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German Pages 198 Year 2016
Pseudoantike Skulptur I
Transformationen der Antike Herausgegeben von Hartmut Böhme, Horst Bredekamp, Johannes Helmrath, Christoph Markschies, Ernst Osterkamp, Dominik Perler, Ulrich Schmitzer
Wissenschaftlicher Beirat: Frank Fehrenbach, Niklaus Largier, Martin Mulsow, Wolfgang Proß, Ernst A. Schmidt, Jürgen Paul Schwindt
Band 45
De Gruyter
Pseudoantike Skulptur I Fallstudien zu antiken Skulpturen und ihren Imitationen
Herausgegeben von
Sascha Kansteiner
De Gruyter
Gedruckt mit Mitteln, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft dem Sonderforschungsbereich 644 »Transformationen der Antike« zur Verfügung gestellt hat.
ISBN 978-3-11-047452-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-047570-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-047570-8 ISSN 1864-5208 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandgestaltung: Martin Zech, Bremen Logo »Transformationen der Antike«: Karsten Asshauer – SEQUENZ Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort
Lange vor dem Einsetzen der wissenschaftlichen Erforschung antiker Skulptur haben die Bildhauer des Mittelalters und der Neuzeit zahlreiche Bildwerke kreiert, die den Einfluss antiker Vorbilder deutlich werden lassen. Im Rahmen der wissenschaftlichen Erschließung dieser Werke konnte bis heute nicht immer Einigkeit im Hinblick auf die Urheberschaft und die Zeit der Entstehung erzielt werden. Gelegentlich trat in Ermangelung einer aussagekräftigen Dokumentation sogar der Fall ein, dass nachantike Werke für viel älter gehalten wurden als sie eigentlich sind. Während eines Kolloquiums, das der Sonderforschungsbereich 644 im Oktober 2014 an der Humboldt-Universität in Berlin ausgerichtet hat, sind Klassische Archäologen der Frage nachgegangen, aus welchen Gründen bestimmten nachantiken Skulpturen – rundplastischen Werken und Reliefs – eine Einschätzung als antik zuteil geworden ist: In den Beiträgen von Emmanuel Voutiras und Carlo Gasparri geht es um pseudoantike Porträts, im Beitrag von Hans Goette um pseudoantike Sarkophage und in meinem Beitrag um pseudoantike Idealplastik. Katharina Lorenz befasst sich mit der Frage, in welcher Weise die Diskussion eines in seiner Authentizität umstrittenen Kopfes die Forschungsgeschichte des römischen Porträts beeinflusst hat, und Federico Rausa legt dar, wie es dazu kommen konnte, dass zwei bedeutende antike Skulpturen irrtümlich als nachantike Werke angesehen worden sind. Claudia Kryza-Gersch schließlich nimmt transformierte Antiken aus kunsthistorischer Sicht in den Blick und macht auf Antikenbezüge bei dem Bildhauer Simone Bianco aufmerksam. Erwachsen ist der vorliegende Band „Pseudoantike Skulptur I“ aus den Untersuchungen zu Nachschöpfungen, einem Unterprojekt des Teilprojektes B 10 (SFB 644), das „Aneignung antiker Skulptur ab dem 16. Jahrhundert. Wahrnehmung und Kanonisierung“ betitelt ist und von Luca Giuliani sowie von Susanne Muth geleitet wird. Die Ergebnisse dieses Unterprojektes werden in Kürze in einer Monographie, „Pseudoantike Skulptur II“, präsentiert. Im Vordergrund steht dort die für die Bewertung der Bildhauerkunst der Antike zentrale Frage nach dem Einfluss von Imitationen antiker Skulpturen auf die Beurteilung von klassizistischen Neuschöpfungen aus der römischen Kaiserzeit. Der Herausgeber dankt dem Sonderforschungsbereich Transformationen
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Vorwort
der Antike und seinem Sprecher Johannes Helmrath für die Aufnahme des Tagungsbandes in die gleichnamige Reihe des SFB. Ein besonderer Dank geht an Marco De Marco, den Direktor des Museo Archeologico in Fiesole, der die Vorlage zweier nahezu unbekannter Stücke dieses Museums gestattet hat. Die Bildbearbeitung und die Gestaltung des Tagungsbandes lagen in den bewährten Händen von Johannes Trockels (Winckelmann-Institut). Frau Kempf und Herr Ruppenstein vom Verlag De Gruyter haben dazu beigetragen, dass die Drucklegung reibungslos vonstatten ging. Sascha Kansteiner
Inhalt
Vorwort..............................................................................................................V Einleitung...........................................................................................................1 Claudia K ryza-Gersch Simone Bianco: Venezianische Skulptur zwischen Antikenbegeisterung und Antikenfälschung....................................................................................................9 Sascha K ansteiner Teil-Imitationen antiker Statuen: Apollon Typus Centocelle und Silen Orsini.......................................................................................................25 Federico R ausa ‚Pseudomoderne’Athleten................................................................................45 Emmanuel Voutiras Nachgemachte griechische Porträts: Demosthenes auf dem Altar und Chrysipp....................................................................................................63 K atharina Lorenz Die römische Porträtforschung und der Fall des sogenannten Ottaviano Giovinetto im Vatikan. Die Authentizitätsdiskussion als Spiegel des Methodenwandels..........................................................................................................73 Carlo Gasparri Das „Museo Torlonia“ von Pietro Ercole und Carlo Lodovico Visconti.........91 Hans Rupprecht Goette Pseudoantike Sarkophage. Zum Phänomen der Überarbeitung antiker Sarkophage.....................................................................................................105 Abgekürzt zitierte Literatur............................................................................115 Abbildungsnachweise.....................................................................................121
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Inhalt
Museographisches Register............................................................................123 Tafelteil...........................................................................................................133
Einleitung Sascha K ansteiner
Im 16. und im 17. Jahrhundert sind vornehmlich in Rom etliche Imitationen antiker Köpfe entstanden, die dazu dienten, antike Torsi zu vervollständigen. Da alles dafür spricht, dass die Anfertigung dieser Imitationen im Einvernehmen mit den Besitzern der zu ergänzenden Objekte erfolgt ist, handelt es sich hier keineswegs um Fälschungen, sehr wohl aber – aus heutiger Sicht – um Pseudoantiken: Pseudoantiken deshalb, weil manche der Ergänzungen seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als Winckelmann mit der Frage nach dem antiken Bestand an die Skulpturen heranzutreten beginnt, irrtümlich in der Antike verortet worden sind und mitunter noch heute als antik gelten. Eine Klassifizierung als antik ist gelegentlich auch Köpfen zuteil geworden, die erst viel später, um 1800, antiken Torsi aufgesetzt worden sind. Sie erfüllten vielfach die Rolle von Zweitergänzungen, etwa im Fall des Pothos Farnese und im Fall der Kauernden Aphrodite derselben Sammlung.1 Da beide Werke zu statuarischen Typen gehören, die in der Antike oft kopiert worden sind, blieb die Fehleinschätzung des Umfangs der Ergänzungen ohne Folgen für die Erschließung und Interpretation der griechischen Vorbilder. Anders verhält es sich, wie sich denken lässt, mit solchen Stücken, deren Ikonographie ohne antike Analogie ist. Dort erweist sich die unzutreffende Klassifizierung einer Ergänzung als antik als äußerst problematisch: Der dem im Palazzo Pitti aufgestellten Herakles Typus Farnese aufgesetzte Kopf ist erst im 16. Jahrhundert angefertigt worden, bietet also keineswegs einen Beleg dafür, dass man Statuen des Herakles zur Zeit des Commodus mit einem Porträt dieses Kaisers versehen hat.2 Auf die Problematik der Beurteilung von Ergänzungen wird weiter unten anhand eines prominenten Beispiels zurückzukommen sein. Während der ersten Förderphase des Teilprojektes B10 im Rahmen des Ber1 2
Neapel, Museo archeologico, Inv. 6253 und 6293. – Farnese 2009a, Kat. 40 (C. Capaldi); Ergänzungsprozesse 2013, 49f. (S. Kansteiner) und S. Pafumi in: Farnese 2009a, Kat. 29 („La testa è stata riattaccata ...“). S. Kansteiner in: A. Delivorrias et al. (Hg.), Gedenkschrift Despinis (im Druck).
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Sascha Kansteiner
liner SFB Transformation der Antike, die 2012 zuende ging, stand, unter dem Titel Aneignung antiker Skulptur durch Umdeutung und Restaurierung, die Frage im Vordergrund, wie Ergänzungen antiker Torsi zustandegekommen sind und wie die Ergänzungen inhaltlich zu beurteilen sind. Insbesondere bei der Untersuchung von Statuen, die als Apollon restauriert worden sind, wurde dabei nicht selten deutlich, wie schwer es ist, Ergänzungen überhaupt als solche zu identifizieren und ergänzte Partien als antik oder aber als nachantik zu bestimmen.3 Um in diesem Bereich eine ausbaufähige Grundlage für die Beurteilung antiker Skulptur zu erarbeiten, geht es seit Anfang 2013 in einem der Schwerpunkte des Teilprojektes nunmehr um Nachschöpfungen. Untersucht werden in erster Linie Köpfe nachantiken Ursprungs, die in der Forschung aus unterschiedlichen Gründen als antik angesehen werden. Gegenstand des Teilprojektes sind daneben auch einige Statuen wie z. B. der Spinario aus der Sammlung Ippolitos d’Este, der seit wenigen Jahren überraschenderweise und sicher zu Unrecht als antike Arbeit beurteilt wird, bzw. Überbleibsel von Statuen: In Brüssel und im Musée de Mariemont gibt es Torsi von Statuen aus der Sammlung Ludovisi, die im 16. Jahrhundert in relativ freier Anlehnung an antike Vorbilder geschaffen worden sind, aber infolge einer offenbar auf ganz flüchtiger Untersuchung fußenden Beurteilung durch Furtwängler seit über hundert Jahren als Antiken durch die Forschung geistern.4 Der Spinario der Sammlung d’Este sowie die Torsi in Brüssel und im Musée de Mariemont bleiben jedoch weitgehend isoliert, da das Herstellen ganzer Statuen oder größerer Partien von Statuen, die entweder den Eindruck erwecken sollen oder erweckt haben, antiken Ursprungs zu sein, mit wenigen Ausnahmen erst im 20. Jahrhundert praktiziert worden ist. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Kauernde Aphrodite, die aus dem Besitz des Händlers Jandolo in deutschen Privatbesitz und schließlich, vor rund 30 Jahren, in den Palazzo Altemps in Rom gelangt ist, wo sie dem Besucher als antike Arbeit präsentiert wird (Taf. 1 a):5 eine durchaus nachvollziehbare Einschätzung, berücksichtigt man, dass die Statue wegen des Bruches im Hals, wegen diverser Beschädigungen und wegen fehlender Extremitäten zunächst einen ‚authentischen‘ Eindruck hinterlässt. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Figur lediglich um ein neuzeitliches Duplikat einer berühmten Kauernden Aphrodite, derjenigen im Gabinetto delle Maschere (Abb. 1 und Taf. 1 b). 3 4 5
Vgl. Ergänzungsprozesse. Transformation antiker Skulptur durch Restaurierung, Transformationen der Antike, Bd. 26 (2013). Furtwängler 1897, Kat. 5 und Kat. 8. M. De Angelis (Hg.), Scultura antica in Palazzo Altemps (2002) 144 mit Abb.; vgl. jetzt S. Kansteiner in: K. Zimmer (Hg.), Rezeption, Zeitgeist, Fälschung – Umgang mit Antike(n), Koll. Tübingen 2014 (2015) 111.
Einleitung
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Der Bildhauer des 20. Jahrhunderts, der einen Abguss dieser Kauernden vor Augen hatte, hat es versäumt, sich von einem Archäologen beraten zu lassen. Sonst hätte man ihn sicher darüber aufgeklärt, dass die Frisur der Kauernden im Gabinetto delle Maschere gar nicht derjenigen des statuarischen Typus entspricht.Der Kopf, den der Bildhauer der Aphrodite Jandolo zusammen mit dem Körper dupliziert hat, ist vielmehr in großen Teilen eine Ergänzung von der Hand des Bildhauers Giovanni Pierantoni (1742–1817) und stammt aus dem Jahr 1793.6 – Im Unterschied zur Statue der Kauernden Aphrodite im Palazzo Altemps zeigt eine Statue in Basel auf anschauliche Weise, wie phantasievoll Bildhauer beim Imitieren antiker Vorbilder gelegentlich vorgegangen sind. Die Statue in Basel gilt bis heute als eine eigenwillige antike ‚Version’ des statuarischen Typus des Polykletischen Diskusträgers7 und gehört damit zu einer Gruppe von Fälschungen, deren Hersteller sich klassisch-archäologisches Fachwissen zunutze gemacht haben.8 Das Kolloquium bot die Gelegenheit, sich der Frage nach dem Ursprung antiker und nachantiker Objekte aus verschiedenen Richtungen zu nähern: zum einen wurden gezielt EinzelstücAbb. 1 John Flaxman (1755–1826), Graphitke unklarer Provenienz, etwa der sog. zeichnung der Kauernden Aphrodite, Yale CenAlexander Schwarzenberg, oder Einter for British Art, Paul Mellon Collection zelstücke aus alten Sammlungen, etwa der Athlet in Port Sunlight, in den Blick genommen, zum anderen wurde die Verlässlichkeit von Angaben zur Provenienz, etwa bei einer Reihe von Skulpturen des sog. Museo Torlonia, einer Prüfung unterzogen. Außerdem wurde 6 7 8
Vgl. G. Spinola, Il museo Pio Clementino II (1999) 170 Nr. 41. – Die Kauernde Aphrodite im Gabinetto delle Maschere ist bereits vor der Ergänzung durch Pierantoni in Marmor kopiert worden: um 1780 hat Francesco Lazzarini die Kopie im Łazienki-Palast in Warschau geschaffen. Zanker 1974, 5f. Nr. 1 Taf. 1,2 (tiberisch-frühclaudisch); demn. Pseudoantike Skulptur II. Vgl. auch unten S. 32 (Berlin, Antikensammlung, Inv. Sk 1942).
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das Schaffen von Bildhauern des 16. Jahrhunderts näher beleuchtet, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie die Bildhauer dieser Zeit den Skulpturen der Antike begegnet sind. Wie weitreichende Folgen die Einschätzung von Teilen bestimmter Statuen als antik oder nachantik haben kann, sei im Folgenden in einem Exkurs veranschaulicht. Der sog. Antinous Farnese im Neapler Nationalmuseum (Taf. 2 a) gilt im Allgemeinen als eine authentische, mithin als die früheste in der Neuzeit bekannte statuarische Darstellung des Antinous, da Kopf und Körper als antik und zusammengehörig angesehen werden. Weil die Haltungsmotive der Statue im Wesentlichen mit dem Polykletischen Doryphoros (Taf. 2 b) übereinstimmen, geht man sogar davon aus, dass hier ein kurze Zeit nach dem Tod des Antinous im Jahr 130 n. Chr. tätiger Bildhauer das Antinous-Porträt mit einer Körperreplik des Doryphoros kombiniert hat, ein Vorgehen, für das es immerhin sogar eine Parallele, eine Antinous-Statue im Museum von Chalkis, gibt. Die Neapler Statue wird in der Porträtforschung bis heute als „das Musterbeispiel für die Umsetzung eines polykletischen Vorbildes in den Geschmack hadrianischer Zeit“ interpretiert.9 Sowohl im Hinblick auf die Erhaltung als auch bezüglich der Verbindung mit dem Doryphoros sind jedoch Bedenken angebracht. Zunächst ist zu betonen, dass Flavia Coraggio in dem von Carlo Gasparri edierten neuen Bestandskatalog des Neapler Museums gegen die communis opinio herausgearbeitet hat, dass Kopf und Körper gar nicht zusammengehören können, weil der Marmor in der Korngröße divergiert.10 Die Beobachtung von Coraggio ist bislang nicht durch eine naturwissenschaftliche Materialanalyse untermauert worden, so dass Zweifel an der Richtigkeit ihrer makroskopischen Einschätzung bestehen bleiben. Gegen die Zusammengehörigkeit von Kopf und Körper lassen sich aber noch weitere, in der Forschung bislang nicht in ausreichendem Maß berücksichtigte Indizien anführen: Zum einen ist der Torso in einem derartigen Umfang ergänzt – beide Beine und beide Arme sind neuzeitlichen Ursprungs! –, dass die perfekte Erhaltung des Kopfes einem Wunder gleichkommt. Zum anderen zeigt die einzige Abbildung der Statue aus der Zeit vor ihrer Zweitrestaurierung durch Albacini im Jahr 1796, ein Stich aus der Zeit um 1677 (Abb. 2),11 die Figur mit einem 9 Fittschen 2006, 250. 10 F. Coraggio in: Farnese 2009b, Kat. 64; dies., Prospettiva 130–131, 2008, 157. – Zur Statue vgl. auch D. Kreikenbom, Bildwerke nach Polyklet (1990) 172 Nr. III 35; Meyer 1991, 57–59 Nr. I 38 Taf. 40–42; C. Vout, JRS 95, 2005, 83 Taf. 1,3–4; Fittschen 2006, 249–258. 11 Galeriae Farnesianae Icones Romae ... a Petro Aquila delineatae incisae (1677/90) Taf. 2 (nach Annibale Carracci; Riebesell 1989, Abb. 59). – Seit Riebesell 1989, 62f. wird angenommen, dass sich die in einem Brief des Kardinals Granvelle im Jahr 1581 erwähnte Anpassung einer „testa di
Einleitung
Abb. 2 Antinous Farnese Farnesinae Icones Romae)
(nach
Galeriae
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Kopf, der zu dem heute aufsitzenden nicht die geringste Ähnlichkeit aufweist (das linke Ohr ist völlig frei). Der auf dem Stich abgebildete Kopf ist zudem von Friedrich Wilhelm von Ramdohr in seiner 1787 erschienenen Schrift Ueber Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom (Bd. I p. 23) ausdrücklich als Ergänzung bezeichnet worden.12 Man wird sich demnach von dem Gedanken verabschieden müssen, die Statue habe schon zu Raffaels Zeit die Rezeption der Antike mit geprägt und beispielsweise für den Kopf des von Lorenzetto um 1530 geschaffenen Jonas, der in der Kirche St. Maria del Popolo zur Aufstellung gelangt ist, Pate gestanden.13 Da Albacini alte Ergänzungen grundsätzlich entfernt und nicht nochmals verwendet hat, bleibt zu fragen, ob der von ihm aufgesetzte AntinousKopf von seiner Hand stammt oder ob er einen antiken Kopf für die Ergänzung ausgesucht hat. Auch in diesem Punkt lassen sich gleich mehrere Indizien anführen, die entschieden für die
Antinoo“ an einen Torso („busto“) auf den sog. Antinous Farnese bezieht. Selbst wenn die Verbindung richtig ist, bleibt zu fragen, warum hier ein antiker Kopf gemeint sein soll, wo doch der im Brief verglichene Adonis, der mit dem sog. Meleagro rosso identifiziert wird (Neapel, Museo archeologico, Inv. 6385; Farnese 2009a, Kat. 75), gerade keinen antiken Kopf trägt. 12 So auch I. Marzik, Das Bildprogramm der Galleria Farnese in Rom (1986) 245 und, unter Vorbehalt, Kansteiner 2007, 228 Anm. 71. – Fraglich bleibt, weshalb der Kopf der Erstergänzung Ramdohr zu der Aussage veranlasst hat, der Torso sei „als Antinous restauriret“. Die Benennung von Jünglingen als Antinous findet sich aber z. B. auch bei R. Leplat, Recueil des marbres … (1733) mehrfach (vgl. Dresden 2011, Kat. 180). – Bei Winckelmann 1756, 66 Z. 12 heißt es zum Antinous: „Der Kopf ist alt.“ 13 So schon Fittschen 2006, 249, der annimmt, dass die Statue erstmals in der Sammlung des 1547 gestorbenen Kardinals Pietro Bembo bezeugt sei. – Zu welchem Kopf der Kopfausschnitt einer Zeichnung von Pierre Jacques (S. Reinach, L’album de Pierre Jacques [1902] Taf. 34) gehört hat, ist gegen Coraggio (Farnese 2009b, 90) völlig ungewiss (vgl. auch Reinach a. O. Taf. 96: Haarfragment einer nicht identifizierten Replik).
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zuerst genannte Möglichkeit sprechen. Von der perfekten Erhaltung des Kopfes war bereits die Rede. Hielte man den Kopf für antik, wäre man gezwungen anzunehmen, dass er von einer intakten Antinous-Büste abgesägt worden ist, und zwar so, dass er an den Torso angepasst werden konnte. Die bislang bekannten Büsten des Bithyniers – es sind nicht wenige – zeigen Antinous allerdings immer mit einem nach links gedrehten Kopf.14 Die Rechtsdrehung ist also eigentlich nur dann verständlich, wenn ein antiker Torso, dessen Kopfhaltung noch anhand des Halsansatzes zu erschließen war, mit einem eigens für den Torso angefertigten Kopf vervollständigt werden sollte. Zum zweiten wissen wir, dass sich Albacini, anders als etwa sein Zeitgenosse Vincenzo Pacetti, für die Zweitergänzungen der Farnese-Skulpturen nicht aus einem Fundus an antiken Köpfen bedient, sondern grundsätzlich neu geschaffene Köpfe verwendet hat.15 Drittens entspricht die auf den neueren Abbildungen des Kopfes16 kaum noch zu erkennende Art der Augenbohrung nicht dem, was man aus der Antike kennt. Legt man das von Amedeo Maiuri im Jahr 1958 publizierte Foto zugrunde (Taf. 3 a),17 wird vielmehr sofort ersichtlich, dass die beste Parallele für die Augenbohrung ein ebenfalls als Zweitergänzung eines antiken Torsos der Sammlung Farnese gearbeiteter Kopf bietet: es ist der Kopf, den Albacini der vermeintlichen Nemesis aufgesetzt hat (Taf. 3 b)18 und der auch in der Gestaltung der Haarsträhnen dieselbe Hand verrät. Anzuführen ist hier außerdem noch die Augenbohrung des Kopfes der Isis,19 der im Inventar des Jahres 1805 ausdrücklich als Arbeit Albacinis bezeugt, aber bislang noch nicht in einer Detailabbildung vorgelegt worden ist. Mit der Identifizierung des Antinous-Kopfes als Arbeit Albacinis ist freilich nur ein erster Schritt zur Erschließung der Neapler Statue vollzogen. Vornehmlich zwei Aspekte bedürfen weiterhin der Klärung: zum einen bleibt zu untersuchen, was für ein Vorbild dem von Albacini geschaffenen Kopf zugrunde liegt.20 In welchem Verhältnis steht sein Kopf zu zwei neuzeitlichen 14 Vgl. Meyer 1991, Taf. 3. 4,2. 5–6. 18. 21. 37,1. 39. 64. 76. 88,4. – Die Büste im Louvre (Inv. Ma 1082; Meyer Taf. 47) ist m. E. nicht antik. 15 Eine Ausnahme könnte der Dionysos in Neapel sein (Inv. 6318; Farnese 2009a, Kat. 59), dem ein antiker Kopf aufgesetzt ist, der nicht sicher mit dem bei Aquila abgebildeten Kopf gleichgesetzt werden kann. 16 K. Fittschen, Prinzenbildnisse antoninischer Zeit (1999) Taf. 114. 17 A. Maiuri, Das Nationalmuseum in Neapel (1958) Abb. S. 53. 18 Neapel, Museo archeologico, Inv. 6269. – Farnese 2009a, Kat. 13 (C. Capaldi). – Auch der Kopf dieser Statue ist lange für antik gehalten worden; vgl. Winckelmann 1756, 66. 279. 19 Neapel, Museo archeologico, Inv. 6368. – Farnese 2009a, Kat. 11 (C. Capaldi). – Etliche andere Köpfe von der Hand Albacinis oder seiner Mitarbeiter, z. B. derjenige der Hera Typus Ephesos (Inv. 6027; Farnese 2009a, Kat. 3), weisen dagegen keine Augenbohrung auf. 20 Nach antiken Vorlagen sind z. B. die dem Pothos und der Kauernden Aphrodite aufgesetzten Köpfe gearbeitet; vgl. oben Anm. 1.
Einleitung
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Repliken, einem locken- und maßgleichen und in der Rechtsdrehung übereinstimmenden, seit dem 16. Jahrhundert nachweisbaren Bronzekopf im Museo Archeologico in Florenz21 und einer Bronzebüste im Bargello?22 Ist Albacinis Kopf als Imitation einer Imitation zu interpretieren oder ist er die Imitation eines verschollenen Kopfes des Antinous im sog. Bildnistypus „B“?23 Auch bei anderen neuzeitlichen Köpfen des Antinous ist es schwierig, die Vorbilder zu bestimmen, da einige verschollen zu sein scheinen. Fittschen etwa geht davon aus, dass auch das Vorbild für den Kopf des bereits erwähnten Jonas gegenwärtig nicht nachweisbar ist.24 Nicht bekannt sind ferner das Vorbild der imposanten Büste im Palazzo Grimani in Venedig25 und dasjenige eines Kopfes mit Hörnchen im Madrider Prado.26 – Hier wäre, in einem weiteren und vielleicht die Möglichkeiten eines einzelnen Forschers sprengenden Rahmen, die Frage anzuschließen, wieviele der übrigen Antinous-Porträts sicher in der Antike verortet werden können.27 Eine zweite Frage, die der Klärung bedarf, betrifft die Klassifizierung des Torsos: Die Interpretation als Variante des Polykletischen Doryphoros ist wegen der divergierenden Größe28 schwerlich aufrecht zu erhalten. Gehörte die Statue ursprünglich zu einer Darstellung des Dionysos? Wo sind dann die lang auf die Schultern herabfallenden Locken geblieben? Oder gehörte die Statue ursprünglich zu einer Darstellung des Hermes? Dann wüsste man gern, wo das Schamhaar geblieben ist, das bei Statuen dieses Gottes in Überlebensgröße immer angegeben ist. Eine Erklärungsmöglichkeit wäre, dass man im Rahmen der
21 Museo archeologico, Inv. 1640 (Kopfhöhe 24,5–25 cm); seit 1574 in der Sammlung Cosimos I. nachweisbar. – Zur Beurteilung als neuzeitlich vgl. A. Rumpf, RM 42, 1927, 241–248 mit Beil.; Meyer 1991, 161; Lahusen mündl.; Fittschen 2006, 253 Taf. 75,3–4; F. Coraggio, Prospettiva 130–131, 2008, 154–159 mit Abb. – Die Stärke des sehr dünnwandigen Gusses ist bislang nicht publiziert. 22 L. Beschi in: Actes du VIIe colloque international sur les bronzes antiques (= Alba Regia 21, 1984) 122 Taf. 60,2; Fittschen 2006, 253f. Taf. 74,3. 23 Als einziger früh bekannter Kopf des Bildnistypus B ist der Kopf in München (aus der Sammlung Bevilacqua; Fittschen 2006, 254 Nr. 2) nicht verschollen. Der Lockendisposition seiner Rückseite zufolge kann dieser Kopf nicht das Vorbild für die Köpfe in Florenz und denjenigen des Antinous Farnese sein. 24 Fittschen 2006, 251f. Taf. 72,3. – Zum Jonas vgl. auch W. Amelung, Strena Helbigiana (1900) 6 Abb. 3; Riebesell 1989, 63 Anm. 384; G. Grimm, AntW 29, 1998, 491 Abb. 17. 25 Inv. 382. – M. Dossi in: dies. et al., Museo archeologico nazionale di Venezia (2004) 129 Nr. V.4 mit Abb.; Fittschen 2006, 255 Nr. 3 (mit Einschätzung als antik); M. Cadario in: I giorni di Roma. L’età dell’equilibrio, Ausst.-Kat. Rom 2012, 273f. mit Abb. S. 116f. 26 Meyer 1991, 55f. Nr. I 35 Taf. 37,2; Fittschen 2006, 255f. – Der Kopf hat Panshörner! 27 Ähnliche Probleme bietet die Überlieferung des Kopftypus des sog. Pseudo-Seneca. 28 Die ursprüngliche Größe der Statue ist bei ca. 1,93 m anzusetzen; die Höhe bis zum Gliedansatz betrug ursprünglich ca. 97 cm. Dies würde zum Polykletischen Herakles passen, der dann allerdings stark überarbeitet worden sein müsste.
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Sascha Kansteiner
Ergänzung des Torsos als Antinous die Pubes entfernt hat.29 In der Sammlung Farnese sind sogar Kinder restlos entfernt worden, wenn ihr Vorhandensein nicht mit der im 16. Jahrhundert favorisierten Deutung zu vereinbaren war.30 Oder handelt es sich bei der Neapler Statue um ein Einzelstück, das gar nicht in unmittelbarer Verbindung mit der griechischen Kunst steht, wie etwa der sog. Adonis aus Capua,31 der trotz Überlebensgröße ohne Pubes wiedergegeben ist?
29 Fittschen schreibt unverständlicherweise: „Wie hätte ein Restaurator des 16. Jhs. wissen können, dass zum Antinoos-Kopf ein Torso ohne Schamhaare gehört?“ – Beim Berliner Athleten ist die Pubes erst im Rahmen der Zweitrestaurierung im 19. Jahrhundert restlos entfernt worden; vgl. Arachne Nr. 2184 (S. Kansteiner). 30 Liegende Amazone in Neapel, Museo archeologico, Inv. 6012; vgl. Farnese 2009a, Kat. 78 (S. Pafumi) und den Werkkommentar zu DNO 3444. 31 Neapel, Museo archeologico, Inv. 6016 (Höhe 2,21 m ohne Plinthe; Kopfhöhe 25 cm). – Zanker 1974, 110 Nr. 12 Taf. 80,4.
Simone Bianco: Venezianische Skulptur zwischen Antikenbegeisterung und Antikenfälschung Claudia Kryza-Gersch
Als sich Albrecht Dürer 1506/7 in Venedig aufhielt, berichtete er in einem häufig zitierten Brief an seinen Gönner und Freund Willibald Pirckheimer, dass die ortsansässigen Künstler über sein Werk sagen würden, „es sei nit antigisch Art, dorum sei es nit gut.“1 Obgleich sich Venedig im Vergleich mit anderen italienischen Städten wesentlich zögerlicher von den künstlerischen Idealen der Gotik gelöst hatte, erlebte der neue, an der Antike orientierte Stil schließlich doch auch hier seinen Durchbruch, und zwar auf so umfassende Art, dass Sir John Pope-Hennessy, der große Kenner der italienischen Renaissanceskulptur, urteilte:2 „Once the victory of Renaissance style was won, it was Venice and not Florence that achieved in sculpture the truer recreation of antiquity.“ Mit dieser Aussage bezog sich der Gelehrte in erster Linie auf das Werk Tullio Lombardos (um 1455 – 1532), der mit seinem entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Vendramin-Grabmals (um 1488 – 1495)3 das erste vollkommene Beispiel jenes spezifisch venezianischen Klassizismus schuf, der durch eine geradezu romantische Antikentreue charakterisiert wird. Bezeichnend für die Stimmung, die in der Lagunenstadt zur Zeit von Dürers Besuch herrschte, ist auch der in Padua verfasste Traktat De Sculptura des Humanisten Pomponio Gaurico von 1504, in dem berichtet wird, dass man einen von Tullio geschaffenen Architrav im Triumph durch die Stadt Treviso getragen habe. Es wäre nicht übertrieben, schreibt Gaurico weiter, wenn man Tullio als den trefflichsten Bildhauer aller Epochen bezeichnen würde, da in seinen Werken die Kunst längst vergangener Zeiten wieder auflebe.4 In der Tat scheint mit Tullios Adam für das Vendramin-Grabmal5 Apollo als venezianischer Jüngling wiedergeboren zu sein. 1 2 3 4 5
E. Ullmann (Hg.), Albrecht Dürer. Schriften und Briefe (1993) 70 (Brief vom 7. Februar 1506). J. Pope-Hennessy, Italian Renaissance Sculpture (1958) 106f. Zum Grabmal des Dogen Andrea Vendramin, heute in Santi Giovanni e Paolo in Venedig aufgestellt, s. Markham Schulz 2014, 46–66 (mit vorhergehender Literatur). P. Cutolo (Hg.), Pomponio Gaurico, De Sculptura (1999) 250. Zu Tullios Adam, der sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York befindet, s. Mark-
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Dass Pope-Hennessys Beobachtung keineswegs überzogen ist, wird auch im Werk eines weit weniger bekannten Bildhauers offenbar, der, wie so viele der in Venedig tätigen Künstler, ein Zuwanderer war: dem des Toskaners Simone Bianco (um 1480/90 – nach 1553), dessen Antikentreue vielleicht sogar über jene Tullios hinausging. Da Simone Bianco anscheinend ausschließlich für private Sammler arbeitete und daher keine Arbeiten im öffentlichen Raum, sei er sakral oder profan, hinterlassen hat, fiel er schon bald nach seinem Tode der Vergessenheit anheim, obwohl er zu seinen Lebzeiten hochgeschätzt war und im Kreise der Grimani und Pietro Aretinos verkehrte. Als er gegen Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde, blieb ihm neuerliche Anerkennung verwehrt, da seine Köpfe all’antica unter den zahllosen zwischenzeitlich geschaffenen antikisierenden Büsten völlig untergingen. So wie der Künstler blieb in gewisser Weise auch sein Werk verschüttet – letzteres beinahe buchstäblich, da es sich, wie jüngste Entdeckungen zeigten, oft gerade dort versteckt, wo es am schwersten zu finden ist: in den Depots von Antikensammlungen.6 Dennoch werden Simone Bianco und sein Œuvre trotz aller Widrigkeiten Stück für Stück der Vergessenheit entrissen, wodurch langsam ein neues Verständnis für seine Kunst entsteht, das nicht nur zu neuen Zuschreibungen führt, sondern es auch ermöglicht, ein schärferes Bild der venezianischen Skulptur, vor allem in Hinblick auf ihren Umgang mit der Antike, zu zeichnen. Die bekannten Fakten zu Simones Leben sind wenige und daher rasch referiert: der Bildhauer, den Vasari als „fiorentino scultore“ bezeichnete,7 stammte eigentlich aus Loro Ciuffenna, einem kleinen Ort in der Nähe von Arezzo, wo er spätestens gegen 1490 geboren sein muss. Er wird erstmals dokumentarisch fassbar, als er im Jahre 1512 den bemerkenswert bedeutsamen Auftrag erhielt, vier große Marmorreliefs mit alttestamentarischen Szenen für den Dom von Treviso auszuführen, wozu es allerdings aus unbekannten Gründen nie kam.8 Da Simone in diesem Vertrag als „citadin de Vienesia“ bezeichnet wird, ist anzunehmen, dass er schon eine gewisse Zeit in Venedig ansässig gewesen sein dürfte.9 Darüber ob seine Ausbildung zum Bildhauer ebenfalls dort oder noch in Florenz stattgefunden hat, kann man hingegen nur spekulieren. Nach einem neuerlichen Schweigen der Quellen erfährt man, dass der Bildhauer 1523 für
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ham Schulz 2014, 61f. Zu seiner rezenten Restaurierung s. L. Syson – V. Cafà, Adam by Tullio Lombardo, Metropolitan Museum Journal 49, 2014, 9–47. Vergleiche dazu den Fund von zwei Simone Bianco zuzuschreibenden Büsten in den Depots des Kunsthistorischen Museums in Wien: Kryza-Gersch 2013. G. Milanesi (Hg.), Giorgio Vasari, Le vite dei più eccellenti pittori, scultori ed architettori III (1878) 651. Zu diesem Auftrag s. Markham Schulz 1991, 163. Peter Meller, Marmi e bronzi di Simone Bianco, in Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 22, 1977, 199–209, bes. 207.
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die Ausführung von zwei Bronzebüsten, die Antonio und Domenico Grimani darstellten, bezahlt wurde.10 1532 erwähnt Marcantonio Michiel Werke von Simone in der Sammlung des venezianischen Kaufmanns Andrea Odoni,11 und 1547 errichtet der Künstler sein Testament.12 Er ist überdies mehrmals in Briefen von Pietro Aretino erwähnt,13 mit dem er offenbar befreundet war, was vielleicht daran lag, dass beide aus Arezzo beziehungsweise aus der Umgebung dieser Stadt stammten. Aus Aretinos Briefen erfährt man auch, dass Simone 1553 noch am Leben gewesen sein dürfte; sein Sterbedatum ist nicht überliefert. Das durch Signatur für Simone Bianco gesicherte Werk umfasst insgesamt sechs Büsten all’antica, die auf Paris (Taf. 4–5), Wien (Taf. 6 b), Stockholm (Taf. 6 a) und Kopenhagen (Taf. 7) verteilt sind,14 sowie eine kleine Relieftafel in Pommersfelden, die das Profil des Erlösers zeigt.15 Die Signatur des Künstlers auf diesen Werken ist stets gräzisiert geschrieben und lautet: „ΣIΜΩΝ ΛΕΥΚOΣ O ΕΝΕΤOΣ“, also „Simon Leukos (griechisch für „weiß“, die Übersetzung von „bianco“), der Venezianer“ und variiert nur in der Anfügung oder Weglassung des „ΕΠOIΕI“ (epoiei = hat geschaffen). Die stilistischen Merkmale der signierten Büsten, die bei aller Abhängigkeit von antiken Vorbildern doch über genug aussagekräftige Individualität verfügen, führten zur Zuschreibung einer Reihe von weiteren Werken (Taf. 8–9).16 Das so rekonstruierte Œuvre Simone 10 M. Hochmann, Les collections des familles ‚papalistes‘ à Venise et à Rome du XVIe au XVIIIe siècle, in: O. Bonfait et al. (Hg.), Geografia del collezionismo. Italia e Francia tra il XVI e il XVIII secolo. Atti delle giornate di studio dedicate a Giuliano Briganti (2001) 203–23 (219f.). 11 Frimmel 1888, 82. 86. 12 W. von Bode et al. (Hg.), Archivalische Beiträge zur Geschichte der venezianischen Kunst aus dem Nachlass Gustav Ludwigs (1911) 21f. 13 E. Camesasca, Lettere sull’arte di Pietro Aretino (1957) I 118–121; II 128. 244f. 438. 14 „Büste eines Mannes (sog. Cicero)“, Paris, Louvre (Inv. MR 1594); „Büste eines Mannes“, Paris, Louvre (Inv. MR 2498); „Büste eines Mannes“, Château de Compiègne (Leihgabe des Louvre, Inv. MR 2598); „Büste eines alten Mannes“, Stockholm, Nationalmuseum (Inv. NMSk 75a); „Büste eines jungen Mannes“, Wien, Kunsthistorisches Museum (Inv. KK 7125); „Büste einer jungen Frau“, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst (Inv. KMS 5516). 15 Zum Relief in der Sammlung Schönborn in Pommersfelden s. A. Bacchi, Riflessioni e novità su Pirgotele, Nuovi Studi 11, 2004/05, 105–116, bes. 115. Eine angeblich „SIMON.BIANCO“ signierte Statuette, einen Amor mit brennender Fackel darstellend, wurde von L. Planiscig, Simon Bianco, Belvedere 5, 1924, 157–163 bei einem Kunsthändler in München gesehen. Da dieses Werk seither verschollen ist, kann über seine Authentizität nichts gesagt werden. 16 Meller 1977, 199–209 schrieb Simone Bianco eine Reihe von Bronzebüsten zu, von denen vor allem die kleine Büste eine Mannes mit silbernen Augen im Kunsthistorischen Museum in Wien (Inv. KK 5615) Zustimmung gefunden hat. Ebenfalls überzeugend erscheint Mellers Zuschreibung einer Büste Julius Cäsars in der Ca’ d’Oro in Venedig, die schon von G. Traversari, Museo Archeologico di Venezia. I ritratti (1968) 101 als pseudoantik eingestuft worden war. U. Schlegel, Simone Bianco und die venezianische Malerei, Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 23, 1979, 187–196, schrieb Simone Bianco die Büste einer jungen Frau im Bodemuseum in Berlin (Taf. 9 a) zu. Die von U. Schlegel, Eine unbekannte Büste von Simone Bianco, in Antologia di belle arti 35–38, 1990, 148–152, vorgestellte Büste einer jungen Frau (Taf. 9 b) im
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Biancos charakterisiert ihn als Meister pseudoantiker Büsten mit gerundetem unteren Abschluss und rückwärts ausgehöhlten Schultern mit Mittelstütze. Simones Büsten unterscheiden sich somit – mit Ausnahme der jungen Frau in Berlin, die daher auch als Frühwerk betrachtet wird – von der im Quattrocento üblichen Form, bei der der Oberkörper unterhalb des Armansatzes gerade abgeschnitten wird. Die Gewandung ist bei Simones männlichen Büsten antikisierend, während die weiblichen in nicht eindeutig zuzuordnende Draperien gehüllt sind, die im Zweifel jedoch der Antike näher stehen als dem 16. Jahrhundert. Auffallend sind bei den Frauen die aufwendig aus Zöpfen und in sich gedrehten Strähnen gebildeten Frisuren, deren Gestaltung eine bemerkenswerte Kreativität und Virtuosität zu eigen ist. Diese kunstvolle Haartracht, die sich an antiken Typen wie dem Kasseler Apollo – man denke im Besonderen an die Kopfreplik im Palazzo Vecchio in Florenz – zu orientieren scheint, neigt niemals zu Verspieltheit und ist im Aufbau perfekt durchdacht und nachvollziehbar. Auch bei den männlichen Köpfen ist der Gestaltung von Haupt- und Barthaar stets besondere Sorgfalt gewidmet. In keinem Detail neigt der Künstler auch nur zum Anflug von Schematismus, wie man dies etwa an den sorgsam durchgebildeten Augen sieht, die mit deutlich eingravierter Iris und tief geschnittener, sichelförmiger Pupille beseelt in die Ferne blicken. Die klassischen Gesichtszüge seiner Menschenbilder sind dabei von einer nobel zurückhaltenden, aber dennoch überzeugenden Lebendigkeit, sodass sich der Einfluss der zeitgenössischen Malerei nicht verleugnen lässt, auch wenn formal alle Kriterien einer strengen Antikentreue eingehalten werden. Das kometengleiche, kurze Auftauchen und Verschwinden eines Künstlers, dessen Werk, auch wenn es nicht umfangreich ist, sowohl durch Qualität wie Originalität – letzteres wird noch zu zeigen sein – überzeugt, verlangt zumindest nach dem Versuch einer Einordnung in bekannte Gegebenheiten, denn so spärlich die Überlieferung auch sein mag, so kann sie doch die eine oder andere relevante Vermutung ermöglichen. Da ist zunächst der Charakter des Trevisaner Auftrags, der stutzig macht. Simone sollte demnach vier Reliefs aus Carrara-Marmor mit Darstellungen aus dem Leben Abrahams für die Sakraments-Kapelle des Domes von Treviso ausführen.17 Die dafür vereinbarte Bezahlung von stattlichen 350 Dukaten deutet darauf hin, dass diese narrativen Reliefs von einer gewissen Größe sein sollten,18 und so stellt sich die Frage, Londoner Kunsthandel hat seither mehrere Male den Besitzer gewechselt und wurde zuletzt bei Christie’s in Paris am 8. November 2013, Los 177, zum Verkauf angeboten. Zu zwei ebenfalls weiblichen Büsten im Kunsthistorischen Museum in Wien (Taf. 8) s. Kryza-Gersch 2013. 17 Markham Schulz 1991, 163. 18 Zum Vergleich: Tullio Lombardo erhielt 1505 für sein Relief mit dem „Wunder des reumütigen Sohnes“ für den Santo in Padua 310 Dukaten und 1506 für sein Alterrelief mit der „Krönung Mariens“ für S. Giovanni Crisostomo in Venedig 245 Dukaten; vgl. dazu Markham Schulz 2014,
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wieso der bislang unbekannte Simone Bianco für diese Aufgabe herangezogen wurde, nachdem die umfangreiche statuarische Dekoration der Kapelle bereits von Giambattista (1467/77 – nach 1518) und Lorenzo (1475/85– 1523) Bregno geliefert worden war.19 Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass Simone Bianco bei den Brüdern Bregno gelernt hatte und mit diesem Auftrag beginnen sollte, selbst Verantwortung zu übernehmen. Gegen eine solche These spricht jedoch die Tatsache, dass Simone, dessen Stil zwar streng antikisierend, aber gleichzeitig auch sensualistisch und intim ist, kaum aus der Bregno-Werkstatt hervorgegangen sein kann: während Giambattista in seinem Realismus zu altertümlich ist, ist Lorenzos Vision von der Antike monumental und undifferenziert. Auch wenn manche Motive vergleichbar sein mögen, ist die dahinterstehende Auffassung von der Antike bei Simone Bianco und den Brüdern Bregno doch zu verschieden, um hier eine Beziehung zu sehen. Eine andere Möglichkeit wäre die, dass die Brüder Bregno dort, wo es um großformatige, narrative Reliefs ging, keine Erfahrung vorweisen konnten – vielleicht lag ihnen die Gattung ganz einfach nicht.20 Giambattista Bregno lieferte jedenfalls das 1502 bei ihm bestellte Relief für eines der AntoniusWunder, das er für die Ausstattung der Antonius-Kapelle im Santo zu Padua anfertigen sollte, nie.21 Dass statt seiner Simone Bianco in Treviso zum Zug kommen sollte, ist damit allerdings noch nicht erklärt, es sei denn, dass dieser sehr wohl schon in diesem Metier gearbeitet hätte. Eine solche Tätigkeit kann er eigentlich nur im Kontext der Paduaner Santo-Reliefs entfaltet haben. Dafür, dass Simones Ausbildung, wenn schon nicht im Umfeld dieses so bedeutenden Projekts so doch zumindest in jenem der Lombardo-Werkstatt stattgefunden haben könnte, 22 sprechen jedenfalls einige Eigenheiten seines Stils und seiner virtuosen Technik. So lassen sich vor allem Parallelen zu Antonio Lombardos (um 1458–1516) Antonius-Relief mit dem „Wunder des sprechenden Neugeborenen“ von 1500–1504 feststellen. Die Physiognomik
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23f. Da Simone jedoch sicher noch nicht über den hervorragenden Ruf Tullios verfügte, wird man ihn wohl kaum so gut entlohnt haben. Da er für 350 Dukaten allerdings vier Reliefs liefern sollte, wird jedes einzelne wohl doch etwas kleiner als jene von Tullio, dessen Figuren etwa lebensgroß sind, gewesen sein. Wenn man sich daher Reliefs mit Figuren von etwa halber Lebensgröße vorstellt, wird man wohl nicht ganz falsch liegen. Markham Schulz 1991, 159–163. Die einzige mögliche Ausnahme bildet das Relief der „Visitation“ aus der aufgelösten Kirche S. Francesco in Treviso, das von A. Markham Schulz, Giambattista Bregno, JbBerlMus 22, 1980, 173–200 (bes. 186–191) Giambattista Bregno zugeschrieben wurde. Vgl. auch Markham Schulz 1991, 155f. s. dazu S. Blake McHam, The Chapel of St. Anthony at the Santo and the Development of Venetian Renaissance Sculpture (1994) 40. Eine Schulung Simone Biancos bei den Lombardi wurde schon von A. Luchs, Tullio Lombardo and Ideal Portrait Sculpture in Renaissance Venice, 1490–1530 (1995) 104 für möglich erachtet.
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und klassischen Frisuren der würdevollen Matronen in der rechten Reliefhälfte beispielsweise sind Simones weiblichen Büsten durchaus ähnlich. Dass Simone ein einfühlsamer Reliefgestalter hätte werden können, wird durch die Qualität des signierten Christusreliefs in Pommersfelden bewiesen, das in seinem raffinierten Wechsel zwischen verschiedenen Plastizitätsgraden ebenfalls an die Kunst der Lombardi erinnert. So vielversprechend sich Simones erstes Auftreten auf venezianischem Boden auch anlassen mag, so enttäuschend endet es. Aus unbekannten Gründen verschwindet der Künstler ohne seinen Auftrag ausgeführt zu haben von der Bildfläche, noch bevor er diese richtig betreten hat. Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob es die Unruhe der durch die Liga von Cambrai ausgelösten Kämpfe und die damit verbundene finanzielle Krise23 oder persönliche Motive waren, die dafür ursächlich waren, man hört jedenfalls erst elf Jahre später wieder von Simone Bianco, allerdings neuerlich in einem erstaunlich prestigeträchtigen Kontext, der ihn uns im Kontakt mit jenem Zweig der Familie Grimani zeigt, der als Sammler von Antiken berühmt wurde. Im Herbst 1523 erhielt Simone Bianco von den Brüdern Marco und Marino Grimani den Auftrag, zwei lebensgroße Büsten aus Bronze zu schaffen. Diese sollten zwei soeben verstorbene, wichtige Familienmitglieder darstellen, nämlich den Dogen Antonio Grimani (1434–1523) sowie dessen Sohn, Kardinal Domenico Grimani (1461–1523). Simone führte diese Arbeiten offenbar auch aus, denn Marin Sanudo berichtet, im Jahr 1526 solche Büsten in der Kirche Santa Maria Formosa anlässlich eines festlichen Gottesdienstes gesehen zu haben.24 Wie man aus anderer Quelle erfährt, waren diese Büsten der Grundstein für Simones Ruhm als Bronzebildner, denn als sich Federico II. Gonzaga im Frühling 1526 nach einem Bildhauer umsah, der für ihn eine Serie von Bronzebüsten berühmter Condottieri ausführen könnte, empfahl ihm sein venezianischer Agent den Schöpfer der Büsten von Antonio und Domenico Grimani.25 Simone Bianco scheint wirklich von seltenem Pech verfolgt zu sein, denn während aus dem mantuanischen Auftrag nichts wurde, sind die Grimani-Büsten verschollen.26 23 Zur Auswirkung des Krieges auf das wirtschaftliche Überleben der Bildhauer im Veneto vgl. Markham Schulz 1991, 13f. 24 T. Martin, Alessandro Vittoria and the Portrait Bust in Renaissance Venice (1998) 4. Vgl. auch A. Lotto, Il collezionismo artistico dei Grimani di Santa Maria Formosa nel Cinquecento, Venezia arti 17–18, 2006, 23–30 (23). 25 V. Avery, The Production, Display and Reception of Bronze Heads and Busts in Renaissance Venice and Padua: Surrogate Antiques, in: J. Kohl – R. Müller (Hg.), Kopf / Bild: die Büste in Mittelalter und Früher Neuzeit (2007) 75–112, bes. 90f. 107. 26 Laut E. Cicogna, Delle inscrizioni veneziane, Bd. I (1824) 171 befand sich zumindest die Büste Antonio Grimanis zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch im Familienpalast: „Nel palagio de’ Grimani a santa Maria Formosa, ve ne sono ritratti di mano assai buona in tela e in marmo, ed un bel busto in bronzo dice di aver veduto Marino Sanuto nei suoi diarii mss. sotto l’anno 1526.“ Eine
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Dennoch sind diese dokumentarischen Nachrichten bedeutsam, denn die Gattung der Porträtbüste wurde in Venedig, anders als in Florenz und Rom, vor 1550 so gut wie überhaupt nicht gepflegt. Wie Luchs überzeugend darlegte, verzögerte vor allem die venezianische Abneigung gegen jeden Kult um das Individuum das Aufkommen von skulpierten Porträts,27 ein lokales Phänomen, das erst durch Alessandro Vittoria (1524/25–1608) nach der Jahrhundertmitte beendet wurde.28 Umso bemerkenswerter sind daher Simones posthume Büsten der beiden Grimani, von denen man nur zu gerne wissen möchte, wie sie ausgesehen haben. Folgten sie dem in Florenz durch Mino da Fiesole, Antonio Rossellino und Benedetto da Maiano eingeführten Typus oder zeigte Simone bereits in diesen Werken seine „antigisch Art“? Einiges spricht dafür anzunehmen, dass die verschollenen Grimani-Büsten all’antica ausgeführt wurden. Dies liegt nicht nur auf Grund der bekannten Arbeiten Simone Biancos nahe, sondern auch wegen der Person des einen der beiden Porträtierten: Domenico Grimani, der als Kardinal in Rom begeistert antike Plastiken sammelte, nicht zuletzt jene, die bei den Bauarbeiten für seine Villa am römischen Quirinal – also auf dem Gebiet der ehemaligen horti Sallustiani und Luculliani29 – in reichen Mengen zu Tage befördert wurden.30 In seinem Testament von 1523 vermachte Domenico einen bedeutsamen Teil seiner Antikensammlung dem venezianischen Staat, der diesen ab 1525 in einem eigenen Raum des Dogenpalastes, der als „Sala delle Teste“ berühmt wurde, aufstellte.31 Es ist nun wohl kaum anzunehmen, dass ein solcher Mann in einem anderen als in einem antikisierenden Stil porträtiert werden wollte. Auch Simones Auftraggeber, die die antiquarische Passion von ihrem Onkel Domenico übernommen hatten,32 werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach etwas Antikisierendes gewünscht haben. Gerade im Zusammenhang mit der Schenkung von
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Bronzebüste, die gegenwärtig im Palazzo Grimani in Venedig ausgestellt ist, wurde von D. Ferrara in: M. Ceriana – V. Avery (Hg.), L’industria artistica del bronzo del Rinascimento a Venezia e nell’Italia settentrionale (2008) 155–177 überzeugend als Porträt des Dogen Antonio Grimani identifiziert. Während der vorgenommenen Zuschreibung an Andrea Riccio nicht gefolgt werden kann, ist ihrer Ablehnung der Autorschaft Simone Biancos auf Grund stilistischer Kriterien voll und ganz zuzustimmen. V. Avery, Vulcan’s Forge in Venus’ City. The Story of Bronze in Venice 1350–1650 (2011) 132. 334 möchte eine solche dennoch in Betracht ziehen, obgleich sich die grob modellierte Büste mit nichts im Werke Simone Biancos vergleichen lässt. Luchs 1995, 17–20. Martin 1998, 1–5. F. Ghedini in: I. Favaretto – G. Ravagnan (Hg.), Lo Statuario Pubblico della Serenissima. Due secoli di collezionismo di antichità, Ausst.-Kat. Venedig 1997, 97–106, bes. 98. M. Perry, The Statuario pubblico of the Venetian Republic, Saggi e memorie di storia dell’arte VII (1972) 76–85, bes. 79. s. dazu R. Gallo, Le donazioni alla Serenissima di Domenico e Giovanni Grimani, Archivio veneto 50–51, 1952/53, 34–77. Lotto 2006, 23.
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Domenicos Antiken wäre jede andere Verewigung des Kardinals in der Tat nur schwer vorstellbar. Die Frage, die sich nun stellt, ist, wie Simone Bianco zu diesem für Venedig so ungewöhnlichen Auftrag gekommen war. Betrachtet man die für ihn gesicherten Büsten sowie die nur aus Beschreibungen überlieferten Werke, die er für Andrea Odoni fertigte, so verraten diese eine so gute Kenntnis römischer Vorbilder, dass man sich kaum vorstellen kann, dass der Bildhauer nicht auch selbst in Rom gewesen ist. Da Simone 1534 als Zeuge im Testament der Nichte Domenico Grimanis firmiert,33 was darauf schließen lässt, dass er eine gewisse Vertrauensposition genoss, muss man sich überdies fragen, welcher Natur sein Kontakt mit der Familie war. Ist es am Ende möglich, dass sich das lange Schweigen der Quellen zu Simones Vita zwischen 1512 und 1523 dadurch erklären lässt, dass er bei dem venezianischen Kardinal in Rom beschäftigt war? Könnte er, so wie es der Bildhauer Tiziano Aspetti (1557/59–1606) gegen Ende des Jahrhunderts tun würde,34 als „Restaurator“ der Grimanischen Antiken gearbeitet haben? Der Kopf, der in der Antikensammlung des Wiener Kunsthistorischen Museums entdeckt wurde (Taf. 8 a), ist am Halsansatz jedenfalls so gearbeitet, als sei er zum Einsetzen in eine fragmentierte Statue oder Büste gedacht gewesen, was darauf hinzudeuten scheint, dass Simone tatsächlich Antiken restauriert haben könnte. Auch wenn man sich hier auf das Gebiet der Spekulation begibt, mögen solche Überlegungen doch erlaubt sein, vor allem auch vor dem Hintergrund, dass man sowohl von Tullio wie auch von Antonio Lombardo – Simones möglichen Lehrern – annimmt, dass sie Antiken restauriert haben.35 Wie dem auch sei, Simones Büsten all’antica stellen im Venedig der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts etwas so Ungewöhnliches dar, dass man nicht umhin kommt anzunehmen, dass sie etwas mit der „Sala delle Teste“ zu tun haben müssen. Durch Grimanis Schenkung, die antike Büsten plötzlich öffentlich zugänglich machte, wurde zweifellos die Akzeptanz der Gattung begünstigt, vor allem wenn sie durch einen „stile all’antica“ der Gegenwart romantisierend entrückt wurde. Die Büste, die das Porträt eines Zeitgenossen zeigt, könnte in Venedig also über antikisierende Vertreter der Gattung gleichsam eingeschmuggelt worden sein, und man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man Simone Bianco dabei die entscheidende Rolle zuspricht. 33 Lotto 2006, 23. 29. 34 Zu Tiziano Aspetti als Restaurator der Antikensammlung Giovanni Grimanis vgl. M. de Paoli, Opera fatta diligentissimamente: restauri di sculture classiche a Venezia tra Quattro e Cinquecento (2004) 158–161. 35 D. Pincus, Tullio Lombardo as a Restorer of Antiquities, Arte veneta 33, 1979, 29–42; A. Sarchi, Cultura e pratica antiquaria nel percorso di Antonio Lombardo. Una proposta per il cosiddetto Ermafrodito Grimani, in M. Ceriana (Hg.), Tullio Lombardo: scultore e architetto nella Venezia del Rinascimento (2009) 345–360.
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Auch die chronologisch nächste Quelle, die uns über Werke Simones unterrichtet, zeigt uns den Bildhauer als Schöpfer bemerkenswerter, wenngleich wiederum verschollener Skulpturen. Aus Marcantonio Michiels „Notizia d’opere del disegno“, auch bekannt als „Anonimo Morelliano“, erfährt man, dass der Autor im Jahre 1532 die Sammlung des Andrea Odoni (1488–1545) besuchte, eines erfolgreichen Kaufmanns, dessen Kunst- und Antikensammlung berühmt war.36 Michiel beschreibt, dass er im großen Saal im ersten Stock von Odonis venezianischem Palazzo eine Marmorstatue von Simone Bianco gesehen habe, die einen nackten Mars darstellte, der seinen Helm auf den Schultern trägt.37 Ihre geringe Größe von „due piedi“, also von etwa 60 cm, und ihr Verwahrungsort im Haus und in unmittelbarer Nähe zu Gemälden etwa von Giorgione kennzeichnen die Statue als eine Art Kunstkammerstück, das man sich wohl ähnlich fein gearbeitet wie den etwa gleich großen Merkur von Antonio Minello (um 1465 – 1529?) im Londoner Victoria & Albert Museum wird vorstellen dürfen. Leider ist Odonis Sammlung, die bald nach seinem Tod von den Erben veräußert wurde, mehr oder weniger verloren und somit ist auch Simones Mars nur ein weiteres seiner verschollenen Werke. Glücklicherweise gibt es in diesem Fall aber zumindest einen visuellen Beleg, da es Irene Favaretto gelang, eine Illustration von Simones Mars in einem Verkaufskatalog eines venezianischen Kunsthändlers aus dem 19. Jahrhundert zu finden.38 Außer dem Mars besaß Odoni noch ein weiteres Werk unseres Bildhauers, einen Marmorfuß, der ebenfalls in besagtem Verkaufskatalog angeboten wurde und den man sich wohl etwa so wie den „Piedone“ in Rom wird vorstellen können. Das Interessante ist nun, dass es sich bei dem Fuß in Odonis Sammlung um ein bewusst als Fragment konzipiertes Objekt handelte, etwas, was noch viel deutlicher als der Mars eine pseudoantike Sprache spricht. Der Marmorfuß befand sich auch nicht im Inneren von Odonis Haus, sondern im Hof, in dem laut Michiel auch noch ein überlebensgroßer Herkuleskopf mit Eichenlaubkranz des paduanischen Bildhauers Antonio Minello, ein weiterer Kopf von Minello, Kybele darstellend, sowie eine Reihe antiker Büsten und Statuen, unter denen sich auch eine weibliche, kopflose Gewandstatue aus dem ehemaligen Besitz des Bildhauers Tullio Lombardo befand, aufgestellt waren.39 36 Zur Sammlung vgl. I. Favaretto, Arte antica e cultura antiquaria nelle collezioni venete al tempo della serenissima (1990) 75–79. Zur Person vgl. den Beitrag zu Lottos Porträt Odonis von P. Humfrey in: D. Brown et al. (Hg.), Lorenzo Lotto. Rediscovered Master of the Renaissance, Ausst.-Kat. Washington 1997, 161–164. 37 Frimmel 1888, 86: „La statua marmorea del Marte nudo che porta l’elmo in spalla, de due piedi, tutto tondo, fo de man de Simon Biancho.“ 38 I. Favaretto, Simone Bianco: uno scultore del XVI secolo di fronte all’antico, in Quaderni ticinesi di numismatica e antichità classiche 14, 1985, 405–422, bes. 419. 39 Frimmel 1888, 82: „In casa de M. Andrea di Oddoni, 1532. In la corte a basso. La testa marmorea grande più del naturale con la girlanda de rovere de Hercole, fo de mano de Antonio Minello.
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Aus dieser Aufzählung geht deutlich hervor, dass in Odonis Hof antike und zeitgenössische Werke all’antica gleichwertig nebeneinander standen, wohl um den Besucher zu einem direkten Vergleich und intellektuellen Diskurs einzuladen. Eine solche Aufstellung erinnert unweigerlich an die Diskussionen, die Michelangelos 1496/97 geschaffener Bacchus40 ausgelöst hatte und die sicher auch in Oberitalien kolportiert wurden. Bestens bekannt muss auch die Geschichte von Michelangelos schlafendem Cupido gewesen sein, den er angeblich auf Anraten Lorenzo de’ Medicis sogar in der Erde vergraben hatte, um ihn künstlich zu altern, und der dann als echte Antike an Kardinal Riario verkauft wurde. Die Fälschung flog jedoch bald auf und der Cupido gelangte 1502 in den Besitz von Isabella d’Este, die ihn gemeinsam mit einem angeblich von Praxiteles geschaffenen Cupido aufstellte, um so ihre Besucher auf eine Probe ihrer Urteilskraft zu stellen.41 Auch Simone Biancos pseudoantike Skulpturen dürften in diesem Geist geschaffen worden sein, also als selbstbewusste Werke des Cinquecento, die mit der Antike verglichen werden wollen. Wie man aus Michiels Beschreibung schließen kann, waren die zeitgenössischen Werke in Odonis Sammlung überdies unter dem Namen ihrer Schöpfer bekannt, was ebenfalls deutlich macht, dass sie nicht als Fälschungen geschaffen wurden, sondern als Produkte der Antikenbegeisterung der Zeit zu sehen sind. Wie verhält es sich jedoch mit einer anderen Gruppe von Werken Simones, die zu ihrer Zeit offenbar so bekannt waren, dass sie sogar von Vasari erwähnt wurden? In den Viten von 1550 – in der 2. Ausgabe ist selbst dieses Wenige über unseren Künstler weggelassen – heißt es mitten in der Abhandlung über den Maler Carpaccio, dass der florentinische Bildhauer Simone Bianco einige Köpfe aus Marmor gemacht hätte, die nach Frankreich gesendet worden seien.42 Dieser Bericht wird durch einen Brief, den Pietro Aretino 1538 an seinen Freund Simone Bianco schrieb, bestätigt. Aus diesem Brief erfährt man außerdem, dass diese Büsten für den französischen König gedacht waren, was man Aretino, der in laufendem Kontakt mit Franz I. stand, durchaus glauben darf. In diesem Fall ist man nun glücklicherweise in der Lage, mit den Quellen auch Werke La testa marmorea grande più chel naturale de Cibelle turrita fu dell’instesso Minello. La figura marmorea de donna vestita intiera, senza la testa et mani, è anticha, et solea esser in bottegha de Tulhio Lombardo, ritratta da lui piu volte in piu sue opere. El busto marmoreo incontro in terra senza testa et senza mani par al naturale, è opera anticha. Le altre molte teste et figure marmoree, mutilate et lacere sono antiche. El piede marmoreo intiero sopra una base fu de mano de Simon Biancho.“ 40 F. Zöllner et al., Michelangelo 1475–1564. Das vollständige Werk (2007) 407. 41 Paul 1981, 13f. 42 Milanesi a. O. (Anm. 7), 651: „Simone Bianco fiorentino scultore, che elettasi la stanza in Vinegia, fece continuamente qualche cosa come alcune teste di marmo mandate in Francia da mercanti veniziani.“
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verbinden zu können, die sich erhalten haben, denn im Pariser Louvre finden sich drei Büsten (Taf. 4–5), die sich dank ihrer Signatur als Werke Simone Biancos zu erkennen geben. Sie stellen drei erwachsene Männer dar, um deren Schultern antikisierende Draperien gelegt sind. Physiognomisch erinnert einer dieser Köpfe an Julius Cäsar (Taf. 4), obwohl er meist als Cicero bezeichnet wird,43 während die Züge der beiden anderen idealerer Natur sind. Mit ihrem gerundeten unteren Abschluss und den rückwärts ausgehöhlten Schultern entsprechen die Büsten antiken Vorbildern ebenso wie mit ihrer Gewandung und Haartracht. Gäbe es keine Signatur, wäre es wohl kaum verwunderlich, wenn jemand diese Büsten für antike Originale hielte.44 Aretino berichtet in seinem Brief noch ein weiteres interessantes Detail, da er den venezianischen Händler, der die Büsten nach Frankreich sandte, Cenami nennt. Bei ihm wird es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Pandolfo Cenami gehandelt haben, einen in Paris geborenen Bankier und Kaufmann, der für Venedig und Frankreich mitunter auch in diplomatischer Mission tätig war. So bezahlte Cenami während des Krieges der Liga von Cognac, als Franz I. mit der Entlohnung der venezianischen Truppen in Verzug kam, den Sold von 20.000 Scudi aus seiner eigenen Tasche, während er 1533 eine Goldkette von Franz I. an Aretino überbrachte, die den scharfzüngigen Poeten dazu bewegen sollte, nicht mehr schlecht über den französischen König zu schreiben.45 Obgleich diese Fakten ein lebhaftes Bild von Umständen und involvierten Personen entwerfen, kann man aus ihnen nicht eruieren, ob Simones Büsten als Geschenk an Franz I. gingen oder ob sie dieser selbst bestellt hatte. Es erscheint eher naheliegend, dass sie ein Geschenk waren, möglicherweise sogar von Pandolfo Cenami selbst, vielleicht mit der Absicht, dem französischen König, der in diesen Jahren seine Bemühungen Antiken zu sammeln verstärkte, zu demonstrieren, dass man in Venedig wunderbaren Ersatz produzieren könnte, der sogar weniger kostspielig als antike Originale und zudem in perfektem Zustand war. Wie man aus Aretinos Brief schließen kann, müssen Simones Büsten vor 1538 nach Frankeich gesandt worden sein, und das war eben genau jene Periode, in der Franz I. eine Kampagne zum Erwerb von Antiken plante, die schließlich dazu führte, dass Primaticcio 1540 nach Italien gesandt wurde, um in großem Stil einzukaufen und Abformungen von berühmten antiken
43 G. Bresc-Bautier et al. (Hg.), Les sculptures européennes du musée du Louvre (2006) 82; P. Bol, Archäologische Anmerkungen, StädelJb 11, 1987, 171–178, bes. 175f. 44 Die Büsten des Louvre führten im 19. Jahrhundert zur Wiederentdeckung Simone Biancos, die man bezeichnenderweise einem Archäologen verdankt: A. Héron de Villefosse, Demande de renseignements sur un sculpteur italien, Bulletin monumental 1880, 379f. Vgl. dazu KryzaGersch 2013, 76. 45 Zu Pandolfo Cenami vgl. den Eintrag im Dizionario Biografico degli Italiani 23 (1978) 501.
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Skulpturen wie dem Laokoon oder dem Apollo Belvedere anzufertigen.46 Wie es scheint wollte Franz I. entweder echte Antiken oder treue Kopien von anerkannten Stücken besitzen, während er an zeitgenössischen Skulpturen, die nur im Stil antikisierend waren, offenbar nicht interessiert war. Ob Simones Büsten diese Entscheidung des Königs in irgendeiner Weise beeinflusst haben, ist eine interessante aber letztlich wohl nicht zu beantwortende Frage. Betrachtet man das Dreieck Simone Bianco, Pandolfo Cenami und Pietro Aretino, so kommt man nicht umhin zu vermuten, dass letzterer der Kopf hinter der – man muss es wohl so nennen – Geschäftsidee gewesen sein dürfte, dem französischen König Surrogate zu senden. Woher Aretino die Inspiration zu dieser Idee bekommen haben könnte, liegt jedenfalls auf der Hand: nämlich aus Mantua, wo der Poet nach seiner Abreise aus Rom 1525 und vor seiner Niederlassung in Venedig 1527 Zuflucht gefunden hatte. Am kleinen, aber höchst kultivierten Hof der Gonzaga in Mantua verstand man es nämlich vortrefflich, aus der Not – eben dem Mangel an und den teuren Preisen von antiken Skulpturen – eine Tugend zu machen, indem man diese einfach vom Hofbildhauer Pier Jacopo Alari de Boncolsi (um 1455 – 1528), der nicht umsonst „Antico“ genannt wurde, als Kleinbronzen reproduzieren ließ. Antico, meist als nichts weiter als ein lokales Phänomen abgetan, ist neben den Lombardi der eigentliche Pionier auf dem Gebiet der überzeugenden Plastik all’antica, da seine Statuetten nicht nur berühmte Vorbilder wie den Apollo del Belvedere oder den Marc Aurel in kleinem Format wiedergeben, sondern auch eigenständige Kreationen in antikisierendem Stil umfassen.47 Ab wann er sich mit Büsten all’antica beschäftigte, ist nicht eindeutig festzustellen; seine bemerkenswerte Serie von acht Terrakotta-Büsten, in die vier antike Marmorköpfe und vier von Antico gefertigte Bronzeköpfe eingelassen sind,48 könnte jedoch bereits vor der Jahrhundertwende entstanden sein. Ab den 1520er Jahren schuf Antico vornehmlich für Isabella d’Este seine verblüffend authentisch wirkenden, durchwegs lebensgroßen, antikisierenden Bronzebüsten,49 die es der passionierten Sammlerin ermöglichten, ihr – wie sie es 46 S. Pressouyre, Les fontes de Primatice à Fontainebleau, Bulletin monumental 127, 1969, 223– 238; T. Clouet, Fontainebleau de 1541 à 1547. Pour une relecture des Comptes des Bâtiments du roi, Bulletin monumental 170, 2012, 195–234. 47 Vgl dazu C. Kryza-Gersch, Why Antico Matters, in: E. Luciano et al. (Hg.), Antico: The Golden Age of Renaissance Bronzes, Ausst.-Kat. Washington – New York, 2011/12, 15–26. 48 F. Trevisani, L’Antico e i busti del Seminario, in F. Trevisani – D. Gasparotto (Hg.), Bonacolsi l’Antico. Uno scultore nella Mantova di Andrea Mantegna e di Isabella d’Este, Ausst.-Kat. Mantua 2008, 63–75. 49 Zu Anticos Büsten s. den 13 Stück umfassenden Katalog von A. Allison, The Bronzes of Pier Jacopo Alari-Bonacolsi, called Antico, JbKHSWien 89–90, 1993/94, 35–310 (bes. 230–268). Diesem Katalog wurde seither eine weitere Büste hinzugefügt, die allerdings von kleinem Format ist: J. Warren, ‚The young king‘, a new portrait bust by Antico, BurlMag 1294, 2011, 22–27. Zu
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selbst nannte – „unersättliches Verlangen“50 nach solchen Objekten wenigstens durch Surrogate zu befriedigen. Aus Mantua kannte Aretino also nicht nur eine neue Art, mit der Lust am Sammeln von Antiken umzugehen, sondern auch die ersten wahrhaft antikisierenden Büsten Italiens. Diese Anregungen könnte er an Simone Bianco weitergegeben haben, der dann offenbar versuchte etwas Ähnliches zu schaffen, wobei er jedoch nicht in Bronze – obwohl er das, wie es die Grimanischen Porträtbüsten bezeugen, gekonnt hätte –, sondern in Marmor arbeitete. Während sich die Büsten männlicher Sujets von Antico und Simone trotz des unterschiedlichen Materials formal sehr ähneln, sind es die weiblichen Büsten, in denen Simone einen Schritt weiter ging. Gestaltete Antico die Büsten von Ariadne, Cleopatra und Faustina, so sind Simones Frauen weder Heroinen noch Herrscherinnen. Obgleich die erhaltenen Büsten von Simone Bianco in ihrer Physiognomie zu wenig individuell erscheinen, um sie für die Porträts von tatsächlichen Venezianerinnen halten zu können,51 so entsprechen sie doch ganz und gar dem zeitgenössischen Schönheitsideal, dem in den Gemälden von Bellini, Tizian und Palma gefrönt wird. Simone Biancos weibliche Büsten all’antica sind die ersten skulpierten Pendants zu den gemalten „Belle Donne“, einem eigenen, sehr erfolgreichen Genre der venezianischen Renaissancemalerei.52 An diesem Punkt ist es angezeigt, kurz innezuhalten und sich zu vergegenwärtigen, wie neu das Konzept antikisierender Marmorbüsten zu diesem Zeitpunkt eigentlich war. So banal uns die Idee heute erscheinen mag, da wir die reiche Produktion solcher Surrogate und Fälschungen aus dem 16. bis zum 19. Jahrhundert kennen, so ungewöhnlich war sie allerdings vor 1538, dem Jahr von Aretinos Brief. Betrachtet man, was an antikisierenden Marmorbüsten vor diesem Zeitpunkt tatsächlich geschaffen wurde, kommt man zu dem verblüffenden Ergebnis, dass es außer Antico, der aber eben in Bronze arbeitete, absolut nichts gibt, was man mit Simones Büsten vergleichen könnte. Tullio Lombardos Reliefs idealer Paare in der Ca’ d’Oro in Venedig und im Kunsthistorischen Museum in Wien sprechen nicht nur vom Format her eine ganz andere Sprache: es sind poetische Phantasien all’antica, die nicht als Substitute für originale antike Büsten gedacht sind. Auch Michelangelos den antiken Vorbildern von Anticos Büsten von Bacchus und Ariadne: C. Kryza-Gersch, Anticos Antikenrezeption: ein unterschätztes Phänomen, JbKunsthistMusWien 11, 2009, 57–73. 50 C. Brown, „Lo insaciable desiderio nostro de cose antique“: New Documents for Isabella d’Este’s Collection of Antiquities, in: C. Clough (Hg.), Cultural Aspects of the Italian Renaissance. Essays in honor of Paul Oskar Kristeller (1976) 324–353 (338–340). 51 Aretino spricht in seinem Brief an Simone Bianco vom Mai 1548 (Camesasca a. O. [Anm. 13], 244) von einer Porträtbüste des Bildhauers, die die Gattin Nicolò Molinos darstellt. Aretino lobt die Schönheit dieser heute verschollenen Schöpfung und berichtet, dass sich auch Tizian und Sansovino seinem Urteil angeschlossen hätten. 52 s. dazu die Ausführungen von Kryza-Gersch 2013, 84f.
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Brutus, der gern als Katalysator der Büste all’antica gesehen wird, scheint späteren Datums zu sein. Traditionell wurde er um 1539/40 datiert, was aber in letzter Zeit zu Gunsten einer noch späteren Datierung bezweifelt wird.53 Und Bandinellis und Cellinis Büsten von Cosimo I. – letztere ist allerdings aus Bronze – wurden ebenfalls erst in den 1540er Jahren geschaffen, also eindeutig nachdem Simone die Seinigen für Frankreich skulpierte. Obgleich man immer vorsichtig sein muss, wenn man jemanden als Bahnbrecher bezeichnen will, noch dazu einen Künstler, der keinen gängigen Namen führt, so meine ich doch, dass Simone Biancos Rolle eine überaus wichtige war, die jedenfalls in Venedig zu einer neuen Sicht der Gattung führte, die die antikisierenden Porträtbüsten von venezianischen Zeitgenossen, die Alessandro Vittoria ab der Mitte des 16. Jahrhunderts schaffen sollte, überhaupt erst ermöglichte. Es scheint in diesem Zusammenhang wichtig, nochmals darauf hinzuweisen, dass die Büsten für Franz I. ganz eindeutig nicht vorgeben wollten, etwas zu sein, was sie nicht sind – antike Originale. Es handelt sich bei ihnen also nicht um Fälschungen. Ganz im Gegenteil, mit der Signatur „Simon Leukos ho venetos“ soll ja nicht nur der Autor identifiziert werden, sondern auch der Ort, wo die Büste gemacht wurde. Der Herkunftsort Venedig ist in diesem Kontext als ebenso wichtig anzusehen wie der Name des Schöpfers, der ja überdies eigentlich Toskaner war. Dass das Ganze in griechischen Lettern gemeißelt wird, unterstreicht diese Herkunft noch, denn Venedig bezog seine echten Antiken vornehmlich aus dem östlichen Mittelmeerraum. Antike war für einen Venezianer etwas, was primär aus dem griechischen Raum kam und nicht aus Rom.54 Venezianischer „Antikenersatz“ sollte daher wohl ganz gezielt als etwas Nichtrömisches und damit Nichtlateinisches gekennzeichnet werden. Außerdem scheint diese Signatur darauf hinzuweisen, dass Simones Werke für den Export gedacht waren, und es mag daher kein Zufall sein, dass sein gesamtes signiertes Œuvre außerhalb Venedigs, und zwar bezeichnenderweise nördlich der Alpen, zu finden ist. Dafür, dass Simone Bianco seine Werke als ehrliche Schöpfungen all’antica kreierte, spricht schließlich auch seine äußerst frugale Lebensführung, die sogar zum Thema von Aretino Brief von 1538 wurde und die auch aus den armseligen testamentarischen Verfügungen des Künstlers ersichtlich ist. Hätte Simone seine Skulpturen als echte Antiken ausgegeben, wäre es ihm zweifellos möglich gewesen, ein ganz anderes Leben zu führen.55 In diesem Zusammenhang ist 53 T. Martin, Michelangelo’s Brutus and the classicizing portrait bust in sixteenth-century Italy, artibus et historiae 27, 1993, 67–83. 54 Favaretto a. O. (Anm. 36), 13. 65. 55 Paul geht davon aus, dass Kunstsammler für echte Antiken etwa fünfmal soviel wie für zeitgenössische Schöpfungen zahlten: E. Paul, Die falsche Göttin. Geschichte der Antikenfälschung (1962) 39.
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es interessant, dass Pietro Aretino 1546 in einem Brief an den in Venedig residierenden Christoph Fugger (1520–1579) diesem überschwänglich dafür dankt, dass er sich Simone Biancos angenommen habe. Der Poet schreibt wortwörtlich, dass Simone schon verhungert wäre ohne die großzügige Entlohnung durch den deutschen Kaufmann. Das heißt, Christoph Fugger dürfte Werke von Simone gekauft haben, die von ihm dann wohl nach Hause geschickt wurden, entweder noch an seinen Vater Raymund (1489–1535), einen begeisterten Antikensammler, oder an seinen Bruder Johann Jakob (1516– 1575), einen ebenfalls passionierten Kunstsammler, der überdies maßgeblich an der Entstehung der Antikensammlung Albrechts V. beteiligt war.56 Johann Jakob Fugger verkaufte 1566 dem bayerischen Herzog die von ihm selbst erworbenen und von seinem Vater ererbten Antiken als ersten Schritt einer großangelegten Erwerbungskampagne.57 Im heutigen Münchner Antiquarium lassen sich allerdings die Stücke aus diesem ursprünglich Fuggerschen Besitz nicht mehr im Einzelnen nachweisen. Die hier im Folgenden vorgenommene Zuschreibung einer Büste im Antiquarium an Simone Bianco lädt aber dazu ein, eine solche Provenienz in Erwägung zu ziehen. Da die meisten Objekte des Antiquariums in Venedig angekauft wurden, ist es natürlich ebenso möglich, dass die Büste auf anderem Wege nach München kam, dennoch ist eine mögliche Bedeutung der dokumentierten Verbindung von Simone Bianco und Christoph Fugger in diesem Zusammenhang nicht von der Hand zu weisen. Die bislang nicht als Werk Biancos erkannte weibliche Büste (Taf. 10) befindet sich heute über einer der beiden Türen der sogenannten Paramentenkammer und ist mit insgesamt nur 47 cm Höhe ein eher kleinformatiges, zartes Werk, das daher kaum jemandem auffällt. Durch die elevierte Lokation ist auch nur wenig von der raffinierten Frisur und der Qualität der bildhauerischen Arbeit zu erkennen. Im Katalog des Antiquariums wird der Kopf als Arbeit des 19. Jahrhunderts bezeichnet,58 was ich hier zu Gunsten einer Zuschreibung an Simone Bianco zurückweisen möchte.59 Der Kopf verfügt von der aufwendigen und streng durchdachten Frisur über die etwas füllige Gesichtsform, den Schnitt der Pupillen bis hin zum Grübchen im Kinn über alle Charakteristika eines Werkes unseres Meisters, was im Vergleich mit der signierten Büste in Kopenhagen (Taf. 7) deutlich wird. Auch die Gestaltung des Haares am Hinterkopf, das in sanft gewellte und sehr lebendige, keinesfalls schematische 56 N. Lieb, Die Fugger und die Kunst (1958) 50f. 57 München, Antiquarium, Inv. Res. Mü. P. I 248. – H. Frosien-Leinz, Zur Bedeutung des Antiquariums im 16. Jahrhundert, in: Weski/Frosien-Leinz 1987, 32–64, bes. 33. 58 Weski/Frosien-Leinz 1987, 424 Kat. 329. 59 A. Markham Schulz kam unabhängig von mir ebenfalls zu der Ansicht, dass diese Büste von Simone Bianco sein muss, und plant, dies demnächst in einer eigenen Publikation zu veröffentlichen.
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Strähnen gelegt ist, spricht für diese Zuschreibung. Interessant ist der Vergleich mit einer weiteren weiblichen Büste des Antiquariums, von der Frosien-Leinz meinte, sie sei der soeben besprochenen „stilistisch nahe stehend“.60 Obwohl sich bei oberflächlicher Betrachtung Gesichtstypus und Frisur der beiden Büsten vergleichen ließen, ist dieser Kopf eine kalte und seelenlose Kreation, die die Qualität von Simones Schöpfung nur noch deutlicher macht. Auch wenn sich heute die eine oder andere Büste von Simone Bianco unter Antiken und Pseudoantiken „verstecken“ mag, sollte dies nicht über die Tatsache hinweg täuschen, dass sein Werk kein Kuriosum darstellt und kunsthistorisch von größerer Bedeutung ist, als man dies gemeinhin anerkennt. Simone Bianco erweist sich nämlich nicht nur als Bahnbrecher der Porträtbüste in Venedig, sondern auch als Erfinder der weiblichen Büste all’antica als skulpiertes Pendent zu den gemalten „Bella“-Porträts. Simone ist in seinem Stil mehr als alle seine im Veneto tätigen Zeitgenossen der Antike verbunden, dennoch deutet nichts darauf hin, dass er seine Fähigkeiten je für die Herstellung von Fälschungen verwendete. Als Bildhauer wird Simone zumeist nur als uninteressanter Schöpfer pseudoantiker Büsten betrachtet, wobei seine wichtige Mittlerrolle zwischen der träumerischen Antikenverehrung der Brüder Tullio und Antonio Lombardo und dem römisch geprägten Klassizismus eines Jacopo Sansovino (1486–1570) völlig übersehen wird. Es ist sehr die Frage, ob letzterer, der ab 1527 in der Lagunenstadt wirkte und mit seinen Gebäuden und Skulpturen rund um den Markusplatz der „Romanitas“ zum endgültigen Durchbruch auch in Venedig verhalf,61 ohne Simone Biancos „Vorarbeit“ so schnell einen so durchschlagenden Erfolg hätte erzielen können.
60 Weski/Frosien-Leinz 1987, 424f. Kat. 330. 61 M. Tafuri, Venice and the Renaissance (1989) 111f.
Teil-Imitationen antiker Statuen: Apollon Typus Centocelle und Silen Orsini Sascha K ansteiner
Apollon Typus Centocelle Bei einem Besuch des Museums von Fiesole stößt der Besucher im Obergeschoss auf eine Reihe von Skulpturen, die nicht bei den Ausgrabungen in der Umgebung des Museums zutage getreten sind, sondern mehrheitlich vor rund 100 Jahren im Kunsthandel erworben wurden. Unter den ausgestellten Objekten sind zwei als antik deklarierte lebensgroße Köpfe, die sich unschwer als Repliken des Apollon Typus Centocelle, einer berühmten Statue des Apollon aus dem 4. Jh. v. Chr., identifizieren lassen. Da dieser Typus in der römischen Kaiserzeit weit verbreitet war – es sind außer zahlreichen Torsi und Köpfen nicht weniger als sechs statuarische Repliken samt Kopf erhalten (s. die Appendix) –, belassen es die meisten Besucher bei der Identifizierung und wenden sich den nächsten Stücken zu. Dabei wird übersehen, dass vor allem die ältere der beiden Kopfrepliken, die bekränzte (Taf. 11 a), sowohl für die Rezeptionsgeschichte dieses Typus als auch für die Kenntnis von frühneuzeitlichen Imitationen antiker Skulptur von besonderem Interesse ist.1 Hilfreich bei der Suche nach einem frühen Zeugnis für den bekränzten Kopf war die im Jahr 2013 publizierte Information, dass der Marchese Edoardo Albites, der eine ganze Reihe von Antiken für das Museum Faesolanum, das heutige Museo archeologico, angekauft hat, wohl in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg auch eine berühmte Antike der Sammlung Giustiniani, einen lange für verschollen gehaltenen und einst als Apollon restaurierten Torso des Dionysos erworben hat.2 Tatsächlich lässt sich außer dem Dionysos auch der Kopf des Apollon in dem von Vincenzo Giustiniani finanzierten und 1 2
Fiesole, Museo archeologico, Inv. 2556; abgebildet in einem 1981 von der Comune di Fiesole herausgegebenen Touristenführer und bei M. de Marco (Hg.), Fiesole. Museo Civico Archeologico (2013) Abb. 76. – Die Kopfhöhe beträgt 25 cm. Umdeutung des Apollon Typus Antium als Dionysos (Fiesole, Museo archeologico, Inv. 2557). – Vgl. Galleria Giustiniana I Taf. 53; Ergänzungsprozesse 2013, 45f. Taf. 17c–d (S. Kansteiner).
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um 1635 im Druck erschienenen Stichwerk nachweisen: die Identität des Faesolaner Kopfes mit dem Kopf einer Büste, die in Band II der Galleria Giustiniana auf Taf. 41 oben abgebildet ist (Abb. 1 und Taf. 11 b), steht wegen der auf dem Stich deutlich zu erkennenden Angabe von Iris und Pupille sowie wegen der Bekränzung, auf die weiter unten noch einzugehen sein wird, außer Frage. Der Stich zeigt den Kopf auf eine Büste mit Köcherband montiert. Dank der Abbildung in der Galleria Giustiniana lässt sich die Büste außerdem auch im Giustiniani-Inventar des Jahres 1638 identifizieren. Unter Nr. 379 heißt es dort: „Una testa antica ristaurata con petto moderno nudo con un armacollo traverso d’un Apollo con suo pieduccio di africano alta pal. 3 1/3 [= 73 cm] inc.a“.3 Anders als beispielsweise die Berliner Büsten der Abb. 1 Galleria Giustiniana II Taf. 41 Sammlung Giustiniani ist der Apollon ferner nicht nur im Inventar des Jahres 1757 verzeichnet,4 sondern auch noch in den Inventaren des ausgehenden 18. und des frühen 19. Jahrhunderts.5 Er dürfte ebenso wie der oben erwähnte Torso in Fiesole im frühen 20. Jahrhundert veräußert worden sein; im Unterschied zu diesem ist er aber unter den bis 3 4 5
Gallottini 1998, 94. Gallottini 1998, 195 Nr. 355. – Der Eintrag ist fast wortgleich mit demjenigen im Inventar 1638. Falsch ist die Größenangabe, die due et un terzo (statt tre et un terzo) lautet (der gleiche Fehler findet sich bereits im Inventar des Jahres 1667 unter Nr. 367). Inv. 1793: Gasparri 1980, 101 Nr. 377: Apollo coronato di alloro di buono stile; Inv. 1811: Gasparri 1980, 120 Nr. 254 (mit Hinweis auf die Abbildung in der Galleria Giustiniana).
Teil-Imitationen antiker Statuen: Apollon Typus Centocelle und Silen Orsini
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zum Beginn des 20. Jahrhunderts im Palazzo Giustiniani verbliebenen Antiken, die Rizzo in den Jahren 1904 und 1905 besprochen hat,6 nicht verzeichnet, vielleicht deshalb, weil ihn Rizzo nicht als antik angesehen hat. Die ungewöhnliche Art der Augenbohrung und die merkwürdigen Punktbohrungen im Haar erlauben es, in dem Kopf eine nachantike Arbeit zu erkennen; charakteristisch für frühneuzeitliche Antikenadaptionen ist daneben auch die Tatsache, dass es sich bei dem graubraunen Marmor nicht um einen „statuario“, also nicht um eine der Marmorsorten handelt, die in der Antike für die Herstellung von Kopien Verwendung gefunden haben. Für die Sammlung Giustiniani ist der Kopf aber, wie aus der Beschreibung im Inventar und aus seiner Aufnahme in das Stichwerk hervorgeht, als antike Arbeit erworben worden. Er ist abzusetzen von den zwischen 1620 und 1630 hergestellten Köpfen, die unter der Ägide von Vincenzo Giustiniani als Ergänzungen antiker Torsi ent- Abb. 2 Galleria Giustiniana I Taf. 51 standen sind. So ist eine Torsoreplik des Apollon Centocelle aus der Sammlung Giustiniani (Abb. 2)7 mit einem Kopf ergänzt worden, der anscheinend nicht an ein antikes Vorbild angelehnt ist.8 Durch die lang auf die Schultern fallenden Haarbindenenden unterscheidet 6 7 8
G. Rizzo, BCom 32, 1904, 3–66 (auf S. 33 heißt es, dass keine Vollständigkeit bei der Vorstellung der Antiken angestrebt sei); ders., BCom 33, 1905, 3–61. Jetzt im sog. Museo Torlonia, Nr. 126 (Appendix Nr. 20). – Der Kopf ist von Winckelmann irrtümlich für antik gehalten worden (Winckelmann 1756, 121 Z. 4–5). Ein dem Apollon Centocelle ähnlicher Kopf mag dagegen bei der Restaurierung eines weiteren Torsos der Sammlung Giustiniani (Galleria Giustiniana I Taf. 54) zum Einsatz gelangt sein: der auf dem Stich gezeigte, unbekränzte Kopf ist allerdings nicht mehr nachzuweisen; mit dem heute auf der im Casino Massimo aufbewahrten Statue aufsitzenden ist er sicher nicht identisch, da die
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sich die Torsoreplik von den übrigen 30–31 Repliken9 des Apollon Typus Centocelle, mit einer Ausnahme, einer ehemals in der Sammlung Lansdowne aufbewahrten Statue. Damit sind wir bei der Frage angelangt, welche antike Kopfreplik des Typus der wahrscheinlich im 16. Jahrhundert tätige Bildhauer des Kopfes in Fiesole zum Vorbild genommen hat. Hier ist vor allem der Lorbeerkranz zu berücksichtigen, der unter den mir bekannten 15 Kopfrepliken10 nur ein einziges Mal, bei der seit geraumer Zeit verschollenen statuarischen Kopie der Sammlung Lansdowne (Taf. 12 a), bezeugt ist. Diese Replik lässt sich zwar erstmals erst im 18. Jahrhundert nachweisen, doch muss berücksichtigt werden, dass auch von den übrigen 14 Köpfen des Typus im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts lediglich der Kopf der Sammlung Richelieu (Appendix Nr. 28) und vielleicht auch derjenige der Sammlung Gonzaga (Appendix Nr. 24) bekannt gewesen sein können.11 Beide tragen keinen Kranz und bieten auch von der Erhaltung her keinen Anlass anzunehmen, sie hätten auf die frühneuzeitliche Kunstproduktion Einfluss ausgeübt. Beim Kopf aus der Sammlung Richelieu lag es zudem wohl nicht in der Absicht des Ergänzers, Apollon zur Darstellung zu bringen (Narkissos?). Als einziger Kandidat bleibt also die Statue der Sammlung Lansdowne übrig. Sie erscheint im Unterschied zu den Neufunden, die in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts via Gavin Hamilton in die Sammlung von William Fitzmaurice gelangt sind, in keiner Korrespondenz,12 was dafür spricht, dass sie, ebenso wie acht weitere, gemeinsam mit ihr im Dining Room von Lansdowne House aufgestellte Statuen,13 nicht zu den Neufunden gehört hat. Bei einer der Skulpturen aus dem Dining Room konnte der Nachweis erbracht werden, dass sie aus der Sammlung Montalto stammt;14 drei wei-
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Antiken des Casino Massimo bei dessen Neugestaltung nach dem Erwerb durch Carlo Massimo (1802) ein zweites Mal restauriert worden sind. Die alte Ergänzung wird bei dieser Gelegenheit entsorgt worden sein. Außer den 15 Statuen und Köpfen sind mir 15 Torsorepliken und ein Torsofragment bekannt (4 davon bei Dimas). – Zwischen 1893 (Furtwängler 1893, 587) und 2013 (Dimas 2013, 46) wurde die Replikenliste nur um drei antike Stücke, von 8 auf 11 Stücke, erweitert; Arnold 1969, 279f. hat neun antike Repliken. In der neuesten Replikenliste (Dimas 2013, 46 Anm. 5) fehlen nicht weniger als acht Köpfe: Ephesos, Mantua, Neapel, Tours, Tunis (aus Karthago) sowie die zu Umdeutungen gehörenden Köpfe der Statue in Side, im Museo Barracco und in Privatbesitz (s. die Appendix). Der Kopf aus der Sammlung Gonzaga befindet sich heute in Mantua. – Ab 1644 ist außerdem die Kopfreplik in Neapel (Inv. 6254) bezeugt, die überdies ähnliche Punktbohrungen im Haar über der Stirn aufweist, aber eben keinen Kranz; vgl. Appendix Nr. 26. Vgl. Auktionskatalog Christie, Manson & Woods, London 5. März 1930, Appendix. Vgl. Michaelis 1882, 437 und 444–446 Nr. 28–36. – Die Restaurierungen dieser Stücke sind schwer zu datieren, da es nur bei zwei Statuen Köpfe neuzeitlichen Ursprungs gab (Dionysos Nr. 31, jetzt Santa Barbara, und Togatus Nr. 29, jetzt verschollen), von denen mir keine Abbildungen bekannt sind. Michaelis 1882, 445 Nr. 34 (jetzt Kansas City; vgl. Denkmälerkatalog Nr. 309a).
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tere Stücke aus diesem Zimmer sind bereits vor 1768 nach England verkauft worden und wohl erst um 1780 oder bald darauf in die Sammlung Lansdowne gelangt.15 – Der Apollon der Sammlung Lansdowne hält in der linken Hand ein Täfelchen, bei dem man zunächst vermuten könnte, dass der Ergänzer an den Knaben mit „tabella“ gedacht hat, den Plinius im 34. Buch der Naturalis historia erwähnt.16 Da der Gegenstand in der rechten Hand aber kaum etwas anderes als ein Pfeil sein kann, wird man in dem Täfelchen eher einen in der Zeichnung etwas zu breit geratenen Multifunktionsstab erkennen, also die für Darstellungen des Apollon in der Neuzeit geläufige Form des Bogen-Kürzels.17 Dass die Lansdowne-Statue bereits im 16. bzw. spätestens am Beginn des 17. Jahrhunderts zutage getreten sein muss, ist auch deshalb so gut wie sicher, weil sich außer dem Kopf in Fiesole noch weitere neuzeitliche Werke nachweisen lassen, die auf dem Kopf dieser Statue fußen. Zwei erstmals gegen 1650 bezeugte und jeweils als Ergänzung nackter antiker Torsi fungierende Köpfe im Palazzo Doria in Rom, die beide bislang nicht mit dem Typus des Apollon Centocelle in Verbindung gebracht wurden,18 geben dasselbe Vorbild wieder wie der Kopf in Fiesole. Außer der Bekränzung stimmt auch die Disposition des Stirnhaars weitestgehend überein. Der Kopf in Fiesole und die Köpfe im Palazzo Doria sind also jeweils Teiladaptionen der Lansdowne-Statue, deren Bildhauer alle darauf verzichtet haben, auch die Kranzbinde, deren Enden auf die Schultern herabfallen, zu imitieren. Während die Köpfe im Palazzo Doria als Ergänzungen von Torsi fungieren und damit der Verwendung anderer Teiladaptionen antiker Statuen entprechen, etwa Ippolito Buzzis Teiladaption des Apollo del Belvedere,19 war der Kopf in Fiesole wohl zu keiner Zeit einem Torso aufgesetzt, sondern dürfte für eine Gallerie von Büsten geschaffen worden sein. In der Seiten- und Rückansicht erkennt man, wie die Unterseite des Halses für die Montage des Kopfes auf eine Büste, die nicht mit der in der Galleria Giustiniana abgebildeten Büste (Zweitbüste?) identisch sein muss, hergerichtet worden ist. Dass außer Frisur und Kranz auch die Augenbohrung des Kopfes in Fiesole in Anlehnung an das antike Vorbild vorgenommen 15 Michaelis 1882, 444–446 Nr. 29, 31 und 36; vgl. Cavaceppi 1768, Taf. 20. 17. 21. 16 Plin., nat. 34,59 (DNO 682): fecit et […] puerum tenentem tabellam eodem loco […]. – Er (Pythagoras) schuf auch […] einen Knaben, der eine Tafel hält, an demselben Ort (Olympia) […]. 17 Dazu passt Michaelis’ Bezeichnung des Objekts als „staff“. Bei Clarac ist der Stab gar nicht erwähnt. 18 R. Calza (Hg.), Antichità di Villa Doria Pamphilj (1977) Kat. 31 und 36. – Der zweite Kopf ist einem unterlebensgroßen Torso aufgesetzt (Höhe der Statue 1,40 m), also gegenüber dem Vorbild deutlich verkleinert. Bei G. de Rubeis, Villa Pamphilia eiusque palatium cum suis prospectibus (s. a.) Taf. 50 gilt diese Statue als „Apollo“, bei Clarac III, 232 Nr. 962B als „Mercure“. 19 Zum sitzenden Apollon im Palazzo Altemps (Inv. 8594) vgl. M. De Angelis (Hg.), Scultura antica in Palazzo Altemps (2002) 76 mit Abb.; S. Kansteiner in: K. Zimmer (Hg.), Rezeption, Zeitgeist, Fälschung – Umgang mit Antike(n), Koll. Tübingen 2014 (2015) 109.
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worden ist, dürfte kaum zu erwarten sein. Am Kopf des Apollon Typus Centocelle fand der Marchese Albites offenbar solchen Gefallen, dass er außer dem Giustiniani-Kopf noch einen zweiten Kopf dieses Typus erworben hat (Taf. 12 b), der freilich genauso wenig antiken Ursprungs ist wie der bereits besprochene.20 Stimmt schon der fade Gesichtsausdruck bedenklich, so offenbart die Betrachtung des rechten Profils, dass sich der Bildhauer des Kopfes nicht etwa eines Abgusses der griechischen Statue des 4. Jhs. v. Chr., sondern eines Abgusses der 1779 gefundenen Statue der Sammlung Chigi bedient hat: nicht nur die Disposition, sondern auch die Gestaltung der einzelnen Locken stimmt genau überein.21 Der zweite Faesolaner Kopf ist damit ebenso wie der Giustiniani-Kopf als das Teil-Duplikat einer Statue des Apollon Typus Centocelle zu bestimmen und veranschaulicht die Rezeption dieses Typus in der Zeit um 1800. Auch der zweite Kopf in Fiesole steht nicht allein. Eine Kopfreplik des Apollon Typus Centocelle, die sich einst in der Sammlung Hermann Bünemanns in München befunden hat und im Jahr 1967 in Band VI der Reihe Antike Plastik als antike Arbeit vorgestellt worden ist (Taf. 13 a),22 kann gleichfalls als ein neuzeitliches Duplikat des Kopfes der Chigi-Statue identifiziert werden. Ausschlaggebend ist auch in diesem Fall die Disposition des Haars: Vor dem rechten Ohr etwa ist genau die Strähnenführung zu erkennen, durch die sich auch der Kopf der Statue der Sammlung Chigi auszeichnet. Der Gesichtsausdruck der beiden Imitationen offenbart dagegen, nicht zuletzt aufgrund der leer belassenen Augenhöhlen bei dem Bünemann-Kopf, gravierende Unterschiede. Die Liste der Imitationen des Kopfes der Chigi-Statue dürfte kontinuierlich zu erweitern sein: So ist z. B. im Jahr 1977 ein Kopf aus der Sammlung des französischen Schriftstellers Roger Peyrefitte in der Abteilung „Anciens marbres“ versteigert worden.23 Auch die in den 30er Jahren vom Detroit Institute of Arts bei Ugo und Aldo Jandolo in Rom erworbene Kopfreplik (Taf. 13 b) galt 20 Fiesole, Museo archeologico, Inv. 2555. – Die Kopfhöhe beträgt 23 cm. – A. De Agostino, Fiesole (21954) 58 Nr. 2555 Abb. 52 (in der 3. Auflage von 1973 ist der Kopf nicht mehr erwähnt); Arnold 1969, 280 Nr. 5; Vierneisel-Schlörb 1979, 274; Dimas 2013, 46 Anm. 5 Nr. 12; Appendix Nr. 34. 21 Bei römisch-kaiserzeitlichen Repliken reichen die Übereinstimmungen in der Lockengestaltung selbst dann, wenn sie ungefähr zur gleichen Zeit entstanden sind, grundsätzlich nicht so weit; vgl. den Kopf in Mantua und den Kopf der Statue in Oxford (Appendix Nr. 24 und 1), die ebenso wie die Chigi-Statue aus antoninischer Zeit stammen dürften. 22 Sotheby’s London 12.6.1928 Nr. 8 mit Abb.; H. Marwitz, AntPl VI (1967) 40–42 Taf. 23f.; Vierneisel-Schlörb 1979, 274; Dimas 2013, 46 Anm. 5 Nr. 15. – Der Kopf stammt nicht wie das antike Kopffragment des Diadumenos ex Bünemann aus der Sammlung Giustiniani, sondern aus der Sammlung Uxküll-Gyllenband. – L. Curtius hat am antiken Ursprung Zweifel angemeldet (s. Marwitz 40 Anm. 2). 23 Collection Roger Peyrefitte. Sculptures en marbre antiques et d’après l’antique. Auktion Paris 26.5.1977 Nr. 16 mit Abb.
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zunächst als antik, bis das Museum in den 90er Jahren zu der Einschätzung gelangte, dass es sich um eine Arbeit des 19. Jahrhunderts handeln dürfte, und sich daraufhin von dem Stück trennte.24 Dem ehemals in Detroit aufbewahrten Kopf steht überdies eine weitere Imitation des Kopfes des Apollo Chigi nahe, die sich einst in der Sammlung Warren befunden hat, wo sie auf eine Gewandbüste aus dunklem Stein montiert war (Appendix Nr. 41). Außer den statuarischen Repliken der Sammlungen Chigi und Lansdowne gibt es noch eine dritte, die, gleichfalls von der Forschung unbemerkt, zu Imitationen angeregt hat. Es ist die namengebende Statue, die 1780 in Centocelle gefunden, anschließend von Carlo Albacini ergänzt wurde und seit 1782 in den Vatikanischen Museen aufbewahrt wird (Taf. 14 a).25 Ein Duplikat des Kopfes dieser Statue ist von William Astor um 1882 in Rom erworben worden und befindet sich heute in Hever Castle Gardens, montiert auf eine Torsoreplik des Berliner Athleten. Dass es sich bei dem Kopf (Taf. 14 b) nicht um eine antike Arbeit handelt, wie im Bestandskatalog der Skulpturen in Hever angenommen wird,26 lässt sich vergleichsweise leicht feststellen. Auch wenn die Oberfläche des Kopfes wegen der langen rezenten Aufstellung im Freien antik anmutet, ist es ähnlich wie im Fall der Bekränzung der Lansdowne-Statue in erster Linie eine bei dem antiken Vorbild vorhandene Abweichung gegenüber der Hauptüberlieferung, deren erneutes Auftauchen nur mit nachantiker Entstehung erklärt werden kann: Das Nackenhaar der Statue aus Centocelle ist gegenüber den übrigen Repliken verlängert, was gut bei der Betrachtung der Profile zu erkennen ist. Außerdem weicht die Statue aus Centocelle dadurch von den übrigen Repliken ab, dass bei ihr die Haarbinde zum Vorschein kommt; auch dieses Detail hat der Bildhauer des Kopfes in Hever übernommen. Die Abhängigkeit des Kopfes in Hever von der Statue im Vatikan wird ferner im Gesicht deutlich, etwa in der Bildung der Augenlider; schließlich stimmt der Kopf in Hever mit dem Vorbild auch dort überein, wo dieses ergänzt ist, nämlich am Hinterkopf und an der hinteren Partie der linken Kopfseite.27 Dass schon die wundersam gute Erhaltung der Nase des Kopfes in Hever vor einer Beurteilung als antik hätte warnen müssen, muss nicht weiter hervorgehoben werden. – Im Fall der Statue aus Centocelle lassen sich nicht nur Imitationen des Kopfes, sondern ausnahmsweise auch einmal solche des Körpers nachweisen.28 In der Reihe 24 Vgl. Appendix Nr. 39. 25 Vatikanische Museen, Inv. 560 (Appendix Nr. 5). – G. Spinola, Il museo Pio Clementino II (1999) 23 Nr. 21. 26 Dimas 2013, 44–47 Kat. He 8 Taf. 10–12 („kurz vor der Mitte des 2. Jhs. n. Chr.“). 27 In anderen Fällen stellt ein Fehler dieser Art die einzige Handhabe für den Nachweis nachantiker Entstehung dar: Sokrateskopf der Sammlung Giuseppe Maria Fiamingo (H.-J. Kruse, AA 1968, 445 Abb. 16f.) und Kauernde Aphrodite im Palazzo Altemps (s. Einleitung). 28 Zu Imitationen in Form von Torsi vgl. noch die Athena aus der Sammlung von Max Palevsky
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Antike Plastik ist im Jahr 1978 ein Torso in Minneapolis besprochen worden,29 der vornehmlich deshalb als nachantike Arbeit bestimmt werden kann, weil die Stütze, die ungewöhnlich weit emporreicht, im Hinblick auf die Astlöcher und den eigenartigen oberen Abschluss genau derjenigen der Statue im Vatikan (Taf. 15 a) entspricht. Auch das nur von der Statue im Vatikan überlieferte lange Nackenhaar ist, leicht modifiziert, imitiert worden. Noch interessanter ist ein seit 1970 nachweisbarer, aus thasischem Marmor gefertigter Torso (Taf. 15 b), der im Mai 2013 für fast 400.000 € im Pariser Kunsthandel den Besitzer gewechselt hat:30 Der Bildhauer dieses Torsos, der frei von Sinter ist, verrät sich dadurch, dass er ebenfalls das nicht der Hauptüberlieferung entsprechende Nackenhaar der Statue im Vatikan zu imitieren versucht hat.31 Kurios ist das Aussehen des Halsansatzes: Bei dem Versuch, einen Bruch vorzutäuschen, ist der Fälscher offenbar etwas zaghaft vorgegangen, was zur Folge hat, dass der Bruch extrem unregelmäßig, geradezu treppenartig, ausgefallen ist.32 Ganz ähnlich sieht der Bruch eines Torsos in Berlin aus, der 1945 oder 1946 enthauptet worden ist.33 Der Torso in Berlin kann, anders als in der Forschung angenommen wird,34 nicht antik sein. Ihm fehlt die Pubes, die bei verkleinerten Wiederholungen ‚erwachsener‘ griechischer Statuen grundsätzlich nicht weggelassen wird, wie z. B. die im Louvre und in den Vatikanischen Museen aufbewahrten Wiederho-
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(Christie’s New York 9.12.2010 Nr. 151) und die verkleinerte Wiederholung des Antretenden Diskobol in Tübingen (Inv. 78.7690). W. Coulson, AntPl XVII (1978) 71f. Taf. 40; Vierneisel-Schlörb 1979, 279 Anm. 1; C. Vermeule, Greek and Roman Sculpture in America (1981) 53 Nr. 26. Pierre Bergé & Associés (Paris) 29.5.2013 Nr. 208 (mit einer 2005 verfassten Expertise von D. Willers: „Es besteht kein Zweifel am antiken Ursprung.“), ex Gustav Zumsteg (seit 1972) und ex Michel Dumez-Onof (London). – Den Hinweis auf den Torso verdanke ich J. Deterling (Berlin). – Die Höhe beträgt 95,5 cm. Weggelassen hat der Bildhauer auch die unbedingt zu erwartenden Stege vom Becken zum linken und zum rechten Handgelenk (von Willers bemerkt, aber nicht ausgewertet; letzterer ist beim Vorbild vollständig modern). Eine verkleinerte Wiederholung der Kauernden Aphrodite in Madrid (aus der Sammlung des Karikaturisten Marius de Zayas) stammt vielleicht von derselben Hand. Sie ist sicher zu Recht schon von A. Linfert, AM 84, 1969, 161 Anm. 15 als modern angesehen worden; anders S. Schröder, Katalog der antiken Skulpturen des Museo del Prado in Madrid II (2004) Nr. 124, mit dem irrigen Hinweis darauf, dass das Stück überarbeitet sein könnte. Antikensammlung, Inv. Sk 1942. – Pseudoantike mit ähnlichem Bruch: Torsoreplik der Venere Esquilina im Louvre, Inv. Ma 3438. Vgl. A. Pasquier – J.-L. Martinez (Hg.), Praxitèle, Ausst.-Kat. Paris 2007, 346f. Kat. 90; S. Kansteiner, Arachne Nr. 2396 (Text zu Sk 1882). Zanker 1974, 10 Nr. 8 Taf. 5,3; S. Kansteiner in: K. Junker – A. Stähli (Hg.), Original und Kopie, Koll. Berlin 2005 (2008) 68f. Abb. 6. – Ich glaubte früher, im Körper der Statue Sk 1942 eine Replik des sog. Dresdner Knaben erkennen zu können, was das Fehlen der Pubes erklärt hätte. Nach erneuter Autopsie des Stückes lässt sich jedoch die Annahme, dass am linken Oberschenkel einst ein Steg ansetzte, falsifizieren, wodurch die Verbindung mit dem Dresdner Knaben hinfällig wird.
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lungen des Athleten, der seine Strigilis reinigt, zu erkennen geben.35 Dank einer breiten Materialbasis ist es möglich, in der Überlieferung des Apollon Typus Centocelle Imitationen anhand von typologischen Kriterien von antiken Arbeiten abzusetzen, so dass 16 antiken Köpfen nunmehr sechs gegenüberstehen, die bislang zu Unrecht als antik galten. – Im zweiten Kapitel soll dargelegt werden, dass auch dort, wo die Überlieferung eines statuarischen Typus nur wenige Stücke umfasst, typologische Kriterien für die Unterscheidung zwischen antiken und nachantiken Skulpturen relevant sein können.
Silen Orsini In der Ermitage in Sankt Petersburg ist seit der Eröffnung des Museums die 1,37 m große Statue eines betrunkenen Silens ausgestellt, deren Werdegang sich immerhin bis zum 16. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.36 Seinerzeit befand sich die Statue in Rom in der Sammlung Orsini, wo sie sich, sicher nicht zuletzt wegen des ungewöhnlichen Sujets, einer gewissen Beliebtheit erfreute. Diese kommt vor allem dadurch zum Ausdruck, dass der Kopf der Statue (Taf. 16 a) dem Ergänzer einer anderen Silensstatue als Vorbild gedient hat. Eine im Jahr 1587 aus der Sammlung von Giovanni Grimani in das Statuarium der Biblioteca Marciana in Venedig gelangte Silensstatue37 trägt einen Kopf, der schon von Dütschke als neuzeitlich bestimmt werden konnte und im Großen und Ganzen als Duplikat des Kopfes der Sankt Petersburger Statue angesehen werden darf. Nach der Erfahrung mit den drei Teil-Adaptionen des Apollon der Sammlung Lansdowne erschien es mir ratsam, auch im Fall des Sankt Petersburger Silens zu prüfen, ob sein Kopf nicht auch noch weiteren Ergänzern zum Vorbild gedient hat: Fündig wurde ich im Museo Capitolino, wo es einen ohne Plinthe 1,11 m messenden sitzenden Silen gibt (Abb. 3),38 der im Jahr 1824 von den Brüdern 35 Louvre, Inv. Ma 387 (Höhe ohne Plinthe 1,46 m) und Vatikanische Museen, Braccio Nuovo Nr. 105 (Höhe ohne Plinthe 1,37 m). – Vgl. I Borghese e l’antico, Ausst.-Kat. Rom 2011, 338f. mit Abb. und V. Saladino in: M. Michelucci (Hg.), L’atleta della Croazia, Ausst.-Kat. Florenz 2006, 37 mit Abb. 22f. 36 Ex Vescovali ex Lante ex Orsini. – O. Waldhauer, Die antiken Skulpturen der Ermitage I (1928) 38–40 Nr. 20 Taf. 15; F. Rausa, BCom 101, 2000, 176f. mit Abb. 10. – Zu Ignazio Vescovali: T. Ceccarini – A. Uncini, BollMusGallPont 10, 1990, 115–185. 37 Venedig, Museo archeologico, Inv. 266. – H. Dütschke, Antike Bildwerke in Oberitalien V (1882) Nr. 110; EA 2452; G. Traversari, La statuaria ellenistica del Museo Archeologico di Venezia (1986) Kat. 4 (mit zutreffender Beurteilung des Kopfes als Arbeit des 16. Jhs.). – Höhe bis zum Scheitel 1,52 m; die Beine sind in unzutreffender Weise sich überkreuzend ergänzt worden. 38 Museo Capitolino, Inv. 709; Kopfhöhe 23 cm (Kinn bis Scheitel). – G. Lippold, Die griechische Plastik (1950) 282; S. Ensoli in: P. Moreno (Hg.), Lisippo, Ausst.-Kat. Rom 1995, 386f. (mit
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Camuccini an den Vatikan verkauft wurde39 und 14 Jahre später im Rahmen eines Tausches ins Museo Capitolino gelangt ist.40 Der Kopf des Silens (Taf. 16 b) ist dem Torso mit einer Halskrause aufgesetzt41 – vgl. die ebenfalls den Brüdern Camuccini zu verdankende Neu-Montage des Kopfes der Aphrodite Typus Syon HouseBaia in München42 – und wird immer als antik angesehen. Geht man davon aus, dass der Kopf des Silens ursprünglich zu einer Statue gehört hat, deren Kopf so weit gesenkt war wie derjenige der Sankt Petersburger Statue, lässt es sich jedoch nicht erklären, warum der Bart auch dort noch intakt ist, wo Teile der Locken beim Abbrechen vom Körper auf dem Rumpf hätten verbleiben müssen. Außerdem liegt Abb. 3 Silen, Museo Capitolino (nach die Annahme einer Dublette nahe, weil die Clarac) Augen eine merkwürdige Bohrung und einen Irisring aufweisen.43 Die Bohrkanäle im Bereich des Bartes schließlich erinnern an diejenigen der im 16. Jahrhundert entstandenen Adaptation des Kopfes des Herakles Farnese im Palazzo Pitti,44 so dass die Frage aufzuwerfen war, ob der Kopf der Statue im Museo Capitolino so alt ist wie derjenige, der für den Torso in Venedig geschaffen wurde. Hier wurde ich zunächst mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass es für die Statue offenbar keine frühen Belege, etwa in Form einer Zeichnung, gibt, was insofern
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Farbabb.); E. Polito in: Musei Capitolini 2010, 282f. Nr. 1. – Ergänzt sind die Arme und der Sitz, der u. a. aus einem antiken Fries-Bruchstück besteht; die Beine sind nach Autopsie aus demselben Marmor wie der Rumpf gearbeitet, also zugehörig. Der Silen erscheint im „Registro generale del 1823/24“ unter Nr. 40 unter den Camuccini-Stücken (Uncini 1989, 160f.; vgl. auch E. Pistolesi, Il Vaticano III [1829] 82 Anm. 4 zu Taf. 25,2). – Stuart Jones und Polito (die Verweise auf Nibby und Pistolesi sind nicht richtig) sind dagegen irrtümlich davon ausgegangen, dass Vescovali die ergänzte Statue an den Vatikan verkauft hat. Vgl. Uncini 1989, 150. Zu neuzeitlich ergänzten Köpfen mit Halskrause vgl. die Kauernde Aphrodite in Neapel (Inv. 6293: Farnese 2009a, Kat. 29), deren Kopf immer als alt angesehen wird (vgl. die Einleitung), sowie den Zeus der Sammlung Lante im Palazzo De Carolis in Rom. Glyptothek, Inv. Gl. 208A (ehemals Sammlung Barberini). – Fuchs 1992, 77f. Nr. 11 (mit unzutreffender Angabe zur Provenienz [„Palazzo Cesi“] und mit Datierung in claudische Zeit). Vgl. den neuzeitlichen Kopf der Pudicitia im Museo Capitolino; Musei Capitolini 2010, 400f. Vgl. dazu S. Kansteiner in: A. Delivorrias et al. (Hg.), Gedenkschrift Despinis (im Druck).
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verwunderlich ist, als das Sujet des sitzenden Silenos großplastisch nur sehr selten bezeugt ist.45 Aus einem im Jahr 1709 angelegten Inventar geht jedoch immerhin hervor, dass die Statue seinerzeit Teil der Ausstattung des sog. Teatro (sc. Teatro delle Acqua von Carlo Maderno) der Villa Belvedere-Aldobrandini in Frascati war.46 Dort trug die Statue die Nummer 31, die sich bis heute auf der vom Betrachter aus gesehen rechten Seite der Plinthe erhalten hat.47 Die Ursache für das Fehlen von Zeichnungen dürfte also der abgelegene Standort des Silens sein: Die Antiken der Villa Aldobrandini sind z. B. von Winckelmann, um 1760, nur ganz am Rande berücksichtigt worden.48 Da das Teatro der Villa Aldobrandini um 1610 eingerichtet worden ist, kann der Ergänzer des sitzenden Silens durchaus zur gleichen Zeit wie der Ergänzer der Statue in Venedig tätig gewesen sein;49 das spätest mögliche Datum für die Ergänzung dürfte die Zeit kurz vor 1610 sein, in der auch Ippolito Buzzi Skulpturen für das Teatro delle Acqua geliefert hat.50 Die zahlreichen Scheinergänzungen (Nasenspitze) und die Einfärbung der Oberfläche des Kopfes sprechen für eine Überarbeitung im frühen 19. Jahrhundert; wahrscheinlich ist die Erstergänzung von den Brüdern Camuccini aufpoliert worden. – Zusammen mit dem Silen haben die Brüder Camuccini noch einige weitere Antiken aus der Villa Aldobrandini angekauft, etwa die Amazone Typus Sciarra im Braccio Nuovo der Vatikanischen Museen und den ebendort aufbewahrten Demosthenes51 sowie auch den Hermes in der Rotunde des Alten Museums.52 Zu den Tricks der ziemlich gerissenen Brüder 45 Eine gleichfalls ohne den Kopf erhaltene Replik der Statue im Museo Capitolino ist bei der Ausgrabung des Nymphäums in Milet zutage getreten; s. E. Herkenrath in: J. Hülsen, Milet I 5 (1919) 56 Nr. 2 mit Abb.; R. Bol, Milet V 2 (2011) 41 Taf. 10a. – Der Silen in der Lady Lever Art Gallery (ex Hope) hingegen ist mit Ausnahme des Kopfes gar kein Silen! Zu einem Silen der Sammlung Mattei vgl. R. Venuti – G. Amaduzzi, Vetera monumenta ... Matthaeiorum I (1779) Taf. 43; Clarac IV, 282 Nr. 1765E Taf. 734A. 46 Documenti inediti III (1880) 184 unter den Statue del Teatro: „Un Sileno a sedere sopra un canestro [Korb], con vetro sopra una coscia, alto palmi cinque [1,10 m], segnato col nr. 31.“ – Die Herkunft aus Frascati ist bislang nur von Clarac IV, 277 zu Nr. 1756 bemerkt worden. 47 Die Statue ist sicher auch im Inventar des Jahres 1626 genannt (Arch. Segr. Vaticano Fondo Borghese vol. 6219); die entsprechenden „Carte“ no. 99–113 sind bei P. della Pergola, Arte Antica e Moderna 12, 1960, 427–438 allerdings nicht abgedruckt. 48 Vgl. Denkmälerkatalog Nr. 294 (Statue des Apollon, verschollen). 49 Eine Erstergänzung in der Renaissance haben, in Unkenntnis der Provenienz der Statue, auch Ensoli und Polito vermutet. 50 Vgl. C. Benocci, Xenia 20, 1990, 76f. 51 Inv. 2252 und Inv. 2255; Uncini 1989, 160f. Nr. 44f. 52 Berlin, Antikensammlung, Inv. Sk 199; vgl. S. Kansteiner, Arachne Nr. 2161 und Documenti inediti III (1880) 184 (Inventar des Jahres 1709): „Un Mercurio nudo, con un panno sopra la spalla manca, con un caduceo, e con la mano dritta tiene una borsa, con l’ali alli piedi, alto palmi sette e mezo, segnato col n. 24.“ – Im Inventar der Skulpturen der Stadtvilla ist dagegen erwartungsgemäß kein der Berliner Statue entsprechender Hermes verzeichnet; vgl. C. Benocci, Villa Aldobrandini a Roma (1992) 231–254.
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Camuccini, die für nicht weniger als 35.000 (!) Scudi ein Konvolut von 18 Antiken an den Vatikan verkauft haben, gehörten u. a. das Deklarieren nachantiker Objekte als antik – nachantik sind ein „busto d’Iside“53 und das Faustkämpferrelief aus der Sammlung Aldobrandini54 sowie außerdem auch ein von Schinkel im Jahr 1824 für die Berliner Sammlung erworbener, auf eine antike Herme montierter Kopf55 – sowie Provenienzfälschung: Das böotische Reiterrelief-Fragment aus der Sammlung Giustiniani (Abb. 4) wurde als „già forse esistente nel Partenone“ ausgewiesen,56 was den Preis sicher nicht gedrückt hat, und die Torsoreplik der dritten Erechtheionkore57 wurde als griechisches Original „già al Tempio di Pandrosia in Atene“ verkauft, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Brüder zeitweise in London aufhielten, also sicher von den sog. Elgin marbles Kenntnis hatten.58 Abb. 4 Galleria Giustiniana II Taf. 88 Die Adaptionen des Kopfes der Statue in Sankt Petersburg sind nicht auf das 16. Jahrhundert beschränkt: Viel später, zu der Zeit, als die Sankt Petersburger Statue in den Jahren zwischen 1730 und 1760 von den Orsini in die Sammlung Lante gelangte,59 hat kein anderer als Bartolomeo Cavaceppi den Kopf als Vorbild für eine Ergänzung verwendet. Auch ihm ist 53 Vatikanische Museen, Inv. 1381. – Uncini 1989, 158f. Nr. 34; Andreae 1995, Taf. 374f.; S. Kansteiner in: Winckelmann und Potocki, Tagung Warschau 2014 (im Druck). 54 Vatikanische Museen, Inv. 9502/03. – Uncini 1989, 160f. Nr. 38+41; F. Sinn, Museo Gregoriano Profano. Katalog der Skulpturen III (2006) Kat. 192. 55 Berlin, Antikensammlung, Inv. Sk 312. – Abbildungen: Arachne Nr. 409967. 56 Vatikanische Museen, Inv. 1684. – Galleria Giustiniana II Taf. 88; Uncini 1989, 158f. Nr. 30; Sinn a. O. Nr. 6 Taf. 9,1–2; W. Schild-Xenidou, 20. Beih. AM (2008) 256f. Nr. 23 Taf. 8 (ohne Kenntnis von Sinn). 57 Vatikanische Museen, Inv. 2296 (ex Paganica). – E. Schmidt, AntPl XIII (1973) 32–34 Taf. 42– 45; Uncini 1989, 160f. Nr. 43. 58 Vgl. Pacettis Tagebucheintrag vom 30.12.1800: Giornali 2011, 213. 59 Vgl. F. Rausa, BCom 101, 2000, 176. Der genaue Zeitpunkt des Besitzerwechsels ist nicht bekannt.
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es gelungen, zumindest die Forschung, wahrscheinlich aber auch den Käufer der Statue zu täuschen. Einen bis zum Scheitel 1,46 m messenden und 1751 aus Italien exportierten Silen (Abb. 5), der sich heute in Nostell Priory befindet,60 hat Cavaceppi in seinem Verkaufskatalog abgebildet, nachdem er ihn mit einer Dublette des Sankt Petersburger Kopfes und natürlich auch mit einer extra ergänzten Nasenspitze versehen hatte (Taf. 16 c). Die korrekte Lockendisposition des Bartes des statuarischen Typus, zu dem der Torso in Nostell Priory – ebenso wie derjenige in Venedig – gehört, überliefern eine in Ariccia gefundene Statue mit ungebrochenem Kopf, die im Museo Chiaramonti der Vatikanischen Sammlungen aufbewahrt wird und bis zum Scheitel 1,49 m misst,61 und der Kopf einer 1775 gefundenen und von Carlo Albacini mit enormem Aufwand restaurierten Replik in der Sala delle Muse.62 Vergleicht man die Imitationen, so gibt nicht zuletzt die Gestaltung der Augenbrauenpartie zu erkennen, dass es Cava- Abb. 5 Silen, Nostell Priory (nach ceppi geglückt ist, dem Vorbild noch näher Cavaceppi) zu kommen als der Bildhauer des Kopfes der Grimani-Statue. – In der Geschichte der pseudoantiken Skulptur markiert 60 Cavaceppi 1768, Taf. 16. – C. Vermeule, AJA 63, 1959, 340 und H. von Hesberg (Die antiken Skulpturen in Newby Hall ... [2007] 130f. Kat. No 4) haben den Kopf für antik gehalten; vgl. dagegen S. Kansteiner, Gnomon 83, 2011, 166. – Zum Export des Stückes vgl. S. Howard, Bartolomeo Cavaceppi (1982) 50. 61 Vatikanische Museen, Inv. 1441; vgl. Andreae 1995, Taf. 660f. – Anders sind die Bartreste dagegen bei der Torsoreplik in Florenz, Museo Bardini Inv. 69 (dort ist auch das Fell anders dapiert, das Teile der Beine bedeckt). – Die Torsoreplik im Braccio Nuovo (Nr. 28) ist so schlecht publiziert, dass ein Urteil unmöglich ist (laut Amelung von Albacini mit nicht zugehörigem Kopf ergänzt). 62 Vatikanische Museen, Inv. 323. – Da sich die meisten Bartlocken erhalten haben, während die Brust fast zur Gänze verloren ist, gehört der antike Kopf wohl nicht zu diesem Körper; vgl. G. Spinola, Il museo Pio Clementino II (1999) 237f.; I. Bignamini, Digging and Dealing I (2010) 172f. und 138 Nr. 12 mit Abb. (Kopf). – Sehr ähnlich ist ferner der Kopf einer Silensstatue in Padua, der mit einer Kopfhöhe von 29 cm aber zu einer deutlich überlebensgroßen Statue gehört haben muss, deren linker Oberarm überdies herabführte; vgl. F. Ghedini, Sculture greche e romane del Museo civico di Padova (1980) 64–67 Nr. 26.
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die Ergänzung des Silens in Nostell Priory einen Wendepunkt: waren es bis dahin eher unglückliche Umstände, etwa die jahrhundertelange Aufstellung im Freien, die beim Wechsel des Besitzers zu einer falschen Einschätzung des antiken Bestandes einer Statue führen konnten, setzt ab dem mittleren 18. Jahrhundert die gezielte Täuschung des Käufers neue Kräfte beim Imitieren antiker Skulpturen frei. Bis in die Zeit um 1800 werden etliche Imitationen mit einem derartigen Geschick ausgeführt, dass die Erschließung und Beurteilung antiker Skulpturen bis heute davon betroffen ist. Müssen wir es Cavaceppi also verübeln, dass er in seinem Verkaufskatalog nur „Sileno“ anstelle von „Torso antico di Sileno, restaurato da mia mano“ geschrieben hat?
Nachtrag Erst nach Abschluss des Manuskriptes habe ich die Erstveröffentlichung der Antiken des Palazzo Pallavicini-Rospigliosi zu Gesicht bekommen (D. Candilio – M. De Angelis d’Ossat [Hg.], La collezione di antichità Pallavicini Rospigliosi [2014]). Aus der dort auf Taf. 79 publizierten Abbildung der Replik des Apollon Centocelle (Appendix Nr. 18) geht hervor, dass auch der Kopf dieser Replik, der einen Kranz trägt und von Candilio als antik und zugehörig angesehen wird, in Anlehnung an den Kopf der Lansdowne-Statue (Appendix Nr. 6) geschaffen worden sein dürfte. Die Statue im Palazzo PallaviciniRospigliosi ist erstmals in einem Inventar aus dem Jahr 1710 bezeugt; ihr Kopf wird im 17. Jahrhundert entstanden sein.
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Appendix: Replikenliste des Apollon Typus Centocelle63 Statuen 1) Oxford, Ashmolean Museum (ex Cook) – D. 264 2) Rom, Palazzo Massimo, Inv. 75675 (ex Chigi), mit Köcherband – D. 365 3) Sankt Petersburg, Ermitage (ex Campana) – D. 4 4) Side, Museum, als Hermes mit Chlamys umgedeutet66 5) Vatikanische Museen, Inv. 560, aus Centocelle (sog. Adonis von Centocelle) – D. 567 6) Verschollen (ex Lansdowne)68 – D. 1
Torsi 7) Antalya (aus Perge), als Hermes mit Chlamys umgedeutet69 8) Berlin, Antikensammlung, Inv. Sk 511 – D. 670 9) Castle Howard (ex Mattei), mit Chlamys71
63 Die Angabe „D.“ bezieht sich auf die Replikenliste bei Dimas 2013, 46 Anm. 5. – Der statuarische Typus ist im Jahr 1890 von A. Furtwängler konstituiert worden: BWPr 1890, 152. 64 Höhe bis zum Scheitel 1,71 m; Höhe bis zum Gliedansatz 85,5 cm; Körperhöhe 55 cm (bis zum Gliedansatz); Höhe des sicher zugehörigen Kopfes 23 cm (bis zum Scheitel). 65 Höhe bis zum Scheitel 1,715 m; Höhe bis zum Gliedansatz 84,5 cm; Körperhöhe 55 cm (bis zum Gliedansatz). 66 Körperhöhe 54,5 cm (bis zum Gliedansatz). – J. İnan, Roman sculpture in Side (1975) 65–72 Nr. 19 Taf. 29–31; Vierneisel-Schlörb 1979, 279 Anm. 1. 67 Höhe bis zum Scheitel 1,725 m; Höhe bis zum Gliedansatz 87 cm; Körperhöhe 54 cm (bis zum Gliedansatz). 68 Clarac III, 199 Nr. 906C Taf. 476A; Michaelis 1882, 445 Nr. 32; Auktionskatalog Christie, Manson & Woods, London 5.3.1930, 70 Nr. 107 (ohne Abb.); H. Marwitz, AntPl VI (1967) 43 Nr. 2. 69 S. Şahin, Die Inschriften von Perge I (1999) 189 Nr. 164 Taf. 43 (ohne Bestimmung des Typus). 70 Körperhöhe 55 cm (bis zum Gliedansatz). – S. Kansteiner, Arachne Nr. 106134. 71 B. Borg et al., Die antiken Skulpturen in Castle Howard (2005) 56f. Nr. 18 Taf. 19,2–3 (ohne Bestimmung des Typus).
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10) Cleveland, Museum of Art, Inv. 1965.23 (ex Wilton House)72 11) Florenz, Museo archeologico, Inv. 24813573 12) Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek (ex Casali) – D. 8 13) Madrid, Museo Arqueológico (ehemals Sevilla, Casa de Pilatos)74 14) Madrid, Prado, Inv. 1999/6, mit Chlamys75 15) Palermo, Museo Nazionale, Inv. 560876 16) Paris, Louvre Ma 61 (ex Borghese), mit Chlamys77 17) Rom, Museo Barracco, als Dionysos mit langen Locken umgedeutet78 18) Rom, Palazzo Pallavicini-Rospigliosi;79 vgl. den Nachtrag S. 38 19) Rom, Museo Torlonia Nr. 71 20) Rom, Museo Torlonia Nr. 126 (ex Giustiniani) – D. 10, s. o. Anm. 7 21) Verschollen (ex Giustiniani); nur der Unterleib antik80 22) Verschollen (ex Lancellotti)81 72 Derestauriert; erhaltene Höhe 1,03 m. – Ars Antiqua (Luzern). Auktion IV (7.12.1962) 14f. Nr. 53 Taf. 18f. („aus Wilton House“; bei Michaelis 1882 nicht verzeichnet); Vierneisel-Schlörb 1979, 279 Anm. 1. 73 Körperhöhe 54,5 cm (bis zum Gliedansatz). – A. Romualdi (Hg.), I marmi antichi conservati nella Villa Corsini a Castello I (2004) 50f. Nr. 12. 74 Höhe bis zum Gliedansatz ca. 86,5 cm (Genital von einem Blatt verdeckt); Körperhöhe ca. 55 cm (bis zum Gliedansatz). – M. Trunk, Die ‚Casa de Pilatos‘ in Sevilla (2002) 282f. Kat. 81 („Apollon Typus Mantua“). 75 Höhe bis zum Gliedansatz 85 cm; Körperhöhe 56 cm (bis zum Gliedansatz). – Christie’s London 6.6.1967 Nr. 183; Sotheby’s New York 17.12.1992 Nr. 95; S. Schröder in: La Donación de Claudio Bravo. Madrid, Museo Nacional del Prado (2000) 26f. Nr. 4 mit Abb. („Variante del Apolo del Tíber“). 76 EA 550, mit Text von P. Arndt („Torso altertümlichen Stiles“) und mit Nachtrag von P. Herrmann in Serie IV auf p. 65 (1899). 77 Höhe bis zum Gliedansatz 87 cm; Körperhöhe 54,5 cm (bis zum Gliedansatz). – Kalveram 1995, 172 Nr. 6 (ohne typologische Bestimmung); Winckelmann 1756, 246. 78 Körperhöhe 54 cm (bis zum Gliedansatz). – H. v. Steuben in: Helbig4 II Nr. 1934 („nach einem Vorbild der frühen Klassik“); Zanker 1974, 62 Nr. 8 („Apollontypus Citarista“); E. Borgia et al., Museo Barracco (2008) 55f. mit Abb. („avanzato stile severo“). 79 Körperhöhe 54/55 cm (bis zum Gliedansatz, der von einem Blatt verdeckt ist). – F. Matz – F. von Duhn, Antike Bildwerke in Rom I (1881) Nr. 994 (mit der unrichtigen Angabe „Über Lebensgöße“). 80 Einst zu einer 1,80 m hohen Statue des Dionysos vervollständigt. – Clarac IV, 198 Nr. 1595C Taf. 678D; B. Andreae (Hg.), Index der antiken Kunst und Architektur (1991) Fiche 2505 Abb. A 14. 81 Inst.-Neg. Rom 70.3757; bei M. Barbanera (Hg.), Collezione di Antichità di Palazzo Lancellotti
Teil-Imitationen antiker Statuen: Apollon Typus Centocelle und Silen Orsini
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Köpfe 23) Ephesos, Museum82 24) Mantua, Palazzo Ducale83 25) München, Glyptothek, Inv. Gl. 287A (ex Braschi) – D. 14 26) Neapel, Museo archeologico, Inv. 6254 (ex Farnese)84 27) Rom, Museo Barracco, als Hermes mit Hut umgedeutet85 28) Tours (ex Richelieu)86 29) Tunis, Bardo, auf einem Körper, der nicht dem Typus entspricht87 30) Verschollen (ex Kevorkian), als Hermes mit Hut umgedeutet88 31) Verschollen; ehemals in Magdeburg – D. 1389
Verkleinerte Wiederholung 32) Ephesos, Museum90 ai Coronari (2008) nicht verzeichnet. 82 M. Aurenhammer, Forschungen in Ephesos X 1 (1990) Kat. 14. 83 Kopfhöhe 24 cm (Kinn bis Scheitel). – A. Levi, Sculture greche e romane del Palazzo Ducale di Mantova (1931) Kat. 30 ohne Abb. („testa efebica“). 84 Auf den Torso eines Sitzenden montiert; Kopfhöhe 22,5 cm (Kinn bis Scheitel). – Farnese 2009a, 99 zu Kat. 42 Taf. 40 (S. Pafumi). 85 E. Borgia et al., Museo Barracco (2008) 152f. mit Abb. („Paride di Euphranor“). 86 Musée des Beaux-Arts, Inv. 1795-1-19. – M. Montembault – J. Schloder, L’album Canini du Louvre et la collection d’antiques de Richelieu (1988) 190f. Nr. 39 Abb. 133; J.-L. Martinez in: Richelieu à Richelieu, Ausst.-Kat. Orléans und Richelieu 2011, 366 Kat. 158 mit Abb. (mit unzutreffender Bestimmung als Narkissos). 87 Zanker 1974, 105 Nr. 10 Taf. 78,2. 88 Mit veränderter Drehung (nach rechts). – Sotheby’s New York 4.6.1998 Nr. 122. – Ein weiterer Kopf mit Petasos (Sotheby’s London 12./13.12.1983 Nr. 343; Christie’s London-South Kensington 7.12.2001 Nr. 359) ist dagegen nicht mit dem Apollon Typus Centocelle zu verbinden, da das rechte Ohr nicht vom Haupthaar bedeckt ist und die Frisur im Bereich der rechten Schläfe vom Typus abweicht. 89 Der Kopf befand sich als Leihgabe der Familie Farenholtz im Kunsthistorischen Museum. – Christie’s London 10.7.1991 Nr. 212 (zurückgezogen) und 9.12.1992 Nr. 115. 90 Ursprüngliche Höhe etwa 1,20 m. – M. Aurenhammer, Forschungen in Ephesos X 1 (1990) Kat. 119.
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Neuzeitliches 33) Kopf in Fiesole, Museo archeologico (mit Kranz), s. o. Anm. 1 34) Kopf in Fiesole, Museo archeologico (ohne Kranz) – D. 12, s. o. Anm. 20 35) Kopf in Hever Castle Gardens, s. o. Anm. 26 36) Kopf in Rom, Palazzo Doria (1), s. o. Anm. 18 37) Kopf in Rom, Palazzo Doria (2), s. o. Anm. 18 38) Kopf ehemals Sammlung Bünemann – D. 15, s. o. Anm. 22 39) Kopf ehemals Detroit, Institute of Arts, Inv. 36.26 – D. 1191 40) Kopf ehemals Sammlung Peyrefitte, s. o. Anm. 23 41) Kopf ehemals Sammlung Warren92 42) Torso in Minneapolis – D. 9, s. o. Anm. 29 43) Torso in Privatbesitz (ex Zumsteg), s. o. Anm. 30 Ein Torso im Nationalmuseum in Oslo (ex Ustinow; D. 7) wird seit 1969 als Replik des Apollon Typus Centocelle angesehen.93 Seine Höhe beträgt jedoch nur 84 cm,94 woraus auf eine Gesamthöhe von ca. 1,40 m geschlossen werden kann. Wegen der Größe liegt es nahe, den Torso zu einem statuarischen Typus zu zählen, der bereits im mittleren 5. Jh. v. Chr. geschaffen worden ist,95 dem sog. Epheben Albani-Kopenhagen.96 Gegen diese Verbindung spricht aber das Fehlen der Pubes, die für diesen Typus – trotz der Knabengröße – charakteristisch ist. 91 J. Inan, AntPl XII (1973) 76 mit Anm. 58; Sotheby’s arcade sale (no. 1656) 22.7.1999 Nr. 201; Art of the Ancient World XII (= Royal-Athena galleries Nr. 76; 2001) 13 Nr. 22 mit Abb. („ca. AD 125–150“). 92 B. Andreae (Hg.), Index der antiken Kunst und Architektur (1991) Fiche 12 G 12 („ehem. Privatbesitz Warren, Ferrares; modern“). 93 Arnold 1969, 279 Nr. 2 Taf. 26c (ohne Berücksichtigung der Größe). 94 Nasjonalmuseet. Antikk skulptur. Katalog (2014) 28f. Kat. 6. – F. Poulsen, La collection Ustinow (1920) 8–15 mit Abb. 7–8 beziffert die Höhe mit 86,5 cm. 95 Dass der Torso auf einem Original des 5. Jhs. v. Chr. fußt, hat schon Poulsen a. O. vermutet. 96 Zum sog. Epheben Albani-Kopenhagen, der sehr wahrscheinlich auf eine Statue des Apollon zurückgeht, vgl. Zanker 1974, 64–66 (mit nicht nachvollziehbarer Datierung des Typus in späthellenistische Zeit). – Vorsters Verbindung eines Torsos in Dresden (Dresden 2011, Kat. 175) mit diesem Typus kann nicht richtig sein, da der Torso zu einer deutlich kleineren Statue (urspr. Höhe ca. 1,25 m) gehört hat.
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Da sich der Torso auch nicht als maßgleiche Replik eines anderen statuarischen Typus bestimmen lässt,97 kann es nicht ausgeschlossen werden, dass er den Apollon Typus Centocelle um rund 20% verkleinert wiedergibt. An die Repliken des Apollon Typus Centocelle anzuschließen sind einige Statuen und Torsi des Dionysos, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine kaiserzeitliche (?) Weiterbildung des Apollon Typus Centocelle als Dionysos zurückführen lassen, die im Standmotiv, in der Körperbildung und in der Größe, nicht aber im Hinblick auf die Frisur und die Kopfwendung mit dem Apollon übereinstimmte: Statue in Jerusalem aus Skythopolis98 Statue in London aus Kyrene, mit Mantel99 Statue in München (sog. Dionysos Bevilacqua), mit Mantel100 Torso in Cagliari, Museo archeologico, Inv. 33391, mit Fell101 Torsofragment in Cherchel, mit der rechten Hand einer Beifigur102 Auf die Weiterbildung des Apollon Typus Centocelle gehen außerdem vielleicht auch, als verkleinerte bzw. als vergrößerte Wiederholung, ein Torso in Sabratha103 und der erst im 3. Jh. n. Chr. gearbeitete, 2,08 m hohe Dionysos in der Galleria dei Candelabri zurück.104 Eine verschollene Statue der Sammlung Ludovisi gehört dagegen wohl nicht mehr hierher. Sie weist nur eine der für Dionysos charakteristischen Locken auf und weicht in der Linksdrehung des 97 Ähnlich ist ein ca. 1,37 m messender statuarischer Typus, den u. a. eine Statue in Berlin (Inv. Sk 198), mit neuzeitlichem Kopf, überliefert; vgl. S. Kansteiner, Arachne Nr. 106257. Bei diesem Typus wies der Kopf zur Spielbeinseite. 98 Körperhöhe 56,5 cm (bis zum Gliedansatz). – S. Wolff, AJA 95, 1991, 526f. Abb. 43; Y. Turnheim, RdA 18, 1994, 105–114 Abb. 1–2; G. Foerster, BCH Suppl. 38 (2000) 135–142 Abb. 1–4; G. Foerster in: Y. Eliav et al. (Hg.), The sculptural environment of the Roman Near East (2008) 84 Abb. 5 (ohne Beurteilung). 99 British Museum Nr. 1476; vgl. Zanker 1974, 105 Nr. 9 Taf. 78,1. – Höhe bis zum Scheitel 1,70 m (ohne Sandale); Höhe bis zum Gliedansatz 81 cm (ohne Sandale); Körperhöhe 56,5 cm (bis zum Gliedansatz). 100 Glyptothek, Inv. Gl. 231; vgl. Fuchs 1992, 86f. Nr. 13. – Höhe bis zum Scheitel 1,705 m (inkl. Sandale); Höhe bis zum Gliedansatz 84,5 cm (inkl. Sandale); Körperhöhe 55 cm (bis zum Gliedansatz). 101 Erhaltene Höhe 1,50 m (ohne Basis). – A. Taramelli, NSc 1905, 44–46 mit Abb.; Inst.-Neg. Rom 66.2026–27; R. Bonifacio, Apollo 11, 1995, 40 mit Abb. 6. 102 C. Landwehr, Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae III (2006) 16f. Nr. 185 Taf. 14. – Die Entfernung vom Gliedansatz bis zum Bauchnabel beträgt Landwehr zufolge 18,4 cm; beim Apollon Chigi sind es 18,5 cm. 103 Erhaltene Höhe 1,17 m (Arachne). – Zanker 1974, 62 Nr. 9 („Umdeutung Apollon Typus Mantua“); H. Manderscheid, Die Skulpturenausstattung der kaiserzeitlichen Thermenanlagen (1981) Kat. 343 Taf. 43 (mit irriger Angabe „überlebensgroß“); Arachne Nr. 18293. 104 Vatikanische Museen, Inv. 2562. – G. Lippold, Die Skulpturen des Vatikanischen Museums III 2 (1956) 254f. Nr. 29 Taf. 118.
Kopfes von der Weiterbildung ab.105 Auch der linke Arm ist weiter abgewinkelt; ohne Autopsie bleibt es außerdem unklar, ob das linke Unterbein (samt Sandalen-Rest) zusammen mit dem besser zu Apollon als zu Dionysos passenden Gewandstück aus einem anderen Marmorblock gearbeitet ist als der Rest.106 Wegen divergierender Angaben zur Größe (Knudsen: 1,49 m vom Knöchel bis zum Halsbruch) ist es nicht möglich, die ursprüngliche Höhe sicher zu erschließen. Sollte Schreiber mit seiner Annahme richtig liegen, dass der Körper gar nicht antik ist?107
105 Ludovisi-Inventar aus dem Jahr 1633: „Apollo grande del naturale ignuda con impugnatura dell’arco in mano, un panno al fianco“ (Palma 1983, 77 Nr. 198); Winckelmann 1756, 116 Z. 11– 13; Furtwängler 1897, Kat. 6 Taf. 6; Palma 1986, 60f. Nr. II 24; Kunstwerke der Antike (Basel), Auktion 22 (13.5.1961) 13f. Nr. 18 Taf. 6; Sotheby’s New York 4.6.2014 Nr. 9 (aus dem Besitz des Toledo Museum of Art; Verkaufspreis 965.000 $). 106 So S. Knudsen in: J. Herrmann Jr. et al. (Hg.), ASMOSIA V, Tagung Boston 1998 (2002) 234f. Nr. 3 mit Abb. 107 T. Schreiber, Die antiken Bildwerke der Villa Ludovisi in Rom (1880) Nr. 229.
‚Pseudomoderne‘ Athleten Federico R ausa
Zwei Athletenstatuen, die 1739 beziehungsweise 1787 verkauft worden sind und bei dieser Gelegenheit Rom verlassen haben, sind in der Forschung aufgrund ihrer ähnlichen Ikonographie, der Marmorqualität und des vermuteten antiken Ursprungs oft in Zusammenhang gebracht worden. Es handelt sich zum einen um den Faustkämpfer aus schwarzgrauem Marmor, heute im Albertinum in Dresden (Taf. 17 a),1 und zum anderen um den sogenannten nubischen Athleten aus schwarzem Marmor (‚nero antico‘), aufbewahrt in der Lady Lever Art Gallery in Port Sunlight (Taf. 17 b).2 Die zuerst genannte Statue wurde dem Kurprinzen von Sachsen, Friedrich Christian (1722–1764), bei seinem Aufenthalt in Rom (1738–1740)3 von Kardinal Alessandro Albani geschenkt.4 Die zweite wurde dank der Vermittlung von Thomas Jenkins vom Wiener Grafen Joseph von Fries (1765–1788) im Jahr 1787 erworben und gelangte nach dessen Tod nach England.5 Das Urteil über beide Skulpturen divergiert. Die lange als antik angesehene Statue aus Dresden 1
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Für wertvolle Hinweise und Anregungen möchte ich Francesco P. Ferreri und Giuseppe Scarpati meinen Dank aussprechen. Für die deutsche Übersetzung des Textes danke ich L. Veneziano Broccia. Dresden, Skulpturensammlung, Inv. Hm. 97 (Höhe 1,56 m). – Becker III, 26–28 Taf. 109; Hettner 1875, 91 Nr. 181; Muthmann 1951, 41. 42. 112–114. 123 Taf. 20.44; L. Guerrini, Marmi antichi nei disegni di Pier Leone Ghezzi (1971) 101f. Nr. 82 Taf. 53,2; J. Raeder, Die statuarische Ausstattung der Villa Hadriana bei Tivoli (1985) 181f. Nr. IV 3; L. Nista, Xenia 13, 1987, 37 Anm. 7 Abb. 5–7; Howard 1993, 238 Anm. 1 Taf. 34a–d; Rausa 1994, 166 Abb. 49; Gregarek, 1999, 273 Kat. N9. Port Sunlight, Lady Lever Art Gallery. – Gesamthöhe 1,776 m (Kopf: 0,235 m; Plinthe: 0,109 m). – Schneider 1986, 176f. 216 Kat. BK 15 Taf. 44,1–2 (Kopf); Waywell 1986, 28f. Nr. 23 Taf. 28. 29,2 (mit Lit.); Howard 1993, 252 Taf. 39e; Gregarek 1999, 273 Kat. N8; Rausa 2013, 52 Anm. 53–56. W. Fastenrath Vinattieri, Zeitenblicke 2, 2003, Nr. 3 (http://www.zeitenblicke.de/2003/03/fastenrath.htm – 21/04/2015). Ghezzi, s. unten; Becker III, 28. Guattani 1788, i–iii; J. J. Winckelmann, Opere (ital. Ausg. 1830) II 815 Anm. 69: „Anche questo Eroe è stato ugualmente che la maggior parte degli altri Monumenti dell’Arte antica, che altre volte esistevano nella Villa Negroni, trasportato in Inghilterra“.
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wurde Ende des letzten Jahrhunderts als neuzeitliche antikisierende Arbeit beurteilt,6 während für die Statue in Port Sunlight vorsichtig eine Datierung in das frühe 18. Jahrhundert vorgeschlagen wurde. Mit Hilfe der antiquarischen, in diversen Archiven aufbewahrten Quellen ist es jedoch möglich, Aufschluss über die Authentizität der beiden Werke zu erhalten.
Der Dresdner Faustkämpfer
Abb. 1 Faustkämpfer, Dresden, ohne Ergänzungen (nach Venuti)
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Die seit geraumer Zeit derestaurierte Statue7 ist den Erinnerungen von Pier Leone Ghezzi zufolge in einem „... Weingarten außerhalb der Porta del Popolo“ entdeckt worden (vgl. unten). Keinen Anhalt gibt es hingegen für die von Muthmann geäußerte Vermutung, die Statue stamme aus der Villa Hadriana.8 Sehr wahrscheinlich bildete die Statue zusammen mit einer ebenfalls aus grauschwarzem Marmor gearbeiteten zweiten Skulptur ein Paar. Die zweite Skulptur ist heute aber nicht mehr sicher nachzuweisen; immerhin gibt es einige interessante Vorschläge für ihre Identifizierung.9 Das Aussehen der Dresdner Statue zum Zeitpunkt der Auffindung wurde von Ridolfino Venuti im Jahr 1736 festgehalten, als sich die Statue noch im Besitz des Antiquars Francesco Borioni befand (Abb. 1).10 Der
Gregarek 1999, a. O. (Anm. 1). Die Statue ist nicht in den neuen Bestandskatalog der antiken Skulpturen aufgenommen worden; vgl. Dresden 2011. 7 Die restaurierten Arme und der Kopf mit dem Caestus sind bei Becker III Taf. 109 abgebildet; vgl. auch Howard 1993, Taf. 34a. d. 8 Muthmann 1951, a. O. (Anm. 1). 9 Das Gegenstück ist von Nista a. O. (Anm. 1) 31–38 Abb. 1–4 in einem männlichen Torso kolossalen Formats aus schwarzgrauem Marmor, heute im Thermenmuseum (Inv. 371281), erkannt worden. 10 R. Venuti, Collectanea antiquitatum romanarum (1736) Taf. 22. Das Erscheinungsjahr von Ve-
‚Pseudomoderne‘ Athleten
Kopf und die Arme sind von dem Bildhauer Carlo Napolioni restauriert worden, der auch die AlbaniSkulpturen des Kapitolinischen Museums ergänzt hat, von denen einige gleichfalls aus grauschwarzem Marmor bestehen (Abb. 2).11 Da die Annahme, dass bei einer Ausgrabung am Stadtrand von Rom eine neuzeitliche Statue zutage getreten sei, abwegig ist, wird man erwarten dürfen, dass die Skulptur zur Ausstattung einer antiken Villa an der Via Flaminia gehört hat. Dass in römischen Villen Statuen von Athleten standen, ist durch literarische Quellen wie z. B. Plinius12 und durch archäologische Funde – hier ist an die berühmte Ringergruppe in den Uffizien13 zu erinnern – gut bezeugt.14 Auch ein Grabkontext kann als Aufstellungsort nicht völlig ausgeschlossen werden, wenn man das Fragment einer Athletenstatue von der Via Casilina in Betracht zieht (Taf. 18 a).15
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Abb. 2 Faustkämpfer, Dresden, mit Ergänzungen (nach Becker)
nutis Werk bietet einen terminus ante quem für die Auffindung der Statue; Hettners Datierung der Auffindung in das Jahr 1738 ist nicht richtig. Zwischen 1736 und dem 3. Oktober 1739 (s. Fastenrath Vinattieri a. O. Anm. 3) befand sich die Statue im Besitz des Kardinals Alessandro Albani. s. oben Ghezzi und F. Ficoroni, Gemmae antiquae literatae (1757) 131: „Clemente XII Pontifice Gladiatores duo ex tephria sive ex marmore cinerei coloris cum quibusdam plumbeis massis, quas alterae vocant, cumque chirethecis palmae trunco suspensis (reperti sunt). Quandoquidem simulacra haec diffracta erant, unum dumtaxat refici potuit a Carolo Napoleone, quod Regis Poloniae Principi donatum fecit“. – Zu Napolioni s. F. P. Arata, BCom 99, 1998, 153–232. Plin. nat. 36, 36 (DNO 4028): „In hortis Servilianis reperio laudatos … Dercylidis pyctas“. Florenz, Uffizien, Inv. 216. – Rausa 1994, 159f. mit Abb. 47f. (mit Lit.) und zuletzt C. Gasparri – A. Cecchi, La Villa Médicis IV (2009) 62f. Nr. 50 (mit Lit.). Vgl. R. Neudecker, Die Skulpturenausstattung römischer Villen in Italien (1988) 60–64; Rausa 1994, 162. Rom, Museo Nazionale Romano, Inv. 108394: Muthmann 1951, 114 Anm. 49; A. Manodori in: A. Giuliano (Hg.), Museo Nazionale Romano. Le sculture I 3 (1982) 143f. Nr. VI.9 (2. Jh. n. Chr.).
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Abb. 3–4 P. L. Ghezzi: Zeichnung des Palmstammes des Dresdner Faustkämpfers mit Attributen. Vatikan und Florenz
Das entscheidende Argument für den antiken Ursprung der Dresdner Statue sind die Attribute an der Palmstammstütze, die bereits die Aufmerksamkeit von Ghezzi erregt hatten (Taf. 18 b u. Abb. 3–4), der im Kommentar zur Zeichnung eine detaillierte Beschreibung gibt:16 Frà le tante forze del corpo che si esercitavano nel ginnasio che era un l(u)ogo fatto à posta per questo dagli atleti, che per lo più erano huomini grandi e di forza non ordinaria se ne usava anche una tal sorte che non potea terminare che con la morte, atteso che questi portavano in mano certa sorte di ordegnio chiamato haltere come si vede la sua figura in quelle due cose tonde che legati per lo mezzo pendono appesi à quel tronco di albero di palma; questi halteri erano tenuti in mano dagli atleti, co quali si percotevano l’uno l’altro e come che questi erano di piombo, or considerisi qual percossa facea dove giungeva il colpo, come puol leggersi particolarmente nel memoriale dell’arte ginnastica, il quale in più luoghi ne parla chiaramente portandone anche la figura, mà dà esso non si sapea che si adoprassero quegli alteri cò guanti come ci à insegniato le due statue che pochi anni fa furono scoperti nella via Flaminia in una vignia fuori di porta del Popolo in numero di due che ora si vedono nello studio del S. Napolione restauratore delle cose antiche. E queste sono di un marmo assai particolare, essendo di un colore bigio oscuro. Li guanti poi come si vedono nel marmo, sono fatti nella forma che si costumano oggidì dalli nostri corrieri 16 Guerrini a. O. (Anm. 1).
‚Pseudomoderne‘ Athleten
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per difendersi dalli rigori del freddo, non avendo che il dito pollice solamente staccato, e tutti li altri quattro diti uniti e fatti à modo di borsa e niuno autore che io sappia à parlato mai che questi atleti si servissero de guanti per combattere con gli halterii nelle mani. Questi atleti secondo la statua erano affatto nudi, ed io ò disegniato solamente quella parte che erudisce et insegnia, e sono poco più grandi dell’umana statura e credo che appartenghino al S. Card. Albani grand’amatore, e raccoglitore degli antichi monumenti.
Ghezzi hielt die rundlichen Objekte für Halteres, aufgrund einer Beschreibung in der Publikation De arte gymnastica von Gerolamo Mercuriale (1530– 1606) (Abb. 5).17 Letzterer spricht allerdings nicht davon, dass diese Geräte von Faustkämpfern benutzt worden seien. Er behauptet vielmehr, ohne ihre Form näher zu beschreiben, dass Springer sie als Gewichte benutzt hätten und dass sie als Wurfhanteln und Handgriffe im Training und in der Therapie von Arthritiskranken eingesetzt worden seien.18 Offenbar hat Ghezzi im Attribut der Statue einen zylindrischen Halter erkannt und kein Faustkämpferattribut, wahrscheinlich aufgrund eines Zeugnisses wie dem Sarkophag aus der Villa Carpegna,19 der eine Palästraszene zeigt und den Giovan Battista Doni 1731 in 17 De arte gymnastica II 126F–127: „… Et ut possit certior formae huiusce exercitationis notitia haberi, adponendas curavimus halteristarum imagines, quas ex gemmis antiquis sculptis acceptas ad nos misit Pyrrhus Ligorius“; vgl. auch II 120 (Springer mit Halteres und Bleitafeln). Mercuriale (Mercurialis), Arzt und Professor für Medizin an den Universitäten Padua und Bologna, beschäftigte sich auch mit dem Antikenstudium; zu dem Gelehrten und seinem Werk s. F. Wendt, Die Idee der Leibeserziehung in der italienischen Renaissance: ein kritischer Beitrag zum Verständnis des Werkes „De Arte Gymnastica“ von Hieronymus Mercurialis (1530–1606) (1940) und zuletzt A. Arcangeli – V. Nutton (Hg.), Girolamo Mercuriale, Tagung Forlì 2006 (2008) und Dizionario Biografico degli Italiani 73 (2009) s. v. ‚Girolamo Mercuriale‘ (G. Ongaro). Die erste Ausgabe des Werkes erschien 1569 ohne Bilder in Venedig; die Ausgabe von 1573 war mit Stichen illustriert, die nach den Zeichnungen von Pirro Ligorio ausgeführt wurden (s. jetzt G. Vagenheim in: Arcangeli/Nutton a. O., 175–189). 18 De arte gymnastica II 117–121 (Stich auf der S. 120). 126F–127 (Stich). Eine Verwendung von Halteres als Caesti bei römischen Faustkämpfern hatte B. Schröder vermutet (Der Sport im Altertum [1927] 46f.), was Jüthner 1928 abgelehnt hat. In den Stichen von Mercuriales Werk sind die zylindrischen Halteres sichtbar, die spätere Form dieses Gerätes (s. J. Jüthner Über die antiken Thurngeräte [1896] 10–12; ders. in: RE VII 2 [1912] Sp. 2284f.; Jüthner 1928; Gardiner 1930, 146 Abb. 100f: Sprunggewicht aus Kamiros). Nach Jüthner (a. O., Sp. 2284) sprechen antike Quellen, in denen Begriffe wie „chermadia“, „cheiropletheis“ und „manipula“ auftauchen, dafür, dass diese Gewichte der Kräftigung der Armmuskulatur dienten. Vgl. die Darstellungen auf Mosaiken römischer Zeit: Gardiner 1930, 108 Abb. 70; M. Blake, MemAmAc 13, 1936, 164 Abb. 38 (Tusculum); Blake a. O., 146; Z. Newby, BSR 70, 2002, 190 Abb. 5 (Thermen von Porta Marina bei Ostia); Newby a. O., 194f. (sog. Thermen von Musiciolus bei Ostia); De Luca/Lena 2014, 16 Abb. 13. 20–22 Abb. 17 (Magdala in Israel); M. Khanoussi, CRAI 132, 1988, 547 Abb. 4 (Gafsa in Tunesien). 19 F. Matz – F. von Duhn, Antike Bildwerke in Rom II (1881) Nr. 2208; Jüthner 1928, 16f. Taf. 3; M. Poliakoff, Combat Sports in the Ancient World (1987) 76 Abb. 76. Das Gerät hat keine Ähnlichkeit mit dem zylindrischen Halter (s. Jüthner a. O.); zu diesen Kampfwerkzeugen s. Poliakoff a. O., 75f. Abb. 77 („dumbbell-shaped gloves“); E. Zimmermann, AVes 54, 2003, 225–241 (Zeug-
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den Inscriptiones Antiquae publiziert hat.20 Die Bedeutung der zylindrischen Objekte ist nicht endgültig geklärt; sie sind mehrfach an Stützen von Athletenstatuen bezeugt, etwa beim Diskobol in Side,21 bei der Athletenstatue Typus Amelung aus der Villa Hadriana22 und bei der Statue des Ölgießers in Petworth House.23 Außerdem gibt es sie als Attribut eines statuarischen Typus, der auf eine Kinderstatue späthellenistischer Zeit zurückgeht,24 und auf dem Grabrelief des Athleten Nympheros von Sardis.25 Auch dort dürfte es sich um ein Paar zylindrischer Halteres handeln, die von einem Band zusammengehalten werden und an den Wettkampf sowie an das Training im Gymnasium erinnern sollen. Das zweite Attribut ist noch interessanter. Abb. 5 G. Mercuriale, De arte Es handelt sich um zwei Fäustlinge, bei denen gymnastica (Ausg. 1601): Springer der Daumenbereich abgesetzt ist, ein Detail, mit Halteres und Bleitafeln das auch Ghezzi aufgefallen war, der hier Winterhandschuhe, die Schutz vor Kälte bieten sollen, erkannte (s. oben). Ridolfino Venuti benutzt ebenso wie der Antiquar Francesco Ficoroni den Begriff „Chirothekai“, mit dem die Griechen Handschuhe bezeichneten.26 Zur Zeit der Entdeckung der Statue waren keine weiteren antiken Darstellungen solcher Objekte bekannt. Unter den später entdeckten
20 21 22 23 24 25 26
nisse aus der Situlenkunst); A. Di Castro, East & West 57, 2007, 367–376 (Zeugnisse aus dem sog. Gandhara-Stil). G. B. Doni, Inscriptiones Antiquae (1731) Abbildung p. IX (= Jüthner 1928, Abb. p. 14). Side, Archäologisches Museum, Inv. 92. – Rausa 1994, 98–100 (zum Typus). 171 Nr. 1 (mit Lit.); Z. Newby, Greek Athletics in the Roman World: Victory and Virtue (2005) 265 Abb. 8.19; De Luca/Lena 2014, 21 Anm. 168. Villa Adriana, Antiquarium, Inv. 1060. – Raeder a. O. (Anm. 1) 81f. Kat. I 71; Rausa 1994, 178 Nr. 6; F. Slavazzi in: A. Reggiani (Hg.), Villa Adriana, Tagung Rom 2000 (2002) 56 Abb. 10; Newby a. O. (Anm. 21) 114 Abb. 4.13. Petworth, Slg. Wyndham, Inv. 9 (1. Jh. v. Chr.). – Muthmann 1951, 41; J. Raeder, Die antiken Skulpturen in Petworth House (2000) 90–92 Nr. 23 (mit Lit.). A. Herrmann, BullClevelandMusArt 80, 1993, 298–323 mit Abb.; M. Söldner in: C. Ișik (Hg.), Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens und des ägäischen Bereiches, Festschrift B. Öğün (2000) 291–311 mit Abb. – Vgl. auch Jüthner 1928, 17 Taf. 4 (Torso in Privatbesitz). E. Pfuhl – H. Möbius, Die ostgriechischen Grabreliefs (1977) I 83 Nr. 124 Taf. 29; De Luca/Lena 2014, 21 Anm. 166. Venuti a. O. (Anm. 10), Text zu Taf. 19: „In trunco vero appensi sunt Halteres et Chirothecae“; vgl. auch Ficoroni 1757, a. O. (Anm. 11).
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Zeugnissen sind insbesondere die folgenden Darstellungen erwähnenswert: die Statue des Kleoneikos, bekannt als Jüngling von Eretria (Taf. 19),27 das Grabrelief des Faustkämpfers Eudokimos aus Smyrna (Taf. 20 a)28 und das Fragment einer Grabstatue, vermutlich eines Athleten, aus Tor Spaccata an der Via Casilina stammend (Taf. 18 a).29 In allen Fällen erscheint mit leichten Abwandlungen das gleiche Attribut, große schützende Trainingshandschuhe, wahrscheinlich die in antiken Texten erwähnten „Episphairai“.30 Zweifel am antiken Ursprung der Dresdner Statue sind, vor allem wegen der Handschuhe, im frühen 19. Jahrhundert von Becker geäußert worden; keinen Zweifel am antiken Ursprung hatte Hettner, auch wenn er die Ergänzung mit Schlagriemen für unbegründet hielt.31 Aufgrund der hier dargelegten Betrachtungen sowie aufgrund der Angaben zum Ort der Auffindung (s. o.) steht es außer Frage, dass die Dresdner Statue antiken Ursprungs und zu den römischen Buntmarmorskulpturen aus dem 2. Jh. n. Chr. zu zählen ist. Wie schon Muthmann erkannt hat, sprechen das Aussehen von Stütze und Plinthe für eine Datierung der Skulptur in hadrianische Zeit; man wird in ihr das Werk einer kleinasiatischen, wohl in Aphrodisias anzusiedelnden Werkstatt erkennen dürfen.32
Der Nubier in Port Sunlight Im Gegensatz zum Dresdner Faustkämpfer haben die Archäologen die Statue des Nubiers schon früh als nicht authentisch angesehen, mit Ausnahme von Fritz Muthmann, der irrtümlicherweise davon ausging, dass die Statue in der Villa Hadriana gefunden worden sei, und sie daher in hadrianische Zeit datierte.33 Zweifel am antiken Ursprung der Skulptur kamen wegen der glatten Marmoroberfläche auf und wegen des Kopfes (Taf. 20 b u. 21 a–21 b), der aus dem gleichen Marmor wie der Körper gearbeitet, an einigen Stellen ergänzt und dem Körper wiederaufgesetzt worden ist. Aufgrund der Gesichtszüge 27 Athen, Nationalmuseum, Inv. 244. – Arnold 1969, 275 Nr. 3; C. Maderna-Lauter in: Polyklet, Ausst.-Kat. Frankfurt 1990, 316 Anm. 78 mit Abb. 192f.; S. Lehmann, AntK 44, 2001, 18–22 Taf. 9–13. 28 Izmir, Museum. – Lehmann a. O., 20 mit Taf. 13,3. 29 s. o. Anm. 15. 30 Vgl. Plut., mor. 825e. 31 Hettner 1875, 91: „Für die gewaltigen Schlagriemen in der Ergänzung war kein Anlass“. Zur Ergänzung s. unten. 32 Muthmann 1951, 112. 123. 33 Muthmann 1951, 112. 123. Muthmann bezeichnet die Statue irrtümlicherweise als „Faustkämpfer aus grauem Marmor, ehemals Guattani“.
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und der Ausführung der Haare hat Geoffrey Waywell eine Entstehung im 18. Jahrhundert vermutet und lediglich die Statuenstütze in Form einer Heraklesherme als antik angesehen.34 Ähnlicher Ansicht war etwas später auch Howard, der die Statue für eine Schöpfung des späten 18. Jahrhunderts hielt, die auf unterschiedliche antike Vorbilder Bezug nehme.35 Auch Heike Gregarek datierte die Statue in das 18. Jahrhundert, stützte sich dabei allerdings auf die irrige Annahme, dass die Skulptur zusammen mit dem Dresdner Faustkämpfer entdeckt worden sei.36 Im Jahr 1788 hat Antonio Guattani unter den antiken Monumenten der Villa Negroni auch die „Statue eines Athleten …“ (Abb. 6) erwähnt. Der Aufbewahrungsort der Statue war damals die große Villa bei Termini, die von Domenico Fontana für Papst Sixtus V. geplant worden war. Sie war in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts von Kardinal Alessandro Peretti Montalto (1577–1631) mit Abb. 6 Guattani 1788, Taf. 1: Statue neuzeitlichen Kunstwerken und einer durchaus des Nubiers großen Sammlung antiker Marmorskulpturen ausgestattet worden. Die Villa gehörte später den Savellis, dann dem Kardinal Gian Francesco Negroni, anschließend dem Geschäftsmann Giuseppe Staderini und zuletzt der Familie Massimo.37 Zum besseren Verständnis der Skulptur und der späteren Ereignisse, die ihr widerfahren sind, ist eine Lektüre des Textes von Guattani erforderlich: Nell’incominciare il quinto volume di queste notizie ci sembra dover esser contenti di poter esibire al Ceto antiquario il qui espresso simulacro di un Atleta, figura nuda, al naturale, in marmo nero, a’ cui piedi vedesi un erme barbato,
34 Waywell 1986, 28: „the harsh and dull carving of the facial features and the locks of hair does not look ancient, and the contrast between the fully preserved head and the severely shattered body and limbs also arouses suspicion“. 35 Howard 1993, 252: „the skillful handling of the coloured marble, high finish, and soft barocchetto modelling …“. 36 Gregarek 1999, 273 Kat. N8 gibt im Anschluss an Schneider 1986, 216 an, dass die Statue um 1730/40 „in der Nähe der Via Flaminia in einem Weinberg vor der Porta del Popolo zus. mit Kat. N9 (Faustkämpfer Dresden)“ gefunden worden sei. 37 Zu der Villa und ihren Kunstsammlungen s. zuletzt Rausa 2013, 52 Anm. 1–2 (mit Lit.).
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ed avvolto in pelle di leone. Fu già questa Statua fra gli antichi monumenti nella Villa Negroni, sintantochè passata in potere del Sig. Jenkis [sic], fu di poi acquistata, e fatta trasportare a Vienna dal Sig. Conte di Fries, cavaliere di sommo ingegno, il quale (rara cosa) non si è veduto aspettare la maturità degli anni per gustare le arti, e per impiegarvi i suoi tesori. Considerando la mossa, e la perfetta nudità della figura, ciascuno vorrà in essa riconoscere l’imagine d’un qualche celebre atleta dell’antichità. Che anzi vedendosegli in mano i cesti (che non a caso moderna mano gli pose) potrà reputarsi un famoso cestiario celebrato o in Grecia, o in Roma, degno di memoria qual’altro Entello, Darete, Polluce, Amico, etc. Ma vi è più da osservare nel nostro Atleta. Egli ha i delineamenti, ed i capelli da moro, ed il marmo in cui trovasi scolpito, è nero anch’esso. Sappiamo da Erodoto che i Mori erano bravissimi nel saettare, siccome altrove abbiamo osservato, e che perciò riuscivano molto nella Ginnastica, o sia ne’ cinque giuochi detti da’ Latini Quinquerzio, da’ Greci Pentatlon πεντατλον [sic]. […] Venendo ai cesti non dobbiamo omettere che essi non sono stati posti ad arbitrio, ma che suggeriti ne vennero dall’attitudine stessa della figura, come altresì dalla statua di un cestiario pressocchè simile, esistente nel Palazzo Gentili. Che se mai, mancante essendo di ambedue le mani, sembrasse ad alcuno che avrebbe potuto ristaurarsi anche per un Lottatore, o un Pancraziaste, sarà sempre però certa e sicura in lui la rappresentanza di un Atleta anzichè d’un gladiatore, come avvien che opinassero i primi restauratori della figura, che data gli avevano lo scudo ed il gladio. Fa duopo che non si avvedessero di quell’Ercole in Erme, che gli si scorge al lato, o che per altro soggetto lo interpretassero. […] Or se non dei gladiatorj ma soltanto dei gimnici Spettacoli si compiacque l’Eroe Tebano, e vi presiedè, la di lui presenza nel quì riferito Simulacro come l’antico ristauro condanna, così giustifica il nuovo, e rende sempre più unica e preziosa questa Greca scultura.
Die genauen und ausführlichen Informationen von Guattani beruhen offensichtlich auf seiner Kenntnis des Werdegangs der Statue. Sie gehörte zu den Kunstgegenständen, die Staderini 1786 an Thomas Jenkins verkauft hat.38 Guattani zufolge ist die erste Ergänzung als Gladiator, die auch Carlo Fea in dem 1783 publizierten Kommentar zur italienischen Ausgabe von Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums39 als völlig unglaubwürdig beurteilt hatte, seinerzeit verändert worden. Die Entfernung der älteren Restaurierungen 38 Massimo 1836, 220. Staderini und Jenkins gründeten eine Art von joint venture, um durch den Verkauf von Antiken der Sammlung Peretti-Montalto hohe Gewinne zu erzielen. Die Villa wurde ein show-room für Jenkins’ Verkaufsaktionen auf dem römischen Markt, s. J. Hess, Kunstgeschichtliche Studien zu Renaissance und Barock (1967) 310. Zu Jenkins’ Tätigkeit in Rom s. vor allem T. Ashby, BSR 6, 1913, 487–511; G. Vaughan in: D. Boschung – H. von Hesberg (Hg.), Antikensammlungen des europäischen Adels im 18. Jahrhundert als Ausdruck einer europäischen Identität (2000) 20–30; P. Liverani, ebenda, 69 Anm. 27 und zuletzt I. Bignamini – C. Hornsby (Hg.), Digging and Dealing in Eighteenth-Century Rome (2010) 208–221. 39 J. J. Winckelmann, Storia delle arti del disegno presso gli Antichi (1783), hrsg. von C. Fea, II 15 (zitiert bei Massimo 1836, 163 Anm. 1).
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Abb. 7–8 V. Dolcibene zugeschrieben: Statue des Nubiers (um 1786–87), London, British Museum
fällt, wie zwei sorgfältige, Vincenzo Dolcibene (1746–1820) zugeschriebene Zeichnungen bezeugen (Abb. 7–8), in das Jahr 1786/87.40 Auftraggeber der neuen Restaurierung muss Jenkins selbst gewesen sein; unklar ist, wer sie ausgeführt hat. Im Anschluss an Napolionis Restaurierung des Dresdner Faustkämpfers (s. o.) sind auch andere antike Skulpturen in Faustkämpfer transformiert worden, was einer seinerzeit in Nordeuropa und vor allem in Großbritannien verbreiteten Vorliebe entgegen kam.41 Protagonisten dieser Ergänzungen waren in 40 London, British Museum, Dep. of Prints and Drawings, Inv. 2010.5006.1811–1812. – Ashby a. O. (Anm. 38) 500 Nr. 3; Howard 1993, 252 Anm. 62. Die Statue war am 20. Januar 1787 bereits ergänzt, wie einem Brief von Thomas Jenkins an Charles Townley zu entnehmen ist: „Antiquities from the Villa Negroni ... A Pancratiastes in Paragone Marble ... (£) 300“ (London, British Museum Archives TY 7/450). 41 Howard 1993, 246–248. 255f.
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den 70er und 80er Jahren des 18. Jahrhunderts die Bildhauer Vincenzo Pacetti (1746–1820),42 der Restaurator der zwei Faustkämpferstatuen ehemals Gentili43 und des Caestiarius der Sammlung Borghese (sog. Pollux),44 und Bartolomeo Cavaceppi (1716–1799), der Restaurator des Caestiarius Lansdowne (Abb. 9) und des Caestiarius in Kassel.45 Wegen seiner Ausbildung in der für die Restaurierung von Buntmarmorstatuen bekannten Werkstatt Napolionis46 dürfte Cavaceppi der wahrscheinlichste Kandidat für die Restaurierung des Nubiers sein.47 Dass der Nubier zunächst als Gladiator mit Gladius und Schild ergänzt war, bestätigt auch ein in der Zeitschrift Chracas, Diario Ordinario di Roma, erschie42 Zu Pacetti s. zuletzt N. Ramage in: E. Gazda (Hg.), The Ancient Art of Emulation (2002) 68–71 (mit Lit.) und Giornali 2011, passim (mit Lit.). 43 a) Rom, Banca Nazionale del Lavoro: C. Fea, Miscellanea filologica, critica e antiquaria (1790) I 145 Anm. e; Giornali 2011, 6 (f. 4v: „Adi 10. [1776] la Signora Marchesa Gentili … a [sic] condoto seco 4 Signori e mi ha fatto molte lodi e mi a dato ordine di ristaurare il torso del Atleta.“ und f. 5v: „ [1779] O comprato la testa per la statua della Signora Marchesa Gentili quale o pagato scudi 10.“). – Was das Entdeckungsjahr beider Statuen betrifft, ist die Angabe bei Fea (1737) wohl falsch; in einem Bericht von Ficoroni ist von 1739 die Rede; s. F. Ficoroni in: A. Calogierà (Hg.), Raccolta d’opuscoli scientifici e filologici 22, 1740, 493–506. b) Paris, Louvre, Inv. Ma 68: Giornali 2011, 9 (f. 8v: „[1779] la Signora Marchesa Gentili mi cede il torzo antico del Atleta“). 14 (f. 14v: [1781] „Sono stato dal Signor Principe Borghese per proporgli un torzo antico di Atleta per ridurlo ad una statua per accompagnare la statua di Atleta in atto di ungersi che gli vendei le quali vol situarle tutte due nella stanza del Gladiatore con il Discobulo e Cestiario …“). Zu den beiden Statuen im statuarischen Typus des Athleten Typus Salone 12 s. Arnold 1969, 266 Nr. F.II.2–3 Taf. 16c; Howard 1993, 241 Anm. 10 Taf. 34e. 36b; Rausa 1994, 196 Nr. 2–3; S. Kansteiner in V. Strocka (Hg.), Meisterwerke, Koll. Freiburg 2003 (2005) 69 Abb. 9. 44 Paris, Louvre, Inv. Ma 889. – Giornali 2011, 12 (f. 12: „Venerdi Santo [1781] o terminato il ristauro della statua del Cestiario quale è a mezzo con il Signor Asprucci ...“; f. 12v: „Il Signor Abate Visconti è venuto per ordine del Papa a vedere la statua del Cestiario quale gli à fatto specie, e mi disse che qualora fosse servito per il Signor Principe Borghese lo cedeva, ma in altro caso non voleva che andasse via da Roma, …“); 14 (f. 14: „[1781] Ho proposto al Signor Principe Borghese la statua del Cestiario ...“); 82 (f. 88: „[1788] Hò pagato la testa del Cestiario al Cav. Cavaceppi per sc. 28, e son contento“); 89 (f. 93v: „Adi 23 [Januar 1789]. Hò fatto trasportare la statua del Cestiario in Villa Pinciana ...“). Vgl. auch Giornali 2011, 9 (f. 8v). 11 (f. 11v). 13 (f. 13). 82 (f. 87v). 84 (f. 89v). 171 (f. 167). Zur Statue s. U. Knigge, Bewegte Figuren der Großplastik im Strengen Stil (1965) 65 K26 (mit Lit.) und zuletzt S. Kansteiner in: J. Burnett Grossman et al. (Hg.), History of Restoration of Ancient Stone Sculptures, Symposion Los Angeles 2001 (2003) 51 Anm. 21 („… Pollux, der vielleicht auch von Cavaceppi ergänzt worden ist“) Abb. 6 (mit Lit.). 45 Howard 1993, 249f. Anm. 50. 54 Taf. 39b–c (mit Lit.); Rausa 1994, 135 (zum Typus). 206 Nr. 20.1 (mit Lit.); S. Kansteiner a. O. (Anm. 44) 45–60. – Zu Cavaceppi und seiner Tätigkeit s. S. Howard, Bartolomeo Cavaceppi (1982) und jetzt S. Mayer – C. Piva, L’arte di ben restaurare: la „Raccolta d’antiche statue“ (1768–1772) (2011) (mit Lit.). 46 Arata a. O. (Anm. 11) 158. 47 Vgl. Howard 1993, 252 Anm. 64 (mit Erwähnung von Cavaceppis Belegen für Ankäufe aus der Villa Negroni). Vgl. auch Pacettis Notizen über seine Beziehung zum Graf von Fries, dem Käufer der Statue: Giornali 2011, 74 (f. 80v): „A di 4 [April 1787] il Conte di Fries è venuto a vedere le mie cose“.
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nener Artikel, in dem im Rahmen einer kurzen Beschreibung der Villa Negroni und der wichtigsten dort aufbewahrten Skulpturen von einem „Gladiatore di marmo nero“ die Rede ist.48 Erwähnung findet die Statue außerdem auch im Trattato von Giovan Pietro Pinaroli (1725)49 und in einem an Kardinal Negroni adressierten Erwerbungsvorschlag, der wohl aus den Jahren zwischen 1696 und 1712 stammt.50 Auf der Grundlage von Archivalien der Sammlung Peretti-Montalto können wir die Ereignisse rund um die Statue noch weiter zurückverfolgen. Einem zwischen 1623 und 1631 angelegten Sammlungsinventar zufolge befand sich die Skulptur damals in der Sala Grande des ‚Piano Nobile‘ des sogenannten Palazzo di Termini, dem Hauptgebäude der Villa: „In capo della sala sopra un Piedest(all)o di legno dorato. Una Statua d’un gladiatore con un termine tra le gambe tutto di marmo negro. Abb. 9 Cavaceppi, Raccolta (1768): n(atur)ale“.51 In der Sala Grande hatte sie eine Statue eines Apoxyomenos, als Caesprominente Position inne: zwischen den Statuen tiarius restauriert des sog. Germanicus und des sog. Cincinnatus, die sich heute beide im Louvre befinden.52 Dank einer Reihe von Zahlungsanweisungen, die im Cardelli-Archiv des Archivio Storico Capitolino in Rom aufbewahrt werden, ist es gesichert, dass die Statue im Jahr 1615 in die Sammlung gelangt ist. Sie ist am 10. April 1615 für 80 Scudi bei Vincenzo Manetta erworben worden: A dì detto s(cudi) 80. m(one)ta a Vincenzo Manetta, quali sono per il prezzo d’un Torzo di Marmo nero d’una statua con sua testa compra da lui per servitio del n(ost)ro Giardino a Santa Maria Magg(io)re. S(cudi) 80. A(lexander) C(ardinalis) M(ontaltus).53
48 Massimo 1836, 220 Anm. 1. 49 G. Pinaroli, Trattato delle cose più memorabili di Roma (1725) II 378. 50 Massimo 1836, 163 Anm. 1: „faceva tanto conto di questo pezzo di Scultura, chiamato in detto manoscritto un Gladiatore di pietra di paragone di statura gigantesca (!), che ne ricusò 6000. scudi da certi Inglesi i quali lo volevano comprare“. 51 M. Barberini in: E. Debenedetti (Hg.), Collezionismo e ideologia. Mecenati, artisti e teorici dal classico al neoclassico (1991) 15–55, bes. 23 (Inventar f. 8). 52 Rausa 2013, 52f. (mit Lit.). 53 Rausa 2013, 62 Nr. 23.
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Die wichtigste Information in dieser Archivalie ist die Angabe „con sua testa“: der Kopf der fragmentarisch erhaltenen Statue ist also zugehörig. Der für die Ergänzung benötigte Marmor, eine antike schwarze, etwas hellere Qualität, wurde Ende 1615 gekauft;54 die im Jahr 1616 vom Bildhauer Alessandro Rondoni (1560–1634) durchgeführte Restaurierung als Gladiator zog sich über ein ganzes Jahr hin.55 Die bis hier gemachten Ausführungen erlauben es auszuschließen, dass die Statue ein Werk des 18. Jahrhunderts ist, was fast alle Forscher bislang behauptet haben. Die von Guattani erwähnte Restaurierung betraf offenbar nur die Attribute der Statue. Die Dokumente aus dem 17. Jahrhundert enthalten außerdem Angaben, die für den antiken Ursprung der Statue sprechen; Hinweise darauf, dass ein Kopf als Ergänzung des Torsos angefertigt worden ist, gibt es dagegen nicht. Es werden vielmehr Elemente erwähnt, die die Seltenheit der Statue hervorheben. Der von Kardinal Montalto bezahlte Preis von 80 Scudi ist in der Tat sehr hoch, wenn man ihn mit anderen Erwerbungen zu jener Zeit vergleicht, wie z. B. der Kolossalstatue der sog. Roma (30 Scudi) oder einer Gruppe von sieben Köpfen und weiteren marmornen Objekten (60 Scudi).56 Für den antiken Ursprung der Statue sprechen außerdem folgende Überlegungen: Als erstes muss man sich fragen, welche Gründe Kardinal Montalto dazu bewogen haben könnten, die Restaurierung einer Statue mit einer seltenen und ungewöhnlichen Ikonographie zu veranlassen. Wollte man hier eine Nachahmung des einige Jahre zuvor von Nicolas Cordier (1567–1612) angefertigten „Mohren“ Borghese (Taf. 22 a)57 erkennen, wäre man gezwungen, zwei im Grunde sehr verschiedene Werke zueinander in Beziehung zu setzen. Die borghesische Skulptur spiegelte nicht nur eine stilistische Vorliebe wider, die im barocken Klima sehr geschätzt war, sie enthielt auch präzise politische und ideologische Bedeutungen, wie unlängst hervorgehoben wurde.58 Der „Gladiatore“ Montalto hingegen erscheint innerhalb der Antikensammlung eher als wertvolles und seltenes Ausstattungselement. Weitere mögliche symbolische Bedeutungen, die aus dem Vergleich der Statue mit den anderen beiden hochwertigen Skulpturen hervorgehen, müssen noch erkundet werden. Sicherlich übte der „Mohr“ von Cordier einen großen Reiz aus, wie die 54 55 56 57
Rausa 2013, 59 Anm. 54. Rausa 2013, 62 Nr. 24–25; zu Rondoni s. jetzt A. Capoferro, ArchCl 60, 2009, 307–352 (mit Lit.). Rausa 2013, 60 Nr. 9. 63 Nr. 15. Paris, Louvre, Inv. MR 303. – S. Pressouyre, Nicolas Cordier. Recherches sur la sculpture à Rome autour de 1600 (1984) II 413–415 Nr. 21 Abb. 190. 194f. 198. 206 (mit Lit.) schließt nicht aus, dass außer dem Torso auch der Kopf antik ist (p. 415); Schneider, 215 Kat. BK 11 Taf. 42,1–2; I. Rossi et al. in: A. Coliva et al., I Borghese e l’Antico, Ausst.-Kat. Rom 2011, 350–352 Nr. 51 (mit Lit.). 58 Giffin 2012.
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Herstellung von Kopien bzw. Nachahmungen schon im 17. Jahrhundert bezeugt (Taf. 22 b u. Taf 23).59 Der französische Bildhauer, der als gewandter und kultivierter Restaurator antiker Marmorstücke bekannt war, versinnbildlichte den afrikanischen Kontinent durch die Benutzung eines antiken Vorbilds, das er kopierte, oder durch die Verwendung eines antiken Kopfes. Im ersten Fall könnte der aus hadrianischer Zeit stammende Kopf eines Afrikaners (Taf. 24 a),60 der vielleicht schon im 17. Jahrhundert bekannt war, als Modell gedient haben. Im zweiten Fall wäre eine Quellenangabe aus dem 17. Jahrhundert heranzuziehen: Bei Fioravante Martinelli wird der Kopf eines „Moretto“ vom Capo di Bove erwähnt, einer Gegend im Umland von Rom, wo die Borghese über Grundbesitz verfügten.61 Vergleicht man die Köpfe des „Mohren“ und des Nubiers mit dem des Grabporträts von Antonio Nigrita (Antonio Manuele Nsaku NeVunda; Taf. 24 b), des Botschafters des Königreichs Kongo am Hof von Paolo V. Borghese – das Porträt wurde 1629 von Francesco Caporale, genannt Soncino,62 ausgeführt –, kann man zwei gut zu unterscheidende Interpretationen des Afrikaners ausmachen. Auf der einen Seite die stilistische Interpretation, die 59 1) Negerkopf aus bigio morato (um 1610), Dresden, Skulpturensammlung, Inv. Hm 187a: Hettner 1875, 91 Nr. 182 („Büste einer Negerin“); Schneider 1986, 215f. Kat. BK 14 Taf. 43,3–4; Gregarek 1999, 273 Kat. N5 (vor 1733); D. Bindman et al. (Hg.), The Image of the Black in Western Art, 3.1 (2010) 364 Anm. 300 („once in the Chigi Collection in Rome“). 2) Negerkopf aus dunklem Stein in Newby Hall: Schneider 1986, 176f. 217 Kat. BK 16 Taf. 44,3–4; Gregarek 1999, 273 Kat. N7 (vor 1882); H. von Hesberg in: D. Boschung – H. von Hesberg, Die antiken Skulpturen in Newby Hall ... (2007) 103f. Kat. N59 Taf. 80,1–4 (mit Lit.) (17. Jh.). 3) Negerkopf aus bigio morato, verschollen (ehem. Farnborough Hall): Schneider 1986, 176. 215 Kat. BK 12 Taf. 42,3–4; Waywell 1986, 28 (um 1740; „the style of this copy comes very close indeed to the head of the Lady Lever statue“); Christie’s London 5.7.1995 Nr. 219; A. Scholl, Die antiken Skulpturen in Farnborough Hall … (1995) 73f. Kat. F 31 Taf. 58 („1992 nicht mehr vorhanden. Rom, dort vor 1746 erworben“). 4) London, Privatbesitz: Pressouyre a. O. (Anm. 57) 434 Nr. 58 Abb. 197 (18. Jh.). Vgl. auch den Mohrenkopf in Mannheim: R. Stupperich in: A. Wieczorek (Hg.), Lebenslust und Frömmigkeit (1999) II 460 Nr. 6.4.43; ders. in: M. Kunze (Hg.), Wiedererstandene Antike. Ergänzungen antiker Kunstwerke seit der Renaissance, Koll. Oranienbaum 1999 (2003) 66. – Schneider (s. o. Anm. 2) betrachtet den Kopf des Nubiers als Variante des Typus „Versailles“ (d. h. Cordiers „Mohr“). 60 Kopf aus bigio morato, Rom, Thermenmuseum, Inv. 49596. – R. Paribeni in: Saggi di Storia antica e Archeologia a Giulio Beloch (1910) 203–209 Abb. 4f.; R. Delbrück, AA 1911, Sp. 168 Abb. 6f. (antik; junger Neger oder Negerin); Pressouyre a. O. (Anm. 57) 425 (vermutliches Vorbild hadrianischer Zeit des „Mohren“ von Cordier); Schneider 1986, 215 Kat. BK 13 Taf. 43,1–2 („vor 1910“); A. Cioffarelli in: M. Anderson – L. Nista (Hg.), Radiance in Stone, Ausst.-Kat. Atlanta 1989, 70 Nr. 7 (2. Jh. n. Chr.?); Gregarek 1999, 272f. Kat. N4 (vor 1910); Giffin 2012, 6 Anm. 36. 61 mit Abb. 9 („tentatively dated to second century CE“). 61 F. Martinelli, Roma ricercata nel suo sito (1644) 111: „… un Moretto, la cui testa fu trovata à Capo di Bove“. 62 Rom, Santa Maria Maggiore. Zum Bildhauer s. A. Munoz, L’Arte 12, 1909, 178–182. 316; Dizionario Biografico degli Italiani 18 (1975) s. v. Caporale Francesco (A. Pampalone); Rausa 2103, 48 Anm. 26. 63 Nr. 18 (Vertrag von Kardinal Montalto).
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einen hellenistisch-alexandrinischen Ursprung aufweist und vom ethnischen Typ des Nubiers/Äthiopiers beeinflusst ist. Sie erinnert nicht nur an den oben erwähnten Kopf im Museo Nazionale Romano, sondern auch an einen in New York aufbewahrten Kopf (Taf. 25)63 sowie an das außergewöhnliche bronzene Porträt eines ptolemäischen Königs (Taf. 26 a). Dieses wurde 1756 in der Villa dei Papiri in Herculaneum gefunden und ist dem Kopf des Nubiers in der Gestaltung und in der Kopfhaltung ähnlich.64 Weitere Belege für das in der römischen Kaiserzeit bestehende Interesse an Darstellungen von Afrikanern (Nubier, Äthiopier) bieten dionysische Sarkophage mit Szenen des indischen Triumphes des Dionysos.65 Mit dem Bild des kongolesischen Botschafters haben wir auf der anderen Seite das realistische Abbild eines Afrikaners. Seine Gesichtszüge entsprechen denen der vorherrschenden Ikonographie des Afrikaners in der westlichen Kunst: wulstige Nase, krauses Haar, rundliche Augen- und Nasenhöhlen, ausgeprägte Kiefer und langgestreckter Schädel. Auch die großen Meister des 17. Jahrhunderts, wie z. B. Rubens (Taf. 26 b),66 weichen nicht von dieser Vorstellung ab. Die Charakteristika werden vielmehr auch weiterhin beibehalten, bis es zur Einführung neuer, an den unterschiedlichen ethnischen Typen orientierter Ikonographien kommt. Dazu zählen die Nubier, die in der Zeit zwischen Napoleon und Livingstone durch die Erkundung der am Nil gelegenen Regionen ‚entdeckt‘ wurden und deren Darstellung ein Hauptthema der ethno63 Kopf eines Afrikaners aus grauem Marmor, New York, The Brooklyn Museum, Inv. 70.59 (vermutlich aus Kleinasien; 2. Jh. v. Chr.). – C. Vermeule, Greek and Roman Sculpture in America (1981) 144 Nr. 113. 64 Bronzebüste in Neapel, Museo archeologico, Inv. 5598. – D. Comparetti – G. De Petra, La villa ercolanese dei Pisoni (1883) 21–27. 166 Nr. 30 Taf. 6; H. Kyrieleis, Bildnisse der Ptolemäer (1975) 120. 128 („Kleopatra I–VI“); R.R.R. Smith, Hellenistic Royal Portraits (1988) 160 Nr. 24 Taf. 19 („Excellent Roman-period copy of a portrait of a Ptolemaic queen, almost certainly of the second century, so probably one of the Kleopatras I, II, or III“); V. Moesch, La Villa dei Papiri (2009) 132f. Nr. 7 („busto virile, cd. Tolemeo Apione“). Zur Auffindung des Kopfes s. C. Paderni, Diario de’ monumenti antichi, rinvenuti in Ercolano, Pompei, e Stabia dal 1752 al 1799 …: „16. XI.1759 – E più Calaj sotto il Bosco di S.Ag.o e’ levaj una testa di Donna di Bronzo con capelli tutti imboccolati che gli cadono sopra al collo, e’ fronte, tiene la vitta, di ottimo carattere Greco. Detta testa stava situata sopra un Termine di marmo biscio il quale si è rinvenuto franto in minuti pezzi, solo si è potuto rinvenire le seguenti poche lettere che stavano incise in d(ett)o Marmo IT ESPIS“. (in: M. Forcellino, Camillo Paderni Romano e l’immagine storica degli scavi di Pompei, Ercolano e Stabia [1999] 119f.). Vgl. auch De’ Bronzi di Ercolano V (1767) 203–205. – Der Bronzekopf ist von Winckelmann bewundert worden: Sendschreiben von den Herculanischen Entdeckungen (1762), hrsg. von S.-G. Bruer und M. Kunze (1997) 90 Z. 18–21. 193 Taf. 36,2; Briefe an Wiedewelt und an Bianconi (jeweils 1762): Winckelmann, Briefe. In Verbindung mit H. Diepolder hrsg. von W. Rehm, Bd. II (1954) 209 Nr. 470; 226f. Nr. 482. 65 s. jetzt L. Buccino, Dioniso trionfatore (2014) bes. 164–176. 66 Vgl. „Vier Studien über einen Mohrenkopf“ von P. P. Rubens (Brüssel, Musées Royales des Beaux-Arts, Inv. 3176. Öl auf Leinwand; 51 x 66 cm; zwischen 1608 und 1640). Zum Bild des Afrikaners in der modernen westlichen Kunst s. jetzt Bindman a. O. (Anm. 59).
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graphischen Malerei sowie der Photographie des 19. und 20. Jahrhunderts war.67 Auf der Grundlage der oben gemachten Angaben kann ausgeschlossen werden, dass ein Bildhauer des frühen 17. Jahrhunderts imstande war, ein Afrikanerbild gleich dem des Nubiers von Port Sunlight auszuführen. Im Bildrepertoire afrikanischer Ethnien stellt der Kopf der Statue in Port Sunlight einen Einzelfall dar.
Das Revival des Faustkämpferbildes in der Kunst des Klassizismus Die erneute Ergänzung beider Statuen fällt in eine Zeit, in der die Ikonographie der antiken Faustkämpfer dank der Restaurierungen der römischen Bildhauer ein Revival erlebt. Seymour Howard hat sich in einem Beitrag aus dem Jahr 1993 mit der Rezeption der antiken Athletenikonographie in dieser Zeit befasst und ist dabei zu Schlussfolgerungen gelangt, die bis heute Bestand haben. In dem hier präsentierten Beitrag ging es darum, dem Dresdner Faustkämpfer eine besondere Rolle bei der „Wiedergeburt“ der antiken Ikonographie der Faustkämpfer im 18. Jahrhundert zuzuweisen. Seine Ausführung ist grundlegend neu und nicht abgeleitet von antiken Skulpturen. Anders als Howard annahm, sind die zwei Gentili-Faustkämpfer nicht 1737, sondern 1739 gefunden worden, wie einem Artikel Ficoronis zu entnehmen ist, den er 1740 veröffentlicht hat.68 Im Oktober des gleichen Jahres, als der Kurprinz Christian von Sachsen Rom verließ, war die Statue bereits restauriert. Napolioni hat sich also nicht von den an beiden Statuen vorhandenen Spuren der Caesti beeinflussen lassen. Er ließ sich vielmehr von seinem antiquarischen Wissen leiten, das auf den Repertoires aus dem 17. und 18. Jahrhundert beruhte (Museum Chartaceum, Fabretti, Montfaucon),69 und orientierte sich an einem Relief der Sammlung Aldobrandini.70 Die von Napolioni ergänzte Statue hat Rom so frühzeitig verlassen, dass sie nicht als Modell für spätere Restauratoren dienen konnte; die zwei Gentili-Faustkämpfer mussten fast 40 Jahre lang auf eine Restaurierung warten. In ein anderes künstlerisches und kulturelles Klima fallen die Restaurierungen des Nubiers. Sie wurden nicht nur auf der Grundlage der 67 Giffin 2012, 29f.; s. den außergewöhnlichen fotografischen Bestseller von L. Riefenstahl, Die Nuba von Kau (1976). 68 Howard 1993, 241 Anm. 10; s. auch oben Anm. 43. 69 Howard 1993, 241f. Anm. 13 Taf. 35a. 35c. Neue Zeugnisse wurden später in den Antichità di Ercolano (1771) VI Taf. 1 herausgegeben. 70 Vatikanische Museen, Inv. 9502/03 (ehemals Villa Aldobrandini): Gardiner 1930, Abb. 179; Howard 1993, 243 mit Taf. 36a (Stich). 36c. 37a; F. Sinn, Museo Gregoriano Profano. Katalog der Skulpturen III (2006) Kat. 192.
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antiquarischen Kenntnisse der Bildhauer ausgeführt, sondern wahrscheinlich auch von der wichtigen Rolle beeinflusst, die der Faustkampf als Nationalsport vor allem in Großbritannien spielte. Informationen über dieses Phänomen gelangten dank der Grand-Tour-Reisenden aus der Ferne auch nach Rom. Die Transformation antiker Statuen in Darstellungen von Faustkämpfern und das Revival des antiken Faustkampfes am Ende des 18. Jahrhunderts haben auch die Skulpturen von Antonio Canova beeinflusst. Inspiriert durch literarische Quellen, schuf er 1802 die zwei griechischen Faustkämpfer Kreugas und Damoxenos und orientierte sich dabei an den beiden hier besprochenen antiken Statuen.71
71 Howard 1993, 253 Taf. 38e–f. Zu den Statuen vgl. jetzt M. Dönike, Ausdruck und Bewegung: zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796–1806 (2005) 349–352 und J. Myssok, Antonio Canova und die Erneuerung der klassischen Mythen in der Kunst um 1800 (2007) 245–255. Als Vorbild für die Statue des Damoxenos hat Canova offenbar den Antretenden Diskobol aus Cavaceppis Besitz (Cavaceppi 1768, Taf. 42) benutzt. Die heute im Liebieghaus (Inv. 2608; Rausa 1994, 199. 210 Nr. 13. 220f.; P. Bol, Der antretende Diskobol [1996]; S. Kansteiner in: Text und Skulptur, Ausst.-Kat. Berlin 2007, 75–77 Nr. 101) aufbewahrte Statue war damals schon von Lord Charles Duncombe erworben worden; s. D. Gasparotto, Prospettiva 75–76, 1994, 65–76.
Nachgemachte griechische Porträts: Demosthenes auf dem Altar und Chrysipp Emmanuel Voutiras
Antike Bildnisse berühmter Griechen waren seit dem frühen 16. Jahrhundert bei kultivierten und reichen Kunstsammlern zunächst in Italien und bald in ganz Europa besonders begehrt. Die Gründe für diese Beliebtheit waren einerseits das seit der Frührenaissance ständig wachsende Interesse für das klassische Altertum und die intensive Beschäftigung mit den griechischen Autoren, welche die Gelehrten nunmehr im Originaltext lesen konnten, und andererseits die Auffindung, hauptsächlich in Rom und in Tivoli, von Marmorund Bronzeköpfen, die meist von Hermen oder Büsten (seltener von Statuen) stammen, wovon einige durch Inschriften als Darstellungen bekannter griechischer Autoren oder historisch wichtiger Personen ausgewiesen waren. Diese Bildwerke wurden eifrig gesammelt und in Palästen und Residenzen adliger Familien als Schmuck von Bibliotheken und Prunkräumen aufgestellt, um die Bildung ihrer Besitzer anschaulich zu machen.1 Man erkannte außerdem schon früh, dass neben den rundplastischen Bildnissen, die römische Kopien griechischer Originale sind, auch kleinformatige Reliefdarstellungen berühmter Griechen auf Münzen und Medaillen vorhanden sind, die manchmal auf dieselben Originale wie die Skulpturen zurückgehen. Auf dieser Grundlage entwickelte sich bereits im 16. Jahrhundert die Problematik der Benennung derjenigen griechischen Porträts, welche keine antike Namensbeischrift besaßen.2 Eine Schlüsselfigur in diesem gelehrten Rätselspiel war der römische Gelehrte
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Diese Studie entstand während eines Studienaufenthaltes im Institute for Advanced Study in Princeton, welcher von einem Elizabeth and J. Richardson Dilworth Fellowship gefördert wurde. C. Joost-Gaugier, The early beginnings of the notion of „Uomini famosi“ and the „De viris illustribus“ in Greco-Roman literary tradition (1982); M. Kätzlmeier-Frank, Theodor Galles Zeichnungen zu Fulvio Orsinis Imagines. Der Codex Capponianus 228 (1993) 10–16; Cellini 2004, 276–280. Grundlegend für die Entstehung des Interesses an den griechischen Porträts in der Renaissance und der ersten Sammelpublikationen bleibt der Aufsatz von C. Huelsen, Hermeninschriften berühmter Griechen, RM 16, 1901, 123–208 (wiederabgedruckt in: K. Fittschen [Hg.], Griechische Porträts [1988] 117–140); vgl. neuerdings E. Voutiras, Imagines virorum illustrium. Problemi di identificazione dei ritratti greci, ArchCl 60, 2009, 85f. mit weiteren Hinweisen.
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Fulvio Orsini (1526–1600), dem wir das bis heute angewandte methodische Prinzip für die Identifizierung antiker Porträts verdanken, nämlich die Suche nach mit antiken Namen versehenen Repliken bestimmter Porträttypen.3 Die Nachfrage nach griechischen Porträts wuchs im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts derart, dass sie nur durch die Herstellung von Kopien antiker Werke befriedigt werden konnte. Dieses Verfahren hat auf anschauliche Weise M. G. Picozzi vor Augen geführt, als ihr der Nachweis gelang, dass die im Meer bei Meloria in der Nähe von Livorno gefundenen Bronzekopien griechischer Porträts Repliken von Marmorköpfen sind, die sich seit dem 16. Jahrhundert in römischen Sammlungen befinden.4 Neben getreuen Kopien entstanden aber auch Neuschöpfungen, welche in der Regel den Vorstellungen hoch angesehener Gelehrter entsprachen oder die Wünsche anspruchsvoller Auftraggeber zu erfüllen suchten. Solche Neuschöpfungen sind deshalb für die Forschungsgeschichte wertvoll, weil sie das Bestreben der Gelehrten sowie einer kultivierten Oberschicht dokumentieren, echte Bildnisse berühmter Personen der Antike zu besitzen und anonyme antike Porträts aufgrund von gelehrten Kombinationen zu identifizieren. Zwei Beispiele sollen diese Sachlage verdeutlichen:
ΔΗΜΩΣΘΕΝΗΣ ΕΠΙΒΩΜΙΟΣ Ein kleines, 32 x 24 x 4,7 cm messendes und heute in der Bibliothek des Trinity College in Dublin aufbewahrtes Marmorrelief (Taf. 27)5 zeigt den attischen Redner Demosthenes auf einem Altar sitzend mit einer Buchrolle in der linken Hand.6 Der Dargestellte wird durch eine Inschrift als ΔΗΜΩΣΘΕΝΗΣ ΕΠΙΒΩΜΙΟΣ („Demosthenes auf dem Altar“) identifiziert. Dadurch wird deutlich gemacht, dass das Reliefbild den Tod des Demosthenes vor Augen führt, wie ihn Plutarch in seiner Demosthenesbiographie beschreibt.7 Nach seinem Sieg gegen die Athener hatte Antipater ein Sonderkommando, geführt von dem früheren Schauspieler Archias von Thurioi, damit beauftragt, den zum 3 4 5 6 7
Einen ausführlichen Bericht zu den Porträtforschungen von Fulvio Orsini hat Cellini vorgelegt (Cellini 2004, mit Lit.). Zur Methode von Orsini s. Voutiras a. O., 85–115. M. G. Picozzi, RIASA 18, 1995, 69–122. Maße nach S. Settis – M. Catoni, La forza del bello, Ausst.-Kat. Mantua 2008, 335 Nr. 105. – Die abweichenden, etwas kleineren Maßangaben in früheren Publikationen beruhen auf der Messung von Michaelis, die an einem Abguss erfolgte. Michaelis 1888; Bernoulli 1901, 74f. 82–84; Richter 1965, II 222 Abb. 1513; Paul 1981, 69f. Abb. 54. Das Relief war von März bis Juni 2008 im Palazzo del Te in Mantua ausgestellt; vgl. Settis – Catoni a. O. Plut., Demosth. 28, 3 – 30, 5.
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Poseidonheiligtum von Kalauria geflüchteten Demosthenes, wie auch andere prominente Makedonengegner, zu fassen und ihm vorzuführen. Archias versuchte zunächst Demosthenes zu überreden, sich zu ergeben. Als er aber damit keinen Erfolg hatte, änderte er den Ton:8 Jetzt fing Archias an, seinen Zorn in Drohungen auszulassen. ‚Nun, sagte Demosthenes, ist’s erst der rechte Ton vom makedonischen Dreifuss; vorher war’s lauter Komödie! Aber wart’ nur noch ein wenig; ich muss etwas nach Hause schreiben.‘ Nach diesen Worten zog er sich in das Innere des Tempels zurück, nahm dort eine Schriftrolle, wie wenn er schreiben wollte, steckte das Schreibrohr in den Mund und kaute daran, wie er dies beim Schreiben und Nachdenken häufig zu tun pflegte. Hierauf wartete er eine Weile, verhüllte sich dann das Gesicht und lies den Kopf sinken. [Es folgt ein kurzer Wortwechsel mit Archias] Nach diesen Worten bat er, ihn zu unterstützen, da er bereits zitterte und keinen festen Tritt mehr hatte. Als er noch etwas weiter ging und eben an dem Altare vorüber war, stürzte er nieder, seufzte noch einmal und – hatte den Geist aufgegeben.
Es ist klar, dass unser Relief von dieser Darstellung abweicht, da es Demosthenes auf dem Altar zeigt, worauf auch die Inschrift hinweist. Anscheinend ist der Bildhauer einer anderen Quelle gefolgt, die Plutarch ebenfalls erwähnt:9 Das Gift hatte er, wie Ariston angibt und wie wir gleichfalls erzählen, aus dem Schreibrohr gezogen. Ein gewisser Pappos, dessen Erzählung Hermippos aufgenommen hat, behauptet etwas abweichend Folgendes: Als Demosthenes am Altar niederfiel, habe sich auf der Buchrolle bloß der Anfang eines Briefs vorgefunden ‚Demosthenes dem Antipater‘ – sonst nichts.
Die Schriftrolle mit herabhängender Anfangsseite (Protokollon) in der linken Hand des Demosthenes verdeutlicht also, dass der Schöpfer des Reliefs die Version des Pappos seiner Darstellung zugrundegelegt hat. Die vollständigste Diskussion des Dubliner Reliefs verdanken wir Adolf Michaelis, der einleuchtend gezeigt hat, dass das bis dahin für antik gehaltene Werk in Wirklichkeit modern ist.10 Mit Rücksicht auf die Tatsache, dass das Relief als antik verkauft wurde, kann es wohl als Fälschung bezeichnet werden. Die erste Nachricht über das Relief stammt von dem bekannten römischen Antikenforscher des 18. Jahrhunderts, Francesco Ficoroni, der es bei „Signor Francesco Palazzi antiquario di nostro Signore, amatore delle cose antiche“ sah und weiter angibt, dass es 1737 gefunden worden sei, ohne den Fundort zu nennen.11 Nicht lange nach der angeblichen Auffindung verkaufte Palazzi das 8 9 10 11
Plut., Demosth. 29, 3–7, übersetzt von E. Eyth. Plut., Demosth. 30, 1–2, übersetzt von E. Eyth. Michaelis 1888. Zur Geschichte des Reliefs von seiner ersten Erwähnung 1737 bis zur Wiederentdeckung in Dublin s. Michaelis 1888, 237f.
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Werk dem Leibarzt des britischen Königs, Dr. Richard Mead, einem eifrigen Sammler und dem Mittelpunkt eines lebhaften literarischen Verkehrs. Dieser erlaubte es dem Oxforder Gelehrten Philip Barton, seine kommentierte und mit lateinischer Übersetzung versehene Ausgabe von Plutarchs Biographien des Demosthenes und des Cicero (Oxford 1744) mit einer Abbildung des neuerworbenen Reliefs zu schmücken. Außerdem teilte er ihm mit, dass er es von Palazzi erhalten habe und dass es (wohl nach dessen Angabe) einige Jahre zuvor „Romae, inter villae Hadriani rudera“ gefunden worden sei. Im Jahre 1755 wurde das Demosthenesrelief zusammen mit der übrigen Sammlung von Dr. Mead in London versteigert; anschließend galt sein Verbleib als unbekannt. Erst 1887 wurde bekannt, dass es sich im Trinity College in Dublin befand, wo es lange Zeit über einem Kamin eingemauert war. Heute wird es in der Bibliothek des Trinity College aufbewahrt. Michaelis’ Nachweis, dass das Relief eine neuzeitliche Arbeit ist, beruht auf einer eingehenden Beschreibung der Figur des Demosthenes: „Ich will mich nicht auf den allgemeinen Eindruck berufen, der wohl jedem Kenner antiker Kunst einige Bedenken erregen wird, sondern Einzelheiten hervorheben“.12 Am wenigsten aussagekräftig ist, wie Michaelis richtig bemerkt, die unerfreuliche Behandlung des Körpers und der Beine, deren zeichnerische Besonderheiten freilich kaum antike Parallelen zu haben scheinen.13 Für neuzeitlichen Ursprung sprechen dagegen eindeutig Unklarheiten in Form und Wurf des Mantels: Immer ist in antiken Mantelstatuen, stehenden wie sitzenden, das Himation rechts völlig geschlossen, während links beide Ränder des Mantels zusammenkommen. Der Verfertiger unseres Reliefs hat das nicht gewußt. Allerdings erscheint an der linken Seite, vorn am Altar, der Zickzackrand eines Mantelrandes mit dem Eckgewicht, ihm entspricht aber nach oben hin nichts, sondern der Körper ist hier vom Mantel umschlossen, dessen Faltenzug vor dem Leibe vielmehr zur Annahme führen muß, dass der Rand sich jenseits der rechten Körperseite befinde: das ist eben antik unstatthaft.14
Genauso unklar wiedergegeben ist das um den linken Arm gewundene Mantelstück.15 Starke Bedenken entstehen auch wegen der Buchstabenformen der Inschrift, die unantik wirken, sowie wegen des auffälligen Schreibfehlers ΔΗΜΩΣΘΕΝΗΣ (mit Ω statt O), der für einen antiken Schreiber unwahrscheinlich ist.16 Trotz dieser ebenso ausführlichen wie konsequenten Beweisführung17 ist 12 13 14 15 16 17
Michaelis 1888, 238. Michaelis 1888, 238f. Michaelis 1888, 239. Michaelis 1888, 239f. Michaelis 1888, 240. Die Argumentation von Michaelis wurde vollständig, wenn auch ohne Verweis, von Paul 1981,
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Michaelis’ Urteil nicht einhellig akzeptiert worden: Wenige Jahre nach der Veröffentlichung seines Aufsatzes versuchte J. J. Bernoulli, den antiken Ursprung des Stückes zu verteidigen;18 er fragt sich nämlich, „ob die Verdachtgründe absolut zwingend sind und ob nicht analoge Verzeichnungen und Fehler doch wohl auch auf sicherlich antiken Denkmälern vorkommen“.19 Andererseits wurde die Inschrift von G. Kaibel in IG XIV als echt aufgeführt20 und selbst Gisela Richter räumt in ihrem großen Sammelwerk zu den griechischen Porträts ein, dass das Relief vielleicht antik sein könne. Das einzige Argument, das für die Echtheit des Reliefs zu sprechen schien, war, wie schon Michaelis bemerkt hat,21 eine gewisse Ähnlichkeit des Kopfes des Demosthenes ‚Epibomios‘ mit dem echten Porträt des Redners. Das wahre Bildnis des Demosthenes war nämlich in der Zeit, als das Relief auftauchte, noch unbekannt; es wurde erst 1753, also wenige Jahre später, identifiziert, als eine mit Inschrift versehene kleine Bronzebüste in Herculaneum zum Vorschein kam. Michaelis bezeichnete die Ähnlichkeit als „einen immerhin sehr merkwürdigen Zufall“. Die in allen wesentlichen Zügen bestehende Übereinstimmung zwischen dem Kopf des ‚Epibomios‘ und dem echten Bildnis des Demosthenes war der Hauptgrund, der Bernoulli zu dem Schluss führte, dass das Relief antik sei. Diese Beobachtung hält aber einer genauen Prüfung nicht Stand;22 denn die Gesichtszüge sind in Wahrheit unter schiedlich, so dass die angebliche Verwandtschaft der Kopftypen schließlich nur auf der kurzen Haupt- und Barttracht beruht. Dem Kopf des Demosthenes ‚Epibomios‘ steht m. E. ein Porträttypus des späten 4. Jhs. v. Chr. näher, der vermutungsweise als Hypereides oder Isokrates identifiziert wurde.23 Ein antiker Ursprung dieser einzigartigen Skulptur ist schon wegen des dargestellten Themas äußerst unwahrscheinlich. Abgesehen davon, dass das Relief keiner der bekannten antiken Gattungen zugewiesen werden kann, wird man vergebens nach einem antiken Kunstwerk suchen, welches ein historisches Ereignis dem Bericht eines bestimmten Schriftstellers entsprechend darstellt. Das Relief des Diogenes und des Alexander in der Villa Albani ist, wie 69f. übernommen. 18 Bernoulli 1901, 82–84. 19 Bernoulli 1901, 83f. 20 IG XIV, 1146. Auch wenn der IG-Band erst 1890 erschienen ist, war Kaibel der Aufsatz von Michaelis noch nicht bekannt. 21 Michaelis 1888, 241f. 22 Diese Ähnlichkeit wird auch von Paul 1981, 70 betont, der das Relief für modern hält. Aber gerade die Gegenüberstellung des ‚Epibomios‘ mit einer Kopie des Demosthenesporträts (Paul Abb. 54f.) macht die Unterschiede deutlich. 23 Richter 1965, II 210f.; G. Richter, The Portraits of the Greeks, hrsg. von R. R. R. Smith (1984) 150f.; F. Johansen, Greek portraits. Ny Carlsberg Glyptotek (1992) 71f. Nr. 27; D. Piekarski, Anonyme griechische Porträts des IV. Jhs. v. Chr. Chronologie und Typologie (2004) 198–200 Nr. 38.
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Michaelis zu Recht anmerkt,24 keine echte Parallele, da es auf eine Anekdote, nicht auf ein historisches Ereignis Bezug nimmt. Die direkte Abhängigkeit des Demosthenesreliefs von Plutarchs Biographie legt vielmehr den Gedanken nahe, das Werk sei für den Antikenmarkt geschaffen worden, wobei es auf einen kultivierten, aber – mit Rücksicht auf seine geringe Größe – nicht unbedingt besonders wohlhabenden Käuferkreis zielte. Skeptisch stimmt nur Michaelis’ Versuch, dem Vorschlag eines Kunst historikers folgend, das Relief nicht in das 18. Jahrhundert, sondern früher zu datieren:25 „Möglicherweise war übrigens die Fälschung des Reliefs damals nicht mehr ganz neu; mein College Janitschek26 glaubt mindestens in demselben eher den Stil des ausgehenden 17., als den der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu finden“.27 Das dargestellte Thema dürfte eher ein bestimmtes Publikum der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts angesprochen haben. Die Tatsache, dass es kurz nach seinem Auftauchen nach England verkauft wurde und gleich eine Ausgabe von Plutarchs Demosthenesvita schmückte, dürfte kein Zufall sein. Denn Demosthenes war gerade damals in Großbritannien besonders beliebt und bewundert. Während es in den übrigen europäischen Monarchien weder eine Notwendigkeit noch auch eine Möglichkeit für politische Eloquenz gab, hatte Großbritannien ein Parlament, in dem hohe Beredsamkeit ihre Wirkung entfalten konnte. Schon im 16. Jahrhundert ist es eine weitverbreitete Ansicht, dass gerade für eine nationale englische Redekunst Demosthenes, anders als Cicero, ein großartiges Vorbild sei.28 Knapp zwei Jahrhunderte später ist noch die gleiche hohe Bewunderung für den athenischen Redner in englischen Schriften über die Beredsamkeit zu finden. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit gilt er als das ideale Vorbild für den britischen Parlamentsredner, und noch auf die gleiche Weise ist die Bewunderung mit der Verwerfung Ciceros verbunden. Das bezeugt etwa David Humes Essay on Eloquence (1742), ein Überblick über den Stand der damaligen englischen Beredsamkeit. Die Vorstellung, die Demosthenes von der Beredsamkeit habe, und seine bei allem Pathos „more chaste and more austere manner“ könne das neue Ideal englischer Parlamentsberedsamkeit werden: „Could it be copied, its success would be infallible over a modern
24 Michaelis 1888, 241 Anm. 17. Zum Diogenes-Relief s. R. Neudecker in: Villa Albani III, 116–120 Nr. 293. 25 Paul 1981, 70 geht seinerseits ohne nähere Begründung davon aus, dass das Relief kurz vor seiner ersten Erwähnung im Jahr 1737 geschaffen worden sei. 26 Es handelt sich um den österreichischen Kunsthistoriker Hubert Janitschek, der damals ebenso wie Michaelis Professor an der Universität Straßburg war. 27 Michaelis 1888, 241. 28 Schindel 1963, 161.
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assembly“.29 Die beiden berühmtesten Parlamentsredner der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, William Murray und William Pitt d. Ä., galten schon ihren Zeitgenossen als Abbilder antiker Volksredner: The two principal orators of the present age […] are the Earls of Mansfield and Chatham. The former is a great man; Ciceronian, but, I should think, inferior to Cicero. The latter is a greater man; Demosthenian, but superior to Demosthenes.30
William Pitt wurde die Ehre, mit Demosthenes verglichen zu werden, schon früh zuteil, und zwar im Verlauf einer Zeitungsfehde, die über seine rhetorischen Fähigkeiten entstanden war. So ist Pitt der britische Demosthenes geworden, als den ihn die Nachwelt kennt. Horace Walpole schreibt von ihm: „Pitt surpassed himself and then I need not tell you that he surpassed … Demosthenes“.31 Die große Bewunderung der im Griechischen belesenen britischen Staatsmänner des frühen 18. Jahrhunderts für Demosthenes dürfte auch in Italien und speziell in Rom weitgehend bekannt gewesen sein; denn viele gebildete Sprösslinge prominenter und adliger britischer Familien besuchten die Ewige Stadt im Zuge der „Grand Tour“. Es liegt also die Vermutung nahe, dass das Relief mit der Darstellung des Freitods des großen athenischen Redners kurz vor seiner angeblichen Auffindung im Jahr 1737 für den englischen Kunstmarkt hergestellt wurde. Dass das Werk eine Episode aus der wohlbekannten Plutarchvita des Demosthenes darstellt, welche die Tugend und die Standhaftigkeit des Redners und Staatsmanns zur Schau stellt, legt außerdem den Gedanken nahe, dass sein Schöpfer (bzw. dessen Auftraggeber) auf einen Käuferkreis von Bewunderern zielte.
ΧΡΥΣΙΠΠΟΣ Die Identifizierung des Porträts des stoischen Philosophen Chrysipp sowie seines Landsmanns, des Dichters Arat, löste im 16. Jahrhundert eine Diskussion aus, in deren Mittelpunkt eine kaiserzeitliche Münzprägung der Heimatstadt der beiden, Soloi in Kilikien, das 66 v. Chr. von Pompeius neugegründet und dabei in Pompeiopolis umbenannt worden war, steht. Die pseudoautonome Prägung zeigt zwei Porträts, einen langbärtigen Mann, aus dessen eng anliegendem Mantel eine Hand mit gekrümmten Fingern hervortritt, und einen kahlköpfigen kurzbärtigen mit leicht nach oben gekipptem Kopf (Taf. 28 a). 29 Schindel 1963, 162. 30 Letters of the late Lord Lyttleton (1780–82) I 172f.; Schindel 1963, 172. 31 Brief an Richard Bentley, 16.11.1755: Letters of Horace Walpole, hrsg. von P. Toynbee (1908) III 369; Schindel 1963, 173f.
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Die Münze ist nach der Pompeianischen Ära in das Jahr 163/4 n. Chr. datiert. Die Dargestellten tragen keine Beischriften, sind aber sicherlich prominente Söhne der kleinasiatischen Stadt, da sie auch auf späteren Prägungen von Soloi-Pompeiopolis erscheinen.32 Ein Exemplar der seltenen Münzprägung von 163/4 besaß schon Fulvio Orsini, der den Kurzbärtigen als Arat,33 den langbärtigen als den nach Strabon ebenfalls aus Soloi stammenden komischen Dichter Philemon identifizierte.34 Orsinis Deutung des kurzbärtigen Porträts als Arat blieb bis in das späte 19. Jahrhundert hinein fast unangefochten.35 Der langbärtige Kopf wurde dagegen bereits im 17. Jahrhundert als Bildnis des Chrysipp interpretiert. Dieser Vorschlag, zuerst 1671 von dem Genfer Gelehrten und Diplomaten Ezechiel Spanheim formuliert, fand breite Zustimmung und wurde im frühen 19. Jahrhundert von Ennio Quirino Visconti in seiner monumentalen Iconographie grecque übernommen und ausführlich begründet.36 Wie verbreitet diese Identifizierung damals war, veranschaulicht ein in der WedgwoodManufaktur hergestelltes Medaillon aus schwarzem Basalt mit inschriftlich ausgewiesenem Porträtkopf des Arat (Taf. 28 b), der dem Kurzbärtigen auf dem Münzbild von Soloi nachgebildet ist.37 Das antike Zeugnis, das die Deutung der beiden Münzbildnisse erhärtete, war eine erst von Visconti zitierte (den früheren Gelehrten aber wahrscheinlich ebenfalls bekannte) Stelle aus Galens Protreptikos, in der von Städten die Rede ist, welche ihren Ruhm allein einem oder zwei berühmten Söhnen verdanken (Protr. 7, 34–38):38 Wenn du aber die Sache genau betrachtest, wirst du herausfinden, dass nicht die Bürger wegen ihrer Städte zu Ruhm gelangen, sondern dass ganz im Gegenteil den in den Künsten trefflichen Menschen zuliebe auch ihre Heimatstädte erwähnt werden. Denn wer würde sich um Stagira kümmern, wenn nicht wegen des Aristoteles? Wer auch um Soloi, wenn nicht wegen des Arat und des Chrysipp? 32 Zu den Prägungen von Soloi-Pompeiopolis mit Bildnisköpfen von Arat und Chrysipp s. zuletzt P. Franke, Chrysippos und Aratos von Soloi, JNG 61, 2010, 1–21. 33 Cellini 2004, 301. 34 Cellini 2004, 384. Die Gründe für diese Deutung sind sehr interessant; es würde aber zu weit führen, sie hier zu erörtern; s. dazu K. W. Christian, Raphael’s „Philemon“ and the collecting of antiquities in Rome, BurlMag 146 (Nr. 1220), 2004, 760–763. 35 Als einziger hat Carlo Fea vorgeschlagen, in dem kurzbärtigen Kopf Chrysipp zu erkennen; vgl. dazu von den Hoff 1994, 102 Anm. 152. 36 Zur Identifizierung der Porträttypen des Aratos und des Chrysippos zwischen dem 16. und dem späten 19. Jahrhundert s. E. Voutiras in: Villa Albani IV, 101–104 (mit Literatur). Von den Hoff 1994, 102 Anm. 153 schreibt diesen Benennungsvorschlag irrtümlich Carlo Bottari zu. 37 Cambridge, Fitzwilliam Museum, Inv. C53-1982. Das Medaillon ist im online-Katalog des Museums mit vollständiger Dokumentation aufgeführt. 38 Εἰ γὰρ ἐπιστήσαις τοῖς πράγμασι τὸν νοῦν, οὐ διὰ τὰς πόλεις εὕροις ἂν ἐν δόξῃ τοὺς πολίτας γιγνομένους, ἀλλ’ αὐτὸ δὴ τοὐναντίον διὰ τοὺς ἀγαθοὺς ἄνδρας ἐν ταῖς τέχναις καὶ τὰς πατρίδας αὐτῶν μνημονευομένας. τίς γὰρ ἦν Σταγίρων λόγος, εἰ μὴ δι’ Ἀριστοτέλην, τίς δ’ ἂν Σόλων, εἰ μὴ δι’ Ἄρατόν τε καὶ Χρύσιππον;
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Hauptgrund für die Identifizierung des kurzbärtigen Bildnisses als Arat ist wohl die Kopfstellung gewesen: Der nach oben gerichtete Blick schien für den Verfasser des astronomischen Gedichts Phainomena besonders passend zu sein. Für die Deutung des langbärtigen Porträts als Chrysipp sprach andererseits nicht nur der lange Bart, der bei Philosophen häufig vorkommt, sondern vor allem die Hand mit den gekrümmten Fingern; denn Chrysipp war in einer in Athen errichteten Statue sitzend und mit vorgestreckter Hand (porrecta manu) dargestellt, wie Cicero überliefert.39 Die Finger der Hand waren außerdem gekrümmt, wie wir aus Sidonius Apollinaris erfahren.40 Heute wissen wir, dass die vorgestreckte Hand mit gebogenen Fingern nicht dem langbärtigen, sondern vielmehr dem kurzbärtigen Typus gehört, welcher das Bildnis Chrysipps wiedergibt.41 Von diesem Bildnis sind bisher 16 Kopfrepliken, darunter eine beschriftete, eine inschriftlich ausgewiesene kopflose Büstenkopie, sowie drei ebenfalls kopflose Kopien der Sitzstatue bekannt. Auf der Basis dieser Überlieferung konnte die Statue Chrysipps rekonstruiert werden.42 Von dem langbärtigen Typus ist dagegen nur eine einzige Kopfreplik in der Villa Albani bekannt.43 Es handelt sich um eine merkwürdige Herme, bei der der Kopf in einem eng anliegenden, Hals und Brust völlig bedeckenden Mantel versinkt (Taf. 29–30). Die Ähnlichkeit mit dem langbärtigen Porträt der Münzen von Soloi-Pompeiopolis (Taf. 28 a) ist verblüffend. Auf der linken Seite der Herme ist in großen, sorgfältig eingravierten und mit Blei eingelegten griechischen Buchstaben der Name ΧΡΥΣΙΠΠΟΣ zu lesen (Taf. 29 a). Diese zweifellos moderne Inschrift zeigt, dass der Kopf als Bildnis des Chrysipp gedeutet worden ist. Der erste, der die Herme Albani mit dem Münzbild von Soloi verglichen und auf die enge Verwandtschaft der beiden hingewiesen hat, ist Visconti.44 Da die Büste aber schon im ersten Katalog der Sammlung aus dem 18. Jahrhundert als Porträt Chrysipps bezeichnet wird, können wir davon ausgehen, dass Visconti nicht der erste war, der die Identifizierung vorschlug. Wer auf den Zusammenhang zwischen Herme und Münzporträt als erster hinwies, steht nicht fest. Es liegt nahe, diese Kombination dem Gründer der Villa, Kardinal Alessandro Albani, zuzuschreiben, dessen Fähigkeit, den anonymen 39 Cicero, De finibus 1, 39. 40 Sidonius Apollinaris, Epistulae 9, 14. 41 Zur Identifizierung des statuarischen Typus des Chrysipp s. von den Hoff 1994, 102–105. Den entscheidenden Beweis für die Benennung brachte eine 1997 in Athen, am Syntagmaplatz, gefundene Hermenkopie des kurzbärtigen Typus, die durch eine Inschrift als Bildnis des Chrysipp ausgewiesen ist. Die Hermenkopie ist noch unpubliziert; vgl. Franke a. O. (Anm. 32), 10f. mit Abb. 7. 42 Von den Hoff 1994, 105 (mit Lit.). 43 E. Voutiras in: Villa Albani IV, 98–104 Nr. 421 (mit Lit.). 44 E. Q. Visconti, Iconographie grecque I (1811) Text zu Taf. 22a Nr. 4–5; s. E. Voutiras in: Villa Albani IV, 103 Anm. 9.
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Köpfen seiner Antikensammlung Namen zu geben, von Zeitgenossen rühmend hervorgehoben wird.45 Diese Vermutung würde auch die Anbringung der modernen Inschrift am besten erklären. Die Herme ist in mancher Hinsicht merkwürdig. Die Bearbeitung des Bartes und des eng um den Körper gelegten Mantels findet keine Parallele bei antiken Skulpturen. Deshalb hat Helga von Heintze diese Skulptur als eine neuzeitliche Arbeit erklärt.46 Gegen ihre Annahme sprechen aber nicht nur die zahlreichen, teilweise in Gips ausgeführten Ergänzungen, sondern vor allem die Gestaltung der Haarlocken sowie der Augen- und Stirnpartie. Daher habe ich vor 20 Jahren vorgeschlagen, die Herme für eine sehr stark (besonders von der Nase abwärts) überarbeitete antike Skulptur zu halten. Es ist gut denkbar, dass Kardinal Albani einen wohl sehr schlecht erhaltenen antiken Kopf mit kurzem Haupthaar und hoch in den Nacken reichenden Mantelfalten umgestalten und dem damals einstimmig als Chrysipp gedeuteten langbärtigen Kopf auf der Münze von Soloi angleichen ließ. Dafür spricht auch, dass im Kaffeehaus der Villa Albani, in der Nähe dieser Herme, eine Hermenreplik des kurzbärtigen, damals als Arat gedeuteten Kopftypus steht.47 Es sieht so aus, als habe der gelehrte Kardinal Wert darauf gelegt, in seiner Sammlung vollplastische Wiederholungen beider auf der Münze von Soloi abgebildeten Porträts zu haben, sowohl des Arat als auch des Chrysipp.
45 E. Voutiras in: Villa Albani IV, 101. 46 H. von Heintze in: Helbig IV (41972) 306f. Nr. 3330. 47 Von den Hoff 1994, 98 Nr. 8; E. Voutiras in: Villa Albani IV, 139–142 Nr. 435 (irrtümlich als Porträt des Arat gedeutet).
Die römische Porträtforschung und der Fall des sogenannten Ottaviano Giovinetto im Vatikan. Die Authentizitätsdiskussion als Spiegel des Methodenwandels K atharina Lorenz
In der Forschung zum römischen Porträt ist im Bezug auf einzelne Stücke immer wieder heftig diskutiert worden, ob sie als antike Originale, moderne Wiederholungen bzw. Fälschungen oder Pseudo-Antiken einzuordnen seien.1 Eine besonders erhellende Fallstudie einer solchen Auseinandersetzung bietet der forschungsgeschichtliche Umgang mit dem sogenannten Ottaviano Giovinetto, einem Knabenporträt im Vatikan (Taf. 31).2 Die Forschung hat sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert immer wieder mit der Frage beschäftigt, ob es sich bei diesem Porträt um ein antikes Original, eine moderne Fälschung oder eine Pseudo-Antike handelt – eine Frage, die auch eng an die Identifizierung des Porträtierten geknüpft war, in dem man bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts einen jugendlichen Augustus erkennen zu können glaubte, während man in ihm mittlerweile eher einen iulischclaudischen Prinzen sieht, wobei die Benennung zwischen Caius, Lucius, oder auch Agrippa Postumus schwanken kann.3 Im Folgenden soll aufgezeigt werden, dass die Frage nach der Authentizität 1 2
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Ich danke Sascha Kansteiner ebenso wie Jane Fejfer und Susan Walker für ihre Diskussionsbereitschaft und die vielfältigen Hinweise zu diesem Beitrag. Rom, Vatikanische Museen, Inv. 714 (Sala dei Busti Nr. 273; vormals Museo Chiaramonti). – R. Calza, Scavi di Ostia V. I ritratti I (1964) Nr. 12; G. Spinola, Il Museo Pio Clementino I (1999) 137f. Nr. 123; C. Rose, Dynastic Commemoration and Imperial Portraiture in the Julio-Claudian Period (1997) 96 Nr. 5; P. Schollmeyer in: P. Bol (Hg.), Die Geschichte der antiken Bildhauerkunst IV (2010) 23 Abb. 25. – Zur Authentizitätsdiskussion s. H. v. Heintze in: dies. (Hg.), Römische Porträts (1974) XXI; sie sieht in dem Kopf einen besonders komplizierten Fall der Porträtfälschung bzw. -nachahmung und weist ihn Antonio Canova zu; vgl. auch Helbig4 I (1963) Nr. 157 (H. von Heintze). Einen Überblick über die unterschiedlichen Benennungen gibt Boschung 1993, 4 Anm. 42. – Vgl. etwa P. Zanker, Studien zu den Augustus-Porträts I: Der Actium-Typus (1973) 50f. [C. Caesar]; K. Fittschen, Katalog der antiken Skulpturen in Schloss Erbach (1977) 38. 40 Anm. 25 [L. Caesar]; ders., Die Bildnisse des Augustus, in: G. Binder (Hg.), Saeculum Augustum (1991) 185 [Agrippa Postumus].
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dieses Porträts nicht nur von Interesse ist, um den Wert des Stückes als historische Quelle einschätzen zu können. Vielmehr lässt sich an diesem Beispiel auch studieren, wie unterschiedlich die Authentizitätsfrage in den einzelnen Forschungskontexten des 19. und 20. Jahrhunderts verhandelt werden konnte, und mit welchen Abweichungen Kriterien wie die Grabungsevidenz, der Zeitbzw. Oberflächenstil oder Parallelen zu eindeutig als antik ausgewiesenen Bildwerken für die Beurteilung eines Porträts als Original, Fälschung bzw. Wiederholung oder Pseudo-Antike angewandt wurden. In der Fokussierung auf die Frage nach der Authentizität des Porträts zielt der Beitrag damit zum einen darauf, die historische Bedingtheit unseres Verständnisses der Bildgattung Porträt aufzuzeigen, um zum anderen aber auch zu demonstrieren, wie in der Auseinandersetzung mit der Historiographie der Porträtforschung neue Ansätze für die Interpretation dieser Gattung entwickelt werden können,4 in der sich die Fragen der facialen und typenkritischen Porträtwissenschaft des ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts mit jenen der gegenwärtigen kontextualen Forschung nutzbringend befruchten.
Der Ottaviano Giovinetto Das Knabenporträt im Vatikan ist aus weißem, fein-kristallinen Marmor gearbeitet und sitzt auf einer neuzeitlichen Büste (Taf. 32 a).5 Der Kopf selbst ist durch einen Sprung über der linken Schläfe beschädigt, der sich über das Haar bis zum Hinterkopf zieht; die Nasenspitze und die rechte Kinnlade sind modern ausgebessert; die ehemals modernen Ergänzungen des rechten und des Oberrandes des linken Ohres sind mittlerweile entfernt. Der Knabe war wohl mit leicht nach links und unten gewandtem Kopf gezeigt; darauf deuten die Asymmetrien in der erhaltenen Halsmuskulatur. Die Wangen sind voll gebildet, doch verjüngt sich das Gesicht zum Kinn leicht zu einer Dreiecksform. Die Brauen zeigen einen klaren Schwung, die Augenlider sind als schmales Band ausgeführt, der Mund ist schmal, die Lippen aber sind voll gestaltet. Die Ohren, soweit dies zu ersehen ist, stehen tief und leicht vom Kopf ab. Die Haartracht weist einige wesentliche Charakteristika auf. Rechts über 4
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Eingehende historiographische Reflexionen finden sich nur vereinzelt in der Porträtforschung, s. z. B. L. Giuliani, Bildnis und Botschaft (1986); J. Bažant, Roman Portraiture: A History of its History (1995); Boschung 1993, 1–10; O. Dally, Das Bild des Kaisers in der Klassischen Archäologie – oder: gab es einen Paradigmenwechsel nach 1968?, JdI 122, 2007, 223–257; K. Fittschen, The Portraits of Roman Emperors and their Families. Controversial Positions and Unsolved Problems, in: B. Ewald – C. Norena (Hg.), The Emperor and Rome (2010) 221–246. Die Höhe des Kopfes beträgt 24 cm, diejenige von Kopf und Büste 52 cm.
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der Stirn, leicht aus der Nasenflucht gerückt, sind zwei Locken zu einem Gabelmotiv drapiert. Nach links folgen zwei Lockenstränge in derselben Ausrichtung (Taf. 33 b). Nach rechts schließt sich eine Locke an, die mit der rechten Gabellocke ein Zangenmotiv bildet; und weiter rechts folgen dann drei weitere Lockenstränge dem Schwung des rechten Zangenschenkels (Taf. 33 a). Am Hinterkopf zeigt sich ein weiteres bemerkenswertes Lockenmotiv: dort, wo die Lockenlagen der beiden Profilseiten aufeinandertreffen, bilden die jeweiligen Endsträhnen der zweiten Lage von unten ein Gabelmotiv aus (Taf. 32 b).
Von der historischen Persönlichkeit zur graphischen Evidenz: die Erforschung des Porträts von Bernoulli bis Brendel Das Knabenporträt erlangte weitreichende Berühmtheit durch den prominenten Platz, den ihm Johann Jakob Bernoulli im zweiten, 1886 publizierten Band seiner Römischen Ikonographie einräumte.6 Bernoulli war der erste Forscher, der sich konsequent mit dem römischen Kaiserporträt auseinandersetzte. Sein Interesse an diesen Porträts zielte vor allem auf ihre Relevanz als historische Quellen, die ein besseres Verständnis der römischen Kaiser als historische Persönlichkeiten ermöglichen könnten. Er organisierte und kategorisierte die erhaltenen Bildwerke, gerade auch mit besonderem Blick auf Ähnlichkeiten zwischen den in einzelnen Porträts gezeigten Gesichtszügen.7 Bernoulli ging davon aus, dass derartige Ähnlichkeiten familiäre Verbindungen ausdrücken bzw. auch, dass sie – wenn sie an Porträts unterschiedlicher Altersstufen zu beobachten sind – auf die Darstellung derselben Person in unterschiedlichen Lebensstadien hindeuten könnten. Ganz im Sinne seines Projekts, den Kaisern als historischen Persönlichkeiten näher zu kommen, begann Bernoullis Auseinandersetzung mit den iulischclaudischen Kaiserporträts in ihrer publizierten Form mit einer Stammtafel des iulisch-claudischen Herrscherhauses (Abb. 1), auf die eine Liste der zentralen Ereignisse im Leben des Augustus folgt, von der Geburt bis zu seinem Tod (Abb. 2).8 Den Knabenkopf im Vatikan nahm Bernoulli in der Folge in seiner Liste der Augustusporträts als ein Jugendbildnis auf; er schreibt:9 Jugendliche Büste [Nr. 416, abgeb. Taf. II], vom Alter etwa eines Sechzehnjährigen. Die Nasenspitze und die Büste ergänzt, sonst völlig intakt. 6 7 8 9
Bernoulli 1886, 28 Nr. 9 Taf. 22. Zu Bernoullis Methode s. J. Bažant, Roman Portraiture: A History of its History (1995) 40–42. Bernoulli 1886, 4f. 6f. Bernoulli 1886, 28.
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Abb. 1 Stammtafel des iulisch-claudischen Herrscherhauses (nach Bernoulli)
Abb. 2 Die zentralen Ereignisse im Leben des Augustus (nach Bernoulli)
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Unverdächtigen Zeugnissen nach durch den englischen Konsul Fagan im Anfang dieses Jahrhunderts in Ostia ausgegraben, daher schwer anzufechten, obgleich die gute Erhaltung, die Weisse des Marmors und die trockene Arbeit dem Kopf einen unleugbar modernen Anstrich geben.
Bernoullis Interpretation des Knabenporträts war davon bestimmt, dass er zwischen diesem Bildnis und dem 1863 ausgegrabenen Prima Porta-Porträt eine Verbindung herstellte, und zwar in Form einer Ringkomposition, in welcher der Knabe etwa in dem Alter, in dem er die Männertoga erhält,10 dem Mann in der Blüte seiner Jahre gegenübergestellt wurde. So folgte etwa auch im Tafelteil das Knabenporträt auf Tafel II dem Prima Porta-Porträt auf Tafel I (Abb. 3). Dies diente Bernoulli dazu, zwischen den beiden Porträts verschiedene Ähnlichkeiten zu attestieren: die Lage der Stirnhaare, die Wölbung der Brauen, die Wölbung des Schädels, der Stand der Ohren. Doch ging Bernoullis Gegenüberstellung weit über einen einfachen Vergleich physischer Merkmale hinaus. Sie diente ihm vielmehr dazu, die Kontinuität des Charakters des Porträtierten über seine unterschiedlichen Lebensstadien hinweg herauszuarbeiten. So bemerkte er zunächst, dass Augustus ein „Mann von kühler Bedächtigkeit und strenger Selbstbeherrschung war, immer besonnen und mäßig“,11 und konstatiert schließlich im Bezug auf den Ottaviano Giovinetto:12 „Selbst der einem so jugendlichen Alter sonst nicht zukommende Ernst darf bei Augustus wegen der frühen Reife seines Geistes für charakteristisch angesehen werden.“ Bernoullis Ringkomposition der historischen Persona des Augustus verstärkte die Beliebtheit des Ottaviano Giovinetto deutlich. So eröffnete der Kopf im Vatikan etwa Franz Wickhoffs richtungsweisende Diskussion zur Stilentwicklung der römischen Kunst von 1895, die einen wesentlichen Teil der Auseinandersetzung mit dem Manuskript der Wiener Genesis bildet (Abb. 4).13 Wickhoff datierte das Stück, ausgehend von den Lebensdaten des Augustus, in das mittlere 1. Jh. v. Chr. und nutzte es explizit als das „Bild des Patrones aller römischen Kunst“, um „augusteischen Stil“ zu definieren. Zusammen mit dem Porträt widmete er sich dann auch der Statue des Augustus von Prima Porta, um hier wiederum dieselben Stilmerkmale festzustellen, allen voran einen „imitativen Naturalismus“ in der Formgebung und die Abhängigkeit dieser Formen von der Vormodellierung der Werke in Ton.14 Wickhoff entwickelte so die von Bernoulli initiierte Ringkomposition von 10 Dies stellt ein Ereignis dar, das Bernoulli am Beginn in seiner Übersicht über die wesentlichen Ereignisse im Leben des Augustus vermerkt hatte: Bernoulli 1886, 6. 11 Bernoulli 1886, 57f. 12 Bernoulli 1886, 62. 13 Hartel/Wickhoff 1895, 14 Abb. 2. 14 Hartel/Wickhoff 1895, 17f.; zum „imitativen Naturalismus“ s. Hartel/Wickhoff 1895, 28.
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Abb. 3 Bernoullis Gegenüberstellung von Augustus Prima Porta und Ottaviano Giovinetto
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Ottaviano Giovinetto und Prima Porta Statue wesentlich weiter: die Gegenüberstellung galt nun nicht mehr der Charakterisierung der historischen Persönlichkeit des Augustus, sondern der Definition der augusteischen Epoche als einer spezifischen Kunstepoche. Die augusteische Epoche markierte für Wickhoff einen Zwischenstil, einen „hellenistischen Versuch, den Römern eine Kunst zu schaffen“;15 den tatsächlichen Beginn der römischen Kunst lokalisierte er hingegen in der flavischen Epoche.16 Doch sah Wickhoff von der augusteischen Kunst eine katalytische Kraft ausgehen, ohne die es seiner Meinung nach nicht gelungen wäre, „die Kunst aus dem Griechischen ins Lateinische zu verwandeln.“17 Wickhoff nutzte die Abb. 4 Der Ottaviano Giovinetto am Beginn von Fritz Wickhoffs Analyse der römischen Stilgeschichte Diskussion der Paarung von Ottaviano Giovinetto und Prima Porta-Augustus also, um eine direkte Linie künstlerischer Formentwicklung vom griechischen Hellenismus in die römische Kaiserzeit zu ziehen. Damit wurden die beiden von Bernoulli vereinten Porträts auch zu Protagonisten in Wickhoffs Projekt – und zwar, um den Beweis der Eigenständigkeit der römischen gegenüber der griechischen Kunst zu erbringen. 15 Hartel/Wickhoff 1895, 27. 16 Hartel/Wickhoff 1895, 43–45. 54–58; s. dazu M. Pfanner, Der Titusbogen (1983) 59f.; J. Henderson, Par Operi Sedes: Mrs. Arthur Strong and Flavian Style, the Arch of Titus and the Cancelleria Reliefs, in: A. Boyle – W. Dominik (Hg.), Flavian Rome: Culture, Image, Text (2003) 235–237; V. Strocka, Der „flavische Stil“ in der römischen Kunst: Einbildung oder Realität?, in: C. Reitz – N. Kramer (Hg.), Tradition und Erneuerung. Mediale Strategien in der Zeit der Flavier (2010) 95–97. 17 Hartel/Wickhoff 1895, 29.
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Während das Knabenporträt für Bernoulli eine wichtige Facette der historischen Persönlichkeit des Augustus dargestellt hatte, wurde es durch Wickhoff zu einem ‚Marker‘ der Eigenständigkeit der römischen Kunst und illustrierte damit auch einen wesentlichen methodischen Wandel in der klassisch-archäologischen Forschung, mithin die Abkehr vom Winckelmannschen Entwicklungsmodell antiker Kunst, das in der griechischen Epoche die Blüte und in der römischen den Verfall sah.18 Im Kontext dieses Erfolgs des Ottaviano Giovinetto wurde die Frage nach seiner Authentizität nicht gestellt. Stattdessen scheint sich das bereits in den 1830er Jahren angelaufene Geschäft mit modernen Wiederholungen des Porträts bzw. auch mit form-zitierenden Pseudo-Antiken in Marmor und Gips ausgeweitet zu haben.19 Es sei hier ein bisher unveröffentlichtes Beispiel herausgegriffen: eine moderne Wiederholung des Porträts im Garten des Anwesens des Malers Otto Niemeyer-Holstein (1896–1984) in Lüttenort auf Usedom (Taf. 34). Das Bildnis gehörte ursprünglich zur Sammlung des Vaters des Malers, des Kieler Völkerrechtlers Theodor Niemeyer (1857–1939), und ging nach dessen Tod in den Besitz des Sohnes über. Zwar ist über die ursprüngliche Sammlung von Theodor Niemeyer nichts mehr bekannt, doch war er mit dem Berliner Klassischen Archäologen und Bauforscher Ferdinand Noack befreundet.20 Von Noack mag der Impuls ausgegangen sein, dieses im Katalog des Lüttenorter Anwesens heute als „Augustus“ ausgewiesene Stück zu erwerben. Bei dem Porträt handelt es sich eindeutig um eine moderne Wiederholung des Vatikan-Kopfes, denn die Büste in Lüttenort, die jener im Vatikan entspricht, ist mit dem Kopf zusammen aus einem Stück gearbeitet; das Lüttenorter Stück kopiert also die moderne Sockelung im Vatikan. Zwar ist der Lüttenorter Kopf stark verwittert, doch zeigt er dieselben Lockenmotive, die das Porträt im Vatikan charakterisieren. Allerdings gibt es durchaus auch Abweichungen in der Oberflächengestaltung, die darauf schließen lassen, dass hier frei kopiert wurde – wie das im übrigen auch auf andere moderne Wiederholungen zutrifft: am Kopf im Vatikan scheint die Lockenwiedergabe im ganzen deutlich graphi18 Dazu R. Bianchi Bandinelli, Römische Kunst zwei Generationen nach Wickhoff, Klio 38, 1960, bes. 283. 19 Zu den modernen Wiederholungen s. H.-G. Frenz, Zur Benennung des Mainzer Kopfes, AKorrBl 12, 1982, 373 Nr. 4 und 5. Als Nr. 5.12 nennt er das früheste ihm bekannte Stück, einen um 1836 von Horatio Greenough gefertigten Kopf im Bostoner Museum of Fine Arts. – Zu Frenz’ Liste nachantiker Stücke lässt sich neben dem Lüttenorter Stück eine weitere Kopie des Vatikanischen Kopfes im Nationalmuseum in Poznań hinzufügen (Inv. A 836; für den Hinweis danke ich S. Kansteiner). 20 Dazu A. Roscher, Otto Niemeyer-Holstein: Lebensbild mit Landschaft und Figuren (2001) 34. – Mein Dank gilt dem Team vom Museum Atelier Otto Niemeyer-Holstein in Lüttenort für seine Hilfe beim Studium des Porträts, allen voran Franka Keil.
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scher, schärfer; dies zeigt sich an den einzelnen dünnen und kantigen Strähnen, und auch daran, dass etwa die an das Zangenmotiv anschließenen Locken jeweils nicht nur in einer, sondern in zwei Haarspitzen auslaufen. Die Wirkkraft von Bernoullis ringkompositorischer Charakterstudie des Augustus und die weitere Verstärkung dieser Paarung durch Wickhoffs Manifest zur römischen Kunst führte in der Folge dazu, dass die antike Authentizität des Ottaviano Giovinetto auch dann nicht nicht in Frage gestellt wurde, als Johannes Sieveking plausibel zu machen versuchte, dass die für das Stück angenomme Grabungsevidenz wie etwa von Bernoulli vorgetragen nicht als gesichert gelten könne.21 Sieveking setzte bei Bernoullis Schilderung des Fundkontextes an; er bezweifelte, dass der Kopf 1818 vom britischen Konsul Robert Fagan in Ostia ausgegraben hätte werden können, wie das Bernoulli angab, da dieser zwar zwischen 1794 und 1801 an Ausgrabungen in Ostia beteiligt gewesen war, sich aber bereits im Jahr 1816 umgebracht hatte.22 Indem Sieveking dies demonstrierte, hebelte er genau jene Grabungsevidenz aus, die Bernoulli als das wesentliche Kriterium dafür angesehen hatte, den Ottaviano Giovinetto nicht für eine moderne Fälschung zu halten.23 Im nächsten Schritt hätte man deshalb von Sieveking wohl erwarten können, den Kopf als moderne Fälschung einzuordnen, wie dies etwa Paolo Mingazzini in den späten 1940er Jahren unter Berufung auf Sieveking dann tat.24 Sieveking jedoch zog diese Schlussforderung gerade nicht; stattdessen widmete er sich der genauen antiken Datierung des Porträts anhand seines Oberflächenstils, um die von Franz Studniczka und Walther Amelung vorgeschlagene Datierung des Porträts in hadrianische Zeit zu widerlegen.25 Sievekings Vorgehen erscheint somit als Indiz für eine an diesem Punkt bereits ausgeprägte Form des fachimmanenten Diskurses, denn er argumentierte auf Basis einer notwendigen Authentizität des Ottaviano Giovinetto, auch wenn diese infolge seiner eigenen Argumentation letztlich nur noch durch die von Bernoulli vorgestellte und von Wickhoff übernommene Ringkomposition belegt wurde. In den Augen von Sieveking übertraf sie in ihrer Beweiskraft scheinbar trotzdem jene der 21 Sieveking 1933. 22 Sieveking 1933, 299f. – Zu Robert Fagan (1761–1816) s. R. Trevelyan, Apollo 96, 1972, 298– 331; N. Figgis, Irish Artists, Dealers and Grand Tourists in Italy in the Eighteenth Century, Diss. Dublin (1994) 37–46; I. Bignamini – C. Hornsby, Digging and Dealing in Eighteenth-Century Rome (2010) 266–268. 23 Bernoulli 1886, 28; s. auch oben. 24 Mingazzini 1949/50, 255; vgl. auch unten S. 84. 25 Sieveking 1933, 301. – F. Studniczka in: A. von Domaszewski, Geschichte der römischen Kaiser I (1909) VIII; Helbig3 I (1912) Nr. 218 (W. Amelung).
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Grabungsevidenz und steuerte den Bezugsrahmen, den er für seine Analyse des Oberflächenstils des Kopfes wählte. Der in Sievekings Studie zu beobachtende Umgang mit der Frage nach der Authentizität eines Stückes reflektiert auch einen anderen Wandel in der Porträtforschung des frühen 20. Jahrhunderts. Während Bernoulli das Porträt, und zwar Gesicht und Haar, als Möglichkeit verstanden hatte, historische Persönlichkeiten samt ihres Charakters zu rekonstruieren, konstituierte sich in Studien wie jenen von Wickhoff und Sieveking eine neue Form der Porträtforschung, welche die Darstellungen als Kunstwerke verstand, als Artefakte, die aus sich selbst heraus Bedeutung entwickeln können. Dies führte schließlich dazu, dass Porträts als Bildgattung nicht mehr als eine allgemein künstlerische Evidenz verstanden wurden, sondern als eine spezifisch graphische Evidenz. Diese Entwicklung bedeutete das vorläufige Ende einer facialen Wissenschaft vom römischen Porträt, wie noch bei Bernoulli zu beobachten war, und ließ die Frage nach der Authentizität der Stücke wiederum in den Hintergrund treten. Die 1931, also zwei Jahre vor Sievekings Studie, teilweise veröffentlichte Dissertation zum Augustusporträt von Otto Brendel markierte hier den entscheidenden Wendepunkt;26 wiederum nahm auch hier der Ottaviano Giovinetto eine wichtige Rolle in der Diskussion ein. Brendel sprach das Porträt im Vatikan weiterhin als ein Knabenbild des Augustus an und ordnete es seinem Typus A zu;27 er folgte auch noch Bernoullis Interpretation, wenn er vermerkt:28 „Deutlich sind die Hauptzüge des knappen, in diesem Bildnis besonders nachsinnend klugen Gesichts des späteren Augustus. Unverkennbar der Umriß des Gesichts, spitz unten, mit dem breiten runden Schädel, den tief sitzenden Ohren.“ Doch leistete Brendel auf anderer Ebene etwas gänzlich Neues, das später dann wieder eine Rolle in der Forschungsdiskussion um den Ottaviano Giovinetto spielen würde. Brendel entwickelte das Konzept des Porträttypus – und beschrieb damit ein Phänomen, das bereits Bernoulli in Ansätzen gesehen, aber nicht konzeptionell durchdrungen hatte. Brendels Ansatz lehnte sich an die etwas früheren Studien zu den römischen Kopien griechischer Bildwerke von Georg Lippold an, der sich mit der Frage auseinandergesetzt hatte, wie man aus den römischen Kopien griechischer Bildwerke verlorene griechische Skulpturen rekonstruieren könne.29 26 Brendel 1931. – Zur Wirkung von Brendels Arbeit s. Boschung 1993, 2–4; allgemein zu Brendel: K. Lorenz, Otto Brendel 1901–1973. Fragmente und Frakturen, in: G. Brands – M. Maischberger (Hg.), Lebensbilder: klassische Archäologen und der Nationalsozialismus (2012) 193–206. 27 Brendel 1931, 20. 28 Brendel 1931, 21f. 29 G. Lippold, Kopien und Umbildungen griechischer Statuen (1923). Vgl. dazu Brendel 1931, 13 Anm. 2; s. auch Boschung 1993, 4f. Anm. 49.
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Brendel argumentierte, dass die kaiserlichen Porträts nicht jeweils Neuschöpfungen seien, gewissermaßen am lebenden Objekt gefertigt, sondern Kopien bzw. Repliken einzelner Typen, von denen einzelne Kaiser jeweils mehrere Typen haben können, die im Zeitraum ihrer Herrschaft zu besonderen Ereignissen oder zur Dokumentation unterschiedlicher Lebensstadien in einem dann mehrfach kopierten Urbild geschaffen worden seien. Brendel bemerkte auch, wiederum in Fortführung von Bernoullis Beobachtungen, dass sich die jeweiligen Typen weniger in der Gestaltung des Gesichts, wohl aber in den Locken bzw. in der Verwendung bestimmter Haarmotive unterscheiden lassen – dass es also die Haare sind, nicht das Gesicht, die den Typus konstituieren. Brendels Beobachtungen waren von fundamentaler Bedeutung für das moderne Verständnis der Ikonographie römisch-kaiserzeitlicher Porträts. Der aus seiner Beobachtung resultierende typenkritische Ansatz – die Fokussierung auf das Porträt als eine graphische Evidenz primär der Haarmotive – eröffnete im Folgenden wesentliche Einblicke in die Verteilungs- und auch in die Produktionsprozesse römischer Porträts.30 Brendels Ansatz förderte auch das Interesse daran, nach den politischen bzw. ideologischen Gründen zu fahnden, die zur Anfertigung neuer Typen führten, bzw. nach den programmatischen Aussagen zu suchen, die sich in den einzelnen Typen ikonographisch artikulierten. Damit verlagerte sich das Forschungsinteresse von den Fragen der individualisierenden Figuration, also der Rekonstruktion der historischen Persönlichkeit und ihres Charakters, wie sie bei Bernoulli im Vordergrund standen, zu Fragen der Produktionsästhetik und der kollektiven Symbolisierung, die in der Folge das Gesicht und ganz allgemein die Plastizität des Porträts als nur schwer vom Interpreten beschreibbare Aspekte in den Hintergrund des Forschungsinteresses treten ließen.31
Stil als hermeneutisches Problem: das Porträt als Pseudo-Antike und Fälschung Das neue Interesse an der graphischen Evidenz der Porträts und damit am Zeit- bzw. Oberflächenstil der Darstellung erklärt wohl auch, warum gerade ab der Mitte des 20. Jahrhunderts eine Reihe von Forschern den Ottaviano Giovinetto als Fälschung bzw. moderne Nachahmung einordneten und somit zu der im Umgang mit dem Porträt als Kunstwerk zunächst aufgegebenen Authenzitätsdiskussion zurückkehrten.32 So wies Mingazzini 1949 den von ihm 30 Vgl. dazu M. Pfanner, Über das Herstellen von Porträts, JdI, 1989, 157–258. 31 Dazu Boschung 1993, 8–10. 32 Dazu im Überblick J. Pollini, The Portraiture of Gaius and Lucius Caesar (1987) 45–53
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am Ottaviano Giovinetto beobachteten Stil dem Zeitstil des 18. Jahrhunderts zu, speziell dem Werk Antonio Canovas.33 Mingazzini ging in seiner Argumentation von der löchrigen Grabungsevidenz aus,34 verwies dann auf die Besessenheit der früheren Forschung, in dem Stück einen Vertreter des augusteischen Klassizismus zu sehen, ohne aber wirklich zu klären, warum es ein posthumes Porträt des Knaben Augustus hätte geben müssen,35 und endete schließlich mit einem stilistischen Vergleich des Ottaviano Giovinetto mit Werken Canovas, insbesondere dessen Napoleon Bonaparte.36 In einem Zusatz zu seinem Beitrag verwies Mingazzini auch auf die ihm gerade bekannt gewordene Studie von François Chamoux, durch die sich die Frage nach der Authentizität des Kopfes nochmals neu stellte.37 Chamoux interpretierte den Ottaviano Giovinetto durch eine typenkritische Analyse als ein Porträt des älteren Augustus-Enkels C. Caesar, der im Jahr 4 n. Chr. verstorben war.38 Er ging in seiner Untersuchung von einem Porträt von der Agora in Thasos aus, in dessen Nähe man eine Inschrift für L. Caesar gefunden hatte, und knüpfte ausgehend vom Stil des Gesichts und von der Stirnhaargestaltung verschiedene Replikenreihen.39 Chamoux’s Beurteilung des Ottaviano Giovinetto endete mit einer Gegenüberstellung mit dem Porträt des Oktavian im Kapitol, das ihn im ActiumTypus zeigt. Im Vergleich der beiden Stücke leitete Chamoux den Charakter des im Kapitol Dargestellten ab, ein Vorgehen, das in seiner Art Bernoullis Ansatz entsprach, nun jedoch nicht die Kontinuität des Charakters, sondern die Brüche aufzeigte, um diese als Indiz dafür zu verwenden, dass hier zwei unterschiedliche Menschen dargestellt seien:40 „L’expression qui en résulte est très différente: autoritaire et sûr de lui, Octave y apparaît orienté vers l’action, sans aucune trace de la réserve méditative qui caractérise Gaïus.” Das Verständnis vom Porträt als Kunstwerk, das aus sich selbst Bedeutung entwickeln kann, machte die Beweisführung in Bezug auf die Authentizität und die
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Nr. 5. Vgl. etwa L. Fabbrini, Di un ritratto inedito di giovinetto nei Musei Oliverani di Pesaro, RendAccLinc 1955, 477; V. Poulsen, Gnomon 38, 1966, 84f.; Z. Kiss, L’iconographie des princes julio-claudiens au temps d’Auguste et de Tibère (1975) 162f.; J. Brinnon in: E. Gazda (Hg.), Roman Portraiture: Ancient and Modern Revivals (1977) 36f. Mingazzini 1949/50, 255–259. Vgl. dazu Simon 1998, 36–38 und 40–43, die überzeugende Argumente gegen Mingazzinis Einschätzung zusammenträgt. Mingazzini 1949/50, 255; s. auch oben S. 81. Mingazzini 1949/50, 255f. Mingazzini 1949/50, 257f. Mingazzini 1949/50, 259. F. Chamoux, Gaius Caesar, BCH 74, 1950, 250–264. Zum Fund von Thasos s. R. Martin, BCH 63, 1939, 320 Abb. 33. F. Chamoux, BCH 74, 1950, 259.
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Identifikation des Ottaviano Giovinetto wesentlich von der stilistischen Gestaltung des Porträts abhängig. Die Forschungskontroverse, die sich im Zusammenhang mit dem Fund eines Marmorkopfes in einer Baugrube in Mainz im Jahre 1961 entwickelte (Taf. 35 a), zeigt die hermeneutischen Grenzen einer solchen Fokussierung auf zeit- bzw. oberflächenstilistische Aspekte deutlich auf; zugleich verdeutlicht sie auch die potentiellen Probleme in Bezug auf die Beweiskraft eines archäologischen Fundkontextes.41 Der Fund sorgte damals für einiges Aufsehen und Diskussionen, auch wenn sofort Einigkeit darüber herrschte, dass der Mainzer Kopf eine genaue Replik des Ottaviano Giovinetto im Vatikan ist. Erika Simon argumentierte prominent, dass es sich bei dem Mainzer Kopf um ein antikes Stück handeln müsse.42 Sie führte ins Feld, dass die stilistischen bzw. handwerklichen Charakteristika am Mainzer Kopf, die zur Widerlegung seiner Authentizität herangezogen worden waren, durchaus antik sein können: die Haarangabe ebenso wie die hinter den Ohren stehen gelassene Marmormasse (Taf. 35 b).43 Daran schloss sie einen vorrangig auf den Kopf im Vatikan konzentrierten Exkurs zu dessen Authentizität an und dazu, dass es sich um eine Darstellung des Caius Caesar handele,44 um schließlich mit Gründen dafür zu enden, warum der Fund einer antiken Replik eines solchen Kopfes in Mainz, also in der Provinz Germania, durchaus erklärbar sei. German Hafner anderseits vertrat das Lager derer, die im Mainzer Kopf eine moderne Wiederholung bzw. Fälschung oder sogar eine Pseudo-Antike sahen.45 Er argumentierte in direkter Entgegnung auf Simons Beitrag, dass die problematische Fundlage des Mainzer Kopfes grundsätzlich ausschließe, dass es sich um ein antikes Stück handele, und damit jegliche Diskussion seines Zeitstils und etwaiger antiker Parallelen obsolet sei. Die Diskussion eröffnete Hafner mit den folgenden Worten:46 41 Vergleichbar mit der Situation um den Mainzer Fund ist diejenige bezüglich eines Kopfes in Civitavecchia: auch dieser gleicht dem Porträt im Vatikan auffallend. In der Publikation wird er als antik bestimmt (C. Cerchiai, Un ritratto di Gaio Cesare da Civitavecchia, BdA 68, 1983, 75f.); J. Pollini, The Portraiture of Gaius and Lucius Caesar (1987) 49 Anm. 40 hingegen hält den Kopf mit überzeugenden Argumenten für eine moderne Wiederholung. 42 So auch K. Esser, Die Fundsituation des römischen Marmorkopfes, MainzZ 58, 1963, 19–25 und ders., Zu Frank Brommers Kritik der “Fundsituation des römischen Marmorkopfes”, MainzZ 59, 1964, 47–53; H. Kähler, Die Römer am Rhein (1976) 135–137; K. Fittschen, Katalog der antiken Skulpturen in Schloss Erbach (1977) 64; E. Simon, Der Mainzer Kopf nach 15 Jahren, MainzZ 1976, 101–109; A.-K. Massner, Bildnisangleichung. Untersuchungen zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Augustusporträts (1982) 54. 43 E. Simon, MainzZ 58, 1963, 1–18 und E. Simon, MainzZ 1976, 71–72, 101–109; Paginierung hier zitiert nach überarbeitetem Wiederabdruck: Simon 1998, 35–39. 44 Simon 1998, 39–55. 45 So auch F. Brommer, Zum Mainzer Augustuskopf (1964). 46 Hafner 1964, 170.
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Wer der Meinung ist, ein bei einer wissenschaftlichen Ausgrabung und zusammen mit anderen antiken Stücken gefundener Gegenstand sei nicht wie diese antik, muß es beweisen, indem er die Gründe anführt, die ihm für den neueren Ursprung dieses Gegenstandes zu sprechen scheinen. Umgekehrt hat derjenige, der ein Stück für antik hält, das nicht aus einer solchen Ausgrabung, sondern vielleicht aus einer älteren Sammlung stammt oder zufällig in einer Baugrube gefunden wird oder sonst ohne eine gute Herkunftsangabe auftaucht, den Beweis für das hohe Alter dieses Stückes zu erbringen.
Hafner bestimmt den Mainzer Kopf als eine moderne Kopie, die im Zuge der großen Popularität des Vatikan-Kopfes hergestellt worden sei.47 In diesem Zusammenhang warf er eine Frage auf, die wiederum klar an Simon gerichtet war:48 Wer aber nun diese so unwahrscheinlich anmutende Behauptung aufstellen zu können glaubt, der müsste auf eindeutige Indizien hinweisen, die zeigen, dass der Mainzer Kopf innerhalb der Serie der neueren Arbeiten eine Sonderstellung hat; denn nur wenn er sich in markanten Punkten von jenen unterscheidet, kann überhaupt darüber diskutiert werden, ob er als antike Arbeit denkbar sei. In der Publikation des Kopfes ist nun aber diese und primär und kardinal erscheinende Frage garnicht gestellt und folglich auch nicht beantwortet worden.
Jenseits aller Polemik zeigt sich an der Kontroverse um den Mainzer Kopf, dass die Kategorisierung eines Porträts ohne vergleichbare, eindeutig als antik identifizierte Parallelen nur anhand des Zeit- bzw. Oberflächenstils immer die Gefahr einer Zirkelschlusses birgt.
Antike Parallelen und Sammlungsgeschichte: das Porträt im Kontext Die methodischen Schwierigkeiten einer primär stilkritisch agierenden Analyse von Porträts, deren Authentizität bewiesen werden soll, lösten sich im Fall des Ottaviano Giovinetto durch eine Kombination von typenkritischem und kontextuellem Vorgehen schließlich auf. Bei Ausgrabungen in der Unterstadt von Velia wurde 1960 in einem antiken Baukomplex, der sowohl als Ärzteschule als auch als Augusteion genutzt worden war,49 ein Porträt gefunden, welches dasselbe Lockenschema wie das Stück im Vatikan zeigt,
47 Hafner 1964, 171f. 48 Hafner 1964, 172. 49 Zur Grabung und dem Baukomplex s. P. Sestieri, Fasti Archeologici 15, 1960, bes. 308f. Nr. 4542; M. Napoli, La Parola del Passato 108–110, 1966, 222–225; M. Fabbri – A. Trotta, Una scuola-collegio di età augustea. L’Insula II di Velia (1989); G. Greco – F. Krinzinger, Velia. Studi e ricerche (1994) 42–46.
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wenn es auch im Ganzen einfacher gearbeitet ist (Taf. 36 a).50 Zusammen mit dem Porträt wurden weitere Porträts und Skulpturen des iulisch-claudischen Kaiserhauses entdeckt, und der Bau ist aus stratigraphischen Gründen vor 62 n. Chr. zu datieren,51 so dass an der Authentizität des Kopfes anders als bei dem Fund in Mainz kein Zweifel bestehen konnte. Wie beim Kopf im Vatikan bilden beim Kopf in Velia zwei Haarlocken über dem rechten Auge eine Zange aus; das korrespondierende Gabelmotiv schließt, leicht aus der Mittelachse des Gesichts verschoben, daran an; und wie beim Kopf im Vatikan folgen zur linken Schläfe hin drei weitere Locken dem Schwung des linken Gabelstranges. Über der rechten Schläfe hingegen folgen drei deutlich schmalere Lockenstränge dem Schwung des rechten Zangenschenkels (Taf. 36 b). Am Hinterkopf lässt sich wiederum auch am Kopf aus Velia das Gabelmotiv beobachten (Taf. 36 c). Fritz Krinzinger äußerte in seiner Untersuchung des Kopfes zu Recht Unverständnis darüber, dass die Kommentatoren, die den Velia-Kopf bereits kannten, diesen mit Ausnahme von Simon nicht in ihre Diskussion des Ottaviano Giovinetto miteinbezogen hätten (und nur deshalb den Kopf im Vatikan als eine moderne Schöpfung bzw. Fälschung einstufen konnten).52 So plädierte Krinzinger wie Simon für die Authentizität des Ottaviano Giovinetto, und zwar auf der Basis der Grabungsevidenz von Velia, welche den antiken Ursprung des Haarmotivs verbürgt, das auch den Ottaviano Giovinetto charakterisiert. Krinzinger ließ es jedoch nicht bei dem kunst-archäologischen, auf der Typenkritik des Lockenschemas beruhenden Annahme der Echtheit des VatikanKopfes bewenden. Vielmehr nahm er den Velia-Fund zum Anlass, die Oberflächenbearbeitung des Ottaviano Giovinetto nochmals eingehend am Objekt selbst zu prüfen.53 So konnte er nachweisen, dass das Porträt modern in einem Säurebad gereinigt und dann poliert worden war, was die glänzende Oberflächenstruktur erkläre; zudem fand er Spuren antiker Versinterung.54 Einzig von der Benennung des Typus als C. Caesar bzw. als eines Augustusenkels war Krinzinger nicht vollständig überzeugt und regte stattdessen an, durchaus auch über Szenarien nachzudenken, welche die Darstellung eines posthumen ju-
50 Zur Gestaltung des Kopfes: Krinzinger 1976, 90–94. 51 Krinzinger 1976, 98 Anm. 41. – Zur Skulpturenausstattung s. jetzt auch M. Galli, Ritratto romano e memoria greca, in: J. Griesbach (Hg.), Polis und Porträt: Standbilder als Medien öffentlicher Repräsentation im hellenistischen Osten (2014) 155–169. 52 Krinzinger 1976, 94; er bezieht sich hier auf F. Brommer, Zum Mainzer Augustuskopf (1964) und auf Hafner 1964. Krinzinger merkt außerdem an, dass Vagn Poulsen den Kopf aus Velia nicht für eine Replik des Porträts im Vatikan hält (V. Poulsen, Gnomon 38, 1966, 85). 53 Auch für den Mainzer Kopf hat Krinzinger ein solches Vorgehen angeregt: Krinzinger 1976, 98. 54 Krinzinger 1976, 95–97.
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gendlichen Augustus erklären könnten.55 Eine wohl abschließende Klärung der Frage nach der Authentizität des Ottaviano Giovinetto gelang schließlich Ilaria Bignamini in ihrer Studie zu den von Robert Fagan an den Vatikan verkauften Antiken,56 und zwar, ähnlich wie es schon Sieveking versucht hatte, durch erneuten Blick auf die Grabungsevidenz bzw. in Bignaminis Fall präziser: auf die Sammlungsgeschichte des Kopfes. Bignamini konnte anhand von Archivmaterialien nachweisen, dass Fagan in den Jahren von 1794 bis 1802 immer wieder in Ostia mit Grabungsprojekten beschäftigt war, allerdings unter zunehmenden Schwierigkeiten, die nötigen Lizenzen zu erhalten.57 Fagan war schließlich gezwungen, einen Großteil der von ihm ergrabenen Antiken an den Vatikan zu verkaufen. Bignamini hat zeigen können, dass eines der Porträts, die in den zugehörigen Verhandlungspapieren identifiziert worden sind, der Ottaviano Giovinetto ist, dort als ein Stück aufgeführt, das von Fagan in den Jahren von 1800 bis 1802 in Ostia,58 und zwar auf dem Areal von Tor Boacciana gefunden wurde.59 Bignamini demonstrierte anhand der Archivmaterialien auch, dass Fagan seine archäologischen Projekte immer unter einem gewissen Erfolgsdruck ausführen musste, um durch den Verkauf seiner Funde die Gegenfinanzierung der für die Grabungsprojekte nötigen Investitionen zu ermöglichen; trotzdem war er aber durchaus in einem wissenschaftlichen Sinn an archäologischen Ausgrabungen interessiert.60 Fagans archäologische Begeisterung im Gespann mit Krinzingers Beobachtungen von antiken Witterungsspuren am Kopf im Vatikan lassen deshalb kaum erwarten, dass Fagan Fälschungen in seinen Grabungen platzierte, um sie dann als antike Stücke zu „finden“, eine ansonsten ja durchaus dokumentierte Praxis. Bignamini hat zudem darauf aufmerksam gemacht, dass der Kopf bereits
55 Krinzinger 1976, 98–101. 56 Bignamini 1996. 57 Bignamini 1996, 333f. – Bignamini weist auf persönliche Differenzen zwischen Fagan und Carlo Fea, dem damaligen Comissario delle Antichità e delle Scavi, hin; zu Fea s. auch Sieveking 1933, 299f. 58 Sieveking 1933, 300 hatte noch angenommen, dass alle privaten Ausgrabungen 1801 zum Erliegen gekommen seien. 59 Bignamini 1996, 369f. Nr. 41.1. – Bignamini stützt sich hier auf die Verkaufsunterlagen vom 5. Oktober 1804 (Archivio di Stato di Roma, Camerale II, Antichità e Belle Arti, busta 7), in denen insgesamt 27 Porträts verzeichnet sind, zudem auch auf die vorausgehende Nota di vari oggetti vom 7. September 1803, die 30 Porträts nennt (Archivio di Stato di Roma, Camerale II, Antichità e Belle Arti, busta 28). 60 Bignamini 1996, 332f. 341. – Bignamini verweist in diesem Zusammenhang auf seine Zusammenarbeit mit den Archäologen und Antikenhändlern Sir Corbet Corbet, Thomas Jenkins, Gavin Hamilton und Thomas Hope.
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1821 von Giuseppe D’Este in der vatikanischen Sammlung beschrieben worden ist, der sowohl auf die Ähnlichkeit zu Augustus als auch auf Ostia als Fundort hingewiesen hat.61 Bignamini gelang es damit nachträglich, die bereits durch den Velia-Fund geschaffene Beweislage zu bestätigen – und zwar durch den eindeutigen Beweis, dass nicht nur das Frisurenschema, sondern auch der Kopf aller Wahrscheinlichkeit nach antik sein müssen.
Zusammenfassung Krinzinger resümierte zum Ottaviano Giovinetto:62 „Irgendwie ist seine allzu kritische Beurteilung in den letzten Jahrzehnten als negative Reaktion auf die Überbewertung durch eine frühere Kunstbetrachtung zu verstehen, die in diesem Bildnis den Inbegriff der augusteischen Kunst schlechthin sehen wollte.“ Und tatsächlich scheint es im Fall des Ottaviano Giovinetto gerade der Rezeptionserfolg des Stückes während des späteren 19. Jahrhunderts zu sein, der es der Forschung so schwer machte, die möglichen Evidenzien für seine Authentizität – Grabungsevidenz, Zeit- bzw. Oberflächenstil und antike Parallelen – jeweils gemeinsam und konsequent auf ihre Belastbarkeit zu prüfen. Die Verknüpfung des Porträts mit der Person des Augustus machte den Ottaviano Giovinetto zu einer wesentlichen historischen Quelle, die wiederum die historische Notwendigkeit für die Existenz eines Knabenporträts des Oktavian nach sich zog und so die Frage nach der Authentizität des Stückes in der Sala dei Busti sekundär erscheinen ließ, und zwar gemäß der Devise, dass – wenn es in der Antike ein Porträt des Knaben Oktavian gegeben hätte – es genauso hätte aussehen müssen wie jenes Bild im Vatikan. Dieser Konsens geriet erst dann ins Wanken, als sich das Interesse der Porträtforschung vom Studium des historischen Individuums ab- und der stilbzw. typenkritischen Analyse von Porträts als Kunstwerken zuwandte und sich damit auch die Verbindung des Porträts im Vatikan mit der Person des Augustus auflöste. Die folgenden Versuche der stilkritischen Einordnung des Porträts, als Antike oder als moderne Neuschöpfung bzw. Wiederholung, demonstrieren allerdings primär das Problem der subjektiven Beliebigkeit, welcher der Kategorisierung von Aspekten des Oberflächenstils anhaften kann. Die wesentliche Leistung von Krinzinger und Bignamini bestand deshalb 61 G. D’Este – A. D’Este, Elenco degli oggetti esistenti nel Museo Vaticano: Museo Chiaramonti (1821) 196 Nr. 417. Bei Sieveking 1933, 300 ist Platners Text von 1832 als die früheste Quelle für den Kopf genannt: E. Platner et al., Beschreibung der Stadt Rom II 2 (1832) 65 Nr. 415. 62 Krinzinger 1976, 96.
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nicht nur darin, neue Informationen zum Stück und zu seinem Kontext in Bezug auf Replikensituation und Sammlungsgeschichte in die Debatte einzuführen, sondern die unterschiedlichen Evidenzien zu Grabungsbefund, Zeit- bzw. Oberflächenstil und antiken Parallelen konsequent miteinander zu verknüpfen. Zudem demonstrieren die Arbeiten von Krinzinger und Bignamini auch, wie stark in den letzten Jahrzehnten Fragen des Kontextes in der Porträtforschung in den Vordergrund getreten sind.63 Diese Kontextforschung hat den Schwerpunkt in der Auseinandersetzung mit römischen Porträts von Aspekten der Produktion, die im typenkritischen Ansatz von zentraler Bedeutung sind, wiederum auf Aspekte der Rezeption gelenkt, wie sie bereits schon in Bernoullis Art der facialen Porträtforschung eine Rolle spielten. Doch gibt es einen wesentlichen Unterschied: während Bernoullis faciale Wissenschaft sich durch das besondere Interesse auszeichnete, das dem Antlitz der Dargestellten entgegengebracht wurde, positionieren sich typenkritischer und kontextueller Ansatz explizit jenseits des Gesichts.64 Aufgabe der zukünftigen Forschung ist es zu prüfen, inwieweit typenkritischer und kontextueller Ansatz mit ihrem Interesse an Produktion und Rezeption von Porträts mit einer Form der Analyse kombiniert werden können, die wieder stärker dem Gesicht und seinen rezeptionsästhetischen Bedingungen gilt, so wie dies heute durch biometrische Verfahren auch abseits des Minenfelds der Physiognomie möglich geworden ist.65
63 O. Dally, JdI 122, 2007, 235–240. 64 Dazu bereits oben (Boschung 1993, 8–10). – Diese Entwicklung ist auch im Zusammenhang mit dem Versuch zu sehen, das problematische Erbe physiognomischer Praktiken abzustreifen. Zur Rolle der Physiognomik gerade in der deutschen Kunstwissenschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts s. D. Bohde, Kunstgeschichte als physiognomische Wissenschaft: Kritik einer Denkfigur der 1920er bis 1940er Jahre (2012). 65 Zu biometrischen Verfahren in der römischen Porträtforschung s. D. Schofield – K. Lorenz – S. Davy-Jow – M. Anderson, Roman portraiture and biometric identification, in: EVA London 2012: Electronic Visualisation and the Arts (2012) 163–171.
Das „Museo Torlonia“ von Pietro Ercole und Carlo Lodovico Visconti Carlo Gasparri
Das Museo Torlonia ist bekanntlich die größte und wichtigste Sammlung antiker Skulpturen in Rom, die sich noch in privater Hand befindet. Sein Katalog stellt einen Sonderfall im Bereich der modernen archäologischen Literatur dar. Der zwischen 1884 und 1885 auf italienisch und französisch in Form einer luxuriös ausgestatteten, nicht zum Verkauf vorgesehenen Privatausgabe erschienene abschließende Katalog1 ist der erste seiner Art, der mittels eines reichen Apparats von Phototypien der Firma Danesi durchgehend bebildert den Bestand einer Skulpturensammlung erschließt, also etwas, das z. B. für das British Museum noch heute fehlt. Der Text, der sich in den Grenzen eines antiquarischen und zum Teil von den Ergebnissen der kunstgeschichtlichen Forschungen der ersten Hälfte des Jahrhunderts angereicherten Kommentars bewegt, trägt die Unterschrift Carlo Lodovico Viscontis, einer der herausragenden Figuren der päpstlichen Verwaltung der letzten Jahre vor der Einheit Italiens und des letzten Vertreters einer Dynastie von Archäologen, die über mehr als hundert Jahre und vier Generationen lang die Szene der römischen Archäologie mitbestimmte. In der Familie Visconti ist – in der Nachfolge von Winckelmann – das Amt des Antikenkommissars quasi als Erbfolge weitergegeben worden, zunächst an Giovanni Antonio Battista (1722–1783; Kommissar ab 1768), dann an dessen Söhne Ennio Quirino (1751–1818) und Filippo Aurelio (1754–1831, Kommissar bis 1801),2 anschließend an den Enkel Pietro Ercole (1803–1880) und schließlich an den Neffen des zuletzt Genannten, Carlo Lodovico Visconti (1818–1894). Den Verdiensten und dem Rang des Autors entspricht leider nicht der wissenschaftliche Wert des Katalogs, der, wie wir nunmehr seit über 30 Jahren wissen, eine Reihe von groben Ungenauigkeiten enthält bezüglich des Erhaltungszustands und vor
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Visconti 1884. Ridley 1992, 142f.; D. Gallo, I Visconti. Una famiglia romana al servizio di Papi, della Repubblica e di Napoleone, Roma moderna e contemporanea 2, 1994, 79–90.
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allem bezüglich der Herkunft der Stücke.3 Diese Aspekte sollen im folgenden genauer untersucht werden. Die Entstehungsgeschichte des Museums ist weitgehend bekannt;4 hier sei nur daran erinnert, dass es – wie auch im Vorwort zum Katalog betont – hauptsächlich Marmorwerke der Sammlungen Giustiniani und derjenigen des Bildhauers Bartolomeo Cavaceppi enthält; andere Objekte kamen aus der Villa Albani sowie aus den von der Familie Torlonia auf ihren eigenen Besitzungen organisierten Grabungen. Ergänzend treten außerdem einzelne Ankäufe verschiedener Provenienz hinzu. Tatsächlich spielt Carlo Lodovico Visconti in seinem Vorwort nur sehr kurz auf die Sammlung Cavaceppi an und zitiert stattdessen vielmehr eine „Collezione Vitali“: heute wissen wir, dass sich hinter dieser Bezeichnung der Komplex der Materialien aus der Erbschaft des Bildhauers verbirgt, den Giovanni Torlonia, zukünftiger Fürst von Bracciano, im Jahr 1800 erworben hatte;5 der angesprochene Pietro Ercole Vitali ist nur der Herausgeber der drei Bände, welche diese Sammlung illustrieren,6 von der ein Teil für die Einrichtung des Palazzo Torlonia an der Piazza Venezia verwendet wurde, der dann 1901 für die Erbauung des Vittoriano zerstört wurde. Diese Zurückhaltung von Visconti ist bereits ein erster wichtiger Hinweis auf seinen Umgang mit den Ursprüngen des „Museo“. Mit der Bezeichnung „Villa Albani“ bezieht er sich hingegen auf die Gruppe von Skulpturen, die nach dem Ankauf durch Alessandro Torlonia 1866 und nach der Umgestaltung aus der Villa an der Via Salaria entfernt wurde: gemäß dem darauffolgenden, drei Jahre später erschienenen Katalog der Villa7 sind 64 Skulpturen als nicht mehr zur Sammlung des Kardinals gehörig ausgewiesen.8 Von Bedeutung ist der Satz, der die kurze Auflistung der Antikensammlungen, die zum Aufbau des Museo beigetragen haben, abschließt:9 „Tutto il resto, senza dubbio il maggior numero, viene dagli scavi del Principe, o acquisti fatti dal Barone Pietro Ercole Visconti, che è il collaboratore stretto, etc. “ Nun einige Bemerkungen zur Entstehung des Textes. Der Kommentar zu den Skulpturen stammt anscheinend nicht von der Hand Carlo Lodovico 3 4 5 6 7 8 9
Gasparri 1980, 45–70. Gasparri 1980; L. de Lachenal, La collezione Torlonia di sculture antiche, in: Invisibilia, Ausst.Kat. Rom 1991, 123–137; Gasparri/Ghiandoni 1993. – Zum Antikenbesitz der Familie Torlonia vgl. auch A. Campanelli (Hg.), La collezione Torlonia di antichità del Fucino (2003). Gasparri/Ghiandoni 1993, 1–56. P. E. Vitali, Marmi scolpiti esistenti nel Palazzo di S. E. il Sig. D. Gio. Torlonia, Bd. I–III (o. J., zwischen 1818 und bald nach 1822). Morcelli/Fea/Visconti 1869. Gasparri 1980, 61f.; A. Allroggen-Bedel, Die Antikensammlung in der Villa Albani zur Zeit Winckelmanns, in: H. Beck – P. Bol (Hg.), Forschungen zur Villa Albani (1992) 301–380; C. Gasparri, Die Skulpturen der Villa Albani in der Zeit Napoleons und der Restauration, ebenda, 381–435. Visconti 1884, VII.
Das „Museo Torlonia“ von Pietro Ercole und Carlo Lodovico Visconti
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Viscontis, sondern von derjenigen des jungen Gherardo Ghirardini,10 wenn man einer etliche Jahrzehnte später erschienenen Notiz von Carlo Anti glauben schenken darf. Viel wichtiger ist hier aber die Rekonstruktion der Ursprünge des Apparats der objektbezogenen Angaben zu den Materialien: Erhaltungszustand, Echtheit (antiker Ursprung), Herkunft, Fundort. Diesbezüglich hängt der Text des Katalogs von 1884 – von Carlo Lodovico Visconti oder von Ghirardini – stark und mit wenigen Ausnahmen von den früheren Versionen desselben Katalogs ab, dem eine dichte Abfolge kleinformatiger und nicht illustrierter, von Pietro Ercole Visconti und dem genannten Carlo Lodovico zwischen 1876 und 1883 auf italienisch, englisch und französisch herausgegebener Ausgaben vorausging,11 mittels derer man den Zuwachs des „Museo“ verfolgen kann, das anfangs 517 und schließlich, im Jahr 1884, über 620 Stücke zählte. Zu den Autoren der diversen Kataloge des „Museo“ lässt sich, beginnend mit dem ersten der beiden, der auch der tatsächlich Verantwortliche des objektbezogenen Apparats des Textes war, Folgendes mitteilen. Bereits im Jahr 1825 hatte Pietro Ercole Visconti,12 der Neffe von Ennio Quirino und Filippo Aurelio (und Sohn dessen Bruders Alessandro), eine Ausgrabung im Bereich des Circus Maximus, damals im Besitz der Torlonia, unternommen; 1830 gräbt er in Privernum aus, und fünf Jahre später im Auftrag des Herzogs Alessandro Torlonia auf den Besitzungen der Ceri (im heutigen Cerveteri);13 er war seit 1836 Mitglied der Commissione alle Antichità und Nachfolger von Carlo Fea als Vorsitzender derselben, führte in den Jahren 1855–1870 zusammen mit seinem Neffen Carlo Lodovico Ausgrabungen in Ostia durch,14 dann auf dem Palatin, im Bereich der Marmorata usw. Von 1856 bis 1871 lehrte er Archäologie an der Universität, bis er aufgrund des nicht geleisteten Schwurs auf den neuen Staat Italien seinen Lehrstuhl verliert; hierauf 10 C. Anti, Gherardo Ghirardini nel centenario della sua nascita (1958) 19f. 11 Visconti 1876; P. E. Visconti, Catalogo del Museo Torlonia di sculture antiche (1880); P. E. Visconti, Catalogo del Museo Torlonia di sculture antiche (1881); Visconti 1883; C. L. Visconti, Catalogue of the Torlonia Museum of ancient sculpture, with a litographic plan of the buildings in witch it is contained (1883); C. L. Visconti, Catalogue du Musée Torlonia des sculptures antiques (1883). 12 C. Pietrangeli, MemPontAcc 4, 1983, 11f.; D. Gallo, Les Visconts de Rome, in: F. Hanson – C. MacCallum (Hg.), Louis Visconti (1791–1853), Ausst.-Kat. Paris 1991, 51; Ridley 1992, 143– 145; D. Palombi, Rodolfo Lanciani: l’archeologia a Roma tra Ottocento e Novecento (2006) passim. 13 P. E. Visconti, Antichi monumenti sepolcrali scoperti nel ducato di Ceri (1836); Gallo a. O., 54; Ridley 1992, 148–150. 14 F. Marini Recchia – D. Pacchiani – F. Panico, Scavi a Ostia nell’Ottocento. Dalle escavazioni pontificie alle indagini di Rodolfo Lanciani, in: A. Gallina – C. Bruun (Hg.), Ostia e Portus nelle loro relazioni con Roma, Konferenz Rom 1999 (2002) 247–260.
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lehrt er bis 1873 römische Topographie an der Académie de France als Nachfolger von Antonio Nibby und ist schließlich im Jahr 1869 Autor des letzten Katalogs der Antiken der Villa Albani.15 Carlo Lodovico,16 seit 1859 Koadjutor des Kommissars, war ab 1883 Direktor des Museo Torlonia und schließlich nach der Einheit ab 1884 Direktor der Päpstlichen Museen und Gallerien. Autor eines Katalogs der Skulpturensammlung Ludovisi17 und einer nicht veröffentlichten Descrizione del Museo Gregoriano Lateranense,18 nimmt er persönlich an zahlreichen Ausgrabungen teil und erscheint der Familie Torlonia in mehrfacher Hinsicht eng verbunden. Die beiden Visconti sind also perfekt integriert in die Geschicke des archäologischen Erbes im mittleren 19. Jahrhundert. Sie wohnen der Auflösung der alten adligen Kunstsammlungen sowie den großen Ausgrabungen im Rom von Pius IX. und nach der Einigung Italiens bei. Ich gebe hier eine kurze Übersicht über die bisher nachgewiesenen Fehler in den Herkunftsangaben, wobei klar ist, dass weitere Forschungen diese Bewertung – in negativem Sinn – verändern könnten. Skulpturen Cavaceppi/Vitali - erworben 1800:
ca. 500 + ca. 500 Fragmente
- im Katalog unter der Herkunft Cavaceppi/Vitali:
69 (davon 20 nicht bestätigt und 3 falsch)
- mit einer anderen Herkunftsangabe:
73
Skulpturen Giustiniani - erworben 1816:
270
- im Katalog unter der Herkunft Giustiniani:
138 (davon 27 nicht bestätigt und 27 falsch)
- mit einer anderen Herkunftsangabe:
49
Skulpturen Albani - nach 1866 in das Museo überbracht:
64
- im Katalog unter der Herkunft Albani:
46 (davon 12 nicht bestätigt und 5 falsch)
- mit einer anderen Herkunftsangabe:
10
- nicht im Museo wieder auffindbar/vorhanden:
35
15 16 17 18
Morcelli/Fea/Visconti 1869. R. Lanciani, Carlo Lodovico Visconti, BCom 22, 1894, 259f.; Pietrangeli a. O., 15; Palombi a. O. C. L. Visconti, Descrizione dei monumenti di scultura antica del Museo Ludovisi (1891). D. Pacchiani, Un archeologo al servizio di Pio IX: Pietro Ercole Visconti 1882–1880, BollMusGallPont 19, 1999, 120 Anm. 34.
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Sogar im Fall der aus Grabungen stammenden Skulpturen finden sich Ungenauigkeiten oder Fehler: Bei den 22 Skulpturen, die als aus der Villa der Quintilier stammend beschrieben werden, ist die Herkunftsangabe in mindestens zwei Fällen nicht richtig;19 eine wird mit einer anderen Provenienz angeführt; von den 50 Skulpturen, die angeblich aus Portus stammen, haben sieben sicher eine andere Herkunft.20 Die Auflistung ließe sich fortsetzen. Und man sollte schon an dieser Stelle darauf hinweisen, wie sehr eine falsche Provenienzangabe die Bewertung eines Werkes beeinträchtigen kann: Denken wir nur an das Porträt von Konstantin aus der Sammlung Giustiniani, das – auf der Basis der angeblichen Herkunft aus der kaiserlichen Villa an der Via Appia – zu einem Porträt des Maxentius-Sohnes Romulus wird, oder an die vielen angeblich aus Portus stammenden Porträts, die Raissa Calza etwas gutgläubig in die Bände V und IX der Scavi di Ostia aufgenommen hat,21 ganz zu schweigen davon, dass es äußerst bedauerlich ist, keine dokumentarischen Daten zu besitzen, die die Provenienz der ‚Fanciulla Torlonia‘ – wie von Pietro Ercole angegeben – aus Vulci bestätigen.22 Um die Hintergründe dieser Situation zu verstehen – eine kolossale Serie von Irrtümern oder eine bewusste Fälschungsaktion? –, müssen wir den Wissensstand bedenken, mit dem es die beiden Visconti zu tun hatten. Die Skulpturen der Sammlung Giustiniani, insbesondere diejenigen der Galerie im Palazzo beim Pantheon, die Giovanni Torlonia erworben hatte, waren fast alle in einem wertvollen Druckwerk, der 1635 vom Marchese Vincenzo herausgegebenen Galleria Giustiniani abgebildet,23 und damit in Rom allgemein bekannt, mithin für die Visconti erreichbar; Autor der im Vorfeld des Verkaufs herausgegebenen Indicazione der Statuen im Palazzo Giustiniani war derselbe Filippo Aurelio.24 Auch wenn es aus Gründen der Opportunität geboten war, die Ursprünge der Skulpturen Bartolomeo Cavaceppis zu verschweigen, waren doch zahlreiche von diesen in der von ihm selbst zwischen 1768 und 1772 herausgegebenen Stichsammlung publiziert worden;25 auch diese Stichsammlung war weithin bekannt und noch ein Jahrhundert später in Benutzung. 19 Gasparri 1980, 63–65. – Zu den aus der Villa stammenden Skulpturen zuletzt: U. Schädler in: A. Ricci (Hg.), La Villa dei Quintili. Fonti scritte e fonti figurate (1998) 29–187. 20 Gasparri 1980, 68f. 21 R. Calza, Scavi di Ostia V. I ritratti I (1964) Nr. 4. 16. 34. 42. 53–54. 95. 119. 151; dies., Scavi di Ostia IX. I ritratti II (1978) Nr. 5. 34. 38. 56. 59. 66. 81. 22 Visconti 1883, 248 Nr. 489. 23 Zur Geschichte der Sammlung vgl. Gasparri 1980, 53–61 und zuletzt Gallottini 1998 sowie G. Fusconi (Hg.), I Giustiniani e l’antico, Ausst.-Kat. Rom 2001. 24 F. A. Visconti, Indicazione delle sculture del Palazzo Giustiniani (1811). 25 Cavaceppi 1768 (Band 1); Band 2 und 3 erschienen 1769 und 1772.
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Welche der Albani-Skulpturen nun aus der Villa an der Via Salaria in das Museo transferiert worden waren, musste Pietro Ercole gut bekannt sein, da er nur wenige Jahre zuvor den letzten Albani-Katalog herausgegeben und außerdem mit großer Wahrscheinlichkeit sogar selbst an den Umbauarbeiten der Villa teilgenommen hatte.26 Was die Herkunft der Skulpturen aus Grabungen betrifft, sei daran erinnert, dass die beiden Visconti oftmals präsent waren bei den auf den Liegenschaften der Familie durchgeführten Erforschungen, beginnend mit denen in Portus. Man kommt nicht umhin zu vermuten, dass es – neben manch verzeihlichem Fehler – eine absichtliche Verschleierung der Ursprünge des „Museo“ gegeben hat. Um an die Tradition des adligen römischen Sammlungswesens anknüpfen zu können, präsentiert der Katalog das „Museo“ als Frucht vor allem der großen Ausgrabungsarbeiten auf den Ländereien der Familie, während die Bedeutung der beiden großen Ankäufe (der Galleria Giustiniani und des Studio Cavaceppi) heruntergespielt wird. Beide Ankäufe sind im Übrigen das Resultat zweier geschickter ‚Operationen‘: Die Skulpturen Giustiniani wurden als Pfand eines 1816 mit der Familie ausgehandelten und nie zurückerstatteten Kredits einbehalten,27 diejenigen des Studio Cavaceppi bei einer manipulierten Versteigerung erworben.28 Hinweise in diesem Sinne lassen sich in den Vorworten zu den verschiedenen Fassungen des Katalogs finden: Die Skulpturen seien das Ergebnis eines „prospero successo di scavi largamente eseguiti fra le ruine di città già floridissime o di splendide ville, che sono adesso fra i numerosi latifondi posseduti dallo stesso Torlonia“.29 Untersuchen wir nun einen zweiten Aspekt des Katalogs, nämlich denjenigen der falschen Informationen zum Erhaltungszustand der Skulpturen. Auch hier ist eine Aussage der beiden Visconti aufschlussreich: Quanto è poi degli oggetti di nuovo acquisto, o di nuova scoperta, non si accettarono nel primo caso il più delle volte se non quelli che agli altri pregi unissero una perfetta conservazione.30
Die aus Grabungen stammenden Werke scheinen hingegen alle so gut wie vollständig zu sein, viele sogar in perfektem Zustand. Einige maßgebliche Beispiele für dieses Vorgehen: Der beeindruckende Eros auf einer von Wildschweinen gezogenen Biga (Taf. 37 a)31 wiederholt das 26 27 28 29 30 31
Vgl. Anm. 7. s. o. Anm. 23. s. o. Anm. 5. Visconti 1876, 6. Visconti 1876, 9. Visconti 1884, Nr. 426.
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Thema, wie Pietro Ercole im Katalog von 1880 ausdrücklich sagt, „del rilievo nel Museo Clementino“,32 oder besser eines Elements des bekannten Frieses aus der Villa Hadriana, dessen Abguss zur größeren Klarheit in die Basis der Gruppe eingelassen ist. Visconti sagt: „L’opera è una delle più rare e meglio condotte, che in tal genere siano a noi pervenute. L’imitazione del vero è perfetta“; Carlo Lodovico beschränkt sich im Katalog von 1884 vorsichtig darauf, von einem „gruppo di leggiadra invenzione“ zu sprechen.33 Als Herkunft ist angegeben: Ankauf Torlonia. Tatsächlich ist dieses Werk das Resultat der Kombination einer Replik des astragalspielenden Eros (Abb. 1) der Sammlung Vitali (d. h. aus dem Studio Cavaceppi)34 mit veränderten Ergänzungen mit einem Wildschwein aus Bigio-Marmor aus der Villa Albani,35 wo es, von einem Raubvogel angegriffen, als pittoreske Gruppe in einer Grotte ausgestellt war. Das andere, ebenfalls aus Bigio-Marmor gearbeitete Wildschwein muss vollständig modern sein,36 nur ist schwer zu sagen, welches der beiden, ebenso die Biga. Möglicherweise spielte bei der Zusammenstellung der Gruppe die Erinnerung nicht nur an das Relief in der Villa Hadriana sondern auch an die Biga Vaticana eine Rolle, die Franzoni aus dem Wagenkasten eines antiken Elements und einem ebenso antiken Pferd zusammen mit einem komplett modernen Pferd kombinierte. Die Milon-Gruppe „di somma rarità“ (Taf. 37 b), die im Katalog von 1876 mit der Angabe „aus Anzio“ auftaucht,37 umfasst, wie seit längerem bekannt,38 den Torso eines der Abb. 1 „Eros Vitali“ von Skylla attackierten Gefährten des Odysseus, der zu einer Gruppe aus Pavonazzetto gehört, von der weitere – sehr wahrscheinlich bei derselben Gelegenheit in der Villa Hadriana gefundene – Fragmente in den Magazinen der Vatikanischen Museen und in Palermo aufbewahrt werden. Der Torso gehört zu den Stücken, die nach 1866 aus der 32 33 34 35
P. E. Visconti, Catalogo del Museo Torlonia di sculture antiche (1880) Nr. 335. s. o. Anm. 31. Vitali a. O. (Anm. 6) II Taf. 43; Gasparri/Ghiandoni 1993, 323. S. Morcelli, Indicazione antiquaria per la Villa suburbana dell’Eccellentissima Casa Albani (1785) Nr. 546; S. Morcelli – C. Fea, Indicazione antiquaria per la Villa suburbana dell’Eccellentissima Casa Albani (1803) Nr. 523 (nur das Wildschwein). 36 Gregarek 1999, 267 Kat. H18. 37 Visconti 1876, Nr. 165; Visconti 1884, Nr. 167. – Der berühmte Athlet Milon aus Kroton (6. Jh. v. Chr.) soll von Wölfen getötet worden sein. 38 L. de Lachenal, Sul gruppo della Scilla d’Anzio, AttiPontAcc 49, 1976/77, 92–116; B. Andreae, AntPl XIV (1974) 81f.
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Villa Albani in das „Museo“ transferiert wurden und erscheint tatsächlich noch in Feas Katalog aus dem Jahr 1803,39 aufgestellt in einer Außennische des „Appartamento dei Bagni“ und korrekt identifiziert als „frammento di mostro marino che divora un naufragante“.40 Im Katalog von 1883 präsentiert Carlo Lodovico eine stilistische Bewertung der Gruppe: „appartiene forse l’originale alla scuola di Rodi, o a quella di Tralli nell’Asia Minore: scuole che trattarono volentieri soggetti altamente patetici e di gagliardo effetto“.41 Erst im Katalog des Folgejahrs scheint derselbe Carlo Lodovico ein schlechtes Gewissen bekommen zu haben und schreibt „indubbio che il gruppo sia creato dal moderno restauro; la parte antica raffigura Atteone sbranato dai cani; etc.“.42 Pietro Ercole Visconti hatte, wie bereits erwähnt, im Jahr 1869 die dritte Edition des Katalogs der Villa Albani veröffentlicht, die eine Revision der vorhergehenden aus dem Jahr 1803 war. Es ist daher kaum anzunehmen, dass er keine sieben Jahre später außerstande war, sich an die Provenienz von Torso und Wildschwein zu erinnern, und nichts von dem – gut in dem von Vitali illustrierten Katalog erkennbaren – Eros Cavaceppi wusste. Der schwerfällige und überladene Stil der neuen Ergänzungen entspricht in gewisser Weise dem Geschmack der überbordenden und gewollt von der Antike inspirierten Dekorationen, wie sie typisch für die Aufträge der Torlonia in jenen Jahren waren. Aber selbst wenn der Impuls zur Schaffung dieser „Pastiches“ in erster Linie vom Fürsten Alessandro ausgegangen sein mag, ist nicht ihm der materielle Entwurf derselben zuzuschreiben – im Charakter des Fürsten ist keine antiquarische Kultur und kein besonders ausgeprägter Sinn für das antike Wesen erkennbar –, sondern vielmehr seinem direkten Berater in diesen Angelegenheiten, eben Pietro Ercole. Wenn man dem Vorwort in den Katalogen von 1876 und 1884 Glauben schenken darf,43 handelt es sich bei dem Bildhauer, der mit Pietro Ercole bei der Einrichtung des „Museo“ und den damit zusammenhängenden Restaurierungen bzw. bei der Veränderung älterer Eingriffe zusammenarbeitet, um Filippo Gnaccarini (1804–1875), einen Künstler mit akademischer Ausbildung,44 der in seiner Jugend an der Piazza del Popolo unter Valadier tätig war und sich nach der ‚Restauration‘ religiösen Themen zuwandte; im Dienst der Auftraggeberschaft Torlonia führte er die Statuen der Tugenden für die Kappelle in der Kir39 Morcelli/Fea a. O., 28 Nr. 255. 40 Vgl. auch E. Platner – C. Bunsen et al., Beschreibung der Stadt Rom III 2 (1838) 469: „Fragment der Gruppe eines von der Scylla ergriffenen Menschen“. 41 Visconti 1883, Nr. 167. 42 Visconti 1884, Nr. 167. 43 Visconti 1876, 10; Visconti 1884, VII–VIII. 44 Dizionario biografico degli Italiani LVII (1991) 429f. (E. Bianchi).
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che S. Giovanni in Laterano aus.45 Man weiß außerdem, dass er im Auftrag des Kaisers von Russland einen restauratorischen Eingriff an einer antiken Venus vorgenommen hat, der ihm im Jahr 1859 eine Ehrung einbrachte.46 Nach seinem Tod nimmt seine Position, unter der Leitung des „Museo“ von Carlo Lodovico, der noch weniger bekannte Colombo Castelpoggi ein, ein wahrscheinlich aus Carrara stammender Bildhauer. Am Beginn des Umdenkens von Carlo Lodovico könnte die Kenntnis der zahlreichen und schwerwiegenden Kritiken am Katalog stehen, die Schreiber im Jahr 1876 veröffentlicht47 und die Pietro Ercole in den darauffolgenden Ausgaben ab 1880 gänzlich ignoriert hat. Darüberhinaus gibt es Fälle von noch komplizierteren ‚Fehlleistungen‘, die auf wissenschaftlicher Ebene negative Folgen hatten, vor allem im Fall der aus der Villa Albani in das „Museo“ transferierten Skulpturen. Das beste Beispiel dafür betrifft eine Porträtgruppe, von denen zwei identische Repliken in der Villa und im „Museo“ existieren (Taf. 38–45): Villa Albani Morcelli, Fea, Visconti 1869
Museo Torlonia Visconti 1884
Vespasian
18
536
Titus
23
537
Alkibiades
594
67
“Sulla”
609
508 (sog. Postumio Albino)
Hadrian
617
545
Balbinus
624
587
Caracalla
702
569
Otho
729
534
Die Erklärung dafür findet sich in einer kurzen, im Katalog der Villa von 1869 versteckten Notiz, die darüber informiert, dass eine Reihe von Skulpturen (darunter unsere Büsten) vom Besitzer bereits an einen anderen Ort (natürlich das zukünftige Museo Torlonia) verbracht und durch Gipskopien ersetzt worden seien.48 Tatsächlich bestehen die Repliken, die wir heute in der Villa sehen (letzter 45 O. Iozzi, La cappella Torlonia in S. Giovanni in Laterano (1902). 46 Es handelt sich um die 1859 in der Villa Magnani bei Porta Portese gefundene Statue, heute in Sankt Petersburg; vgl. O. Waldhauer, Die antiken Skulpturen der Ermitage III (1936) 12 Nr. 231 Abb. 8. 47 T. Schreiber, AZ 34, 1876, 119–122; vgl. auch T. Schreiber, AZ 37, 1879, 63–78. 48 Morcelli/Fea/Visconti 1869, 173.
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Ortstermin September 2014), allesamt aus Marmor, auch die Büste des Hadrian Nr. 617 (Taf. 42 a), und die des „Sulla“ Nr. 609 (Taf. 41 a), die Rita Amedick im letzten, von Peter Bol herausgegebenen Katalog der Villa als Gipsabgüsse publiziert hat.49 Wo sind und woher stammen diese ‚falschen Abgüsse‘ oder besser gesagt diese Repliken Albani der Porträts Albani-Torlonia, die zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt den Platz der ersten Serie von Abgüssen eingenommen haben? Die Herme des Alkibiades Nr. 594 (Taf. 40 a), von Emmanuel Voutiras zutreffend als modern erkannt,50 und die zwei heute in der Portikus des Kaffeehauses aufgestellten Büsten von Hadrian Nr. 617 und „Sulla“ Nr. 609, beide aus Marmor und modern,51 stammen womöglich aus der Werkstatt von Bartolomeo Cavaceppi, der bekanntlich in der Villa Albani tätig war und Abgüsse aufbewahrt oder Kopien der von ihm restaurierten Werke angefertigt haben könnte: Im 1802 von Vincenzo Pacetti herausgegeben Inventar der aus dem „Studio Cavaceppi“ erworbenen Materialien erscheinen tatsächlich eine zeitgenössische Herme des Alkibiades52 sowie zwei Büsten von Sulla und Hadrian, nebeneinander aufgestellt,53 und zwar in einer Abteilung von Werken, deren antike oder moderne Herkunft nicht genauer bestimmt wird. Auch wenn die Vermutung nicht zu beweisen ist, ist es doch recht wahrscheinlich, dass der Fürst Torlonia oder Pietro Ercole Visconti das „Studio Cavaceppi“ als Fundgrube benutzt hat, um Leerstellen in der Villa Albani aufzufüllen; und es soll daran erinnert werden, dass in Pacettis Inventar auch die Gipsabgüsse einer Herme des Alkibiades und einer Büste des Hadrian Erwähnung finden.54 Anders verhält es sich mit den Doppelbüsten von Vespasian Nr. 18 (Taf. 38 a) und Titus Nr. 23 (Taf. 39 a), die Pietro Ercole im Katalog von 1869 als im Atrium der Karyatiden aufgestellt beschreibt: diejenige des Vespasian „tra i più rari della serie imperiale“, diejenige des Titus „di perfetta conservazione“.55 Die letztgenannte hatte einiges Erstaunen in der Beschreibung von Platner und Bunsen ausgelöst,56 und bei der Publikation der Porträts von Vespasian hat Bernoulli Probleme, die Repliken des „Museo“ (Taf. 38 b u. 39 b) von denen 49 R. Amedick in: Villa Albani IV, 105 Nr. 423 (Hadrian); 83–85 Nr. 417 („Sulla“, sog. Postumius Albinus). 50 E. Voutiras: in Villa Albani IV, 53–57 Nr. 407. 51 s. o. Anm. 49. 52 Gasparri/Ghiandoni 1993, 260 Nr. 82. 53 Gasparri/Ghiandoni 1993, 277 Nr. 1006 und 1007. 54 Gasparri/Ghiandoni 1993, 289 Nr. 297 und 289. 55 Visconti 1876, 5 Nr. 18; 6 Nr. 23. 56 Platner/Bunsen a. O. (Anm. 40) 476: „scheint sehr von neuern Händen überarbeitet“.
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der Villa zu unterscheiden, was ihn zu der Vermutung gelangen lässt, es handele sich bei dem Stück in der Villa um einen Abguss.57 Die beiden heute in der Villa Albani befindlichen und bis in die jüngste Zeit mit einer dicken Schmutzschicht bedeckten Porträts wurden von Renate Bol als antik veröffentlicht.58 Bol konnte nicht erkennen, dass es sich bei beiden um moderne Kopien – mit minimalen Abweichungen – der heute im „Museo“ aufbewahrten Exemplare handelt, von denen nur die Köpfe antik sind: die Büste des Vespasian (Taf. 38 b), die Pietro Ercole im Katalog von 1876 als „di mirabile esecuzione“ beschreibt, und diejenige des Titus (Taf. 39 b), von der es heißt: „ottimo e molto raro ritratto, esecuzione e conservazione perfetta“.59 Mehr oder weniger dieselben Worte finden sich im Katalog von 1884 von Carlo Lodovico.60 Wann aber sind die Kopien hergestellt worden? Die beiden antiken Porträts des Museo – und vor allem dasjenige des Titus – zeigen Büsten von einer schwerfälligen Form, die ganz untypisch ist für die eleganten Anfertigungen aus der Zeit von Kardinal Albani; sie erinnern vielmehr an die mittelmäßigen Eingriffe für die Werkstatt Torlonia: Hier sei nur an eine Reihe von Büsten erinnert, die um 1840 für die Dekoration der Villa Torlonia an der Via Nomentana angefertigt wurden und später in das „Museo“ gelangten (wo sie als antik galten),61 sowie an einige Büsten des „Museo“, die ältere Ergänzungen ersetzten.62 Wahrscheinlich sind die im 18. Jahrhundert vorhandenen Büsten – zumindest diejenige des Titus – von Gnaccarini ersetzt worden, vielleicht um der gesamten Porträtserie, die den Rundgang durch das Museo beschließt, eine einheitliche Patina zu geben; erst im Anschluss daran dürften die beiden ‚neuen‘ Porträts in Marmor repliziert worden sein. Wir werden es also mit zwei „gefälschten Repliken der Büsten Albani“ zu tun haben. In diesem Sinn muss auch die Büste des sog. Balbinus Nr. 624 (Taf. 43 a) interpretiert werden, die – schon Amedick hat dies bemerkt63 – eine Kopie des Porträts Albani nach dem Austausch der Büste sein muss, auch dies ein gutes Beispiel für die Vorgehensweise von Visconti/Gnaccarini. Zu letzterem werde ich nichts weiteres sagen, da mir genauere Untersuchungen noch nicht möglich waren. Aber vielleicht ist es kein Zufall, dass aus der Werkstatt Cavaceppis keine Abgüsse oder moderne Kopien der Büsten von Vespasian, Titus und Bal57 58 59 60 61
J. J. Bernoulli, Römische Ikonographie, zweiter Teil II (1891) 22 Nr. 2. R. Bol in: Villa Albani II, 96f. Nr. 181–182. Visconti 1976, 206 Nr. 440–441. Visconti 1884, Nr. 536–537. Visconti 1884, Nr. 222–227; Gasparri/Ghiandoni 1993, 174–178 Nr. B.7–12; vgl. auch die in der Villa Torlonia verbliebene Büste (Gasparri/Ghiandoni 1993, 159f. Nr. A.98). 62 z. B. Visconti 1884, Nr. 555. 581. 589. 601. 607. 614. 63 R. Amedick in: Villa Albani IV, 121f. Nr. 430.
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binus bekannt sind. Schwieriger ist das Urteil, was die beiden letzten Repliken Albani-Torlonia betrifft, die Büste des sog. Otho Nr. 729 (Taf. 45 a) und die gut bekannte des Caracalla Nr. 702 (Taf. 44 a). Der Otho Albani (den ich letztens nicht untersuchen konnte) wurde von Amedick als Rest einer antiken, in eine Büste umgearbeiteten Statue mit kleineren modernen Ergänzungen interpretiert;64 der Caracalla Albani wird üblicherweise als Bestandteil der Serie der Repliken des Typus Alleinherrscher angesehen; korrekterweise hält ihn auch Amedick für antik, auch wenn sie meint, dass Kopf und Büste nicht zusammengehören.65 Daher kann in diesen letzten beiden Fällen kein Austausch stattgefunden haben; und die heute im „Museo“ befindlichen Repliken – die von Pietro Ercole im Katalog von 1876 als „uno dei meglio scolpiti ritratti di questo pessimo uomo“ definierte Büste Caracalla Nr. 569 (Taf. 44 b)66 und der Otho Nr. 534 („ritratto di insigne rarità“)67 (Taf. 45 b) – dürften modernen Ursprungs sein, worüber eine erneute Autopsie Aufschluss erbringen könnte. Bevor wir diese beiden Büsten und die mit ihnen verbundenen Fragen verlassen, lohnt es sich, den heute in der Villa Albani befindlichen Caracalla genauer zu betrachten. Wie bekannt, gründet sich die Unterscheidung der beiden Haupttypen der Caracalla-Porträts (Alleinherrscher oder Florenz/Farnese; 2. Typus oder Typus Tivoli) grundsätzlich auch auf die physiognomischen Züge der Köpfe, ohne jedoch die Tatsache zu berücksichtigen, dass auch für die Büsten zwei Typen existieren, wie die unterschiedliche Darstellung des paludamentum an den Stücken zeigt, bei denen der Kopf sicher zugehörig ist: Das Porträt des Caracalla Villa Albani Nr. 702 zeigt den Kopf des Typus 1 und die Büste mit gerade verlaufenden, breiten und horizontalen Falten, wie sie für den Caracalla Typus 2 charakteristisch sind. Wenn – wie es mir scheint – der Kopf antik ist und am zentralen, ebenfalls antiken Teil der Büste ansitzt, stellt dieses Porträt ein bisher einzigartiges ‚Mischwesen‘ der beiden genannten Typen dar. Es soll daran erinnert werden, dass in der ursprünglichen Sammlung des Kardinals Albani ein Porträt des Caracalla (Taf. 46 a) vom Typus 1 vorhanden war, mit einer Büste des ersten Typus (heute im Louvre),68 sowie auch ein Caracalla vom Typus 2 (Taf. 46 b), der verbunden ist mit einer Büste des zweiten Typus,69 die ich für zugehörig halte. Der Kardinal besaß also alle Hauptvarianten des Porträts dieses grausamen Kaisers. Die Analyse der Visconti-Kataloge, die sich sicher ausdehnen ließe, zeigt, 64 65 66 67 68 69
R. Amedick in: Villa Albani IV, 161f. Nr. 445. R. Amedick in: Villa Albani IV, 403f. Nr. 519. Visconti 1876, 213 Nr. 471; Visconti 1884, Nr. 569. Visconti 1876, 205f. Nr. 438; Visconti 1884, Nr. 534. Louvre, Inv. Ma 1106: K. de Kersauson, Catalogue des portraits romains II (1999) 388f. Nr. 178. Villa Albani Nr. 746: R. Amedick in: Villa Albani IV, 202–204 Nr. 459.
Das „Museo Torlonia“ von Pietro Ercole und Carlo Lodovico Visconti
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welche komplexen Abläufe zum Aufbau des großen musealen Systems im Auftrag des Fürsten Alessandro Torlonia geführt haben. Der Katalog mit seinem häufig zweideutigen und sehr oft ungenauen Text trägt dazu bei, dem Ganzen ein gleichförmiges Erscheinungsbild zu geben, welches so – bezogen auf den technisch auf modernstem Stand befindlichen Abbildungsapparat – eine einheitliche ‚Patina‘ annimmt: modernste technische Einrichtungen waren auf Torlonias Besitzungen, der Villa an der Via Nomentana und im Palast an der Piazza Venezia bereits testweise zum Einsatz gekommen. Mit seiner prunkvoll ausgestatteten Ausgabe steht der Katalog in der Tradition der prachtvollen Editionen des römischen Adels des 17. und 18. Jahrhunderts, deren letztes Beispiel er gleichzeitig darstellt: zwar dem Willen und den speziellen Wünschen des Auftraggebers folgend, aber gerade dafür die neuesten technischen Errungenschaften nutzend, überliefert er uns die großartige Antikensammlung des letzten großen Fürsten von Rom.
Nachtrag Im Oktober 2015 war es mir möglich, einige der oben behandelten Büsten in der Villa Albani, die inzwischen restauriert und gereinigt worden sind, nochmals in Augenschein zu nehmen. Die erneute Autopsie erlaubt es, einige der oben geäußerten Beobachtungen zu ergänzen oder zu korrigieren. Der Kopf des Porträts des Hadrian (Nr. 617), aus pentelischem Marmor, ist antik; die Büste aus lunensischem Marmor ist modern. Der untere Teil der Büste des „Sulla“ (Nr. 609) ist gesondert gearbeitet und besteht aus einem anderen Marmor als der obere Teil. Der Verfasser ist dem Fürsten Alessandro Torlonia für die Erlaubnis, die Villa zu betreten und die dort befindlichen Porträts zu untersuchen, sehr zu Dank verbunden. Für wichtige Hinweise bezüglich der Restaurierung der AlbaniBüsten sei Anna Maria Carruba herzlich gedankt. – Die Übersetzung des Textes wird Philipp Schmitt verdankt.
Pseudoantike Sarkophage. Zum Phänomen der Überarbeitung antiker Sarkophage Hans Rupprecht Goette
Der vorliegende Beitrag fasst im ersten Teil Beobachtungen zusammen, die der Autor gemeinsam mit Árpád Nagy an einer Gruppe von Schlachtsarkophagen gemacht und kürzlich publiziert hat.1 Es geht um neuzeitlich überarbeitete Sarkophage, die meist im Kern antik sind, deren ursprünglich einfache Erscheinung aber mit aufwendigen, pseudoantiken Reliefs ‚aufgewertet‘ wurde. Die Tatsache, dass derartige Sarkophage, deren Bilder auf dem ikonographischen Repertoire antiker Werke fußen, meist als römische, also antike Originalwerke im späteren 19. und frühen 20. Jahrhundert an private Sammler verkauft wurden, lässt in vielen Fällen auf eine bewusste Fälschungsabsicht schließen. Im zweiten Teil des Beitrages wird diese Untersuchung anlässlich eines Sarkophagreliefs erweitert um die Betrachtung einer vermeintlich antiken Statuettenreplik einer der beiden Jünglinge der Ildefonso-Gruppe.
Pseudoantike Sarkophage mit Gallierschlacht-Szenen Beispiele für die hier zu behandelnde Gruppe sind ein Sarkophag in Budapest (Taf. 47 a–e)2 und ein zweiter in Dallas (Taf. 48 a),3 deren Relieffront mit fast identischer Figurenanordnung das Schlachtgetümmel von gerüsteten Kriegern gegen gallische Barbaren wiedergibt: Zwischen zwei Tropaia kämpfen in mehreren Gruppen berittene Soldaten in Panzer und Helm gegen meist unbeklei1 2
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H. R. Goette – Á. M. Nagy, Zum Schlachtsarkophag im Museum der Bildenden Künste, Budapest, BullMusHongr 118, 2013, 75–99. Im Folgenden wird auf die in jenem Beitrag vorgelegten Ergebnisse und Detailuntersuchungen nicht weiter verwiesen. Kurz erwähnt und als nachantikes Werk erkannt wurde der Sarkophag von J. Szilágyi, Ancient Art. Department of Antiquities (2003) 161f. – Über die Sammlungsgeschichte des Stückes ist fast nichts bekannt; es befindet sich seit 1972 in Budapest, als Leihgabe des Museums in Sárvár (Westungarn). Dallas, Museum of Art, Inv. 1999.107. – Der sog. Bergsten sarcophagus wurde 1999 im Kunsthandel erworben.
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dete, deutlich unterlegene Gallier, die durch ihr struppiges, langes Haar, die Bärte und Torques sowie ihre Bewaffnung, besonders die Schilde, kenntlich sind. Das Typenrepertoire, die jeweiligen Kampfgruppen, ist gut bekannt von antiken Grablegen, von denen der sog. Ammendola-Sarkophag (Taf. 48 b)4 das vollständigste und qualitätvollste, zudem seit seiner Entdeckung im Jahr 1830 besonders berühmte Beispiel ist, das den beiden Stücken in Budapest und Dallas offensichtlich als Vorlage gedient hat. Die modernen Bildhauer – die Ermittlung der Werkstätten, die wohl in oder in der Nähe von Rom zu suchen sind, bedarf noch einer speziellen Untersuchung – sahen sich bei ihrer Arbeit einer besonderen Herausforderung gegenüber: Sie arbeiteten die Motive der Galatomachien in Sarkophagfronten ein, die im Vergleich zum Vorbild flacher und länger sind, also gestrecktere Proportionen aufweisen.5 Das Repertoire der Kampfgruppen reichte folglich nicht aus, um die langen Friese wie beim Vorbild zu füllen; dem Gesamtbild mussten vielmehr weitere Figuren hinzugefügt werden. Im Fall des Stückes in Dallas (Taf. 48 a) wiederholte man ein weiter links vorkommendes Motiv am rechten Rand, nämlich das nach rechts sprengende Pferd mit dem Reiter, der sein Gesicht mit seinem erhobenen, das Schwert schwingenden Arm verdeckt; er greift damit einen Barbaren im Hintergrund neben den Tropaia-Schilden an; dessen nach oben gewandter Kopf wiederholt mehrere gleichartige Gallierhäupter, bei denen freilich der Blick hinauf zu überlegenen Gegnern wegen ihrer Position im unteren Teil des Bildes inhaltlich besser motiviert ist als hier. Im Fall des Budapester Sarkophages (Taf. 47 a) hat der Bildhauer zu einer anderen Lösung gegriffen, um die Sarkophagfront mit zusätzlichen Kämpfern zu füllen: Er bediente sich aus dem Formenschatz bekannter AmazonomachieSarkophage und fügte deren Figuren mit geringen Variationen in sein Galatomachie-Relief ein. Man findet Gestalten oder Kampfgruppen, die z. B. auf der Neben- und der Frontseite des bekannten Amazonenschlacht-Sarkophages im Kapitolinischen Museum (Taf. 49 a)6 erscheinen. Es wurden jedoch 4
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Rom, Museo Capitolino, Inv. 213; 1830 in einer Grabkammer in der Vigna Ammendola (Via Appia) gefunden: B. Andreae, Motivgeschichtliche Untersuchungen zu den römischen Schlachtsarkophagen (1956) 14 Nr. 3 Taf. 1; Koch/Sichtermann 1982, 91 Abb. 74; K. Krierer, Sieg und Niederlage (1995) 87f. Taf. 24,84; E. Kistler, Funktionalisierte Keltenbilder (2009) 243 Anm. 249; S. Faust, Schlachtenbilder der römischen Kaiserzeit (2012) 177–189 (mit Lit. in Anm. 980) Taf. 69f.; L. Musso in: Musei Capitolini 2010, 310–323 Nr. 13 mit Abb. Ammendola: 211 cm Länge bei 78 cm Höhe (Verhältnis ca. 1:2,7); Budapester Sarkophag: 177 cm Länge bei 39 cm Höhe (Verhältnis ca. 1:4,5); Bergsten-Sarkophag in Dallas: 208 cm Länge bei 63,5 cm Höhe (Verhältnis ca. 1:3). – Zu den Typen der durch die Bildhauer (wieder-)verwendeten Sarkophage s. u. Inv. 726; 1744 an der Via Collatina gefunden: Stuart Jones, Mus. Cap. 323 Nr. 18 Taf. 81; C. Robert, ASR II Nr. 77 Taf. 32; Helbig4 II Nr. 1228; H. Sichtermann – G. Koch, Griechische
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einige Veränderungen vorgenommen, etwa indem man eine vorwärts auf das Gesicht gefallene Amazone (links der Mitte des Sarkophages im Kapitolini schen Museum, aber auch auf einem bekannten Sarkophag im vatikanischen Belvedere:7 Taf. 49 b) in einen vornüber zusammengebrochenen Barbaren mit entblößtem Hinterteil (am rechten Friesrand der Budapester Grablege) verwandelte. Bei der Übernahme von Figurenschemata hat man variiert, indem z. B. die Waffen und die Kopfhaltungen geringfügig verändert wurden, ohne dass dadurch die Abhängigkeit zu verbergen gewesen wäre. Besonders deutlich wird dies bei dem vorstürmenden Gallier am rechten Friesrand, der bei gleicher Gesamthaltung nicht nur eine den Amazonen gehörige Doppelaxt schwingt und deren Peltaschild trägt, sondern dessen Gewand ebenso im Rücken gebauscht ist wie beim Vorbild, der zentral agierenden Amazone8 des kapitolinischen Sarkophages. Der Bildhauer der Budapester Grablege hat also einerseits die Hauptgruppen und Kämpfer des Ammendola-Sarkophages (und verwandter GalatomachieSarkophage bzw. ihrer Vorbilder9) in kleinem Format kopiert und zudem andererseits das Schlachtgetümmel erweitert durch Kampfschemata von berühmten Amazonomachie-Sarkophagen, speziell denen im vatikanischen Belvedere und im Kapitolinischen Museum.
Pseudoantike Sarkophage mit Amazonomachie-Szenen Die genannten Sarkophage mit Bildern von Amazonenkämpfen (Taf. 49 a–b) sind im späten 19. Jahrhundert aber nicht nur als Exzerpte, also für das Zitieren einzelner Figuren oder Gruppen genutzt worden. Man hat sie sogar in ihrer Gesamtheit kopiert, wie drei Beispiele in Kalifornien belegen können. Es handelt sich dabei um zwei Sarkophage in der Sammlung der Huntington Library and Art Gallery in San Marino (Taf. 50 u. 51 a–c)10 und um einen kleinen (sog. Mythen auf römischen Sarkophagen (1975) 22f. Nr. 11 Taf. 21, 2. 22–25; Grassinger 1999, 237 Nr. 94 Taf. 90,5; 91–93; 94,3–7; 95,5–6 (mit weiterer Lit.); K. Meinecke, Sarcophagum posuit (2014) 358 Kat. B 94. 7 s. besonders Grassinger 1999, 140 „Gefallene P“; 237 Nr. 94 Taf. 93,2. Noch genauer kopiert diese Figur die gefallene Amazone auf dem seit dem 15. Jahrhundert bekannten Sarkophag im vatikanischen Belvedere (Vatikanische Museen, Inv. 896: Grassinger 1999, 240 Nr. 101 Taf. 97; 98,1–2; 99 [mit älterer Lit.]), da bei dieser zusätzlich die gleiche nach hinten gewandte Haltung des Schild-tragenden Arms erscheint. 8 Grassinger 1999, 140: Axtschwingerin aus der „Gruppe C 1“. 9 Dazu Andreae a. O. (Anm. 4). In Frage kommen in Rom etwa Reliefs wie der Große Trajanische Fries am Konstantinsbogen, der einige der ikonographischen Schemata wie auch entsprechende Details zeigt: A.-M. Leander Touati, The Great Trajanic Frieze (1987). 10 Inv. 10.151 (im Westen des Südeingangs); aus dem Kunsthandel (Eugene Glaenzer & Co. sowie
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Kinder-)Sarkophag in der Bibliothek der University of Southern California in Los Angeles (Taf. 52 a–c).11 Beim größeren der beiden Stücke in der Huntington-Sammlung (Taf. 50 a) entspricht das gesamte Figuren- und Gruppenensemble12 einschließlich der rahmenden Siegesgöttinnen in der Abfolge und in den motivischen Schemata dem Vorbild des Amazonen-Sarkophages im Kapitolinischen Museum (Taf. 49 b). Nur eine Hinzufügung ist zu bemerken: Ein behelmter Kriegerkopf im oberen Hintergrund links sollte die beim antiken Original vorhandene, den Kopisten offenbar störende leere Fläche füllen. Und einige Kopfwendungen sowie manche Faltenmotive sind leicht abgewandelt, zudem wurden Details wie z. B. die Form einiger Helmbüsche missverstanden, was darauf schließen lässt, dass dem modernen Bildhauer bei seiner Arbeit wohl kein Gipsabguss des kapitolinischen Reliefs vorlag. Der zweite Amazonomachie-Sarkophag in der Huntington-Sammlung (Taf. 51 a) zeigt ein unfertig13 ausgearbeitetes Relief. Gleichwohl lässt sich erkennen, dass man diesen Fries nach demjenigen des Belvedere-Sarkophages (Taf. 49 b) kopiert hat. Dabei wurden sogar Teile imitiert, die dort nachantik ergänzt sind, also nicht antiker Ikonographie entsprechen. Zudem hat der Bildhauer die Staffelung der Figuren in einer geringeren Reliefhöhe umgesetzt, zugleich aber stärker in die Breite gezogen, um die vorhandenen Proportionen der ihm vorliegenden, länger proportionierten Grablege möglichst harmonisch zu nutzen.14 Der kleine Marmorsarkophag in der Bibliothek der University of Southern California in Los Angeles (Taf. 52 a–c) schließlich, der ebenfalls dem Vorbild im Belvedere – allerdings wohl nicht direkt, sondern über eine Zwischenstufe wie dem Stück in der Huntington-Collection – folgt, lässt sich nun schnell als moderne Arbeit sehr bescheidener Machart erkennen: Wir finden ähnliche oder gar größere Missverständnisse bzw. Fehler in dem flachen, bisweilen scherenschnittartig gearbeiteten Relief.15 Es sieht so aus, als sei dieser sog. Kindersar-
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P. W. French & Co. in New York) erworben, unpubliziert; Länge: 2,21 m, Höhe: 0,585 m; Breite: 0,785 m. – Inv. 12.9 (im Osten des Südeingangs); aus dem Kunsthandel (Eugene Glaenzer & Co. in New York) erworben, unpubliziert; Länge: 2,17 m, Höhe: 0,432 m; Breite: 0,67 m. Der Sarkophag gelangte im Oktober 1937 in die von Edward L. Doheny der USC gestiftete Bibliothek; Länge: 1,29 m; Höhe: 0,32 m; Breite: 0,38 m. s. dazu Grassinger 1999, 140f. mit Textabb. 1. Die meisten Oberflächen weisen grobe Bohrlöcher auf oder zeigen einen mit dem Flacheisen nur vorläufig gestalteten Zustand, Hintergrundfiguren sind bisweilen nur in den Umrissen angedeutet. Der Sarkophag im Belvedere des Vatikan besitzt ein Maßverhältnis von Höhe zu Länge wie 1:3,4, während der kleinere Sarkophag in der Huntington-Sammlung eines von 1:5 aufweist. Die rücklings vom Pferd fallende Figur greift ans Bein des Tieres statt in den Zügel – genau so, wie es bei den Ergänzungen am vatikanischen Vorbild missverstanden und dann am unfertigen Huntington-Sarkophag falsch kopiert wurde. Besonders auffallend ist der am Boden liegende
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kophag vollständig neu und nicht wie die anderen genannten Beispiele unter Wiederverwendung antiker Grablegen hergestellt worden.
Zur ursprünglichen Gestalt der pseudoantiken Schlachtsarkophage Bei einigen der hier behandelten Sarkophagkästen ließen sich an den Schlachtreliefs selbst deutliche Indizien dafür finden, dass es sich um nachantike Arbeiten handelt. Dies kann zudem auch anhand weiterer Beobachtungen nachgewiesen werden, die die Bearbeitung der jeweils anderen Lang- sowie auch der schmalen Nebenseiten betreffen. Denn jene zeigen bisweilen auf den heute vordergründig als Rückseiten geltenden Partien, dass es sich in der primären, antiken Bearbeitung der Kästen um einfach gestaltete antike Sarkophage mit flachen Rahmungen, Feldern für Inschriften oder Riefeln handelte (Taf. 50 d u. 51 d).16 Teile dieser antiken Seiten waren bereits in römischer Zeit nicht vollständig ausgearbeitet, in Bosse belassen oder vielleicht nur mit gemalten Inschriften versehen. Die Nebenseiten der behandelten Beispiele zeigen Reliefs, die zusammen mit den Schlachtszenen gearbeitet wurden: Ihre Rahmungen nehmen auf die Schlacht-Friese Rücksicht, Teile der nachantiken Front greifen auf die Nebenseiten über (Taf. 47 c–d u. 50 b–c u. 51 c) oder die Oberflächen sind mit Werkspuren belassen, die sich nur an überarbeiteten Flächen finden lassen (Taf. 47 c–d u. 51 b–c). Schließlich erscheinen die Klammerkanäle, die in der antiken Primärfassung die Metallbefestigungen für die Deckel aufgenommen hatten, also tief in die Flächen eingemeißelt waren, als sehr flache Rinnen (Taf. 47 d, 50 b–c u. 53 b–c); bisweilen fehlen sie völlig (Taf. 47 c u. 51 b–c). Dagegen sind die Löcher für die dübelartigen Klammerenden, die in die Seiten der Kästen eingearbeitet wurden, nicht tief genug. Daraus ergibt sich, dass die Nebenseiten in ihrer Materialstärke reduziert und dabei mit neuen, flachen Reliefs versehen wurden. Diese zeigen Motive – Waffen wie z. B. Schilde, Lanzen und Schwerter einerseits, andererseits Greifen –, die zwar für die Antike belegt sind, aber in dieser Form und Anordnung nicht vorkommen. Zwei weitere Indizien für die moderne Überarbeitung von ursprünglich antiken Sarkophagen können noch angefügt werden: Durch die Einarbeitung von neuen Bildern in die Wandungen bereits fertiger, ausgehöhlter Kästen wurde korinthische Helm rechts von der Mitte mit einem Gesicht, als ob ein Kopf darin steckte oder es sich um einen Paradehelm mit Gesichtsmaske handelte. 16 Leider liegen über diese eigentlich antiken Langseiten nur selten Informationen vor. Beim Budapester Sarkophag wurde sie – wohl im Zuge der Einmeißelung der Galatomachie auf der anderen Seite – abgesägt (Taf. 48 e); die Rückseite des Sarkophages in Dallas ist derzeit nicht zugänglich, Fotos liegen bislang nicht vor. Immerhin können die ‚Rückseiten‘ der beiden Stücke in der Huntington Gallery typologisch mit einer großen Zahl antiker Sarkophage verbunden werden.
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der Reliefhintergrund in der Regel sehr dünn und brach bisweilen sogar aus (Taf. 50 a). Und schließlich kann im Fall des Budapester Sarkophages festgestellt werden, dass von den einstigen antiken Oberflächen nur noch das Innere erhalten ist (Taf. 47 b), das mit seiner feinen Ausarbeitung der Wandung und eines ‚Kissens‘ mit rundem ‚Kopfauflager‘ belegt, dass es sich in der Antike um ein qualitätvolles Werk gehandelt haben muss. Resümierend lässt sich festhalten, dass wir mit den vier behandelten großen Sarkophagen mit Amazonen- oder Gallierschlachten (der sog. Kindersarkophag in Los Angeles ist hier auszunehmen) Werke vor uns haben, für die sich eine antike Primärverwendung als Grablegen mit einfacher Dekoration nachweisen lässt und in deren Rückseiten im 19. oder frühen 20. Jahrhundert Relieffriese eingearbeitet wurden, deren Bildrepertoire von berühmten antiken Vorbildern übernommen wurde. In ihrer Erscheinung als Friessarkophage mit Schlachtszenen müssen sie heute als pseudoantike Werke betrachtet werden. Denn sie sind nicht nur einfach in der Nachantike für neue Bestattungen17 wiederverwendet oder mit eindeutig neuen Bildern18 versehen worden, sondern sie geben vor, antike Schlachtsarkophage zu sein. Selbstverständlich ist dieses Phänomen nicht auf Stücke mit mythischen Kriegsszenen beschränkt, vielmehr gerieten und geraten auch heute noch pseudoantike Sarkophage mit vielen anderen Motiven auf den Markt und anschließend in (meist private) Sammlungen.19 17 Hier ist beispielsweise an den Persephone-Sarkophag Karls des Großen im Aachener Dom (H. Jung, JdI 117, 2002, 283–312) oder an den Sarg Raffaels im römischen Pantheon (Koch/ Sichtermann 1982, 39 Anm. 42 mit älterer Lit.) zu erinnern. – Zum Nachleben antiker Sarkophage (auch zu Imitationen und Fälschungen) s. Koch/Sichtermann 1982, 624–634, bes. 632f. mit Anm. 59–62 und 64. 18 Ein Beispiel ist ein im 17. Jahrhundert veränderter Friessarkophag aus spätseverischer Zeit (mit dem Frontbild des Wettstreits zwischen Musen und Sirenen) im New Yorker Metropolitan Museum of Art, Inv. 10.104: auf den abgearbeiteten Nebenseiten wurde das Wappen der Familie del Nero, ein auf den Hinterbeinen stehender Jagdhund, eingemeißelt, s. M. Wegner, Die Musensarkophage, ASR V 3 (1966) Nr. 61 Taf. 32; A. McCann, Roman Sarcophagi in the Metropolitan Museum of Art (1978) 46–49 Nr. 5; C. Picón et al., Art of the Classical World in the Metropolitan Museum of Art (2007) 399. 497 Abb. 469. 19 Die Zahl solcher Werke ist recht groß, sie verdient eine eigene Untersuchung; vgl. vorläufig Koch/Sichtermann 1982, 634f. – Als Beispiel für dionysische Thematik kann ein Stück in Polesden Lacey (http://www.nationaltrustcollections.org.uk/object/1246926) dienen, dessen Vorbild der Sarkophag mit dem Triumph des Dionysos in Baltimore (Walters Art Gallery, Inv. 23.31) ist: K. Lehmann-Hartleben – E. Olsen, Dionysiac Sarcophagi in Baltimore (1942) 12–14 Abb. 5–8; F. Matz, Die dionysischen Sarkophage, ASR IV 2 (1968) 231–233 Nr. 95 Taf. 116–120 (freundlicher Hinweis von William Leveritt, Nottingham Univ.). – Als Beispiel für einen MeleagerSarkophag weist mich F. Queyrel dankenswerterweise auf einen Sarkophag in Montpellier, Musée Languedocien hin, der 2010 von der Société archéologique de Montpellier gekauft wurde. – Als Beispiel für einen Riefelsarkophag: H. Sichtermann, Provinzielles und Gefälschtes in: G. Koch –
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Ein Riefelsarkophag in Santa Barbara: Zu Kopien der ‚Ildefonso-Gruppe‘ Im Museum of Art in Santa Barbara wird ein Sarkophag (Taf. 53 a–d) aus weißem Marmor bewahrt, der einem weit verbreiteten Typus20 entspricht: Auf der langen Front mit verhältnismäßig geringer Höhe sind zwei große Felder mit gegenständig geschwungenen Riefeln durch schmale, die gesamte Höhe einnehmende Relieffelder begrenzt, während die Mitte ein von Säulen und einem gesprengten Giebel oder einem flachen Bogen gerahmtes größeres Reliefbild einnimmt (Taf. 53 a). Die seitlichen Figuren stehen – wie beim Beispiel in Kalifornien – oft auf Postamenten; bei diesem Exemplar handelt es sich um spiegelbildlich gestaltete Sepulkralgenien mit einem perizōma um die Hüften,21 die in der jeweils erhobenen Hand eine Fackel halten. An den Nebenseiten (Taf. 53 b–c), die dieses Werk motivisch mit der Gruppe der oben besprochenen Schlachtsarkophage verbindet, werden die Arkaden der Sarkophagfront-Mitte wiederholt: Auf Säulen mit Spiralkanneluren sitzen blütenartig stilisierte Palmblattkapitelle, die einen flachen, geschwungenen, mit einem Kyma profilierten Architrav tragen. An den Ecken liegen auf dem Architrav nach außen blickende Tiere, die Hunden mit langen, dünnen Schwänzen ähneln. Als Hauptmotiv sieht man im Innern der Nische auf einem Postament vorwärts sprengende, stämmige Pferde, die schwer bewaffnete Reiter tragen: Ihre Helme und Schilde erinnern in den Formen und dem Dekor an die der Soldaten in den Galatomachie-Sarkophagen in Budapest (Taf. 47 a) und Dallas (Taf. 48 a). Dagegen finden wir die langen, breiten, nach hinten wehenden Satteldecken nur hier; und die Art, wie der Reitersoldat auf der rechten Nebenseite den Zügel und seinen Schild hält, dabei den mit einem Ärmelhemd bekleideten Körper verdreht, ist bei antiken Darstellungen nicht zu belegen. Die seitlichen Reliefs sind nach Ausweis des Überganges von der Front zur Nebenseite in eine einst glatte, also bossierte Fläche eingetieft worden; für eine erst sekundäre Entstehung der Seitenbilder sprechen zudem auch die flachen Klammervertiefungen der einstigen Deckelfixierung. Kehren wir zur Sarkophagfront zurück und betrachten das zentrale Relief (Taf. 53 d). Bei den vergleichbaren, typologisch verwandten Sarkophagen sind R. Amedick (Hg.), „125 Jahre Sarkophag-Corpus“, Symposium Marburg 1995 (1998) 109 Taf. 51,1–3 (Rom, Villa Malta). – Selbst Fragmente von ‚Sarkophag-Nebenseiten‘ wurden mit Bildern von opera nobilia neu kreiert und fanden ihren Weg in Sammlungen, z. B. nach Hever Castle: Dimas 2013, 76–79 Nr. He 26 Taf. 27,2 (freundlicher Hinweis von S. Kansteiner). 20 Koch/Sichtermann 1982, 75 Nr. 13 Abb. 2,13. 21 Die Oberfläche der Figuren, insbesondere der Köpfe, scheint nachgearbeitet, zumindest tiefgehend gereinigt zu sein. Vgl. zu den Genien den ähnlichen Sarkophag – zum Mittelfeld mit Amor und Psyche s. Anm. 22 – in Rom: R. Calza (Hg.), Antichità di Villa Doria Pamphilj (1977) 225f. Nr. 264 Taf. 150.
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dort in den Architekturrahmungen bisweilen die Verstorbenen, als Togati oder im ‚Philosophengewand‘, stehend oder sitzend, dargestellt; in anderen Fällen werden berühmte Skulpturen zitiert, die auf ihren Basen wie Statuen auftreten.22 Eine bekannte Statuengruppe erscheint auch im Mittelfeld des Riefelsarkophags in Santa Barbara: Es handelt sich um die berühmte ‚Ildefonso-Gruppe‘.23 Im Vergleich zum Vorbild (Taf. 54 a) sind hier aber einige Details variiert: Der links stehende Knabe wendet seinen Kopf vom Freund ab und hat ihn in süßlicher Pose stark zu seiner rechten Schulter geneigt; beide Knaben zeigen rundlichere Körperformen in weniger starkem Schwung als beim Vorbild und sind mit sehr jungen Zügen und einer an iulisch-claudische Motive erinnernden Frisur wiedergegeben. Die beim Vorbild als Stütze rechts stehende archaistische Göttin fehlt in diesem Reliefbild, dafür ist links ein knorriger Baum mit langen Lorbeer(?)-Blättern dargestellt. Im Übrigen aber ist die vorbildhafte, hochberühmte und seit dem späten 17. Jahrhundert in Europa oft nachgeahmte und kopierte Gruppe recht getreu wiedergegeben: selbst die bei der Statue in Madrid (Taf. 54 a) ergänzten Hände mit ihren spezifischen Haltungen und Objekten (besonders der Schale in der Rechten des Gefährten), die Unterschenkel in ihren unterschiedlichen Positionen ebenso wie die Form und Verzierung des Altars. Dies alles wurde in flachem Relief, mit deutlich geringerer Tiefe als an den Seiten gemeißelt, so dass die Architekturrahmung, die vor die Riefelflächen auf beiden Seiten heraustritt, weit vorragt (Taf. 53 a). Dies lässt darauf schließen, dass im ursprünglichen, also antiken Zustand der Sarkophagfront die Detailmotive der Mitte noch nicht ausgearbeitet waren, vielleicht in einer flachen Bosse standen, wie sie noch an der Vorderseite der ‚Statuenbasis‘ unter der Knabengruppe stehengeblieben ist. Dies muss auch für die ungewöhnlichen ‚Hunde‘ an den Arkadenecken gelten, die an antiken Sarkophagen keine Parallele finden und in nur wenig tiefer Ausarbeitung vor ihrem Reliefgrund ‚kleben‘ und dieselben Formen zeigen wie ihre Artgenossen auf den Nebenseiten. Die Befunde der Seitenreliefs und der Darstellung im Zentrum der Sarkophagfront, die sogar bei der sog. Ildefonso-Gruppe ergänzte Motive wiedergibt, belegen, dass es sich auch beim Riefelsarkophag im Museum of Art in Santa Barbara um ein modern überarbeitetes Stück handelt. Die Technik, einen nur einfach dekorierten Sarkophag für Veränderungen zu nutzen, ihn in einigen 22 z. B. Amor und Psyche, Mars und Venus, Aphrodite/Victoria, Dionysos und Satyr (mit Mänade), Meleager, oder die drei Grazien: Goette/Nagy a. O. (Anm. 1) 99 Anm. 40. 23 Heute in Madrid, Prado Inv. 28E, seit 1623 sicher bekannt; die linke Figur mit einem Porträt des Antinoos ergänzt. Ausführlich mit der älteren Literatur: S. Schröder, Katalog der antiken Skulpturen des Museo del Prado in Madrid I (1993) 214–216 Nr. 57 (zum Antinoos-Portrait) und II (2004) 370–379 Nr. 181 (zur Statuengruppe); zuletzt: A. Rügler, Die Ildefonso-Gruppe in Winckelmanns „Monumenti Antichi Inediti“, in: M. Kunze – J. Maier Allende (Hg.), El legado de Johann Joachim Winckelmann en España, Kongress Madrid 2011 (2014) 193–206.
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Bereichen mit neuen Reliefs zu ‚ergänzen‘ sowie die Übereinstimmung von einigen ikonographischen Details der Nebenseiten-Reliefs (Schilde und Helme mit ‚Ringöse‘) lassen sich mit Beobachtungen an den oben behandelten Grablegen mit Schlachtszenen verbinden. Somit kann ein Werkstatt-Zusammenhang dieser pseudoantiken Sarkophage nicht ausgeschlossen werden.
Zu einer Statuettenkopie der ‚Ildefonso‘-Gruppe in Athen Es ist gut bekannt, dass die stark ergänzte Gruppe der beiden Jünglinge in Madrid (Taf. 54 a) seit dem späten 17. Jahrhundert als Bild brüderlicher Freundschaft überaus beliebt war; Nachbildungen, Gipsabgüsse und Bronzenachgüsse wurden in reichen Häusern, Palästen oder Parks aufgestellt; es gab unter den Gebildeten angeregte Diskussionen über die Deutung der Dargestellten. Dieser Beliebtheit wird auch die Wiedergabe der Gruppe im Mittelbild des Sarkophages in Santa Barbara verdankt. Doch muss man feststellen, dass das Werk in der Antike offenbar weniger Bedeutung besaß, kannte man doch lange keine Replik der Gruppe. Dieser Mangel schien durch eine Statuette beseitigt, die 1927 im Londoner Kunsthandel konfisziert und ins Athener Nationalmuseum gebracht wurde, weil man annahm, dass sie aus einer Raubgrabung in Griechenland stammte.24 Sie gibt wenigstens einen der beiden Jünglinge, den rechts stehenden Fackelträger, als Einzelfigur und ohne die bei der Madrider Statue neben seinem linken Bein befindliche archaistische Göttin-Statue wieder. Dank der Genehmigung durch D. Ignatiadou, das 65 cm hohe Werk studieren zu dürfen, kann die Statuette hier mit neuen Aufnahmen (Taf. 54 b–56) nochmals vorgelegt werden. Am auffälligsten und für die Frage der Authentizität aussagekräftig ist, dass die Haltung des linken Arms (Taf. 54 b) genau so erscheint, wie sie bei der Gruppe in Madrid vorliegt, allerdings dort als Ergänzung des 17. Jahrhunderts. Als Einzelfigur konzipiert fehlt der Athener Statuette die Hand des Freundes auf der linken Schulter; stattdessen ruht auf ihr der Schaft der nach hinten und leicht schräg nach unten gerichteten Fackel (Taf. 56 a). Die Fackel nimmt eine Posi24 Inv. 3631: P. Kastriotis, ADelt 10, 1926, Par. 4 Nr. 8 Abb. 6; Zanker 1974, 29 mit Anm. 222 Taf. 31,4–5; E. Simon, JdI 102, 1987, 292 Anm. 8; D. Kreikenbom, Bildwerke nach Polyklet (1990) 91 Anm. 361; S. Geppert, Castor und Pollux (1996) 138 Anm. 925; K. Rhomiopoulou, Ελληνορωμαïκά γλυπτά του Εθνικού Αρχαιολογικού Μουσείου (1997) 34f. Nr. 21; N. Kaltsas, Sculpture in the National Archaeological Museum, Athens (2002) 316 Nr. 658; Schröder a. O. II 376. – W. Schindler (WissZBerlin 25, 1976, 457–465) hielt nicht nur die Statuette in Athen für antik, er machte auch einen lebensgroßen Kopf in Privatbesitz (aus dem Kunsthandel) bekannt, den er als antike Replik des Madrider Fackelträgers deutete. Ohne Autopsie kann hier keine Entscheidung (trotz Anerkennung der dagegen sprechenden Argumente Kreikenboms, der freilich die Athener Statuette für antik erklärte) über die Authentizität des Stückes getroffen werden.
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tion ein, die unsinnig ist und auch dadurch als Fehler des Bildhauers kenntlich wird, dass die Flamme an der Öffnung spitz zulaufend nach unten weist, statt – wie etwa bei der Fackel über dem Altar des Vorbildes (Taf. 54 a) – nach oben zu züngeln. Darüberhinaus ist festzustellen, dass an manchen Stellen (wie z. B. den Girlanden am Altar oder seinem runden ‚Deckel‘ und den Hörnern an den Ecken) mit großer Akuratesse kopiert wurde, während andere Bereiche (etwa die Altar-Profilleisten oder die Stirnhaar-Gabelung [Taf. 56 b], die Kreikenbom an die des polykletischen Hermes erinnerte) freier und sogar bereichernd gearbeitet sind. Die Oberflächengestaltung des Haupthaars und des Lorbeerkranzes ist sehr viel kursiver gebildet, die Formen sind abgeflacht und gröber als bei Vorbild, wirken in Anbetracht der sonst guten Arbeit überraschend unfertig. All dies belegt, dass sich ein moderner (griechischer?)25 Bildhauer sehr viel Mühe gegeben hat, dem antiken Original mit seiner kleinen Kopie möglichst nahe zu kommen; und schließlich hat er die Statuette mit künstlicher Patinierung und Versinterung zu einer gewinnbringenden ‚(Pseudo-)Antike‘ zu machen versucht.
25 Der Marmor der Statuette wurde bislang als pentelisch bezeichnet. Die großen Kristalle, die an der Oberfläche abgeflacht glänzen, lassen eher an thasischen oder vielleicht auch parischen Marmor denken. Kann die Marmorverwendung allein den Schluss rechtfertigen, der Bildhauer habe in Griechenland gearbeitet?
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Abbildungsnachweise Einleitung Taf. 1a: Foto S. Kansteiner. – Taf. 1b: D-DAI-Rom-97Vat257. – Taf. 2a: Foto G. FittschenBadura. – Taf. 2b: Foto Museum (Porträtstatue im Typus des Doryphoros, Neapel, Museo archeologico, Inv. 6102). – Taf. 3a: nach A. Maiuri, Das Nationalmuseum in Neapel (1958) Abb. S. 53. – Taf. 3b: nach Gasparri 2009a, Abb. S. 233. – Abbildungen im Text: Abb. 1: Foto Yale Center for British Art, Paul Mellon Collection. – Abb. 2: nach Galeriae Farnesianae Icones Romae ... Taf. 2. Kryza-Gersch Taf. 4–9a: Foto Museum. – Taf. 9b: Foto Kunsthandel. – Taf. 10a–b: Foto Museum. Kansteiner Taf. 11a: Foto S. Kansteiner. – Taf. 11b: nach Galleria Giustiniana II Taf. 41 oben (Ausschnitt). – Taf. 12a: nach Clarac III Taf. 476A. – Taf. 12b: Foto S. Kansteiner. – Taf. 13a: nach Marwitz, AntPl VI, Taf. 23a. – Taf. 13b: nach royal-athena galleries 2001. – Taf. 14a: Foto S. Kansteiner (mit freundlicher Genehmigung der Musei Vaticani). – Taf. 14b: KölnFA 1201-10. – Taf. 15a: D-DAI-Rom-96Vat450. – Taf. 15b: Foto P. Bergé. – Taf. 16a–b: Foto S. Kansteiner. – Taf. 16c: KölnFA 2033-10. – Abbildungen im Text: Abb. 1: nach Galleria Giustiniana II Taf. 41 oben. – Abb. 2: nach Galleria Giustiniana I Taf. 51. – Abb. 3: nach Clarac IV Taf. 730. – Abb. 4: nach Galleria Giustiniana II Taf. 88. – Abb. 5: nach Cavaceppi 1768, Taf. 16. Rausa Taf. 17a: Foto Museum 5232. – Taf. 17b: nach Waywell 1986, Taf. 29,2. – Taf. 18a: nach A. Giuliano (Hg.), Museo Nazionale Romano. Le sculture I 3 (1982) Abb. S. 143. – Taf. 18b: Foto Museum 5232.02. – Taf. 19a: Foto Ferreri. – Taf. 19b: D-DAI-Athen-58.3270. – Taf. 20a: Foto De Agostini. – Taf. 20b. 21a: nach Waywell 1986, Taf. 28. – Taf. 21b: KölnFA 2064-01. – Taf. 22a: Atlante dell’arte italiana. – Taf. 22b: Foto Museum. – Taf. 23a: KölnFA 1319-10. – Taf. 23b: nach A. Scholl, Die antiken Skulpturen in Farnborough Hall (1995) Taf. 58,1. – Taf. 24a: nach Radiance in Stone, Ausst.-Kat. Atlanta 1989, Abb. S. 68. – Taf. 24b: Foto Alinari. – Taf. 25a–b: Foto Museum. – Taf. 26a: Wikimedia. – Taf. 26b: Google Art Project. – Abbildungen im Text: Abb. 1: nach R. Venuti, Collectanea antiquitatum romanarum (1736) Taf. 22. – Abb. 2: nach Becker 1811, Taf. 109. – Abb. 3–4: nach L. Guerrini, Marmi antichi nei disegni di Pier Leone Ghezzi (1971) Taf. 53,1 und 53,3 (Bib-
122
Abbildungsnachweise
lioteca Apostolica Vaticana, cod. Ottobonianus 3108, f. 126 und Florenz, Biblioteca Marucelliana, cod. Marucellianus A 56, f. 46). – Abb. 5: nach G. Mercuriale, De arte gymnastica (Ausg. 1601) II 120. – Abb. 6: nach Guattani 1788, Taf. 1. – Abb. 7–8: Foto British Museum AN1047612001 und AN1047616001. – Abb. 9: nach Cavaceppi 1768, Taf. 21. Voutiras Taf. 1: Foto Museum. – Taf. 2a: nach M. Catoni (Hg.), La forza del bello, Ausst.-Kat. Mantua 2008, Abb. S. 280. – Taf. 2b: online-Museumskatalog Cambridge, Objekt Nr. C.531982. – Taf. 3a: nach Richter 1965, II Abb. 1655. – Taf. 3b–4: nach Villa Albani IV Taf. 38,1; 39,3–4. Lorenz Taf. 31–33: D-DAI-Rom-96Vat1890, 96Vat1889, 96Vat1893, 96Vat1894, 96Vat1896. – Taf. 34: Foto K. Lorenz. – Taf. 35: Foto ©Rheinisches Bildarchiv, rba_123650 und 123653. – Taf. 36: KölnFA Fitt77-13-18_12211,3. 1. 4. – Abbildungen im Text: Abb. 1: nach Bernoulli 1886, 4f. – Abb. 2: nach Bernoulli 1886, 6f. – Abb. 3: nach Bernoulli 1886, 1f. – Abb. 4: nach Hartel/Wickhoff 1895, 14 Abb. 2. Gasparri Taf. 37a: nach Visconti 1884, Taf. 108,2. – Taf. 37b: nach Visconti 1884, Taf. 42,3. – Taf. 38a: nach Villa Albani II Taf. 58. – Taf. 38b: nach Visconti 1884, Taf. 138,1. – Taf. 39a: nach Villa Albani II Taf. 60. – Taf. 39b: nach Visconti 1884, Taf. 138,2. – Taf. 40a: nach Villa Albani IV Taf. 8. – Taf. 40b: nach Visconti 1884, Taf. 17,3. – Taf. 41a: nach Villa Albani IV Taf. 29b. – Taf. 41b: nach Visconti 1884, Taf. 130,2. – Taf. 42a: nach Villa Albani IV Taf. 41b. – Taf. 42b: nach Visconti 1884, Taf. 140,3. – Taf. 43a: nach Villa Albani IV Taf. 54a. – Taf. 43b: nach Visconti 1884, Taf. 152,1. – Taf. 44a: nach Villa Albani IV Taf. 238. – Taf. 44b: nach Visconti 1884, Taf. 147,1. – Taf. 45a: nach Villa Albani IV Taf. 88a. – Taf. 45b: nach Visconti 1884, Taf. 137,1. – Taf. 46a: Foto C. Gasparri. – Taf. 46b: nach Villa Albani IV Taf. 123b. Goette Taf. 47a–e: Fotos G. Fittschen-Badura. – Taf. 48a: Foto Kunsthandel. – Taf. 48b: Foto G. Fittschen-Badura. – Taf. 49a: D-DAI-ROM-72.679. – Taf. 49b: D-DAI-ROM-92Vat266. – Taf. 50–51: Fotos H. R. Goette. – Taf. 52: Fotos J. Pollini. – Taf. 53: Fotos H. R. Goette. – Taf. 54a: D-DAI-MAD-WIT-DMF-0323. – Taf. 54b–56: Fotos H. R. Goette.
Museographisches Register Antalya, Museum Torso des Apollon Typus Centocelle (als Hermes)
39 Nr. 7
Athen, Archäologisches Nationalmuseum Inv. 244: ‚Jüngling von Eretria’ Inv. 3631: Fackelträger (neuzeitl.)
51 Taf. 19 113 Taf. 54–56
Baltimore, Walters Art Gallery Inv. 23.31: Dionysos-Sarkophag
110 Anm. 19
Basel, Antikenmuseum BS 221: Männl. Statue (neuzeitl.)
3
Berlin, Antikensammlung Sk 199: Hermes Typus Pitti-Lansdowne Sk 312: Kopf eines Bärtigen (neuzeitl.) Sk 511: Torso des Apollon Typus Centocelle Sk 1942: Torso des Doryphoros (neuzeitl.)
35 36 39 Nr. 8 32
Berlin, Bodemuseum Simone Bianco: Weibl. Büste
11 Anm. 16 Taf. 9 a
Brüssel, Musée du Cinquantenaire Inv. A 1134: Kopflose Statue (neuzeitl.)
2
Budapest, Museum der Bildenden Künste Inv. A 364: Galatomachiesarkophag (neuzeitl.)
105–107 Taf. 47
Cagliari, Museo Archeologico Inv. 33391: Torso des Dionysos
43
Cambridge, Fitzwilliam Museum Wedgwood-Medaillon
70 Taf. 28 b
Castle Howard Torso des Apollon Typus Centocelle
39 Nr. 9
Chalkis, Museum Statue des Antinous
4
Château de Compiègne (Leihgabe des Louvre) MR 2598: Simone Bianco: Männl. Büste
11. 19 Taf. 5 b
124
Museographisches Register
Cherchel, Museum Torso einer Dionysosstatue
43
Civitavecchia, Museum Büste des ‚Octavian’ (neuzeitl.)
85 Anm. 41
Cleveland, Museum of Art Inv. 1965.23: Torso des Apollon Typus Centocelle
40 Nr. 10
Dallas, Museum of Art Inv. 1999.107: Schlachtsarkophag (neuzeitl.)
105f. Taf. 48 a
Dresden, Skulpturensammlung Hm 97: Faustkämpfer Hm 99: Männl. Torso Hm 187a: Kopf eines Afrikaners (neuzeitl.)
46–51 Abb. 1–4 Taf. 17 a. 18 b 42 Anm. 96 58 Taf. 22 b
Dublin, Trinity College Demosthenes-Relief (neuzeitl.)
64ff. Taf. 27
Ephesos, Museum Apollon Typus Centocelle (verkleinert) Kopf des Apollon Typus Centocelle
41 Nr. 32 41 Nr. 23
Farnborough Hall ehemals: Kopf eines Afrikaners (neuzeitl.)
58 Taf. 23 b
Fiesole, Museum Inv. 2555: Kopf des Apollon Typus Centocelle (neuzeitl.) Inv. 2556: Kopf des Apollon Typus Centocelle (neuzeitl.) Inv. 2557: Torso des Apollon Typus Antium
30. 42 Nr. 34 Taf. 12 b 25f. 42 Nr. 33 Abb. 1 Taf. 11 25
Florenz, Museo Archeologico Inv. 1640: Kopf des Antinous (neuzeitl.) Inv. 248135: Torso des Apollon Typus Centocelle
7 40 Nr. 11
Florenz, Museo Bardini Inv. 69: Torso einer Silensstatue
37 Anm. 61
Florenz, Museo del Bargello Büste des Antinous (neuzeitl.) Michelangelo: Brutus
7 22
Florenz, Palazzo Pitti Herakles Typus Farnese
1
125
Museographisches Register
Florenz, Palazzo Vecchio Kopf des Apollon Typus Kassel
12
Florenz, Uffizien Inv. 216: Ringergruppe
47
Hever Castle Gardens Kopf des Apollon Typus Centocelle (neuzeitl.) Sarkophag-Nebenseite (neuzeitl.)
42 Nr. 35 Taf. 14 b 111 Anm. 19
Izmir, Museum Grabrelief des Eudokimos
51 Taf. 20 a
Jerusalem, Israel Museum Dionysos aus Skythopolis
43
Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek Inv. 503: Torso des Apollon Typus Centocelle
40 Nr. 12
Kopenhagen, Statens Museum for Kunst KMS 5516: Simone Bianco: Weibl. Büste
11 Taf. 7
London, British Museum Nr. 1476: Dionysos aus Kyrene
43
London, Lansdowne House ehemals: Apollon Typus Centocelle
28f. 39 Nr. 6 Taf. 12 a
London, Victoria & Albert Museum Antonio Minello: Statuette des Merkur
17
Los Angeles, Bibliothek der University of Southern California Amazonomachie-Sarkophag (neuzeitl.) 108 Taf. 52 Los Angeles, LACMA Statue eines Athleten
55f. Abb. 9
Lüttenort (Usedom) Büste des ‚Octavian’ (neuzeitl.)
80 Taf. 34
Madrid, Museo Arqueológico Torso des Apollon Typus Centocelle
40 Nr. 13
Madrid, Museo del Prado Inv. E 28: Gruppe von San Ildefonso Inv. E 193: Antinous-Büste (neuzeitl.) Inv. 1999/6: Torso des Apollon Typus Centocelle
112 Taf. 54 a 7 40 Nr. 14
Mainz, RGZM Kopf des ‚Octavian’ (neuzeitl.)
85f. Taf. 35
126
Museographisches Register
Mantua, Museo diocesano Antico: acht Büsten
20
Mantua, Palazzo Ducale Kopf des Apollon Typus Centocelle
28. 41 Nr. 24
Milet, Grabungsmagazin ehemals: Sitzender Silen
35 Anm. 45
Modena, Galleria Estense Spinario (neuzeitl.)
2
Minneapolis Torso des Apollon Typus Centocelle (neuzeitl.)
42 Nr. 42
Morlanwelz, Musée de Mariemont Torso ex Ludovisi (neuzeitl.)
2
München, Glyptothek Inv. Gl. 208: Aphrodite mit neuzeitl. Kopf Inv. Gl. 231: ‚Dionysos Bevilacqua’ Inv. Gl. 287A: Kopf des Apollon Typus Centocelle
34 43 41 Nr. 25
München, Residenz Simone Bianco: Weibl. Büste
23f. Taf. 10
Neapel, Museo Archeologico Nazionale Inv. 5469: Bronzebüste des Demosthenes Inv. 5598: Porträtkopf Inv. 6012: Liegende Amazone Inv. 6016: ‚Adonis’ aus Capua Inv. 6030: ‚Antinous Farnese’ Inv. 6102: Porträt im Typus des Doryphoros Inv. 6253: Pothos Farnese Inv. 6254: Kopf des Apollon Typus Centocelle Inv. 6269: ‚Nemesis’ Inv. 6293: Kauernde Aphrodite Inv. 6368: Isis Inv. 6385: ‚Meleager’
67 59 Taf. 26 a 8 8 4–8 Taf. 2 a 4 Taf. 2 b 1 41 Nr. 26 6 Taf. 3 b 1 6 5 Anm. 11
Newby Hall Kopf eines Afrikaners (neuzeitl.)
58 Taf. 23 a
New York, Metropolitan Museum of Art Inv. 10.104: Friessarkophag Tullio Lombardo: Adam
110 Anm. 18 9
127
Museographisches Register
New York, The Brooklyn Museum Inv. 70.59: Kopf eines Afrikaners
59 Taf. 25
Nostell Priory Silen Typus Chiaramonti mit neuzeitl. Kopf
36–38 Abb. 5 Taf. 16 c
Oslo, Nationalmuseum Männl. Torso
42f.
Oxford, Ashmolean Museum Apollon Typus Centocelle
39 Nr. 1
Padua, Museo civico Oberteil einer Silensstatue
37 Anm. 62
Palermo, Museo Archeologico Inv. 5608: Torso des Apollon Typus Centocelle
40 Nr. 15
Paris, Louvre Ma 61: Torso des Apollon Typus Centocelle Ma 68: Athlet Ma 387: Strigilisreiniger Ma 889: Torso, sog. Pollux Ma 1106: Büste des Caracalla MR 1594: Simone Bianco: Männl. Büste MR 2498: Simone Bianco: Männl. Büste
40 Nr. 16 55 Anm. 43 32f. 55 102 Taf. 46 a 11. 19 Taf. 4 11. 19 Taf. 5 a
Petworth House Ölgießer
50
Polesden Lacey Dionysos-Sarkophag (neuzeitl.)
110 Anm. 19
Pommersfelden, Sammlung Schönborn Simone Bianco: Relieftafel
11
Port Sunlight, Lady Lever Art Gallery Statue eines Nubiers
51ff. Abb. 6–8 Taf. 17 b. 20 b–21
Posen, Nationalmusem Kopf des ‚Octavian’ (neuzeitl.)
80 Anm. 19
Rom, Museo Barracco Kopf des Apollon Typus Centocelle (als Hermes) Torso des Apollon Typus Centocelle (als Dionysos)
41 Nr. 27 40 Nr. 17
Rom, Museo Capitolino (Palazzo Nuovo) Inv. 213: ‚Ammendola’-Sarkophag
106 Taf. 48 b
128
Museographisches Register
Inv. 709: Sitzender Silen Inv. 726: Amazonomachie-Sarkophag
33–35 Abb. 3 Taf. 16 b 106 Taf. 49 a
Rom, Museo Nazionale Romano Inv. 108394: Fragment einer Athletenstatue Inv. 371281: Männl. Torso Inv. 49596: Kopf eines Afrikaners
47 Taf. 18 a 46 Anm. 9 58 Taf. 24 a
Rom, ‚Museo’ Torlonia Nr. 67: Kopf des ‚Alkibiades’ Nr. 71: Torso des Apollon Typus Centocelle Nr. 126: Torso des Apollon Typus Centocelle Nr. 167: Gefährte des Odysseus (sog. Milon) Nr. 426: Biga mit Eros, Pasticcio Nr. 508: Kopf des ‚Sulla’ Nr. 534: Büste des ‚Otho’ (neuzeitl.) Nr. 536: Kopf des Vespasian Nr. 537: Kopf des Titus Nr. 545: Kopf des Hadrian Nr. 569: Büste des Caracalla (neuzeitl.) Nr. 587: Büste des ‚Balbinus’
99 Taf. 40 b 40 Nr. 19 27f. 40 Nr. 20 Abb. 2 97 Taf. 37 b 96f. Abb. 1 Taf. 37 a 99 Taf. 41 b 102 Taf. 45 b 101 Taf. 38 b 101 Taf. 39 b 99 Taf. 42 b 102 Taf. 44 a 101 Taf. 43 b
Rom, Palazzo Altemps (MNR) Inv. 8594: Sitzender Apollon Inv. 380998: Kauernde Aphrodite
29 2–3 Taf. 1 a
Rom, Palazzo Doria Zwei Köpfe des Apollon Typus Centocelle (neuzeitl.)
29. 42 Nr. 36–37
Rom, Palazzo Massimo (MNR) Inv. 75675: Apollon Typus Centocelle
39 Nr. 2
Rom, Palazzo Pallavicini-Rospigliosi Torso des Apollon Typus Centocelle
38. 40 Nr. 18
Rom, S. Maria del Popolo Lorenzetto: Statue des Jonas
5. 7
Rom, Vatikanische Museen Inv. 323: Silen Typus Chiaramonti Inv. 560: ‚Apollon Centocelle’ Inv. 714: Kopf des ‚Octavian’ Inv. 815: Kauernde Aphrodite Inv. 896: Amazonomachie-Sarkophag Inv. 1381: Weibl. Büste
37 31f. 39 Nr. 5 Taf. 14 a. 15 a 73ff. Taf. 31–33 2–3 Abb. 1 Taf. 1 b 107 Taf. 49 b 36
129
Museographisches Register
Inv. 1441: Silen Typus Chiaramonti Inv. 1684: Reiterrelief, Fragment Inv. 2229: Strigilisreiniger Inv. 2252: Amazone Typus Sciarra Inv. 2255: Demosthenes Inv. 2296: Kopie der dritten Erechtheionkore Inv. 2562: Statue des Dionysos Inv. 9502/03: Faustkämpfer-Relief (neuzeitl.)
37 36 Abb. 4 33 Anm. 35 35 35 36 43 36. 60
Rom, Villa Albani Inv. 18: Büste des Vespasian (neuzeitl.) Inv. 23: Büste des Titus (neuzeitl.) Inv. 594: Hermes des ‚Alkibiades’ (neuzeitl.) Inv. 609: Büste des ‚Sulla’ (neuzeitl.) Inv. 610: ‚Chrysipp’ Inv. 617: Büste des Hadrian (neuzeitl.) Inv. 624: Büste des ‚Balbinus’ (neuzeitl.) Inv. 631: Büste des ‚Arat’ Inv. 702: Büste des Caracalla Inv. 729: Büste des ‚Otho’ Inv. 746: Büste des Caracalla
100 Taf. 38 a 100 Taf. 39 a 100 Taf. 40 a 100 Taf. 41 a 71f. Taf. 29–30 100 Taf. 42 a 101 Taf. 43 a 72 102 Taf. 44 a 102 Taf. 45 a 102 Taf. 46 b
Sabratha, Museum Torso einer Dionysosstatue
43
Sankt Petersburg, Ermitage Inv. A 393: Apollon Typus Centocelle Inv. A 159: Silen Orsini Inv. A 276: Aphrodite Typus Kapitol
39 Nr. 3 33ff. Taf. 16 a 99
San Marino (CA), Huntington Library and Art Gallery Inv. 10.151: Amazonomachie-Sarkophag (neuzeitl.) Inv. 12.9: Amazonomachie-Sarkophag (neuzeitl.)
107f. Taf. 50 107f. Taf. 51
Santa Barbara, Museum of Art Sarkophag (neuzeitl.)
111 Taf. 53
Side, Museum Apollon Typus Centocelle (als Hermes) Diskobol Typus Ludovisi/Side
39 Nr. 4 50
Stockholm, Nationalmuseum Sk 75a: Simone Bianco: Männl. Büste
11 Taf. 6 a
Tours, Musée des Beaux-Arts Inv. 1795-1-19: Kopf des Apollon Typus Centocelle
28. 41 Nr. 28
130
Museographisches Register
Tunis, Musée du Bardo Kopf des Apollon Typus Centocelle
41 Nr. 29
Velia (Marina di Ascea), Grabungsdepot Büste des ‚Octavian’
86f. Taf. 36
Venedig, Ca’ d’Oro Simone Bianco: Cäsar-Büste Tullio Lombardo: Porträtrelief
11 Anm. 16 21
Venedig, Museo Archeologico Inv. 266: Silen mit neuzeitl. Kopf
33
Venedig, Palazzo Grimani Inv. 382: Antinous-Büste (neuzeitl.) Porträts von A. Grimani
7 15 Anm. 26
Venedig, Santi Giovanni e Paolo Grabmal Vendramins
9
Verschollen / Privatbesitz / ehem. Kunsthandel Antonio Minello: Kopf des Herkules Antonio Minello: Kopf der Kybele Michelangelo: Cupido Simone Bianco: Fuß Simone Bianco: Porträts von A. Grimani und Sohn Simone Bianco: Statuette des Mars Simone Bianco: Weibl. Büste Kopf eines Afrikaners (neuzeitl.) Kopf des Apollon Typus Centocelle (ehem. Detroit) Kopf des Apollon Typus Centocelle (ex Bünemann) Kopf des Apollon Typus Centocelle (ex Farenholtz) Kopf des Apollon Typus Centocelle (ex Kevorkian) Kopf des Apollon Typus Centocelle (ex Peyrefitte) Kopf des Apollon Typus Centocelle (ex Warren) Männl. Statue (ex Ludovisi; ehem. Toledo) Torso des Apollon Typus Centocelle (ex Giustiniani) Torso des Apollon Typus Centocelle (ex Lancellotti) Torso des Apollon Typus Centocelle (ex Zumsteg)
17 17 18 17 14 17 11f. Anm. 16 Taf. 9 b 58 Anm. 59 30. 42 Nr. 39 Taf. 13 b 30. 42 Nr. 38 Taf. 13 a 41 Nr. 31 41 Nr. 30 30. 42 Nr. 40 30. 42 Nr. 41 43f. 40 Nr. 21 40 Nr. 22 32. 42 Nr. 43 Taf. 15 b
Villa Adriana, Antiquarium Inv. 1060: Athlet Typus Amelung
50
Wien, Kunsthistorisches Museum AMPA 654: Simone Bianco: Weibl. Büste ANSA I 1490: Simone Bianco: Weibl. Büste
11 Taf. 8 b 16 Taf. 8 a
131
Museographisches Register
KK 5615: Simone Bianco: Männl. Bronzebüste KK 7125: Simone Bianco: Männl. Büste Tullio Lombardo: Porträtrelief
11 Anm. 16 11 21
Tafelteil
Taf. 1 a Kauernde Aphrodite, Rom, Palazzo Altemps
Taf. 1 b Kauernde Aphrodite, Rom, Vatikanische Museen
Einleitung
Taf. 1
Taf. 2 a Antinous Farnese, Neapel
Taf. 2 b Bildnisträgerkopie des Doryphoros, Neapel
Taf. 2 Sascha Kansteiner
Taf. 3 a Kopf des Antinous Farnese
Taf. 3 b Kopf der Nemesis, Neapel
Einleitung
Taf. 3
Taf. 4 a–b Simone Bianco, Büste eines Mannes (sog. Cicero), Paris, Louvre
Taf. 4 Claudia Kryza-Gersch
Taf. 5 a Simone Bianco, Büste eines Mannes, Paris, Louvre
Taf. 5 b Simone Bianco, Büste eines Mannes, Château de Compiègne
Simone Bianco
Taf. 5
Taf. 6 a Simone Bianco, Büste eines alten Mannes, Stockholm, Nationalmuseum
Taf. 6 b Simone Bianco, Büste eines jungen Mannes, Wien, Kunsthistorisches Museum
Taf. 6 Claudia Kryza-Gersch
Taf. 7 a–b Simone Binaco, Büste einer jungen Frau, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst
Simone Bianco
Taf. 7
Taf. 8 a Simone Bianco (zugeschr.), Weiblicher Kopf, Wien, Kunsthistorisches Museum
Taf. 8 b Simone Bianco (zugeschr.), Büste einer jungen Frau, Wien, Kunsthistorisches Museum
Taf. 8 Claudia Kryza-Gersch
Taf. 9 a Simone Bianco (zugeschr.), Büste einer jungen Frau, Berlin, Bodemuseum
Taf. 9 b Simone Bianco (zugeschr.), Büste einer jungen Frau, Kunsthandel
Simone Bianco
Taf. 9
Taf. 10 a–b Simone Bianco (zugeschr.), Büste einer jungen Frau, München, Antiquarium
Taf. 10 Claudia Kryza-Gersch
Taf. 11 a Neuzeitlicher Kopf des Apollon, Museum Faesolanum
Taf. 11 b Galleria Giustiniana II Taf. 41
Teil-Imitationen antiker Statuen
Taf. 11
Taf. 12 a Apollon Typus Centocelle, ehem. Lansdowne House
Taf. 12 b Imitation des Apollon Chigi, Museum Faesolanum
Taf. 12 Sascha Kansteiner
Taf. 13 a Imitation des Apollon Chigi, Privatbesitz
Taf. 13 b Imitation des Apollon Chigi, ehem. Detroit
Teil-Imitationen antiker Statuen
Taf. 13
Taf. 14 a Kopf des Apollon Centocelle, Vatikanische Museen
Taf. 14 b Imitation des Apollon Centocelle, Hever Castle Gardens
Taf. 14 Sascha Kansteiner
Taf. 15 a Apollon Centocelle, Vatikanische Museen
Taf. 15 b Imitation des Apollon Centocelle, Privatbesitz
Teil-Imitationen antiker Statuen
Taf. 15
Taf. 16 a Kopf des Silens Orsini, Ermitage
Taf. 16 b Imitation des Kopfes des Silens Orsini, Musei Capitolini, Palazzo Nuovo
Taf. 16 c Imitation des Kopfes des Silens Orsini, Nostell Priory
Taf. 16 Sascha Kansteiner
Taf. 17 a Faustkämpfer, Dresden, Skulpturensammlung
Taf. 17 b Nubier, Port Sunlight, Lady Lever Art Gallery
‚Pseudomoderne Athleten‘
Taf. 17
Taf. 18 a Fragment einer Athletenstatue von der Via Casilina, Rom, Thermenmuseum
Taf. 18 b Faustkämpfer, Dresden, Detail der Palmstammstütze
Taf. 18 Federico Rausa
Taf. 19 a Gewandstatue des Kleoneikos (sog. Jüngling von Eretria), Athen
Taf. 19 b Statuenstütze des Kleoneikos
‚Pseudomoderne Athleten‘
Taf. 19
Taf. 20 a Grabrelief des Eudokimos, aus Smyrna, Izmir, Archäologisches Museum
Taf. 20 b u. 21 a–b
Kopf der Statue des Nubiers, Port Sunlight
Taf. 20 Federico Rausa
Taf. 21
Taf. 21 a–b
‚Pseudomoderne Athleten‘
Taf. 22 a N. Cordier (1567–1627): Statue des sog. „Mohren“ Borghese, Paris, Louvre
Taf. 22 b Kopf eines Afrikaners Typus Moro Borghese (17. Jh.), Dresden, Skulpturensammlung
Taf. 22 Federico Rausa
Taf. 23 a Kopf eines Afrikaners aus dunklem Stein (17. Jh.), Newby Hall (Yorkshire)
Taf. 23 b Kopf eines Afrikaners aus „bigio morato“ (17. Jh.), ehemals in Farnborough Hall
‚Pseudomoderne Athleten‘
Taf. 23
Taf. 24 a Kopf eines Afrikaners aus „bigio morato“, Rom, Museo Nazionale Romano
Taf. 24 b F. Capolare, gen. Sonico: Grabporträt von Antonio Nigrita (1629), Rom, S. Maria Maggiore
Taf. 24 Federico Rausa
Taf. 25 a–b Kopf eines Afrikaners aus grauem Marmor, New York, The Brooklyn Museum
‚Pseudomoderne Athleten‘
Taf. 25
Taf. 26 a Porträt eines Ptolemäers, Neapel, Museo archeologico
Taf. 26 b P. P. Rubens: „Vier Studien über einen Mohrenkopf“, Brüssel, Musées Royales des Beaux-Arts
Taf. 26 Federico Rausa
Nachgemachte griechische Porträts
Taf. 27 Demosthenes-Relief, Dublin, Trinity College
Taf. 27
Taf. 28 a Bronzemünze von Soloi-Pompeiopolis, 163/4 n.Chr., Privatbesitz
Taf. 28 b Wedgwood-Medallion mit Porträtkopf des Arat, Cambridge, Fitzwilliam Museum
Taf. 28 Emmanuel Voutiras
Taf. 29 a–b u. 30 a–b Herme mit langbärtigem Porträtkopf, Rom, Villa Albani
Nachgemachte griechische Porträts
Taf. 29
Emmanuel Voutiras
Taf. 30 a–b
Taf. 30
Die römische Porträtforschung und der Fall des sog. Ottaviano Giovinetto
Taf. 31 Ottaviano Giovinetto, Rom, Vatikanische Museen, Vorderansicht
Taf. 31
Taf. 32 a–b Ottaviano Giovinetto, Vorderansicht der Büste und Rückansicht des Kopfes
Taf. 32 Katharina Lorenz
Taf. 33
Taf. 33 a–b Ottaviano Giovinetto, Profile
Die römische Porträtforschung und der Fall des sog. Ottaviano Giovinetto
Taf. 34
Katharina Lorenz
Taf. 34 Duplikat des Ottaviano Giovinetto, Lüttenort auf Usedom, Museum Atelier Otto Niemeyer-Holstein
Taf. 35
Taf. 35 a–b Der sog. Mainzer Kopf, Mainz, Landesmuseum
Die römische Porträtforschung und der Fall des sog. Ottaviano Giovinetto
Taf. 36 a–c Porträtkopf aus Velia
Taf. 36 Katharina Lorenz
Taf. 37 a Eros auf Biga, Rom, Museo Torlonia Nr. 426
Taf. 37 b „Milons Tod“, Rom, Museo Torlonia Nr. 167
Das „Museo Torlonia“ von Pietro Ercole und Carlo Lodovico Visconti Taf. 37
Taf. 38 a Paludamentbüste des Vespasian, Rom, Villa Albani Nr. 18
Taf. 38 b Paludamentbüste des Vespasian, Rom, Museo Torlonia Nr. 536
Taf. 38 Carlo Gasparri
Taf. 39 a Panzerbüste des Titus, Rom, Villa Albani Nr. 23
Taf. 39 b Panzerbüste des Titus, Rom, Museo Torlonia Nr. 537
Das „Museo Torlonia“ von Pietro Ercole und Carlo Lodovico Visconti Taf. 39
Taf. 40 a Herme des sog. Alkibiades, Rom, Villa Albani Nr. 594
Taf. 40 b Herme des sog. Alkibiades, Rom, Museo Torlonia Nr. 67
Taf. 40 Carlo Gasparri
Taf. 41 a Sog. Sulla oder Postumius Albinus, Rom, Villa Albani Nr. 609
Taf. 41 b Sog. Sulla oder Postumius Albinus, Rom, Museo Torlonia Nr. 508
Das „Museo Torlonia“ von Pietro Ercole und Carlo Lodovico Visconti Taf. 41
Taf. 42 a Panzerbüste des Hadrian, Rom, Villa Albani Nr. 617
Taf. 42 b Panzerbüste des Hadrian, Rom, Museo Torlonia Nr. 545
Taf. 42 Carlo Gasparri
Taf. 43 a Sog. Balbinus, Rom, Villa Albani Nr. 624
Taf. 43 b Sog. Balbinus, Rom, Museo Torlonia Nr. 587
Das „Museo Torlonia“ von Pietro Ercole und Carlo Lodovico Visconti Taf. 43
Taf. 44 a Panzerbüste des Caracalla, Rom, Villa Albani Nr. 702
Taf. 44 b Panzerbüste des Caracalla, Rom, Museo Torlonia Nr. 569
Taf. 44 Carlo Gasparri
taf. 45 a Paludamentbüste des sog. Otho, Rom, Villa Albani Nr. 729
Taf. 45 b Paludamentbüste des sog. Otho, Rom, Museo Torlonia Nr. 534
Das „Museo Torlonia“ von Pietro Ercole und Carlo Lodovico Visconti Taf. 45
Taf. 46 a Panzerbüste des Caracalla, Paris, Louvre, Inv. Ma 1106
Taf. 46 b Panzerbüste des Caracalla, Rom, Villa Albani Nr. 746
Taf. 46 Carlo Gasparri
Taf. 47 e
Taf. 47 b
Taf. 47 a–e Pseudoantiker Galatomachiesarkophag, Budapest
Taf. 47 d
Taf. 47 c
Pseudoantike Sarkophage
Taf. 47
Taf. 48 b Schlachtsarkophag ‚Ammendola‘, Rom, Museo Capitolino
Taf. 48 a Schlachtsarkophag, Dallas
Taf. 48 Hans Rupprecht Goette
Taf. 49 b Amazonomachie-Sarkophag, Vatikanische Museen
Taf. 49 a Amazonomachie-Sarkophag, Rom, Museo Capitolino
Pseudoantike Sarkophage
Taf. 49
Taf. 50 b
Taf. 50 c
Taf. 50 d
Taf. 50 a–d Pseudoantiker Amazonomachie-Sarkophag, San Marino (CA), Inv. 10.151
Taf. 50 Hans Rupprecht Goette
Taf. 51 b
Taf. 51 d
Taf. 51 a–d Pseudoantiker, unfertiger Amazonomachie-Sarkophag, San Marino (CA), Inv. 12.9
Taf. 51 c
Pseudoantike Sarkophage
Taf. 51
Taf. 52 b
Taf. 52 a–c Kindersarkophag mit Amazonomachie-Relief, Los Angeles
Taf. 52 c
Taf. 52 Hans Rupprecht Goette
Taf. 53 b
Taf. 53 c
Taf. 53 a–d Pseudoantiker Riefelsarkophag mit Bildfeldern, Santa Barbara
Taf. 53 d
Pseudoantike Sarkophage
Taf. 53
Taf. 54 a Statuengruppe von San Ildefonso, Madrid, Prado
Taf. 54 b, 55 a–c u. 56 a–b Statuettenkopie des Fackelträgers der Ildefonso-Gruppe, Athen
Taf. 54 Hans Rupprecht Goette
Taf. 55 b
Taf. 55 c
Taf. 55
Taf. 55 a
Pseudoantike Sarkophage
Taf. 56 b
Hans Rupprecht Goette
Taf. 56 a
Taf. 56