüke, ZPR, Rdnr. 588; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 739, 742; Bruns/Peters, ZVR, § 15 I I (S. 93); Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 15 I (S. 205); Jauernig, ZVR, § 12 V (S. 53); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 I I 2 (S. 458 ff); Geißler, NJW 1985, 1865 (1866); Merz, Jura 1989, 449 (449); Otto, JA 1981, 606 (607); vgl. auch die Nachweise in den folgenden Fußnoten. 527

Stein, FG Fitting, S. 333 (475).

528

Stein/Juncker, Grundriß, § 162 I I 3 (S. 399).

529

Stein/Juncker, Grundriß, § 162 I I 3 (S. 399).

525

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

1

sei es, die einem sachlichrechtlichen Anspruch gewährte Vollstreckbarkeit, die Vollstreckungsfähigkeit, nach Wegfall ihrer Voraussetzungen durch richterliche Gestaltung zu beseitigen530 und im Hinblick auf die vollstreckbare Urkunde eine Divergenz zwischen Unterwerfungserklärung und materiellem Recht auszugleichen531. Besteht insoweit über die Rechtsnatur der Vollstreckungsgegenklage als prozessualer Gestaltungsklage weitgehend Einigkeit, so ist ihr Streitgegenstand innerhalb der h. M. umstritten und bleibt häufig offen. Liegt ihr überhaupt ein materieller Streitgegenstand zugrunde und wenn ja, bezieht er sich auf die einzelnen Einwendungen, den titulierten (materiellen oder prozessualen?532) Anspruch selbst oder gar auf einen öffentlich-rechtlichen Gestaltungsanspruch des Vollstreckungsschuldners gegen das Gericht bzw. den Staat in Gestalt des Rechtsschutzanspruchs? Dieses Problem, das eng mit der bei Gestaltungsklagen ohnehin noch keineswegs verbindlich geklärten Frage nach der Gestaltungsgrundlage zusammenhängt, kann jedoch offenbleiben, wenn entgegen der h. M. die Rechtsnatur der Vollstreckungsgegenklage nicht als prozessuale Gestaltungsklage anzusehen wäre.

bb) Die Vollstreckungsgegenklage als "Rechtsmittel-" oder "Widerspruchsklage" Eng verwandt mit der Auffassung von der Vollstreckungsgegenklage als prozessualer Gestaltungsklage ist die Ansicht, es handele sich bei der Klage nach § 767 ZPO um eine "Rechtsmittel-" oder "Widerspruchsklage". Diese Theorie geht auf Hellwi,g 533 zurück und wird heute namentlich von Gilles? 34 vertreten. Hellwig verstand unter "Rechtsmittelklagen" "diejenigen Rechtsbehelfe, welche im Wege der Klage den Widerspruch gegen eine gerichtliche Entscheidung oder sonstige Prozeßmaßnahme geltend machen und auf Beseitigung der angefochtenen Anordnung gerichtet sind"535. Insoweit werden in dem Verfahren Abänderungen einer dem Kläger beschwerenden Prozeßmaß530

BGH, NJW 1992, 2160 (2162); BGH, NJW-RR 1987, 1149; BGHZ 22, 54(56); BGHZ 15, 190 (191); RGZ 165,374(380). 531

BGH, NJW 1985,2423.

532

Siehe hierzu bereits oben 2. Kap. Α. IV.

533

Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 485 ff, insbes. S. 485 - 488 (Grundsätze) und S. 491, 492, 496 - 500; ebenso fur Vollstreckungsgegenklagen gegenüber Urteilen Scheffler, Vollstreckungsgegenklage, S. 9 ff. 534

Gilles, ZZP 83 (1970), 61 ff. Siehe hierzu die folgende Darstellung.

535

Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 485.

. V e r f a h r e n s e r n e Rechtsbehelfe

1

nähme verlangt536. Formell beginne zwar ein neues Verfahren, materiell bezwecke dieses aber eine Fortsetzung oder Wiederaufnahme der Prüfung derjenigen Voraussetzungen, von denen die Rechtmäßigkeit der ergangenen Entscheidung oder des sonstigen prozessualen Rechtsaktes abhänge537. Gegenstand des Urteils sei das prozessuale "Widerspruchsrecht" des Klägers, worunter Hellwig das vom Prozeßrecht verliehene Recht auf eine aufhebende und ändernde Entscheidung versteht538. Eine aufhebende Entscheidung aber als Gegenstand der Vollstreckungsgegenklage anzusehen, wie Hellwig es tut, kommt ohnehin allenfalls bei Urteilen, nicht aber bei anderen Vollstreckungstiteln wie der vollstreckbaren Urkunde in Betracht539. Darüber hinaus ist es bei Urteilen höchst unangebracht: Schließlich werden diese nicht dadurch unrichtig, daß spätere Ereignisse den Anspruch beeinflussen 540. Die Auffassung Hellwigs ist daher abzulehnen. Im Gegensatz zur Ansicht Hellwigs ist Gegenstand der Vollstreckungsgegenklage nach der Meinung von Gilles nicht der Erlaß einer aufhebenden oder ändernden Entscheidung, sondern die Beseitigung der Vollstreckbarkeit wegen nachträglich veränderter Umstände541. Gilles sieht in der Vollstreckungsgegenklage ebenfalls eine prozessuale Gestaltungsklage542, ordnet diese aber im Gegensatz zur h. M. dogmatisch den Rechtsmitteln zu 543 . So bestimmt denn Gilles den Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage anhand eines von ihm entwickelten rein prozessual formulierten Einwendungsbegriffs. Unter "Einwendungen" i. S. d. § 767 ZPO sei letztlich dasselbe zu verstehen wie in §§ 732, 766, 768 ZPO, nämlich ein "prozessualer Widerspruch des Schuldners gegen die Zwangsvollstreckung..., ein Begehren des Schuldners gegenüber dem angerufenen Gericht um Rechtsschutz gegenüber einer nachteiligen, beschwerenden Vollstreckungssituation, die hier in Bestand und Fortbestand der Urteilswirkung 'Vollstreckbarkeit' besteht."544 Streitgegenstand ist damit lediglich die Frage der Vollstreckbarkeit, die Frage, inwieweit der titulierte 536

Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 485.

537

Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 488, 491; ders., ZPRI, § 62 II, S. 399.

538

Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 486, 498; ders., ZPR I, § 62 II (S. 396 f, 399).

539

Aus diesem Grund geht Scheffler, Vollstreckungsgegenklage, S. 28 ff, der bei Urteilen der Auffassung Hellwigs folgt (a.a.O. S. 9 ff), bei vollstreckbaren Urkunden von einer Feststellungsklage aus. Zur Kritik hieran siehe unten 2. Kap. D. I. 1. b) cc) (1). 540

So bereits Goldschmidt, Vollstreckungsbetrieb, S. 57 Fußn. 9; ihm folgend Janke, Vollstrekkungsgegenklage, S. 131 f. 541

Gilles, ZZP 83 (1970), 61 (89) Fußn. 120.

542

Gilles, ZZP 83 (1970), 61 (103).

543

Vgl. Gilles, Rechtsmittel, S. 147 m. Fußn. 465 a; ders., ZZP 83 (1970), 61 (84 ff).

544

Gilles, ZZP 83 (1970), 61 (99 ff, Zitat S. 103).

12

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Anspruch noch der materiellen Rechtslage entspricht, hingegen nur Vorfrage. Hierüber wird nach der Ansicht von Gilles nicht rechtskräftig entschieden545. Die materiellen Einwendungen sind somit letztlich nur "Gründe" der prozessual-vollstreckungsrechtlichen Einwendungen im Sinne Gilles 546. Fraglich erscheint jedoch an dieser Auffassung, welchen Erkenntniswert die Zusammenfassung der in den §§ 732, 766, 767, 768 genannten Einwendungen zu "vollstreckungsrechtlichen Einwendungen" im Sinne Gilles haben soll. Letztlich zerbricht dieser neu geschaffene einheitliche Begriff an der Systematik der Vollstreckungsrechtsbehelfe, wenn die "vollstreckungsrechtlichen Einwendungen" i. S. d. §§ 732, 766 ZPO doch nur verfahrensbezogen und im Rahmen des § 767 ZPO nur mit materiellem Recht begründet werden können547. Es macht daher keinen Sinn, Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung (§ 766 ZPO) bzw. die formellen Voraussetzungen der Klauselerteilung (§ 732 ZPO) und Einwendungen gegen den Anspruch (§ 767 ZPO) einem einheitlichen Begriffsdach unterzuordnen. Mit der Ablehnung eines einheitlichen, vollstreckungsrechtlichen Einwendungsbegriffs zerfällt aber auch die Konstruktion eines einheitlichen prozessualen Widerspruchsrechts548. Die Ansicht von Gilles ist daher ebenfalls abzulehnen.

cc) Die Vollstreckungsgegenklage als Feststellungsklage (1) Die Vollstreckungsgegenklage

als materielle Feststellungsklage

Früher wurde die Vollstreckungsgegenklage zum Teil als materielle Feststellungsklage gedeutet. Als "negative Feststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung, daß der für vollstreckbar erklärte Anspruch nicht mehr besteht"549, hatte sie den materiell verstandenen titulierten Anspruch zum Streit545

Gilles, ZZP 83 (1970), 61 ff passim; vgl. z. B. S. 75 f mit Fußn. 59, S. 88 f mit Fußn. 120, S. 96 mit Fußn. 161. 546

Gilles, ZZP 83 (1970), 61 (100).

547

Daß die "Typizität der Einwendungen" sich als "ausschlaggebendes Ordnungsprinzip der Vollstreckungsbehelfe" darstellt, räumt auch Gilles ein; vgl. Gilles, ZZP 83 (1970), 61 (97 ff, 102 ff, Zitat S. 97). 548 Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 304 f; Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 115 fund passim. 549 R. Schmidt, ZPR, § 157 I I (S. 1012; vgl. ebenso S. 1015: Die Vollstreckungsgegenklage gegenüber vollstreckbaren Urkunden werde "zur einfachen Erscheinungsform der negativen Feststellungsklage, die ohnehin jederzeit (nach § 256) über den exekutorischen Anspruch möglich ist..."); ebenso fur die Vollstreckungsgegenklage gegen vollstreckbare Urkunden Scheffler, Vollstrekkungsgegenklage, S. 28 ff (im ausdrücklichen Gegensatz zur Vollstreckungsgegenklage gegen Urteile, S. 9 ff).

. V e r f a h r e n s e r n e Rechtsbehelfe

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gegenständ. Diese Ansicht wird verständlich auf dem Hintergrund der zivilistischen Prozeßauffassung, nach der der Streit- und Vollstreckungsgegenstand mit dem materiellen Anspruch gleichgesetzt wurde. Zu Recht wird sie daher heute - nach Ausprägung eines eigenständigen prozessualen Anspruchsbegriffs - nicht mehr vertreten, denn es läßt sich mit ihr nicht erklären, warum die Feststellung des Nicht- oder Nichtmehrbestehens des materiellen Anspruchs dem Titel die Vollstreckbarkeit nehmen soll550.

(2) Die Vollstreckungsgegenklage

als prozessuale Feststellungsklage

Nach der heute von Janke 551 vertretenen Ansicht handelt es sich dagegen bei der Vollstreckungsgegenklage um eine prozessuale Feststellungsklage. Ihren Streitgegenstand sieht Janke in einem öffentlich-rechtlichen, gegen den Staat gerichteten Abwehranspruch 552, für den der Gläubiger als gesetzlicher oder gewohnheitsrechtlicher Prozeßstandschafter handele553. Aus diesem Grunde faßt er auch das Bestehen des Vollstreckungsanspruchs des Gläubigers gegen den Staat nur als Vorfrage für das Begehren des Schuldners auf Einstellung der Zwangsvollstreckung auf 554. Die bloße Feststellung dieses von Janke angenommenen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs des Schuldners genüge zur Verhinderung der Zwangsvollstreckung auch, denn deren Einstellung hänge ohnehin von einer Vorlage der Entscheidung an die Vollstreckungsorgane ab555. Dem hat die h. M. zu Recht widersprochen: Zum einen wird bereits nicht deutlich, worin denn der angebliche öffentlich-rechtliche Abwehranspruch seine eigenständige Rechtsgrundlage findet und warum er überhaupt als Gegenstand eines Zivilprozesses angesehen werden kann. Entscheidend spricht aber gegen eine prozessuale Feststellungsklage, daß es bei der Vollstreckungsgegenklage nicht um die Feststellung einer bereits per se aufgrund des Nichtoder Nichtmehrbestehens des materiellen Anspruchs eingetretenen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung gehen kann, denn die ZPO kennt kein automatisches Erlöschen der Vollstreckbarkeit 556. Wäre dem so, so würde im übri550

So auch Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 I I 2 (S. 458).

551

Über den Gegenstand der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO), S. 61 ff, 93 ff, 129 ff, 133. Vgl. bereits auch schon Langheineken, Der Urteilsanspruch, S. 179 f. 552

Janke, Vollstreckungsgegenklage, S. 132 mit weiteren Verweisungen.

553

Janke, Vollstreckungsgegenklage, S. 54.

554

Janke, Vollstreckungsgegenklage, S. 59.

555

Janke, Vollstreckungsgegenklage, S. 119 f.

556

Vgl. insoweit - wenn auch in anderem Zusammenhang - Gaul, FS Schiedermair, S. 155(171 f).

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2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

gen auch ein Rechtsschutz über § 766 (oder im Vorfeld der Zwangsvollstrekkung über § 732 ZPO) genügen und § 767 ZPO wäre letztlich überflüssig. Die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung ist daher nicht Grundlage der Vollstreckungsgegenklage, sondern deren Ziel 557 . Sie kann weder als materielle noch als prozessuale als Feststellungsklage angesehen werden. dd) Die Vollstreckungsgegenklage als "condictio" Früher wurde zum Teil die Ansicht vertreten, es handele sich bei der Vollstreckungsgegenklage um eine kondiktionsrechtliche Klage, um eine condictio sine causa558 oder um eine condictio ob causam finitam 559. Dementsprechend sah man in ihrer Rechtsnatur auch eine Leistungsklage. Mit ihr mache der Schuldner geltend, daß der Gegner den Vollstreckungstitel sine causa in seinem Vermögen habe560 bzw. daß der Gegner das herausgeben müsse, was er auf seine damals unbestreitbare Forderung erhalten habe, gegenwärtig aber "auf Kosten" des Verurteilten nicht mehr behalten dürfe 561. Gegen die Annahme einer "condictio" als Gegenstand der Vollstreckungsgegenklage spricht jedoch zweierlei: Zum einen wird der Gläubiger mit der Vollstreckungsgegenklage nicht zu einer Leistung verurteilt, zum anderen dient die "condictio" immer der Rückgängigmachung einer bereits vollzogenen Vermögensverschiebung, die Vollstreckungsgegenklage dagegen richtet sich gegen eine noch bevorstehende oder bereits gerade stattfindende Vermögensverschiebung562. Darüber hinaus kann auch nicht von einem fehlenden Rechtsgrund für den Titelbesitz ausgegangen werden, denn Vollstreckungstitel tragen ihre Legitimation in sich bzw. in dem vorausgegangenen Verfahren, in dem sie erstellt wurden563. Daher kann die Vollstreckungsgegenklage nicht als ein Fall einer "condictio" angesehen werden564. 557

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 II 2 (S. 458).

558

Vgl. Oetker, Konkursrechtliche Grundbegriffe, S. 213; ihm zustimmend Pagenstecher, Materielle Rechtskraft, S. 374 Fußn. 879. 559

Schwartz, Billigkeitsurteil, S. 62, 76.

560

Oetker, Konkursrechtliche Grundbegriffe, S. 213.

561

Schwartz, Billigkeitsurteil, S. 62, 76. Nach seiner Ansicht müssen jedoch stets die allgemeinen Voraussetzungen der Bereicherungsklage gegeben sein, wenn die Vollstreckungsgegenklage erfolgreich sein soll (S. 106). 562

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 I I 2 (S. 459).

563

Vgl. Janke, Vollstreckungsgegenklage, S. 57.

564

Dies schließt aber nicht aus, den Bereicherungsausgleich nach der Beendigung einer der materiellen Rechtslage widersprechenden Zwangsvollstreckung zuzulassen, soweit nicht erfolglos Voll-

. V e r f a h r e n s e r n e Rechtsbehelfe

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ee) Die Vollstreckungsgegenklage als materiellrechtliche (quasi-) negatorische Unterlassungs- bzw. Beseitigungsklage In jüngerer Zeit wird auch verschiedentlich die Ansicht vertreten, die Klage aus § 767 ZPO sei als eine negatorische oder quasinegatorische Beseitigungs- und Unterlassungsklage aufzufassen. (1) A. Blomeyer geht von der Annahme aus, eine Zwangsvollstreckung, der kein bestehender privatrechtlicher Anspruch zugrunde liege, stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das Vermögen des Schuldners dar. Zwar sei die Vollstreckungstätigkeit des Staates (das Verhältnis Staat - Schuldner) aufgrund der Legitimation durch den Titel rechtmäßig, die Zwangsvollstreckung des Gläubigers ohne materiellen Anspruch (im Verhältnis Gläubiger - Schuldner) dagegen rechtswidrig 565. Dementsprechend deutet A. Blomeyer auch die vollstreckungsrechtlichen Klagen als Sonderfälle der negatorischen und quasinegatorischen Beseitigungs- bzw. Unterlassungsklagen. Bei drohendem Eingriff sei die Klage auf Unterlassung, bei erfolgtem Eingriff auf Beseitigung durch Rücknahme des Vollstreckungsantrags und Freigabe bereits gepfändeter Gegenstände gerichtet566. Dementsprechend versteht er die Vollstreckungsgegenklage auch als eine gegen den Gläubiger gerichtete Leistungsklage (auf Unterlassung und Beseitigung)567. Anstelle einer an sich gebotenen Vollstrekkung nach §§ 887 ff ZPO erfolgt nach der Auffassung A. Biomeyers eine Verurteilung zur Abgabe einer (prozessualen) Willenserklärung auf Rücknahme des Vollstreckungsantrags und Freigabe eventuell gepfändeter Sachen, die mit Rechtskraft gem. § 894 ZPO Wirkung erlangt568. Dabei stellt A. Blomeyer zunächst eine Übereinstimmung mit § 775 ZPO fest, qualifiziert diese dann aber doch als Sonderregel, weil "die Einstellung der Vollstreckung und die Aufhebung der Vollstreckungsakte bereits bei Vorlage eines vorläufig vollstreckbaren Urteils vorzunehmen sind"569. In der Vollstreckungsgegenklage sieht A. Blomeyer ferner das exakte Gegenstück zum Leistungsurteil mit dem Fortfall des Anspruchs oder seiner Fälligkeit als Streitgegenstand570. Später hat er seistreckungsgegenklage erhoben wurde. Die Aussage, "daß sich die Vollstreckungsgegenklage des § 767 in der Bereicherungsklage des § 812 BGB fortsetzt", Gaul, JuS 1962, 1 (2), hat also nach wie vor seine Berechtigung. 565

A. Blomeyer, AcP 165 (1965), 481 (483 f); ebenso Bettermann, FS Weber, S. 87 (88).

566

A. Blomeyer, AcP 165 (1965), 481 (486); ähnlich auch Bettermann, FS Weber, S. 87 (88 f).

567

A. Blomeyer, AcP 165 (1965), 481 (486).

568

A. Blomeyer, AcP 165 (1965), 481 (488); ders., ZVR, § 33 I 1 u. 2 (S. 126); zustimmend Bettermann, FS Weber, S. 87 (93 f). 569

A. Blomeyer, AcP 165 (1965), 481 (489).

570

A. Blomeyer, AcP 165 (1965), 481 (493, 494).

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2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

ne Auffassung im Anschluß an Bettermann 511 abgeändert und begreift die Vollstreckungsgegenklage nicht mehr ausschließlich als Rechtsbehelf gegen einen Vollstreckungseingriff, sondern auch als gegen den Titel selbst gerichteten Vollstreckungsrechtsbehelf. Die Vollstreckungsgegenklage könne "mit ebensoviel Recht als prozessuale Gestaltungsklage wie als materielle Unterlassungs- und Beseitigungsklage begriffen und bezeichnet werden"572. A. Blomeyer stellt somit eine Reihe von verschiedenen Erklärungsmöglichkeiten zur Rechtsnatur der Vollstreckungsgegenklage zur freien Auswahl, ohne einer der Deutungsvarianten den Vorzug einzuräumen. Ein solches Nebeneinander verschiedener Erklärungsversuche kann keine Zustimmung verdienen. Darüber hinaus ist aber auch seine ursprüngliche Deutung der Vollstreckungsgegenklage als nach § 894 ZPO zu vollstreckende Leistungsklage abzulehnen573. Die Vollstreckungswirkung des § 894 ZPO ersetzt eine Willenserklärung erst mit Rechtskraft des Urteils, niemals vorher. Die Einstellungs-, Beschränkungs- und Aufhebungswirkungen der §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO treten dagegen schon bei vorläufig vollstreckbaren Urteilen nach § 767 ZPO ein. Dies sieht zwar auch Â. Blomeyer und versucht seine Deutung dadurch zu "retten", indem er die §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO als Sonderregeln zu § 894 ZPO deklariert. Dies überzeugt aber nicht. Zum einen widerspricht dem die systematische Stellung: § 775 Nr. 1 ZPO steht bei den allgemeinen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung, § 894 ZPO dagegen bei den (besonderen) Vorschriften über die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen. Zum anderen geht aus § 895 ZPO hervor, daß nur in den dort genannten eng begrenzten Ausnahmefällen eine vorläufig vollstreckbare Verurteilung zu einer Willenserklärung bereits vor ihrer Rechtskraft Wirkungen entfaltet, und dies auch nur zu Sicherungszwekken. Es ist daher nicht zutreffend, die §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO als Sonderregelung zu § 894 ZPO zu qualifizieren 574. Darüber hinaus wäre § 894 ZPO dann überhaupt nicht anwendbar, wenn die Zwangsvollstreckung noch nicht begonnen hat und auch noch nicht beantragt wurde. Wie aber sollte dann eine (in diesem Stadium unstreitig zulässige575) Klage nach § 767 ZPO bei Erfolg vollstreckt werden? In Betracht käme 571

Bettermann, FS Weber, S. 87 (93 f).

572

A. Blomeyer, ZVR, § 33 I 2 (S. 126) unter Hinweis auf Bettermann, FS Weber, S. 87 (94).

573

Dazu, daß auch die Deutung als negatorische oder quasinegatorische Beseitigungs- bzw. Unterlassungsklage verfehlt ist, siehe sogleich die Kritik an der Auffassung von Kainz unten (2) in diesem Abschnitt. 574 575

So auch Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 132, 133.

Vgl. statt vieler: Thomas/Putzo, § 767 Rdnr. 14; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 41; MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 43; RGZ 134, 156 (162).

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nur eine Vollstreckung nach § 890 ZPO durch Androhung eines Ordnungsgeldes für den Fall der im Urteil untersagten Antragstellung auf Beginn der Zwangsvollstreckung. A. Blomeyer versucht auch diese Konsequenz zu umgehen, indem er in Analogie zu § 16 II HGB annimmt, die Vollstreckungsbehörden dürften einem durch Urteil verbotenen Antrag nicht gegen den Widerspruch des siegreichen Klägers nachkommen576. Doch überzeugt dies ebenfalls nicht. Zum einen dürfte es bereits für die Analogie an einer Regelungslücke fehlen, denn eine Vollstreckung nach § 890 ZPO wäre ja zumindest denkbar. Zum anderen lassen die in § 775 ZPO einzeln aufgeführten Fälle für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in ihnen sehr ähnlich gelagerten Fällen eine Analogie zu und sind ansonsten als abschließend anzusehen577. Schließlich erscheint es auch inkonsequent, wenn A. Blomeyer einerseits einen materiellen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch annimmt, andererseits davon ausgeht, das Urteil wirke materielle Rechtskraft für das Bestehen des materiellrechtlichen Anspruchs: Ist nämlich der Abwehranspruch Streitgegenstand, so kann das Bestehen des titulierten Anspruchs nur Vorfrage hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des Vollstreckungseingriffs sein. Ist dagegen der materielle Anspruch Streitgegenstand, so bleibt daneben für die Annahme eines selbständigen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs kein Raum mehr 578. Die Auffassung Biomeyers ist daher abzulehnen. (2) Auch nach der Ansicht von Kainz macht der Kläger in der Vollstrekkungsgegenklage einen negatorischen bzw. quasinegatorischen Abwehranspruch gegen den Gläubiger geltend579. Er versucht dabei jedoch die oben aufgezeigten Schwächen der Ansicht von Blomeyer zu umgehen, indem er ausschließlich den Abwehranspruch aus § 1004 BGB als Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage ansieht und streng zwischen Rechtsschutzform (Rechtsnatur der Klage) und geltend gemachten subjektiven Recht unterscheidet: Aufgrund seiner Verfahrensherrschaft sei der Gläubiger als Störer i. S. d. § 1004 I BGB anzusehen, wobei allerdings der Titel für sein Eingriffsrecht und für eine Duldungspflicht des Schuldners spreche580. Aus diesem dem Schuldner im Falle des Nichtbestehens des materiellrechtlichen Anspruchs zustehenden (materiellen) Abwehrrecht dürfe jedoch nicht auf die Leistungsklage als Rechtsschutzform geschlossen werden581. Die allein statthafte Rechtsschutzform der Vollstreckungsgegenklage sei die der prozessualen Ge576

A. Blomeyer, AcP 165 (1965), 481 (489).

577

Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 133.

578

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 II 2 (S. 459); Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 309 f; Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 141 f.

579

Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 138 und passim.

580

Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 124-131.

12 Schulheis

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2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

staltungsklage, denn das daraufhin ergehende Urteil wirke "über die §§ 775, 776 ZPO auf einen vorgegebenen prozessualen (vollstreckungsrechtlichen) Tatbestand ein" 582 . Durch die Verbindung des materiellen Abwehranspruchs mit der Rechtsschutzform der prozessualen Gestaltungsklage erspart sich Kainz die oben gegen Blomeyer vorgebrachte Kritik. Dennoch vermag seine Ansicht im Ergebnis nicht zu überzeugen. Schutzobjekt einer auf § 1004 BGB gestützten Beseitigungs- und Unterlassungsklage kann nur das Eigentum oder eine vergleichbare absolut geschützte Rechtsposition sein. § 767 ZPO will aber dagegen das gesamte Schuldnervermögen schützen583. Darüber hinaus wird auch nicht ersichtlich, warum das bloße Vorhandensein eines Vollstreckungstitels eine ernstlich zu besorgende Gefahr (als Voraussetzung für eine vorbeugende Unterlassungs- bzw. Beseitigungsklage) sein soll und nicht nur eine abstrakt bestehende Gefährdung. Bei der vollstreckbaren Urkunde wird dieses Problem noch augenfälliger, denn diese wird meist lange vor einer Vollstreckung beurkundet, und häufig kommt es bei ihr überhaupt nicht zum zwangsweisen Zugriff des Gläubigers. Außerdem müßte bei der vollstreckbaren Urkunde noch geklärt werden, ob nicht die freiwillige Unterwerfungserklärung einen rechtfertigenden Duldungsgrund darstellt oder soweit man § 254 BGB auf § 1004 BGB für entsprechend anwendbar hält584 nicht zumindest den Einwand des Mitverschuldens begründet585. Es kann daher nicht von einem materiellen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch als Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage ausgegangen werden.

ff) Stellungnahme zur Rechtsnatur der Vollstreckungsgegenklage Als vorläufiges Ergebnis der vorangestellten Erörterung ergibt sich, daß die Vollstreckungsgegenklage weder als eine Leistungs- noch als eine Feststellungsklage angesehen werden kann. Unabhängig von der Frage des ihr zugrundeliegenden Streitgegenstandes ist sie mit der h. M. als Gestaltungsklage aufzufassen. Dies folgt aus den Wirkungen des ihr stattgebenden Urteils: 581

Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 136.

582

Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 135; vgl. auch S. 139.

583

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (198); Mönch, Vollstreckbare Urkunde, S. 312. Bisweilen hat die Vollstreckungsgegenklage sogar eine primär vermögensunabhängige, den Willen des Schuldners schützende Aufgabe, so z. B. in den bei vollstreckbaren Urkunden allerdings nicht relevanten Fällen der §§ 888, 890 ZPO. 584

Vgl. hierzu etwa Palandt/Heinrichs, § 254 Rdnr. 6.

585

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 312 f.

. V e r f a h r e n s e r n e Rechtsbehelfe

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Vor dessen Erlaß darf das Nichtbestehen des materiellrechtlichen Anspruchs nicht berücksichtigt werden; eine Inzidentbeurteilung dieses Umstands ist mithin den Klauselerteilungs- bzw. Zwangsvollstreckungsorganen untersagt. Erst das einer Vollstreckungsgegenklage stattgebende Urteil wirkt auf die vorgefundene prozessuale Situation dergestalt ein, daß die zunächst zulässig (vornahmezulässige) Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung nun unzulässig wird. Die Unzulässigkeit der Inzidentbeurteilung des Gestaltungsgrundes586, die darin besteht, daß Rechtsfolgen aus ihm erst geltend gemacht werden können, wenn die vom Gericht begehrte Gestaltung vorgenommen und wirksam geworden ist 587 , charakterisiert aber gerade das Vorliegen eines Gestaltungsurteils. Hiergegen spricht nicht, daß erst die Vorlage des Urteils beim Vollstrekkungsorgan zur Einstellung der Zwangsvollstreckung führt (vgl. §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO)588. Die Gestaltungswirkung liegt nämlich in der Entwertung des Titels als Vollstreckungsgrundlage 589, in der Beseitigung seiner "Vollstreckbarkeit". Hierdurch wird die ursprünglich nur ergebnisunzulässige Zwangsvollstreckung auch zu einer vornahmeunzulässigen590. Klage und Urteilsausspruch richten sich demgemäß auch nicht gegen ein Handeln der Vollstreckungsorgane, denn diese handeln ja bis zum Eintritt der Gestaltungswirkung (wegen bis dahin gegebener Vornahmezulässigkeit) rechtmäßig. Vielmehr wenden sich Klage und stattgebendes Urteil gegen den Titel als Eingriffsgrundlage. Deshalb wird auch im Urteilsausspruch die Zwangsvollstreckung "aus dem Titel" für unzulässig erklärt. Dagegen ergibt sich die Einstellung der Vollstreckung als eine von den Vollstreckungsorganen zu beachtende Pflicht unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 775 Nr. 1, 776 ZPO)591 und ist Folge derrichterlichen Gestaltung, die darin liegt, daß dem Titel die Vollstreckbarkeit genommen wird, nicht ihr unmittelbarer Gegenstand. Hierfür spricht ferner, daß anerkanntermaßen die Vollstreckung auch ohne Vorlage des Vollstreckungsgegenklageurteils von Amts wegen einzustellen ist, sobald die Vollstreckungsorgane amtlich von ihm Kenntnis erlangen592. Es erscheint daher nicht gerechtfertigt, die

586

Schlosser, Jura 1986, 130 (131).

587

Bei Vollstreckungsgegenklagen besteht insofern die Besonderheit, daß sie fur vorläufig vollstreckbar erklärt werden können (vgl. § 775 Nr. 1 ZPO) und damit imstande sind, Wirkungen bereits vor ihrer Rechtskraft zu entfalten; siehe unten 2. Kap. D. I. 1. c). 588

So aber insbesondere die Kritik von A. Blomeyer, AcP 165 (1965), 481 (491 f); Janke, Vollstreckungsgegenklage, S. 64 f. 589

Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 3, 6; Münzberg/Brehm, FS Baur, 517 (527).

590

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. b).

591

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 I I 3 (S. 460).

12·

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

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Klage nach § 767 ZPO nur als "unvollkommene Gestaltungsklage"593, als "Anordnungsklage" mit dem Ziel einer entsprechenden Anweisung an die Vollstreckungsorgane594 oder als "gestreckten Gestaltungstatbestand"595 anzusehen. Die Gestaltungswirkung selbst (die Entwertung des Titels als Vollstreckungsgrundlage) ist nicht "gestreckt" oder "unvollkommen", lediglich die weiteren Folgen der Gestaltung (die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen) treten erst nach Kenntnisnahme durch die Vollstreckungsorgane ein. Mit der Zuordnung der Vollstreckungsgegenklage zur Rechtsschutzform der Gestaltungsklagen ist jedoch noch nichts über deren Streitgegenstand, sondern lediglich über dessen Wirkung etwas ausgesagt. Dabei ist zu bedenken, daß die ZPO Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile an keiner Stelle ausdrücklich erwähnt. Dem Gesetzgeber der ZPO waren als Rechtsschutzformen lediglich die Leistungsklage als Regelform und die Feststellungsklage bekannt. Die Gestaltungsklagen als dritte Rechtsschutzform mußte erst von der Prozeßrechtswissenschaft "entdeckt" werden596. Dabei richtete sich die Aufmerksamkeit der "Entdecker" zunächst nur auf die konstitutive richterliche Einwirkung auf materiellrechtliche Beziehungen unter den Parteien. Es zeigte sich jedoch sehr bald, daß es Gestaltungswirkungen von Urteilen nicht nur auf materiellrechtlichem, sondern auch auf prozeßrechtlichem Gebiet gibt 597 . Dies führte zur Einteilung in materiellrechtliche und prozessuale Gestaltungsklagen. Da diese Einteilung sich lediglich daran orientiert, auf welchem Gebiet die Gestaltungswirkung eintritt, ist die Vollstreckungsgegenklage problemlos den prozessualen Gestaltungsklagen zuzuordnen, denn das ihr stattgebende Urteil beseitigt ja die Vollstreckbarkeit des Titels und wirkt damit auf prozessualer Ebene. Doch auch mit der Qualifizierung als prozessuale Gestaltungsklage ist nichts über den Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage ausgesagt, sondern lediglich die Wirkungen dieser Rechtsschutzform beschrieben: die gestaltende Einwirkung auf eine vorgefundene prozessuale Situation598.

592 BGHZ 25, 60 (64 ff); zustimmend Henckel, ZZP 89 (1976), 227 (228) m. w. N.; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 I I 3 (S. 460). 593

So Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 100 f.

594

So Kuttner, Urteilswirkungen, S. 22.

595

So Henckel, AcP 174 (1974), 97 (109); ders., ZZP 89 (1976), 227 (228 f).

596

Schlosser, Jura 1986, 130.

597

Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 92.

598

Vgl. Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 87.

. V e r f a h r e n s e r n e Rechtsbehelfe

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gg) Der Streitgegenstand der (prozessual gestaltenden) Vollstreckungsgegenklage Die Streitgegenstandsbestimmung interessiert außer für die Fragen der Klageänderung und Klagenhäufung im Falle des Vortrags oder Nachschiebens von Einwendungen insbesondere fur die Bestimmimg des Umfangs der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft der Vollstreckungsgegenklage, da hiervon das Verhältnis zu und das Zusammenspiel mit anderen Rechtsbehelfen des Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahrens abhängt. Daß Gestaltungsurteile nicht nur Gestaltungswirkung, sondern auch materielle Rechtskraft entfalten, ist heute nahezu unbestritten. Lediglich nach einer früher vertretenen Ansicht war eine Rechtskraftwirkung neben der Gestaltungswirkung ausgeschlossen. Begründet wurde dies damit, daß als materielles Recht, das in Rechtskraft erwachsen könne, allenfalls ein Recht auf Gestaltung in Betracht käme. Doch selbst wenn man von der Existenz eines solchen Rechts ausginge, könne dieses bereits deshalb nicht in Rechtskraft erwachsen, weil es mit der vollzogenen Gestaltung wieder erlösche599. Zu Recht wird diese Ansicht heute nicht mehr vertreten und die materielle Rechtskraft auch bei Gestaltungsurteilen anerkannt. In materielle Rechtskraft erwächst danach beim stattgebenden Urteil die Feststellung, daß zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung ein Recht des Klägers auf Durchfuhrung der Gestaltung bestand. Die objektiven Grenzen dieser materiell rechtskräftigen Feststellung sind wie bei anderen Urteilen auch600 aus den Urteilsgründen zu ermitteln (die selbst nicht an der materiellen Rechtskraft teilhaben), hier also aus den im Urteil angeführten Gestaltungsgründen. Wird dagegen die Gestaltungsklage abgewiesen, so steht rechtskräftig fest, daß der Kläger zur Zeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung des Erstprozesses die begehrte Gestaltung nicht verlangen konnte601. Nur durch die Anerkennung einer materiellen Rechtskraftwirkung von Gestaltungsurteilen kann vermieden werden, daß der unterlegene Beklagte gegen den Prozeßsieger wegen Auslösung der Gestaltungswirkung Schadensersatz- oder Kondiktionsansprüche geltend macht. Hiermit ist jedoch nur das Verhältnis zu nachträglichen Bereicherungs- und 599

Lent, ZZP 61 (1939), 279 (302 ff); Bötticher, Beiträge, S. 24 ff.

600

Statt aller: MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 78; Zöller/Vollkommer, vor § 322 Rdnr. 31; Thomas/Putzo, § 322 Rdnr. 17; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rdnr. 179 ff; Schlosser, ZPR I, Rdnr. 227.

601

BGHZ 40, 130 (133 f); BAG, NJW 1973, 1902 (1904) m. w. N.; Zöller/Vollkommer, § 322 Rdnr. 4, 5; MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 172 f; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rdnr. 65 ff; Jauernig, ZPR, § 65 I I (S. 242); Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 94 III 2 (S. 529); Dölle, ZZP 62 (1941), 281 (285); Habscheid, FamRZ 1973, 431 (432); K. Schmidt, JuS 1986, 35 (38); Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 406 ff; Nikisch, ZPR, § 104IV 2 (S. 409); ähnlich auch Kuschmann, Gestaltungsurteile, S. 81 ff, 103 f.

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2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Schadensersatzklagen, die wegen der Gestaltung selbst geltend gemacht werden, geklärt. Offen bleibt aber nach wie vor das Verhältnis der Vollstrekkungsgegenklage zu den anderen Rechtsbehelfen des Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahrens, erneuten Klagen wegen des bereits titulierten Anspruchs oder Bereicherungs- und Schadensersatzklagen des Schuldners nach erfolgloser Vollstreckungsgegenklage und durchgeführter Zwangsvollstrekkung. Hierzu muß geklärt werden, ob nicht auch die Frage des Bestehens der "Einwendungen" oder des "Anspruchs", über die im Rahmen des § 767 ZPO gestritten wird, zum Streitgegenstand gehört und in Rechtskraft erwächst.

(1) Materielles privates Gestaltungsrecht oder subjektiv öffentliches Recht des Klägers auf Gestaltung Keine Auswirkungen auf das vorliegende Problem hat die Streitfrage, ob der Gestaltungsklage ein materielles Gestaltungsrecht des Klägers zugrunde liegt602 oder der Kläger ein subjektives öffentliches Recht gegen den Staat auf Vornahme der richterlichen Gestaltung geltend macht603. Beide Ansichten haben einen berechtigten Kern: Rechtspolitischer Hintergrund ist ohne Zweifel ein zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehendes Rechtsverhältnis mag es materieller oder prozessualer Natur sein. Rechtstechnisch dagegen sind die Gestaltungsklagen so konzipiert, daß sie sich auch gegen den Staat als Träger der Gerichtsbarkeit auf Vornahme der Gestaltung richten604. Praktische Bedeutung hat dieser streitige Punkt für die hier vorliegende Fragestellung jedoch keine605, denn es geht darum, ob nicht zumindest auch "Anspruch" und "Einwendungen" i. S. d. § 767 ZPO Teil des Streitgegenstandes sind und an der Rechtskraft teilnehmen.

(2) Antrag und Gestaltungsgrund als Streitgegenstand Henckel vertritt - ohne insoweit für die Vollstreckungsgegenklage eine Ausnahme zu machen - für Gestaltungsklagen generell die Auffassung, Streitgegenstand sei nicht ein materielles Recht, sondern nur der Antrag auf Gestal602

So Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 94 I 2 (S. 526 f); Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 467 ff; Bötticher, FS Dolle, S. 41 (54 ff); mit Beschränkung auf "unechte" Gestaltungsklagen, MünchKommZPO/Lüke, vor § 253 Rdnr. 29.

603

So bereits Langheineken, Urteilsanspruch, S. 220 ff; Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 34 f, 286; Schlosser, ZPR I, Rdnr. 209; ders., Gestaltungsklagen, S. 366 ff.

604

K. Schmidt, JuS 1986, 35 (37).

605

Vgl. auch Schlosser, Jura 1986, 130 (132).

. V e r f a h r e n s e r n e Rechtsbehelfe

1

tung und der zu seiner Rechtfertigung angeführte Gestaltungsgrund, worunter Henckel den vorgetragenen Sachverhalt versteht606. Folglich wären nach dieser Auffassung weder "Einwendungen" noch "Anspruch" Teil des Streitgegenstandes und ein Urteil würde diesbezüglich auch nicht in Rechtskraft erwachsen. Als Begründung für seine Ansicht führt Henkel einen Vergleich mit den zivilrechtlichen Gestaltungsrechten an: solche könnten durch Parteierklärung ohne Inanspruchnahme des Gerichts ausgeübt werden - wie etwa das Recht zur Anfechtung oder zum Rücktritt -, denn sie beinhalteten die Befugnis, durch einseitige Erklärung die Rechtslage zu ändern. Eine solche Befugnis habe aber derjenige gerade nicht, der erst eine Gestaltungsklage erheben müsse, um eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen 607. Er habe nur die Möglichkeit, diese Gestaltung vom Gericht zu begehren - nicht jedoch vom Beklagten, denn der könne dem Verlangen ja nicht nachkommen. Ein möglicherweise bestehendes "Recht auf Gestaltung" sei damit aber nur ein "Recht" gegenüber dem Gericht, daß dieses unter bestimmten Voraussetzungen die Gestaltung ausspreche. Damit sei es aber letztlich nichts anderes als der - überwundene608 - Rechtsschutzanspruch, d. h. der Anspruch auf eine positive Entscheidung, wenn die prozessualen und materiellen Voraussetzungen vorliegen609. Weil aber das "Recht auf Gestaltung" - wenn es denn überhaupt existiere - sich nur gegen das Gericht bzw. den Staat richte und deshalb nur ein publizistisches sein könne, sei es für eine am materiellen Recht orientierte Streitgegenstandsbestimmung ungeeignet610. Diese Auffassung Henckels ist zu Recht als zu "farblose Definition des Streitgegenstands"611 kritisiert worden. In der Tat stellt diese Streitgegenstandsdefinition letztlich nichts anderes dar als eine Beschreibung der Rechtsschutzform der Gestaltungsklage, eine Beschreibung des "kleinsten gemeinsamen Nenners", der allen Gestaltungsklagen gerecht wird. Hiermit aber lassen sich die eigentlichen Probleme - bei der Vollstreckungsgegenklage insbesondere hinsichtlich Rechtshängigkeit und Rechtskraft sowie das Verhältnis zu anderen Klagen und Rechtsbehelfen - nicht lösen: Bei konsequenter Anwendung bliebe nämlich - außer der Gestaltungswirkung - nichts, was andere Klagen ausschließen oder präjudizieren könnte. Prozeßunökonomische Doppelprüfungen mit der Gefahr der inhaltlichen Entscheidungsdivergenz wären die Folge. Überhaupt stellt es eine verkürzte Sicht der Dinge dar, wenn man 606

Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 33 - 35, 286, 287.

607

Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 33.

608

Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 26.

609

Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 34.

6.0

Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 286.

6.1

Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 366; Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 64.

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

automatisch von der Rechtsschutzform einen (Rück-)Schluß für den Streitgegenstand der betreffenden Klage ziehen will 612 . Bei den Leistungsklagen, bei denen es immer um gegen den Beklagten gerichtete Ansprüche geht, mag das zwar möglich sein, nicht aber bei den erst nach Inkrafttreten der ZPO "entdeckten" Gestaltungsklagen, die - über das gesamte Zivilrecht verstreut - nur für Einzelfälle geregelt sind und dadurch so unterschiedliche und vielschichtige Regelungsmaterien betreffen, daß sich außer der Rechtsschutzform tatsächlich keine weitergehenden Gemeinsamkeiten mehr finden lassen. Dies gilt für die Auffassung Henckels um so mehr, weil er noch nicht einmal zwischen Gestaltungsklagen des materiellen Rechts und den prozessualen Gestaltungsklagen trennt.

(3) Die Ansicht der Rechtsprechung und der "herrschenden Lehre" In der Rechtsprechung und einem großen Teil der Literatur wird die Frage, ob "Einwendungen" oder der "Anspruch" zum Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage gehören und an der materiellen Rechtskraft des Urteils teilhaben, uneinheitlich und zum Teil widersprüchlich beantwortet. Einigkeit besteht zunächst darin, daß bei § 767 ZPO unter "Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen" materiellrechtliche Einwendungen gegen den materiellrechtlichen Anspruch gemeint sind613, ferner daß das Bestehen oder Nichtbestehen der Titelforderung 614 nicht zum Streitgegenstand gehören soll, was sich zumindest aus der Behauptung schließen läßt, das Urteil über eine Vollstreckungsgegenklage entfalte keine Rechtskraft hinsichtlich des titulierten Anspruchs615. Begründet wird dies - wenn 6.2

Siehe hieizu sogleich unten 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (3).

6.3

Statt aller: MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 58 ff; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 767 Rdnr. 17 ff; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 16; Zöller/Herget, § 767 Rdnr. 12; Thomas/Putzo, § 767 Rdnr. 20; Jauernig, ZVR, § 12 I (S. 49); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 IV 1 (S. 463); Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 743; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1335.

614

Nach h. M. wird (entgegen der hier vertretenen Auffassung) nicht der prozessuale, sondern der materiellrechtliche Anspruch tituliert; siehe oben 2. Kap. Α. IV.

6,5

Statt aller: BGHZ 22,54 (56); BGH, W M 1977, 656 (657); BGH, W M 1978, 439; BGHZ 85, 367 (371); BGH, W M 1985, 703 (704 sub II 2 b); BGH, FamRZ 1984, 878 (879); Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 3 - 5 ; Thomas/Putzo, § 767 Rdnr. 3; MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 41; Jauernig, ZVR, § 12 V (S. 53); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I 3 (S. 483 f)· Widersprüchlich dagegen MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 41 u. 98, wenn trotz der Prämisse, die Titelforderung sei nicht Streitgegenstand (Rdnr. 41), die Rechtskraft eines die Klage nach § 767 ZPO abweisenden Sachurteils auch auf das Bestehen des titulierten Anspruchs erstreckt wird mit der nicht verständlichen Begründung, die Rechtskrafterstreckung habe nicht zur Voraussetzung, daß der titulierte Anspruch auch selbst Streitgegenstand sei (Rdnr. 98). Dies widerspricht aber den Grundsätzen der Rechtskraft, wonach nur das in Rechtskraft erwächst, worüber auch entschieden

. V e r f a h r e n s e r n e Rechtsbehelfe

15

überhaupt - überwiegend mit der prozessualen Natur der Vollstreckungsgegenklage616. Ob die Einwendungen, die gegen den Anspruch vorgebracht werden, ebenfalls nicht zum Streitgegenstand gehören, ist dagegen weit weniger eindeutig. Zum Teil werden auch sie ausdrücklich ausgeklammert617. Andererseits läßt sich daraus, daß nach einer weit verbreiteten Ansicht das Auswechseln oder Nachschieben von Einwendungen als Klageänderung anzusehen ist, schließen, daß die Einwendungen doch zum Streitgegenstand gehören sollen 618 , denn eine Klageänderung kann nur bei einer Änderung des Streitgegenstands angenommen werden. Die Ansicht der Rechtsprechung und die zuvor beschriebenen, von der Literatur vertretenen Ansichten vermögen ebensowenig zu überzeugen wie die Auffassung Henckels. Zum einen, weil auch sie von der Rechtsschutzform der prozessualen Gestaltungsklage unzutreffend auf den Streitgegenstand schließen (nachfolgend (a)), zum anderen, weil sie ebenfalls zu nicht praktischen Kosequenzen fuhren (nachfolgend (b)). (a) Wenn unter Hinweis auf die prozessuale Natur der Vollstreckungsgegenklage die Frage des Bestehens der Titelforderung aus dem Streitgegenstand ausgeklammert wird, so stellt dies einen Rückschluß von der Rechtsschutzform auf den Streitgegenstand dar. Ein solcher kann aber jedenfalls nicht bei den prozessualen Gestaltungsklagen gezogen werden, wie im folgenden zu zeigen ist. Zur Abgrenzung seien jedoch zwei Punkte vorangestellt. Die hier in Frage stehende Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Folgerung von der Rechtsschutzform auf den Streitgegenstand hat zum einen nichts mit dem umstrittenen Problem zu tun, ob nicht auch die Rechtsschutzform in den Streitgegenstand mit einzubeziehen ist619: Während es dort um die Frage der Integration der Rechtsschutzform in den (weiteren) Streitgegenstandsbegriff geht, handelt es sich hier um das Problem, ob aus der Rechtsschutzform zwingend auf den Umfang des prozessualen Anspruchs geschlossen werden kann; es soll hier also eine Schlußfolgerung in umgekehrter Richtung erfolgen. Zum zweiten wurde. Entschieden wird aber nur über den Streitgegenstand (vgl. Zöller/Vollkommer, vor § 322 Rdnr. 35). 6.6

BGH, FamRZ 1984, 878 (879); vgl. auch BGH, NJW 1992, 2160 (2162).

6.7

MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 41; BGH, FamRZ 1984, 878 (879).

6.8

Vgl. BGHZ 45, 231 (232 ff); OLG Celle, MDR 1963, 932; Zöller/Herget, § 767 Rdnr. 22; Thomas/ Putzo, § 767 Rdnr. 17; offengelassen jedoch z. B. von BGH, NJW-RR 1987, 59 (59). A. A. ein beachtlicher Teil der Literatur, der beim Nachschieben neuer Einwendungen keine Klageänderung annimmt, vgl. nur MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 42; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 54; Otto, Präklusion, S. 77. 6.9

Vgl. hierzu etwa Schwab, Streitgegenstand, S. 184, 186 ff.

16

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

hat die Annahme, bei den prozessualen Gestaltungsklagen dürfe von der Rechtsschutzform nicht auf den Streitgegenstand geschlossen werden, sondern es müsse für jede Klage gesondert ihr Streitgegenstand bestimmt werden, nichts mit der Relativität des Streitgegenstandsbegriffs zu tun. Nicht der Begriff des Streitgegenstandes wird relativiert, sondern der einheitliche Streitgegenstandsbegriff auf die unterschiedlichen Klagen angewendet, was zu unterschiedlichen Ergebnissen (zu unterschiedlichen Streitgegenständen) führt bzw. führen kann. Es ist also auch bei den prozessualen Gestaltungsklagen im allgemeinen und der Vollstreckungsgegenklage im besonderen vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff der h. M. auszugehen620. Wie bereits erwähnt621, war dem Gesetzgeber die Rechtsschutzform der Gestaltungsklage unbekannt. Sie wurde erst nach Inkrafttreten der ZPO "entdeckt". Dementsprechend findet sich auch, anders als bei der Feststellungsklage (vgl. § 256 ZPO), keine Generalklausel, die diese Rechtsschutzform beschreibt. Während im Verfahren über eine Leistungsklage, das der Gesetzgeber als Regelform des Rechtsschutzes ansah und deshalb nicht in einer gesonderten Vorschrift zu regeln müssen glaubte, die erkennende Tätigkeit im Vordergrund steht, greift der Richter beim Erlaß eines Gestaltungsurteils gestaltend in Rechte und Rechtsverhältnisse ein. Deswegen bedarf sein Erlaß auch einer gesetzlichen Ermächtigung (numerus clausus der Gestaltungsklagen)622. Aus diesem Grunde stellen "Gestaltungsklagen" nur das begriffliche Dach für eine Vielzahl von auf Einzelfallgruppen zugeschnittenen Klagen dar. Dies gilt in besonderem Maße für die hier in Frage stehenden "prozessualen Gestaltungsklagen", denn dieser "dogmatisch durchaus unprofilierte Begriff' 623 wurde letztlich nur aus einer "gewissen systematischen Verlegenheit"624 heraus geboren. Man trug damit nur der Erkenntnis Rechnung, daß es sich bei diesen Klagen weder um Feststellungs-, noch um Leistungs-, noch um Gestaltungsklagen des materiellen Zivilrechts handelt625. Es gibt somit nicht die "prozessuale Gestaltungsklage" als einheitliche Rechtsschutzform für eine unbestimmte Vielzahl von Fallgruppen, sondern es handelt sich jeweils um eine spezielle Klage mit eng umrissenen Voraussetzungen626. Unrichtig ist daher eine Beurteilung, die alle prozessualen Gestaltungsklagen über einen Leisten 620

Zum Streitgegenstandsbegriff siehe oben 2. Kap. A. II.

621

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) ff).

622

Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 276; K. Schmidt, JuS 1986, 35 (38); Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 94 I I (S. 527); Grunewald, ZZP 101 (1988), 152 ff. 623

Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 100.

624

Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 100.

625

Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 100.

626

Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 85.

. V e r f a h r e n s e r n e Rechtsbehelfe

1

schlägt, da dies der Kasuistik der Einzelklagen nicht gerecht wird. Gemeinsam ist den Klagen (lediglich) ihre Wirkung: die Gestaltung einer prozessualen Situation. Der Begriff der prozessualen Gestaltungsklage hat daher so wenig Profil, daß er nicht in der Lage ist, die Vielzahl der unter seinen Begriff fallenden Einzelklagen umfassend zu beschreiben und Rückschlüsse auf ihre Inhalte, ihren Streitgegenstand, zuzulassen. Allein daraus, daß bereits prozessuale Wirkungen vorliegen, die es nun durch richterliche Gestaltung zu beseitigen gilt, kann nicht gefolgert werden, daß nicht auch Ansprüche Teil des Streitgegenstands sein können. Überhaupt ist der ZPO die Kombination eines Anspruchs als Teil des Streitgegenstands einer auf prozessuale Gestaltung gerichteten Klage durchaus nicht fremd, wie der Fall der Abänderungsklage nach § 323 ZPO zeigt627. Auch diese ist nach h. M. eine prozessuale Gestaltungsklage628, da mit ihr trotz Rechtskraft des ersten Urteils eine Abänderung eines Leistungs- oder Feststellungsurteils verlangt werden kann und hierzu die Gestaltung einer vorgefundenen prozessualen Situation notwendig ist. Trotzdem ist bei ihr auch der in Frage stehende Anspruch Teil des Streitgegenstands. Das Unbehagen, das die h. M. bei dieser Kombination eines Anspruchs als Teil des Streitgegenstands einer prozessualen Gestaltungsklage empfindet, zeigt sich deutlich darin, daß hinsichtlich der Neufestsetzung der Leistungspflicht die Klage (zusätzlich) dieselbe rechtliche Natur wie die des Vorprozesses haben soll. Sie sei insoweit zugleich (auch) Leistungs- oder Feststellungsklage629. Dieses Konglomerat von Rechtsschutzformen vermag aber nicht zu überzeugen und beruht letztlich auf der Furcht, einen Anspruch als Teil des Streitgegenstands einer prozessualen Gestaltungsklage anzusehen. Wird eine titulierte LeistungsVerpflichtung im Zuge einer Klage nach § 323 ZPO geändert, so wird die Rechtsschutzform dadurch nicht leistender oder feststellender Natur. Der in Frage stehende Titel verliert durch die Abänderung ja nicht seine Wirkungen. Diese bleiben vielmehr bestehen - nur eben in geänderter Form. Die Wirkungen eines einer Klage nach § 323 ZPO stattgebenden Urteils bestehen deshalb nicht in einem originären "leistenden" oder "feststellenden" Ausspruch, sondern sie ändern gerade einen solchen ab, in dem sie diesen prozessual gestalten630. Es muß daher kein Widerspruch sein, wenn man auch bei der Voll627

Hierauf weist Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 100 ff, zutreffend hin, zieht jedoch daraus den unzutreffenden Schluß, daß der Vollstreckungsgegenklage ein (quasi-)negatorischer Abwehrbzw. Beseitigungsanspruch zugrunde liege. Siehe hierzu oben 2. Kap. D. I. 1. b) ee) sub (2). 628

Statt aller: Thomas/Putzo, § 323 Rdnr. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 158 I 2 (S. 953); Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 34; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 323 Rdnr. 1; Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 2.

629

Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 158 I 2 (S. 953); Thomas/Putzo, § 323 Rdnr. 1; Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 2.

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

streckungsgegenklage als Teil des Streitgegenstands den titulierten Anspruch ansieht. Daß von der Rechtsschutzform nicht auf den ihr zugrundeliegenden Streitgegenstand geschlossen werden kann, zeigt sich - außer bei der Abänderungsklage nach § 323 ZPO - auch bei der Feststellungsklage. Auch hier wird der Streitgegenstand nicht durch die Rechtsschutzform bestimmt. Streitgegenstand ist ausschließlich die im Antrag begehrte Feststellung, die wiederum muß sich aber nicht notwendig auf ein Forderungsrecht, sondern kann sich auch auf absolute Rechte oder prozessuale Rechtsverhältnisse beziehen631, darüber hinaus gem. § 256 ZPO sogar auf die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde. Da anerkanntermaßen der Streitgegenstand der Feststellungsklage nicht mehr ein materielles Recht auf Feststellung gegenüber dem Gläubiger ist 632 , bestimmt auch hier die Rechtsschutzform nicht den Streitgegenstand633. (b) Ebenso erscheinen die praktischen Konsequenzen fragwürdig, die sich ergeben, wenn man den "Anspruch" i. S. d. § 767 ZPO aus dem Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage ausklammert. Hierauf hat insbesondere Münch zutreffend hingewiesen634. Die Notwendigkeit, eine separate Feststellungsklage zu erheben, fuhrt zum einen zur Gefahr der Entscheidungsdivergenz: So kann trotz erfolgreicher Vollstreckungsgegenklage ein anderes Gericht im Verfahren über die Feststellungsklage das Bestehen des Anspruchs feststellen, obgleich es doch in beiden Verfahren um denselben Streitstoff und dieselben Rechtsfragen geht. Auch wird es nicht immer möglich sein, die Anspruchsfeststellung im Wege der Zwischenfeststellungsklage zu erreichen 635, da unter Umständen verschiedene Gerichte für die Entscheidung zuständig sind. Zwar ließe sich für die Zwischenfeststellungsklage in den meisten Fällen eventuell noch eine besondere örtliche Zuständigkeit "kraft Sachzusammenhangs" beim Gericht der Vollstreckungsgegenklage rechtfertigen 636; dies ist aber spätestens bei widerstreitenden ausschließlichen Zuständigkeiten nicht mehr möglich637. Zu solchen widerstreitenden ausschließlichen Zuständigkei630

Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 101.

631

Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 6.

632

Vgl. MünchKommZPO/Lüke, § 256 Rdnr. 3 mit Nachweisen zur früheren Auffassung.

633

So auch Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 84 f.

634

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 314 ff.

635

Zwar fuhrt Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (240), gegen diese Kritik Münchs an, daß die eventuell abweichende örtliche Zuständigkeit in der Praxis nicht gerügt werden würde. Daß insoweit aber die Praxis im Einzelfall contra legem eine Zuständigkeit bejaht, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei richtiger Anwendung des Gesetzes die Zuständigkeiten auseinanderfallen können und daß aus diesem Grund die Gefahr einer Entscheidungsdivergenz besteht. 636

Vgl. etwa Stein/Jonas/Schumann, § 256 Rdnr. 151.

637

Stein/Jonas/Schumann, § 256 Rdnr. 151.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

189

ten kann es zwar nicht im Fall des § 800 1 1 ZPO kommen, da hier sowohl für die Vollstreckungsgegenklage gem. §§ 800 III, 802 ZPO als auch fur die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des Anspruchs auf Duldung der Zwangsvollstreckung (vgl. § 1147 BGB) gem. § 24 I ZPO das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ausschließlich zuständig ist 638 . Anders aber, wenn hinsichtlich des Grundpfandrechts nur eine einfache Zwangsvollstrekkungsunterwerfung und nicht eine gegen den jeweiligen Eigentümer wirkende abgegeben wurde (vgl. § 794 I Nr. 5 S. 2 ZPO). In diesem Falle richtet sich nämlich die Zuständigkeit für eine Vollstreckungsgegenklage, mit der geltend gemacht wird, der Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung (§ 1147 BGB) bestehe nicht mehr, ausschließlich nach §§ 797 V, 802 ZPO und nicht nach § 800 III ZPO639. Für die Vollstreckungsgegenklage ist dann grundsätzlich der Schuldnerwohnsitz maßgeblich, während sich die Zuständigkeit für die Feststellungsklage hinsichtlich dieses Anspruchs dagegen ausschließlich nach § 24 ZPO richtet, also nach dem Belegenheitsort des Grundstücks. Mit der h. M. läßt sich weiterhin nicht überzeugend begründen, warum die Vollstreckungsgegenklage für eine nachfolgende Schadensersatz- oder Bereicherungsklage Rechtskraftwirkung entfalten soll640. Ist das Bestehen des Anspruchs nämlich nicht in den Streitgegenstand mit einbezogen, so stellt dies letztlich eine nicht rechtskraftfähige Vorfrage dar. Dennoch nimmt die h. M. - ohne oder zumindest ohne überzeugende Begründung641 - an, nach erfolgloser Vollstreckungsgegenklage könne bei einer nachfolgenden Schadensersatzklage gem. §§ 823 ff BGB nicht mehr von der Widerrechtlichkeit und bei einer Bereicherungsklage nicht mehr von der Rechtsgrundlosigkeit ausgegangen werden642. Dasselbe Problem stellt sich aber auch im umgekehrten Fall: war der Schuldner mit seiner Vollstreckungsgegenklage erfolgreich, so würde dies, wenn man hinsichtlich des Streitgegenstands bei der Vollstrekkungsgegenklage der h. M. folgt, eine erneute Leistungsklage des Gläubigers 638

Begehrt der Schuldner dagegen die Feststellung, daß die durch das Grundpfandrecht gesicherte Forderung nicht mehr besteht, so ist hinsichtlich dieser Forderung keine ausschließliche Zuständigkeit zu beachten (§ 24 ZPO gilt ja nur fur dingliche, nicht für persönliche Ansprüche). Insofern kann es auch nicht zu widerstreitenden ausschließlichen Zuständigkeiten kommen.

639

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.13; siehe auch unten 2. Kap. D. I. 1. d) aa) (3).

640

Vgl. insoweit BGH ZZP 74 (1961), 187, (188, 189).

641

Als Begründungen werden angeführt etwa die Wahrung des "Sinngehalt!s] der im ersten Prozeß zum Streitgegenstand getroffenen Feststellung" (Zeuner, ZZP 74 (1961), 190 (191 f); ihm folgt Otto, JA 1981, 606 (608)), die Vermeidung von "schlechthin unvereinbar[enl" Urteilen (Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 226) oder die "elementare Richtigkeit des Ergebnisses" (Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I 3 (S. 483); Gaul, AcP 173 (1973), 323 (331); ders., ZZP 85 (1972), 251 (260 f, 300)). 642

Vgl. statt vieler Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I 3 (S. 483) m. w. N.

190

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

nicht hindern können - selbst wenn sie sachlich nicht auf neue Argumente gestützt wird. Der Gläubiger könnte mit ihr sogar obsiegen, obgleich der Streitstoff mit dem der Vollstreckungsgegenklage inhaltlich identisch ist. Wenig überzeugend erscheint schließlich auch der Teil der h. M., der die einzelne Einwendung als Teil des Streitgegenstands ansieht. Zum einen ist es - wie § 322 II ZPO zeigt - der große Ausnahmefall, daß eine Entscheidung über eine Einwendung in Rechtskraft erwächst. Darüber hinaus haben Einwendungen grundsätzlich nur den Stellenwert von Vorfragen. Sie sind ohne Bezugsobjekt einer eigenständigen Betrachtung nicht zugänglich und "sollten deswegen nicht ohne Not zur Hauptfrage avancieren"643. Die h. M. ist daher abzulehnen.

(4) Stellungnahme zum Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage Das Hauptargument für die Ausklammerung des "Anspruchs" aus dem Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage bildet der angeblich unüberbrückbare Gegensatz zwischen einem Leistungsurteil und einem Gestaltungsurteil. Dieser angebliche Gegensatz und der Rückschluß, der daraus gezogen wird, überzeugen jedoch nicht. Vereinzelt wird in der Literatur ganz im Gegenteil sogar die Leistungsklage, die zweifellos Ansprüche zum Streitgegenstand hat, als eine spezielle Form der prozessualen Gestaltungsklage angesehen644. Als Begründung hierfür wird ein Vergleich der Leistungsurteile mit Feststellungsurteilen einerseits und Urteilen auf Vollstreckbarerklärung gem. §§ 722, 1042 ZPO andererseits gezogen. Die Leistungsurteile unterschieden sich einerseits von den Vollstrekkungsurteilen durch die bei den Leistungsurteilen hinzutretende Feststellungswirkung, andererseits von den Feststellungsurteilen durch die den Leistungsurteilen zukommende Vollstreckbarkeit. Die Vollstreckungswirkung, die die Leistungsurteile von den Feststellungsurteilen unterscheide, sei aber keine andere als die der Vollstreckungsurteile nach §§ 722, 1042 ZPO, welche als prozessuale Gestaltungsurteile anerkannt seien. Daher müßten auch die Leistungsurteile prozessuale Gestaltungsurteile sein645. Schlosser 646 gibt aus diesem Grund die Dreiteilung der Rechtsschutzformen in Feststellungs-, 643

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 314.

644

In diesem Sinne Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 102 f f (insbes. S. 107); Goldschmidt, Prozeß als Rechtslage, S. 496, Fußn. 2615; ders., ZPR, § 15 a 1 (S. 61), der in den Leistungsurteilen "Anordnungsurteile" sieht. 645

Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 102 ff (insbes. S. 104).

646

Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 107.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

19

Leistungs- und Gestaltungsklagen auf und geht nur noch von einer Zweiteilung aus. Den Feststellungsklagen auf der einen Seite stellt er die Gestaltungsklagen mit dem Unterfall der prozessualen Gestaltungsklagen, zu denen wiederum die Leistungsklage gehört, gegenüber. Ob dem zu folgen ist, gehört nicht zum Gegenstand dieser Untersuchimg. Völlig überzeugend ist diese Zweiteilung deshalb nicht, weil hierdurch das Bild von einem Gegensatzpaar (Feststellungsurteile einerseits und Gestaltungsurteile andererseits) geschaffen wird, obgleich doch ein (angebliches) Element der Gattung der Gestaltungsurteile - das Leistungsurteil - ebenso feststellende Wirkung hat wie das Feststellungsurteil 647. Das Leistungsurteil ließe sich daher ebensogut auch als eine Kombination aus Feststellungs- und prozessualem Gestaltungsurteil auffassen, da ihm sowohl Feststellungswirkung als auch Vollstreckungswirkung zukommt. Dann müßte doch wieder von der klassischen Dreiteilung ausgegangen werden. Doch kommt es hier nicht auf die dogmatische Einordnung an. Wesentlich ist nur die Erkenntnis, daß jedenfalls auch Leistungsurteile gestaltend wirken, indem sie die Vollstreckung anordnen648. Wenn es - wie von der h. M. zutreffend bei Vollstreckungsgegenklageurteilen - als prozessuale Gestaltung anzusehen ist, die Vollstreckbarkeit zu beseitigen, so muß der umgekehrte Fall, die Anordnung der Vollstreckbarkeit, ebenfalls Gestaltung sein. Haben aber auch Leistungsurteile ebenso prozessual gestaltende Wirkung wie Vollstreckungsgegenklageurteile, so wird deutlich, daß der Rückschluß der h. M., wegen der prozessual gestaltenden Natur könne der Anspruch nicht Gegenstand der Vollstreckungsgegenklage sein, verkürzt und vorschnell ist. Das Gegenteil ist sogar der Fall: Bei der Leistungsklage wird gestaltet aus Gründen des materiellen Rechts. Weil dem Gläubiger ein Anspruch gegen den Schuldner zusteht, soll ein vollstreckungsfähiger Titel geschaffen werden. Nicht anders - nur mit "umgekehrten Vorzeichen" - ist es bei der Vollstreckungsgegenklage: auch hier wird aus Gründen des materiellen Rechts gestaltet. Diesmal liegt die Gestaltung aber nicht in der Schaffung der Vollstreckbarkeit, sondern in deren Vernichtung. Wenn aber in beiden Fällen die richterliche Gestaltung aus Gründen des materiellen Rechts erfolgt, sich die Gestaltung in beiden Fällen auf die Vollstreckbarkeit bezieht und in beiden Prozessen letztlich um Forderungen des Gläubigers und dessen Durchsetzbarkeit gestritten wird, so erscheint es gerechtfertigt, die Vollstreckungsgegenklage als negatives Spiegelbild der Leistungsklage anzusehen. So wie das Gestaltungselement des stattgebenden Leistungsurteils die Vollstreckbarkeit schafft, so beseitigt das Gestaltungselement des Vollstreckungsgegenklageurteils die Vollstreckbarkeit wieder, und ebenso wie das Feststellungselement des stattgebenden Leistungs647

Soja selbst die Argumentation Schlossers, Gestaltungsklagen, S. 103, 104.

648

So auch Finger, MDR 1971, 350 (354).

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2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

urteils das materiellrechtliche Bestehen des behaupteten prozessualen Anspruchs feststellt, so muß dann auch das stattgebende Vollstreckungsgegenklageurteil das materiellrechtliche Nichtbestehen des titulierten prozessualen Anspruchs feststellen. Die Frage des materiellrechtlichen Bestehens oder Nichtbestehens des prozessualen Anspruchs gehört daher bei der Vollstreckungsgegenklage ebenso zum Streitgegenstand wie bei der Leistungsklage, und die materielle Rechtskraft bezieht sich dort ebenso darauf wie hier 649. Beide Urteile entfalten daher sowohl Feststellungswirkung als auch Vollstrekkungswirkung: das Leistungsurteil in einer positiven, das Vollstreckungsgegenklageurteil in einer negierenden (negativen) Weise. Die Annahme einer Feststellungswirkung des Vollstreckungsgegenklageurteils hinsichtlich des "Anspruchs" steht auch nicht im Widerspruch zur Urteilsformel, die (nur) die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung ausspricht, aber keine ausdrückliche Feststellung über das Bestehen des Anspruchs selbst trifft. In diesem Fall muß zwar der Umfang der Rechtskraft aus den Urteilsgründen ermittelt werden, aber insoweit verhält es sich nicht anders als etwa bei einem klageabweisenden Urteil, dessen Rechtskraftumfang sich ebenfalls nur aus den Urteilsgründen ergibt. 650 Die aus der "Spiegelbildlichkeit" folgende Identität des Streitgegenstandes ist durchaus kein typisches Phänomen des Verhältnisses von Leistungsund Vollstreckungsgegenklage. Sie findet sich ebenso z. B. im Verhältnis von positiver und negativer Feststellungsklage651. Letztlich gelten im Prozeßrecht schlechterdings Behauptung und kontradiktorische Gegenbehauptung als austauschbar, sofern nur die Behauptungen gegeneinander und in unterschiedlicher Parteistellung erhoben werden652. Genau das ist aber der Fall, wenn der Schuldner sich mit einer Vollstreckungsgegenklage wehrt: Ebenso wie der Gläubiger mit einer Leistungsklage geltend macht, ihm stehe die geltend gemachte Leistung zu, so macht der Schuldner mit der Vollstreckungsgegenklage geltend, der Gläubiger habe hierauf keinen Anspruch (mehr). 649

Im Ergebnis ebenso wie hier, wenn auch hinsichtlich des eigentlichen Streitgegenstandes der Vollstreckungsgegenklage zum Teil mit Unterschieden Goldschmidt, ZPR, § 15 a, 3 a (S. 61), § 92, 5 a (S. 338); Bettermann, Rechtshängigkeit, S. 46; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 105 f; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 173 ff, 316 ff; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 23 und § 797 Rdnr. 4 ; ders., DNotZ 1993, 242 (243); A. Blomeyer, AcP 165 (1965), 481 (493 f, 498); ders., ZVR, § 33 I 2 (S. 127), V I I 1, 2 (S. 137); Bruns/Peters, ZVR, § 15 I I (S. 93 f); wohl auch Barkam, Erinnerung und Klage, S. 47. 650

Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 106; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 332.

651

Vgl. Habscheid, Streitgegenstand, S. 272; Bettermann, Rechtshängigkeit, S. 27 f; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 93 IV 2 (S. 525), § 100 III 1 c (S. 569); Stein/Jonas/Schumann, §261 Rdnr. 61. 652

M ü n c h , V o l l s t r e c k b a r e U r k u n d e , S. 319.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

193

Hieraus ergeben sich aber auch Konsequenzen für den Umfang des Streitgegenstandes der Vollstreckungsgegenklage: Der Streitgegenstand der Leistungsklage ist insofern "global", als er ausschließlich durch den Antrag (die Rechtsfolgenbehauptung) und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt wird. Prüfungsmaßstab dafür, ob die klägerische Rechtsfolgenbehauptung zutrifft, sind alle konkurrierenden materiellrechtlichen Ansprüche und alle dagegen möglichen Gegenrechte ohne irgendeine Einschränkung. Ebenso "global" ist aber demnach auch der Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage zu bestimmen, denn gestritten wird dort doch letztlich nicht um einzelne, vorgetragene Einwendungen, sondern insgesamt darum, ob die Titelforderung noch besteht. Die einzelne Einwendung dient insoweit nur als Verteidigungsmittel653. Da aber die titulierte Forderung, gegen die die Einwendungen vorgebracht werden, - auch bei der vollstreckbaren Urkunde 654 - der Anspruch im prozessualen Sinne und nicht die einzelne materiellrechtliche Forderung ist, sind "Anspruch" und "Einwendungen" i. S. d. § 767 I ZPO entgegen der h. M. nicht im materiellen, sondern im prozessualen Sinne zu verstehen655. Der Schuldner will sich ja nicht nur gegen einzelne materielle Ansprüche des Gläubigers verteidigen, sondern insgesamt dagegen, daß der Gläubiger aus einem bestimmten Lebenssachverhalt (noch) Leistungen von ihm fordern kann. Dies korrespondiert mit der Erkenntnis, daß Vollstreckungsgegenstand nicht der einzelne materielle Anspruch, sondern der prozessuale Anspruch ist 656 : Für die Zwangsvollstreckung ist das (Fort-)Bestehen des materiellen Anspruchs grundsätzlich bedeutungslos und wird im Vollstreckungsverfahren auch nicht mehr geprüft. Entscheidend ist nur der Inhalt des Titels. Dieser verbrieft aber nur den prozessualen Anspruch im Sinne einer behaupteten, durch einen bestimmten Lebenssachverhalt gekennzeichneten Rechtsfolge des materiellen Rechts. Nicht dagegen verbrieft er den (einzelnen) materiellen Anspruch657. Ist aber als Vollstreckungsgegenstand der prozessuale Anspruch anzusehen und will der Schuldner mit seiner Vollstreckungsgegenklage die Vollstreckbarkeit beseitigen durch "Einwendungen, die den ... [im Titel] festgestellten Anspruch selbst betreffen", so spricht auch dies dafür, unter "Anspruch" i. S. d. § 767 ZPO den prozessualen des angegriffenen Titels und nicht einen materiellen Anspruch zu verstehen. Dies gilt bei der vollstreckba653

Mönch, Vollstreckbare Urkunde, S. 317.

654

Siehe oben 2. Kap. Α. IV.

655

Insoweit zutreffend Gilles, ZZP 83 (1970), 61 (68 ff, 91 ff); ferner Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 316 ff.

656

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 166 ff. A. A. die h. M.; siehe oben 2, Kap. Α. IV.

657

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 168.

13 Schullheis

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2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

ren Urkunde um so mehr, als dort die Vollstreckungsgegenklage der Nachholung des Erkenntnisverfahrens dient658. Wie bei ihrem Gegenstück - der Leistungsklage - sind daher materieller Anspruch und materielle Einwendung lediglich Begründungselemente der erhobenen Klage. Streitgegenstand ist somit auch hier der prozessuale Anspruch und zwar so, wie er in der vollstreckbaren Urkunde niedergelegt wurde (bzw. einem vorangegangenem Urteil zugrunde lag). Sieht man den prozessualen Anspruch des Titels auch als Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage an, so läßt sich die - im Ergebnis von der h. M. zu Recht angenommene - Rechtskrafiterstreckung analog § 322 II ZPO auf das Nicht(mehr)bestehen der Gegenforderung im Falle der Aufrechnung durch den (Vollstreckungsgegen-)Kläger (Schuldner) anstatt (wie es der Wortlaut des § 322 II ZPO vorsieht) durch den Beklagten (Vollstreckungsgläubiger) 659 überzeugender begründen und Wertungswidersprüche dabei vermeiden. Die h. M. vermag nämlich insofern nicht zu überzeugen, als sie insbesondere bei rechtskraftlosen Titeln dazu führt, daß zwar die Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung in Rechtskraft erwächst, nicht aber die Entscheidung über das Bestehen der Hauptforderung. Wird nämlich im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage nur über die Vollstreckbarkeit entschieden - wie es die h. M. annimmt -, so hat dies bei erfolgreicher Aufrechnung zur Konsequenz, daß dem aufrechnenden Schuldner (Kläger) einerseits seine zur Aufrechnung gestellte Forderung sachlich aberkannt wird, während andererseits das Erlöschen der Hauptforderung des Gläubigers nicht in Rechtskraft erwächst, so daß dieser die Hauptforderung - streng genommen - erneut einklagen kann. Eine solche einseitige Begünstigung des Gläubigers erscheint aber durch nichts gerechtfertigt. Überzeugender ist es daher, sowohl die Entscheidung über die Hauptforderung des Gläubigers (aufgrund der Feststellungswirkung der Vollstreckungsgegenklage) als auch die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung des Schuldners (über § 322 II ZPO analog) in Rechtskraft erwachsen zu lassen. Die analoge Anwendung des § 322 II ZPO rechtfertigt sich trotz der der gesetzlichen Regelung entgegengesetzten Parteistellung dadurch, daß sie ihrem Normgehalt gemäß als Verteidigungsmittel eingesetzt wird, denn die vertauschten Parteirollen beruhen ja nur auf der "Spiegelbildlichkeit" der Vollstreckungsgegenklage im Vergleich zur Leistungsklage. Die Vertauschung der Parteistellung im Rahmen der Vollstrekkungsgegenklage führt damit auch zu einer Vertauschung der Parteirollen bei der Anwendung des § 322 II ZPO660. 658 659

Lediglich die Parteirollen sind vertauscht. Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. a).

Vgl. etwa MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 98; BGHZ 48, 356 (358 ff); OLG Frankfurt, VersR 1986, 543 (544); Braun, ZZP 89 (1976), 93 (95 ff); Otto, JA 1981, 606 (608); Zöller/Vollkommer, § 322 Rdnr. 17; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I 3 (S. 484).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

195

Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß sich der Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage - unter Verwendung des hier vertretenen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs 661 - zusammensetzt aus der (global gehaltenen) negativen Rechtsfolgenbehauptung, dem Beklagten stehe das titulierte Recht aufgrund des der Titulierung zugrundeliegenden Lebenssachverhalts bzw. dessen Fortentwicklung nicht mehr zu (feststellendes Element des späteren Urteils) und der positiven Verfahrensbehauptung, durch gerichtliche Gestaltung müsse deshalb dem Titel die Vollstreckbarkeit genommen werden (durch Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel; gestaltendes Element des späteren Urteils) 662.

(5) Verteidigung gegen Einwände Die hier im Anschluß an Münch 663 vertretene These, daß der Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage - wenn auch mit vertauschten Parteirollen - der gleiche ist wie der einer Leistungsklage und sich ebenso wie dort einheitlich durch die Verwendung des herkömmlichen Streitgegenstandsbegriffs bestimmen läßt664, wurde bereits von ihm selbst ausführlich gegen mögliche Einwände verteidigt 665. Es genügt daher im folgenden, sich auf die seit dem Erscheinen der Arbeit von Münch vorgebrachten Einwände zu beschränken. 660

Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 324 ff, der jedoch statt von einer analogen Anwendung des § 322 I I ZPO von einer teleologischen Extension ausgeht. Da jedoch die Anwendung der Vorschrift auf den Kläger von deren - auch weit ausgelegten - Wortsinn nicht mehr umfaßt wird, ist die Grenze von teleologischer Extension zur analogen Anwendung bereits überschritten zu sein. Vgl. zur Abgrenzung zwischen Auslegung und Analogie im Prozeßrecht unten 3. Kap. D. I. 1. a). 661

Siehe oben 2. Kap. A. II. 5.

662

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 321.

663

Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 298 ff.

664

Insoweit besteht ein Unterschied zu den Auffassungen von Goldschmidt, Bettermann, A. Blomeyer und Schlosser, die ja ebenfalls bereits den Zusammenhang zwischen einer Vollstreckungsgegenklage und einer Leistungsklage erkannten, dennoch aber nicht den herkömmlichen Streitgegenstandsbegriff auf die Vollstreckungsgegenklage anzuwenden können glaubten (vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 327 mit Fußn. 146). So verstand Goldschmidt, ZPR, § 15 a (S. 61 f), § 92, 5 (S. 338), die Vollstreckungsgegenklage als Streit um ein besonderes Anordnungsklagerecht, gerichtet auf Feststellung des Nichtbestehens des privatrechtlichen Anspruchs oder des Vollstreckungsanspruchs und auf Erlaß eines Vollstreckungsverbots. Schlosser, Gestaltungsklagen S. 368 ff, 372 ff, sieht bei der Vollstreckungsgegenklage - wie bei anderen Gestaltungsklagen auch - einen materiell-rechtlichen / öffentlich-rechtlichen Anspruch des Klägers gegen den Staat bzw. das Gericht auf Gestaltung als Streitgegenstand an; dieser sei identisch mit dem sogenannten Vollstreckungsanspruch. Bettermann, FS Weber, S. 87 (93 f) und A. Blomeyer, ZVR, § 33 I 1 u. 2 (S. 126 f), gehen - wie bereits dargelegt - von einer rechtsmittelähnlichen Klage bzw. einer vollstreckungsrechtlichen (quasi)negatorischen Beseitigungs- bzw. Unterlassungsklage aus.

13

19

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

So wird zunächst vorgebracht, die Ausdehnung der Rechtskraft eines Vollstreckungsgegenklageurteils auf den prozessualen Anspruch werde mit "handfesten Gefahren" 666 erkauft: Auch bei fehlender Rechtskraftausdehnung werde sich der Richter eines dem Vollstreckungsgegenklageverfahren nachfolgenden Prozesses (etwa einer Schadensersatz- oder Bereicherungsklage), falls er das Ersturteil fur richtig halte, dessen Ergebnis zu eigen machen. Habe er aber erkannt, daß das Ersturteil irre, so könne er den Fehler korrigieren. Die hier vertretene Auffassung führe aber dazu, daß durch die Rechtskraft der Fehler hoffnungslos "zementiert" werde667. Die von Münzberg gerügten Konsequenzen treten nach der hier vertretenen Auffassung in der Tat ein. Sie mögen im Einzelfall auch eine Härte bedeuten. Diese Härte wiegt aber nicht schwerer als in jedem anderen Fall auch, in dem materielle Rechtskraft eintritt und Fehlentscheidungen deshalb nicht mehr korrigierbar sind. Dennoch würde niemand auf den Gedanken kommen, die Bedeutung der materiellen Rechtskraft in Zweifel zu ziehen hinsichtlich ihres Zwecks, einerseits Rechtsfrieden und -Sicherheit zwischen den Parteien zu schaffen und andererseits die Gerichte vor Mehrfachprüfungen derselben Angelegenheit (mit der damit für das Ansehen der Rechtspflege verbundenen Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen) zu schützen668. Das Argument Münzbergs läßt sich genausogut in sein Gegenteil umkehren: Die Entscheidung des Zweitprozesses muß nicht notwendigerweise "richtiger" sein als die des Vollstreckungsgegenklageurteils. Ist es nicht ebenso unbillig, wenn der Schuldner, nachdem seine Vollstreckungsgegenklage wegen des Fortbestehens des Anspruchs zu Recht abgewiesen wurde, nun im Zweitprozeß mit einer Klage nach § 812 BGB obsiegt, weil hier der Richter zu Umecht annimmt, dem Gläubiger habe eben doch keine Forderung zugestanden? Unbilligkeiten sind mit richterlichen Fehlentscheidungen immer verbunden. Sie werden nicht automatisch dadurch minimiert, daß der Rechtskraftumfang verkleinert wird, denn dadurch geht die Gefahr einer Fehlentscheidung nur vom Erstprozeß auf den Zweitprozeß über. Die für den Schuldner bzw. Gläubiger bestehende Gefahr, daß sie infolge einer Fehlentscheidung über die Vollstrekkungsgegenklage unterliegen, sind nicht größer als bei einer "normalen" Lei665 Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 329 ff, dessen Ausführungen zuzustimmen ist. Er verteidigt seine These dort insbesondere gegen den Vorwurf der Überbewertung des Formalisierungsgrundsatzes, des Verstoßes gegen den Dispositionsgrundsatz, der "Systemuntreue" im Hinblick auf den systematischen Zusammenhang der Vollstreckungsgegenklage mit den Vorschriften der §§ 768, 785, 786 ZPO und der "Gesetzesuntreue" im Hinblick auf § 767 II, I I I ZPO. 666

Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (239).

667

Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (239).

668

Vgl. zum Zweck der materiellen Rechtskraft etwa Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 I (S. 915).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

19

stungsklage. Auch hier kann der Gläubiger seinen Anspruch aus dem bereits vorgetragenen Sachverhalt nach Rechtskraft des abweisenden Leistungsurteils nicht mehr herleiten, und auch der Schuldner kann nach Rechtskraft des stattgebenden Leistungsurteils sich gegen die Vollstreckung bzw. dessen Folgen nur noch mit Einwendungen schützen, die nach dem Schluß der letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind. An weiteren Argumenten gegen die bei Münch und hier vertretene globale Rechtskraft- und Präklusionswirkung wird vorgebracht, sie sei zum einen nicht prozeßökonomisch, da hierdurch von vornherein Streitpunkte einbezogen würden, die möglicherweise niemals aufträten, zum anderen hätten die Parteien ja immer die Möglichkeit, im Wege einer Feststellungsklage eine rechtskraftfähige Entscheidung über den Anspruch zu erlangen. Schließlich führe die umfassende Präklusionswirkung dazu, daß § 767 II ZPO entgegen dem Wortlaut des § 797 IV ZPO doch angewendet werde, wenn der Schuldner selbst bei größter Sorgfalt nicht in der Lage gewesen sei, eine Einwendung mit seiner ersten Vollstreckungsgegenklage vorzubringen 669. Gegen das erste Argument der fehlenden Prozeßökonomie spricht, daß sich wohl niemals im vorhinein sagen läßt, über welche Punkte später noch ein Streit ausgetragen werden wird. Aus diesem Grund ist es gerade prozeßökonomisch eine umfassende Rechtskraft- und Präklusionswirkung bezüglich aller möglichen Streitpunkte anzunehmen, um eine umfassende Klärung zu erreichen. Die Gefahr ständig neuer Prozesse mit einzelnen Einwendungen wäre der Prozeßökonomie bei weitem abträglicher. Daß die Verweisung der Parteien auf eine Feststellungsklage zur Erlangung einer rechtskraftfähigen Entscheidung über den Anspruch die Gefahr der Entscheidimgsdivergenz mit sich bringen kann, da eine Zwischenfeststellungsklage nicht immer möglich ist, wurde bereits oben dargelegt670. Auch dies spricht daher nicht gegen die hier vertretene Auffassung von einem globalen Streitgegenstand bei der Vollstreckungsgegenklage. Der letzte Kritikpunkt, die globale Rechtskraft und Präklusionswirkung führe bei wiederholter Vollstreckungsgegenklage des Schuldners zu einer Anwendung des § 767 II ZPO entgegen dem Wortlaut des § 797 IV ZPO, ist zwar von der Sache her zutreffend 671, widerspricht aber der hier vertretenen Auffassung ebenfalls nicht, denn auch insoweit steht der Schuldner nicht schlechter, als wenn der Gläubiger eine Leistungsklage erhoben hätte. Im Zweitprozeß (Vollstreckungsgegenklage des Schuldners nach Leistungsklage des Gläubigers) wäre nämlich § 767 II ZPO unstreitig anwendbar. Warum sollte er bei

669

Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (240).

670

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (3) sub (b).

671

Siehe hierzu unten 2. Kap. D. III. 1.

19

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

der vollstreckbaren Urkunde in einem Zweitprozeß (Vollstreckungsgegenklage nach Vollstreckungsgegenklage) besser stehen?672 Schließlich wurde gegen die globale Streitgegenstandsbestimmung noch eingewendet, der Schuldner müsse, falls er sich mit der Klage nicht gegen die Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde, sondern aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil wende, wegen Rechtshängigkeit des Anspruchs erst dessen formelle Rechtskraft abwarten, ehe seine Vollstreckungsgegenklage zulässig wäre. Gelänge dem Gläubiger ein besonders schneller Vollstreckungszugriff, so wäre der Schuldner zu einem raschen Rechtsmittelverzicht gezwungen, um eine zulässige Klage einreichen und den Antrag nach § 769 ZPO stellen zu können673. Auch diese Kritik ist in der Sache zwar zutreffend, widerspricht vom Ergebnis aber dennoch nicht dem hier vertretenen Streitgegenstandsbegriff. Zum einen wird der Schuldner auch bei einem raschen Vollstreckungszugriff nicht schutzlos gestellt. Er hat immer noch die Möglichkeit, Berufung einzulegen und über § 719 I ZPO die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erreichen. Insofern steht er nicht schlechter als bei einem einstweiligen Rechtsschutz über § 769 ZPO. Aber auch im übrigen ist es nicht unbillig, die Vollstreckungsgegenklage erst nach Rechtskraft des zunächst nur vorläufig vollstreckbaren Urteils zuzulassen. Zwar hat nach heute h. M. 674 der Schuldner die Wahl zwischen einer Berufung und einer Vollstreckungsgegenklage. Jedoch besteht Einigkeit darüber, daß zum einen die beiden Rechtsbehelfe nicht kumulativ, sondern nur alternativ gewählt werden können, und daß zum anderen die Berufung als der umfassendere Rechtsbehelf Vorrang vor der Vollstreckungsgegenklage hat, für jene also das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn Berufung eingelegt wird. Die Wahl ist somit auch nach Ansicht der h. M. zugunsten einer Berufung beschränkt. Nicht viel anders verhält es sich aber bei den Wahlmöglichkeiten, die der Schuldner nach der hier vertretenen Auffassung hat: Auch hier kann der Schuldner ja grundsätzlich zwischen beiden Rechtsbehelfen wählen, nur mit dem Unterschied, daß er einen ausdrücklichen Rechtsmittelverzicht aussprechen muß, wenn er statt der Berufung die Vollstreckungsgegenklage auswählt (weil während der Rechtsmittelfrist die Vollstreckungsgegenklage infolge der Rechtshängigkeit des Anspruchs unzulässig wäre) 675. Hierdurch wird aber der 672

Siehe unten 2. Kap. D. III. 1.

673

Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (240); vgl. ders., ZZP 87 (1974), 449 (451).

674

Statt aller: Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 41; MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 14; Thomas/Putzo, § 767 Rdnr. 15; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 V 3 a (S. 474); Geißler, NJW 1985, 1865 (1869); Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 747; Jauernig, ZVR, § 12 V I (S. 53). 675

So auch Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 336 ff. Doch selbst wenn kein Rechtsmittelveizicht erklärt wurde, wird im Regelfall die Vollstreckungsgegenklage in die Zulässigkeif'hineinwachsen", wenn die Beruflingsfrist abgelaufen ist.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

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Rechtsschutz des Schuldners nicht verkürzt. Der Zeitpunkt, in dem eine endgültige Wahl zwischen den Rechtsbehelfen zu treffen ist, wird lediglich vorverlagert. Der erforderliche ausdrückliche Rechtsmittelverzicht als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine bereits während der Rechtsmittelfrist erhobenen Vollstreckungsgegenklage stellt auch nicht unbedingt einen Nachteil für den Schuldner dar. Im Gegenteil: Dadurch, daß er einen ausdrücklichen Verzicht aussprechen muß, wird ihm noch einmal deutlich vor Augen geführt, daß er mit der Vollstreckungsgegenklage den im Vergleich zur Berufung weniger weitreichenden Rechtsbehelf gewählt hat. Die hier vertretene Auffassung bringt damit als Nebeneffekt sogar noch eine den Schuldner schützende Warnfunktion mit sich.

c) Die Wirkungen der Vollstreckungsgegenklage Wird der Vollstreckungsgegenklage stattgegeben, so lautet der Tenor dahin, daß die Zwangsvollstreckung aus der genau bezeichneten vollstreckbaren Urkunde ganz-, teil- oder zeitweise "für unzulässig erklärt" wird 676 . Hinsichtlich der Wirkungen des Urteils ist zwischen seinem Vollzug, der Gestaltungsund der Rechtskraftwirkung zu unterscheiden. Die Gestaltungswirkung des stattgebenden Urteils liegt darin, daß die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigt wird. Sie tritt - wie bei allen Gestaltungsurteilen - erst mit Rechtskraft des Urteils ein und wirkt für und gegen jedermann. Mit dem stattgebenden Urteil steht daher für und gegen jedermann fest, daß der Gläubiger aus der vollstreckbaren Urkunde kein Befriedigungsrecht (mehr) hat677. Vollzogen wird das Urteil gem. §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO durch Einstellung der Zwangsvollstreckung und Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen678. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung kann dies jedoch auch mit einer vorläufig "vollstreckbaren" Entscheidung erreicht werden. Aus diesem Grunde wird das Urteil nicht nur hinsichtlich der Kosten, sondern auch in der Hauptsache für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Schuldner kann so bereits vor der Rechtskraft die Einstellung der Zwangsvollstreckung auch ohne eine Anordnung nach § 770 ZPO erreichen 679.

676

Vgl. statt vieler: MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 91; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I 1 (S. 482); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1369.

677

MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 95. Dies kann insbesondere fur ein Verteilungsverfahren (§§ 872 ff ZPO) von Bedeutung sein.

678

MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 94.

0

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Die materielle Rechtskraft wirkt - anders als die Gestaltungswirkung - nur zwischen den Parteien und erstreckt sich nach der hier vertretenen Auffassung auch auf den "Anspruch" des Gläubigers. Mit Rechtskraft des stattgebenden Vollstreckungsgegenklageurteils steht daher fest, daß dem Gläubiger materiellrechtlich die Forderung, wegen der sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung unterworfen hat, nicht (mehr) zusteht; bei rechtskräftig abgewiesenem Sachurteil über eine Vollstreckungsgegenklage steht dagegen umgekehrt fest, daß im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung dem Gläubiger nach materiellem Recht die titulierte Forderung zustand680.

d) Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage Hinsichtlich der Zulässigkeit einer Vollstreckungsgegenklage gegen vollstreckbare Urkunden ergeben sich nur wenige Besonderheiten, auf die im folgenden kurz einzugehen ist.

aa) Zuständigkeit (1) Sachliche Zuständigkeit und Zuständigkeit für nicht unter § 13 GVG fallende Ansprüche Die sachliche Zuständigkeit folgt bei Vollstreckungsgegenklagen gegen vollstreckbare Urkunden den allgemeinen Vorschriften. Es gelten die §§ 23 ff, 71 GVG, so daß auch die Familiengerichte zuständig sind, wenn die titulierte Forderung zur Zuständigkeit der Familiengerichte gehört681. Problematischer dagegen erscheint die Bestimmung des Gerichts, wenn für den in der vollstreckbaren Urkunde titulierten prozessualen Anspruch, würde er streitig geltend gemacht werden, nicht der ordentliche Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben ist. Dies wird insbesondere dann relevant, wenn sich der Schuldner wegen eines öffentlich-rechtlichen 682 oder arbeitsrechtli679

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I 2 (S. 483); Thomas/Putzo, § 767 Rdnr. 30; MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 92.

680

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

681

Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 24; Schuschke, § 797 Rdnr. 36.

682

Zwar ist nach der hier vertretenen Auffassung eine Unterwerfungserklärung unwirksam, die sich auf einen nicht unter § 13 GVG fallenden (prozessualen) Anspruch bezieht; siehe unten 3. Kap. A. II. 3. a) bb) m. w. N.; a. A. Münzberg, § 794 Rdnr. 85 m. w. N. (Eine Ausnahme bilden insoweit nur arbeitsrechtliche Ansprüche. Vgl. dazu die nachfolgende Fußn.) Doch hat dies weder die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde als Vollstreckungstitel zur Folge (siehe unten

1

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

chen683 Anspruchs der Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Folgt man der h. M. zum Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage, wonach sich dieser in der Vernichtung der Vollstreckbarkeit des Titels erschöpfe, sich aber nicht auf den Anspruch des Gläubigers als solchen erstrecke 684, so erscheint fraglich, ob es für den Rechtsweg überhaupt auf die Rechtsnatur des titulierten Anspruchs ankommen kann685 oder ob nicht vielmehr die Rechtsnatur des Vollstreckungstitels entscheidend ist 686 , da es ja nur um die Beseitigung seiner Vollstreckbarkeit geht. Letzteres hätte zur Folge, daß immer die Zivilgerichte zuständig sind, wenn ein Titel im Sinne des § 794 I Nr. 5 ZPO vorliegt. Da nach der hier vertretenen Auffassung zum Streitgegenstand der Vollstrekkungsgegenklage jedoch auch das materiellrechtliche Bestehen des titulierten Anspruchs gehört687 muß sich der Rechtsweg nach der Rechtsnatur des Anspruchs richten688, denn maßgeblich für den Rechtsweg ist der Streitgegenstand. Hat sich also z. B. der Schuldner wegen eines dem § 40 I VwGO unterfallenden Anspruchs der Zwangsvollstreckung unterworfen, so sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Hat er sich wegen eines arbeitsrechtlichen Anspruchs i. S. d. § 2 ArbGG unterworfen, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben689. 3. Kap. A. III. 6.) noch schränkt dies die Möglichkeit ein, wegen angeblichen Nichtbestehens der materiellrechtlichen Forderung die Vollstreckungsgegenklage zu erheben. Die oben gemachten Ausführungen sind deshalb auch nach der hier vertretenen Ansicht nicht obsolet. 683

Das Verhältnis zwischen den Arbeitsgerichten und den ordentlichen Gerichten ist nach heute h. M. nicht mehr eine solche der sachlichen Zuständigkeit, sondern betrifft die Zulässigkeit des Rechtswegs; MünchKommZPO/Wolf, GVG § 14 Rdnr. 15 f m. w. N.; Baumbach/Lauterbach/ Albers, GVG § 14 Rdnr. 6 m. w. N. Somit stellt auch eine arbeitsrechtliche Forderung einen nicht unter § 13 GVG fallenden Anspruch dar. Dennoch ist - auch nach der hier vertretenen Auffassung (siehe vorhergehende Fußn. 682) - eine Unterwerfungserklärung deshalb nicht unwirksam. Gem. § 62 I I ArbGG findet nämlich das 8. Buch der ZPO unmittelbare (vgl. Gninsky, ArbGG § 62 Rdnr. 10) Anwendung. Kraft dieser ausdrücklichen gesetzlichen Regelung können daher auch vollstreckbare Urkunden über arbeitsrechtliche Ansprüche errichtet werden. 684

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (3). \

685

Dafür etwa OLG Frankfurt, OLGZ 1985, 97 (98 ff); vgl. die weiteren Nachweise in Fußn. 689 in diesem Abschnitt.

686

Dafür etwa V G H München, NJW 1982, 1992 m. w. N.; vgl. die weiteren Nachweise in Fußn. 689 in diesem Abschnitt.

687

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

688

Für diese Konsequenz ebenfalls Münzberg, ZZP 87 (1974), 449 (450 f).

689

Für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, falls sich der Schuldner wegen eines arbeitsrechtlichen Anspruchs der Zwangsvollstreckung unterworfen hat: OLG Frankfurt, OLGZ 1985, 97 (98 ff); Thomas/ Putzo, § 797 Rdnr. 4; Zöller/Stöber, § 797 Rdnr. 8; Germelmann/Matthes/Prütting/Matthes, § 2 Rdnr. 55, 207; Grunsky, ArbGG § 62 Rdnr. 12; möglicherweise auch BGH, ZZP 87 (1974), 447 (447); widersprüchlich Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 797 Rdnr. 11. Offen Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 25; Münzberg, ZZP 87 (1974), 449 (449 f f mit guter Zusam-

202

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

(2) Örtliche Zuständigkeit bei einer durch Streitgenossen erhobenen Vollstreckungsgegenklage Grundsätzlich ergeben sich bei der Vollstreckungsgegenklage gegen vollstreckbare Urkunden Besonderheiten hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit nur insoweit, als mangels eines Prozeßgerichts690 das Gericht des inländischen allgemeinen Gerichtsstands des Schuldners und beim Fehlen eines solchen das Gericht des Vermögensbesitzes (§ 23 ZPO) gem. §§ 797 V, 802 ZPO ausschließlich zuständig ist691. Dem Schuldner soll durch die Vollstreckungsunterwerfung der ihm angenehme, eigene allgemeine Gerichtsstand (§§ 13 ff ZPO) erhalten bleiben, bei dem er ja auch im Falle eines vorhergehenden Prozesses hätte verklagt werden müssen und daß dann Prozeßgericht i. S. d. § 767 ZPO gewesen wäre 692. Probleme können jedoch entstehen, wenn sich mehrere Schuldner, die in verschiedenen Gerichtsbezirken wohnen, in einer Urkunde der Zwangsvollstreckung unterwerfen 693. Die Erhebung mehrerer Vollstrekkungsgegenklagen durch die einzelnen Schuldner wäre nicht nur unzweckmäßig, sie kann unter Umständen auch rechtlich unmöglich sein. So etwa, wenn die Schuldner als Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft wegen Gesamthandsschulden in Anspruch genommen werden und deshalb als notwendige Streitgenossen (§ 62 I 2. Alt. ZPO) gemeinsam Klage erheben müssen694. Die Lösung dieses Problems wurde lange Zeit in einer analogen Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO gesehen695. Durch eine solche Analogie wird zum menstellung der Argumente). Gegen eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte Seuffert/Walsmann, § 797 Anm. 6; Stein/Jonas/Münzberg, 19. Aufl., § 797 Anm. V. 690

Ein "Gericht der Vorentscheidung" gibt es j a bei der vollstreckbaren Urkunde nicht.

691

Dazu, ob der Schuldner auf den ausschließlichen Gerichtsstand des § 797 V ZPO verzichten und die Vollstreckungsgegenklage auch beim allgemeinen Gerichtsstand des Gläubigers erheben kann, siehe sogleich in diesem Abschnitt. 692

Die Vorschrift des § 797 V ZPO will also den Schuldner begünstigen; BGH, NJW 1991, 2910; Thümmel, NJW 1986, 556 (558). 693

Dies wird vor allem relevant bei BGB-Gesellschaften, da für die Vollstreckung in das Gesellschaflsvermögen gem. § 736 ZPO ein Titel gegen alle Gesellschafter erforderlich ist. Dabei muß es sich freilich nicht um einen einheitlichen Titel handeln, auch mehrere Titel sind möglich; vgl. Thomas/Putzo, § 736 Rdnr. 2.

694

Thomas/Putzo, § 62 Rdnr. 13; Zöller/Vollkommer, § 62 Rdnr. 13; Palandt/Thomas, § 709, Rdnr. 2. 695 So bereits RGZ 45, 391 (392); Scheffler, Vollstreckungsgegenklage, S. 27. Heute noch vertreten diese Auffassung Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 797 Rdnr. 10; Wieczorek, § 36 Anm. D III a 2, Ε III; Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 23; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X 2 (S. 482); Thomas/ Putzo, 17. Aufl., § 797 Anm. 2 c (aufgegeben in 18. Aufl., § 797 Rdnr. 4); Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.13 mit Fußn. 14 (vgl. nun aber ders., in: MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 33).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

einen der Anwendungsbereich der Vorschrift umgekehrt, denn an die Stelle der passiven Streitgenossenschaft auf der Beklagtenseite tritt die aktive Streitgenossenschaft auf der Klägerseite. Zum anderen verändert sich die Schutzrichtung: die Gerichtsstandsbestimmung des § 36 Nr. 3 ZPO soll dem Beklagtenschutz dienen, die analoge Anwendung dem Klägerschutz696. Zwar führt die Analogie zu dem gewünschten Ergebnis, der Entscheidung nur eines Gerichts und damit verbunden der Vermeidung der Gefahr sich widersprechender Urteile. Doch stellt die gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Nr. 3 ZPO ein aufwendiges (und zeitraubendes) Verfahren dar, das die gewonnene Prozeßökonomie durch die Entscheidung nur eines Gerichts über die Vollstreckungsgegenklage teilweise wieder vereitelt. In neuerer Zeit wird daher die Ansicht vertreten, die Schuldner hätten in analoger Anwendung des § 35 ZPO die Wahl unter den Gerichten, bei denen einer von ihnen einen allgemeinen Gerichtsstand i. S. d. § 797 V ZPO hat697. Weitergehend wird sogar zum Teil angenommen, die Schuldner könnten darüber hinaus die Klage auch beim allgemeinen Gerichtsstand des Gläubigers erheben698. Für eine Gerichtsstandsbestimmung entsprechend § 36 Nr. 3 ZPO bestehe daher kein Raum. Der letztgenannten Ansicht ist aus praktischen und prozeßökonomischen Gründen gegenüber einer analogen Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO der Vorzug zu geben, denn sie stellt einen einfacheren und schnelleren Weg zur Verfügung, was insbesondere im Bereich der Rechtsbehelfe des Zwangsvollstrekkungsrechts wichtig ist. Darüber hinaus steht auch die Einräumung einer Wahlmöglichkeit dogmatisch einer analogen Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO in nichts nach. Zwar ist die analoge Anwendung des § 35 ZPO auf den vorliegenden Fall nicht unproblematisch699. Dies hängt weniger damit zusammen, daß der Gerichtsstand gem. §§ 797 V, 802 ZPO ausschließlich ist, denn § 35 ZPO greift anerkanntermaßen700 auch bei mehreren ausschließlichen Gerichtsständen ein. § 35 ZPO betrifft aber den Fall, daß einem Kläger mehrere für 696

Dogmatische Bedenken hiergegen erhebt Thümmel, NJW 1986, 556 (557).

697

BGH, NJW 1991, 2910; BayObLG, NJW-RR 1993, 511; Zöller/Stöber, § 797 Rdnr. 8; Zöller/Vollkommer, § 36 Rdnr. 14; MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 54; Thomas/Putzo, § 797 Rdnr. 4; wohl auch Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl., § 36 Rdnr. 14; Borakamm, NJW 1989, 2713 (2715). 698

So Thümmel NJW 1986, 556 (558 f)> der sich dogmatisch allerdings nicht auf eine analoge Anwendung des § 35 ZPO beruft, sondern allein auf den Gesichtspunkt des Verzichts auf die Zuständigkeitsbegünstigung des § 797 V ZPO. 699

Vgl. insoweit Thümmel, NJW 1986, 556 (558); Haack, NJW 1980, 672 (673) (zu dem insoweit entsprechenden Problem der Streitgenossenschaft auf der Antragstellerseite im Mahnverfahren). 700

Zöller/Vollkommer, § 35 Rdnr. 1; Thomas/Putzo, § 35 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl., § 35 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 35 Rdnr. 1.

0

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

ihn persönlich in Betracht kommende Gerichtsstände zur Verfügung stehen, unter denen er auswählen kann. Hier jedoch haben verschiedene Kläger einen jeweils separaten Gerichtsstand, so daß sich das Wahlrecht des einzelnen Klägers auch auf Gerichtsstände bezieht, mit denen er persönlich nicht verbunden ist701. Trotz dieses Unterschieds ist eine Analogie möglich, denn die persönliche Verbindung zum Gerichtsstand wird hier ersetzt durch die zum (einfachen oder notwendigen) streitgenössischen Kläger. Entscheidend aber für ein Wahlrecht der Schuldner spricht die Erkenntnis, daß ein Kläger auf einen ihn begünstigenden Gerichtsstand verzichten kann und zwar auch dann, wenn es sich um einen ausschließlichen handelt702. Zwar sind ausschließliche Gerichtsstände grundsätzlich zum Schutz der begünstigten Partei einer Veränderung - etwa durch Prorogation - unzugänglich, da der Begünstigte vor übereilter, unwissentlicher oder faktisch erzwungener Aufgabe seines Vorteils geschützt werden soll. Aus diesem Grunde wäre auch eine vertragliche Vereinbarung über den Verzicht mit dem Prozeßgegner unwirksam. Der Schutzzweck des Prorogationsverbots ist aber dann nicht betroffen, wenn die Begünstigten (das sind im Fall des § 797 V ZPO die Schuldner 703) selbst (und ohne vertragliche Bindung704) die Initiative ergreifen und deshalb nicht in der Gefahr stehen, sich unbedacht mit den Wünschen des Gegners einverstanden zu erklären. Die Auswahl eines der in Betracht kommenden streitgenössischen Gerichtsstände (analog § 35 ZPO) bedeutet daher nichts anderes als der Verzicht auf ihre Vergünstigung seitens derjenigen Streitgenossen, deren allgemeiner Gerichtsstand sich nicht durchgesetzt hat705. Darüberhinaus können aber auch alle streitgenössischen Schuldner auf den ihnen günstigen Gerichtsstand des § 797 V ZPO verzichten, um den Gläubiger an dessen allgemeinen Gerichtsstand verklagen zu können706. Der im Vordringen befindlichen Auffassung ist daher zuzustimmen: Mehrere Schuldner, die sich gemeinschaftlich in einer Urkunde gem. § 794 I Nr. 5 ZPO der Zwangsvollstreckung unterworfen haben, können - sofern sie verschiedene 701

Thümmel, NJW 1986, 556 (558); Haack, NJW 1980, 672 (673).

702

BGH, NJW 1991, 2910; Thümmel, NJW 1986, 556 (558 f); Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl., § 36 Rdnr. 14; ähnlich auch BGH, NJW 1972, 1861 (1862).

703

Siehe oben Fußn. 692 in diesem Abschnitt.

704

Insofern hat es - trotz der Möglichkeit eines Verzichts - seinen guten Sinn, daß § 797 V einen ausschließlichen und nicht nur einen besonderen Gerichtsstand bestimmt, denn andernfalls wäre auch eine Prorogation zulässig, so daß der Schuldner in der Gefahr stünde, vom wirtschaftlich stärkeren Gläubiger zu einem ihm unliebsamen Gerichtsstand gedrängt zu werden. 705

BGH, NJW 1991, 2910; Thümmel, NJW 1986, 556 (558 f); Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl., § 36 Rdnr. 14.

706

Thümmel, NJW 1986, 556 (558); ähnlich auch BGH, NJW 1972, 1861 (1862).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

allgemeine Gerichtsstände haben - für eine Klage gem. §§ 767, 795, 797 V ZPO707 analog § 35 ZPO unter den Gerichten wählen, bei denen einer von ihnen oder der Gläubiger seinen allgemeinen Gerichtsstand i. S. d. § 797 V ZPO hat.

(3) Örtliche Zuständigkeit für eine Vollstreckungsgegenklage bei einer gegen den jeweiligen Eigentümer vollstreckbaren Urkunde Als unterwerfungsfahiger Anspruch, der die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld oder Schiffshypothek (vgl. § 794 I Nr. 5 S. 2 ZPO708). Daneben übernimmt der Grundstückseigentümer in der Praxis vielfach "wegen des Anspruchs aus der Grundschuld" zusätzlich die persönliche Haftung mit seinem ganzen übrigen Vermögen. Hinsichtlich beider Ansprüche - des dinglichen (aus dem Grundpfandrecht bzw. der Schiffshypothek) und des persönlichen (aus dem häufig mitabgeschlossenen abstrakten Schuldversprechen gem. § 780 BGB bzw. einer sonstigen schuldrechtlichen Verpflichtung) - unterwirft sich regelmäßig der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung. Auszulegen ist die vollstreckbare Urkunde i. d. R. dahin, daß der Gläubiger den angegebenen Betrag nur einmal verlangen und vollstrecken kann709. Will der Schuldner das Nicht(mehr)bestehen eines oder beider Ansprüche mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen, so richtet sich auch hier die (ausschließliche) örtliche Zuständigkeit des Gerichts nach § 797 V, 802 ZPO. Das gilt entgegen § 24 ZPO auch hinsichtlich des dinglichen Anspruchs710. Anders dagegen, wenn sich der Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterworfen hat, daß die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll und dies auch im Grundbuch eingetragen wurde (§ 800 I ZPO). Dann ist gem. § 800 III ZPO das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Folgt man streng dem Gesetzeswortlaut, so gilt dieser Gerichtsstand des Belegenheitsortes nur, soweit es um das dingliche Recht (Hypothek, Grund707

Entsprechendes gilt fur die Klauselgegenklage gem. §§ 768, 767, 795, 797 V ZPO.

708

Zu der umstrittenen Frage, ob diese Ansprüche bereits von § 794 I Nr. 5 S. 1 ZPO erfaßt werden und damit § 794 I Nr. 5 S. 2 ZPO nur klarstellende Bedeutung zukommt, vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 64.1 ff; ders., in: MünchKommZPO, §794 Rdnr. 182; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 110 jeweils mit Nachweisen auch zur Gegenmeinung. Dem Streit kommt für die vorliegende Problemstellung keine Bedeutung zu. 709 710

Zöller/Stöber, § 794 Rdnr. 27.

Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 23; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.13; ders., in: MünchKommZPO, § 800 Rdnr. 39.

0

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

schuld, Rentenschuld) geht. Soll hingegen aus der der Hypothek zugrundeliegenden Forderung in sonstiges Schuldnervermögen vollstreckt werden oder geht es um die Zwangsvollstreckung wegen eines aus Anlaß der Grundschuldbestellung abgegebenen Schuldversprechens, so bleibt es insoweit beim Gerichtsstand des § 797 V ZPO. Durch die verschiedenen ausschließlichen (§ 802 ZPO) Gerichtsstände entsteht eine gespaltene Zuständigkeit. Selbst dann, wenn der Schuldner sowohl gegen den persönlichen als auch den dinglichen Titel Einwendungen aus einem beiden Titeln gemeinsam zugrundeliegenden Sicherheitsvertrag erheben will, muß er verschiedene Gerichte in Anspruch nehmen711. Fraglich ist, ob dieses prozeßunökonomische und den Schuldner - der zwei Prozesse an unterschiedlichen Gerichtsorten parallel durchfuhren muß - belastende Ergebnis nicht korrigiert werden kann712. Es wird deshalb die Ansicht vertreten, § 800 III ZPO gelte auch fur den persönlichen Anspruch713 - oder einschränkend, § 800 III ZPO gelte fur den persönlichen Anspruch dann, wenn die Vollstreckungsgegenklage zugleich auch den dinglichen Anspruch betreffe, andernfalls verbleibe es hinsichtlich des persönlichen Anspruchs bei der Zuständigkeit des § 797 V ZPO714. Sofern überhaupt eine Begründung hierfür angegeben wird 715 , erschöpft sie sich in dem Hinweis, es lasse sich nicht annehmen, daß der Gesetzgeber, der den Gerichtsstand des Wohnsitzes (§ 797 V ZPO) lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen bestimmt habe, für die Fälle der vorliegenden Art zwei ausschließliche Gerichtsstände habe bestimmen wollen716. 7.1

Vgl. KG, NJW-RR 1989, 1407 (1408). Dieselbe Problematik besteht entsprechend, wenn es nicht um ein Grundpfandrecht, sondern um eine Schiffshypothek geht; vgl. § 800 a I I ZPO.

7.2

Hiergegen Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59. 13; ders., in: MünchKommZPO, § 800 Rdnr. 40; Seuffeit, 11. Aufl., § 800 Anm. 5; Seuffeit/Walsmann, § 800 Anm. 5; Struckmann/Koch, § 799 Anm. 2, § 800 Anm. 3. Zu anderen Ansichten vgl. die folgenden Fußn. 7.3 KG, OLGRspr 22, 371 (372 f) (obiter); Förster/Kann, § 800 Anm. 5; Schuschke, § 800 Rdnr. 7; Thomas/Putzo, § 800 Rdnr. 7; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 800 Rdnr. 10; wohl auch Stein/Jonas/ Münzberg, § 800 Rdnr. 8. Der häufig zitierte Beschluß des OLG Dresden, OLGRspr. 19, 151 (152) betrifft hingegen das oben angesprochene Problem nicht, denn das OLG Dresden äußerte sich dort nur zur Zuständigkeit fur eine Klage, die allein auf Abwehr der Zwangsvollstrekkung wegen des dinglichen Anspruchs gerichtet war. 7.4

So ohne weitere Begründung Zöller/Stöber, § 800 Rdnr. 18, § 797 Rdnr. 8; wohl auch Wieczorek, § 800 Anm. D. KG, NJW-RR 1989, 1407 (1408) geht von § 797 V ZPO aus, wenn die Klage nur den persönlichen Anspruch betrifft; wie zu verfahren ist, wenn persönlicher und dinglicher Anspruch betroffen sind, läßt die Entscheidung ausdrücklich offen. 7.5

Keine Begründung geben an Schuschke, § 800 Rdnr. 7; Thomas/Putzo, § 800 Rdnr. 7; Stein/ Jonas/ Münzberg, § 800 Rdnr. 8; Zöller/Stöber, § 800 Rdnr. 18, § 797 Rdnr. 8; Wieczorek, § 800 Anm. D. 7.6 KG, OLGRspr 22, 371 (372) (obiter); Förster/Kann, § 800 Anm. 5; ähnlich auch Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, § 800 Rdnr. 10: Mehrere ausschließliche Gerichtsstände seien für den

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

Es läßt sich jedoch weder aus der Gesetzesgeschichte, noch - wie bereits angesprochen - aus dem Gesetzeswortlaut die unmittelbare Anwendung des § 800 III ZPO auf Vollstreckungsgegenklagen betreffend den persönlichen Anspruch rechtfertigen. § 800 I ZPO, auf den sich § 800 III ZPO bezieht, spricht allein von der Unterwerfung im Rahmen der Begründung eines dinglichen Anspruchs. Der Gesetzgeber wollte die erst später eingefügte Vorschrift des (heutigen) § 800 III ZPO dem (heutigen) § 24 ZPO nachbilden717. Letztere betrifft aber nur Klagen, die die dinglichen Rechte an Grundstücken zum Gegenstand haben, während für damit sachlich zusammenhängende Klagen wegen persönlicher Ansprüche erst die Vorschrift des § 25 ZPO eine Zuständigkeit des Gerichts der belegenen Sache begründet. Eine dem § 25 ZPO nachgebildete Vorschrift für die Vollstreckungsgegenklage bei vollstreckbaren Urkunden fehlt jedoch. Zu einer sachgerechten und dogmatisch befriedigenden Lösung gelangt man auch hier wieder, wenn man sich einerseits den Zweck der Gerichtsstandsbestimmungen des § 797 V ZPO und des § 800 III ZPO vor Augen hält, andererseits berücksichtigt, daß ein Kläger auf einen ihn begünstigenden, ausschließlichen Gerichtsstand verzichten kann, sofern dieser Verzicht freiwillig erfolgt und auf seiner alleinigen Initiative beruht718. Wie oben bereits ausgeführt, soll der Schuldner durch § 797 V ZPO dadurch begünstigt werden, daß er - obgleich Kläger - den Prozeß an seinem allgemeinen Gerichtsstand führen kann. § 800 III ZPO ist dagegen dem § 24 ZPO nachgebildet719. Beide Vorschriften beruhen auf derselben Erwägimg720, nämlich daß das Gericht des Belegenheitsortes wegen der örtlichen Nähe und der damit verbundenen erleichterten Einsichtsmöglichkeit bei Grundbuch- und Katasterämtern eher zu einer sicheren Feststellung und Würdigimg der Rechtsverhältnisse in der Lage ist 721 . persönlichen und dinglichen Anspruch nicht möglich und § 800 ZPO gehe als Sondervorschrift vor. 7.7

Vgl. die Begründung zur Novelle von 1898, S. 164 (abgedruckt bei Seuffert, 11. Aufl., § 800 Anm. 1): "Der Absatz 3 des § 705 b [heute: § 800 III ZPO] regelt die Zuständigkeit... in Übereinstimmung mit der Vorschrift des § 25 [heute: § 24 ZPO] über den dinglichen Gerichtsstand." Vgl. ferner die Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB (Bd. VI, S. 797): "Der Zusatz [gemeint ist der heutige § 800 III ZPO] beruht auf der Erwägung, daß es sich bei den Fällen des § 705 b [heute: § 800 ZPO] in Wahrheit um eine dingliche Klage handelt und daß die allgemeinen Gründe, die fur die Festsetzung des Gerichtsstandes des § 25 d CPO [heute: § 24 ZPO] maßgebend gewesen sind, auch für den hier in Rede stehenden Fall zutreffen." 7.8

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) aa) (2) und BGH, NJW 1991, 2910; Thümmel, NJW 1986, 556 (558 f); Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl., § 36 Rdnr. 14; ähnlich auch BGH, NJW 1972, 1861

(1862). 7.9

Siehe oben Fußn. 717 in diesem Abschnitt.

720

Vgl. oben Fußn. 717 in diesem Abschnitt.

0

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Schuldnerschutz spielt also bei der Vorschrift des § 800 III ZPO keine Rolle. Da der Kläger (hier der Schuldner) nur auf ihn begünstigende ausschließliche Gerichtsstände verzichten kann, kommt somit zwar ein Verzicht auf den Gerichtsstand des § 797 V ZPO in Betracht, nicht hingegen auf den des § 800 III ZPO. Im Falle eines solchen Verzichts auf den Gerichtsstand des § 797 V ZPO kann der Schuldner dann die Vollstreckungsgegenklage hinsichtlich des persönlichen Anspruchs entweder beim allgemeinen Gerichtsstand des Gläubigers erheben (was ihm regelmäßig keine Vorteile bringt und was er deshalb nicht tun wird) oder analog § 25 ZPO am Gerichtsstand des Belegenheitsorts des Grundstücks, sofern er dort auch die Vollstreckungsgegenklage hinsichtlich des dinglichen Anspruchs erheben will. Die analoge Anwendung des § 25 ZPO rechtfertigt sich aus folgender Überlegung: In dem Fall, in dem der Schuldner sowohl gegen den persönlichen als auch gegen den dinglichen Titel Einwendungen - etwa aus einem beiden Titeln gemeinsam zugrundeliegenden Sicherheitsvertrag - erheben will, wird er durch die gespaltene Zuständigkeit unterschiedlicher ausschließlich zuständiger Gerichte zur Führung zweier Prozesse an verschiedenen Orten gezwungen. Ein gesetzgeberischer Grund hierfür läßt sich nicht den Motiven zur CPO entnehmen und ist auch nicht zu erkennen. Eine Wahlmöglichkeit des Schuldners hinsichtlich des Gerichtsstandes sieht das Gesetz nicht vor, so daß insoweit von einer ausfüllungsbedürftigen Lücke auszugehen ist. Die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage betreffend den persönlichen Anspruch gemeinsam mit deijenigen betreffend den dinglichen Anspruch entspricht der in § 25 ZPO geregelten Situation: Im Falle einer Klageverbindung (§ 260 ZPO) wird in § 25 ZPO der dingliche Gerichtsstand des § 24 ZPO auch für die damit korrespondierende schuldrechtliche Befteiungsklage für anwendbar erklärt. Wie bereits festgestellt, entspricht aber die Vorschrift des § 24 ZPO der des § 800 III ZPO. In vergleichbarem Maße entspricht auch die schuldrechtliche Befreiungsklage i. S. d. § 25 ZPO einer Vollstreckungsgegenklage hinsichtlich des persönlichen Anspruchs. Als Befreiungsklage i. S. d. § 25 ZPO kommt nämlich unter anderem eine negative Feststellungsklage in Betracht722. Nach der hier vertretenen Auffassung entfaltet aber das stattgebende Urteil über eine Vollstreckungsgegenklage ebenso eine Feststellungswirkung wie das über eine negative Feststellungsklage723, so daß die Vergleichbarkeit gegeben ist. 721

So für § 24 ZPO MünchKommZPO/Patzina, § 24 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl., § 24 Rdnr. 1. 722 723

MünchKommZPO/Patzina, § 25 Rdnr. 4; Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl., § 25 Rdnr. 18.

Bei der Vollstreckungsgegenklage kommt allerdings zu der (negativen) Feststellungswirkung noch die (negative) Gestaltungswirkung durch Vernichtung der Vollstreckbarkeit des angegriffenen Titels hinzu. Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

9

Als Ergebnis läßt sich somit festhalten: Die Vollstreckungsgegenklage hinsichtlich des dinglichen Anspruchs muß, soweit eine Unterwerfungserklärung i. S. d. § 800 I ZPO vorliegt, der Schuldner immer bei dem nach § 800 III ZPO zuständigen Gericht erheben. Bei der Vollstreckungsgegenklage betreffend den persönlichen Anspruch hat er dagegen ein Wahlrecht analog § 35 ZPO: Entweder er kann es bei dem Gerichtsstand des § 797 V ZPO belassen, was für ihn insbesondere dann vorteilhaft ist, wenn er nur die Vollstreckungsgegenklage betreffend den persönlichen Anspruch erheben will. Er kann aber auch (freiwillig und auf eigene Initiative) auf den Gerichtsstand des § 797 V ZPO verzichten und analog § 25 ZPO gemeinsam mit der Vollstreckungsgegenklage betreffend den dinglichen Anspruch bei dem nach § 800 III ZPO zuständigen Gericht Klage erheben724, was immer dann sinnvoll ist, wenn er sowohl gegen den persönlichen als auch den dinglichen Titel Einwendungen insbesondere aus einem beiden Titeln gemeinsam zugrundeliegenden Sicherheitsvertrag - erheben will.

bb) Rechtsschutzbedürfnis Ein Rechtsschutzbedürfnis zur Erhebung der Vollstreckungsgegenklage besteht, sobald ein Vollstreckungstitel vorliegt, auch schon vor Erteilung der Vollstreckungsklausel und vor Beginn der Zwangsvollstreckung725. Häufig werden vollstreckbare Urkunden quasi auf "Vorrat" geschaffen, ohne daß die Möglichkeit einer Zwangsvollstreckung überhaupt ernsthaft ins Auge gefaßt wird. Daher wurde die Ansicht vertretenen, es stelle ein venire contra factum proprium 726 dar, wenn der Schuldner Vollstreckungsgegenklage erhebe, ob724 Zudem besteht die Möglichkeit der Klageerhebung am allgemeinen Gerichtsstand des Gläubigers, was aber regelmäßig fur den Schuldner keine Vorteile mit sich bringt. 725

Vgl. insoweit allgemein zur Vollstreckungsgegenklage statt aller: Thomas/Putzo, § 767 Rdnr. 14; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 42; MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 43; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 V I I I (S. 478); Becker-Eberhard, ZZP 107 (1994), 87 (88). Ein besonderes Problem hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfhisses ergibt sich, wenn sowohl Einwendungen gegen die Titelwirksamkeit als auch gegen den materiellen Anspruch des Gläubigers geltend gemacht werden. Soweit deshalb auch die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO wegen Unwirksamkeit des Titels in Betracht kommt, stellt sich die Frage, ob nicht diese als einfacherer Rechtsbehelf der Vollstreckungsgegenklage vorgehen muß. Ob in diesem Fall der Vollstreckungsgegenklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, ob anzunehmen ist, daß die Vollstreckungsgegenklage als ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung einen wirksamen Titel erfordert oder ob Klauselerinnening und Vollstreckungsgegenklage nebeneinander oder alternativ erhoben werden können, wird im vierten Kapitel behandelt. 726

Der auch im Zivilprozeßrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben berührt sich insoweit eng mit dem Rechtsschutzbedürfnis; vgl, Stein/Jonas/Schumann, vor § 253 Rdnr. 118 mit Fußn. 237.

14 Schultheis

10

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

gleich er wisse, daß eine konkrete Vollstreckungsabsicht nicht bestehe727. Das auch im Zivilprozeß geltende Gebot von Treu und Glauben und damit das Verbot widersprüchlichen Verhaltens sollte jedoch nur äußerst vorsichtig noch weitaus vorsichtiger als im materiellen Recht - angewendet werden, denn im Zivilprozeß stehen sich zwei Parteien im Streit gegenüber728. Es herrscht also nicht mehr - wie im materiellen Recht - "Vertragsatmosphäre". Daher sollte nur in krassen Mißbrauchsfällen, in denen sich der Beklagte vor dem mißbilligten Erfolg in keiner anderen Weise schützen kann, die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfhisses oder wegen einer vom Gläubiger auf Treu und Glauben gestützten prozessualen Einrede als unzulässig abgewiesen werden. Diese Grenze ist allerdings dann, wenn der Schuldner von einer fehlenden Vollstreckungsabsicht weiß, grundsätzlich noch nicht überschritten. Zum einen kann sich der Schuldner solange, wie der Gläubiger den Titel in Händen hat, nie sicher sein, ob dieser nicht doch die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung und die Durchfuhrung der Zwangsvollstreckung beantragt. Zum anderen ist der Gläubiger ausreichend über § 93 ZPO geschützt729: Erkennt er sofort an, so muß der Kläger (Schuldner) alle Kosten tragen. Bestand aber die materiellrechtliche Forderung und wehrt sich der Gläubiger gegen die Vollstreckungsgegenklage, so erhält er eine rechtskräftige Entscheidung über das Bestehen seines Anspruchs. Ihn treffen prozeßrechtlich gesehen somit keine unbilligen Nachteile. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage entfällt daher generell erst, wenn die Zwangsvollstreckung nicht mehr drohen kann730. Das ist nicht bereits mit vollständiger Befriedigung der Fall - auch wenn sie im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt -, sondern erst wenn der Schuldner in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf Dauer vor der Vollstreckung aus dem Titel geschützt ist 731 . Grundsätzlich bedarf es dazu der Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung an den Schuldner732. Dem gleichzustellen sind Fälle, in denen 727

RG JW 1932, 654 (655); Petermann, Vollstreckbare Ausfertigung, S. 111; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.4.

728

Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 243.

729

MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 43.

730

Vgl. OLG Koblenz, JurBüro 1990, 399 m. w. Ν.; Κ . Schmidt, JuS 1994, 614 (615).

731

BGH, NJW 1994, 1161 (1162); K. Schmidt, JuS 1994,614(615).

732

Saum, JZ 1981, 695 (697f); dementsprechend hält die h. M. die Vollstreckungsgegenklage auch für zulässig, solange der Gläubiger den Titel in den Händen hat, denn so lange besteht auch noch die Gefahr, daß der Gläubiger den Titel zu einer unberechtigten Zwangsvollstreckung mißbraucht. Dies gilt selbst dann, wenn der Gläubiger auf seine Rechte aus dem Titel verzichtet hat oder zwischen ihm und dem Schuldner Einigkeit darüber besteht, daß eine Zwangsvollstreckung nicht mehr in Betracht kommt. Vgl. statt aller: BGH, NJW 1994, 1161 (1162); BGH, W M 1988, 1592 (1593); K.Schmidt, JuS 1994, 614(615); ders., in: MünchKommZPO, § 767 Rdnr. 43; Thomas/Putzo,

D. Verfahrensexterae Rechtsbehelfe

211

dieser ausnahmsweise in ebenso sicherer Weise dauerhaften Schutz vor einer Vollstreckung genießt733 Problematisch erscheint das jedoch in den Fällen, in denen der Vollstrekkungstitel für zukünftige Vollstreckungen möglicherweise noch gebraucht wird. In Betracht kommen insoweit etwa Titel auf wiederkehrende künftige Leistungen (insbesondere bei vollstreckbaren Urkunden über einen Unterhaltsanspruch), vollstreckbare Urkunden, in denen der Schuldner ausdrücklich gestattet hat, dem Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung auch ohne Nachweis i. S. d. § 726 ZPO zu erteilen (Nachweisverzicht734) sowie vollstreckbare Urkunden, in denen ein ausdrücklicher Nachweisverzicht fehlt und durch Auslegung zu ermitteln ist, ob die Bedingungen des materiellen Anspruchs auch zugleich Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO sein sollen735. Schließlich ist noch etwa an die Fälle zu denken, in denen der Titel zwar nicht mehr vom Titelgläubiger, wohl aber von einem Dritten noch gebraucht wird, so insbesondere, wenn der Titelgläubiger die titulierte Forderung abgetreten hat, dem Zessionar noch keine vollstreckbare Ausfertigung nach § 727 ZPO ausgehändigt wurde und der Titel bzw. eine vollstreckbare Ausfertigung sich aber noch beim Zedenten befindet 736. In all diesen Fällen kann eine Zwangsvollstreckung noch drohen, so daß das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage eigentlich gegeben sein müßte - zumal diese Zwangsvollstreckung materiellrechtlich ungerechtfertigt ist, soweit der Gläubiger die Leistung nicht mehr 737 oder noch nicht738 verlangen kann. Andererseits kommt § 767 Rdnr. 16; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 V I I I (S. 478); Becker-Eberhard, ZZP 107 (1994), 87(89). 733

Dies wird man nur selten annehmen können. Ein Beispiel hierfür bietet der jüngst entschiedene Fall BGH, NJW 1994, 1161 ff. Der Gläubiger hatte dort die vollstreckbare Ausfertigung einer notariellen Urkunde dem Notar wieder zurückgegeben und auf deren Rücknahme veizichtet. Darüber hinaus war durch einen Vermerk auf dem Titel sichergestellt, daß der Gläubiger weder vom Notar aus Versehen noch vom zuständigen Amtsgericht auf Grund eines Antrags nach §§ 797 III, 733 ZPO wieder eine vollstreckbare Ausfertigung erhalten wurde. Da der Schuldner hierdurch in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf Dauer vor einer Vollstreckung aus dem Titel geschützt ist, entfallt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage ausnahmsweise auch ohne Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung an ihn. 734

Siehe hierzu oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

735

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

736

Dazu, daß der Schuldner bei Verlust der Sachbefugnis des Titelgläubigers (insbesondere im Falle des Forderungsübergangs) sich grundsätzlich mit Vollstreckungsgegenklage wehren kann, vgl. BGH, ZZP 107 (1994), 81 (85); Becker-Eberhard, ZZP 107 (1994), 87 (88); MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 66; Münzberg, JZ 1993, 95; OLG Düsseldorf, DB 1978, 692; LG Karlsruhe, DGVZ 1984, 155; AG Limburg, DGVZ 1984, 121 (122); AG München, DGVZ 1984, 76 (77). 737

Das ist insbesondere bei einer Zession oder bei Titeln auf wiederkehrende Leistungen für bereits erfüllte Ansprüche der Fall.

14*

2

. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

eine Titelherausgabe nicht in Betracht, da der Vollstreckungstitel noch für zukünftige Vollstreckungen benötigt wird. Es erscheint daher auf den ersten Blick unbillig, wenn der Schuldner dennoch (in der Sache erfolgreich) Vollstreckungsgegenklage erheben kann, obgleich ihm doch gar keine Zwangsvollstreckung droht. Dies gilt insbesondere dann, wenn man davon ausgeht, der Vollstreckungstitel verliere durch die Gestaltungswirkung endgültig und mit Wirkung gegen jedermann seine Vollstreckbarkeit 739. Dann würde nämlich § 93 ZPO den Gläubiger noch nicht fälliger Ansprüche oder im Fall der Abtretung den Zessionar nicht genügend schützen, denn durch das sofortige Anerkenntnis verlöre er den Titel und damit das, was ihm der Schuldner eigens zugestanden hatte740. Aus diesem Grunde nimmt die Rechtsprechung741 bei Titeln, die auf wiederkehrende (künftige) Leistungen lauten, an, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage sei bereits dann zu verneinen, wenn die Zwangsvollstreckung nach den Umständen des Einzelfalles unzweifelhaft nicht mehr drohe. Daß der Gläubiger den Titel, den er ja noch für künftig fällig werdende Ansprüche (oder anderweitig742) benötige, in der Hand behalte, begründe daher für sich allein nicht die Besorgnis materiell ungerechtfertigter Zwangsvollstreckung. Eine ähnlich Konstruktion wird vorgenommen, wenn der Schuldner in einer vollstreckbaren Urkunde einen "Nachweisverzicht" erklärt hat. In diesem Fall sei von einem stillschweigenden Versprechen des Schuldners gegenüber dem Gläubiger des Inhalts auszugehen, daß die Vollstreckungsgegenklage erst erhoben werden dürfe, wenn die Vollstreckung drohe oder ernsthafte Meinungsverschiedenheiten über den Bestand des Anspruchs bestünden743. Bei einem Verstoß gegen diese Partei Vereinbarung könne der Gläubiger eine Abweisung der Klage als "zur Zeit unzulässig" verlangen744. Ein Drohen der Zwangsvollstreckung wird im Fall des Nachweisver-

738

Das ist insbesondere der Fall bei zukünftigen oder bedingten Leistungen vor Bedingungseintritt.

739

Zur Gestaltungswirkung des Vollstreckungsgegenklageurteils siehe oben 2. Kap. D. I. 1. c).

740

So die Bedenken bei Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 21.

741

Vgl. BGH, NJW 1994, 1161 (1162); BGH, NJW 1984, 2826 (2827); ähnlich OLG Frankfurt, MDR 1988, 241; vgl. aber auch OLG Karlsnihe, JurBüro 1990, 399 (400).

742

Vgl. OLG Frankfurt, MDR 1988, 241 (241).

743

Vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.4.; Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 21.

744

Erwogen wird auch, die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen, wenn man von einem vorläufigen Verzicht auf die Einwendung, der Anspruch sei noch nicht entstanden oder fallig, ausgeht (Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 21 mit. Fußn. 61). Vgl. auch Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 21 mit Fußn. 60, wo sich Münzberg gegen eine Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses ausspricht.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

1

zichts allerdings noch nicht einmal in der Erteilung der Vollstreckungsklausel gesehen745. Beide soeben aufgezeigten Konstruktionen unterscheiden sich zwar insofern, als das fehlende Rechtsschutzbedürfnis immer von Amts wegen zu beachten ist, das Versprechen des Schuldners, nicht zu klagen, dagegen nur auf (prozessuale) Einrede des Gläubigers. Beiden gemeinsam ist jedoch, daß in den Fällen, in denen der Titel noch für zukünftige Vollstreckungen gebraucht wird, es für die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage nicht ausreichen soll, daß der Titel sich noch in der Hand des Gläubigers befindet. Immer muß aus weiteren Umständen zu folgern sein, daß eine Zwangsvollstreckung droht. Da in den Fällen des Nachweisverzichts noch nicht einmal die Klauselerteilung als Drohen der Zwangsvollstreckung empfunden wird (mit der Folge, daß auch nach Klauselerteilung der Gläubiger einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners eine auf den konkludent geschlossenen Vertrag gestützte Einrede entgegensetzen kann), besteht für den Schuldner die Gefahr, mit der Vollstreckungsgegenklage einem ungerechtfertigten Vollstreckungszugriff nicht mehr zuvorkommen zu können. Auch in den Entscheidungen, in denen die Rechtsprechung bei auf wiederkehrende Leistungen gerichteten Titeln das Rechtsschutzbedürfnis mangels Drohens einer Zwangsvollstreckung ablehnt, geht nicht hervor, an welchen Kriterien der Schuldner es festmachen kann, ob die "Drohung" stark genug ist, damit das Rechtsschutzbedürfnis für seine Vollstreckungsgegenklage vom Gericht bejaht wird. Gerade aber weil der Gläubiger, hat er erst einmal eine vollstreckbare Ausfertigung, jederzeit den Vollstreckungszugriff bewirken kann746, ist eine Konstruktion, die die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage von einem nicht meßbaren Grad der Drohung einer Zwangsvollstreckung abhängig macht, unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes nicht hinnehmbar. Darüber hinaus läßt sich die Frage, ob eine materiell ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung "genügend droht", doch wohl nur unter Berücksichtigung der vom Schuldner vorgebrachten Einwendung beurteilen. Damit müssen aber letztlich Fragen der Begründetheit zum Teil schon in der Zulässigkeit erörtert werden, denn die Frage der Schlüssigkeit einer Einwendung rechnet zur Begründetheit747. Sachgerechter erscheint mir daher, in all den oben angeführten Problemfällen, die Vollstrekkungsgegenklage für zulässig zu erachten und einen Interessenausgleich erst im Rahmen der Begründetheit vorzunehmen748.

745

Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 21.

746

Dies zeigt gerade der Fall von OLG Koblenz, JurBüro 1990, 399 (400).

747

Zöller/Herget, § 767 Rdnr. 8.

748

Siehe hierzu unten 2. Kap. D. I. 1. e) aa) (2).

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

24

e) Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage aa) Zulässigkeit aller materiellrechtlichen Einwendungen ohne zeitliche Beschränkung (1) Keine Präklusion gem. § 767 II ZPO Bei vollstreckbaren Urkunden können im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage alle Arten von Einwendungen vorgebracht werden, also nicht nur wie bei Urteilen rechtshemmende und rechtsvernichtende, sondern auch rechtshindernde Einwendungen. Wann die Einwendungen entstanden sind, ist gleichgültig, denn die Beschränkung des § 767 II ZPO findet gem. § 797 IV ZPO bei vollstreckbaren Urkunden keine Anwendung749. Der Grund hierfür liegt im Zweck des § 767 II ZPO, die Rechtskraft gegenüber neuem Vorbringen alter Tatsachen zu schützen750. Demgemäß kann diese Vorschrift auch nur für Urteile und andere rechtskraftfahige Entscheidungen gelten, nicht jedoch fur vollstreckbare Urkunden, die der Rechtskraft nicht fähig sind. Daher ist gem. § 797 IV ZPO die Präklusionsvorschrift des § 767 II ZPO nicht anwendbar. Zur Gewährleistung eines vollen Rechtsschutzes kann deshalb die Klage mit allen Einwendungen begründet werden. Nur so wird die Vollstreckungsgegenklage bei vollstreckbaren Urkunden ihrer Aufgabe als nachgeholtes Erkenntnisverfahren gerecht.

(2) Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage in den Fällen, in denen der Vollstreckungstitel für zukünftige Vollstreckungen noch gebraucht wird Daß die Vollstreckungsgegenklage problematisch ist, wenn der Titel noch für zukünftige Vollstreckungen gebraucht wird, wurde oben bereits ausgeführt. Dies gilt um so mehr, als auch eine Lösung über eine Einschränkung der Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage aus den bereits genannten Gründen nicht zu überzeugen vermag751. Unbilligkeiten entstehen in den oben genannten Fällen aber nur dann, wenn man annimmt, die Vollstreckungsgegenklage führe - sofern sie nicht abgewiesen wird - unweigerlich zum endgültigen Verlust der Vollstreckbarkeit des Titels752. Ein solcher endgültiger Ver-

749 Zur Frage, ob § 797 IV ZPO abbedungen bzw. die entsprechende Anwendbarkeit des § 767 II ZPO vereinbart werden kann, siehe unten 2. Kap. D. I. 1. e) cc). 750

Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 V 2 a (S. 467 f). Siehe oben 2. Kap.

. I. . ) bb).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

1

lust der Vollstreckbarkeit ist aber nur gerechtfertigt, wenn feststeht, daß der titulierte (prozessuale) Anspruch nie mehr mit der materiellen Rechtslage wird übereinstimmen können, weil die Forderung des Gläubigers entweder überhaupt nicht (auch nicht als bedingte) entstanden ist bzw. entstehen wird oder weil sie endgültig (etwa durch Erfüllung oder Anfechtung) untergegangen ist 753 . Nur in diesen Fällen ist es gerechtfertigt, die Zwangsvollstreckung aus dem Titel endgültig für unzulässig zu erklären. In allen anderen Fällen, in denen der materielle Anspruch oder dessen Rechtswirkungen noch bestehen oder entstehen können - mag auch eine andere als die im Titel bezeichnete Person Forderungsinhaber sein - muß dagegen die Gestaltungswirkung des Urteils begrenzt werden. Dies gilt zum einen in den Fällen des fehlenden Eintritts einer aufschiebenden Bedingimg des materiellen Anspruchs oder in den Fällen eines auf wiederkehrende Leistungen gerichteten Titels. Dem Titelgläubiger darf hier die Vollstreckungsmöglichkeit für die Zukunft nicht genommen werden. Da es sich bei dem Vorbringen, die Forderung sei noch nicht fällig bzw. eine Bedingung des materiellen Anspruchs sei noch nicht eingetreten, um Einreden bzw. Einwendungen handelt, die dem Anspruch nicht dauerhaft entgegenstehen, erscheint es angebracht, die Zwangsvollstreckung in diesen Fällen für "derzeit" unzulässig zu erklären 754 oder durch eine andere Formulierung, aus der dann auch hervorgeht, ab wann die an sich bedingungslose Klausel erneut die Beitreibung erlaubt, die Begrenztheit der Gestaltungswirkung zum Ausdruck zu bringen 755. In entsprechender Weise verfahrt auch die Rechtsprechung, wenn der Schuldner im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage eine aufschiebende oder anspruchsbeschränkende Einrede geltend macht. Auch dann begrenzt sie die Gestaltungswirkung des Urteils 756. Entsprechendes wird 752 So anscheinend Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 21; siehe bereits oben 2. Kap. D. I. 1. d) bb). 753

Da darauf abzustellen ist, ob der im Titel verbriefte prozessuale Anspruch (im Sinne einer individualisierten Rechtsfolgenbehauptung, siehe oben 2. Kap. Α. IV.) mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt, muß die Vollstreckungsgegenklage auch dann zu einem endgültigen Verlust der Vollstreckbarkeit fuhren, wenn der Gläubiger noch eine andere (gleichhohe) Forderung gegen den Schuldner hat, die aber aus einem anderen Lebenssachverhalt entspringt, als dem, der dem prozessualen Anspruch zugrunde liegt. Eine Forderungsauswechselung ist also nicht möglich. Vgl. hierzu unten 2. Kap. D. I. l . e ) b b ) . 754

Vgl. etwa OLG Koblenz, Rpfleger 1985, 200.

755

Letzteres ist wegen der größeren Klarheit insbesondere im Hinblick auf eine spätere Vollstrekkung vorteilhafter, vgl. Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 44 mit Fußn. 168. 756

Vgl. etwa BGH, NJW 1992, 2160 (2162), wonach es z. B. möglich ist, "die Zwangsvollstrekkung nur Zug um Zug gegen Beseitigung der geltend gemachten Mängel für zulässig zu erklären." Genauso gut ließe sich auch die Zwangsvollstreckung aus dem Titel fur "derzeit unzulässig" oder "bis zur Beseitigung der Mängel für unzulässig" erklären.

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

von der h. M. auch - nur mit "umgekehrten Vorzeichen" - bei der Leistungsklage angenommen: Erhebt ein Gläubiger vor dem Eintritt der Bedingung eines materiellen Anspruchs Leistungsklage oder beruft sich der Beklagte erfolgreich auf eine dilatorische Einrede, so wird seine Klage als "derzeit unbegründet" abgewiesen, so daß einer späteren (nach Bedingungseintritt erhobenen) Klage nicht die Rechtskraft des Ersturteils entgegensteht757. Obgleich diese Begrenzung zur Klarstellung zweckmäßigerweise im Tenor zum Ausdruck zu bringen ist, wird dies von der h. M. nicht für erforderlich gehalten, muß sich aber dann aus den Gründen ergeben758. Nicht anders kann es bei der Vollstreckungsgegenklage sein, die ja im Vergleich zur Leistungsklage einen spiegelbildlichen Streitgegenstand hat: Wird in ihrem Rahmen eine dem Anspruch des Klägers nicht dauerhaft entgegenstehende "Einwendung" i. S. d. § 767 ZPO geltend gemacht, so ist sie derzeit begründet, d. h. die Zwangsvollstreckung aus dem Titel ist für "zur Zeit unzulässig" zu erklären oder die Begrenzimg der Gestaltungswirkung durch eine andere Formulierung zumindest in den Urteilsgründen zum Ausdruck zu bringen. Doch nicht nur in den Fällen des fehlenden Eintritts einer aufschiebenden Bedingung des materiellen Anspruchs oder in den Fällen eines auf wiederkehrende Leistungen gerichteten Titels muß zumindest in den Gründen die Gestaltungswirkung des Vollstreckungsgegenklageurteils begrenzt werden, sondern z. B. auch dann, wenn der im Titel ausgewiesene Gläubiger seine titulierte Forderung wirksam an einen Dritten abgetreten hat, dem noch keine Ausfertigung nach § 727 I ZPO ausgehändigt wurde759. Möglicherweise hat ja der Titelgläubiger bezüglich der Forderungsabtretung die Anfechtung erklärt und dabei übersehen, daß diese (z. B. mangels Zugangs beim Zessionar) nicht wirksam wurde, so daß er im guten Glauben an seine Gläubigerstellung die Zwangsvollstreckung betreibt. Kann er noch weiterhin anfechten 760 und tut er dies wirksam, so wäre es nicht gerechtfertigt, wenn er wegen des zwischenzeitlich ergangenen Vollstreckungsgegenklageurteils die Vollstreckungsmöglichkeit aus dem Titel endgültig verloren hätte. Vergleichbares gilt, wenn der Zessionar endgültig Forderungsinhaber bleibt, der Titelgläubiger (Zedent) aber die Zwangsvollstreckung betreibt: Da es sich bei der Vollstreckungsgegenklage um eine Gestaltungsklage handelt und die Gestaltungswirkung des Urteils - die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels - nicht nur inter partes (also zwischen Titelgläubiger / Zedent und Schuldner), sondern mit formeller Rechtskraft für und gegen jedermann wirkt 761 , ist es nicht gerechtfer757

Vgl. statt aller Larenz, Allgemeiner Teil, § 14 II (S. 249).

758

Vgl. Wieczorek, § 313 Β V a 5.

759

Vgl. BGHZ 92, 347 (350 f); Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 44 mit Fußn. 169.

760

Im Falle der arglistigen Täuschung kann er sich ja damit ein Jahr Zeit lassen, § 124 BGB.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

217

tigt, dem Zessionar wegen des Verhaltens des Zedenten die Vollstreckungsmöglichkeit aus der Urkunde endgültig zu nehmen762. In beiden Fällen muß daher die Gestaltungswirkung des Vollstreckungsgegenklageurteils dergestalt begrenzt werden, daß eine Vollstreckung aus dem Titel nur bis zum Rückerwerb der Forderung durch den Zedenten oder bis zur "Titelumschreibung" nach § 727 I ZPO unzulässig ist. Da somit die Gestaltungswirkung des Vollstreckungsgegenklageurteils in allen Fällen begrenzt werden kann, in denen der Titel noch fur zukünftige Vollstreckungen gebraucht wird, erscheint es auch nicht unbillig, die Vollstreckungsgegenklage in den oben angesprochenen Problemfällen als zulässig anzusehen763. Vielmehr sind so interessengerechte Lösungen möglich: Erhebt der Schuldner uneingeschränkt den Klageantrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Titel fur unzulässig zu erklären, so obsiegt er nur teilweise, da die Gestaltungswirkung in der oben beschriebenen Weise beschränkt wird. Gibt der Gläubiger in diesem Umfang ein sofortiges Anerkenntnis ab, so braucht er trotz teilweisem Unterliegens wegen § 93 ZPO die Kosten nicht zu tragen. Die Vollstreckungsmöglichkeit aus dem Titel wird durch das Urteil fur den Gläubiger auf das seinem materiellen Recht entsprechende Maß beschränkt und der Schuldner ist in diesem Umfang vor einer unberechtigten Zwangsvollstreckung geschützt.

761

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. c); MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 95.

762

Dazu, daß die Vollstreckungsgegenklage auch beim Verlust der Sachbefiignis des Zedenten Erfolg hat, siehe bereits oben 2. Kap. D. I. 1. d) bb) mit Fußn. 736. Anders nach umstrittener, aber wohl h. L. nur, wenn der Titelgläubiger vom nunmehr materiellrechtlich Berechtigten im Wege der Vollstreckungsstandschaft ermächtigt wird, die Vollstreckung aus der übergegangenen Forderung weiter zu betreiben. Vgl. hierzu etwa Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 V 1 a (S. 465 f); Brehm, JZ 1985, 342 f; MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 67. A. A. etwa BGH, JZ 1985, 341 (342); BGH, NJW-RR 1992, 61, wo eine isolierte Vollstreckungsstandschaft abgelehnt wird. Nach einer neueren, jüngst veröffentlichten Entscheidung des BGH, ZZP 107 (1994), 81 (86) ist die Vollstrekkungsgegenklage trotz Abtretung der titulierten Forderung dann unbegründet, wenn der beklagte Titelgläubiger (Zedent) vom neuen Rechtsinhaber in der Weise rückermächtigt wurde, daß er kraft einer materiellrechtlichen Einziehungsermächtigung nach materiellem Recht Leistung auch an sich verlangen kann. Dem ist zuzustimmen. Sinn der Vollstreckungsgegenklage ist es, eine zu einem materiell nicht mehr richtigen Ergebnis fuhrende Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Im Falle einer materiellrechtlichen Einziehungsermächtigung fuhrt aber die Vollstreckung aus dem Titel zum vom materiellen Recht nach wie vor gewollten Ergebnis. Eine Vollstreckungsgegenklage muß dann folglich abgewiesen werden (vgl. Becker-Eberhard, ZZP 107 (1994), 87 (95 ff)). 763

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) bb).

1

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

(3) Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde nach Erlaß eines in seiner Gestaltungswirkung beschränkten Vollstreckungsgegenklageurteils Ist nach dem Urteil nun die Zwangsvollstreckung aus dem genau bezeichneten Titel "derzeit" unzulässig oder wird die Begrenzung der Gestaltungswirkung in anderer Weise zum Ausdruck gebracht, so stellt sich die Frage, was der Gläubiger tun muß, um später (nach Bedingungseintritt, Fälligkeit des Anspruchs, Anfechtung der Abtretung usw.) wieder aus dem Titel vollstrecken zu können. Denkbar sind insoweit drei Möglichkeiten: Zum einen könnte es genügen, dem zuständigen Vollstreckungsorgan entsprechend den allgemeinen Formvorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts (vgl. §§ 756, 765 ZPO) durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen, daß die Umstände eingetreten sind, von denen nach dem Vollstreckungsgegenklageurteil die Durchsetzbarkeit des Anspruchs abhängt764. Zum anderen kommt in Betracht, daß die Zwangsvollstreckung erst wieder betrieben werden kann, wenn eine qualifizierte Vollstreckungsklausel nach §§ 7261, 727 ff ZPO (oder nach erfolgreich erhobener Klage gem. § 731 ZPO) erteilt wurde, im Klauselverfahren also die Umstände nachgewiesen wurden, bei deren Eintritt die Vollstreckung aus dem Titel wieder zulässig ist765. Schließlich wäre es auch denkbar, ausschließlich eine Klage des Gläubigers zur Überwindung der formell fortbestehenden Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung zuzulassen766. Die erste dieser Möglichkeiten - ein formalisierter Nachweis direkt gegenüber den Vollstreckungsorganen - kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die Vollstreckungsorgane sind aufgrund des Formalisierungsprinzips zu einer selbständigen Beurteilung der Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen nur ausnahmsweise dort befugt, wo ihnen die Prüfungskompetenz ohnehin übertragen ist, insbesondere also hinsichtlich einer Prüfung der datumsmäßigen Fälligkeit (§751 I ZPO), der Stellung einer Sicherheitsleistung (§ 751 II ZPO) sowie der Erbringung einer Zug-um-Zug-Leistung (§§ 756, 765 ZPO). 764

So OLG Koblenz, Rpfleger 1985,200.

765

Vgl. Wolfsteiner, Rpfleger 1985, 449; ders., in: MünchKommZPO, § 726 Rdnr. 6.

766

So Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 31. Ob es sich bei einer solchen Klage aber - wie es OLG Koblenz, Rpfleger 1985, 200 annimmt - um eine Vollstreckungsgegenklage handelt, erscheint zweifelhaft. Nach h. M. (vgl. RGZ 100, 98 (100 f); Merz, Jura 1989, 449 (450); MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 25; a. A. Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rdnr. 7 m. w. N.) kann nämlich mit der Vollstreckungsgegenklage nicht gegen Gestaltungsurteile (und damit auch nicht gegen ein zuvor ergangenes Vollstreckungsgegenklageurteil) vorgegangen werden. Da mit dem Vollstreckungsgegenklageurteil die Vollstreckbarkeit eines Titels beseitigt wird, bei Gestaltungsurteilen (wie dem Vollstreckungsgegenklageurteil) aber die Gestaltungswirkung mit Rechtskraft (ohne Vollstreckung) automatisch eintritt, würde eine Entscheidung über die hiergegen eingelegte Vollstreckungsgegenklage immerzu spät kommen und nichts ausrichten können.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

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Lediglich dann, wenn im Vollstreckungsgegenklageurteil die Vollstreckbarkeit von diesen Umständen abhängig gemacht wurde, genügt ein Nachweis gegenüber den Vollstreckungsorganen in der Form der §§ 751 II, 756, 765 ZPO bzw. im Falle des § 751 I ZPO der Ablauf des Kalendertages. Eine Überprüfung des Eintritts anderer Umstände steht dagegen den Vollstreckungsorganen nicht zu. Gegen die letzte Möglichkeit, den Gläubiger ausschließlich auf den Klageweg zu verweisen, spricht zum einen, daß damit die Parteien zwangsnotwendig in u. U. kostspielige Klagen getrieben werden. Zum anderen vermag diese Lösimg aber auch dogmatisch nicht zu überzeugen. Durch das Vollstrekkungsgegenklageurteil in den hier zur Diskussion stehenden Fällen wurde dem Titel ja nicht endgültig die Vollstreckbarkeit genommen. Diese soll vielmehr beim Eintritt gewisser Umstände wieder gegeben sein. Es kommt also nur darauf an, daß der Gläubiger den Eintritt dieser Umstände nachweist. Das muß nicht notwendig im Klageweg geschehen, sondern kann auch in einem (erneuten) Klauselverfahren nach §§ 726 I, 727 ff ZPO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden767 erfolgen. Spricht das Vollstreckungsgegenklageurteil aus, daß die Zwangsvollstreckung derzeit unzulässig ist oder begrenzt es die Gestaltungswirkung in anderer Weise, so ist das letztlich nichts anderes, als wenn von vornherein die Vollstreckung aus dem Titel vom Nachweis des Eintritts bestimmter Umstände i. S. d. §§ 726 I, 727 ff ZPO abhängt. Es bedarf daher der Erteilung einer neuen Vollstreckungsklausel768 nach §§ 726 I, 727 ff ZPO - nicht mehr und nicht weniger769. Nur wenn der Nachweis durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden nicht gefuhrt werden kann und auch keine Offenkundigkeit 770 vorliegt, ist eine Klage nach § 731 ZPO notwendig. Die Richtigkeit dieser Überlegung ergibt sich auch aus einem Vergleich mit der Klage nach § 768 ZPO, wo bei einem Erfolg des klagenden Schuldners nicht die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel, sondern nur aus der vollstreckbaren Ausfertigung erklärt wird. Diese Vorschrift zeigt, daß fehlender Bedingungseintritt771, Rechtsnachfolge usw. nach dem Willen 767

Diese sind im Fall der Offenkundigkeit sogar entbehrlich.

768

Vgl. Wolfsteiner, Rpfleger 1985, 449.

769

Eine Ausnahme ist nur in den Fällen der §§ 751, 756, 765 ZPO zu machen, da hier ein Nachweis gegenüber den Vollstreckungsorganen genügt; siehe bereits oben in diesem Abschnitt. 770

Daß auch im Fall des § 726 ZPO Offenkundigkeit genügt, ist ganz h. M.; vgl. nur Thomas/Putzo, § 726 Rdnr. 6. 771

§ 768 ZPO bezieht sich zwar auf den fehlenden Eintritt einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung nach § 726 I ZPO, § 767 ZPO dagegen - sofern mit ihm der fehlende Bedingungseintritt geltend gemacht wird - auf eine Bedingung des materiellen Anspruchs. Häufig laufen aber beide Bedingun-

0

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

des Gesetzgebers nicht zu einer Entwertung des Titels als Vollstreckungsgrundlage fuhren sollen. Dies wäre aber der Fall, wenn man die Zwangsvollstreckung aus ihm umfassend fur unzulässig erklärte. Der Gläubiger soll vielmehr die Möglichkeit haben, wegen seines Anspruchs später wieder aus dem Titel vollstrecken zu können, sobald er im Klauselerteilungsverfahren aufgrund neuer Nachweise eine neue vollstreckbare Ausfertigung erlangt hat. Daher beschränkte sich das Klauselgegenklageurteil darauf, lediglich die konkrete vollstreckbare Ausfertigung als Grundlage einer Zwangsvollstreckung zu entwerten. Zwar bezieht sich § 768 ZPO nur auf die Fälle, in denen im Klauselverfahren nachgewiesene Umstände nicht mit der tatsächlichen Rechtslage übereinstimmen. Es würde aber zu Wertungswidersprüchen führen, wollte man in den oben genannten Fällen, bei denen es im Rahmen der Vollstrekkungsgegenklage ebenfalls um Bedingungseintritt, Rechtsnachfolge usw. geht, anders verfahren und zu einer Entwertung des Titels insgesamt kommen.

bb) Auswechselung des Unterwerfungsgegenstandes der vollstreckbaren Urkunde Kurz angesprochen sei im folgenden noch das Problem, ob die Vollstrekkungsgegenklage dann Erfolg hat, wenn zwar nicht der Anspruch besteht, wegen der die Vollstreckungsunterwerfungserklärung abgegeben wurde, wohl aber eine andere Forderung des Gläubigers. Einig ist man sich darin, daß der Gläubiger nicht einseitig den Schuldgrund der vollstreckbaren Urkunde (im Sinne des dem titulierten Anspruch zugrundeliegenden Lebenssachverhalts) auswechseln772 und wegen einer anderen Forderung die Zwangsvollstreckung betreiben kann773. Andernfalls wäre sonst das durch die Vollstreckungsunterwerfung geschaffene Risiko für den Schuldner unübersehbar. Eine Vollstrekkungsgegenklage hat daher immer dann Erfolg, wenn der titulierte Anspruch materiellrechtlich nicht mehr besteht, auch wenn der Gläubiger einen anderen erfolgreich geltend machen könnte. Davon abweichend wird jedoch angenommen, die Parteien könnten einverständlich den Schuldgrund, dessentwegen sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung unterworfen hat, auswechseln. Nur soweit eine Erweiterung damit verbunden sei, werde eine neue Unterwerfungserklärung nötig774. Auf der gen parallel, d. h. hängen vom Eintritt der gleichen Umstände ab; vgl. bereits oben 2. Kap. Β. I. 2. b)bb)(l). 772 Eine solche Auswechselung liegt z. B. vor beim Wechsel von der Stellung des Hauptschuldners zu dereines selbstschuldnerischen Bürgen; vgl. den Fall BGH, W M 1964, 1215. 773

So ausdrücklich BGH, NJW 1980, 1050 (1051); BGH, ZIP 1990, 720 (721) = BGH, NJW 1990, 1662 (1663); OLG Koblenz, NJW-RR 1990, 883 (884 a. E.).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

1

Grundlage des hier vertretenen prozessualen Anspruchsverständnisses bei der vollstreckbaren Urkunde775 kann dem nicht gefolgt werden776. Insofern gilt bei vollstreckbaren Urkunden nichts anderes als bei anderen Titeln auch777. Dadurch, daß in der vollstreckbaren Urkunde der prozessuale Anspruch tituliert wird, wird nicht nur die Rechtsfolgenbehauptung, sondern immer auch der dem Anspruch angeblich zugrundeliegende Lebenssachverhalt mit festgeschrieben. Damit kann für die Reichweite einer Vollstreckungsunterwerfung und damit für die Feststellung des Unterwerfungsgegenstands auf die Maßstäbe der Streitgegenstandslehre zurückgegriffen werden778. Eine neue Vollstrekkungsunterwerfung wird deshalb immer dann notwendig, wenn sich materiellrechtlich die Forderung des Gläubigers aus einem anderen Lebenssachverhalt ergibt als demjenigen, der den titulierten Anspruch individualisiert. Materiellrechtlich sind die Parteien zwar nicht gehindert, ihr Schuldverhältnis nachträglich in gegenseitigem Einvernehmen abzuändern. Dies berührt jedoch die Vollstreckungskraft der Urkunde nicht: Anspruchserweiterungen können - da nicht tituliert - auch nicht vollstreckt werden. Anspruchsbeschränkungen oder ein auch einverständlicher Forderungsaustausch sind dagegen nur auf Vollstreckungsgegenklage hin beachtlich779, denn hierdurch tritt die einer Klage nach § 767 ZPO zum Erfolg verhelfende Diskrepanz zwischen materieller Rechtslage und unverändert gebliebener prozessualer Individualisierung des titulierten Anspruchs ein. Prozessual ist es den Parteien nämlich verwehrt, Forderungen eines Titels mit nicht titulierten Forderungen auszutauschen. 774

BGH, W M 1964, 1215 (1216); BGH, NJW 1980, 1050 (1051); BGH, NJW-RR 1989, 509 (510); BGH, NJW 1990, 1662 (1663) = ZIP 1990, 720 (721); Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 20. 5 ff; Baumbach/Lauteibach/Hartmann, § 794 Rdnr. 41; wohl auch Zöller/Stöber, § 794 Rdnr. 32. Generell gegen die Zulässigkeit einer Auswechselung des Schuldgrundes OLG Schleswig, W M 1980, 964 (965) = JA 1981, 53 m. zustimmender Anm. Lippross; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 374 ff; ders., ZIP 1991, 1041 (1046 f); Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 232 a. E.; wohl auch Stein/Jonas/Münzberg, §794 Rdnr. 95; kritisch ebenfalls Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I 2 e (S. 132 mit Fußn. 102). 775

Siehe oben 2. Kap. Α. IV.

776

So eingehend Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 372 und ders., ZIP 1991, 1041 (1046 f).

777

Auch der BGH lehnt bei einem Prozeßvergleich einen einverständlichen Austausch des Schuldgrundes ab, BGH, NJW 1982, 2072 (2073) = JR 1983, 24 (25). Vgl. auch BGH, NJW 1994, 460 (461). Gegen eine Auswechselung des Schuldgrundes bei Urteilen RGZ 39, 167 (169 f); bei Vollstreckungsbescheiden RGZ 46, 334 (338 f). 778

Aus diesem Grunde ist ein bereicherungsrechtlicher Herausgabe- bzw. Wertersatzanspruch genauso von der ursprünglichen Vollstreckungsunterwerfung erfaßt wie ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, vgl. Münch, ZIP 1991, 1041 (1043 f) m. w. N. auch zur Gegenansicht. 779

Münch, ZIP 1991, 1041 (1046). Zu der Frage, ob die Parteien wirksam vereinbaren können, daß der Schuldner auf die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage verzichtet, siehe sogleich unten 2. Kap. D. I. 1. e) cc).

222

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Hierzu fehlt ihnen die Dispositionsbefugnis, denn die privatautonome Schaffung eines Vollstreckungstitels außerhalb eines Gerichtsverfahrens ist ausschließlich unter den Voraussetzungen des § 794 I Nr. 5 ZPO gestattet. Könnte einverständlich und formlos der Unterwerfungsgegenstand (der individualisierende Lebenssachverhalt) ausgetauscht werden, liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, Privatvereinbarungen unter Umgehung des § 794 I Nr. 5 ZPO Vollstreckungskraft zu verschaffen 780. Eine Vollstreckungsgegenklage hat daher, wenn der ursprünglich titulierte (prozessuale) Anspruch materiellrechtlich nicht (mehr) besteht, auch im Falle einer einverständlichen Forderungsauswechselung Erfolg 781.

cc) Vertraglicher "Verzicht" auf die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage Wie oben gezeigt, können bei vollstreckbaren Urkunden (wegen § 797 IV ZPO) im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage alle Einwendungen unabhängig vom Zeitpunkt ihres Entstehens vorgebracht werden, also nicht nur wie bei Urteilen rechtshemmende und rechtsvernichtende, sondern auch rechtshindernde Einwendungen. Um nicht allen Einwendungen ausgesetzt zu sein, wird der Gläubiger daher häufig daran interessiert sein, diese auszuschließen. (1) Eine Möglichkeit besteht darin, daß er mit dem Schuldner einen abstrakten Vertrag nach §§ 780, 781 BGB schließt. Hierdurch wird konstitutiv eine neue Verpflichtung begründet mit der Folge, daß der Gläubiger ohne Rücksicht auf Einwendungen aus dem Grundgeschäft Erfüllung verlangen 780

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 10 I I 1 a (S. 82); Münch, ZIP 1991, 1041 (1047); Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 376. Mit einer ähnlichen Argumentation wendet sich auch der BGH gegen eine Forderungsauswechselung bei Prozeßvergleichen, BGH, NJW 1982, 2072 (2073) = BGH, JR 1983, 24 (25 f). 781

Die oben aufgezeigten Grundsätze gelten auch, wenn der Titulierung ein abstraktes Schuldanerkenntnis zugrunde liegt. Da es allerdings den Parteien materiellrechtlich unbenommen ist, einverständlich das Schuldverhältnis abzuändern (s. o.), kann hier durch eine einverständliche nachträgliche Ausweitung der dem abstrakten Schuldverhältnis zugrundeliegenden Zweckerklärung ein ähnlicher Erfolg herbeigeführt werden, wie durch einen Forderungsaustausch. Denn obgleich der vollstreckbar gestellte (abstrakte) Anspruch unverändert bleibt und somit der Schuldgrund (der individualisierende Lebenssachverhalt, der Unterwerfungsgegenstand) nicht ausgetauscht wird, kann so die Vollstreckungskraft der Urkunde für andere (kausale) Ansprüche ausgenutzt werden. Da hier die Gefahren ebenso groß sind, wie bei einem (bereits auf der Grundlage des prozessualen Anspruchsverständnisses rechtlich nicht möglichen) Auswechseln des Unterwerfungsgegenstandes es fehlt der direkte Bezug zum Unterwerfungsakt, Warnfunktion der Beurkundung und Belehrung durch den Notar sind nicht gegeben - ist diese rechtliche Gestaltung streng an den §§ 3, 9 AGBG bzw. §§ 138 I, 242 BGB zu messen. Vgl. zum ganzen Münch, ZIP 1991, 1041 (1047).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

kann. Fehlt es an einem gültigen Grundgeschäft, so kann der Schuldner, der das Anerkenntnis regelmäßig nur erfüllungshalber abgegeben hat (vgl. § 364 II BGB), zwar grundsätzlich nach Bereicherungsrecht Befreiung von der Schuld verlangen bzw. die Einrede gem. §§ 821, 812 II BGB im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage gegen eine vollstreckbare Urkunde erheben. Doch trägt nun er - und nicht mehr der Gläubiger - die Beweislast. Darüber hinaus sind dem Schuldner die bereicherungsrechtlichen Einreden dann abgeschnitten, wenn die Vertragsauslegung ergibt, daß ein Zurückgreifen auf das Grundgeschäft ausgeschlossen sein soll782. In diesem letzten Fall kann dann im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage aber zumindest immer noch nachgeprüft werden, ob im Einzelfall dem Schuldner ursprüngliche Einreden und Einwendungen wegen Unwirksamkeit des Schuldanerkenntnisses (z. B. nach §§ 3, 9 AGBG bzw. §§ 138 I, 242 BGB) zustehen783. (2) Während die zuvor beschriebene Möglichkeit unbestritten ist und häufig praktiziert wird 784 , erscheint fraglich, ob der Gläubiger mit dem Schuldner einen vertraglichen "Verzicht" auf die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage vereinbaren kann. Folge eines solchen Verzichts wäre, daß eine Vollstrekkungsgegenklage des Schuldners, die entgegen dem Verzicht erhoben wird, zumindest auf prozessuale Einrede des Gläubigers hin als unzulässig abgewiesen werden müßte. Daß bei vollstreckbaren Urkunden785 die Anwendung des § 767 II ZPO vereinbart 786 bzw. die des § 797 IV ZPO abbedungen werden kann, wird vielfach unter Berufung auf die Vertragsfreiheit angenommen787. Der BGH hat es sogar in einer Entscheidung für grundsätzlich möglich erachtet, daß der Schuldner auch für den Fall des nachträglichen Wegfalls der Forderung auf die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage vertraglich verzichten kann788. 782

Das ist insbesondere der Fall, wenn der Schuldner auf Einreden verzichtet hat.

783

Vgl. zum Schuldanerkenntnis und Schuldversprechen statt aller: Palandt/Thomas, Einf. v. § 780 Rdnr. 1 ff, § 780 Rdnr. 12 f. 784

Siehe bereits oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4) (b) sub (bb).

785

Entsprechendes wird fur Prozeßvergleiche angenommen.

786

Hierdurch kann jedoch der vollstreckbaren Urkunde keine materielle Rechtskraft beigelegt werden (MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 72; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 V I I 2 (S. 477)), denn dies hätte u. a. zur Folge, daß die vollstreckbare Urkunde Präjudizwirkung für andere Rechtsstreitigkeiten entfalten könnte. Das zu erreichen ist jedoch mit einer vereinbarten Anwendbarkeit des § 767 I I ZPO nicht möglich. 787 BGH, W M 1976, 907 (908); MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 72; Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 90; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1351. Bedenken hiergegen haben Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I 2 h (S. 136); § 40 V I I 2 (S. 477); Lippross, Vollstreckungsrecht, S. 224; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 178, Fußn. 86. Ablehnend MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 38; Bergerfurth, JR 1983, 27.

224

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Die Zulässigkeit eines vertraglichen Verzichts auf die Vollstreckungsgegenklage ergibt sich nicht bereits daraus, daß durch die Abgabe eines abstrakten Schuldversprechens oder -anerkenntnisses häufig ähnliche Ergebnisse erzielt werden können. Zwar kann man sowohl über die §§ 780, 781 BGB als auch über einen vertraglichen Verzicht auf die Vollstreckungsgegenklage zum Ausschluß von Einwendungen kommen. Doch betreffen die beiden Wege unterschiedliche Ebenen: Würde ein Verzicht auf die Vollstreckungsgegenklage wirksam sein, so könnte ein Verzicht auf materielle Positionen richterlich nicht mehr überprüft werden. Das Gericht müßte entsprechende Rechtsschutzgesuche bereits mit dem Hinweis ablehnen, ihm fehle aufgrund der Parteidisposition die Kompetenz für eine Prüfung. Eine Entscheidung in der Sache selbst wäre gar nicht mehr möglich. Allenfalls die Wirksamkeit des Verzichts auf die Vollstreckungsgegenklage könnte überprüft werden. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen brauchten aber bei einem an sich möglichen Verzicht auf die Vollstreckungsgegenklage nicht notwendig den gesetzlichen Erfordernissen für einen Verzicht auf materiellrechtliche Positionen - insbesondere im Wege der §§ 780, 781 BGB - zu entsprechen789. Aus diesem Grunde kann von der Möglichkeit, sich wegen des Anspruchs aus einem Schuldversprechen oder -anerkenntnis der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen, nicht auf die Zulässigkeit eines vertraglichen Verzichts auf die Vollstreckungsgegenklage geschlossen werden. Im Gegenteil ist m. E. ein solcher Verzicht weder in Bezug auf ursprüngliche noch in Bezug auf nachträglich entstandene Einwendungen möglich. Die §§ 767, 797 IV ZPO müssen als zwingendes Recht aufgefaßt werden und sind deshalb einer Parteidisposition entzogen. Auch im Prozeßrecht gilt die allgemeine Regel, daß die Abgrenzung von zwingendem und dispositivem Recht sich mangels besonderer Normierung aus einer Abwägung von öffentlichen und privaten Interessen ergibt 790. Die §§ 767, 797 IV ZPO sind letztlich einfachgesetzliche (vorkonstitutionelle) Ausprägungen des im Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich garantierten umfassenden richterlichen Privatrechtsschutzes791. Die Gewährleistung eines umfassenden gerichtlichen Privatrechtsschutzes steht aber nicht nur im Individual-, sondern auch im öffentlichen Interesse und stellt ein wesentliches rechtsstaatliches Postulat dar: es soll die 788

BGH, NJW 1982, 2072 (2074) = JR 1983, 24 (26) (für Prozeßvergleich).

789

Vgl. zum privatautonomen Ausschluß staatlichen Gerichtsschutzes Diitz, Gerichtsschutz, S. 163.

790

Baumgärtel, Prozeßhandlung, S. 188; Schiedermair, Vereinbarungen, S. 57; Diitz, Gerichtsschutz, S. 156.

791

Woraus sich die verfassungsrechtliche Grundlage des umfassenden richterlichen Privatrechtsschutzes ergibt, ist im einzelnen umstritten. Vgl. hierzu Diitz, Gerichtsschutz, S. 84 ff; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, § 27 I 1 (S. 264).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

5

Herrschaft des Rechts im Gemeinwesen durch richterliche Rechtsschutzorgane unter Ausschaltung einer Selbsthilfe verwirklicht und dadurch Rechtssicherheit und Rechtsfrieden gewährleistet werden. Deswegen ist die Möglichkeit, in privatrechtlichen Angelegenheiten die Gerichte anrufen zu können, verfassungsrechtlich umfassend garantiert worden und daher der Gerichtsschutz einer Parteidisposition notwendig entzogen792. Doch noch aus einem weiteren Aspekt ergibt sich, daß den Parteien die Dispositionsbefugnis für einen Verzichtsvertrag hinsichtlich der Vollstrekkungsgegenklage fehlt: Wäre ein solcher Verzicht möglich, so müßte das Gericht die Vollstreckungsgegenklage im Umfang des abgegebenen Verzichts zumindest auf prozessuale Einrede des Gläubigers hin als unzulässig abweisen, ohne die vom Schuldner vorgetragenen Einwendungen auf ihre Erheblichkeit und Richtigkeit hin zu überprüfen. Der Schuldner hat jedoch gegenüber dem Gericht ein Recht auf eine solche Prüfung und bei festgestellter Richtigkeit auf Berücksichtigung der Einwendungen im Rahmen der Entscheidung wegen seines grundrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG)793. Ein im voraus erklärter Verzicht der Partei auf das rechtliche Gehör ist nicht wirksam 794 und ändert nichts an der Verpflichtung des Gerichts, das Gehör einzuräumen795, denn Art. 103 I GG dient nicht nur den Schutz der Beteiligten, sondern soll auch die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens gewährleisten796. Verstößt aber das Gericht gegen Art. 103 I GG, wenn es gemäß einem zuvor erklärten Verzicht der benachteiligten Partei das rechtliche Gehör nicht gewährt, so ergibt sich hieraus zugleich auch die Unzulässigkeit von Vereinbarungen der Prozeßparteien untereinander, die auf einen vor792

Dütz, Gerichtsschutz, S. 156 ff; Baur, JZ 1965, 163 (164 m. Fußn. 11); Lent, NJW 1949, 510 (511). 793

Vgl. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, § 28 I 2 a (S. 271).

794

H. M., vgl. OLG Frankfurt, NJW 1962, 449 (450); Stein/Jonas/Leipold, 21. Aufl., vor § 128 Rdnr. 51; MunchKommZPO/Lüke, Einl. Rdnr. 132; Henckel, ZZP 77 (1964), 321 (338 ff); Röhl, NJW 1953, 1531 (1532); Stürner, Aufklämngspflicht, S. 225 f; ähnlich auch Maunz/Dürig/Herzog/ Schmidt-Aßmann, Art. 103 Rdnr. 82. "Verzicht" auf rechtliches Gehör ist nur dadurch möglich, daß von den vorgegebenen gesetzlichen Möglichkeiten im konkreten Fall kein Gebrauch gemacht wird. Dies unterscheidet sich aber von einem Ausschluß des rechtlichen Gehörs aufgrund eines erklärten Verzichts, denn während deqenige, der bisher vom rechtlichen Gehör keinen Gebrauch gemacht hat, sich noch umentscheiden kann, müßte das Gericht bei Annahme eines wirksam erklärten Verzichts den Vortrag mit der Begründung zurückweisen, es sei infolge des Verzichts hinsichtlich dieses Vorbringens nicht mehr prüfungskompetent; vgl. Dütz, Gerichtsschutz, S. 160. 795

Hierzu ist ausreichend, daß das Gericht die Möglichkeit zum eigenen Vortrag einräumt. Da diesem Grundsatz bereits genügt ist, wenn diese Möglichkeit einmal gewährt wurde (vgl. statt aller: Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, § 28 I I 4 (S. 275)), verstößt im Unterschied zum Verzicht auf die Vollstreckungsgegenklage ein vertraglicher Rechtsmittelverzicht oder die Vereinbarung des schiedsrichterlichen Verfahrens (vgl. hierzu auch § 1041 I Nr. 4 ZPO) nicht gegen Art. 103 I GG. 796

MünchKommZPO/Lüke, Einl. Rdnr. 132; Stein/Jonas/Leipold, 21. Aufl., vor § 128, Rdnr. 51.

15 Schultheis

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

2

herigen Verzicht des rechtlichen Gehörs hinauslaufen. Denn eine Konstruktion erscheint nicht mehr vertretbar, die dahin geht, daß der Berechtigte durch Vertrag mit einem anderen sein Recht gegen den zur Gewährung des rechtlichen Gehörs verpflichteten Staat zum Untergang bringen kann, wo doch die Aufgabe dieses Rechts gegenüber dem Staat nicht möglich ist797. Darüber hinaus würde die Zulässigkeit eines vertraglichen Verzichts auf die Vollstreckungsgegenklage auch zu Wertungswidersprüchen führen: Oben798 ergab sich, daß den Parteien die Dispositionsbefugnis für eine privatautonome Schaffung eines Vollstreckungstitels außerhalb eines Gerichtsverfahrens und außerhalb der Voraussetzungen des § 794 I Nr. 5 ZPO fehlt. Aus diesem Grunde können sie auch nicht prozessual wirksam einverständlich und formlos den Unterwerfungsgegenstand austauschen, denn dies liefe im Ergebnis darauf hinaus, Privatvereinbarungen unter Umgehung des § 794 I Nr. 5 ZPO Vollstreckungskraft zu verschaffen. Eine Vollstreckungsgegenklage des Schuldners hat deshalb auch dann Erfolg, wenn die Parteien nachträglich im gegenseitigen Einvernehmen den Schuldgrund austauschen799. Hielte man es aber nun für prozessual wirksam, daß die Parteien bereits bei Beurkundung der Vollstreckungsunterwerfung einen vertraglichen Verzicht des Schuldners auf die Vollstreckungsgegenklage vereinbaren, so wäre damit nicht nur die Möglichkeit zu einem mit der Vollstreckungsgegenklage nicht mehr nachprüfbaren, einverständlichen Austausch des Unterwerfungsgegenstandes wieder geschaffen worden, sondern sogar die zu einer einseitigen Forderungsauswechselung durch den Gläubiger. Bestand nämlich der titulierte Anspruch materiellrechtlich von Anfang an nicht und könnte der Schuldner wegen seines vertraglichen Verzichts auf die Vollstreckungsgegenklage hiergegen nichts einwenden, so könnte der Gläubiger aus dem Titel die Zwangsvollstreckung dennoch betreiben und sich so wegen anderer, nicht titulierter, möglicherweise noch streitiger Ansprüche befriedigen oder im Extremfall sich mit Hilfe der Vollstreckungsorgane - ohne eine Forderung gegen den "Schuldner" zu haben - an dessen Vermögen materiell unrechtmäßig bereichern. Im Ergebnis wäre es daher möglich, daß der vertragliche Verzicht auf die Vollstrekkungsgegenklage unter Umgehung der Voraussetzungen des § 794 I Nr. 5 ZPO darauf hinausläuft, einseitigen Erklärungen des Gläubigers Vollstrekkungskraft zu verleihen. Es wäre damit letztlich - etwas überspitzt formuliert - ein jederzeit beim Schuldner "einlösbares Vollstreckungswertpapier" geschaffen worden. Das Risiko der Unterwerfungserklärung würde so fur den Schuldner unabsehbar und die Warnfunktion der Beurkundung völlig unter797

Vgl. zur ähnlichen Frage eines vertraglichen Ausschlusses des Rechtsschutzanspruchs Schiedermair, Vereinbarungen, S. 92. 798

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. e) bb). Siehe oben 2. Kap.

. I. . ) bb).

D. Verfahrensextere Rechtsbehelfe

2

laufen werden. Wenn aber schon das einverständliche Auswechseln des Unterwerfungsgegenstandes wegen Umgehung des § 794 I Nr. 5 ZPO unzulässig ist, so muß die Schaffung eines solchen "Vollstreckungswertpapiers" erst recht unzulässig sein. Ein Wertungswiderspruch würde sich - hielte man einen vertraglichen Verzicht auf die Vollstreckungsgegenklage für zulässig - schließlich auch zur Vorschrift des § 797 V ZPO ergeben. Oben wurde ausgeführt, daß der Schuldner nicht vertraglich auf den ihn begünstigenden Gerichtsstand des § 797 V ZPO verzichten kann800. Wenn aber bereits ein vertraglicher Verzicht auf den Gerichtsstand des § 797 V ZPO nicht möglich ist, so muß um so mehr auch ein vertraglicher Verzicht auf die den Schuldner begünstigende Vorschrift des § 797 IV ZPO unzulässig sein und erst recht ein Verzicht auf die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage überhaupt.

dd) Innerprozessuale Präklusion gem. § 767 III ZPO Auch nach Erhebung der Vollstreckungsgegenklage können Einwendungen gegen das materiellrechtliche Bestehen des titulierten Anspruchs noch nachgeschoben werden. Die Rechtsprechung behandelt diese Fälle des Nachschiebens von Einwendungen als Klageänderung und unterwirft sie den Voraussetzungen der §§ 263, 264, 267 ZPO801. Nach dem hier vertretenen globalen Streitgegenstandsbegriff, nach dem die einzelnen Einwendungen nur Begründungselemente sind, handelt es sich jedochrichtigerweise nicht um eine Klageänderung bzw. objektive Klagenhäufung, sondern lediglich um eine Ergänzung der tatsächlichen und rechtlichen Ausfuhrungen 802. Das bedeutet aber nicht, daß der Schuldner während des Prozesses ohne Einschränkung nach seinem Belieben Einwendungen nachschieben kann. Insoweit sind ihm bereits durch die allgemeinen Konzentrations- und Präklusionsvorschriften der §§ 272 I, 273, 282, 296, 528 ZPO Schranken gesetzt. Eine weitere zusätzliche Schranke ergibt sich aus der Vorschrift des § 767 III ZPO. Nach h. M. ist es die eigentliche Aufgabe des § 767 III ZPO, eine Verschleppung der Vollstreckung durch mehrere Vollstreckungsgegenklagen zu verhindern 803. Nach dieser Vorschrift sei der Schuldner gezwungen, "alle ihm 800

Nur ein einseitiger, allein auf der Initiative des klagenden Schuldners beruhender Verzicht auf den Gerichtsstand des § 797 V ZPO ist möglich. Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) aa) (2). 801 802

Vgl. zur Kritik hieran bereits oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (3), (4).

Dieser in § 264 Nr. 1 ZPO (deklaratorisch) geregelte Fall stellt nach ganz h. M. keine Klageänderung dar, da insoweit weder der Klageantrag, noch der zu seiner Begründung vorgetragene Sachverhalt geändert wird; vgl. insoweit statt aller Thomas/Putzo, § 264 Rdnr. 1. Siehe ferner oben 2. Kap. D. I. l . b ) g g ) ( 4 ) .

15*

228

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

... bereits erwachsenen Einwendungen in einem einzigen Vollstreckungsgegenklageverfahren geltend zu machen'1804. Dies bedeute zwar nicht, daß alle Einwendungen bereits in der Klageschrift vorgetragen werden müßten. Sie könnten vielmehr noch im laufenden Prozeß und, wenn sie nicht ausgeschlossen seien, auch noch in der Berufungsinstanz eingeführt werden. Andererseits umfasse diese Vergünstigung aber auch die Pflicht, die nach der Klageerhebung entstandenen Einwendungen noch im laufenden Prozeß einzubringen, soweit der Schuldner dazu imstande sei805. Andernfalls nämlich sei der Schuldner bei einer wiederholten Vollstreckungsgegenklage mit diesen Einwendungen präkludiert. Streitig ist dabei jedoch, ob der Schuldner insoweit nur mit schuldhaft nicht vorgebrachten Einwendungen ausgeschlossen ist 806 oder ob § 767 III ZPO wie § 767 II ZPO objektiv ausgelegt werden muß mit der Folge, daß der Schuldner eine zweite Vollstreckungsgegenklage nicht auf Einwendungen stützen kann, die bereits während der ersten Klage objektiv vorlagen, auch wenn er schuldlos davon keine Kenntnis besessen hat807. Ob § 767 III ZPO eine Präklusionsvorschrift für eine zweite Vollstrekkungsgegenklage ist, kann an dieser Stelle noch offen bleiben808, denn es geht hier um die Frage, ob der Schuldner beim Nachschieben von Einwendungen innerhalb des laufenden Prozesses durch § 767 III ZPO beschränkt wird. Insoweit trifft die h. M. keine ausdrückliche Aussage. Dadurch, daß nach ihrer Ansicht aber aus § 767 III ZPO die Pflicht erwächst, alle Einwendungen mit einer Klage geltend zu machen und während des Prozesses entstehende Einwendungen nachzuschieben, ergibt sich, daß der Vorschrift des § 767 III ZPO 803

Vgl. statt vieler: BGH, NJW 1994, 460 (462); BGH, NJW 1991, 2280 (2281); BGH, W M 1985, 703 (704); BGH, M D R 1967, 586; BGH, NJW 1960, 2286 (2287); Burgard, ZZP 106 (1993), 23 (32 ff, 39); Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 52; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 IX (S. 478 ff); Merz, Jura 1989, 449 (453); Lippross, Vollstreckungsrecht, § 45 IV 3 (S. 225); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1352. Anders aber der BGH in drei Entscheidungen (BGH, NJW-RR 1987, 59; BGH, W M 1986, 1032 (1033); BGHZ 61, 25 (28)), in denen er im Falle der wiederholten Vollstreckungsgegenklage auf § 767 I I ZPO und nicht auf § 767 III ZPO abstellt. 804

BGH, ZZP 79 (1966), 460 (461).

805

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 IX 1 (S. 479); Geißler, NJW 1985, 1865 (1868); Stein/Jonas/ Münzberg, § 767 Rdnr. 52.

806 So die früher ganz h. M. und heute noch die wohl h. L.: vgl. etwa Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 IX (S. 480); Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 52; Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (239 m. Fußn. 21); A. Blomeyer, ZVR, § 33 V 5 a (S. 133 f); Burgard, ZZP 106 (1993), 23 (40 flf). Als Argument hierzu dient der unterschiedliche Wortlaut in § 767 I I ("... entstanden sind ...") und § 767 I I I ZPO ("... geltend zu machen imstande war."). 807

So der BGH seit BGHZ 61, 25 (26 f). Dem BGH folgen etwa Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 767 Rdnr. 58; Geißler, NJW 1985, 1865 (1868); Lippross, Vollstreckungsrecht, § 45 IV 3 (S. 225); Zöller/ Herget, § 767 Rdnr. 20. 808

Siehe zu diesem Problem unten 2. Kap. D. III. 1.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

229

nicht nur Präklusionswirkung fur künftige Vollstreckungsgegenklagen, sondern auch Bedeutung für das laufende Verfahren zukommen soll. Stellt man aber ab auf den Gesetzeswortlaut ("...in der ... zu erhebenden Klage..."; "...Erhebung der Klage ...") und die Motive, wonach die "zu erhebenden Einwendungen als unabänderlichen Grundes der Klage den Streitgegenstand von vornherein fixieren und beschränken"809, so müßte die Präklusion eigentlich nur und bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung eintreten. Die Vorschrift des § 767 III ZPO sollte der Verfahrensbeschleunigung und der Effektivität der Zwangsvollstreckung dienen810. Demnach war sie nach ihrem ursprünglichen Konzept ausschließlich auf die innerprozessuale Präklusion zugeschnitten und bezog sich nicht auf den Fall der wiederholten Vollstreckungsgegenklage. Allerdings bringt das Abstellen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung als Präklusionszeitpunkt zum einen die sachwidrige Härte mit sich, daß das Nachschieben vorhandener Einwendungen generell ausgeschlossen ist und zum anderen die Schwäche, daß erst nach der Klageerhebung entstehende Einwendungen von der Präklusion gar nicht mehr erfaßt werden. Letzteres macht aber entgegen der gesetzlichen Intention wiederholte Vollstreckungsgegenklagen geradezu erforderlich 811. Seit der Einfuhrung des § 767 III ZPO wandelte sich jedoch die Normsituation: Da damals einerseits das Nachschieben von Einwendungen bei der Vollstreckungsgegenklage allgemein als Klageänderung angesehen wurde 812, andererseits die Zulässigkeit einer Klageänderung bei Erlaß der dem heutigen § 767 III ZPO entsprechenden Vorschrift noch ausschließlich von der Zustimmung des Beklagten und nicht wie heute alternativ von der Sachdienlichkeit abhing813, erschien es aus der Sicht des Gesetzgebers nur folgerichtig, hinsichtlich der Präklusion auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen. Mit Einfuhrung der sachdienlichen Klageänderung auch gegen den Willen des Beklagten verlor jedoch die Klageerhebung als maßgeblicher Präklusionszeitpunkt ihre Berechtigung. Zu recht ist es daher bereits seit langem ganz h. M., daß § 767 III ZPO einem Nachschieben von Einwendungen im Vollstrekkungsabwehrprozeß nicht mehr generell im Wege steht814, vielmehr Einwendungen, die erst nach der Klageerhebung entstehen oder dem Kläger erst nach der Klageerhebung bekannt werden, nachgeschoben werden können und müssen, sobald der Kläger hierzu imstande ist815. Geschieht dies nicht, so ist der 809

Hahn, Materialien, S. 437.

8,0

Vgl. Hahn, Materialien, S. 437.

811

K. Schmidt, JR 1992, 89(91).

8.2

So auch heute noch der BGH, siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (3) mit Fußn. 618.

8.3

Vgl. § 235 I I Nr. 3 CPO 1877; Otto, Präklusion, S. 74; K. Schmidt, JR 1992, 89 (91).

8.4

Vgl. K. Schmidt, JR 1992, 89 (91).

0

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Kläger mit seinem Vorbringen auch und gerade im laufenden Vollstreckungsgegenklageverfahren ausgeschlossen. In diesem Sinne ist § 767 III ZPO als spezielle Präklusionsnorm für den Fall der Vollstreckungsgegenklage anzusehen, die neben die allgemeinen Vorschriften der §§ 282, 296, 528 ZPO tritt 816 . Begreift man aber § 767 III ZPO als spezielle innerprozessuale Präklusionsnorm neben den §§ 282, 296, 528 ZPO, so wird auch deutlich, daß entgegen der neueren Rechtsprechung und Teilen der Literatur 817 das Merkmal "imstande" nicht objektiv, sondern subjektiv auszulegen ist. Wie aus §§ 296, 528 ZPO hervorgeht, ist verspätetes Vorbringen im laufenden Verfahren nur bei einem Verschulden der Partei ausgeschlossen. Nur eine zuzurechnende Verspätung soll ihm angelastet werden. Folglich kommt es bei der Auslegung der innerprozessualen Präklusion des § 767 III ZPO auch nicht darauf an, ob die Einwendung objektiv bereits vorher hätten vorgebracht werden können, sondern darauf, ob subjektiv etwaiges späteres Vorbringen genügend entschuldigt ist818. Obgleich die ZPO eine ganze Reihe (verschuldensabhängiger) innerprozessualer Präklusionsvorschriften bereitstellt, ist § 767 III ZPO nicht als obsolet zu betrachten. Die Vorschrift bringt nämlich um der Effektivität der Zwangsvollstreckung willen insbesondere gegenüber §§ 282 I, II, 296 II, 528 II ZPO eine Verschärfung 819, da die Präklusion nicht nur bei "grober Nachlässigkeit" (§§ 296 II, 528 II ZPO) sondern bei jedem Verschulden ("... imstande ..", § 767 III ZPO) eingreift 820. Der Schuldner kann und muß somit im laufenden Vollstreckungsgegenklageverfahren ihm bekanntwerdende Einwendungen nachschieben, gleichgültig, ob sie bereits bei Klageerhebung vorlagen oder später entstanden sind. Verzögert er dies schuldhaft, so ist er gem. § 767 III ZPO mit diesen Einwendungen im laufenden Verfahren präkludiert 821.

8.5

MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 86; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 IX 1 (S. 479); Geißler, NJW 1985, 1865 (1868); Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 52. 8.6

K. Schmidt, JR 1992, 89 (92).

8.7

Siehe oben Fußn. 807 in diesem Abschnitt.

8.8

MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 87.

8.9

A. A. offenbar Münch, der - ebenso wie hiervon einem globalen Streitgegenstand ausgehend dem § 767 I I I ZPO nur noch eine deklaratorische Funktion beimißt. 820 821

Dies gegen Burgard, ZZP 106 (1993), 23 (34 f).

Bezüglich der Präklusion bei wiederholten Vollstreckungsgegenklagen siehe unten 2. Kap. D. III. 1.

D. Verfahrensextee Rechtsbehelfe

1

2. Negative Feststellungsklage (§ 256 ZPO)

Ebenso wie mit der Feststellungsklage positiv festgestellt werden kann, daß ein Rechtsverhältnis besteht, kann auch (negative) Feststellungsklage mit dem Ziel erhoben werden, ein Rechtsverhältnis, insbesondere ein Anspruch, bestehe nicht mehr. Erforderlich in beiden Fällen ist das Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses. Fehlt es hieran, ist die Klage unzulässig822. Insofern erscheint fraglich, ob auch der Vollstreckungsschuldner mit der negativen Feststellungsklage ein rechtskraftfähiges Urteil darüber zu erlangen vermag, daß der titulierte Anspruch nicht mehr besteht. Das Problem löst sich, wenn man sich die Wirkungen des Feststellungsurteils und des Vollstrekkungsgegenklageurteils nach der hier vertretenen Auffassung vor Augen hält: Gemeinsam ist beiden Urteilen die Feststellungswirkung hinsichtlich des Anspruchs823. Der Unterschied liegt in der zusätzlichen (negativen) Vollstrekkungswirkung des Vollstreckungsgegenklageurteils 824, d. h. in der zur Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels führenden Gestaltungswirkung. Somit umfaßt das Vollstreckungsgegenklageurteil nicht nur die Wirkung des Feststellungsurteils, sondern geht sogar noch durch sein zusätzliches gestaltendes Element darüber hinaus. Folglich wird regelmäßig das Feststellungsinteresse für eine negative Feststellungsklage fehlen, wenn und weil eine Vollstrekkungsgegenklage möglich ist, da diese eine endgültige Klärung des Streitstoffes in einem Prozeß herbeiführen kann. Insoweit findet sich eine parallele Problematik im Verhältnis von positiver Feststellungsklage und Leistungsklage, wo ebenfalls das Feststellungsinteresse nur in Ausnahmefällen anerkannt wird 825 . Da das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage bereits mit dem Vorliegen eines Titels eintritt, sind praktisch keine Fälle denkbar, in denen eine negative Feststellungsklage in Betracht kommt826.

822

Vgl. allgemein zum Feststellungsinteresse statt aller: Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 93 III (S. 521 ff); Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 13.

823

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

824

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1 b) gg) (4).

825

Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 350.

826

Anders allenfalls in den Fällen, in denen auch eine positive Feststellungsklage zugelassen wird, obgleich auch eine Leistungsklage möglich wäre, so wenn sie sich gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts wendet, von der erwartet werden kann, daß sie auch ein bloßes Feststellungsurteil befolgt, vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 350.

232

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

3. Klauselgegenklage (§ 768 ZPO)

a) Bedeutung des § 768 ZPO Die Klauselgegenklage nach § 768 ZPO stellt die notwendige Ergänzung zum Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO dar 827. Konnten dort Rügen wegen Fehlens der formellen Voraussetzungen für die Klauselerteilung erhoben werden, so werden mit § 768 ZPO sachlichrechtliche Einwendungen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel geltend gemacht828. Diese können ja nach der hier vertretenen Auffassung 829 im Verfahren nach § 732 ZPO nicht vorgebracht werden. Doch selbst, wenn man diesbezüglich anderer Ansicht ist und im Rahmen des § 732 ZPO eine Überprüfung des erbrachten urkundlichen Nachweises auf seine Übereinstimmung mit der Tatsachen- und Rechtslage für möglich hält, stellt § 768 ZPO eine notwendige Ergänzung zu § 732 ZPO dar: Da das Vorbringen, die im Klauselverfahren vorgebrachten Urkunden entsprächen nicht der Tatsachen- und Rechtslage, regelmäßig eines formalisierten Nachweises nicht zugänglich ist, werden hier häufig bereits Schwierigkeiten bei der Feststellung der Tatsachenlage bestehen. In den meisten Fällen wird daher eine umfangreiche Beweisaufnahme mit anschließender Erörterung des Beweisergebnisses und dessen Würdigung nötig sein. Dies ist dem Schuldner jedoch wegen der letztlich nur summarischen Prüfung 830 im Klauselerinnerungsverfahren, infolge der nur in das Ermessen des Gerichts gestellten mündlichen Verhandlung (§ 732 I 2 ZPO) und der Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden831 nicht garantiert. Er muß daher die Möglichkeit

827

Zum unterschiedlichen Anwendungsbereich der beiden Rechtsbehelfe siehe bereits oben 2. Kap. C. 1. c) bb) und unten 2. Kap. Ε. I.

828

Die Abgrenzung, ob es sich im Einzelfall um eine nach § 768 ZPO geltend zu machende sachlichrechtliche Einwendung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel handelt oder um ein ausschließlich nach § 732 ZPO zu rügendes Fehlen einer formellen Klauselerteilungsvoraussetzung, kann im Einzelfall schwierig sein. So betrifft zwar der Einwand, eine Vollstreckbarkeitsvoraussetzung sei entgegen dem urkundlichen Nachweis im Klauselerteilungsverfahren nicht eingetreten, eine sachlichrechtliche Einwendung (richtiger Rechtsbehelf daher: § 768 ZPO). Hingegen handelt es sich bei dem Vorbringen, der im Klauselerteilungsverfahren erbrachte urkundliche Nachweis reiche objektiv (seine Richtigkeit unterstellt) zum Beweis des Eintritts einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung nicht aus, um eine nach § 732 ZPO zu rügende formelle Einwendung. Gleiches gilt, wenn der Schuldner einwendet, statt der einfachen hätte eine qualifizierte Vollstreckungsklausel erteilt werden müssen. 829

A. A. die h. M.; siehe oben 2. Kap. C. I. 1. c) bb).

830

Hahn, Materialien, S. 436; RGZ 50, 372 (376); Bettermann, Rechtshängigkeit, S. 97; Saenger, JuS 1992, 861 (864); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (215); Barkam, Erinnerung und Klage, S. 68. 831

Münzberg, NJW 1992, 201 (204); ders., Rpfleger 1991, 161 (162); Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 12; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (538).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

haben, sein Vorbringen im Rahmen eines mit allen Verfahrensgarantien ausgestatteten Rechtsbehelfs vorzubringen 832. Die Klauselgegenklage weist eine enge Verwandtschaft mit der Vollstrekkungsgegenklage auf. Mit beiden werden im Klagewege materiellrechtliche Einwendungen vorgetragen, um die Zwangsvollstreckung zu verhindern. So findet sich denn auch die Behauptung, § 768 ZPO habe neben § 767 ZPO keine selbständige Bedeutung und stelle nur zweierlei klar: zum einen, daß die Vollstreckungsgegenklage auch dann gegeben sei, wenn die Zwangsvollstrekkung aus dem Titel nur zur Zeit unzulässig sei, ungeachtet dessen, daß sie zulässig werden könne; zum anderen, daß sie auch dem Schuldner zustehe, der als Rechtsnachfolger in Anspruch genommen werde833. Vielfach findet sich auch die Bezeichnung "beschränkte Vollstreckungsgegenklage"834 für die Klage nach § 768, was auf die enge Beziehimg beider Klagen hindeutet. Die Abgrenzung zwischen beiden Rechtsbehelfen erscheint oft als fließend 835. Trotz aller Ähnlichkeit dürfen die Unterschiede jedoch nicht verwischt werden. Unterschiede zeigen sich insbesondere hinsichtlich des Urteilsausspruchs: Während der Tenor einer stattgebenden Entscheidung bei der Vollstreckungsgegenklage die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel selbst ausspricht836, bezieht sich der Urteilsausspruch bei der Klauselgegenklage nur auf die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der (konkret bezeichneten) vollstreckbaren Ausfertigung 837. Dies beruht auf dem unterschiedlichen Anwendungsbereich der beiden Klagen: Mit der Vollstreckungsgegenklage 832

So die h. M., die einerseits im Rahmen der Erinnerung nach § 732 ZPO auch eine Prüfung der "materiellen" Voraussetzungen der KJauselerteilung fur möglich hält (z. B. Prüfung des Nichteintritts einer Bedingung oder der Rechtsnachfolge entgegen dem im Klauselerteilungsverfahren erbrachten urkundlichen Nachweis; siehe oben 2. Kap. C. I. 1. c) aa)), andererseits wegen des nur summarischen Verfahrens bei der Klauselerinnerung die Klauselgegenklage auch dann zuläßt, wenn der Schuldner zuvor mit einer auf dieselben Einwendungen gestützten Erinnerung nach § 732 ZPO unterlegen ist; vgl. Saenger, JuS 1992, 861 (864); MünchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 4, 7; Renkl, JuS 1981, 514(519); Schuschke, § 768 Rdnr. 3. 833

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.9, 59.14.

834

Siehe etwa Stein/Jonas/Münzberg, § 768 Rdnr. 1; BGH, DNotZ 1965, 544.

835

Vgl. BGH, DNotZ 1965, 544 (544 f), der eine Klage nach § 767 ZPO in eine solche nach § 768 ZPO umdeutet und RGZ 65, 126 (127), wonach der Übergang von einer Klauselgegenklage zur Vollstreckungsgegenklage keine Klageänderung darstellt. 836

Etwa: "Die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars X in ... vom ... (UrkundenrolleNr.:...) wird für unzulässig erklärt" oder bei einem nur teilweise stattgebenden Urteil etwa "... wird insoweit für unzulässig erklärt, als sie über einen Betrag von ... D M nebst... % Zinsen seit dem ... hinausgeht"; vgl. Anders/Gehle/Bader, Handbuch, S. 97. 837

Etwa: "Die aufgrund der dem Beklagten am ... erteilten Vollstreckungsklausel aus der Urkunde des Notars X in ... vom ... (Urkundenrolle-Nr.: ...) betriebene Zwangsvollstreckung wird für unzulässig erklärt"; vgl. Anders/Gehle/Bader, Handbuch, S. 98.

234

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

wird geltend gemacht, materiellrechtlich stehe dem Gläubiger der titulierte (prozessuale) Anspruch überhaupt nicht oder zumindest nicht so, wie er aus dem Titel bzw. der vollstreckbaren Ausfertigung hervorgeht, zu, mit der Klauselgegenklage hingegen, der im Klauselverfahren erbrachte Nachweis entspreche nicht der wahren Tatsachen- und Rechtslage. Mit § 768 ZPO wird also (nur) das überprüft, was im Klausel verfahren nachgewiesen werden mußte. Die Klauselgegenklage hat lediglich die Aufgabe, gewisse, im Klauselerteilungsverfahren aufgrund der vorgelegten Urkunden als bewiesen angenommene Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen einer gerichtlichen Prüfung mit umfassender Beweisaufnahme zuzuführen - unabhängig davon, ob von diesen Voraussetzungen auch Existenz, Fälligkeit und Durchsetzbarkeit des materiellen Anspruchs abhängen838. Bei § 767 ZPO geht es dagegen darum, ob der titulierte prozessuale Anspruch sich mit der materiellen Rechtslage deckt. Dementsprechend stellt die Klauselgegenklage nur einen Angriff auf die Vollstreckbarkeit der Ausfertigung, also einen Angriff auf die Vollstreckungsreife dar, die Vollstreckungsgegenklage hingegen einen Angriff auf die Vollstreckbarkeit des Titels schlechthin839. Bedenkt man, daß es sich bei dem titulierten Anspruch immer um den prozessualen handelt und sich die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen niemals auf den materiellen, sondern auf den titulierten (prozessualen) Anspruch beziehen, so wird klar, daß der Anwendungsbereich der beiden Klagen nicht fließend sein kann840. Am deutlichsten wird dies bei der Geltendmachung des Nichteintritts einer Bedingung: Im Rahmen des § 768 ZPO wird nur geprüft, ob die Umstände, von denen der Schuldner in der Unterwerfungserklärung die Vollstreckung abhängig gemacht hat, auch tatsächlich eingetreten sind. Diese können zwar, müssen aber nicht mit den Bedingungen übereinstimmen, von denen nach materiellem Recht die Durchsetzbarkeit der Forderung des Gläubigers abhängt. Die Vollstreckbarkeit kann nämlich - wie beim "Nachweisver838 Der Schuldner kann ja der Unterwerfungserklärung nach Belieben auch solche Vollstreckungsbedingungen beifugen, die sich nicht aus der materiellrechtlichen Rechtslage ergeben, also auch bei einem nicht bedingten materiellen Anspruch die Vollstreckung von Bedingungen abhängig machen; siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1) mit Fußn. 102; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 196. 839

Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17III 3 vor e (S. 225). Siehe auch schon oben 2. Kap. D. I. l . c ) .

840

Was nicht heißt, daß sich beide Klagen gegenseitig ausschließen. Siehe hierzu unten 2. Kap. D. III. 3. b). Insbesondere bei der vollstreckbaren Urkunde, wo häufig titulierter (prozessualer) Anspruch bzw. Vollstreckbarkeitsvoraussetzung einerseits und materiellrechtlicher Anspruch bzw. Bedingung des materiellrechtlichen Anspruchs andererseits auseinanderfallen, bedarf es einer genauen Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 767 ZPO und § 768 ZPO, da anders als bei Urteilen einem Rückgriff auf den materiellrechtlichen Anspruch nicht die materielle Rechtskraft entgegensteht.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

zieht" - unabhängig vom Eintritt einer Bedingung des materiellen Anspruchs gegeben sein841 oder umgekehrt von Umständen abhängen, die über die Bedingungen des materiellen Anspruchs hinausgehen842. Ob nach materiellem Recht die Durchsetzbarkeit der materiellrechtlichen Forderung vom Eintritt derselben Umstände oder anderer Umstände abhängt, interessiert dagegen im Rahmen der Klauselgegenklage nicht, denn es geht nur um die Vollstreckung aus der Klausel, nicht um die Übereinstimmung des titulierten prozessualen Anspruchs mit der materiellen Rechtslage. Letzteres ist hingegen für die Vollstreckungsgegenklage relevant. Untersucht wird dort, ob die materiellrechtliche Forderung des Gläubigers bedingt und ob diese Bedingung eingetreten ist. Hingegen interessiert im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage nicht, ob diese Bedingung des materiellen Anspruchs zugleich auch eine Vollstreckbarkeitsvoraussetzung ist oder ob die Vollstreckbarkeit vom Eintritt weiterer, darüber hinausgehender Umstände abhängig gemacht wurde. Allgemeiner ausgedrückt läßt sich festhalten: ebenso, wie es im Rahmen der §§ 726 ff ZPO lediglich um die Anpassung der bisherigen, inhaltlich unverändert gebliebenen Rechtsbehauptung an die Fortentwicklung des Rechtsverhältnisses geht843, dient die Klauselgegenklage nur der Überprüfung, ob diese Fortentwicklung tatsächlich so stattfand, wie dies aufgrund des urkundlichen Nachweises im Klauselerteilungsverfahren angenommen wurde844. Im Rahmen des § 767 ZPO wird dagegen das Rechtsverhältnis selbst geprüft. Geht es aber im Rahmen des § 768 ZPO nur um die Frage, ob eine Vollstreckbarkeitsvoraussetzung tatsächlich eingetreten ist, so kann der materielle Anspruch auch nur über diesen "Umweg" überprüft werden, das heißt, nur soweit materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch die Unterwerfungserklärung zu vollstreckungsrechtlich erheblichen Tatsachen erklärt wurden, findet eine Prüfung statt. In diesem Fall ist dann eigentlicher Prüfungsgegenstand aber nicht der materielle Anspruch selbst, sondern der Eintritt einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung845. 841

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb).

842

Siehe oben Fußn. 838 in diesem Abschnitt.

843

Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 333.

844

Man muß also bei der Prüfung im Rahmen des § 768 ZPO letztlich von der Prämisse ausgehen, daß im Zeitpunkt der Titulierung materieller und (titulierter) prozessualer Anspruch übereinstimmten und hat daher lediglich zu untersuchen, ob die Umstände, von denen nach den §§ 726 I, 727 729, 738, 742, 744, 735 II, 749 ZPO die Vollstreckbarkeit abhängt und deren Eintritt im Klauselerteilungsverfahren urkundlich nachgewiesen wurde, auch tatsächlich eingetreten sind. 845

Freilich werden häufig Tatsachen, die für Entstehung und Fälligkeit des materiellrechtlichen Anspruchs relevant sind, zugleich auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen sein; siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

236

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

b) Rechtsnatur und Streitgegenstand Hinsichtlich der Rechtsnatur gelten die Ausfuhrungen zur Vollstreckungsgegenklage mit denselben Argumenten entsprechend: Es handelt sich um eine prozessuale Gestaltungsklage846, da das ihr stattgebende Urteil die Zwangsvollstreckung, die bisher aus der vollstreckbaren Ausfertigung zulässig war, durch richterlichen Gestaltungsakt für unzulässig erklärt. Gestaltet wird allerdings im Unterschied zur Vollstreckungsgegenklage nicht wegen einer Diskrepanz zwischen tituliertem (prozessualen) Anspruch und materiellrechtlicher Forderung, sondern wegen der Diskrepanz zwischen dem im Klauselerteilungsverfahren urkundlich nachgewiesenen Eintritt und dem im Urteilsverfahren tatsächlich festgestellten Nichteintritt von Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen847. Streitgegenstand ist daher auch nicht - im Gegensatz zur Vollstrekkungsgegenklage - das Bestehen des Anspruchs. Diesbezüglich entfaltet eine Entscheidung nach § 768 ZPO keine materielle Rechtskraft. Beim stattgebenden Urteil wird jedoch - wie bei jedem Gestaltungsurteil - rechtskräftig festgestellt, daß zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung ein Recht des Klägers auf Durchführung der Gestaltung besteht und zwar - das ergibt eine Ermittlung der objektiven Grenzen der Rechtskraft aus den Urteilsgründen - wegen des im Urteil angeführten Gestaltungsgrundes. In Rechtskraft erwächst daher die Feststellung, daß die Zwangsvollstreckung aus der Klausel wegen fehlenden Eintritts einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung i. S. d. §§ 726 ff ZPO unzulässig ist 848 . Umgekehrt wird mit der Abweisung der Klage als unbegründet rechtskräftig festgestellt, daß die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der Klausel nicht an der Diskrepanz zwischen der im Klauselerteilungsverfahren urkundlich nachgewiesenen und der im Urteilsverfahren festgestellten Tatsachen- und Rechtslage scheitert, denn das Urteil stellt rechtskräftig fest, daß es an einem Gestaltungsgrund fehlt 849. 846

H. M.; vgl. statt aller: Thomas/Putzo, § 768 Rdnr. 1; MünchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 6; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 III 3 e (S. 225); Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 99 m. w. N; Schuschke, § 768 Rdnr. 1.

847

Rein formelle Einwendungen gegen die Klauselerteilung können jedoch nach einhelliger Auffassung nicht im Verfahren nach § 768 ZPO, sondern nur mit der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO geltend gemacht werden. Vgl. statt aller: OLG Koblenz, NJW-RR 1992, 378 (379); Zöller/Herget, § 768 Rdnr. 1; MünchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 4; Schuschke, § 768 Rdnr. 2; Thomas/Putzo, § 768 Rdnr. 2. 848

In vergleichbarer Weise wird auch angenommen, daß ein stattgebendes Urteil nach § 731 ZPO zwar nicht die für §§ 726 f f nachzuweisenden Tatsachen feststellt, wohl aber "die noch fehlenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung" (Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I 2 d (S. 218)). Andernfalls ließe sich auch vom Standpunkt der h. M. aus nicht erklären, warum durch eine erfolgreiche Klage nach § 731 ZPO die Rechtsbehelfe des Schuldners nach §§ 732, 768 ZPO und sogar § 767 ZPO ausgeschlossen sein sollen. (Zu diesem Problem siehe unten 2. Kap. D. II. l . b ) cc), dd).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

c) Zuständigkeit und Rechtsschutzbedürfnis aa) Hinsichtlich der Zuständigkeit gelten die Ausfuhrungen zur Vollstrekkungsgegenklage entsprechend. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich auch hier nach §§ 797 V, 800 III, 800 a II, 802 ZPO. Problematisch erscheint jedoch, ob auch bei § 768 ZPO von der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ausgegangen werden kann, wenn es sich um einen arbeitsrechtlichen Anspruch handelt850. Das oben angeführte Argument, der Rechtsweg richte sich nach dem Streitgegenstand und Streitgegenstand sei das materiellrechtliche Bestehen des titulierten Anspruchs, so daß sich folglich der Rechtsweg nach der Rechtsnatur des Anspruchs richte, greift zwar bei der Vollstreckungsgegenklage ein. Ob es dagegen auch bei der Klauselgegenklage verwendet werden kann, erscheint fraglich. Während im Rahmen des § 767 ZPO der Anspruch selbst geprüft wird und Teil des Streitgegenstands ist, dient die Klauselgegenklage nur der Überprüfung, ob die Fortentwicklung der unverändert gebliebenen Rechtsbehauptung im Titel tatsächlich so stattfand, wie dies aufgrund des urkundlichen Nachweises im Klauselerteilungsverfahren angenommen wurde 851. Wegen des engen Zusammenhangs mit den Einwendungen nach § 732 ZPO, für die gem. § 797 III ZPO auch bei notariellen Urkunden über arbeitsrechtliche Ansprüche die Amtsgerichte zuständig sind852, erscheint die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts eher zweifelhaft 853. Dennoch muß von deren Zuständigkeit auch bei der Klauselgegenklage854 ausgegangen werden855, soweit es sich bei dem titulierten Anspruch um einen arbeitsrechtlichen handelt. Die Anwendbarkeit unter anderem der §§ 768, 794 I Nr. 5, 795, 797 V ZPO ergibt sich aus § 62 II ArbGG, wonach im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozeßordnung Anwendung finden. Soweit dabei die Regelungen der ZPO im Rahmen der Zwangsvollstreckung das Prozeßgericht für zuständig erklären, ist damit das Arbeitsgericht gemeint856. § 797 V ZPO spricht nun zwar nicht ausdrücklich von der 849 Vgl. zur Rechtskraft eines eine Gestaltungsklage abweisenden Urteils 2. Kap. D. I. 1. b) gg) vor (1). 850

Zum gleichen Problem bei § 767 ZPO siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) aa) (1).

851

Siehe oben 2. Kap. D. I. 3. a).

852

Siehe oben 2. Kap. C. I. 1. a) mit Fußn. 298.

853

Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 25; Münzberg, ZZP 87 (1974); 449 (452 f).

854

Entsprechendes gilt aus denselben Gründen für die Klage nach §§ 731, 797 V ZPO.

855

Hierfür sprechen sich ebenfalls aus Schuschke, § 797 Rdnr. 9; Thomas/Putzo, § 797 Rdnr. 4; Zöller/Stöber, § 797 Rdnr. 8; zweifelnd Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 25; unklar Baumbach/ Lauterbach/Hartmann, § 797 Rdnr. 11. 856

Germelmann/Matthes/Prütting/Matthes, § 2 Rdnr. 207.

28

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Zuständigkeit des Prozeßgerichts. Die Vorschrift enthält aber lediglich eine Regelung des Gerichtsstandes, also der örtlichen Zuständigkeit857 und sucht nach einem Ersatz für das sonst nach §§ 767 I, 768 ZPO zuständige "Prozeßgericht", das es bei vollstreckbaren Urkunden nun einmal nicht als "Gericht der Vorentscheidung" gibt858. Dies folgt daraus, daß § 797 V ZPO gerade nicht das Vollstreckungsgericht (welches nach h. M. auch in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten grundsätzlich das Amtsgericht und nicht das Arbeitsgericht ist 859 ) als zuständiges Gericht benennt. Soll aber nach § 797 V ZPO das Gericht zuständig sein, das dem "Prozeßgericht" entspräche, wenn es ein Gericht der Vorentscheidung gäbe, so muß bei einem dem § 2 ArbGG unterfallenden Anspruch auch für eine Klage nach §§ 768, 795, 797 V ZPO das Arbeitsgericht zuständig sein, denn der Gläubiger hätte in dem Fall, daß keine vollstreckbare Urkunde errichtet worden wäre, seine Forderung vor den Arbeitsgerichten einklagen müssen, so daß dann für eine spätere Klauselgegenklage des Schuldners das Arbeitsgericht als "Prozeßgericht des ersten Rechtszugs i. S. d. §§ 767 I, 768 ZPO zuständig gewesen wäre. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte läßt sich auch auf folgende Überlegung stützen: zwar betrifft § 768 ZPO, anders als § 767 ZPO, nicht die Übereinstimmung von prozessualem Anspruch und materieller Rechtslage. Soweit es aber um die Überprüfung des tatsächlichen Eintritts von Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO geht, können sich diese aus dem titulierten (prozessualen) Anspruch ergeben, und es besteht eine dahingehende Auslegungsregelung, daß die Bedingungen des materiellen Anspruchs auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO sein sollen860. Somit weist auch die Klage nach § 768 ZPO Bezugspunkte sowohl zum titulierten prozessualen Anspruch als auch zum materiellen Anspruch auf. Für diese bezweckt aber § 2 ArbGG, daß über sie wegen der besonderen Sachkunde die Arbeitsgerichte zu befinden haben. Um dieses Bezugs willen erscheint aber auch die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für die Klage nach § 768 ZPO gerechtfertigt. bb) Das Rechtsschutzbedürfnis besteht für die Klauselgegenklage, da sie sich im Unterschied zur Vollstreckungsgegenklage nicht gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Titel schlechthin, sondern nur aus der konkreten vollstreckbaren Ausfertigung richtet, erst mit dem Vorhandensein einer Vollstrekkungsklausel und endet, wenn die Vollstreckung beendet ist. 857

OLG Frankfurt, OLGZ 1985, 97 (98); MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 33; Zöller/ Stöber, § 797 Rdnr. 8.

858

Münzberg, ZZP 87 (1974), 449 (450).

859

Germelmann/Matthes/Prütting/Germelmann, § 62 Rdnr. 64.

860

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

9

d) Begründetheit Die Klauselgegenklage ist begründet, wenn die bei Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel aufgrund des urkundlichen Nachweises oder der (angeblichen) Offenkundigkeit angenommenen Voraussetzungen für die Klauselerteilung tatsächlich nicht vorlagen. Fraglich erscheint, ob maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Frage der Zeitpunkt der Klauselerteilung oder der der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ist. Muß der Klauselgegenklage auch dann stattgeben werden, wenn die aufgrund der vorgelegten Nachweise als bewiesen angenommenen Tatsachen zwar nicht im Zeitpunkt des urkundlichen Klauselverfahrens, wohl aber im Verlauf des Klauselgegenklage Verfahrens eintreten? Ist also z. B. die Klage nach § 768 ZPO erfolgreich, wenn die bei Klauselerteilung urkundlich nachgewiesene Forderungsabtretung zwar unwirksam war, inzwischen aber im Wege der Erbfolge die Forderung auf den in der Klausel Bezeichneten übergegangen ist? Dies wird vielfach mit dem Argument verneint, das Gericht habe nur über die erteilte Klausel zu befinden und keine neue zu erteilen. Aus diesem Grunde sei eine Heilung ausgeschlossen861. Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen. Es geht hier letztlich nicht um die Frage einer "Heilung" einer eventuell fehlerhaften Klauselerteilung. Eine wirksam erteilte Vollstreckungsklausel ist vor ihrer erfolgreichen Anfechtung mit Rechtsbehelfen immer zu beachten, gleichgültig ob sie zu Recht erteilt wurde oder ihre Erteilung im Widerspruch zur materiellen Rechtslage steht. Ihre Wirkung kann dann nur dadurch beseitigt werden, daß eine Zwangsvollstreckung aus der konkreten vollstreckbaren Ausfertigung fur unzulässig erklärt wird. Das richterliche Gestaltungsurteil im Verfahren nach § 768 ZPO richtet sich daher nicht gegen den in der Vergangenheit liegenden Rechtsakt der Klauselerteilung, sondern gegen die bevorstehende oder gerade stattfindende Vollstreckung aus der konkreten vollstreckbaren Ausfertigung 862. Demnach ist die Klage aus § 768 ZPO erfolgreich, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer qualifizierten Klausel nachträglich, etwa im Falle des § 727 I ZPO durch Anfechtung der Forderungsabtretung, entfallen sind. Umgekehrt ist sie abzuweisen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der qualifizierten Klausel nachträglich eintreten. Der Kläger kann dann, um sich vor drohenden Kostennachteilen zu schützen, die Erledigung der Hauptsache erklären 863. 861

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I I 3 c (S. 224); RGZ 41, 373 (375); RGZ 81, 299 (302); offengelassen in RGZ 134, 156 (159). 862

MönchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 9; Stein/Jonas/Münzberg, § 768 Rdnr. 7; differenzierend Schuschke, § 768 Rdnr. 4. Entsprechendes gilt auch fur die stattgebende Erinnerungsentscheidung nach § 732 ZPO. Vgl. hierzu oben 2. Kap. C. I. 1. b). 863

MünchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 9.

0

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

4. Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung

Zu untersuchen ist im folgenden, ob der Schuldner neben oder anstelle der zuvor beschriebenen Rechtsbehelfe gegen den Gläubiger auch eine Klage auf Herausgabe des Vollstreckungstitels erheben kann, falls der titulierte Anspruch materiellrechtlich nicht mehr besteht. Dabei handelt es sich freilich nur in seltenen Fällen um eine Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Urkunde im Original, denn dieses gelangt grundsätzlich nicht in die Hände des Gläubigers, sondern verbleibt bei den Akten der beurkundenden Stelle (vgl. § 45 I BeurkG) 864. Der Schuldner könnte aber mit Hilfe einer Leistungsklage die dem Gläubiger erteilte vollstreckbare Ausfertigung heraus verlangen865.

a) Bedürfnis für eine Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung Eine Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung ist in der ZPO nicht ausdrücklich geregelt. Lediglich die §§ 754, 757 I ZPO befassen sich mit der Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigimg an den Schuldner. § 754 ZPO betrifft dabei jedoch nur das Verhältnis des Gläubigers zum Staat und seinen Vollstreckungsorganen, das sogenannte Antragsverhältnis 866. Die in § 757 I ZPO enthaltene Regelung, daß der Schuldner von Amts wegen die vollstreckbare Ausfertigung erhält, wenn der Gerichtsvollzieher die Leistung empfangen hat, bezieht sich ausschließlich auf das zwischen dem Schuldner und dem Staat bzw. seinen Vollstreckungsorganen bestehende sogenannte Eingriffsverhältnis. § 757 II ZPO betrifft zwar das zwischen Gläubiger und Schuldner bestehende Vollstreckungs- oder Basisverhältnis, behält 864

Dasselbe gilt bei anderen Vollstreckungstiteln auch, vgl. etwa Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 29. Besonderheiten ergeben sich nur fur die von Konsularbeamten aufgenommenen Urkunden: Hier wird im Regelfall gem. § 10 I I I Nr. 4 KonsularG die Urschrift (das Original) ausgehändigt. Ansonsten erfolgt eine Aushändigung des Originals nur unter den seltenen Voraussetzungen des § 45 I BeurkG (oder unter Verstoß gegen diese Vorschrift). 865

Sofern im folgenden dennoch von einer "Herausgabe des Vollstreckungstitels" die Rede ist, wird diese (etwas ungenaue) Bezeichnung nur deshalb verwendet, weil sie heute allgemein üblich ist. Sie läßt sich damit rechtfertigen, daß gem. § 45 I 3 BeurkG die Ausfertigung an die Stelle der Urschrift tritt. Gemeint ist damit aber immer nur die dem Gläubiger erteilte vollstreckbare Ausfertigung - es sei denn dem Gläubiger wurde nach § 10 III Nr. 4 KonsularG oder ausnahmsweise nach § 45 I BeurkG (bzw. unter Verstoß hiergegen) das Original der vollstreckbaren Urkunde ausgehändigt. 866

Vgl. allgemein zu den Rechtsbeziehungen bei der Zwangsvollstreckung zwischen Gläubiger, Schuldner und Staat (dem sogenannten Vollstreckungsrechtsverhältnis) Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 8 (S. 66 ff); Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 12 ff. Zu den §§ 754, 757 ZPO und ihrer Beziehung zum Vollstreckungsrechtsverhältnis vgl. Saum, JZ 1981, 695.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

241

aber lediglich dem Schuldner seinen nach materiellem Recht ggf. bestehenden Anspruch auf Quittungserteilung vor. Hieraus ließe sich der Umkehrschluß ziehen, der Gesetzgeber habe die in der ZPO geregelten Rechtsbehelfe gegen eine Zwangsvollstreckung als ausreichenden Rechtsschutz für den Schuldner angesehen und als abschließende Regelung aufgefaßt, so daß der Schuldner auch nicht auf Herausgabe des Titels klagen könne, da er bereits durch diese Rechtsbehelfe genügend geschützt sei867. Ob dem so ist, kann nur ein Vergleich des durch die Zwangsvollstreckungsrechtsbehelfe gewährten Schutzes mit dem durch die Herausgabeklage erreichbaren Schutz ergeben. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß die Vollstreckungsgegenklage von allen Rechtsbehelfen des Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahrens bei Mängeln des materiellen Anspruchs den direktesten und umfassendsten Schutz gewährt. Vergleicht man die Klage nach § 767 ZPO mit einer gegen den Gläubiger gerichteten Leistungsklage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung, so ist deren Schutz teils geringer, teils weiter als derjenige, den der Schuldner mit einer Vollstreckungsgegenklage erzielen kann: Geringer ist der Schutz einer "Titelherausgabeklage" insofern, als diese weder zu einer einstweiligen868 noch zu einer endgültigen Einstellung der Zwangsvollstreckung fährt, geschweige denn zu einer Aufhebung bereits erfolgter Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. §§ 775, 776 ZPO)869. Weitergehend beseitigt die erfolgreiche Vollstreckungsgegenklage die rechtliche Möglichkeit der Zwangsvollstreckung, da dem Titel selbst die Vollstreckbarkeit genommen wird - und zwar von selbst aufgrund der inter omnes wirkenden Gestaltung des Urteils. Die erfolgreiche "Titelherausgabeklage" dagegen verhindert (nur) faktisch die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung, da sie zum Verlust des Besitzes der vollstreckbaren Ausfertigung (nicht aber zur Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels) führt - und dies auch nur, wenn der Gläubiger dem (lediglich inter partes wirkenden) klagestattgebenden Urteil nachkommt bzw. dies nach § 883 ZPO vollstreckt wird. Schließlich ist das stattgebende Vollstreckungsgegenklageurteil, folgt man der oben vertretenen Auffassung zum Streitgegenstand der Klage nach § 767 ZPO870, auch hinsichtlich seiner 867

So OLG Hamburg, OLGRspr. 7, 53 (54); kritisch auch Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 767.

868

Münzberg, KTS 1984, 193 (195); Brehm, ZIP 1983, 1420 (1426); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 6 (S. 489); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (229); a. A. OLG Düsseldorf, JMB1NRW 1953, 160 (161), wo von einer analogen Anwendung des § 769 ZPO auf die Titelherausgabeklage ausgegangen wird. Das Bedürfnis hierzu ist aber zumindest nach der hier im folgenden vertretenen Auffassung, daß die Titelherausgabeklage erst nach oder zusammen mit einer erfolgreichen Klage nach § 767 ZPO zulässig sei, abzulehnen. 869

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 6 (S. 489); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (229); Lüke, JZ 1956, 475 (476).

870

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

16 Schullheis

242

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Rechtskraftwirkung fur den Schuldner günstiger, denn es stellt fest, daß der titulierte Anspruch materiellrechtlich nicht besteht. Das stattgebende Urteil über eine Klage auf Titelherausgabe entfaltet dagegen hinsichtlich des titulierten Anspruchs überhaupt keine Rechtskraftwirkung, sondern stellt nur den Herausgabeanspruch hinsichtlich des Titels fest. Weitergehend ist der Schutz der erfolgreichen Titelherausgabeklage jedoch insofern, als mit dem Verlust der vollstreckbaren Ausfertigung fur den Gläubiger die Möglichkeit einer weiteren Betreibung der Zwangsvollstrekkung i. d. R. endgültig genommen ist. Denn die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigimg wird der Gläubiger nicht erreichen können, da er hierfür einen schutzwürdigen Grund glaubhaft machen müßte871 und als solcher die Verurteilung zur "Titelherausgabe" sicherlich nicht anzusehen ist 872 . Zu einem faktisch gleichen Ergebnis fuhrt zwar auch die Vorlage eines stattgebenden Urteils über eine Klage nach § 767 ZPO (§ 775 Nr. 1 ZPO). Doch ist der Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung für den Schuldner insofern sicherer, als immer die Gefahr besteht, daß die Entscheidung i. S. d. § 775 Nr. 1 ZPO unter Umständen nicht zur rechten Zeit auffindbar ist - insbesondere (wie bei vollstreckbaren Urkunden häufig) nach längerer Zeitdauer, wenn der Schuldner mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht mehr zu rechnen brauchte873. Darüber hinaus schützt der "Titelbesitz" den Schuldner auch davor, daß der Gläubiger dritten Personen gegenüber in einer den Kredit des Schuldners gefährdenden oder ihm sonst schadenbringenden Weise einsetzt874. Schließlich ergibt sich auch aus § 757 I ZPO, daß das Interesse des Schuldners schutzwürdig ist, wieder in den Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung zu gelangen, wenn der Gläubiger befriedigt ist. Aus diesem Grunde ist heute die grundsätzliche875 Möglichkeit einer Titelherausgabeklage auch nahezu unbestritten876. 871 Vgl. statt aller: Thomas/Putzo, § 733 Rdnr. 4; Zöller/Stöber, § 733 Rdnr. 4; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 733 Rdnr. 2. 872

Vgl. auch BGH, NJW 1994, 1161 (1162).

873

Münzberg, KTS 1984, 193; OLG Düsseldorf, MDR 1953, 557; OLG Köln, KTS 1984, 318 (319). 874

OLG Düsseldorf, MDR 1953, 557.

875

Einzelheiten sind jedoch streitig. Siehe dazu sogleich im Text.

876

So bereits KG, OLGRspr. 4, 141 (142 f); OLG Dresden, OLGRspr. 25, 163; OLG Naumburg, OLGRspr. 29, 174 (174 f). Vgl. ferner statt aller: BGHZ 29, 223 (230); OLG Düsseldorf, M D R 1953, 557; OLG Nürnberg, OLGZ 1965, 285; OLG Köln, FamRZ 1984, 1089 (1090); OLG Köln, KTS 1984, 319; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 767 Rdnr. 6; MünchKommZPO/Arnold, § 757 Rdnr. 42; MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 20; Stein/Jonas/Münzberg, § 724 Rdnr. 6; Palandt/Heinrichs, § 371 Rdnr. 4; MünchKommBGB/Heinrichs, 3. Aufl., § 371 Rdnr. 8; Jauernig/Stürner, § 371 Anm. 1; Brehm, ZIP 1983, 1420; Münzberg, KTS 1984, 193 ff; Saum, JZ 1981, 695 ff; Lüke, JZ 1956, 495 ff; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 6 (S. 489); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1327; Jauernig, ZVR, § 4 V I I (S. 29); Bmns/Peters, ZVR, § 15 IV 4 (S. 97); Gerhardt,

D. Verfahrensextere Rechtsbehelfe

2

Der Vergleich der beiden Klagen ergibt somit, daß grundsätzlich der mit einer Vollstreckungsgegenklage erreichbare Schutz des Schuldners ausreicht. Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung bewirkt demgegenüber nur eine darüber hinausgehende zusätzliche (aber nicht umfassende) Sicherung für den Fall, daß das einer Vollstreckungsgegenklage stattgebende Urteil nicht zur rechten Zeit auffindbar ist oder der Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung in einer (kredit)schädigenden Weise einsetzen will. Nur um diesen Fällen vorbeugen zu können, um also den Schutz der Vollstreckungsgegenklage zu ergänzen, besteht ein Bedürfnis fur die "Titelherausgabeklage".

b) Anspruchsgrundlage Fraglich erscheint, woraus sich ein Anspruch auf Titelherausgabe ergeben kann. Weder die ZPO877, noch das BGB enthalten ausdrücklich einen solchen. Insbesondere scheidet der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB aus, da der Schuldner mit dem Untergang der Forderung nicht Eigentümer der vollstreckbaren Ausfertigimg wird. Das Eigentum am Papier richtet sich ausschließlich nach der verfahrensrechtlichen Zuordnung durch die Vollstreckungsklausel, da ein Auseinanderfallen von Eigentum und verfahrensrechtlicher Zuordnung zu mißlichen Ergebnissen führen würde. Ein Eigentumsübergang auf den leistenden Titelschuldner nach § 952 BGB kommt daher nicht in Betracht878. Ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB scheidet damit aus. Da einerseits eine konkrete Regelung direkt nicht eingreift, andererseits aber aus den oben genannten Gründen dennoch ein schutzwürdiges Interesse an einer Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung besteht, ist diese Lücke durch Analogie zu schließen. Insoweit kommt sowohl eine analoge Anwendung des § 757 ZPO als auch des § 371 BGB in Betracht.

aa) Analoge Anwendung des § 757 I ZPO Für eine analoge Anwendung des § 757 I ZPO879 spricht, daß dort ausdrücklich von der Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung an den Vollstreckungsrecht, § 5 I 1 Nr. 2 (S. 52); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (227 ff), der allerdings die Titelherausgabeklage nicht materiellrechtlich, sondern rein prozessual deuten will. 877

Siehe oben 2. Kap. D. I. 4. a).

878

MünchKommBGB/Quack, § 952 Rdnr. 11; Staudinger/Gursky, § 952 Rdnr. 6; Palandt/Bassenge, § 952 Rdnr. 3; OLG München, DNotZ 1954, 552 . 879

Von einer analogen Anwendung des § 757 I ZPO gehen ohne nähere Begründung aus: KG, OLGRspr. 4, 141 (142 f); OLG Nürnberg, NJW 1965, 1867; Baumbach/Lauterbach/Hartmann,

16*

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

244

Schuldner die Rede ist. Ferner bezweckt die Vorschrift den Schutz des Schuldners vor einer nochmaligen Vollstreckung880. Insoweit besteht eine gewisse Vergleichbarkeit mit der Situation beim Titelherausgabeanspruch des Schuldners. Doch betrifft § 757 I ZPO ausschließlich das Verhältnis zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dem Gerichtsvollzieher 881 als Vollstrekkungsorgan des Staates, das Eingriffsverhältnis also. In seinem direkten Anwendungsbereich ist § 757 ZPO formal immer daran gebunden, daß der Gerichtsvollzieher die Leistung des Schuldners empfangen hat. Hat dagegen der Schuldner direkt an den Gläubiger geleistet, so ist - obgleich auch hier der Gläubiger befriedigt wurde - der Gerichtsvollzieher ohne Zustimmimg des Gläubigers weder dem Schuldner gegenüber verpflichtet noch dem Gläubiger gegenüber berechtigt den Titel an den Schuldner herauszugeben882. Darüber hinaus ist § 757 ZPO primär als eine vom Gerichtsvollzieher von Amts wegen zu beachtende Vorschrift ausgestaltet worden, mag der Schuldner auch die Möglichkeit haben, deren Beachtung durch die Erinnerung nach § 766 ZPO zu erzwingen883. Dies hängt damit zusammen, daß der Gerichtsvollzieher als neutrales und unabhängiges Vollstreckungsorgan bereits rein tatsächlich kein Interesse daran hat, den Vollstreckungstitel zu behalten, um ihn widerrechtlich einsetzen zu können. Diese Gefahr ist hingegen beim Gläubiger gegeben. Aus diesem Grunde benötigt der Schuldner auch einen auf Herausgabe gerichteten Anspruch. Eine bloß als reine Amtspflicht des unabhängigen Gerichtsvollziehers ausgestaltete Norm, die zudem das heute überwiegend als öffentlich-rechtlich aufgefaßte Eingriffsverhältnis zwischen Staat und Schuldner betrifft 884 und deren Anwendungsvoraussetzungen an rein formale Kriterien anknüpfen, paßt nicht so recht auf das kontradiktorische Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger. Eine Analogie zu § 757 I ZPO ist deshalb abzulehnen. § 757 Rdnr. 2; wohl auch OLG Naumburg, OLG Rspr. 29, 174, das ausfuhrt, § 757 ZPO ordne seinem Sinn und Zweck nach die Verhältnisse zwischen Schuldner und Gläubiger; der Gerichtsvollzieher sei nur Mittelsperson. 880

Zöller/Stöber, § 757 Rdnr. 1.

881

Auffallend ist, daß der Gerichtsvollzieher das einzige Vollstreckungsorgan ist, dem diese Verpflichtung zur Titelherausgabe auferlegt wurde. Wie Saum, JZ 1981, 695 (696), nachweist, ist der Grund darin zu sehen, daß der Gesetzgeber der Civilprozeßordnung von 1877 dem Gerichtsvollzieher als erstmals reichsgesetzlich neben den Gerichten und anderen Vollstreckungsbehörden eingeführtes selbständiges Vollstreckungsorgan ein gewisses Mißtrauen entgegenbrachte. Nur der Gerichtsvollzieher, nicht aber die anderen Vollstreckungsorgane und auch nicht der Gläubiger sollten daher durch die ZPO zur Titelherausgabe verpflichtet werden. 882

Zöller/Stöber, § 757 Rdnr. 5; Stein/Jonas/Münzberg, § 757 Rdnr. 2.

883

Thomas/Putzo, § 757 Rdnr. 5; Stein/Jonas/Münzberg, § 757 Rdnr. 9; Zöller/Stöber, § 757 Rdnr. 12; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 757 Rdnr. 3.

884

Siehe hieizu oben 2. Kap. D. I. 4. a).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

bb) Analoge Anwendung des § 371 BGB Nach Ansicht der h. M. 885 ist die Titelherausgabeklage auf eine analoge Anwendung des § 371 BGB zu stützen. § 371 BGB ist als materiellrechtlicher Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger auf Rückgabe eines etwa vorhandenen Schuldscheines ausgestaltet. Unter einem Schuldschein ist dabei eine "die Schuldverpflichtung begründende oder bestätigende, vom Schuldner zum Zwecke der Beweissicherung für das Bestehen der Schuld ausgestellte Urkunde" 886 zu verstehen. Dem Schuldner steht nach dieser Vorschrift immer dann ein Rückgabeanspruch zu, wenn die Schuld erloschen, die Forderung nicht entstanden oder infolge Anfechtung weggefallen ist887. Dies gilt unabhängig davon, ob im Schuldschein die Verbindlichkeit nur bestätigt oder zusätzlich auch begründet wurde 888. Zweck des § 371 BGB ist es, dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, die Beweisposition der bestehenden materiellen Rechtslage anzupassen. Der Besitz des Schuldscheins in der Hand des Gläubigers beweist zwar weder die tatsächliche Existenz der Forderung noch knüpft sich hieran eine entsprechende gesetzliche Vermutung; die Frage des Bestehens der Forderung ist vielmehr Gegenstand der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO). Jedoch stellt es ein starkes Indiz für das Bestehen der Forderung dar, wenn der Gläubiger den Schuldschein besitzt889, ebenso wie es ein starkes Indiz für das Erlöschen der Schuld ist, wenn der Schuldner den Schuldschein im Besitz hat890. Daher hat der Schuldner nach Erfüllung seiner Verbindlichkeit auch ein Interesse an der

885

BGH, NJW 1994, 1161 (1162); OLG Köln, NJW 1986, 1350 (1354); OLG Köln, KTS 1984, 318 (318 f); OLG Köln, FamRZ 1984, 1089 (1090); OLG Dösseldorf, MDR 1953, 557; MünchKommZPO/ Schmidt, § 767 Rdnr. 20; MünchKommZPO/Arnold, § 757 Rdnr. 42; Schuschke, Anhang zu § 767 Rdnr. 6; Stein/Jonas/Münzberg, § 724 Rdnr. 6; Zöller/Stöber, § 757 Rdnr. 5; Palandt/Heinrichs, § 371 Rdnr. 4; MünchKommBGB/Heinrichs, 3. Aufl, § 371 Rdnr. 4; Jauernig/Stürner, § 371 Anm. 1; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1327; Bums/Peters, ZVR, § 15 IV 4 (S. 97); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 6 (S. 489); Jauernig, ZVR, § 4 V I I (S. 29); Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 5 I 1 Nr. 2 (S. 52); K. Schmidt, JuS 1994, 614 (615); Saum, JZ 1981, 695 (697); Lüke, JZ 1956, 475 (476); Brehm, ZIP 1983, 1420 (1420); wohl auch Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 767. (Letztere Fundstelle wird zu Unrecht häufig als Stellungnahme gegen die Zulässigkeit der Herausgabeklage angesehen; Baur/Stürner a.a.O. ziehen aber nur in Zweifel, daß statt einer Vollstreckungsgegenklage eine Herausgabeklage erhoben werden kann.) 886

RGZ 120, 85 (89).

887

Palandt/Heinrichs, § 371 Rdnr. 4.

888

Staudinger/Kaduk, § 371 Rdnr. 5.

889

BGH, W M 1976, 974 (975); Staudinger/Kaduk, § 371 Rdnr. 6 ; Palandt/Heinrichs § 371 Rdnr. 2.

890

RG, JW 1910, 64; Palandt/Heinrichs, § 371 Rdnr. 2; Staudinger/Kaduk, § 371 Rdnr. 6.

246

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Rückgabe des Schuldscheins. Er kann so jeden Mißbrauch durch den Gläubiger oder einen Dritten auszuschließen891. Ähnlich ist die Interessenlage, wenn der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung im Besitz hat, die titulierte Forderung aber erloschen oder erst gar nicht wirksam entstanden ist. Auch hier droht eine unberechtigte Inanspruchnahme des Schuldners. Zwar beruht diese Gefahr nicht wie bei § 371 BGB auf einer der materiellen Rechtslage nicht entsprechenden Beweisposition, denn auf eine solche kommt es im Vollstreckungsverfahren nicht mehr an892. Das steht aber einer analogen Anwendung des § 371 BGB und damit einer materiellrechtlichen Konstruktion der Herausgabeklage nicht entgegen893. Sowohl bei § 371 BGB als auch bei der Titelherausgabeklage bzw. dem Titelherausgabeanspruch geht es nämlich um die faktisch starke Position, die der Gläubiger aufgrund des Besitzes einer Urkunde (Schuldschein bzw. vollstreckbare Ausfertigung) inne hat und damit verbunden um die Gefahr, daß der Gläubiger sich diese rein tatsächliche Position entgegen der wahren Rechtslage zunutze macht. Daß diese faktisch starke Stellung im direkten Anwendungsbereich des § 371 BGB in der Beweisposition liegt, im Falle der Titelherausgabestreitigkeit dagegen in der Möglichkeit, im Wege der Zwangsvollstreckung auf das Schuldnervermögen zuzugreifen, hängt lediglich damit zusammen, daß der Gläubiger im ersten Fall zuvor noch einen Vollstrekkungstitel erstreiten muß (um gegen den Schuldner zwangsweise vorgehen zu können) und es in diesem Rechtsstreit eben auf die Beweisposition ankommt. Es ist insbesondere im Fall des Erlöschens der Forderung nicht einzusehen, warum der Schuldner zwar nach § 371 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Schuldscheines haben soll, nicht aber einen Herausgabeanspruch hinsichtlich des Vollstreckungstitels - obgleich letzterer doch viel "gefährlicher" für den Schuldner ist. Der Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung ergibt sich daher aus einer analogen Anwendung des § 371 BGB.

891

Staudinger/Kaduk, § 371 Rdnr. 7.

892

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (228); Gaul, Rechtspfleger 1971, 81 (90).

893

A. A. Windel, ZZP 102 (1989), 175 (228 ff), der die Herausgabeklage dem "Streitrecht" und nicht dem materiellen Recht zuordnen will. Er begründet dies u. a. damit, daß die Titelherausgabeklage "in Wahrheit auf präventiven Rechtsschutz" hinauslaufe und mit ihr der Gefahr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung vorgebeugt werden solle. Bei Windel wird zum einen jedoch nicht klar, auf welche (analoge) Anwendung er letztlich die Herausgabeklage stützt oder ob sie auf offener Rechtsfortbildung beruht. Zum anderen steht auch der Umstand, daß es dem Schuldner letztlich um präventiven Rechtsschutz geht, einer materiellrechtlichen Deutung der Herausgabeklage nicht entgegen. Denn auch eine auf §§ 1004, 862, 12 BGB analog i. V. m. §§ 823 f f BGB gestützte vorbeugende Unterlassungsklage, bei der es zweifellos um einen materiellrechtlichen (Unterlassungs-)Anspruch geht, dient dem vorbeugenden Rechtsschutz.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

c) Zeitpunkt der Klageerhebung Streitig ist, ob die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung völlig unabhängig von einer Klage nach § 767 ZPO eingelegt894 oder ob sie erst nach Erlaß eines Urteils über die Vollstreckungsgegenklage895 bzw. frühestens mit dieser zusammen896 erhoben werden kann. Der Auffassung, die Titelherausgabeklage könne völlig unabhängig, also auch schon vor einer Vollstreckungsgegenklage erhoben werden, stehen erhebliche Bedenken entgegen. Bereits der Wortlaut des § 767 ZPO spricht dagegen, denn nach diesem "sind" Einwendungen, die den Anspruch selbst betreffen, im Vollstreckungsgegenklage verfahren geltend zu machen897. Eine weitere Klage zur Geltendmachung der materiellen Rechtslage ist danach also nicht vorgesehen. Darüber hinaus besteht aber die Gefahr, daß zwingende Vorschriften des Prozeßrechts umgangen werden898. Diese Gefahr ist zwar bei vollstreckbaren Urkunden geringer als etwa bei Urteilen, denn auf den ausschließlichen Gerichtsstand des §§ 797 V, 767 I, 802 ZPO kann der klagende Schuldner ggf. verzichten899 und § 767 II ZPO, der umgangen werden könnte900, gilt gem. § 797 IV ZPO nicht. Anwendbar bleibt aber mit der Gefahr einer Umgehung durch die Titelherausgabeklage auch bei der vollstreckbaren Urkunde die verschärfte innerprozessuale Präklusionsnorm des § 767 III ZPO. Entscheidend gegen eine völlig selbständige, von anderen Rechtsbehelfen des Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahrens unabhängige Erhebung der Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung 894

So OLG Nürnberg, NJW 1965, 1867; OLG Düsseldorf, M D R 1953, 557; OLG Naumburg, OLGRspr. 29, 174 (174 f); Baumbach/Lauteibach/Hartmann, § 767 Rdnr. 6; Schuschke, Anhang zu § 767 Rdnr. 6; Saum, JZ 1981, 695 (697). 895

So wohl MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 6; Jauernig, ZVR, § 4 V I I (S. 29); Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 767. 896

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 6 (S. 489); Stein/Jonas/Münzberg, § 724 Rdnr. 6; Bruns/Peters, ZVR, § 15 IV 4 (S. 97). Von dem Grundsatz, daß die Titelherausgabeklage frühestens zusammen mit der Vollstreckungsgegenklage erhoben werden darf, sehen unter der Voraussetzung, daß das Erlöschen der Titelforderung unstreitig ist, ausnahmsweise ab: BGH, NJW 1994, 1161 (1162); Zöller/Stöber, § 757 Rdnr. 5; Palandt/Heinrichs, § 371 Rdnr. 4; MünchKommBGB/Heinrichs, 3. Aufl., § 371 Rdnr. 8; Jauernig/Stürner, § 371 Anm. 1; Münzberg, KTS 1984, 193 (194 f); ähnlich auch Lüke, JZ 1956, 475 (477): Titelherausgabeklage ohne Vollstreckungsgegenklage nur, wenn die Einwendungen gegen die Titelforderungen "urkundlich" sind, d. h. aus der vollstreckbaren Ausfertigung selbst hervorgehen. 897

Münzberg, KTS 1984, 193 (194).

898

Lüke, JZ 1956, 475 (476).

899

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) aa) (2).

900

Zu der Gefahr der Umgehung des § 767 I I ZPO bei Urteilen durch eine Titelherausgabeklage vgl. Lüke, JZ 1956, 475 (476).

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

248

spricht jedoch das fehlende Bedürfnis hierfür. Oben901 wurde festgestellt, daß grundsätzlich der Schutz der Rechtsbehelfe des Klausel- und Zwangsvollstreckungsrechts bei Mängeln des materiellen Anspruchs ausreicht. Lediglich um den Schuldner zusätzlich (ergänzend) davor abzusichern, daß die einem Rechtsbehelf stattgebende Entscheidung nicht rechtzeitig auffindbar ist oder der Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung in einer (kredit)schädigenden Weise einsetzt, wurde das Bedürfnis für eine Herausgabeklage bejaht. Nur hinsichtlich dieser zusätzlichen, ergänzenden Sicherung besteht deshalb überhaupt eine Regelungslücke und damit ein Raum fur die analoge Anwendung des § 371 BGB. Solange also noch nicht über den dafür vorgesehenen Rechtsbehelf des § 767 ZPO902 entschieden wurde, kann mangels eines Regelungsbedürfhisses die Analogie noch gar nicht eingreifen und deshalb die Titelherausgabeklage noch keinen Erfolg haben903. Dies gilt auch in den Fällen, in denen unstreitig904 oder sogar aus der vollstreckbaren Ausfertigung unmittelbar ersichtlich 905 ist, daß der titulierte Anspruch materiellrechtlich nicht mehr besteht, denn die Vollstreckungsgegenklage ist solange zulässig, als der Gläubiger den Vollstreckungstitel noch in Händen hat906. Scheidet ausnahmsweise eine Vollstreckungsgegenklage mangels Rechtsschutzbedürfhisses aus, obgleich die vollstreckbare Ausfertigung dem Schuldner noch nicht ausgehändigt wurde 907, so ist in diesem Fall ebenfalls eine Titelherausgabeklage unzu901

Siehe oben 2. Kap. D. I. 4. a).

902

Die folgenden Ausfuhrungen gelten entsprechend, wenn die Herausgabe kl age dem ergänzenden Schutz einer Entscheidung dient, welche die Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Ausfertigung fur unzulässig erklärt hat (§§ 732, 768 ZPO). Freilich kann sich die Herausgabepflicht in diesem Fall selbst dann nur auf die vollstreckbare Ausfertigung beziehen, wenn ausnahmsweise (siehe oben 2. Kap. D. I. 4. vor a) Fußn. 864) das Original ausgehändigt wurde. 903

Fraglich erscheint, ob eine dennoch eingelegte Titel herausgabe kl age als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden muß. Für eine Abweisung der Klage als unbegründet ließe sich anführen, daß vor einer stattgebenden Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage mangels einer Regelungslücke auch der Herausgabeanspruch aus § 371 BGB analog noch gar nicht existiert; vgl. die ähnliche Argumentation Lüke, JZ 1956, 475 (477 mit Fußn. 15) unter Berufung auf Jauernig, ZZP 66 (1953), 398 (403 ff mit Fußn. 24). Für eine Abweisung bereits als unzulässig spräche dagegen die Spezialität der Rechtsbehelfe des Zwangsvollstreckungsrechts gegenüber der auf einen materiellrechtlichen Anspruch gestützten Titelherausgabeklage. (Als einen Fall der Spezialität wird regelmäßig das ähnliche Problem des Verhältnisses einer materiellrechtlichen Klage zur Drittwiderspruchsklage behandelt; vgl. BGHZ 58, 207 (213); Stein/Jonas/Münzberg, § 771 Rdnr. 67; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 41 X I I 2 (S. 524).) Beide Argumente sind zutreffend. Da aber über die Zulässigkeit der Klage notwendigerweise vor ihrer Begründetheit zu entscheiden ist, muß eine Klageabweisung als unzulässig erfolgen. 904

Dies gegen Zöller/Stöber, § 757 Rdnr. 5; Palandt/Heinrichs, § 371 Rdnr. 4; MünchKommBGB/ Heinrichs, 3. Aufl., § 371 Rdnr. 8; Jauernig/Stürner, § 371 Anm. 1; Münzberg, KTS 1984, 193 (194 f); siehe oben Fußn. 896 in diesem Abschnitt. 905 0

Dies gegen Lüke, JZ 1956, 475 (477); siehe oben Fußn. 896 in diesem Abschnitt. Siehe oben 2. Kap.

. I. . ) bb).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

lässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage entfällt ja nur, wenn der Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung nicht mehr im Besitz hat und der Schuldner darüber hinaus in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf Dauer vor einer Vollstreckung aus dem Titel geschützt ist 908 . Dann droht ihm aber aus der vollstreckbaren Ausfertigung auch keinerlei Gefahr mehr, so daß er nicht des ergänzenden Schutzes einer auf § 371 BGB analog gestützten Titelherausgabeklage bedarf 09. Daraus, daß die Titelherausgabeklage wegen Mängeln des materiellen Anspruchs noch keinen Erfolg haben kann, solange noch nicht einer Vollstreckungsgegenklage stattgegeben wurde, kann nicht gefolgert werden, daß eine gemeinsame Erhebung der Klagen unmöglich wäre. Werden beide gemeinsam im Wege der objektiven Klagenhäufung (§ 260 ZPO) eingelegt910, so ist regelmäßig von einer uneigentlichen Eventualhäufung auszugehen911. Die Auslegung der Klageanträge wird nämlich in der Regel ergeben, daß der Antrag auf Titelherausgabe nur für den Fall gestellt wurde, daß die vorrangige Klage nach § 767 ZPO Erfolg hat, denn andernfalls müßte nach dem zuvor Gesagten bei Erfolglosigkeit der Vollstreckungsgegenklage die (hilfsweise) gestellte Titelherausgabeklage ebenfalls immer abgewiesen werden. Dieses Risiko wird aber der Kläger vermeiden wollen. Daher wird, sofern der Klageantrag auslegungsfähig ist, im Falle der Klageverbindung regelmäßig von einer uneigentlichen Eventualhäufung auszugehen sein. Diese Klagenhäufung bringt für die Prozeßbeteiligten keine Kostennachteile mit sich, denn sie führt - obgleich verschiedene Streitgegenstände vorlie907

So im Fall BGH, NJW 1994, 1161 ff; siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) bb) mit Fußn. 733.

908

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) bb).

909

A. A. BGH, NJW 1994, 1161 (1162), der jedoch nicht klarstellt, woraus sich in diesem Fall noch das Rechtsschutzinteresse für eine Titelherausgabeklage ergeben soll.

9.0

Soweit man der hier vertretenen Auffassung folgt (siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) aa) (2)), daß der Schuldner auf den ihn begünstigenden ausschließlichen Gerichtsstand des §§ 797 V , 802 ZPO verzichten kann, sofern er sich in der Klägerrolle befindet und der Verzicht allein auf seiner Initiative beruht, wird eine objektive Klagenhäufung auch nicht an den unterschiedlichen örtlichen Zuständigkeiten scheitern. 9.1

Ähnlich Lüke, JZ 1956, 475 (477), der eine "Klageverbindung entsprechend den fur die Stufenklage (§ 254 ZPO) geltenden Grundsätzen" annimmt. Bei der Stufenklage handelt es sich um einen Spezialfall der uneigentlichen Eventualhäufung. Jedoch liegt dieser Spezialfall hier nicht vor. Es geht hier nämlich nicht - wie bei der Stufenklage - um einen in der letzten Stufe zunächst unbestimmten Antrag, der nur wegen § 254 ZPO in Ausnahme zu § 253 II Nr. 2 ZPO zulässig ist, sondern es sind hier bereits beide Anträge hinreichend bestimmt; nur soll über den zweiten Antrag lediglich dann entschieden werden, wenn der erste Erfolg hat. Dies ist aber der "Normalfall" der uneigentlichen Eventualhäufung, so daß nicht auf die Besonderheiten der Stufenklage zurückzugreifen ist. (Vgl. allgemein zur uneigentlichen Eventualhäufung statt aller: Thomas/Putzo, § 260 ZPO Rdnr. 8; Zöller/Greger, § 260 Rdnr. 4).

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

gen - hier nicht zu einer Streitwerterhöhung gem. § 5 ZPO, da es wirtschaftlich um den gleichen Wert geht912. Die ZPO will mit der Wertaddition in § 5 ZPO nämlich nur berücksichtigen, daß bei einer Mehrheit von Ansprüchen auch größere wirtschaftliche Werte umstritten sind. Daher findet § 5 ZPO dann keine Anwendung, wenn trotz prozessualer Anspruchsmehrheit keine wirtschaftliche Werthäufung entsteht. So ist es aber hier, denn der Schuldner begehrt mit der Klagenhäufung hinsichtlich ein und desselben titulierten Anspruchs Schutz vor einer materiellrechtlich ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung. Aus diesem Grunde ist es auch nicht schädlich, zu verlangen, der Schuldner solle selbst dann die Vollstreckungsgegenklage mit der Titelherausgabeklage zusammen erheben, wenn der Gläubiger das Erlöschen des Anspruchs nicht bestreitet. Es drohen ihm hierdurch keine Kostennachteile, auch dann nicht, wenn der Gläubiger sofort anerkennt, daß der titulierte Anspruch materiellrechtlich nicht besteht. § 93 ZPO findet auf dieses Teilanerkenntnis nämlich bereits dann keine Anwendung, wenn der Schuldner zuvor außergerichtlich den Gläubiger ergebnislos zur Herausgabe aufgefordert hat. Dann nämlich hat der Gläubiger nicht nur Veranlassung zur Titelherausgabeklage, sondern auch zur Vollstreckungsgegenklage gegeben913.

5. Bereicherungs- und Schadensersatzklagen

a) Bereicherungs- und Schadensersatzklagen während des laufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens Nach ganz h. M. sind zu Recht während des laufenden Zwangsvollstrekkungsverfahrens auf Bereicherung und Schadensersatz gerichtete materiellrechtliche Klagen ausgeschlossen914. Der Schuldner hat während dieser Zeit die Möglichkeit, eine materiell ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung durch Rechtsbehelfe des Zwangsvollstreckungsrechts zu verhindern. Diese stellen daher gegenüber den Zivilklagen, die vor der Beendigung der Zwangsvollstreckung ja ebenfalls nur auf Abwehr gerichtet sind, Spezialregelungen dar, die nicht durch die materiellrechtlichen Klagen umgangen werden dürfen.

912

Münzberg, KTS 1984, 193 (194); Stein/Jonas/Roth, 21. Aufl., § 5 Rdnr. 1, 6; Zöller/Schneider, § 5 Rdnr. 8; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 5 Rdnr. 2; Thomas/Putzo, § 5 Rdnr. 8; MünchKommZPO/Lappe, § 5 Rdnr. 10 ff.

913 914

Vgl. oben 2. Kap. D. I. 1. d) bb).

Gaul, ZZP 85 (1972), 251 (260 m. Fußn. 28); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 7 (S. 489); Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 187; Gerlach, Ungerechtfertigte Zwangsvollstrekkung, S. 9, 10.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

25

Eine Ausnahme hiervon wird insbesondere von der Rechtsprechung hinsichtlich einer auf § 826 BGB gestützten Schadensersatzklage wegen Mißbrauchs des Vollstreckungstitels gemacht915. Hiernach soll entgegen einer überwiegenden Meinung im Schrifttum 916 insbesondere bei Urteilen über die Grenzen des Wiederaufnahmeverfahrens hinaus gem. §§ 826, 249 S. 1 BGB ein Anspruch auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels bestehen917, wenn dieser materiell unrichtig ist und der Titelgläubiger in Kenntnis hiervon diesen sittenwidrig erwirkt hat oder ausnutzt. Die Bedenken, die gegen einen solchen Anspruch wegen dieser in der ZPO nicht vorgesehenen Möglichkeit zur Durchbrechung der Rechtskraft und Umgehung der Vorschriften des Wiederaufnahmeverfahrens erhoben werden, treffen zwar auf die (rechtskraftlose) vollstreckbare Urkunden nicht zu 918 . Soweit ersichtlich, wurde dieser Anspruch aber zu Recht noch nicht gegen eine drohende Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde angewendet. Hierfür besteht auch kein Bedürfnis. Die ausnahmsweise Zulässigkeit einer auf § 826 BGB gestützten materiellrechtlichen Klage bereits während des laufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens erscheint allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die vom Schuldner vorgebrachten materiellrechtlichen Einwendungen bereits nach § 767 II ZPO präkludiert sind, so daß er sich nicht mehr mit einer Vollstreckungsgegenklage gegen die drohende Zwangsvollstreckung schützen kann. Da gem. § 797 IV ZPO die Vorschrift des § 767 II ZPO aber bei vollstreckbaren Urkunden keine Anwendung findet, besteht keine Notwendigkeit, vom Grundsatz der Spezialität der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe gegenüber materiellen Zivilrechtsklagen eine Ausnahme zu machen. Der Schuldner ist insoweit durch die Vollstreckungsgegenklage (ggf. in Verbindung mit einer einstweiligen Anordnung nach § 769 ZPO) ausreichend geschützt. b) Materiellrechtliche Ausgleichsansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung Nach (fast) einhelliger Ansicht stehen nach Beendigung der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zivilrechtliche Ausgleichsansprüche uneingeschränkt zur Verfugung 919, wenn der Gläubiger vollstreckt hat, obgleich ihm die titulierte Forderung materiellrechtlich nicht zustand. Dies selbst dann, 9.5

Vgl. etwa BGHZ 26, 391 (394); OLG Frankfurt, W M 1987, 303.

9.6

Vgl. die Übersicht über den Meinungsstand bei Prötting/Weth, Rechtskrafldurchbrechung, Rdnr. 109 f f m. w. N.

9.7

Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung geht der Anspruch auf Leistung von Schadensersatz; vgl. etwa BGH, FamRZ 1986, 450 (451); BGHZ 26, 391 (394).

9.8

Vgl. Baumgärtel/Scherf, JZ 1970, 316.

2

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

wenn der Schuldner sich gegen die Zwangsvollstreckung nicht mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen gewehrt hat920. Begründet wird dies mit dem privatrechtlichen Gehalt und Zweck des Zwangsvollstreckungsverfahrens, das einen Ersatz für die verbotene Selbsthilfe zur Herstellung einer der materiellen Rechtslage entsprechenden Güterzuordnung gewähren soll921. Kritik hat diese Auffassung namentlich von H. Böhm922 erfahren, der die These vertritt, die Zwangsvollstreckung sei um der Rechtssicherheit willen auf eine endgültige Erlösverteilung angelegt. Aus diesem Grunde müsse nach Beendigung des Verfahrens eine der materiellen Rechtskraft ähnelnde materielle Vollstrekkungskraft anerkannt werden, die jegliche Möglichkeit ausschließe, dem Vollstreckungsgläubiger den Vollstreckungserlös wieder zu entziehen. Einem generellen Ausschluß materieller Ausgleichsansprüche, wie ihn Böhm befürwortet, muß jedoch mit Nachdruck widersprochen werden923. Schon der einseitig öffentlich-rechtliche Ausgangspunkt der These Böhms vermag nicht zu überzeugen. Sieht man das Ziel der Zwangsvollstreckung wie Böhm ausschließlich in der Durchsetzung des staatlichen Leistungsbefehls mit Zwangsmitteln und nicht in der Herstellung einer dem materiellen Recht entsprechenden Güterzuordnung 924, so ist es zwar konsequent, materielle Ausgleichsansprüche nach beendeter Zwangsvollstreckung zu verneinen. Doch verkennt dieser Ausgangspunkt die dienende Funktion des Prozeßrechts. Insbesondere die Zwangsvollstreckung würde so letztlich zum Selbstzweck staatlicher Machtdarstellung. Seine Berechtigung erhält der staatliche Zwang in der Zwangsvollstreckung, der ja in erster Linie dem Wohle des Vollstrekkungsgläubigers und nicht der Allgemeinheit dient, letztlich nur dadurch, eine dem materiellen Recht möglichst entsprechende Güterzuordnung herzustellen und nicht um seiner selbst willen925. 9,9

Bei der materiellen Rechtskraft fähigen Titeln gilt dies freilich nur, soweit der Anspruch nachträglich untergegangen ist. 920

Vgl. BGHZ 83, 278 (280) m. w. N.; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 766; A. Blomeyer, ZVR, § 33 IX (S. 140); Bruns/Peters, ZVR, § 14 IV 7 (S. 98); Gaul, JuS 1962, 1 (2, 6); ders., ZZP 85 (1972), 260 f; ders., AcP 173 (1973), 323; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 56; Jauernig, ZVR, § 12 V I (S. 53); Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 182 ff. 921

Vgl. Gaul, AcP 173 (1973), 323 (325 f); Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 182.

922

Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und materiellrechtliche Ausgleichsansprüche, passim, insbes. S. 19; vgl. auch S. 45, 68 u. 88.

923

Die These Böhms war bereits mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Erörterung; vgl. insbes. Gaul, AcP 173 (1973), 323; Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 182 ff; Gerlach, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung, S. 14 ff. Im folgenden werden daher die gegen Böhm sprechenden Argumente nur kurz dargestellt. 924

Vgl. Böhm, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung, S. 45.

925

Ähnlich auch Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 183 f.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

25

Ein Ausschluß nachträglicher Ausgleichsklagen aufgrund der Möglichkeit, Vollstreckungsrechtsbehelfe einzulegen, ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz, daß die Versäumung prozessualer Rechte grundsätzlich zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung im Prozeß führt (vgl. § 230 ZPO)926. Dieser Grundsatz kann nämlich nur innerprozessuale Pflichten betreffen, setzt also voraus, daß bereits ein prozessuales Rechtsverhältnis besteht. Hieran fehlt es aber gerade, da der Schuldner eben keine Rechtsbehelfe eingelegt hat, aus denen sich prozessuale Lasten ergeben könnten927. Einen Zwang oder eine grundsätzliche Pflicht, Rechtsbehelfe zu ergreifen, ist der ZPO dagegen fremd 928. Lediglich in einigen wenigen (Ausnahme-)Vorschriften ist eine Präklusion für den Fall vorgesehen, daß ein Berechtigter einen Rechtsbehelf nicht einlegt. Da diese Vorschriften jedoch auf den unterschiedlichsten sachlichen Gründen beruhen, sind sie einer Rechtsanalogie nicht zugänglich929. Darüber hinaus würde ein solcher Prozeßzwang eine außerprozessuale Einigung der Parteien unnötig erschweren 930. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung sind die materiellen Ausgleichsansprüche auch nicht im Wege der Spezialität der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe ausgeschlossen. Ein solches Spezialitätsverhältnis besteht zwar während des laufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens 931, da in diesem Stadium materiellrechtliche Ansprüche ebenso wie die Vollstrekkungsrechtsbehelfe nur auf die Abwehr der Vollstreckung gerichtet sind. Anders dagegen nach Beendigung der Zwangsvollstreckung: Hier kann es bereits zeitlich nicht mehr zu einer Überschneidung mit den Vollstreckungsrechtsbehelfen kommen. Die materiellrechtlichen Ansprüche dienen jetzt ("nur" noch) der Korrektur des vollzogenen Vollstreckungseingriffs und haben damit ein anderes Ziel, als die nur während des Vollstreckungsverfahrens zulässigen Vollstreckungsrechtsbehelfe, die die Abwehr bevorstehender Eingriffe bezwecken. Aus diesem Grunde können sie auch nicht in einem Spezialitätsverhältnis zueinander stehen932. 926

So aber Böhm, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung, S. 52 f.

927

Vgl. Gaul, AcP 173 (1973), 323 (328); Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 184 f.

928

Da § 767 III ZPO nach richtiger Auffassung nur die innerprozessuale Präklusion bei Vollstrekkungsgegenklagen regelt (vgl. hierzu oben 2. Kap. D. I. 1. e) dd) und unten 2. Kap. D. III. 1.), kann auch hieraus nichts gegenteiliges gefolgert werden; anders Böhm, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung, S. 53 f.

929

Vgl. Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 185 sowie Gaul, AcP 173 (1973), 323 (329 f, 332 f) gegen Böhm, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung, S. 24, 49 f, 87. 930

Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 185.

931

Siehe oben 2. Kap. D. I. 5. a).

932

Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 186.

2

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Schließlich kann auch kein genereller Ausschluß von nachträglichen materiellen Ausgleichsklagen aufgrund einer Verwirkung angenommen werden. Ob eine Verwirkung vorliegt, ist immer nur im Einzelfall zu entscheiden, denn die Verwirkung hängt davon ab, daß gerade aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls 933 die verspätete Geltendmachung als gegen Treu und Glauben verstoßend anzusehen ist. Ein genereller Ausschluß materieller Ausgleichsklagen läßt sich daraus folglich ebenfalls nicht herleiten934.

c) Die Bereicherungs- und Schadensersatzklagen im einzelnen aa) Vertragliche Schadensersatzansprüche Wird aus einer vollstreckbaren Urkunde die Zwangsvollstreckung betrieben, obgleich dem Gläubiger der titulierte Anspruch materiellrechtlich nicht zusteht, so wird dies in vielen Fällen eine Vertragsverletzung darstellen. Häufig wird die Unterwerfungserklärung im Rahmen eines Vertragsverhältnisses abgegeben. Insbesondere wenn der Schuldner darin hinsichtlich der Zwangsvollstreckung auf den Nachweis bestimmter Umstände, von denen die Fälligkeit des materiellen Anspruchs abhängt, verzichtet935, wird man im Wege der Vertragsauslegung regelmäßig eine stillschweigend zwischen Gläubiger und Schuldner getroffenen Vereinbarung dahingehend annehmen können, daß der Gläubiger die Zwangsvollstreckung nur im Rahmen des materiellen Rechts betreiben darf. Verstößt er hiergegen schuldhaft, so kann der Schuldner - nach Beendigung der Zwangsvollstreckung936 - Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung geltend machen. Dasselbe gilt bei Verletzung einer besonderen Vollstreckungsvereinbarung 937. Ist der Vertrag unwirksam oder hat der Gläubiger die vollstreckbare Urkunde bereits vor Vertragsschluß erhalten und kommt der Vertrag später nicht zustande, so hat der Schuldner bei materiellrechtlich ungerechtfertigter Zwangsvollstreckung und Verschulden des Gläubigers Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo938.

933

Das ist insbesondere der Fall bei einem Verhalten des Berechtigten, aufgrund dessen der Verpflichtete annehmen durfte, auch in Zukunft werde der Berechtigte sein Recht nicht geltend machen; so fur das materielle Recht Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnr. 87. 934

Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 187.

935

Zur rechtlichen Konstruktion des "Nachweisverzichts" siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

936

Siehe oben 2. Kap. D. I. 5. b).

937

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 7 (S. 489).

938

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 63. 3 ff.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

25

bb) Gefährdungshaftung analog § 717 II 1 ZPO Zu erwägen wäre ferner eine analoge Anwendung der Gefahrdungshaftung939 des § 717 II 1 ZPO, wenn die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde oder aus deren vollstreckbarer Ausfertigung später aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung für unzulässig erklärt wird. Eine gewisse Vergleichbarkeit bestünde insoweit, als es sich sowohl bei vollstreckbaren Urkunden als auch bei den in § 717 II 1 ZPO angesprochenen vorläufig vollstreckbaren Urteilen um Vollstreckungstitel handelt, die der materiellen Rechtskraft (noch) entbehren. Dennoch wird zu Recht eine analoge Anwendung abgelehnt940. Eine für die Analogie erforderliche Vergleichbarkeit wäre zum einen nur gegeben, wenn es sich bei der vollstreckbaren Urkunde um einen "vorläufigen" Titel handeln würde. Dies ist aber nicht der Fall, denn nach der Unterwerfungserklärung sollte die Vollstreckbarkeit keine auflösend bedingte (vorläufige), sondern eine endgültige sein941. Zum anderen hat der Schuldner durch seine Unterwerfung den Gefährdungstatbestand selbst geschaffen. Seine Schutzbedürftigkeit ist daher nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen gegen seinen Willen der Gläubiger ein vorläufig vollstreckbares Urteil erlangt 942. Eine analoge Anwendung des § 717 II 1 ZPO kommt daher nicht in Betracht.

cc) Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung und Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung Betreibt der Gläubiger die Zwangsvollstreckung, obgleich die Schuld nicht (mehr) besteht, so können auch Schadensersatzansprüche aus §§ 823 ff BGB (auch aus § 826 BGB) gegeben sein, sofern deren allgemeine Voraussetzungen vorliegen, insbesondere ein Verschulden des Gläubigers943. Ebenso bestehen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§812 BGB). Insoweit "setzt sich die ungenutzte Klage aus § 767 ZPO in der Bereicherungskla939

Dazu, daß es sich bei § 717 I I 1 ZPO um eine Gefährdungshaftung handelt, vgl. statt aller BGHZ 85, 110(113). 940

BGH, W M 1977, 656 (657); OLG Düsseldorf, NJW 1972, 2311; OLG Karlsruhe, Die Justiz 1975, 100 (101); Stein/Jonas/Münzberg, § 717 Rdnr. 68; Zölle r/He rget, § 717 Rdnr. 5; Joch, NJW 1973, 373 (374).

941

Stein/Jonas/Münzberg, § 717 Rdnr. 68. Freilich ist vor Vollstreckungsbeginn die Wartefrist des § 798 ZPO zu beachten; vgl. BGH, W M 1977, 656 (657).

942 943

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 63. 2.

Vgl. statt vieler: Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 7 (S. 489); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1328.

26

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

ge fort" 944. Dabei wird vor allem die Rechtswidrigkeit bei der unerlaubten Handlung bzw. die Rechtsgrundlosigkeit bei der ungerechtfertigten Bereicherung im Falle einer Vollstreckung aus vollstreckbaren Urkunden weit häufiger gegeben sein als bei Urteilen, denn bei letzteren kann wegen der bestehenden materiellen Rechtskraft das Fehlen der materiellen Berechtigung und damit die Widerrechtlichkeit bzw. Rechtsgrundlosigkeit nicht auf Umstände gestützt werden, die vor dem Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung lagen. Ansonsten bestehen Besonderheiten bei vollstreckbaren Urkunden insoweit im Vergleich zu Urteilen nicht. 944

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 7 (S. 489); ebenso Gaul, JuS 1962, 1 (2).

Von regelmäßig keiner praktischen Bedeutung wird die Frage sein, ob es sich bei dem Bereicherungsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubigerum eine Leistungskondiktion gem. § 812 I 1 1. Alt. BGB handelt (so Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 358 ff) oder um eine Bereicherung in sonstiger Weise (so die ganz h. M., die eine Leistungskondiktion überhaupt nicht in Erwägung zieht und von § 812 I 1 2. Alt. BGB ausgeht; vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR § 53 V 2 a (S. 630) und Gerlach, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung, S. 14, 42 m. Fußn. 162, beide m. w. N. Nach a. A. kommt § 816 I 1 BGB zur Anwendung, vgl. MünchKommBGB/Lieb, § 812 Rdnr. 269 f; hiergegen zu Recht Gerlach, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung, S. 14 mit Fußn. 27). Zwar hat anerkanntermaßen die Leistungskondiktion Vorrang (Palandt/Thomas, § 812 Rdnr. 2), doch gewinnt die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion vor allem erst Bedeutung im Drei- und Mehrpersonenverhältnis oder wenn es um die Haftung eines Minderjährigen nach § 819 I BGB geht, der sich auf den Wegfall der Bereicherung beruft. Es sind jedoch bei dem Problem einer Zwangsvollstreckung aus vollstreckbaren Urkunden ohne zugrundeliegende Forderung praktisch keine Fälle denkbar, in denen bei Dreiecksverhältnissen die Frage relevant werden könnte, ob zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dem materiell unberechtigt vollstreckenden Gläubiger ein Leistungs- oder Eingriffsverhältnis besteht: Hat etwa der Gläubiger den Vollstreckungserlös an einen Dritten weitergegeben, so ist fur die Frage, ob und inwieweit der Schuldner Bereicherungsansprüche gegen den Dritten geltend machen kann, das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Dritten (insbesondere hinsichtlich eines Anspruchs aus § 822 BGB) ausschlaggebend. Das Problem dagegen, ob zwischen Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger die Zwangsvollstreckung sich als Leistungs- oder Eingriffsverhältnis darstellt, spielt weder fur einen Bereicherungsausgleich zwischen Vollstreckungsschuldner und Dritten noch fur Vollstreckungsschuldner und -gläubiger eine Rolle. Eine andere Fallkonstellation, in der es zu Dreiecksverhältnissen kommen kann, ist gegeben, wenn der Vollstreckungsgläubiger (materiell unberechtigt) mit der vollstreckbaren Urkunde in eine tatsächlich bestehende Fordening gegen einen Drittschuldner vollstreckt und der Drittschuldner an den Vollstreckungsgläubiger zahlt. Doch auch in diesem Fall spielt die Frage, ob es sich zwischen Vollstreckungsgläubiger und -Schuldner um ein Eingriffs- oder Leistungsverhältnis handelt, ebenfalls keine Rolle: Mit der Überweisung der gegen den Drittschuldner gerichteten Forderung an den Vollstreckungsgläubiger (gleichgültig ob zur Einziehung oder an Zahlungs Statt) wird dieser kraft Hoheitsakt gegenüber dem Drittschuldner verfugungsrechtlich wirksam forderungsberechtigt (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, § 835 Rdnr. 25 f)· D e r Drittschuldner zahlt damit an den wirklichen Empfanger und leistet somit mit Rechtsgrund. Daran ändert auch die Beendigung der Zwangsvollstreckung nichts (vgl. Gerlach, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung, S. 45). Daher "schrumpft" das Problem des Bereicherungsausgleichs wieder auf das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, weshalb es fur das Ergebnis letztlich ohne Belang bleibt, ob es sich um eine Kondiktion nach § 812 I 1 1. Alt. BGB oder § 812 I 1 2. Alt. BGB handelt.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

257

6. Abänderungsklage (§ 323 ZPO) und Vereinfachtes Verfahren (§§ 6411 ff ZPO)

Nicht selten kommt es bei Unterhalts- oder Schadensersatzrenten vor, daß der Schuldner sich wegen der zukünftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen der Zwangsvollstreckung unterwirft. Die Besonderheit dieser Ansprüche liegt darin, daß sie nach materiellem Recht nicht als einmalige Rechtsfolge eines abgeschlossenen Tatbestandes entstehen und dann grundsätzlich unverändert bleiben. Sie sind vielmehr in ihrem künftigen Bestand von der späteren Entwicklung der Verhältnisse (z. B. Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers, Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners) abhängig. Aus diesem Grund muß dem Schuldner945 ein Rechtsbehelf zur Verfügung gestellt werden, mit dem überprüft werden kann, ob sich die stets wandelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse anders entwickelt haben als angenommen wurde. Hierzu dienen die Abänderungsklage gem. § 323 ZPO946 und, sofern es um die Anpassung von Unterhaltsrenten Mindeijähriger an die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse geht, das Vereinfachte Verfahren nach §§ 641 1 ff ZPO947, welches unter den Voraussetzungen des § 323 V ZPO die Abänderungsklage verdrängt.

a) Die Abänderungsklage (§ 323 ZPO) Die Abänderungsklage ist nach ganz herrschender Meinung eine Gestaltungsklage948, die die Vollstreckbarkeit des Titels den veränderten materiellrechtlichen Verhältnissen anpaßt949. Nicht zuletzt deshalb wird auch - sofern 945

Entsprechendes gilt fur den Gläubiger; vgl. unten 2. Kap. D. II. 3.

946

Sie unterscheidet sich hierdurch von der Vollstreckungsgegenklage, deren Anwendungsbereich auf eher punktuell eintretende Ereignisse begrenzt ist. Siehe zu der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung der beiden Rechtsbehelfe unten 2. Kap. D. III. 8. 947

Siehe hierzu unten 2. Kap. D. I. 6. b).

948

Statt vieler MünchKommZPO/Gottwald, § 323 Rdnr. 2, 3; Thomas/Putzo, § 323 Rdnr. 1; Stein/Jonas/ Leipold, § 323 Rdnr. 34; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 323 Rdnr. 1; Zöller/ Vollkommer, § 323 Rdnr. 2; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 158 I 2 (S. 953). Hinsichtlich der Neufestsetzung der Leistungspflicht soll darüber hinaus die Klage (zusätzlich) dieselbe rechtliche Natur wie die des Vorprozesses haben. Sie sei insoweit (auch) Leistungs- oder Feststellungsklage. Vgl. zur Kritik hieran oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (3) sub (a). Die gestaltende Rechtsnatur äußert sich u. a. darin, daß vor Urteilserlaß die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt werden kann, auch auf Einrede des Schuldners hin nicht (Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 35). Somit ist auch hier wieder das Kriterium fur die Existenz eines Gestaltungsurteils gegeben: die Unzulässigkeit einer Inzidentbeurteilung des Gestaltungsgrundes (siehe hierzu oben 1. Kap. III. 2. b)).

17 Schultheis

2

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

mit der Abänderungsklage eine Herabsetzung der Leistungspflicht bezweckt wird - eine einstweilige Anordnung in analoger Anwendung des § 769 ZPO allgemein950 fur zulässig erachtet. Die Anwendbarkeit des § 323 ZPO auf vollstreckbare Urkunden ergibt sich aus dessen Absatz 4 951 . Unklar ist dabei jedoch, ob die Vorschrift nur solche gem. § 794 I Nr. 5 ZPO erfaßt oder auch die nach §§ 59, 60 SGB VIII und § 10 KonsularG. Heftig umstritten ist ferner die Anwendung der Absätze 1 - 3 des § 323 ZPO auf vollstreckbare Urkunden. Dies soll im folgenden kurz untersucht werden.

aa) Die von § 323 IV ZPO erfaßten vollstreckbaren Urkunden Der Wortlaut des § 323 IV ZPO erwähnt nicht ausdrücklich die in der Praxis häufig vorkommenden vollstreckbaren Urkunden des Jugendamtes, die früher in §§ 49, 50 JWG, später in §§ 59, 60 KJHG und seit dem 3. 5. 1993 in §§ 59, 60 SGB VIII geregelt sind. Die selteneren vollstreckbaren Urkunden eines Berufskonsuls bzw. eines anderen ausdrücklich ermächtigten konsularischen Beamten (vgl. § 10 KonsularG) finden ebenfalls keine Erwähnung. Dennoch bezieht sich § 323 IV ZPO auch auf diese. Das ergibt sich für die konsularischen Urkunden bereits aus § 10 II KonsularG, der die von einem Konsularbeamten aufgenommenen Urkunden ausdrücklich denen von einem inländischen Notar aufgenommenen gleichstellt. Entsprechendes gilt für die Jugendamtsurkunden aufgrund der Verweisung in § 60 I 3 SGB VIII, der für die "Zwangsvollstreckung" der Jugendamtsurkunden "die Vorschriften, die für die Zwangsvollstreckung aus gerichtlichen Urkunden nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozeßordnung gelten", mit wenigen Änderungen für "entsprechend" anwendbar erklärt. Daß dabei unter "Zwangsvollstreckung" insoweit ungenau nicht nur das eigentliche Vollstreckungsverfahren gemeint ist (was u. a. in 949

Vgl. statt vieler: Tempel, Mustertexte, Bd. II, § 13 III 1 f (S. 99); Finger, MDR 1971, 350 (354); Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 158 V I 2 (S. 960).

950

Statt aller: Thomas/Putzo, § 323 Rdnr. 30; Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 39; Baumbach/ Lauterbach/Hartmann, § 323 Rdnr. 54; Finger, M D R 1971, 350 (354).

951

Gem. § 323 IV ZPO ist die Abänderungsklage auch dann anzuwenden, wenn sich der Vater eines nichtehelichen Kindes wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Regelunterhalts (ggf. mit einem Zu- oder Abschlag) der Zwangsvollstreckung unterworfen hat (§§ 323 IV, 642 c Nr. 2 ggf. i. V. m. § 642 d). Für die Abänderung dieses Titels, d. h. des Grundtitels, nicht des Beschlusses auf Festsetzung des Regelunterhalts nach § 642 a ZPO, gelten die folgenden Ausfuhrungen mit Ausnahme der ursprünglichen Entstehungsgeschichte des § 323 IV ZPO entsprechend.

Exkurs: Für die Abänderung des Beschlusses nach § 642 a ZPO gilt dagegen § 642 b ZPO. Dieser schließt nicht die Abänderungsklage gegen den Grundtitel aus. Aufgrund des Abänderungsurteils über den Grundtitel hat dann wiederum eine Betragsfestsetzung nach § 642 a ZPO zu erfolgen; vgl. Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 51 mit Fußn. 134 m. w. N.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

259

§ 60 I 3 Nr. 1 SGB VIII deutlich wird), sondern die Vorschrift als generelle Verweisung auf "gerichtliche Urkunden nach § 794 I Nr. 5 ZPO" und folglich auch als Verweisung auf § 323 IV ZPO zu verstehen ist, wurde oben952 bereits dargelegt. Der BGH 953 begründet dieses Ergebnis zutreffend, aber nach dem zuvor gesagten nicht nötig, bei den Jugendamtsurkunden954 mit der weitgehenden Übereinstimmung der Urkunden: Es handelt sich jeweils "um eine im Rahmen amtlicher Befugnisse errichtete vollstreckbare Urkunde, in der der Verpflichtete mit entsprechendem Bindungswillen in vollstreckbarer Form Zahlung verspricht" 955. Die Anwendbarkeit des § 323 IV ZPO auf Jugendamtsurkunden bestätigt sich auch darin, daß eine solche Urkunde, sobald sie - wie gem. § 641 1 II ZPO möglich - im Vereinfachten Verfahren nach §§ 641 1 ff ZPO abgeändert worden ist, als Schuldtitel des § 641 ρ ZPO kraft ausdrücklicher Bestimmimg in § 323 IV ZPO der Abänderungsklage unterworfen wird. Dann aber muß auch der Ausgangstitel prinzipiell abänderbar sein956.

bb) Anwendbarkeit von § 323 I - III ZPO auf vollstreckbare Urkunden Die Anwendung der Absätze 1 - 3 des § 323 ZPO auf die Titel des § 794 I Nr. 1 und 5 ZPO ist auch heute noch heftig umstritten957. Nach der Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH vom 4. 10. 1982958 scheint sich nun aber die gegen eine entsprechende Anwendung der Absätze 1 - 3 des § 323 ZPO votierende Auffassung durchzusetzen. Zwar wird in der Mehrzahl der Fälle das Problem im Hinblick auf den Prozeßvergleich erörtert. Viele der dort genannten Argumente jedoch lassen sich auch auf die vollstreckbare Urkunde übertragen. Der Schuldner unterwirft sich regelmäßig im Hinblick auf eine mit dem Gläubiger getroffene vertragliche Vereinbarung 959 über Unter-

952

Siehe oben 2. Kap. C. II. 1. a) cc) (2).

953

BGH, NJW 1985, 64 (64) m. w. N. Ebenso OLG Celle, FamRZ 1991, 853; OLG Zweibmcken, NJW 1993, 473 (474); Klauser, MDR 1981, 711 (718). Eine gegenteilige Auffassung wurde und wird, soweit ersichtlich, nicht vertreten. 954

Das Problem wurde im Zusammenhang mit konsularischen Urkunden noch nicht behandelt. Hierfür trifft aber die nachfolgend wiedergegebene Begründung des BGH gleichfalls zu.

955

BGH, NJW 1985, 64.

956

BGH, NJW 1985,64.

957

Vgl. die Nachweise in den Fußnoten der folgenden Abschnitte.

958

BGHZ 85, 64 = NJW 1983, 228 = FamRZ 1983, 22.

959

Zu dem Fall, daß der Schuldner seine Zahlungspflicht ohne vorherige vertragliche Vereinba-

17"

26

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

haitszahlungen oder sonstige wiederkehrende Leistungen in einer Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung. Häufig handelt es sich bei dieser Vereinbarung um einen außergerichtlichen Vergleich gem. § 779 BGB. Somit liegen dann auch vergleichbar mit der Situation bei Prozeßvergleichen vertragliche Bindung und Vollstreckbarkeit vor.

(1) Wortlaut des § 323IV ZPO Gem. § 323 IV ZPO finden die "vorstehenden Vorschriften" auf die Schuldtitel des § 794 I Nr. 5 ZPO entsprechende Anwendungen, soweit in ihnen ein Anspruch auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen tituliert ist. Nach dem Wortlaut erscheint die Rechtslage eindeutig: Bei dem Begriff "vorstehende" kann es sich nach der Gesetzessystematik nur um die vorhergehenden Absätze 1 - 3 handeln. Eine Einschränkung der Verweisung läßt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Daß diese Anwendung nur "entsprechend" erfolgt, beruht darauf, daß einige der in den Absätzen 1 - 3 benutzen Termini 960 lediglich bei Urteilsverfahren zur Geltung kommen können961. Dieser insoweit eindeutigen Formulierung des Gesetzes kann nicht entgegengehalten werden, eine entsprechende Anwendung könne nur beim Vorliegen entsprechender Voraussetzungen in Betracht kommen, weshalb wegen der fehlenden Rechtskraft der Titel des § 794 I Nr. 1 und 5 ZPO die vornehmlich zum Schutz der Rechtskraft dienenden Absätze 2 und 3 des § 323 ZPO nicht angewendet werden könnten962. Mit einer solchen Argumentation wird der Bereich der wörtlichen Auslegung verlassen und bereits eine teleologische Reduktion (oder sogar Gesetzeskorrektur) vorgenommen. Dem Wortlaut des § 323 IV ZPO läßt sich nur entnehmen, daß der Gesetzgeber den zwischen Urteil und vollstreckbarer Urkunde bestehenden Unterschied hinsichtlich ihrer Bestandskraft ignorierte und die Gleichbehandlung mit Urteilen anordnete963. Nach dem Wortlaut des § 323 IV ZPO finden daher alle in den § 323 I - III ZPO enthaltenen Zeitschranken auch auf vollstreckbare Urkunden Anrung mit dem Gläubiger in einer Schuldurkunde anerkennt und sich darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, siehe unten 2. Kap. D. III. 7. 960

Z. B. "Verurteilung", "Urteil", "Schluß der mündlichen Verhandlung", "Erweiterung des Klageantrages". 961

Haase, NJW 1967, 1741 (1742); Gabius, NJW 1976, 313; Boetzkes, Abändeningsklage, S. 92; Kurz, Reformbedürftigkeit, S. 70. 962

So die Argumentation in Bezug auf die Nichtanwendbarkeit des § 323 I I I ZPO für vollstreckbare Urkunden von LG Hamburg, NJW 1961, 1478 (1479) und für Prozeßvergleiche LG Aachen, NJW 1962, 3151 (1352). 963

Ähnlich auch Boetzkes, Abänderungsklage, S. 92 f; Kurz, Reformbedürftigkeit, S. 70.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

26

wendung. Absatz 2 enthält eine zeitliche Schranke für die Berücksichtigung von klagebegründenden Tatsachen, Absatz 3 eine solche für die Rechtsfolgen an sich berücksichtigungsfähiger Umstände. Darüber hinaus ließe sich auch dem Wort "Änderungen" in Absatz 1 eine weitergehende Schranke dahin entnehmen, daß auch die Geltendmachung einer anfänglichen Fehleinschätzung der maßgeblichen Verhältnisse ausscheiden muß964.

(2) Entstehungsgeschichte

965

des § 323IV ZPO

Der durch die Novelle von 1898 eingeführte § 323 ZPO bestand zunächst nur aus den Absätzen 1 - 3 , ließ mithin eine Abänderung nur bei Urteilen zu. Bis zur Einführung des § 323 IV ZPO im Jahre 1919 wurden die auf zukünftig fallig werdende wiederkehrende Leistungen lautenden vollstreckbaren Urkunden, die damals noch als materielle Rechtsgeschäfte aufgefaßt wurden 966, sowie gerichtlichen Vergleiche allgemein für unabänderlich gehalten. Für eine Abänderung existierte weder eine formelle noch eine materielle Rechtsgrundlage, da das Institut des Fortfalls der Geschäftsgrundlage zu jener Zeit noch nicht entwickelt war. Deshalb wollte der Reichsgesetzgeber mit Anfügimg des § 323 IV ZPO die bis dahin einzige Abänderungsmöglichkeit, die das Gesetz in § 323 I - III ZPO für Urteile vorsah, auf Vergleiche und Urkunden nach § 794 I Nr. 1 und 5 ZPO ausdehnen. Dies war umso nötiger, als durch den kriegsbedingten Währungsverfall die Gläubiger solcher Titel hart betroffen waren. Dabei wurde schnell gearbeitet: Urantrag und alle drei Lesungen erfolgten sofort hintereinander und die juristische Erörterung im Gesetzgebungsverfahren beschränkte sich auf die beifällig aufgenommene Bemerkung des Präsidenten der Nationalversammlung, es sei sachgemäß, die Erhöhung eines Betrags nicht nur dann zuzulassen, wenn er durch Urteil festgesetzt sei967. Die Rechtslage bei Schaffung des Absatzes 4 des § 323 ZPO im Jahre 1919 unterschied sich damit von der heutigen insofern, als das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage noch nicht bekannt, eine Anpassung allein nach bürgerlichen Recht also noch nicht möglich war. Zwar kannte bereits das ältere gemeine Recht den dahinterstehenden Gedanken, daß Verträge nur so lange bindend sein sollen, als die zugrundeliegenden Verhältnisse sich nicht 964

So Boetzkes, Abänderungsklage, S. 111 ff.

965

Vgl. hierzu BGH, NJW 1983 228; Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 49; Boetzkes, Abänderungsklage, S. 94 ff; Kurz, Reformbedürftigkeit, S. 67 f, 70 ff.

966

Vgl. hierzu ausführlich Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 63 ff; 82 ff.

967

Vgl. Lucas, JW 1925, 737.

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

26

wesentlich geändert haben. Dieser Grundsatz wurde jedoch später abgelehnt, weil man das Vertrauen in den Bestand vertraglicher Verpflichtungen als gefährdet ansah. Dementsprechend wurde er auch nicht ins BGB aufgenommen968. § 323 IV ZPO schuf daher bei seinem Erlaß eine bislang nicht gegebene Abänderungsmöglichkeit. Anders dagegen nach der bereits 1920 einsetzenden Entwicklung969 des materiellrechtlichen Instituts vom Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage: Seit dieser Zeit stellt auch das materielle Recht einen Weg zur Verfugung, der eine Anpassung ermöglicht. Die bei Schaffung des § 323 IV ZPO vorhandene Normsituation hat sich damit wesentlich geändert: Die entsprechende Anwendung der Absätze 1 - 3 auf die Fälle des § 323 IV ZPO stellt nun entgegen der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers keine Erweiterung der materiellrechtlichen Abänderungsmöglichkeiten mehr dar, sondern vielmehr umgekehrt eine Einschränkung. Ungewiß bleibt, ob der Gesetzgeber diese Regelung bei Kenntnis der späteren Rechtsentwicklung überhaupt getroffen hätte. Da nicht mit einer ständigen Anpassung der Gesetze an veränderte Verhältnisse gerechnet werden kann, spricht die Entstehungsgeschichte eher dafür, von einer Anwendung der Absätze 1 - 3 auf die Titel des § 794 I Nr. 1 und 5 ZPO abzusehen970 und allein die Grundsätze vom Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage anzuwenden971. Dies gilt umso mehr, als prozeßrechtliche Erwägungen, auf denen die § 323 I - III ZPO beruhen, fur sich alleine keinen Grund bilden, den Parteien ihre materiellen Rechte abzuschneiden972. Es hat vielmehr die allgemeine Interpretationsmaxime bei der Auslegung prozessualer Vorschriften zu gelten, daß das "materielle Recht ... unter der Herrschaft 968

MünchKommBGB/Roth, 3. Aufl., § 242 Rdnr. 500; Kurz, Reformbedürftigkeit, S. 73; R. Köbler, "clausula rebus sie stantibus", S. 68.

969

In seiner Entscheidung vom 21. 9. 1920 (RGZ 100, 129 (131)) begann das Reichsgericht das Problem des Währungsverfalls mit Hilfe der clausula rebus sie stantibus unter Rückgriff auf §§ 242, 157, 325 BGB materiellrechtlich anzugehen. Den eigentlichen Durchbruch und die darauf folgende Anerkennung durch die Rechtsprechung erfuhr die Lehre von der Geschäftsgrundlage dann 1921 durch die Ausführungen von Oertmann, Geschäftsgnindlage, insbes. S. 25 ff. Vgl. hierzu R. Köbler, "clausula rebus sie stantibus", S. 92 ff. 970

Vgl. BGH, NJW 1983, 228; Kuiz, Reformbedürftigkeit, S. 81.

971

So die heute wohl h. M. Vgl. BGH, NJW 1963, 2076 (2078 f); BGH, NJW 1983, 228 (228 ff); BGH, NJW 1985, 64 (65 f); BGH, NJW 1986, 2054; BGH, NJW 1990, 709 (710); BGH, NJW 1990, 3274; BGH, FamRZ 1991, 542 = BGH, NJW-RR 1991, 514; BGH, NJW-RR 1991, 1154 (1155); Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 323 Rdnr. 73 - 75; Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 47; Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 51; Birk, NJW 1954, 75 (75 f); Ziege, JR 1960, 102; Behr, FamRZ 1962, 187 (187 f); Erting, Abändeningsklage, S. 61 ff; Finger, MDR 1971, 350 (353); Hahne, FamRZ 1983, 1189 (1194); Schreiber, JR 1983, 201; Kurz, Reformbedürftigkeit, S. 80 ff; Graba, NJW 1988,2343 (2344). 972

BGH, NJW 1983, 228 (229).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

26

der Prozeßgesetze nicht oder doch nur möglichst wenig leiden"973 soll und in Zweifelsfällen - wenn irgend vertretbar - die Prozeßgesetze so auszulegen sind, daß sie eine Entscheidung über die materielle Rechtslage ermöglichen und nicht verhindern 974.

(3) Entsprechende Anwendung des § 3231 und II ZPO Wendet man § 323 I, II ZPO auf vollstreckbare Urkunden "entsprechend" an975, so kann eine Abänderungsklage nur mit Erfolg erhoben werden, wenn eine "Änderung" in den "maßgebenden Verhältnissen" eingetreten ist (§ 323 I ZPO). Darüber hinaus wäre erforderlich, daß die Gründe, auf denen diese "Änderung" beruht, erst nach Errichtung der vollstreckbaren Urkunde entstanden sind. Unter "maßgebenden Verhältnissen" i. S. d. § 323 I ZPO können bei der vollstreckbaren Urkunde nur solche verstanden werden, von denen die Parteien bei Abschluß ihrer vertraglichen Vereinbarung ausgegangen sind. Diese waren für sie insofern "maßgebend" als sie Höhe und Dauer der wiederkehrenden Leistung daran orientierten. Somit ist fur die Frage, was maßgebend ist, auch bei entsprechender Anwendung des § 323 I ZPO allein der Wille der Parteien entscheidend. Nicht anders verhält es sich aber, wenn man allein auf 973 RGZ 105, 422 (427); vgl. auch Gaul, AcP 168 (1968), 27 (37 ff); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 V 2 b (S. 470); Zöller/Vollkommer, Einl. Rdnr. 92. 974

Zöller/Vollkommer, Einl. Rdnr. 92.

975

Für eine entsprechende Anwendung des § 323IZPO etwa: LG Tübingen, NJW 1953, 1476; LG Braunschweig, NJW 1960, 1956 (1958); LG Köln, NJW 1967, 1093; OLG München, FamRZ 1980, 922 (923); OLG Köln, FamRZ 1982, 713; Kurtze, JR 1951, 171 (172); Gabius, NJW 1976, 313 (313 f); Grunsky, ZZP 77, 316 (317); ders., ZZP 96, 260 (264); Boetzkes, Abändeningsklage, S. 104 ff. Gegen eine entsprechende Anwendung des § 323 I ZPO etwa: BGH, NJW 1963, 2076 (2079); BGH, NJW 1983, 228 (230); BGH, NJW-RR 1991, 514; Stein/Jonas/Münzberg, § 323 Rdnr. 55; Finger, M D R 1971, 350 (351 f); Graba, NJW 1988, 2343 (2344). Für eine entsprechende Anwendung des § 323 II etwa: LG Stuttgart, MDR 1960, 232; LG Braunschweig, NJW 1960, 1956 (1958); LG Köln, NJW 1967, 1093; OLG Köln, FamRZ 1982, 713; OLG Frankfurt, FamRZ 1983, 755 (756); Kurtze, JR 1951, 171 (172); Grunsky, ZZP 77 (1964), 316 (317); Boetzkes, Abändeningsklage, S. 121 ff; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 61. 1 f; wohl auch MünchKommZPO/Gottwald, § 323 Rdnr. 62. Gegen eine entsprechend Anwendung des § 323 II ZPO etwa: BGH, NJW 1983, 228 (230); BGH, NJW 1985, 64 (65 f); BGH, NJW 1990, 3274; Baumbach/Lauteibach/Hartmann, § 323 Rdnr. 73 - 75; Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 47; Thomas/Putzo, § 323 Rdnr. 26; Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 51; Etting, Abänderungsklage, S. 61 ff; Finger, MDR 1971, 350 (352); Graba, NJW 1988,2343 (2344).

26

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

das materiellrechtliche Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage abstellt. Denn Geschäftsgrundlage sind nach h. M. 976 die bei Abschluß eines Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem zukünftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Soweit es um den (nachträglichen) Wegfall der Geschäftsgrundlage geht, entsprechen damit die Anspruchsvoraussetzungen für die Abänderung der Leistimg im Ergebnis denen des § 323 I ZPO977. Anders dagegen beim anfänglichen Fehlen der Geschäftsgrundlage: Während auch in diesem Fall materiellrechtlich eine Anpassungsmöglichkeit besteht978, wäre diese bei entsprechender Anwendung des § 323 I ZPO verschlossen, da diese Vorschrift nur von "Änderungen" im Sinne einer nachträglichen Veränderung spricht 979. Ausgeschlossen wäre damit - unabhängig vom Zeitpunkt der Urkundenaufhahme - der Vortrag all jener Umstände, die bereits bei der vertraglichen Einigung der Parteien objektiv vorlagen. Eine ähnliche Präklusion brächte die entsprechende Anwendung des § 323 II ZPO mit sich: ausgeschlossen wären danach diejenigen Umstände, die bis zum Abschluß der Urkundenaufhahme objektiv980 vorlagen. Diese Präklusionen erscheinen aber bei der vollstreckbaren Urkunde nicht gerechtfertigt. Zwar dienen die Absätze 1 und 2 nicht - zumindest nicht allein - dem Schutz der materiellen Rechtskraft eines zuvor ergangenen Urteils über wiederkehrende Leistungen, denn nach h. M 9 8 1 hindert die Zulässigkeit eines 976

Statt aller Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnr. 113 m. w. N.

977

Boetzkes, Abänderungsklage, S. 109; Graba, NJW 1988, 2343 (2344). Diese Übereinstimmung besteht zumindest dann, wenn - wie wohl regelmäßig bei auf wiederkehrende Leistungen gerichteten Ansprüchen - das Festhalten am Vertrag fur die die Abänderung begehrende und durch die Veränderung der Verhältnisse benachteiligte Partei unzumutbar ist. 978

Eine Anpassungsmöglichkeit scheidet allerdings bei einem bürgerlichrechtlichen Vergleich i. S. d. § 779 BGB - einem gesetzlich geregelten Sonderfall des Fehlens der subjektiven Geschäftsgrundlage (vgl. statt aller Palandt/Thomas, § 779 Rdnr. 13) - dann aus, wenn der nach dem Inhalt des Vertrages zugrunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspricht und zugleich bei Kenntnis des wirklichen Sachverhalts der Streit oder die Ungewißheit, die der Vertrag beseitigen wollte, nicht entstanden sein würde. In diesem Fall ist gem. § 779 BGB der Vergleich selbst unwirksam. 979

So ausdrücklich Boetzkes, Abänderungsklage, S. 111 ff.

960 ç 323 π ZPO ist nach h. M. im objektiven Sinne zu verstehen, d. h. die Unkenntnis der Partei oder ein Irrtum des Gerichts über vorliegende Umstände genügt für die Begründung der Abänderungsklage nicht; vgl. Graba, NJW 1988, 2343 (2346) m. w. N. 981

Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 11; MünchKommZPO/Gottwald, § 323 Rdnr. 8; Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 13; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 323 Rdnr. 10 m. w. N.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

265

sonstigen Rechtsmittels nicht die Erhebung der Abänderungsklage982. Die Präklusionsvorschriften tragen vielmehr dem Vertrauen der Parteien in die Bestandskraft des zuvor ergangenen Urteils Rechnung. Nur das Risiko, daß die zukünftige Entwicklung anders abgelaufen ist, als sie vom Gericht in seiner Entscheidung prognostiziert wurde, will § 323 ZPO jedem Partner abnehmen, nicht hingegen die Gefahr, daß das Urteil auf einer falschen Bewertung der gegenwärtigen Verhältnisse beruht. Im letzten Fall befindet sich der jeweils Benachteiligte in der gleichen Lage wie jeder andere, der vor Gericht sein Recht nicht durchsetzen konnte. Er kann die falsche Bewertung der gegenwärtigen Verhältnisse daher nur im Rahmen der üblichen Rechtsmittel zur Geltung bringen, und daß ihm nicht noch über § 323 ZPO ein zusätzlicher Weg hierfür zur Verfügung steht, wollen die § 323 I und II ZPO gerade verhindern 983. Diejenigen, die eine Anwendung des § 323 I, II ZPO auf die vollstreckbare Urkunde befürworten, argumentieren jedoch damit, daß das Vertrauen in die Bestandskraft eines Titels i. S. d. § 794 I Nr. 5 ZPO ebenso schutzwürdig sei wie bei Urteilen, denn diese Titel dienten genau dem gleichen Ziel wie ein Urteil, nämlich dem Gläubiger durch die Vollstreckbarkeit eine ebenso sichere Rechtsposition zu gewährleisten984. Dieser Argumentation kann aber nicht gefolgt werden: Daß die vollstreckbare Urkunde nicht in derselben Weise wie ein Urteil Bestandskraft genießt, hat der Gesetzgeber bei der Vollstreckungsgegenklage zum Ausdruck gebracht, indem er in § 797 IV ZPO die dem § 323 II ZPO entsprechende Vorschrift des § 767 II ZPO bei der Vollstreckungsgegenklage für unanwendbar erklärte. Zwar decken sich Vollstreckungsabwehrklage und Abänderungsklage in ihren Anwendungsbereichen nicht, sie dienen aber verwandten Zwecken und sind in der Praxis nur schwer voneinander abgrenzbar. Bereits dies legt nahe, der Verweisung des § 323 IV ZPO auf § 323 I, II ZPO keine praktische Bedeutung beizumessen985. Es fehlt bei der vollstreckbaren Urkunde an einem qualifizierten Vertrauenstatbestand, denn die Mitwirkung der beurkundenden Stelle beschränkt sich auf die bloße Protokollierung und ggf. noch auf die ih982

So zutreffend Finger, MDR 1971, 350 (352).

983

Vgl. Finger, MDR 1971, 350 (352).

984

So Boetzkes, Abändeningsklage, S. 112 f, 123 f f m. w. N.

985

BGH, NJW 1983, 228 (230). Dem kann nicht entgegengehalten werden, aus der erst später eingefugten Verweisung in § 323 IV ZPO auf § 323 I, II ZPO folge gerade dessen Anwendbarkeit (so aber Boetzkes, Abänderungsklage, S. 128 gegen BGH a.a.O.), denn dies erklärt sich historisch: § 323 IV ZPO sollte eine Erweiterung der - damals materiellrechtlich noch nicht möglichen - Abänderungsmöglichkeit schaffen, nicht hingegen materiellrechtliche Abänderungsmöglichkeiten (wie sie durch die Entwicklung der Lehre vom Fehlen bzw. Fortfall der Geschäftsgrundlage entstanden sind) beschneiden.

266

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

nen nach dem BeurkG obliegenden Hinweise, umfaßt aber nicht die Erörterung, geschweige denn Prüfung, der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse. Häufig werden sich die Parteien auch schon vorher vertraglich geeinigt haben, bevor der Schuldner sich der Zwangsvollstreckung unterwirft. Grundlage der gegenseitigen Verpflichtung und eines zu schützenden Vertrauens ist dann allein eben diese vertragliche Vereinbarung. Folglich sind auch spätere Änderungen in dem Umfang möglich, wie sie das materielle Recht vorsieht - und dies gestattet eben beim anfänglichen Fehlen der Geschäftsgrundlage auch ein Zurückgehen hinter den Abschlußzeitpunkt986. Dem Vertrauensschutz des Titelgläubigers vor einer rückwirkenden Änderung kann überdies durch § 818 III BGB hinreichend Rechnung getragen werden987.

(4) Entsprechende Anwendung des § 323 III ZPO Wäre § 323 III ZPO auf die vollstreckbare Urkunde anwendbar988, so könnten sich Rechtsfolgen aus an sich berücksichtigungsfähigen Umständen 986

So ausdrücklich insbesondere auch BGH, NJW 1985, 64 (65); Finger, MDR 1971, 350 (352).

987

BGH, NJW 1990, 3274; BGH, NJW 1983, 228 (229); Kurz, Reformbedürftigkeit, S. 86; a. A. OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, 1156 (1157); OLG Bamberg, FamRZ 1988, 640. Im umgekehrten Fall einer Abänderungsklage des Gläubigers kann der Schuldner vor unbilligen Nachforderungen durch § 242 BGB (der insbesondere auch bei der Rechtsfolgenbestimmung im Falle des Wegfalls bzw. Fehlens der Geschäftsgrundlage zu beachten ist) und § 1613 BGB ausreichend geschützt werden. 988

Für eine entsprechende Anwendung des § 323 III ZPO etwa: BGH, FamRZ 1982, 480 (481 f); OLG Köln, FamRZ 1982, 713 (713 f); OLG Frankfurt, FamRZ 1983, 755 (756); LG Tübingen, NJW 1953, 1476; LG Braunschweig, NJW 1960, 1956 (1958); LG Düsseldorf, NJW 1951, 202 (203); Ahlers, FamRZ 1962, 186 (187); Rosenberg, JZ 1963, 713; Grunsky, ZZP 77 (1964), 316 (317); ders., ZZP 96 (1983), 260 (260 ff); Bauer, JR 1965, 255 ff; Haase, NJW 1967, 1741 (1742); Gabius, NJW 1976, 313 (313 f); Klauser, MDR 1981, 711 (715); Deisenhofer/Göhlich, FamRZ 1984, 229 (229 f); Boetzkes, Abänderungsklage, S. 133 ff; Jakoby, Verhältnis der §§ 323 und 767 ZPO, S. 253 f. Gegen eine entsprechende Anwendung des § 323 III ZPO etwa: BGH, NJW 1963, 2076 (2078 f); BGH, NJW 1983, 228 (228 ff); BGH, NJW 1985, 64 (65 f); BGH, NJW 1986, 2054; BGH, NJW 1990, 709 (710); BGH, NJW 1990, 3274 (3274); BGH, FamRZ 1991, 542 = NJW-RR 1991, 514; BGH, NJW-RR 1991, 1154 (1155); Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 323 Rdnr. 73 - 75; Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 47; Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 51; Birk, NJW 1954, 75 (75 f); Ziege, JR 1960, 102; Behr, FamRZ 1962, 187 (187 f); Erting, Abänderungsklage, S. 61 ff; Finger, MDR 1971, 350 (353); Hahne, FamRZ 1983, 1189 (1194); Schreiber, JR 1983, 201; Kurz, Reformbedürftigkeit, S. 80 ff; Graba, NJW 1988, 2343 (2344). Zur Frage, (869); Braun, 1993, 2085 f. Untersuchung ist.

ob § 323 III ZPO überhaupt verfassungsgemäß ist, vgl. Meister, FamRZ 1980, 864 NJW 1992, 1593 ff; ders., JuS 1993, 353 ff. Hiergegen wiederum Waldner, NJW Die Frage kann im Rahmen dieser Arbeit offen bleiben, da sich aus der folgenden ergibt, daß § 323 III ZPO ohnehin bei vollstreckbaren Urkunden nicht anwendbar

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

267

erst ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung ergeben. Diejenigen, die eine Anwendung des § 323 III ZPO auf vollstreckbare Urkunden befürworten, argumentieren zum einen mit dem bereits oben widerlegten Argument, das Vertrauen in die Bestandskraft eines Titels i. S. d. § 794 I Nr. 5 ZPO sei ebenso schutzwürdig wie bei Urteilen. Zum anderen verfolge § 323 III ZPO den Zweck, Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Abänderungszeitpunktes auszuräumen989. Auch gelte es, den Abänderungsgegner vor Rückzahlungen, bzw. den Schuldner im Falle der Abänderungsklage durch den Gläubiger vor Nachforderungen, zu schützen990. § 323 III ZPO läßt sich als eine Ergänzung des § 323 II ZPO auffassen 991. Er dient zwar ebensowenig wie dieser - zumindest nicht in erster Linie - dem Schutz der materiellen Rechtskraft 992, denn die Zulässigkeit eines sonstigen Rechtsmittels hindert nicht die Erhebung der Abänderungsklage993. Geschützt werden soll aber auch hier das Vertrauen auf die zuvor ergangene richterliche Entscheidung, und dieses Vertrauen wird vom Gesetzgeber so lange als schutzwürdig angesehen, bis der andere Teil etwas dagegen unternimmt994. Auf den Bestand einer vertraglichen Vereinbarung über wiederkehrende Leistungen darf man aber nicht weiter vertrauen, als auf jede andere vertragliche Vereinbarung auch - selbst dann nicht, wenn sich der Schuldner derentwegen der Zwangsvollstreckung unterworfen hat995. Schließlich will der Schuldner sich durch die Unterwerfungserklärung nicht seiner materiellen Rechte begeben996; vielmehr soll nur eine Vollstreckungsmöglichkeit ohne vorherigen Prozeß geschaffen werden. Lediglich die Initiativlast für ein späteres Erkenntnisverfahren übernimmt der Schuldner für den Fall, daß der titulierte Anspruch zu hoch ist oder nicht mehr besteht997. § 323 III ZPO findet deshalb bei vollstreckbaren Urkunden ebenfalls keine Anwendung. Dem kann - wie bereits im Zusammenhang mit § 323 I, II ZPO ausgeführt - auch nicht entgegen989

So etwa BGH, FamRZ 1982, 480 (481); Boetzkes, Abänderungsklage, S. 134 m. w. N.

990

So etwa Grunsky, ZZP 96 (1983), 260 (263); Bauer, JR 1965, 255 (256); Haase, NJW 1967, 1741 (1742); Gabius, NJW 1976, 313 (315 f).

991

BGH, NJW 1983,228 (230).

992

So aber etwa LG Hamburg, NJW 1961, 1478 (1479); LG Aachen, NJW 1962, 1351 (1352); Wieczorek, § 323 Anm. G II; Birk, NJW 1954, 75.

993

Siehe oben 2. Kap. D. I. 6. a) bb) (3).

994

Finger, M D R 1971, 350 (353).

995

Siehe bereits oben 2. Kap. D. I. 6. a) bb) (3).

996

Ebensowenig sollen umgekehrt dem Gläubiger durch die Unterwerfungserklärung seine materiellen Rechte abgeschnitten werden, was aber der Fall wäre, griffe die Zeitschranke des § 323 I I I ZPO bei der vollstreckbaren Urkunde ein. 997

Siehe oben 2. Kap. D. I. l . a ) .

2

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

gehalten werden, der Gläubiger müsse vor Rückzahlungen (bzw. im umgekehrten Fall der Schuldner vor Nachzahlungen) geschützt werden, denn das materielle Recht bietet mit § 818 III BGB (bzw. §§ 242, 1613 BGB) einen ausreichenden und flexibleren Schutz998 als die starre Zeitschranke des § 323 III ZPO. Auch der weitere Zweck des § 323 III ZPO, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, steht dem hier vertretenen Ergebnis nicht entgegen, denn auch sonst ist die Gefahr von Beweisschwierigkeiten kein Grund, den Parteien aus prozeßrechtlichen Erwägungen materielle Recht abzuschneiden999.

(5) Verteidigung gegen systematische Bedenken Der Ablehnung einer Anwendbarkeit des § 323 I - III ZPO auf vollstreckbare Urkunden könnten jedoch systematische Bedenken entgegenstehen. Noch im Gesetz vom 29. 7. 1976 hat der Bundesgesetzgeber bei Einfuhrung des vereinfachten Verfahrens zur Abänderung von Unterhaltstiteln gem. §§ 641 1 ff, das gemäß § 641 1 II ZPO auch für vollstreckbare Urkunden gilt, ebenfalls die Rückwirkung der Abänderung begrenzt - und zwar auf den Zeitpunkt der Einreichung oder Anbringimg des Antrags (§ 641 ρ I 2 ZPO). Damit wurde erneut eine dem § 323 III ZPO entsprechende Regelung für vollstreckbare Urkunden geschaffen 1000. Dies erklärt sich aber aus dem Zweck des Vereinfachten Verfahrens und dessen Zusammenspiel mit § 323 ZPO (vgl. § 323 V ZPO): Das Vereinfachte Verfahren soll den Parteien die Möglichkeit eröffnen, mit möglichst wenig Arbeitsaufwand und Zeitverlust Unterhaltstitel nach Maßgabe der Anpassungsverordnung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Daneben soll die Klage nach § 323 ZPO zulässig bleiben, wenn das Vereinfachte Verfahren nicht ausreicht. Im Interesse einer Rationalisierung wollte man nur bei Behauptung einer wesentlichen Divergenz zwischen vereinfachter (§§ 641 1 ff ZPO) und individueller (§ 323 ZPO) Anpassung den Weg zu einer materiell gerechten Entscheidung über die Abänderungsklage nach § 323 ZPO offenhalten. Dieser Zielsetzung entspricht es, im Vereinfachten Verfahren eine Abänderung nur für die Zeit nach Einreichung des Antrags zuzulassen, dagegen im Rahmen des § 323 ZPO auch für die Zeit vor Klageerhebung eine Abänderung zu ermöglichen1001. Seine Entsprechung findet dies 998

Siehe oben 2. Kap. D. I. 6. a) bb) (3) mit Fußn. 987.

999

So ausdrücklich BGH, NJW 1983, 228 (229); Kurz, Reformbedürftigkeit, S. 81.

1000

Hierauf weisen hin etwa LG Oldenburg, MDR 1978, 322; OLG München, FamRZ 1980, 922 (923); Deisenhofer/Göhlich, FamRZ 1984, 229 (230); Boetzkes, Abänderungsklage, S. 97 f. ,00

· BGH, NJW 1983, 228 (229).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

269

in gewisser Weise auch im materiellen Recht: Gem. § 1612 a II 4 BGB wird die Anpassung nicht titulierter 1002 Unterhaltsansprüche materiellrechtlich ebenfalls erst mit Zugang (§130 BGB) der Anpassungserklärung des Berechtigten oder Verpflichteten wirksam. Erst von diesem Zeitpunkt an schuldet der Unterhaltsschuldner den sich aus der Anpassungsverordnung1003 ergebenden höheren oder niedrigeren Unterhaltsbetrag 1004. Dem entspricht es bei titulierten Unterhaltsansprüchen an die Stelle des Zugangs der Anpassungserklärung den Zeitpunkt der Einreichung oder Anbringung des Abänderungsantrags i. S. d. § 641 1 ZPO zu setzen (§ 641 ρ I 2 ZPO). Im übrigen könnte auch das Vereinfachte Verfahren seinen Rationalisierungszweck nicht erfüllen, wenn auch hier der Zeitpunkt des Zugangs der Abänderungserklärung beim Antragsgegner maßgeblich wäre. Dieser wird nämlich häufig den Zugang bestreiten. Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme würden unter Umständen nötig werden, um den in der Vergangenheit liegenden Abänderungszeitpunkt zu ermitteln. Dies aber ist im Vereinfachten Verfahren nicht möglich (§ 641 ρ I 1 ZPO) und würde auch dessen Zweck zuwiderlaufen. Schließlich kann durch die Einführung des § 641 ρ I 2 ZPO nicht geschlossen werden, daß die zum Teil bis dahin ausgeformte Rechtsprechung zur Nichtanwendung des § 323 III ZPO auf vollstreckbare Urkunden und Prozeß vergleiche durch die neue Gesetzgebung korrigiert werden sollte, denn mit dieser Rechtsprechung hat sich - worauf der BGH 1005 hinweist - der Gesetzgeber überhaupt nicht auseinandergesetzt.

cc) Umfang der Abänderung Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß für die Klage auf Abänderung einer vollstreckbaren Urkunde die Absätze 1 - 3 des § 323 ZPO keine praktische Bedeutung mehr haben. Die Verweisung in § 323 IV ZPO erschöpft sich in der Klarstellung, daß außer Urteilen auch die dort aufgeführten Vollstreckungstitel abgeändert werden können. Die Abänderung selbst erfolgt nur nach den Vertragsgrundsätzen des materiellen Rechts, also nach der Lehre vom Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage. Daraus ergibt sich auch die Beantwortung der Frage, ob im Rahmen der Abänderungsklage eine freie Neufestsetzung der Leistung erreicht werden kann: Die Lehre vom Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage ermöglicht nach allgemeiner Auffassung1006 eine Anpassung der Leistung nur insoweit, als dies aus Gründen der 1002

Vgl. § 1612 a I I 4 2. HS BGB.

1003

Vgl. § 1612 a I I 1 BGB.

1004

Vgl. statt aller Palandt/Diederichsen, § 1612 a Rdnr. 10.

1005

BGH, NJW 1983, 228 (229).

270

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

veränderten Verhältnisse unumgänglich notwendig ist, um ein mit Treu und Glauben zu vereinbarendes Ergebnis zu erzielen. Die Neubewertung auch der unveränderten Verhältnisse, von welchen die Parteien bei Abschluß ihrer Vereinbarung ausgegangen waren, würde demgemäß über das materiell zulässige Maß hinausgehen. Eine freie Neufestsetzung kommt daher bei vollstreckbaren Urkunden ebensowenig in Betracht wie bei Urteilen 1007.

b) Vereinfachtes

Verfahren,

§§ 641 Iff ZPO

Das Vereinfachte Verfahren nach §§ 641 1 ff ZPO kommt in Betracht, wenn sich der Schuldner wegen künftig fällig werdender wiederkehrender Unterhaltszahlungen an einen Mindeijährigen der Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Besonderheiten im Vergleich zu anderen Vollstreckungstiteln bestehen nicht, weswegen auf das Verfahren hier nur kurz eingegangen wird 1008 : Seine Anwendbarkeit auf vollstreckbare Urkunden ergibt sich aus § 641 1 II ZPO. Es dient dazu, den Titel der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Wenn eine solche Änderung erforderlich ist, wird durch Rechtsverordnung der Bundesregierung (sogenannte Anpassungsverordnung, § 1612 a II 1 BGB) der Prozentsatz der Erhöhung oder Herabsetzung dieser Unterhaltsrenten bestimmt. Im Vereinfachten Verfahren kann dann nur diese Abänderung nach Maßgabe der Anpassungsverordnung verlangt werden. Um den Vereinfachungszweck der §§ 641 1 ff ZPO nicht zu gefährden, schränkt § 323 V ZPO die Zulässigkeit von Abänderungsklagen ein. Die Abänderungsklage ist daher nur zulässig, wenn die Anpassung im Vereinfachten Verfahren zu einem wesentlich anderen Unterhaltsbetrag fuhren würde als die Bemessung des Unterhalts nach Maßgabe der veränderten Verhältnisse der Parteien. Zu vergleichen ist der Betrag, der sich aufgrund der vereinfachten Abänderung nach Maßgabe der Anpassungsverordnung ergäbe, mit dem, welcher bei einer Abänderung nach Regeln des § 323 ZPO festzusetzen wäre. Die Abänderungsklage nach § 323 ZPO ist sowohl dann zulässig, wenn die individuelle 1006 Statt aller: Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnr. 130 ff; MünchKommBGB/Roth, 3. Aufl., § 242 Rdnr. 544 ff. 1007

BGH, NJW-RR 1991, 514; BGH, NJW 1985, 64 (66); BGH, NJW 1979, 1656 (1658); Stein/ Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 55; Boetzkes, Abänderungsklage, S. 115 ff. Für die vergleichbare Problematik bei Prozeßvergleichen: OLG Frankfurt, FamRZ 1980, 894 (895); Graba, NJW 1988, 2343 (2345). Eine Grenze der Bindung ergibt sich allerdings dort, wo die Vereinbarung selbst wegen Verstoßes gegen zwingende gesetzliche Vorschriften nichtig ist oder wenn sich die Geschäflsgrundlage überhaupt nicht ermitteln läßt. Dann ist eine freie Neufestsetzung möglich; vgl. Boetzkes, Abänderungsklage, S. 119 m. w. N. 1008 Zu Einzelheiten vgl. die Kommentierungen zu den §§ 641 1 f f ZPO in den einschlägigen ZPOKommentaren sowie Kurz, Reformbedürftigkeit, S. 88 ff (insbesondere S. 98 ff).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

271

Abänderung zu einem wesentlich höheren als auch dann, wenn sie zu einem wesentlich niedrigeren Betrag fuhrt als die Anpassung im Vereinfachten Verfahren. Obgleich das Vereinfachte Verfahren nicht durch eine Klage eingeleitet wird und auch nicht mit einem Urteil, sondern mit einem Beschluß endet (vgl. § 641 ρ I 1 ZPO), ist es nach der hier vorgenommenen Einteilung zu den verfahrensexternen Rechtsbehelfen zu rechnen. Materiell 1009 erfüllt die Entscheidung1010 nach § 641 ρ ZPO alle Voraussetzungen eines Gestaltungsurteils, auch wenn sie in Beschlußform erlassen wird 1011 . Sie wird mit Ablauf der Frist des § 577 II ZPO rechtskräftig (§ 641 ρ III 1 ZPO)1012 und wirkt gestaltend auf eine bestehende Rechtslage ein, indem sie - ebenso wie das Abänderungsurteil nach § 323 ZPO, an dessen Stelle sie wegen § 323 V ZPO im Einzelfall treten kann - den Vollstreckungstitel abändert. Die gestaltende Natur äußert sich hier - wie sonst auch bei Gestaltungsurteilen im zumindest "materiellen" Sinne - in der Unzulässigkeit von Inzidentbeurteilungen der Gestaltungsvoraussetzungen1013: Vor Erlaß des Beschlusses nach § 641 ρ ZPO können und dürfen die Veränderungen aufgrund der Anpassungsverordnung (die in Zeiten der Deflation auch einmal eine Verminderung der Unterhaltsrenten vorsehen kann) nicht berücksichtigt werden.

IL Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Gläubigers 1. Klauselklage gem. § 731 ZPO

Die Klauselklage kommt nach ihrem Wortlaut immer dann in Betracht, wenn der Gläubiger bei titelergänzenden und titelübertragenden Vollstrekkungsklauseln den erforderlichen Nachweis nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden fuhren kann und auch kein Fall der Offenkundigkeit vorliegt. Relevant wird sie bei vollstreckbaren Urkunden insbesondere im Hinblick auf § 726 I ZPO 1014 , da häufig eine Auslegung des Titels ergibt, 1009 Zur Unterscheidung zwischen Gestaltungsurteilen im materiellen Sinne (zu denen auch Beschlüsse zählen können) und formellen Sinne (die in der Form eines Urteils ergehen), siehe oben 1. Kap. B. III. 2. b). 1010

Zuständig ist gem. § 20 Nr. 10 RPflG der Rechtspfleger.

10.1

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. b) mit Fußn. 42.

10.2

Zum Erfordernis der formellen Rechtskraft als Voraussetzung fur ein Gestaltungsurteil im materiellen Sinne siehe oben 1. Kap. B. III. 2. b). 10.3

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. a).

1014

Von den hier nicht weiter interessierenden Fällen der §§ 727 f f ZPO bei einem nachträglichen

272

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspnich

daß aufschiebende Bedingungen sowie unbestimmt aufschiebende Befristungen und Betagungen des materiellrechtlichen Anspruchs zugleich auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO sein sollen1015. Streitstoff, Rechtsnatur, Zulässigkeitsvoraussetzung und Rechtskraftumfang dieses Rechtsbehelfs sind jedoch streitig. a) Rechtsnatur aa) Klauselklage als Leistungsklage Hinsichtlich der Rechtsnatur der Klauselklage nach § 731 ZPO gibt es ähnlich kontroverse Ansichten wie zur Rechtsnatur der Vollstreckungsgegenklage - wenn auch die Diskussion hierüber einen weniger breiten Raum einnimmt 1016 . Nach einer Ansicht soll es sich um eine Leistungsklage handeln. Nach früher vertretener Auffassung 1017 wird mit der Klauselklage das "zur Zwangsvollstreckung erforderliche formelle Befriedigungsgebot" 1018 erstrebt zugunsten des in dem Urteil 1019 noch nicht genannten Gläubigers oder gegen den im Titel noch nicht genannten Schuldner bzw. aufgrund des jetzt eingetretenen Bedingungseintritts: Dieses Befriedigungsgebot erstrebe die Klauselklage aus dem Anspruch, der in dem ersten Urteil unbestreitbar festgestellt, nicht aber neu begründet worden sei. Die Klage werde deshalb auf den Anspruch gestützt, über den bereits im ersten Prozeß eine rechtskräftige Verurteilung gegen den Beklagten ergangen sei. Das Besondere bei den Klauselklagen liege nicht in ihrem Inhalt, sondern in der ausschließlichen Zuständigkeit des Prozeßgerichts erster Instanz (§§ 731, 802 ZPO). Gegen eine solche Deutung der Klauselklage als Leistungsklage wurde eingewendet, daß - sofern ein Urteil als Vollstreckungstitel vorliege - einer Wechsel der Sach- und Verfügungsbefugnis einmal abgesehen; siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb)(3). 10.5

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

10.6

Zu der nur noch in dogmengeschichtlicher Hinsicht bedeutsamen Deutung der Klauselklage als "Judikatsklage" vgl. Wüllenkemper, Rpfleger 1989, 87 (88); Barkam, Erinnerung und Klage, S. 36 ff. 1017 So früher etwa Hellwig, Anspnich und Klagerecht, § 25 III 3, S. 170 ff; Heldmann, ZZP 21 (1895), 473 (488). Die Ansicht, § 731 ZPO sei eine Leistungsklage, wird heute in abgewandelter Form namentlich von Barkam, Erinnerung und Klage, S. 45 f f vertreten (siehe dazu sogleich). 10.8 10.9

Hellwig, Anspruch und Klagerecht, § 25 III 3, S. 170.

Für vollstreckbare Urkunden wird die Rechtsnatur der Klauselklage von diesen Vertretern nicht explizit erörtert.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

273

neuen Leistungsklage das Ne-bis-in-idem aus der Rechtskraft(-erstreckung) dieses Urteils entgegenstehe, zumindest aber das Rechtsschutzbedürfnis fehle 1020 . Diese Argumente sprechen aber nur dagegen, den Schuldner erneut aufgrund des ursprünglichen materiellen Anspruchs zu einer Leistung zu verurteilen. Sie ließen sich daher umgehen, wenn man das der Klage aus § 731 ZPO stattgebende Urteil als eine Ergänzung zu einem zuvor ergangenen Leistungsurteil auffassen würde. Dem würde die Rechtskraft des Ersturteils nämlich nicht entgegenstehen. Gerade in den Fällen des § 726 ZPO beruht die Klauselerteilung darauf, daß laut dem Ausspruch des Ersturteils die Rechtswirkungen des materiellen Anspruchs und deswegen auch die Vollstreckbarkeit des titulierten prozessualen Anspruchs noch vom Eintritt weiterer Umstände abhängen. Den Eintritt dieser Umstände, der mit § 731 ZPO geltend gemacht wird, hat also das Ersturteil gerade ausgespart1021. Dennoch vermag die Ansicht nicht zu überzeugen, denn der beklagte Schuldner kann weder die Klausel erteilen, noch sie bewilligen. Folglich kann er auch nicht zu einer Leistung verurteilt werden 1022. Diesem letzten Argument versucht Barkam zu entgehen, indem er die Klauselklage als "Klage auf Duldung der Erteilung der Vollstreckungsklausel" auffaßt 1023. Der Schuldner müsse die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung als Vorstufe der Durchsetzung des Leistungsanspruchs hinnehmen. Aus dem materiellrechtlichen Leistungsanspruch ergebe sich der Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner, bei Nichterfüllung des Titels zumindest die Zwangsvollstreckung dulden zu müssen. Um diesen Duldungsanspruch gehe es im Rahmen der Klauselklage. Für diese Auffassung spreche auch, daß sich nur so dogmatisch überzeugend die herrschende Meinung erklären lasse, nach der sich der Schuldner im Rahmen der Klauselklage auch mit Einwendungen gegen den materiellen Anspruch verteidigen könne1024. Mit einer (sogleich zu behandelnden) Deutung der Klauselklage als prozessuale Feststellungs- oder Gestaltungsklage sei dies nicht zu erklären: In diesem Falle müßte nämlich 1020

So die Argumentation bei Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 II 2 d (S. 218); ähnlich auch Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 7. 1021 Entsprechendes gilt in den Fällen der §§ 727 ff ZPO: Zwar steht bei Urteilen aufgrund der Rechtskräfterstreckung gem. §§ 325 ff ZPO fest, daß der Anspruch nun auch zugunsten bzw. zu Lasten dessen besteht, auf den die Sach- bzw. Verfügungsbeflignis übergegangen ist. Daß es aber zu einem Übergang der Sach- bzw. Verfügungsbeflignis kam und sich damit die Subjekte des rechtskräftig festgestellten Anspruchs verändert haben, stellt das Ersturteil gerade noch nicht rechtskräftig fest. 1022

Schuschke, §731 Rdnr. 2.

1023

Barkam, Erinnerung und Klage, S. 45 ff, insbesondere S. 60 f.

1024

Vgl. hierzu unten 2. Kap. D. II. 1. b) cc).

18 Schultheis

27

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

die Prüfung notwendig auf Einwendungen gegen die zur Ergänzung oder Umschreibung führenden Umstände beschränkt sein1025. Ungeachtet der Frage, ob tatsächlich mit der h. M. davon ausgegangen werden kann, der Schuldner könne auch im Rahmen der Klauselklage einwenden, der titulierte (prozessuale) Anspruch entspreche nicht der materiellen Rechtslage1026, läßt sich gegen die Auffassung Barkams letztlich all das vorbringen, was auch gegen eine Deutung der Vollstreckungsgegenklage als Leistungs- bzw. Unterlassungsklage und einem ihr angeblich zugrundeliegenden Abwehr- bzw. Unterlassungsanspruch spricht 1027. Barkam folgert daraus, daß im Rahmen einer Klauselklage materiellrechtliche Einwendungen geltend zu machen sind, auf eine Erstreckung der materiellen Rechtskraft des Klauselurteils (auch) auf den titulierten Anspruch des Gläubigers und hieraus auf die Notwendigkeit einer Deutung der Klauselklage als Leistungsklage1028. Diese Schlußfolgerung ist aber nicht zwingend. Wie oben bereits dargelegt wurde 1029, kann nicht von der Rechtsschutzform auf den Streitgegenstand einer Klage geschlossen werden. Ebensowenig ist ein Schluß vom Streitgegenstand auf die Rechtsschutzform möglich. Gerade das Beispiel der Vollstreckungsgegenklage hat gezeigt, daß nicht notwendig von einer Leistungsklage ausgegangen werden muß, nur um den titulierten Anspruch des Gläubigers als Streitgegenstand ansehen zu können. Die Annahme Barkams, im Rahmen der Klauselklage werde rechtskräftig auch über das materiellrechtliche Bestehen des titulierten Anspruchs entschieden, zwingt also nicht zur Qualifizierung dieser Klage als Leistungsklage. Darüber hinaus verträgt sich diese Annahme auch nicht mit der weiteren von Barkam vertretenen Auffassung, der Klauselklage liege als Streitgegenstand ein materieller Anspruch auf Duldung der Klauselerteilung zugrunde: Ist nämlich ein Duldungsanspruch Streitgegenstand, so kann doch ehrlicherweise die Übereinstimmung von materieller Rechtslage und tituliertem Anspruch nur Vorfrage hinsichtlich der Duldungspflicht des Schuldners sein. Als bloße Vorfrage kann aber konsequenter Weise die Entscheidung hierüber nicht in Rechtskraft erwachsen. Die Ansicht von Barkam ist daher auch dann abzulehnen, wenn man mit der h. M. annimmt, der Schuldner könne sich im Rahmen der Klage nach § 731 ZPO sogar mit Einwendungen gegen den materiellen Anspruch verteidigen.

1025

Barkam, Erinnerung und Klage, S. 58 f.

1026

Siehe hierzu unten 2. Kap. D. II. 1. b) dd).

1027

Siehe hierzu oben 2. Kap. D. I. 1. b) ee).

1028

Barkam, Erinnerung und Klage, S. 52, 53.

1029

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (3) sub (a).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

275

bb) Klauselklage als prozessuale Feststellungsklage Die h. M. sieht in § 731 ZPO eine prozessuale Feststellungsklage1030. Da das stattgebende Urteil die Klausel weder erteile noch ersetze, sondern hierfür nach wie vor das Klauselerteilungsorgan zuständig sei1031, könne das Urteil keine Gestaltungswirkung haben. Es stelle vielmehr fest, ob der Gläubiger rechtmäßiger Weise die Erteilung der Vollstreckungsklausel verlangen könne. In dieser Feststellung erschöpfe sich das Urteil 1032 .

cc) Die Klauselklage als prozessuale Gestaltungsklage Den Vertretern einer prozessualen Feststellungsklage ist zwar zuzugeben, daß trotz des mißverständlichen Wortlauts 1033 des § 731 ZPO 1034 bei Erfolg der Klauselklage die Klausel durch das Urteil weder erteilt, noch ersetzt wird 1035 , denn das Gericht als Spruchkörper ist hierfür funktionell unzuständig. Daß für die vollstreckbare Ausfertigung letztlich doch das Klauselerteilungsorgan zuständig ist, spricht aber weder zwingend für eine Qualifizierung als prozessuale Feststellungsklage noch notwendig gegen eine Deutung der Klauselklage als Gestaltungsklage. Auch die Vollstreckungsgegenklage, die nach überwiegender Ansicht zutreffend als Gestaltungsklage eingeordnet wird, bedarf ja noch des Vollzugs gem. §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO. Ein noch notwendig werdender Vollzug (bei § 767 ZPO über die §§ 775, 776 ZPO, bei § 731 ZPO über die Erteilung der Klausel durch das zuständige Organ) steht somit nicht im Widerspruch zur Rechtsschutzform der Gestaltungsklage. Ebensowenig steht im Widerspruch dazu, daß die Klauselklage - genauso wie die (rechtsgestaltende) Vollstreckungsgegenklage - für vorläufig vollstreckbar erklärt werden kann1036, denn nicht die Gestaltungswirkung, sondern 1030 Vgl. etwa Thomas/Putzo, § 731 Rdnr. 1; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I 2 d (S. 218); Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 275; Wüllenkemper, Rpfleger 1989, 87 (88 ff); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 131; Zöller/Stöber, § 731 Rdnr. 4; Jauernig, ZVR, § 4 V 4 (S. 28); Baumbach/Lauterbach/Hartmann; § 731 Rdnr. 1. 1031

Welches Organ nach einer erfolgreichen Klage aus § 731 ZPO zur Klauselerteilung zuständig ist, ist wiederum umstritten. Vgl. insoweit statt vieler: Wüllenkemper, Rpfleger 1989, 87 f f (90 f) einerseits und Napierala/Napierala, Rpfleger 1989, 493 ff andererseits, jeweils m. w. N. 1032

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I 2 d (S. 218); Wüllenkemper, Rpfleger 1989, 87 (89 f).

1033

Vgl. hierzu ausführlich Wüllenkemper, Rpfleger 1989, 87 (88 ff).

1034

Danach ist die Klage "auf Erteilung der Vollstreckungsklauser zu erheben.

1035

A. A. offenbar Wieczorek, § 731 Anm. Β III.

1036

Vgl. dazu Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 16 m. w. N. Zur Situation bei der Vollstreckungsgegenklage siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) ff); 2. Kap. D. I. 1. c).

18*

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nur deren Vollzug wird vorverlegt. Kennzeichnend für die Notwendigkeit eines Gestaltungsurteils ist - wie bereits festgestellt 1037 - vielmehr immer, daß vor dessen Erlaß die Inzidentbeurteilung der Gestaltungsvoraussetzungen unzulässig ist. Wenn aber die Klauselerteilungsorgane - sofern keine Offenkundigkeit vorliegt - beim Fehlen eines urkundlichen Nachweises die Erteilung der qualifizierten Vollstreckungsklausel auch dann ablehnen müssen, wenn sie vom Eintritt der urkundlich nachzuweisenden Umstände überzeugt sind, so heißt das nichts anderes, als daß ihnen die Inzidentbeurteilung dieser Umstände versagt ist. Ist sie ihnen aber versagt, so kann die Klauselklage, die hierüber hinweghilft, nur eine Gestaltungsklage sein. Nur durch sie kann erreicht werden, daß diese ursprünglich nur ergebniszulässige Klauselerteilung nun auch von den Klauselerteilungsorganen beachtet werden kann und damit vornahmezulässig wird 1038 . Da somit in den Fällen, in denen eine Klauselklage notwendig wird, nicht ohne die Anordnung durch das Urteil die Vollstrekkungsklausel erteilt werden darf, wird mit dem Klauselurteil kein Streit oder die Ungewißheit über die Möglichkeit der Klauselerteilung beendet, sondern diese Möglichkeit überhaupt erst eröffnet 1039. Die (erststufig) vornahmeunzulässige Verfahrenshandlung wird kraft der Gestaltungswirkung des Urteils in eine vornahmezulässige verwandelt. So gesehen schafft das Urteil eine Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung und stellt diese nicht nur fest 1040. Daher kann die Klage nicht als Feststellungsklage, sondern muß als prozessuale Gestaltungsklage angesehen werden1041.

b) Streitstoff Ist somit die Rechtsnatur der Klauselklage geklärt, muß im folgenden untersucht werden, worüber im Rahmen einer Klage nach § 731 ZPO gestritten wird, unter welchen Voraussetzungen also der Richter die Klauselklage als begründet zu erachten hat. Insofern kommen drei Möglichkeiten in Betracht. 1037

Schlosser, Jura 1986, 130 (131); siehe bereits oben 1. Kap. B. III. 2. a).

1038

Zu den Begriffen der Ergebnis- und Vornahmezulässigkeit siehe oben 1. Kap. B. III. 2. a).

1039

Schuschke, §731 Rdnr. 2.

1040

Dies gegen Wüllenkemper, Rpfleger 1985, 87 (90). Freilich hängt der Erfolg der Klauselklage vom Vorliegen der "materiellen" Voraussetzungen für die Klauselerteilung ab. Doch genügt im Verfahren vor den Klauselerteilungsorganen eben dieses bloße Vorliegen nicht, wenn darüber (bei fehlender Offenkundigkeit) kein urkundlicher Nachweis erbracht werden kann. Dann bedarf es eines richterlichen Gestaltungsaktes um eine vollstreckbare Ausfertigung zu ermöglichen. 1041

Ebenso wie hier: Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 8; Schuschke, § 731 Rdnr. 2; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 99; Tempel, Mustertexte, Bd. II, S. 97; Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 5 V 2 (S. 62); Bettermann, Rechtshängigkeit, S. 64.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

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aa) Klauselklage lediglich als Surrogat für den fehlenden Urkundennachweis Bei der Klauselklage nach § 731 ZPO könnte es lediglich um eine Komplettierung der Titelvorgaben in sachlicher (§ 726 I ZPO) oder persönlicher (§§ 727 ff ZPO) Hinsicht gehen. So verstanden erschöpfte sich die Funktion der Klage darin, ein Surrogat für eine bislang nicht vorhandene öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde zu beschaffen. Hierfür spricht, daß Anlaß und Voraussetzung einer Klage nach § 731 ZPO das Unvermögen des Gläubigers zur Erbringung des urkundlichen Nachweises gem. §§ 726 I, 727 ff ZPO ist. Die Klauselklage wäre dann das genaue Spiegelbild einer Klage nach § 768 ZPO. So, wie dort ausschließlich geltend gemacht werden kann, die Umstände, von denen die Erteilung einer titelergänzenden oder -übertragenden Klausel abhängen, seien nicht eingetreten, könnte mit § 731 ZPO umgekehrt nur geltend gemacht werden, der Eintritt dieser Umstände sei - obgleich vom Gläubiger nicht urkundlich nachweisbar - erfolgt. Gegen eine solche enge Begrenzung des Streitstoffs spricht jedoch der Urteilsausspruch. Wenn hiernach angeordnet wird, daß dem Kläger gegen den Beklagten die Vollstreckungsklausel zu erteilen sei1042, so müssen zumindest auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Klauselerteilung (z. B. Qualifizierung der vorgelegten Urkunde als Vollstreckungstitel, Bestimmtheit des Titels usw.) geprüft werden 1043. Die Anordnung zur Erteilung einer qualifizierten Klausel hätte keinen Sinn, wenn sie das Klauselerteilungsorgan nicht beachten könnte, weil es bereits an den allgemeinen Klauselerteilungs Voraussetzungen fehlt oder wenn die Zwangsvollstreckung aus der dann erteilten vollstreckbaren Ausfertigung im Rahmen einer Erinnerung nach § 732 ZPO doch wieder für unzulässig erklärt werden müßte. Die Klauselklage kann daher nicht lediglich als Surrogat für den fehlenden Urkundennachweis angesehen werden.

1042 Zur Tenorierung vergleiche etwa Schuschke, § 731 Rdnr. 8; Zöller/Stöber, § 731 Rdnr. 7; häufig tenorieren diejenigen, die in der Klauselklage eine Feststellungsklage sehen (siehe hieizu oben 2. Kap. D. II. 1. a) bb), cc), auch dahingehend, daß die Vollstreckungsklausel "zulässig" sei, vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 731 Rdnr. 6. 1043

H. M., vgl. statt aller: Baumbach/Lauteibach/Hartmann, § 731 Rdnr. 5; Schuschke, § 731 Rdnr. 7; Thomas/Putzo, § 731 Rdnr. 7; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 276; Bruns/Peters, ZVR, § 9 I I I 4 (S. 54).

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. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

bb) (Lediglich) Prüfung aller Voraussetzungen für die Klauselerteilung Wenn der Prüfungsumfang nach dem zuvor gesagten somit (zumindest) auch die allgemeinen Klauselerteilungsvoraussetzungen mit umfassen muß, so fragt sich, ob der Streitstoff nicht hierauf zu beschränken ist 1044 . Hierfür spricht zum einen der im Rahmen einer stattgebenden Klage nach § 731 ZPO ergehende Urteilstenor, der nur die Erteilung einer Vollstreckungsklausel anordnet. Geht es im Tenor aber nur um die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung, so spricht das dafür, auch den Prüfungsumfang auf die Voraussetzungen für seine Erteilung zu beschränken. Ferner ergibt sich aus der systematischen Stellung des § 731 ZPO inmitten von Vorschriften über die Voraussetzungen der Klauselerteilung ein Argument für eine solche Begrenzung des Streitstoffs 1045. Schließlich wird im urkundlichen Klauselerteilungsverfahren der titulierte Anspruch in materieller Hinsicht auch nicht geprüft, sondern unabhängig von dessen Fehlen erteilt. Sollte das dann bei der Klauselklage anders sein? Geht man von einer solchen Begrenzung des Prüfungsumfangs aus, so würde sich die Klauselklage hinsichtlich ihres Verfahrenszieles nicht nur reziprok zur Klauselgegenklage gem. § 768 ZPO, sondern auch zur Klauselerinnerung nach § 732 ZPO verhalten. Dies wiederum hätte - wenn man den Streitgegenstand einer Gestaltungsklage global bestimmt1046 - zur Folge, daß mit Rechtskraft des Klauselerteilungsurteils alle Einwendungen des Schuldners nach §§ 732, 768 ZPO ausgeschlossen sind, sofern sie bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstanden waren. Da hiernach die materiellrechtlichen Ansprüche des Gläubigers niemals zum Prüfungsgegenstand gehören, würde sich die Rechtskraft des Urteils hierauf auf jeden Fall nicht erstrecken können.

cc) Umfassende Prüfung der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel Die h. M. 1047 begnügt sich jedoch nicht mit einer Prüfung aller Klauselerteilungsvoraussetzungen, sondern erweitert den Streitgegenstand der 1044 So bereits Kohler, Beiträge, S. 487 ff und heute insbesondere Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 238; unentschieden Bettermann, Rechtshängigkeit, S. 58 ff. 1045

Ähnlich auch Bettermann, Rechtshängigkeit, S. 65

1046

Siehe hierzu unten 2. Kap. D. III. 2.

1047

Vgl. statt vieler: Thomas/Putzo, § 731 Rdnr. 7; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 II 2 d (S. 218); MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 16 f; Schuschke, § 731 ZPO Rdnr. 7;

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

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Klauselklage um den des § 767 I ZPO. Der Schuldner soll bereits im Rahmen der Klauselklage einwenden können, der titulierte (prozessuale) Anspruch entspreche nicht der materiellen Rechtslage1048. Streitig dabei ist jedoch wiederum, ob der Schuldner dies auch vorbringen muß, wenn er damit nicht in einem späteren Vollstreckungsgegenklage verfahren präkludiert sein will 1 0 4 9 und ob - falls man von einer Präklusion ausgeht - sich diese nach § 767 II ZPO richtet1050 oder nach dem subjektiv ausgelegten § 767 III ZPO1051. Eine Berücksichtigung von Einwendungen gegen den Anspruch bereits im Rahmen der Klage aus § 731 ZPO und eine Präklusion des Schuldners mit nicht geltend gemachten Einwendungen in einem späteren Vollstreckungsgegenklageverfahren erscheint (auf den ersten Blick 1052 ) äußerst prozeßökonomisch, da dies die Notwendigkeit und Wahrscheinlichkeit späterer Vollstrekkungsabwehrklagen und die damit verbundene Verzögerung der Zwangsvollstreckung minimieren könnte; dies insbesondere bei vollstreckbaren Urkunden, bei denen der titulierte Anspruch ja erstmals in materieller Hinsicht geprüft wird. So schließt denn auch die h. M. aus dem Rechtsgedanken des § 767 III ZPO, wonach alle Einwendungen so früh wie möglich geltend zu Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 13; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 134; Wüllenkemper, Rpfleger 1989, 87 (89). 1048 Sofern es sich bei dem Titel, für den die vollstreckbare Ausfertigung verlangt wird, um ein Urteil handelt, sind jedoch insoweit die Grenzen des § 767 II ZPO zu beachten; vgl. Stein/ Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 13. 1049

Ablehnend RGZ 11, 434 (435), wo allerdings offenbleibt, ob der Schuldner auch das Recht zur Geltendmachung hat; für ein Recht und gegen eine Pflicht damals etwa David, ZZP 20 (1894), 415 (431). Vgl. auch RGZ 34, 347 (350), wo von einem Recht ausgegangen wird, aber offenbleibt, ob auch eine Pflicht zur Geltendmachung besteht. Zweifelnd an einer Pflicht zur Geltendmachung heute Bruns/Peters, ZVR, § 9 I I I 4 (S. 55). Für eine Pflicht zur Geltendmachung spricht sich heute aber die überwiegende Ansicht in der Literatur aus; vgl. Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 276; Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 13; Schuschke, § 731 Rdnr. 7; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 731 Rdnr. 6; Thomas/Putzo, § 731 Rdnr. 7; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 4; Wieczorek, § 731 Anm. Β I I d 2; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I 2 d (S. 218). Hierbei ist wiederum streitig, ob sich eine spätere Präklusion im Vollstreckungsgegenklageverfahren nach § 767 I I ZPO oder dem subjektiv ausgelegten § 767 I I I ZPO richtet. Siehe hierzu sogleich in diesem Abschnitt. 1050 Entscheidend wäre dann nur, ob die Einwendungen gegen die fehlende Übereinstimmung von tituliertem Anspruch und materieller Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Verfahren nach § 731 ZPO objektiv vorlagen. So etwa Schuschke, § 731 ZPO Rdnr. 7; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 23 f; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 237; Wieczorek, §731 Anm. B i l d 2. 1051 Dies hätte zur Folge, daß es nur darauf ankommt, ob der Schuldner subjektiv die Einwendungen vorbringen konnte. Dafür Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 13; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 II 2 d (S. 218). 1052

Zur Kritik an diesem Argument siehe unten 2. Kap. D. II. 1. b) dd).

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

2

machen sind, daß der Schuldner im Rahmen einer Klage nach § 731 ZPO sich auch mit dem Vorbringen verteidigen könne, der titulierte (prozessuale) Anspruch entspreche nicht der materiellen Rechtslage1053. Ein rechtlich schutzwürdiges Interesse des Gläubigers fur eine Klausel, mit deren Hilfe er letztlich doch nie die Zwangsvollstreckung betreiben könne, wenn und weil der Schuldner erfolgreich Vollstreckungsgegenklage erhebe, sei nicht ersichtlich 1054 . Mit einem stattgebenden Klauselerteilungsurteil werde zugleich ein rechtlich schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Klauselerteilung anerkannt. Deshalb könne dem Schuldner die Geltendmachung von Einwendungen gegen den materiellrechtlichen Anspruch des Gläubigers nicht nur gestattet, sondern müsse darüber hinaus ihm auch als Pflicht auferlegt werden, sofern er mit diesem Vorbringen nicht in einem späteren Verfahren präkludiert sein wolle 1055 . Ob sich eine solche Präklusion nach § 767 II ZPO 1056 oder dem subjektiv auszulegenden § 767 III ZPO 1057 richtet, ist wiederum streitig. Folgt man der h. M., daß der Schuldner bereits im Rahmen der Klauselklage einwenden muß, der titulierte (prozessuale) Anspruch entspreche nicht der materiellen Rechtslage, so kann sich eine Präklusion nur nach § 767 II ZPO richten1058. § 767 III ZPO betrifft ja - wie gezeigt wurde - nur die innerprozessuale Präklusion1059. Die Präklusion zwischen verschiedenen Prozessen ist dagegen in § 767 II ZPO geregelt1060. Zwar hatte der Gesetzgeber bei Schaffung des § 767 II ZPO vorwiegend das Verhältnis zwischen Vollstrekkungsgegenklage und vorausgegangener Leistungsklage im Auge1061, doch steht dies einer teleologischen Extension dieser Vorschrift auf das Verhältnis der Vollstreckungsgegenklage zu einem anderen Prozeß, in dem materielle Einwendungen vorzubringen sind, nicht entgegen1062. 1053

Schuschke, § 731 ZPO Rdnr. 7.

1054

Schuschke, §731 Rdnr. 7.

1055

Bettermann, Rechtshängigkeit, S. 60 f; Schuschke, § 731 Rdnr. 7; weitere Nachweise siehe oben Fußn. 1049 in diesem Abschnitt. 1056

So etwa Schuschke, § 731 ZPO Rdnr. 7; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 23 f; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 237; Wieczorek, § 731 Anm. Β II d 2. 1057

So Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 13; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I 2 d (S. 218).

1058

Zu diesem Ergebnis gelangen ebenfalls Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 237; Schuschke, § 731 Rdnr. 7; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 23; Wieczorek, § 731 Anm. Β I I d 2; wohl auch Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 731, Rdnr. 6; Thomas/Putzo, § 731 Rdnr. 2. 1059

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. e) dd) und unten 2. Kap. D. III. 1.

1060

Kann anders als hier die spezialgesetzliche Regelung des § 767 I I ZPO nicht angewendet werden, so ergibt sich die Präklusion aus der materiellen Rechtskraft. 1061 So der Einwand von Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 II 2 d (S. 218) und Stein/ Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 14.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

21

Die Auffassung der h. M. fuhrt dazu, daß umfassend die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel im Rahmen des § 731 ZPO überprüft wird. Streitstoff sind danach alle Voraussetzungen für die Klauselerteilung sowie die Übereinstimmung von tituliertem (prozessualem) Anspruch und materieller Rechtslage. Die Klauselklage verhält sich somit nach Ansicht der h. M. hinsichtlich ihres Verfahrenszieles nicht nur reziprok zur Klauselgegenklage gem. § 768 ZPO und zur Klauselerinnerung nach § 732 ZPO, sondern auch zur Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO1063. All diese Rechtsbehelfe sind dem Schuldner abgeschnitten, sofern er sie auf Einwendungen stützt, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Klauselklageverfahrens objektiv vorlagen. Unter Zugrundelegung der h. M. unterscheidet sich aus der Sicht des Gläubigers die Klauselklage bei vollstreckbaren Urkunden wegen deren fehlender materieller Rechtskraft praktisch nicht von einer Leistungsklage: Macht der Schuldner geltend, titulierter Anspruch und materielle Rechtslage stimmten nicht überein, so obliegt es dem Kläger, die anspruchsbegründenden Tatsachen vorzutragen und zu beweisen1064. Bei der Klauselklage wird dann 1062

Siehe unten 2. Kap. D. III. 1.

1063

Hieraus zieht Wolfsteiner (in: MünchKommZPO, § 731 Rdnr. 3, 8) wiederum einen Rückschluß für die Vollstreckungsgegenklage: Da die Streitgegenstände von Vollstreckungsgegenklage und Klauselklage (insoweit ?) identisch seien, stehe umgekehrt auch mit der Abweisung der Vollstrekkungsgegenklage als unbegründet fest, daß die Klausel erteilt werden müsse (sofern nicht nur die Vollstreckungsgegenklage als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden sei). Folglich könne auch in dem die Vollstreckungsgegenklage abweisenden Sachurteil eine Anordnung zur Klauselerteilung gesehen werden. Dies überzeugt aber selbst dann nicht, wenn man mit der h. M. annimmt, im Rahmen der Klauselklage könne und müsse der Schuldner auch Einwendungen gegen den materiellen Anspruch vorbringen. Bei der Vollstreckungsgegenklage wurde nur die Übereinstimmung von tituliertem (prozessualem) Anspruch und materieller Rechtslage geprüft und nur dies ist in Rechtskraft erwachsen, falls man der von Wolfsteiner und hier vertretenen Auffassung zum Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage folgt. Besteht nun aber die Forderung des Gläubigers in materiellrechtlicher Hinsicht, ist aber andererseits die vollstreckbare Urkunde als Titel z. B. unwirksam, so müßte unter Zugrundelegung der Auffassung Wolfsteiners dennoch eine Vollstreckungsklausel erteilt werden, sofern der Schuldner erfolglos Vollstreckungsgegenklage erhoben hatte. (Auch nach Ansicht Wolfsteiners steht der Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage die Titelunwirksamkeit nicht entgegen; vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59. 4 f f und ausführlich unten 4. Kap. D. I. 1. a)). Hätte hingegen der Gläubiger zuerst Klage nach § 731 ZPO erhoben, so wäre er hiermit trotz bestehender materiellrechtlicher Forderung wegen der Titelunwirksamkeit abgewiesen worden. Warum der Schuldner, der vor Erteilung einer Vollstreckungsklausel an den Gläubiger erfolglos Vollstreckungsgegenklage erhebt, diesem bei Unwirksamkeit des Titels durch seine erfolglose Vollstreckungsgegenklage auch noch eine vollstreckbare Ausfertigung verschaffen soll, ist nicht ersichtlich. 1064 Anders als bei einer Klauselklage nach Erlaß eines Leistungsurteils ist dem Gläubiger der Beweis anspruchsbegründender Tatschen bei vollstreckbaren Urkunden ja nicht durch die Rechtskraft des Titels abgenommen.

282

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

ebenso wie bei einer Leistungsklage in vollem Umfang und ohne Beschränkung ein Prozeß über den Anspruch des Gläubigers gefuhrt. Eine geringfügige Erleichterung ergibt sich lediglich hinsichtlich der Schlüssigkeitsanforderungen der Klage: Da der Kläger bereits einen Vollstreckungstitel besitzt, genügt es, wenn er neben dem Inhalt des Titels Tatsachen vorträgt und bei Bestreiten beweist, aus denen sich ergibt, daß die Umstände für die Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel eingetreten sind. Tatsachen bezüglich aller übrigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Klauselklage sind nur vorzutragen und zu beweisen, wenn sie der Schuldner substantiiert1065 bestreitet1066. Vergegenwärtigt man sich aber, daß ja auch bei einer Leistungsklage nach einem schlüssigen Vortrag des Klägers ein substantiiertes Bestreiten des Beklagten erforderlich ist, so ist diese Erleichterung letztlich nur eine formale.

dd) Stellungnahme Den Materialien zur ZPO lassen sich weder Argumente für noch gegen die Ansicht der h. M. entnehmen, der Schuldner könne und müsse bereits im Rahmen der Klauselklage Einwendungen gegen den materiellen Anspruch des Gläubigers vortragen. Zwar bezeichnen sie den Prozeß nach § 731 ZPO als "Fortsetzung des (früheren) Rechtsstreits"1067. Jedoch sollte damit nur die Zuständigkeit des Prozeßgerichts begründet werden. Ein Richtigkeitsnachweis für die Ansicht der h. M. läßt sich dem nicht entnehmen. Andererseits spricht die Zuständigkeitsordnung der ZPO jedenfalls nicht gegen eine Berücksichtigung von Einwendungen gegen den materiellrechtlichen Anspruch, denn für die Klauselklage und für die Vollstreckungsgegenklage ist dasselbe Gericht zuständig (vgl. §§ 797 V, 800 III, 800 a II ZPO). Dennoch kann der h. M. nicht gefolgt werden. Der Streitstoff der Klauselklage nach § 731 ZPO ist vielmehr auf die Frage zu begrenzen, ob alle Voraussetzungen, von denen eine Klauselerteilung abhängt, auch vorliegen. Dies ergibt sich nicht nur aus der bereits oben1068 angesprochenen Stellung der Vorschriften inmitten der Regelungen über die Klauselerteilung. Die Frage, ob 1065 Fehlt es an einer zumutbaren näheren Substantiierung, so ist das Bestreiten unwirksam und es greift die Geständnisfiktion des § 138 I I I ZPO ein. (Vgl. allgemein zum substantiierten und pauschalen Bestreiten Stein/Jonas/Leipold, § 138 Rdnr. 26 ff.) Inwieweit zur Wirksamkeit des Bestreitens auch die Hinzufügung positiver Angaben erforderlich ist, hängt weitgehend von Zumutbarkeitsgesichtspunkten des Einzelfalls ab; vgl. Stein/Jonas/Leipold, § 138 Rdnr. 28. 1066

Vgl. MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 18.

1067

Hahn, Materialien, S. 435; vgl. auch S. 809, wonach § 616 CPO (= § 731 ZPO) materiell die Fortsetzung des früheren Prozesses, formell aber als neuer Prozeß ausgestaltet sei. 1068

Siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b)bb).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

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der titulierte Anspruch der materiellen Rechtslage entspricht, bereits in den Streit über die Klauselklage mit einzubeziehen, führt auch zu einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen sowohl auf Seiten des Schuldners als auch auf Seiten des Gläubigers. Auf Seiten des Schuldners ist die Beeinträchtigung allerdings noch nicht darin zu sehen, daß dieser nicht mehr selbst den Zeitpunkt bestimmen kann, zu dem er Einwendungen gegen den materiellen Anspruch vorbringt, sondern diese bereits im Rahmen der Klauselklage vortragen muß. Insofern steht der Schuldner nämlich nicht schlechter, wie wenn sein Gläubiger ursprünglich auf eine Titulierung in einer vollstreckbaren Urkunde verzichtet und nun Leistungsklage gegen ihn erhoben hätte. Auch dann müßte der Schuldner alle Einwendungen gegen den materiellen Anspruch im Rahmen der gegen ihn erhobenen Klage vorbringen. Eine Schlechterstellung ergibt sich aber hinsichtlich des Urteilsausspruchs: Rügt nämlich der Schuldner im Rahmen der Klauselklage mit Erfolg die fehlende Übereinstimmung von prozessualem Anspruch und materieller Rechtslage, so wird nicht die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt, sondern lediglich die Klage des Gläubigers abgewiesen. Ein klageabweisendes Urteil ist seiner Rechtsnatur nach aber lediglich ein Feststellungsurteil1069. Es entfaltet keinerlei Gestaltungswirkung inter omnes, sonder (nur) materielle Rechtskraft inter partes. Der Schuldner muß sich mit der Verweigerung der Vollstreckungsklausel zufrieden geben. Mit einer Vollstreckungsgegenklage dagegen hätte der Schuldner mit demselben Vortrag erreichen können, daß dem Vollstreckungstitel durch richterliche Gestaltung endgültig und mit Wirkung inter omnes die Vollstreckbarkeit genommen, der Titel als Vollstreckungsgrundlage also endgültig entwertet wird. Die Möglichkeit, diesen für den Schuldner günstigeren Urteilsausspruch zu erlangen, sollte ihm auch belassen werden. Auf Seiten des Gläubigers führt die Ausdehnung des Streitstoffes auf den materiellen Anspruch ebenfalls unter Wertungsgesichtspunkten zu nicht gerechtfertigten Beeinträchtigungen. Der Gläubiger muß die Klauselklage erheben, wenn er auf andere Weise nicht den Eintritt von Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. §§ 726 I, 727 - 729 ZPO nachweisen kann. Die Klauselklage dient dem Gläubiger nur zur Erlangung der Vollstreckungsklausel als Zeugnis für die Vollstreckbarkeit des Titels. Vollstreckbar aber ist der Titel unabhängig vom Bestehen des materiellen Anspruchs. Daher kann sich auch der Streit im Rahmen der Klauselklage hierauf nicht beziehen. Einwendungen des Schuldners, materiellrechtlich habe der Gläubiger keinen Anspruch gegen ihn, betreffen deshalb nicht den Gegenstand des Verfahrens. Andernfalls wäre auch der Gläubiger in seinen Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber dem 1069

H. M.; vgl. statt aller Arens/Lüke, ZPR, Rdnr. 328.

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. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

Schuldner benachteiligt. Der Schuldner hat ja im Rahmen der Klauselgegenklage nach § 768 ZPO die Möglichkeit, isoliert den Nichteintritt von Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen geltend zu machen, ohne zum Bestehen oder Nichtbestehen des materiellen Anspruchs des Gläubigers Stellung nehmen zu müssen und ohne der Gefahr einer Präklusion in einem späteren Vollstrekkungsgegenklageverfahren ausgesetzt zu sein1070. Wenn eine Vollstreckbarkeitsvoraussetzung i. S. d. § 726 I ZPO über die Voraussetzungen fur Entstehung und Fälligkeit des materiellen Anspruchs hinausgeht, kann er selbst beim Bestehen des materiellen Anspruchs den fehlenden Eintritt der Vollstreckbarkeitsvoraussetzung mit Erfolg rügen 1071. Ebenso aber, wie der Schuldner mit den §§ 768, 732 ZPO ohne Bestreiten des materiellen Anspruchs den Nichteintritt einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung Geltung verschaffen kann, muß auch der Gläubiger ohne Behaupten des Anspruchs die Möglichkeit haben, mit einer Klage nach § 731 ZPO den Eintritt der Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen geltend zu machen. Andernfalls bestünde zwischen den Rechtsschutzmöglichkeiten des Schuldners und denen des Gläubigers ein Ungleichgewicht. Schließlich erscheint fraglich, ob eine Einbeziehung des Streits über den materiellen Anspruch in das Klauselklageverfahren tatsächlich so prozeßökonomisch ist, wie es die h. M. annimmt. Wegen der Gefahr einer späteren Präklusion zwingt sie nämlich den Schuldner dazu, vorsichtshalber alle möglichen Einwendungen vorzubringen, obwohl er vielleicht hierauf noch gar nicht richtig vorbereitet ist und die Tatsachen- und Rechtslage noch einer genaueren Überprüfung unterziehen will, bevor er sich entschließt, das Fehlen des materiellen Anspruchs geltend zu machen. Eine Prozeßverzögerung durch sinnlose und nur "vorsichtshalber" gestellte Beweisanträge kann die Folge sein. Der Streitstoff der Klauselklage sollte auch aus diesem Grund nicht auf das Bestehen des materiellen Anspruchs ausgedehnt werden. Möchte der Schuldner diesen einer gerichtlichen Prüfung unterstellen, so bleibt ihm ja die Möglichkeit zur Widerklage gem. § 767 I ZPO1072, denn die Vollstreckungsgegenklage ist bereits vor Klauselerteilung und damit zum Zeitpunkt der Klauselklage des Gläubigers zulässig. Möchte er dies nicht, so sind die Parteien auch nicht gezwungen, hierüber einen Streit zu führen. Die Frage, ob der titulierte (prozessuale) Anspruch der materiellen Rechtslage entspricht, sollte daher nicht im Rahmen der Klauselklage ausgetragen werden.

1070

Siehe ausfuhrlich unten 2. Kap. D. III. 3.

1071

Siehe auch oben 2. Kap. D. I. 3. a) Fußn. 838.

1072

So bereits früher etwa Planck, ZPR II, § 173 I I B (S. 675) und heute Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 238.

D. Verfahrensextere Rechtsbehelfe

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Die hier vertretene Auffassung fuhrt dazu, daß sich die Klauselklage entgegen der Ansicht der h. M. - nicht reziprok zur Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verhält. Sie hat daher bereits dann Erfolg, wenn alle Voraussetzungen fur eine Klauselerteilung nach dem im Urteilsverfahren festgestellten Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts feststehen - unabhängig vom Bestehen des materiellen Anspruchs. Alle Beweismittel sind in diesem Verfahren zulässig; die im Klauselerteilungsverfahren geltende Beschränkung auf den Nachweis durch Urkunden besteht hier nicht. Das gilt auch für die allgemeinen Klauselerteilungsvoraussetzungen, wie etwa die Wirksamkeit des Titels1073. Konnte daher der Schuldner im Rahmen des Klageverfahrens - etwa durch Zeugen - beweisen, daß der Titel wegen Verstoßes gegen § 13 I 1 BeurkG unwirksam ist 1074 , so muß selbst dann die Klauselklage abgewiesen werden, wenn dem Gläubiger der Beweis des Eintritts von Umständen i. S. d. §§ 726 I, 727 ff ZPO gelungen ist. Gehört aber zum Streitstoff der Klauselklage, unabhängig von der Nachweisbarkeit durch Urkunden, das tatsächliche Vorliegen aller Klauselerteilungsvoraussetzungen, d. h. sowohl der allgemeinen (wie z. B. Wirksamkeit und vollstreckungsfähiger Inhalt des Titels) als auch deijenigen für eine qualifizierte Vollstreckungsklausel (vgl. §§ 726 ff ZPO), so verhält sich die Klage nach § 731 ZPO nicht nur reziprok zu den Rechtsbehelfen nach §§ 732, 768 ZPO, sondern auch zur Klage des Schuldners wegen Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels1075. Das Urteil über die Klauselklage erwächst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit in formelle Rechtskraft. Gibt es der Klage statt, so entfaltet es durch die Anordnung der Erteilung einer Vollstreckungsklausel Gestaltungswirkung. Darüber hinaus erwächst es auch - wie jedes Gestaltungsurteil1076 - in materielle Rechtskraft und stellt insofern fest, daß zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung ein Recht des Klägers auf Durchführung der Gestaltung bestand, daß also der Gläubiger ein Recht auf Anordnung der Klauselerteilung (als Zeugnis der Vollstreckbarkeit des Titels) durch das Gericht hatte. Damit steht zugleich fest, daß der Vollstreckbarkeit des Titels keine Umstände entgegenstehen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung objektiv vorlagen und zum Streitstoff des Verfahrens nach § 731 ZPO gehörten. Grund dafür ist, daß nach Auffassung des Gerichts die Klauselerteilung zulässig war, da im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung alle Klauselerteilungsvoraussetzungen vorlagen. Keine Feststellung enthält dagegen das stattgebende Urteil hinsichtlich des materiellrechtlichen Bestehens des titulierten An1073

Siehe hierzu unten 4. Kap. Β. I.

1074

Hierzu unten 3. Kap. A. III. 2.

1075

Siehe auch unten 2. Kap. D. III. 9. mit Fußn. 1224; 6. Kap. B. I. sub 3.

1076

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) vor (1).

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. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

spruchs, denn hierauf erstreckt sich der Streitstoff und folglich auch die materielle Rechtskraft nicht1077. Umgekehrt stellt das klageabweisende Urteil fest, daß es zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an einem Recht des Klägers auf Anordnung der Klauselerteilung fehlte, weil bestimmte, im Urteil genannte Voraussetzungen für eine Klauselerteilung nicht eingetreten sind.

c) Zulässigkeitsprobleme Hinsichtlich der Zulässigkeit einer Klage nach § 731 ZPO bestehen nur wenige Besonderheiten. Auf sie ist im folgenden einzugehen.

aa) Rechtsschutzbedürfnis Nach h. M. läßt sich aus dem Wortlaut des § 731 ZPO, nach dem der Gläubiger Klage zu erheben hat, wenn die nach §§ 726 ff ZPO erforderlichen Nachweise nicht in der gebührenden Form geführt werden können, ableiten, daß der Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehle, wenn auch das urkundliche Klauselverfahren zur Klauselerteilung führt 1078. Das Unvermögen des Beweises durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden könne man als gesetzliche Umschreibung des Rechtsschutzbedürfhisses auffassen 1079. § 731 ZPO sei danach nur ein subsidiärer Rechtsbehelf für den Fall, daß der "übli1077 Auch die h. M., die davon ausgeht, der materielle Anspruch werde auf Einwendung des Schuldners im Verfahren nach § 731 ZPO überprüft (siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) cc)), lehnt eine Erstreckung der materiellen Rechtskraft hierauf unter Hinweis auf die rein prozessuale Rechtsschutzform der Klage ab; vgl. statt aller etwa: BGHZ 72, 23 (28, 29); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 III 2 d (S. 218). Dies erscheint aber nicht konsequent. Daß eine Schlußfolgerung von der Rechtsschutzform einer Klage auf den ihr zugrundeliegenden Streitgegenstand nicht richtig ist, wurde bereits oben im Zusammenhang mit der Vollstreckungsgegenklage gezeigt (siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (3) sub (a)). Allein der Umstand, daß es sich bei der Klauselklage um eine prozessuale Gestaltungsklage handelt, zwingt also ebensowenig wie bei der Vollstreckungsgegenklage dazu, die materiellrechtliche Überprüfung des titulierten Anspruchs von der materiellen Rechtskraft des Klauselurteils auszuklammern. Für eine Erstreckung der materiellen Rechtskraft auf das materiellrechtliche Bestehen des Anspruchs daher (vom Standpunkt der h. M. zum Streitstoff im Rahmen des §731 ZPO) konsequent mit weiterer Begründung MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 3, 5, 23; Barkam, Erinnerung und Klage, S. 52 f. 1078 Statt aller: MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 13; Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 1; Schuschke, § 731 Rdnr. 6; Thomas/Putzo, § 731 Rdnr. 6; Zöller/Stöber, § 731 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 731 Rdnr. 2. 1079

Statt aller: MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 13; Thomas/Putzo, § 731 Rdnr. 6; Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 1; Schuschke, § 731 Rdnr. 6; Zöller/Stöber, § 731 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 731 Rdnr. 2.

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che Weg keine Aussicht auf Erfolg biete"1080. Umstritten ist jedoch, wann konkret das Rechtsschutzbedürfnis bestehen bzw. entfallen soll. Verstärkt wird dieser Streit innerhalb der h. M. noch dadurch, daß ein Teil deijenigen, die in der Klage aus § 731 ZPO eine prozessuale Feststellungsklage erblicken, § 256 ZPO für unmittelbar anwendbar erklären 1081. Das Spektrum der vertretenen Meinungen spannt sich dabei von der Auffassung, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klauselklage sei bereits dann gegeben, wenn der Antragsteller die Urkunden nicht besitze1082, über die Ansicht, es müsse in diesem Fall wegen der Möglichkeit eines Geständnisses des Schuldners im Klauselerteilungsverfahren hinsichtlich des beweisbedürftigen Umstands zumindest erst die Klausel beim zuständigen Organ erfolglos beantragt worden sein1083, bis hin zu der Auffassung es bedürfe bei Zuständigkeit des Rechtspflegers 1084 vor Klageerhebung auch einer erfolglosen Durchführung des Erinnerungsverfahrens nach § 11 RPflG 1085 . Ganz im Gegensatz dazu steht die früher häufig anzutreffende 1086 und heute insbesondere von Barkam mi wieder vertretene Auffassung, der Gläubiger könne zwischen der Klauselklage und der Erteilung im urkundlichen Klauselverfahren frei wählen, die Klauselklage sei insoweit nicht subsidiär. Sie sei daher auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Kläger den urkundlichen Nachweis nicht führen wolle, obwohl er dazu in der Lage sei. Als Argument wird zum einen der Wortlaut des § 731 ZPO angeführt. Dieser besage nur, daß auf den Klageweg zurückzugreifen sei, wenn der Gläubiger im urkundlichen Nachweis verfahren die Klausel nicht erlangen könne. Der Wortlaut besage 1080

Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 1.

1081

So etwa Thomas/Putzo, § 731 Rdnr. 6. A. A. etwa Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I 2 d (S. 217, 218), wo von einer vom Nachweis eines besonderen Feststellungsinteresses nach § 256 ZPO befreiten prozessualen Feststellungsklage ausgegangen wird. 1082

So etwa Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 133.

1083

Vgl. etwa Saenger, JuS 1992, 861 (863) m. w. N.

1084

Ob auch bei Zuständigkeit des Notars die einfache Beschwerde nach § 54 BeurkG erhoben werden muß, wird, soweit ersichtlich, nicht ausdrücklich erörtert. 1085 So etwa Thomas/Putzo, § 731 Rdnr. 6; Schuschke, § 731 Rdnr. 6; differenzierend etwa Renkl, JuS 1981, 514 (517). Die Ansicht, der ganze Instanzenzug des urkundlichen Klauselverfahrens müsse durchlaufen sein, ehe die Klauselklage zulässigerweise erhoben werden könne (vgl. die Nachweise bei Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 4 mit Fußn. 6 - 9 , der allerdings unzutreffend davon ausgeht, RG JW 1895, 520 fordere auch die Beschwerde gegen die Versagung der Vollstrekkungsklausel), wird heute, soweit ersichtlich, nicht mehr vertreten; vgl. bereits RG JW 1895, 520. 1086

Vgl. etwa Köhler, Beiträge, S. 487 ff mit Fußn. 59; Förster/Kann, § 731 Anm. 1; Seuffert/Walsmann, § 731 Anm. 3; weitere Nachweise bei Barkam, Erinnerung und Klage, S. 66 Fußn. 15. 1087 Erinnerung und Klage bei qualifizierten vollstreckbaren Ausfertigungen, S. 67 ff, insbes. S. 79; ebenso Wieczorek, § 731 Anm. A I.

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. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

jedoch nichts darüber, daß die Klauselklage ausgeschlossen sei, wenn es (auch) möglich wäre, im urkundlichen Klauselverfahren die qualifizierte Vollstreckungsklausel zu erlangen. Die gesetzliche Formulierung sei nur als Hinweis auf die "notfalls" gegebene Klagemöglichkeit zu verstehen1088. Dieser Deutung kann jedoch nicht gefolgt werden. Hätte der Gesetzgeber nur auf die (zusätzlich) gegebene Klagemöglichkeit hinweisen wollen, so hätte er eine ähnliche Formulierungen gewählt wie in § 768 ZPO a. E., also das urkundliche Klauselverfahren "unbeschadet der Befugnis" zur Klauselklage zur Verfugung gestellt, nicht aber eine Formulierung wie in § 731 ZPO. Gerade hieraus ("Kann der ... Nachweis ... nicht geführt werden ...") ergibt sich der Ausnahmecharakter dieses Weges zur Erlangung einer Vollstreckungsklausel. Dem entspricht es aber, das Rechtsschutzbedürfnis für die Klauselklage zu verneinen, wenn der Nachweis eben doch geführt werden kann1089. Auch die von Barkam angestellten systematischen Überlegungen vermögen nicht zu überzeugen. Es ist zwar zutreffend, daß es sich bei dem urkundlichen Klauselerteilungsverfahren nur um ein summarisches Verfahren handelt 1090 - dies schon wegen der Begrenzung der Beweismittel auf Urkunden 1091. Nicht richtig ist es dagegen, von einem "allgemeinen prozessualen Grundsatz" einer freien Wahlmöglichkeit zwischen summarischem und ordentlichem Verfahren auszugehen1092. In den von Barkam aufgeführten Fällen des Urkundenprozesses, des Arrests bzw. der einstweiligen Verfügung und des Mahnverfahrens 1093 besteht zwar tatsächlich eine freie Wahlmöglichkeit zwischen summarischem und ordentlichem Verfahren. Doch diese Verfahrensarten sind bereits wegen ihrer unterschiedlichen Zielsetzung nicht untereinander und mit dem Klauselverfahren schon gar nicht vergleichbar: Urkundenprozeß und Mahnverfahren sind auf die Schaffung eines Titels gerichtet, der dem Gläubiger zur endgültigen Befriedigung dienen soll 1094 ; während im Urkundenprozeß eine 1088

Barkam, Erinnerung und Klage, S. 67, 74.

1089

Welche Anforderungen dabei an das Rechtsschutzbedürfnis zu stellen sind, ist insofern erst eine Folgefrage und wird sogleich behandelt. 1090

Barkam, Erinnerung und Klage, S. 68 f.

,09,

V g l . insoweit etwa Münzberg, NJW 1992, 201 (204); ders., Rpfleger 1991, 161 (162); Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 12; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (538). 1092

So Barkam, Erinnerung und Klage, S. 69.

1093

Richtigerweise gehört entgegen Barkam das Mahnverfahren eigentlich nicht zu den summarischen Verfahren, da es die Sachverhandlung nicht beschränkt, sondern ausschließt; vgl. Stein/ Jonas/Schlosser, vor § 592 Rdnr. 1. 1094

In beiden Fällen obliegt es dem Schuldner, durch Widerspruch bzw. Einspruch die volle Überprüfung des Anspruchs in einem ordentlichen Verfahren zu erreichen, vgl. §§ 599 f, 694 ff, 700 III ZPO.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

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richterliche Prüfimg stattfindet, erfolgt im Mahnverfahren noch nicht einmal eine Schlüssigkeitsprüfung durch den Rechtspfleger. Arrest und einstweilige Verfugung dienen dagegen nur dem einstweiligen Rechtsschutz nach summarischer richterlicher Prüfung. Alle diese summarischen Verfahren (Urkundenprozeß, Mahnverfahren, Arrest und einstweilige Verfügung) sind aber auf die Schaffung eines Leistungstitels gerichtet. Da der Gesetzgeber die Leistungsklage als Regelform zur Erlangung eines Leistungstitels ausgestaltet hat 1095 , stellen diese Verfahren Ausnahmen von dieser Regelform dar. Nur in bestimmten Fällen, in denen auch eine Leistungsklage möglich wäre, und unter bestimmten Voraussetzungen kann auf sie zurückgegriffen werden. Anders dagegen beim urkundlichen Klauselverfahren: hier geht es nicht mehr um die Schaffung eines Titels, sondern nur noch um dessen vollstreckbare Ausfertigung. Daher ist das urkundliche Klauselverfahren auch bei allen vollstreckbaren Titeln anwendbar. Obgleich summarisches Verfahren ist dessen Anwendbarkeit nicht auf bestimmte Fallgruppen beschränkt, sondern wurde vom Gesetzgeber als Regelform ausgestaltet. Damit unterscheidet es sich wesentlich von den summarischen Verfahren, die auf die Schaffung eines Titels gerichtet sind. Deren Verhältnis zum Klage verfahren ist daher nicht auf das Verhältnis von urkundlichem Klauselverfahren und Klauselklage übertragbar. Im Gegenteil: gerade die Wahl des nur summarischen urkundlichen Klausel Verfahrens als Regelform zeigt, daß es dort weniger um "Wahrheitsfindung" als um einen formalisierten Nachweis geht, der als solcher aber einen hohen Grad an Richtigkeitsgewähr in sich trägt. Die Klauselklage kann daher nur Ausnahme zur Erlangung einer Vollstreckungsklausel in den Fällen des Unvermögens eines urkundlichen Nachweises sein, nicht zweite Regelform. Die Veijährungsregelung des § 209 I BGB 1096 spricht ebenfalls nicht für die Zulässigkeit der Erhebung der Klauselklage ohne Rücksicht auf die Möglichkeit, das urkundliche Klauselverfahren durchzufuhren. Auch insoweit kann der Auffassung Barkams nicht gefolgt werden. Barkam folgert daraus, daß nur durch die Erhebung der Klauselklage, nicht aber durch das urkundliche Klauselverfahren die Verjährung des materiellrechtlichen Anspruchs unterbrochen wird, auf die dem Gläubiger zustehende freie Wahlmöglichkeit zwischen urkundlichem Klausel verfahren und Klauselklage. Anders könne man dem schutzwürdigen Interesse an einer Veijährungsunterbrechung nicht gerecht werden 1097.

1095

Siehe insoweit bereits oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4) (b) sub (cc) Fußn. 165; 2. Kap. D. I. 1. a) mit Fußn. 516. 1096

Entsprechendes gilt fur die Unterbrechung der Ersitzung nach § 941 BGB.

1097

Barkam, Erinnerung und Klage, S. 69 ff.

Schultheis

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

2

Aus dem Umstand, daß die Veijährungsunterbrechung eben nur durch die Klage nach § 731 ZPO und nicht durch das urkundliche Klauselverfahren eintreten soll, läßt sich aber ebensogut das Gegenteil folgern, nämlich daß beide Möglichkeiten zur Erlangung der Klausel gerade nicht zur beliebigen Auswahl dem Gläubiger zur Verfugung stehen sollen. Nur wenn die besonderen Voraussetzungen vorliegen, wie sie von der h. M. für die Klauselklage angenommen werden und diese erhoben wurde, soll die Veijährungsunterbrechung eintreten. Anders wäre gerade nicht einsichtig, warum nach der gesetzlichen Regelung beim urkundlichen Klauselverfahren keine Unterbrechung der Verjährung eintreten soll. Schließlich spricht entgegen der Auffassung Barkams auch nicht die Interessenlage der Parteien für eine freie Wahl zwischen urkundlichem Klauselverfahren und Klauselklage. Weder eventuell auftretende praktische Schwierigkeiten bei der Urkundenbeschaffung, noch Zumutbarkeitsgesichtspunkte erfordern dies zwingend1098. Stößt die Beschaffung der Urkunden auf tatsächliche Schwierigkeiten, so daß es unzumutbar erscheint, den Gläubiger zunächst auf das urkundliche Klausel verfahren zu verweisen, so ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage nach § 731 ZPO ohnehin gegeben1099; bestehen diese Schwierigkeiten nicht, so ist nicht einsichtig, warum dem Gläubiger trotzdem die Möglichkeit eingeräumt werden soll, eine Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu erheben. Auch für den beklagten Schuldner ist es entgegen Barkam 1100 keineswegs vorteilhafter, wenn dem Gläubiger die freie Wahl zwischen dem urkundlichen Klauselverfahren und der Klauselklage zusteht mag er auch die Möglichkeit haben, in unstreitigen Fällen durch ein sofortiges Anerkenntnis Kostennachteile zu vermeiden (vgl. § 93 ZPO). Für ihn reichen die Schutzmöglichkeiten der §§ 732, 768 ZPO gegen die Klauselerteilung aus. Daß ihm diesbezüglich die Initiativlast obliegt, sollte nicht als Nachteil ausgelegt werden, denn hierdurch hat der Schuldner die Möglichkeit, frei zu bestimmen, wann er gegen die Klauselerteilung vorgehen will 1101 . Barkam läßt mit seiner Ansicht einer freien Wahl zwischen urkundlichem Klauselverfahren und Klauselklage die Bedeutung des Rechtsschutzbedürfhisses für die Zulässigkeit einer Klage völlig unberücksichtigt. Dieses ist eben nicht bereits dann gegeben, wenn eine Klagemöglichkeit dem Kläger angeblich Vorteile und dem Schuldner angeblich keine Nachteile bringt. Das 1098

So aber Barkam, Erinnerung und Klage, S. 71 ff.

1099

Dazu sogleich.

1,00

Barkam, Erinnerung und Klage, S, 76 ff.

1101

Im übrigen hat der Beklagte den angeblichen Vorteil, sich bereits im Rahmen einer Klage nach § 731 ZPO wehren zu können, ohnehin nur, wenn der Gläubiger dieses Verfahren auch tatsächlich gewählt und sich nicht nur mit dem urkundlichen Klauselverfahren begnügt hat.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

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Rechtsschutzbedürfnis als Zulässigkeitsvoraussetzung hat vielmehr auch die Aufgabe, eine überflüssige und sinnlose Belastung der Gerichte zu verhindern 1102. Hinsichtlich der Klauselklage ist es aber dann notwendig, diese nur zuzulassen, wenn sich für den Gläubiger das urkundliche Klauselverfahren nicht als einfacherer Weg darstellt. Es ist somit mit der h. M. davon auszugehen, daß ein Rechtsschutzbedürfnis fur die Klauselklage nur besteht, wenn der Gläubiger im Fall der titelergänzenden oder titelübertragenden Vollstrekkungsklausel den erforderlichen Nachweis nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden führen kann und auch kein Fall der Offenkundigkeit vorliegt. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, welche Anforderungen an das rechtlich schutzwürdige Interesse des Gläubigers zu stellen sind. Da es Zweck der Klage ist, dem Gläubiger ohne weitere Umschweife zur Klauselerteilung zu verhelfen, sind all zu strenge Anforderungen an den negativen "Nachweis der förmlichen Nichtnachweisbarkeit" zu vermeiden1103; dies umso mehr, als der Schuldner ggf. über § 93 ZPO die Kostenlast von sich abwälzen kann. Daß ein Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden erforderlich ist, muß daher bereits dann unwiderleglich vermutet werden, wenn das Klauselerteilungsorgan mit dieser Begründung die Klauselerteilung abgelehnt hat. Würde man es nämlich in die Kompetenz des für die Klauselklage zuständigen Gerichts stellen, zu beurteilen, ob das Klauselerteilungsorgan die Vorlage der Urkunde zu Recht forderte, so kann sich hieraus ein Justizverweigerungseffekt ergeben1104. Ebensowenig kann es dem Kläger, der sich nicht im Besitz der erforderlichen öffentlichen bzw. öffentlich beglaubigten Urkunden befindet und sich diese auch nicht leicht beschaffen kann, zugemutet werden, zunächst das urkundliche Klauselverfahren in der Hoffnung zu beschreiten, der Schuldner könne die zu beweisende Tatsache zugestehen, so daß sich der Nachweis erübrigt 1105. Erst recht nicht ist es dem Gläubiger abzuverlangen, vor Klageerhebung auch noch ein Rechtsbehelfsverfahren gegen die Ablehnung der Klauselerteilung durchzuführen, damit dann nach einer für ihn ungünstigen Entscheidung die Klage zulässig wird 1106 . Die dadurch be-

1102 Vgl. statt aller, jeweils m. w. N.: Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Grundz. § 253 Rdnr. 34; Jauernig, ZPR, § 35 I (S. 125). 1,03

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I 2 b (S. 217).

1104

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 15; ähnlich auch LG Ellwangen, NJW 1964, 671.

1.05

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I 2 b (S. 217); MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 14; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 133. 1.06 MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731 Rdnr. 15; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 133; a. A. Stein/ Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 4 mit Fußn. 9; Thomas/Putzo, § 731 Rdnr. 6. Zöller/Stöber, § 731 Rdnr. 2 differenziert nach den Erfolgsaussichten der Erinnerung oder Beschwerde. Dies ist aber -

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22

. Kap.: Fehlerquelle: Anspnich

wirkte Verdoppelung der Verfahren wäre fur den Gläubiger in nicht zumutbarer Weise zeit- und kostenaufwendig und würde der Prozeßwirtschaftlichkeit, dem ja auch das Rechtsschutzbedürfiiis als Zulässigkeitsvoraussetzung gerade dienen will, widersprechen.

bb) Wirksamkeit des Titels als Zulässigkeitsvoraussetzung Fraglich erscheint, ob als besondere Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klauselklage die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels zu fordern ist, die Klage also als unzulässig abgewiesen werden muß, wenn der Schuldner mit Erfolg geltend macht, die vollstreckbare Urkunde (oder ein anderer Vollstrekkungstitel) sei unwirksam 1107. Diese "besondere Zulässigkeitsvoraussetzung" der "Titelwirksamkeit" ist aber hier ebenso abzulehnen wie bei der Vollstrekkungsgegenklage1108. Ob eine Klausel erteilt werden kann und das zuständige Organ zur Erteilung demgemäß anzuweisen ist, betrifft gerade den Gegenstand des Verfahrens. Wenn das stattgebende Urteil die Erteilung der Vollstreckungsklausel anordnet, so bedeutet das, daß vor Erlaß des Sachurteils auch geprüft wurde, ob die allgemeinen Klauselerteilungsvoraussetzungen vorliegen, denn andernfalls dürfte eine solche Anordnung nicht ergehen1109. Zu den allgemeinen Klauselerteilungsvoraussetzungen gehört aber auch die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels. Wenn aber die Frage der Zulässigkeit der Klauselerteilung und somit zugleich auch die Frage der Wirksamkeit des Vollstreckungstitels gerade Gegenstand des Verfahrens und der Sachverhandlung ist, also den eigentlichen Streitstoff der Parteien ausmacht, kann die Titelwirksamkeit nicht Zulässigkeitsvoraussetzung sein. Darüber hinaus würde es zu Wertungswidersprüchen führen, wenn die besonderen Klauselerteilungsvoraussetzungen nach §§ 726 I, 727 ff ZPO vom Gläubiger im Strengbeweisverfahren nachgewiesen werden müßten, die nicht minder wichtige Frage der Wirksamkeit des Vollstreckungstitels dagegen - als bloße Prozeßvoraussetzung - im Freibeweisverfahren 1110. Die Titelwirksamkeit ist daher nicht Zulässigkeits-, sondern Begründetheitsvoraussetzung der Klauselklage. als nicht meßbarer Faktor - ein zu unsicheres Kriterium zur Bestimmung des Rechtsschutzbedürfnisses und damit der Zulässigkeit der Klage. 1107 So Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 57.7 ff; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 731, Rdnr. 12 unter Berufung auf die vergleichbare Situation bei der Vollstreckungsgegenklage. Erstaunliche iweise spricht sich aber Wolfsteiner bei der Vollstreckungsgegenklage gerade gegen die Annahme der Titelwirksamkeit als Zulässigkeitsvoraussetzung aus, vgl. etwa Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.5; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 34. 1.08

Siehe hierzu ausführlich unten 4. Kap. D. I. 1. a).

1.09

Siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) aa).

1.10

Vgl. zur Zulässigkeit des Freibeweisverfahrens hinsichtlich der Prozeß- und Rechtszugsvoraus-

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

293

cc) Sonstiges Im übrigen gelten hinsichtlich der Zulässigkeit die Ausführungen zur Vollstreckungsgegenklage und Klauselgegenklage entsprechend. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich somit auch hier nach §§ 797 V, 800 III 800 a, 802 ZPO. Ebenfalls ist aus denselben Gründen wie bei der Klauselgegenklage1111 für die Klage nach §§ 731, 795, 797 V ZPO das Arbeitsgericht zuständig, sofern der Schuldner hinsichtlich eines arbeitsrechtlichen Anspruchs die Unterwerfungserklärung abgegeben hat. Anders als bei der Vollstreckungsgegen- und Klauselgegenklage ist allerdings dann, wenn mehrere Schuldner mit unterschiedlichen allgemeinen Gerichtsständen sich gemeinsam in einer Urkunde der Zwangsvollstreckung unterworfen haben, § 36 Nr. 3 ZPO anzuwenden, wenn sie gemeinsam verklagt werden sollen1112. Hier erfüllt § 36 Nr. 3 ZPO gerade seinen Sinn, indem durch die gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit die Interessen der beklagten Schuldner1113 einerseits berücksichtigt werden können, andererseits trotzdem eine mit den Erfordernissen der Prozeßökonomie in Einklang stehende Lösung nach pflichtgemäßer Abwägung aller Umstände herbeigeführt werden kann1114. Da der Gerichtsstand der §§ 797 V, 802 ZPO für den Schuldner nur verzichtbar ist, wenn er die Klägerrolle übernimmt (also bei der Vollstreckungsgegenklage und der Klauselgegenklage), verbleibt es darüber hinaus im Falle einer Unterwerfungserklärung i. S. d. § 800 I ZPO im Unterschied zu den Klagen nach §§ 767, 768 ZPO bei der gespaltenen Zuständigkeit: Für eine Klauselklage betreffend den persönlichen Anspruch gilt § 797 V ZPO, für eine solche betreffend den dinglichen Anspruch § 800 III ZPO1115.

Setzungen (h. M.) etwa BGH, NJW 1987, 2875 (2876); BGH, NJW-RR 1992, 1338 (1339); Thomas/Putzo, Voibem § 284 Rdnr. 6; Zöller/Greger, vor § 284 Rdnr. 7. Nach a. A. gelten auch hinsichtlich der Prozeßvoraussetzungen die Regeln des Strengbeweises; vgl. etwa Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 112 I I 3 (S. 639); Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 323. , m 1.12

Siehe oben 2. Kap. D. I. 3. c). Wieczorek, § 36 Anm. D I I I a 2.

1.13

Im Gegensatz dazu waren j a die Schuldner bei den Klagen nach §§ 767, 768, 795, 797 V ZPO in der Klägerrolle, so daß die Annahme eines Wahlrechts analog § 35 ZPO nicht gegen ihre schutzwürdigen Interessen verstieß. Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) aa) (2). 11,4 Dazu, daß § 36 Nr. 3 ZPO auch dann gilt, wenn der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zum gesetzlich ausschließlichen erklärt wurde Wieczorek, § 36 Anm. D III a 2; Stein/Jonas/Schumann, § 36 Rdnr. 14; MünchKommZPO/Patzina, § 36 Rdnr. 23; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 381 (S. 188). 1,15

Siehe hierzu auch oben 2. Kap. D. I. 1. d) aa) (3).

2

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

2. Leistungs- oder positive Feststellungsklage

Hat der Gläubiger eine vollstreckbare Urkunde gegen den Schuldner in Händen, so wird seine auf dasselbe Leistungsinteresse gerichtete Leistungsklage regelmäßig am Rechtsschutzinteresse scheitern1116. Die vollstreckbare Urkunde ist ein vollwertiger Vollstreckungstitel, so daß der Gläubiger einer Leistungsklage nicht mehr bedarf. Im Gegenteil würde eine Leistungsklage des Gläubigers für den Schuldner eine nicht zumutbare Gefahr mit sich bringen: Nachteilige Kostenfolgen könnte der Schuldner zwar durch ein sofortiges Anerkenntnis (§ 93 ZPO) vermeiden. Gefährlich kann aber für den Schuldner die Doppeltitulierung werden. Der Gläubiger hätte dann für ein und dasselbe Leistungsinteresse zwei Vollstreckungstitel in der Hand. Damit besteht die Gefahr, daß der Gläubiger auch zweimal vollstreckt, denn der Schutzmechanismus des § 757 I ZPO wird durch eine Doppeltitulierung umgangen. Der Schuldner könnte und müßte nach Verbrauch des einen Titels sich gegen eine Zwangsvollstreckung aus dem zweiten mit einer Vollstreckungsgegenklage zur Wehr setzen. Von der h. M. wird eine Leistungsklage - obgleich der Gläubiger eine vollstreckbare Urkunde besitzt - jedoch ausnahmsweise dann zugelassen, wenn ein besonderes rechtliches Interesse des Gläubigers daran bestehe1117. Ein solches wird angenommen, wenn aufgrund des außerprozessualen Verhaltens des Schuldners, insbesondere wegen des Vorbringens materieller Einwendungen, eine Vollstreckungsgegenklage drohe. Da der vollstreckbaren Urkunde die materielle Rechtskraft fehle, greife auch die Präklusionswirkung des § 767 II ZPO nicht ein. Der Vollstreckungsschuldner könne in diesem Fall mit der Vollstreckungsgegenklage uneingeschränkt die fehlende Übereinstimmung von tituliertem (prozessualem) Anspruch und materieller Rechtslage geltend machen. Dem Gläubiger sei es aber nicht zuzumuten, erst die Zwangsvollstreckung zu betreiben und abzuwarten, ob der Schuldner tatsächlich im Klagewege seine Einwendungen geltend mache und damit Erfolg habe. Daß er eine vollstreckbare Urkunde besitze, solle für ihn nicht den Nachteil haben, sich keine Rechtssicherheit und -klarheit hinsichtlich seines Anspruchs mehr verschaffen zu können und passiv eine Klage des Schuldners I,16 Vgl. statt aller: Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 794 Rdnr. 2; Zöller/Greger, vor § 253 Rdnr. 18. II,7

Dies wird nicht nur bei vollstreckbaren Urkunden, sondern auch bei anderen nicht rechtskraftfahigen Vollstreckungstiteln angenommen. Vgl. BGH, NJW 1961, 1116; BGH, W M 1963, 865 (866); BGH, NJW 1986, 2704 (2705); OLG Hamm, NJW 1976, 246 (247); OLG Hamm, MDR 1989, 266 (267); Stein/Jonas/Schumann, vor § 253 Rdnr. 115; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 14, § 794 Rdnr. 102; Thomas/Putzo, Vorbem § 253 Rdnr. 27, § 794 Rdnr. 57; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 794 Rdnr. 2; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 240; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 92 IV 2 a (S. 516); ähnlich auch Hüffner, ZZP 85 (1972), 229 (230, 231).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

2

abwarten zu müssen. Im übrigen sei bei einer solchen Sachlage ein Prozeß über die Einwendungen des Schuldners ohnehin nicht mehr zu vermeiden1118. Dem ist nicht zu folgen. Beide Gründe, die anfangs gegen die Zulassung einer Leistungsklage trotz Vorliegens einer vollstreckbaren Urkunde aufgeführt wurden, greifen auch dann ein, wenn eine Vollstreckungsgegenklage des Schuldners droht. Auch hier fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage. Wie oben dargelegt1119, hat das Leistungsurteil eine zweifache Wirkung: Zum einen hat es Vollstreckungswirkung, da mit ihm ein Vollstrekkungstitel geschaffen wird. Zugleich hat das Leistungsurteil aber auch hinsichtlich des Anspruchs Feststellungswirkung, da mit Rechtskraft feststeht, daß der Anspruch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bestanden hat. Die vollstreckbare Urkunde als rechtskraftloser Titel hat dagegen keine Feststellungswirkung, wohl aber Vollstreckungswirkung, denn mit ihrer wirksamen Beurkundung wird ebenso ein Titel geschaffen wie mit einem Leistungsurteil. Das Argument, dem Gläubiger könne ein Abwarten bei drohender Vollstreckungsgegenklage des Schuldners nicht zugemutet werden, weil er sich Rechtsklarheit über das Bestehen seines Anspruchs verschaffen können muß, betrifft nur die fehlende Feststellungswirkung der vollstreckbaren Urkunde, nicht dagegen die Vollstreckungswirkung, die der Leistungsklage und der vollstreckbaren Urkunde gleichermaßen zukommen. Da die Vollstreckungswirkung der vollstreckbaren Urkunde auch nach Erhebung der Vollstreckungsgegenklage fortbesteht und erst durch das stattgebende Vollstreckungsgegenklageurteil beseitigt wird, besteht lediglich ein Rechtsschutzbedürfnis, die fehlende Feststellungswirkung auszugleichen. Hierfür genügt aber eine Feststellungsklage des Gläubigers, einer Leistungsklage bedarf es hierzu nicht 1120 . Feststellungsurteile und Leistungsurteile unterscheiden sich ja voneinander (nur) durch die bei der Leistungsklage zur Feststellungswirkung zusätzlich hinzukommende Vollstreckungswirkung. Da aber für diese Vollstreckungswirkung kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, bleibt als "Minus" nur das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage übrig. Schließlich bestünden auch bei drohender Vollstreckungsgegenklage des Schuldners die mit einer Doppeltitulierung verbundenen Gefahren, wenn man mit der h. M. eine Leistungsklage für zulässig hielte. Es kann daher nur eine Feststellungsklage des Gläubigers für zulässig erachtet werden 1121. 11,8

BGH, NJW 1961, 1116; OLG Hamm, NJW 1976, 246 (247).

m 9

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

1.20

Wie hier Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 169 f, 363; Stein, FG Fitting, S. 333 (420 ff, 424); Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 347 ff. 1.21

Anders ist nur dann zu entscheiden, wenn der Gläubiger keine vollstreckbare Ausfertigung mehr in Händen hat und sichergestellt ist, daß er eine solche auch nicht mehr erlangen kann. Da er dann keinen Vollstreckungstitel mehr besitzt, besteht wieder ein Rechtsschutzbedürfnis für eine

2

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

3. Abänderungsklage (§ 323 ZPO) und Vereinfachtes Verfahren (§§ 6411 ff ZPO)

Will der Gläubiger bei einer auf zukünftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen lautenden vollstreckbaren Urkunde nachträglich weitergehende Ansprüche wegen einer eingetretenen Veränderung geltend machen, so stehen ihm hierfür die Abänderungsklage nach § 323 ZPO und ggf. das Vereinfachte Verfahren nach §§641 1 ff ZPO zur Verfügung. Die bereits oben1122 bei den verfahrensexternen Rechtsbehelfen des Schuldners gemachten Ausführungen gelten hier entsprechend.

III. Konkurrenz- und Präklusionsprobleme 1. Präklusion einer zweiten Vollstreckungsgegenklage

Wie bereits oben dargestellt1123, wird von der h. M. zur Lösung der Frage, inwieweit der Schuldner Einwendungen mit einer zweiten oder weiteren Vollstreckungsgegenklage geltend machen kann, § 767 III ZPO herangezogen1124. Legt man dabei diese Vorschrift objektiv aus1125, indem man verspätetes Vorbringen auch dann für präkludiert hält, wenn den Schuldner diesbezüglich kein Verschulden trifft, so besteht in ihrer Wirkung kein Unterschied zur Präklusionsnorm des § 767 II ZPO. Hält man dagegen den Schuldner nur mit schuldhaft nicht vorgebrachten Einwendungen für ausgeschlossen1126, so kann dieser Einwendungen mit einer zweiten Vollstreckungsgegenklage dann noch nachbringen, wenn er im früheren Verfahren außerstande war, diese geltend zu machen. Die Vorschrift des § 767 III ZPO wird so von einer PräklusionsLeistungsklage und die Gefahr einer Doppeltitulierung wäre ebenfalls vermieden. Grundsätzlich nur unter dieser Voraussetzung kann eine Leistungsklage trotz Vorliegens einer vollstreckbaren Urkunde zugelassen werden. 1.22

Siehe oben 2. Kap. D. I. 6.

1.23

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. e) dd).

1.24

Vgl. die Nachweise oben 2. Kap. D. I. 1. e) dd) Fußn. 803. Eine umfassende Darstellung des Meinungsstands zum Problem einer zweiten Vollstreckungsgegenklage findet sich bei Burgard, ZZP 106 (1993), 23 ff. 1.25 So der BGH seit BGHZ 61, 25 (26 f)· Dem BGH folgen etwa Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 767 Rdnr. 58; Geißler, NJW 1985, 1865 (1868); Lippross, § 45 IV 3 (S. 225); Zöller/Herget, § 767 Rdnr. 22. 1126

So die früher ganz h. M. und heute noch die wohl h. L.; vgl. etwa Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 IX (S. 480); Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 52; Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (239 m. Fußn. 21); A. Blomeyer, ZVR, § 33 V 5 a (S. 133 f). Als Argument hierzu dient der unterschiedliche Wortlaut in § 767 I I ("... entstanden sind ...") und § 767 III ZPO ("... geltend zu machen imstande war.").

27

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

Vorschrift zu einer begünstigenden Ausnahme für den Schuldner. Insbesondere bei Annahme eines globalen Streitgegenstands führt § 767 III ZPO dann zu einer den Schuldner begünstigenden Durchbrechung der objektiven Rechtskraft 1127 des ersten Vollstreckungsgegenklageurteils. Indes zeigen der Gesetzeswortlaut und die Motive, daß mit § 767 III nur eine innerprozessuale Präklusion beabsichtigt war. Aufgrund des Wandels der Normsituation ist es zwar durchaus gerechtfertigt, die Präklusion nicht mehr an die Klageerhebung zu koppeln, sondern sie auch noch während des laufenden Verfahrens eintreten zu lassen1128. Darüber hinaus aus der rein innerprozessualen Präklusionsvorschrift aber auch noch eine Präklusionsregel für künftige Vollstreckungsgegenklagen, also von einem Rechtsstreit zum nächsten, abzuleiten, erscheint nicht gerechtfertigt 1129. Insbesondere, wenn man der hier vertretenen Auffassung vom Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage folgt 1130 , treten dadurch Wertungswidersprüche zu § 767 II ZPO auf, zumindest bei einer von der wohl h. L. befürworteten subjektiven Auslegung des § 767 III ZPO: Ging der laufenden Vollstreckungsgegenklage ein Urteilsverfahren voraus, so greift ohne Frage die Präklusionsnorm des § 767 II ZPO ein 1131 . Handelt es sich dagegen aber um eine vollstreckbare Urkunde, so ist nicht zu verstehen, warum die Präklusion dann anderen Regeln, nämlich denen des § 767 III ZPO und nicht denen des § 767 II ZPO unterworfen sein soll, wenn der Schuldner nach erfolgloser erster Vollstreckungsgegenklage eine zweite erhebt. Schließlich fungiert die erste Vollstreckungsgegenklage bei einer vollstreckbaren Urkunde ja als nachgeholtes Erkenntnisverfahren und stellt das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs rechtskräftig fest 1132; die Situation unterscheidet sich deshalb nicht von der bei einer vorangegangen Leistungsklage1133. Bei § 767 II ZPO geht es gerade um eine von 1.27

Vgl. Münzberg, ZZP 87 (1974), 449 (457).

1.28

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. e) dd).

1129

K. Schmidt, JR 1992, 89 (92).

1.30

Siehe hierzu oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

1.31

x

Soweit das vorangegangene Urteil rechtskräftig geworden ist, kommt dem § 767 I I ZPO keine konstitutive Bedeutung zu. Eine Präklusion mit alten, vor der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstandenen Einwendungen folgt bereits aus der Rechtskraft-Präklusion. Insoweit geht die Präklusion nach § 767 I I ZPO in der Rechtskraft-Präklusion auf. Nur wenn die Vollstreckungsgegenklage gegen ein noch nicht rechtskräftiges, vorläufig vollstreckbares Urteil erhoben wird, kommt der Vorschrift des § 767 I I ZPO (vom Sonderfall eines vorangegangenen Versäumnisurteils einmal abgesehen, siehe hierzu Otto, Präklusion, S. 69 fï) konstitutive Bedeutung zu, indem nun die strenge objektive Präklusion unabhängig von der Rechtskraft gilt (vgl. Otto, Präklusion, S. 67 ff; ders., JA 1981, 649 (649)). 1132

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. a); 2. Kap. D. 1. b) gg) (4).

1,33

K. Schmidt, JR 1992, 89 (92); Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 342 f.

2

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

einem zum nächsten Prozeß reichende Präklusion1134. Der Fall der zweiten Vollstreckungsgegenklage sollte daher über § 767 II ZPO und nicht über § 767 III ZPO gelöst werden1135. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt 1136, hatte der Gesetzgeber bei § 767 II ZPO zwar das Verhältnis zwischen Vollstreckungsgegenklage und vorausgegangener Leistungsklage im Auge, doch steht dies einer teleologischen Extension auf den Fall der zweiten Vollstreckungsgegenklage nicht entgegen1137. Vom weit ausgelegten Wortlaut dieser Vorschrift wird nämlich auch dieser Fall mit umfaßt, insbesondere wenn man von einem globalen Streitgegenstand ausgeht. Dann stellt es sich wie im Falle einer vorangegangenen Leistungsklage lediglich als Problem der Rechtskraft dar, inwieweit Einwendungen in einer wiederholten Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden können. Hier wie dort dient dann § 767 II ZPO dem Schutz der Rechtskraft gegenüber neuem Vorbringen alter Tatsachen. Damit ist auch die Frage gelöst, ob für die Präklusion im Falle einer zweiten Vollstreckungsgegenklage ein fehlendes Verschulden des Schuldners an der mangelnden Geltendmachung der Einwendung im ersten Verfahren erheblich ist: Da die Rechtskraft unabhängig von einem fehlenden Verschulden des Schuldners eintritt und für die Präklusion von einem Rechtsstreit zum anderen nur der Maßstab des § 767 II ZPO gilt, ist es unerheblich, ob der Schuldner subjektiv imstande war, die Einwendung bereits mit der ersten Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen1138. Entscheidend ist allein, ob objektiv die Einwendung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz vorlag. Zu klären bleibt damit nur noch, ob dieses Ergebnis auch für vollstreckbare Urkunden gilt oder ob bei diesen wegen § 797 IV ZPO anders zu verfahren ist. Der Gesetzgeber hatte bei Regelung des § 797 IV ZPO nicht den Fall der wiederholten Vollstreckungsgegenklage im Auge. Diese Bestimmung regelt daher nur den Normalfall, daß gegen eine vollstreckbare Urkunde erstmals Vollstreckungsgegenklage erhoben wird. Sie trägt damit dem Umstand Rechnung, daß es sich bei der vollstreckbaren Urkunde um einen rechtskraftlosen Titel handelt und es an jeder "Richtigkeitsgewähr" eines vorangegangenen Prozesses fehlt. Die Situation ist aber eine völlig andere, wenn bereits eine erste Vollstreckungsgegenklage erhoben wurde. Dort fand eine umfassende 1.34

MünchKommZPO/Schmidt, § 767 ZPO Rdnr. 90.

1.35

K. Schmidt, JR 1992, 89 (93); ders., JuS 1987, 411; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 342 f.

1.36

Vgl. Hahn, Materialien, S. 437.

1.37

Vgl. K. Schmidt, JR 1992, 89 (93); MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 90, der allerdings von einer analogen Anwendung ausgeht, was freilich auf das Ergebnis keinerlei Auswirkungen hat. 1.38

K. Schmidt, JR 1992, 89 (93).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

2

Prüfung des Anspruchs und der gegen ihn gerichteten Einwendungen statt. Die Entscheidung entfaltet auch hinsichtlich der Feststellung des Anspruchs materielle Rechtskraft. Somit muß im Falle der wiederholten Vollstreckungsgegenklage bei vollstreckbaren Urkunden trotz § 797 IV ZPO die Präklusionsvorschrifit des § 767 II ZPO angewendet werden1139.

2. Präklusion einer zweiten Klauselgegenklage

Die Frage der Präklusion einer zweiten Klauselgegenklage stellt sich, ebenso wie bei der Erhebung einer zweiten Vollstreckungsgegenklage, als Rechtskraftproblem dar 1140. § 767 III ZPO i. V. m. § 768 ZPO ist hier auf den Fall der wiederholten Klageerhebung ebenso und aus denselben Gründen wie im Fall der wiederholten Vollstreckungsgegenklage unanwendbar: die Vorschrift stellt ausschließlich eine rein innerprozessuale Präklusionsnorm dar, die neben die allgemeinen Vorschriften der §§ 282, 296, 528 ZPO tritt und im Verhältnis zu diesen eine verschärfte Regelung enthält1141. Entscheidend für die Frage, inwieweit der Schuldner mit einer zweiten Klauselgegenklage erneut Einwendungen i. S. d. § 768 ZPO vorbringen kann, ist deshalb der Umfang der materiellen Rechtskraft des ersten Klauselgegenklageurteils. Wie oben festgestellt wurde 1142, entfaltet auch ein Gestaltungsurteil materielle Rechtskraft. Diese bezieht sich (zumindest) auf die Feststellung, ob zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung ein Recht des Klägers auf Durchführung der Gestaltung bestand. In Rechtskraft erwächst daher bei einem der Klauselgegenklage stattgebenden Urteil die Feststellung, daß der Kläger die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der Klausel verlangen konnte und zwar - das ergibt eine Auslegung der objektiven Grenzen der Rechtskraft aus den Urteilsgründen - wegen Fehlens der im Urteil angeführten Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen. Umgekehrt wird mit der Abweisung der Klage als unbegründet rechtskräftig festgestellt, daß der Kläger kein Recht auf Durchführung der begehrten Gestaltung hatte. Da sich das Recht auf die Gestaltung bei der Klauselklage nur bei einer Diskrepanz zwischen der im Klau1.39 BGH, NJW-RR 1987, 59; MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 90; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 341 ff. 1.40 Hierzu bedarf es keines Rückgriffs auf § 767 I I ZPO (analog). Soweit das erste Klauselgegenklageurteil bereits unanfechtbar geworden ist, tritt ja bereits aufgrund der Rechtskraft die (insoweit mit § 767 I I ZPO identische, siehe oben 2. Kap. D. III. 1. Fußn. 1131) außerprozessuale Präklusion ein. Soweit das erste Klauselgegenklageurteil noch nicht rechtskräftig geworden ist, steht dessen erneuter Erhebung die Rechtshängigkeit entgegen. 1.41

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. e) dd); 2. Kap. D. III. 1.

1142

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) vor (1).

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

selerteilungsverfahren urkundlich nachgewiesenen und der im Urteilsverfahren festgestellten Tatsachen- und Rechtslage ergibt, steht fest, daß die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der Klausel nicht an einer eben solchen Diskrepanz scheitert. Umstritten bei Gestaltungsklagen ist jedoch allgemein, ob der den Umfang der materiellen Rechtskraft beeinflussende Streitgegenstand global zu bestimmen ist oder individuell nach dem vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt 1143 . Ersteres hätte zur Folge, daß eine erneute Klage nicht auf Umstände gestützt werden kann, die bereits beim Schluß der letzten mündlichen Verhandlung der ersten Klage objektiv vorlagen. Im letzteren Fall dagegen hätte der Schuldner die Wahlmöglichkeit, entweder alle Sachverhalte, die das begehrte Gestaltungsurteil begründen können, in einer Klage vorzutragen oder einzelne für eine spätere Gestaltungsklage "aufzusparen". Für die zweite Lösung spricht, daß nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff der Streitgegenstand auch durch den vorgetragen Lebenssachverhalt mitbestimmt wird 1144 . Andererseits führt auch der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff zu einer globalen Streitgegenstandsbestimmung, wenn der vorgetragene Lebenssachverhalt nur als Begründungselement eines durch Gestaltungsantrag (hier: auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der erteilten vollstreckbaren Ausfertigung) und Gestaltungsgrund (hier: Nichteintritt des im urkundlichen Klauselerteilungsverfahren aufgrund der Urkunden als bewiesen angenommenen Sachverhalts) charakterisierten Streitgegenstandes aufgefaßt wird 1145 . Da somit keine dogmatisch zwingende Lösung des Problems zu erkennen ist, ist es zulässig, die Entscheidung von den Ergebnissen her zu treffen, zu denen die einzelnen Auffassungen gelangen1146. Hierbei ist ausschlaggebend, daß alle Beteiligten ein Interesse an einer endgültigen Klärung des Streites haben. Die Rechtsunsicherheit, die sich ergeben würde, wenn man eine "ratenweise" Geltendmachung von Sachverhalten zuläßt, die eine Gestaltungsklage stützen können, wäre allzu groß und überflüssig 1147. Es ist 1,43 Gegen eine globale Bestimmung des Streitgegenstands etwa Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 286 ff; A. Blomeyer, ZPR, 1. Aufl., § 40 V 3 (S. 203). Für eine globale Streitgegenstandsbestimmung Grunsky, Verfahrensrecht, § 5 I I I 2 (S. 39 f); Bôtticher, FG Rosenberg, S. 73 (90 ff); Schwab, Streitgegenstand, S. 95 ff; MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 173 m. w. N. 1144

Siehe oben 2. Kap. A. II. 1. u. 5.

1.45

Auch Teile der h. M ., die den titulierten Anspruch aus dem Streitgegenstand der Vollstrekkungsgegenklage ausklammert (siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (3)), gehen trotz zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs davon aus, daß die einzelne Einwendung nur Begründungselement einer Klage nach § 767 ZPO ist und nicht den Streitgegenstand festlegt; vgl. BGH, FamRZ 1984, 878 (879); BGH, W M 1985, 703 (703 f); MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 41. Danach ist Gestaltungsgrund nur global das Bestehen von Einwendungen gegen den Anspruch an sich, nicht die sich aus einem konkret vorgetragenen Lebenssachverhalt ergebende einzelne Einwendung. 1.46

Grunsky, Verfahrensrecht, § 5 I I I 2 (S. 39 f).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

1

deshalb von einer globalen Bestimmung des Streitgegenstandes und damit des Umfanges der materiellen Rechtskraft auszugehen. Präkludiert ist daher der Schuldner bei Erhebung einer zweiten Klauselgegenklage mit allen Einwendungen im Sinne des § 768 ZPO, die objektiv - also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Schuldners - bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung hätten vorgebracht werden können. Stützt der Schuldner z. B. seine erste Klauselgegenklage erfolglos darauf, daß die im Klauselerteilungsverfahren urkundlich nachgewiesene Forderungsabtretung wegen Geschäftsunfähigkeit des Zessionars unwirksam sei, so kann er im Rahmen einer zweiten Klauselgegenklage sich nur dann erfolgreich auf eine von dem Zedenten gegenüber dem Zessionar erklärte Anfechtung der Forderungsabtretung berufen, wenn diese nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung des ersten Klauselgegenklage Verfahrens erfolgte.

3. Vollstreckungsgegenklage (§ 767 Z P O ) und Klauselgegenklage (§ 768 Z P O )

a) Verbindung beider Klagen Wie oben gezeigt wurde, betreffen die mit § 767 ZPO bzw. mit § 768 ZPO geltend zu machenden materiellen Einwendungen unterschiedliche Ebenen, weshalb zwischen beiden Rechtsbehelfen genau zu unterscheiden ist: Die Klauselgegenklage hat lediglich die Aufgabe, gewisse, im Klauselerteilungsverfahren aufgrund der vorgelegten Urkunden als bewiesen angenommene Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen einer gerichtlichen Prüfung mit umfassender Beweisaufnahme zuzuführen - unabhängig davon, ob von diesen Voraussetzungen auch Existenz, Fälligkeit und Durchsetzbarkeit des materiellen Anspruchs abhängen. § 767 ZPO dient dagegen der Überprüfung, ob der titulierte prozessuale Anspruch sich mit der materiellen Rechtslage deckt1148. Beide Klagen können jedoch miteinander verbunden werden1149. Der Schuldner kann dann z. B. in einem Prozeß sowohl geltend machen, eine sich aus der Unterwerfungserklärung ergebende Vollstreckbarkeitsvoraussetzung sei entgegen dem urkundlichen Nachweis im Klauselerteilungsverfahren nicht eingetreten, als auch, der materiellrechtlichen Forderung des Gläubigers stehe eine Einrede oder Einwendung entgegen. Es liegen dann zwei Streitgegenstände vor. Ist der Prozeß nur im Hinblick auf einen dieser Streitgegenstände spruchreif, 1,47

Grunsky, Verfahrensrecht, § 5 III 2 (S. 39 f).

1148

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. a); 2. Kap. D. I. 3. a).

1,49

MünchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 5; Schuschke, § 768 Rdnr. 3; Wieczorek, § 768 Anm. A l e 1.

2

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

so kann ein Teilurteil erlassen werden. Spricht ein der Vollstreckungsgegenklage stattgebendes (Teil-)Urteil die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel aus und wird es rechtskräftig, so erledigt sich die von ihrem Ziel her weniger weitgehende Klage aus § 768 ZPO in der Hauptsache1150. Fraglich erscheint jedoch, ob aus der Möglichkeit einer Verbindung der Klagen nach § 768 ZPO und § 767 ZPO auch folgt, daß sie miteinander verbunden werden müssen. So wird unter Hinweis auf § 767 III ZPO, auf den § 768 ZPO verweist, die Ansicht vertreten, der Schuldner müsse bereits mit der Klauselgegenklage auch alle Einwendungen i. S. d. § 767 I ZPO vorbringen. Andernfalls sei er in einem späteren Vollstreckungsgegenklageverfahren mit diesen Einwendungen präkludiert, und zwar unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Schuldners von diesen Einwendungen1151. Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen, denn bei der Vorschrift des § 767 III ZPO handelt es sich um eine rein innerprozessuale Präklusionsnorm. Auf das Verhältnis zwischen verschiedenen Prozessen ist sie nicht anwendbar 1152. Deshalb kann der Schuldner die Klagen nach § 767 ZPO und § 768 ZPO auch nacheinander erheben, ohne fürchten zu müssen, daß er nur deshalb mit Einwendungen präkludiert ist, weil er sie im Falle einer Verbindung beider Klagen auch schon früher hätte geltend machen können. Allein aus dem Unterlassen einer Klagenverbindung kann sich daher keine Präklusion ergeben1153.

b) Konkurrenzverhältnis von Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) und Klauselgegenklage (§ 768 ZPO) Sowohl die Anwendung der Vollstreckungsgegenklage als auch der Klauselgegenklage kommt in Betracht, wenn materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch die Unterwerfungserklärung zu vollstreckungsrechtlich erheblichen Tatsachen erklärt wurden oder wenn sonstige materiellrechtliche Voraussetzungen fur Bestehen und Durchsetzbarkeit der Forderung zugleich auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen darstellen1154. Es stellt sich dann die Frage, 1,50

MünchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 5.

1151

Schuschke, § 768 Rdnr. 7.

1152

Siehe oben 2. Kap. D. III. 1.

1153

Wie hier MünchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 8; Wieczorek, § 768 Anm. A I c 1.

1,54

So ist z. B. die Wirksamkeit einer Forderungsabtretung sowohl nach materiellem Recht Voraussetzung dafür, daß der Zessionar die Gläubigerstellung erwirbt, als auch nach Vollstreckungsrecht dafür, daß ihm (auch mit § 768 ZPO nicht mehr angreifbar) gem. § 727 I ZPO die Vollstreckungsklausel erteilt werden kann.

D. Verfahrensextere Rechtsbehelfe

ob beide Klagen dem Schuldner zur freien Wahl stehen. Kann der Schuldner etwa, wenn ein Umstand sowohl aufschiebende Bedingung des materiellen Anspruchs als auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzung i. S. d. § 726 I ZPO ist, sowohl die Vollstreckungsgegenklage als auch die Klauselgegenklage erheben1155, möglicherweise sogar (im Wege der Klagenhäufung) beide Klagen gleichzeitig? Das Problem würde sich (nur) dann in voller Schärfe stellen, wenn das Vollstreckungsgegenklageurteil auch in diesen Fällen1156 zu einer vollständigen Entwertung des Titels als Vollstreckungsgrundlage 1157 führte. Hätte das Vollstreckungsgegenklageurteil in diesen Fällen wegen eines uneingeschränkten Ausspruchs der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung tatsächlich so weitreichende Folgen, so könnte es nur Ignoranten zugeschrieben werden, die Klage aus § 768 ZPO zu ergreifen und damit lediglich die konkrete vollstreckbare Ausfertigung anzugreifen, anstatt dem Gläubiger mit Hilfe der Klage nach § 767 ZPO durch Vernichtung der Vollstreckbarkeit des Titels endgültig die Vollstreckungsgrundlage zu entziehen. Indes hat sich gezeigt, daß die Vollstreckungsgegenklage nur dann dem Titel endgültig die Vollstreckbarkeit nimmt, wenn feststeht, daß der titulierte (prozessuale) Anspruch nie mehr mit der materiellen Rechtslage wird übereinstimmen können, weil er entweder überhaupt nicht (auch nicht als bedingter) entstanden ist oder weil er endgültig (etwa durch Erfüllung oder Anfechtung) untergegangen ist 1158 . In allen anderen Fällen, in denen der materielle Anspruch (auf den sich der im Titel verbriefte prozessuale Anspruch bezieht) oder dessen Rechtswirkungen noch entstehen können - mag er auch auf eine andere Person als die im Titel ausgewiesene übergegangen sein -, ist das Vollstreckungsgegenklageurteil in seiner Gestaltungswirkung zu begrenzen1159. Die Vollstreckbarkeit wird dann 1,55 So anscheinend Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 261. A. A. Münzberg, JZ 1993, 94 (95); Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 237, die wohl von einer ausschließlichen Anwendbarkeit des § 768 ZPO in solchen Fällen ausgehen.

""Relevant werden bei der vollstreckbaren Urkunde zwar in erster Linie die Fälle, in denen ein Umstand nicht eingetreten ist, der sowohl Voraussetzung für Entstehung oder Fälligkeit des materiellrechtlichen Anspruchs ist als auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzung i. S. d. § 726 I ZPO. Entsprechendes gilt aber auch beim fehlenden Übergang der Sach- und Verfügungsbefugnis auf einen Dritten trotz Erteilung einer titelübertragenden Klausel oder im umgekehrten Fall, wenn nach der Titulierung die Sach- bzw. Verfügungsbeflignis zwar auf einen Dritten übergegangen ist, aber dennoch der noch im Titel als Gläubiger Ausgewiesene die Forderung geltend macht, ohne dazu vom neuen Rechtsinhaber ermächtigt zu sein (siehe hierzu auch oben 2. Kap. D. I. 1. e) aa) (2) mit Fußn. 762) 1,57

Die Gestaltung wirkt ja - im Gegensatz zur Rechtskraft - nicht nur inter partes, sondern auch inter omnes. 1158

Siehe hierzu oben 2. Kap. D. I. 1. e) aa) (2).

1,59

Siehe hierzu oben 2. Kap. D. I. 1. e) aa) (2).

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

nicht endgültig beseitigt. Vielmehr wird der Umstand, von dem nach dem Vollstreckungsgegenklageurteil die Vollstreckbarkeit des Titels abhängt, zur VollstreckbarkeitsVoraussetzung, die gem. §§ 726 ff ZPO in einem erneuten Klauselerteilungsverfahren nachgewiesen werden muß1160. Von seinen Wirkungen unterscheidet sich daher ein Vollstreckungsgegenklageurteil, das die Zwangsvollstreckung aus dem Titel ausdrücklich oder schlüssig fur "derzeit unzulässig" erklärt oder die Gestaltungswirkung in anderer Weise begrenzt, nicht von einem stattgebenden Urteil nach § 768 ZPO. In allen Fällen aber, in denen wegen derselben Umstände sowohl die Klage nach § 767 ZPO als auch die nach § 768 ZPO in Betracht kommt (in denen also die Vollstrekkungsgegenklage nur auf ein solches Vorbringen gestützt wird, das auch eine Klauselgegenklage begründen könnte), kann nur ein in seiner Gestaltungswirkung beschränktes Vollstreckungsgegenklageurteil ergehen1161. Beide Klagen haben in diesen Konkurrenzfällen immer die gleiche Wirkung 1162. Damit wird der Konkurrenzsituation der beiden Rechtsbehelfe ihre Schärfe genommen. Hierüber sollte die unterschiedliche Tenorierung nicht hinwegtäuschen. Wenn bei einem stattgebenden Urteil nach § 768 ZPO die Zwangsvollstreckung aus der (konkreten) vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig erklärt wird, so wird damit letztlich nur das Begründungselement mit in die Tenorierung aufgenommen, daß auch einem Vollstreckungsgegenklageurteil zugrunde liegt, welches in seiner Gestaltungswirkung begrenzt ist: Es wird nur deutlich gemacht, daß die Zwangsvollstreckung aus materiellrechtlichen Gründen zur Zeit unzulässig ist, ungeachtet dessen, daß sie künftig zulässig werden kann. Dies gilt wohl gemerkt nur in den hier in Frage stehenden Konkurrenzfällen 1163 , also dann, wenn im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage gegen den materiellen Anspruch nur solche Argumente vorgebracht werden, die auch im Rahmen einer Klauselgegenklage gegen den tatsächlichen Eintritt einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung vorgebracht werden können. 1160 In den Fällen der §§ 751, 756, 765 ZPO genügt sogar ein Nachweis gegenüber den Vollstrekkungsorganen (siehe oben 2. Kap. D. I. 1. e) aa) (3)). Allerdings kommt in diesen Fällen von vorneherein eine Anwendung des § 768 ZPO nicht in Betracht, denn im Klauselerteilungsverfahren bedurfte es ja gerade keines Nachweises. Folglich kann es auch insoweit zu keinem Konkurrenzverhältnis mit § 767 ZPO kommen. 1161

Was sich entweder aus dem Tenor oder den Gründen ergibt.

1,62

Die Wirkung liegt im Falle eines stattgebenden Urteils bei beiden Klagen darin, daß der Gläubiger, nachdem die maßgeblichen Umstände eingetreten sind, in einem neuen Klauselerteilungsverfahren einen neuen formalisierten Nachweis des Eintritts dieser Umstände erbringen (oder Klage nach § 731 ZPO erheben) muß. 1163

Keine Konkurrenzfalle liegen dagegen vor, wenn (wie etwa in den Fällen des "Nachweisverzichts") Umstände geltend gemacht werden, die nicht Gegenstand eines Nachweises im Klauselerteilungsverfahren waren (dann nur § 767 ZPO) oder es um den Nichteintritt von Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen geht, die nicht auch zugleich Voraussetzungen für Entstehung oder Fälligkeit des materiellen Anspruchs sind (dann nur § 768 ZPO).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

3

In diesen Fällen gilt daher für das Konkurrenzverhältnis der beiden Klagen im Prinzip das oben Gesagte: Wird zunächst rechtskräftig einer Vollstrekkungsgegenklage stattgegeben, so erledigt sich die von ihrem Ziel her grundsätzlich weniger weitreichende Klauselgegenklage1164. Besonderheiten ergeben sich jedoch, wenn zuerst über die Klage nach § 768 ZPO entschieden wurde. In diesem Fall steht mit Eintritt der materiellen Rechtskraft des Klauselgegenklageurteils fest, ob zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung ein Recht des Klägers auf Durchführung der Gestaltung bestand, ob also der Schuldner die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung verlangen konnte. Wird nun eine Vollstreckungsgegenklage auf solche Umstände gestützt, die bereits zuvor zur Begründung der Klauselgegenklage vorgetragen wurden, präjudiziell 1165 insoweit das rechtskräftige Urteil über die Klauselgegenklage die Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage. Dies mag auf den ersten Blick überraschen, da auch tragende Urteilsgründe nicht an der materiellen Rechtskraft teilnehmen. Durch die Annahme, ein Urteil über eine Klauselgegenklage präjudiziere eine spätere Vollstreckungsgegenklage, wird jedoch den Urteilsgründen des Klauselgegenklageurteils nicht in unzulässiger Weise Rechtskraft beigemessen. In Rechtskraft erwächst nur die Feststellung, daß das Recht des Klägers auf die gerichtliche Gestaltung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestand bzw. nicht bestanden hat. Die in den Urteilsgründen untersuchten Gestaltungsgründe können nur zur Ermittlung der objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft herangezogen werden, nehmen aber an dieser nicht Teil. Oben wurde jedoch dargelegt, daß ein stattgebendes Urteil über eine Vollstreckungsgegenklage, die lediglich auf solche Umstände gestützt wurde, die auch zur Begründung einer Klauselgegenklage hätten herangezogen werden können, nur dieselben Gestaltungswirkungen auszulösen vermag1166 wie ein auf denselben Gründen beruhendes Urteil über eine Klauselgegenklage. Sind aber die Gestaltungsgründe und die Gestaltungswirkungen identisch, so handelt es sich letztlich um dasselbe Recht des Klägers auf Gestaltung. Wurde daher zuerst die Klauselgegenklage erhoben und über sie entschieden, so steht mit Eintritt der Rechtskraft fest, ob eben dieses Recht auf 1.64 Da das Urteil über eine Vollstreckungsgegenklage die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel ausspricht, reicht es grundsätzlich weiter als dasjenige über eine Klauselgegenklage, in dem nur ein Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Zwangsvollstreckung aus der Klausel erfolgt. Daß im konkreten Fall wegen der Begrenzung der Gestaltungswirkung des Vollstreckungsgegenklageurteils die Entscheidungswirkungen bei beiden Klagen gleich sein können, ist fur die Frage der Erledigung unerheblich. 1.65

Eine Erledigung der Vollstreckungsgegenklage durch die Entscheidung über die Klauselgegenklage kommt wegen der grundsätzlich weiterreichenden Wirkung der Klage nach § 767 ZPO nicht in Betracht; siehe auch oben 2. Kap. D. III. 3. a) sowie Fußn. 1164 in diesem Abschnitt. 1.66

Denn in diesen Fällen ist die Gestaltungswirkung der Vollstreckungsgegenklage zu begrenzen.

Schulheis

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

Gestaltung besteht. Deshalb kann auch ein Urteil über eine Klauselgegenklage eine spätere Vollstreckungsgegenklage präjudizieren. Wurden beide Klagen nicht nacheinander eingelegt, sondern im Wege der objektiven Klagenhäufung miteinander verbunden und ergeht vorab ein stattgebendes Teilurteil über die Klage nach § 768 ZPO, so ergibt sich vor Eintritt der materiellen Rechtskraft die Bindung des Gerichts hinsichtlich dieser Entscheidung aus §318 ZPO.

4. Materiellrechtliche Ausgleichsansprüche und Vollstreckungsgegenklage

Wird während eines Vollstreckungsgegenklageverfahrens die Zwangsvollstreckung beendet, so wird dem Schuldner allgemein zugebilligt, von der Vollstreckungsabwehrklage zur Bereicherungs- oder Schadensersatzklage überzugehen. Es wird hierin zu Recht eine nach § 264 Nr. 3 ZPO zulässige Klageänderung gesehen1167. Interessanter sind dagegen die Fälle, in denen der Schuldner nach einer erfolglosen Vollstreckungsgegenklage, ohne sachlich neue Argumente vorzutragen, nach Beendigung der Zwangsvollstreckung Bereicherungs- oder Schadensersatzklage erhebt. Die h. M. versagt zwar im Ergebnis zu Recht solchen materiellen Ausgleichsklagen den Erfolg. Eine dogmatisch überzeugende Begründung hierfür bleibt sie jedoch schuldig. Als Argument wird zum Teil pauschal angeführt, daß das Ergebnis von so elementarer Richtigkeit sei, daß dogmatische Bedenken demgegenüber gering erschienen1168 oder die Wahrung des Sinngehalts der im ersten Prozeß zum Streitgegenstand getroffenen Feststellung die Präklusion erfordere 1169. Wieder andere weisen schlicht auf die Notwendigkeit einer Vermeidung von schlechthin unvereinbaren Urteilen hin 1170 . Überwiegend wird damit argumentiert, die Abweisung der Vollstreckungsgegenklage bescheinige dem Gläubiger, daß seine Vollstreckung nicht pflichtwidrig sei1171. Wenn aber die h. M. ihre Auffassung, Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage sei allein die Vollstreckbarkeit des Titels, nicht jedoch (auch) der Fortbestand des materiellen Rechts, konsequent zugrundele1.67

Vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1981, 978 (979); KG, FamRZ 1988, 84 (85) m. w. N.; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 V I I I ; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 45. 1.68 Gaul, AcP 173 (1973), 323 (331); ders., ZZP 85 (1972), 251 (260 f, 300); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I 3 (S. 483). 1.69 Vgl. Zeuner, ZZP 74 (1961), 190 (191 f); ihm folgt Otto, JA 1981, 606 (608); ähnlich auch Schuschke, § 767 Rdnr. 43. 1.70 1.71

Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 226.

Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rdnr. 57 u. Fußn. 220; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1374; Schuschke, § 767 Rdnr. 43; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I 3 (S. 483).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

7

gen würde, so könnte sie hinsichtlich materieller Ausgleichsklagen eine Bindung der Parteien an ein abweisendes Vollstreckungsgegenklageurteil nicht annehmen - auch nicht aufgrund des "Sinngehalts" oder einer "Bescheinigung" über die fehlende Rechtswidrigkeit. Da hilft es auch nichts, für eine nachfolgende Schadensersatzklage "zumindest" ein Verschulden und für eine Bereicherungsklage die Bösgläubigkeit des Gläubigers nach § 819 I BGB als ausgeschlossen anzusehen, wenn eine vorhergehende Vollstreckungsgegenklage erfolglos blieb1172. Zum einen kann vom Standpunkt der h. M. aus von einem fehlenden Verschulden oder fehlender Bösgläubigkeit des Gläubigers doch wohl allenfalls dann ausgegangen werden, wenn er auf die materiellrechtliche Richtigkeit des Vollstreckungsgegenklageurteils vertrauen durfte. Das ist aber z. B. dann nicht der Fall, wenn im Vollstreckungsgegenklageverfahren ein (echtes) Versäumnisurteil nach § 330 ZPO gegen den klagenden aber säumigen Schuldner erging. Da hier eine materiellrechtliche Prüfung überhaupt nicht stattfand, kann sich der Gläubiger auch nicht auf die sachliche Richtigkeit des Urteils verlassen, sondern nur auf dessen Rechtskraft 1173. Die aber umfaßt beim Vollstreckungsgegenklageurteil nach h. M. den (Fort-)Bestand des materiellen Rechts angeblich nicht. Zum anderen würde das Argument, eine rechtskräftig abgewiesene Vollstreckungsgegenklage schließe für eine nachfolgende Bereicherungsklage des Schuldners die Bösgläubigkeit des Gläubigers nach § 819 I BGB aus, dem Gläubiger hinsichtlich eines Kondiktionsanspruchs nur dann etwas helfen, wenn er sich auf den Wegfall der Bereicherung (§818 III BGB) berufen kann. Sie nützt ihm also nichts, wenn er tatsächlich noch infolge des Vollstreckungszugriffs bereichert ist, denn diese Bereicherung muß er unabhängig von der Anwendbarkeit des § 819 BGB herausgeben. Die von der h. M. vorgebrachten Argumente für eine Bindung der Parteien bei einer materiellen Ausgleichsklage an das abweisende Vollstreckungsgegenklageurteil vermögen daher nicht zu überzeugen1174.

a) Bereicherungsklage

und Vollstreckungsgegenklage

Folgt man dagegen der auch hier vertretenen Auffassung, daß im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage rechtskräftig über das materiellrechtliche Be1,72

Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1374.

1173

Das Versäumnisurteil nach § 330 ZPO ist eine der materiellen Rechtskraft fähige Abweisung in der Sache selbst; vgl. Stein/Jonas/Schumann, § 330 Rdnr. 17. 1,74 Allenfalls ließe sich vom Standpunkt der h. M. aus damit argumentieren, daß das die Vollstrekkungsgegenklage sachlich abweisende Urteil rechtskräftig feststelle, daß es an einem Gestaltungsgrund fehlt. Dann wäre es vertretbar, wegen der Identität des Gestaltungsgrundes mit dem Vorbringen im Rahmen der materiellrechtlichen Ausgleichsklage, der Anspruch habe nicht bestanden, eine Präjudizwirkung anzunehmen.

*

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

stehen des titulierten Anspruchs entschieden wird, so läßt sich das Verhältnis von materiellrechtlicher Bereicherungsklage und Vollstreckungsgegenklage einfacher lösen1175. Mit Rechtskraft des abweisenden Sachurteils über eine Vollstreckungsgegenklage steht fest, daß materiellrechtlich der Anspruch des Gläubigers bestanden hat. Damit präjudiziell 1176 es - sofern die Bereicherungsklage nicht auf neue nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstandene Tatsachen gestützt wird -, daß die durch die Zwangsvollstreckung eingetretene Bereicherung mit Rechtsgrund erfolgte, ein Bereicherungsanspruch mithin nicht besteht1177. Gleiches gilt im umgekehrten Fall, wenn der Vollstreckungsgegenklage stattgegeben wurde, die Zwangsvollstreckung aber dennoch durchgeführt wird 1178 : Es steht dann mit Rechtskraft fest, daß dem Vollstreckungsgläubiger der titulierte Anspruch materiellrechtlich nicht zusteht und er folglich die durch die Zwangsvollstreckung eingetretene Bereicherung ohne Rechtsgrund erlangt hat. In diesem Sinne präjudiziert dann auch das Vollstreckungsgegenklageurteil eine spätere Bereicherungsklage.

b) Schadensersatzklage und Vollstreckungsgegenklage Auch hinsichtlich einer Schadensersatzklage - gleichgültig aufgrund welcher Anspruchsgrundlage 1179 - wirkt das Vollstreckungsgegenklageurteil nach 1,75 Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 354 ff, der das Verhältnis von Vollstreckungsgegenklage und Bereicherungsklage a. a. O. eingehend untersucht hat. 1176 Unzutreffend erscheint es dagegen, das Verhältnis von Vollstreckungsgegen- und Bereicherungsklage als ein Problem der entgegenstehenden Rechtskraft aufzufassen (so aber Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 154 I I 1 (S. 927), für die vergleichbare Problematik des Verhältnisses einer stattgebenden Zahlungsklage zur späteren Bereicherungsklage des Vollstreckungsschuldners). Ebensowenig wie mit einer Bereicherungsklage das kontradiktorische Gegenteil zu einer Zahlungsklage geltend gemacht wird, ist der Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage mit dem der Bereicherungsklage vollkommen identisch: Die Frage des Bestehens eines materiellen Anspruchs des Vollstreckungsgläubigers ist im Rahmen der Bereicherungsklage nur Vorfrage, im Rahmen der (Zahlungs- oder) Vollstreckungsgegenklage dagegen unmittelbar der Streitgegenstand (vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 355). Ebenso wie hier für das Verhältnis von Zahlungsund Bereicherungsklage: Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rdnr. 207; Gaul, JuS 1962, 1 (7 f). 1.77

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 355.

1.78

Das kommt etwa in Betracht, wenn der Vollstreckungsschuldner das Vollstreckungsgegenklageurteil nicht rechtzeitig auffindet und daher dem Vollstreckungsorgan nicht gem. § 775 Nr. 1 ZPO vorlegen kann. 1.79 Insoweit ist zu beachten, daß auch ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung oder culpa in contrahendo rechtswidriges Verhalten erfordert, auch wenn dort die Rechtswidrigkeit regelmäßig bereits in der Verletzung einer vertraglichen bzw. vorvertraglichen schuldrechtlichen Pflicht besteht; vgl. oben 2. Kap. D. I. 5.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

Beendigung der Zwangsvollstreckung präjudiziell: Wurde die Vollstreckungsgegenklage durch Sachurteil rechtskräftig abgewiesen und steht damit die Übereinstimmung von tituliertem Anspruch und materieller Rechtslage unbestreitbar fest, so kann es nicht als widerrechtlich angesehen werden, wenn der Vollstreckungsgläubiger sich sein rechtskräftig festgestelltes Recht im Wege der Zwangsvollstreckung "holt" 1180 . Anders wieder im umgekehrten Fall: Wurde der Vollstreckungsgegenklage stattgegeben, vollstreckt aber der Gläubiger dennoch, so ist damit ebenfalls ein Präjudiz für die Widerrechtlichkeit geschaffen: Die fehlende materielle Berechtigimg des Gläubigers, die für die Frage der Widerrechtlichkeit eine entscheidende Rolle spielt1181, steht ja mit dem stattgebenden Vollstreckungsgegenklageurteil rechtskräftig fest. Der Anspruch hängt dann jedoch unter anderem noch vom Verschulden des Gläubigers ab.

5. Positive Feststellungsklage des Gläubigers und Vollstreckungsgegenklage des Schuldners

Problematisch erscheint auf den ersten Blick das Verhältnis von positiver Feststellungsklage des Gläubigers und Vollstreckungsgegenklage des Schuldners, wenn man der hier vertretenen Ansicht vom Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage folgt. Kann der Schuldner, nachdem der Gläubiger Feststellungsklage erhoben hat 1182 , überhaupt noch Vollstreckungsgegenklage erheben oder steht dem die Rechtshängigkeit des Anspruchs entgegen? Zweck der Unzulässigkeit einer Klage wegen Rechtshängigkeit einer anderen Klage ist, den doppelten Aufwand an Zeit, Mühe und Kosten und doppelte, eventuell sogar divergierende Entscheidungen zu verhindern 1183. In zweifelhaften Fällen ist daher Prüfstein, ob die Entscheidung des ersten Prozesses die des zweiten Prozesses überflüssig machen würde oder nicht1184. Die Rechtshängigkeit eines ersten Prozesses steht einem zweiten daher nur dann entgegen, wenn neben der Identität der Parteien die prozessualen Ansprüche in beiden Verfahren 1.80 Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 362 f, der zu Recht auch auf die Diskussion um die ausnahmsweise Rechtskraftdurchbrechung im Rahmen des § 826 BGB hinweist. Gerade dieser Streitpunkt zeigt, daß es im Regelfall an einem rechtswidrigen Verhalten fehlt und ein deliktischer Schadensausgleich entfallt, wenn ein titulierte Anspruch vollstreckt wird, sofern dieser (wie hier durch das abweisende Vollstreckungsgegenklageurteil) rechtskräftig festgestellt ist. 1.81

Insoweit ist es gleichgültig, ob man der Lehre vom Erfolgs- oder Handlungsunrecht folgt.

1.82

Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage wird gerade bei vollstreckbaren Urkunden wegen deren fehlender (materieller) Rechtskraft häufig gegeben sein; siehe hierzu bereist oben 2. Kap. D. II. 2. 1.83

RGZ 160, 338 (344, 345); Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 100 III 1 (S. 568, 569).

1.84

Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 100 I I I 1 (S. 569).

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

nicht nur vom Gegenstand her, sondern auch ihrem Umfang nach gleich sind1185 oder der Umfang des Streitgegenstandes der später erhobenen Klage von dem der ersten Klage mit umfaßt wird. Das Problem löst sich damit wiederum, wenn man sich die dem Feststellungsurteil und dem Vollstreckungsgegenklageurteil zugrundeliegenden Streitgegenstände vor Augen hält: Gemeinsam ist beiden Urteilen die Feststellungswirkung hinsichtlich des Anspruchs1186. Der Unterschied liegt in dem zusätzlichen gestaltenden Element des Vollstreckungsgegenklageurteils, in seiner auf die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des angegriffenen Titels gerichteten Wirkung 1187. Hieraus folgt zunächst einmal, daß der Gläubiger dann keine (positive) Feststellungsklage mehr erheben kann, wenn bereits die Vollstreckungsgegenklage rechtshängig ist, denn der nur auf die Feststellungswirkung zielende Streitgegenstand der Feststellungsklage geht voll in dem auf Feststellungs- und Vollstreckungswirkung zielenden Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage auf. Im umgekehrten Fall, in dem der Gläubiger zuerst Feststellungsklage erhebt und der Schuldner später Vollstreckungsgegenklage einlegt, steht der Vollstreckungsgegenklage die Rechtshängigkeit der Feststellungsklage andererseits nicht entgegen. Der Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage wird von dem engeren, nur auf Feststellungswirkung gerichteten Streitgegenstand der Feststellungsklage nicht mit umfaßt. Vielmehr entfällt nachträglich das Feststellungsinteresse für die Feststellungsklage, sobald die Vollstreckungsgegenklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann, denn der Gläubiger hat dann die Sicherheit, daß die von ihm begehrte Feststellung erfolgen wird 1188 . Um drohenden Kostennachteilen zu entgehen, muß der Gläubiger seine Feststellungsklage für erledigt erklären 1189.

1.85

Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 100 III 1 (S. 569).

1.86

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

1.87

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

1.88

Gleichgültig ist, daß diese Feststellung nun nicht in einem Feststellungsurteil, sondern im Rahmen eines Vollstreckungsgegenklageurteils getroffen wird, denn die Feststellungswirkung ist bei beiden Urteilen gleich. 1.89 Im Ergebnis ebenso verhält es sich in den in der Praxis wohl kaum vorkommenden Fällen, in denen der Gläubiger negative Feststellungsklage erhebt mit dem Antrag festzustellen, daß bestimmte vom Schuldner behauptete Einwendungen (sofern sie im Einzelfall überhaupt selbständig Gegenstand einer Feststellungsklage sein können) nicht bestehen. Auch hier entfallt das Feststellungsinteresse, sobald die umfassendere Vollstreckungsgegenklage erhoben wird. Ähnlich ist es, wenn der Schuldner mit einer Feststellungsklage die Feststellung begehrt, daß ihm (positiv) bestimmte Einwendungen zustehen oder daß (negativ) ein bestimmter Anspruch von mehreren materiell konkurrierenden Ansprüchen des Gläubigers nicht besteht. Auch für diese Feststellungsklagen entfällt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn entweder der Gläubiger die umfassendere globale Fest-

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

Da zwischen (positiver) Feststellungsklage und Vollstreckungsgegenklage (als "Spiegelbild der Leistungsklage") dasselbe (Stufen-)Verhältnis besteht wie zwischen (negativer) Feststellungsklage und Leistungsklage, findet die hier vertretene Ansicht ihre Entsprechung in der von der h. M. 1190 vertretenen Auffassung vom Verhältnis einer negativen Feststellungsklage des Schuldners zur späteren Leistungsklage des Gläubigers1191.

6. Leistungsklage des Gläubigers nach erfolgreicher Vollstreckungsgegenklage des Schuldners

Die Frage, ob der Gläubiger, nachdem der Schuldner erfolgreich Vollstreckungsgegenklage eingelegt hat, nun im Wege einer Leistungsklage seinen (vermeintlichen) Anspruch geltend machen kann, stellt sich nach der hier vertretenen Auffassung ebenfalls als Problem der entgegenstehenden Rechtskraft dar: die Vollstreckungsgegenklage ist ja letztlich nichts anderes als das "Spiegelbild" der Leistungsklage1192. Da mit Rechtskraft des stattgebenden Vollstreckungsgegenklageurteils die fehlende Übereinstimmung von tituliertem Anspruch und materieller Rechtslage feststeht, kann eine Leistungsklage wegen der entgegenstehenden Rechtskraft des Vollstreckungsgegenklageurteils nicht erhoben werden 1193.

7. Abänderungs- und Leistungsklage des Gläubigers

a) Problemstellung und Meinungsstand Begehrt der Gläubiger einer vollstreckbaren Urkunde, die auf zukünftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen lautet, einen höheren als den titulierten Betrag, so kann er dies grundsätzlich nur im Rahmen der Abänderungsklage geltend machen. Eine von den Voraussetzungen des § 323 ZPO unabhängige Leistungsklage (sogenannte Zusatz- oder Nachforderungsklage) gemäß § 258 ZPO ist nicht zulässig. Insoweit unterscheidet sich die Situation nicht von der bei Urteilen 1194. stellungsklage auf Bestehen seines Forderungsrechts oder der Schuldner die Vollstreckungsgegenklage erhebt; vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 350 f. 1.90 Vgl. BGHZ 99, 340 (341 f); BGH, NJW 1973, 1500; BGH, NJW 1984, 1556 (1557); Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 93 III 1 c (S. 523); Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 19; a. A. Bettermann, Rechtshängigkeit, S. 28 ff. 1.91

Ebenso Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 349 f.

1192

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

,IM

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 360.

2

. Kap.: Fehlerquelle: A n s p c h

Die Möglichkeit einer Erstklage in Form einer Zusatzklage hinsichtlich einer Mehrforderung wird jedoch speziell bei der vollstreckbaren Urkunde fur den Fall erörtert, daß nur eine einseitige Verpflichtung des Schuldners gewollt war: Vornehmlich bei Unterhaltsansprüchen kommt es relativ häufig vor, daß der Schuldner seine Zahlungspflicht ohne vorherige vertragliche Vereinbarung mit dem Unterhaltsberechtigten in einer Schuldurkunde anerkennt und sich darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Dieses "Anerkenntnis" wird im Regelfall als schuldbestätigender Vertrag i. S. d. §§ 305, 241 BGB (sogenanntes deklaratorisches Schuldanerkenntnis) auszulegen sein, der durch das in der Beurkundung liegende Angebot des Schuldners und eine in der Regel formlose Annahme des Gläubigers (z. B. durch Entgegennahme des Titels) zustande kommt1195. Da der Schuldner auf diese Weise die Möglichkeit hat, ohne vorherige konkrete Anspruchstellung seitens des Gläubigers die Rentenhöhe auf ein ihm ausreichend erscheinendes, aber möglicherweise unter dem gesetzlichen Anspruch liegendes Maß zu bestimmen, fragt es sich, ob der Gläubiger sein Erhöhungsbegehren nur im Rahmen der Abänderungsklage geltend machen kann oder ob ihm nicht statt dessen oder zusätzlich die Möglichkeit einer Erstklage (Leistungsklage) offensteht. Da er bereits einen Titel in der Hand hat, kann es sich dabei nur um eine Leistungsklage hinsichtlich der Mehrforderung (Zusatzklage) handeln, denn für eine nochmalige Titulierung des bereits titulierten Betrages fehlt ohnehin schon das Rechtsschutzbedürfnis 1196. Zum Teil wird eine solche Zusatzklage unter Hinweis auf den Wortlaut des § 323 IV ZPO 1197 bzw. die (angeblich) durch die Zwangsvollstreckungsunterwerfung eingetretene beidseitige prozessuale Bindung1198 abgelehnt. Nach der Gegenansicht soll nur die Zusatzklage zur Anwendung kommen und eine Abänderungsklage ausscheiden1199. Die wohl herrschende Meinung vertritt ei1.94 Nur wenn (ausdrücklich) ein Teilbetrag tituliert wurde, ist bei Urteilen eine Zusatzklage möglich. Vgl. statt aller: Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 3 ff; Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 20; Boetzkes, Abänderungsklage, S. 147 mit Fußn. 167 m. w. N. 1.95

Boetzkes, Abändeningsklage, S. 140 m. w. N.; R. Weber, FamRZ 1955, 232 (234). Ein einseitiges nicht rechtsgeschäftliches Schuldanerkenntnis wird meist deshalb nicht vorliegen, weil sich der Schuldner in der versprochenen und (titulierten) Höhe binden will (in dem er auf die Erhebung von Einwendungen und Einreden aus ihm bekannten Tatsachen verzichtet); ein abstraktes Schuldanerkenntnis bzw. -versprechen i. S. d. §§ 780, 781 BGB scheidet ebenfalls aus, da der Schuldner keinen neuen Schuldgrund schaffen will. 1.96

Siehe bereits oben 2. Kap. D. II. 2. sowie OLG Zweibräcken, NJW 1993, 473 (474); OLG Frankfurt, FamRZ 1983, 755 (756); Boetzkes, Abänderungsklage, S. 150; Rohwer-Kahlmann, NJW 1951, 173 (175); Meilwitz, NJW 1952, 925. 1.97 1.98

So LG Schweinfurt, NJW 1956, 674; LG Tübingen, NJW 1953, 1476; KG, FamRZ 1978, 933.

So LG Köln, NJW 1963, 259; Kurtze, JR 1951, 171 (172); ders., JR 1951, 645 (646); wohl auch Birk, NJW 1954,75.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

313

ne vermittelnde Position: Dem Berechtigten solle wahlweise die Abänderungsklage oder die freie Zusatzklage zur Verfugung stehen1200. b) Stellungnahme In voller Schärfe stellt sich das Problem vor allem fur diejenigen, die § 323 I - III ZPO auch auf die Titel des § 323 IV ZPO anwenden wollen, denn bei einer Zusatzklage bestehen die Einschränkungen der § 323 I - III ZPO nicht. Doch auch wenn man der hier vertretenen 1201 Ansicht folgt, daß bei vollstreckbaren Urkunden die § 323 I - III ZPO keine praktische Bedeutung haben, kann die Frage nicht offenbleiben. Zwar stimmen Abänderungsklage nach § 323 IV ZPO und Zusatzklage in Voraussetzungen und Wirkungen weitgehend überein 1202: Für beide Klagen ist dasselbe Gericht zuständig. Sowohl bei der Abänderungsklage als auch bei der Zusatzklage kommt es fur die Begründetheit darauf an, ob der Berechtigte das Zahlungsversprechen des Unterhaltsschuldners im Zeitpunkt der Errichtung der vollstreckbaren Urkunde als genügend erachtet hat und wegen übereinstimmenden Parteiwillens von einer Bindungswirkung auch gegenüber dem Gläubiger auszugehen ist oder ob der Berechtigte sich auf die Annahme der Erklärung beschränkt und es unterlassen hat, sich seinerseits (etwa durch Erklärung seines Einverständnisses mit der zugesagten Rente) zu binden. Fehlt es an einer Bindungswirkung gegenüber dem Gläubiger, so lag keine vertragliche Vereinbarung und mithin auch keine Geschäftsgrundlage vor, so daß sich die Bestimmung der Unterhaltshöhe sowohl bei der Abänderungs- wie bei der Zusatzklage allein nach dem Gesetz richtet. Hat sich dagegen auch der Berechtigte gebunden, so führt die Zusatzklage nicht weiter als die Abänderungsklage: sie ist ebenfalls nur insoweit begründet, als die Geschäftsgrundlage der vertraglichen Vereinbarung weggefallen ist, denn nur insoweit besteht dann Raum für eine neue, anderweitige Regelung.

1,99

Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 47; Mellwitz, NJW 1952, 925; wohl auch Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 53 mit Fußn. 135. 1200

BGH, FamRZ 1980, 342 (343); OLG Zweibrücken, NJW 1993, 473 (474); OLG Frankfurt, FamRZ 1983, 755 (756); OLG Stuttgart, FamRZ 1980, 919; A G Charlottenburg, FamRZ 1991, 858 (859); MünchKommZPO/Gottwald, § 323 Rdnr. 22, 76; Rohwer-Kahlmann, NJW 1951, 173 (175); R. Weber, FamRZ 1955, 232 (243); Klauser, MDR 1981, 711 (718); ders., DA Vorm 1982, 125 (140); offengelassen in BGH, NJW 1985, 64 (65). ,20

' Siehe oben 2. Kap. D. I. 6. a) bb).

1202

Vgl. auch Finger, M D R 1971, 350 (353 f), der eine völlige Übereinstimmung feststellt - allerdings für die Rechtslage vor Einfügung des § 323 V ZPO.

314

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

Trotz dieser weitgehenden Gemeinsamkeiten besteht jedoch für vollstreckbare Urkunden, die auf künftig fällig werdende Unterhaltszahlungen an einen Mindeijährigen lauten, ein Unterschied: Die Abänderungsklage ist hier nur unter der einschränkenden Voraussetzung des § 323 V ZPO möglich, die Zusatzklage dagegen unterliegt dieser Beschränkung nicht. Aus diesem Grund kann eine Abgrenzung der beiden Klagen nicht offenbleiben 1203. Ein entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung ist dabei einerseits sicherlich, inwieweit sich ursprünglich der Gläubiger mit der vom Schuldner vorgenommenen Unterhaltsberechnung und der versprochenen Unterhaltshöhe einverstanden erklärt hat 1204 . Hat der Berechtigte mehr gefordert als der Verpflichtete letztlich einseitig anerkannt hat, so darf dem Berechtigten nicht allein wegen des Anerkenntnisses der Weg einer Leistungsklage (Zusatzklage) verschlossen sein. Darüber hinaus kommt es aber auch darauf an, ob der Gläubiger damit einverstanden war, daß der Schuldner sich in einer vollstreckbaren Urkunde der Zwangsvollstreckung unterwirft 1205. Beides wird zwar häufig zusammenfallen, so z. B. wenn der Schuldner seine Zahlungspflicht ohne vorherige vertragliche Vereinbarung mit dem Unterhaltsberechtigten in einer Schuldurkunde anerkennt, sich darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft und der Gläubiger unter Erklärung seines Einverständnisses mit der zugesagten Rente die vollstreckbare Ausfertigung entgegennimmt. Dies muß aber nicht so sein, wie sich aus folgendem Beispiel über die Vereinbarung künftig fällig werdender Unterhaltszahlungen an einen Minderjährigen ergibt: Hatten sich die Parteien des späteren Rechtsstreits in einem außergerichtlichen Vergleich nach § 779 BGB über die maßgebenden Faktoren zur Berechnung des Unterhalts und dessen Höhe geeinigt1206, ohne dies zu titulieren, so kann der Minderjährige 1207, wenn sich der Schuldner bei einem Wandel der wirtschaftlichen Verhältnisse mit einer Anpassung nicht einverstanden erklärt, Leistungsklage erheben. Bei dieser Leistungsklage besteht dann zwar eine Bindung an die zuvor getroffene außergerichtliche Unterhaltsvereinbarung (soweit diese wirksam ist), mit der Folge, daß eine Erhöhung nur nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage erfolgen kann. In diesem 1203 Insoweit sind die Ausfuhrungen Fingers, MDR 1971, 350 (353 f) durch die gesetzliche Neuregelung überholt. 1204

Hierauf allein scheint aber die oben zitierte (siehe oben 2. Kap. D. III. 7. a) Fußn. 1200) überwiegende Meinung abzustellen. 1205

So möglicherweise auch OLG Frankfurt, FamRZ 1983, 755 (756), das allerdings von einer Anwendbarkeit der Absätze 1 - 3 des § 323 ZPO auf vollstreckbare Urkunden ausgeht. 1206 Der Minderjährige wird dabei von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten. Das ist nach einer Scheidung der Eltern häufig der nicht barunterhaltspflichtige Elternteil, dem nach § 1671 BGB die elterliche Sorge übertragen wurde. 1207

Er wird dabei wiederum durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

315

Rahmen ist es aber dem Berechtigten möglich, eine Anpassung an die individuellen Verhältnisse zu erreichen. Eine dem § 323 V ZPO entsprechende Einschränkung, wonach unter den dort genannten Voraussetzungen nur eine Heraufsetzung gemäß der AnpassungsVerordnung (über §§ 641 1 ff ZPO) erreicht werden kann, besteht nicht1208. Hat dagegen der Schuldner, nachdem die Parteien den außergerichtlichen Unterhaltsvergleich (§ 779 BGB) geschlossen haben, ohne vorherige Absprache mit dem Gläubiger den daraus folgenden Anspruch gem. § 794 I Nr. 5 ZPO titulieren lassen und wäre nur wegen der Bindung des Gläubigers an den materiellrechtlichen Vergleich ausschließlich die Abänderungsklage statthaft, so hätte der Schuldner durch seinen einseitigen Unterwerfungsakt das Recht des Gläubigers auf von der Anpassungsverordnung unabhängige Individualanpassung beschnitten, denn nun müßte er bei einer Klageerhebung § 323 V ZPO beachten. Daß aber das in § 1612 a V BGB gewährte Recht des Gläubigers auf Individualanpassung durch § 323 V ZPO eingeschränkt wird 1209 , rechtfertigt sich nur dann, wenn auch der (mindeijährige) Gläubiger 1210 mit einer Titulierung einverstanden war. War er das nicht, so muß er die Möglichkeit haben, im Rahmen der getroffenen Vereinbarung mit dem Schuldner (d. h. in den Grenzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage der zuvor geschlossenen Unterhaltsvereinbarung) eine Individualanpassung zu erreichen. Wenn sich der Schuldner ohne Einverständnis des Gläubigers der Zwangsvollstreckung unterwirft, erreicht er dies aber nur mit einer Zusatzklage. Folglich kann dem Gläubiger die Möglichkeit einer Zusatzklage auch nur dann verschlossen sein, wenn er sich damit einverstanden erklärt hat, daß der vereinbarte Unterhaltsanspruch tituliert wird. Ob ein Einverständnis vorliegt, ist anhand der allgemeinen Auslegungskriterien zu ermitteln 1211. Der Gläubiger 1212 hat damit ein Wahlrecht zwischen der Abänderungsklage und der Zusatzklage1213. Dieses Wahlrecht steht ihm nur dann nicht zu, 1208 § 1612 a I BGB gibt nur das Recht, eine Anpassung gemäß der Anpassungsverordnung zu verlangen, schließt aber eine individuelle Anpassung nicht aus (§ 1612 a V BGB). 1209

Vgl. hierzu Zöller/Philippi, vor § 641 1 ZPO Rdnr. 8.

12.0

Er wird dabei wiederum durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten.

12.1

Das Einverständnis kann (je nach Lage des Einzelfalls) z. B. darin gesehen werden, daß der Gläubiger die Abänderungsklage erhebt oder eine Abänderung im Vereinfachten Verfahren nach §§ 641 1 ff ZPO begehrt, denn hieraus ergibt sich, daß er mit der Titulierung und dessen Konsequenzen (Vorrang der §§ 641 1 f f ZPO unter den Voraussetzungen des § 323 V ZPO) einverstanden war. 1212 Der Schuldner dagegen ist an Grund und Höhe des von ihm in vollstreckbarer Form abgegebenen Anerkenntnisses voll gebunden und muß eine von ihm begehrte Herabsetzung der versprochenen Rente auf jeden Fall mit der Klage nach § 323 ZPO verfolgen; OLG Stuttgart, FamRZ 1980, 919; AG Charlottenburg, FamRZ 1991, 858 (859); Klauser, DA Vorm 1982, 125 (140); Boetzkes, Abänderungsklage, S. 151.

316

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

wenn er sich sowohl mit Grund und Höhe der Unterhaltsberechnung als auch mit der Titulierung selbst einverstanden erklärt hat. In diesem Fall bleibt ihm nur die Abänderungsklage.

8. Verhältnis der Vollstreckungsgegenklage zur Abänderungsklage des Schuldners 1214

Die Anwendungsbereiche der Abänderungs- und Vollstreckungsgegenklage schließen sich nach heute h. M. gegenseitig aus1215, d. h. ein und derselbe Umstand kann entweder nur mit der Abänderungsklage oder nur mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden. Das gilt nicht nur bei Urteilen, sondern auch bei vollstreckbaren Urkunden sowie den anderen in § 323 IV ZPO genannten Titeln - und zwar unabhängig davon, ob man § 323 I - III ZPO auf diese Titel fur anwendbar erachtet oder nicht1216. Dies ergibt sich aus der vom Gesetzgeber mit § 323 ZPO verfolgten Intention, auch für die in § 323 IV ZPO genannten Titel nicht nur die Abänderungsfähigkeit bei Veränderung der Verhältnisse als solche festzulegen, sondern auch das Verfahren, in dem diese veränderten Verhältnisse zu berücksichtigen sind1217. Mit § 323 ZPO sollen einheitliche Grundsätze festgelegt werden, in welchem Verfahren und unter welchen Voraussetzungen1218 bei Titeln über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen geltend gemacht werden kann, daß aufgrund veränderter leistungspflichtbestimmender Faktoren die aus dem unverändert fortbestehendem Dauerschuldverhältnis entspringenden jeweiligen künftigen Leistungspflichten nicht mehr wie tituliert entstehen bzw. fällig werden 1219.

1213 Wie zuvor bereits gesagt unterscheiden sich die beiden Klagen hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Wirkungen nur dann voneinander, wenn es um künftig fällig werdende Unterhaltszahlungen an Minderjährige geht. 12.4

Vgl. ausfuhrlich zur Abgrenzungsproblematik die Arbeiten von Gegenwart, Das Verhältnis der Abänderungsklage zur Vollstreckungsgegenklage; Jakoby, Verhältnis der Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zur Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO. Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die Ansicht der h. M., der zu folgen ist. 12.5

Vgl. statt aller: Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 15; MünchKommZPO/Gottwald, § 323 Rdnr. 28 m. w. N.; Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 41 ff; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1319; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 4 (S. 488); Arens/Lüke, ZPR, Rdnr. 593; Schuschke, § 767 Rdnr. 5; Graba, NJW 1989, 481 (486). 12.6

Siehe hierzu oben 2. Kap. D. I. 6. a) bb).

12.7

Jakoby, Verhältnis der §§ 323 und 767 ZPO, S. 253 f.

1218

Die einschränkende Vorschrift des § 323 V ZPO findet ja auch bei vollstreckbaren Urkunden Anwendung. 1219

Vgl. ausführlich Jakoby, Verhältnis der §§ 323 und 767 ZPO, S. 235 m. w. N.

D. Verfahrensextere Rechtsbehelfe

317

Aus diesem mit § 323 ZPO verfolgten Zweck ergibt sich auch die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 323 ZPO und § 767 ZPO: Der Abänderungsklage sind diejenigen Umstände zuzurechnen, die eine Veränderung der für die periodischen Leistungspflichten bestimmenden Faktoren darstellen und bewirken, daß diese Pflichten im Zeitpunkt ihrer Vollstreckbarkeit anders als tituliert entstehen bzw. fallig werden. § 323 ZPO ist damit anwendbar, wenn es um die Berücksichtigung der im Laufe der Zeit stets wandelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse geht, die bei titulierten Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen typischerweise unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls oder der Veränderung der Geschäftsgrundlage von Bedeutung sind. Mit der Vollstreckungsgegenklage werden dagegen eher punktuell eintretende Ereignisse, die eine Erfüllung, ein Erfüllungssurrogat oder einen der Erfüllung wirtschaftlich gleichkommenden Vorgang darstellen, geltend gemacht1220. Wegen der im Einzelfall oft schwierigen Abgrenzungsprobleme ist es auch zulässig, eine Vollstreckungsgegenklage mit einer hilfsweise geltend gemachten Abänderungsklage und umgekehrt zu verbinden1221. Besteht wegen § 797 V ZPO nicht die gleiche Zuständigkeit1222, so ist zu bedenken, daß der Schuldner bei der Vollstreckungsgegenklage auf den ihn begünstigenden Gerichtsstand des § 797 V ZPO verzichten1223 und deshalb beide Klagen beim Gericht des allgemeinen Gerichtsstands des Gläubigers erheben kann.

9. Klauselklage des Gläubigers (§ 731 ZPO) und verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Schuldners

Wie oben bereits dargelegt wurde, ordnet das einer Klauselklage stattgebende Urteil nicht nur an, daß die Vollstreckungsklausel zu erteilen sei (Gestaltungswirkung des Urteils), sondern erwächst auch dahingehend in materielle Rechtskraft, daß zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung 1220

Statt aller: BGH, NJW-RR 1991, 1154 (1155); BGH, NJW 1984, 2826; OLG Karlsruhe, FamRZ 1991, 352 (352 f); Thomas/Putzo, § 323 Rdnr. 2; Zöller/Vollkommer, § 323 Rdnr. 15; MünchKommZPO/ Gottwald, § 323 Rdnr. 29, 30; Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 44 f; Jakoby, Verhältnis der §§ 323 und 767 ZPO, S. 240 ff; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1320; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 4 (S. 488). 1221

Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rdnr. 46; MünchKommZPO/Gottwald, § 323 ZPO Rdnr. 28; Thomas/Putzo, § 323 Rdnr. 3; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 X I V 4 (S. 488). 1222

Dies ist gem. § 260 ZPO Voraussetzung sowohl fur die kumulative wie auch die eventuelle Kla-

genhäufung. 1223 Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) aa) (2). Vgl. auch Graba, NJW 1989, 481 (486), der eine teleologische Reduktion der Gerichtsstandsbestimmung bei der Verbindung der Vollstreckungsgegenklage mit einer Abänderungsklage für möglich hält. Ähnlich auch OLG Frankfurt, NJW 1976, 1982 (1983).

318

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

das Recht des Gläubigers auf Anordnung der Klauselerteilung durch das Gericht bestand. Damit sind die auf das kontradiktorische Gegenteil gerichteten Rechtsbehelfe des Schuldners nach §§ 732, 768 ZPO1224 ausgeschlossen. Soweit der Schuldner diese Rechtsbehelfe später erhebt, schließt das Urteil über die Klauselklage alle vom Schuldner im Rahmen der §§ 732, 768 ZPO vorgebrachten Einwendungen aus, die bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Klauselklageverfahrens objektiv vorlagen. Da der Streitgegenstand der Klauselklage nach § 731 ZPO ebenso und aus denselben Gründen1225 wie der der Klauselgegenklage nach § 768 ZPO global zu bestimmen ist, kommt es für den Einwendungsausschluß nicht darauf an, ob der Schuldner zur Zeit der Durchführung des Klauselklage Verfahrens subjektiv die Einwendungen kannte. Ist das Verhältnis zwischen stattgebender1226 Klauselklage und Rechtsbehelfen nach §§ 732, 768 ZPO insoweit eindeutig, so erscheint doch das Verhältnis zu einer später eingelegten Vollstreckungsgegenklage fraglich. Die h. M. geht auch insofern von einer Präklusionswirkung des stattgebenden Urteils nach § 731 ZPO aus, da der Schuldner im Rahmen der Klauselklage bereits seine Einwendungen gegen den materiellen Anspruch habe vorbringen müsse1227. Nach der hier vertretenen Auffassung gehört dagegen die Frage, ob titulierter Anspruch und materielle Rechtslage übereinstimmen, nicht zum Streitstoff der Klauselklage1228. Hieraus ist aber nicht zu folgern, das Urteil über eine Klage nach § 731 ZPO könne keine Präjudizwirkung im Rahmen des Vollstreckungsgegenklageverfahrens entfalten. Das Verhältnis beider Klagen entspricht vielmehr dem zwischen Vollstreckungsgegenklage und Klauselgegenklage1229. Präjudizwirkungen kommen allerdings ebenso wie dort nur dann in Betracht, wenn in beiden Verfahren dieselbe Tatsachen- und Rechtslage zu überprüfen ist. Das ist auch hier der Fall, wenn materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch die Unterwerfungserklärung zu vollstreckungsrechtlich erheblichen Tatsachen erklärt wurden oder wenn sonstige materiellrechtliche Voraussetzungen für Bestehen und Durchsetzbarkeit der Forderung zugleich auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen darstellen1230. 1224 Entsprechendes gilt fur die Unwirksamkeitsklage des Schuldners analog § 767 ZPO. Siehe hierzu unten 4. Kap. D. III. 1225

Siehe oben 2. Kap. D. III. 2.

1226

Wurde die Klauselklage als unbegründet abgewiesen, so fehlt es bereits an einer vollstreckbaren Ausfertigung, die mit den §§ 732, 768 ZPO angegriffen werden könnte. 1227

Siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) cc) mit Nachweisen.

1228

Siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) dd).

1229

Siehe hierzu oben 2. Kap. D. III. 3. b).

1230

Siehe bereits oben 2. Kap. D. III. 3. b) mit Fußn. 1154.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

319

Wird zuerst die Vollstreckungsgegenklage eingelegt und dieser stattgegeben, so verliert der Titel mit Eintritt der formellen Rechtskraft aufgrund der Gestaltungswirkung des Urteils seine Vollstreckbarkeit. Eine Klauselklage des Gläubigers kann dann nicht mehr zum Erfolg führen. Ergeht dagegen zunächst ein Urteil über eine Klauselklage, so steht mit Eintritt der materiellen Rechtskraft fest, ob zur Zeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ein Recht des Klägers auf Durchführung der Gestaltung besteht, ob also der Gläubiger in diesem Zeitpunkt ein Recht auf Anordnung der Klauselerteilung durch das Gericht hatte. Zugleich steht damit aber auch das kontradiktorische Gegenteil fest. Stützt mm aber der Schuldner eine Vollstreckungsgegenklage auf solche Umstände, die bereits zuvor vom Gläubiger zur Begründung seiner Klauselklage vorgetragen wurden oder die er hätte vortragen können, so wird insoweit die Entscheidung über die Vollstrekkungsgegenklage in gleicher Weise durch das rechtskräftige Urteil über die Klauselklage präjudiziell wie durch eine rechtskräftige Entscheidung über eine Klauselgegenklage1231. Ebensowenig wie dort bedeutet das jedoch, daß ausnahmsweise den Urteilsgründen materielle Rechtskraft zugestanden wird. In Rechtskraft erwächst auch bei der Klauselklage nur die Feststellung, daß das Recht des Klägers auf die gerichtliche Gestaltung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestand bzw. nicht bestanden hat. Oben wurde jedoch dargelegt, daß - soweit die Vollstreckungsgegenklage nur auf Gründe gestützt wird, die auch eine Klauselgegenklage begründen können - es in der Klage nach § 767 ZPO und § 768 ZPO um dasselbe Gestaltungsrecht geht. Dieses aber ist wiederum das kontradiktorische Gegenteil des Gestaltungsrechts einer Klage nach § 731 ZPO, das ebenfalls mit dem rechtskräftigen Urteil über die Klauselklage festgestellt wurde. Aus diesem Grunde vermag das Urteil über eine Klage nach § 731 ZPO im selben Umfang wie das über eine Klauselgegenklage nach Eintritt der Rechtskraft eine spätere Entscheidung über eine Vollstreckungsgegenklage zu präjudizieren. Ergeht daher zunächst ein stattgebendes Urteil über eine Klauselklage und wird dieses rechtskräftig, so kann die Vollstreckungsgegenklage nicht mehr auf den Nichteintritt solcher Umstände gestützt werden 1232, deren Eintritt Vollstreckbarkeitsvoraussetzung (und deshalb im Verfahren nach § 731 ZPO zu beweisen) war 1233. Wurde die Vollstreckungsgegenklage vom Schuldner im Wege der Widerklage gegen Klauselklage des Gläubigers erhoben oder umgekehrt1234 und ergeht vorab ein 1231

Siehe oben 2. Kap. D. III. 3. b).

1232

Zu denken ist an solche Umstände, deren Eintritt sowohl Bedingung des materiellen Anspruchs ist, als auch (davon zu unterscheidende, siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1)) Vollstreckbarkeitsvoraussetzung i. S. d. § 726 I ZPO. 1233

Insoweit präjudiziert ja das rechtskräftige Urteil über die Klauselklage die Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage.

320

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

stattgebendes Teilurteil über die Klage nach § 731 ZPO, so ergibt sich vor Eintritt der materiellen Rechtskraft die Bindung des Gerichts hinsichtlich dieser Entscheidung aus § 318 ZPO. Wird die Klauselklage als unbegründet abgewiesen, so ist wegen der Rechtskraft des Urteils 1235 insoweit der Vollstrekkungsgegenklage ohne sachliche Prüfung stattzugeben, als der Nichteintritt der zuvor im Rahmen der Klauselklage geprüften Umstände Entstehung, Durchsetzbarkeit und Fälligkeit des materiellrechtlichen Anspruchs hindern 1236.

E. Konkurrenzprobleme zwischen verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen Die Berücksichtigung materiellen Rechts ist Hauptanwendungsgebiet der verfahrensexternen Rechtsbehelfe. Wie oben gezeigt wurde, wird der materielle Anspruch jedoch auch im Klausel- und Ζwangsvollstreckungsverfahren und damit gleichermaßen im Rahmen der entsprechenden verfahrensinternen Rechtsbehelfe über den "Umweg" berücksichtigt, daß materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch die Vollstreckungsunterwerfung zu vollstreckungsrechtlich erheblichen Tatsachen erklärt wurden - allerdings findet nur eine formale Überprüfung nach Maßgabe der §§ 726 I, 751 I, 756, 765 ZPO 1237 statt. Für diese Fälle soll im folgenden geklärt werden, wie sich die verfahrensinternen und -externen Rechtsbehelfe zueinander verhalten.

1234

Dasselbe gilt, wenn das Gericht beide Klagen gem. § 147 ZPO miteinander verbindet. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn die Klagen getrennt voneinander anhängig gemacht werden, denn zwischen beiden besteht ein rechtlicher Zusammenhang und es ist dasselbe Gericht ausschließlich zuständig (vgl. §§ 731, 767 I, 797 V, 800 III, 800 a I, 802 ZPO). 1235

Entsprechendes gilt über § 318 ZPO, falls die mit der Vollstreckungsgegenklage verbundene Klage nach § 731 ZPO vorab durch Teilurteil abgewiesen wurde. 1236 Denn insoweit verhält sich das im Urteil über die Klauselklage rechtskräftig verneinte Recht auf Gestaltung kontradiktorisch zu dem vom Schuldner mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemachten Recht auf Gestaltung. 1237

Daneben findet ggf. noch in den hier nicht weiter interessierenden Fällen der §§ 727 ff ZPO eine Überprüfung der dort genannten materiellrechtlich erheblichen Umstände an Hand öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden statt.

E. Konkurrenzprobleme

321

Ι. Zusammentreffen von verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen des Schuldners Zunächst ist zu überlegen, ob der Schuldner verfahrensinterne und -externe Rechtsbehelfe nebeneinander einlegen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, daß - sofern sowohl ein Rechtsschutz über verfahrensinterne wie verfahrensexterne Rechtsbehelfe in Betracht kommt - die verfahrensinternen für die Beteiligten häufig billiger, schneller und einfacher sind. Das Rechtsschutzbedürfnis fur einen verfahrensinternen Rechtsbehelf kann folglich nicht deshalb fehlen, weil im konkreten Fall auch ein verfahrensexterner Rechtsbehelf eingelegt werden kann. Umgekehrt kann man aber auch das Rechtsschutzbedürfnis für einen verfahrensexternen Rechtsbehelf nicht verneinen, nur weil möglicherweise auch ein verfahrensinterner Rechtsbehelf die Zwangsvollstreckung verhindern könnte, denn letzterer bietet wegen der nur summarischen Prüfung bei der Berücksichtigung materiellrechtlicher Umstände, sofern diese überhaupt Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen und damit beachtlich sind, keine ausreichende Richtigkeitsgewähr. Der Schuldner muß aber die Möglichkeit haben, die materielle Rechtslage in einem mit allen Verfahrensgarantien ausgestatteten Urteilsverfahren überprüfen zu lassen. Dies gilt um so mehr, als die Gefahr einer Entscheidungsdivergenz nicht drohen kann: Selbst wenn nach richtiger Ansicht den unanfechtbar gewordenen sachlichen Entscheidungen über verfahrensinterne Rechtsbehelfe materielle Rechtskraft zukommt, kann diese doch nicht weiter gehen als die Feststellung, ob nach dem in dem zu überprüfenden Verfahrensabschnitt geltenden Prüfungsmaßstab die jeweilige Verfahrenshandlung vorgenommen werden durfte oder nicht. Dies ist aber inhaltlich etwas anderes als die im Rahmen der verfahrensexternen Rechtsbehelfe zu untersuchende Frage des tatsächlichen (Nicht-)Vorliegens der vom Schuldner behaupteten Umstände. Deshalb muß man dem Schuldner auch die freie Wahl zugestehen, ob er Rechtsschutz über die einfacheren und billigeren verfahrensinternen Rechtsbehelfe oder über die umfassenderen verfahrensexternen Rechtsbehelfe in Anspruch nimmt. Für das Verhältnis von § 732 ZPO und § 768 ZPO wird dementsprechend angenommen, der Schuldner könne nicht nur zwischen beiden frei wählen, sondern sie auch gleichzeitig einlegen. Dies wird ζ. B. relevant, wenn der Schuldner im Rahmen des § 732 ZPO die formelle Einwendung erhebt, die dem Klauselerteilungsorgan vorgelegten Urkunden könnten den Bedingungseintritt i. S. d. § 726 I ZPO nicht beweisen und mit § 768 ZPO geltend macht, die Vollstreckbarkeitsvoraussetzung sei entgegen der Annahme des Klauselerteilungsorgans tatsächlich überhaupt noch nicht eingetreten. Daß beide Rechtsbehelfe sogar nebeneinander eingelegt werden können, wird überwiegend mit dem Wortlaut von § 768 ZPO a. E. begründet1238. Darüber

21 Schultheis

322

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

hinaus wird aber auch wegen der nur summarischen Prüfung im Rahmen des § 732 ZPO angenommen, daß (selbst dann, wenn das Gericht dort materielle Einwendungen miterledigt habe1239) eine rechtskräftige Zurückweisung der Erinnerung eine spätere Klauselgegenklage nicht präjudiziere 1240. Auch aus der Verschiedenheit der Rechtsbehelfe läßt sich somit ihr Konkurrenzverhältnis ableiten. Entsprechendes muß aber aus denselben Gründen allgemein für das Verhältnis von verfahrensexternen und -internen Rechtsbehelfen des Schuldners gelten: Bei verfahrensinternen Rechtsbehelfen findet nur eine auf eng begrenzte Umstände beschränkte, rein formale Prüfung statt, die zudem wegen der Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden und der nur fakultativ stattfindenden mündlichen Verhandlung auch im Rahmen ihres Prüfungsgegenstandes nicht dieselbe Richtigkeitsgewähr bieten wie ein Urteilsverfahren. Mit den verfahrensexternen Rechtsbehelfen dagegen kann der Schuldner entweder den Anspruch selbst (§§ 767, 323 ZPO) oder den Eintritt einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung (§ 768 ZPO) umfassend 1241 und mit allen Beweismitteln im Rahmen einer grundsätzlich obligatorischen mündlichen Verhandlung überprüfen lassen. Wegen dieses Unterschieds muß ihm die freie Wahl zwischen den (einfacheren) verfahrensinternen und den (umfassenderen) verfahrensexternen Rechtsbehelfen verbleiben. Für das Verhältnis von § 732 ZPO und § 767 ZPO wird dies allerdings überwiegend abgelehnt und angenommen, beide Rechtsbehelfe schlössen sich gegenseitig aus. Soweit sich diese Aussage auf die Prüfungsgegenstände bezieht, ist dies eine Selbstverständlichkeit, denn die Prüfungsgegenstände überschneiden sich nicht1242: § 732 ZPO bezieht sich nur auf das Klauselerteilungsverfahren, in dem der materielle Anspruch nicht geprüft und materiellrechtlich relevante Umstände nur beachtet werden, wenn sie zugleich auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO sind. § 767 ZPO dage1238

Siehe hierzu oben 2. Kap. C. I. 1. c) (aa).

1239

Dies wäre nach der hier vertretenen Auffassung verfahrensfehlerhaft; siehe hierzu oben 2. Kap. C. I. l . c ) (bb). 1240

Vgl. statt aller: BGH, L M Art. 101 GG Nr. 19 (Bl. 1) = MDR 1976, 837 (838); RGZ 50, 372 (374 ff); Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 768 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Münzberg, § 732 Rdnr. 6; Zöller/Herget, § 768 Rdnr. 1; Wieczorek, § 768 Anm. A I a; MünchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 4; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I I 3 (S. 223); Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 143; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 279; Saenger, JuS 1992, 861 (864). 1241 Bei § 323 ZPO ist allerdings eine Abänderung materiellrechtlich nur nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglich; siehe oben 2. Kap. D. I. 6. a) bb) (3) u. (4). Zu den Besonderheiten des vereinfachten Verfahrens siehe oben 2. Kap. D. I. 6. b). 1242 Vgl. auch bereits oben die Abgrenzung der Prüfungsgegenstände von § 767 ZPO und § 768 ZPO, 2. Kap. D. I. 3. a).

Ε. Konkurrenzprobleme

323

gen unterstellt den materiellrechtlichen Anspruch einer umfassenden Prüfung. Soweit es also in beiden Verfahren um materiellrechtlich relevante Umstände geht, werden diese auf verschiedenen Ebenen geprüft. Bei § 732 ZPO geht es dabei um den rein formalen Nachweis des Eintritts dieser Umstände als Vollstreckbarkeitsvoraussetzung, bei § 767 ZPO dagegen umfassend um das materiellrechtliche Bestehen des titulierten Anspruchs. Deutet man dagegen das Ausschluß Verhältnis von § 732 ZPO und § 767 ZPO im Sinne eines absoluten Vorrangs des § 732 ZPO mit der Folge, daß die Vollstreckungsgegenklage ausgeschlossen ist, wenn eine Klauselerinnerung eingelegt werden kann, so ist dem nicht zu folgen. Erörtert und vertreten wird dieser Vorrang der Klauselerinnerung von der h. M. hauptsächlich im Hinblick auf den in diesem Kapitel noch nicht weiter interessierenden Fall, daß der Vollstreckungstitel unwirksam ist und deshalb die Vollstreckungsklausel nicht hätte erteilt werden dürfen 1243. Nicht erörtert wird dagegen die hier relevante Konkurrenzfrage, ob der Schuldner auch dann auf die Klauselerinnerung zu verweisen ist, wenn er außer dem Nichtbestehen des Anspruchs1244 geltend machen kann, eine im Klauselerteilungsverfahren vorgelegte Urkunde könne den nach § 726 I ZPO erforderlichen Nachweis nicht erbringen. Allenfalls ließe sich ein Vorrang des § 732 ZPO mit dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage erklären, da der Schuldner bei Erfolg der Klauselerinnerung ebenfalls die Zwangsvollstreckung verhindern kann. Doch überzeugt die Argumentation mit dem Rechtsschutzbedürfnis nicht: Zwar ist die Klauselerinnerung im Verhältnis zur Vollstreckungsgegenklage der einfachere Rechtsbehelf, aber auch derjenige mit dem geringeren Rechtsschutz: Materiellrechtlich relevante Umstände werden ja nur berücksichtigt, sofern sie der Schuldner in der vollstreckbaren Urkunde zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen erklärt hat und dann auch nur unter dem Aspekt, ob sie urkundlich ordnungsgemäß nachgewiesen wurden bzw. offenkundig sind. Darüber hinaus wird bei § 732 ZPO lediglich die Zwangsvollstreckung aus der bereits erteilten vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig erklärt. Sie droht daher wieder, wenn der Gläubiger nach der Vorlage weiterer Nachweise erneut eine Klausel erhält. Bei § 767 ZPO dagegen wird die Gefahr einer Zwangsvollstreckung aus dem Titel endgültig zerstört 1245. Auch für das Verhältnis von § 767 ZPO und § 732 ZPO gelten daher - zumindest soweit es (wie in diesem Kapitel) um die Geltendmachung materiellrechtlich relevanter Umstände geht - die oben getroffenen Aussagen: Der Schuldner hat die freie Wahl zwischen verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen 1246 und kann sie 1243

Siehe hierzu ausfuhrlich unten 4. Kap. D. I. 1. a).

1244

Etwa wegen einer von ihm erklärten Anfechtung.

1245

Es sei denn, im Vollstreckungsgegenklageurteil wurde die Gestaltungswirkung begrenzt; siehe hierzu oben 2. Kap. D. I. 1. e) aa) (2).

21 *

324

2. Kap.: Fehlerquelle: Anspruch

auch nebeneinander einlegen; eine rechtskräftige Entscheidung über einen verfahrensinternen Rechtsbehelf kann einen verfahrensexternen Rechtsbehelf nicht präjudizieren, da der Prüfungsmaßstab im Rahmen des verfahrensinternen Rechtsbehelfs sich auf den des zu überprüfenden Verfahrensabschnitts beschränkt1247; wird einem verfahrensexternen Rechtsbehelf stattgegeben, so erledigen sich damit die weniger weitgehenden verfahrensinternen Rechtsbehelfe, sofern mit diesen dasselbe Ziel verfolgt wurde.

II. Zusammentreffen von verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen des Gläubigers Für das Verhältnis der verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfe des Gläubigers gelten die beim Schuldner gemachten Ausfuhrungen entsprechend. Fraglich erscheint hier ohnehin nur das bereits oben1248 geklärte Verhältnis von § 54 BeurkG (ggf. i. V. m. § 11 RPflG) und § 731 ZPO. Auch hier gilt folglich: beide können wahlweise1249 und unabhängig1250 voneinander geltend gemacht werden, auch eine rechtskräftige 1251 Abweisung der Beschwerde nach § 54 BeurkG präjudiziell die Klauselklage nicht; wird der Klage nach § 731 ZPO stattgegeben, so erledigt sich die Beschwerde nach § 54 BeurkG 1252. 1246 Vgl. auch BGH, NJW 1987, 2863 (2863): "Wenn die Rechtsordnung unterschiedliche Rechtsbehelfe fur dasselbe Anliegen eröffnet, hat der Kläger grundsätzlich die freie Wahl, welchen Rechtsschutz er benutzen will". In diese Richtung geht auch die beiläufige Bemerkung in BGHZ 92, 347 (348): "Die Möglichkeit von Rechtsbehelfen gegen die Klauselerteilung (§ 732 ZPO) steht der Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage nicht entgegen." 1247

Lediglich eine rechtskräftige Unzulässigerklärung nach § 732 ZPO beseitigt das Rechtsschutzbedürfnis fur eine Klage nach § 768 ZPO, da dessen Schutz nicht weiter gehen kann (MünchKommZPO/Schmidt, § 768 Rdnr. 7); blieb dagegen die Klauselerinnerung in allen Instanzen erfolglos, so schließt selbst das nicht eine Klauselgegenklage aus. 1248

Siehe oben 2. Kap. D. II. 1. c) aa).

1249

Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I 2 (S. 216) m. w. N.; Stein/Jonas/Münzberg, § 731 Rdnr. 4. 1250

Dagegen, daß Klage und Beschwerde nicht gleichzeitig eingelegt werden können, Stein/Jonas/ Münzberg, § 731 Rdnr. 4 mit Fußn. 8 ohne weitere Begründung. Dies erscheint aber im Hinblick auf das vergleichbare Konkurrenzverhältnis von § 732 und § 768 ZPO (siehe hierzu oben 2. Kap. Ε. I.) nicht überzeugend. Vielmehr spricht das spiegelbildliche Verhältnis von § 732 ZPO und § 54 BeurkG einerseits (siehe oben 2. Kap. C. III. 1. a)) sowie § 731 ZPO und §§ 768, 732 ZPO andererseits (siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) dd)) gerade dafür, auch eine gleichzeitige Einlegung der Rechtsbehelfe zuzulassen. 1251 1252

Dies ist erst nach weiterer Beschwerde möglich, siehe oben 2. Kap. C. III. 1. b) bb) (1).

Obsiegt der Gläubiger nach weiterer Beschwerde im Verfahren nach § 54 BeurkG rechtskräftig, so beseitigt dies entsprechend dem spiegelbildlichen Verhältnis von §§ 732, 768 ZPO (siehe oben

E. Konkurrenzprobleme

325

III. Zusammentreffen von verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen auf unterschiedlichen Seiten1253 Hat der Gläubiger mit einem verfahrensinternen Rechtsbehelf die Klauselerteilung oder die Durchfuhrung der begehrten Vollstreckungsmaßnahme erreicht, so kann der Schuldner uneingeschränkt verfahrensexterne Rechtsbehelfe geltend machen, denn diese werden von den verfahrensinternen Rechtsbehelfen des Gläubigers wegen deren nur beschränkten Prüfungsumfang nicht präjudiziell Hat dagegen der Schuldner zuerst erfolgreich verfahrensexterne Rechtsbehelfe eingelegt, so entfällt die Möglichkeit des Gläubigers, die Zwangsvollstreckung doch noch durch einen verfahrensinternen Rechtsbehelf durchzusetzen, bereits aufgrund der Gestaltungswirkung der verfahrensexternen Rechtsbehelfe des Schuldners. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall: Hat der Gläubiger aufgrund seines verfahrensexternen Rechtsbehelfs nach § 731 ZPO (nur insoweit treten ja überhaupt Konkurrenzprobleme auf) die Klauselerteilung erreicht, so schließt dies eine Klauselerinnerung 1254 des Schuldners aus. Andererseits präjudiziert eine erfolgreich eingelegte Klauselerinnerung eine nachfolgende Klage nach §731 ZPO nicht.

2. Kap. Ε. I. Fußn. 1247) das Rechtsschutzbedürfnis fur eine Klage nach § 731 ZPO, da der Gläubiger mit dieser nur das erreichen kann, was er bereits mit der Beschwerde nach § 54 BeurkG erreicht hat. 1253 Zum Konkurrenzverhältnis der verfahrensinternen Rechtsbehelfe untereinander siehe oben 2. Kap. C. III.; zum Konkurrenzverhältnis der verfahrensexternen Rechtsbehelfe untereinander siehe oben 2. Kap. D. III. 1254

Gleiches gilt fur die Klauselgegenklage, siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) dd).

Drittes Kapitel

Fehlerquelle: Unterwerfungserklärung A. Mängel der Unterwerfungserklärung Als weitere Quelle für urkunden- und anspruchsbezogene Mängel wird im folgenden die Unterwerfungserklärung untersucht. Um die dabei vorkommenden Mängel besser systematisieren und sie den einzelnen Rechtsbehelfen zuordnen zu können, soll zunächst kurz auf die Rechtsnatur der Unterwerfungserklärung und anschließend auf die Voraussetzung für deren fehlerfreies Zustandekommen eingegangen werden.

I. Rechtsnatur der Unterwerfungserklärung Die Rechtsnatur der Unterwerfungserklärung war lange Zeit umstritten. Inzwischen ist es aber allgemeine Meinung, daß es sich bei ihr um eine streng einseitige Prozeßhandlung handelt1, die nicht der Annahme durch den Gläubiger bedarf 2. Die Urkunde, in der sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung unterworfen hat, kann zwar auch materiellrechtliche Willenserklärungen (insbesondere zur Begründung der Ansprüche, wegen derer sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung unterwirft) enthalten; sie muß dies aber nicht, denn die Unterwerfungserklärung ist ausschließlich auf die Schaffung eines Vollstreckungstitels gerichtet. Enthält die notarielle Urkunde auch privatrechtliche Willenserklärungen, so sind die Unterwerfungserklärung als Prozeßhandlung einerseits und die privatrechtlichen Willenserklärungen andererseits hinsichtlich ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig. Daher ist es für die Frage der Mängelfreiheit der Unterwerfungserklärung auch grundsätzlich3 unerheblich, ob materiellrechtlich der Gläubiger einen Anspruch gegen den Schuldner hat. 1

Vgl. statt aller: BGH, W M 1981, 189 (189 f) m. w. N.; BGH, NJW 1985, 2423; BayObIG, DNotZ 1987, 176 (177); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 II 2 f (S. 133) m. w. N. auch zur abweichenden Ansicht; Thomas/Putzo, § 794 Rdnr. 52; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 162; Zöller/ Stöber, § 794 Rdnr. 29. 2

Vgl. statt aller: Weirich, Jura 1980, 630 (631); RGZ 84, 317 (318); RGZ 132, 6 (6 f); O. Werner, DNotZ 1969,713.

3

Siehe aber auch unten 3. Kap. A. II. 5.

Α. Mängel der Unterwerfungserklärung

327

Steht somit die prozessuale Rechtsnatur der Unterwerfungserklärung fest, so ist dennoch streitig, ob die für sie geltenden Handlungsvoraussetzungen identisch sind mit den Prozeßhandlungsvoraussetzungen, wie sie für den streitigen Zivilprozeß entwickelt wurden. Die überwiegende Meinung verfährt so4. Nach anderer Ansicht decken sich die Handlungsvoraussetzungen bei der Abgabe der Unterwerfungserklärung nicht völlig mit den Rechtsregeln, die für die Prozeßhandlungen im streitigen Zivilprozeß herausgebildet wurden; vielmehr sei ein Gleichlauf zwischen den Wirksamkeitsvoraussetzungen von materiell-rechtlichen Erklärungen und Unterwerfungserklärung herzustellen5. Welcher Ansicht zu folgen ist, spielt für die Systematisierung der Mängel und Rechtsbehelfe keine Rolle, so daß der Streit hier entschieden werden muß6.

II. Voraussetzungen einer fehlerfreien Unterwerfungserklärung 1. Erklärung des Schuldners

Zunächst bedarf die Urkunde der Erklärung des Schuldners, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen (Unterwerfungsformel; vgl. § 794 I Nr. 5 ZPO). "Sofortig" in diesem Sinne bedeutet dabei nicht "sogleich" im Sinne einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung, sondern besagt, daß die Zwangsvollstreckung ohne vohergehenden Prozeß und ohne vorhergehendes Urteil stattfindet 7. Die Unterwerfungserklärung des

4

Vgl. BayObLG, DNotZ 1987, 176 (177); O. Werner, DNotZ 1969, 713 (716 ff); Rosenberg/ Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I 2 f (S. 133 f); Thomas/Putzo, § 794 Rdnr. 54; Weirich, Jura 1980, 630 (631); Olzen, DNotZ 1993, 211 (212); Zöller/Stöber, § 794 Rdnr. 29 m. w. N. 5

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 8.3 ff; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 163 ff.

6 Überzeugend erscheint es jedoch, nicht schematisch die Prozeßhandlungsvoraussetzungen anzuwenden, denn die Unterwerfungserklärung erfolgt nicht im Rahmen eines auf schnelle und effiziente Entscheidung gerichteten Erkenntnisverfahrens zur Durchsetzung streitiger Rechte, sondern im Beurkundungsverfahren. Streit besteht in diesem Stadium (noch) nicht, es herrscht "Vertragsatmosphäre" (MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 203). Typischerweise wird die Unterwerfung in einer Urkunde erklärt, die zugleich auch Erklärungen enthält, die den materiellen Anspruch des Gläubigers schaffen sollen, und mit denen sie häufig äußerlich nicht unterscheidbar vermengt ist. Es sollten daher auf die Unterwerfungserklärung nicht mechanisch die Regeln angewendet werden, die im streitigen Zivilprozeß für die Prozeßhandlung herausgebildet wurden. Vielmehr ist bei jeder Einzelfrage (wie ζ. B. bei der Frage der Handlungsvoraussetzungen usw.) eine Prüfung vorzunehmen, ob nicht ein Rückgriff auf materiellrechtliche Grundsätze angemessener ist (Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 8.3 ff; ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 163 ff). 7

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 280; Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (231, Fußn. 8).

328

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

Schuldners ist zwar auslegungsfähig. Sie muß aber ausdrücklich erfolgen und beurkundet werden8.

2. Ordnungsgemäßes Beurkundungsverfahren

Ordnungsgemäß beurkundet ist die Vollstreckungsunterwerfung nur, wenn die Beurkundung von einem dafür zuständigen Organ im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens vorgenommen wurde. Zuständig9 für die Beurkundung sind seit Inkrafttreten des BeurkG in erster Linie die Notare (vgl. § 20 I 1 BNotO, § 1 I BeurkG). Da § 794 I Nr. 5 ZPO keine Zuständigkeitsnorm darstellt10, beschränkt sich die Zuständigkeit der dort gleichfalls genannten Gerichte gem. §§ 1 II, 56 IV BeurkG auf die in § 62 BeurkG genannten Fälle. Sie erfolgt dann gem. § 3 Nr. 1 f RPflG durch den Rechtspfleger. Zuständig zur Beurkundung sind außerdem im zivilrechtlichen Bereich gem. § 10 I, II KonsularG Konsularbeamte und gem. § 60 SGB VIII Beamte und Angestellte des Jugendamtes in den in § 59 I 1 Nr. 3, 4 SGB VIII genannten Fällen. Immer richtet sich das Beurkundungsverfahren gem. § 1 I, II BeurkG nach den §§ 6 ff BeurkG ("Beurkundung von Willenserklärungen"). Zwar handelt es sich bei der Unterwerfungserklärung nicht um eine privatrechtliche Willenserklärung, sondern um eine Prozeßhandlung, weil sie auf die Schaffung eines Vollstreckungstitels gerichtet ist11. Die Anwendbarkeit der Vorschriften des zweiten Abschnitts des BeurkG ergibt sich jedoch daraus, daß § 794 I Nr. 5 ZPO die Aufnahme der Erklärung in einer Urkunde fordert, die von einem deutschen Gericht oder Notar "innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen" ist. Damit wird auf die Vorschriften über die Beurkundung von Willenserklärungen verwie-

8

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 191.

9

Vgl. hierzu im einzelnen Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 15.1 ff; ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 133 ff. 10

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 133.

11

Siehe oben 3. Kap. Α. I.

12

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 16.1; Jansen, BeurkG, Vorb. § 6 Rdnr. 5.

Α. Mängel der Unterwerfiingserklärung

329

3. D i e prozessuale Dispositionsbefugnis des Schuldners als W i r k s a m k e i t s g r e n z e der U n t e r w e r f u n g s e r k l ä r u n g

Die Unterwerfungserklärung stellt eine Verfugung über den prozessualen Anspruch dar, auf den sie sich bezieht. Sie ist daher - ähnlich wie bei einem gerichtlichen Anerkenntnis - Ausfluß der Dispositionsmaxime13. Daher erscheint es sinnvoll, im Anschluß an Münch 14 der Unterwerfungserklärung dann die Wirksamkeit abzusprechen, wenn bei deren Abgabe der Schuldner seine prozessuale Dispositionsbefugnis überschritten hat. Diese Dispositionsbefugnis des Schuldners ist in zweifacher Hinsicht beschränkt: zum einen durch das Prozeßrecht, zum anderen durch das materielle Recht15. Sie endet zwar nicht bereits an der Grenze, die das materielle Recht für die Verfügungsfreiheit der Parteien setzt, denn das "Prozeßrecht muß .. den Willen, einen nichtigen Vertrag zu 'erfüllen', ebenso respektieren wie den, die auf Grund des nichtigen Vertrages erbrachten Leistungen zurückzufordern. Für eine Einschränkung der Dispositionsbefugnis ist deshalb kein Raum"16. Sie würde insbesondere beim gerichtlichen Anerkenntnis weitgehend zu dessen Entwertung führen. Andererseits darf umgekehrt nicht auf eine uneingeschränkte Befugnis zur prozessualen Disposition geschlossen werden. Die Grenzen der prozessualen Dispositionsbefugnis bestehen daher dort, wo es darum geht, unverzichtbare öffentliche Interessen zur Geltung zu bringen. Bestünden sie nicht, müßte der Staat sehenden Auges bei der Errichtung eines Titels mitwirken, dessen zugrundeliegendes Rechtsgeschäft er selbst scharf mißbilligt17 und ihm deshalb die Wirksamkeit abgesprochen hat. Wann unverzichtbare öffentliche Interessen gefährdet sind, läßt sich nicht pauschal beantworten. Doch lassen sich in dieser Hinsicht Leitlinien aufstellen 18.

a) Prozessuale Grenze der (prozessualen) Dispositionsbefugnis Eine "Leitlinie", aus der in prozessualer Hinsicht das Bestehen unverzichtbarer öffentlicher Interessen für die Unterwerfungserklärung des Schuldners folgt, ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der im Urteilsver13 Im Unterschied zur Vollstreckungsunterwerfiing hat allerdings das gerichtliche Anerkenntnis nicht nur die Vollstreckbarkeit, sondern auch die Rechtskraft zur Folge. 14

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 200 ff.

15

Im einzelnen ist vieles streitig; vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 200 ff m. w. N.; Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (235). 16

Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 137.

17

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 202 m. w. N.

18

Vgl. hierzu ausführlich Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 203 ff.

330

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfiingserklärung

fahren geltenden unverzichtbaren Sachurteilsvoraussetzungen auf die vollstreckbare Urkunde. Daß die (unverzichtbaren) Sachurteilsvoraussetzungen im Urteilsverfahren in jedem Stadium von Amts wegen zu prüfen sind19, zeigt, daß staatlicher Rechtsschutz nicht zur beliebigen Verfügbarkeit der Parteien steht. Insoweit dienen sie dem Schutz unverzichtbarer öffentlicher Interessen.

aa) Parteibezogene Voraussetzungen Eine entsprechende Anwendung der (unverzichtbaren) Sachurteilsvoraussetzungen, die die Partei betreffen, als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Unterwerfungserklärung wird ganz allgemein angenommen20, da sie sich mit den Prozeßhandlungsvoraussetzungen decken und die Unterwerfungserklärung als Prozeßhandlung anzusehen ist21. Im einzelnen ist hier nur wieder streitig 22, ob die Handlungsvoraussetzungen identisch sind mit den Prozeßhandlungsvoraussetzungen, wie sie für den streitigen Zivilprozeß entwickelt wurden23 oder ob sie sich an den Wirksamkeitsvoraussetzungen von materiell-rechtlichen Erklärungen orientieren sollen24. Voraussetzung für eine wirksame Unterwerfungserklärung ist daher insbesondere, je nachdem welcher Ansicht man sich anschließt, sowohl auf Seiten des Schuldners als auch auf Seiten des Gläubigers (zu dessen Gunsten die Unterwerfung erfolgt) Parteifähigkeit bzw. Rechtsfähigkeit. Des weiteren bedarf es der Geschäftsfähigkeit bzw. der Prozeßfähigkeit des Schuldners bei Abgabe der Unterwerfungserklärung. Fehlt es hieran, so kann sie der gesetzliche Vertreter für den Schuldner abgeben. Ebenso kann die Vollstreckungsunterwerfung auch durch einen rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter erklärt werden25. Mangelt es an einer wirksamen Voll19

Das gilt sogar im Falle eines Anerkenntnisses im Urteilsverfahren; vgl. Thomas/Putzo, § 307 Rdnr. 10; Zöller/Vollkommer, § 307, Rdnr. 4; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 307 Rdnr. 17; Stein/Jonas/ Leipold, § 307 Rdnr. 32. Streitig ist jedoch, ob im Falle eines gültigen Anerkenntnisses auch das Rechtsschutzbedürfnis zu prüfen ist; vgl. hierzu Stein/Jonas/Leipold, § 307 Rdnr. 34 m. w. N. 20

Vgl. statt vieler: Thomas/Putzo, § 794 Rdnr. 54; Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 92.

21

Siehe oben 3. Kap. Α. I.; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 204.

22

Siehe bereits oben 3. Kap. Α. I.

23

So die h. M.; vgl. Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 92 m. w. N.; Thomas/Putzo, § 794 Rdnr. 54 i. V. m. Einl. I I I Rdnr. 10; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I 2 f (S. 134).

24

Dazu insbesondere Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 12.1 ff; ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 164 ff.

25

Hierbei ist wiederum streitig, ob sich die Vollmachtserteilung und deren Wirkungen nach den §§ 78 f f ZPO oder den §§ 164 ff BGB richten; vgl. Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 92 einerseits, MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 168 andererseits.

Α. Mängel der Unterwerfngserklärung

331

machtserteilung, so ist auch Vertretung ohne Vertretungsmacht mit späterer Genehmigimg möglich26.

bb) Voraussetzungen, die den prozessualen Anspruch und das Rechtspflegeorgan betreffen Problematischer erscheint es dagegen, auch die (unverzichtbaren) Sachurteilsvoraussetzungen, die den Streitgegenstand und das Gericht betreffen, in entsprechender Anwendung als Voraussetzungen der Unterwerfungserklärung anzusehen. Es ließe sich die Ansicht vertreten, die prozessuale Grenze der Dispositionsbefugnis des Schuldners sei erst da erreicht, wo der Gesetzeszweck eindeutig staatliche Vollstreckung auch im Falle einer freiwilligen Unterwerfung des Schuldners verbiete; denn nur dann lasse sich mit Sicherheit sagen, daß auch bei einer Unterwerfung unverzichtbare öffentliche Interessen auf dem Spiel stehen27. Überzeugender erscheint jedoch, im Hinblick auf die vergleichbare Konstellation beim gerichtlichen Anerkenntnis auch in den Sachurteilsvoraussetzungen, die das Rechtspflegeorgan oder den prozessualen Anspruch betreffen, eine prozessuale Grenze der (prozessualen) Dispositionsbefugnis des Schuldners zu sehen. Ebenso wie das Vorliegen aller Sachurteilsvoraussetzungen nötig ist, damit ein Anerkenntnisurteil ergehen kann, müssen entsprechende Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beurkundung der Unterwerfungserklärung vorliegen und vom beurkundenden Organ (in der Regel dem Notar) beachtet werden. Erforderlich ist daher auch für die Unterwerfungserklärung, daß prozessualer Anspruch und Parteien der deutschen Gerichtsbarkeit unterfallen, daß für den prozessualen Anspruch der ordentliche Rechtsweg zu den Zivilgerichten 28 gegeben ist, daß der prozessuale Anspruch klagbar, nicht anderweitig rechtshängig oder rechtskräftig über ihn

26

Im einzelnen ist auch hier vieles streitig, vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 12. 8 ff; ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 168 f; Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 92; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I 2 f (S. 134). Vgl. zu der Frage, inwieweit die Zwangsvollstreckungsunterwerfung im eigenen Namen mit Wirkung gegen fremdes Vermögen erklärt werden kann Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 12.13 ff; ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 170 ff. 27 28

So die Kritik von Münzberg, ZZP 104 (1991) 227 (235).

Zulässig ist auch die Unterwerfungserklärung hinsichtlich eines arbeitsrechtlichen Anspruchs i. S. d. § 2 ArbGG, da gem. § 62 I I ArbGG die Vorschriften des 8. Buchs der ZPO (und damit auch § 794 I Nr. 5 ZPO) unmittelbare Anwendung finden; siehe oben 2. Kap. D. I. 1. d) aa) (1) Fußn. 683.

332

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

entschieden worden ist sowie daß ein Rechtsschutzbedürfnis 29 für die Beurkundung der Unterwerfung besteht30. An die Stelle einer ordnungsgemäßen Klageerhebung tritt hier freilich die ordnungsgemäße Dokumentation31 des prozessualen32 Anspruchs durch das für die Beurkundung zuständige33 Organ. Nur wenn die Unterwerfungserklärung einen ordnungsgemäß dokumentierten prozessualen Anspruch als Bezugsobjekt zum Gegenstand hat, ist sie (ebenso wie eine Klageschrift) auch inhaltlich ordnungsgemäß34. Voraussetzung ist insoweit neben der Widerspruchsfreiheit zunächst, daß sich der vollstreckbar zu stellende Anspruch auf die Zahlung einer Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge von Wertpapieren bzw. anderer vertretbarer Sachen oder auch in bestimmten Fällen auf die Duldung der Zwangsvollstreckung (§ 794 I Nr. 5, II ZPO) richtet35. Unentbehrlich ist weiterhin die genaue Bezeichnung des Gläubigers und des Schuldners sowie des Vollstreckungsumfangs - und zwar in einer Weise, daß der in der Urkunde dokumentierte Anspruch unmittelbar der Zwangsvollstreckung zugänglich ist, ohne daß das Vollstreckungsorgan noch eine weitere Subsumtion vornehmen muß36. Ferner ist über die genaue Bezeichnung des Vollstrek29

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere, wenn der Gläubiger bereits einen vollstreckbaren Titel über den Anspnich hat.

30

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 204; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 22.1 ff; ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 152, 211 ff.

31

Unter Beachtung der Vorschriften des BeurkG, siehe oben 3. Kap. A. II. 2.

32

Wie oben bereits dargestellt (siehe oben 2. Kap. Α. IV.; 3. Kap. Α. I.), ist Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Unterwerfungserkläning hingegen nicht, daß auch der materielle Anspruch besteht, denn die Unterwerfungserklärung als einseitige Prozeßhandlung einerseits und der auf privatrechtlichen Willenserklärungen beruhende materielle Anspruch andererseits sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig.

33

Siehe oben 3. Kap. A. II. 2.

34

Dabei ist das tatsächliche Bestehen eines materiellrechtlichen Anspruchs für eine ordnungsgemäße Unterwerfungserklärung ebensowenig Voraussetzung wie fur eine ordnungsgemäße Klageerhebung. Erforderlich ist nur, daß der prozessuale Anspruch (im Sinne einer individualisierten Rechtsfolgenbehauptung) ordnungsgemäß dokumentiert ist (vgl. MünchKommZPO/Wolfsteiner, §794 Rdnr. 179 ff).

35 36

Vgl. ausführlich MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 182 f.

Erforderlich ist insofern insbesondere eine ziffernmäßige Bezeichnung des Anspruchsumfangs. Dies folgt auch aus dem Gesetzeswortlaut, der in § 794 I Nr. 5 ZPO von einer "bestimmten" Geldsumme bzw. von einer "bestimmten" Menge spricht. Pauschale Formulierungen wie etwa "wegen vorbezeichneter Forderungen" oder "wegen aller Ansprüche, die einer Zwangsvollstreckung zugänglich sind" können wegen ihrer Ungenauigkeit zur Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung fuhren, wenn auch Ansprüche beurkundet sind, die teilweise nicht unter § 794 I Nr. 5 ZPO fallen. Vgl. im einzelnen Stein/Jonas/ Münzberg, § 794 Rdnr. 91; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 184 ff, 191.

Α. Mängel der Unterwerfngserklärung

333

kungsumfangs hinaus noch die Angabe all jener Identifizierungsmerkmale erforderlich, die notwendig sind, um den vollstreckbar gestellten Anspruch von anderen Ansprüchen zu unterscheiden37. Dieses Erfordernis findet seine Entsprechung bei der Klageschrift in der Angabe des "Grundes" des erhobenen Anspruchs (§ 253 II Nr. 2 ZPO) und folgt daraus, daß als Unterwerfungsgegenstand der prozessuale Anspruch angesehen werden muß38, zu dessen unverzichtbaren Bestandteilen die Angabe von Identifizierungsmerkmalen gehört. Nötig ist allerdings nicht die substantiierte Angabe aller anspruchsbegründenden Tatsachen, denn es geht nicht um die Schlüssigkeit des Anspruchs. Unentbehrlich sind nur die Angaben aller Umstände, die den Anspruch individualisieren und von anderen Ansprüchen unterscheidbar machen. Durch diese Angaben wird dann zugleich auch festgelegt, worüber in einem möglicherweise nachfolgenden Erkenntnisverfahren gem. § 767 ZPO oder §§812 ff BGB noch gestritten werden kann39.

b) Materielle Grenze der (prozessualen) Dispositionsbefugnis Für die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung als Prozeßhandlung ist es grundsätzlich unerheblich, ob nach materiellem Recht der Gläubiger einen Anspruch gegen den Schuldner hat40. Von diesem Grundsatz ist jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn höherwertige Interessen eine Durchbrechung dringend erfordern. Diese insoweit bestehende materielle Grenze der (prozessualen) Dispositionsbefugnis ist dort erreicht, wo ein Verhalten derart gegen die guten Sitten verstößt oder mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, daß es im öffentlichen Interesse nicht toleriert werden kann. Insoweit besteht auch für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile oder Entscheidungen nichtstaatlicher Gerichte vor der Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels eine aus dem ordre public folgende materiellrechtliche Grenze (vgl. §§ 328 I Nr. 4, 723 II 2 ZPO; §§ 1041 I Nr. 2, 1042 II ZPO). Es wird hiermit der Rahmen des von deutscher Staatsgewalt noch Hinnehmbaren abgesteckt. Was das Gesetz aber bei ausländischen oder privaten Gerichten nicht hinnimmt, kann es im Rahmen der Vollstreckungsunterwerfung ebensowenig gestatten41.

37

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 188 ff; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 282 ff.

38

Siehe oben 2. Kap. Α. IV.

39

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 283: kritisch hierzu Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (238).

40

Siehe oben 2. Kap. Α. IV.; 3. Kap. Α. I.

41

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 205.

334

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

Die Unterwerfungserklärung als Prozeßhandlung verstößt zwar selbst nicht gegen ein gesetzliches Verbot und wird auch nicht als verwerflich anzusehen sein, da insoweit prozessuale und nicht materiellrechtliche Maßstäbe gelten42. Sie kann aber auf die Herbeiführung einer verbotenen oder verwerflichen Rechtsfolge gerichtet sein43. Ebenso kann ihr auch ein gesetz- oder sittenwidriges materielles Rechtsgeschäft zugrunde liegen, ohne daß die Rechtsfolge selbst gesetz- oder sittenwidrig ist. In beiden Fällen kommt eine Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung in Betracht. In dem Fall, in dem die Vollstreckungsunterwerfung auf eine Verbots- oder sittenwidrige Rechtsfolge gerichtet ist, ergibt sich das bereits daraus, daß auch ein entsprechendes in einem Urteilsverfahren abgegebenes Anerkenntnis nichtig wäre44. Aber auch für eine Vollstreckungsunterwerfung, die wegen eines gesetz- oder sittenwidrigen Rechtsgeschäfts abgegeben wird, dessen Rechtsfolge selbst nicht gesetz- bzw. sittenwidrig ist, kann dem Schuldner (aus materiellen Gründen) die prozessuale Dispositionsbefugnis fehlen. Dies wird auch für das Anerkenntnis im Urteils verfahren überwiegend angenommen45. Insoweit setzen sich die Schranken der Privatautonomie (§§ 134, 138 BGB) im Verfahrensrecht als Beschränkungen der Dispositionsmacht fort 46. Dies ist zwar nicht bei jedem Gesetzes- oder Sittenverstoß der Fall, denn eine allzu enge Anbindung an die Regeln des materiellen Rechts bringt die Gefahr mit sich, daß das Verfahrensrecht mit materiellen Fragen hinsichtlich der Wirksamkeit der Prozeßhandlung überlastet wird 47 , und auch nicht jeder Verstoß erscheint als im öf42

Allenfalls der die Zwangsvollstreckung betreibende Gläubiger kann sittenwidrig handeln, nicht aber der sich der Zwangsvollstreckung unterwerfende Schuldner; vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 207.

43

Davon wird etwa in den seltenen Fällen auszugehen sein, in denen nicht nur das Verpflichtungs-, sondern auch das seiner "Erfüllung" dienende Verfugungsgeschäft nach § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig ist; so z. B., wenn A dem Finanzbeamten Β einen Geldbetrag für den Fall verspricht, daß Β die Steuerschuld des A zu niedrig festsetzt, und sich insoweit der Zwangsvollstreckung unterwirft. In diesem Fall verstoßt nicht nur das Verpflichtungsgeschäft, sondern auch das angestrebte Verfugungsgeschäft (als Rechtsfolge) gegen § 333 I StGB und ist insoweit gem. § 134 BGB nichtig. 44

Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 133 IV 3 b (S. 793); Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 206. In diesen Fällen könnte auch weder eine Klausel erteilt werden, noch dürften die Vollstrekkungsorgane die Zwangsvollstreckung durchfuhren, falls der Gläubiger doch eine vollstreckbare Ausfertigung erlangt haben sollte, denn an Gesetz- und Sittenwidrigem mitzuwirken ist diesen Organen schon aus originären Gründen aufgrund ihrer Amtsstellung unmittelbar verboten.

45

Vgl. etwa OLG Stuttgart, NJW 1985, 2272 (2273); OLG Stuttgart, JZ 1986, 1116 (1117); OLG Stuttgart, NJW 1987, 444; Kothe, NJW 1985, 2217 (2227); Münzberg, NJW 1986, 361; Stein/ Jonas/Leipold, § 307 Rdnr. 22; Thomas/Putzo, § 307 Rdnr. 6; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 307 Rdnr. 11, 12; Zöller/Vollkommer, § 307 Rdnr. 4. Α. A. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 133 IV 3 b (S. 793).

46

Zöller/Vollkommer, § 307 Rdnr. 4; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 208.

Α. Mängel der Unterwerfngserklärung

335

fentlichen Interesse nicht mehr tolerierbar. Der ordre-public-Vorbehalt als materielle Grenze der prozessualen Dispositionsmacht des Schuldners ist aber auf jeden Fall bei erkennbar sittenwidrigen Rechtsgeschäften oder solchen gegeben, die gegen den Kanon der absolut zwingenden Verbotsnormen verstoßen48. Denn auch bei der Frage der Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile wird die ordre-public-Kontrolle nicht auf die titulierte Rechtsfolge beschränkt, sondern auch auf den Rechtsgrund insoweit erstreckt, als es um die Gewährung eines unverzichtbaren materiellrechtlichen Minimalstandards geht (vgl. §§ 723 II 2, 328 I Nr. 4 ZPO)49. Die Gewährung dieses Minimalstandards durch den ordre-public-Vorbehalt erfordert aber, daß er sich auch ohne oder sogar gegen den Parteiwillen durchsetzt. Dies kann jedoch nur durch eine Prüfung von Amts wegen bei Schaffung des Vollstreckungstitels erreicht werden. Diese Kontrolle obliegt deshalb bereits dem Notar bei der Beurkundung und nicht erst dem Gericht in einem späteren Erkenntnisverfahren 50, denn sonst wäre die Beachtung des ordre public entgegen dem ihn zugrundeliegenden Schutzgedanken vom Willen des Schuldners bzw. dessen Initiative abhängig, zumal eine Evidenzkontrolle hinsichtlich der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit des materiellrechtlichen Anspruchs im Klausel- oder Vollstreckungsverfahren abzulehnen ist51. Darüber hinaus läßt sich auch aus § 723 II 2 ZPO schließen, daß die ordre-public-Kontrolle stattfinden soll, bevor ein vollstreckungsfähiger Titel geschaffen wird. Schließlich kann die Beachtung der ordre public durch den Notar auch aus dessen Amtsstellung gefolgert werden: Dieser errichtet die Niederschrift in Ausübung öffentlicher Gewalt, d. h. im Namen des Staates, der ihm diese Gewalt übertragen hat52, und ist insofern auch an den ordre-public-Vorbehalt gebunden.

47

Vgl. Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 243.

48

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 209. Dazu, daß in diesen Fällen nicht nur die Dispositionsbefugnis des Schuldners als Wirksamkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsunterwerfung fehlt, sondern auch der Notar wegen seiner Amtspflicht zur redlichen Beurkundung (§ 4 BeurkG, § 14 I I BNotO) die Erstellung der vollstreckbaren Urkunde verweigern muß, vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 197 ff, 210. 49

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 208; kritisch hierzu Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (235 f). 50

Dies gegen Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (235).

51

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) cc).

52

Aus diesem Grunde benutzt er als Amtssiegel auch das Staatswappen; Wolfsteiner, DNotZ 1990,531 (532).

336

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

4. Kein Verstoß gegen zwingendes Gesetzesrecht

Die Unterwerfungserklärung darf ferner nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen. Dies ist nicht gleichbedeutend mit dem (oben verneinten) Verstoß der Unterwerfungserklärung gegen ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB, denn unter § 134 BGB fällt nicht das gesamte zwingende Gesetzesrecht, sondern es werden nur solche Vorschriften erfaßt, die sich gerade gegen den Inhalt des Rechtsgeschäfts, d. h. seine Wirksamkeit und seinen wirtschaftlichen Erfolg richten53, nicht jedoch Vorschriften, die sich lediglich gegen Art und Weise der Vornahme des Rechtsgeschäfts wenden oder eine eigenständige Regelung der Rechtsfolgen eines Verstoßes enthalten54. Als zwingendes Gesetzesrecht, gegen das die Vollstreckungsunterwerfung verstoßen kann, kommt insbesondere das AGBG in Betracht. Wie oben bereits ausgeführt 55, verstößt zwar die Abgabe der Unterwerfungserklärung im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Gläubigers für sich alleine nicht gegen das AGBG. Wird aber zusätzlich noch formularmäßig eine sogenannte Nachweis Verzichtserklärung abgegeben, so kann - je nach Lage des Einzelfalles - diese (aber auch nur sie allein, nicht hingegen die Vollstrekkungsunterwerfung als ganze) wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam sein. In diesem Fall läge dann eine auf den Nachweisverzicht beschränkte Teilunwirksamkeit der Unterwerfungserklärung vor 56.

5. Wirksamwerden

Nach einer Auffassung wird die Unterwerfungserklärung erst wirksam, wenn der Gläubiger eine an ihn adressierte Ausfertigung empfangen oder einen unentziehbaren Anspruch auf Erteilung einer Ausfertigung erlangt hat57. Nach anderer Ansicht genügt die Abgabe vor dem Notar zu ihrer vollen Wirksamkeit, ohne daß es eines weiteren Publikationsaktes bedarf, denn der Schuldner gestatte bereits mit Abgabe der Unterwerfungserklärung dem Gläu53

Palandt/Heinrichs, § 134 Rdnr. 1.

54

Letzteres ist wegen § 6 AGBG bei den §§ 9 ff AGBG der Fall; vgl. Palandt/Heinrichs, AGBG Vorbem. vor § 8 Rdnr. 16. 55

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4).

56

Dazu, welche Auswirkungen diese Teilunwirksamkeit auf das Klauselverfahren und auf die deswegen dem Schuldner zustehenden Rechtsbehelfe hat, siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4) (d) mit Fußn. 190; 2. Kap. C. I. 1. c) aa) mit Fußn. 307 und ausfuhrlich unten 3. Kap. Β. I.; 3. Kap. D. I. vor 1. mit Fußn. 141. 57 OLG Hamm, DNotZ 1988, 241 (242 f) m. w. N.; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 9.2 ff; ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 155 m. w. N.

Α. Mängel der Unterwerfungserklärung

337

biger unwiderruflich, sich eine vollstreckbare Ausfertigung erteilen zu lassen58. Der Streit hat Bedeutung für die Frage, ob der Schuldner seine Unterwerfungserklärung - bevor der Gläubiger eine Ausfertigimg erlangt hat - dadurch widerrufen kann, daß er den Notar anweist, dem Gläubiger keine Ausfertigung zu erteilen59. Spezifische Probleme für die Rechtsbehelfe bei vollstreckbaren Urkunden ergeben sich aus dem Meinungsstreit jedoch nicht60. Liegen die oben genannten Voraussetzungen nicht vor, so ist die Unterwerfungserklärung unwirksam, denn es fehlt dann an einem prozessualen Wirksamkeitserfordernis.

III. Auswirkungen der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auf die vollstreckbare Urkunde Fraglich erscheint, welche Auswirkungen die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auf die vollstreckbare Urkunde als Vollstreckungstitel hat. Allgemein wird angenommen, Grundlage der Zwangsvollstreckung sei die Unterwerfungserklärung mit der Folge, daß deren Unwirksamkeit auch die Unwirksamkeit der diese Erklärung enthaltenden (vollstreckbaren) Urkunde bedingt61. Ob dies tatsächlich so ist, soll im folgenden untersucht werden. Da-

58

Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 2; Keidel/Kuntze/Winkler, BeurkG, § 52, Rdnr. 27 m. w. N.

59

So Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 18.1 ff.

60

Vgl. die Zusammenstellung der Argumente bei OLG Hamm, DNotZ 1988, 241 (242 f). Folgt man der oben von Wolfsteiner und dem OLG Hamm vertretenen Ansicht (s. o. Fußn. 57 in diesem Abschnitt), so hat die Erteilung einer Ausfertigung an den Gläubiger, ohne daß der Schuldner dem Notar dies gestattete, die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung zur Folge. Dem Schuldner stehen dann die allgemein im Falle der Unwirksamkeit der Vollstreckungsunterwerfung in Betracht kommenden Rechtsbehelfe zur Verfugung; siehe hierzu die folgenden Ausführungen. 61

Vgl. statt aller etwa: OLG Stuttgart, NJW-RR 1993, 1535; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1151; OLG Koblenz, BauR 1988, 748; BayOblG, DNotZ 1987, 176 (178); LG Mainz, DNotZ 1990, 567 (568 f); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (181); Thomas/Putzo, § 794 Rdnr. 60; Kniffka, ZfBR 1992,195; BGHZ 73, 157 (160), der die Unterwerfungserklärung als Grundlage der Vollstreckung ansieht; Mönch, Vollstreckbare Urkunde, S. 211, der der Ansicht ist, die Unwirksamkeit der Vollstreckungsunterwerfung schlage "unmittelbar auf die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde" durch und mache sie nichtig; ähnlich ebenso Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (236); wohl auch Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 35.2, der im Klauselerteilungsverfahren als Voraussetzung für die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde als Titel prüft, ob eine wirksame Unterwerfungserklärung vorliegt. (Allerdings hält Wolfsteiner zeitlich nach der Abgabe der Unterwerfungserklärung hervortretende Umstände für unbeachtlich, da die Beurkundung eine hoheitliche Entscheidung über die Vollstreckbarkeit darstelle, Rdnr. 17. 4 i. V. m. Rdnr. 35. 4). Anders dagegen ders., DNotZ 1990, 531 ff; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 130 - 132 (vgl. dazu die folgenden Ausfuhrungen).

22 Schullheis

338

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

bei erscheint es zunächst vielversprechend, auf die Lehre vom fehlerhaften Zivilurteil 62 zurückzugreifen 63.

1. Übertragung der Lehre vom Nichturteil und wirkungslosen Urteil auf die vollstreckbare Urkunde

a) Darstellung der Lehre vom fehlerhaften

Zivilurteil

Unter Verletzimg von Verfahrensvorschriften zustandegekommene gerichtliche Entscheidungen sind im Regelfall als staatliche Hoheitsakte voll wirksam64. Sie können, sofern die einzelnen Voraussetzungen dafür vorliegen, nur mit Rechtsmitteln oder ggf. der Wiederaufnahme des Verfahrens angegriffen werden. Eine Ausnahme hiervon ist jedoch einerseits bei den Nichturteilen (Scheinurteilen) und andererseits bei den wirkungslosen oder wirkungsgeminderten Urteilen zu machen. Bei einem Nichturteil fehlt bereits der äußere Tatbestand eines Urteils, weil es entweder nicht durch ein zur Ausübung der Gerichtsbarkeit bestimmtes Organ bzw. nicht in Ausübung der Gerichtsgewalt erlassen wurde oder weil es wegen fehlender Verkündung bzw. im Fall des § 310 III ZPO wegen fehlender Zustellung noch nicht existent geworden ist65. Eine solche Nichtentscheidung ist ein rechtliches Nullum und entfaltet keinerlei Wirkung: Es bindet das Gericht nicht, beendet nicht die Instanz, erzeugt keinerlei Kostenpflicht der Parteien, wird weder formell noch materiell rechtskräftig und ist nicht vollstreckungsfähig. Darüber hinaus ist es ausnahmsweise nur dann rechtsmittelfähig, wenn es (versehentlich) von der Geschäftsstelle ausgefertigt und zugestellt wurde, weil dann das Bedürfnis besteht, den Schein des Urteils zu beseitigen66. 62 Hierzu grundlegend Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, passim; ferner etwa Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 62 III, IV (S. 341 ff); Jauernig, ZPR, § 60 (S. 219 f); Stein/Jonas/Grunsky, vor § 578 Rdnr. 1 ff; Thomas/Putzo, Vorbem. § 300 Rdnr. 11 ff. 63

Eine Parallele zwischen Nichturteilen und wirkungslosen Urteilen einerseits und (einer graduellen Unterscheidung) der Unwirksamkeit von vollstreckbaren Urkunden andererseits versucht Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 196, 211, 253 f zu ziehen. Zur Kritik hieran vgl. die folgenden Ausfuhrungen. 64

Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 62 I 2 (S. 339); Thomas/Putzo, Vorbem. § 300 Rdnr. 10.

65

Stein/Jonas/Gninsky, vor § 578, Rdnr. 1 ; Thomas/Putzo, Vorbem. § 300 Rdnr. 11,12; Jauernig, ZPR, § 60 I I (S. 219); Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 62 I I I 1 b (S. 341). 66

Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 62 I I I 2 (S. 342); Stein/Jonas/Gninsky, vor § 578, Rdnr. 2; Thomas/Putzo, Vorbem. § 300 Rdnr. 13, 14; Jauernig, ZPR, § 60 I I (S. 219).

Α. Mängel der Unterwerfiingserklärung

339

Von diesen Nichturteilen unterscheiden sich die wirkungslosen und wirkungsgeminderten Urteile. Sie werden häufig terminologisch unklar auch als "nichtige" Urteile bezeichnet67. Bei ihnen liegt zwar tatbestandlich ein Urteil vor, also ein von einem gerichtsverfassungsmäßig anerkannten Gericht durch Verkündung oder Zustellung als Urteil erlassener Ausspruch. Der unterlaufene Fehler hindert aber den Eintritt sämtlicher Urteilswirkungen völlig (wirkungsloses Urteil) oder teilweise (wirkungsgemindertes Urteil) 68. Welche Fehler dazu führen, daß ein Urteil wirkungslos oder wirkungsgemindert ist, ist im einzelnen sehr umstritten. Weitgehend anerkannt sind folgende Fälle69: Urteile gegen Exterritoriale oder eine nicht existierende Partei, unbestimmte, unverständliche oder widerspruchsvolle Urteile, Urteile im Falle des § 269 III ZPO oder wenn aus sonstigen Gründen die Sache im Zeitpunkt des Urteilserlasses nicht oder nicht mehr rechtshängig ist (ζ. B. infolge beiderseitiger Erledigungserklärung oder eines Vergleichs), schließlich Urteile, die eine dem geltenden Recht unbekannte Rechtsfolge aussprechen70. Das wirkungslose bzw. wirkungsgeminderte Urteil ist aber nach allgemeiner Meinung - anders als Nichturteile - nicht völlig unbeachtlich: das Gericht kann es nicht widerrufen (§318 ZPO), es beendet die Instanz, kann formelle Rechtskraft erlangen und der Anspruch auf Kostenerstattung entsteht. Materielle Rechtskraft tritt jedoch nicht ein. Die Beseitigung des Urteils ist innerhalb der Frist durch Rechtsmittel, danach durch Wiederaufnahme des Verfahrens möglich71. Aufgrund der fehlenden materiellen Rechtskraft kann die Sache neu anhängig gemacht werden. Die Zwangsvollstreckung aus dem wirkungslosen Urteil ist unzulässig, weshalb eine Vollstreckungsklausel nicht erteilt werden darf 2 .

67 So etwa Thomas/Putzo, Vorbem. § 300 Rdnr. 15 ff; hiergegen Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 4 mit Fußn. 3. 68

Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 4; Jauernig, ZPR , § 60 III (S. 219 f); Stein/Jonas/ Grunsky, vor § 578 Rdnr. 3; ähnlich Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 62 IV 1 (342 f).

69

Vgl. Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 150 ff; Thomas/Putzo, Vorbem. § 300 Rdnr. 15 ff; Stein/Jonas/Grunsky, vor § 578 Rdnr. 5 ff; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 62 IV 2 (S. 343 f).

70

Vgl. etwa Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 62 IV 2 b (S. 343); Thomas/Putzo, Vorbem. § 300 Rdnr. 16. Gegen letzteres Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 179 f f mit dem beachtlichen Argument, daß es Sache des Gerichts sei, darüber zu entscheiden, ob das geltende Recht die ausgesprochene Rechtsfolge kennt oder nicht. Ähnlich auch Stein/Jonas/Grunsky, vor § 578 Rdnr. 10; Braun, JuS 1986, 364 (366). 71

Ob stattdessen oder daneben auch eine Klage auf Feststellung (§ 256 ZPO) der Wirkungslosigkeit möglich ist, ist str., wird aber von der h. M. bejaht (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 62 IV 1 (S. 343); Thomas/Putzo, Vorbem. § 300 Rdnr. 19) Α. A. zu Recht Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 188 f. Siehe hierzu auch unten 4. Kap. D. I. 3. 72

Thomas/Putzo, Vorbem. § 300 Rdnr. 19; Stein/Jonas/Gninsky, vor § 578 Rdnr. 3; Zöller/Vollkommer, vor § 300 Rdnr. 19.

22*

340

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

b) Unübertragbarkeit Münch versucht die Lehre vom fehlerhaften Zivilurteil auf die vollstreckbare Urkunde zu übertragen 73, um so voneinander abgrenzen zu können, in welchen Fällen nur die Klauselerteilungsorgane und in welchen Fällen auch die Vollstreckungsorgane nach erteilter Klausel die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung bzw. der vollstreckbaren Urkunde74 zu beachten haben. Da die Vollstreckungsklausel nur Zweifel an der Wirksamkeit des Vollstrekkungstitels ausräumen solle, nicht jedoch einen Vollstreckungstitel unterstellen könne, wo überhaupt keiner existiere, entspreche die Frage, inwieweit die Vollstreckungsorgane die Titelunwirksamkeit neben den Klauselerteilungsorganen und trotz Klauselerteilung beachten dürften, genau der Scheidelinie zwischen Nichttiteln einerseits und wirkungslosen Titeln75 andererseits: Nur ein Nichttitel als rechtliches Nullum stelle keine hinreichende Vollstreckungsgrundlage dar; nur dessen Vorliegen sei von den Vollstreckungsorganen zu beachten und könne bei dennoch begonnener Zwangsvollstreckung mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) geltend gemacht werden76. Trotz dieser Begründung hält Münch im Ergebnis zu Recht die Vollstrekkungsorgane fur befugt und verpflichtet, die Zwangsvollstreckung abzulehnen, wenn der Titel hinsichtlich des Leistungsbegehrens zu unbestimmt, unverständlich, in sich widerspruchsvoll formuliert, auf eine tatsächlich oder rechtlich unmögliche Leistung oder gegen eine nicht existierende Partei gerichtet ist77. Dies aber sind alles Mängel, die nach oben beschriebener allgemeiner Ansicht gerade zu keinem Nichttitel, sondern "nur" zu einem wirkungslosen bzw. wirkungsgeminderten Titel fuhren. Sie müßten deshalb - folgt man der Begründung von Münch - eigentlich wegen Erteilung der Vollstreckungsklausel fur die Vollstreckungsorgane unbeachtlich sein. Hieran zeigt sich bereits, daß eine Unterscheidung zwischen Nicht- und wirkungslosen Titeln zur Abgrenzung, inwieweit auch die Vollstreckungsorgane die Fehler des Titels beachten dürfen, unbrauchbar ist. Sie wird in dieser Form auch bei Urteilen nicht vertreten, denn die Unbestimmtheit z. B. muß ja dort ebenfalls - obgleich sie "nur" zu einem unwirksamen Urteil fuhrt - von den Vollstreckungsorganen 73

Vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 196, 211, 253 f.

74

Beides setzt Münch gleich; vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 211, nach dessen Ansicht die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auch zur Nichtigkeit der vollstreckbaren Urkunde fuhren soll. 75

Münch gebraucht den auch sonst synonym verwendeten, aber terminologisch unklaren Begriff des "nichtigen" Titels; vgl. Vollstreckbare Urkunde, S. 254. 76

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 253 f.

77

Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 250 f.

Α. Mängel der Unterwerfngserklärung

341

beachtet werden. Dies liegt bereits in der Natur der Sache, da die Vollstrekkungsorgane bei unbestimmten Titeln nicht wissen, was sie zu tun haben. Entscheidend gegen eine Übertragung der Lehre vom fehlerhaften Zivilurteil auf die vollstreckbare Urkunde spricht aber, daß die aufgezählten Wirkungen, die den "wirkungslosen" Urteilen beigemessen werden (formelle Rechtskraft, Bindung des Gerichts, Beendigung der Instanz, Anspruch auf Kostenerstattung und formelle Rechtskraft), der vollstreckbaren Urkunde ohnehin nicht zukommen. Folglich können auch aus einer Unterscheidung zwischen "Nichturkunden" und "wirkungslosen Urkunden" keine weitergehenden Schlußfolgerungen gezogen werden. Es sind daher andere Fallgruppen zu bilden und andere Differenzierungen zu treffen, um festzustellen, wann Mängel der Unterwerfungserklärung oder der Urkunde selbst die vollstreckbare Urkunde unwirksam machen und inwieweit sie bei der Klauselerteilung oder der Zwangsvollstreckung zu beachten sind.

2. Beurkundungsmängel

Die Beurkundung der vollstreckbaren Urkunde richtet sich nach dem BeurkG78 - gleichgültig, ob sie der Notar oder eine andere dafür zuständige Stelle vornimmt (§ 1 I, II BeurkG). Aus diesem Grunde haben auch Beurkundungsmängel, die zur Unwirksamkeit der Beurkundung fuhren (§§ 6 - 9 I, 13 1 1 BeurkG, sowie die Beurkundung durch eine dafür nicht zuständige Stelle) nicht nur die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung, sondern auch die der vollstreckbaren Urkunde selbst zur Folge. Grundlage des Titels ist die Beurkundung. Ist diese unwirksam, so ist es folglich auch der Titel.

3. Tatbestandsmängel

Von einem wirksamen Titel kann ferner nur ausgegangen werden, wenn ein Tatbestand in die Außenwelt gelangt ist, der den Wesenserfordernissen einer vollstreckbaren Urkunde entspricht. Hierzu ist erforderlich, daß die Urkunde sowohl nach ihrer Form, als auch nach ihrem Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeignet ist79. Ist das nicht der Fall, so liegt ein Tatbestandsmangel vor, der die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde zur Folge hat80. 78

Siehe oben 3. Kap. Α. II. 2.

79

Vgl. insoweit auch die Terminologie in BGH, NJW 1992, 2160 (2161).

80

Der Begriff des Tatbestandsmangels wird somit hier weiter gefaßt ist als beim Nichturteil, bei dem zum Tatbestand nur der Ausspruch eines Gerichts und dessen Verkündung bzw. Zustellung gehört. Diese weiterreichende Begriffsbildung bei der vollstreckbaren Urkunde ist aber unbedenk-

342

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

Ergibt sich nämlich schon aus der Urkunde selbst, daß gegen zwingende Formvorschriften verstoßen wurde (etwa fehlende Bezeichnung des Notars, vgl. § 9 I 1 Nr. 1 BeurkG) oder daß ihr Inhalt nicht den gesetzlichen Tatbestandsvorgaben einer vollstreckbaren Urkunde entspricht, so kann sie auch rechtlich nicht als eine solche behandelt und damit als wirksam angesehen werden. Ein Tatbestand, der den Wesenserfordernissen einer vollstreckbaren Urkunde entspricht, liegt nur vor, wenn die Urkunde dokumentiert, daß der Schuldner sie vor einer dafür grundsätzlich81 zuständigen Stelle (insbesondere einem Notar) errichtet und dort eine äußerlich ordnungsgemäße Unterwerfungserklärung abgegeben hat, welche sich auf einen Anspruch bezieht, der hinsichtlich Gegenstand und Umfang nicht zu unbestimmt, widersprüchlich oder auf eine unmögliche oder der Vollstreckungsunterwerfung schlechthin unzugängliche Leistung gerichtet ist. Ferner darf sich aus der Urkunde selbst kein Hinweis auf ein Verstoß gegen zwingende Beurkundungsvorschriften ergeben.

4. Individualisierungsmängel

Da Gegenstand der vollstreckbaren Urkunde (und der Vollstreckungsunterwerfung) nicht ein bestimmter materiellrechtlicher Anspruch, sondern der prozessuale Anspruch im Sinne einer durch einen bestimmten Lebenssachverhalt individualisierten Rechtsfolgenbehauptung ist82, muß die vollstreckbare Urkunde auch dann als unwirksam angesehen werden, wenn in ihr nicht genügend Identifizierungsmerkmale angegeben sind, um den vollstreckbar gestellten Anspruch von anderen unterscheiden zu können. Dies bedeutet zwar nicht, daß (im Sinne einer Schlüssigkeit) der ganze Entstehungstatbestand in der vollstreckbaren Urkunde wiedergegeben werden müßte. Erforderlich ist aber die Angabe all jener Merkmale, die zur Identifizierung des Anspruchs notwendig sind83. Fehlt es hieran, ist die vollstreckbare Urkunde als Vollstreckungstilich möglich, da bei ihr gerade nicht zwischen Nichttiteln ohne jede rechtliche Wirkung und "wirkungslosen" Titeln mit rechtlich eingeschränkten Wirkungen unterschieden werden muß. 81

Die konkrete Zuständigkeit ist dagegen unbeachtlich. Es genügt die generelle Zuständigkeit zur Errichtung vollstreckbarer Urkunden.

82 83

Siehe oben 2. Kap. Α. IV.

Siehe oben 3. Kap. II. 3. a) bb). Enthält die notarielle Urkunde neben der Unterwerfungserklärung auch Erklärungen, die fur das Entstehen des Anspruchs wesentlich sind, so ist damit dem Identifizierungserfordernis von selbst genüge getan. Bezieht sich hingegen die Unterwerfiingserklärung auf einen anderweitig bereits begründeten Anspruch, müssen so viele Einzelheiten vom Entstehungssachverhalt wiedergegeben werden, daß nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine Ver-

Α. Mängel der Unterwerfungserklärung

343

tel unwirksam84. In dem vergleichbaren Fall, daß sich einem Urteil auch nach Auslegung von Tatbestand und Entscheidungsgründen nicht entnehmen läßt, auf welchen Lebenssachverhalt der Entscheidungsausspruch beruht85, wird ebenfalls angenommen, daß es sich nur um ein wirkungsgemindertes (und der materiellen Rechtskraft nicht fähiges) Urteil handelt86 und die Zwangsvollstreckung daraus unzulässig ist87.

5. Sonstige Mängel, bei deren Vorliegen auch ein Urteil nicht vollstreckt werden dürfte

Die vollstreckbare Urkunde muß auch dann als unwirksam angesehen werden, wenn sie an solchen Mängeln leidet, wegen derer ein entsprechendes Urteil gleichfalls nicht vollstreckt werden dürfte. Schließlich erschöpfen sich die Wirkungen der vollstreckbaren Urkunde - im Gegensatz zum Urteil 88 - in deren Vollstreckbarkeit. Liegt daher ein Mangel vor, der die Eignung als Vollstreckungstitel beseitigt, muß auch die vollstreckbare Urkunde unwirksam sein. Davon ist außer in den bereits zuvor genannten Fällen dann auszugehen, wenn ein entsprechendes Urteil wirkungslos wäre89. Unwirksam ist daher nicht wechselung mit anderen Ansprüchen nicht mehr möglich ist. Vgl. MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 189. 84

Das Vorliegen eines Individualisierungsmangels fuhrt - im Gegensatz zu den anderen Mängeln - auch dazu, daß der Schuldner keine Vollstreckungsgegenklage wegen Einwendungen gegen den materiellen Anspruch erheben kann. Um nämlich zu prüfen, ob der titulierte (prozessuale) Anspruch nach materiellem Recht besteht, müßte vorab feststehen, um welchen Anspruch es sich überhaupt handelt, aufgrund welchen Lebenssachverhalts er also überhaupt entstanden sein soll. Läßt sich dies nicht klären, so liegt ein unbehebbarer Fehler vor, der eine Vollstreckungsgegenklage ausschließt. Denn ebensowenig wie der vollstreckbaren Urkunde nachträglich ein prozessualer Anspruch unterlegt werden kann (s. o. 2. Kap. D. I. 1. e) bb)), kann eine der Parteien nachträglich (im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage) den Gegenstand der Unterwerfungserklärung bestimmen. Vgl. BGH, NJW 1994, 460 (461). 85

Vgl. etwa das Beispiel bei Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 190 (Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 1.000,- D M entweder aus einem am 1. 2. abgeschlossenen Kaufvertrag oder aus einem am 1. 3. abgeschlossenen Darlehensvertrag) und den Fall BGH, NJW 1994, 460 (im Falle einer Teilklage ließ sich dem (Versäumnis-)Urteil nicht entnehmen, über welche der Einzelforderungen oder Teilbeträge das Gericht entschieden hat).

86

BGH, NJW 1994, 460 m. w. N.; BGH, NJW 1990, 2068 (2069); Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 190. 87

Dies ergibt sich u. a. daraus, daß für diesen Fall auch eine Klauselerinnerung nach § 732 ZPO für zulässig gehalten wird, vgl. K. Schmidt, JuS 1994, 528 (529); BGH, NJW 1994, 460 (461).

88

Siehe dazu oben 3. Kap. A. III. 1.; als weitere Urteilswirkungen kommen neben dessen Vollstreckbarkeit (bei Leistungsurteilen) etwa noch die Rechtskraft, die Instanzbeendigung, die Bindung des Gerichts an seine Entscheidung (§318 ZPO) usw. hinzu. 89

Siehe hierzu oben 3. Kap. A. III. 1. a).

344

3. Kap.: Fehlerquelle: U n t e r w e r f n g s e r k l ä n g

nur die Unterwerfungserklärung wegen Fehlens einer Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern auch die vollstreckbare Urkunde als Titel, wenn die Parteien nicht existieren oder der Schuldner bzw. der prozessuale Anspruch nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterfallen 90.

6. Sonstige Mängel der Unterwerfungserklärung

In den zuvor genannten Fällen war mit der Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde zwingend auch immer die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung verbunden. Wie sollte auch die Vollstreckungsunterwerfung des Schuldners ohne wirksame Urkunde als "Grundlage" und als deren Bestandteil existieren und Wirkungen erzeugen können? Der Umkehrschluß von der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auf die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde selbst ist indes, wie Wolfsteiner zutreffend nachgewiesen hat91, entgegen der h. M. 92 nicht zwingend, da fur eine wirksame Unterwerfungserklärung noch die oben aufgeführten weiteren Voraussetzungen notwendig sind. Die Titelunwirksamkeit liegt nur in den zuvor beschriebenen Fallgruppen vor. In allen anderen Fällen, in denen die Unterwerfungserklärung unwirksam ist93, schlägt dies gerade nicht auf die vollstreckbare Urkunde durch. Dies ergibt sich sowohl aus einer Auslegung des Wortlauts des § 794 I Nr. 5 ZPO als auch aus einem Vergleich mit anderen Vollstreckungstiteln. Schließlich sprechen auch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte für dieses Ergebnis.

90

Häufig wird es in diesen Fällen bereits an einer ordnungsgemäßen Dokumentation des prozessualen Anspruchs fehlen (etwa wenn z. B. bereits aus der Bezeichnung des Schuldners in der vollstreckbaren Urkunde hervorgeht, daß er Mitglied einer diplomatischen Mission ist), so daß diese Mängel dann als Tatbestandsmängel aufzufassen sind. Dies muß aber nicht so sein (etwa, wenn der Schuldner nur namentlich bezeichnet ist, ohne daß hervorgeht, das er Mitglied einer diplomatischen Mission ist). Aus diesem Grunde wurde die Fallgruppe gesondert aufgeführt. 91

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 f f (insbes. 533); ders., DNotZ 1992, 242; ders., in: MünchKommZPO, § 794 Rdnr. 130 ff.

92

BGHZ 73, 157 (160); OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1151; BayOblG, DNotZ 1987, 176 (178); OLG Koblenz, BauR 1988, 748; LG Mainz, DNotZ 1990, 567 (568 f); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (181); Thomas/Putzo, § 794 Rdnr. 60; Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 211; Münzberg, ZZP 104 (1991), 227 (236); ders., WuB V I E. § 767 ZPO 1.93, S. 77 (77 f); Kniffka, ZfBR 1992, 195; im Ergebnis wohl auch Olzen, DNotZ 1993, 211 (216). 93

Das ist etwa der Fall, wenn der Schuldner sich bei Abgabe der Unterwerfungserklärung vorübergehend in einem Zustand geistiger Störung befunden hat oder wenn die Unterwerfungserklärung teilweise unwirksam ist, weil der in ihr enthaltene Nachweisverzicht gegen das AGBG verstößt.

Α. Mängel der Unterwerfngserklärung

345

a) Wortlautauslegung Der Wortlaut des § 794 I Nr. 5 ZPO zeigt, daß Grundlage der Zwangsvollstreckung ausschließlich die vom Notar errichtete Niederschrift gem. §§ 1 I, 8 ff BeurkG ist. Nach dieser Vorschrift findet die Zwangsvollstreckung "aus Urkunden" und nicht aus der in der Urkunde enthaltenen Unterwerfungserklärung des Schuldners statt94. Zwar spricht das Gesetz auch davon, daß "der Schuldner sich in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat". Hieraus läßt sich jedoch nicht zwingend folgern, daß nur eine wirksame Unterwerfungserklärung auch einen wirksamen Titel erzeugt. Schließlich fordert § 7941 Nr. 5 ZPO lediglich, daß sich der Schuldner "in der Urkunde" der Zwangsvollstreckung unterwirft, was dahingehend verstanden werden muß, daß es genügt, wenn die notarielle Urkunde eine Unterwerfungserklärung ausweist - unabhängig davon, ob dies auch der wahren Rechtslage entspricht und ob die Unterwerfungserklärung tatsächlich mit Mängeln behaftet ist95. Das mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, ist doch die Unterwerfungserklärung der zentrale Akt der vollstreckbaren Urkunde. Bei der Beurkundung materiellrechtlicher Erklärungen interessiert nach deren Abschluß gewöhnlich nur noch, ob die in der Urkunde verkörperten Erklärungen wirksam sind. Die Frage der Urkundenwirksamkeit spielt in diesem Rahmen lediglich die Rolle einer Vorfrage hierzu. Dies ist bei der vollstreckbaren Urkunde aber anders: Hier gewinnt - da es sich um einen Vollstreckungstitel handelt - die Frage der Wirksamkeit nach Abschluß der Beurkundung vorrangige Bedeutung. In den folgenden Verfahrensabschnitten (Klausel- und Erinnerungsverfahren) kommt es ja gerade auf die Titelwirksamkeit und somit auf die Urkundenwirksamkeit an96. Deshalb ist es auch wichtig die (Un-)Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde als Vollstreckungstitel nicht mit der (Un-)Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung gleichzusetzen. Zu bedenken ist dabei, daß bei dem gleichfalls in § 794 I Nr. 5 ZPO erwähnten Tatbestandsmerkmal "über einen Anspruch errichtet" zu Recht heute unumstritten ist, daß auch Mängel oder tatsächliches Fehlen des materiellen Anspruchs der vollstreckbaren Urkunde nicht ihre Wirksamkeit nehmen97. Dieser Auffassung ist die h. M. sogar, obgleich sie unmittelbar den materiellen Anspruch - und nicht, wie in dieser Arbeit vertreten, den prozessualen Anspruch - als Unterwerfungsgegenstand betrachtet98. Andernfalls würde ja auch bei vollstreckba94

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 130; ders., DNotZ 1990, 531 (532).

95

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (536 f).

96

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (534 f).

97

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (537).

346

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

ren Urkunden der Prüfungsumfang des § 732 ZPO den des § 767 ZPO immer mit umfassen und der Notar müßte folglich (wegen der Kongruenz des Prüfungsumfanges) bei der Klauselerteilung wie ein Richter bei einer Leistungsklage das Bestehen eines Anspruchs prüfen. Letzteres ist aber wegen der fehlenden kontradiktorischen Ausgestaltung des Klauselerteilungs- bzw. Erinnerungsverfahrens nicht möglich". Wenn aber hinsichtlich der ersten Tatbestandskomponente - der Errichtung über einen Anspruch - richtigerweise nur verlangt wird, daß diese ordnungsgemäß dokumentiert ist, kann hinsichtlich der zweiten Tatbestandskomponente - der Unterwerfungserklärung - nichts anderes gelten. Die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde ist daher von der Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung ebenso abstrakt100 wie von der Existenz des materiellen Anspruchs. Denn ebensowenig wie die materiellrechtliche Forderung Basis der Zwangsvollstreckung ist, ist es die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung. Grundlage ist nach dem Wortlaut des § 794 I Nr. 5 ZPO einzig und allein die vollstreckbare Urkunde selbst (bzw. deren vollstreckbare Ausfertigung), sofern sie einen ordnungsgemäßen prozessualen Anspruch als Bezugsobjekt sowie eine sich hierauf beziehende Unterwerfungserklärung des Schuldners dokumentiert.

b) Systematische Auslegung In das Gesamtsystem der Vollstreckungstitel der ZPO gliedert sich auch unter systematischem Gesichtspunkt überzeugend die hier vertretene Auffassung ein, daß nicht die Unterwerfungserklärung des Schuldners, sondern nur die vollstreckbare Urkunde selbst bzw. deren (vollstreckbare) Ausfertigimg Vollstreckungsgrundlage ist und somit die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auch nicht die der vollstreckbaren Urkunde selbst bedingt. Naturgemäß bietet sich hier besonders ein Vergleich mit Prozeßvergleichen und Anerkenntnisurteilen an, da bei beiden die Dispositionsbefugnis des Schuldners ein ähnlich starkes Gewicht hat wie bei vollstreckbaren Urkunden.

98 99

Siehe insoweit bereits oben 2. Kap. Α. IV.

Vgl. in ähnlichem Zusammenhang: Olzen, DNotZ 1993, 211, (217 f); 1990,531 (538 f).

Wolfsteiner, DNotZ

100 Umgekehrt gilt dies - wie bereits oben erwähnt - jedoch nicht, d. h. die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung hängt sehr wohl von der Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde, in der sie enthalten ist, ab. Dies ist kein Widerspruch zu dem Tatbestandsmerkmal "über einen Anspruch errichtet". Zwar beseitigt selbstverständlich eine unwirksame vollstreckbare Urkunde nicht die materielle Forderung des Gläubigers. Unter "Anspruch" i. S. d. § 794 I Nr. 5 ZPO ist jedoch gerade nicht der materielle, sondern der prozessuale im Sinne einer individualisierten Rechtsfolgenbehauptung zu verstehen (siehe oben 2. Kap. Α. IV.).

Α. Mängel der Unterweringserklrung

347

aa) Vergleich der vollstreckbaren Urkunde mit dem Prozeßvergleich Sowohl bei der vollstreckbaren Urkunde als auch beim Prozeßvergleich (§ 794 I Nr. 1 ZPO) wird der Vollstreckungstitel durch einen formalisierten Parteiakt begründet. Der Parteiwille als konstitutives Element hat jedoch bei beiden Titeln eine unterschiedliche Bedeutung: Während es dem Schuldner bei der Vollstreckungsunterwerfung gerade darum geht, einen vollstreckungsfähigen Titel zu schaffen, steht beim Prozeßvergleich eher die willentliche Herbeiführung der Streitbeendigimg im Vordergrund, weniger dagegen die Vollstreckbarkeit 101. Die Vollstreckbarkeit des Prozeßvergleichs tritt daher selbst dann ein, wenn die Parteien dies nicht in ihren Willen aufgenommen haben102. Ein Vergleich zwischen vollstreckbarer Urkunde und Prozeßvergleich bietet sich aber deshalb an, weil hier wie dort kein hoheitlicher Ausspruch in der Form einer gerichtlichen Entscheidimg ergeht, sondern der Titel auf der Protokollierung von Parteierklärungen beruht. Gerade dieser Protokollierung wird beim Prozeßvergleich besonderes Gewicht beigemessen. Sie ist sowohl Voraussetzung für die Prozeßbeendigung wie für die Errichtung des Vollstreckungstitels103. Deshalb muß ζ. B. auch ein schriftlich niedergelegter außergerichtlicher Vergleich vorgelesen, von den Parteien genehmigt und als Anlage zu Protokoll genommen werden (§ 160 V ZPO), damit er diese Wirkungen herbeiführen kann104. Da das Gesetz die Zwangsvollstreckung aus formlosen Titeln nicht kennt105, beruht die Vollstreckbarkeit des Prozeßvergleichs auch nicht auf den Vergleichserklärungen der Beteiligten, sondern auf dem gerichtlichen Protokoll. Nicht anders kann es bei der vollstreckbaren Urkunde sein. Auch hier kann die Vollstreckbarkeit nicht auf der (Unterwerfungs-)Erklärung des Schuldners beruhen, sondern nur auf dessen Protokollierung, die den Titel erst schafft. Schließlich kennt die ZPO keinen privaten Akt als Vollstreckungsgrundlage 106. Dies gilt sogar für den Schiedsspruch eines Schiedsgerichts (vgl. § 1040 ZPO), da auch hier nach h. L. 107 Grundlage der Zwangsvollstreckung nicht der Schiedsspruch selbst ist, sondern die gerichtliche Entscheidung nach § 1042 a ZPO. ,01

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I (S. 120).

102

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I (S. 120).

103

Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 27.

104

Thomas/Putzo, § 794 Rdnr. 11.

105

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I 1 d cc (S. 125).

106

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (536 ff).

107

Vgl. statt aller Stein/Jonas/Schlosser, § 1042 ZPO Rdnr. 14.

348

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

Daraus, daß die Vollstreckbarkeit des Prozeßvergleichs letztlich nicht auf den Vergleichserklärungen der Beteiligten, sondern auf dem gerichtlichen Protokoll darüber beruht, wurde beim Prozeßvergleich auch die zutreffende Konsequenz gezogen: Zwar entfällt nach der h. M. von der "Doppelnatur" des Prozeßvergleichs108 bei dessen Unwirksamkeit sowohl dessen materielle als auch dessen prozeßbeendigende Wirkung. Dennoch wird angenommen, daß nur dann, wenn es an den wesentlichen formellen Tatbestandsvoraussetzungen eines Prozeßvergleichs im Sinne des § 7941 Nr. 1 ZPO mangelt, ihm auch die Eignung als Vollstreckungstitel fehlt, die Unwirksamkeit des Vergleichs (aus prozessualen oder materiellen Gründen) mithin nicht den Verlust der Vollstreckbarkeit zur Folge hat. Weil dem Vergleich im Unterschied zum Urteil die Rechtskraft fehlt, kann die Prozeßbeendigung ohne weiteres entfallen, nicht aber seine (dem Urteil gleiche) Eigenschaft als Vollstreckungstitel109. Nicht anders kann aber die Situation bei der vollstreckbaren Urkunde beurteilt werden, wenn die Unterwerfungserklärung unwirksam ist: auch hier ist nur in den oben angesprochenen Fallgruppen110 von der Titelunwirksamkeit auszugehen. Sonstige Fälle der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung machen die vollstreckbare Urkunde als Vollstreckungstitel nicht unwirksam. bb) Vergleich mit dem Anerkenntnisurteil 111 Das Anerkenntnisurteil beruht ebenso wie die vollstreckbare Urkunde auf einer einseitigen Disposition des Schuldners (und nicht wie der Prozeßvergleich auf der übereinstimmenden Parteidisposition von Kläger und Beklagtem). In beiden Fällen ist entscheidende Grundlage des Titels dessen Prozeßhandlung, was beim Anerkenntnisurteil - obgleich es sich um ein kontradiktorisches Verfahren handelt - auch darin zum Ausdruck kommt, daß es nach h. M. selbst dann ergeht, wenn der Kläger ausdrücklich kein Anerkenntnisurteil, sondern ein streitmäßiges Urteil will 112 . Bei beiden wird bei der Schaf108

Vgl. hierzu etwa Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 131 I I I 1 (S. 768); Thomas/Putzo, § 794 Rdnr. 3; Zöller/Stöber, § 794 Rdnr. 3. 109

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 93; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 1 c (S. 122 f) m. w. N.; a. A. wohl Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 48. 110 Verstoß gegen zwingende Vorschriften des BeurkG, Tatbestandsmängel, Individualisierungsmängel sowie sonstige Mängel, bei deren Vorliegen auch ein Urteil nicht vollstreckt werden dürfte. 111 Vgl. allgemein zum Anerkenntnisurteil etwa Wolf, Anerkenntnis; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 133 IV (S. 790 ff) sowie die Kommentarliteraturzu § 307. 1,2

BGHZ 10, 333 (335 ff); Zöller/Vollkommer, vor § 306 Rdnr. 13; Stein/Jonas/Leipold, § 307 Rdnr. 30; Thomas/Putzo, § 307 Rdnr. 11; Wolf, Anerkenntnis, S. 52 ff (allerdings mit von derh. M. abweichenden Begründung. Wolf, a. a. O., S. 25 ff, geht davon aus, daß das Anerkenntnis aufgrund seiner streiterledigenden Wirkung zur Zweckerreichung des Prozesses und damit unmittelbar - ohne

Α. Mängel der Unterwerfngserklärung

349

fling des Titels (im Urteilsverfahren bzw. im Beurkundungsverfahren) weder die Wahrheit der zur Identifizierung des prozessualen Anspruchs beigegebenen Tatsachen überprüft, noch dessen Schlüssigkeit, sondern lediglich die Zulässigkeit113 und der Tatbestand der Prozeßhandlung "Anerkenntnis" bzw. "Vollstreckungsunterwerfung". Nur solange der Titel noch nicht existent ist, wird überprüft, ob die prozessuale Dispositionshandlung des Schuldners wirksam ist. Ein einmal erlassenes Anerkenntnisurteil ist dagegen auch dann uneingeschränkt wirksam, wenn überhaupt kein (wirksames) Anerkenntnis abgegeben wurde, sofern das Urteil nur ein solches dokumentiert114. Gleiches gilt für alle Urteile - wenn es an einer Sachurteilsvoraussetzung fehlt, etwa weil der Beklagte nicht prozeßfähig ist115. Lediglich auf Initiative des Schuldners können die Wirkungen des Titels durch Rechtsbehelfe wieder beseitigt werden. Wenn aber beim Anerkenntnisurteil kein Schluß von der Unwirksamkeit der prozessualen Dispositionshandlung des Schuldners auf die Titelwirksamkeit gezogen wird, so kann bei der vollstreckbaren Urkunde nichts anderes gelten. Freilich hat das gerichtliche Anerkenntnis im Unterschied zur Vollstreckungsunterwerfung nicht nur die Vollstreckbarkeit, sondern auch die Rechtskraft zur Folge. Dies rechtfertigt aber keine unterschiedliche Behandlung, denn es ist nicht die Rechtskraft, die die Unwirksamkeit der Prozeßhandlung des Schuldners überspielt116. Wie sollte sie auch: die Rechtskraft bezieht sich doch nur auf den prozessualen Anspruch und nicht auf die Wirksamkeit von Prozeßhandlungen. Zwar "deckt und heilt die Rechtskraft Urteil - zur Prozeßbeendigung führe, sofern kein Antrag nach § 307 ZPO gestellt werde. Der im Anschluß an das Anerkenntnis gestellte Antrag auf streitmäßige Entscheidung sei als solcher zwar irrelevant, aber unschädlich. Er enthalte jedoch den gem. § 307 ZPO erforderlichen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens, weshalb ein Anerkenntnisurteil zu ergehen habe; Wolf, a. a. O., S. 53 f.) 113

Vor Erlaß des Anerkenntnisurteils wird sowohl die Zulässigkeit der Klage als auch die Zulässigkeit bzw. Wirksamkeit des Anerkenntnisses geprüft. Fehlt es an einer unverzichtbaren Sachurteilsvoraussetzung, so muß die Klage (als unzulässig) abgewiesen werden; ist das Anerkenntnis nicht wirksam, so kann kein Anerkenntnis-, sondern nur ein streitiges Urteil ergehen. Vor Beurkundung einer Vollstreckungsunterwerfung sind alle dessen Voraussetzungen zu prüfen (s. o. 3. Kap. Α. II.). Hierzu gehört auch die entsprechende Anwendung der im Urteilsverfahren geltenden Sachurteilsvoraussetzungen. 1.4

Insbesondere aus der Überschrift muß hervorgehen, daß es sich um ein Anerkenntnisurteil handelt, vgl. § 313 b I 2 ZPO - die Abfassung eines Tatbestandes ist ohnehin nur fakultativ, vgl. § 313 b I 1 ZPO. 1.5 Die Wirksamkeit des Urteils zeigt sich in diesem Fall insbesondere an der Vorschrift des § 579 I Nr. 4 ZPO: das rechtskräftig gewordene Urteil muß durch eine Gestaltungsklage wieder beseitigt werden. 1.6 Α. A. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 211 unter Berufung auf Stein/Jonas/Gninsky, vor § 578 Rdnr. 16.

350

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

das mangelhafte Verfahren" 117, dies aber doch lediglich in dem Sinne, daß dann ein (Anerkenntnis-)Urteil wegen eines Verfahrensfehlers nicht mehr (bzw. mit der Wiederaufnahme des Verfahrens allenfalls innerhalb der zeitlichen Grenze des § 586 ZPO) angreifbar ist. Keineswegs verhilft aber die Rechtskraft einem zunächst aufgrund Verfahrensfehlern unwirksamen Urteil zur Wirksamkeit. Vielmehr ist die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit vom Eintritt der Rechtskraft unabhängig. Eine unterschiedliche Handhabung der Wirksamkeitsfrage bei Anerkenntnisurteil und vollstreckbarer Urkunde ließe sich nur dann rechtfertigen, falls dem Umstand, daß das Anerkenntnisurteil in einem Erkenntnisverfahren von einem Richter erlassen wurde, insoweit wesentliche Bedeutung zukäme. Die Frage, warum auch fehlerhafte Urteile grundsätzlich (mit Ausnahme von Nichturteilen und wirkungslosen bzw. wirkungsgeminderten Urteilen) wirksam sind, wird vielfach damit begründet, daß es sich bei Urteilen um hoheitliche Staatsakte handele118. Ungeachtet der Fragwürdigkeit dieser Begründung119 läßt sich das gleiche Argument aber auch bei der vollstreckbaren Urkunde anführen: Auch der Notar errichtet die Niederschrift in Ausübung öffentlicher Gewalt, also im Namen des Staates, der ihm diese Gewalt übertragen hat120. Ebenso wie es sich beim Urteilserlaß um eine (hoheitliche121) Prozeßhandlung des Gerichts handelt, stellt die Beurkundung eine (hoheitliche) Verfahrenshandlung 122 des Notars dar. Aber auch das zutreffendere Argument, die grundsätzliche Wirksamkeit von fehlerhaften Urteilen rechtfertige sich damit, daß die Urteilsfindung aufgrund eines Verfahrens erfolge, das in größtmöglichem Umfang Garantien für ein mit der wirklichen Rechtslage übereinstimmendes Urteil biete123, trifft hinsichtlich des hier in Frage stehenden Problems auch auf die vollstreckbare Urkunde zu: Zwar hat der Notar bei der Beurkundung der Unterwerfungserklärung, die ja unabhängig von den materiellrechtlichen Erklärungen zur Begrün1.7

Stein/Jonas/Grunsky, vor § 578 Rdnr. 16.

1.8

Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Gmndz.§ 704 Rdnr. 56; BGHZ 57, 108 (110); Zeiss, ZPR, Rdnr. 551. 1.9 Immerhin bestehen bei einigen anderen hoheitlichen Staatsakten - wie z. B. Rechtsverordnungen - keine Zweifel daran, daß jeder Mangel zur Unwirksamkeit führt; vgl. Stein/Jonas/Grunsky, vor § 578 Rdnr. 15; Gilles, Rechtsmittel, S. 230 ff. 120

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 17. 4; ders., DNotZ 1990, 531 (532).

121

Keim, Beurkundungsverfahren, S. 1 ff; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (532).

122

Das Beurkundungsverfahren wird von der h. M. als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit angesehen; vgl. Hager, ZZP 97 (1984), 174 (192); Wieczorek, § 794 H; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (532); ders., in: MünchKommZPO, § 794, Rdnr. 122. 123

Gilles, Rechtsmittel, S. 248 ff; Stein/Jonas/Grunsky, vor § 578 Rdnr. 15.

Α. Mängel der Unterwerfngserklärung

351

dung des Anspruchs abgegeben werden kann, grundsätzlich kein Prüfungsrecht hinsichtlich des materiellen Anspruchs und kann bei dessen Fehlen die Schaffung des Vollstreckungstitels nur ablehnen, wenn der Schuldner die materiellen Grenzen seiner Dispositionsbefugnis überschreitet 124. Hinsichtlich der Übereinstimmung mit dem materiellen Recht bietet deshalb das Beurkundungsverfahren - außer der Beratungspflicht des Notars - keinerlei Garantien. Hier aber geht es gar nicht um die Frage, ob der Titel wegen fehlender Übereinstimmung mit der materiellen Rechtslage unwirksam sein soll 125 , sondern um das Problem, ob die Unwirksamkeit der Prozeßhandlung "Vollstreckungsunterwerfung" auf den Titel durchschlägt. Die Abgabe der Unterwerfungserklärung vor einem Notar, dem als unparteiischer Betreuer und unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes (§§ 141, 1 BNotO) weitgehende Belehrungs-, Beratungs- (vgl. § 17 BeurkG) und Amtspflichten (§ 14 II BeurkG) obliegen, bietet aber ebenso eine Richtigkeitsgewähr für die Wirksamkeit der Vollstrekkungsunterwerfung wie das Urteilsverfahren für die Wirksamkeit eines Anerkenntnisses. Auch aus diesem Grunde rechtfertigt es sich ebensowenig wie beim Urteil, von der Unwirksamkeit der schuldnerischen Prozeßhandlung (Anerkenntnis bzw. Vollstreckungsunterwerfung) auf die Titelunwirksamkeit zu schließen.

c) Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte Auch aus Gründen der Zweckmäßigkeit ist es nicht sinnvoll, davon auszugehen, daß über die oben genannten vier Fallgruppen hinaus126 die Titelunwirksamkeit immer auch bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung gegeben ist. Viele Unwirksamkeitsgründe - so ζ. B. die Frage, ob sich der Schuldner bei Abgabe der Unterwerfungserklärung vorübergehend in einem Zustand geistiger Störung befunden hat - werden sich im Rahmen des Klauselverfahrens nicht nachprüfen lassen. Dort kann nur geprüft werden, ob die vorgelegten Nachweise den an die Form zu stellenden Anforderungen entsprechen und geeignet sind, den erforderlichen Beweis zu erbringen. Gleiches gilt für eine Klauselerinnerung nach § 732 ZPO, da dort im selben Maße die Beweismittel und der Prüfungsumfang beschränkt sind wie im Klauselverfahren 127. Das Klauselerinnerungsverfahren würde daher dem Schuldner häufig 124

Siehe oben 3. Kap. A . I I . 3. b).

125

Dies wird zu Recht von der ganz h. M. abgelehnt, siehe oben 2. Kap. Α. IV.; 3. Kap. Α. I. und ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung schon daraus, daß Unterwerfungsgegenstand der prozessuale Anspruch ist. 126

Verstoß gegen zwingende Vorschriften des BeurkG, Tatbestandsmängel, Individualisierungsmängel sowie sonstige Mängel, bei deren Vorliegen auch ein Urteil nicht vollstreckt werden durfte. Siehe oben 3. Kap. A. III. 2. - 5.

352

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfiingserkläng

nichts nützen, wenn er die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geltend machen will, denn er könnte hierfür i. d. R. keinen Nachweis erbringen. Anders wäre es nur, wenn man das Klauselerinnerungsverfahren zu einem ordentlichen kontradiktorischen Verfahren ausbauen würde. Dies brächte jedoch Folgeprobleme für das Klauselerteilungsverfahren mit sich: Wenn man bei dem Rechtsbehelf nach § 732 ZPO ein kontradiktorisches Verfahren mit allen Beweismitteln zulassen wollte, so müßte gleiches auch für den zu überprüfenden Verfahrensabschnitt - das Klauselerteilungsverfahren - gelten. Es bestünde daher nur die (theoretische) Möglichkeit, auch dem Notar die Befugnis zur Durchfuhrung eines kontradiktorischen Verfahrens zu geben. Dies würde sich aber nicht mit der Systematik des Zwangsvollstreckungsverfahrens vertragen128.

IV. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis läßt sich somit festhalten, daß die vollstreckbare Urkunde nur bei Beurkundungs-, Tatbestands-, Individualisierungs- und sonstigen Mängeln, bei denen auch ein Urteil nicht vollstreckt werden dürfte, unwirksam ist, nicht hingegen bei allen anderen Fällen der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung. Beide Situationen müssen folglich getrennt untersucht werden. In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels werden nur die Fälle untersucht, in denen die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung nicht auf die vollstreckbare Urkunde als Titel durchschlägt. Im vierten Kapitel werden dann die Fälle der Titelunwirksamkeit behandelt.

B. Berücksichtigung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung im nachfolgenden Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren I. Berücksichtigung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung bei der Klauselerteilung Wie sich zuvor ergab, ist nicht die Unterwerfungserklärung des Schuldners, sondern die Urkundenniederschrift des Notars Grundlage der Zwangs-

127 Münzberg, NJW 1992, 201 (204); ders., Rpfleger 1991, 161 (162); Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 12; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (538). Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. c); 2. Kap. C. I. 1. c) bb). 128

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (539); Olzen, DNotZ 1993, 211 (217 f).

Β. Berücksichtigung der Unwirksamkeit der Unterwerfiingserkläning

353

Vollstreckung, weshalb es auch nur auf deren Wirksamkeit ankommt, die unabhängig von der der Unterwerfungserklärung zu beurteilen ist. Im Klauselerteilungsverfahren gilt bei vollstreckbaren Urkunden jedoch derselbe Prüfungsumfang wie bei anderen Vollstreckungstiteln auch, d. h. es wird außer dem Antrag einer legitimierten Person anhand der zugänglichen Akten lediglich geprüft, ob ein wirksamer Titel mit vollstreckungsfähigem Inhalt vorliegt und ggf. ob der Eintritt der Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen (i. S. d. §§ 726 ff ZPO) ordnungsgemäß nachgewiesen wurde 129. Ist dies der Fall, muß die Vollstreckungsklausel erteilt werden. Für Überlegungen, ob die Urkunde auch auf einer wirksamen Unterwerfungserklärung des Schuldners beruht, ist deshalb kein Raum130. Eine solche Unwirksamkeit kann daher auch, solange sie nicht mit der Titelunwirksamkeit einhergeht, nicht im Klauselerteilungsverfahren berücksichtigt werden131. Die Klausel darf also ζ. B. weder mit der Begründung verweigert werden, es liege die Vermutung nahe, der Schuldner habe sich bei Abgabe der Unterwerfungserklärung vorübergehend in einem Zustand geistiger Störung befunden, noch etwa mit dem Argument, es müsse noch der Fälligkeitsnachweis nach § 726 I ZPO erbracht werden, da der vom Schuldner abgegebene Nachweisverzicht wegen Verstoßes gegen § 9 I, II Nr. 1 AGBG unwirksam sei132. Auch im letzten Beispiel ist die Klausel unabhängig von der Wirksamkeit des Nachweisverzichts nach den Vorschriften des AGBG zu erteilen, sofern nur ein solcher in der Urkunde dokumentiert ist133. In all diesen Fällen geht es nämlich ausschließlich um die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung oder Teile von ihr, nicht jedoch um die im Klauselerteilungsverfahren allein entscheidende Wirksamkeit der Unterwerfungsurkunde und damit des Vollstreckungstitels. Unbilligkeiten in den kaum denkbaren Fällen der offensichtlichen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung können auch hier - ebenso wie beim offensichtlichen Fehlen des materiellen

129

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. a).

130

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (535).

131

Hat das Klauselerteilungsorgan erhebliche Zweifel, ob trotz Wirksamkeit des Titels auch eine wirksame Unterwerfungserklärung abgegeben wurde, so muß es allerdings (ebenso wie bei Zweifeln über die Existenz des materiellen Anspruchs, siehe hierzu oben 2. Kap. Β. I. 2. b) cc) (3)) über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten belehren (siehe hierzu die folgenden Ausfuhrungen in diesem Kapitel). 132 Was zu der dahingehenden Auslegung der Unterwerfungserklärung fuhrt, daß der Gläubiger den Eintritt derjenigen Umstände nachweisen muß, von denen nach der Urkundenprotokollierung Entstehung und Fälligkeit des materiellen Anspruchs noch abhängen. Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb)(l). 133 Siehe zur Problematik des Nachweisverzichts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4).

23 Schultheis

354

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfiingserkläng

Anspruchs - wieder durch eine umfassende Belehrung über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten134 ausgeglichen werden. II. Berücksichtigung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung im Vollstreckungsverfahren Ebensowenig wie im Klauselerteilungsverfahren können und dürfen auch die im eigentlichen Vollstreckungsverfahren tätigen Organe die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung beachten. Sie haben - neben dem Antrag einer durch Vollstreckungsklausel oder -titel legitimierten Person und den allgemeinen verfahrensrechtlichen und besonderen vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen für den Vollstreckungszugriff 35 - lediglich zu prüfen, ob der Titel nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeignet und mit einer Vollstreckungsklausel versehen ist136. Es bleibt somit hier (erst recht) kein Raum für eine Wirksamkeitsprüfung hinsichtlich der Unterwerfungserklärung. Zwar können die Vollstreckungsorgane z. B. wegen fehlender Prozeßfähigkeit des Schuldners die Zwangsvollstreckung ablehnen. Dies jedoch nicht wegen einer darauf beruhenden Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung, sondern nur wegen Fehlens einer allgemeinen Prozeßvoraussetzung als Voraussetzung für einen Vollstreckungszugriff 137. Unbilligkeiten, die aus der fehlenden Überprüfbarkeit der Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung folgen, können hier ebenfalls wieder durch eine Belehrung über die Rechtsbehelfe vermieden werden.

134

Zu den Rechtsbehelfen siehe nachfolgend 3. Kap. C. u. D.

135

Siehe oben 2. Kap. B. II. 1. Hierzu zählen die allgemeinen Prozeßvoraussetzungen, soweit sie fur die Zwangsvollstreckung erheblich sind (vgl. statt vieler: Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 23 (S. 288 ff), Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 18 ff), die Voraussetzungen fur den Beginn der Zwangsvollstreckung (§§ 750, 751, 756, 765, 798 ZPO), das Fehlen von Vollstreckungshindernissen (insbesondere § 775 ZPO) und schließlich die Voraussetzungen des konkreten Vollstreckungsaktes (z. B. Gewahrsam des Schuldners oder eines herausgabebereiten Dritten bei der Sachpfändung usw.). 136 137

BGH, NJW 1992, 2160 (2161) und oben 2. Kap. B. II. 1.

Das Vorliegen der allgemeinen Prozeßvoraussetzung kann bei vollstreckbaren Urkunden - anders als bei Urteilen - nicht allein aufgrund des Titels vermutet werden; vgl. Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 26 i. V. m. Rdnr. 23.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

355

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung Findet die Unwirksamkeit der Unterwerfiingserkläning, solange die vollstreckbare Urkunde als Titel wirksam ist, weder im Klauselerteilungsverfahren noch im eigentlichen Zwangsvollstreckungsverfahren Berücksichtigung, so gilt fur die verfahrensinternen Rechtsbehelfe 138 Entsprechendes: Schließlich wird die Vornahmezulässigkeit139 der begehrten Verfahrenshandlung durch eine unwirksame Unterwerfungserklärung nicht berührt, und der Prüfungsumfang bei den verfahrensinternen Rechtsbehelfen reicht nicht weiter als die Prüfungskompetenz der Klauselerteilungs- bzw. Vollstreckungsorgane in dem zu überprüfenden Verfahrensabschnitt 140. Hieraus folgt, daß der Schuldner sich weder gegen die Klauselerteilung noch die Zwangsvollstreckung mit der Begründung wehren kann, lediglich die Unterwerfungserklärung sei unwirksam. Umgekehrt kann der Gläubiger mit seinen ihm zur Verfugimg stehenden verfahrensinternen Rechtsbehelfen immer die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung bzw. das Tätigwerden der Vollstreckungsorgane erreichen, wenn die begehrte Verfahrenshandlung allein wegen der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung unterblieb.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung I. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Schuldners Im folgenden ist zu untersuchen, mit welchen verfahrensexternen Rechtsbehelfen der Schuldner die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geltend machen kann, wenn diese nicht mit der Titelunwirksamkeit einhergeht. Dabei gelten die folgenden Ausführungen sowohl für den Fall, daß die Unterwerfungserklärung insgesamt unwirksam ist, als auch für den, daß nur Teile der Unterwerfungserklärung von der Unwirksamkeit betroffen sind141. Im letz-

138 Zu den auf Seiten des Schuldners und des Gläubigers im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren in Betracht kommenden Rechtsbehelfe siehe oben 2. Kap. C. 139

Zum Begriff der "Vornahmezulässigkeit" siehe oben 1. Kap. B. III. 2. a).

140

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. c).

141

Die Unterwerfungserklärung ist z. B. bei fehlender Prozeß- bzw. Geschäftsfähigkeit des Schuldners insgesamt unwirksam. Teilunwirksamkeit liegt dagegen etwa vor, wenn (nur) der Nachweisverzicht gegen § 9 AGBG verstößt (siehe hierzu oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4) (c)).

23*

356

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

teren Fall wäre dann der im folgenden zu untersuchende Rechtsbehelf entsprechend auf den unwirksamen Teil zu begrenzen142.

1. Vollstreckungsgegenklage, § 767 ZPO

Um die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geltend zu machen, kommt zunächst die Vollstreckungsgegenklage in Betracht. § 767 ZPO dient zwar in erster Linie der Überprüfung, ob titulierter (prozessualer) Anspruch und materielle Rechtslage sich decken und insoweit ist die rein prozessuale Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung nicht erheblich. Möglicherweise muß aber der Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage noch weiter gezogen werden, als dies oben getan wurde 143, so daß auch die Fälle der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung unabhängig vom Bestehen des materiellen Anspruchs geltend gemacht werden können144. Klageantrag und Tenor bei der Vollstreckungsgegenklage stehen in ihrer weiten Fassung dem jedenfalls nicht entgegen145. Es wäre daher denkbar, jede Einwendung als Begründung der Vollstreckungsgegenklage gelten zu lassen, die dieses Begehren trägt. Auf diese Weise könnte der Schuldner im Rahmen eines einheitlichen Rechtsbehelfs sowohl Einwendungen gegen den Anspruch als auch solche gegen die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung vorbringen, mit der Folge, daß eine solche Entscheidung einheitlich in Rechtskraft erwachsen würde 146. Die Geltendmachung von Einwendungen gegen Unterwerfungserklärung und Anspruch in getrennten Verfahren würde überdies nur dazu fuhren, daß Fragen auseinandergerissen werden, die sonst in anderen Verfahren zwanglos nacheinander erörtert werden147: Stellt sich etwa beim Anerkenntnisurteil die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses in der Berufungsinstanz heraus, so wird nach Zurückverweisung durch die Rechtsmittelinstanz an die untere Instanz 142

Dies hat im Fall des Nachweisverzichts bei Erfolg des Rechtsbehelfs dann z. B. zur Konsequenz, daß die vollstreckbare Urkunde so zu behandeln ist, als wäre ein solcher Verzicht nicht abgegeben worden. Es greift dann wieder die Auslegungsregel ein, nach der der Schuldner die Zwangsvollstreckung vom Nachweis all deijenigen Umstände abhängig machen wollte, von denen nach der Urkundenprotokollierung Entstehung und Fälligkeit des materiellen Anspruchs noch abhängen; siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1); 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4) (c). 143

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4).

144

Zu diesem Ergebnis gelangt Windel ZZP 102 (1989), 175 (201 ff, insbesondere 206), der allerdings die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung mit der der vollstreckbaren Urkunde als Titel völlig gleichsetzt. 145

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (182).

146

So auch die Überlegungen bei Wolf, L M § 767 ZPO Nr. 87.

147

Vgl. Windel, ZZP 102 (1989), 175 (181).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

357

erneut zur Sache entschieden148; ebenso bei Unwirksamkeit des Prozeßvergleichs: da durch den unwirksamen Prozeßvergleich das Verfahren nicht beendet wurde, entscheidet nach Antrag auf Verfahrensfortsetzung dieselbe Instanz gleichfalls zur Sache. Andererseits sind klare Grenzziehungen des Gesetzes zu beachten. Es ist daher durch Auslegung des § 767 ZPO zu ermitteln, ob eine Prüfung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage noch möglich ist. Andernfalls bliebe als Lösung nur ein gesondertes Verfahren (mit eigenem Streitgegenstand) - will man nicht dem Schuldner die Schutzwürdigkeit für sein Vorbringen absprechen149.

a) Auslegungsgrundsätze im Bereich des Zivilprozeßrechts Grundsätzlich gelten bei der Auslegung prozessualer und vollstreckungsrechtlicher Vorschriften die allgemeinen Auslegungsgrundsätze150. Auszugehen ist daher vom Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift 151. Streitig ist jedoch, ob der weit gefaßte Wortsinn der entsprechenden Norm eine äußerste Grenze für die mögliche Auslegung darstellt oder ob über den Wortsinn hinaus auch eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes (teleologische Auslegung) möglich ist. Letzeres wird besonders bei der Auslegung zivilprozessualer und vollstreckungsrechtlicher Vorschriften vertreten. Die ZPO stamme aus einer Zeit, in der die begriffliche Gesetzgebungstechnik, wie sie vor allem das BGB zeige, noch nicht ausgebildet gewesen sei. Daher habe sie nicht die Sorgfalt des Ausdrucks und der systematischen Durcharbeitung, die gerade das BGB auszeichne. Da die Wortbedeutung von Norm zu Norm verschieden sein könne, sei eine Begrenzung der Auslegung durch den Wortlaut nicht angebracht. Entscheident sei daher der Sinn und Zweck des Gesetzes152. 148

Vgl. hierzu auch oben 3. Kap. A. III. 6. b) bb) und unten 3. Kap. D. I. 4. a) bb) (1).

149

Hierzu unten 3. Kap. D. I. 4. a).

150

Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Einl. III Rdnr. 36; Zöller/Vollkommer, Einleitung Rdnr. 92; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 7 I I (S. 32 f); Thomas/Putzo, Einl. V I Rdnr. 1 ff; Stein/Jonas/ Schumann, Einl. Rdnr. 40, 46, 52. Es ist zwar in der Vergangenheit - wie auf anderen Rechtsgebieten auch - immer wieder versucht worden, eine eigenständige, besondere zivilprozessuale Methode zu entwickeln. Dieser Versuch scheiterte jedoch ebenso wie bei den anderen Rechtsgebieten. Vgl. hierzu Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 40 f f mit ausführlichen weiteren Nachweisen. 151 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 7 I I 1 (S. 32); Thomas/Putzo, Einl. V I Rdnr. 2; Stein/ Jonas/Schumann, Einl. Rdnr.' 53. 152 Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Einl. III, Rdnr. 40; Zöller/Vollkommer, Einleitung Rdnr. 93; Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 57; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 7 I I 1, 2 (S. 32 f).

358

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterweringserklrung

Dies vermag nicht zu überzeugen. Daß die ZPO Fachausdrücke nicht eindeutig gebraucht, kann nur dazu fuhren, daß der Wortsinn bei der Auslegung entsprechend weit gefaßt werden muß, nicht aber, daß über die Wortbedeutung hinaus nur der Sinn und Zweck entscheidend ist. Zu Recht geht die h. M. in der (allgemeinen) juristischen Methodenlehre153 davon aus, daß der (weit gefaßte) Wortlaut eine Grenzfunktion für eine mögliche Auslegung hat. Dies muß aus verfassungsrechtlichen Gründen für die gesamte Rechtsordnung gelten154. Die Möglichkeit der Interpretation endet daher beim weitesten nach dem Sprachgebrauch noch möglichen Wortsinn der Vorschrift 155. Ein Hinausgehen über diesen so weit wie möglich gefaßten Randbereich ist deshalb nicht mehr Auslegung; es kommt dann nur eine Analogie in Betracht, für die besondere Voraussetzungen gelten156. In allen Fällen, in denen daher betont wird, der Sinn und Zweck einer Vorschrift gehe auch einem sprachlich eindeutigen Wortlaut vor, so daß die Auslegung durch den Wortlaut nicht begrenzt werde, liegt in Wahrheit ergänzende oder umbildende Rechtsfortbildung (in Form der Analogie, Lückenausfüllung oder teleologischen Reduktion) vor 157. Daß gerade der "mögliche Wortsinn" die Grenze zwischen einfacher Interpretation und ergänzender analoger Rechtsfindung festlegt, hat auch außerhalb des im Strafrecht geltenden Analogieverbots seinen Sinn. Gesetzliche Vorschriften treten ausschließlich durch Worte in Erscheinung. Da sich das Recht insoweit der Sprache bedient, muß es sich auch den Beschränkungen sprachlicher Ausdrucksmöglichkeit unterwerfen 158 und durch eine möglichst exakte Fassung seinen Anwendungsbereich umschreiben. Nur der Wortlaut der (schriftlich fixierten) Gesetzesvorschrift läßt ihren möglichen Anwendungsbereich erkennen und kann als authentische Quelle des Gesetzgebers herangezogen werden. Im Bereich der Ermittlung von Sinn und Zweck ist dagegen diese Authentizität des Gesetzgebers nicht mehr gewahrt. Eine andere Grenze zwischen Auslegung und ergänzender oder umbildender Rechtsfortbildung als den "noch möglichen Wortsinn" läßt sich daher nicht finden 159. Da aber die Rechtsfortbildung (jenseits der Wortsinngrenze) an besondere Voraussetzungen gebunden ist, darf die Grenze zwischen Auslegung und Analo153

Larenz, Methodenlehre, S. 322 f, 354; Bydlinski, Methodenlehre, S. 467 f; Fikentscher, Methoden, S. 300; Schmalz, Methodenlehre, Rdnr. 235; Möller, Methodik, 320.2 (S. 183). 154

Müller, Methodik, 320.2 (S. 183).

155

Bydlinski, Methodenlehre, S. 467 f.

156

Larenz, Methodenlehre, S. 322 m. w. N.; Fikentscher, Methoden, S. 300 f; Bydlinski, Methodenlehre, S. 468; Schmalz, Methodenlehre, Rdnr. 235. 157

Larenz, Methodenlehre, S. 322.

158

Fikentscher, Methoden, S. 300.

159

Larenz, Methodenlehre, S. 323.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

359

gie auch außerhalb des strafrechtlichen Analogieverbots nicht aufgegeben werden160. Dem wird zwar gerade in Bezug auf die Auslegung zivilprozessualer Vorschriften widersprochen: Auslegung, Lückenfullung und Rechtsfortbildung des Zivilprozeßrechts erfolgten ohnehin nach denselben Gesichtspunkten, so daß eine Abgrenzung dahinstehen könne161. Diese Schlußfolgerung trifft jedoch nicht zu. Zwar können sämtliche bei der Normzweckauslegung zulässigen Argumente auch bei der Analogie Verwendung finden, doch zeigt gerade das vorliegende Problem, daß eine Abgrenzung von Auslegung und Analogie schon deshalb nicht dahinstehen kann, weil sie zu unterschiedlichen prozessualen Ergebnissen fuhrt: Stünde die Wortsinngrenze des § 767 ZPO einer Überprüfung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung entgegen, obgleich Sinn und Zweck für eine solche Prüfung sprächen, so bliebe dem Schuldner nur eine Klage analog § 767 ZPO, sofern die Voraussetzungen einer Analogie vorliegen. Eine solche hätte aber einen auf die Wirksamkeitsprüfung der Unterwerfungserklärung beschränkten und damit anderen Streitgegenstand als die Vollstreckungsgegenklage162. Folge wäre z. B., daß dann, wenn sich der Schuldner gleichzeitig mit Einwendungen nicht nur gegen den Anspruch des Gläubigers, sondern auch gegen die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung wenden will, eine Klagenhäufung (der Vollstreckungsgegen; klage und der Klage analog § 767 ZPO) gem. § 260 ZPO geboten ist163. Bereits dies zeigt, daß eine Abgrenzung zwischen Analogie und Auslegung nicht dahinstehen kann und die (weit gefaßte) Wortsinngrenze auch bei der Auslegung prozessualer Vorschriften zu beachten ist. Etwas anderes ergibt sich bei der vollstreckbaren Urkunde auch nicht daraus, daß für sie die ZPO die analoge Anwendung des § 767 ZPO in § 795 ZPO sogar selbst vorsieht. Die in § 795 ZPO geregelte "entsprechende Anwendung" ordnet eine Analogie nämlich nur dahingehend an, daß die sich auf Urteile beziehenden Vorschriften der §§ 724 - 793 ZPO auch für die in § 794 ZPO genannten Titel (und damit auch für die vollstreckbare Urkunde) gelten sollen, soweit die §§ 795a - 800 ZPO keine Sonderregelungen enthalten. Darüber hinaus soll der Anwendungsbereich der §§ 724 - 793 ZPO durch § 795 ZPO nicht erweitert werden. Etwas anderes würde nur zu einer nicht mehr von § 795 ZPO gedeckten doppelten Analogie führen. Eine Abgrenzung von Auslegung und Analogie wird für die vorliegende Problematik also auch nicht durch § 795 ZPO entbehrlich. 160

Larenz, Methodenlehre, S. 323. Unzutreffend daher Windel, ZZP 102 (1989), 175 (206).

161

Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 92.

162

Vgl. BGH, NJW 1992, 2160 (2162); BGH, NJW 1994, 460 (462).

163

Siehe hierzu noch genauer unten 6. Kap. B. II. 1.

360

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfiingserkläng

Da demzufolge mit der Vollstreckungsgegenklage nur "Einwendungen" geltend gemacht werden können, die den (in der Urkunde titulierten) "Anspruch" betreffen 164, ist im folgenden zu untersuchen, wo die (weit gefaßten) Wortsinngrenzen dieser Begriffe verlaufen. Damit sind dann auch die äußeren Grenzen einer Auslegung abgesteckt.

b) Wortsinngrenzen

des Begriffs

"Einwendung"

Wie bereits oben festgestellt 165, wurde die ZPO als das zeitlich frühere Gesetz weitaus weniger terminologisch und systematisch durchgearbeitet als das BGB. Zur Feststellung des Wortsinns von Ausdrücken der ZPO kann das BGB deshalb i. d. R. nicht herangezogen werden. Der Begriff der "Einwendungen" i. S. d. ZPO ist daher nicht notwendig auf die rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen oder rechtshemmenden Einreden im Sinne des BGB beschränkt. Da die ZPO Fachausdrücke nicht eindeutig gebraucht, kann unter dem Begriff vielmehr jegliches gegen den Gegner gerichtete Vorbringen verstanden werden - unabhängig davon, ob es sich aus dem materiellen oder dem formellen Zivilrecht, dem BGB oder der ZPO ergibt. Der weit gefaßte Wortsinn vermag daher auch noch das Verteidigungsvorbringen des Schuldners, die von ihm abgegebene Unterwerfungserklärung sei unwirksam, zu umfassen.

c) Wortsinngrenzen

des Begriffs

"Anspruch "

Auch die Entwicklung des Anspruchsbegriffs 166 - von der römischen "actio" über den auf Windscheid zurückgehenden materiellen Anspruchsbegriff i. S. d. § 194 BGB bis hin zum eigenständigen und immer noch heftig umstrittenen prozessualen Anspruchsbegriff - zeigt, daß hier ebenfalls für die Wortauslegung ein breiter Spielraum verbleibt; dies um so mehr, als dem Gesetzgeber außer der römischen "actio" und dem Anspruchsbegriff im Sinne Windscheids weitere terminologische Unterscheidungen noch nicht bekannt waren. Nach der Definition des Deutschen Rechtswörterbuchs167 bedeutet "Anspruch" soviel wie "Behauptung eines Rechts, (gerichtliche) Forderung, 164 Oben wurde zwar bereits festgestellt, daß bei § 767 ZPO "Anspruch" und "Einwendungen" in einem prozessualen Sinne zu verstehen sind (siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4)). Nicht geklärt wurde aber, ob sich darin ihre Bedeutung auch erschöpft. 165

Siehe oben 3. Kap. D. I. l.a).

166

Siehe oben 2. Kap. Α. I.

167

Deutsches Rechtsworterbuch, Stichwort "Anspruch".

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

361

Klage, Recht zu gerichtlicher Forderung, Anwartschaft". Faßt man diese unterschiedlichen Bedeutungen zusammen, so läßt sich von einem Anspruch jedenfalls nur dann sprechen, wenn es sich zumindest um ein subjektives Recht (bzw. dessen Ausfluß 168) oder um die Behauptung, Geltendmachung, Leugnung oder Gestaltung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses handelt. Alles, was nicht mehr unter diese weit gefaßte Wortsinngrenze fällt, kann nicht mehr "Anspruch" sein. Die Frage, ob der Schuldner im Rahmen einer Vollstrekkungsgegenklage geltend machen kann, seine Unterwerfungserklärung sei unwirksam, hängt somit davon ab, ob diese "Einwendung" im oben beschriebenen weiten Wortsinne sich noch gegen einen "Anspruch" in den weit gezogenen Wortsinngrenzen richtet. Die Unterwerfungserklärung selbst bzw. dessen Wirksamkeit stellen für sich weder ein subjektives Recht bzw. dessen Ausfluß noch die Behauptung, Geltendmachung Leugnung oder Gestaltung eines solchen dar. Es handelt sich vielmehr um eine auf einer Rechtsfrage beruhende Tatsache (d. h. um eine Tatsache, deren Feststellung die Anwendimg von Rechtsvorschriften voraussetzt). Die Unterwerfungserklärung ist für sich kein Tatbestand für das Entstehen oder Erlöschen von Rechten. Andererseits ermöglicht die zumindest rein äußerlich ordnungsgemäß beurkundete Unterwerfungserklärung die Zwangsvollstreckung, sofern die vollstreckbare Urkunde "nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeignet und zudem mit einer Vollstreckungsklausel versehen ist"169. Stellt der Gläubiger den Vollstreckungsantrag, so entstehen damit die Rechtsbeziehungen des Vollstreckungsrechtsverhältnisses 170. Diese durch die Unterwerfungserklärung miterzeugten Rechtsbeziehungen könnten möglicherweise als "Anspruch" in den oben weit gezogenen Wortsinngrenzen aufgefaßt werden. Doch kann dies hier dahinstehen: Wie oben festgestellt wurde 171, ist Grundlage der Zwangsvollstreckung die vollstreckbare Urkunde selbst, wofür nur die ordnungsgemäße Dokumentation einer Unterwerfungserklärung erforderlich ist, nicht jedoch deren Wirksamkeit. Die rechtlichen Beziehungen des Vollstreckungsrechtsverhältnisses werden daher auch in den in diesem Kapitel in Frage stehenden Fällen, in denen es um die Unwirksamkeit 168

Vgl. KJeinfeller, AcP 137 (1933), 129 (133).

169

BGH NJW 1992,2160(2161).

170

Ob das Vollstreckungsrechtsverhältnis bereits mit der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels entsteht oder erst mit dem ersten Vollstreckungsantrag des Gläubigers, ist streitig. Letztere Ansicht verdient jedoch den Vorzug, denn das Klauselerteilungsverfahren ist noch nicht Bestandteil des Vollstreckungsverfahrens. Erst durch den Vollstreckungsantrag kommt das vollstreckungsrechtliche Verhältnis zwischen Staat und Gläubiger einerseits und zwischen Staat und Schuldner andererseits zustande. Vgl. hierzu unten 4. Kap. D. I. 1. b) bb) und Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 8 14 (S. 68), m. w. N. auch zur abweichenden Meinung. 11

S i e h e oben 3. Kap. A. III. .

362

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

der Unterwerfungserklärung bei gleichzeitiger Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde geht, immer erzeugt. Folglich könnte selbst dann, wenn die rechtlichen Beziehungen des Vollstreckungsrechtsverhältnisses noch unter den Begriff des "Anspruchs" zu fassen wären, die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung keinen Einfluß auf diese Rechtsbeziehungen haben und damit auch nicht als "Einwendungen" gegen diese Rechtsbeziehungen aufgefaßt werden. Das Vorbringen, die Unterwerfungserklärung sei unwirksam, fällt folglich nicht mehr unter die weitestmögliche Wortsinngrenze des § 767 ZPO und ist deshalb im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage unbeachtlich.

2. Klauselgegenklage, § 768 Z P O

Mit Hilfe der Klauselklage nach § 768 ZPO kann der Schuldner die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung ebenfalls nicht geltend machen. Dieser Rechtsbehelf ist weder von seinen Voraussetzungen, noch von seinem Sinn und Zweck her direkt (oder auch entsprechend) anwendbar: Das Verfahren nach § 768 ZPO betrifft nämlich nur eng begrenzt die Frage des richtigen Nachweises eines fur die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung relevanten Umstandes. Darum geht es aber bei der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung überhaupt nicht. Darüber ist auch der mit § 768 ZPO erreichbare Rechtsschutz ungenügend, denn bei Erfolg der Klage wird nur die Zwangsvollstreckung aus der konkreten vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig erklärt und nicht aus dem Titel (der vollstreckbaren Urkunde) als solchem. Letzteres wäre aber notwendig, denn die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung muß nicht nur auf die eine beim Gläubiger befindliche vollstreckbare Ausfertigung Auswirkungen haben, sondern auf die Zwangsvollstreckung mit Hilfe der vollstreckbaren Urkunde überhaupt.

3. Feststellungsklage, § 256 Z P O

Rechtsverhältnisse des Prozeßrechts können ebenso Gegenstand einer Feststellungsklage sein wie Rechtsverhältnisse des materiellen Zivilrechts 172. Es ist daher zu überlegen, ob der Schuldner nicht mit einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung feststellen lassen kann. Eine solche Klage hätte für den Schuldner den Vorteil, daß er eine rechtskräftige Entscheidung hierüber erlangt. Ferner wäre es möglich, 172

Ganz h. M., vgl. statt aller Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 6.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

363

über die Voraussetzung des besonderen Feststellungsinteresses diejenigen Fälle auszuklammern, in denen der Schuldner mit gleichem Vortrag 173 auch die Klage aus § 767 ZPO begründen könnte174. Hierdurch könnten unterschiedliche Prozesse mit dem gleichen Ziel (Schutz vor der Zwangsvollstrekkung aus der vollstreckbaren Urkunde) vermieden werden. Dennoch muß eine Feststellungsklage aus den folgenden Gründen ausscheiden: a) Zum einen wäre ein Urteil, daß die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung feststellt, keine Entscheidung i. S. d. § 775 Nr. 1 ZPO, mit deren Hilfe der Schuldner die Einstellung der Zwangsvollstreckung und gem. § 776 ZPO die Aufhebung einer bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregel erreichen kann. Zwar werden Entscheidungen, die die Unwirksamkeit eines Titels feststellen, den Entscheidungen i. S. d. § 775 Nr. 1 ZPO ausdrücklich gleichgestellt175. Bei den in diesem Kapitel in Frage stehenden Fällen ist jedoch gerade der Titel wirksam, nur die Unterwerfungserklärung nicht. Eine nur dies feststellende Entscheidung kann aber den in § 775 Nr. 1 ZPO genannten nicht gleichgestellt werden, denn die Zwangsvollstreckung ist - wie oben ausgeführt 176 - bei Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde unabhängig von der Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung zulässig177. b) Ferner stellt die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung kein Rechtsverhältnis i. S. d. § 256 I 1. Alt. ZPO dar, sondern lediglich eine auf einer Rechtsfrage beruhende Tatsache178. Außer der Frage der Echtheit einer Urkunde (§ 256 I 2. Alt. ZPO) können Tatsachenfeststellungen jedoch nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein179. § 256 I 2. Alt. ZPO meint aber nur die Echtheit der Urkunde i. S. d. § 267 StGB180, die Frage also, ob die Unter173

Das ist z. B. der Fall bei dem Einwand des Schuldners, er sei bei Errichtung der Urkunde, die sowohl das materielle Rechtsgeschäft als auch die Unterwerfungserklärung enthält, geschäfts- und prozeßunfähig gewesen. 174 So die Überlegungen bei Olzen, DNotZ 1993, 211 (222), der jedoch davon ausgeht, daß die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auch die Titelunwirksamkeit bedingt. 175

Als Beispiele werden in diesem Zusammenhang insbesondere Entscheidungen nach § 269 I I I 1, 3 ZPO und § 620 f S. 2 ZPO genannt; vgl. Stein/Jonas/Münzberg, § 775 Rdnr. 8. 176

Siehe oben 3. Kap. A. III. 6.; 3. Kap. B.

177

Aus diesem Grunde scheidet von vorneherein ebenso eine Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung (wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung) aus, denn unzulässig ist die Zwangsvollstreckung gerade nicht. 178

Siehe oben 3. Kap. D. I. l . c ) .

179

Vgl. statt aller Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 12.

180

Zöller/Greger, § 256 Rdnr. 6; Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 12 i. V. m. § 437 Rdnr. 1.

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfiingserkläng

364

schrift dem Namensträger zuzuordnen ist und die darüberstehende Schrift vom Aussteller selbst oder mit dessen Willen verfaßt wurde 181. Die Unwirksamkeit der Unterweriungserklârung dagegen berührt die Echtheit der Urkunde nicht182. Somit scheidet auch aus diesem Grund eine Feststellungsklage aus. c) Schließlich stellt eine Feststellungsklage auch nicht die passende Rechtsschutzform dar: Oben183 wurde gezeigt, daß in den hier in Frage stehenden Fällen sowohl Klauselerteilung als auch Zwangsvollstreckung vornahmezulässig184 sind. Eine feststellende Entscheidung würde dem Schuldner daher nichts nützen, denn nur durch eine Gestaltungsklage kann der Schuldner die erststufig zulässige (also "vornahmezulässige") Klauselerteilung bzw. Vollstreckungshandlung in eine erststufig unzulässige verwandeln. Nur aufgrund der Gestaltungswirkung der Rechtsbehelfsentscheidung ist es möglich, daß die Klauselerteilungs- bzw. Vollstreckungsorgane diese Umstände, die nur zur "Ergebnisunzulässigkeit" führen, im Rahmen ihrer Vornahmezulässigkeitsprüfung beachten dürfen und müssen185.

4. Gestaltungsklage, § 767 ZPO analog

Wie oben gezeigt wurde, läßt sich das Vorbringen des Schuldners, die Unterwerfungserklärung sei unwirksam, nicht mehr als "Einwendung" gegen einen "Anspruch" des Gläubigers auffassen, ohne den Bereich der Auslegung durch teleologische Extension zu verlassen und die Grenze zur Analogie zu überschreiten. Im folgenden ist daher zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Klage aus § 767 ZPO gegeben sind.

a) Rechtliche Schutzwürdigkeit des Schuldners, die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geltend zu machen Die bisherige Untersuchung ergab, daß der Schuldner weder mit verfahrensinternen, noch mit den vom Gesetz zur Verfügung gestellten verfahrensexternen Rechtsbehelfen die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geltend machen kann. Dies legt den Schluß nahe, insoweit eine planwidrige Re181 Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 12 i. V. m. § 437 Rdnr. 1; MönchKommZPO/Wolfsteiner, § 256 Rdnr. 27. 182

Ebenso Lent, JZ 1957, 63 fur die Frage der Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde.

183

Siehe oben 3. Kap. B.

184

Zu diesem Begriff siehe oben 1. Kap. B. III. 2. a).

185

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. b).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

365

gelungslücke anzunehmen - zumal die ganz h. M. entgegen der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung führe auch zur Titelunwirksamkeit, weshalb dem Schuldner die Erinnerung gem. § 732 ZPO zur Verfugung stehe186. An der Planwidrigkeit der Regelungslücke würde es jedoch fehlen, wenn der Schuldner überhaupt nicht schutzwürdig wäre, diesen Mangel geltend zu machen. Dann bliebe auch für eine Analogie kein Raum. Nach der Auffassung Wolfsteiners 187 ist der Schuldner in einem Fall, in dem ein äußerlich korrekter Unterwerfungstitel vorliegt, nicht schutzwürdig, seine Verteidigung gegen die Vollstreckbarkeit allein auf die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung zu stützen. Die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung gehe in vielen Fällen mit materiellen Einwänden gegen den Anspruch einher. Es sei daher ausreichend, wenn sich der Schuldner auf die Einwendungen gegen den Anspruch berufe, um sich so gegen die Zwangsvollstreckung zu schützen. Dies könne er mit der Vollstreckungsgegenklage nach §§ 767, 797 IV ZPO jederzeit uneingeschränkt tun. Darüber hinaus sei der Schuldner aber nicht schutzwürdig, sich auch dann gegen die Vollstreckbarkeit zu wenden, wenn er die Existenz des zu vollstreckenden Anspruchs dahingestellt sein lasse oder sogar zugestehe: zum einen nicht, weil das prozessuale Institut der Zwangsvollstreckung letztlich der Durchsetzung materiellrechtlicher Ansprüche diene, zum anderen nicht, weil die vollstreckbare Urkunde kein Titel minderen Rechts sei und der Schuldner deshalb keines umfassenderen Schutzes bedürfe als bei anderen Titeln auch. Auf den ersten Blick erscheint es überzeugend, den Schuldner in den Fällen, in denen nur die Unterwerfungserklärung, nicht aber der Titel unwirksam ist, auf einen Angriff gegen den materiellen Anspruch zu verweisen. Schließlich hat der Schuldner erreicht, was er wollte, indem er durch seine einseitige Dispositionshandlung (Unterwerfungserklärung) dem Gläubiger einen vollstreckbaren Titel verschaffte. Mit einer Anfechtung würde sich der Schuldner daher nur in Widerspruch zu seiner bereits getroffenen Disposition setzen. Warum sollte er schutzbedürftig sein, dem Titel wieder die Vollstreckbarkeit zu nehmen, obgleich er sich nicht gegen die materiellrechtliche Existenz des zu vollstreckenden Anspruchs wendet? Widerspräche eine Anfechtungsmöglichkeit in diesem Fall nicht gerade der Parteiverantwortung als Kehrseite der Privatautonomie bzw. (im Bereich des Verfahrensrechts) der Dispositionsbefugnis?

186 187

Hiergegen siehe oben 3. Kap. A. III. 6.; 3. Kap. B.

Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (540 f); ders., DNotZ 1993, 242 (243 f); ders., in: MünchKommZPO § 794 Rdnr. 132. Hiergegen Kniffka, ZfBR 1992, 195 (198 f).

366

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterweriungserklârung

Andererseits ist zu beachten, daß die Fälle, in denen die vollstreckbare Urkunde als Titel selbst unwirksam ist und dies der Schuldner mit der Erinnerung nach § 732 ZPO geltend machen kann188, den Schuldner nicht notwendig mehr belasten, als die Fälle, in denen "nur" die Unterwerfungserklärung an einem Wirksamkeitsmangel leidet189. Beide Fälle unterscheiden sich nicht hinsichtlich der Schwere des Fehlers sondern nur hinsichtlich ihres Bezugsobjekts und meist auch hinsichtlich ihrer Offensichtlichkeit. Daß sich der Schuldner in den Fällen, in denen nur wegen eines äußerlich erkennbaren, vom Notar verschuldeten Formfehlers die vollstreckbare Urkunde unwirksam ist, unabhängig vom Bestehen des zugrundeliegenden Anspruchs gegen die Zwangsvollstrekkung (über § 732 ZPO) soll wehren können, nicht dagegen in den Fällen, in denen es (aus der Urkunde nicht ersichtlich) an einer wirksamen Unterwerfungserklärung fehlt, ist unter Wertungsgesichtspunkten nicht frei von Widersprüchen. Der Ansicht Wolfsteiners, daß die vollstreckbare Urkunde kein Titel minderen Rechts sei und der Schuldner deshalb jenseits des Anwendungsbereichs des § 797 IV ZPO keines umfassenderen Schutzes bedürfe als bei anderen Titeln, ist zwar grundsätzlich zuzustimmen - insbesondere wenn der Titel einmal als wirksamer existiert. Umgekehrt darf aber der Schutz auch nicht geringer sein als bei anderen Vollstreckungstiteln. Kann bei diesen unabhängig von der Existenz eines materiellen Anspruchs das Fehlen von Umständen, wie sie den einzelnen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Unterwerfungserklärung 190 entsprechen, geltend gemacht werden, so muß dies auch bei der vollstreckbaren Urkunde möglich sein. Ein entsprechendes (Rechts-)Schutzbedürfnis für die isolierte Anfechtung der Unterwerfungserklärung wäre dann anzuerkennen. Zur Lösung dieses Problems soll daher sowohl ein Vergleich mit rechtskräftigen Urteilen als auch mit noch nicht rechtskräftigen Anerkenntnisurteilen und Prozeßvergleichen dienen. Ausgeklammert werden können dabei diejenigen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Unterwerfungserklärung, die zugleich auch Bedingungen für die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde als Titel sind. Als solche sind zu nennen, die Einhaltung aller zwingenden Vorschriften bei der Beurkundung, die Freiheit von Tatbestands- oder solchen Mängeln, bei deren Vorliegen auch ein Urteil nicht vollstreckt werden dürfte, sowie die Angabe ausreichender Identifizierungsmerkmale, um den titulierten (prozessualen) Anspruch von anderen unterscheiden zu können191. Die beim 188

Siehe dazu näher unten 4. Kap. Β. I.; 4. Kap. C. II. 1.

189

Dies ist möglicherweise auch ein Grund dafür, warum die h. M. insoweit keine Differenzierung

trifft. 190

Siehe h i e r z u o b e n 3. K a p . A . I I .

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

367

Fehlen dieser Voraussetzungen in Betracht kommenden Rechtsbehelfe werden im nächsten Kapitel erörtert.

aa) Vergleich mit rechtskräftigen Urteilen Bei fehlerhaften rechtskräftigen Urteilen besteht eine Korrekturmöglichkeit nur im Rahmen der Wiederaufnahme des Verfahrens. Wenn aber sogar bei bestimmten Fehlern rechtskräftige Titel angefochten werden können, so muß eine Anfechtungsmöglichkeit bei vollstreckbaren Urkunden in vergleichbaren Fällen erst recht bestehen. Andernfalls käme man zu dem paradoxen Ergebnis, daß die vollstreckbare Urkunde - obgleich der Rechtskraft nicht fähig in ihrem Bestand geschützter wäre als ein (rechtskräftiges) Urteil. Wie sich aus den §§ 578 ff ZPO ergibt, erkennt der Gesetzgeber sogar bei rechtskräftigen Urteilen ein schutzwürdiges Interesse an, bei bestimmten Fehlern den Titel anzufechten. Hierbei ist der Wiederaufnahmekläger nicht - obgleich das ratsam wäre - verpflichtet, eine Divergenz des Urteils mit der materiellen Rechtslage zu behaupten oder hierzu überhaupt Stellung zu nehmen. Mit Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage und Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes ist zwar noch keineswegs gesagt, daß der Wiederaufnahmekläger endgültig Erfolg hat, denn dies hängt von der Neuverhandlung der Hauptsache ab. Ihm ist es aber durch das Wiederaufnahmeverfahren möglich, eine Situation herzustellen, wie sie vor Eintritt des von ihm geltend gemachten Mangels bestanden hat. Nichts anderes macht aber der Schuldner auch, wenn er die Unwirksamkeit einer von ihm abgegebenen Unterwerfungserklärung geltend macht und sich insofern gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Titel wendet: Er führt das Verfahren lediglich in ein Stadium zurück, in dem es sich vor Eintritt des Wirksamkeitsmangels befand und in dem es noch der Initiative des Gläubigers oblag, sich (insbesondere durch Klage) einen Titel zu beschaffen, um die Zwangsvollstreckung betreiben zu können. Daß hierbei nicht, wie bei den Wiederaufhahmeklagen, ein bereits begonnener Prozeß weitergeführt wird, liegt allein in dem Umstand, daß bei der vollstreckbaren Urkunde zuvor noch kein Erkenntnisverfahren stattgefunden hat. Aus diesem Unterschied kann aber nicht auf eine fehlende Schutzwürdigkeit des Schuldners zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geschlossen werden. Vielmehr ergibt sich gerade aus der Wertung der §§ 579, 580 ZPO dessen Schutzwürdigkeit. Freilich ist damit noch nicht gesagt, daß in solchen Fällen auch bei vollstreckbaren Urkunden die §§ 578 ff ZPO analog anzuwenden wären. Nur zur Schutzwürdigkeit des Schuldners ist damit eine Aussage getroffen. 191

Siehe oben 3. Kap. A. III. 2. - 5.

368

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

Eine Anfechtungsmöglichkeit bei vollstreckbaren Urkunden ist auch nicht von vorneherein deshalb ausgeschlossen, weil der Schuldner durch einen mehr oder minder freiwilligen - Dispositionsakt die Vollstreckbarkeit erst ermöglicht hat. Bei Anerkenntnisurteilen ist das in vergleichbarer Weise ebenso und trotzdem kann der Beklagte gegen solche unter denselben Voraussetzungen wie bei jedem anderen Urteil auch die Wiederaufnahme des Verfahrens betreiben192. Als Mängel der Unterwerfungserklärung, die bei Urteilen zugleich Wiederaufhahmegründe darstellen würden, kommen insbesondere die folgenden beiden Fallgruppen in Betracht: (1) Zunächst ist daran zu denken, daß sich ein Prozeß- bzw. Geschäftsunfähiger 193 der Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Zwar wird in diesen Fällen häufig auch der materielle Anspruch nicht bestehen, so daß sich der Vollstreckungsschuldner schon mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) wehren kann. Denkbar ist aber auch, daß Vertragsschluß und Unterwerfungserklärung zeitlich auseinanderfallen und der Schuldner zwar bei Abschluß des materiellen Rechtsgeschäfts noch geschäftsfähig war, aber vor Abgabe der Unterwerfungserklärung (unerkannt) geisteskrank wurde. Hier erscheint es im Widerspruch zur Auffassung Wolfsteiners 194 unter Einbeziehung der in den §§51 ff ZPO, 104 ff BGB enthaltenen Wertung nicht gerechtfertigt, daß der Gläubiger trotz bestehenden Anspruchs auch bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung soll vollstrecken können, ohne daß es auf Seiten des Schuldners möglich wäre, Einwendungen gegen die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung vorzubringen 195. Auch ein entsprechendes Urteil könnte ja gem. § 579 Nr. 4 ZPO mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden. (2) Zu denken ist weiterhin an den Fall, daß der Schuldner nur etwa durch eine Nötigung i. S. d. § 240 StGB zur Abgabe der Unterwerfungserklärung (hinsichtlich eines möglicherweise schon früher wirksam begründeten Anspruchs) gedrängt wurde. Sollte hier der Gläubiger fur seine Nötigung noch dadurch "belohnt" werden, daß der so erwirkte Titel vom Schuldner nicht mehr angreifbar ist mit der Folge, daß dem Gläubiger endgültig die Mühen eines ordnungsgemäßen Weges zur Erlangung eines Titels (insbesondere durch Klage) erspart bleiben? Da in vergleichbaren Fällen bei einem Urteil (so 192 Siehe zu der Möglichkeit, für den Beklagten auch im Falle eines Anerkenntnisurteils Rechtsmittel einzulegen, unten 3. Kap. D. I. 4. a) bb) (1). Die selben Argumente sprechen auch fur die Zulässigkeit einer vom Beklagten eingelegten Wiederaufnahmeklage. 193

Zu dem Streit, ob die Abgabe einer Unterwerfungserklärung Geschäfts- oder Prozeßfähigkeit erfordert siehe oben 3. Kap. Α. I. mit Fußn. 6; 3. Kap. A. II. 3. a) aa). 194

Siehe oben 3. Kap. D. I. 4. a) vor aa).

195

Für eine Schutzwürdigkeit des Schuldners in diesem Fall auch Olzen, DNotZ 1993, 211 (221).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

369

ζ. Β. Nötigung zu einem Geständnis, Anerkenntnis, Unterlassen eines Beweisantrags usw.) der Schuldner die Möglichkeit einer Restitutionsklage nach § 580 Nr. 4 ZPO hätte, muß auch im Falle einer abgenötigten Unterwerfungserklärung die Schutzwürdigkeit des Schuldners zur Geltendmachung dieses Umstands - unabhängig vom materiellrechtlichen Bestehen des zu vollstrekkenden Anspruchs - anerkannt werden.

bb) Vergleich mit nicht rechtskräftigen Anerkenntnisurteilen und Prozeßvergleichen Bereits oben bei der Untersuchung der Frage, inwieweit sich eine prozessual unwirksame Dispositionshandlung (Vergleichsabschluß, Anerkenntnis und hier: Unterwerfungserklärung) auf die Wirksamkeit des Titels auswirkt, wurde die Rechtslage bei Prozeßvergleichen und Anerkenntnisurteilen vergleichend herangezogen. Sie kann auch zur Lösung des Problems, inwieweit der wirksame Titel allein wegen Unwirksamkeit der Dispositionshandlung mit Rechtsbehelfen angreifbar sein muß, beitragen. Da bei fehlerhaften rechtskräftigen Urteilen eine Korrekturmöglichkeit nur im Rahmen der Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff ZPO) besteht, diese Restriktion aber bei der vollstreckbaren Urkunde mangels deren Rechtskraftfähigkeit nicht angemessen erscheint, bietet sich gerade ein Vergleich mit noch nicht rechtskräftigen Anerkenntnisurteilen und Prozeßvergleichen an. Dabei muß die Beantwortung der Frage, inwieweit ein Schutzbedürfnis besteht, den jeweiligen Titel allein wegen Unwirksamkeit der Dispositionshandlung anzugreifen, bei der vollstreckbaren Urkunde zumindest nicht restriktiver ausfallen als beim Anerkenntnisurteil und beim Prozeßvergleich. Beim Anerkenntnisurteil "unterwirft" sich der Schuldner ja sogar dem prozessualen Anspruch des Gläubigers als einem zu Recht bestehenden Anspruch196, weswegen das Anerkenntnisurteil auch der materiellen Rechtskraft fähig ist und was zur Folge hat, daß im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage materielles Recht nur jenseits der Präklusionsschranke des § 767 II ZPO Beachtung findet. Um diese Schranke nicht zu umgehen und die materielle Rechtskraft nicht zu durchbrechen, muß daher der Angriff auf die Vollstreckbarkeit des Titels wegen Unwirksamkeit des Anerkenntnisses von vornherein notwendigerweise zeitlich auf das Rechtsmittelverfahren beschränkt bleiben197. Eine solche zeitliche Schranke braucht dagegen bei der vollstreckbaren Urkunde nicht zu bestehen, denn im196

Vgl. BGHZ 10, 333 (335); RGZ 90, 186 (190); OLG München, NJW 1969, 1815; KG, OLGZ 1978, 114(115); Lepke, DB 1980, 974(978).

197 Es sei denn, es liegt ein Wiederaufnahmegrund nach §§ 579, 580 ZPO vor. Siehe hierzu oben 3. Kap. D. I. 4. a) aa).

24 Schultlieis

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3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

merhin unterwirft sich der Schuldner bei ihr "nur" der Zwangsvollstreckung, erkennt aber den prozessualen Anspruch nicht an; die Präklusionsschranke des § 767 II ZPO, die durch einen Angriff auf den Titel allein wegen Unwirksamkeit der Unterweriungserklârung umgangen werden könnte, gibt es wegen § 797 IV ZPO nicht. Schließlich muß davon ausgegangen werden, daß das Schutzbedürfnis, die Unwirksamkeit der Dispositionshandlung geltend zu machen, bei der vollstreckbaren Urkunde mindestens ebenso groß ist wie bei Prozeßvergleichen. Letztere beruhen immerhin auf einem Prozeßvertrag - was unter Vertrauensschutzgesichtspunkten eher fur eine restriktivere Handhabung spricht - die vollstreckbare Urkunde dagegen auf einer einseitigen, nicht der Annahme durch den Gläubiger bedürftigen Prozeßhandlung198.

(1) Die Situation bei Anerkenntnisurteilen Ob der Beklagte gegen ein Anerkenntnisurteil mit der Berufung vorgehen kann, ist umstritten. Während nach h. M. 199 gegen ein Anerkenntnisurteil dieselben Rechtsmittel wie gegen ein streitiges Urteil zulässig sind, fehlt nach a. A. 200 dem Beklagten aufgrund des Anerkenntnisses fur ein Rechtsmittel die Beschwer. Als besondere Erscheinungsform oder vertypter Fall des Rechtsschutzbedürfhisses ist die Beschwer zwar mit dem Rechtsschutzbedürfnis keineswegs identisch, da letzteres weiterreicht 201. Fehlende Beschwer zeigt aber umgekehrt, daß der Schuldner nicht schutzwürdig ist, mit seinem Vorbringen im Rahmen des Rechtsbehelfs gehört zu werden. Müßte generell die Beschwer und damit das Rechtsschutzbedürfnis für eine Berufung des Beklagten gegen ein Anerkenntnisurteil wegen dessen (freiwilliger ?) Disposition verneint werden, so könnte dies ein Hinweis sein, daß auch bei der vollstreckbaren Ur198

Siehe hierzu oben 3. Kap. A. II. 5.

199

Vgl. etwa BGH, L M Nr. 5 zu § 263 ZPO; BGH, JZ 1955, 423 (424); OLG Karlsruhe, MDR 1982, 417 (418); KG, OLGZ 1978, 114 (115); OLG Koblenz, NJW-RR 1993, 462; Thomas/Putzo, Vorbem. § 511 Rdnr. 19 ; Zöller/Schneider, vor § 511 Rdnr. 17 ; Schellhammer, Rdnr. 971; Baumbach/Lauterbach/ Albers, Grundz § 511 Rdnr. 19, 20; Brox, ZZP 81 (1968), 379 (409 f); Bettermann, ZZP 82 (1969), 24 (32); Zeiss, ZPR, Rdnr. 655; Schönke/Kuchinke, ZPR, § 76 I I 3 (S. 379); A. Blomeyer, ZPR, 1. Aufl., § 97 I I 1 (S. 515); Germelmann/Matthes/Prütting/Germelmann, § 64 Rdnr. 27 m. w. N.; Vollkommer, Rpfleger 1968, 302 (303); v. Mettenheim, Grundsatz der Prozeßökonomie, 71 ff. 200

BGHZ 22, 43 (46) = NJW 1957, 21 (22); Jauernig, ZPR, § 72 V (S. 259); Stein/Jonas/Grunsky, Allg. Einl. vor § 511, Rdnr. 53; MünchKommZPO/Rimmelspacher, vor § 511 Rdnr. 13 ff; Baur, FS Lent, S. 1 (11 ff); Lent, JZ 1955, 425; Lepke, DB 1980, 974 (978 f); Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 136 I I 3 a (S. 810). 201

Vgl. zum Verhältnis von Beschwer und Rechtsschutzbedürfnis etwa Brox, ZZP 81 (1968), 379 (409); Bettermann, ZZP 82 (1969), 24 (27 ff).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

371

künde dem Schuldner fur einen Rechtsbehelf ausschließlich zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung die Schutzwürdigkeit abgesprochen werden muß. Die Auffassung 202, nach der einem Beklagten für eine Berufung gegen ein Anerkenntnisurteil die Beschwer fehle, argumentiert damit, daß auch auf der Beklagtenseite die sogenannte formelle Beschwer203 erforderlich sei, denn das Gericht befinde mit seiner Entscheidung über die Anträge des Klägers auch notwendig über die Anträge des Beklagten. Der Beklagte müsse an seine Anträge und Erklärungen daher ebenso gebunden sein, wie der Kläger an seinen Klageantrag oder sonstige Anträge bzw. Erklärungen. Da der Beklagte aber mit seinem Anerkenntnis erreicht habe, was er wolle, fehle ihm für eine Berufung die Beschwer und damit das Rechtsschutzbedürfnis. Nach h. M. 204 kommt es für die Zulässigkeit einer Berufimg auf der Beklagtenseite dagegen nur auf die materielle Beschwer205 an. Die in der unteren Instanz vom Beklagten gestellten Anträge seien dagegen unerheblich, denn allein die Sachanträge des Klägers seien Gegenstand der Entscheidung, nicht aber Anträge und Erklärungen des Beklagten, die nur als Prozeßanträge oder Prozeßhandlungen anzusehen seien, mögen sie auch auf die Entscheidung Einfluß haben. Aus diesem Grunde sei der Beklagte auch durch ein gegen ihn erlassenes Anerkenntnisurteil beschwert und könne dagegen Rechtsmittel einlegen. Die überzeugenderen Argumente sprechen für die h. M. Zum einen ist es nach der Gegenansicht erforderlich, bei der Beschwer des Beklagten danach zu unterscheiden, ob der Beklagte Anträge gestellt hat (was er nicht muß). Stellt er keine, so läßt sich die formelle Beschwer nicht ermitteln, weswegen auch die Gegenansicht in diesen Fällen auf die materielle Beschwer zurückgreifen muß206. Ferner geht die h. M. zu Recht davon aus, daß letztlich nur die Sachanträge des Klägers und nicht die des Beklagten Gegenstand der Entscheidung sind, was sich z. B. darin zeigt, daß eine unschlüssige Klage auch dann abgewiesen werden muß, wenn der Beklagte keinen Abweisungsantrag 202

Nachweise siehe oben Fußn. 200 in diesem Abschnitt.

203

Unter formeller Beschwer ist das nachteilige Abweichen des rechtskraftfahigen Inhalts einer gerichtlichen Entscheidung von den in der unteren Instanz gestellten Anträgen zu verstehen.

204

Nachweise siehe oben Fußn. 199 in diesem Abschnitt.

205

Materielle Beschwer liegt vor bei jedem nachteiligen rechtskraftfahigen Inhalt der gerichtlichen Entscheidung.

206

So jedenfalls die meisten Autoren, vgl. etwa Jauernig, ZPR, § 72 V (S. 259); Stein/Jonas/ Grunsky, Allg. Einl. vor § 511, Rdnr. 53. Weitergehend dagegen MünchKommZPO/Rimmelspacher, vor § 511 Rdnr. 15, der eine Beschwer des Beklagten sogar dann verneint, wenn er in der Vorinstanz dem Klageantrag nicht entgegengetreten ist.

2

372

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

gestellt hat207. Letztlich führt sie aber zu sachgerechten Ergebnissen, wenn man bedenkt, daß trotz der Annahme einer Beschwer des Beklagten beim Anerkenntnisurteil noch nichts über den Erfolg des Rechtsmittels ausgesagt ist. Der hängt nämlich vor allem davon ab, ob es dem Beklagten gelingt, das Anerkenntnis aus der Welt zu schaffen 208, also entweder die fehlenden Voraussetzungen für den Erlaß des Anerkenntnisurteils nachzuweisen oder das Anerkenntnis noch wirksam zu widerrufen 209. Auch diejenigen, die eine Berufung des Beklagten gegen ein Anerkenntnisurteil wegen fehlender formeller Beschwer ablehnen, machen eine Ausnahme hiervon, wenn es um die Wirksamkeit des Anerkenntnisses oder dessen Beseitigung geht210. Hierdurch wird jedoch die Zulässigkeit des Rechtsmittels mit Fragen belastet, die systematisch eigentlich in die Begründetheit gehören. Es ist daher der h. M. zuzustimmen. Folge einer allein auf die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses gestützten Berufung des Beklagten ist wie beim Wiederaufnahmeverfahren auch hier wieder, daß das Verfahren in ein Stadium zurückgeführt wird, in dem es sich vor Eintritt des Wirksamkeitsmangels befand und in dem es wieder entscheidend von der Initiative des Gläubigers - insbesondere seinem weiteren Prozeßverhalten und Beweisantritten - abhängt, ob dieser einen Titel erlangt, mit dem er die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Ebenso wie bei der Unwirksamkeit des Anerkenntnisses muß dies aber auch dem Schuldner bei der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung möglich sein. Auch hier besteht ein Bedürfnis, die fehlende Wirksamkeit der für den Titel entscheidenden Dispositionshandlung unabhängig von einer Stellungnahme hinsichtlich des materiellen Anspruchs geltend zu machen. Dem steht nicht entgegen, daß zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Unterwerfungserklärung auch Umstände zählen, die beim Urteilsverfahren lediglich (unverzichtbare) Prozeßvoraussetzungen, aber keine Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Anerkenntnisses sind: 207

OLG Karlsruhe, MDR 1982, 417 (418).

208

Brox, ZZP 81 (1968), 379 (410); Bettermann, ZZP 82 (1969), 24 (32); Vollkommer, Rpfleger 1968, 302 (303); v. Mettenheim, Grundsatz der Prozeßökonomie, 72 f; KG, OLGZ 1978, 114 (115 f).

209

Was nur mit Zustimmung des Gegners oder bei Vorliegen eines Restitutionsgrundes oder Abänderungsgrundes i. S. d. § 323 ZPO möglich ist, vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 133 IV 6 (S. 796).

2,0

Stein/Jonas/Grunsky, Allg. Einl. vor § 511 Rdnr. 53, § 511 Rdnr. 2; MünchKommZPO/ Rimmelspacher, vor § 511 Rdnr. 19 f; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 136 I I 3 a (S. 180); Lepke, DB 1980, 974 (979). Ob darüber hinaus ausnahmsweise die Beschwer des Beklagten auch dann zu bejahen ist, wenn beim Erlaß des Anerkenntnisurteils die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht vorlagen, so daß trotz Anerkenntnisses ein Anerkenntnisurteil gar nicht hätte erlassen werden dürfen, wird (sofern dazu überhaupt Stellung genommen wird) von den oben genannten Autoren unterschiedlich beantwortet; bejahend insoweit Lepke, DB 1980, 974 (979), verneinend hingegen MünchKommZPO/Rimmelspacher, vor§ 511 Rdnr. 22.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

373

In diesem Falle führt ja auch eine Berufung des Beklagten gegen ein Anerkenntnisurteil zum Erfolg, denn wegen Unzulässigkeit der Klage hätte dem Anerkenntnis des Beklagten keine rechtliche Bedeutung zukommen dürfen und die Klage hätte als unzulässig abgewiesen werden müssen211.

(2) Die Situation bei Prozeßvergleichen Nicht nur die Rechtslage bei noch nicht rechtskräftigen Anerkenntnisurteilen, sondern auch die bei Prozeßvergleichen spricht für eine Schutzwürdigkeit des Schuldners, die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung unabhängig von einer Stellungnahme zur Existenz des materiellen Anspruchs geltend machen zu können. Ist der Vergleich nämlich allein wegen prozeßrechtlicher Mängel unwirksam, so kann die Vereinbarung gleichwohl als außergerichtliche materiellrechtliche Vereinbarung Bestand haben212. Dennoch ist es den Parteien unbenommen, (allein) die prozessuale Unwirksamkeit des Vergleichs geltend zu machen213, obgleich die Unwirksamkeit des Prozeßvergleichs nicht auch zur Titelunwirksamkeit führt 214.

cc) Grundsatz der Waffengleichheit Auch unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit215 erscheint der Schuldner schutzwürdig, die Unwirksamkeit seiner Unterwerfungserklärung unabhängig von einer Stellungnahme zur Existenz 2.1

Ganz h. M. vgl. statt aller: Thomas/Putzo, § 307 Rdnr. 10; Zöller/Vollkommer, § 307 Rdnr. 4; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 307 Rdnr. 17; Stein/Jonas/Leipold, § 307 Rdnr. 32. Streitig ist jedoch, ob im Falle eines gültigen Anerkenntnisses auch das Rechtsschutzbedürfnis als Prozeßvoraussetzung zu prüfen ist; vgl. hierzu Stein/Jonas/Leipold, § 307 Rdnr. 34 m. w. N. 2.2

Dies ist durch Auslegung des Parteiwillens zu ermitteln; vgl. statt vieler: BGH MDR 1985, 392 (S. 392 f); Zöller/Stöber, § 794 Rdnr. 15; Thomas/Putzo, § 794 Rdnr. 34; ähnlich, aber restriktiver Schuschke, § 794 Rdnr. 13.

213

Dies geschieht durch Antrag auf Fortsetzung des alten Rechtsstreits, da ein unwirksamer Prozeßvergleich nicht zur Beendigung des Rechtsstreits gefuhrt hat. Der Streit geht im Fortsetzungstermin dann zunächst nur um die Frage, ob der Rechtsstreit durch den Vergleich beendet wurde. Vgl. statt vieler: Zöller/Stöber, § 794 Rdnr. 15; Thomas/Putzo, § 794 Rdnr. 34 ff; Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 47. Dazu, daß entgegen der Auffassung von Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 48 bei Unwirksamkeit des Vergleichs trotz Entfallens der Prozeßbeendigung nicht auch die (dem Urteil gleiche) Eigenschaft des Prozeßvergleichs als Vollstreckungstitel entfällt, siehe bereits oben 3. Kap. A. III. 6. b) aa). 214 2,5

Siehe hierzu bereits oben 3. Kap. A. III. 6. b) aa).

Vgl. allgemein zum Grundsatz der Waffengleichheit Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, § 29 I (S. 277 ff); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 9 (S. 65 ff).

374

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfngserklärung

des materiellen Anspruchs geltend zu machen. Dieser Grundsatz gewährt die Chancengleichheit vor Gericht und zwar nicht nur im bereits anhängigen Verfahren, sondern auch hinsichtlich des Zugangs zum Gericht 216. Die vollstreckbare Urkunde privilegiert den Gläubiger gegenüber dem Schuldner, da sie dem Gläubiger die vollstreckungsrechtliche Durchsetzung seines Anspruchs ohne die Mühen und Risiken eines vorausgehenden Urteilsverfahrens ermöglicht. Hat der Gläubiger die vollstreckbare Urkunde bzw. deren Ausfertigung einmal in Händen, so sind seine Möglichkeiten, auftretende Streitigkeiten gerichtlich auszutragen, nicht in dem Maße eingeschränkt wie die des Schuldners, sofern man diesem die Möglichkeit verwehrt, allein die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geltend zu machen217. Der Gläubiger hat nämlich bei auftretenden Problemen im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren immer die Möglichkeit, sich wegen seines materiellen Anspruchs im Wege der Leistungsklage einen neuen und sogar rechtskraftfähigen Titel zu besorgen. Weil vollstreckbare Urkunden keine Rechtskraft entfalten, braucht der Gläubiger hierfür nur sein Rechtsschutzbedürfnis darzutun218. Die Schwelle, die der Gläubiger insofern zu überwinden hat, ist jedoch äußerst gering 219. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage wird bei rechtskraftlosen Titeln nämlich von der h. M. nicht nur dann bejaht, wenn der Gegner materielle Einwendungen geltend macht und deshalb mit einer Vollstreckungsgegenklage zu rechnen ist 220 , sondern auch dann, wenn die Vollstreckungstauglichkeit vom Gegner aus formellen Gründen beanstandet wird 221 - und zwar unabhängig von einer eventuell gegebenen Klagemöglichkeit nach § 731 ZPO222. Im Ergebnis kann damit der Gläubiger nach h. M. die Leistungsklage immer erheben, wenn mit Schwierigkeiten seitens der Klauselerteilungsorgane oder Vollstreckungsorgane zu rechnen ist und eine Beseitigung des Mangels im Klausel verfahren nicht in Betracht kommt223. Verneint 2.6

Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, § 29 I vor 1 (S. 277); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, § 9 I (S. 66). 2.7

Ähnlich wie hier - wenn auch in etwas anderem Zusammenhang - Windel, ZZP 102 (1989), 175 (177 f).

2.8

Wieser, Rechtsschutzinteresse, S. 167. A u f die bei rechtskräftigen Titeln geführte Streitigkeit, ob die Erwirkung eines zweiten Vollstreckungstitels als Rechtskraftfrage oder als Frage des Recfysschutzbedürfnisses einzuordnen ist (vgl. etwa Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 III 1 a (S. 917) einerseits und A. Blomeyer, ZPR, § 88 III 2 (S. 471 f); Wieser, Rechtsschutzinteresse, S. 167 andererseits) kommt es hier folglich nicht an.

219

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (178).

220

RG, JW 1930, 148; BGH, NJW 1957, 1111 (1112); BGH, NJW 1961, 1116; OLG Hamm, NJW 1976,246 (246 f).

221

RGZ 110, 117 (118); RGZ 124, 146 (151); BGH, MDR 1958, 215 (215 f).

222

Zöller/Stöber, § 731 Rdnr. 7; BGH, NJW 1987, 2863.

D. Verfahrensextere Rechtsbehelfe

375

man demgegenüber die Möglichkeit des Schuldners, die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung isoliert geltend zu machen, so stehen ihm nicht im gleichen Maße Rechtsschutzmöglichkeiten offen wie dem Gläubiger. Obgleich der Schuldner durch die Errichtung der vollstreckbaren Urkunde anerkanntermaßen nicht auf Rechtsschutz verzichten will 224 , würde sie sogar im Falle der Unwirksamkeit der in ihr als zentrales Element enthaltenen Unterwerfungserklärung den Gläubiger dahingehend privilegieren, daß eben diese Unwirksamkeit nicht isoliert geltend gemacht werden kann. Dies widerspräche aber dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit. Dieser ist nämlich nur gewahrt, wenn im vergleichbaren Maße, wie es dem Gläubiger möglich ist, bei auftretenden Schwierigkeiten notfalls mit einer Leistungsklage sein Vollstreckungsinteresse zu verfolgen, dem Schuldner die Möglichkeit eingeräumt wird, eine Vollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde zu verhindern, wenn seine Unterwerfungserklärung unwirksam ist.

dd) Wertungsgesichtspunkte Es sind jedoch auch Fälle denkbar, in denen es unbillig erscheint, daß der Schuldner trotz gegen ihn gerichteten materiellen Anspruchs und trotz Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde nur wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung mit seinem Rechtsbehelf Erfolg haben soll. Meist hat sich nämlich der Schuldner in einem Vertrag gegenüber dem Gläubiger verpflichtet, diesem zur Sicherung einer möglichst problemlosen Zwangsvollstreckung für den Fall einer beim Schuldner eintretenden Vermögensverschlechterung die Vollstreckungsmöglichkeit aus einer vollstreckbaren Urkunde zu verschaffen 225. Einer solchen vertraglichen Vereinbarung stehen keine Bedenken entgegen. Dem Schuldner steht es frei, sich in den Grenzen der Privatautonomie (insbesondere der §§ 134, 138 und des AGBG) schuldrechtlich226 zur Abgabe 223

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (178); Wieser, Rechtsschutzinteresse, S. 165 f. Nach der hier vertretenen Auffassung ist jedoch - um die Gefahr einer Doppeltitulierung zu vermeiden - vor einer Leistungsklage immer noch erforderlich, daß der Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung zuvor an den Schuldner herausgibt oder auf eine andere Weise sichergestellt ist, daß der Gläubiger diese weder in Händen hat, noch eine solche erlangen kann; siehe oben 2. Kap. D. II. 2. mit Fußn. 1121. 224

Mit der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung übernimmt der Schuldner lediglich die Initiativlast fur einen rechtzeitigen gerichtlichen Rechtsschutz. Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. a) und statt vieler: Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 82; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I 2 a (S. 128); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (182).

225

Vgl. etwa die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (ABB) der Bausparkasse, Klausel 5 (§ 15 V I 3 ABB) im Fall von KG, NJW-RR 1990, 544 (544, 547 f); MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 126.

226

Bei dieser vertraglichen Vereinbarung kann es sich nur um einen privatrechtlichen Vertrag,

376

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfungserklärung

einer Unterwerfungserklärung zu verpflichten. Eine solche vertragliche Vereinbarung ist nach allgemeinen Grundsätzen wirksam - wobei allerdings neben den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen insbesondere dem Nichtigkeitsgrund des § 306 BGB besondere Bedeutung zukommt, der immer dann eingreift, wenn der wirksamen Abgabe einer Unterwerfungserklärung dauernde rechtliche227 Hindernisse228 entgegenstehen. Hat sich aber der Schuldner wirksam verpflichtet, dem Gläubiger für seinen tatsächlich bestehenden Anspruch die Vollstreckungsmöglichkeit aus einer vollstreckbaren Urkunde zu verschaffen, so erscheint es in der Tat unbillig, wenn dieser allein wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung die Vollstreckbarkeit entgegen seiner Verpflichtung wieder beseitigen kann, obgleich Wirksamkeit der Urkunde und materiellrechtliche Forderung von ihm nicht in Frage gestellt werden. Der Gläubiger könnte dann nämlich wiederum den Schuldner erfolgreich auf Abgabe einer notariellen Unterwerfungserklärung verklagen. Der Schuldner hätte dann letztlich nichts gewonnen, sondern nur entgegen seiner vertraglichen Verpflichtung Zeitverlust und sinnlose Prozeß- und Rechtsanwaltskosten verursacht. Eine Klageerhebung des Schuldners allein wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung stellt damit aus prozessualer Sicht eine unzulässige Ausübung prozessualer Befugnisse dar. Sie widerspricht seinem vorausgegangenem außerprozessualem Verhalten, durch das er einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Um das zu berücksichtigen, kommen zwei Lösungsmöglichkeiten in Betracht: Zum einen ist es denkbar, in diesem Fall das Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung zu verneinen, zum anderen, dem Gläubiger eine prozessuale Einrede aus dem auch im Prozeßrecht als allgemeines Rechtsprinzip geltenden Grundsatz von Treu und Glauben229 zu geben. nicht dagegen um einen Prozeßvertrag handeln. Für einen Prozeßvertrag ist nämlich charakteristisch, daß der durch ihn erstrebte prozessuale Erfolg unmittelbar eintritt (sogenannte "Verfugungswirkung" des Prozeßvertrags; vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 66 I I 1 (S. 367) m. w. N.; MünchKommZPO/ Lüke, Einl. Rdnr. 288 ff). Hieran fehlt es aber bei einer Vereinbarung, wonach sich der Schuldner in einer notariellen Urkunde der Zwangsvollstreckung unterwerfen soll. Die Vereinbarung kann daher nur als schuldrechtliche angesehen werden. 227

Unmöglichkeit kann nicht nur bei tatsächlichen, sondern auch bei rechtlichen Hindernissen vorliegen; vgl. Palandt/Heinrichs, § 275 Rdnr. 7.

228

So etwa, wenn fur den Anspruch im Streitfalle gem. § 13 GVG nicht der ordentliche Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben wäre (zu dieser Wirksamkeitsvoraussetzung der Unterwerfiingserklärung siehe oben 3. Kap. A. II. 3. a) bb). Diese Voraussetzung ist allerdings streitig, vgl. zur a. A. etwa Stein/Jonas/ Münzberg, § 794 Rdnr. 85 m. w. N.). 229

Zur Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Prozeßrecht siehe bereits oben 2. Kap. Β. I. 2. b) cc) vor (1) und grundlegend etwa Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 ff; Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 242 ff.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

377

Auf den ersten Blick erscheint es müßig, zwischen dem Institut des Rechtsschutzbedürfhisses und dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Grenze ziehen zu wollen, denn bei einem unredlichen Vorgehen entfallt auch meist das Bedürfnis, den dabei verfolgten Interessen Rechtsschutz zu gewähren 230. Diese Grenzziehung ist jedoch dann nicht entbehrlich, wenn der Grundsatz von Treu und Glauben lediglich zu einer Einredemöglichkeit des Prozeßgegners führt und nicht wie das Rechtsschutzbedürfnis von Amts wegen berücksichtigt werden muß. Überzeugender ist der zweite Lösungsweg, eine auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte prozessuale Einrede des Gläubigers: Bei dem Gebot redlicher Prozeßführung steht das Verhalten der Parteien im Prozeß im Vordergrund, während beim Institut des Rechtsschutzbedürfnisses das mit der Klage erstrebte prozessuale Ziel im Mittelpunkt steht231. Das Schwergewicht der Unredlichkeit beim vorliegenden Problem liegt aber weniger auf dem Ziel der Klage oder einem mißbräuchlichen Ausnutzen der Rechtspflege, sondern auf dem außer- und vorprozessualem Verhalten des Schuldners, der dem Gläubiger gegenüber die Verpflichtung eingegangen ist, sich der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Mit diesem Vertrag wurde ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der als Faktum auch innerhalb des prozessualen Bereichs zwischen den Parteien fortwirkt 232. Um dieser dem Gläubiger gegenüber bestehenden Verpflichtung willen erscheint es unredlich, wenn der Schuldner, ohne sich gegen den materiellrechtlichen Anspruch oder die Titelwirksamkeit zu wenden, isoliert die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geltend macht, um damit die dem Gläubiger gewährte und geschuldete Vollstreckungsmöglichkeit wieder zu nehmen. Dies spricht dafür, im Falle einer solchen Verpflichtung nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage zu verneinen, sondern dem Gläubiger eine prozessuale Einrede zuzugestehen, mit deren Geltendmachung er die Abweisung der Klage des Schuldners als unzulässig erreichen kann. Dabei läßt sich diese Einrede aus Treu und Glauben auf das Verbot des venire contra factum proprium stützen, weil der Schuldner durch seine außerprozessuale vertragliche Verpflichtung zur Vollstreckungsunterwerfung einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, mit dem die Klageerhebung zum Zweck der Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde unvereinbar ist. Ebensogut möglich erscheint aber auch eines Anwendung des Satzes dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est, da der Schuldner sich nach erfolgreicher Klageerhebung wieder erneut in einer notariellen Urkunde der Zwangsvollstreckung unterwerfen müßte233. 230

Stein/Jonas/Schumann, vor § 253 Rdnr. 117 mit Fußn. 237; Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89

(99). 231 232

Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 (99).

Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 (123) und fur den Fall des außerprozessualen Klageriicknahmeversprechens Baumgärtel, Prozeßhandlung, S. 265.

378

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerungserklrung

ee) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis läßt sich somit festhalten, daß dem Schuldner nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, mittels einer Klage isoliert die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geltend zumachen. Hat er sich jedoch vertraglich wirksam gegenüber dem Gläubiger verpflichtet, diesem fur seine Forderung die Vollstreckungsmöglichkeit aus einer vollstreckbaren Urkunde zu verschaffen, so kann der Gläubiger sich gegen eine nur auf die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung gestützten Klage des Schuldners mit einer aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden prozessualen Einrede verteidigen und so die Klageabweisung als unzulässig erreichen.

b) Numerus clausus der Gestaltungsklagen Einer analogen Anwendung der prozessualen Gestaltungsklage aus § 767 ZPO auf den Fall, daß nur die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geltend gemacht wird, steht nicht der sogenannte numerus clausus der Gestaltungsklagen entgegen. Zwar sind Gestaltungsurteile hoheitliche Eingriffe in Rechte und Rechtsverhältnisse, so daß ihr Erlaß einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf 234. Hieraus folgt aber nur, daß die Gestaltungsklage kein generell für zulässig erklärter Rechtsschutz ist und der Richter nicht Rechtsgestaltungen im Einzelfall frei erfinden kann235. Nicht ausgeschlossen dagegen ist, daß die gesetzlichen Bestimmungen als Basis für eine Analogie herangezogen werden können, durch die man zur Anerkennung im Gesetz nicht vorgesehener Gestaltungsklagen kommt236.

233

Für eine Anwendung des Satzes "venire contra factum proprium" und gegen eine Anwendung des Satzes "dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" im Falle der Fortführung eines Prozesses trotz (als schuldrechtlich eingestuften) außerprozessualen Klagerücknahmeversprechens Baumgärtel, Prozeßhandlung, S. 265 mit Fußn. 496 und weiteren Nachweisen auch zur Gegenansicht. Die dort von Baumgärtel vorgetragenen Bedenken greifen jedoch bei dem hier in Frage stehenden Problem nicht ein. 234

Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 276; K. Schmidt, JuS 1986, 35 (39); Grunsky, Verfahrensrecht, § 38 I I 3 a (S. 374 f); Rothe, AcP 151 (1950 / 1951), 33.

235 236

Schlosser, Jura 1886, 130 (134).

Grunsky, Grundzüge, § 38 I I 3 a (S. 375); Κ . Schmidt, JuS 1986, 35 (38); Gninewald, ZZP 101 (1988), 152 (153); ausführliche Untersuchung hierzu bei Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 276 ff.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

c) Vergleichbarkeit

379

der Interessenlagen

Normzweck der Vollstreckungsgegenklage ist es, die Formalisierung der Zwangsvollstreckung auszugleichen237: Da der materielle Anspruch im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren aufgrund des Formalisierungsprinzips nicht berücksichtigt wird 238 , andererseits aber die Vollstreckung bei Nicht(mehr)bestehen des materiellen Anspruchs (in den Grenzen des § 767 II ZPO) ergebnisunzulässig239 ist, hat der Schuldner aufgrund der gestaltenden Wirkung des Vollstreckungsgegenklageurteils die Möglichkeit, die erststufig zulässige (also "vornahmezulässige"240) Klauselerteilung bzw. Vollstreckungshandlung in eine erststufig unzulässige zu verwandeln (vgl. § 775 Nr. 1 ZPO)241. Nicht anders verhält es sich aber auch, wenn die Unterwerfungserklärung unwirksam ist: Auch dies kann - solange die Titelwirksamkeit besteht - weder im Klauselerteilungs- noch im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden. Auch hier fehlt es an der Ergebniszulässigkeit der Zwangsvollstreckung; dies ergibt sich insbesondere aus der Schutzwürdigkeit des Schuldners, die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung (auch isoliert) geltend machen zu können242. Damit greift hier ebenfalls der Normzweck des § 767 ZPO ein, die Formalisierung der Zwangsvollstreckung durch gestaltendes243 Urteil (durch Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel) auszugleichen. Sowohl bei der Vollstreckungsgegenklage als auch bei der Gestaltungsklage analog § 767 ZPO geht es darum, die dem Gläubiger aufgrund des Titels bzw. dessen (vollstreckbarer) Ausfertigung gewährte rechtliche Handlungsmöglichkeit zur Zwangsvollstreckung nach Maßgabe der §§ 775, 776 ZPO die Realisierungschance zu nehmen. Versteht man § 767 ZPO als Rechtsbehelf, der 237

MünchKommZPO/Schmidt, § 767, Rdnr. 1.

238

Etwas anderes gilt nur über den "Umweg", daß materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch die Vollstreckungsunterwerfung zu vollstreckungsrechtlich erheblichen Tatsachen erklärt wurden; dann sind diese Umstände als Vollstreckbarkeitsbedingungen im Rahmen der §§ 726 I, 751 I, 756, 765 ZPO zu beachten (siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1); 2. Kap. B. II) 2.).

239

Siehe hierzu oben 1. Kap. B. III. 2. a).

240

Siehe hierzu oben 1. Kap. B. III. 2. a).

241

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. b); 2. Kap. D. I. 1. b) ff).

242

Siehe hierzu oben 3. Kap. D. I. 4. a).

243

Zieht man einen Vergleich zur Situation bei Unwirksamkeit eines gerichtlichen Anerkenntnisses, so ergibt sich eine weitere Parallele: die dort mögliche Berufung hat im Falle ihres Erfolges (d. h. bei Aufhebung oder Abänderung des erstinstanzlichen Anerkenntnisurteils) auch gestaltende Wirkung (vgl. zur gestaltenden Wirkung der Rechtsmittel etwa Gilles, Rechtsmittel, S. 33 m. w. N.) - ebenso wie ein auf eine Klage nach § 767 ZPO analog ergehendes Urteil wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung.

380

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfungserklärung

dem Schuldner Bestandsschutz hinsichtlich seines Vermögens gewähren soll 244 , so kann es keinen Unterschied machen, weswegen die drohende Vollstreckung ergebnisunzulässig ist - ob nun aufgrund des fehlenden materiellen Anspruchs oder aufgrund der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung. Daher besteht in beiden Fällen auch das Bedürfnis, durch den gestaltenden Rechtsbehelf des § 767 ZPO (analog) die Vornahmeunzulässigkeit herbeizuführen, so daß die Vollstreckungsklausel nicht mehr erteilt bzw. die Zwangsvollstreckung nicht mehr durchgeführt werden darf und bereits vorgenommene Vollstreckungsakte aufgehoben werden müssen. Der analogen Anwendung des § 767 ZPO steht auch nicht entgegen, daß § 767 ZPO sich ausdrücklich nur auf Einwendungen gegen den "Anspruch" bezieht245. Hieraus läßt sich nicht im Umkehrschluß folgern, die Vorschrift lasse eine analoge Anwendung auf andere "Einwendungen" nicht zu246. Daß in § 767 ZPO nur von Einwendungen gegen den "Anspruch" die Rede ist, hat seinen Grund darin, daß der Gesetzgeber das Rechtsbehelfssystem der Zwangsvollstreckung vornehmlich auf Rechtsbehelfe gegen Urteilsvollstrekkungen zugeschnitten hat. Hier genügte es aber, lediglich Einwendungen gegen den Anspruch in § 767 ZPO gesondert zu regeln, da für die anderen Mängel bereits ausreichender Rechtsschutz außerhalb des achten Buchs der ZPO bestand. Insbesondere stehen dort (bei Überschreiten der Rechtsmittelsumme) immer die allgemeinen Rechtsmittel und ggf. auch das Wiederaufhahmeklageverfahren zur Verfügung 247. Diese Rechtsbehelfe sind aber bei nicht rechtskraftfähigen Titeln wie der vollstreckbaren Urkunde unanwendbar. Da der Gesetzgeber in § 795 ZPO lediglich pauschal auf die für Urteile geltenden Vorschriften verwiesen hat, ohne in den §§ 796 ff ZPO alle Besonderheiten der jeweiligen Vollstreckungstitel zu berücksichtigen248, entstanden - ungewollt - Regelungslücken wie die vorliegende, die bei Urteilen, deren Regelung der Gesetzgeber vornehmlich im Auge hatte, nicht auftreten und daher auch nicht geregelt werden mußten249. Zwar spricht auch § 797 ZPO, der speziell

244

So die h. M., vgl. 2. Kap. D. I. 1. b) ee) sub (2). Vgl. Windel, ZZP 102 (1989), 175 (201), dessen Ergebnis (Gleichsetzung von Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung mit der Titelunwirksamkeit und Geltendmachung dieser Titelunwirksamkeit direkt im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage) aus den oben genannten Gründen freilich abzulehnen ist; siehe oben 3. Kap. A. III. 6.; 3. Kap. D. I. 1.

245

AG Siegburg, JZ 1957, 62.

246

So wird denn auch eine analoge Anwendung des § 767 ZPO vom BGH und einem Teil der Literatur im Falle der Geltendmachung eines Vollstreckungsvertrages bejaht; vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 33 V I (S. 390 f) m. w. N. 247

Siehe ausführlicher bereits oben 3. Kap. D. I. 4. a) aa) u. bb) (1).

248

Wolf, L M § 767 ZPO Nr. 87.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

381

für vollstreckbare Urkunden gilt, in seinen Absätzen 4 und 5 ebenfalls nur von "Einwendungen" die den "Anspruch" betreffen. Doch steht auch dies einer analogen Anwendung der §§ 767, 797 IV, V ZPO nicht entgegen. Die Formulierung in § 797 IV, V ZPO dient nämlich nur der Bezeichnung des in Bezug genommenen Rechtsbehelfs. Aus § 797 IV ZPO läßt sich vielmehr sogar entnehmen, daß der Gesetzgeber das Bedürfnis für eine großzügigere Handhabung der Vollstreckungsgegenklage bei vollstreckbaren Urkunde erkannte250. Daß er dennoch keine eigenen Klage zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung geschaffen hat, hängt lediglich mit dessen Verständnis zusammen, der Schuldner sei über § 732 ZPO schon ausreichend geschützt - was aber, wie gezeigt, nicht zutrifft. Der Umstand, daß in §§ 767, 797 ZPO lediglich von Einwendungen gegen den "Anspruch" die Rede ist, steht einer analogen Anwendung auf die Fälle der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung daher nicht entgegen. Die Möglichkeit für den Schuldner, die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde allein wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung mittels einer Gestaltungsklage analog § 767 ZPO zu verhindern, fuhrt schließlich auch zu interessensgerechten Ergebnissen: Ist nämlich der Schuldner gegenüber dem Gläubiger schuldrechtlich verpflichtet, diesem für seine Forderung die Vollstreckungsmöglichkeit aus einer vollstreckbaren Urkunde zu verschaffen, so kann der Gläubiger dies einer Klage aus § 767 ZPO analog einredeweise entgegenhalten und so deren Abweisung als unzulässig erreichen. Seine Interessen sind damit gewahrt. Besteht andererseits aber keine dahingehende (wirksame) Verpflichtung, so ist nicht einzusehen, warum der Schuldner dennoch die Zwangsvollstreckung tatenlos hinnehmen soll, obgleich der zentrale Akt bei der Errichtung der vollstreckbaren Urkunde - die Unterwerfungserklärung - gar nicht wirksam erfolgte und der Notar deshalb die Beurkundung hät-

249

Zu den Rechtsbehelfen bei Urteilen in vergleichbarer Situation siehe oben 3. Kap. D. I. 4. a) aa) u. bb) (1). 250

Dagegen überzeugt die vom AG Siegburg, JZ 1957, 62 aus der Vorschrift des § 797 IV ZPO gezogene Schlußfolgerung nicht: Aus dem Umstand, daß wegen § 797 IV ZPO auch anfängliche Mängel des Anspruchs geltend gemacht Werden können und daß in diesen Fällen die vollstreckbare Urkunde bzw. Unterwerfungserklärung häufig (das AG spricht unzutreffender Weise sogar von "zwangsläufig") unwirksam ist (sog. Doppelmangel), wird dort gefolgert, das Gesetz stelle "nicht entscheidend auf die sachlich- oder formal-rechtliche Natur des Einwandes", sondern allein darauf ab, "ob dieser die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels" rechtfertige. Allein daraus, daß der Gesetzgeber die Geltendmachung von anfänglichen Mängeln des Anspruchs zulassen wollte, kann jedoch entgegen der Auffassung des AG Siegburg keineswegs zwingend gefolgert werden, der Gesetzgeber habe auch alle anderen anfanglichen Mängel - gleich welcher Art - zulassen wollen. Dem steht nämlich schon der Begriff des "Anspruchs" entgegen (siehe oben 3. Kap. D. I. 1. c)). Gleichwohl ist in den Fällen der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung aus den oben genannten Gründen die analoge Anwendung des § 767 ZPO zulässig.

382

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfungserklärung

te ablehnen müssen. Seine Interessen sind daher nur gewahrt, wenn man ihm die Klagemöglichkeit analog § 767 ZPO wegen Unwirksamkeit der Unterweriungserklârung einräumt.

d) Urteilswirkungen Wie beim Vollstreckungsgegenklageurteil, so muß auch beim Urteil über die Gestaltungsklage analog § 767 ZPO zwischen dem Vollzug, der Gestaltungswirkung und der materiellen Rechtskraft unterschieden werden251. Das stattgebende Urteil lautet entsprechend dem Antrag auf Unzulässigerklärung der Vollstreckung aus dem Titel. Es wird nach §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO durch Einstellung der Zwangsvollstreckung und Aufhebung von bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen vollzogen. Hierfür genügt - wie bei der Vollstreckungsgegenklage - die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils, denn § 775 Nr. 1 ZPO erfordert nur eine "vollstreckbare Entscheidung". Die Gestaltungswirkung des (stattgebenden) Urteils besteht in der Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels, sie tritt erst mit Rechtskraft ein und wirkt für und gegen jedermann. Wie alle Gestaltungsurteile erwächst auch das Urteil über die Gestaltungsklage analog § 767 ZPO mit Unanfechtbarkeit in materielle Rechtskraft. Diese wirkt nur zwischen den Parteien und stellt fest, daß zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung ein Recht des Klägers auf Durchführung der Gestaltung bestand und zwar - das ergibt eine Ermittlung der objektiven Grenzen der Rechtskraft aus den Urteilsgründen - wegen des im Urteil angeführten Gestaltungsgrundes. In Rechtskraft erwächst daher die Feststellung, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Titel wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung unzulässig ist. Umgekehrt wird mit der Abweisung der Klage als unbegründet rechtskräftig festgestellt, daß der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nicht die vom Kläger behauptete Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung entgegensteht, denn das Urteil stellt dann rechtskräftig fest, daß es an einem Gestaltungsgrund fehlt 252.

5. K l a g e a u f Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung

Ebenso, wie die Vollstreckungsgegenklage einen grundsätzlich umfassenden und ausreichenden Schutz gewährt, wenn der titulierte Anspruch materiellrechtlich nicht besteht, so gewährt auch die Gestaltungsklage analog § 767 251

Vgl. zu der entsprechenden Situation bei der Vollstreckungsgegenklage oben 2. Kap. D. I. 1. c) m. w. N.

252

Vgl. allgemein zum Umfang der materiellen Rechtskraft von Gestaltungsurteilen oben 2. Kap. D. I. l . b ) g g ) v o r ( l ) .

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

383

ZPO einen ausreichenden Schutz bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung. Die (auf eine analoge Anwendung des § 371 BGB gestützte253) "Titelherausgabeklageu254 kann daher hier gleicherweise wie dort 255 nur die Aufgabe haben, den Schuldner zusätzlich (ergänzend) davor abzusichern, daß die der Gestaltungsklage analog § 767 ZPO stattgebende Entscheidung nicht rechtzeitig auffindbar ist oder der Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung in einer (kredit)schädigenden Weise einsetzt. Nur hinsichtlich dieser zusätzlichen, ergänzenden Sicherung besteht deshalb überhaupt eine Regelungslücke und damit ein Raum fur die analoge Anwendung des § 371 BGB. Für den Zeitpunkt der Klageerhebung gelten daher die obigen256 Ausführungen entsprechend: Die "Titelherausgabeklage" kann nur dann Erfolg haben, wenn bereits im Rahmen der Gestaltungsklage analog § 767 ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt wurde bzw. wenn beide Klagen im Wege der uneigentlichen Eventualhäufung (§ 260 ZPO) dergestalt miteinander verbunden werden, daß über den Antrag auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigimg nur zu entschieden ist, wenn der Klage analog § 767 ZPO wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung stattgegeben wird.

II. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Gläubigers Wurde die Klauselerteilung bzw. Zwangsvollstreckung wegen (angeblicher) Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung abgelehnt, so kann der Gläubiger die Verfahrenshandlung durch Einlegung verfahrensinterner Rechtsbehelfe erreichen 257. Hat der Schuldner wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung erfolgreich die Klage nach § 767 ZPO analog erhoben, so hat er das gleiche Stadium wie vor Abgabe der unwirksamen Unterwerfungserklärung herbeigeführt 258. Es obliegt daher wieder der Initiative des 253

Siehe oben 2. Kap. D. I. 4. b) bb). Die fur eine Analogie notwendige Vergleichbarkeit der Interessenlagen ist hier ebenfalls gegeben: Bei § 371 BGB geht es j a um die faktisch starke Position, die der Gläubiger aufgrund des Besitzes einer Urkunde (Schuldschein bzw. vollstreckbare Ausfertigung) inne hat und damit verbunden um die Gefahr, daß der Gläubiger sich diese rein tatsächliche Position entgegen der wahren Rechtslage zunutze macht (siehe oben 2. Kap. D. I. 4. b) bb)). Dieselbe Gefahr besteht aber auch, wenn bereits ein Gestaltungsurteil analog § 767 ZPO wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung erging, der Gläubiger aber dennoch versucht, mit Hilfe seiner vollstreckbaren Ausfertigung die Zwangsvollstreckung zu betreiben. 254

Zum Begriff siehe oben 2. Kap. D. I. 4. vor a) mit Fußn. 865.

255

Siehe oben 2. Kap. D. 1.4. a).

256

Siehe oben 2. Kap. D. I. 4. c).

257

Siehe oben 3. Kap. C. Der verfahrensexterne Rechtsbehelf des § 731 ZPO steht dem Gläubiger insoweit dagegen nicht zur Verfugung, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen und er bereits über die verfahrensinternen Rechtsbehelfe ausreichend geschützt ist.

384

3. Kap.: Fehlerquelle: Unterwerfungserklärung

Gläubigers, sich für seinen Anspruch im Wege der Leistungsklage einen Titel zu verschaffen. Dieser fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da ein vollstreckbarer Titel nicht mehr vorliegt.

258

Vgl. bereits oben 3. Kap. D. I. 4. a) aa) u. bb).

Viertes Kapitel

Fehlerquelle: Vollstreckungstitel A. Fälle der Unwirksamkeit des Titels Bei welchen Mängeln die vollstreckbare Urkunde als Vollstreckungstitel unwirksam ist, wurde bereits im vorhergehenden Kapitel dargestellt1. Es handelt sich dabei um Beurkundungsmängel2, Tatbestandsmängel3, Individualisierungsmängel4 sowie sonstige Mängel, bei deren Vorliegen auch ein Urteil nicht vollstreckt werden dürfte 5. Zu untersuchen ist im folgenden, inwieweit diese zur Titelunwirksamkeit fuhrenden Mängel im Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren von den dort zuständigen Organen zu beachten sind.

1

Siehe oben 3. Kap. A. III. insbes. 2. - 5.

2

Beurkundungsmängel entstehen bei einem Verstoß gegen zwingende Vorschriften des BeurkG; siehe oben 3. Kap. A. III. 2.

3

Tatbestandsmängel liegen vor, wenn es bereits an einem äußeren Tatbestand fehlt, der den Wesenserfordernissen einer vollstreckbaren Urkunde entspricht. U m keine Tatbestandsmängel aufzuweisen, muß die Urkunde dokumentiert, daß der Schuldner sie vor einer dafür zuständigen Stelle (insbesondere einem Notar) errichtet und dort eine ordnungsgemäße Unterwerfungserklärung abgegeben hat, welche sich auf einen Anspruch bezieht, der hinsichtlich Gegenstand und Umfang nicht zu unbestimmt, widersprüchlich oder auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist. Ferner darf sich aus der Urkunde selbst kein Hinweis auf einen Verstoß gegen zwingende Beurkundungsvorschriften ergeben (insbesondere darf nicht die gem. § 13 I 1 BeurkG erforderliche Unterschrift des Schuldners fehlen). Zum ganzen siehe oben 3. Kap. A. III. 3. 4

Individualisierungsmängel entstehen infolge nicht ausreichender Angabe von Identifikationsmerkmalen, die den vollstreckbar gestellten Anspruch von anderen unterscheiden; siehe oben 3. Kap. A. III. 3.

5

Solche Mängel liegen insbesondere vor, wenn die Parteien nicht existieren oder der Schuldner bzw. der prozessuale Anspruch nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterfallt; siehe oben 3. Kap. A. III. 5.

25 Schulihcis

386

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

B. Berücksichtigung der Unwirksamkeit des Titels im nachfolgenden Klausel- und Zwangsvollstreckungsverfahren I. Berücksichtigung im Klauselerteilungsverfahren Die Vollstreckungsklausel stellt die amtliche Bescheinigung der Vollstreckbarkeit des Titels dar6. Nach seiner gesetzgeberischen Konzeption dient das Klauselerteilungsverfahren dazu, das Vollstreckungsverfahren weiter zu entlasten, indem es den Vollstreckungsorganen einen leicht faßbaren Tatbestand für ihre weitere Tätigkeit an die Hand gibt, aus dem alle für die Vollstreckung maßgeblichen Umstände hervorgehen. So wie durch den Titel die Prüfung des materiellen Anspruchs abgenommen werden soll, soll durch die Vollstreckungsklausel die Prüfung erspart werden, ob der an die Stelle des materiellen Anspruchs getretene prozessuale Anspruch auch prozeßordnungsgemäß tituliert und vollstreckbar ist7. Dies läßt den Schluß zu, daß alle Fälle der Unwirksamkeit des Titels auch im Klauselerteilungsverfahren zu berücksichtigen sind, die Klausel also nur im Falle eines wirksamen und vollstreckbaren Titels erteilt werden darf®. Dennoch soll nach der Ansicht von Wolfsteiner* die Vollstreckungsklausel bereits dann erteilt werden, wenn der Titel nach äußerlichen Kriterien wirksam ist, die "innere" Wirksamkeit sei dagegen nicht Prüfungsgegenstand 10. Demnach hätten die Klauselerteilungsorgane den Titel nur auf Tatbestandsmängel11, allenfalls noch auf Individualisierungsmängel hin zu untersuchen, während Beurkundungsmängel und sonstige Mängel, bei deren Vorliegen auch ein Ur6

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. a) und Arens/Lüke, ZPR, Rdnr. 542; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 147, 241; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 29, 102; Bnins/Peters, ZVR, § 4 1 (S. 13), § 8 I vor 1 (S. 43); Jauernig, ZVR, § 4 I (S. 24); Stein/Jonas/Münzberg, vor § 704 Rdnr. 56, § 724 Rdnr. 1 und 5; Schlosser, Jura 1984, 88. 7

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. a) sowie Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 227 ff.

8

So auch die ganz h. M., siehe oben Fußn. 6 in diesem Abschnitt sowie BGHZ 15, 190 (191); BGHZ 22, 54 (56); BGH, NJW-RR 1987, 1149, wobei der BGH freilich davon ausgeht, daß auch die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung zur Titelunwirksamkeit führt. 9

MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 18 f, § 724 Rdnr. 27.

10

Daneben muß freilich auch nach Wolfsteiner das Klauselerteilungsorgan prüfen, ob der Titel noch in Kraft ist, d. h. nicht dessen Vollstreckbarkeit aufgrund einer Entscheidung i. S. d. § 775 Nr. 1 ZPO (oder durch einen Parteiakt, vgl. MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 156) aufgehoben wurde und ob der Eintritt der Umstände, von denen der Schuldner die Vollstreckung abhängig gemacht hat, i. S. d. § 726 ZPO nachgewiesen wurde. 11 Zum Begriff des Tatbestandsmangels siehe oben 3. Kap. A. III. 3.; vgl. auch 3. Kap. A. III. 5. Fußn. 90.

Β. Berücksichtigung der Unwirksamkeit des Titels

387

teil nicht vollstreckt werden dürfte und die die vollstreckbare Urkunde unwirksam machen, nicht zu berücksichtigen wären, soweit sie nicht aus der Urkunde selbst ersichtlich sind. Als Begründung führt er an, daß die Überprüfung aller anderen Unwirksamkeitsgründe eine umfangreiche Beweisaufnahme nötig mache, wozu sich das Klauselerteilungsverfahren so, wie es der Gesetzgeber ausgestaltet habe, nicht eigne12. Diese letzte Aussage ist sicherlich zutreffend. Sowohl im Klauselerteilungsverfahren wie auch in einem hierauf bezogenen Erinnerungsverfahren des Schuldners nach § 732 ZPO oder des Gläubigers nach § 54 BeurkG sind die zulässigen Beweismittel auf Urkunden beschränkt13. Ferner ließe sich für die Auffassung Wolfsteiners ins Feld fuhren, daß der Schuldner nur bei Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel gehört werden kann (§ 730 ZPO), bei Erteilung einer einfachen dagegen nicht gehört werden darf 44 (Umkehrschluß aus § 730 ZPO), weil das Gesetz den Gläubiger bei der rein deklaratorischen einfachen Vollstreckungsklausel nicht der Gefahr einer Zeitverzögerung und der damit verbundenen Gefahr einer Vollstreckungsvereitelung durch den Schuldner aussetzen will. Der Schuldner ist ja in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Möglichkeit einer Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) genügend geschützt - zumal bei der vollstreckbaren Urkunde noch die Wartefrist des § 798 ZPO beachtet werden muß, so daß der Schuldner vor Vollstreckungsbeginn die Klauselerinnerung einlegen kann. Darf aber der Schuldner vor Erteilung einer einfachen Vollstreckungsklausel nicht gehört werden, so werden im Regelfall im Klauselerteilungsverfahren andere Mängel als Tatbestands- und Individualisierungsmängel nicht ersichtlich sein. Dies allein darf jedoch nicht dazu fuhren, den Prüfungsumfang im Klauselerteilungsverfahren von vorneherein zu beschränken. Andernfalls würde die Vollstreckungsklausel ihre eigentliche Funktion, Zeugnis der Vollstreckbarkeit des Titels zu sein, verlieren. Unter Vollstreckbarkeit ist nämlich der Inbegriff aller Bedingungen zu verstehen, die dem Gläubiger die rechtliche Handhabe bieten, die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu betreiben15. Dies wiederum setzt einen tatsächlich wirksamen und nicht nur einen nach seinem äußeren Erscheinungsbild wirksamen Vollstreckungstitel voraus. Basis eines auch im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner rechtmäßigen

12

So sinngemäß MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 19.

13

Dies ist unstreitig, vgl. Münzberg, NJW 1992, 201 (204 m. Fußn. 29); ders., Rpfleger 1991, 161 (162); Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 12; Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (538). 14

Stein/Jonas/Münzberg, § 724 Rdnr. 8; Thomas/Putzo, § 730, Rdnr. 1; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 724 Rdnr. 24, § 730 Rdnr. 3 m. w. N. auch zur Gegenansicht in Fußn. 1. 15

25'

Vgl. Windel, ZZP 102 (1989), 175 (197).

388

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

Vollstreckungszugriffs kann nur ein wirksamer Titel sein und nicht bereits der Schein eines solchen. Doch spricht dies nicht allein gegen eine Beschränkung der Prüfung auf Tatbestandsmängel. Sie hätte auch zur Folge, daß das Klauselerteilungsorgan vor naheliegenden Unwirksamkeitsgründen der Urkunde die Augen verschließen müßte, nur weil es sich nicht um einen Tatbestandsmangel handelt. Solche Fälle werden zwar nur selten vorkommen, sind aber dennoch denkbar, so z. B. wenn der in der vollstreckbaren Urkunde genannte Gläubiger denselben Nachnamen trägt wie der beurkundende Notar. Das Klauselerteilungsorgan16 müßte hier, obgleich ein Unwirksamkeitsgrund nach § 6 I Nr. 2 oder 3 BeurkG naheliegt, die Klausel erteilen, denn tatbestandlich berührt dies nicht die Ordnungsgemäßheit der vollstreckbaren Urkunde, solange nicht aus der Urkunde selbst hervorgeht, daß es sich bei dem Gläubiger tatsächlich um den Ehegatten oder eine mit dem Notar in gerader Linie verwandte Person handelt. Sachgerechter erschiene es hier, daß die Klauselerteilung abgelehnt wird, sofern nicht der Gläubiger seine fehlende verwandtschaftliche Beziehimg zum Notar (etwa durch einen Auszug aus dem Personenstandsregister) nachweist. Das Klauselerteilungsorgan kann und darf schon allein wegen der Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden17 und dem auch im Klauselerteilungsverfahren geltenden Beibringungsgrundsatz zwar keine (inquisitorische) Untersuchung durchfuhren, muß aber bei Zweifeln an der Wirksamkeit die Möglichkeit haben, die Klauselerteilung abzulehnen, wenn der Gläubiger nicht durch weitere Nachweise18 die Zweifel ausräumen kann19. Entscheidend gegen eine solche Begrenzung des Prüfungsumfanges spricht aber, daß hiermit auch dem Schuldner die Möglichkeit genommen wird, in einem Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO solche Unwirksamkeits16

Zuständig ist zwar im Regelfall, nicht aber immer, der Notar, der auch die vollstreckbare Urkunde aufgenommen hat, siehe oben 2. Kap. B. I. 1. b). 17

Siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. a).

18

Dabei müssen die (urkundlichen) Nachweise nicht notwendig in der Form von öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden erfolgen, da diese Nachweismittel nur bei Vollstreckbarkeitsbedingungen i. S. d. § 726 I ZPO und in den Fällen der §§ 727 f f ZPO vorgeschrieben sind; vgl. Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 242. Soll also z. B. eine vollstreckbare Ausfertigung einer Jugendamtsurkunde erteilt werden, hat aber der nach § 60 I 3 Nr. 1 SGB V I I I zuständige Beamte oder Angestellte, der die Urkunde nicht selbst aufgenommen hat, Zweifel an deren Wirksamkeit, weil die erforderliche Verlesung gem. §§ 13 I 1, 1 I I BeurkG entgegen §§ 13 I 2, 1 I I BeurkG nicht dokumentiert ist, so genügt die (einfache) schriftliche Äußerung des bei der Urkundenaufnahme gegenwärtigen Beamten oder Angestellten des Jugendamtes als für das urkundliche Klauselerteilungsverfahren ausreichender Nachweis fur die Einhaltung der §§ 13 I 1, 1 I I BeurkG aus. Eine solche Erklärung auch noch in der Form einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde zu verlangen, erscheint unnötig. 19

Vgl. ähnlich auch Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 241, 242.

Β. Berücksichtigung der Unwirksamkeit des Titels

389

mängel geltend zu machen, die nicht aus der Urkunde selbst hervorgehen20. Zwar sind hier ebenfalls die Beweismittel auf Urkunden beschränkt21. Möglicherweise kann aber der Schuldner auch bei Beschränkung auf diese Beweismittel den Nachweis der Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde fuhren 22 oder zumindest den Beweiswert der vom Gläubiger vorgelegten Urkunden so erschüttern 23, daß diese für eine Klauselerteilung nicht mehr ausreichen24. Letzteres hat zur Folge, daß der Schuldner ebenfalls mit seiner Erinnerung obsiegt, da eine Klausel nicht hätte erteilt werden dürfen. Die Schwierigkeit fur den Schuldner, die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde mittels Urkunden zu beweisen, darf nicht dazu führen, daß ihm diese Möglichkeit vollständig genommen wird, indem man die Wirksamkeitsprüfung des Titels im Klauselerteilungs- und damit auch im Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO auf Tatbestands- und Individualisierungsmängel beschränkt. Dies würde dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, das ja nur vom Klauselerteilungs- in das Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO verlagert wurde, nicht gerecht werden. Gehört werden muß nämlich der Schuldner mit seinem Einwand, der Titel sei unwirksam, (spätestens im Erinnerungsverfahren) immer. Ob er die Überzeugung von der Wirksamkeit des Titels auch mit den auf den Urkundenbeweis beschränkten Möglichkeiten des Erinnerungsverfahrens erschüttern kann, ist eine zweite, hiervon zu unterscheidende Frage und betrifft nicht den Gegenstand der Prüfung sondern nur deren Mittel25. Schließlich würde eine Beschränkung der Prüfung auf Tatbestands- und Individualisierungsmängel dazu fuhren, daß die einfache Vollstreckungsklausel fast vollständig ihre Bedeutung verlieren würde, denn - wie im folgenden zu zeigen sein wird - müssen auch die Vollstreckungsorgane beim Vorliegen von Tatbestandsmängeln die Vollstreckung ablehnen, so daß sich der Prüfungsumfang im Klauselerteilungsverfahren nur durch die Prüfung der Individualisierungsmängel von der 20

Diese Konsequenz sieht auch Wolfsteiner, MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 19.

21

Siehe oben 2. Kap. C. I. 1. c) bb).

22

Zu denken ist etwa daran, daß der Schuldner die verwandtschaftliche Beziehung i. S. d. § 6 I Nr. 3 BeurkG des nicht mit dem Notar namensgleichen Gläubigers durch Auszüge aus dem Personenstandsregister nachweist. (Für diesen Zweck wird auch ein rechtliches Interesse i. S. d. § 60 I 3 PStG angenommen werden müssen.)

23

Dazu, daß der Schuldner auch im Falle eines ordnungsgemäßen Nachweises des Gläubigers in gleicher Form Gegenbeweis erbringen kann, um so den Beweiswert der Urkunden zu erschüttern, vgl. Münzberg, Rpfleger 1991, 161 (163); Stein/Jonas/Münzberg, § 727 Rdnr. 37; Schuschke, § 732 Rdnr. 7.

24

Aufgrund des Beibringungsgrundsatzes gehen im Klauselerteilungsverfahren Zweifel zu Lasten des Antragstellers (= Gläubigers); vgl. bereits oben 2. Kap. C. I. 1. c) bb) mit Fußn. 317.

25

Allgemein dazu, daß der Schuldner im Rahmen des § 732 ZPO den "Gegenbeweis" fur das Vorliegen der Klauselerteilungsvoraussetzungen antreten kann, vgl. Schuschke, § 732 Rdnr. 7 und oben Fußn. 23 in diesem Abschnitt.

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

390

im Vollstreckungsverfahren unterscheiden würde. Im Klauselerteilungsverfahren erstreckt sich deshalb der Prüfungsumfang auf alle Wirksamkeitsmängel des Titels - nur die Beweismittel sind auf Urkundenbeweise beschränkt.

II. Berücksichtigung im Zwangsvollstreckungsverfahren Aufgabe der Vollstreckungsklausel ist es, den Vollstreckungsorganen eine Prüfung hinsichtlich der Vollstreckbarkeit und Wirksamkeit des Titels abzunehmen. Die Eliminierung dieser Prüfung aus dem Vollstreckungsverfahren und ihre Verlagerung ins Klauselerteilungsverfahren - die ja auch dazu dient, eine einheitliche Beurteilung von Rechts- und Tatsachenfragen durch eine zentrale, ausschließlich zuständige Instanz zu gewährleisten26 - spricht dafür, den Vollstreckungsorganen jegliche Prüfung hinsichtlich der Wirksamkeit des Titels zu versagen. Grundlage ihrer Tätigkeit ist ja nicht der Titel selbst, sondern nur die vollstreckbare Ausfertigung; nur diese haben sie in Händen. Untersuchen müssen die Vollstreckungsorgane aber, ob die vollstreckbare Ausfertigung nach "Form und Inhalt" zur Zwangsvollstreckung geeignet ist27. Zwar können sie nicht prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Vollstreckungsklausel vorgelegen haben oder ob die Klauselerteilungsorgane die Klausel hätten verweigern müssen28. Aus diesem Grunde kann nicht jede Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels im Vollstreckungsverfahren Berücksichtigung finden. Die Unwirksamkeit ist jedoch zu beachten, wenn und soweit sie auf Form und Inhalt der vollstreckbaren Ausfertigung "durchschlägt". Da die Vollstreckungsorgane wissen müssen, was, in welchem Umfang sowie fur und gegen wen sie zu vollstrecken haben - ergibt sich bereits aus der Natur der Sache, daß die Unbestimmtheit des Leistungsumfanges 29, die 26

Siehe oben 1. Kap. A.

27

Vgl. statt vieler BGH, NJW 1992, 2160 (2161) m. w. N. Keine Besonderheiten treten bei der vollstreckbaren Urkunde hinsichtlich der Überprüfung der allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Klausel auf (Unterschrift, Siegel, grundsätzliche - nicht aber die konkrete - Zuständigkeit zur Erteilung der Klausel usw.), weswegen hier nicht näher darauf eingegangen wird. Vgl. insoweit die Aufzählung bei Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 50.2 ff. 28

Statt aller OLG Frankfurt, JurBüro 1976, 1122; Jauernig, ZVR, § 4 I (S. 24); Schuschke, Vorbemerkung §§ 724 - 734 Rdnr. 1; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 50. 1.

29

Insoweit wird allgemein angenommen, daß dem Schuldner bei einer dennoch durchgeführten Zwangsvollstreckung die Vollstreckungserinnerung zusteht (vgl. statt aller: OLG Düsseldorf, Rpfleger 1977, 67; OLG Hamm, OLGZ 1988, 227 (227 f); OLG Düsseldorf, OLGZ 1988, 106 (110); Stein/Jonas/Münzberg, § 766 Rdnr. 13; MünchKommZPO/Schmidt, § 766 Rdnr. 30; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I 2 h (S. 135); Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 732). Dementsprechend müssen auch die Vollstreckungsorgane die Möglichkeit haben, diese Umstände zu berücksichtigen und einen Vollstreckungsantrag zurückzuweisen; siehe oben 1. Kap. B. III. 2. c).

Β. Berücksichtigung der Unwirksamkeit des Titels

391

Widersprüchlichkeit des titulierten Anspruchs, die Nichtexistenz oder ungenaue Bezeichnung von Schuldner und Gläubiger sowie die tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Leistung30 im Vollstreckungsverfahren beachtliche Mängel des Titels sind. Doch nicht nur auf diese Mängel ist die Prüfung der Titelwirksamkeit durch die Vollstreckungsorgane beschränkt. Auch alle anderen Tatbestandsmängel31 der vollstreckbaren Urkunde müssen im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden. Dem steht die Erteilung einer Vollstreckungsklausel nicht entgegen. Diese hat lediglich die Funktion, Zweifel an der Wirksamkeit des Vollstreckungstitels zu beseitigen, kann aber die offensichtlichen und unmittelbar aus der Urkunde hervorgehenden "TatbestandsmängelM des Titels soweit sie aus der vollstreckbaren Ausfertigimg ebenfalls ersichtlich sind nicht überspielen. Fehlt es nämlich bereits am Tatbestand einer vollstreckbaren Urkunde, so geht es nicht mehr um die Beseitigung von Zweifeln an der Titelwirksamkeit durch die Klausel; Zweifel können nicht aufkommen, da bereits der Tatbestand der Wirksamkeit widerspricht. Wo aber bereits tatbestandlich kein Titel vorliegt, können auch die Klauselerteilungsorgane durch die Klausel nicht einen solchen schaffen. Es fehlt dann eben an einer hinreichenden Formalisierungsgrundlage für den Vollstreckungszugriff. Eine zu Unrecht erteilte vollstreckbare Ausfertigung kann daher nur Beurkundungs- und Individualisierungsmängel sowie sonstige Mängel, bei deren Vorliegen auch ein Urteil nicht vollstreckt werden dürfte, überspielen, nicht aber Tatbestandsmängel32. Somit dürfen die Vollstreckungsorgane nur vollstrecken, wenn die Urkunde dokumentiert, daß der Schuldner sie in einem äußerlich ordnungsgemäßen Verfahren, vor einer dafür grundsätzlich33 zuständigen Stelle (insbesondere einem Notar) errichtet und dort eine äußerlich ordnungsgemäße Unterwerfungserklärung abgegeben hat34, welche sich auf einen Anspruch bezieht, der hinsichtlich Gegenstand und Unterwerfung nicht zu unbestimmt, widersprüchlich oder auf eine unmögliche oder der Vollstreckungsunterwerfung schlechthin unzugängliche Leistung gerichtet ist35. 30

Ebenso Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 251; Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 49.7 f f 31

Siehe hierzu oben 3. Kap. A. III. 3.

32

Ähnlich Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 250 ff, dessen Vergleich mit Nichttiteln und wirkungslosen Titeln freilich aus den oben genannten Gründen abzulehnen ist; siehe oben 3. Kap. A III. l . b ) .

33

Die konkrete Zuständigkeit ist dagegen unbeachtlich. Es genügt die generelle Zuständigkeit zur Errichtung vollstreckbarer Urkunden.

34

Dies beinhaltet auch, daß keine Verstöße gegen zwingende Vorschriften des Beurkundungsgesetzes aus der vollstreckbaren Urkunde bzw. deren Ausfertigung ersichtlich sind.

35

Im Ergebnis ebenso Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 49.3 ff; Münch, Vollstreckbare

392

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

Soweit darüber hinaus die Vollstreckungsorgane die Zwangsvollstreckung z. B. wegen Fehlens der deutschen Gerichtsbarkeit oder fehlender Existenz der Parteien ablehnen müssen, folgt dies nicht aus der Unwirksamkeit des Titels, sondern aus dem Fehlen allgemeiner Prozeßvoraussetzungen, die Voraussetzung eines jeden Vollstreckungszugriffs sind. Daher bezieht sich die Prüfung dieser Voraussetzungen auch nur auf den Zeitpunkt der Vornahme der Vollstreckungshandlung und nicht auf den Zeitpunkt der Errichtung des Titels. Hinsichtlich der Prüfung der Titelwirksamkeit bleiben somit die Vollstrekkungsorgane auf Tatbestandsmängel beschränkt.

C. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe Mit der Feststellung, inwieweit die Klauselerteilungs- und Zwangsvollstreckungsorgane die Titelunwirksamkeit zu beachten haben, ist zugleich auch festgelegt, inwieweit verfahrensinterne Rechtsbehelfe wegen dieses Mangels zum Erfolg führen können36. Demnach gilt folgendes:

I. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe gegen die Ablehnung der Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung bei Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde Ist der Vollstreckungstitel unwirksam, so muß - gleichgültig, ob es sich um einen Tatbestandsmangel oder einen sonstigen zur Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde führenden Fehler handelt - die Klauselerteilung abgelehnt werden37. Somit kann der Gläubiger mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen gegen die Ablehnung der Klauselerteilung38 keinen Erfolg haben39. Hat dagegen das Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung mit der Begründung abgelehnt, die vollstreckbare Urkunde sei unwirksam, so fuhren Urkunde, S. 250 ff; ähnlich auch z. B. Stein/Jonas/Münzberg, § 766 Rdnr. 13, § 724 Rdnr. 2, der "in offensichtlichen Fällen" die Titelunwirksamkeit im Vollstreckungsverfahren fur berücksichtigungsfahig erachtet. 36

Der Prüfungsumfang der verfahrensinternen Rechtsbehelfe ist kongruent mit dem des zu überprüfenden Verfahrensabschnitts, siehe oben 1. Kap. B. III. 2. c).

37

Siehe oben 4. Kap. Β. I.

38

Beschwerde nach §§ 54 BeurkG, 20 ff FGG, der ggf. noch die "Durchgriffserinnerung" nach § 11 RPflG (bei Zuständigkeit des Rechtspflegers) oder die Erinnerung § 576 I ZPO (bei Zuständigkeit des Urkundsbeamten) vorgeschaltet sind, vgl. bereits oben 2. Kap. C. II. 1. a).

39

Überprüft werden kann dagegen selbstverständlich, ob das zuständige Organ aufgrund der im Klauselerteilungs- bzw. Rechtsbehelfsverfahren vorgelegten Urkunden zu Recht von der Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde ausgegangen ist.

. Verfahrensterne Rechtsbehelfe

393

die verfahrensinternen Rechtsbehelfe des Gläubigers40 hiergegen zum Erfolg, sofern nicht ein aus der vollstreckbaren Urkunde ersichtlicher Tatbestandsmangel vorliegt. Letzteren nämlich haben die Vollstreckungsorgane zu beachten, so daß dann auch dem Rechtsbehelf des Gläubigers der Erfolg versagt werden muß.

II. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Schuldners gegen die Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung bei Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde 1. Prüfungsumfang im Rahmen der verfahrensinternen Rechtsbehelfe hinsichtlich der Titelunwirksamkeit

Ist die vollstreckbare Urkunde unwirksam, so kann sich der Schuldner immer mit der Klauselerinnerung hiergegen wehren41, da alle Unwirksamkeitsgründe im Klauselerteilungsverfahren beachtlich sind. Kann er die Titelunwirksamkeit nachweisen oder - was wegen der Beweislast des Gläubigers für die Voraussetzungen der Klauselerteilung und des auch im Klauselerteilungsverfahrens geltenden Beibringungsgrundsatzes ausreichend ist - zumindest die Überzeugung von der Titelwirksamkeit erschüttern42, so hat er mit seiner Klauselerinnerung Erfolg. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Beweismittel im Rahmen des Erinnerungsverfahrens sich auf Urkunden beschränken43. Ist nach dem Beweiswert der Urkunden von der Titelwirksamkeit auszugehen, obsiegt der Gläubiger. Ob dies auch der wahren Rechts- und Tatsachenlage entspricht, gehört nur bedingt zum Gegenstand dieser Verfahrensart. Bei vollem Rückgriff auf die Wahrheit müßte von vornherein nämlich auch die Zeugenvernehmung zugelassen werden44. Hierzu eignet sich aber das nicht kontradiktorisch ausgestaltete45 Erinnerungsverfahren nicht46, zumal 40

Lehnt der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung ab, so ist § 766 I I ZPO der richtige Rechtsbehelf, bei Ablehnung durch das Vollstreckungsgericht dagegen § 793 ZPO und bei Ablehnung durch das Grundbuchamt § 71 I GBO, wobei den Beschwerden nach §§ 793 ZPO, 71 I GBO regelmäßig die Rechtspflegererinnerung nach § 11 RPflG (als Durchgriffserinnerung, § 11 I I 5 RPflG) vorgeschaltet ist, da dieser wegen §§ 3 Nr. 3 a, 3 Nr. 1 h, 20 Nr. 17 RPflG in den meisten Fällen gehandelt hat (siehe oben 2. Kap. C. II. 2.).

41

Zum Vorrang der Klauselerinnerung vor den Erinnerungen nach §§ 576 I ZPO, 11 RPflG siehe oben 2. Kap. C. I. L a ) .

42

Siehe oben 2. Kap. C. I. 1. c) bb) mit Fußn. 316.

43

H. M.; vgl. Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (538); Münzberg, NJW 1992, 201 (204); ders., Rpfleger 1991, 161 (162); Zöller/Stöber, § 732 Rdnr. 12.

44

Vgl. Münzberg, NJW 1992, 201 (204).

45

Vgl. hierzu auch Windel, ZZP 102 (1989), 175 (214).

394

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

dann im Gegenzug - wegen der Kongruenz des Prüfungsumfangs, der insoweit auch eine Kongruenz der zugelassenen Beweismittel erfordert - vor dem Klauselerteilungsorgan der Zeugenbeweis ebenfalls zugelassen werden müßte. Wie ein solches Verfahren aber aussehen sollte, ist gänzlich ungeklärt, würde der gesetzlichen Systematik widersprechen und der Formalisierung des Klauselverfahrens zuwiderlaufen 47. Neben der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO kann bei Unwirksamkeit des Titels der Schuldner mit Erfolg auch die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO einlegen48, soweit es sich um einen Tatbestandsmangel handelt, denn ein solcher ist auch von den Vollstreckungsorganen zu beachten49. In anderen Fällen der Titelunwirksamkeit führt dagegen die Erinnerung nach § 766 I ZPO nicht zum Erfolg, da solche auch für die Vollstreckungsorgane unbeachtlich sind.

2. Verhältnis der verfahrensinternen Rechtsbehelfe zueinander

Zu untersuchen ist im folgenden das Verhältnis der beiden Rechtsbehelfe zueinander, denn beide können miteinander in Konkurrenz treten, wenn der Titel wegen eines Tatbestandsmangels unwirksam ist50. Insoweit bleibt zu klären, ob Klausel- und Vollstreckungserinnerung nur alternativ oder auch kumulativ eingelegt werden können und ob mit der Entscheidung über den einen Rechtsbehelf auch die über den anderen Rechtsbehelf präjudiziell wird. 46

Münzberg, NJW 1992, 201 (204).

47

Vgl. Olzen, DNotZ 1993, 211, (217 f); Wolfsteiner, DNotZ 1990, 531 (538); ders., in: MünchKommZPO, § 797 Rdnr. 32.

48

Entsprechendes gilt für die anderen auf das Vollstreckungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfe (§§ 793 ZPO, 1 1 1 2 RPflG, 71 I I 2 GBO), soweit diese statt der Vollstrekkungserinnerung nach § 766 I ZPO anzuwenden sind (vgl. zu Anwendungsbereich und Abgrenzung dieser Rechtsbehelfe voneinander oben 2. Kap. C. I. 2.). Für sie gelten die folgenden Ausfuhrungen sinngemäß. Hinsichtlich der beschränkten Grundbuchbeschwerde ist jedoch zu beachten, daß diese erst nach Erlaß einer Entscheidung über die weitere Beschwerde bzw. bei einem beiderseitigen Rechtsmittelverzicht rechtskräftig wird. 49

Siehe oben 4. Kap. B. II. Dafür, daß bei einer Vollstreckung bei Unbestimmtheit des Vollstrekkungstitels hinsichtlich Gegenstand und Umfang des titulierten Anspruchs die Vollstreckungserinnerung nach § 766 I ZPO zum Erfolg führt, auch die h. M. Vgl. etwa OLG Düsseldorf, Rpfleger 1977, 67; OLG Hamm, OLGZ 1988, 227 (227 f); OLG Düsseldorf, OLGZ 1988, 106 (110); Stein/Jonas/Münzberg, §766 Rdnr. 13; MünchKommZPO/Schmidt, § 766 Rdnr. 30; Rosenberg/ Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I 2 h (S. 135); Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 732.

so Dafür, daß bei Unbestimmtheit des Vollstreckungstitels sowohl die Vollstreckungserinnerung (§ 766 I ZPO) als auch die Klauselerinnening (§ 732 I ZPO) eingelegt werden können, ausdrücklich OLG Düsseldorf, OLGZ 1988, 106 (110), ohne allerdings das Verhältnis der beiden Rechtsbehelfe zueinander zu klären.

. Verfahrensterne Rechtsbehelfe

395

Hierzu bietet sich ein Vergleich mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung51 an. Zwar betrifft dieser in seinem eigentlichen Anwendungsbereich die Fälle, in denen das Gericht eine ihrer Art nach falsche 52 oder zweifelhafte Entscheidung53 erläßt. Deshalb ist der Meistbegünstigungsgrundsatz hier auch nicht unmittelbar anwendbar, denn eine Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung trotz einer auf einem Tatbestandsmangel beruhenden Titelunwirksamkeit ist nicht in ihrer "Art" bzw. "Form" fehlerhaft. Jedoch greift die beim Meistbegünstigungsgrundsatz herangezogene Begründung, daß Fehler des Gerichts (oder hier: der Klauselerteilungs- und Vollstreckungsorgane) nicht zu Lasten der Parteien gehen dürfen, auch hier ein, wenngleich in modifizierter Form. Daß nicht nur die Klauselerteilungsorgane, sonderen auch die Vollstreckungsorgane fehlerhaft handelten, indem sie dem Antrag des Gläubigers trotz Tatbestandsmangels des Titels stattgaben, darf nicht die Rechtsbehelfe des Schuldners einschränken, sondern muß die Möglichkeit eines zusätzlichen Rechtsbehelfs (hier insbesondere die der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO) eröffnen. Allerdings ist im eigentlichen Anwendungsbereich des Meistbegünstigungsgrundsatzes unklar, ob die möglichen Rechtsbehelfe nur alternativ 54 oder (zumindest zunächst) auch kumulativ55 eingelegt werden können. Vermittelnd ließe sich auch die Auffassung vertreten, daß die Wahl zwischen den beiden Rechtsbehelfen nicht endgültig ist und der später eingelegt zweite Rechtsbehelf zulässig ist, sobald der erste zurückgenommen wird 56. Wie das Problem im eigentlichen Anwendungsbereich des Meistbegünstigungsgrundsatzes zu lösen ist, mag hier offenbleiben. Jedenfalls für das vorliegende Problem einer Konkurrenz der Erinnerungen nach § 766 I ZPO und § 732 I ZPO bietet sich eine Lösung über das Rechtsschutzbedürfnis an. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine kumulative Einlegung nicht dazu führen darf, daß beide Rechtsbehelfe bis zu einer Entscheidung in der Sache getrieben werden. Da für die Klauselerinnerung §§ 732, 797 III ZPO, für die Vollstreckungserinnerung aber §§ 766 I 1, 764 II ZPO gelten und somit unter51

Vgl. hierzu allgemein BGHZ 73, 87 (89); BGHZ 98, 362 (364 f); BGH, NJW 1988, 49 (51); BGH, FamRZ 1991, 549; Thomas/Putzo, Vorbem. § 511 Rdnr. 6 ff; Stein/Jonas/Grunsky, allg. Einl. 26 vor §511 Rdnr. 26; Baumbach/Lauterbach/Albers, Grundz. § 511 Rdnr. 28; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 135 I I 2, 3 (S. 806 f); Jauernig, ZPR, § 72 IX (S. 263); Becht, JuS 1990, 829 (832); Wieczorek, § 511 Anm. C I I I 1. 52

Das ist etwa der Fall, wenn das Gericht statt eines Urteils einen Beschluß erläßt.

53

Eine zweifelhafte Entscheidung liegt etwa vor, wenn unklar ist, ob es sich bei dem erlassenen Urteil um ein streitiges oder um ein Versäumnisurteil handelt. 54

Dafür wohl Thomas/Putzo, Vorbem. § 511 Rdnr. 8, 9; Baumbach/Lauterbach/Albers, Grundz. § 511, Rdnr. 28. 55

Dafür Wieczorek, § 511 Anm. C III i; Zeiss, ZPR, Rdnr. 661 ; offenbar auch BGHZ 73, 87 (89).

56

Stein/Jonas/Grunsky, allg. Einl. vor § 511 Rdnr. 26.

396

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

schiedliche Gerichte zuständig sind, hätte dies die Gefahr der Entscheidungsdivergenz zur Folge. Der Meistbegünstigungsgrundsatz soll nur die Anfechtung erleichtern, nicht aber die Zahl der Rechtsbehelfszüge vermehren57. Entsprechendes muß auch hier gelten. Demnach erscheint es sachgerecht, daß der Schuldner im Falle eines Tatbestandsmangels des Titels zwar kumulativ sowohl die Erinnerung nach § 766 ZPO als auch die nach § 732 ZPO einlegen kann, denn mit beiden Rechtsbehelfen kann dieser Unwirksamkeitsgrund geltend gemacht werden. Für die wegen eines Tatbestandsmangels des Titels eingelegte Vollstreckungserinnerung entfällt aber das Rechtsschutzbedürfnis, sobald das Gericht über die Klauselerinnerung entschieden oder deren Zulässigkeit erkennbar bejaht hat: § 732 ZPO ist zwar nicht der einfachere Rechtsbehelf von beiden, wohl aber - was den Prüfungsumfang hinsichtlich der Titel(un)wirksamkeit58 und die Entscheidungswirkungen59 betrifft - der umfassendere, denn mit der Klauselerinnerung können sämtliche Umstände geltend gemacht werden, die zur Unwirksamkeit des Titels führen, nicht nur (wie mit der Vollstreckungserinnerung) Tatbestandsmängel. Ist somit geklärt, daß die Vollstreckungserinnerung unzulässig ist bzw. wird, wenn zuvor über eine Klauselerinnerung entschieden wurde oder während der Anhängigkeit der Vollstreckungserinnerung die Klauselerinnerung eingelegt und vom Gericht für zulässig erachtet wird, so bleibt noch die Fallkonstellation zu untersuchen, daß der Schuldner im Wege der Erinnerung nach § 766 I ZPO bereits eine gerichtliche Entscheidung über die (Un-)Zulässigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme wegen der auf einem Tatbestandsmangel beruhenden Titelunwirksamkeit herbeigeführt hat und zeitlich später den Rechtsbehelf nach § 732 ZPO einlegt. Insoweit ist zu beachten, daß die Entscheidung über die Vollstreckungserinnerung nach § 766 I ZPO mit Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist (§§ 793 I, 577 II ZPO) nicht nur formell rechtskräftig wird, sondern auch materielle Rechtskraft entfaltet 60. Zwar steht einer später erhobenen Klauselerinnerung nicht die Rechtskraft der Vollstreckungserinnerungsentscheidung entgegen, denn es werden mit beiden Verfahren unterschiedliche Ziele verfolgt: bei der Vollstreckungserinnerung geht es um die formellen Voraussetzungen und die eigentliche Durchführung der Zwangsvollstreckung, bei der Klauselerinnerung dagegen um die formellen 61 Voraus57

Stein/Jonas/Gninsky, allg. Einl. vor § 511 Rdnr. 26.

58

Siehe oben 4. Kap. C. II. 1.

59

Bei der Vollstreckungserinnerung wird nur die konkrete Vollstreckungsmaßnahme fur unzulässig erklärt, bei der Klauselerinnerung dagegen (umfassender) die Zwangsvollstreckung aus der konkreten vollstreckbaren Ausfertigung. 60

Siehe oben 2. Kap. C. III. 3.

61

Vgl. hierzu oben 2. Kap. C. I. 1. c) bb).

. Verfahrensterne Rechtsbehelfe

397

Setzungen der Klauselerteilung. Wurde jedoch im Rahmen der Vollstrekkungserinnerung über die Rüge des Schuldners, die vollstreckbare Urkunde sei wegen eines Tatbestandsmangels unwirksam, materiell rechtskräftig entschieden, so präjudiziell das insoweit eine später erhobene Klauselerinnerung nach § 732 ZPO: Mit der Rechtskraft der Vollstreckungserinnerungsentscheidung steht nämlich fest, daß die (genau bezeichnete) Vollstreckungsmaßnahme unzulässig ist. Die objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft ergeben sich wie sonst auch - aus den Gründen der Erinnerungs- bzw. Beschwerdeentscheidung62. Wurde daher eine wegen eines Tatbestandsmangels eingelegte Vollstreckungserinnerung zurückgewiesen, so steht rechtskräftig fest, daß die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung hinsichtlich der konkreten Vollstreckungsmaßnahme nicht an einem Tatbestandsmangel scheitert; im umgekehrten Fall einer stattgebenden Entscheidung steht fest, daß die Zwangsvollstreckung im Hinblick auf die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme wegen des Tatbestandsmangels unzulässig ist63. Da die Frage der Zulässigkeit der Vollstrekkung wegen des behaupteten Tatbestandsmangels eine Vorfrage für die Entscheidung über die Klauselerinnerung darstellt und der Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Tatbestandsmangels in den Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO und § 766 ZPO gleich ist, vermag die rechtskräftige Entscheidung über eine Vollstreckungserinnerung, die wegen eines Tatbestandsmangels erhoben wurde, Präjudizwirkung für eine Klauselerinnerungsentscheidung zu entfalten. Divergierende Entscheidungen hinsichtlich dieses Punktes werden damit vermieden64.

62

Siehe oben 2. Kap. C. III. 3. Fußn. 505.

63

Siehe auch unten 4. Kap. E. Fußn. 228.

64

Eher theoretischer Natur ist die Fallkonstellation, daß noch während der laufenden Rechtsmittelfrist für die sofortige Beschwerde gegen die Vollstreckungserinnerungsentscheidung die Klauselerinnerung eingelegt und hierüber entschieden wird, bevor die Entscheidung über die Erinnerung nach § 766 ZPO rechtskräftig wird. Hatten beide Erinnerungsverfahren die Unwirksamkeit des Titels wegen eines Tatbestandsmangels zum Gegenstand und gelangten die jeweils zuständigen Gerichte zu unterschiedlichen Ergebnissen, so löst sich dieser Konflikt über die gegen die jeweiligen Erinnerungsentscheidungen zulässigen Rechtsmittel. Hieraus folgt: Vor Ablauf der Rechtsmittelfrist gem. §§ 793 I, 577 II ZPO kann noch gegen die Vollstreckungserinnerungsentscheidung erfolgreich die sofortige Beschwerde (ggf. die sofortige weitere Beschwerde, vgl. § 793 I I ZPO) eingelegt werden, denn die Erinnerung nach § 766 ZPO wurde mit Entscheidung über die Klauselerinnerung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (s. o.). Ist dagegen die Entscheidung über die Vollstreckungserinnerung rechtskräftig geworden, so kann gegen die Klauselerinnerungsentscheidung (einfache) Beschwerde (§ 567 ZPO) eingelegt werden. Vom Beschwerdegericht ist dann hinsichtlich der Frage der Titelunwirksamkeit wegen eines Tatbestandsmangels die materielle Rechtskraft der Vollstreckungserinnerungsentscheidung zu beachten.

398

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe bei Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde I. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Schuldners bei Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde 1. Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO

Zunächst soll auch hier wieder untersucht werden, ob die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde nicht mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden kann. Die Ansichten65 gehen dabei weit auseinander: Während bislang überwiegend angenommen wurde, bei Unwirksamkeit des Titels sei die Vollstreckungsgegenklage unzulässig, wird von Teilen der Literatur schon seit längerem der Gegenstandpunkt vertreten. Hierbei ist jedoch wiederum streitig, ob im Rahmen der Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage neben der materiellrechtlichen Prüfung des Anspruchs auch die Titelunwirksamkeit zu berücksichtigen ist, ob die Vollstreckungsgegenklage auch dann begründet ist, wenn nur die Titelunwirksamkeit festgestellt wird und schließlich, ob nicht sogar die Vollstreckungsgegenklage allein wegen Unwirksamkeit des Titels erhoben werden kann. Anlaß zur Erörterung diese Problems waren in der Vergangenheit zwar meist die Fälle des sogenannten "Doppelmangels", Fälle also, in denen sowohl der Titel unwirksam war, als auch der titulierte Anspruch nicht bestand66. Dieselben Argumente, die dort vorgebracht werden, können aber ebenfalls eingreifen, wenn es um die isolierte Geltendmachung der Titelunwirksamkeit im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage geht und sind daher auch hier näher zu untersuchen.

a) Wirksamkeit des Vollstreckungstitels als Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsgegenklage aa) Auffassung der bislang h. M. Nach bislang h. M. ist die Vollstreckungsgegenklage nur zulässig, wenn ein wirksamer Vollstreckungstitel vorliegt 67. Einwendungen gegen die Titel65 Bei den folgenden Stellungnahmen der Rechtsprechung und Literatur zu diesem Problem ist zu beachten, daß entgegen der hier vertretenen Ansicht die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung mit der Titelunwirksamkeit gleichgesetzt wird. 66

Da nach überwiegender Ansicht die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auch zur Titelunwirksamkeit fuhrt, kranken in diesen Fällen häufig Titelunwirksamkeit und materiellrechtlicher Anspruch an demselben Fehler, z. B. der fehlenden Geschäftsfähigkeit des Schuldners, demselben Verstoß gegen das AGBG (siehe hierzu oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4)) usw.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

399

Wirksamkeit gehörten ausschließlich in das Klauselerinnerungsverfahren nach § 732 ZPO. Überwiegend begründet wird diese Auffassung zum einen mit dem Ziel der Vollstreckungsgegenklage, die (zutreffend) als Gestaltungsklage aufgefaßt wird: Da sie die einem materiellrechtlichen Anspruch gewährte Vollstrekkungsfähigkeit beseitigen solle, müsse auch ein wirksamer Vollstreckungstitel vorhanden sein68. Einem unwirksamen Vollstreckungstitel fehle dagegen von vorneherein die Vollstreckbarkeit und damit die Vollstreckungsfähigkeit, so daß sie auch nicht mit der Vollstreckungsgegenklage beseitigt werden könne. Darüber hinaus mangele es auch am Rechtsschutzbedürfnis 69 für eine Vollstreckungsgegenklage, denn bei Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels könne der Schuldner immer unabhängig von seinen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch mit Erfolg den einfacheren Rechtsbehelf der Klauselerinnerung nach § 732 I ZPO einlegen. Schließlich ergebe sich auch aus der gesetzlichen Systematik, daß ein Vorgehen nach § 767 ZPO ausgeschlossen sei, soweit Erinnerungen nach § 732 ZPO zulässig seien: Hätte der Gesetzgeber 67

Die frühere Rechtsprechung betraf dabei Fälle, in denen die Titelwirksamkeit (als Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsgegenklage) in formeller Hinsicht fraglich erschien, also Fälle in denen es um Tatbestandsmängel des Titels (siehe hierzu oben 3. Kap. A. III. 3.) ging. Vgl. hinsichtlich der Prüfung, ob der Titel genügend bestimmt war: RGZ 132, 6 (8); BGHZ 22, 54 (56 f); BGH, W M 1958, 1194 (1195) (Unbestimmtheit hinsichtlich des Titelgläubigers); BGH, W M 1971, 165 (166); OLG Dusseldorf, OLGZ 1978, 248 (249); OLG Düsseldorf, DNotZ 1983, 686 (686 f); OLG Düsseldorf, OLGZ 1988, 106 (110 f); OLG Hamm, ZIP 1986, 1107, (1108); OLG Hamm, DNotZ 1992, 662; OLG Koblenz, MittRhNotK 1988, 45; OLG Düsseldorf, MittRhNotK 1988, 71 (71 £); OLG Karlsruhe, OLGZ 1984, 341 (342) (für Vergleich); OLG Nürnberg, NJW 1957, 1286 (1287); Prüfung, ob ein nach der ZPO anerkannter Vollstreckungstitel vorlag: BGHZ 15, 190 (191); Prüfung, ob ein als Vollstreckungstitel dienender Verwaltungsakt schlechthin unwirksam war: BGHZ 55, 255 (256). In seinem Urteil vom 21. 5. 1987 (NJW-RR 1987, 1149 = L M § 767 ZPO Nr. 73 = JZ 1987, 1040 = M D R 1988, 136 = W M 1987, 1232) lehnte der BGH die Zulässigkeit einer Vollstreckungsgegenklage erstmals in einem Fall ab, in dem die Titelunwirksamkeit sich nicht aus Form und Inhalt des Titels ersehen ließ. (Die vollstreckbare Urkunde war in diesem Fall wegen Verstoßes gegen §§ 9, 13, 13a BeurkG unwirksam). Dieser Auffassung folgte auch die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung, die freilich davon ausging, daß die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auch immer zur Titelunwirksamkeit fuhrt (siehe hierzu oben 3. Kap. A. III. 6.) und deshalb in diesem Zusammenhang häufig die Vereinbarkeit einer formularmäßig abgegebenen Unterwerfungserklärung mit dem AGBG untersuchte (siehe zu diesem Problem oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4)): OLG Celle, NJW-RR 1991, 667; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1151 (1152); OLG Koblenz, BauR 1988, 748; OLG München, NJW-RR 1992, 125; OLG Nürnberg, NJW-RR 1990, 1467; LG Mainz, DNotZ 1990, 567 (567 f). Ebenso Teile der Literatur: Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, § 767 Rdnr. 2; Jauernig, ZVR, § 12 I (S. 49); Merz, Jura 1989, 449 (450); Pohle, JZ 1954, 341 (343); Scheffler, Vollstreckungsgegenklage gegenüber vollstreckbaren Urkunden, S. 28; Thomas/Putzo, 17. Aufl., § 767 Anm. 3 b (anders jetzt Thomas/Putzo, 18. Aufl., § 767 Rdnr. 10) ; Schuschke, § 767 Rdnr. 17; Wieczorek, § 767 Anm. A I c. 68

BGH, NJW-RR 1987, 1149.

69

OLG Düsseldorf, OLGZ 1978, 248 (249); OLG Nürnberg, NJW 1957, 1286 (1287).

400

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

etwas anderes gewollt, so hätte er in § 767 ZPO dem Schuldner ebenso wie in § 768 ZPO die Befugnis zur Erhebung von Einwendungen nach § 732 ZPO ausdrücklich einräumen müssen70. Da er dies nicht getan habe, sei die Vollstreckungsgegenklage unzulässig, wenn der Schuldner die Erinnerung nach § 732 ZPO erheben könne.

bb) Kritik der Literatur Diese Auffassung ist in der Literatur 71 auf Ablehnung gestoßen und auch der BGH hat seine Rechtsprechung nun selbst im Urteil vom 14. 5. 1992 (VII ZR 204/90)72 ausdrücklich aufgegeben. Dies verdient Zustimmung, denn sowohl in praktischer als auch rechtlicher Hinsicht bestehen Bedenken, die

70

BGH, NJW-RR 1987, 1149 (1149 f).

71

Für eine uneingeschränkte Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage trotz Titelunwirksamkeit: LG Köln, DNotZ 1990, 570; Windel, ZZP 102 (1989), 175, (182 ff); Münch, Vollstreckbare Urkunde, S. 378 mit Fußn. 131; wohl auch Hager, ZZP 97, (1984), 174 (192 f). Für eine Zulässigkeit der Klage, sobald anhand äußerer Kriterien von der Titelwirksamkeit auszugehen ist: Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59. 4 ff; Wolf, L M § 767 ZPO Nr. 87 (Bl. 6); Reithmann, EWiR 1992, 735 f; Münzberg, WuB V I E. § 767 ZPO 1.93, S. 77 (78). Für die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage, wenn ein und derselbe Fehler sowohl den vom Gläubiger geltend gemachten Anspruch als auch die Erteilung der Vollstreckungsklausel betrifft: Stein/Jonas/Münzberg, § 797 Rdnr. 18 m. Fußn. 49; Messer, WuB V I I A. § 732 ZPO 1.87, S.1428 (1429); Lent, JZ 1957, 63; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 237, 732, 740; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, Zwangsvollstreckungsrecht § 13 II 2 h (S. 135); Rieble/Rumler, MDR 1989, 499 (500). Dafür, daß die Vollstreckungsgegenklage bei Titelunwirksamkeit ausnahmsweise dann zulässig ist, wenn sich die Einwendungen gegen den Anspruch leichter beweisen lassen: Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1333 (Hiergegen spricht, daß damit die Zulässigkeit von Elementen der Begründetheit abhängig gemacht wird. Im Widerspruch zur Aussage in Rdnr. 1333 steht die nicht näher begründete Aussage in Rdnr. 89, wonach es bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung Sache des Schuldners sei, diese durch Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen. Die Berufung auf die Entscheidungen OLG München, NJW-RR 1992, 125 f u n d OLG Hamm, W M 1991, 1055 vermögen diese Aussage nicht zu stützen, da in diesen Entscheidungen die Unterwerfungserklärung gerade nicht als unwirksam angesehen wurde.) 72

BGH, NJW 1992, 2160 ff = L M § 767 ZPO Nr. 87 = MDR 1992, 902 f = VersR 1992, 1493 ff = BB 1993, 1110 ff = BGHZ 118, 229 ff; zustimmend OLG Hamm, DNotZ 1994, 57 (58). Siehe hierzu näher unten 4. Kap. D. I. 1. a) cc). Zweifelnd an der Richtigkeit der zuvor dargestellten (bislang) h. M. auch: BGH, NJW 1967, 2014 (für Vergleiche); BGH, NJW 1988, 707 (708); BGH, NJW-RR 1990, 246 (247); BGH, BGHR ZPO § 732 Abs. 1 Vollstreckungsgegenklage 1 und 2 (keine Prüfung der Titelwirksamkeit als Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsgegenklage, wenn bis zum Abschluß des Berufungsrechtszuges keine der Parteien die Auffassung vertreten hat, die Klage richte sich gegen einen unwirksamen Titel). Vgl. auch (beiläufig) bereits KG, JW 1930, 2066 (für Vergleiche); OLG Düsseldorf, DNotZ 1983, 686 (686 f) (ausdrückliche Beschränkung der Titelwirksamkeitsprüfung auf formelle Kriterien).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

401

"Wirksamkeit des Vollstreckungstitels" als (ungeschriebene) Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsgegenklage anzusehen.

(1) Erschwerung des Rechtsschutzes für den Schuldner Die Auffassung der oben angeführten (bislang) h. M. kann für den Schuldner insbesondere in den oben angesprochenen Fällen des Doppelmangels zu einer unerträglichen Prozeßsituation führen 73, die nicht nur unter Praktikabilitätsgesichtspunkten, sondern auch im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) nicht hinnehmbar ist: Legt nämlich z. B. der Schuldner, der Einwendungen sowohl gegen den titulierten Anspruch als auch gegen die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels vorbringen kann, in Kenntnis der oben angeführten (bislang) h. M. zunächst die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO ein, so kann es vorkommen, daß er hiermit abgewiesen wird, da das gem. § 797 III ZPO zuständige Gericht entgegen seiner Auffassung den Titel fur wirksam erachtet. Erhebt der Schuldner daraufhin Vollstreckungsgegenklage, so ist das hierfür gem. § 797 V ZPO zuständige Gericht aber an die zuvor im Klauselerinnerungsverfahren ergangene Entscheidung mangels deren materieller Rechtskraftfähigkeit 74 nicht gebunden. Es muß75 daher die Klage als unzulässig abweisen, wenn es der Ansicht ist, die vollstreckbare Urkunde sei doch unwirksam. Dieses Prozeßurteil erwächst zwar insoweit in materielle Rechtskraft, als über die Prozeßfrage - hier also über die Wirksamkeit des Titels als Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsgegenklage - entschieden ist76. Mangels eines Ausspruchs über die Unwirksamkeit der vollstreckbare Urkunde im Tenor des Urteils kann der Schuldner aber nicht nach den §§ 775, 776 ZPO die Einstellung der Zwangsvollstreckung erreichen, da der Urteilsinhalt erst noch durch Auslegrag der Entscheidungsgründe ermittelt werden muß. Hierzu fehlt aber dem Vollstrekkungsorgan die Kompetenz77. Dem Schuldner bleibt daher nichts anderes 73

Vgl. die Beispiele bei Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.5; Windel, ZZP 102 (1989), 175 (177); Olzen, DNotZ 1993,211 (214); ähnlich auch Hager, ZZP 97(1984), 174(196). 74 Gegen die Entscheidung über die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO steht als Rechtsbehelf die unbefristeten Beschwerde gem. § 567 zur Verfügung, so daß die Entscheidung noch nicht einmal in formelle Rechtskraft (die stets Voraussetzung für die materielle Rechtskraft ist) erwächst. Vgl. auch BGH, NJW 1992, 2160 (2161); Rieble/Rumler, MDR 1989, 499. 75

Nach der (bislang) h. M. ist die Titelwirksamkeit eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstrekkungsgegenklage und deshalb von Amts wegen zu prüfen.

76

Zur materiellen Rechtskraft eines Prozeßurteils vgl. allgemein BGH, NJW 1985, 2535 (2535 f); Thomas/Putzo, § 322, Rdnr. 3; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 322 Rdnr. 60; Zöller/Vollkommer, § 322 Rdnr. 1 ff; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rdnr. 62. 77

Windel, ZZP 1989, 175 (177); das Vollstreckungsorgan darf allenfalls die vollstreckbare Aus-

26 Schultlieis

402

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

übrig, als erneut - nun unter Vorlage des Prozeßurteils - die Klauselerinnerung gem. § 732 ZPO einzulegen. Das hierfür zuständige und mit der Sache zuerst befaßte Gericht ist jetzt an die materielle Rechtskraft des Prozeßurteils gebunden und muß daher die Zwangsvollstreckung (allerdings nur aus der konkret erteilten vollstreckbaren Ausfertigung) für unzulässig erklären. Erst mit dieser Entscheidung kann der Schuldner gem. §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen verlangen. Hierfür mußte er insgesamt drei Verfahren durchfuhren, von denen er in zweien mit für ihn negativen Kostenfolgen unterlag, obgleich er mit seiner ursprünglichen Auffassung letztlich doch Recht behielt. Darüber hinaus wurden und konnten in keinem der Verfahren seine materiellrechtlichen Einwendungen gegen den Anspruch geprüft werden, obgleich diese möglicherweise evident waren.

(2) Rechtliche Bedenken Auch unter rechtlichen Gesichtspunkten erscheint die (bislang) h. M. bedenklich. Hierauf wurde in der Literatur zu Recht hingewiesen. Zum einen ist es nicht richtig, die Vollstreckungsfähigkeit des Titels, wie sie § 767 ZPO angeblich78 voraussetze, in allen Fällen der Titelunwirksamkeit zu verneinen. Die Frage der Vollstreckungsfähigkeit kann wegen der formalisierten Ausgestaltung des Vollstreckungsverfahrens nur aus der Sicht der Vollstreckungsorgane bestimmt werden. Vollstreckungsfähig ist daher ein Titel, wenn er von den Vollstreckungsorganen beachtet werden muß. Beachten müssen diese aber jeden Titel, der nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeignet und mit einer Vollstreckungsklausel versehen ist79. Aus diesem Grunde können fertigung, aus der vollstreckt werden soll, auslegen, um die Vollstreckung ordnungsgemäß durchfuhren zu können. 78

Dagegen, daß die Vollstreckungsfähigkeit des Titels überhaupt Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsgegenklage ist, siehe näher unten 4. Kap. D. I. 1. a) dd). 79

So jetzt ausdrücklich BGH, NJW 1992, 2160 (2161); Messer, WuB V I I A § 732 1.87, S. 1428 (1430); Wolfsteiner, DNotZ 1993, 242; Wolf, L M § 767 ZPO Nr. 87 (Bl. 6); Kniffka, ZfBR 1992, 195 (198); Reithmann, EWiR 1992, 735. M. E. zwingt die neue Terminologie des BGH (aaO.), der zutreffend zwischen vollstreckungsfahigen wirksamen Titeln einerseits und unwirksamen, aber dennoch vollstreckungsfahigen Titeln andererseits unterscheidet (vgl. auch Wolf a.a.O.), auch zu einer terminologischen Abgrenzung zum Begriff der "Vollstreckbarkeit", den der BGH in seiner Entscheidung NJW 1992, 2160 f f in auffallender Weise innerhalb seiner Erörterungen zur Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage streng vermeidet und nur auf den Begriff der "Vollstreckungsfähigkeit" abstellt: Die "Vollstreckbarkeit" - im Sinne einer dem Gläubiger aufgrund des Titels rechtlich gewährten Handlungsmöglichkeit zur Zwangsvollstreckung (siehe oben 4. Kap. Β. I.) wird durch die Vollstreckungsklausel bescheinigt (siehe oben 4. Kap. Β. I.; 2. Kap. Β. I. 2. a)). Erst durch die Vollstreckungsklausel wird der Titel auch "vollstreckungsfahig", sofern er nicht nach Form und Inhalt so mangelhaft ist, daß dies auch die Vollstreckungsorgane beachten müssen. Hat

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

403

nicht alle Fälle der Titelunwirksamkeit zur Unzulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage fuhren, sondern allenfalls diejenigen, in denen ein (von den Vollstreckungsorganen zu beachtender) Tatbestandsmangel80 vorliegt. Ferner fuhrt die h. M. in den Fällen der Unwirksamkeit des Vollstrekkungstitels, in denen der Schuldner auch Einwendungen gegen den titulierten Anspruch hat, zu einer Einschränkung des Schuldnerschutzes: wäre der Vollstreckungstitel nämlich wirksam, so könnte der Schuldner - gestützt auf materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch - eine rechtskräftige Entscheidung über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel erlangen und damit den Titel als Vollstreckungsgrundlage ein für allemal entwerten. Ist nun zusätzlich noch der Vollstreckungstitel unwirksam, so soll nach h. M. diese Möglichkeit nicht mehr bestehen, sondern der Schuldner sich mit der noch nicht einmal der Rechtskraft fähigen Entscheidung über die Klauselerinnerung zufrieden geben müssen, obgleich diese lediglich die Zwangsvollstreckung aus der bereits erteilten Klausel für unzulässig erklärt, die Vollstreckbarkeit des Titels also unberührt läßt und deshalb die Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen nicht verhindert 81. Damit wird zugleich auch gegen den Grundsatz verstoßen, daß die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs nicht von der Zulässigkeit oder Unbegründetheit eines auf dasselbe Ziel gerichteten anderen Rechtsbehelfs abhängen darf, da sonst eine fehlerhafte Rechtsanwendung nicht nur zum Verlust der Rügefähigkeit des mit ihm geltend gemachten Mangels fuhrt, sondern darüber hinaus zum Ausschluß anderer Rechtsschutzmöglichkeiten wegen anderer Mängel82. Wegen des genun das Klauselerteilungsorgan zu Unrecht die Vollstreckungsklausel erteilt, obgleich der Titel unwirksam ist, wird diese Unwirksamkeit aber weder aus der Form, noch aus dem Inhalt des Titels ersichtlich, so wird der ursprünglich nicht "vollstreckbare" Titel rein tatsächlich "vollstreckungsfahig", denn er muß von den Vollstreckungsorganen beachtet werden. Ob man in diesem Fall annimmt, der unwirksame Titel werde durch die Klauselerteilung bis zur erfolgreichen Durchführung des Klauselerinnerungsverfahrens auch zu einem vollstreckbaren Titel (hiergegen BGHZ 22, 54 (56)) oder ob man (begrifflich klarer) davon ausgeht, die rein tatsächliche "Vollstreckungsfahigkeit" liege trotz fehlender rechtlicher "Vollstreckbarkeit" des Titels vor, ist letztlich eine Frage der Terminologie. Entscheidend ist, daß für den im Klauselverfahren maßgeblichen Begriff der "Vollstreckbarkeit" u. a. die volle Wirksamkeit des Titels erforderlich ist (siehe oben 4. Kap. Β. I.), für den im Vollstreckungsverfahren maßgeblichen Begriff der "Vollstreckungsfähigkeit" dagegen nur ein nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeigneter und mit der Vollstreckungsklausel versehener Titel (nach der hier verwendeten Begrifflichkeit also eine vollstreckbare Ausfertigung, die frei von Tatbestandsmängeln ist). 80

Zum Begriff des Tatbestandsmangels siehe oben 3. Kap. A. III. 3. Dazu, daß selbst Tatbestandsmängel nicht zur Unzulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage fuhren, siehe unten 4. Kap. D. I. 1. a) dd). 81

BGH, NJW 1992, 2160 (2161); Messer, WuB V I I A § 732 1.87, S. 1428 (1430); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (215); Rieble/Rumler, MDR 1989, 499 (500).

82

26*

Vgl. Wolf, L M § 767 ZPO Nr. 87 (Bl. 6).

404

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

ringeren Rechtsschutzumfangs einer Entscheidung über die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO kann diese darüber hinaus auch nicht als einfacherer Rechtsbehelf angesehen werden, der einer Vollstreckungsgegenklage das Rechtsschutzbedürfnis nimmt - zumal u. U. auch das Fehlen des materiellen Anspruchs einfacher zu beweisen sein kann als die Unwirksamkeit des Titels. Den Schuldner trotz seiner Einwendungen gegen den titulierten Anspruch im Falle der Titelunwirksamkeit ausschließlich auf das Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO zu verweisen, verträgt sich auch nicht mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung83, wonach eine Partei durch ein unrichtiges Verfahren keine Nachteile in ihren prozessualen Rechten erleiden darf. Daß das Klauselerteilungsorgan wegen der Titelunwirksamkeit die Klausel nicht hätte erteilen dürfen, kann daher nicht die Rechtsbehelfe des Schuldners einschränken. Vielmehr muß umgekehrt der zusätzliche Fehler einen weiteren Rechtsbehelf eröffnen 84. Darüber hinaus muß die Vollstreckungsgegenklage bei unwirksamen Titeln auch deshalb zulässig sein, da andernfalls eine Rechtsschutzlücke entsteht: Bereits vor Klauselerteilung ist nämlich die Klage aus § 767 ZPO nach h. M. 85 zulässig, sofern eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme bevorsteht. Würde man nun die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage vom Vorliegen eines wirksamen Titels abhängig machen, so nähme man dem Kläger diesen Rechtsschutz, ohne ihm einen anderen Rechtsbehelf zur Verfugung zu stellen, denn eine vorbeugende Klauselerinnerung ist nicht möglich. Dem Schuldner mutet man damit zu, die Erteilung der Klausel und, wenn er davon keine Kenntnis nehmen kann, sogar den Beginn der Zwangsvollstreckung abzuwarten, um dann erst mit der Erinnerung nach § 732 ZPO die fehlerhafte Klauselerteilung zu rügen86. Schließlich kann das Bestehen eines wirksamen Titels als Zulässigkeitsvoraussetzung auch nicht durch einen Umkehrschluß aus § 768 ZPO, der ausdrücklich Klage und Klauselerinnerung nebeneinander für zulässig erklärt, gefolgert werden. Nach der hier vertretenen Auffassung hat der letzte Halbsatz des § 768 ZPO ohnehin nur deklaratorische Bedeutung87: § 732 ZPO und § 768 ZPO stehen in einem Ergänzungsverhältnis. Mit § 768 ZPO werden nur 83 Siehe oben 4. Kap. C. II. 2. Freilich handelt es sich auch hier nur um eine entsprechende Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes, um einen Röckgriff auf die ihm zugrundeliegende Wertung. 84

Rieble/Rumler, M D R 1989, 499 (500); Wolf, L M § 767 ZPO Nr. 87 (Bl. 6).

85

Thomas/Putzo, § 767, Rdnr. 14; MünchKommZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 43; Stein/Jonas/ Münzberg, § 767 Rdnr. 42; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 V I I I (S. 477).

86

Rieble/Rumler, M D R 1989, 499 (500).

87

Siehe oben 2. Kap. C. I. 1. c) bb).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

405

bestimmte im Klauselerteilungsverfahren bereits geprüfte und dort aufgrund der vorgelegten Urkunden als bewiesen angenommene Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen nochmals einer (nun richterlichen) Prüfung mit umfassender Beweisaufnahme zugeführt. Geprüft wird also nur, ob die Umstände, von denen nach dem Inhalt des titulierten prozessualen Anspruchs die Vollstreckbarkeit abhängig gemacht wurde, auch tatsächlich eingetreten sind. Bezüglich der in § 768 ZPO genannten Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen deckt sich deshalb die Prüfung mit der des Klauselerteilungs- und Erinnerungsverfahrens nur hinsichtlich des Prüfungsgegenständes™, nicht aber hinsichtlich der zulässigen Beweismittel: im Verfahren nach § 768 ZPO besteht keine Beschränkung auf den Nachweis durch Urkunden. Im Verfahren nach § 732 ZPO dagegen wird nur (formell) überprüft, ob die vorgelegten Urkunden als ausreichender Nachweis angesehen werden können. Nur wegen dieser insoweit bestehenden Identität des Vmfymgsgegenstandes findet sich in § 768 ZPO der (deklaratorische) Hinweis auf § 732 ZPO. Im Verhältnis von § 767 ZPO zu § 732 ZPO kann es dagegen noch nicht einmal zu einer teilweisen Identität der Prüfungsgegenstände kommen, weil mit § 767 ZPO nicht (wie mit § 732 ZPO bzw. § 768 ZPO89) der Eintritt bestimmter Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des titulierten (prozessualen) Anspruchs überprüft wird, sondern die Übereinstimmung des titulierten Anspruchs mit der materiellen Rechtslage. Aus diesem Grunde ist selbst ein deklaratorischer Hinweis im § 767 ZPO auf § 732 ZPO entbehrlich.

cc) Entscheidung des BGH vom 14. 5. 1992 Wie bereits erwähnt, hat sich auch der BGH in seiner Entscheidung vom 14. 4. 1992 (VII ZR 204/90)90 von der oben erörterten (bislang) h. M. distanziert und seine bisherige Rechtsprechung91, nach der die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels immer auch die Unzulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage bedingte, ausdrücklich aufgegeben. Nach seiner Auffassung ist jedenfalls gegen einen "vollstreckungsfähigen" Titel die Vollstreckungsgegenklage zulässig. "Vollstreckungsfähig" sei der Titel aber bereits dann, wenn er sich 88

Geprüft wird insoweit in beiden Verfahren der Eintritt bestimmter Umstände, von denen die Vollstreckbarkeit des Titels abhängt. 89

Mit § 732 ZPO bzw.§ 768 ZPO ist eine Überprüfung des materiellen Anspruchs nur über den "Umweg" möglich, daß materiellrechtlich erhebliche Tatsachen durch den titulierten (prozessualen) Anspruch zu vollstreckungsrechtlich erheblichen Tatsachen erklärt werden; siehe oben 2. Kap. C. vorl.; 2. Kap. D. I. 3. a). 90

BGHZ 118, 229 ff = NJW 1992, 2160 ff = L M § 767 ZPO Nr. 87 = M D R 1992, 902 f = VersR 1992, 1493 f f = BB 1993, 1110 ff.

91

Siehe oben 4. Kap. D. I. 1. a) aa) Fußn. 67.

406

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung eigne und mit einer Vollstrekkungsklausel versehen sei. Ob auch diese "Vollstreckungsfähigkeit" des Titels als Zulässigkeitsvoraussetzung der Vollstreckungsgegenklage angesehen werden muß, war in dem dem BGH vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich 92 und wurde daher ausdrücklich offengelassen. Daher vermag das BGHUrteil nur eine Lösung für die Unwirksamkeitsfälle zu bieten, in denen die vollstreckbare Urkunde nicht an einem Tatbestandsmangel leidet, denn nur dann liegt ein im Sinne der BGH-Terminologie "nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel" und damit ein "vollstreckungsfähiger" Titel vor 93. Aus diesem Grunde muß im folgenden untersucht werden, ob nicht generell unabhängig von der Titelwirksamkeit, also auch bei "vollstreckungsunfähigen" Vollstreckungstiteln, die Vollstreckungsgegenklage zulässig sein kann.

dd) Stellungnahme Dafür, daß die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage auch nicht von der "Vollstreckungsfahigkeit" des Titels abhängt, die Zulässigkeit also immer unabhängig von der Wirksamkeit des Titels zu beurteilen ist, lassen sich hier ebenfalls alle bereits oben gegen die bislang h. M. vorgetragenen Argumente anführen. Auch hier kann es zu einer für den Schuldner unerträglichen Prozeßsituation dadurch kommen, daß bei den Rechtsbehelfen des § 732 ZPO und des § 767 ZPO gem. § 797 III, V ZPO häufig verschiedene Gerichte zuständig sind und die im Klauselerinnerungsverfahren gem. § 732 ZPO ergehenden Entscheidungen das für die Vollstreckungsgegenklage zuständige Gericht nicht binden. Ferner stehen dieselben rechtlichen Bedenken entgegen wie oben, insbesondere darf auch hier der Fehler der Klauselerteilungs- bzw. Vollstreckungsorgane nicht zu einer Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten für den Schuldner fuhren; ebensowenig kann auch hier dem Schuldner mangels einer "vorbeugenden" Klauselerinnerung zugemutet werden, die Klauselerteilung sowie ggf. den Beginn der Vollstreckung abzuwarten, um sich dann endlich gegen die Zwangsvollstreckung wehren zu können. Dennoch scheint es auf den ersten Blick nicht frei von Widersprüchen, wenn man die Vollstreckungsgegenklage auch dann zuläßt, wenn es letztlich nichts zu gestalten gibt, weil bereits ipso iure die Wirkungen fehlen, zu deren Beseitigung das Gestaltungsurteil gerade dienen soll. Das ist wohl auch der Grund, warum der BGH in der oben erwähnten Entscheidung darauf abstellt, 92

Gleiches gilt für die jüngst veröffentlichten Entscheidungen BGH, NJW 1994, 460 (461) und OLG Koblenz, W M 1994, 839 (840). 93

Vgl. oben 4. Kap. D. I. 1. a) bb) (2).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

407

daß der im Fall fragliche Titel jedenfalls "vollstreckungsfähig" war. Dann kann nämlich bei Unwirksamkeit einer nach ihrem äußeren Bild vollstrekkungsfähigen Urkunde mit Hilfe der Gestaltungsklage (Vollstreckungsgegenklage) jedenfalls die "Vollstreckungsfähigkeit" beseitigt werden94 - ob wegen Fehlens des materiellen Anspruchs oder wegen Unwirksamkeit des Titels sei an dieser Stelle noch einmal dahingestellt, da dies die Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage betrifft. Fehlt es aber auch an der Vollstrekkungsfähigkeit - was sollte dann durch das richterliche Gestaltungsurteil beseitigt werden? Die (scheinbaren) Schwierigkeiten sind letztlich nur begrifflicher Natur. Normalerweise betrifft der typische Fall der Gestaltungsklagen immer die Situation, daß vor dem Erlaß des Gestaltungsurteils die Gestaltungsgründe nicht inzident berücksichtigt werden dürfen. Erst wenn das Gericht die begehrte Gestaltung vorgenommen hat und diese wirksam geworden ist, können Rechtsfolgen aus den Gestaltungsgründen, bzw. aus dem aufgrund der Gestaltungsgründe ergangenen Gestaltungsurteil, geltend gemacht werden95. In diesen Fällen besteht daher ein Gestaltungsbedürfhis. So darf im Normalfall der Vollstreckungsgegenklage der Untergang der Forderung des Gläubigers nach dessen Titulierung im Klauselerteilungs- und Vollstreckungsverfahren nicht beachtet werden, bevor nicht der Schuldner erfolgreich mit der Vollstrek : kungsgegenklage ein Gestaltungsurteil erstritten hat. Erst danach ist der Untergang der Forderung über §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO beachtlich. Die Gestaltungswirkung korrespondiert hier mit dem Gestaltungsbedürfhis. Andererseits fehlt es jedenfalls dann an einem Gestaltungsbedürfhis, wenn der Titel noch nicht einmal vollstreckungsfähig ist, denn dieser Umstand konnte und mußte sowohl von den Klauselerteilungs- als auch von den Vollstreckungsorganen beachtet werden96, weshalb auch in diesen Fällen die Erinnerungen nach § 732 ZPO und § 766 ZPO zum Erfolg fuhren 97. In diesem Fall kann es daher nur um die Frage gehen, ob die Zwangsvollstreckung auch durch die Gestaltungsklage verhindert werden kann. Das ist deshalb nicht undenkbar, weil Gestaltungswirkung und Gestaltungserfordernis zwar typischerweise, nicht aber zwingend zusammengehören98. Voraussetzung ist allerdings, daß die fehlende Vollstreckungsfähigkeit des Titels, die ipso iure die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung bewirkt und daher von den Klauselerteilungs94

Vgl. auch Wolf, L M § 767 ZPO Nr. 87 (Bl. 6); Kniffka, ZfBR 1992, 195 (198).

95

Siehe oben 1. Kap. B . I I I . 2. a).

96

Siehe oben 4. Kap. B.

97

Siehe oben 4. Kap. C. II.

98

Zu der Unterscheidung zwischen Gestaltungswirkung und Gestaltungserfordernis vgl. K. Schmidt, JZ 1988,729 (732).

408

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

und Vollstreckungsorganen von Amts wegen zu beachten gewesen wäre, eine Unzulässigerklärung durch Gestaltung (Vollstreckungsgegenklageurteil) nicht ausschließt. Eine vergleichbare Problematik des Verhältnisses von ipso-iure-Wirkung und Gestaltung findet sich auch im Bereich der bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäftslehre. Hier war früher streitig, ob auch ein von Anfang an nichtiges Rechtsgeschäft angefochten werden könne. Die Anfechtbarkeit nichtiger Rechtsgeschäfte wurde lange Zeit mit dem Argument verneint, die Anfechtung setze notwendigerweise ein wirksames Rechtsgeschäft voraus, denn wo keine Rechtswirkung sei, könne es auch deren Beseitigung nicht geben". Dem ist bereits Anfang diesen Jahrhunderts Theodor Kipp mit seiner Lehre von den Doppelwirkungen im Recht100 entgegengetreten, und dieser Lehre folgt heute die h. M. 101 . Zu Recht wird angenommen, daß auch die Anfechtung nichtiger Rechtsgeschäfte möglich sein muß. Hierfür spricht bereits die Interessenlage und der Schutzzweck des Anfechtungsrechts, denn der Anfechtungsgrund kann im Einzelfall zum einen im Prozeß leichter nachzuweisen sein als der Nichtigkeitsgrund, zum anderen kann die Anfechtung ggf. eine weiterreichende Wirkimg als der gleichzeitig gegebene Nichtigkeitsgrund entfalten 102. Der Partei muß es deshalb aus normativen Gründen im Prozeß freistehen, ob sie sich auf die ursprüngliche oder die durch Anfechtung herbeigeführte Nichtigkeit beruft. Auch gedanklich stellt es keinen Widerspruch dar, die Anfechtung nichtiger Rechtsgeschäfte zuzulassen. Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts bedeutet letztlich nichts anderes als dessen Nichtgeltung im Hinblick auf einen Nichtigkeitsgrund. Es ist daher auch nicht ausgeschlossen, die Rechtsfolge der Nichtigkeit aus verschiedenen Nichtigkeitsgründen (Anfechtung und ipso-iure wirkender Nichtigkeitsgrund) abzuleiten. Diese Lehre von den Doppelwirkungen des Rechts wird zwar meist als Spezifikum der Rechtsgeschäftslehre angesehen, kann aber ebensogut als ein das Verhältnis von ipso-iure-Wirkung und Gestaltung insgesamt beherrschendes Prinzip begriffen werden103. Im Bereich des Verwaltungsprozeßrechts ist dies im Ergebnis auch überwiegend anerkannt, denn dort wird von der ganz 99

Vgl. Oellers, AcP 1969 (169), 67 (70 ff) m. w. N.; kritisch auch MünchKommZPO/Mayer-Maly, 3. Aufl., § 142 Rdnr. 11; vgl. auch Pawlowski, Folgen nichtiger Willenserklärungen, S. 102 f f m. w. N. 100

Kipp, FS v. Martitz, S. 211 ff.

101

Statt aller: BGH, JZ 1955, 500; OLG München, NJW 1953, 424; Palandt/Heinrichs, Überblick vor § 104 Rdnr. 35; Staudinger/Dilcher, Einl. zu §§ 104 - 185 Rdnr. 80; Soergel/Hefermehl, § 142 Rdnr. 7. 102

Vgl. dazu etwa das Beispiel bei Palandt/Heinrichs, Überblick vor § 104 BGB, Rdnr. 35.

103

K. Schmidt, JZ 1988, 729 (732).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

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h. M. angenommen, daß eine Anfechtungsklage nicht mit der Begründung abgewiesen werden kann, das Gericht halte den angegriffenen Verwaltungsakt für nichtig, es fehle also am Anfechtungsgegenstand 104. Entsprechendes muß aber auch für die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage gelten, wenn die vollstreckbare Urkunde (oder ein anderer Vollstreckungstitel) unwirksam ist. Es greifen hier vergleichbare Interessengesichtspunkte ein wie bei der Anfechtung nichtiger Rechtsgeschäfte, denn es kann durchaus einfacher sein, Einwendungen gegen den Anspruch im Prozeß darzulegen als die Titelunwirksamkeit im Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Titel an einem Tatbestandsmangel leidet105, also nicht nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeignet und deshalb nicht "vollstreckungsfähig" (im Sinne der BGH-Terminologie) ist 106 . Hier können zwar meist nicht in tatsächlicher, wohl aber in rechtlicher Hinsicht schwierige Probleme auftreten. Insbesondere ist an die im Einzelfall häufig umstrittene Frage zu denken, ob der Titel noch eine zur Vollstreckung ausreichende Bestimmtheit hinsichtlich Gegenstand und Umfang des zu vollstreckenden Anspruchs aufweist 107. Ist es in diesem Fall dem Schuldner aber unter Umständen leicht möglich, den Untergang der Forderung nachzuweisen, so erscheint es hier ebenfalls nicht sachgerecht, die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage von dieser Frage abhängig zu machen, denn in zweifelhaften Fällen wird dem Schuldner dann ebenso die Gefahr aufgebürdet, den falschen Rechtsbehelf eingelegt zu haben, falls er (z. B. hinsichtlich der Bestimmtheit) zu einem anderen Auslegungsergebnis kommt als das Gericht. Und das, obwohl es hierauf für den endgültigen Erfolg gar nicht ankommt, da der Schuldner jedenfalls den Untergang der Forderung beweisen kann. Bereits wegen dieses Wertungsgesichtspunktes kann die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage nicht davon abhängen, ob zumindest ein vollstreckungsfähiger Titel vorliegt. 104

Vgl. statt aller: BVerwGE 18, 154 (155); BVerwG, VRspr. 25 (1974), 534 (541); BGHZ 73, 312 (313); BSG, NJW 1960, 2308 (2308 f); BayVGH, BayVBl 1975, 116 (117); BayVGH, BayVBl 1976, 237 (239); Kopp, § 42 Rdnr. 2, § 113 Rdnr. 4; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 139; Redecker/v.Oertzen, § 42 Rdnr. 12. A u f diese Parallele zum Verwaltungsprozeßrecht weisen auch hin Wolf, L M § 767 ZPO Nr. 87 (Bl. 6); K. Schmidt, JZ 1988, 729 (732); Rieble/Rumler, MDR 1989, 499 (500). 105 In diesen Fällen besteht dann zusätzlich noch die Möglichkeit einer Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO, siehe oben 4. Kap. C. II. 1. 106 107

A. A. Wolf, L M § 767 ZPO Nr. 87 (Bl. 6); Münzberg, WuB V I E. § 767 ZPO 1.93, S. 77 (78).

Vgl. RGZ 132, 6 (8); BGHZ 22, 54 (56 f); BGH, W M 1958, 1194 (1195) (Unbestimmtheit hinsichtlich des Titelgläubigers); BGH, W M 1971, 165 (166); OLG Düsseldorf, OLGZ 1978, 248 (249); OLG Düsseldorf, DNotZ 1983, 686 (686 f); OLG Düsseldorf, OLGZ 1988, 106 (110 f); OLG Hamm, ZIP 1986, 1107 (1108); OLG Hamm, DNotZ 1992, 662; OLG Karlsruhe OLGZ 1984, 341 (342) (für Vergleiche); OLG Nürnberg, NJW 1957, 1286 (1287).

410

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

Entscheidend spricht hierfür aber die Erkenntnis, daß zwischen Gestaltungswirkung und Gestaltungserfordernis unterschieden werden muß. Bei der Frage nach dem Gestaltungsbedürfhis geht es darum, ob ein schutzwürdiges Interesse des Schuldners besteht, für sein Ziel gerade eine Gestaltungsklage einzusetzen. Die Prüfung des Gestaltungsbedürlhisses deckt sich deshalb mit der Prüfung des Rechtsschutzbedürfhisses für eine Gestaltungsklage. Bei der Frage nach der Gestaltungswirkung geht es dagegen um die Folgen der richterlichen Gestaltung. Bei der Vollstreckungsgegenklage liegen diese in der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel. Damit wird aber deutlich, daßrichterliche Gestaltung und ipso-iure-Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen Unwirksamkeit des Titels keine unversöhnlichen Gegensätze darstellen, denn es macht von den Wirkungen her keinen Unterschied, ob die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung auf einem Umstand beruht oder auf mehreren nebeneinander tretenden Gründen und ob diese ipso-iure wirken oder einen gestaltenden Staatsakt (Gestaltungsurteil) voraussetzen. Steht aber die ipso-iure-Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung (wegen Titelunwirksamkeit) der Gestaltungswirkung nicht entgegen, so können sich Gründe gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage allenfalls noch daraus ergeben, daß man wegen der ipso-iure-Unzulässigkeit das Rechtsschutzbedürfnis (Gestaltungsbedürfhis) verneint. Daß der Schuldner aber schutzwürdig ist, unabhängig von der Titelwirksamkeit und dessen Vollstreckungsfähigkeit die Vollstreckungsgegenklage wegen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch zu erheben, wurde oben bereits dargelegt. Doch auch, wenn sich der Schuldner ausschließlich gegen die Titelwirksamkeit wendet, ist ein rechtsschutzwürdiges Interesse an einer Klage anzuerkennen108. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die Beweismittel im Klauselerteilungs- und Erinnerungsverfahren auf Urkunden beschränkt sind und deshalb nicht denselben Rechtsschutz gewähren wie ein Klageverfahren. Zwar wird die Titelwirksamkeit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten geprüft, doch ist ausschlaggebend, ob aufgrund des Beweiswertes der vorgelegten Urkunden von der Titelwirksamkeit ausgegangen werden muß. Ein voller Rückgriff auf die Wahrheit findet daher - da der Zeugenbeweis ausgeschlossen ist - nicht statt109. Die Prüfung ist nur "summarisch"110, das Verfah108

Ob es sich dabei allerdings gerade um eine Vollstreckungsgegenklage handelt, hängt davon ab, ob und inwieweit die Titelunwirksamkeit die Klage aus § 767 ZPO zu begründen vermag. Stützt der Schuldner seine Klage nur auf Einwendungen, die im Rahmen der Begründetheit ohnehin nicht geprüft werden können, so ist die Vollstreckungsgegenklage unstatthaft. Dazu, ob die Titelwirksamkeit im Rahmen der Begründetheit geprüft werden kann, siehe sogleich unten 4. Kap. D. I. 1. b). 109 1,0

Siehe oben 4. Kap. C. II. 1.

Hahn, Materialien, S. 436; RGZ 50, 372 (376); Bettermann, Rechtshängigkeit, S. 97; Saenger, JuS 1992, 861 (864); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (215); Barkam, Erinnening und Klage, S. 68.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

411

ren ist nicht kontradiktorisch und eine mündliche Verhandlung sowohl im Erinnerungs- als auch (in zweiter Instanz) im Beschwerdeverfahren nur fakultativ (§§ 732 I 2, 573 I ZPO). Dies fuhrt insbesondere in den Fällen, in denen der Titel nicht wegen eines Tatbestandsmangels, sondern aus anderen Gründen unwirksam ist, zu empfindlichen Rechtsschutzeinbußen, da es dem Schuldner im Erinnerungs verfahren nach § 732 ZPO nicht immer gelingen wird, die Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen der Klauselerteilungsvoraussetzungen mittels Urkunden zu erschüttern. Die summarische Natur des Verfahrens führt daher zu Entscheidungen, die nicht dieselbe Richtigkeitsgewähr wie Urteile bieten. Dies zeigt auch deutlich die Praxis: Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren sind dort Eilsachen. Die Gerichte drängen zum Abschluß des Rechtsbehelfsverfahrens, um rasch Klarheit zu schaffen. Die Gelegenheit zur in der Regel schriftlichen Stellungnahme wird von den Beteiligten oft überhaupt nicht oder nicht genügend genutzt, und eine mündliche Verhandlung, in der das Gericht leicht nachfragen könnte, findet gewöhnlich nicht statt111. Darüber hinaus sind die Anfechtungsmöglichkeiten der Rechtsbehelfsentscheidung eingeschränkt: während gegen eine Entscheidung im Verfahren nach § 732 ZPO nur die Beschwerde nach § 567 ff ZPO, nicht jedoch (wegen § 568 II 1 ZPO) die weitere Beschwerde stattfindet, wäre gegen ein Urteil der übliche Instanzenweg eröffnet. Schließlich entfaltet die Entscheidung über eine Klauselerinnerung auch im Falle eines Obsiegens des Schuldners geringere Wirkungen als ein Klageverfahren: Mit der Klauselerinnerung kann nur eine Entscheidung darüber herbeigeführt werden, daß die Zwangsvollstreckung aus der erteilten Klausel unzulässig ist112. Die erstinstanzliche Entscheidung erwächst zudem wegen der gegen sie zeitlich unbeschränkt zulässigen einfachen Beschwerde nach §§ 567 ff ZPO nicht in Rechtskraft. Demgegenüber würde eine Klage dem Schuldner die Möglichkeit verschaffen, eine rechtskräftige Entscheidung über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel herbeizufuhren und diesen damit ein für allemal als Vollstreckungsgrundlage zu entwerten. Dies erscheint nicht nur wegen des weitergehenden Rechtsschutzes, sondern auch deshalb sinnvoll, weil wegen der Unwirksamkeit des Titels dieser niemals mehr vollstreckbar sein wird und somit diesbezüglich ein rechtskraftfähiger Ausspruch sinnvoll erscheint. Ein rechtsschutzwürdiges Interesse, die Titelunwirksamkeit in einer Klage geltend zu machen, ist mithin anzuerkennen.

111 Zur vergleichbaren Situation bei der Erinnerung nach § 766 ZPO Peters, ZZP 90 (1977), 145 (149); vgl. auch BGHZ 26, 110 (114); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (215). 1,2 BGH, NJW 1992, 2160 (2161); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 17 I I I 2 d (S. 222); Windel, ZZP 102 (1989), 175 (215); Münzberg, WuB V I E. § 767 1. 93, S. 77.

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

412

b) Prüfung der Titelwirksamkeit

im Rahmen der Begründetheit

Ob die Titelwirksamkeit im Rahmen der Begründetheit einer Vollstrekkungsgegenklage geprüft werden kann bzw. muß, ist innerhalb der Auffassung, die die Titelwirksamkeit nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung ansieht, ebenfalls umstritten.

aa) Meinungsstand (1) Keine Prüfung der Titelunwirksamkeit

im Rahmen der Begründetheit

Überwiegend113 wird der Wirksamkeit des Titels für die Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage keinerlei Bedeutung beigemessen. Auch im Falle der Unwirksamkeit des Titels habe der Schuldner mit der Vollstreckungsgegenklage nur dann Erfolg, wenn der titulierte Anspruch materiellrechtlich nicht bestehe. Dies erscheint konsequent, sofern die Vollstreckungsgegenklage lediglich als ein Rechtsbehelf aufgefaßt werden kann, der ausschließlich der Korrektur materiellrechtlicher Fehlergebnisse im Hinblick auf die Forderung des Gläubigers zum Ziel hat114. (2) Titelwirksamkeit

ist Voraussetzung für die Begründetheit

Folgt man der hier vertreten Auffassung, daß zum Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklageurteils auch die Frage gehört, ob titulierter Anspruch und materielle Rechtslage sich decken, so wäre es denkbar, die Titelwirksamkeit als eine Art Schlüssigkeitsvoraussetzung anzusehen. Dies hätte zur Folge, daß bei Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde die Vollstrekkungsgegenklage teilweise unbegründet ist und nur ein Ausspruch über die negative Anspruchsfeststellung als "Minus" i. S. d. § 308 ZPO gegenüber der prozessualen Gestaltung erfolgt 115. Das entspräche spiegelbildlich der Situa1.3 BGH, NJW 1992, 2160 (2162); BGH, NJW 1994, 460 (461); KG, JW 1930, 2066 (fur Vergleich); Münzberg, WuB V I E. § 767 ZPO 1.93, S. 77 (78); ders., in: Stein/Jonas, § 797 Rdnr. 18 m. Fußn. 49; Messer, WuB V I I A § 732 ZPO 1.87, S.1428 (1429); Lent, JZ 1957, 63; Brox/Walker, ZVR, Rdnr. 1333; Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 237, 732, 740; Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 13 I I 2 h (S. 135); Rieble/Rumler, M D R 1989, 499 (500); wohl auch OLG Düsseldorf, OLGZ 1984, 93 (94 f). (Der letzte Satz der dort abgedruckten Entscheidung könnte aber auch daraufhindeuten, daß Einwendungen, die mit der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO geltend gemacht werden können, auch im Rahmen der Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage beachtet werden sollen). 1.4 1

.

Siehe hierzu sogleich unten 4. Kap. D. I. 1. b) bb). hl Münch, Vollstreckbare Urkunde, S.

.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

413

tion wie bei einer Leistungsklage. Erweist sich diese nämlich als unbegründet, entspricht aber der Erlaß eines Feststellungsurteils dem Interesse des Klägers, so kann das Gericht dem in dem Leistungsbegehren enthaltenen Antrag auf Feststellung des Rechtsverhältnisses auch dann stattgeben, wenn dieser Antrag nicht ausdrücklich hilfsweise gestellt ist116. Die Überlegung, daß bei Titelunwirksamkeit als Minus gegenüber der Gestaltung nur ein Feststellungsausspruch erfolgen könne, basiert ebenso wie die oben abgelehnte (bislang) h. M. auf der Vorstellung, die ipso-iure-Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen Titelunwirksamkeit und die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsgegenklageurteil stellten unversöhnliche Gegensätze dar. Daß dem nicht so ist, wurde oben bereits dargelegt117. Darüber hinaus nützt dem Schuldner das mm ergangene Feststellungsurteil im Hinblick auf die konkret drohende Zwangsvollstreckung unmittelbar gar nichts, denn er kann hiermit nicht die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO erreichen 118. Dem Schuldner bliebe nur die Möglichkeit, zusätzlich das Verfahren nach § 732 ZPO durchzuführen. Dort wäre das Gericht dann zwar an die materielle Rechtskraft des die Klage wegen der Titelunwirksamkeit teilweise abweisenden Urteils gebunden und müßte daher die Zwangsvollstreckung aus der Klausel für unzulässig erklären. Zweifelhaft erscheint aber die Lösung in den Fällen, in denen der titulierte Anspruch materiellrechtlich besteht. Hier muß nämlich die Vollstreckungsgegenklage insgesamt abgewiesen werden - unabhängig davon, ob der Vollstreckungstitel wirksam ist oder nicht. Folglich hat der Schuldner dann auch nicht die Möglichkeit, eine in einem kontradiktorischen Verfahren ergangene, rechtskraftfähige Entscheidung hinsichtlich der Titelunwirksamkeit zu erlangen. Seinem anzuerkennenden Interesse hieran119 wird diese Lösung deshalb nicht gerecht.

116

Vgl. statt vieler: BGHZ 118, 71 (81 f) m. w. N.; Baumbach/Lauterbach/Haitmann, § 308 Rdnr. 8, 9 m. w. N. 1,7

Siehe oben 4. Kap. D. I. 1. a) dd).

118

Insofern bietet die zuvor dargelegte Auffassung der Literatur, die die Titelwirksamkeit im Rahmen der Begründetheit überhaupt nicht prüft, für den Schuldner in den Fällen der Doppelmängel (siehe zum Begriff oben 4. Kap. D. I. 1. vor a)) sogar einen effektiveren Rechtsschutz, denn das daraufhin ergehende Urteil über die Vollstreckungsgegenklage ist eine Entscheidung i. S. d. § 775 Nr. 1 ZPO. 1,9

Siehe oben 4. Kap. D. I. 1. a) dd).

414

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

(3) Begründetheit einer wegen Einwendungen gegen den Anspruch erhobenen Vollstreckungsgegenklage aus Gründen der Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels Nach der früher von Wolfsteiner vertretenen Ansicht120 führte die Vollstreckungsgegenklage unabhängig vom materiellrechtlichen Bestehen des titulierten Anspruchs auch bei Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels zum Erfolg 121. Dogmatisch begründete er dies damit, daß die Vollstreckungsgegenklage sich in erster Linie gegen den hoheitlichen Befehl zur Zwangsvollstrekkung (den er in der vollstreckbaren Ausfertigung verkörpert sieht122) und deshalb gegen die Vollstreckungsklausel und nicht primär gegen den Titel oder das eigentliche Vollstreckungsverfahren richte123. Aus diesem Grunde stelle die Vollstreckungsgegenklage auch ein "Mehr" gegenüber der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO dar, weshalb im Vollstreckungsgegenklage verfahren auch alle Einwendungen zu berücksichtigen seien, die im Verfahren nach § 732 ZPO geltend gemacht werden könnten124. Andererseits hält Wolfsteiner die Vollstreckungsgegenklage ausnahmsweise dann für unzulässig, wenn der Schuldner mit ihr ausschließlich Einwendungen erhebt, die auch im Verfahren nach § 732 ZPO geltend gemacht werden könnten125. Diese Auffassung überzeugt nicht. Zunächst erscheint es widersprüchlich, einerseits die Vollstreckungsgegenklage allein aufgrund der Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels als begründet anzusehen, andererseits sie fur unzulässig zu halten, wenn der Schuldner sich bei Klageerhebung ausschließlich auf 120

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.3, 59. 6 ff, der damals noch davon ausging, daß die Unwirksamkeit der Unterweriungserklârung zur Titelunwirksamkeit fuhrt (vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 35.1 ff). Ähnlich auch Hager, ZZP 97 (1984), 174 (192 f). Heute vertritt Wolfsteiner die Ansicht, daß (1) die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung nicht zur Titelunwirksamkeit fuhrt (siehe oben 3. Kap. A. III. 6.); (2) die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels nur mit § 732 ZPO geltend gemacht werden kann und dies auch nur, soweit sie von den Klauselerteilungsorganen zu beachten ist, deren Prüfungskompetenz sich auf eine Wirksamkeitsprüfiing anhand äußerlicher Kriterien beschränkt (MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 797 Rdnr. 31 f, § 794 Rdnr. 18 f, § 724 Rdnr. 27; siehe hierzu oben 4. Kap. Β. I.). Vgl. auch OLG Düsseldorf, OLGZ 1984, 93 (94 f) (siehe hierzu oben 4. Kap. D. I. 1. b) aa) (1) Fußn. 113). 121

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.8; ebenso LG Köln, DNotZ 1990, 570 (570) (ohne weitere Begründung). 122

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 49.1, 33.1 ff.

123

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.3. Aus diesem Grunde umschließt nach der Auffassung Wolfsteiners auch das Verfahren nach § 767 ZPO dasjenige nach § 768 ZPO (vgl. Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.9 f, Rdnr. 59.14 f; vgl. hierzu aber oben 2. Kap. D. I. 3. a)). 124

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.6.

125

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 59.8.

D. Verfahrensextere Rechtsbehelfe

415

die Titelunwirksamkeit beruft 126. Damit wird das Behaupten einer materiellrechtlichen Einwendung gegen den Anspruch quasi "Zulässigkeitsvoraussetzung" der Vollstreckungsgegenklage, obgleich die Begründetheit der Klage möglicherweise nur auf der fehlenden Titelwirksamkeit beruht und die Klage auch nur deswegen Erfolg hat. Dadurch wird es möglich, aufgrund von nur vorgeschobenen materiellrechtlichen Einwendungen sich des Rechtsschutz des § 767 ZPO zu bedienen. Eine konsequente Lösung muß aber entweder auch die Fälle erfassen, in denen der Schuldner nur die Unwirksamkeit des Titels geltend macht oder aber man prüft wie die Vertreter der oben dargestellten Lösung127 die Wirksamkeit von Titel und Unterweriungserklârung im Rahmen der Begründetheit einer Vollstreckungsgegenklage gar nicht128. Doch auch der dogmatische Ansatz Wolfsteiners, die Vollstreckungsgegenklage richte sich in erster Linie gegen die Vollstreckungsklausel, vermag nicht zu überzeugen. Ungeachtet des Streits, ob man nun die vollstreckbare Ausfertigung oder den Titel als die wesentliche Grundlage der Zwangsvollstreckung ansieht129, zeigt sich bereits am Urteilstenor, daß sich die Klage nicht vornehmlich gegen die Klausel richtet. Im Falle eines Obsiegens des Schuldners wird ja die Zwangsvollstreckung "aus dem Titel" für unzulässig erklärt. Dies hat zur Folge, daß der Titel selbst als Vollstreckungsgrundlage entwertet wird. Der Urteilsausspruch beschränkt sich also gerade nicht wie bei den Rechtsbehelfen nach §§ 732, 768 ZPO auf die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der konkret erteilten Klausel. Die frühere Auffassung Wolfsteiners ist daher auch wegen ihres dogmatischen Ansatzes abzulehnen.

(4) Vollstreckungsgegenklage

allein wegen Unwirksamkeit

des Titels

Nach einer neuerdings von Windel 130 vertretenen Auffassung ist die Vollstreckungsgegenklage im Falle der Titelunwirksamkeit auch dann zulässig und begründet, wenn sich der Schuldner ausschließlich hierauf beruft. Windel sieht in der Vollstreckungsgegenklage ein prozeßrechtliches Instrument des präven126 Letzteres ist nach der Auffassung Wolfsteiners der Fall, weil dann nur Einwendungen vorgetragen werden, die auch im Verfahren nach § 732 ZPO geltend gemacht werden könnten. 127

Siehe oben 4. Kap. D. I. 1. b) aa) (1).

128

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (203); Olzen, DNotZ 1993, 211 (219), Fußn. 31.

129

Siehe zur Darstellung des Meinungsstreits bei Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 10 II, S. 80 f f m. w. N. 130 Windel, ZZP 102 (1989), 175 (182 ff), der freilich mit der h. M. - entgegen der hier vertretenen Auffassung (siehe oben 3. Kap. A. III. 6)) - davon ausgeht, daß die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auch immer die Titelunwirksamkeit bedingt.

416

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

tiven Rechtsschutzes. Schutzobjekt der Klage sei jeweils, was dem Zugriff der Zwangsvollstreckung unterliege: das Vermögen bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen und die konkrete Sache bei der Herausgabevollstrekkung131. Hierdurch gewähre die Vollstreckungsgegenklage im Rahmen der Zwangsvollstreckung dem Schuldner Bestandsschutz vor grundlosen Eingriffen in sein Vermögen132. Ein grundloser Eingriff in den Bestand des Schuldnervermögens liege aber nicht nur bei einer der materiellen Rechtslage widersprechenden Zwangsvollstreckung vor, sondern auch bei einer Vollstreckung aus einem unwirksamen Titel. Letztes folgert Windel daraus, daß "jede Zwangsübung im Zivilrechtsstreit von der Feststellungslast" abhänge133. Unter "Feststellungslast" versteht er dabei "die Beschwerung einer Partei damit .., daß es ihr rechtlich zum Nachteil gereicht, wenn sie den Streit um das behauptete materielle Recht nicht mit einem ihr günstigen Ergebnis verficht" 134. Der Gläubiger dürfe die Zwangsvollstreckung nur betreiben, wenn er nicht mehr diese Feststellungslast trage. Mit der wirksamen Errichtung einer vollstreckbaren Urkunde sei sie aber vom Schuldner übernommen worden135. Umgekehrt folge hieraus, daß bei Unwirksamkeit des Titels die Feststellungslast noch beim Gläubiger liege136. Eine dennoch durchgeführte Zwangsvollstreckung stelle deshalb einen grundlosen Eingriff in den Bestand des Schuldnervermögens dar. Hiervor wolle aber gerade die Vollstreckungsgegenklage schützen137. Der Schuldner solle daher die Möglichkeit haben, die Titelunwirksamkeit in jedem Falle im Verfahren nach §§ 797 IV, 767 ZPO geltend zu machen, gleichgültig, ob er auch den titulierten Anspruch einer materiellrechtlichen Prüfung zuführen wolle oder nicht. Der Wortlaut des § 767 ZPO müsse demgegenüber zurückstehen138. Die Deutung der Vollstreckungsgegenklage als Instrument, mit dem präventiv eine bevorstehende Zwangsvollstreckung verhindert werden bzw. eine bereits begonnene beendet werden kann (vgl. §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO), begegnet keinen Bedenken, denn dies ist gerade ihr Ziel. Auch ist es zutreffend, daß der gesamte Vermögensbestand139 durch die Vollstreckungsgegen131

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (199 f).

132

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (201).

133

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (194).

134

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (194 mit Fußn. 130).

135

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (194 f).

136

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (204 f).

137

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (201).

138

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (206).

139

In den bei vollstreckbaren Urkunden allerdings nicht in Betracht kommenden Fällen der

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

417

klage geschützt wird 140 . Ferner erscheint es richtig, den Gläubiger nur aufgrund eines wirksamen Vollstreckungstitels als befugt anzusehen, die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Schließlich muß die Klauselerteilung (als Zeugnis der Vollstreckbarkeit des Titels und damit als Zeugnis vom Vorliegen der Umstände, die dem Gläubiger die rechtliche Handhabe bieten, die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu betreiben) abgelehnt werden, wenn der Vollstreckungstitel unwirksam ist - mag er auch im Sinne der BGHTerminologie in tatsächlicher Hinsicht "vollstreckungsfahig" sein141, da die Vollstreckungsorgane im Gegensatz zu den Klauselerteilungsorganen eine auf Form, Inhalt und Klausel beschränkte Prüfungsbefugnis haben. Gewährt aber nur ein wirksamer Vollstreckungstitel die rechtliche Handhabe zur Betreibung der Zwangsvollstreckung, so kann es folgerichtig keinen Unterschied machen, weswegen die drohende Vollstreckung "ergebnisunzulässig"142 ist - ob nun aufgrund des fehlenden materiellen Anspruchs oder aufgrund der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung. Es ist deshalb Windel darin zuzustimmen, daß es dem Sinn und Zweck der Vollstreckungsgegenklage entspräche, wenn sie auch allein wegen der Titelunwirksamkeit erfolgreich erhoben werden könnte. Doch wurde oben143 bereits gezeigt, daß jede teleologische Auslegung gesetzlicher Vorschriften - auch im Bereich des Prozeßrechts - ihre Schranke in der äußersten Wortsinngrenze findet und die Anwendung einer Vorschrift jenseits dieser Grenze nicht mehr (extensive) Auslegung, sondern analoge Anwendung ist. Erforderlich ist daher, daß das Vorbringen des Schuldners, die vollstreckbare Urkunde sei unwirksam, noch innerhalb der weit gefaßten Wortsinngrenze des § 767 I ZPO liegt. Ist das nicht mehr der Fall, kann die Titelunwirksamkeit im Rahmen des § 767 ZPO nicht berücksichtigt werden, und es ist dann eine selbständige Klage mit eigenständigem Streitgegenstand notwendig.

bb) Wortsinngrenze des § 767 ZPO Wie oben144 bereits gezeigt wurde, kann bei Annahme einer weiten Wortsinngrenze unter "Einwendungen" jegliches gegen den Gegner gerichtete Vorbringen verstanden werden, mithin auch der Vortrag, der Vollstreckungstitel §§ 887 ff ZPO hat die Vollstreckungsgegenklage sogar eine primär den Willen des Schuldners schutzende Funktion. 140

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) ee) sub (2).

141

Siehe hierzu oben 4. Kap. D. I. 1. a) bb) (2) mit Fußn. 79.

142

Siehe zu diesem Begriff oben 1. Kap. B. III. 2. a).

143

Siehe oben 3. Kap. D. I. l.a).

27 Schullheis

418

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

sei unwirksam. Ebenso ergab sich145, daß von einem Anspruch allenfalls dann noch gesprochen werden kann, wenn es sich zumindest um ein subjektives Recht (bzw. dessen Ausfluß 146) oder um die Behauptung, Geltendmachung, Leugnung oder Gestaltung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses handelt. Alles, was nicht mehr unter diese weit gefaßte Wortsinngrenze fällt, kann nicht mehr "Anspruch" sein. Unter den in dieser Weise weit gefaßten Begriff des "Anspruchs" könnte die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde möglicherweise dann zu fassen sein, wenn die Titelwirksamkeit selbst ein Rechtsverhältnis darstellt. Regelmäßig wird dieses Problem im Zusammenhang mit der Frage erörtert, ob die Wirksamkeit eines Urteils mit einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO überprüft werden kann, denn als deren Gegenstand kommt - außer der Untersuchung der Echtheit einer Urkunde - nur das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses in Frage. Ohne an dieser Stelle auf die weitergehende Frage einzugehen, inwieweit dem Schuldner die Klagemöglichkeit nach § 256 ZPO zur Geltendmachung der Titelunwirksamkeit verbleibt 147, kann festgehalten werden, daß nach h. M. 148 offenbar die Titelwirksamkeit ein Rechtsverhältnis darstellt, denn die h. M. läßt bei wirkungslosen Urteilen eine Klage gem. § 256 I ZPO auf Feststellung der Unwirksamkeit zu. Eine nähere Begründung hierfür findet sich jedoch nicht. Zwar können auch Rechtsverhältnissen des Prozeßrechts tauglicher Gegenstand einer Feststellungsklage sein149. Unklar bleibt jedoch, worin konkret bei der Titelwirksamkeit ein solches Rechtsverhältnis zu sehen ist: Die bloße Titelexistenz stellt nämlich nur eine Tatsache dar. Gleiches gilt auch für die Titelwirksamkeit, denn diese begründet für sich allein keinen Tatbestand für das Entstehen oder Erlöschen von Rechten150. Folglich kann sie auch kein Rechtsverhältnis bzw. Recht (oder 144

Siehe oben 3. Kap. D. I. 1. b).

145

Siehe oben 3. Kap. D. I. l . c ) .

146

Vgl. Kleinfeiler, AcP 137 (1933), 129 (133).

147

Siehe hierzu unten 4. Kap. D. I. 3.

148

BGHZ 29, 223 (230); OLG Düsseldorf, NJW 1986, 1763; Stein/Jonas/Schumann, § 256 Rdnr. 35; Zöller/Vollkommer vor § 300 Rdnr. 19; MünchKommZPO/Lüke, § 256 Rdnr. 17; MünchKommZPO/ Musielak, vor § 300 Rdnr. 6; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Übers. § 300 Rdnr. 18; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 62 IV 1 (S. 343); Nikisch, Zivilprozeßrecht, § 102 III 3 (S. 396, 397); Pohle, FG Rosenberg, S. 145 (170, 177); Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde, S. 156. 149 Ganz h. M., vgl. statt aller: Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 6; Zöller/Greger, § 256 Rdnr. 3; MünchKommZPO/Lüke, § 256 Rdnr. 17; Stein/Jonas/Schumann, § 256 Rdnr. 35. A. A. noch Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 488, der § 256 ZPO auf materielle Rechtsverhältnisse beschränkt. 150 Ebenso zur vergleichbaren Problematik der Feststellung der Urteilswirksamkeit im Rahmen einer Klage nach § 256 ZPO OLG Frankfurt, NJW 1959, 2023; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil,

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

419

die Behauptung, Geltendmachung, Leugnung oder Gestaltung eines solchen) darstellen, sondern lediglich eine auf einer bloßen Rechtsfrage beruhende Tatsache (d. h. eine Tatsache, deren Feststellung die Anwendung von Rechtsvorschriften voraussetzt). Damit wird aber auch das Vorbringen, die vollstreckbare Urkunde sei unwirksam, selbst vom weitestmöglichen Wortsinn des § 767 ZPO nicht mehr erfaßt. Zu einer Überprüfung der Titelwirksamkeit im Rahmen der Vollstrekkungsgegenklage kann man auch nicht dadurch gelangen, daß man alle oder einzelne Beziehungen des Vollstreckungsrechtsverhältnisses 151 unter den Begriff des "Anspruchs" zu fassen versucht. Unabhängig von der Frage, inwieweit sich die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels auf das Vollstreckungsrechtsverhältnis auswirkt und inwieweit die einzelnen Rechtsbeziehungen des Vollstreckungsrechtsverhältnisses noch unter die weitestmögliche Wortsinngrenze des Begriffs Anspruch zu fassen sind, ließe sich auch eine solche Interpretation mit dem Wortlaut des § 767 ZPO nicht mehr in Einklang bringen. Wenn in § 767 I ZPO von einem "festgestellten" Anspruch die Rede ist, so setzt das - im weitestmöglichen Wortsinne - zumindest voraus, daß das Rechtsverhältnis, das mit dem "Anspruch" i. S. d. § 767 I ZPO identifiziert werden soll, wenigstens theoretisch bis zum Abschluß der Titulierung entstanden sein kann. Das Vollstreckungsrechtsverhältnis kann aber immer erst nach dem Abschluß der Titulierung entstehen - und auch dann nur, wenn weitere Elemente (Vollstreckungsklausel, Vollstreckungsantrag) hinzutreten152. Es ist mithin unter keinem Gesichtspunkt mit dem Wortlaut des § 767 I ZPO vereinbar, im Rahmen der Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage die Titelwirksamkeit zu überprüfen.

2. Klauselgegenklage, § 768 ZPO

Ebensowenig wie zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung 153 paßt die Klauselgegenklage gem. § 768 ZPO zur Geltendmachung der Titelunwirksamkeit. Zum einen geht es bei dem Einwand der S. 92 und 188 f; A. Blomeyer, ZPR, § 81 I I I 2 a (S. 438 mit Fußn. 55); Götz, Urteilsmängel, S. 49; Windel ZZP 102 (1989), 175 (225 ff); Lüke/Zawar, JuS 1970, 202 (212 Fußn. 98). 151 Vgl. allgemein zum Vollstreckungsrechtsverhältnis: Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 8 (S. 66 ff) m. w. N.; Baur/Sturner, ZVR, Rdnr. 12 ff; Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 2 I (S. 9 ff); ders., Grundbegriffe, Rdnr. 19 - 22 und unten 4. Kap. D. I. 3. b) mit Fußn. 180. 152

Ob das Vollstreckungsverhältnis bereits mit der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels entsteht oder erst mit dem ersten Vollstreckungsantrag des Gläubigers, ist streitig. Vgl. hierzu Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 8 I 4 (S. 68) sowie 3. Kap. D. I. 1. c) mit Fußn. 170. 153

27'

Siehe hierzu oben 3. Kap. D. I. 2.

420

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

Titelunwirksamkeit nicht - wie bei § 768 ZPO - um die Frage des richtigen Nachweises eines für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigimg relevanten Umstandes. Zum anderen paßt auch das mit der Klauselgegenklage erreichbare Rechtsschutzziel nicht, denn bei deren Erfolg wird nur die Zwangsvollstreckung aus der konkreten vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig erklärt und nicht aus dem Titel (der vollstreckbaren Urkunde) als solchem, obgleich sich doch die Titelunwirksamkeit nicht nur auf die konkret bisher erteilte Klausel auswirkt, sondern auch in Zukunft einer Zwangsvollstreckung aus dem Titel entgegensteht. § 768 ZPO eignet sich daher weder in seinem direkten Anwendungsbereich, noch von seinem Sinn und Zweck her zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde.

3. Feststellungsklage, § 2561 ZPO

a) Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde aa) Meinungsstand und Stellungnahme Gelegentlich wird die Ansicht vertreten, der Schuldner könne mit einer Feststellungsklage nach § 256 I ZPO die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde geltend machen und hierdurch die Einstellung der Zwangsvollstrekkung erreichen 154. Dabei kann es sich auch hier nur um eine Klage auf Feststellung des Bestehens bzw. Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses handeln (§ 256 I 1. Alt.), nicht dagegen auf Feststellung der Echtheit bzw. Unechtheit einer Urkunde (§ 256 I 2. Alt. ZPO), denn letzteres betrifft nur die Frage, ob die Unterschrift dem Namensträger zuzuordnen ist und die darüberstehende Schrift vom Aussteller selbst stammt oder mit dessen Willen dort steht155. Zweifelhaft erscheint jedoch zunächst, ob eine solche Klage überhaupt den Bedürfnissen des Schuldners gerecht werden kann, denn dieser benötigt eine Entscheidung i. S. d. § 775 Nr. 1 ZPO, um die Einstellung der Zwangsvollstreckung und gem. § 776 S. 1 ZPO die Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsakte erreichen zu können. Ein auf eine Feststellungsklage hin ergehendes Urteil würde aber weder zu einer Aufhebung der Urkunde bzw. ihrer Vollstreckbarkeit, noch zu einer Unzulässigerklärung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung fuhren. Jedoch werden Entscheidungen, die die Unwirksamkeit des Titels ausdrücklich feststellen, den Entscheidungen i. S. d. 154 Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 40 IV 2 (S. 463); Olzen, DNotZ 1993, 211 (222); offengelassen in BGH, NJW 1992, 2160 (2162); kritisch hierzu BGH, NJW 1994, 460 (461 f). 155

Siehe oben 3. Kap. D. I. 3. sub b); Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 12 i. V. m. § 437 Rdnr. 1.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

421

§ 775 Nr. 1 ZPO gleichgestellt. Als Beispiele werden in diesem Zusammenhang insbesondere Beschlüsse nach § 269 III 1, 3 ZPO und § 620 f S. 2 ZPO genannt156. Entsprechendes müßte dann auch für ein Urteil auf Feststellung der Titelunwirksamkeit gelten, sofern man ein solches für möglich erachtet. Dies erscheint jedoch gerade zweifelhaft. Wie oben festgestellt wurde 157, läßt zwar die h. M. 158 bei wirkungslosen Urteilen eine Klage gem. § 256 I ZPO auf Feststellung der Unwirksamkeit zu. Dies steht jedoch im Widerspruch zur allgemeinen Auffassung, daß Tatsachen (außer der Urkundenechtheit), reine Rechtsfragen, einzelne Elemente von Rechtsverhältnissen sowie rechtlich bedeutsame Eigenschaften von Personen oder Sachen nicht feststellungsfähig sind159. Die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit eines Vollstreckungstitels und somit auch der vollstreckbaren Urkunde ist aber gerade als eine auf einer Rechtsfrage beruhende Tatsache anzusehen160, mithin also kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis161. Da aber die hier nicht betroffene Frage der Echtheit einer Urkunde der einzige Fall ist, in dem eine Tatsache mit einer Feststellungsklage festgestellt werden kann162, ist die Urkundenwirksamkeit kein tauglicher Klagegegenstand i. S. d. § 256 I ZPO.

156

Stein/Jonas/Münzberg, § 775 Rdnr. 8.

157

Siehe oben 4. Kap. D. I. 1. b) bb).

158

BGHZ 29, 223 (230); OLG Düsseldorf, NJW 1986, 1763; Stein/Jonas/Schumann, § 256 Rdnr. 35; Zöller/Vollkommer vor § 300 Rdnr. 19; MünchKommZPO/Lüke, § 256 Rdnr. 17; MünchKommZPO/ Musielak, vor § 300 Rdnr. 6; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Übers. § 300 Rdnr. 18; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 62 IV 1 (S. 343); Nikisch, Zivilprozeßrecht, § 102 III 3 (S. 396, 397); Pohle, FG Rosenberg, S. 145 (170, 177); Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde, S. 156. 159

Vgl. statt aller: MünchKommZPO/Lüke, § 256 Rdnr. 22, 24, 25, 26; Zölier/Greger, § 256 Rdnr. 5; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 256 Rdnr. 5. 160

Siehe oben 4. Kap. D. I. 1. b) bb).

161

Die Frage, ob die Wirksamkeit eines Urteils ebenfalls mit der Feststellungsklage geklärt werden kann, verneinen ebenfalls: OLG Frankfurt, NJW 1959, 2023; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 92, 188 f; A. Blomeyer, ZPR, § 81 III 2 a mit Fußn. 55 (S. 438); Götz, Urteilsmängel, S. 49; Windel ZZP 102 (1989), 175 (225 ff); Lüke/Zawar, JuS 1970, 202 (212 Fußn. 98). 162

Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 12; MünchKommZPO/Lüke, § 256 Rdnr. 26.

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

422

bb) Verteidigung gegen mögliche Einwände (1) Rechtspraxis zu § 620f ZPO An dem Ergebnis, daß die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde eine im Rahmen des § 256 I ZPO nicht feststellungsfähige Tatsache ist, ändert auch die Rechtspraxis zu § 620 f ZPO nichts. Zwar wird angenommen, daß der Schuldner gegen einstweilige Unterhaltsanordnungen, die nach § 620 f ZPO fortwirken, eine negative Feststellungsklage erheben kann, da gegen diese eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO nicht möglich ist163. Jedoch beziehen sich diese Feststellungsklagen auf den materiellen (Unterhalts-)Anspruch und nicht auf die Unwirksamkeit der einstweiligen Anordnung als Titel, so daß es von vornherein an einer Vergleichbarkeit fehlt. (2) Feststellungsstreit

bei Unwirksamkeit

eines Prozeßvergleichs

Dem hier vertretenen Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß über den Streit um die "Wirksamkeit" eines Prozeßvergleichs eine (Zwischen-)Feststellungsentscheidung (vgl. § 256 II ZPO) ergehen kann164. Denn in diesem Fall bezieht sich die Feststellung nicht abstrakt auf die Wirksamkeit als solche, sondern letztlich auf die Frage des Fortbestehens bzw. Nichtfortbestehens des Prozeßrechtsverhältnisses des früheren Verfahrens und ggf. auf die durch einen wirksamen Vergleichsschluß herbeigeführte Änderung der materiellen Rechtslage165. Dies zeigt sich auch darin, daß im Falle der Geltendmachung der Unwirksamkeit des Prozeßvergleichs bei Fortführung des alten Verfahrens der Streit nicht abstrakt um die Wirksamkeit des Prozeßvergleichs als solchen geht, sondern um die Frage, ob der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt 166 und ob die prozeßbeendende Wirkung eingetreten ist 167 . Ein Prozeßrechtsverhältnis, dessen Fortbestehen mit der Feststellungsklage rechtskräftig geklärt werden könnte, lag aber der vollstreckbaren Urkunde nie zugrunde, weil diese 163 Vgl. statt aller: BGH, FamRZ 1983, 355 (356); BGH, FamRZ 1987, 682; Baumbach/Lauterbach/Albers, § 620 f Rdnr. 3; Zöller/Philippi, § 620 f Rdnr. 13; Thomas/Putzo, § 620 f Rdnr. 5; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 168 I I 14 (S. 1047). 164

Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rdnr. 50; BGH, MDR 1974, 567; Zöller/Stöber, § 794, Rdnr. 15.

165

Windel, ZZP 102 (1989), 175 (225).

166

BGHZ 16, 167(171).

167

Auch bei der Klage auf Feststellung des Vorliegens eines Nichturteils geht es ausschließlich um die Frage, ob das Prozeßrechtsverhältnis beendet wurde, vgl. Lüke, JuS 1985, 767 (769); Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 93. A. A. die h. M., die annimmt, die Wirksamkeit des Titels selbst sei ein Rechtsverhältnis, siehe oben 4. Kap. D. I. 1. b) bb); 4. Kap. D. I. 3. a) aa).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

423

in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und ohne rechtliche Einwirkungsmöglichkeit des Gläubigers errichtet wurde 168.

(3) Feststellungsklage über die Auslegung des Titelinhalts Des weiteren steht der hier vertretenen Ansicht, die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde stelle eine im Rahmen des § 256 I ZPO nicht feststellungsfahige Tatsache dar, auch nicht die Auffassung entgegen, nach der gem. § 256 ZPO auf Feststellung des Inhalts eines Titels geklagt werden kann169. In seinem Urteil vom 26. 1. 1959, II ZR 235 / 57170 versuchte der BGH hieraus zwar mit einem argumentum fortiori die Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Titels zu begründen. Wenn der Schuldner schon bei einem Streit über die Auslegung eines Urteils zulässigerweise eine Klage auf Feststellung des Gegenstands der Verurteilung erheben könne, so müsse er auf diese Weise erst recht die Nichtigkeit einer Entscheidung geltend machen können171. Dieser Schlußfolgerung ist jedoch nicht zu zustimmen - unabhängig davon, ob man bei einem Auslegungsstreit die Feststellungsklage für zulässig hält oder nicht. Die Klage auf Feststellung des "Titelinhalts" hat lediglich eine ergänzende Funktion, wenn die Auslegung durch das Vollstreckungsorgan zu keinem Ergebnis gefuhrt hat: Das Prozeß^ gericht ist an den bereits bestehenden Titelinhalt gebunden und hat nur die dort offengebliebenen Zweifelsfragen auszuräumen172. Dem Gläubiger dient die Feststellungsklage dazu, dem Titel die notwendige Bestimmtheit für die Zwangsvollstreckung zu verschaffen, indem der Leistungsumfang genau festgestellt und so die Notwendigkeit (und Zulässigkeit) einer erneuten Leistungsklage ausgeschlossen wird 173 . Der Schuldner dagegen kann durch die Feststellungsklage die Tragweite der titulierten Verpflichtung überprüfen lassen. Damit wird jedoch letztlich in beiden Fällen nicht (abstrakt) der "Titelinhalt" überprüft (dies wäre letztlich nur eine im Klagewege nicht feststellbare Tatsache), sondern - unter Bindung an den bisherigen Titelinhalt - die in ihm (materiell rechtskräftig) zuerkannten, aufgrund der konkreten Formulierung aber zweifelhaften Rechtsfolgen. Folglich bilden auch hier konkrete Rechtsbe168

Windel, ZZP 102 (1989), 175, (225).

169

Für die Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung des Urteilsinhalts etwa RGZ 82, 161 (164); RGZ 147, 27 (29); BGHZ 36, 11 (14), BGH, NJW 1972, 2268 (2268); Renck, NJW 1992, 2209. 170

BGHZ 29, 223 ff, allerdings zur Klage auf Feststellung der Wirksamkeit eines Urteils.

171

BGHZ 29, 223 (230).

172

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 10 II 2 b (S. 86).

173

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 10 I I 2 b (S. 86).

424

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

Ziehungen den Gegenstand der Feststellungsklage174, so daß es nicht möglich ist, aus der Zulässigkeit einer "Titelfeststellungsklage" auf die Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung der Titelwirksamkeit zu schließen175.

(4) Anerkennung ausländischer Entscheidungen Schließlich steht dem hier gefundenen Ergebnis, die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde sei kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i. S. d. § 256 ZPO, auch nicht die Rechtspraxis entgegen, nach der mit einer Feststellungsklage die Frage der Anerkennung einer im Ausland ergangenen Entscheidung geklärt werden kann. Soweit das EuGVÜ anwendbar ist, enthält es in Art. 26 II EuGVÜ ohnehin eine unmittelbar anwendbare Regelung, die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeine Feststellungsklage des § 256 ZPO ausschließt176. Aber auch, soweit die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO in der Frage der Anerkennung eines ausländischen Urteils für zulässig erachtet wird 177 , geht es nicht abstrakt um die Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung. Streitgegenstand sind vielmehr die Wirkungen der ausländischen Entscheidung im Inland, also ihre Anerkennung, nicht etwa nur die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Entscheidung selbst178.

b) Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des Vollstreckungsanspruchs Scheidet die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis aus, so ist doch zu überlegen, ob nicht die Rechtsbeziehungen des Vollstreckungsrechtsverhältnisses im Wege der Feststellungsklage überprüft und über diesen "Umweg" auch die Wirksamkeit des Vollstrekkungstitels untersucht werden kann. Das Vollstreckungsrechtsverhältnis 179 174

A. A. Renck, NJW 1992, 2209, der einerseits annimmt, es fehle an einem Rechtsverhältnis i. S. d. § 256 ZPO, aber dennoch - ohne nähere Begründung - die Feststellungsklage bei Unklarheit über den Titelinhalt für zulässig erachtet. 175

Im Ergebnis ebenso Windel ZZP 102 (1989), 175 (226).

176

Kropholler, EuGVÜ, Art. 26 Rdnr. 2; MünchKommZPO/Gottwald, Art. 26 IZPR Rdnr. 5.

177

Das ist etwa der Fall, wenn das EuGVÜ nicht anwendbar ist, weil das Urteil aus einem Nichtvertragsstaat kommt oder weil sich eine Partei der Anerkennung nach dem EuGVÜ widersetzen will und daher nicht die besondere (positive) Feststellungsklage des § 26 I I EuGVÜ, sondern nur die negative Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhoben werden kann; vgl. hierzu etwa Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/2, Rdnr. 239 f. 178

Vgl. Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. I I I / l , Rdnr. 1608 und Bd. 3. 2. Rdnr. 238.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

425

wird heute allgemein als dreiseitiges Rechtsverhältnis aufgefaßt, an dem als Subjekte sowohl der Staat, repräsentiert durch seine Vollstreckungsorgane, als auch Schuldner und Gläubiger beteiligt sind. Es entsteht mit dem ersten Vollstreckungsantrag des Gläubigers180, der bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Vollstreckung gegen den Staat ein subjektives öffentliches Recht auf Vornahme des zulässigerweise beantragten Vollstreckungsaktes hat (sogenannter Vollstreckungsanspruch) 181. Denkbar wäre es daher im Falle der Titelunwirksamkeit eine Klage des Schuldners nach § 256 I ZPO auf Feststellung des Nichtbestehens des Vollstreckungsanspruchs zuzulassen, die zum Streitgegenstand nicht nur die Zulässigkeit der konkreten Vollstreckung, sondern aller künftig möglichen Vollstreckungsversuche aus dem Titel hat182. Dem steht nicht entgegen, daß es sich um ein öffentlich-rechtliches Verhältnis handelt183 und daß der Vollstreckungsanspruch nur zwischen Gläubiger und Staat besteht, der klagende Schuldner also an diesem Rechtsverhältnis nicht beteiligt ist, denn bei der Feststellungsklage gibt es (anders als bei der Gestaltungsklage) keine Vorschriften über den richtigen Kläger bzw. Beklagten. Sie kann von jedem erhoben werden, der ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses hat184. Mit der Feststellung des Beste-

179

Vgl. hierzu allgemein Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 8 (S. 66 ff); Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 12 ff; Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 2 I (S. 9 ff); ders., Grundbegriffe, Rdnr. 19 - 22.

180

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 8 I 4 (S. 68 f); BGH, NJW 1975, 304. Dies ist im einzelnen streitig. Nach einer anderen Auffassung (Rosenberg, ZPR, 9. Aufl., § 170 I I 3 (S. 884); W. Hein, Identität der Partei, Bd. II, S. 5 f; Geib, Pfandverstrickung, S. 109, 112) soll das Vollstreckungsrechtsverhältnis bereits mit Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung entstehen. Hiergegen spricht aber, daß die Klauselerteilung nur der Vorbereitung des Vollstreckungsverfahrens dient, nicht aber deren Bestandteil ist. Außerdem kann - soweit das Gesetz ausnahmsweise von der Klausel absieht (§§ 796 I, 929 I, 936 ZPO) - ohnehin nur der Vollstreckungsantrag das Vollstreckungsrechtsverhältnis begründen. Abzulehnen ist aber auch die Auffassung, das Vollstreckungsrechtsverhältnis entstehe erst, wenn der Schuldner seine Parteirolle positiv einnehme, was erst mit der ersten Vollstreckungshandlung des Vollstreckungsorgans bzw. mit der vorheriger Anhörung des Schuldners (etwa gem. § 891 ZPO) der Fall sei (J. Blomeyer, Erinnerungsbefugnis, S. 30 f). Hiergegen spricht ein Vergleich mit dem Erkenntnisverfahren: Die Parteistellung wird dort mit bloßer Zustellung der Klage begründet; damit wird der Beklagte Subjekt des Prozeßrechtsverhältnisses - gleichgültig ob er sich auf die Klage einläßt oder die Versäumnisfolgen gegen sich auslöst (Gaul, Rpfleger, 1971, 81 (85 mit Fußn. 313); Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 8 I 4 (S. 68 f)). Der Streit um den genauen Zeitpunkt des Beginns des Vollstreckungsrechtsverhältnisses ist aber für das vorliegende Problem letztlich ohne Bedeutung. 181

Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 8 II 1 (S. 69).

182

So Pohle, JZ 1954, 341 (343).

183

Statt vieler MünchKommZPO/Lüke, § 256 Rdnr. 10; Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 6.

184

RGZ 41, 345 (346 f); RGZ 128, 92 (94); BGH, L M § 256 Nr. 25, Nr. 34, Nr. 59, Nr. 90; K. Schmidt, JZ 1988, 727 (736); ders., JuS 1986, 35 (39); kritisch Trzaskalik, Rechtsschutzzone der Feststellungsklage, S. 157 f.

426

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

hens bzw. Nichtbestehens des Vollstreckungsanspruchs185) wäre aber nichts gewonnen: Zum einen erscheint bereits fraglich, ob eine solche Feststellung dem Schuldner im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO überhaupt etwas nutzen würde. Zwar werden Entscheidungen, die die Unwirksamkeit des Titels ausdrücklich feststellen den in § 775 Nr. 1 ZPO genannten Entscheidungen gleichgestellt186. Ein solcher Ausspruch ergeht jedoch gerade nicht, wenn der Schuldner auf Feststellung des Nichtbestehens des Vollstreckungsanspruchs klagt, denn hierfür ist die Titelwirksamkeit nur eine Vorfrage. Man müßte also - soll das Feststellungsurteil dem Schuldner etwas nutzen - in erweiterter Auslegung (oder Analogie) auch diese Entscheidung unter § 775 Nr. 1 ZPO fassen. Dies erscheint aber wiederum problematisch: Wird nämlich das Verfahren auf Feststellung des Nichtbestehens des Vollstreckungsanspruchs durchgeführt, bevor der Gläubiger einen Vollstreckungsantrag gestellt hat, so obsiegt der Schuldner unabhängig von der Wirksamkeit des Vollstreckungstitels, wenn man davon ausgeht, daß das Vollstreckungsrechtsverhältnis und damit der Vollstreckungsanspruch erst mit Antragstellung des Gläubigers entsteht187. Der Schuldner könnte dann, auch nachdem alle Vollstreckungsvoraussetzungen einschließlich des Vollstreckungsantrags des Gläubigers vorliegen, dem Vollstreckungsorgan einen auf diese Weise zuvor erfolgreich erstrittenen Titel vorlegen und so immer die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO erreichen. Zu einem anderen Ergebnis käme man zwar, wenn man das Feststellungsinteresse für eine Feststellungsklage für die Zeit vor der Stellung des Vollstreckungsantrags durch den Gläubiger verneint. Dies hätte aber den Nachteil, daß die nur schwer vom Schuldner zu beweisende Stellung des Vollstreckungsantrags quasi zur Prozeßvoraussetzung erhoben und dadurch dessen Rechtsschutz erheblich erschwert würde. Vermeiden ließen sich diese Nachteile nur durch zusätzliche Konstruktionen, indem z. B. das Feststellungsurteil, das vor der Stellung des Vollstreckungsantrags ergeht, nur das Nichtbestehen des Vollstreckungsanspruchs bis zur Antragstellung feststellt 188 185

Die folgenden Ausführungen gelten entsprechend für eine etwaige Feststellung des zwischen Staat und Schuldner bestehenden Eingriffsverhältnisses oder hinsichtlich des zwischen Schuldner und Gläubiger bestehenden Basisverhältnisses. (Anmerkung: Häufig wird für die Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Gläubiger auch der Ausdruck "Vollstreckungsverhältnis" verwendet, vgl. Baur/Stürner, ZVR, Rdnr. 12 ff. Für die Verwendung des Begriffs "Basisverhältnis" Rosenberg/Gaul/Schilken, ZVR, § 8 I I 3 (S. 70); Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 2 I 3 (S. 14 f); ders., Gnindbegriffe, Rdnr. 22 mit Fußn. 3). 186

Siehe oben 4. Kap. D. I. 3. a) aa).

187

Siehe oben Fußn. 180 in diesem Abschnitt.

188

Dies erscheint insofern problematisch, als damit zugleich festgestellt wird, daß der Vollstrekkungsanspruch mit der Antragstellung entstehen wird. Künftige Ansprüche sind aber grundsätzlich nicht feststellungsfahig. Eine Ausnahme könnte man allerdings hier mit der Begründung zulassen,

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

427

oder indem man annimmt, der Vollstreckungsanspruch bestehe als durch Vorliegen der gesetzlichen Vollstreckungsvoraussetzungen und der Antragstellung bedingter bereits vor Stellung des ersten Vollstreckungsantrags. Darüber hinaus erscheint es fraglich, ob in den Fällen, in denen trotz Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde ein nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliegt, nicht doch ein Vollstreckungsanspruch besteht. Immerhin sind die Vollstreckungsorgane wegen der Formalisierung der Zwangsvollstreckung nur zu einer formalen Prüfung der Titelwirksamkeit berechtigt und müssen die Zwangsvollstreckung durchfuhren, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und eine Vollstreckungsklausel erteilt ist. Es ließe sich daher die Auffassung vertreten, daß auch in diesen Fällen ein - wenn auch aufgrund der Unwirksamkeit des Titels fehlerhaftes und damit angreifbares - Vollstreckungsrechtsverhältnis existiert, so daß der Schuldner mit einer negativen Feststellungsklage unterliegen müßte. Doch selbst wenn man die Feststellung des Nichtbestehens des Vollstrekkungsanspruchs als Entscheidung i. S. d. § 775 Nr. 1 ZPO ansehen will oder die Frage der Urkundenwirksamkeit als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis auffaßt, spricht gegen eine Geltendmachung der Titelunwirksamkeit im Rahmen einer Feststellungsklage schließlich, daß sich dieses Instrument für einen Rechtsschutz des Schuldners als zu träge erweist. Ein einstweiliger Rechtsschutz steht dem Schuldner bei der Feststellungsklage (im Gegensatz zu allen anderen Rechtsbehelfen des Vollstreckungsrechts) nicht zur Verfügung 189. Häufig wird deshalb bis zum rechtskräftigen Abschluß des Urteilsverfahrens auch das Vollstreckungsverfahren beendet sein. Dem Schuldner bleibt dann nur noch übrig, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären, um wenigstens die Kostennachteile des Prozesses abwenden zu können. Eine ihm hilfreiche Ent-

daß das Substrat der Rechtsbeziehung, aus der sich der Vollstreckungsanspruch künftig ergibt, mit der Existenz des Titels schon gegenwärtig vorhanden ist (vgl. MünchKommZPO/Lüke, § 256 Rdnr. 29; Thomas/Putzo, § 256 Rdnr. 8). 189

Zu überlegen wäre, ob dieser Nachteil nicht durch ein zusätzliches summarisches Verfahren analog § 769 ZPO ausgeglichen werden kann. So wird z. B. in der Rechtsprechung der negativen Feststellungsklage des Schuldners gegen gem. § 620 f ZPO fortwirkende Unterhaltsanordnungen das summarische Verfahren analog § 769 ZPO zur Seite gestellt; vgl. etwa OLG Hamburg, FamRZ 1980, 904 (904 f); OLG Hamm, FamRZ 1981, 693 (694); OLG Stuttgart, FamRZ 1981, 694. (Nach a. A. sind die §§ 707, 719 ZPO analog anzuwenden, vgl. etwa OLG Frankfurt FamRZ 1990, 767. Der Streit gewinnt nur dann Bedeutung, wenn man die einstweiligen Anordnungen nach § 769 ZPO und §§ 707, 719 ZPO in unterschiedlichem Umfang für anfechtbar hält; vgl. MünchKommZPO/Klauser, § 620 Rdnr. 51). Letztlich hätte man dann im Ergebnis aber nichts anderes geschaffen als die im folgenden zu behandelnde Klage analog § 767 ZPO, bei der es nicht zu den oben bei der Feststellungsklage aufgezeigten Schwierigkeiten kommt und die darüber hinaus - im Gegensatz zur Feststellungsklage - den regelmäßig für den Schuldner angenehmen Gerichtsstand des § 797 V ZPO eröffnet.

428

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

Scheidung hat er jedoch mit der Feststellungsklage nicht mehr erlangen können.

4. Unterlassungsklage

Zu überlegen ist weiterhin, ob nicht eine Leistungsklage analog § 1004 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung dem Bedürfnis des Schuldners an einem umfassenden, mit allen Verfahrensgarantien ausgestalteten Klageverfahren und einer rechtskraftfahigen Entscheidung über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung genügen könnte. Dem ist aber nicht so: Ein der Klage stattgebendes Urteil würde zwar dem Gläubiger die Durchführung der Zwangsvollstreckung untersagen, wäre aber keine dem Schuldner behilfliche Entscheidung i. S. d. §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO und würde gegenüber den Vollstreckungsorganen wirkungslos bleiben190. Dem Schuldner bliebe bei einem solchen Urteil nur die Möglichkeit zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs seinerseits die Zwangsvollstreckung (gem. § 890 ZPO) zu betreiben.

5. Unwirksamkeitsklage, § 767 ZPO analog

a) Rechtliche Schutzwürdigkeit des Schuldners, die Titelunwirksamkeit im Rahmen einer Klage geltend zu machen Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß der Schuldner zwar mit der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO alle Umstände, die zur Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde fuhren, und zusätzlich mit § 766 ZPO Tatbestandsmängel des Titels geltend machen kann191. Doch wurde gleichfalls festgestellt, daß selbst dann, wenn sich der Schuldner ausschließlich gegen die Titelwirksamkeit wendet, ein rechtsschutzwürdiges Interesse an einer Klage anerkannt werden muß192. Dies ergab sich aus der Beschränkung der Beweismittel im Klauselerinnerungsverfahren auf Urkunden sowie daraus, daß das Verfahren nur summarisch, nicht kontradiktorisch und im Regelfall auch nicht mündlich ist, weshalb es nicht dieselbe Richtigkeitsgewähr wie ein Urteil bietet. Da es keine vorbeugende Klauselerinnerung gibt, muß der Schuldner bei diesem Rechtsbehelf ferner die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung abwarten. Erhält er »

190

So auch BGH, NJW 1994, 460 (461).

191

Siehe oben 4. Kap. C . I I . 1.

192

Siehe oben 4. Kap. D. I. 1. a) dd).

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

429

davon wegen § 730 ZPO keine Kenntnis, so wird er sich meist erst nach Vollstreckungsbeginn gegen die Zwangsvollstreckung aus dem unwirksamen Titel wehren können. Schließlich führt das Verfahren nach § 732 ZPO nicht dazu, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Titel rechtskräftig für unzulässig erklärt wird, sondern ermöglicht nur eine nicht rechtskräftige Entscheidung über die Unzulässigkeit der Vollstreckung aus der bereits erteilten Klausel - obgleich doch der Mangel der Klauselerteilung auf dem Mangel des Titels beruht, dieser niemals mehr vollstreckbar 193 sein wird und somit diesbezüglich ein rechtskraftfähiger Ausspruch sinnvoll erscheint. Da im Rahmen der gesetzlich geregelten Klagen die Titelunwirksamkeit jedoch nicht geltend gemacht werden kann, ist von der für eine Analogie notwendigen planwidrigen Regelungslücke auszugehen.

b) Vergleichbarkeit

der Interessenlagen

Oben194 wurde bereits ausgeführt, daß es durchaus dem Sinn und Zweck des § 767 ZPO entspräche, wenn die Vollstreckungsgegenklage auch auf die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde gestützt werden könnte. Nur der Wortlaut des § 767 ZPO stand dem entgegen. Die Vorschrift ist daher analog anzuwenden195. Dem steht nicht entgegen, daß es sich bei einer "Unwirksamkeitsklage" analog § 767 ZPO um eine Gestaltungsklage handelt, die die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigt. Der Titel ist zwar wegen seiner Unwirksamkeit in der Tat bereits ipso iure nicht vollstreckbar - mag er auch aus der Sicht der Vollstrekkungsorgane "vollstreckungsfähig" sein, wenn er dennoch verfahrensfehlerhaft 196 mit einer Vollstreckungsklausel versehen wurde und nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeignet ist. Doch wurde oben197 gezeigt, daß richterliche Gestaltung und ipso-iure-Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen Unwirksamkeit des Titels keine unversöhnlichen Gegensätze darstellen, denn es macht von den Wirkungen her keinen Unterschied, ob die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung auf einem Umstand beruht oder auf mehreren nebeneinander tretenden Gründen und ob die nebeneinander tretenden 193

Vgl. zur Abgrenzung des Begriffs der "Vollstreckbarkeit" von dem der "Vollstreckungsfahigkeit" oben Fußn. 4. Kap. D. I. 1. a) bb) (2) Fußn. 79. 194

Siehe oben 4. Kap. D. I. 1. b) aa) (4).

195

So jetzt auch die BGH, NJW 1994, 460 (461 f) = ZIP 1994, 67 ff (zustimmend Herget, EWiR 1994, 205 f; K. Schmidt, JuS 1994, 528 f).

196

Siehe oben 4. Kap. Β. I.

197

Siehe oben 4. Kap. D. I. 1. a) dd).

430

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

Gründe ipso-iure wirken oder einen gestaltenden Staatsakt (Gestaltungsurteil) voraussetzen. Allein das wegen der ipso-iure-Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung fehlende Gestaltungsbedürfhis, das von der Gestaltungswirkung zu unterscheiden ist, bewirkt nicht die Unzulässigkeit der Gestaltungsklage, wenn sich das Rechtsschutzbedürfnis fur die Klage aus anderen Umständen ergibt. Dies ist aber der Fall - zum einen wegen des nicht ausreichenden Rechtsschutzes im Rahmen der Erinnerungs verfahren nach §§ 732, 766 ZPO, zum anderen weil es durchaus dem Sinn und Zweck des § 767 ZPO entspräche, wenn die Vollstreckungsgegenklage auch auf die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde gestützt werden könnte198. Aus diesem Grunde steht der für eine Analogie notwendigen Vergleichbarkeit der Interessenlagen ebenfalls nicht entgegen, daß § 767 ZPO dazu dient, die Formalisierung der Zwangsvollstreckung auszugleichen, indem er eine nur ergebnisunzulässige Zwangsvollstreckung in eine auch vornahmeunzulässige verwandelt199. Zum einen muß die Unwirksamkeitsklage diese Funktion ebenfalls erfüllen, sofern aufgrund der beschränkten Beweismittel im Klauselerteilungsverfahren in tatsächlicher Hinsicht die Titelunwirksamkeit nicht beachtet werden konnte200. Zum anderen stellt es ebensowenig und aus denselben Gründen wie beim Verhältnis von ipso-iure-Wirkung und Gestaltung einen Widerspruch dar, wenn die Klage analog § 767 ZPO in den Fällen eingesetzt wird, in denen neben der Ergebnisbereits auch die Vornahmeunzulässigkeit vorliegt: Die rechtliche Schutzwürdigkeit an einer Klageerhebung ergibt sich ja in diesen Fällen bereits aus den oben angeführten Gründen. Der Schuldner kann mithin die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde mit der Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO geltend machen.

c) Urteilswirkungen Hinsichtlich des Vollzugs und der Gestaltungswirkung des stattgebenden Unwirksamkeitsurteils analog § 767 ZPO entspricht die Situation der beim Gestaltungsurteil analog § 767 ZPO wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung und beim Vollstreckungsgegenklageurteil: Vollzogen wird das Urteil gem. §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO durch Einstellung der Zwangsvollstreckung und Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen, wofür die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils genügt. Die Gestaltungswirkung des (stattgebenden) Urteils, die erst mit Rechtskraft eintritt und für und 198

Siehe oben 4. Kap. D. I. 1. b) aa) (4).

199

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) ff).

200

Das ist z. B. der Fall Beurkundungsmängeln, wenn ein Verstoß gegen § 7 BeurkG oder §13 11 BeurkG sich nicht mit Urkunden belegen läßt; siehe oben 4. Kap. Β. I.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

431

gegen jedermann wirkt, hat zur Folge, daß aus dem Titel nicht vollstreckt werden darf. Diese Gestaltungswirkung tritt neben die bereits ipso iure bestehende Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen Unwirksamkeit des Titels, welche - sofern aus den Unterlagen im Klauselerteilungsverfahren ersichtlich auch ohne Gestaltungswirkung von den Klauselerteilungsorganen und im Falle eines Tatbestandsmangels zusätzlich noch von den Vollstreckungsorganen zu beachten gewesen wäre. Die materielle Rechtskraft, die nur zwischen den Parteien wirkt und mit Unanfechtbarkeit der Entscheidung eintritt, stellt - wie jedes Urteil über eine Gestaltungsklage - fest, ob zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung ein Recht des Klägers auf Durchfuhrung der Gestaltung bestand, ob also der Schuldner ein Recht auf die gerichtliche Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel hatte. Die objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft ergeben sich wiederum aus dem Urteilstatbestand und den Urteilsgründen. In Rechtskraft erwächst daher beim stattgebenden Urteil die Feststellung, daß die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel wegen dessen Unwirksamkeit zu Recht erfolgte. Umgekehrt wird mit der Abweisung der Klage als unbegründet rechtskräftig festgestellt, daß der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nicht die vom Kläger behauptete Titelunwirksamkeit entgegensteht, denn das Urteil stellt dann rechtskräftig fest, daß es an einem Gestaltungsgrund fehlt 201.

6. Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung

Für die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung gelten die Ausführungen in den Kapiteln 2 und 3 202 entsprechend: Auch im Falle der Titelunwirksamkeit besteht grundsätzlich ein ausreichender Schutz durch die zuvor erörterten Rechtsbehelfe. Das Bedürfnis 203 für eine (auf die analoge Anwendung des § 371 BGB gestützte204) "Titelherausgabeklage"205 besteht daher 201

Vgl. allgemein zum Umfang der materiellen Rechtskraft von Gestaltungsurteilen oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) vor (1).

202

Siehe oben 2. Kap. D. I. 4.; 3. Kap. D. I. 5.

203

Die Titelherausgabeklage wird fast ausschließlich nur fur den Fall erörtert, daß die titulierte Forderung materiellrechtlich nicht (mehr) besteht. Lediglich der BGH (BGHZ 29, 223 (230)) deutet in einem argumentum fortiori an, daß - wenn schon der Gläubiger verpflichtet sei, den Titel herauszugeben, falls der Schuldner an ihn geleistet habe - diese Verpflichtung erst recht bestehen müsse, wenn der Titel unwirksam sei. Windel, ZZP 102 (1989), 175 (227 ff), der ebenfalls von der Möglichkeit einer Titelherausgabeklage fur den Fall ausgeht, daß der Titel selbst unwirksam ist, erörtert das Problem des Rechtsschutzbedürfhisses nicht näher.

204

Siehe oben 2. Kap. D. I. 4. b) bb). Die fur eine Analogie notwendige Vergleichbarkeit der Interessenlagen ist hier ebenfalls gegeben: Bei § 371 BGB geht es um die faktisch starke Position, die der Gläubiger aufgrund des Besitzes einer Urkunde (Schuldschein bzw. vollstreckbare Ausfertigung) inne hat und damit verbunden um die Gefahr, daß der Gläubiger sich diese rein tatsächliche

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

432

hier gleichfalls nur hinsichtlich ihres ergänzenden Schutzes für den Fall, daß die der Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO stattgebende Entscheidung nicht rechtzeitig auffindbar ist oder der Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung in einer (kredit)schädigenden Weise einsetzt. Die "Titelherausgabeklage" kann deshalb hier ebenso nur Erfolg haben, wenn bereits im Rahmen der Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt wurde bzw. wenn beide Klagen im Wege der uneigentlichen Eventualhäufung (§ 260 ZPO) miteinander verbunden werden.

II. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe des Gläubigers Ist die vollstreckbare Urkunde unwirksam, so steht dem Gläubiger kein Rechtsbehelf zur Verfügung, diesen Mangel zu beseitigen. Ihm bleibt nur die Möglichkeit, wegen seines materiellrechtlichen Anspruchs eine Leistungsklage zu erheben, um sich so einen vollstreckbaren Titel zu beschaffen. Lehnt ein Klauselerteilungsorgan den Antrag des Gläubigers auf eine vollstreckbare Ausfertigung wegen angeblicher Titelunwirksamkeit ab, so kann der Gläubiger dies mit verfahrensinternen Rechtsbehelfen 206 nachprüfen lassen207. Diese helfen ihm aber dann nicht weiter, wenn der Schuldner - etwa bei einer Anhörung nach § 730 ZPO - ebenfalls Nachweise vorgelegt oder Umstände vorgetragen 208 hat, die berechtigte Zweifel an der Urkundenwirksamkeit aufkommen ließen209. In diesen Fällen besteht nämlich die Notwendigkeit weiterer Feststellungen und Prüfungen in tatsächlicher Hinsicht, wozu sich die verfahrensinternen Rechtsbehelfe wegen ihrer nur summarischen Natur und der Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden nicht eignen. Eine verbindliche Klärung hinsichtlich der Titelwirksamkeit erhält der Gläubiger auf eigene Initiative jedoch dann, wenn er ursprünglich die Klage Position entgegen der wahren Rechtslage zunutze macht (siehe oben 2. Kap. D. I. 4. b) bb)). Dieselbe Gefahr besteht aber auch, wenn bereits ein Unwirksamkeitsurteil analog § 767 ZPO erging, der Gläubiger aber dennoch versucht, mit Hilfe seiner vollstreckbaren Ausfertigung die Zwangsvollstreckung zu betreiben. 205

Siehe oben 2. Kap. D. I. 4. vor a) Fußn. 865.

206

Beschwerde nach § § 5 4 BeurkG, 20 ff FGG, der ggf. noch die "Durchgriffserinnerung" nach § 11 RPflG (bei Zuständigkeit des Rechtspflegers) oder die Erinnerung § 576 I ZPO (bei Zuständigkeit des Urkundsbeamten) vorgeschaltet sind, vgl. bereits oben 2. Kap. C. II. 1. a).

207

Siehe oben 4. Kap. C. I.

208

So z. B., wenn die gem. § 13 I 1 BeurkG erforderliche Verlesung entgegen § 13 I 2 BeurkG nicht dokumentiert ist und der Schuldner behauptet, diese sei auch nicht erfolgt.

209

Zweifel am Vorliegen der Klauselerteilungsvoraussetzungen gehen ja zu Lasten des Gläubigers; siehe bereits oben 2. Kap. Β. I. 2. a); 2. Kap. C. I. 1. c)bb) mit Fußn. 317.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

433

nach § 731 ZPO erhoben hatte, da er sich die für die Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel erforderlichen Urkunden nicht beschaffen konnte: Wird nämlich der Klauselklage stattgegeben, so steht fest, daß der Gläubiger ein Recht hatte auf gerichtliche Anordnung der Klauselerteilung als Zeugnis der Vollstreckbarkeit des Titels210. Damit steht aber zugleich fest, daß der Vollstreckbarkeit des Titels keine Umstände entgegenstehen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung objektiv vorlagen und zum Streitstoff des Verfahrens nach § 731 ZPO gehören. Streitstoff des Verfahrens ist aber - unabhängig von der urkundlichen Nachweisbarkeit - das tatsächliche Vorliegen sämtlicher Klauselerteilungsvoraussetzungen, wozu auch die Titelwirksamkeit gehört211. Mithin schließt das rechtskräftige Urteil über eine Klauselklage auch eine spätere, auf die Titelwirksamkeit gestützte Unwirksamkeitsklage des Schuldners analog § 767 ZPO aus. Gleiches gilt darüber hinaus für die Rechtsbehelfe nach §§ 732, 768 ZPO, soweit sie auf Umstände gestützt werden, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über die Klage nach § 731 ZPO objektiv vorlagen212. Die Titelunwirksamkeit kann also nach Rechtskraft des Urteils über die Klage nach § 731 ZPO nicht mehr eingewandt werden. Der Gläubiger kann daher - wenn es ihm nicht möglich ist, die für die Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel erforderlichen Urkunden zu beschaffen - mit der Klauselklage nach § 731 ZPO die Klauselerteilung erreichen und darüber hinaus (quasi als "Nebeneffekt") spätere Einwendungen gegen die Titelwirksamkeit endgültig ausschließen. Entsprechendes muß ihm aber auch möglich sein, wenn die Klauselerteilung nicht an den in § 731 ZPO genannten fehlenden urkundlichen Nachweisen scheitert, sondern daran, daß das Klauselerteilungsorgan aufgrund von Umständen, die nicht in der Art und Weise der Dokumentation des Titels selbst begründet sind213, von der Titelunwirksamkeit ausgeht oder eine solche zumindest für möglich hält214. Auch hier muß ihm ein Rechtsbehelf zur Verfügung gestellt werden, mit dem er verbindlich und nicht mehr angreifbar die Titelwirksamkeit klären lassen kann. Das Verfahren nach § 54 BeurkG genügt dem nicht, denn festgestellt wird dort nur, ob nach dem im Klauselerteilungsverfahren geltenden Prüfungsmaßstab (also aufgrund der vorgelegten Urkunden) alle Klauselerteilungsvoraussetzungen vorliegen215. Es erscheint auch nicht ge2,0

Siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) dd).

211

Siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) dd).

2.2

Siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) dd).

2.3

In denen also kein Tatbestandsmangel des Titels vorliegt.

2.4

Bereits bei begründeten Zweifeln hinsichtlich der Titelwirksamkeit müssen ja die Klauselerteilungsorgane die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung verweigern; siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. a); 2. Kap. C. I. 1. c) bb) mit Fußn. 316 u. 317.

2.5

2

Siehe oben 2. Kap. C. III. 1. b) bb) (2). Die Entscheidung vermag daher auch nicht eine spätere

Schulteis

434

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

rechtfertigt, den Gläubiger in den Fällen, in denen die Klauselerteilung an der angeblichen oder möglichen Titelunwirksamkeit scheiterte, auf die Leistungsklage zu verweisen: Zum einen kann der Gläubiger gerade ein Interesse an der vollstreckbaren Urkunde als Vollstreckungstitel haben. Das wird insbesondere der Fall sein, wenn in ihr auf den Nachweis des Eintritts solcher Umstände "verzichtet" 216 wird, von denen nach materiellem Recht Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs abhängen und die der Gläubiger bei einer Leistungsklage beweisen müßte217. Zum anderen muß - ebenso, wie der Schuldner die Möglichkeit hat, mit der Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO isoliert 218 die Titelunwirksamkeit geltend zu machen - auch dem Gläubiger die Möglichkeit eingeräumt werden, die Wirksamkeit des Titels verbindlich klären zu lassen. Eine Feststellungsklage scheidet hierfür aber - wie bereits oben gezeigt wurde 219 - aus, denn mit ihr kann die Titelwirksamkeit nicht überprüft werden. In Betracht kommt aber eine analoge Anwendung der Klage nach § 731 ZPO. Die für eine Analogie notwendige Regelungslücke liegt vor, denn die verfahrensinternen Rechtsbehelfe bieten wegen der Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden bei § 54 BeurkG bzw. wegen der Beschränkung des Prüfungsumfangs auf Tatbestandsmängel bei den §§ 766 II, 793 ZPO, 1112 RPflG, 71 I GBO nur im Falle einer auf einem Individualisierungs- oder Tatbestandsmangel beruhenden Titelunwirksamkeit eine ausreichende Richtigkeitsgewähr. Ein Rechtsbehelf, mit dem der Gläubiger in den anderen Fällen die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde mit Hilfe einer dann notwendigen umfassenden Beweisaufnahme geltend machen kann, steht ihm nicht zur Verfügung. § 731 ZPO schließt in seinem direkten Anwendungsbereich diese Lücke nicht, denn die Klauselklage findet nach dem Wortlaut des § 731 ZPO nur Anwendung, sofern der nach §§ 726 I, 727 - 729 ZPO erforderliche Nachweis durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden nicht gefuhrt werden kann, nicht aber dann, wenn die Klauselerteilung allein an der von den Klauselerteilungsorganen angenommenen Titelunwirksamkeit scheitert. Wie oben gezeigt wurde, besteht aber ein Bedürfnis dafür, dem Gläubiger einen Rechtsbehelf zur Verfügung zu stellen, mit dem er im Rahmen einer umfas(verfahrensexterne) Klage des Schuldners analog § 767 ZPO wegen Unwirksamkeit des Vollstrekkungstitels auszuschließen, denn jene führt zu einer umfassenden Prüfung, das Beschwerdeverfahren dagegen nur zu einer summarischen. 2.6

Zum Nachweisverzicht siehe ausfuhrlich oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (1).

2.7

Allerdings muß der Gläubiger nach der hier vertretenen Auffassung den Eintritt trotz Nachweisverzichts auch bei der vollstreckbaren Urkunde beweisen, wenn der Schuldner Vollstreckungsgegenklage erhebt, siehe oben 2. Kap. Β. I. 2. b) bb) (4) (b) sub (cc).

2.8

D. h. unabhängig von Einwendungen gegen den materiellen Anspruch.

2.9

Siehe oben 4. Kap. D. I. 3.

D. Verfahrensexterne Rechtsbehelfe

435

senden Beweisaufnahme die Titelwirksamkeit klären kann. Die in § 731 ZPO geregelte Interessenlage eines Gläubigers, der eine vollstreckbare Ausfertigung im Klauselerteilungsverfahren mangels der nach §§ 726 I, 727 - 729 ZPO erforderlichen Nachweise nicht erreichen kann, ist schließlich vergleichbar mit der Interessenlage eines Gläubigers, dem es nicht möglich ist, die Titelwirksamkeit zur vollen Überzeugung des Klauselerteilungsorgans mit Hilfe der allein zulässigen urkundlichen Nachweise darzulegen. In beiden Fällen soll die Anordnung der Klauselerteilung erreicht werden und ein umfassendes Erkenntnisverfahren über das Vorliegen der Klauselerteilungsvoraussetzungen geführt werden. § 731 ZPO ist daher auf den hier in Frage stehenden Fall analog anzuwenden.

III. Konkurrenz- und Präklusionsprobleme Auf Seiten des Schuldners kommt als verfahrensexterner Rechtsbehelf zur Geltendmachung der Titelunwirksamkeit allein die Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO in Betracht. Hinsichtlich etwaiger Konkurrenz- und Präklusionsprobleme stellt sich insoweit nur die Frage, wie sich diese Klage zu den auf Seiten des Gläubigers möglichen Klageverfahren nach § 731 ZPO bzw. § 731 ZPO analog verhält. Hat zuerst der Schuldner noch vor Klauselerteilung an den Gläubiger die Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO erfolgreich durchgeführt, so ist der Titel nicht nur ipso-iure aufgrund seiner Unwirksamkeit, sondern auch aufgrund der Gestaltungswirkung des Urteils nicht mehr vollstreckbar. Eine Klage nach § 731 ZPO bzw. § 731 ZPO analog mit dem Ziel der Anordnung der Klauselerteilung kann daher keinen Erfolg mehr haben. Obsiegte dagegen zuerst der Gläubiger im Rahmen eines Klageverfahrens nach § 731 ZPO bzw. § 731 ZPO analog, so steht mit Eintritt der materiellen Rechtskraft fest, daß zur Zeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ein Recht des Klägers auf Durchführung der Gestaltung bestand, daß also der Gläubiger in diesem Zeitpunkt ein Recht auf Anordnung der Klauselerteilung durch das Gericht hatte. In gleicher Weise ist damit aber auch das kontradiktorische Gegenteil festgestellt. Soweit der Schuldner ein Gestaltungsurteil nach § 767 ZPO analog wegen Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde begehrt, macht er jedoch nichts anderes geltend als ein insoweit kontradiktorisches Recht auf gerichtliche Gestaltung, denn in beiden Verfahren ist für die Frage der Vornahme der richterlichen Gestaltung und damit für den Gestaltungsgrund die Titelwirksamkeit von entscheidender Bedeutung. Mithin kann der Schuldner im Rahmen der Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO nicht mehr mit Erfolg die Titelunwirksamkeit vorbringen, wenn der Gläubiger

2 *

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

436

zuvor ein erfolgreiches Klageverfahren nach § 731 ZPO bzw. § 731 ZPO analog durchgeführt hat. Er hätte seine Einwendungen eben in diesem Klageverfahren vorbringen müssen.

E. Konkurrenzprobleme zwischen verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen Wie oben ausgeführt wurde 220, lassen sich für das Konkurrenzverhältnis von verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen vier Grundsätze aufstellen, soweit es bei ihnen um die (fehlerhafte) (Nicht-)Berücksichtigung materiellrechtlich relevanter Umstände geht: sowohl der Schuldner als auch der Gläubiger können verfahrensinterne und verfahrensexterne Rechtsbehelfe nebeneinander und unabhängig voneinander einlegen; die (weniger weitgehenden) verfahrensinternen Rechtsbehelfe erledigen sich, sofern einem (weitergehenden) verfahrensexternen Rechtsbehelf stattgegeben wird, falls mit beiden das gleiche Ziel verfolgt wird; wurde einem verfahrensexternen Rechtsbehelf stattgegeben, so entfällt die Möglichkeit des Rechtsbehelfsgegners einen verfahrensinternen Rechtsbehelf mit entgegengesetztem Ziel einzusetzen, bereits aufgrund der Gestaltungswirkung des verfahrensexternen Rechtsbehelfs; selbst ein rechtskräftiger Beschluß über einen verfahrensinternen Rechtsbehelf präjudiziell eine Entscheidung über einen verfahrensexternen Rechtsbehelf nicht221. Ob diese Grundsätze auch für das Konkurrenzverhältnis von verfahrensinternen und verfahrensexternen Rechtsbehelfen gelten, soweit es um die (fehlerhafte) (Nicht)Berücksichtigung der Titelunwirksamkeit geht, soll im folgenden untersucht werden. Hinsichtlich der ersten drei Aussagen bestehen insoweit keine Bedenken, denn der oben im Zusammenhang mit der Geltendmachung materiellrechtlich relevanter Umstände angeführte Grund greift auch hier ein: die verfahrensexternen Rechtsbehelfe (hier: § 767 ZPO analog bzw. § 731 ZPO analog) bieten sowohl wegen ihres Verfahrens (Urteils- statt summarisches Beschlußverfahren) als auch wegen ihrer Entscheidungswirkung (Gestaltungswirkung inter omnes) einen umfassenderen Rechtsschutz als die verfahrensinternen Rechtsbehelfe 222, letztere stellen aber einen schnelleren, einfacheren und billigeren Weg dar.

220 221

Siehe oben 2. Kap. E.

Dies ergibt sich aus der Beschränkung des Prüfungsmaßstabs im Rahmen der verfahrensinternen Rechtsbehelfe auf den des zu überprüfenden Verfahrensabschnitts; vgl. auch oben 2. Kap. Ε. I.

Ε. Konkurrenzprobleme

437

Problematisch erscheint dagegen der letzte Grundsatz: die fehlende Präjudizwirkung rechtskräftig gewordener Entscheidungen über verfahrensinterne Rechtsbehelfe. Oben ergab sich dies daraus, daß bei den verfahrensinternen Rechtsbehelfen derselbe beschränkte Prüfungsmaßstab gilt, wie in dem zu überprüfenden Verfahrensabschnitt. Dieses Argument wird aber gegenstandslos, soweit es um die sowohl von den Klauselerteilungsorganen als auch den Vollstreckungsorganen zu beachtenden Tatbestandsmängel des Titels geht. Da zur Feststellung dieser zur Titelunwirksamkeit führenden Mängel Umstände außerhalb der Urkunde nicht herangezogen werden müssen, vielmehr sich die Prüfung auf eine Subsumtion der betreffenden Urkunde unter die "Tatbestandsvoraussetzungen" für eine wirksame vollstreckbare Urkunde erschöpft 223, erscheinen hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Garantien die verfahrensinternen Rechtsbehelfe als ausreichend. Eine Beweisaufnahme wird, da es sich insoweit um eine reine Rechtsfrage handelt, nicht nötig und auch eine mündliche Verhandlung erscheint entbehrlich. Dennoch wurde oben für den Schuldner wegen der weiterreichenden Entscheidungswirkung (Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel) die Unwirksamkeitsklage gem. § 767 ZPO analog zugelassen. Fraglich erscheint jedoch, ob in diesem Verfahren nicht eine zuvor ergangene Entscheidung über einen rechtskräftig gewordenen224 verfahrensinternen Rechtsbehelf, der zur Geltendmachung des Tatbestandsmangels eingelegt wurde, präjudizierend wirkt. Da es sich um die Entscheidung einer reinen Rechtsfrage handelt und eine Beweisaufnahme nicht nötig ist 225 , steht hier der Präjudizwirkung der beschränkte Prüfungsmaßstab im Verfahren der verfahrensinternen Rechtsbehelfe nicht entgegen. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe sind auch der materiellen Rechtskraft fähig 226. Wurde ein verfahrensinterner Rechtsbehelf wegen eines Tatbestandsmangels des Titels eingelegt, so enthält zwar die Entscheidung keine materiell rechtskräftige Feststellung hinsichtlich der Titel(un)222

Nur deswegen war j a auch Raum für eine analoge Anwendung der §§ 767, 731 ZPO; siehe oben 4. Kap. D. I. 5. a); 4. Kap. D. II.

223

Siehe oben 3. Kap. A. III. 3.

224

Bei der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) ist dies erst nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens (vgl. § 568 I I ZPO) und bei der beschränkten Grundbuchbeschwerde (§ 71 I I 2 GBO) sogar erst nach Durchfuhrung der weiteren statthaften Beschwerde (§ 78 ff GBO) der Fall. Bei den §§ 766, 793 ZPO genügt dagegen außer der Ausschöpfung des Instanzenzuges auch der Ablauf der Rechtsmittelfrist.

225

Anders dagegen, wenn es darum geht, materiellrechtlich relevante Umstände oder Wirksamkeitsmängel, die keine Tatbestandsmängel sind, geltend zu machen. In diesem Fall kann dann die nur aufgrund einer summarischen Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse ergangene Entscheidung über einen verfahrensinternen Rechtsbehelf nicht eine spätere Entscheidung über einen verfahrensexternen Rechtsbehelf präjudizieren. 226

Siehe oben 2. Kap. C. III. 1. b) bb) (1); 2. Kap. C. III. 2. a); 2. Kap. C. III. 3.

438

4. Kap.: Fehlerquelle: Vollstreckungstitel

Wirksamkeit. In Rechtskraft erwächst aber die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der konkreten vollstreckbaren Ausfertigung (§ 732 ZPO) oder der konkreten Vollstreckungshandlung (§ 766 ZPO)227 bzw. die Zurückweisung des Rechtsbehelfs. Die objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft ergeben sich dann wieder aus den Gründen der Rechtsbehelfsentscheidung. Wurde daher ein wegen eines Tatbestandsmangels eingelegter verfahrensinterner Rechtsbehelf zurückgewiesen, so steht rechtskräftig fest, daß die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nicht an einem Tatbestandsmangel scheitert; im umgekehrten Fall der Stattgabe eines verfahrensinternen Rechtsbehelfs steht fest, daß die Zwangsvollstreckung wegen des Tatbestandsmangels unzulässig ist 228 . Da die Frage der Zulässigkeit der Vollstreckung wegen des behaupteten Tatbestandsmangels eine Vorfrage für die Entscheidung über die Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO darstellt und der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Vorliegens eines Tatbestandsmangels bei den verfahrensinternen Rechtsbehelfen und der Klage analog § 767 ZPO derselbe ist, weil eine Beweisaufnahme nicht nötig wird 229 , vermag die rechtskräftige Entscheidung über einen wegen eines Tatbestandsmangels eingelegten verfahrensinternen Rechtsbehelf Präjudizwirkung für das Urteil über eine Unwirksamkeitsklage nach § 767 ZPO analog zu entfalten. Divergierende Entscheidungen hinsichtlich dieses Punktes werden damit vermieden.

227

Wurde der Schuldner - etwa vor Erlaß eines Pfandungs- und Überweisungsbeschlusses gem. § 850 b III ZPO - gehört und stellt sich daher die Vollstreckungshandlung als eine "Entscheidung" i. S. d. §§ 793 ZPO, 11 RPflG dar, so erwächst die Aufhebung des Beschlusses in Rechtskraft. Entsprechendes gilt im Falle des § 71 I I 2 GBO fur die Anweisung auf Eintragung eines Amtswiderspruchs.

228

Die Feststellung erschöpft sich nicht darin, daß die Zwangsvollstreckung aus der konkreten vollstreckbaren Ausfertigung oder die konkrete Vollstreckungsmaßnahme unzulässig ist, denn der Tatbestandsmangel des Titels ist ein auch späteren auf der Grundlage des Titels erfolgenden Klauselerteilungen bzw. Vollstreckungsmaßnahmen anhaftender Mangel. Dennoch schützt die Entscheidung den Schuldner wegen ihres Tenors über die §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO nur vor der Zwangsvollstreckung aus der konkret bezeichneten Klausel bzw. vor der genau bezeichneten Vollstrekkungshandlung. 229

Nur die vollstreckbare Urkunde selbst ist Gegenstand der Bewertung.

Fünftes Kapitel

Exkurs: Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtung, sich der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen A. Auswirkungen der Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtung auf die urkundenund anspruchsbezogenen Mängel Oben1 wurde bereits daraufhingewiesen, daß die Vollstreckungsunterwerfung in vielen Fällen auf einer vertraglichen Verpflichtung beruht. Wie sich aus den Ausfuhrungen in den vorhergehenden Kapiteln aber ergibt, fuhrt das Fehlen oder die Unwirksamkeit einer solchen vertraglichen Vereinbarung (Unterwerfungsvereinbarung) nicht zu urkunden- und anspruchsbezogenen Mängeln2, denn die Existenz einer solchen Verpflichtung ist weder Voraussetzung für eine wirksame Unterwerfungserklärung 3, noch fur die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde als Titel4. Gleichwohl ist das Fehlen oder die Unwirksamkeit dieser als schuldrechtlich einzuordnenden5 Vereinbarung nicht völlig folgenlos hinsichtlich der bei urkunden- und anspruchsbezogenen Mängeln in Betracht kommenden Rechtsbehelfe: erhebt der Schuldner nämlich in diesem Fall allein wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung die Gestaltungsklage aus § 767 ZPO analog, so stellt dies keine gegen eine vertragliche Verpflichtung verstoßende unzulässige Ausübung prozessualer Befugnisse dar. Der Gläubiger kann dementsprechend auch nicht eine auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte prozessuale Einrede der Klageerhebung entgegensetzen6.

1

Siehe oben 3. Kap. D. I. 4. a) dd); Dietlein, JZ 1977, 637 (638); MünchKommZPO/Wolfsteiner, §794 Rdnr. 126. 2

Siehe zu diesem Begriff oben 1. Kap. III. 1.

3

Stürner, JZ 1977, 639; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 126; vgl. auch oben 3. Kap. Α. I.

4

Stürner, JZ 1977, 639; MünchKommZPO/Wolfsteiner, § 794 Rdnr. 126.

5

Siehe oben 3. Kap. D. I. 4. a) dd) mit Fußn. 226.

6

Siehe oben 3. Kap. D. I. 4. a) dd).

440

5. Kap.: Exkurs: Unwirksamkeit der Unterwerfungsvereinbarung

B. Geltendmachung der Unwirksamkeit der vertraglichen Verpflichtung Zu untersuchen bleibt jedoch, ob nicht bereits das Fehlen oder die Unwirksamkeit der Unterwerfungsvereinbarung vom Schuldner geltend gemacht werden kann. In Betracht kommt insofern eine Kondiktion nach § 812 I 1 1. Alt. BGB auf Titelherausgabe bzw. Herausgabe einer beim Gläubiger befindlichen (vollstreckbaren) Ausfertigung 7: Mit der vollstreckbaren Urkunde bzw. deren vollstreckbaren Ausfertigung erlangt nämlich der Gläubiger die vorteilhafte Rechtsstellung eines Titelgläubigers und hat damit die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung ohne vorherige Durchfuhrung eines Prozesses. Die Erlangung einer vorteilhaften Rechtsstellung wird aber, auch wenn damit noch kein Rechtserwerb verbunden ist, grundsätzlich als kondiktionsfähiger Vermögensvorteil angesehen8. Gegen eine Kondiktion spricht auch nicht, daß es sich bei der vollstreckbaren Urkunde und deren Ausfertigung um öffentliche Urkunden handelt, denn auch in anderen Fällen - wie zum Beispiel beim Erbschein9 - wird deshalb eine Kondiktionsmöglichkeit nicht verneint. Da der Notar als Leistungsmittler oder Erfüllungsgehilfe angesehen werden kann, könnte man daher die Auffassung vertreten, der Schuldner habe mit der Zwangsvollstreckungsunterwerfung auf eine nichtige vertragliche Vereinbarung und damit ohne Rechtsgrund geleistet, wenn keine wirksame Unterwerfungsvereinbarung besteht. Deshalb habe er auch einen Anspruch aus § 812 I 1 1. Alt. BGB. Trotz dieser Überlegungen ist eine Kondiktionsmöglichkeit - ebenso wie beim gerichtlichen Anerkenntnis10 - abzulehnen11. Ließe man die Kondiktion wegen Fehlens einer wirksamen Unterwerfungsvereinbarung zu, so würde dies im Ergebnis den Weg freimachen zur Anfechtbarkeit der Prozeßhandlung "Unterwerfungserklärung". Beruht nämlich die Unterwerfungserklärung z. B. auf einem Inhaltsirrtum i. S. d. § 119 BGB, so wird dieser Inhaltsirrtum regelmäßig auch bei der vertraglichen Verpflichtung, sich der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen, vorliegen. Beseitigt nun der Schuldner durch Anfechtung den schuldrechtlichen Unterwerfungsvertrag, so könnte er dann die vollstreckbare Urkunde mitsamt deren vollstreckbarer Ausfertigung kondizieren. Er hätte so 7 Die folgenden Ausfuhrungen gelten fur andere wegen Unwirksamkeit der Unterwerfungsvereinbarung in Betracht kommende materiellrechtliche Herausgabeansprüche entsprechend. 8

Vgl. statt aller Palandt/Thomas, § 812 Rdnr. 18.

9

Vgl. insoweit Staudinger/Lorenz, § 812 Rdnr. 73 m. w. N.

10

H. M., vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 133 IV 6 (S. 796) m. w. N.; OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 574 (575). 11

Ebenso ausdiücklich Stürner, JZ 1977, 639.

Β. Geltendmachung der Unwirksamkeit

441

dasselbe erreicht, wie wenn die Unterwerfungserklärung anfechtbar und von ihm angefochten worden wäre und er anschließend deren Unwirksamkeit gem. § 767 ZPO analog erfolgreich geltend gemacht hätte. Die Unterwerfungserklärung wird von der h. M. 12 jedoch wegen ihrer Rechtsnatur als Prozeßhandlung zu Recht als nicht anfechtbar angesehen. Eine Anfechtbarkeit darf auch nicht über die "Hintertür" einer Kondiktion wegen Anfechtung der Unterwerfungsvereinbarung zugelassen werden. Mit einer wirksamen Vollstreckungsunterwerfung wird nämlich nicht nur dasselbe Ergebnis der Vollstreckbarkeit wie im Prozeß erreicht; die vollstreckbare Urkunde ist auch "prozeßverdrängend" in dem Sinne, daß eine zusätzlich erhobene Leistungsklage mangels Rechtsschutzinteresses abzuweisen ist13. An der Errichtung einer vollstreckbaren Urkunde kann daher nicht nur der Gläubiger, sondern auch der Schuldner ein Interesse haben, denn sie erspart auch ihm die Kosten eines Prozesses, ohne daß er den Anspruch bestätigen oder verstärken muß und ohne daß ihm der Rechtsschutz oder Einwendungen abgeschnitten würden14. Wegen ihrer prozeßverdrängenden Funktion muß die vollstreckbare Urkunde dem Gläubiger aber im wesentlichen die gleiche Sicherheit bieten wie ein Gerichtstitel, d. h. sie darf nur im Rahmen des Rechtsbehelfssystems der ZPO angreifbar sein, nicht aber mit materiellrechtlichen Klagen wie einer Klage aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Unwirksamkeit der schuldrechtlichen Unterwerfungsvereinbarung. Der Gläubiger darf durch seinen Verzicht auf ein Gerichtsverfahren nicht der Gefahr eines Verlustes seines Titels aus Gründen ausgesetzt werden, die bei anderen Titeln nicht erheblich gewesen wären15. Eine Kondiktion wegen Unwirksamkeit der schuldrechtlichen Unterwerfungsvereinbarung ist daher abzulehnen.

12

Wolfsteiner, Vollstreckbare Urkunde, Rdnr. 19.1 f; O. Werner, DNotZ 1969, 713 (722); Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 4 I I I 1 g (S. 49). 13

Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 4 I I I 1 g (S. 49).

14

Hieraufweist Dietlein, JZ 1977, 637 (638) zutreffend hin.

15

Ähnlich O. Werner, DNotZ 1969, 713 (722).

Sechstes Kapitel

Mehrere Fehlerquellen - zugleich eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Abschließend sind noch diejenigen Fälle zu untersuchen, in denen mehrere Fehlerquellen (materieller Anspruch, Unterweriungserklârung, Vollstrekkungstitel) vorliegen bzw. die Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung wegen verschiedener angeblicher Fehlerquellen abgelehnt wurde. Die bisherige Untersuchung ergab, daß die Erinnerungen und Beschwerden als verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Klausel- und Zwangsvollstrekkungsverfahrens nur dazu geeignet sind, verfahrensbezogene Mängel zu korrigieren; der Prüfungsmaßstab ist bei ihnen derselbe wie der in dem jeweils zu überprüfenden Verfahrensabschnitt (Klausel- bzw. Zwangsvollstreckungsverfahren). Überprüft werden kann daher nur, ob die jeweilige Verfahrenshandlung nach den auch für das zuständige Organ geltenden Prüfungskriterien vorgenommen werden durfte (ob also die Verfahrenshandlung "vornahmezulässig" ist). Dagegen ermöglichen die verfahrensexternen Rechtsbehelfe eine Geltendmachung auch solcher Umstände, deren Beachtung den Klausel- bzw. Vollstreckungsorganen versagt ist. Aufgrund der Gestaltungswirkung der über sie ergehenden Entscheidungen kann eine nur im Ergebnis unzulässige1 Klauselerteilung bzw. Zwangsvollstreckung in eine auch vornahmeunzulässige verwandelt werden2. Es ergab sich ferner, daß der materiellrechtliche Anspruch grundsätzlich weder im Klauselerteilungs-, noch im Vollstreckungsverfahren zu beachten ist. Lediglich einzelne für Entstehung, Durchsetzbarkeit und Fälligkeit des materiellrechtlichen Anspruchs relevante Umstände sind über den "Umweg" zu beachten, daß der Schuldner sie im Rahmen seiner Unterwerfungserklärung durch die Bestimmung des in der vollstreckbaren Urkunde titulierten prozessualen3 Anspruchs zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. §§ 726 I, 751 1 Ergebnisunzulässigkeit ohne Vornahmeunzulässigkeit liegt vor bei im Klausel- bzw. Zwangsvollstreckungsverfahren nicht zu beachtenden Einwendungen gegen das materiellrechtliche Bestehen des titulierten Anspruchs, die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung oder die davon zu unterscheidende Wirksamkeit der Urkunde selbst. 2

Siehe oben 1. Kap. B. III. 2. b).

3

Siehe oben 2. Kap. Α. IV.

6. Kap.: Mehrere Fehlerquellen - zugleich eine Zusammenfassung

443

I, 756, 765 ZPO erklärt. In den (häufigen) Fällen, in denen in derselben Urkunde sowohl das materielle Rechtsgeschäft als auch die Unterweriungserklârung beurkundet werden, läßt sich dem Titel regelmäßig im Wege der Auslegung entnehmen, daß die Umstände, von denen Entstehung, Fälligkeit und Durchsetzbarkeit des materiellen Anspruchs abhängen, zugleich auch Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. §§ 726 I, 751 I, 756, 765 ZPO sein sollen. Dies ist aber nur eine Auslegungsregel fur den in der Urkunde titulierten prozessualen Anspruch und fuhrt nicht dazu, daß der materielle Anspruch oder fur ihn relevante Umstände unmittelbar zum Prüfungsgegenstand im Klauselbzw. Vollstreckungsverfahren werden. Entscheidend ist immer, ob diese Umstände nach dem Inhalt des Titels als Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen (§§ 726 I, 751 I, 756, 765 ZPO) des prozessualen Anspruchs anzusehen sind4. Die vollstreckbare Urkunde als Vollstreckungstitel ist nicht automatisch immer dann unwirksam, wenn es an einer wirksamen Unterwerfungserklärung fehlt. Unwirksam ist sie nur, wenn bei der Beurkundung gegen zwingende Vorschriften des BeurkG verstoßen wurde (Beurkundungsmängel), die Urkunde bereits nach ihrer äußeren Form und ihrem Inhalt nicht den Wesenserfordernissen des § 794 I Nr. 5 ZPO entspricht (Tatbestandsmängel), der titulierte prozessuale Anspruch nicht alle Identifikationsmerkmale aufweist, um ihn von anderen prozessualen Ansprüchen unterscheiden zu können (Individualisierungsmängel) oder sonstige Mängel vorliegen, bei denen auch ein Urteil nicht vollstreckt werden könnte. In diesen Fällen ist mit der Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde zwingend auch immer die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung verbunden, denn die Vollstreckungsunterwerfung des Schuldners kann ohne wirksame Urkunde als "Grundlage" und als deren Bestandteil nicht existieren und Wirkungen erzeugen. Der Umkehrschluß von der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung auf die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde selbst ist indes nicht möglich. Ist die Vollstreckungsunterwerfung aus anderen als den vorgenannten Gründen unwirksam - etwa wegen fehlender Prozeßfähigkeit des Schuldners, Überschreitung der materiellen Grenze der prozessualen Dispositionsbefugnis, Verstoß gegen zwingende Rechtsvorschriften - so berührt das die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde als Vollstreckungstitel ebensowenig, wie etwa ein unwirksames prozessuales Anerkenntnis die Wirksamkeit eines Anerkenntnisurteils nach § 307 ZPO berührt 5. Während die Unwirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde im Klauselverfahren immer und im Vollstreckungsverfahren dann zu beachten ist, wenn ein Tatbestandsmangel vorliegt, darf in den Fälle, in denen allein die Unterwerfungserklärung unwirksam ist, weder die Klauselerteilung noch die Vollstreckung selbst abgelehnt werden6. 4

Siehe oben 2. Kap. B. (insbesondere I. 2. b) bb)).

5

Siehe oben 3. Kap. A.

444

6. Kap.: Mehrere Fehlerquellen - zugleich eine Zusammenfassung

Es kann nun vorkommen, daß die zuständigen Organe die Klauselerteilung oder Zwangsvollstreckung wegen mehrerer angeblicher Mängel ablehnen, etwa weil nach ihrer Auffassung eine Bedingung des materiellen Anspruchs, die zugleich als Vollstreckbarkeitsvoraussetzung aufgefaßt werden müsse, tatsächlich nicht eingetreten, ferner die Unterwerfungserklärung wegen Prozeßunfähigkeit des Schuldners und darüber hinaus die gesamte vollstreckbare Urkunde wegen eines Verstoßes gegen § 13 I 1 BeurkG unwirksam sei. Umgekehrt kann es natürlich ebenso sein, daß trotz Einwendungen gegen den materiellen Anspruch, Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung sowie Mißachtung einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung und der Unwirksamkeit des Titels selbst die Klausel erteilt und die Vollstreckung ausgeführt wird. Die dem Gläubiger im ersten Fall und dem Schuldner im zweiten Fall zustehenden Rechtsbehelfe sollen im folgenden noch einmal kurz dargestellt werden.

A. Rechtsbehelfe des Gläubigers Die Rechtsbehelfe des Gläubigers orientieren sich vornehmlich daran, welches Verfahrensstadium er erreichen will. Besonderheiten für den Fall, daß die begehrte Verfahrenshandlung aus mehreren Gründen abgelehnt wurde, ergeben sich nicht: I. Begehrt der Gläubiger die Klauselerteilung, so kann er mit der Beschwerde nach § 54 BeurkG umfassend und unabhängig von der Begründung, mit der der Klauselantrag abgelehnt wurde, überprüfen lassen, ob nach dem im urkundlichen Klauselerteilungsverfahren geltenden Prüfungsmaßstab die Ablehnung zu Recht erfolgte 7. In dem Beschwerdeverfahren ist der Schuldner zu beteiligen8. Die Entscheidung über eine vom Schuldner oder vom Gläubiger eingelegte weitere Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG entfaltet materielle Rechtskraft dahingehend, ob nach dem im urkundlichen Klauselerteilungsverfahren geltenden Prüfungsmaßstab die Klausel zu erteilen ist9. Wurde die Klauselerteilung wegen fehlenden Nachweises i. S. d. §§ 726 ff ZPO abgelehnt und kann sich der Gläubiger die Nachweise nicht erkennbar leicht beschaffen, so kann er die Klauselklage nach § 731 ZPO erheben. Dort wird - ohne die bei dem verfahrensinternen Rechtsbehelf nach § 54 BeurkG geltende Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden - umfassend das Vorliegen aller Klauselerteilungsvoraussetzungen geprüft. Kein Prüfungs6

Siehe oben 3. Kap. B.; 4. Kap. B.

7

Siehe oben 2. Kap. C. II. 1. a), b); 3. Kap. C.; 4. Kap. C. I.

8

Siehe oben 2. Kap. C. II. l . d ) .

9

Siehe oben 2. Kap. C. III. 1. b) bb) (2).

Α. Rechtsbehelfe des Gläubigers

445

gegenständ sind entgegen der h. M. jedoch die Einwendungen des Schuldners hinsichtlich der fehlenden Übereinstimmung von tituliertem (prozessualem) Anspruch und materieller Rechtslage10. Wurde die Klauselerteilung wegen Zweifeln an der Titelwirksamkeit abgelehnt und ist es dem Gläubiger mittels Urkunden nicht erkennbar leicht möglich den Nachweis der Titelwirksamkeit zu erbringen, so steht ihm eine Klage nach § 731 ZPO analog offen, um dort die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde und das Vorliegen der übrigen Klauselerteilungsvoraussetzungen in einem der umfassenden Beweisaufnahme zugänglichen Verfahren klären lassen zu können11. Der Gläubiger kann zwischen dem verfahrensinternen (§ 54 BeurkG) und den verfahrensexternen Rechtsbehelfen (§ 731 ZPO bzw. § 731 ZPO analog) frei wählen, soweit deren Anwendungsbereich gegeben ist. Da die verfahrensinternen Rechtsbehelfe schneller, einfacher und kostengünstiger sind, entfällt für sie das Rechtsschutzbedürfnis nicht, wenn auch die Möglichkeit der Einlegung eines verfahrensexternen Rechtsbehelfs besteht. Umgekehrt entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die verfahrensexternen Rechtsbehelfe nicht deshalb, weil auch ein verfahrensinterner Rechtsbehelf eingelegt werden könnte, da dort nur eine summarische Prüfung stattfindet. Hat sich der Gläubiger jedoch für einen verfahrensexternen Rechtsbehelf entschieden und diesen eingelegt, so entfällt wegen der damit gegebenen umfassenden Überprüfungsmöglichkeit für einen auf dasselbe Ziel gerichteten verfahrensinternen Rechtsbehelf das Re chtsschutzbedürfnis 12. II. Mit Hilfe der auf das Vollstreckungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfe (§§ 766 II, 793 ZPO, 11 RPflG, 71 GBO) kann der Gläubiger jeweils umfassend und unabhängig von der Begründung, mit der der Vollstreckungsantrag abgelehnt wurde, überprüfen lassen, ob nach dem im Vollstreckungsverfahren geltenden Prüfungsmaßstab das jeweils zuständige Organ den Antrag zu Recht abgelehnt hat13. III. Außerhalb dieser auf die einzelnen Verfahrensabschnitte bezogenen Rechtsbehelfe stehen die Verfahren nach § 323 ZPO und §§ 641 1 ff ZPO dem Gläubiger zur Verfügung, um eine auf zukünftig fällig werdende, wiederkehrende Leistungen lautende vollstreckbare Urkunde den veränderten materiellrechtlichen Verhältnissen anpassen lassen14.

10

"

Siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) dd). Siehe oben 4. Kap. D. II.

12

Siehe oben 2. Kap. Ε. II.; 4. Kap. E.

13

Siehe oben 2. Kap. C. II. 2.; 3. Kap. C.; 4. Kap. C. I.

14

Siehe oben 2. Kap. D. II. 3.

446

6. Kap.: Mehrere Fehlerquellen - zugleich eine Zusammenfassung

B. Rechtsbehelfe des Schuldners I. Die einzelnen Rechtsbehelfe des Schuldners Auch der Schuldner kann - unabhängig davon, welche Mängel er vortragen will - mit den verfahrensinternen Rechtsbehelfen umfassend klären lassen, ob die Erteilung der Vollstreckungsklausel bzw. die Vornahme der konkreten Vollstreckungshandlung nach dem im jeweiligen Verfahrensabschnitt geltenden Prüfungsmaßstab zu Recht erfolgte. Während jedoch beim Gläubiger wegen der Verfahrensabfolge die auf das Klauselverfahren bezogenen Rechtsbehelfe nur bis zur Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung in Betracht kommen15 und hinsichtlich des weiteren Verfahrens nur noch16 die auf das Vollstreckungsverfahren bezogenen Rechtsbehelfe relevant werden können17, kann der Schuldner Rechtsbehelfe gegen die Klauselerteilung auch noch nach Beginn der Zwangsvollstreckung einlegen. Hierdurch überschneidet sich der zeitliche Anwendungsbereich der auf das Klausel- und der auf das Zwangsvollstreckungsverfahren bezogenen Rechtsbehelfe. Bei der Systematisierung der Rechtsbehelfe stehen daher auf Seiten des Schuldners weniger die einzelnen Verfahrensabschnitt im Vordergrund, als die verschiedenen Mängel, die er geltend machen will. 1. Zur Geltendmachung von Einwendungen gegen den materiellen Anspruch eignen sich die verfahrensinternen Rechtsbehelfe praktisch nicht. Nur dann, wenn der Schuldner in seiner Unterwerfungserklärung oder im Rahmen des prozessualen Anspruchs, auf den sie sich bezieht, einen für Entstehung, Fälligkeit oder Durchsetzbarkeit des materiellen Anspruchs relevanten Umstand zu einer Vollstreckbarkeitsvoraussetzung erklärt hat oder der Titel dahingehend auszulegen ist, kann der Schuldner im Fall des § 726 I ZPO mit § 732 ZPO den fehlenden urkundlichen Nachweis des Eintritts dieser Vollstreckbarkeitsvoraussetzung geltend machen. Dagegen kann er nicht den bei Erteilung der Klausel aufgrund der Urkunden als bewiesen angenommenen Eintritt der Vollstreckbarkeitsvoraussetzung bestreiten18. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen nach §§751 I, 756, 765 ZPO, deren Nichtbeachtung mit den auf das Vollstreckungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfen (§§ 766 I, 793 ZPO, 11 RPflG, 71 II 2 GBO) gerügt werden kann19. Der Weg über § 732 ZPO ist dem Schuldner 15

Damit hat er ja sein Ziel erreicht.

16

Etwas anderes gilt nur, wenn die Zwangsvollstreckung aus der Klausel aufgrund eines Rechtsbehelfs des Schuldners fur unzulässig erklärt wird. 17

Von § 323 ZPO und §§ 641 1 f f ZPO einmal abgesehen.

18

Siehe oben 2. Kap. C. I. 1.

. Rechtsbehelfe des

uers

447

allerdings verschlossen, wenn der Gläubiger seinerseits die Klausel nur aufgrund einer Beschwerde nach §§54 BeurkG, 20 ff FGG erlangt hat: da der Schuldner in diesem Verfahren zu beteiligen ist, hat er nur die Möglichkeit der weiteren Beschwerde nach §§54 BeurkG, 27 ff FGG, wenn der Gläubiger bereits vor dem Landgericht obsiegte. Wurde die Klausel erst aufgrund der Entscheidung über die weitere Beschwerde erteilt, so steht einer Klauselerinnerung die Rechtskraft dieser Entscheidung entgegen20. Vergleichbares gilt für die auf das Vollstreckungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfe: Hat der Gläubiger die Durchführung der Zwangsvollstreckung nur aufgrund dieser Rechtsbehelfe erreicht und wurde dem Schuldner in diesem Verfahren rechtliches Gehör gewährt, so kann nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Schuldner wegen der materiellen Rechtskraft der Entscheidung seinerseits gegen die Durchführung des jeweiligen Vollstreckungsvorganges verfahrensinterne Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens nicht auf solche Gründe stützen, die bereits im Rahmen der vom Gläubiger eingeleiteten verfahrensinternen Rechtsbehelfe des Vollstreckungsverfahrens geprüft wurden. Hält er die im Rechtsbehelfszug des Gläubigers ergangene Entscheidung für falsch, so hat er nur die Möglichkeit, hiergegen Rechtsmittel einzulegen21. Ähnlich, wie mit dem verfahrensinternen Rechtsbehelf des § 732 ZPO können auch mit der (verfahrensexternen) Klauselklage nach § 768 ZPO materiellrechtlich relevante Umstände nur dann geltend gemacht werden, wenn zuvor der Schuldner im Rahmen der Unterwerfungserklärung materiellrechtlich erhebliche Tatsachen zu Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. d. § 726 I ZPO erklärt hat. Im Unterschied zur Klauselerinnerung beschränkt sich hier jedoch die Überprüfung nicht auf das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Nachweises für den Eintritt dieser Vollstreckbarkeitsvoraussetzung. Geprüft wird vielmehr umfassend und ohne eine Beschränkung auf Beweismittel deren tatsächlicher Eintritt 22. Einwendungen gegen den materiellen Anspruch kann der Schuldner dagegen umfassend und ungeachtet ihres zeitlichen Entstehens (§ 797 IV ZPO) mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen. Mit Rechtskraft der Entscheidung wird nicht nur die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigt, sondern zugleich auch materiell rechtskräftig darüber entschieden, ob der in der vollstreckbaren Urkunde titulierte prozessuale Anspruch (noch) mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt23. Insoweit vermag dann das Vollstreckungsge19

Siehe oben 2. Kap. C. I. 2.

20

Siehe oben 2. Kap. C. III. 1.

21

Siehe oben 2. Kap. C. III. 3.

22

Siehe oben 2. Kap. D. I. 3.

23

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4); 2. Kap. D. I. 1. c).

448

6. Kap.: Mehrere Fehlerquellen - zugleich eine Zusammenfassung

genklageurteil weitere, spätere Vollstreckungsgegenklagen ebenso wie Feststellungs- oder Leistungsklagen des Gläubigers zu präkludieren und Klagen wegen materiellrechtlicher Ausgleichsansprüche des Schuldners zu präjudizieren24. Geht es dagegen bei auf zukünftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen lautenden vollstreckbaren Urkunden um die Berücksichtigung der im Laufe der Zeit stets wandelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse und nicht um ein eher punktuell eintretendes Ereignis wie etwa die Erfüllung, ein Erffillungssurrogat oder einen der Erfüllung wirtschaftlich gleichkommenden Vorgang, so muß der Schuldner zur Geltendmachung dieser Entwicklung die Abänderungsklage gem. § 323 ZPO erheben bzw. das vereinfachte Verfahren nach § 641 1 ff ZPO durchführen 25. Einen Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung gem. § 371 BGB analog, den er mittels einer Leistungsklage durchsetzen kann, hat der Schuldner erst nach erfolgreicher Durchführung der Vollstreckungsgegenklage26. 2. Ist allein die Unterweriungserklârung unwirksam, nicht aber die vollstreckbare Urkunde als Vollstreckungstitel, so steht dem Schuldner zur Geltendmachung dieses Mangels nur die Gestaltungsklage analog § 767 ZPO zur Verfügung 27. Verfahrensinterne Rechtsbehelfe scheiden insoweit aus, da die Unwirksamkeit der Unterweriungserklârung weder im Klauselerteilungs- noch im Vollstreckungsverfahren zu beachten ist28. Im Falle einer stattgebenden Entscheidung über die Klage analog § 767 ZPO erlangt der Schuldner einen rechtskraftfähigen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstrekkung aus dem Titel 29 . 3. Ist die vollstreckbare Urkunde selbst als Titel unwirksam, so kann der Schuldner immer die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO einlegen. Da dort jedoch die Beweismittel auf Urkunden beschränkt sind, führt diese nur dann zum Erfolg, wenn es ihm mit diesen Beweismitteln gelingt, die auf den eingereichten Unterlagen des Gläubigers beruhende Überzeugung von der Titelwirksamkeit zu erschüttern. Leidet die vollstreckbare Urkunde an einem Tat24

Siehe oben 2. Kap. D. III. 1., 4., 5., 6.

25

Siehe oben 2. Kap. D. I. 6.; 2. Kap. D. III. 8.

26

Siehe oben 2. Kap. D. I. 4.

27

Siehe oben 3. Kap. C.; 3. Kap. D. I. Darüber hinaus kann ergänzend nach bzw. im Wege der uneigentlichen Eventualhäufung zusammen mit der Klage nach § 767 ZPO analog auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung geklagt werden; vgl. 3. Kap. D. I. 5.

28

Siehe oben 3. Kap. B.; 3. Kap. C.

29

Siehe oben 3. Kap. D. I. 4. d).

Β. Rechtsbehelfe des Schuldners

449

bestandsmangel, so stehen dem Schuldner außerdem die auf das Vollstrekkungsverfahren bezogenen verfahrensinternen Rechtsbehelfe zur Verfugung 30. Darüber hinaus kann er mit einer Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO die Titelwirksamkeit umfassend klären und einen rechtskraftfähigen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel erlangen31. All diese Rechtsbehelfe sind jedoch ausgeschlossen, wenn der Gläubiger die Klauselerteilung aufgrund einer Klage nach § 731 ZPO oder § 731 ZPO analog erlangt hat, da die Frage der Titelwirksamkeit als Voraussetzung der Anordnung der Klauselerteilung bereits Gegenstand dieses Verfahrens war und dort verneint wurde32.

II. Umfassende Geltendmachung von Einwendungen gegen den materiellen Anspruch sowie die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung und der vollstreckbaren Urkunde im Rahmen einer Klage Die Untersuchung hat gezeigt, daß der Schuldner (neben im Einzelfall gegebenen verfahrensinternen Rechtsbehelfen) sowohl Einwendungen gegen den materiellen Anspruch, als auch solche gegen die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung oder der vollstreckbaren Urkunde selbst mit einer auf die direkte bzw. analoge Anwendung der §§ 767, 797, 795 ZPO gestützten Klage geltend machen kann. Obgleich Antrag, Zuständigkeit, Entscheidungstenor und Gestaltungswirkung bei allen drei Klagen gleich sind, haben sie doch unterschiedliche Streitgegenstände33, da sie auf unterschiedliche Gestaltungsgründe zurückzuführen sind: der Gestaltungsgrund beruht bei der Vollstrekkungsgegenklage gem. § 767 ZPO auf Einwendungen gegen das materiellrechtliche Bestehen des titulierten Anspruchs, bei der Gestaltungsklage analog § 767 ZPO auf der Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung und bei der Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO auf der fehlenden Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde selbst. Zu klären ist abschließend, wie es sich auswirkt, wenn der Schuldner im Rahmen einer Klage mit dem Ziel der Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde alle drei Gestaltungsgründe vorträgt.

30

Siehe oben 4. Kap. C. II. 1.

31

Siehe oben 4. Kap. D. I. 5. Darüber hinaus kann ergänzend auch hier nach bzw. im Wege der uneigentlichen Eventualhäufung zusammen mit der Klage nach § 767 ZPO analog auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung geklagt werden; vgl. 4. Kap. D. I. 6. 32

Siehe oben 2. Kap. D. II. 1. b) dd); 4. Kap. D. III.

33

Vgl. 3. Kap. D. I. 1. a); 4. Kap. D. I. 1. b) aa) (4).

29 Schullheis

450

6. Kap.: Mehrere Fehlerquellen - zugleich eine Zusammenfassung

1. Klagenhäufung

a) Kumulative oder eventuelle Klagenhäufung und Streitwert Zu behandeln ist zunächst der Fall, in dem der Schuldner ausdrücklich alle drei Streitgegenstände bedingungslos in einer Klage nebeneinander geltend macht. Dieser Fall entspricht prozessual der Situation, daß im Rahmen einer Leistungsklage (bei Zugrundelegung des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs 34) ein einziges bestimmtes Begehren auf mehrere Klagegründe (Lebenssachverhalte) gestützt wird. Es ist dann von einer objektiven Klagenhäufung i. S. d. § 260 ZPO auszugehen35. Da der Kläger mit der Geltendmachung aller drei Streitgegenstände ein und dasselbe Ziel erstrebt, nämlich die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde durch Gestaltungsurteil, und da der Klageantrag entsprechend in allen drei Fällen gleich lautet, ist von einem einheitlichen Antrag auszugehen. Das Gestaltungsbegehren ist in allen Fällen dasselbe, nur die vorgetragenen Gestaltungsgründe (Nichtbestehen des materiellrechtlichen Anspruchs, Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung oder des Titels selbst) sind verschieden. Dies hat zunächst Konsequenzen für den Streitwert: Da die ZPO mit der Wertaddition in § 5 ZPO nur berücksichtigen will, daß bei einer Mehrheit von prozessualen Ansprüchen auch größere wirtschaftliche Werte umstritten sind, findet diese Vorschrift dann keine Anwendung, wenn trotz einer Mehrheit von Streitgegenständen keine wirtschaftliche Werthäufung entsteht36. In diesem Fall darf keine Zusammenrechnung erfolgen, so daß die Klagenhäufung weder von Einfluß auf die sachliche Zuständigkeit, noch auf die Höhe der Gerichtskosten (vgl. § 12 I GKG) und Rechtsanwaltsgebühren (vgl. § 8 I BRAGO i. V. m. § 121 GKG) ist. Genauso verhält es sich aber beim vorliegenden Problem: Als einziges Ziel begehrt der Schuldner, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt wird. Aus welchen Gründen ist ihm letztlich gleichgültig, so daß es bei der Klagenhäufung hier auch zu keiner wirtschaftlichen Werthäufung kommt.

34

Siehe hierzu oben 2. Kap. A. II. 1. u. 5.

35

BGH, NJW-RR 1987, 58 (fur Klagenhäufung bei Leistungsklage). Zur Zulässigkeit, einen Antrag in dieser Weise auf mehrere Klagegründe zu stützen BGH, NJW 1986, 1174; BGH, NJW-RR 1987, 58; MünchKommZPO/Lüke, § 260 Rdnr. 24, 25; Thomas/Putzo, § 260 Rdnr. 3; Schneider, Zivilrechtsfall, Rdnr. 825 ff. Die Voraussetzungen des § 260 ZPO (Identität der Parteien; Zuständigkeit des Gerichts fur alle Streitgegenstände, hier gem. § 797 V ZPO; gleiche Prozeßart) liegen unproblematisch vor. 36

Stein/Jonas/Roth, 21. Aufl., § 5 Rdnr. 1, 6; Zöller/Schneider, § 5 Rdnr. 8; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 5 Rdnr. 2; Thomas/Putzo, § 5 Rdnr. 8; MünchKommZPO/Lappe, § 5 Rdnr. 10 ff.

Β. Rechtsbehelfe des Schuldners

451

Konsequenzen hat die Mehrheit von Gestaltungsgründen bei einheitlichem Gestaltungsbegehren (Identität des Klageantrags) auch für die zu treffende Entscheidung: Sie kann nur einheitlich ergehen. Das Gericht kann daher über keinen der verschiedenen Gestaltungsgründe vorab (etwa durch Teilurteil) entscheiden. Besteht tatsächlich nur ein Gestaltungsgrund (ζ. B. Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung) von den behaupteten dreien, so wird einheitlich die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde für unzulässig erklärt; eine Klageabweisung "im übrigen" unterbleibt, denn Abweisung ist ein Schicksal, das nur Anträgen oder Antragsteilen widerfahren kann37, nicht aber einzelnen Klage- bzw. Gestaltungsgründen. Eine Klageabweisung kann daher nur erfolgen, wenn keiner der vorgetragenen Gestaltungsgründe das Gestaltungsbegehren rechtfertigt. Die verschiedenen Gestaltungsgründe können kumulativ oder (was auf dasselbe hinausläuft) auch alternativ vorgetragen werden. Letzteres stellt keine unzulässige alternative Antragstellung dar, denn es handelt sich um einen einzigen Antrag, und dem Gericht wird nicht überlassen, welche Gestaltung es ausspricht, sondern nur, welchen Gestaltungsgrund es seiner Entscheidung zugrunde legen will 38 . In beiden Fällen steht es dem Gericht frei, aus welchem Gestaltungsgrund es der Klage stattgibt. Möglich ist aber auch ein eventueller Vortrag der Gestaltungsgründe. Dann darf, wie beim Hilfsantrag, über den hilfsweise vorgetragenen Gestaltungsgrund erst entschieden werden, wenn der Antrag mit dem primären Gestaltungsgrund keinen Erfolg haben kann39. Eine Teilabweisung für den Fall, 37

Vgl. zu der entsprechenden Situation bei einem auf mehrere Klagegründe (Lebenssachverhalte) gestütztem einheitlichem Leistungsbegehren BGHZ 13, 145 (154); Thomas/Putzo, § 260 Rdnr. 3; Schneider, Zivilrechtsfall, Rdnr. 826. 38

Vgl. zu der entsprechenden Situation bei einem auf mehrere Klagegründe (Lebenssachverhalte) gestütztem einheitlichem Leistungsbegehren BGH, NJW 1986, 1174; Thomas/Putzo, § 260 Rdnr. 3; MünchKommZPO/Lüke, § 260 Rdnr. 24, 25. Bedenken äußert dagegen Schellhammer, Zivilprozeß, Rdnr. 1253. 39

So fur die entsprechende Situation bei einem auf mehrere Klagegründe (Lebenssachverhalte) gestütztem einheitlichem Leistungsbegehren RGZ 77, 201 (206); BGH, NJW 1959, 575 (576); Thomas/Putzo, § 260 Rdnr. 3; Mühl, Urteil, S. 102. In diese Richtung auch BGHZ 19, 387 (390). A. A. insoweit Schneider, Zivilrechtsfall, Rdnr. 827 ff, wonach der Kläger das Gericht durch den Vortrag mehrerer Klagegründe (ebenso wie bei der mehrfachen bloßen Begründung) in der Reihenfolge der Prüfung nicht binden könne. Hiergegen spricht jedoch, daß der Kläger wegen der Mehrheit der Streitgegenstände (anders als bei bloß mehrfacher Begründung) statt der Klagenhäufung auch mehrere selbständige Klagen nacheinander erheben könnte. Dann aber muß es ihm auch möglich sein, diese Klagegründe in einer einzigen Klage - durch hilfsweises Vorbringen hintereinander "gestaffelt" und mit Bindung fur das Gericht - vorzutragen. Gerade im vorliegenden Fall einer Klagenhäufung von Vollstreckungsgegenklage, Gestaltungsklage analog § 767 ZPO und Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO kann der Schuldner ein berechtigtes Interesse daran haben, daß sich das Gericht bei der Prüfung der Gestaltungsgründe an die von ihm vorgegebene Reihenfolge

29*

452

6. Kap.: Mehrere Fehlerquellen - zugleich eine Zusammenfassung

daß nur der hilfsweise geltend gemachte Gestaltungsgrund eingreift, hat jedoch auch hier zu unterbleiben, da kein Antrag oder Antragsteil vorhanden wäre, mit dem der Schuldner nicht Erfolg hätte40. b) Auslegung des Klageantrags Im Regelfall wird der Klageantrag dahingehend auszulegen sein, daß der Schuldner kumulativ oder alternativ (nicht aber eventuell) alle Gestaltungsgründe geltend macht: er will ja den Rechtsstreit gewinnen, und dabei wird es ihm i. d. R. gleichgültig sein, worauf das Gericht die Gestaltung stützt. Aus den gleichen Gründen ist aber auch ein auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde gerichteter Klageantrag großzügig auszulegen und von einer kumulativen oder alternativen Klageverbindung auszugehen, wenn auch nur ansatzweise erkennbar ist, daß der Schuldner verschiedene Gestaltungsgründe (Einwendungen gegen den materiellen Anspruch, die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung oder der vollstreckbaren Urkunde) geltend machen will 41 .

2. Präklusionsprobleme

Präklusionsprobleme zwischen den drei Gestaltungsklagen können in Betracht kommen, wenn diese nicht miteinander in einer Klage verbunden wurden, sondern sie der Schuldner als selbständige Klagen einzeln nacheinander einlegt. Dies ist wegen der Verschiedenheit der Streitgegenstände ebenso möglich. Es stellt sich dann die Frage, ob nicht die Entscheidung über eine von ihnen die anderen präkludiert. Kann also etwa der Schuldner auch dann noch die Gestaltungsklage analog § 767 ZPO wegen Unwirksamkeit der Unterwerfiingserkläning oder die Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO erheben, wenn zuvor eine Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO abgewiesen wurde? In Betracht käme zunächst eine Präklusion gem. § 767 II ZPO. Dessen unmittelbare oder entsprechende Anwendung scheidet jedoch wegen der Verschiedenheit der Streitgegenstände der drei Klagen aus. Ihre Prüfungsgegenstände überschneiden sich nicht. Es können hält, denn nur im Falle der Vollstreckungsgegenklage erlangt der Schuldner (nach der hier vertretenen Auffassung, siehe oben 2. Kap. D. I. 1. b) gg) (4); 2. Kap. D. I. 1. c)) eine rechtskräftige Entscheidung über das materiellrechtliche Bestehen oder Nichtbestehen des titulierten Anspruchs. 40

Vgl. Schneider, Zivilrechtsfall, Rdnr. 829.

41

Vgl. Wolf, L M § 767 Nr. 87; BGH, NJW 1994, 460 (462).

. Rechtsbehelfe des

uers

453

im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage ausschließlich Einwendungen gegen das materiellrechtliche Bestehen des titulierten Anspruchs, im Rahmen der Gestaltungsklage analog § 767 ZPO nur solche gegen die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung und im Rahmen der Unwirksamkeitsklage analog § 767 ZPO lediglich solche gegen die Titelwirksamkeit geprüft werden. § 767 II ZPO käme aber selbst bei analoger Anwendung nur dann in Betracht, wenn in dem vorangegangenen Prozeß die Einwendungen überhaupt hätten geprüft werden können, die mit der nachfolgenden Gestaltungsklage (analog) § 767 ZPO geltend gemacht werden. Das ist aber wegen der Verschiedenheit der Streitgegenstände nicht der Fall42. Auch eine direkte oder analoge Anwendung des § 767 III ZPO scheidet aus, da es sich bei dieser Vorschrift um eine rein innerprozessuale Präklusionsnorm handelt43. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Entscheidung über eine der drei Gestaltungsklagen keinerlei Präklusionswirkungen hinsichtlich der anderen beiden entfaltet. Etwas anderes würde auch der gesetzlichen Wertung des § 260 ZPO widersprechen, denn diese Vorschrift gewährt nur eine Befugnis des Klägers, unter den dort genannten Voraussetzungen mehrere Streitgegenstände in einer Klage miteinander zu verbinden; ein Mittel, die Klagenhäufung zu erzwingen, sieht dagegen die ZPO nicht vor 44. Durch die Annahme einer Präklusion würde aber entgegen dieser gesetzlichen Wertung ein solcher Zwang zur Klagenhäufung eingeführt werden. Mithin ist davon auszugehen, daß der Schuldner zwar über § 260 ZPO die Möglichkeit hat, in einem Klageverfahren sowohl Einwendungen gegen das materiellrechtliche Bestehen des titulierten Anspruchs als auch die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung und der vollstreckbaren Urkunde vorzutragen, daß aber andererseits keine dahingehende, mit einer Präklusion sanktionierte Pflicht besteht.

42

Im Ergebnis ebenso jetzt auch BGH, NJW 1994, 460 (462).

43

Siehe oben 2. Kap. D. I. 1. e) dd); 2. Kap. D. III. 1.

44

Stein/Jonas/Schumann, § 260 Rdnr. 1; Zöller/Greger, § 260 Rdnr. 1; MünchKommZPO/Lüke, § 260 Rdnr. 1, 26.

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Anmerkung zu LG Kleve, Beschl. v. 7. 2. 1978 - 4 Τ 304/77, DNotZ 1978, 681 ff.

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Beweislastumkehr durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung? BGH, Urt. v. 25. 6. 1981 - I I I ZR 179/79), NJW 1982, 2851 ff.

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Anmerkung zu OLG Koblenz, Beschl. v. 9. 1. 1985 - 4 W 635-636/84, Rpfleger 1985,449.

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Die Zwangsvollstreckung findet aus Urkunden statt - Zur Rechtsnatur der vollstreckbaren Urkunde (zugleich eine Besprechung von Entscheidungen des OLG Koblenz, des LG Mainz, des LG München II, des LG Waldshut-Tiengen, des LG Köln und des A G Köln zur Zwangsvollstreckungsunterwerfung im Bauträgervertrag), DNotZ 1990, 531 ff.

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