"Über das eigentliche Arbeitsgebiet der Geschichte": Der Briefwechsel zwischen Karl Lamprecht und Ernst Bernheim sowie zwischen Karl Lamprecht und Henri Pirenne 1878-1915 9783412507008, 9783412021986


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German Pages [352] Year 2016

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"Über das eigentliche Arbeitsgebiet der Geschichte": Der Briefwechsel zwischen Karl Lamprecht und Ernst Bernheim sowie zwischen Karl Lamprecht und Henri Pirenne 1878-1915
 9783412507008, 9783412021986

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Luise Schorn-Schütte, Mircea Ogrin (Hg.) »Über das eigentliche Arbeitsgebiet der Geschichte«

BEIHEFTE ZUM ARCHIV FÜR KULTURGESCHICHTE IN VERBINDUNG MIT KARL ACHAM, EGON BOSHOF, WOLFGANG BRÜCKNER, BERNHARD JAHN, EVA-BETTINA KREMS, FRANK-LOTHAR KROLL, TOBIAS LEUKER, HELMUT NEUHAUS, NORBERT NUSSBAUM, STEFAN REBENICH HERAUSGEGEBEN VON

KLAUS HERBERS HEFT 46

»ÜBER DAS EIGENTLICHE ARBEITSGEBIET DER GESCHICHTE« Der Briefwechsel zwischen Karl Lamprecht und Ernst Bernheim sowie zwischen Karl Lamprecht und Henri Pirenne 1878–1915

Herausgegeben von

Luise Schorn-Schütte und Mircea Ogrin Bearbeitet von

Maria Elisabeth Grüter, Charlotte Beißwingert und Geneviève Warland

2017 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Kanzlers der Universität Leipzig, der Forschungsstelle pommersche Landesgeschichte der Universität Greifswald sowie des Landeschaftsverbands Rheinland

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Karl Lamprecht (1856–1915), Radierung, 1902, von Johannes Lindner nach Photographie. 14,5 × 9,8 cm. Berlin, Sammlung Archiv für Kunst und Geschichte. (©) akg-images © 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Textaufnahme: Charlotte Beißwinger Druckvorlage: Peter Kramer, Münster Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-02198-6

INHALT

Luise Schorn-Schu¨tte ¨ ber das eigentliche Arbeitsfeld der Geschichte“. Edition des „U Briefwechsels von K. Lamprecht (1856–1915) mit E. Bernheim (1850–1942) und mit H. Pirenne (1862–1935) . . . . . . . . . . Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wissenschaftsgeschichtliche Kontexte . . . . . . . . . . . . . . 2. Gelehrte Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Der Briefwechsel zwischen E. Bernheim und K. Lamprecht (1876–1914) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Der Briefwechsel zwischen K. Lamprecht und H. Pirenne (1883–1915) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Briefwechsel zwischen Karl Lamprecht und Ernst Bernheim . 1. Lamprecht an Bernheim – Mu¨nchen, 22. Juni 1878 . . . . 2. Lamprecht an Bernheim – Großballerstedt, 30. Dez. 1880 3. Bernheim an Lamprecht – Go¨ttingen, 1. Jan. 1881 . . . . 4. Lamprecht an Bernheim – Ko¨ln, 7. April 1881 . . . . . . 5. Lamprecht an Bernheim – undatiert [Mai/Juni 1881] . . 6. Lamprecht an Bernheim – Bonn, 26. Juni 1881 . . . . . . 7. Lamprecht an Bernheim – Bonn, 10. Juli 1881 . . . . . . 8. Lamprecht an Bernheim – Bonn, 27. Juli 1881 . . . . . . 9. Bernheim an Lamprecht – Go¨ttingen, 29. Juli 1881 . . . . 10. Lamprecht an Bernheim – Bonn, 29. Nov. 1881 . . . . . 11. Bernheim an Lamprecht – Go¨ttingen, 25. Dez. 1881 . . . 12. Bernheim an Lamprecht – Go¨ttingen, 15. Mai 1882 . . . 13. Lamprecht an Bernheim – 17. Mai 1882 . . . . . . . . . . 14. Lamprecht an Bernheim – 21. Mai 1882 . . . . . . . . . . 15. Lamprecht an Bernheim – 8. Juni 1882 . . . . . . . . . . 16. Bernheim an Lamprecht – Go¨ttingen, 12. Juni 1882 . . . 17. Lamprecht an Bernheim – Bonn, 12. Juli 1882 . . . . . .

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Inhalt

18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58.

Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Bernheim an Lamprecht Lamprecht an Bernheim Bernheim an Lamprecht Lamprecht an Bernheim Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Bernheim an Lamprecht Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim

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14. Juli 1882 . . . . . . . . Go¨ttingen, 2. Jan. 1883 . . Go¨ttingen, 13. Jan. 1883 . Go¨ttingen, 9. Febr. 1883 . Go¨ttingen, 18. Febr. 1883 . G[o¨ttingen], 22. Febr. 1883 Bonn, 1. Ma¨rz 1883 . . . . Bonn, 21. Ma¨rz 1883 . . . Go¨ttingen, 21. Juni 1883 . Bonn 22. Juli 1883 . . . . . Go¨ttingen, 1. Aug. 1883 . Bonn, 2. Aug. 1883 . . . . Greifswald, 4. Dez. 1883 . Greifswald, 10. Jan. 1884 . Greifswald, 28. Sept. 1884 Greifswald, 2. Jan. 1885 . . Greifswald, 11. Juni 1885 . Greifswald, 21. Nov. 1885 Greifswald, 24. April 1889 Greifswald, 31. Dez. 1889 Greifswald, 22. Jan. 1890 . Greifswald, 2. Ma¨rz 1890 . Greifswald, 21. April 1890 Leipzig, 20. Mai 1892 . . . Leipzig, 23. Juni 1892 . . . Leipzig, 26. Juli 1892 . . . Leipzig, 27. Febr. 1893 . . Leipzig, 24. Mai 1893 . . . Greifswald, 16. Juli 1893 . Leipzig, 24. Juli 1893 . . . Leipzig, 28. Dez. 1893 . . Leipzig, 8. Dez. 1894 . . . Leipzig, 13. Ma¨rz 1895 . . Leipzig, 23. Ma¨rz 1895 . . Leipzig, 5. April 1895 . . . Leipzig, 25. Mai 1895 . . . Leipzig, 8. Aug. 1895 . . . Leipzig, Dezember 1895 . Leipzig, 23. Jan. 1896 . . . Leipzig, 27. Okt. 1896 . . Leipzig, 24. Nov. 1897 . .

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Inhalt

59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76.

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107 108 109 110 110 111 116 118 120 122 123 125 127 128 130 131 132 134

Briefwechsel zwischen Karl Lamprecht und Henri Pirenne . . . . 77. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 5. April 1883 . . . . . . . . . 78. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 19. April 1883 . . . . . . . . 79. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 3. Okt. 1883 . . . . . . . . . 80. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 23. Okt. 1883 . . . . . . . . . 81. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 3. Nov. 1883 . . . . . . . . . 82. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 20. Jan. 1884 . . . . . . . . . 83. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 5. Ma¨rz 1884 . . . . . . . . . 84. Lamprecht an Pirenne – Aschaffenburg, 15. Ma¨rz 1884 . . . 85. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 15. Okt. 1884 . . . . . . . . . 86. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 14. Nov. 1884 . . . . . . . . . 87. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 5. Juni 1885 . . . . . . . . . . 88. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 27. Febr. 1886 . . . . . . . . . 89. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 7. Mai 1886 . . . . . . . . . . 90. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 16. Dez. 1886 . . . . . . . . . 91. Lamprecht an Pirenne – [Poststempel: Kehl, 31. Dez. 1886] . 92. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 4. Aug. 1887 . . . . . . . . . 93. Lamprecht an Pirenne – Bonn, 22. Sept. 1887 . . . . . . . . . 94. Lamprecht an Pirenne – [Poststempel: 24. Dez.1887] . . . . . 95. Lamprecht an Pirenne – [Poststempel: Bonn 11. Febr. 1890] 96. Lamprecht an Pirenne – Marburg, 25. April 1890 . . . . . . . 97. Lamprecht an Pirenne – Marburg, 26. Jan. 1891 . . . . . . .

135 135 137 138 139 140 140 141 141 142 142 143 144 146 147 148 149 150 150 151 151 152

Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Bernheim an Lamprecht Lamprecht an Bernheim Bernheim an Lamprecht Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Lamprecht an Bernheim Bernheim an Lamprecht Lamprecht an Bernheim

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Leipzig, 31. Dez. 1897 . . Leipzig, 15. Nov. 1899 . . Greifswald, 31. Ma¨rz 1910 Greifswald, 1. Mai 1910 . . Greifswald, 19. Juni 1910 . Leipzig, 14. Nov. 1911 . . Greifswald, 25. Nov. 1911 Leipzig, 22. Dez. 1911 . . Leipzig, 12. Febr. 1912 . . Schierke, 26. Ma¨rz 1912 . . Leipzig, 27. April 1912 . . Leipzig, 1. Juni 1912 . . . Leipzig, 29. Nov. 1912 . . Leipzig, 31. Dez. 1912 . . Berlin W 8, 9. April 1913 . Leipzig, 23. Dez. 1913 . . Greifswald, 30. Dez. 1913 Leipzig, 15. Okt. 1914 . .

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Inhalt

Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne

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Leipzig, 29. Juni 1891 . . . . Leipzig, 27. Nov. 1891 . . . . Leipzig, 21. Sept. 1894 . . . . L[eipzig], 19. Nov. 1894 . . . . Gent, 25. Nov. 1894 . . . . . . Leipzig, 12. Dez. 1894 . . . . . Gent, 23. Dez. 1894 . . . . . . Leipzig, 25. Dez. 1894 . . . . . Gent, 28. Dez. 1894 . . . . . . Leipzig, 31. Dez. 1894 . . . . . Gent, 23. Jan. 1895 . . . . . . . Leipzig, 4. Febr. 1895 . . . . . Leipzig, 19. Ma¨rz 1895 . . . . Leipzig, Mai 1895 . . . . . . . Rathen a. Elbe, 12. Aug. 1895 Leipzig, 11. Okt. 1895 . . . . . Leipzig, 8. Dez. 1895 . . . . . Gent, 19. Febr. 1896 . . . . . . Leipzig, 2. Ma¨rz 1896 . . . . . Gent, 22. Ma¨rz 1896 . . . . . . Leipzig, 25. Ma¨rz 1896 . . . . Leipzig, 10. Mai 1896 . . . . . Leipzig, 14. Juli 1896 . . . . . Gent, 27. Juli 1896 . . . . . . . Heyst, [6. August 1896] . . . . Ostende, 4. Sept. 1896 . . . . . Heist am See, 6. Sept. 1896 . . Gent, 19. Okt. 1896 . . . . . . Leipzig, 6. Nov. 1896 . . . . . Leipzig, 16. Nov. 1896 . . . . Leipzig, 19. Nov. 1896 . . . . Gent, 24. Nov. 1896 . . . . . . Leipzig, 29. Nov. 1896 . . . . Leipzig, 6. Dez. 1896 . . . . . Gent, 18. Dez. 1896 . . . . . . Leipzig, 21. Dez. 1896 . . . . . Gent, 27. Dez. 1896 . . . . . . Leipzig, 8. Jan. 1897 . . . . . . Leipzig, 22. Jan. 1897 . . . . . Gent, 31. Jan. 1897 . . . . . . . Leipzig, 2. Febr. 1897 . . . . .

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Inhalt

139. 140. 141. 142. 143. 144. 145. 146. 147. 148. 149. 150. 151. 152. 153. 154. 155. 156. 157. 158. 159. 160. 161. 162. 163. 164. 165. 166. 167. 168. 169. 170. 171. 172. 173. 174. 175. 176. 177. 178. 179.

Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne

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[Leipzig, 10. Febr. 1897] . . . . . . Gent, 12. Febr. 1897 . . . . . . . . . Leipzig, 15. Febr. 1897 . . . . . . . Gent, 4. Ma¨rz 1897 . . . . . . . . . Leipzig, 6. Ma¨rz 1897 . . . . . . . . Leipzig, 9. April 1897 . . . . . . . . Leipzig, 12. Mai 1897 . . . . . . . . Leipzig, 4. Okt. 1897 . . . . . . . . Leipzig, 20. Okt. 1897 . . . . . . . . Leipzig, 3. Jan. 1898 . . . . . . . . . Leipzig, (14. 1. 94) [E. Ma¨rz 1898] . Leipzig, 25. Mai 1898 . . . . . . . . [13.] Juni 1898 . . . . . . . . . . . . Leipzig, 21. Juni 1898 . . . . . . . . Leipzig, 6. Nov. 1898 . . . . . . . . Leipzig, 27. Dez. 1898 . . . . . . . . Leipzig, 7. Jan. 1899 . . . . . . . . . Leipzig, 24. Febr. 1899 . . . . . . . Leipzig, 10. Ma¨rz 1899 . . . . . . . Leipzig, 10. April 1899 . . . . . . . Leipzig 26. Juli 1899 . . . . . . . . . Leipzig, 21. Nov. 1899 . . . . . . . Leipzig, 12. Jan. 1900 . . . . . . . . Leipzig, 1. Juni 1900 . . . . . . . . . Gent, 10. Juni 1900 . . . . . . . . . Leipzig, 29. Juli 1900 . . . . . . . . St. Pair, 15. Aug. 1900 . . . . . . . . Bastei (Sa¨chs. Schweiz), 3. Jan. 1901 Leipzig, 20. Febr. 1901 . . . . . . . Tharandt b. Dresden, 10. Mai 1901 Gent, 18. Sept. 1901 . . . . . . . . . Leipzig, 19. Dez. 1901 . . . . . . . . Gent, 31. Dez. 1901 . . . . . . . . . Leipzig, 10. Ma¨rz 1902 . . . . . . . Gent, 16. Ma¨rz 1902 . . . . . . . . . Wiesbaden, 2. April 1902 . . . . . . Leipzig, 2. Mai 1902 . . . . . . . . . Leipzig, 28. Mai 1902 . . . . . . . . Leipzig, 1. Aug. 1902 . . . . . . . . Hastie`re, 8. Aug. 1902 . . . . . . . . Leipzig, 9. Dez. 1902 . . . . . . . .

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Inhalt

Pirenne an Lamprecht Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne

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Gent, 21. Dez. 1902 . . . . . . . . . Gent, 30. Dez. 1902 . . . . . . . . . Leipzig, 8. Jan. 1903 . . . . . . . . . Gent, 12. Jan. 1903 . . . . . . . . . . Leipzig, 21. April 1903 . . . . . . . Leipzig, 3. Aug. 1903 . . . . . . . . Leipzig, 27. Okt. 1903 . . . . . . . . Gent, 8. Nov. 1903 . . . . . . . . . . Leipzig, 20. Jan. 1904 . . . . . . . . Leipzig, 27. Febr. 1904 . . . . . . . L[eipzig], 12. Mai 1904 . . . . . . . Leipzig, 23. Juli 1904 . . . . . . . . Leipzig, Februar 1905 . . . . . . . . Gent, 26. Febr. 1905 . . . . . . . . . Leipzig, 3. Ma¨rz 1905 . . . . . . . . Leipzig, 3. Aug. 1905 . . . . . . . . Leipzig, 18. Jan. 1906 . . . . . . . . Leipzig, 23. Juni 1906 . . . . . . . . Leipzig, 1. Aug. 1906 . . . . . . . . La Panne, 28[24? 29?]. August 1906 Fontainebleau, 19. Sept. 1906 . . . . Bru¨ssel, 1. Okt. 1906 . . . . . . . . Bru¨ssel, 2. Okt. 1906 . . . . . . . . Leipzig, 13. Okt. 1906 . . . . . . . . Leipzig, 16. [?] Okt. 1906 . . . . . . Leipzig, 25. Okt. 1906 . . . . . . . . Leipzig, 31. Okt. 1906 . . . . . . . . Leipzig, 19[18?]. Nov. 1906 . . . . Leipzig, 1. Jan. 1907 . . . . . . . . . Leipzig, 10. Jan. 1907 . . . . . . . . Leipzig, 23. Jan. 1907 . . . . . . . . Baden-Baden, 5. April 1907 . . . . . Leipzig, 2. Juni 1907 . . . . . . . . . Oberschreiberhau, 29. Aug. 1907 . . Leipzig, 10. Okt. 1907 . . . . . . . . Leipzig, 21. Nov. 1907 . . . . . . . Leipzig 15. Juni 1908 . . . . . . . . Leipzig, 19. Juli 1908 . . . . . . . . Leipzig, 4. Nov. 1908 . . . . . . . . Leipzig, 6. Jan. 1909 . . . . . . . . . Leipzig, 1. Juli [?] 1909 . . . . . . .

248 249 250 251 251 253 254 256 257 258 259 260 261 261 262 263 264 266 268 269 270 271 272 273 274 275 277 278 279 281 281 283 284 285 286 287 289 290 291 292 293

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Inhalt

221. 222. 223. 224. 225. 226. 227. 228. 229. 230. 231. 232. 233. 234. 235. 236. 237. 238. 239. 240. 241. 242. 243. 244. 245. 246. 247. 248. 249. 250. 251. 252.

Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Pirenne an Lamprecht Pirenne an Lamprecht Pirenne an Lamprecht Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Lamprecht an Pirenne Pirenne an Lamprecht Pirenne an Lamprecht Lamprecht an Pirenne

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Leipzig, 2. Aug. 1909 . . . . . . . . Leipzig, 22. Sept. 1909 . . . . . . . . Leipzig, 9. Okt. 1909 . . . . . . . . Leipzig, 30. Okt. 1909 . . . . . . . . Leipzig, 16. Jan. 1910 . . . . . . . . Leipzig 1. Ma¨rz 1910 . . . . . . . . Leipzig, 30. Ma¨rz 1910 . . . . . . . Leipzig, 1. Juni 1910 . . . . . . . . . Leipzig, 22. Juli 1910 . . . . . . . . Leipzig, 14. Okt. 1910 . . . . . . . . Leipzig, 19. Jan. 1911 . . . . . . . . Leipzig, 24. Juni 1911 . . . . . . . . Leipzig, 19. Jan. 1912 . . . . . . . . Leipzig, 2. Febr. 1912 . . . . . . . . Leipzig, 20. Mai 1912 . . . . . . . . Gent, 12. Juni 1912 . . . . . . . . . Evian-les-Bains, 19. Sept. 1912 . . . Leipzig, 1. Jan. 1913 . . . . . . . . . Leipzig, 5. Mai 1913 . . . . . . . . . Leipzig, 8. Jan. 1914 . . . . . . . . . Gent, 27. Jan. 1914 . . . . . . . . . . Gent, 6. Juni 1914 . . . . . . . . . . Gent, 16. Juni 1914 . . . . . . . . . Gent, 21. Juni 1914 . . . . . . . . . Gent, 28. Juni 1914 . . . . . . . . . Leipzig-Sto¨[tteritz], 4. Juli 191[4] . Leipzig-Sto¨[tteritz], 19. Juli 1914 . . Leipzig-Sto¨tteritz, 31. Aug. 1914 . . 1/4 16. [i. O.] Bru¨ssel, 1. April 1915 Gent, 6. April 1915 . . . . . . . . . Gent, 6. April 1915 . . . . . . . . . Leipzig, 19. April 1915 . . . . . . .

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . Ia Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . Ib Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . IIa Schriften Bernheims, Lamprechts und Pirennes IIb Weitere zeitgeno¨ssische Publikationen . . . . . III Sekunda¨rliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Index der Personen, Orte und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . 345

¨ BER DAS EIGENTLICHE ARBEITSFELD „U DER GESCHICHTE“ * Edition des Briefwechsels von K. Lamprecht (1856–1915) mit E. Bernheim (1850–1942) und mit H. Pirenne (1862–1935) von Luise Schorn-Schu¨tte

Vorwort

Diese Edition hat inzwischen eine eigene Geschichte; sie begann mit meinem Forschungsaufenthalt zur Bearbeitung meiner Dissertation u¨ber Karl Lamprecht, der mir durch das Innenministerium der damaligen DDR 1976 – wider Erwarten – bewilligt wurde. Drei Monate lang habe ich als junge Doktorandin in den Archiven in Leipzig, Merseburg, Dresden und Greifswald gearbeitet, musste in teuren Interhotels und unter einengend-scharfer Kontrolle durch die Volkspolizei wohnen und habe dennoch einen ungemein dichten, pra¨genden Einblick in den real existierenden Sozialismus gewonnen, wie er nur wenigen Angeho¨rigen meiner Generation aus der damaligen Bundesrepublik mo¨glich war. In Greifswald stieß ich dabei auf den zeitlich und inhaltlich umfassenden Briefwechsel zwischen K. Lamprecht und E. Bernheim, dessen Edition mir nach einem langen, mu¨hsamen Antragsverfahren schließlich 1983 erlaubt wurde. * Dieser Satz stammt weder von Lamprecht noch von Bernheim oder Pirenne, er trifft

aber den Kern der Kontroversen, die am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts innerhalb der europa¨ischen Geschichtsschreibung gefu¨hrt wurden. Und eben diese waren auch Gegenstand der Kommunikation unter den Historikern, deren Briefwechsel hier ediert vorgelegt wird. Urspru¨nglich wurde der Satz gebraucht im Konflikt zwischen dem Wirtschaftshistoriker E. Gothein und dem Politikhistoriker D. Scha¨fer, dazu mit allen Nachweisen M. Maurer, Eberhard Gothein (1853–1923). Leben und Werk zwischen Kulturgeschichte und Nationalo¨konomie. Ko¨ln/Weimar/Wien 2007, S. 1 Anm. 1.

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Luise Schorn-Schu¨tte

Der ebenfalls dichte Briefwechsel zwischen H. Pirenne und K. Lamprecht lag dagegen in einem romantischen Schloss an der belgisch-franzo¨sischen Grenze, in das mich der Enkel H. Pirennes, der Comte Jacques Pirenne, 1977 ho¨chst zuvorkommend einlud. Im Schlossturm habe ich gemeinsam mit meiner Schwester und spa¨ter erneut mit einer Schulfreundin die Briefe transkribiert und einen bleibenden Einblick in die Tradition einer belgischen Gelehrtenfamilie nehmen ko¨nnen. Die Dissertation, fu¨r die all das notwendig gewesen war, erschien 1984; seitdem habe ich etliche andere wissenschaftliche Arbeiten publiziert, die u. a. auch ga¨nzlich anderen Epochen gewidmet waren. Die Edition aber war nie vergessen; dafu¨r, dass sie nun endlich publiziert vorliegt, habe ich der unermu¨dlichen Hilfe einiger junger Kollegen und Mitarbeiter zu danken: Marlies Gru¨ter, Mu¨nster, Dr. Charlotte Beißwingert, Berlin, Dr. Mircea Ogrin, Frankfurt/M., PD Dr. Genevie`ve Warland, Louvain-la-Neuve. Die Finanzierung dieser Publikation wurde durch die Großzu¨gigkeit etlicher Institutionen ermo¨glicht: des Landschaftsverbandes Rheinland, der Universita¨t Potsdam, der Universita¨t Leipzig, der Goethe-Universita¨t Frankfurt/M., des Landes Brandenburg, der Familie Bernheim, der Stiftung Pommersche Landesgeschichte. Ihnen allen danke ich sehr herzlich – nicht zuletzt fu¨r Geduld. Die Publikation erfolgt 2015 – dem Jahr des 100. Todestages von Lamprecht, des 165. Geburtstages von Bernheim und des 80. Todestages Pirennes. Gewidmet ist das Buch meiner Schwester († 2009) sowie Hans-Otto, Gabi († 2001), Hella und Anna Schmidt, den verwandten Freunden aus dem damals zwar fernen, aber nicht fremden Berlin-Brandenburg. Friedrichsdorf/Ts., am 10. Mai 2015, dem 100. Todestag Karl Lamprechts

¨ ber das eigentliche Arbeitsfeld der Geschichte“ „U

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Einleitung

Die Geschichte der europa¨ischen Geschichtswissenschaft des 19./20. Jahrhunderts ist Teil der Wissens- und Bildungsgeschichte des europa¨ischen Bu¨rgertums dieser Zeit. In zahlreichen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte wurde der Charakter der nationalen Identita¨ten als jeweils historiographische Meisterza¨hlung identifiziert; die Bedeutung, die der Geschichtswissenschaft zugemessen wurde, und die Anerkennung fu¨r die Historiker, die diese Meisterza¨hlungen „schufen“, war deshalb groß. Zugleich formulierte eine solche Geschichtsschreibung einen methodisch hohen Anspruch, die Forschung der letzten Jahre hat dies als „Professionalisierung“ der historiographischen Arbeit charakterisiert.1 Diese Entwicklungen begannen in der Mitte des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum und entfalteten sich parallel auch in anderen europa¨ischen La¨ndern und Regionen bis hin nach Nordamerika; unterschiedliche Zuga¨nge zur Geschichte trafen aufeinander, Methodendebatten waren an der Tagesordnung.2 Der sogenannte „Lamprechtstreit“ steht wie kaum eine andere Debatte fu¨r diese heftigen, ha¨ufig feindselig ausgetragenen Auseinandersetzungen um Gegenstand, Methode und Relevanz der Geschichtsschreibung des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Kulturgeschichte als Geschichte des Werdens nationaler Einheiten anstelle der bis dahin dominierenden Politikgeschichte – das war seit Beginn der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts auch der Ansatz des jungen Privatdozenten an der Universita¨t Bonn, Karl Lamprecht, gewesen. Er hatte sich zuna¨chst der mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte des Rheinlandes gewidmet und in engem Austausch mit einem seiner ersten akademischen Lehrer, Ernst Bernheim,

1 Siehe dazu als pra¨zisen, knappen U ¨ berblick L. Raphael, Geschichtswissenschaft im Zeit-

alter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, Mu¨nchen 2003, bes. Kap. IV. 2 Siehe dazu L. Schorn-Schu¨tte, Karl Lamprecht. Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, Go¨ttingen 1984, Kap. E: K. Lamprecht und „New History“, S. 287–337; dort ausfu¨hrlicher zu den Debatten in den USA, in Polen, Belgien, Frankreich und England. Zu K. Lamprecht als Historikerperso¨nlichkeit der Jahrhundertwende zudem R. Chickering, K. Lamprecht. A German Academic Life, Atlantic Highlands, N. J., 1993.; ders. Der Lamprecht-Streit (Fortsetzung). Einige Betrachtungen, in: J. Flo¨ter/G. Diesener (Hgg.), Karl Lamprecht (1856-1915). Durchbruch in der Geschichtswissenschaft, Leipzig 2015, S. 335–347. Zu a¨hnlichen Entwicklungen mit Blick auf E. Bernheim wichtig M. Ogrin, Ernst Bernheim (1850–1942). Historiker und Wissenschaftspolitiker im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Stuttgart 2012, S. 319–342.

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Luise Schorn-Schu¨tte

mit dem ihn bald auch eine perso¨nliche Freundschaft verband, die Frage nach der Rolle der Geschichtsschreibung fu¨r die jeweiligen Zeitgenossen und deren Konsequenz fu¨r die akademische Geschichtsschreibung ero¨rtert. Anhand des seit 1878 bis zu Lamprechts Tod 1915 u¨berlieferten Briefwechsels werden die methodischen, inhaltlichen und zeitgebundenen Argumentationen sehr gut sichtbar. Ebenso wie der Briefwechsel mit Bernheim ist auch derjenige Lamprechts mit dem belgischen Historiker Henri Pirenne zwischen 1883 und 1915 fast vollsta¨ndig u¨berliefert. Damit wird die internationale Dimension der Methodendebatten und inhaltlichen Kontroversen nachvollziehbar, die fu¨r Lamprechts Geschichtsschreibung und seine methodische Positionierung so charakteristisch war. Auch mit dem Belgier war sich Lamprecht einig darin, dass die Geschichtsschreibung der materiellen und geistigen Kultur eine pra¨gende Rolle fu¨r die Identita¨t historisch gewachsener Gemeinschaften/Regionen spielen sollte. Beide Historiker wollten auch der europa¨ischen Geschichtsschreibung diese neue Ausrichtung geben: weg von der Darstellung der Dynastien hin zur Kulturgeschichte.3 In intensiver fachwissenschaftlicher Verbindung arbeiteten Pirenne und Lamprecht in wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Vorhaben zusammen; zu letzteren geho¨rte die Etablierung von nationalen Historikertagen. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges tru¨bte diese Kooperation, sie wurde beendet durch Lamprechts fru¨hen Tod 1915.

1. Wissenschaftsgeschichtliche Kontexte

Der Gegensatz zwischen Kultur- und Politikgeschichte ist in der deutschen Geschichtsschreibung des 20. und fru¨hen 21. Jahrhunderts zwar noch immer pra¨sent, der Charakter eines „Glaubenskrieges“ aber ist u¨berwunden. Die in ganz Europa und den USA am Ende des 19. Jahrhunderts aufbrechenden Kontroversen u¨ber das „eigentliche Arbeitsgebiet“ der Geschichtsschreibung waren ein zentraler Aspekt der zeitgeno¨ssischen Debatte daru¨ber, wie das Verha¨ltnis zwischen Natur- und Geisteswissenschaften charakterisiert werden sollte. Damit verbunden war zugleich die Frage nach der Relevanz geisteswissenschaftlicher Forschung, die keineswegs nur unter Historikern diskutiert wurde, sondern 3 Dazu ju¨ngst G. Warland, Henri Pirennes und Karl Lamprechts Internationalisierungs-

strategien, in: Flo¨tzer/Diesener (Hgg.), wie Anm. 2, S. 193–214.

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spa¨testens seit G. v. Droysen, W. Dilthey, H. Rickert und W. Windelband als eine Grundlagendebatte u¨ber die Existenz von Gesetzma¨ßigkeiten auch in der geisteswissenschaftlichen Forschung gefu¨hrt wurde. Fu¨r Droysen und Dilthey war dies die Frage nach der Einheit der Wissenschaft, an der trotz unterschiedlicher Ansa¨tze zwischen Natur- und Geisteswissenschaften festzuhalten war, Rickert und Windelband dagegen gaben einen solchen Anspruch auf und betonten die Eigenart der Kulturgegenu¨ber den Naturwissenschaften.4 In Anlehnung an Th. S. Kuhn hat die Wissenschaftsgeschichtsschreibung seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts diese Kontroversen als Ausdruck wissenschaftlicher Revolutionen charakterisiert, deren Kern ein Paradigmenwechsel in Gegenstand und Methode sei. Selbst wenn die Charakterisierung als „Revolution“ fu¨r die Geschichts-/Geisteswissenschaften in den Debatten zuru¨ckgewiesen wurde, so trifft fu¨r die Jahrhundertwende doch zu, dass es eine Umorientierung, einen „Paradigmenwechsel“ gegeben hat angesichts der Frage, was als Ursache historischen Wandels charakterisiert werden ko¨nnte und wie er methodisch zu bewa¨ltigen sei.5 Mit Droysens Versuch einer methodischen Profilierung der Geschichtswissenschaft entfaltete sich jener „Differenzierungsprozess“ zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, der mit der bekannten Gegenu¨berstellung von „Natur und Geschichte bzw. von Erkla¨ren und Verstehen“6 charakterisiert wird. Dies aber war nicht die einzige Bewegung; auch auf Seiten der Naturwissenschaften wuchs seit der Jahrhundertwende das Bewusstsein, dass angesichts z. B. der „Krise des mechanistischen Denkens in der Physik“7 historisches Denken auch fu¨r das Versta¨ndnis von Naturprozessen sinnvoll sein ko¨nnte.8 Die intensiv gefu¨hrte

4 Zu diesen bekannten Debatten des ausgehenden 19. Jahrhunderts siehe zusammenfas-

send Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 18–20, S. 55–71 und S. 111–136 mit allen Nachweisen sowie ju¨ngst Ogrin, wie Anm. 2, S. 44–57. 5 Zur Debatte um die Bedeutung der Theorien von Th. S. Kuhn fu¨r die Analyse der Geschichtsschreibung um die Jahrhundertwende siehe Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 14–20 sowie S. 287/88 mit weiterer Literatur sowie K. Langewand, Historik im Historismus. Geschichtsphilosophie und historische Methode bei Ernst Bernheim, Frankfurt/M. 2009, S. 15 mit Anm. 9–11. 6 G. Schiemann, Geschichte und Natur zwischen Differenz und Konvergenz, in: W. Ku¨ttler/J. Ru¨sen/E. Schulin (Hgg.), Geschichtsdiskurs Bd. 4: Krisenbewusstsein, Katastrophenerfahrungen und Innovationen 1880–1945, Frankfurt/M. 1997, S. 153–161, hier S. 153. 7 Ebd., S. 158. 8 Siehe die grundlegenden U ¨ berlegungen dazu bei Chr. Mehr, Kultur- als Naturgeschichte. Opposition oder Komplementarita¨t zur politischen Geschichtsschreibung 1850–1890?, Berlin 2009 (= Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel Bd. 37), S. 34.

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Forschung der letzten Jahre hat herausgearbeitet, welch wichtige Rolle die Kulturgeschichtsschreibung in diesem Wandlungsprozess gespielt hat. Daran beteiligt waren die Leipziger Wissenschaftler (u. a. W. Wundt, K. Lamprecht, W. Roscher)9 ebenso wie die zu Beginn des 20. Jahrhunderts neu entstehenden Sozialwissenschaften (vertreten u. a. durch M. Weber, G. Simmel, E. Cassirer).10 Schließlich u¨berwanden letztere die „Antithese zwischen idiographischem und nomothetischem Vorgehen [...]. Die Statistik wurde im jeweils individuell zu bestimmenden Rahmen zur unentbehrlichen Hilfsdisziplin. Neben der politischen Geschichte wurden auch Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in theoretisch gesicherter Weise traktabel. Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts tritt das Verha¨ltnis zwischen Natur- und Geschichtswissenschaft in ein neues Stadium. Es wird bestimmt durch die Herrschaft eines positivistisch erweiterten Historismus.“11 Diese kontroverse Betrachtung des Verha¨ltnisses von Natur und Geschichte war schließlich auch Teil einer spezifischen Art von Fortschrittskritik, war mithin Aspekt sozialer und politischer Erfahrungen der Zeitgenossen. Die sozialpolitischen Verha¨ltnisse entfernten sich von einem idealisierten Naturzustand, zivilisatorischer Fortschritt – „manifest in wirtschaftlichen und technischen Errungenschaften“ – erschien verantwortlich „fu¨r eine ‚Welt der Kontingenz, vielfa¨ltiger Zufa¨lligkeiten und Unberechenbarkeiten‘“12, der gegenu¨ber die Welt der Natur als „wohltuender Gegenentwurf zum Lauf der Geschichte wahrgenommen“ zu werden schien.13 Ausdruck dieser inner- wie extrawissenschaftlichen Vera¨nderungen war die „naturalisierte Kulturgeschichtsschreibung“14 zwischen 1850 und

9 Siehe dazu Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 78–99. 10 Dazu U. Daniel, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlu¨sselwo¨rter,

Frankfurt/M. 2001, S. 210. Eine sehr dichte, kluge Beschreibung dieser Debatten, die als „Denkkollektiv“ charakterisiert werden, gibt W. Neugebauer, Otto Hintze. Denkra¨ume und Sozialwelten eines Historikers in der Globalisierung 1861–1940, Paderborn 2015, S. 105–161. Diese Beschreibung reicht weit u¨ber die Historikergruppe hinaus, zu der aber auch K. Lamprecht, E. Bernhein umd H. Pirenne geho¨rten. Zum Verha¨ltnis zwischen Lamprecht und Hintze dort ausfu¨hrlich S. 147–153. 11 A. Demandt, Natur- und Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert, in: HZ 237/1983, S. 37–66, hier S. 58. Zur Debatte um die Objektivita¨t in der Geschichtswissenschaft siehe ju¨ngst zusammenfassend K. Ries, K. Lamprecht und F. Meinecke, oder: Wie objektiv soll Geschichte sein?, in: Flo¨ter/Diesener (Hgg.), wie Anm. 2, S. 147–169. 12 Mehr, wie Anm. 8, S. 35 mit Anm. 58: Verweis auf L. Gall, Natur und Geschichte – eine spezifische Antinomie des 20. Jahrhunderts? (= Heidelberger Universita¨tsreden Bd. 119), Heidelberg 1996, S. 14. 13 Mehr, wie Anm. 8, S. 35. 14 Ebd.

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1890. „Geschichte wird nicht mehr als fortschrittlicher, sondern als naturwu¨chsiger Prozess beschrieben.“15 In diesem Sinne ging es der deutschen Kulturgeschichtsschreibung an der Jahrhundertwende „um ein Versta¨ndnis der Gesellschaft als Naturpha¨nomen selbst.“16 Und damit vollzog sich in der Tat ein Wechsel des Gegenstandes und der Methode. Fu¨r diese Debatte der zeitgeno¨ssischen deutschen Historiker ist der Briefwechsel zwischen Bernheim und Lamprecht ein Schlu¨sseldokument. Bernheims fundierte geschichtsphilosophische Bildung pra¨gte den ju¨ngeren Lamprecht nachhaltig; der rasch freundschaftlich gefu¨hrte Briefwechsel belegt die fu¨r beide unbestreitbare Notwendigkeit der Neubestimmung des Gegenstandes der historischen Forschung. Das zeigt sich nicht zuletzt in ihrem Gespra¨ch daru¨ber, wie der akademische Unterricht, die Vermittlung historischer Bildung in weitere Kreise der Gesellschaft angesichts der aktuell scharfen sozialen Frage umgestellt werden mu¨sse.17 Vergleichbares gilt fu¨r den Briefwechsel zwischen Lamprecht und Pirenne; er belegt die Relevanz der Themen fu¨r die zeitlich parallel gefu¨hrten europa¨ischen Debatten. Pirenne war keineswegs allein durch Lamprecht gepra¨gt, aber in den Gespra¨chen zwischen beiden wird sichtbar, wie Pirenne den inhaltlichen und methodischen Wandel in der historischen Forschung verarbeitet, welche Mo¨glichkeiten sich dadurch fu¨r seine eigenen Arbeiten ergeben.18 Die ju¨ngere belgische Forschung hat deshalb sehr zu recht herausgestellt, dass Pirenne sich als Bru¨ckenpfeiler 15 Ebd. 16 Ebd. 17 Zu Bernheims intellektueller Biographie und seinen hochschulpa¨dagogischen Aktivi-

ta¨ten siehe Ogrin, wie Anm. 2, S. 44–60, S. 235–295 sowie u. a. die Briefe Lamprechts an Bernheim vom 27. 2. 1893 (= Nr. 44), 24. 5. 1893 (= Nr. 45), 8. 12. 1894 (= Nr. 49), Dez. 1895 (= Nr. 55), 24. 11. 1897 (= Nr. 58), 31. 12. 1897 (= Nr. 59) und Bernheim an Lamprecht vom 16. 7. 1893 (= Nr. 46). Dass die Geschichtsschreibung der vergangenen DDR Karl Lamprecht u. a. auch deshalb als einen „fortschrittlichen“ Historiker charakterisiert hat, der zur positiven Tradition des „ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden“ geza¨hlt werden durfte, soll an dieser Stelle noch einmal erwa¨hnt werden. Siehe aus jener Perspektive vor allem H. Schleier, Zur internationalen Stellung K. Lamprechts, in: Wissenschaftliche Beitra¨ge der E.-M. Arndt Universita¨t zur NordeuropaForschung, Greifswald 1982, S. 4–13; K. Czok, Der Methodenstreit und die Gru¨ndung des Seminars fu¨r Landesgeschichte und Siedlungskunde 1906 an der Universita¨t Leipzig, in: Jahrbuch fu¨r Regionalgeschichte 2/1967, S. 11–26; E. Engelberg, Zum Methodenstreit um K. Lamprecht, in: J. Streisand (Hg.), Die bu¨rgerliche Geschichtsschreibung von der Reichseinigung von oben bis zur Befreiung Deutschlands vom Faschismus, Berlin-Ost 1965, S. 136–152. Diese Form der staatsparteilichen Historiographie findet sich nach 1990 nicht mehr. 18 Zu diesem Aspekt vgl. die gru¨ndliche Untersuchung von G. Warland, Henri Pirenne and Karl Lamprecht’s Kulturgeschichte. Intellectual transfer or the´orie fumeuse? In: Revue Belge d’Histoire Contemporaine, 41,3/4 (2011), S. 427–455.

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Luise Schorn-Schu¨tte

zwischen den Anregungen aus dem deutschen Umfeld (bis 1915) hinein in die westeuropa¨ische, vor allem auch franzo¨sischsprachige Kulturgeschichtsschreibung erwiesen hat,19 die sich zu einer eigensta¨ndigen Wirtschafts-und Sozialgeschichtsschreibung in der ersten Ha¨lfte des 20. Jahrhunderts entwickelte. Der Austausch zwischen Pirenne und Lamprecht zeigt, wie eng parallele Stro¨mungen und individuelle Rezeptionen miteinander verzahnt waren.20

2. Gelehrte Kommunikation

Der u¨berlieferte und hier edierte Briefwechsel zwischen Bernheim und Lamprecht umfasst 76 Briefe, derjenige zwischen Lamprecht und Pirenne 180 Briefe;21 Lamprecht ist in beiden Kontexten der schreibfreudigere Partner. Fu¨r beide Kommunikationen ist festzustellen, dass der zuna¨chst ho¨flich-distanzierte Ton allma¨hlich einem freundschaftlichen Austausch weicht, was alle Beteiligten je nach Temperament ausdru¨cklich oder dezent-freundlich begru¨ßen. Insofern ko¨nnen beide Briefwechsel, die natu¨rlich vornehmlich fachwissenschaftlicher und wissenschaftspolitischer Natur sind, auch als Zeugnis privater Beziehungen unter gelehr19 Dies ist eine wichtige Erga¨nzung der These, wonach die Debatten innerhalb der fran-

zo¨sischen und der deutschen Geschichtsschreibung weitgehend unabha¨ngig voneinander gefu¨hrt worden seien, wie dies 1990 erneut L. Raphael betonte; siehe L. Raphael, Historikerkontroversen im Spannungsfeld zwischen Berufshabitus, Fa¨cherkonkurrenz und sozialen Deutungsmustern. Lamprecht-Streit und franzo¨sischer Methodenstreit der Jahrhundertwende in vergleichender Perspektive, in: HZ 251/1990, S. 325–363. Er unterstrich dabei die nationenspezifischen Professionalisierungswege unter den Geisteswissenschaftlern. Die Kommunikation der hier in Rede stehenden Historiker zeigt aber, dass sich beide Interpretationen – Krisendebatte wie skizziert einerseits, Professionalisierung andererseits – keineswegs ausschlossen, einander vielmehr erga¨nzen. 20 Dazu die wichtige Untersuchung von E. Thoen/E. Vanhaute, Pirenne and economic and social theory: influences and receptions, in: Revue Belge d’Histoire Contemporaine, 41,3/4 (2011), S. 323–353. Die in diesem Sammelband verbundenen Aufsa¨tze stellen eine bemerkenswerte Auseinandersetzung mit der lange als „Lichtgestalt“ verehrten Person Pirenne dar. Siehe dazu z. B. W. Prevenier, „Ceci n’est pas un historien“. Construction and Deconstruction of Henri Pirenne, in: ebd., S. 553–557. 21 Alle Briefwechsel etstammen den Nachla¨ssen Bernheim, Lamprecht, Pirenne; deren genaue Nachweise s. Quellenverzeichnis in diesem Band. Die bereits 1966 durch Bryce Lyon edierten Briefe aus dem Nachlass Pirenne sind in die hier vorliegende Edition wieder aufgenommen worden, um ein Gesamtbild zu geben; siehe B. Lyon (Hg.), The Letters of Henri Pirenne to Karl Lamprecht (1894–1915), in: Bulletin de la Commission Royale d’histoire 132 (1966), S. 161–231.

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ten Historikern charakterisiert werden, was einen Einblick in die Lebensformen des gebildeten Bu¨rgertums im Europa des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts vermittelt.

2.1. Der Briefwechsel zwischen E. Bernheim und K. Lamprecht (1876–1914) Erstmals begegneten sich Lamprecht und Bernheim im Wintersemester 1874/75 an der Universita¨t Go¨ttingen: Eifriger Teilnehmer an ¨ bung, die der junge Privatdozent Bernheim unter dem Titel einer U „Geschichtsmethodologie“ abhielt, war K. Lamprecht. In seinem Nachlass findet sich ein aufschlussreiches Referatsmanuskript u¨ber Droysens ¨ bung gehalten zu haben scheint.22 Historik, das er im Rahmen dieser U Bernheims Forschungsschwerpunkt lag zwar in der mittelalterlichen Kirchen- und Verfassungsgeschichte, daneben aber widmete er sich mit wachsendem Interesse den zeitgeno¨ssischen Problemen von Geschichts¨ bung war ein erster Versuch fu¨r die philosophie und-methodologie, die U Lehre. Im August 1883 wurde Bernheim auf eine außerordentliche Professur fu¨r mittelalterliche Geschichte an der Universita¨t Greifswald berufen, am 1. Mai 1889 schließlich wurde ihm ein perso¨nliches Ordinariat u¨bertragen. Dieser lange Zeitraum war Bestandteil des akademischen Qualifikationsganges im ausgehenden 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert; im Briefwechsel Bernheim-Lamprecht wird dieses Thema wiederholt mit dem Hinweis auf perso¨nliche ebenso wie finanzielle Opfer angesprochen.23 Die Berufung Bernheims auf die ordentliche Professur war nicht zuletzt Ergebnis des im gleichen Jahr publizierten und rasch sehr erfolgreichen „Lehrbuchs der Historischen Methode“. Die Empfehlung dazu, die in den Akten des preußischen zivilen Geheimkabinetts zu finden ist, formuliert diesen Zusammenhang sehr klar.24 Mit seinem Werk trat Bernheim in die eingangs skizzierte Debatte u¨ber die methodischen und theoretischen Voraussetzungen geschichtswissenschaftlicher und geschichtsphilosophischer Forschung ein. In den Jahren zuvor hatte dies mit etwas anderer Zielsetzung G. v. Droysen in 22 Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 31 mit Anm. 88. 23 Zum Biographischen umfassend Ogrin, wie Anm. 2, S. 38–57, hier S. 36f. mit Verweis auf

den Brief Bernheims an Lamprecht vom 10. 1. 1884 (= Nr. 31).

24 Siehe Ogrin, wie Anm. 2, S. 43 mit Anm. 106: „[...] und durch sein soeben vero¨ffentlich-

tes vortreffliches ‚Lehrbuch der Historischen Methode‘ wesentliche Verdienste erworben“.

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Luise Schorn-Schu¨tte

Gestalt seines „Grundriß der Historik“ (1868) getan; eine große Gruppe der zeitgeno¨ssischen Historiker hielt derartige Positionsbestimmungen allerdings fu¨r unno¨tig, gar spekulativ, dementsprechend waren Ablehnung und Zustimmung zu Bernheims Buch unter den Fachkollegen sehr geteilt. In den rasch folgenden Neuauflagen des Werkes nahm Bernheim auch zum seit 1891 entbrannten „Lamprechtstreit“ Stellung; im Briefwechsel mit Lamprecht wird die an inhaltlichen Gegensa¨tzen wachsende Distanz zwischen beiden sehr gut sichtbar.25 In einer Rezension aus dem Jahr 1899 hatte Bernheim Lamprechts Geschichtsschreibung als positivistisch charakterisiert und sich zugleich von dessen sozial- und kollektivpsychologischer Sichtweise distanziert.26 Der fu¨r gut zehn Jahre letzte Brief zwischen beiden vom 15. 11. 1899 ist in Form und Ton entsprechend distanziert gehalten.27 Erst im Zusammenhang der im neuen Jahrhundert zunehmenden hochschulpolitischen Aktivita¨ten beider Kollegen wurde der Austausch wiederbelebt. Welche Rolle in der zwischenzeitlichen Abku¨hlung der Freundschaft auch die fehlgeschlagene Berufung Bernheims nach Leipzig (1895) gespielt hat, ist nicht vo¨llig zu kla¨ren.28 Gemeinsam mit Lamprecht hatte sich Bernheim seit 1894 fu¨r die Organisation nationaler Historikertage engagiert, zu Beginn des neuen Jahrhunderts wandte er sich mit Engagement didaktischen und hochschulpa¨dagogischen Fragestellungen zu, mit deren Hilfe er jene Neuorientierung der Geschichtsforschung als politisch-pa¨dagogische Bildung auch einem breiteren Publikum zuga¨nglich machen wollte.29 In der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik arbeiteten Lamprecht und Bernheim mit gleichen Zielen seit 1910 fu¨r einige Jahre erneut zusammen. Der wohl auch einer allgemeinen Erscho¨pfung zuzuschreibende fru¨he Tod Lamprechts am 10. 5. 1915 setzte allem ein Ende. Der gesamte Briefwechsel ist durchzogen von relativ ausfu¨hrlichen Mitteilungen zu perso¨nlichen, vor allem familia¨ren Angelegenheiten. Fu¨r Lamprecht war dies eine Mo¨glichkeit, sich mit dem befreundeten Kollegen u¨ber die schwere Erkrankung seiner Frau nach der Geburt der zweiten Tochter auszutauschen, u¨ber eine Situation also, die ihn 25 Siehe dazu z. B. den ausfu¨hrlichen Brief Bernheims an Lamprecht vom 24. 4. 1889

(= Nr. 36) und auch Bernheims Brief an Lamprecht vom 16. 7. 1893 (= Nr. 46). 26 Siehe dazu Ogrin, wie Anm. 2, S. 60f. 27 Siehe Brief Nr. 60. 28 Zum Ganzen siehe Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 104f. sowie Chickering, wie Anm. 2,

S. 163 und in der Perspektive Bernheims Ogrin, wie Anm. 2, S. 58–61.

29 Dazu Ogrin, wie Anm. 2, S. 61–80.

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u¨ber lange Jahre hinweg sehr belastete.30 Bernheims Familienverha¨ltnisse waren zumindest bis zum Tod Lamprechts von solchen Schicksalsschla¨gen ungetru¨bt. Aus seiner Ehe mit Amalie H. Jessen gingen drei So¨hne und eine Tochter hervor, u¨ber deren Heranwachsen immer wieder freundschaftlich berichtet wird.31 Beide Familien trafen sich in den 1890er Jahren offensichtlich vereinzelt auch privat. Politisch standen beide Hochschullehrer den Nationalliberalen des Kaiserreichs nahe, die allgemeine nationale Bewegung, die die deutsche Bevo¨lkerung im August 1914 erfasste, ging weder an Bernheim noch an Lamprecht vorbei – sie waren ganz Zeitgenossen!32 Das a¨hnlich gelagerte bildungs- und hochschulpolitische bzw. hochschulpa¨dagogische Engagement schließlich wurzelte in den von beiden geteilten fru¨hen Reformansa¨tzen der geschichtswissenschaftlichen Forschung und Methode.

2.2. Der Briefwechsel zwischen K. Lamprecht und H. Pirenne (1883–1915) Die Beziehungen zwischen Pirenne und Lamprecht sind seit Jahrzehnten sehr viel intensiver aufgearbeitet worden als die Kommunikationen, die Lamprecht auch mit anderen Historikern seiner Generation im Ausland gepflegt hat.33 Dafu¨r gibt es zwei Gru¨nde: Einerseits wurde nicht ganz grundlos vermutet, dass dieser Austausch der nach dem Ersten Weltkrieg so bedeutsam werdenden Schule der „Annales“ den Weg geebnet

30 Seit 1887 war Lamprecht verheiratet mit Mathilde Mu¨hl (1860–1920), Tochter des

Straßburger Universita¨tsbibliothekars Dr. med. G. Mu¨hl, siehe dazu Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 72–74. Aus dieser Ehe stammten zwei To¨chter: Marianne (1888–1946), verheiratete Klein-Wahlbeck, und Else (1890–1978), verheiratete Rose-Schu¨tz. Lamprecht selbst stammte aus der sprichwo¨rtlichen Pfarrersfamilie, sein Vater Nathanael (1804–1878) war Oberpfarrer in Jessen/Sachsen, sein a¨lterer Bruder Hugo (*1845) Superintendent. 31 Bernheim entstammte einer ju¨dischen Kaufmannsfamilie aus Hamburg, verheiratet war er seit 1886 mit Amalie Jessen (1866–1945), Tochter des Leiters der Hamburger Handelsgewerbeschule; kurz vor seiner Hochzeit trat er 1886 zum Protestantismus u¨ber. Aus der Ehe stammten vier Kinder: Emmi (1888–1964), Lehrerin in Greifswald, Hans (1890–?), Theodor (1891–1936), Oskar (1895–?). 32 Dazu Ogrin, wie Anm. 2, S. 82 sowie Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 326 mit Anm. 180. 33 Zum Folgenden wird auf das entsprechende Kapitel in Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 320–328 zuru¨ckgegriffen; erga¨nzt wird die Darstellung durch die Ergebnisse der ju¨ngeren vornehmlich belgisch-niederla¨ndischen Geschichtsforschung, die sich mit dem „Mythos Pirenne“ befasst hat. Wichtig dazu: Nick van Sas, The Great Netherlands Controversy: a Clash of Great Historians, in: T. Frank/F. Hadler (Hgg.), Disputed Territories and Shared Pasts. Overlapping National Histories in Modern Europe, London 2011, S. 152–174.

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Luise Schorn-Schu¨tte

haben ko¨nnte.34 Zum anderen ist die These von Gewicht, wonach die Geschichtsschreibung kleinerer Staaten, die wie z. B. Belgien und Polen im 19. Jahrhundert um ihre nationale Identita¨t zu ka¨mpfen hatten, von der Lamprechtschen Anregung profitierte, nicht den Staat, sondern die nationale Gemeinschaft/Gesellschaft zum Ansatzpunkt einer Identita¨t stiftenden Geschichtsschreibung zu machen.35 Im Fru¨hjahr 1883 waren Lamprecht und Pirenne erstmals miteinander in Kontakt getreten; als Herausgeber der „Westdeutschen Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst“ bat Lamprecht den jungen Kollegen um einen Beitrag u¨ber den Aufbau der belgischen historischen Forschung. Dabei ging es ihm neben der Information zu den Institutionen vor allem auch um inhaltlichen Austausch auf dem Gebiet der landesgeschichtlichen Forschung im Nachbarland, die sich aufgrund gemeinsamer Traditionen anbot.36 Bei Pirenne stieß die Anfrage auf großes Interesse, er kam der Bitte rasch nach.37 Mo¨glicherweise hatte Lamprecht u¨ber G. v. Schmoller von dem belgischen Nachwuchswissenschaftler erfahren, der 1884/85 in Berlin bei jenem studierte38 und dem Lamprecht in einem Brief aus den ¨ berblick fru¨hen 80er Jahren von seinen Pla¨nen zu einem internationalen U u¨ber den Stand der landesgeschichtlichen Forschung in der Westdeutschen Zeitschrift berichtet hatte.39 Die u¨ber diesen Beitrag entstandene langja¨hrige Freundschaft zwischen den beiden Historikern war sowohl fu¨r die belgische Geschichtsschreibung als auch fu¨r die Rezeption der Lamprechtschen Arbeiten im franzo¨sischsprachigen Europa von Bedeutung. Pirenne hatte in seinem Aufsatz die Notwendigkeit inhaltlicher und organisatorischer Reformen fu¨r die belgische Geschichtswissenschaft ¨ ffentlichkeit fu¨r eine O ¨ ffherausgestellt. Damit trat er erstmals in der O nung der Forschung hin zu sozialen und wirtschaftlichen Aspekten ein. Der Briefwechsel mit Lamprecht belegt, dass ihn die damit verbundenen organisatorischen Neuerungen in Lehre und Forschung auch in den

34 Zur Rezeption Lamprechts in Frankreich siehe Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 309–316. 35 Zur Rezeption der Lamprechtschen Arbeiten in Polen siehe ebd., S. 328–336. Die Rolle,

die u. a. auch E. Bernheim in Polen spielte, skizziert Ogrin, wie Anm. 3, S. 336–338. 36 Siehe den Brief Lamprechts an Pirenne vom 5. 4. 1883 (= Nr. 77). 37 Der Aufsatz erschien unter dem Titel: De l’organisation des e´tudes d’histoire provinciale

et locale en Belgique im Heft IV/1885 der Zeitschrift (S. 113–138). 38 Pirenne hatte zuna¨chst an der Universita¨t Lu¨ttich Geschichte und Rechtswissenschaf-

ten studiert, anschließend seine Studien in Paris, Leipzig und Berlin fortgefu¨hrt. Bereits 1884 wurde er als Professor fu¨r mittelalterliche Geschichte an die Universita¨t Gent berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1930 lehrte. 39 Siehe dazu Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 323 mit Anm. 159.

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kommenden Jahren stark bescha¨ftigten.40 Auf den seit 1893 regelma¨ßig stattfindenden deutschen Historikertagen, die Lamprechts Engagement zu verdanken waren,41 war Pirenne steter Gast. Beider Interesse an der landesgeschichtlichen Forschung entsprang der Auffassung, dass die Forschung durch sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte erweitert werde mu¨sse. In einem Brief an Lamprecht charakterisierte Pirenne diese Richtung in Anlehnung an eine Formulierung des zeitgeno¨ssischen franzo¨sischen Historikers H. Berr42 als „histoire synthe´tique“.43 Die ¨ bereinstimmung in diesen Fragen bestand von Anfang an; 1897 verU o¨ffentlichte Pirenne einen ausfu¨hrlichen Bericht zu dem seit 1891 entbrannten „Methodenstreit“ im fu¨hrenden Fachorgan der franzo¨sischen Geschichtsschreibung, der „Revue historique“, unter dem Titel „Une pole´mique historique en Allemagne.“44 Mit Lamprecht unterstu¨tzte er die Zusammenarbeit mit den neuen Wissenschaften der Soziologie und Sozialpsychologie, die detailkritischen Angriffe aus der deutschen Zunft wies er mit Hinweis auf den Fortschritt der Methode zuru¨ck.45 Immer aber bewahrte Pirenne eine freundschaftlich-eigensta¨ndige Haltung, die Lamprecht auch – anders als gegenu¨ber Bernheim – akzeptierte.46 In diesem Sinne mu¨ssen die Anregungen der Lamprechtschen Kulturgeschichtsschreibung fu¨r die Arbeiten Pirennes verstanden werden. Das gilt vor allem fu¨r sein Hauptwerk, die „Geschichte Belgiens“, die seit 1899 in deutscher und seit 1900 in franzo¨sischer Sprache als Teil der von Lamprecht herausgegebenen „Von-Heeren-Uckertschen-Staatengeschichte“ in vier bzw. sieben Ba¨nden erschien.47 Der Rohentwurf dazu, den der Belgier bereits im Dezember 1894 nach Leipzig geschickt hatte,48 enthielt zwei zentrale Festlegungen: Zum einen ging es um eine Darstellung, die den geographischen Rahmen mo¨glichst exakt konzentrierte, 40 Siehe z. B. den Brief Lamprechts an Pirenne vom 16. 12. 1886 (= Nr. 90). 41 Dazu Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 235–246. 42 Zu dessen Konzept siehe ebd., S. 309–316 mit Nachweis der Literatur. 43 Pirenne an Lamprecht 26. 2. 1905 (= Nr. 193). 44 In: Revue Historique 62/1897, S. 50–57. 45 Siehe z. B. den Brief Pirennes an Lamprecht vom 31. 1. 1897 (= Nr. 137). Diese Beobach-

tung besta¨tigt die Untersuchung durch E. Thoen/E. Vanhaute, wie Anm. 20. 46 Siehe dazu einen Brief Lamprechts an G. Mevissen vom 2. 5. 1897, in: Nachlass Mevis-

sen 1073, Nr. 160 im Stadtarchiv Ko¨ln (ein Zitat daraus in Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 325). 47 H. Pirenne, Geschichte Belgiens/Histoire Belgique, Perthes, Gotha, 1899–1913 (4 Bde.) und Bru¨ssel, Lamertin, 1900–1932 (7 Bde.). 48 Im Spa¨therbst 1894 hatte Lamprecht Pirenne um die Abfassung dieser Darstellung gebeten, Pirenne stimmte umgehend zu mit dem Hinweis, er habe „seit langem schon Material fu¨r ein solches Werk gesammelt.“ Brief Pirennes an Lamprecht vom 25. 11. 1894 (= Nr. 102).

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damit die wechselseitigen Einflu¨sse zwischen Flandern und Brabant als den Keimzellen des zeitgeno¨ssischen Belgiens und der benachbarten Territorien sichtbar gemacht werden ko¨nnten. Zum andern legte Pirenne seinen Schwerpunkt auf eine bis dahin noch nicht geschriebene Darstellung der sozial-kulturellen Entwicklungen in den bezeichneten Territorien. Diese werde er, so heißt es in einem Begleitschreiben zu dem Entwurf von 1894 an Lamprecht, aus dem Blickwinkel des Werdens der „Civilisation“, der „gemeinsamen Kultur“ beschreiben, und er sei sicher, dass er dabei „assez de choses neuves“ zusammentragen ko¨nne.49 Damit verband Pirenne das Anliegen eines Teils der historisch interessierten bel¨ ffentlichkeit, wonach die Einheit der Nation im Ru¨ckgriff auf gischen O die mittelalterliche Geschichte beschrieben werden solle, mit der auch bei Lamprecht artikulierten Zielsetzung, Kulturgeschichte als Geschichte des Werdens der Nationen, nicht als Werden des Staats zu schreiben. Kulturelle Entwicklung identifizierten beide Historiker mit der Entfaltung der sozialen, wirtschaftlichen und ku¨nstlerisch-geistigen Kra¨fte in der Geschichte.50 Der Briefwechsel zwischen Lamprecht und Pirenne reicht u¨ber den Ausbruch des Ersten Weltkrieges hinaus bis zum 9. 4. 1915 – wenige Wochen also vor Lamprechts u¨berraschend fru¨hem Tod. Die Kommunikation bleibt freundschaftlich, selbst der tragische Tod seines dritten Sohnes Pierre, der im November 1914 im Weltkrieg fiel, veranlasste Pirenne nicht zur Beendigung der Kommunikation.51 Es ist aber bekannt, dass seine eigenen Erfahrungen mit der Besetzung Belgiens durch die deutsche Armee 1914 zu einem tiefen Bruch mit der deutschen Kultur und Geschichtsschreibung fu¨hrten.52 49 Siehe dazu Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 325 mit weiteren Nachweisen. 50 G. Warland hat sich in ihrem Aufsatz, wie Anm. 18, intensiv mit der These der Rezep-

tion der Lamprechtschen Geschichtsschreibung durch Pirenne auseinandergesetzt und im Einzelnen nachgewiesen, dass Pirenne seinen eigenen Weg gegangen sei. Das wird keineswegs bestritten, Rezeption bzw. Pra¨gung heißt in dem hier verwendeten Sinne, dass bestimmte Methoden und Interpretationsmuster Lamprechts bei Pirenne ebenfalls auftauchten bzw. vorhanden waren; sie hat er durch den Kontakt mit der deutschen Geschichtsschreibung und den Briefwechsel mit Lamprecht kennengelernt und von ihr profitiert. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ging Pirenne ausdru¨cklich eigene Wege. Seine Pra¨gung durch Lamprecht hat Pirenne u¨brigens noch 1931 in einem Brief an den deutschen Media¨visten H. Sproemberg unterstrichen, siehe dazu Schorn-Schu¨tte, wie Anm. 2, S. 328, mit Anm. 184. 51 Siehe den Brief Pirennes an Lamprecht vom 6. 4. 1915 (= Nr. 250), in dem er seine Freundschaft zu Lamprecht wiederholt in einem Moment, „qui pleure a` ce moment la mort d’un de ses fils mort en de´fendant sa patrie.“ 52 Siehe dazu u. a. Chickering, wie Anm. 2, S. 437 und G. Warland, Rezeption und Wahrnehmung der deutschen Geschichtswissenschaft bei belgischen ‚Epigonen‘: Paul Frede-

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Auch dieser Briefwechsel hat einige sehr private Aspekte, die auf beiden Seiten mit der Mitteilung schmerzlicher und fro¨hlicher Familienereignisse verbunden waren. Diese Vertrautheit belegt die perso¨nliche Freundschaft beider Historiker, die a¨hnlich wie in der Freundschaft zu Bernheim auch mit einigen wenigen Besuchen der beiden Familien einherging.53 Bemerkenswert erscheint die Tatsache, dass die Kommunikation unter den deutschsprachigen Briefschreibern ebenso unkompliziert und vertraut erfolgte wie zwischen Lamprecht und seinem belgischen Kollegen Pirenne. Die akademische Welt war bis in den Beginn des Ersten Weltkrieges hinein international, auch politische Gegensa¨tze sind nicht bemerkbar, sie haben offensichtlich nicht existiert. Die nationalliberal eingestellten Professoren Bernheim und Lamprecht waren sich in den Grundzu¨gen der politischen Kultur mit dem liberalen Belgier, der in einer entwickelten konstitutionellen Monarchie lebte, sehr einig. Auch konfessionell-religio¨se Gegensa¨tze schließlich hat es unter diesen Vertretern des gelehrten europa¨ischen Bu¨rgertums im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert nicht gegeben.

ricq, Godefroid Kurth und Henri Pirenne, in M. Beyen, G. Draye, H. Roland (Hg.), Deutschlandbilder in Belgien 1830–1940, Mu¨nster 2011, S. 219–261, hier S. 249ff. 53 Pirenne war seit 1887 verheiratet mit Jenny-Laure Vanderhagen, mit der er vier So¨hne hatte: Henri Edouard (1888–1935), Jacques (1891–1972), Pierre (1895–1914), Robert (1901–1931). Er entstammte einer liberalen Industriellenfamilie aus Verviers, seine Frau einer liberalen bu¨rgerlichen Familie aus Gent.

BRIEFWECHSEL ZWISCHEN KARL LAMPRECHT UND ERNST BERNHEIM

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Mu¨nchen, 22. Juni 18781 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

L. u¨bersendet seine Dissertation zur franzo¨sischen Wirtschaftsgeschichte und setzt Bernheim u¨ber seine weiteren Ziele und Pla¨ne in Kenntnis. L. interessiert insbesondere die Erarbeitung „wirtschafts- und rechtsgeschichtliche[r] Themata“. Sehr geehrter Herr Doctor! Beifolgend u¨bersende ich Ihnen die Dissertation, auf welche hin ich im vorigen Winter in Leipzig promoviert habe.2 Mo¨glicherweise wird Sie das Thema zuerst etwas befremden; noch wie ich von Ihnen in Go¨ttingen Abschied nahm, dachte ich an eine Arbeit u¨ber Ivo v. Chartres. Freilich sagte ich Ihnen auch schon damals, daß ich zu einer Biographie – wenigstens zu der eines Gelehrten wie es Ivo doch hauptsa¨chlich war – wenig

1 Schellingstraße 27neu III 2 L. hatte nach dem Schulbesuch in Wittenberg und Schulpforta zum WS 1874/75

in Go¨ttingen ein Studium aufgenommen in den Fa¨chern Geschichte (J. Weizsa¨cker, E. Bernheim, G. Hanssen), alte Sprachen (H. Sauppe) und Philosophie/Psychologie (H. Lotze). In Leipzig setzte L. zum WS 1877/78 seine Studien fort und ho¨rte bei C. von Noorden, G. Voigt, C. Wachsmuth und W. Arndt (Geschichte), A. Springer (Kunstgeschichte), W. Wundt (Philosophie) sowie W. Roscher (Nationalo¨konomie) und beendete im Fru¨hjahr 1878 seine von Weizsa¨cker angeregte Dissertation „Frankreichs wirtschaftliche Verha¨ltnisse im 11. Jahrhundert“, vero¨ffentlicht als „Beitra¨ge zur Geschichte des franzo¨sischen Wirtschaftslebens im 11. Jahrhundert“, Leipzig 1878 (Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, hrsg. von G. Schmoller, Heft 3). – Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 38ff. und Scho¨nebaum, Noorden und Maurenbrecher, S. 380f.

Nr. 1

Mu¨nchen, 22. Juni 1878

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Lust ha¨tte. Seitdem hat sich denn, teilweis’ auch durch Roschers Vorlesungen angeregt, meine Meinung immer mehr der Culturgeschichte zugewandt.3 Ivos Ta¨tigkeit brachte mich auf die franzo¨sische Zehntenfrage (vielleicht darf ich hierfu¨r auf Seite 120 Note 46 meiner Arbeit hinweisen) – und die Zehntenfrage wieder schien mir ohne den sicheren Hintergrund einer franzo¨sischen Wirtschaftsgeschichte der einschla¨gigen Zeit nicht zu lo¨sen. Ich machte daher mich im vorigen Sommer zur Arbeit u¨ber diese ans Werk. Zu thun ist da freilich noch u¨bergenug, und ich glaube kaum, nur in den Hauptsachen stets das richtige getroffen zu haben. Vorla¨ufig ist das Studium der Wirtschaftsgeschichte noch eine Alpenreise ohne Ba¨decker; schon gewandte Leute du¨rften sich verlaufen, um wieviel mehr ein Anfa¨nger. Doch bleibt mir immerhin der Trost, daß auch hier ein Anfang doch einmal gemacht werden musste. Von Leipzig bin ich zu Ostern hierher gezogen, um mich im Laufe dieses Semesters wenigstens oberfla¨chlich u¨ber mittelalterliche Kunstgeschichte zu orientieren;4 und vorla¨ufig habe ich nur die eine Sorge, daß mich die Maße des hier zu diesem Zwecke angeha¨uften Stoffes wahrhaft erdru¨cken mo¨chte. Im Winter gedenke ich Leipzig wieder aufzusuchen, um fu¨r das Staatsexamen zu arbeiten.5 Noch habe ich freilich die Hoffnung nicht aufgegeben, einmal in eine rein der wissenschaftlichen Arbeit gewidmete Stellung zu kommen, obwohl ich meinen Eltern eine la¨ngere Unterhaltung nicht zumuten darf. Ich denke daher, mich etwa nach einer Bibliothecarstelle in einer Universita¨tsstadt umzusehen, ohne mir freilich den u¨bergroßen Zudrang zu solchen Stellen und damit die Schwierigkeit ihrer Erlangung zu verhehlen. Sollte mir das Glu¨ck ungesto¨rter wissenschaftlicher Ta¨tigkeit zu Teil werden, so dachte ich an eine Arbeit u¨ber Hungersno¨te, Kornhandel und Theuerungspolitik des Mittelalters. Freilich sind die Quellen zur Behandlung dieses Stoffs ungemein disparat; aber eben diese Tatsache gibt mir die 3 Intensive wirtschaftsgeschichtliche Studien bei Wilhelm Roscher (1817–1894), o. Prof.

fu¨r Nationalo¨konomie in Go¨ttingen (1844) und Leipzig (1848), pra¨gten das wissenschaftliche Arbeiten L.s, so daß fu¨r ihn „Kulturgeschichte“ in erster Linie Wirtschaftsgeschichte beinhaltete. Vgl. Chickering, S. 50. 4 Zum SS 1878 hatte L. die Universita¨t in Mu¨nchen bezogen, widmete sich der Kunstgeschichte (vgl.: Libri picturati. Sammlung von Illustrationen aus Handschriften) und intensivierte seine Studien der Nationalo¨konomie, wie die in Mu¨nchen entstandene ¨ ber Individualita¨t und Versta¨ndnis fu¨r dieselbe im deutschen MittelAbhandlung „U alter“ zeigt. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 34ff. und Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 220. 5 Bereits im Februar 1879 legte L. in Leipzig sein Staatsexamen fu¨r das Ho¨here Lehramt ab. Der Tod seines Vaters Carl Nathanael Lamprecht (geb. 1804) Ende Dezember 1878 erforderte nicht zuletzt den raschen Abschluß des Studiums.

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Nr. 2

Großballerstedt, 30. Dez. 1880

Ku¨hnheit, Sie fu¨r den Fall, daß Ihnen hin und wieder merkwu¨rdige Stellen u¨ber diese Fragen aufstossen sollten, um Aufzeichnung des Fundortes derselben zu bitten. Gerade wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Themata bedu¨rfen dieser Teilung der Arbeit in hohem Grade, wenn man sich nicht zum guten Teil auf das Glu¨ck einer guten eignen Spu¨rnase verlassen will. Von Go¨ttingen habe ich in letzter Zeit nichts vernommen, gleichwohl hat mich das Schicksal des Historischen Vereins manchmal bescha¨ftigt, um so mehr, als ich in Leipzig, wie hier, die Vorteile eines engeren commertium litterarum immer sehr vermisst habe. Hier wu¨rden allerdings kaum Historiker genug sein, um u¨berhaupt an die Errichtung eines Vereins denken zu lassen. In dankbarer Hochachtung Ihr ergebener

2

Karl Lamprecht

Großballerstedt6, 30. Dez. 1880 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

L. ist inzwischen mit der „Bearbeitung rheinischer Provinzialgeschichte“ in Bonn bescha¨ftigt, die weniger die politische Geschichte, sondern die „Gebiete namentlich der realen Kultur“ umfasst. Verehrter Herr Doctor! Nehmen Sie zum kommenden Jahreswechsel meine herzlichsten Wu¨nsche, die Ihnen jetzt, wo Sie die Unterkollegenstufe in Go¨ttingen allein vertreten, um so eifriger und aufrichtiger gelten. Gern ha¨tte ich mir bei meiner letzten Anwesenheit in Go¨ttingen die Ehre eines Besuches bei Ihnen gegeben; aber ich erfuhr von Weizsa¨cker7, daß Sie verreist, ich glaube noch in Italien seien. Es war das nun vorige Ostern; mittlerweile bin ich, wie Sie wissen, in Bonn fu¨r Bearbeitung rheinischer Provinzialgeschichte fixiert worden.8 Ein Thema, das ich zuerst 6 Die Weihnachts- und Jahreswechseltage 1880 verbrachte Lamprecht bei seinem Bruder

in Großballerstedt. Vgl. Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 220.

7 Julius Weizsa¨cker (1828–1889), o. Prof. der Geschichte in Go¨ttingen, akademischer Leh-

rer L.s. 8 Als Hauslehrer kam L. 1879 zur Familie des Bankiers Deichmann nach Ko¨ln; er lernte

hier im Nov. desselben Jahres den Unternehmer Gustav Mevissen kennen, der L. das Angebot unterbreitete, ihm fu¨r wissenschaftliche Arbeit finanzielle Unterstu¨tzung zu gewa¨hren mit der Maßgabe, sich der rheinischen Provinzialgeschichte zu widmen und

Nr. 3

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Go¨ttingen, 1. Jan. 1881

mit Zagen und Zweifel angriff, jetzt aber schon mit Liebe und Begeisterung bearbeite. Freilich kommt die politische Geschichte – und wo liegt denn in Wahrheit ihr Centralpunkt, wo ihre mehr generelle Bedeutung? – dabei schlecht weg; es sind die Gebiete namentlich der realen Kultur, die mich anziehen. Freilich fordert dabei am Rhein auch die ideale gebieterische Beachtung, namentlich die Kunst, welcher ich wohl oder u¨bel etwas na¨her treten muß, obwohl ich einsehe, daß hier ein Berufsfeld fu¨r sich vorliegt, das ein Ungeweihter nicht ohne Strafe betritt. Sollten Sie, verehrter Herr Doctor, einmal zum Rhein kommen, so darf ich wol bitten, daß Sie an meiner bescheidenen Thu¨r zu Bonn nicht voru¨bergehen: gern wu¨rde ich mich Ihnen gegenu¨ber zum Interpreten der rheinischen Landschaften fu¨r Geschichte und Kunst machen, um so mehr als ich damit meiner Dankbarkeit fu¨r die Einfu¨hrung in die historische Arbeit durch Sie9 einen erneuten Ausdruck geben ko¨nnte. Ihr sehr ergebener

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K. Lamprecht

Go¨ttingen, 1. Jan. 1881 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim beglu¨ckwu¨nscht L. zu dessen Habilitation und interessiert sich sehr fu¨r die kulturgeschichtlichen Untersuchungen, die nach Bernheims Einscha¨tzung bisher in der Forschung nur ungenu¨gend Beru¨cksichtigung fanden. Lieber Herr Doktor! Erst als ich gegen Ende Sommers aus Italien zuru¨ckkam, erfuhr ich durch Ihre Visitenkarte, die ich vorfand, daß ich Ihren freundlichen Besuch versich in Bonn zu habilitieren. Zum 1. Januar 1880 kam zwischen L. und Mevissen ein entsprechender Vertrag zustande. Im April 1880 siedelte L. nach Bonn u¨ber, um an seiner Habilitation zu arbeiten und die „Rheinische Wirtschaftsgeschichte im Mittelalter“ in Angriff zu nehmen. Mevissens Engagement fu¨r die landesgeschichtliche Forschung verfolgte das Ziel der Popularisierung der historischen Forschung fu¨r das gebildete Wirtschaftsbu¨rgertum. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 46 und Chickering, S. 68ff. sowie Scho¨nebaum, Mevissen und Lamprecht, S. 180–196. 9 L.s Go¨ttinger Studienjahre waren eng mit Ernst Bernheim verbunden. Bernheim, der sich schon als Privatdozent neben der mittelalterlichen Kirchen- und Verfassungsgeschichte den Problemen der Geschichtstheorie zuwandte, hielt zum Themenbereich ¨ bung ab, an der, zu Beginn seines Stu„Geschichtsmethodologie“ im WS 1874/75 eine U diums, u. a. L. teilnahm.

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Go¨ttingen, 1. Jan. 1881

Nr. 3

fehlt hatte, und erst da erfuhr ich auch von Ihrer Habilitation.10 Diese glu¨ckliche Wendung Ihrer Laufbahn hat mich sehr gefreut; es scheint mir nur zu sehr post festum, Ihnen danach noch zu gratulieren. Ihre Zeilen geben mir den erwu¨nschtesten Anlaß, Ihnen aber meinen freudigen Antheil auch jetzt noch auszusprechen, zugleich mit herzlichem Dank fu¨r Ihr Schreiben, Ihre Wu¨nsche. Ich erwidere die letzteren auf’s Beste, indem ich Ihnen eine recht befriedigende Tha¨tigkeit nach innen und guten Erfolg nach außen wu¨nsche! Es muß besonderen Reiz haben, sich einer solchen Provinzialgeschichte zu widmen, die wie die Ihre dort so mitten im Schwunge reichen politischen und kulturellen Lebens steht, und wenn dabei die letztere Seite in den Vordergrund der Forschung tritt, so ist das ja ein guter Anlaß, diese bisher doch stets zu wenig beru¨cksichtigten Gebiete von einem Punkte in Angriff zu nehmen, und da Wege zu betreten, die fru¨her oder spa¨ter doch mehr als jetzt auch von den Fachhistorikern betreten werden mu¨ssen. Ich bin neugierig, worauf sich Ihre eigenen Studien konzentrieren werden. Ich bin augenblicklich und vor der Hand noch zu sehr mit Editionsarbeiten bescha¨ftigt, um mir ein gro¨ßeres Thema eigener Wahl in direkten Angriff zu nehmen.11 Aber mein Interesse neigt doch immer am Meisten zu der Investiturzeit und mein Talent glaube ich am Meisten zu einer biographischen Darstellung. Mir wu¨rde es sehr lieb sein, wenn wir einmal in nicht zu ferner Zeit unsere Erfahrungen und Interessen austauschen ko¨nnten, und wenn ich so glu¨cklich bin, bald ’mal ins Rheinland zu fahren, so werde ich diese Gelegenheit gewiß nicht versa¨umen, auf die Sie freundlich hinweisen. Sie werden es im umgekehrten Falle doch gewiß auch so machen! Auch der Historische Verein wu¨rde Sie gewiß mit Freude begru¨ßen, wie Sie seine dauernde Blu¨the freuen wu¨rde zu sehen. Nehmen Sie nochmals herzlichen Dank fu¨r Ihre Zeilen, und seien Sie bestens gegru¨ßt von dem Ihren Ernst Bernheim

10 Bereits im Juli 1880 wurde L. an der Universita¨t Bonn mit einer Arbeit u¨ber den Histori-

ker Dietrich Engelhus habilitiert fu¨r das Fach „Geschichte und historische Hilfwissenschaften mit besonderer Beru¨cksichtigung der rheinischen Provinzialgeschichte und der Kulturgeschichte des Mittelalters“. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 43ff. und Chickering, S. 73. 11 E. Bernheim/W. Altmann (Hg.), Ausgewa¨hlte Urkunden zur Erla¨uterung der Verfassungsgeschichte Deutschlands im Mittelalter. Berlin 1891. – Vgl. Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 220.

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Ko¨ln, 7. April 1881

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Ko¨ln, 7. April 188112 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Wa¨hrend einer Reserveu¨bung (einer „Badekur fu¨r Leib und Seele“) unterrichtet L. Bernheim u¨ber erste Erfolge seiner Bemu¨hungen um eine gru¨ndliche und umfassende Erforschung der rheinischen Provinzialgeschichte: Die Gru¨ndung der Gesellschaft fu¨r rheinische Geschichtskunde und die Neuorganisation der Westdeutschen Zeitschrift stehen bevor. – L. selbst wird sich mit „rheinischer Wirtschaftsgeschichte“ befassen, denn in der „hiesigen Provinzialgeschichte [...] ist geradezu noch alles zu tun. Es ist mein Glu¨ck, diese Aufgabe gefunden zu haben.“ – L. betont stark das perso¨nliche Verha¨ltnis zu Bernheim: „Der Gedanke an Sie hebt und sta¨rkt mich [...].“ Hochverehrter Herr Doctor! Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank fu¨r Ihre gu¨tige Zusendung13, die mich aufs Lebhafteste an die glu¨cklichen Stunden erinnert, welche uns unter Ihrer Leitung gerade in die Ka¨mpfe der mittelalterlichen Gewalten einfu¨hrten: Ka¨mpfe, welche von dieser Zeit an mein Interesse besonders gefesselt haben. Momentan allerdings ist das Alles bei mir zuru¨ckgetreten; seit dem 1. April trage ich den bunten Rock und schreie ta¨glich einen Haufen von ziemlich dummen Kerls an.14 Indeß wird auch dieser erste 40ta¨gige Kelch an mir voru¨ber gehen; mit dem 10. Mai wird die Uniform wieder in die Kiste gepackt und der Offizier ist wieder nur latent vorhanden. Auch muß ich gestehen, daß ich nach mancher Richtung hin mich u¨ber diese Dienstzeit nicht allzu sehr gra¨me; sie wirkt trefflich wie eine Badekur auf Leib und Seele und sie la¨sst mich diesmal noch mit zufriedenem Sinne auf eine Reihe bisher abgewickelter Gescha¨fte in puncto der rheinischen Geschichte zuru¨cksehen. Irre ich nicht, so machte ich Ihnen schon einmal Mitteilung u¨ber den Plan einer Organisation der rheinischen Geschichtsforschung zur Edition der provinziellen Quellen. Diese Sache, im August von mir begonnen, hat mehr Erfolg gehabt als ich ahnen durfte: jetzt kann das Ganze als gesichert 12 Siebenburgen 32. 13 Wohl: Ernst Bernheim, Zur Geschichte des Wormser Concordates. Go¨ttingen 1878

(u¨berarb. Breslau 1909), von Bernheim (vermutlich am 1. Januar 1881) an L. u¨bersandt.

14 L. wurde zu einer milita¨rischen U ¨ bung als Leutenant der Reserve verpflichtet; vgl. Scho¨-

nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 221.

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Ko¨ln, 7. April 1881

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gelten. Die Forscher sind einig, das Programm nach der wissenschaftlichen Seite wird in diesen Tagen zusammengestellt; das Budget wird man schon jetzt auf mindestens 7.000 Mark ja¨hrlich annehmen du¨rfen. Das Na¨here besorgen die Statuten, welche ich beilege; durch eine constituierende Versammlung im Mai werden Sie vermutlich sans phrase genehmigt werden.15 Neben diesem Quellenwerk bescha¨ftigte mich seit vorigem Herbst die Gewinnung einer tu¨chtigen Zeitschrift fu¨r die rheinische Geschichte (im weitesten Umfange, also auch Elsass einbegriffen). Auch hier ist das Ziel so gut wie erreicht, Dr. Hettner in Trier (Bruder des Go¨ttinger)16 und ich werden vom 1. Januar 1882 ab die Picksche Monatsschrift f[u¨r] d[ie] G[eschichte] Westdts [Westdeutschlands] u¨bernehmen unter totaler Umarbeitung des bisherigen Programms.17 Vielleicht darf ich Ihnen das bald erscheinende Cirkular fu¨r Mitarbeiter zusenden. Ich denke, mit diesen beiden Organisationen: Quellen und Zeitschrift werden die grossen historiographischen Interessen zuna¨chst gesichert sein: daneben gibt es dann die individuelle Arbeit. Ich habe da mit rheinischer Wirtschaftsgeschichte angefangen, unter besonderer Beru¨cksichtigung der Abtei Pru¨m. Es gilt hier namentlich die Klosterverwaltung und das Agrarwesen zu verstehen. Aus Allem ersehen Sie, hochverehrter Herr Doctor, wie mannstief wir in der hiesigen Provinzialgeschichte noch im Schmutze stecken; es ist geradezu noch Alles zu thun. Es ist mein Glu¨ck, diese Aufgabe gefunden zu haben; der Gedanke an Sie hebt und sta¨rkt mich, hebt mich auch u¨ber manche Widerwa¨rtigkeit hinweg, deren ja nirgends einige ausbleiben.18 15 Am 1. Juli 1881 nahm die „Gesellschaft fu¨r rheinische Geschichtskunde“ mit einer eige-

nen Publikationsreihe zur Quellenedition ihre Ta¨tigkeit auf. 16 Felix Hettner (1851–1902), Museumsdirektor in Trier. 17 Vgl. die Skizzierung des „neuen Programms“ im 1. Heft des I. Jahrgangs der Westdeut-

schen Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst (1882): „[...] Gegenu¨ber den vielen provinzialgeschichtlichen Zeitschriften, welche sich mehr mit der Publication und Einzelbearbeitung localer Stoffe bescha¨ftigen, hat sich das neue Unternehmen die Aufgabe gestellt, der weitergreifenden wissenschaftlichen Bearbeitung dieses gerade in den letzten Jahrzehnten mit so viel Eifer und Erfolg vero¨ffentlichten Stoffes eine Sta¨tte zu bieten. Ihr erster Zweck wird es daher sein, die westdeutsche Vergangenheit im Lichte allgemein-geschichtlicher Vorga¨nge aufzuhellen, um damit auch die bisher nicht allzu lebhaften Sympathien des gro¨sseren Publicums fu¨r die Provinzialgeschichte des eigenen Landes zu wecken. Neben diesem weiteren Ziele wird die neue Zeitschrift das na¨here verfolgen, dem Provinzial- und Localhistoriker alle fu¨r seine Arbeiten notwendigen Notizen aus der Forschung der Gegenwart zu u¨bermitteln und ihn u¨ber die neuesten Erscheinungen der Litteratur, sowie u¨ber die Auffindungen von bisher unbekannten oder nicht verwerteten Denkma¨lern zur westdeutschen Geschichte fortlaufend zu unterrichten.“ – Vgl. auch die Ausfu¨hrungen L.s im Schreiben an Bernheim, unten Nr. 5. 18 Zu den Zwistigkeiten und „Intrigen“ vgl. unten Nr. 7.

Nr. 5

undatiert [Mai/Juni 1881]

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Mit nochmaligem besten Dank fu¨r die hohe Ehre, welche Sie mir mich bescha¨mend, erwiesen, Ihr Ihnen in herzlicher Dankbarkeit zugethaner Schu¨ler K. Lamprecht z. Z. Sec .Lt. der Res. 3ten Preuss. Inf. Regts. 20 aggregiert dem 40 Inf.Regt.

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undatiert [Mai/Juni 1881] Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

L. weiß sich mit Bernheim in dessen „fortwa¨hrender Fu¨rsorge“ und seinem „bleibenden Interesse“ um seinen Schu¨ler eng verbunden. – Im Rheinland sind erste Erfolge zu verzeichnen im Bemu¨hen, „endlich mal irgendeine historische Provinzialforschung auf die Grundlage einer sicheren und soliden historischen Methode zu stellen“. Verehrter Herr Doctor! Empfangen Sie anbei den Plan der reorganisierten Pickschen Zeitung fu¨r die Geschichte Westdeutschlands19, die unter dem oben angegebenen Titel in die Redaktion von Dr. Hettner – Bruder des Go¨ttinger – und mir u¨bergegangen ist. Ich weiß, daß Sie in Ihrer fortwa¨hrenden Fu¨rsorge und Ihrem bleibenden Interesse fu¨r mich gern von der neuen Zeitschrift Kenntnis nehmen werden; und ich bin Ihnen fu¨r das, was ich bei Ihnen, und eigentlich nur bei Ihnen gelernt habe: eine grosse geschichtliche Anschauung, zu dankbar, um Sie nicht von jedem wichtigeren Schritt, den ich thue, zu unterrichten. Aber ich hoffe, die Sache wird Sie auch an sich interessieren. Es handelt sich darum, endlich mal irgendeine historische Provinzialforschung auf die Grundlage einer sicheren und soliden historischen Methode zu stellen. Diesem Zweck dient zuna¨chst die seit einem Jahr von mir mit viel Mu¨hen und manchem Aerger erstrebte, jetzt nun glu¨cklich zusammentretende Gesellschaft fu¨r Rheinische Geschichtskunde, deren Zweck Quellenedition im umfassendsten Sinne sein wird. Weiterhin mu¨ssen den Lokalforschern die Errungenschaften der universalen Forschung, soweit sie dieselbe no¨tig haben, zusammenha¨ngend geboten

19 Hierbei du¨rfte es sich um das Bernheim avisierte „Cirkular fu¨r Mitarbeiter“ handeln,

vgl. oben Nr. 4.

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Nr. 6

Bonn, 26. Juni 1881

werden: diesem Zweck soll unser Correspondenzblatt, unsere Bibliographie mit Chronik dienen. Endlich mu¨ssen die Lokalforscher an den Beispielen guter Kritik lernen: hierzu wollen die Spezialaufsa¨tze der Zeitschrift helfen. Bleiben noch die Sympathien des gro¨sseren Publikums, denen je der erste Aufsatz eines Heftes gewidmet ist. Sie sehen: es scheint so ziemlich Alles bedacht zu sein; hoffen wir, daß sich nicht doch noch bedeutende Mancos ergeben. Jedenfalls mu¨ssen die einmal gesteckten Ziele mit Energie verfolgt werden; ich hoffe, daß auch Sie, hochverehrter Herr Doctor, hierzu ein Scherflein ab und zu beitragen. Die westdeutsche Geschichte ist zu sehr nationale Geschichte u¨berhaupt, als daß sich nicht namentlich bei Ihren jetzigen Studien20 Gelegenheit fa¨nde, auf sie einzugehen. Vielleicht sind Sie gar in diese Richtung jetzt bescha¨ftigt: in diesem Falle bitte ich um baldige gu¨tige detaillierte Angabe. Da unser erstes Heft schon am 1. Oktober ausgegeben werden soll, so wa¨re es dazu Zeit. Mit den besten Gru¨ßen Ihr Ihnen in Hochachtung dankbar ergebener Schu¨ler K. Lamprecht

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Bonn, 26. Juni 188121 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Fu¨r die Westdeutsche Zeitschrift erbittet L. eine mo¨glichst ausfu¨hrliche Rezension zur Ko¨lner Geschichte. Hochverehrter Herr Doctor! Verzeihen Sie es mir, wenn ich Ihren freundlichen Brief erst so spa¨t und so kurz beantworte; ich war kra¨nklich und sitze jetzt im Briefeschreiben u¨ber die Ohren, um mich herum liegen eine Masse von Papieren, die Antwort erheischen, die Incunabeln jeder jungen Redaction. Unserer Zeitschrift geht es bislang vorzu¨glich; bleiben die Beitra¨ge immer so constant, so sind wir gesichert. Auch die Gesellsch[aft] fu¨r Rhein[ische] Gk [Geschichtskunde] mit bislang ca. 6.000 Mark Jahreseinku¨nften, welche sich sicherlich auf 12.000 erho¨hen werden, erfreut sich eines gediegenen

20 Bernheims Forschungsschwerpunkt bildete seinerzeit die Verfassungsgeschichte des

Mittelalters.

21 Arndtstr. II

Nr. 7

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Bonn, 10. Juli 1881

Daseins. – Sie hatten die grosse Gu¨te, mir eine Recension der neuen Ausgaben Waitzs, Zur Ko¨lner Geschichte in Aussicht zu stellen22: sie wird mit grossem Dank in Empfang genommen und in Heft 1 oder 2 untergebracht werden. Wenn ich bitten darf, kann sie etwas ausfu¨hrlicher gehalten sein (2–3 Seiten eventuell): wir wollen wenige, aber bedeutende Recensionen bringen. Heft 1 muss bis zum 1. September redigiert sein: darum wu¨rde ich bis dahin gern das Manuscript haben. Bald mehr von Ihrem dankbaren

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K. Lamprecht

Bonn, 10. Juli 1881 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die „Rheinische Gesellschaft“ hat ihre Arbeit aufgenommen, doch sto¨ßt L. bei den „politischen Historikern“ auf Widersta¨nde bei der Erarbeitung kunst- und kulturgeschichtlicher Themen: „Da wirds wol einen heißen Kampf geben.“ Hochverehrter Herr Doctor! Beim Kramen fiel mir heut nebenbei folgendes Zettelchen in die Hand, das wol geeignet ist, die ra¨tselhafte Person des Henricus scabinus Nussia des Chron. reg. Colon. etwas aufzukla¨ren. Es steht offenbar statt Henricus de Nussia scabinus (sc. Coloniensis) und kam in den Vers, weil es eben so herein passte.23 Vielleicht ko¨nnen Sie die kleine Notiz zur Recension brauchen. Hier alles wohl an Bord; daß Ho¨hlbaum24 sich verlobt, wissen Sie. Unsere Rheinische Gesellschaft macht grade so gute Fortschritte, wie die Zeitschrift. Bisher haben wir 6.000 Mark pro Jahr, abgesehen vom Zuschuß der Provinz, der noch aussteht: also in Summa mindestens 10.000 Mark. Da la¨sst sich schon etwas machen; ich bin glu¨cklich u¨ber den Erfolg meiner freilich sauren vorsommerlichen Agitation, deren Ruhm und Plan sich

22 Georg Waitz (Hg.), Chronica Regia Coloniensis. Hannover 1880. 23 Vgl. Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 221. 24 Konstantin Ho¨hlbaum (1849–1904), Studium in Dorpat und Go¨ttingen, 1875 Priv.-Doz.

in Go¨ttingen, 1880–1890 Leitung des Stadtarchivs Ko¨ln, 1890 Lehrstuhl fu¨r mittelalterliche Geschichte in Gießen.

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Bonn, 27. Juli 1881

jetzt noch dazu publice Andre selbst zuschreiben.25 Das ist eine Erfahrung mehr. Von Arbeiten habe ich zuna¨chst eine Quellensammlung zur Geschichte der Preise und Finanzinstitute im MA [Mittelalter] angemeldet; sie wird wohl durchgehen. Theile davon sind: 1) Aufzeichnungen privatwirtschaftlicher Natur: Haushalt, Testamente etc. 2) Zinsregister 3) Stadtrechnungen. Mit 1. und 2. habe ich schon begonnen; die Zustimmung der Gesellschaft leidet wol keinen Zweifel. Weiterhin werde ich noch einen Lieblingsplan seit lange aufs Tapet bringen: Edition der Miniaturen zur rheinischen Kultur und Kunstgeschichte im MA [Mittelalter]. Da wirds wol einen heissen Kampf geben; denn die Berechtigung solcher Arbeiten, die jeder Philologe, der griechische Vasenbilder kennt, zugeben wird – wird ja von unseren politischen Historikern ignoriert, verlacht, bestenfalls bestritten. Indeß: vedremo.26 Sie sind nun bald hauptlos in Go¨ttingen, denn Weizsa¨cker geht wol schon im Herbste. Und wer wird folgen? Hier glaubt man Scheffer27 oder Weiland28. Indem ich bitte, mich Weizsa¨cker bestens zu empfehlen, bin ich Ihr Ihnen in dankbarer Verehrung ergebener Schu¨ler K. Lamprecht

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Bonn, 27. Juli 1881 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Der Student Georg v. Below beno¨tigt fu¨r die Arbeit an seiner Dissertation „eine bessere U¨bersicht u¨ber die Literatur“. Hochverehrter Herr Doctor! Ein Student, v. Below29, sechstes Semester, will hier eine Dissertation u¨ber die Bischofswahlen unter Konrad III. und Friedrich I. erarbeiten; ich 25 L. konnte, obwohl er der eigentliche Initiator der Gru¨ndung der Gesellschaft fu¨r Rhei-

nische Geschichtskunde war, in der Gesellschaft keine fu¨hrende Position bekleiden. Vgl. Lewald, S. 235. 26 Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 47/48. 27 Paul Scheffer-Boichorst (1843–1902), Prof. fu¨r Geschichte in Gießen (1875), Straßburg (1876) und Berlin (1899). 28 Ludwig Weiland (1841–1895), Nachfolger Weizsa¨ckers in Go¨ttingen. 29 Georg von Below (1858–1927), Studium in Ko¨nigsberg, Bonn und Berlin (Prom. 1883). Habil. Marburg (1886), a. o. Prof. in Ko¨nigsberg (1889), o. Prof. in Mu¨nster (1891), Marburg (1897), Tu¨bingen (1901) und Freiburg (1905).

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Go¨ttingen, 29. Juli 1881

fragte ihn heute zufa¨llig, wie weit er sei, und ersah denn seine totale Unbekanntschaft mit Arbeiten wie die von Gerdes und Witte30. Da er sonst sehr ¨ bersicht u¨ber die Literatur. veranlagt, so versprach ich ihm eine bessere U Ich wu¨rde Ihnen nun ausserordentlich dankbar sein, wenn Sie uns den allerneusten Stand der Forschung in ein paar Titeln zur Verfu¨gung stellen ko¨nnten; Sie wu¨rden damit auch einem bibliographisch, trotz Seminar, ungemein vernachla¨ssigten Ju¨nger des Faches eine Wohltat erweisen. Mit bestem Gruße Ihr Ihnen in dankbarer Hochachtung ergebener Schu¨ler K. Lamprecht

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Go¨ttingen, 29. Juli 1881 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Antwort auf die Schreiben vom 10. und 27. Juli 1881. – Bernheim gibt Literaturhinweise fu¨r Georg von Below. Lieber Herr Dr. Lamprecht! Indem ich Ihnen bestens fu¨r Ihre Karte und Ihren Brief von neulich mit den Notizen danke, bitte ich Sie heute mit der Antwort auf Ihre Karte fu¨rlieb zu nehmen. Die einschla¨gige Literatur findet der Betreffende31 am Besten zusammen, wenn er meine letzte Abhandlung in den Forschungen z. Dtsch. Gesch. Band XX pag 361ff. durchliest, wodurch er auch u¨ber den Stand der Fragen orientiert wird.32 Zur allgemeinen Orientierung ist noch besonders dringend zu empfehlen das alte Buch von G. I. Planck, Zur Geschichte der christlich-kirchl. Geschlechterverfassung. In meinem gen[annten] Aufsatz wird der Betr[effende] finden, daß Witte33 verfehlte, u¨ber s[ein] Thema zu schreiben, doch ist kaum noch zu erwarten, daß W. damit zu Wege kommt, so er es hat liegen lassen und durch seine Gymnasialarbeiten u¨bergenug bescha¨ftigt ist. Mit freundlich ergebenem Gruß der Ihre

E. Bernheim

30 H. Gerdes, Bischofswahlen in Deutschland unter Otto d. Großen. Diss., Go¨ttingen

1878; H. Witte, Forschungen zur Geschichte des Wormser Konkordats, Teil I: Die Bischofswahlen unter Konrad III. Diss., Go¨ttingen 1877. 31 Gemeint ist Georg von Below, vgl. oben Nr. 8. 32 Ernst Bernheim, Zur Geschichte der kirchlichen Wahlen. In: Forschungen zur Deutschen Geschichte 20 (1880), S. 359–381. 33 Vgl. oben Nr. 8, Anm. 30.

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Bonn, 29. Nov. 1881

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Bonn, 29. Nov. 1881 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Mit der Gesellschaft fu¨r Rheinische Geschichtskunde und der Westdeutschen Zeitschrift sind – gegen manche Widersta¨nde – „die Gefa¨ße der historischen Forschung am Rhein gefunden“. – Fu¨r eine Edition hat die Gesellschaft zuna¨chst die Weistu¨mer, Urbare, das Buch Weinsberg und die Aachener Stadtrechnungen vorgesehen. Die von L. vorgeschlagene Inventarisierung aller rheinischen Bibliotheken und Archive wurde zuru¨ckgestellt. Hochverehrter Herr Doctor! Erst heute, nach la¨ngerem Unpa¨sslichsein, komme ich dazu, Ihnen Heft I unserer neuen Zeitschrift zuzusenden;34 nehmen Sie dieselbe, ich bitte, gu¨tig auf als den ersten Versuch eines noch unerfahrenen jungen Redacteurs, bei dem noch nicht Alles so vo¨llig klappt. Das Eine wenigstens darf ich versprechen, daß Heft I von Jahrgang Nummer II besser werden soll als dieses. Wie Sie sehen, gehen unsere rheinischen Dinge jetzt so leidlich vorwa¨rts, ich bin im ganzen, trotz vieler Intriguen hier in Bonn von einer – aber auch nur einer – Seite glu¨cklich und zufrieden mit dem Erreichten.35 Wir haben jetzt die Gesellschaft fu¨r Rheinische Geschichtskunde und eine hoffentlich bald ordentliche Zeitschrift dazu: damit sind die Gefa¨ße der historischen Forschung am Rhein gefunden. Und schon fangen beide an, sich mit Schall zu fu¨llen. Fast gleichzeitig mit Ausgabe unseres Heftes I hat der Ausschuß der Gesellschaft getagt; es ist die Edition der Weistu¨mer, der Urbare, der Aachener Stadtrechnungen, des Buches Weinsberg (Mimorienwerk des 16. Jhs. aus Koeln) beschloßen worden; zugleich ist die Discussion auf einen umfangreichen von mir vorgelegten Plan u¨ber Inventarisierung der rheinischen Handschriftenscha¨tze u¨bergegangen. Von den Editionen fallen mir unter Mitarbeit von Prof. Crecelius in Elberfeld die Urbare zu;36 der Stoff fu¨r sie ist schon gesammelt; 34 Heft 1 des I. Jahrgangs der „Westdeutschen Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst“ (1882)

erschien Anfang November 1881.

35 Scho¨nebaum interpretiert diese A ¨ ußerung L.s als Hinweis auf „Hemmungen, die damals

Moriz Ritter Lamprecht bereitete“, was sich spa¨ter bekanntlich gea¨ndert habe. Vgl. Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 222. 36 1883 erschien in Trier: Verzeichnis der rheinischen Weistu¨mer. Bearbeitet von W. Crecelius, K. Lamprecht und H. Loersch. – Wilhelm Crecelius (1828–1859), nach Stud. in Gießen Gymnasiallehrer in Dresden (1854) und Elberfeld (1856), zum Prof. ernannt (1870). Vgl. Lewald, S. 215.

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Go¨ttingen, 25. Dez. 1881

es gilt es nur noch abzuschreiben und zu commentieren. Den Inhalt der Urbare gedenke ich dann zugleich agrarhistorisch zu verarbeiten: es ist damit die wichtigste Vorarbeit fu¨r eine Rheinische Geschichte des Mittelalters – wenigstens des fru¨heren – erledigt. Daneben stehen freilich eine Reihe anderer Vorstudien, welche ich gesondert herauszugeben gedenke; vornweg fu¨r die a¨lteste Zeit eine Durchforschung der a¨ltesten deutschen Kunstanschauungen, welche ich eben abgeschlossen habe und Ihnen nach Erscheinen zu u¨bersenden mir erlauben werde.37 Wie geht es, hochverehrter Herr Doctor, mit der Chronica regia-Recension?38 Sollten Sie zum Abschluß bereit sein, so bitte ich um eine kurze Nachricht, Platz fu¨r sie muß zu jeder Zeit geschaffen werden. Indem ich Sie bestens gru¨sse, bin ich in alter Verehrung und Hochachtung Ihr Ihnen dankbar ergebener Schu¨ler K. Lamprecht

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Go¨ttingen, 25. Dez. 1881 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim verfolgt mit Interesse die Erarbeitung der rheinischen Geschichte, von besonderer Bedeutung sind die Editionsprojekte. Lieber Herr Doktor! Nehmen Sie meinen besten Dank fu¨r Ihre erfreuenden Zeilen und die Sendung Ihrer Zeitschrift, die wirklich nicht die Nachsicht no¨thig zu haben scheint, von der Sie sprechen. Es freut mich ungemein, daß Ihre Bestrebungen so gut glu¨cken, und daß Ihre Arbeiten ein so scho¨n w[ie] ergiebiges und Ihnen ada¨quates Gebiet ersehen haben. Auf die na¨chste Untersuchung von Ihnen bin ich fo¨rmlich gespannt. Von den in Aussicht genommenen Editionen interessiert mich besonders das Buch Weinsberg, auf dessen Bedeutung ich gerade vor kurzem aufmerksam geworden bin; und dabei habe ich mich gewundert und bedauert, daß es noch nicht ediert ist. Betreffs meiner Rezension haben Sie mich ja scharf beim Worte genommen, und ich will mich auch nicht zuru¨ckziehen. Ich bin ganz davon abgekommen, da ich noch vor Schluß des Semesters durch den Tod

37 Vgl. L.s Studie, Der Bilderschmuck des Codex Egberti zu Trier und des Codex Epter-

nacensis in Gotha. In: Jahrbu¨cher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinland 70 (1881), S. 56–112. 38 Vgl. oben Nr. 6.

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Nr. 12

Go¨ttingen, 15. Mai 1882

meiner Mutter plo¨tzlich abgerufen wurde, und in Folge dieses mir besonders schweren Ereignisses u¨berhaupt la¨ngere Zeit aus meiner gewohnten Bahn gerissen worden bin. Ich ha¨tte Ihnen auch sonst damals schon geschrieben, wie ich, glaube ich, gerade ha¨tte sollen, und bitte Sie, dieses Versa¨umniß bestens zu entschuldigen, geehrter Herr Doktor. Sie erfreuen mich durch jede Nachricht von Ihnen, und ich danke Ihnen nochmals fu¨r die letztgesendeten! Mit dem Wunsche eines frohen Festes Bestens der Ihre Ernst Bernheim

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Go¨ttingen, 15. Mai 1882 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim bietet einen Beitrag fu¨r die na¨chste Ausgabe der Westdeutschen Zeitschrift an. Lieber Herr Doktor! Wenn es Ihnen hinein paßt, und Sie im na¨chsten Heft noch Raum haben, mo¨chte ich Ihnen ein ganz interessantes Novum fu¨r Ihre Zeitschrift geben: „Artikel gegen Eingriffe Papst Pascalis II. in die Ko¨lner Dio¨zesanrechte 1106–14 ca.“, Text nebst erkla¨renden Bemerkungen dazu etwa 8 Quartbla¨tter Manuskript. Einige Sonderabdru¨cke ko¨nnte ich doch erhalten? Es wa¨re mir lieb, bald von Ihnen Bescheid zu haben, ob ich die Einleitung dazu etwas allgemeiner fasse. Auch bitte ich Sie dann, mir zu schreiben, ob Sie geschwingte e zur Verfu¨gung haben; falls nicht, kann man ja ae dafu¨r setzen und es nur bemerken. Der Rezension der Annales Colonienses entlassen Sie mich dann wohl. Mit besten Gru¨ßen Der Ihre

E. Bernheim

Nr. 14

21. Mai 1882

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43 17. Mai 188239

Karl Lamprecht an Ernst Bernheim Bernheims angeku¨ndigter Beitrag ist fu¨r das 3. Heft des Jahrgangs der Westdeutschen Zeitschrift vorgesehen. Hochverehrter Herr Doctor! Wenn nicht in das Juliheft, das schon im Drucke ist, so jedenfalls und spa¨testens in das Oktoberheft ko¨nnte Ihr Beitrag aufgenommen werden, fu¨r dessen Anerbieten ich Ihnen sehr dankbar bin.40 Ob wir e[-Ligatur] haben, weiß ich nicht; vielleicht richten Sie das Manuscript auf ae ein und machen eine Textbemerkung. Der Zs[Zeitschrift] geht es recht gut, die Abonnenten und Anerkennung wachsen. Ich hoffe, es kommt noch Alles auf den Damm. Mit den besten Gru¨ßen an Sie, wie Empfehlungen an die Herren in Go¨ttingen. Ihr dankbar ergebener Schu¨ler

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Lamprecht 21. Mai 188241

Karl Lamprecht an Ernst Bernheim L. erwartet Bernheims Manuskript bis Pfingsten 1882. Hochverehrter Herr Doctor! Meinem neulichen Brief gebe ich noch zu, daß es mir lieb sein wu¨rde, ko¨nnte ich das Manuskript bis Pfingsten in Ha¨nden haben. Es wu¨rde dann sofort gesetzt und erscheint in Heft 3 (Juli). Mit einem scho¨nen Pfingstgruße vom Rhein Ihr dankbar ergebener

Lamprecht

39 Undatierte Postkarte; Poststempel vom 17. Mai 1882. 40 Vgl. Ernst Bernheim, Artikel gegen Eingriffe des Papstes Paschalis II. in die Ko¨lner

Metropolitanrechte. In: Westdeutsche Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst, Jahrgang I, Heft 3 (1882), S. 374–382. 41 Undatierte Postkarte; Poststempel vom 21. Mai 1882.

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Nr. 16

Go¨ttingen, 12. Juni 1882

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8. Juni 188242 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

L. erwartet dringend Bernheims Manuskript. Hochverehrter Herr Doctor! Darf ich wol, trotz des grossen Trauerfalls43 und der Ueberraschung, in welcher auch Sie sich befinden werden, das betreffende Manuscript binnen einigen Tagen erbitten. In Eile Ihr dankbar ergebener Lamprecht

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Go¨ttingen, 12. Juni 1882 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim u¨bersendet sein Manuskript zur Vero¨ffentlichung an L. Lieber Herr Doktor! Anbei sende ich also die Artikel, die hoffentlich ihren Zweck erfu¨llen. Wenn irgend thunlich, erbitte ich selbst eine Korrektur, vor der Sie keine Scheu zu haben brauchen, da ich nicht noch in der Korrektur neue Aenderungen zu nehmen pflege. Ich weiß, daß das ein Schreckgespenst aller Redakteure ist. Ihren Aufsatz habe ich mit Vergnu¨gen gelesen.44 Die Replik gegen Ficker45 ist doch noch nicht in das na¨chste Heft der Forschungen gekommen.46 Mit bestem Gruß der Ihre Ernst Bernheim 42 Undatierte Postkarte; Poststempel vom 8. Juni 1882. 43 Am 3. Juni 1882 war Prof. Reinhold Pauli (* 1823) u¨berraschend gestorben, L. aus sei-

nen Go¨ttinger Studienjahren und dem Hansischen Geschichtsverein bekannt. Vgl. den Nachruf von Ludwig Weiland in: Hansische Geschichtsbla¨tter 12 (1883), S. 1–9. 44 Vielleicht: Karl Lamprecht, Recht und Wirtschaft zur Frankenzeit. Historisches Taschenbuch 2 (1882), S. 43–67 und 76–89 (?) 45 Johann Kaspar Julius Ficker (1826–1902), Rechtshistoriker an der Universita¨t Innsbruck (1852–1879). 46 Vgl. Karl Lamprecht, Zur Vorgeschichte des Consensrechtes der Kurfu¨rsten. In: Forschungen zur deutschen Geschichte 23 (1883), S. 63–116 als Replik gegen die Abhandlung von Julius Ficker, Fu¨rstliche Willebriefe und Mitbesiegelungen. In: Mitteilungen ¨ sterreichische Geschichtsforschung 3 (1882), S. 1–60, die sich kritisch des Instituts fu¨r O auseinandersetzt mit Karl Lamprecht, Die Entstehung der Willebriefe und die Revindication des Reichsgutes unter Rudolf von Habsburg. In: Forschungen zur deutschen Geschichte 21 (1881), S. 1–19.

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Bonn, 12. Juli 1882

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Bonn, 12. Juli 1882 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Bernheims in der Westdeutschen Zeitschrift vero¨ffentlichte Abhandlung ist im Anmerkungsapparat fehlerhaft gesetzt worden. „Das sind so die kleinen A¨rgernisse der Redaktion.“ – Die unterschiedlichen von L. betreuten Institutionen und Publikationen zur Erforschung der rheinischen Geschichte gehen „flott voran“, fordern aber von L. hohen perso¨nlichen Einsatz („Mein bißchen Erspartes ist fast schon draufgegangen.“). – L.s Gesundheit ist angegriffen; er leidet an einem Magenkatarrh. Hochverehrter Herr Doctor! So ist nun das Unglu¨ck doch geschehen! Trotz meiner wiederholten und denke ich sehr deutlichen Anordnungen, hat die Druckerei Ihre Anmerkungen durcheinander geworfen; vermutlich durch Hettner gedra¨ngt, der immer mit seinen Aufsa¨tzen quand meˆme bummelt und dann meine Sachen u¨bers Knie bricht. Das sind so die kleinen Aergernisse der Redaction. Wenn Sie indessen es wu¨nschen, so lasse ich in Heft 4 die betreffenden Seiten noch einmal zum Einfu¨gen statt der verfehlten abdrucken und kla¨re das Publicum u¨ber Ihre Unschuld und den Fehler der Redaction auf. Etwas muß jedenfalls geschehen; mindestens ein starker Hinweis im Corrigendenverzeichniß. Im Uebrigen denke ich wird das Heft Ihnen gefallen; die Uebersetzung der Wandalbertschen Gedichte47 erscheint mir namentlich deshalb ein richtiger Griff, weil sie hoffentlich im Verein mit manchen anderen Schritten die Aufmerksamkeit unserer Provinzialforscher etwas mehr auf die Wirtschaftsgeschichte lenkt. Es scheint mir das um so wichtiger, als ja die Bedeutung der Provinzialgeschichte, namentlich in dem Durchforschen der Zusta¨nde liegen sollte, freilich noch lange nicht liegt. Auch sonst gehts hier flott voran. Der Gesellschaft fu¨r rheinische Geschichtskunde liegen wieder mehrere Antra¨ge vor, u. a. einer auf Edition eines Urkundenbuches des Ko¨lner Domkapitels, wobei sich herausstellt, daß von dieser Ko¨rperschaft etwa noch 300 Urkunden vor dem 14. Jahrhundert ungedruckt sind; dann ein Antrag von Dr. Hoeniger u¨ber

47 Karl Theodor von Inama-Sternegg/Paul Herzsohn, Rheinisches Landleben im 9. Jahr-

hundert. Wandalberts Gedichte u¨ber die 12 Monate. In: Westdeutsche Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst 1 (1882), S. 277–290.

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Bonn, 12. Juli 1882

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Ausgabe der Ko¨lner Schreinskarten.48 Der Erfolg dieser Edition la¨ßt sich schon jetzt voraussagen: totale Umwerfung der Nitzschen Deductionen,49 Nachweis, daß die stadtko¨lnische Entwicklung nicht in der Ro¨merstadt, sondern in der Vorstadt Groß Martin (nach dem Rheine zu) vor sich gegangen. Hoeniger ist der eine neben mir im urspru¨nglichen Auftrage von Mevissen arbeitende Mann; einen zweiten hoffe ich aus Berlin zu bekommen, er soll die klo¨sterliche Reformbewegung in Lothringen wie u¨berhaupt die rheinische Klostergeschichte des fru¨heren Mittelalters durcharbeiten. Und vielleicht ist es mo¨glich, bald noch einen dritten Mitarbeiter fu¨r die Sta¨ndegeschichte des spa¨ten Mittelalters zu suchen. Mit den Annalen des historischen Vereins50 hat unsere Westdeutsche Zeitschrift einen jetzt ratificierten Vertrag abgeschlossen, wonach die Annalen eine historische Bibliographie fu¨r das Rheinland ausarbeiten lassen, wa¨hrend unsere Zeitschrift Archiv, Zusammenstellung der fu¨r Rhein. Geschichte wichtigen Hss. [Handschriftensammlungen] liefert. Das ist wieder ein Schritt vorwa¨rts, das Na¨here steht jetzt in den Koelner Bla¨ttern. Leider macht das Archiv heillose Mu¨he und kostet fast noch heilloseres Geld (Reisen u. s. w.); mein bischen Erspartes ist fast schon draufgegangen. Indeß die Sache muß vorwa¨rts. Verzeihen Sie, hochverehrter Herr Doctor, die schlechte Schrift; ich leide eben an einem Magencatarrh, soll eigentlich garnicht schreiben und muß mich jedenfalls schonen. Vielleicht haben Sie die Gu¨te, die mir in Go¨ttingen bekannten Herren zu gru¨ßen, ich bitte darum, wie ich Sie selbst in dankbarer Verehrung gru¨ße als Ihr ganz ergebener Schu¨ler Lamprecht

48 Robert Hoeniger (1855–1929), Historiker, 1884–1888 Priv.-Doz. an der Universita¨t Ber-

lin, anschl. verschiedene Lehrta¨tigkeiten, 1920 o. Hon.-Prof. der Geschichte an der Universita¨t Berlin. Zusammen mit L. vero¨ffentlichte Hoeniger die Ko¨lner Schreinsurkunden 1884–1894. 49 Scho¨nebaum interpretiert diese Einscha¨tzung Lamprechts als voreilig und zu optimistisch. Vgl. ders., Lamprecht und Bernheim, S. 222. 50 Annalen des Historischen Vereins fu¨r den Niederrhein. Vgl. Historische Zeitschrift 47 (1882), S. 539–541.

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Go¨ttingen, 2. Jan. 1883

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14. Juli 188251 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Vor Versendung der Sonderdrucke mo¨chte Bernheim Text und Anmerkungen seiner Abhandlung mit dem letzten Korrekturabzug vergleichen. – Fu¨r die Besetzung eines Lehrstuhls in Go¨ttingen ist auch L.s Name im Gespra¨ch. L[ieber] Dr. L[amprecht]! Besten Dank fu¨r Ihren Brief und die Sonderdrucke. Das ist allerdings ein kleines Unglu¨ck mit den Noten, aber ein versta¨ndiger Leser wird sich ja wol durchfinden. Eine derhalbige Bemerkung im na¨chsten Heft genu¨gt. Dagegen wu¨rden Sie mir einen rechten Gefallen thun, wenn Sie mir meine Korrektur (oder Manuskript) zuschicken ko¨nnten, um zu sehen, ob im Text alles gea¨ndert ist, was mir bei dem zutage getretenen Ungeschick der Setzer nun etwas suspekt geworden ist. Ich mo¨chte es nicht gern so versenden, ohne daru¨ber sicher zu sein, bzw. stehen gebliebenes noch zu a¨ndern. – Ungern ho¨re ich von Ihrem Unwohlsein; nutzen Sie nur die bevorstehenden Ferien gut aus! – Erfreulich Ihre Berichte u¨ber den Fortgang der Zeitschrift. – Daß Ihr N[ame] auch hier genannt ist, wissen Sie wohl schon.52 Ich bin neugierig, ob die Besetzung schon zum na¨chsten Semester sicher sein wird. Mit besten Gru¨ßen d. Ihre

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E. B. Go¨ttingen, 2. Jan. 1883

Ernst Bernheim an Karl Lamprecht Neujahrsgru¨ße. – Wie steht es um L.s Forschungsvorhaben? „Hat sich Ihr [L.s] kulturgeschichtlicher Arbeitsplan verwirklicht?“ – Bernheim muß in Go¨ttingen „ohne viel Vergnu¨gen“ die neueste Geschichte vertreten. Lieber Herr Doktor! Lassen Sie mich mit dem neuen Jahre mein schon lange bedauertes Versa¨umnis gut machen und nehmen Sie meinen herzlichen Glu¨ckwunsch 51 Undatierte Postkarte; Poststempel: 14. Juli 1882. 52 Verhandlungen u¨ber die Besetzung des Lehrstuhls von Reinhold Pauli († 1882) in Go¨t-

tingen.

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Go¨ttingen, 2. Jan. 1883

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zum neuen Jahr mit freundlicher Entschuldigung auf. Ihren letzten Brief erhielt ich kurz vor meiner Abreise zu la¨ngerem Ferienaufenthalt und obgleich ich denselben zur Beantwortung mitgenommen hatte, kam ich in der Unruhe unterwegs nicht dazu. Erst einmal aufgeschoben, wissen Sie, wie es einem dann geht; wenn ich ganz aufrichtig sein soll, dachte ich, Sie wu¨rden inzwischen vielleicht vergessen, daß die Reihe an mir sei und einmal wieder von sich ho¨ren lassen. Um so mehr mo¨chte ich bald wieder von Ihnen ho¨ren, wie es Ihnen geht. Hat sich Ihr culturgeschichtlicher Arbeitsplan verwirklicht? Eine deutsche Kulturgeschichte im Mittelalter bedarf wohl, wenn sie klassisch werden soll, langer und – was all’ unseren culturgeschichtlichen Publikationen fehlt: – gleichma¨ßiger Aufarbeitung des Materials. Gerade ihr glu¨cklicher Bildungsgang scheint Sie aber vorzugsweise zu letzter Leistung zu berufen. Wie ist es Ihnen unterwegs ergangen? Was macht die Zeitschrift, was die Collegien? Wir haben dieses Semester ja wieder einmal eine Vakanz, da Kluckhohn53 erst zum na¨chsten Semester eintrifft, und ich habe inzwischen das neue Hauptcolleg, die neueste Geschichte zu u¨bernehmen gehabt, ein onus honorabile, das man freilich etwas mehr als als onus empfindet, wenn es Einen von eigenen Arbeiten abha¨lt, ohne entsprechende Entscha¨digung zu bringen. Sehr viel Vergnu¨gen machen mir die Uebungen, diesmal besonders, einmal des Stoffes wegen, da ich Otto’s von Freising Chronik vorhabe und manches neue herauskokmmt, dann, weil wir jetzt endlich ein ordentliches Seminarzimmer haben, und zwar dies neben der Bibliothek, einstweilen freilich mit den Neuphilologen zusammen, aber schon so a¨ußerst bequem und fu¨rderlich. Wenn die neuen Bibliothekszimmer fertig sind, werden wir es allerdings noch bequemer haben. Ein neues Ordinariat fu¨r Hilfswissenschaften steht uns ja laut dem Etat nun auch in Aussicht. Einliegend sende ich Ihnen den Zettel mit Notizen zuru¨ck, den Sie mir zu den Annales Colonienses s. Z.54 zustellten, und den Sie doch vielleicht noch gebrauchen ko¨nnen. Nehmen Sie nochmals die besten Glu¨ckwu¨nsche und herzlichen Gru¨ße von dem Ihren Ernst Bernheim

53 August Kluckhohn (1832–1893), o. Prof. an der Techn. Hochschule Mu¨nchen (1869),

u¨bernahm 1883 eine Professur in Go¨ttingen.

54 Vgl. oben Nr. 7.

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Go¨ttingen, 9. Febr. 1883

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Go¨ttingen, 13. Jan. 1883 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Kann L. in Erfahrung bringen, welchen Eintrag das Buch Weinsberg zu 1140 entha¨lt? Darf ich Sie, lieber Herr Doktor, vielleicht bitten, falls das Weinsberger Buch des Hermann von Weinsberg aus dem Ko¨lner Archiv (etwa wegen der beabsichtigten Edition) in Ihrem Bereich ist, mir mitzutheilen, was dort ad annum 1140 u¨ber Schlacht und Eroberung von Weinsberg, event. die Weinsbergerinnen, gesagt ist? Mit besten Gru¨ßen der Ihre

E. Bernheim

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PS: Nach Ko¨ln habe „Wiel“ ich gleichzeitig geschrieben.

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Go¨ttingen, 9. Febr. 1883 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim hebt die „Vielseitigkeit der Methode“ hervor, mit der L. seine Forschungen betreibt. „Wirtschaftsgeschichte“ bildet auch schon einen Schwerpunkt in Berlin. In Go¨ttingen leidet der Hochschulbetrieb unter dem ha¨ufigen Personalwechsel, der keine Besta¨ndigkeit zula¨sst und die Forschungen beeintra¨chtigt. „Und das scheint mir doch die fo¨rdernste Art, die hohen Studien zu betreiben: ohne Bildung einer sogen. ‚Schule‘, welche in verba magistri schwo¨rt und alle Externen fu¨r barbari ha¨lt, ein mehr oder weniger begrenztes Gebiet gemeinsam zu bearbeiten.“ Lieber Dr. Lamprecht! Schon fru¨her ha¨tte ich Ihnen fu¨r Ihre freundlichen Zeilen, Ihre scho¨nen Sendungen danken, und antworten sollen. Ich wollte aber doch erst etwas von dem Hauptstu¨ck der letzteren, der Untersuchung u¨ber die Ansiedlungen56, gelesen haben, und das hatte ich gleich Herrn Dr. Sickel57 abgetreten, der es fu¨r einen schon in Druck gegebenen Aufsatz gern einsehen wollte. Nun habe ich es erst angefangen, freue mich aber bereits u¨ber 55 Bernheim schrieb gleichzeitig an das Historische Archiv der Stadt Ko¨ln und dessen

Direktor Dr. Ho¨hlbaum. 56 Karl Lamprecht, Fra¨nkische Ansiedelungen und Wanderungen im Rheinland. In: West-

deutsche Zeitschrift, Jahrgang I, Heft 3 (1882), S. 123–144.

57 Theodor v. Sickel (1826–1908), Leiter des Instituts fu¨r o¨sterreichische Geschichtsfor-

schung in Wien 1861–1901.

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Go¨ttingen, 9. Febr. 1883

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die Vielseitigkeit der Methode, die Sie anwenden, und bekreuze mich u¨ber die Schwierigkeit dieses Stoffes, der Arbeit die dazu geho¨rt. Inzwischen haben Sie mich von neuem durch die Zusendung der Bibliographie58 erfreut. Besten Dank fu¨r alles! Fast mo¨chte ich Sie beneiden, um das recht unbetretene Gebiet Ihrer Wirksamkeit, die Freiheit, mit der Sie Ihrer eigensten Neigung nachgehen ko¨nnen, wa¨hrend ich mich in die Abgru¨nde der Editionen verirrt habe.59 Nun, hoffentlich komme ich noch rechtzeitig mal wieder heraus, und unfruchtbar ist es nicht gewesen, weder fu¨r mich noch fu¨r die Sache. Vorvorgestern und vorgestern besuchte mich ein Schu¨ler von Ihnen, Herr Liesegang60, dem ich auch Gru¨ße an Sie mitgegeben habe – ein tu¨chtiger Mensch, wie es scheint. Ich erfuhr da erst recht, wie die „Wirtschaftsgeschichte“ in Berlin schon geradezu unter den Ju¨ngeren Mode zu werden begonnen hat. Um so besser! Bei uns hier leidet das Studium offenbar durch die vielen Wechselfa¨lle in den letzten Jahren. Kaum hatte sich Weizsa¨cker mit Mu¨he einen Kreis regelma¨ßiger Arbeiter gesammelt, kam er wieder fort; Pauli mit seiner englischen Spezialita¨t mußte sterben; und nun wird es wieder eine ganze Zeit dauern, bis sich um Wieland61 bzw. Kluckhohn ein Stamm gebildet hat, der in gleichartiger Weise sich einem großen Studiengebiet zuwendet. Und das scheint mir doch die fo¨rderndste Art, die hohen Studien zu betreiben: ohne Bildung einer sogen. „Schule“, welche in verba magistri schwo¨rt und alle Externen fu¨r barbari ha¨lt, ein mehr oder weniger begrenztes Gebiet gemeinsam zu bearbeiten. Freilich muß der Privatdozent wohl meist einer solchen Wirksamkeit entrathen, denn trotz aller Anregungen, die man giebt, nimmt doch verha¨ltnisma¨ßig selten einer dieselben zum Anlaß spezieller Arbeiten. Ich weiß nicht, ob es Ihnen damit auch so geht. Die Auskunft u¨ber das Buch Weinsberg habe ich neulich in sehr liebenswu¨rdiger Weise von Dr. Ho¨hlbaum erhalten und dieselben bei meinem Vortrag u¨ber die alte Geschichte von den treuen Weibern, den ich hier zu wohltha¨tigen Zwecken hielt, verwerthet. Ich denke, denselben zur Vero¨ffentlichung zurecht zu machen, und dann sollen Sie ihn auch bekommen.

58 Bibliographie in Jahrgang II, Heft 1 (1883) der Westdeutschen Zeitschrift. 59 Vgl. oben, Nr. 3. 60 Erich Liesegang (1860–1931), 1879–1883 Studium in Marburg, Bonn und Berlin.

1884–1890 Assistent an der Berliner Ko¨nigl. Bibliothek. 1885 Promotion in Go¨ttingen, 1890 Habilitation in Berlin. 61 Gemeint ist wohl Ludwig Weiland.

Nr. 22

Go¨ttingen, 18. Febr. 1883

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¨ ber den kleinen Wirrwarr in den Noten zu meinem „Artikel gegen U Paschalis“ ha¨tten Sie sich wirklich keine weiteren Sorgen machen sollen: so etwas kommt ja zu leicht vor, und es war ohnedies ja nicht sehr beeintra¨chtigend fu¨r meine versta¨ndigen Benutzer. Ich referierte daru¨ber noch in der hiesigen Gesellschaft fu¨r Kirchenrecht und da erregte es vieles Interesse; Ihre Zeitschrift wurde dabei natu¨rlich auch genannt. Fu¨r heute will ich aber nicht weiter plaudern, – denn ich bin wirklich etwas in’s Plaudern gerathen, – wie ich sehe –, um Ihnen meinen herzlichen Dank nicht la¨nger vorzuenthalten. Auf glu¨cklichen Semesterschluß und baldiges Wiedersehen, sei es mu¨ndlich oder schriftlich, bestens der Ihre Ernst Bernheim

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Go¨ttingen, 18. Febr. 1883 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Betr. Rezensionen von L.s „Initialornamentik“. Lieber Dr. Lamprecht! Besten Dank fu¨r Ihren Brief, dessen Anfrage ich eile zu beantworten. Die Rezension von Springer62 ist noch nicht eingegangen, und ich ho¨re u¨berdies, daß er schwer erkrankt sei. Da ich Ewald63 wegen seines Verhaltens gegen Harttung64 schon lange auf dem Strich habe, den er mit Cliquengenossen geradezu um seine Existenz bringt, versuche ich seiner Unsachlichkeit entgegen zuwirken – ich selbst stehe mit ihm durchaus gut, – haben Sie etwa perso¨nliche Differenzen mit ihm? Ich habe einen Berliner Fachmann um eine Besprechung ersucht. Hoffentlich hat er guten Erfolg. Mit Dank und bestem Gruß! Der Ihre

Ernst Bernheim

62 Anton Springer, Kunsthistoriker in Leipzig, Rezension von L.s Initialornamentik des

VIII.–XIII. Jahrhunderts. Leipzig 1882. – Vgl. unten Nr. 26. 63 Paul Ewald (1857–1911), Theologe, Stud. in Leipzig und Erlangen. In Leipzig Prom.

(1881) und Habil. (1887), a. o. Prof. 1890, o. Prof. in Wien, 1895 in Erlangen. – Vgl. Ewalds Rezension in: Deutsche Litteraturzeitung Nr. 6, 10. Febr. 1883, Sp. 200–201. 64 Julius v. Pflugk-Harttung (1848–1919), Stud. in Bonn, Berlin und Go¨ttingen; Prom. in Bonn, Habil. in Tu¨bingen; o. Prof. in Basel, Archivrat am Staatsarchiv Berlin.

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Nr. 24

Bonn, 1. Ma¨rz 1883

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G[o¨ttingen], 22. Febr. 1883 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Betr. Rezensionen von L.s „Initialornamentik“ Lieber Herr Dr.! Besten Dank fu¨r Ihre Karte! Beifolgend die Anwort meines „Fachmannes“. Sie ist u¨berraschend fruchtbar, wie Sie sehen; der Mann versteht es. Er freut mich sehr. Wenn Sie die Rezension von E.65 zur Hand haben, schicken Sie mir dieselbe, bitte. Ich mo¨chte sie dann Herrn L. mittheilen, um etwa darauf im einzelnen en passant zu reagieren. Bestens, in Eile, der Ihre

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E. Bernheim

Bonn, 1. Ma¨rz 1883 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Betr. Rezensionen zu L.s „Initialornamentik“. – Forschungsplan zur deutschen Wirtschaftsgeschichte im Mittelalter, angelegt auf drei Ba¨nde. Hochverehrter Herr Doctor! Anbei folgt das Schreiben des Berliner Anonymus zuru¨ck: wie viele Freundlichkeit.66 Ich habe an den Verleger Du¨rr67 geschrieben; er schickt ein Exemplar68 an v. Seydlitz69, ein anderes vielleicht noch nicht vergebenes Exemplar haben in Berlin die Preußischen Jahrbu¨cher zur Recension erhalten. Kennen die Herren von der Gema¨ldgallerie Treitschke70, so wa¨re hier eine gute Gelegenheit und ein guter Ort zur Kritik. Mittlerweile 65 Vgl. oben Nr. 22: Paul Ewald. 66 Vgl. oben Nr. 23. 67 Alfons Du¨rr (1828–1908), Verleger in Leipzig. 68 Gemeint ist K. Lamprecht, Initialornamentik des VIII.–XIII. Jahrhunderts. Leipzig

1882. 69 Woldemar von Seidlitz (1850–1922). Vgl. seine Rezension in: Historische Zeitschrift 50

(1883), S. 489–492.

70 Heinrich von Treitschke (1834–1896), Studium in Bonn und Leipzig, o. Prof. fu¨r Staats-

wissenschaft in Freiburg (1863), o. Prof. fu¨r Geschichtswissenschaft in Kiel (1866), Heidelberg (1867) und als Nachfolger Rankes in Berlin (1874).

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Bonn, 1. Ma¨rz 1883

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habe ich privatim wieder einige sehr anerkennende Urteile u¨ber die Arbeit erhalten. Es freut mich, abgesehen von der momentanen Lage, das deshalb besonders, weil ich ja mit dieser Forschung auf ein Gebiet gegangen war, auf dem ich zuvor nicht gearbeitet. Jetzt sitze ich, abgesehen von fortlaufenden Sammlungen zu einer Kulturgeschichte, tief in der Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte des platten Landes an Mosel und Mittelrhein.71 Die Quellen, darunter pra¨chtige Sachen und in den Hauptstu¨cken meist bisher unbekannte Aufzeichnungen, habe ich jetzt zusammen, namentlich eine sehr bezeichnende Sammlung zur Entstehungsgeschichte der Trierischen Territorialverwaltung aus der Domanialadministration und zur Entwicklungsgeschichte der freien Landnutzungsformen (Pachten u s w.). Wu¨rde ich alles Zusammengebrachte publizieren, es wu¨rde eine stattliche Anzahl von Ba¨nden abgeben. Aber nun denke ich in den Osterferien auszulesen; das Uebrige muß unter mo¨glichst genauem Citat der Quellenhs. [SchSch: -stellen] verarbeitet werden. Der Plan, den ich mir jetzt nach Abschluß der Praeliminarien fu¨r meine Untersuchung entworfen, wu¨rde etwa der folgende sein: I. Zur Entwicklung der Wirtschafts- und Verwaltungsinstitute 1. Innere Gliederung des fra¨nkischen Wirtschaftslebens (nach den Volksrechten – ist fertig) 2. Die Großgrundherrschaft des fru¨heren Mittelalters. (Darstellung namentlich von Pru¨m) 3. Landescultur und Landesausbau. (Darin u. a. die Markgenossenschaften) 4. Die Grossgrundherrschaft nach Hofrecht. (Bis zur Umgestaltung in das Patrimonialverha¨ltnis im 16. Jahrhundert, namentlich nach den Weistu¨mern). 5. Die neuen Formen der Landnutzung: Aufkommen der Pachten, Einfluß der feinen Kulturen (Weinbau) in dieser Richtung. 6. Die Entwicklung der Territorialverwaltung (14. bis 15. Jh.) ¨ bersicht der treibenEndlich dachte ich in einem Ru¨ckblick eine kurze U den Ma¨chte in dieser Entwicklung zu geben, namentlich festzustellen,

71 Die Arbeit erschien 1885/86 in Leipzig unter dem Titel: Deutsches Wirtschaftsleben im

Mittelalter. Untersuchungen u¨ber die materielle Kultur des platten Landes auf Grund der Quellen zuna¨chst des Mosellandes. 3 Bde.

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welchen Einfluß das Aufkommen der Geldwirtschaft auf die Wirtschaftsund Verwaltungsgeschichte des platten Landes geu¨bt. II. Historische Statistik und Quellenkunde a. Statistik 1. Zur Preisgeschichte: Mu¨nzwesen. – Verkehrsmittel und Zo¨lle. – Preise. 2. Besiedlungsstatistik. Historische Ortsstatistik. Statistik des Weinbaus und der Wa¨lder. 3. Statistik des Grundbesitzes. Statistische Bearbeitung der gro¨ssten Urbare und sonstiger wichtiger Quellen. 4. Verwaltungsstatistik. Lehnserwerb des Erzstiftes. Die beiden Urbare ¨ mter und Keltereien 13. und 14. Jahrhundert. Statistik der A b. Quellenkunde (fertig) III. Quellen Sie sehen, es werden leider drei Ba¨nde. Aber in zwei Jahren hoffe ich fertig zu sein, reicht anders Kraft und Gesundheit. Jetzt stecke ich in der historischen Statistik; hier ist eigentlich Alles erst zu finden – die einzige Vorarbeit sind die mehrfach publicierten kritiklosen Wetter- und Crescenzenchroniken. Indeß ist das Material ausreichend, um in knapper Verarbeitung eine vorzu¨gliche Grundlage fu¨r die Themata des ersten Theiles abzugeben. Mit nochmaligem herzlichsten Danke fu¨r Ihr freundliches Eintreten Ihr Ihnen in aufrichtiger Verehrung ergebener Schu¨ler Lamprecht

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Bonn, 21. Ma¨rz 1883 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die vielfa¨ltigen Forschungen L.s zeigen: „Die Wirtschaftsgeschichte ist mein eigentliches Feld.“ Hochverehrter Herr Doctor! Gestatten Sie mir anbei die Uebersendung von ein paar Sonderabzu¨gen, von denen einer einen Auszug und eine Weiterfu¨hrung des Verzeich-

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nisses kunstgeschichtlicher Handschriften aus der Initialornamentik bildet, die ich auf Anregung der Bonner Jahrbu¨cher-Redaction unternommen.72 Eine freilich ebenso lederne als vielleicht nu¨tzliche Arbeit. Da wir einmal bei der ledernen Initial-Ornamentik sind, so lege ich eine mir eben von Herder zugehende lange Kritik meiner Arbeit von Schneider in Mainz bei.73 S[chneider] ist ein ziemlich versierter Kunsthistoriker, flunkert zwar manchmal ein bischen, besitzt aber in dieser Sache doch immerhin mehr Urteil, als der Kritiker der DL [Deutsche Literatur] Zeitung.74 Ich kann mich also freuen, besser weggekommen zu sein. Der andere Sonderabzug fu¨hrt ganz in meine jetzigen Sorgen. Ich sehe es doch: die Wirtschaftsgeschichte ist mein eigentliches Feld;75 und wie¨ bersicht, welche periodisch viel gibt es noch zu thun! Die beifolgende U 76 werden soll, hat mich recht gefo¨rdert: wieviel lernt man aus den stummen Postulaten, wie sie durch die Divergenz und Zerstreutheit der eingehenden Arbeiten aufgestellt werden. Ich arbeite jetzt an der Fertigstellung der Quellensammlung zu den wirtschaftsgeschichtlichen Studien; ein bischen langweilig, aber gute Ferienarbeit. Dann denke ich an eine statistische Verarbeitung des Quellenstoffes, endlich an Untersuchung des Fortschritts der Wirtschaftsinstitute. Hier sonst nichts Neues; daß Hoehlbaum in Ko¨ln mit aller Welt zerfallen, wissen Sie ja gewiß schon lange. Wie soll das enden! Ich fu¨rchte fast einen Eclat. Aber er ist nicht mehr Jung-Gesell. Nach Ostern wird Noorden auf einige Tage hierhin kommen; ich freue mich sehr, ihn wiederzusehen, noch dazu gekra¨ftigt. Die Recension senden Sie mir wol gelegentlich zuru¨ck. Mit besten Gru¨ßen Ihr dankbar ergebener Schu¨ler

Lamprecht

72 Karl Lamprecht, Bilderzyklen und Illustrationstechnik im spa¨teren Mittelalter. In:

Repertorium fu¨r Kunstwissenschaft VII (1883), S. 405–415, sowie ders., Kunstgeschichtlich wichtige Handschriften des Mittel- und Niederrheins. In: Bonner Jahrbu¨cher 74 (1882), S. 130–146. 73 Leider unklar, auf wen sich L. hier bezieht. 74 Rezension von Paul Ewald in: Deutsche Litteraturzeitung Nr. 6, 10. Febr. 1883, Sp. 200–201. – Vgl. oben Nr. 22 und Nr. 23. 75 Karl Lamprecht, Recht und Wirtschaft zur Frankenzeit. In: Historisches Taschenbuch 6 (1882), S. 43–67, 76–89. 76 Karl Lamprecht, Die wirtschaftsgeschichtlichen Studien in Deutschland. In: Jahrbu¨cher fu¨r Nationalo¨konomie und Statistik NF 6 (1882), S. 231ff. (weitergefu¨hrt: ebd. 9 (1884), S. 143ff. und 11 (1885), S. 19ff. und 313ff.

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Nr. 26

Go¨ttingen, 21. Juni 1883

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Go¨ttingen, 21. Juni 1883 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Das „Rezensionswesen“ hat durch den Ru¨ckzug der „Seniores“ an Qua¨ ber lita¨t verloren und ist in die Ha¨nde „junger Parteiha¨hne“ geraten. – U Bernheims mo¨gliche Berufung nach Greifswald ist noch keine Entscheidung gefallen. Lieber Herr Doktor! Sie werden sich billig wundern, daß ich Ihnen auf Ihre so freundliche und willkommene letzte Mitteilung so lange die Antwort schuldig geblieben bin. Ich verzo¨gerte dieselbe, weil ich hoffte, Ihnen zugleich eine angenehme Beigabe in Form einer der zu erwartenden Rezensionen senden zu ko¨nnen. Nun dauert es aber zu lange damit, und dagegen las ich eben in den Go¨ttinger Gel[ehrten] Anzeigen die Besprechung Ihres Werkes von Springer, zu der ich Ihnen wirklich gratulieren muß.77 Schon die Thatsache, daß ein Mann wie er das Buch rezensirt, sollte dem Herrn E.78 zu Gemu¨the gehen; und die wu¨rdig anerkennende Weise in der er es tuth! Es ist wirklich ein schwerer Schaden, daß sich unsere Seniores nicht mehr am Rezensionswesen betheiligen; dadurch gera¨th dasselbe in die Ha¨nde junger Parteiha¨hne und verflacht u¨berhaupt so furchtbar. Auch darf jeder sich jedes herausnehmen, ohne daß es von competenter Seite geahndet wird. Haben Sie vielleicht die Rezension Lindner’s u¨ber Band 4 der RJK [...] in einer der letzten Nrr. der Berliner Literaturzeitung gelesen?79 Das ist auch solch ein Muster einer Parteirezension: der eigentliche Werth der Leistung im Verha¨ltnis zu dem Status quo ante vo¨llig verschwiegen, freundliche Anerkennung irgendeines nebensa¨chlichen Punktes – am Liebsten der Ausstattung oder der sorgfa¨ltigen Korrektur –, prunkvolle Herausstreichung irgend einer u¨bersehenen oder falsch gesehenen Lappalie als wa¨re das die Hauptsache und somit das Ganze eigentlich verfehlt, endlich noch womo¨glich ein Hieb auf die Wahl des Themas oder dessen Bearbeitungsart! Die lobenden Parteirezensionen sind eigentlich noch schlimmer; es kommt mir so vor, als ob diese Art Menschen ihr Gewissen ausziehen, wenn sie sich an den Schreibtisch zum Rezensiren setzen. ¨ rger nicht unno¨thig anregen. Aber ich will Ihren A 77 Anton Springer, Rezension von Lamprecht, Initial-Ornamentik, in: Go¨ttingische

Gelehrte Anzeigen, 20. und 27. Juni 1883, S. 769–784. 78 Vgl. oben Nr. 22: Paul Ewald. 79 Theodor Lindner (1843–1919), o. Prof. in Mu¨nster.

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Bonn 22. Juli 1883

Hoffentlich geht es Ihnen inzwischen gut und wohl. Sind Sie tu¨chtig an Ihrer Wirtschaftsgeschichte? Wie ich mit Greifswald genarrt werde, haben Sie o[hne] Zw[eifel] geho¨rt. Es ist noch immer keine Entscheidung getroffen. Von Dr. Quidde80 ho¨rte ich, daß Sie seine Abhandlung u¨ber Sta¨dtebund von 1384 nehmen wollen – etwas tu¨chtiges bekommen Sie da jedenfalls. Macht es sich im ganzen nach Wunsch mit der Zeitschrift? Es wu¨rde mich recht sehr freuen, bald einmal wieder gutes von Ihnen zu ho¨ren und ich bitte Sie, mir meine Saumseligkeit nicht zum Bo¨sen anzurechnen! Mit bestem Gruß der Ihre

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Ernst Bernheim Bonn 22. Juli 1883

Karl Lamprecht an Ernst Bernheim Auch positive Rezensionen aus Kreisen der Kunsthistoriker ko¨nnen nicht daru¨ber hinwegta¨uschen, daß unter Fachkollegen die „kunsthistorischen Ausflu¨ge“ L.s – namentlich von Ritter – abgelehnt werden. – L.s wirtschaftsgeschichtliche Forschungen gehen „flott voran“. – Fu¨r den Lehrstuhl in Greifswald scheint Ho¨hlbaum aus Ko¨ln gegen Bernheim im Gespra¨ch zu sein. Hochverehrter Herr Doctor! Wie sehr hat mich Ihr letzter Brief erfreut; er kam so einen Schlag nach Springers Recension und fristete meine gute Laune noch auf einige Tage la¨nger.81 Aus Springer habe ich ungemein viel gelernt: so viel, daß ich, ha¨tte ich Zeit, mit der Arbeit noch einmal am liebsten anfienge. Hier freilich dankt [man] mir meine kunsthistorischen Ausflu¨ge keineswegs: namentlich Ritter82 findet das „abscheulich“. Die Kunstgeschichte sei 80 Ludwig Quidde (1858–1941), Promotion zur spa¨tmittelalterlichen Verfassungsge-

schichte 1881. Quidde war als „Gesellschaftswissenschaftler“ auch politisch stark engagiert (seit 1893), leitete u. a. verantwortlich die spa¨tmittelalterliche Reichstagsakten-Edition sowie die Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft (1889–94/95). – Quiddes Abhandlung u¨ber den Sta¨dtebund erschien im 4. Heft (1883) der Westdeutschen Zeitschrift. Vgl. unten Nr. 29. 81 Vgl. oben Nr. 26. 82 Moriz Ritter (1840–1923), bekleidete seit 1873 (bis zu seiner Emeritierung 1911) nach Promotion in Bonn (1862) und Habilitation in Mu¨nchen (1869) den einem katholischen Historiker vorbehaltenen Lehrstuhl an der Universita¨t Bonn.

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u¨berhaupt kein Zweig der Geschichte, sie bestehe nur aus einer Zusammenstellung der Leben beru¨hmter Ku¨nstler, sie habe kein einheitliches Band der Entwicklung (wo¨rtlich!) usw. Kurz: es ist schlimm, wenn man mit irgendeiner Ecke nicht in die Schablonen des Courant-Historikers passt: diese Su¨nde gegen den h[eiligen] Geist wird nie vergeben. Das mag nun alles sein, so lange man’s eben ausha¨lt und keine Verlobungsgedanken hat. Darum lache ich vorla¨ufig: ob immer? Soeben habe ich die Freude, die Dissertation meines ersten Schu¨lers in der Hand zu haben, eines Dr. Wolff, der in Berlin promoviert hat.83 Gelesen habe ich sie noch nicht: Erwerb und Verwaltung des Klostervermo¨gens in den Traditiones Wizenburgenses: doch halte ich das Thema in seiner Fundation auf die schlechte Edition von Zeuss nicht fu¨r gu¨nstig. Ich ha¨tte Pru¨m genommen, wo freilich die Aufgabe weit schwerer ist, der Gewinn aber gewiß ein sehr reicher wa¨re. Jetzt denke ich die Dissertation im Zusammenhang mit Richters Arbeit u¨ber Salzburg (Mitteilungen des oesterreich. Instituts 3)84 durchzuarbeiten. Meine eigenen Arbeiten gehen soweit flott voran, daß ich jetzt wo¨chentlich 3–4 Bogen Korrectur des 3. Bds. aus Altenburg erhalte.85 Eine greuliche Arbeit, diese Urkunden-Korrectur, wo man fu¨r fremden und eigenen Unsinn litteraliter verantwortlich wird. Ich werde dabei ganz nervo¨s. Hier kursiert – freilich nur in engsten Kreisen – das Geru¨cht, Hoehlbaum komme nach Greifswald: sicher hat er in seiner sattsam bekannten Manier große Anstrengungen gemacht. Hoffentlich ist die Sache noch nicht entschieden: was so lange gedauert, kann doch unmo¨glich u¨bers Knie gebrochen werden. Uebrigens hat H. in Koeln, wo fu¨r einen condescendenten Menschen sehr viel zu machen wa¨re, sich bald alle zum Gegner gemacht, so daß hier fu¨r ihn an eine anerkannt segensreiche Wirksamkeit wol erst in einiger Zeit zu denken wa¨re. Mit Quidde86 unterhandle ich noch. Der alte Fehler: wir haben in der Westd[eutschen] Zs. [Zeitschrift] zu wenig Raum. Was hilft’s, wenn Hettner und ich die Ru¨cken gegeneinander stemmen beinah, bis die Wa¨nde platzen? Hoffentlich macht das ein wachsendes Abonnement endlich gut: 83 F. Wolff, Erwerb und Verwaltung des Klostervermo¨gens in den Traditiones Wizenbur-

genses. Diss., Berlin 1883. 84 E. Richter, Untersuchungen zur historischen Geographie des ehemaligen Hochstifts

¨ sterreichische Salzburg und seiner Nachbargebiete. In: Mitteilungen des Instituts fu¨r O Geschichtsforschung 3 (1883), S. 590–738. 85 Gemeint ist der 3. Band (Quellensammlung) von K. Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter. Vgl. Forschungsplan oben Nr. 24. 86 Vgl. oben Nr. 26.

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Go¨ttingen, 1. Aug. 1883

bis zu Pfingsten waren im Laufe dieses Jahres 64 Abonnenten zugekommen. Redactionssorgen! Mit der Bitte eines Grusses an Weiland, der mir gegenu¨ber unendlich liebenswu¨rdig ist, und einer Empfehlung an Kluckhohn und Steindorff87, Ihr Sie dankbar verehrender Lamprecht

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Go¨ttingen, 1. Aug. 1883 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim hat den Ruf nach Greifswald erhalten. – Ritters Auffassung von Kunstgeschichte und L.s kunstgeschichtlichen Studien ist Bernheim in ho¨chstem Maße befremdlich. – Zum Familienstand der Privatdozenten: „Wir haben hier neuerdings Beispiele von Exempeln von nicht nur verlobten sondern sogar – verheirateten Privatdozenten. Da ha¨ngts freilich.“ Lieber Dr. Lamprecht! Vielen Dank fu¨r Ihren Brief und den vorhergehenden Gruß! Um Ihren Brief vom Schluß anfangend zu beantworten, so darf ich Ihnen wohl, obwohl ich das Rescript der Ernennung noch nicht erhalten habe, unter der Hand mittheilen, daß sich der Ruf nach Greifswald endlich doch eingestellt hat.88 Ich hatte eigentlich schon die Hoffnung aufgegeben und um so gro¨ßer ist die Freude, an der Sie, wie ich weiß, gern Antheil nehmen. Es ist in der That wohl ein Akt der Gerechtigkeit zu nennen, denn wohin soll es bei den Verha¨ltnissen in unserem Fach, die so schon schwer genug auf die Privatdozenten dru¨cken, fu¨hren, wenn Leute wie Ho¨hlbaum ceteris paribus vorgezogen werden, die jahrelang in wohlgeborgener Stellung zugebracht haben, wa¨hrend wir uns mit Collegien plagten und dem Staate gratis dienten. Ich glaube auch, daß das ausschlaggebend gewesen sein wird. Freilich sind wohl die Freunde H’s in bekannter „Objektivita¨t“ blind fu¨r solche Erwa¨gung. Ihren Arbeiten wu¨nsche ich auch mit Hinblick auf den a¨ußeren Erfolg guten Fortgang! Ist noch keine von den verschiedenen Rezensionen der

87 Ernst Steindorff (1839–1895), 1863 Promotion in Berlin, Habil. 1866 in Go¨ttingen, dort

1873 a. o. Prof., ab 1883 o. Prof. 88 Bernheim erhielt 1883 die Ernennung zum a. o. Professor an der Universita¨t Greifswald,

bekleidete dort ab 1889 ein Ordinariat und lehrte bis 1921.

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Bonn, 2. Aug. 1883

Initialornamente erschienen, so weit Sie wissen? Schmarsow89 und ich desiderieren um die Wette die Anschaffung auf der hiesigen Bibliothek; jetzt ko¨nnen wir getrost auf Springer90 verweisen. Merkwu¨rdig einseitig ist die Auffassung R’s[Ritters] von Kunstgeschichte, die Sie mir erza¨hlen, fast ra¨tselhaft. Gerade der Zweig der Geschichte, der am deutlichsten den Zusammenhang zwischen den fortschreitenden Phasen menschlicher Betha¨tigung aufweist, und ohne dem unversta¨ndlich bleibt, der soll „kein einheitliches Band der Entwicklung“ haben?! Vae tibi! Man kann wirklich daru¨ber nur la¨cheln. Aber daru¨ber zu lachen, daß man nicht verlobt ist, du¨nkt mich gefa¨hrlich. Der Teufel wacht! Ich habe mich bisher oft bekreuzigt, nicht verlobt zu sein – das hat gut geholfen, aber es ist gar nicht immer zu empfehlen. Wir haben hier neuerdings Beispiele von Exempeln von nicht nur verlobten sondern sogar – verheiratheten Privatdozenten. Da ha¨ngt’s freilich. Mit Quidde91 sind Sie ja in Ordnung? Wie geht’s der Zeitschrift? Viele Gru¨ße der Ihre

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Ernst Bernheim

Bonn, 2. Aug. 1883 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

¨ bernahme der Professur Bernheims in Greifswald, Glu¨ckwu¨nsche zur U acht Jahre nach seiner Habilitation, offenbar der „Normalwartezeit fu¨r den historischen Privatdozenten“. – Die Arbeiten am Quellenband zur Wirtschaftsgeschichte konnte L. vorantreiben. Weitere Rezensionen zur Initialornamentik liegen noch nicht vor. Hochverehrter Herr Doctor! Bald ha¨tte ich anticipierend Professor geschrieben. Sie glauben nicht, was mich Ihre heutige Nachricht erfreut hat: also den herzlichsten Glu¨ckwunsch. Ich hatte die gro¨sste Angst, Ho¨hlbaum in seiner bekannten Ru¨hrigkeit sei Ihnen zuvorgekommen.

89 August Schmarsow (1853–1936), Kunsthistoriker, Priv.-Doz. in Go¨ttingen (1881),

a. o. Prof. in Go¨ttingen, Breslau (1886) und Florenz (1888 u. 1892), o. Prof. (1893) und Direktor des Kunsthistorischen Instituts an der Universita¨t Leipzig. 90 Vgl. oben Nr. 26 und 27. 91 Vgl. oben Nr. 26 und 27.

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Bonn, 2. Aug. 1883

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Es sind jetzt, rechne ich richtig, 8 Jahre, daß Sie habilitiert sind92; damals saß ich als junger Fuchs eifrig in Ihrem Colleg. Diese 8 Jahre wird man wol jetzt als Normalwartezeit fu¨r den historischen Privatdozenten ansehen ko¨nnen. Scho¨ne sogenannte Aussichten! Maurenbrecher93 – momentan leider krank – ist sehr glu¨cklich u¨ber Ihren Aufsatz94; er geho¨rt noch zu den Historikern, die auch auf die Darstellung Gewicht legen, vielleicht bisweilen in seinen eigenen Producten zu viel. Und so glaube ich in der That, daß das Taschenbuch95 keine bessere Redaction erhalten konnte. Hier sonst wenig Neues, wenigstens soweit ich etwas erfahre. Zudem geht aller gemu¨tliche Verkehr in der Hast des Semesterschlußes unter: jedermann strebt ins Weite. Eine kleine Tour dachte ich auch zu machen, mit Meitzen aus Berlin96; es gilt die Untersuchung der rheinischen alten Flurverfassung, und so werden wir uns wol auf acht Tage als Campagnereiter in den Ardennen aufthun. Sonst dachte ich fleissig zu arbeiten und – Druckbogen zu corrigieren, ich bin schon beim 10 Bogen des Quellenbandes zu den wirtschaftsgesch. Forschungen. Mit Quidde, der sehr liebenswu¨rdig, bin ich gut ausgekommen; ein Aufsatz von ihm kommt ins 4. Heft, zudem eine sehr bo¨se Kritik der Mainzer Chroniken vom enfant terrible Wyß in Darmstadt.97 Der Zs. [Zeitschrift] gehts sonst recht gut, auch materiell; in den Recensionen sind wir ja auch gut weggekommen. Ich denke, die Hauptsache ist, daß man ehrlich arbeitet, man hat dann wenigstens sein gutes Gewissen. 92 Bernheim habilitierte sich 1875 in Go¨ttingen, Promotion zwei Jahre fru¨her in Straßburg. 93 Wilhelm Maurenbrecher (1838–1892), enger Freund des seit 1877 in Leipzig lehrenden

Carl von Noorden; nach seiner Habilitation in Bonn war Maurenbrecher als Ordinarius ¨ ber einen in Dorpat und Ko¨nigsberg ta¨tig, bevor er 1874 nach Bonn zuru¨ckkehrte. – U regen Gedankenaustausch mit Maurenbrecher erhielt von Noorden weiterhin Nachrichten u¨ber den Werdegang seines Schu¨lers L. Vgl. Herbert Scho¨nebaum, Carl von Noorden und Wilhelm Maurenbrecher im Austausch u¨ber die geistige Entwicklung des jungen Karl Lamprecht. In: Archiv fu¨r Kulturgeschichte 44 (1962), S. 379–387. 94 Ernst Bernheim, Die Sage von den treuen Weibern zu Weinsberg. In: Historisches Taschenbuch 6 (1883), S. 13–30. 95 Historisches Taschenbuch, hrsg. von Wilhelm Maurenbrecher. – L. selbst publizierte hier (VI. Folge, 2. Jg. 1883, S. 41ff.) eine Abhandlung „Wirtschaft und Recht der Franken zur Zeit der Volksrechte“. 96 August Meitzen (1822–1910), Geh. Reg.-Rat, a. o. Prof. (1875), dann Ordinarius fu¨r Nationalo¨konomie in Berlin. In Zusammenarbeit mit Meitzen, zu der u. a. gemeinsame Exkursionen za¨hlten, vertiefte L. topographische Studien als Grundlegung seiner wirtschaftsgeschichtlichen Forschungen. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 48/49. 97 Ludwig Quidde, Der rheinische Sta¨dtebund von 1381. In: Westdeutsche Zeitschrift 2 (1883), S. 323–392; Rezension A. Wyss von: Wilhelm Becker, Das Necrologicum der vormaligen Pra¨monstratenser-Abtei Arnstein a. d. Lahn. Wiesbaden 1881. In: Ebd., S. 60–65.

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Greifswald, 4. Dez. 1883

Von der Initialornamentik habe ich weiter nichts geho¨rt; Du¨rr ist sehr liebenswu¨rdig, er wu¨rde neue Beurteilungen geschickt haben. Ha¨tte ich Zeit, ich wu¨rde das Thema nochmals bearbeiten. Doch weiß ich, was Recensionen angeht, daß noch eine solche in dem Janitschekschen Repertorium98, bei Sybel99, im oesterreich. Institut100 und in Lu¨tzows Zs. [Zeitschrift]101 kommen wird. Claudite iam rivos! – Daß die Deutsche Litteraturztg [-zeitung] sich bemu¨ssigt hat, mich zur Mitarbeiterschaft aufzufordern, habe ich Ihnen wol geschrieben. Opusculum I102 ist fort; ich habe ¨ brigens danke ich fu¨r vieles Recenmich bemu¨ht, nicht kleinlich zu sein. U sieren, dazu ist mir die Zeit zu lieb. Mit nochmals herzlichem Glu¨ckwunsche Ihr Sie dankbar verehrender

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Lamprecht

Greifswald, 4. Dez. 1883 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim hat sich in Greifswald gut eingelebt, seine Seminare sind gut besucht, es herrscht ein „natu¨rlicherer“ Umgangston unter den Kollegen. Wie stellt sich im Vergleich zu Greifswald die Seminarstruktur in Bonn dar? Lieber Dr. Lamprecht! Treulichen Gruß aus der neuen Heimat und dank fu¨r Ihre erste Sendung hierher, die ich mit Interesse gelesen habe.103 Zu vergleichen ist fu¨r den Stoff in fru¨herer Zeit z. B. Lo¨ning, Geschichte des deutschen Kirchenrechts I, 225ff, 2, 653ff. Es eignet sich vielleicht ganz hu¨bsch zu einem Dissertationsthema, diese Sache in anderen Epochen zu untersuchen.

98 Repertorium fu¨r Kunstwissenschaft. 99 Historische Zeitschrift, Rezension von Woldemar von Seidlitz; vgl. oben Nr. 24 mit

Anm. 69.

100 Mitteilungen des Instituts fu¨r O ¨ sterreichische Geschichtsforschung: Rezension von S.

Laschitzer in Bd. 4 (1883), S. 630–633.

101 Zeitschrift fu¨r bildende Kunst, begr. 1866 von Carl von Lu¨tzow, Leipzig. 102 Karl Lamprecht, Besprechung von H. Hecker, Die territoriale Politik des Erzbischofs

Philipp I. von Ko¨ln. Leipzig 1883. In: Deutsche Litteraturzeitung 1883, Sp. 1323–1325.

103 Vgl. Karl Lamprecht, Zur religio¨sen Anschauung der Laienwelt in Frankreich wa¨hrend

des 11. Jahrhunderts. In: Zeitschrift fu¨r Kirchengeschichte VI (1883), S. 494–498.

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Greifswald, 10. Jan. 1884

Wie geht es Ihnen also im neuen Semester? Ich habe meine Collegien mit erfreulicher Theilnahme begonnen, und es behagt mir bis jetzt ungemein in dieser pommerschen Luft. Der ganze Ton der Universita¨tskreise ist hier ein natu¨rlicherer als in Go¨ttingen, die meisten Collegen sind mir sehr sympathisch, und ich finde, [daß] auch die Bibliothek besser als ihr Ruf ist. Beila¨ufig mo¨chte ich Sie fragen, wie eigentlich dort die historischen Seminare eingerichtet sind; bestehen Aufnahmebedingungen, giebt es ein offizielles Proseminar, und wie scheidet sich dasselbe von dem ordentlichen Seminar? – Dieser lo¨bliche Anfang zu gutem Werk ist leider u¨ber acht oder mehr Tage liegen geblieben und soll nun zu einem schnelleren Ende gebracht werden, um den beifolgenden Separatabdruck104 zu begleiten. Erfreuen Sie mich bald einmal durch ein gutes Lebenszeichen, und seien Sie bestens gegru¨ßt von dem Ihren Ernst Bernheim

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Greifswald, 10. Jan. 1884 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Mit seinen Neujahrswu¨nschen verbindet Bernheim die Hoffnung, daß auch fu¨r L. „die Teufel des Privatdozentums endlich weichen“. Es ist der „Mehltau des Magisteriums“, der dem Privatdozenten anhaftet und ihn „dem schno¨desten Wettkampf um die leibliche und geistige Existenz preisgibt“. – Der Tod von Noordens hat eine schmerzliche Lu¨cke hinterlassen. – Gru¨ße Greifswalder Kollegen an L. Lieber Herr Doktor Lamprecht! Meine Hoffnung, zum neuen Jahre ein Lebenszeichen von Ihnen zu erhalten, hat mich zu meiner Freude nicht geta¨uscht. Lassen Sie mich Ihren Brief mit einem herzlichen Wunsche fu¨r das beginnende Jahr erwidern! Ich sehe aus Ihren Zeilen, daß auch Sie trotz der glu¨cklichsten Anlagen nicht von dem schlimmen Mehltau des Magisteriums verschont bleiben, den ich aus eigener Erfahrung bitter genug kennengelernt habe und der nur erst allma¨hlich von der Seite weicht. Go¨nnen Sie mir getrost den Ausdruck solcher Empfindungen, den Sie ein Selbstgespra¨ch nennen, 104 Vgl. Ernst Bernheim, Neuere monographische Arbeiten u¨ber die Bischofswahlen in

Deutschland. In: Zeitschrift fu¨r Kirchenrecht 18 (1883), S. 171–177.

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denn es ist mir lieb von Ihnen selbst zu ho¨ren und Ihnen ebenso antworten zu du¨rfen. Ich geho¨re nicht zu denen, die mit einem Schlage, weil es sie perso¨nlich nichts mehr angeht, die Mißsta¨nde ihres fru¨heren Lebenskreises vergessen haben, vielmehr habe ich es mir zugeschworen, so gewichtig wie ich kann einmal dagegen zu wirken, daß man die freudige ho¨chstwerthige Lebenskraft unseres Stands mit Absicht dem schno¨desten Wettkampf um die leibliche und geistige Existenz preisgibt, wie es jetzt in der Einrichtung des Privatdozententhums, trotz der Stipendien, geschieht. Und ich hoffe, in Ihnen recht bald einen Mitstreiter in dieser Hinsicht zu gewinnen; denn darin tro¨sten Sie sich, wenigstens voru¨bergehend, doch, daß Ihre Bestrebungen und Arbeiten nicht Ihrem Namen zugute ka¨men. Freilich ist das gerade eine der schlimmsten Tentationes diaboli, die einen anficht, wenn man eben mit aller bester Mu¨he keinen greifbaren Erfolg erwachsen sieht, aber wenn man sich in Momenten freieren Bewußtseins sagen darf, daß man besseres geleistet hat als mancher, der sich im behaglichen Besitz ausko¨mmlichen Amtes dehnt, weicht diese Anfechtung doch immer wieder froher Zuversicht. Wie es zu machen ist, um dieses Hinund Herwerfen zwischen Hoffnung und Depression, das in keiner anderen Carrie`re so schlimm vorkommt, zu ersparen, scheint eine schwere Frage – aber zu ihrer Lo¨sung muß der erste Schritt sein, daß man die ganze Verderblichkeit dieser Verha¨ltnisse allgemein zum Bewußtsein bringt, es dem Staate zum Bewußtsein bringt, daß er, der u¨berall so a¨ngstlich human ist, nicht auf diese Weise mit edelsten Menschenexistenzen spielen darf, sei es auch zum angeblichen Besten der Sache. Das kann aber nicht von den selbst unmittelbar betheiligten mit Erfolg geschehen, weil diese pro domo zu reden scheinen werden, sondern von denen, die es perso¨nlich nicht mehr angeht. Und in diesen Reihen hoffe ich Sie recht bald als „Commilitonen“ begru¨ßen zu ko¨nnen, und richte darauf speziell meinen Glu¨ckwunsch fu¨r Sie zum neuen Jahre. Mo¨ge ein fro¨hlicher Zug dieses Jahres 1884 das gesegnete Blatt mit dem Siegel bringen, vor dem alle Teufel des Privatdozententhums fu¨r immer weichen! Der fru¨he Tod v. Noordens105 ist wirklich allgemein beklagt worden; und so werden Sie, der Sie ihm perso¨nlich na¨her standen, um so mehr Grund dazu haben. Aber wissen Sie, wen die o¨ffentliche Meinung als Nachfolger auf’s Korn nimmt? Lorenz106! Man kann jetzt schon manchmal von „Reclameprofessoren“ reden. 105 Carl von Noorden starb am 25. Dezember 1883. L. verlor mit von Noorden nach eige-

nen Worten einen „treuen Freund und Berater“. (Vgl. ein Schreiben an Hugo Lamprecht, zitiert bei Scho¨nebaum, Noorden und Maurenbrecher, S. 387). 106 Ottokar Lorenz (1832–1904), ab 1861 Prof. in Wien, ab 1885 in Jena.

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Ulmann107, der liebenswu¨rdigste College, den man sich denken kann, erwidert Ihre Empfehlung freundlichst; Perlbach108 ist ja leider nicht mehr hier, sondern im Oktober nach Halle versetzt worden. V. Below’s Schrift109 werde ich allerna¨chstens eingehender durchsehen und dann vielleicht rezensieren. Bald wird dann wol auch von Ihnen ein großes Volumen zu Tage treten. Aber geben Sie ja Contra [...], sobald Sie anfangen, nicht mehr ordentlich zu schlafen! Da ho¨rt’s auf. Fu¨r heute will ich indeß hiermit endlich schließen, damit Sie meine Antwort nicht allzu sehr post festum erhalten. Vielmals gru¨ßend der Ihre

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Ernst Bernheim

Greifswald, 28. Sept. 1884 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim nimmt regen Anteil an den Forschungen L.s und an dessen Bemu¨hungen, in Bonn eine Professur zu erlangen. Lieber Herr Doktor! Das hat mir recht leid gethan, daß wir uns in Berlin so dicht vorbeigegangen sind, ohne uns zu treffen! Herzlichen Dank fu¨r Ihre Briefe und Ihre Zusendungen! Letztere haben mich natu¨rlich wieder sehr interessiert; in Ihrer Wirtschaftsliteratur110 steckt ja eine riesige Arbeit, und es ist sehr reizvoll, diese z.Th. so versteckten Untersuchungen so hu¨bsch geordnet kennen zu lernen.

107 Heinrich Ulmann (1841–1931), Historiker, Stud. in Jena, Go¨ttingen und Berlin; Habil.

Gießen (1867), o. Prof. in Dorpat (1871) und Greifswald (1874). H. Ulmann und W. Altmann hatte Lamprecht u¨ber Bernheim kennengelernt. Vgl. Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 231. 108 Max Perlbach (1848–1921), Prof. der Phil., Ta¨tigkeiten an den Uni.-Bibl. Ko¨nigsberg (1872), Greifswald (1876), Halle (1883), Direktor der Abteilung fu¨r Druckschriften an der Kgl. Bibliothek Berlin (1903). 109 Vgl. Georg von Below, Die Entstehung des ausschließlichen Wahlrechts der Domkapitel, Diss. 1883. 110 Vgl. Karl Lamprecht, Die wirtschaftsgeschichtlichen Studien in Deutschland 1882, 1884, 1885. In: Jahrbu¨cher fu¨r Nationalo¨konomie und Statistik NF VI, S. 231ff., IX, S. 143ff., XI, S. 19ff. und 313ff.

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Die a¨rgerliche Entta¨uschung in Ihrer Befo¨rderungsangelegenheit habe ich Ihnen nachempfunden, und die Schlußklausel des Vorschlages ist wirklich geradezu unerho¨rt.111 Was Ulmanns Beziehungen zu Jena betrifft, so ist da wol eine Verwechslung im Gange: Frau U. ist ja eine gute Go¨ttingerin, Tochter des Anatomen Henle, er selbst aber ist Thu¨ringer und war als Privatdozent in Jena oder Gießen112. Es ist auch merkwu¨rdig genug, daß er bei den ju¨ngsten Vakanzen nicht auf die Listen gekommen ist. Von mir werden Sie na¨chstens einen Aufsatz u¨ber Otto von Freising erhalten,113 der freilich das den Wirtschaftsinteressen entgegengesetzte Gebiet behandelt, in der Methode aber, meine ich, auch die ausgetretenen Wege vermeidet. Von Below werde ich fu¨r die Sybelsche Zeitschrift114 rezensieren. Nehmen Sie fu¨r heute mit diesen Zeilen fu¨rlieb und mit freundlichem Gruß von dem Ihren Ernst Bernheim

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Greifswald, 2. Jan. 1885 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Die ablehnende Haltung in Bonn L. gegenu¨ber erstaunt Bernheim sehr: „Der Tag wird kommen, wo Sie mit zu Gericht u¨ber die verstaubten Geister der Vergangenheit sitzen werden.“ Lieber und geehrter Herr Doktor! Freundlichsten Dank fu¨r Ihren Brief, der mich sehr erfreut hat, und Ihre Neujahrswu¨nsche, die ich herzlich erwidern und wohl nicht zu spezialisieren brauche. Der Tag wird auch kommen, wo Sie mit zu Gericht u¨ber 111 L. konnte sich bereits am 9. Juni 1880 fu¨r Geschichte und geschichtliche Hilfswissen-

schaften an der Universita¨t Bonn habilitieren, erhielt aber erst im Mai 1885 ein Extraordinariat. Vorherige Bemu¨hungen um einen Lehrstuhl in Bonn, wie sie fu¨r 1884 belegt sind, fu¨hrten nicht zum Erfolg. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 53, Chickering, S. 86ff. und Lewald, S. 238. Namentlich Maurenbrecher und Menzel hatten sich gegen L. ausgesprochen und geurteilt: „Eine gewisse Vorsicht und Ru¨cksicht, die notwendige Selbstzucht und Selbstkritik der eigenen Arbeiten wird man bei fast jeder der kleineren und gro¨ßeren Abhandlungen, die er bisher geliefert hat, vermissen.“ 112 Ulmann habilitierte sich 1867 in Gießen, vgl. oben Anm. 107. 113 Ernst Bernheim, Der Charakter Ottos von Freising und seiner Werke. In: Mitteilungen ¨ sterreichische Geschichtsforschung 6 (1885), S. 1–54. des Instituts fu¨r O 114 Historische Zeitschrift, gegr. 1859 von Heinrich von Sybel. – Vgl. Georg von Below, Die Entstehung des ausschließlichen Wahlrechts der Domkapitel. Leipzig 1883; rez. von Ernst Bernheim in: Historische Zeitschrift 54 (1885), S. 103–106.

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die verstaubten Geister der Vergangenheit sitzen werden. Aber das Detail der Geschichte Ihrer „Abweisung“115 war mir noch unbekannt und hat mich desto baß erstaunt. Sie ko¨nnen freilich mit einer so vollen Desavouierung sehr zufrieden sein! Dabei wird mir M.116 als ein a¨ußerst liebenswu¨rdiger Mann geschildert, von dessen Begabung freilich nicht viel zu ru¨hmen sei. Mehr amu¨siert hat mich, daß Sie gerade den latenten Gegensatz gegen Wattenbach117 aus meinem Aufsatz herausgefu¨hlt haben.118 Mit dem „Gegner aller sogen. Allotria“ im Eingang habe ich ihn geradezu im Sinne gehabt. Ich bedauere nur immer, daß sich die Reaktion gegen dieses steife Wesen, welche unausweichlich ist, schließlich gegen Waitz119 richten wird, der denn doch ein ganz anderer Mann ist, als diejenigen seiner Schu¨ler, welche ihm das Reisgarn und Spulen abgelernt haben und deshalb die Waitzianer „kat exochen“ zu sein meinen. Er hat nur den leicht verzeihlichen, aber sich ra¨chenden Fehler gemacht, daß er diese, welche die unbedingteste und stets proklamierte perso¨nlichste Verehrung mit ihrer geistigen Abha¨ngigkeit verbinden, vorzugsweise begu¨nstigt. Ich fu¨rchte, daß die Reaktion daher u¨ber ihr Ziel hinausschießen und eine Zeitlang zu einer antithetischen Aversion fu¨hren wird. Die Sybelianer „kat exochen“ werden dabei die Rolle der Girondisten spielen. Und dann kommt der Robespierre im Stile von Hellwald’s, worauf wir wieder von Neuem anfangen mu¨ssen. Vielleicht geht es aber gelinde ab, und einige Mirabeau’s retten das Ko¨nigthum legitimer Geschichtsforschung. Aber das sind noch ferne Ereignisse! Entschuldigen Sie diese Neujahrsepigraphien in die Zukunft, und lassen Sie mich Ihnen speziell zu der gegenwa¨rtigen Arbeit und deren Erfolgen das beste Glu¨ck wu¨nschen! Mit vielen Gru¨ßen der Ihre

Ernst Bernheim

115 Vgl. Lewald, S. 238 und Chickering, S. 86/87. 116 Es kann sich um Maurenbrecher oder Menzel handeln, die beide in ihren Urteilen gegen

Lamprecht und seine wissenschaftlichen Arbeiten votierten. Vgl. Lewald, S. 238.

117 Wilhelm Wattenbach (1818–1897), o. Prof. fu¨r Geschichte in Heidelberg (1862) und Ber-

lin (1873); seit 1843 Mitarbeiter der MGH, 1875 Mitglied der Zentraldirektion, 1886 in der Nachfolge von Georg Waitz Leiter der MGH. 118 Vgl. Ernst Bernheim, Der Charakter Ottos von Freising, S. 2: „Auch der rigoroseste Gegner aller sogen. ‚Allotria‘ wird zugeben, daß es zu weit in der Vernachla¨ssigung gegangen ist, wenn der Herausgeber Ottos in den Monumenta Germaniae, wa¨hrend er jede Bibelstelle gewissenhaft citiert hat, es fu¨r unno¨tig halten konnte, die von Otto angefu¨hrten Citate aus den Werken des Boethius und anderer Philosophen nachzuschlagen; denn es sind dadurch handgreifliche Textfehler verschuldet [...]“. 119 Georg Waitz (1813–1886), Schu¨ler L. von Rankes, o. Prof. in Kiel (1842) und Go¨ttingen (1848); seit 1842 Mitarbeiter an der MGH u¨bernahm Waitz 1875 deren Leitung.

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Greifswald, 11. Juni 1885120 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim gratuliert L. zu dessen Berufung nach Bonn. Lieber Herr College! Gerade lese ich die frohe Nachricht Ihrer Ernennung in der Zeitung und sage Ihnen meine besten Glu¨ckwu¨nsche dazu!121 Mit freundlichem Gruß. Der Ihre

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E. Bernheim

Greifswald, 21. Nov. 1885 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Mit Gewinn verfolgt Bernheim die Forschungen L.s und hebt hervor, in L.s Arbeiten „gegenu¨ber dem unselig unfruchtbaren und einseitigen Formalismus die Reife des offenen Blickes und Geistes vertreten zu sehen, ohne welchen doch alle Wissenschaft toter Kram bleibt“. Lieber Herr College – dies schauderhafte Begru¨ßungswort muß man sich hier allma¨hlich angewo¨hnen –, nehmen Sie noch vielen Dank fu¨r Ihren frohlaunigen Glu¨ckwunsch, den ich nur mit einem sooft gemeinten Vivat sequens beantwor¨ bersendung Ihres Jahresberichten kann! Und meinen Dank fu¨r die U 122 tes , der wieder ein Werk mu¨hevollster Arbeit repra¨sentiert und ungemein aufkla¨rt. Ich begreife kaum, wie Sie neben Ihren sonstigen Arbeiten das fertig bringen. Soeben habe ich mich im Geiste besonders angeregt mit Ihnen bescha¨ftigt, indem ich Ihre Abhandlungen u¨ber die Willebriefe123 im Zusammenhang mit augenblicklichem Colleg eingehender studiere. Ich muß sagen, daß es mir einmal wieder ein wahres Vergnu¨gen gemacht hat, 120 Undatierte Postkarte; Poststempel Greifswald, 11. Juni 1885. 121 Am 27. Mai 1885 erhielt L. seine Ernennung zum a. o. Professor an der Universita¨t Bonn,

allerdings ohne regelma¨ßige Einku¨nfte. Vgl. Chickering, S. 87 und Lewald, S. 240.

122 Wirtschaftsgeschichtliche Studien in Deutschland 1885 [?]. Vgl. oben Nr. 32 Anm. 110. 123 Karl Lamprecht, Die Entstehung der Willebriefe und die Revindication des Reichsgu-

tes unter Rudolf von Habsburg. In: Forschungen zur Deutschen Geschichte 21 (1881), S. 1–19.

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gegenu¨ber dem unselig unfruchtbaren und einseitigen Formalismus die Reife des offenen Blickes und Geistes vertreten zu sehen, ohne welchen doch alle Wissenschaft todter Kram bleibt. Man ko¨nnte das kaum treffender exemplifizieren als durch Ihre Widerlegung der Ficker’schen Formulierungen.124 In politischer Hinsicht ist mir nur eines sehr unklar: wie weit hat man die Revindikationen der Reichsgu¨ter auszudehnen gleich von Anfang an unter Rudolf u¨berhaupt beabsichtigt? Die Herren Kurfu¨rsten haben doch selber sehr viel an sich gebracht und haben doch gewiß das nicht hergeben wollen, ebensowenig wie der alte praktische Rudolf daran gedacht haben kann, die Entwicklung dieser Territorialra¨uberei selber zuru¨ckschrauben zu wollen. Darf man es nicht so ansehen, daß dadurch nur eine Handhabe gegeben werden sollte, das zu revindizieren, was einem fehlte, nach dem Grundsatz „die kleinen Diebe ha¨ngt man, die großen la¨ßt man laufen“, was ja o[hne] Zw[eifel] durch die neubedungenen Mitregierungsrechte der Kurfu¨rsten auch formell herauskommen mußte. Die Revindication der bo¨hmischen Eroberungen steht ja doch auf einem anderen Blatte. Beila¨ufig noch eine Anfrage bzw. Bitte. Ein Freund von mir hat eine Arbeit erscheinen lassen „Die Theorie der Trago¨die nach Aristoteles und die Trago¨die unter christlicher naturwissenschaftlicher Weltanschauung“; eher unter statt außerhalb der Cliquen. Haben Sie vielleicht einen Lite¨ sthetiker unter Ihren Bekannten, der das Buch vorrarhistoriker oder A urteilsfrei beurteilen ko¨nnte? Da es im darwinistischen Geiste geschrieben ist, du¨rfte es kein einseitiger Mann sein, der es deshalb a limine verurteilt, sondern einer, der es zu verstehen gewillt ist. Sie mißverstehen mich nicht: er soll es nicht freundschaftlich loben, sondern ihm nur gerecht werden, was, wie Sie wissen, bei einem außerhalb des Faches stehenden Buch allzu oft nicht geschieht. Wenn Sie jemand wissen, theilen Sie es mir, bitte, zwecks Zusendung des Buches mit. Mit den besten Gru¨ßen der Ihre

Ernst Bernheim

124 Zu den Auseinandersetzungen zwischen Lamprecht und Ficker vgl. oben Nr. 16 mit

Anm. 46.

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Greifswald, 24. April 1889 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Auseinandersetzung Bernheims mit den Periodisierungsversuchen L.s: Ko¨nnen die von der Kunstgeschichte hergeleiteten Periodisierungen ohne weiteres u¨bertragen werden? Bernheim gibt zu bedenken, daß „derartige durchgehende Periodisierungen die Gefahr in sich tragen, einerseits dem vollen Inhalt der verschiedenen Lebensgebiete nicht allseitig gerecht zu werden und andererseits die Periodisierungsmomente dem Parallelismus zu Liebe zu dehnen“. – Sollte an den Universita¨ten ein Fach „Kulturgeschichte“ eingefu¨hrt werden? Lieber Lamprecht! Sie ko¨nnen denken, daß ich mich u¨ber Ihren Brief ungeheuer gefreut habe, sachlich und perso¨nlich, und ich fu¨hre das daher nicht weiter aus.125 ¨ bereinstimmung der AnsichBeide Momente treffen zusammen in der U ten oder vielmehr Grundrichtungen, die Sie sowohl in den Anschauungen u¨ber mein Buch126 wie in Ihren „Versuchen“127 zu erkennen geben. Es freut mich besonders, daß Sie auch die Wichtigkeit der sozialpsychischen Gesichtspunkte nicht nur anerkannt haben, sondern auch darauf aus sind, diese Erkenntnisse zu besta¨tigen. Ihre „Versuche“ haben mich sehr interessiert und ich nehme sie selbstversta¨ndlich – aus meinen betr. Ero¨rterungen folgt das ja schon – ernst. Selbstversta¨ndlich ist es freilich auch, daß ein so weitsichtiger Gedanke, in kurzer Skizze gea¨ußert, zu unseren Fragen kaum leicht und nicht ohne weiteres ganz in seinem Sinn von anderen erfaßt werden kann. Abgesehen davon, daß die Wertigkeit Ihrer Perioden mir durch die kurzen Bezeichnungen „symbolisch-synthetisch“ nicht vollauf durchsichtig ist (speziell was Sie unter „synthetischer Auffassung“ verstehen

125 Die freudige Anteilnahme Bernheims bezieht sich wohl auf die Ernennung L.s zum a. o.

Professor an der Universita¨t Bonn mit regelma¨ßigen Einku¨nften. Vgl. Chickering, S. 96. 126 Ernst Bernheim, Lehrbuch der historischen Methode. Mit Nachweis der wichtigsten

Quellen und Hilfsmittel zum Studium der Geschichte. Leipzig 1889.

127 Bei den „Versuchen“ handelt es sich um einen Entwurf zur „Periodisierung“ in

der Geschichte, den L. Bernheim als Vorarbeit zur Konzeption seiner „Deutschen Geschichte“ unterbreitete, vgl. Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 223ff., der einen Abdruck der L.schen Skizze liefert („Erfahrung (Moral), Anschauung (Kunst) und Erkenntnis (Wissenschaft) – Periodisierung in der deutschen Geschichte – Disposition der geistigen Kultur“); vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 119.

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und wie sich die typische von der conventionellen Auffassung unterscheiden soll), ist mir nicht erfaßlich geworden, ob Sie diese von der Kunstgeschichte hergeleiteten Perioden durchaus auf die ethische und materielle Kultur u¨bertragen zu ko¨nnen meinen? Ich schließe es aus Ihren einleitenden Worten, vermisse doch aber jede Andeutung einer Bru¨cke zwischen der Kunstspha¨re und dem sittlichen Gebiet in dieser Beziehung. Oder ist ein solcher Bru¨ckenpfeiler der Begriff der sittlichen „Gebundenheit“, von der Sie sprechen? Eine kurze Parallele der Periodengrenzen wu¨rde mich gleich aufkla¨ren, ich meine etwa so: Kunstspha¨re Ethische Materielle Symbolische Auffassung ? ? Typische " ! ? Conventionelle " gebunden? ? usw. Soweit, um mich in Ihre Arbeit besser einzudenken. Wenn ich dieselbe im Umriß richtig aufgefaßt habe, muß ich nur folgendes gegen eine zu weitgreifende oder zu systematische Ausfu¨hrung einwenden. Gerade weil alle menschlichen Betha¨tigungen so eng verschlungen sind und ein menschliches Bewußtsein ausmachen, doch aber aus zugleichen Momenten sehr verschiedener Art bestehen, hat dieses Herausgreifen eines Grundes aus einem Lebensgebiet, um ihn durch alle Lebensgebiete zu verfolgen, leicht etwas Tru¨gerisches, fu¨hrt zu irriger Verallgemeinerung und Qualifizierung, mit Vernachla¨ssigung anderer Gru¨nde. Ich nehme als Beispiel Comte’s sozialpsychische 3 Perioden, die von der wissenschaftlichen Denkspha¨re hergenommen sind; ich habe diese in S. 476f. meines Buches128 angefu¨hrt und erwa¨hnt, wie er diese Perioden von der wissenschaftlichen auf die anderen Spha¨ren u¨bertra¨gt. Es ist nun ja gewiß richtig, daß die vera¨nderte wissenschaftliche Denk- und Auffassungsweise sich auf allen Lebensgebieten geltend macht, aber ebenso richtig, daß dadurch die Vera¨nderungen auf den anderen Lebensgebieten auch ausreichend motiviert sind, daß noch andere Faktoren dabei in Betracht kommen, die Comte von seinem Gesichtspunkt aus vernachla¨ssigt. Es ist also kein ausreichender Einteilungs- oder Periodisierungsgrund, den er aufstellt. Ebenso kann man, meine ich, aus irgend einem anderen Gebiet irgendwelche Gesichtspunkte, die da maßgebend sind, auffinden und mit eben solchem Recht finden, daß sie sich auf anderen

128 Lehrbuch der historischen Methode, vgl. oben Anm. 126.

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Lebensspha¨ren anwenden lassen, ohne daß es (aus denselben Gru¨nden, wie bei Comte) ausreichende und daher voll berechtigte Periodisierungsgru¨nde sind. Das wu¨rde also auch im Prinzip Ihre von der Kunstspha¨re hergenommenen Gesichtspunkte treffen, falls sie allgemein gu¨ltig sein sollten. ¨ bertragung solcher Noch ein anderes mo¨chte ich bemerken. Bei der U Gesichtspunkte von einem auf das andere Gebiet wird man leicht dazu kommen, zu Liebe des Parallelismus etwas Gewalt anzuwenden. Lassen Sie mich z. B. annehmen, ich komme auf den Gedanken, die Entwicklungsstufen der Geschichtsanschauung auf ihre allgemeine Anwendbarkeit zu versuchen: kein Zweifel, auch in den Naturwissenschaften werden wir eine referierende, eine lehrhafte, eine genetische Stufe unterscheiden ko¨nnen: beschreibende, klassifizierende, genetische Naturwissenschaft. Ich ginge nun wieder auf das Gebiet der Kunst und werde sofort suggirt a` la suggerieren durch die Parallele: referierende Stufe = Epos; genetische Stufe = Drama; ich identifiziere also die systematische Stufe mit der Lyrik; zu letzterer Parallele bedarf es schon einer ku¨nstlichen bzw. gewaltsamen Deutung und Umwandlung des Begriffs „systematisch“, indem ich das psychologische Moment einseitig hervorziehe als tertium comparationis. Ginge ich noch auf andere Gebiete, so wu¨rde es noch schlimmer werden. Ich meine also, daß derartige durchgehende Periodisierungen die Gefahr in sich tragen, einerseits dem vollen Inhalt der verschiedenen Lebensgebiete nicht allseitig gerecht zu werden und andererseits die Periodisierungsmomente dem Parallelismus zu Liebe zu dehnen. Sie sehen, daß diese Bemerkungen durchaus nicht gegen Ihren in Ausfu¨hrung begriffenen Gedanken gerichtet sind, soweit sie sich auf einzelne Spha¨ren beziehen und soweit sie eine allgemeine fu¨r alle Lebensgebiete gu¨ltige Periodisierung damit bezwecken wu¨rden, was vielleicht zuna¨chst in Ihrer Absicht liegt. Es wu¨rde mich sehr freuen, weiteres, vielleicht auch gegen meine Reservationen, von Ihnen zu ho¨ren. Aber noch eine Frage: sollten Sie es fu¨r praktisch betrachten, wenn „Kulturgeschichte“ schlechthin als ein Fach auf den Universita¨ten eingefu¨hrt wu¨rde? Oder halten Sie es fu¨r richtiger und durchfu¨hrbarer, wenn die einzelnen Kulturgebiete ihre einzelne Fachvertretung haben, also Kunst-, Litteratur-, Wissenschaftsgeschichte usw.? Mir scheint, ein Fach „Kulturgeschichte“ nu¨tzlich wegen der so sehr verschiedenartigen Kenntnisse und Objekte, die darunter begriffen sind. Bestens gru¨ßend von Haus zu Haus der Ihre

E. Bernheim

P. S. Ich mo¨chte noch bemerken, daß mir Monita und Corrigenda, die Sie etwa bei einem Briefe bemerken, sehr erwu¨nscht kommen wu¨rden.

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Greifswald, 31. Dez. 1889 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

In grundsa¨tzlichen Dingen der Geschichtsauffassung stimmen Bernheim und L. u¨berein, und Bernheim erwartet mit Spannung L.s „Deutsche Geschichte“, die wichtige Forschungslu¨cken schließen wird. – Neujahrswu¨nsche. Lieber Professor Lamprecht! Vor Jahresschluß will ich Ihnen doch noch besten Dank fu¨r Ihre letzten Zeilen und Ihre freundliche Zusendung sagen! Es freute mich, aus der Darlegung in Ihrem Briefe zu sehen, daß ich in der Auffassung der verschiedenen Betha¨tigungen des historischen Lebens und deren Verha¨ltnis zum Gesamtverlauf ganz mit Ihnen u¨bereintreffe. Um so freudiger erwarte ich Ihre Deutsche Geschichte und wu¨rde fast Ihre Zuru¨ckhaltung derselben bedauern, wenn ich den Grund dafu¨r nicht zu sehr anerkennen mu¨ßte.129 Giesebrecht130 hat nun auch nicht die Kaiserzeit bis zu einem Abschnitt bringen ko¨nnen, ebensowenig wie Weizsa¨cker131 leider zur Darstellung des Ruprecht gelangt ist – es scheint, als ob dieses Jahr eine Art Scheidepunkt der Generation unserer alten Lehrer und Fu¨hrer geworden ist. Mo¨gen das na¨chste und die na¨chsten um so fruchtbarer fu¨r unsere Generation an guten Leistungen sein!, ein Wunsch, den ich auf Ihre Deutsche Geschichte spezialisiere. Below scheint etwas den Splitterrichter zu machen, was keine scho¨ne Aufgabe ist. Ich freue mich, in Ihrer Westdeutschen Zeitschrift gesehen zu haben, wie echt kollegialisch im Sinne gemeinsamer Arbeit und Arbeitstheilung Sie sich zu der Deutschen Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft gestellt

129 Es liegt nahe, die Gru¨nde fu¨r eine wissenschaftliche „Zuru¨ckhaltung“ L.s in seinem

familia¨ren Umfeld zu suchen: L. heiratete im April 1887 Mathilde Mu¨hl, Tochter des Straßburger Universita¨tsbibliothekars Dr. Gustav Mu¨hl, 1888 wurde seine Tochter Marianne geboren, im Februar 1890 kam als zweites Kind Elisabeth zur Welt. 130 Wilhelm Giesebrecht (1814–1889), Prof. der Geschichtswissenschaft in Berlin (1851), Ko¨nigsberg (1857) und Mu¨nchen (1861). Vgl. Giesebrechts Werk „Die Geschichte der Deutschen Kaiserzeit (von den Sachsenko¨nigen bis zu Heinrich d. Lo¨wen)“. 5 Bde. Braunschweig 1855–1880. 131 Vgl. Julius Weizsa¨cker (Hg.), Deutsche Reichtasakten unter Ko¨nig Ruprecht. 3 Bde. Mu¨nchen 1882–1888 (Deutsche Reichstagsakten, Bd. 4, 5 u. 6).

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Greifswald, 22. Jan. 1890

haben132 – hoffentlich erfu¨llt die neue Zeitschrift unsere Erwartungen immer mehr. Quidde wird sich demna¨chst in Mu¨nchen ansiedeln; das kommt der Redaktion der Zeitschrift wohl auch zu Gute.133 Mit wachsendem Genuß lese ich augenblicklich Treitschke’s vierten Band134 oder vielmehr lesen wir, da meine Frau und ich uns abwechselnd vorlesen, wenn abends die Gescha¨fte des Tages erledigt sind. Mich du¨nkt, daß Urteil und Stil sich noch bedeutend abgekla¨rt und veredelt haben. Lassen Sie mich fu¨r heute mit den besten Wu¨nschen fu¨r das Neue Jahr und mit freundlichen Gru¨ßen von Haus zu Haus schließen als der Ihre Ernst Bernheim

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Greifswald, 22. Jan. 1890 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Geburtsanzeige, gedruckt Die glu¨ckliche Geburt eines Knaben zeigen an Professor Bernheim u. Frau Greifswald, den 22. Januar 1890135

132 Eine der sta¨ndigen Rubriken der „Westdeutschen Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst“

bildete seit ihren Anfa¨ngen 1882 die Bibliographie, eine ja¨hrlich zu erstellende, umfang¨ bersicht der neuesten Literatur zur westdeutschen Geschichte“ unter der reiche „U redaktionellen Betreuung L.s. Mit dem VIII. Jg. 1889 verzichtete die Westdeutsche Zeitschrift auf eine Weiterfu¨hrung der Bibliographie unter Hinweis auf die eigenen Publikationen in einer Vielzahl der bisher betreuten Regionen. In seiner Erkla¨rung an die Leser der Zeitschrift (S. 243/44) betonte L., „andererseits wird dem Bedu¨rfnis einer Bibliographie der allgemeinen, vornehmlich gesamtdeutschen Geschichte die von Dr. Quidde begru¨ndete Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft seit Beginn dieses Jahres in vortrefflicher Weise gerecht; und unsere Leser ko¨nnen von dieser Bibliographie um so leichter Nutzen ziehen, als sie hier System und Anordnung unserer bisherigen Bibliographie erweitert wiederfinden“. 133 Quidde leitete von 1890–92 die Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft. 134 Vgl. Heinrich v. Treitschke, Die deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 5 Bde., Leipzig 1879–1894. 135 Ernst Bernheim hatte 1886 Amalie Jessen geheiratet; 1890 wurde Bernheims Sohn Hans geboren, das erste Kind der Familie war Emma (geb. 1888), es folgten drei weitere So¨hne: Theodor (geb. 1891), Rudolf (geb. u. gest. 1893) und Oskar (geb. 1895).

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Greifswald, 2. Ma¨rz 1890136 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim gratuliert L. zur Berufung nach Marburg. L/L! [Lieber Lamprecht!] Nehmen Sie meine besten Glu¨ckwu¨nsche zur Befo¨rderung, von der ich eben in der Zeitung lese!137 Auch noch Dank fu¨r Ihren letzten Brief; ich schreibe Ihnen einmal ausfu¨hrlicher. Freundlich gru¨ßend Der Ihre

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E. Bernheim

Greifswald, 21. April 1890 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Die sehr angespannte perso¨nliche Situation L.s u¨berschattet den Wechsel nach Marburg. – Bernheim liest kritisch den ersten Band der „Deutschen Geschichte“ Korrektur. Lieber Lamprecht! Sie ko¨nnen denken, daß die Mitteilung Ihrer tru¨ben Schicksale unsere herzliche Teilnahme erregt hat, um so mehr, da ich mir Ihren Einzug in Marburg in so anderem Lichte vorgestellt hatte. Ihre letzten Hoffnungen auf Genesung theilen wir auch. Es ist gewiß recht schwer fu¨r Sie, sich unter diesen Umsta¨nden den vielen Anspru¨chen des neuen Aufenthalts und der neuen Tha¨tigkeit zu widmen. Dazu die Korrektur Ihres

136 Undatierte Postkarte; Poststempel Greifswald, 2. Ma¨rz 1890. 137 Am 10. Febr. 1890 wurde L. als Ordinarius fu¨r Geschichte nach Marburg berufen und

trat die Nachfolge Konrad Varrentraps (1844–1911, seit 1874 o. Prof. in Marburg) an, der 1890 einem Ruf nach Straßburg gefolgt war. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 72ff. und Chickering, S. 111ff. Wenige Tage nach der Geburt der zweiten Tochter erlitt Mathilde Lamprecht einen schweren Nervenzusammenbruch, der stationa¨re Behandlung no¨tig werden ließ. Sie u¨bersiedelte nicht mit nach Marburg, lediglich L.s kleine To¨chter trafen im spa¨ten Fru¨hjahr mit einer Betreuungsperson hier ein. Vgl. Chickering, S. 95/96 und 111/112.

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Buches!138 Aber ein neuer und reicher Wirkungskreis gibt auch neue Kra¨fte. Hoffentlich macht die Art meiner Korrektur Ihnen keine Schwierigkeit. Falls das sein sollte, geben Sie mir nur, bitte, einen Wink deswegen; ich mo¨chte Ihre Arbeit ja nicht unno¨thig vermehren. Die sorgfa¨ltige Lektu¨re Ihres Werkes macht mir große Freude, und manchmal stra¨ubt sich mir die Feder oder vielmehr streikt der Bleistift, in Ihre tiefen und warm geschriebenen Gedanken mit dem Formalismus des Buchstabenklaubens hineinzufahren, besonders, da Sie gewiß im Durchsehen des u¨bersichtlichen Druckes vieles von selber schon korrigieren, was ich verhunze. Inhaltliche Ausstellungen zu machen, halte ich nicht fu¨r meine Aufgabe, schon weil ich es fu¨r unthunlich halte, das ohne Kenntnis des Ganzen im Einzelnen zu thun, und aus Respekt fu¨r Ihre Forschung. Erlauben Sie es aber, Einzelheiten, die an sich zu beurteilen sind, zu monieren, thue ich es vorhandenenfalls gerne. Daß ich nicht mit dem Kapitel 1 des Buches 2 im Ganzen einverstanden wa¨re, kann ich nicht sagen. Ich finde es sehr berechtigt und lehrreich, einen Blick in die Fru¨hzeit der Germanen vom allgemeinen Gesichtspunkt ethnischer Entwicklung aus zu werfen, denn es heißt, mehr anderen als sich vergegenwa¨rtigen, daß die Germanen eben auch „Menschen mit Menschen“ waren, und das hat man doch zeitweilig beinahe vergessen. Ich wu¨ßte nicht, was man bei der Einschra¨nkung, die Sie S. 95 und o¨fter machen, vom streng wissenschaftlichen Standpunkt dagegen einwenden ko¨nnte. Nur mo¨chte ich fragen, ob die urspru¨ngliche sociale und rechtliche Gestaltung nach Mutterrecht als allgemeine Erstentwicklungsform der Familien etc. bei allen Kulturen und Vo¨lkern sicher constatiert ist? Der Druckbogen folgt anbei. Mit besten Gru¨ßen der Ihre

E. Bernheim

138 Die Druckvorbereitung des ersten Bandes von L.s „Deutscher Geschichte“ hatte begon-

nen. Der Band erschien 1891 im Verlag Gaertner/Berlin und wurde zustimmend, aber auch kritisch aufgenommen. Vgl. die Besprechungen des Go¨ttinger Privatdozenten J. von Kapherr in: Deutsche Literaturzeitung, 31. Jan. 1891, Sp. 165/66; Literarisches Centralblatt, 2. Mai 1891, Sp. 648/49; R. Sternfeld in: Mitteilungen aus der Historischen Literatur 20 (1892), S. 13–17; Gustav Schmoller in: Jahrbuch fu¨r Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich 15 (1891), S. 615–617 und eine kurze Anzeige im Historischen Jahrbuch 12 (1891), S. 171/72.

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Leipzig, 20. Mai 1892

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Leipzig, 20. Mai 1892 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die Gegnerschaft zu Georg von Below eint L. und Bernheim. Wie soll man gegen ihn vorgehen? L.s Leipziger Kollegen raten zur Zuru¨ckhaltung, und auch L.s Grundauffassung lautet: „Meinetwegen wu¨rde ich nie gegen v. Below vorgehen, dazu steht mir der Lump zu niedrig.“ – Der zweite und dritte Band der Deutschen Geschichte sind inzwischen in Druckvorbereitung. Das Gegenlesen der Manuskripte durch Bernheim ist fu¨r L. von „hohem Wert“. Hochverehrter Herr Kollege, Lehrer und Freund! Mit den Bemerkungen u¨ber von Below treffen Sie bei mir in die Situation. Ich habe die Recension in den GGA [Go¨ttingische Gelehrte Anzeigen] gelesen und sehe so deutlich, wie jeder Andere, daß sie nur geschrieben ist, um Sie zu verunglimpfen. Als Motiv vermutete ich die Thatsache, daß ich Sie in Band I meiner Deutschen Geschichte genannt habe – es ist jedenfalls Eins der Motive; andere spielen wohl auch mit.139 Ich habe darauf den beifolgenden Brief140 konzipiert, bin aber, bevor ich ihn abschickte, noch einmal bei Maurenbrecher gewesen, und auf dessen Rat auch bei Wach141: beide habe ich auch schon nach den fru¨heren letzten Schimpfereien auf mich consultiert. Beide rieten damals und rieten jetzt, zu schweigen. Wach meinte, der pathologische Charakter sei ausgesprochen, v. B. [von Below] werde sich bald vo¨llig ausgeben; es wu¨rde mir spa¨ter leid tun, etwas gegen ihn geschrieben zu haben. Maurenbrecher glaubte, das einzige Mittel gegen v. B. sei eine Ru¨ge seitens des Kultusministeriums, die nicht ich, sondern nur ein preußischer Professor ressortma¨ssig beantragen ko¨nne. So stehe ich noch in einem Dilemma. Meinetwegen wu¨rde ich nie gegen v. B. vorgehen, dazu steht mir der Lump zu niedrig; ho¨chstens

139 In den Go¨ttingischen Gelehrten Anzeigen (1892, S. 280–296) rezensierte Georg von

Below das Lehrbuch der historischen Methode von Ernst Bernheim mit negativen Vorzeichen. Below wandte sich insbesondere gegen die Ausfu¨hrungen Bernheims u¨ber die Entwicklung der historischen Forschung. Da v. Below sich ebd. (1891), S. 761 gegen L. ausgesprochen hatte, lag eine Verbindung in der Beurteilung von L. und Bernheim nahe. 140 Das genannte Schreiben ist nicht u¨berliefert. 141 Adolf Wach (1843–1926) Jurist, Studium in Berlin, Heidelberg, Ko¨nigsberg (dort 1865 promoviert), Habil. 1868, o. Prof. in Rostock (1869), Tu¨bingen (1871), Bonn (1872), Leipzig (1875–1920).

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Leipzig, 23. Juni 1892

gerichtlich ko¨nnte ich ihn belangen; aber dieser Weg ist immerhin ungewo¨hnlich. Uebrigens schreibt jetzt Hoeniger eine ganze Broschu¨re gegen v. B.142 Ich fu¨rchte nur, sie wird zu „ansta¨ndig“! Denn wer Pech anfasst, der muß Fausthandschuhe tragen, um sich nicht zu besudeln. Was denken denn ansta¨ndige Kollegen u¨ber v. B.? Ich sollte denken, seine Art la¨ge so platt auf der Hand, daß die Stimmung einmu¨tig sein mu¨sse. Doch zu etwas Besserem: gestern war fu¨r mich in gewissem Sinne ein Freudentag. Ich bekam die letzte Korrectur des 2ten Bandes und beendete (im Wesentlichen) das Ms. [Manuskript] des 3ten Bandes der Deutschen Geschichte. Ich bin nun bis 1400 ca., habe mich aber auch vo¨llig ausgegeben und werde mehrere Jahre brauchen, um weiter zu kommen. Ihre Bemerkungen zu den Correkturbogen sind mir von hohem Wert und haben mich mehrere Male zu la¨ngeren Untersuchungen nochmals veranlasst. Wie herzlich danke ich Ihnen dafu¨r! Und soll ich das nicht wieder o¨ffentlich thun du¨rfen? Sie schrieben mir einmal, daß Sie keinen Wert darauf legten – und jetzt, wie gesagt, fu¨rchte ich fast, daß Ihnen die Nennung in Band I nur den Kettenhund v.B. zugezogen hat. Mit der Bitte um baldige Antwort und Ihren Rat in der Sache v. B. Ihr dankbarer Schu¨ler Lamprecht

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Leipzig, 23. Juni 1892 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Band 2 der Deutschen Geschichte ist erschienen und L. konnte den Band perso¨nlich dem sa¨chsischen Ko¨nig in Dresden u¨berreichen. Auch Band 3 steht vor der Drucklegung. Zur Vorbereitung auf Band 4 plant L. eine ausgedehnte Reise durch Norddeutschland und die Ostseela¨nder, bevor die deutschen Historiker zu ihrer ersten Standesversammlung in Mu¨nchen zusammenkommen.

142 R. Hoeniger, Prof. Georg v. Belows „Detailpolemik“: Ein Nachwort zu dessen Arbeiten

u¨ber sta¨dtische Verfassungsgeschichte. Berlin 1892; vgl. dazu Georg v. Below, Der Hoeniger-Jastrowsche Freundeskreis, ein Beitrag zur Zeitgeschichte. Du¨sseldorf 1892. Vgl. Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 231 und Chickering, S. 150.

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Leipzig, 23. Juni 1892

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Hochverehrter und werter Herr Kollege und Freund! Nun lassen Sie mich Ihnen anbei auch ein Exemplar des fertigen zweiten Bandes der Deutschen Geschichte143 u¨berreichen und Ihnen nochmals von Herzen danken fu¨r Ihre werkta¨tige freundliche Teilnahme; mo¨ge sie mir auch in Zukunft erhalten bleiben! Ich habe diesen Wunsch um so no¨tiger, als ich schon in der Sache in dem Satze des 3ten Bandes bin, wovon Ihnen hoffentlich Bogen zugegangen sind; leider bummelt die Druckerei entsetzlich! Neugierig bin ich auf die Aufnahme des zweiten Bandes. Ich vermute, daß Leute, denen der erste Band gefallen hat, eine Abwendung von der Art dieses, Gegner des ersten Bandes eine Besserung konstatieren werden. Meinetwegen. Unter dem Mu¨nchner Aufruf144 finde ich Ihren Namen nicht, der doch vor Allem dorthin geho¨rt ha¨tte. Ich vermute, Sie sind uns verhindert. Ich mo¨chte, wenn irgend mo¨glich, hingehen, habe freilich vorher noch viel vor: eine Reise durch Norddeutschland bis Memel, dann u¨ber die Ku¨stenla¨nder wieder heimwa¨rts bis Lu¨beck, darauf zu Schiff nach Visby, Stockholm und u¨ber Schweden & [unleserlich] Da¨nemark zuru¨ck. Es soll eine Vorbereitung sein zum 4ten Band der Deutschen Geschichte. Werde ich Sie wohl irgendwo an der Ku¨ste oder in Greifswald finden? Und wo geht Ulmann hin? Sonst nil novi von hier – wenn nicht die Thatsache, daß es Maurenbrecher leider nicht sehr gut geht. Das Leiden macht offenbar Fortschritte und ich fu¨rchte fast, das Schlimmste wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.145 ¨ ber v. Below habe ich mich nun einigermaßen beruhigt, bezeichne U ihn jetzt aber u¨berall o¨ffentlich als Lu¨gner und Ehrabschneider. Wissen Sie, daß Hoeniger an einer besonderen Schrift gegen ihn arbeitet?146 Ich war am Montag und Sonntag in Dresden; teils eine Audienz beim Ko¨nig halten, teils nur um Bismarck zu sehen. Die Begeisterung war wirklich einzig, dabei positiv, ohne Seitenblicke auf Berlin, rein treu gemeint. Dem Ko¨nig habe ich den zweiten Band pra¨sentiert. Er hatte den ersten gelesen und sagte allerlei Gescheidtes daru¨ber. Es ist u¨berhaupt ein zweifelsohne begabter Mann, zudem ein halber Historicus; jetzt liest er Roons 143 Karl Lamprecht, Deutsche Geschichte Bd. 2, Berlin 1892. Vgl. die Besprechungen unten

Nr. 43, mit Anm. 153.

144 Aufruf fu¨r die erste „Standesversammlung der Historiker“ in Mu¨nchen. 145 Wilhelm Maurenbrecher starb Ende November 1892. Seine Nachfolge trat Max Leh-

mann an. 146 Vgl. oben Nr. 41 mit Anm. 142.

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Leipzig, 26. Juli 1892

„Memoiren“147 und ließ auch daru¨ber ein paar offenherzige Urteile los. Dies Interesse ist immerhin fu¨r unsere Universita¨t nicht ohne Bedeutung; man sieht die Folgen in der Behandlung durch das Cultusministerium. Wann kommt die zweite Auflage des Lehrbuchs?148 Hier warten einige Studenten mit Schmerzen. Herzliche Gru¨ße an Sie und eine scho¨ne Empfehlung an Ihre werte Frau Gemahlin von Ihrem Ihnen in dankbarer Verehrung ergebenen Lamprecht

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Leipzig, 26. Juli 1892 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die erschienene Schrift gegen v. Below „scheint durchschlagend zu sein (...). Nun, nachdem der Mann moralisch tot ist, kommt es darauf an, ihn auch wissenschaftlich einmal richtig zu beleuchten.“ – Band 3 der Deutschen Geschichte soll in diesen Tagen ebenfalls gedruckt werden. Hochverehrter Lehrer, College und Freund! Lassen Sie mich Ihnen noch rasch vor Semesterschluß und der damit beginnenden allgemeinen Zerstreuung des vielsprachigen Professorenvolkes wenige Worte sagen. Sie gelten zuna¨chst der Beantwortung der Frage u¨ber v. Belows Lu¨gencharakter. Daru¨ber brauche ich jetzt nach dem Erscheinen von Hoenigers Schrift149 mich wohl nicht ausfu¨hrlicher zu a¨ussern. Ich wusste schon damals von Hoenigers Plan und Manuskript. Der Eindruck, den H.s Arbeit gemacht hat, scheint durchschlagend zu sein; versta¨rkt wird er noch werden durch eine sehr matte Erkla¨rung, die v.Below an die DLZ [Deutsche Literaturzeitung] eingesandt hat, und die Sie in der na¨chsten Nummer unter den Annoncen finden werden.150 Nun, nachdem der Mann moralisch tot ist, kommt es darauf an, ihn auch wissenschaftlich einmal richtig zu beleuchten. Ich hoffe, daß das auch geschehen wird; am besten wa¨re, Liesegang na¨hme sich der Sache an, da Hoeniger weniger Zeit hat. Nous verrons.151 147 Albrecht von Roon, Denkwu¨rdigkeiten aus dem Leben des General Feldmarschalls und

Kriegsministers Grafen von Roon. Bd. 1–3. [4. Aufl. Breslau 1897/98]. 148 E. Bernheim, Lehrbuch der historischen Methode. Leipzig 1889; 2. Aufl. 1894. Vgl. oben

Nr. 36 mit Anm. 126.

149 Vgl. oben Nr. 41 mit Anm. 142. 150 Von Below mußte seinen Artikel spa¨ter wieder zuru¨ckziehen; vgl. unten Nr. 48. 151 Vgl. Chickering, S. 152 und S. 169, Anm. 33.

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Ich habe Gott sei Dank, mit Ausnahme der Rezension u¨ber Sie,152 niemals starken Anlaß gefunden, mich zu a¨rgern; die Art, wie Bello mich angekeift hat, war stets besonders grob und durchsichtig. Aber nun man einmal gegen ihn vorgegangen ist, muß die Sache auch gru¨ndlich besorgt werden. Von meinem 3ten Band haben Sie doch nach wie vor Correkturabzu¨ge erhalten? Ich fu¨rchte jetzt fast, die Druckerei belastet mich noch in die Ferien hinein. Am 20. Juli sollte und wollte sie fertig sein.153 Sie werden sich vielleicht u¨ber die etwas ausgedehnte Behandlung Flanderns und Hollands wundern; mir scheint, daß gerade jetzt der Historiker dafu¨r sorgen muß, daß der Deutsche der Gegenwart nicht Deutschland und D[eutsches] Reich verwechseln lerne; ich werde immer die Deutschen außerhalb des Reiches besonders zu Worte kommen lassen. ¨ ber Band 2 habe ich schon einige Urteile von meist bescha¨mender U Anerkennung; ich halte ihn eigentlich fu¨r schlechter, als Bd. I; indeß man hat daru¨ber selbst ja kein abschliessendes Urteil. Fu¨r die Ferien habe ich mir nun eine no¨rdliche Reise zusammengereimt; von Stettin nach Stockholm, dann durch Schweden & Da¨nemark, darauf die deutsche Ostseeku¨ste bis Ko¨nigsberg und zuru¨ck. Wie scho¨n, tra¨fe ich Sie in Greifswald oder sonstwo an der Ostsee! Mit herzlichen Gru¨ßen an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin wie Ulmanns Ihr dankbarer Schu¨ler Lamprecht

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Leipzig, 27. Febr. 1893 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Ein Schu¨ler Bernheims ist bei L. fu¨r die Ausgabe der Rheinischen Urbare verpflichtet. – In stark angespannter familia¨rer Situation gelang L. die Vorbereitung weiterer Ba¨nde der „Deutschen Geschichte“. – Um den Lehrbetrieb zu fo¨rdern, unternimmt L. Umstrukturierungen im Historischen Seminar der Universita¨t Leipzig.

152 Vgl. oben Nr. 41 mit Anm. 139. 153 Karl Lamprecht, Deutsche Geschichte Bd. 3, Berlin 1893. – Vgl. die Besprechungen

zu den bis dato erschienenen Ba¨nden: W. Schultze in: Bla¨tter fu¨r Litterarische Unterhaltung Nr. 50 (1892); F. Hirsch in: Mitteilungen aus der Historischen Litteratur 21 (1893), S. 111–118; Literarisches Centralblatt 1892, Sp. 1756/57; G. Steinhausen in: Deutsche Literaturzeitung 1893, Sp. 1203–1206. – Zur Rezension G. v. Belows vgl. unten Anm. 162.

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Verehrter und lieber Lehrer und Kollege! Haben Sie herzlichen Dank fu¨r Ihre Zusendung! Fu¨r mich ist sie zugleich eine Art vorwurfsvoller Mahnung, so lange nicht an Sie geschrieben zu haben. Dazu kommt ein zweiter Stimulus. Wissen Sie, daß ich Dr. Helmolt154 fu¨r die Ausgabe der Rheinischen Urbare mit angestellt habe? Neulich, bei einem Koncerte, da die Herzen sich o¨ffneten, kam zufa¨llig heraus, wie viel er Ihnen dankt. Sie ko¨nnen denken, mit wie viel Freude Ihre beiden Schu¨ler auf Sie angestoßen haben. H[elmolt] ist u¨brigens einer der begabtesten Menschen, die mir vorgekommen sind. Ich hoffe, er verliert sich nicht wieder; dann kann man Großes von ihm erwarten. Von hier wenig Neues, und das Neue trauriger Natur. Meine arme liebe Frau hat sich doch daheim noch nicht halten ko¨nnen, und ich habe sie ausserhalb in eine benachbarte Heilanstalt bringen mu¨ssen.155 Es hat mich mehr mitgenommen, wie je; und erst jetzt finde ich in den Versicherungen der Aerzte, die Sache sei keineswegs aussichtslos, einige Beruhigung. In der bo¨sen Zeit habe ich mich denn auf die Arbeit gestu¨rzt und auch mit einigem Erfolge. Ich denke, daß Band 4 und 5 der Deutschen Geschichte 1894 und 1895 fertig werden sollen. Inzwischen haben wir nun hier auch große personale Umwa¨lzungen gehabt. Meine Absicht war, neben Lehmann156 ein hilfswissensch [aftliches] Ordinariat mit Arndt157 durchzudru¨cken, indeß erfolglos, da A[rndt] (und teilweis freilich mit Recht) zu viel perso¨nliche Gegner hat. Indeß darunter darf das Studium nicht leiden und so habe ich mit ihm angeku¨ndigt und auf dem rein ministeriellen Wege Arndt in eine Position gebracht, die gegenu¨ber den Studenten der eines Ordinariates etwa entspricht. Er tritt wieder ins Seminar, und so werden wir komplett sein.

154 Hans F. Helmolt, Schu¨ler Lamprechts, Prom. 1891, Mitarbeiter der Gesellschaft fu¨r

rheinische Geschichtskunde, Hrsg. einer neunba¨ndigen „Weltgeschichte“, Leipzig/Wien 1899–1907. 155 Vgl. Chickering, S. 116/117. Im Herbst 1892 war Mathilde Lamprecht zu ihrer Familie zuru¨ckgekehrt, erneute Zeichen ihrer psychischen Erkrankung machten aber im Februar 1893 eine Ru¨ckkehr in stationa¨re Behandlung no¨tig. Mit Emma Bruch, einer Jugendfreundin Mathilde Lamprechts aus Straßburg, verpflichtete L. eine Hausha¨lterin, die bis zu L.s Tod in seinem Haushalt lebte. 156 Max Lehmann (1845–1929), 1888–1892 o. Prof. der Geschichte in Marburg, u¨bernahm anschließend Ordinariate in Leipzig (1893) und Go¨ttingen, in Marburg wie in Leipzig Fachkollege L.s. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 73, S. 99–101. 157 Wilhelm Ferdinand Arndt (1838–1895), Historiker und Pala¨ograph, habil. Leipzig 1875, 1876 a. o. (1894 o.) Prof. fu¨r historische Hilfswissenschaften in Leipzig.

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L[Lehmann] erha¨lt einen hilfswissenschaftlichen Apparat. Mit dem ¨ nderungen vorgenomSeminar habe ich auch eine große Reihe von A men, die sich in die Formel bringen ließen: die neueren Hilfsmittel einer großen Bibliothek und o¨ffentliche Arbeitsra¨ume, aber das alte System kleiner, individualistischer Uebungen. Zu dem Zweck sind alle vorhandenen Lehrkra¨fte brauchbarer Art ins Seminar einbezogen worden; wir haben fu¨rs na¨chste Semester 5 Uebungen angeku¨ndigt. Werden Sie nach Mu¨nchen kommen?158 Ich hoffe. Und wie scho¨n wa¨rs da, ko¨nnten wir von hier zusammen fahren! Sie wu¨rden dann einen Tag bei uns bleiben und sich ausruhen, und dann ginge es weiter. Mit scho¨nen Gru¨ßen an Sie und Ihre geehrte Frau Gemahlin, wie Ulmanns und Herrn Dr. Altmann159 Ihr ergebenster Lamprecht

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Die Meinungsverschiedenheiten zwischen L. und Max Lehmann sind symptomatisch fu¨r die „Differenz historischer Anschauung, die jetzt zwischen Jung und Alt schwebt“. – Das im Anschluß an den Historikertag in Mu¨nchen beklagte schwindende Interesse an „Historischen Collegien“ ist Ausdruck vera¨nderten Bewußtseins: „das Interesse ist nur nicht mehr politisch, sondern entwicklungsgeschichtlich“. Hochverehrter Herr Kollege und Lehrer! Haben Sie besten Dank fu¨r Ihren letzten lieben Brief und die spa¨ter erfolgte Recension, die einmal wieder auffallend zeigt, wo in unseren Studien der Hund begraben liegt. 30. Mai: Der Brief ist leider lange liegengeblieben – und die zwischenstehenden Tage haben mir viel Bewegung gebracht. Ich war in Schulpforte zum 350j. Schulfeste und habe fast alle meine alten Schulkameraden, zuna¨chst die meiner Ordnung, aber auch ferner stehende gesehen. Da mu¨ssen Sie schon entschuldigen, daß ich nicht zu Pfingsten, wie ich die Absicht hatte, [unleserlich] mit einem Briefe eingeru¨ckt bin.

158 I. Versammlung deutscher Historiker in Mu¨nchen, 5.–7. April 1893. 159 Wilhelm Altmann (1862–1951), Assistent (1886) und Kustos der Uni.-Bibl. Breslau

(1887), Uni.-Bibl. Greifswald (1889), Oberbibliothekar an der Kgl. Bibl. Berlin (1900).

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So haben Sie auch die Sonderabzu¨ge des sonderbaren Intermezzos zwischen Lehmann und mir ohne Commentar empfangen.160 Ich denke, es wird nur ein Vorscharmu¨tzel gewesen sein; denn auf die Dauer la¨sst sich die Differenz histor. Anschauung, die jetzt zwischen Jung und Alt schwebt, schwerlich verkleistern. Ich bin ganz glu¨cklich, daß hier in Leipzig sofort Klarheit geschaffen ist; merkwu¨rdiger Weise giebt es Kollegen, welche glauben, daß daru¨ber das perso¨nliche Verha¨ltnis zwischen Lehmann & mir in die Bru¨che gegangen sei! Bezeichnend fu¨r die moderne „Toleranz“! Vielleicht erhalte ich selbst bald Gelegenheit, auf die Dinge genauer einzugehen, falls sich bewahrheiten sollte, daß Sybel161 sich fu¨r die Hist. Zs. [Historische Zeitschrift] eine große Rezension v. Belows u¨ber m. Deutsche Geschichte, mit der dieser an vielen Thu¨ren vergebens hausiert hat, zum Abdruck „gesichert“ hat.162 Sollte das der Fall sein, so ließe sich hier wohl einmal allgemeiner die Sache beleuchten. Ich glaube auch, daß man jetzt mit v.B. [von Below] viel einfacher verfahren kann, nachdem seine letzte Schrift gegen Schmoller163 auch dem blo¨desten Fachgenossen gezeigt haben muß, wes Geistes Kind er ist. Ich lese soeben den Aufsatz von Lorenz in den Grenzboten u¨ber die Mu¨nchner Verhandlungen164, und seine Klagen u¨ber geringe Ho¨rerzahl in Histor[ischen] Collegien bringen mich auf eine Frage Ihrerseits betr. kulturgeschichtliche Vorlesungen. Ich lese in diesem Semester „Einfu¨hrung in das kulturgesch. & politische Versta¨ndnis der Gegenwart“ 2stu¨ndig privatim Mittwochs 5–7 Uhr (also freilich zu sehr gu¨nstiger Zeit) vor ca. 250 Leuten, die sehr regelma¨ßig kommen. Es ist in nuce eine kurze deutsche Kulturgeschichte. Eingeschrieben haben sich ca. 110; die große Zahl der Nassauer beweist, wie viele im Kolleg sind, die es „eigentlich nicht no¨tig haben“: also Nichtphilologen, Nichthistoriker. Unter den Eingeschriebenen sind 27 Juristen, ca. 30 Theologen und – 3 Naturwissenschaftler. Ich kann also von hier nur sagen, daß das allgemeine Interesse wohl noch vorhanden ist: es will nur nicht an rein politische

160 Vgl. Karl Lamprecht, Erwiderung auf Lehmanns Antrittsrede. In: Zeitschrift fu¨r Kul-

turgeschichte N. F. 1 (1894), S. 248–250 und Max Lehmann, Geschichte und Naturwissenschaft. Antrittsrede in Leipzig. In: Ebd., S. 245–248. 161 Heinrich von Sybel (1817–1895), Historiker und Politiker, Schu¨ler Leopold von Rankes, Prof. in Marburg (1846), Mu¨nchen (1856) und Bonn (1861); Gru¨nder der Historischen Zeitschrift (1859). 162 Georg von Below, Rezension von Karl Lamprecht, Deutsche Geschichte Bd. 1–3. In: Historische Zeitschrift 71 (1893), S. 465–498. 163 Gustav Schmoller (1838–1917), Nationalo¨konom und Historiker. 164 Vgl. oben Nr. 44. – Ottokar Lorenz, Die Versammlung deutscher Historiker in Mu¨nchen. In: Grenzboten 52 (1893), S. 356–363 und S. 389–398.

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Geschichte, namentlich nicht der fru¨heren Zeit. Sogar in Reformationsgeschichte habe ich in diesem Semester nur 43 Leute – freilich zu ungu¨nstiger Zeit. Ich glaube somit, daß die allgemeinen Klagen u¨ber abnehmendes histor[isches] Interesse nicht vo¨llig berechtigt sind: das Interesse ist nur nicht mehr politisch, sondern entwicklungsgeschichtl[ich] Ich glaube auch, daß sogar die Naturwissenschaftler fu¨r solche Auffassung Sinn und Zeit haben; wenigstens gilt das hier in hervorragendem Maße von den Kollegen. Warum also nicht auch von den Studenten? Es sind das Dinge, die wohl auch einmal die o¨ffentliche Ero¨rterung verdienten – vielleicht auf dem kommenden Osterkongreß?165 Ich bin neugierig, wie die Dinge auf diesem laufen werden; vor allem aber empfinde ich schon jetzt ein gewisses Grauen vor der mit dieser Sache verbundenen Arbeit. Es ist hier die Arbeitszeit an sich schon so furchtbar beschra¨nkt: dazu kommen momentan die Gru¨ndungssorgen einer Sa¨chs[ischen] Hist[orischen] Commission166 – und nun auch noch diese Schreibereien! Hoffentlich kommt etwas dabei heraus. Im Seminar laufen jetzt hier die Dinge pra¨chtig. Vor allem haben wir den Personenwechsel benutzt, um ein Heidengeld herauszuschlagen. Fu¨r 18. u 19. Jahrhundert ein Extraordinarium von 2.000 M., fu¨r Hilfswissenschaften 1.500 M. Dazu eine Erho¨hung des Ordinarius dahin, daß wir fu¨r die Bibliothek etwa 2.700 M. ja¨hrlich haben und nebenher fu¨r sachliche & perso¨nliche Ausgaben etwa 1.800 M. Da la¨sst sich etwas machen; und bei guter Beru¨cksichtigung antiquarischer Ka¨ufe ko¨nnen wir wohl im Laufe der Jahre jedem berechtigten Anspruch genu¨gen. Wenn nur die Frequenz besser wa¨re! Wir haben zwar noch immer ca. 43 – 45 Leute (fru¨her bis 60) – aber die jungen Semester fehlen! Arndt ist nun wieder ganz tha¨tig; dies Semester vor Allem mit Urkundenlehre, und es macht mir Spaß, ihn mit dem vollsten Ausdruck innerer Befriedigung sta¨ndig u¨ber seine verlorene Zeit und seine furchtbare Arbeitslast seufzen zu ho¨ren. Mit m[einer] l[ieben] Frau geht es langsam besser; ich besuche sie von Zeit zu Zeit mit den Kindern; wir du¨rfen hoffen. Bei Ihnen ist hoffentlich Alles sehr wohl; zu der Vermehrung der Familie167 nachtra¨glich die herzlichsten Glu¨ckwu¨nsche Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gemahlin! Dazu noch die Bitte scho¨ner Empfehlung bei Ulmanns und herzlichen Gru¨ßen von Ihrem dankbar ergebenen Lamprecht

165 II. Versammlung deutscher Historiker in Leipzig, 29. Ma¨rz – 1. April 1894 in Leipzig. 166 Vgl. unten Nr. 56. 167 1893 wurde Bernheims Sohn Rudolf als drittes Kind der Familie geboren.

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Greifswald, 16. Juli 1893 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Wie L. fordert auch Bernheim die Abkehr von einer „einseitig politischen Richtung“ der Geschichtswissenschaft. Das allgemeine Interesse richtet sich auf „Stoffe von aktueller, direkter Bedeutung fu¨r die Gegenwart“. „Ist man vielleicht zu lange ‚Staat-Historiker‘ gewesen?“ – Welche Motive stehen hinter dem plo¨tzlichen Weggang Max Lehmanns nach Go¨ttingen? Lieber Lamprecht! Besten Dank habe ich Ihnen zu sagen fu¨r Ihren interessanten Brief und Ihre nicht minder interessanten Sendungen! Aus Ihren Mitteilungen u¨ber die Erregung in verschiedenen Collegien scheint mir u¨bereinstimmend mit meinen Beobachtungen hervorzugehen, daß das Interesse an der politischen Geschichte im allgemeinen sehr abgenommen hat, noch mehr aber das an der Kunde der Vergangenheit an sich: es sind die Stoffe von „aktueller“ direkter Bedeutung fu¨r die Gegenwart, die eine rege allgemeine Teilnahme finden. Besonders deutlich zeigt sich das m. E. daran, ¨ bersichtsvordaß die von unserer Regierung angeregten summarischen U lesungen, wie Deutsche Geschichte von [den] Teut[onen] bis Bismarck oder Ro¨mische Geschichte 2–4 stu¨ndig, gar keinen Anklang finden, weder bei den Historikern noch bei den anderen Fakulta¨tsangeho¨rigen, fu¨r die sie vorwiegend bestimmt sein sollten. Dagegen wird ein Publikum u¨ber die Welt- und Geschichtsauffassung des modernen Socialismus, das ich im Winter lese, wahrscheinlich wieder „ziehen“. Eine seltsame Ironie der „Geschichte“ ist es, daß gerade jetzt, da u¨berall die Seminare und Bibliotheken mit Hilfsmitteln in u¨ppigster Weise ausgestattet sind, das Publikum so stark abnimmt. Ist man vielleicht zu lange „Staat-Historiker“ gewesen? Jedenfalls mu¨ssen wir Dozenten uns gegen die neuen Stro¨mungen nicht unwirsch abschließen, wie es wohl vielfach von der alten Richtung geschieht, sondern uns kra¨ftig hineinbegeben und das Brauchbare, Lebenskra¨ftige daraus herausholen, wie Sie und manche andere es thun und auch ich es durch mein Lehrbuch zu bewirken suche. Verfehlt (im weitesten Sinne der Entwicklung unserer Wissenschaft) scheint mir aber das Bestreben, wie es u. a. von Lehmann so scharf auch in Leipzig vertreten wird, die Geschichte ich mo¨chte sagen zu verstaatlichen, spezieller noch: zu monarchisieren. Denn darauf la¨uft seine Theorie doch hinaus. Meiner Ansicht nach kann der große Gegensatz zwischen Individualismus und Socialismus (besser Massenwirkung), der unsere Zeit wie auf allen Gebieten so auch auf dem der Geschichtswissenschaften bewegt,

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nicht durch die einseitige Herrschaft einer der beiden Momente gelo¨st werden, sondern nur durch eine tiefgreifende Verso¨hnung der beiden. Die Begu¨nstigung der einseitig „politischen“ Richtung, die von oben her bei uns jetzt zu herrschen scheint, du¨nkt mich fu¨r die ganze Entwicklung unserer Wissenschaft recht nachteilig. In dieser Hinsicht ist uns das Ausland auf einmal weit u¨berlegen geworden. Ihre Abhandlung u¨ber die Wandlungen vom 14.–16. Jahrhundert168 hat mich wieder durch die Darlegung der großen Zusammenha¨nge in der Tiefe sehr erfreut und ich sehe Ihrem 5ten Band169 mit doppelter Erwartung entgegen. Ihre Mitteilungen u¨ber Arndt haben mich auch recht gefreut. Ich scha¨tze ihn als Forscher und Autor sehr, ohne ihn perso¨nlich irgend na¨her zu kennen. ¨ bergang nach Go¨ttingen fu¨r eine Aber was ist das mit Lehmanns’s U 170 unbegreifliche Geschichte! Nach außen hin macht es einen unerho¨rten Eindruck, daß er nach kaum wenigen Monaten aufku¨ndigt. Man meint, er mu¨sse einen großen Ruf gehabt haben. Daß er in Go¨ttingen Ulmann in die Quere gekommen ist, thut mir Ulmann’s wegen, der so wieder zuru¨ckgestellt wird, ungemein leid. Ich mo¨chte gerne wissen, wenn Sie es sagen ko¨nnen und wollen, wie das zusammenha¨ngt. An Pfingsten war ich diesmal nach langer Zeit auf der Hanseversammlung in Stralsund. Der Eindruck, den ich davon hatte, war der, daß der Verein seine Blu¨tezeit hinter sich hat. Man bewegte sich vorzugsweise in wehmu¨tigen Reminiscenzen an fru¨here Zeiten und Perso¨nlichkeiten, junges frisches Leben war wenig zu bemerken. Dabei ein starker Publikumsdrang. Hoffentlich gestaltet sich die neue Historikerversammlung allweitig gedeihlich zu guter Wirkung. Die ersten Anzeigen waren viel gu¨nstiger, als ich erwartete. Privatim geht es mir und den Meinen auf’s Beste. In den Ferien denke ich in die Schweiz zu gehen. Mit den besten Wu¨nschen fu¨r Ihr Wohl und das der Ihren, und mit den besten Gru¨ßen der Ihre E. Bernheim

168 Vgl. Karl Lamprecht, Zum Versta¨ndnis der wirtschaftlichen und sozialen Wandlungen

in Deutschland vom 14.–16. Jh. In: Zeitschrift fu¨r Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1 (1893), S.191–263. 169 K. Lamprecht, Deutsche Geschichte. Bd. V.1 (1894), Bd. V.2 (1895). 170 Zur Erkla¨rung K. Lamprechts vgl. unten Nr. 47.

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Leipzig, 24. Juli 1893 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

¨ ber Ursachen und Gru¨nde des Weggangs von Max Lehmann aus LeipU zig kann L. nur spekulieren, vermutet jedoch, selbst „Stein des Anstoßes“ gewesen zu sein. Verehrter Lehrer, Kollege und Freund! Werden Sie mir nicht zu¨rnen, wenn ich Ihren lieben Brief vom 16. diesmal relativ kurz beantworte? Aber ich will Sie doch bald u¨ber „Lehmanns Fall“ unterrichten, wa¨hrend ich andererseits durch Dissertation, Commerse mit Reden und dgl., nicht zum Geringsten auch durch die Sorge um einen Kunsthistoriker und den neueren Historiker in eine Polypragmosyne hineingeraten bin, die ich verabscheue, und die mir kaum Zeit zur Besinnung la¨ßt. Der Fall Lehmann171 ist mir fast so ra¨tselhaft, wie er Ihnen sein wird. Ich kann nur constatieren, daß seit einer Anzahl von Wochen, seit den Verhandlungen mit Go¨ttingen, sich L. von mir ga¨nzlich fern gehalten hat, wie auch von allen anderen – vermutlich aus Scham – nicht einmal ins Sprechzimmer ist er mehr gekommen (doch soll man ihn Freitag gesehen haben): sondern er stand in einem offenen Thorweg und wartete der Zeit seines Kollegs. Im u¨brigen weiß ich nur, daß es ihm hier nicht gefallen hat; er klagt u¨ber Wohnung (durch seine Schuld; er hat zu rasch und zu theuer gemietet), u¨ber Straßenpflaster, u¨ber Ba¨ume, Wiesen, Wa¨lder, u¨ber alles. Sein Marburger Freund hier, Heinrici172, hat ihn fu¨r verru¨ckt erkla¨rt, und ist ga¨nzlich mit ihm auseinander; die Mediziner halten ihn fu¨r hysterisch. Soll ich bessere Vermutungen, als diese a¨ussern, so wa¨re etwa Folgendes anzufu¨hren. L[ehmann] ist so mit Leib und Seele bei s[einen] Sachen, daß er fremde Meinungen nicht mehr anders versteht, als mit einem Teile [unleserlich] – er missbilligt sie nicht bloß, sondern grollt ihnen. In dieser Richtung bin ich ihm ein Stein des Anstoßes gewesen. Ich habe allerdings vor seiner Berufung ihm geschrieben, ich wu¨sste, wie verschieden wir da¨chten; aber ich wu¨rde seine abweichende Meinung scha¨tzen. Die

171 Vgl. Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 231 und ders., Karl Lamprecht. Zur

100. Wiederkehr seines Geburtstages. In: Archiv fu¨r Kulturgeschichte 37 (1955), S. 277ff.

172 C. F. Georg Heinrici (1844–1915), Theologe; Prom. in Halle (1866), Habil. Berlin (1871),

o. Prof. in Marburg (1874) und Leipzig (1892).

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Thatsache, daß er einen event. Ruf hierher anna¨hme, wu¨rde mich zur gleichen Annahme betr. seiner Person mir gegenu¨ber berechtigen. Aber die Antwort war, daß er den Ruf annahm & seine – na¨chstens in den JBn [Preuss. Jahrbu¨chern] erscheinende, leider aber wahrscheinlich (auf meinen eigenen Rat!) gema¨ssigte – Antrittsrede hielt.173 In ihr war u.A. zu ho¨ren, die Wirtschaftsgeschichte sei eine der Fru¨chte der Sozialdemokratie u. dgl. mehr. Ich habe darauf gute Miene gemacht, nicht aber so die Studenten. Die nahmen die Sache ernst, schickten mir ein paar Leute auf den Hals, die ihre Empo¨rung aussprachen u. a. m. Darauf habe ich in einer Kollegstunde, unter vollem Aufdecken der sachl[ichen] Gegensa¨tze, in die Geschichte Maß zu bringen gesucht. Das hat L[ehmann] auch durchaus gebilligt. Aber ein Stachel scheint geblieben zu sein. Dazu kam, daß die Studenten allerdings von ihm nichts Rechtes wissen wollten. Im Colleg blieb ein gewisser Stamm, aber ziemlich die Ha¨lfte verlief sich. Im Seminar galt er etwas als figura comica, da er ein paar Mal ohne Grund in Zorn geraten war und dann Einzelnen merkwu¨rdige Dinge zugemutet hatte. So mag er wohl empfunden haben, daß er hierher nicht passe. Vielleicht hat auch den eingefleischten Preußen die gru¨n-weiße Sitte abgestoßen. Freilich: alle diese Dinge waren keineswegs so acut, daß sie L[ehmann]s Schritt eigentlich ganz erkla¨ren. Etwas Ra¨tselhaftes bleibt, u¨brigens auch fu¨r s[eine] Frau, die u¨ber den Weggang ganz unglu¨cklich ist.174 Fu¨r uns heisst es: wen nun? Wieder ein Sybelianer? Es wa¨re ein neues Experiment. Mit herzlichen Gruße an Ulmann und vor Allem Sie Ihr dankbar ergebener

Lamprecht

M[einer] l[ieben] Frau geht es etwas besser; vielleicht kann ich im Herbst einige Wochen mit ihr in den Harz gehen oder sonstwohin. Ich bleibe darum hier oder in der Na¨he, um dies abzuwarten.

173 Die Drucklegung der Antrittsrede Max Lehmanns erfolgte nicht. Vgl. die Vero¨ffentli-

chung in: Zeitschrift fu¨r Kulturgeschichte.

174 Vgl. Chickering, S. 155–157 und Schorn-Schu¨tte, S. 99–101.

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Leipzig, 28. Dez. 1893 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die Nachfolge Lehmanns in Leipzig konnte noch nicht geregelt werden, da mit Koser aufgenommene Verhandlungen scheiterten. – Die Auseinandersetzungen zwischen L. und v. Below nehmen „den erwu¨nschten Gang“. Lieber und verehrter Herr Kollege! Diese Zeilen kommen etwas spa¨t als Dank fu¨r Ihr scho¨nes und kostbares Geschenk.175 Kann mich etwas dahin beruhigen, so ist es die Thatsache, daß ich Ihnen jetzt schon melden kann, wie das mir dedizierte Exemplar des Methodenbandes schon gute Dienste gethan hat; es kam Freund Wundt eben recht fu¨r den 2ten Band seiner Logik.176 Freilich ist Wundt nicht ganz Ihre Farbe – aber das ist ja gut nebensa¨chlich. Fru¨her geschrieben haben wu¨rde ich gleichwohl, ha¨tte ich nicht in diesem Semester unsinnig mit lauter Allotria zu thun gehabt. Teilweis Wirkung der histor[ischen] Vakanz! Ich habe infolgedessen 9 Dissertationen durchzupru¨fen gehabt, darunter solche bis zu 1.700 Folioseiten eng geschrieben; dann gar die Berufungssache! Mit Koser177 sind wir nun gescheitert – ein politischer Fehler Preußens, der sich nach K[o¨nig] Alberts Tode schwerlich wird wieder gutmachen lassen. Ich begreife insofern Althoff178 nicht. Denn Koser war anfangs durchaus bereit zu kommen, und nur Berliner Einwirkungen haben ihn abgehalten. Jetzt haben wir nun wieder lange auf dem Dreifuß gesessen und hoffentlich, trotz schwerer Ka¨mpfe, das Ansta¨ndigste zu Stande gebracht. Zwischendurch aber dra¨ngen meine Kollegen noch immer weiter auf mich ein, ich solle in die neuere Geschichte u¨bergehen. Was aus alledem wird? Qui vivra verra. Die Below-Affaire la¨uft nun den erwu¨nschten Gang. v. Below hatte erst eine wu¨tende Entgegnung gegen mich an die DLZ [Deutsche Literatur-Zeitung]179 eingesandt, hat diese dann aber auf ho¨here Berliner 175 Wohl: Bernheims Lehrbuch der historischen Methode. 176 Wilhelm Wundt, Logik: Eine Untersuchung der Prinzipien der Erkenntnis und der

Methoden wissenschaftlicher Forschung. 2 Bde. Stuttgart 1880–1883. 2. Aufl. Stuttgart 1894–1895. 177 Reinhold Koser (1852–1914), 1891–1896 o. Prof. der Geschichte in Bonn, 1896 Direktor des Geh. Staatsarchivs in Berlin. 178 Friedrich Althoff (1839–1908), Dezernent im preußischen Kultusministerium. 179 Vgl. oben Nr. 43.

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Einwirkung zuru¨ckziehen und ein Schiedsgericht proponieren mu¨ssen – jenes Schiedsgericht, das aus der letzten Nr. der DLZ erhellt180. Damit wird er hoffentlich einmal ordentlich gefasst. Freilich beginnt er alsbald zu kneifen; Brunner181, den ich ihm als Obmann vorgeschlagen, will er ablehnen, weil er kein „Vertreter der Geschichtswissenschaft“ sei! Ich bin neugierig, wie die Sache laufen wird. Ich werde ihm in formalen Dingen alle nur mo¨glichen Konzessionen machen, damit das Schiedsgericht unter allen Umsta¨nden zusammenkommt. Aber er wird sich zu dru¨cken suchen bis ins letzte Winkelchen. – Lehmann, den groben Schimpfer, beabsichtige ich nicht zu fragen; ich habe ihn im verflossenen Sommersemester als zeitweis unzurechnungsfa¨hig kennengelernt. Scho¨ne Geschichten das! Aber woher? Weil Sybel, „der erste der jetzt lebenden Historiker“, wie er sich in einer Annonce der Hist[orischen] Zs. [Zeitschrift] jetzt freundlichst zu nennen beliebt, ein Mann ohne Sittlichkeit ist: er ha¨tte gegen Leute, wie v. B[elow] oder Pflugk-Harttung182 einzuschreiten gehabt. Stattdessen? So bleibt nichts u¨brig, als daß jeder vor seiner Thu¨r die Polizei macht. Hoffentlich wirds im neuen Jahr besser. Jedenfalls mo¨chte ich Ihnen und Ihrer ganzen Familie von Herzen wu¨nschen, daß es ein voll Gesegnetes sei. Bei uns geht’s auch ein wenig besser – heute darf ich mit m[einer] l[lieben] Frau ins Theater gehen! Apropos: Ostern habe ich doch die besondere Freude, Sie hier zu begru¨ßen? Das Programm wird demna¨chst versandt und verspricht Manches, namentl. auch Methodisches.183 Aber bitte, kommen Sie nicht erst am Mittwoch nach Ostern, sondern schon Dienstag, wenn mo¨glich. In alter Verehrung Ihr dankbarer

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¨ berlastung“ und „u¨bergroßer Bescha¨fL. kann sich „der absoluten U tigung“: nicht entziehen: Sein Alltag ist bestimmt von der Lehre am stark frequentierten Leipziger Seminar, der Arbeit an der „Deutschen Geschichte“ und der Organisation des na¨chsten Historikertages. Hier soll

180 Vgl. Scho¨nebaum, Lamprecht, S. 275ff. 181 Heinrich Brunner (1840–1915), Jurist, o. Prof. in Prag (1870), Straßburg (1872) und Ber-

lin (1873), u. a. Mitglied der Kgl. preuß. Akademie der Wissenschaften. 182 Vgl. Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 232. 183 Historikertag in Leipzig zu Ostern (29. Ma¨rz–1. April) 1894.

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Leipzig, 8. Dez. 1894

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erstmals das Problem „Die Ausbildung des Historikers auf der Universita¨t“ thematisiert werden, Bernheim hat man fu¨r das Hauptreferat vorgesehen. – L.s „ha¨usliches Leid ist freilich noch das alte [...]“. Hochverehrter Lehrer, Kollege und Freund! ¨ bersendung Noch immer habe ich Ihnen nicht fu¨r Ihre so freundliche U des Aufsatzes u¨ber die Sa¨chsische Kaiserchronik184 gedankt. Und was schlimmer ist: auch heute bin ich noch nicht dazu gekommen, ihn zu ¨ berlastung entschuldigen. lesen. Ich kann mich nur mit der absoluten U Wir haben hier seit der Reorganisation des Seminars solchen Andrang (dies Semester 55 Mitglieder), daß ich mit zwei, mich schwer bescha¨ftigenden Uebungen wo¨chentlich herhalten muß; dazu kommt der Verleger der D[eutschen] Gesch[ichte], der, nachdem er ohne mein Wissen hat drucken lassen, V.2 wu¨rde zu Ostern erscheinen, jetzt gar zu dra¨ngen versucht, und außerdem die 2te Aufl. von II & III fordert. Und endlich, welche Schreibereien hat mir der neue Historikertag gemacht! Jetzt endlich aber sind wir wirklich wohl gebettet. Wir gehen nach Frankfurt,185 und wir haben auch schon wenigstens die besonders schwer erha¨ltlichen Vortra¨ge: Bu¨cher hier186 u¨ber Frankfurter Finanzen im Ma., und Meyer in Halle187 u¨ber Alexander d. Gr. Aufgefordert wird jetzt weiter v. Sybel zum Vortrag und zur Uebernahme des Ehrensitzes (dies einstweilen vertraulich). Von Discussionsthemata soll das Stievesche jetzt erst recht in Gang gesetzt werden; es ist das voriges Mal, wo das Menu¨ zu stark war, entschieden zu kurz gekommen. Daneben wollen wir nur noch ein Thema aufstellen: „Die Ausbildung des Historikers auf der Universita¨t.“ Hier ko¨nnen ja alle, Schulma¨nner wie Archivare und Professoren mitsprechen. Und hier beginnt nun auch mir, und mit mir bittend, der Ausschuß zu reden! Wu¨rden Sie wohl das Hauptreferat u¨bernehmen? Es ist so zu sagen ja unumga¨nglicher & reifer Erwerb Ihrer litterar[ischen] Tha¨tigkeit und fa¨llt Ihnen wie eine Notwendigkeit zu. Das war unser aller Meinung. Zum Thema selbst bemerke ich nur, daß wir dabei nicht eigentlich an Seminar- (Uebungs-) Technik denken, sondern etwa an die Fragen, die in unseren, Ihnen m. W. schon fru¨her u¨bersandten Ratschla¨gen 184 Vgl. E. Bernheim, Die sagenhafte sa¨chsische Kaiserchronik aus dem 12. Jahrhundert. In:

Neues Archiv 20 (1895), S. 51–123. 185 III. Versammlung deutscher Historiker in Frankfurt a. M., 18.–21. April 1895. 186 Karl Bu¨cher (1847–1930), o. Prof. fu¨r Nationalo¨konomie in Dorpat (1882), Basel (1883),

Karlsruhe (1890), Leipzig (1892–1917). – Vgl. das Schreiben von Karl Lamprecht an Henri Pirenne vom 12. Dezember 1894, unten Nr. 103. 187 Eduard Meyer (1855–1930), o. Prof. fu¨r alte Geschichte in Breslau (1885), Halle (1889) und Mu¨nchen (1902). – Vgl. ebenfalls unten Nr. 103.

Nr. 50

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Leipzig, 13. Ma¨rz 1895

beru¨hrt sind. Der Sicherheit halber aber sende ich Ihnen ein Ex[emplar] dieser Rathschla¨ge188 nochmals zu. Als Korreferenten glauben wir am besten Gymnasialleute zu wa¨hlen, und zwar Vogt189 (Bayern, Augsburg) & Koldewey190 (Braunschweig). Und nun hoffe ich, Sie erteilen uns keinen Korb. Mir geht es im Ganzen Gott sei Dank gut, trotz aller Arbeit und trotz manchmal u¨bergroßer Bescha¨ftigung auch im Reden. Und vor allem geht es uns allen zusammen hier ausgezeichnet. Es ist jetzt ein so glu¨ckliches Zusammenarbeiten. Wie viel weiter gelangen wir da! Mo¨ge es immer so bleiben. Mein ha¨usliches Leid ist freilich noch das alte, wenn ich gleich heute das große Glu¨ck hatte, mit meiner l[ieben] Frau zusammen Weihnachtseinka¨ufe zu machen, & wenngleich meine beiden Ma¨dels brillant heranwachsen. Und wie stehts bei Ihnen? Hoffentlich recht wohl. Ulmann ist mittlerweile Geheimder geworden: darf ich Sie bitten, ihm Gruß & Glu¨ckwu¨nsche zu u¨bermitteln? Mit der Bitte um nicht allzulang verzo¨gerte Antwort in alter Verehrung und Dankbarkeit Ihr treuer Schu¨ler Lamprecht

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Leipzig, 13. Ma¨rz 1895 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Bernheim soll nach Informationen L.s auf den zu besetzenden Lehrstuhl fu¨r Hilfswissenschaften an die Universita¨t Leipzig berufen werden. Zusammen mit Marcks und L. ko¨nnte dann Bernheim auch die Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft u¨bernehmen. „Es wa¨re ein herrliches Zusammenarbeiten.“ Hochverehrter Lehrer, Kollege und Freund! Sie werden gewiß schon wissen, daß Sie hier fu¨r unser vakantes hilfswissenschaftliches Ordinariat an erster Stelle vorgeschlagen sind.191 Wie 188 Vgl. Ratschla¨ge fu¨r das Studium der mittleren und neueren Geschichte (gedruckt in:

Bericht u¨ber die dritte Versammlung deutscher Historiker, Frankfurt. Leipzig 1895, S. 37ff.). 189 Wilhelm Vogt, Gymnasialrektor, Augsburg. 190 Friedrich Koldewey, Gymnasiallehrer, Braunschweig. 191 Durch den plo¨tzlichen Tod von Wilhelm Arndt, Prof. fu¨r Hilfswissenschaften, im Fru¨hjahr 1895 stand nun eine Neubesetzung des Lehrstuhls an.

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Nr. 51

Leipzig, 23. Ma¨rz 1895

wu¨rde ich mich von Herzen freuen, ka¨men Sie hierher; und wie freue ich mich, schon jetzt, nachdem unser Bericht sicher beim Ministerium angelangt ist, mein Schweigen brechen zu ko¨nnen! Nach hiesigem Usus ist wohl kein Zweifel, daß das Ministerium an Sie gehen wird, falls nicht etwa die jetzt auch in Sachsen eingetretene Geldklemme den Minister bestimmen sollte, zuna¨chst zu einem Extraordinariat zuru¨ckzugreifen, wozu er nach Lage des Budgetrechts berechtigt wa¨re. Indeß ich hoffe das doch nicht; wir haben auch den Wunsch nach einem Ordinariat besonders betont; und so denke ich, daß ich Ihnen vielleicht bald u¨ber allerlei Leipziger Verha¨ltnisse werde Auskunft zu erteilen haben: wozu ich mich hiermit nach allen Seiten hin erbiete. Dazu noch ein Weiteres. Sie haben ein paarmal nach dem Schicksal von Quiddes Z[eitschrift] angefragt.192 Ich habe darauf ausweichend geantwortet. Jetzt kann ich Ihnen vertraulich mitteilen: sie ist Marcks193 & mir schon vor Weihnachten angeboten. Wir haben damals Arndt ins Geheimnis gezogen & wollten die Sache alle Drei zusammen, mit einem sich jetzt hier habilitierenden Dozenten als Sekreta¨r, machen. Wu¨rden Sie nun auch in dieser Sache eventuell an Arndts Stelle treten? Ich hoffe. Es wa¨re ein herrliches Zusammenarbeiten. Anbei noch eine Kleinigkeit; hoffentlich findet sie Ihre Billigung.194 Ich sitze jetzt in der Zeit von 1555 bis 1648, habe das Langweilige hinter mir und gehe mit Freuden in die holla¨ndische Kultur. In alter Verehrung Ihr dankbar ergebener

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Lamprecht

Leipzig, 23. Ma¨rz 1895 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Da an der Leipziger Universita¨t kein Ordinariat fu¨r Hilfswissenschaften bewilligt wird, ist mit einer Berufung Bernheims nach Leipzig nicht mehr zu rechnen. Das geschaffene Extraordinariat wird an Seeliger gehen. – Werden Bernheim und Ulmann zum Historikertag nach Frankfurt kommen? 192 Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft. 193 Erich Marcks (1861–1938), Prof. fu¨r Neuere Geschichte in Freiburg (1892), Leipzig

(1894), Heidelberg (1901), Hamburg (1907), Berlin (1922). Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 104ff.

194 K. Lamprecht, Die Herrlichkeit Erpel. Ein wirtschafts-, sozial- und verfassungsge-

schichtliches Paradigma. In: Beitra¨ge zur Geschichte vornehmlich Ko¨lns und der Rheinlande. Zum 80. Geburtstag Gustav v. Mevissens dargebracht vom Archiv der Stadt Ko¨ln. Ko¨ln 1895.

Nr. 51

Leipzig, 23. Ma¨rz 1895

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Hochverehrter Lehrer, Kollege und Freund! Nun ist der Minister zur Besprechung bei mir gewesen – und alle scho¨nen Tra¨ume sind zerronnen! Kein Geld fu¨r ein Ordinariat! Das ist wohl in Sachsen noch nicht dagewesen. Wir stehen unter dem Drucke des Reichsfiscus. Und noch etwas Anderes kam hinzu. Arndt war hier erst nach schweren Ka¨mpfen Ordinarius geworden, es hat eigentlich von 1874–94 gebraucht, ehe die Fakulta¨t ihn mochte. Und nun, als er vorgeschlagen war, fehlte bei unseren zweija¨hrigen Budgetperioden zuna¨chst die materielle Unterlage. Nachdem er nun so vorzeitig gestorben ist, ehe diese Unterlage im Budget geschaffen war, ha¨lt sich der Minister um so mehr, als er an zweiter Stelle einen Mann vorgeschlagen sieht, den er hoffen darf als Extraord[inarius] zu erhalten, an das Gegebene.195 Man kann es ihm ja von seinem Standpunkt aus nicht verdenken, um so weniger, da er ausdru¨cklich das Ordinariat in der Potenz anerkennt. Und so war denn sein erstes Wort gleich: unter den einmal vorliegenden Verha¨ltnissen ko¨nne er auf ein Ordinariat fu¨r die momentane Besetzung nicht „zukommen“, wie der sa¨chs. Kanzleijargon lautet. Nach Allem, was darauf folgte und von ihm gea¨ndert wurde, werden wir wohl Seeliger erhalten. Ich ha¨tte mich namentlich auch in Sachen des Schicksals der Quiddeschen Z[eitschrift] so gefreut, von Ihnen beraten zu sein; darf aber gewiß bitten, daß Sie in diesem Punkte eingehend so thun, als wa¨ren Sie hier. Die Sache ist durchaus nicht leicht. Rein materielle Fragen! Ja, wenn wir ein Actionskapital von etwa 3.000 M. ha¨tten! Dann sollte das Ganze florieren. Ich hoffe, Sie kommen nach Frankfurt196; dann ko¨nnten wir das Ganze einmal genauer durchsprechen. Vorla¨ufig sehe ich auch noch nicht klar, namentlich in den Organisationsfragen: da kommt es eben darauf an, wer nun Arndts Nachfolger wird. Mit Frankfurt scheint es zu gehen; vollkommen klar und scho¨n la¨sst sich die Konferenz der „Publicationsinstitute“ an.197 Ist der Eifer so groß, als die Frequenz, so kommen wir tu¨chtig weiter. 195 Gerhard Seeliger (1860–1921), Mittelalterhistoriker, Studium in Berlin und Wien, 1887

Habil. in Mu¨nchen, seit 1895 o. Prof. in Leipzig, 1905/06 als Rektor. Seeliger, der Mitbewerber Bernheims um die Nachfolge von Wilhelm Arndt in Leipzig, erhielt schließlich doch ein Ordinariat. Vgl. Chickering, S. 163. Vgl. zur weiteren Entwicklung der Berufungsangelegenheit unten Nr. 52. 196 III. Versammlung deutscher Historiker in Frankfurt a. M., 18.–21. April 1895. 197 Seit dem zweiten Historikertag in Leipzig 1894 tagte die auf Initiative L.s sich auf dem Historikertag in Frankfurt (1895) endgu¨ltig konstituierende „Konferenz von Vertretern landesgeschichtlicher Publikationsinstitute“ parallel zu den Historikerversammlungen. Vgl. die „Beratung u¨ber Stand und Bedeutung der landesgeschichtlichen Studien, insbesondere u¨ber die Arbeitsgebiete der landesgeschichtlichen Publikationsinstitute“, in: Bericht u¨ber die 2. Versammlung deutscher Historiker in Leipzig 1894, S. 19–29.

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Nr. 52

Leipzig, 5. April 1895

An Ulmann habe ich vorgestern geschrieben. Wie scho¨n, ka¨men Sie beide – zumal, nachdem Sie sich in Leipzig so u¨ber mich gea¨rgert! Wer diesmal die Last des Vorsitzes haben wird, ist noch unbestimmt; ich habe die Sache gru¨ndlich satt und werde mich ganz aus den Gescha¨ften thun. Man bringt sich um jede Konzentration. Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin von Ihrem dankbaren Schu¨ler Lamprecht

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Leipzig, 5. April 1895 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Fu¨r die Hilfswissenschaften wird Seeliger erst im Herbst nach Leip¨ bernahme der zig kommen. Von dieser Verzo¨gerung ist auch die U „Quiddeschen Zeitschrift“ betroffen, deren u¨berarbeitete Konzeption L. Bernheim zur kritischen Stellungnahme darlegt. – Nach einer kurzen Erholungsreise, die L. nach Straßburg fu¨hren soll, wird er am Historikertag in Frankfurt teilnehmen. Hochverehrter Lehrer und Freund! Sie werden auf Ihren letzten Brief schon la¨nger auf Antwort gewartet haben. Aber aller Jagd tho¨richter Zeitungsnachrichten zum Trotz war Seeliger bis gestern noch nicht fu¨r Leipzig sicher. Die Marburger haben zu guter letzt noch eine große Jagd auf ihn veranstaltet, glu¨cklicherweise ohne Erfolg. Denn ich glaube, wie Sie, daß wir mit S[eeliger] einen lieben und tu¨chtigen Kollegen bekommen.198 (Streng vertraulich will ich Ihnen noch mitteilen, daß der Vorschlag H[orst] Kohls199 sich aus Folgendem erkla¨rt. Wir hoffen, daß dieser Vorschlag das Ministerium bewegen wird, K[ohl] nach Leipzig als Gymnasiallehrer zu versetzen. Es wa¨re fu¨r K[ohl] sehr wichtig bei seinen Arbeiten; außerdem aber ist in diesem Fall, wie nur ein kleiner Kreis von Herren weiß, wahrscheinlich, daß Bismarck sein Archiv bei unserer Universita¨t deponiert.) 198 Nachdem Seeliger einen Ruf als Extraordinarius nach Leipzig erhalten hatte, berief

Marburg den Mu¨nchener Privatdozenten zum Ordinarius. Nach za¨hen Verhandlungen erfolgte die Wiederherstellung des Ordinariats in Leipzig und Seeliger wechselte im Herbst 1895 von Mu¨nchen nach Leipzig. Vgl. unten Nr. 53. – Vgl. hierzu und zu Bernheims Ablehnung Scho¨nebaum, Lamprecht und Bernheim, S. 232/233. 199 Horst Kohl, Gymnasiallehrer. – Vgl. Scho¨nebaum, S. 232 und Chickering, S. 163.

Nr. 53

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Leipzig, 25. Mai 1895

In der von Ihnen angeregten Sache habe ich schon vorgestern mit dem Dekan Ru¨cksprache genommen. Er ist bereit, den Hochschulnachrichten wie den Hochschulbla¨ttern eine Notiz in der Form zugehen zu lassen: „Fu¨r die usw. Besetzung waren vorgeschlagen: B[ernheim], S[eeliger], H[orst] K[ohl]. S[eeliger] ist berufen“. Ich denke, diese Notiz, deren Gerippe wir in der vorliegenden Form verabredet haben, wird auch Ihren Wu¨nschen genu¨gen. Heute nun, wo ich Seeligers Annahme erfuhr, habe ich dem Dekan geschrieben, nach Verabredung zu handeln. S[eeliger] kommt erst im Herbst. Damit wird nun die Uebernahme der Quiddeschen Z[eitschrift] wieder etwas hinausgeru¨ckt. Ich bin jetzt auf folgende Idee gekommen. Man muß die 3 Bestandteile der Z[eitschrift]: Aufsa¨tze, Ka¨seblatt (Nachrichten), Bibliographie separat erscheinen lassen. Dann muß dem mittleren Teile der Charakter eines kritischen Korrespondenzblattes gegeben werden: monatlich 2 Bogen, vorn ein gro¨ßerer kritischer Essay u¨ber eine Anzahl von litterar[ischen] Erscheinungen, dann Kritiken, hinten Nachrichten. Nach dem Muster des Korrespondenzblattes der von mir begru¨ndeten Westdeutschen Z[eitschrift], das 4.000 Abonnenten hat, hoffe ich, das Blatt noch nach Einfu¨hrung bei Vereinen pp. auf mindestens 5.000 Abonnenten zu bringen. Das muß dann alles Uebrige tragen. Wie denken Sie u¨ber ein solches Projekt? Ich wa¨re Ihnen fu¨r vertrau¨ usserungen in der Sache (wie ich auch Ihnen diese Mitteilung verliche A traulich mache) sehr dankbar. Ich bin u¨berarbeitet und werde darum in den na¨chsten Tagen eine Woche Ferien machen und Straßburger Verwandte besuchen. Von da geht es nach Frankfurt. Ich bin auf den Besuch neugierig. Die Konferenz der „Publicationsinstitute“ wird ausgezeichnet besucht sein. Fu¨r m[einen] Geschmack ist sie das Wichtigste bei der ganzen Sache. Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin wie Ulmanns von Ihrem dankbaren Lamprecht

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Leipzig, 25. Mai 1895 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Fu¨r das inzwischen eingerichtete hilfswissenschaftliche Ordinariat in Leipzig wird Seeliger erst im Oktober zur Verfu¨gung stehen. Das Vorlesungsprogramm konnte reformiert werden: „Wir ziehen alle zusammen an und hoffen, daß etwas dabei herauskommt.“ – L.s wissenschaftliche Projekte (die Deutsche Geschichte sowie die U¨bernahme der Zeitschrift fu¨r

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Leipzig, 25. Mai 1895

Nr. 53

Geschichtswissenschaft) schreiten voran. „Ha¨tte man nur mehr Zeit!“ – Privat muß L. die Krankheit seiner Frau akzeptieren und sehen, „wie ich mich langsam auf mich stelle“. Hochverehrter Lehrer, Kollege und Freund! Soeben habe ich an Sie eine Kleinigkeit eingepackt, die anbei als Drucksache unter Kreuzband folgt, da erhalte ich in einem Packet Heyfelders200, das mir die 2te Auflage vom II Band meiner D[eutschen] Geschichte bringt, Ihr liebes Geschenk.201 Welch Erweiterung gegenu¨ber der Isten Auflage! Ich wollte Ihnen eigentlich zu¨rnen, denn es ist noch nicht so lange her, daß wir 10 Exemplare der Isten Auflage fu¨r das Seminar gekauft haben. Und wenn wir sie nun wenigstens noch mit Ihnen gemeinsam hier benutzen ko¨nnten! Seeliger kommt nun erst zum Oktober. Er ist am Ende die Stufen tu¨chtig hinaufgefallen. Nachdem er den Leipziger Ruf als Extraordinarius erhalten hatte, wurde ihm in Berlin fu¨r Marburg ein Ordinariat angeboten – mit diesem Angebot reiste er nach Dresden und erhielt dort schlieߨ berraschungen des Ministers, das hielich, nach einigen schmerzlichen U sige Ordinariat. Wir sind nun viel am Hin- und Heru¨berlegen wegen eines mo¨glichst abgerundeten und reichhaltigen Vorlesungsprogramms, und glauben das Richtige zu treffen, wenn wir einen 6semestrigen Turnus, doch mit 3 und 2semestriger Wiederholung der wichtigeren und wichtigsten Kollegien, wa¨hlen. Zugleich hat jetzt auch Buchholtz202 seine Funktionen aufgenommen; wir ziehen alle zusammen an und wollen hoffen, daß etwas dabei herauskommt. Ich selbst sitze an den Problemen der wirtschaftl[ichen] und sozialen Entwicklung vom 16. zum 19. Jh. Was ist da nicht noch Alles zu thun! Zu lo¨sen sind sie m. E. nur unter Einbeziehung von Holland, und so habe ich mich seit vorigem Dezember auf diese Seite gelegt. Ha¨tte man nur mehr Zeit! Mit der Zeitschrift wirds wohl nun auch fester vorwa¨rts gehen. Wir bedu¨rfen m[einer] Berechnung nach eines Aktionskapitals von 12.000 M. a` fonds perdu, wenn die Sache ordentlich gehen soll, und ich hoffe jetzt, 200 Hermann Heyfelder, Verlag Gaertner in Berlin, der die Deutsche Geschichte L.s u¨ber-

nommen hatte.

201 Wohl die zweite Auflage von Bernheims Lehrbuch der historischen Methode. 202 Gustav Buchholz (1856–1916), Stud. in Bonn, Straßburg und Leipzig, Habil. 1889 fu¨r

mittl. und neuere Geschichte in Bonn, a. o. Prof. an der Uni Leipzig (1896), Akad. Posen (1906); von Lamprecht mit der Leitung der sog. Vorkurse in Leipzig betraut.

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Leipzig, 8. Aug. 1895

daß uns das Geld zufließen wird. Im u¨brigen ist Alles soweit als mo¨glich vorbereitet. Bei mir daheim sind die Kinder wohl – mit m[einer] l[ieben] Frau leider kein durchschlagender Fortschritt! Ich muß sehen, wie ich mich langsam auf mich stelle, trotz allem und allem. Ulmanns Auseinandersetzung u¨ber die Anfa¨nge des 7j. Krieges habe ich mit gro¨sstem Interesse gelesen; er ist bisher der Einzige, der Delbru¨ck203 beim rechten Zipfel faßt.204 Bitte scho¨ne Gru¨ße an ihn. Vor allem aber solche an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin von Ihrem dankbaren Lamprecht

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Leipzig, 8. Aug. 1895 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die Gratulation zu Bernheims wachsender Familie fu¨hrt L. wieder sein eigenes privates „Unglu¨ck“ vor Augen. – Die Abhandlung Bernheims in den preußischen Jahrbu¨chern gibt Anlaß zur Auseinandersetzung um den Begriff „Materialismus“: Die Vera¨nderungen innerhalb der Geschichtswissenschaft beruhen nicht vornehmlich auf einer vera¨nderten Weltanschauung, sondern „prima¨r auf dem Wandel der Methode. Wir waren deskriptiv und werden evolutionistisch.“ Hochverehrter Lehrer, Kollege & Freund! Erst heute komme ich dazu, Ihnen fu¨r Ihre liebe Zusendung zu danken und herzlich Glu¨ck zu wu¨nschen zum Vierten!205 Wie gerne ha¨tte ich mir auch einen Sohn gewu¨nscht! Aber Sie kennen mein Unglu¨ck; mit meiner armen Frau geht es eher schlechter als besser, so sehr sie noch Augenblicke hat, die fu¨r uns Zeiten des Wiedersehens, fu¨r mich die einzigen reinen Glu¨cks bedeuten – und so sehr auch meine beiden Ma¨del kra¨ftig emporblu¨hen und mir unendlich Freude machen. 203 Hans Delbru¨ck (1848–1929), Historiker, Publizist und Politiker. Herausgeber der Preu-

ßischen Jahrbu¨cher (1883/1890–1919).

204 H. Ulmann, Zur Frage u¨ber den Ursprung des 7-ja¨hrigen Krieges. In: Deutsche Revue

20 (1895), S. 204–216 gegen H. Delbru¨ck, Der Ursprung des Siebenja¨hrigen Krieges. In: Preußische Jahrbu¨cher 79 (1895, 1. Heft), S. 254–282. Vgl. zusammenfassend E. Berner, Die Streitschriften u¨ber den Ursprung des 7-ja¨hrigen Krieges. In: Mitteilungen aus der Historischen Litteratur 23 (1895), S. 362–384. 205 1895 wurde Bernheims Sohn Oskar geboren.

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Leipzig, 8. Aug. 1895

Nr. 54

Ihren Vortrag, mit dem Sie Delbru¨ck so lange hat warten lassen, habe ich mit gro¨ßtem Interesse gelesen.206 Es ist richtig, daß Sie hier ein wenig stark die „andere“ Seite betonen, die der Perso¨nlichkeit. Den Schluß halte ich sogar fu¨r missversta¨ndlich.207 Das Wort „Materialismus“ bildet neuerdings im histor[ischen] Mund vielmehr einen Gefu¨hlswust als einen Begriff; man glaubt damit den Kulturhistorikern eins verpassen zu ko¨nnen. Grad das Heft der Pr[eußischen] Jahrbu¨cher, in dem Ihr Vortrag steht, giebt davon Zeugnis. Eine eigentliche materialist [ische] Geschichtsschreibung giebt es ja bei uns kaum, d. h. eine solche, die vom philosoph [ischen] Standpunkt des Materialismus ausgeht. Man versucht dagegen jetzt eine Geschichtsauffassung, welche wirtschaftlichen Gesichtspunkten gerecht wird, materialistisch zu nennen. Das ist in sich schon falsch, da ja eine wirtschaftliche Handlung psychisch genauso bedingt ist, wie eine politische, ku¨nstlerische etc. Was mich speziell angeht, so glaube ich allerdings nicht, daß wirtschaftliche Arbeit generell die Vorbedingung des sonstigen geschichtlichen Lebens allein schu¨fe (wie der Sozialismus es teilweise annimmt), sondern stehe mit Ihnen auf dem Standpunkt der Wechselwirkung. Welche beiden Faktorengruppen, ob die wirtschaftliche-zusta¨ndl[iche] , oder die geistig-perso¨nl[iche] (um sich der herko¨mmlichen Kategorien zu bedienen) u¨berwiegt, das fu¨r die einzelne Zeit festzustellen ist eben Aufgabe des Historikers. Aber – und das ist fu¨r mich das Wesentliche – ich glaube gar nicht an diese Kategorien. Die Umwa¨lzung, die sich auf unserem Gebiet im Vorwa¨rtsstu¨rmen, Reaction – und vor allem voller Ratlosigkeit vieler Fachgenossen vollzieht, bezieht sich nur secunda¨r auf Weltanschauung, Abgrenzung der Objekte & Verwandtes, prima¨r auf den Wandel der Methode. Wir waren deskriptiv und werden evolutionistisch. 206 Ernst Bernheim, Die Herrscher der deutschen Kaiserzeit in den urspru¨nglichen Volks-

u¨berlieferungen. In: Preußische Jahrbu¨cher 81 (1895), S. 345–358. Zum Druck gelangte mit diesem Aufsatz eine Festrede, die Bernheim am 27. Jan. 1895 in der Aula der Universita¨t Greifswald gehalten hatte. 207 Bei Bernheim, S. 358 heißt es: „Man hat in diesem Sinne fu¨r den Geschichtsunterricht der Jugend kurze Biographien unserer Herrscher empfohlen, doch sind solche wegen ihrer unvermeidlich primitiven, anekdotischen Art wenig geeignet, weder zu belehren noch zu begeistern. Ko¨nnte man statt dessen nicht die alten Barden und Sa¨nger zum Vorbild nehmen [...]? Das freie Gefallen an kra¨ftiger Perso¨nlichkeit, wie sie in diesen Sagen verko¨rpert ist, verkla¨rt durch die Vergangenheit und rein vom Staube der Tageswirren, der sich selbst um die erlauchtesten Helden der Jetztzeit erhebt, wu¨rde mit ein Gegengewicht schaffen ko¨nnen gegen die Massenverehrung und den Kultus blinder Majorita¨ten, der im Gefolge materialistischer Geschichtsphilosophie, Soziologie und Politik neuerdings bei uns einzudringen droht. So ließe sich aus der Erforschung der Vergangenheit werbende Kraft fu¨r die Bildung der Gegenwart gewinnen.“

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Ich mo¨chte am liebsten daru¨ber einmal ein paar Worte zur Versta¨ndigung schreiben, zumal ich jetzt, nachdem meine D[eutsche] Gesch[ichte] bis 1648 gediehen, ein paar Jahre der Sammlung und Pause vor mir habe. Wu¨rden Sie das fu¨r gut halten? In Sachen der Zs [Zeitschrift] haben wir noch nicht abgeschlossen; Seeliger ist noch nicht hier. Ich wa¨re Ihnen aber sehr dankbar, wollten Sie event[uell] daran denken, fu¨r uns bis Weihnachten Mspt [Manuskript] bereit zu halten, und wollten Sie uns ein eifriger und reger Recensent werden. So wie wir einigermaßen zu Rande sind, schreibe ich Ihnen – vielleicht schon mit Umbruch von Band V.2; der u¨brigens trotz allen Geschreis der Zunft gleich in 2 Auflagen gedruckt werden kann.208 Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin von Ihrem dankbaren Lamprecht

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Leipzig, Dezember 1895209 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die neue Redaktion der Deutschen Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft bittet Bernheim um Mitarbeit, mo¨glichst in Form eines Aufsatzes u¨ber die „ju¨ngsten methodologischen Bewegungen in unserem Fach“. – Die Lehrta¨tigkeit in Leipzig und die steigenden Studentenzahlen nehmen L. stark in Anspruch. „Mit meinen eigenen Arbeiten will’s unter diesen Umsta¨nden nicht recht werden.“ Hochverehrter Lehrer, Kollege und Freund! Da haben sie nun endlich die neue Redaktion!210 Es hat etwas lange gedauert, aber bei dem hiesigen Personalwechseln war fru¨her nichts wirklich Gegru¨ndetes mo¨glich, um so mehr wollen wir jetzt ins Zeug gehen. Hoffentlich haben Sie an unserem Programm nichts auszusetzen. Wir haben es mo¨glichst kurz gehalten, namentlich gegenu¨ber den programmatischen

208 K. Lamprecht, Deutsche Geschichte. Bd. V.2., 1. u. 2. Aufl. 1895. 209 Geschrieben auf einem Briefkopf der neuen „Deutschen Zeitschrift fu¨r Geschichtswis-

senschaft“, im Verein mit G. Buchholz, K. Lamprecht, E. Marcks herausgegeben von G. Seeliger; gekoppelt an die Bitte, der jeweils angeschriebene Herr mo¨ge an der neuen Zeitschrift mitarbeiten. – Vgl. auch Schreiben Karl Lamprechts an Henri Pirenne vom 8. Dez. 1895, unten Nr. 114. 210 Redaktion der Deutschen Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft: Seeliger, Buchholz, Lamprecht, Marcks. Vgl. Chickering, S. 165/66 und Schorn-Schu¨tte, S. 105.

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Leipzig, Dezember 1895

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Sa¨tzen Meineckes211 in seinem Nekrolog Sybels,212 und betonen wollen, daß wir jeder Richtung, vorausgesetzt, daß sie ernst ist, ihr Recht lassen. Ich denke, das ist der vertra¨glichste Standpunkt, und ich habe den Eindruck, daß Seeliger ganz der Mann darnach ist, in seiner Gescha¨ftsfu¨hrung ihn zu beta¨tigen. Heute somit nur wenige Zeilen; ich habe noch ein gutes halbes Hundert von Briefen zu schreiben. Zudem ist das Semester ungewo¨hnlich arbeitsreich; im Seminar haben wir eine Hausse, daß wir nicht recht wissen, wohin: 73 Mitglieder. Ich will sehen, fu¨rs na¨chste Semester die Zahl der Uebungen wiederum zu erweitern. Mit meinen eigenen Arbeiten wills unter diesen Umsta¨nden nicht recht werden. Ich habe die neuere deutsche Zeit von den mir einstweilen unbekanntesten Ecken angegriffen: von der Schweizer Geschichte, mit der Geschichte der Musik & der Geschichte der Wissenschaften. Scho¨ne Zusammenstellung! Aber es handelt sich eben zuna¨chst um Recognoszierungen. Dabei bin ich mit der Geschichte der Wissenschaften schon in die Bu¨cher geraten. Von Philosophie auf Mechanik, von Mechanik auf Mathematik: das ist der unvermeidliche Weg. Ich lerne dabei sehr viel, verzweifle aber fast an einer fassbaren Darstellung. In alle diese Dinge geht nun die philosophische Lektu¨re des Herbstes ein, und ich sehe, wie viel ich noch zu thun habe. Doch ich sehe auch, wie ich Ihnen gegenu¨ber nun schon weit u¨ber meine Zeit hinaus ins Plaudern gerate. Entschuldigen Sie das Beichtkind! In alter Verehrung Ihr dankbarer Schu¨ler

Lamprecht

P. S. Das Wichtigste vergessen! Sie sind uns natu¨rlich ein stets aufs herzlichste willkommener Mitarbeiter. Haben Sie nichts fu¨r unser erstes Quartalheft? Und du¨rfen wir von Ihnen eine Darstellung der ju¨ngsten methodolog[ischen] Bewegung in unserem Fach in Form eines Anfangsaufsatzes fu¨r die Monatsbla¨tter erwarten?

211 Friedrich Meinecke (1862–1954), Studium in Berlin und Bonn, Habil. in Berlin (1896), o.

Prof. in Straßburg (1901), Freiburg (1906) und Berlin (1914). Seit 1893 Hrsg. der Historischen Zeitschrift. 212 Friedrich Meinecke, Heinrich von Sybel. In: Historische Zeitschrift 75 (1895), S. 390–395: „Er [Sybel] fehlte ja selbst bei der Gru¨ndung unserer Zeitschrift nicht. Seine alten Feinde, Radikalismus, Feudalismus und Ultramontanismus, sollten von ihr verbannt sein, und den lebendigen Zusammenhang des Vergangenen mit der Gegenwart zu pflegen, war und blieb das ausgesprochene Ziel unserer Zeitschrift.“ (S. 394).

Nr. 56

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Leipzig, 23. Jan. 1896

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Leipzig, 23. Jan. 1896 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft wird in Ku¨rze mit ihrem ersten Heft erscheinen. Die Ko¨niglich-Sa¨chsische Kommission fu¨r Geschichte nimmt ebenfalls bald ihre Ta¨tigkeit auf. – Gegen die Besprechung der Deutschen Geschichte Bd. 5 von Felix Rachfahl plant L. eine Sondervero¨ffentlichung. Hochverehrter Herr Kollege und Freund! Ich habe heute zuna¨chst Auftrag, Ihnen im Namen der Redaction der Zs[eitschrift] f[u¨r] d[eutsche] Geschichtswissenschaft zu schreiben. Wir mo¨chten in das erste Heft neben einem Aufsatz von Schmoller u¨ber das noch unbekannte Testament Friedr. Wilh. I von 1722 (woru¨ber er am 27. Januar in Berlin reden wird) Ihre Arbeit u¨ber den Einfluß der bycantinischen Civitas bzw.[?] auf die mittelalterliche Politik bringen.213 Dazu noch einige Miszellen. Darf ich Sie da namens unseres vierbla¨ttrigen Redactionsblattes bitten, mit dem Ms. [Manuskript] nicht allzulang zu sa¨umen? Sie werden inzwischen die Schrift Rachfahls gegen m[eine] Deutsche Geschichte gelesen haben.214 Endlich einmal ein Aufsatz, der auf die Sache recht eingeht. Freilich sind wir hier einig darin, daß der Angriff viel tiefer gegru¨ndet ha¨tte sein ko¨nnen. So wie er da steht, kann man kaum auf ihn antworten. Ich habe infolgedessen einige andere Fragen, namentlich der Rankeschen Ideenlehre, aufgenommen und mo¨chte u¨ber sie, zusammen mit R [achfahl] s Einwendungen, demna¨chst ein kleines Heftchen erscheinen lassen. Mir wa¨re es aber wichtig, wenn die Anregung zu einer ruhigen Ero¨rterung der wichtigeren Prinzipien unserer Wissenschaft fu¨hren wu¨rde. Sonst hier allerlei ebenfalls Gutes. Die 2te Kammer hat jetzt unsere sa¨chsische Landeskommissionen mit 10.000 M. per Jahr bewilligt, und wir sind in den ersten Vorbereitungen.215 Wir denken, wir werden u. a. 213 Ernst Bernheim, Politische Begriffe des Mittelalters im Lichte der Anschauungen Augu-

stins. In: Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft N. F. 1 (1896/97), S. 1–23, 74; Gustav Schmoller, Das politische Testament Friedrich Wilhelms I. von 1722. In: Ebd., S. 48–69. 214 Felix Rachfahl, K. Lamprecht, Deutsche Geschichte. Bd. 5, 2. Ha¨lfte. In: Mitteilungen des Instituts fu¨r o¨sterreichische Geschichtsforschung 17 (1896), S. 468–478. 215 Bereits seit 1893 verfolgte auf Initiative L.s ein Kreis Leipziger Wissenschaftler den Plan der Gru¨ndung einer Kommission fu¨r Geschichte im Rahmen der ko¨niglich-sa¨chsichen

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Leipzig, 27. Okt. 1896

eine Ausgabe der politischen Korrespondenz Moritzens216 schon bald vero¨ffentlichen ko¨nnen, außerdem allerlei wirtschafts- und sozialgeschichtliche Dinge. In diese Richtung wird auch manches durch Dissertationen u¨ber sa¨chsische Gegensta¨nde erarbeitet. Auch Bruchmu¨ller217, der bei Ihnen studierte, ist jetzt in diese Dinge gegangen (sa¨chs. Kobaltbergbau), nachdem er sich mit Fuchs218 u¨ber die Bearbeitung des [unleserlich] nicht recht hat versta¨ndigen ko¨nnen. F. scheint gemeint zu haben, ein Studium in Leipzig vertru¨ge sich mit der Lo¨sung dieser Aufgabe aber nicht. Ist er wirklich so engherzig? Mit der Zeitschrift scheinen sich die Dinge gut anzulassen; die Redaction liegt wesentlich in den Ha¨nden von Seeliger, da Marcks & ich viel zu viel anderwa¨rts zu thun haben. Auch Buchholz, der u¨brigens na¨chstens Professor werden wird, hat hier viel zu thun gefunden. Mit herzlichen Gru¨ßen an Sie und Ihre verehrte Frau Gemalin sowie Ulmanns Ihr dankbarer Schu¨ler Lamprecht

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Leipzig, 27. Okt. 1896 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die Biographie Weizsa¨ckers weckt die Erinnerungen L.s an die gemeinsamen Jahre mit Bernheim in Go¨ttingen. – Gesundheitliche Probleme L.s machten einen Umzug innerhalb Leipzigs unumga¨nglich. – Der „Angriff“ von Max Lenz la¨ßt L. „sehr ruhig [...]. Antworten werde ich natu¨rlich nicht.“ Hochgeehrter Lehrer & Freund! Herzlichen Dank fu¨r die Zusendung der Biographie Weizsa¨ckers!219 Wie sind uns bei der Lektu¨re die Go¨ttinger Stunden wieder ins Geda¨chtnis getreten! Welch anderen perso¨nlichen Eindruck habe ich noch von Akademie der Wissenschaften, die im Dezember 1896 schließlich eingerichtet werden konnte. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 232/33, Chickering, S. 164 und den Briefwechsel mit Henri Pirenne, unten Nr. 116. 216 Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfu¨rsten Moritz von Sachsen. Bde. 1–2 hrsg. von Erich Brandenburg. Leipzig 1900 u. 1904; Bde. 3–5 hrsg. von Johannes Herrmann und Gu¨nther Wartenberg. Berlin 1978–1999. 217 Ernst Wilhelm Bruchmu¨ller (1872–1935), Stud. in Greifswald und Leipzig, Prom. in Leipzig bei Karl Lamprecht u¨ber: „Der Kobaltbergbau und die Blaufarbenwerke in Sachsen bis zum Jahre 1653“, erschienen 1897. 218 Karl Johannes Fuchs, Wirschaftshistoriker, Prof. in Greifswald, Freiburg und Tu¨bingen. 219 Ernst Bernheim, Julius Weizsa¨cker. In: ADB 41 (1896), S. 637–645.

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Leipzig, 24. Nov. 1897

W[eizsa¨cker] gegenu¨ber v. Noorden! W[eizsa¨cker] habe ich (wie auch Sie) s. Zt. sehr gut nachmachen ko¨nnen, bei N[oorden] habe ich nie daran gedacht. Mir geht es leidlich; einige kleine Katarrhe haben mich freilich gelehrt, daß das sumpfige Klima des unteren Leipzig nichts fu¨r mich ist: und so bekommen Sie diese Zeilen von der Ho¨he, die mir hoffentlich besser thun wird.220 Und wie viel ha¨tte ich Ihnen sonst noch zu schreiben – zu viel fu¨r einen Brief. Nicht am wenigsten u¨ber Lenz, u¨ber dessen Angriff221 ¨ rgers, der mir ich freilich sehr ruhig bin nach einigen Stunden des A aber Sympathiebezeugungen von Seiten bringt, an die ich wahrlich nicht gedacht ha¨tte. Antworten werde ich natu¨rlich nicht. Einen kleinen method[ischen] Beitrag hoffe ich Ihnen na¨chstens zu senden.222 Mit scho¨nen Gru¨ßen an Sie und Ulmann Ihr Sie verehrender Lamprecht

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Leipzig, 24. Nov. 1897 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Mit dem „Abschluß des methodologischen Kampfes“ hat sich, wie L. konstatiert, ein „relativ ziemlich rascher Umschwung zu einer Geschichtsauffassung im neueren Sinn ganz allgemein vollzogen“. Die Auseinandersetzungen spiegeln sich in einer „Art von Rivalita¨t“ zwischen den Universita¨ten Berlin und Leipzig. – L. arbeitet an der Deutschen Geschichte, es bedru¨ckt ihn aber perso¨nlich „das alte Leid mit meiner armen, armen Frau“. Hochverehrter Lehrer und Freund! Darf ich Ihnen anbei eine Broschu¨re zugehen lassen, die fu¨r mich den Abschluß des methodologischen Kampfes bezeichnen soll, wenn nicht

220 Zu den gesundheitlichen Problemen L.s und seinem Umzug vgl. Chickering, S. 224. 221 Max Lenz (1850–1932), Neuzeithistoriker mit enger freundschaftlicher Verbindung

zu Marcks und Delbru¨ck, Habil. in Marburg 1876, Ordinariate in Marburg (1885), Breslau (1888) und Berlin (1890), ab 1914 am Hamburger Kolonialinstitut. Vgl. seine Besprechung von L., Deutsche Geschichte Bd. 5. In: Historische Zeitschrift 77 (1896), S. 385–447. Vgl. zur Gegnerschaft von Lamprecht und Lenz Chickering, S. 218–223. 222 Vgl. Karl Lamprecht, Alte und neue Richtungen in der Geschichtswissenschaft. Berlin 1896.

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noch etwas ganz Besonderes mir entgegengehalten wird.223 Ich bedaure, daß die Dinge sich nicht zuletzt ins Kleinliche, ja ins Perso¨nliche zugespitzt haben, fu¨hle mich aber schuldfrei. Im Uebrigen brauche ich Ihnen nicht zu sagen, wie ausserordentlich viel ich in diesem Kampfe gelernt habe, und wie ich mir wohl bewußt bin, auch meinerseits aus ihm nicht ohne eine Schwenkung hervorzugehen: ich wu¨rde jetzt mehr als fru¨her die allgemeine psychologische Basis alles geschichtlichen Geschehens betonen. Im u¨brigen kann man ja wohl sagen, daß sich ein relativ ziemlich rascher Umschwung zu einer Geschichtsauffassung im neueren Sinn ganz allgemein vollzieht, und ich wu¨rde froh sein, wenn anerkannt werden ko¨nnte, daß zu diesem Umschwung doch auch meine Auseinandersetzungen etwas beigetragen haben. Dem Ablauf ist es gewiß auch anzumerken, daß ein ziemlich allgemeiner Gegensatz, eine Art von Rivalita¨t zwischen Leipzig und Berlin (wenigstens zum officiellen Berlin der Ordinarien) besteht. In der That ist er vorhanden, seitdem ich verhindert habe, daß Lenz hierher kam, wie er wu¨nschte,224 und seitdem die Frequenz unseres Seminars, fru¨her noch nicht die Ha¨lfte der Berliner betragend, diese erreicht, ja vielleicht etwas u¨berholt hat. Aber Sie ko¨nnen denken: grad dieser Aufschwung giebt uns jungen Leuten hier den Muth und steigende Freudigkeit. Wir haben diesmal 83 Leute im Seminar, fast lauter ju¨ngere Semester bis hinauf zum 6ten, und wir geben uns, in scharfer Concurrenz untereinander, redlich Mu¨he. Das kann auf die Dauer nicht unbelohnt bleiben. Ich sitze wieder fest an der Deutschen Geschichte. Den Kindern geht es gut – und nichts wu¨rde mir fehlen, bliebe nicht das alte Leid mit meiner armen, armen Frau. Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin wie an Ulmann & Seeck225 von Ihrem dankbaren Schu¨ler Lamprecht

223 Vgl. Karl Lamprecht, Der Ausgang des geschichtswissenschaftlichen Kampfes. In:

Die Zukunft, 31. 7. 1897 und ders., Meine Gegner. In: Die Zukunft 16./30. 10. und 6. 11. 1897, sowie ders., Zwei Streitschriften, den Herrn H. Oncken, H. Delbru¨ck, M. Lenz zugeeignet. Berlin 1897. 224 Nach dem Weggang von Max Lehmann aus Leipzig hatte L. 1893 eine Berufung von Max Lenz auf den vakanten Lehrstuhl verhindert. Vgl. Chickering, S. 162 u. S. 220 225 Otto v. Seeck (1850–1921), Stud. der Chemie (Dorpat) und Geschichte (Berlin); a. o. Prof. in Greifswald (1881), Ord. (1885), Mu¨nster (1908).

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Leipzig, 31. Dez. 1897

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Leipzig, 31. Dez. 1897 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

In einer Ru¨ckschau auf seinen bisherigen akademischen Werdegang betont L. die Grundlegung durch seine Studien bei Bernheim. Auch die ¨ berzeu„Polemik“ der letzten Jahre hat dazu beigetragen, zu „feste[n] U gungen“ zu gelangen. – Das Leipziger Seminar erfa¨hrt regen Zulauf (nicht zuletzt aus Berlin), nur die Krankheit seiner Frau belastet L. schwer. Hochverehrter Herr Kollege, Lehrer und Freund! Wir gehen den letzten Stunden im Jahre zu: da denke ich in dankbarer Ru¨ckschau auf meinen Lebenslauf, fu¨r die akademischen Jahre vor Allem an Sie, bei dem ich bei weitem am meisten in den eigentlich historischen Dingen gelernt habe und angeregt worden bin. Haben Sie auch heute dafu¨r den herzlichsten Dank, und lassen Sie ihn mich in die herzlichsten Wu¨nsche fu¨r Sie und die Ihrigen Alle kleiden. Ich sitze jetzt wieder, nach zwei Jahren der Polemik, tapfer an meiner Deutschen Geschichte. Und ich fu¨hle jetzt erst, was ich durch diese ¨ berzeugungen, die ich schwerZeit des Ringens gewonnen habe: feste U lich wieder Grund haben werde aufzugeben. Freilich daneben auch manchen Gegner, und mehr, manchen Feind. Aber gegenu¨ber den letzteren doch das, wie ich glaube auch von Anderen der Hauptsache nach geteilte Bewusstsein, daß sie mir Unrecht gethan ¨ brigens stehe ich da vielhaben, und daß ihnen das nicht genu¨tzt hat. U leicht vor einer ganz neuen Kraft der Dinge. Ich bin jetzt in lebhafter Korrespondenz mit – Meinecke, der einen Antrag fu¨r die Konferenz der Publicationsinstitute gestellt hat. Habe ich auch ein wenig das Gefu¨hl des Timeo Danaos, so bin ich ihm selbstversta¨ndlich ganz sachlich entgegengekommen. Hier in Leipzig stehen die Dinge gut. Wir sind jetzt auf 90 Seminarmitglieder gelangt, das Dreifache der Zahl zur Zeit meiner Anstellung hier, und es scheint nicht, daß wir zuru¨ckgehen werden: in diesem Winter haben sich allein 4 Berliner Studenten von mir Dissertationsthemata geben lassen (und kommen natu¨rlich im Sommer hierher). Die zunehmende Zahl wird uns wohl zu Parallelkursen und zu einer Reorganisation des Seminars zwingen. In den Vorlesungen geht es natu¨rlich entsprechend gut. Freilich: wir sind drei Ordinarien, jung und heiter, und in scharfer sachlicher Concurrenz bei aller Freundschaft.226 226 Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 249ff.

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Leipzig, 15. Nov. 1899

Wie geht es Ulmann? Ich hatte vor, in m[einen] „Streitschriften“227 noch eine Anzahl der Bedenken, und frei abgewogenen Urteile, die es in S. Max. I. zur Frage des sta¨dtischen Sozialismus im 15. Jh. giebt, zur Sprache zu bringen, fu¨rchtete aber eine Verbauung des mir gegen Lenz vorgeschriebenen graden Wegs und habe es schließlich gelassen. Jetzt werden wir wohl dank Koser die Frage bald im Ganzen ero¨rtert sehen. Bei uns alles wohl, abgesehen von dem furchtbaren Schicksal meiner armen Frau; hoffentlich auch bei Ihnen. Mit herzlichen Wu¨nschen nochmals fu¨r Sie, aber auch fu¨r Ulmann Ihr Sie verehrender Lamprecht

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Leipzig, 15. Nov. 1899228 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die „methodologischen“ Fragen haben auch fu¨r L. die notwendigen Klarheiten geschaffen, um die Weiterbearbeitung der Deutschen Geschichte in Angriff nehmen zu ko¨nnen. Hochverehrter Herr College! Ich denke, dass Ihnen in diesen Tagen nun der Reindruck meiner Broschu¨re229 zugehen wird, die Sie die Freundlichkeit hatten in einer Revision durchzulesen. Ich habe schließlich vor dem Abdruck doch noch allerlei gea¨ndert, darunter auch einige Stellen, die in der neueren Fassung vielleicht Ihr Interesse finden werden. Es ist das theilweise mit Ru¨cksicht auf die Bemerkungen geschehen, die Sie und mein Freund Buchholz am Rande angebracht hatten. Zu einer Stelle, wo sich Ihre beiderseitigen Noten widersprachen, mo¨chte ich mir nachtra¨glich die Bemerkung gestatten, dass Buchholz das, was er an den Rand geschrieben hat, ganz zweifelsohne loyal gemeint und bona fide ausgesprochen hat. Fu¨r mich sind nun mit dieser Broschu¨re die methodologischen Fragen einstweilen erledigt. Ich sehe klar, soweit meine eigenen Arbeiten 227 Vgl. oben Anm. 223. 228 Der letzte (u¨berlieferte) Briefkontakt zwischen Karl Lamprecht und Ernst Bernheim fu¨r

mehr als ein Jahrzehnt. Vgl. Chickering, S. 241ff. s. u.

229 Vgl. Karl Lamprecht, Die historische Methode des Herrn v. Below. Eine Kritik von Karl

Lamprecht. Berlin 1899. – Vgl. auch ders., Die Kernpunkte der geschichtswissenschaftlichen Ero¨rterungen der Gegenwart. In: Zeitschrift fu¨r Sozialwissenschaft II (1899), S. 11ff. und ders., Die kulturhistorische Methode. Berlin 1900.

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Greifswald, 31. Ma¨rz 1910

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in Betracht kommen und bin damit im Stande, den schwierigen Fragen der neueren Geschichte, wie sie in der Fortsetzung meiner Deutschen Geschichte auftauchen, mit einem sicheren methodologischen Maßstabe entgegen zu treten. In dankbarer Verehrung u. Hochachtung Ihr ganz ergebenster Lamprecht

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Greifswald, 31. Ma¨rz 1910 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim unterstu¨tzt L. in dessen Bemu¨hungen um eine Universita¨tsreform nach amerikanischem Vorbild. Sehr verehrter Herr Kollege! Ihren Absichten entsprechend habe ich Ihren Brief nebst der Beilage230 und einigen Zeilen von mir an Prof. Paszkowski231 gesandt. Das Unternehmen ist mir an sich sehr sympatisch, da ich la¨ngst u¨berzeugt bin, daß wir von dem amerikanischen Universita¨tswesen viel lernen ko¨nnen, nicht um es nachzuahmen, sondern um es in unserer Weise zu verarbeiten.232 So meinen Sie es gewiß auch. Es wa¨re wohl sehr empfehlenswert, daß unsere Regierung sich der Sache mit anna¨hme, aber es fehlt dort in all’ diesen Dingen an frischem Zug, und mir ist es daher zweifelhaft, ob man sich dazu entschließen wird. Aber vor allem freut es mich, daß Sie sich den Universita¨tsreformen widmen, und ich hoffe, daß mit vereinten Kra¨ften endlich etwas Gutes zu erreichen sein wird. Mit besten Gru¨ßen der Ihre

Ernst Bernheim

230 Vgl. Karl Lamprecht, Historische Methode und historisch-akademischer Unterricht.

Mitteilungen und Darlegungen zum ju¨ngsten Stande der geschichtswissenschaftlichen Probleme. Berlin 1910. 231 Wilhelm Pa´szkowski (1867–1918), Lektor fu¨r deutsche Sprache an der Univ. Berlin (1902), Leiter der akad. Auskunftsstelle fu¨r wiss. Anfragen an die Univ. Berlin (1904). 232 K. Lamprecht forderte engagierten Einsatz von Staat und Gesellschaft fu¨r die deutschen ¨ berflu¨gelung der deutschen UniversiHochschulen und warnte vor der „Gefahr der U ta¨ten“ (Neue Freie Presse/Wien, 24. 10. 1909 und Leipziger Tageblatt 9. 11. 1909) insbesondere durch amerikanische Universita¨ten, die durch bessere organisatorische Voraussetzungen sowie personelle und finanzielle Ausstattung den deutschen Universita¨ten u¨berlegen seien. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 252f.

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Greifswald, 19. Juni 1910

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Greifswald, 1. Mai 1910 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Vorbereitungen zur Gru¨ndung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik [?] Sehr verehrter Herr Kollege! Besten Dank fu¨r Ihre freundlichen und erfreuliche Auskunft gebenden Mitteilungen! Der Gedanke kleiner unterrichteter [unleserlich] an den einzelnen Orten scheint mir sehr zweckma¨ßig. Aber man muß genau wissen, was eigentlich den Inhalt der Vortra¨ge bilden soll. Wenn T.233 sich Lehrer und Lehrervereine als Zuho¨rer denkt, so scheint er Themata weiteren oder anderen Charakters als des akademischen im Auge zu haben. Die Bestimmung dieses Punktes ist m. E. no¨tig fu¨r die Vorbereitungen in loco. Mit ergebensten Gru¨ßen der Ihre

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E. Bernheim

Greifswald, 19. Juni 1910 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Kondolenzbekundung Bernheims und Mitteilung „betr. des amerikanischen Unternehmens“. Sehr verehrter Herr Kollege! Besten Dank fu¨r Ihre freundlichen Zeilen und die Versicherung meiner herzlichen Teilnahme an dem so harten Verlust234, der Sie betroffen hat! Ich werde die Senatsmitglieder auf die Mitteilung betr. des amerikanischen Unternehmens orientierend vorbereiten, um entgegenkommende Stimmung zu bewirken. Mit ergebensten Gru¨ßen der Ihre

233 Leider nicht identifizierbar. 234 Der Bezug ist leider unklar.

Ernst Bernheim

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Leipzig, 14. Nov. 1911

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Leipzig, 14. Nov. 1911 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Im Ru¨ckblick auf das Leipziger Rektorat kann L. berichten, seine „Ideale“ weitgehend verwirklicht zu haben: Durchsetzung einer „Studentenverfassung“, ra¨umliche Ausweitung der Universita¨t, Entwicklung von Forschungsinstituten, Schaffung von Austauschprofessuren. L. schließt hieran erste Gedanken zu einer hochschulpa¨dagogischen Vereinigung an: Aufstockung finanzieller Mittel zur Schaffung von Universita¨tsinstituten, Einrichtung einer nationalen bzw. mitteleuropa¨ischen Rektorenkonferenz, spa¨tere Fusion mit dem Verein deutscher Hochschullehrer.235 Hochverehrter Herr College! La¨ngst ha¨tte ich Ihnen, zumal nach den Mu¨nchner Verhandlungen236, schreiben sollen, um Ihnen von Herzen zu danken fu¨r die liebenswu¨rdige und freundliche Art, in der Sie gewiss an meiner Wahl zum Vorsitzenden des Vereins fu¨r Hochschulpa¨dagogik teilgenommen haben. Noch mehr. Ich hatte vor, Liszt237 und Sie gelegentlich Ihrer Durchreise durch Leipzig zu bitten, bei mir auf einige Stunden vorlieb zu nehmen, um zugleich in perso¨nlichen Erwa¨gungen u¨ber die na¨chsten Hauptaufgaben des Vereins einzutreten. Allein, ich war eben erst von einer la¨ngeren, u¨ber zwei Monate sich ausdehnenden Reise zuru¨ckgekehrt, von zahlreichen dringenden Gescha¨ften u¨berschu¨ttet und von Mu¨nchen aus so wenig informiert, dass ich fu¨r alles dies den richtigen Zeitpunkt verpasst habe. Und soll ich es offen gestehen, so bin ich eigentlich erst in diesen Tagen aus diesem Zustande herausgekommen. Tausend Sachen, die mir vom Rectorat noch nachhingen, unterbrochene Correspondenzen, zersto¨rte gescha¨ftliche Zusammenha¨nge sind mir noch nachgegangen. Indes, allma¨hlich wird es ruhig, und nun benutze ich den ersten Moment, um Ihnen nicht nur

235 Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 264. 236 Zweite Tagung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik in Mu¨nchen, 18. Okt. 1911,

auf der Karl Lamprecht zum Vorsitzenden gewa¨hlt wurde. Bernheim blieb zweiter Vorsitzender der Gesellschaft. – Aus dem am 17. Juli 1898 in Berlin gegru¨ndeten Verband fu¨r Hochschulpa¨dagogik war im Januar 1910 die Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik hervorgegangen. Vgl. Erich Leitner u. a., Die pa¨dagogische Herausforderung der Universita¨t 1898–1934. Studien zur Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik. Weinheim 1990. 237 Franz v. Liszt (1851–1919), Jurist, o. Prof. in Berlin, Vorsitzender (1910) und Ehrenvorsitzender der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik.

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einfach zu schreiben, sondern, wie ich Ihnen im vorigen Winter schon einmal versprochen, zu berichten. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um das Rectorat. In diesem Jahre habe ich mir mal ordentlich Luft machen ko¨nnen, und ich darf wohl sagen, ich bin aus ihm herausgegangen unter Erfu¨llung oder wenigstens Anregung aller Ideale, die mich fesselten. Vor allem kam es mir darauf an, die Studentenschaften ihren Allgemeingefu¨hlen, wie auch in der Entwicklung perso¨nlichen Pflichtgefu¨hls vorwa¨rts zu bringen. Beides schien mir nur mo¨glich durch eine Teilnahme der Studentenschaft an der akademischen Verwaltung und durch Verleihung einer wirklichen Verfassung, unter deren Schutz sich ein studentisches o¨ffentliches Leben als Vorfrucht spa¨terer gro¨sserer politischer Beta¨tigungen in Staat und Reich entwickeln ko¨nne. Ich habe zu dem Zwecke einmal die Qua¨sturverwaltung so geordnet, dass die Studenten durch Ausfu¨llung von Za¨hlkarten an ihrem Mechanismus lebendigen Anteil zu nehmen gezwungen sind. Ich habe weiter angefangen, die a¨lteren Corporationen in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, indem ich unsere a¨lteren Gesangvereine (Paulus und Arion), wie den Instrumentalverein des Collegium musicum dahin gebracht habe, jedes Semester fu¨r den akademischen Ko¨rper in der Aula unentgeltlich eine Anzahl von Sonntags-Matineen zu veranstalten. Fernerhin ist es mir gelungen, die Studentenverfassung durchzusetzen, von der ich ein Exemplar beilege. Die Verfassung ist inzwischen durch das Ministerium, das schon vorher informiert war, sehr rasch, binnen fu¨nf Tagen, besta¨tigt worden, sodass sie schon in diesem Semester eingefu¨hrt werden kann, und dass speziell ihre finanziellen Teile schon jetzt in Kraft getreten sind. Innerhalb der allgemeinen Fortbildung der Universita¨tsverfassung, liegen bei uns die Fragen so, dass trotz aller Neubauten der letzten Jahrzehnte, die teilweise ausgezeichnet sind, dennoch von Raummangel geredet werden muss. Wir sind jetzt u¨ber den 5000. wirklich Studierenden (mit den Ho¨rern werden es diesmal etwa 6500 sein), und darunter leiden vor allen Dingen die Geisteswissenschaften, deren Uebungen in der bekannten krassen Weise u¨berfu¨llt sind. Wie sehr wir uns gegenseitig im Raume stossen, dafu¨r mag die Tatsache zeugen, dass nach mir gemachten Angaben des Rentamtes in den letzten vier Jahren durchschnittlich je 200,000 Mk. allein zur Bestreitung von Umzu¨gen, also nichts weiter als „Ka¨mmerchen vermieten“ verbraucht worden sind. Die erste Aufgabe war also, fu¨r eine ku¨nftige Universita¨t einen Platz zu finden. Die Regierung ist in dieser Hinsicht darauf eingegangen, hinter Probstheida, in bester Lage, fern von den Syphilisherden von Leipzig, ein grosses Areal von 75 ha (Kosten ungefa¨hr 1,800,000 Mk.) festzulegen, und ich hoffe, dass die Sta¨nde in diesem Winter die Kaufsumme bewilligen werden.

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Das Areal ist gross genug, um sa¨mtliche Geisteswissenschaften in Form einer Unterbringung in weiten Parkanlagen aufzunehmen; dazu weiter die no¨tigen Spielpla¨tze und dergleichen zu liefern und ausserdem noch den Platz fu¨r eine Gartenstadt herzugeben, deren Ha¨user von der Universita¨t zu bauen und an zuverla¨ssige Mieter zu vergeben wa¨ren, die dann ihrerseits die Studenten als Aftermieter aufnehmen. Wird die Sache einmal in diesem Sinne durchgefu¨hrt, so wird sie bei dem starken Vermo¨gen der Universita¨t (ca. 28. Millionen) nichts kosten, sondern wahrscheinlich einbringen, sodass am Ende die ganze Sache mit Aussicht auf Dividende von einer Aktiengesellschaft zu machen wa¨re. Uebrigens liegt unter dem Areal Kohle, sodass wir mit Ru¨cksicht auf Beschaffung von Kraft (Beleuchtung, Heizung pp.) keinerlei Schwierigkeiten, sondern grosse Ersparnisse haben wu¨rden. Nun, der Exodus nach dem neuen Terrain liegt noch in weiter Ferne, wenigstens meinen das die Collegen, bis zu dem Grade, dass sie vorla¨ufig noch nicht zu dem Aerger, sondern bloss bis zum Spott u¨ber die ganze Idee vorgedrungen sind. Kommt er aber einmal, so wird er den Geisteswissenschaften in sittlicher, wie wissenschaftlicher Beziehung gru¨ndlich Luft schaffen. Denn jedes Institut wu¨rde selbstversta¨ndlich in einem gartenartigen Teile des Parks unbedingt erweiterungsfa¨hig untergebracht werden. Dies aber ist inbezug auf die a¨ussere Existenz der Universita¨t die Hauptsache: wir mu¨ssen bescheiden bauen, aber baulich sta¨ndig transformabel bleiben. Was die zuna¨chst mo¨gliche Fortentwicklung der Universita¨tsverfassung in Lehre und Lehrerschaft angeht, so ist ein Fortschritt hier an sich nur durch die Entwicklung wirklicher Universita¨tsforschungsinstitute denkbar. Ich habe ihn eingeschlagen, indem ich zuna¨chst nur von Leipziger Privaten u¨ber eine halbe Million Mark an Stiftungen fu¨r diesen Zweck gesammelt habe. Was aber dann werden wird, ist einstweilen noch nicht klar. Die Meinungen gehen sehr auseinander, und ein grosser Teil namentlich der a¨lteren Collegen ist in heller Wut u¨ber die mo¨gliche Sto¨rung der behaglichen Lehrexistenz, in der sie dahinleben. Doch ist schon immerhin zu den Zinsen der gesammelten Stiftung von dem Ministerium eine Summe von 75.000 Mk. ja¨hrlich fu¨r die Verbesserung der Lehrgelegenheiten vornehmlich in den Geisteswissenschaften in den Etat eingestellt. Und es ist kaum ein Zweifel, dass Landsta¨nde sie bewilligen wird. Ueber die fu¨r die Verwendung dieser Summe zu treffenden Einrichtungen werden wir uns also auch ziemlich rasch, bis zum Ausgang dieses Jahres, schlu¨ssig machen mu¨ssen. Ich habe in der Richtung viel zu tun und werde Ihnen, sobald die Sache entschieden ist, von den Ideen, die gesiegt haben, Mitteilung machen.

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Ein[e] Richtung endlich, die mich wa¨hrend dieses Jahres stark bescha¨ftigt hat, ist die sta¨rkere Einbeziehung der Universita¨t in die grossen universalen Stro¨mungen, welche jetzt die Wissenschaften aller La¨nder verbinden. Ich habe zu diesem Zweck zuna¨chst, und zwar nach einem heftigen Kampfe mit Berlin, dessen einzelne Phasen ich Ihnen mu¨ndlich erza¨hlen werde, eine Austauschprofessur fu¨r Leipzig durchgesetzt. Als erster Austauschprofessor wird im na¨chsten Sommer bei uns Reinsch238 ta¨tig sein. Weiterhin habe ich in dieser Richtung ein allgemeines Auskunftsbureau nach Art dessen von Paszkowski in Berlin wenigstens zur Einsetzung in den Etat gebracht, und ich zweifle kaum, dass die Sta¨nde auch dieses Bureau bewilligen werden. An dieser Stell[e] mo¨chte ich nun meine freilich geringe Auswahl von Gedanken, die ich einstweilen fu¨r den Verein fu¨r Hochschulpa¨dagogik habe, anknu¨pfen. Mir scheint die feine Ciselierarbeit an der Fortbildung der Uebungsmethoden, die bis jetzt das eigentliche Ruhmesblatt des Vereins fu¨r Hochschulpa¨dagogik abgegeben hat, und ihre Fortfu¨hrung allerdings sehr verdienstlich und wu¨nschenswert. Ich glaube aber, dass daneben nicht versa¨umt werden darf, die Vorbedingung fu¨r die Ausbildung solcher Methoden, wie sie naturgema¨ss in der Fortentwicklung der Universita¨tsinstitutionen und insbesondere der Seminarien zu ho¨herer Bildung gegeben ist, in jeder Beziehung zu stu¨tzen und zu sta¨rken. Und von dieser Seite der Betrachtung her komme ich zu der Forderung, vor allen Dingen die finanziellen Mittel fu¨r die Entwicklung der Institute u¨berall zu vergro¨ssern. Wenn man sich nun fragt, was in dieser Hinsicht getan werden kann, so glaube ich, dass wir nur dadurch vorwa¨rts kommen, dass wir den deutschen Finanzverwaltungen, wie vielleicht auch den Finanzverwaltungen von Mitteleuropa, eine Autorita¨t von so imponierender Wucht entgegenstellen, dass sie diesem Gegenu¨ber nachgeben mu¨ssen. Eine solche Macht wu¨rde ich in einer deutschen, bzw. noch besser mitteleuropa¨ischen Rectorenkonferenz als einer sta¨ndigen Einrichtung erblicken, die u¨berall da, wo finanzielle Forderungen aufgestellt werden, durch Eingaben und eventuell durch die Presse gru¨ndlich bemerklich machen mu¨sst[e]. Die Schaffung einer solchen Rectoren-Conferenz erscheint mir mithin als eine der Hauptaufgaben, welche der Verein fu¨r Hochschulpa¨dagogik zu erfu¨llen ha¨tte. Die Sache ist nicht so schwer, wie sie aussieht. Dass die skandinavischen, niederla¨ndisch-slavischen, o¨sterreichischen und vielleicht auch schweizerischen Hochschulen mitmachen

238 Paul S. Reinsch (1869–1923), Stud. in Wisconsin und Berlin, Prof. des Staatsrechts an der

Univ. Wisconsin-Madison. Mitglied des int. wiss. Kongresses in St. Louis 1904.

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wu¨rden, ist mir nach den Informationen, die ich in Christiania239 eingeholt habe, sehr wahrscheinlich. Handelt es sich dabei um die Peripherie, so glaube ich, dass auch das Centrum nicht so schwer zu nehmen ist. Es handelt sich dabei um das preussische Kulturministerium und die Erweiterung der preussischen Rectorenkonferenz. Werden wir dagegen in Berlin gewisse Bedenken haben, so du¨rfen wir andererseits nicht verkennen, welch ausserordentlichen Einfluss die Durchbildung der ganzen Institution in Preussen haben wu¨rde. Ich glaube, dass v. Trott240 fu¨r solche Auffassung Sinn hat; sollte es u¨brigens bei ihm hapern, so wu¨rde ich mich, schon von der Schulbank her mit Bethmann241 bekannt, ganz gut an diesen wenden ko¨nnen, und wir sind dort der freundlichsten Hilfe sicher. Die Sache hat u¨brigens noch ein anderes Gesicht. Nach den zahlreichen Unterredungen, die ich in St. Andrews mit englischen Hochschullehrern aller Weltteile und auch mit Carnegie242 hatte, besteht daru¨ber, dass man u¨berall jenseits der Universita¨ten ho¨here Formen des Hochschulunterrichts sucht, gar kein Zweifel. Und auch in Christiania kam diese Auffassung in der Forderung einer Weltuniversita¨t, wie sie der Rector Bro¨gger243 in seiner feierlichen Rede vorbrachte, zum Ausdruck. Man erwartet in dieser Beziehung jetzt noch ein Vorgehen der deutschen Universita¨ten. Geschieht in dieser Richtung in den na¨chsten Jahren nichts, so werden wir infolge Bummelei, Kleinlichkeit und professoralem Hochmut auch dieser Erstgeburt verlustig gehen. Die Form aber, die hier zu finden wa¨re, ko¨nnte durch nichts besser festgestellt werden, als durch ein mitteleuropa¨isches Rectorenparlament. Indem ich die Verha¨ltnisse so ansehe, frage ich mich unwillku¨rlich, wie sich unser Konkurrenzverein, der Verein deutscher Hochschullehrer244, zu den Gedanken, wie den vorgetragenen, stellen wu¨rde. Ich komme dabei zu der Anschauung, dass er sie mit Freuden begru¨ssen wu¨rde, schon

239 Im Sommer 1911 hatte L. in seiner Eigenschaft als Rektor die Universita¨t Leipzig auf

den Jubila¨umsfeierlichkeiten der Universita¨t Christiania in Norwegen vertreten. Begleitet wurde L. von seiner Tocher Elisabeth. 240 August von Trott zu Solz (1855–1938), Jurist, preuß. Staatsminister fu¨r geistl. und Unterrichtsangelegenheiten (1909–1917). 241 Theobald von Bethmann Hollweg (1856–1921), Reichskanzler, mit L. seit gemeinsamen Schultagen in Schulpforta verbunden. Vgl. Chickering, S. 415ff. und Schorn-Schu¨tte, S. 222ff. 242 Vgl. im Briefwechsel Pirenne Nr. 203. 243 Waldemar Christofer Brøgger (1851–1940), Geologe, Rektor d. Univ. Christiania (1907–1911). 244 Verein deutscher Hochschullehrer, der sich aus den seit 1907 regelma¨ßig stattfindenden Hochschullehrertagen entwickelt hatte. Den Vorsitz fu¨hrte Adolf Wach, Jurist aus Leipzig.

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Greifswald, 25. Nov. 1911

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deshalb, weil bei der Durchbildung von Forschungsinstituten und Verwandten, u¨berhaupt bei dem Suchen nach ho¨heren Formen des Universita¨tsunterrichtes selbstversta¨ndlich die finanziellen Forderungen fu¨r das Lehrpersonal befriedigt werden wu¨rden, deren Durchsetzung er an erster Stelle auf sein Programm geschrieben hat. Ist das aber der Fall, so kann die Frage aufgeworfen werden, ob nicht, wie es ja aus allgemeinen Gru¨nden u¨berhaupt nahe liegt, eine Fusion beider Vereine am Platze wa¨re. Ich wu¨rde in diesem Fall gern von dem Pra¨sidium zuru¨cktreten, ja unter diesen Umsta¨nden Herr College Wach von hier den ihm angebotenen Vorsitz in den anderen Verein annehmen wu¨rde. Wach aber ist ganz [d]er Mann, um grosse und allgemeine Ziele, wie eben aufgestellt, mit Energie, und, soweit es irgend mo¨glich ist, mit Erfolg durchzusetzen. Nun fu¨rchte ich aber, habe ich Ihnen schon eine ganz kleine Abhandlung geschrieben, und nichts ist mir verhasster, wie akademische Weitschweifigkeit. Sollte sie gleichwohl in dem Briefe hervortreten, so bitte ich um Entschuldigung. Im u¨brigen aber lassen sie mich aus dem Herzensgrunde von Gefu¨hlen, die fu¨r Sie seit dem Jahre 1874 immer dieselben geblieben sind, Sie verehrungsvoll begru¨ssen Ihr ergebenster

[Lamprecht]

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Greifswald, 25. Nov. 1911 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Sehr zuru¨ckhaltend bewertet Bernheim die Pla¨ne L.s betr. eine Fusion der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik mit der Rektorenkonferenz und dem Hochschullehrertag. Bernheim stellt die Fragen der „inneren Unterrichtsorganisation“ in den Vordergrund. Magnificenz! Sehr verehrter Herr Kollege! Verzeihen Sie zuna¨chst, daß meine Antwort auf Ihr Schreiben nicht schon fru¨her und damit zugleich eine freudige Begru¨ßung Ihres Pra¨sidiums245 nicht gleich gekommen ist! Ungewo¨hnliche und dringende Tagesarbeit

245 Am 18. Okt. 1911 war L. wa¨hrend der zweiten Tagung der Gesellschaft fu¨r Hochschul-

pa¨dagogik in Mu¨nchen zu deren Vorsitzendem gewa¨hlt worden.

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Greifswald, 25. Nov. 1911

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ha¨ufte sich in diesen Wochen, und Ihre bedeutungsvollen Ideen erforder¨ berlegung. ten eine la¨ngere U Ich werde, wie Sie vermuten, einer der Wenigen sein, die Ihren Gedanken nur warme Sympathien entgegenbringen, doch zugleich indeß die Schwierigkeiten der Ausfu¨hrung ermessen ko¨nnen. Ich weiß es Ihnen herzlich Dank, daß Sie sich der Mu¨he unterzogen haben, mir alles darzulegen, und ich bewundere die Großartigkeit Ihrer Unternehmungen und Pla¨ne. Ich verkenne nicht, daß die Verbindung mit dem Ausland Sicherung in unsere Verha¨ltnisse bringen kann, daß wir von dort viel zu lernen haben. Ich verkenne auch nicht, daß die a¨ußere Organisation einfach im engsten Zusammenhang mit der inneren Unterrichtsorganisation steht. Nur ist der Unterricht im eigentlich pa¨dagogischen Sinne doch ein so besonderes Gebiet mit so eigenen Aufgaben und in so weitem, inhaltlich differenzierten Umfang, daß er gesonderte concentrierte Behandlung erfordert. Diese concentrierte Behandlung zu wahren, ist m. E. unter allen Umsta¨nden no¨tig, und es erscheint mir hierin die Schwierigkeit erweiterter Gestaltung unserer hochschulpa¨dagogischen Bestrebungen zu liegen, sowohl hinsichtlich der Fusion mit dem Hochschullehrertag, wie der Rektorenkonferenzen und einer internationalen Verbindung. Bei jener Fusion stehen wir leicht in Gefahr, unseren unpolitischen Charakter einzubu¨ßen und in die Richtung der a¨ußern, schnell autonomen Organisationsfragen hineingezogen zu werden, die von den inneren Unterrichtsproblemen abzieht und manche absto¨ßt. Die Rektorenkonferenzen werden sich dem bisherigen Erscheinen und ihrem Charakter nach auch wesentlich a¨ußeren Organisationsfragen widmen. Beila¨ufig habe ich die Schwierigkeit, solche Konferenzen ins Leben zu rufen, bei meiner anfa¨nglichen Vorstellung, als ich Rektor war246, kennen gelernt. Und die internationale Verbindung wird zwar manches Gemeinsame behandeln ko¨nnen, la¨ßt und fordert aber doch Raum fu¨r die Behandlung unserer speziell deutschen Verha¨ltnisse, gerade auf dem Gebiet des Unterrichts, u. a. im Zusammenhang mit den speziell deutschen Vorbildungsfragen. Ich meine also, daß wir mit unserer „Gesellschaft“247 uns mo¨glichst an weitergehende und erweiterte Organisationen angliedern mu¨ssten, aber als ein selbsta¨ndiges Glied, das seine speziellen Aufgaben im Rahmen der anderen erfu¨llt – im Rahmen internationaler Verbindung z. B. mindestens

246 Vgl. oben Nr. 64. 247 Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik.

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Nr. 66

Leipzig, 22. Dez. 1911

in Gestalt einer relativ selbsta¨ndigen deutschen Abteilung fu¨r Hochschulpa¨dagogik, wie das ja auch auf anderen Gebieten eingerichtet ist und wird. Ich hoffe, wir werden bald mu¨ndlich u¨ber die Dinge konferieren und ich freue mich auf ein Zusammenarbeiten mit Ihnen, wie in alter Zeit. Nochmals herzlichen Dank fu¨r Ihre Schriften und ergebenste Gru¨ße von dem Ihren E. Bernheim

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Leipzig, 22. Dez. 1911 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Nachdem die „gegnerischen Stro¨mungen“ gegen L.s Pla¨ne fu¨r die Einrichtung von Forschungsinstituten im Leipziger Professorenkollegium zuru¨cktreten, zeigen sich Reserven gegen die Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik, die sich offenbar an der Person des Gescha¨ftsfu¨hrers Hans Schmidkunz entzu¨nden. L. regt an, die „Personalfrage“ gru¨ndlich zu u¨berdenken. Hochverehrter Herr College! Herzlichen Dank fu¨r Ihre so u¨beraus freundlichen Zeilen. Die Frage der Forschungsinstitute, die mich hier noch u¨ber mein Rectorat hinaus auf vielleicht Wochen bescha¨ftigt hat, ist nun seit Mitte Dezember, wenn auch nicht ganz zu meiner Befriedigung – da meines Ermessens die ausgesetzten Summen etwas zu gering sind – erledigt. Der finanzielle Fehler wird sich aber immerhin noch corrigieren lassen. Da damit zu gleicher Zeit die mannigfachen Diskussionen und gegnerischen Stro¨mungen, welche das Professorencollegium beherrschen, naturgema¨ss im Begriffe sind, zuru¨ckzutreten, so habe ich sofort damit begonnen, die Angelegenheiten des Vereins fu¨r Hochschulpa¨dagogik zu fo¨rdern. Dabei hat sich nun im allgemeinen ein ausserordentliches Interesse fu¨r hochschulpa¨dagogische Fragen u¨berhaupt herausgestellt und zwar bei fast allen Anschauungskreisen, auch solche, die sich methodisch und prinzipiell sonst gegenu¨berstehen. Zugleich aber hat sich mir sehr unerwartet eine ganz allgemeine Opposition gegen den Verein fu¨r Hochschulpa¨dagogik als solchen ergeben. Da, wo ich diese Tatsache auf Grund genauer Kenntnis der Perso¨nlickeiten weiter verfolgen konnte, ergab sich, dass man an der Perso¨nlichkeit des Herr[n] Dr. Schmidkunz248 Anstoss nimmt, was die Sache 248 Hans Schmidkunz (1863–1934), Stud. Germanistik und Philosophie in Wien, Habil.

Mu¨nchen (1889), Priv.-Doz. Berlin (1894), Greifswald (1920), Gescha¨ftsfu¨hrer der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik. – Zur Kontroverse um die Person des H. Schmidkunz vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 267 und Leitner, S. 34ff.

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erschwert, dass dabei eigentlich gar keine konkreten Vorwu¨rfe gemacht werden ko¨nnen. Es kam nur immer wieder zum Ausdruck, man wolle mit ihm nichts zu tun haben, der Verein mu¨sse von ihm entlastet werden, oder auch, die hochschulpa¨dagogischen Fragen mu¨ssten ohne irgendwelche Bestimmungen schon durch eine la¨ngere unfruchtbare Vergangenheit gefo¨rdert werden und dergl. mehr. Insbesondere ist mir diese Auffassung da entgegengetreten, wo ich nach der Correspondenz von Herrn Dr. Schmidkunz selbst glauben musste, diejenigen Leute zu finden, die er selber als zur Fo¨rderung der Vereinsangelegenheiten als am besten geeignet ansieht. Ich bin dadurch nun in eine unangenehme Position geraten. Ich kann nicht umhin, zu sagen, dass hier fu¨r die Diskussion hochschulpa¨dagogischer Fragen Neigung eventuell auch in der Form geschlossener Diskussionsabende und dergl. mehr besteht, dass aber diese Neigung sich gerade bei solchen Ma¨nnern, auf die man in der Tat zuna¨chst zu rechnen ha¨tte, gegen den Verein kehrt. Das ist nun das denkbar ungu¨nstigste Ergebnis, das ha¨tte zu Tage gefo¨rdert werden ko¨nnen. Wie ich die Dinge ansehen muss, wohl sogar in dem Sinne, dass es der Abhaltung des Tages in Leipzig im Verlaufe des na¨chsten Herbstes pra¨judiziert. Nun sehe ich wohl, wie viele schwere Bedenken dieser Bericht bei Ihnen und gewiss auch bei Herrn von Liszt erregen muss. Aber es ist meine erste Pflicht, in dieser Frage Ihnen gegenu¨ber die Wirklichkeit voll sprechen zu lassen. Was bei allem zu tun sei, ist mir unklar. Ich mo¨chte nur das Eine betonen, dass bei mir gegenu¨ber Dr. Schmidkunz nicht die geringste Antipathie herrscht. Wie ich ihn gesehen habe, ist er mir angenehm; u¨ber seine Vergangenheit bin ich im Einzelnen nicht orientiert. Ich bitte Sie aber herzlich, diese Personalfrage, die mir auf einmal sehr unerwarteter Weise entgegentreten, eingehend u¨berlegen zu wollen, damit es eventuell bei der Berliner Zusammenkunft mo¨glich ist, einen Ausweg aus diesem Labyrinth zu finden. Da ich auch am 8. Januar schon lese, so ist Ihr Vorschlag, am 6. und 7. Januar in Berlin zusammenzukommen, ganz besonders sympathisch. Vielleicht, dass Sie noch die Gu¨te haben, mir anzugeben, wo Sie absteigen. Ich wu¨rde es dann versuchen, so einzurichten, im selben Hotel oder doch in Ihrer Na¨he Unterkunft zu finden. Was aber von L[iszt] angeht, so wa¨re die Frage, wer von uns ihn ebenfalls auf den 6. oder 7. Januar fixieren soll. Da der definitive Entscheid u¨ber die Wahl der beiden Tage durch diesen meinen Brief in Ihre Ha¨nde gelegt ist, so haben Sie vielleicht Ihrerseits die Gu¨te, Herrn von Liszt kurze Mitteilung zu machen. Mit herzlichen Weihnachtsgru¨ssen und -wu¨nschen in alter Verehrung Ihr ergebenster [Lamprecht]

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Nr. 67

Leipzig, 12. Febr. 1912

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Leipzig, 12. Febr. 1912 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

L. stellt seine Pla¨ne fu¨r die na¨chste Tagung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik vor. – Bitte um Unterstu¨tzung bei der Nobelpreis-Nominierung. Hochverehrter Herr College! Wie lange habe ich Ihnen schon fu¨r Ihren freundlichen Brief vom 28. Januar danken wollen! Aber immer habe ich geglaubt, Ihnen zu gleicher Zeit das volle Programm unserer Tagung im na¨chsten Herbst249 vorlegen zu ko¨nnen, und daru¨ber sind die Wochen hingegangen. Wir sind nun freilich auch jetzt noch nicht fertig, aber ich denke doch, dass das Ganze in einer Richtung in Schuss gekommen ist, die Ihnen sympathisch sein wird. Bei einer Besprechung mit Schmidkunz und hiesigen Mitgliedern in meiner Wohnung sind wir zuna¨chst zu dem Ergebnis gekommen, dass Schmidkunz und ich, wie u¨berhaupt Mitglieder des Vorstandes, so viel wie mo¨glich aus dem Programm ausscheiden. Auf diese Weise ist es mo¨glich gewesen, den Schmidkunz’schen Vortrag los zu werden. Dann haben wir die Dinge so arrangiert, dass zuna¨chst am Donnerstag drei kleine Ausstellungen ero¨ffnet werden sollen, deren Hersteller auch schon nominiert sind, na¨mlich eine Ausstellung modernster hochschulpa¨dagogischer Lehrmittel (Prof. Schaum, Bo¨ttger250), weiterhin eine Ausstelllung von hochschulpa¨dagogischer Literatur (Schmidkunz), und endlich eine Ausstellung zur Geschichte des Studentenwesens (Ssymank251). Am Freitag wu¨rde die Ero¨ffnung des Kongresses stattfinden und weiterhin am Morgen ein Vortrag von Spranger252 (Vergleich der Hochschulreformen im Beginn des 19. Jahrhunderts mit dem Umfange der heutigen Bestrebungen auf diesem Gebiete); hierauf wu¨rde noch ein Vortrag von Professor Fischer253 u¨ber Charakterbildung und Universita¨tserziehung folgen. Am Nachmittag und ebenso am darauffolgenden Sonnabend wu¨rden Referate u¨ber die pa¨dagogischen Erfahrungen in den einzelnen

249 Dritte Tagung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik in Leipzig, 17.–20. Oktober

1912.

250 Ferdinand Karl Franz Schaum (1870–1947), Chemiker, Prof. in Marburg (1904), Leipzig

(1908). Carl Wilhelm Bo¨ttger (1871–1949), Chemiker, Prof. in Leipzig (seit 1903).

251 Paul William Ssymank (1874–1942), Studienrat, Erforscher der dt. Studentengeschichte. 252 Eduard Spranger (1882–1963), Philologe in Leipzig. 253 Aloys Fischer (1860–1937), Prof. f. psych. Pa¨d. in Mu¨nchen.

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Disziplinen gegeben werden und zwar Freitag u¨ber Physik unter Demonstration des entsprechenden Institutes (Geheimrat Wiener, Professor Des Coudres und Professor Fischer254), am Sonnabend u¨ber Mathematik (noch nicht sicher; ich hatte mich zuna¨chst an Klein–Go¨ttingen255 gewendet, der aber nervenleidend im Harz sitzt), weiterhin u¨ber Literaturgeschichte (Witkowski, Fo¨rster von hier256) und am Nachmittag eventuell u¨ber Geographie. Sonntag Morgen, wie in den sonstigen Pausen sollen Besichtigungen der kleinen hiesigen Hochschulen (Handelshochschule, Frauenhochschule, Buchgewerbliche Akademie) und Universita¨tsinstitute stattfinden. Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, mir u¨ber dieses Menu ein paar Worte, am liebsten wa¨ren mir solche der Erga¨nzung und der Kritik, zu schreiben. Und nun noch herzlichen Dank fu¨r Ihre so freundliche Empfehlung nach Christiania.257 Ich habe allerdings von der Sache sehr spa¨t geho¨rt, und ob ich somit in Frage komme, steht dahin, aber immerhin wu¨rde dann fu¨r ein na¨chstes Jahr ein guter Anlauf gewonnen sein. Wenn Sie Herrn Collegen Engel258 veranlassen ko¨nnen, noch einige Worte an den Vizepra¨sidenten des Komitees zu schreiben, so wa¨re vielleicht gut, zu bemerken, dass sich von meinen englischen Freunden Professor Ward259 in Cambridge erboten hat, eventuell in dieser Sache einen Bericht zu u¨bernehmen. Mit herzlichen Gru¨ssen in alter Verehrung Ihr ergebenster Lamprecht

254 Otto Heinrich Wiener (1862–1927), Prof. fu¨r Physik in Gießen (1895) u. Leipzig (1899).

Theodor Des Coudres (1862–1926), Prof. fu¨r Physik im Wu¨rzburg (1901) u. Leipzig (1903). Otto Fischer (1861–1916), Prof fu¨r medizinische Physik in Leipzig (1896). 255 Felix Klein (1849–1925), Prof. fu¨r Geometrie in Erlangen (1872), TH Mu¨nchen (1875), Leipzig (1880), Go¨ttingen (1866). 256 Georg Witkowski (1863–1939), Germanist, Prof. fu¨r Dt. Sprache u. Literatur in Leipzig (1896). Theodor Wilhelm Max Fo¨rster (1869–1954), Prof. f. Engl. Philologie, zw. 1910–1925 in Leipzig. 257 Vgl. Briefwechsel Pirenne Nr. 233. 258 Friedrich Engel (1861–1941), Prof. fu¨r Mathematik in Leipzig (1889–1904) u. Greifswald (1904–1913), Mitglied der Norweg. Akad. d. Wiss. 259 James Ward (1843–1925), Prof. fu¨r Philosophie d. Geistes u. Logik in Cambridge (1897–1925). Vgl. Briefwechsel Pirenne Nr. 225.

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Nr. 68

Schierke, 26. Ma¨rz 1912

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Schierke, 26. Ma¨rz 1912 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik nimmt Schaden durch die Arbeit des derzeitigen Gescha¨ftsfu¨hrers der Gesellschaft H. Schmidkunz („er ist unklar und beschra¨nkt und [...] rechthaberisch“). Bleibt Schmidkunz im Amt, wird L. auf der kommenden Tagung in Leipzig den Vorsitz der Gesellschaft niederlegen. Hochverehrter Herr Kollege! Ihre freundlichen Zeilen vom 23/3 mo¨chte ich nicht lange ohne Antwort lassen. Sie ero¨ffnen fu¨r mich leider einen Pflichtenconflikt, den ich Ihnen offen vortragen muß, nachdem ich nunmehr den Stand der Angelegenheiten des Vereins fu¨r Hochschulpa¨dagogik eingehend kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Die Lage ist die folgende: 1. Sie (und ich meine, vermutlich auch Liszt) halten unbedingt an Schmidkunz fest. 2. Ich habe mich u¨berzeugen lassen, daß mit der Ta¨tigkeit von Schmidkunz der Verein niemals auf die erforderliche gescha¨ftliche und wissenschaftliche Ho¨he zu bringen sein wird. 3. Bei dieser Lage Beurteilung spielt die Gescha¨ftsfu¨hrung von Schmidkunz keine Rolle, obwohl auch sie einen besonders nachsichtigen und concilianten Vorsitzenden und Schatzmeister voraussetzt. Was mich bewegt, ist vielmehr der Umstand, daß er wissenschaftlich seinen Aufgaben nicht gewachsen ist. Er ist unklar, & beschra¨nkt, und, wie alle dergleichen Anlagen, rechthaberisch. 4. Dies ist alles mir gegenu¨ber bisher wenig hervorgetreten, weil ich dazu Gelegenheit nicht gegeben, bzw. vermieden habe. Wohl aber habe ich es Anderen gegenu¨ber in zahlreichen Fa¨llen beobachtet. Und weiß das allgemeine Urteil ruhiger Fachgenossen, deren sehr wichtige und scho¨pferisch beanlagte eben durch den Umstand, daß Schmidkunz uns leitet, sich dem Verein fernzuhalten. Fu¨r mich ist unter diesen Umsta¨nden die Situation zwar peinlich aber klar. Ich kann nur erkla¨ren, daß ich den Verein mit Schmidkunz nicht fo¨rdern kann. Da Sie an ihm festhalten, so bleibt mir nur u¨brig, zuru¨ckzutreten.

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Leipzig, 27. April 1912

Freilich mo¨chte ich dies nicht so thun, daß ich den Verein scha¨dige. Ich werde die Leipziger Versammlung260 weiter vorbereiten und auf ihr auch functionieren. Dann aber ist der Zeitpunkt gekommen, in dem ich mich zuru¨ckziehen kann – um so eher, als ja die Statuten ja¨hrliche Wahl des Vorsitzenden legitimieren. Mir tut es leid, grad Ihnen dies schreiben zu mu¨ssen, aber es ist der einzige Weg, unhaltbare Verha¨ltnisse zu ordnen. Wie immer in herzlicher Verehrung Ihr ergebener u. dankbarer Lamprecht

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Leipzig, 27. April 1912 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die Vorbereitungen fu¨r die Tagung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik gehen weiter voran, wenn auch die internen Strukturen der Gesellschaft, insbesondere was die Position des Vorsitzenden angeht, zur Diskussion stehen. Hochverehrter Herr Kollege! Besten Dank fu¨r Ihre so freundlichen Zeilen vom 22. cr. Leider ist nun doch gegen Ihre Erwartung und auch gegen die meine die innere Unhaltbarkeit der Lage in dem Verein fu¨r Hochschulpa¨dagogik durch die letzten Ausfu¨hrungen durch Herrn Schmidkunz, die Ihnen bekannt geworden sein werden, evident zu tage getreten. Freilich kann man vielleicht auch finden, dass es gut ist, sie werden, wenn es irgend mo¨glich ist, noch vor der Leipziger Versammlung beseitigt. Was ich auf Schmidkunz’ Brief fu¨r meine Person zu erwidern habe, habe ich in dem beifolgenden Brief zum Ausdruck gebracht und muss nun abwarten, welche Meinungsa¨usserungen mir darauf zugehen werden. Habe ich einige fru¨here Aeusserungen von Ihnen recht verstanden, so wu¨rden sich ja auch wohl Ihre Gedanken in der Richtung auf eine Befreiung des Vorstandes bis zum selbsta¨ndigen Handeln hin bewegen. Mir selber wu¨rde eine derartige Befreiung fu¨r eine weitere Ta¨tigkeit als ganz unerla¨sslich erscheinen. Die Vorbereitungen fu¨r die Versammlung im Herbst sind inzwischen nun soweit abgeschlossen, dass der Vero¨ffentlichung des Programms 260 Dritte Tagung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik am 18. Oktober 1912 in Leip-

zig.

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Nr. 69

Leipzig, 27. April 1912

wenig oder nichts mehr im Wege steht. Ob freilich die Versammlung nach aussen hin so gla¨nzend sein wird, wie die Mu¨nchner, ist mir zweifelhaft; ich selbst neige in solchen Fa¨llen zu einer mo¨glichst einfachen und schlichten Behandlung. Mit herzlichsten Gru¨ssen in alter Verehrung Ihr ergebenster Lamprecht Beilage zum Schreiben vom 27. 4. 1912

Leipzig, 23. April 1912

[Rundschreiben an die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik]261 Sehr geehrte Herren! Nach Leipzig zuru¨ckgekehrt, finde ich das Rundschreiben unseres Herrn Gescha¨ftsfu¨hrers vom 12. IV. vor. Ich beeile mich, Ihnen dazu einige Gedanken vorzulegen, die, wie Mancher unter Ihnen weiss, mich nicht erst seit heute bewegen. Ich reihe sie an der von Herrn Dr. Schmidkunz gegebenen Disposition dreier Punkte auf. Von diesen drei Punkten sind der 1te u. 3te secunda¨rer Art. Die Zeitschrift262 wird erna¨hrt werden ko¨nnen, wenn wir mehr Mittel haben; mehr Mittel werden wir haben, wenn das bisher noch auf recht enge Kreise begrenzte Vertrauen auf unser Wirken gewachsen sein wird.263 Dies Vertrauen ist aber abha¨ngig von Punkt 2: der Organisation unserer Absichten. Auf diesem Gebiet bin ich mit Dr. Schmidkunz darin einig, das die bisherige Organisation vielmehr Desorganisation ist. Ist aber der Vorschlag, den Herr Dr. Sch. macht, – Umwandlung des Vorstandes in einen Aufsichtsrat und der Gescha¨ftsstelle in ein unabha¨ngiges, nur der Kontrolle durch diesen unterworfenes Direktorat – geeignet zu helfen? Ich muss dem zu meinem Bedauern widersprechen. Will Herr Dr. Schm. eine solche Entwicklung, so ist es bei weitem am richtigsten, dass er sie ohne Gesellschaft suche: denn die Gesellschaft ha¨tte in diesem Falle keine weitere Aufgabe denn die, als Institution zur Beschaffung der beno¨tigten

261 F. v. Liszt/Berlin, E. Bernheim/Greifswald, A. Ho¨fler/Wien, S. Salinger/Berlin, W.

Pollack/Berlin, O. Lipmann/Berlin, E. Grueber/Mu¨nchen, W. Fries/Halle a. d. S., B. Meyer/Berlin, A. Rehm/Mu¨nchen, W. Rein/Jena, K. Schaum/Leipzig, E. Sieper/Mu¨nchen, Th. Sternberg/Berlin, E. Wiegandt/Leipzig, W. Waldeyer/Berlin. 262 Zeitschrift fu¨r Hochschulpa¨dagogik, hrsg. von der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik. 263 Im Januar 1911 geho¨rten 236 eingetragene Mitglieder zur Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik, Ende 1913 war die Mitgliederzahl auf 391 angewachsen.

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Leipzig, 1. Juni 1912

Mittel zu dienen. Fu¨r die Funktion, nichts als Vorarbeiter an einer solchen Institution zu sein, werden aber alle die danken, die auf hochschulpa¨dagogischem Gebiete eigene Gedanken haben und die vor allem im praktischen Dienste irgend einer Hochschule selbst stehen und dadurch eben Pflicht und Recht eines solchen selbsta¨ndigen Denkens zu u¨ben verpflichtet sind. Ich wenigstens mo¨chte fu¨r meine Person schon jetzt keinen Zweifel daran lassen, dass ich fu¨r die Stellung eines solchen Contremaitres nicht zu haben bin. Die Organisation, die ich fu¨r die richtige halte, bewegt sich in einer Richtung, die dem Vorschlage des Herrn Dr. Sch. direkt entgegengesetzt ist. Der Vorstand, der bisher fast nur dekorativ gewirkt hat, ist in seinen Rechten dahin zu versta¨rken, dass er die Gescha¨fte der Gesellschaft fu¨hrt; eines besonderen Gescha¨ftsfu¨hrers bedarf es u¨berhaupt nicht; die a¨usseren Gescha¨fte leitet – was ja selbstversta¨ndlich sein sollte – der Vorsitzende; fu¨r die Redaktion der Zeitschrift aber wird aus dem Vorstande, eventuell unter Cooptation anderer Mitglieder, eine Redaktionskommission bestellt, als deren Sekreta¨r dann Herr Dr. Schmidkunz gewiss zu unser aller Danke die technische Seite der Redaktion fu¨hren ko¨nnte. Nur eine solche Umbildung der Organisation ist m. E. im Stande, den Mitgliedern des Vorstandes dasjenige Interesse an der Sache dauernd zu verleihen, von dem auch eine Regelung der Finanzen und ein weiterer Ausbau der Zeitschrift mo¨glich sein wird. Als Vorsitzender der Gesellschaft bitte ich die zuna¨chst von Herrn Dr. Schmidkunz streng vertraulich angegangenen Herren, Sich meinem Vorschlag bis zum Ende April eingehend a¨ussern zu wollen. Je nach Ausfall dieser Aeußerungen werde ich dann den weiteren Verlauf der Beratungen in die Hand nehmen oder der Gesellschaft das mir in Mu¨nchen erteilte Mandat zuru¨ckgeben. Mit ausgezeichneter Hochachtung

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Lamprecht

Leipzig, 1. Juni 1912 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Betr. die „innere Entwicklungslinie“ der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik mu¨ssen die Kompetenzen des Vorsitzenden und des Gescha¨ftsfu¨hrers mo¨glichst bald klar abgesteckt werden. Fu¨r die Zeitschrift sollte eine Redaktionskommission ernannt werden. Wenn diese Fragen gekla¨rt sind, wird L. seine Rolle in der Gesellschaft bestimmen.

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Leipzig, 1. Juni 1912

Nr. 70

Hochverehrter Herr Kollege! Soeben geht mir von Herrn Professor Hoefler264 in Wien mein Rundschreiben vom 25. Mai nebst dem von Hoefler dazu geschriebenen Briefe, dessen Ru¨cksendung ich erbitte, zu. Darf ich wohl nun bitten, das Rundschreiben nach Erledigung mo¨glichst rasch expedieren zu wollen, wir kommen sonst an die Ferien und ich wu¨rde, wenn ich nicht u¨ber den Ausgang meiner Antra¨ge binnen kurzem einigermassen Bescheid wu¨sste, nicht in der Lage sein, den Vorsitz weiterzufu¨hren, wodurch selbstversta¨ndlich auch die Abhaltung der Tagung in Leipzig im Oktober gefa¨hrdet sein wu¨rde. Materiell kommt es mir der Hauptsache nach auf zwei Punkte an, in denen, glaube ich, wir einig sind. Einmal darauf, dass dem Vorsitzenden auch formell diejenigen Rechte zugebilligt werden, die er nach allgemeinem Korporationsrecht u¨berall geniesst, die in unserer Verfassung ebenfalls gegeben sind und nur durch die ganz ungebu¨hrliche Hervorhebung der Functionen des Gescha¨ftsfu¨hrers verdeckt erscheinen, und die nach den Erfahrungen dieses Jahres unbedingt vorhanden sein mu¨ssen, wenn die Gescha¨fte der Gesellschaft u¨berhaupt gefu¨hrt werden sollen. An zweiter Stelle ka¨me es darauf an, an Stelle der bisher willku¨rlichen und wissenschaftlich ungenu¨genden Redaktion der Zeitschrift eine auch ho¨chsten wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende, alle Richtungen gleichma¨ssig zu Worte kommen lassende Redaktionseinrichtung zu setzen. Ich wu¨rde die Lo¨sung in der Ernennung einer Redaktionskommission von etwa drei Mitgliedern erblicken. Dass ich die von Ihnen als wohlerworben betrachteten materiellen Anspru¨che von Dr. Schmidkunz nicht scha¨digen will, habe ich wiederholt ausgesprochen. Er mag auch unter den neuen Verha¨ltnissen ruhig das Gescha¨ftsfu¨hreramt mit seiner bisherigen Remuneration fortfu¨hren. Sehr dankbar wu¨rde ich Ihnen sein, wollten Sie mir freundlichst Ihr Votum, das ja fu¨r viele andere Mitglieder massgebend sein wird, mitteilen. Ich werde selbstversta¨ndlich von ihm zur Beeinflussung anderer Mitglieder keinen Gebrauch machen. Es wu¨rde fu¨r mich nur wu¨nschenswert sein, in dieser wichtigen Sache, deren vollen Abschluss ich bis zum 1. Juli erwartet ha¨tte, so weit klar zu sehen, dass ich darnach mein perso¨nliches Verhalten gegenu¨ber der Gesellschaft mit Sicherheit bestimmen kann.265 264 Alois Hoefler (1853–1922), Prof. fu¨r Philosophie in Wien, vero¨ffentlichte Studien zur

Philosophie, Psychologie und zu den Naturwissenschaften. 265 Auf der Jahresversammlung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik in Leipzig am

18. Oktober 1912 legte L. den Vorsitz nieder. Zum neuen Vorsitzenden bestimmte die Versammlung Ernst Bernheim. Vgl. Leitner, S. 35.

Nr. 71

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Leipzig, 29. Nov. 1912

Die Unterstu¨tzungsangelegenheit beim hiesigen Rat ist inzwischen im Begriff sich aufzukla¨ren. Es handelt sich um eine der kleinen Intriguen, in denen man geistige Bewegungen scha¨digen zu ko¨nnen glaubt, wenn man ihnen auch noch so geringfu¨gige materielle Mittel entzieht. Im Rat hat man die Sache, die natu¨rlich in Universita¨tskreise fu¨hrt, sehr belacht. Mit der Programmbildung des Lokalausschusses und allem, was dazu geho¨rt fu¨r die Tagung, sind wir inzwischen ordentlich fortgeschritten. Die Bildung des Lokalausschusses und eines Ehrenkomitees sind in die Wege geleitet und so hoffe ich, dass, wenn erst die innere Entwicklungslinie der Gesellschaft etwas klarer gelegt worden ist, der Abhaltung der Tagung keinerlei Schwierigkeiten entgegenstehen werden. Mit bestem Grusse, in alter Verehrung Ihr ergebenster

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Lamprecht

Leipzig, 29. Nov. 1912 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die Verhandlungen mit der Fa. Ko¨hler ko¨nnen z. Z. nicht weitergefu¨hrt werden. – L. erwartet Bernheims Tochter in seinem Haus in Leipzig. Hochverehrter Herr Kollege! Sie werden sich gewundert haben, dass Sie in Sachen der Hochschulpa¨dagogik von mir noch keine Nachrichten erhalten haben. Leider hat sich hier nochmals eine Verzo¨gerung eingestellt, die a` force majeur beruht. Herr Dr. Kurt Ko¨hler266, der in Betracht kommende Chef der Firma Ko¨hler, ist bei seiner Heimreise aus Italien von einer sehr ernsten Krankheit ergriffen worden und liegt einstweilen noch fest. Naturgema¨ss sind dadurch die Verhandlungen zuna¨chst unterbrochen worden. Ich hoffe Ihnen aber doch, da Ko¨hler sich verha¨ltnisma¨ssig rasch erholt, bald Mitteilung machen zu ko¨nnen. Ihr Fra¨ulein Tochter habe ich bis jetzt noch nicht gesehen, wie das bei dem Trubel, der hier wa¨hrend des Semsters herrscht, leider nur zu leicht begreiflich ist und wie es namentlich auch bei der Abwesenheit meiner Hausdame, die noch in Dresden weilt, kaum anders der Fall sein konnte.

266 Die Zeitschrift fu¨r Hochschulpa¨dagogik erschien als Vierteljahresschrift seit 1910 im

Verlag E. Wiegandt/Leipzig. Ab 1913 u¨bernahm das Verlagshaus K. F. Koehler, ebenfalls mit Sitz in Leipzig, die Herausgabe der Zeitschrift in einem organisatorischen Verbundsystem mit der Akademischen Rundschau.

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Nr. 72

Leipzig, 31. Dez. 1912

Sobald wir aber gesellschaftlich wieder in Ordnung sind, werde ich nicht verfehlen, sie einmal zu uns zu bitten. Mit herzlichem Grusse Ihr Sie verehrender

[L.]

(anbei ein Protokoll)

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Leipzig, 31. Dez. 1912 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

L. nimmt die Verhandlungen mit der Fa. Ko¨hler wieder auf. Hochverehrter Herr Kollege! Herzlichen Dank fu¨r Ihre freundliche Karte vom 29. cr. Ich habe daraufhin versucht, mit Herrn Dr. Ko¨hler zu verhandeln, aber sowohl gestern wie heute vergebens. Obwohl er in Leipzig ist, ist er doch nirgends zu treffen und offenbar mit guten Freunden jetzt woanders als in seinem Bureau. Ich werde nun heute Nachmittag noch einen letzten Versuch machen, ehe ich von morgen ab auf eine Reihe von Tagen nach Ko¨sen (Hotel Mutiger Ritter) gehe. Sollte ich Erfolg haben, so gebe ich Ihnen Nachricht. Im u¨brigen passt mir der 6. Januar sehr schlecht, ich will aber doch versuchen, nach Berlin zu kommen. Was das Materielle der Verhandlungen angeht, so la¨sst sich Ko¨hler gegenu¨ber bei seiner engen Stellung zur freien Studentenschaft wohl ausfu¨hren, dass es fu¨r die Tendenzen der freien Studentenschaft von ho¨chster Bedeutung sein wu¨rde, in enger Fu¨hlung mit der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik und eventl. auch dem Verein der Hochschullehrer zu bleiben, um dadurch den vorwa¨rts dra¨ngenden Elementen der freien Studentenschaft freundliches Geho¨r in den Kreisen der Dozenten zu sichern. Ko¨hler kann sich diesen Zusammenhang nach seinen Verha¨ltnissen sehr wohl auch ein kleines Opfer kosten lassen. Nicht minder kommt natu¨rlich fu¨r ihn in Betracht, dass der Zusammenhang mit einem oder wohl auch gar beiden Vereinen ihm einen weiten Kreis von Mitarbeitern und wohlwollenden Kritikern seiner Zeitschrift schaffen wu¨rde. Mit herzlichen Gru¨ssen und scho¨nen Wu¨nschen fu¨r das neue Jahr Ihr Sie verehrender [Lamprecht] P. S. Beinahe ha¨tte ich vollkommen vergessen, hochverehrter Herr Kollege, Ihnen aufs herzlichste fu¨r Ihre Studie u¨ber „die augustinische

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Leipzig, 31. Dez. 1912

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Geschichtsanschauung in Ruotgers Biographie des Erzbischofs Bruno von Ko¨ln“267 zu danken. Ich habe sie mit dem gro¨ssten Interesse gelesen und werde sie sofort in den quellengeschichtlichen Uebungen des kommenden Quartals, die mich auf Bischofscharakteristik bringen, verwenden. Ihre Auseinandersetzungen u¨ber die Harmonie, wofu¨r sich vielleicht auch das von Cues gebrauchte Wort „Concordantia“ ha¨tte anfu¨hren lassen, finde ich ebenso richtig als lichtvoll und die Interpretation Ruotgers gewinnt in der Tat ganz ausserordentlich an Plastik, wenn man die Begriffswelt, die sich dieser Vorstellung der Harmonie anschliesst, anwendet. Eine andere Frage, die ich bei dieser Gelegenheit aufwerfen mo¨chte, wa¨re dann die, inwiefern die starke Vereinfachung der augustinischen Ideenwelt, die unter Aufnahme des Begriffes der Pax sich immerhin im Mittelalter gegeben hat, nun den spezifisch seelischen Eigenschaften des Mittelalters zu danken wa¨re. Es wu¨rde dabei wohl darauf ankommen, die Zeitpsyche des 10. Jahrhunderts einmal festzustellen und gerade fu¨r sie ergeben, wie ich denke, die reichlichen Quellen eben den Gegensatz teuflischer und go¨ttlicher Gewalten, unter denen die noch immer u¨berma¨ssig impulsive Psyche der Einzelperso¨nlichkeit auf der verha¨ltnisma¨ssig noch leeren Bu¨hne des Lebens handelt. Wu¨rde in dieser Selbstcharakteristik des Zeitalters, wie sie ja am Ende jede [Auslassung i. O.] von Seelenleben entha¨lt, dann nicht zu gleicher Zeit auch in eine sehr vereinfachte Vorstellung der o¨ffentlichen Sittlichkeit in den Staatsformen, so auch die ausserordentlich starke Einfachheit der Motive selbst bei eminenten Handlungen ergeben? Wohin man auf diesem Gebiete sieht, kommt man immer zu Vorstellungen, die schliesslich an das Epos der Zeit, als die doch eigentlich einzig ada¨quate Form der Erza¨hlung fu¨hren. [...]268 Mit den besten Empfehlungen an Sie und die Ihrigen Ihr ergebenster [Lamprecht]

267 Ernst Bernheim, Die augustinische Geschichtsanschauung in Ruotgers Biographie des

Erzbischofs Bruno von Ko¨ln, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fu¨r Rechtsgeschichte 33 (1912), Kanonische Abteilung Bd. 2, S. 299–335. 268 Eine Seite des Schreibens ist nicht u¨berliefert.

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Berlin W 8, 9. April 1913

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Berlin W 8, 9. April 1913269 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Die Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik krankt an ihrer „vo¨llig confusen Verfassung“ und den Kompetenzschwierigkeiten zwischen Vorstand, Vorsitzendem und Gescha¨ftsfu¨hrer. Verehrter Herr Kollege! Besten Dank fu¨r Ihre so freundlichen Zeilen; wie glu¨cklich, daß wir alle nun, mit Ausnahme von Schmidkunz, in der Form, in der das Schifflein der Ges[ellschaft] geborgen ist, u¨bereinstimmen. Ich glaube auch, daß die von Ihnen genannten drei Herren zeichnen mu¨ssen: eine Consequenz unserer vo¨llig confusen Verfassung, die auf nichts zugeschnitten ist, als darauf, den Berliner, doch zumeist vo¨llig impotenten Herren270 und Schmidkunz die Herrschaft zu sichern. In diesem Zusammenhang wird eine Notiz in Ihrem Briefe fu¨r mich wichtig. So sehr ich, vacante imperio, damit einverstanden bin, daß die drei Berliner Herren zeichnen, so ist mir doch – und als Vorsitzender mu¨sste ich es doch wissen, – nicht das Geringste davon bewusst, daß die Generalversammlung die Functionen des Vorstandes uno tenore besta¨tigt ha¨tte. Nichts vielmehr habe ich, und zwar mit voller Absicht, bestimmen lassen: der Vorstand ist ohne Functionsverteilung wiedergewa¨hlt worden, & nur Sie sind zur Fu¨hrung der Gescha¨fte bestimmt worden. Ich kann hier das Protokoll nicht einsehen, wa¨re aber neugierig zu wissen, was es bestimmt. Die Sache kann eventuell sehr wichtig werden. Ich habe hier glu¨cklich meine Vortra¨ge hinter mir, wie nicht minder allerlei Besprechungen, feire heute noch den Universita¨tsactus fu¨r 1813 mit, gehe morgen nach Leipzig & hoffe dort bald auch einmal Ihr Frl. Tochter bei uns zu sehen. In alter Verehrung Ihr ergebener

Lamprecht

269 Hospiz am Gendarmenmarkt, Mohrenstr. 27–28. 270 Zum Vorstand der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik geho¨rten neben den drei Vor-

sitzenden die Berliner Salinger, Pollack und Lipmann als Schatzmeister bzw. Erster und Zweiter Schriftfu¨hrer.

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Leipzig, 23. Dez. 1913

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Leipzig, 23. Dez. 1913 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Nicht zuletzt wegen der Person von H. Schmidkunz als Gescha¨ftsfu¨hrer sieht L. fu¨r die Zukunft der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik nur die Mo¨glichkeit, mit dem Historikertag oder dem Hochschullehrertag zusammenzuarbeiten. Hochverehrter Herr Kollege! Wie leid hat es mir getan, daß ich nicht in Berlin271 zugegen sein konnte. Ich denke aber, daß Herr Baum272 dagewesen sein wird und daß ich wohl von ihm noch genaueren Bericht erhalte. Ich war durch eine Sitzung der Kommission fu¨r Geschichte, deren Gescha¨ftsfu¨hrung mir obliegt, hier festgehalten und habe den ganzen Tag bis spa¨t abends zu tun gehabt. Ich freue mich, daß die Versammlung einen verha¨ltnisma¨ßig so glu¨cklichen Verlauf genommen hat. Freilich, daß sie so rasch emporblu¨hen wird, wie manches in dem Boden und Klima Berlins verspricht, scheint mir durch die Perso¨nlichkeit von Dr. Schmidkunz ausgeschlossen. Er ist nun einmal durch die Stadt bekannt, man erza¨hlt tausend Geschichten, die wahr sein mo¨gen oder nicht, und er selbst hat sich in einen Trotz des Unglu¨cks gestu¨rzt, der ja leider niemals geeignet ist, innerlich zu fo¨rdern. Ich habe gedacht, daß bei all den Umbildungen, in die ich den Verein hineinbrachte, sich fu¨r die Person von Dr. Schmidkunz in irgend einer Form eine Lo¨sung ergeben wu¨rde. Dies ist leider nicht der Fall gewesen und nun sehe ich im Ganzen tru¨be in die Zukunft und wu¨rde eine Rettung eigentlich nur noch darin erblicken, daß in irgend einer Weise eine fruchtbare Verbindung mit dem neuen Anschlußverein des Historikertages zu stande komme. Aber der Historikertag hat ja seine werbende Kraft verloren, seitdem eine immer mehr u¨berwindende einseitige Richtung ihre, wenn nicht prinzipiell so doch tatsa¨chlich Freiheit der Diskussion, wie einer Diskussion u¨berhaupt beraubt hat; dazu, vor einer ju¨ngeren Dozentenschar teils zu deren Ergo¨tzung, teils zu deren besserer, leider nicht nur geistiger Befo¨rderung auf dem Wege von wissenschaftlichen Vortra¨gen eine geistige Promenade auszufu¨hren, sind wir a¨lteren Leute denn schließlich doch nicht da.273 271 Vierte Versammlung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik am 19. Dezember 1913

in Berlin.

272 Leider nicht identifizierbar. 273 Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 267.

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Greifswald, 30. Dez. 1913

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Im Ganzen scheint mir unter den Vereinsveranstaltungen akademischen Charakters bei weitem die kra¨ftigste doch der Hochschullehrertag zu sein und er steht unter der Leitung von Wach. Schade, daß sich die Personal-Union, an die ich gedacht hatte, nicht hat herbeifu¨hren lassen, sie wu¨rde gewiß auch Ihnen als das fu¨r Sie Angenehmste erschienen sein. Mit herzlichen Feriengru¨ßen in alter Verehrung Ihr ergebenster Lamprecht

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Greifswald, 30. Dez. 1913 Ernst Bernheim an Karl Lamprecht

Bernheim beurteilt die Zukunft der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik durchaus positiv, sieht aber keine Basis der Zusammenarbeit mit dem Historikertag oder dem Hochschullehrertag, sondern eher mit der Studentenbewegung. Sehr geehrter Herr Kollege! Vielen Dank fu¨r Ihren freundlichen Brief und Ihre Feriengru¨ße, die ich bestens in Gestalt besonderer Gru¨ße und Wu¨nsche fu¨r’s neue Jahr erwidere! In Hinsicht der Gesellschaft fu¨r HP [Hochschulpa¨dagogik] sehe ich nicht so du¨ster in die Zukunft, wie Sie es selbst thun. Allerdings erwarte ich von Berlin sehr wenig. Wenn man die Antwort der dortigen Fakulta¨t auf die Eingabe der Extraordinarien gelesen hat, wenn man die Vorrede Scha¨fer’s zu seiner Deutschen Geschichte274 vor Augen hat und so manches andere dort und anderwa¨rts, muß man wirklich sagen „Lasciate ogni speranza“! Auch vom Hochschullehrertag sehe ich wenig Zuversicht Erweckendes: die ganze Ero¨rterung der Doktorfragen fand ich sehr unglu¨cklich. Wenn man so unbedingt fu¨r die Autonomie der Universita¨ten eintritt, wie es der Kreis der Kollegen dort thut, sollte man doch nicht die Promotionsgebu¨hren so darstellen als ob sie lediglich eine quasi unberufene Erwerbsfrage der Einzelnen wa¨ren, meistens ja doch wesentlich in die Institutskassen fließen und die einzige nennenswerthe Einnahme der Privatdozenten sind, die sie fu¨r ihre [unleserlich]. Mit tiefer Berechtigung

274 Dietrich Scha¨fer (1845–1929), Historiker, Prof. in Breslau (1885), Tu¨bingen (1888), Hei-

delberg (1896) und Berlin (1903–1921); vgl. D. Scha¨fer, Deutsche Geschichte Bd. 1 und 2. Jena 1910.

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Greifswald, 30. Dez. 1913

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hat Miquel275 einmal gesagt, daß Autonomie ohne finanzielle Zusta¨ndigkeit ein Unding sei, und das sollten doch die Vertreter autonomen Universita¨tswesens nicht verkennen. Zudem hat man die Verha¨ltnisse des Dissertationswesens selbst einseitig von denen einzelner Institute und einzelner Universita¨ten aus verallgemeinert: die philosophischen Fakulta¨ten nehmen doch wohl u¨berall und jedensfalls ganz vorwiegend den Standpunkt ein, nur wirklich wissenschaftliche Leistungen durchzulassen, und wir Historiker doch ganz gewiß allgemein. Endlich ist die ganze Frage nur von dem Gesichtspunkt der Dozenten aus behandelt worden. Was die Arbeit an einer rechten Dissertation fu¨r den Studenten bedeutet, ist nicht einmal gestreift worden, und das ist nach meiner Erfahrung gar nicht genug zu bewerthen: die Leute werden fo¨rmlich andere Menschen im Laufe einer solchen Arbeit, das sehe ich oft; sie bekommen oft einen ganz anderen, einen geistigen Gesichtsausdruck, aus Idioten werden geistige Perso¨nlichkeiten dadurch. Aussichtsvoller erscheint mir, was Sie fru¨her schon meinten, der Anschluß an die Bewegung der Studentenschaft, wie sie Fraunsta¨dter276 vertritt und in der neulichen Vorstandsversammlung zugleich bescheiden und praktisch wollend vertrat. Da ist, glaube ich, ein Boden fu¨r Fortschritte. Was Schmidkunz betrifft, so hat er ja gewiß seine Schattenseiten. Aber von „Geschichten“ u¨ber ihn, die Sie erwa¨hnen, habe ich nichts geho¨rt. Immer ist doch anzuerkennen, daß er diesen Zweig der Pa¨dagogik geschaffen hat und die Gesellschaft mit u¨ber 300 Mitgliedern dazu. Eine ganze Reihe namhafter Fachkollegen – auch unser hiesiger Schwarz277 – scha¨tzen seine philosophisch-pa¨dagogischen Schriften durchaus. Ich glaube, er wird zu den Leuten geho¨ren, denen man spa¨ter nachbedauert, daß ihnen durch die Not des Lebenskampfes nicht freiere Entwicklung gego¨nnt war. Und jedenfalls haben wir doch keinen, der etwa [an seiner] Stelle seine Arbeiten u¨bernehmen ko¨nnte. Hoffen wir also auf das Beste auch mit ihm! Was uns am meisten fehlt, sind einige hundert Mark zur Verfu¨gung fu¨r Propaganda! Mit Verehrung der Ihre

Ernst Bernheim

275 Evtl. Johannes von Miquel (1828–1901), von 1890 bis 1901 preuß. Finanzminister, davor

Oberbu¨rgermeitster von Frankfurt am Main. 276 W. Fraunsta¨dter, Berlin, ab 1915 Schatzmeister der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dago-

gik.

277 H. Schwarz, Prof. in Greifswald.

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Leipzig, 15. Okt. 1914

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Leipzig, 15. Okt. 1914 Karl Lamprecht an Ernst Bernheim

Mit der Einrichtung von „Forschungsabteilungen“ an der Universita¨t Leipzig ko¨nnen diese nun ihre Arbeit aufnehmen. – L. selbst wird an der bevorstehenden Versammlung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik in Berlin nicht teilnehmen ko¨nnen, stellt aber fest: „Fu¨r hochschulpa¨dagogische Bestrebungen kommt meiner Ansicht nach jetzt eine außerordentlich gu¨nstige Zeit und man sollte sie in jedem Betracht nutzen.“ Hochgeehrter Herr Kollege! Wie gern wu¨rde ich an der Versammlung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik am Sonnabend teilnehmen.278 Allein, so wie die Dinge bis zu diesem Augenblick aussehen, wird es mir unmo¨glich sein, am Sonnabend nach Berlin zu fahren. Ich war bis vor kurzem um ein Buch fertig zu stellen und zu gleicher Zeit eine kleine Kur zu machen, in Friedrichroda und so hat sich hier so viel angesammelt, daß ich noch nicht absehe, wie ich vor dem Semester einigermassen reinen Tisch schaffe. Fu¨r hochschulpa¨dagogische Bestrebungen kommt meiner Ansicht nach jetzt eine ausserordentlich gu¨nstige Zeit und man sollte sie in jedem Betracht nutzen. Ich mo¨chte in dieser Richtung gern Vorschla¨ge machen, bin aber noch nicht so weit, sie vollkommen durchdacht oder sie gar schon zu Papier gebracht zu haben. Ich darf mich vielleicht spa¨ter in der Sache an Sie wenden. Hier in Leipzig ist nun endlich die Sache der Angelegenheit der Forschungs-Institute vo¨llig entschieden. Die von mir als Rektor eingereichte Stiftung ist gemacht, die entsprechenden staatlichen Bewilligungen liegen vor, es sind 12 Forschungsabteilungen bei den einzelnen wichtigen geisteswissenschaftlichen Instituten begru¨ndet worden und die fu¨r ihre Arbeiten ja¨hrlich zur Verfu¨gung stehende Summe betra¨gt etwa M 150.000.–. Damit la¨ßt sich schon viel machen und wir sind mitten in der Arbeit. Herzliche Gru¨ße von Ihrem Sie verehrenden

[L.]

278 Jahresversammlung der Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik am 17. Oktober 1914 in

Berlin. Als Beisitzer ohne Funktion za¨hlte L. 1914 zum Vorstand der Gesellschaft.

BRIEFWECHSEL ZWISCHEN KARL LAMPRECHT UND HENRI PIRENNE

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Bonn, 5. April 1883 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Antwort auf ein Schreiben Pirennes vom 26. Ma¨rz, in dem P. seine Bereitschaft zur Mitarbeit an der Westdeutschen Zeitschrift zum Ausdruck brachte. Lamprecht pra¨zisiert seine Vorstellungen und schla¨gt P. die ¨ bersicht u¨ber die Organisation historischer Arbeiten in Erstellung einer U Belgien mittels der Rezension periodischer Publikationen vor, denn – so L.s Einscha¨tzung: „Unsere Aufgabe muß es ja gerade sein, die Fu¨hlung mit dem belgischen Nachbarn aufrechtzuerhalten.“ Geehrter Herr Doctor! Gestatten Sie mir zuna¨chst den Ausdruck meines besten Dankes fu¨r Ihre Zeilen vom 26. Ma¨rz, welche mich rasch zu erwidern leider eine Anzahl froher aber schreiblos verlebter Ferientage abgehalten haben. Ihr Anerbieten einer gelegentlichen Mitarbeit an der westdeutschen Zeitschrift279 nehme ich mit verbindlichem Danke an; namentlich wu¨rden mir auch 279 L. begru¨ndete 1881/82 gemeinsam mit dem Trierer Museumsdirektor Felix Hettner

die viertelja¨hrlich in Trier erscheinende „Westdeutsche Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst“ (Nachfolger der Pickschen Monatsschrift fu¨r die Geschichte Westdeutschlands), vgl. Briefe L.s an E. Bernheim vom 7.4.1881 und Mai/Juni 1881 (Nr. 4 und 5 der Edition). Die Reorganisation der Zeitschrift stand in engem Zusammenhang mit der Gru¨ndung der Gesellschaft fu¨r Rheinische Geschichtskunde, die sich auf Initiative Lamprechts im Juni 1881 konstituiert hatte. 1891 u¨bergab L. die Herausgeberschaft der Westdeutschen Zeitschrift an den Ko¨lner Stadtarchivar Joseph Hansen. Vgl. L., An die Leser der Zeitschrift. In: Westdeutsche Zeitschrift 10 (1891), S. 413f. – Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 46/47 u. S. 229ff.

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Bonn, 5. April 1883

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kurze Notizen u¨ber belgische uns interessierende Vorga¨nge gelegentlich sehr willkommen sein (deutsch oder franzo¨sisch). Unsere Aufgabe muß es ja gerade sein, die Fu¨hlung mit dem belgischen Nachbarn aufrechtzuerhalten und zu finden: um so mehr, als es keinem Zweifel unterliegen kann, daß unsere Territorialforschung in großem Stile von Ihnen ausserordentlich viel lernen kann. Die Organisationen, welche fu¨r die Erforschung einer der bedeutungsvollsten Territorialgeschichten von Nutzen sein ko¨nnen, sind bei Ihnen von der Akademie herab bis zur der untersten localen Vereinstha¨tigkeit musterhaft entwickelt: wir haben dem nur in einigen Gegenden, in der Provinz Sachsen, in Schlesien, neuerdings am Rhein (Gesellschaft fu¨r Rheinische Geschichtskunde) und seit den ju¨ngsten Tagen auch in Baden (Historische Commission fu¨r das Großherzogtum) Anfa¨nge gegenu¨ber zu stellen. Von diesem Gesichtspunkt aus wu¨rde es mir nun zuna¨chst von hohem Nutzen erscheinen, wenn einmal von ¨ bersicht u¨ber die Organisation der wolinformierter belgischer Seite eine U historischen Arbeit in Belgien, soweit sie belgische Vergangenheit betrifft, in einer deutschen Zeitschrift gegeben wu¨rde. Es ließe sich das m. E. am besten mit einer Besprechung der letzten periodischen Publicationen verbinden; bei der Mitteilung des Inhalts der letzten Ba¨nde des Compte rendu der Commission royale d’histoire z. B. wa¨re u¨ber die Organisation und die Geschichte dieser Commission etwas mitzuteilen, bei Besprechung der Lu¨tticher Zeitschriften u¨ber Geschichte und Wirksamkeit der hinter derselben stehenden Vereine u. s. w.: Kurz: unter Anknu¨pfung an die letzten periodischen Publicationen wu¨rde sich im Ru¨ckblick ein volles, durch die Beurteilung der letzten vorliegenden Leistungen zu gleich belebtes Bild der belgischen geschichtlichen Arbeit ergeben. Wu¨rden Sie wol, sehr geehrter Herr Doctor, bereit sein, eine solche Zusammenstellung und Darstellung, welche ich auf 1–11 /2 Bogen berechnen wu¨rde, zu u¨bernehmen? Ich glaube, es wa¨re eine interessante Arbeit, welche auch fu¨r Sie innere Fo¨rderung verspricht, da sie zum Denken u¨ber manche Ihnen allta¨glich gewordene Erscheinungen im Zusammenhang anregen wu¨rde. Indem ich Sie um eine Antwort in der Sache bitte und zugleich bemerke, daß die Sprache deutsch (aber gutes) oder franzo¨sisch sein kann, bin ich mit ausgezeichneter Hochachtung Ihr ganz ergebener Lamprecht

Nr. 78

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Bonn, 19. April 1883

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Bonn, 19. April 1883280 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

In Beantwortung eines Schreibens vom 12. April 1883 beschreibt L. seine Vorstellungen von einer Mitarbeit P.s an der Westdeutschen Zeitschrift: P. ¨ bersicht der historischen Studien in Belgien soll neben Rezensionen eine U erstellen. Sehr geehrter Herr Doctor! Mit dem besten Danke fu¨r Ihren gu¨tigen Brief vom 12. April verbinde ich die Nachricht, daß Ihre Mitarbeiterschaft in den von Ihnen gezogenen Grenzen mir sehr lieb sein wird. Mit der Zusammenstellung der ja¨hrlichen Bibliographie281 ist allerdings Prof. Reusens282 von der Kath. Universita¨t in Lo¨wen bescha¨ftigt: ich habe ihn vor einigen Jahren hier kennen gelernt und um diese Arbeit um so eher bitten ko¨nnen, als fu¨r wissenschaftliche Arbeiten die religio¨sen Gegensa¨tze bei uns glu¨cklicherweise ausser Frage bleiben: ein deutliches Beispiel ist hierfu¨r die Gesellschaft f. Rh. Geschkde., deren erste Publication283 ich mir beizufu¨gen erlaube. Um so lieber sehe ich der Recension der Cartulaire de Dinant284 entgegen; es wird gewiß fu¨r unsere Hansegeschichte von grosser Bedeutung sein. Auch gelegentliche Notizen fu¨r das Korrespondenzblatt285 sind sehr willkommen. Daneben bliebe dann, eventuell in unserem Octoberhefte zu vero¨ffentlichen, die Hauptarbeit u¨ber die Historischen Studien in Belgien286, u¨ber deren Grundzu¨ge ich mich mit Ihnen eins weiß. Ergebenst

Lamprecht

280 [Postkarte, Poststempel]. 281 Als sta¨ndige Rubrik enthielten die Vierteljahrshefte der Westdeutschen Zeitschrift u. a.

eine von L. redaktionell betreute ja¨hrliche Bibliographie. 282 Edmond Reusens (1831–1903), Prof. der Pala¨ographie und Urkundenlehre an der Uni-

versita¨t Lo¨wen. 283 In der Reihe der „Publikationen der Gesellschaft fu¨r Rheinische Geschichtskunde“

erschien als erstes: Ko¨lner Schreinsurkunden des 12. Jahrhunderts. Quellen zur Rechtsund Wirtschaftsgeschichte der Stadt Ko¨ln, hrsg. von Robert Hoeniger. Bonn 1884. 284 Cartulaire de la Commune de Dinant, recueilli et annote´ par Stanislas Bormans. 3 Bde., Namur 1880–1882. Die Rezension Pirennes erschien 1884. 285 Monatliches Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst, zugleich Organ der historisch-antiquarischen Vereine zu Frankfurt/M., Karlsruhe und Mannheim, hrsg. von L. und Felix Hettner, Trier 1882ff. 286 Die Studie Pirennes gelangte 1885 zum Druck (vgl. unten Anm. 302).

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Nr. 79

Bonn, 3. Okt. 1883

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Bonn, 3. Okt. 1883 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. betont das dringende Interesse an der P.schen Arbeit u¨ber die „Organisation der historischen Studien in Belgien“ auf zentraler wie lokaler Ebene, da genau dieses Problem in Deutschland an Aktualita¨t gewonnen hat, da „jetzt die Frage nach einer Ordnung der entsprechenden deutschen Interessen immer dringlicher aufgeworfen wird“. Hochverehrter Herr Doktor! Nehmen Sie fu¨r die neulich von Ihnen u¨bersandten Notizen den besten Dank; Sie werden dieselben schon in unserm na¨chsten Korrespondenzblatt abgedruckt finden287 und Belege daru¨ber erhalten. Mit großem Interesse sehe ich Ihrer Studie u¨ber die Organisation der historischen Studien in Belgien entgegen, um so mehr, als jetzt die Frage nach einer Ordnung der entsprechenden deutschen Interessen immer dringlicher aufgeworfen wird. Es wu¨rde mir sehr erliebt sein, die Studie schon im I Heft (Januar) des ku¨nftigen Jahrgangs 1884 zum Abdruck bringen zu ko¨nnen; das setzt aber Fertigstellung und Uebersendung des Manuskripts bis Ende October voraus: eine Mo¨glichkeit, u¨ber welche Sie mir gu¨tigst Aufschluß geben wollen. Nach der Wendung, welche die Discussion bei uns nimmt, wu¨rde es besonders erwu¨nscht sein auszufu¨hren, in welcher Weise die localen Organisationen von den Centralpunkten (Bru¨ssel, Lu¨ttich usw.) beeinflusst werden, wie die Archivare zu den Geschichtsvereinen sich stellen, ob nicht der Herausgeber localer Zeitschriften ein Zuviel zu constatieren ist oder ob sich etwa verschiedene Vereine zur Herausgabe einer gro¨ßeren Zeitschrift statt vieler kleinerer geeinigt haben, und a¨hnliche Fragen der localen Organisation. Eine weitere wichtige Frage wa¨re die, auf welche Weise die Publication des Materials erfolgt, z. B. Aufkla¨rung u¨ber die Sammlung der Chroniques belges, u¨ber die Art, wie sta¨dtische Acten und Urkundenbu¨cher ediert werden usw. Sie sehen, es gibt Fragen genug, deren Beantwortung durch kurze Skizzierung des bisher Geleisteten, der Publicationen, Zeitschriften usw. sehr an Deutlichkeit gewinnen wu¨rde; ich glaube, daß fu¨r das Alles der gesteckte Raum von 1–1 1/2 Bogen schon knapp bemessen scheint.

287 Vgl. Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst, Jg. II

Nr. 10 (Oktober 1883), S. 68 (Nr. 184 u. 185).

Nr. 80

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Bonn, 23. Okt. 1883

Wann darf ich Ihrer Recension288 entgegen sehen? Mit ausgezeichneter Hochachtung Ihr ganz ergebener

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Lamprecht

Bonn, 23. Okt. 1883 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Der von P. projektierte Aufsatz sowie die in Aussicht gestellte Rezension sollen 1884 in der Westdeutschen Zeitschrift erscheinen. Von P.s Arbeiten erwartet L. wichtige Impulse fu¨r die „provinzialgeschichtliche Regung“ in Deutschland. Sehr geehrter Herr Doctor! Ich hoffe, dieser Brief trifft Sie nun noch in Verviers an; ein paar Sendungen meinerseits an Sie nach Lu¨ttich – Sie hatten den letzten Brief zu datieren vergessen – sind vor einigen Tagen nach ziemlich langer postalischer Wanderung wieder bei uns eingekehrt. So komme ich erst jetzt dazu, Ihnen mein Bedauern zu a¨ussern u¨ber die wichtigen Umsta¨nde, welche Sie verhinderten, schon zum 1. Januar289 Ihren Aufsatz zu vollenden. Indeß, es ist fu¨r uns noch mehrfacher Ersatz fu¨r den zugedachten Raum in der Zeitschrift vorhanden; und Ihre Studie kann ja durch weiteres Sammeln von Material nur gewinnen. Ich darf Sie deshalb wol bitten, mir gelegentlich mitteilen zu wollen, wann Sie etwa den Aufsatz vollendet haben wu¨rden. Die provinzialgeschichtliche Regung wird bei uns immer bedeutender; ihr wu¨rde Ihre Arbeit ein sehr wesentliches Ferment abgeben. Anbei noch einige Belege der mir gu¨tigst u¨bersandten Notizen, die so bald als mo¨glich zum Abdruck gekommen sind. Ihrer Recension des Dinanter Cart.290 sehe ich mit großem Interesse entgegen. In ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ganz ergebener Lamprecht

288 Vgl. oben Anm. 284. 289 D. h. fu¨r Heft 1 des Jahrgangs 1884 der Westdeutschen Zeitschrift, Redaktionsschluss:

Ende Oktober 1883.

290 Vgl. oben Anm. 284.

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Nr. 82

Bonn, 20. Jan. 1884

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Bonn, 3. Nov. 1883291 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. verbindet seinen Dank fu¨r die von P. gelieferte Rezension mit der Erinnerung an die von P. zugesagte Arbeit u¨ber die „belgischen historiographischen Verha¨ltnisse“. Sehr geehrter Herr Doctor! Nehmen Sie den besten Dank fu¨r Ihre heut empfangene Sendung; ich finde die Besprechung des Cart. Dinant vorzu¨glich geeignet fu¨r unsere Kreise, welche neben der Kritik und doch mittelst derselben erst in den Stoff eingefu¨hrt werden mu¨ssen. Insofern darf ich diese Arbeit wol als gutes Omen fu¨r die Studie u¨ber die belg. historiographischen Verha¨ltnisse nehmen. Die erste wu¨rde ich, soll sie im Aprilhefte292 erscheinen, gerne bis Anfang Februar in meinen Ha¨nden sehen. Fu¨r Paris meine besten Wu¨nsche! Sollten Sie dort in Verbindung mit der Ecole des Chartes einen Herrn Durand, Archaeologen aus Remiremont293 kennen lernen, so darf ich wol bitten, ihm das Vergnu¨gen auszudru¨cken, das mir die Erinnerung an ein paar hier mit ihm verlebte Tage noch immer gewa¨hrt. Ich hoffe indeß, ihm auch na¨chstens zu schreiben. In ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ganz ergebener Lamprecht

Von der Besprechung u¨ber Dinant erhalten Sie Correctur vor dem Abzug.

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Bonn, 20. Jan. 1884294 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. antwortet auf eine Anfrage P.s, die Fertigstellung des Aufsatzes u¨ber die Organisation der belgischen Geschichtswissenschaft ko¨nne P. ohne Zeitdruck vornehmen.

291 [Postkarte]. 292 D. h. Heft 2 des Jahrgangs 1884 der Westdeutschen Zeitschrift. 293 Georges Durand (1855–1942). 294 [Postkarte].

Nr. 84

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Aschaffenburg, 15. Ma¨rz 1884

Hochgeehrter Herr Doctor! In demselben Augenblick fast, in welchem Ihre Karte hier eintrifft, setze ich mich, um Ihnen zu antworten. Ich musste eine Anwort leider bis auf heute verschieben, da in folge des Ausfalls Ihrer Arbeit295 fu¨r Heft 2 eine Reihe von Dispositionen zu a¨ndern waren, und ich Ihnen nicht Antwort geben mochte, ehe diese Umformungen ganz vollzogen, sich damit als mo¨glich gezeigt und mir eine definitive Anwort an Sie gestattet hatte. Jetzt ist nun fu¨r Ihren Aufsatz Ersatz geschaffen und ich darf Sie bitten, die Vollendung desselben ganz mit Muße zu betreiben. Ihre Recension296 ist noch nicht gedruckt; sie kommt vermutlich in das na¨chste Heft und ich werde nicht verfehlen, Ihnen, wie jedem Autor, eine Correctur (Epreuve) zugehen zu lassen. Mit ausgezeichneter Hochachtung

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Ihr ergebenster Lamprecht

Bonn, 5. Ma¨rz 1884297 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. bittet um Korrektur von Druckfahnen durch P. Sehr geehrter Herr Doctor! In der na¨chsten Zeit wird Ihnen, Ihrem Wunsche entsprechend, eine Korrectur der Dinanter Recension zugehen; Sie wu¨rden mich durch eine Durchsicht des Druckes sehr verpflichten. Hochachtungsvoll und ergebenst

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Dr. Lamprecht

Aschaffenburg, 15. Ma¨rz 1884298 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. unterrichtet P. u¨ber die Drucklegung seiner Rezension und bittet im Auftrag des Bonner Romanisten Foerster um Vermittlung einer im Altfranzo¨sischen versierten Hilfskraft. 295 Vgl. oben Anm. 289. 296 Vgl. oben Anm. 284. 297 [Postkarte]. 298 [Postkarte] [Poststempel: Aschaffenburg bei Coeln am Rhein, den 15. Ma¨rz 1884].

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Nr. 86

Bonn, 14. Nov. 1884

Sehr geehrter Herr Doctor! Den besten Dank fu¨r Zusendung der Korrectur,299 Gegen Mitte April werden Ihnen Seitens des Verlages etwa 25 Sonderabzu¨ge zugehen. Herr Professor Foerster300 hier, Romanist, sucht jemand, der ihm in Lu¨ttich Kollation bzw. Abschrift altfranzo¨sischer Manuscripte u¨bernehmen ko¨nne. Sie wissen vielleicht Jemand; ich wu¨rde Ihnen fu¨r Mitteilungen an mich oder direct an Herrn Prof. Dr. W. Foerster, Bonn, Beethovenstr. sehr dankbar sein. Hochachtungsvoll & ergebenst Ihr

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Lamprecht

Bonn, 15. Okt. 1884301 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. besta¨tigt, P.s Aufsatz zur belgischen Geschichtswissenschaft fa¨nde jederzeit Aufnahme in die Westdeutsche Zeitschrift. Sehr geehrter Herr Doctor! Den besten Dank fu¨r Ihre freundliche Anfrage. Ihr Aufsatz wird mir jederzeit willkommen sein.302 Mit ausgezeichneter Hochachtung

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Ihr ergebenster Lamprecht

Bonn, 14. Nov. 1884 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. u¨bersendet Empfehlungsschreiben an P., der sich auf einen Aufenthalt in Leipzig vorbereitet. 299 Mit den letzten Korrekturen der Rezension der „Cartulaire de la Commune de Dinant“

(vgl. oben Anm. 292) konnte der Druck fu¨r Jg. III Heft 2 (1884), S. 160-163 der Westdeutschen Zeitschrift vorbereitet werden. 300 Wendelin Foerster (1844–1915), o. Prof. d. roman. Philologie an der Univ. Bonn 1876–1908. 301 [Postkarte]. 302 Gedruckt wurde die Arbeit Pirennes unter dem Titel „De l’organisation des e´tudes d’histoire provinciale et locale en Belgique“ in Jg. IV, Heft 2 (1885), S. 113-138 der Westdeutschen Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst.

Nr. 87

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Bonn, 5. Juni 1885

Sehr geehrter Herr Doctor! Anbei einige Empfehlungen303; Sie haben wol die Gu¨te, die Umschla¨ge derselben vor Abgabe zu schließen. Leider sind meine Leipziger Bekanntschaften meist solche von Leuten gewesen, welche nicht mehr in Leipzig sind; ich[?] wu¨rde sonst reichlicher sein ko¨nnen. Hoffentlich gefa¨llt es Ihnen in Klein-Paris, das auf sozialem wie a¨sthetischem Gebiet in Deutschland immerhin eine Rolle spielt. Mit bestem Gruße

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Ihr ergebenster Lamprecht

Bonn, 5. Juni 1885 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. bringt seine „gute Laune“ als „neugebackener Professore“ zum Ausdruck. Verehrter Herr Doctor! Verzeihen Sie mir armen Bummelanten, der Ihnen auf Ihre Berliner304 Maidithyrambe noch nicht mit einem gleich scho¨nen Rheinischen Stimmungsbilde geantwortet hat. Ich ko¨nnte unsere scho¨nen Junitage mit ihrem frohen Sonnenschein und unsere Rheinischen Ma¨del mit ihren tiefen braunen Augen schon dazu gebrauchen. Ueber alles Das wu¨rde ich dann zur Vervollkommnung der Scenerie die glu¨ckliche Laune legen, in der ich neugebackener Professore momentan noch schwimme. Es ist doch hu¨bsch, nichts zu thun zu haben, nichts thun zu ko¨nnen vor allgemeinem Wohlbehagen, und zu alledem noch so freundliche und liebenswu¨rdige Gratulationen einzuheimsen wie die, mit welcher Sie mich beglu¨ckt haben. Da sitzt natu¨rlich wieder der gute Hoeniger305 mit seiner unendlichen Freundlichkeit dahinter: gewiß hat er aus der Schule geschwatzt!

303 Pirenne reiste im November 1884 nach Leipzig, um bei Wilhelm Arndt zu studieren und

hatte L. um Empfehlungsschreiben gebeten.

304 Im Fru¨hjahr 1885 verließ Pirenne Leipzig, um seine Studien in Berlin fortzusetzen. 305 Robert Hoeniger (1855–1929), 1884–1888 Priv.-Doz. an der Universita¨t Berlin, anschl.

verschiedene Lehrta¨tigkeiten, 1920 o. Hon.-Professor der Geschichte an der Universita¨t Berlin. Vero¨ffentlichungen u. a. Ko¨lner Schreinsurkunden 1884–1894 (Zusammenarbeit mit L.); Prof. G. v. Belows „Detailpolemik“, Berlin 1892.

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Nr. 88

Bonn, 27. Febr. 1886

Uebrigens habe ich heute meine Ernennung officiell erhalten und bin also voll installiert.306 Wie freue ich mich, daß Ihnen Berlin gefa¨llt. Ich denke mir, Paris ist liebenswu¨rdiger, es ist die Dame von Welt, die u¨berall die Honneurs mit Grazie macht; Berlin ist der alte Herr Geheimrat, dem es zuna¨chst auf Charakter und Bedeutung ankommt. Paris gefa¨llt, Berlin imponiert vielleicht; in Paris wird man gemu¨tlich, in Berlin ist man zuna¨chst blos u¨berrascht. Doch ich sehe, Ihnen ist es bei den guten historischen Leuten anders gegangen, und bin daru¨ber glu¨cklich. Die Acclimatisation scheint sich ja schon bis auf den Namen zu erstrecken: Hoeniger hat mir soetwas von Bierhenne gemunkelt. Das mu¨ssen wir in memoriam doch schriftlich fixieren. Und nun noch die herzlichsten Gru¨ße von Ihrem ergebensten

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Lamprecht

Bonn, 27. Febr. 1886307 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. leitet an P. eine Anfrage des Ko¨lner Stadtarchivars Ho¨hlbaum weiter, der u¨ber einen bekannt gewordenen Betrugsskandal in Lu¨tticher Gelehrtenkreisen na¨here Auskunft erhofft. – Mit Ho¨hlbaum arbeitet L. bei der Herausgabe der Trierer Ada-Handschrift zusammen und regt an, auch das Lu¨tticher Gottschalkevangeliar zu edieren. Verehrtester Herr Doctor! Wu¨rden Sie wohl geneigt sein, auf die Frage des angebogenen [s. o.] Briefes308 mir irgendwelche Auskunft zu erteilen? Auf alle Fa¨lle sind solche

306 L. konnte sich am 9. Juni 1880 als Privatdozent fu¨r Geschichte und geschichtliche Hilfs-

wissenschaften an der Universita¨t Bonn habilitieren und erhielt hier am 27. Mai 1885 ein Extraordinariat. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 52ff. 307 [Gefalteter Briefbogen; die ersten beiden Seiten von Lamprecht, die letzten beiden von Konstantin Ho¨hlbaum beschrieben]. 308 Ko¨ln, 26/2 86. Hochgeehrter Herr Professor! Ein Hamburger Blatt schreibt: „Die Lu¨tticher Gelehrtenkreise befinden sich in großer Erregung. Einer der bedeutendsten Archivare ist verhaftet worden, da derselbe

Nr. 88

Bonn, 27. Febr. 1886

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Anfragen heikel, besonders wenn man das Faktum mit dem lateinischen dicitur traditur fertur einleiten muß. Hoehlbaum309 hat wohl auf Grund seiner vielen belgischen Beziehungen ein begru¨ndetes Interesse an der Sache. Sieht man Sie wohl mal im Sommer am Rhein? Schliessen Sie sich doch Ihrem Kollegen Fredericq an, dann laufen Sie hier in die rechten Ha¨fen ein. Die letzten Worte in H.s Brief gehen auf ein Unternehmen, das Sie auch interessieren wird: die Gesellschaft fu¨r Rheinische Geschichtskunde hat vor, den Trierer Ada-Codex, ein Pendant zu dem Lu¨tticher Gottschalkevangeliar in Paris, herauszugeben.310 Da wa¨re es eigentlich Lu¨tticher Pflicht, mit dem Gottschalkevangeliar nachzufolgen. Vielleicht haben Sie auf Grund Ihrer karolingischen Studien doppelt Grund, einmal auf diese Frage zu kommen. Hier sonst nil novi. Von Hoeniger hatte ich vor ein paar Tagen einen Brief, es geht ihm wohl – nur Arbeit Arbeit[i. O. doppelt, ohne Komma]. Das ist aber schliesslich der Ruf, in dem wir uns alle finden. Mit herzlichem Gruße Ihr ergebener

Lamprecht

nicht nur aus dem archa¨ologischen Museum, dessen Schlu¨ssel man ihm anvertraut hatte, wertvolle Kunstgegensta¨nde entwendet, sondern auch aus den karolingischen Registern Seiten herausgerissen hat. Er hatte vor kurzem Genealogien aufgestellt, dabei aber Fa¨lschungen gemacht, und um diese zu vertuschen, griff er zur Vernichtung der Register“ u. s. w. Sie kennen den Herrn Pirenne, welcher im Stande sein wird[,] die Perso¨nlichkeit fest zu stellen. Da mir hieran sehr viel gelegen ist, so wage ich die Bitte an Sie[,] Herrn Pirenne oder einen anderen zuverla¨ssigen Herrn in Lu¨ttich um Auskunft anzugehen. Ich selbst ko¨nnte mich nur an einen Mann dort wenden; der aber ist grade in dieser Angelegenheit von guter Befragung ausgeschlossen. Fu¨r die freundliche Hilfe, die Sie mir gewiß leisten werden, danke ich Ihnen verbindlichst zuvor. [...] Mit den besten Gru¨ßen Ihr ergebener Kurt Ho¨lbaum [sic!]

309 Konstantin Ho¨hlbaum (1849–1904), Studium in Dorpat und Go¨ttingen, 1875 Priv.-Doz.

in Go¨ttingen, 1880–1890 Leitung des Ko¨lner Stadtarchivs, 1890 Lehrstuhl fu¨r mittelalterliche Geschichte in Gießen. 310 Als Band 6 der Publikationen der Gesellschaft fu¨r Rheinische Geschichtskunde erschien 1889 „Die Trierer Ada-Handschrift“, bearb. von K. Menzel, P. Crossen, H. Janitschek, A. Schnu¨tgen, F. Hettner, K. Lamprecht.

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Nr. 89

Bonn, 7. Mai 1886

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Bonn, 7. Mai 1886 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. kann u¨ber die Lu¨tticher Angelegenheit keine na¨heren Angaben machen und bedauert, daß „unser Verkehr nach Belgien hin ja leider so außerordentlich gering“ sei. Den Grund sieht L. in der wissenschaftlichen Ausrichtung der Universita¨t Bonn, die die Rheinische Landesgeschichte vernachla¨ssigt habe; die Universita¨t hat im Urteil L.s „den Boden nicht bebaut, von welchem aus eine Stellungnahme zu Belgien am besten mo¨glich sein wu¨rde“. – L. erwartet in Bonn den Besuch des Franzosen Marignan und wird fu¨r das Kommen P.s im Juli ebenfalls entsprechende Vorbereitungen treffen. Verehrter Herr Doctor! Soeben komme ich von Berlin, und aus Hoenigers Wohnung hierher zuru¨ck311, und finde Ihren so lieben Brief. Um zuna¨chst Ihren Herzensbeklemmungen hinsichtlich der Professorendefraudation zu Lu¨ttich ein Ende zu machen, so weiß ich von der ganzen Geschichte absolut nichts, habe nie daru¨ber etwas geho¨rt oder gelesen, und glaube nicht, daß eine unserer ansta¨ndigen Zeitungen jemals einen solchen Blo¨dsinn gebracht hat. Freilich verfu¨gen wir, wie Sie wissen, auch u¨ber eine nur zu große Anzahl unansta¨ndiger Bla¨tter, und es ist nicht ausgeschlossen, daß eins dieser lieben Hetzbla¨tter eine Nachricht gebracht hat, welche zu Ihrer Anfrage Anlaß geben ko¨nnte. Im Uebrigen ist unser Verkehr nach Belgien hin ja leider so ausserordentlich gering – warum ist eigentlich nicht recht einzusehen. Mit die Hauptschuld trifft wohl Bonn – unsere Universita¨t hat sich nie um die Provinz und die Provincialia stark geku¨mmert, und somit den Boden nicht bebaut, von welchem aus eine Stellungsnahme zu Belgien am besten mo¨glich sein wu¨rde. Doch wird das jetzt eben anders, und so du¨rfen wir hoffen, daß der Verkehr allma¨hlich ein regerer werden wird. Auf Ihren Besuch im Juli freue ich mich ausserordentlich, und bitte nur um vorherige Anzeige, damit sich ein wu¨rdig Programma aufstellen la¨sst.

311 L. hielt sich in den ersten Maitagen 1886 in Berlin auf, um u. a. Leopold von Ranke

aufzusuchen und ihm seinen Plan einer deutschen Geschichte vorzulegen. Vgl. SchornSchu¨tte, S. 55.

Nr. 90

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Bonn, 16. Dez. 1886

In diesen Tagen erwarte ich hier den Herrn Marignan312, dessen Sie sich noch entsinnen werden; er will im Sommer hier bleiben. Eigentu¨mlich, daß diese Herren Franzosen nie nach Berlin zu bekommen sind, wo sie doch schliesslich viel eher und besser studieren ko¨nnen, wie hier am Rhein. Mit herzlichem Gruße Ihr ergebenster

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Lamprecht

Bonn, 16. Dez. 1886 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

P.s Frage nach der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Universita¨tsstudium in Deutschland beantwortet L. mit einigen Literaturangaben. – Herzliche Einladung an P., im Mai 1887 nach Bonn zu kommen. – L. wird veranlassen, daß sein „Buch“ (Dt. Wirtschaftsleben) auch in Gent vertrieben wird. Verehrter Herr Professor!313 Die Frage, welche Sie aufwerfen wollen, ist in Deutschland allerdings studiert worden, neuerdings besonders in einem Buch von Conrad, Das Universita¨tsstudium in Deutschland wa¨hrend der letzten 50 Jahre.314 Da Sie das Buch schwerlich in Gent haben werden, so sende ich Ihnen anbei auf die Dauer einiger Wochen das Exemplar der hiesigen Bibliothek. Einen Auszug des Conradschen Buches im Wesentlichen gibt Auerbach, Die Entwicklung der deutschen Universita¨ten, in der Zeitschrift „Nord und Su¨d“, November 1885.315 Ostern wu¨rden Sie mich hier allerdings schwerlich treffen; ich will etwa Anfang April heiraten, und kehre wohl erst Ende April wieder hierher zuru¨ck. Doch la¨sst sich vielleicht eine Kombination sehr wohl so denken, daß Sie Anfang Mai hierher kommen. Auf jeden Fall sind Sie herzlich willkommen. 312 Albert Marignan (1858–?), Mitherausgeber der Zeitschrift „Le Moyen age“, hatte

1884/85 bei L. in Leipzig studiert.

313 Im September 1886 erhielt Pirenne eine a. o. Professur an der Universita¨t Gent. 314 Johannes Conrad, Das Universita¨tsstudium in Deutschland. Jena 1884 (Sammlung

nationalo¨konomischer und statistischer Abhandlungen 3,2).

315 Felix Auerbach, Die Entwicklung der deutschen Universita¨ten, in: Nord und Su¨d,

Band 35, Heft 104 November 1885, Sp. 269–283 (weitergefu¨hrt in Heft 105 Dezember 1885, Sp. 396–408).

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[Poststempel: Kehl, 31. Dez. 1886]

Nr. 91

Mein Buch316 ist freilich ein bischen theuer geworden, wenn auch fu¨r den Umfang immer noch billig. Ich werde beim Verleger anfragen, ob er Exemplare nach Gent senden kann; auf der Universita¨tsbibliothek werden Sie, wenn ich von anderen Bibliotheken einen Schluß ziehe, doch nicht umhin ko¨nnen, es anzuschaffen. Mit besten Gru¨ßen und einer Empfehlung an Professor Fredericq317 Ihr ergebenster Lamprecht

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[Poststempel: Kehl, 31. Dez. 1886]318 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Neujahrsgruß Dr. ph. Karl Lamprecht a. o. Professor der Geschichte an der Universita¨t Bonn Verehrter Herr Professor! Nehmen Sie meine besten Wu¨nsche zum Jahreswechsel! Mo¨gen auch Ihre Frequenzstudien erwu¨nschten Erfolg haben. Eine Notiz u¨ber das St.Tronder Urbar (Censier) wa¨re mir fu¨r die Westd. Zeitschrift sehr erwu¨nscht; sie kann la¨nger gehalten sein, auch die Mosel[p?]arthieen in extenso bringen. Mit bestem Gruße Ihr ergebenster

L.

316 1886 erschien der Textband der auf drei Teile angelegten Arbeit „Deutsches Wirtschafts-

leben im Mittelalter. Untersuchungen u¨ber die materielle Kultur des platten Landes auf Grund der Quellen zuna¨chst des Mosellandes“. Band II (Statistisches Material. Quellenkunde) und Band III (Quellensammlung) lagen bereits 1885 vor. 317 Paul Fredericq (1850–1920), 1879-1883 Neuzeithistoriker an der Universita¨t Lu¨ttich, Lehrer H. Pirennes, der hier 1880/81 dessen „cours pratique“ besuchte. Seit 1884 lehrte Fredericq in Gent Geschichte und Literatur. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 322. 318 [Visitenkarte, Ru¨ckseite].

Nr. 92

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Bonn, 4. Aug. 1887

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Bonn, 4. Aug. 1887319 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Mit der Gratulation zu dessen Verlobung informiert L. P. u¨ber seine perso¨nlichen Verha¨ltnisse. – Wer betreibt in Belgien außer G. Kurth „agrargeschichtliche Studien“? Verehrter Herr Kollege! Zuna¨chst meine herzlichste Gratulation zu Ihrer Verlobung320, von welcher ich soeben durch Dr. Liesegang321 ho¨re. Ich bin mittlerweile auch in der Glu¨cksstraße der Ehe eingelaufen.322 Heute eine kurze Anfrage: wer betreibt bei Ihnen in Belgien agrargeschichtliche Studien, besonders unter Benutzung von Flurkarten? Wie ich sehe, G. Kurth323 – aber wer sonst noch? Fu¨r eine baldige Antwort wa¨re ich sehr verbunden. Mit scho¨nem Gruße Ihr ergebenster

Lamprecht

319 [Postkarte]. 320 Pirenne war seit Juli 1887 mit Jenny Vanderhaegen verlobt. Vgl. Lyon, S. 82ff. 321 Erich Liesegang (1860-1931), 1879-1883 Studium in Marburg, Bonn und Berlin.

1884-1890 Assistent an der Berliner Ko¨nigl. Bibliothek, Mitarbeiter Althoffs. 1885 Promotion in Go¨ttingen, 1890 Habilitation in Berlin. Freundschaftliche Verbindungen zu L., 1899–1929 Direktor der nassauischen Landesbibliothek in Wiesbaden. 322 L. heiratete im April 1887 Mathilde Mu¨hl, Tochter des Straßburger Universita¨tsbi¨ ber die na¨heren Umsta¨nde und den schon damals bliothekars Dr. med. Gustav Mu¨hl. U destabilen Gesundheitszustand Mathilde Mu¨hls informiert Chickering, S. 95ff. 323 Godefroid Kurth (1847–1916), seit 1872 Professor fu¨r mittelalterliche Geschichte und allgemeine Literaturgeschichte in Lu¨ttich, Reformer des belgischen Universita¨tsunterrichts, spa¨ter (1906) Direktor des Belgischen historischen Instituts in Rom. H. Pirenne geho¨rte seit 1881 zu Kurths Schu¨lerkreis. (Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 320 ff.)

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Nr. 94

[Poststempel: 24. Dez.1887]

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Bonn, 22. Sept. 1887324 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. erbittet ein an P. entliehenes Buch zuru¨ck und hofft auf einen baldigen Besuch P.s mit seiner Familie. Verehrter Herr Professor! Die hiesige Universita¨tsbibliothek mahnt empfindlich an ein Buch, das ich fu¨r Sie entliehen habe; Conrad, Universita¨tsstudium325 – und so bleibt mir nichts u¨brig, als diesem Druck weichend ihn weiterzugeben. Nicht wahr, Sie senden mir das Buch recht bald zu? Wann wird man Sie denn mal wieder am Rhein sehen? Und hoffentlich nicht allein? Es wa¨re herrlich, wenn wir zwei junge „Familien“ mal Einige Tage zusammensein ko¨nnten; wir ko¨nnten deutsch plaudern, unsere Ha¨lften franzo¨sisch. Mit scho¨nem Gruße Ihr ergebenster

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Lamprecht [Poststempel: 24. Dez.1887]326

Karl Lamprecht an Henri Pirenne L. gratuliert zur Hochzeit. Dr. phil. Karl Lamprecht a. o. Professor der Geschichte an der Universita¨t Bonn mit den scho¨nsten Glu¨ckwu¨nschen327 mit herzlichem Gruße

324 [Postkarte]. 325 Vgl. oben Nr. 90. 326 [Visitenkarte/Vorderseite]. 327 Am 19. Dezember 1887 heiratete Pirenne Jenny Vanderhaegen (1868–1948) in Gent. Vgl.

Lyon, S. 82.

Nr. 96

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Marburg, 25. April 1890

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[Poststempel: Bonn 11. Febr. 1890]328 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Geburtsanzeige Die Geburt eines kra¨ftigen Ma¨dchens zeigen hocherfreut an Prof. Dr. Karl Lamprecht und Frau Mathilde geb. Mu¨hl Bonn, den 9. Februar 1890329

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Marburg, 25. April 1890 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Verpflichtungen in den Marburger „Einfu¨hrungsstadien“ lassen L. kaum Zeit zu wissenschaftlicher Arbeit. – Zu der Auseinandersetzung zwischen Koehne und Below bemerkt L.: „Der arme Below, mir beginnt er jetzt leid zu thun ... “ Verehrter Herr Kollege! Jetzt, wo ich vor kurzem Vanderkindere, „Sie`cle des Artevelde“330 durchgearbeitet, wa¨re ich so recht in der Lage, Ihre freundliche Zusendung mit Behagen zu studieren. Es soll auch in einigen Wochen geschehen; und dann weiß ich Ihnen fu¨r Ihre Freundlichkeit gewiß noch mehr Dank, als heute. Jetzt eben aber sitze ich hier in den Einfu¨hrungsstadien, muß etwa 60 Besuche machen, werde von Studenten u¨berlaufen und versinke in durchzustudierenden Akten.331 Denn in unserem gewissenhaften 328 [Geburtsanzeige]. 329 Else (*1890) kam als zweite Tochter L.s zur Welt, bereits 1888 war Marianne geboren

worden. Zur perso¨nlichen und familia¨ren Situation L.s vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 73/74 und Chickering, S. 112. 330 Le´on Vanderkindere, Le Sie`cle des Artevelde. Etudes sur la civilisation morale et politique de la Flandre et du Brabant. Bru¨ssel 1879. 331 Am 10. Febr. 1890 wurde L. als Ordinarius fu¨r Geschichte nach Marburg berufen und trat die Nachfolge Konrad Varrentrapps (1844–1911, seit 1874 o. Prof. in Marburg) an, der 1890 einem Ruf nach Straßburg gefolgt war. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 72 ff. und Chickering, S. 111ff.

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Nr. 97

Marburg, 26. Jan. 1891

Deutschland hat natu¨rlich jedes Hist. Seminar auch sein Archiv, dessen langweiligen Inhalt u¨ber Bu¨cheranschaffungen pp., man erst kennen muß, ehe man den Studenten etwas beibringt. Haben Sie das Buch von Koehne332 schon erhalten und gelesen? Der arme Below333; mir beginnt er jetzt leid zu thun, obwohl er sich mit eigener Schuld in diese Lage gebracht. Bitte um frdl. Gruß an Hrn. Fredericq. In alter Hochachtung mit bestem Gruße Ihr L.

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Marburg, 26. Jan. 1891 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. erstattet Bericht u¨ber die Fortschritte H. Vander Lindens, einem Schu¨ler P.s, der seine Studien bei L. in Marburg fortsetzte. – Die Vorbereitungen fu¨r den Wechsel L.s nach Leipzig nehmen ihn – neben dem Tagesgescha¨ft – stark in Anspruch. Werter Herr Kollege! Herr Vander Linden334 ist nun hier rite eingezogen und auch eingefu¨hrt. Es trifft sich gu¨nstig, daß er hier in Herrn Kaser335 schon einen a¨lteren und ersten Studenten findet, der in gleichen geographischen Verha¨ltnissen seiner Forschung lebt wie VdL. Er hat ihn auch sonst etwas unter seine Flu¨gel genommen; er isst mit ihm zusammen, geht mit ihm zusammen spazieren, und wird vermutlich auch mit ihm kneipen. Ich perso¨nlich habe mich vdL leider noch nicht so nu¨tzlich machen ko¨nnen, wie ich wohl wollte. Er ist natu¨rlich ins Seminar eingefu¨hrt und nimmt an meinen und Lehmanns336 Uebungen Teil. Ferner besucht er, schon des Deutschen halber, 332 Carl Koehne, Der Ursprung der Stadtverfassung in Worms, Speyer und Mainz. Breslau

1890. Vgl. dazu die Rezension von L. in: Deutsche Literaturzeitung 1890, Sp. 1462ff.

333 Georg von Below, 1889–1891 a. o. Prof. in Ko¨nigsberg. Vgl. seine Arbeiten „Die Ent-

stehung der deutschen Stadtgemeinde“ (1889) bzw. „Territorium und Stadt“ (Aufsatzsammlung, 1890). 334 Herman Vander Linden (1868–1956), Pirennes erster Student in Gent, setzte seine Studien in Marburg, Leipzig, Berlin und Paris fort (Histoire de la constitution de Louvain au moyen age. Gand 1892). 1903 erhielt V. eine Professur an der Universita¨t Lu¨ttich. 335 Kurt Kaser (1870–1931), Studium in Tu¨bingen und Marburg, Promotion 1892, Habil. 1899 in Wien, 1908 a. o. Prof. in Graz, 1914 o. Prof. in Czernowitz, ab 1924 als o. Prof. fu¨r allgem. und Wirtschaftsgeschichte in Graz. 336 Max Lehmann (1845–1929), 1888–1892 o. Prof. der Geschichte in Marburg, u¨bernahm anschließend Ordinariate in Leipzig (1893) und Go¨ttingen, in Marburg wie in Leipzig Fachkollege L.‘s. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 73, S. 99-101.

Nr. 97

Marburg, 26. Jan. 1891

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einige Kollegien. Ich habe ihm endlich geraten, scho¨ne Tage von hier zu Ausflu¨gen nach Cassel & Frankfurt zu benutzen. Daneben sind wir auf seine Arbeit gekommen: belgische Gilden, speziell brabantische. Er ist nur noch etwas einsilbig. Ich habe ihn zuna¨chst auf die deutschen Forschungen gewießen von Nitzsch337 an, namentlich auch auf die nordo¨stlichen (Stendal pp. – Arbeiten Liesegangs338). Er mag sie durchgehen; dann wird es no¨tig sein, daß er in den Ferien den Stoff zusammenbringt. Wie Sie wohl wissen, gehe ich zum Sommer nach Leipzig.339 Ich denke, Hr. V[ander] L[inden] geht mit. Dort wu¨rde man dann in die eigentliche Arbeit eintreten; ich wu¨rde auch versuchen, ihn in Korrespondenz mit Liesegang und in Bekanntschaft mit Sohm340 zu bringen. Im Winter geht er dann vielleicht nach Italien. Fu¨r Ihre freundliche Empfehlung den besten Dank! Wie Sie denken ko¨nnen, sitze ich hier schon halb auf dem Sprungbrett, habe ausserdem gra¨sslich zu thun – morgen auch noch Kaisersgeburtstagsrede zu sonstigem! Da bin ich denn auch an Ihre Rechnungen noch nicht gekommen; wu¨rde aber u¨berhaupt dankbar sein, wollten Sie mich noch vorher ein Wenig u¨ber die Sachen, Codex etc. aufkla¨ren. Herzliche Gru¨ße an Sie, scho¨ne Empfehlungen an Ihre werte Familie, vor allem Frau Professor. Ihr getreuer Lamprecht An Fredericq eine Empfehlung!

337 Karl Wilhelm Nitzsch (1818–1880), Wirtschaftshistoriker. Professor der Geschichte in

Kiel, Ko¨nigsberg (1862), Berlin (1872). 338 E. Liesegang, Die Sondergemeinden Ko¨lns. Beitr. zu einer Rechts- und Verfassungsge-

schichte der Stadt. 1885 sowie ders., Recht und Verfassung von Rees. Ein Beitrag zur Sta¨dtegeschichte des Niederrheins. 1890 (Westdeutsche Zeitschrift, Erg.-Heft 6). 339 Ende Dezember 1890 hatte L. einen Ruf zur Nachfolge von Georg Voigt (1827–1891), seit 1866 Ordinarius in Leipzig, an die Universtia¨t Leipzig erhalten. Vgl. SchornSchu¨tte, S. 74ff. 340 Gotthold Julius Rudolph Sohm (1841–1917), 1964 Dr. jur. (Rostock), a. o. Prof. fu¨r Dt. Recht u. Handelsrecht (Go¨ttingen), o. Prof. fu¨r Kirchenrecht u. Dt. Recht an den Univ. Freiburg (ab 1870), Straßburg (ab 1872), Leipzig (1887–1917).

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Nr. 99

Leipzig, 27. Nov. 1891

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Leipzig, 29. Juni 1891341 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Neben dem wissenschaftlichen Austausch zwischen L. und P., der sich u¨ber Publikationen und auch auf die Betreuung eines P.-Schu¨lers (Vander Linden) erstreckt, zeigt sich L. voll des Lobes u¨ber das Seminar in Leipzig, „dieser trefflichen Institution – zweifelsohne der besten in Deutschland“. Hochverehrter & lieber Herr Kollege! Haben Sie den herzlichsten Dank fu¨r Ihre so liebe Zusendung! Nun erkla¨re ich mir erst Ihre so ausserordentliche Vertrautheit mit den Localen Bru¨gges im vorigen Herbst! Daß die Ausgabe nach der unglaublichen Leistung Koepkes in der MGH absolut notwendig war, beweisen Sie auf jeder Seite des Textes.342 – Vander Linden, der seit Pfingsten etwa hier ist, sehe ich sehr wenig; doch benu¨tzt er unser Seminar fleissig, und ich hoffe, er findet in dieser trefflichen Institution – zweifelsohne der besten in Deutschland –, was er sucht. Nebenher besucht er auch mein Seminar, wo wir u¨ber Grundherrschaften reden. Mit scho¨nen Empfehlungen an Ihre werte Frau Gemahlin wie an Prof. Fredericq und herzlichen Gru¨ßen an Sie Ihr ergebenster Lamprecht

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Leipzig, 27. Nov. 1891343 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Der intensive Gedankenaustausch mit P. o¨ffnet L. den Blick auch auf die niederla¨ndische Literatur.

341 [Postkarte]. 342 1890/91 bereitete Pirenne eine neue Edition des Berichtes von Galbert de Bruges vor:

Histoire du meurtre de Charles le Bon, comte de Flandre (1127–1128) par Galbert de Bruges, Paris 1891 (Collection de textes pour servir a` l’e´tude et a` l’enseignement de l’histoire). Die Bearbeitung von Rudolf Koepke in der Monumenta Germaniae Historica (1856) fußte auf der Ausgabe von 1668. 343 [Postkarte].

Nr. 100

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Leipzig, 21. Sept. 1894

Verehrter Herr Kollege! Haben Sie den herzlichsten Dank fu¨r Ihre Nachrichten, die doch sehr viel Inhalt bieten, auch u¨ber das Buch von Errera344 hinaus, das ich kenne. Ich will nun vor allem einmal die holla¨ndischen Urkundenbu¨cher durchgehen. Einen Sonderabzug meines Aufsatzes in der Hist. Zs.345 kann ich Ihnen leider leider nicht mehr senden. Ich hatte davon eine ganze Anzahl, aber sie sind mir alle bald dorthin abverlangt worden. Das thut mir um so mehr leid, als ich weiß, daß mancher, der ihn bekommen, schliesslich sich la¨ngst nicht so fu¨r unsere Fragen interessiert, wie Sie. Verzeihen Sie diese bloße Karte; aber ich bin hier sehr stark bescha¨ftigt: kaum daß Raum fu¨r eigene Arbeit wird. Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin wie Hrn. Coll. Fredericq von Ihrem ergebensten Lamprecht

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Leipzig, 21. Sept. 1894346 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. weiß sich einig mit P. in Fragen der Methodik; historisches Arbeiten sollte ausgehen von der „gru¨ndlichen Forschung auf Grund des gesamten Materials“. Da dieser Forderung seines Erachtens nicht nachgekommen wird, ha¨lt L. „die ganze neuere Sta¨dteforschung fast durchweg fu¨r nicht genu¨gend fundiert und darum ungesund“. – Fu¨r die Edition sta¨dtischer Urkundenbu¨cher gilt: „Wie die Ordnung der Archive, so soll die Edition von Akten den alten Institutionen, nicht den neueren Anschauungen u¨ber sie entsprechen.“ Verehrter u. lieber Herr Kollege! Herzl. Dank fu¨r Ihren lieben Brief! Ich freue mich unseres Einversta¨ndnisses namentl. in Sachen der Methodik. Wenn man z. B. sieht, daß Sohm347 rein eklektisch aus den Citaten bei Waitz Qs.348 (nach offenem 344 Paul Joseph Errera (1860–1922), Staatsrechtslehrer und Politiker, ab 1908 Prof. f. o¨ffent-

liches Recht an der Freien Univ. Bru¨ssel, von 1911-1921 Bu¨rgermeister von Uccle.

345 K. Lamprecht, Der Ursprung des Bu¨rgertums und des sta¨dtischen Lebens in Deutsch-

land. In: Historische Zeitschrift 67 (1891), S. 385-424. 346 [Postkarte]. 347 Rudolf Sohm, Die Entstehung des deutschen Sta¨dtewesens. Eine Festschrift. Leipzig

1890. 348 Georg Waitz fu¨hrte (ab 1869) die von Friedrich Christoph Dahlmann begru¨ndete

„Quellenkunde der deutschen Geschichte“ fort, daneben bildete sein Hauptwerk die in 8 Ba¨nden erschienene „Deutsche Verfassungsgeschichte“. Kiel 1844–1878.

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eigenen Einversta¨ndnis) gearbeitet hat, daß weiterhin v. Belows wichtigere Arbeiten sa¨mtlich auf eklektisch zusammengestelltem Quellenmaterial beruhen, so ist die Forderung einer ruhigen, nicht u¨berstu¨rzten, weniger sensationellen als gru¨ndlichen Forschung auf Grund des gesamten Materials selbstversta¨ndlich. Ich halte die ganze neuere Sta¨dteforschung fast durchweg fu¨r nicht genu¨gend fundiert & darum ungesund – auf die Gefahr hin, daß dieser Standpunkt einen Wiener Recensenten „mindestens befremdet“. – Doebners (Archivrat) Adresse ist einfach: Hildesheim. Fu¨r ein Genter Urkb. [Urkundenbuch] scheint mir freilich, wie fu¨r jedes sta¨dt. Urkb., die Hauptsache, daß es nur die Stadt (nicht etwa auch die klo¨sterl. Institute u. s. w.) umfasst. Wie die Ordnung der Archive, so soll die Edition von Akten den alten Instituten, nicht neueren Anschauungen u¨ber sie entsprechen. Also keine regionalen Urkbb. – sondern solche der ehemal. Institute. Dagegen wird bei uns noch tausendmal gefehlt – und Hoehlbaum hat sogar das Koelner Stadtarchiv nach mehreren Gesichtspunkten zerrissen!349 Haben Sie das Wormser Urkb. v. Boos beachtet. Es hat kleine Fehler (vgl. die Rec.[Recension] v. Wyß), beruht aber auf genauer Kenntnis des ganzen Archivs.350 Herzl. Grußes Ihr L.

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L[eipzig], 19. Nov. 1894 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Als zuku¨nftiger Herausgeber der „Europa¨ischen Staatengeschichte“ richtet L. an P. das Gesuch, eine belgische Geschichte zu erarbeiten. – Das Seminar in Leipzig ist „in einem erneuten Aufschwung begriffen“. – Der na¨chste Historikertag wird voraussichtlich in Frankfurt stattfinden. L. erwartet hier „starken Zuzug auch vom Niederrhein, von Belgien und Holland“. 349 Bereits in den „Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Ko¨ln“, Heft 3 (1883) teilte

Ho¨hlbaum den Grundplan fu¨r die Neuordnung des Ko¨lner Archivs mit: Danach sollten die Abteilungen Ko¨ln und die Hanse, Ko¨ln und das Reich, Ko¨ln und das Territorium, die Stadt Ko¨ln, die Hanse und Kloster Lond gebildet werden. Vgl. auch Ho¨hlbaums Vero¨ffentlichung (unter Mitwirkung von H. Keussen): Ko¨lner Inventar. Bd. 1 (1531–1571). Bd. 2 (1572-1591). Leipzig 1896–1903. 350 Heinrich Boos, Quellen zur Geschichte der Stadt Worms. 3 Bde. Berlin 1886–1893. Vgl. Arthur Wyß, Rezension von Wilhelm Becker, Das Necrologicum der vormaligen Pra¨monstratenser-Abtei Arnstein a. d. Lahn, Wiesbaden 1881, in: Westdeutsche Zeitschrift 2 (1883), S. 60–65.

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Hochverehrter Herr Kollege! Schon seit la¨nger als einem Jahr verhandelt die Firma F. A. Perthes in Gotha, die Verlegerin der bekannten Europa¨ischen Staatengeschichte351, mit mir wegen Uebergabe der Redaction an mich. Die Verhandlungen sind nun dieser Tage zum Abschluß gekommen; nach ihnen soll das ganze Unternehmen modernisiert werden; an Stelle der weitla¨ufigen, rein politischen Geschichten sollen ku¨rzere, vor allem auch das kulturgeschichtliche Element beru¨cksichtigende treten. Eine wesentliche Aufgabe, die mir da nun zu lo¨sen erscheint, ist eine Geschichte der flandrisch-brabantischen Entwicklung und des burgund. Reiches, vornehmlich in diesem germanisch-belgischen [unleserlich]. Sie wissen, mit welchem Vertrauen und welcher Freude ich die Frage an Sie richte, ob Sie wohl geneigt wa¨ren, die Aufgabe zu u¨bernehmen? Ich denke mir dabei, daß sie in einem Bande von 40 Bogen des Formates der europ. Staatengeschichte wohl lo¨sbar wa¨re.352 Und ich glaube, daß der Verlag, mit dem der Vertrag spa¨ter zu schliessen wa¨re, an dem sonst meist gegebenen Honorar von 60 M. pro Bogen auch fu¨r diese Ausgabe festhalten wu¨rde. Indeß all solche Einzelheiten sind ja [unleserlich]: vor allem ka¨me es mir darauf an zu wissen, ob Ihnen die Aufgabe grundsa¨tzlich lieb und wert erscheinen wu¨rde. Und das glaube ich ja, nach Ihrem bisherigen Studienbereich, allerdings annehmen zu du¨rfen: und darauf beruhte meine frohe Hoffnung, daß Sie annehmen werden. Von hier nicht sehr viel Neues. Wir in Leipzig leben ein wenig ausserhalb der preussischen Personalien – Gott sei Dank! Zumal da sie jetzt wieder in dem wu¨sten Streit Lehmann-Naude´353 aufgehen. Uns perso¨nlich, dem „Vater“ Arndt354, Marcks355 wie mir geht es trefflich. Wir sind in einem erneuten Aufschwung begriffen; wie die phil. Faculta¨t so hat vor 351 Die „Geschichte der europ. Staaten“ oder auch „Allg. Staatengeschichte“ erschien als

Reihe seit 1829 und war zuvor u. a. von A.–L.–H. Heeren und W. v. Giesebrecht herausgegeben worden. Insgesamt erschienen rund 100 Ba¨nde. 352 Lamprecht war bereits im Sommer 1894 an Prof. Fredericq mit der Bitte um einen entsprechenden Beitrag fu¨r die „Europa¨ische Staatengeschichte“ herangetreten und war von diesem auf Pirenne verwiesen worden. Fredericq seinerseits informierte im August 1894 Pirenne u¨ber diese Angelegenheit. Vgl. Lyon, Pirenne, S. 132ff. 353 U ¨ ber den Streit zwischen Max Lehmann und Albert Naude´ (Schu¨ler von Reinhold Koser in Berlin) informiert Chickering, S. 157ff. 354 Wilhelm Ferdinand Arndt (1838–1895), Historiker und Pala¨ograph, habil. Leipzig 1875, 1876 a. o. (1894 o.) Prof. fu¨r historische Hilfswissenschaften in Leipzig. 355 Erich Marcks (1861–1938), Prof. fu¨r Neuere Geschichte in Freiburg (1892), Leipzig (1894), Heidelberg (1901), Hamburg (1907), Berlin (1922). Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 104 ff.

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allem das Histor. Seminar an Mitgliedern zugenommen; und ich bin mit meinem Kolleg in den gro¨ssten Ho¨rsaal eingezogen. Hoffentlich geht es so weiter, obwohl auf diese Weise die Arbeitslast gewaltig wa¨chst. Jetzt kommen dazu nun auch noch die Vorbereitungen zum na¨chsten Historikertag, die ich zum Teufel wu¨nsche; wir alle hier taugen fu¨r derartige Dinge wenig.356 Ich denke, daß wir nach Frankfurt gehen werden; und ich hoffe dann auf starken Zuzug auch vom Niederrhein, von Belgien und Holland. Doch daru¨ber Genaueres, wenn ich von Ihnen, wie ich hoffe und bitte, eine bejahende Zusage erhalten habe. Herzlichen Gruß an Sie und Fredericq und scho¨ne Empfehlungen an Ihre verehrte Frau Gemahlin! Ihr ergebenster Lamprecht

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P. ist grundsa¨tzlich zu einer Mitarbeit an der „Europa¨ischen Staaten¨ bersetzung seiner Arbeit geschichte“ bereit. Er wu¨nscht eine deutsche U sowie eine mo¨glichst gleichzeitige franzo¨sische Ausgabe der zu verfassenden belgischen Geschichte. Vgl. Lyon, S. 132f. Mon cher colle`gue, Je suis tre`s flatte´ de la proposition que vous venez de m’adresser et je vous remercie d’avoir pense´ a` moi. En principe, je suis tout dispose´ a` me charger de la taˆche que vous m’offrez, et cela d’autant plus volontiers que je re´unis depuis longtemps de´ja` des mate´riaux pour un ouvrage de ce genre. Toutefois, avant de m’engager de´finitivement, je voudrais obtenir de vous quelques renseignements sur les points suivants. Tout d’abord, il serait bien entendu, n’est-ce-pas, que je re´digerais l’ouvrage en franc¸ais et que l’e´diteur se chargerait de le faire traduire en allemand? Ensuite ne serait-il pas possible de faire paraıˆtre, soit en meˆme temps que l’e´dition allemande, soit peu de temps apre`s elle, une e´dition franc¸aise? Cela ne pre´senterait aucune difficulte´, puisque le manuscrit serait tout preˆt. Je suis suˆr que l’e´dition franc¸aise serait tre`s bien vendue en Belgique, car jusqu’ici, il n’existe aucun expose´ satisfaisant de notre histoire au moyen-aˆge. On n’a a` cet e´gard que Le Sie`cle des Artevelde de Van der Kindere357, ou des manuels vieillis et sans valeur, ou des monogra356 Die Organisatoren des Historikertages hatten 1894 große Schwierigkeiten, einen Veran-

staltungsort fu¨r das Historikertreffen 1895 zu finden. Vgl. Schumann, S. 55.

357 Siehe Nr. 96.

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phies d’histoire politique. La pe´riode des ducs de Bourgogne tout particulie`rement, est absolument ne´glige´e. L’allemand n’e´tant pas assez re´pandu chez nous, il me paraıˆtrait donc fort utile de faire paraıˆtre e´galement le livre en franc¸ais. Il me serait d’ailleurs fort agre´able que mon travail puˆt eˆtre utile a` mes compatriotes. Rien n’empeˆcherait, me semble-t-il, la firme Perthes d’eˆtre l’e´diteur de l’e´dition franc¸aise. Elle se re´serverait tous les droits qu’elle voudrait et auxquels je souscris d’avance. Je voudrais savoir aussi, dans combien de temps a` peu pre`s, vous souhaiteriez que l’ouvrage fuˆt acheve´. En outre, devra-t-il eˆtre pourvu de notes de´taille´es ou faut-il, comme dans votre Deutsche Geschichte, supprimer celles-ci? J’espe`re que vous voudrez bien me re´pondre assez rapidement a` ces diverses questions et que leur solution ne pre´sentera pas de difficulte´s. De`s que j’aurai votre re´ponse, je vous enverrai mon acceptation de´finitive et je me mettrai sans retard a` la besogne. Pre´sentez, je vous prie, mes compliments a` Monsieur le Professeur Arndt358, et croyez a` mes sentiments les plus distingue´s et les plus de´voue´s. H. Pirenne, 132, Rue Neuve St. Pierre Gand

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Wegen der zu verfassenden belgischen Geschichte soll P. die gescha¨ftliche Seite direkt mit dem Verlag Perthes aushandeln; von redaktioneller Seite macht L. keine Vorgaben: „nur muß das Buch so sein, daß es fu¨r die großen Massen der Nation genießbar wird und literarische Qualita¨ten erha¨lt“. – Der na¨chste Historikertag wird Ostern 1895 in Frankfurt stattfinden. L. hofft auf rege Beteiligung aus den angrenzenden La¨ndern.

358 Prof. Wilhelm Arndt von der Universita¨t Leipzig, bei dem Pirenne Pala¨ographie stu-

dierte.

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Sehr verehrter Herr Kollege! Verzeihen Sie, wenn ich auf Ihren freundlichen Brief vom 25. Nov.359, den ich mit dem allerlebhaftesten Dank empfangen habe, erst heute antworte. Ich musste, um auf dessen gescha¨ftlichen Teil erwidern zu ko¨nnen, erst mit dem Verlag Ru¨cksprache nehmen. Nun war aber der Director des Pertheschen Verlages la¨nger krank, und erst heute erhalte ich Antwort auf meine la¨ngst erfolgte Anfrage. Ich lege Ihnen dieselbe unter dem Beding der Ru¨ckgabe gleich im Original bei, damit Sie fu¨r Ihre Entscheidung die Akten ganz vor sich haben. Mir scheint das Anerbieten des Verlags recht gu¨nstig zu sein, da Sie ja in Belgien zweifelsohne einen Verleger zu guten Bedingungen finden werden. Zu den sonstigen Fragen Ihres Briefes habe ich nur zu bemerken: Sie haben volle Freiheit, den Stoff zu gruppieren, wie Sie wollen, Anmerkungen zu geben oder nicht zu geben: nur muß das Buch so sein, daß es fu¨r die großen Massen der Nation geniesbar wird und litterarische Qualita¨ten erha¨lt. Und weiter wu¨rde, ehe der Vertrag zur Verhandlung gelangt, ein kurzes Memoire vorgelegt werden mu¨ssen, das die Disposition des Stoffes zeigt und damit auch Zahl und Umfang der Ba¨nde normiert, und dafu¨r wesentliche Angaben als fu¨r die Ausfu¨hrung des Werkes als bindend angesehen werden mu¨ssten.360 Wir sind jetzt hier Arndt, Marcks und ich, lebhaft mit den Vorbereitungen fu¨r den na¨chsten Historikertag bescha¨ftigt, der auf ku¨nftige Ostern (in die analogen Tagen wie in Leipzig) nach Frankfurt fallen wird. Es ist fu¨r Sie sehr bequem, und so hoffen wir auch Fredericq und Sie, vielleicht auch Kurth und sonst noch Jemand zu sehen. Von Vortra¨gen steht bisher fest: ein solcher von Bu¨cher361 u¨ber die Frankfurter Finanzen im Ma., und ein solcher von Meyer in Halle362 u¨ber Alexander den Großen. 359 Bereits am 25. November beantwortete Pirenne die Anfrage L.‘s vom 19. d. M., bekun-

dete seine grundsa¨tzliche Bereitschaft zur Mitarbeit an der „Europa¨ischen Staatenge¨ bersetzung seiner Arbeit sowie eine mo¨gschichte“, wu¨nschte allerdings eine deutsche U lichst gleichzeitige franzo¨sische Ausgabe der zu verfassenden Belgischen Geschichte. Vgl. Lyon, Pirenne, S. 132f. 360 Die Disposition der „Belgischen Geschichte“ fu¨r den Verlag ging unter dem Datum vom 28. Dez. 1894 Lamprecht zu (vgl. Nr. 106). 361 Karl Bu¨cher (1847–1930), Nationalo¨konom, seit 1892 Prof. in Leipzig, wissenschaftlich eng mit L. verbunden. Der Vortrag liegt gedruckt vor unter dem Titel „Der o¨ffentliche Haushalt der Stadt Frankfurt im Mittelalter. In: Zeitschr. fu¨r die gesamte Staatswissenschaft 52 (1896), S. 1ff. (Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 88ff.) 362 Eduard Meyer (1855–1930), o. Prof. fu¨r Alte Geschichte in Breslau (1885), Halle (1889) und Mu¨nchen (1902). Meyer referierte in Frankfurt u¨ber die wirtschaftliche Entwicklung des Altertums, vgl. Jahrbu¨cher fu¨r Nationalo¨konmie und Statistik 3. Folge 9 (1895), S. 696ff. (vgl. Schumann, S. 59).

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Mit herzlichem Gruße an Sie und Ihre Frau Gemahlin wie Koll. Fredericq Ihr sehr ergebener Lamprecht

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Gent, 23. Dez. 1894 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. berichtet, dass er sich mit Perthes darauf geeinigt hat, nach einem Verlag fu¨r die franzo¨sische Ausgabe seiner Belgischen Geschichte zu suchen. Er stellt zudem einen Besuch auf dem Frankfurter Historikertag in Aussicht. Mon cher colle`gue, Vous trouverez ci-joint la lettre de M. F. A. Perthes. Je l’ai lue attentivement et en accepte volontiers les conditions. Je trouverai facilement un e´diteur en Belgique qui publiera mon livre en franc¸ais, apre`s qu’il aura paru en allemand. L’affaire peut donc eˆtre conside´re´e comme arrange´e. Je vous enverrai dans quelques jours le plan de l’ouvrage tel que je le conc¸ois et je suppose que nous pourrons alors signer le traite´. Je compte fermement me rendre a` Paˆques a` l’Historiker-Tag de Francfort. Fre´de´ricq est aussi tout dispose´ a` y aller et j’en parlerai prochainement a` Kurth363. Je termine ce billet en vous pre´sentant mes vœux les plus since`res a` l’occasion de la Noe¨l et de la Nouvelle anne´e, et je vous prie de croire, mon cher colle`gue, a` l’expression de mes sentiments les plus de´voue´s et les plus distingue´s. H. Pirenne, 132, Rue Neuve St. Pierre Gand

363 Godefried Kurth (1847–1916), Prof. an der Unversita¨t Lu¨ttich, akademischer Lehrer

Pirennes. Wie Pirenne und Fredericy Mitglied der Acade´mie royale de Belgique und der Commission royale d’histoire.

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Leipzig, 25. Dez. 1894364 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. gibt der Hoffnung Ausdruck, daß P.s belgische Geschichte „vor allem auch Deutsche und Vlaemen auf dem einzig vernu¨nftigen Wege, dem historischen Versta¨ndnisses, wieder na¨her bringt“. – Wer wird aus Belgien den Historikertag in Frankfurt besuchen? Herzlichen Dank, hochverehrter Herr Kollege, fu¨r Ihren lieben Brief. Ich gebe sofort Perthes anheim, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen, indem ich mit Freuden Ihrer Denkschrift entgegensehe. Hoffen wir, daß Ihr Werk vor allem auch Deutsche und Vlaemen auf dem einzig vernu¨nftigen Wege, dem historischen Versta¨ndnisses, wieder na¨her bringt. Wie freue ich mich, Sie und Fredericq, den ich bestens zu gru¨ßen bitte, in Frankfurt wieder zu sehen! Wie scho¨n, ka¨me auch Kurth! Und wer kommt sonst noch aus Belgien als einladbar in Betracht?365 Mit den besten Festgru¨ßen und einem Prosit Neujahr! fu¨r Sie und die Ihrigen Ihr ergebenster Lamprecht

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Gent, 28. Dez. 1894 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. u¨bersendet eine Gliederung fu¨r seine Belgische Geschichte, die sich vor allem mit sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekten befassen soll. Die politischen Ereignisse spielen nur soweit eine Rolle, als sie als „Manifestationen der sozialen Entwicklung“ betrachtet werden ko¨nnen. Daru¨ber hinaus will P. auch die Nachbarregionen Flanderns und Brabants beru¨cksichtigen. Mon cher colle`gue, Vous trouverez ci-joint le plan tre`s sommaire que vous m’avez demande´. Vous remarquerez que je ne m’y borne pas seulement a` la Flandre et au Brabant. Il est impossible de comprendre le de´veloppement de ces 364 [Postkarte]. 365 In seinem Schreiben vom 23. Januar 1895 (= Nr. 108) schlug Pirenne Kurth (Lu¨ttich),

Vanderkindere (Bru¨ssel) und Vander Linden (Louvain) vor.

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deux territoires sans posse´der quelques notions sur les pays voisins avec lesquels ils se trouvent continuellement en contact: Hainaut, Hollande, Lie`ge. Vous verrez que je compte m’occuper surtout du de´veloppement social. Les e´ve´nements politiques n’interviennent gue`re que comme manifestations de celui-ci. Je ne commence mon travail qu’au traite´ de Verdun. Quelques pages suffiront pour orienter le lecteur sur les e´ve´nements ante´rieurs. Je n’ai pas crainte de traiter assez en de´tail l’histoire ante´rieure a` la formation de l’E´tat bourguignon. Elle n’a encore e´te´ traite´e par personne au point de vue du de´veloppement de la civilisation et je pourrai, je pense, apporter a` cet e´gard, assez de choses neuves. Pour bref qu’il soit, mon plan pourra suffire, me semble-t-il, a` vous donner une ide´e exacte de ce que je compte faire. Il est naturellement impossible de pre´voir avec quelque certitude la longueur du livre. Mais il me semble que 7 a` 800 pages ne seront gue`re de´passe´es. Je me propose de pourvoir mon travail de notes, mais sans exage´ration et de manie`re a` ce que le livre reste accessible au grand public. De`s que j’aurai rec¸u le contrat de M. Perthes, je me mettrai a` la besogne. Je suis bien de´sireux d’avoir votre opinion sur mon plan. Ne craignez pas de me faire toutes les observations que vous jugeriez utiles. Je sais qu’elles seront toujours faites avec la plus grande bienveillance et ce ne peut eˆtre qu’une bonne fortune pour moi de recevoir des conseils d’un historien tel que vous. J’espe`re que l’anne´e qui va commencer sera heureuse pour vous et les voˆtres. Elle sera marque´e pour moi par un e´ve´nement important. Je serai pe`re, une fois de plus, dans quelques jours. Croyez, mon cher colle`gue, a` mes sentiments les plus de´voue´s et les plus distingue´s. H. Pirenne

Livre I Du commencement du IXe au commencement du XIIe sie`cle. I. Coup d’œil sur l’histoire ante´rieure au traite´ de Verdun. Situation ge´ographique des Pays-Bas. – L’e´poque Romaine. Formation des e´veˆche´s. – L’e´tablissement des Francs dans le pays. Francs Saliens. Francs Ripuaires. Saxons. Frisons. – Les premiers monaste`res. – L’influence carolingienne.

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II. Importance du traite´ de Verdun pour l’histoire des Pays-Bas. – La lutte entre la France et l’Allemagne pour la Lotharingie – Zwentibold. Le duc Charles. Henri l’Oiseleur. Otton et Brunon de Cologne. III. Les dynasties fe´odales et les e´veˆche´s. – La Flandre. Ses rapports avec la France, la Normandie et les Anglo-Saxons. – Le Brabant. La politique ducale. Rapports avec les e´veˆques de Lie´ge et d’Utrecht. La Hollande. Le Hainaut et les e´veˆques de Tournai et de Cambrai. – Les ducs de Lotharingie et les e´veˆques repre´sentants de la politique impe´rial [sic!]. – Commencements d’une historiographie nationale en Flandre. – Les e´coles e´piscopales. IV. Situation inte´rieure des comte´s. – Les comtes et les abbayes. L’avouerie. Les domaines. Les Castra. Les vassaux. Importance des lois de paix. V. Culture et colonisation du pays. – Les grands domaines. – La Flandre maritime: endiguements. – Les vacheries et les bergeries etc. VI. Intensite´ de la vie religieuse. Les monaste`res et Ge´rard de Brogne. Attitude des princes laı¨cs. La guerre des investitures. VII. La premie`re croisade. Son succe`s dans les Pays-Bas s’explique par la nature de leur civilisation a` cette e´poque. Livre II Le XII et le XIII sie`cle. I. Les origines du commerce. Le Zwyn. L’Escaut. Les Portus. La Meuse. Les ports hollandais. – Gildes et Hanses. – Formation des premie`res agglome´rations urbaines. II. De´veloppement des constitutions urbaines. Les viri hereditarii. E´chevins et jure´s. – Les villes flamandes: Bruges. Gand. Ypres. Lille. St.-Omer. – De´veloppement plus tardif en Brabant. III. La petite noblesse. Sa situation florissante au XIIIe sie`cle. De´cadence des grands domaines eccle´siastiques. Les baux libres. Le paysan ne´erlandais au XIIIe sie`cle. IV. Le prince et les nouveaux fonctionnaires – Les baillis. – Le prince et les villes. Le prince et la noblesse. Le prince et le clerge´. VI. [sic] Les comtes de Flandre, la France et l’Angleterre – Le parti guelfe dans les Pays-Bas. Philippe Auguste et la bataille de Bouvines. Changement dans l’attitude des princes flamands. VII. La guerre des d’Avesnes et des Dampierre. Son importance dans l’histoire des Pays-Bas. Les d’Avesnes et l’Empire – La question Ze´landaise et la question de la Flandre impe´riale. – La politique des ducs de Brabant. La bataille de Woeringen et la question du Limbourg.

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VIII. La situation intellectuelle. – Les langues. – La poe¨sie [sic]: Van Maerlant – La Flandre, interme´diaire entre deux civilisations. – La bourgeoisie et les e´coles – L’art roman et l’art gothique – Les premiers e´difices laı¨cs: les Halles d’Ypres. – De´cadence des e´coles cathe´drales. Influence de l’Universite´ de Paris.

Livre IV [sic] De la fin du XIII a` la fin du XIV sie`cle. I. Les partis urbains et le prince. Rapports entre la situation interne et la politique exte´rieure en Flandre. Attitude des villes a` l’e´gard du roi de France. II. Philippe le Bel et la Flandre. Attitude des me´tiers a` l’e´gard de la France. La bataille de Courtrai et le traite´ d’Athies – Changement dans la conduite politique du comte. III. La re´volte des me´tiers. Zannekin. La bataille de Cassel. IV. La guerre de Cent Ans et son action sur les Pays-Bas. La Flandre. Politique comtale et politique urbaine. Jacques Van Artevelde. – Le Brabant. Influence de la question limbourgeoise. Jean l’Aveugle, protagoniste de la politique fe´odale. – La politique anglaise et la politique franc¸aise dans les Pays-Bas. V. Formation de grandes dynasties: Maisons de Luxembourg, de Bavie`re et de Bourgogne. Modification profonde de l’e´quilibre territorial. VI. Les villes au XIVe sie`cle. – Le gouvernement des me´tiers. – Les tisserands et les foulons – Les villes flamandes a` la teˆte du mouvement de´mocratique en Occident. – Luttes entre villes. Gand et Bruges. – Population des villes. VII. Les constitutions territoriales. – En Flandre influence pre´ponde´rante des villes. – En Brabant: Jayeuse entre´e. E´tats – Tendances absolutistes chez les princes. Philippe de Leyde. Projet de cre´ation de nouveaux e´veˆche´s. VIII. Le commerce. – De´cadence des foires – Importance de Bruges. – La Hanse. L’Angleterre. Traite´s de commerce entre territoires. Re´gularisation des monnaies etc. – L’industrie. La Draperie. Les Me´tiers. IX. Le Mysticisme. G. Groot – Le Brabant a` la teˆte du mouvement litte´raire: Boendael. – Hemricourt, J. Le Bel, Froissart.

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Livre IV L’E´tat Bourguignon. I. La formation territoriale. Lutte avec les maisons de Luxembourg, et de Bavie`re. Attitude de l’Empire et de la France. Reˆve d’un royaume bourguignon. II. Les institutions centralisatrices. Les ducs continuateurs a` cet e´gard des princes ante´rieurs. Les Conseils de justice. Lutte avec les e´chevinages urbains – Le Parlement de Malines. Lutte avec la Flandre et le Parlement de Paris – Les Chambres des Comptes – L’Arme´e – La Marine – Les E´tats Ge´ne´raux – L’Ordre de la Toison d’Or. – L’Administration provinciale – La question des langues. III. Les villes. Leur triomphe sous Marie de Bourgogne. Le grand privile`ge. – La haute noblesse: les Croy. IV. Le commerce et l’industrie. Importance d’Anvers. La Hanse. L’Angleterre. Le Magnus intercursus. V. E´tat moral et intellectuel du peuple au XVe sie`cle. VI. La cour des ducs. Le luxe. Protection des arts. Peinture. Sculpture. Musique. La litte´rature franc¸aise: Chastelain, Commines etc. – La bibliothe`que de Bourgogne. – L’Universite´ de Louvain – La litte´rature flamande en de´cadence – Les chambres de rhe´torique. – Le mouvement religieux: J. Wessel. VII. La nature de l’E´tat Bourguignon. Conclusion.

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Leipzig, 31. Dez. 1894366 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

P.s Konzept einer belgischen Geschichte hat L. sehr beeindruckt. Die weiteren Verhandlungen mit dem Verlag soll P. selbst u¨bernehmen. – L. bereitet sich auf einen u¨berraschenden Besuch bei Bismarck vor. Hochverehrter Herr Kollege! Nehmen Sie den herzlichsten Dank fu¨r Ihre Disposition. Ich finde sie ausgezeichnet, offenbar auf Grund langer Erfahrungen u¨berlegt, und sichre Gewa¨hr fu¨r einen [unleserlich] Eindruck des geplanten Buches. Ich schreibe an Perthes Gotha, er solle mit Ihnen direkt in Verhandlung treten. 366 [Postkarte].

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Gent, 23. Jan. 1895

Entschuldigen Sie, daß Sie, statt des geplanten Briefes, nur eine Karte erhalten; ich bekam heut sehr unerwartet, aber zu meiner gro¨ßten Freude von Bismarck eine Einladung nach Friedrichsruh367 und bin eilig im Packen der Koffer. Mit den scho¨nsten Neujahrswu¨nschen fu¨r Sie und vor allem, in diesem Augenblick, fu¨r Ihre tapfere und [unleserlich] Frau Gemahlin368 Ihr ergebenster Lamprecht

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Gent, 23. Jan. 1895369 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Die bereits im letzten Brief angeku¨ndigte Geburt seines Sohnes hat P. bisher davon abgehalten, L. u¨ber die Vertragsunterzeichnung mit Perthes zu unterrichten. Mon cher colle`gue, J’aurais duˆ vous e´crire de´ja` pour vous dire que j’ai signe´ le contrat avec M. Perthes, mais j’ai e´te´ hors d’e´tat de le faire ces jours-ci. Ma femme vient d’accoucher d’un fils370 et bien que tout se soit passe´ fort bien, on n’en est pas moins occupe´ a` ces moments-la` de mille choses qui vous de´robent le temps. Me voila` donc de´cide´ment attele´ a` mon histoire. Le sujet est fort beau. Le tout est maintenant de le bien traiter. Parmi les personnes qui en Belgique pourraient eˆtre invite´es au congre`s de Francfort, il y a Kurth a` Lie`ge, Vanderkindere a` Bruxelles, Vander Linden a` Louvain, sans parler de Fredericq et de moi qui irons a` coup suˆr. J’ai appris avec beaucoup de peine la mort de M. Arndt, que j’espe´rais bien revoir a` Paˆques. Voila` une figure bien sympathique de moins parmi les historiens Allemands. Je suis tout a` votre disposition si vous aviez besoin de renseignements ulte´rieurs pour l’Historiker Tag ou si vous vouliez que je me charge ici de quelques de´marches et je reste votre cordialement de´voue´. H. Pirenne 367 Vgl. Chickering, S. 424, Anm. 36. 368 Familie P. erwartet zu Beginn des Jahres 1895 ihr drittes Kind. 369 Pirenne datierte das Schreiben irrtu¨mlich mit „1894“. 370 Pierre, der dritte Sohn Pirennes, geb. am 19. Januar 1895 in Gent.

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Nr. 109

Leipzig, 4. Febr. 1895

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Leipzig, 4. Febr. 1895371 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

P.s Vertragsabschluß mit dem Verlag Perthes freut L. sehr. Wer ka¨me als Bearbeiter fu¨r die „neuere belgische Geschichte“ in Frage? – L. bemu¨ht sich um ausla¨ndische Beteiligung am bevorstehenden deutschen Historikertag und teilt P. mit, Holland habe bereits Interesse an einer Teilnahme bekundet. Wie steht es mit Belgien? Heute, hochverehrter Herr Kollege, nur ein kleines Ka¨rtchen: ich bin in der Zeit mehr als beschra¨nkt. Aber ich mo¨chte doch nicht la¨nger unterlassen, Ihnen zu dem weiteren Zuwachs Ihrer Familie von Herzen Glu¨ck zu wu¨nschen.372 Ihre Frau Gemahlin wird jetzt schon wieder sich vollen Wohlseins erfreuen: und so kommen die scho¨nen ersten Stunden gemeinsamen erneuten Eheglu¨cks. Mo¨gen Sie Ihnen ungetru¨bt sein. In Sachen Perthes sind Sie nun also zu Rande gekommen: ich freue mich herzlich auf Ihre große Arbeit. Fu¨r neuere belgische Geschichte (falls u¨berhaupt an eine solche zu denken) wird mir Herr Felix Magnette373 (jetzt Paris) genannt. Wissen Sie von ihm? Wir sind jetzt hier in Historikertagsvorbereitungen. Bei der Versammlung der Vertreter der Publicationsinstitute374 will sich auch Holland beteiligen. Wie stehts bei Ihnen? Ein Programm folgt anbei unter Kreuzband. Mit herzlichem Gruße Ihr ergebener

Lamprecht

Empfehlungen an Herrn Kollegen Fredericq

371 [Postkarte]. 372 Nach Henri-Edouard (*1888) und Jacques (*1891) wurde am 19. Januar 1895 Henri

Pirennes dritter Sohn Pierre geboren.

373 Fe´lix Magnette (1868–1942), Schu¨ler von E. Hubert u. G. Kurth. Ab 1901 Geschichts-

lehrer am Gymnasium in Lu¨ttich, spa¨ter Prof. fu¨r moderne Geschichte an der Univ. Lu¨ttich (1928–1939). 374 Seit dem zweiten Historikertag in Leipzig (29. 3.–1. 4. 1894) tagte die auf Initiative L.s sich auf dem Historikertag in Frankfurt (1895) endgu¨ltig konstituierende „Konferenz von Vertretern landesgeschichtlicher Publikationsinstitute“ parallel zu den Historikerversammlungen. Vgl. die „Beratung u¨ber Stand und Bedeutung der landesgeschichtlichen Studien, insbesondere u¨ber die Arbeitsgebiete der landesgeschichtlichen Publikationsinstitute“, in: Bericht u¨ber die 2. Versammlung deutscher Historiker in Leipzig 1894, S. 1f. (vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 238).

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Leipzig, Mai 1895

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Leipzig, 19. Ma¨rz 1895 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Vorbereitungen fu¨r den Historikertag laufen auf Hochtouren. Ist mit belgischer Beteiligung zu rechnen? Verehrter Freund und Kollege! Haben Sie den herzlichsten Dank fu¨r Ihre letzte liebe Sendung.375 Zum Lesen bin ich freilich, da ganz in Historikertagssachen steckend, noch nicht gekommen. Sie werden das Programm inzwischen erhalten haben. Ich habe jetzt hauptsa¨chlich mit der Konferenz der Publicationsinstitute zu thun. Die Sache wird sich wirklich machen: alle Institute sind vertreten. Wie steht es nun mit der Commission d’histoire bei Ihnen? Wird sie jemand von Ihnen delegieren? Soll von hier etwas Officielles geschehen?376 Eine Antwort wa¨re mir lieb. Herzliche Gru¨ße an Sie und die Ihrigen von Ihrem ergebenen Lamprecht

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Leipzig, Mai 1895377 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Betr. P.s Beteiligung an der Konferenz von Vertretern landesgeschichtlicher Publikationsinstitute. Hochgeehrter Herr Kollege! Beifolgend gestatte ich mir, Ihnen einen kurzen Bericht u¨ber die bisherige Entwicklung der Konferenzen von Vertretern landesgeschichtlicher Publicationsinstitute in drei Exemplaren ganz ergebenst zu u¨bermitteln.378 Das von Ihnen u¨bernommene Referat, das zur Vervielfa¨ltigung 375 H. Pirenne, L’origine des constitutions urbaines au moyen age. La Revue historique 53

(1893), S. 53-83; 57 (1895), S. 57-98, 293-327. 376 Der dritte deutsche Historikertag fand in der Zeit vom 18. bis 21. April 1895 in Frankfurt

statt. Unter den Teilnehmern fanden sich auch die Genter Professoren Paul Fre´dericq und Henri Pirenne. 377 [Diktat; Tagesdatum fu¨r unterschreibenden Lamprecht freigelassen]. 378 Bericht u¨ber die bisherige Entwicklung der Konferenzen von Vertretern landesgeschichtlicher Publikationsinstitute, gedruckt als Anhang I zum Bericht u¨ber die vierte Versammlung deutscher Historiker vom 11.–14.9.1896 in Innsbruck, Leipzig 1897, S. 61–68.

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Rathen a. Elbe, 12. Aug. 1895

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bestimmt ist und deshalb mo¨glich konzis gefaßt sein muß, erbitte ich mir spa¨testens bis zum 1. Oktober. Ihr Herr Mitreferent379 wird das seinige bis zum 1. August abliefern; sofort nach Einsendung soll es ihnen zugestellt werden. In ausgezeichneter Hochachtung ergebenst [L. eigenh.:] mit herzlichem Gruße allerseits

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Lamprecht

Rathen a. Elbe, 12. Aug. 1895 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Aus der Sommerfrische in der Sa¨chsischen Schweiz unterrichtet L. P. u¨ber den Fortgang der „Konferenzsachen“. Verehrter & lieber Herr Kollege! Anbei erhalten sie das nicht eben sehr inhaltreiche Referat Dobeneckers. Sie haben Ihr Gegenreferat wohl spa¨testens bis zum 1 Okt.; es wird Ihnen ja keine großen Schwierigkeiten machen. Ich vermute Sie jetzt im Seebade, etwa in Heist oder Knocke?380 Ich sitze hier in der sa¨chsischen Schweiz, mitten in Sandsteinbergen und -felsen, mit Hausdame381 und Kindern und Liesegang als liebem Gast. Er ist auf der Durchreise nach Mu¨nchen, wo er in Sachen von Bu¨rgerverzeichnissen sich umsehen will; soeben ist er im Bade; und gestern haben wir gar viel Ihrer gedacht. Er geht u¨ber Bo¨hmen (Karlsbad, Pilsen) weiter. Unsere Konferenzsachen382 marschieren ganz gut; und ich hoffe, Sie fo¨rdern uns u¨ber kurz oder lang recht wesentlich. Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin von Ihrem treuen Lamprecht

379 Otto Dobenecker, (1859–1938), Schu¨ler D. Scha¨fers, Lehrer und spa¨ter Direktor

am Großherzoglichen Gymnasium in Jena, Mitglied des Vereins fu¨r Thu¨ringische Geschichte und Altertumskunde. 380 Knokke-Heist. 381 Mit der weiter fortschreitenden Krankheit Mathilde Lamprechts seit Beginn der 90er Jahre bemu¨hte sich L. um entsprechendes Personal fu¨r Haushalt und Kinder. Seit 1892 war als „Hausdame“ Emma Bruch engagiert, eine Freundin Mathilde L.s aus Straßburg, die bis zu L.s Tod bei der Familie blieb. Vgl. Chickering, S. 116/17 und S. 223. 382 D. i. „Konferenz von Vertretern landesgeschichtlicher Publicationsinstitute“.

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Leipzig, 11. Okt. 1895

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Leipzig, 11. Okt. 1895383 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Mit der belgischen Geschichte von P. wird die von L. betreute Staatengeschichte weiter vervollkommnet. – Von L.s „Deutscher Geschichte“ erscheint neben Band V,2 eine zweite Auflage der fru¨heren Ba¨nde. L. wa¨hnt sich „auf einem Ho¨hepunkt“, wo ihm „die bisherigen Nadelstiche“ seiner Kritiker nichts anhaben ko¨nnen. „Meine Gegner wollen sich jetzt [... ] auf die Kritik des Ganzen werfen. Ich bin daru¨ber sehr glu¨cklich: die sollen nur kommen!“ Hochverehrter & lieber Herr Kollege! Herzlichen Dank fu¨r Ihre Sendung!384 Gott sei Dank, daß Sie diese Sache, die durch Dobenecker ganz verfahren war, in richtigen Zug gebracht haben. Ich stehe auf Ihrer Seite, wie ich mir wenigstens eine Anzahl der fu¨r dieselbe ins Feld gefu¨hrten Gru¨nde schon oft klar gemacht habe. Man sieht aber aus der Discussion doch, wie gut es fu¨r viele der kleineren Publicationsgesellschaften ist, daß sie angeregt wurde. Von Herzen freue ich mich zu ho¨ren, daß Sie jetzt in die flandrische Geschichte gegangen sind. Ergeben sich manche unerwartete Schwierigkeiten, so auch ein um so reicherer Gewinn. Ich habe jetzt in der Staatengeschichte [vgl. Anm. 62] fast alle wichtigen Gebiete vergeben; nur der schwer zu bewa¨ltigende Orient steht noch aus. Von mir erscheint demna¨chst D. Gsch. Bd. V 2; dazu zweite Auflagen von allen fru¨heren Ba¨nden. Ich bin damit auf einem Ho¨hepunkt angelangt, und gehe von ihm voll Eifers und Freude an die Kulturgeschichte des 16. bis 17. Jhs. Meine Gegner wollen sich jetzt u¨ber die bisherigen Nadelstiche385 hinaus, die nichts genu¨tzt haben, auf die Kritik des Ganzen werfen. Ich bin daru¨ber sehr glu¨cklich: die sollen nur kommen! Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihr von uns hochverehrtes alter Ego! Ihr L.

383 [Postkarte]. 384 D. i. das von L. erbetene Referat im Anschluß an die Konferenz der Publikationsinstitute

auf dem Historikertag in Frankfurt 1895, vgl. Nr. 111. 385 Vgl. zur Kritik an L.s Deutscher Geschichte und zum Beginn des Methodenstreits

Schorn-Schu¨tte, S. 101ff. und Chickering, S. 177.

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Nr. 114

Leipzig, 8. Dez. 1895

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Leipzig, 8. Dez. 1895386 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. bittet P. um Mitarbeit an der neu u¨bernommenen „Deutschen Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft“ und zeigt besonderes Interesse an Berichten zur belgischen historischen Forschung. – Das historische Seminar in Leipzig „nimmt enorm zu“. Leipzig entwickelt sich in Abgrenzung zu Berlin zur „gro¨ßten Arbeitsuniversita¨t“. Verehrter & lieber Herr Kollege! Da haben Sie uns Leipziger nun als Redaction der bisherigen Su¨ddeutschen Zeitschrift und wir kommen alle und bitten um freundliche Unterstu¨tzung.387 Abgesehen von den großen Aufsa¨tzen, die uns natu¨rlich besonders willkommen sein werden, wu¨rden wir auch Recensionen & Nachrichten u¨ber belgische Verha¨ltnisse, wie u¨berhaupt den Westen, besonders begru¨ßen. Vor Allem: Ko¨nnten Sie uns nicht einen oder den anderen Anfangsaufsatz fu¨r die Monatsbla¨tter schreiben? Da sind Themata, die uns in ho¨chstem Grade fesseln wu¨rden: der Stand der Forschung u¨ber die alten flandrischen Sta¨dte, nicht minder u¨ber die brabantischen, die Aufgabe der Forschung fu¨r die Zeit der Burgundaturschaft im Verha¨ltnis zu dem Geleisteten, u. a. m. Wie pra¨chtig, wu¨rden Sie sich daru¨ber aussprechen! Sie sind ja in diesen Dingen sowieso wegen Ihrer Geschichte ganz informiert. Und wie stehts damit? Werden wir bald Manuscripte setzen? Hier viel zu thun. Unser Seminar nimmt enorm zu; wir haben die noch nie dagewesene Ho¨he von 72 Mitgliedern und werden darum unser Programm fu¨r na¨chsten Sommer wiederum erweitern. Dabei sind eine große Anzahl recht gescheiter Leute darunter. Wir werden immer mehr zu der gro¨ßten Arbeitsuniversita¨t; die Berliner Leute kommen zu uns, um den zu starken Zerstreuungen B[elow]s zu entgehen. Ich sitze an den Anfa¨ngen des VI Bands m. D. Geschichte. Indeß wirds Weile haben, ehe er erscheint; ich denke in 3-4 Jahren.

386 Auf Briefpapier der Deutschen Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft geschrieben, her-

ausgegeben von G. Seeliger im Verein mit G. Buchholz, K. Lamprecht, E. Marcks. 387 Seit Herbst 1895 gab L. gemeinsam mit seinen Leipziger Kollegen Erich Marcks und

Georg Seeliger, der die Nachfolge des im Wintersemester 1894/95 verstorbenen Wilhelm Arndt angetreten hatte, die Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft heraus, deren Redaktion zuvor von L. Quidde in Mu¨nchen besorgt worden war.

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Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre verehrte Frau! und bald noch mehr ich habe jetzt ca 60 Briefe zu schreiben. Ihr Sie verehrender

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Lamprecht

Gent, 19. Febr. 1896 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Der erste Band der Belgischen Geschichte soll zum Jahresende abgeschlos¨ bersetzer gefunden werden. Rachfahls sen sein. Nun mu¨sse ein guter U Kritik an L.s Deutscher Geschichte zeugt laut P. von Unversta¨ndnis fu¨r L.s Zielsetzung und Methode. Cher et honore´ colle`gue, En re´ponse a` la circulaire que vous m’avez fait envoyer, je puis vous annoncer que le manuscrit du premier volume de mon livre pour la Geschichte der Europa¨ischen Staaten, vous sera remis a` la fin de cette anne´e, probablement au mois de de´cembre. J’ai commence´ la re´daction depuis quelque temps de´ja`, et tous mes mate´riaux e´tant preˆts, je pense que mon travail pourra eˆtre pousse´ jusqu’au bout sans encombre. La difficulte´ sera de trouver un bon traducteur. Je vais m’en occuper dans quelque temps. Dans le cas ou` vous connaıˆtriez quelqu’un qui vous paraıˆtrait apte a` cette besogne, je vous serais tre`s reconnaissant si vous vouliez bien me l’indiquer. J’ai lu dans les Preussische Jahrbu¨cher la critique de votre Deutsche Geschichte par le Dr. Rachfahl388. Vous n’avez pas lieu, me semble-t-il, d’en eˆtre me´content. C’est un simple proce`s de tendance qui vous est fait. Il m’a semble´ que l’auteur n’avait compris ni votre but, ni votre me´thode, et les traits qu’il vous lance tombent sans vous atteindre. Croyez, cher et honore´ colle`gue, a` mes sentiments les plus distingue´s et les plus de´voue´s. H. Pirenne

388 Vgl. F. Rachfahl, Deutsche Geschichte vom wirthschaftlichen Standpunkt. In: Preußi-

sche Jahrbu¨cher 83 (1896), S. 48–96.

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Leipzig, 2. Ma¨rz 1896

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Leipzig, 2. Ma¨rz 1896 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

¨ bersetzung der belgischen Geschichte hat L. einen jungen RomaFu¨r die U nisten gefunden, der zur Probe an P.s Manuskript arbeiten soll. – Auf dem Historikertag im September in Innsbruck wird L. zum Thema „Kulturgeschichte“ referieren, denn „die Dinge dra¨ngen zur Diskussion. [... ] Die alte Schule hu¨llte sich bisher in Schweigen und murmelte nur privatim: sie soll jetzt reden.“ – Fu¨r das sich drehende Personalkarussell an den Hochschulen zeigt L. wenig Interesse – „vielleicht ein Fehler“. – Die Einrichtung einer landesgeschichtlichen Kommission in Sachsen ist beschlossen. Lieber & verehrter Herr Kollege! Scho¨nen Dank fu¨r Ihren fdl. Brief! Ich habe inzwischen einen kurzen Bericht u¨ber die Europa¨ische Staatengeschichte zusammengestellt, der Ihnen noch zur Approbation zugehen wird. Daß Sie mit Ihrer Arbeit so gut vorwa¨rts gelangen, ist ho¨chst erfreulich. Wegen der Uebersetzung habe ich mich hier umgethan und einen jungen roman. Philologen gefunden, der die Sache event. – d. h. wenn er es gut macht – u¨bernehmen will. Ko¨nnten Sie nicht zur Probe ein Stu¨ck Ms. einsenden, damit er zeigen kann, was er leistet? Ich werde die Uebersetzung dann durch unseren Romanisten, Prof. Birch-Hirschfeld,389 zuna¨chst pru¨fen lassen, dann Ihnen zusenden, damit Sie zusehen, wie Sie sich im fremdem390 ausnehmen. Daß der Historikertag nun auf Innsbruck, und die Tage vom 11.–14. Sept. festgesetzt ist, haben Sie gelesen? Es liegt Ihnen hoffentlich gut; fu¨r uns ist der Termin sehr passend; es ist die Zeit, wo man aus Tirol heimkehrt. Ich bin aufgefordert worden, u¨ber Kulturgeschichte zu referieren. Ich werde annehmen, da es mir Zeit scheint, nun das Thema einmal wirklich vorzunehmen. Die Dinge dra¨ngen zur Discussion. Dazu hat Rachfahl391 einen, freilich sehr merkwu¨rdigen Anfang gemacht,392 389 Gustav Adolf Birch-Hirschfeld (1849–1917), Studium, Promotion (1877) u. Habil.

(1878) in Leipzig, PD fu¨r Neuere Sprachen in Leipzig u. Gießen, ab 1891 o. Prof. fu¨r Roman. Philologie in Leipzig. 390 D. i.: „in fremder Sprache“. 391 Felix Carl Rachfahl (1867–1925), Studium und Promotion (1890) an der Univ. Breslau, Habil. 1893 in Kiel, dort PD fu¨r Mittlere u. Neuere Geschichte, Professuren in halle (1898), Ko¨nigsberg (1903), Gießen (1907), Kiel (1909), Freiburg i. Br. (1914). 392 Vgl. die Rezension der Deutschen Geschichte (Bd. 4 und 5) von L. durch Felix Rachfahl in: Deutsche Litteraturzeitung 1895 und dessen Aufsatz „Deutsche Geschichte vom wirthschaftlichen Standpunkt“, in: Preussische Jahrbu¨cher 83 (1896), S. 48-96.

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Leipzig, 2. Ma¨rz 1896

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u¨brigens infolge einer besonderen Aufforderung meinerseits. Die alte Schule hu¨llte sich bisher in Schweigen & murmelte nur privatim: sie soll jetzt reden. Im Uebrigen bei uns [uneserlich]. Koser393 wird Nachfolger von Sybel394; Winkelmann395 in Heidelberg ist gestorben, [unleserlich] in Breslau hat seinen Abschied genommen. Nach Breslau kommt (sub rosa einstweilen!) Schulte396 aus Freiburg. Was sonst geschehen wird, darauf kann man neugierig sein. Ich habe allerdings fu¨r diese Dinge wenig Sinn – vielleicht ein Fehler. Hier haben wir jetzt unsere Commission fu¨r Landesgeschichte397 bei den Sta¨nden durch; zuna¨chst mit 1000 M. pro Jahr. Es ist aber schon widerspruchslos gea¨ussert worden, daß die Summe erho¨ht werden mu¨sse. Herzlichen Gruß an Sie und Fredericq, und eine scho¨ne Empfehlung an Ihre hochverehrte Frau Gemahlin. Sie kommt doch mit nach Tirol? Kommen Sie doch event. fru¨her! Wir gehen ho¨chstwahrscheinlich nach Tirol in Sommerfrische, und m[eine] Hausdame ist eine [in] S. Quentin erzogene Elsa¨sserin, beherrscht also beide Sprachen. Herzl. Grußes

Ihr Lamprecht

393 Reinhold Koser (1852–1914), 1891–1896 o. Prof. der Geschichte in Bonn, 1896 Direktor

des Geh. Staatsarchivs in Berlin.

394 Heinrich von Sybel (1817–1895), a¨ltester Ranke-Schu¨ler, Wissenschaftler und Politiker,

Prof. fu¨r Mittlere Geschichte in Marburg (1846) und Mu¨nchen (1856), Lehrgebiet Neueste Geschichte 1861–1875 in Bonn, 1875 preuß. Archivdirektor, Prof. der klassischen Archa¨ologie in Marburg. 395 Eduard Winkelmann (1838–1896), Historiker, Ordinarius in Bern (1869) und Heidelberg (1873). 396 Aloys Schulte (1857–1941), Wirtschafts- und Landeshistoriker, o. Prof. in Freiburg (1892), Breslau (1896) und Bonn (1903), war hier maßgeblich beteiligt an der Gru¨ndung des „Instituts fu¨r geschichtliche Landeskunde“ 1921. 397 Seit Beginn seiner Leipziger Zeit (1891) stellte L. U ¨ berlegungen an zur institutionellen Organisation landesgeschichtlicher Forschung in Sachsen. Bereits 1893 nahmen sie erste Formen an in Gestalt einer Denkschrift Leipziger Gelehrter an das Sa¨chsische Kultusministerium zur Einsetzung einer Historischen Kommission im Rahmen der ko¨niglichsa¨chsischen Akademie der Wissenschaften. Gegen mannigfache Widersta¨nde erfolgte erst im Juli bzw. Dezember 1896 die Einrichtung der vorgeschlagenen Kommission. Vgl. unten Nr. 131, siehe auch Schorn-Schu¨tte, S. 232ff.

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Nr. 117

Gent, 22. Ma¨rz 1896

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Gent, 22. Ma¨rz 1896 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

¨ bersendung P. besta¨tigt nochmals seinen Zeitplan und stellt eine baldige U ¨ eines Textabschnittes zur probeweisen Ubersetzung in Aussicht. P. und seine Frau freuen sich auf die Reise nach Tirol zum Innsbrucker Historikertag. L.s Broschu¨re u¨ber „Alte und neue Richtungen ...“ ist fu¨r P. eine „Schatzkammer von Ideen“. Cher et honore´ colle`gue, J’ai bien rec¸u le rapport imprime´ sur l’e´tat des travaux entrepris pour la Staatengeschichte. En ce qui me concerne je ne vois rien a` y changer. Le premier volume sera preˆt, selon toute apparence, pour la date indique´e. Je suis tre`s heureux d’apprendre que vous avez sous la main un traducteur. Si vous n’y voyez pas d’inconve´nient, j’attendrai encore quelques semaines avant d’envoyer une partie de mon manuscrit pour servir a` l’essai de la traduction. Il vaut mieux, je pense, ne commencer que lorsque je serai tout a` fait suˆr de ne plus devoir faire de retouches au texte. Vous pouvez compter que, sauf empeˆchement tout a` fait impre´vu, je me rendrai au mois de Septembre a` Innspru¨ck [sic]. Ma femme m’accompagnera bien certainement si la sante´ de nos enfants le permet. Nous serons fort heureux tous deux de pouvoir vous rencontrer dans le Tirol et de passer quelques jours avec vous avant l’ouverture de l’Historikertag. Ma femme a conserve´ le meilleur souvenir de son voyage a` Leipzig, il y a deux ans, et ne demande qu’a` recommencer. Je viens de commencer – avec le plus grand plaisir et le plus grand profit – la lecture de vos Alte und neue Richtungen in der Geschichtswissenschaft398. Il y a la` un tre´sor d’ide´es dont je ferai personnellement mon profit et, j’espe`re aussi, celui de mes e´le`ves. Croyez-moi, cher et honore´ colle`gue, votre bien cordialement de´voue´ et affectionne´. H. Pirenne

398 Vgl. K. Lamprecht, Alte und neue Richtungen in der Geschichtswissenschaft. Berlin

1896.

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Leipzig, 25. Ma¨rz 1896

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Leipzig, 25. Ma¨rz 1896 399 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Zur „Aufru¨ttelung der verehrten Fachgenossen“ wird L. seine „methodologischen Studien“ weiter vorantreiben. Allerdings macht ihm eine chronische Erkrankung der oberen Luftwege stark zu schaffen. Von einem la¨ngeren Kuraufenthalt – vielleicht in Heyst/Belgien – erhoffen L.s A¨rzte eine wesentliche Besserung seines Gesundheitszustandes. Verehrter & lieber Herr Kollege! ¨ bersendung eines Theils Ihres Mspts. zur Probeu¨berWahrlich hat die U setzung noch vollauf Zeit; bitte lassen Sie sich damit ganz Muße, bis Sie den richtigen Termin dafu¨r zu haben glauben. Der hiesige Uebersetzer la¨uft nicht fort. Daß Sie in m. kleinen Bu¨chelchen400 einiges Brauchbare finden, freut mich. Ich werde jetzt, zu meiner eigenen Information wie zur Aufru¨ttelung der verehrten Fachgenossen, die methodologischen Studien fortsetzen. Zuna¨chst kommt ein gro¨ßerer Aufsatz u¨ber die Frage „Was ist Kulturgeschichte?“401. Ob ich nach Innsbruck402 gehe, ist neuerdings wieder zweifelhaft geworden. Ich leide seit etwa einem Jahr an chronischem Katarrh, und die Sache ist jetzt so hartna¨ckig geworden, daß ich in den na¨chsten Tagen auf 4 Wochen nach Capri gehen will, um fu¨r das Semester in Ordnung zu sein.403 Ho¨chstwahrscheinlich aber bedarf ich noch einer Nachkur im Herbst in irgendeinem Nordseebad. Ich denke etwa an Norderney, wu¨rde aber sehr viel lieber in ein belgisches Bad gehen – vielleicht Heyst? Ich wa¨re Ihnen in dieser Hinsicht fu¨r einige Notizen u¨ber den Kostenpunkt, Lebensweise u. s. w. sehr dankbar. Ich wu¨rde etwa Mitte Juli meine Hausdame mit den Kindern vorausschicken, vielleicht auch mit einem Dienstma¨dchen (oder ist dort nicht eins zu finden? – die Sprache wu¨rde keine Schwierigkeiten machen). Die Kinder wu¨rden dann bis Mitte Septem399 [L., einen Tintenklecks im Datum kommentierend: Entschuldigung! Der gute Kerl fand

sich [?] quasi bene [?] ein!].

400 Gemeint ist: L., Alte und neue Richtungen in der Geschichtswissenschaft. Berlin

1896. Vgl. das Schreiben Pirennes vom 22. Ma¨rz 1896 (Nr. 117).

401 Vgl. L., Was ist Kulturgeschichte? Beitrag zu einer empirischen Historik. In: Deutsche

Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft NF 1 (1896/97), S. 75-150.

402 Geplante Teilnahme am Historikertag in Innsbruck, September 1896. 403 Zum stark angegriffenen Gesundheitszustand L.s in den Jahren 1895/96 vgl. Chickering,

S. 224.

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Leipzig, 10. Mai 1896

ber, also etwa 2 Monate an der See bleiben, ich Anfang August zu ihnen stoßen. Kann man nun auf 2 Monate mieten? Was etwa kostet eine Wohnung von 3–4 Zimmern? Und kann man alleine den Haushalt fu¨hren, und etwa zu welchem Preis? Ich wu¨rde mir garnicht erlauben, Ihnen so ins Einzelne gehende Fragen zu stellen, ha¨tte ich nicht das Glu¨ck gehabt, Sie in Heyst einmal inmitten der Ihrigen so einquartiert zu sehen, und ga¨be ich mich nicht der Hoffnung hin, daß Ihre Frau Gemahlin Sie leicht beraten ko¨nnte. Mit herzlichem Gruße allseits Ihr ergebener

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Lamprecht Leipzig, 10. Mai 1896

Karl Lamprecht an Henri Pirenne Auch auf einem la¨ngeren Kuraufenthalt auf Capri hat L. nicht genesen ko¨nnen. Fu¨r eine Nachkur an der belgischen Ku¨ste sucht L. mit Hilfe P.s ein passendes Seebad. – Der Tod Heinrich von Treitschkes stellt fu¨r die Wissenschaft einen schweren Verlust dar. Verehrter & lieber Herr Kollege! Darf ich den Brief meiner Hausdame, Frau Bruch, noch mit zwei Worten begleiten? Ich denke, Frau Bruch hat das Wesentliche gefragt, [unleserlich] mich indeß, daß neben Heyst vielleicht noch auch andere Ba¨der, ich denke z. B. an Domburg oder Mariakercke, in Betracht kommen ko¨nnten. Was meinen Sie? Notwendig ist fu¨r mich namentlich ein relativ windstiller Ort. Domburg empfiehle sich vielleicht insofern, als es Wald hat; doch kenne ich den Strand nicht; auch liegt es wohl von Gott verlassen. Mariakercke wu¨rde den Vorzug der Na¨he Ostendes haben. Ich sehe mit Spannung Ihrem Urteil entgegen. Ich war vier Wochen in Capri bzw. am Golf von Neapel; und das hat mir sehr gut gethan, trotz sehr schlechten Wetters. Aber vo¨llig verschwunden ist der in echt Leipziger Weise hartna¨ckige Katarrh noch nicht; den Historikertag mit seinen unausbleiblichen Strapazen mitmachen kann ich jedenfalls nicht. Hier stehen wir, wie Sie denken ko¨nnen, noch unter dem Eindruck des Todes Treitschkes.404 Er war unicus, und sein Platz la¨ßt sich nicht ausfu¨llen; man wird dazu auch einstweilen wohl kaum den Versuch machen. 404 Heinrich von Treitschke (1834–1896), Historiker und Nationalo¨konom, a. o. Prof. fu¨r

Staatswissenschaften in Freiburg (1863), o. Prof. fu¨r Geschichtswissenschaften in Kiel

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Leipzig, 14. Juli 1896

Aber das ist auch das Geringste: wer soll uns jetzt noch die Geschichte von 1806–70 als Zeitgenosse erza¨hlen? Mit T. ist ein Teil unserer nationalen Erinnerungen, der gerade in scho¨nster Form ha¨tte fortleben sollen, gestorben. Herzliche Gru¨ße, und scho¨ne Empfehlungen an Ihre Frau Gemahlin, von Ihrem ergebenen Lamprecht

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Leipzig, 14. Juli 1896 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Im August wird L. mit seiner Familie einen Kuraufenthalt in Heist antreten. Ko¨nnte ein perso¨nliches Treffen mit Pirenne arrangiert werden? – Die sa¨chsische Kommission fu¨r Landesgeschichte wird nun amtlich eingesetzt. Verehrter & lieber Herr Kollege! Heute habe ich Ihnen mitzuteilen, daß wir nun doch noch nach Heyst ¨ rzte haben mich inzwischen – Gott sei Dank nur in gehen! Meine A Ratschla¨gen – auf der ganzen Welt herumgeschickt, vor allem in die Alpen –: um schliesslich wieder auf den Ausgangspunkt zuru¨ckzukehren. Ich habe noch eine Dru¨senschwellung an der Zungenwurzel, doch ist der Katarrh viel geringer geworden; und grade hiergegen versprechen sie sich viel von der See. Nous verrons. Nach unseren bisherigen Dispositionen werden wir nun am 1. August von hier abreisen und, nach einigem Aufenthalt am Rhein, etwa am 3. oder 4. in Heyst eintreffen. Treffen wir Sie dann noch unterwegs in Gent oder in den ersten Tagen von Heyst aus zu Hause? Es wu¨rde mir, und Frau Bruch ebenfalls, eine große Freude sein, Sie Beide zu sehen. Wie wir uns nun in Heyst einrichten werden, wissen wir noch nicht genau; zuna¨chst gehen wir wohl in ein Hotel & warten dann die sich bietenden Gelegenheiten ab. Vor allem also wollen wir uns die Hauptsache wu¨nschen: Gutes Wetter & frohe Laune. Wie weit sind Sie mit Ihrer Arbeit? Ist ein Teil so weit, daß ein Versuch der Uebersetzung gemacht werden ko¨nnte?

(1866), Heidelberg (1867) und Berlin (Nachfolge von Ranke, 1874), Schriftleiter der „Preußischen Jahrbu¨cher“ (1866–1889), Herausgeber der „Historischen Zeitschrift“ (1895). Vgl. L., Zum Geda¨chtnis von Heinrich von Treitschke, in: Die Zukunft 16 (1896), S. 108-112.

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Nr. 121

Gent, 27. Juli 1896

Wir haben nun in diesen Tagen die amtliche Einsetzung unserer Commission fu¨r Landesgeschichte erlebt405, zuna¨chst mit 10.000 M[ark] pro Jahr. Immerhin ein Anfang! Herzlichen Gruß an Sie und Ihre wehrte Frau Gemahlin von Ihrem ergebenen Lamprecht

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Gent, 27. Juli 1896 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Da L. zur Kur ans Meer fahren mo¨chte, werden sich P. und L. in Heyst an der belgischen Nordseeku¨ste treffen. Die Angriffe auf L.s Deutsche Geschichte sieht P. als Gelegenheit fu¨r die Historikerzunft, grundlegend u¨ber Methodenprobleme nachzudenken. Cher et honore´ colle`gue, Excusez le retard de ma re´ponse a` votre aimable lettre. J’e´tais absent pour quelques jours quand elle est arrive´e chez moi. Puisque vos me´decins vous envoyent de´cide´ment au bord de la mer, je dois donc renoncer a` vous rencontrer a` Innsbruck. En revanche, j’aurai le plaisir de vous voir ici, car je ne quitterai la Flandre que dans une quinzaine de jours. Au moment de votre arrive´e vers le 3 ou le 4 aouˆt, je serai a` la campagne. De`s que vous serez a` Heyst veuillez m’e´crire a` l’adresse suivante: H. Pirenne, chez M. Van der Haeghen406 a` Meerendre´ (par Landegem) Meerendre´ est entre Bruges et Gand. De`s que je vous saurai arrive´, je viendrai vous aider a` trouver a` Heyst un appartement convenable, et ma femme se fera un plaisir de m’accompagner. Si vous e´garez cette adresse e´crivez-moi a` Gand d’ou` la poste me fera parvenir ma correspondance. Pour mon „Histoire“ je vais pendant ce mois-ci en revoir le manuscrit et l’on pourra entreprendre la traduction de`s le mois d’octobre.

405 Vgl. oben Nr. 116 und Chickering, S. 164/65.

Nr. 122

Heyst, [6. August 1896]

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J’ai lu avec le plus vif inte´reˆt „Was ist Kulturgeschichte“407. Les attaques dont votre livre a e´te´ l’objet de la part de la vieille e´cole auront e´te´ l’occasion pour vous d’exposer votre point de vue et de faire re´fle´chir les historiens aux proble`mes fondamentaux de la me´thode. Je vais relire et me´diter pendant les vacances votre dernier article et vos „Alte und Neue Richtungen in der Geschichtswissenschaft“. J’ai vu dernie`rement les attaques de Finke408. Ce sont de pures chicanes de de´tail, telles qu’on peut en faire a` toute œuvre de porte´e ge´ne´rale. Je vous serre bien cordialement la main et en me re´jouissant de vous voir dans quelques jours, je reste votre bien since`rement de´voue´ et affectionne´. H. Pirenne

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Heyst, [6. August 1896]409 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. ist mit seiner Familie in Heyst eingetroffen und bittet P. um einen Besuch. Verehrter & lieber Herr Kollege! Soeben sind wir, meine Hausdame, die beiden Puten410 und ich, nach ein paar pra¨chtigen rheinischen Tagen hier angekommen. Wir sind einstweilen im Hotel Pauwels abgestiegen, auf einen Rat, den mir Dr. Hansen411 in Koeln gab. Von hier aus wollen wir uns definitiv umsehen und wa¨ren sehr glu¨cklich, ha¨tten wir hierzu Ihren und Ihrer Frau Gemahlin freundlichen Rat. Wird es Ihnen Ihre Zeit gestatten, heru¨ber zu kommen? Es wa¨re fu¨r mich nach jeder Richtung eine ganz ausserordentliche Freude. Frau Bruch ist noch mit den Kindern bescha¨ftigt; gewiß aber darf ich in ihrem Sinne Sie und vor allem Ihre Frau Gemahlin freundlich gru¨ßen. Indem ich mich diesem Gruße von Herzen anschließe bin ich Ihr Lamprecht

407 Vgl. K. Lamprecht, Was ist Kulturgeschichte?. 408 Vgl. Anm. 438. 409 [Postkarte; Poststempel: Heyst-sur-mer 7. 8. 1896]. 410 L.‘s To¨chter Else und Marianne. 411 Joseph Hansen (1862–1943), Direktor des Historischen Archivs der Stadt Ko¨ln, sowohl

mit L. als auch mit Pirenne freundschaftlich verbunden.

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Heist am See, 6. Sept. 1896

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Nr. 124

Ostende, 4. Sept. 1896412 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Am Ende seines Aufenthaltes an der belgischen Ku¨ste hofft L., P. noch einmal zu sehen. Lieber Kollege! Wir sitzen hier alle vier ho¨chst vergnu¨glich bei Tisch; ich bin soeben von der franzo¨sischen Spritzfahrt heimgekehrt, reich an Erfahrungen, die ich mich freue an Ihrem Urteil messen und corrigieren zu ko¨nnen. Mit großem Vergnu¨gen habe ich unterwegs durch Frau Bruch geho¨rt, daß ich Sie in diesen Tagen nocheinmal sehen werde, zusammen mit Ihrer liebenswu¨rdigen Frau, der wir so viel Dank schulden. Wir sind natu¨rlich ganz zu Ihrer Disposition und bitten um frdl. Nachricht. Mit scho¨nen Gru¨ßen Ihr ergebener

Lamprecht

Wir gehen heute noch nach Heist zuru¨ck.

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Heist am See, 6. Sept. 1896 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. bedauert, daß sich ein Treffen mit P. in Belgien doch nicht hat arrangieren lassen. – Eine a¨rztliche Nachbehandlung L.s in Leipzig schließt seine Teilnahme am bevorstehenden Historikertag in Leipzig aus: „Das thut mir sehr, sehr leid ... “ Lieber Kollege! Das ist ja viel Pech. Aber glu¨cklicherweise ist doch die Krankheit bei Ihnen keine schlimme gewesen, und Sie ko¨nnen beruhigt arbeiten. Und auch fu¨r Ihre verehrte Frau Gemahlin wird es sehr gut sein, wenn Sie mit gesunden und frischen Kindern hier einzieht. Sehr leid thut es uns, daß wir uns nun doch nicht sehen. Aber wir wu¨rden mit einem la¨ngeren Bleiben hier nicht bloß eine Anzahl von Dispositionen in unserer weiteren Familie umstossen, sondern vor Allem auch Ihre Reisedisposition sto¨ren. Und so mu¨ssen wir schon auf ein Zusammensein verzichten. 412 [Postkarte].

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Gent, 19. Okt. 1896

Ich gehe von hier dankbar & zufrieden fort. Es hat uns sehr gut gefallen; und mein Katarrh ist bis auf den vom Arzte gewu¨nschten Grad verschwunden, so daß er jetzt die Dru¨se an der Zungenwurzel, die Urheberin alles Bo¨sen, durch Kauterisieren beseitigen kann. Ich habe damit Aussicht auf ein gutes Semester. Freilich: Die Fahrt nach Innsbruck413 muß ich aufgeben. Das thut mir sehr, sehr leid, ist aber nicht zu a¨ndern. In den Tagen des Congresses werde ich in Leipzig schon festliegen, vermutlich in der Behandlung des Arztes. Um so mehr wu¨nsche ich ihnen von Herzen Alles Gute – und bitte Sie, alle Freunde herzlich zu gru¨ßen. Mit den besten Wu¨nschen fu¨r Sie und die Ihren von Herzen Ihr

Lamprecht

Scho¨ne Gru¨ße auch von Frau Bruch.

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Gent, 19. Okt. 1896414 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. hat nach seiner Teilnahme am Innsbrucker Historikertag noch eine Reise nach Italien unternommen. Zum Ende des Monats will er einen Teil ¨ bersetzung an L. schicken. seines Manuskripts zur probeweisen U Cher et honore´ colle`gue, Apre`s l’Historiker Tag d’Innsbruck j’ai e´te´ faire une excursion en Italie dont je suis de retour depuis quelques jours. Je serais bien heureux d’avoir de vos nouvelles et d’apprendre quel a e´te´ le re´sultat de l’ope´ration que vous avez duˆ subir. Votre sante´, a` Heyst, paraissait si excellente, que je ne doute pas qu’elle ait e´te´ couronne´e d’un succe`s complet. Je vous remercie des paroles aimables que vous m’avez envoye´es – et que je viens seulement de trouver – a` propos de ma publication415. Je suis tre`s heureux qu’elle vous ait inte´resse´. Je ne connais pas l’ouvrage auquel 413 Der anstehende Historikertag vom 11.–14. September 1896 in Innsbruck fand ohne Teil-

nahme L.‘s statt, der hier u¨ber Begriff und Methode der Kulturgeschichte hatte referieren sollen. Vgl. Schumann, S. 79-82. 414 Lyon datiert dieses Schreiben auf den 19. September. Der Inhalt des Briefes und die Antwort Lamprechts sprechen fu¨r den 19. Oktober. 415 Le livre de l’abbe´ Guillaume de Rychel (1249–1272). Polyptyque et comptes de l’abbaye de Saint-Trond au milieu du XIIIe sie`cle, Bru¨ssel 1896 (Publications de la Commission Royale d’Histoire).

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Nr. 126

Leipzig, 6. Nov. 1896

vous faites allusion et dans lequel on combat votre the´orie sur la location des terres au moyen-aˆge. Vous seriez bien aimable de m’en endiquer le titre. – Vers la fin du mois, je vous enverrai une partie du manuscrit de mon livre, sur laquelle le jeune homme dont vous m’avez parle´ dernie`rement, pourra commencer sa traduction. Veuillez, je vous prie, me rappeler au bon souvenir de Madame Bruch, et croyez a` mes sentiments les plus distingue´s et les plus de´voue´s. H. Pirenne

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Leipzig, 6. Nov. 1896 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Nach intensiver a¨rztlicher Behandlung und einem Wechsel des Wohnortes (nach Leipzig-Gohlis) konnte L. seine Lehrta¨tigkeit in vollem Umfang wieder aufnehmen und bearbeitet im Seminar u. a. P.s Studie u¨ber ¨ bersetzung von P.s „Belg. Geschichte“ W. v. Ryckel. – Fu¨r eine mo¨gliche U konnte L. den jungen Philologen Kleinpaul gewinnen, der zuna¨chst zur Probe arbeiten soll. Verehrter & lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihren Brief vom 19.Oct.!416 Ich komme erst heute zur Beantwortung, da ich inzwischen noch unangenehme Zeiten durchgemacht habe. Zuna¨chst zwei an sich kleine aber schmerzhafte Operationen, denen Weihnachten eine dritte nachfolgen wird, dann noch eine Erka¨ltung, und ein Umzug aus dem tiefen Stadtteil, in dem ich bisher wohnte, in den hoch gelegenen, freundlichen Vorort Gohlis.417 Hier geht es mir nun freilich sehr gut; ich bin wieder mit der Stimme kra¨ftig genug, ¨ rzte u¨ber um vor 400 Leuten zu lesen, und bin nach Versicherung der A alle Schwierigkeiten hinaus. Bei dem Umzug ist m[eine] Bibliothek so durcheinander gebracht worden, und ich bin bisher so wenig zum Ordnen aufgelegt, daß ich Ihnen

416 Das Schreiben Pirennes vom 19. Oktober ediert bereits Lyon, Ed., Nr. 8, allerdings

fa¨lschlicherweise auf den 19. September datiert. [Der Inhalt des Schreibens – Italienreise Pirennes im Anschluß an den Hist.-Tag (11.–14. Sept.) – spricht fu¨r den 19. Okt.] 417 Zum Umzug und den damit verbundenen perso¨nlichen Schwierigkeiten L.s vgl. Chickering, S. 224.

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Leipzig, 16. Nov. 1896

den Titel einer Arbeit, nach der Sie fragen, noch nicht genau senden kann; der V[er]f[asser] ist Wiemar[?]418. Ihren Wilhelm von Ryckel419 nehmen wir von morgen ab teilweis’ (den Abschnitt u¨ber Villers) im Seminar durch; und ein Ungar, Dr. Soneld[?]420, wird wahrscheinlich das Ganze bearbeiten – thut er’s nicht, so mo¨chte ich jemand Anders daran setzen. Wu¨rden Sie uns eventuell mit wachem Rate unterstu¨tzen und allgemein freundlich zur Seite stehen? Der event. Uebersetzer Ihres M[anu]s[kri]pts ist jetzt bereit; es ist ein Dr. Kleinpaul421, der namentl. auch neuere Sprachen studiert hat. Wenn Sie also jetzt [das] Ms. entbehren ko¨nnen, so kann er einmal anfangen und eine Probe liefern. Fest angenommen ist er noch nicht. Ich denke noch immer der scho¨nen Tage in Heyst. Schade nur, daß wir nicht mehr zusammensein konnten. Freilich wu¨rde ich doch nicht viel haben sprechen ko¨nnen. Der Aufenthalt ist uns allen ausgezeichnet bekommen, auch den Kindern. Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre verehrte Frau von Ihrem getreuenLamprecht

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Leipzig, 16. Nov. 1896422 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

In den Fragen zur historischen Methode setzt Lamprecht sich insbesondere mit Lenz auseinander, wu¨rde es aber sehr begru¨ßen, ko¨nnte auch Pirenne ¨ berset„in die Diskussion der Prinzipienfragen eingreifen“. – Fu¨r die U zung des Pirenneschen Manuskripts steht Dr. Kleinpaul bereit.

418 Evtl.: Kurt Wiemann, Eckard von Ders, Bischof von Worms 1370-1405. Phil. Diss.,

Halle 1893 (Hallische Beitr. zur Geschichtsforsch. 3).

419 Vgl. oben, Anm. 415. 420 Lyon vermutet hinter diesem Seminarteilnehmer, den Pirenne als „Dr. Somloz“ buch-

stabiert, E. [Ernst] Sackur, den Verfasser eines zweiba¨ndigen Werkes: Die Cluniacenser in ihrer kirchlichen und allgemeingeschichtlichen Wirksamkeit bis zur Mitte des elften Jahrhunderts (Halle 1892–94). Vgl. Lyon, Ed., Nr. 10. 421 J. Kleinpaul promovierte 1896 bei Lamprecht mit einer Arbeit u¨ber „Das Typische in der Personenschilderung der deutschen Historiker des 10. Jahrhunderts“. 422 [Postkarte].

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Leipzig, 19. Nov. 1896

L.Fr.! [Lieber Freund!] Anbei ein kleiner neuer Aufsatz423, z. Teil Antwort auf die Animosita¨ten von Lenz424, der mich fu¨r Berlin auf alle Fa¨lle unmo¨glich machen will425, nachdem ich ihn freilich nach Lehmanns Weggang von Leipzig fu¨r hier abgelehnt habe426. Ich hoffe, Sie finden meinen Ton ruhiger; jedenfalls stehe ich innerlich ganz u¨ber Lenzens Art. Von Ihrem Ms. habe ich noch nichts erhalten: wie steht es? Der junge Dr. Kleinpaul ist zum Uebersetzen bereit. Und werden nicht auch Sie in die Discussion der Prinzipienfragen eingreifen? Es wa¨re sehr scho¨n, wenn durch Sie, etwa durch ein Referat in der Revue historique, auch die Franzosen veranlasst wu¨rden, sich zu a¨ussern – obgleich sie zumeist wohl auf einem individualistischen Standpunkte stehen werden. Herzlichen Gruß & scho¨ne Empfehlungen an Ihre Frau Gemahlin, auch von Frau Bruch! Ihr ergebener Lamprecht

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Leipzig, 19. Nov. 1896427 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. erwartet mit Spannung P.s Manuskript. Lieber Freund und Kollege! Anbei die gewu¨nschte Adresse. Ich sehe mit Spannung dem Einlaufen Ihres Ms. entgegen. Herzliche Gru¨ße von Haus zu Haus von Ihrem ergebenen Lamprecht

423 K. Lamprecht, Die geisteswissenschaftlichen Probleme der Gegenwart. Die Zukunft

(1896), S. 247-55 und 300-311.

424 Max Lenz (1850–1932), Neuzeithistoriker mit enger freundschaftlicher Verbindung zu

Marcks und Delbru¨ck, Habil. in Marburg 1876, Ordinariate in Marburg (1885), Breslau (1888) und Berlin (1890), ab 1914 am Hamburger Kolonialinstitut. Vgl. seine Besprechung von L., Deutsche Geschichte Bd. 5. In: Hist. Zeitschrift 77 (1896), S. 385-447. Vgl. zur Gegnerschaft von Lamprecht und Lenz Chickering, S. 218-223. 425 Zu L.s Pla¨nen, mo¨glicherweise nach Berlin auf den verwaisten Treitschke-Lehrstuhl zu wechseln vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 106ff. 426 1893 verhinderte Lamprecht eine Berufung Lenz’ nach Leipzig. Vgl. Chickering, S. 220. 427 [Postkarte].

Nr. 129

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Gent, 24. Nov. 1896

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Gent, 24. Nov. 1896428 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Mit Interesse hat P. die neue Vero¨ffentlichung L.s gelesen. P. wird Monod bitten, einen entsprechenden Artikel in der Revue historique zu vero¨ffent¨ bersetzungen legt P. die Abschrift von Teilen seines lichen. – Fu¨r erste U Manuskriptes zur belgischen Geschichte bei. Cher colle`gue et ami, Merci fort d’abord pour votre nouvelle brochure. Je l’ai lue avec le plus vif inte´reˆt, car elle pose la question sur son ve´ritable terrain. Il est incompre´hensible que vos adversaires se de´robent chaque fois qu’ils se trouvent place´s en face de la question the´orique. Ils se rattrappent par une critique de de´tails aussi injuste qu’inutile. J’ai vu que vous aviez passe´ rapidemment sur l’article de Lenz. C’est ce qu’il y avait de mieux a` faire, car un tel facteur ne me´ritait pas une longue re´plique. Vous me flattez beaucoup en m’engageant a` e´crire un article sur la querelle actuellement pendante. Je vous annoncerai que j’avais de´ja` songe´ a` le faire, car les questions qu’elle soule`ve sont d’une telle importance qu’elles me´ritent de pre´occuper tous les historiens. J’ai toujours he´site´ jusqu’aujourdhui[i. O.], dans la crainte de ne pas eˆtre suffisamment compe´tent. Pourtant, je vais demander a` Monod s’il accepterait un article sur ce sujet dans la Revue Historique. Vous savez que les Franc¸ais appartiennent pour la plupart a` l’ancienne e´cole, et qu’en tous cas ils ont peu de gouˆt pour les questions the´oriques. Mais c’est la` plutoˆt une raison de prendre la parole que de se taire. Je n’ai malheureusement pas votre e´tonnante facilite´ de travail, et, si je fais l’article, il se passera quelque temps avant qu’il ne paraisse, sans compter que la Revue Historique est presque toujours encombre´e de copie. Je suis d’ailleurs pour le moment en plein travail pour mon livre. Il est acheve´ en premie`re re´daction. Je m’occupe maintenant de le polir et de le mettre au point. Le tout sera fini certainement – sauf le cas de maladie – vers le mois de Juin [i. O.]. Je vous enverrai le Ms. [i. O.] au fur et a` mesure. Je vous expe´die aujourdhui [i. O.] deux fragments pour servir aux essais de traduction du Dr. Kleinpaul. Il y manque quelques notes d’ailleurs tre`s courtes, que j’ajouterai moi-meˆme. Le sujet de ces fragments n’est pas tre`s inte´ressant. Ils sont relatifs aux origines sur lesquelles il n’y a pas grand

428 [Briefentwurf Pirennes; darauf nachtra¨glich mit Bleistift vermerkt: je lui propose un

CR[compte rendu]]

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Leipzig, 29. Nov. 1896

chose de neuf a` dire. J’espe`re que vous me donnerez votre impression en toute since´rite´. Je ne sais si le Dr. Kleinpaul peut de´chiffrer mon e´criture et celle de ma femme qui a fait une partie de la copie. S’il e´prouve de trop grandes difficulte´s, je m’adresserai a` un copiste de profession. Voudrezvous le prier de me dire quels sont les honoraires qu’il de´sire, dans le cas ou` il se chargerait de´finitivement de la besogne? Recevez, mon cher colle`gue, pour Vous et Vos enfants mes meilleures amitie´s et Veuillez pre´senter mes hommages a` Madame Bruch. Votre de´voue´

H. Pirenne

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Leipzig, 29. Nov. 1896429 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

¨ bersetzung der Pirenneschen Studie beginDr. Kleinpaul wird mit der U ¨ nen. – Uber den Fortgang des Methodenstreits kann L. berichten: „Der Kampf geht hier sehr rasch und fu¨r mich glu¨cklich weiter.“ Lieber Freund & College! Herzlichen Dank fu¨r Ihre Sendung und Ihren letzten Brief. Ich habe mich sogleich auf das Ms. gestu¨rzt und es mit gro¨ßtem Interesse durchgelesen. Es liest sich sehr leicht, namentlich auch die von Ihrer Frau Gemahlin geschriebenen Teile.430 Jetzt ist es bei Dr. Kleinpaul; und ich hoffe Ihnen noch vor Weihnacht die Uebersetzung zur Pru¨fung zugehen lassen zu ko¨nnen. – Fu¨r die Aufkla¨rungen u¨ber die Haltung Monods431 zu unseren method. Fragen den besten Dank; der Kampf geht hier sehr rasch und fu¨r mich glu¨cklich weiter; ich hoffe Ihnen demna¨chst das in einer neuen Sendung des Na¨heren zeigen zu ko¨nnen. – Demna¨chst tritt unsere neue Commission fu¨r Geschichte hier zusammen; ich erhoffe von den Arbeiten in ihr recht viel – freilich gibt es auch viel Arbeit fu¨r mich. Herzliche Gru¨ße von Haus zu Haus! Ihr ergebenster

Lamprecht

429 [Postkarte]. 430 Pirenne teilte sich mit seiner Frau die mu¨hselige Arbeit des Abschreibens des Manu-

skriptes (vgl. P.s Brief vom 24. Nov. 1896).

431 Gabriel Monod (1844–1912), frz. Geschichtswissenschaftler. Studium in Paris und Go¨t-

tingen, Begru¨nder der „Revue historique“ (1876).

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Leipzig, 6. Dez. 1896

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Leipzig, 6. Dez. 1896 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

¨ bersetzung einiger Manuskriptteile zur Dr. Kleinpaul konnte bereits die U Belgischen Geschichte fertigstellen, die Pirenne zur Begutachtung vorgelegt werden. – An die Ero¨ffnung der sa¨chsischen Kommission knu¨pft L. große Hoffnungen. – In Bezug auf den Methodenstreit zeigt der Aufsatz von Otto Hintze in der Hist. Zeitschrift: „Die ganze Opposition scheint jetzt wie eine Seifenblase zusammenzufallen.“ Verehrter u lieber Herr Kollege! Anbei lasse ich Ihnen nun, mit Ihrem Manuscript, die Uebersetzung zugehen. Ich habe hineingelesen und finde das Deutsch nicht schlecht. Inwiefern Sie Ihr Franzo¨sisch genug wiederfinden werden, untersteht natu¨rlich Ihrem Urteil. Hr. Kleinpaul wa¨re bereit, die Sache fortzufu¨hren, bittet nur, wenn mo¨glich, um etwas deutlichere Schreibung der Eigennamen. Wegen des Honorars habe ich mit ihm nichts ausgemacht; der Vertrag sieht Zahlung von 15 M. pro Bogen an Sie vor. Ich wu¨rde Ihnen dankbar sein, wollten Sie sich bei Ru¨cksendung des Mspts. unter Anderem auch u¨ber diese Frage freundlichst a¨ussern. Wir haben hier inzwischen vor einigen Tagen unsere Sa¨chs. Histor. Commission ero¨ffnet, und ich hoffe auf reichen Ertrag, wenn freilich auch sehr viel zu thun ist. Haben Sie schon Hintze in dem neusten Heft der Hist[orischen] Z[eit]s[chrift] u¨ber Methode432 gelesen? Die ganze Opposition scheint jetzt wie eine Seifenblase zusammen zu fallen. Ich werde von der gu¨nstigen Position alsbald Gebrauch machen und mich wieder ho¨ren lassen. Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin von Frau Bruch & mir! Ihr erg. Lamprecht Freitag halte ich hier im Kaufma¨nn. Vereinshause433 (unsere Versammlung 1893) einen Vortrag u¨ber Flandern und werde energisch den Besuch

432 Otto Hintze, U ¨ ber individualistische und kollektivistische Geschichtsauffassung. In:

Historische Zeitschrift 78 (1897), S. 60-67, diskutierte L.s: Was ist Kulturgeschichte?

433 L. unterhielt enge Beziehungen zu Leipziger Wirtschaftskreisen, die L. regelma¨ßig zu

Vortra¨gen einluden. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 234.

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Gent, 18. Dez. 1896

der belgischen Ba¨der empfehlen. Von dem kleinen Bu¨chelchen Nos plages habe ich 250 Exempl. zur Verteilung kommen lassen. Herzliche Gru¨ße auch an Fredericq

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Gent, 18. Dez. 1896 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

¨ bersetzung durch Dr. Kleinpaul ist mangelhaft. P. schla¨gt vor, Die U stattdessen nach einem Historiker zu suchen, dem die Fachterminolo¨ bersetzer gie im Text bekannt ist. Jedenfalls mu¨sse wohl ein anderer U gesucht werden, P. fragt dazu L. um Rat. Zur Methodendebatte um L.s Geschichtsschreibung will P. so bald wie mo¨glich einen Artikel in der Revue Historique vero¨ffentlichen. Cher colle`gue et ami, J’ai examine´ attentivement la traduction de M. le Dr. Kleinpaul, et je l’ai soumise a` l’appre´ciation d’un de mes colle`gues germaniste et allemand d’origine et de langue434 Je vous l’adresse en meˆme temps que cette lettre, et vous verrez que les observations faites par lui et par moi sont assez nombreuses. Il me semble que le travail a e´te´ fait trop vite et que le traducteur ne s’est pas toujours efforce´ de serrer l’ide´e d’assez pre`s. Ce n’est peut-eˆtre qu’un essai e´crit rapidement. Mais en tout cas tel qu’il est, il me semble insuffisant. Je pense que tant au point de vue de la compre´hension du texte original, qu’a` celui de la forme allemande, il devrait eˆtre fort se´rieusement remanie´. Le tout est de savoir si, dans ces conditions, et autant dans l’inte´reˆt de mon travail que dans celui de la Staatengeschichte der Europ. St., M. le Dr. Kleinpaul pourrait se charger de continuer la besogne. Peut-eˆtre un historien connaissant bien le franc¸ais pourrait-il mieux saisir le sens de certaines phrases et de certaines expressions techniques. Il va sans dire que si M. Kleinpaul e´tait remplace´ par une autre personne, je l’indemniserais de son travail comme il le jugerait bon. Vous eˆtes d’ailleurs mieux a` meˆme que moi, le connaissant de savoir ce qu’il peut faire, et quand vous aurez jete´ un coup d’œil sur le manuscrit, vous voudrez bien me communiquer votre avis. Dans le cas ou` vous croiriez que M. Kleinpaul n’est pas apte a` continuer le travail, connaissez-vous une autre personne, ou de´sirez-vous que j’essaie d’en trouver une moi-meˆme. Quant 434 Andre´ Bley (1849–1936), Germanist, o. Prof. in Gent 1887–1919.

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aux honoraires du traducteur, je serais en tout cas dispose´ a` accepter le chiffre que l’on me proposerait, pour un bon travail, et par conse´quent a` de´passer le chiffre de 15 Mk. – et meˆme de beaucoup – qui est inscrit au contrat. Je regrette beaucoup de devoir vous importuner de cette affaire. Mais il me semble qu’il importe d’avoir tous ses apaisements avant de s’engager dans un travail qui sera long et qui doit eˆtre bien fait. Mon manuscrit avance rapidement et, comme je vous l’ai de´ja` dit, sera comple`tement acheve´ dans le courant du printemps. J’attends, avec autant d’impatience que votre re´ponse, la nouvelle brochure dont vous me parlez dans votre dernie`re lettre, et suis toujours avec le plus vif inte´reˆt les pe´ripe´ties d’une lutte dans laquelle sont engage´es les plus hautes questions de me´thode, et dont je rendrai compte bien volontiers dans la Revue Historique, de`s que j’aurai un moment de loisir. Veuillez pre´senter, mon cher colle`gue, mes hommages a` Madame Bruch et croire a` mes sentiments les plus distingue´s et les plus affectueux. H. Pirenne

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L. bedauert die Unzula¨nglichkeit der von Kleinpaul angefertigten U¨bersetzung der „Belgischen Geschichte“. – Durch Otto Hintzes Vero¨ffentlichung in der Hist. Zeitschrift ist „in Sachen unseres geschichtswissenschaftlichen Kampfes ... eine Wendung eingetreten“. – Auch gesundheitlich geht es Lamprecht wieder gut. Er ist „aus einem gedru¨ckten missmutigen Kerlchen wieder ein frohes Gemu¨t geworden“. Verehrter & lieber Herr Kollege! Ich empfange soeben Ihren lieben Brief, nachdem ich das Ms.[Manuskript] schon angelesen hatte. Mir bleibt der Eindruck, daß das Deutsch sich leicht liest; zugleich aber ersehe ich, daß dieser Vorteil leider auf Kosten der Genauigkeit erreicht ist. Ich glaube, daß es unter diesen Umsta¨nden am besten ist, von Herrn Dr. Kleinpaul abzusehen; denn es handelt sich um einen Charakterfehler, der schwer oder garnicht auszugleichen sein wird, und nicht um einen Wissensfehler. K.[Kleinpaul] ist Historiker und Romanist zugleich, eine bei unseren jungen Leuten sehr seltene Verbindung, und so schien er mir am ehesten geeignet. Nachdem dieser Versuch gescheitert ist, werde ich wohl am besten thun, unter die

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Leipzig, 21. Dez. 1896

Nr. 133

berufsma¨ssigen Uebersetzer zu greifen, deren hier gewiß eine Anzahl vorhanden sein werden. Natu¨rlich u¨bernehme ich die Sache[gestrichen: thue ich das sehr gerne], ich werde zuna¨chst bei einigen unserer großen Verlage Erkundigungen einziehen. Sollte ich nicht Jemand anders privatim finden, so gestatten Sie vielleicht, [gestrichen: auch] noch einmal einen Versuch zu machen, der eventuell scheitern kann, wa¨hrend wir bei einem bekannten Uebersetzer ja allerdings aus fru¨heren Arbeiten wissen ko¨nnen, was er kostet, zugleich aber nicht sicher vor einer vielleicht zu stark entwickelten Routine sind. In Sachen unseres geschichtswissenschaftlichen Kampfes ist dank Hintzes Aufsatz in der Histor. Zs.[Zeitschrift]435 eine sehr merkwu¨rdige Wendung eingetreten. Ich weiß nicht, ob Sie die kurzen Bemerkungen Hs. schon gelesen haben. Ich begreife nicht recht, wie Meinecke436 bei seinen Anschauungen, nachdem die Hist. Zs. sich offen als fu¨hrendes Blatt der Alten hingestellt hat, den Aufsatz hat annehmen ko¨nnen – wenn er ihn verstanden hat. Hintze steht zu Dreiviertel auf meiner Seite, wenn ihm auch noch einige Eierschalen des Alten ankleben, deren Charakter ich um so eher verstehe, als ich sie auch Jahre lang mit mir herum geschleppt habe. Natu¨rlich werde ich auf Hintze dankend quittieren in einem Aufsatz der Zukunft437, den Sie demna¨chst erhalten, und nun, da die Hauptsache in der Scheuer ist, zugleich gegen die „Detailpolemik“ losgehen. Da kommt einstweilen Finke438 daran. Was sagen Sie zu Naude´s nun doch noch so plo¨tzlichem Tode?439 Am Ende war es ja fu¨r den schwer Herzkranken eine Erlo¨sung – aber wer geht mit 39 Jahren gerne von dannen? Was wird Lehmann bei dieser Nachricht empfinden? Mit bestem Gruße, und den scho¨nsten Empfehlungen an Ihre verehrte Frau Gemahlin, auch von Frau Bruch Ihr treuer Lamprecht

435 Vgl. oben, Anm. 432. 436 Friedrich Meinecke (1862–1954), Historiker, Studium in Berlin und Bonn. Nach der

Habil. (1896) Ordinariate in Straßburg (1901), Freiburg (1906) und Berlin (1914); seit 1893 Herausgeber der Historischen Zeitschrift. 437 K. Lamprecht, Eine Wendung im geschichtswissenschaftlichen Streit. Die Zukunft 18 (1897), S. 23-33. 438 H. Finke, Die kirchenpolitischen und kirchlichen Verha¨ltnisse zu Ende des Mittelalters nach der Darstellung K. Lamprechts. Ro¨m. Quartalsschrift fu¨r christl. Altertumskunde und fu¨r Kirchengeschichte, hrsg. v. A. de Waal/H. Fink. Supplementband 4. Rom 1897. 439 Albert Naude´ (*1858), o. Prof. in Marburg, seit 1892 Hrsg. der „Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte“, verstarb am 17.12.1896.

Nr. 134

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Gent, 27. Dez. 1896

Mir geht es sehr gut; Heist und die Operationen haben geholfen. Ich habe beim Sprechen keine Beschwerde mehr, versage nicht mehr, auch wenn ich eine Stunde rede und bin aus einem gedru¨ckten missmutigen Kerlchen wieder ein frohes Gemu¨t geworden.

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Gent, 27. Dez. 1896 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Da auch L. der Meinung ist, dass ein neuer U¨bersetzer gesucht werden mu¨sse, wird Dr. Kleinpaul nicht weiter bescha¨ftigt. P. hat mit Interesse Bru¨ckners Geschichte Russlands und L.s Vorwort dazu gelesen, Hintzes Aufsatz zur Methodendebatte hat ihn jedoch noch nicht erreicht. Cher colle`gue et ami, Je vous remercie vivement de votre si aimable lettre. Je vous dois re´ellement une vive reconnaissance pour toutes les peines que vous vous donnez, au milieu des occupations de toutes sortes qui remplissent votre temps. Puisque vous croyez aussi que M. le Dr. Kleinpaul doit eˆtre e´carte´, je m’en remets a` vous comme vous me l’offrez si gracieusement, pour le choix d’un autre traducteur. Je vous envoie aujourd’hui une partie du manuscrit qui pourra servir a` un nouvel essai. Si le traducteur e´prouve parfois des difficulte´s a` lire les noms propres, ou s’il n’en connait pas toujours exactement la forme allemande, il n’a pas besoin de se pre´occuper de ces de´tails: je reverrai naturellement la traduction et corrigerai les quelques inexactitudes qui pourraient s’y eˆtre glisse´es. L’essentiel serait d’avoir une forme allemande qui fuˆt digne de la collection que vous dirigez. Pour la question des honoraires, je vous ai de´ja` dit que j’e´tais tout dispose´ a` de´passer le prix de 15 Mk. Mon travail avance vite. Si nous avons un bon traducteur et s’il est assez actif, je pense bien que le livre pourra eˆtre imprime´ d’ici a` quelques mois. Je vous ai dit dans ma dernie`re lettre que j’e´tais dispose´ a` indemniser M. Kleinpaul de son travail. Veuillez me dire un mot a` ce sujet. J’ai lu Bru¨ckner, Geschichte Russlands440, qui m’a fortement inte´resse´. C’est certainement un excellent de´but. Je dois vous fe´liciter aussi pour la pre´face que vous avez e´crite, qui est pleine de promesses et caracte´rise admirablement le passe´ et l’avenir de la collection. 440 Alexander Bru¨ckner, Geschichte Russlands bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Gotha

1896–1913 (Geschichte der europa¨ischen Staaten).

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Nr. 135

Leipzig, 8. Jan. 1897

Croiriez-vous que je n’ai pas encore lu l’article de Hintze dont vous me parlez? Nous recevons malheureusement l’Historische Zeitschrift par l’interme´diaire d’un libraire de Bonn, qui est tre`s tardif dans l’envoi des nume´ros441. Je me propose de faire le mois prochain une confe´rence devant mes colle`gues sur la pole´mique que vous soutenez. J’aurai probablement rec¸u d’ici la` votre nouvelle re´ponse. Le Dr. Somloz (?) dont vous m’avez parle´ dans une de vos lettres continue-t-il toujours a` s’occuper de Villers? Je vous pre´sente, mon cher colle`gue, pour vous, Madame Bruch et vos enfants, tous les vœux que ma femme et moi formons pour vous a` l’occasion de l’anne´e qui va d’arriver [sic]. Les bonnes nouvelles que vous me donnez de votre sante´ me monstrent que vous la commencez sous d’heureux auspices, plein de force et d’e´nergie pour la continuation de vos travaux et la propagation de vos ide´es. Bien cordialement a` vous. H. Pirenne

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Leipzig, 8. Jan. 1897442 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Das Manuskript Pirennes zur Belgischen Geschichte hat L. zwecks U¨bersetzung weitergeleitet. – Monod hat von L. Material erhalten, um u¨ber den Methodenstreit berichten zu ko¨nnen. – Das Echo auf L.s Vero¨ffentlichung ist gro¨ßer als erwartet. Es laufen „massenhaft“ Briefe ein, „aus denen ich [L.] ersehe, wie sehr doch die Diskussion genu¨tzt hat“. LK [Lieber Kollege]! Erst jetzt komme ich dazu, herzlich fu¨r Ihren letzten l. Brief zu danken, und in der Hast der Gescha¨fte nur mit einer Karte. Herzlichen Dank fu¨r das ausserordentlich deutlich und gut geschriebene Ms.[Manuskript] – ja, wer solch eine Frau hat! Ich habe es, auf Rat der Firma Duncker & Humblot, zuna¨chst einer Dame zur Uebersetzung gegeben (es bleibt also in guten Ha¨nden) und erwarte, was sie leisten wird. Hoffentlich Gutes. Herrn Kleinpaul gegenu¨ber habe ich keine Verpflichtungen. An Monod habe ich die neuen kleinen Arbeiten von mir gesandt, mit der Bitte, eventuell zu berichten, und dem Hinweis, daß ich glaubte, die Sache wu¨rde ihm liegen: Sie ha¨tten sich so gea¨ussert. 441 Vgl. oben, Anm. 432. 442 [Postkarte].

Nr. 136

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Leipzig, 22. Jan. 1897

Ich erhalte jetzt, nach der Versendung meiner letzten Arbeit, massenhaft Briefe, aus denen ich ersehe, wie sehr doch die Discussion genutzt hat. Ich gehe jetzt an die „Detailisten“. Weitaus der La¨cherlichste ist Lenz, so daß es mich eigentlich kitzelt, gegen ihn loszuschlagen. – Trotz seiner leidenschaftlichen Grobheit. Herzliche Gru¨ße von Ihrem erg. Lamprecht Dr. Somloz [?]443 als echter Magyare hat sich vor dem Urbar gedru¨ckt, sobald es Hartholz bohren ging. Ich werde aber die Aufgabe nicht fallen lassen.

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Leipzig, 22. Jan. 1897 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

¨ bersetzungsversuch der Belg. Geschichte scheint LamAuch der neue U precht wenig gelungen. Die von Wenzelburger vorgelegte Darstellung der neueren niederla¨ndischen Geschichte entspricht ebenfalls nicht L.s Vorstellungen. Ko¨nnte man Prof. Fredericq in dieser Angelegenheit ansprechen? – Im Methodenstreit wird auf franzo¨sischer Seite nun ein Artikel von Blondel erwartet. Lieber Freund! Anbei die Uebersetzung, die ich heut morgen erhalten habe. Ich fu¨rchte, sie wird nicht besser sein, wie die erste; wenigstens liest sich das Deutsch nach meinem Ermessen nicht ganz ohne Anstoß. Doch an erster Stelle kommt ja darauf an, daß Sie Ihren Sinn getroffen finden. Den Brief der Dame, die die Uebersetzung gemacht hat, lege ich bei. An Monod habe ich die letzten Acten des historiograph. Streits gesandt. Er hat u¨beraus freundlich geantwortet; er steht pure auf meinem Standpunkt, hat denselben auch schon in einer Rede in der Ecole normale zum Ausdruck gebracht. Er erwartet einen Artikel in der Sache von Blondel444. Aber wird ihn Bl., der Vielbescha¨ftigte, liefern?

443 Vgl. oben Nr. 126 u. Nr. 134. 444 Georges Blondel (1856–1948), Soziologe. Studierte bei L. in Bonn und spezialisierte sich

auf wirtschaftspolitische Themen. Prof. in Lyon (ab 1884), Lille (ab 1894) und spa¨ter an der Ecole des hautes e´tudes und am Colle`ge de France in Paris.

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Nr. 137

Gent, 31. Jan. 1897

Hier bin ich neugierig, ob eine Antwort auf meine Replik gegen Hintze445 erfolgen wird. Ko¨stlich ist, daß sich die Jungrankianer bisher ganz ausgeschwiegen haben – Impotenz! Ich werde sie erst im Sommer ein wenig kitzeln durch den Nachweis, daß sie in Praxi nicht bloß hinter Ranke, sondern sogar hinter Wilh. von Humboldt zuru¨ckgehen. Von Wenzelburger446 ho¨re ich eben, daß er sein Ms[Manuskript] der niederla¨nd. Geschichte 1648ff. fertig hat – aber 3 Bde.! Er sieht selbst ein, daß das zuviel ist und bietet sich spontan zu Streichungen an. Ich ha¨tte nicht u¨ble Lust, ihm vorzuschlagen, er solle Su¨dniederland (Belgien) ganz auslassen & sich auf Holland beschra¨nken: vorausgesetzt, daß uns von Belgien her eine gute belgische Geschichte 1648 bis zur Gegenwart, in etwa 2 Bden a` 40 Bogen, zuga¨nglich wu¨rde. Was denken Sie? Wu¨rde das nicht event. eine Fredericq sympathische Aufgabe sein? Ich wa¨re Ihnen fu¨r einen baldigen freundlichen Rat sehr dankbar. Sonst nil novi. Wir sind noch flott im Semester und u¨ber unser [unleserlich] ganz erfreut; es marschiert so ziemlich Alles gut. An Sie und Ihre Frau, die treue Mithelferin, die scho¨nsten Gru¨ße! Ihr Lamprecht Ich suche nach weiteren Uebersetzern fu¨r den Fall, daß die vorliegende Uebersetzung nicht genu¨gt, – um keine Zeit zu verlieren. – Haben Sie außer Schayes447 keine belgische Architekturgeschichte (am besten zugleich mit der Plastik)? Schayes ist ja vorsu¨ndflutlich.

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Gent, 31. Jan. 1897 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Auch der zweite U¨bersetzungsversuch hat sich als mangelhaft erwiesen. P. schla¨gt vor, per Ausschreibung im Literarischen Zentralblatt nach einer geeigneten Person zu suchen. Fre´de´ricq ist zu sehr mit eigenen Arbeiten bescha¨ftigt, um auf L.s Vorschlag im Hinblick auf das Verfassen einer niederla¨ndischen Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts eingehen zu ko¨nnen.

445 Karl Lamprecht, Eine Wendung im geschichtswissenschaftlichen Streit. In: Die Zukunft

18 (1897), S. 23–33. 446 K. Th. Wenzelburger vero¨ffentlichte 1879–1886 eine zweiba¨ndige Geschichte der Nie-

derlande (bis 1648).

447 A. G. B. Schayes, Histoire de l’architecture en Belgique. 4 Bde. Bru¨ssel 1853.

Nr. 137

Gent, 31. Jan. 1897

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Cher colle`gue et ami, Je vous retourne aujourd’hui l’essai de traduction que vous m’avez envoye´. La traductrice a tre`s bien saisi le sens, mais il me semble qu’elle a une connaissance bien insuffisante de l’allemand. Je ne crois pas qu’elle soit a` meˆme d’accomplir le travail dans de bonnes conditions. Vous me dites d’ailleurs que c’est aussi votre avis. Je suis vraiment de´sole´ qu’il soit si difficile de trouver un bon traducteur. Perthes n’en connaıˆtrait-il pas un? Ou ne serait-il pas a` propos de mettre une annonce dans le Litt. Centr. Bl. par exemple? Je suis tout dispose´ a` payer tout ce qu’il faut pour une bonne traduction et il ne manque certainement pas en Allemagne d’excellents traducteurs. Que pensez vous qu’il faille faire pour aboutir promptement? Monod m’a dit qu’il ferait volontiers un article sur vos derniers travaux, mais qu’il n’a pas le temps maintenant. Je lui ai e´crit pour lui dire qu’en attendant, si Blondel ne lui avait rien envoye´, j’e´tais dispose´ a` exposer la question dans la Revue Historique448. J’attends sa re´ponse d’un jour a` l’autre, et je vous la ferai connaıˆtre de`s que je l’aurai rec¸ue. J’ai parle´ a` Fre´de´ricq de votre proposition. Malheureusement il est engage´ dans son Corpus Inquisitionis qui prend tout son temps et durera encore plusieurs anne´es. Il ne s’est d’ailleurs jamais occupe´ de l’histoire du XVII et du XVIIIe s. et vous savez peut-eˆtre qu’il fait profession d’eˆtre spe´cialiste et n’aime pas a` sortir du champ habituel de ses recherches. Bref, il ne croit pas pouvoir se charger de la besogne. Dans ces conditions, je vous conseillerais d’attendre avant de la confier a` quelqu’un en Belgique. Je ne crois pas qu’il y ait actuellement personne chez nous, depuis la mort de Borgnet et de Gachard, qui connaisse l’e´tat interne de nos pays depuis les traite´s de Westphalie449. Ceux qui s’en sont occupe´s, par exemple Lonchay450, n’ont envisage´ que l’histoire diplomatique. Vous portrez voir dans ma bibliographie, combien peu il y a de travaux sur cette pe´riode. Il est a` espe´rer que cela changera sous peu. J’ai de´ja` oriente´ quelques jeunes gens vers ce sujet et si l’un d’eux se distinguait, on pourrait songer a` lui.

448 Vgl. G. Blondel zu K. Lamprecht in : Revue Historique 64 (1897), S. 145–159. 449 Adolphe Borgnet (1804–1875), Historiker, Prof. an der Univ. Lu¨ttich; Louis-Prosper

Gachard (1800–1885), Historiker und Archivar, seit 1826 Leiter der Archives ge´ne´rales du Royaume und Mitglied der Commission royale d’histoire. 450 Henri Lonchay (1860–1918), Schu¨ler von Paul Fre´de´ricq. Ab 1883 Lehrer fu¨r Geschichte am Athe´ne´e de Bruxelles, ab 1890 Lehrbeauftragter an der Univ. Bru¨ssel.

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Nr. 138

Leipzig, 2. Febr. 1897

Finke vient de m’envoyer sa re´ponse a` votre compte rendu de la Zeitschrift f. G. W.451 Je l’ai lue. C’est toujours le meˆme point de vue e´troit et la meˆme critique de de´tails. Mais une fois de plus, votre adversaire se de´robe de`s que la question the´orique se pose. Il y a la` une ve´ritable marque d’impuissance. Schayes est encore la seule histoire de l’architecture que nous ayons en Belgique452. Mais il est bien vieux et plus du tout au courant. Pour la sculpture, vous pourriez consulter J. Rousseau, La sculpture flamande du XIe au XIXe sie`cle. (Bulletin des commissions d’art et d’arche´ologie) XII (1873) et suiv. Le livre de Marchal, La sculpture et les chefs d’œuvre de l’orfe`vrerie belge, Bruxelles, 1895, n’a gue`re de valeur. Agre´ez, mon cher colle`gue, l’expression de mes sentiments les plus cordialement de´voue´s. H. Pirenne

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Leipzig, 2. Febr. 1897453 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

¨ bersetzung der Belgischen Geschichte wird Lamprecht Die Frage der U auch weiterhin bescha¨ftigen. – Im Methodenstreit steht als na¨chstes eine Auseinandersetzung mit Finke an. Den bisherigen Verlauf des Streites kommentierend schreibt Lamprecht: „Bei uns beginnt jetzt mehr und mehr aufzuda¨mmern. [...] ich bin [...] ganz zufrieden.“ Lieber Freund! Vor Allem mo¨chte ich Ihnen heute die Ankunft des Ms[Manuskriptes] und Ihres lieben Briefes melden. Ich habe die Uebersetzung noch nicht wieder angesehen, werde das aber heute noch thun. Wir mu¨ssen auch unter allen Umsta¨nden etwas gewinnen; und die Kosten der Versuche tra¨gt selbstversta¨ndlich der Verlag. Ich werde mir, wie bisher und mehr, Mu¨he geben. Eine Anfrage via Lbttl.[Literaturblatt] wu¨rde uns m. E. etwa 100 Angebote bringen, und darunter schwerlich viel Vernu¨nftige. Und wie die Vernunft herausfinden? Ich werde mich unter hiesigen Kollegen

451 Heinrich Finke, Genetische und klerikale Geschichtsauffassung. Eine Antwort an Prof.

K. Lamprecht, Mu¨nster 1897.

452 Vgl. oben Anm. 447. 453 [Postkarte].

Nr. 139

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[Leipzig, 10. Febr. 1897]

weiter erkundigen und hoffe da auf besseres Ergebnis. – Auf Finke454 kommt sehr bald eine Antwort. Er hat nur damit, daß er meint, ich verda¨chtige ihn des Klerikalierens, die scho¨nste Angriffsseite gegeben: Ist denn Klerikalismus eine Schande? Bei uns beginnt jetzt mehr und mehr aufzuda¨mmern; ich bin mit dem Verlauf des Streits ganz zufrieden. Gestern erhalte ich Vertrag: scho¨n! Ihre Abmachung mit Monod scheint mir sehr richtig. Doch – ich sehe, ich komme u¨bers Mitteilen hinaus ins Schreiben. In Sachen belgische Geschichte will ich sehen zu warten. Herzl. Gruß, an Sie, die Ihrigen, Fredericq von Ihrem erg.

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Lamprecht [Leipzig, 10. Febr. 1897]

Karl Lamprecht an Henri Pirenne ¨ bersetzer fu¨r Pirennes Arbeit Mit Fritz Arnheim ist ein sehr geeigneter U gefunden. – Lamprecht wird Pirenne weiteres Material zum Methodenstreit zusenden, damit Pirenne in der Revue historique entsprechend berichten kann. Lamprecht bewertet seine Position in der Auseinandersetzung weiterhin als gu¨nstig: „Im Ganzen scheint es, daß der Kampf zu Ende geht. Ich bin mit dem Ergebnis durchaus zufrieden.“ LFr.[Lieber Freund] u. Kollege! Damit haben wir endlich den richtigen Mann fu¨r die Uebersetzung, nachdem noch eine ganze Anzahl von Versuchen fehlgeschlagen sind. Arnheim ist mir als Uebersetzer aus Schybergsons Buch455 bekannt; ich weiß auch, daß er sehr sauber und sorgfa¨ltig arbeitet. Wir ko¨nnen also seinen Versicherungen ohne weiteres trauen. Trotzdem sende ich ihm zuna¨chst den in meinen Ha¨nden befindlichen Teil Ihres Mspt. mit der Bitte, es sich anzusehen und dann nochmals a¨ussern zu wollen, ob ihm die Sache liegt. Die Uebersetzung der Frau Borsie ist im Deutschen so unbeholfen, daß es der eingehendsten Correctur bedurft haben wu¨rde, um sie lesbar zu machen. Hansen schreibt mir, daß er vor kurzem bei Ihnen war. Fu¨r Ihren Revue-Historique-Artikel456 erhalten Sie demna¨chst von mir noch neues 454 Vgl. Nr. 137 455 M. G. Schybergson, Geschichte Finnlands. Dt. Bearb. von Fritz Arnheim. Gotha 1896

(Allg. Staatengesch. Abt. 1: Gesch. d. europ. Staaten, Bd. 28). 456 Vgl. Henri Pirenne, Une pole´mique historique en Allemagne. Revue historique 64

(1897), S. 50-57.

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Nr. 140

Gent, 12. Febr. 1897

Material. Im Ganzen scheint es, daß der Kampf zu Ende geht. Ich bin mit dem Ergebnis durchaus zufrieden. Mit frdl. Bitte, sich auf Arnheims Brief, den ich zuru¨ckerbitte, a¨ussern zu wollen, bin ich mit Scho¨nen Gru¨ßen an Sie Beide Ihr treuer Lamprecht

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Gent, 12. Febr. 1897 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

¨ bersetzer gefunden, was P. umso mehr Mit Arnheim ist nun ein fa¨higer U freut, da er Arnheim aus seiner Berliner Studienzeit perso¨nlich kennt. Fu¨r die Revue Historique wird Monod eine Rezension von L.s Deutscher Geschichte verfassen, P. hat seinen angeku¨ndigten Artikel zu den Methodendebatten fast fertiggestellt. Cher colle`gue et ami, Votre lettre d’hier m’a fait grand plaisir. Avec Arnheim, nous aurons, je pense, un traducteur excellent. Comme il vous l’a dit, je le connais personnellement depuis longtemps. Nous faisions partie ensemble de l’A. H. V. quand j’e´tais e´tudiant a` Berlin. Ce sera un grand avantage pour moi d’avoir affaire a` quelqu’un que je connais intimement457. J’accepte tre`s volontiers les conditions d’Arnheim, soit 25 Mk. la feuille. Veuillez me pre´venir de`s qu’il vous aura fait savoir officiellement son consentement. Je me mettrai alors de mon coˆte´ en rapport avec lui. Monod m’a e´crit que Blondel ferait dans la Revue Historique un compte rendu de votre Deutsche Geschichte. Pour moi, j’exposerai la pole´mique que vous soutenez contre les repre´sentants de la vieille e´cole et je m’efforcerai de caracte´riser les tendances que vous repre´sentez. Mon article est de´ja` presque acheve´. Il ne pourra paraıˆtre que dans deux mois, le prochain nume´ro de la Revue e´tant de´ja` imprime´. Je pourrai donc encore profiter du nouveau travail que vous m’annoncez. Je viens de recevoir ce matin les rapports de la Confe´renz Deutscher Publ. Inst. que je ferai parvenir a` mes colle`gues de la Commission d’Histoire. 457 Wa¨hrend seines Studiums in Berlin (1885) war Pirenne Mitglied des Akademischen

Historischen Vereins der Universita¨t Berlin.

Nr. 141

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Leipzig, 15. Febr. 1897

Croyez, mon cher colle`gue et ami, a` tous mes remerciements pour les peines que vous vous eˆtes donne´es pour de´couvrir un traducteur, et a` mes sentiments affectueusement de´voue´s. H. Pirenne

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Leipzig, 15. Febr. 1897458 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

¨ bersetzer der Belgischen Geschichte, Lamprecht bittet Pirenne, mit dem U Fritz Arnheim, direkt in Kontakt zu treten. – Mit Wenzelburger verhandelt L. weiter ergebnislos wegen der Vero¨ffentlichung einer holla¨ndisch-belgischen Geschichte. – L. setzt große Erwartungen in einen von P. verfaßten Artikel zum Methodenstreit, denn die deutsche Diskussion ist gepra¨gt von „perso¨nliche[n] Fragen“. Lieber Freund! Herzl. Dank fu¨r Ihren letzten Brief. Ich weiß in Amtsgescha¨ften vor Arbeit kaum aus und ein, und so verzeihen Sie diese bloße Karte. An Arnheim habe ich noch gestern geschrieben; ich freue mich, da auch in Ihrem Sinn den richtigen getroffen zu haben. Er hat inzwischen das erste, ihm u¨bersandte Kapitel des Ms. gelesen und schreibt sehr entzu¨ckt: So wird er mit Liebe an die Uebersetzung gehen. Ich habe ihm mitgeteilt, Sie wu¨rden sich mit ihm direct in Verbindung setzen (Berlin W 62, Nettelbeckstr.9). Wegen der belgisch-holla¨nd. Geschichte von 1648 ab bin ich in Verhandlungen noch mit Wenzelburger; die Sache ist einstweilen noch sehr unklar. So wie die Dinge greifbar werden, hoffe ich mich nochmals an Sie wenden zu ko¨nnen.459 – Meine Entgegnung auf Finke erscheint im na¨chsten Monatsheft460; er ist schon mit den Normen schwer hereingesaust, wirds aber mit seiner neusten Schrift461 noch viel mehr. Ich suche bei dieser Gelegenheit weiter die Frage nach klerikaler Weltanschauung und genetischer Geschichtsauffassung anzuschneiden. Wir werden sehen, ob die Herrn vom Centrum darauf anbeißen. Daß Sie die Dinge in der Revue hist. besprechen, freut mich in hohem Grade.462 Hier unter uns vermi458 [Postkarte]. 459 Vgl. oben Nr. 136 mit Anm. 446. 460 Karl Lamprecht, Entgegnung auf H. Finkes Kritik von Lamprechts Deutscher

Geschichte in der Ro¨mischen Quartalsschrift, viertes Supplementheft 1896. Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft NF 1. Jg. 1896/97, Monatsbla¨tter Nr. 9, S. 267. 461 H. Finke, Genetische und klerikale Geschichtsauffassung. Eine Antwort an Prof. K. Lamprecht. Mu¨nster 1897. 462 Vgl. Nr. 140.

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Nr. 143

Leipzig, 6. Ma¨rz 1897

schen sich mit der Discussion zuviel perso¨nliche Fragen (Lenzens Artikel gegen mich war ein letzter, fu¨r s. Person notwendiger Versuch, mich von Berlin fernzuhalten); davon kann die Discussion auf neutralem Gebiete frei gehalten werden. Herzliche Gru¨ße an Sie Beide von

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Ihrem Lamprecht Gent, 4. Ma¨rz 1897

Henri Pirenne an Karl Lamprecht Arnheim erscheint P. als der „ideale U¨bersetzer“ fu¨r sein Werk. P. fragt, ob ¨ bersetzung versenden ko¨nne. er schon der Rest seines Manuskripts zur U P.s Artikel zu den Methodendebatten ist bereits bei Monod eingegangen. Cher colle`gue et ami, J’ai rec¸u une tre`s aimable lettre d’Arnheim qui me paraıˆt de´cide´ment le traducteur ide´al. Je suppose qu’il a commence´ maintenant son travail, dont j’espe`re que vous m’enverrez prochainement un spe´cimen. De´sirez-vous que je vous fasse parvenir de`s maintenant la suite du manuscrit? J’ai expe´die´ mon article a` Monod qui de´sirait l’avoir au commencement de Mars. Je ne pourrai donc utiliser la nouvelle brochure que vous m’annoncez, mais je pourrai du moins la signaler en note.463 Recevez nos bonnes amitie´s pour vous et les voˆtres, et croyez moi votre bien cordialement de´voue´. H. Pirenne

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Leipzig, 6. Ma¨rz 1897464 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

¨ bersetzer kann die Belgische Geschichte Pirennes sicher Mit Arnheim als U bald in Druck gehen. – Zur Dokumentation des Methodenstreites hat Lamprecht Material zusammengetragen und zur Vero¨ffentlichung vorbereitet. Lamprecht ha¨lt den Streit fu¨r nahezu beendet: „... der Kampf ist am Abflauen, ohne daß die Gegner u¨berhaupt jemals mit ihrem System aufmarschiert sind.“ 463 Vgl. oben Anm. 445, bzw. Lamprecht, Zwei Streitschriften, den Herren H. Oncken, H.

Delbru¨ck, M. Lenz zugeeignet, Berlin 1897. 464 [Postkarte].

Nr. 144

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Leipzig, 9. April 1897

Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihre eben ankommende Karte! Ich denke, Sie u¨bernehmen jetzt den Verkehr mit Arnheim ganz direct, senden ihm also unmittelbar Ihr Ms[Manuskript] zu. Ebenso ko¨nnte er Ihnen zuerst den u¨bersetzten Teil zur Verfu¨gung vorlegen; danach ginge er von Ihnen an mich, und ich wu¨rde das Ms[Manuskript] dann dem Verlag zusenden. Lieb wa¨re mir, wollten Sie mir anku¨ndigen, von wann ab Ihnen der Satz angenehm ist, bzw. ob nach Ostern unmittelbar begonnen werden kann. Ich will dann die Druckerei sofort benachrichtigen. – Zu Ihrem Aufsatz in der Revue histor[ique]465 werde ich mit den Nachtra¨gen wohl zu spa¨t kommen. Sie kommen in unsere Zs[Zeitschrift]466; wir wechseln soeben mit dem Drucker; es muß infolgedessen aller [unleserlich] Bestand [unleserlich] werden; und meine Sache467 kommt wohl erst in 3-4 Wochen heraus. Es ist u¨brigens kein Unglu¨ck; Finkes Schrift468 (gegen die ich ein paar Worte sage) ist ganz unbedeutend, und der Kampf ist am Abflauen, ohne daß die Gegner u¨berhaupt jemals mit ihrem System aufmarschiert sind. Naturellement pour cause! Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre Frau Gemahlin von uns Allen! Ihr Lamprecht

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Leipzig, 9. April 1897469 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Lamprecht erkla¨rt sich einverstanden mit den zeitlichen Dispositionen Pirennes zur Herausgabe der Belgischen Geschichte. – Positive Stimmen ¨ sterreich) zeigen fu¨r Lamprecht deutlich: im Methodenstreit (z. B. aus O „Die Bewegung greift jetzt ma¨chtig aus, und der tho¨richte Versuch, mich durch Kritik tot zu machen, kann schon als ga¨nzlich mißlungen gelten.“

465 Vgl. Nr. 140. 466 Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft. 467 Vgl. K. Lamprecht, Neuere Litteratur zu den historischmethodologischen Ero¨rterun-

gen. Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft NF 2 (1897/98), Monatsbla¨tter Nr. 3/4, S. 121–125. 468 Vgl. Nr. 141, Anm. 461. 469 [Postkarte].

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Nr. 145

Leipzig, 12. Mai 1897

Lieber Freund! Aus Berlin, wo ich eine Woche war, heimkehrend finde ich Ihren lieben Brief vor. Ich bin mit Ihren Dispositionen ganz einverstanden und hoffe, daß sich Ms. und Uebersetzung nach Wunsch fo¨rdern lassen. Inzwischen ist hier auch die Correctur der Polemik Finke eingelaufen. Ich lasse Sie Ihnen anbei zugehen. Indeß ist die wichtigste, dort aufgeworfene Frage schon durch einen Aufsatz von Schnu¨rer im Go¨rres-Jahrbuch470 weiter beleuchtet worden. Auch liegt inzwischen ein sehr reicher Aufsatz von Hannack471 vor. Wollen Sie event. beide (freilich nur auf kurze Zeit) zugesandt haben? Die Bewegung greift jetzt ma¨chtig aus, und der tho¨richte Versuch, mich durch Kritik tot zu machen, kann schon als ga¨nzlich mislungen gelten. Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre treue Frau, Mitarbeiterin und Zeitgenossin von Ihrem Lamprecht. Scho¨ne Gru¨ße auch von Frau Bruch.

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Leipzig, 12. Mai 1897472 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Lamprecht dankt Pirenne fu¨r dessen Artikel in der Revue historique. – Der Universita¨tsbetrieb in Leipzig la¨ßt keine Wu¨nsche offen: Die Studentenzahlen steigen, die Einweihung der neuen Universita¨t steht bevor. – Druck und Vertrieb der Belgischen Geschichte sind Thema der abschließenden Verhandlungen Lamprechts mit dem Verlag Perthes. Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihre Zusendung473, noch dazu in so vielen Exemplaren! Ich finde Ihre Charakteristik durchaus getroffen; ich wu¨sste nicht, 470 G. Schnu¨rer, Lamprechts deutsche Geschichte. Hist. Jahrbuch der Go¨rresgesellschaft 18

(1897), S. 88-116.

471 Emanuel Hannack, Lamprechts deutsche Geschichte und die neue Richtung in

der Geschichtswissenschaft. Zeitschrift fu¨r das o¨sterreichische Gymnasium 1897, S. 293-308. 472 [Postkarte]. 473 Pirennes Artikel „Une pole´mique historique en Allemagne“, Extrait de la Revue Historique 64 (1897), S. 50–57.

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wie ich selbst meine Auffassung ku¨rzer schildern sollte. Und so wollen wir hoffen, daß sie auch andere belehren werde: denn bei einer bestimmten Gruppe (Lenz und Anha¨nger) scheint die Erregung noch immer eine genauere Einsicht zu verhindern. Nochmals herzlichen Dank! Wir stehen jetzt hier im neuen Semester: recht zufrieden mit der sta¨ndig steigenden Frequenz, und unmittelbar vor der Einweihung unserer neuen Universita¨t, die scho¨ner geworden ist, als ich es erwartet ha¨tte. Sie werden sich wundern, kommen Sie mal her. – was hoffentlich recht bald der Fall ist. Dieser Tage erhoffe ich den Bericht des Directors von Perthes (Gotha), dann werde ich hoffentlich mit ihm die letzten Anweisungen wegen Druckes und Vertriebs Ihrer flamisch-belgischen Geschichte treffen ko¨nnen, und Ihnen nicht so in Eile schreiben, wie heute. Herzliche Gru¨ße an Sie und Ihre verehrte Frau von uns allen hier! Ihr Lamprecht

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Leipzig, 4. Okt. 1897 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Den Druckbeginn der „Belgischen Geschichte“ kann Pirenne bestimmen. Lamprecht bittet um entsprechende Mitteilung. – Im Methodenstreit hat der Artikel von H. Oncken in Philologenkreisen „einen den Intentionen geradezu entgegengesetzten Eindruck gemacht“. Lamprecht wird auf dem Historikertag in Nu¨rnberg das Problem der Geschichtsschreibung ¨ brigen aber sitze ich fest bei meinem VI. und erneut thematisieren. „Im U VII. Band.“ Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihren lieben Brief! Ich finde ihn hier bei meiner Ru¨ckkehr von der Philologenversammlung in Dresden vor. Dort war auch der Leiter des Verlags von Perthes in Gotha anwesend; und ich habe mit ihm u¨ber die Drucklegung Ihres Werkes gesprochen. Der Druck kann beginnen, sobald Sie das wu¨nschen; und ich bitte um die genaueren definitiven Angaben. Die Versammlung war ziemlich belebt – freilich die Historiker, die ja jetzt ihren eigenen Tag haben, fehlten zum großen Teil; und ich hoffe, daß ich ihre weitere offizielle Vertretung auf dem Philologentage so ziemlich tot gemacht habe. Erfreulich war mir zu sehen, wie der Artikel von

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Oncken474 in den weiteren wissenschaftl. Kreisen einen den Intentionen geradezu entgegengesetzten Eindruck gemacht hat. Man hat mir zu ihm vielfach geradezu gratuliert. Ich werde indeß doch antworten; und Sie empfangen die Antwort (wenigstens einen ersten Teil) wohl bald.475 Im Uebrigen aber sitze ich fest bei meinem VI bzw. VII Band. Wir sind diesmal in den Vogesen gewesen (Drei Aehren bei Colmar): mit reichem Gewinn. Frau Bruch, die als Elsa¨sserin manchmal Heimweh hatte, wenigstens die Zusta¨nde ihrer Heimat in goldenem Lichte sah, hat ihr Urteil wesentlich modifiziert und steht jetzt noch fester auf und zum Leipziger Boden, als bisher. Den Puten ist die Sache famos bekommen. Sie habe ich mir oft genug in Knocke gedacht, das ich bei nochmaliger Wahl eines belgischen Bades auch vorziehen wu¨rde: wie pra¨chtig muß es Ihnen allen bekommen sein. Vielleicht kann ich mich davon bezu¨glich der herrschenden Glieder der Familie im April u¨berzeugen, wo wir vom 15–17 unseren Historikertag in Nu¨rnberg haben werden476: werden Sie nicht u¨ber Leipzig kommen & Ihre liebe Frau mitbringen, bzw. wa¨hrend unseres Tages hier bei Frau Bruch lassen? Sie wird dann Deutschland einmal unter ganz geeigneter Fu¨hrung kennen lernen. Auf dem Tage sollen außer Vortra¨gen (auch ich: u¨ber die Entwicklung der deutschen Geschichtsschreibung im letzten Jahrhundert477) auch Discussionen stattfinden: woru¨ber, ist noch nicht ganz klar. Und nun noch scho¨ne Empfehlungen an Sie beide von Ihrem Lamprecht [Als Beilage eine Literaturangabe:] P. Barth, Die Philosophie der Geschichte als Soziologie I Teil: Einleitung & kritische Uebersicht Lpzg. Reisland, 1897. XVI – 396ff. S.

474 H. Oncken,

Zur Quellenanalyse modernster deutscher Geschichtsschreibung. Preuß. Jahrbu¨cher 89 (1897), S. 83-125 (Besprechung von K. Lamprecht, Deutsche Geschichte Bd. V). 475 Vgl. K. Lamprecht, Erkla¨rung (gegen H. Oncken). Preuß. Jahrbu¨cher 89 (1897), S. 348ff. 476 Die „5. Versammlung Deutscher Historiker“ fand vom 12. bis 15. April in Nu¨rnberg statt. 477 Vgl. K. Lamprecht, Die Entwicklung der deutschen Geschichtswissenschaft vornehmlich seit Herder. Vortrag, gehalten auf dem 5. Deutschen Historikertag zu Nu¨rnberg am 14. April 1898. Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 83 vom 15. April 1898 (= Die Gesellschaft 15. Jg. Bd. 1 (1899) sowie Sonderdruck Mu¨nchen 1898).

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Leipzig, 20. Okt. 1897478 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Den Termin der Drucklegung der belgischen Geschichte kann Pirenne direkt mit dem Verlag Perthes aushandeln. – Lamprecht unterha¨lt Kontakt zu G. Des Marez, einem Schu¨ler Pirennes, der z. Z. in Berlin studiert. Lieber Freund & Kollege! Perthes teilt mit, daß er Ihren Band jederzeit anfangen ko¨nne zu drucken. Setzen Sie sich wohl direkt mit ihm in Verbindung? (FA. Perthes, Gotha). Und wann werden Sie wohl ungefa¨hr fertig sein, guten und raschen Druck vorausgesetzt? Vor einigen Tagen hatte ich die Freude, Herrn Dr. Des Marez479, Ihren Schu¨ler, hier zu sehen, und hoffe ihn noch heute, mit ein paar anderen Herren, zu Tisch zu haben. Ein frischer Mensch! Er hat mir manches sehr Amu¨sante erza¨hlt, u. a. seine Entre´e joyeuse bei v. Below. Bei uns wa¨chst jetzt langsam der Ingrimm der a¨lteren Leute u¨ber die Art, wie Lenz & Co ihre Schu¨ler vorwa¨rts schieben. Etwas davon scheint auch davon auf Des Marez in Berlin abgefa¨rbt zu haben. M. E. leider mit Recht. Sie haben meine letzte Karte erhalten? Und wir werden Sie (im Dual) zu Ostern sehen? Herzliche Gru¨ße von Ihrem erg.

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Lamprecht

Leipzig, 3. Jan. 1898 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Mit seinen Neujahrswu¨nschen verbindet Lamprecht die Hoffnung auf den Erfolg der Belgischen Geschichte Pirennes. – Lamprecht ist sehr bescha¨ftigt mit den Vorbereitungen zum kommenden Historikertag in Nu¨rnberg, der Leitung der Sa¨chsischen Kommission und den wachsenden Aufgaben an der Universita¨t. – Im Methodenstreit hofft Lamprecht, durch die Vero¨ffentlichung seiner „Streitschriften“ einen achtbaren Teilerfolg errungen zu haben. 478 [Postkarte]. 479 Guillaume Des Marez (1870–1931), Schu¨ler Pirennes und mit diesem seit seinen Studien-

jahren in Gent (1890ff.) freundschaftlich verbunden, studierte 1897/98 in Berlin u. a. bei Meitzen und v. Gierke. Seit 1901 Prof. fu¨r Rechtsgeschichte an der Univ. Bru¨ssel. Vgl. Lyon, Pirenne, S. 110ff.

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Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihre letzten Zeilen! Mo¨ge es vor Allem bei Ihnen wieder bald ganz gut aussehen! Das Fieber ist hoffentlich voru¨bergehender Natur und nicht irgendwie Ausdruck misslicher Wohnungs- & dgl. Verha¨ltnisse. Gent liegt doch auch noch nicht so tief. Ihnen aber wu¨nsche ich fu¨r 1898 vor allem vollen Erfolg mit Ihrem Buche. Daß die Hist. Zs. so weit gehen kann, Sie zu stigmatisieren, weil Sie denken, wie ich, kann ich mir trotz mancher merkwu¨rdiger Erfahrungen nicht vorstellen.480 Ich stehe jetzt mit Meinecke (!) in reger Korrespondenz. Er hat einen Antrag zur Conferenz der Publicationsinstitute481 gestellt, der ganz gut ist, und den ich angenommen habe, obwohl etwas mit dem Gefu¨hl des Timor Danaos. Sie werden von der Sache bald ho¨ren. Meine „Streitschriften“482 scheinen einigermaßen durchgeschlagen zu haben. Wenigstens sprechen die hiesigen Procuristen der Firma Delbru¨ck & Lenz, die mich fru¨her als ga¨nzlich unwissenschaftlich hinzustellen suchten, nun auf einmal nur noch von meiner „leidenschaftlichen Art“483! Eine nette Umdrehung! Mir solls recht sein. Haben Sie u¨brigens schon die sehr ruhige Recension im Litt. CBl [Litterarischen Centralblatt] gelesen?484

480 Vgl. den Kommentar der Hist. Zeitschr. 79 (1897), S. 348 zur Lamprecht-Rezension

Pirennes: „Auch die Revue historique (Mai/Juni 1897) widmet der Lamprecht-Kontroverse zwei Artikel. Der erste von Pirenne (Une pole´mique historique en Allemagne) ist ein ziemlich allgemein und obenhin gehaltener Hymnus auf den neuen Pfadfinder... “ 481 Konferenz der Publikationsinstitute im Rahmen des Nu¨rnberger Historikertages April 1898. 482 K. Lamprechts „Zwei Streitschriften, den Herren H. Oncken, H. Delbru¨ck, M. Lenz zugeeignet“, Berlin 1897, gingen kleinere Artikel in verschiedensten Publikationsorganen voraus. Vgl. u. a. „Der Ausgang des geschichtswissenschaftlichen Kampfes“ in: Die Zukunft vom 31. Juli 1897 bzw. „Meine Gegner“, ebd. 16. und 30. Oktober sowie 6. November. 1897. „Zwei Streitschriften... “ entha¨lt die Artikel aus der Zukunft und erwidert die Kritik von Max Lenz (Hist. Zeitschr. 77 (1896), S. 443). 483 Vgl. die Einscha¨tzung der „Historischen Zeitschrift“ zu den neueren „geschichtsphilosophischen“ Arbeiten Lamprechts: „Denn geben sie auch u¨berall genu¨gend Stoff zu Widerspruch und Zweifeln, so unterscheiden sie sich doch darin vortheilhaft von den u¨brigen Artikeln, daß sie immerhin sachlicher gehalten sind und die eigene Perso¨nlichkeit des Verfassers, die trotz seiner kollektivistischen Theorie sonst u¨berall das A und O seiner Ero¨rterungen bildet, mehr zuru¨cktreten lassen“. HZ 80 (1898), S. 157. 484 Rezension von L. „Deutsche Geschichte“ 5. Bd., 2. Aufl. 1896, in: Literarisches Centralblatt, 18. Dez. 1897. Hier heißt es u. a.: „Das ist (...) das ha¨ßliche Moment an dieser ganzen, um Lamprechts Deutsche Geschichte sich gruppierenden Polemik, daß das perso¨nliche Element in ihr eine solche Rolle spielt; hieran jedenfalls, gleichviel, wie man im ¨ brigen u¨ber die Ergebnisse des nun schon mehrere Jahre andauernden Streites denken U mag, ist nicht Lamprecht schuld.“

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Sollte Lenz sich a¨ußern, so werde ich seinen Aufsatz in der D[eutschen] Rundschau vornehmen, der selbst fu¨r Lenz besonders confus ist.485 Im Ganzen aber kann ich, glaube ich, ruhig sein: unsere Sache ist in gutem Schuß. Mit Blondel habe ich wegen eines billet in der Revue historique eine kleine Auseinandersetzung gehabt u¨ber Monod.486 Wie kann er sich so ausdru¨cken – schlimmer als irgendeiner meiner deutschen Gegner, und noch dazu ganz ungerecht! Er ist zu viel bescha¨ftigt und sehr flu¨chtig, so auch in seinem Bericht u¨ber Innsbruck.487 Unsere Zeitschrift488 wechselt zum 1. April den Verlag: Siebeck in Freiburg wollte uns nur unser Geld abnehmen. Die Redaction war de facto la¨ngst nur in Seeligers489 Ha¨nden, und so haben wir ihm gesagt, er solle sie auch nominell allein fu¨hren. Ich habe in der That, wie Sie meinen, furchtbar zu thun: die Fu¨hrung der Sa¨chs. Commission490 ist hinzugekommen, zudem wa¨chst das Seminar rapide (diesmal genau 90 Mann) und bedarf dringend einer Reorganisation bzw. Erweiterung, die mir nun Lasten auferlegt. Herzliche Gru¨ße & Wu¨nsche nochmals an Sie Alle!, auch von Frau Bruch! Ihr treuer

Lamprecht

485 Vgl. M. Lenz, Die Stellung der historischen Wissenschaften in der Gegenwart (Vortrag).

Deutsche Rundschau (Dez. 1897). 486 Die die „Deutsche Geschichte“ Lamprechts in scharfer Form kritisierende Rezension

von G. Blondel (Revue historique 64 [1897], S. 445-459) veranlaßte Lamprecht zu einer Beschwerde bei G. Monod, dem verantwortlichen Herausgeber der Zeitschrift. Vgl. Brief an Pirenne vom 14.1.98 und Schorn-Schu¨tte, S. 314. Die Hist. Zeitschr. kommentierte 79 (1897), S. 348: „Die Recension der Deutschen Geschichte von Blondel (...) verbindet mit freundlicher Anerkennung seines Talentes und seiner anregenden Betrachtungsweise auch sehr deutliche Kritik der schweren Ma¨ngel dieses Werkes. Jede in den Inhalt desselben wirklich eindringende Analyse hat bisher Morsches in Fu¨lle darin gefunden.“ 487 Von Blondel erschien in Nr. 65 (1898), S. 323–330 der Revue historique ein Bericht u¨ber den Innsbrucker Historikertag: „Le congre`s des historiens allemands a` Innsbruck et la science de l’histoire en allemagne“. 488 Die „Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft“ wechselte zum 1. April 1898 in den Verlag von B. G. Teubner/Leipzig unter dem Titel: „Historische Vierteljahrsschrift“, hrsg. von Gerhard Seeliger. An die Stelle der bisherigen Monatshefte traten Vierteljahrshefte. 489 Gerhard Seeliger (1860–1921), Mittelalterhistoriker, Studium in Berlin und Wien, 1887 Habil. in Mu¨nchen, seit 1895 o. Prof. in Leipzig. 490 Lamprecht blieb bis zu seinem Tod gescha¨ftsfu¨hrendes Mitglied der Sa¨chsischen Historischen Kommission (Schorn-Schu¨tte, S. 234). Vgl. Lamprecht, Die Ko¨niglich Sa¨chsische Kommission fu¨r Geschichte. Berichte u¨ber die Verhandlungen der Ko¨nigl. Sa¨chs. Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Phil.-hist. Kl. 52 (1900), S. 153-167.

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Leipzig, (14. 1. 94)491 [E. Ma¨rz 1898] Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die organisatorischen Voraussetzungen fu¨r eine rasche Drucklegung der Belgischen Geschichte sind geschaffen. – Lamprechts Meinungsverschiedenheiten mit den „Berlinern“ schlagen sich auch auf sein Verha¨ltnis zu Blondel nieder, der von dieser Seite „umschmeichelt“ wird. Der Methodenstreit („Polemik“) befindet sich nach Lamprechts Auffassung in seiner Endphase, ist gepra¨gt von „Gewalt und Intrigue“ und gleicht einem „Ru¨ckzug mit Schmutz“. Lieber Herr Kollege! Herzlichen Dank fu¨r Ihre Zeilen! Meinen Brief in Sachen WaltherKoner492 werden Sie inzwischen erhalten haben. Das Ms. Ihres Bandes kann unmittelbar an Perthes abgehen, der schon seit la¨ngerer Zeit benachrichtigt ist: so daß ich glaube, daß der Druck sehr bald beginnen wird. Inzwischen hat hier das Interesse fu¨r flamische Dinge seine gute Zeit, insofern die Agitation des Alldeutschen Verbandes493 (dessen Ziel ich u¨brigens keineswegs durchaus billige) sehr zugenommen; ich glaube daher, daß sie ganz a` propos kommen werden. Die Notiz u¨ber mich von Blondel habe ich noch nicht gesehen, auch von ihm noch nicht zugesandt erhalten. Ich hatte mich bei Monod u¨ber seine fru¨here Art, mich zu behandeln, beschwert,494 und mo¨glicherweise hat er das u¨bel genommen. Im Ganzen wird er von den Berlinern so umschmeichelt und ist in sich so wenig fest, daß ich von ihm klare Stellungnahme nicht erwartet habe und erwarte. Aus Berlin ho¨re ich, daß weder Oncken noch Lenz auf m[eine] Streitschriften antworten werden.495 Ich bedaure diesen Ausgang, wenn es auch

491 Der Inhalt des Schreibens deutet auf etwa Ma¨rz 1898. 492 Walther-Konersches Repertorium der geschichtlichen Zeitschriftenliteratur. 493 Alldeutscher Verband (1891/1894), Verein fu¨r „alle deutsch-nationalen Bestrebungen“. 494 Vgl. Brief L.‘s an Pirenne vom 3. 1. 1898. 495 Nach der Vero¨ffentlichung der Lamprechtschen „Streitschriften“ gegen Oncken, Lenz

und Delbru¨ck im Herbst 1897 (vgl. oben ... ) erkla¨rte Lenz in der Hist. Zeitschr., „daß er es, nachdem er die Lamprechtsche Broschu¨re gelesen, fu¨r u¨berflu¨ssig halte, darauf zu antworten und u¨berhaupt noch die Polemik fortzusetzen. Wir [die Hrsg. der Hist. Zeitschr., M.Gr.] verstehen diesen Entschluß und halten auch unsererseits eine Fortfu¨hrung des Streites auf diesem Gebiete fu¨r unersprießlich.“ HZ 80 (1898), S. 342/43 [Ma¨rz-Heft]. – Oncken jedoch erwiderte Lamprechts Kritik: H. Oncken, Lamprechts Verteidigung. Eine Antwort auf zwei Streitschriften. Berlin 1898.

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zeigt, wo das Recht zu finden ist.496 Stattdessen kanoniert Delbru¨ck in den Preuss. Jb[Jahrbu¨chern] zu dem Ru¨ckzug mit Schmutz497, wie Sie schon gesehen haben werden.498 Hier sind die Studenten daru¨ber so entru¨stet, daß sie das neulich o¨ffentlich zum Ausdruck gebracht haben; und ich habe mir energisch weitere Schritte in dieser Richtung verbitten mu¨ssen. In Berlin macht es Lenz umgekehrt, indem er sich o¨ffentlich als Sieger feiern la¨sst. Im Ganzen gehe ich aus der Polemik mit der Erfahrung hervor, daß mit Berlin eine sachliche Auseinandersetzung nicht mehr mo¨glich ist: es herrscht Gewalt und Intrigue. Die Gegenseite ist, daß die Leute wissenschaftlich nichts thun; dazu fehlt die Zeit. Ganz anders Su¨ddeutschland; dort ist noch Sachlichkeit, gegnerische, wie zustimmende zu Hause. Fu¨r mich besta¨tigen sich damit nur allgemeine Erfahrungen, die auch noch auf anderen Gebieten oft gemacht werden. Herzliche Gru¨ße von Ihrem

Lamprecht

Bei Ihnen ist nun hoffentlich Alles wieder ganz wohl. 496 Noch am 15. Sept. 1897 gab L. gebenu¨ber Althoff eine vo¨llig andere Einscha¨tzung des

Streitverlaufs: „Ich bin von dem Ausgang der Debatte sehr erfreut – nicht weil ich am Ende Recht behalten habe – ich marschiere einfach in eine Entwicklungslinie der modernen Idee, die in den westlichen La¨ndern schon weiter fortgeschritten ist und auch bei uns durch keinerlei unversta¨ndiges Entgegenstemmen angehalten werden kann.“ [Zit. nach Schorn-Schu¨tte, S. 312]. 497 Diese A ¨ ußerung Lamprechts findet sich in „Epilog“. Die Zukunft 22 (1898), S. 448-450 (5. Ma¨rz 1898): „Aber wa¨hrend Oncken und Lenz das klu¨gere Theil erwa¨hlt haben, zu schweigen, hat Delbru¨ck allerdings gesprochen: mit einigen niedlichen, so recht unmittelbaren perso¨nlichen Beleidigungen hat er tant pis que mal den allgemeinen Ru¨ckzug gedeckt. Meinetwegen: dieser Schmutz reicht nicht an mich heran.“ 498 Hans Delbru¨ck (1848–1929), Studium in Greifswald, Nachfolger auf dem Lehrstuhl Treitschkes in Berlin (1896), Herausgeber der „Preußischen Jahrbu¨cher“ (seit 1890). – Vgl. H. Delbru¨ck, „Herr Lamprecht und Herr Harden“. Preuß. Jahrbu¨cher 92 (1898), S. 175: „Herr Lamprecht und Herr Harden. Ich habe – nicht aus freien Stu¨cken, sondern da Herr Lamprecht auf meine perso¨nliche Ansicht provozierte – in unserem letzten Dezemberheft [d. Preuß. Jahrb., M.Gr.] gesagt, daß ich der lamprechtschen „Deutschen Geschichte“ einen wissenschaftlichen Werth nicht mehr zuzuerkennen vermag, und habe dem Autor den Rath gegeben, daß er den Anspruch aufgebe, ein Mann der Wissenschaft zu sein, seine Professur niederlege und in die Redaktion der „Zukunft“ eintrete. Herr Lamprecht erwidert darauf in der „Zukunft“: „Dieser Schmutz reicht nicht an mich heran“. Daß Herr Lamprecht selbst die Zumuthung, in die Redaktion der „Zukunft“ einzutreten, als Schmutz auffaßt, ist eine Aufwallung des Ehrgefu¨hls, die ich anerkenne; [... ].“ Lamprecht schrieb daraufhin am 27. Ma¨rz 1898 an Maximilian Harden, den Herausgeber der „Zukunft“: „Sie werden die neueste Herzenserleichterung Delbru¨cks schon gelesen haben. Ich brauche Sie nicht darauf aufmerksam zu machen, mit welcher kindlichen Verdrehung er die Stelle in den Preußischen Jahrbu¨chern, wo er mir „Humbug“ vorwirft, escamotirt, um meinem Ausdruck „Schmutz“ eine Beziehung zu geben, die meiner Meinung direkt widerspricht.“ Zit. nach: [Maximilian Harden], Notizbuch, in: Die Zukunft, 2. April 1898, 23 (1898), S. 42–44, hier S. 44.

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Leipzig, 25. Mai 1898 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Lamprecht kommentiert und kritisiert ausfu¨hrlich die neueren stadtgeschichtlichen Forschungen Pirennes. Lieber Freund & Kollege! Man ruft mich soeben zu Tisch; aber ich will mich doch rasch hinsetzen und Ihnen noch herzlichen Dank sagen fu¨r Ihre letzte Zusendung.499 Ich finde die Information, die Sie u¨ber die neuere sta¨dtegeschichtl[iche] Literatur gibt, ausserordentlich klar; und ich habe mein Exemplar sofort an einige Studenten unseres Seminars gegeben, die jetzt in der Materie arbeiten. Nur zwei kleine Beitra¨ge zu Ihren Ausfu¨hrungen ha¨tte ich zu machen: beides Priorita¨tsfragen. Vor Bu¨cher500 habe schon ich in m[einem] Wirtschaftsleben501 die histor[isch] statist[ische] Methode ausdru¨cklich behandelt; vgl. Sie Winter, Dt. WL. Die Begru¨ndung einer sozialstatist. Methode in der deutschen Geschichtsschreibung durch K. Lamprecht in der Zs. f. Kulturgesch. 1, 196 ff.502 Doch das nebenher. Viel mehr liegt mir am Herzen, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß die von Ihnen, Rietschel & Keutgen vertretene Theorie der Entstehung der Sta¨dte503 zuerst von Hoeniger, m. E. durchaus klar, in einem Aufsatz von 1882 (Westdeutsche Zs. 2, S. 227 ff.)504 aufgestellt worden ist. Es ist derselbe Aufsatz, dessen rohe und gemeine Kritik durch v. Below Hoeniger ganz unverdienter Weise seine Carriere verdorben hat.505 Unter diesen 499 Vermutlich: Henri Pirenne, Villes, marche´s et marchands au moyen aˆge. Revue Histo-

rique 57 (1898), S. 59-70. – Vgl. zu den stadtgeschichtlichen Studien Pirennes am Ende der 90er Jahre Lyon, S. 122ff. 500 Karl Bu¨cher, Die Entstehung der Volkswirtschaft: Vortra¨ge und Versuche. Tu¨bingen 1893. 501 Karl Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter. 3 Bde. Leipzig 1885/86. 502 Georg Winter, Die Begru¨ndung einer sozialstatistischen Methode in der deutschen Geschichtsschreibung durch Karl Lamprecht. Zeitschrift fu¨r Kulturgeschichte 1 (1893/94), S. 196-219. 503 Vgl. zu den von Pirenne aufgenommenen Theorien seinen Aufsatz L’origine des constitutions urbaines au moyen aˆge. Revue Historique 53 (1893), S. 53-83 und Lyon, Pirenne, S. 124/25. 504 Robert Hoeniger, Der Ursprung der Ko¨lner Stadtverfassung, in: Westdeutsche Zeitschrift 2 (1882), S. 227–248. 505 Vgl. Georg von Below, Der Ho¨niger-Jastrowsche Freundeskreis. Du¨sseldorf 1892 und Robert Hoeniger, Professor von Belows „Detailpolemik“: Ein Nachwort zu dessen Arbeiten u¨ber sta¨dtische Verfassungsgeschichte. Berlin 1892.

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Umsta¨nden scheint es mir doppelt Pflicht zu sein, einmal anzumerken, was H[oeniger] geleistet hat, zumal auch der neure Aufsatz von Hansen u¨ber Koeln (in 4o)506 im Grunde Ideen Hoenigers weiterfu¨hrt. Sehen Sie wohl die Dinge sich einmal an; und wenn Sie meinem Urteil sich anschliessen ko¨nnen: wollen Sie dann nicht einmal in einem kleinen Nachtrag in der Revue historique den Zusammenhang klar legen? Natu¨rlich ko¨nnen Sie sich auf m[eine] Anregung berufen, wenn Sie das fu¨r no¨tig halten. In den Grundkarten la¨uft Alles pra¨chtig. Es wird wohl noch im Sommer zur Anfrage in Berlin kommen, wegen Reichsunterstu¨tzung.507 Wie steht die Sache bei Ihnen? Hansen schreibt mir, er werde im Sommer nach Heyst gehen in die Pension suisse. Das ist ja pra¨chtig auch fu¨r Sie. Ich bummle in diesem Sommer, thue im Ganzen nur m[eine] Amtsarbeiten und richte mir eine vom Minister verliehene Amtswohnung ein. Ich schreibe unter fortwa¨hrendem Klingeln der Kinder, die essen wollen. Also fu¨r heute adieu! Sie und Ihre werte Frau Gemahlin. Hoffentlich hat Ihnen Italien gut gethan. Ihr

Lamprecht

506 Joseph Hansen, Arnold Mercator und die wiederentdeckten Ko¨lner Stadtpla¨ne von 1571

und 1642. Mit 2 Stadtpla¨nen. Ko¨ln 1897 (auch ersch. als Mitt. d. Stadtarch. Ko¨ln 28, S. 141-58). 507 Die Publikation von „Grundkarten nach Thudichumschen System“ za¨hlte zu den von Lamprecht deutlich favorisierten Projekten der Ko¨niglich-sa¨chsischen Kommission fu¨r Geschichte (vgl. Deutsche Litteraturzeitung Nr. 1, 8. Januar 1898, Sp. 36). Schon im September 1896 hatte sich die Konferenz von Vertretern landesgeschichtlicher Publikationsinstitute unter dem Vorsitz Karl Lamprechts zur Aufgabe gesetzt, die Bearbeitung und Edition historischer Kartenwerke auf den Weg zu bringen. Die Versammlung vom 13.–15. April 1898 in Nu¨rnberg beschloß, die Herausgabe der Grundkarten in jeder Weise zu fo¨rdern, insbesondere durch die Einrichtung einer „Centralstelle fu¨r Grundkarten“ zur Zusammenfu¨hrung der Ergebnisse der einzelnen landesgeschichtlichen Institutionen. „Zur Erreichung dieses Zieles wurde der Vorsitzende beauftragt, in geeigneter Weise Verhandlungen, insbesondere wegen Zuschu¨ssen seitens des Reiches oder anderer Staaten außerhalb des Reiches zur Herstellung der Grundkarten in denjenigen Territorien, wo sie noch nicht vorhanden sind, einzuleiten.“ Zit. nach SchornSchu¨tte, S. 241; vgl. Chickering, S. 291/92.

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Nr. 151 [13.] Juni 1898508

Karl Lamprecht an Henri Pirenne Wer kann u¨ber die Wirtschaftsgeschichte Belgiens im Mittelalter Auskunft geben? – Unerwarteter Tod Stieves. – Vorbereitung des Haager Historikertreffens. V. Fr. & K.! [Verehrter Freund und Kollege] Wissen Sie, wo de Chestret, der Verfasser der Etudes histor. & arche´ol. sur pays de Lie`ge509 wohnt? Wir wollen ihn hier wegen einiger PreisMu¨nzenverha¨ltnisse Lu¨ttichs im 12. & 13. Jh. interpellieren. Oder wer ist u¨ber diese Dinge besser unterrichtet? Es handelt sich um den Abschluß eines [unleserlich], (im Curschmann) u¨ber Hungersno¨te im Ma. Dr. van Houtte,510 dem es hier anscheinend gut gefa¨llt, hat uns fu¨r Belgien schon manchmal ausgeholfen. Sie haben von dem ganz unerwarteten Tode von Stieve geho¨rt?511 Ich hatte noch vor c. 10 Tagen von ihm eine Karte, in der er u¨ber permanente Influenza klagte. Er ist so jung dahingegangen; 53 Jahre. Werden Sie zu dem Haager Congress gehen?512 Von hier kommt [ab hier halbseitige Lu¨cke, da die Briefmarke herausgeschnitten wurde] von Ihrem erg.

Lamprecht

508 [Postkarte]. 509 J. de Chestret de Haneffe, E ´ tudes historiques et arche´ologiques sur l’ancien pays de

Lie`ge. Lie`ge 1894.

510 Hubert Van Houtte (1872–1948), Wirtschaftshistoriker, von 1902–1943 Prof. fu¨r neuere

und neueste Geschichte in Gent.

511 Felix Stieve (geb. 1845), Ordinarius mit kulturgeschichtlichem Lehrauftrag an der TH

Mu¨nchen, Vorsitzender des Verbandes deutscher Historiker, gest. 10. Juni 1898. Vgl. HZ 81 (1898), S. 384. 512 Vgl. folgende Notiz in der HZ 81 (1898), S. 191: „Am 1. September wird im Haag ein internationaler Historikerkongreß stattfinden, auf dem auch eine deutsche Sektion gebildet werden wird. Die Geschicke derselben liegen zur Zeit in den Ha¨nden der Herren Professoren Erdmannsdo¨rfer in Heidelberg und v. Below in Marburg.“

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Leipzig, 21. Juni 1898

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Leipzig, 21. Juni 1898513 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Das Grundkarten-Projekt findet breite Zustimmung. – Gedankenaustausch u¨ber Fragen der Wirtschaftsgeschichte im Mittelalter. – Lob Lamprechts zum ersten Band der Belgischen Geschichte, der nun schnellstens gedruckt werden soll. L[ieber] Fr[eund]! Besten Dank fu¨r Ihren letzten Brief. Die Nachricht in der Grundkartensache ist u¨beraus freudig, und ich werde ordentlich mit Ihnen wuchern. ¨ brigens geht es hier auch recht tapfer vorwa¨rts; gleichzeitig mit Ihrer U Nachricht traf die von Halle ein, daß die Provinz Sachsen und Anhalt die Grundkarten machen werden.514 Ca 1/2 des ganzen Gebietes ist jetzt schon gewonnen. Andererseits ist Dr. Sieglin515 hier zum a. o. Prof. der historischen Geographie ernannt worden & damit der Leiter einer ku¨nftigen Centrale in dieser Sache gewonnen. Nach Lage der Dinge zweifle ich kaum mehr, daß das Reich thatkra¨ftig eintreten wird. – M[eine] Arbeit u¨ber die Sozialstatistik der ma[mittelalter-]lichen Stadt516 besitze ich leider nur noch in einem Exemplar, und dies ist mit anderen Arbeiten zusammengebunden. Soviel wenigstens sehe ich jetzt; mo¨glich, daß ich gelegentlich meines bevorstehenden Umzugs in eine Amtswohnung noch ein Ex[emplar] finde: das werde ich ihnen sofort senden. Die von Ihnen aufgeworfene Frage ist u¨beraus wichtig fu¨r die Frage der ganzen Volkswirtschaft des 14. & 15. Jhs. Haben Sie das Buch von Oppenheimer „Der Großgrundbesitz“517 in die Hand bekommen? Es entha¨lt in s[einem] 2ten Teil eine ganze deutsche Wirtschaftsgesch[ichte] des Ma[Mittelalter]s von zwar sehr einseitigem, aber u¨beraus interessantem Standpunkt und viele Ideen zum eben genannten Thema. – Daß Sie

513 [Postkarte]. 514 Vgl. Karl Lamprecht, Volksbildung und Landesgeschichte. Vortrag in der Hauptver-

sammlung des Sa¨chsischen Landesverbandes fu¨r Verbreitung und Volksbildung zu Lunzenau am 19. Juni 1898. Leipzig 1898. 515 Wilhelm Sieglin (1855–1935), Promotion in Geschichte an der Univ. Leipzig (1878), dort 1898–1899 a. o. Prof. fu¨r Hist. Geographie, o. Prof. fu¨r Historische Geographie an der Univ. Berlin (1899–1914). 516 Ko¨nnte ein Verweis sein auf: Karl Lamprecht, Zur Sozialstatistik der deutschen Stadt im Mittelalter. Archiv fu¨r soziale Gesetzgebung und Statistik I (1888), S. 485-532. 517 Franz Oppenheimer, Großgrundeigentum und soziale Frage. Versuch einer neuen Grundlegung der Gesellschaftswissenschaft. Berlin 1898.

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Nr. 153

Leipzig, 6. Nov. 1898

sich der Verdienste Hoenigers annehmen wollen, freut mich von Herzen. – Ihren ersten Band lese ich mit dem lebhaftesten Interesse: Wie klar & wie viel Neues! Einschla¨gige Bogen habe ich an Dr. van Houtte gegeben (Colonisation). An Perthes schreibe ich heute, daß er zum Satze sieht & ihn beschleunigt. Herzl. Gru¨ße allerseits von Ihrem

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Lamprecht

Leipzig, 6. Nov. 1898518 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Gratulation Lamprechts zur Fertigstellung des ersten Bandes der „Geschichte Belgiens“. – Das Leipziger Seminar wird verha¨ltnisma¨ßig stark von ausla¨ndischen Studierenden – auch Belgiern – frequentiert, nur Franzosen sind kaum darunter. – Eine Anwort Lamprechts auf die Angriffe v. Belows steht noch aus. Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihren lieben Brief vom 4ten! Vor allen Dingen wu¨nsche ich Ihnen von Herzen Besserung von Ihrem Fieber. Sind Sie damit in Gent nicht o¨fters geplagt? Im Uebrigen sind Ihre Anfragen sehr leicht beantwortet. Natu¨rlich steht der Widmung an Ihre verehrte Frau Gemahlin nicht das Geringste entgegen; und ebensowenig der Wahl des Titels. Zur letzten Frage mo¨chte ich ho¨chstens anmerken, ob es sich vielleicht nicht empfehlen wu¨rde „Geschichte Belgiens“ statt „Belgische Geschichte“ zu sagen. Die erste Form wu¨rde sowohl dem bisherigen Brauch in der europ. Staatengeschichte, wie der allgemeinen Fassung im Deutschen mehr entsprechen, da es sich um die Geschichte der Bevo¨lkerung innerhalb eines bestimmten Staatengebietes handelt. Und nun nehmen Sie meinen herzlichsten Glu¨ckwunsch zur Vollendung dieses ersten Bandes! Ich habe leider den Bogen nicht absolut regelma¨ssig folgen ko¨nnen; aber was ich gelesen habe, hat mir u¨beraus gefallen, und ich zweifle nicht, daß das Buch die beste Aufnahme finden wird.

518 [Gestempelt:] Professor Lamprecht

Leipzig Universita¨t Fridericianum I.

Nr. 153

Leipzig, 6. Nov. 1898

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Von hier kann ich viel Neues nicht melden. Wir haben das Semester mit steigenden Frequenzen begonnen und sind namentlich u¨ber die zahlreichen Neulinge erfreut, die gekommen sind. Darunter hat sich auch ein Dr. Herimans aus Bru¨ssel angemeldet (Kommt aber erst spa¨ter): [?] ein Schu¨ler von Ihnen? Neben ihm ist hier (aber nicht im Seminar) ein belgischer Soziologe Deschamps –, mit dem ich neulich ein mal ein LangesBreites gesprochen habe. Im u¨brigen haben wir von Fremden namentlich Skandinavier, Finnen, Polen, Engla¨nder, Americaner. Von Frankreich wagt sich nur selten jemand her. Schade! Die Grundkartensache geht recht gut ihren Weg vorwa¨rts; ich verhandle jetzt mit der Schweiz u Skandinavien; im Reich zeigt sich auch an Stellen, die bisher renitent waren, mehr Lust. Ich werde Ihnen wohl noch vor 1899 einen genaueren Bericht zugehen lassen ko¨nnen. Below habe ich nicht geantwortet, weil mich die Sache anekelt.519 Ich weiß aber nun nicht, ob ich nicht seinem sachlichen System einige Bemerkungen entgegensetze, da das System der alten Schule selten wieder so nackt und ungeschickt dargestellt werden wird & daher so leicht einer glatten Widerlegung zuga¨nglich sein wird. Jedenfalls aber werde ich u¨ber diese Absicht nicht hinausgehen. Ob ich sie ausfu¨hren kann, ha¨ngt noch von meiner Zeit ab. Ich bin in diesem Jahr Procancellar, ich habe die philosoph. Promotionen zu besorgen, und das kostet ta¨glich 3-4 Stunden Zeit – im Grunde rein verlorene Arbeit! – Ich habe diesen Brief gestern nicht geschlossen, weil ich Liesegang hier erwartete & von ihm einen Gruß zufu¨gen wollte. Nun ist er aber d[och] nicht gekommen, und so lassen Sie mich Ihnen und den Ihrigen nur von uns die herzlichsten Gru¨ße sagen! Ihr Lamprecht [Postskript Liesegangs:] Er ist aber doch noch gekommen und la¨ßt herzlich gru¨ßen, sowohl Dich selbst als die Frau Gemahlin mit Peter, Jakob und wie sie alle heißen mo¨gen. Gru¨ß auch Desmarrez [Des Marez], der mir einen etwas lamentablen Brief geschrieben hat. [unleserlich] Dein Erich Liesegang.

519 Vgl. den Aufsatz von Georg v. Below, Die neue historische Methode. HZ 81 (1898),

S. 193-273, in dem er sich grundsa¨tzlich mit „Lamprechts System“ auseinandersetzt.

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Nr. 154

Leipzig, 27. Dez. 1898

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Leipzig, 27. Dez. 1898520 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Glu¨ckwu¨nsche zur Vollendung des ersten Bandes der „Belgischen Geschichte“ verbindet Lamprecht mit der Hoffnung auf rasche Vollendung auch der na¨chsten Ba¨nde. – Gegen die Angriffe von Seiten Delbru¨cks und v. Belows findet Lamprecht Ru¨ckhalt in seiner Familie (resp. bei seinen To¨chtern) und im Vertrauen auf eine „feste Verankerung“ der „Freundschaft“ zu Pirenne. Soeben erhalte ich, l[ieber] Fr[eund], den ersten Band Ihres großen Werkes. Herzlichen Glu¨ckwunsch! Das wird so grade richtig zu Weihnacht fertig. Ich habe den Bogen leider keine ganz regelma¨ssige Lectu¨re widmen ko¨nnen, ohne das [mit Bleistift darunter: aber doch] kann ich nach dem, was ich gelesen, doch sagen: die belgische Geschichte wird auf eine ganz andere Grundlage gestellt, und besonders fruchtbar werden die allgemeinen Probleme gefo¨rdert, die in ihr beschlossen liegen. Und sicher [mit Bleistift darunter wiederholt] ist, daß bei dieser Behandlung der na¨chste Band demselben weitgehenden Interesse entgegenkommen wird. Sie haben hoffentlich Weihnacht froh und gesund gefeiert. Bei mir fu¨llen die heranwachsenden beiden Ma¨del allma¨hlich die Lu¨cke, die ich so lange in meinem Herzen fu¨hle; ich bin viel mit ihnen zusammen, vor allem in den Ferien; und sie sind mir auch ein von der Polemik von Leuten wie v. Below unberu¨hrtes Receptaculum. Wie lange bei den Gegnern der Krug noch zum Brunnen gehen wird, ehe er bricht, weiß ich nicht; Delbru¨ck ist ja von der Nemesis erreicht, wenn auch in von mir nicht gebilligter Form. Was v. Below angeht, so wirds’ wohl auch nicht lange dauern. In der Wissenschaft trifft eben keine „Politik“, sondern nur die Wahrheit. Dazu, daß ich mich mit Ihnen in diesem Gedanken begegne, liegt die feste Verankerung unserer Freundschaft, um die ich, mit herzlichen Gru¨ßen an Ihre Frau, im neuen Jahre bitte. Ihr treuer Lamprecht

520 [Postkarte]. [gestempelt:] Professor Lamprecht

Leipzig Universita¨t FridericianumI.

Nr. 156

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Leipzig, 24. Febr. 1899

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Leipzig, 7. Jan. 1899521 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Wer soll P.s „Belgische Geschichte“ rezensieren? – L.s wissenschaftlichen Projekte, insbesondere die Edition der Grundkarten, machen erhebliche Fortschritte. L[ieber] Fr[eund]! Ich habe mir von Perthes die Liste der Recensionsexemplare senden lassen, sie vielfach umgestaltet, und lege sie dieser Karte bei. Sind Sie mit der Auswahl zufrieden? Sie ko¨nnen noch eine Anzahl Erga¨nzungen (bis 12 mindestens) beifu¨gen. Zugleich bitte ich anzugeben, wo Sie etwa an eine besondere Person als Recensent denken. Ich werde mir dann Mu¨he geben, die Sache thunlichst in die Wege zu leiten. – Hier alles wohl im neuen Jahr. Ich bin mit ein paar großen neuen Publicationen bescha¨ftigt, deren Inslebentreten ich 1900 erhoffe: u. a. eine Ausgabe des illustrierten Sachsenspiegels im Druck, eine Publication des Hauptwerkes Cranachs. Es wird gut gehen. Auch die Grundkartensache marschiert. Die Holla¨nder kommen jetzt gut voran. Herzliche Gru¨ße von Haus zu Haus! Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 24. Febr. 1899522 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Wegen der Verzo¨gerung bei der Auslieferung der „Belgischen Geschichte“ hat L. dem Verlag Perthes geschrieben; L. befu¨rwortet eine vermehrte Versendung von Rezensionsexemplaren. – In der derzeitigen Beurteilung des Methodenstreites stimmt L. der Einscha¨tzung P.s zu, daß die ¨ brigen ein „Zahl meiner Gegner stationa¨r bleibe, wa¨hrend sich im U Umschwung in der o¨ffentlichen Meinung vollzieht“. – Die kulturgeschichtlichen Studien werden weiter forciert, fu¨r die Edition der Grundkarten sollen Bayern und die Schweiz gewonnen werden. Eine Anfrage in Frankreich bereitet L. vor und erbittet P.s Ratschla¨ge zur Realisierung des Projekts. Daneben betreibt L. die Gru¨ndung einer „Gesellschaft fu¨r deutsche Kulturgeschichte“ und tra¨gt P. die Mitgliedschaft an. 521 [Postkarte]. [Gestempelt:] Professor Lamprecht Leipzig Universita¨t Fridericianum I 522 [Diktat]

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Leipzig, 24. Febr. 1899

Nr. 156

Lieber Freund! Haben Sie besten Dank fu¨r Ihren Brief vom 19. Febr. Wegen der mir unbegreiflichen Verzo¨gerung der Herausgabe Ihres Bandes habe ich an Perthes geschrieben und hoffe, daß das Versehen – denn nur um ein solches kann es sich handeln – bald abgestellt werden wird. Eine vermehrte Versendung von Recensionsexemplaren hat natu¨rlich gar nichts zu sagen, und ich denke, daß Perthes das No¨tige in dieser Beziehung schon gethan haben wird. Eine neue methodologische Arbeit von mir ist weder in der Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft noch sonstwo erschienen. Ich glaube vielmehr, in der Arbeit gegen v. Below den Umfang dessen, was ich zuna¨chst zu sagen hatte, durchmessen zu haben.523 Das ist auch, soviel ich sehe, die Anschauung in Deutschland. Ich habe gerade u¨ber den Anti-Below in dieser Richtung sehr schmeichelhafte Urteile erhalten. Below selbst hat zuna¨chst mit perso¨nlichen Schimpfereien geantwortet524, auf die ich natu¨rlich nicht erwidere. Dagegen sind Schriften von Mu¨nsterberg und Rickert erschienen, die erstere u¨ber Geschichte und Psychologie in der American Historical and Psychological Review vol. VI und die zweite als besondere Broschu¨re unter dem Titel „Kultur- und Naturwissenschaft“.525 Beide recht interessant, wenn auch zeigend, daß die Philosophen sich in den historischen Materien noch weniger zurechtfinden als die Historiker selbst. Mit dem Eindruck, daß die Zahl meiner Gegner statio¨ brigen ein Umschwung in der o¨ffentlichen na¨r bleibe, wa¨hrend sich im U Meinung vollzieht, haben Sie Recht. Unklar ist mir dabei bloß noch, ob es sich bei diesem Vorgang mehr um eine moralische Entru¨stung u¨ber die Art der Polemik meiner Gegner oder um eine sachliche Zustimmung meiner Auffassung handelt. Vermutlich geht beides durch einander. ¨ brigen sind wir hier nicht mu¨de, nach der culturgeschichtlichen Im U Seite vorwa¨rts zu gehen. Was zuna¨chst die Grundkarten angeht, so sind jetzt die Antra¨ge von Bayern und der Schweiz unter so gu¨nstigen Auspicien gestellt, daß ich an ihrer Annahme nicht zweifle. Damit ist es denn Zeit geworden, Frankreich zu bearbeiten. Und Tante Bruch u¨bersetzt zu dem Zweck eine kleine Denkschrift ins Franzo¨sische. Wie und wann soll man diese dort anbringen? Das ist der Punkt, wo ich gar sehr Ihres Rathes

523 Vgl. Karl Lamprecht, Die historische Methode des Herrn von Below. Eine Kritik. Berlin

1899.

524 Vgl. G. v. Below, Erkla¨rung. Deutsche Litteraturzeitung 6 (1899), Sp. 247/48. 525 Heinrich Rickert, Culturwissenschaft und Naturwissenschaft. Berlin 1899. – Hugo

Mu¨nsterberg, Psychology and History. Psychological and Historical Review 6 (1899).

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Leipzig, 10. Ma¨rz 1899

bedarf und denselben hiermit freundlichst erbitte. Neben den Grundkarten bescha¨ftigt mich jetzt vor allen Dingen, abgesehen von eigenen Arbeiten, die Begru¨ndung einer Gesellschaft fu¨r deutsche Kulturgeschichte.526 Eine Aufforderung in dieser Richtung sende ich Ihnen anbei neben einer literarischen Kleinigkeit von mir zu. Sie werden sehen, daß die Bedingungen des Beitrittes so gu¨nstig sind, daß es nicht ausserordentlich ist, eine solche Fu¨llung der Subscriptionslisten zu erlauben. Vielleicht haben Sie auch in Gent fu¨r die Subscriptionsliste Verwendung. Vor wenigen Wochen war Zwiedineck527 hier und wir haben vieles u¨ber den deutschen Historikertag und verwandtes geredet. Er trat fu¨r eine Verschmelzung des Historikertages und des Gesamtvereins deutscher Geschichtsvereine ein. Mir will zuna¨chst die Sache noch nicht in den Kopf, doch habe ich vor, die na¨chste Sitzung des Gesamtvereins in Strassburg im na¨chsten September zu besuchen. Vielleicht, daß wir dort in irgendeiner Weise zusammentreffen. Inzwischen nehmen Sie meine herzlichsten Gru¨ße und vermitteln meine scho¨nen Empfehlungen an Ihre Frau. Ihr ergebenster

Lamprecht

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Leipzig, 10. Ma¨rz 1899528 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Verhandlungen mit franzo¨sischen Gelehrten u¨ber die Herstellung von Grundkarten. – Kann P. seinen Einfluß geltend machen? Hochverehrter Herr Kollege! In Sachen der Grundkarten mo¨chte ich Sie rasch darauf aufmerksam machen, daß ich in diesen Tagen eine Denkschrift u¨ber Herstellung franzo¨sischer Grundkarten an Monod schicken werde mit der Bitte, auch fu¨r Frankreich das Grundkartenunternehmen in die Wege leiten zu wollen. Da wird es nun eine wesentliche Unterstu¨tzung meines Gesuches sein, wollten Sie zu gleicher Zeit, sei es an Monod, sei es an sonst jemanden,

526 Vgl. Karl Lamprecht, Aufruf zur Gru¨ndung einer „Gesellschaft fu¨r deutsche Culturge-

schichte“ fu¨r den 1. 1. 1900, Prospekt.

527 Hans von Zwiedineck-Su¨denhorst, (1845–1906), Prof. fu¨r neuere und neueste Geschich-

te an der Universita¨t Graz, Miglied der historischen Landeskommission fu¨r Steiermark. 528 Diktat; gestempelt: Leipzig, Historisches Seminar Bornerianum I.

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Nr. 158

Leipzig, 10. April 1899

von dem Sie glauben, daß er Sinn fu¨r diese Sache und Einfluss hat, mitteilen, daß die belgischen Grundkarten beschlossen seien und daß es mindestens wu¨nschenswert sei, in diejenigen Karten, welche von Belgien nach Frankreich u¨berschiessen, auch die jenseits der belgischen Grenze liegenden franzo¨sischen Gemeindegrenzen aufzunehmen. Ich hoffe, daß eine solche demonstratio ad hominem mein generelles Gesuch wirkungsvoll unterstu¨tzen wird. Mit bestem Gruße Ihr ergebenster

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Lamprecht

Leipzig, 10. April 1899529 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Bei der Grundkartenherstellung sind zwei Aspekte zu beachten: 1. „technische Herstellung der Karten als Basis (canevas) fu¨r historische Eintragungen“ und 2. „die Entwicklung der Methode fu¨r die Eintragungen selbst“, diese ko¨nnte, wenn zufa¨llig die Kartenbasis schon besteht, themenund territorialspezifisch entwickelt und dann systematisiert werden. – Die Verhandlungen mit Frankreich und der Schweiz wegen der Grundkartenzeichnung sollen weiter fortgesetzt werden. – Die Errichtung einer Zentralstelle fu¨r die Grundkartenforschung am historisch-geographischen Seminar der Universita¨t Leipzig steht bevor. Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihren Brief vom 2. April und die beiliegende Drucksache530. Ich finde beides jetzt bei meiner Ru¨ckkehr von Paris hier vor. Bei der weiteren Behandlung der Grundkartenangelegenheiten sind, wie ich glaube, zwei Stadien genau zu unterscheiden. Erstens handelt es sich um die technische Herstellung der Karten als Basis (canevas) fu¨r historische Eintragungen und zweitens um die Entwicklung der Methode fu¨r die Eintragungen selbst. Die Schwierigkeit der Lage, in der wir uns jetzt befinden, besteht nun darin, daß die Durchfu¨hrung der Grundkarten im Sinne von Nr. 1 noch nicht vollendet ist, gleichzeitig aber schon an den Gedanken herangetreten wird, die Methode fu¨r Nr. 2 zu entwickeln, wa¨hrend

529 [Diktat] [gestempelt:] Leipzig, Historisches Seminar Bornerianum I 530 Vielleicht: Henri Pirenne, La Hanse flamande de Londres. Bulletins de l’Acade´mie

royale de Belgique. Classe des Lettres, 3e se´rie, vol. 37, 1899, S. 65–108.

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Leipzig, 10. April 1899

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doch die hierfu¨r notwendige Vorlage (Nr. 1) noch nicht vollsta¨ndig entwickelt ist. Diese Schwierigkeiten lassen sich nun, wie ich glaube, nicht dadurch heben, daß man wartet, daß die Grundkarten als Basis tatsa¨chlich u¨berall vorhanden sind. Denn das heißt, die Entwicklung der Methode auf eine ganze Anzahl von Jahren aufschieben. Es muß also versucht werden, auf Grund der vorla¨ufig erst spa¨rlich vorhandenen Basis die Methode der Einzeichnung selbst zu entwickeln. Es scheint mir nun, daß dies nun in der Weise mo¨glich ist, daß man fu¨r einzelne Gegensta¨nde der Forschung, wie z. B. Grundherrschaft oder pra¨historische Funde oder Territorialstatistik des 16. oder 17. Jahrhunderts die Methode der Eintragung da entwickelt, wo zufa¨llig schon die no¨tige Basis fu¨r sie in Grundkarten vorhanden ist und wo sonst nach der besonderen Lage der erforderlichen Studien sich die Mo¨glichkeit einer solchen Arbeit bietet. So wa¨re es z. B. nach Lage der heutigen Verha¨ltnisse mo¨glich, die Methode der Eintragung von pra¨historischen Funden besonders an den lothringischen Karten, die Eintragung von Grundherrschaften besonders an den rheinischen Karten, die Bearbeitung statistischer Daten des 16. und 17. Jahrhunderts an den sa¨chsischen Karten zu entwickeln. Ist dann an einer Stelle fu¨r eine bestimmte Aufgabe das System gefunden, so ka¨me es darauf an, es seiner territorialen Besonderheiten zu entkleiden und aus ihm heraus die allgemeinen Regeln herauszuscha¨len. Ich habe nun vor, auf dem Kongreß des Gesamtvereins der Geschichtsvereine in Straßburg im September dieses Jahres den eben geschilderten modus procedendi vorzuschlagen und hoffe, daß es vielleicht schon mo¨glich sein wird, einige Beispiele solcher spezifischen und territorialen Entwicklung der Methode dort vorzulegen. Vielleicht wa¨re es denkbar, daß Sie auch von Belgien aus in der angegebenen Richtung einen Beitrag anfangen ko¨nnten. Sollte dies z. B. nicht fu¨r das System der Besiedelung des Landes nach den Forschungen von Kurth mo¨glich sein? Was Frankreich angeht, so wu¨rde es mir sehr lieb gewesen sein, wenn ich vor meiner franzo¨sischen Reise, von der ich soeben zuru¨ckkomme, Weisungen von Ihnen bekommen ha¨tte. Glu¨cklicher Weise aber hoffe ich doch, auch ohne dieselben wenigstens nichts verdorben zu haben. Ich habe bisher das folgende gethan. Einmal habe ich eine Denkschrift an Monod geschickt unter Beigabe der von Ermisch zusammengestellten Erla¨uterungen531, von denen ich Ihnen anbei ein Exemplar zugehen lasse. 531 H. Ermisch, Erla¨uterungen zur historisch-statistischen Grundkarte fu¨r Deutschland

im Maßstabe 1 : 100.000 (Ko¨nigreich Sachsen), hrsg. v. d. ko¨nigl. sa¨chs. Komm. f. Geschichte. Leipzig 1899. [Hubert Ermisch, (1850–1932), seit 1875 Archivar am Hauptstaatsarchiv Dresden, Bibliotheksdirektor (1907). Hrsg. des „Neuen Archivs fu¨r sa¨chsische Geschichte und Altertumskunde“ (seit 1880).]

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Monod, den ich in Paris leider nicht mehr gesehen habe, hat, wie er mir schreibt, die Durchschrift an Vidal de la Blache und Gallois (letzterer Professor der Geographie)532 weitergehen lassen, und es scheint, daß man eine Denkschrift dieser Herren in der Revue historique aufnehmen wollte. Weiterhin habe ich mit Prof. Lechstein533 in Straßburg und Archivdirektor Wolfram in Metz534 als den Vertretern der Sache in Elsaß-Lothringen dahin verhandelt, daß sie versuchen sollten, den Gedanken der Grundkarten zuna¨chst fu¨r die u¨ber die Reichsgrenze nach Frankreich u¨berschießenden Landesteile ihre Karten den Herren in Nancy, vor allen Dingen Pfister535, und den bei den Annales de l’Est arbeitenden Herren vorzulegen. Alles dies mu¨sste nun nicht ausschließen, daß Sie in Paris mit Longnon vom Institut536 verhandeln. Im Gegenteil, an je mehr Herren der Gedanke herantritt, um so besser. Fu¨r die Verhandlungen mo¨chte ich Ihnen schreiben, Ihnen meine Vorstellungen als Vorsitzender der Konferenz deutscher Publikationsinstitute vollkommen zur Verfu¨gung zu stellen, so daß Sie also in der Lage sein werden, im Namen dieser Konferenz zu sprechen. Im u¨brigen mo¨chte ich Ihnen noch mitteilen, daß, wie aus einem Briefe von Meyer von Knonau537 hervorgeht, in der Schweiz das Sachversta¨ndigenkollegium, welches vom Bundesrat mit der Pru¨fung einer an ihn gestellten Eingabe betreffend Schweizerische Grundkarten beauftragt hat, sich einstimmig fu¨r die Durchfu¨hrung dieser Grundkarten ausgesprochen hat. Es besteht daher wohl kaum noch ein Zweifel, daß in der Schweiz binnen kurzem die Grundkarten hergestellt sein werden. Damit ist von allen Seiten her die franzo¨sische Grenze erreicht, und es wird nunmehr beinahe unvermeidliche Aufgabe Frankreichs sein, auch seinerseits einzusteigen. ¨ bersendung des Rapports herzlichen Dank. Noch dankbaFu¨r die U rer wu¨rde ich Ihnen sein, ko¨nnten Sie mir noch mehrere Exemplare dieses Rapports zur Verteilung unter sich dafu¨r interessierende deutsche Forscher zusenden. 532 Paul Vidal de la Blache (1845–1918), frz. Geograph, Prof. in Nancy (1875), Lehrbeauf-

tragter und spa¨ter (1877–1898) stellv. Leiter der Ecole Normale Supe´rieure, 1898–1909 Prof. an der Sorbonne; Lucien Gallois (1857–1941), Schu¨ler de la Blaches, spa¨ter ebenfalls Prof. an der Ecole Normale Supe´rieure. 533 Unklar. 534 Georg Wolfram (1858–1940), Archivdirektor in Metz. Hrsg. des Jahrbuchs fu¨r lothringische Geschichte und Altertumskunde. 535 Christian Pfister (1857–1933), Media¨vist. Professuren in Nancy u. Paris, ab 1919 in Straßburg. 536 Auguste Longnon (1844–1911), frz. Archivar u. Historiker Prof. am Colle`ge de France u. an der E´cole pratique des hautes e´tudes. 537 Ludwig Gerold Meyer von Knonau (1843–1931), Prof. der Geschichte in Zu¨rich (1872–1920).

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Leipzig 26. Juli 1899

Mit herzlichen Gru¨ßen Ihr

Lamprecht

[Nachschrift von ihm selbst mit eigener Hand] Bei uns Alles wohl. Hoffentlich sind auch Sie ohne die in diesem Fru¨hjahr so weit verbreiteten Familienkrankheiten. Daß der Gesamtverein in Mu¨nster im vorigen Jahr beschlossen hat, hier in Leipzig eine Centrale fu¨r die Grundkarte zu begru¨nden, werden Sie wissen. Unser Ministerium hat jetzt die entsprechenden Anforderungen genehmigt: Begru¨ndung eines historisch-geographischen Seminars in engem Anschluß an das historische Seminar, Ankauf der mitteleuropa¨ischen Grundkarten, sowie der historischen Atlanten des 16. –19. Jhs., Bestellung eines besonderen Assistenten fu¨r Grundkarten. Zuna¨chst wollen wir ein Depot von ungebrauchten Grundkarten anlegen. Ich hoffe, auch Sie geben uns Ihre Karten ins Depot, sobald Sie solche haben.

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Leipzig 26. Juli 1899 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Kondolenzbekundung zum Tod von Lucien Henri Pirenne. – Wird P. am Historikertag im September teilnehmen? Lieber Freund! Welch traurige Nachricht habe ich von Ihnen erhalten!538 Ich kannte die Familienverha¨ltnisse genug, um zu wissen, daß Sie noch immer das Glu¨ck hatten, in den Ferien gelegentlich im Elternhaus einkehren zu ko¨nnen: ein fu¨r Viele in Ihrem Alter so lange noch sich [unleserlich] Glu¨ck. Daß Ihr Vater verha¨ltnisma¨ssig noch so jung sei, wußte ich nicht. Mit 62 Jahren verliert man jemand ungern! Ich habe meine Mutter mit 64 Jahren verloren. Ich fu¨hle innig mit Ihnen und den Kindern, und ich kann Ihnen nur wu¨nschen, daß der erste harte Schlag sich bald in jene tro¨stliche Erinnerung umsetzt, in der man liebe Abgeschiedene verkla¨rt wieder aufleben la¨ßt. Ich habe eigentlich jetzt mehr als eine Woche vor, Ihnen zu schreiben; u¨ber allerlei, meist recht Erfreuliches. Lassen Sie mich das spa¨ter, in einiger Zeit thun. Ich gehe in anderthalb Wochen mit meinen Kindern und Frau Bruch nach Martino di Castozza539 (Su¨dtirol), ich denke, 538 Im Juli 1899 starb Lucien Henri Pirenne, der Vater P.s im Alter von 62 Jahren. 539 Eigtl. San Artino di Castrozza (Trentino-Su¨dtirol).

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Leipzig, 21. Nov. 1899

auf 4 Wochen. Kommen Sie vielleicht fu¨r den Congress des Gesamtvereins deutscher Geschichtsvereine in Marburg, 25. –28. Sept.? Es wa¨re sehr scho¨n! Mit treuem Gruß an Sie und die Ihrigen

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Ihr Lamprecht Leipzig, 21. Nov. 1899540

Karl Lamprecht an Henri Pirenne Die „Belgische Geschichte“ P.s zeitigt durchgehend gute Kritiken auch aus den Niederlanden. – L. dokumentiert die Entwicklung des „geschichtswissenschaftlichen Streites“ und erbittet Hinweise auf entsprechende Vero¨ffentlichungen in Belgien. – Die Zuru¨ckhaltung in Frankreich in Bezug auf die Erstellung von Grundkarten ist bedauerlich. – Zur Pflege der privaten Kontakte schla¨gt L. einen gemeinsamen Familienurlaub in Nordfrankreich vor: „Das sind einstweilen nur Tra¨ume, aber vielleicht doch nicht Scha¨ume.“ Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihren letzten Brief, den ich gleichzeitig mit einem Schreiben von Ihnen von Perthes erhielt. Dem in letzterem ausgesprochenen Wunsch einer Beigabe zum ersten Bande der franzo¨sischen Ausgabe Ihrer belgischen Geschichte rathe ich Perthes zu bewilligen. Vor allem aber lassen Sie mich sagen, wie sehr ich mich freue, daß Ihr Band die Anerkennung gefunden hat, die er so reichlich verdient. Den Ihnen zuga¨nglich gewordenen Urteilen kann ich hinzufu¨gen, daß auch Blok541 an mich sehr schmeichelhaft u¨ber Ihre Geschichte geschrieben hat. Ich denke daran, Bloks Buch542 fu¨r die Europ. Staatengeschichte u¨bersetzen zu lassen und hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, daß es ¨ bersetwohl gegenu¨ber der holla¨ndischen Ausgabe fu¨r die deutsche U ¨ nderungen namentlich mit Ru¨cksicht auf Ihr Buch bedu¨rfe. zung einiger A Daß Sie auch in Belgien nur Gutes geho¨rt haben, freut mich von Herzen. Es ist fu¨r mich gleichzeitig ein Beweis, daß die lebendig aufblu¨hende belgische Geschichtswissenschaft doch im Ganzen auf homogenerer Grundlage steht als jetzt die deutsche. Und nach dem, was Sie mir 540 [Diktat]. 541 Petrus J. Blok, (1855–1929), Prof. fu¨r Nationalgeschichte an der Universita¨t Leiden,

Mitglied der Go¨ttinger Gelehrtengesellschaft.

542 Wohl: P. J. Blok, Geschiedenis van het Nederlandsche volk. 4 Bde., Leiden 1892–1908.

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Leipzig, 21. Nov. 1899

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von de Smedt543 geschrieben, scheint ja nur der Klerikalismus seine eigenen Wege zu gehen, und auch hier liegt ja wohl vielmehr Unverstand vor als prinzipiell begru¨ndeter Gegensatz. Die Anschauungen wie die unsrigen lassen vom methodologischen Standpunkte aus ebensosehr teleologische wie kausale Erkla¨rung zu und ko¨nnen daher ebensosehr dem Ausbau dualistischer wie monistischer Weltanschauung dienen, wenn auch vom rein wissenschaftlichen Standpunkte, und ihre Neigung zum Monis¨ brigens war mir die Diskussion mit de mus nicht zu verkennen ist. U Smet544 bisher ganz unbekannt, wie ich denn zur Fo¨rderung meiner Deutschen Geschichte jetzt ganz zuru¨ckgezogen in mo¨glichst starker Konzentration leben muß. Um so dankbarer wu¨rde ich Ihnen sein, wollten Sie mir daru¨ber genaueres berichten und namentlich etwa vorhandene Drucksachen zusenden. Ich sammle in dieser Richtung und besitze doch jetzt wohl schon u¨ber 100 Nummern von Broschu¨ren und verwandtem u¨ber den Verlauf des geschichtswissenschaftlichen Streites.545 Was mich selbst betrifft, so werde ich diese Sammlung in na¨chster Zeit auch noch durch eine Broschu¨re u¨ber kulturgeschichtliche Methode vermehren.546 Erschienen ist sie jetzt noch nicht; sobald ich Exemplare habe, werde ich Ihnen selbstversta¨ndlich eins zuschicken. Auch einen kurzen Aufsatz u¨ber die Grundkartensache darf ich Ihnen vielleicht demna¨chst zusenden. Er wird namentlich die Organisation behandeln, wie Sie mittlerweile hier zur Zentralisierung des Grundkartenwesens im Zusammenhang mit dem neu begru¨ndeten historisch-geographischen Institut geschaffen worden ist.547 Einiges Na¨heres hieru¨ber wird Ihnen vielleicht in nicht allzu langer Zeit Herr F. van Ortroy548 angeben ko¨nnen, der in diesen Tagen das neue Institut in Augenschein genommen hat und von dem ich Ihnen und Fredericq scho¨ne Gru¨ße u¨bermitteln

543 Charles De Smedt (1833–1911), jesuit. Theologe, lehrte ab 1864 in Leuven Kirchenge-

schichte, ab 1882 Leiter der Socie´te´ bollandiste, Autor des in Belgien weit verbreiteten Handbuchs Principes de la critique historique (1883). 544 Wohl: de Smedt (wie oben). 545 L. gab der 3. Auflage von Deutsche Geschichte Bd. 1 (1902) eine entsprechende Bibliographie bei. Vgl. Literarisches Centralblatt 53 (1902), Sp. 617ff.: „Seiner Vorrede la¨ßt L. in dieser Neuauflage eine bibliographische Zusammenstellung der polemischen und methodologischen Literatur folgen, die im Anschluß an seine deutsche Geschichte bis 1901 erschienen ist. Nicht weniger als 110 Nummern vermag er aufzufu¨hren [...]. L. selbst hat 25 Mal an den verschiedensten Stellen das Wort ergriffen [...].“ 546 Vgl. K. Lamprecht, Die kulturhistorische Methode. Berlin 1900. 547 Vgl. K. Lamprecht, Zur Organisation der Grundkartenforschung. Deutsche Geschichtsbla¨tter I (Nov. 1899), S. 33–41. 548 Fernand Van Ortroy (1856–1934), Professor fu¨r Geographie und Kartographie an der Universita¨t Gent.

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Nr. 161

Leipzig, 12. Jan. 1900

soll. Daß die Grundkarten in Frankreich einstweilen so wenig Anklang gefunden haben, ist bedauerlich. Indess hoffe ich noch immer, daß es hier gehen wird wie in Deutschland. Auch hier haben einige Institute einstweilen nicht gemocht, bis sie durch die Erfahrungen in Nachbarla¨ndern doch verha¨ltnisma¨ssig sehr rasch fu¨r die Sache gewonnen sind. Herzlich freue ich mich, daß Sie nun u¨ber den schweren Schicksalsschlag in Ihrer Familie ein wenig hinweggekommen sind und daß bei Ihnen im engsten Kreise alles so wohl steht und namentlich auch die Kinder gesund sind. Wie gern mo¨chte ich einmal einen vollen Tag in Ihrem Familienkreise zubringen. Nun, kommt Zeit, kommt Rath. Soweit man schon jetzt davon sprechen kann, haben wir eigentlich vor, na¨chsten Spa¨tsommer einmal in einem nordfranzo¨sischen Bade zu verleben, in einem der besagten kleinen Nester zu 5 Frcs. Wu¨rden Sie sich nicht auch einmal zu einem solchen Schritt im Austausch von Knocke bewegen lassen ko¨nnen, zumal da es mo¨glich sein wu¨rde, von da aus Paris und seiner Ausstellung den nothwendigen Besuch abzustatten? Wenn ich ka¨me, wu¨rde ich jedenfalls Frau Bruch und beide Kinder mitbringen, an Elementen der Gesellschaft wu¨rde es also nicht fehlen, zumal ich hoffe, daß meine Puten im Franzo¨sischen bis dahin so weit fortgeschritten sind, um sich mit den Ihrigen einigermaßen versta¨ndlich machen zu ko¨nnen. Nun, das sind einstweilen Tra¨ume, aber vielleicht doch nicht Scha¨ume. Und wie gern wu¨rde ich Hansens als dritte im Bunde sehen, wenn ich nicht von Hansen wu¨ßte, daß ihm das Meer weniger behagt als die Berge. Mit herzlichen Gru¨ßen an Sie, Ihre Frau Gemahlin und die Kinder Ihr ganz ergebenster Lamprecht

161

Leipzig, 12. Jan. 1900549 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Herzliche Einladung an P. (und seine Familie) zum Historikertag nach Halle und Leipzig im April. – Dank fu¨r die Informationen zum „methodologischen Streit in Belgien“. „Hier scheinen diese Ka¨mpfe einstweilen wenigstens zur Ruhe zu kommen.“ Mit Befriedigung kann L. als Erfolg fu¨r sich verbuchen, daß allgemein anerkannt wird, „daß jedenfalls alles Geschehen einer Zeit als Ganzes zu betrachten sei“. – Bearbeitungsstand der „Belgischen Geschichte“ Band 2?

549 [Diktat]

Nr. 161

Leipzig, 12. Jan. 1900

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Lieber Freund! Nehmen Sie fu¨r Ihren letzten lieben Brief vom 2. Jan. meinen besten Dank und die herzlichsten Glu¨ckwu¨nsche fu¨r das Wohlergehen Ihrer Person und Ihrer ganzen Familie. Ich komme erst jetzt dazu, an Sie zu schreiben, weil ich neulich einige Zeit von Leipzig abwesend war und zudem bei meiner Ru¨ckkehr einen bedeutenden Haufen von Briefen vorfand. Besonders freue ich mich, Ihrem Briefe zu entnehmen, daß Sie den deutschen Historikertag, der vom 5. - 8. April in Halle stattfindet, besuchen werden. Ich bin mit dem Vorstand des Historikertages dahin u¨bereingekommen, daß die Conferenz deutscher Publicationsinstitute am 4. April hier in Leipzig in der neu errichteten Zentralstelle fu¨r die Grundkartenforschung beginnen wird und ich denke, daß ich dem entsprechend in na¨chster Zeit Ihnen eine gedruckte Einladung werde zugehen lassen ko¨nnen.550 Da sehen Sie nun, in wie vortrefflicher Weise dafu¨r gesorgt ist, daß wir uns in den na¨chsten Osterferien einmal wieder Auge in Auge werden begru¨ßen ko¨nnen und ich hoffe dabei, daß das nicht nur fu¨r uns zutreffen wird, sondern daß auch Ihre Frau Gemahlin die Gelegenheit benutzen wird, sich einmal Leipzig unter der Fu¨hrung einer so guten Franzo¨sin wie Frau Bruch anzusehen und mehrere Tage bei uns zu verweilen. Von großem Interesse waren mir Ihre Nachrichten u¨ber den methodologischen Streit in Belgien.551 Und natu¨rlich wu¨rde ich Ihnen fu¨r die ¨ bersendung der an ihn anknu¨pfenden Drucksachen sehr dankbar sein. U Hier scheinen diese Ka¨mpfe einstweilen wenigstens zur Ruhe zu kom¨ ußerungen vorsichtiger Freunde men. Erreicht ist, wie aus mehreren A und scharfer Gegner hervorgeht, die Auffassung, daß jedenfalls alles Geschehen einer Zeit als Ganzes zu betrachten sei. Geht diese Auffassung in sucum et sanguinem der deutschen Geschichtswissenschaft u¨ber, so ist mir das einstweilen vollkommen genug. Denn mir selbst ist sehr wohl bewußt, wie ich gerade von diesem Standpunkte aus in logischer Konsequenz zu meiner weiteren Auffassung gedra¨ngt worden bin. Doch nun vor allem die Frage: wie steht es mit dem 2. Bande Ihrer belgischen Geschichte? Nachdem der erste so u¨beraus großen Anklang gefunden hat, hoffe ich, daß wir auf den zweiten nicht allzu lange warten werden mu¨ssen, und ich wu¨rde Ihnen in solchem Grade dankbar sein, ko¨nnten Sie in der Richtung eine Aussicht ero¨ffnen.

550 Vgl. Programm, Bericht und Beschlußfassung der Konferenz in: Deutsche Geschichts-

bla¨tter I (1900), S. 134 und S. 201–203.

551 Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 327 zum „belgischen Methodenstreit“.

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Nr. 163

Gent, 10. Juni 1900

Soeben fa¨llt mir eine Karte von F. van Ortroy in die Ha¨nde,552 der uns im Beginn dieses Semesters besuchte. Sehen Sie ihn, so richten Sie ihm, bitte, scho¨ne Gru¨ße aus, wie nicht minder dem von mir hoch verehrten Collegen Fredericq. Mit herzlichen Gru¨ßen Ihr ergebenster

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Lamprecht

Leipzig, 1. Juni 1900 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Postskriptum an Verlagsrundschreiben An die Herren Mitarbeiter der Geschichte der europa¨ischen Staaten. Wie allja¨hrlich soll auch in diesem Sommer eine kurze Notiz u¨ber den jetzigen Stand der Bearbeitung der einzelnen Werke der Geschichte der ¨ ffentlichkeit u¨bergeben werden. Ich ersuche europa¨ischen Staaten der O daher die Herren Mitarbeiter ganz ergebenst, die zu diesem Zwecke notwendigen Unterlagen mir mo¨glichst bald zukommen lassen zu wollen. Mit ausgezeichneter Hochachtung

ganz ergebenst Lamprecht

[PS:] Herzliche Gru¨ße! Ich schreibe demna¨chst noch mehr – wir sind schon auf dem Sprunge, einige Tage in den Harz zu gehen. Ihre letzte Karte hat mich ausserordentlich erfreut; zur franzo¨s. & englischen Uebersetzung Ihrer Bu¨cher den besten Glu¨ckwunsch.

163

Gent, 10. Juni 1900 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Die Arbeit am zweiten Band der Geschichte Belgiens kostet viel Kraft, schreitet aber gut voran. P. freut sich u¨ber den Erfolg und den Zuspruch, den der erste Band der franzo¨sischen Fassung erhalten hat. P.s Frau wird im Dezember ihr viertes Kind zur Welt bringen.

552 Carte de Flandre de 1538, publie´e a` Gand par Pierre Van der Beke. Avec texte explicatif

par le capitaine F. Van Ortroy. Gent 1897.

Nr. 164

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Leipzig, 29. Juli 1900

Cher colle`gue et ami, Voici tout d’abord les renseignements demande´s sur l’e´tat d’avancement du 2e volume de ma Geschichte Belgiens, qui ira jusqu’a` la mort de Charles le Te´me´raire (1477). La re´daction en est de`s maintenant acheve´e. Il ne me reste plus qu’a` la soumettre a` une re´vision attentive pour le fond et pour la forme. Je compte entreprendre ce travail au mois de Septembre. Au fur et a` mesure de son avancement le Dr. Arnheim traduira le manuscrit, si bien que la traduction pourra eˆtre acheve´e en janvier au fe´vrier prochain, sauf le cas de maladie de l’un d’entre nous. Le travail est donc, comme vous le voyez, en bonne voie d’ache`vement. Le nouveau volume qui comprendra essentiellement l’expose´ des troubles politiques et sociaux du XIVe sie`cle et l’histoire de l’E´tat bourguignon aura, je pense, a` peu pre`s la meˆme e´tendue que le premier. Je suis tre`s satisfait du succe`s qu’a eu mon livre dans son texte franc¸ais. On en a vendu en deux mois mille exemplaires, ce qui, chez nous du moins, est conside´rable. J’en suis d’autant plus heureux qu’il a e´te´ conside´re´ partout comme une œuvre de la nouvelle e´cole que vous repre´sentez et qu’il aura ainsi contribue´ a` faire connaıˆtre chez nous. Je me sens pour le moment assez fatigue´, ayant duˆ travailler e´norme´ment pour achever le 2e volume avant les vacances. Il me reste a` terminer un au deux petits travaux accessoires, puis je compte me reposer tranquillement a` la campagne. La sante´ de ma femme demandera quelques me´nagements, car j’ai le plaisir de vous annoncer que je serai pe`re dans quelques mois d’un quatrie`me enfant, en de´cembre553. Je suis bien impatient d’avoir des nouvelles du prochain volume de la Deutsche Geschichte. Vous avez duˆ fortement avancer le travail depuis le mois d’avril. Croyez, cher colle`gue et ami, a` mes sentiments les plus affectueux et les plus de´voue´s. H. Pirenne

164

Leipzig, 29. Juli 1900 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Ein Teil der „Belgischen Geschichte“ (Bd. 2) ko¨nnte als Vorabdruck in der neuen Hamburger Wochenschrift „Der Lotse“ erscheinen. 553 Robert Pirenne, geb. 28. Dezember 1900 in Gent, gest. am 22. April 1931 in Uccle.

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Nr. 165

St. Pair, 15. Aug. 1900

L[ieber] Fr[eund]! Dieser Tage war ein Herr Mo¨nckeberg aus Hamburg hier, aus einem der bekannten großen hamb. Geschlechter.554 Er wird vom 1. Okt. 1900 ab eine Große Hamburger Wochenschrift unter dem Titel „Der Lotse“ herausgeben & warb um Mitarbeiterschaft. Ich habe ihn auf Sie mit fu¨r Belgien hingewiesen; er meinte, vielleicht ließe sich ein Kapitel des 2ten Bds. Ihrer Geschichte vor dem Erscheinen des Ganzen im Lotsen abdrucken. Was denken Sie? Ich glaube, es wa¨re fu¨r Sie & die Sache sehr vorteilhaft. Sie ko¨nnen eventuell direkt oder durch mich mit M. correspondiren. – Ich gehe diese Woche mit den Meinen nach Caen (einige Tage vorher nach Paris), von wo aus wir ein kleines Bad aufsuchen wollen. Spa¨ter will ich der Exposition centenaire in Paris noch Zeit widmen. Bei Ihnen geht hoffentlich Alles wohl oder wenigstens nach „Umsta¨nden“. Von hier nil novi. Wir sind alle tu¨chtig noch am Arbeiten, trotz dieser tollen Hitze. Herzliche Gru¨ße von Haus zu Haus! Ihr

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Lamprecht St. Pair, 15. Aug. 1900555

Karl Lamprecht an Henri Pirenne Betr. Vorabdruck der „Belgischen Geschichte“ im „Lotsen“. – L. genießt mit seiner Familie die Urlaubstage und wird im September noch nach Paris reisen, „wo sehr viel zu tun ist fu¨r Kulturgeschichte des 19. Jhs.“. L[ieber] Fr[eund]! Herzlichen Dank fu¨r Ihren lieben letzten Brief! Anbei nun die Lo¨sung. Sie schreiben wohl einige Worte an Mo¨nckeberg, der aus einer sehr bekannten großen Hamburger Familie ist. – Wir befinden uns hier in einem kleinen Bade sehr wohl, vor allem den Kindern bekommt der Aufenthalt ausgezeichnet wegen der Lauheit, ja Wa¨rme von Luft und Wasser. Ich denke, wir werden bis in den September hinein bleiben. Ich gehe dann noch auf 8–14 Tage nach Paris: wo sehr viel zu thun ist fu¨r Kulturgeschichte des 19. Jhs. Ist Arnheim bei Ihnen, so bitte ich um Scho¨ne Gru¨ße, die ich nicht minder Ihnen und Ihrer ganzen Familie sende. Ihr

Lamprecht

554 Carl Mo¨nckeberg (1873–1939), Redakteur fu¨r Kunst u. Wissenschaft bei „Der Lotse“

(erschien 1900–1902).

555 [Brief Mo¨nckebergs an L. in Caen, der dann mit kurzen Notizen L.s wegen des Vorab-

drucks an Perthes und Pirenne weitergeleitet wurde.]

Nr. 166

Bastei (Sa¨chs. Schweiz), 3. Jan. 1901

166

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Bastei (Sa¨chs. Schweiz), 3. Jan. 1901 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Gratulation zum Familienzuwachs bei P. und zum raschen Fortschritt der „Belgischen Geschichte“. – L.s Arbeit an der „Deutschen Geschichte“ gestaltete sich mu¨hsam: „Ich habe ... mu¨ssen die ganze neuere Geschichte durcharbeiten, ehe ich fortfahren konnte.“ Lieber Kollege & Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihr frdl. Gru¨ße, die ich hier oben, in schneeig-sonniger Ho¨he, ganz auf mich allein gestellt, um einige schwierige Probleme durchdenken zu ko¨nnen, empfange. Und herzlichen Glu¨ckwunsch zu Bd IV, der sich so prompt zu Jahrhundertanfang eingestellt hat.556 Mo¨gen ihn die Strahlen der aufgehenden Sonne sein ganzes Leben so begleiten, daß sie ihn wa¨rmen und wonniglich vergolden (wenn auch nicht vornehmlich im mammonistischen Sinne). Sehr herzlich gratuliere ich Ihnen auch zu dem raschen Fortschritt Ihrer belgischen Geschichte. Ich freue mich, den zweiten Band zu erhalten & begreife Ihr reges Interesse: denn wie unendlich viel mehr des allgemein Wichtigen wird er doch bieten, als der erste. Und wie glu¨cklich, daß Sie eine Fortsetzung bis ins XX. Jh. in Aussicht stellen. Ich sehe mit einigem Neid auf Ihre reiche Produktion, obwohl ich, wenn auch nicht mehr ganz von alter Arbeitskraft, recht froh gewesen bin. Die sozialpsychische Abgrenzung der Entwicklung vom 16. bis zum 20. Jh. hat mir viel schwere Arbeit gekostet, um so mehr, als jegliche Vorarbeit, die sich mit dem Thema ex proprio auch nur na¨herte, fehlt: & es hat sich herausgestellt, daß die zunehmende Feinheit der gesamtpsychischen Nuance eine Charakteristik des 17. und 18. Jhs. ohne genaue Kenntnisse der des 19. Jh. nicht zu erreichen ist, oder wenigstens mich unbefriedigt la¨ßt. Ich habe infolgedessen mu¨ssen die ganze neuere Geschichte durcharbeiten, ehe ich fortfahren konnte. ¨ ffentDas ist nun geschehen, & ich hoffe recht bald wieder an die O lichkeit treten zu ko¨nnen. Freilich, was die Zahl der Ba¨nde angeht, ist vera¨ndertes Programm. Es werden im Ganzen 12 Bde., & dazu schiessen noch 2 u¨ber, welche die neueste Zeit mehr in Form von Umrissen & Versuchen, als in quasi systematischer Darstellung enthalten sollen.

556 Gratulation zur Geburt von P.s viertem Sohn: Robert, geb. am 28. Dezember 1900, gest.

22. April 1931.

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Nr. 167

Leipzig, 20. Febr. 1901

Von diesen beiden letzten Ba¨nden wird wohl der eine im Laufe von 1901 erscheinen. Doch das alles unter uns; ich spreche nicht gern von Pla¨nen, & ¨ ffentlichkeit wu¨nsche am allerwenigsten, daß Andeutungen in die breite O gelangen. Und Ihnen als Freund glaubte ich diese Selbstkla¨rung schuldig zu sein. Alle Scho¨nen Wu¨nsche & Gru¨ße an Sie und Ihre Frau Gemahlin! Mo¨gen Sie bald in alter Ru¨stigkeit Ihrem Hause wieder vorstehen! Ihr Lamprecht

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Leipzig, 20. Febr. 1901557 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

„Die historische Diskussion greift jetzt nach verschiedenen Seiten hin aus“, deshalb erbittet L. eine Zusammenstellung der in Belgien und Frankreich erschienenen Notizen, Artikel und Aufsa¨tze zur „methodologischen Diskussion“. – Wa¨hrend P. an der „Belgischen Geschichte“ arbeitet, bereitet L. den ersten Erga¨nzungsband der „Deutschen Geschichte“ vor. – Schade, daß direkte perso¨nliche Kontakte zu P. selten sind und „daß unsere Kinder sich noch nicht kennen“. Lieber Freund! Lassen Sie mich Ihnen heute nur eine kurze Bitte aussprechen. Wa¨re es Ihnen wohl mo¨glich, einen Ihrer Schu¨ler eine genaue Bibliographie der in Belgien zur methodologischen Diskussion erschienenen Notizen und Zeitschriftenartikel herstellen zu lassen? Fu¨r mich wu¨rde eine solche Bibliographie von gro¨ßtem Werthe sein. Die historische Diskussion greift jetzt nach verschiedenen Seiten hin aus, neuerdings in Schweden und Polen, und ich werde bei der Gelegenheit um bibliographische Notizen gebeten, so daß es mir sehr erwu¨nscht wa¨re, einmal alles in dieser Hinsicht bei der Hand zu haben. Sollte es mo¨glich sein, diese Bibliographie auch auf Frankreich auszudehnen, was, wie ich denke, bei Ihren literarischen Hilfsmitteln eigentlich keine großen Schwierigkeiten machen ¨ brigens bin ich du¨rfte, so wa¨re ich natu¨rlich doppelt dankbar dafu¨r. U gerne bereit, die Arbeit, soweit dies no¨tig erscheint, zu honorieren. Sehr leid hat es mir gethan, daß wir uns im vergangenen Herbst nicht gesehen haben. Allein, da ich mit Frau Bruch und den Kindern reiste, war 557 [Diktat]

Nr. 168

Tharandt b. Dresden, 10. Mai 1901

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es mir bei der Ru¨ckkehr von Paris nicht mo¨glich, gro¨ßere Umwege zu machen und Sie in Ihrem Eifelidyll aufzusuchen. Sie werden inzwischen nun wieder sehr fleißig gewesen sein und wohl den 2. Band Ihrer belgischen Geschichte ganz abgeschlossen haben. Ich freue mich schon darauf, ihn in den von Perthes einlaufenden Ausha¨ngebogen aus erster Hand genießen zu ko¨nnen. Meine Studien haben sich nun auch soweit abgerundet, daß ich wieder in der Lage bin, zu publizieren. Ich sitze jetzt seit la¨ngerer Zeit an einem Bande deutscher Geschichte und hoffe, daß er im Laufe der na¨chsten Wochen druckfertig werden wird. Daß Sie in ihrer Familie so großen und sta¨ndigen Glu¨cks genießen, ist auch mir eine große Freude. Wir denken hier o¨fter an Sie als Sie wohl ahnen mo¨gen, namentlich wenn wir unsere franzo¨sischen Beziehungen speciell auch die der Kinder durchgehen. Da scheint es uns oft als eine Lu¨cke, daß unsere Kinder sich noch nicht kennen, und ich habe immer gedacht, daß ein Sommeraufenthalt einmal dazu beitragen ko¨nnte, in dieser Beziehung Abhilfe zu schaffen. Dieses Jahr werden wir wohl in Deutschland bleiben, ich denke, in einem unserer Mittelgebirge; wo, das steht noch nicht fest. Ich perso¨nlich gedenke mich in einigen noch nicht gesehenen Winkeln Deutschlands herumzutreiben und will mit dem Besuch der Bayreuter Bu¨hnenfestspiele am 11. und 12. August anfangen. Mit herzlichen Gru¨ßen Ihr

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Lamprecht Tharandt b. Dresden, 10. Mai 1901

Karl Lamprecht an Henri Pirenne Gratulation zur Fertigstellung des 2. Bandes der „Belgischen Geschichte“. Die Arbeit am jetzt erscheinenden Band der „Deutschen Geschichte“ hat L.s Kra¨fte aufgezehrt. – Mit dem Verlag Perthes konnte ein erweitertes Konzept einer „Allgemeinen Staatengeschichte“ entwickelt werden. – An der Universita¨t betreibt L. zunehmend ethnographische Studien und projektiert die Einrichtung einer entsprechenden Institution, „Abteilung Kulturgeschichte der Urzeiten“. Um beim Dresdner Ministerium seine perso¨nliche Verhandlungsposition zu sta¨rken, hofft L. auf Aufnahme in die Mu¨nchener Akademie, vielleicht ist mit P.s Hilfe auch eine entsprechende Auszeichnung in Belgien mo¨glich? Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihren lieben Brief! Ich schreibe sofort an Perthes, daß der Druck fu¨r Juni vorbereitet werde, und gratuliere Ihnen nochmals zur Vollendung des 2ten Bandes.

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Tharandt b. Dresden, 10. Mai 1901

Nr. 168

Von mir haben Sie mit Recht angenommen, daß es mit meiner Gesundheit nicht gut bestellt sei. Ich habe mich nicht nur bei dem letzten Bande Deutsche Geschichte (der jetzt gedruckt wird) u¨berarbeitet; (ich mußte zeitweis bis 2 und 3 Uhr nachts lesen).558 Dies auf der Basis a¨lterer nervo¨ser Anfangszusta¨nde. So habe ich es fu¨r richtig gehalten, jetzt Pause zu machen, & kleine Aussta¨nde zu beseitigen, ehe ein Alter erreicht ist, in dem man nicht mehr so gut gegen solche Dinge reagiert. Interessieren wird Sie, daß die europa¨ische Staatengeschichte durch abgeschlossene Verhandlungen mit Perthes fu¨r eine „Allgemeine Staatsgeschichte“ (oder a¨hnlich, Titel steht noch nicht ganz fest) erweitert worden ist mit drei Teilen, na¨mlich 1. die bisherige europa¨ische Staatengeschichte 2. eine Serie deutscher Landesgeschichten (wovon die oesterreichische schon alle an Autoren vergeben sind, auch eine Anzahl der Reichssta¨nde) 3. eine aussereuropa¨ische Staatengeschichte. No 2 dient der vergleichenden deutschen, No 3 der vergleichenden allgemeinen Kulturgeschichte. In No 3 ka¨me u. a. auch eine Kulturgeschichte der Congovo¨lker & eine Geschichte der Gru¨ndung des Congostaates in Betracht. Wissen Sie einen Bearbeiter? Ich hoffe, in spa¨testens 8 Jahren mit meiner Deutschen Geschichte fertig zu sein & will dann zu Produktionen der Allgemeinen vergleichenden Geschichte u¨bergehen. Da soll mir No 3 teilweis den Weg bahnen. Im Uebrigen bin ich im Begriff (vertraulich!) das Seminar um eine ethnographische Abteilung (d. h. eine Abteilung Kulturgeschichte der Urzeiten) zu erweitern; das vor einigen Jahren gegru¨ndete Historisch-geographische Institut, das dem Seminar angeschlossen ist, war eine Vorstufe dazu. Die Sache kostet freilich enormes Geld, und in Dresden im Ministerium zuckt man etwas zuru¨ck. Ich hoffe, daß eine zum August vermutlich bevorstehende Ernennung zum Mitglied der Mu¨nchner Akademie mir das no¨tige Relief fu¨r Dresden geben wird. Ko¨nnten Sie nicht in Belgien durch Ernennung zum Mitglied der Akademie Vorspann leisten? Ich will das Ethnologische durch Interpretation der Germania den Studenten zuna¨chst nahe bringen und studiere daher jetzt die wichtigsten Reiseberichte auf ihre Parallelen zur Germania. Ein u¨beraus ergiebiges Feld! Und wie weiten und vertiefen sich auch bei dieser Gelegenheit die allgemeinen geschichtlichen Anschauungen! 558 Vgl. Karl Lamprecht, Deutsche Geschichte. Erga¨nzungsband I (1901), Vorwort April

1901.

Nr. 169

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Gent, 18. Sept. 1901

Wir gehen in diesem Sommer nach irgend einem deutschen Mittelgebirge (Schwarzwald? Vogesen!) Ich erwarte Pariser Freunde, einen Herrn Stussy mit Familie: Freunde wiederum Marignans, des Freundes von Wilmotte559. Doch steht Na¨heres noch nicht fest. Mein jetziger Band Deutsche Geschichte wird zugleich ins Franzo¨sische u¨bersetzt durch einen Dr. Duchesne, Schu¨ler von Wilmotte. Ich darf Ihnen vielleicht im Herbst mal einen Korrekturbogen senden, zur Correktur des Franzo¨sischen. Frau Bruch findet, daß Duchesne gut schreibt, aber das genu¨gt mir doch noch nicht. Herzliche Gru¨ße an Sie Beide! Ihr

169

Lamprecht

Gent, 18. Sept. 1901 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Der Erfolg der Staatengeschichte ist fu¨r P. ein Beweis, dass sich die von L. repra¨sentierten neuen Tendenzen der historischen Forschung in der Gelehrtenwelt verbreiten. Die franzo¨sische Fassung der Geschichte Belgiens ist mit einem Preis ausgezeichnet worden, zudem ist eine niederla¨n¨ bersetzung durch Arnheim geht dische Fassung geplant. Die deutsche U gut voran. Cher colle`gue et ami, Nous venons de rentrer a` Gand apre`s six semaines passe´es au bord de la mer, qui nous ont fait a` tous le plus grand bien. Je me re´jouis d’apprendre que votre ville´giature a eu, de son coˆte´, d’heureux re´sultats pour votre sante´, et je vous souhaite de tout cœur, une anne´e de bon et fe´cond travail. Je vous fe´licite pour l’essor que vous avez donne´ a` la Staatengeschichte qui, sous sa nouvelle forme, avec son nouveau titre et ses nouveaux collaborateurs, est appele´e a` prendre une place e´minente dans la litte´rature historique de ce temps et prouvera, tout ensemble, combien les tendances nouvelles que vous repre´sentez, se re´pandent dans le monde savant. Je ne vois rien a` changer, en ce qui me concerne, au prospectus que vous m’avez envoye´. Peut-eˆtre cependant, pourrait-on dire que l’ouvrage a obtenu le

559 Maurice Wilmotte (1861–1942), Romanist, seit 1895 Prof. an der Univ. Lu¨ttich und

Begru¨nder der dortigen Abteilung fu¨r romanische Sprachen u. Literatur.

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Nr. 170

Leipzig, 19. Dez. 1901

Prix quinquennal (Staatspreis)560. Une seconde e´dition franc¸aise paraıˆtra dans 15 jours et on vient de commencer une traduction ne´erlandaise561. Vous verrez s’il peut eˆtre bon, dans l’inte´reˆt de la collection, de donner ces quelques de´tails. Le Dr. Arnheim est ici depuis trois semaines. Nous avons revu ensemble toute la traduction du tome II dont on pourra commencer l’impression en Octobre. Il n’y a plus que les 50 dernie`res pages a` traduire. Arnheim expe´diera cette besogne de`s son retour en Allemagne. Adieu. Mes meilleurs amitie´s a` tous les voˆtres, et croyez toujours a` mes sentiments les plus affectueusement de´voue´s. H. Pirenne

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Leipzig, 19. Dez. 1901562 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. besta¨tigt den Eingang der Revisionsbo¨gen zum zweiten Band der „Belgischen Geschichte“. Lieber Freund! Vor einigen Tage erhielt ich den Revisionsbogen des 2. Bandes Ihrer Belgischen Geschichte. Lassen Sie mich Ihnen in aller Eile vor dem Beginn der Ferien noch ein herzliches Glu¨ckauf! zurufen und Ihnen sagen, wie sehr ich mich auf die Fortsetzung freue. Dieser Tage wird Hansen bei mir sein und ich werde nicht verfehlen, ihm den vorliegenden Anfang zu pra¨sentiren. Mit herzlichen Gru¨ßen

Ihr Lamprecht

560 1902 erhielt Pirenne den Prix quinquennal d’histoire nationale 1896/1900. Die Jury bil-

deten Paul Fredericq, Baron de Chestret de Haneffe, Georges Monchamp, Le´on Vanderkindere und Godefroid Kurth. 561 Geschiedenis van Belgie¨, Bd. 1, erschien 1902 in der Volksdrukkerij Gent. 562 [Diktat].

Nr. 172

239

Leipzig, 10. Ma¨rz 1902

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Gent, 31. Dez. 1901 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. ist davon u¨berzeugt, dass sich im neuen Jahrhundert die von L. vertretenen Ideen bald durchsetzen werden. Zu Fragen der Wirtschaftspsychologie verweist P. auf das neueste Werk von Gabriel Tarde. Cher colle`gue et ami, En re´pondant a` votre aimable lettre de la semaine dernie`re, je vous envoie en meˆme temps mes vœux les plus cordiaux et les plus since`res pour l’anne´e qui s’ouvre, et dont votre beau livre porte de´ja` le mille´sime. Je vous souhaite une sante´ parfaite et par la` meˆme la continuation vigoureuse des nombreux travaux auxquels vous eˆtes attache´. La 3e e´dition de la Deutsche Geschichte est un signe du temps et le XXe sie`cle ne sera sans doute pas tre`s vieux encore quand la nouvelle tendance historique, auquel votre nom restera attache´, sera maıˆtresse de l’avenir. Que vont dire les contempteurs de la „Materialistische Geschichtsauffassung“ quand ils liront votre nouvelle pre´face et les vues si profondes que vous y e´noncez sur les ferments psychiques de la vie e´conomique. A ce propos, avez-vous lu le livre que Tarde vient de publier chez Alcan, a` Paris, sous le titre de Psychologie e´conomique? Je n’ai fait encore que le parcourir, mais il me paraıˆt fort inte´ressant, encore que la me´thode en soit un peu trop personnelle. Je me re´jouis que les premie`res e´preuves de mon second volume vous aient fait bonne impression. La pe´riode a` laquelle il se rapporte pre´sente en tous cas un tre`s vif inte´reˆt, et je serais heureux d’avoir pu en tirer un bon parti. Ma femme me charge de la rappeler a` votre bon souvenir et de vous pre´senter ses vœux de bonheur. J’envoie de mon coˆte´ a` vos filles, qui doivent eˆtre de´ja` grandes maintenant, mes plus affectueux sentiments, et je vous prie de pre´senter mes hommages a` Madame Bruch. Pour moi, en attendant le plaisir de vous revoir, probablement dans le courant de l’anne´e, je reste votre since`rement et profonde´ment de´voue´ et affectionne´. H. Pirenne

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Leipzig, 10. Ma¨rz 1902 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. unterrichtet P. u¨ber seine Arbeits- und Urlaubspla¨ne.

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Nr. 173

Gent, 16. Ma¨rz 1902

Gratuliere! Wie froh werden Sie sein, grade zum Fru¨hjahr fertig zu werden. Was werden Sie in den Ferien thun? Rom?? Ich arbeite an Dgbd. II563, von dem ich hoffe, daß er u¨bers Jahr fertig sein wird, und sitze ganz in moderner Technik & dgl. Am 1. April will ich auf 3 Wochen nach Wiesbaden gehen. Wie scho¨n, fu¨hrte Sie Ihr Weg den Rhein herauf! Vielleicht gehe ich auch zur Auffu¨hrung der Ra¨uber durch unsere Studenten (ca. 13. –14. April) nach Paris. Am 16 April ca. sind sie in Antwerpen, danach vielleicht in Utrecht. Herzliche Gru¨ße an Sie, die Ihrigen und Fredericq!

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Ihr Lamprecht

Gent, 16. Ma¨rz 1902 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. bittet L. um eine Stellungnahme zum zweiten Band der Geschichte Belgiens. P. selbst zweifelt, ob es ihm gelungen ist, die in diesem Band doch recht dominante Darstellung politischer Ereignisse mit seinem sozialgeschichtlichen Ansatz in Einklang zu bringen. Cher colle`gue et ami, Je vous remercie de vos bons souhaits pour l’ache`vement du tome II de la Geschichte Belgiens. J’avais voulu avoir votre opinion sur ce volume. J’ai duˆ y introduire assez bien d’histoire purement politique et je ne sais si j’ai re´ussi a` y rattacher assez intimement le mouvement social si inte´ressant et si actif a` cette e´poque. Mais, dans une histoire particulie`re, on ne peut agir comme on le ferait dans un travail de plus large envergure. J’espe`re du moins que ce nouveau volume ne me fera plus prendre comme il est arrive´ pour le pre´ce´dent pour „ein Schu¨ler Rankes“. Je ne pourrai malheureusement aller en Allemagne pendant ces vacances. Je dois me rendre a` Paris pour travailler aux archives et mettre la dernie`re main a` mes textes sur la draperie flamande au moyen aˆge. J’y serai sans doute a` partir du 8 avril. Puisque vous irez peut-eˆtre aussi pour assister a` la repre´sentation des „Ra¨uber“, ne pourriez-vous me donner un rendez-vous. Ce serait charmant de se rencontrer la`-bas. Je vous souhaite un prompt ache`vement de votre tome II. Ne pourriez-vous m’indiquer parmi les articles qui ont paru sur le premier, ceux que vous conside´rez comme les plus importants? 563 D.i.: Deutsche Geschichte, Erga¨nzungsband II, dessen 1. Ha¨lfte im Februar 1903, die

2. Ha¨lfte im August 1903 fertiggestellt werden konnte.

Nr. 174

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Wiesbaden, 2. April 1902

Mille bonnes amitie´s pour vous et les voˆtres, et croyez-moi toujours votre cordialement de´voue´. H. Pirenne

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Wiesbaden, 2. April 1902 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Gratulation zu Band 2 der „Belgischen Geschichte“. – Bis auf Einzelbesprechungen aus Teildisziplinen fehlen aus der Fachwelt noch Rezensionen zu Erga¨nzungsband I der „Deutschen Geschichte“. Die Wissenschaft weiß offensichtlich „nicht recht, was sie mit dem Buch anfangen soll“. – L. wird nicht nach Paris kommen, weil die Studentenauffu¨hrung nicht stattfinden wird. Lieber Freund! Heute nur zwei Worte auf Ihren letzten lieben Brief – zugleich mit einem definitiven Glu¨ckwunsch zu Bd. II: ich habe vor einigen Tagen Titel pp. erhalten – und mit einer, zuru¨ckerbetenen, Aufstellung der bisher u¨ber meinen ersten Erga¨nzungsband verfertigten Recensionen, die Sie erbaten. Hierin ist die Kritik, wie man zu sagen pflegt, gut. Sie ist aber bisher nur von einer Seite erfolgt: den ersten, jetzt bei uns sehr hoch stehenden Feuilletonisten. Die zu¨nftige Wissenschaft fehlt noch, & weiß, wie ich aus einigen Privatnotizen erfahre, nicht recht, was sie mit dem Buch anfangen soll. Die Einzeldisziplinen der Kunstgeschichte & der Litteraturgeschichte sind erbaut; musikgeschichtlich liegt eine [unleserlich] im Kunstwart vor, die mich sehr interessiert hat & geeignet ist, weiter zu fu¨hren. Ich sitze stark an Nr. II564 & lese jetzt das gute Buch von Sombart, G[eschichte] d[es] Kapitalismus565, das Sie sich nicht entgehen lassen du¨rfen. Sehr viel Gescheites, freilich auch viel Gewagtes. Immerhin eine fundamentale Leistung. Ich komme jetzt nicht nach Paris, da unsere Studenten vermutlich erst Pfingsten sprechen werden. Bu¨low566 hat sich durch die Koelnische Zeitung ins Bockshorn jagen lassen!! Und unser Kulturminister567, der

564 D.i.: Deutsche Geschichte, Erga¨nzungsband II. 565 Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus. 2 Bde., Leipzig 1902. 566 Vermutlich gemeint: Bernhard v. Bu¨low (1849–1929), Reichskanzler (1900–1909). 567 Paul von Seydewitz (1843–1910), Kulturminister d. Ko¨nigr. Sachsen (1892–1906).

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Nr. 176

Leipzig, 28. Mai 1902

von Gott & der Welt keine Ahnung hat, ist auf B[u¨lows] Torheit eingeschwenkt. Aber ich denke, daß sich die Sachen noch redressieren lassen. Einstweilen gehen die Studenten auf Einladung der deutschen Kolonie nach Antwerpen, die holla¨ndischen nach Utrecht. Herzliche Gru¨ße an Sie & die Ihrigen! Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 2. Mai 1902 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. gratuliert zum Erscheinen des zweiten Bandes der „Geschichte Belgiens“. Lieber Freund! Sie werden inzwischen Ihr Buch568, das nunmehr ga¨nzlich flott ist, erhal¨ briten haben. Meinen herzlichsten Glu¨ckwunsch dazu nochmals. Im U gen die Bitte, das Verzeichniss der Recensionen meines Buches, das ich Ihnen zugeschickt hatte, doch freundlichst zuru¨cksenden zu wollen, wenn Sie es noch haben.569 Es kann Ihnen dann von hier aus eventuell eine ¨ brigen anbei eine Erga¨nzung der u¨bersandCopie zugestellt werden. Im U ten Notizen. Mit scho¨nen Gru¨ßen an Sie und die Ihrigen Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 28. Mai 1902570 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Fortsetzung der „Geschichte Belgiens“ bis in die Neuzeit findet L.s ungeteilte Zustimmung, wenn er auch um die Schwierigkeiten weiß, u¨ber neue und neueste Entwicklungen zu handeln: „Der Stoff wa¨chst ... ins Ungeheuerliche, und die Bearbeitung ... ist auch eine in der Composition u¨beraus schwer zu lo¨sende Aufgabe.“ – Reisepla¨ne. 568 D.i.: Henri Pirenne, Geschichte Belgiens. Bd. 2. 569 Gemeint ist die Rezensionsliste zu Erga¨nzungsband I der „Deutschen Geschichte“ von

Karl Lamprecht. Vgl. oben Nr. 160.

570 [Diktat].

Nr. 176

Leipzig, 28. Mai 1902

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Lieber Freund! La¨ngst ha¨tte ich Ihnen auf Ihren Brief vom 4. Mai geantwortet, wa¨re es mir mo¨glich gewesen, die Frage nach der Fortsetzung Ihrer Geschichte im Rahmen der Allgem. Staatengeschichte zum Entscheid zu bringen. Dies ist leider nicht der Fall gewesen, weil der Director der Firma Perthes sich auf mehrere Wochen zur Herstellung seiner angegriffenen Gesundheit nach Baden-Baden hat beurlauben lassen und ich ihn wa¨hrend dieser Zeit mit gescha¨ftlichen Dingen nicht sto¨ren wollte. Indess zweifle ich keinen Augenblick, daß der Verlag mit Freuden auf eine Fortsetzung Ihres Werkes eingehen wird, eine Fortsetzung, die hoffentlich einmal nicht bloß bis zum Ende des ancien re´gime, sondern bis in unsere Tage fu¨hrt. Ich denke, daß Ihnen eine solche Ausdehnung um so lieber sein wird, als Sie am Ende doch u¨ber kurz oder lang, wenn nicht gar schon seit langem in Gent auch neuere Geschichte lesen werden und sich Ihnen schon aus der vortragsma¨ßigen Behandlung des Stoffes die Unsummen von Parallelen ergeben werden, die beleuchtend in das Mittelalter zuru¨ckreichen und von dort wiederum in einer Art natu¨rlichen Recognoszierens auch die Neuzeit treffen und zu deren Behandlung auffordern. Ich nehme also an, daß die Weiterfu¨hrung Ihrer Geschichte in der Allg. Staatengeschichte eine abgemachte Sache ist, unter dem Vorbehalt, Ihnen spa¨ter auch von der Zustimmung von Perthes noch formell Mittheilung zu machen. Wie sehr die Behandlung der neueren Geschichte lohnt und mittelalterlich historisches Denken erweitert, bin ich jetzt selbst zu sehen in der Lage, wo ich an dem 2. Erga¨nzungsbande meiner D[eutschen] G[eschichte] arbeite. Freilich, der Stoff wa¨chst fu¨r die neuere Zeit ins Ungeheuerliche, und die Bearbeitung z. B. der agrarischen Fragen u¨ber ein so weites Gebiet hin, wie es das deutsche Volksthum besetzt ha¨lt, ist auch eine in der Composition u¨beraus schwer zu lo¨sende Aufgabe. Indessen darf dem Historiker schließlich auf seinem eigensten Gebiete nichts unmo¨glich erscheinen. – Haben Sie die Recension Lichtenbergs u¨ber mein Buch in Revue de synthe`se historique gelesen?571 Ich bin ja sehr glu¨cklich u¨ber sie, aber ich begreife nicht, warum fortwa¨hrend von einer Ku¨hnheit des Unternehmens gegenu¨ber Aufgaben gesprochen wird, deren Lo¨sung doch nun einmal den eigentlichsten Herrscherbereich des Historikers umfasst. Was sollen wir denn mit universalgeschichtlichen Problemen thun, wenn wir hier schon zuru¨ckschrecken?

571 Henri

Lichtenberger, Les dehors de l’e`re moderne en Allemagne d’apre`s M. K. Lamprecht, in: Revue de synthe`se historique 15 (1907), S. 179–188.

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Nr. 177

Leipzig, 1. Aug. 1902

Von Hansen habe ich lange nichts geho¨rt. Doch hoffe ich, ihn Mitte October, zu welcher Zeit man mir am Rhein einige Vortra¨ge angeboten hat, sehen zu ko¨nnen, vielleicht auch schon Ende September, wo die Versammlung des Gesamtvereins deutscher Geschichtsvereine zu einer Rheinreise einladet. Wa¨hrend des August mo¨chte ich in den Schwarzwald gehen, um dort womo¨glich mit einer gewissen Familie Stussy aus Paris zusammenzutreffen. Ich bin so glu¨cklich, in Paris mehrere Freunde zu haben und wu¨rde doppelt dankbar sein, wenn ich von Ihnen la¨ngere Zeit hindurch viva voce ho¨ren ko¨nnte. Wohin werden Sie denn gehen? Die Ardennen, von denen Sie mir schreiben, sind groß und fu¨r eine na¨here Angabe hieru¨ber wu¨rde ich dankbar sein. Mit herzlichen Gru¨ßen an Sie u. die Ihrigen Ihr ergebenster Lamprecht

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Leipzig, 1. Aug. 1902572 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Der Verlag Perthes befu¨rwortet eine Fortsetzung der „Belgischen Geschichte“573. – Kommt P. zur Tagung nach Du¨sseldorf im September? – Bislang hat es von belgischer Seite noch keine Reaktion auf die letzte Vero¨ffentlichung L.s gegeben: „Ko¨nnten Sie denn nicht irgendeine Rezension meines letzten Erga¨ngzungsbandes veranlassen?“ Lieber College! In dem Augenblick, wo ich im Begriff bin, von hier aufzubrechen und in den Schwarzwald in die Sommerfrische zu gehen, fa¨llt mir heiß ein, daß ich, wie ich fu¨rchte, vergessen habe, Ihnen u¨ber das Ergebnis meiner Verhandlungen mit Perthes betr. der Aufnahme der ferneren Ba¨nde Ihrer Belgischen Geschichte in die Allgem. Staatengeschichte zu berichten. Das Ergebnis ist natu¨rlich, wie Sie sich denken ko¨nnen, ein positives. Die Firma Perthes wird sehr gern noch die zuna¨chst in Frage kommenden 2 Ba¨nde und auch, wenn Sie das 19. Jahrhundert behandeln, die dann noch in Betracht kommmenden Partien Ihrer Geschichte in den Verlag u¨bernehmen. Wegen der damit nothwendigen vertragsma¨ßigen Verhandlungen wollen Sie die Gu¨te haben, direct mit der Firma Perthes in Verbindung zu treten. 572 [Diktat]. 573 L. spricht stets von der „Belgischen Geschichte“, P. von „Geschichte Belgiens“.

Nr. 178

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Hastie`re, 8. Aug. 1902

Aus ihrer Correspondence ist mir in Erinnerung, als wenn Sie gegen Ende September in Du¨sseldorf zur Tagung des Gesamtvereins deutscher Geschichtsvereine anwesend sein wollten. Ta¨usche ich mich in dieser Annahme? Ich habe meine Zeit jetzt so eingetheilt, daß ich ho¨chstwahrscheinlich um jene Zeit dort sein werde, und da wu¨rde ich mich doppelt freuen, Sie perso¨nlich begru¨ßen zu ko¨nnen. Einstweilen nehmen Sie in zwei Separatabzu¨gen einen Gruß aus der Ferne. Ko¨nnten Sie denn nicht irgendeine Recension meines letzten Erga¨nzungsbandes veranlassen? Bis jetzt hat sich die belgische Publicistik tot geschwiegen. Mit herzlichen Gru¨ßen Ihr

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Lamprecht

Hastie`re, 8. Aug. 1902 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P.s Geschichte Belgiens wird bei Perthes fortgesetzt, die folgenden Ba¨nde werden aber nicht so rasch erscheinen ko¨nnen wie bisher, da sich P. nun in sta¨rkerem Maße erst in die Quellen einarbeiten muss. P. mo¨chte eine Rezension zu L.s Deutscher Geschichte verfassen, da die belgische Kritik sich ansonsten kaum damit befasse, wie wirtschaftliche oder soziale Fragen in Deutschland behandelt werden. Cher colle`gue et ami, Je vous remercie d’avoir parle´ a` la firme Perthes de la possibilite´ de publier la continuation de ma Geschichte Belgiens, et je suis heureux que la proposition soit accepte´e en principe. Je me mettrai directement en rapport a` ce sujet avec cette maison. Il va sans dire que les volumes suivants ne paraıˆtront pas a` des intervalles aussi rapproche´s que les deux premiers, car je vais aborder avec eux, un sujet pour lequel je n’ai qu’une connaissance encore insuffisante des sources, et il est indispensable, pour l’auteur d’une histoire spe´ciale, telle que la mienne, d’avoir vu par lui-meˆme le plus grand nombre possible de documents. J’ai lu avec un vif inte´reˆt les deux e´tudes qui accompagnaient votre lettre. Ces chapıˆtres de´tache´s de la suite de votre Deutsche Geschichte annoncent brillamment ce que sera l’ouvrage. Quant a` votre dernier volume, je comptais en faire un compte-rendu quand le volume suivant aurait paru, pour pouvoir embrasser votre œuvre d’un seul coup d’œil, e´volution intellectuelle comme e´volution e´conomique et sociale. Mais,

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Nr. 179

Leipzig, 9. Dez. 1902

si vous le pre´fe´rez, je parlerai d’abord du premier volume. Je ne crois pas que la critique belge malheureusement s’en occupe beaucoup, le sujet e´tant assez inconnu chez nous ou` la vie contemporaine de l’Allemagne, en dehors des mouvements scientifiques, est passablement ignore´e. Nous sommes a` la campagne dans la valle´e de la Meuse. Le temps est malheureusement e´pouvantable. Je ne pourrai aller a` Dusseldorf, car je compte partir prochainement pour l’Italie. Si toutefois mes plans changeaient, je serais enchante´ de pouvoir vous rencontrer la`-bas, et de ne pas devoir attendre pour vous revoir l’Historikertag de Heidelberg. Je vous souhaite de tout cœur de bonnes vacances. N’allez-vous pas dans la Foreˆt Noire? Votre bien affectueusement de´voue´. H. Pirenne Je rec¸ois a` l’instant la demande de renseignements pour la Staatengeschichte. En ce qui me concerne, il suffit sans doute de dire qu’une continuation de la Geschichte Belgiens de 2 volumes est en pre´paration.

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Leipzig, 9. Dez. 1902574 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Verbreitung der „Belgischen Geschichte“ und der „Deutschen Ge¨ bersetzungen) zeigt den von schichte“ (große Zahl der Auflagen und U Ranke bestrittenen hohen Stellenwert der „Volksgeschichte“. „Aber in demselben Maße fu¨hrte eben die Anschauung, der wir huldigen, zum Begriff der Nationalgeschichte als der untersten Stufe eines ku¨nstlerischen Ausdrucks geschichtlich organischer Auffassung.“ Nach der belgischen und deutschen mu¨ßte nun die franzo¨sische Geschichte aufgearbeitet werden. – Fu¨r seine a¨lteste Tochter sucht L. nach einem passenden Pensionat in Paris und bittet P. um Informationen fu¨r eine geeignete Auswahl. Lieber Freund! Schon seit einer Woche wenigstens hatte ich die Absicht, Ihnen auf Ihre freundlichen Zeilen zu antworten, um Ihnen herzlichsten Dank zu sagen ¨ bersetzung Ihrer Belgischen Geschichte. fu¨r die weitere Zusendung der U Sie ko¨nnen sich denken, mit welcher Freude ich die beiden neuen Ba¨nde 574 [Diktat].

Nr. 179

Leipzig, 9. Dez. 1902

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¨ bersetzung bei meinen namentlich auch der ersten der vlamischen U pra¨chtigen vlamischen Erinnerungen entgegengenommen habe. Von Herzen gratuliere ich Ihnen zu Ihrem großen Erfolge und noch mehr zu der nun feststehenden und hoffentlich der Allgemeinen Staatengeschichte an erster Stelle zugute kommenden Absicht, Ihre Belgische Geschichte bis zur Gegenwart fortzufu¨hren. Nationalgeschichten schreiben zu wollen war ja freilich vor 10 – 20 Jahren ein wenigstens nach deutschen Begriffen sehr aussichtsloses und jedes Trostes entbehrendes Unternehmen, denn seit Ranke stand als Axiom fest, daß eine Volksgeschichte Unsinn sei ganz im Gegensatz zu dem lebendigen Dra¨ngen unserer großen Geister der zweiten Ha¨lfte des Jahrhunderts, namentlich Herders, im Hinblick auf Nationalgeschichte. Natu¨rlich hatte Ranke mit seiner Antipathie instinctiv das seiner Geschichtsanschauung durchaus Entsprechende getroffen. Aber in demselben Maße fu¨hrte eben die Anschauung, der wir huldigen, zum Begriff der Nationalgeschichte als der untersten Stufe eines ku¨nstlerischen Ausdrucks geschichtlich organischer Auffassung hin. In diesem Zusammenhange liegt, so glaube ich, abgesehen von Ihren perso¨nlichen Verdiensten, die ich auf das lebhafteste wu¨rdige, das Geheimniss des Erfolges Ihrer Geschichte und der modernen Nationalgeschichte u¨berhaupt. Ich darf Ihnen in der Beziehung vielleicht mittheilen, daß auch ich mit dem buchha¨ndlerischen Erfolge meines Buches sehr zufrieden sein kann. Die Auflage meiner einzelnen Ba¨nde betra¨gt 2.000, in einem einzelnen Falle auch noch mehr, und Sie ko¨nnen sich nach der Zahl der einzelnen Auflagen den Absatz ausrechnen. Von dem zuletzt erschienenen Erga¨nzungsbande sind binnen 3/4 Jahr u¨ber 3.000 Exemplare abgesetzt worden. Was ich wu¨nschen mo¨chte, wa¨re, daß sich auch fu¨r Frankreichs Inland Jemand fa¨nde, der ungefa¨hr vom Standpunkt und Niveau unseres Denkens aus die franzo¨sische Geschichte behandelt. Denn soweit ich sehe, wu¨rde sich keine Nationalgeschichte gla¨nzender, einfacher und in ho¨herem ku¨nstlerischem Aufbau dieser Auffassung fu¨gen, als eben die franzo¨sische. Schon die Thatsache des zunehmenden einen Zentrums wa¨re in dieser Richtung von unscha¨tzbarer Bedeutung. Reichen Ihre Verbindungen in Frankreich nicht soweit, um auf diesen Zusammenhang einmal aufmerksam zu machen? Ich bin jetzt mit dem Satz und Druck der ersten Ha¨lfte des zweiten Erga¨nzungsbandes bescha¨ftigt, der etwa 24 Bogen umfassen und, wie ich hoffe, gegen Ende des Semesters erscheinen wird. Die ersten Partien dieses Bandes, der vornehmlich die Wirtschaftsgeschichte umfaßt, haben mir außerordentliche Schwierigkeiten gemacht. Sie entfalten, soviel ich sehe,

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Nr. 180

Gent, 21. Dez. 1902

eine neue und erste psychologische Theorie der Wirtschaftsstufen. Interessiert Sie die Sache zur Genu¨ge, so bin ich gerne bereit, Ihnen nach vo¨lliger Constituierung des Textes letzte Revisions- oder Ausha¨ngebogen zugehen zu lassen. Das von mir herausgegebene neue Sammelwerk, von dem Sie geho¨rt haben, ist weiter nichts, als eine bescheidene Zusammenstellung der von meinem Seminar ausgehenden Dissertationen. Es hat dementsprechend in den beiden ersten Heften, die bisher erschienen sind, keinerlei Bedeutung, ko¨nnten Sie vielmehr eventuell erst erhalten, wenn eine Anzahl von Heften vorla¨ge, welche die gemeinsamen Fa¨den, welche alle Hefte durchziehen, aufdecken und im Stande sein wu¨rden, den quantitativen Umfang der hier betriebenen Studien zu vergegenwa¨rtigen. Ist die Sache einmal soweit, dann werde ich mich außerordentlich freuen, von Ihrem freundlichen Anerbieten, die Sammlung in Belgien zu besprechen, Gebrauch zu machen. Bei uns steht jetzt alles wohl, namentlich den Kindern geht es vorzu¨glich. Wir sind jetzt wegen der a¨ltesten, die Ostern confirmiert werden wird, auf der Suche nach einem Pensionat in der Na¨he von Paris, in das ich Sie auf etwa ein halbes Jahr oder noch la¨nger bringen mo¨chte. Natu¨rlich mu¨ßte es ein protestantisches sein. Wir haben an Neuilly gedacht und aus den uns von dort zugegangenen Adressen namentlich das Institut eines Fra¨ulein Petter ins Auge gefasst. Sollten Ihnen es Ihre zahlreichen Verbindungen in Paris ermo¨glichen, u¨ber dieses Institut Erkundigungen einzuziehen, so wu¨rde ich Ihnen u¨beraus dankbar sein. Mit herzlichen Gru¨ßen an Sie und die Ihrigen Ihr ergebenster

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Lamprecht Gent, 21. Dez. 1902

Henri Pirenne an Karl Lamprecht Das Ma¨dchenpensionat, nach dem L. sich erkundigt hat, ist P. nicht bekannt. Fu¨r die Staatengeschichte ku¨ndigt P. an, sich in Paris nach einem Autor fu¨r eine Geschichte Frankreichs zu erkundigen. Cher colle`gue et ami, De`s la re´ception de votre lettre je me suis adresse´ a` mon ami M. Ch. Be´mont, professeur a` l’E´cole des Hautes E´tudes a` Paris575, pour lui 575 Charles Be´mont (1848–1939), Archivar u. Pala¨ograph, ab 1887 Prof. an der Ecole des

hautes e´tudes. Seit der Begru¨ndung (1876) Chefredakteur, von 1907 bis zu seinem Tod Mitherausgeber der Revue historique.

Nr. 181

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Gent, 30. Dez. 1902

demander s’il connaissait la pension de Mlle. Pether a` Neuilly. M. Be´mont est protestant et tre`s au courant des institutions protestantes de Paris. Il vient de me re´pondre que le pensionnat de Mlle Pether lui e´tait inconnu. Vous verrez par sa carte qu’il parle d’un autre e´tablissement dont il dit beaucoup de bien. J’ai cru que ces renseignements pourraient vous eˆtre utiles et je vous les communique a` tout hasard. Je vous remercie pour votre bonne et longue lettre. Je suis heureux d’apprendre que votre second volume comple´mentaire va bientoˆt paraıˆtre. Ce que vous me dites de la classification nouvelle des degre´s de de´veloppement e´conomique que vous y exposez pique au plus haut point ma curiosite´. Quant a` la continuation de mon histoire de Belgique, j’e´cris aujourd’hui a` Perthes a` ce sujet. Je crois comme vous qu’une histoire de France se preˆterait particulie`rement bien a` un expose´ synthe´tique tel que nous le comprenons. Nulle part, en effet, l’unite´ du de´veloppement national n’est aussi grande que dans ce pays. Je chercherai a` trouver un collaborateur a` Paris pour traiter ce sujet dans la Staatengeschichte. Mais la chose ne sera pas tre`s aise´e. Croyez, cher colle`gue et ami, a` mes sentiments les plus affectueusement de´voue´s. H. Pirenne

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Gent, 30. Dez. 1902 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. u¨bersendet die besten Wu¨nsche fu¨r das neue Jahr und unterrichtet L. u¨ber seine Korrespondenz mit Perthes. Recevez, cher colle`gue et ami, pour vous et pour tous les voˆtres, mes vœux les meilleurs et les plus affectueux pour l’anne´e qui commence. Je vous souhaite de tout cœur une sante´ parfaite et un robuste travail. – J’espe`re que vous avez bien rec¸u les renseignements de M. Be´mont a` propos de Passy. J’ai e´crit a` Perthes, a` propos de la continuation de la Geschichte Belgiens, mais n’ai pas encore rec¸u la re´ponse. Je vous serre la main en toute amitie´ et reste votre since`rement de´voue´. H. Pirenne

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Nr. 182

Leipzig, 8. Jan. 1903

182

Leipzig, 8. Jan. 1903 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Dank fu¨r die Bemu¨hungen P.s um Informationen zu Ma¨dchenpensionaten in Paris. – Die franzo¨sische Geschichte sollte im Rahmen der „Allgemeinen Staatengeschichte“ unbedingt bearbeitet werden. – Wird P. zum Heidelberger Historikertag kommen? L. ist unschlu¨ssig, dort „die historische Judengarde des Reiches“ zu treffen. Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihre lieben letzten Zeilen und die Pariser Auskunft, die ich anbei zuru¨cksende. Herr Be´mont ist in diesem Falle doch ein Fachmann: die Pension der Mlle Petter besteht, Neuilly, Villa de Minzier, Boulevard d’Argenson. Ich werde, soviel steht fest, nach Paris gehen, um mich noch umzuthun. Von Perthes haben Sie inzwischen hoffentlich Antwort erhalten. Ich wu¨rde sonst, wenn Sie dies wu¨nschen, P[erthes] ein wenig treiben. Mit der Staatengeschichte geht es im Uebrigen auch flott vorwa¨rts; namentlich die allgemeine Abteilung ist zu fo¨rdern. Wenn es aber gela¨nge, Jemand fu¨r eine eingehende franzo¨sische Geschichte in unserem Sinne zu finden, so wa¨re das viel wert. Auch ein Teil, z. B. die Behandlung der neuesten Zeit in Fortsetzung von Hildebrandt576, wu¨rde schon angenehm sein. Wird man Sie zum Historikertag in Heidelberg sehen? Ich weiß noch nicht, ob ich hingehe und die historische Judengarde[?] des Reiches (Straßburg: Breslau577, Spahn578 der auch von ju¨dischen Ahnen stammen soll; Freiburg: Dove579, Simson580; Heidelberg, Marcks581) begru¨ßen. Soviel ist sicher, daß ich froh bin, meinen Juden (Marcks) los geworden zu sein. Daß Seeliger hier bleibt, wissen Sie wohl schon; ich denke, wir kommen nun endlich wieder zum ruhigen Betrieb unserer Gescha¨fte. 576 Vgl. Karl Hillebrand, Geschichte Frankreichs von der Thronbesteigung Louis Phil-

ippe‘s bis zum Falle Napoleons III. 2 Bde. Gotha 1877–79.

577 Harry Bresslau (1848–1926). Nach der Habil. (1872) an der Universita¨t Berlin a. o. Prof.

(1877), o. Prof. der Geschichte an der Universita¨t Straßburg (1890). 578 Johann Martin Spahn (1875–1945). Habil. (1898) an der Universita¨t Bonn fu¨r neuere

Geschichte, o. Prof. an der Universita¨t Straßburg (1901) und Ko¨ln (1920).

579 Alfred Dove (1844–1916). Publizistische und wiss. Laufbahn, o. Prof. fu¨r neuere

Geschichte an den Universita¨ten Breslau (1879), Bonn (1884) und Freiburg (1897). 580 Bernhard v. Simson (1840–1916). O. Prof. der Geschichte in Freiburg (1877–1905). 581 Erich Marcks (1861–1938), Habil. in Berlin (1887), Professuren u. a. Freiburg i. Br.

(1892–1894), Leipzig (1894–1901), Heidelberg (1901–1907), zuletzt Berlin (1922–1928).

Nr. 184

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Leipzig, 21. April 1903

Ko¨nnten Sie mir wohl eine Adresse fu¨r gute Photographien von Damme und dem Kanal Bru¨gge-Damme angeben? Ich habe demna¨chst in einem Professorenball – dem man nach alter komischer Sitte einen Vortrag vorangehen la¨sst – zu reden & will u¨ber Damme-Bru¨gge & Wisby sprechen. Von Bru¨gge brauche ich dringends Anschauungsmatterial. Von meinem Buche582 hoffe ich, Ihnen demna¨chst Ausha¨ngebogen senden zu ko¨nnen. Mit herzlichen Gru¨ßen allseits Ihr

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Lamprecht

Gent, 12. Jan. 1903 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Fotografien der Stadt Damme, die sich L. gewu¨nscht hatte, sind nicht erha¨ltlich. P. u¨bersendet stattdessen andere Stadtansichten sowie Postkarten. Cher ami, Il n’existe pas, dans le commerce, des photographies de Damme. Il faudrait les faire exe´cuter spe´cialement. Je m’en chargerai si vous le de´sirez. En attendant, je vous envoie quelques cartes postales qui vous inte´resseront peut-eˆtre. J’y ai joint deux vues de Sluus [sic], dont le port forme l’aboutissement du canal de Bruges. Votre tout de´voue´ H. Pirenne

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Leipzig, 21. April 1903583 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Diskussionen auf dem Heidelberger Historikertag, wo sich eine ¨ berlegenheit“ von L.s „methodologischen Ausfu¨hrun„unbestreitbare U gen“ ergab, ko¨nnten sich auf die weitere Beurteilung der Erga¨nzungsba¨nde zur Deutschen Geschichte vielleicht negativ auswirken. – Erfahrungen einer kurzen Italienreise.

582 D. i. K. Lamprecht, Deutsche Geschichte. Erga¨nzungsband II, 1. Ha¨lfte. 583 [Diktat].

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Leipzig, 21. April 1903

Nr. 184

Lieber Herr College! Beim Durchgehen meiner Briefe stoße ich auf Ihre lieben Zeilen vom 8. April und erschrecke, sie noch immer nicht beantwortet zu haben. Wie wird es Ihnen inzwischen ergangen sein? Hoffentlich hat Ihr [unleserlich] Ihnen inzwischen Valet gegeben und Sie stehen nun von neuem ru¨stig auf dem Katheder der Genter Historie. Wenn gute Wu¨nsche etwas dazu haben beitragen ko¨nnen, Sie wieder in diese Position zu bringen, so zweifle ich nicht, daß Sie wieder ganz frisch und gesund sind. In Heidelberg auf dem Historikertage584 habe ich Sie recht vermißt, nicht bloß als Freund, sondern auch als Vertreter Belgiens. Wir Deutschen waren diesmal so ganz unter uns und auch unter uns waren die Oesterreicher ¨ brigen waren die Verund Schweizer nur ganz spa¨rlich vertreten.585 Im U handlungen, wie ich glaube, reichhaltig und fu¨r mich in hohem Grade amu¨sant. Denn auf dem Gebiete der Methodologie ergab sich eine in dieser Du¨rftigkeit auch von mir nicht erwartete Impotenz der Gegner, freilich damit auch zugleich ein Zustand, der einen raschen Fortschritt zum besseren schwerlich erwarten la¨ßt. Einige Zeit vor der Heidelberger Versammlung bin ich in Venedig und auf der Terra ferma gewesen und habe damit flu¨chtig zum ersten Mal ein Kulturzentrum gestreift, das mir bisher unbekannt war. Leise Wu¨nsche, ku¨nftig einmal vergleichende Forschungen u¨ber Verfallskulturen anzustellen, haben mich dorthin gezogen und ich bin reich belohnt. Jetzt sitze ich an der zweiten Ha¨lfte des Erga¨nzungsbandes meiner Deutschen Geschichte und hoffe, sie bis Pfingsten im Manuskript abschließen zu ko¨nnen, so daß, wie ich denke, dieses Theil im Spa¨therbst wird erscheinen ko¨nnen. Inzwischen beginnt so leise die Meinungsa¨ußerung u¨ber den eben erschienenen Band586 und ich kann mit den ersten Besprechungen in hohem Grade zufrieden sein. Indessen, ich ¨ berlegenheit, die sich fu¨r meine zweifle nicht, daß die unbestreitbare U methodologischen Ausfu¨hrungen in Heidelberg ergab, nun Verstimmungen hervorgerufen haben wird, welche auf die Beurteilung meines Buches abfa¨rben werden. Nun, ich denke mit Bismark: Nescio quid mihi maius farcimentum sit. Mit herzlichen Gru¨ßen Ihr ergebenster

Lamprecht

584 Historikertag in Heidelberg vom 14. –18. April 1903. 585 Vgl. Verzeichnis der Teilnehmer an der siebenten Versammlung deutscher Historiker.

In: Bericht u¨ber die siebente Versammlung deutscher Historiker zu Heidelberg. Leipzig 1903, S. 49–53. Mo¨glicherweise war das internationale Interesse auch gering, da bereits kurz zuvor der von April 1902 auf den 2. - 9. April 1903 verschobene 2. internationale Historikerkongreß in Rom stattfand. Vgl. Literarisches Centralblatt 53 (1902), Sp. 212, 508, 1510. 586 Karl Lamprecht, Deutsche Geschichte. Erga¨nzungsband II, 1. Ha¨lfte.

Nr. 185

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Leipzig, 3. Aug. 1903

Leipzig, 3. Aug. 1903587 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. bereitet einen Aufenthalt in der Schweiz und in Italien (Sept./Okt.) vor. – In Ku¨rze wird auch der letzte Teil der „Erga¨nzungsba¨nde“ der „Deutschen Geschichte“ erscheinen; ko¨nnte P. eine Rezension aller Ba¨nde veranlassen? „Meine lieben Freunde ... sind jetzt auf den schlauen Einfall gekommen, mich als einen Aphoristen abzustempeln. Dagegen mo¨chte ich doch von Seiten irgend eines vernu¨nftigen Menschen protestiert sehen.“ Lieber Freund! Scho¨nen Dank fu¨r die freundliche Uebersendung Ihres Rapports betreffend die Stellung der Archive zur historischen Demographie588. Ich habe ihn mit dem allergro¨ßten Interesse gelesen und freue mich, daß durch Sie die schwierigen Probleme auf diesem Gebiete gefo¨rdert worden sind, wenn ich auch perso¨nlich jetzt in Arbeiten stecke, die von demographischen mo¨glichst weit entfernt sind, na¨mlich in Problemen der Entwicklung der Fro¨mmigkeit. Daneben habe ich fu¨r eine italienische Reise, die mich im September und October nach Florenz und Rom fu¨hren soll, viel zu thun und zu alle dem ist noch ein Theil des Erga¨nzungsbandes, der leider bis auf beinahe 50 Bogen angeschwollen ist, zu corrigieren. Unter diesen Umsta¨nden will ich froh sein, wenn ich in etwa 8 Tagen Leipzig zuna¨chst fu¨r einen Aufenthalt in der Schweiz verlassen kann. Wie steht es denn mit Ihnen dieses Jahr, wohin wollen Sie gehen? Die Ausgabe des neuen Erga¨nzungsbandes meiner Deutschen Geschichte wird dies Mal in die Ferien fallen und so darf ich Ihnen fu¨r den September wohl jetzt schon diesen Band, der vornehmlich politische Geschichte enthalten wird, anku¨ndigen und daran die Bitte knu¨pfen, es mo¨chte Ihnen mo¨glich sein, eine Recension nicht bloß dieses Bandes, sondern der gesamten drei Erga¨nzungsba¨nde, die aufs innigste mit einander zusammenha¨ngen, zu veranlassen. Meine lieben Freunde, die einige Jahre hindurch mir gegenu¨ber das System des Todtschweigens geu¨bt haben, sind jetzt auf den schlauen Einfall gekommen, mich als einen Aphoristen abzustempeln. Dagegen mo¨chte ich doch von Seiten irgend eines vernu¨nftigen Menschen protestiert sehen. 587 [ms.]. 588 Henri Pirenne, Les archives au point de vue de la de´mographie historique. Rapport au

congre`s international d’hygie`ne et de de´mographie. Bru¨ssel 1903, S. 1–15.

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Nr. 186

Leipzig, 27. Okt. 1903

In Ihren ha¨uslichen Verha¨ltnissen steht hoffentlich doch Alles wohl. Ich fu¨r meinen Theil bin jetzt Strohwittwer, die Kinder sitzen mit Frau Bruch schon seit einiger Zeit im Thu¨ringischen. Von dort hoffe ich sie in einigen Tagen abholen zu ko¨nnen. Mit herzlichen Gru¨ssen Ihr ergebenster

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Lamprecht Leipzig, 27. Okt. 1903589

Karl Lamprecht an Henri Pirenne Eine o¨ffentliche Anerkennung aus Belgien hat fu¨r L. eine große Bedeutung, da sich in Leipzig „eine hartna¨ckige und erbitterte Opposition gegen mein Dasein und Wirken“ entwickelt hat. – Eine ausgedehnte Reise fu¨hrte L. nach Rom und Florenz, fu¨r das na¨chste Jahr wird er einer Einladung nach St. Louis folgen und etwa 3 Monate in U¨bersee verbringen. Verehrter und lieber Freund! Sie ko¨nnen denken, wie sehr mich Ihre Nachricht vom 23. October bewegt hat.590 Ist auch in der allgemeinen Stimmung und in der o¨ffentlichen Meinung in Deutschland eine gewisse Kla¨rung u¨ber das, was ich will und bin, eingetreten, so erhebt sich doch auf der anderen Seite hier in Leipzig da, wo sie nicht von der Oeffentlichkeit controlliert wird und controlliert werden kann, eine hartna¨ckige und erbitterte Opposition gegen mein Dasein und mein Wirken. Mir kommt dieser Verlauf nicht unerwartet, schon vor 10 Jahren habe ich ihn nach Analogie anderer Toleranzstreite vorausgesagt. Wie sehr aber unter diesen Verha¨ltnissen eine Anerkennung, die von außen kommt, nicht bloß Gegenstand herzlicher Freude, sondern eine wirkliche Unterstu¨tzung sein kann, werden sie begreifen. Also gleich viel, wie die Dinge sich weiter entwickeln mo¨gen, herzlichen Dank. Die Notizen, welche Sie zu haben wu¨nschen, schicke ich anbei. Ich habe dabei die kleineren Arbeiten allerdings nur bis zum Jahre 1890 notirt, bis zu welcher Zeit ich eine Liste hatte, die gelegentlich meiner Berufung nach Marburg aufzustellen war. Von da an sind nur noch Erscheinungsjahr der Deutschen Geschichte und ihrer einzelnen Auflagen angegeben sowie eine schon gedruckte Uebersicht u¨ber die 589 [ms.]. 590 P. hatte die Initiative ergriffen und L. als Mitglied der Acade´mie royale de Belgique vor-

geschlagen, der P. seit 1898 (ordentliches Mitglied seit dem 20. Mai 1903) angeho¨rte. Vgl. oben Nr. 168, 10. Mai 1901 und unten Nr. 187.

Nr. 186

Leipzig, 27. Okt. 1903

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gelegentlich der Deutschen Geschichte zu Tage getretene methodologische Literatur beigefu¨gt. Sollten Sie finden, daß diese Notizen nicht genu¨gen, so bitte ich um Nachricht, um Weiteres beizufu¨gen. Vor etwa 10 Tagen, als ich durch Belgien, freilich nur durch Lu¨ttich fuhr, habe ich lebhaft an Sie gedacht. Wie gern wu¨rde ich mit Ihnen wieder einmal auf mehr als eine flu¨chtige Stunde zusammengekommen sein! Fu¨r mich war die Fahrt der Abschluß einer la¨ngeren Reise, die mich zum ersten Mal nach Florenz und Rom gebracht hat. In jedem dieser Centren konnte ich 3 Wochen verleben und ich brauche Ihnen als Kenner der Dinge nicht zu sagen, wieviel diese 6 Wochen fu¨r mich gewesen sind. Freilich trotz aller Intensita¨t des Arbeitens und Sehens doch nur flu¨chtige Eindru¨cke und das Ganze nur eine Recognoscirungsfahrt, der spa¨ter erst eine intime Kenntnis folgen kann. Meinen soldo, der mir nach altem Aberglauben die Ru¨ckkehr nach Rom verbu¨rgen soll, habe ich mit wirklicher Andacht in die Fontana Trevi geworfen. Na¨chstes Jahr freilich geht die Fahrt nach ganz anderer Richtung. Ich geho¨re zu denjenigen Leuten, die nach St. Louis eingeladen sind und da ich, soweit ich bisher die Liste u¨bersehen kann, sicherlich der einzige deutsche, vielleicht der einzige continentale Historiker bin, der hingeht, so werde ich das mit besonderem Eifer und unter genauer Vorbereitung thun.591 Ich gedenke dann auch etwa 3 Monate in den Vereinigten Staaten zu bleiben. Das alles sto¨rt nun freilich einigermaßen den Fortschritt meiner Deutschen Geschichte und fu¨hrt vielfach schon ins Universalgeschichtliche hinu¨ber, das ich erst spa¨ter eingehender zu behandeln vorhabe. Allein nach Lage der Dinge la¨ßt sich das nun einmal nicht a¨ndern. In Ko¨ln habe ich u¨brigens auch Hansen gesehen, der sich sehr wohl fu¨hlt und im Winter die Biographie Mevissens abzuschliessen beabsichtigt, ein Buch, von dem ich mir ungemein viel verspreche.592 Schließlich noch eine gescha¨ftliche Anfrage. Es ist jetzt die Zeit, wo wiederum, wie allja¨hrlich u¨ber die Fortschritte der Allgemeinen Staatengeschichte zu berichten ist. Darf ich Sie wohl bitten, mir mit einigen Worten anzugeben, wie jetzt der Stand Ihrer Arbeiten in der Belgischen Geschichte sich darstellt? Mit herzlichem Gruße und nochmaligem Danke Ihr ergebenster

Lamprecht

591 L. erhielt eine Einladung zum Congress of Science and Art, terminiert fu¨r September

1904 im Rahmen der Weltausstellung in St. Louis. Vgl. Sch-Sch., S. 295 und Chickering, S. 345ff. 592 Joseph Hansen, Gustav von Mevissen. Ein rheinisches Lebensbild 1815–1899. 2. Bde. Berlin 1906.

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Nr. 187

Gent, 8. Nov. 1903

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Gent, 8. Nov. 1903 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

L. ist als Mitglied der Belgischen Akademie der Wissenschaften angenommen worden, das offizielle Ernennungsprozedere wird sich allerdings noch eine Weile hinziehen. Die Arbeit am dritten Band der Geschichte Belgiens wird noch mindestens zwei Jahre dauern, da es außer im Bereich der politischen Geschichte kaum Vorarbeiten gibt und P. sich versta¨rkt mit Archivdokumenten auseinandersetzen muss. Cher colle`gue et ami, Je suis tre`s heureux que votre pre´sentation d’associe´ a` notre acade´mie vous ait e´te´ agre´able.593 Elle n’est qu’un hommage le´gitime rendu a` vos travaux. J’ai bien rec¸u la bibliographie que vous m’avez envoye´e et qui est de`s maintenant imprime´e et distribue´e aux membres. D’apre`s les traditions de l’acade´mie, la nomination n’a lieu en ge´ne´ral, qu’apre`s un double vote et il n’est donc pas probable qu’elle se fasse de`s cette anne´e. Monod, qui a de´ja` e´te´ pre´sente´ l’anne´e dernie`re, n’est pas encore nomme´, et l’on suit habituellement l’ordre des pre´sentations. Je crois devoir vous avertir pour que vous ne vous e´tonniez pas des lenteurs de la proce´dure. J’ai rec¸u votre nouveau volume il y a quelques jours. Je n’ai pas pu encore en commencer la lecture. Je veux pouvoir disposer de quelque temps pour la faire a` l’aise et avec fruit. Voici les renseignements demande´s pour le tome III de la Geschichte Belgiens. J’en suis encore a` l’e´tude des sources et il n’est pas probable que le manuscrit soit preˆt avant deux ans. Ce 3e volume ira de la fin du XVe sie`cle a` la prise d’Anvers par Alexandre Farne`se. La difficulte´ pour moi re´side dans le petit nombre des travaux relatifs aux phe´nome`nes sociaux que pre´sente l’histoire des Pays-Bas au XVIe sie`cle. On a e´norme´ment e´crit sur l’histoire politique de cette e´poque, mais le reste est tout a` fait ne´glige´, si bien que pour plusieurs questions, je suis force´ de me reporter aux documents d’archives, ce qui complique naturellement le travail. – La traduction flamande du tome II paraıˆtra au commencement de 1904. Croyez, cher colle`gue et ami, a` mes sentiments les plus affectueusement de´voue´s. H. Pirenne

593 Vgl. oben Anm. 590.

Nr. 188

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Leipzig, 20. Jan. 1904

Leipzig, 20. Jan. 1904594 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Neujahrsgruß. – Anerkennung L.s im Ausland korrespondiert mit einer „Scha¨tzung im Inland“, die allerdings nicht von den „engeren Fachgenos¨ ber „Sympathien und Antipathien“ versucht L. sich hinsen“ ausgeht. U wegzusetzen und stattdessen seine wissenschaftliche Arbeit weiter voranzutreiben. Lieber Freund! Gegen Schluß der Weihnachtsferien war ich, seit einigen Jahren u¨brigens zum ersten Mal wieder, in Berlin und so ist es gekommen, daß ich, ohne meinen Neujahresverpflichtungen gerecht zu werden, hier zuru¨ckgekehrt in den Strudel des Semesters gerissen bin und Ihnen noch nicht einmal fu¨r Ihre so liebenswu¨rdigen Worte aus dem Ende des vorigen Jahres gedankt habe. Geben Sie mir unter diesen Umsta¨nden auch jetzt noch die Erlaubniss, Ihnen fu¨r das neue Jahr herzlich Glu¨ck zu wu¨nschen und Ihrer weit verzweigten Familie u¨berhaupt. Was Sie mir von der belgischen Academie schreiben, erfreut mich von Herzen. Ihre ganze Initiative ist mir umso werthvoller, als sie wohl das erste entschiedene Zeichen eines Umschwungs wenigstens der o¨ffentlichen Meinung des Auslandes mir gegenu¨ber war. Dazu ist jetzt mehr oder weniger auch die Scha¨tzung im Inland gekommen, freilich abgesehen von den engeren Fachgenossen, welche – ich darf es nach ganz bestimmten Vorga¨ngen zuna¨chst hier in Leipzig wohl aussprechen – vor allem ein Gefu¨hl des Neides und der Intoleranz verhindert, mich ruhig einzurangieren und mich meines Wegs trotten zu lassen. Im Uebrigen bin ich innerlich so weit, daß ich mich durch Sympathien und Antipathien wenig hindern lasse und weiß, daß die beste Art der Freundschaftsbezeigung wie der Gegnerschaft das Fortarbeiten am eigenen Werke ist. Mo¨chte es mir mo¨glich sein, Ihnen im Laufe dieses Jahres noch Band VI und wenigstens die erste Ha¨lfte von Band VII des Hauptwerkes der Deutschen Geschichte zu u¨berreichen. Innerlich bin ich etwa bis 1750 fertig und auch der Rest bietet nach eingehender Bearbeitung der Gegenwart fu¨r mich nicht eigentlich mehr große Probleme. In dieser Richtung strecke ich mich vielmehr von Monat zu Monat mehr vergleichenden universalgeschichtlichen Studien entgegen, die ich in einigen Jahren nach Abschluß der Deutschen Geschichte aufnehmen 594 [ms.].

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Nr. 189

Leipzig, 27. Febr. 1904

mo¨chte, und ich hoffe, daß in dieser Richtung schon die Einladung nach St. Louis und ein damit verknu¨pfter la¨ngerer Aufenthalt in den Vereinigten Staaten fu¨r mich von Nutzen sein wird.595 Mit herzlichen Gru¨ssen

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Ihr Lamprecht

Leipzig, 27. Febr. 1904596 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Vorbereitungen der Amerika-Passage. – Von L. „Deutscher Geschichte“ werden in diesem Jahr zwei neue Ba¨nde und drei Ba¨nde in neuer Auflage erscheinen. Lieber Freund! Heute eine kurze gescha¨ftliche Anfrage. Ich muß jetzt meine Reise nach den Vereinigten Staaten vorbereiten und vor allen Dingen fu¨r etwa den 30. Juli, wo ich hier frei sein werde, ein Schiff nach New York finden. Nun habe ich unter den verschiedenen Prospecten, die mir zugeschickt worden sind, auch einen solchen der Red Star Line bekommen, und soweit ich sehen kann, wu¨rden mir deren Bedingungen im Allgemeinen am besten behagen. Nur weiß ich nicht, bis zu welchem Grade die Linie zuverla¨ssig ist und in welchem Maße die Dampfer Vaaderland und Zeeland, die hier zuna¨chst in Frage kommen wu¨rden, als gut gelten. Bei der Na¨he Gents von Antwerpen nehme ich an, daß Sie vielleicht in der Lage sind, sich u¨ber diesen Punkt informiren zu ko¨nnen und ich wu¨rde Ihnen dankbar sein, wollten Sie mir in dieser Beziehung eine Mittheilung zugehen lassen. Hier geht im Uebrigen Alles gut. Ich sitze im raschen Fortschreiten an meiner Deutschen Geschichte, von der im Laufe dieses Jahres noch 2 neue Ba¨nde und 3 Ba¨nde in neuer Auflage erscheinen werden. Außerdem habe ich soeben das Manuscript fu¨r meine in America zu haltenden Vortra¨ge, die methodologischen Charakters sein werden, vollendet. In den Ostertagen werde ich Belgien passieren, da ich dann meine a¨lteste Tochter nach Neuilly in Pension bringen will. Freilich wird meine Zeit zu kurz bemessen sein, daß ich doch nicht in der Lage sein werde, einen Abstecher nach Gent zu machen. Sollten Sie aber am 3. Osterfeiertage in Verviers sein, so wu¨rde ich immerhin um Benachrichtigung bitten, da ich denke, daß ich 595 Vgl. oben Nr. 186. 596 [ms.].

Nr. 190

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L[eipzig], 12. Mai 1904

an diesem Tage etwa gegen 12 Uhr oder 1 Uhr dort nach Paris passieren werde. Mit herzlichen Gru¨ssen an Sie und die Ihrigen Ihr ergebenster Lamprecht

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L[eipzig], 12. Mai 1904 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Ernennung zum Mitglied der Belgischen Akademie bedeutet fu¨r L. eine wichtige Anerkennung im Ausland, der eine ho¨here Wertscha¨tzung auch im Inland folgen ko¨nnte mit positiven Auswirkungen namentlich fu¨r die Verhandlungen um eine Vergro¨ßerung des Leipziger Seminars. – L.s wissenschaftliche Arbeit geht „flott vorwa¨rts“. – Leider erlaubt die Organisation der bevorstehenden Amerika-Reise keinen Besuch bei P. in Gent. Lieber Freund! Sie ko¨nnen sich denken, wie außerordentlich mich die Ernennung zum Mitglied Ihrer Akademie erfreut hat. Es ist fu¨r mich die erste Ernennung; zudem kann ich ihre Wirkung unter den hiesigen Umsta¨nden besonders brauchen. Ich bin vielleicht fu¨r Ehrungen als solche ziemlich unempfa¨nglich, weil ich zu sehr meinen Aufgaben lebe. Aber diese: welch ein Strom von Begeisterung bei meinen Schu¨lern, wie viele Glu¨ckwu¨nsche und Zuschriften hat sie ausgelo¨st! Und wie gesagt, auch hier erwarte ich einen gu¨nstigen Eindruck. Ich habe jetzt in meiner Seminarabteilung 124 Leute, dafu¨r 17 – sage und schreibe 17 – Pla¨tze, und seit Jahren bohre ich um eine Erweiterung dieser Zahl, die Seeliger um so leichter vereiteln kann, als die Regierung sie, aus Geldmangel, nicht will. Ich werde jetzt der Regierung einfach schreiben, daß, wenn sie nichts thut, ich mir vom na¨chsten Semester ab ein Seminar auf meine Kosten mieten werde. Wir werden sehen, ob es hilft. Doch ich habe sie in diese Sorgen fru¨her nicht eingefu¨hrt; es soll auch jetzt nur voru¨bergehend sein. Genug, daß ich so ziemlich weiß, wie man ein bißchen [Staats?-]grimm auch im 19. [20. !] Jh. erleben kann. Mit meinem Gebiete geht es flott vorwa¨rts. Sie erhalten demna¨chst Bd. VI der Deutschen Geschichte, Bd. VII,1, der die Dinge bis 1750 treibt, kommt gegen Ende des Jahres. Dazu noch ein kleines methodologisches Bu¨chlein, das aus Vortra¨gen entstanden ist, die ich im Herbst in St. Louis und zu dem 150ja¨hrigen Jubilaeum der Columbia-University (New York)

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Nr. 191

Leipzig, 23. Juli 1904

halten soll.597 Es handelt sich dabei namentlich um die psychologische Charakteristik der jeweiligen Ueberga¨nge von einem Kulturzeitalter zum anderen. Und Sie? Wie geht es Ihnen? Wie hatte ich gehofft, mit Ihnen gelegentlich der Abfahrt von Antwerpen einen Tag in Gent plaudern zu ko¨nnen. Nun wird Alles anders. Ich habe mich einer Reisegesellschaft (Bureau [unleserlich]) angeschlossen, die, eigens fu¨r Professoren bestimmt, am 28. Juli abfa¨hrt und u¨ber Canada, Yellowstonepark, SFrancisco am 15. Sept. in St. Louis landet – aber u¨ber Hamburg fa¨hrt. Um so mehr hoffe ich auf ein Zusammensein in Bru¨ssel, im na¨chsten Jahre. Denn sehr gerne wu¨rde ich einmal an einer Sitzung der Akademie teilnehmen. Den scho¨nsten Dank & den scho¨nsten Gruß von Ihrem erg. Lamprecht Fredericq hatte die Gu¨te, mir ein Telegramm zu senden. Ich habe ihm wiedertelegraphiert, aber, da ich seine Bru¨sseler Adresse nicht hatte, erst am anderen Tage nach Gent. An Kurth schreibe ich gelegentlich. Marianne598, jetzt 16 1/2 Jahre alt, ist in Pension in Neuilly & gefa¨llt sich sehr gut.

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Leipzig, 23. Juli 1904599 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. berichtet kurz u¨ber seine Arbeiten und die anstehende Amerika-Reise. Lieber Freund! Eigentlich hatte ich vor, Ihnen zu den beiden Bu¨chern600, die anbei folgen, einen langen und großen Brief zu schreiben u¨ber wissenschaftliche wie perso¨nliche Fragen. Aber ich bin am Schluß dieses Semesters, das ich dadurch zu ku¨rzen habe, daß ich am 26. Juli schon, u¨brigens nicht u¨ber Antwerpen, sondern schließlich doch u¨ber Bremen nach America reise, so außerordentlich mit Gescha¨ften u¨berha¨uft, daß ich kaum zu eingehender Correspondenz gekommen bin noch jetzt kommen werde. Nehmen 597 K. Lamprecht, Moderne Geschichtswissenschaft. Fu¨nf Vortra¨ge. Freiburg 1905 (2. Aufl.

Berlin 1909, 3. Aufl. Berlin 1920); What is history? Five Lectures in the modern science of history, translated from the german by E. A. Andrews. New York 1905. 598 K. Lamprechts a¨lteste Tochter. 599 [ms.] 600 K. Lamprecht, Deutsche Geschichte, Bd. VI und Bd. VII,1.

Nr. 193

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Gent, 26. Febr. 1905

Sie also die beiden Ba¨nde auch ohne ein besonderes empfehlendes Wort freundlich auf und gedenken Sie in Freundschaft Ihres ergebensten

Lamprecht

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Leipzig, Februar 1905 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

[Verlag fordert u¨blichen Jahresbericht zur Allgemeinen Staatengeschichte] Tausend Scho¨ne Gru¨ße!

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Lamprecht

Gent, 26. Febr. 1905 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. stellt den Abschluss des dritten Bandes der Geschichte Belgiens fu¨r den Herbst des Jahres 1905 in Aussicht. Die Arbeit an diesem Projekt sei fu¨r ihn sehr wertvoll gewesen, da es ihm erlaubt habe, u¨ber sein fru¨heres Arbeitsgebiet – die Epoche des Mittelalters – hinauszublicken. Geschichte lasse sich nur u¨ber lange Zeitabschnitte hinweg („a` travers de longues pe´riodes“) verstehen. Cher colle`gue et ami, Voici le renseignement demande´ sur l’avancement de la Geschichte Belgiens t. III. Le manuscrit sera acheve´, sauf maladie, vers le commencement de l’automne, soit, je pense, en octobre. Le volume s’arreˆtera a` l’arrive´e du duc d’Albe dans les Pays-Bas (1567). Deux volumes, ou un fort volume en deux parties seront ne´cessaires pour pousser l’ouvrage jusqu’a` la pe´riode contemporaine. Ce travail m’inte´resse e´norme´ment. Je suis heureux qu’il m’a donne´ l’occasion de sortir du moyen-aˆge ou` j’avais ve´cu presque exclusivement jusqu’ici. On ne comprend l’histoire qu’en la traitant a` travers de longues pe´riodes, et c’est maintenant que m’apparaıˆt comple`tement la justesse d’ide´es que vous avez expose´es plus d’une fois. Il est certain que le sens historique ne s’acquiert que dans l’histoire synthe´tique et qu’il trouve un commencement dans l’histoire universelle.

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Nr. 194

Leipzig, 3. Ma¨rz 1905

J’ai lu avec un tre`s vif inte´reˆt vos derniers volumes. Je leur consacrerai une e´tude d’ensemble de`s que j’aurai acheve´ la re´daction de ce tome III que je ne puis abandonner maintenant qu’elle est commence´e. Ce sont des ouvrages qui peuvent attendre puisqu’ils sont durables. J’ai lu avec joie la [unique] distinction scientifique qui e´tait venue d’Ame´rique, [un] ouvrage que je n’ai [...] de vos impressions [...]601 Mille bonnes amitie´s a` tous les voˆtres, et croyez moi toujours votre de´voue´ et affectionne´. H. Pirenne P. S. J’e´cris a` Perthes pour lui demander, si par de´rogation a` mon contrat avec lui, il ne me permettrait pas de publier l’e´dition franc¸aise du tome III sans devoir attendre comme [...]602

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Leipzig, 3. Ma¨rz 1905 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Eine gleichzeitige Herausgabe der deutschen und franzo¨sischen Ausgabe der „Geschichte Belgiens“ kann auch L. bei Perthes nicht erwirken. – In L.s wissenschaftlicher Arbeit und im Lehrbetrieb nimmt die „Universalgeschichte“ immer breiteren Raum ein. Eine Vortragsreihe in den na¨chsten Wochen wird L. u. a. ins Rheinland fu¨hren. Lieber Freund! In Sachen der franzo¨sischen Ausgabe Ihres Werkes Bd. III habe ich nach Eingang Ihres Briefes sofort an Perthes geschrieben – muß aber jetzt erfahren, daß er noch vor Eingang meines Briefes an ihn Ihnen abschla¨gig geantwortet hat. Ha¨tten Sie mir nur etwas fru¨her geschrieben! Aber Ihre beiden Briefe an Perthes & mich sind vom selben Datum, & so bin ich in Gotha zu spa¨t gekommen. Jetzt la¨ßt sich nun alsbald wohl schwerlich etwas thun, zumal der Verlag Ihren Wu¨nschen ja mo¨glichst entgegen gekommen ist; vielleicht aber kann spa¨ter auf die Sache zuru¨ckgekommen werden.603 601 Der Brief weist an dieser Stelle starke Bescha¨digungen auf. 602 Der Schluß des Briefes fehlt. 603 P. hatte den Verlag gebeten, die Ausgabe der franzo¨sischen U ¨ bersetzung der „Geschichte

Belgiens“ zeitgleich mit der deutschen erscheinen zu lassen. Der Verlag stimmte lediglich einer Verku¨rzung der Sperrfrist von 6 auf 4 Monate zu.

Nr. 195

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Leipzig, 3. Aug. 1905

Ich habe Ihnen schon la¨ngst einmal schreiben wollen, saß aber und sitze noch so tief in americanischer Geschichte, daß ich zu Weitrem so gut wie nicht gekommen bin. Es ist, kulturhistorisch betrachtet, ein endloses und ho¨chst ergreifendes Thema, wenn auch hinter grade den wichtigsten Fragen fu¨r den Historiker der Verzicht voller Lo¨sung steht, weil die Prozesse noch nicht abgelaufen sind. Doch wird es mir immerhin mo¨glich sein, im na¨chsten Winter americanische Geschichte zu lesen. Daneben gehe ich jetzt der Universalgeschichte ordentlich zu Leibe; ¨ bungen u¨ber in diesem Winter habe ich zum ersten Male vergleichende U deutsche und japanische Geschichte gehalten. Es geht ganz gut, & weit besser, als ich dachte; wir haben scho¨ne Ergebnisse erreicht, die, wie ich hoffe, auch in Dissertationen zu Tage treten werden; die Kulturzeitalter bewa¨hren sich als heuristisches Prinzip, & tausend neue & wichtige Einsichten springen auf. Ha¨tte ich nur nicht noch 5 Ba¨nde Deutscher Geschichte am Beine! Von Herzen gratuliere ich Ihnen zu dem raschen Fortschritt der belgischen Geschichte & zu der Freude, die Ihnen das Buch verursacht. Was ist man schließlich ohne solche Vaterfreuden! Und scho¨nen Dank fu¨r Ihren ersten Sonderabzug, zu dessen Lektu¨re ich freilich noch nicht gelangt bin. In den Ferien will ich mich in irgendein Nest mit leidlicher Bibliothek im Westen verkriechen, um an meiner D[eutschen] Geschichte zu arbeiten; vom 13. –17. Ma¨rz habe ich Vortra¨ge in Elberfeld, Dortmund, Aachen (15ten), Barmen & Du¨sseldorf, & Wiedersehen mit alten Freunden, vor allem, hoffe ich, auch mit Hansen. Tausend scho¨ne Gru¨ße an Sie Beide! Ihr ergebenster Lamprecht

195

Leipzig, 3. Aug. 1905604 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Nicht ohne Stolz vermeldet L. den Abschluß der Arbeiten an Bd. 8 der „Deutschen Geschichte“, dessen Bearbeitung mit großen Anstrengungen verbunden war („Ich bin dem beinahe unterlegen“), der aber nach L.s Einscha¨tzung eine „Besta¨tigung der Richtigkeit meiner Geschichtsauffassung“ darstellt. – Lassen die Pla¨ne P.s ein perso¨nliches Treffen mit L. im kommenden Herbst zu?

604 [ms.]

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Nr. 196

Leipzig, 18. Jan. 1906

Lieber Herr College! Noch immer schulde ich Ihnen Dank fu¨r die freundliche Uebersendung Ihrer letzten Arbeit, die ich mir schon in den Academie-Schriften angesehen hatte. Schade, daß ich u¨ber die Zeit des 16. Jahrhunderts in meiner Deutschen Geschichte schon hinaus bin. Wie vieles ha¨tte ich aus den wenigen Bla¨ttern lernen ko¨nnen.605 Auf’s lebhafteste empfinde ich es, Sie seit so langer Zeit nicht gesehen zu haben, und meine Erwartungen gingen eigentlich bestimmt dahin, in diesem Herbste am Rhein zu sein und von da aus auch als dankbares Mitglied der belgischen Academie nach Bru¨ssel kommen zu ko¨nnen. Aber leider sind unsere rheinischen Herbstpla¨ne durch Krankheit in der Familie meines Bruders vernichtet worden. Ich gehe statt nach Westen nach Su¨den, werde zuna¨chst einige Wochen in Tirol zubringen und will dann meine a¨lteste Tochter nach Florenz bringen, um sie dort in eine Pension zu tun. Das wird sich wol mit Ihren Pla¨nen nicht ganz vertragen. Indes, wer weiß, vielleicht geben meine Mitteilungen doch Veranlassung zu irgend einer Zusammenkunft. Ich bin jetzt auf dem Sprunge abzureisen, nachdem ich soeben den 8. Band der Deutschen Geschichte vollendet habe. Eine wunderbar scho¨ne, aber eben so schwere Aufgabe: die 2. Ha¨lfte des 18. Jahrhunderts, die Zeit Herders und Kants, Schillers und Goethes, Mozarts und Beethovens. Ich bin dem beinahe unterlegen. Darf aber jetzt, wo ich das Manuscript vollendet vor mir sehe, doch auch sagen, daß eine u¨berzeugendere Besta¨tigung der Richtigkeit meiner Geschichtsauffassung, wie die, welche durch eine tiefere Darstellung der genannten Zeit gegeben wird, schwerlich wird geliefert werden ko¨nnen. Mit herzlichstem Gruss an Sie und die Ihrigen Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 18. Jan. 1906606 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Arbeit an den letzten Ba¨nden der „Deutschen Geschichte“ geht mit einiger „Verspa¨tung“ weiter, denn die „universalgeschichtlichen Studien treten mir immer na¨her“. – Um seine Freunde und Schu¨ler zu treffen, wird L. den na¨chsten Historikertag besuchen. – Familiennachrichten. 605 Vgl. Henri Pirenne, Une crise industrielle au XVIe sie`cle. La draperie urbaine et la „nou-

velle draperie“ en Flandre. Bulletin de la Classe des Lettres et des Sciences morales et politiques et de la Classe des Beaux-Arts (1905), S. 489–521. 606 [ms. Durchschlag]

Nr. 196

Leipzig, 18. Jan. 1906

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Lieber Freund und College! Halten Sie es mir zu gute oder vielmehr, nehmen Sie mir nicht u¨bel, daß ich erst jetzt dazu komme, Ihre so freundlichen Zeilen vom Schluß vorigen Monats zu beantworten. Ich habe diesmal in den Weihnachtsferien ohne Unterlaß zu tun gehabt; teilweise auch außerhalb Leipzigs als Redner in politischen Dingen,607 der Hauptsache nach aber doch, indem ich mit Hand und Fuß versucht habe, in der „Deutschen Geschichte“ vorwa¨rts zu kommen, denn die universalgeschichtlichen Studien treten mir immer na¨her. Schon hat sich gezeigt, daß sich mit Erfolg auch Uebungen auf diesem Gebiete abhalten und Dissertationen anregen lassen608 und so wu¨rde ich vor allem wu¨nschen, mit dem ungeheuren Stoff der „Deutschen Geschichte“ abschließen zu ko¨nnen. Ich drucke jetzt gleichzeitig an drei Ba¨nden und hoffe, bis zum Schluß dieses Jahres wenigstens die politische Geschichte bis 1786 und die Culturgeschichte bis zum Jahre 1800 Ihnen vorlegen zu ko¨nnen. Was dann noch u¨brig bleibt, wird mich wol noch 2 Jahre in Anspruch nehmen, sodaß ich gegenu¨ber dem fru¨her gesetzten Termine, wonach ich als 50 ja¨hriger fertig werden wollte, allerdings eine Verspa¨tung habe. Von Ihnen hat es mich herzlich gefreut, so Gutes u¨ber Ihre Arbeiten zu ho¨ren, besonders, da damit zu gleicherzeit ja auch das Interesse der allgemeinen Staatengeschichte befriedigt wird. Wie werde ich glu¨cklich sein, wenn wieder ein neuer Band von ihr unter die Presse kommt. Nach Stuttgart609 werde ich wahrscheinlich kommen, wenn auch in dem Programm verha¨ltnisma¨ßig wenig ist, was mich dorthin lockt. Aber die Zahl meiner Schu¨ler wird immer gro¨ßer, ein Teil davon wird wol auf den Historiker-Tag kommen, und da habe ich eine gewisse Sehnsucht, diesen und jenen wieder zu sehen. Noch mehr aber gilt das von den ja nicht zahlreichen, aber treuen und festen Freunden, zu denen ich das große Glu¨ck habe, Sie zu za¨hlen. In dieser Hinsicht rechne ich außer Ihnen auf Hansen und bin sicher, daß dieser in Stuttgart sein wird. In Ihrer Familie steht hoffentlich alles wol. Auch von uns in meinem kleinen Kreise kann ich nur Gutes melden. Meiner Frau geht es leidlich. 607 Vgl. Schorn-Schu¨tte, Abschnitt D: Karl Lamprecht als Kultur- und Wissenschaftspoli-

tiker, bes. S. 220ff. 608 Vgl. W. v. Hoerschelmann, Die Entwicklung des altchinesischen Ornaments. Diss., 1906;

J. Leo, Die Entwicklung des a¨ltesten japanischen Seelenlebens nach seinen Ausdrucksformen. Diss., 1906; E. C. Meyer, Das Wahlamt und die Vorwahl in der nordamerikanischen Union. Diss., 1907; Ch. Meyerholz, Die Konstitutional-Konvention vom Jahre 1787. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte der USA. Diss., 1907; K. Wiedemann, Die Gottesurteile bei den Bantuvo¨lkern, Sudannegern und Hamiten. Habil., 1908. 609 Historikertag in Stuttgart, 17. bis 21. April 1906.

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Nr. 197

Leipzig, 23. Juni 1906

Von meinen Ma¨deln ist die a¨ltere – Marianne – in Florenz in Pension und augenblicklich in Rom und die ju¨ngere noch hier in der Schule, um im Herbst dieses Jahres nach Paris in Pension zu gehen. Beide sind vergnu¨gte und gesunde Ma¨del. Mit herzlichen Gru¨ssen und einer scho¨nen Empfehlung an Ihre Frau Gemahlin der Ihrige Lamprecht

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Leipzig, 23. Juni 1906610 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die franzo¨sische Ausgabe der „Geschichte Belgiens“ kann nicht gleichzeitig mit der deutschen erscheinen. – L. vollendet z. Z. die Ba¨nde 7/2, 8 und 9 der „Deutschen Geschichte“. – Die Intrigen im Vorfeld des Dresdner Historikertages besta¨rken L. in der Absicht, „nach dem Dresdner Historikertag auszutreten“. Lieber Freund! Auf Ihren letzten lieben Brief habe ich Ihnen bisher noch nicht geantwortet, weil ich mit meiner Bitte, Ihnen die gleichzeitige Publication der franzo¨sischen Ausgabe Ihres Buches zu erlauben seitens des Verlegers lange ohne Antwort geblieben bin. Auf eine sehr energische Mahnung hin habe ich nun heute eine nicht minder energische Antwort erhalten, in der mir gesagt wird, es sei unbegreiflich, daß die Sache von mir als noch nicht geordnet betrachtet werde. Der Verleger habe schon am 1. Ma¨rz 1905611 Ihnen ausdru¨cklich erkla¨rt, daß er darauf unter keinen Umsta¨nden eingehen wu¨rde.612 Er habe die Frist von 6 Monaten auf 4 reducirt und sei damit bis zu der a¨ußerst denkbaren Grenze gegangen, denn wenn die franzo¨sische Ausgabe zugleich mit der deutschen erschiene, so wu¨rde der Verlag auf den Absatz nach Frankreich, Belgien, Italien und u¨berhaupt nach dem Auslande fast ganz verzichten mu¨ssen, und zwar zu Gunsten des belgischen Verlegers. Man wundere sich daher, daß ich noch einmal mit einer Zumutung in dieser Sache komme. Zu meinem grossem Bedauern ist es mir nun schon mit Ru¨cksicht auf den Ton dieser Antwort nicht mo¨glich, den Verleger noch einmal anzugehen und so wird wol nichts anderes helfen, als daß wir uns bei der ergangenen Antwort beruhigen. Mit tut das 610 [getippt] 611 Ist vorhanden; in sehr ho¨flichem Ton gehaltenes Schreiben des Verlages. 612 Vgl. oben Nr. 194.

Nr. 197

Leipzig, 23. Juni 1906

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leid, obwohl ich ja das Interesse des Verlegers bis auf einen gewissen Grad verstehe. Von mir werden Sie in nicht allzu langer Frist die 2. Ha¨lfte des 7. Bandes der „Deutschen Geschichte“ erhalten und ich denke auch noch vor dem 8. October, an welchem Datum ich Sie in Bru¨ssel zu sehen hoffe, den 8. Band, wenn ich nicht etwa mir die Freude mache, eben diesen Band in Bru¨ssel selbst zu pra¨sentiren. Es ist sehr schwer, durch den weiten Bereich der Deutschen Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts durchzudringen, und noch mehr ihn zu durchdringen. Doch bin ich jetzt, wo ich mit dem 9. Bande so ziemlich zu Rande bin, wol der gro¨ßten Schwierigkeit Herr geworden. Inzwischen bescha¨ftigen mich immermehr meine universalgeschichtlichen Pla¨ne und ich hoffe, daß es mir mo¨glich sein wird, daru¨ber schon in Dresden ausfu¨hrlich zu berichten. Es ist dies auch die einzige ansta¨ndige Art, der Intrigue des Dresdner Historikertages ein Paroli zu bieten. Wie sehr ich mit dieser Characteristik des Dresdner Historikertages, wie ich sie schon in Stuttgart Hansen gegenu¨ber gab, recht hatte, hat inzwischen mehr als eine Tatsache deutlich bewiesen. Doch glaube ich auch damit recht behalten zu haben, daß es nicht so sehr Seeliger selbst als seine Mamelucken gewesen sind, die diese Freundlichkeit nicht bloß mir, sondern bis auf einen gewissen Grad auch Seeliger erwiesen haben. Ich bedaure, daß bei dieser Gelegenheit, wie schon bei einigen fru¨heren, sich innerhalb der fu¨r den Historikertag maßgebenden Kreise nicht mehr der fru¨here Grad von Unparteilichkeit zeigt und erhalten la¨ßt, wie ich denn nicht gewohnt bin, mich in dem moralischen Milieu der Herren Rietschel613 und Busch614 zu bewegen; und so habe ich denn die Absicht, nach dem Dresdner Historikertag auszutreten. Den scho¨nen Band Ihrer neuen Urkunden-Publication, den ich nachtra¨glich etwas genauer angesehen habe und dessen Riesenfleiß ich bewundere, habe ich in der Tat erhalten, Ihnen aber scha¨ndlicherweise nicht gedankt, weil ich das Ganze irrtu¨mlicherweise als eine mir zugehende Academie-Publication ansah.615 Wie glu¨cklich sind Sie, in einem Kreise, an dessen Beherrschung Sie nicht zu verzweifeln brauchen, klar und froh zu herrschen. Mit herzlichem Gruss der Ihrige

Lamprecht

613 Siegfried Rietschel (1871–1912), Universita¨tprofessor in Tu¨bingen. 614 Wilhelm Busch (1861–1929), Universita¨tsprofessor in Tu¨bingen. 615 H. Pirenne, Recueil de documents relatifs a` l’histoire de l’industrie drapie`re en Flandre

(en collaboration avec M. Georges Espinas). Bd. 1. Bru¨ssel 1906 (Publications de la Commission Royale d’Histoire).

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Nr. 198

Leipzig, 1. Aug. 1906

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Leipzig, 1. Aug. 1906 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. mußte aus gesundheitlichen Gru¨nden seine Urlaubspla¨ne a¨ndern und wird nun mit seiner Familie in ein belgisches Seebad reisen. – Gleichzeitig mit dem Abschluß des 9. Bandes der „Deutschen Geschichte“ erfolgte die Bewilligung eines „Seminars fu¨r vergleichende Geschichte“. Lieber Freund! Heute schreibe ich aus froher Ferienstimmung, und doch mit einiger Besorgtheit und Unklarheit wegen der kommenden Tage. Wir hatten eigentlich vor, in die Vogesen zu gehen, werden aber jetzt zum Teil durch den Arzt, teils auch aus eigener Neigung fu¨r ein belgisches Seebad bestimmt, und wollen etwa Mitte na¨chster Woche abreisen. Und nun die Frage: was halten Sie heutzutage wohl als fu¨r uns am besten geeignet (meine beiden Ma¨dels und mich, spa¨ter auch noch meine Hausdame). Wir waren einmal in Heyst, & haben uns dort ganz wohl befunden. Indeß mo¨chte ich nicht grade gern an den gleichen Ort. Knocke? De Haan? Mariakerke? De Panne? Wo treffen wir gute Gesellschaft, einiges Leben, vielleicht leicht zu erwerbende Freunde? Die Kinder, & auch wir Alten, sprechen (ich bei weitem am schlechtesten) Franzo¨sisch: Ko¨nnten also ein wenig mittun. Und nun im Zusammenhang hiermit die Frage des Bru¨ssler Akademieaufenthaltes. Ist auch im September (es wu¨rde die 3te sein) eine Sitzung? Wenn ja, so wu¨rde mir dies Datum weitaus am besten liegen. Denn am 20. Sept. ca. bringe ich mein 2tes Ma¨del nach Paris in Pension. Und darf ich auf all diese Fragen bald Antwort erwarten? Mit Vergnu¨gen sehe ich, wie rasch Satz und Druck Ihres neuen Bandes vorwa¨rts schreitet. Da sind wir vor Weihnachten vermutlich noch flott, und damit auch der Termin der franzo¨s. Ausgabe nicht in allzu große Ferne geru¨ckt. Ich habe den IX. Band der D[eutschen] Geschichte vollendet und, beinah am gleichen Tag, ein Seminar fu¨r vergleichende Geschichte616 bewilligt erhalten. Da soll also ein neues frisches Leben beginnen. Ich bin daru¨ber sehr glu¨cklich, und hoffe, meinen Leuten weit mehr zu sein, als bisher. Mit herzlichem Gruß an Sie und die Ihrigen Ihr

Lamprecht

616 Seminar fu¨r vergleichende geschichtswissenschaftliche Methode, das spa¨tere „Ko¨niglich

sa¨chsische Institut fu¨r Kultur- und Universalgeschichte bei der Universita¨t Leipzig“, ero¨ffnet 1909. Vgl. Chickering, S. 352ff.

Nr. 199

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La Panne, 28[24? 29?]. August 1906

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La Panne, 28[24? 29?]. August 1906617 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. verbringt mit seiner Familie an der belgischen Ku¨ste die Ferien und wird Anfang Oktober zur Sitzung der belgischen Akademie nach Bru¨ssel kommen. – Kann P. bei der Beschaffung einer Karte von Belgien fu¨r das Seminar fu¨r historische Geographie in Leipzig behilflich sein? – Fu¨r L.s Projekt „Kinderzeichnungen“ wird Material aus Belgien beno¨tigt. Lieber Freund! Schade, daß wir uns in Verviers618 nicht gesehen haben! Aber ich konnte Ihnen aus Bonn nicht fru¨her schreiben, als ich es that, da ich von den Dispositionen Anderer abha¨ngig war. Uebrigens glaubte ich auch, die Nachricht wu¨rde bei Ihnen noch fru¨h genug eintreffen. Wir sind hier erst heute richtig installiert, da wir auf Aufnahme im Hotel in der unbequemen Kammer einer kleinen Villa warten mussten: nun aber auch recht zufrieden. Sie kennen De Panne? M. E. ist es doch das scho¨nste der belgischen Ba¨der, dazu noch nicht u¨berlaufen: auf den Menschen kommen noch recht viele Quadratmeter Strand. Wir werden nun hier bis etwas Mitte September bleiben: Dann gehe ich mit meiner ju¨ngeren Tochter nach Paris. Von da ha¨tte ich vor, etwa am 4. oder 5. October nach Bru¨ssel zu kommen & am 9ten morgens wieder zu fahren; mein Billet geht am 11ten zu Ende, und ich habe noch in Koeln Einiges zu thun. Ich hoffe, daß eine derartige Disposition auch Ihren Intentionen entsprechen wu¨rde. In Verviers wollte ich eigentlich mit Ihnen noch Zweierlei besprechen: 1. haben wir vor, in dem Historisch Geographischen Seminar619 eine gute Karte von Belgien, oder [unleserlich], eine Anzahl von Sektionen anzuschaffen. Es stehen da zur Auswahl die 1:100.000 & die von 1:40.000. Ich wu¨rde die letztere vorziehen, wenn es mo¨glich wa¨re, sie officiell vielleicht etwas billiger zu beziehen. Ist das mo¨glich? 2. wollte ich Ihnen unsre Kinderzeichnungen ans Herz legen. Worum es sich dabei handelt, zeigen die beiliegenden Drucksachen.620 Inzwischen, [unleserlich] oder sammele, sind die historischen Chancen von 617 Grand Hoˆtel de l’Oce´an. 618 Geburtsort Pirennes, in dem er meist mit seiner Familie die Ferien verbrachte. 619 D. i. Seminar fu¨r historische Geographie an der Universita¨t Leipzig. 620 Vgl. Karl Lamprecht, Aufforderung zum Sammeln von Kinderzeichnungen. Kind und

Kunst, hrsg. v. A. Koch. 1905, S. 359f.; Aufruf an die Freunde der Kinderforschung. Allgemeine deutsche Lehrerzeitung 11/12 (1905).

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Fontainebleau, 19. Sept. 1906

Nr. 200

Kinderzeichnungen noch gewaltig gestiegen; wie noch unpublizierte, aber mir bekannte Forschungen Schneiders u¨ber die a¨lteste a¨gyptische Geschichte zeigen, sind die Analogien der Zeichnungen viel sta¨rker, als man bisher annahm. Meine Sammlung umfaßt so etwa 40.000 Zeichnungen, insbesondere auch der [unleserlich]svo¨lker (Japan, Italien) und wird jetzt eben inventarisiert, u¨berhaupt zur Benutzung einiger Forschungen vorbereitet. Da sollte doch das Land Rubens nicht fehlen. Ko¨nnen Sie etwas thun, um uns in den Besitz eingehender Zeichnungen zu setzen? In England (incl. Colonien), Italien, Vereinigten Staaten, Norwegen, Brasilien sind die Schulen hierzu officiell beauftragt worden zu liefern (in England durch Vermittlung der League of the Empire). Die Resultate sind sehr interessant, auch fu¨r den Vergleich der Nationen untereinander. Also bitte helfen Sie! Vielleicht ließe sich daru¨ber auch in der Academie reden. Zu Ihrer Ernennung in Go¨ttingen nun, statt des mu¨ndlichen, nun meinen herzlichsten schriftlichen Glu¨ckwunsch!621 Anerkennung durch seines Gleichen thut immer besonders wohl. Und Sie haben sie gewiß ganz ausschließlich sich selbst zu verdanken. Ich vermute, daß schließlich wohl Kehr622 dahinter stehen wird; denn Lehmann ist aus der Gesellschaft ausgetreten. Mit herzlichem Gruß Ihr

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Lamprecht

Fontainebleau, 19. Sept. 1906623 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

In Frankreich bemu¨ht sich L. um Kinderzeichnungen. In Bru¨ssel wird L. dieses Projekt der Akademie vorstellen und hofft auf Unterstu¨tzung auch in Belgien. Lieber Freund! Lassen Sie sich heute rasch aus Frankreich einen Gruß zurufen. Ich bin jetzt seit einigen Tagen hier, nachdem ich in Paris die Verha¨ltnisse meiner ju¨ngsten Tochter in der Pension geordnet habe. In wenigen Tagen

621 Am 24. Juli 1906 war Henri Pirenne in die Go¨ttinger Gelehrte Gesellschaft aufgenom-

men worden. 622 Paul Fridolin Kehr (1860–1944). Stud. in Go¨ttingen und Mu¨nchen, o. Prof. in Marburg

(1893) und Go¨ttingen (1895). 623 Postkarte

Nr. 201

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Bru¨ssel, 1. Okt. 1906

kehre ich nach Paris zuru¨ck, und will u. a. dort die Regierung fu¨r die Kinderzeichnungen zu erwa¨rmen suchen. An Ihre Adresse in Gent werden inzwischen einige Sammlungen von Kinderzeichnungen durch Frau Bruch gegangen sein, die ich unterwegs irrtu¨mlicherweise nachgeschickt erhielt. Glauben Sie wohl, daß sich die Belgische Akademie dazu erwa¨rmen wu¨rde, der Regierung die Begu¨nstigung meiner Sammlung in Belgien durch Anweisung einiger Schulen, mir Zeichnungen zu u¨bermitteln, zu empfehlen? Ich wu¨rde dann die Sache am 8. October vortragen, & mu¨ßte [zu] dem Zwecke aus Leipzig noch andere Kinderzeichnungen, so italienische & japanische, kommen lassen. Pariser Adresse: Hoˆtel Louvois, Place Louvois. Herzliche Gru¨ße! Ihr

201

Lamprecht Bru¨ssel, 1. Okt. 1906624

Karl Lamprecht an Henri Pirenne L. ist in Bru¨ssel angekommen und bereitet seinen Vortrag in der Akademie vor. Ko¨nnte P. bei den auftretenden Sprachproblemen behilflich sein? L[ieber] H[err] K[ollege]! Darf ich mich jetzt bei Ihnen als im Grand Miroir angekommen melden? Schon bin ich ein bissel in Bru¨ssel herumgelaufen & finde die Stadt sehr viel weiter entwickelt als vor 15 Jahren. – Die Sache wegen des Vortrages in der Akademie habe ich mit Marchal625 beredet. Doch erhebt sich eine neue Schwierigkeit; ich habe garnicht an die Sprache gedacht. Franzo¨sisch kann ich wohl vorlesen, aber nicht, wie ich in Deutsch gern gemocht ha¨tte, frei sprechen. Wu¨rden Sie mir bei der Ausarbeitung ein wenig helfen? Es handelt sich nur um eine kurze Mitteilung. Und ist bei Ihnen ein Packet, von Frau Bruch aufgegeben, angelangt? Von hier aus stehe ich Ihnen jeden Tag zur Disposition, nur mo¨chte ich am Mittwoch gern Berlioz ‚La damnation de Faust‘ ho¨ren. Die scho¨nsten Gru¨ße von Ihrem

Lamprecht

624 Postkarte 625 Edmond Marchal (1833-1916), Kunsthistoriker, Direktor der Ko¨nigl. Akademie in

Bru¨ssel.

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Nr. 202

Bru¨ssel, 2. Okt. 1906

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Bru¨ssel, 2. Okt. 1906 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. erlebt in Bru¨ssel die „Selbsta¨ndigkeit der belgischen Cultur“. – Zur Vorbereitung seines Akademie-Vortrages u¨ber das Projekt der Kinderzeichnungen u¨bersendet L. erst Versuche in „Deutsch-franzo¨sisch“. Lieber Hr. College! Herzlichen Dank fu¨r Ihre rasche Antwort! Sie la¨sst mich hier mein Programm ganz frei entwerfen und das ist sehr gut. Ich bin recht froh, einmal von Paris aus nach Bru¨ssel gekommen zu sein: erst so sieht man ganz die Selbststa¨ndigkeit der belgischen Cultur, die, wenn man von Koeln kommt, einem nur zu leicht einfach franzo¨sisch erscheint. Es macht mir außerordentliche Freude, diese Gedanken in allem Bru¨sseler Detail anschaulich zu verfolgen & nachzupru¨fen: und damit werde ich die na¨chsten Tage zubringen. Am Sonnabend626 bin ich also bei Ihnen, und Sie schreiben mir wohl noch mit zwei Worten, wann ich am besten bei Ihnen antrete. Was Sie mir u¨ber meine eventuelle Ansprache mitteilen, hat mich veranlaßt, ein paar Anfa¨nge aufzuschreiben-rasch, ehe ich ins Theater gehe, & ungepru¨ft: und natu¨rlich in graulichem Deutsch-franzo¨sisch. Denn ich habe niemals franzo¨sischen Sprachunterricht gehabt. Vielleicht verstehen Sie es aber doch. Oder sollte ich so ku¨hn sein zu erwarten, daß Sie mir schreiben, ich solle fortfahren? Ich werde etwa noch mal 4 Seiten zu schreiben haben. Das ko¨nnte ich vorlesen ([?] nach Umarbeitung!) & dann wohl auch sogleich als Abzug (?) zum Drucke geben. Besten Dank fu¨r die Nachricht, daß das Packet bei Ihnen angekommen ist. Es sind Kinderzeichnungen, die mich, gegen die Weisung, nach Panne verfolgt haben. Jetzt kann ich sie ganz gut als Dokumentationsmaterial brauchen. An Fredericq, wenn Sie ihn sehen, den besten Gruß! Und Ihnen selbst nicht zuviel Arbeit: Examiniert werden ist graulich, Examinierter sein graulicher; am graulichsten denke ich mir den Vorsitz unter Examinatoren. Von Herzen, mit einem Gruß von Haus zu Haus Ihr

626 D. i. der 6. Oktober 1906.

Lamprecht

Nr. 203

203

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Leipzig, 13. Okt. 1906

Leipzig, 13. Okt. 1906627 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. verbindet den Dank fu¨r die von P. erhaltene Unterstu¨tzung im Rahmen der Akademietagung in Bru¨ssel mit der Bitte, die franzo¨siche, fu¨r den Druck vorbereitete Fassung seines Vortrages zu korrigieren. – L. ist u¨ber das Rheinland nach Leipzig zuru¨ckgekehrt und fand dort „erfreuliche Dinge“ vor: Fu¨r den Aufbau eines Instituts fu¨r Kultur- und Universalgeschichte erhielt er finanzielle Unterstu¨tzung aus den USA und aus Dresden „besten Willen“. Lieber Freund! Seit Mittwoch Abend628 bin ich zu Hause und habe seitdem immer wieder das Bedu¨rfnis empfunden, Ihnen zu schreiben und nochmals zu danken. Aber ich glaubte, auf die Correctur aus Bru¨ssel629 warten zu du¨rfen: mit Recht: denn schon heute ist sie eingetroffen. Ich sende sie Ihnen anbei nach Durchsicht meinerseits, mit der Bitte, Alles zum Besten zu wenden, wie Luther gesagt haben wu¨rde. Den Brief von Marchal, der die Sendung begleitete, lege ich bei. Der franzo¨sische Text der Aufforderung, auf den an die mit [unleserlich] bezeichnete Stelle auf Blatt 6 aufmerksam gemacht werden ko¨nnte, ist leider noch nicht mit gesetzt. Aber es scheint mir nach Marchals Brief fast, als habe dieser ihn nicht erhalten. Denn ich habe gleichzeitig mit der Uebersendung an M. in sehr lebhaften Ausdru¨cken des Dankes fu¨r die Aufnahme in Bru¨ssel geschrieben; und er wu¨rde darauf wohl mit einem Worte eingegangen sein, ha¨tte er den Brief erhalten. Unter diesen Umsta¨nden lege ich der Correctur noch einmal ein Exemplar der franzo¨sischen Aufforderung bei und bitte Sie, deren Mitabdruck zu veranlassen und Marchal eventuell aufzukla¨ren. Wie Sie sehen, habe ich schon 600 Exemplare zu meinen 50 hinzubestellt; das wird wohl genu¨gen, zumal Waxweiler630 eine Uebersetzung ins Vlaemische in Aussicht gestellt hat. Einen titre particulier auf den Umschlag habe ich nicht bestellt, weil mir eine eigentlich schlagende 627 Schillerstr.7I 628 D. i. der 11. Oktober 1906. 629 Es handelt sich um den Druck des Vortrages von L. auf der Sitzung der Akademie in

Bru¨ssel vom 8. Oktober. Vgl. oben Nr. 202; Druck: Karl Lamprecht, Une enqueˆte: De l’e´tude compare´e des dessins des enfants. Revue de synthe`se historique XI (1906), S. 54ff. 630 Emile Waxweiler (1867–1916), O ¨ konom und Soziologe, o. Prof. in Bru¨ssel.

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Leipzig, 16. [?] Okt. 1906

Nr. 204

Bezeichnung nicht einfa¨llt: haben Sie eine solche, so kann ein Titre particulier noch gemacht werden.– In Koeln traf ich Hansen und Familie, insbesondre Frau Hansen zu meiner Freude recht frisch. Wir haben den ganzen Abend bis tief in die Nacht diskutiert, in der Weise, die Sie kennen werden: Politik & Paedagogik. Jetzt bin ich daran, den Mevissen zu lesen: ein ganz vortreffliches Buch631. Die Heimfahrt war im Uebrigen sonnig und warm, und, wie immer, wenn ich heimkehre, freuts mich der Heimat. Freilich: die Farben sind ha¨rter als im Westen, und die To¨ne ku¨hler, und so verstehe ich auch das Taciteische misi si patria sit. Hier habe ich sehr erfreuliche Dinge vorgefunden, von Carnegie632 5.000 M. fu¨r die americanische Abteilung des ku¨nftigen Seminars633, und von Dresden her anscheinend den besten Willen, nous verrons. Die herzlichsten Gru¨ße an Sie Beide und die Jungen! Ihr

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Lamprecht Leipzig, 16. [?] Okt. 1906 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L.s Aufforderungen zum Sammeln von Kinderzeichnungen sollen in franzo¨sischer und fla¨mischer U¨bersetzung in Belgien u¨ber die Hochschulen bzw. das Kultusministerium verteilt werden. Lieber Freund! Sie werden inzwischen die Correctursendung634 von mir erhalten haben. Ich wollte Ihnen darauf bald wegen der event. zu beginnenden Distribution(?) schreiben, bin aber bis zu diesem Augenblick vor Studentenbesuchen und gleichzeitiger Abhaltung durch Verwandtenbesuch nicht gekommen. 631 Vgl. Nr. 186. 632 Gemeint ist die Carnegiestiftung, die von Andrew Carnegie (1835–1919), amerikani-

scher Industrieller, ins Leben gerufen wurde zur Fo¨rderung der internationalen Forschung im Ausland. 633 Durch intensive perso¨nliche Kontakte L.s mit Prof. John F. Jameson (1859–1937), Direktor der Carnegie-Stiftung, gelang es, einen gro¨ßeren Geldbetrag fu¨r den Aufbau einer Bibliothek im Institut fu¨r Kultur- und Universalgeschichte in Leipzig zu erhalten. 634 Vgl. oben Nr. 203, Drucklegung des Vortrags L.s zusammen mit einer Aufforderung zum Sammeln von Kinderzeichnungen.

Nr. 205

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Leipzig, 25. Okt. 1906

Habe ich recht, wenn ich mich zur Unterstu¨tzung wenden will: 1. An das Kultusministerium & an den Staatssekreta¨r des Congos635. 2. In Bru¨ssel: an die Herren De Greef636, Nys637, Waxweiler638, vielleicht auch Van Haney(?)639. 3. In Gent: außer Ihnen an Vercoullie640, vielleicht auch an Fredericq. 4. In Antwerpen an Schuytehn(?)641 5. In Lowen an Brants642 6. In Lu¨ttich an Wilmotte & vielleicht auch Vanderkindere Oder wen wu¨nschen Sie weggelassen, und wen zu sehen? An Waxweiler schreibe ich gleichzeitig mit diesem Briefe & bitte um Uebersetzung des franzo¨sischen oder deutschen Textes der Aufforderung ins Vlaemische. W. hatte mir diese Uebersetzung versprochen. Die weitere Durchfu¨hrung dachte ich mir nun so, daß ich an die schließlich als geeignet befundenen Adressaten Briefe schicke und ihnen mit diesen eine Anzahl der franzo¨sischen bzw. vlaemischen Aufforderungen zusende. Dabei wu¨rde ich Ihnen von diesem Schritt eingehend Mitteilung machen. Sind Sie damit einverstanden? Hier ist alles lebendig und frisch. Daß Carnegie 5000 M. fu¨r das neue Seminar gestiftet hat, habe ich Ihnen wohl schon geschrieben?643 Mit freundlichem Gruß an die Ihrigen Ihr

205

Lamprecht

Leipzig, 25. Okt. 1906 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Versendung der Aufforderung zum Sammeln von Kinderzeichnungen in Belgien soll zuna¨chst u¨ber Pirenne erfolgen. – Auch die Abfassung von entsprechenden Petitionen an die Regierungen Belgiens und des Congo tra¨gt L. Pirenne an. 635 Der Kongo, seit 1885 in belgischem Kolonialbesitz. 636 Guillaume De Greef (1842–1924), Soziologe. Prof. an der Univ. Bru¨ssel. 637 Ernest Nys (1851–1920), Jurist. Studierte in Heidelberg, Leipzig u. Berlin, ab 1882 Rich-

ter sowie ab 1885 Prof. an der Freien Univ. Bru¨ssel, außerdem Mitglied der ko¨nigl. Akademie in Bru¨ssel. 638 Emile Waxweiler (1867–1916), Soziologe. Prof. an der Univ. Bru¨ssel. 639 Unklar. 640 Josef Vercoullie (1857–1967), Philologe u. Linguist. Prof. an der Univ. Gent. 641 Unklar. 642 Victor Brands (1856–1917), Historiker u. O ¨ konom. Prof. an der Univ. Lo¨wen. 643 Vgl. oben Nr. 203.

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Leipzig, 25. Okt. 1906

Nr. 205

Lieber Freund! Scho¨nen Dank fu¨r die Uebersendung der Correctur! Sie geht gleichzeitig mit diesem Briefe an Marchal ab. Da nun der Druck bald folgen wird, so mu¨ssen auch die zur Versendung notwendigen Maßregeln getroffen werden. Und was bleibt mir da u¨brig, als Sie, Sie Aermster, nochmals zu bela¨stigen? Mir scheint am besten, daß Sie die 600 bestellten Exemplare nach Gent nehmen, und Sie, zuzu¨glich den vlaemischen Exemplaren, die Waxweiler besorgen wird, an Interessenten abgeben! Die Sache ist ja nicht so groß, wa¨hrend die Expedition von hier viel theurer werden & zudem viel spa¨rlicher sein wu¨rde, da ich ein Unbekannter bin, wa¨hrend Sie dem Lande in jedem Sinne so nahe stehen. Natu¨rlich aber trage ich alle Kosten der Versendung & andre Spesen, & bitte mich u¨ber diese genau zu unterrichten. In derselben Weise haben wir, Prof. Rajna644 in Florenz & ich, schon die [unleserlich] Italiens geregelt. Die Herren, denen zuna¨chst je ein Exemplar zu senden sein wu¨rde, habe ich anbei je mit einem Brief bedacht. Aus der Absendung dieser Briefe wu¨rde sich dann alles Weitere ergeben. Uebrig bleibt jetzt nur noch die Abfassung der Petitionen an die belgische & an die Congo Regierung: wobei bei der ersteren die Bitte auszusprechen sein wu¨rde, Zeichnungen vor allem in Landschulen von mo¨glichst sicherem vlaemischen bzw. wallonischen Charakter aufnehmen zu lassen (je 4–6 Schulen auf jeder Seite wu¨rden genu¨gen), wa¨hrend beim Congo anzuregen sein wu¨rde, daß außer den Kindern auch Erwachsene zeichnen sollen, & daß mo¨glichst von einer Anzahl Zeichner auch zugleich Plastiken hergestellt werden mo¨chten. Je reichhaltiger die Congo Sammlung ausfa¨llt, je besser natu¨rlich. Und nun eine letzte Bitte. Wu¨rden Sie wohl diese beiden Petitionen abfassen? Ich ko¨nnte mir ja hier mit der Franzo¨sischen besser [unleserlich] geben – aber den fu¨r Belgien [unleserlich] wu¨rden wir doch nicht herauskriegen. Das kann nur ein Kind des Landes selbst. Inzwischen sind wir hier ins Semester eingeru¨ckt. Es geht alles gut – auch im Seminar, wie Ihnen die beiliegende Drucknachricht zeigt. Herzliche Gru¨ße an Sie Alle! Ihr Sammeln Ihre Jungen (die kleinen natu¨rlich) Marken?

644 Pio Rajna (1847–1930), Romanist, Prof. in Florenz (1883–1922).

Lamprecht

Nr. 206

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Leipzig, 31. Okt. 1906

Leipzig, 31. Okt. 1906 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Wegen der Versendung der Sonderdrucke betr. das Projekt „Kinderzeichnungen“ in Belgien mu¨ssen die Mißversta¨ndnisse zwischen L. und P. ausgera¨umt werden. Auf P.s Vorschlag hin soll der Verlag Hayez die weitere Organisation u¨bernehmen. – Das Seminar in Leipzig entwickelt sich ganz nach L.s Wu¨nschen. „Da bekommt man Lust und Laune.“ Lieber Freund! Ich war recht unglu¨cklich u¨ber Ihre vorletzte Karte. Aber ich mußte mir auch sagen, daß ich auch schließlich selbst Schuld war. Was auch o¨fters passiert, wenn ich in starker Eile bin – wie sie jetzt der Semesteranfang mit sich bringt –: ich hatte mich zu kurz ausgedru¨ckt. Mir war nach fru¨heren Erfahrungen an andrer Stelle klar, daß der Versand der Sonderabdrucke am besten im Land selbst erfolge. Daß dies durch die Druckerei mo¨glich sei, wußte ich nicht; in Deutschland wu¨rde das schwerlich gehen (wohl durch einen Verlag): nahm ich Hayez645 in Anspruch, so mu¨ßte ich m. E. riskieren, daß die Arbeit der Akademie (Marchal) anheim fiel. Dies vor allem wollte ich vermeiden. Ich ha¨tte Ihnen das schreiben sollen. Ich ha¨tte weiter vorher bei Ihnen anfragen sollen, ob Sie wohl in diesem Falle die Freundlichkeit haben mo¨chten, die Rechnung zu zahlen. Aber da glaubte ich periculum in mora, da man in der Academie offenbar mit der Fertigstellung des Druckes Zeit hat. So kam mein Brief zu stande. Inzwischen freue ich mich, daß Sie mir durch Ihre zweite Karte, die ich erwartete, bevor ich Ihnen schrieb, doch Absolution erteilt haben. Die Sache ist ja nicht groß; 4 Sendungen an die Herren, an die Briefe gingen, mit dieser; & nachher 4 Sendungen an diesselben Herren je nach der Ho¨he ihrer Forderungen, dazu ebenfalls je zwei Sendungen an das belgische Ministerium & den Congo. Mit Ihnen finde ich jetzt, daß es am besten ist, Sie weisen Hayez zu all diesen Sendungen an; was dann von Exemplaren noch u¨brig bleibt, mag er mir zuschicken. Zuna¨chst aber wa¨re eine Karte an Hayez no¨tig, daß er die ganze Auflage nicht Ihnen send[et], sondern Ihre Befehle erwarte. Ich wu¨rde H[ayez] in diesem Sinne gleichzeitig mit diesem Briefe schreiben, & bitte Sie, das auch zu thun. 645 Verlag in Bru¨ssel.

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Leipzig, 19[18?]. Nov. 1906

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Damit ist dann hoffentlich alles in Ordnung, [unleserlich] disordre ausgeschlossen. Hier ist viel Treiben mit dem neuen Semester; ich bin sehr zufrieden, hatte noch nie so starke Collegien, in jedem der 3 etwa 400–450 Leute. [unleserlich] Dresden ist wirklich ansta¨ndig gewesen, hat fu¨r das Seminar alles bewilligt; ich habe Remunerationen, die mir erlauben, in dem neuen Seminar 4 Kurse (außer dem meinigen) halten zu lassen, wozu Conrady646, Salomon647, Doren648, Scholz649 herangezogen werden, & habe 40.000 M. fu¨r Aufstellung einer Bibliothek. Da bekommt man Lust & Laune. Die Kinderzeichnungssache geht auch gut vorwa¨rts. Vor allem jetzt in Indien. Ich wiederhole meine Frage wegen der Marken. Sammelt einer von Ihren Jungen oder einer seiner Freunde, so will ich ihm Dutzende der indischen Amtsmarken senden, mit denen sich ein guter Tauschhandel wird treiben lassen. Mit herzlichem Gruß an Sie & die Ihrigen Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 19[18?]. Nov. 1906 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Glu¨ckwu¨nsche zur Vollendung des dritten Bandes der Geschichte Belgiens. – Das Projekt „Kinderzeichnungen“ macht allgemein gute Fortschritte, „namentlich Indien und Japan“, doch steht aus Belgien noch kein Material zur Verfu¨gung. – L.s eigene Forschungen sind auf die Wissenschaftsgeschichte gerichtet, „mit Ergebnissen, die ich nicht erwartet ha¨tte“. Lieber Freund! In diesen Tagen ist mir das [unleserlich] fu¨r Band III Ihres großen Werkes zugegangen; und ich habe mich mit besonderem Interesse in das Vorwort

646 August Conrady (1864–1925), Sprachwissenschaftler, Prof. fu¨r Ostasiatische Sprachen

an der Univ. Leipzig (1897–1925). 647 Felix Salomon (1866–1928), Prof. fu¨r Gescdhichte (ab 1915 fu¨r Westeurop. Geschichte)

an der Univ. Leipzig (1901–1928). 648 Alfred Jakob Doren (1869–1934), seit 1903 PD, ab 1909 Prof. fu¨r Mittlere u. Neuere

Geschichte an der Univ. Leipzig, von 1923–1933 Prof. fu¨r Wirtschafts- u. Sozialgeschichte ebendort. 649 Richard Scholz (1872–1942), PD fu¨r Geschichte an der Univ. Leipzig (1902–1908), danach bis 1937 Prof. fu¨r Mittlere u. Neuere Geschichte ebendort.

Nr. 208

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Leipzig, 1. Jan. 1907

vertieft. Wie froh werden Sie sein, nun soweit gelangt zu sein! Und was noch bleibt, scheint Sie ja besonders zu locken. Denn die Quellenverha¨ltnisse werden doch wohl wieder gu¨nstiger. Herzlichen Glu¨ckwunsch! Mit Perthes sind Sie hoffentlich all die Zeit hindurch zufrieden gewesen; im Allgemeinen liest man bei ihm die Correctur gut. Von Bru¨ssel habe ich u¨ber unsere Kinderzeichnungen noch nichts wieder geho¨rt, und Marchal deshalb noch einstweilen die Vorlage einer Eingabe an das Ministerium geschickt, die Sie mir so liebenswu¨rdig geschickt haben. Es ist hier inzwischen auch nach andrer Seite hin recht ordentlich zu thun. Namentlich Indien und Japan erzielt ausserordentlich viel Material, das zuna¨chst zu ordnen ist. Dazu muß ich jetzt auch die Bibliothek fu¨r mein ku¨nftiges Seminar aufstellen & dazu eine Fu¨lle von Bibliographien etc. benu¨tzen. Sie kennen das ja aus eigenen Mu¨hen. Dazwischen bleibt dann wenig Zeit fu¨r eigene Studien, die ich namentlich auf die Geschichte der Wissenschaften im 19. Jahrhundert verwende. Mit Ergebnissen, die ich nicht erwartet ha¨tte. Namentlich die Naturwissenschaften ergeben sich in einem Grad als Zeitausdruck, der mich zuna¨chst fast stutzen macht. Und doch sind die Zusammenha¨nge unleugbar, klipp & klar. Ich kann Ihnen daru¨ber vielleicht um Ostern etwas senden. Mit herzlichem Gruße an Sie & die Ihrigen Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 1. Jan. 1907 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. berichtet u¨ber seine Arbeitsfortschritte mit der „Deutschen Geschichte“. Die erste Durchsicht der Kinderzeichnungen aus Indien verspricht u¨berraschende Erkenntnisse. Lieber Freund! Vor mir liegen zwei an Sie angefangene Briefe, vom 17. und vom 24. Dez[ember] v[origen] J[ahres]. Aber die verdammten Philosophen in Concurrenz mit 1/2 Meter Schnee & 6◦ Ka¨lte, die mich hu¨bsch zu Hause halten, haben sie nicht fertig werden lassen: ich bin so peu a` peu (in Sachsen sagt man be` a` be`) in den 10. Band Deutsche Geschichte hereingerutscht: sehe auf einmal, daß ich davon 1/5 fertig gemacht habe: habe daru¨ber Gott und die Welt vergessen. Und doch ha¨tte ich Ihnen so no¨tig zu schreiben gehabt. Denn Hayez, den ich wegen einiger Druckabzu¨ge wiederholt angeschrieben habe, hat

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Leipzig, 1. Jan. 1907

Nr. 208

inzwischen ein [unleserlich] gehabt, nur einige geschickt, & ich habe am 24. Ihre Briefe, fein durch eine Klapperschlange abgetippt, an die beiden Minister losgelassen. Vogue la gale`re! Inzwischen aber schreibt mir Waxweiler, daß er neben den [unleserlich], die Sie so liebenswu¨rdig besorgten, auch den [unleserlich] bewegt hat & schickt mir einen sehr hu¨bschen Aufsatz aus der Ecole nationale. Da du¨rfen wir also das Beste hoffen. Inzwischen bewo¨lkt es hier von Berg zu Berg, & ich denke manchmal an den Goetheschen Zauberlehrling. Soviel ist aber schon jetzt sicher, & namentlich aus der Durchsicht der ca. 12.000 indischen Zeichnungen ohne Weiteres abzuleiten, daß die Probleme keineswegs so einfach liegen, wie man bisher glaubt. Wir ko¨nnen uns auf sehr große Ueberraschungen, die zugleich [unleserlich] sein wu¨rden, in der Psychogenese gefaßt machen. Wa¨re ich nur frei! Aber zuna¨chst ha¨lt mich die deutsche Geschichte. Inzwischen ko¨nnen hier glu¨cklicher Weise eine ganz Zahl von Sachversta¨ndigen arbeiten. Aber ich sehe schon, daß sie den Ausbau einer psychogenetischen Abteilung im Seminar verlangen werden – & woher das Geld nehmen? Anbei eine kleine Schrift, die mit anderen 3 [unleserlich] erst im Februar [unleserlich] machen wird650 – also zuna¨chst noch nicht durch den Buchhandel zu beziehen ist. Und nun & vor allem: tausend Dank fu¨r alles, was Sie mir im letzten Jahr gewesen sind! Wie viel, wie viel verdanke ich Ihnen, und wie wenig vermag ich Ihnen zu [unleserlich]. Lassen Sie mich diese Gefu¨hle ins Neue Jahr mit hinu¨ber nehmen: und erhalten Sie mir Ihre Freundschaft! Mit einem frohen Neujahrswunsch fu¨r Sie und die Ihrigen Ihr ergebener

Lamprecht

650 Vgl. K. Lamprecht, Die zuku¨nftige Politisierung der Gesellschaft. Berliner Tageblatt

15. Jan. 1907; Das Machtgeheimnis des Klerikalismus und Was man vom Klerikalismus lernen kann? in: Hannoverscher Courier Jan. 1907, Zur Ausgestaltung der universalgeschichtlichen Studien im Hochschulunterricht. Die deutsche Hochschule 1 (1907).

Nr. 210

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Leipzig, 23. Jan. 1907

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Leipzig, 10. Jan. 1907651 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die u¨ber den Verlag Hayez abgewickelte Distribution der Aufforderungen zur Sammlung von Kinderzeichnungen ist vorerst abgeschlossen. Die Reaktionen sind u¨beraus positiv: Die einlaufende Materialfu¨lle, namentlich aus Indien, ist kaum zu bewa¨ltigen. Lieber Freund! Lassen Sie sich heute mit ein paar Worten nur begru¨ßen. Ich habe noch hier in einem solchen Uebermaß von Arbeit gesessen. Freilich geht auch alles gut vorwa¨rts. Nach einer Abrechnung, die ich von Hayez erhalte, sind jetzt die Druckabzu¨ge der Aufforderungen [unleserlich] Kinderzeichnungen wohl alle verteilt; und Sie haben einen Rest von 176 Exemplaren zugesandt erhalten. Darf ich nun bitten, diesen zu verwahren? Ich erhalte doch wohl Antwort von den beiden Ministerien, & da ko¨nnte es schon wieder sein, daß man auch Exemplare fu¨r weitere Behandlung der Sache fordert. Dafu¨r werden wir also solche Exemplare in Reserve halten mu¨ssen. Hier la¨uft inzwischen ein enormes Material ein. Namentlich Indien ist ganz ausgezeichnet. Zugleich aber ergiebt sich, daß die Probleme weit verwickelter sind, als man dachte. Glu¨cklicherweise ist die Zahl der Bearbeiter groß. Herzliche Gru¨ße an Sie alle! Ihr

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Lamprecht Leipzig, 23. Jan. 1907

Karl Lamprecht an Henri Pirenne L. wird sich aus gegebenem Anlaß bemu¨hen, P.s „freundschaftliche Stellung zu Deutschland“ o¨ffentlich zu unterstreichen. – Angesichts der bevorstehenden Reichstagswahlen kann eine notwendige Vera¨nderung der politischen Verha¨ltnisse in Deutschland nur durch Zuru¨ckdra¨ngung der konservativen Kra¨fte erreicht werden. – Um auch Belgien in das kulturgeschichtliche Projekt „Kinderzeichnungen“ einbinden zu ko¨nnen, bittet L. um Unterstu¨tzung bei der Materialbeschaffung aus den fla¨mischen und wallonischen Gebieten sowie aus dem Kongo. 651 [Postkarte]

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Leipzig, 23. Jan. 1907

Nr. 210

Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihre Zeilen und das Begleitschreiben, das ich anbei zuru¨ckfolgen lasse. Ich wu¨rde auf diese Sache Weiterhin nichts geben. Wie die Geschichte mit dem [unleserlich] zeigt, ist er ein taktloser Mensch, der nicht zu u¨berzeugen ist. Es ist hier, wie immer in solchen Dingen, die kleinen Menschen und die Anfa¨nge, die Zaunko¨nige der Gesellschaft, besorgen den Klatsch und na¨hren die [unleserlich]. Mir scheint das Richtige zu sein, daß gelegentlich ausdrucksvoll Ihre freundschaftliche Stellung zu Deutschland & zur deutschen Wirtschaft hervorgehoben wird, & ich hoffe, daß [unleserlich] dazu bald einmal an guter Stelle Gelegenheit wird. Daß die paar politischen Zeilen, die ich Ihnen sende, Ihre Aufmerksamkeit gefunden haben, danke ich Ihnen besonders.652 Es ist ja eigentlich eine Deviatio, dergleichen zu schreiben, wenigstens fu¨r einen Historiker – und doch scheint es mir manchmal notwendig. Was aus unseren Wahlen653 am na¨chsten Freitag wird, wissen die Go¨tter. M. E. wa¨re Deutschland mit einem Schlage an die Spitze des inneren Fortschritts zu bringen, sobald die Regierung mit den Sozialdemokraten noch nicht einmal paktierte, sondern nur freundlich wa¨re. Aber das verhindern die Junker, und dadurch wird eine Unsumme von Idealismus auf falschen Weg geleitet. Anders werden ko¨nnte das nur durch eine wenn auch voru¨bergehende Herrschaft der liberal-radicalen Parteien, und die muß man viaˆ conservativ-liberalen Ru¨cktritt anbahnen. So erscheint mir wenigstens unter uns ein gangbarer Weg gegeben zu sein. Aber Bu¨low ist nicht der Mann, ihn einzuschlagen, und hat den Bismarck – Richelieu noch lange nicht, nur ein bischen Mazarin. Der Kaiser ist der Hauptsache nach auf das [unleserlich] abgefahren und kalt gestellt. Herzlichen Dank fu¨r Ihre freundliche Hilfe und Bereitschaft in Sachen Kinderzeichnungen. Das Material wird hier brillant. Besonders Indien. Dabei aber ha¨ufen sich auch die Schwierigkeiten: die Sache ist keineswegs so einfach, wie sie zuna¨chst erscheint; namentlich Indien giebt einstweilen Nu¨sse zu knaken. Wozu wir in Ihrem Bereiche bedu¨rfen, wa¨re [unleserlich] fu¨r Belgien

652 Vgl. oben Anm. 650. 653 Nach der Auflo¨sung des Reichstags durch v. Bu¨low im Dezember 1906 standen im

Januar 1907 Reichstagswahlen an.

Nr. 211

Baden-Baden, 5. April 1907

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a) Aufnehmen von Zeichnungen in einigen vlaemischen und wallonischen Schulen mo¨glichst kleinen Stammescharakters; dazu [unleserlich] mo¨glichst von Kindern, die viel gezeichnet haben, einige Plastiken (Thon oder Plasti[lin?]) b) Womo¨glich auch Zeichnungen von Kindern unter schulpflichtigem Alter, von Anbeginn an; und, wenn erreichbar, Dossiers von dem selben Kind vom 0–6 Jahre. c) Fu¨r den Congostaat dasselbe wie [unleserlich] a–b, und zwar aus verschiedenen Ra¨umen, dazu Zeichnungen von Erwachsenen, & namentlich auch bei ihnen von solchen, die viel Zeichengefu¨hl haben, auch Plastiken (diese Combination ergiebt aber merkwu¨rdige Resultate, wie Sammlungen aus Deutsch-Ostafrika ergeben. Sehr wichtig wa¨re, daß auch die Zwergvo¨lker, diese zugleich mit ihrer [unleserlich] Kunst (Ornament) vertreten wa¨ren. Dies meine Wu¨nsche – leider ein langer Zettel. Aber es ist das, was wir demna¨chst brauchen; und das Interesse zur Arbeit ist hier so groß, daß ich bestimmt intensive [unleserlich] versprechen kann. Herzliche Gru¨ße an Sie Alle, Groß und Klein! Ihr

Lamprecht

Gute Besserung!

211

Baden-Baden, 5. April 1907654 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Eine erfolgreiche Reihe von Vortra¨gen in Frankfurt brachte „einen scho¨nen Batzen fu¨r mein neues Seminar“, insbesondere fu¨r die Bibliothek. – Mit dem Dank fu¨r die Unterstu¨tzung bei der Materialbeschaffung zum Projekt „Kinderzeichnungen“ in Belgien verbindet L. die Bitte um weitere Bemu¨hungen um Zeichnungen und Plastiken aus dem Kongo. Lieber Freund! Sie sehen: ich sitze noch immer im Freien, beinahe ha¨tte ich geschrieben im Gru¨nen, & ha¨tte damit so ganz Unrecht nicht gehabt. Ich hatte in Frankfurt Vortra¨ge, die mir einen scho¨nen Batzen fu¨r mein neues Seminar eingebracht haben: ich glaube, ich werde nun wirklich die ersehnte 70.000 Mark-Bibliothek aufstellen ko¨nnen. Aber ich habe mich auch 654 Postkarte aus Baden-Baden, Englischer Hof.

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Nr. 212

Leipzig, 2. Juni 1907

ordentlich abgemu¨ht und genieße legitim der Ruhe. Fu¨r Ihre freundlichen Sorgen in Belgien den herzlichsten Dank! Ich glaube, daß alles gut la¨uft; dieser Monat muß ja die Ergebnisse teilweis bringen. Im Congostaat dagegen wa¨re etwas Dra¨ngen wahrscheinlich am Platze; vor allem auf Plastiken von denselben Personen, die Zeichnungen liefern: die Uebereinanderstellung hat in D[eutsch] Ostafrica sehr bemerkenswerte Resultate ergeben. Ko¨nnen Sie also etwas thun, so wa¨re das sehr scho¨n. – Ich kehre na¨chste Woche heim: und hoffe doch recht sehr, Sie in Dresden Anfang September zu sehen. Die scho¨nsten Gru¨ße an Sie und die Ihrigen! Ihr

212

Lamprecht Leipzig, 2. Juni 1907

Karl Lamprecht an Henri Pirenne Gratulation zu P.s Erfolgen mit seinen Studien zur belgischen Geschichte zur U¨bernahme des Vorsitzes der Kgl. Kommission fu¨r Geschichte. – In Leipzig nimmt das neue Institut zur Kultur- und Universalgeschichte mit einer reichen Bibliothek konkrete Formen an. „Es wird etwas, wie es (...) noch nicht besteht.“ – L. erwartet Materialien fu¨r das Projekt „Kinderzeichnungen“ aus Belgien und dem Kongo. Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihre Zeilen! Und die guten Nachrichten u¨ber die belgische Geschichte! Das geht ja ganz ausgezeichnet: wie kann man Ihnen zu den Diensten glu¨ckwu¨nschen, die Sie der Wissenschaft und Ihrem Vaterland zugleich leisten. Ich bin so froh, daß von alledem auf uns, insbesondere die Allgemeine Staatengeschichte und den ein wenig philistro¨sen Verleger, auch etwas abfa¨llt. Zu dem Pra¨sidium der Archiv. Commission meinen besten Glu¨ckwunsch obendrein!655 Es mußte Ihnen ja zufallen. Aber es giebt doch, bei relativ geringen Mu¨hen, einen recht erweiterten Actionsradius. Mo¨chte hier auch der to¨richte Rheumatismus sich verziehen. Sie sollten man recht ins Trockene gehen: da empfiehlt sich Californien, das seinem Namen alle Ehre macht. Haben Sie verfolgt, wie [unleserlich] und ich mit Ihnen in Amsterdam [unleserlich] gemacht haben? Und den Reflex davon im Genter Volksbelang? Fredericq? 655 Seit dem 15. April 1907 leitete Pirenne die „Commission royale d’Histoire“.

Nr. 213

Oberschreiberhau, 29. Aug. 1907

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Hier marschieren die Dinge jetzt auch brav. Die Teilung der Seminarbibliothek ist in gutem Frieden so ziemlich durchgefu¨hrt; und die Umrisse des Seminars fu¨r Kultur- und Universalgeschichte werden deutlicher. Ich denke, ich werde Ihnen Herbst 1908 die schmucken Ra¨ume zeigen ko¨nnen: 2 Stockwerke, 64 Fenster, 900 m2, & eine Bibliothek im Werte von mindestens 70.000 Mark. Es wird etwas, wie es, glaube ich, noch nicht besteht, ein historisches Vorzeige-Institut. Ich bin sehr glu¨cklich dabei; kann alle meine Pla¨ne, scheint es, verwirklichen. Herzlichen Gruß im Kreise der Ihrigen an Sie & Fredericq! Ihr Lamprecht Da habe ich ja die Kinderzeichnungen ganz vergessen! Waxwieler hat gla¨nzend agitiert. Aber ich habe noch nichts erhalten. Vor allem liegt mir auch am Congo: und wenn Sie da Druck machen ko¨nnten, wa¨re ich sehr dankbar. Hier wird in provisor. Ra¨umen in der Materie stramm gearbeitet.

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Oberschreiberhau, 29. Aug. 1907656 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. hofft, auf dem Dresdener Historikertag P. zu treffen. In Dresden wird L. u. a. u¨ber die Forschungen zu Kinderzeichnungen referieren. Lieber Freund! So muß es kommen! Seit Wochen will ich Ihnen schreiben, und nun stehen wir dicht vor den Pforten des Historikertages657. Werden Sie kommen? Ich hoffe. Ich denke, wir (vor allem auch Hansen) treffen uns im Hotel Bristol, Bismarckstr. Meine Kinder & Frau Bruch werden auch in Dresden sein; und so werde ich mich doppelt freuen, wa¨ren auch Sie zu zusammen da: entsprechend der Phantasie in Ihrem Hause vor einem Jahr. – Die Kinderzeichnungen sind inzwischen [?auch fu¨r?] Belgien aufs

656 Postkarte aus Oberschreiberhau (Schlesien), Villa Carla. 657 Die 10. Versammlung deutscher Historiker fand vom 3. bis 7. September 1907 in Dres-

den statt.

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Nr. 214

Leipzig, 10. Okt. 1907

Beste erledigt; nur der Congo steht noch aus; ich spreche daru¨ber in Dresden.658 Herzliche Gru¨ße! Ihr

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Lamprecht Leipzig, 10. Okt. 1907

Karl Lamprecht an Henri Pirenne Auch in Basel hat L. u¨ber seine neuen kultur- und universalgeschichtlichen Studien vorgetragen, „und zwar mit einem ganz durchschlagenden Erfolg“. – Fu¨r das Projekt „Kinderzeichnungen“ wird dringend Material ¨ stafrika und Bulaus dem Kongo beno¨tigt, um Vergleiche zu Deutsch-"O garien herstellen zu ko¨nnen. – Bd. X und XI der „Deutschen Geschichte“ stehen vor der Drucklegung. Lieber Freund! Sie werden nun wieder nach Gent heimgekehrt sein: hoffentlich recht gesta¨rkt fu¨r einen arbeitsreichen Winter. Ich bin auch seit einigen Tagen wieder zu Hause, nach la¨ngerer Fahrt von Basel aus den Rhein herab und von Frankfurt u¨ber Cassel, zumeist zum Besuche alter Freunde in Freiburg, Mannheim, Worms, Wilhelmsho¨he: aber leider nicht, ohne mir zu guter Letzt noch einen tu¨chtigen Anginacatarrh geholt zu haben. Daß ich in Basel auf dem Tage der deutschen Philologen und Schulma¨nner659 auch meine Kultur- und Universalgesch(ichtliche) Ausstellung gemacht und daru¨ber geredet habe, werden Sie wohl schon durch die Zeitungen wissen. Und zwar mit einem ganz durchschlagenden Erfolge. Ich gehe daher in diesen Dingen froh weiter vorwa¨rts und hoffe, daß ich in einem Jahr namentlich auch in die Uebungen des neuen Seminars eintreten kann. Inzwischen handelt es sich aber um neue Vorlesungen, Geschichte der USA, Japans & der ostasiat(ischen) Kultur u¨berhaupt, der Colonisation 658 Auf dem Historikertag sprach K. Lamprecht „Zur Ausgestaltung der universalge-

schichtlichen Studien im Hochschulunterricht.“ Vgl. Bericht u¨ber die 10. Versammlung deutscher Historiker zu Dresden, S. 18–26. Sein Vortrag gab Anlaß zu heftiger, z. T. sehr perso¨nlicher Kritik in Fachkreisen. Vgl. Schumann, S. 224ff. und Chickering, S. 314. Zu Demonstrationszwecken pra¨sentierte Lamprecht dem Auditorium auch Kinderzeichnungen als Materialgrundlage seiner entwicklungsgeschichtlich orientierten Universalgeschichte. 659 Die 49. Versammlung deutscher Philologen und Schulma¨nner fand vom 23. bis 27. September 1907 in Basel statt.

Nr. 215

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Leipzig, 21. Nov. 1907

& Entdeckungen u.s.w. In diesem Zusammenhange lese ich soeben mit hohem Interesse & reicher Belehrung Lannoys & Vanderlindens Hist. [Histoire] Coloniale.660 Ko¨nnten Sie mir angeben, ob der 2te Band schon erschienen ist bzw. wann er etwa erscheinen wird. Auch auf einem anderen Gebiet noch eine Bitte. Wir haben jetzt c. 140.000 Blatt Kinderzeichnungen, und es zeigt sich, daß das Material fu¨r die Vo¨lker hoher Cultur einstweilen ausreicht. Nicht so aber fu¨r die Vo¨lker der niedrigen. Und hier fehlen uns nun vor allem Zeichnungen von Kindern und Erwachsenen der Congovo¨lker, insbesondere auch der Zwergvo¨lker; und noch besser wu¨rden wir versehen sein, wenn wir zu einer Anzahl von Individuen, die gezeichnet haben, auch Plastiken, bsdrs. Thonplastiken ha¨tten. Wir haben dergleichen aus Deutsch-Ostafrika und haben davon reichen Gewinn. Ko¨nnten Sie also noch einmal ein wenig Feuer hinter den Congostaat machen? Wie scho¨n wa¨re es, lieferte er ein Gegenstu¨ck zu der herrlichen Sammlung aus Bulgarien! Die Deutsche Geschichte ist nun unter alledem ein bischen in den 2. Plan gekommen. Ich werde Ihnen aber in c. 4 Wochen Band X zusenden ko¨nnen & bin mit der ersten Ha¨lfte von Band XI so ziemlich fertig. Herzliche Gru¨ße an Sie und die Ihrigen! Ihr

Lamprecht

Ko¨nnen die Jungen sicher Marken brauchen? Oder sammeln sie sonst mir zuga¨ngliche Dinge: Autographen, Siegel pp.?

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Leipzig, 21. Nov. 1907 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Von dem zu erwartenden kulturgeschichtlichen Material aus dem Kongo (Zeichnungen und Plastiken) erhofft L. weitere Forschungsergebnisse. – Auch wenn das Leipziger Seminar sich in L.s Sinn gut entwickelt, mehren sich aus den Reihen der Fachkollegen kritische Stimmen, wie auf den Historikertagen deutlich wurde. – Gesundheitlich angeschlagen bereitet L. Band X und XI der Deutschen Geschichte fu¨r den Druck vor.

660 C. Lannoy/H. Vander Linden, Histoire coloniale des peuples europe´ens, vol I: Portugal

et Espagne (jusqu’au de´but du XIXe sie`cle). Bru¨ssel 1907.

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Leipzig, 21. Nov. 1907

Nr. 215

Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihre letzte so erfreuliche Nachricht! Hoffentlich wird der Congo recht ausgiebig, denn die Bearbeitung der Zeichnungen hat jetzt begonnen, die Probleme ha¨ufen sich, und wir du¨rsten nach fremdem Stoffe. Dabei sind sogleich die ersten Ergebnisse eben so sicher als von fundamentaler Bedeutung. Z. B. stellt sich heraus, daß die Kinder jeder Rasse einen ganz bestimmten, nur ihnen eigenen Ductus in der Linie haben, ganz unabha¨ngig von Darstellungsmaterial, Milieu und Erziehung. Da ha¨tten wir also endlich ein klares Votum fu¨r den angenommenen Rassebegriff: und was bedeutet dies nicht fu¨r den durchaus elementaren Charakter der Tatsachen? Auch sonst geht es mit dem ku¨nftigen ‘Seminar fu¨r Kultur- und Universalgeschichte‚, wie es nun definitiv amtlich heißt, tapfer vorwa¨rts; wir werden eine Bibliothek von etwa 100.000 Mark aufstellen ko¨nnen, & ich hoffe, daß ich Ihnen schon im August gelegentlich des Berliner Congresses661, wenn Sie nach Leipzig kommen, manch Interessantes zeigen kann. Ein gut Teil der deutschen Kollegen allerdings la¨chelt einstweilen oder redet wohl von Gehirnerweichung, und diese Meinungen sind in Dresden u¨ppig cultiviert worden.662 Ich mag in Stuttgart gegen den Tag nicht eben gu¨nstig operiert haben663 (was ich u¨berhaupt wenig verstehe); mit meinem Gefu¨hl, daß Dresden Parteiversammlung sein werde, habe ich Recht behalten. Und ich fu¨rchte, Strassburg wird es noch viel mehr sein.664 Von meiner Deutschen Geschichte erhalten Sie demna¨chst den 10. Band. Es steckt viel Arbeit darin, und es hat viel Vergnu¨gen gemacht. Nun noch ein Band, und ich bin am Ziel. Ich ko¨nnte diesen XI. Band in einer Ausarbeitung aus den 90er Jahren sogleich drucken lassen, aber ich sehe, wie viel inzwischen gereift und gea¨ndert ist. Doch giebt diese Basis das tro¨stende Bewußtsein, daß ich mich schon den universalgeschichtlichen Problemen hingeben darf. 661 Internationaler Historikerkongress Berlin, 6.–12. August 1908. Hier sprach Karl Lam-

precht u¨ber „Die kultur- und universalgeschichtlichen Bestrebungen an der Universita¨t ¨ kumene der Historiker: Geschichte der Leipzig“. Vgl. Karl Dietrich Erdmann, Die O Internationalen Historikerkongresse und des Comite´ International des Sciences Historiques. Go¨ttingen 1987. 662 Vgl. Schumann, S. 224, Anm. 4: „Helmolt berichtet, u. a. [aus der Kollegenschaft] das Wort ‚Gehirnerweichung‘ geho¨rt zu haben.“ 663 Historikertag in Stuttgart, 17.–21. April 1906. Vgl. Schumann, S. 261: „Karl Lamprecht ist zwar durch einen Irrtum nicht auf die Teilnehmerliste gesetzt worden, hat sich aber an der Tagung aktiv beteiligt und soll, wie Minnie von Below (...) berichtet, außerhalb des eigentlichen Kongresses die Verso¨hnung mit Below angebahnt haben.“ 664 Gemeint sind die Historikertage in Dresden (1907) und der geplante Historikertag in Straßburg (1909), an dem Lamprecht aber nicht mehr teilnahm.

Nr. 216

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Leipzig 15. Juni 1908

Verzeihen Sie Schwatzhaftigkeit & schlechte Schrift: Beides ha¨ngt miteinander zusammen; ich liege im Bett, um einen Katarrh los zu werden, und habe viel Zeit zum Contemplieren. Herzliche Gru¨ße an Sie Alle – und die Bitte einmal bald wieder um eingehende Nachricht! Ihr Lamprecht

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Leipzig 15. Juni 1908 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Auswertung der Kinderzeichnungen steckt zwar noch in den Anfa¨ngen, doch zeichnen sich erste Ergebnisse ab, die „Beitra¨ge zur Definition des Rassebegriffs“ liefern. – Das Seminar fu¨r Kultur- und Universalgeschichte in Leipzig ist mit reicher Ausstattung endgu¨ltig bewilligt worden. Lieber Freund! Sie sollten zu Pfingsten einen Brief haben und herzlichen Dank fu¨r die Zusendung der gesammelten Kinderzeichnungen. Aber ich habe bis Mittwoch nach dem Feste in saurem Schweiße an einem Manuscript gesessen, bin dann in den Harz ausgerissen, hatte darauf ein paar lange Sitzungen in Berlin: und komme so erst heute mit dem Feiertagsblumenstrauß und herzlichem Danke. Die Zeichnungen sind uns viel wert und brauchbar; doch ha¨tten wir gerne fu¨r eine Fortsetzung einiges genauer u¨ber die Kinder, nach Anlage des Ihnen bekannten Fragebogens. Die Forschungen u¨ber die Kinderzeichnungen sind naturgema¨ß noch im embryonalen Stadium; schon die anschauliche Aufbereitung des Materials der c. 140.000 Blatt (Inventarisierung pp.), denn die kritische Auswertung erfordert sehr viel Zeit. Doch stehen jetzt schon einige fundamentale Aussagen fast fest. Darunter vor allem das, daß es in den Zeichnungen der japanischen und indischen (gewiß auch anderen) Kinder eine Verschiebung in der einfachen Linienfu¨hrung giebt. Die Erscheinung correspondiert mit der andren, durch Sievers665 festgestellten, daß es einen [unleserlich] der Atemfu¨hrung & dadurch des Rhytmus giebt: und beide 665 Eduard Sievers (1850–1932), zw. 1871 u. 1892 Prof. fu¨r Germanische Philologie in Jena,

Tu¨bingen u. Halle, Prof. fu¨r Deutsche Philologie an der Univ. Leipzig (1892–1922). Vgl. dessen Grundzu¨ge der Lautphysiologie zur Einfu¨hrung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Leipzig 1876, 5. Aufl. 1901.

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Nr. 217

Leipzig, 19. Juli 1908

Dinge sind jedenfalls physiologisch (Herzta¨tigkeit pp.) mitbedingt. Also Beitra¨ge zur Definition des Rassebegriffs und zur Ausfu¨llung der damit verbundenen Anschauungen mit positiven Vorstellungen. Die Arbeiten werden nun rascher vorwa¨rts gehen, nachdem mir mein Seminar ohne jeden Abstrich bewilligt worden ist. Sie ko¨nnen denken, daß ich daru¨ber sehr glu¨cklich bin. 150 Arbeitspla¨tze, Bibliothek fu¨r ¨ ber die Frage der Orga80.000 Mark: da la¨ßt sich schon etwas machen. U nisation mo¨chte ich in Berlin sprechen. Sie kommen doch hoffentlich auf den Congreß?666 Die Zeit ist freilich ungu¨nstig. Herzlich nehme ich an dem Erfolg Anteil, den Sie mit der belg. Geschichte haben. Es ist ausgezeichnet. Wenn nur nun andre Nationen sich an Ihrer Durchfu¨hrung ein gutes Beispiel nehmen wollten! Herzliche Gru¨ße! Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 19. Juli 1908 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die eingetroffenen Kinderzeichnungen aus dem Kongo werden nach der Ero¨ffnung des neuen Leipziger Instituts intensiv ausgewertet. Erste Ergebnisse wird L. schon auf dem bevorstehenden Berliner Historikerkongress vortragen ko¨nnen, zu dem auch P. und Hansen erwartet werden. – In Zeiten, die „manches Schwere“ bringen, kann P. Halt in seiner Familie finden. „Mir [L.] hat das in meinem Leben gefehlt.“ Lieber Freund! Besten Dank fu¨r die reiche Sendung von Kinderzeichnungen vom Congo! Ich habe sie in diesen Tagen, wo ich nicht recht weiß wohin vor Arbeit, nur flu¨chtig durchgesehen; sie scheinen mir eher aber lehrreich. Voll in Schuß wird die Untersuchung der Kinderzeichnungen erst im Fru¨hjahr 1909 kommen, wenn alles inventarisiert und in dem neuen Seminar ordentliche Arbeitsgelegenheit gegeben ist. Daher ist schon jetzt Manches getan und sind einige wichtige Ergebnisse gewonnen: wovon ich Ihnen in Berlin sprechen werde. In Berlin! Hoffentlich wird es nicht zu heiß. Ich freue mich sehr darauf, & nicht am wenigsten auf Sie und Hansen.

666 Internationaler Historikerkongress, vgl. oben Nr. 215.

Nr. 218

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Leipzig, 4. Nov. 1908

Daran, daß Sie in diesen Wochen so schweres Leid667 erfahren haben, nehme ich herzlich Anteil. Es ist etwas [unleserlich], wie Sie ihn das Glu¨ck haben zu besitzen; mir hat das in meinem Leben gefehlt. Und alles, was sich an ihn knu¨pft, Freud & Schmerz, [unleserlich] schon in der Allgemeinheit seiner Erscheinung, wie sie sich auf alle bezieht, [unleserlich]. Sie werden das in dem letzten Jahren, die Ihnen so manches Schwere gebracht haben, oft erlebt haben. Ueber unsere kleinen Sorgen und Fortschritte werden wir in Berlin gewiß Austausch halten. In welchem Hotel bleiben Sie? Mit herzl. Gruße Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 4. Nov. 1908 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Fu¨r die Arbeit am neuen Institut fu¨r Kultur- und Universalgeschichte hat L. die Universita¨t Gent um Unterstu¨tzung gebeten. Ein Kurs zur franzo¨sischen Kulturgeschichte ist schon in Vorbereitung. Lieber Freund! Gleichzeitig mit diesen Zeilen geht ein Schreiben an Ihre Faculta¨t ab mit der Bitte um litterarische Unterstu¨tzung meines Seminars. Wu¨rden Sie und Fredericq sich wohl der Unterstu¨tzung an entscheidender Stelle annehmen? Das Seminar geht flott vorwa¨rts, wenn auch einstweilen nur ein erster Curs (Vorkurs) ero¨ffnet ist: freilich sogleich in 3 Parallelkursen. Im na¨chsten Sommer hoffe ich dabei, neben mehreren andren Kursen, auch einen solchen u¨ber franzo¨sische Kulturgeschichte abhalten lassen zu ko¨nnen. Die ganze Sache macht Mu¨he und Schreiberei, aber lohnt auch ziemlich, und ich bin jetzt, da ich das M[anuskript] meiner Deutschen Geschichte abgeschlossen habe, ganz dabei. Was macht Ihre belgische Geschichte? Und wie geht es Ihrer Gesundheit? Hoffentlich bringt Ihnen dieser Winter Monate ungetru¨bter Freude und kein neues Leid. Mit herzlichen Gru¨ßen an Sie Beide Ihr

667 Erneute Erkrankung Pirennes, vgl. auch Nr. 218.

Lamprecht

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Nr. 219

Leipzig, 6. Jan. 1909

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Leipzig, 6. Jan. 1909 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Mit großzu¨giger Unterstu¨tzung aus dem In- und Ausland konnte am Leipziger Institut eine umfangreiche Bibliothek nach neuen pa¨dagogischen Prinzipien aufgestellt werden. – Dem perso¨nlichen Erfolg L.s steht die wachsende Kritik unter seinen Leipziger Kollegen gegenu¨ber: „[Sie] schikanieren mich gru¨ndlich.“ Lieber Freund! Meine diesmaligen Neujahrswu¨nsche treffen bei Ihnen etwas spa¨t einaber nach deutschen Begriffen doch noch nicht zu spa¨t. Fu¨r mich aber ist heute, am Dreiko¨nigstag, ‚Hochneujahr‘, wie man in Sachsen sagt, diesmal der erste Ruhetag und auch der erste Tag, an dem ich recht zum Bewußtsein der Zeit komme: denn nun steht endlich das neue Seminar soweit, daß wir morgen einen Teil ero¨ffnen ko¨nnen. Sie werden la¨cheln. Aber ich habe in den letzten Wochen etwa 10.000 Ba¨nde aufgestellt und etikettieren lassen. Wir sind damit noch nicht fertig; aber doch ist viel gewonnen, und ich weiß, wie gut diese Arbeit doch ist, da sie zugleich die Realisierung einer neuen Art von Bibliothek & eines neuen paedagogischen Princips fu¨r deren Aufstellung bedeutet. Ob nun das Ganze praktisch und wirksam sein wird? Daru¨ber mu¨ssen die Experimente noch in diesem Semester entscheiden, und ich bin sehr neugierig. Inzwischen bin ich bei dem weiteren Ausbau aufs Reichste unterstu¨tzt worden, nicht zum Geringsten aus Belgien, & hier wieder vornehmlich durch Ihren Einfluß. Wie herzlich bin ich Ihnen dafu¨r dankbar. Aber auch sonst ist uns viel Gutes geworden, manchmal soviel, daß wir fast schon in Raumschwierigkeiten geraten, wie z. B. durch das Geschenk der großen Kaiserlichen chinesischen Encyclopa¨die, 1070 Ba¨nde! Und was mich besonders freut: wir haben auch, wie ich Ihnen vertraulich mitteilen darf, eine starke Unterstu¨tzung (10.000 M.) aus dem Kaiserlichen Dispositionsfond in Aussicht und eine warme Anerkennung seitens des Fu¨rsten Bu¨low schon in der Tasche.668

668 Mit Hilfe Friedrich Althoffs gelang es L., u¨ber v. Bu¨low die kaiserliche Unterstu¨tzung

zu erlangen. Vgl. Chickering, S. 352.

Nr. 220

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Leipzig, 1. Juli [?] 1909

Dies Alles ist um so erfreulicher, als gegen Seeliger & Brandenburg669 noch schwere Ka¨mpfe durchzufechten sind, zumeist auf dem Boden der Fakulta¨t. S[eeliger] & B[randenburg] haben nicht nur meinen „Vorkurs“ dadurch zu sto¨ren gesucht, daß sie die Herren, welche ihre Mitarbeit zugesagt hatten, durch allerlei bis zur Drohung gehender Mittel abspenstig machten, sie haben auch verku¨ndet, daß sie meinen Vorkurs fu¨r ihre Seminarien nicht rechnen, wa¨hrend sie dies den Vorkursen andrer Universita¨ten gegenu¨ber tun, und schickanieren mich gru¨ndlich durch mißgu¨nstige Referate u¨ber bei mir gearbeitete Dissertationen im amtlichen Verkehr der Faculta¨t. Nun, das Alles hat kurze Beine und beginnt mir die Sympathien der andren Kollegen einzutragen. Denn am End siegt doch zumeist die Sachlichkeit. Was freue ich mich da, von Ihrer belgischen Geschichte so Gutes zu ho¨ren! Hoffentlich belasten Sie nur die Neuauflagen nicht so stark: sie sind manchmal wirklich „der Fluch der bo¨sen Tat“. Ich habe sie an Schu¨ler abgegeben. Uebrigens hoffe ich auch in diesem Jahr mit der D[eutsche] Geschichte fertig zu werden. Nochmals Scho¨ne Gru¨ße an Sie & die Ihrigen! Ihr

Lamprecht

Zu Strassburg670 bin ich noch unschlu¨ssig.

220

Leipzig, 1. Juli [?] 1909 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. erwartet P. in Leipzig, wo die Entwicklung des neuen Instituts alle Erwartungen u¨bertrifft. Lieber Freund! Soeben erhalte ich Ihre Zeilen. Wie freue ich mich, Sie hier zu sehen!671 Wollen Sie nicht bei uns wohnen: sehr behaglich, nahe der Universita¨t? Bitte schreiben Sie mir, ob Ihnen das passt; ich werde dann die Sache hier regeln. 669 Erich Brandenburg (1868–1946). O. Prof. fu¨r Geschichte an der Universita¨t Leipzig

(1906–1937). 670 Historikertag in Straßburg, 15.–19. September 1909. 671 Pirenne besuchte Leipzig zur Jubelfeier des 500-ja¨hrigen Bestehens der Universita¨t

Leipzig im Juli 1909.

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Nr. 221

Leipzig, 2. Aug. 1909

Mit dem Institut geht es u¨ber Erwarten; 223 Mitglieder, bei c. 140 Arbeitspla¨tzen: also sofort „u¨berzeichnet“.672 Und gute Verteilung auf die einzelnen Uebungen, obwohl die Studenten in voller Freiheit gewa¨hlt haben. Ich bin daru¨ber sehr glu¨cklich. Fu¨r Ihre Notizen in Sachen belg[ische] Geschichte herzlichen Dank. Es geht doch gewaltig vorwa¨rts. Scho¨ne Gru¨ße allerseits Ihr

221

Lamprecht

Leipzig, 2. Aug. 1909 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. u¨bersendet ein Verzeichnis der in Leipzig vorhandenen Literaturtitel, die von der Belgischen Akademie herausgegeben wurden. Lieber Freund! Bei uns wird tapfer abgerissen, was noch an die scho¨nen Festtage673 erinnert: Girlanden, Tribu¨nen, Fahnengeru¨ste – und Sie werden inzwischen zu Ihren Penaten heimgekehrt sein. Da soll Sie dann sogleich die beiliegende Briefmasse erwarten, die, hoffe ich zu Ihrer Zufriedenheit zusammenfaßt, was wir noch zuletzt besprochen hatten. Ich lege dabei der generell gehaltenen Petition an die Comission royale ein Verzeichnis der Sachen bei, die wir von der Academie besitzen. Hoffentlich ist Ihre Reise gut verlaufen. Wir kommen doch erst u¨bermorgen fort; ich muß morgen noch fast den ganzen Tag unerwartete Besucher durch das Institut fu¨hren. Tausend scho¨ne Gru¨ße an Sie & die Ihrigen! Ihr

Lamprecht

672 Das „Ko¨niglich Sa¨chsische Institut fu¨r Kultur- und Universalgeschichte“ hatte am

15. Mai 1909 seine offizielle Ero¨ffnung gefeiert. 673 Jubelfeier zum 500-ja¨hrigen Bestehen der Universita¨t Leipzig, Juli 1909.

Nr. 222

222

295

Leipzig, 22. Sept. 1909

Leipzig, 22. Sept. 1909 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Nach einem Kuraufenthalt im Engadin wendet sich L. wieder universalgeschichtlichen Untersuchungen zu, wo es gilt, Schwierigkeiten verschiedenster Art zu meistern: Neben der Materialbeschaffung stehen hier Schwierigkeiten in der Universita¨tsorganisation und perso¨nliche Kritik: „Das na¨mliche System der Verleumdung herrscht mir gegenu¨ber.“ Lieber Freund! Anbei ein paar Jubila¨umsreliquien, von denen ich nicht weiß, ob ich sie Ihnen gegeben habe, dazu eine stenographische Rede aus Berlin, die Sie mit Nachsicht lesen mo¨gen: wir waren alle sehr mu¨de. Ich sende Sie Ihnen, weil sie in die jetzigen Bestrebungen von Freund Hoeniger einfu¨hrt. Wir sind inzwischen aus dem Engadin heimgekehrt, ich nach einer Kur, die kaum irgendwelche Arbeit nebenbei erlaubte: alle, glaube ich, befriedigt und erfrischt: u¨brigens nicht, ohne [unleserlich] auf dem Bodensee Zeppelin ordentlich bewundert zu haben. Hier habe ich mich jetzt intensiv in japanische Bu¨cher gestu¨rzt, nachdem ich die erste Aufgabe meines Lebens, den Nachweis von Kulturstufen an der Deutschen Geschichte, als abgeschlossen erachten kann. Ueber den allgemeinen Effekt davon vergleichen Sie vielleicht die beifolgenden Hefte der internationalen Wochenschrift674. Mir wird darin nichts Neues gesagt. Die universalhistor[ischen] Studien scheinen sich leichter anzulaufen, als ich glaubte, die Hauptschwierigkeit ist der Reichtum der Probleme. Dazu kommen dann zugleich die Schwierigkeiten der Universita¨tsorganisation, zumal bei den hiesigen Gegenbeziehungen. Ueber den moralischen Charakter dafu¨r giebt jetzt Rachfahl mit seiner Broschu¨re ‚Zur Abwehr‚ genu¨gend Aufschluß; das na¨mliche System der Verleumdung herrscht mir gegenu¨ber. Daneben bleiben die viel vergnu¨glicheren Schwierigkeiten der Organisation. Wir sind da schon wieder weiter, wie vor 6 Wochen; insbesondere die Verhandlungen mit Columbia- & Harvard-University lassen sich sehr verheissungsvoll an. Hoffentlich ho¨re ich auch von Ihnen [unleserlich] Belgien bald Gutes. Auch von Rußland werde ich sehr zuvorkommend behandelt, obgleich die Form noch nicht gefunden ist, in der wir hier slawische Forschungen einrichten ko¨nnten.

674 Internationale Wochenschrift fu¨r Wissenschaft, Kunst und Technik.

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Nr. 223

Leipzig, 9. Okt. 1909

Meinen Ma¨dels wie Frau Bruch geht es gut; sie lassen freundlich gru¨ßen. In Straßburg675 waren Sie also auch nicht! Ich ho¨re, daß der Besuch sehr schwach war. Sehr begreiflich: man ha¨tte la¨ngst einmal nach Norden oder Nordosten gehen mu¨ssen. Aber seit Salzburg676 entscheiden fu¨r die Ortswahl nicht mehr die Interessen des Tages, sondern der Richtung, die ihn monopolisiert. Herzliche Gru¨ße an Sie & die Ihrigen von Ihrem

223

Lamprecht Leipzig, 9. Okt. 1909

Karl Lamprecht an Henri Pirenne Eine Bu¨chersendung an P. hat ihr Ziel offensichtlich nicht erreicht. – Die universalgeschichtlichen Studien zeitigen fu¨r China erste Ergebnisse. – Fu¨r die Lehrta¨tigkeit am Leipziger Institut werden ausla¨ndische Dozenten gewonnen. Lieber Freund! Nach einer mir soeben zugehenden Notiz scheint es, als wenn Sie die Bu¨cher, zu deren Nachsendung ich mich erbot, nicht erhalten ha¨tten. Es muß da ein Irrtum oder eine Nachla¨ssigkeit von Dritter Seite vorliegen. Vielleicht, daß Sie bei Herrn Adolf Hoste677 in Gent einmal nachfragen, unter Vorweis des beifolgenden Schreibens der Buchhandlung, durch welche die Expedition hier erfolgt ist. Wir haben hier jetzt herrliche Tage, nur ungern bleibt man im [unleserlich]. Aber ich habe auch in diesen mehr als einfache [unleserlich]. Denken Sie, daß im Chinesischen, namentlich der realistischen Romanlitteratur, die Quellen vo¨llig vorliegen, die einen menschlichen [unleserlich] von ca. 1 Jahrtausend u¨bersehen lassen! Und die meisten der Quellen sind u¨bersetzt! Das ist, nach den scho¨nen Funden in Po-Pu-su-hi fu¨r den Anfang der chines[ischen] Geschichte, viel mehr, als ich zu hoffen wagte. Inzwischen melden sich [unleserlich] die Anfa¨nge des Semesters, und im Institut geht es schon recht lebendig zu. Herzliche Gru¨ße an Sie Alle! Ihr 675 Historikertag in Straßburg, 15.–19. September 1909. 676 Tagungsort des 8. Historikertages 1904. 677 Adolf Hoste, Verlag u. Buchhandlung in Gent.

Lamprecht

Nr. 224

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Leipzig, 30. Okt. 1909

Sehe soeben, nach Schluß dieser Zeilen, ankommender Brief besta¨tigt meine Vermutung in Sachen des Buchpackets. Wollen Sie bitte zuna¨chst einmal bei Hoste nachsehen? Schade, daß Sie mit der Sache solche Last haben; aber es geht nicht anders. Und herzlichen Dank fu¨r Ihre u¨brigen lieben Nachrichten! Alter Latifundienbesitzer! Ich dachte an eine a¨hnliche Installation in der Gegend von Naumburg-Schulpforte-[unleserlich]. Kennen Sie die? Da mu¨ssen wir das na¨chste Mal hin, wenn Sie hier sind. Die Angelegenheit der franzo¨sischen Kurse im Institut la¨uft sehr gut. Ich glaube, daß ich ihnen schrieb, wie fu¨r Japan & China Alles wohl geordnet ist.678 Eben heute erhalte ich von Bryce679 einen vielversprechenden Brief wegen England. Fu¨r America kommt Burgess680 in den na¨chsten Wochen zu mir; ich glaube, wir werden zu gutem Ziele gelangen, da ich B. gut kenne und die Rivalita¨t zwischen Harvard & Columbia University fo¨rdert. So wollen wir auch fu¨r Belgien das Beste hoffen.

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Leipzig, 30. Okt. 1909681 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. berichtet u¨ber den Beginn des Wintersemesters. Lieber Freund! Ein kleines Lebenszeichen noch aus unseren Festtagen, das soeben zur Ausgabe gelangt, mo¨chte ich Sie und Ihre Frau Gemahlin bitten, anbei freundlichst annehmen zu wollen. Ich denke, daß es namentlich Frau Pirenne einige Teile der Feste leidlich veranschaulichen wird. Inzwischen sind wir hier ordentlich in das neue Semester eingetreten, ich recht dankerfu¨llt & froh, denn es geht in Colleg & Institut gla¨nzend. Im Institut ist die gute Frequenz des Sommer [sic!] schon u¨bertroffen; wir sind jetzt etwa 270. Viele scho¨ne Gru¨ße! Ihr

Lamprecht

678 Das Leipziger Institut entwickelte sich zu einem bekannten Zentrum weltgeschichtli-

cher Studien, das von Studenten stark frequentiert wurde. Auf dem Lehrplan franzo¨sische, englische, italienische, amerikanische und ostasiatische Kulturgeschichte. Vgl. Chickering, S. 447. 679 James Bryce (1838–1922), Politiker, Historiker u. Jurist, Prof. fu¨r bu¨rgerl. Recht in Oxford (1870–1893). 680 John William Burgess (1844–1931), Politikwissenschaftler an der Columbia University New York. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 294 681 [Postkarte]

298

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Nr. 225

Leipzig, 16. Jan. 1910

Leipzig, 16. Jan. 1910 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Verhandlungen u¨ber den Druck der franzo¨sischen Ausgabe von Bd. IV der Geschichte Belgiens. – Die „Fortschritte“ des Leipziger Instituts zeigen sich in der Vervollsta¨ndigung der umfangreichen Bibliothek durch die Schriften der belgischen Kommission und im neuen Lehrangebot zur englischen Kulturgeschichte. Lieber Freund! Die Angelegenheit Ihres IV Bandes hat sich leider bis heute verschoben. Anbei teile ich Ihnen mit 1. Abschrift eines Briefes von Dr. Arnheim an den Verlag vom 9/1 und 2. Abschrift eines Briefes des Verlags vom 15/1. 682 Danach ist ja der Verlag zu einem gewissen Entgegenkommen bereit. Es wu¨rde sich nur darum handeln, daß der franzo¨sische Verleger den Vorschlag einer Abfindungssumme macht. Sie versuchen vielleicht in diesem Sinne mit diesem zu verhandeln. Ich glaube, daß Perthes wohl auch mit einer nicht zu hohen Summe zufrieden sein wu¨rde. Wir haben nun inzwischen die scho¨nen Reihen der Schriften der Commission royale ausgepackt und geordnet. Dabei haben sich die beifolgend verzeichneten Lu¨cken bzw. Ueberschu¨sse ergeben. Ich mo¨chte sie gerne erga¨nzt sehen bzw. zuru¨cksenden, dabei aber womo¨glich nicht den ganz amtlichen Weg einschlagen. Ko¨nnten Sie vielleicht unter der Hand die Erga¨nzung der vorhandenen Lu¨cken, soweit sie mo¨glich ist, veranlassen, und wu¨rden Sie das hier [unleserlich] Werk zur Ru¨ckgabe an die Commission entgegen nehmen? Das Institut macht inzwischen hu¨bsche Fortschritte. Insbesondere ist jetzt der englische Kurs, erfreulich durch Vermittlung von Bryce, geregelt; im na¨chsten Sommer werden wir die ersten kulturgeschichtlichen Uebungen u¨ber England nach englischer Methode in englischer Lehrsprache haben. Zuna¨chst sind Schu¨ler von Burg und Ward in Cambridge als Docenten in Aussicht genommen. Perso¨nlich befreunde ich mich jetzt langsam mit dem Plane einer Universalgeschichte. Die Sache ist von ho¨chstem Interesse, erfordert aber zuna¨chst, abgesehen von dem Betriebe der ostasiatischen Geschichte, ein strenges Einarbeiten in den Fortgang des universalhistorischen Geschehens seit Voltaire und Herder. 682 Beide Abschriften u¨berliefert; Inhalt entsprechend Lamprechts Einlassungen.

Nr. 226

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Leipzig 1. Ma¨rz 1910

Herzliche Gru¨ße an Sie & die Ihrigen!

Ihr Lamprecht

Der Commission habe ich noch nicht gedankt, tue es aber doch wohl besser bald, noch ehe die kleinen Ansta¨nde geregelt sind?

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Leipzig 1. Ma¨rz 1910 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Eine Lehrveranstaltung zur flandrischen (Sozial- und Wirtschafts-) Geschichte ist in Vorbereitung mit Dr. Ledoux als Dozenten. Die von der belgischen Kommission bereits der Leipziger Bibliothek u¨bereigneten Besta¨nde schaffen die no¨tigen Voraussetzungen. Lieber Freund! Innigen Dank fu¨r die freudige Nachricht u¨ber Herrn Dr. Ledoux683. Ich hatte schon einen Tag zuvor von ihm Mitteilung erhalten, und da er schrieb, er werde dans quelques jours kommen, so habe ich ihm auch sofort geantwortet: so rasch [unleserlich] nicht; er habe bis Mitte April Zeit. Inzwischen habe ich mich mit ihm u¨ber ein Thema in Verbindung gesetzt: ich denke am besten aus der flandrischen Wirtschafts-Sozial-& Verfassungsgeschichte des 14. Jhs. etwas: natu¨rlich nach der Methode Pirenne. Ich hoffe, Sie unterstu¨tzen ihn in der Wahl. Je eher wir Genaueres wissen, um so besser, denn ich will dann noch vor Semesterbeginn die fehlenden fu¨r no¨tig erachteten Bu¨cher anschaffen. Freilich haben Sie uns in dieser Richtung mit den Schriften der Commission royale d’histoire ausgestattet. Und mit Spannung erwarte ich den noch nicht eingetroffenen Band II der Recueil sur la draperie flamande. Die hier befindlichen Sachen aber stehen schon sauber gebunden im Institut; und als uns der Ko¨nig neulich besuchte, habe ich ihn mit Stolz auf dies Scho¨nste meiner Geschenke aufmerksam gemacht. Habe ich noch nicht officiell gedankt, so ha¨ngt das damit zusammen, daß ich zugleich mit Uebersendung der ‚Beitra¨ge‚ den Reziprozita¨tsverkehr einleiten wollte: fu¨r die Beitra¨ge aber mußte erst ein neuer Vertrag gemacht werden, der die Verhandlung der Austauschexemplare, von denen wir eine ganze Anzahl bedu¨rfen, regelt. Eben in diesen Tagen aber ist diese ganze Materie geregelt; und so werde ich gleichzeitig mit dem Ministre des sciences et des arts der Commission royale eingehend danken. 683 Ein Schu¨ler Pirennes, der als Dozent am Leipziger Institut verpflichtet wurde.

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Nr. 227

Leipzig, 30. Ma¨rz 1910

Ich freue mich, daß sich die Sache mit Perthes geregelt hat; und nicht minder, daß ich Sie im Juni vermutlich sehen werde; ich habe in Bru¨ssel [unleserlich] in dem deutschen Haus der Ausstellung zu reden. Und wie geht es Ihnen sonst? Was macht die Gicht? Als vornehme Krankheit u¨bt sie hoffentlich Zuru¨ckhaltung. Mit herzlichen Gru¨ßen an Sie & die Ihrigen Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 30. Ma¨rz 1910 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Eine bevorstehende Vortragsreise wird L. u. a. nach Utrecht, Leiden und Ko¨ln fu¨hren. – Neben dem Belgier Ledoux soll auch ein franzo¨sischer Stipendiat am Leipziger Institut ta¨tig werden. Lieber Freund! Der Anlaß, Sie zu begru¨ßen, ist heute zuna¨chst ein sehr a¨usserlicher. Ledoux hat mir mit seinem letzten Brief nach der Art (oder Unart) vieler junger Leute von heute, ohne Adresse geschrieben. Da ich nun annehme, daß er nicht mehr in Paris sein wird, bin ich ganz außer Verbindung mit ihm. Darf ich da eine Hilfslinie u¨ber Sie ziehen, & Sie bitten, wenn es Ihnen mo¨glich, den beiliegenden Brief an seine Adresse gelangen zu lassen? Ich bin auf dem Sprunge, um hier auf ein paar Wochen in sogenannte Ferien zu gehen. Leichtsinniger Weise habe ich in Holland (Utrecht, Leiden) und in Coeln ein paar Vortra¨ge angenommen & muß die jetzt abbu¨ssen, wo ich viel lieber ein bischen Sonne im Tessin oder sonstwo aufsuchte. Nun, es bleibt einem dafu¨r wenigstens das erwa¨rmende Wiedersehen mit Freunden; morgen fru¨h besuche ich Hansen. Mit Ledoux habe ich mich ganz gut versta¨ndigt. Und Sie machen in Frankreich, wie es scheint, Schule! Monod schreibt mir, er befu¨rworte es lebhaft, daß das Institut hier auch einen franzo¨sischen Boursier684 erhalte. Inzwischen klopfen mir im neusten Heft des Archivs fu¨r Kulturgeschichte einige deutsche Freunde, vertreten durch Goetz685, das Fell. In der Form recht gro¨blich; sachlich kann ich [unleserlich] den gemachten 684 Stipendiaten. 685 Walter Goetz (1867–1958), Privatdozent in Leipzig (1895) und Mu¨nchen (1901), ord.

Prof. der Geschichte in Tu¨bingen (1905), Ord. in Straßburg (1913) und Leipzig (1915).

Nr. 228

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Leipzig, 1. Juni 1910

Zugesta¨ndnissen nur sehr zufrieden sein. Tra¨fen sie wirklich zu, so wa¨re mehr gewonnen, als ich irgend erwartet habe. Na: [unleserlich] (das Griechisch will Einem nicht mehr aus der Feder). Herzliche Gru¨ße an Sie und die Ihrigen von Ihrem

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Lamprecht

Leipzig, 1. Juni 1910686 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Lehrta¨tigkeit am neuen Leipziger Institut ist gepra¨gt von Seminaren zur Kulturgeschichte verschiedener europa¨ischer La¨nder, die von jeweiligen Gastdozenten abgehalten werden. Das Institut za¨hlt 320 Mitglieder, unter ihnen eine Reihe ausla¨ndischer Gelehrte, und sto¨ßt so bereits an seine Grenzen. Lieber Freund! Lassen Sie mich Ihnen vor allen Dingen danken fu¨r die Zusendung Ihres neuen Buches687. Ich tue es freilich, ohne es gelesen zu haben, denn es ist sofort in das Institut hinu¨ber gewandert, um in den Uebungen von Dr. Ledoux mit Nutzen gebraucht zu werden. Ledoux habe ich in den letzten Zeiten nicht gesehen, was ich aber von ihm und seinem Kurs weiss, ist gu¨nstig. Die Zahl der Teilnehmer, die er gefunden hat, ist nicht u¨berma¨ssig gross, soviel ich weiss, sind es 6 oder 8, es sind aber tu¨chtige Menschen, und mehrere von Ihnen haben mir erza¨hlt, wie ausserordentlich sie mit der Behandlung des Stoffes von Ledoux zufrieden sind. Das ist am Ende alles, was man wu¨nschen kann. Ledoux selber teilte mir mit, daß er gern wa¨hrend des Winters in Leipzig bleiben mo¨chte, und ich denke, daß er ein dementsprechendes Gesuch an das Ministerium gerichtet hat. Inzwischen sind nun aber auch die franzo¨sischen Kurse geregelt worden. Auch dort habe ich durch Vermittlung von Monod vom Ministerium die Zusicherung erhalten, daß man regelma¨ssig mit einer bourse de voyage versehene Gelehrte senden wird, die wie in der Weise von Ledoux ta¨tig sein werden. Nicht minder besteht auch in Leiden die Absicht, dort etwa vorhandene Kra¨fte hierher zu senden; fu¨ge ich endlich noch hinzu, daß 686 [ms.] Schillerstrasse 7. 687 H. Pirenne, Les anciennes de´mocraties des Pays-Bas. Paris 1910 (Bibliothe`que de philo-

sophie scientifique).

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Nr. 229

Leipzig, 22. Juli 1910

in diesem Semester noch ein englischer Kurs, durch einen Cambridger jungen Gelehrten, recht gut besucht ist, so sehe ich, wie der Kranz dieser Uebungen sich allma¨hlich schliesst: denn es wird nicht schwer sein, nunmehr auch Amerika, Italien und einige andere La¨nder, insbesondere Russland, in den Kreis einzustellen. Dabei ist zu erhoffen, daß die jungen Herren auch unter sich, namentlich im Zusammenhang mit den zahlreichen jungen deutschen Doktoren, sowie mit den einzelnen Ostasiaten, die hier am Institut sind, eine Gemeinschaft bilden werden, in der nach jeder Richtung hin zu lernen ist. Auch die Uebungen der anderen Kurse des Instituts blu¨hen. Wir sind auf 320 Mitglieder gestiegen, und in meinem Hauptkurs habe ich schon eine Reduktion der sich Meldenden um 30 % vornehmen mu¨ssen. So ist denn die quantitative Ho¨he erreicht, wenn nicht u¨berschritten, und wir ko¨nnen uns umsomehr qualitativer Verbesserung hingeben. Ich selbst habe dabei viel zu tun, indes die Arbeit bekommt mir recht gut, und so hoffe ich auch in den na¨chsten Zeiten auf weitere Fo¨rderung. Mit herzlichen Gru¨ssen an Sie und die Ihren Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 22. Juli 1910688 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die u¨beraus erfolgreiche Ta¨tigkeit des belgischen Gastdozenten Ledoux ko¨nnte mit P.s Hilfe vielleicht eine Fortsetzung im Wintersemester finden. – Der erneut gegen L. gerichteten „Polemik“, die sich an seiner Begrifflichkeit entzu¨ndet, wird L. mit neuen Forschungsergebnissen aus den universalgeschichtlichen Studien begegnen. Lieber Freund! Ich bin wahrhaftig nicht sicher im Bilde, ob ich Ihnen in den letzten 4 Wochen, die fu¨r mich gescha¨ftlich sehr bewegt waren, u¨ber Ledoux geschrieben habe oder nicht. Auf alle Fa¨lle mo¨chte ich nicht versa¨umen, es heute zu tun. Glu¨cklicherweise kann ich Ihnen da nur Gutes berichten. Mir scheint, Ledoux hat sich hier in unsere Verha¨ltnisse freundlich eingelebt, er hat seine Stellung im Institut gewonnen und behauptet, und in seinen Uebungen hat er so eifrige Teilnehmer, daß sogar der eine von diesen eine Dissertation begonnen hat (u¨ber die a¨lteste Burggrafenschaft 688 [ms. Durchschlag]

Nr. 229

Leipzig, 22. Juli 1910

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in den belgischen Sta¨dten). Die Frage ist nun, wie so gu¨nstig begonnene Anfa¨nge beibehalten und weiter gefo¨rdert werden ko¨nnten. Mit Bezug auf die Person ist hier die Lo¨sung sehr einfach; Ledoux selbst wu¨nscht wa¨hrend des Winters noch hier zu bleiben. Nun ka¨me es also wohl nur darauf an, inwiefern es mo¨glich wa¨re, ihm auch noch fu¨r den Winter den Genuss einer Bourse de voyage zu sichern. Nachdem was er mir selbst sagt, wu¨rde es sehr leicht sein, wenn Sie sich in dieser Richtung verwenden wollten, und so bitte ich denn wiederum einmal um Ihre freundliche Einsprache. Im Uebrigen glaube ich auch mit dem Gesamtergebnis dieses Semesters recht zufrieden sein zu ko¨nnen. Zwar sitze ich wieder einmal in einer Polemik, wie sie vielleicht aus den neuen Heften des Archivs fu¨r Kulturgeschichte ersehen haben werden. Aber sachlich hat dieser neue Krieg nicht entfernt die Bedeutung des Kampfes vor 15 Jahren, stellt sich doch in den Zu¨gen der Gegner gleich von anfangs an die fu¨r mich hocherfreuliche Tatsache heraus, daß sie generell nicht nur auf meinem Boden stehen, sondern sogar auch behaupten, dies sei die Stellung der jungen historischen Mannschaften u¨berhaupt. So ist denn die Arena sehr eingeengt und es handelt sich im Grund nur noch um die Anerkennung, beziehungsweise die Definition der Begriffe Typ und Kulturzeitalter. Daß in diesen beiden Hinsichten die Anschauungen von Leuten, die wesentlich nur auf dem Gebiete der deutschen Geschichte arbeiten, mit dem meinigen nicht oder noch nicht zusammentreffen ko¨nnen, ist selbstversta¨ndlich. Die Aufgabe kann in diesem engeren Gebiete u¨berhaupt nicht die sein, die Herren von der Richtigkeit meiner Begriffe zu u¨berzeugen, wie es dann leicht mo¨glich ist, daß diese Begriffe noch sehr betra¨chtlicher Verbesserungen bedu¨rfen, sondern vielmehr nur darauf kommt es an, die Forschung aus dem rein nationalen Gebiete, wenigstens zum Teil, auf das breitere universale hinu¨ber zu dra¨ngen: dann wird sich die Begriffsbildung in meinem Sinn ganz von selbst ergeben. All dieses ist mir jetzt um so gewisser, je mehr ich von Semester zu Semester mehr, vor allem an Hand der Vergleichung der japanischen mit der deutschen Geschichte in die universalgeschichtliche Detailarbeit eintauche; es unterliegt keinem Zweifel, daß auf diesem Gebiete ohne die Welt der an Zahl geringen Begriffe, die ich gebildet habe, u¨berhaupt nicht gearbeitet werden kann. Ledoux hat mir wiederholt von Ihren ha¨uslichen Sorgen erza¨hlt. Hoffentlich sind sie jetzt alle voru¨ber und erfreuen Sie sich in jeder Hinsicht glu¨cklicher Ferientage. Mit herzlichen Gru¨ssen an Sie und die Ihrigen Ihr ergebener Lamprecht

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Nr. 230

Leipzig, 14. Okt. 1910

Leipzig, 14. Okt. 1910689 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Festlichkeiten zur Jahrhundertfeier der Berliner Universita¨t hat L. gemieden. – Dr. Ledoux wird auch im Wintersemester am Leipziger Institut bleiben ko¨nnen. Lieber Freund! Herzlichen Dank fu¨r Ihre freundlichen Worte vom 6. Oktober. Ihre Annahme, daß ich zu den Festlichkeiten in Berlin sein wu¨rde,690 stimmt leider nicht. Ich ha¨tte als Rector des jetzt beginnenden Studienjahrs dies wohl erreichen ko¨nnen,691 geho¨re aber nicht zu den Naturen, die sich zu Festlichkeiten dra¨ngen, da bei mir in der Regel ein Stimmungsverlauf in das Humoristische, aus dem Humoristischen in das Ironische und aus dem Ironischen in das Melancholische eintritt, wovon Sie ja leider auch wa¨hrend Ihrer Anwesenheit in Leipzig etwas erlebt haben. Ich empfinde ein Fest ja als ein ganz anmutiges Spiel, wenn die Sache aber einige Tage dauert, so erscheint sie mir abgeschmackt. Doch zweifle ich nicht, daß Sie in Berlin eine Fu¨lle von bleibenden und grossen Eindru¨cken empfangen haben. Inzwischen hat Herr Dr. Ledoux in Sachen seines Winterkurses wieder an mich geschrieben, und ich hoffe, die Dinge werden sich so wenden lassen, daß er ihn ohne Beunruhigung hier abhalten kann. Sollte er fu¨r die Regelung seines Verha¨ltnisses in Belgien Ihrer Hilfe bedu¨rfen, so wird er sie ja gewiss mit Erfolg nachsuchen. Herzliche Gru¨sse an Sie und – wenn Sie heimkommen – auch an die Ihren von Ihrem treu ergebenen Lamprecht

689 [ms.] 690 Jahrhundertfeier der Berliner Universita¨t am 11. Oktober 1910. 691 K. Lamprecht bekleidete von Nov. 1910 bis Okt. 1911 das Amt des Rektors der Uni-

versita¨t Leipzig. Vgl. Karl Lamprecht: Rektoratserinnerungen, hrsg. v. Arthur Ko¨hler. Gotha 1917.

Nr. 231

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Leipzig, 19. Jan. 1911

231

Leipzig, 19. Jan. 1911692 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die mit der U¨bernahme des Rektorats an der Universita¨t Leipzig verbundenen administrativen Aufgaben gestalten sich mu¨hsam: Es ist „leichter, die kath. Kirche zu reformieren als eine deutsche Universita¨t“. – Der Austausch von Gelehrten zwischen Leipzig und Gent steht unter guten Vorzeichen: Dr. Ledoux wu¨nscht, ein weiteres Semester in Leipzig zu verbringen, Dr. Richter lobt die freundliche Aufnahme in Gent. Lieber Freund! Was werden Sie dazu sagen, daß ich auf Ihre freundlichen Zeilen vom Schluss des vorigen Monats erst jetzt antworte und Ihnen den typischen, aber innerlich so wohlgemeinten Neujahrsgruss zusende. Aber Sie wissen ja selbst, wie es geht, wenn man in die Klauen irgend einer Verwaltung gera¨t und ich sitze jetzt gru¨ndlich darin. Das Leipziger Rectorat ist ja an und fu¨r sich einfach zu fu¨hren, wenn man sich damit begnu¨gt, die vorhandenen Zusta¨nde anzuerkennen und ihren einfachen Ablauf zu kontrollieren. Versucht man dagegen einzugreifen, so ist die Zahl der sofort in andere Bewegung geratenden Ra¨der ausserordentlich. Und man muss ¨ berraschungen in einzelnen Punkten, an die man gar nicht auf allerlei U gedacht hat, gefasst sein. Im Grunde, glaube ich, ist es doch noch leichter, die katholische Kirche zu reformieren als eine deutsche Universita¨t. Indes, das alles darf nicht abschrecken, und ich denke doch, daß ich an einigen Punkten doch etwas weiter gelangt bin, wenn ich Ihnen auch noch nicht daru¨ber berichten kann. Sie werden zudem auch durch Ledoux Ausku¨nfte haben. Ledoux geht es hier sehr gut; er sieht wohl aus und fu¨hlt sich offenbar auch wohl. Jetzt harrt er der Entscheidung, die ihm erlaubt, noch ein Semester bei uns zuzubringen. Sie werden inzwischen mit Richter693 nicht allzu schlechte Erfahrungen gemacht haben. Er ist ein braver Mensch und macht es ihn, wie er mir schrieb, ausserordentlich glu¨cklich, in Gent so liebenswu¨rdig aufgenommen zu sein. Mit den besten Gru¨ssen an Sie und die Ihren stets Ihr

692 [ms.] 693 Schu¨ler Lamprechts aus Leipzig?

Lamprecht

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Nr. 232

Leipzig, 24. Juni 1911

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Leipzig, 24. Juni 1911694 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die Verwaltungsaufgaben des Universita¨tsrektorats nehmen L. stark in Anspruch. L.s Reformpla¨ne werden kontrovers diskutiert: Die Schaffung neuer Ra¨umlichkeiten fu¨r die Universita¨t geho¨rt ebenso dazu wie die Begru¨ndung von Forschungsinstituten und die verfassungsrechtliche Stellung von Studentenschaft und Lehrko¨rper. Lieber Freund! Der na¨chste Anlass, Ihnen heute zu schreiben, ist ein sehr merkwu¨rdiger. Seitens der Flamischen Akademie in Gent ist eine Einladung zur Feier ihres 25 ja¨hrigen Jubila¨ums hierher gekommen. Dabei sind als Jubila¨umstage zwei Daten genannt, na¨mlich einmal der Stiftungstag, der 8. Juli und dann der Tag der feierlichen Ero¨ffnung, der 10. Oktober. Aus dem Schreiben geht nun nicht mit Sicherheit hervor, an welchem dieser beiden Tage die Feier der Akademie stattfinden wird. Sie wissen in dieser Beziehung wahrscheinlich genau Bescheid, und deshalb darf ich Sie wohl freundlichst bitten, mich u¨ber diesen Punkt aufkla¨ren zu wollen. Im u¨brigen denke ich, daß Sie u¨ber unser hiesiges Leben durch Ledoux nach wie vor unterrichtet sein werden, ja u¨ber das Institut durch Ledoux vielleicht besser als durch mich, denn ich bin hier in meinem Rectoratsjahr in eine solche Fu¨lle von grossen Gescha¨ften geraten, daß ich dieses Jahr zwar fu¨r mich und die Universita¨t als fruchtbar betrachten darf, zugleich aber meine eignen und die Institutsangelegenheiten habe liegen lassen mu¨ssen. Bis jetzt ist es dabei gelungen, die Auskunfts- und Presseverha¨ltnisse der Universita¨t zu regeln, fu¨r einen ku¨nftigen Auszug der Universita¨t aus ihren alten Ra¨umen ein Areal von 75 ha anzukaufen695 und dergleichen mehr. Dagegen wogt noch ein starker Kampf um die Begru¨ndung von Forschungsinstituten, die ich im psychogenetischen Charakter begru¨ndet haben mo¨chte, wogegen die klassische Philologie und die politische Historie mit allen mo¨glichen Mitteln des Kriegs mobil gemacht hat. Wer siegen wird, ist noch ungewiss. Indes hoffe ich, wenn auch unter einigen Amputationen, der Hauptsache nach doch noch mit meinem Plan ans Ziel zu gelangen. Zu alledem kommen noch Verfassungska¨mpfe, sowohl innerhalb der Studentenschaft um eine gesetzliche Vertretung gegenu¨ber

694 [ms.] 695 Vgl. Rektoratserinnerungen, S. 47ff.

Nr. 233

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Leipzig, 19. Jan. 1912

dem Senate, wie innerhalb des Lehrko¨rpers seitens der Nichtordinarien um die Teilnahme an den Universita¨tsgescha¨ften696. Sie sehen also, auf dem Verfassungsgebiete ist einfach alles locker geworden. Ich bewege mich in diesen Dingen mit grosser Freude, wenn ich auch zuweilen u¨ber Arbeit sto¨hne, und wenn ich mir auch wohl sage, daß ich die hierher geho¨rigen Fragen wa¨hrend der kurzen Zeit meines Rectorates unmo¨glich vo¨llig lo¨sen kann. Von Ihnen habe ich recht lange nichts geho¨rt. Hoffentlich bedeutet das nicht, daß Sie in tormentis liegen. Mit herzlichen Gru¨ssen an Sie und die Ihrigen Ihr treu ergebener Lamprecht

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Leipzig, 19. Jan. 1912697 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Die an P. gerichteten Glu¨ckwu¨nsche zum großen Erfolg der Geschichte Belgiens geben Anlaß, L.s eigenen Weg zu u¨berdenken: „Ich habe mir mehr wie einmal gedacht, wie gut es fu¨r mich gewesen sein wu¨rde, wenn ich [...] am Rhein verblieben wa¨re, wo ich zu Land und Menschen paßte.“ – Ist es P. und seinen belgischen Kollegen mo¨glich, eine Nominierung des Leipziger Instituts fu¨r den Nobelpreis zu erreichen? – L.s Pla¨ne zur Reform der Leipziger Universita¨t werden allma¨hlich in die Praxis umgesetzt: Das betrifft die Forschungsinstitute ebenso wie die Organisation der Studentenschaft. „Das Einzige, was zuru¨ckbleibt, sind die Studien!“ Lieber Freund! All die Tage u¨ber habe ich Ihnen auf Ihre freundlichen Zeilen, die ich vor einigen Wochen erhielt, antworten und einen, wenn auch freilich recht verspa¨teten Neujahrsglu¨ckwunsch senden wollen. Indes ich hatte so viel zu tun, und, wie Sie wissen, der Historiker nimmt es mit der Chronologie, deren angeblicher Herr er ist, so leicht, daß ein Tag um den anderen ins Land gegangen ist, ohne daß ich Ihnen geschrieben habe. Vor allen Dingen gratuliere ich Ihnen nun herzlich zu dem Erfolg Ihres IV. Bandes. Sie sind nun „der“ Historiker Belgiens, und ich zweifle 696 Vgl. hierzu die Korrespondenz mit Bernheim, Nr. 64. 697 [ms.] Schillerstrasse 7.

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garnicht, daß der Abschluss des Werkes diese Stellung noch befestigen wird. Welch ein glu¨ckliches Dasein! Ich habe mir mehr wie einmal gedacht, wie gut es fu¨r mich gewesen sein wu¨rde, wenn ich in verwandter Weise, zuna¨chst auf heimatliche Kreise begrenzt, am Rhein verblieben wa¨re, wo ich zu Land und Menschen passte, wa¨hrend mir hier unsere steife Universita¨tsaristokratie so wenig sitzen will, daß ich mir – mit einem derben deutschen Vergleich sei es gesagt – nicht selten trotz zwanzigja¨hriger Anwesenheit so vorkomme, wie „die Faust auf dem Auge.“ Ich habe unter diesen Umsta¨nden meine Befriedigung in weiteren Beziehungen zu suchen und werde dementsprechend auch zu universellen Studien angetrieben. Eben in diesem Zusammenhang mo¨chte ich nun heute Ihre freundliche Hilfe erbitten. Wie ich aus Christiania698 erfahre, ist mein hiesiges Institut mit unter die Vorschla¨ge fu¨r die eventuellen Preistra¨ger des Nobelpreises in diesem Jahre geraten.699 Unter diesen Umsta¨nden muss ich Wert darauf legen, daß die Empfehlungen nicht vereinzelt bleiben, sondern daß sich diejenigen, welche von dem Nutzen des Instituts u¨berzeugt sind als einer Einrichtung, die jeder Art wirklichen internationalen Einversta¨ndnisses dienen kann, zusammenfinden, um dem Institut die Wege zu bahnen. Und so bitte ich Sie recht herzlich, falls das Ihrem Sinne entspricht, mich noch vor dem 1. Februar nach Norwegen empfehlen zu wollen. Die entsprechenden Literalien, sowie eine Copie des norwegischen Ausschreibens, aus welchem Ihre Berechtigung, mitzustimmen, hervorgeht, lege ich bei. Vielleicht wu¨rde auch Professor Fredericq bereit sein, das Institut in verwandter Weise zu empfehlen. Sollten Sie dies meinen, so wu¨rde ich Ihnen dankar sein, wenn Sie ihn dazu aufforderten. Hier gehen eigentlich alle Dinge gut. Wie ich Ihnen schon einmal schrieb, habe ich meine hauptsa¨chlichsten Ideale fu¨r die Universita¨tsreform wa¨hrend meines Rectoratsjahres so einleiten ko¨nnen, daß sie jetzt ohne Ausnahme in die Praxis u¨bergehen, wenn dies auch nicht ohne einiges Aechzen und Sto¨hnen der Mehrzahl der Collegen geschieht. Charakteristisch in der Beziehung ist vor allen Dingen der Verlauf der Idee der Forschungsinstitute. Ich habe wa¨hrend meines Rectoratsjahres von Privaten und Beho¨rden eine Rente von 120.000 Mk. ja¨hrlich zusammengebracht, die nun auf die einzelnen Institute in relativ hohen Summen

698 Perso¨nliche Beziehungen zur Universita¨t Christiania in Norwegen, die L. im Sommer

1911 anla¨ßlich des dortigen Universita¨tsjubila¨ums besuchte. 699 Zur Nominierung des Leipziger Instituts fu¨r den Friedensnobelpreis vgl. Chickering,

S. 359.

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Leipzig, 2. Febr. 1912

(das einzelne Institut zu 12/15.000 Mk.) verteilt worden ist.700 Es ist dies freilich eine betra¨chtliche, gegenu¨ber den jetzt vorhandenen Betra¨gen oft acht-bis zehnfache Vergro¨sserung der Mittel, wie Sie verstehen werden, wenn sie sich der ka¨rglichen Ausstattung unserer Institute aus Ihrer deutschen Studienzeit her erinnern. Viele Collegen wissen nun aber in der Tat kaum, was sie mit diesen Summen anfangen sollen, und ich bin neugierig, ob sie sich allma¨hlich zu der durch sie ermo¨glichten ho¨heren Organisation der Studien anschicken werden. Nun, es versteht sich, daß solche Dinge Zeit haben wollen; man darf sie nicht u¨bereilen, und an mehr als einem Punkt wird sogar erst noch ein Personalwechsel abgewartet werden mu¨ssen, ehe der volle Effect eintritt. Im ganzen aber ist es doch mit dieser Sache, wie mit der verfassungsma¨ssigen Organisation der Studentenschaft, wie auch mit dem Ankauf eines neuen grossen Areals einer ku¨nftigen Universita¨t so gut gegangen, daß ich recht zufrieden sein kann. Das Einzige, was zuru¨ckbleibt sind die Studien! Ich bin jetzt beinahe ganz auf organisatorische Ta¨tigkeit reduziert. Ich erhoffe deshalb mit Sehnsucht nach Schluss des Semesters einige ruhige Wochen, um an weitere Darstellungen der deutschen Geschichte herangehen zu ko¨nnen. In den letzten Wochen ist es Ihnen hoffentlich recht gut gegangen. Ich weiss nicht, wie die starke Ka¨lte und der wenigstens bei uns herrschende Ostwind auf Ihr Befinden einwirken, vermute aber im ganzen ho¨chst gu¨nstig. Herzliche Gru¨sse!

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Ihr Lamprecht

Leipzig, 2. Febr. 1912701 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. za¨hlt auf P.s Unterstu¨tzung bei der Suche nach einem Gastdozenten ¨ bung“ am Leipziger Institut. – Ein Auslandsauffu¨r eine „franzo¨sische U enthalt, wie er auf P. in Oxford zukommt, birgt vielfa¨ltige Mo¨glichkeiten, Beziehungen zu „einer Fu¨lle interessanter Kollegen“ zu knu¨pfen. – „Familiensorgen“ in Gent und Leipzig.

700 Vgl. Lamprecht, Rektoratserinnerungen, S. 74ff.: „Der Erfolg war in Leipzig außeror-

dentlich. Nach wenigen Monaten einer nur nebenbei betriebenen Werbeta¨tigkeit stand anna¨hernd eine halbe Million Mark an großen Geschenken zur Verfu¨gung. [...] Es wurde der Entwurf fu¨r die Begru¨ndung einer Stiftung fu¨r Forschungsinstitute vorgelegt [...].“ 701 [ms.]

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Leipzig, 2. Febr. 1912

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Lieber Freund! Herzlichsten Dank fu¨r Ihre so freundlichen Worte vom 26. Januar. Ich zweifle nicht, dass, wenn ich fru¨her gekommen wa¨re, Sie meine Chancen in Christiania durch Ihre freundliche Unterstu¨tzung, wie diejenige Fredericq’s gefo¨rdert haben wu¨rden. Habe ich mich erst so spa¨t gemeldet, so lag das daran, daß ich selbst erst von Christiania aus die Nachricht, daß ich in Frage ka¨me, erfuhr. Nun, vogue la gale`re. Ich habe immerhin noch einige Freunde zur Eingabe bewogen. Heute lassen Sie mich Ihnen noch eine andere Sache vortragen, in der Sie vielleicht wiederum helfen ko¨nnen. Fu¨r den na¨chsten Sommer fehlt mir im Institut eine franzo¨sische Uebung, da uns Professor Jeanmaire702 [handschriftlich eingefu¨gt:] ein Schu¨ler von Lavisse703 etwas fru¨her verla¨sst, als es fru¨her im Plan lag. Ha¨tten Sie nun jemanden, der an seine Stelle treten ko¨nnte? Von hier stehen zur Remuneration 500 Frs. zur Verfu¨gung. Eine Ausfu¨llung der Lu¨cke wa¨re umso wu¨nscheswerter, als die Zahl der englischen und amerikanischen Kurse mit 3 ungewo¨hnlich hoch ist. Und Sie gehen fu¨r den na¨chsten Herbst nach Oxford?704 Ich kann mir denken, wie sehr Sie sich darauf freuen. Nicht bloss wegen der Ehre, die mit einem solchen Auftrag verbunden ist, sondern auch wegen der vielfachen Beziehungen, die Sie mit einer Fu¨lle interessanter Collegen anknu¨pfen ko¨nnen. Ich habe a¨hnliche Auftra¨ge, die mich nach Holland und Amerika gefu¨hrt haben, in der allerbesten Erinnerung. Mit Schmerz haben wir von den Familiensorgen geho¨rt, die, wie schon in manchem Jahre fru¨her, so auch diesmal wieder u¨ber Sie gekommen sind. Hoffentlich geht es inzwischen besser, sodaß Sie wenigstens der schlimmsten Sorgen fu¨r das Leben Ihres Sohnes u¨berhoben sind.705 Von hier kann ich Ihnen im ganzen Gutes mitteilen. Der Februar ist bei uns allerdings der Monat einer u¨bertrieben entwickelten Geselligkeit, und nicht immer kann man sich zuru¨ckziehen, so gern ich dies manchmal auch mo¨chte. Marianne hat sogar vorgezogen, sich gegenu¨ber allzuvielen

702 Henri Jeanmaire (1884–1960), nach dem Studium an der Ecole normale supe´rieure

u. a. als Lektor an verschiedenen deutschen Universita¨ten ta¨tig. Spa¨ter Prof. fu¨r alte Geschichte in Lille sowie ab 1943 an der Ecole pratique des hautes e´tudes. 703 Ernest Lavisse (1842–1922), Media¨vist, eine der fu¨hrenden Perso¨nlichkeiten in Frankreich zur Zeit der dritten Republik. Seit 1888 Prof. fu¨r moderne Geschichte an der Sorbonne, 1904–1919 Direktor der Ecole normale supe´rieure. 704 Der vorgesehene Aufenthalt in Oxford mußte wegen einer Erkrankung Pirennes auf das Fru¨hjahr 1913 verschoben werden. Vgl. Lyon, Pirenne, S. 187. 705 Pirennes Sohn Jacques litt an einer schweren Blinddarmentzu¨ndung. Vgl. Lyon, Pirenne, S. 189.

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Leipzig, 20. Mai 1912

Tanzaufforderungen in das Innere der Harzwa¨lder zuru¨ckzuziehen, vorausgesetzt, daß sie, heute morgen in vollem Schnee abgefahren, ihr Ziel trotz der Unsicherheit der kleinen Harzbahnen auch wirklich erreicht. Im u¨brigen geht es uns wohl, und ich hoffe, noch gegen Schluss dieses Semesters in neue literarische Arbeiten eintreten zu ko¨nnen. Mit herzlichem Grusse Ihr ergebenster

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Lamprecht

Leipzig, 20. Mai 1912706 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Gratulation zur Feier der 25-ja¨hrigen Lehrta¨tigkeit P.s in Gent. Welche Ziele hat sich P. fu¨r die kommenden Jahre gesteckt? – Auch L. erntet die ersten Fru¨chte seiner Ta¨tigkeit als Rektor der Leipziger Universita¨t: Die Gru¨ndung von Forschungsinstituten steht bevor! Verehrter und lieber Freund! Sie werden nun jetzt aus all dem Trubel Ihres Festes707 heraus sein und heute, an einem Sonntag708, die man mit den fu¨nfziger Jahren so leise als wirkliche Ruhetage zu feiern beginnt, voll Erhebung und Glu¨cksgefu¨hl auf die scho¨nen, unvergesslichen Stunden zuru¨ckschauen. In diesem Moment stiller Sammlung lassen Sie sich die Ihnen zum vorigen Sonntag telegrafisch vorgetragenen Empfindungen Ihres treuen Leipziger Freundes noch einmal etwas weiter ausbreiten. Ich sitze hier in meinem Arbeitszimmer und in meiner Wohnung allein mit meiner ju¨ngeren Tochter Else, da Marianne und meine Hausdame, Frau Bruch, schon seit einigen Wochen in Schierke a. Harz in Fru¨hlings- und Sommerfrische gegangen sind; auch meinerseits sehr glu¨cklich, in den letzten Tagen eine der wesentlichsten Fru¨chte meines Rectoratsjahres, na¨mlich die Errichtung von Forschungsinstituten an unserer Universita¨t, durch das zustimmende Votum des Sa¨chsischen Landttags gereift zu sehen,709 und ich mo¨chte

706 [ms.] 707 Aus Anlaß der 25-ja¨hrigen Lehrta¨tigkeit Pirennes in Gent und dem Erscheinen von

Bd. IV der Geschichte Belgiens organisierten Genter Professoren und ehemalige Schu¨ler Pirennes eine große Feierstunde am Sonntag, den 12. Mai 1912 im Palais des Acade´mies in Bru¨ssel und begru¨ndeten die „Pirenne-Stiftung“. Vgl. Lyon, Pirenne, S. 191ff. 708 Keine U ¨ bereinstimmung mit dem Briefdatum: Wenn Sonntag, dann der 19. Mai 1912! 709 U ¨ ber die Errichtung der Forschungsinstitute vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 257ff., bes. S. 261ff.

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Gent, 12. Juni 1912

wohl gerade aus dieser Empfindung heraus am besten verstehen, welche Gefu¨hle Sie jetzt beim Ru¨ckblick auf die 25 Jahre Ihrer erfolgreichen Ta¨tigkeit bewegen mo¨gen. Aber doch baut sich fu¨r uns alle aus dem Vergangenen immer mehr nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft auf: das Faustische sitzt uns Kindern des 20. Jahrhunderts im Blute, und wenn wir 90 Jahre alt werden, so werden wir immer noch wie einst Moses, La¨nder der Sehnsucht vor uns haben. Ich frage mich wohl, in welcher Richtung in dieser Hinsicht Ihr Instinkt oder vielleicht gar schon Ihr klares Wollen gehen mag und ich mache mir die Vorstellung, daß Sie jetzt auf der Ho¨he literarischen und wissenschaftlichen Erfolges wohl der Mann wa¨ren, auch organisatorisch durchzugreifen; weist Sie doch schon die Ihnen gewordene Ehrengabe710 in dieser Richtung. Was wa¨re in einem Lande so intensiver geistiger Ta¨tigkeit und fu¨r alle Organisationsfragen speziell qualitativen Charakters so glu¨cklicher Begrenztheit nicht zu leisten?; da mo¨chte es doch wohl dahin gebracht werden, dass, wenn nicht auf dem Gebiete der Universita¨tsvorbereitung, so doch auf dem Gebiete der Universita¨tsziele, Belgien zum Musterlande der grossen Nachbarnationen werden ko¨nnte. Verzeihen Sie diese Bemerkungen, die doch keineswegs nur Phantasmen sind und nehmen Sie sie als die naivste und reinste Form meiner aus aufrichtiger Freundschaft kommenden Glu¨ckwu¨nsche. Mit herzlichen Gru¨ssen an Sie und die Ihrigen Ihr

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Lamprecht

Gent, 12. Juni 1912 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Anla¨sslich einer Ehrenveranstaltung fu¨r P. ist eine nach ihm benannte Stiftung fu¨r historische Studien gegru¨ndet worden. P. betont, dass diese in ihren Mitteln nicht mit L.s Institut in Leipzig vergleichbar sei und beklagt die mangelnde finanzielle Unterstu¨tzung der belgischen Universita¨ten durch den Staat. Cher et honore´ ami, J’aurais duˆ vous dire plus toˆt combien j’ai e´te´ sensible aux marques d’affection que vous m’avez donne´e a` l’occasion de mon „Jubile´“.711 Mais 710 Vgl. Manifestation en l’honneur de M. le Professeur Henri Pirenne. [Lyon, S. 192,

Anm. 91]

711 Eine Anspielung auf die Manifestation in Bru¨ssel am 12. Mai 1912.

Nr. 236

Gent, 12. Juni 1912

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apre`s toutes les e´motions que j’ai duˆ traverser ce jour-la`, le contre-coup s’est fait sentir et je me suis trouve´ assez de´prime´. J’ai duˆ ensuite partir pour la Hollande ou` je devais faire une confe´rence a` l’Universite´ d’Amsterdam et je viens seulement de rentrer chez moi et de reprendre ma vie habituelle.712 La journe´e du 12 mai a e´te´ charmante et je crois que tous ceux qui y ont assiste´ en garderont un bon souvenir. C’e´tait surtout une manifestation d’amitie´. Rien d’officiel. On se trouvait dans une atmosphe`re de cordialite´ et de sympathie dont j’ai e´te´ profonde´ment heureux. Il restera de tout cela un souvenir durable, car les souscriptions atteignent une somme d’environ 40.000 frs. qui constituera une „fondation Pirenne“ affecte´e aux e´tudes historiques.713 Il y a loin de ce modeste capital aux subsides magnifiques que vous avez recueillis jadis pour votre Institut et a` ceux que vous venez d’obtenir du gouvernement saxon. Je vous en fe´licite de tout cœur et vous devez eˆtre fier de votre œuvre rectorale. L’Universite´ de Leipzig se de´veloppe avec une robustesse et une hardiesse que nous ne pourrons qu’envier. Ici, le gouvernement ne nous soutient gue`re. On peut attendre beaucoup, il est vrai, de l’initiative prive´e, mais elle est loin d’eˆtre aussi suffisamment e´claire´e. J’ai lu avec le plus vif inte´reˆt votre discours sur l’avenir des universite´s ou plutoˆt sur les universite´s de l’avenir. Et cet avenir pourrait eˆtre plus prochain qu’on ne le suppose. Je suis pour le moment surcharge´ de besogne, apre`s n’avoir rien fait depuis un mois. Je corrige les e´preuves d’une nouvelle e´dition de mon tome III, je pre´pare le t. V et je m’occupe de mon cours d’Oxford pour l’automne.714 Arnheim m’e´crit que la traduction du t. IV de la Geschichte Belgiens sera bientoˆt acheve´e. Adieu. Je dois me remettre a` la besogne. Merci encore de votre chaude sympathie et croyez-moi votre tout de´voue´ et affectionne´. H. Pirenne

712 Am 25. Mai 1912 hielt Pirenne einen Vortrag mit dem Titel „E ´ volution du capitalisme“

an der Universita¨t von Amsterdam.

713 Die von der Acade´mie Royale de Belgique verwaltete Fondation Pirenne wurde zur Fo¨r-

derung historischer Forschung in Belgien eingerichtet, um junge belgische Gelehrte bei Forschungen in Archiven und Bibliotheken außerhalb Belgiens zu unterstu¨tzen. 714 Im Winter 1913 hielt Pirenne die Chichele-Vorlesung in Auswa¨rtiger Geschichte an der Universita¨t Oxford. Er las u¨ber „Belgique et Angleterre a` travers l’histoire“.

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Evian-les-Bains, 19. Sept. 1912

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Evian-les-Bains, 19. Sept. 1912 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L.s Pla¨ne zu einer Hochschulreform weisen der Hochschulpa¨dagogik einen hohen Stellenwert zu: „Das Ideal ist dabei Entwicklung politischen, d. h. Gemeinsinns und Arbeitsschule.“ In Leipzig sto¨ßt L. unter den Hochschullehrern auf scharfe Kritiker. Lieber Freund! Ihr und Herrn Jacques Brief hat einen weiten Weg gemacht, ehe er mich hier endlich erreicht hat. Um so rascher will ich jetzt antworten. Ich werde recht gern Mitarbeiter des Almanachs und bitte mir nur angeben zu wollen, auf wieviel Seiten & in welchem Formate ich mich zu a¨ußern, auch bis wann ich das Ms[Manuskript] einzusenden habe. Ich bearbeite eben jetzt ein kleines Bu¨chel u¨ber Hochschulreform, das ich Ihnen, sobald es fertig ist, werde zugehen lassen.715 Diese Sachen treten jetzt in einen recht großen Zusammenhang. Wir haben in Deutschland ja eigentlich nie eine Revolution d’en haut gehabt; die deutsche Konzeption ist immer gewesen, erst mu¨ße man die Individuen bessern bzw. auf die Ho¨he der Zeit bringen: dann werde sich der rechte Staat von allein einstellen. So Bandow via Schiller und Goethe bis Fichte. Dieselbe Auffassung tritt jetzt, auf anderem Kulturniveau, wieder auf & weist der Paedagogik eine enorme Rolle zu. Das Ideal ist dabei Entwicklung „politischen“, d. h. Gemeinsinns & Arbeitsschule. Diese Ideale lassen sich aber nirgends leichter einfu¨hren, als auf den Hochschulen: Studentenverfassung und Seminarverfassung. Sie sehen, was da zu leisten ist. Ob ich freilich dabei viel tun kann? Ich habe mir mit den ersten, sehr energischen Schritten eine solche Wut bestimmter Collegen zugezogen, daß ich als novarum [unleserlich] studiosus einstweilen ganz „unten durch“ bin.716 Kampf? – Ich will sehen, ob ich auch ohne ihn vorwa¨rts komme. Auf alle Fa¨lle bleibt mir die Arbeit des Zuru¨ckgezogenen an den großen universalgeschichtlichen Problemen.

715 Vgl. K. Lamprecht, Reden und Ansprachen zur Hochschulreform. Berlin 1912. 716 Mit einem Separatvotum der Professoren Lipsius, Schmarsow, Seeliger, Stieda, Fischer,

Brandenburg, Partsch, Bethe, Birch-Hirschfeld, Volkelt, Studniczka, Ko¨ster, Zimmern, Steindorff, Wilcken und Heinze wurde die Gru¨ndung von Forschungsinstituten an der Universita¨t Leipzig erheblich verzo¨gert. Vgl. Schorn-Schu¨tte, S. 260.

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Leipzig, 1. Jan. 1913

Sie haben gut sitzen in Ihrem Spa – und nicht minder in Gent. Wir sind diesmal, d. h. meine zweite Tochter Else & ich, von Engelberg u¨ber Wengen an den Emser See gewandert & ziehen nun langsam heim; aber mit Aufenthalt in Heidelberg, wo ich am 7. Oct. einen Vortrag haben werde unter [unleserlich] et amicos. Herzlichen Gruß an Sie und die Ihrigen! Ihr

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Lamprecht

Leipzig, 1. Jan. 1913717 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. hatte P.s Sohn Henri Edouard in Leipzig vergebens erwartet. So u¨bersendet er Informationsmaterial zur deutschen Hochschulreformbewegung mit der Bitte um Weiterleitung an Henri E. Pirenne. Lieber Freund! Vor mir liegen Ihre Zeilen vom 24. Oktober, von denen ich freilich nicht weiss, ob sie die letzten gewesen sind, die sie mir geschrieben haben, ich habe vielmehr die Vorstellung, daß ich von Ihnen nicht bloss Nachrichten erhalten, sondern Ihnen auch geantwortet habe. Inzwischen habe ich hier viel an Ihren Sohn Henry718 gedacht, von dem ich wohl hoffte, ihn in diesem Winter hier begru¨ssen zu ko¨nnen. Indes, er hat sich noch nicht gemeldet, ich finde ihn auch nicht in unserem Personal-Verzeichnis, und so muss ich wohl annehmen, daß er doch andere Entschlu¨sse gefasst hat. Ich fu¨r meinen Teil dagegen habe mein Versprechen, ihm einen kurzen Abriss der heutigen deutschen Bewegung zur Reform der deutschen Universita¨ten zu liefern, nicht vergessen und erlaube mir nun, da ich seine Adresse nicht kenne, mein Elaborat Ihnen zugehen zu lassen mit der Bitte, es an die richtige Stelle bringen zu wollen. Herzliche Gru¨sse und frohes Neujahr fu¨r Sie und die Ihrigen Ihr Lamprecht [handschriftlich:] (auf dem Eisenbahngange geschrieben) 717 [ms.] 718 Henri-Edouard Pirenne (1888–1935), a¨ltester Sohn H. Pirennes studierte an der Uni-

versita¨t Gent Rechtswissenschaft und Philosophie, schloß mit dem Doktordiplom 1912 (Recht) und 1913 (Philosophie) ab und setzte seine Studien in Berlin und Heidelberg fort. Sein Vater hatte bereits 1912 entschieden, Henri-Edouard solle in Berlin und Heidelberg und anschließend in Paris studieren. Vgl. Lyon, S. 189.

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Leipzig, 5. Mai 1913

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Leipzig, 5. Mai 1913719 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Von Bd. IV der Geschichte Belgiens liegen inzwischen die letzten Korrekturbo¨gen vor. Bedauerlicherweise bot der internationale Historikerkongreß in London wenig Gelegenheit, die perso¨nlichen Kontakte zwischen L. und P. zu pflegen. Lieber Freund! Eben in diesem Augenblick erhalte ich den letzten vierzigsten Korrekturbogen des vierten Bandes Ihrer Belgischen Geschichte. Ich bin zwar augenblicklich, auf dem Sprunge, etwas la¨ngere Pfingstferien zu machen, nicht in der Lage, den Band vollkommen zu lesen, habe aber doch in die einzelnen Bogen in Augenblicken der Muße so viel hineingesehen, um den u¨beraus reichen und wertvollen Inhalt u¨berschauen und Ihnen von Herzen gratulieren zu ko¨nnen. Am liebsten ha¨tte ich das noch vor einigen Wochen gern in Gent getan. Denn mit Ru¨cksicht auf das perso¨nliche Zusammensein und Sehen zwischen uns ist meine Londoner Fahrt720 ebenso unbefriedigend verlaufen wie in manch anderer Hinsicht. Ich war mu¨de, da ich vorher seit la¨ngerer Zeit auch nicht eine Stunde des Ausruhens in Leipzig gefunden hatte und hatte mich, indem ich eben an diese Mu¨digkeit nicht glauben wollte, um die besten Stunden in London gebracht. Ich u¨bersehe das jetzt vollkommen, wa¨hrend mich in London die Unsumme der neuen Eindru¨cke immer wieder mit sich fortriss und es tut mir selbstversta¨ndlich leid, daß unter diesem Verlauf auch unsere perso¨nlichen Interessen weit mehr zuru¨ckgetreten sind, als ich wu¨nschte. Es kommt dabei auch noch in Betracht, daß ich zu einem Kongress- und u¨berhaupt Grossen-Vereinigungs-Menschen absolut nicht geboren bin, wie Sie schon wa¨hrend der Leipziger Universita¨ts-Feier im Jahre 1909 gemerkt haben werden. Nun, umso mehr hoffe ich, daß wir uns doch bald einmal wieder an anderer Stelle sehen und eingehende Erfahrungen austauschen ko¨nnen. Mit herzlichen Gru¨ssen der Ihrige

719 [ms.] 720 Dritter internationaler Historikerkongress in London, 3.–9. April 1913.

Lamprecht

Nr. 240

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Leipzig, 8. Jan. 1914

Leipzig, 8. Jan. 1914721 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Neujahrswu¨nsche. – Nicht zuletzt in den Bemu¨hungen um eine deutsche Hochschulreform vermißt L. „eine Geschlossenheit des perso¨nlichen Wirkens, wie ich sie in der Zeit, in der ich innerhalb der Rheinlande gearbeitet habe, so wenig gekannt und unbewußt so sehr genossen habe“. Lieber Freund! Erst in diesem Augenblicke gelange ich dazu, Ihnen herzliche Neujahrswu¨nsche auszusprechen. Nicht etwa, als wenn ich durch Vergnu¨gungsreisen verhindert gewesen wa¨re – oh nein, sondern weil ich erst in dem Augenblick dazu komme, mit den allergro¨ssesten Resten des Vorjahres aufgera¨umt zu haben; von Ferien ist dabei keine Rede gewesen. Die Dinge verwickeln sich eben immer mehr, die Vergangenheit la¨uft einem immer sta¨rker nach und man muss sich gestehen, daß Stellung und Schicksal des Goethe’schen Zauberlehrlings kaum noch zu vermeiden ist. Wieviel besser sind Sie da daran. Der Kleinstaat gewa¨hrleistet eine Geschlossenheit des perso¨nlichen Wirkens, wie ich sie in der Zeit, in der ich innerhalb der Rheinlande gearbeitet habe, so wenig gekannt und unbewusst so sehr genossen habe, und Sie haben gewußt, diese Stellung ganz auszunu¨tzen. Mo¨chte es Ihnen mo¨glich sein, diese Position noch zu festigen und von ihr aus die weite internationale Wirksamkeit zu gewinnen, mit deren Begru¨ndung Sie schon so lange erfolgreich bescha¨ftigt sind. Von hier ist nicht viel zu sagen. Einiges vermag der beigefu¨gte kleine Separatabzug zu erla¨utern.722 Wir sind hier in werdenden Dingen und ich hoffe, daß sich, wenn Bethmann Kanzler bleiben sollte, noch Manches erreichen la¨sst, u¨ber das heute zu reden zu fru¨h sein wu¨rde. Herzliche Gru¨ße an Sie und die Ihrigen von Ihrem ergebensten [Unterschrift fehlt]

721 [ms. Durchschlag] 722 Vielleicht: Erste Denkschrift als Anlage B (vertraulich) in der Angelegenheit auswa¨rtiger

Kulturpolitik. Dezember 1913. Mit einer Anlage A: Aus einem Briefe des Reichskanzlers an Prof. Lamprecht vom 21. VI. 1913. Beides als Ms. gedruckt.

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Nr. 241

Gent, 27. Jan. 1914

Gent, 27. Jan. 1914 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. klagt u¨ber gesundheitliche Beschwerden und blickt mit Betru¨bnis auf das intellektuelle Niveau des o¨ffentlichen Lebens in Belgien. Er schra¨nkt jedoch ein, dass diese negative Sichtweise wohl nur von seinem Gesundheitszustand gepra¨gt sei und nicht lange anhalten werde. Mon cher ami, J’ai mal commence´ l’anne´e et voila` pourquoi je vous envoie aujourd’hui seulement mes meilleurs souhaits pour la continuation de votre admirable activite´ et le bonheur de tous les voˆtres. Depuis la fin de de´cembre j’ai e´te´ continuellement malade, (goutte et influenza meˆle´es), et trop tristement dispose´ pour songer a` e´crire. Cela commence a` aller mieux et j’espe`re pouvoir me remettre au travail les jours prochains. J’ai lu avec un grand inte´reˆt la belle lettre que le chancelier vous a e´crite. Vous avez vu sans doute qu’elle a fait le tour de la presse europe´enne. Vous eˆtes heureux de pouvoir renouer sans cesse de nouveaux projets et de les re´aliser. Ici, nous devons nous contenter de former tranquillement quelques e´le`ves et de nous renfermer dans nos e´tudes. Cela a d’ailleurs bien son charme. Le malheur est dans notre pays l’apathie de l’opinion publique dans toutes les questions inte´ressant la haute culture. Les partis politiques absorbent tout – et souvent leurs querelles rappellent trop celles des partis de la Re´volution Brabanc¸onne. J’y suis justement arrive´ dans la continuation de mon histoire de Belgique, et je suis frappe´ des analogies qu’elle pre´sente en bien des points avec notre situation actuelle. Heureusement il y a aussi autre chose – mais que les progre`s sont lents! Ne me croyez ni me´lancolique ni de´courage´. C’est sans doute encore un effet de ma maladie qui me fait voir de temps a` autre les choses en noir. Mais cela ne dure pas longtemps. J’espe`re que dans quelques jours il n’y paraıˆtra plus. Pre´sentez mes meilleurs souvenirs a` tous les voˆtres et croyez moi votre cordialement de´voue´. H. Pirenne

Nr. 242

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Gent, 6. Juni 1914

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Gent, 6. Juni 1914 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

Der bereits in der American Historical Review publizierte Vortrag P.s auf dem Internationalen Historikerkongress in London soll auch in deutscher ¨ bersetzung erscheinen. P.s zweita¨ltester Sohn wird wohl ein Semester ein U Leipzig verbringen. Die Arbeit am fu¨nften Band der Geschichte Belgiens macht gute Fortschritte. Cher colle`gue et ami, Je viens de recevoir une lettre d’un de vos e´le`ves, M. Edgar Herzog qui me dit que vous lui avez parle´ d’une traduction allemande de ma lecture au Congre`s de Londres qui vient de paraıˆtre dans l’American Historical Review.723 Rien ne pourrait m’eˆtre plus agre´able que la re´alisation de ce projet. Je me re´jouis surtout de voir que vous trouvez que l’hypothe`se que j’ai e´mise vaille la peine d’eˆtre connue. Il paraıˆtra dans quelques jours un texte franc¸ais pourvu de notes abondantes qui manquent dans la traduction anglaise. Je comptais vous l’envoyer de`s que j’en aurai les exemplaires. En attendant, veuillez accepter en cordial souvenir la version de Jameson.724 M. Herzog me demande dans quelle Revue allemande je de´sirerais voir paraıˆtre sa traduction. Je n’ai aucune pre´fe´rence a` cet e´gard. Je m’en remets comple`tement au conseil que vous voudrez peut-eˆtre bien lui donner. J’espe`re que vous et les voˆtres eˆtes toujours en aussi bonne sante´ que quand mon e´le`ve Van Eeckhaute725 vous a vu a` Leipzig. Ici, tout va bien. Mon second fils est fiance´ depuis quelques jours. Vous ne vous le rappelez sans doute pas. Mais j’espe`re qu’il aura l’honneur de vous eˆtre pre´sente´ apre`s les vacances, car il se propose de passer le semestre d’hiver a` Leipzig. J’ai avance´ beaucoup la re´daction du t. V de la Geschichte Belgiens qui s’e´tend jusqu’a` la fin du XVIIIe sie`cle. J’espe`re avoir termine´ ce travail a` la

723 Auf dem dritten International Congress of History, der vom 3. bis zum 9. April 1913 in

London stattfand, hielt Pirenne einen Vortrag u¨ber „Les pe´riodes de l’histoire sociale du capitalisme“, der 1914 unter dem Titel „The Stages in the Social History of Capitalism“ im American Historical Review 19, 1914, S. 494–515, vero¨ffentlicht wurde. 724 J. Franklin Jameson war der Herausgeber des American Historical Review. 725 Carlos Van Eeckhaute promovierte 1910 in Geschichte mit einer (unpublizierten) Arbeit u¨ber die politischen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Flandern und England bis 1214 unter der Leitung von Pirenne. Er gab die Geschichte spa¨ter fu¨r ein Richteramt auf.

320

Nr. 243

Gent, 16. Juni 1914

fin de l’anne´e. Il traite d’une e´poque bien mise´rable mais qui preˆte pourtant a` quelques observations inte´ressantes. Il est tre`s curieux, par exemple, de comparer la Re´volution Brabanc¸onne a` celle du XVIe sie`cle. Il y a entre elles des rapprochements frappants quant a` l’exte´rieur des e´ve´nements qui permettent de bien saisir la diffe´rence des ide´es se manifestant dans des conditions presque identiques. L’Universite´ de Groningen m’a invite´ aux feˆtes de son 3e centenaire.726 Ce sera une occasion d’aller visiter la Frise a` la fin du mois. Recevez toutes nos amitie´s von Haus zu Haus, et croyez a` tous mes sentiments les plus affectueusement de´voue´s. H. Pirenne

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Gent, 16. Juni 1914 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. berichtet u¨ber die Vorga¨nge, die zum Ru¨cktritt Franz Cumonts von seiner Professur gefu¨hrt haben. P.s Vortrag auf dem Internationalen Historikerkongress soll bald erscheinen. Mon cher ami, Je rec¸ois a` l’instant votre lettre et j’y re´ponds tout de suit. Ces lignes seront certainement a` Leipzig demain matin. Cumont a donne´ sa de´mission a` notre universite´, dans les conditions les plus honorables pour lui. Vous savez que chez nous l’autorisation du ministre est indispensable pour que les attributions des professeurs soient augmente´es. Cumont appuye´ par la Faculte´ de´sirait un cours d’histoire romaine. Le ministre n’y a pas consenti. Il a vu la`, avec raison, une atteinte a` sa dignite´ et a` celle de la faculte´ et il a donne´ sa de´mission. La faculte´ a fait aupre`s de lui une de´marche officielle pour qu’il la retire. Mais il n’y a pas consenti. Il conserve naturellement le titre de professeur honoraire.727 Depuis lors, il y a deux ans, son pe`re avec lequel il vivait est mort. Il a alors de´cide´, e´tant d’ailleurs tre`s riche, de se consacrer exclusivement a` ses e´tudes. Il a quitte´ le muse´e du Cinquantenaire et s’est fixe´ l’hiver a` Rome et 726 Am 1. Juli 1914 wurde Pirenne doctor honoris causa der Universita¨t Groningen. 727 Franz Cumont (1868–1947), die ausgezeichnete Autorita¨t in Alter Geschichte, trat 1912

von seiner Professur an der Universita¨t Gent zuru¨ck, als der Bildungsminister seine Vorlesung u¨ber ro¨mische Geschichte nicht genehmigte, obwohl er von der Fakulta¨t unterstu¨tzt wurde.

Nr. 244

321

Gent, 21. Juni 1914

l’e´te´ a` Paris (Boulevard de Courcelles, 3) ou` il se trouve maintenant. Je sais qu’il a rec¸u plusieurs propositions de chaires dans diverses universite´s. Il les a toutes refuse´es. Je crains qu’il n’agisse de meˆme s’il rec¸oit un Ruf de Leipzig. En dehors de lui, je ne verrais gue`re qu’un hollandais (peut-eˆtre Chantepie de la Saussaye728 a` Leide connaıˆt-il quelqu’un). Il y a bien des travailleurs remarquables a` Paris en ce moment dans le domaine d’histoire des Religions. Mais les circonstances ge´ne´rales ne seraient gue`re favorables sans doute a` leur nomination. Merci pour l’inte´reˆt que vous voulez bien prendre a` la traduction de mon article. Je serai heureux de relire la traduction si M. Herzog le de´sire. Pour l’impression, je pourrai, comme vous le dites, m’adresser a` Hansen.729 En haˆte. J’envoie cette lettre a` la poste et vous serre cordialement la main. Votre tout de´voue´ H. Pirenne

244

Gent, 21. Juni 1914 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. will L. den franzo¨sischen Text seines zur Publikation anstehenden Vortrags schicken. Er bedauert, dass er L. aufgrund seiner Abreise nach Groningen nicht werde treffen ko¨nnen. Cher colle`gue et ami, Je vous remercie de tout cœur de l’inte´reˆt si amical que vous prenez a` la traduction de mon article. Il me serait extreˆmement agre´able de la voir paraıˆtre dans la Deutsche Revue et je vous serai tre`s reconnaissant si vous pouvez l’y faire recevoir. J’espe`re que je pourrai tre`s prochainement vous en envoyer le texte franc¸ais.

728 Chantepie de la Saussaye war der wohlbekannte niederla¨ndische Gelehrte, der sich auf

Religionsgeschichte spezialisiert hatte.

729 Hansen, der das Archiv in Ko¨ln leitete und ein Freund von Lamprecht und Pirenne

war, war verantwortlich fu¨r die Vero¨ffentlichung der Zeitschrift, in der Pirennes Artikel gedruckt werden sollte.

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Nr. 245

Gent, 28. Juni 1914

Perthes vient de me demander un rapport sur l’e´tat d’avancement de la Geschichte Belgiens. Je vais le lui envoyer. Votre bien cordialement de´voue´. H. Pirenne Je note votre nouvelle adresse. Vous eˆtes-vous fixe´ pour toute l’anne´e ou seulement pour l’e´te´? A la fin de la semaine je pars pour Groningue. Quel dommage que nous ne puissions nous y rencontrer!

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Gent, 28. Juni 1914 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. berichtet u¨ber den Fortschritt des fu¨nften Bandes seiner Geschichte Belgiens und ku¨ndigt an, in einem sechsten Band seine Darstellung bis zum Jahr 1910 ausweiten zu wollen. Mon cher ami, Je viens de recevoir de la firme Perthes une demande de renseignements sur l’e´tat de la Geschichte Belgiens. Mais je tiens naturellement a` vous mettre e´galement au courant. Le t. V, qui ira jusqu’a` la conqueˆte franc¸aise de 1790 sera sans doute acheve´ en janvier 1915. Je propose d’avoir l’autorisation, comme pour le t. IV, d’en faire paraıˆtre le texte franc¸ais sans attendre qu’Arnheim ait acheve´ la traduction. Cela ne pre´sente aucun inconve´nient et procure a` Arnheim l’avantage de travailler sur un texte imprime´, ce qu’il pre´fe`re beaucoup. Enfin l’e´dition allemande, dans le cas ou` elle suit l’e´dition franc¸aise, pre´sente une plus grande exactitude et des ame´liorations suscite´es par la critique. C’est ce qui est arrive´ pour le t. IV. Je vous serais tre`s reconnaissant si, cette fois encore, vous vouliez approuver cette combinaison. D’apre`s le contrat signe´ par Perthes, je ne dois m’occuper que du Neue Zeit. J’ai pourtant l’intention d’e´crire un 6e volume consacre´ a` la Belgique contemporaine jusque vers 1910. Si vous croyez qu’il puisse inte´resser le public allemand, je serais naturellement tre`s heureux s’il paraissait aussi dans la Staatengeschichte. Excusez cette ennuyeuse lettre d’affaires. Je suis un peu honteux de vous occuper si souvent de moi au milieu de vos occupations si nombreuses. Vous me re´pondrez quand vous avez le temps. Je pars demain pour Groningen et serai de retour le 4 juillet. Votre bien cordialement de´voue´. H. Pirenne

Nr. 246

Leipzig-Sto¨[tteritz], 4. Juli 191[4]

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Comment donc s’appelle le nouveau directeur de la firme Perthes? Je ne parviens pas a` de´chiffrer son nom sur la lettre qu’il m’a e´crite.

246

Leipzig-Sto¨[tteritz], 4. Juli 191[4]730 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. verhandelt fu¨r P. wegen dessen Vero¨ffentlichungen mit der Deutschen Revue und dem Verlag Perthes. – Fu¨r P.s Aufenthalt in Groningen wu¨nscht L. „Tage lebendigen historischen Eindrucks“. Lieber Freund! Besten Dank fu¨r Ihre letzten Briefe. Ich habe mich entsprechend Ihren Wu¨nschen und Weisungen an die Deutsche Revue gewandt und hoffe von dort aus eine Zusage von wegen des Abdruckes der Londoner Rede.731 Und ich bin weiter mit Perthes in Verbindung getreten wegen Ihrer Absichten in Bezug auf die belgische Geschichte, natu¨rlich in dem Sinne, daß ich Sie aufs lebhafteste unterstu¨tze. Ich denke, daß Perthes entweder mir bald antworten oder sich direkt an Sie wenden wird im Sinne Ihrer Vorschla¨ge. Sie sind inzwischen in diesen heißen Tagen nach Kroningen aufgebrochen,732 mo¨ge die Ku¨hle des Meeres einigermassen die Hitze lindern, unter der wir hier zu leiden haben. Im u¨brigen werden es scho¨ne Tage fu¨r Sie sein, und auch Tage lebendigen historischen Eindrucks, denn in vielen Dingen geho¨ren doch, wie in allen seinen Interessen, Su¨d- und NordNiederland zusammen. Herzliche Gru¨ße an die Kroninger Kollegen Ihr

[Lamprecht]

730 [Naunhoferstr. 22; ms. Durchschlag] 731 P.s Rede „Les stades de l’histoire sociale du captalisme“ auf dem Internationalen Histo-

rikerkongress in London (April 1913) erschien unter dem Titel „The stages in the Social History of Capitalism“ in American Historical Review 19 (1914), S. 494–515 und sollte ebenso ins Deutsche u¨bersetzt werden. 732 Die Universita¨t Groningen verlieh Henri Pirenne am 1. Juli 1914 die Ehrendoktorwu¨rde.

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1/4 16. [i. O.] Bru¨ssel, 1. April 1915

247

Nr. 249

Leipzig-Sto¨[tteritz], 19. Juli 1914733 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. fragt P., ob dieser an einer Publikation eines seiner Aufsa¨tze in Deutschland interessiert ist. Lieber Herr Kollege! Wu¨rde Ihnen der Abdruck der Uebersetzung Ihrer Abhandlungen in einer unserer großen Revuen angenehm sein? Ich wu¨rde in diesem Falle versuchen, die Deutsche Revue fu¨r einen Abdruck zu interessieren. Herzliche Gru¨ße von Ihrem

[Lamprecht]

248

Leipzig-Sto¨tteritz, 31. Aug. 1914734 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

Invasion Belgiens durch deutsche Truppen Mein lieber Freund! Es wa¨re mo¨glich, daß Sie in diesen harten Tagen irgendwie den Wunsch ha¨tten, unterstu¨tzt oder gefo¨rdert zu sein. In diesem Falle schreiben Sie; ich stehe Ihnen in jeder Beziehung zur Verfu¨gung. Mit herzlichen Gru¨ssen der Ihrige

[Lamprecht]

P. S. Was ich Ihnen geschrieben habe gilt auch fu¨r Fredericq.

249

1/4 16. [i. O.] Bru¨ssel, 1. April 1915735 Karl Lamprecht an Henri Pirenne

L. mo¨chte „menschlich“ bleiben.

733 [Naunhoferstr. 22; ms. Durchschlag] Mu¨ßte vom inhaltlichen Zusammenhang her der

19. Juni sein.

734 [Naunhoferstr. 22; ms. Durchschlag]. 735 [auf dem Briefpapier des Palace Hoˆtel Bruxelles]

Nr. 251

325

Gent, 6. April 1915

Mein lieber alter Freund! Die letzten 14 Tage habe ich in St. Quentin zugebracht. Mein Weg fu¨hrt mich u¨ber Bru¨ssel. Ich kann nicht an Ihnen einfach voru¨bergehen. Ich wu¨rde mir fu¨r meine ja schon genahten alten Tage Vorwu¨rfe machen, handelte ich so. Komme ich Ihnen recht, so werden wir in der Spha¨re des allgemein Menschlichen verbleiben. In alter treuer Freundschaft Ihr

250

Lamprecht

Gent, 6. April 1915 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. versichert L. seiner andauernden Freundschaft. Er beklagt den Tod seines Sohnes, der an der Yser gefallen ist. Mon cher ami, La poste ne va pas vite aujourd’hui entre Bruxelles et Gand. Je rec¸ois a` l’instant votre lettre du 1er avril. Je suis tre`s touche´ des sentiments qu’elle m’exprime. Soyez assure´, de votre coˆte´, que la vieille amitie´ qui me lie a` vous, n’est en rien e´branle´e par les e´ve´nements. Si votre voyage vous ame`ne par ici, je serai heureux de vous voir ... Mais nous pleurons en ce moment un de nos fils tue´ sur l’Yzer.736 Croyez toujours a` ma vieille amitie´ aussi since`re que jadis. H. Pirenne

251

Gent, 6. April 1915 Henri Pirenne an Karl Lamprecht

P. versichert L. nochmals, dass die Kriegsereignisse nichts an dem tiefgehenden freundschaftlichen Verha¨ltnis der beiden zueinander a¨ndern.

736 Pierre, der dritta¨lteste Sohn Pirennes, fiel neunzehnja¨hrig in der Schlacht an der Yser am

3. November 1914.

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Nr. 252

Leipzig, 19. April 1915

Mon cher ami, Je rec¸ois a` l’instant votre lettre de Bruxelles, date´e du 1 avril. Je ne voudrais pas que vous croyiez que les e´ve´nements actuels ont pu e´branler une amitie´ de 25 ans. L’humanite´ est au dessus des contingences de l’histoire. [Text im folgenden bescha¨digt] Je vous ai e´crit tout de suite un mot a` Bruxelles. Je ne sais s’il vous sera parvenu avant votre de´part. Croyez en tous cas a` la vieille affection d’un homme qui vous doit beaucoup, qui a e´te´ heureux d’une communaute´ d’ide´es et de tendances qui le rapprochaient de vous, qui a pu appre´cier toute la since´rite´ de votre affection, compati a` vos douleurs et partage´ vos joies, et qui pleure a` ce moment la mort d’un de ses fils mort en de´fendant sa patrie. Votre tout de´voue´ H. Pirenne

252

Leipzig, 19. April 1915737 Karl Lamprecht an Henri Pirenne738

Der Krieg fordert auf beiden Seiten große Opfer. „Was daru¨ber hinausgeht, liegt heute noch im Dunkeln, eines nur wollen Sie glauben, die Hoffnung der Besten in Deutschland steht auf ein Reich hoher Kulturen und eines machtvollen, die Welt durchbrausenden Geistes, nicht bloß auf die paar Gewinne aus Mordgewehren und anderen zivilisatorischen Scheußlichkeiten.“ Mein lieber Freund! Heimgekehrt und nunmehr fa¨hig Briefe zu lesen, habe ich von dem Inhalt Ihrer beiden Schreiben an mich nach Bru¨ssel eingehend Kenntnis genommen.739 737 [Schillerstr. 7; ms. Durchschlag] 738 Vgl. zur Bewertung dieses Schreibens aus den Tagen des Ersten Weltkriegs Lyon,

Pirenne, S. 216–219 und Schorn-Schu¨tte, S. 326. Nicht nur die unterschiedliche Haltung zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs belastete die Beziehung zwischen L. und P., sondern die aus L.s Worten sprechende menschliche Distanzierung: „The cold, almost official letter that he wrote to Pirenne after his return to Leipzig is revealing.“ 739 In Beantwortung von L.s Schreiben aus Bru¨ssel vom 1. April 1915, das P. erst am 6. April erreichte, sandte P. gleichzeitig zwei nahezu gleichlautende Briefe nach Bru¨ssel und Leipzig, aus denen die Ambivalenz einer 25-ja¨hrigen Freundschaft zwischen Menschen zweier sich im Krieg gegenu¨berstehender Staaten deutlich wird. Perso¨nlich beklagte P. den Tod seines Sohnes Pierre, der am 3. Nov. 1914 gefallen war.

Nr. 252

Leipzig, 19. April 1915

327

Meine Familie geho¨rt nicht zu denen, die irgendwo auf einem der Kriegsschaupla¨tze im Su¨den, Nordosten oder Westen teure Angeho¨rige betrauern. Aber ich bin damit fast die Ausnahme; der Tod hat auch auf unserer Seite furchtbar gewu¨tet. Von den jungen Leuten in meinem Institut – etwa 240 – rechne ich, daß weit mehr als der Zehnte gefallen ist, wa¨hrend freilich, soweit ich es u¨bersehe, weit mehr als der Zehnte sich die fu¨r uns so hohe Auszeichnung des Eisernen Kreuzes erworben hat. Wie wir auch die Dinge ansehen, in dem Augenblick, in dem wir sie auf die gemeine Linie der grossen Wirklichkeit bringen, auf Schicksal des Geschlechts und der Familie schwinden die Unterschiede und der Klagelaut erschallt. Was daru¨ber hinausgeht, liegt heute noch im Dunkeln, eines nur wollen Sie glauben, die Hoffnung der Besten in Deutschland steht auf ein Reich hoher Kulturen und eines machtvollen, die Welt durchbrausenden Geistes, nicht bloss auf die paar Gewinne aus Mordgewehren und anderen zivilisatorischen Scheusslichkeiten. Gru¨ssen Sie Fredericq scho¨n und gru¨ssen Sie vor allen Dingen Ihre Familie. Mit Herz und Hand Ihr

[Lamprecht]

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Ia Ungedruckte Quellen

Nachlass Ernst Bernheim, Universita¨tsbibliothek Greifswald, Handschriftenabteilung MS 1559, Briefwechsel mit Karl Lamprecht 1878–1913. Nachlass Karl Lamprecht, Universita¨tsbibliothek Bonn, Handschriftenabteilung S 2713. Nachlass Henri Pirenne, Privatbesitz Comte J. H. Pirenne, Hierges/ Ardennen (Frankreich), Briefwechsel mit Karl Lamprecht 1883–1913.

Ib Gedruckte Quellen

Bryce Lyon, The Letters of Henri Pirenne to Karl Lamprecht (1894–1915), in: Bulletin de la Commission Royale d’histoire 132 (1966), S. 161–231.

IIa Schriften Bernheims, Lamprechts und Pirennes

Ernst Bernheim, Zur Geschichte der kirchlichen Wahlen, in: Forschungen zur Deutschen Geschichte 20 (1880), S. 359–381. Ernst Bernheim, Artikel gegen Eingriffe des Papstes Paschalis II. in die Ko¨lner Metropolitanrechte, in: Westdeutsche Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst 1,3 (1882), S. 374–382. Ernst Bernheim, Die Sage von den treuen Weibern zu Weinsberg, in: Historisches Taschenbuch 6 (1883), S. 13–30.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Ernst Bernheim, Neuere monographische Arbeiten u¨ber die Bischofswahlen in Deutschland, in: Zeitschrift fu¨r Kirchenrecht 18 (1883), S. 171–177. Ernst Bernheim, Der Charakter Ottos von Freising und seiner Werke, in: ¨ sterreichische Geschichtsforschung 6 Mitteilungen des Instituts fu¨r O (1885), S. 1–54. Ernst Bernheim, Rezension zu Georg von Below, Die Entstehung des ausschließlichen Wahlrechts der Domkapitel. Diss., Leipzig 1883, in: Historische Zeitschrift 54 (1885), S. 103–106. Ernst Bernheim, Lehrbuch der historischen Methode. Mit Nachweis der wichtigsten Quellen und Hilfsmittel zum Studium der Geschichte, Leipzig 1889 (21894). Ernst Bernheim, Wilhelm Altmann (Hg.), Ausgewa¨hlte Urkunden zur Erla¨uterung der Verfassungsgeschichte Deutschlands im Mittelalter, Berlin 1891. Ernst Bernheim, Die sagenhafte sa¨chsische Kaiserchronik aus dem 12. Jahrhundert, in: Neues Archiv 20 (1895), S. 51–123. Ernst Bernheim, Die Herrscher der deutschen Kaiserzeit in den urspru¨nglichen Volksu¨berlieferungen, in: Preußische Jahrbu¨cher 81 (1895), S. 345–358. Ernst Bernheim, Politische Begriffe des Mittelalters im Lichte der Anschauungen Augustins, in: Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft NF 1 (1896/97), S. 1–23, 74. Ernst Bernheim, Geschichte des Wormser Konkordats hinsichtlich Entstehung, Formulierung, Rechtsgu¨ltigkeit, Breslau 1909. Ernst Bernheim, Die augustinische Geschichtsauffassung in Ruotgers Biographie des Erzbischofs Bruno von Ko¨ln, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fu¨r Rechtsgeschichte 33 (1912), Kanonische Abteilung Bd. 2, S. 299–335. Karl Lamprecht, Der Bilderschmuck des Codex Egberti zu Trier und des Codex Epternancensis in Gotha, in: Jahrbu¨cher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinland 70 (1881), S. 56–112. Karl Lamprecht, Die Entstehung der Willebriefe und die Revindication des Reichsgutes unter Rudolf von Habsburg, in: Forschungen zur deutschen Geschichte 21 (1881), S. 1–19. Karl Lamprecht, [Programm], in: Westdeutsche Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst 1,1 (1882), S. 88. Karl Lamprecht, Wirtschaft und Recht der Franken zur Zeit der Volksrechte, in: Historisches Taschenbuch, VI. Folge, 2. Jahrgang (1883), S. 41–89.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Karl Lamprecht, Kunstgeschichtlich wichtige Handschriften des Mittelund Niederrheins, in: Bonner Jahrbu¨cher 74 (1882), S. 130–146. Karl Lamprecht, Die wirtschaftsgeschichtlichen Studien in Deutschland, in: Jahrbu¨cher fu¨r Nationalo¨konomie und Statistik NF 6 (1882), S. 231ff. (weitergefu¨hrt in: ebd. NF 9 (1884), S. 143ff. und NF 11 (1885), S. 19ff. und 313ff.). Karl Lamprecht, Fra¨nkische Ansiedelungen und Wanderungen im Rheinland, in: Westdeutsche Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst 1, 3 (1882), S. 123–144. Karl Lamprecht, Zur Vorgeschichte des Consensrechtes der Kurfu¨rsten, in: Forschungen zur deutschen Geschichte 23 (1883), S. 63–116. Karl Lamprecht, Bilderzyklen und Illustrationstechnik im spa¨teren Mittelalter, in: Repertorium fu¨r Kunstwissenschaft 7 (1883), S. 405–415. Karl Lamprecht, Zur religio¨sen Anschauung der Laienwelt in Frankreich wa¨hrend des 11. Jahrhunderts, in: Zeitschrift fu¨r Kirchengeschichte 6 (1883), S. 494–498. Karl Lamprecht, Besprechung von H. Hecker. Die territoriale Politik des Erzbischofs Philip I. von Ko¨ln, Leipzig 1883, in: Deutsche Litteraturzeitung Nr. 38, 22. September 1883, Sp. 1323–1325. Karl Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter. Untersuchungen u¨ber die materielle Kultur des platten Landes auf Grund der Quellen zuna¨chst des Mosellandes, 3 Bde., Leipzig 1885–1886. Karl Lamprecht, Zur Sozialstatistik der deutschen Stadt im Mittelalter, in: Archiv fu¨r soziale Gesetzgebung und Statistik 1 (1888), S. 485–532. Karl Lamprecht, Rezension zu Koehne, Der Ursprung der Stadtverfassung in Worms, Speier und Mainz, in: Deutsche Litteraturzeitung Nr. 40, 4. Oktober 1890, Sp. 1462ff. Karl Lamprecht, An die Leser der Zeitschrift, in: Westdeutsche Zeitschrift fu¨r Geschichte und Kunst 10 (1891), S. 413f. Karl Lamprecht, Der Ursprung des Bu¨rgertums und des sta¨dtischen Lebens in Deutschland, in: Historische Zeitschrift 67 (1891), S. 385–424. Karl Lamprecht, Deutsche Geschichte, 12 Bde., Berlin 1891–1909. Karl Lamprecht, Zum Versta¨ndnis der wirtschaftlichen und sozialen Wandlungen in Deutschland vom 14. – 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift fu¨r Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1 (1893), S. 191–263. Karl Lamprecht, Erwiderung auf Lehmanns Antrittsrede, in: Zeitschrift fu¨r Kulturgeschichte NF 1 (1894), S. 248–250. Karl Lamprecht, Die Herrlichkeit Erpel. Ein wirtschafts-, sozial- und verfassungsgeschichtliches Paradigma, in: Beitra¨ge zur Geschichte vornehmlich Ko¨lns und der Rheinlande. Zum 80. Geburtstag Gustav

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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IIb Weitere zeitgeno¨ssische Publikationen

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344

Quellen- und Literaturverzeichnis

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INDEX DER PERSONEN, ORTE UND SACHEN

Die Zahlen im Index verweisen auf die laufenden Nummern der Stu¨cke. Albert, Kg. v. Sachsen 42 Althoff, Friedrich 48 Altmann, Wilhelm 44 Arndt, Wilhelm Ferdinand 1, 44–46, 50, 51, 86, 101–103, 108, 114 Arnheim, Fritz 139–143, 165 Be´mont, Charles 180 Be´mont, M. Ch. 182 Baum, W. 74 Below, Georg v. 8, 9, 31, 32, 37, 41–43, 45, 48, 87, 96, 100, 114, 147, 150, 151, 153, 154, 156 Berlin 17, 21, 24, 27, 32, 42, 53, 58, 59, 66, 72, 73, 76 Bernheim, Amalie 37, 38 Bernheim, Emma (Mutter) 11 Bernheim, Emma (Tochter) 38, 71, 73 Bernheim, Ernst 1, 69 Bernheim, Hans 38 Bernheim, Oskar 38, 54 Bernheim, Rudolf 38, 45 Bernheim, Theodor 38 Bethmann Hollweg, Theobald v. 64 Birch-Kirschner 116 Bismarck, Otto v. 42, 52, 107 Bley, Andre´ 132 Blok, Petrus J. 160 Blondel, Georges 136, 137, 140, 148, 149 Bo¨ttger, W. 67 Bonn 2, 3, 10, 30, 32, 34, 36 Boos, Heinrich 100 Borgnet, Adolf 137 Borsie 139 Brants, Victor 204 Bres(s)lau, Harry 182 Brøgger, Waldemar Christofer 64

Bruch, Emma 44, 71, 112, 119, 120, 122–125, 127, 129, 131–134, 144, 146, 148, 156, 159–161, 167, 168, 185 Bruchmu¨ller, Ernst Wilhelm 56 Brunner, Heinrich 48 Buchholz, G. 114 Buchholz, Gustav 53, 55, 56, 60 Bu¨cher, Karl 49, 103, 150 Bu¨low 174 Cambridge 67 Carnegie, Andrew 64 Chestret de Haneffe, Baron de 169 Christiania 64, 67 Conrad, Johannes 90, 93 Cranach 155 Crecelius, Wilhelm 10 Da¨nemark 42, 43 Dahlmann, Friedrich Christoph 100 de Bruges, Galbert 98 De Greef, Guillaume 204 Deichmann, Theodor 2 Delbru¨ck, Hans 53, 54, 57, 127, 148, 149, 154 Des Coudres, Theodor 67 Des Marez, Guillaume 147, 153 Deschamps 153 Deutsche Geschichte 37, 40–45, 49, 53, 54, 56, 58–60 Deutsche Literatur-Zeitung 25, 26, 29, 48 Deutsche Zeitschrift fu¨r Geschichtswissenschaft 26, 37, 50–56 Dobenecker, Otto 111, 112 Doebner 100 Dove, Alfred 182

346

Index der Personen, Orte und Sachen

Dresden 42, 53 Duchesne 168 Du¨rr, Alfons 24, 29 Duncker & Humblot, Firma 135 Durand, Georges 81 Engel, Friedrich 67 Erdmannsdo¨rfer 151 Errera, Paul 99 Ewald, Paul 22, 23, 26 F. A. Perthes, Verlag 102, 104, 106, 108, 137 Ficker, Julius 16, 35 Finke, Heinrich 133, 137, 138, 141, 143, 144 Fischer, Aloys 67 Fischer, Otto 67 Foerster, Wendelin 84 Fo¨rster, Wilhelm 67 Forschungen zur Deutschen Geschichte 9 Fre´de´ricq, Paul 104, 137 Frankfurt a. M. 49 Fraunsta¨dter, W. 75 Fredericq 88 Fredericq, Paul 90, 96–99, 101, 103, 105, 108–110, 116, 131, 136, 138, 160, 161, 169, 172, 190 Friedrichroda 76 Fries, W. 69 Fuchs, Karl Johannes 56 Gachard, Louis-Prosper 137 Gallois, Euge`ne 158 Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik 64–70, 72–76 Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik, Dritte Tagung in Leipzig 68–70 Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik, Vierte Tagung in Berlin 74, 75 Gesellschaft fu¨r Hochschulpa¨dagogik, Zweite Tagung in Mu¨nchen 69 Gesellschaft fu¨r rheinische Geschichtskunde 4–7, 10, 17, 44 Giesebrecht, Wilhelm 37 Gießen 32 Go¨ttingen 1, 2, 7, 13, 17–19, 21, 30, 46, 47, 57 Go¨ttingen, Historischer Verein 1, 3 Go¨ttingische Gelehrte Anzeigen 26, 41 Greifswald 26–30, 42, 43

Grenzboten 45 Grueber, E. 69 Halle a. d. S. 31 Hannack, Emanuel 144 Hansen, Joseph 77, 122, 139, 150, 160, 170, 176, 186 Hansischer Geschichtsverein 15 Hansischer Geschichtsverein, Tagung 46 Hanssen, Georg 1 Heinrici, C. F. Georg 47 Helmolt, Hans F. 44 Herder, Johann Gottfried 25 Herimans 153 Hettner, Felix 4, 5, 17, 27 Heyfelder, Hermann 53 Heyst 121, 125 Hillebrand, Karl 182 Hintze, Otto 131, 133, 134, 136 Historikertag 74, 75 Historikertag Frankfurt 104, 108 Historikertag Innsbruck 117, 121, 125 Historikertag, Frankfurt 49, 51, 52 Historikertag, Leipzig 45, 46, 48, 51 Historikertag, Mu¨nchen 42, 44, 45 Historische Zeitschrift 29, 32, 48 Historisches Taschenbuch 29 Hochschullehrertag 74, 75 Ho¨fler, Aloys 69, 70 Ho¨hlbaum, Konstantin 7, 20, 21, 25, 27–29, 88, 100 Hoeniger, Robert 17, 41–43, 87–89, 150, 152 Hoste, Adolf 223 Houtte, Hubert Van 151 Humboldt, Wilhelm v. 136 Jeanmaire, Henri 234 Jena 32 Kaser, Kurt 97 Klein, Felix 67 Kleinpaul, J. 126, 127, 129–135 Kluckhohn, August 19, 21, 27 Ko¨hler, Kurt 71, 72 Ko¨hler, Verlag in Leipzig 71, 72 Koehne, Carl 96 Ko¨ln 20 Ko¨niglich-Sa¨chsische Kommission fu¨r Geschichte 56 Ko¨nigsberg 43

Index der Personen, Orte und Sachen Koepke, Rudolf 98 Ko¨sen 72 Kohl, Horst 52 Koldewey, Friedrich 49 Konferenz von Vertretern landesgeschichtlicher Publikationsinstitute 51, 52, 59 Koser, Reinhold 48, 59, 101, 116 Kultur, Begriff 2, 7, 36 Kulturgeschichte 1, 19, 24, 36, 45 Kulturhistoriker 54 Kurth, Godefroid 92, 103–105, 108, 158, 169, 190 Lamprecht, Carl Nathanael 1 Lamprecht, Deutsche Geschichte 102 Lamprecht, Elisabeth 37, 39, 49, 53, 54, 58, 64 Lamprecht, Else 95, 122 Lamprecht, Emilie Auguste 1 Lamprecht, Marianne 37, 39, 49, 53, 54, 58, 95, 122, 190 Lamprecht, Mathilde 37, 39, 44, 45, 47–49, 53, 54, 58, 59 Lavisse, Ernest 234 Lehmann, Max 42, 44–48, 58, 97, 101, 133 Leipzig 1, 42, 45–48, 50–53, 55–59, 64, 66, 68, 72, 73, 76 Leipzig, Historisches Seminar 44, 49 Lenz, Max 57–59, 127, 129, 135, 141, 145, 147–149 Lichtenberg 176 Liesegang, Erich 21, 43, 92, 97, 112, 153 Lindner, Theodor 26 Lipmann, O. 69, 73 Liszt, Franz v. 64, 66, 68, 69 Lonchay, Henri 137 Longnon, Auguste 158 Lorenz, Ottokar 31, 45 Lotze, Rudolf Hermann 1 Lu¨beck 42 Magnette, Fe´lix 109 Magnette, Felix 109 Marburg 39, 40, 52, 53 Marcks, Erich 50, 55–57, 101, 103, 114, 127, 182 Marignan, Albert 89, 168 Maurenbrecher, Wilhelm 29, 32, 33, 41, 42

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Meinecke, Friedrich 55, 59, 133, 148 Meitzen, August 29 Memel 42 Menzel, Karl 32, 33 Mevissen, Gustav 2, 17, 186 Meyer von Knonau, Ludwig Gerold 158 Meyer, B. 69 Meyer, Eduard 49, 103 Miquel 75 Mitteilungen des Instituts fu¨r o¨sterreichische Geschichtsforschung 29 Mo¨nckeberg, Carl 164, 165 Monchamp, Georges 169 Monod, Gabriel 129, 130, 135–138, 140, 142, 148, 149, 157, 158 Mu¨hl, Gustav 37, 92 Mu¨hl, Mathilde 92, 95 Mu¨nchen 1, 19 Mu¨nsterberg, Hugo 156 Naude´, Albert 101, 133 Nitzsch, Karl Wilhelm 97 Noorden, Carl v. 1, 25, 29, 31, 57 Nys, Ernest 204 Oncken, Hermann 146, 148, 149 Oppenheimer, Franz 152 Pa´szkowski, Wilhelm 61 Pauli, Reinhold 15, 18, 21 Perlbach, Max 31 Perthes, F. A., Verlag 101, 103, 105, 107, 109, 145–147, 149, 152, 155, 156, 160, 165, 167, 168, 176, 177, 182 Petter 179, 182 Pfister, Christian 158 Pflugk-Harttung, Julius v. 22, 48 Pirenne, Henri 56 Pirenne, Henri-Edouard 109 Pirenne, Jacques 109 Pirenne, Jenny 108, 117, 121 Pirenne, Lucien Henri 159 Pirenne, Pierre 108, 109 Pirenne, Robert 163, 166 Pollack, W. 69, 73 Preußische Jahrbu¨cher 24, 47, 54 Provinzialgeschichte, rheinische 2–4 Quidde, Ludwig 26–29, 37, 50 Rachfahl, Felix 56, 115

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Index der Personen, Orte und Sachen

Ranke, Leopold v. 89, 116, 119, 136, 179 Rehm, A. 69 Rein, W. 69 Reinsch, Paul 64 Repertorium fu¨r Kunstwissenschaft 29 Reusens, Edmond 78 Rickert, Heinrich 156 Ritter, Moritz 10, 27, 28 Roscher, Wilhelm 1 Ryckel, Wilhelm v. 126 Sachsen 50, 51 Sa¨chsische Historische Commission 45 Salinger, S. 69, 73 Sauppe, H. 1 Scha¨fer, Dietrich 75, 111 Schaum, Karl Franz 67, 69 Schayes, A. G. B. 136, 137 Scheffer-Boichorst, Paul 7 Schmarsow, August 28 Schmidkunz, Hans 66–70, 73–75 Schmoller, Gustav 45, 56 Schnu¨rer, G. 144 Schulpforta 1, 45, 64 Schulte, Aloys 116 Schwarz, H. 75 Schweden 42, 43 Schweiz 46 Schybergson, Magnus G. 139 Seeck, Otto v. 58 Seeliger, Gerhard 51–56, 114, 148, 182, 190 Seidlitz, Woldemar v. 24 Sickel, Theodor v. 21 Sieglin, Wilhelm 152 Sieper, E. 69 Simson, v. Bernhard 182 Sme(d)t, Ch. de 160 Sohm, Rudolf 97, 100 Sombart, Werner 174 Somloz 135 Spahn, Johann Martin 182 Spranger, Eduard 67 Springer, Anton 1, 22, 26–28 Ssymank, W. 67 St. Andrews 64 Steindorff, Ernst 27 Sternberg, Th. 69 Stettin 43 Stieve, Felix 151 Stockholm 42, 43

Stralsund 46 Straßburg 52 Studentenbewegung 75 Stussy 168, 176 Sybel, Heinrich v. 29, 32, 45, 48, 49, 55, 116 Treitschke, Heinrich v. 24, 37, 119, 127, 149 Trott zu Solz, August v. 64 Ulmann, Heinrich 31, 32, 42–47, 49, 51–53, 56–59 Van der Haeghen 121 Van Ortroy, Fernand 160, 161 Vander Linden, Herman 97, 98, 105 Vander Linden, Hermann 108 Vanderhaegen, Jenny 92, 94 Vanderkindere, Le´on 96, 102, 105, 108, 169, 204 Varrentrap, Konrad 39 Verband fu¨r Hochschulpa¨dagogik 64 Vercoullie, Josef 204 Verein deutscher Hochschullehrer 64, 72 Visby 42 Vogt, Wilhelm 49 Voigt, Georg 1, 97 Wach, Adolf 41, 64, 74 Wachsmuth, Curt 1 Waitz, Georg 33, 100 Waldeyer, W. 69 Ward, James 67 Wasweiler, Emile 204 Wattenbach, Wilhelm 33 Weiland, Ludwig 7, 21, 27 Weizsa¨cker, Julius 1, 2, 7, 21, 37, 57 Wenzelburger, K. Th. 136, 141 Westdeutsche Zeitschrift fu¨r Kunstund Kulturgeschichte 4–6, 10–13, 17–19, 21, 26–29, 37, 52 Wiegandt, E. 69 Wiegandt, Verlag in Leipzig 71 Wiemann, Kurt 126 Wiener, Otto 67 Wilmotte, Maurice 168 Winkelmann, Eduard 116 Winter, Georg 150 Witkowski, Georg 67 Wittenberg 1

Index der Personen, Orte und Sachen Wolfram, Georg 158 Wundt, Wilhelm 1, 48 Wyss, Arthur 29, 100

349

Zeitschrift fu¨r bildende Kunst 29 Zeitschrift fu¨r Hochschulpa¨dagogik 69–71 Zwiedineck-Su¨denhorst, Hans v. 156

BEIHEF TE ZUM ARCHIV FÜR KULTURGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON K ARL ACHAM, EGON BOSHOF, WOLFGANG BRÜCKNER, KLAUS HERBERS, BERNHARD JAHN, EVA-BET TINA KREMS, FRANK-LOTHAR KROLL, GUSTAV ADOLF LEHMANN, TOBIAS LEUKER, HELMUT NEUHAUS, NORBERT NUSSBAUM, STEFAN REBENICH



EINE AUSWAHL

BD. 75 | SUSAN RICHTER PFLUG UND STEUERRUDER

BD. 71 | CHRISTINE JULIANE HENZLER

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DIE FRAUEN KARLS VII. UND

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